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Full text of "Jahrbücher für classische Philologie. Supplementband"

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JAHRBÜCHER 


classische Philologie. 


Herausgegeben , 


Alfred Fleckeisen. 


& 


vVIERTER SUPPLEMENTBAND. 


Leipzig, 1861-1867. 


Druck und Verlag von B. G. Teubner. 


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"3 


Inhaltsverzeichnis. 


ı 

1. Die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Aeschylos n 

und Sophokles. (Mit einem Anhang.) Von Gustav Dronke  1—116 
9. Ueber das Wesen und die historische Bedeutung des Ostra- 

kismos in Athen. Von Karl Lugebil . . . . .o. e 117—175 
3. Die Philostratischen Gemälde gegen K. Friederichs ver- 

theidigt von Heinrich Brunn . 117—308 
4. Untersuchungen über die Geschichte der griechischen Fa- 

bel. Von Otto Keller . . . . . . 307—418 
5. Umrisse der Gliederung des griechischen Drama, Von 

Ferdinand Ascherson . . . . 419-400 
6. Ueber eine Sammlung unedierter Henkelinsehriften 4 aus 

dem südlichen Ruszland. Von Paul Becker . 451 — 502 
7. Zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. Von Karl Keil . 503—607 
8. Akrü-Palazzolo. Eine topographisch-archäologische Unter- 

suchung. (Mit einer Insehriftentafel) Von Julius Schubring 659—072 
9. Scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. edidit 

emendavit praefatus est JJermannus Hagen . . 673—101 





"(dm “u 4 eye unns, a 


“Ὁ 


Die religiósen und sittlichen 


Vorstellungen 


des 
Aeschylos und Sophokles. 


Von 


Gustav Dronke. 


Jahrh. f. class. Philol. Suppl, Bd. IV. Hft. 1. 1 


1. 


Die religiösen und sittlichen Vorstellungen des 
Aeschylos und Sophokles. 





K. F. Nägelsbachs *nachhomerische Theologie des griechischen Volks- 
glaubens bis auf Alexander? (Nürnberg 1857) ist das einzige Werk, welches 
' diese Seite des geistigen Lebens der Hellenen in übersichtlicher Darstel- 
lung zu umfassen sucht. Bei einem hloszen Blicke auf die Inhaltsangabe 
fällt aber sogleich auf, dasz der Plan, nach welchem der reiche Stoff ge- 
ordnet ist, im ganzen nichts anders als das Schema einer christlichen 
Dogmatik ist. Doch um ganz davon abzusehen, dasz dies Schema dem 
Stoffe, der sich ihm anpassen soll, fremdartig ist: schon der Umstand 


dasz ein einheitliches Schema den hellenischen Volksglauben, wie er von. 


Homer ab bis zu seinem Ersterben gestaltet war, in éinem Rahmen um- 
fassen soll, musz das gerechteste Bedenken erregen. Freilich leise Um- 
gestaltungen einzelner religiöser Vorstellungen, wie sie der Wechsel der 
Jahrhunderte, wie sie die Verschiedenheit der Individualitäten der Schrift- 
steller, auf deren Worte wir fuszen müssen, nothwendig bedingt, wür- 
den gegen die stetige Einheit des Volksglaubens ebensowenig etwas ein- 
wenden lassen als die geistigen Bestrebungen der Philosophenschulen, 
welche die Auflósung desselben anbahnten und fórderten. Und den letz- 
teren hat denn auch Nägelsbach ein besonderes Kapitel gewidmet. Aber 
hat nicht auf der Basis des nationalen Glaubens eine Fortentwicklung des 
religiósen Lebens stattgefunden, welche, wenn sie auch die Einheit der 
Grundanschauungen, des wesentlichen innern Kernes unangetastet be- 
wahrte, dennoch so viele Veränderungen hervorrief, dasz es als eine un- 
besonnene Handlung der Gewaltsamkeit erscheint, wenn man Vorstellun- 
. gen, die ganz verschiedenen Entwicklungsstufen angehóren, in éin Schema 
zwüngen wollte? 

Schon vor den Perserkriegen war das geistige Leben der Hellenen, ge- 
fördert durch politisches Fortschreiten, durch immer reichere Entwicklung 
der dichtenden und der bildenden Kunst und nicht am wenigsten durch den 
regen Verkehr mit den rasch aufblüheuden Colonien, zu einer Hóhe heran- 
gereift, die einen Widerspruch der gewonnenen Intelligenz mit dem über- 
lieferten Volksglauben bald hervortreten liesz. Und dieser Widerspruch 


1* 


4 G. Dronke: die religiösen und si 


muste sich um so fühlbarer machen, als 
Dichtungsgattungen, welche damals die ( 
lebens bildeten, des universellen Melos un. 
ihm berührt wurde. Denn beide hatten 
durch Scheidung des Bleibenden von dem 
einer höhern sittlichen Weltanschauung ur 
überlieferte epische Erzählung der Mythen 
von religiösen Ideen. So wurden die Vet 
güdie gleichsam zu Lehrern des Volkes 
reichen Früchte des stets weiter ringender 
und den Besitz seines Lebensquelles, des 
erhalten: — ein Ruf dessen sich vor alle 
(Sophokles, wie sich zeigen wird, eben: 
Weise) schon dadurch als wärdig erwieser 
wustsein erfaszten und zu ihrer Lebensau 
zelne, fürs gemeinsame berufen? — sagt ] 
tritt einer irrigen Meinung des Volksglaub 
“doch für mich heg' ich. gesondert von 
Beide mit mächtiger Geisteskraft, mit sel 
begabt, von tiefer, lauterer Frömmigkeit 
schlechtern angehörig, hielten sie streng. 
Die Motive des Mythos sorgfältig erwäger 
über den Sagen, welche jeder lauteru, sit 
ten, ablehnend oder geradezu verwerfen: 
Pindar selbst es hervorhebt (Ol. 135 M.), L 
die Götter und die Weltordnung war ili 
Verwerfen ihre Aufgahe. Sie wurden di. 
nationalen Glaubens, indem sie ihn in | 
drange vertieflen. Sie wiesen in den Gescl 
, wie in den Begebenheiten der Gegeuwar 
Götter nach, in denen sie die Träger eine 
kannten. Die Sage, in der das Volk einst 
tum niedergelegt und die nun bereits dr 
reiches Gewand die Sinne zu bestechen, wt 
der höchsten sittlichen Probleme erhober 
den geistig weit vorgeschrittenen ein heh 
Und dieser Vorzug des hellenischen ( 
nalen Glaubens einen Fortschritt zu reine 
einen solchen Lessing hei dem Judentur 
selbst vermittelt zu haben, ist bis jetzt 
Weise beleuchtet worden. G. Bernhard 
Litteratur und F. G. Welckers griechische 
die einzigen Werke, welche Rücksicht a 
doch uatürlich, ihrem Zwecke gemász, nun 
sie selbst in den neuesten Werken, deren 
laugte, gar nicht beachtet, wenigstens ui. 
scher Culturgeschichte, noch in dem genani 














beiden 
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loch ver- 
. griechi- 
s. Daraus 


e 


des Aeschylos und Sophokles. 5 


sind die schiefsten Beurteilungen jener Dichter bei den genannten und in 
vielen der sie behandelnden Einzelschriften hervorgegangen. So ward 
der tief fromme Pindaros, den Platon vorzugsweise, wie Welcker das Wort 
übersetzt, “einen geistlichen Mann? nannte Ἶ), mit dem rationalistischen 
Feinde des Volksglauhens seiner Zeit, dem Gründer der eleatischen Philo- 
sophenschule Xenophanes, auf gleiche Linie gestellt.*) Nicht ohne In- 
teresse möchte es daher sein, jene Entwicklung in ihren Hauptvertreteru 
Pindaros, Aeschylos, Sophokles — vielleicht auch Platon, mit Rücksicht 
darauf dasz sich bei ihm neben der philosophischen Speculation noch 
einzelne ethische Gesichtspunkte der nationalen Religion in gliubigem 
Sinn erhalten und weiter entwickelt finden — in zusammenhängender 
Folge darzustellen, während die Geschichtsbücher des Herodotos mit ge- 
legentlicher Benutzung anderer Schriftsteller den Stoff dazu darböten, 
durch ein Bild des allgemeinen hellenischen Volksglaubens im fünften 
Jahrhundert die Folie zur vollen Würdigung jener “geistlichen? Mänuer 
zu bieten. | | 

Als ein Versuch in der angegebenen Richtung möge die nachfolgende 
Darstellung der religiösen und ethischen Vorstellungen des Aeschylos und 
die sich daran schlieszende Darstellung Sophokleischer Anschauungsweise 
gelten, die also ebensowol es sich zur Aufgabe machen musz, durch sorg- 
fältige unbefangene Forschung eine richtige Einsicht in den ganzen Kreis 
jener Vorstellungen zu vermitteln, als es anderseits ihre Pflicht ist, durch 
stete Anknüpfung an das Gewebe des Volksglaubens die Verdienste klar 
ins Licht zu setzen, welche sich diese Tragiker durch Läuterung desselben 
erworben haben. 


Ehe wir zu Aeschylos selbst übergehen, sind einige Andeutungen 
über seine Persönlichkeit und Stellung im allgemeinen unerläszlich ; doch 
nur das nothwendigste werde gedrängt hier erwähnt. Von Geburt ein 
Eupatride half er selbst in den Kämpfen von Marathon und Salaınis die 
ruhmvolle Blütezeit seiner Heimat Athen begründen. Das gewaltige Man- 
nesgefühl des Freiheitskämpfers, wie es sich in dem Lobe seiner Vater- 
stadt Perser 344?) ausspricht : “lebt ihre Männerschar noch, schirmt sie 
sichrer Wall? — macht sich in gleichem Masze in seiner ganzen gei- 
stigen Thätigkeit geltend. Ausgestattet mit allen Vorzügen dichterischer 
Begabung, vorzugsweise mit einer glühenden Phantasie und einem auszer- 
ordentlichen Gestaltungstalente, haftete er, der sein Leben für die Be- 


freiung der Heimat, der heimischen Góttertempel und der Gräber der 


Vorfahren (Perser 395 ff.) eingesetzt hatte, auch streng an der Basis der 
nationalen Geistesentwicklung. Aber von hier aus schuf er in ernstem sitt- 
lichem Ringen und mit mächtiger Geistesgewalt eine in der Fonn und in 


1) Menon 81" Πίνδαρος καὶ ἄλλοι πολλοὶ τῶν ποιητῶν ὅσοι Oto 
εἶσιν. Welcker gr. Götterlehre II 85. 2) S. Nügelsbach a, O. S. 41 
u. 428, 3) Die Verszahlen sind die der Herinannschen Ausgabe. Die 
Uebersetzung ist meist von Droysen, zum Agamemuon zuweilen von 


W. von Humboldt eutlielien, iffi. 








6 6. Dronke: die religiösen u. sittlichen Vorstellt 


der Tiefe der Ideen neue Geisteswelt: die Tragà 
ist seine Schöpfung. Der männliche Ernst des A 
bei um so mehr in seiner ganzen sittlichen Kraft, 
tungen nirgends den Spuren eines in Ueberschwär 
Geistes begegnen ; im Gegenteil, die allerstrengs 
ner seiner Nachfolger kannte, wurde von ihm 
durchgeführt. Groszartigkeit und Erhabenheit ] 
Charakter seiner Werke. 
Hiermit sind bereits die Momente gegeber 
, Aeschylos im Vergleich zu seinem um fünf Jahı 
Pindaros der geistig weiter vorgeschrittene ist 
seiner mildern, ruhigern Gefühlsweise ein doriscl 
der von dem Geistesschwunge der Befreiungskri 
berührt wurde, steht in Aeschylos der Athener 
der Tragiker und zwar der Begründer der trag 
Wie tief durchgreifend aber die Folgen dieses G 
sich auf dem Gebiete welches beiden gemeinsam 
und sittlichen Vorstellungen. 


u. Soph. 


8 Kuzası 
ἢ hiemr- 
n Di«- h— 
ndezsem 
ue kei- 


se «lem 


|, wie 
DOSS em 
der am 
ragt, 
Ferne 
mpfer. 
nüber - 
, zeigt 
IgIO sem 


I. . 
Die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Aeschylos. 


1. 


Stets haben Mythos und Poesie dem Zeus eine hervorragende Stel- 
lung in der Götterwelt gegeben: er ist der Göttervater. Der erste, welcher 
die unbestimmten Grenzen dieser besondern Machtstellung schärfer auf- 
zufassen suchte, war Pindaros. Bei ihm findet sich die Neigung ausge- 
sprochen, in Zeus nicht etwa den ersten und mächtigsten der Götter nur 
in dem Sinne zu erkennen, als ob ihm unter sonst gleichgestellten Mit- 
göttern der erste Platz gebühre, sondern in der gewichtigern Auffassung, 
dasz er im Gegensatz zu den übrigen Göltern die Quelle aller Macht und 
Weisheit sei, die übrigen aber, was sie seien, eben nur durch ihn seien. 
Durchgeführt jedoch — nun aber auch mit der beharrlichsten Consequenz 
durchgeführt — finden wir dieses Princip bei Aeschylos. Eine Menge 
von Beiwörteru, die dem Zeus ausschlieszlich unter den Göttern gegeben 
werden. stellen ihn als den einzigen, aller Machtfülle teilhaftigen, unbe- 
schränkten Gott hin. Zunächst die welche ein Vollbringen, in Er- 
füllung gehen lassen bezeichnen (xgalvo, ἐπικραίνω. τέλειος). 
Der Chor im Agamemnon (353 ff.) singt von den Troern: “wie Zeus straft, 
können jetzt sie künden; — wie er's verhängt’, ergieng es ihnen.” 
Und Klytàmnestra fleht (Ag. 940): *Vollender Zeus, Erfüllung gib 
du meinem Fluch. Ja an einer Stelle genügt dem Dichter der blosze 
Ausdruck: “er der alles vollbringt? (0 πάντα κραίνων Eum. 751), 
ohne Hinzufügung eines Namens den éinen Gott zu bezeichnen. ). — 
Sodann kommen die Beiwörter, welche den unbeschränkten Besitz einer 
Eigenschaft bezeichnen, nur dem Zeus zu; er heiszt der Allmächtige, 


' der Allbeherscher, der Allvollbringer, der Allschauer (ὁ παγκρατῆς» 


παντάρχας, παντελής, πανεργέτης. παναίτιος, παντόπτας . vgl. Eum. 
906. 1025. Ag. 1454. Sieben 110. Hik. 121). — Nicht minder wird die 
Stellung des Zeus auch durch folgende eigentümliche Wendung hervor- 
gehoben: *der Maun von Argos ist Argiver wieder, wohnt in seines 
Vaters Habe wieder, Pallas gab's und Phoebos und zuüdritt der 


4) Nur eine Eigentümlichkeit der griechischen Sprache ist es, 
wenn Hera als Ehestifterin auch zweimal das Beiwort τελεία erhält, 
Eum. 213 und Fr. inc. 340. 





8 G.Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellung 


allvollendende Erretter? (Eum. 739). ὋὋ « 
lischen, deren die Stadt und das Land und die q 
und ihr schwerstrafenden drunten im Hades, — .: 
nun du, erhaltender Zeus? (Hik. 23). *Nun mög« 
mir Gerechtigkeit beistehn und Zeus zum dri 
grószeste? (Cho. 241). Mit Nachdruck wird durch d 
kannt, dasz das Vollbringen nur dem Zeus zukomm 
auch der Chor der Schutzflehenden (508) sein Gebet 
feierlich erhabenen Formel ein: *du Herr der Herrn, 
den Seligen, aller Gewalt gewaltigster, Zeus in den 
Noch eine andere auffallende Erscheinung gieng a 
Auffassung von Zeus Stellung hervor. Es werden fre 
auch noch andere Götter von den bedrängten Menschen 
eine besondere Veranlassung darauf hinwies; wie wei 
Jungfrauenchor des von dem Feinde bestürmten Theben 
gótter der Stadt um Hülfe wendet. Aber lag eine solc 
Beziehung des Menschen zu einem der anderen Himn 
so war es auch nur Zeus, bei dem das zitternde He 
Hülfe suchte, dem der glücklich gerettete seinen Da 
wird Zeus in den Schutzflehenden siebenmal, in den G 
neunmal angerufen, während von den übrigen Olympiei 
keiner°), in diesem nur einmal Apollon angerufen wi 
zwar vou Orestes, als ihm wegen des auf Apollons Bi 
Muttermordes die Erinyen nahen. — Es ist ein Spruch « 
in welchem das innere Wesen dieser Stellung des Zeus 
erscheint (Hik. 579 ff.): * niemands Befehl sich fügen! 
leiht dem Schwachen Sieg er über den Starken, v 
schaft über ihn. Da steht mit seinem Wort das We 
im Geist still ihm keimt, vollbracht ist's.” In welchem 
die übrigen Götter unter Zeus sich denke, deutet dei 
an wenigen Stellen an, allein diese genügen mit dei 
selbst gesagten zusammengehalten, um seine Ansch. 
Verhältnis genau erkennen zu lassen. Da Apollon : 
achtung zu den Erinyen sagt, er wolle ihr Ehrenamt 
den diese die Aeuszerung bei der hehren Stellung des « 
natürlich, wissen aber kein höheres Lob seiner Ehre, a 
am Throne des Zeus sei (Eum. 228). Und Apollon sag! 
Wahrsagergabe (Eum. 606): “niemals geweissagt hab’ i 
thron, für Mann dnd Weib, für Stadt und Volk verl 
was Zeus, der Vater im Olympos, nicht befahl.” Desh: 
ter Pallas das von Apollon erteilte Orakel gerader: 
von Zeus (786). Also der Góttervater selbst ist alle 


5) Doch musz bemerkt werden, dass bei diese 
Vocativform ausgegangen wurde. Hik. 200 ff. wen 
auch einmal an die Götter, an deren Altären er si 
dafür wird aber auch Zeus noch vielmal im Accus: 
u. dgl.) angerufen. 


G. Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Aeschylos. 9 


Sinne des Wortes, besitzt in und aus sich selbst die Fülle aller Macht 
und Vollkommenheit: was die anderen Gölter sind und haben, sind und 
haben sie in und durch Zeus. Wol beachte man'es, Apollon hat nicht 
die Sehergabe ein für allemal vom Vater erhalten; jeder einzelne Spruch 
seines Mundes ist eine unmittelbare Offenbarung des Zeus selbst. Der 
Zug zum Monotheismus hin ist gewis unverkennbar. Nur hüte man sich 
zu viel hineinlegen zu wollen. Aeschylos war durch und durch ein kern- 
gesunder Hellene, und nimmer erschienen ihm die übrigen Gótter etwa 
als blosze Phantome. — Ihren Abschlusz findet diese Vorstellung erst 1n 
der Anschauung, welche Aeschylos von dem Verhältnisse des obersten 
Gottes zum Schicksal, der Moira, und zur Gerechtigkeit, der Dike, hatte. 


2. 


Homer erzählt uns in der lias (8 68 ff.) folgendes — es war eben 
der Kampf zwischen den Achäern und Troern in offener Feldschlacht neu 
entbrannt — : 

.*Doch als Helios nun an dem Mittagshimmel einhergieng, 

Siehe, hervor nun streckte die goldene Wage der Vater, 

Legte hinein zwei Loose des lang hinbettenden Todes, 

Trojas reisigem Volk und den erzumschienten Achüern, 

Faszte die Mitt’ und wog: da sank der Achüer Verhängnis, 

Dasz der Achüer Gewicht zur nahrungaprossenden Erde 

Niedersank, und der Troer zum weiten Himmel emporstieg. 

Jetzt vom Ida herab laut donnert’ er, und sein entbrannter 

Stral durehzuckte das Heer der Danaer? usw. 
Dasselbe Bild der Wage finden wir von Aeschylos auf Zeus angewandt 
in einem Chor der Schutzflehenden (790 ff.): *dein ist der Wage Züng- 
lein; was kónnte der Mensch, wenn du, Zeus, nicht es erfüllst, 
erfüllen?? Dasselbe Bild, und doch welch verschiedene Vorstellung! Um 
den ihm noch unbekanuten Willen der Moira zu erkunden, nimmt der 
Homerische Gott die Wage zur Hand; und nun, da er den Willen des 
Schicksals erforscht hat, schleudert er dem Achäerheer den Verderben 
kündenden Blitz zu: auch er, der Vater der Gótter und Menschen, steht 
unter der Macht des Schicksals, musz seinen Liebling Sarpedon, später 
im Kampfe fallen lassen, weil es die Moira also verhängt. Der directeste 
Gegensatz in dem Aeschyleischen Zeus: ganz in seiner Hand ruht der 
Wagebalken, d. h. er bestimmt, was die Wage den Sterblichen zuwiegt; 
er ist der Walter des Schicksals. Man höre andere Stellen des Dichters : 
‘Zeus —, der nach altehrwürdigem Gesetze die Weltordnung leitet? 
(Hik. 647, αἶσαν). “Wie vom Schicksal es verhängt ist, so geschieht 
es: unumgehbar ist des Zeus ewiger, nie wankender Rathschlusz? 
(ebd. 1019 f.). *Ihr gewaltigen Moiren, mit Zeus Beistand werd' so 
es vollbracht, wie das Recht mitwandelnd den Pfad zeigt!? (Cho. 
303). Mit einfachen, bestimmten Worten gesagt: Zeus ist nach der An- 
schauung des Aeschvlos der Allwalter; in seinem Geiste reifen die Ge- 
schicke der Welt, und seine Hand führt aus was er beschlossen. Alle 
die Bezeichnungen, von welehen wir oben beinerkten dasz sie ihm allein 
im Gegensatz ‚zu den andern Göltern beigelegt werden, deuteten schon 


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, 
Ἢ 


-ὦ ὦ 
agunt nodum MR 


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10 G. Dronke: die religiösen und sittlichen Vors! 


auf diese Stellung hin; und wenn Moira öfters a 
schildert wird, so geschieht dies eben deshalb, wi 
von Zeus Macht ist (Eum. 356. Cho. 898f.). Ina 
der Dichter daher das Walten des einen Zeus: : 
hängtem Schmerz’, *zeusverliehenem Scepter? ( 
Wenn der durch Sturm verschlagene Menelaos no 
schaut, so dankt er es, sagt der Bote, der Hül 
Von ihm, kündet der Chor der Sieben gegen TI 
Ausgang des Kampfes ab. Ihm werden alle Wendi 
jas zugeschrieben: er leitet Helena als eine Erir 
wiederum die Atriden als Rächer dahin, und durc 
gekommen, die alte Stadt (Ag. 790. 60. 347), so 
des fluchbeladenen Atridenhauses sich seine Rat 
1449 ff.): “fürchterlich rühmst du des Hauses mäc 
Dämon, ach, traurigen Ruhm des grausen, un 
ach weh, ach Zeus, durch deinen Rath, 
schafft ; denn was geschäh den Menschen ohr 

Alle die Eigenschaften, welche sich dem D 
des Zeus als des Verhängers der Weltgeschicke er 
ist wol nicht nóthig. Nur an zwei schon früher 
ilırer Wichtigkeit wegen erinnert: dasz der vor 
zu kühner That schreitende Sterbliche sich im Gel 
Ausgang fast ausschlieszlich an Zeus, den Allvo 
dasz die Orakelsprüche, welche Apollon den Men: 
herrühren, in dessen Brust der Sterblichen Schi 
den; wie die um die Zukunft besorgten Töchter d. 
rufen (Hik. 1029 f.): “wie erschaut' auch ich des Ze: 
unergründbar!' Hier mag auch der Sitte des Di 
einfach mit dem Worte “Gott? auf den Weltle: 
wird hier natürlich nicht an Stellen denken dürf 
ϑεός auf eine kurz zuvor erwähnte Gottheit hing: 
Ag. 126 auf Artemis oder Sieben 670 auf die Eı 
weniger, als an solchen Stellen nicht von dem s 
die Rede ist. Sondern es kommen hier nur sol 
wie folgende: “zu gutem Ende führen wird es ( 
Gott die Entscheidung?’ “Gott möge dies ' 
diesem Tag ist uns der Gott gewogen’; *den 
her (ϑεόϑεν) uns seit Alters verhängt? (Sieben 
ser 103). 

Aber ein gewichtiges Zeugnis für den Moi 
(vgl. Nägelsbach a. O. S. 138) in diesen Stelleı 
schon deshalb ‚unzulässig, weil man sonst — dei 
ist allgemein gebräuchlich — gar manchen der I 
geprägten Monotheisten erklären müste, wáhrenc 
über solch göttliche Dinge nachgedacht. Was j 
licher gegen die Beweiskraft solcher Redeweisen 
derartiger Gebrauch des Aeschylos. Denn man 


'hbylos. 


le ge- 
druck 
kenne 
sver— 
616)". 


inne 
655) - 
| dem 
Tro— 
ühre 
Zeit 
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G. Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Aeschylos. 11 


wendigerweise als mit sich selbst im Widerspruch befindlich erklären, 
wenn er auch *die Götter? als die Verhänger der Geschicke erwähnt; wie 
wenn die Vollendung der That abhängig gemacht wird von dem Willen 
der Götter (ϑεῶν ϑελόντων statt des gebräuchlichen Διὸς ϑέλοντος, 
vgl. Sieben 543), oder wenn von den durch die Gótter verhängten Ge- 
schicken die Rede ist (τεταγμένα μοῖρα — ἐκ ϑεῶν Ag. 986). Aber dasz 
es sich auch hier nur um einen rein äuszerlichen Sprachgebrauch ohne 
alle innere Bedeutung handelt, beweisen auf das bestimmteste Stellen 
wie der Schlusz der Schutzflehenden. Dort empfängt die eine Chorhälfte 
auf ihren bangen Ausruf, sie vermóge nicht zu erforschen, was Zeus 
ihr verhängen werde, von der andern den Rath, was immer die Götter 
sendeten (τὰ ϑεῶν) mit Ergebenheit zu tragen; worauf jene wieder in 
den Wunsch ausbricht, der Herscher Zeus móge sie vor der Ehe 
mit den verhaszten Männern bewahren (Hik. 1029 ff.). Und in derselben 
Weise wird Ag. 169 das als eine Gunst der Götter bezeichnet (δαιμόνων 
χάρις), was unmittelbar vorher mit gröster Bestimmtheit als Rathschlusz 
und Werk des Zeus erschien. 

Doch weiter. Wie Moira keine selbständige Macht, sondern ein 
Ausflusz des allwaltenden Zeus ist, so auch Dike, die Gerechtigkeit, das 
Recht. — Der Bote, der die Nachricht von der Heimkehr des siegreichen 
Agamemnon bringt, spricht dem Chor die zuversichtliche Hoffnung aus, 
sie würden ihren Fürsten festlich begrüszen, wie es dem gebühre *der 
Troja zerstörte mit des rechtspendenden Zeus Grabscheit (Ag. 503). 
Und nach dem Morde des Atriden findet der Chor einen Trost in dem 
Ausspruche: *so lange Zeus währt, wird währen auch das Recht, dasz, 
wer erschlug, fällt; denn so ist's Satzung? (ebd. 1530 fl... Vorzugs- 
weise wird aber von Aeschylos in Zeus der Begründer und Erhalter der 
sittlichen Ordnung der menschlichen Gesellschaft verehrt, wie sich dies 
namentlich in einer Reihe von Beiwörtern ausspricht. Er heiszt der 
Schützer des Gastrechts, Ag. 347 “den erhabenen Zeus ehr’ ich, 
den Gasthort, der dies jetzt that’, nemlich Troja zerstörte; — der 
Schützer der Schutzflehenden, Hik. 370 ‘dem bleibet Zeus des 
Flüchtlingshortes Zorn, der den Angstschrei nicht erhört des ar- 
men’; — der Rächer, Perser 829 “denn Zeus, ein Rächer allzukühn 
aufstrebenden Hochmutes herscht er, fordert strenge Rechenschaft’ ; 
— der Schirmer des Hausherdes, ὁ &uv&orsog, Ag. 679; denn er 
hat, wie Apollon Eum. 212 ff. rühmt, den Ehebund geheiligt und so den 
Grundstein der menschlichen Gesellschaft gelegt; und deshalb heiszt er 
wiederum Hik. 192 γεννήτωρ, der Schützer des Geschlechts- 
verbandes; — und ebd. 345 xAagıog, der Verteiler der Grund- 
stücke, also der Begründer des Eigentumsrechts; — oder der 
Schützer des Besitzes, κτήσιος ebd. 427; — als Begründer und 
Schützer des politischen Gesellschaftsverbandes wird er gerühmt unter 
dem Namen ἀγοραῖος Eum. 958, der Leiter der Volksberathung, 
der überredende, und in Redensarten, wie wenn von zeusverliehe- 
nem Scepter Eum. 616 gesprochen wird. Recht bezeichnend ist auch 
die Weise, wie der Chor der Grabesspenderinnen seine Bitte um Er- 


i. Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Aeschylos. 


ng an Zeus begründet (775): “ich sprach ja dem Recht gemäsz jedes 

1.’ 

Auch nennt der Dichter Dike “des Zeus jungfräuliche Tochter? 
len C43 u. Cho. 937); ein Bild der Blutsverwandtschaft, durch wel- 
s die Gerechtigkeit eben als ein Ausflusz des göttlichen Wesens des 
is bezeichnet wird. Und es ist nur Zeus selbst, der unter dem Nainen 
r Bike Ag. 741 ff. in ganz ähnlicher Weise gefeiert wird wie in der 

gleich anzuführenden Stelle der Hiketiden unter seinem eignen: “doch 


kes Glanz stralet auch von der ruszschwarzen Wand, ehrt ge- 

iden Wandels Lebenspfad. Doch abgewandten Auges meidet sie 

as Ilaus, wo Frevel klebt am reichen Goldschmuck, sucht den 

'rummen, ehret nicht die Macht in Lob fälschlich gefei’rten Reich- 
uns; jedem das seine bringt sie.’ 
3. 


Um das was wir bisher über die Hoheit und Vollkommenheit des 
Zeus aus Aeschylos vernommen haben in einem Bilde zusammenzufassen, 
mözen einige Stellen des Dichters selbst dienen. So Hik. 75 “Kampfes 
ermüdeten auch wird ein Altar, auch den Entflohnen der Schlacht 
Schirm in heilger Gottesscheu , ganz wie Zeus es geordnet in Wahr- 
heit. Der Gedanke des Zeus, schwer ist der zu crkennen. Rings 
ja tlammet er hell, hüllt auch er und Zufall ihn in Nacht dem 
Geschlecht der Menschen. Vorstürzt siegend und nicht in den Staub), 
ist es im Haupte des. Zeus reif, das erfüllte Geschehen. Denn 
hinzieht sich versteckt . seines Wollens Pfad und schattendicht, 
zu erschaun unmöglich. Hinabstürzt hoch von hochgetürmten Hof- 
nungen er Menschenwahn; Gewalt widerrüstet niemand, allun- 
bewehrt gegen die hoch droben thronenden. Ein Gedanke scher 

dort von den lautren Thronen her läszt ihn zu Schanden werden. 
Dann die Strophe Cho. 629, in welcher hervorgehoben wird, dasz de 
Frevler in dem Rechte eben den Zeus verletzt: “das auf die Brust σι 
zückte Schwert, hinein bohrt's tief bitterscharfen Mord unter Dik 
lland; denn Rechtes Schändung nieder in Staub zu treten, ist Zr 
ganze Zier, wenn seine Hoheit ein Mensch verletzte.” Doch das 
habenste Wort wol, welches über Zeus aus dem gesamten Alter 
erhalten ist, ist die Strophe Ag. 149, in welcher der Dichter *kindl 
Schauer treu in der Brust? die gänzliche Ohnmacht des Sterhlichen ? 
kennt, das göttliche Wesen des Zeus zu begreifen: “Zeus, wer i' 


auch er móge sein, wenn ihn dieser Ruf erfreut, red' ic 
jetzt ihn an. Ihm vergleichen kann ich nichts, wenn ic 
auch erwàg', auszer ihu selbst, wenn des Denkens vergeblic 


len ich in Wahrheit bannen will? Daran wird dann 161 ? 
knüpft: *doch wer, heiliggesinnt, dem Kroniden Triumph jauc 


pllücket ganz des Geistes Frucht ; ihm, der lenkt zur We 
dasz aus Leiden Lehre Ilieszt, so es fügend festbesti; 
Denn auch schlafumquollner Busen fühlt schuldbewust 


v 


G. Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Aeschylos. 13 


angst; es kommt wider Willen Weisheit auch. Huld der Gótter 
ist dies, die gewaltig thronen hoch am Rudersitz.? 

Der aus den Grabesspenderinnen angeführte Gedanke, der Frevel 
sei eine Verletzung des Zeus, mahnt aber darauf aufmerksam zu machen, 
dasz Aeschylos auch diese, freilich schon vor ilim vorhandene Vorstel- 
lung zuerst mit lebendigem Bewustsein erfaszte und zu dem bestimmen 
den Gesichtspunkte machte, aus dem alle seine sittlichen Anschauungen 
ihre Begründung und ihren ehrfurchtgebietenden Glanz erhielten. Das 
Gute war ihm ein Ausflusz des Zeus, das Göltliche gleichbedeutend mit 
dem ewig Lautern. Gnädig nehmen die Götter an ihren Altären Opfer 
von denen entgegen, die mit reiner Hand erscheinen, die des Zeus Schutz- 
flehende ehren; doch wer sich mit Schuld betleckt, kein Gott hört auf 
ihn, wenn er seinen Hülfe verlangenden Ruf zum Olympos sendet (Hik. 
349. 630. Ag. 379). 

Doch liegen solche Vorstellungsweisen dem alten hellenischen Glau- 
ben nicht fern. Worin sich aber die volle Macht des festgegründeten 
Bewustseins ausspricht , ist eine kleine sprachliche Erscheinung: Aeschy- 
los läszt die Wörter, welche die Begriffe “rechtlich, gut? oder *wider- 
rechtlich, böse? bezeichnen und die Ausdrücke für *gottgefillig, fromm? 
oder *gottverhaszt, unfromm" sich gegenseitig vertreten, als ob sie ganz 
dasselbe bezeichneten. Nur éin Beispiel. Hik. 388 heiszi es, Zeus lasse 
dem Bösen auch Böses, dem Guten auch Gutes angedeihen. Dabei ent- 
spricht dem &dıxa, dem *widerrechtlichen? nicht etwa ein δέκαια *ge- 
rechtes’, sondern ὅσια “das was den Göttern lieb ist’. So drückt das 
von Aeschylos geschaffene Wort ϑεοβλαβεῖν Perser 833 nichts weiter 
aus als *freveln?. Wenn aber die Schicksalsmacht, Moira oder Aisa, ein- 
geschlossen ist in das Wesen des ewig gerechten Zeus, so liegt schon 
hierin ein Fingerzeig darauf, dasz Gerechtigkeit und Gesetzmászigkeit 
das Gepräge des Schicksals sind. Mehfmals hebt dies der Dichter recht 
nachdrücklich hervor. So Hik. 647 *(Zeus), der das Geschick (alo«v) 
nach uraltem Gesetz lenkt.” So singt der Chor Ag. 1502: *zu 
andrer Unheilthat nun wetzt das Schwert des Rechts das 
Schicksal (μοῖρα) neu an andrem Wetzstein) Und ganz ähnlich 
lauten die Worte des Chors Cho. 634: “auf festem Grunde steht das 
Recht: . das Richtschwert wetzt Aisa schon die Schwertfegerin.? 
Verständlich sind diese Stellen nur, wenn man unter Aisa und Moira 
die sittliche Weltordnung versteht. Diese wird von Zeus nach den ur- 
alten von ihm selbst gegebenen Satzungen gelenkt; diese verhängt dem, 
welcher blutigen Mord vollbrachte, zur Strafe blutigen Untergang. Ein 
schlagenderes Beispiel von dieser Auffassung der Moira bei Aeschylos 
läszt sich aber gar nicht wünschen, als das Beiwort μόρσεμος *vom 
Schicksal gegeben, verhängt” Eum. 216 bietet. Dort sagt Apollon: 
‘der Ehebund des Mannes und des Weibes sei μόρσιμος , d. h. sei ein 
Glied der sittlichen Weltordnung und stehe unter deren Schutze. — 
Doch der Gang der Untersuchung wird tins nochmals zur Moira zurück- 
führen. 


14 G.Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellu 


: 4. 

Umgehen dürfen wir jedoch nicht ein paar Ve 
unverkennbar pantheistische Auffassung des Zeus zi 
welche das gerechteste Bedenken erwecken könnte. | 
das ohne Angabe der Tragödie aus der es stammt auf 
379: "Zeus ist der Aether, Zeus die Erde, der Himmel 
das All der Welten und was drüber ist? (Zeug τοι τὰ 
ὑπέρτερον). Nägelsbach freilich (a. O. S. 138) glaubt 
ersten anderthalb Versen hervorgehenden Bedenken 
worte gänzlich aufgehoben würden. Aber wären d 
diesen Schlusz uns überkommen: einem vereinzelte 
die Einmütigkeit von mehr als hundert in ihrem Zus: 
nen Stellen, in denen mit der Sprache der innigste: 
persónlicher Zeus gepriesen wird, irgend eine Bewe 
wollen, wäre an sich schon gänzlich unzulässig ; 
die Bürgschaft finden zu wollen, dasz Aeschylos eine 
der Anschauung seiner Zeit gänzlich widerspricht! 'F 
und somit musz man einräumen dasz die Worte im 
sammenhang vielleicht eine andere Deutung verlangtı 
auch noch nicht einmal die Worte des Textes fest. Ir 
des Eusebios (χωρεῖ für χῶτι, praep. ev. XIII 681° ' 
Vers einen ganz andern Sinn: *ja, Zeus geht über al 
gar.” — Kurz für uns ist das Fragment bedeutungslo: 

Weit begründeter und durchgreifehder scheiut d: 
zu sein, dasz das bisher gesagte mit der Auffassung 
gödie, des gefesseltenPrometheus, in Widerspri 
jetzt nur den wichtigsten Punkt hervorzuheben, der Z 
ist nicht Herr des weltordnenden Geschicks; wie es 
ausgesprochen wird: Chor: “wer lenkt des Schick 
seiner Hand?’ Prom.: “die Moiren und die all, 
Chor: “und Zeus ist selbst ohnmächtig gegen ihre 
‘dem verhängten Loose kann er nimmermehr entflie 
der Zukunft durchaus unkundig: es droht ihm eine E 
einen ihn selbst überwindenden Sohn erzeugen soll; 
sei, welches er zu meiden habe, dies vermag sein 
gründen (757 ff). 

Und wie nun solchen tief einschneidenden V 
Freilich handelt es sich auch hier eigentlich um die I 
mentes, da das Schluszstück der Trilogie, von wel 
Prometheus die Mitte einnahm, und somit die von « 
geführte Lösung des Problems uns uicht erhalten i: 
mit Recht darauf hingewiesen werden, dasz ein Ver: 
logisch -mythischen Frage bis iu die kleinsten Einze 
den Zweck dieser Blätter bedingt ist. Es musz hier ı 
den einzigen in dem heiszen Prometheischen Streite dı 
aufgestellten Satz, welcher seiner Auszern Wahrsche 
dem Ansehen seines Urhebers gemäsz geeignet wär 





veschvlos. 


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G. Dronke: die religiósen und sittlichen Vorstellungen des Aeschylos. 15 


wickelte zu erschüttern, als unbereclrtigt zurückzuweisen; anderseits aber 
zu zeigen, wie die in den Hauptmomenten eudlich von Welcker gesicherte 
Feststellung der Aeschyleischen Auffassung von dem Prometheusmythos 
im vollsten Einklange mit dem Charakter der ganzen Anschauungsweise 
des Tragikers stehe. Zuerst also der Einwurf. G. Hermann (diss. de Pro- 
metheo Aeschyleo, Leipzig 1845) stellte nemlich die Behauptung auf, dasz 
das Wort Zeus bei dem Tragiker zwei ganz verschiedene Wesen be- 
zeichne, bald einen aus den Góttern, den welcher als der hóchste und 
mächtigste galt; bald. allgemein das göttliche Wesen, die Gottheit, wie 
namentlich in den Chorgesängen der Schutzflehenden und des Agamem- 
non, die der Dichter, den Christen gleich, mit der grósten Ehrerbietung 
als das reinste, vollendetste Wesen verehre. Mit anderen Worten, wir 
hätten zu unterscheiden zwischen dem historischen Zeus der Sage und 
einem personificierten Abstraclum, dem auf pliilosophischem Wege er- 
kaunten und construierten göttlichen Wesen. Und so wäre der Wider- 
spruch, in welchem sich die Auffassung im Prometheus zu der in den 
übrigen erhaltenen Dramen befindet, dahin zu deuten, dasz in jenem dä- 


.monischen Drama der Göttervater erscheine, wie ihn die Sage geschildert, 


während in den anderen die geistig erschaute reine Gottheit mit dein 
Namen des ersten der Götter bezeichnet werde. Eine Lösung die sicher- 
lich den Widerspruch erklärte — wenn sie eben gegründel wäre. 
Schon der Charakter des Aeschylos im allgemeinen möchte ciue 
solche Deutung sehr zweifelhaft machen. Aber der schlagendste Gegen- 
beweis liegt in der Thatsache, dasz der Tragiker selbst ausdrücklich 
darauf hinweist, dasz der erhabene Zeus, wie er ihn uns in den Schutz- 
flehenden und im Agamemnon schildert, gar kein anderer als der histo- 
rische, als der durch die Sagentradition überlieferte nationale hóchste 
Gott sein sollte. Ihr flehentliches Gebet um Schutz und Hülfe leiten die 
Danaiden (508 — 511) in jener hehrsten Form ein: “du Herr der llerrn, 
seligster du der Seligen, aller Gewalt gewaltigster, Zeus in den 
Himmeln droben, hör’ uns, erhór' uns gnädig.” Und in diesem als 
das reinste, vollendetste göttliche Wesen gepriesenen Zeus erkennt der 
Chor sogleich darauf den in der Sage erscheinenden Gemahl der Hera 
mit der Bitte, er möge den Ruhm ihres Geschlechtes erneuen, da sie ja 
von ihm und Io herstammten (515 — 518); er fleht (519): *gedenke unsrer 
stets, du Berührer los. Dieselben Gedanken werden in unmittelbarer 
Folge von dem Chor (570—583) verknüpft: niemand anders habe die von 
Hera der Io gesendeten Leiden heilen können als Zeus; ihn) spende er 
(der Chor) daher mit Fug und Recht Dank, ihm, dem Sämann seines Ge- 
schlechtes, der auf niemandes Befehl eile, der mit dem Fassen des Ge- 
dankens ihn auch schon ins Werk gesetzt — in einer gróstenteils schon 
oben wörtlich angeführten Stelle. Vollständig finde dafür die teilweise 
schon angezogene Stelle Ag. 149 ff. Platz wegen ihrer ganz besondern 
Beweiskraft; denn wenn man vielleicht gegen die bisher vorgebrachter 
Stellen einwenden möchte, der Charakter des Danaidenmythos erlaube 
kein strenges Auseinanderhalten der beiden verschiedenen Zeusvorstel- 
lungen, so spricht der Dichter hier ganz unverkennbar seine eigne Ueber- 





16 G.Dronke: die religiósen und sittlichen Voi 


zeugung durch den Mund des Chores aus. Soda 
selbst a. O0. an, dasz hier zunächst von dcm ı 
sei, und wiederum in seinem Commentar, dasz « 
zu interpretieren seien, dasz sie der beiden vor : 
regimenter gedenken und Zeus selbst als den Ue 
hronos feiern. Die Verse lauten: *Zeus, wer i 

wenn ihn dieser Ruf erfreut, red’ icl 
Ihm vergleichen kann ich nichts, wenn ic 
auszer ihn selbst, wenn des Denkens vergeblicht 
heit bannen will. Denn wer vormals grosz 
strotzend kampfbegierig frech, kein Erwähn 

Wer beherschend nach ihm kam [Kron 
Kàmpfers Hand. Doch wer, heiliggesinnt, 
jauchzt, pflücket ganz des Geistes Frucht.’ 

Also trennte doch der Dichter den Zeus, 
sten, vollkommensten Weltlenker erkannte, r 
Sagenwelt. Und eine Lösung des thatsächliclı νι 
zwischen dem Prometheus und den übrigen Tra, 
als ob der in den letzteren gefeierte Göttervale 
dem in den Sagen überlieferten, ist eine deu kl: 
nach ünmógliche. 

Wie aber der gefesselte Prometheus zu . 
rakter die Lösung des Conflictes in der Schlus 
Prometheus, tragen muste, dazu eröffnet eine 
kenntnis das zweite dämonische Stück, welche 
ist, die Eumeniden. Hier findet der Conflic! 
Mächten statt, welche durch Gottheiten vertret 
seine eigne Mutter Kiytämnestra getödtet, um « 
zu sühnen. So hat er zwar die von Klytämne: 
sittliche Ordnung der menschlichen Gesellschaft 
zugleich durch Vergieszen des eignen Mutterb 
Ordnung des natürlichen Rechtes verletzt. A 
sittlichen Ordnung treten die zur olympischen 
hórigen Athene und Apollon auf, welcher letz 
der That bestimmt und ihm seinen Schutz zug 
vertreten die Erinyen, welche als die alten Ti 
jüngeren Göttern einer neuen Weltordnuug δι 
In diesem Sinne wirft (153) eine der Erinyen 
greise Gótter trittst du nieder, junger Go 
Chor: *weh, weh ihr Götter jüngren Stamms 
rennt ihr nieder und entreiszt es meiner Hand "ἢ 
Apollon 713 zu jenen sagt: *doch unter allen j: 
bist du ewig ehrlos? (vgl. 164 u. 869). ἢ 
wird nun zunächst dadurch angebahnt, dasz Ori 
setzten Gerichtshof, den Areopagos, gestellt w 
Hälften sich spaltende Abstimmung dessclben e 
jeder der beiden Parteien gleichmäszig an. Aber 


ieschylos. 


Hermann 
die Rede 
rse dahin 
n Gótter- 
ies Vaters 
Iöge sein, 
an. 

ag, 

in Wahr- 
92, 

Uranos). 
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Triumph 


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* gründet hat. 


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G. Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Aeschylos. 17 
e 


ihrer Beute, da Orestes nach vorausbegangener Bestimmung durch die 


- gleiche Stimmenzahl frei wurde, erheben die Erinyen 823 ff. abwechselnd 


den Weheruf: *ich das erdulden, weh! ich, die ergreiste, weh! Im 
Erddunkel hausen, entehrtes Gräulf Vor Wut glüht die Brust, vor 
endlosem Grimm!? Sie drohen der Göttin Athene mit Verwüstung ihres 
Schutzlandes. Doch durch langes freundliches Zureden der Göttin lassen 
sie sich endlich zur Versöhnung bewegen: es wird ihnen Sitz und Ver- 
ehrung in Athen gesichert, wie sie sonst nirgends sie genieszen, während 
sie dem Lande wiederum Sieg und Heil wünschen. Auf das Anerbieten 
eines geweiliten Sitzes in Athen wird der Dialog 881 so fortgeführt: 
Chor: ‘wenn ich ihn nehme, welche Ehren bleiben mir?’ Athene: 
*dasz fürder kein Haus ohne dich je soll gedeihn. ’ Chor: ‘willst du's 
erwirken dasz ich also viel vermag?’ Ath.: ja, wer dir fromm dient, 
des Geschick will ich erhöhn.” Und nach stattgefundener Versöhnung 
heben die Erinyen ihren Gesang mit den Worten an (903): “Haus und 
Dienst neben Pallas nehm’ ich gern’ —, worauf diese ihre Erwiderung 
also einleitet (914): *wol hab ich gethan vorsorgend dem Volk, dasz 
in unserer Stadt ansiedelnd ich auf die gewaltigen, scliwer zu ver- 
söhnenden nahm.’ Es ist eine Versöhnung älterer und jüngerer góttlicher 
Mächte, deren Bedeutung darauf beruht, dasz jene, während ihr Amt und 
Walten vollkommen anerkannt wird, sich doch von nun an dem jüngern 
Göttervater Zeus unterordnen, der eine höhere sittliche Weltordnung be- 
Wie denn auch sonst immer Aeschylos die Erinyen und 
den Rachedämon als von Zeus abhängig erscheinen läszt (Ag. 720 u. 1453; 
vgl. Schneidewin z. b. St.). 

Dem Ganzen liegt aber die Vorstellung zugrunde, dasz die nun be- 
stehende Gótterherschaft des Zeus und die von ihm begründete sittliche 
Weltordnung erst nach zwei älteren Göttergeschlechtern und erst nach 


‚schweren Umwälzungen eintrat. Und es finden sich Hindeutungen auf 


eiie solche Sturm- und Drangperiode des Góttertums zuweilen auch in 
den übrigen Tragódien des Aeschylos. So eben noch führten wir die 
Stelle Ag. 149 ff. an, wo Zeus, den jeder im Siegeslied feiern soll, um 
ganz des Geistes Frucht zu pflücken, als Ueberwältiger seines Vaters 
Kronos bezeichnet wird; noch bestimmter heiszt es Eum. 6392, dasz er 
diesen gefesselt habe. So finden sich zweimal (Hik. 201 und Eum. 715) 
Anspielungen auf die Dienstbarkeit, in die sich Apollon zur Sühne für 
seine Auflehnung gegen des Vaters Macht bei Admetos begeben muste. 
Dasz aber der Prometheus, den Eumeniden entsprechend, zum Gegen- 
stande der Handlung einen Conflict von sittlichen Màchten hat, welche 
wiederum durch die jüngeren und älteren Götter vertreten sind, wird 
ein kurzer Ueberblick über die hauptsächlichen Momente dieser Tragödie 
zur Genüge lehren. Schon zwei Góttergeschlechter hat Prometheus, der 
Sohn der Themis, des Urrechts, fallen sehen (961). Erst seit kurzem hat 
Zeus, nachdem er, vorzugsweise auf seinen Rath gestützt, die Titanen 
und den Vater Kronos überwältigt und in den Tartaros gestürzt hat, des 
ewigen Götterthrones sich bemächtigt (201 ff.). Wie in den Eumeniden, 
so ist auch hier von jüngern und ältern Göttern die Rede (149 u. 405), 


Jahrb. f. clase. Philol. Suppl. Bd. 1V. Hft. 1. 2 


18 G. Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellur 


und Zeus heisst ‘der Seligen neuer Vebieter? (96) oder 
haber? (τύραννος 312. 946). Was aber die Art und Y 
Aeschylos den Charakter des neuen Herschers darstellt 
achtet werden dasz, wenn auch nicht die nachher ge 
Reinheit an ihm erscheint, so doch sein Wesen frei 

lichen, beschimpfenden bleiht. Das Gepräge welches Z« 
von dem Dichter sehr passend mit der Sentenz (35) char 
streng-ein jeder, der in neuer Macht regiert.” Daher 
Gewalt als seine Diener auf; er. selbst ist ein Gewal 
unbeugsamen Sinnes (33. 163), herscht ohne jemand 
sein (ἀνυπεύϑυνος 326). Der ihm abgeneigte Chor 

neue Satzung Zeus jetzo in freier Macht aus? — um 
nem Gesetze herscht nun Zeus? (ἰδίοις νόμοις). Und w 
der Götter sich daraus ergibt 49: “ja alles ward den ( 
Herr zu sein; der Freiheit rühmen darf sich nur 

ist nicht sehr verschieden von der spätern Stellung de 
sie hier von dem Standpunkte eines neuen, noch nach 
genden Herschers beleuchtet wird, dort in dem milden 
vollendeten sittlichen Weltordnung erscheint. Zur Cha 
sittlichen Conflicts dienen vorzugsweise die beiden Pu 
theus der Sohn des Urrechts, der Themis, heiszt und € 
angeführten Stelle 318 die Schicksalsgöttinnen unabhän 
ja sogar über ihm stehen. 

Welcker hat nun (griech. Götterlehre II 246 ff.) n 
nutzung-der im gefesselten Prometheus enthaltenen 
der bei den Mythographen sich findenden Notizen de 
mach endgültig festgestellt, wie die Lösung in dem 
Trilogie vermittelt wurde. Den Kern der Frage faszt 
gende Sätze zusammen, die alles was der Zweck di. 
fordert enthalten: “Zeus ist durch Gewalt zur Hersch: 
er sie auch nach der sittlichen Ordnung führe, musz 
ser siegen oder seine Herschaft zur Anerkenntnis bri 
thos gegebene ist nicht ungeschehen zu machen; aber 
den Parteien geschlossen werden. Dies geschieht mitte 
gesetzten Titanischen Widerstreils, in welchem nur 
Kampf sind, und durch dessen Aufhebung und Versóhr 
mit dem Sohn der Themis, des Urgesetzes, das dieser bi 
fest hält, nach dem Willen der Moira zum Vertrag kor 
dieses selbst mit ihm.” Also ganz wie Prometheus 192 
vorausgesagt hatte: ‘zu Bündnis dereinst und zu Freu 

er bereit dem bereiten sich einen’ — nemlich Zeu 
Und der Schlusz der Eumoniden : *Zeus, der allschaueı 
ja einten es so’ — würde ebenso passend auch die I 
beschlossen haben. 

So erhaben Aeschylos seinen weltlenkenden, gerec 
auch schillern mag, eine Grenze hat seine Vollkomm: 
gerade deshalb, weil es der natiomale Zeus ist, dessen } 


rer Be- 


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ch wird 
jetheus. 
e Moira 
itrilogie 


len Zeus 
hat sie 
N Dichter 


G. Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Aeschylos. 19 


durch die Leberlieferung geworden : wenn er auch als eiu in unendliche 
Ewigkeit hinein herschender gepriesen wird (*der endlos ew'gen Zeiten 
llerscher? Hik. 558), ein ewiges Dasein in die Vergangenheit zurück kam 
ihm nicht zu; Weltschöpfer war er nicht. Solche Vorstellungen lagen 
überhaupt allen noch auf der Basis des nationalen Glaubens stehenden und 
lagen gleichmäszig dem Wesen des phantasievollen Tragikers gánzlich 
fern. Nach dem Mythos ist alles ein gewordenes, ein zur Vollendung 
sich noch entwickelndes oder früher allmählich entwickeltes. So auch 
die Gótterwelt. Zwei Góttergeschlechter giengen erst im Kampfe unter, 
ehe mit Zeus, dem Sohne des Kronos, das dritte zur Herschaft gelangte. 
Und wie der Vorstellung von den drei Gótterdynastien offenbar der Ge- 
danke an eine stets hóhere Entwicklung zugrunde lag, so muste auch 
Zeus als ein durch die Kämpfe zu seiner Reinheit geläuterter Gott er- 
scheinen. Aber als einmal die Gótterwelt aus der trüben Kampfeszeit 
abgeklärt hervorgegangen war, da weisz auch der Tragiker nichts mehr 
von Uneinigkeit oder auch nur Widerspruch unter den Göttern; es gilt 
ihm nun alles von Zeus und den anderen, was wir oben mit seinen eignen 
Worten ausgeführt, es gilt ıhm für seine Zeit und wird — das ist sein 
fester Glaube — für alle Zeiten gelten. In dem monotheistisch erfaszten 
Zeus, der Quelle aller Macht, der Quelle des Rechts und des Sittlichguten, 
ist die Reinheit und Einheit alles Götllichen gegeben. 


9. - 


Der Verlauf der Untersuchung hat uns so von selbst zu der wich- 
tigen Frage geführt: wie verhält sich Aeschylos gegenüber der Sage als 
der nächsten Quelle der Gótterkunde? eine Frage die wir für um so wich- 
tiger halten müssen, als bisher der gröste Widerspruch darüber herschte. 

Die Besprechung der Prometheusfrage hat den Standpunkt des Tra- 
gikers im allgemeinen schon bezeichnet. Dasz Aeschylos den mislichsten 
Punkt der Mythen, die Erzählung von den Kämpfen, durch welche Zeus 
zur Weltherschaft gelangte, in eimem groszartigen Entwurf behandelte 
und so behandelte, dasz er dadurch die Vorstellung von dem höchsten 
Gotte für das Gefühl des Hellenen läuterte, zeigt ebenso klar dasz er an 
der nationalen Sage haftete, wie es wiederum beweist dasz er cine in 
ihren überlieferten Motiven unsittliche Sage nicht in unveränderter Form 
annahm. 

Um sein Verfahren näher zu bestimmen, fehlt freilich bei ihm eine 
unmittelbare Handhabe, wie sie Pindar in der Motivierung seines Ver- 
fahrens bietet, wenn er Sagen verwirft. Mag etwa auch in der nach- 
drücklichen Hervorhebung (Eum. 5), dasz Phóbe “ohne Kampf, durch 
freiwillige Uebergabe? in den Besitz des delphischen Orakels gelangt sei, 
eine Polemik gegen anders lautende Sagen liegen, einen Anknüpfungs- 
punkt für unsere Besprechung bietet sie nicht. Von Gewicht dagegen ist 
der wenn auch nicht gegen eine Sage, sondern gegen den von grauer 
Vorzeit her bestehenden Volksglauben, der grosze Reichtum der Eltern 
erzeuge den Kindern Verderben, gerichtete Ausspruch Ag. 727: “getrennt 
von den andern bab' ich für mich meimg eigne Ansicht”, dasz nemlich 

9* 


M 


20 G. Dronke: die religites und sittliehen Vorstellungen des 2 


erst der gottlose Sinn das Unglück ius Haus führe: ein in die FOrzmr 
ster Opposition gekleideter Ausspruch. 

Ibles verraßgen wir doch noch vollkommen genau zu durchs a 
wie sich Aeschylos der Sage gegenüber verhielt, da die zwei Beg 
welche in ihrem vereinten Gewichte sein Verhalten bestimmten 
offen zutage liegen und, was das wrichti, ist, keineswegs Zr 
fehlen, an denen die Richtigkeit des erkannten geprüft werden 
Das nächste Momeat lag natürlich in dem Umstande dasz Aeschy 
Sage, sowie sie ihm überliefert ward, wol fast nie im Einklang u 
ner lautern religiösen Denkweise fand. Dazu kam das andere, w; 
tief in dem Charakter des Aeschylos wurzelte. Bekanntlich bilde 
zwei Elemente die antike Tragödie: die Sage deren Handlung darge 
wurde, und der religiös-sittliche Ideenkreis der dem Ganzen zug; 
lag. In Betreff dieses letztern Elementes war mum von der gröste 
deutung das ganz auszerordentliche Streben des Asschylos, wie es k 
der andern Tragiker entwickelte, seinen Tragödien den Geist seiner 
lichen Weltanschauung einzuhauchen uad ihnen so das religiöse Gej 
des eignen Herzens aufradrücken. Bedenkt man nun, dasz die Ge 
seiner Kunst ihn ohnehin nóthigten sich bei der Behandlung einer 
mit der unveründerlen Aufnahme der Hauptelemente zu begnüfer 
einzelnen aber und dann namentlich in der innern Motivierung naci 
ner künstlerischen Einsicht zu verfahren: so wird man auch gern : 
stehen, dasz die umbildende Hand des Aeschylos sich vor allem in reli 
sittlichem Sinne geltend machen muste. Und zwar muste sich seine 
gestaltende Hand, um den in der sittlichen Motivierung gar sehr ver 
lässigten Mythos zum Träger der reinen Gottesanschauung, wie sie ül 
bei ihm hervortritt, umzubilden, in sehr umfassendem Masze gt 
machen, zumal da er és nicht schewte die widerstrebendsten Sagt 
behandeln, wie eben den Prometheus, ein Umstand der ihm unte 
Tragikern das einzige Lob errungen hat, fast den ganzen Kreis des 1 
nalen Mythos dramatisch dargestellt zu haben. * 

Ueber das Gefühl, welches Aeschylos gegen die Sagen hegte, 
demnach wol kein Zweifel mehr sein. Das treue Hangen an dens 
sowie die begeisterte Glut dergleberzeugung, mit der er in ihne 
lautersten religiösen Vorstellungen nachweist, bürgen dafür, dasz : 
keineswegs als das Spielwerk einer gesetzlos waltenden Phantasi 
trachtete. Wol mochte er in derselben Weise wie Pindar überzeugt 
dasz sie, zumal was den innern Gehalt betraf, von den epischen Dic 
vielfach gefälscht worden seien. Aber indem er den Kern der Sag 
ein unverletzbares nationales Eigentum hielt, muste gerade jene U 
zeugung von einer Verfalschung durch Dichterhand Anlass dazu w« 
dasz er es als seine Pflicht erkannte, den Mythos durch Reinigun 
falschen Auswüchsen wieder zu dem zu erheben, was er seiner Mc 
nach ursprünglich gewesen, zum Bewahrer des nationdfen Glaubens. 

Mit dem gesagtem stimmt wenigstens alles was sich thatsächl 
den Tragödien des Aeschylos vorfindet. Zeugnis für das Bestrebe 
Sage zu erhaltemgeben in naokdrücklicher Weise Prometheus un 


G. Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Aeschylos. 21 


Umstand dasz der Tragiker fast den ganzen Mythenkreis behandelte. So 
ist es also nur noch nóthig an einem Beispiele nachzuweisen, wie sich 
die formende Hand des Aeschylos in der Läuterung der Sage wirksam 
zeigte. Ein interessantes Beispiel dazu hat bereits Welcker a. O. ge- 
geben, wo er auch die kleinste Aenderung, welche sich der Dichter in 
der Prometheussage erlaubfe, sorgfältig angemerkt und bei jeder das 
sittliche Motiv, welches sie veranlaszte, hervorgehoben hat. Es sei diesem 
Beispiel hier ein zweites ausführlich hinzugefügt. Den Grund, warum 
Artemis die Abfahrt der in Aulis versammelten Griechenflotte durch wi- 
drige Stürme verhinderte, fand die alte Sage darin, dasz Agamemnon die 
Góttin durch Erlegen einer ihr geweihten Hirschkuh erzürnt habe. Der 
Göttin unwürdig muste es aber dem Aeschylos erscheinen, dasz sie aus 
solchem Grunde die Opferung der Tochter von dem König verlangt habe. 
Dazu kam noch dasz diese Erzählung gar keinen innern Zusammenhang 
mit dem Fluche des Atridenhauses hatte, welchen der Dichter darstellen 
wollte. Er verliesz darum in diesem Punkte die alte Ueberlieferung und 
gestaltete sie so um, dasz nun jenes’ Ereignis als ein nothwendiges Glied 
in der Entwicklung jenes Geschlechtsfluches erscheint. Bei dem Abzuge 
aus der väterlichen Burg erscheinen zwei Adler auf dem Daclie derselben, 
welche eine trächtige Häsin verzebren. Sogleich erkennt der Seher Kal- 
chas ihre Bedeutung: Glück für den zu unternehinenden Kriegszug, aber 
auch dasz Artemis, die Schützerin der Kleinen, dem Hause noch auf 
schweres Leid sinne wegen des Kindermaliles welches Atreus dem Thyes- 
tes bereitet. Für dieses musz den Agamemnon noch Rache treffen; aber 
damit die Schuld des Vaters an ihm gerächt werden könne, musz er erst 
selbst schuldig werden. Deshalb also sendet Artemis die widrigen Stürme, 
um nun den Vater für die Versuchung, seine Hand mit dem Blute der 
eignen Tochter zu besudeln, zugänglich zu machen. Der kriegslustige 
Fürst erliegt derselben und ist somit dem Rachedämon des Hauses 
verfallen. 

Wie unterschied sich nun Aeschylos hierin von Pindar? Allgemein 
gilt der Tragiker für den ängstlicheren, der noch ehrfurchtsvoller an der 
Ueberlieferung hieng. Wir verweisen nur auf zwei Stimmen der neuern 
Zeit: M. Seebeck “über den religiösen Standpunkt Pindars? im rhein. 
Museum Ill (1845) 504 ff. und H. Keck ‘der theologische Charakter des 
Zeus in Aeschylos Prometheustrilogie’ (Glückstadt 1851) S. 12: ein in 
dem Thatsächlichen so wenig begründetes Urteil, wie es nicht aus dem 
einseitigen Verkennen éines der beiden Dichter, sondern nur aus dem 
vereinten Verkennen eines jedeu der beiden hervorgehen konnte, indem 
man eben bei dem Lyriker durchaus ein rationalistisches Element wittern 
wollte, anderseits aber sich durch den äuszerlichen Umstand bestimmen 
liesz, dasz bei dem Tragiker sich keine ausdrücklich begründete Verwer- 
fung einer Sage findet. 

* Dasselbe Motiv war es, welches Pindar und welches Aeschylos ver- 
aulaszte, nicht jede Sage -unbedingt in der überlieferten Gestalt anzu- 
nehmen: sie konnten nichts unheiliges von den Góttern glauben. Und 
so fanden beide auch gleichmäszig ihre eigentliche Aufgabe nicht im 


22 G.Dronke: die religiösen und sittlicheu Vorstellungen des Aeschylos. 


Widersprechen und Verwerfen von unpassenden Mythen, sondern in der 
Erhaltung und Einführung geläuterter Vorstellungen über das Göttliche. 
Wie weit aber in der thatsächlichen Durchführung der Aufgabe Aeschylos 
im Vergleich zu Pindar vorangeschritten ist, làszt sich auf doppeltem 
Wege erkennen. Zunächst vergegenwärtige man sich das Verfahren, 
welches beide Dichter in Behandlung der Sage beobachteten. Nur ver- 
einzelte Mythen sind es, welche Pindar nicht in unveränderter Gestalt 
für glaubwürdig halten kann. Und greift er nun die Glaubwürdigkeit 
einer Sage an, so bemüht er sich mit einer gewissen Ueberschwänglich- 
keit diesen Schritt zu rechtfertigen: vgl. Ol. 1, 35 ff. Aeschylos Verfahren 
ist dagegen weit einfacher: stillschweigend nimmt er in der imern Mo- 
tivierung der Sage Aenderungen vor — und zwar gleichmäszig in allen 
Sagen die er bebandelte, also nicht in wenigen, sondern fast in allen Sagen 
des Mvthenkreises; und nimmt diese Aenderungen in bestimmt geregelter 
Weise vor, wie sie durch die Forderungen seiner Kunst und seiner sitt- 
lichen Weltanschauung bedingt wurde. Mit andern Worten: der Lyriker 
ringt noch ängstlich danach, die ersten Schritte eines neuen Verfahrens 
zu begründen, seine Berechtigung dazu aus gottesfürchtiger Gesinnung 
herzuleiten; der Tragiker verfährt als ein Mann, der über die Berechtigung 
seines Standpunktes bereits keinen Zweifel mehr befürchtet, der fest be- 
gründete Grundsätze mit ruhiger Sicherheit in groszem Maszstabe durch- 
führt. — Sodann hat aber nicht minderes Gewicht bei der Entscheidung 
über die gegenseitige Stellung der Dichter auch das positive Resultat, 
welches sie in ihren religiösen Ansichten, die sie in dem Mythenkreise 
begründet finden, uns bieten. Freilich wird erst der weitere Verlauf die- 
ser Blätter alle Punkte nachweisen, worin wir einen Fortschritt bei Aeschy- 
los erkennen. Indes darf schon hier darauf hingewiesen werden, dasz 
Aeschvlos nach mehreren Richtungen hin ganz ebenso wie in der Zeus- 
frage das mit Entschiedenheit durchgeführt hat, was sich bei Pindar nur 
als Keim zeigte: so dasz also der Gesamtgehalt der Aeschyleischen reli- 
giösen Ueberzeuügung sich im Vergleich zu dem der Pindarischen nur 
noch mehr über den Standpunkt der Sage hinaus erhebt. 

Beide also sahen gleichmäszig in der überlieferten nationalen Sage 


.die nächste Quelle der Gotteserkenntnis und verharrten in gläubigem 


Sinne im nationalen Glauben. Aeschylos verfuhr jedoch mit der Sage, 
um sie zum Träger reiner Gottesanschauung wieder zu erheben, viel 
freier als Pindar. 


6. j 

Gar nahe mag aber hier manchem die Frage liegen: glaubte Aeschylos 
neben der Sage noch eine andere Quelle der Gotteserkenntnis zu haben? 
— Vor allem fand er eine Offenbarung der Gottheit in dem menschli- 
chen Geschicke. In dem wechselvollen Lebenslose des einzelnen wie 
in den vernichtenden oder verklärenden Schicksalsfällen der Geschlechter 
und der Völker tritt dem Dichter sichtbar die gerecht waltende Hand des 
Zeus entgegen, welcher *nachzuspüren? (ἐξεχνεῦσαι) ihm tiefes Be- 
dürfnis ist. Schon durch den Wortlaut bezeichnend ist in dieser Hinsicht 


G. Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Aeschylos. 23 


der Chorgesang Ag. 352 fL, der von den einstigeu Bewohnern des nun 
zerstórten Troja verkündet: *von Zeus treffender Hand kónnen sie jetzt 
erzühlen ; wol vermag man ihre Spur zu erkennen. Sie vollbrachten 
es, wie er es verhängte. Nicht würdigen die Götter die Sterblichen ihrer 
Beachtung, sagte mancher, so viele das heilige Recht mit Füszen treten. 
Doch nicht so. der fromme. Es hat sich offenbart den Enkeln 
derer, die in frechem Sinne heftigere Kampfbegierde schnoben als erlaubt 
ist. — — Denn Reichtum beut dem Manne, wenn er in Uebersáttigung 
der Dike hehren Altar entweiht, keinen Schutz vor dem Verderben.’ Und 
in dieser Art ist es der leitende Gedanke einer ganzen Reihe von Chor- 
gesängen, die Fäden einer sittlichen Weltordnung, durch welche sich 
Zeus offenbare, in dem Verlauf der Ereignisse nachzuweisen. So be- 
leuchtet der Chor Ag. 659—721 die Veranlassung des troischen Krieges 
in folgender Gedaukenreibe: Helena — schon in ihrem Namen lag die 
Vorbedeutung des durch sie später hervorgerufenen Unheils — ward 
durch góttliche Fügung nach llion geführt, auf dasz die Verletzung des 
das Gastrecht schützendeu Zeus an den Priamiden gerächt werde. Wie 
etwa jemand einen jungen Löwen, sich erfreuend an seinem Spiele, imn 
Hause aufzieht, um zu spät zu erkennen dasz er sich in ihm einen Prie- 
ster des Unheils grosz gezogen: so nahm llion in Helena *dem glanzum- 
stralten Kleinod des Reichtums? eine thränenvermählte Erinys auf, die 
der verletzte Zeus ihm sendete. lrrig erscheint daher dem Chor, der nun 
zum Schlusz V. 722 ff. das Ergebnis zusammenfaszt, der Glaube, mäch- 
tiger Reichtum müsse nothwendig unersättliches Weh dem Geschlechte 
bringen: *Frevel in der Felg' auch noch erzeugt mehr sich des Un- 
heils, das dem Stamme gleicht. Stets aber segenumkränzt blüht das 
Haus des gerechten.’ 

Auch die Stimme des Gewissens gilt dem Dichter als eine göttliche 
Offenbarung. Wie wenn er Ag. 163 ff. deu Chor also sprechen läszt: (Zeus) 
‘welcher lenkt zur Weisheit uns®), dasz aus Leiden Lehre flieszt, 
so es fügend festbesümmt. Auch im Schlafe träuft dem Herzen Angst, 

die des Leids Bild vorführt, weisen Sinn oft ganz wider Willen 
ein. — Iluld der Götter ist dies, die gewaltig — thronen hoch am Ruder- 
sitz.’ So haben wir hier in engem Anschlusz an den Text den Doppel- 
sinn der mittleren Verse wiederzugeben versucht"), welchen Aeschylos 
offenbar absichtlich durch Anwendung eines zweideutigen Wortes hinein- 
legte (μνησιπήμων “die des Leids Bild vorführt’); denn es kann βουνοὶ 
heiszen: ‘Zeus erregt dem Frevler Angst im Herzen, die ihn an die: 
.verschuldete Strafe erinnert, um ihn so zur Besonnenheit zu- 
rückzuführen’ — als wiederum: *Zeus erregt dem, welcher auf Frevel 
sinnt, Angst im Herzen, die ihn auf die Strafe hinweist, welche 
ihm aus der Verübung des Frevels erwachsen würde? — 


6) In ähnlicher Weise wird auf Zeus als den Erleuchter des mensch- 
lichen Herzens Ag. 894 hingedentet: *unweisen Sinnes nicht zu sein 
ist schönste Göttergabe.’_ 7) Nach G. Hermann zu d. St., der 
den Doppelsinn lateinisch so wiedergibt: instillat et in somno cordi mo- 
derationcin. admonitor malorum labor , et venit illa ad invitos. 


24 G.Dronke: die religiósen und sittlichen Vorstellungen des Aeschylos. 


In einem spätern Gesange (942 ff.) erkennt derselbe Chor in den trüben 
Ahnungen seiner Brust Weissagungen, die ihm die Götter wider seinen 
Willen senden: *warum schwebt mir unverrückt vor dem Aug’ dies 
Schreckenbild , aus dem ahnungsvollen Herz entsprungen? Was 
weissagt unbelohnt, ungeheiszen Gesang mir? Kann ich bannen nim- 
mer ihn, gleich dem räthselhaften Traum? dasz mir frohes Ver- 
trauen die traute Brust einnähme! — — (961) Nimmer täuscht sich 
mein Busen, mein Herz, zur Weissagung gerissen hin _ von des 
Geschickes Strudelu tvild.? ἢ 


4. 


So eben wurde gesagt, es sei der leitende Gedanke einer ganzen 
Reihe von Chorgesängen, eine sittliche Weltordnung, durch welche sich 
Zeus offenbare, in der Entwicklung der Ereignisse nachzuweisen. Von 
Chorgesingen redeten wir dort nur, weil es sich gerade um Anführung 
leicht zu übersehender Beispiele handelte. Der erwähnte Gedanke ist 
aber ebensowol die leitende Idee der Aeschyleischen Tragödie im ganzen. 
— Bei Aeschylos, der die tragische Kunst im wahren Sinne des Wortes 
schuf, müssen wir nach den Gesetzen naturgemäszer Entwicklung eine 
gröszere Einfachheit voraussetzen als bei seinen Nachfolgern, die schon 
gebahute Pfade vorfanden. Und in der That, von dem Reize des-Wechsels 
der sittlichen Probleme, von der fesselnden, die innersten Falten des 
Gemütslebeus bloszlegenden psychologischen Motivierung, von der Span- 
nung einer verwickelten Handlung, wie sie bei Sophokles und Euripides 
gefunden werden — von dem allem ist die Aeschyleische Kunst noch fern. 
In allen Dramen wird das eben berührte sittliche Problem gleichmäszig 
auf die eine Idee der sittlichen Weltordnung zurückgeführt, welche in 
der Hand des Zeus ruhe; die Charaktere sind mit wenigen kráftigen 
Strichen gezeichnet; die Handlung verläuft ohne jede Verwicklung in den 
schlichtesten Form. Damit ist zugleich die Einfachheit der Composition 
gegeben. Der Mensch wird nur der Gottheit, der durch Zeus geleiteten 
Weltordnung gegenübergestellt. Die einfache Erhabenheit dieses Stand- 
punktes leuchtet erst recht klar durch ihren Gegensatz hervor. Man ver- 
gleiche nur ein Stück von Sophokles, der den einzelnen Menschen bereits 
als Glied einer menschlichen Ordnung auffaszt, die als solche ihre sitt- 
liche Berechtigung hat. Aber was auch der Mangel an Manigfaltigkeit 
bedeuten mag, er verschwindet bei Aeschylos gänzlich vor der Tiefe der 
Auffassungsweise und der Groszartigkeit der genialen Entwürfe. 


8) Die Betrachtung.der Natur war für Aeschylos keine Quelle der 
Gotteserkenntnis. Doch kann dies nicht befremden. Denn wenn dies 
schon überhaupt nicht in dem hellenischen Charakter lag, so muste es 
unserm Dichter um so ferner liegen, als sein Streben vorzugsweise auf 
die Erkenntnis des Zeus als des hóchsten sittlichen Wesens, nicht auf 
Erkenntnis seiner j& allgemein anerkannten Machtfülle gerichtet war. 
Was er also suchte, boten ihm in reicherer Fülle und bestimmterer Klar- 
heit die Erzáhlungen von den Schicksalen der Sterblichen als die Be- 
wunderung der Naturwerke. 


G. Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Aeschylos. 25 


Das Ziel welches Aeschylos in der tragischen Kunst verfolgte schlosz 
in sich die hóchste Aufgabe des ringenden Menschengeistes: nachzuweisen 
dasz die góttliche Weltordnung mit der lutelligenz der Sterblichen im 
vollsten Einklang stehe. Die Befriedigung die seine Stücke in den Ge- 
mütern der Zuschauer zu erwecken suchten, wurde immer auf die Ein- 
sicht gegründet, dasz nach den ewigen Sittengesetzen die Handlung sich 
so vollenden muste, wie sie sich vollendete. 

Nun zu den einzelnen sittlichen Problemen, die der Dichter in seinen 
Tragódien zu lösen sucht. Das nächste ist natürlich in seiner Allgemein- 
heit das, den nothwendigen innern Zusammenhang zwischen den Hand- 
lungen und zwischen den Geschicken der Meuschen nachzuweisen: wie 
Schuld nothwendig die rächende Hand des Zeus erwecke und Unglück nie 
jemand ohne sein Verschulden treffe, hingegen der Gerechte ein leidloses 
Leben führe. Der Gesang der Eumeniden 529 ff. mag des Dichters Ueber- 


zeugung vorführen: “doch zumeist rühm’ ich dies: scheu den Altar 
stets des Rechts; nimmermehr * tritt ihn, Gewinn zu erspähen, 
mit frevlem Fusz; denn Rache wird dich erfassen; dein, ent- 


scheidend, harrt das End! Jeglicher ehre die Eltern mit heiliger 
Scheu, und die Gemeinschaft am Tisch des Gastfreunds sei jeg- 
lichem hoch und heilig! Demnach wer so sonder Zwang gerecht 
sich zeigt, bleibet unbeglückt nicht. Zu Grunde gehn soll er 
uun und nimmer! Doch sag’ ich laut: Uebertreter, Trotzes frech, 
was wider Recht zusammen sie gewirrt, gewaltsam werden sie’s 
versenken einst, wenn die Segel fort im Sturz reiszt der zer- 
schellte Mastbaum.? Mit welcher Meisterschaft Aeschylos diesen Gedanken 
dramatisch durchführte, werden wir sogleich zeigen. 

Zunächst musz nemlich des zweiten sittlichen Problems gedacht 
werden, welches Aeschylos zu lösen sucht. Bei diesem tritt der Fort- 
schritt des Tragikers gegenüber dem Lyriker Pindar sprechend hervor. 
Auch dieser erkennt eine voraussehende und vorausbestimmende Welt- 
ordnung und erkennt wiederum die Freiheit des menschlichen Willens 
au: d. h. in verschiedenen Sentenzen wird diese Anerkennung einfach 
ausgesprochen. Von dem schwierigen Problem aber, das in dem Wider- 
streite zwischen vorausbestimmendem Schicksal und freiem Willen liegt, 
findet sich nicht die Spur einer Ahnung bei ihm. Erst Aeschylos erfaszte 
dieses und fand in der sittlichen Tendenz der Weltordnung die Lösung 
desselben. 

Beide Probleme sind zugleich in deu Sieben vor Theben durch- 
geführt. Die eigentliche Handlung dieses Stückes, der Kampf der beiden 
Brüder Eteokles und Polyneikes um die thebanische Herschaft, hat zu 
ihrem Hintergrunde den Gesamtkampf der Stadt gegen die sieben feind- 
lichen Führer. Vor der Besprechung der Aeschyleischen Ausführung 
musz jedoch noch erst daran erinnert werden, dasz für die beiden Brüder 
die zwingende Gewalt des Schicksals, im Doppelmorde des Zweikampfes 
zu erliegen, in dem vom Vater atıf ihr Haupt geschleuderten Fluch be- 
gründet war. : 


26 G. Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Aeschylos. 


8. 

Der nächste Verlauf des Stückes dient nur dazu, ein Bild von der 
Lage und dem Zustande Thebens zu geben. Aus dem Prolog ersehen 
wir, wie der König Eteokles mit weiser Umsicht alle Vorbereitungen 
zur Abwehr des an diesem Tage der Stadt drohenden Sturmes trifft. Eine 
vor Angst zitternde Jungfrauenschar, die als Chor auftritt, erfleht von 
den Schutzgóttern der Stadt Rettung von all den Gräueln des Krieges, 
welche ihre aufgeregte Phantasie mit den lebhaftesten Farben schildert. 
Unwillig verweist der wieder auftretende Kónig sie zur Ruhe, da ihr 
Angstgeschrei Entmutigung unter den Bürgern und so der Heimat Ver- 
derben bereite. Schon beruhigter erhebt der Chor in neuem Liede sein 
Flehn zu den Góttern. Da beginnt mit dem Erscheinen des Boten, der 
die Stellung der. Feinde ausgekundschaftet hat, das zweite Epeisodion 
(350—700), in welches die ganze Schwerkraft der Tragödie zusammen- 
gedrängt ist. Der Reihe nach berichtet jener, welchem feindlichen Füh- 
rer der Angriff auf jedes Thor zügeteilt sei; mit ruhiger Selbstbeher- 
schung, die stark gegen die erregten Worte des furchtergriffenen Boten 
absticht, eröffnet Eteokles sogleich nach Erwähnung jedes einzelnen 
feindlichen Führers, welcher thebanische ihm entgegentreten soll. Auf 
dem Contraste der Charakteristik der sich gegenübergestellten Führer 
beruht nun die Bedeutung dieser Scene. Die der Feinde werden in ihrem 
Gebahren und Prahlen als leidenschaftlich, selbstvermessen, von jeder 
Götterscheu entblószt geschildert: die der Einheimischen als goltesfürch- 
tig, die Thatkraft in den Hánden, nicht auf der Zunge tragemd. Daher 
kann schon Eteokles in seiner Erwiderung darauf hinweisen, dasz der 
Götter Gerechtigkeit den Seinen den Sieg sichere. Wenn der Bote vom 
ersten feindlichen Führer berichtet (361 f.): *doch Tydeus tollkühn und 
des Kampfes gierig tobt wie wenn ein Drache wild in Mittagshitze 
zischt, so stellt Eteokles diesem den Melanippos entgegen, “der, dem 
hehren Thron der Scham stets nah in Ehrfurcht, übermüt’ger Rede 
feind , zum Schlechten langsam, gern sich doppelt brav beweist? 
(390 fT.). Dem gottlosen Prahlen des Kapaneus gegenüber (408 ff.): *denn 
sei es Gottes Wille oder nicht, die Stadt zerstören woll’ und müss' er; 
— — — ja, allen Blitzstral und des Donners glühnden Pfeil nennt 
er des Mittags warmen Sonnenstralen gleich’ — spricht der König seine 
Zuversicht also aus (425 ff.): ‘ich weisz es, ihn wird niederschmettern und 
mit Recht ein glühnder Blitzstral, welcher dann mit nichten gleieh 

dem warmen Mittagssonnenstral ihm möchte sein.” Und trägt Hippo- 
medon (474 f.) auf seinem Schilde ein Kunstwerk * wie eben Typhon aus 
dein feuerspeinden Mund den schwarzen Qualm, des Feuers flücht’- 
gen Bruder, bläst’, so darf seinem Gegner Hyperbios der Umstand, dasz 
er auf seinem Schilde den Zeus, den Ueberwältiger des Typhon, abge- 
bildet hat, den sichern Sieg verheiszen (491 ff). Selbst der ängstliche 
Jungfrauenchor gewinnt bei der Schilderung solches Frevelmuts der 
Feinde seine Zuversicht wieder; er singt (502 ff.): *ich glaub es fest, der 
den verhaszten Feind des Zeus führt im Schild, — — wird sich am ^ 
Thor das Haupt zerschmettern. Nur der sechste Führer der Feinde wird 


G. Dronke: die religiösen und. sitlichen Vorstellungen des Aeschylos. 27 


der edelste, der kühnste Mann (549) und wieder der gerechte (579) ge- «+ 
nannt; aber wie er selbst die Gottlosigkeit des von ihm und seinen Ge- 
nossen unterstützten Unternehmens des Polyneikes, die eigne Heimat mit 
Krieg zu überziehen, anerkennt (561 ff.), so glaubt auch Eteokles dasz 
Zeus ihn in den Untergang seiuer gottlosen Genossen mit hineinziehen 
werde. (592 ff.); denn — so redet der König — * in allem Thun ist aber 
schlimme Genossenschaft das schlimmste, freudlos einzusammeln 
ihre Frucht? (580 f.). Der der Zukunft kundige Seher sagt selbst den 
Ausgang dés Kampfes vorher (568 f.): *ich aber musz bald selber düngen 
dieses Feld, der Seher, unter feindlich Land gebettet ruhn.? — Mit 
diesem Dialog zwischen dem Boten und dem Könige ist das Los der sechs 
Führer für die Gemüter der Zuschauer bereits entschieden; das einzige 
was sie von ihnen noch erfahren, ist in einen einzigen Vers von dem 
Boten zusammengefaszt (775): “in den Staub geschmettert ist der Feinde 
stolzes Drohn?  . 

Es móchte vielleicht befremdlich erscheinen, wenn ich mich in einem 
Versuche über die religiós-sittliche Anschauung des Tragikers auf die 
Frage über die Anlage eines Stückes desselben einlasse. Indes mit Un- 
recht: denn täusche ich mich nicht, so wird es mir gelingen nachzuwei- 
sen, dasz das Kunstreiche in der Composition der Sieben vor Theben 
bisher gerade deshalb nicht vollstàudig durchschaut worden ist, weil man 
die innige gegenseitige Durchdringung der religiósen Ideen und der poe- 
tischen Kunst bei Aeschylos nicht genug berücksichtigte. Es handelt 
sich nemlich um das zweite Epeisodion ?), dessen Inhalt wir so eben aus- - 
einandergesetzt haben mit Ausnahme des Schlusses, in welchem Eteokles 
auf die Meldung des Boten hin, sein Bruder Polyneikes stürme das sie- 
bente Thor, den festen Entschlusz faszt diesem selbst entgegenzutreten. 
Zuerst nahmen die Franzosen daran Anstosz, dasz diese Berichte des 
Boten und Erwiderungen des Königs ein volles Drittel der ganzen Tragö- 
die wegnehmen. Von deutscher Seite suchte man den Dichter gegen den 
. daraus gefolgerten Vorwurf zu schützen: man fand Entschuldigungen , ja 
man suchte die Berechtigung dieser Anlage zu begründen, und rwar aus 
dem Umstand dasz diese Tragódie nur das Schluszstück einer Trilogie sei, 


9) In Fleckeisens Jahrbüchern 1858 S. 761 ff. bat F. Ritschl eine Kri- 
tik dieses Epeisodion geliefert, welche in genial durahgreifender Weise 
eine Masse von Schwierigkeiten des Textes löst und unter scharfer Be- 
leuchtung den Parallelismus aufdeckt, welcher zwischen den Reden des 
Boten und denen des Eteokles obwaltet. Wir müssen diese Entdeckung 
um so freudiger begrüssen, da sie für unsere Ansicht eine dankenswerthe 
Bestätigung gibt. Denn wenn wir behaupten, in diesem Epeisodion. 
liege der dramatische Schwerpunkt und die sittliche Bedeutung des 
Stückes, so findet dies nur seine Bestätigung in dem Nachweis, wie 
der Dichter eben dieses Epeisodiou durch die Durchführung einer stren- 
gen Corresponsion kunstvoll geordnet und markiert hat. Der Dichter 
sah selbst den Schwerpunkt in diesem Epeisodion und deutete dies nicbt 
nur durch die Stellung desselben im Drama, nicht nur durch die aus- 
gedehnte Länge desselben, sondern auch durch die kunstvolle Respon- 
sion an, die dasselbe beherscht. Der HRitschlschen Textesconstitution 
sind wir in den einzelnen Citaten gefolgt. 


28 G.Dronke: die religiósen und sittlichen Vorstellungen des Aeschylos. 


in Beziehung zu welcher die Länge der einzelnen Teile der Tragödie zu 
bemessen sei; jene Scene .bilde also ein Neuntel, nicht ein Drittel des 
Ganzen, von dem sie eiu Teil sei. Aber man warf hier ganz ver- 
schiedene Gesichtspunkte durcheinander. Das Band welches drei Aeschy- 
leische Dramen zu einer Trilogie verband, war ja durchaus kein äuszer- 
liches; keine Gemeinsamkeit der. Personen und des Chors war nöthig; ja 
nicht einmal die ófter wiederkehrende Gemeinsamkeit des Geschlechts, 
aus welchem drei hintereinanderfolgende Stufenfolgen vorgeführt werden. 
Das Band war lediglich ein geistiges: es bestand in der Durchführung 
einer und, derselben Idee; äuszerlich nur begünstigt wurde solche Ver- 
knüpfung durch die Sitte, dasz drei Tragódien hintereinander aufgeführt 
wurden. Der äuszern Form nach bildete daher jedes Stück ein abge- 
schlossenes Ganzes, und die ästhetischen Gesetze, wie sie Aristoteles in 
seiner Poetik zeigt, verlangten dasz die Länge der einzelnen Scenen auch 
nach der einzelnen Tragödie, der sie angehören, zu bemessen sei. 

Aber selbst zugestanden dasz die Trilogie das künstlerische Ganze 
sei, nach dem die Scenen der einzelnen Stücke zu bemessen seien: das 
Misverhältnis bleibt dasselbe. Denn das Ebenmasz wird nicht nur durch 
das Verhältnis zum Ganzen, sondern gleichmäszig durch das der einzelnen 
Teile unter sich bedingj. 

Wie aber, wenn wir gerade umgekehrt einen Beweis von dem ge- 
nialen Gestaltungstalente des Aeschylos darin. erkennen müsten, dasz er 
dies zweite Epeisodion durch seine L&nge zum hervorragendsten Teile 
der Tragódie machte? wenn wir zugestehn müsten, dasz die ganze ide- 
elle Schwerkraft des Stückes in dieser éinen Scene liege und das was 
bisher als ein Misverhältnis in der äuszern Form erschien, gerade ein 
Zeugnis von der künstlerischen Durchdringung und Gestaltung des Stof- 
fes durch die leitende Idee zu einem einheitlichen Künstganzen sei? 

Und doch, hoffen wir, soll eine kurze Erwägung die Richtigkeit 
dieser Auffassung klar machen.) Der Kampf konnte natürlich nicht auf 
der Bühne dargestellt werden, und der Dichter muste sich damit begnü- 
gen durch Botenbericht das nöthige zu ergänzen. Aber, müssen wir 
dann fragen, warum gibt uns Aeschylos nur ein Bild von den Rüstungen 
und von der Kriegswut der Feinde, wie sie sich vor dem Kampfe zeig- 
ten? warum nicht eine Schilderung der Kämpfe selbst? Eine derartige 
Composition des Stückes wäre leicht zu finden gewesen, und der kriege- 
rische Geist, der das ganze Stück durchweht, hätte dadurch nur auszer- 
ordentlich gewonnen. — Aber wenn Aeschylos auch auf die kriegerische 
Färbung seines Stückes stolz war, so war ihm dies immerhin nur ein 
unlergeordneter Gesichtspunkt. Wie der Kampf im einzelnen verlief, wie 
ein jeder der Sechs sein Ende fand, hatte weder für ihn noch sollte es 


10) Kurz sei hier noch auf die wunderbare Symmetrie dieser 'Tra- 
gödie hingewiesen: sie besteht aus drei fast ganz gleich langen Teilen 
von je 350 Versen, von denen der erste ein Bild von der Situation 
Thebens vor dem Kampfe und der letzte ein Bild von dem nun vollen- 
deten Fluche der Labdakiden gibt, während der mittlere nur jene ein- 
zige Scene umfaszt. 


Q. Dronke: die religiósen und sittlichen Vorstellungen des Aeschylos, 29 


für seine Zuschauer Interesse haben. Dasz gemäsz der Gerechtigkeit der 
Weltordnung der Frevelmut der feindlichen Führer sich selbst den. 
Untergang bereiten muste, das war der éine Gedanke auf welchen er 
vermittelst der Darstellung ihres Geschickes die geistige Spannung der 
Zuschauer concentrieren wollte. Und diesen sittlichen Zusammenhang 
zwischen ihrer Gesinnung und ihrem Geschick konnte er nur auf die 
Weise die er befolgte darthun: dasz er nemlich ilr Gebahren und ihre 
Drohreden, mit denen sie sich zum Sturme anschickten, vorführte. Ein 
recht glänzender Beleg aber dafür, dasz dieser Gesichtspunkt für Ae- 
schylos in der That der maszgebende war, ist darin gegeben, dasz er 
für die Nachricht von dem Untergange der sechs Führer nur den éinen 
Vers aufzuwenden weisz: “vernichtet ist der Feinde übermütig Drohn.? 

Doch ist dies nur das éine Moment, durch welches das zweite 
Epeisodion zum ideellen Mittelpunkte der Tragódie erhoben wurde. Das 
zweite ist in dem Schlusz der Scene und der Beziehung desselben zur 
ganzen Scene begründet. Es ist nemlich noch der Bericht des Boten 
über Polyneikes und die Entschlieszung des Eteokles, selbst seinem Bru- 
der entgegenzutreten, übrig. Auch hier lag dem Dichter eine Ausmalung 
des Bruderkampfes fern. Es galt nur das éine: zu zeigen, wie das 
schreckliche Los im Wechselmorde zu fallen, welches der Fluch des Va- 
ters ihnen verheiszen hat, durch ihre eigne Sinnesart in freiem Ent- 
schlusse herbeigeführt wird. Und wie nun der Kampf und das Ende der 
übrigen Sechs überhaupt den Hintergrund zu dem Bruderkampfe bildet, 
80 hat der vorher besprochene Verlauf der Scene auch noch die Bestim- 
mung, dem Schlusse derselben zur Folie zu dienen: denn erst durch die- 
sen Gegensatz erhält er seine furchtbare tragische Gewalt. 

Eteokles nemlich bewährt sich in der Erwiderung auf die Angabe 
des Boten über die sechs ersten Führer, ganz in Uebereinstimmung mit 
dem ersten Teil der Tragódie, als den vollendeten althellenischen Helden. 
Besonnen im Wort, ein Feind aller Prablerei, umsichtig in den Vorkeh- 
rungen zum Schutze der Stadt, mit dem festen Mute des seiner Kraft be- 
wusten Mannes, dazu voll Pietät gegen die Götter (69 ff. und 354 (f.): das 
sind die wesentlichen Züge. Unberührt von dem über die Mauern herein- 
dringenden wilden Lärm der feindlichen Kriegsscharen, ebenso unbe- 
rührt von den schreckhaften Berichten des Boten zeigt er in den Gegen- 
reden vor allem frommen Sinn: er kennt und ehrt die Götter; weisz dasz 
das Wegwerfen aller Gótterscheu den Feinden den Untergang bereitet, 
dasz das Bewahren derselben den Seinen den Sieg sichert. — Freilich 
ein paarmal klang schon, wenn auch leise, ein Miston durch, wie wenn 
er (200f.) auf die Frage des Chors, man müsse doch zu den Göttern flehen, 
dasz der Wall die Stadt schütze, antwortet: *heiszt es doch, die 
Götter zögen von der bezwungnen Stadt hinweg?— ; und dann in seinen 
Worten 262 1f.: “du bete nun dasselbe, doch mit Seufzen nicht und 
nicht mit nutzlos ungestümem Schluchzen; denn nicht wirst du da- 
rum deinem Lose. eh'r entfliehn. Auch das Gebet schützt also nicht vor 
dem Schicksalsverhängnisse. Es ist ein fatalisttscher Zug in Eteokles, 
dessen Begründung in dem Gedanken an den Vaterfluch zu suchen er 


30 G.Dronke: die religiósen und sittlichen Vorstellungen des Aeschylos.. 


selbst uns mahnt, indem er ausruft (70): “Erinys meines Vaters, allge- 
walt’ger Fluch!’ Und die Besorgnis welche dieser Zug um den sonst so 
frommen, tüchtigen Fürsten in den Gemütern der Zuschauer erwecken 
muste — wie sehr erscheint sie durch die Folge als eine berechtigte! 
Kaum hat er aus dem Munde des Boten vernommen, mit welcher Drohung 
sein Bruder auf das siebente.Thor anstürme, so spricht er auch schon, 
von wilder Leidenschaft ergriffen, den Entschlusz aus “als Fürst dem 
Fürsten, Bruder seinem Bruder? (655) entgegenzutreten. Wol sucht er 
diesen Entschlusz dadurch zu rechtfertigen, dasz er durch die Ehre ge- 
boten sei (654); aber der blinde maszlose Hasz gegen den Bruder drängt 
sich durch die ganze Rede hervor. Er erinnert sich des väterlichen Fluchs 
(636); aber heftig stószt er den Gedanken daran zurück. Vergebens mahnt 
ihn der Chor, dasz er so seinem Bruder an Gesinnung gleich werde, dasz 
vergossenes Bruderblut unsühnbarer Frevel sei, dasz nur die Verblendung 
der Leidenschaft ihn hinreisze (658 ff. 667 ff.). Er wankt nicht. Mit der 
Erwiderung aber, die er dem Chore gibt, wird jeder Zweifel über das 
wahre psvéhologische Motiv entfernt; er ist in Betreff seines Geschickes 
durch die stets ängstigende Sorge über den Vaterfluch zum Fatalisten 
geworden. Er ruft aus (670 ff.): * weil doch den Ausgang sehr der Gott 
beschleuniget , so fahr zum Strom Kokytos, seinem Teil, der Stamm 

des Laios ganz hin, den Apollons Hasz verfolgt.” Scharf betont es 
der Chor, dasz er noch in freiem Entschlusse nicht gehindert sei, dasz 
der Sturm der augenblicklichen Leidenschaft sich bald legen werde, dasz 
ohne sein Dazuthun der rächende Fluch ( ρενύς 681) des Vaters keine 
Macht über ihn habe. Vollständig lauten die Worte des Chores (679 ff.): 
nicht wirst du feige heiszen, wenn du unheilige That meidest: es 
schleicht ja die nachtumhüllte Erinys nicht in ein Haus, aus dem die 
Götter noch Opfer annehmen.” Eteokles: *wie könnte ich bittend mich 
noch dem Tode weigern? Chor? “jetzt ist es in deiner Macht (nemlich 
dem Tode zu entgehen); denn bald wird der Leidenschaft Toben, durch 
endliche Umkehr deiner Entschlieszung gebändigt, wol mit sanfter we- 
hendem Hauche nahen.” — Aber je heftiger der Chor in ihn dringt, um 
so mehr offenbart sich der zuräckgedrängte fatalistische Glaube des Kö- : 
nigs: die Götter küinmern sich nicht mehr um ihn, dies ist sein Wahn; 
sie wollen nur seinen Tod (683 .). Er glaubt zu fühlen, wie des Vaters 
Fluch schwer auf ihm laste und ihn zum Brudermorde treibe (676 f.). 
Zuletzt nur sucht er sich vor dem stets mehr in ihn dringenden Chor 
durch Ilinweisung auf seine Kriegerehre zu schützen (698). Trotz aller 
Mahnungen und Warnungen geht er in freiem Willensentschlusse zum 
Bruderkampfe, wie es der Chor noch in der Todtenklage (853) hervor- 
hebt: “der Freunde Rath nicht folgend.? 

Der Ausgang des Bruderkampfes war damit ebenso wie oben bei 
den sechs anderen Parteien gegeben, und es konnten die Worte, welche 
der Chor sogleich (708 ff.) spricht, nur vollen Glauben in den Gemütern 
der Zuschauer finden: dasz jetzt der grimme Stahl unter den Brüdern das 
Land teile, jedem so viel zumessend, als ihm zur Grabesstätte nóthig sei 


G. Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Aeschylos. 31 


— ihnen die nun beide der ausgedehnten väterlichen Gefilde beraubt 
sein würden. 
9. 


Der wichtigste Punkt des vorgelegten Problems, dasz der eigne 
freie Wille im Menschen zu jeder That nothwendig sei, mag diese auch 
durch Orakelspruch, durch einen Fluch oder auf andere Weise als eine 
vom Schicksal vorherbestimmte erscheinen, findet seine vollständige Lö- 
sung erst in der Beantwortung der Frage über den Frevel und die 
Schuld und der damit eng verknüpften Frage über den Geschlechtsfluch. 

Schon früher wurde auf den sittlichen Gewinn, der sich dem Tra- 
giker aus seiner reinen Goltesanschauung ergab, aufmerksam gemacht: 
dasz er in dem Göttlichen das ewig Gute zu erschauen glaubte, dasz ihm 
daher ein frommer, Gott ehrender Sinn für den Menschen als die Quelle der 
Tugend galt und ohne Gótterehrfurcht keine Besonnenheit, kein Maszhal- 
ten bei dem Sterblichen möglich schien. Es hängt diese Vorstellung auf 
das engste mit den allgemeinen hellenischen Vorstellungen über das Gute 
und das Böse zusammen. Alles Frevelhafte wird zusammengefaszt in 
dem éinen Worte * Selbstüberhebung? (ὕβρις). Die frevle That hat nem- 
lich in dem Mangel an Erkenntnis ihren Ursprung, d. h. an der richtigen 
Erkenntnis der Grenzen welche die góttliche Weltordnung dem Mensclien 
gesteckt und über welche er nicht hinausstreben darf, gerade so wie die 
Gesamttugend *Besonnenheit? (σωφροσύνη) in dem Bewustsein des mensch- 
lichen Maszes besteht, das vor der Selbstüberhebung gegen die Götter 
schützt. So wird auch manches aus dem Sprachgebrauche des Tragikers 
sich leicht erklären, auf das hier wol hingewiesen werden darf, weil 
sich darin die innere Anschauungsweise recht klar und licht abspiegelt: 
zumal da Aeschylos für die von ihm zuerst scharf gefaszten Vorstellungen 
die entsprechenden Ausdrücke 'und Bilder zu schaffen hatte. Die frevel- 
hafte Gesinnung, welche die bóse That gebiert, heiszt ihm * Krankheit 
des Sinnes?, “kranker Sinn? (νόσος φρενῶν), wie umgekehrt die reine, 
dem Unrecht abgewandte Gesinnung * Gesundheit des Sinnes?, * gesunder 
Sinn? (ὑγεεία φρενῶν). So Perser 751 von dem über die Gótter sich er- 
hebenden Xerxes: * wie hat ihn da nicht Krankheit der Gesinnung 
beherscht? Und die Eumeniden singen 526: *es verleiht der Gesin- 
nung Gesundheit alltheuren, allsehnlich erflehten Segen.” Das ein- 
fache Wort *Krankheit? findet sich dann als allgemeine Bezeichnung 
für das Frevelhafte; so heiszt der neidische Ag. 802 *der von Krankheit 
genährte, erfüllte’; das Unglück läszt in dem Schuldigen erst “die 
Krankheit zur vollen Blüte kommen’ (Cho. 61). — Also der Sinn 
des Frevlers ist krank, vermag nicht mehr das Wahre von dem Nichtigen 
zu unterscheiden, er ist der Täuschung unterworfen. Daher das dichte- 
rische Bild vom Frevler (Ag. 376): “es folgt bethört Lockvogels Flug in 
Leichtsinn nach der Knabe.” Daher nennt Aeschylos die frevle That auch 
eine nichtige, eitle (μάταιος. μαάτη); denn nur ein Trugbild ist es, 
nach dem sie strebt; sie beruht auf einer Täuschung: eine Uebertragung 
des Begriffes, die wir im Deutschen meist nicht ausdrücken, sondern nur 
etwa durch die Bezeichnung “thörichte That? andeuten können. Zuweilen 


32 G. Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Aeschylos, 


genügt unser Wort *eitel?, wie Sieben 419: *denn gegen Prahler tritt 
sogleich der eigne Mund als ganz wahrhafter Kläger auf des eitlen 
Sinns” — und 423: *— ermüdend seinen Mund schickt er, in eit- 
ler Kampfeslust, ein Sterblicher, dir, Zeus, gen Himmel seiner 
wilden Worte Flut? (Vel. Eum. 334 edrovgyías μάταιοι, B16 γλώσσης, 
ματαίας, Hik. 184 τὸ μὴ μάταιον, 732 ματαίων ἀνοσίων τε κνωδάλων, 
Cho. 906 πατρὸς τοῦ σοῦ μάτας.) z 


10. 

Aber das ist ja die wichtige Frage: drängt nicht auch die Gottheit 
zuweilen den Menschen zum Frevel? bethört nicht oft ein Gott den Sterb- 
lichen also, dasz er sich in Selbsttäuschung schwere Schuld und durch 
die Schuld den Untergang zuzieht? 

Zunächst sei bemerkt dasz der hellenische Volksglaube einen sol- 
chen bethórenden Einflusz der Gottheit annahm. In allem wunderbaren 
und auszerordentlicheh sah die Phantasie des Griechen das Wirken einer 
göttlichen Hand. Wenn ein Held, der bereits von dem Feinde erreicht 
ist und eben von einem tödtlichen Schwertstreiche bedroht wird, doch 
noch unerwartete Rettung in der Flucht findet, so erzählt uns Homer 
dasz ihn ein wolwollender Gott in eine Nebelwolke gehüllt und so den 
Blicken des Feindes entzogen habe. Ganz dieselbe Anschauungsweise 
war es, welche in der unbegreiflichen Verblendung, mit welcher ein 
Mensch in offenbaren Irtum verfiel, den Einflusz einer dämonischen Macht 
erkannte. Ein artiges Beispiel dieses Glaubens ist es, wenn jemand, nach- 
träglich über die eigne Thorheit erstaunend, eine Entschuldigung für sich 
in der Annahme einer Bethörung durch Götterhand findet; wie wenn es 
bei Homer Od. E 488 heiszt: *es täuscht’ mich ein Dimon, dasz 
ich den Leibrock nur mitnahm?, d. h. ohne Mantel gieng. Aber das Un- 
recht, der Frevel- wurde von dem Griechen ja auch zunächst als eine 
Thorheit aufgefaszt, weil es aus dem Mangel an voller richtiger Erkennt- 
nis entspringe. Und so kann denn der Irtum, zu dem die verblendende 
Gottheit verleitet, auch ein sittlicher sein. Von Helenas Abreise nach 
Troja heiszt es Od.» 23: “wahrlich, ein Gott erregt’ ihr den Sinn zu. 
vollbringen die Schandthat.” So sucht denn auch Helena bei Euripides. 
Or. 78 jede Schuld von sich abzuwenden mit den Worten, sie habe Kly- - 
tämnestra nicht gesehen, *seit ich nach Ilion fuhr, wie ich hinfuhr, 
sinnverwirrt durch Götterhand.” Am klarsten wird diese Vor 
stellung von der ethischen Bethórung von Theognis (401 IT. Bergk) au: 
gesprochen: 

Nichts betreibe zu sehr; bei jeglichem Werke der Menschen 
Nützt am meisten das Masz. Ruhm ja erstrebet gar oft, 
Haschend nach Vorteil, der Mann, den mit listigem Lächeln ein Dür 
Schwer zu irren verlockt, und ihm verblendet den Sinn, 
Also dasz trefflich ihm dünkt das verderbenbringende Büse, 
Dasz, was edel und gunt, das ihm erscheine als schlecht. 
Und bisher wenigstens hat keiner der Aes ^ eischem Freunde 
Volksglauben dem Dichter abzus genteil 


G. Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Aeschylos. 33 


glaubte entscheidende Belegstellen dafür zu haben, dasz Aeschylos ihm - 
huldigte. Vor allem in den Versen: “den Menschen schuldig werden läszt 
ein Gott, sobald er spurlos sein Geschlecht vertilgen will? —: ein 
Fragment aus der Niobe (163), das unwillkürlich an die Verse des 
Goetheschen Harfenspielers erinnert: “ihr stoszt ins Leben uns hinein 
und laszt den Armen schuldig werden; dann überlaszt ihr ihn der 
Pein; denn jede Schuld rächt sich auf Erden? Das Zeugnis scheint 
wenigstens ebenso klar wie unwiderleglich, und Nägelsbach a. 0. S. 56 
hat auch kein Bedenken getragen dasselbe als entscheidend anzuer- 
kennen. Zudem finden sich andere Stellen, an welchen darauf hinge- 
wiesen wird, dasz durch Trug die Götter den Sterblichen in Schuld und 
Elend zu verstricken suchen: “doch dem listigen Trug (δολόμητιν ἁπάταν) 
des Gottes, welcher sterbliche Mann entränne ihm? — — denn im An- 
fang süszlächelnd lockt mit Schmeicheln das Unglück den Menschen ins 
Netz, aus dem kein Sterblicher mehr vermag sich rettende Flucht zu er- 
sinnen? (Perser 94 ff.). Dazu noch die beiden Fragmente: ‘nicht abbold 
ist die Gottheit dem gerechten Trug? und *oft spiegelt Gott den Menschen 
Vorteil trüg'risch vor? (Fragm. inc. 367). 

| Aber es lieszen sich schon aus den angeführten Belegstellen selbst 
gewichtige Bedenken erheben: zunächst sind die drei wichtigsten blosz 
Fragmente, deren Deutung also ohne den ursprünglichen Zusammenhang 
immerhin eine unsichere ist; dann aber hat die Bezeichnung des Trugs, 
dem die Gottheit nicht abgeneigt sei, als eines ‘gerechten’ (ἀπάτης 
δικαίας) doch sicher etwas schr auffallendes. Und weitere Bedenken 
möchten bei einem Dichter, der so sichtlich nach einer abrundenden Ein 
heit in seiner religiösen Vorstellung strebt, mit vollem Recht aus dem 
Widerspruch erwachsen, in den jene Vorstelluug mit der gesamten An- 
schauung des Tragikers tritt: was soll dann die von Atliene selbst ge- 
priesene Wahrhaftigkeit der Götter (Eum. 886)? was jene Vorsorge des 
Zeus, der selbst die Sterblichen zur Besonnenheit leitet? was die stets 
wiederholte Versicherung, dasz, wer frommen Sinn wahre, vor allem 
Leid gesichert bleibe (Eum. 310. 539. 884. Sieben 577. Ag. 99)? was 
endlich überhaupt noch die Gerechtigkeit einer Weltordnung, die sich 
einer hämischen Freude am Menschenunglück hingäbe ? 

Bestimmen wir aber zuerst genau, worin der eigentliche Kern der 
Frage besteht. Denn dasz Aeschylos überhaupt den bethórenden Einflusz 
göttlicher Wesen auf den Menschen geleugnet, soll nicht im mindesten 
behauptet werden. Aber es handelt sich darum, ob Aeschylos, in engem 
Anschlusz an den Volksglauben, angenommen hat dasz auch die Schwäche 
. des Unschuldigen von einem Gotte mutwillig zu Falle gebracht werde; 
oder ob nach seiner Vorstellung die Wirksamkeit des verblendenden 
Dämon an bestimmte Bedingungen geknüpft war, und wenn dies der 
Fall, welche Bedingungen dieses seien? 

Zur Beantwortung dieser Frage ist uns der sicherste und einfachste 
Weg in der Schilderung von Xerxes Schuld in den Persern geboten. 
Sein Ohr den aufhetzenden Reden schlechter Menschen leihend (754 If.) 
zog sich Xerxes einen ‘kranken Sinn? zu (751). Daher verkannte er die 

Jahrh. f. class. Philol. Suppl. Bi IV. fft, 1. 3 


34 G.Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Aeschylos. 


Grenzen menschlicher Macht, er “der den heil'gen Hellesponios einem 
Knecht gleich kettenhaft wähnte zu umfahn, den mächt’gen Bosporos, 
des Gottes Strom; der den Weg des Meeres umschuf und mit der 
Fesseln Eisenlast ihn umgürteud weite Strasze seinem mächt’gen 
Heere schuf; der, ein Mensch, die Götter alle glaubte, bösen 
Wahns bethört, undPoseidon selbst zuzwingen’ (746 ff.). 
So ward er aus sich “in der Keckheit Selbstüberhebung ein Frevler gegen 
die Götter? (833). Von einer göttlichen Einwirkung war bis jetzt keine 
Rede. Aber wol von nun an, da er zum Frevler geworden. Da Atossa, 
die Mutter des Xerxes, auf die erste Nachricht von der Schlacht bei Sala- 
mis den Boten fragt, wer den Kampf begonnen, erwidert dieser (348): 
*anhub, o Herrin, all das Weh ein rächender (ἀλάστωρ), erzürnter 
Dàmon, der woher auch je erschien.’ Und ebenso läszt er in dem fol- 
genden Bericht über die Geschicke des Xerxes überall die Einwirkung 
einer göttlichen Macht hervortreten, die sich in der gànzlichen Verblen- 
dung des Königs erweist, der nirgends mehr das richtige zu erkennen 
vermag. Da am Tage vor der Schlacht ein Grieche die bekannte trüge- 
rische Nachricht brachte, gibt Xerxes sofort *ahnend nicht die List 

des hellen'schen Mannes noch den Groll der Ewigen? (356) die nóthigen 
Befehle, mit Untergang der Sonne die Flotte zum Kampf bereit zu hal- 
ten. *So ordnet’ es der König an, verblendet ganz; was von den 
Göttern ihm verhängt, erkannt’ er nicht? (367 f.). In diesem Sinne ruft 
Alossa, als sie die Flucht des Landheers vernimmt, aus (467): *verhaszter 
Dämon, wie beraubtest du des Sinns die Perser!’ 

Ueberschauen wir nun das Ganze und suchen danach die Frage zu 
beantworten: wann und wie tritt eine verderbliche Einwirkung der Gbtt- 
heit auf den menschlichen Willen ein? — Die Antwort ist: erst wenn 
sich der Mensch aus freiem Antrieb eine Schuld zugezogen; nur dem 
bereits schuldigen naht die Gottheit, ihn zu bösen Thaten drängend; wie 
es in der oben angeführten Chorstelle der Perser heiszt, *sie lockt ihn 
mit süszlächelndem Schmeicheln ins Garn, aus dem kein Sterblicher sich 
noch rettende Flucht zu ersinnen vermag. ^ Aeschylos faszt selbst die 
hier zutage tretende Vorstellung kurz in einem Verse (743) zusammen. 
Dareios hatte eben die dem Perserreich Unglück verkündenden Orakel- 
sprüche erwähnt, deren Erfüllung er auf späte Zeit verschoben geglaubt 
hatte, und im Anschlusz daran sagt er: *doch wenn einer selbst sie (die 
Orakelsprüche) zeitigt, dann gesellt sich schnell der Gott? — d. ἢ. wenn 
jemand durch frevelhafte Schuld selbst das drohende Unglück beschleu- 
nigt, dann hilft auch die Gottheit ihm zum Sturze ins Verderben, wie sie 
den Sinn des Xerxes bethörte, dasz er die List der Hellenen nicht er- 
kannte und so seine ganze Flotte einbüszte. I 

Auch hier also ist wieder, wie immer und immer, das éine festzu- 
halten, dasz Aeschylos den freien Willen des Sterblichen bei Zuziehung 
der ersten Schuld ausdrücklich anerkennt und demnach, da nur der 
Schuldige von den Göttern bethört wird, auch bei Zuziehung der dämo- 
nischen Verblendung: gerade so wie er umgekehrt in tiefer Einsicht 
eine That nur dann als eine wahrhaft edle anerkennt, wenn sie aus ganz 


G. Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Aeschylos. 35 


freiem Entschlusse, nicht etwa aus einem Machtgebote hervorgegangen 
ist (Eum. 539 f.): “aus eignem Trieb, ohne Zwang, wer stets 
erecht wahrt den Sinn, bleibet unbeglückt nicht? (ἑκὼν δ᾽ ἀνάγκας 
ἄτερ). Dem Perserreiche war, wie Dareios eröffnet, das hellenische Un- 
glück eine schon lange verhängte, durch Orakelspruch verkündete Schick- 
^salsbestimmung. Aber nun beachte man auch, wie der Dichter, dem die 
Weltordnung nicht mehr eine starre Naturmacht war, sondern in den 
Händen des persönlichen Gottes Zeus, des gerecht waltenden, ruhle, die 
scheinbar widerstrebenden Mächte des freien Menschenwillens und der 
göttlichen Schicksalsbestimmung zu einigen wuste. Mag durch letztere 
Freude oder Leid verhàngt sein, das erwünschte, ersehnte wird dem 
Sterblichen nur dann zuteil, wenn er selbst Hand anlegt und die Gottheit 
innig um Gewahrung Aittet (Cho. 458 f.): *das Gottverhängte harret längst; 
flehet ihr drum, so kommt es? — und ebenso ist der Eintritt des 
Unglücks an die Mithülfe des Menschen gebunden. Die Worte des Dareios 
(Perser 740 ff.) lauten im Zusammenhang: * wehe, eilig kam Erfüllung 
alter Sprüche; meinem Sohn schleuderte Zeus der Gottverheiszung 
Ende zu! Wol glaubt’ ich einst, — fern in ferner Zeit vollenden würde 
sie der Gótter Rath; doch wenn einer selbst sie zeitigt, dann ge- 
sellt sich schnell der Gott? Von Interesse wäre es daher für uns, die 
Form von Orakelsprüchen, die ein vom Schicksal verhängtes Unheil ver- 
künden, in mehreren Beispielen bei Aeschylos zu beobachten, da ihr In- 
halt offenbar nicht der sein durfte, dasz unbedingt zu einer bestimmten 
Zeit das Unheil eintreffe, sondern in der Fassung des Spruches bereits 
die freie Entschlieszung des bedrohten angedeutet sein muste; wie wir 
dies in Betreff der das Perserunglück verkündenden Orakelsprüche aus 
den Worten des Dareios erkennen. Auszerdem ist uns leider nur éin 
Beispiel, freilich ein recht sprechendes, erhalten, der dreimalige Aus- 
spruch des Loxias an Laios (Sieben 729): *dasz, wenn er stürbe kinder- 
los, Seine Stadt er rettete.? 

Bisher haben wir uns an das éine ausführliche Beispiel, welches die 
Perser bieten, gehalten. Aber wir kónnen das, was sich dort als die 
Vorstellung des Aeschylos von der Bethórung der Menschen durch einen 
Gott ergab, durch neue Beweismittel als das richtige erhärten: indem 
wir nemlich die Einzelvorstellungen, auf welchen diese Anschauungs- 
weise beruht, verfolgen und ibre Verknüpfung nachweisen. 

Zunächst ist hier zu berücksichtigen, dasz gewöhnlich nicht die _ 
Gottheit mit eigner Hand straft, sondern, indem der Frevler nach der 
sittlichen Ordnung dér menschlichen Gesellschaft sich durch den Frevel 
selbst den Untergang bereiten musz, Sterbliche in der Regel als Werk- 
zeuge der strafenden góttlichen Gerechtigkeit erscheinen. Deshalb tritt 
auch die Strafe nicht immer augenblicklich, sondern oft erst in ferner 
Zeit ein (Hik. 702 f.): *es musz doch am bestimmten Tag dereinst 

den Frevel büszen, wer die Gottheit frech verletzt.” So heiszt es 
von Zeus Ag. 348 ff.: “der den Bogen von lang her hielt auf das Haupg 
Alexandros gespannt, dasz nicht vor der Zeit, zu der Sterne Ge- 
zelt nicht eitel der Pfeil ihm entschwirrte? (vgl. ebd, 58). Dieser 

41 


x 


36 G. Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Aeschylos. 


Aufschub des Rachetages war aber nicht etwa, wie der Vermessene glau- 
ben wollte (Ag. 35% f.), eine Sorglosigkeit der Götter; sie lieszen ihn 
erst ganz in .Frevelmut versinken (Cho. 60): “auf bittre Leiden sin- 
nend schiebt das Unglück dem Schuldigen die Strafe hinaus, damit er 
erst ganz die Blütenpracht des frevlen Sinns entfalte.?. 

Am wichtigsten aber ist die auf richtige psychologische Wahr- 
nehmung gegründete Ueberzeugung des Aeschylos, dasz mit dem ersten 
schweren Frevel sich eine ethische Bethörung des Menschen bemächtige, 
die ihn zu neuem verderbenbringendem Frevel dränge. Ein furchthares 
Bild davon entwirft der Dichter Eum. 369 f., wo er von dem Frevler sagt: 
‘hin er stürzt — nicht sieht ers in seiner Bethórung! Solch eine 
Nacht, umdunkelt. des Sterblichen Sinne die Schuld.” Aehn- 
lich lauten die Worte Ag. 369 ff.: “fort reiszt die unselige Zuversicht, 
die unwiderstehliche, bethórende Tochter des Unheils. Hülfe ist da ganz 
nichtig. Nicht bleibt verborgen, es glänzt, ein grauenvoll Licht, die Strafe.? 

Schon nach der allgemeinen hellenischen Denkweise muste Aeschy- 
los in der furchtbaren Macht der Verblendung, durch welche der Gottlose 
sich selbst den Untergang bereitete, einen göttlichen Einflusz erkennen. - 
Aber für den Dichter war doch viel entscheidender das andere Moment, 
dasz jene Verblendung die sittliche Bedeutung hatte, die Bestrafung des 
Frevlers herbeizuführen; deshalb erschien sie ihm als eine Fügung des 
gerecht waltenden Zeus, als eine Satzung der sittlichen Weltorduung. 
Daher hiesz es auch in dem einen angeführten Fragmente: *gerechtem 
Trug sei ein Gott nicht immer abliold?; gerecht, weil die Täuschung 
eben auf Bestrafung des Frevels hinzielte. 

Neben jenem Verse aus den Persern, dasz dem, welcher unheilver- 
kündende Orakelsprüche selbst zeitige, sich gern ein Gott zur Hülfe ge- 
selle, wird die Anschauungsweise des Dichters noch Fragm. inc. 370 in 
kurzem Spruche zusammengefaszt: “dem fallenden hilft die Gottheit gern 
zum Sturze noch.’ 

Was soll also das von Nägelsbach a. Ὁ. S. 56 so gemisdeutete Frag- 
ment aus der Niobe: *den Menschen schuldig werden läszt ein. Gott, 
sohald er spurlos sein Geschlecht vertilgen will —? Entweder sprechen 
die Verse überhaupt gar nicht die eigne Ueberzeugung des Dichters aus, 
sundern sollen nur den Charakter oder die Gemütsstimmung dessen der 
sie ausspricht näher bezeichnen; und dies ist das wahrscheinlichere, da 
Platon Rep. 11 380° diese Worte der Jugend verheimlicht wissen will, !!) 


11) Es werden in dieser Art öfters von Aeschylos einzelnen Per- 
sonen Aeuszerungen in den Mund gelegt, deren innere Unwahrheit ge- 
rade durch die Entwicklung der betreffenden Tragódie dargethan werden 
soll. So huidigt Klytümnestra Ag. 1405 ff. der vom Dichter verworfenen 
Volksanffassung vom dümonischen Einflusse. Aber nach dieser Seite 
hin hat man nicht immer scharf genug die Zeugnisfähigkeit drama- 
tischer Aussprüche geprüft. In den Worten des Eteokles Sieben 683 
(vgl. oben S. 30): “die Götter haben uuser längst vergessen schon? — , 
init welchen der Dichter den fatalistischen Zug in des Königs Charakter 
zeichnet. will Nägelsbach a. O. S. 70 immerhin einen Beleg dafür finden, 
dasz 'den Göttern schadenfrohe Lust am Untergang des Menschen zuge- 
traut wird.’ Vgl. auch das 8. 35 über Eum. 539 f. gesagte. 


Sn 


G. Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Aeschylos. 37 


Oder "p sprechen die Ueberzeugung des Dichters aus; dann aber hatten 
sie im usammenhange ganz unbedingt auch den Sinn, dasz, wenn, die 
Gottheit das Haus eines Frevlers vertilgen wolle, sie ilin in neue Schuld 
verstricke. 

Es ist nun noch übrig, dasz die verschiedenen Bezeichnungen, unter 
denen jene bethórende dämonische Gewalt hei Aeschylos erscheint, zu- 
sammengestellt werden: sind es doch nicht gleichgültige Bezeichnungen, 
tragen dieselben doch alle das Gepräge der Denkweise des Dichters. 

Einen ἢ ἃ mon nennt er. vorzugsweise gern diese Macht : *verhaszter. 
Dämon, wie beraubtest du des Sinns die Perser? ruft Atossa (467) 
bei der Nachricht, dasz das furchtbare Landheer der Perser ohne be- 
siegt oder auch nur angegriffen zu sein in wilder Flucht den Rückzug 
angetreten habe. Und im Anschlusz daran schuf er sich ein eignes Wort 
δαιμονᾶν zur Bezeichnung des Zustandes dessen, welcher in der dämo- 
nischen, unüberwindlichen Gewalt jemandes steht; wie Sieben 985 δαι- 
povövres ara *hingerissen von Ate, tanmelrasend in Ates 
Gewalt? — Näher bestimmt als cin Rachegeist. Alastor erscheint ein 
solcher Dämon Hik. 400. Perser 340 — wo, wie wir schon hörten, der 
Bote erzählt, wie Xerxes von einem Alastor oder erzürnten Dämon zu 
der unseligen Schlacht von Salamis verleitet worden sei — : ein Rache- 
geist, den man sich natürlich von dem erzürnten, auf Rache sinnenden 
Zeus gesendet denken musz; wie ja Zeus sellist Alastor hiesz (vgl. Ixion 
Fragm. 91). Und ebenso ist die als das “Unglück” personificierte Ate 
als ein listiger, rächendes Unheil vermittelnder Damon zu betrachten: “der 
nie besiegbare, unheilige Dämon, das frevelmütige, in Finsternis hüllende 
Unglück (Ate)? (Ag. 738). 

Doch wird dieses Wort Ate in so ausgedehntem Masze vom Dichter 
mit Bezug auf das aus dem Frevel entspringende Unglück gebraucht, dasz 
es einer besondern Besprechung bedarf. 

Ursprünglich nur den Begriff des * Unglücks? enthaltend bedeutet 
es in solchen Verbindungen bald den unseligen, innerlich unfreien Sinn, 
das Irsal, bald die aus solcher Verblendung hervorgehende unselige That, 
bald die uuselige That mit ihren Folgen. So nennt Antigone ihre Brüder, 
die im Wechselmord fielen, *taumelraseud- in Irsal? (Sieben 985 daruo- 
νῶντες ara); wie Frevelmut sich selbst die Saat seines unseligen Sinnes 
zur Reife bringt, beschreibt der Dichter also (Perser 823 f.): “aufblähnder 
Hochmut setzt des Unsals Aehre an, die bald ihm selbst zu thrä- 
nenreicher Ernte reift.” Gar oft aber wird mit diesem Worte — und 
dies ist für uns die wichtigste Bedeutung desselben — das Unglück 
als ein persönliches Wesen bezeichnet, wie uns das deutsche Wort in 
dem Verse Schillers begegnet: “und das Unglück schreitet schnell’, der 
zugleich als Uebersetzung eines Aeschyleischen gelten kann fAg. 1083 
ταχεῖα δ᾽ ἄτα πέλει). Wird es aber so in Beziehumf® auf den Frevel 
und seine Folgen gesagt, so wird es auch immer als ein Verblenduag 
und durch Verblendung Schaden bringendes Unglück fete Am deut- 
lichsten ist wol Sieben 929, wo es heiszt: (dort wo die beiden Brüder in 
wahusinnigem Kampfe sich mordeten) “am Thor erhöht stehn des Un- 

e 


38 G. Drouke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Aeschylos. 


glücks Siegeszeichen.” Seinem Einflasz gemäsz erscheint es als *listig, 
heimlich lauernd? (Ag. 1489. 1189). Zwei Stellen, die eben Erst er- 
wähnt wurden, mögen das Bild vervollständigen. Perser 98: “denn im 
Anfang süsz lächelnd lockt mit Schmeicheln das Unglück den Menschen 
ins Netz, aus dem kein Sterblicher mehr vermag sich rettende Flucht zu 
ersinnen.? Und Cho. 60: “auf bittere Leiden sinnend schiebt das Unglück 
dem Schuldigen die Strafe hinaus, damit er erst. ganz in des Frevels 
Krankheit prange. Offenbar wird hier Ate als eine Macht gefaszt, die 
durch Verbleudung zu weiteren Freveln hinreisze. 

Wol darf man aber hier mit einem Rückblick auf das so eben er- 
órlerte daran erinnern, welch ungemeinen Fortschritt hier Aeschylos 
gemacht hat. Der Volksglaube, welcher eine ethische Bethórung durch - 
göttliche Einwirkung ohne alle Beschränkung und innere Motivierung 
annahm, so dasz also nach ihm auch die Schwáche des Unschuldigen von 
einem hämischen Dämon zu Falle gebracht werden konnte, wurde für 
Aeschylos der äuszere Anlasz, die ethischen Nachwirkungen, welche die 
erste Hingabe an das Böse auf das Gemüt ausübt, in sorgfältiger psycho- 
logischer Wahrnehmung zu erforschen und, darauf gestützt, in jenem 
dämonischen Einflusse die tief begründete Satzung einer vollendeten 
Weltordnung zu erkennen. 

Also: 1) freier Wille des Menschen in der Wahl zwischen Gutem 
und Bósem; 3) ohne eigne Schuld keine Strafe von der Götter Hand; 
3) erst wenn der Mensch sich aus eignem Antrieb in Frevelmut gegen 
die Gottheit aufgelehnt hat, treibt ihn diese durch Verblendung seines 
Sinnes zu neuem, Untergang bereitendem Frevel; 4) als Vermittler dieser 
Verblendung erscheint eine dämonische Gewalt, entweder einfach Dämon 
genannt oder mit bestimmterer Andeutung seines Amtes Alastor, Rache- 
geist, oder Ate, Unglück, geheiszen; — das sind die vier sicheren Er- 
gebnisse, die in ihrer Begründung uns zugleich das Fundament zur Unter- 
suchung des hóchsten ethischen Problems bieten, welches von dem Tra- 
giker — ja des hócbsten vielleicht, welches überhaupt von der antiken 
Welt aufgeworfen worden ist, des Geschlechtsfluches. 


11. 


Dasz Aeschylos überhaupt auf dieses Problem kam, dafür lag sicher- 
lich die nächste Ursache in seinem Forschungsgeiste, entspricht dann aber 
ganz und gar seiner Kunstweise, drei Tragódien in ein groszes Ganzes zu 
einigen. Wol für kein anderes Thema konnte dieses eine adäquatere 
Form bieten als für den Geschlechtsfluch, dessen ganze Entwicklung er 
nun, nach drei Geschlechtsfolgen auf die einzelnen Dramen verteilt, in 
éinem Bilde vorführen konnte; wie die Oedipodeia in Laios, Oedipus und 
den Sieben vor Theben die Geschichte des Labdakidenfluches bis zur gänz- 
lichen Vernichtugg des männlichen Stammes enthielt. 

. Was aber Aeschylos in den Sagen über diesen Gegenstand vorfaud, 
war seinem sittlichen Gehalte nach ganz wesenlos. Es beschränkte sich 
einfach auf die Erzäblung von Geschlechtern, auf denen wegen furcht- 
baren Frevels des Ahnherrn der Zorn der Gótter schwer gelastet habe. 


G. Dronke: die religiósen und sittlichen Vorstellungen des Aeschylos. 39 


Die Schuld und damit der Zorn der Ewigen erben sich fort; aber auch 
nicht mehr. Von einer sittlichen Motivierung im einzelnen findet sich 
nichts vor.) 

Ehe wir jedoch zur eingehenderen Untersuchung des Geschlechts- 
fluches übergehen, sei es uns erst erlaubt die Anschauungsweise des 
Tragikers im allgemeinen zu vermittelu durch Vorführung eiuer Reihe 
von sprachlichen Bezeichnungen und dichterischen Bildern, in denen der- 
selbe seine Anschauung auszuprügen sucht. Der Fluch selbst wird unter 
verschiedenen Benennungen erwähnt; Cho. 678 ruft ihn Klytàmnestra also 
an: *o dieses Hauses unbezwinglich grauser Fluch!” (ὦ δυσπάλαιστε 
ἀρά). So Sieben 812: *finstrer, zornerfüllter Fluch dg des Geschlechts 
und des Oedipus. Dann heiszt er wiederum: ‘das dem Geschlechte ein- 
geborue, eingewurzelte Leid? (Cho. 460 πόνος ἐγγενής), "Leid, des 
Hauses Herdgenosz* (Sieben 831). Und wiederum ist es Ate, das Un- 
glück, das ein Geschlecht in unselige Thaten verstrickt und so der Ver- 
nichtung zuführt. In der freudigen Hoffnung, der Fluch des Atriden- 
hauses werde mit der Klytàmnestra Tode endlich ruhen, ruft der Chor 
Cho. 811: “das Unglück weicht den Theuren fern? —, um freilich 
bald in neuer Sorge 1072 zu fragen: *wo findet noch Ruh besänftigt 
des Unglücks Macht einst?’ Als Agamemnon nach [lion segelte, blieb 
von dem Thyestesmahle her im Hause zurück, “um sich furchtbar wieder 
zu erheben, ein tückischer Hausverwalter, der tief eingewurzelte Hasz 
(der Artemis), der auf Rache für die Kinder sinnt? (Ag. 143). Auch be- 
gegnet hier wieder das Wert δαιμονὰν; vom Atridenpalaste heiszt es 
Cho. 560: *in Frevel rast das ganze Haus?, oder nach volkstümlichem, 
hier aber zutreffendem Ausdrucke: ‘von Frevelmut besessen ist das 
gauze Haus.” — Das Furchtbare der ganzen Erscheinung malt am leb- 
haftesten die Strophe Ag. 1443 — 48 aus, welche Klytämnestra an den 
Chor richtet: “jetzt klüglicher hast du verbessert das Wort, da du 
dieses Geschlechts Dämon anrufst, den gewaltigen, laut. Von ihm 
ja wird bluttriefende Gier — im Innern genährt; das vergossene Blut 
raucht noch, schon strómet das neue. — Das getroffene Geschlecht ist 
ein von den Góttern in Wahnsinn gestürztes, ihuen verhasztes. Eteokles 
ruft Sieben 634 f. aus: “ὁ gottverblendetes, o du gottverworfenes und 
allbeweintes, mein Geschlecht des Oedipus. So heiszt es Cho. 46: “graun- 


12) Um ein Bild von der allgemeinen Vorstellung vom Geschlechts- 
fluehe zu geben, mögen hier einige Verse aus einem Sophokleischen 
Chorgesange (Ant. 682—585 und 593—003) stehen: *Glückselige, deren 
Geschick das Weh nicht schmeckte! Wem das Haus vom Schlag der 
. Unsterblichen wanket, da nicht ruht der Fluch, von Geschlecht zu 
Geschlechte wandelnd. — Lang, lang in des Labdakos Haus fortwaltend 
sah ich Leid sich stets auf Leid der Gesunkenen häufen. Nicht 
Erlösung bringt ein Geschlecht dem Geschlecht, es stószt sie ein Gott 
errettungslos hinab. Heut vom Licht umflossen ggand die letzte - 
Sprosse noch in dem Haus des Oedipus, und die nun mähet such 
der Nachtgott mit der blut'gen Sichel hin, der Rede Thorheit und 
des Sinns Erinys. — Damit kann man die von Elektra gemachte Schil- 
derung vom Fluch des Atridenhauses bei Euripides Or. 971—1012 ver- 
gleichen. 


40 G. Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen dés Aeschylos: 


erregend, sonnenlos umhüllt Finsternis solch ein Haus.” Und Ag. 1145 (T. 
kündet Kassandra vom. Atridenhause: ‘denn dieses Haus läszt nimmer- 
mehr ein grauser Chor, der, laut und doch mislautig, frohes nimmer 
singt; denn. voll und. trunken: bis zum frechsten: Uebermut , in 
Menschenblut ein. Trinkgeläge hauset drin, der Erinyen schwerge- 
baunter blutsverwandter Schwarm; —— und als ein Trioklied singen sie 
um den Herd geschart ὀ ὀ urerste Dlutschuld.* 

Die urerste Blutschuld (πρύταργον. ἄτην) feiert. indc Gesang: 
damit werden wir auf den Ursprung des Geschilechtsiluebes Hii 
und zwar mit der nachdrüceklichen: Hervorbebung dasz das Geschlecht 
durch eine grause Frevelthat denselben selbst auf sich herabziehe ; dasz 
also nicht etwa ein unbegründeter Gültergroll sich an dem Untergang 
eines Hauses weide, sondern der erst durch freiwillige Frevelthat 'herab- 
gerufene Zorn des Zeus mil schwerlastender Hand gerechte Strafe von 
ihm heische. So wird der Fluch des Atridenhauses von dem Dichter 
immer darauf zurückgeführt, dasz Atrens dem eignen Bruder Thyestes 
*seiner Kinder Fleisch? als Mahl bereitete, eine *Unheilsspeise diesem 
Stamm’: so Ag. 1559 fT. 1176 ff. und in kurzer Fassung Cho. 1065: *zum 
ersten begann kindfressendes Gräul die entsetzliche Schuld.” Nicht 
auders bei dem Labdakidenhause: die Waruungen Apollons sich keinen 
Sohn zu erzeugen beachtet Laios nicht; lehnt sich so gegen die Götter 
auf und zieht dadurch den Fluch seines Geschlechtes herbei. Der Chor 
‚der Sieben singt 723 I.: *aus alter Zeit wol gemabnt mich . grausige 
Schuld, schnell gestrafte; sie währet fort ins dritte Glied. Denn 
er, Laios — trotz dem Loxias, obschon ihn dreimal gewarnt 
der Pythischen Weltmitte Spruch , dasz, wenn er stürbe kinderlos, 

seine Stadt er τοι δια — _ bethórt doch durch des Weibes bösen 
Ratlı erzeugte sich selbst er das Unheil, den Mörder, den Oedi- 
pus sich? — An diese erste unheilvolle That knüpft sich die ganze Reihe 
der folgenden Frevel und der daraus erwachsenden Schicksalsschlüge, 
welche das Geschlecht ins Verderben reiszen, in innerm Zusammen- 
lange an. Und dies ist jetzt die Aufgabe zu zeigen, wie der Dichter 
die Notwendigkeit. dieser Fortentwicklung des Frevels und des Unheils 
sittlich motivierte. ") 





13) Unter Nügelsbachs hellenisch - theologischen Schriften zeichnet 
sich das hierher gehörige Programm *de religionibus Orestiam A. 
continentibus? (Erlangen ]! vorteilhaft aus durch Sorgfalt uud Scharf- 
sinn, wie durch dem Gebrauch der lateinischen Sprache. Denu durch sie 
entgieng der Verfasser der ihm sonst gefährlichsten Klippe, mit der An- 
wendung von christlich-dentschen Wörtern auch die christlichen Begriffe 
zu übertragen und so das Hellenische iu ein ibm fremdartiges Licht zu 
setzen, Dankbar erkennen wir,dalser an manches gute aus dem 
chen empfangen gg haben. Uns demselben aber eng anzuschlieszen ver- 
boten sowol Stel Methode. Denn schon dem Titel gemäsz berück- 
sichtigt er nur den Fluch der Atriden, nicht den der Labdakiden. Alber 
auch innerhalb jenes ist ihm die wichtige Frage über die Verblendung 
Agumemnons entgangen, Und was dann die Methode anlaugt, so war 
es sicher ein grosses Versehen, die Untersuchung. über das Wesen des 





.- 


- 6. Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Aeschylos. 41 


Selbst einem raschen Ueberblicke über die Geschicke der beiden 
gottverfluchten Geschlechter, wie sie uns Aeschylos gibt, ergeben sich 
sogleich zwei Motive, die beide gleichmäszig in der ersten Frevelthat 
ihren Ursprung haben und mit gleicher Macht neue Frevel in dem Hause 
fördern. Des Dichters eigne Worte mögen beide näher charakterisieren. 
Das eine wird Ag. 728 ff. bezeichnet, wo der Dichter ausführt, wie der 
Frevelmut, einmal in der menschlichen Brust zur Herschaft gelangt, 
immer weiter um sich greife; wie er aber ebenso, einmal in eineın Ilause 
eingekehrt, über das ganze Geschlecht sich ausbreite: “denn unheilige 
That erzeugt wuchernd unheilige Thaten fort, die ihrem Stamme gleich. 
— — Es liebt es der alte Frevelmut, zu erzeugen neuen Frevelmut, der 
in der Menschen Unheil aufblüht, und den unentrinnbaren, unbezwing- 
lichen, unheiligen Dàmon, das über dem Hause finster sich lagernde frevel- 
freche Unsal ("Arnv), das seinem Erzeuger gleicht.” — Das andere Motiv 
ist klar genug Cho. 395 ausgesprochen: “es erheischt das Gesetz für Blut, 
einmal vergossen zur Erd’, neu flieszendes Blut. Denn es rufet 
der Mord die Erinys herbei; die häufet für den, der gefallen der- 
einst, Unheil stets fort zu dem Unheil? (@rn). Der Mord fordert 
Rache; aber der neue rächende Mord ruft sich selbst wiederum einen 
Rächer auf: und so reiht sich die Kette der Mordthaten in engem An- 
schlusz an einander fort. — Im weitern Verlaufe wird man sehen, wie 
das erste Motiv, weil es das psychologische Moment in sich schlieszt, 
immer wirksam ist; das zweite hingegen, wenn es sich nicht um Rächung 
einer Blutschuld handelt, überhaupt nicht wirksam sein kann. 

Betrachten wir nun die inneren Bezichungen, welche nach der An- 
schauung des Aeschylos jedem Motive zugrunde liegen, näher, und zwar 
zunächst in Betre[T des zuletzt erwähnten. 

Den ersten Ausgangspunkt bot der streng festgehaltene Glaube, dasz 
es für den schweren Frevel keine Sühne gebe. Zunächst an das Bild des 
Glückes als eines Schiffes sich anlehnend führt der Dichter Ag. 971 ff. 
aus, wie auch die geringere Frevelthat ein Haus schwer erschüttere, doch 
noch nicht dessen Untergang herbeiführe, hingegen vor den Folgen der 
unsühnbaren Blutschuld keine Rettung sei: “also zerschellet des Manns 

segelndes Glück an verborgener Klippe. Werfend dann der 


Schätze Last weg , der reich erworbenen, schleudernd wol nach 
weisem Masz, sinkt dahin nicht ganz das Haus, wenn mit Weh 
erfüllet auch, noch das Schiff zum Meeresgrund. — — Doch wo 
zur Erd' einmal dahin mit dem Tod flieszt zu den Füszen des 
Mauns schwarz strömend das Blut, wer rufet zurück es beschwó- 


rend?? — Wie Apollon Eum. 638 ff. spricht: *doch wenn des Mannes Blut 
der Staub getrunken hat, — einmal gestorben, und es kommt kein 
Auferstehn — dafür erfand mein Vater keinen Spruch noch Kunst.’ 
Und Cho. 514 f. heiszt es: “denn wer die Blutschuld auszusühnen alles 
auch hingäbe, nutzlos ist die Müh.' Es galten aber Mord und frevel- 


Geschlechtsdämon nicht auf eine vorher anzustellende Erforschung des 
Weseus des Rachedümon auszeérhalb des Geschlechtsfluches zu begründen. 


42 G. Dronke: die religiósen und sittlichen Vorstellungen des Aeschylos. 


hafte Verletzung der Ehe zunächst als unsühnbare Frevel, wie wir aus 
Cho. 62 ff. ersehen: “wer frech sich fremdes Brautgemach erbrach, ge- 
sühnt wird nimmer der; und strömte aller Ströme Flut vereint 
her, bluttriefenden Mord hinwegzuspülen, doch umsonst strómten ' 
sie”? — Die Unsühnbarkeit solcher Frevel erscheint aber noch dadurch 
in erweitertem Umfange, dasz die daraus erwachsende Schuld nach helle- 
nischer Anschauung sich auch auf die Nachkommen vererbte. In diesem 
Sinne mahnt der Chor der Schutzflehenden V. 417 ff. den König, der aus 
Furcht in einen Kampf mit ihren Verfolgern verwickelt zu werden gegen 
ihre Aufnahme Bedenken trägt: ‘wiss’ es wol, deinen Kindern, deinem : 
Haus, was du auch wählen wirst, zu büszen für die Schuld, 
bleibet ein gleich Gericht!” Noch viel bestimmter sprechen die Verse 
Eum. 917 ff., welche von den Erinyen reden: ‘denn es heischet ihr Amt, 
all meuschliches Thun zum Gericht zu erspähh. Wer nimmer 
jedoch selbst frevelte schwer, nicht ahnt er woher ihm 
die Schläge des Lebens bereitet. Denn in ihre Gewalt hin treibet ihn 
Schuld von den Ahnen vererbt; und ein lautlos End’, ob 
er laut auch prahlt, es vergräbt ihn in grauser Vernichtung.” Doch 
bergen sie einen nicht unwesentlichen Anstosz in sich. Zwar zeigen die 
Worte “ob er laut auch prahlt? (καὶ μέγα φρονοῦντα) hinlänglich, dasz 
der Dichter nicht sagen will, auch ein Mann von gottesfürchtiger Ge- 
sinnung und lauterem Wandel müsse für die Vergehen seiner Vorfahren 
büszen: ist ja das Prahlen der nächste Ausdruck der menschlichen Selbst- 
überhebung (ὕβρερ) gegen die Gottheit. Aber auch so läszt es sich nicht 
leugnen, sehr verdunkelt erscheint in diesen Versen die wahre Vorstel- 
lung des Aeschylos von der Wirkung welche die Schuld der Ahneu auf 
das Geschick der Nachkommen ausübe. Man wird nemlich aus der Be- 
sprechung der Schuld Agamemnons ersehen, dasz der Tragiker keines- 
wegs der Ansicht war, dasz der ganz unschuldige für die Schuld anderer 
Strafe erleiden könne. Sondern das wesentliche Moment seiner Vorstel- 
lung bestand eben darin, dasz die Rache, welche um der Ahnen Schuld 
willen das Haupt des Sterblichen umschwebte, durchaus nur dann wirk- 
sam wurde, wenn der bedrohte erst durch eigne Schuld die rächende 
Haud der Götter gegen sich aufgerufen hatte. In diesem Falle, aber 
auch nur in diesem Falle, musz der Mensch auch für die Schuld seiner 
Vorfahren büszen. — Man wird vielleicht im Hinblick auf die eben ent- 
wickelte Ansicht und jene angeführten Verse einen Zwiespalt in des 
Dichters eignen Vorstellungen annehmen wollen. Doch erscheint eine 
solche Annahme als vollkommen unzulássig, wenn man bedenkt dasz die 
Darstellung von Agamemnons Geschick gerade in derselben Trilogie 
Oresteia sich findet, an deren Schlusz wir jenen Versen begegnen. Und 
gilt es nun einmal bei einem solchen Mangel voller Uebereinstimmung 
die wahre Ansicht des Tragikers zu ermitteln, so scheint es doch das 
einzig besonnene Verfahren zu seiu, eher das, was sich äus der Ent- 
wicklung einer ganzen Tragódie als Ueberzeugung desselben ergibt, 
auch für das einzig richtige zu erklären, als auf ein paar einzelne Verse 
zu bauen, die, wolgemerkt, gerade in den entscheidenden Worten kritisch 


G. Drouke: die religiósen und siltlichen Vorstellungen des Aeschylos. 43 


so verwahrlost sind, dasz die Möglichkeit einer sichern Heilung sehr 
zweifelhaft bleibt. '*) 
| Für den tmgischen Dichter fruchtbar war aber jene Vorstellung von 
der Unsühnbarkeit des Mordes nur in der Auffassung, in der sie ihm 
übrigens auch schon im Mythos geboten wurde, dasz nicht etwa die 
Gottheit unmittelbar, sondern dasz sie durch das Werkzeug menschlicher 
Hand die verwirkte Strafe ausführen lasse. Man dachte sich den Rächer 
als unmittelbar aus dem vergossenen Blute hervorgegangen, den Geist 
des gefallenen als zornigen Erwecker des Rächers. *O Kind, bewältigt 
wird des Todten Denken nicht durch den blendenden Zahn der Glut ; 
spät einst zeigt er sein Zürnen', singen mit Hindeutung auf Agamem- 
non die Grabesspenderinnen 320 ff., ähnlich wie 58 f.: *Blut, einmal von 
der Amme Erde aufgefahn, gerinnt zu Rachemord, dem sicheren.? 

' Das Gesetz aber, nach welchem die Sühne jeder Schuld abzutragen 
war, war das ius falionis, gleiches mit gleichem büszen; wie es aus- 
führlich vom Dichter angegeben wird Cho. 306 ff.: *«Für feiudliches 
Wort sei feindliches Wort!» Also ruft Dike, die lautere, laut, 
wenn die schuldige Busze sie eintreibt. «Für blutigen Mord werd' 
blutiger Mord! Wer that musz leiden!» So heiszt das Gesetz 
in den heiligen Sprüchen der Väter.” In kürzerer Fassung wird es an 
gar vielen Stellen erwähnt, wie etwa Ag. 1391 f.: “doch es geschieht dasz 
du, von Freunden baar, Mord mit Mord noch entgeltes? (εύμμα 
τύμματι τῖσαι); oder 1493: “da verdientes er that, da verdientes er litt? 
in dichterischem Ausdrucke statt: Agamemnon litt was er verdient; er 
tödtete Iphigeneia, darum erlitt er. den Tod. 

Aus der steten Befolgung dieses Gesetzes ergibt sich nun jene eng- 
geknüpfte Kette von Frevelthaten, iu denen ein Geschlecht sich selbst 
aufreiben musz, sobald einmal in ihm eine mordende Hand verwandtes 
Blut vergossen hat. Von dieser Frevelforterzeugung geben eben jene 
schon oben angeführten Verse Cho. 395 ff. ein furchtbares Bild: “es er- 
heischt das Gesetz für Blut, einmal vergossen zur Erd', neu flieszen- 
des Blut. Denn es rufet der Mord die Erinys herbei; die häufet 
für den, der gefallen dereinst, Unheil stets fort zu dem Unheil? (&rn). 
Noch klarer wird das innere Gesetz dieser Forterzeugung ans Licht ge- 
setzt Ag. 1999 ff., wo der Chor in seiner Angst, sein eben ruhmvoll heim- 
gekehrter Fürst möchte gemordet werden, in die Worte ausbricht : “wenn 
für die gefallnen er fällt und verlangt erneuerten Fall! sich 
zur Rache, wer rühmte sich noch, ihm bleibe gewis gramloses 
Geschick, wenn er das hórt?? — d. h. wenn Agamemnon zur Sühne 
des Mordes, welcher von ihm an Iphigeneia und von Atreus an den 
Kindern des Thyestes verübt wurde, gemordet wird, so wird dafür 


14) V. 918 und 919 sind handschriftlich so überliefert: ὁ δὲ un κύρ- 
cag βαρέων tovtov, welcher Lesart die oben gegebene Uebersetzung 
folgt. R. Rauchenstein schreibt προφρόνων τούτων, wodurch die 
Stelle freilich einen viel mildern Sinn erhält, ja vielleicht manchen be. 
friedigt: wer nicht sich der Gunst der Schar dort erfreut, 

nicht ahnt er woher? usw. 


44 G.Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Aeschylos. 


auch wiederum an seiner Mórderin Kiytämnestra rächender Mord aus- 
geübt werden. 

Ein wirksames Moment für dieses Fortwuchern des Mordes lag nach 
der Vorstellung des Aeschylos noch in dem Glauben, dasz die Rache dann 
dem gemordeten die angenehmste sei, wenn sie von seinem nächsten 
Blutsverwandten ausgeführt werde, ja dasz diesem geradezu die Pflich3 
der Rache obliege. Unmittelbar nach Erwähnung des Geschlechtsfluches 
siugen 465 ff. die Grabesspenderinnen zu Orestes und Elektra gewendet : 
*dessen 'ein Balsam ist diesem Geschlechte, dasz nicht Fremde 
von ferne, dasz ihr selbst endet den blutigen Hader. Dies Lied, 
drunten der Götter ist es.” In diesem Sinne kündet auch Apollon dem 
Orestes, wie dieser Cho. 269 erzählt, für den Fall dasz er des Vaters 
Ermordung nicht räche, furchtbare Qualen an, “aus des Vaters Blut er- 
wachsen?’ (281 ff.). “Denn auch? so fährt des Orestes Erzählung fort “das 
nacht'ge Graungeschosz der Unteren, von .umgebrachter Blutsver- 
wandten Flehn erweckt, Wahnsinn, Entsetzen, nächt’'ger Träume 
holile Furcht, des Todten Aug’ zu sehn im Dunkel, wie es grollt, 

verlreibe, stosze und verfolg’ aus jeder Stadt, ^ mit eherner Geiszel 
meinen gottverfluchten Leib !? 


12. 


So viel über das eine der beiden Motive, die sich bei dem Geschlechts- 
fluche wirksam erweisen. Nuu von dem andern. Es besteht darin dasz 
der eininal in ein Geschlecht eingekehrte Frevelmut sich vererbt. Den 
wesentlichen Gesichtspunkt, der dabei zu verfolgen ist, enthielt bereits 
die oben angeführte Stelle Ag. 728 ff. in ihren Schluszworten: dasz der 
Frevelmut einen unbezwinglichen Dämon, die frechwagende Ate (hier 
“Verblendung?), dem Hause zum Verderben herbeirufe. Es zeigt sich 
eben in dem Geschlechte eine Neigung zum Frevel, wie sie sich der 
Hellene nur aus gottverhängter Verblendung erklären kann: eine dámo- 
nische Gewalt scheint die Mitglieder des Geschlechts zu unseligen Tha- 
ten hinzudrángen. 

Die dämonische Macht, welche diese Gewalt ausübt, wird auch hier 
von dern Dichter zunächst mit dem allgemeinen Namen Dämon bezeichnet. 
Ein Dämon ist es der in den Siebe: vor Theben die letzte Unthat des Lab- 
dakidengeschlechtes, den Wechselmord, herbeiführt. Auf die Nachricht von 
dem Geschicke der Brüder sagt der Chor V. 794: *gemeinsam war so beiden 
eines Dimons Zorn’, worauf der Bote bestätigend antwortet: “ja wol, ein 
und derselbe Dämon tilgt das ganze unselige Geschlecht.” Und in diesem 
Sinne endet der Chor seinen Klaggesang mit V. 931: * nach beider Mord 
ruhet nun der Dämon.” — .Nicht anders ist es in dem Atridengeschlechte 
ein Dämon, der zu den blutigen Thaten aufstachelt. Ag. 1632 und 1638 
ohne besondere Beziehung erwähnt, wird er 1445 geradezu “der Dämon 
des Geschlechtes? (ὃ δαίμων γέννας) genannt: “von welchem ja wird 
blutlechzende Gier im Innern genährt?; — und in demselben Sinne 
V. 1536 “der Dämon des Pleisthenidengeschlechtes’ (δαίμων ὁ Πλεισϑε- 
νιδᾶν). An dieser Stelle drückt Klytàmnestra, in der Besorgnis, auch 


G. Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Aeschylos. 45 


gegen sie möge dereinst dieser Dämon einen Rächer des ermordeten Aga- 
memnon waffnen, den Wunsch nach Versöhnung mit demselben also aus: 


‘doch ich will gern Pleisthenes Stamms-Dämon mit Schwur zu- 
sagen, nun dies zu erdulden, so schwer zu dulden es auch, wenn 
künftig er fern vom Palaste nur weicht, dasz ein andres Geschlecht 


er verlilge mit selbst hinwürgendem Mord.” Man beachte, was hier 
als die Wirksamkeit des Geschlechtsdämon bezeichnet wird : das Geschlecht 
durch sich selbst zu vertilgen, indem er es antreibt jeden neuen Mord 
durch erneuten Mord zu rächen. Mit der Vorstellung des dämonischen 
Einflusses erscheint hier die andere von der fortlaufenden Ausübung des 
ius talionis verbunden, sowie wir diese in den Worten des Dichters aus- 
geprägt fanden, dasz Agamemnon zur Sühne für frühern Mord getödtet 
werde, um dann zu seiner Rächung neue Blutthat hervorzurufen. Wo 
also der Geschlechtsfluch sich durch eine solche innere Verkettung blu- 
tiger Thaten äuszert, faszt es Aeschylos als den wesentlichen Einflusz 
des Dämon, dasz er nach dem ersten Vergieszen verwandten Blutes ein 
anderes Mitglied des Geschlechtes aufstachle den ersten Frevel zu rächen 
durch neuen Mord, der selbst wiederum Rache verlange: so dasz sich 
also der Rachedämon durch den sittlich bethórenden Einflusz, welchen 
er ausübt, selbst immer erneuten Anlasz zu seinem Wirken erzeugt. 

Und der also wirkende Dämon ist es, der Ag. 1469 und 1476 "ἢ 
Alastor, Rachegeist, genannt wird. An ersterer Stelle will Klytàm- 
nestra die Schuld der Ermordung Agamemnons von sich ab und dem 
Rachegeist des Atreus zuwälzen, der nach Sühne für das grausige Kin- 
dermahl verlangt habe: Ihre Worte sind: “und meinest du nuu, dies sei 
mein Werk, so sage doch nicht, ich sei Agamemnons Gattin 
auch; denn dem Weib des gemordeten dort an Gestalt nur gleich, 
hat ihn des empörenden Mahls alträchender, nimmer ver- 
gessender Fluch, ihn des Atreus wütender Rächer gestraft, 
hinopfernd den Mann für die Knaben? — " 

Dämon und Alastor hatten wir auch schon bei dem einzelnen als 
zum Frevel bethörende Mächte kennen gelernt. Bei dem Geschlechts- 
fluche tritt nun zunächst die Erinys-hinzu. Als Rachegöttin verleitet 
sie den Sterblichen zu Thaten der Rache; und ganz dieselbe Thätigkeit, 
wie wir sie eben als die des Geschlechtsdämon und des Alastor erkann- 
ten, wird ihr in der schon mehrfach erwähnten Stelle Cho. 395 zuge- 


15) Diese Chorpartie wurde für Nügelsbach Anlass zu einer merk- 
würdigen Lieblingsidee. Weil nemlich der Alastor hier ausführlich als 
Rachegeist des Geschlechts geschildert wird, so behauptete er dasz der- 
selbe bei Aeschylos ausschlieszlich als solcher erscheine und dasz daher 
in der Verschiedenheit des Begriffes, welchen das Wort bei Aeschylos 
und bei Sophokles habe, einer der wesentlichsten Unterschiede der reli- 
giösen Anschauungen der beiden Dichter begründet sei. Aber es ent- 
gieng ihm dasz der Alastor Hik. 400 und Perser 340 ganz derselbe ist 
wie bei Sophokles, z. B. Oed. Kol. 788. *'Geschlechtsdümon', 0 δαί- 
um» yEvras, ist der technische Ausdruck nach Ag. 1445. Leider hat 
der Aeschyleisch - Nägelsbachsche Alastor vielfach Aufnahme gefunden. 
Vgl. de religionibus usw. 8. 35. 


46 G.Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Aeschylos. 


schrieben, wo der Dichter sagt, vergossenes Blut rufe die Erinys herbei, 
welche in fortwucherndem Unheil stets neue, unselige That zu der alten 
häufe. Daher heiszt es ebd. 636, die Erinys führe den Orestes in den 
Palast und sie sei es welche, wenn auch spät, den Gräuel der alten Blut- 
schuld räche — d. h. die Erinys treibe den Orestes zur Rache an Kly- 
tämnestra. So wird sie auch in den Sieben vor Theben als die Rächerin 
des Oedipus bezeichnet, welche dessen Sóhne zu dem Wechselmorde ge- 
trieben. V. 766 erwähnt der Chor den bittern Fluch, welchen Oedipus 
auf seine Sóhne herabwünschte, und schlieszt die Strophe dann mit den 
Worten: “und ihn vollendet, fürcht' ich, die schnelle Erinys jetzt schon.? 
Und nach der empfangenen Kunde von dem vollbrachten Wechselmorde 
ruft der Chor 862 aus: *wahrhaft vollbracht hat dieses des Oedipus hehre 
Erinys jetzo. Vgl. 704. 772. 863. 956. 

Die Ara aber, der personificierte Fluch, ist nur die Erinys in be- 
sonderer Auffassung. Heiszen ja die Erinyen selbst nach Eum. 409 die 
Fläche, lesen wir doch Sieben 70: *o Fluch, des Vaters mächtige Erinys 
du!? Die Ara ist eben die Rachegóttin, insofern sie durch einen Fluch 
herbeigeschworen ist. Und ein Fluch war es, an den sich das Unheil des 
Atridenhauses anknüpft. Als Thyestes erkannt hatte, welche Speise ihm 
Atreus vorgesetzt, *flucht er den Pelopiden grausen Untergang, des 
Mahls Beschimpfung weihend laut g erechtem Fluch, umkommen 
also möge Pleisthenes ganzes Haus? (Ag. 1568 ff.). So ist bei Kiytäm- 
nestras Ermordung der Fluch thätig; denn der gemordeten Flüche sind 
gar mächtig, wie es Cho. 401 heiszt. Und ebenso wird das unselige Ende 
der beiden letzten Labdakidenbrüder durch den Fluch des Oedipus herbei- 
geführt. Ein schauerliches Bild von der Gewalt des zum Frevel hindrän- 
genden Fluches geben jene Worte Sieben 676 ff., mit denen der zum Zwei- 
kampf eilende Eteokles die Abmahnungen des Chors zurückweist: *es 
lagert auf dem thränenlosen Aug’ sich mir . des Vaters Fluch, dasz 
ich vollbringe diesen Mord, mir schmeichelnd dasz nicht ich zuerst 
hinsinken musz. Und nachdem die Brüder gefallen, singt der Chor 996 f. : 
“ein Festlied jauchzen laut zum Schlusse die Flüche, wildgellend Lied.? 
Vgl. ebd. 636. 747. 766. 812. 821. 919. 

Der Ate, des Unsals, in ihrer Wirksamkeit innerhalb eines ver- 
fluchten Geschlechts gedachten wir schon früher durch Anführung von 
Stellen wie Cho. 811. 1072. Sieben 929 u. a. 

Als sittlich bethörende Mächte erscheinen also beim Geschlechts- 
fluch dieselben welche bei dem einzelnen thätig sind: Dämon, Alastor, 
Ate; dann neben dem Alastor noch als Rachegottheit die Erinys, die 
Ara. Man beachte aber, dasz ein wesentlicher Unterschied zwischen den 
verschiedenen dämonischen Gewalten von Aeschylos nicht gemacht wird: 
in dem Atridenhause läszt er alle gleichmäszig wirksam sein. Die Vor- 
stellung ist bei allen dieselbe, nur das Bild ändert sich. 

Aber nun die wichtigere Frage: unter welchen sittlichen Gesichts- 
punkten faszt Aeschylos den Einflusz dieser zum Bösen drängenden dämo- 
nischen Gewalt auf? War etwa jeder, der einmal in einem dem Fluche 
verfallenen Geschlechte geboren wár, nun auch unbedingt der unwider- 


G. Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Aeschylos. 47 


stehlich ins Verderben reiszenden Macht des Dämon überliefert, so dass 
sein bestes Streben und Wollen nichts vermochte? Oder war es die 
Anschauungsweise des Dichters auch hier, wie wir es bei dem einzelnen 
sahen, dasz erst die eigne Hinwendung zum Frevel aus freiem Entschlusse 
dem Dämon den verblendenden Einflusz möglich machte? Und wenn letz- 
tere Frage bejaht werden sollte, worin unterschied sich dann diese dämo- 
nische Macht in ihrem Einflusz auf den einzelnen Frevler und in dem 
Einflusz auf die Mitglieder eines verfluchten Geschlechtes? 

Einen passenden Ausgangspunkt zu dieser Untersuchung bieten jene 
beiden Strophen Ag. 1465—80, wo das Bemühen Klytämnestras, die Schuld 
von Agamemnons Ermordung von sich ab dem Geschlechtsdämon zuzu- 
schieben, und die Widerlegung des Chors, der alle Verantwortung für 
die That dem Weibe zurechnet, sich gerade um die Wirksamkeit des 
Alastor drehen. Ihrer Wichtigkeit wegen folgen die Strophen vollständig. 
Klytàmnestra: “und meinest du nun, dies sei mein Werk, 80 
sage doch nicht, ich sei Agamemnons Gattin auch; denn dem 
Weib des gemordeten dort an Gestalt nur gleich, hat ihn des empó- 
renden Mahls altráchender, nimmer vergessender Fluch, 
ihn des Atreus wütender Rächer gestraft, hinopfernd den Mann 
für die Knaben.” Darauf der Chor: *dasz du des Mords schuldlos 
seist, des verübten, wer bezeugt es? Wie? wie? ja vielleicht half 
dir zur That des Atreus Alastor. In Strömen gleich entsprungnen 
Bluts drängt fort und fort der Gott des Mords (μέλας "M9gc); er 
sühnt, wohin er immer auch sich fortwälzt, den Gräul blutigen 
Kindermahles. 

Kiytämnestra will sich als unverantwortlich angesehen wissen, weil 
sie nur.das willenlose Werkzeug einer rächenden Gottheit gewesen ; wie 
etwa Oedipus bei Euripides Phoen. 1612— 14 einen Gott den Vollbringer 
seiner Frevel sein läszt: “denn also unverständig ward ich nicht aus 
mir, dasz gegen meine Augen, gegen meine Söhn’ ich so ge- 
frevelt, hätt” ein Gott mich nicht verführt.’ Gegen den hellenischen 
Volksglauben streitet, wie oben erwähnt ward, eine solche Auffassung 
nicht. Aber Aeschylos bekämpft sie gerade als eine irrige, und bekämpft 
sie vermittelst der Erwiderung des Chors. Denn dasz diese Worte die 
vom Dichter gebilligte Ansicht aussprechen, zeigt, abgesehen von dem 
Zeugnis, das dafür die Stellung des Chors im Agamemnon gibt, ganz 
unwiderleglich der Umstand, dasz mit dem hier ausgesprochenen Ge- 
danken der weitere Verlauf der Trilogie zusammentrifft. 

Drei Punkte sind es aber, die der Chor hervorhebt. Zunächst dasz 
sie, Kiytämnestra, die Schuld der Mordthat trage. Der Dichter erinnert 
biermit die Zuschauer an das früher (1337) von Klytämnestra gemachte 
Geständnis, dasz sie in freiem Bedacht seit lange auf den Mord gesonnen: 
 *mir brachte den Kampf, längst schon unerwogen nicht, die alte 

Zwietracht, wenn er spät auch erst gereift? — ein Geständnis das sie 
an unserer Stelle vergessen haben will, weil sie durch die Drohung des 
Chors, auch ihr werde nun strafende Rache nahen (1370 ff. und 1391 ff.), 
geängstigt ist. Auch sucht sie, nachdem der Chor diesen vom Alastor 


- 


48 G. Dronke: die religiósen und sitilichen Vorstellungen des Aeschylos. 


hergeleiteten Entschuldigungsgrund als nichtig verworfen, in Wieder- 
anerkennung ihrer Thäterschaft sich auf andere Weise zu rechtfertigen, 
indem sie ihre Berechtigung dazu aus dem Vergeltungsrechte nachweisen 
will, da Agamemnon ihre Tochter getödtet habe (1489 ff.). — Sodann 
räumt ihr der Chor zwar ein dasz der Alastor bei dem Morde mit ihr 
thàtig gewesen; aber er war nur ein Helfer, ein Beistand (συλλήπτωρ), 
der erst dem aus sich zur That entschlossenen zur Seite tritt. — Das 
Zugeständnis aber, dasz durch des Atreus Frevel ein Rachegeist in das - 
Atridenhaus eingekehrt, gibt dem Chor Anlasz, in dritter Linie dem Wort- 
laute nach zwar nur allgemein auf ferneres Wüten des Rachegeistes hin- 
zuweisen, so aber doch verständlich genug darauf hinzudeuten, dasz auch 
sie, die Vollbringerin des Mordes, einst fallen werde; dasz sie also, wenn 
ihr auch Alastor beigestanden, doch ebenso in vollem Masze büszen müsse, 
als ob er ihr nicht beigestanden. 

Also dies ist die Ueberzeugung des Aeschylos: dem unter dem 
Fluche seines Geschlechts stehenden Sterblichen hilft eine dämonische 
Macht zur Vollbringung. des Frevels, aber erst, wenn er in freiem Ent- 
schlusse sich dem Frevel zugewandt, weshalb seine Schuld auch durch 
die Hülfe des Dämon um nichts gemindert wird. Was wir früher bei 
der Besprechung der Sieben vor Theben beobachteten, ist für den ge- 
wichtigsten Punkt eine Bestätigung: der Dichter hebt es dort zu wieder- 
holten Malen nachdrücklich hervor, dasz Eteokles trotz des Fluches seines 
Vaters volle Freiheit des Entschlusses hatte. 


13. 

Aber nun bleibt noch die Frage zurück: wiesunterscheidet sich der 
Einflusz der dämonischen Gewalt bei dem einzelnen Frevler von dem- 
jenigen welcher sich bei dem durch einen Frevel dem Fluche verfallenen 
Geschlechte offenbart? Die Antwort auf diese Frage musz uns zugleich 
den Blick darüber Öffnen, wie sich Aeschylos das psychologische Moment 
der Frage erklärte. 

Man erinnere sich vor allem, dasz der Zweck des Dàmon, unter 
welchem Namen er auch erscheint, stets Rache ist: er bethórt den Men- 
schen zu einer That, durch welche ein vollbrachter Frevel gerächt werden 
soll. Berückt der Dämon einen einzelnen, nicht innerhalb eines Ge- 
schlechtsfluches stehenden Menschen, so hat dieser, wie sich als des 
Aeschylos Auffassung ergab, einen Frevel vorher begangen, und demge- 
mäsz wird der verblendete zum Rächer an sich selbst. Xerxes hatte sich 
in frevelhafter Selbstüberhebung gegen die Gótter vergangen: darum lockt 
ihn der Rachegeist in das ihm bei Salamis listig bereitete Netz, und seine 
Flotte wird vernichtet. Gerade das umgekehrte Verhältnis tritt der Regel 
nach innerhalb eines verfluchten Geschlechtes ein. Der Vollbringer des 
Frevels und der Beschleuniger der Rache sind zwei verschiedene Perso- 
nen: der eine hat durch schwere Schuld die Rache der Gottheit auf sich 
herabgeschworen; der andere wird nun vom Dämon zur Bestrafung jener 
Schuld aufgestachelt. Der Gerechtigkeit der sittlichen Weltordnung wird 
nun durch diesen zweiten zwar insofern genügt, als jene erste Schuld 


» 


G. Dronke: die religiósen und sittlichen Vorstellungen des Aeschylos. 49 


gestraft wird; aber indem der Rächer in Ueberschreitung der ihm gesetz- 
ten Grenzen eine Schuld auf sein Haupt ladet, findet der Dämon neuen 
Aulasz zu weiterem Frevel aufzureizen. Und an éine Urschuld innerhalb 
des Geschlechts knüpft sich daher der bethórende Einflusz der dämoni- 
schen Macht über alle Glieder dieses Geschlechtes. 

So faszt Aeschylos die innere Begründung des dämonischen Wahn- 
sinns von Seiten des Dämon auf. Der psychologische Vorgang auf Seiten 
des bethórten wird nun leicht klar. Nicht also erst eigne Schuld, die 
alte Urschuld seines Geschlechts macht den Sterblichen der verblendenden 
Macht des Geschlechtsdámon zugänglich, jedoch nicht in der Art dasz er 
von Geburt an in innerer Unfreiheit befangen wäre; sondern indem ihm 
einerseits, wie es der Dichter streng durchführt, die Freiheit im Ent- 
schlieszen vollkommen gewahrt ist, anderseits aber ein Hang zum Frevel 
durch sein Geschlecht eingepflanzt ist, verfällt er erst mit dem freien 
Entschlusse, aber auch mit dem bloszen Entschlusse schon, dem nun 
unwiderstehlichen Dämon. In dem einzelnen nistet sich mit der Ver- 
übung des ersten Frevels die Neigung zum Bösen fest; in dem Geschlechte 
wurzelt mit der éinen Urschuld die Neigung zum Bósen durch alle Mit- 
glieder fest. Ursprünglich ist der Sterbliche in beiden Fällen innerlich 
frei. Aber innerhalb des verfluchten Geschlechtes vermag der einmal 
eingewurzelte Hang zum Bösen soviel mehr, dasz schon der blosze Ge- 
danke der Frevelthat, sobald er einmal in der Brust sich festgesetzt hat, 
den Sinn des Sterblichen mit unbezwinglicher Bethórung umstrickt. 

Worin der Dichter die psychologische Begründung von der Verbrei- 
tung der frevelmütigen Gesinnung findet, zeigt die oben S. 41 vollständig 
ausgeschriebene Stelle Ag. 722—740, deren Gedankengang folgender ist. 
Der Volksglaube, die Kinder eines hochbeglückten Maunes stürzten in 
wehevollen Jammer, ist ein irriger. Der Gerechte wird auch segenum- 
kränzte Kinder haben. Hingegen der Frevelmut der Vorfahren wird auch 
frevelmütige Gesinnung in den Nachkommen erwecken und in das ganze 
Geschlecht einen zu jeder frechen That hinreiszenden Wahnsinn ein- 
pflanzen. 

Nocb sei hierbei eines nicht unwesentlichen Umstandes kurz ge- 
dacht. Die erste Unthat, an die sich ein Geschlechtsfluch knüpft, trägt 
immer einen solchen Charakter, dasz sie nothwendig den Rachedämon 
gegen das ganze Geschlecht aufrufen musz. Laios hat von Apollon das 
Gebot sich der Kindererzeugung zu enthalten, und erzeugt sich daher 
mit dem Sohne zugleich selbst und allen weiteren Nachkommen den ver- 
nichtenden Fluch. Ganz derselbe Fall findet statt bei den Danaiden, da 
ihre Urahne Io sich und ihrem Geschlechte durch die Liebe des Zeus den 
Zorn der Hera zugezogen. Ganz anderer Art ist die Motivierung der 
Urschuld im Atridenhause. Atreus vergieszt verwandtes Blut, das Blut 
der Kinder seines Bruders: eine Schuld die ganz unsühnbar ist (Ag. 1615. 
Sieben 6692. 715) und daher nicht von dem Geschlechte weicht. 

Aber nun als Beleg des vorher ausgeführten die Beispiele, welche 
uns der Dichter von dem Einflusse des Geschlechtsdämon bietet. Eteokles 
hatte sich stets als ein gottesfürehtiger, gerechter König bewährt; durch 

Jahrb. f, elass. Philol. Suppl. Bd. IV. HN. 1. 4 


50 G. Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Aeschylos. 


keine Sehuld war von ihm die Rache der Gótter erweckt. Da hórt er 
von dem frechen Uebermute, mit welchem sein Bruder zum Angriff auf 
das siebente Thor schreilet, und — zwar erinnert uus Aeschylos durch 
den Mund des Chors daran, dasz ihm die Entschlieszung gauz frei stand 
(686), aber mit dem Ergreifen des Gedankens an den Zweikampf wird er 
auch jeder ruhigen Erwägung unzugönglich, wird er auch in wilder Ver- 
blendung von dem Fluchdämon zu der ihn selbst vernichtenden That fort- 
gerissen (676 u. 690). — Ebenso wenig hat Klytámnestra, die vom Alas- 
tor zum Morde getrieben wird, durch eine eigne Frevelthat sich den 
verhlendenden Rachedämon zugezogen. Denn was man als solche betrach- 
ten könnte, ihr Verhältnis mit Aegisthos, dem legt Aeschylos kein moti- 
vierendes Gewicht bei. 

Aher noch ein drittes und gerade das klarste Beispiel ist zurück. 
Agamemnon inusz, damit die Schuld des Vaters an ilm gestraft werden 
könne, erst selbst eine Schuld auf sich laden. Aeschylos gibt nun folgende 
Entwicklung. Artemis, die als Beschützerin der Kinder dem Atridenhause 
grollte, hielt die hellenische Flotte in Aulis durch widrige Stürme auf. 
Ungehinderte Fahrt werde sie erst dann gewähren, kündete der Mund 
des Sehers, wenn Agamemnon seine Tochter Iphigeneia geopfert. Lange 
bebte der Fürst vor dem grausen Verlangen zurück. Aber die Besorgnis 
seine Bundesgenossen zu verlieren und auf den troischen Heereszug ver- 
zichlen zu müssen entflammte den kriegerischen Elırgeiz des Mannes: 
er entschlosz sich zum Opfer. Und nun erfüllt ihn auch sogleich mit 
keckem, alles wagendem Wahnsinn der Rachedämon der väterlichen Un- 
that. Ergreifend schildert den ganzen Vorgang der Chorgesang Ag. 193 
— 210: *da hub das Wort au der ältre König: «Ein schweres Los 
ist es nicht zu folgen, ein schweres auch, — wenn selber mein Kind, 
des Hauses Kleinod, ich frech hinwürg', ins Blut der Jungfrau 
nun tauche nah beim Altar die Vaterhand. Was bleibt da sonder 
Schmerz? Wie nun die Flott' entbehr' ich missend des Zugs Ge- 
spannschaft?» — Doch als der Nothwendigkeit Gebisz an er legt‘, 
iin Geist athmend Sinneswandlung, unreine, gottvergessene, da, 
umgewandt, ward tollkühnen Sinus er. So hauchet gottlosen 
Frevelmut ein dem Mann der Urschuld Verblendungs- 
wahnsinn. 

Denn dies ist der Sinn den Aeschylos von den Zuschauern erfaszt wissen 
wollte und der sicherlich auch von ihnen erfaszt wurde: die παρακοπὰ 
πρωτοπήμων isl wie πρώταρχος ἄτη die Urschuld. Freilich konnte der 
Chor diesen Sinn nicht in seine Worte legen wollen, und dieser Umstand 
führte die Erklärer, selbst den umsichtigen Schneidewin, irre. Aber das 
Ergreifende dieses ganzen Chorgesanges liegt gröstenteils darin, dasz 
der Dichter den Chor seine Besorgnisse in Worte kleiden läszt, die einer» 
seits zwar einen passenden Ausdruck für diese bilden, in Doppeldeutig- 
keit aber anderseits dem Zuschauer bereits tiefe Einsicht in das sich eben 
entwickelnde Unheil des Geschlechtsfluches gewähren. So gedenkt der 
Chor V. 142 mit den Worten, es sei dem Palaste ein furchtbarer Haus- 
verwalter, der eingewurzelte Hasz der Artemis ob der Kinder Mahl, zu- 


ἃ. Uronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Aeschylos. 51 


rückgeblieben, des Grolls welchen Artemis auf die Adler wegen des Ver- 
zehrens der Hasenbrut gefaszt; der tiefer eindringende Blick erkennt aber 
sogleich, wie hierin ein Hinweis auf das von Atreus. bereitete Kinder- 
mahl liegt und wie sich an dieses die rüchende Thätigkeit eines Ge- 
schlechtsdámon anknüpft. 


14. 


Viele Punkte aus der Entwicklung des Atridischen Geschlechtsfluches 
sind schon als Beispiele zu einzelnen Momenten der Aeschyleischen An- 
schauungsweise angeführt worden. Trotzdem scheint es ganz passend, 
in Kürze die Entwicklung desselben nach den vom Dichter benutzten 
Motiven auseinanderzusetzen, um so eine Uebersicht des in rationeller 
Reihenfolge besprochenen zu gewinnen, zumal da ein noch unerledigter 
Punkt dadurch ins klare gesetzt wird. 

Also das Atreusmahl war die erste Unthat, durch welche der Fluch 
über das ganze Geschlecht kam (Ag. 1176 mit 1182 ff. 1054. 1480. 1565. 
Cho. 1065). Das Blut, im eignen Geschlecht vergossen, läszt keine Sühne 
zu; aus dem Geschlechte selbst musz ein Mörder erstehen, um durch 
Rächung des éinen Frevels selbst wieder den Tod zu verwirken: im 
Wechselmorde musz das Geschlecht durch sich selbst vernichtet werden. 
Artemis als Beschützerin der Kinder grollt dem Geschlechte. Sie legt 
dem Agamemnon in Aulis durch Sendung widriger Stürme die harte Wahl 
auf, entweder dem Zuge nach Troja zu entsagen oder seine Tochter Iphi- 


geneia zu opfern. Er wählt das letztere und ist damit der Gewalt des — 


über dem Geschlechte schwebenden Rachegeistes verfallen, der ihn zu 
der Opferung der Tochter in unheiligem Frevelmute verhärtet (Ag. 104 
— 2332). Doppelte Schuld hatte demnach der König zu büszen, die des 
Vaters und die eigne, und nur durch das Doppelte der Schuld motiviert - 
der Dichter das Mitwirken des Aegisthos bei der Mordthat; eine Be- 
nutzung des Verhältnisses zwischen Klytämnestra und Aegisthos als eines 
Motivs, wie es sich etwa bei Euripides (Or. 26) und Sophokles (El. 585 ff.) 
findet, hätte gar keinen Zusammenhang mit dem Wesen des Geschlechts- 
fluches gehabt. Aegisthos rühmt sich daher (Ag. 1546— 1579) seine Brü- 
der, die Atreus geschlachtet und dem Vater als Mahl vorgesetzt, gerächt 
zu haben. Nun glaube er an das Walten gerecht strafender Götter, sagt 
er, “im dichtgewebten Schleier hier der Erinyeu, zur Freude mir, 
gesunken sehend diesen Mann, schwer abzubüszen, was voll- 
bracht die Vaterhand? (1548 fT). Kiytämnestra hingegen wollte 
Sühne für den Tod ihrer Tochter von dem Gemahl, ‘der’ wie sie 1378 
sagt “meines Schoszes liebste Frucht, das eigne Kind, — liesz schlachten.’ 
Aber auch sie wird zugleich von dem Rachedämon zur Sühnung der Un- 
that des Atreus angetrieben (1468 ff... So heiszt es denn auch an anderen 
Stellen von Agamemnon, bald dasz er für Iphigeneia (1357. 1394. 1491). 
bald dasz er für die Kinder des Thyestes als Sühnopfer gefallen (1082. 
1472). ' 

Wenn nun Klytämnestra sagt, dasz ihr Gemahl todt, “sei ein Werk 
ihrer Hand, eines gerechtenVollbringers? (δικαίας τέκτονος 1366), 

4* 


^ 


52 Οὐ Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Aeschylos, 


so liegt dem insofern Wahrheit zugrunde, als jener den Tod verwirkt 
hatte und durch sie das verletzte Naturrecht gesülnt ward. Aber zu- 
gleich hatte sie die von Zeus eingesetzte und geschützte sittliche Ordnung 
des bürgerlichen Lebens zerstört. Denn, hören wir aus Apollons Munde | 

Eum. 615—30 und 212 f), nicht ist es erlaubt einen edlen Mann, der 
iehenes Scepter in Händen hat, zu tódten; noch weniger aber, | 
dasz dies von der Hand eines Weibes oder gar der eignen Gattin in listiger 
That geschehe. : 

Hier sei nun zweier Verse gedacht, welche ganz unwiderleglich 
darthun, dasz bei Aeschylos das tragische Schicksal, welches den religiö- 
sen Grundton seiner Tragödien bildet, eben kein anderes ist als jene voll- 
endete sittliche Weltordnung, die er sich als Ausflusz des Zeus dachte. #) 
Orestes weist nemlich Cho. 897 die Bitte seiner Mutter um das Lebei 
mit dem Bemerken zurück, er könne doch nicht mit der Mörderin seines 
Vaters zusammenwohnen. Klytàmnestra erwidert (898): *o Sohn, das 
Schicksal trägt die Schuld an dieser That? Darauf Orestes: *und 
eben so bringt dir das Schicksal jetzt den Tod.” Welche Begriffe 
musz aber der Dichter am dieser Stelle in das Wort gelegt haben? Die 
Mutter will die Schuld von Agamemnons Tod dadurch von sich ablehnen, 
dasz sie auf die sittliche Weltordnung hinweist, welche dürch jenen ver- 
letzt worden sei und ihn daher mit dem Tode gestraft habe. Aber dann 
ist es ja auch dieselbe Weltorduung, erwidert Orestes mit Recht, welche 
ihren Tod verlangt, da sie dieselbe durch den Mord des Fürsteu und 
eignen Galten zerstört hat. Es ist der Sinn, in welchem der Chor Ag. 
1502 nach vollbrachter Ermordung Agamemnons singt: "zu andrer Un- 
heilthat nun wetzt das Schwert des Rechts’ das Schicksal 
neu anaudrem Wetzstein,’") — Moira ist also die unter des Zeus 
‚Obhut stehende sittliche Weltordnung, welche einem jeden die Schranken 
seines Daseins anweist, durch deren Ueberschreitung er dem Untergang 
verfällt. Wehe daher dem Sterblichen, der in seinem Lebenslauf zu dem 
schweren Wendepunkt geführt wird, wo er zwar das Gerechte verlangt, 
was Moira selbst will; aber wenn er das Gerechte in Selbsthülfe zu Stand. 
und Wesen bringen will, nothwendig in Ueberschreitung seiner sitllichen 
Befugnisse sich selbst das Verderben bereitet, Nur die bange Wahl zwi- 
schen demütigem Verzichten auf Selbsthülfe und dem sicher unheilvollen 
Wege des Beharrens darauf bleibt dem Menschen. Die tragische Erhaben- 
heit der drei Stücke der Oresteia beruht ganz auf dieser Vorstellung vom 
Schicksal: aus ihr leitet der Dichter den Tod Agamemnons, den Tod Kly- - 
timnestras, die bedrängte Lage des Orestes her. 

Ja dem Orestes verbleibt nicht einmal jene bange Wahl, welche die 


16) Nügelsbach de relig, usw. S. 25 Anm. 2 hat eine interessante 
Skizze des von Schiller angeregten Streites über das tragische Geschick 
bei den Alteu gegeben. 17) In dieser durch einen Vergleich ausge- 
sprochenen Hindentung auf das Los der Klytämnestra ist es aber ganz 
irrig unter dem Wetzstein Orestes zu denken, wie Schmeidewin will, 
Der König hatte das Naturrecht verletzt, seine Gattin die andere Seite 
der Weltordnung, das Recht der bürgerlichen Gesellschaft: daher "der 
andere Welzstein?. 





G. Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Aeschylos. 53 


Möglichkeit einer Rettung zuläszt. Die beiden Verse Cho. 912 u. 913 be- 
schreiben in Kürze das Gräszliche seiner Lage. In letztem Versuche sich 
zu retten warnt Klytämnestra den Sohn vor den Erinyen: *hab Acht! der 
Mutter grimme Hunde meide ja!? Worauf Orestes: *doch die des Vaters, 
lass' ich dich, wie meid' ich die?? Er mag sich entscheiden wie er will, 
dem Fluche ist er verfallen. Sühnt er durch den Tod der Mutter des 
Vaters Blut und somit zugleich das verletzte Recht der menschlichen Ge- 
sellschaft, so verfällt er den unversóhnlichen Erinyen. Anderseits aber 
hat er als der einzige Sohn des gemordeten geradezu die Pflicht die Rache 
auszuüben, und ein Unterlassen der Pflicht droht ihm, wie Apollon ihm 
verkündet (Cho. 266—993), nicht geringere Leiden und Qualen. Im klar- 
sten Bewustsein seiner Lage führt ihn der Dichter vor; zwei Punkte sind 
es die sein Handeln charakterisieren. Nicht nach eignem Ermessen ent- 
scheidet er sich, er fragt Apollon um Rath und handelt nach dessen Wor- 
ten (Cho. a. 0. u. 888—891). Sodann ist bei ihm nicht dje in Verblendung 
fortreiszende Gewalt des Rachedämon wirksam, wie sie sich in dem 
furchtbaren Blutdurst der Klytämnestra ausspricht, mit dem sie sich ihrer 
That noch rühmt und Kassandras Mord noch hinzufügt (Ag. 1337 fT. 1222. 
1440). Schon hat Orestes den Aegisthos getödtet, schon schickt er sich 
zum Todesstreiche gegen die Mutter an, und noch einmal schwankt er in 
heiliger Scheu vor dem Mutterblute: “was thu' ich, Pylades? scheu’ ich 
meiner Mutter Blut?? (Cho. 887). 

So motiviert der Dichter die Lósung die er in dem letzten Stücke, 

‘den Eumeniden, gibt. Die Forderungen des natürlichen Blutrechtes und 
die des bürgerlichen Rechtes sind Orestes gegenüber in den schärfsten 
Widerspruch gekommen. Der Tragiker findet die Lösung in seinem Glau- 
ben, dasz die nun bestehende geläuterte Ordnung der Gótterwelt und der 
sittlichen Gesetze sich erst in stufenweiser Entwicklung herausgebildet 
habe. Demnach läszt er göttliche Wesen die beiden in Kampf gerathenen 
sittlichen Mächte vertreten: die Erinyen, die aus der ältern Gótterordnung 
stammen, sind Vertreterinnen des ältern Blutrechts, während Apollon, 
der dem jüngern Göttergeschlecht des Zeus angehört, die von seinem 
Vater eingesetzte sittliche Ordnung der menschlichen Gesellschaft zu wah- 
ren sucht. Hier nur ein Beispiel als Beleg für die Stellung jeder Partei. 
Die Erinyen rufen V. 770 f. aus: “weh! weh! ihr Götter jüngern Stamms, 
uralt Gesetz nun rennt ihr nieder, reiszt es fort aus meiner Hand!’ 
Umgekehrt, da die Erinyen ein Weib, das den eignen Gatten getödtet, für 
frei von ihrer Verfolgung erklären, weil sie nicht verwandtes Blut ver- 
gossen, ruft V. 219 Apollon unwillig aus: *so ganz misehrt wird und 
gering geschätzt von dir der groszen Hera und des Zeus eidheil’ger 
Bund!? — (216) *Geeint vom Schicksal ist des Mann- und Weibes Bund, 
gerecht bewahret, höhern Rechts denn selbst der Eid.’ Vgl. V. 72. 
153. 164. ' 

Apollon und die Erinyen treten nun vor das von Athene über Orestes 
eingesetzte Gericht, und jener verlangt die Erlósung des Schützlings von 
seinen Verfolgerinnen ; diese, dasz er ihnen zum Opfer preisgegeben werde. 
Das Ergebnis der Abstimmung der Richter ist Stimmengleichheit; die 


54 G. Dronke: die religiöen und sittlichen Vorstellungen des Aeschylos. 
Y . 


Forderungen beider Parteien erscheinen als gleichberechtigt. Aber Athene 
hatte es vorher áls eine Bestimmung des Gerichts angeordnet, dasz auch 
Stimmengleichheit den Orestes befreien werde (733): “es siegt Orestes 
auch bei stimmmengleichem Spruch.” Und so ist er erlöst. In wilde Klage 
brechen jetzt die Erinyen über die Vernichtung ihres Ehrenamtes aus, 
ohne auf das tróstende Wort der Athene (784) zu hóren: *besiegt ja wurdet 
nicht ihr, sondern stimmengleich entschied der Richtspruch, wahrlich 
nicht für euch zur Schmach.? Doch endlich gelingt es der weisen Rede- 
gabe der Göttin sie zu beschwichtigen. Es tritt Versöhnung und ver- 
tragsmäsziges Bündnis ein, unter dem, wie oben ausgeführt ward, sym- 
bolisch die volle Einigung aller sittlichen Ordnung und aller göttlichen 
Gewalten unter dem éinen Zeus erscheint; denn fortan erscheint die Erinys 
wie der Rachedàmon als ein Werkzeug des die Weltordnung leitenden 
obersten Gottes. 

Dieser höchste Zeus, in dessen Händen die Weltordnung ruht, ist es 
aber auch, der den Sterblichen Gnade spenden kann und spendet. Wie 
er einst sich des Mörders Ixion erbarmte (Eum. 433), so wird auch Orestes 
durch die góttliche Gnade frei. Und es ist ein bezeichnender Zug für die 
tiefe Reinheit der Aeschyleischen Göttervorstellung, dasz er sie nicht 
Freude an dem gänzlichen Untergange des wenn auch frevelhaften Ge- 
schlechtes finden, sondern gnädig einen letzten Sprosz retten lászt, dasz 
aus ihm das Geschlecht wieder kräftig aufblühe. Ein solcher Hoffnungs- 
stern (gaoc) bleibt dem Atridenhause in Orestes, dem Geschlechte der lo 
in dem éineu geretteten Brautpaare Lynkeus und- Hypermnestra. 


15. 


Die Gesamtheit der religiösen und ethischen Vorstellungen des Aeschy- 
los, wie sie hier aus seinen Dichtungen entwickelt worden sind, hat zwei 
Factoren: treues Verharren auf der Basis des Volksglaubens, und das Be- 
streben denselben durch Läuterung und Ausbildung zum Ausdruck einer 
sittlich vollendeten Anschauung zu erheben. Es ist unter diesen Aeschy- 
leischen Vorstellungen keine einzige, mag sie auch noch so klar und licht 
über die oft trübe Anschauungsweise des Volkes erhoben sein, zu welcher 
nicht aus dieser selbst dem Dichter der Anknüpfungspunkt geworden 
wäre. Und wieder gibt es keine Vorstellung, bei welcher Aeschylos die 
Ueberlieferung nicht von dem gereinigi hätte, was ihm als unlautere Zu- 
that der Zeit oder Dichterwillkür erscheinen mochte. Mit einer gleichsam 
Prometheischen Geistesgewalt, wie sie nur das ernstlicbste Ringen nach 
wahrer Gotteserkenntnis entfalten konnte, suchte er die schwierigsten 
Probleme, zu welchen sein Forschergeist in den Mvthen und dem Volks- 
glauben Anlasz fand, einer befriedigenden Lösung zuzuführen, und ver- 
folgte dabei sichtlich das hohe Ziel, seine Gottesanschauung und seine 
etlischen Vorstellungen zu einem in sich geschlossenen Systein zu ver- 
knüpfen: eine Aufgabe deren bloszes Erfassen schou die gróste Aner- 
kennung verlangen würde. 

Es einigte sich aber alles, was die religiöse Gefühls- und Denkweise 
des Aeschylos in sich barg, in der einen Idee von Zeus. Er war ihm der 


G. Drouke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Acschylos. 55 


einzige wahrhafte Gott, der auf niemandes Befehl hórte, auf dessen Ge- 
heisz alle anderen zu hóren hatten. Es entsprang dieser monotheistische 
Grundzug aus der bewusten Erkenntnis, dasz eine sittliche Lauterkeit der 
. Weltordnung als unerläszliche Bedingung die Einheit der Gottheit voraus- 
setze. So erschaute denn Aeschylos in Zeus die Einheit alles Göttliehen, 
Gerechten, Sittlichen; die ganze Weltordnung galt ihm als das Werk des 
éinen hóchsten Gottes. 

Zugleich fand der Dichter in den alten Mythen von einem frühern 
Wechsel der Gótterherschaft Anlasz und Stoff, die erhabene Vollendung 
seines Zeus nach anderer Seite hin zu verherlichen. Mit scharfen, ein- 
dringendem Blick ermasz er die Tiefe der Kluft, welche sich zwischen 
den beiden Richtungen des Glaubens an physische und geistige göttliche 
. Mächte hinzieht, Im Prometheus und in den Eumeniden entwickelte er, 

wie hoch über die starren vernanftlosen Naturgewalten der Moira und 
der Blutgöttinnen die Vernunft des persönlichen Zeus erhaben sei und 
wie diesem als dem Weltherscher sich die niederen Naturmächte fügen 

müssen. Der vollendete, weise Gott ist es, d^r die Sterblichen zur Be- 
“ sonuenheit, zum Guten anleitet (ödwoas), der die sittliche Ordnung 
der menschlichen Gesellschaft begründet und den Schutzflehenden auch 
Gnade angedeihen zu lassen weisz. In seinen Händen ruht die Aisa oder 
.Moira, die Weltordnung, und darin, dasz diese einen sittlichen Charakter 
an sich trägt, löst sich der scheinbare Widerspruch zwischen Schicksals- 
besuummung und Freiheit des menschlichen Willens. 

Die verworrene Vorstellung des Volksglaubens aber von dem 'be- 
thórenden Dämon, welehe ebenso sehr gegen den Glauben an eine Ge- 
rethtigkeit der Götter verstiesz wie sie den Begriff von der Schuld trübte, 
regte Aeschylos an, in genauer Berücksichtigung der psychologischen 
Seite das Wesen der Sünde — jetzt sei uns der in der Abhandlung selhst 
ängstlich gemiedene christliche Begriff erlaubt — , die Rückwirkung der- 
"selben auf das Gemüt der Frevelnden und ihre Folgen zu ergründen. Der 
verblendende Dämon ward ihm nun ausschlieszlich das Werkzeug des 
gerecht strafenden Zeus. Und indem er von dieser Grundlage aus den 
Begriff der Schuld und ihre Folgen in dem weitern Umfange des Ge- 
schlechtsfluches zu entwickeln suchte, wagte er sich an das höchste sitt- 
liche Problem der Menschheit über die Geschlechtssünde: er war der 
erste und letzte der Hellenen, der dies Problem überhaupt nur erkannte. 
Der rächende Geschlechtsdámon, welcher durch die grauenvolle Schuld 
des Ahnherrn auf ein ganzes Geschlecht herabgerufen wurde, war bei 
Aeschylos der Ausdruck für die Vorstellung, dasz aus der Schuld des 
Urahns her die Neigung zum Frevelhaften sich in allen Nachkommen 
fortpflanze. Nur noch die schmale Schranke trennte den Dichter von der 
vollen, uns durch Offenbarung gewordenen Wahrheit, dasz er das, was 
er im einzelnen Geschlecht erkannte, nicht auf das ganze Geschlecht der 
Sterblichen übertrug. 

So verdankte der hellenische Volksglaube dem Aeschylos in Reinheit 
der Gottesanschauung und Tiefe der ethischen Vorstellungen eine Ent 
wicklung, zu deren voller Würdigung am ersten die Berücksichtigung 


56 G. Dronke: die religiósen und sittlichen Vorstellungen des Aeschylos. 


des Umstandes dienen kann, dasz die Folgezeit sich nicht einmal in dem 
ungeschmälerten Besitz des errungenen zu behaupten vermochte. '*) Jetzt, 
da das volle Bild gewonnen ist, darf aber wol mit Recht darauf hinge- 
wiesen werden, wie entfernt Aeschylos von jeder specifisch philosophi- 
schen Richtung war, die er etwa mit dem Volksglauben zu einigen gesucht 
hätte. Nirgends stört unser Gefühl bei ihm die Kälte eines vermittelnden, 
auf Ausgleichung zwischen verschiedenartigen Gebieten sinnenden Be- 
strebens; überall dringt uns die Lebensfrische eines in glühendem Drange 
aufscliwellenden, schaffenden Geistes entgegen. Und es spiegelt sich 
hierin nicht nur der individuelle Charakter des Aeschylos, sondern eben 
so sehr das kernhafte Wesen des ganzen durch und durch gesunden, in 
sich befriedigten Zeitalters, in welchem das Ringen des wackern Mannes 
seines Lohnes gewis sein durfte. Aber vielleicht mag eben dieses Moment 
auch insofern eine schädliche Rückwirkung geäuszert haben, als es den 
Sinn des Aeschylos von der Betrachtung einer jenseitigen Welt ablenkte. 
Doch musz man hierbei ja bedenken, dasz gerade dem Tragiker eine 
solche Betrachtung wegen deren Unfruchtbarkeit für.seine Kuust fern 
lag, und dasz Pindar, wenn wir ihn in dem éinen Punkte als den er- 
leuchteteren anerkennen müssen, diesen Vorzug doch nur durch Annahme 
einer nicht nationalen Anschauung erlangt hat. Aeschylos blieb hier bei 
dem überlieferten stehen. Ein Gericht über die Todten im Jenseils und 
Bestrafung des Frevels nahm auch er an; aber viel mehr lassen uns die 
wenigen Andeutungen nicht erkennen. Hik. 217 f. heiszt es: *dort bei den 
Todten spricht ob Menschenfrevel, wie man sagt, ein andrer Zeus 
noch einst ein letzt Gericht.” Und dieses unterirdischen Zeus gedenkt 
auch der Chor 138 ff., wo er seinen Entschlusz ausspricht, in der äuszer- 
sten Noth Schutz zu suchen bei dem *allen gar gastlich sich erwei- 
senden Zeus im finstren Schattenreich?. Dasz der Rachegeist den 
Frevler aber noch über die Grenzen dieses Lebens hinaus verfolgt, er- 
wähnen die Eumeniden 338 mit den Worten: “auch todt freut er 
sich der Freiheit nicht.” . 


18) Auszer Sophokles wol der einzige, der nach ihm die Begriffe 
von Schuld und von Gótterbethórung scharf faszte, war sein treuer Ver- 
ehrer Aristophanes. Für diesen zeugt wenigstens der Schluss der Wol- 
ken. Dort macht Strepsiades den Wolken den Vorwurf, sie hütten ihn 
bethört, den alten Mann, der doch einer Warnung bedurft hätte. Doch 
jene erwidern (1458 ff.): ‘so thun wir immer, wenn von einem wir er- 
kannt, das» er auf schlechte Thaten seinen Sinn gewandt, bis 
wir in schweres Unglück haben ihn gestürzt, damit er vor den Göt- 
tern Scheu zu hegen lern'.? 


Φ 


IT. 
Die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Sophokles. 


1. 


Aus dem Kreise der Aeschyleischen Theologumena wurden zuletzt 
die dämonische Bethörung und der Geschlechtsfluch besprochen. Und so 
mag es denn als vollkommen berechtigt erscheinen, wenn sich jetzt zu- 
nächst die Frage aufdrängt: hat Sophokles die Vorstellungen, welche 
sein Vorgänger hierüber hatte, beibehalten oder hat er sie irgendwie ge- 
ändert? 

Was die dämonische Bethörung anbelangt, so mögen, um nicht 
durch Besprechung einzelner nur im Zusammenhange verständlicher Stel- 
len Aufenthalt zu bereiten, sogleich die besten Zeugnisse, nemlich die 
beiden thatsächlichen Beispiele, welche sich in den Sophokleischen Dra- 
men finden, vorgelegt werden. Das eine ist Aias. Der seiner Kraft sich 
freuende, mutige Held hatte der Mahnung des Vaters, er solle mit Gott 
stets siegen wollen, das prahlende Wort entgegengesetzt (767 ἢ): ἢ) 
‘mit Göttern, Vater, mag ein nicht'ger auch vereint den Sieg sich 
wol erwerben; ich getraue mir auch ohne jene diesen Ruhm herbei- 
zuziehn.” Ja der Göttin Athene selbst hatte er, da sie im Kampfe ihm 
zur Seite erschien, verwegen zugerufen (774 f.): *Gebietrin, zu den 
andern aus dem Heere tritt hinan; so viel an mir ist, nie zerreiszt 
die Schlacht.” Deshalb grollte die Göttin dem über das Masz der Sterb- 
lichen hinaus strebenden Helden und trieb ihn durch die Verblendung 
des Wahnsinns in das Netz des Verderbens (776. 59. 127 u. ö.). Die bei- 
den wesentlichen Momente des gottverhángten Wahnsinns, wie sie Ae- 
schylos faszt, treten hier klar hervor: er wird durch eigne freiwillig 
eingegangene Schuld herbeigezogen und hat demgemäsz seine Bestim- 
mung darin, die Bestrafung des Schuldigen herbeizuführen. 

Ebenso bei dem zweiten Beispiele, Kreon. Als er mit der Leiche 
, seines Sohnes in den Armen erscheint, sagt der Chor Ant. 1258, er halte 
in Händen ein Denkmal der eignen Schuld, nicht fremden Irsals. Und er 
selbst erkennt seine Verblendung V. 1272 ff. mit den Worten an: *ich 


19) Die Verse sind nach Brunck-Schneidewin citiert; die Ueber- 
setzung ist, wenn nicht besondere Gründe dagegen sprachen, der von 
G. Thudichum entnommen. 


* 


95 G. Dronke: die religiósen und sittlichen Vorstellungen des Sophokles. 


hab's erkannt mit Schmerzen. Doch es war ein Gott, der dort, dort 
in seinem Grimm schwer aufs Haupt mir schlug und hiu mich 
schleudert' in die wilde Bahn, hinab meine Wonne tretend in den 


Staub.” Mier ist die Begründung des gottverhängten Wahnsinns in eig- 
ner Schuld nach des Dichters Darstellung folgende. Kreun hatte in eit- 
lem Wahn das die Gótter verletzende Verbot erlassen, den Polyneikes zu 
bestatten, und die Uebertreterin desselben, Antigone, dem Tode über- 
geben. Da erscheint der alte Seher Teiresias und mahnt ihn von seinem 
frevlen Sinne zu lassen (V. 1023ff.): “denn Fehlen wol ist allgemein- 
sam gleiches Los der Sterblichen; wenn aber einer fehlte, steht ver- 
lassen nicht von Rath und Glückeshoffnung, der vom bösen Fall 
sieh Heilung: sucht und nicht beharrt in starrem Sinn. Des Eigen- 
sinns Verstocktheit zeugt verkehrtes Thun.” Dennoch bleibt Kreon un- 
beugsam in seinem Eigendünkel, und es trifft ihn dafür, wie es der Se- 
her bereits V. 1064 ff. vorher verkündet, die Strafe dasz ihm der eigne 
Sohn als Opfer seiner Verblendung fällt. Zugleich ersehen wir aus deu 
den Teiresias in den Mund gelegten Worten “des Eigensinns Verstockt- 
heit’, dasz Sophokles ebenso wie Aeschylos die dämonische Verblendung 
als psychologisch begründet in der Verstocktheit des Frevlers ansalı; 
wie er auch V. 1261 f. den Kreon sein Verhalten bezeichnen läszt als “des 
starrsinnigen Herzens todbringende irselige Thaten.’ 

Und wie faszte Sophokles den Geschlechtsfluch auf? — Man hörc 
die Schilderung des Labdakidenfluches, wie sie an zwei Stellen geboten 
wird. Ant. 593 ff. singt der Chor: “lang, lang in des Labdakos Haus fort- 
waltend sah ich Leid sich stets auf Leid der Gesunkenen häufen. 
Nicht Erlösung bringt ein Geschlecht dem Geschlecht, es stöszt sie 
ein Gott errettungslos hinab.’ Und so fälle nun auch, fügt der Chor hinzu, 
Antigone als ein Opfer des auf ihrem Geschlechte lastenden Götterhasses. 
Die zweite Stelle Oed. Kol. 964 ff. hat eben dadurch besondere Wichtig- 
keit, dasz der nun mit den Göttern versöhnte und von ihnen mit Er- 
kenntnis der Wahrheit begabte Oedipus über seine Schuld redet. Mag 
daher die umfangreiche Stelle ungekürzt Aufnahme finden.. Mit Hinwei- 
sung auf seine Geschicke sagt Oedipus: “65 gefiel den Göttern so, 
die lange wol schon zürnen wider mein Geschlecht. Denn au mir 
selber wirst du nicht der sünd’gen That eruiedrigende Flecken sehen, 
wofür ich an mir und an den Meinen muste sündigen. Denn rede, 
wenn dem Vater kam einScherwort vom Sitz des.Goites, 
sterben werd’ er durch den Sohn: wie darfst du wagen dies 
zur Schuld zu rechnen mir, der noch des Daseins Keime nicht vom 
Vater trug noch von der Mutter, nein, noch unerzeuget war? 
Wenn dann ich, unglückselig, weil das Licht ich sah, zusammen mit 
dem Vater traf und ihn erschlug, . ganz sonder Ahnung, was ich und 
an wem begieng: wie magst mit Fug du schelten solch unfreie That?’ 

Was hier zunächst im Vergleich mit Aeschylos auffällt, ist, dasz 
von keiner Urschuld die Rede ist, durch die der Geschlechtsfluch herbei- 
gezogen worden sei; dagegen musz freilich erwähnt werden, dasz dies 
iu der kurzen Schilderung des Pelopidenfluches El. 504- -518 geschieht. 


G. Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Sophokles. 59 


Der Chor schlieszt nemlich dort mit den Worten, dasz von dem Geschlecht 
des Pelops, seit dieser in unseliger Schuld den Myrtilos vom goldnen 
Wagensitz ins Meer gestürzt, nimmer der Fluch leidvoller Greuelthaten 
ablasse. Und so mag die Frage über diesen Punkt wenigstens für jetzt 
ruhen. Ist ja des von Aeschylos abweichenden noch genug vorhanden. 

Was bedingt nemlich bei Sophokles die Fortpflanzung des einmal 
vorhandenen Geschlechtsfluches? — Nichts bedingt sie. Es ist eben nur 
der Götter Zorn, der ein Geschlecht nach dem andern erbarmungslos 
hinabstószt. Von einer innern, ethischen Begründung keine Spur. Es 
findet sich weder ein Hinweis auf die eng unter sich verketteten Blut- 
thaten der Rache, in denen das Geschlecht sich selbst vernichtet, noch 
auf die durch Fluch und Rachedäinon vermittelte Vererbung des Unsals, 
noch àuch wird des psychologisch motivierten Hanges zum Frevelhaften 
gedacht, welcher aus der einmaligen Hinwendung eines Hauses zum Fre- 
vel erwächst und sich vererbt. Ebenso wenig wird bei dem einzelnen die 
Nothwendigkeit des eignen freien Entschlusses zur bósen Thát verlangt. 
Im Gegenteil hebt Oedipus nachdrücklich hervor — und nochmals sei es 
bemerkt, es redet der nun mit den Göttern versóhnte — dasz er ohne 
alle eigne Schuld in das Unheil gestürzt worden. So erklärt sich degn 
auch die gänzlich veränderte äuszere Gestalt des Mytlıos bei Sophokles. 
Um das Fortwirken des Geschlechtsfluches in stetem Verfolge ethisch zu 
begründen, beschränkte Aeschylos in weiser Weglassung dessen, was 
ihm keinen innern Anhalt bot, den Pelopidenfluch auf die Geschichte des 
Atridenhauses von dem Kindermahle an bis auf die Entsühnung des Ores- 
tes; den Labdakidenfluch aber läszt er mit dem gegenseitigen Morde der 
beiden Brüder Polyneikes und Eteokles enden. Denn damit der Zuschauer 
nicht etwa auch die Schwestern Antigone und [smene als noch dem Flu- 
che verfallen annehme, mahnt er ihn zu wiederholten Malen, dasz mit 
dem Tode jener der Same des Labdakos erloschen sei und nach diesem 
Siege der Rachedämon ruhe (Sieben 672. 795. 926. 1041). Sophokles hin- 
gegen konnte, weil er von der innern Motivierung absah, deu Chor auch 
in Antigone ein Opfer des ererbten Fluches sehen lassen (Ant. a. O. und 
856) und den auf dem .Atridenhause lastenden Gótterzorn wieder am die 
Greuelthat des Stammvaters Pelops anknüpfen. 

Die Rede des Oedipus enthàlt aber noch einen Punkt der besondere 
Berücksichtigung verdient. Man beachte nemlich die Form des Orakel- 
spruches: ‘dem Vater kam ein Seberwort vom Sitz des Gotles, ster- 
ben werd’ er durch den Sohn —* und erinnere sich dann, welchen Aus- 
druck Aeschylos den Orakeln überhaupt und welchen er insbesondere 
dem hier erwähnten Laiosspruche gab: *blieb' er kinderlos, retten werd’ 
er seine Stadt.” In den wenigen Worten spricht sich der durchgreifend- 
ste Gegensatz religiöser Anschauungsweise aus: es ist der freie Wille, 
das bewuste Mitwirken des Sterblichen, was Aeschylos durch den Ora- 
kelspruch selbst immer anerkennen läszt, wie er rz. B. das griechische 
Unheil dem Perserkónig Dareios nicht auf eine bestimmte Zeit hin vom 
Orakel voraussagen liesz, sondern den Eintritt desselben daran knüpfte, _ 
dasz einer seiner Nachfolger durch eigue Frevel den Götterzorn be- 


60 G.Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Sophokles. 


schleunige. Die Sophokleischen Orakel verkünden dagegen das bevorste- 
hende einfach als ein unabweisbares Verhängnis und reden demgemäsz oft 
von einem bestimmten Zeitpunkte, in dem das verhängte sich erfüllen werde. 
In der Kürze noch einige Beispiele. Jenen selben Spruch an Laios drückt 
lokaste Oed. T. 854 also aus: *er müsse sterben durch ein Kind aus mei- 
nem Schosz.? Und ebenso heiszt es in dem Spruche den Oedipus empfieng 
ebd. 791: *gesellt zur Mutter müss' er zeugen ein Geschlecht? usw. 
Und IHerakles erzählt Trach. 1169, er sei zu des Zeus spruchreichem Baum 
in Dodona gekommen, “der mir in dieser lebend gegenwärt’gen 
Zeit — von meinen auferlegten Mühn erlósenden Ausgang verheiszen.’ 
Und ähnlich lauten alle Sophokleischen Orakel: vgl. OT. 713. 995. OK. 87. 
354. 385 ff. 1332. Tr. 79. 824. 1159. 

Das Ergebnis dieser" Vergleichung der beiden groszen Tragiker mag 
als ein überraschendes erscheinen: zwar bei der dämonischen Bethörung 
hält Sophokles die geläuterte Aeschyleische Auffassung fest; dagegen bei 
dem Geschlechtsfluche und in der Form der Orakelsprüche schlieszt er 
sich, in Nichtachtung des von seinem Vorgänger errungenen Fortschrit- 
tes, wiederum eng an den alten Volksglaaben und die Ueberlieferung des 
Mythos an, ja vermeidet hierbei durchaus nicht einen Zug von Fatalismus 
in seine Dramen aufzunehmen. Die Beweisstellen sind klar und zahlreich. 
Ein Widerspruch scheint demnach ganz unmóglich zu sein, wenn man 
auf dieselben gestützt die Behauptung aufstellt, dasz Sophokles, in dem 
wir auch einen der frommen und geistesmächtigen Vertiefer des Volks- 
glaubens erkennen wollten, gerade in den wichtigsten ethischen Punkten 
einen Rückschritt zu dem bereits überwundenen alten Standpunkte ge- 
macht habe. Auch wird mit dieser Behauptung gegen die allgemeine 
Ansicht von des Dichters religiósen Vorstellungen nicht verstoszen. *) 
Und dennoch — 


2. 


die Versuchung zu einem Widerspruch ist grosz. Aber so lange man 
solche einzelne Punkte für sich allein betrachtet und mit den Aeschylei- 
schen Anschauungen vergleicht, bleibt jeder derartige zugunsten des 
Sophokles erhobene Widerspruch fruchtlos. Sophokles ist eine der Na- 
turen, deren Aeuszeruugen und Vorstellungen im einzelnen nimmer rich- 
tig aufgefaszt werden können, sondern stets in Beziehung auf die ge- 
samte Eigentümlichkeit des Geistes betrachtet werden müssen, aus dem 
sie stammen, im Gegensatz zu Aeschylos, bei dem fast jeder einzelne 
Ausspruch für sich allein bereits ein richtiges Bild vom ganzen Manne 
gibt. Nur wenn wir Sophokles als eine solche Natur fassen, läszt sich 
eine Reihe von scheinbaren Widersprüchen erklären und beseitigen, wie 
sie uns so eben auf dem religiósen Gebiete entgegentraten. , 

Es ist nicht leicht ein Bild des Sophokles zu entwerfen. Das Cha- 
rakteristische desselben im Vergleich zu Aeschylos hervorheben zu sollen 
wäre dieselbe Aufgabe, wie wenn man die vergeistigten Züge vollendeter, 


20) Vgl. Ber nhardy Grundriss der griech. Litt. 2e Bearb. II 2 
. 295 und 323 ff 


G. Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Sophokles. 61 


harmonischer Schönheit im Gegensatz zu scharf markierten Gesichtszügen, 
in denen das ernste Ringen eines männlichen Geistes sich abspiegelt, 
schildern sollte, &&s ist in solchem Bild eben kein Zug, kein Ausdruck, 
der aus dem Ganzen hervorstäche und deshalb besondere Aufmerksamkeit 
sich gewänne: jeder ist gerade im richtigen Masze vorhanden und die 
Vollendung beruht auf der Harmonie der zum Ganzemvereinigten Züge. 
Das ist das eigentümliche Gepräge des Sophokleischen Geistes sowie 
der Sophokleischen Kunst, und dem entsprechend finden des Dichters 
religióse und ethische Anschauungen erst dann ihre wahre Erfassung, 
wenn das harmonische Zusammenwirken aller in ihrer Einigung zum 
Ganzen erfaszt wird. 

Schon die Zeitverhältnisse, unter denen Sophokles sich entwickelte, 
förderten seine Ausbildung in dieser Hinsicht. Von dem mächtigen Geis- 
tesschwunge, den der persische Befreiungskampf hervorgerufen, war mit 
Beendigung desselben die Unruhe des Kämpfens und Ringens geschwun- 
den; der sittliche Gewinn desselben war zu einem ruhigen, innerlich 
fórdernden Besitz geworden. Athen stand auf einer vorher nicht geahn- 
ten Höhe politischer Machtentfaltung und geistiger Regsamkeit, ohne von 
der Grundlage der väterlichen Satzungen und des heimischen Lebens ab- 
gewichen zu sein; eine Vereinigung von Umständen welche jener Zeit das 
Gleichgewicht zwischen ihren Bestrebungen und ihren Kräften sicherte 
und die sittliche Tiefe ihrer geistigen Leistungen ermöglichte. 

Gleichen Schritt hatte die Entwicklung der Tragödie gehalten. In 
ihren Hauptelementen war sie von Aeschylos geschaffen, und statt des ge- 
waltigen Ringens, wie es immer die Durchführung einer neuen Schöpfung 
erheischt, bedurfte es jetzt nur noch der ruhig waltenden Hand des sin- 
nigen Meisters, um sie der höchsten Vollendung entgegenzuführen. Durch 
zwei nicht allzugrosze Aenderungen, die Auflösung des trilogischen Ver- 
bandes und die Hinzufügung eines dritten Schauspielers gelang es So- 
phokles, die psychologische Motivierung an Stelle des Sagenstoffes in 
der Tragödie vortreten zu lassen. Die typischen Charaktere, welche sich 
bei Aeschylos von dem mythischen Hintergrunde gleichsam nur wie Re- 
liefs hervorhoben, lósten sich jetzt von demselben als abgerundete und 
abgeschlosserie Charakterideale los. Dies wurde möglich durch die rei- 
chere Entfaltung des Seelenlebens, welche bei der Vermehrung der Per- 
sonen der sich entwickelnde Gegensatz der Charaktere herbeiführte. Es 
musz darauf ausdrücklich hingewiesen werden, da hiermit, wie wir im 
Verlaufe sehen werden, der Fortschritt der Sophokleischen Ethik in eng- 
ster Wechselbeziehung steht und diesem allgemein menschlichen Ge- 
pröge die Tragódien des Sophokles ihr universelles Interesse verdanken. 

Wir sagten dasz Sophokles die politische Freiheit und Grósze seiner 
Heimat gesichert und die scenische Kunst in ihren Hauptelementen fest 
begründet vorfand. Dasselbe gilt auch auf dem religiösen Gebiet. Ae- 
schylos hatte noch unablässig und heisz um eine sittliche Vertiefung der 
Elementaranschauungen kämpfen müssen. Er muste es erst zur allge- 
meinen Anerkennung bringen, dasz nicht die eiserne Macht einer blinden 
Naturnothwendigkeit, sondern ein persönlicher Gott die Geschicke der 


62 G. Dronke: die religiósen und sittlichen Vorstellungen des Sophokles. 


Sterblichen lenke; dasz in diesem Weltlenker Zeus als der Quelle alles 
Sittlichguten die Einheit des Göttlichen begründet sei, sowie die Gerech- 
tigkeit der Weltordnung, welcher gegenüber dem Menschen die volle 
Freiheit seines Willens gewahrt bleibe. Keine dieser religiösen Grund- 
fragen beschäftigte noch den Sophokles; er übernahm das hierin von 
seiuem Vorgänger errungene als ein gesichertes, nicht mehr zu bezwei- 
felndes Besitztum. 

Die Fragen, deren Lósung Sophokles i in seinen | Tragódien- zu geben 
suchte, lagen über den Aeschyleischen Kreis hinaus. Das. Eigentümliche 
derselben war natürlich ein Ausflusz des Sophokleischen Geistes. Suchen 
wir nun den wesentlichsten Zug desselben zu erfassen, so fällt gerade 
dem, der seinen Blick vorher auf Aeschylos weilen liesz, der Mangel an. 
speculativem Sinn auf. Sophokles ist eine durchaus innerliche Natur. 
Er bietet uns das Bild eines reinen, tiefen Gemütes, das von frommer 
Gläubigkeit und unerschütterlichem Gottvertrauen belebt wird. Es ist 
das innere Auge der Wahrheit, mit dem er unmittelbar das verborgene 
erschaut. Und so kónnen die eignen Verse des Dichters, welche das 88e 
Fragment uns bewahrt, als Motto auf ihn dienen: 

Ein Herz voll Milde, das nur Auf Gerechtes sinnt, 

Wird eh'r als Scharfsinn überall das Wahre sehn. 
Also nicht die Macht der denkenden Vernunft, sondern die Reinheit des 
llerzeus war ihm die nächste und lauterste Quelle für die Erkenntnis der 
Wahrlieit. An ihm fesselt uns nicht wie an Aeschylos gewaltiges Ringen 
in die Tiefen menschlichen Erkennens. Es fesselt uns nicht Groszartig- 
keit der Probleme, noch die Schärfe der Auffassung, welche das erkannte 
bis zu gleichsam dogmatischer Bestimmtheit zu fixieren sucht, noch auch 
eine an das Systematische streifeude Durchführung und Abschlieszung . 
der religiósen Vorstellungen. Bei Sophokles ist es die ungetrübte Em- 
pfänglichkeit des innern Sinnes, welche das Wahre erschaut und tief 
empfindet. Mögen wir bei ihm zuweilen die Wahrheit auch nur wie eine 
Ahnung das Ganze durchzittern fühlen, sie lebte und webte in seiner 
Brust. Daher die Lauterkeit der Gesinnung und der Reichtum des Ge- 
mütslebens, durch den sich Sophokles über seine Stammgenossen erhebt.?!) 


21) Als die einzige umfassende Vorarbeit musz hier erwähnt wer- 
den die Schrift von Εἰ, Lübker ‘die Sophokleische Theologie und Ethik? 
(Kiel 1851 u. 1855). Um nicht den Stoff durch einzelne Anmerkungen 
stets anzuhäufen, sei hier kurz bemerlt dasz wir uns in einem fast 
durchgehenden Gegensatz zu ihm befinden. Vorzüglich hat dies seinen 
Grund darin dasz die kritischen Grundlagen, von denen er und wir 
ausgehen, ganz verschieden sind. Er hat keine klare Vorstellung von 
der Hóhe der religiósen Entwicklung, die Sophokles bereits vorfand, 
80 dasz er überkommenes und eignes nicht scharf zu scheiden vermag 
(vgl. II S. 5 ἢ). Ebenso wenig scheidet er in den Dramen des Dichters 
das accidentielle von dem essentiell Sophokleischen aus. Leider ist bei 
ihm auch keine volle Zuverlüssigkeit in Betreff der citierten Stellen. 
Beispielshalber soll an betretfender Stelle gezeigt werden, wie er sich 
in der Auffassung einer ganzen Tragödie auf falsche Interpretation 
(Phil. 252), in einem andern Punkte mit stillschweigender Misachtung 
der vortrefflichen handschriftlichen Lesart auf einen ganz unnützen 
Aenderungsversuch Wunders stützt (Trach. 881). 


G. Droake: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Sophokles. 63 


ὃ. 


Vorerst nóch musz darauf aufmerksam gemacht werden, dasz in den 
Dramen des Dichters die Scheidung zwischen Sophokleiscliem und Nicht- 
sophokleischem schwer ist. Aeschylos hat streng den Grundsatz gewahrt, 
keiner Person eine anstószige oder nach seiner Ucberzeugung irrige An- 
sicht in den Mund zu legen, ohne den Irtum entweder sogleich durch 
den Widerspruch eines dritten oder durch die allmähliche Eutwicklung 
der dramatischen Handlung nachzuweisen. Anders verfuhr Sophokles. 
Hielt er seine Charaktere auch in idealer Höhe, so muste er ihnen doch 


^ bei seinem Bestreben das Seelenleben des Menschen zu entfalten eine 


gröszere Lebenswahrheit und Lebenswärme geben. Und man darf nur 
einen Ausflusz dieses Bestrebens dariu erkennen, wenn Sophokles seine 
Personen in der leidenschaftlichen Erregung des Augenblicks Worte aus- 
rufen läszt, welche die Gótterscheu verletzen. So meint Tekmessa beim 
Anblick des todten Aias (952), Athene stifte solches Unheil dem Odysseus 
zuliebe án. Philoktetes, der sein unerschütterliches Vertrauen in die Ge- 
rechtigkeit der Götter 1035 ff. so herlich gegen Odysseus ausspricht: 
“Fluch trifft euch, die ihr ungerecht an mir gethan habt, denkt ein 
Gott des Rechtes noch. Und ja, er denkt noch seiner. Nie sonst 
wäret ihr des Wegs gesegelt nach dem mühbeladnen Mann, wenn | 
nicht ein Stachel Gottes euch hertrieb um mich’ — dieser fromme Phi- 
loktetes darf bei der Nachricht von dem Tode der edelsten des Griechen- 
heeres momentan in seinem Gottvertrauen wanken mit den Worten 447 ff.: 
‘nein, dessen pflegen trefflich die Unsterblichen, und, scheint es, 
was verschlagen ist und ränkevoll, das wenden gern vom Hades sie 
zurück, jedoch Gerecht' und Edle senden allzeit sie hinab. Wo 
soll ich dies hinsetzen, wie dies loben, wenn die Gótter lobend 
schlimm ich musz die Gótter sehn?? Noch schroffer klingen die Worte 
Tr. 1266 ff., mit denen Hyllos von der Nachsichtslosigkeit des Zeus redet, 
dasz er Herakles, seinen eignen Sohn, so furchtbare Todesqualen aus- 
stehen lasse: “doch die Götter nun seht, wie nachsichtslgs sie han- 
deln ih dem was eben geschieht. Sie, welche gezeugt und werden 
genannt doch Väter, schaun dem Leid hier zu? Und 1272 wird die- 
ses Benehmen des Zeus geradezu als eine Schmach für ihn bezeichnet. 32) 
Nicht ugwichtig scheint jedoch hierbei der Umstand, dasz diese beiden 
in ihrer Schroffheit einzigen Stellen aus denjenigen Tragódien des So- 
phokles herrühren, die seiner letzten Lebensperiode angehóren und 
somit vielleicht Zeugnis dafür sind, dasz auch er von dem verderblichen 
Einflusz der ochlokratischen Zeit wenigstens auf der Oberfläche berührt 
wurde. Vgl. Fr. 649. 

Eine weitere Folge jenes Bestrebens den Charakteren Lebenswahr- 
heit zu geben ist es, dasz die Personen welche Sophokles vorführt oft in 
einem Kreise volkstümlicher Vorstellungen sich bewegen, die zuweilen 
selbst an das Abergläubische anstreifen. Die Betrachtung dasz Aias durch 


22) V. 1266 wird zwar von Schneidewin angezweifelt, Die dritte 
so herbe Stelle Fr. 94 (aus Aletes) wird mit Grund verworfen. 


64 G.Dronke: die religiósen und sittlichen Vorstellungen des Sophokles. 


das Schwert welches ihm Hektor geschenkt, Hektor aber durch den Gürtel 
welchen er von Aias empfangen, den Tod gefunden, überzeugt den Teu- 
kros, dasz die Erinys das Schwert und Hades den Gürtel verfertigt haben. 
Alle solche Unglücksgegenstände, meint er, bereiteten Götter den Men- 
schen. In derselben Weise nennt Herakles Tr. 1051 das Gewand, welches 
ihm das Leben raubt, ein Gewebe der Erinyen.") Vorstellungen ähn- 
licher Art sind es, wenn EL'1066 eine personificierte Phama erwähnt 
wird, welche den Lebenden Nachrichten in die Unterwelt besorge; oder 
wenn Deianeira an *Liebesbann’, an *Bezauberung des Sinns? des Herakles 
glaubt (Tr. 575. 584. 661. 680. 1142). Und ein recht artiges Beispiel von 
einem abergläubischen Gemüte bietet uns der Dichter in dem Chor der 
Antigone, welcher V. 278 bei der Nachricht von der unerklärlichen Be- 
stattung des Polyneikes meint, ob das nicht etwa die Gótter selbst voll- 
bracht hätten. 

Noch nach einer andern Richtung hin darf man nicht alles, was die 
Dramen des Sophokles bieten, deshalb ohne weiteres für einen Ausdruck 
Sophokleischer Gesinnung halten. In Betreff des Mythos wahrte nemlich 
der Dichter die Sitte, dasz er die Handlung seiner Dramen unverändert 
unter den Momenten eintreten läszt, welche die Sage bietet. Wenn also 
auch gewis der ethische Gehalt des Sagenstoffes, so weit diesen die Hand- 
lung selbst zur Darstellung bringt, als ein vollgültiges Zeugnis der So- 
phokleischen Ánschauungsweise gelten musz, so darf doch keineswegs 
ein gleiches für den der Handlung vorausgehenden Teil des Mythos an- 
genommen werden, insofern dieser in dem Drama berührt wird., Bei- 
spiele werden dies bald klar machen. Im König Oedipus erfahren wir 
von dem früher vorgefallenen einfach, dasz Laios den Gótterspruch em- 
pfieng, er werde durch die Hand des eignen Sohnes fallen, und dasz an 
Oedipus, dem entsprechend, das Seherwort ergieng, er werde seinen 
Vater morden. Es sind dies eben die Momente, wie sie von der Sage 
geboten werden, und eine ethische Motivierung dieser auszerhalb der 
Handlung des Drama liegenden Momente lag dem Dichter fern. 

Das treffendste Beispiel íst aber die Sage von der Opferung der 
Iphigeneia in Aulis. Sie verdient um so mehr besondere Berücksich- 
tigung, als wir gerade an ihr erkannten, mit welch groszartigem Ge- 
staltungstalente Aeschylos die einzelnen. Teile einer Sage gemäsz der 
ethischen Idee des Ganzen umformte. Bei Sophokles erzählt Elektra 
einen Vorfall, um dadurch ihrer Mutter die Nichtigkeit des Vorwandes 
nachzuweisen, dasz ihr die Tödtung der Iphigeneia eiu Recht zum Morde 
des Gemahles gegeben habe. Es ist unverändert die alte Sage: dem Aga- 
memnon entfiel bei Erlegung eines Hirsches unbedachtsam ein prahlendes 


23) Es kann dies als Beispiel dienen, wie tief der Gegensatz zwi- 
schen Aeschylos und Sophokles durchgreift. Statt der volkstümlichen 
Auffassung, in der bei letzterem der Ausdruck ‘Gewebe der Erinyen? 
erscheint, hat derselbe bei Aeschylos die streng religiöse Deutung: “ein 
Gewebe das zur Rache den Tod bereitet’: Ag. 1548 ὑφαντοῖς ἐν πέπλοις 
'Egwvov — 1579 τῆς δίκης ἐν ἕρκεσιν. — Beispielshalber sei hier be- 
merkt, dasz Lübker in den berührten Stellen echt Sophokleisches sicht 
8.0.18 495. 


G. Dronke: die religiósen und sittlichen Vorstellungen des Sophokles. 65 


Wort. Darob zürnte ihm die Jagdgóttin Artemis. Da er nun der Griechen 
Flotte in Aulis vereinigt hatte, verlangte sie, nein sie verlangte nicht — 
zwang sie ihn die eigne Tochter zu opfern. ‘Dein’ heiszt es V. 573 f. 
“anders war dem Heer kein Ausweg, heimwärts weder noch nach Ilion.? 
Wollte aber etwa jemand auch aus diesen mythischen Erzählungen auf 
die religióse Denkweise des Dichters schlieszen, die eben angeführte Stelle 
würde ihm einen recht passenden Anhalt bieteu, Sophokleszum crasse- 
sten Fatalisten zu stempeln. 

Es war nóthig ausführlicher über diese Punkte zu sprechen, da 
selbst noch die neusten Arbeiten eine strenge Sichtung zwischen Sopho- 
kleischem und Nichtsophokleischem vermissen lassen. : 

| 4. 

Es mag sonderbar erscheinen, wenn wir an die Spitze der dem 
Sopbokles eigentümlichen religiösen Anschauungen das Bewusstsein von 
der Nichtigkeit alles Menschlichen stellen. Als ob nicht schon alle Lyri- 
ker, die einen Blick auf das Dasein der Sterblichen geworfen, dieselbe 
Ueberzeugung gehegt und ausgesprochen hätten! Aber auf. dem religiö- 
sen Gebiet kommt es, zumal wenn es sich um das Erfassen einer inner- 
lichen Natur handeK, zunächst nicht darauf an, ob ein anderer auch 
dieses und jenes geglaubt; die nächste und wichtigste Frage ist; welches 
ist die Grundempfindung seines Herzens? Denn diese übt den bestimmen- 
den Einflusz auf die Gestaltung des ganzen religiösen Lebens aus und 
gibt diesem das individuelle Gepráge. So nun tritt bei Sophokles das 
Gefühl von.der gänzlichen Ohnmacht des Sterblichen und die darauf ge- 
gründete demütige Ergebung in den Gótterwillen mit solcher Stärke auf, 
dasz wir ‘hierin geradezu den Kern seiner religiösen Empfindungen en- 
kennen müssen. Ergreifend sind die Worte, mit denen der Chor OT. 
1186 ff., nachdem er des Oedipus Ursprung und Geschicke erkannt hat, 
von dem Scheinbilde menschlichen Glückes redet: *Geschlechter der Sterh- 
lichen! — weh! wie musz ich so gleich dem Nichts auch die Lebenden 
zählen!. denn welcher, o welcher Mann trägt ein höheres Glück 
davon als dasz glücklich er scheint, um dann laut gepriesen zu 
stürzen?’ Dieser Gedanke wird an einer Unzahl von Stellen ausgespro- 
“chen, von den Worten des Odysseus Ai. 195 f. an: ‘denn dies erseh’ ich, 
alle wir die Lebenden sind mehr als hohle Schatten nicht und Traum- 
gestalt? — bis herab zu den derben Worten des Satyrdrama Kedalion 
Fr.-308, die sich doch auch wol allgemein auf das Menschliche beziehen: 
‘was auch geschehn mag, nur ein Eselsschatten ists.’ | 

Je mächtiger aber den Dichter das Gefühl von der menschlichen 
Nichtigkeit durchdringt, um so inniger ist er auch davon überzeugt dasz 
der Sterbliche, dem Freude wie Leid von den Góttern, nicht durch eigne 
Kraft.verlieben werde (Ai. 383), nun auch nicht über das Masz eines 
Sterblichen hinaus gesinnt sein, sondern in völliger Ergebung in den 
Willen der Gottheit sich bescheiden solle zu tragen was diese ihm 
schicke. So heiszt es Fr. 515: ‘der sterbliche Mensch wie ein Sterblicher, 
auch soll sein er gesinnt, da stets ihm bewust, dasz Zeus allein 

Jahrb. f. elass. Philol. Suppl, Bd. IV. ΒΩ. 1. Ὁ 


66 G. Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Sophokles. 


Werkmeister ja ist des Zukünftgen, was soll sich erfüllen. , (ϑνητὰ 
φρονεῖν wie Fr. 311 ἀνθρώποις ἴσα φρονεῖν und Ai. 777 κατ᾽ ἄνϑρω- 
πον φρονεῖν.) Phil. 1316 f.: *Menschen müssen die durch Gótterschlusz 

verliehne Schickung tragen als Nothwendigkeit.’ : OK. 1694: *Gott- 
geschick musz man demütig tragen.’ Fr. 749: “ein Gott hat dies ge- 
geben, und was Gótter auch uns senden mógen, flieben dürfen wir 
es nicht.” (Vgl. Fr. 611 und 236.) Schon bei Aeschylos wurde beobachtet, 
dasz sich oft die Denkweise eines Mannes in einem einzelnen bestimmten 
Sprachgebrauch ausgeprägt finde. Dies tritt bei Sophokles recht auf- 
fallend hervor. Die Gesamttugend des Sichbescheidens hiesz dem Hellenen 
σωφροσύνη, als die Besonnenheit, welche die dem Sterblichen gesteckten 
Grenzen zu überschreiten vermeidet. Sophokles nannte sie dagegen mit 
Vorliebe εὐσέβεια, Frömmigkeit, frommer Sinn. Es spiegelt sich darin 
die innige Gottesfürcht des Dichters ab, die in der Anerkennung der 
menschlichen Nichtigkeit nur eine Anerkennung der góttlichen Allmacht 
und Weisheit sah und der menschlichen Tugend eine höhere, religiöse 
Weihe dadurch gab, dasz sie dieselbe an die Scheu und Verehrung gegen 
die Gótter anknüpfte. Daher weisz der Dichter für seine attische Heimat 
auch kein grószeres Lob in dem Munde des greisen Oedipus als das der 
Frömmigkeit, OK. 1195 f.: *denn frommen Sinn fand unter allen Men- 
schen ich: bei euch allein.” 

Seinen Ausdruck findet aber dieser fromme Sinn in der Wahrung 
der göttlichen Satzungen, *des schwurheiligen Götterrechts’, wie sie Ant. 
368 im Gegensatz zu den Landesgesetzen heiszen und wie sie Antigone 
V. 454 ff. in ihrer Heiligkeit schildert : *des Himmels ungeschriebene, un- 
wandelbare Rechte. Denn heut und gestern leben nicht, nein ewig 
sie in Kraft, und niemand hat gesehn von wann sie sind.” — Bei- 
spiele der bezeichneten Auffassung der εὐσέβεια mögen folgende sein. 
El. 1094 ff. erkennt der Chor der Elektra das höchste Lob der Frömmigkeit 
deshalb zu, weil sie das göttliche Gesetz der Pietät gegen die Eltern in 
drückendem Geschicke gewahrt habe. Er spricht: “in einem Schicksale, 
nicht einem guten, fand ich dich wandeln, doch in höchster Pflichten 
Wahrung trugest du davon den Preis mit frommtreuer Zeusverehrung.? 
Daneben möge das innige Gebet des Chors OT. 863 ff. eine Stelle finden: 
*es sei das Los mir beschieden , fromme Reinigkeit im Wort stets 
und der That mir zu bewahren, treu den ew’gen Rechten, die 
aus den Höhn steigen herab, in Aethers Raum geboren; sie die kein 
irdisch Wesen, kein sterblicher Mensch zeugte: Olympos ist ihr Vater. 
Niemals werden sie in Vergessen hinschlummern.” — Aber wir 
begegnen dieser Auffassung der Frömmigkeit auch ohne dasz der himm- 
lischen Satzungen ausdrücklich gedacht wird. So sagt der Chor El. 464 
von ihrer Freundin, die eine derselben ‚gewahrt wissen will: ‘zu from- 
mem Sinn ermahnt die Jungfrau? (πρὸς εὐσέβειαν) ---, wie wiederum 
Agamemnon Ai. 1350 von sich sagt: “65 ist dem Fürsten, fromm zu sein, 
nicht leicht fürwahr" — um damit zu rechtfertigen, dasz er die Leiche 
des Aias gegen Göttergebot unbestattet lasse. 

Was ist aber bei einem Manne, dessen Grundempfindung auf die 


- 


G. Drouke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Sophokles. 67 


Nichtigkeit des menschlichen Lebens gerichtet ist, natürlicher als dasz 
seinen Blick vornehmlich die Leiden der Sterblichen auf sich ziehen? 
Die Betrachtung der menschlichen Leiden war es aber auch gerade, aus 
welcher Sophokles eine bedeutende Vertiefung der herschenden religiösen 
Vorstellungen gewann. 

Dem Aeschylos verdankte der hellenische Volksglaube die entschie- 
dene Durchführung des Satzes, dasz die góttliche Weltwaltung eine ge- 
rechte sei. Aber indem Aeschylos zur Begründung dieses Satzes sein 
Augenmerk hauptsächlich auf den Nachweis richtete, dasz den Frevler 
unbedingt die Strafe Gottes ereile, dem Gottesfürchtigen aber ein leid- 
loses Leben beschieden sei: hatte er in schroffer Verfolgung dieses Ge- 
dankens zugleich der Kehrseite desselben eine festere Begründung gege- 
ben, dasz jedes schwerere Leiden, welches die Gótter dem Menschen sen- 
den, auch als Strafe für einen Frevel anzusehen sei. Die Beschränktheit 
dieses Standpunktes verliesz Sophokles. Er erkannte dasz auch der Ge- 
rechte von den Góttern mit Leiden heimgesucht werde: mit *gottgesandten 
Zufällen? (ϑεῖαι τύχαι) "), d. i. Götterschickungen, Gottgeschicken, wie 
er sie passend nannte, im Gegensatz zu einem Verhängnis (μοῖρα), das 
durch eine Nothwendigkeit bedingt erscheint, sei es der Natur, wie der 
Tod, oder der Gerechtigkeit, wie die Strafe. 

Der hierdurch erzielte Fortschritt wurde aber dadurch ein doppelter, 
dasz der einfache Gewinn dem Dichter wiederum die Veranlassung wurde, 
sich nicht bei der herschenden Vorstellung von der Leitung der Geschicke 
durch Zeus zu beruhigen. 

Betrachten wir einen der Sophokleischen Dulder, Philoktetes. Auf 
der Fahrt nach Troja war er, da er von einer Schlange in den Fusz ge- . 
bissen durch seinen wehevollen Schmerzensruf jedes Opfer verhinderte, 
von den Achäern auf dem unbewohnten Lemnos ausgesetzt worden. Neun 
Jahre lebte er dort fern von jedem Menschenverkehr, aufgerieben durch 
die um sich fressende Wunde des Fuszes und in diesem Leiden noch ge- 
nóthigt sich selbst den Lebensunterhalt durch Jagdbeute zu erwerben. Und 
warum alle diese Leiden? Etwa zur Sühnung einer schweren Schuld? ®) 
— Aber wäre das die Ansicht des Sophokles gewesen, wie unpassend 
hätte er dann dem Chor jene Verse 681 ff. in den Mund gelegt, in welchen 
derselbe das Los des Helden gerade deshalb so mitleidenswerth findet, 
weil er es schuldlos wägt: “sonst kein Sterblicher noch wurde mir kund 
oder ich sah je ihn, den feindseliger traf als ihn das Schicksal: 
der Bóses nicht, nicht Raub ausübend je, unter Gerechten ganz ge- 


24) Phil. 1316 τὰς ἐκ θεῶν τύχας δοθείσας. 1326 ἐκ Belag τύχης. 
Nicht von Leiden, aber in ähnlichem Sinne OK. 1585 ϑείᾳ τύχῃ (vgl. 
- ebd. 1694 τὸ φέρον ἐκ ϑεοῦ). 25) Lange machte mich schwankend 
dasz Lessing dieser Ansicht huldigte. Er sagt Laokoon IV 1: “und diese 
Wunde war ein göttliches Strafgericht.  — Lübker a. O. I $ 6 begrün- 
det dieselbe mit V. 254, wo Philoktetes über sich selbst ausruft: o» πόλλ᾽ 
ἐγὼ μοχϑηρός, als einem Selbstgeständnis der Schuld: “ach, ich schlech- 
ter, sittlich verworfener Mensch!’ Aber seit wann kann μογϑηρός diese 
Bedeutung bei Sophokles haben? Philoktetes variiert selbst jenen Aus- 
ruf V. 1102: d τλάμων, τλάμων ἄρ᾽ ἐγὼ καὶ μόχϑῳ λωβατός. 


S* 


68 G.Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Sophokles. 


recht, — unverschuldet so hinschwand.? Aber es sprechen es auch auf das 
bestimmteste andere Stellen aus, und was das wichtigste Moment ist, die 
Entwicklung der ganzen Tragódie beweist, dasz Sophokles den Philoktetes 
als schuldlos hinstellen wollte. Neoptolemos berichtet 1326 ff. dem Dulder, 
was er über sein Leiden vom gottbegeisterten Seher Helenos vernommen: 
‘du krankst an diesem Leiden durch ein Gottgeschick ; du nahtest 
Chryses Wächterin, der Schlange die den offnen Hag haushütend 
ungesehn bewacht.” Also war es eine Schickung der Götter; sie hatten 
es gelügt dasz Philoktetes dem äuszerlich nicht erkennbaren heili 
Raum der Nymphe Chryse sich näherte, damit er von der Hüterin 
selben, einer Schlange, gebisseu wurde. Und warum dies? Der Bericht 
des Neoptolemos deutet es in seinem weitern Verlaufe an: Trojas hohe 
Burg kóune nur mit Hülfe des unwiderstehlichen Bogens des Philoktetes 
hezwungen werden; und da nun über jene der Untergang in dem nächsten 
Sommer verhängt sei, so solle der schwergeprüfte Dulder jetzt zum Heere 
zurückkehren, um zugleich Heilung zu finden und den höchsten Ruhmes- 
lohn, Ilions Bezwinger zu heiszen. In bestimmterer Fassung spricht es 
Neoptolemos V. 192 ff. aus: ‘denn göttlich, dafern Einsicht auch mir, 
kam über den Mann, was dorten ihm schon durch Chryses Sinn, den 
ergrimmten, geschah; und auch, was jetzt hülfmangelnd er trägt, 

verhängt eines Gotts Vorsorge ihm wol (ϑεῶν vov μελέτῃ, — dasz 
früher er nicht auf Troja .gespannt der Unsterblichen nicht zu be- 
kämpfend Geschosz, eh nahte die Zeit, wo, sagen sie, nun ihr 
Fall durch jenes verhängt ist.” Dabei bedenke man noch dasz der Schlusz 
der Tragödie die Aussprüche des Neoptolemos bestätigt. Herakles er- 
scheint V. 1409, seine olympische Wohnung verlassend, um dem Philokte- 
tes die Beschlüsse des Zeus zu verkündigen. ‘Und zwar zuerst? hebt er 
V. 1418 an ‘will sagen ich dir mein Geschick, wie viel ich leidend und 
des Kampfs durchlaufend erst erlangte Gótterberlichkeit, wie nun 
zu sehn. Auch dir nun, wiss' es, ist beschieden solches Los, dasz 
aus den Leiden du gelangst zu mächt’gem Ruhm.’ Denn jetzt sei ihm 
von Zeus Heilung durch Asklepios gesichert und das gróste Heldenlob, 
dasz durch seine Hand Ilion falle. 

Ueber den religiósen Gehalt dieser Stellen kann kein Zweifel sein. 
Philoktetes leidet nach der Ansicht des Sophokles ohne Selbstverschul- 
dung. Demgemäsz ist es auch nicht die Gerechtigkeit der waltenden 
Gottheit, welche der Dichter hier in einem Strafgericht erkannt wissen 
will. Was Sophokles im Philoktetes zum Bewustsein bringen will, ist 
die vorsehende göttliche Weisheit, welche den einzelnen in das Ganze 
des Weltplanes einfügt, welche ihm seine Geschicke anordnet gemäsz 
der voraus bestimmten Entwicklung der Gesamtheit. Die Vorsorge eines 
Gottes, heiszt es, fügte dem Philoktetes das Leiden, damit er, der un- 
widersteliliche Ueberwältiger Trojas, nicht eher vor die Stadt gelange, 
als die Zeit ihres Falles gekommen sei. 

Noch eine zweite Frage berühren jene Stellen. Welche Bedeutung 
miszt nemlich Sophokles den Leiden bei? Die Worte des Herakles weisen 
nachdrücklich auf einen ursachlichen Zusammenhang zwischen Leiden und 


G. Drouke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Sophokles. 69 


späterer Verherlichung bin, so dasz diese als aus den ersteren hervur- 
gehend bezeichnet wird. Aber dies festgestellt zu haben musz auch ge- 
nügen. Denn über die Art und Weise, wie Leiden diese Wirkuug aus 
üben, ist im Philoktetes keine Andeutung gegeben. 

Die Vorstellung von der vorsehenden göttlichen Weisheit läszt uns 
aber wiederum einen tiefen Blick in die Sophokleische Auffassung der 
Frömmigkeit werfen. Der kurzsichtige Sterbliche freilich, dessen ist sich 
der Dichter bewust, vermag nicht, wenn er von Leiden heimgesucht wird, 
diese Weisheit der Vorsehung zu durchschauen. Denn der Götter Wille 
ist, wenn sie ihn nicht selbst offenbaren, dem sterblichen Auge ver- 
schlossen, wie es OT. 280 f. heiszt: “doch erdringen von dem Gott, 
was er verhüllet, das vermag kein Sterblicher? — und Fr. 659: “duch 
Götterwillen, wenn die Götter bergen ihn, erschaust du nimmer, 
wenn du auch durchforschst das All? Deshalb soll der Mensch auch - 
nicht das Unerforschliche zu ergründen suchen — Fr. 770: “ich hass’ 
jedweden, der nach Unsichtbarem forscht” — er soll sich in die Gottes- 
schickungen ergeben, aber nicht in dumpferHesignation, sondern in 
wahrem Gottvertrauen, welches von der Weisheit der göttlichen Fügun- 
gen, wenn es sie auch im einzelnen nicht zu deuten vermag, lebendig 
durchdrungen ist. Daher die Mahnung, welche Fr. 725 ausgesprochen 
wird: *sterblichen Maun beklagst du, wenn er starb, und weiszt doch 
nicht, ob Vorteil ihm die Zukunft hätt’ gebracht.? 


5. 

Das Bewustsein von der Nichtigkeit des .Sterblichen richtete des 
Sophokles Blick auf die Leiden des Menschen. Es wies ihn auch auf die 
sittliche Schwäche desselben hin. Ein groszes Wort ist es, das er Ant. - 
1023 durch den wahrheitsliebenden Mund des Sehers Teiresias ausspricht : 
*denn Fehlen ist ja allgemeinsam gleiches Los der Sterblichen? Wol 
mag sich hier die Frage auflrängen, wie Sophokles es erklärt dasz alle 
Menschen mit ethischem Irtum behaftet sind. Eine in bestimmte Worte 
gekleidete Auskunft darüber findet sich nicht in seinen Dramen und lag 
auch seiner Weise fern. Aber deshalb darf doch mit nicht geringerer 
Zuverlässigkeit behauptet werden, dasz diese Erkenntnis in dem leben- 
digen Gefühle von der Unzulänglichkeit aller ınenschlichen Erkenntnis 
und aller menschlichen Geistesbestrebungen wurzele. Seine ganze Denk- 
weise zeugt dafür, suwie im besondern die Auffassung der unfreiwilligen 
Schuld, welche er zuerst und zwar mit besonderer Vorliebe behandelte. 

Als nächster Anhalt mögen uns die Trachinierinnen dienen, um 
die Vorstellungsweise des Dichters zu erkennen. 

Deianeira, in der ängstlichsten Besorgnis um ihren lange abwesen- 
den Gatten Herakles, wird endlich durch die Ankunft eines Boten erfreut, 
der eine Schar kriegsgefangener Frauen herbeiführend ihr die Meldung 
bringt, dasz Herakles die Stadt des Eurytos überwältigt habe und, sobald 
er dem Zeus mit einem Stieropfer seinen Dauk dargebracht, nach Hause 
zurückkehren werde. Doch bald wird ihre Freude in doppeltes Weh um- 
gewandelt. Sie musz erfahren dasz unter den Frauen, die sie so eben 


L4 


70 G.Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Sophokles. 


im Palaste aufgenommen, sich Iole, die Tochter des besiegten Kónigs 
befinde, welche Herakles in seiner Untreue zu neuer Ehe erkoren habe. 
In der Brust der tief verletzten und doch noch immer innig am Gatten 
hängenden Frau machen sich jetzt zwei Gefühle geltend, die ihre Hand- 
lungsweise bestimmen: sie darf dem Gatten ob der Liebeskrankheit nicht 
zürnen; denn zürnen geziemt dem Weibe nicht (543 u. 552). Das andere 
Gefühl àuszert sich in den Worten, welche sie V. 545 f. zu dem Chore 
spricht: “doch auch zu wohnen ihr (der Iole) vereint, sagt, welches 
Weib vermócht' es, mit ihr teilend einen Ehebund?? So ist sie zu 
dem Entschlusz gekommen, das Zaubermittel, das ihr einst der sterbende 
Nessos angewiesen, zu benutzen; denn durch dieses werde sie sich, hat - 
ihr jener verkündet, die Liebe des Herakles sichern können. Sie bat ein 
neues Gewand „mit demselben angefeuchtet und sendet dieses durch den 
zurückkehrenden Herold ihrem Gatten mit der Bitte dasselbe bei dem 
Stieropfer anzulegen. Doch der angebliche Liebeszauber war ein grim- 
miges Gift. Das damit gesalbte Gewand friszt sich, in der Nähe der 
Opferflamme erwarmend tiefer und tiefer in das Fleisch des unglück- 
lichen Helden ein, der so dem-qualvollsten Tode erliegen musz. 

Die Momente, welche bei der Beurteilung von Deianeiras Handlung 
in Betracht zu ziehen seien, hat Sophokles. durch scharfe Hervorhebung 
deutlich angegeben. Deianeira erscheint ganz als die Edle in mildem 
Sinne, wie es sich in ihren Worten bekundet, mit denen sie V. 721 f. auf - 
den Entschlusz zum Selbstmorde hindeutet: “denn niedern Rufs zu leben, 
trägt geduldig nicht, die grosz es achtet, eine niedre nicht zu sein.? 
Und dem entsprechen die Triebfedern ihrer Handlung: sie zürnt dem 
Gatten nicht; sie vermag es nur nicht denselben Ehebund mit Iole zu 
teilen; sie will sich in unveränderter Liebe zu Herakles nur den Besitz 
dessen sichern, was ihr rechtliches Eigentum ist. In edler Hoffnung un- 
ternimmt sie, wie sie V. 667 hervorhebt, ihr Werk. Ja sie handelt nicht 
einmal ohne alle Vorsicht. Mit dem Bemerken, dasz sie böses Waguis 
hasse, fragt sie V. 586 f. den Chor, ob er ihr Unternehmen billige. Doch 
noch hat sie sich nicht mit diesem, der zu einem unbedingten Ja sich 
nicht sogleich versteht, geeinigt, als der aus dem Hause tretende Herold 
sie zur augenblicklichen Entscheidung nóthigt: sie gibt ihm das Gewand. 
Nicht ohne alle Vorsicht handelte sie, aber auch nicht mit umsichtiger 
Bedachtsamkeit. Denn wenn sie selbst V. 79 ff. erzählt, dasz nach einem 
Orakelspruche dem Herakles zu dieser Zeit entweder der Tod oder der 
Beginn eines mühelosen Lebens beschieden sei, war sie da nicht vor 
jedem noch unerproblen Wagnis gewarnt? Und muste sie nicht die 
gegründetsten Bedenken aus dem Umstande schópfen, dasz der Kentaur, 
gerade als er ihr das Zaubermittel anrieth, von der Hand .des Herakles 
die Todeswunde empfangen? Auf dies beides weist auch der Dichter 
mit den Worten des Chors V. 841 ff. hin: *was sie, die Arme, als 
gar rasch sie das grosze Verderben der neuen Vermählung her ins 
Haus einstürmen sah, unbeachtet liesz.” Im übrigen aber läszt der 
Dichter ihr die vollste Rechtfertigung zuteil werden. Die noch lebende 
wird bereits V. 727 f. von dem Chor also getröstet: * welche fehlten nicht 


€. Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Sophokles. 71 


mit Vorbedacht, trifft mildes Zürnen.” Nach ihrem Tode aber macht 
V. 1122 ff. Hyllos, ihr Solin, dem von dem Schmerze zur Wut aufge- 
stachelten Vater gegenüber mit Mut und Nachdruck geltend, dasz man 
ibr nicht zürnen dürfe, da sie wider Willen und in guter Absicht den 
Fehl begangen habe. Er sagt V. 1123, er wolle von seiner Mutter mel- 
den, ‘wie wider Willen sie gefehlt? — und V. 1136: *sie fehlte Gutes 
wollend nur. Und noch nachdrücklicher ist die frühere Rechtfertigung, 
die ihr der Dichter durch den Sohn sogleich nachdem sie sich in ihrem 
. Schmerze getödtet, zuteil werden läszt. Dieser hatte der lebenden die 
härtesten Vorwürfe darüber gemacht, dasz sie des Vaters Tod herbei- 
geführt. Zu spät von den Hausbewohnern belehrt, dasz *willenlos sie 
dies gethan* (935), wirft er sich nun über die Leiche, *wehklagend um die 
gestorbene’ (937), *dasz unbedachtsam böser Schuld er sie geziehn be- 
weinend? (940). 

Als die Sophokleische Auffassung der unfreiwilligen Schuld ergibt 
sich demnach dies: sie ist eine Irrung, keine Frevelschuld; deshalb hat 
niemand eiu Recht einem also irrenden einen Vorwurf zu machen, wie 
es Hyllos V. 940 ausdrücklich anerkennt ; denn unfreiwilliges Fehlen zeugt 
noch nicht von Schlechtigkeit des Sinns: *wer wider Willen fehlet? heiszt 
es Fr. 582, *nimmer ist der schlecht." Doch mit der sittlichen Frage hat 
Sopbokles eine tiefere, religiöse verknüpft. Kaum hat Herakles den 
wahren Sachverhalt gehört, so sielit er ein, wie durch das Unternehmen 
Deianeiras nur der ihm längst offenbarte Gótterwille zur Erfüllung ge- 
bracht werde. Ein älteres Orakel des Zeus habe ihm verkündet, berichtet 
er V. 1160 ff.: ‘durch keinen, welcher athmet, werd’ ich sterben einst, 
nein der des Hades hingeschwundner Bürger sei”; dann habe er einen 
jüngern Spruch des Zeus empfangen, *der mir in dieser lebend gegen- 
würt'gen Zeit von meinen auferlegten Mühn erlósenden Ausgang 
verheiszen.” Und nun erkennt er dasz der Tod ihm Erlösung von den 
Mühen bringen soll und es der todte Kentaur ist, durch dessen List 
er endet. 

Die Handlung der Deianeira ist also nicht etwas zufälliges, sondern 
etwas von der göttlichen Weisheit längss vorausgesehenes. Indem sie 
das Gegenteil von dem was sie beabsichtigt herbeiführf, bringt sie das 
vun Zeus verhängte zur Reife. 

Die Vorstellung, welche dem Ganzen zugrunde liegt, läszt sich so 
fassen. Die geistige Erkenntnis und das dadurch bedingte sittliche Wol- 
len des Sterblichen sind einerseits durch die allgemein menschliche, an- 
derseits durch die individuelle Kurzsichtigkeit beschränkt. Durch Götter- 
fügung gelangt nun der Sterbliche an einen entscheidenden Wendepunkt 
seines Lebens. Und obgleich durch Orakelspruch zur Vorsicht gemahnt, 
läszt er sich von dem zur Entscheidung drängenden Augenblicke fortrei- 
'szen, so dasz er in Nichtachtung seiner Beschränktheit sich Gerechtes 
erstrebend in irrenden Fehl verstrickt und das von der göttlichen Vor- 

sehung angeorduete Unheil herbeizieht. 
" - So weit reicht das Ergebnis der Trachinierinnen. Zugleich ig} aber 
durch die Besprechung dieses Drama und des Philoktetes der Weg ge- 


72 G. Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Sophokles. 


bahnt, um mit Zuverlässigkeit die Oedipusfrage erörtern zu können und 
so volle Einsicht in die Vorstellungen des Sophokles über die unver- 
schuldeten Leiden und die unfreiwillige Schuld, sowie über die damit 
zusammenhängenden Fragen.zu gewinnen. 


6. 


Oedipus war von seinem Vater Laios, dem Könige Thebens ,. so-. 
gleich nach-der Geburt einem Hirten zum Aussetzen auf dem Kithäron 
übergeben worden. Denn diesen hatte ein Spruch des Apollon geschreckt, . 
er werde durch Sohneshand fallen. Durch das Mitleid des Hirten jedoch 
gelangte das Kind in die Hände eines korinthischen Genossen und durch 
diesen in die Fürstenburg von Korinth. Dort wurde es von dem kinder- . 
losen Kónige Polybos an Sohnes Statt angenommen. Unkundig seiner 
wirklichen Herkunft wurde der zum Jüngling herangereifte Oedipus 
durch das Wort eines trunkenen Mannes, er sei nicht des Polybos Sohn; 
in die gröste Aufregung versetzt. Zwar beruhigten ihn die befragten 
Pflegeeltern und machten dem unbesonnenen Plauderer heftige Vorwürfe: 
doch der Vorfall war in der Seele des Jünglings nicht auszulóschen. Er 
muste zuverlässige Auskunft haben.’ Heimlich bricht er nach dem delphi- 
schen Orakel auf. Aber Apollon beachtet die Frage nach seiner Herkunft 
nicht. Dafür erteilt er ihm den entsetzlichen Spruch (OT. 791 ff.) : *gesellt 
zur Mutter müss' er zeugen ein Geschlecht, wovon mit Grausen 
wende sich der Menschen Blick ; müss' Mórder sein des Vaters, der 
ihm Leben gab.” Aengstlich meidet er von nun an Korinth und wandert 
einsam und ziellos, um nie die Schmach der feindlichen Orakelsprüche 
erfüllt zu sehen. Da trifft er auf einem Dreiwege einen Greis zu Wagen, 
der vou mehreren Dienern begleitet ist (ebd. 801 ff.). Der Wagenlenker 
drängt ihn gewaltsam aus dem Wege, und da er erbittert diesen schlägt, 
schwingt der Greis den Doppelstachel ihm auf das Haupt herab. Doch 
im Nu trifft der Jüngling den angreifenden mit tödtlichem Schlage.. Und 
so erliegen auszer deinem flüchtigen alle. Der erschlagene Greis war — 
der erschlagende wuste es nicht — Laios. Unbekümmert zieht der Jüng- . 
ling weiter. Es reizt ihn den Versuch zu machen, ob er das Räthsel der 
Sphinx, des Schreckens des benachbarten Theben, lösen könne. Der 
Versuch gelingt, und: die hocherfreute Stadt schenkt ihrem Befreier den 
verwaisten Königsthron und die Hand der fürstlichen Witwe — seiner ' 
Mutter (OK. 595 f. und 539 f.). Lange Jahre lebt der unglückliche nun 
in steter Furcht hin, er werde im spätern Leben noch das vom Orakel 
ihm verkündete Entsetzliche vollhringen, bis ihm durch göttliche Veran- 
lassung die Augen aufgehen über das Grausenhafte was .auf ihm lastet. . 

Hatte Oedipus eine Schukl auf sich geladen? Und wenn dies, wo 
begann die Schuld? worin bestand sie? — Wol die am meisten utnstrit- - 
tene Frage von allen, die über des Sophokles Theologumena erhoben 
worden sind. Man sagt von der einen Seite: schon das. war vermessene 
Selbstüberhebung, dasz er in dem Wahne das Schreckliche zu vermeiden 
nicht nach Korinth zurückkehrte. Aber, wendet man von anderer Seile : 
ein, sollte er denn durch Heimkehr zu den vermeintlichen Eltern das 


= 


G. Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Sophokles. 73 


Entsetzliche zu beschleunigen suchen? Von diesem Punkte: aus streitet 
man bis auf den heutigen Tag, ohne festen ‘Boden gewinnen zu können. 

Aber wie wenn dies Schwanken nur daher rührte, dasz man die 
Frage falsch faszte? wenn die Unsicherheit nur daraus erwuchs, dasz 
man ganz allgemein nachr der Schuld des Oedipus fragte und dann bet 
der Entscheidung, vielleicht unbewust, seine modernen Anschauungen 
walten liesz: während man fragen muste, wie urteilte Sophokles selbst 
in diesen Sachen? Nur diese Frage hat für uns Interesse, und wir haben 
dabei nur gewissenhaft darauf zu achten, inwieweit wir des Dichters 
eigne Ansicht mit Sicherheit ermitteln kónnen, uns bescheidend Auf- 
klärung über Punkte geben zu wollen, deren Beantwortung uns etwa 
Sophokles selbst schuldig geblieben ist. Ein solcher Punkt ist beispiels- 
‚weise die oben angedeutete und gar manchen reizende Frage, was denn 
Oedipus nach Empfang des: furchtbaren Gottesspruches thun sollte, ob 
nach Korinth zurückkehren oder es meiden. Es ist.eben ein auszerhalb 
des Drama Jiegendes Moment, und der Dichter hat sich seiner Gewohn- 
heit gemäsz darauf beschränkt die einfache Thatsache, wie sie die Sage 
bot, anzunehmen. Oder doch, er gibt uns auch eine Antwort auf diese 
Frage. Nur dasz sich jede Neugier dadurch schlieszlich angeführt glau- 
ben wird. Die Antwort làszt, er uns durch Antigones Mahnung OK. 254 f. 
zuteil werden: “blick in das Leben und suche den Sterblichen, der, 
wenn ihh Gott führt, entrinnen kónnte.?— Aber wir denken, des sichern 
ist genug für uns vorhanden. 

Freilich der Schlusz des Kónigs Oedipus gibt uns keine klare Ant- 
wort. Es waltet dort die leidenschaftliche Erregtheit des augenblick- 
lichen Entsetzens über die so eben gemachte Enthüllung vor, und zudem 
erweist sich noch ein anderes unserer Frage fremdartiges Motiv wirksam. 
dasz nemlich Oedipus im Anfang des Drama den furchtbarsten Fluch 
über den Mörder des Laios, also unbewust über sich selbst ausgespro- 
chen hatte. Dafür gibt uns aber Sophokles einen selir bemerkenswerthen 
Fingerzeig. Oedipus verlangt von Kreon aus dem Lande verbannt zu 
werden. Dem widersetzt sich dieser mit den Worten V. 1438 f.: “ich thät’ 
es, glaub mir, wenn ich von dem Gotte nicht zu forschen erst be- 
gehrte, was sein Wille sei.” Und da sich nun Oedipus darauf beruft, 
dass der frühere Spruch des Apollon dies befohlen, erwidert er: *ja, also 
klang er. Aber da's nun dahin "sich gewandt, ist besser, forschen 
erst, was ihm gefällt.” Und als Oedipus V. 1518 nochmals die Bitte 
wiederholt, wird ihm dieselbe Antwort, dasz nur der Gott ihm dies ver- 
leihen könne. Der Dichter weist hiermit nachdrücklich darauf hin, dasz 
das sittliche und religiöse Problem, welches die Geschicke des Oedipus 
bieten, in dem König Oedipus seine Lösung noch nicht gefunden, sondern 
diese jenseits des ersten Oedipus zu suchen sei. Er verweist uns hiermit 
offenbar auf den Oedipus auf Kolonos, dessen Abfassung, mochte sie 
auch erst nach langen Jahren: erfolgen — wir wissen es ja nicht —, doch 
nach den angeführten Stellen gewis schon bei der Dichtung des erstern 
beabsichtigt war. Damit stimmt überein, dasz der letztere augenschein- 
lich unter Voraussetzung des erstern gedichtet ist. Mag auch in Bezug 


74 G.Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Sophokles. 


auf Kreons Charakter eine Differenz zwischen beiden sein, das wesent- 
liche ist: in beiden ist Oedipus derselbe Charaktertypus und es erschei- 
nen seine Geschicke unter denselben Momenten. Ja Sophokles weist mit 
ausdrücklichen Worten auf diesen engen Verband der beiden Dramen hin, 
wenn er Ismene V. 394 zu ihrem Vater sprechen läszt: “der Gott, der 
erst dich stürzte, jetzt erhebt er dich” Und noch ausdrücklicher, 
weun er den Oedipus selbst das herbe Urteil über seine Thaten, das er 
am Schlusz des ersten Drama ausgesprochen, V. 438 f. widerrufen läszt: 
*— und ich erkannte dasz des Schmerzes Ueberdrang mich mehr ge- 
* züchtigt, als von mir verbrochen war. Demgemäsz machen wir in der 
Untersuchung über die Sophokleische Auffassung der Oedipusfrage es 
nicht etwa als eine blosze Berechtigung für uns geltend, beide Dramen 
gleichmäszig zeugen zu lassen, sondern behaupten geradezu, dasz nur. 
auf diese Weise, nimmer durch einseitiges Ausbeuten des einzelnen 
Stückes, das richtige erkannt werden kann. 

Also zum Oedipus auf Kolonos. Der Verlauf des ganzen Stückes 
wird hinlänglich charakterisiert durch den angeführten V. 394, dasz jetzt 
ein Gott den früher gestürzten wieder erhebe, und durch die Stelle 
V. 1585 f., wo auf die Frage des .Chors: “wie? nahm ein göttlich, sanft 
Geschick den armen hin?” — der Bote antwortet: “ja dieses ward ihm, 
und wie grosz und wunderbar!” Darin liegt sogleich das entscheidendste 
Zeugnis. Denn wenn wir daraus ersehen, dasz die Götter den' Oedipus 
in ihre besondere Obhut genommen und ihm einen wunderbaren Tod 
verliehen, so steht auch so viel fest, dasz die Gótter nach Sophokles 
Vorstellung in ihm nicht den schuldbelasteten Frevler, sondern deu 
schwergeprüften Dulder sahen. 

Uinfassender und bestimmter ist des Oedipus eignes Zeugnis von sich. 
Aber wie? wird man fragen: die eigne Auffassung des Thäters soll bei 
der sittlichen Beurteilung seiner Thaten maszgebend sein? — In diesem 
Falle, ja. Sophokles führt den Oedipus als innerlich versöhnt mit seinem 
harten Geschicke und unter dem besondern Schutze der Gótter stehend 
vor. Er läszt ihn V. 987 f. sagen: *denn ein geweihter komm’ ich frommen 
Sinns und Heil und Segen bringend diesem Vo]k? — und gibt die- 
sen Worten durch die Entwicklung des Stückes ihre Bekräftigung, so 
dasz wir in dem Urteil des Oedipus über seine Geschicke nur des Dioh- 
ters eigne Vorstellung zu erkennen haben. 

Am ausführlichsten ist die Rede, mit welcher Kreon V. 960 ff. be- 
kämpft wird. Oedipus hebt dort an mit den Worten: * schamlose Seele! 
wen zu schmähn vermeinest du? — dasz Mord und Ehbund und Ge- 
schick du über mich aus frechem Munde schüttest, die ich armer, 
ach!' trug ohne Willen. Es gefiel den Göttern so? usw. wie die 
Worte in ihrem weitern Verlaufe bereits oben S. 58 angeführt wurden. 
Die zweite reichhaltige Stelle ist V. 521 ff., wo Oedipus von dem neugierig 
forschenden Chor zur Besprechung seiner Geschicke genóthigt wird. Er 
beginnt: ‘ich trug Thaten der Schmach, trug sie ein Unsfhuld'ger, — .o 
Gastfreunde, wie Gott weisz, und nichts war selbererkoren.” Ge- 
denken wir noch der dritten wichtigen Stelle (V. 266 ff.), wo der Greis 


G. Dronke: die religiösen und sitllichen Vorstellungen des Sophokles. 75 


das Entsetzen bekämpfen musz, von dem der Chor bei dem bloszen Hören 
seines Namens erfaszt wurde. Eben nur den Namen fürchte der Chor, 
sagt er, nicht die Thaten: “denn .es sind? fährt er fort “die Thaten auch 

vielmehr fürwahr erlitten als vollbracht von mir. — Nur der An- 
fang einer jeden der drei Stellen fand hier Baum: denn die drei wesent- 
lichen Momente, auf die es ankommt, sind hiermit schun gegeben: dasz 
die Thaten wider Willen begangen wurden; dasz sie ein Leiden, kein 
Vollbringen waren; dasz.er durch Gótterfügung in dies Leid verstrickt 
wurde. Verfolgen wir nun die Zeugnisse für jedes einzelne der Momente. 

Dasz die Thaten unfreiwillige waren, wird V. 240. 522. 964. 977. 
987 hervorgehoben. An andern Stellen sagt Oedipus dafür, “nicht wis- 
send? habe er gehandelt, V. 525. 547. 548. 983. 

Dasz seine Tbaten aber ein Leiden gewesen, drückt er bald mit dem 
Worte aus “ich litt? V. 267. 538, bald mit dem Worte “ich trug? V. 521. 
964, bald dadurch dasz er sich einen ‘von Leiden heimgesuchten? nennt 
V. 261. Recht scharf spricht sich diese Auffassung in V. 539 aus, wo 
Oedipus dem Chor, der sich zu einer Frage anschickt: *du begienges? — 
rasch in die Rede fällt: “nichts begieng ich.’ 

Was aber V. 997 f. ausgesagt wird: “ich selber auch nun fiel dereinst 
in solches Leid durch Götterleitung’, das bestätigen nun die Verse 
964. 253. 394. 

.. Auszerdem erinnert der Dichter noch daran, dasz das Erschlagen 
des Vaters eine Handlung der Nothwehr und demgemäsz eine gesetzlich 
berechtigte war ; wie Oedipus V. 547 f. bemerkt: *unter die Mórder gefal- 
len erschlug ich ihn; rein vor dem Gesetz begieng ich's ohne Wis- 
sen. Daher sagt er V. 991 ff. zu Kreon, der ihm Vatermord vorwirft: 
‘antwort’ mir auf das éine, was ich jetzt dich frag": dráng' einer auf 
dich, den gerechten, jetzt hier ein mit Mordesabsicht, würdest du 
nachforschen erst, ob er dein Vater, oder wehrtest du dich gleich? 
Sofern du liebst das Leben, dächt’ ich, straftest du den schuld’- 


“gen, nicht erst sähst du nach dem Recht dich um.? Vgl. Υ. 471. und 974 f. 


So ruft denn alich schlieszlich V. 1565 ff. der Chor, der sich anfangs 
so sehr vor Oedipus entsetzte, dem scheidenden mit der Anerkennung 
seiner Schuldlosigkeit den frommen Segenswunsch nach: *ja, da so viel 
ohne Schuld über dich des Jammers kam, soll nun ein Gott auch 
gerecht dich erheben.? ᾿ 


7. 


Unfreiwillige Schuld ist es demnach, die Sophokles in den Hand- 
lungen des Oedipus zur Anschauung bringen wollte. Daher begegnen 
uns hier auch gauz dieselben Momente wie bei Deianeira: nur sind sie 


- hier noch viel schärfer hervorgehoben worden. 


Oedipus erscheint als ein gerechter Fürst — weise, weit über das 
gewóhnliche Masz des Menschen hinaus; denn er allein vermochte das 
Räthsel der Sphinx zu lösen (OT. 510) — als gottesfürchtig; denn ob- 
gleich ihm selbst das entsetzlichgte durch Gótterspruch angekündet war, 
so vermag er doch nicht dem Zweifel Zugang in seine Brust zu gestatten, 


76 G. Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Sophokles. 


als ob jener vielleicht sich eitel erweisen werde. Da er die Nachricht vom 
Tode des Polvbos, den er noch immer für seinen Vater hält, empfängt 
und nun nicht zu fassen vermag, wie sich noch das ihm gewordene Ora- 
kel vom Vatermord erfüllen könne, da wird ihm, als ob der Boden unter 
ihm schwanke, er ruft V. 964 ff.: *weh, weh! wer mag hinfort, o Weib, 
des Pythischen Prophetenherdes achten, wer des rauschenden 
Gefieders droben? deren Warnungsstimme mir den Mord des Vaters 
drohte? usw. — Sodann ist Oedipus ebenso wie Deianeira, ja noch nach- 
drücklicher durch die Stimme des weissagenden Gottes gewarnt, der ihm 
auf die Frage nach seinen Eltern keine Antwort gegeben hatte. Aber 
auch ebenso wie jene gedenkt er im Drange des Augenblicks jener War- 
nung nicht, sondern, einmal thätlich angegriffen, handelt er gemäsz der 
gegenwärtigen Noth. Wenn wir aber bei Deianeira erst aus der Verglei- ' 
chung der Orakelsprüche und des dem Herakles gewordenen Lebensendes 
ersehen, dasz sie durch Gótterfügung an jenen kritischen Punkt geführt 
wurde, wo sie in freier That wider Willen das schreckliche vollbrachte: . 
so wird dies bei Oedipus schon durch das bestimmt gefaszte Orakel deut- 
lich hervorgehoben und auszerdem vom Dichter, wie wir sehen, zu wie- 
derholten Malen ausdrücklich anerkannt. Wie es sich auch darin aus-. 
spricht, dasz er gerade, um das ihm angekündigte zu meiden, den Weg 
eingeschlagen hat, der ihn zur Vollbringung desselben führt. 

Diese Kurzsichtigkeit des Sterblichen, der in edler Absicht dem ge- 
miedenen Unheil zueilt, ist es auch, aus deren Betrachtung die wesent- 
lich religiös gefärbte Ironie des Sophokles erwachsen ist. Am tiefsten 
durchdringt sie das Bild des Kónigs Oedipus, wie es uns der Dichter 
vorführt. 

In Betreff dieser Tragódie müssen wir freilich dem fast allgemeinen 
Urteil der Kunstkritiker — und es war dies ja auch wol das Urteil der 
alten Athener — beipflichten, dasz ihr Schlusz nicht das volle Gefühl 
sittlicher Befriedigung hervorruft. Der Schwerpunkt dieser Befriedigung 
liegt eben jenseits des Königs Oedipus. Indes stört dies ästhetische Be- 
denken nicht im geringsten die Forschung über das sittlich -religiöse 
Problem. 

Mislicher ist es dagegen, dasz man in Bezug auf den König Oedipus 
allgemein dem Sophokles religiöse Vorstellungen zuschrieb, welche die 
Denkweise des Dichters in ein ganz falsches und durchaus nicht lauteres 
Licht setzen. Man will nemlich in Oedipus ein Beispiel der dämonischen 
Bethórung erkennen: ein Gott verwirrte ihm den Sinn, sagt man, so 
dasz er die eignen Eltern nicht erkannte, dasz er den Vater erschlug, die 
Mutter zum Weibe nahm. Von da aus argumentierte man nun so weiter: 
Oedipus hatte sich aber, wie OK. 966 f. ausdrücklich bezeugt wird, frü- 
her keine Schuld zugezogen, für die ihn etwa Verblendung als gerechte. 
Strafe hátte treffen kónnen. Also beraubte ihn die Gottheit ohne sein 
Verschulden des freien Willens, damit er dann in Verantwortung für die 
Thaten, die er in sittlicher Unfreiheit begangen, dem Jammer und Elend 
verfalle. Ist eine solche Vorstellung von dem göttlichen Walten aber 
etwas anderes als Ausdruck des schroffsten Fatalismus? — In sich ist 


G. Dronke: die religiósen und sittlichen Vorstellungen des Sophokles. 77 


diese Argumentation eine fest geschlossene; nur fragt es sich, ob die 
Annahme einer dämonischen Bethórung bei Oedipus, von der man aus- 
gieng, eine begründete ist. - 
Auch diese Erage sei in der bestimmten Fassung festgehalten: was 
ist des Sophokles ausgesprochene Ansicht? — Zunächst das eine als 
Antwort, dasz sich weder im König Oedipus noch in dem auf Kolonos 
irgend eine Hinweisung auf gottverhängtes Irsal findet: kein einziger 
von all den Ausdrücken welche zur Bezeichnung desselben dienen. **) 
Denn wenn der Chor OT. 1300 seinen Fürsten fragt: “uusel’ger, wie 
fiel dich der Wahnsinn an?? — so ergibt sich aus dem Zusammenhang 
der Stelle, dasz. der Sinn dieser Frage nur der ist, welcher Wahnsinn 
ihn zum Ausbohren der Augen getrieben habe, nicht aber etwa, welcher 
Wahnsinn ihn die früheren Thaten habe vollbringen lassen. Und ebenso 
wenig geht der Ausruf des Oedipus V. 1311: “wie so rasch hinstürzst du 
mich, Dàmon!? — etwa auf eine dämonische Verblendung, sondern sagt 
eben nur aus, was in Thudichums Uebersetzung liegt: “wohin, ach, stürm- 
test du, Schicksal?? (vgl. V. 1329.) Und dasz Sophokles nirgends auf eine 
Sinnverwirrung durch Götterhand hingewiesen, würde doch sicherlich 


20) Wer sich des nähern über die dem Dichter geläufigen Ausdrucks- 
weisen zur Bezeichnung der dämonischen Verblendung unterrichten will, 
wie *ein Gott schleuderte ihn in die wilde Bahn, verstrickte ibn in das 
unheilvolle Garn, warf auf die Augen Wahnbilder’ oder *Wahnsinn, 
wüten’ u. &., der vergleiche Ai. 51. 59. 81. 183. 206. 216. 447. 452. 611. 
625. 635. 639. 726, Ant. 1274. Aber hier hat auch die so oft misver- 
standene ἄτη Verwirrung angerichtet. Noch Lübker geht von Nügels- 
bachs Untersuchung in der homerischen Theologie aus, statt sich auf 
die gründliche Forschung von Lehrs in den populären Aufsützen zu 
stützen. Er sagt über die Bedeutung von &tz bei Sophokles a, O. I 
8 41, es diene zur Bezeichnung des Unglücks, wenn auch stets mit 
dem Nebenbegriff irgend welcher Verschuldung; II $ 44 aber, es 
ibm der Gedanke der Verwirrung zugrunde, welche Schuld und Unglück 
mit einander mische, Und darauf baut er dann einen angeblich Sopho- 
kleischen Gegensatz zwischen ἄτη und ὅβρις auf, da jenes die in Geis- 
tesverwirrung zugezogene unfreiwillige Schuld, dieses den mit vollem 
Bedacht begangenen Frevel bezeichne. Darauf sei kurz erwidert: ἄτη 
heiszt bei Sophokles einfach *Unglück?^, wie dies z. B. El. 937, die 
Gleichstellung mit πημονή ebd. 939 und dann die Gegensätze κέρδη 
OK. 92 und σωτηρία Ant. 186 (vgl. ebd, 314 ἀτᾶσϑαι) lehren. Die Be- 
deutung 'Irsa oder *die in Irsal begangene That und ihre Folge? ver- 
mag ich nur an drei Stellen zu erkennen: Ant. 1260. Ai.307. 910 (vgl. 
ἀτηρὸς Tr. 204) Denn wenn das Geschick des Aias als πημονή 300 
oder πῆμα 939 bezeichnet wird, so ist es doch unvorsichtig in ἄτη, 
wenn es von jenem Geschicke gebraucht wird, gleich mehr als den Be- 
griff des Unglücks finden zu wollen. Von den Lübkerschen Beispielen 
passt nur dines, Tr. 881 ἄτη νιν ἠίστωσε: aber leider ist es nur ein 
schlechter Einfall Wunders für das handschriftliche αὐτὴν διηίστωσε, 
Damit jeder selbst entscheiden könne, folgt ein Verzeichnis der Stellen, 
wo sich das Wort bei Sophokles findet: Ai..123. 196. 307. 363. 642. 848. 
910. 976. 1180. Phil. 705. Ant. 4. 185. 533. 584. 614. 024. 625. 803. 
1097. 1260. El. 215. 224. 235 (2mal). 936. 1002. 1208. Tr. 851. 1002. 
1082. 1101. 1274. OT. 165. 1205. 1284. OK. 93. 202. 526. 532. 1244. 


78 G. Dronke: die religiósen. und sittlichen Vorstellungen des-Sophokles. 


für sich allein hinlänglich bezeugen, dasz es auch nicht in seiner Absicht 
lag, eine solche in den Geschicken des Oedipus erblicken zu lassen.  - 
Aber es ist uns auch ein sehr bestimmtes Zeugnis dafür gegeben im 
der Weise, wie der Dichter die unfreiwillige Schu]d auffaszt. Nur liesz 
man sich durch die äuszere Aehnlichkeit von Verblendung und unfreiwil- 
liger Irrung täuschen, da der irrende wie der verblendete nicht weisz 
was er thut und beider Handlungen das Gegenteil von dem was sie beab- 
sichtigen herbeiführen. Und so übersah man merkwürdiger Weise das 
wichtigste: dasz nemlich Sophokles zur Läuterung der verwirrten popu- 
lären Vorstellungen über persönliche und durch Gottbethórung zuge- 
zogene Schuld gerade die Aufgabe verfolgte, die unfreiwillige Irrung in 
scharfem Gegensatz zur dämonischen Verblendung zur Anschauung zu 
bringen. Er faszte diesen Gegensatz zunächst von der psychologisch- 
sittlichen Seite auf, und zwar ganz so wie er schon in den Begriffen 
‚Blindheit und Verblendung, Thorheit und Bethórung ausgesprochen liegt. 
Der irrende handelt in voller innerer Freiheit. Der verblendete dagegen 
ist innerlich unfrei; seine Worte und Handlungen sind gar nicht die sei- 
nigen, sondern die des verblendenden Dämon, wie Tekmessa Ai. 343 von 
Aias sagt, er spreche Worte * die ein Gott, kein Sterblicher ihn hat ge- 
lehrt Demgemäsz sieht der irrende nicht ein, was er überhaupt nach 
dem Masze seiner Einsicht oder Erfahrung nicht einsehen kann; er ist, 
wie Sophokles von ihm sagt, “ein nichtwissender, ein unkundiger" : wo- 
hingegen der verblendete nicht einsieht, was er bei klarem Sinn recht 
wol einsehen kann, ja einsehen musz. Man halte nur die beiden Bilder 
des unfreiwillig irrenden und des verblendeten, wie sie Sophokles mit 
unvergleichlicher Kunst in Oedipus und in Aias aufstellt, neben einander, 
und die angegebenen unterscheidenden Momente werden sogleich her- 
vorspringen. Aias wird von Athene.in Wahnsinn gestürzt, so dasz er 
nicht mehr Herr seiner selbst ist; nut hält er die Herden für die Achäer, 
glaubt in zwei Widdern die beiden Atriden ergriffen zu haben (337 f.). 
Oedipus hingegen ist seiner Sinne vollkommen mächtig; er erkennt in 
Laios seinen Vater nur deshalb nicht, weil seine Erfahrung überhappt 
so weit nicht reicht, weil er noch immer Polybos für seinen Erzeu- 
er hält. 
s Mit derselben Sch&rfe führt Sophokles diesen Gegensatz auch auf 
dem religiös-sittlichen Gebiete durch, und mit der Anschauung von dem 
göttlichen Walten, welche er hierbei an den Tag legt, bietet er uns 
selbst das sprechendste Zeugnis zur Entscheidung über jenen Vorwurf, 
er habe fatalistischen Vorstellungen gehuldigt. In Betreff der dämoni- 
schen Bethórung hat Sophokles,. wie bereits an den beiden Beispielen 
des Aias und Kreon nachgewiesen wurde, den Standpunkt des Aeschylos 
festgehalten. Also erst wenn der Sterbliche aus eignem, freiem Ent- 
schlusse sich Schuld zugezogen hat, schlägt ihn ein Gott mit Sinnver- 
wirrung zu gerechter Strafe. Und der also bethórte ist für seine Thaten, 
wenn er sie auch in innerlich unfreiem Zustande begieng, verantwort- 
lich; denn dieser erwuchs ihm erst aus der freiwilligen Hinwendung 
zum Bösen. So erkennt Kreon seine Verantwortlichkeit an, indem er sein 


G. Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Sophokles. 79 


früheres Verhalten Ant. 1261 bezeichnet als ‘des starrsinnigen Herzens 
todbringende grause Verbrechen”. Und Aias sieht sich durch seine 
wahnsinnigen Thaten in * solch schlimmes Gehege’ verstrickt, dasz der 
Tod das einzig mögliche ist. 

Die unfreiwillige Irrung dagegen faszt Sophokles gerade unter den 
entgegengesetzten Momenten auf. In sie verfällt unter Götterführung der 
Sterbliche ohne eignes Verschulden, wie es bei Deianeira und Oedipus 
ausdrücklich anerkannt wird. Sodann aber trifft den also fehlenden 
durchaus keine Verantwortung für das Unheil, welches er zwar in freiem 
Entschlusse, aber aus Unkunde und in edler Absicht angerichtet. Schon 
aus den Trachinierinnen ergab es sich als die Vorstellung des Sophokles, 
dasz der wider Willen irrende darum kein verwerflicher sei, und es nie- 
mandem zukomme denselben darob zur Rechenschaft zu ziehen. In Ueber-' 
einstimmung damit läszt Sophokles den Oedipus OK. 988 sagen, es 
werde ihn wegen seiner Thaten niemand einen verwerflichen heiszen 
(vgl. V. 270 ff.). Bei Oedipus erscheint aber diese Auffassung in weit 
ausdrucksvollerem, religiósem Gepräge. Die Götter selbst sind es, die 
es den Menschen wehren den unfreiwillig fehlenden zu strafen. Theben 
wagt es den Oedipus zu vertreiben. Dafür wird ihm von Apollon der 
Orakelspruch, wie ihn. Ismene V. 389 f. dem Vater meldet: *dasz dein Be- 
sitz, ob lebend oder todt du, einst für Theben seines Heiles halber 
sei erwünscht. Sie, die sich das Recht anmaszten den Oedipus zu Stra- 
fen, werden nun damit gestraft, dasz ihr Heil von dem verstoszenen ab- 
hängig gemacht wird. So erhöht die Gottheit wiederum den, der einst 
unter ihrer Führung in Leid verfallen war, wie der Trostspruch an Oe- 
dipus (OK. 394) lautet: *der Gott, der erst dich stürzte, jetzt erhebt 
er dich?  - ' 

Die unfreiwillige Schuld ist — und hierin liegt der Kern der So- 
phokleischen Vorstellung — ein unverschuldetes Leiden, welches die 
Gottheit verhängt. Daher rührt denn die grosze Aehnlichkeit zwischen 
den Geschicken des Philoktetes und denen des Oedipus, wie sie uns 
Sophokles vorführt. Die Gottheit verhängt diesem wie jenem Leiden 
ohne sein Verschulden. Aber das Walten derselben ist kein willkür- 
liches, sondern hat die Wahrung einer sittlichen Weltordnung zum 
Zwecke. An Philoktetes wurde dies bereits nachgewiesen. Oedipus 
aber ist von dem Gott zum Werkzeuge eines sittlichen Strafgerichts 
erlesen: seine Eltern hatten ihn, das eigne Kind, freventlich auf dem 
Kithäron ausgesetzt (OT. 717 f). Zur Strafe für ihre Schuld ward. 
ihnen von der Gottheit das entsetzliche durch den vermeintlich gemor- 
deten bereitet: so sollte ihnen vergolten: werden, was sie am Sohne 
gethan. Darauf weisen jene Worte hin, mit denen Oedipus OK. 270 ff. 
von seinen Thaten gegen Vater und Mutter sagt: ‘doch wie zeugen sie 
von Schlechtigkeit ἢ Nur was ich litt, vergalt ich; wenn daher be- 
wust ich so gehandelt, wär’ ich nicht ein schlechter drum. Jetzt 
aber kam unwissend ich, wozu ich kam, da doch den Tod mir such- 
. ten jene wissentlich.? — Noch in einem dritten Momente treffen Phi- 
loktetes und Oedipus zusammen. Den verschmähten Philoktetes macht 


80 G.Dronke: die religiósen und sittlichen Vorstellungen des Sophokles. 


die Gottheit noch seinen Verschmähern zum ersehnten Helfer, sie führt 
ihn durch unverschuldete Leiden zu verklärendem Ruhm: auf den ver- 
triebenen Oedipus weist der Gott das bedrängte Theben als auf sein Heil 
hin; den früher in schweres Leid verstrickten verklärt der Gott noch 
durch ein góttliches Ende. 

Jetzt also die Frage: hierin sollte eine Spur von Fatalismus liegen? 
— Spricht sich nicht hier die Vorstellung von einem góttlichen Walten 
aus, das eine sittliche Weltordnuug fügt und erhält und ein gnädiges 
Erbarmeu kenut? Und sind dies nicht gerade die wesentlichen Punkte, 
welche der Fatalismus verneiut? — Aber ja, man glaubt noch ein letztes 
Beweismittel für den Sophokleischen Fatalismus in der Form seiner Ora-. 
kelsprüche zu haben. Wird doch durch das an Laios ergangene Orakel: 
‘fallen werd’ er durch den Sohn? Oedipus schon vor seiner Erzeugung 
zum Vatermórder vorausbestimmt. Es liesze sich dagegen sclion einfach 
einwenden, dasz hierin Sophokles eben nur seine Sitte gewahrt hat, die 
Momente, unter denen er die Handlung seiner Drameu beginnen läszt, 
unverändert dem alten Mythos zu entnehmen. Aber es wird uns auch 
nach dem, was sich bis jetzt über des Dichters religiösen Sinn ergeben 
hat, wol niemand widersprechen, wenn wir behaupten, dasz in der Be-. 
stimutheit der Sophokleischen Orakelform nicht mehr liege als die Auier- 
kennung der göttlichen Allmacht, die das einmal vorausgesehene auch 
der Erfüllung zuführt; dasz diese Bestimmtheit also nicht mehr aussagen 
will als der Ausspruch El. 696 f.: “wenn ein Gott jedoch uns schlägt, 
so mag ein starker wol auch nicht entfliehn? — oder die Mahnung der 
Antigone OK. 252 f.: “blick in das Leben und suche den Sterblichen, 

der, wenn ihn Gott führt, entrinnen könnte.’ Dasz aber der freie 
Wille dem Menschen auch dem Orakel und dem Fluche gégenüber ge- 
wahrt bleibe, ergibt sich unzweideutig als des Dichters Ueberzeugung 
aus der Frage der Antigone an Polyneikes OK. 1424, in welcher die Er- 
füllung jener als von des Menschen eigmem Mitwirken abhängig gedacht 
wird: *siehst du, wie seine Vorverkündung selbst du bringst zur 
Reife ?? 


8. 


Nun zu dem Oedipus auf Kolonos, der als die hauptsächliche Grund- 
lage der vorhergehenden und der zunächst folgenden Untersuchung eiher 
eingehenderen Betrachtung bedarf. Man tadelte an dieser Tragödie, dasz 
der Schlusz derselben eiue besondere Gottesfügung, nicht das Ergebnis 
eines psychologischen Actes sei: ein Tadel der dann natürlich ebenso 
sehr den Philoktetes und den König Oedipus trifft. So mag denn dieses 
Beispiel zugleich zu einem Blick auf die Sophokleische Kunst benutzi 
werden, zumal da das Verhältnis zwischen Sophokles und Aeschylos da- 
durch in ein klares Licht tritt. Doch kann natürlich nur in aller Kürze 
hier davon die Rede sein. | 

Die Aufgabe der antiken Tragódie war, wie schon bei Aeschylos 
bemerkt, eine wesentlich religiöse. Sie-wollte die ewig sich von neuem 
bewährenden Gesetze, nach denen der Sterbliche den Kreis des Lebens 


G. Dronke: die religiósen und sittlichen Vorstellungen des Sophokles. 81 


vollenden musz, alle die sittlichen Mächte, durch die sein Dasein bedingt 
ist, zur Anschauung bringen. Der Mittelpunkt ihres ganzen Ideenkreises 
bestand demnach für die älteren gläubigen Tragiker darin, das Walten der 
Gottheit in den Geschicken der Sterblichen nachzuweisen. Das individuelle 
Kunstgeprüge, durch welches sich die Werke der einzelnen Tragiker 
unterscheiden, ist aber nur der organische Ausdruck der religiósen An- 
schauungen eines jeden und wurde daher durch die Besonderheit dieser 
bestimmt. Wenn also Sophokles, wie wir sahen, sein Augenmerk nicht 
mehr wie Aeschylos auf die Gerechtigkeit der góttlichen Herschaft, son- 
dern auf die Weisheit der göttlichen Vorsehung richtete, so ist darin 
auch der wesentliche Unterschied zwischen der Kunst der beiden groszen 
Meister enthalten. In den Tragódien des Aeschylos, welche die noth- 
wendige Folge von Unglück aus Frevel, von Glück aus Frömmigkeit dar- 
zustellen suchten, erscheint der Ausgang als eine durch das Thun des: 
Menschen herbeigeführte Nothwendigkeit. In den Dramen des Sophokles 
dagegen, zumal wenn sie einen schuldlos leidenden oder unfreiwillig 
irrenden vorführen, ist der Ausgang der Regel nach ein, wenn auch mit 
voller Wahrscheinlichkeit, so doch nicht mit Nothwendigkeit sich er- 
gebender. Dabei ist aber wol festzuhalten, dasz auch bei Sophokles der 
Sterbliche stets durch sein eignes Handeln einen Schwerpunkt in seine 
Geschicke legt und dasz der Ausgang seiner Tragódien nie ein unver- 
mittelter ist, sondern der Zuhórer immer auf denselben vorbereitet wird. 
Der Oedipus auf Kolonos hat zum Vorwurf den ohne eignes Ver- 
schulden in das herbste Geschick unfreiwilliger Schuld gestürzten Sterb- 
lichen: der Gott, der ihm das Leid verhängte, nimmt ihn als einen reinen 
in seine Obhut gegen jeden der sich ein Recht über ihn anmaszt, und 
führt den vertrauenden aus den Leiden zur Werklärung. In dem Prolog 
1—116 erscheint der blinde Oedipus von Antigone geführt. Von langer 
Wangerung ermüdet bittet er seine Tochter ihn auf einen Sitz niederzu- 
lassen. Ein nahender Einwohner des Landes fordert ihn auf sogleich den 
Hain, in dem er weile, zu verlassen, da er das unnahbare Heiligtum der 
Eumeniden betreten. Oedipus weigert sich dessen. Rasch will jener fort, 
es zunächst den Einwohnern des nahen Kolonos zu melden und dann, wie 
es Oedipus gewünscht, den Theseus zu rufen. Nach seiner Entfernung 
fleht der Dulder zu den Eumeniden: Apollon habe ihm einst bei ihnen 
den Tod verheiszen und ein Grab, das den Einwohnern des Landes Ileil, 
denen die ‘ihn von Theben verbannt Unheil bringe; des Zeus Donner 
werde ihm zum bestätigenden Zeichen dessen werden; jetzt erkenne er 
dasz sie selbst ihn hergeführt, und so möchten sie ihm nach dem Spruche 
des Gottes ein gnädiges Ende bereiten. Damit ist der Entwurf zum gauze 
Drama gegeben. . 
In der Parodos 117— 235 gibt sich Oedipus endlich dem Chor, der 
ängstlich nach dem verwegenen Betreter des heiligen Haines forscht, zu 
erkennen und weicht gegen das Versprechen, dasz man ihm gastlichen Auf- 
enthalt gewähre, aus dem Haine. Kaum aber erfährt der Chor den Namen 
des Dulders, so soll er augenblicklich das Land verlassen. Ernst mahnt 
darauf Oedipus im ersten Epeisodion 254—509 den Chor, zu bedenken dasz 
Jahrb. f. class. Philol. Soppl. Bd. IV. Hft 1. 6 


82 G.Dronke: die religiósen und sittlichen Vorstellungen des Sophokles. 


er durch seine Thaten keine Schuld sich zugezogen, dasz er kein schlech- 
ter sei und jetzt als ein geweihter reinen Sinnes nahe. Der Chor be- 
scheidet sich, dem Theseus die Entscheidung zu überlassen. Da naht 
Ismene von Theben, dem Vater die Kunde zu bringen, dasz seine beiden 
Söhne in Kampf entbrannt seien und-ihnen von Apollon der Spruch ge- 
worden, an den Besitz des Oedipus hnüpfe sich der Sieg; bald werde 
Kreon erscheinen, ihn in die Nàhe Thebens abzuholen, denn Aufnahme 
in die Stadt weigere man ihm. Entrüstet über seine Söhne, die. gegen 
die heiligsten Gesetze der Pietät ihn aus der Heimat hätten vertreiben 
lassen, spricht er den Fluch aus, dasz sie nun auch beide von ihm ver- 
lassen im Wechselmorde “untergehen sollten. — Durch das Entsetzen des 
Chors vor dem Namen Oedipus und die folgende Unterredung mit Ismene 
enthüllt der Dichter die volle Grósze der Leiden, die Oedipus nach seiner 
Vertreibung zu erduklen hatte. — Das Erscheinen Ismenes war aber noth- 
wendig, damit durch einen dritten die Wahrheit der Orakel, auf die sich 
Oedipus beruft, bestätigt und das spätere Erscheinen des Kreon vorbe- 
reitet werde. Beruhigt erkennt jetzt auch der Chor in.Oedipus einen 
geweihten Schützling der Götter an, indem er ihn mahnt den.Eumeniden, : 
die ihn gnädig aufgenommen, für das Betreten ihres Haines eine Spende 
darzubringen. Ismene übernimmt dies für den blinden Vater. Nach dem 
kurzen Kommos 510—548, in welchem die Neugierde des Chors nach 
den Tliaten des Oedipus forscht, erscheint im zweiten Epeisodion 549— 
667 Theseus. Er verheiszt dem Oedipus sichern Schutz und empfängt 
dagegen von diesem die Zusage, dasz sein Grab nach der Gótter Willen 
einst Athen ein mächtiger Schutz gegen Theben sein werde. So ist die 
Erfüllung der Orakelsprüche von Seiten Athens gesichert. 

Auf das erste Stasimon 668—719, in welchem der Chor in freudig 
gehobener Stimmung seine gottgesegnete Heimat feiert, beginnt das dritte 
Epeisodion 720— 1043 mit dem Auftreten Kreons. Derselbe erbieteg,sich 
mit erheuchelter Freundlichkeit den von aller Noth bedrängten Oedipus 
nach der Heimat zurückzuführen. Aber seine versteckte List wird von 
diesem enthüllt. In Leidenschaft aufbrausend rühmt sich der verwegene 
dem greisen Dulder die eine Stütze, Ismene, geraubt zu haben und droht 
die andere, Antigone, sogleich fortzuführen. Der Drohung folgt die That. 
Ja sclion an Oedipus selbst legt er Hand an: da erscheint auf das Hülfe- 
geschrei Theseus. Kreon will jetzt sein Unternehmen mit der Aeuszeruag 
entschuldigen, er habe. nicht gleuben kónnen dasz Athen Teilnahme für 
. den Frevler Oedipus fühle. In gewaltiger Rede weist dieser nun nach, 
wie alle seine Thaten unfreiwillige Irrungen gewesen, dasz er kein Frev- 
ler, sondern ein schwer geprüfter Dulder sei. Theseus eilt dann mit 
Kreon, den er als Unterpfand für. die beiden geraubten Jungfrauen be- 
wacht, den bereits voraus gesandten Bewaffneten nach, um jene aus den ^ 
Händen der Thebaner zu befreien. — So gewann der Dichter Gelegenheit 
durch jene erhabene Rede des Oedipus die richtige Auffassung von dessen 
Thaten bei den Zuhórern zu vermitteln. Dann zeigt er an dem verwegenen 
Unternehmen Kreons jetzt thatsächlich, wie *ersehnt? (ζητητας) der Gott 
den Desitz des Oedipus seinen Feinden gemacht, zeigt aber auch zugleich 


G. Drónke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Sophokles. 83 


hier und durch den Ausgang im vierten Epeisodion 1096-—— 1210, wo 
Theseus die befreiteu Töchter zurückbringt, dasz die Gottheit und mit 
ihr das gottesfürchtige Athen ihn vor jedem Angriffe als einen reinen 
beschützen. 

In derselben Scene wird dann noch das folgende angebahnt, indem 
sich Oedipus endlich dazu versteht seinen Sohn Polyneikes vor sich zu- 
lassen, als Theseus bemerkt dasz er dies dem Poseidon schulde, an dessen 
Altar jener sich als Schutzflehender niedergelassen. Nachdem der Chor 
im dritten Stasimon über die Leiden des Alters geklagt, erscheint im 
fünften Epeisodion 1249 — 1446 Polyneikes. Er gesteht offen (1265) 
dasz er in Verabsäumung der Vaterpflege sich die gróste Schuld zuge- 
zogen; doch, sagt er, er wolle in der Heimat wieder gut machen, was 
er gefehlt, nur móge der Vater ihm auf dem Zuge gegen Theben folgen, 
dessen Thron ihm der Bruder geraubt; denn Apollon verheisze dem den 
Sieg, auf dessen Seite der Vater sei. Aber dem Sohne, der gegen den 
Vater gefrevelt und jetzt unheiligen Kriegszug gegen die Heimat beginnt, 
antwortet Oedipus mit seinem Fluche. So läszt ihn der Dichter selbst 
den Schwerpunkt zur Erfüllung seines góttlichen Geschickes abgeben. 
Was ihm früher das erwünschteste Glück schien, friedliches Leben am 
— heimatlichen Herde, das verschmáht er jetzt freiwillig, um die Gottes- 
fügung zu erfüllen. Zugleich wird ihm die letzte und hóchste sittliche 
Rechtfertigung. Derselbe, der einst geglaubt gegen ihn als einen Frevler 
handeln zu dürfen, erscheint durch die Gótter genóthigt als ein Hülfe- 
flehender vor dem Vater mit dem Geständnis der eignen Schuld und 
findet in dem einst verstoszenen den ihm von den Gótterm bestellten 
Richter. 

Kommos 1447 — 1499 und sechstes Epeisodion 1500—1555. Kaum ist 
Polyneikes fort, so erdröhnen furchtbare Donnerschläge. Oedipus er- 
kennt in ihnen das verheiszenc göttliche Zeichen, dasz sein Lebensende 
nahe; dem herbeieilenden Theseus sagt ér jetzt Erfüllung des versproche- 
nen an. Ohne Führer schreitet er voran, den andern den Ort, wo er 
sterben soll, zu zeigen. Dadurch dasz dies vor den Augen der Zuschauer 
geschah, erschien Oedipus wahrhaft als ein gewisser Schützling der 
Gótter, und das mit Augen erschaute wunderbare erzeugte Glauben an 
das durch die Orakel verkündete und das später vom Boten über das 
Lebensende des Oedipus berichtete. Nach dem kurzen vierten Stasimon 
erstattet nemlich ein Bote in der Exodos 1579 --- 1779 Bericht über das- 
selbe. Denu wunderbar und góttlich war das Ende. Die letzten Worte 
und die letzten Augenblicke des greisen Dulders kannte aber nur Theseus, 
dem durch einen Eid Stillschweigen über das geheimnisvolle aufgelegt 
war. Es folgt dann noch die übliche Todtenklage. 

Das Ganze ist das Bild des mit der Gottheit völlig versóhnten, der 
in der eignen Brust die góttliche Stimme vernimmt. 


9. ' 
Ueberschauen wir jetzt im ganzen den sichern Gewinn, der sich aus 
dem Philoktetes, den Trachinierinnen und den beiden Oedipus ergibt. 
6 4 


84 G.Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Sophokles. 


Das Walten des alles überwachenden und lenkenden Zeus (El. 174) besteht 
nach des Sophokles Vorstellung nicht mehr blosz darin, dasz es dem 
einzelnen Unglück oder Lebenssegen gemäsz seinem Handeln und Wan- 
deln zuwägt; sondern die Gesamtheit der Sterblichen umfaszt Zeus mit 
vorsehender Weisheit in seinem groszen Weltplane und ordnet den ein- 
zelnen ein in das Ganze, dessen sittliche Harmonie zu wahren der höchste 
Endzweck der göttlichen Weltherschaft ist. So sendet der Gott dem 
Menschen auch ohne dessen Verschulden schwere Leiden zu. Diesem 
aber, welcher die Absicht der göttlichen Vorsehung nicht zu durch- 
schauen vermag, geziemt es dann in frommer Demut sich in das Gott- 
verhängte zu ergeben. Doch wen die Gottheit in unverschuldete Trübsal 
stürzt, den erhebt sie auch wieder gnädig, und aus derselben geht er zu 
höherer Verklärung hervor. Ob der Dichter aber den Leiden eine sitt- 
lich läuternde Kraft beilege, dafür fand sich im Philoktetes keine aus- 
drückliche Beweisstelle. Mit gröszerer Zuversioht läszt sich hehaupten, 
dasz die ganze Composition des Oedipus auf Kolonos, welche den durch 
Leiden zu tiefem Gottesfrieden eingegangenen Sterblichen vorführt,.jene _ 
Anschauung nothwendig bei dem Dichter voraussetzt. Doch sind wir 
auch nicht ganz und gar von Aussprüchen entblöszt, die in ihrem Wort- 
laute ein sicheres Zeugnis ablegen. So lautet das 581e Fragment: “in 
Leid gebettet viel das Menschenherz erschaut? Auch gehören die Worte 
des Oedipus OK. 7 hierher: “denn mich bescheiden lehrten Leiden mich? — 
und wol auch die des Theseus ebd. 562 ff.: “ich weisz, ich selber wuchs 
heran in fremdem Land wie du, und in der Fremde dann bestand ich 
mehr als je ein andrer der Gefahren um mein Haupt. Drum . 
werd’ ich keinem Fremden, der wie du mir naht, mit treuer Hülfe 
mich entziehn, dieweil ich weisz dasz ich ein Mensch bin. Denn 
es spricht sich hierin eine weit tiefere sittliche Auffassung aus, als sie 
das geläufige hellenische Sprüchwort τῷ πάϑεε μάθος, unser deutsches 
‘Schaden macht klug” bietet: selbst wenn man in ihm mit Aeschylos Ag. 
163 f. nicht eine Klugheitsregel, sondern den Sittenspruch erkennt, durch 
das Leiden der Strafe lerne der Mensch den Frevel meiden. Theseus hat 
durch seine Leiden nicht etwa nur vor Frevel sich hüten oder bestimmten 
Pflichten genügen gelernt; die Gesinnung desselben ist sittlich geläutert 
und geklärt worden. 

Der weitere sittliche Gewinn aus jenem Drama betrifft die unfrei- 
willige Irrung. Der von Sophokles begründete sittliche Fortschritt war 
hier ein auszerordentlicher. Wie schon bei Aeschylos erwähnt wurde, 
unterschied der hellenische Volksglaube nicht streng, wie weit die per- 
sönliche Schuld reichte, sondern während er den Sterblichen ohne dessen 
Verschulden von einem Gott mit Sinnverwirrung schlagen liesz, be- 
trachtete er ihn doch als vollkommen verantwortlich für die in der sitt- 
lichen Unfreiheit begangenen Handlungen. Die erste feste Begrenzung 
der persönlichen Schuld. verdankte der Hellene der Aeschyleischen Auf- 
fassung von der Gottverblendung. Der einmalige Frevel erzeugt wiederum 
kecken, alle-Scheu wegwerfenden Frevelmut, und in dieser psychologisch 
begründeten leidenschaftlichen Hinueigung zum Frevel sah Aeschylos jenen 


G. Dronke: die religiósen und sittlichen Vorstellungen des Sophokles. 85 


gottverhängten Wahnsinn, den der Mensch also selbst verschuldet. So- 
phokles nun hielt diese Auffassung fest, machte aber zufgleich nach einer 
andern Seite hin einen bedeutenden Schritt vorwürts: er erkannte in 
einer Reihe von Fällen, wo der Mythos dämonische Verblendung sah, 
eine unfreiwillige Irrung. Durch Götterfügung gelangt der Mensch zu 
einem kritischen Wendepunkt seines Lebens, an dem er in voller innerer 
Freiheit handelnd durch die Beschränktheit seiner Erkenntnis wider Willen 
und sogar in ediem Wolfen dem Irtum verfällt, Aber die unfreiwillige 
Irrung befleckt nach des Sophokles Vorstellung auch nicht mit Schuld, 
und niemand hat das Recht den also gefallenen zu strafen; sie ist ein 
unverschuldetes Leiden, in das der Sterbliche unter Leitung der Götter 
stürzte: “in solche Leiden nun verfiel ich selber auch durch Gölter- 
führung’ sagt Oedipus OK. 997 f. Mit dieser Vorstellung verbindet sich 
die tief religiöse Anschauung, dasz der Sterbliche, indem er an jenem 
Wendepunkte das gerad® Gegenteil des beabsichtigten vollbringt, nur das 
längst von der göttlichen Weisheit vorgesehene zur Reife bringt. 

Doch wenn gesagt wurde, dies sei der sichere Gewinn aus jenen 
Dramen, so sollte dies nicht etwa heiszen, .dasz alles folgende für un- 
sicher zu halten sei. Wäre es das, wir würden lieber darauf verzichten 
dasselbe zu berühren. Nur ist gar manches darunter, was in den objectiv 
vollendeten Kunstwerken eines Tragikers überhaupt kaum mit bestimm- 
ten Worten ausgesprochen werden darf, um nicht in die Euripideische 
Sentenzenmanier zu verfallen. Manches betrifft gar keinen Glaubens- 
punkt, sondern ist nur als ein bezeichnender Zug des religiösen Charak- 
ters des Sophokles anzumerken. Sodann kommt noch die persónliche 
Abneigung des Dichters hinzu, religiöse Vorstellungen bis zu dogmati- 
scher Form zu fixieren. Alles dies wirkt zusammen, und daher rührt es 
nun, dasz das folgende unter vielem durch ausdrückliche Belegstellen 
erhärteten auch manches enthält, von dem wir zwar mit Bestimmtheit 
sagen dürfen, dasz hier der Dichter die Wahrheit erschaut und sie leben- 
dig in seiner Brust empfunden hat, aber nicht bestimmen können, in wie 
weit er sie durch Reflexion zu bestimmter Form abgeklärt habe. : Man 
erforsche das religiöse Leben einer wahrhaft innerlichen Natur, und man 
wird selbst bei den bedeutendsten Männern auf diese Erscheinung sto- 
szen, ohne dasz deshalb sogleich von Unklarheit oder Verschwommenheit 
die Rede sein kann. 

Es ist nemlich die Innerlichkeit, die dem feligiósen sittlichen Leben 
des Sophokles seine eigenste Färbung gibt, welche jetzt betrachtet wer- 
den soll. Sie spricht sich schon darin aus, dasz er dem Selbstbewustsein 
des wahrhaften und gerechten Sinnes eine besondere sittliche Macht zu- 
schreibt (OT. 356. 369. Ai. 1125. Phil. 1251. Fr. 101) und daher für 
denjenigen, der einer harten, leidensvollen Pflicht genügt, keinen schónern 
Lohn weisz als daP’Bewustsein, dasz seine That sittliche Anerkennung 
finde. Der scheidende Oedipus spricht OK. 1613 ff. zu seinen Tóchtern 
die rührenden Worte: “nicht länger wird die schwere Bürde meiner 
Pfleg’ auf euch gelegt. Hart war sie, ach ich weisz es; doch dies 
éine Wort vergütet, Kinder, alle die Mühseligkeit : die Liebe kann 


86 G.Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Sophokles. 


von keinem euch in reicherm- Masz als diesem Vater werden.’ Diese 
Innerlichkeit reicht noch weiter. Leiden, die dem Iellenen, wie über- 
haupt dem natürlichen Menschen und jedem vorchristlichen Volke, als 
das schreckhafteste erschienen, waren nach des Sophokles Anschauung 
dem Sterblichen leicht zu ertragen, wenn das sittliche Bewustsein hinzu- 
kam, einer heiligen Pflicht zu genfigen. Die Tiefe der Läuterung zu er- 
messen, welche hierin die gangbaren Vorstellungen durch Sophokles 
gewonnen, wird ein Rückblick auf Aeschylos dén Maszstab geben. Auch 
bei ihm finden wir Charaktere, die gefaszt den Leiden ins Auge schauen. 
Aber bei Prometheus ist es die eiserne Willenskraft des gewaltigen Tita- 
nen, die der Willkürherschaft des Zeus trotzt; bei Klytämnestra ist es die 
Resignation des Schuldbewustseins, mit der sie Ag. 1632 erklärt, sie 
wolle sich in die Schläge des Rachedämon ergeben. Was des Sophokles 
reiner Sinn erschaute, war die später von Plaion ausgeführte Lehre, 
dasz in dem sittlichen Bewustsein der eignen Brüst der Mensch das volle 
Gegengewicht gegen den Druck der herbsten Leiden besitze. Beispiele 
werden es zeigen. 

Elektra und Antigone gewähren nemlich das volle Bild dieser reinen 
Gesinnung. Elektra unterzieht sich willig dem harten, schmachvollen 
Leben, das ihr die Mörder des Vaters auferlegen, kann sie nur der from- 
men Kindespflicht genügen, den gefallenen im Klagliede zu feiern, und 
so die Frevelthäter stets an ihre Schuld erinnern. Sie spricht V. 354 ff. 
zu ihrer Schwester: “leb’ ich nicht? elend zwar, ich weisz; doch mir 
genügUs; und jene kränk’ ich also, dasz dem Todten so ich 
Gunst erweise, wenn man Gunst noch dorten kennt? Und dann V. 361 ff.: 
*du lasz reichlich dir den Tisch gestellt sein, und Genusz umstróme 
dich. Mir sei es einz'ge Labung, von der Klage nicht zu lassen; . 
deines Ehrenteils begehr' ich nicht?: welche Gesinnung den poetischen 
Gehalt der prächtigen Wechselgesänge V. 121— 250 bildet. Ebenso er- 
füllt Antigone freudig die heilige Pflicht den Bruder zu bestatten, ob- 
gleich sie weisz dasz ihr der Tod dafür gewis ist. Mit Hinweisung auf 
die ewigen göttlichen Gesetze sagt sie V. 458 ff.: “und diese sollten nicht 


dereinst um eine Furcht vor Menschendünken im Gericht der Gótter 
mich — verdammen. Dasz ich sterben werd’, ich wusts, fürwahr _ 
auch ohne dein Ausrufen. Wenn nun früher mich der Tod hinweg- 


nimmt, sei Gewinn er mir genannt. Auch in der Sehnsucht Antigones, 
mit der sie die Leidenszeit zurückwünsceht, die sie bei der Pflege des nun 
verschiedenen Vaters hatte erdulden müssen, spiegelt sich jene Gesinnung 
ab. Es weht uns ein Hauch Goethescher Lyrik aus.den Worten an: *war 
Wonne doch in diesen Leiden! Freundlich erschien mir auch jedes Un- 
freundliche, da ich ihn lebend hielt in meinen Armen’ (OK. 1697 ff.). 
In dem tief innerlichen Wesen hat auch der merkwürdigste Zug des 
Sophokleischen Charakters seine Wurzel, der Hang%um Mystischen. 
Wir meinen damit nicht etwa die Teilnahme des Dichters an mystischen 
Culten seiner Zeit, auf die auch Fr.719 hinweist: “welch glückselig Los 


wird denen aus den Menschen, die erst diese Weih' schaun, eh zum 
Hades sie hingehn; denn ihnen nur ist Leben dort, den andern aber 


' G. Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Sophokles. 87 


fehlt kein Leid’; sondern in den innersten und 'eigensien religiösen An- 
schauungen des Dichters spricht sich dieser mystische Zug aus. Um 
sogleich das sprechendste Beispiel zu geben: ganz einzig im Altertum 
steht der Ausspruch des Sophokles OK. 498 f. da, dasz das Opfer eines 
einzelnen, in reinem Sinne dargebracht, für unzählige genüge: 'deun 
dies zu sühnen, gnüget auch für Tausende wol éine Seele, wenn 
sie naht mit reinem Sinn.? mM 

. Aus dieser Neigung gieng auch die veränderte Auffassung des Dich- 
ters von dem Verkehr der Sterblichen mit der Gottheit hervor. Wol 
hatte man bisher die Erhabenheit der Gótter darin erkannt, dasz sie das 
Flehen des Menschen auch aus der weitesten Ferne vernehmen: “ein 
Gott vernimmt ja auch fern weilend. das Gebet? sagt Aeschylos Eum. 294; 
Sophokles faszte die Beziehungen geistiger auf: es bedurfte zum Gebete 
gar nicht des lauten Wortes, die Gottheit kannte auch die stillen Wünsche 
der Brust. Klytàmnestra beginnt El. 637 ff. ihr Gebet zu Apollon also: 
‘schon wollst du hören, Phóbos, o beschirmender, auf mein ver- 
hülltes Reden. Nicht vor Freunden ist das Wort, und alles darf ich 
nicht entfalten hier ans Licht? — und schlieszt es 657 f. mit den 
Worten: “und alles andre, wenn es auch, mein Mund verschwieg, 
eracht' ich, werde dir dem Gott nicht dunkel sein.” Doch die Gottheit 
hórt nicht nur das unausgesprochene Flehen der Sterblichen. Wer from- 
men, reinen Sinnes ist, in dessen Brust lebt auch die Stimme der Gott- 
heit und leitet den unbewust ihr sich hingebenden, ob er es auch erst 
mit spätem Danke erkennt. Da Oedipus gehört, dasz er ohne es zu 
ahnen in den Hain der Eumeniden gelangt, spricht er in seinem Gebete 
an dieselben OK. 96 ff. den zuversichtlichen Glauben aus: *und nun 
erkenn' ieh, dasz nur ihr es wart, die mich mit wicherem Wahr- 
zeichen auf dem Wege her zu diesem Hain geleitet So führt ihn 
später die innere Gottesstimme zu der Stätte wo ihm der Tod beschie- 
den: er der hlinde, welcher bisher der führenden Hand bedurft, wird: 
nun selbst deg anderen ein Führer. Er spricht V. 1520 f.: “und zu dem 
Ort nun führend geh’ ich selbst voran, von keines Hand geleitet, wo 
ich sterben soll? — und V. 1542 ff.: “seht, ich bin euch ein neuer 
Führer, so wie ihr dem Vater wart. Nun wandelt, rühret mich nicht 


an, nein lasset mich nur selbst den heil'gen Grabesraum ausfinden, 
wo naeh Gottes Rathschlusz dieses Land mich bergen soll? (vgl. 
V. 1587). 


Die zuletzt beigebrachten Stellen führen zugleich auf eine weitere 
Aeuszerung des mystischen Elementes bei Sophokles. Wir meinen die 
geheimnisvoll wunderbare Art, wie Oedipus aus dem Leben schied. Was 
wollte der Dichter damit aussprechen? Es mögen hier, um dem Urteil 
nicht vorzugreifen, alle einzelnen Momente, wie sie die Tragódie gibt, 
zusammengestellt werden. ' Wie der lebende Oedipus als ein geweihter 
. dem Eumenidenhaine naht, so hat der Sehermund Apollons auch noch 
die Ruhestätte seines Körpers für ein Unheil seinen Verächtern, für ein 
rettendes Heil seinen Gastfreunden erklärt (OK. 92 f. 385 f. 1332 f. u. ö.). 
Auch hatte er von Apollon die Verkündigung erhalten, dasz ihm von Zcus 


- 


88 (ὦ. Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Sophokles. 


ein Wahrzeichen seines nahepden Todes werden solle (94). Daher erkennt 
denn auch der Greis in dem ersten Donnerschlag, der sein Ohr beim Eume- 
nidenhaine trifft, die rufende Gottesstimme (1460 f.): “des Zeus beschwing- 
ter Donner führt mich also bald hinab zum Hades? — (vgl. 1474 f. 
1311 1). Und der Gott selbst offenbart seinem Innern die Todesstätte. 
Freudig führt der blinde die sehenden nach.der ehernen Schwelle der 
Unterwelt hin. Während er dort von den Töchtern Abschied nimmt, 
“plötzlich hallt ihn mächtig an ein fremder Zuruf? (1623 f.). “Dann 
aber rjef und abermal nach ihm der Gott: wolauf, wolauf nun, Oedi- 
pus! was weilen wir zu ziehn?” (1626 ff.). Alle anderen müssen nun 
zurückkehren ; nur Theseus, .der auch allein das “heilig unaussprechliche? 
aus dem Munde des scheidenden erfährt (1526. 624), darf bleiben. Wie 
er schied, bleibt so ein Geheimnis. “Als auf dem Weg? erzählt der Bote 
V.1647 ff. “nach kurzem wir uns wandten, sahn von ferne wir, — wie 
von den beiden er dahingeschwunden war, der König aber sich die 
augumschattende Hand vor das Haupt hielt, wie vor einer mäch- 
tigen furchtbarn Erscheinung.” Doch war sein Scheiden, wie der 
Dichter sagt, *unbegreiflich wunderbar, ein göttlich sanft Geschick” 
(1664. 1585 f. 1675). 

lier liegt nun der Fall vor, dasz auch an keiner einzigen Stelle der 
Tragódie mit ausdrücklichem Worte der Unsterblichkeit oder eines der 
verwandten Begriffe gedacht wird und dennoch nach fast allgemeinem 
Zugeständnis dieses Drama uns ein sicherer Bürge dafür ist, dasz So- 
phokles jene tiefste religióse Wahrheit erfaszt hat. Durch das Ganze 
zieht sich die in den Schleier des Wunderbaren gehüllte Vorstellung hin: 
der durch herbe Lebensgeschicke getroffene, aber demütig den Góttern 
vertrauende Sterbliche erlangt in einem jenseitigen Leben seligen Gotteg- 
frieden, der ihm Ersatz für alles überstandene bietet. Auf dieses Jen- 
seits, in dem die sittliche Weltordnung ihren Abschlusz findet, deutet 
die freudige Zuversicht hin, mit der Oedipus in den Tod geht; darauf 
weist der Umstand hin, dasz die Gottheit selbst den von der Erde schei- 
denden hinübergeleitet; davon redet geradezu der Dichter, wenn er den 
Chor V. 1565 ff. dem sterbenden nachrufen läszt, da er so viel des Jammers 
ohne Schuld getragen, móge ihn jetzt auch ein gerechter Gott verklüren. 

Anderwärts findet sich auch ein Zeugnis, das in seinem Wortlautg 
bestätigt, dasz dem Dichter der Glaube an ein wirkliches Fortleben der 
Seele nach dem Tode nicht fremd war. Es ist das bereits früher ange- 
führte 719e Fragment: “welch glückselig Los wird denen aus den 
Menschen, die erst diese Weih' schaun, eh zum Hades sie hingehn; 
denn ihnen nur ist Leben dort, den andern aber fehlt kein Leid. 
Wonit noch die Bemerkung der Scholien zu Aristophanes Fröschen 344 
zu verbinden ist, dasz Sophokles einer “Wiese der Geweihlen? (der Mys- 
len; gedacht habe. | 

Viel bedeutsamer erscheint es uns, dasz sich in den Sophokleischen 
Dramen jener ganze Kreis religióser Anschauungen und Gesinnungen 
vorfindet, als deren Schluszstein eben die Unsterblichkeit der Seele zu 
betrachten ist. Denn hieraus erkennen wir auf das zuverlässigste, dasz 


'G. Dronke: die religiósen und sittlichen Vorstellungen des Sophokles. 89 


sich dieser Glaube bei Sophokles in richtiger psychologischer Ideenfolge 
aus dem eignen Innern heraus entwickelt hat, während es nach jenem 
Fragment als wahrscheinlich gelten kónnte, dasz er denselben nur einem 
fremdartigen Einflusse verdankte.. 

- Am hinderlichsten hatte nemlich bisher einer Fortentwicklung nach 
dieser Seite hin die allgemeine Vorstellung im Wege gestanden, in jedem 
besondern Unglück eine gottverhängte Strafe für Frevelschuld zu sehen. 
Denn so gelangte man za der Annahme, dasz die góttliche Gerechtigkeit 
in dem Lohn und der Strafe, die in dem diesseitigen Leben der Gottes- 
fürchtige und der Frevler von ihm zuverlässig zu gewärtigen haben, 
ihren vollen Ausdruck finde. Indem nun Sophokles diese Vorstellung 
berichtigte durch den Nachweis, dasz auch über den Schuldlosen die 
Gottheit ein herbes Lebenslos verhánge, wurde er consequent auf das 
Problem geführt: welchen Ersatz gibt die góttliche Gerechtigkeit dem 
ohne sein Verschulden von Leiden aller Art in diesem Leben gedrückten 
Sterblichen? So wurde das sinnende Gemüt des Dichtefs auf die sittliche 
Genugthuung in einem jenseitigen Leben hingewiesen. Und es scheint 
nicht unwichtig, dasz sich auch diese Gedankenfolge bei Sophokles aus- 
gesprochen findet, nemlich in dem Wunsche den der Chor OK. 1565 ff. 
dem in den Tod gehenden Oedipus nachruft: “ja, da so viel ohne Schuld 

über dich des Jammers kam, soll nun ein Gott auch gerecht 
dich erheben.? 

Anderseits beobachten wir wiederum bei Sophokles eine Läuterung 
religiöser Gesiunung, die nur durch den Glauben an Unsterblichkeit ver- 
mittelt werden konnte: dasz er nemlich in dem Hinblick auf das’ Jenseits 
ein edleres und reineres Motiv für das menschliche Handeln erkannte als 
in der Furcht vor der Strafe. Scheinbar freilich findet sich auch in dem 
alten Volksglauben etwas ähnliches. Bei Aeschylos mahnt der Danaiden- 
chor den König, er möge bedenken dasz ein Zeus noch über die Todten 
Recht spreche. Aber für die Thaten, die nach dem hellenischen Volks- 
glauben im Hades gestraft wurden, waren auch bereits im diesseitigen 
Leben Strafen entweder geradezu von der bürgerlichen Gemeinschaft 
oder doch sicherlich von der rächenden Gottheit zu gewürtigen. Der 
Schwerpunkt der sittlichen Motive ruht für den Volksglauben, der nur 
ein Schattenleben nach dem Tode kannte, immerhin in dem diesseitigen 
Leben. Bei Sophokles tritt gerade das umgekehrte Verhältnis ein: Anti- 
gone sieht sich eines leidlosen, freudigen Lebens versichert, wenn sie 
dem Gebote Kreons willfahrt ; sie sieht sich einen schmerzvollen Tod be- 
reilet, wenn sie der frommen Pflicht nachkommt, den Bruder zu bestat- 
ten: die Rücksicht auf das Jenseits wird für sie das entscheidende Mo- 
ment. Sie spricht Ant. 453 ff. zu Kreon: “und so erhaben hielt ich dein 
Verkünden nicht, dasz hóher als des Himmels ungeschriebene, 
yunwandelbare Rechte sei ein Menschenwerk. — — Und diese sollten nicht 
dereinst um eine Furcht vor Menschendünken im Gericht der Götter 
mich verdammen. Dasz ich sterben werd’, ich wust's fürwahr? usw. 
(vgl. V. 71 f). Wenn auch nicht mit so bestimmten Worten ausgespro- 
chen, erkennen wir doch auch bei Elektra klar dieselbe Triebfeder. Sie 


90 G. Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Sophokles. 


könnte ein Leben der Fülle und des Glanzes führen, zieht aber bitiere 
Noth vor, um das góttliche Gesetz der Kindespflicht gegen den gemor- 
deten Vater zu wahren. Der lauterste Ausdruck dieser Gesinnung ist es, 
dasz Sophokles die vollendete Sittlichkeit in die Reinigkeit des Herzens 
setzt, welche unbekümmert um Lohn und Strafe in diesem Leben nur 
. das Bestreben hat der Gottheit zu gefallen. Es ist dies, um zum Ans- 
gaugspunkt unserer Betrachtung zurückzukehren, der Vollbegriff der 
εὐσέβεια. der frommen Gesinnung ; wie der Chor El. 1094 ff. von Elektra 
singt: *in einem Schicksale, nicht einem guten, fand ich dich -wan- 
deln, doch in höchster Pflichten Uebung trugst du dir davon den 
Preis mit frommtreuer Zeusverebrung.' Auf diese Reinigkeit des Her- 
zens weist das 88e Fragment hin: *ein Herz voll Milde, das nur auf Ge- 
rechtes sinnt, wird eh'r als Scharísinn überall das Wahre-sehn? — 
sowie die oben angeführten Verse OK. 498 f.: “denn dies zu sühnen, 
gnüget auch für Tausende . wol éine Seele, wenn sie naht mit rei- 
nem Sinn.? 
10. , ᾿ 

Noch auf einem andern Gebiete erwies sich die Innerlichkelt der 
Sophokleischen Religiosität in glänzender Weise wirksam. Der Dichter 
wandte nemlich, wie dem Bewustsein des Gottesfürchtigen, so auch dem 
Schuldbewustsein des Menschen sein besonderes Augenmerk zu. Schon 
die Mahnung des Teiresias an Kreon Ant. 1023 ff. gibt einen bedeutungs- 
vollen Fingerzeig: * denn Fehlen wol ist allgemeinsam gleiches Los 
der Sterblichen; wenn aber einer fehlte, steht verlassen nicht 
von Rath und Glückeshoffnung, der vom bösen Fall sich Heilung 
sucht und nicht beharrt in starrem Sinn. Des Eigensinns Verstockt- 
heit zeugt verkehrtes Thun.” Hier wird alles Gewicht von dem Seher 
darauf gelegt, dasz, sobald jemand einmal in ungerechtes Beginnen ver- 
fallen ist, er zur Erkenntnis, zum Bewustsein seines Unrechts komme. 
Die Sinnesänderung, welche aus dieser Erkenntnis hervorgeht, sagt er, 
dürfe wieder Hoffnung auf den gnädigen Schutz der Götter schöpfen, 
Diese Vorstellung findet sich auch in der Rede des Polyneikes OK. 1265ff. 
klar ausgesprochen. Derselhe hofft durch das offene Geständnis sejner 
Schuld Erbarmen bei dem Vater zu finden, da ja auch Zeus in diesem 
Falle für jeden schuldigen Erbarmen habe. Die Worte lauten: “ich zelhe 
selbst mich meiner Missethat an dir und deinem Leben; sag’ es nicht 
ein andrer dir. ^ Jedoch, es teilt ja auch mit Vater Zeus den Thron 
für alle Schuld Erbarmen. Lasz, o Vater, es auch dir zur Seite stehn.” 

Doch es enthalten diese Stellen nur den Keim dessen, was in dem 
Monolog des Aias V. 646 ff. vollkommen ausgebildet erscheint, Freilich 
ist das richtige Verständnis desselben, welches Welcker jn seiner Ana- 
lyse dieses Drama mjt genialem Blick ermittelt hatte?”), leider von den 
neueren Erklärern des Dichters wiederum getrübt statt gefördert wordelt. 
Man findet in der Rede absichtliche Verstellung des Helden, der seine 


21) Rhein. Mas. „1 (1829) 8. 43 ff. 229 ff., abgedruckt in den kleinen 
Schriften II 204 ff. 





DSHFr!c Mac Cormasi m » 
1 21995 "να 


morde in der Erinne- 
tigt zur That schreitem 
führenden Ausdrücken. 
ier natürlich nicht alle 
esprochen werden; es 
nzuweisen. Vor allem 
enischen Bedingungen, 

Abschied von seinem 
den Helden weich ge- 
uhiger Stimme an mit 
rt seines Weibes ahnt, 

einer abwesenden die 
sehen will. Die Seini- 
waltigen Helden unge- 
1d von Sühnung seiner 
ersöhnen wolle; ja sie 
er Täuschung über die 
4 ff., da er aufblickend 
uverstehenden Worten 


gen und er sucht Süh- 
is es der Chor versteht. 
ir Schuld erwacht. Er 
‚durch die Thaten des 
es darob dass ihm der 
as sollte er noch den 
:'he Schmach len, 
3 ff. 401 ff. 447 ff.) Da 
I9 f. in die Worte aus: 
lóttern ich zu kei- 
c ng un u un gerade in dieser &uszer- 
ἑ Härte, die hier Aias an den Tag legt, spricht es 
bon verhüllt aus, dass der innere Trotz des Helden gebrochen ist. 
st hat ihn der Gedanke an Weib und Kind weich gestimmt. Und 
ber.seine Geschicke ruhig nachsinnend kommt das eiserne Herz, 
seinem freudigen Kraftgefühl nicht der Götterhülfe zu bedürfen, 
mm Gehorsam gegen die Feldherrn verpflichtet zu sein glaubte, 
die Betrachtung des Erfolges seines Handelns zu dem Bewustsein 
Unrechts. Das ist die Sinnesänderung: er erkennt seine Schuld 
Mtern und dem Atriden gegenüber und sucht sich sogar dieselbe 
nmen klar zu machen, da es'ja ein allgemeines, durch die Natur 
gtes Gesetz agi, dasz das Gewaltige und Kraftbegabte dem Ehren- 
weiche, wie der Winter dem Sommer, die Nacht dem Tage und 
irme der Meeresstille. Mit einem leichten Anflug von Selbstironie, 
m der Vergleich des alten trotzigen Aias mit dem gegenwärtigen, 
am Trotz gebrochenen eiagibt, hebt der Held V. 666 ff. an: *so 
& wir denn künftig wissen Góuermacht zu weichen, werden 


92 G.Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Sophokles. 


die Atriden lernen scheun. Regenten sind sie, also weiche man. Wie 
nicht? Ja auch das Mächtige, das Kraftbegabteste weicht frem- 
den Ehren. Also ziehn schneebäufende Sturmwinter vor dem frucht- 
geschmückten Sommer aus ; es tritt hinweg der schauerliche Kreis 
der Nacht, dasz weiszberosset zünde seinen Glanz der Tag; ge- 
walt'ger Stürme Wehn erstirbt, es kehrt zurück Meerstille wieder; 
und der mücht'ge Schlaf verläszt, wen er gebunden, und umfängt 
nicht ummerdar. Wie sollten, wir nicht weise Mäszigung verstehn?? 
Nun kehrt dem Helden, da er seine Schuld erkannt, der fromme Sinn 
wieder. Er will nicht in Entzweiung mit den £ióltern aus dem Leben 
scheiden. Versöhnen will er die Gottheit durch das freiwillige Opfer des 
eignen Blutes; in der Selbstbestrafung findet er den edelsten Ausdruck 
seiner Reue. Auf dieses Opfer weist er mit den Worten V. 654 ff. hin: 
‘doch hin zum Bade geh’ ich und den Wiesenau'n am Ufer, ob durch 
Rein’gung von dem Flecken ich der Göttin schwerem Zorne mich 
entziehen mag.’ 

Dies sind die Worte mit denen Aias eine absichtliche Täuschung 
bezweckt haben soll. Man nannte sie zweideulig, und sie sind doch nur 
der natürliche Ausdruck der weichen Stimmung, die auf Versöhnung der 
Gottheit sinnt. Es beruht diese Ausdrucksweise auf sorgfältiger psycho- 
logischer Beobachtung, wie wir sie auch von Goetlie gewahrt finden. 
Denn *o verschieden auch die Situation im übrigen ist, es treffen bei 
Faust gegen Ende der ersten Scene dieselben wesentlichen Momente zu- 
sammen wie bei Aias: das Selbstgespräch, der Entschlusz zum Selbst- 
mord, die weiche Stimmung einer gewaltigen, nun gebrochenen Män- 
nerseele. Wenn nun dort Faust also redet: “hier ist ein Saft, der eilig 
trunken macht. Mit brauner Flut erfüllt er deine Höhle. Den ich 
bereite, den ich wähle, der letzte Trunk sei nun mit ganzer Seele 

als festlich hoher Grusz dem Morgen zugebracht’ —: so deuten 
diese Verse in jhrem nackten Wortlaute auch nicht im leisesten auf einen 
tödtlichen Gifttrank hin, so verständlich sie auch dem Leser sind. Bei 
Aias kommt aber noch hinzu, dasz das für ihn wesentliche eben nicht 
der Selbstmord an sich, sondern die Sühnung seiner Schuld ist, die er 
durch jenen erstrebt, es also auch so motiviert ist, dasz er nur von die- 
ser redet. 

Aber nicht nur die Ausdrucksweise, die Sinnesänderung des Aias 
überhaupt beruht auf sinnigem, psychologischem Studium und auf wahr- 
haft künstlerischer Berechnung. Jenes erweist sich darin, dasz der Um- 
schwung der innern Stimmung in der Brust des kriegsrauhen Helden durch 
den Abschied von seinem unmündigen Sohne vermittelt wird. Diese spricht 
sich in der Beziehung des Monologs zum Ganzen aus. Der erste und 
wichtigste Teil des Drama ist nemlich nur ein Bild der furchtbaren See- 
lenkämpfe des Helden, die ihn zum Selbstmorde hinführen. Zuerst ist 
es der ungebändigte Schmerz über die Vereitlung der Rache, der in den 
Vordergrund tritt. Schon beruhigter geht er in dem Monolog V. 430 ff. 
von seiner Ehre als Held und als Sohn des Telamon bei Ueberlegung sei- 
ner Lage aus. Aber Sophokles, der den Athenern in Aias einen von ihnen 


- 


G. Dronke: die religiósen und sittlichen Vorstellungen des Sophokles. 93 


als Heros verehrten Stammgenossen vorführte, durfte schon aus religió- 
sen Rücksichten denselben nicht in Feindschaft mit der Gottheit unter- 
gehen lassen. Er liesz ihn in Erkenntnis seiner Schuld Versóhnung mit 
der erzürnten Góttin suchen und entwarf so das dichterisch durchdach- 
teste psychologische Seelengemälde, das eine,in sich vollkommen abge- 
schlossene Reihenfolge von Gemütszuständen vorführt: die unbezähmte 
Leidenschaft des beschimpften und in seiner Rache getäuschten Helden, 
das lebendige Bewustsein seiner leldenehre genügen zu müssen, die 
Sorge des aus dem Leben scheidenden um den unmündigen Sohn als den 
zukünftigen Träger des väterlichen Ruhmes, die Erweichung des rauhen 
Herzens und das Brechen des eisernen Trotzes. Und dieses Gemälde 
zerstören jene Erklärer des Dichters gänzlich, indem sie den groszartigen 
Monolog zu einer Flickscene herabsetzen, die nur die Handlung weiter 
führen solle. 

Auffallend ist es uns, dasz man bisher einen Umstand noch nicht 
wahruahm, bei dessen Beurteilung gar nicht die Gefühlsweise des einzel- 
nen ins Spiel kommt, sondern wo es sich um die Wahrung eines bestimm- 
ten Kunstgesetzes handelt: so dasz uns hierin, wenn nicht alles trügt, 
ein ganz unwiderlegliches Beweismittel gegen jene irrenden Sophokles- 
freunde geboten ist. Es handelt sich nemlich um das Gesetz, welches 
Sophokles in Betreff solcher Scenen beobachtete, welche an sich bedeu- 
tungslos nur dazu dienen, die folgende Handlung äuszerlich zu ermög- 
lichen. Dasz dieselben der alten Tragödie recht wol bekannt waren, 
darauf weist bereits Aristoteles in seiner Poetik Kap. 8 hin. Aber es ist 
ganz offenbar, dasz die schlichte einfache Technik der ältern Tragödie 
dem Gebrauch derselben gewis entgegen sein muste. Und so ergibt denn 
auch eine sorgfältige Beobachtung der Aeschyleischen und Sophokleischen 
Dramen das Gesetz, dasz diese beiden Tragiker nie ein ganzes Epeisodion 
blosz zur äuszern Anbahnung der weitern Entwicklung benutzten. Erst 
die Technik des Euripides wurde auch hierin laxer. Wol einen Teil eines 
Epeisodion verwendete Sophokles zu dem angegehenen Zwecke, wie er 
z. B. mit dem letzten Teile des vierten Epeisodion des Oedipus auf Ko- 
lonos 1150— 1210 das Auftreten des Polyneikes ermöglicht; — aber 
auch nicht mehr als einen Bruchteil. Da nun der Monolog des Aias, um 
den es sich handelt, ein ganzes — nemlich das zweite — Epeisodion 
bildet: was will man dagegen einwenden, wenn wir in diesem Umstande 
einen nicht zu bekämpfenden Beweisgrund erkennen, dasz der Monolog 
keine blosze Flickscene sei, die nur das Fortgehen des Aias ermöglichen 
solle? Will man etwa eine Unkenntnis der Strenge, mit der die Alten 
ihre Kunsttechnik durchführten, an den Tag legen und meinen, ein ein- 
zelner Verstosz gegen ein solches Gesetz habe nicht viel zu bedeuten? 
Die Kunstgesetze des Aeschylos und des Sophokles sind, das vergesse 
' man doch nie, keine willkürlichen Erfindungen der Meister: sie sind in 
lebendigem Organismus aus der Kunstidee der Tragódie erwachsen. Und 
nun will man annehmen, dasz Sophokles ein solches Gesetz gerade in 
einem der ältern Dramen, das in seiner Composition noch etwas von Ae- 
schyleischer Strenge bewahrt, gänzlich vernachlässigt habe? 


J 


94 G. Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Sophokles. 


Der unbestreitbare Gewinn dieses Argumentes ist freilich nur der 
negative, die Ansicht der Gegner als gänzlich unhaltbar erwiesen zu ha- 
ben. Indes scheint auch die positive Beweiskraft desselben gerade keine 
verächtliche zu: sein. Man betrachte nemlich den technischen Bau der 
Tragódie. Der kurze, 47 Verse lange Monolog steht als ein ganzes Epei- 
sodion zwischen den beiden andern Epeisodien des Drama, von denen 
das eine nah an 400, das andere über 450 Verse hat. Sollte sich unter 
dieser auffallenden Composition nicht ein besonderer künstlerischer Zweck 
verbergen? Man vergleiche einen ähnlichen Fall. Nach drei längern Epei- 
sodien umfaszt das vierte des Königs Oedipus nur 76 Verse. Und was 
enthält es? Den Umschwung des ganzen Drama. Oedipus erkennt all das 
Gräszliche seiner Geschicke. Hat es nun nicht die gróste Wahrschein- 
lichkeit, dasz auch die technische Stellung unseres Monologs nur daraus 
erwachsen ist, dasz er die sittliche Peripetie des Drama enthält, welche 
wir ja in ihm erkennen? 

Doch um endlich zu dem religiósen Gebiete zurückzukehren, so ist 
jedenfalls hier das wichtigste, dasz die beiden Anschauungen, die wir in 
dem Monolog in enger Verknüpfung fanden, sich noch durch andere 
Stellen als echt Sophokleisch erhärten lassen. Für die eine, in Betreff 
der in dem Anerkennen der eignen Schuld sich äuszernden Sinnesände- 
rung, wurde dies bereits oben nachgewiesen. Die andere aber, welche 
sich auf den Trieb des Menschen bezieht, seine Schuld durch Selbststrafe 
zu sühnen, fübrt der Dichter auch am Kónig Oedipus durch. Denn dieser 
beraubte sich, wie er V. 1371 ff. sagt, des Augenlichts, weil ihm dies 
als eine schwerere und daher für seine Thaten genügendere Sühne er- 
schienen sei: *denn sprich, mit welchen Blicken ich den Vater dort 
anschauen sollte, wenn ich zu den Todten komm', wie die unsel'gs 
Mutter, an welch beiden ich mehr, als die Angst des Todes büsst, 
verschuldete? Auch später hebt der zu innerm Frieden gelangte Oedipus 
OK. 438 f. hervor, dasz die Blendung eine sühnende Selbstbestrafung 
hatte sein sollen: *und Sich erkannte dasz der Schmerz des Augenblicks 
weit härter mich gezüchtigt, als was ich gefehlt." 

Aeschylos, der uns ja an Klytàmnestra und Orestes und dann noch 
Ag. 163 [f. ein Bild des strafenden Gewissens gibt, beschränkt noch dis 
Thätigkeit desselben auf die Erregung von Furcht vor der göttlichen 
Strafe. Sophokles hingegen läszt das Gewissen zu reumütigem Anerken- ' 
‚nen der eignen Schuld mahnen, welches auf Erbarmen bei Zeus hoffen 
dürfe. Ist aber die Schuld eine schwerere, so ergreift auch das Gefühl 
derselben den Menschen um so mächtiger und treibt ihn an die erzürnte 
Gottheit durch demütige Selbstbestrafung zu versóhnen. 


11. 


Nun zu der menschlichen Ethik im engern Sinne des Wortes. 
Gar oft begegnen wir in des Dichters Dramen der echt hellenischem 
Auffassung, dasz der einzelne in der Sorge für das Gemeinwohl das we- 
sentliche Motiv seines lIandelns finden müsse. So heiszt es Ant. 182 ff., 
dasz der Freund nie mehr als der Staat gelten dürfe, dasz man im Ge- 


G. Droake: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Sophokles. 95 


genteil wahre Freunde nur dann gewinne, wenn man seine eigne Wol- 
fahrt von der des Staates abhängig mache. In diesem Sinne sagt Oedipus 
OT. 333 zu Teiresias, welcher zógert durch Angabe des Mörders des 
Laios die Stadt von der goltverhängten Pest zu befreien: sein Schweigen 
sei keine rechtliche Handlung *) gegen seine Vaterstadt. Und Phil. 
1140 erklàrt der Chor, der Mann müsse das Wohl des Ganzen Becht (di- 
«atov) heiszen. 

. So weit reicht unsere Kenntnis über die Spphokleische Auffassung, 
wenn wir uns auf unumwundene Aussprüche des Dichters beschränken 
wollen. Aber es ist uns noch eine weit ergiebigere Quelle in dem gan- 
zen Verlauf der beiden Dramen, des Philoktetes und des Aias geboten, 
so dasz uns durch sorgfältige Ermittlung der denselben zugrunde liegen- 
den sittlichen Anschauung ein Blick in die Tiefe Sophokleischer Gesin- 
nung gestattet ist. 

Die Momente, welche bei Philoktetes in Betracht kommen, sind 
diese. Er ist in vollem Sinne ein fleld, edel, gerecht, wahrhaft, tapfer. 
Nachdem er sich einst freiwillig mit sieben Schiffen dem Zuge der Atri- 
den angeschlossen, hatten diese ihn, als er von der Schlange gebissen 
durch die eiternde Wunde und das laute Schmerzgeschrei das Heer be- 
lästigte, sehlafend auf der menschenöden Insel Lemnos zurückgelassen. 
Mit vollem Rechte sah er daher in den undankbaren Heerführern, die ihm 
das bitterste, gramvollste Leben bereitet, seine ärgsten Feinde. Und nun 
wird er nach neun Jahren dieser qualvollen Einsamkeit von denselben 
Atriden, welche jetzt durch Sehermund belehrt sind, dasz ohne des Phi- 
loktetes Hülfe der Sturz Trojas nicht zu hoffen sei, wieder aufgefordert 
zum Heere zurückzukehren. Aber wie sic früher jedes freundliche Band 
zwischen sich und ihm zerrissen haben, so weist er jetzt in durchaus 
berechtigtem Entschlugse die Rückkehr zum Heere auf das entschiedenste 
zurück. Die Aussicht auf Pflege seines kranken Fuszes, auf den Genusz 
menschlichen Verkehrs, selbst auf den hohen Kriegsruhm, der seiner 
wartet — alles vermag ihn nicht umzustimmen. Lieber will er in seinen 
einsamen Qualen ausharren. Die gewaltige sittliche Energie, mit welcher 
der eiserne Held seinen Entschlusz festhält, zwingt uns zur höchsten 
Bewunderung. Aber so berechtigt auch Philoktetes zu diesem Entschlusse 
ist und so erhaben er sich gerade in der Unbeugsamkeit seines Willens 
zeigt: er darf darin nicht beharren. Durch den Mund des zum Halbgott 
verklärten Herakles wird ihm der Wille des Zeus offenbart, dasz er nun 
zum Griechenheere zurückkehren müsse, um die Einnahme Trojas her- 
beizuführen. Das Bestimmende für sein Handeln darf der Held nicht im 
seiner Berechtigung suchen, er musz es in dem Wohle der Gesamtheit 
finden, der er als einzelnes Glied angehört. 

Es ist ein bezeichnender sinniger Zug von Sophokles, dasz er dem 
menschlichen Sittengesetze eine höhere religiöse Weihe dadurch zu ver- 


28) ἔννομα, wie es bedeutungsvoll heiszt im Einklang mit den 
Worten arıuafeıg πόλιν 340; mit Unrecht bezweifelte es Schneidewin, 
der darin eine directe Hinweisung auf das von Oedipus erlassene Ge- 
bot sehen wollte. “ 


96 G. Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Sophokles. 


leihen liebte, dasz er es als den Abglanz einer góttlichen Wahrheit er- 
scheinen liesz. So erkannten wir es schon früher in Betreff des Philok- 
tetes als die Vorstellung des Dichters, dasz die vorsehende Weisheit der 
góttlichen Weltleitung dem Helden die Leiden zugefügt habe, damit er, 
der erkorene Ueberwältiger Trojas, nicht eher vor die Stadt gelange, als 
bis der Tag ihres Verhängnisses genaht. Die Gesamtanschauung des Dich- 
ters ist demnach diese. Wie die göttliche Weltordaung ihren Ausdruck 
in der sittlichen Harmogje des Weltganzen findet, und die Gottheit da- 
her dem einzelnen seine Geschicke nicht etwa blosz mit Rücksicht auf 
seine Verdienste zuschickt, sondern ihn in das Ganze des groszen Welt- 
plans einordnet, so musz auch die menschliche Ethik ihren Ausdruck in 
der sittlichen Harmonie der Gesamtheit finden, und der Mensch darf da- 
her sein Wollen nicht durch persönliche Interessen, wären sie auch die 
gerechtesten, bestimmen lassen, sondern er musz es einordnen in die 
sittliche Aufgabe der Gesamtheit. 

In Philoktetes führt ung der Dichter einen edlen Helden vor, der 
sein berechtigtes Wollen in starrer Unbeugsamkeit auf die Spitze treibt, 
aber zuletzt vor der verkannten hóhern sittlichen Nothwendigkeit sicb 
beugen musz. Aias bietet dasselbe Bild; nur findet er durch den einsei- . 
tigen Starrsinn seinen Untergang. Auch er ist ein edler Held, sein Be- 
streben ein vollkommen berechtigtes. Er darf sich rühmen, dasz die 
troische Ebene keinen gewaltigern Helden unter den Achäern schaue als 
ihn (442 ff.); erkennt es ja auch sein erbitterter Feind Odysseus V. 1339 f. 
ausdrücklich an. Ung sein Bestreben ist nur, dasz er als das anerkannt 
werde was er ist, dasz ihm als dem ersten des Heeres auch die Waffen 
des Achilleus zugesprochen werden. Aber Odysseus erhàlt sie, wie er 
glaubt, durch einen Betrug der Atriden (1135). Statt sich aber zu be- 
scheiden , lászt sich jetzt der Held, weil er ja nur gerechtes zu verlangen 
- glaubt, zu dem Entschlusse hinreiszen, durch Rache an den Heerführern 
sein gekränktes Recht herzustellen. Aber die Leidenschaft des Starrsinns 
hat ihn verblendet: er fällt in Schmach und Schuld, woraus ihn nur der 
Tod erlósen kann. 

Auch hier hat Sophokles die religióse Auffassung derselben Frage 
daneben eingeflochten. Aias, der mutige, unbezwingliche Kämpfer, be- 
darf nicht erst einer Ermahnung, um im Kampfe auszuharren. In diesem 
berechtigten Bewustsein wagt er es der Göttin Athene, als sie im Kampf-. 
gewühl ihn ermutigt, zu sagen, sie möge zu den andern gehen; wo er 
stehe, werde die Schlacht nicht schwanken. Dafür schlägt sie ihn, als 
er auf den Anschlag gegen die Atriden ausgeht, mit Wahnsinn. So lehrt 
uns der Dichter die sitllichen Schranken des Sterblichen nach doppelter 
Seite hin erkennen: auch in seinen gerechten Ansprüchen musz der 
Mensch sich bescheiden, der Gottheit gegenüber in der demütig frommen 
Anerkennung seiner Abhängigkeit, dem gesellschaftlichen Verbande ge- 
genüber in der Unterordnung seiner persónlichen Interessen unter die 
der Gesamtheit. 

Sophokles erkannte also den Hauptpunkt der Ethik in dem harmo- 
nischen Zusammenwirken aller sittlichen Kräfte, welche innerhalb des 


G. Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstellungen des Sophokles. 97 


ganzen nienschlichen Verbandes sich geltend machen ; und damit zu die- 
sem Zwecke das Gleichgewicht zwischen der sittlichen Aufgabe der Ge- 
samtheit und den sittlichen Bestrebungen des einzelnen Menschen gewahrt 
bleibe, musz dieser seinen Willen mit Bewustsein in der sittlichen 1468 
des Ganzen aufgehen lassen. Damit hatte der Dichter den Kernpunkt der 
antiken Ethik erfaszt: es war die Grenze, bis zu welcher hellenische Er- 
kenntnis vordrang, und was die philosophische Speculation Platons später 
‚mit bestimmtem Worte über Ethik lehrte, das hatte bereits Sophokles 
unter dem lichten Schleier seiner Dichtungen dem athenischen Volke zum 
Bewustsein zu bringen gesucht. 

Die gróste Anerkennung aber hat Sophokles, sowie sie ihm ge- . 
' hührte, als Beförderer und Verbreiter humaner Gesinnung gefunden. In 
der Bethätigung einer solchen sieht er nächst der Gottesfurcht das lau- 
terste Lob seiner Heimat. Er läszt den Oedipus OK. 1125 ff. zu Theseus 
sagen: “denn frommen Sinn fand unter allen Menschen ich bei euch 
allein, und milde Denkart und den Mund vom Truge rein? Denn 
unter der “milden Denkart", wie hier das griechische τὸ ἐπιεικές gewen- 
det ist, versteht der Dichter Humanität, den menschenfreundlichen Sinn, 
der seinen reinsten Ausdruck in der freudigen, ja opferwilligen Hülfe- 
leistung an jeden Leidenden findet. Das 661e Fragment lautet: “deın Edlen 
ziemt es beizustehn den Leidenden’ —. Die Tiefe des Gedankens tritt 
glänzender hervor OT. 314 f.: “helfen ist dem edlen Mann, soweit 
ihm Kraft und Habe reicht, die schönste Pflicht? Und nur in dieser Ge- 
sinnung konnte Sophokles zu der Erkenntnis gelangen, dasz die Pietät 
die Aufgabe des Weibes sei, wie es das so oft angeführte und doch ewig 
junge Wort der Antigone*Ant. 523 ausspricht: “nicht mitzuhassen, mit- 
zulieben bin ich da.? 

Die innige Wärme rein menschlicher Teilnahme durchweht die Chor- 
lieder des Philoktetes, welche die Leiden des Helden betracbten. So 
vermag der Chor V. 691 ff. nicht zu begreifen, wie er das thränenvolle 
Leben habe ertragen können, da er, der nicht zu gehen vermöge, in 
menschenódem Lande wohne, wo er auch nicht éinen Nachbar des Gra- 
mes habe, in dessen Brust seine Klage über die brennenden Schmerzen 
Anklang fánde, oder dessen Hand mit mildheilendem Kraute die eiternde 
Wunde stillte. 

Dasz Sophokles die Macht und die Bedeutung der sittlichen Insti- 
tute, wie der Familie, des edlen Geschlechts, des Freundschaftsverban- 
des, vollkommen erfaszt hat, dazu bedarf es nicht erst der Anhäufung 
von Belegstellen. Die Anführung der Verszahl einiger der wichtigsten 
Stellen mag hier genügen. *9) 

Aber der Hellene begriff in umfassendem Sinne unter den Theolo- 
gumena die Erkenntnis aller sittlichen Kräfte, die einen Einflusz auf das 
menschliche Leben ausüben. Ist ja jede sittliche Lebensmacht nach der 
antiken Anschauung von der Gottheit eingesetzt: wie Ant. 797 der Liebreiz 


29) Ueber die Familie vgl. OT. 1430. OK. 738. 754. 1189. Ant. 641. 


El. 770; über das edle Geschlecht Ai. 1173. OK. 8. 331. Ant. 37. El. 
257. 1081. Tr. 721. Fr. 100; über die Freundschaft Ai. 205 ff. 330. 


Jahrb. f. class. Philol. Suppl. Bd. IV. Hft. 1. 7 


98 G.Dronke: die religiósen und sittlichen Vorstellungen des Sophokles. 


der bräutlichen Augen ein Beisitzer”) der erhabenen göttlichen Satzungen 
genannt wird, um die Geschlechtsliebe als eine sittliche Lebenskraft des 
menschlichen Gemeinwesens zu bezeichnen. Ein eigentümlicher Vorzug 
des Sophokles ist es nun, dasz er die auszerordentliche Gewalt erkannte, 
welche manche Gefühle, die sich heimlich im stillen Innern des Gemütes 
regen, unbewust auf den Menschen ausüben. So erfaszte er die Macht 
des heimatlichen Gefühles: wir meinen damit natürlich nicht die bei 
jedem Hellenen so glühend sich hervordrängende Vaterlandsliebe, noch 
die Sehnsucht des in der Ferne weilenden nach der freudigen Gewohn- 
heit des heimatlichen Daseins; wir meinen geradezu jenes echt germani- 
sche Heimatsgefühl, das sich vorzugsweise im Heimweh ausspricht und 
seine Wurzel in einem geistigen Verwachsensein mit der Natur der Hei- 
mat hat. Dieses geistige Weben in der ihn umgebenden Natur spiegelt 
sich am farbigsten in jenem herlichen Liede ab, in welchem der Chor der 
Koloner OK. 668 ff. sein *roszprangendes Land? feiert, * wo die melo- 
dische Nachtigal gern einkehret und weit hinausklagt in blühende 
Thale, tief aus grünender Nacht des Epheu. Mit seiner vollen poe- 
tischen Macht durchzittert aber das Gefühl des Heimwehs die Chorge- 
sänge des Aias; wie wenn der eine V. 596 f. anhebt: *o mein herliches 
Salamis, du liegst wogenumgürtet glücklich da, rings allen ein . 
leuchtend Kleinod’ —, und ein anderer V. 1216 ff. mit den Worten 
schlieszt: *o wär ich, wo reichwaldig des Meeres Schutz- wehr 
aus plätschernder Wog' sich hebt, unter Sunions hohem Fels, 

dasz ich begrüszen kónnte meln heilig Athenä !? 

Ein anderes sinniges Beispiel, wie das meuschliche Gemüt mit sei- 
ner Umgebung verwächst, bietet der Dichter üf Deianeira, welche im Be- 
griff sich das Leben zu nehmen, erst noch unter reichen Thränen jedem 
Hausgeräte, das sie um sich erblickt, ein Lebewol zuruft (Tr. 905 f.). 

Besondere Erwähnung verdient es noch, dasz Sophokles die Macht 
der Sprache erkannte. Es bezeugt dies die Teilnahme des Chors an Phi- 
loktetes Schicksal (V. 188 f. und 691.f.), die es besonders beklagt, dasz 
der vereinsamte nur’den geschwätzigen Mund des weitschallenden Echos, 
nimmer das menschliche Wort eines Nachbars vernommen habe. Es be- 
zeugt es aber vor allem der freudige Ruf, in den Philoktetes V. 234 f. 
ausbricht, als er das erste Wort aus des Neoptolemos Munde gehórt: 
*ach vielgeliebte Rede! ach gegrüszet noch von solchem Mann zu 
werden nach so langer Zeit!’ 

12. 


Das Wesentliche und Eigentümliche der Sophokleischen Theologu- 
mena ist hiermit zur Besprechung gelangt. Ein kurzer Rückblick mag 
das Ganze übersichtlich zusammenfassen und zugleich Gelegenheit bieten, 
die persónlichen Verdienste des Dichters um die Vertiefung des Volks- 
glaubens in ein klares Licht zu rücken. . 


30) πάρεδρος. Zwar ist die Stelle corrupt, aber doch nicht so weit 
dasz an dem hier angegebenen Sinne gezweifelt werden könnte, und 
die Conjectur von Emperius scheint das richtige getroffen zu haben: 
τῶν μεγάλων τῶνδε παρεδρος. ᾿ 


. G. Dronke: die religiösen und sittlichen Vorstelluhgen des Sophokles. 99 


Aeschylos erkannte die Aufgabe der Weltordnung in der Durchfüh- 
rung der göttlichen Gerechtigkeit, welche dem Individuum sowie dem 
Geschlechte und der ganzen Stadt Glück und Unglück nach Verdienst 
zuordnet. Er gieng demnach bei Betrachtung des göttlichen Waltens 
davon aus, dasz er den einzelnen mit seinen Verdiensten für sich allein 
der Gottheit gegenüber stellte, und seine Vorstellung blieb daher trotz 
aller Lauterkeit eine subjectiv beschränkte. Der Sophokleischen An 
schauung von der Weltordnung lag dagegen das Weltall zugrunde. 
Nach ihr umfaszt Zeus die gesamte Menschheit in éinem einheitlichen 
Plane, dessen Idee die Wahrung der sittlichen Harmonie des Ganzen, die 
Wahrung der Harmonie zwischen den ewigen Gottesgesetzen, zwischen 
der Aufgabe des gesamten Menschenverbandes und den sittlichen Bestre- 
bungen der einzelnen ist. Das Individuum kommt daher zunächst nicht 
für sich allein, sondern als Glied des Ganzen in Betracht: seinen Schick- 
salsfaden ordnet die Gottheit in das grosze Schicksalsgewebe der gesam- 
ten Menschheit ein, Es liegt aber dem Menschen, damit er nicht die 
göttliche Weltordnung verletze, die Pflicht ob, sein Wollen und Stre- 
ben demütig den unvergänglichen himmlischen Gesetzen und den beson- 
dern Gottesfügungen unterzuordnen: er musz fromme Gesinnung hegen. 

Und in dieser reinen Erschauung des Gótterwaltens wurzelt jede wei- 
tere Läuterung, die der Volksglaube dem Sophokles verdankte. So erkannte 
der Dichter mit sinniger Religiosität in der Ordnung der menschlichen 
Gesellschaft das Spiegelbild der góttlichen Weltordnung und setzte die 
Aufgabe derselben demgemäsz in die Erhaltung der sittlichen Harmonie 
zwischen dem Ganzen und den Individuen. Dem einzelnen wurde nun 
auch der menschlichen Ordnung gegenüber dieselbe Stellung zugewiesen 
wie zur göttlichen: er musz in Bescheidung der persönlichen Berechti- 
gung seinen Willen aufgehen lassen in der sittlichen Idee der Gesamtheit. 

' Doch zurück zu dem was ein unmittelbarer Ausflusz jener Vor- 
stellung von der Weltordnung ist. Da also dem Menschen sein Lebens- 
los als dem Einzelgliede einer unendlichen Kette verhängt wird, so sen- 
det die Gottheit, wenn es der grosze Weltplan erheischt, demselben 
auch ‘ohne dessen Verschulden harte Geschicke. Ebenso führt sie ihn, 
damit er Vollzieher ihres Beschlusses werde, an einen entscheidenden 
Punkt seines Lebens, an dem er in freiem Willen und in edlem Bestreben 
vermöge seiner sterblichen Schwäche dem Irtum verfällt und das gerade 
ängstlich gemiedene, aber längst von dem Gotte vorausgesehene Unsal 
zur Reife bringt. Doch aus dem unfreiwilligen Fehl erwächst keine Fre- 
velschuld; es ist ein unverschuldetes Leiden, in das der Mensch unter 
Götterleitung stürzt. Und der schuldlos von schwerem Lebenslose ge- 
prüfte findet, wenn er demütig frommes Vertrauen in die ihm uner- 
forschliche göttliche Weisheit bewahrt, sittliche Genugthuung in einem 
Jenseits, in welchem die góttliche Weltordnung zu ihrem Abschlusz gelangt. 

So berichtigte Sophokles die gangbare Vorstellung; in jedem bit- 
tern Lebensgeschicke ein góttliches Strafgericht zu sehen, sowie durch 
seine Auffassung des unfreiwilligen Fehls den alten Volksglauben, nach 
welchem Oedipus schuldlos mit Gottverblendung geschlägen und durch 

1* 





100 G.Dronke: die religiósen und sittlichen Vorstellungen des Sophokles. 


dieselbe in schwere Schuld gestürzt wurde. Doch die glänzendste Frucht 
seiner tiefsinnigen Anschauung von der göttlichen Weltordnung war der 
Glaube an Unsterblichkeit der Seele. Mit diesem ist aber zugleich auf 
das innigste des Dichters geläuterte Ansicht von den gittlichen Motiven 
verwachsen. Aeschylos hebt noch die Furcht als das Hauptmotiv hervor, 
sowol für das Handeln des noch Schuldlosen, damit er sich vor Frevel 
hüte, als für das Gewissen des Schuldbeladenen, indem es mit Schrecken 
vor der göttlichen Strafe erfüllt. Es heiszt Eum. 515 ff. : “wer wird, wenn 
die Furcht ihm hin ist geschwunden aus dem Sinn,. ob mun 
Stadt ob Sterblicher, üben noch Gerechtigkeit?" Ebd. 694: *denn 
welcher Mensch bleibt, wenn er Furcht nicht kennt, gerecht?? Und mit 
Beziehung auf das Gewissen heiszt es Ag. 166 1T.: “auch im Schlaf träuft 
dem Herzen Angst, die des Leids Bild vorführt, weisen Sinn oft ganz 
wider Willen ein.” Sophokles sieht das entscheidende Moment für das 
menschliche Handeln nicht mehr in der Rücksicht auf Freude und Leid in 
diesem Leben, sondern in der Aufgabe, nach dem Tode vor den Göttern 
als ein treuer Befolger der ewigen, himmlischen Gesetze sich zu bewäh- 
ren. Es galt nicht mehr blosz “die reinen Hände rein zu wahren von 
FreveP (Aesch. Eum. 310), sondern in frommer Zeusverehrung sich ein 
Herz voll Reinheit und Milde zu erhalten. Doch hat sich der Sterbliche 
einmal dem Bösen zugewandt, so regt ihn das Gewissen zur Sinnesände- 
rung an und mahnt ihn durch offene Anerkennung seiner Schuld, oder 
sollte diese eine schwere sein, sogar durch demütige Selbstbestrafung 
Versöhnung des erzürnten Gottes zu erstreben, der ja Gnade und Erbar- 
men kennt. 

Aber wol beachte man, dasz die Vorstellung von einem jenseitigen 
Leben nicht bis zur bestimmten äuszern Gestaltung desselben vorschritt, 
noch auch die lautere Auffassung der sittlichen Motive durch. Reflexion 
zu einer lehrbaren Form ausgebildet erscheint. Die tiefsten Wahrheiten 
erschaute der innere Sinn des Dichters unmittelbar, und sie lebten und 
webten wirksam in seinem Gemüte. Die lebendige Empfindung derselbem 
durchzieht das Ganze seiner Dichtungen und verleiht ihnen den mildem, 
reinen Glanz wahrhaft frommer Gesinnung. Gerade diese tiefstea Wahr- 
heiten konnte daher die Masse des Volkes wol ahnen, aber nicht als be- 
wustes Eigentum in sich aufnehmen. Das konnten nur Naturen, deren 
Sinn in Reinheit des Herzens für das Erschauen göttlicher Wahrheit gleich 
empfänglich war wie der des Dichters. 

Zum Schlusse bekennen wir es freimütig als unsere Ueberzeugüng, 
dasz zu einer genügenden Darstellung des religiösen Charakters von So- ' 
phokles nur eine gleichgeartete Natur vollkommen befähigt ist. Ist es uns 
gelungen das Verständnis desselben wenigstens anzubahnen und Freunde 
des groszen Dichters zu weiterem Forschen und Nachdenken anzuregen, 
so bescheiden wir uns freudig mit solchem Erfolge. 


Bonn. Gustav Dronke. 


Nicht ohne ein Gefühl tiefer Wehmut können wir die vor- 
stehenden Blàtter der Oeffentlichkeit übergeben, deren Verfasser 
nicht imehr unter den Lebenden weilt: denn sie sind nicht allein 
seine letzte Arbeit, sondern recht eigentlich die reife Frucht sei- 
nes Sterbelagers. Seit 1855 war Gustav Dronke durch den 
Ausbruch der Lungenschwindsucht in der Ausübung seines Berufes 
als Lehrer des Bonner Gymnasiums gehemmt; aber seine reiche 
geistige Thätigkeit liesz nicht nach, obwol die Krankheitsanfälle 
ven Jahr zu Jahr häufiger wurden, die Hoffnung auf Genesung 
immer völliger schwand. Ein unermüdlicher Freund der Jugend 
versammelte er bis zu seinen letzten Tagen stets eine kleine Zahl 
ausgewählter Jünglinge um sich, denen er mit schwachem Athem, 
in leise hingeworfenen Worten, oft, wenn die Stimme ihm ver- 
sagte, den Bleistift zu Hülfe nehmend, die nachhaltigsten Anre- 
gungen gab. Seine Studien über griechische Grammatiker, be- : 
sonders Apollonios Dyskolos, von denen mehrere Jahrgänge des 
rheinischen Museums (und ebenso das von ihm verfaszte Gratu- 
lationsschreiben der Bonner Gymnasiallehrer an ihren Director 
vom Juli 1856) so manche werthvolle Proben liefern, wurden 
mit Eifer fortgesetzt; jedes wissenschaftliche Interesse, das ihm 
nahe geführt wurde, fand die lebhafteste Teilnahme. Zuletzt 
wandte er sich, in dem Gefühl dasz seine Tage gezählt seien, 
der Ergründung von Fragen zu, die jeden denkenden Altertums- 
kenner beschäftigen, an deren Lösung sich aber die meisten erst 
nach weiten Umwegen machen, den Fragen über die religiöse 
Ideenwelt der grósten Geister unter den Griechen. Ermutigt 
durch die Aufforderung des an seinem Schicksal innig teilneh- 
menden Professors Clemens Perthes schrieb er eine Abhand- 
lung über die religiösen und ethischen Anschauungen Pindars, 
welche olıne seine volle Namensunterschrift im vierzehnten Jahr- 
gang (1860) der Zeitschrift für das Gymnasialwesen (S. 68 — 79) 
abgedruckt ist. Darauf folgte die oben mitgeteilte über Aeschylos 
und Sophokles, die bestimmt war mit einer Widmung an den 
eben genannten Freund veröffentlicht zu werden., Wenige Tage 


102 


nach der Vollendung des Manuscripts, am 17n Juli 1860, im 
Alter von zweiunddreiszig Jahren, verschied er: es ist eine eigen- 
tümliche Gunst seines rauhen Schicksals, dasz die durch Schmer- 
zen geläuterte Klarheit seines innern Lebens in der rechten Stunde 
an diesem Stoffe Ausdruck gewann. 


Die in obigem Nachruf erwähnte Abhandlung über die religiösen 
und ethischen Anschauungen Pindars’ läszt die Redaction dieser Blät- 
ter als Anhang folgen. Allerdings hatte Dronke, als er die Arbeit 
über Aeschylos und Sophokles schrieb, in seinem ernsten Streben 
jene frühere schon für antiquiert gehalten, aus diesem Gründe auch 
auf die Aufforderung eines Freundes, die drei Abhandlungen zu einem 
Ganzen vereinigt drucken zu lassen, ablehnend geantwortet. Dennoch 
glaubt die Redaction keine Impietät zu begehen, wenn sie die frühere 
Arbeit nach eingeholter und freundlichst erteilter Genehmigung der 
Redaction und Verlagshandlung der Zeitschrift für das Gymnasialweseu 
anbangsweise reproduciert, um so dem Publicum eine um so vollere 
Einsicht in das Streben und den durch die Krankheit nicht gehemmten 
raschen Geistesfortschritt des Verstorbenen zu geben. 


N 


Anhang. 
Ueber die religiösen und ethischen Anschauungen Pindars. 


Es lag dem Verfasser der folgenden Blätter uyr daran, in einem 
klaren, auf die eignen Worte des Dichters gegründeten Bilde die Grund- 
züge der ganzen ethisch -religiösen: Bildung Pindars vorzuführen und da- 
bei die eigentümliche Stellung desselben zu der Entwicklung des helle- 
nischen Lebens lhervorzuheben. Daher wurde sich absichtlich auf das zu 
diesem Zwecke dienende beschränkt; es unterblieb eine Erórteruug der 


- abweichenden Ansichten Seebecks und K. F. Hermauns, sowie jede Be- 


ziehung auf verwandtes bei andern griechischen Schriftstellern, so nahe 
es auch z. B. bei der Unsterblichkeitslehre lag, auf deren Weiterbildung 
bei Platon hinzuweisen. Muste ja schon immer darauf Rücksicht genom- 
men werden, dasz die Menge der Citate nicht zu sehr anschwelle. Was 
der Vf. aber manchem der Neueren und namentlich K. Lehrs verdankt, 
erkennt er freudig und dankbar an, wenn auch an den betreffenden Stel- 
lem keine ausdrückliche Bemerkung es hervorhebt. 

Nach Homer blieb innige Gläubigkeit, treues Hangen an den über- 
lieferten Sagen noch der Grundcharakter des religiösen hellenischen 
Lebens, bis die durch den Perserkampf gesteigerte geistige Spannkraft. 
auch hier den ersten Schritt über die alten Grenzen wagte. Und zwar 
war es Pindar, der ihn wagte, indem er die unbedingte Anerkennung 
der Mythen als Grundlage des religiósen Bewustseins verwarf. Und aus 
welchem Grunde verwarf? — Doch zuerst mögen des Dichters eigne 
Worte folgen, deren er sich an der wichtigsten Stelle bedient. Im 
ersten Olympischen Siegesliede redet er also zu Pelops (V. 36 ff.): *an- 
dere Kunde als die Früheren will ich, o Tantalide, von dir künden: wie, 
als dein Vater frommen Sinns zum Mahle nach dem trauten Sipylos die 
Gótter lud, aus Dank für die Zulassung zu ihrem Tische, wie der Drei- 
zackschwinger dich damals raubte, im Herzen gebändigt von Sehnsucht, 
und auf goldenen Rossen dich hinführte zur hohen Wohnung des weit- 
geehrten Zeus... Als du aber verschwunden, und auch nicht mehr der 
Mutter reichliche Gaben freiende Männer zuführten: da sprach wol man- 
cher alsbald der misgünstigen Nachbarn, dasz man dich in das durch 
Feuershitze siedende Wasser gliederweise zerschnitten und an den Tischen 


— [ J 


104 G. Dronke: die religiösen und ethischen Anschauungen Pindars. 


Stücke von deinem Fleisch verteilt und gegessen. Mir jedoch ist es un- 
: möglich einen der Seligen gierig zu nennen. Fern bleibe mir das. Böser 
Lohn traf ja gar oft die bóses nachredenden.? 

Die Thatsache ist also hier, dasz Pindar die Gestaltung der localen 
Pelopssage, wie er sie bei seinen Vorgängern findet, verwirft. Aber 
aus welchem Grunde? Etwa aus Mangel an religiösem Gefühl? Nein; 
sondern — und darauf beruht der durch Pindar herbeigeführte Wende- 
punkt — gerade weil sein frommer Sinn, seine Götterehrfurcht durch 
die Sage verletzt wird, kann er nicht an die Wahrheit des erzählten 
glauben. * Wol kommt es dem Menschen zu, von den Göttern zu reden 
edles’ schickt er der angeführten Stelle. voraus (V. 35). 

Freilich führt der Dichter noch einen andern Grund an, um daraus, 
wie es scheint, seine Berechtigung an der Sage zu zweifeln herzuleiten; 
er glaubt das, was wirklich stattgefunden, zu wissen, ja sogar die Ur- 
sache der Verfälschung in dem misgünstigen Sinne der Nachbarn zu er- 
kennen. Wie es denn überhaupt dem Dichter nicht entgangen war, dasz 
gar manche Lüge und Entstellung unter dem reizenden Gewande des 
Liedes Eingang bei den Menschen gefunden hatte. Zwar gibt es wahrlich 
viel wunderbares, sagt er; doch zuweilen geschieht es auch, dasz der 
Menschen Kunde sich von Erzählungen täuschen läszt, die mit bunten 
Lügen ausgeschmückt sind. Und der Dichtkunst Anmut, die ja jegliche 
Wonne den Sterblichen bereitet, verleiht Ansehn dem erzàhlten und 
macht gar oft, dasz auch unglaubhaftes glaubwürdig erscheint (Ol. 1 98). 
Und Odysseus ist ihm das schlagendste Beispiel dafür: *ich glaube aber, 
dasz des Odvsseus Ruhm grószer ward, als was er in Wahrheit erdul- 
dete, durch Homeros süszes Wort, auf dessen gellügeltem Trug ehrwür- 
diger Glanz ruht; denn es berückt Dichtkunst, durch Worte bestechend, 
und ein blindes Herz hat der grosze Haufe der Menschen? (Nem. VII 20 ff.). 
Demnach, so will es scheinen, suchte Pindar an der Basis des Volks- 
glaubens, an den Góttersageu eine Kritik mit rationellen Gründen aus- 
zuüben. “Hat auch nicht die trügerische Kunst eines Dichters die Sage 
gefälscht? Hat sich auch nicht irgend ein menschliches Interesse, ob 
zum Guten oder Bösen, in der Gestaltung derselben geltend gemacht?’ 
So etwa soll sich also der Dichter bei jeder Sage selbst gefragt haben. 
Und wir hätten dann in Pindar den Vater der Rationalisten! — Pindar 
Rationalist! Ja, wenn Männer wie Tauler, Thomas a Kempis Rationa- 
listen waren, war er es auch. Wie sie, nahm er nicht alles herkömmliche 
unbedingt an; er verwarf manches, was vor ihm ungeschmälerte Aner- 
kennung gefunden. Aber einen entscheidenden Grund zum Verwerfen 
fand er nur, wenn eine Sage gegen wahre Frómmigkeit verstiesz. Was 
er von der Misgunst der Nachbarn als der Quelle der unheiligen Pelops- 
sage redet, führt er nicht als Grund zum Verwerfen derselben an, son- 
dern als Erklärung, wie es kommen konnte, dasz solche unfromme 
Kunde entstand. Wie weit er aber davon entfernt war, auf solch ratio- 
nelle Erörterungen irgend einen Werth zu legen oder gar in ihnen die 


Begründung zur Verwerfung einer Sage zu suchen, zeigt deutlich eine 
andere Stelle. 


G. Dronke: die religiösen und ethischen Anschauungen Pindars. 105 


Im IXn Olympischen Siegesgesange singt er (V. 29 ff.): “denn wie 
hätte sonst Herakles seine Keule geschwungen gegen den Dreizack, da 
zu Pylos Schutz gegen ihn andrang Poseidon, und mit silbernem Bogen 
kämpfend andrang Apollon, und auch Hades nicht ruhen liesz den Stab, 
mit welchem er der Abgeschiedenen sterbliche Leiber die hohle Strasze 
hinabführt? — Doch fort mit solchen Wort, o Zunge. Denn die Götter 
schmähen ist verhaszte Weisheit, und über Gebühr zu prahlen stimmt in 
den Ton Wahnsinniger ein. Rede jetzt nicht sulches. Lasz Krieg und 
jeglichen Kampf fern den Unsterblichen.” Die Frage, ob der Mythos von 
Dichtern gefälscht sei oder nicht, berührt der Dichter hier gar nicht; er 
erzählt unheiliges von den ewig heiligen, und das genügt ihm — nein, 
dies zwingt ihn sich wegzuwenden von ihm, sowie von dem Gedanken 
der ihm zugrunde liegt. 

Man beachte dabei auch, wie sich die Stellung der Hellenen den 
Sagen gegenüber bereits allgemein geändert hatte, und wie der Schritt 
Pindars dadurch vorbereitet worden war. Der epische Dichter hatte das 
Leben und Weben der Gótter wie etwas von ihm mit leiblichen Augen 
erschautes geschildert, hatte die Thaten derselben als wirkliche Ereig- 
nisse erzählt, und er verlangte von seinen Zuhörern nicht mehr, als dasz 
sie sich an dem erzählten erfreuten. Etwas verborgenes, sei es ein 
Sittengesetz, sei es eine höhere Lehre, in seinen Sagen zu suchen wäre, 
thöricht gewesen. Mit der Entwicklung reinerer Vorstellungen hingegen 
steigerte sich allmählich der Trieb die Sage als den Ausdruck eines be- 
stimmten Gedankens zu fassen; zumal seit die lyrische Dichtkunst die 
herschende geworden war, welche ihrem Charakter nach den Mythos 
nur dazu benutzen konnte, irgend eine Idee durch ihn zu bewahrheiten. 
So kam es dasz Pindar, von tief ernstem religiösem Sinne, sich bald den 
Widerspruch zu vollem Bewustsein bringen muste, in dem die geläuter- 
ten Gótteranschauungen und sittlichen Vorstellungen seiner Zeit mit man- 
cher der Sagen stauden. Frommen Herzens in den Góttern die Quelle 
und den Schutz alles Guten verehrend, konnte er nicht a@ niedrige Lei- 
denschaften derselben glauben. Er verwarf die Sage die solches verkün- 
dete; an ihnen selbst, den Ewigen, die der Menschen weitverbreitete 
gute Geschlechter lieben, hieng er mit innigster Gläubigkeit. Ilóhere 
edlere Vorstellungen von dem Göttlichen zu wecken und zu beleben war 
das bewuste Streben des Dichters; nur ein Ausflusz dieser Richtung war 
sein Verfahren gegen einzelne Sagen. 

So brach Pindar zuerst einem reinern Gottesbewustsein der unbe- 
dingten Anerkennung der Sagen gegenüber Bahn. Und wenn ihm auch 
dabei der sittlich religiöse Eiuflusz des delphischen Orakels zustatten 
kam, der ernste Mut gewaltiger Ueberzeugungstreue war zu dem kühnen 
Schritte nöthig. Auf dem einmal angebahnten hóhern Weg folgten bald 
Aeschylos und Sophokles; tief innere Frómmigkeit trat mehr und mehr 
in den Vordergrund, während die Sage nur noch als das Gewand reli- 
gióser Wahrheiten galt. Schon Aeschylos finden wir mit bewusterer 
Bestimmtheit dem überlieferten entgegentreten, wenn er mit den Worten 
‘im Gegensatz mit den übrigen habe ich meine eigne Ansicht’ den Volks- 


- 


106 G. Dronke: die religiösen und ethischen Anschauungen Pindars. 


glauben bekämpft, es müsse groszem Reichtum nothwendig Unglück auf 
der Ferse folgen. 

Doch zu Pindar zurück. 

‘Der Männer Geschlecht und das der Götter? singt er *nur.éines ist 
es: von éiner Mutter empfiengen wir beide des Lebens Hauch. Aber es 
trennt uns die gänzliche Verschiedenheit unsers Vermögens, da der 
Mensch ein Nichts, aber jenen bleibt der Himmel ein ewig sicherer Sitz’ 
(N. VI 1ff.). “Ein Nichts sind die Menschen im Vergleich zu den Góttera* 
sagt der Dichter und umfaszt so mit einem Worte die ganze göttliche 
Erhabenheit, bei der jeder menschliche Maszstab schwindet. So sehr auch 
ein Sterblicher den andern an Weisheit übertreffen mag, was ist er der 
Höhe göttlicher Weisheit gegenüber? (Päane Fr. 10.) Sie kennen nicht 
Mühe, Krankheit, Alter; sie wandeln nie die schwerumhallte Acheron- 
strasze (Fr. inc. 4). Ihre Kraft vermag alles. Auch unglaubliches enthält 
nichts wunderbares, wenn sie die Vollbringer sind (P. X 48). Denn 
schnell wird zur That was sie beschlieszen, und sie vermógen finstere 
Nacht in reine Tageshelle zu wandeln und in schwarzwolkiges Dunkel 
zu hüllen den lichten Sonnenstral (P. IX 67. Fr. inc. 3). Nichts bleibt, nichts 
kann ihnen verborgen bleiben; sie sehen, sie wissen alles, auch das zu- 
künftige (Ol. I 64. P. IX 44). 

Wenn unter den Góttern aber der Dichter Zeus als den hóchsten 
preist, mit ihm den Gesang zu beginnen, ihn vor allen zu verehren ge- 
bietet (N. V 25. P. VI 23): so soll dies keineswegs blosz heiszen, dasz 
jenem unter den gleichberechtigten Olympiern der Ehrenplatz gebühre. 
Erzihlt uns ja doch der Dichter, dasz alles, was die übrigen Gótter von 
himmlischer Macht besitzen, sie nur dem Vater der Gótter und Menschea 
verdanken; Apollon verkündet den Fall Trojas mit dem Zusatz: *also kün- 
det mir das von dem tiefdonnernden Zeus gesandte Zeichen? (Ol. VII 48); 
so redet Apollon, der Gott der Weissagung. Und wenn Pindar den Zeus 
anrufend *deine Horen? sagt, so bedeutet dies: denen du das Amt 
ben unter Gellang und der Leier Spiel die Zeiten 'fortzuführen (Ol. IV 1). 
Zeus war ihm also der hóchste der Gótter als der Ausgangspunkt aller 
göttlichen Kraft und Weisheit, und es tritt in dieser Vorstellung das 
schon damals mit Macht sich hervordrängende Bewustsein von der Einheit 
der Gottheit hervor; wie es sich oft noch bestimmter bei Aeschylos 
ausspricht. 

Der Mensch dagegen, hörten wir, ist ein Nichts. Denn nicht near 
dasz, wenn er etwas erlangen will, er Mühe und Aufwand nicht scheuen 
darf, sondern setzt er. auch diese daran, so liegt es doch weder an ihm, 
noch vermag er es voraus zu bestimmen, ob er das ersehnte Ziel erreicht. 
Und erlangt er es, er verdankt es doch, ebenso wie den unerwartet ihm 
gewordenen Segen, lediglich der Gunst der Gótter. Denn *der Menschen 
Hoffnungen, die Bahn nichtiger Täuschungen durcheilend, werden bald 
emporgehoben, bald niedergeschleudert. Und noch nie erlangte der Irdi- 
schen einer von den Göttern sicheres Zeichen über den Ausgang künftiger 
That, und ihr Sinn ist des Blicks in die Zukunft beraubt? (Ol. XII 5 ff.). 
Diese Nichtigkeit des Menschen und seine gänzliche Abhängigkeit von den 


N 


b] 


G. Dronke: die religiösen und ethischen Anschauungen Pindars. %7 


Göttern faszt der Dichter in ein paar unvergleichlichen Versen zusammen 
(P. VIII 95 ff.): “wir Eintagsfliegen! ist der Mensch etwas? ist er ein ὁ 
Nichts? Ein Schattentraumbild ist er. Doch trifft gottgesendet ein Stral 
ihn, so ist glänzendes Licht über ihn ausgebreitet und er genieszt süszen 
Lebens.? 

Wenn aber der Sterbliche in dem Erfolg seiner Bestrebungen gänz- 
lich von dem Willen der Götter abhängt, wie nun dachte sich Pindar 
dieses Abhängigkeitsverhältnis? — Doch zuvor sei daran erinnert, dasz 

der Dichter durch den Charakter seiner Gesänge, welche zunächst den 
Sieger und den Sieg im Wettspielkampf, dann aber auch das Geschlecht 
jenes und dessen Geschicke zu feiern hatten, darauf hingewiesen wurde, 
über die Grenzen der Menschenkraft sich sein Geschick selbst zu gestal- 
ten und über das Walten der Gottheit in dem Wechsel der menschlichen 
Schicksale nachzusinnen und an zahlreichen Stellen seine Ueberzeugung 
auszusprechen. 

Der Beweggründe nun, von welchen nach Pindars Vorstellung die 
Götter bei ihrem Einwirken auf das Dasein der Menschen geleitet werden, 
sind zwei: zunächst die Liebe zu ihnen. Sie treibt dieselben an mutigen 
Sinn dem Helden, Begeisterung dem Dichter ins Herz zu legen, sowie 
sie Apollon bewog, Asklepios zu dem Kentauren zu bringen, dasz er ihn 
lehre den Menschen die leidbringenden Krankheiten zu heilen (P. III 45 ff.). 
Und wenn sie sich an dem Treiben der Menschen erfreuen, wenn sie oft 
zu den Wettspielen derselben eilen, sie zu schauen (Ol. VIII 52. N. V 37), 
spiegelt sich nicht darin die Liebe zu denselben ab? Wie wenn Apollon, 
den Mut der Jungfrau Kyrene freudig bewundernd, dem Kentauren Chei- 
ron die Worte zuruft: ‘verlasz deine heilige Höhle und staune ob dem 
gewaltigen Mut des Weibes, wie sie kämpft furchtlosen Gemüts, die 
Jungfrau mit einem Herzen das über Kampfmühe erhaben ist" (P. IX 31 ff.). 
Aber schon hier bei der Liebe macht sich der zweite und wichtigere Be- 
weggrund geltend: denn es lieben die Gótter nur den guten Menschen. 
So tragen Kastor und Polydeukes, als gottbestellte Schirmer der Wett- 
kämpfe, mächtige Sorge für die gerechten Männer (N. X 54). Und im 
In Pythischen Gesange (V. 13 ff), wo von denen die Rede ist, welche 
Zeus nicht liebt, wird der aufrührerische Titane Typhon als ein solcher 
genannt. 

Die Gótter sind eben die Schirmer des Guten; und wenn wir sie 
bei Homer vor allem sich ihrer Kraft, ihrer Unwiderstehlichkeit erfreuen 
sehen, so offenbart sich der religióse Fortschritt der Hellenen gerade 
darin am klarsten, dasz sie zu Pindars Zeit zunächst die Träger der Sitt- 
lichkeit in ihnen sahen. Daher bezeichnet denn auch Pindar sittliche 
Gebote geradezu als “Befehle der Götter? (μακάρων τελετάς Ol. III 41). 
Schon daraus allein müsten wir schlieszen, dasz der Dichter in dem Len- 
ken der Menschengeschicke durch die Gótter nicht ein blindes Schalten 
der Laune, sondern das gerechte Walten einer das Gute fördernden Vor- 
sehung erkannte. Aber er weist auch nachdrücklich an vielen Stellen 
auf den engen Zusammenhang zwischen Tugend und Glück, zwischen 
Götterehrfurcht und freudigem Gedeihen in Reichtum hin, sowol durch 


3 
108  G. Dronke: die religiösen und ethischen Anschauungen Pindars. 


Erzählung der Schicksale einzelner Menschen, wie dasz Rhadamanthys 
zum Lohn für seinen makellosen Sinn und seinen Hasz gegen Betrug den 
Segen der. Götter empfieng (P. 11 73); als auch indem er jenen Zusammen- 
hang als allgemein geltendes Gesetz hinstellt: *wenn einer der Sterb- 
lichen der Wahrheit Pfad sich im Herzen erwählt, dann musz er Glück 
von den Seligen empfangen? (P. III 103). Und man beachte: *musz em- 
pfangen? sagt Pindar; so innig ist er überzeugt von der Gerechtigkeit 
der Gótter. Und dem entsprechend lehrt er uns, dasz der Reichtum des 
Gottesfürchtigen länger währt und dasz dem Gebete der Menschen Er- 
füllung wird zum Lohne für frommen Sinn (P. ΠῚ 5. Ol. VIII 8). 

. Die sitliche Höhe der Pindarischen Anschauungsweise zeigt sich 
dem aufmerksamen Leser recht deutlich in einem scheinbar unbedeulen- 
den Punkte. Die Abhängigkeit des Menschen von der höhern Macht des 
Geschickes bezeichnete der Dichter, so wie sie verschieden aufgelaszt 
werden kann, auch mit verschiedenen Namen. Wir reden hier von dem 
beängstigenden Gefühle des Menschen, dasz, so sicher gegründet auch 
seine Unternehmungen, so energisch auch seine Bestrebungen sein mó- 
gen, doch der Erfolg derselben von einer ihm unberechenbaren Macht 
bestimmt werde — von dem Glücke, der Tyche. Aber Pindars religió- 
ser Sinn kennt noch nicht die launenhafte Góttin Fortuna, die eine sp&- 
tere Zeit des innern Verfalles mit verbundenen Augen ihre Gaben austei- 
len läszt. Es ist zwar nur ein Beiwort, aus welchem wir die Vorstellung 
des Dichters erkennen, aber ein Wort das volle beweisende Kraft in sich 
birgt. *Erhalterin Tyche,? singt er Ol. XIl 1 (f. ‘von dir ja werden im 
Meere die schnellen Schiffe gelenkt und auf dem Lande die stürmischen 
Kriege und rathschlagende Mánnerversammlungen. Indem der Dichter 
die Tvche eine * Erhalterin? (σώτεερα) nennt, bezeichnet er sie als eine 
sittliche Macht, welche der Menschen Dasein schützt und schirmt, wie 
an anderer Stelle (Ol. VIII 21) das Recht — die Theimis — durch das eine 
Beiwort *Erretterin? als eine solche Macht vorgeführt wird. 

Doch in éinem Punkte wenigstens scheint Pindar an der Lauterkeil 
des göttlichen Waltens zu zweifeln: wenn er von dem Neide der Gölter 
redet — dem Neide, den er an den Menschen als den bittern Feind alles 
Edlen so verächtlieh findet: “der Bürger verstecktes Gemüt quält nichts 
so sehr wie der Ruhm von des Naclibars edlen Thaten. Aber dennoch — 
Neid ist immerhin noch besser als Mitleid — lasz nicht ab nach dem : 
Guten zu streben? (P. 1 82 ff.). Und die Vorstellung von der Götter, von 
des Schicksals Neide, mit welcher Schiller auch uns zu bereichern suchte, 
war im Altertum so verbreitet, ja gestaltete sich sogar zur Annahme von 
so gehässiger Eifersucht, dasz es vielleicht natürlich erscheinen könnte, 
wenn der Dichter sich von einem allgemeinen nationalen Vorurteil hätte 
hinreiszen lassen. Und doch, die niedrige Invidia wird ebenso wie die 
blinde Fortuna besser der Rumpelkammer von Plutarchs Anstands - Un- 
und Aberglauben überlassen. Schon in Homers sinniger Erzählung von 
den Phäaken zeigt sich die richtige Auffassung von dem Neide der Götter: 
von Poseidon erhalten sie ihre wunderbare Schiffahrtskuust, und doch ist 
es der Neid desselben Gottes, der sie ihnen wieder raubt, als sie gegen 


G. Dronke: die religiösen und ethischen Anschauungen Pindars. 109 


seinen durch Orakelspruch verkündeten Willen den Odysseus heimführen, 
d. h. unerlaubten Gebrauch von derselben machen. So läszt auch Pindar 
den Neid der Himmlischen seine Macht nicht gegen jeden ausüben, der 
sich über andere durch Ruhm, Reichtum oder Schónheit erhebt, sondern 
nur gegen den, der sich von seinem Glücke zum Frevelinut der Selbst- 
überhebung hinreiszen läszt. Wenn wir auch φϑόνος durch Neid 
oder Misgunst übersetzen, so entspricht doch keiner dieser Begriffe 
. der Vorstellung, welche der Dichter durch das griechische Wort in Be- 
treff der Gótter ausdrücken wollte. Ist ein Vergleich erlaubt, so dachte 
sich der Grieche die Erbitterung des Gottes gegen den durch Glück zum 
Frevelmut hingerissenen Menschen wol ganz in derselben Weise, wie das 
Mittelalter die des Lehnsherrn gegen den Vasallen, der sich der Felonie 
schuldig gemacht: es ist das sittliche Gefühl, welches dem Menschen ein 
Glück misgónnt, das er zum Bósen gebraucht. In diesem Sinne singt der 
Dichter (P. Xi 54 ff.): *der Misgunst Unsal wehrt von sich ab, wer, 
herlichsten Ruhm erlangend, in friedlichem Leben fern von sich hält 
schrecklichen Frevelmut.? So bittet er Zeus um freundliche Aufnahme 
des Xenophonteischen Siegesliedes mit den Worten: “werde nimmer, 
höchster Gebieter Olympias, misgünstig meinem Liedesworte?, in dem 
Gedanken: “mein Lob des Xenophon ist kein übertriebenes, frevelhaftes, 
sondern ein verdientes, da er erlangte, was keiner der Früheren, den Sieg 
im Wettlauf und zugleich im Fünfkampf.” Wenn der Dichter demnach 
P. X 19 ff. einem Geschlechte in folgender Weise Dauer des Glückes 
wünscht: *da sie nun der hellenischen Siegeszierden nicht kleiuen Anteil 
sich errungen, móge sie nicht von den Góttern misgünstiger Wechsel 
treffen?; so spricht er damit versteckt und doch einem sinnigen Gemüte 
verständlich genug den Wunsch aus, ja nicht vom Siegesglück verleitet 
in frevelhafte Selbstüberhebung zu verfallen, die einen Wechsel des Glückes 
hervorrufen würde. “Denn” hörten wir den Dichter schon singen, ‘das 
Glück des Gottesfürchtigen ist von Dauer.? 

Woran Hiob verzweifeln wollte, Pindar war davon tief im Innern 
überzeugt: er glaubte ehrfürchtigen Sinnes an eine gerechte Ausgleichung 
des sittlichen Werthes und der Geschicke der Menschen — an eine solche 
Ausgleichung auf dieser Erde. Aber auch das, worin Hiob seinen Trost 
fand, umfaszte des Dichters Glaube: wie sich ihm das Dasein des Menschen 
nicht mit dem Verlassen dieser Erde abschlosz, so sollte nach seiner Vor- 
stellung auch jene Ausgleichung noch jenseits der Grenzen des irdischen 
Lebens stattfinden. 

Die Vorstellungen der alten Hellenen über das Jenseits waren sehr 
dürftig gewesen. Ob das düstere Schattenreich Homers, das der Helden- 
könig selbst gegen ein Bettlerlos eintauschen wollte, wenn er sich nur 
des erwärmenden Sonnenstrals erfreuen könne, auf dem Glauben an Un- 
sterblichkeit beruhte, móchte ebenso wenig mit Bestimmtheit bejaht oder 
verneint werden kónnen, wie die Frage, ob der Psalmist ein Bewustsein 
von der Unsterblichkeit hatte, wenn er ausruft: *denn im Tode gedenket 
man deiner nicht; wer will dir in der Hölle danken?’ (Ps. 6, 6). Bei 
dem griechischen Epiker wie bei dem Psalmisten liegt der Werth des 


\ 


110 G. Dronke: die religiösen und ethischen Anschauungen Pindars. 


ganzen menschlichen Daseins in dem frischen freudigen Wirken und Ge- 
nieszen auf dieser Erde: im Vergleich dazu erschien ihnen das Jenseits 
düster und farblos. Aber darin dasz man doch noch von einem Hades, 
von einer Hölle nach diesem Leben wuste, lag der Keim des Unsterblich-- 
keitsglaubens. Und dieser Glaube war für Pindar ein festes gesichertes ' 
Eigentum seiner Brust. 

Der darauf bezüglichen Stellen sind wenige, teilweise sind es sogar 
nur aus dem Zusammenhang losgerissene Fragmente. Sie mógen daher 
alle vollständig Platz finden. 

Der Glaube an die Unsterblichkeit gründete sich bei dem Dichter auf 
das Bewustsein, dasz im Menschen ein Góttliches, also ein Unvergängliches 
wohne. ‘Zwar erliegt der Leib aller dem gar gewalligen Tode; aber 
nimmer erstirbt die Gestalt (εἴδωλον) des Lebens; denn diese allein stammt 
von den Göttern. Sie schlief, wenn die Glieder thätig waren; doch ruhten 
diese im Schlaf, so offenbarte sie ihnen in zahlreichen Träumen zukünf- 
tige Entscheidung der Freude und des Leids? (Thren. Fr. 2). Den dunkeln 
Zusammenhang des Fragments und den Sinn des Wortes “Gestalt? er- 
klären am besten die Verse Schillers: 

Nur der Körper eignet jenen Mächten, 

Die das dunkle Schicksal flechten; 

Aber frei von jeder Zeitgewalt, 

Die Gespielin seliger Naturen, 

Wandelt oben in des Lichtes Fluren, 
Góttlich unter Góttern, die Gestalt. 

Wollt ihr hoch auf ihren Flügeln schweben, 
Werft die Angst des Irdischen von euch! 


Fliehet aus dem engen, dumpfen Leben 
In des Ideales Reich! 


Jedenfalls ist der Hauptpunkt, die Vorstellung von einem Unsterblichen 
im Menschen, klar. Und aus ihr flossen in consequenter Folge der Glaube 
an ein Jenseits, an Belohnung und Strafe in diesem Jenseits und demge- 
mäsz an eine doppelte Aufenthaltsstätte der Seelen; aber es gesellte sich 
bei Pindar die fremdartige Vorstellung von einer Seelenwanderung hinzu. 
llóren wir die Hauptstelle (Ol. II 56 ff.): * — er weisz, was geschehen 
wird; dasz der Abgeschiedenen ohnmächtige Seelen dort sogleich Strafe 
erleiden und dasz, was in dem sonnigen Reiche des Zeus hier gesündigt 
worden, unter der Erde einer richtet in hartem Richtermachtspruch. Aber 
stets gleichmäszig, wie am Tage so in der Nacht, erfreuen sich die Edlen 
dort des Sognenlichts, leicht hinlebend; nicht wühlen sie mit der Hände 
Kraft die Erde auf, nicht des Meeres Tiefe, um trübselige Kost zu er- 
langen; sondern unter die Götterlieblinge versetzt leben alle, die am 
Eidestreue festhielten, leidloses Leben, während jene in schrecklichem 
Leide sich abliármen. Die jedoch dreimal hier und dort ihre Seele ganz 
frei von Unrecht zu erhalten vermochten, sie wandeln den Zeuspfad zu 
der Burg des Kronos, wo der Seligen Insel milde Seewinde umwehen, 
wo Blütenkelche goldschimmernd glühen von stattlichen Bäumen herab 
und aus dem Meeresschosze herauf; und mit Kräuzen von ihnen um- 
schlingen sie sich Haupt und Hände, nach des Rhadamanthys walırhaf- 
tigem Urteil.” — Ein kleines Fragment der Klagelieder (4) vervollständigt 


G. Dronke: die religiösen und ethischen Anschauungen Pindars. 111 


das gesagte: ‘von dem aber Persephone Sühne empfieng für altes Leid, 
deren Seelen entsendet sie wieder im zehnten Jahr hinauf zum Sonnen- 
lichte. Aus diesen erstehen treffliche Könige und machtgewaltige Männer 
und in Weisheit hochprangende; und in Zukunft werden sie als hehre 
Heroen von den Menschen gefeiert.? 

Aus diesen beiden Stellen ergibt sich deutlich und bestimmt als 
Pindars Ansicht: die Seele des Abgeschiedenen enteilt sogleich zum 
Schattenreiche der Persephone, wo Rhadamanthys über sie richtet. lm 
zehnten Jahre kehrt sie in einen sterblichen Körper zurück. Hat sie 
dreimal die irdische Laufbahn zurückgelegt, ohne sich mit schweren 
Vergehen zu beflecken, so gelangt sie zur Wohnung der Seligen. 

Dies der sichere Kern. Ohne Anhalt in dem ursprünglichen religiö- 
sen Bewustsein der Nation ist hierbei eben die Annahme einer Seelen- 
wanderung, die durch die Berührung mit den Aegyptern herübergekom- 
men war und, wenn sie auch sicherlich zur Befestigung des Glaubens 
an die Unsterblichkeit beitrug, so doch nie in grószere Volkskreise ein- 
drang. Selbst bei Pindar hat sich diese Verschmelzung des Fremden mit 
dem Heimischen noch nicht bis zu einheitlicher Durchbildung abzuklären 
vermocht. Denn die beiden angeführten Stellen weichen in einem Punkte 
von einander ab. In dem Olympischen Siegesgesange heiszt es nemlich, 
dasz, wer zu.der Wohnung der Seligen gelangen will, sich in dreimali- 
gem Erdenwallen ganz frei von Unrecht halten musz; in dem 
Klageliede dagegen, dasz die Seelen auch durch Persephone im Hades 
von alter Schuld entsühnt werden kónnen, um nach erneuertem unbe- 
flecktem Erdenwallen den Lohn der Seligen zu empfangen. ) 

Jedoch kónnen wir aus dem, was Pindar und seine Zeit in Betreff 
der Entsühnung durch die Gótter glaubten, fast mit voller Gewisheit 
schlieszen, wie sich in des Dichters Vorstellung jener Widerspruch lóste. 
Des Rhodiers Diagoras Sieg feiernd gedenkt er des Begründers dieser 
Colonie, des Mideas (Ol. VII 27 ff.). Dieser hatte im Zorne den Likymnios 
mit seinem Olivenstabe getódtet. Alsbald von Reue ergriffen eilte er zu 
Apollons Orakel und erhielt hier die Zusage entsühnt zu werden, wenn 
er jene Colonie anlege. Den Gegensatz dazu bildet folgender Fall: *der 
Spartiate Glaukos, der für einen beabsicbtigten Meineid góttliche Be- 
rechtigung nachgesucht hatte, muste mit seinem ganzen Geschlechte zu- 
grunde gehen, obgleich er bald die Frage bereut, das Geld, welches er 
abschwören wollte, zurückgegeben und Apollon um Vergebung gebeten 
hatte? (E. Curtius griech. Gesch. I 401). Es war ein sinniger Glaube, 
dasz, während die böse Frucht des bösen Bodens, wenn sie auch nur in 
einem nicht zur Ausführung gekommenen Entschlusse bestehe, nothwen- 
dig die Strafe der Götter nach sich ziehe, dagegen das in augenblick- 
licher Leidenschaft verbrochene entsühnbar sei. “Denn? sagt Pindar in 
Betreff des Mideas *der Sinne Verblendung wirft auch den Weisen vom 
richtigen Pfad? (V. 30). Und demgemäsz war es wol auch die Vorstellung 
des Dichters, dasz Persephone die Seelen von solch leichterer Schuld 
befreien. kónne, während ein einziges vorbedachtes schweres Vergehen 
von dem freudigen Lose der Seligen für immer ausschliesze. 


112 G. Dronke: die religiösen und ethischen Anschauungen Pindars. 


Die Verse, mit denen wir die Besprechung des Gegensatzes der 
Götter und der Menschen einführten, wiesen auf den Anteil der letzteren 
an dem Göttlichen hin. Erinnern wir uns derselben, aber im Zusammen- 
hange der ganzen Strophe, und wir haben zugleich die Grundidee der 
Ethik Pindars — oder wir können hier vielmehr sagen: der damaligen . 
hellenischen Welt. Die Strophe lautet: *der Männer Geschlecht und das 
der Götter, nur éines ist es: von einer Mutter empfiengen wir beide des 
Lebens Hauch. Aber es trennt uns die gänzliche Verschiedenheit des 
Vermögens, da der Mensch ein Nichts, aber jenen bleibt der Himmel ein 
ewig sicherer Sitz. Doch wir nähern uns noch durch des Gei- 
stes Gewalt oder des Leibes Kraft den Unsterblichen: wenn 
wir auch nicht wissen, welchen Weg zu wandeln uns am Tag und in der 
Nacht das Schicksal gebietet.? Ja, auf der éinen ldee, dasz der schwache, 
an ein ihm voraus nicht erkennbares Geschick geschmiedete Sterbliche 
durch das Ringen energischer Geistesthätigkeit oder eines kraftvollen 
Körpers góttlicher Vollendung sich nähern könne und dasz dieses stete 
Anstreben an dies ewig unerreichhare die höchste Aufgabe des Menschen 
sei — auf dieser éinen Idee fuszten die Auschauungen Pindars über die 
sittlichen Pflichten des einzelnen, fuszte die nationale Erziehung und das 
ganze nationale geistige Leben Jens? Zeit. Und man fasse es schaff auf: 
körperliche Vollendung erscheint gleichberechtigt mit geistiger; in wel- 
chem Sinne der Dichter Ol. IX 28 sagt: “durch der Götter Huld werden 
die Menschen weise und gut? (σοφοί und aya®ol); nemlich *gut? ist 
nach dem Begriffe der damaligen Zeit derjenige, welcher durch kórper- 
liche Ausbildung Tüchtigkeit und Tapferkeit erlangt hat. Wie die Götter 
kórperlich und geistig als vollendete Ideale erschienen, so galt es auch 
dem lellenen als eine Pflicht gegen die Götter, alle Gaben, die des Leibes 
und die des Geistes, in freier Entwicklung zu entfalten und so eine hàr- 
monische Vollendung des ganzen Menschen zu erzielen. Konnten ja doch. 
auch nur auf diese Weise Tugenden, welche die Alten nicht zu den 
geringsten zählten, sich ausbilden, wie ein Gefahren und Mühen trotzen- 
der Mut. 

Das stete Ringen (μάρνασϑαι) des Menschen nach Vollendung ist 
es daher, worauf Pindar alles Gewicht legt: “immer ringt um der Tugen- 
den Vollendung Mühe und Aufwand mit Gefahr dräuendem Werke? (Ol. 
V 15); sowie er auch für die Städte kein höheres Lob kennt als dieses: 
*ich freue mich dasz die ganze Stadt ringt nach dem Edlen? (N. V 46). 
Und von dieser Gesinnung beseelt läszt der Dichter den Pelops also reden 
(Ol. 1 81 ff.): “mächtige Gefahr ergreift nie das Herz des Schwächlings. 
Wem aber Sterben verhängt ist, wie möchte der ein namenloses Alter 
im Dunkeln brütend nichtig dahinleben, unteilhaftig alles Edlen? Doch 
ich will diesen Kampf unternehmen, und du? — fleht der Held zu Posei- 
dun — ‘gib ersehntes Gelingen.’ 

Darauf gründete sich die Einrichtung der Wettspiele, die nicht etwa 
ein Volksfest, nicht eine rein staatliche Einrichtung sein sollten, sondern 
ihrem innersten Wesen nach ein Fest waren, das den Göttern dargebracht 
wurde. Ihnen zu Ehren entfaltete der Kämpfer des Leibes Kraft und 


G. Dronke: die religiósen und ethischen Anschauungen Pindars. 113 


Gewandtheit, zeigte er seinen Mut und seine Geistesgegenwart. Dem 
Glücklichen, der den Sieg errang, ward kein werthvoller Siegespreis 
zuteil; ihn schmückte der Zweig von dem gottgeheiligten Baume, den er 
. alsbald wieder auf den Altar des Gottes als Weihegabe niederlegte. Aber 
“ er hat die Anerkennung höchster Vollendung in der Kampfart, in welcher 
br siegte, für sich erlangt. Ihm verleihen die Götter sein übriges Leben 
hindurch glückliches Leben: *der Sieger aber hat sein übriges Leben hin- 
derch ein süszes friedliches Los zum Lohn für die Wettkámpfe? (Ol. I 97). 
Kc.wird ihm das zuteil, was dem Hellenen die holdeste Gabe, das gróste 
Gl&ck auf Erden schien, der Ruhm des preisenden Liedes. ‘Jedes Werk 
bringt seinen eignen süszen Lohn den Menschen, dem Hirten und dem 
Ackersmann, dem Vogelsteller wie dem Fischer; doch dem Magen sucht 
‚ein jeglicher von diesen abzuwehren des Hungers Qual. Wer aber im 
Wettkampf oder im Kriegsgetümmel sich zarten Ruhm erworben, em- 
pfängt laut gepriesen den höchsten Lolm, lieblichen Gesang aus der . 
Bürger Munde und dem der Fremden? (l. 1 47 ff). — Eine Fülle von 
Stellen feiert den durch Gesang vermittelten Ruhm. Es mógen einige 
daraus hier noch Platz finden, welche die beiden Gesichtspunkte des 
Dichters hervorheben, dasz nemlich die gróste und edelste irdische Freude 
auf seinem Besitz beruhe und dasz die herlichste That ohne des Liedes 
Preis ersterbe. “Der beste Arzt gegen erlesene Mühen ist Frohsinn. Ihn 
zaubern der Musen weise Töchter, die Gesänge, sanft lockend herbei. 
Auch erquicket warmes Bad nicht die Glieder so sehr wie Ruhm, unter 
der Kithar Begleitung gefeiert. Das Wort lebt ja länger als die That, 
wenn es unter der Chariten Beistand die Zunge tief aus dem Herzen 
schöpft? (N. IV 1 ff). *Wol geziemt es zum Preis der Edlen schönstes 
Festlied anzustimmen; denn das allein kommt nahe góttlicher Ehre; aber 
es erstirbt hohe That, wenn sie vergessen wird? (Encom. Fr. 4). Und 
damit edle That nicht ersterbe, hält der Dichter es auch für ein göttliches 
Gesetz sie zu verherlichen. *Erlesenes Wettspiel im Gesange zu feiern 
ordnen des Zeus Satzungen an? (0l. XI 24). — Wie aber die Bedeutung 
dieser ethischen Anschauungsweise auf dem idealen Charakter beruht, 
den sie dem menschlichen Streben und Ringen zu geben sucht, so lag 
nach der Vorstellung Pindars auch das sittliche Moment des Ruhmes eben 
in der idealen Auffassung, dasz das Streben nach demselben als gleich- 
bedeutend mit dem Streben nach hóchster Vollendung erschien. Und 
diese Denkweise spiegelt sich recht klar in der Ermahnung an den König 
Hieron ab (P. 1 89 ff.): *doch willst du stets süszen Ruhmes dich er- 
freuen, dann beharre in herlicher Gesinnung und ermüde nicht allzu sehr 
in Aufwand. Sondern gleich dem schifflenkenden Manne breite aus das 
Segel im Winde; lasz dich nicht, o Freund, durch schlaue Gewinnsucht 
- trügen. Der dem Tode folgende Nachruhm kündet allein der dahin ge- 
schiedenen Männer Weise, in Rede und in Gesang. Nie geht unter des 
Krösos menschenfreundlicher Sinn; aber jenen Mann unbarmherzigen Ge- 
müts, der im ehernen Stiere Menschen verbrannte, den Phalaris, hüllt 
allenthalben böser Nachruf “ein, und nicht ladet ihn der Kithar Spiel 
Jehrb. f. class. Philol. Suppl. Bd. IV. Hft. 1. 8 


114 G. Dronke: die religiösen ünd ethischen Anschauungen Pindars. _ 


mit der Knaben Gesang unter das Dach ein zur Teilnahme an der holden 
Gemeinschaft?" — ᾿ ' 

Noch eine andere wichtige Seite hat Pindars Auffassung von der 
sitllichen Aufgabe des Menschen. Denn wenn er als solche einem jeden 
die Ausbildung der ihm angeborenen Gaben des Kórpers und des Geistes 
anweist, so kann er dies offenbar nur in der-Ueberzeugung thun, dasz 
ebensowol die reichste Blüte menschlicher Vollendung durch die volle 
Entfaltung der Individualität erzielt werde, wie umgekehrt in der Re- 
schränkung des Individuums die Grenzen der menschlichen Vollend*&g 
gegeben seien. Und dasz dies seine Ueberzeugung war, bezeugen a 
mit. bestimmten Worten manche Stellen. Wie er Ol. X 20 gleichnisweise 
sagt: “die angeborene Art können weder der róthliche Fuchs noch der 
lautbrülende Löwe ändern’, so redet er N. VII 54 direct: ‘von Natur 
verschiedenartig erhalten wir, jeder nach seiner Art, unser Lebenslos, 
der eine dieses, der andere jenes; dasz aber ein und derselbe jegliches 
Glück erlange, das ist.unmóglich. Daher finden wir Pindar ófters scharf 
hervorheben, wie hoch das freie Schaffen des Genius jedes Talent des 
Verstehens und Aneignens überrage; in jenem offenbart sich nach seiner 
Anschauung göttliche Kraft und göttliche Eingebung, während diesem 
alles eigentümliche versagt bleibe. “Angeborener göttlicher Gabe ver- 
trauend erwirbt der Mann sich hohen Ruhm; wer jedoch nur, was er 
von andern gelernt, besitzt: im Dunkeln tappt er unsichern Fuszes, 
strebend nach diesem, nach jenem bald, und er kostet hundertlei Tugend- 
übung in pie veredeltem Sinne? (N. III 40 ff.). — Leicht ist es auch zu 
erkennen, warum Pindar von seinem Standpunkte aus in dem Reichtum. 
ein wünschenswerthes Gut sehen muste. Denn wer sich ganz seiner 
Ausbildung hingeben wollte, durfte nicht von der Sorge um des Leibes 
Bedürfnisse berührt werden und den für jene Ausbildung erforderlichen 
groszen Aufwand zu scheuen haben. Und man darf nicht übersehen, 
dasz der Dichter dem Reichtum nur als einem Mittel zum hóchsten 
Zwecke Werth beilegt, dasz ihm derselbe für sich allein werthlos, ja 
verächtlich erscheint. Preisend sagt er von einem Sieger, er nähre im 
der Brust ein Streben, weit erhaben über Reichtum (P. VIII 91). Und den 
vollen Ausdruck erhält seine Gesinnung in den Versen P. V 1 ff.: *ge- 
segnet ist Reichtum, wenn ihn, den gottgeschenkten, ein sterblicher Mann 
mit der Tugend reinem Sinne zu einigen vermag und ihn auf solche Weise 
zum trauten Gefährten sich gewóhnt.* 

Aber so gewaltig auch das Ziel ist, das Pindar menschlichem Ringen 
anweist, so hoch er auch den Ruhm, jene fast góttliche Ehre, setzt: er 
selbst erinnert den Sieger, der in des Herzens freudigem Aufwallen viel- 
leicht zu weit streben will, an die engen unübersteiglichen Grenzen des 
menschlichen Daseins, an die unerreichbare Höhe und Vollendung der 
Gölter. So Ol. V 23 ff.: “wenn der Gesundheit Glück einer genieszt in 
der Fülle des Reichtums und Ruhm sich noch dazu erworben hat, dann 
strebe er nicht danach ein Gott zu werden. So die bei einem alten 
Dichter wahrhaft überraschenden Verse (N* XI 13 ff.): “glänzt der Men- 
schen einer in reichem Besitz und in der Schönheit verklärendem Stral, 


-- 


G. Dronke: die religiósen und ethischen Anschauungen Pindars. 115 


und erlangt er, prüfend gewaltige Kraft, des Wettkampfs Sieg mit dem 
schmückenden Kranz: dann bedenke er dasz es nur sterblicher Leib ist, 
den mit prüchtigem Gewand er umhüllt, dasz ihm das letzte Gewand der 
Erde Schosz einst sein wird.” Das Bewahren des richtigen Maszes, die 
Besonnenheit (σωφροσύνη), galt ihm daher als die erste Tugend, sowie 
der Gegensatz, der Frevelmut (vßgıs), als das schwerste sittliche Uebel. 
Denn jene war nur die Ausübung der Gótterehrfurcht, welche am stärk- 
sten verletzt wurde durch den Frevelmut. Daher die Lehre P. IIl 59 ff.: 
*nur was uns zukommt, sollen wir von den Góttern erstreben in sterb- 
lichem Sinne, auf das zunächst liegende achtend, welches Geschickes 
wir sind.? 

Die Gesänge des Dichters bieten uns noch eine auszerordentlich 
reiche Anzahl von Stellen, an welchen er Sittengesetze aufstellt, Lebens- 
sätze ausspricht, von der Freude und den Leiden der Menschen redet. 
Ein neuer Gesichtspunkt für die Denkweise und Gesinnung desselben er- 
gibt sich daraus nicht. Nur éines Gebotes wollen wir noch gedenken, 
das uns zeigt, wie Pindar die entlegensten Lebensverhältnisse in den 
Bereich seiner gereinigten edleren Anschauungen zu ziehen wuste. Die 
wahre Grósze besteht ja nicht in dem Erfassen einer hohen Idee, in der 
momentanen Erkenntnis der Wahrheit, sondern in der lebenswarinen 
Durchdringung aller Lebensverhältnisse mit dem einmal für wahr er- 
kannten. Das Gebot lautet (P. IX 93 ff.): *ob du daher ein Freund der 
Bürger, ob du ein Gegner, verbirg nicht, was zum Gemeinwohl geschah, 
wahrend das Wort das der Meergreis sprach: auch deinen Feind (249909, 
inimicum , nicht Aostem) lobe aus ganzem Gemüte, wenn er, was recht 
ist und edel, vollbringt.’ 
| Β. G. D. 


“-----------᾿.-ὄ..ὕ.ς΄.................--...-. ..-.-.-.ἘἘς--..-. 


8* 


Inhalt. 








Seite 
Einleitung . . ^ 

I. Die religiösen und sittlichen Vorstellungen dis Aeschylo 
1. Zeus und die übrigen olympischen Götter ,„ » - . . . 7 
2. Zeus und Moira — Zeus und Dike. . . . . . . . 9 
3. Gesamtbild der Vorstellung von Zeus... . . . . . 12 
4. Fragment 379 — Prometheus nach Welcker . . . . . 14 
5. Behandlung des Mythos . . . Lh Res 
6. Weitere Quellen der EN 1-1 Lr ψ κόεν. ὦ 
7. Aufgabe der Aeschyleischen Tragödie . . . het 
8. Freier Wille und Sebicksal — die Sieben yor Theben  . 26 
9. Frevel und Schuld. . . « es MES 
10. Dümonische Bethörung — Form ΕΣ Orakeprüche Par: 
11. Gesehlechtsüneh — erstes Motiv .. tof nee 
12. Fortsetzung — zweites Motiv . . 7 44 





^ 13. Unterschie& der ethischen Bethórung bel Ee individuellen 


Gottverblendung und bei dem Geschlechtsluch , . . , 48 

14. Atridenfluch — das Schicksal . . . . . . . . . δὶ 

15. Rückblick . . Pr} εν δὲ 

ΤΠ. Die religiösen und sittlichen vénelhogen Fr Sophokles, 

1. Dümonische Verblendung — Geschlechtsfluch — Form der 

Orakelsprüche . . . nr. 

2. Stellung und P. sönlichkeit des Bophoklen Ὁ . . . . 80 

3. Sophokleisches und Nichtsophokleisches . . |. 708 

4. Eusebeia — Philoktetes — unverschuldete Leiden . . . 65 

5. Trachinierinnen — unfreiwillige Irrung . . . . . . 69 

6. Oedipus — Schuldfrage . . . . . 72 
7. ‚Gogensats| von unfreiwilliger Irrang uni dümonisoher Yero 

blendung — sittliche ss: Eon aem ee 

8. Oedipus auf Kolonos . . uw c 
9. Sicherer Gewinn aus Philoktet 8, rischiolalinen und a 
beiden Oedipus — weiterer Gewinn: Innerlichkeit — Mysti- 
sches — Unsterblichkeit — sittliche Motive — Reinigkeit 

des Herzens. . . WR 4 εν. 88 

Pe N LU RE 

11. Menschliche Ethik . . . . 2 2 5... 94 

12. Rückblick . . Br 

Anhang. Ueber die etblachar wid: religiösen, Ansshänungen Pindars. 103 


Ueber 


das wesen und die historische bedeutung 


des 


ostrakismos in Athen. 


Von 


Karl Lugebil. 


Kisodtsns νόμους ἔϑετο καὶ 
πολιτείαν ἄῤιστα κεκρα- 
μένην πρὸς ὁμόνοιαν καὶ 
σωτηρέαν κατέστησεν. 

Plutarchos, 








2. 


Ueber das wesen und die historische bedeutung 
des ostrakismos in Athen. 


Vorwort, 


Im vorliegenden aufsatz bitte ich den leser nicht die erörterung, 
geschweige denn die lösung aller den ostrakismos betreffenden oder 
amit in engem zusammenhang stehenden fragen zu erwarten. Ich 
bespreche hier nur diejenigen' punkte, welche, und insofern sie zur 
richtigeren bestimmung des wesens und der historischen bedeutung 
dieses instituts beitragen kónnen. Was demnach von vorgüngern 
richtig aufgefaszt und dargelegt ist, wird von mir benutzt, aber nicht 
ausführlich auseinandergesetzt, und so manche nahe liegende frage, die 
ich so wenig wie meine vorgänger auf diesem gebiete zu beantworten 
vermag, habe ich nicht einmal berührt. Etwaige inconsequenzen und 
abweichungen von diesem verfahren möge mir der leser zu gute halten. 
Ich fühle mich gedrungen hrn. professor H. Sauppe in Göttingen 
öffentlich meinen verbindlichsten dank auszusprechen für vielfachen 
rath, vielfache berichtigende und anregende bemerkungen, die er mir 
während der ausarbeitung dieser abhandlung mitzuteilen die güte 
ehabt hat. Auch hrn. professor L. Spengel in München verdanke 
ich manche berichtigung, wofür ich ihm hier gleichfalls meine erkennt- 
lichkeit bezeuge. 
München den 17n september 1860. 


1. 

“Durch einführung des ostrakismos? sagt ein berühmter gelehrter 
des 16n jahrhunderts, Carlo Sigone (Sigonius) *hat Kleisthenes ein 
bollwerk errichten wollen gegen männer, die durch tugend (tüchtigkeit, 
virlute) ausgezeichnet der freiheit im freistaat hätten eintrag thun kön- 
nen.” Ferner: “der ostrakismos, eine verbannung auf zehn jahre, hatte 
den zweck, jedesmal wenn ein bürger eine unverhältnismäszige macht 
erlangt hatte, diese zu lähmen und den stolz und übermut dessen zu 
brechen, der eine hervorragende stellung im staat einzunehmen schien. !) 


1) ‘de republica Atheniensium? in der Mailänder ausgabe seiner werke 
1732 ff. bd. V s. 34. 79; vgl. s. 81. 


120 K. Lugebil: über das wesen und die historische bedeutung 


Ungefähr ebenso bestimmt den zweck und somit das wesen des 
estrakismos der mann, der in unserm jahrhundert das hauptwerk über 
die griechische geschichte verfaszt hat, George Grote. Er macht die 
bemerkung. dasz in den staaten des griechischen altertums die regierun- 
gen den regierten gegenüber nie eine solche macht besaszeu wie in den 
neueren staaten, dasz in folge davon damals häufiger aufstände und em- 
póruugen vorkamen, die nur in dem fall mit erfolg unterdrückt werden 
konnten, wenn die masse des volks sich für die regierung erhob, dasz 
alsdann aber die sache nicht ohne blatvergieszen ablaufen konnte. Darauf 
hebt Grote hervor, dasz es nach der tyrannis und den früheren partei- 
kämpfen in Athen erst der ausbildung einer politischen moralität (con- 
stitutiónal morality) bedurfte, einer moralität die bewirkt dasz die par- 
teien nur innerhalb der von der verfassung gezogenen schrauken sich 
bewegen, ohne darum eine freimütige opposition gegen einander auf- 
geben zu müssen. Nach diesen bemerkungen fährt der berühmte histo- 
riker folgendermaszen fort: *zur zeit des Kleisthenes bestand solch eine 
politische moralität, wenn vielleicht anderswo, doch keineswegs in 
Athen; und das erste auftauchen derselben in einer besondern gesell- 
schaft musz für eine interessante historische thatsache gehalten werden. 
Durch den geist seiner reformen — welche billiger, populärer und um- 
fassender waren als alle bisherigen gesetzgebungen der Athener — halte 
er zwar den aulricbtigen anschlusz der masse der bürger an dieselben 
gesichert; doch konnte er beim entstehen der demokratie und bei solchen 
präcedentien, wie die waren auf welche man einzig uud allein zurück- 
zublicken halte, von der ersten generation leitender staatsmänner nicht 
erwarlen, dasz sie selbstgesteckte grenzen gegen den ehrgeiz hätten 
einhalten sollen. Demnach bestand das problem, welches er zu lösen 
hatte, darin: jeden, der im begriff stände diese grenzen zu 
überschreiten, alsogleich zu verbannen, um nicht in die 
lage zu kommen, ihn später unter blutvergieszen und 
reaction unterdrüeken zu müssen, inmitten deren ein un- 
behindertes fortwirken der verfassung wenigstens’eine 
zeitlang suspendiert^worden wäre, wenn sie sich auch 
nicht unwiderruflich auflöste.’®) 

Grote hat nun freilich in seinem werke nicht selten ganz eigentüm- 
liche ansichten aufgestellt, welche von vielen andern gelehrten durchaus 
nicht geteilt werden; in diesem. punkt aber gibt er im ganzen nur die 
herschende vorstellung wieder. Und 6. F. Schömann, der in einer 
besondern schrift die vertheidigung der namentlich in Deutschland, zum 
nicht geringen teil von ihm selbst ausgebildeten und mehr Sc E 
ger allgemein gebilligten vorstellungen über die verfassungsg: h 
Athens gegen Grote übernommen hat, stimmt ihm in bezug auf den 
ostrakismos vollkommen bei.*) 


2) history of Greece part IT ch. 36 (vol. IV s. 200—217 der In 
ausg.). Vgl. Niebubrs vorträge über alte geschichte I s. 407. 3) die 


yerfassungsgeschichte Athens nach Grote kritisch geprüft (Leipzig 1804) 
s. 80. 








des ostrakismos in Athen. 121 


Aber auch in den sehr zahlreichen abhandluugen über dieses insti 
tut, welche im lauf dreier jahrhunderte von Sigone bis Grote erschienen, 
sind zwar einzelheiten in betreff desselben verschieden aufgefaszt, irtü- 
mer welche in bezug auf diese von vorgängern begangen waren berich- 
tigt, verschiedene angaben der alten, welche früher nicht genügend be- 
rücksichtigt waren oder, weil noch nicht veróffentlicht, nicht hatten be- 
rücksichtigt werden können, für diesen gegenstand herangezogen, aber, 
so viel ich weisz, nur éinmal der versuch gemacht worden, das wesen 
des ostrakismos anders zu bestimmen. ἢ ; 

Wenn ich nun die auffassung desselben, welche als im ganzen rich- 
tig gegolten und im lauf der zeit keine bedeutenden modificationen er- 
fahren hat, bekämpfen zu müssen glaube, so möchte das freilich gewagt 
scheinen. Doch beruhigt mich einigermaszen der umstand, dasz ich an 
W. Roscher einen vorgänger habe, dessen bemerkungen über diesen 
gegeustand bisher freilich, so viel ich weisz, so gut wie gar nicht be- 
achtet worden sind und sich keine geltung haben verschaffen kónnen. 
Dieser sagt in seinem buch über leben, werk und zeitalter des Thukydi- 
des (Göttingen 1842) s. 381 f.: "Ueber das institut des ostrakismos sind 
die crassesten irtümer eingewurzelt. Um die moralisierenden gemein- 
plätze der früheren, von der undankbarkeit der Athener usw., völlig zu 
übergehen, so erklärt schon Aristoteles (pol. III 13 Bk.), der ostrakismos 
sei in demokratien eingeführt, damit nicht durch übermächtige indivi- 
duen die allgemeine gleichheit gefährdet werde. Aus einem ähnlichen 
grunde also, weshalb in der sage die Argonauten den Herakles nicht 
mitnehmen wollten. Besser freilich, meint Aristoteles, wenn man einem 
solchen übermächtigwerden bei zeiten vorgebeugt hätte. Wen nun die 


4) Von den verhältnismäszig wenigen abhandlungen über diesen 
gegenstand, welche ich habe einsehen können, verdienen eine besondere 
berücEsichtigung: 1) Joh. Anton Paradys (praes. J. Luzac) dias. 
de ostracismo Atheniensium, Leiden 1703, wieder abgedruckt in ‘the 
classical journal? nr. XXXVIII (juni 1810) s. 346—357 und nr. XXXIX 
(september 1819) s. 150—108. Für ihre zeit ist diese abhandlung sehr 
gut; mancher punkt ist hier ganz richtig behandelt, der in neuerer zeit 
durch wiederholte besprechung nicht nur nicht ins klare gebracht, son- 
dern sogar noch mehr verdunkelt worden ist. 2) M. H. E. Meiers 
artikel *ostrakismos? in der encyclopüdie von Ersch und Gruber sect, 
III bd. 8 s. 177—187. Dazu ist desselben abhandlung über eine stelle 
des Philochoros im lexicon rhet. Cantabr. vor dem Halleschen lections- 
katalog 1835/36 und eine reihe von abhandlungen, in welchen die un- 
echtheit der rede gegen Alkibiudes nachgewiesen wird (Halle 1830—39) 
zu berücksichtigen. In seinem eifer die unechtheit dieser rede nachzu- 
weisen geht M. manchmal zu weit und sieht falsche darstellung des 
sachverhalts von seiten ihres verfassers, wo er sie gewis nicht bemerkt 
hätte, wenn schon zu jener zeit die unechtheit dieser rede von allen 
seiten anerkannt gewesen wäre. Gesteht er doch selbst zu, dasz diese 
schrift eine hauptquelle fiir unsere frage sein müsse. — Was ültere ab- 
handlungen über den ostrakismos betrifft, so bedaure ich dasz ich die 
vpn Paradys gelobte dissertation von J. J. Battier de ostracismo Athe- 
niensium (die 15 Aug. a. 1000 defensore Theod. Burcardo Basileae pu- 
blice proposita) nicht habe su gosicht bekommen kónnen. 


122  K. Lugebil: über das wesen und die historische bedeutung 


glänzende autorität des Aristoteles, der übrigens dies ganze institut auch 
nur aus büchern kenut, nicht blendet, den frage ich zuerst: wie ist es 
überall nur möglich, dasz ein übermächtiger seiner macht wegen aus 
dem lande gejagt wird? Wenn er in wahrheit übermächtig ist, wird er 
sich verjagen lassen? Ich weise ferner auf den zeitpunkt hin der histo- 
risch bekannten, ostrakisierungen. Wann wird Aristeides verbannt? 
Nicht nach der schlacht bei Marathon, wo er mit kriegerischen lorberen 
‚geschmückt die gewichtigsten friedensämter bekleidete; nicht nach dem 
Platäischen siege, wo er mit ausgedehntester machtvollkommenheit über 
die inseln und küstenstädte gehot: sondern nur damals, wo ihm Themis- 
tokles in belauschung des. zeitgeistes den vorsprung abgewonnen, ihn 
entbehrlich gemacht hatte. Wäre nachher Themistokles seiner macht 
wegen verbannt worden, es hätte im j. 478 geschehen müssen, wo er 
der erste mann von Griechenland war; nicht 472, wo ihn die conserva- 
tiven häupter entschieden verdunkelt hatten. Ganz dasselbe gilt von Ki- 
mon, von Thukydides u. a. Wir haben den ostrakismos ganz 
nach art unserer constitutionellen ministerwechsel auf- 
zulassen.” Diese worte enthalten das wesentliche von Roschers be- 
merkungen gegen die übliche auffassung dieses instituts. Dankbar er- 
kenne ich es an, dasz sie es sind, die mich zu dieser untersuchung au- 
geregt haben. Auch enthalten sie in nuce das, was auf den folgenden 
seiten ausführlicher erörtert werden soll. Dern wenn einiges bei mir in 
beireff des ostrakismos auch in einem andern lichte erscheinen sollte als. 
bei Roscher, so liegt es wol nur daran, dasz dieser gelehrte seine an- 
sicht nicht genauer ausgeführt und dargelegt hat. Seine worte sollten‘ 
ja auch nur andeuten was der ostrakismos ist, oder noch mehr was 
er wicht ist. Sonst würde er sich nicht begnügt haben einen vergleich 
dieses instituts mit dem ministerweehsel in neueren constitutionellen 
staaten aufzustellen, einen vergleich der natürlich wie alle vergleiche 
hinkt, wie es auch Roscher so gut wie andere wissen wird, dasz The- 
mistokles und Kimon keine königlichen staatsminister und Athen keine 
constitutionelle monarchie war. 





2. 

Da Aristoteles der älteste schriftsteller ist, welcher den ostrakismos: 
nicht blosz beiläufig bespricht, und die gewöhnliche auffassung dieses in- 
stituts hauptsächlich auf ihn zurückgeht, so ist es wol das natürlichste 
die stellen seiner politik, welche diesen gegenstand betrelfen, zum A! 
gangspunkt unserer untersuchung zu nehmen. 

Zwischen den bürgern eines staats, sagt er (pol. TII 13 Bk.), musz 
eine gewisse gleichheit herschen. Ein individuum das mächtiger ist 
alle seine mitbürger zusammen, oder eine anzahl von personen die nicht 
grosz genug ist um für sich eine besondere staatsgemeinde zu bilden, 
mit deren macht aber die der übrigen bürger keinen vergleich aushal- 
teu kann — solch ein individuum oder eine anzahl solcher individuen 
können gar nicht mitglieder éines staates, sein. Zur erklärung und he- 
gründung dieser ansicht führt nun Aristoteles unter anderen folgendes 


des ostrakismos in Athen. 123 


beispiel an. “Eine analogie dazu? (διὰ τὴν τοιαύτην αἰτίαν) sagt er 
*bietet die einführung des ostrakismos in demokratien; denn in diesen 
staaten scheint man vor allem nach gleichheit zu streben (αὗται γὰρ δὴ 
δοκοῦσι διώκειν τὴν ἰσότητα μάλιστα πάντων); daher ostrakisierlen sie 
auch individuen, welche durch ihre macht, sei sie eine folge von reich- 
tum oder einer menge von freunden und anhängern oder von sonst etwas 
was einem politische bedeutung verleihen kann, eine hervorragende stel- 
lung einzunehmen schienen (ῶστε τοὺς δοκοῦντας ὑπερέχειν 
δυνάμει διὰ πλοῦτον ἢ πολυφιλίαν Tj τινα ἄλλην πολιτικὴν ἰσχὺν 
perdo und verbannten sie auf bestimmte zeit? (χρόνους cQi- 
σμένους). * 

Sm und ähnliche angaben der alten möchten die übliche auffas- 
sung des ostrakismos zur genüge zu begründen scheinen. Wer über 
seine mitbürger hervorragt, wird ostrakisiert — um der gleichheit wil- 
len. Solch ein mann kónnte sich ja zum alleinherscher aufwerfen. Sagt 
doch Herakleides*) ausdrücklich, der ostrakismos sei um derer willen 
eingeführt, die nach der tyrannis strebten (διὰ τοὺς vvQavviovrag). ") 
Oder wenn ein hervorragender mann nicht gefürchtet wird, so wird er 
doch beneidet, und — in einem demokratischen staat ist dieser umstand 
ein genügender grund um den gegenstand des neides zu beseitigen, um 
ihn zu verbannen. So erklärt sich, wie es scheint, ganz natürlich die 
erscheinung, dasz die opfer des ostrakismos nicht arme und unbedeutende 
menschen sind, sondern solche die sich ausgezeichnet haben, persónlich- 
keiten welche den bedeutendsten geschlechtern angehören. Solch eine ἡ 
vorstellung von diesem institut scheint ferner auch durch die nachricht 
bestätigt zu werden, der ostrakismos habe denen welche ihm verfielen 
nicht nur keine schande, sondern — wie es wenigstens der rhetor Aris- 
teides sagt*) — sogar ehre gebracht; darum sei auch das ganze institut 
aufgehoben worden oder wenigstens in miscredit gekommen, als man es 
durch anwendung desselben auf einen schlechten menschen, den man 
weder zu fürchten brauchte noch beneiden konnte, auf den Hyperbolos 
geschändet hatte usw. usw. 

So scheinen die erhaltenen nachrichten sich auf das beste gegen- 
seitig zu ergänzen und die übliche vorstellung vom ostrakisınos zu be- 
gründen. Und diese auffassung muste um so mehr eingang finden, da 
sie vollkommen zu dem torystandpunkt passte, der nach dem vorgang 
englischer historiker bei beurteilung griechischer staatsverhàltnisse bis 
auf Thirlwall und Grote — nicht blosz in England — festgehalten wurde.?) 


5) Vgl. ebd. V 2 Bk. 6) polit. s. 5 Schndw. oder fr. 7 in C. Müllers 
fragm. hist. Gr. II s. 200. 7) Vgl. Androtion fr. 9 bei Müller I s. 371. 
Philochoros fr. 705 ebd. s. 396. Aristeides rhetor decl. 46 (Il s. 317 Ddf.) 
u.& 8) 8.0. 5. 810 ἀλλὰ Θεμιστοκλῆς μὲν καὶ Κίμων ἐξωστρακίσϑη- 
σαν. τοῦτο δ᾽ ἦν οὐ picog οὐδ᾽ ἀλλοτρίωσις τοῦ δήμου πρὸς αὐτούς, 
ἀλλ᾽ ἦν νόμος αὐτοῖς κτὲέ, — τὸ δ᾽ οὖν ἁμάρτημα οὐκ ἀπαραίτητον 
αὐτῶν, ἀλλ᾽ ἔχον ὡς ἐν τούτοις. εὐπρέπειαν. Darauf bezeichnet 
er den ostrakismos s.317 als οὐκ ἀσχήμονα τὴν συμφοράν. 9) 
In Deutschland hat namentlich Niebuhr die einseitigkeit dieser richtung 
eingesehen und verworfen, s. unter dessen im “journal for classical and 





124 K. Lugebil: über das wesen und die historische bedeutung 
Der ostrakismos so aufgefaszt schien dazu zu berechtigen, dem attischen 
demos, wie es auch alte schriftsteller vielfach gethan, undank gegen 
seine groszen männer vorzuwerfen, gegen männer die ihm viele woltha- 
ten erwiesen und den staat berühmt gemacht hatten. T 

Doch hat der osirakismos auch seine vertheidiger gefunden.) Um 
mur einige von ihnen namhaft zu machen, so meinte Montesquieu!): 
wenn die alten, wenn Aristoteles den ostrakismos gebilligt, so hätten 
wir kein recht darüber anders zu urteilen. Aber abgesehen davon, dasz 
dieser philosoph ihn mur als nothbehelf in den verfehlten staatsformen 
und nur bedingt rechtfertigt, aber keineswegs an und für sich billigt, 
wie er ihn ja auch in seinem vollkommenen, in seinem ideal- 
staat") nicht zuläszt, so heiszt das, was Montesquieu hier thut, doch 
nichts anderes als sich jedes versuchs entschlagen diese staatseinrichtung 
historisch zu erklären, sich jedes urteils üher antike staatsverhältnisse 
begeben. Das widerspricht ja aber schon dem geist seines eignen werkes, 
seinem ganzen verfahren in demselben. So sucht auch F. Jacobs ”) die 
Athener zu entschuldigen und den ostrakismos zu vertheidigen. Seine 
vertheidigung dieses instituts läuft aber darauf hinaus: ein guter bürger 
müsse lieber unschuldig leiden als zulassen wollen, dasz ihn seine mit- 
bürger, wenn auch ohne grund, fürchteten. Tliernach faszt er den ostra- 
kismos als ein dem staat und den mitbürgern gebrachtes opfer. Aber 
alle solche betrachtungen, die nicht auf historischem grund und boden 
fuszen, führen zu keinem resultat. Es kommt vielmehr darauf an nach- 
zuweisen, unter welchen verhältnissen eine staatseinrichtung ins leben 
tritt und treten kann, wodurch sie gefördert oder gehindert, fortent- 
wickelt, umgestaltet und aufgelöst wird. Auch dies ist freilich in bezug 
auf unsern gegenstand versucht worden. Das beweisen die worte die 
wir oben aus Grote angeführt haben. Doch wird die vorliegende unter- 
suchung hoffentlich den beweis liefern, dasz auch dieser versuch nicht 
als gelungen betrachtet werden kann. ) 


3. 
Wir wenden uns wieder zur betrachtung der oben angeführten stelle 
des Aristoteles. Er sagt da freilich, dasz der ostrakismos eine garantie 


sacred philology? vom jahr 1860 von Donaldson publicierten briefen an. 
John Welsford Cowell den vom 24n October 1826. 10) Eine anzahl 
älterer dissertationen beschäftigt sich hauptsächlich damit, entweder die 
Athener wegen dieses instituts anzugreifen, oder sie zu vertheidigen 
und zu entschuldigen und die berechtigung des ostrakismos nachzuwei- 
sen. So ist z. B. Baudins mémoire in d. mem. de Pinst, de sciences 
morales et pol. ΠῚ s. 61 as K. F. Hermann unter andern schriften 
über diesen gegenstand eitiert (staatsalt, $ 66, 12) keineswegs eine ab- 
handlung über den attischen ostrakismos, sondern ein motiviertes votum. 
gegen die einführung einer art ostrakismos in der französischen röpublik. 

11) esprit des loix XXVI 17. 12) Dasz Aristoteles es nichk πῶς 
terlassen hat einen idenlstaat zu construieren hat neuerdings G. Teich- 
müller klar nachgewiesen in seiner abh. über die. Aristotelische ein- 
teilung der verfassungsformen (programm d. St. Aunenschule in St..Pe- 
tersburg 1850). 18) verm, schriften VI s. 108 if. 












des ostrakismos in Athen. 125 


der gleichheit, ein mittel tyrannis abzuwehren sein sollte. Doch be- 
hauptet er nicht dasz er es wirklich war. Er sagt ja nicht, man 
habe stets diejenigen männer aus dem lande verbannt, welche die her- 
vorragendste stellung einnahmen, sondern nur, es seien solche gewesen, 
welche eine hervorragende stellung einzunehmen schienen. 

Ich glaube nicht, dasz Aristoteles unbedacht und ohne grund sich 
so vorsichtig ausgedrückt hat. Es kommt nur darauf an sich klar zu 
machen, was er dazu für gründe gehabt haben mag. Zum glück sind 
uns thatsachen genug aus der attischen geschichte bekannt, welche auch 
dem geist des berühmten philosophen vorschweben und ihn veranlassen 
musten sich so und nicht anders, d. h. nicht bestimmter auszudrücken. 
Dasz wir namen wie Miltiades und Themistokles, Perikles und Kimon, 
Euripides und Sokrates kennen, ist ja doch schon ein genügender beweis 
dafür, dasz in der attischen demokratie keineswegs in jeder bezie- 
hung gleichheit herschte, sondern dasz dort vollkommene gleichheit 
vor dem gesetz ebenso wie in anderen staaten ganz wol vereinbar war 
mit der ungleichheit der einzelnen bürger an geist und moralitàt, an 
talent und politischer bedeutung. Das verstelit sich übrigens ganz von 
selbst. ἢ Es konnte also dem philosophen nicht entgehen, dasz der 
ostrakismos vor dieser ungleichheit keineswegs schützte, sie keineswegs 
überall wo sie zum vorschein kam, beseitigte. Dies institut bestand ja 
doch auch während der vierzig jahre, da Perikles politische macht in 
Athen fast die eines alleinherschers war, so dasz nicht blosz komiker !5) 
ihn einen tyrannen nennen, sondern sogar Thukydides aussagt (lI 65), 
nur scheinbar habe damals demokratie bestanden, thatsächlich aber 
dieser staatsmann geherscht. 

Der ostrakismos konnte aber auch gar nicht die demokratie vor 
der ungleichheit der einzelnen bürger in ihrer socialen und politischen 
stellung bewahren, er konute auch gar keine schutzwehr gegen die ty- 
rannis bilden, falls diese nicht durch sonstige verhältnisse und durch den 
geist der zeit zur unmóglichkeit geworden war. Zu den oben angeführ- 
ten bemerkungen Roschers füge ich fürs erste nur noch folgende. Nach- 
dem es Perikles gelungen war, Kimon und Thukydides, den sohn des 
Melesias, durch ostrakismos zu beseitigen, war er da nicht um so mäch- 


14) Und doch scheint es, als ob selbst mancher bedeutende forscher 
über diesen punkt im unklaren würe. So verwechselt z. b. Wachsmuth 
zwei ganz verschiedene sachen, wenn er (hell. altert. I s. 527 ff.) sagt, 
die gleichheit sei dem demos in dem sinne gültig gewesen. dasz keiner 
über ihm und dem von ihm ausgehenden gesetz stehen durfte, 
und zwar in manchen demokratien his zu solcher schroffheit, dasz das 
blosze hervorragen des einzelnen, auch ohne begleitenden bösen willen 
für gefährde der gleichheit erachtet und darum ostrakismos oder peta- 
lismos eingeführt wurde. Er scheint, als er dies schrieb, vergessen zu 
haben, dasz, wer sich über das gesetz erhebt, es also überschreitet, 
nicht dem ostrakismos, sondern den gewöhnlichen gerichten verfällt, 
sobald nur ein klüger gegen ihn auftritt. — Auch was Wachsmuth eben- 
daselbst über das ἶσον und das ἶσον κατ᾽ a&lav sagt, scheint mir mehr 
spitzfindig als klar zu sein. 15) Kratinos in den Cheirones bei Plnt. 
Per. 3; vgl. c. 4. - 


e 


126  K. Lugebil: über das wesen und die historische bedeutung 


tiger? war er nicht eben dadurch in eine solche stellung gebracht, dasz 
ibm niemand den grösteu politischen einflusz ‚streitig machen konnte? 
hätte er da, falls er es auf die tyrannis abgesehen hatte, nicht viel weni- 
ger schwierigkeiten zu überwinden gehabt, um dieses ziel zu erreichen, 
als damals, da ihm noch jene männer als nebenbuliler gegenüberstanden 
und jede seiner handlungen eontrolierten? Man sollte also glauben, dasz 
der ostrakismos, anstatt den weg zur tyrannis zu versperren, ihm viel- 
mehr ebnete und von hindernissen befreite. Und nicht blosz in diesem 
fall. Denn was für Perikles nach der verbannung des Kimon und der des 
Thul;ydides, das gilt auch für Themistokles nach der ostrakisierung des 
Aristeides usw., das gilt überhaupt, wie es scheint, für alle falle, wo 
dieses institut in anwendung kam. Ich erinnere nur daran, dasz man in 
den antiken staaten die gewalt teilte, um sie zu schwächen, und deshalb 
anstalt eines königs in Rom zwei consuln, in Sparta zwei kónige: ein- 
setzte. Demnach wird die tyrannis eher verhütet, wenn zwei nebenbuh- 
ler einander bekämpfen und controlieren, als wenn einer von ihnen be= 
seitigt wird. !*) 

Wenn nun der ostrakismos keine garantie der freiheit und gleich- 
heit, kein mittel um die ungleichheit der bürger in ihrer politischen 
stellung zu beseitigen und der tyrannis vorzubeugen war, wenn er das 
auch nicht einmal sein konnte, was war er denn? 

Um diese frage zu beantworten, wenden wir uns wiederum zu 
der stelle des Aristoteles. Nachdem er dort durch anführuug vom bei- 
spielen gezeigt, wie man in den verschiedensten staatsformen der gleich- 
heit nachstrebe, und bemerkt, dasz dieser gleichheit auf politisehem ge- 
biet das bedürfnis einer gewissen harmonie in verschiedenen kunstgat- 
tungen entspreche, knüpft er daran folgende, für unsern gegenstand un- 
gemein wichtige bemerkungen: *darum hat die theorie (das system) 
des ostrakismos eine gewisse politische berechligung, 
wenn derselbe auf persónlichkeiten, welche eine aner- 
kannt exceptionelle stellung im staat einnehmen, zur au- 
wendung kommt (διὸ κατὰ τὰς ὁμολογουμένας ὑπεροχὰς ἔχει τι 
δίκαιον πολιτικὸν ὁ λόγος ὃ περὶ τὸν ὀστρακεσμόν). ") Besser 
wäre es freilich, wenn der gesetzgebér gleich von vorn herein die ver- 








16) Freilich scheint Meier ganz entgegengesetzter ansicht zu sein; 
im Halleschen programm 1835/36 sagt er: δα contione ubi plebes baberi 
ostracismum iussit, quod nisi eo instituto res publica non posset salva 
esse, simul etiam designavit cives opibus nuctoritateque ita praepollen- 
tes, ut ab his esset libertati et aequálitati omnium me n- 
Qum, nisi uno eorum urbe eiecto reliquorum via fr 'e- 
iuro! Vgl dagegen was Thuk. YI 28 über da» verhältnis des Allibim- 
des zu dessen feinden sagt: xal αὐτὰ ὑπολαμβώνοντες οἵ μάλιστα τῷ 
᾿Αϊκιβιάδῃ ἀχϑόμενοι, ἐμποδὼν ὄντι eqíat μὴ αὐτοῖς coo δήμου 
βεβαίως προεστάναι, καὶ νομίσαντες, εἰ αὐτὸν ἐξελάσειαν, 
πρῶτοι ἂν εἶναι usw. 17) Wenn Lambin diese stelle folgend: 
maszen paraphrasiert: "quocirca im excellentis incon! 
bus inter omnes convenit, civile quoddam ius habet ostracismi 
80 ist das zwar richtig; man darf aber meiner meinung nach nicht über- 
sehen, dasz λόγος dem lat. ratio nicht aequivalent ist. 














des ostrakismos in Athen. 127 


fassung so einrichtete, dasz solch ein heilverfahren gar nicht nöthig 
wäre; ist das aber einmal versäumt, so musz man vorkonunenden falls 
versuchen, ob man nicht durch solch ein mittel die sache wieder gut 
machen kann. Das geschah aber in den staaten (in welchen diese 
einrichtung bestand) nicht, man hatte (hei der anwendung des ostra- 
kismos) gar nicht das interesse der verfassung im auge, son- 
dern benutzte denselben zu parteizwecken? (ὅπερ οὐκ ἐγί- 
varo περὶ τὰς πόλεις" οὐ γὰρ ἔβλεπον πρὸς ro τῆς πολι- 
τείας τῆς οἰκείας συμφέρον, ἀλλὰ στασιαστικῶς ἐχρῶντο 
τοῖς ὀστρακισμοῖς). 

Was schöpfen wir nun aus diesen bemerkungen? 

1) Aristoteles unterscheidet hier sehr deutlich das wesen des os- 
trakismos von dem wofür er galt. Die theorie desselben (0 λόγος ὃ 
περὶ τὸν OGTQoxiGuóv) entsprach nicht dem, als was er sich in der 
wirklichkeit erwies. Ob Aristoteles einen widerspruch zwischen dem 
ursprünglichen zweck dieses instituts und der anwendung desselben an- 
genommen hat, làszt^sich aus seinen worten schwerlich erschen. Dieses 
nimmt man freilich gewóhnlich an. Man übersieht dabei aber eine andere 
móglichkeit: es kann von vorn herein der nominelle zweck des in- 
stituls von der wirklichen absicht, die der gesetzgeber bei dessen 
einsetzung hatte, verschieden gewesen sein. Demnach drängen sich uns 
hier drei fragen auf: a) was galt für den zweck, für das wesen des 
ostrakismos? 5) was war er in der wirklichkeit? und c) entsprach die 
anwendung desselben seinem ursprünglichen zweck oder nicht? Da die 
erste frage schon oben ihre erledigung gefunden hat, so haben wir es 
im folgenden mit der beantwortung der zwei übrigen zu thun. 

4) Aristoteles bemerkt, der ostrakismos lasse sich rechtfertigen, so- 
bald er gegen persönlichkeiten von anerkannt exceptioneller stellung, und 
zwar um die jedesmalige verfassung zu erhalten, angewendet werde. lm 
widerspruch stehe hiemit die benutzung desselben zu parteizwecken. 
Zu berücksichtigen ist die gewis nicht unabsichtliche verschiedenheit des 
ausdrucks, wenn er zuerst angibt, man habe diejenigen beseitigt, welche 
hervorzuragen schienen, und *der ostrakismos hedeutet gewisser- 
maszen soviel wie hervorragende männer unterdrücken? (eig. abschnei- 
den, verkleinern, κολούειν) 5) — und später: man dürfe rechtlich nur an- 
erkanntermaszen hervorragende individuen ostrakisieren. °°) 





18) Mit recht bezeichnet Valckenaer die darauf folgenden worte καὶ 
φυγαδεύειν als eine in den text gerathene glosse. 19) Hr. dr. G. 
T eichmüller in Göttingen hat dio gefülligkeit gehabt mir eine einwen- 
dung gegen meine auffassung dieser worte mitzuteilen. Obgleich ich auch 
jetzt noch an meiner erklürung festhalten zu müssen glaube, móchte 
ich diese von einem so tlichtigen kenner des Aristoteles herrührende 
bemerkung dem leser nicht voremihalten. ‘Sie scheinen mir? schreibt 
er ‘ein bei Aristoteles sonst gewöhnliches wort zu sehr zu pressen, um 
einen neuen gegensatz dadurch zu gewinnen. Die ὁμολογούμεναι ὑπε- 
00zaf sind nichts anderes als die sonst so genannten περιμάχητα ἀγαϑά. 
Darum nimmt Aristoteles gleich darauf diesen begriff wieder auf und 
erläutert ihn durch aufzählung der arten (κατὰ τῶν ἄλλων ἀγαθῶν τὴν 


128 K. Lugebil: über das.wesen und die histerische bedeutung 


Wenn also Thakydides von Hyperbolos angibt, er sei nieht wegen seiner 
macht und seines ansehens, sondern wegen seiner schlechtigkeit und 
weil er seinem vaterlande schande machte, ostrakisiert worden; mam 
also daraus schlieszen musz, sonst seien dem ostrakismos nur solche 
persónlichkeiten verfallen, deren politische macht, deren ansehen die 
demokratische verfassung gefährdete, so läszt Aristoteles, wie es 
scheint, auch in betreff dieser männer den von Thukydides angedeuteten 
grund zum ostrakismos nicht gelten. Nicht unwichtig möchte es erschei- 
nen, dasz der philosoph-mit dieser ansicht: nicht allein steht, sondern 
mit ihm auch Plutarch übereinstimmt, wenn er angibt: die furcht vor der 
übermacht eines mannes sei nur der vor wand zu seiner ostrakisierung 
gewesen (ἐκαλεῖτο μὲν ὄγκου xal δυνάμεως βαρυτέρας ταπείνωσις" 
καὶ κόλουσις [ὁ ὀστρακισμός], Arist. 7). 

Demnach würde eine analogie zu Aristoteles theorie, dasz zwischen 
den bürgern éines staales eine gewisse gleichheit herschen müsse, der 
ostrakismos nicht seinem wesen nach bieten, sondern blosz seiner 
geltung nach. Es kam dem plilosophen: dabei gar nicht darauf an 
danach zu forschen, wie richtig die aulfassung des ostrakismos sei, da 
auch die gewühnliehe auffassung dieses instituts seinen satz bestütigle, 
dasz die bürger eines staats einander mehr oder weniger gleich gestellt 
sein müssen. ‚Wenn er also angibt, dasz dieses institut in der wirklich- 
keit etwas ganz anderes war als wofür es galt, so ist das eine blosz 
beiläufige notiz, die durchaus kein nothwendiges mittelglied bildet im 
der gedankenreihe seiner untersuchung über den staat. Aber eben darum 
ist diese notiz für uns wm so wichtiger, um so glaubwürdiger. Denn 
unter solchen umständen hat man gar kein recht vorauszusetzen, der 
verfasser habe die sache, sei es durch einseitige auffassung, sei es durch 
falsche farbung entstellt, um sie seinem system anzupassen. Denn dasz 
Aristoteles entweder nicht. recht gewust, oder nicht habe wissen können, 
was der ostrakismos war, das können und dürfen wir natürlich nieht” 
annehmen, es sei denn dasz wir dazu durch thatsachen genöthigt. würe. 
den, die mit seinen angaben im entschiedensten widerspruch stehen und 
selbst nicht bezweifelt werden können. . 

Wollen wir uns also jetzt klar machen, was der ostrakismos war, 
so müssen wir des Aristoteles angabe und andere dahin einschlagende 
berichte aus dem altertum auszubeuten suchen. 

“Man berücksichtigte” sagt der philosoph, (bei der ausübung des 
rechts einen mann durch scherbenabstimmung zu verbannen) nicht das 
interesse der staatsverfassung, d. h. der demokratie, sondern man be- 
nutzte den ostrakismos zu parteizwecken. Es handelt sich hier also 
nicht um den kampf der ganzen staatsgemeinde gegen ei- 
nen einzelnen mann, dessen hervorragende, einfluszreiche 


ὑπεροχήν, olov ἰσχύος xal πλούτον καὶ πολυφιλίας) und stellt ihm dann 
die inneren güter, die tugend entgegen (ἀλλ᾽ dv rtg γένηται διαφέρων 
κατ᾽ ἀρετήν). Zur vergleichung lese man nur die drei ersten capitel 
des 7n buchs der politik, wo es sich um bestimmung des αἱρετώτατον, 


handelt.” 


des ostrakismos in Athen. 129 


stellung das princip der demokratie gefährdete, sondern 
jedesmal um den kampf zweier (oder mehrerer) parteien. Und 
zwar war dies ein kampf derselben um vorherschenden poli- 
tischen einflusz oder gar um ihre existenz. Lief doch dabei 
jede partei gefahr den mann, der an ihrer spitze stand, der sie vertrat, 
leitete, zusammenhielt, auf zehn jahre zu verlieren. 9) Die nachrichten 
bei Plutarch besagen ja klar, bei ostrakisierungen seien entweder The- 
mistokles und Aristeides im kampf (ἀγών) gegen einander gewesen, oder 
Perikles und Kimon, Thukydides und Perikles, oder Alkihiades mit Nikias 
oder Pháax.") Anderseits bezeugen ebenso bestimmte nachrichten, dasz 
diese männer parteihäupter waren, dasz Aristeides, Kimon, Thukydides, 
Nikias jeder zu seiner zeit an der spitze der conservativen oder aristokra- 
tischen partei gestanden, Themistokles, Perikles, Alkibiades die liberale, 
demokratische vertreten haben. Den umstand, dasz es sich beim ostra- 
kismos um den kampf zweier parteien handelte, hat übrigens auch schon 
Paradys nicht übersehen können: hat er ihn doch mit in die definition 
des ostrakismos aufgenommen.**) Er nimmt freilich in den unten ange- 


20) Plut. Per. 14 a. e. τέλος δὲ πρὸς τὸν Θουκυδίδην εἰς ἀγῶνα 
περὶ τοῦ ὀστράκου καταστὰς καὶ διακινδυνεύσας ἐκεῖνον 
μὲν ἐξέβαλε, κατέλυσε δὲ τὴν ἀντιτεταγμένην ἑταιρείαν. (15) 
ὡς οὖν, παντάπασι λυϑείσης τῆς διαφορᾶς καὶ τῆς πόλεως οἷον ὁμαλῆς 
καὶ μιᾶς γενομένης κομιδὴ, περιήνεγκεν εἰς ἑαυτὸν τὰς ᾿Αϑη- 
νας καὶ τὰ τῶν Adnvalov ἐξηρτημέτα πράγματα, φόρους 
κτέ. 21) Vgl. Pseudo-Andokides g. Alkib. 2. 22) c. 1 8 1: *Athe- 
nienses et ad eorum exemplum plurimae (richtiger: nonnullae) aliae ci- 
vitates Graeciae, quae forma imperii populari utebantur, cives qui vel 
numero amicorum vel opibus vel gloria rerum gestarum ceteris multum 
eminebant et a quibus (maxime si accederet alterius aemulatio 
et inde orta civilis contentio) libertati seu formae imperii popu- 
lari, sine qua existimabant libertatem consistere haud posse, perienlum 
metuebant. Ebenso e. 2$ I: ‘cum primum tacitis plerorumque 
civium iudiciis civium aliquis potentia civili (dı’ ἐσχὺν πολιτικὴν, 
uti loquitur Aristoteles de re publ. III p. 354) adeo censebatur excellere 
et τῇ πολιτείᾳ βαρύτερος esse, ut prudentiores necesse iudicarent con- 
fugere ad invidiosum hoc status publici conservandi auxilinm, ostracismo 
locus erat, maxime autem si praeter nimiam unius potentiam 
aut gratis m accederet alterius aut paris aut supparis cum 
priore civilis contentio, ita ut metus esset ne haec aemu. 
latio inter duos pluresve opibus et favore populari insig- 
nes viros tandem in discordiam apertam erumperet atque 
sic res publica in factionum partes scinderetur.— Was Pa- 
radys mit den worten ‘tacitis plerorumque civium iudiciis? habe andeu- 
ten wollen, ist mir nicht recht klar. Etwa das was Pseudo-Andokides 

. Alkib. 85 sagt: νομίζω δὲ καὶ τὸν θέντα τὸν νόμον ταύτην τὴν 

ιάψνοιαν ἔχειν: ἀποβλέψαντα τῶν πολιτῶν πρὸς τοῦς κρείττους τῶν 
ἀρχόντων καὶ τῶν νόμων, ἐπειδὴ παρὰ τῶν τοιούτων οὐκ ἔστιν 
ἰδέᾳ δίκην λαβεὶν, δημοσίαν τιμωρίαν ὑπὲρ τῶν ἀδικουμένων κα- 
τασκευᾶάᾶσαι --- ἢ Dann wäre aber weder der ausdruck passend, noch der 
gedanke richtig. Wer solch eine macht erlangt hat, dasz ihn aus dem 
volk erloste richter nicht verurteilen können oder mögen, der genierzt 
eben eine gar zu grosze popularitit, als dasz das zur scherbenabstim- 
mung berufene volk ihn zur verbannung verurteilen sollte. — Zweitens 


Jahrb. f. class. Philol. Suppl. Bd. IV. HF. 1. - 9 


am 


130  K. Lugebil: über das wesen und die historische bedeutung 


führten stellen an, dasz nicht allemal, wenn es zur ostrakophorie (scher- 
benabstimmung) kam, zwei einander an macht und popularität mehr 
oder weniger gleiche männer einander gegenüberstanden. Die einschr&n- 
kung dieser regel rührt aber bei Paradys wol nur daher, dasz ostrakisie- 
rungen einzelner männer erwähnt werden ohne die ausdrückliche angabe, 
dasz die gegenpartei ihre verbannung bewirkt habe, und wer das haupt 
dieser partei gewesen sei. Aber einerseits ist die verbannung mancher von 
diesen männern zweifelhaft ®), anderseits dürfen wir aus dem umstand, 


hätte ich gegen Paradys noch folgendes zu bemerken: zwei männer 
welche eine verschiedene politische richtung eingeschlagen haben, kön- 
nen mit einander nur dann an macht und politischem einflusz wetteiferm, 
wenn beide durch massen, die ihre partei nehmen, in gleichem «masse 
getragen und unterstützt werden. Dieser umstand setzt aber schon das 
bestehen von parteien voraus. Daher ist der durch die worte *ita me- 
tus esset? usw. ausgedrückte gedanke ganz verkehrt. 23) Es ist hier 
nicht der ort die zweifelhaften oder falschen nachrichten über einzelne 
personen, die dem ostrakismos verfallen sein sollen, zu besprbchen, 
Nur einen. fall muss ich erwähnen. Aelian (v. h. XIII 24) erzählt, 
Kleisthenes, der den ostrakismos eingeführt, sei auch das erste opfer 
desselben gewesen. Die ostrakisierung des Kleisthenes wird sonst von 
keinem schriftsteller erwähnt, und Herodot hätte gewis eine gelegenheit 
gefunden oder vom zaune gebrochen, um eine so eigentümliche thatsache 
zu erzählen, wenn er sie gekannt hätte. Und kennen konnte er sie doch 
wol gar leicht. Oder sollte er sie verschwiegen haben, um das geschleoht 
der Alkmüoniden zu schonen, dem ja auch Perikles von mütterlicher 
seite entstammte? etwa eil Kleisthenes nach der tyrannis gestrebt? 
Letzteres, neuerdings von E. Curtius angenommen (griech. gescb. I s. 
409 ff., bes. 319) lüszt sich schwerlich beweisen. Eine erórterung dieser 
frage gehórt freilich nicht hierher. Jedenfalls ist aber eine solche an- 
nahme ganz unvereinbar mit der ansicht, der ostrakismos sei zum schuts 
der freiheit und gleichheit gegen die tyrannis eingeführt worden. Ein 
mann, der nach der herschaft strebt, wird doch wol nicht sich selbst 
den weg zu derselben haben versperren wollen? Diese schwierigkeit 
scheint Cartius auch gefühlt zu haben; denn nur daraus läszt es sich 
erklären, dass er (s. 326) sich so vorsichtig ausdrückt: *in den tagen 
des Kleisthenes und wahrscheinlich (l) unter seinem einfluss 
wurde der ostrakismos eingesetzt. Denn die thatsache, dasz Kleistbe- 
nes den ostrakismos eingeführt, gibt uns ein sehr glaubwürdiger gewährs- 
mann, Philochoros (lex. rhet. Cant. u. ὀστρακισμοῦ τρόπος) ausdrück- 
lich an; sie ist nicht bloss wahrscheinlich, sondern steht so sicher fest 
wie irgend eine in der attischen geschichte. — Doch sugegeben, dass 
Kleisthenes nicht nach der herschaft gestrebt, bat Herodot etwa des- 
halb das factum verschweigen wollen, weil man aus der ostrakisierung 
dieses mannes den wenn auch falschen schlusz hätte ziehen können, 
er hätte gelüste nach der tyrannis genährt? Hat aber jemand darem 
gedacht, dies von Aristeides vorauszusetzen, dessen ostrakisierung ven 
Herodot ja erwähnt wird? Doch die nachricht Aelians verdient über- 
haupt wenig glauben. Er hat entweder aus einer schlechten quelle 
geschöpft oder eine gute schlecht benutzt. Denn als efster, der dem 
ostrakismos verfiel, wird von Androtion (fr. 5 Müller) und Plutareh 
(Nik.5) Hipparchos, der sohn des Charmos aus Cholargos, genannt (vgl. 
Philochoros a. o ) und nicht Kleisthenes, wie Aelian angibt. Entweder 
lat Aelian selbst oder der schriftsteller, dem er die nachricht entnom- 
men hat, was von Kleisthenes halb freiwilliger halb unfreiwilliger flueht 


des ostrakismos in Athen. 131 


dasz bei der ostrakisierung des einen oder des andern mannes des par- 
teienkampfes keine erwähnung geschieht, durchaus nicht den schlusz 
ziehen, dasz er wirklich nicht stattgefunden. Wie es beim ostrakismos 
zugieng, können wir eben blosz aus den bekannteren fällen ersehen. 
Daher scheint das richtige zu sein, was Paradys c. 6 $ 6 entschlüpft 
ist; er nimmt hier an, dasz, wenn es zur ostrakophorie kam, 
die bürgerschaft schon iu parleien zerspalten war ('scissa 
iam in partes civitate"). Halt man hieran fest, so erklären sich ganz 
leicht manche in bezug auf den ostrakismos gebrauchte ausdrücke. So 
heiszt es bei Plutarch Them. 5*5: Themistokles habe, da er mächtiger 
wurde und der menge gefiel, endlich den Aristeides im parteikampf 
überwältigt (κατεστασίασε) und durch ostrakismos zu verhannen ge- 
wust. Und was Thukydides andeutet, andere ganz klar aussprechen, 
man habe diejenigen verbannt, deren macht man fürchtete, deren 
einflusz lästig war”), erscheint, cum grano salis aufgefaszt, nicht 
als ganz falsch. Für wen man partei nimmt, dessen macht fürchtet man 
freilich nicht, so grosz sie auch sein mag; wol aber wird die macht 
derselben person der feindlichen partei lästig und schrecklich er- 
scheinen, darum wird diese ihn gewissermaszen διὰ φόβον καὶ ἀξίωμα 
zu ostrakisieren suchen. Anderes was verleiten könnte anzunehmen, wie 
es z. b. Platner"*) gethan, es habe sich manchmal nur um die verbannung 
éines mannes allein und nicht um die éines unter mehreren gehandelt, ist 
nicht schwer zu beseiligen. So heiszt es bei Hesychios u. ὀστρακισμός 
(1r art.), man habe τὸ ὄνομα τοῦ pevbons vov auf die scherbe geschrie- 
ben; man könnte daraus, so zu sagen, auf éinen candidaten zur verbannumg 
schlieszen. Und im Etym. M. lesen wir gar: . . ἑξακισχιλίων δὲ γινομένων 

γὴ δεκαετὴς κρίνεται τοῦ κρινομένον. ὠνόμασται δὲ ἀπὸ τοῦ 
ὀστράκου, εἰς ὃ ἐνέγραφεν ἕκαστος ᾿Αθηναῖος, εἰ δέοι μεϑίστα- 
σϑαι τῆς πόλεως. Hier sehen wir ein verfahren analog. dem bei 
den gewöhnlichen gerichten: wie bei diesen jedesmal nur die sache eines 
verklagten zur entscheidung kommt, so soll auch beim ostrakismos nach 
dem Etym. M. entschieden werden, nicht wer verbannt werden soll, 
sondern ob die dazu vorgeschlagene persönlichkeit ostrakisiert werden 
soll. Doch könnte ὁ φευξόμενος bei Hesychios zur noth auch denjenigen 
bezeichnen, der nach dem wunsch des bürgers, der seinen namen auf die 
scherbe schrieb, verbannt werden sollte, dessen verbannung dieser, so viel 


vor des Isagoras übermacht erzählt war, misverstanden, vielleicht weil 
bei der erzählung das wort dorganiteiv, ἐξοστρακίζειν in einem allge- 
meineren sinn gebraucht worden war, wie es auch in neuerer zeit 
manchmal misbraucht wird. In dieser bedeutung hat vielleicht schon 
Theophrast das wort gebraucht in der erzühlung von Theseus verban- 
nung aus Athen (Apostol. prov. III 80 oder Arsen. viol. p. 77). Ueber 
die allgemeinere bedeutung dieses ausdrucks bei späteren s. Stephanus 
thes, ed. Par. u. ὀστρακέζειν. Vgl Paradys c. 3 8 3 und Meier im 
art. ostrakismos s. 180. 24) Vgl. ebd. c. 11. 25) Plut. Them. 22 

ovg ῴοντο τῇ δυνάμει βαρεῖς. Arist. 7 ἐκαλεῖτο (ὁ ὀστρακισ-- 
pog) δι᾽ εὐπρέπειαν üyxov καὶ δυνάμεως βαρυτέρας ταπεί- 
vocıg καὶ κόλουσις. 26) process ἃ. klagen s. 387 u. 891. 


, 9* 


133 K. Lugebil: über das wesen und die historische bedeutung 


au ilım liegt, betreibt und durchzusetzen sucht.*") Mit dieser erklärung 
kommen wir aber beim artikel des Etym. M. nicht durch. Die schwierig- 
keit liegt darin, dasz sowol Hesychios als das Etym. M. den ostrakismos 
init der verbanuung in folge einer verurteilung durchs gericht verwech- 
seln. Daher kommt es dasz der ostrakismos bei Hesychios als φυγή (ὁ 
φευξόμενος). im Etvm. M. bald als φυγή bald als μετάστασις bezeichnet 
wird, wälrend, wie Meier nachgewiesen hat ἢ, nur der letztere aus- 
druck dafür passt. Auderseits wissen wir aus Hesychios u. ὁστρακεσμός 
(1r art.) wie aus andern quellen, dasz es eben eine cigentümlichkeit der 
ostrakophorie war, dasz auf die scherbe der name dessen, den jemand 
verbannt zu sehen wünschte, geschrieben wurde. 

Es bliebe, so viel ich sehe, nur noch éin punkt zu besprechen, 
der daran zweifeln liesze, dasz es sich beim ostrakismos um den kampf 
zweier (oder mehrerer) parteien handelte. Mancher möchte vielleicht 
nicht glauben, dasz ein so geschmähter mann wie llyperhbolos, der be- 
kanntlich gleichfalls ein opfer des ostrakismos ward, als haupt und 
stülze einer partei zu betrachten sei. Dagegen stelle ich die frage: ist 
eine vereinigung der hetärien des Alkibiades und Nikias oder Phäax gegen 
ihn auch nur denkbar, wenn er für die politische stellung jedes dieser 
männer nicht im mindesten gefährlich war? wird etwa blosze moralische 
entrüstung über die schlechtigkeit (μοχϑηρία) dieses menschen die par- 
teien vermocht haben all ihren zwist und hader, all ihre gegenseitige 
feindseligkeit auf eine zeitlang ganz zu vergessen? anzunehmen, dasz 
auf Alkibiades solche motive hätten einflusz haben kónuen, wäre das nicht 
naiv? Konnte aber llvperbolos männern wie Nikias und Alkibiades, deren 
jeder an der spitze einer parlei stand, gefährlich werden, wehn er nicht 
gleichfalls an einer mehr oder weniger einfluszreichen partei einen rück- 
halt hatte?  Uebrigeus wird seine politische bedeutung selbst nach der 
verbannung und in der fremde durch die erzählung des Thukydides VIII 73 
bezeugt. Als nemlich in folge des einflusses einzelner mitglieder der 
oligarclischen partei von Athen im j. 411 sich auch in Samos eine solche 
partei bildete, war eine ihrer ersten maszregeln, die den sturz der de- 
ımokratie auf der insel vorbereiten sollten, die ermordung des Hyperbo- 
los. Einen mann ohne allen eiuflusz hätten sie aber doch nicht zu fürch- 
ten und darum auch nicht zu erinorden brauchen. Uebrigens sind leiden- 
schaftliche ausdrücke des hasses gegen einen mann, wiederholte schmä- 
hungen desselben in staaten, wo die redefreiheit nicht unterdrückt ist, 
das beste zeugnis für die politische macht einer solchen persönlichkeit, 
ganz abgesehen davon, ob deren thätigkeit für den staat eine erspriesz- 
liche ist oder nicht. Ein Robert Peel wurde von den whiggistischen 


27) Eine solche erklärung scheint der umstand zu „empfehlen dasz 
bei Photios lex. u óGroa «Gus im In artikel steht: ὀστράκοις 
qórrov τὸ ὄνομα ton φευξομένον, im ?n aber: qns ἐστιν εἶδος 
ὀνομασϑὲν ἐκ τοῦ εἰς ὄστρακον ἐγγράφειν ἕκαστον τῶν Adnvalos, εἴ 
τις αὐτοῖς ἐνομίζετο πρέπειν μεθίστασθαι τῆς πόλεως. 
Daler möchte ich im Etym. M. verbessern: εἶ rıva δέοι μεϑίστασϑαι 
τῆς πόλεως. 28) im Halleschen programm 1835/30. 


des ostrakismos in Athen. 133 


bláttern nicht verschont; Palmerston rühmie sich noch neuerdings im 
parlament, er gehöre zu deu bestgeschmähten männern Englands. Wenn. 
also die komiker, denen jedes gerücht, mochte es wahr oder falsch sein, 
willkommen war, weil es ilınen stoff lieferte zu den schärfsten, unbarm- 
herzigsten witzen®), wenn die komiker Hvperbolos vielfach schmähen, 
so können wir daraus nicht auf die moralität oder immoralität seines 
charakters, auch nicht darauf schlieszen, ob seine politische wirksam- 
keit dem staate frommte oder schadete, wol aber darauf dasz er eine 
politische macht war. Oder glaubt man es etwa ganz sicher zu wissen, 
dasz ein Themistokles und Aristeides zu ihrer zeit von ihren gegnern 
weniger geschmäht oder verleumdet worden sind als Hyperbolos von 
seinen feinden? Wie viele von solchen verleumdungen werden nicht von 
Plutarch allein erwàhnt, wie viele mógen nicht, wie es sich bei seinem 
charakter und der panegyrischen richtung seiner geschichtschreibung 
wo] von selbst versteht, von ihm übergangen worden sein? Aber auch 
auf das zeugnis des Thukydides gegen Hyperbolos — er sagt nemlich, 
Hyperbolos sei ein schlechter mensch (μοχϑηρὸς ὥἄνϑρωπος) gewesen 
und man habe ihn nicht aus furcht vor seiner macht und seinem ansehn, 
sondern wegen seiner nichtsnutzigkeit und weil er dem staate schande 
machte, ostrakisiert — auch auf dieses zeugnis darf man sich nicht be- 
rufen, ohne zu erwägen, dasz dies das urteil eises aristokraten über 
einen mann des volkes ist, der offenbar eine entgegengesetzte extreme 
politische richtung verfolgte, und zwar um so weniger, als dieses urteil 
im widerspruch steht mit der oben angeführten, von Thukydides selbst 
erzählten thatsache, mit seiner ermordung durch seine politischen 
feinde.") Doch wir kommen auf diese stelle des historikers später 
nochmals zurück. Hier müssen wir noch einige verse des komikers 
Platon ”') besprechen, welche einerseits den ausspruch des Thukydides 
zu bestätigen scheinen, anderseits vou Plutarch benutzt und citiert wer- 
den, als ob dies wortspiel eines komikers den werth eines historischen 
documents hátte. Die verse lauten: 

καίτοι πέπραχε τῶν τρόπων uiv ἄξια, 

αὑτοῦ δὲ καὶ τῶν στιγμάτων ἀνάξια" 

οὐ γὰρ τοιούτων εἵνεκ᾽ ὄστραχ᾽ εὑρέϑη. 
Sie scheinen zu bestütigen, dasz der ostrakismos denen, welche ihm 
verfielen, keine schande, sondern eher noch ehre brachte. Das ist teils 
wahr, teils aber auch nicht. Der ostrakisierte war insofern nicht be- 
schimpft, der ostrakismos insofern keine κόλασις μοχϑηρίας "), als er 


29) Vgl. W. Vischer über die benutzung der alten komödie als 
geschichtliche quelle (Basel 1840). 30) Plutareh erkennt ihm auch 
eine art δύναμις zu mit den worten (Nik. 11): Ὑπέρβολος ὁ Περι- 
ϑοίδης, ἄνθρωπος an’ οὐδιμιᾶς τολμῶν δυνάμεως, all «nO τοῦ rol- 
μᾶν εἰς δύναμιν προελθὼν καὶ γενόμενος de ἣν εἶχεν ἐν τῇ 
πόλει δόξαν ἀδοξία τῆς πόλεως. 31) Plut. a. o. Treopolo δὲ τι- 
μὴν καὶ προσποίησιν ἀλαξονείας (τὸν ἐξοστρακισμὸν εἶναι ἔνομιξον), εἰ 
διὰ μοχθηρίαν ἔπαϑε ταὐτὰ τοῖς ἀρίστοις, ὥς που καὶ Πλάτων ὁ xo- 
μεκὸς εἴρηκε περὶ αὐτοῦ᾽ καίτοι κτέ, 32) Plut. Arist. 7. Them. 22. 
Diod. XI 55 u. 87. 


134 K.Lugebil: über das wesen und die historische bedeutung 


eben nicht eine vom gericht zuerkannte strafe für ein vergehen oder ein 
verbrechen war. Und in späterer zeit, da die ehemaligen parleiinteressen 
nicht mehr existieren, also auch für die, welche sie früher vertreten 
haben, weder sympathie noch hasz erwecken, kann die in betrelf‘ eines 
mannes erhaltene nachricht, er sei einmal ostrakisiert worden, nur dazu 
beitragen ihn als eine mehr oder weniger bedeutende persónlichkeit. er- 
„scheinen zu lassen, als einen staatsmann, der das vertrauen seiner partei 
in höherem grade als sonst jemand zu seiner zeit genossen. Darum war 
es für münner wie Themistokles, Kimon usw. schon zur zeit des sogenann- 
ten peloponnesischen kriegs keine schande ostrakisiert worden zu sein; 
darum konnten die Athener der damaligen zeit, in deren erinnerung die 
früheren slaatsmünner, die männer der Perserkriege, die * Marathons- 
kämpfer” gewis gröszer erschienen als sie wirklich gewesen waren, 
glauben, es habe Hyperbolos die ehre nicht verdient ebenso bestraft zu 
werden wie jene berühmten manner; das will auch Platon mit jenen 
versen sagen. Noch später lebende schriftsteller muste wiederum der 
umstand, dasz so berühmte, hervorragende (ὑπερέχοντες. männer opfer 
des ostrakismos geworden, zu der ansicht verleiten, es könne dieser 
nicht als eine strafe betrachtet worden sein. Verband mau noch gar 
Thukydides angabe über Hyperbolos, solche verse wie die eben ange- 
führten Platons mit der überlieferung, die verbannung des Hyperbolos 
sei die letzte anwendung des ostrakismos gewesen, so konnte man nicht 
umhin zu glauben, der ostrakismos sei, weil er einen solchen mann ge- 
troffen, misbraucht, geschändet und darum aufgehoben worden oder 
wenigstens auszer übung gekommen. — Aber für die zeit, da der ostra- 
kismos ausgeübt wurde, konnte es niemand zur besondern ehre  gerei- 
chen ihm zu verfallen. Sonst hätten wir ja den parteienkampf, wa es 
sich um die durchsetzung einer solchen verbannung handelte, als einen 
kampf der groszmut zu betrachten, wie er in der geschichte wol kaum 
je vorgekommen ist, als einen kampf, wobei es sich darum gehandelt. 
hätte dem politischen gegner eine ehre zuzuweisen, die man von sieh 
abwelrte. Auszerdem heiszt es ja doch, der neid des undankbaren 
demos sei an der verbannung jener berühmten männer schuld: ist es 
aber die sache des neides sich zu bentühen der beneideten person eine 
ehre zu erweisen? — Doch auch in den augen der nachwelt konnte die 
thatsache der ostrakisierung eines mannes diesem nicht insofern zur ehre 
gereichen, als er in dem kampf erlegen war, sondern nur insofern, als 
es sich bei einem solchen kampfe ἀνδρῶν ὑπερεχόντων um ihn gehandelt 
hatte. Traf ibn das los der verbannung, so musz er es wie eine schwere 
strafe gefühlt haben. Durch seine verbannung gieng er auf zehn ja 

seiner bürgerrechle verlustig. Nennt doch Plutarch selhst (Them. 29) 
dies eine ἀτεμέα, und mit recht, wenn diese atimie auch nicht folge einer 
gerichtlichen verurteilung war. Unterschied sich doch von dem höchsten 
grade der atimie die verbannung als folge der scherbenabsti nur 
dadurch, dasz sie nicht lebenslänglich, dasz sie keine dei 4, und 
mit ihr nicht confiscation des vermögens verbunden war. Der dusl- 
sierie verlor auszerdem so ziemlich seinen gauzen politischen . 








llusz ; 


des ostrakismos in Athen. 135 


die interessen seiner partei wurden stark compromittiert; dieselbe, des 
führers der sie zusammenhielt beraubt, konnte selbst ganz zerfallen, wie 
es wenigstens der des Thukydides nach der verbannung dieses staats- 
mannes ergangen ist. 9) Nicht umsonst hiesz der ostrakismos xegausıxy 
μαστιξ. Ὁ Auch der verfasser der rede gegen Alkibiades nennt ihn ($ 4 
u. 35) eine τιμωρία. ) Diejenigen, die den ostrakismos anders fassen, 
verfallen, wie ich es schon angedeutet, in dem fall in einen widerspruch, 
wenn sie den Athenern mit rücksicht auf dieses institut undankbarkeit 
gegen ihre groszen männer vorwerfen. — Uebrigens glaube ich gar nicht, 
dasz man aus Plutarchs®) angabe, der ostrakismos sei παραμυϑία q$o- 
vov xal κουφισμῦς gewesen, schlieszen dürfe, der neid allein habe die 
. verbannung des einen oder des andern mannes bewirkt. Wenn nemlich im 
parteienkampf A dem ostrakismos verfällt, B aber sieger bleibt, es sich 
demnach als resultat des kampfes erweist, dasz B mächtiger als A gewe- 
sen sein musz, wie soll man es sich dann erklären, dasz die Athener 
den weniger einfluszreichen A mehr beneidet haben sollten als den mäch- 
tigeren B? Daher wird es wol das einzig richtige sein, g90vog hier 
nicht in der bedeutung von neid, sondern in dem sinne von misgunst 
zu nehmen. Erklärt doch Plutarch selbst in der angezogenen stelle φϑό- 
vog durch δυσμένεια 9): d. h. cin staatsmann verfiel dem ostrakismos, 
wenn er, so zu sagen, beim souveränen demos in ungnade fiel, wenn 
er die majoritàt desselben gegen sich hatte. Verfehlt es doch Plutarch 
gewöhnlich nicht die umstände anzugeben unter welchen, die ursachen 
auseinanderzusetzen aus welchen die männer, welche verbannt wurden, 
die gunst, und gnade des volkes verscherzt hatten.") Hieraus ersieht man, 
dasz und inwiefern Roscher recht hatte zu sagen: man habe den ostra- 
kismos nach art der ministerwechsel in constitutionellen staaten aufzu- 
fassen. Wenn nemlich das scherbenvotum einen staatsmann 
zur verbannung verurteilte, so war ein von der gegenpar- 
tei gegen ihn und seine politik beantragtes mistrauens- 
votum durchgegangen. Dieses und nichts anderes sollen auch Pho- 
tios) worte besagen: of saxovovoraroı τῷ δήμῳ ἐξωστρακί- 
fovro καὶ xaredınafovro, d. h. wer nach dem urteil der majorität für 


— ÀÁÀ um 


83) Paradys sucht (c. 4 8 10), um die Athener wegen des ostrakis- 
mos einigermaszen zu entschuldigen, darzulegen, dasz das los der ostra- 
kisierten ein ganz erträgliches gewesen. Er führt unter anderm aus Corn. 
Nepos Cim. 3 an, dasz Chabrias meist auszer landes, ebenso Konon 
meist in Kypros, Iphikrates in Thrake, Timokrates auf Lesbos, Chares 
in Sigeion gelebt habe. Diese männer waren aber alle ausschlieszlich oder 
doch vorzugsweise krieger. Demosthenes würde Athen nimmer haben 
entbehren kónnen oder wollen. 34) Hesych. u. xegausınn μάστιξ᾽ τὸν 
ócrQoxiggóv λέγουσι μάστιγα 'μὲν διὰ τὸ βασανίξειν καὶ κολάζειν 
τοὺς ὠστρακισμένους, κεραμεικὴν δὲ διὰ τοῦ ἐκ κεράμων τὰ ὄστυακα 
εἶναι. vgl. Suidas u. d. w. 35) Them. 22 κόλασις γὰρ οὐκ nv ὁ ἐξο- 
στρακισμός, ἀλλὰ ῥαραμυϑίᾳ φϑόνου καὶ κουφισμὸς ἡδομένου τῷ τα- 
«31900» τοὺς ὑπερέχοντας καὶ τὴν δυσμένειαν εἰς ταύτην τὴν ἀτιμίαν 
ἀἁποπνέοντος. 36) Ebenso verbindet Plutarch φϑόνος καὶ δυσμένεια 
auch Kim. 20. 37) Plut. Them. 21 f. Arist. 7. Kim. 26 u. auderwärts. 

38) lex, u. ὀστρακισμός (Ir art.) | 





136 K.Lugebil: über das.wesen und. die historische bedeutung 


den grösten feind des demos, 4. i. für das. oberhaupt der in.der minder- 
heit gebliebenen partel galt, wurde estrakisiert. 


4. 

So wird des Aristoteles angabe, man habe den ostrakismos zu par- 
teizwecken gebraucht, durch ändere berichte und aussagen aus dem pod 
tum nicht nur bestätigt, sondern auch ergänzt und näher bestimmt, Wir 
haben hier aber noch einen fall von ostrakismos zu behandeln, dessen 
erörterung uns unserem ziel, der bestimmung des zwecks dieses insti- 
tuts, näher bringt, 

Wenn nemlich Philochoros (a. 0.) sagt, Kleisthenes habe den ostra- 
kismos eingeführt, um die freunde der tyrannen mit zu verban- 
nen; wenn wir von'anderer seite ferner erfahren, wir hätten unter die- 
sen freunden der tyrannen Hipparchos, Charmos sohn , einerk verwandten 
der Peisistratiden zu verstehen ®): so könnte man hier einen fall sehen 
wollen, wo der ostrakismos dem zweck gemäsz, den er gehabt haben 
soll. angewendet worden wäre. Was aber für die andern fälle gilt, musz 
auch für diesen geltend gemacht werden. Wenn Kleisthenes von einer 
stärkern partei getragen war als Hipparchos, wie es das resultat der ab- 
stimmung erwies, so hatte er auch ohne ostrakismos die macht, wenn 

* jener miene machen sollte sich zum herscher von Athen aufzuwerfen, ihn: 
daran zu hindern. Wozu hätte da der ostrakismos dienen sollen? Jeden- 
falls hat ihn doch ἵν. Junius Brutus nicht nöthig gehabt um Tarquinius 
Collatinus zu beseitigen. “ἢ War aber die masse des volks für Hippar- 
chos, so hätte auch der ostrakismos nur dazu gedient, den Kleisthenes 
zu verbannen, aber nicht dazu den staat vor der herschsucht des Hippar- 
chos zu retten. Hätte nun aber die erste auwendung des ostrakismos 
nicht dem zwecke dienen können, den er gehaht haben soll, so kann 
Kleisthenes bei der einführung desselben auch nicht die absicht gehabt 
haben dadurch die freiheit und ‚gleichheit der bürger vor der übermacht 
eines einzelnen zu schützen. Es sei denn dasz Kleisthenes selbst nicht 
gewust hätte was er that. Da wir aber kein recht haben letzteres an- 
zunehmen, so liegt auch nicht der geringste grund vor zu glauben, di 
anwendung des ostrakismos habe dem ursprünglichen zweck dieses insti- 
tuts nicht entsprochen. Den wahren zweck desselben können 
und müssen wir demnach nur darin sehen, was es leistete, 
was man damit zu erreichen pflegte. * 


5. v- 

Zur bestimmung dieses zwecks wollen wir noch genauer ins auge 

fassen, unter welchen gesetzlichen bedingungen der, ostrakismos zur an- 
wendung kam. 


39) 30) Plut. Nik. 11. Nach Kleitodemos (Athen. 809°) hat Hi 
eine tochter des Charmos zur frau gehabt. 40) Ob die begebei 
der geschichte oder der sage angehört, ist für una gleichgültig. Inte- 
ressant ist hierbei, dasz Livius (II 2) den Brutus von einem sogenann- 
ten 'fühler? gebrauch machen lüsat: lic primo sensim temp tantium 
animos sermo per totam civitatem est datus sollicitamque suspilione 
plebem. Brutus ad contionem vocat. 


des ostrakismos 1n Athen. 137 


Es konnte nur éinmal jährlich, brauchte aber nicht 
alljáhrlich zur scherbenabstimmung geschritten zu wer- 
den. Denn ob ostrakophorie vorgenommen werden sollte oder nicht, 
hieng von einem vorgängigen volksbeschlusz (mgozesporovie) ab. Auch 
nicht zu einer beliebigen zeit konnte das geschehen, sondern nur in der 
ersten ordeutlichen versammlung einer bestimmten prylanie konute dem 
volke die frage zur entscheidung vorgelegt werden, εἰ δοκεῖ ἢ un εἰσφέ- 
Q&v τὸ ὄστρακον.) Fiel die entscheidung bei dieser gelegenheit vernei 


41) Aristoteles im lex. rhet. Cant. u. κυρία:.. ἐπὶ δὲ τῆς ἕκτης 
xovzave(ag (sc. ἐν τῇ κυρίᾳ ἐκκλησίᾳ) πρὸς τοῖς εἰρημένοις καὶ περὶ 
τῆς ὑστρακοφορίας ἐπιχειροτονέαν (προχειροτονίαν Meier) δίδοσθαι, δὲ 
δοκεῖ ἢ μὴ (εἰσφέρειν τὸ ὄστρακον Meier). Ebd. u. ὀσετρακεσμοῦ τρύπος: 
Φιλόχορος ἐκτέθεται τὸν ὁστρακισμὸν ἐν τῇ y γράφων οὕτω" προχει- 
eprovei μὲν ὁ δῆμος πρὸ τῆς y πρυτανείας, εἰ δοκεὶ τὸ ὄστρα- 
xo» εἰσφέρειν. Meier u. a. sehen in den angaben des Aristoteles und . 
des Philochoros über die zeit, wann diese procheirotonie vorgenommen 
wurde,.keinen widerspruch. -*Illud hinc discimus? meint Meier (Halle- 
sches programm 1835/36) “ante octavam prytaniam latum ad ple- 
bem esse iuberetne fieri ostracismum, id quod Aristoteles etiam 
accuratius definit factum esse sextae prytaniae contione? 
usw. Vielmehr müsten wir nach Philochoros die procheirotonie in die 
7e prytanie verlegen. Jedenfalls ist aber Philochoros ausdruck auffal- 
lend ungenau, da man aus ihm selbst schlieszen kónnte, nur in der 8n 
bis 10n prytanie habe man über abhaltung der ostrakophorie keinen be- 
schlusz fassen dürfen. Mit recht hat daher M, Kutorga in seinem (rus- 
sisch geschriebenen) werk: *die Perserkriege. kritische untersuchungen 
über begebenheiten dieser epoche der griechischen geschichte? (8t. Peters- 
burg 1858) s. 232 den widerspruch zwischen der angabe des Aristoteles 
und der des Philochoros hervorgehoben. Oder kann man beide stellen 
vielleicht durch die annahme vereinigen, die debatten, welche der pro- 
cheirotonie vorauszugehen pflegten, hütte man in der 6n prytanie eróff- 
net und, wenn sie in dieser nicht zum abschlusz kamen, in der folgen- 
den fortgesetzt, aber in dieser nothwendig schlieszen und zur abstim- 
mung schreiten müssen? Diese Iıypothese setzt aber voraus, dass in 
dem auszug, den wir hier aus Philochoros haben, der epitomator die 
angabe ausgelassen habe, dasz in der Ón prytanie dem demos die vor- 
frage über abhaltung der ostrakophorie vorgelegt und die debatten er- 
öffnet wurden. — In dem eben erwähnten werk vertheidigt Kutorga (». 
21—51), wie mir scheint, mit überzeugenden gründen, obgleich ich 
in einer so schwierigen frage kein urteil zu füllen wage — er verthei- 
digt, sage ich, neuerdings wieder die ansicht Scaligers, dasz die Athe- 
ner bis zu 432 v. Chr., d. h. bis zur annahme des Metonischen kyklos, 
das jahr im winter mit dem In Gamelion begannen. Ist das richtig, so 
fragt es sich: beziehen sich die angaben des Aristoteles und des Philo- 
choros auf die zeit vor oder auf die zeit nach 432. Kutorga entschei- 
det sich (s. 233 ff.) für das erstere. Da er keinen grund für diese seine 
ansicht angibt, scheint er die sache als selbstverständlich anzusehen. 
Ich musz ihm hierin beipflichten, weil Philochoros den ostrakismos im 
8n buch der Atthis, das ungefähr bis zum j. 448 (Ol. 83, 1) reichte, bei 
der erwähnung der verbannung irgend eines berühmten staatsmanns be- 
sprochen hat (nicht aber, da er von Kleisthenes handelte; denn die no. 
tiz, dasz Kleisthenes den ostrakismos eingeführt , erscheint als eine bei. 
läufige und nachträgliche bemerkung: μόνος δ᾽ Ὑπέρβολος ἐκ τῶν ἀδό- 
ἔων δοκεῖ ἐξοστρακισθῆναι διὰ μοχϑηρίαν τρόπων, οὐ δι’ ὑποψίαν 
τυραννίδος. μετὰ τοῦτον δὲ κατελύϑη τὸ ἔϑος ἀρξάμενον νο- 


138 K. Lugebil: über das wesen und die historische bedeutung 

nend aus, so konnte im laufe des jahrs niemand ostrakisiert werden, Da- 
her sagt Plutarch (Nik. 11), der. demos pflege die ostrakophorie von zeit 
zu zeit (διὰ χρόνου τενός) vorzunehmen. *!) 

Ist num diese beschränkung der anwendung des ostrakismos nicht 
ganz zweckwidrig, wenn dieses institut wirklich den zweck hatte die 
freiheit und gleichheit im staate zu garantieren? Oder hat man die Lbyran- 
nis nur zu einer bestimmten zeit des jahres zu fürchten? Man sollte also 
doch vielmehr erwarten, dasz das gesetz bestimmt verlangte, dasz jedes- 
mal und zu jeglicher zeit, wenn der staat von der macht und der hersch- 
sucht eines einzelnen bürgers etwas zu fürchten batte, das volk sogleich 
zur scherbenabstimmung zusammenberufen würde. Dies hat aber der 
gesetzgeber offenbar nicht gewollt; folglich hatte er bei der ein- 
führung des ostrakismos eine gauz andere absicht als 
die welche man gewöhnlich voraussetzt. 

Wenn ostrakophorie beschlossen war, so beraumte man gewis einen 
tag dazu an, auf welchen das volk zusammen berufen werden muste. 

Die pseudo-Andokideische rede gegen Alkibiades bezeugt, dasz dem. 
ostrakismos darauf bezügliche debatten voranzugehen pflegten. Am tage 
der scherbenabstimmung wird man hiezu wol keine zeit gehabt haben. ἢ 
Vor der beschluszfassung aber, ob überhaupt ostrakophorie vorzunehmen 
sei, müssen sie jedenfalls stattgefunden haben. Dies geht aus dem inhalt 


μοθετήσαντος Κλεισθένους). Demnach wäre die procheirotonie 
ungefähr in die zeit zwischen dem 5n Hekatombiton bis Ibn Bo@dromion 
zu setzen, vorausgesetzt dasz bis 432 das jahr mit dem In Gamelion 
begann. — Hier darf ich aber noch eine andere frage nicht unberührt 
lassen: muste der procheirotonie des demos ein probnleuma 
des raths vorangehen, und zwar so dasz nur in dém fall, wenn 
sich dieser für die ostrakophorie entschieden hatte, diese frage auch 
der ekklesia vorgelegt wurde? oder war die entscheidung ganz 
der ekklesia überlassen, so dasz der rath mit dieser ange- 
legenheit nichts zu schaffen hatte? Ersteres nehmen Pi 

(c. 2 8 1.2), Grote u. a. an. Die entscheidung dieser frage hängt von 
der auffassung der oben angeführten stelle des Aristoteles ab. Man hat 
daraus mit recht geschlossen, dasz eine solche procheirotonie über ostra- 
kophorie nur éinmal jährlich stattfinden durfte; es fragt sich 
nun: liegt in jenen worten etwas, was uns anzunehmen nöthigte, 6$ 
habe diese frage dem demos alljährlich in der On prytanie v. 

werden müssen? Nimmt man dies an, so wäre ein probuleuma des 
raths, wenn dieser sich gegen die ostrakophorie entschieden hätte, werth- 
los gewesen, da die frage in der ekklesia auch bejahend beantwortet 
werden konnte. Wenn aber der rath die frage nur bejahend und nicht 
verneinend entscheiden konnte, #0 war jede berathung darüber in seinem 
Schosz ganz unnütz. Ich glaube dasz jene anffassung der worte nicht 
nothwendig ist. Vielmehr wird zuerst der rath sein gutachten darüber 
abgegeben haben, ob ostrakophorie vorzunehmen sei oder nicht. War er 
dafür, so konnte die ekklesin sich seinem gutachten anschlieszen oder 
es verwerfen, Hatte aber der rath entschieden, dasz in dem jahr ostra- 
kophorie nicht stattfinden solle, so war sie eo ipso auch ausgeschlossen 
und der demos hatte darüber nicht mehr zu berathen, 42) Diesen 
ausdruck hatte Sintenis zu Plut. Per. s. 108 misverstanden, Seinen 
irtum hat übrigens schon Schömann antiq. inris publ. Gr. s. 233 be- 
richtigt. 43) Vgl. Meier eomm, de orat. c. Alcib. V part, Is. VIII. 











des ostrakismos in Athen. 139 


der eben genannten übungsrede klar hervor. Im erstern kürzern haupt- 
teil derselben (S 3—86) sucht nemlich der verfasser nachzuweisen, der 
ostrakismos sei ungerecht und stehe mit der attischen verfassung im 
widerspruch. Er fingiert also, dasz der redner den Athenern habe ab- 
rathen wollen für die ostrakophorie zu stimmen; da er aber einsehe, dasz 
bei der im moment vorherschenden ‚stimmung ‚dieser rath nicht würde 
angenvfimen werden ($ 7 πάντως οὐδὲν γὰρ av πλεῖον εἰς τὸ παρὸν 
ποιήσαιμεν), 50 geht er (im 9n hauptteil) zur anklage des Alkibiades und 
zur vertheidigung seiner selbst über. Gröte scheint freilich, nach dem 
vorgange Meiers (a. o.), der rede in diesem punkt nicht den geringsten 
glauben beimessen zu wollen und darin unter anderm folgenden groszen 
irtum bemerkt zu haben. “Eine vorgängige discussion im rath βουνοὶ 
wie in der ekklesia? sagt er ^) *fand freilich statt; aber der verfasser der 
rede bezieht sich nicht auf diese frage (ob ostrakophorie stattfiuden 
solle oder nicht); er nimmt an, die abstimmung (darüber, wer zu ostra- 
kisieren sei) stehe an demselben tage bevor (he assumes that the vote is 
actually about to be taken) und einer von den dreien, er, Nikias oder 
Alkibiades müsse ostrakisiert werden. Gewis handelt es sich nun frei- 
lich in der wirklichkeit (in practice) gewóhnlich um die entscheidung 
zwischen zwei furchtbaren gegnern; aber die frage wurde nicht officiell 
oder formell in dieser weise dem volke vorgelegt, und jeder bürger 
konnte auf die scherbe einen beliebigen namen setzen? So wahr es nun. 
ist, dasz die officiell vorgelegte frage, über die man abzustimmen hatte, 
ganz allgemein gehalten war, so läszt sich doch mit einer an gewis- 
heit grenzenden wahrscheinlichkeit annehmen, die discussion werde sich 
nicht im abstracten bewegt, sich nicht um eine allgemeine frage gedreht 
haben. Ich stelle mir die sache so vor: von irgend einer seite wird ein 
staatsmann, der auf die leitung des staats in der letzten zeit von bedeu- 
tendem einflusz gewesen, angegriffen, ihm alle móglichen politischen 
fehler vorgeworfen, über scine und seiner partei, politik der stab gebro- 
chen uud die versammlung aufgefordert worden sein für die abhaltung 
des scherbenvotums zu stimmen, um das land von einem manne zu be- 
freien, der ihm schon so viel geschadet habe und noch mehr Schaden 
kónne. Somit hatte die eine partei erklärt, sie werde die vorgelegte 
frage (εἰ δοκεῖ ἢ un εἰσφέρειν τὸ ὄστρακον) bejahen; zugleich hätte sie 
aber auch hiermit die versammlung aufgefordert bei gelegenheit der be- 
vorstehenden ostrakophorie durch das votum zu bezeugen, dasz sie zu 
dem betreffenden staatsmann und seiner politik kein zutrauen habe. Die 
angegriffene partei wird natürlich ihr oberhaupt vertheidigt ?), mit der 


44) hist. of Greece vol. IV s. 201 anm. 45) Natürlich wird auch der 
angegriffene selbst sich haben vertheidigen dürfen. Anders Meier a. o. 

X: — 'neque omnino credibile in ostracismo habendo a quoquam 
eorum qui ei certamini essent designati verba ad populum facta esse; 
alioquin non potuisset hic orator (c. Alcib. 3) commemorare in ostra- 
cismo neque accusationi neque defensioni locum esse? (οὔτε κατηγο- 
ρίας γενομένης ovte ἀπολογίας δοθείσης).  Würe Meiers hauptabsicht 
nicht die, die unechtheit dieser rede nachzuweisen, so würde er wol 
schwerlich übersehen haben, dass anklage und vertheidigung vor ge- 


140 K.Lugebil: über das wesen-und. die histerische bedeutung 


defensive aber gewis auch die offensive vereinigt, die politik und den 
charakter der gegner getadelt und den. demos aufgefordert haben, den 
mann der an der spitze jener stehe zu verbannen. So sucht der redner-iu 
der angeführten declamation nachzuweisen, Alkibiades habe es verdient 
verbannt zu werden, aber nicht er; er sei kein gegner der demokratie, 
kein 'feind des demos? {μισόδημος). Obgleich also am schlusz dieser 
discussion nicht darüher abgestimmt wurde, wer zu verbannen sei, son- 
dern nur darüber, ob überhaupt scherbenabstimmung: stattfinden solle, 
durch welche der eine oder der andere staatsmann zur verbannung ver- 
urteilt werden könnte, so musten doch schon diese debatten enthüllen, 
gegen wen die eine oder die andere parlei zu stimmen gedenke. Darum 
konnte der redner mit recht. für den fall, wenn ostrakophorie beschlos- 
sen würde, voraussetzen, einer von den dreien werde verbannt werden. 
Und wenn auch jeder Athener das recht halte einen beliebigen namen 
auf seine scherbe zu schreiben, so werden wol die, welche an dem gan- 
zen parteikampf kein interesse fanden, auch an der scherbenabstii 

keinen anteil genommen haben, die übrigen aber natürlich nur den namen 
dessen auf ihre scherben geschrieben haben, den sie und ihre partei am. 
meisten fürchteten und haszten, den sie also auch bei der discussion an- 
gegriffen hatten. 

Gegen die ostrakophorie wird wol gestimmt worden sein, wenn 
eine partei ein entschiedenes übergewieht über die andere hatte, In 
einem solchen fall wird die schwächere keinen angriff auf die stärkere 
versucht haben — in der voraussicht der eignen niederlage. Aber auch die 
stärkere wird alsdann schwerlich ostrakisierung des führers der gegner in 
vorschlag gebracht haben. Sie konnte in solch einem fall gefahr laufen dies 
nicht durchzusetzen. Denn je weniger ihr gegner gefürchtet wurde, desto 
weniger konnte das volk gegen ihn aufgereizt werden und desto schwie- 
riger muste es sein eine massenhafte heteiligung am scherbenvotum zu 
bewirken. Ein solcher erfolgloser kumpf wäre aber für die im moment 
einfluszreichere partei ein unnützer kraftaufwand gewesen, der sie ge- 
schwächt hätte anstatt zu stärken. Im englischen parlament wenigstens 
berücksichtigen die parteien in ähnlichen fällen gar wol diesen gesichts- 
punkt der kraftersparnis. Ein ministerium, das über die opposition ein 
entschiedenes übergewicht hat, braucht kein vertrauensvotum und bringt 
es auch nicht in anregung. Dadurch würde es ja sich selbst ein testimo-, 
mium paupertatis ausstellen. Anderseits wird aber auch'die opposition, - 
sobald sie sich der partei des ministeriums nicht gewachsen fühlt, gegen 
letzteres kein mistrauensvotum in vorschlag bringen, da sie ja für sich 
eine niederlage voraussehen musz. So wird wol auch in Athen die aus- 
übung des scherbenvotums nur dann beschlossen worden sein, wenn zwei 
leidenschaftlich gegen einander ankümpfende parteien sich so ziemlich 
das gleichgewicht hielten ®). 


schworenen, vor einem Ielinstengericht, wobei zeugenverhör u, dgl. 
stattindet, gar wol zu unterscheiden sind von der anklage und der ver- 
theidigung in der ekklexia. 46) Vgl. Grote hist. of Gr. ch. XLVIE 
(vol. VI) s. 25 und die aus Paradys oben anm. 22 angeführten stelleu, — 





des ostrakismos in Athen. 141 


6. ' 

Aber selbst in dem fall, wenn durch die procheiroto- 
nie ostrakophorie beschlossen war, konnte letztere doch 
ganz ohne resultat bleiben. Dieser punkt hängt mit dem gesetz 
über die abstimmung hei einbringung von privilegien zusammen. Da 
hierüber aber zweifel und unklarheit herschen, wird es nicht unnütz sein 
diesen gegenstand einer nochmaligen erörterung zu unterziehen. 

Die Athener unterscheiden bekanntlich gesetzliche bestinnmungen, 
welche die ganze staatsgemeinde betreffen, von solchen welche, wenn sie 
auch für dieselbe nicht unwichtig sein sollten, doch speciell einem einzel- 
nen gliede derselben gelten, einem einzelnen individuum zum vorteil oder 
schaden gereichen. Zu den letztern, die bekanntlich νόμοι ἐπ᾽ ἀνδρέ 
heiszen, gehórt der ostrakismos. Wir werden im folgenden der kürze 
halber dafür den ausdruck privilegium gebrauchen. 

Jene ersteren bestimmungen bekamen gesetzliche geltung, sobald 
es darüber nur in hergebrachter legaler ordnung zur abstimmung kam 
und die majorität sich dafür entschied. Hierbei kam es weder auf die 
zahl derer an, die sich an der abstimmung beteiligten, noch war zur 
gültigkeit des beschlusses irgend ein minimalverhältnis der majorität zur 
minorität erforderlich (etwa % : 146. aller vota). “ἢ 

Denn wenn nach dem unglücklichen ausgang der sikelischen expe- 
dition die oligarchische partei in Athen zur discussion und abstimmung 
über gewisse, den sturz der demokratischen verfassung bezweckende 
vorschläge das volk in den Kolonos Hippios und nicht nach der Pnyx 
oder etwa dem theater beruft, so hat sie dabei freilich, wie Grote) he- 
merkt hat, die absicht zu verhüten, dasz die volksversammlung zu zahl- 
reich werde. Eine grosze volksmasse hätte ja leicht zu sich selber zu- 
trauen fassen und die furcht vor der mit lug und trug intrigierenden, 
durch meuchelmorde terrorisierenden helärie überwinden können. Doch 
konnten wegen des umstandes, dasz nur eine geringe zahl von bürgern 
zur ekklesia zusammen kam, die dort gefaszten beschlüsse wol nicht als 
ungültig betrachtet werden. Wir schlieszen es daraus, dasz damals die 
oligarchen bei der durchführung ihrer pläne den schein eines streng lega- 
leu verfahrens zu wahren suchten. ^) Anderseits wissen wir, dasz rechts- 
gültige wahlen in Athen manchmal durch eine ganz geringe zahl von wäh- 
lern vollzogen wurden.9) Freilich konnte darin ein übelstand liegen. In dem 
erstern so eben erwähnten fall liegt er klar zutage. Anderseits aber wa- 
ren die zur ekklesia nicht gekommenen bürger gewóhnlich selbst an ihrer 
nichtbeteiligung an der debatte und abstimmung schuld, hatten also auch 
kein recht mit den unter solchen umständen durchgegangenen beschlüssen 
unzufrieden zu sein, um so weniger in der zeit, als das ekklesiastikou den 
bürger für die den staatsangelegenheiten gewidmete zeit entschádigte. 


Um die verbannung eines von drei staatsmünnern soll es sich bei der os- 
trakophorie gehandelt haben, durch welche Hyperbolos verbannt wurde. 
Dies wird aber als ein auszergewöhnlicher fall zu betrachten sein. 

47) Aristot. pol. VI 1 und IV 8. 48) a. o. ch. LXII (vol. VIII) s. 
47 f. 40) ebd. s. $0 f. 50) Hermann staatsalt. $ 130, 4. 


142 K. Lugebil: über das wesen und die historische bedeutung 


Anders stand es mit den privilegien. In bezug auf diese musten 
vorkehrungen getroffen werden, dasz nicht durch einen vielleicht ganz 
geringen bruchteil der bürgerschaft, der vielleicht gar durch geld und 
versprechungen bestochen, durch drohungen eingeschüchtert war, gegen 
den wirklichen willen der bürgermajorität einzelnen individuen. entweder 
besondere vorrechte erteilt oder, móglicherweise aus hasz und rachsucht 
einer kleinen coterie, ihre rechte geschmälert oder genommen würden. 

Die corruption sollte nun durch geheime abstimmung unmóglich ge- 
macht werden. Dies steht fest.) Welche vorkehrungen aber noch getrof- 
fen waren, um zu verhindern, dasz beschlüsse über privilegien gefaszt 
würden, die im widerspruch ständen mit der thatsächlichen stimmung 
der meisten staatsbürger, darüber gehen die nachrichten aus dem alter- 
tum zum teil auseinander und in folge davon auch die ansichten neuerer 
gelehrten, so vielfach auch diese frage erórtert worden ist. 

Es ist uns sowol ein allgemeines gesetz über privilegien, 
als auch einige andere über einzelne bestimmte privilegien über- 
liefert. **) . 


51) Auch in den phylenversammlungen war die abstimmung geheim, 
wenn es sich um privilegien handelte, s. C. I. G. nr. 85 mit Bóckhs anm. 
92) Die privilegiengesetze, welche in die reden eingelegt sind, wer- 
den von F. Franke disputatio de legum formulis quae in Demosthenis 
Aristocratea reperiuntur (Meissen 1848) s. 12 f., von A. Westermann 
untersuchungen über die in die attischen redner eingelegten urkundén 
(Leipzig 1850) s. 46 und, wie ich aus dieser letzten schrift ersehe, auch 
von W. Dindorf in der Oxforder ausgabe des Demosthenes besprochen. 
Und zwar streicht Dindorf das ganze gesetz (Dem. XXIV 59); er glaubt 
nemlich, es sei den worten $ 40 entnommen. Der grammatiker hätte 
also, seiner ansicht nach, was hier von einem speciellen privilegiengesets 
gesagt ist, auf das allgemeine übertragen. Wir könnten demnach zwei- 
feln, ob der grammatiker das allgemeine gesetz einer sammlung attischer 
gesetze entnommen habe, aber auch nur zweifeln. Franke und Wes- 
termann verfahren anders. Sie behandeln den ersten teil des gesetzes 
bis ἐὰν μὴ ψηφισαμένων und den zweiten von diesen worten an beson- 
ders. Und zwar hält Westermann jenen ersten teil für echt, weil er mit 
Andok. I 89. Dem. g. Aristokr. 8 86. g. Timokr. 8 188. g. Steph. II 12 
übereinstimme. Franke dagegen hält diesen teil nur für dem inhalt nach - 
richtig, aber der form nach nicht für echt, weil er dem text verschie- 
dener reden entnommen sein könne. Dies allein ist aber kein genligen- 
der grund um den gesetzestext für verdächtig zu halten. — Was.den 
zweiten teil betrifft, so ist Franke der ansicht, das allgemeine privile- 
giengesetz müsse eine solche ausnahme enthalten haben, wie sie in den 
entsprechenden speciellen vorkomme; auch kónne die das allgemeine 
setz betreffende ausnahme dem text einer rede nicht entnommen . 
Doch glaubt er wieder nicht, dasz wir hier den wirklichen textlaut des 
gesetzes hätten: * neque (haec exceptio) ex ipso legum aliquo exemplari 
sumpta, sie enim fieri non poterat quin eadem esset in utraque formula? 
(sc. Andoc. I 87 et Dem. XXIV 59). Diese schwierigkeit beseitigt aber 
die sinnreiche vermutung Bóckhs, dasz das erste gesetz aus der vor- 
eukleidischen zeit stamme, das zweite das Eukleidische sel. (Woher 
Franke wisse, dasz das ganze gesetz erst aus der zeit des Andokides 
stamme, darüber hat er sich nicht ausgesprochen.) Ist nun die von 
Franke erwühnte schwierigkeit durch erklürung beseitigt, so bleibt die 


, 


des ostrakismos in Athen. 143 


Und zwar ist uns das allgemeine gesetz, das wir zuerst zu bespre- : 
chen haben, nach Bóckhs scharfsinniger und gewis richtiger bemerkung 


möglichkeit, dasz diese gesetze die wirklichen attischen gesetze sind. 
Weshalb sollten wir daran noch zweifeln? — Doch hören wir hierüber 
auch Westermann. Er nimmt an, das wirkliche gesetz habe eine solche 
susnahme (exceptio) gar nicht gehabt. Wenn er den zusatz übrigens 
schon deshalb für der unechtheit verdächtig erklärt, weil Dem. g. Ti- 
mokr. 8 59 mit dem ersten teil nicht im zusammenhang stehe, sondern 
gewissermaszen in der luft schwebe, so bedarf diese bemerkung gar 
keiner ernstlichen widerlegung. Wenn wir alle mehr oder weniger ver- 
derbten texte für unecht erklären wollten, so hätten wir gar vieles zu 
verwerfen, was niemandem für unecht zu halten einfällt. Auch hat ja 
schon Petit die stelle verbessert, und durch diese, jetzt wol allgemein 
gebilligte verbesserung wird der text des ganzen gesetzes nicht nur in 
einen *erträglichen zusammenhang? gebracht, wie sich Westermann aus- 
drückt, sondern der fehler im text vollkommen beseitigt. Jedoch 
anf diese seine bemerkung legt wol Westermann selbst kein gewicht. 
Macht er doch noch andere, gewichtigere einwendungen gegen die echt- 
heit des zweiten teils: er werde nie im text der reden erwähnt, 
Wäre er nun einmal erwähnt, so hiesze es, er sei dem text entnommen 
und darum würde seine echtheit angezweifelt werden. Hier geschieht 
es aus dem entgegengesetzten grunde. Dies verfahren scheint mir hy- 
perkritisch — bis zur unkritik. .Ist doch die erwähnte schwierigkeit 
schon von Schómann de comitiis Atheniensium s. 275 (vgl. unten s. 
148 f.) durch erklärung beseitigt. — Dasz aber die exceptio gerade im 
text der Timocratea nicht erwähnt wird, darin sieht Westermann einen 
ganz besondern grund um an ihrer echtbeit zu zweifeln. ‘Wäre das ein- 
. bringen eines solchen gesetzes, wie der zusatz besagt, in dem einen fall 
zulässig gewesen, dasz dafür zuvor die einwilligung von 6000 bürgern 
mittelst geheimer abstimmung eingeholt wurde, wie hätte Demosthenes, 
der doch von vorn herein alles aufbietet, um den beweis zu führen, 
dasz das gesetz des Timokrates formell unzulüssig sei, dies mit still- 
schweigen übergeben können? Es war dem Timokrates nicht eingefallen 
jene vorläufige einwilligung einzuholen, sondern er hatte seinen antrag 
gleich vor die nomotheten gebracht: er war also, abgesehen von der 
nichterfüllung aller übrigen vorgeschriebenen formalitäten, schon in die- 
ser beziehung straffüllig. Es ist kaum denkbar, dasz Demosthenes ein 
so schlagendes argument sich habe entgehen lassen, wenn es wirklich 
im recht begründet war, wie er denn auch nicht ermangelt hat in dem 
ganz analogen fall p. 715 8 46 ff. dasselbe wacker auszubeuten.' — Eben 
weil er kurz vorher einen ganz analogen fall wacker ausgebeutet hatte, 
durfte er nicht bald darauf dasselbe thun, um seine zuhörer nicht zu 
langweilen. Ferner: ist es auch nur denkbar, dasz in einzelnem 
fällen das einbringen von privilegien gestattet war, das 
allgemeine gesetz aber es vollständig und ausnahmslos 
verbot? Wir halten vielmehr mit Franke fest, solch eine ausnahme 
müsse im allgemeinen gesetz gleichfalls enthalten gewesen sein. Es könnte 
höchstens daran gezweifelt werden, ob dieselbe darin ebenso gelautet 
habe wie in den uns erhaltenen gesetzesformeln. Aber weder Franke 
noch Westermann haben irgend einen genügenden grund angeführt, der 
uns zu solchem zweifel berechtigte. — Dasz von den allgemeinen 
gesetzen das bei Dem. XXIV 59 das Eukleidische ist, sieht man aus 
dessen übereinstimmung mit $ 188. Diese fassung gehörte eigentlich 
auch in die rede von den mysterien; nur aus versehen ist dort die vor- 
eukleidische fassung aufgenommen. 


144. K. Lugebil: über das wesen und die historische bedeutung 


in einer doppelten fassung erhalten, im einer voreukleidischen und in 
einer Eukleidischen. Der wortlaut ist in beiden etwas verschieden, der 
inhalt derselbe. Nach der frühern fassung lautet das gesetz (Audok. vil. 
myst. $ 87): μηδὲ ἐπ᾽ ἀνδρὶ νόμον ἐξεῖναι ϑεῖναι, ἐὰν μὴ τὸν 
ἐπὶ πᾶσιν ᾿Αϑηναίοις, ἐὰν μὴ ἑξακισχιλίοις δόξῃ κρύβδην 
vorg: nach der spätern (Dem. XXIV 59): μηδὲ vónov . ἐξεῖναι Em 
uiri, ἐὰν μὴ τὸν αὐτὸν ἐπὶ πᾶσιν ᾿Αϑηναίοις τιθῇ, ἐὰν μὴ ψηφε- 
σαμένων μὴ ἔλαττον͵ ἑξακισχιλίων, οἷς dv δόξῃ κρύ ψηφιξομένοις, 
Dies gesetz wird nun verschieden ausgelegt. Die einen sind der ansicht, 
es enthalte die bestimmung , dasz die abstimmung über ein privilegium. 
mur in dem fall gültig sei, wenn wenigstens 6000 vota abgegeben wer- 
den; andere dagegen, dasz ein privilegium nur dann gesetzeskraft er- 
lange, wenn es mit einer relativen majorität von wenigstens 6000 stim- 
men durchgehe. Die erstere ansicht, welche jetzt ziemlich allgemein ver- 
worfen zu werden scheint, doch aber von Clinton®), Waelismuth ^P), de 
Neve Moll*) festgehalten wird, ist unzweifelhaft die einzig richtige. 
Böckh, der anfangs gleichfalls diese ansicht geteilt, vertritt in der neuen 
ausgabe der staatshaushaltung der Athener die andere; 1 s. 325 f. sagt er 
darüber unter anderm: * in bezug auf die sicherheit [d. b. ἄδεια zur ein- 
bringung eines staatsschuldner und ἄτεμοι betreffenden antrags] 
das gesetz bei Demosthenes (g. Timokr. s. 715, 3, vgl. die worte 
redners s. 715, 15) ausdrücklich, sie kónue nicht beschlossen werden, 
wenn nicht wenigstens 6000 Athener abstimmten, und zwar verhorgen 
und zustimmend (ἐὰν μὴ ψηφισαμένων ᾿Αϑηναίων μὴ ἔλαττον É&e- 
πισχιλίων, οἷς “ἂν δόξῃ κρύβδην ψηφιξομένοις). Demosthenes selber 
drückt dies aber im folgenden kürzer so aus: «es müsten nicht 
als sechstausend stimmen», weil man naeh dem gesetze. schon wuste, wie 
dies zu nehmen sei.” Böckh betont hier die worte οἷς dv δόξῃ und über 
setzt δοκεῖν durch zustimmen. Aber schon die übersetzung des ge- 
setzes musz zweifel an der richtigkeit seiner auffassung desselben 
Nach worten wie diese: die sicherheit könne nicht beschlossen werden, 
wenn nicht wenigstens 6000 abstimmten?, erwartet man gewis eher alles 
andere als die nähere bestimmung *und zwar zustimmend’; man sollte 
doch glauben, ein teil werde dafür, der andere dawider stimmen. Ferner 
spricht gegen Böcklıs auffassung der umstand, das im text der rede bei 
anführung dieses gesetzes der nebensatz οἷς dv δόξῃ κρύβδην ψήφιξο- 
μένοις ganz fehlt. Nun lag es aber im interesse des a 
heben, dasz der gesetzgeber die erteilung des.bürgerrechts mi 
erschwert habe. Das gróste hindernis aber bei der dnrehbringung 
solchen antrags muste die bestimmung verursachen, welche nach E. 
in den worten οἷς dv δόξῃ liegen soll: Wäre es nun nicht die grüste 
taktlosigkeit von seiten des redners, nur den teil des gesetzes den zu- 
hórern nochmals vorzuführen, auf den er selbst weniger gewicht legte, 
und es ihnen zu überlassen, sich den wichtigern teil ins gedächtnis zu- 
53) Fasti Helleniei s. 3908 c der bearb. von Krüger. 54) bell. 


altert. 1 s. 545 anm, 23. 55) de peregrinorum apud Atlıenienses con- 
dicione (Dordrecht 1839) s, 34 f. 


des ostrakismos in Athen. 145 


rückzurufen? dessen sie sich freilich noch erinnern konnten, da ihnen 
kurz vurher das ganze gesetz vorgelesen war. llieraus schlieszen wir, 
dasz auf οἷς «v δόξῃ keineswegs der ton zu legen ist. Er fällt vielmehr 
auf die übrigen worte des nebensatzes: κρύβδην ψηφιξομένοις. Weil 
beim privilegium persönliche and nicht blosz allgemeine interessen im 
spiel sind, soll geheime ahstimmung jeder heeinflussung der ciuzelnen 
bürger durch versprechungen oder bestechungen, durch drohungen und 
einschüchterungen vorheugen. Oder sollte neben den worten κρυβὸὴν 

ψηφιξομένοις auch noch δόξῃ betont werden? Alsdann wäre aber das 
gesetz hesser ausgedrückt, wenn es darin hiesze: οἷς «v δόξῃ καὶ 
ταῦτα κρυβδην ψηφιξομένοις. aus demselben grunde aus welchem 
Bóckh ühersetzt: “und zwar verborgen und zustinmend?. Doch ange- 
nommen, es könne auf do&n der ton „liegen, so kann es doch nicht die 
bedeutung zustimmen haben. οἷς ἂν δόξῃ heiszt doch offenbar ‘die 
es beschlieszen? ganz allgemein; darin liegt aher keineswegs der 
sinn, dasz die erwähnten 6000 Athener in einem sinne voliert haben 
müssen Es kommt ja doch nur auf das votam der majorität an (s. oben 
anm. 47); was diese billigt, wird eo ipso zum beschlusz der ganzen ver- 
sammlung. Und wie ἔδοξε τῷ δήμῳ bedeutet: der demos hat den 
beschlusz gefaszt, ohne rücksicht darauf, ob die eingebrachte bill 
einstimmig angenommen worden ist oder nur eine ganz geringe majoritit 
für sich gehabt hat, so besagen worte wie Adnvolov οὐκ ἔλαττον ἔξα- 
κισχιλίων ψηφισαμένων ἔδοξεν (αὐτοῖς) nicht mehr und nicht weniger 
als: *in einer volksversammlung, an der sich nicht weniger als 6000 
Athener beteiligten, ist der und der antrag zum beschlusz, "zum gesetz 
erhoben worden. Dasz die opponierende minorität mit zu denen ge- 
rechnet wird, welche den beschlusz fassen, erhellt ganz klar aus Lysias 
XII 75, wo er von der ekklesia spricht , in welcher die einsetzung der 
dreiszig beschlossen wurde: τῶν δ᾽ ἐν τῇ ἐκκλησίᾳ c ὅσοι ἄνδρες ἀγαϑοὶ 
ἧσαν, γνόντες τὴν παρασκευὴν καὶ τὴν ἀνάγκην; οἵ μὲν αὐτοῦ μένον- 
τες ἡσυχίαν ον, οἵ δ᾽ ὥχοντο ἀπιόντες. τοῦτο γοῦν σφίσιν αὐτοῖς 
συνειδότες, ὅτι οὐδὲν κακὸν τῇ πόλει ἐψηφίσαντο. Wenn sie 
sich also an der fernern berathung und an der abstimmung selbst im 
oppositionellen sinn beteiligt, hátte man sie mit zu denen rechnen kón- 
nen, welche κακόν τι τῇ πόλει ἐψηφίσαντο. Dazu kommt noch folgendes 
bedenken. Wenn die worte des gesetzes: ᾿Αϑηναίων un ἔλαττον Eaxıc- 
χιλίων ψηφισαμένων οἷς ἂν δόξῃ κρύβδην ψηφιξομένοις die zustim- 
mung zum gesetzesantrag von seiten der majorität von 6000 stimmen be- 
sagen sollten, so müste die verbindlichkeit geheimer abstimmung auch 
nur für diese majoritàt und nicht für alle votierenden gelten. Denn das 
subject zu κρύβδην ψηφίξεσϑαι sind die angegebenen 6000 Athener, 
nicht die Athener schlechthin. Daher übersetze ich das gesetz folgen- 
dermaszen: *ein privilegium ist nur dann zulässig, wenn es bei ge- 
heimer abstimmung beschlossen wird und wenigstens 
sechstausend Athener sich an der abstimmung beteiligen.’ 
Bei dieser auffassung desselben fällt auch die schwierigkeit weg, welche 
wir oben angedeutet, zu erklären, warum im lext der rede der ganze 


Jahrb. f. class. Philol. Suppl. Bd. IV. Lift. 1. 10 


[16  K.Lugebil: über das wesen und die historische bedeutung 


nebensatz οἷς &v . . ψηφιξομένοις,, wie das in solchen fällen auch sonst 
geschehen ist, wegfallen konnte. Es war ja gewis nicht. sowol die for- 
malität geheimer abstimmung, eine so wichtige garantie der gleichheit 
aller hürger vor dem gesetz sie auch enthielt, was der durchbringung 
eines privilegiums das gróste hindernis in den weg legte, als vielmehr 
die bestimmung, dasz nur eine zahlreiche versammlung darüber ent- 
scheiden konnte. Darum hielt es der redner nicht für nóthig die zubórer 
an einen für ihn weit weniger wichtigen punkt, an die nothwendigkeit 
geheimer abstimmung zu erinnern. Denn diese bestimmung ist das ein- 
zige neue, welches der nebensatz οἷς &v . . ψηφιξομένοις enthält. 

Wir gehen zu den speciellen gesetzen über privilegien über. Von 
dem die ἄδεια betreffenden ist schon die rede gewesen. Ueber dasjenige, 
welches sich auf erteilung des bürgerrechts bezieht, berichtet der redner 
gegen Neära (89): ἔπειτ᾽ ἐπειδὰν πεισϑῇ 0 δῆμος xal δῷ τὴν δωρεάν 
(ΞΞ τὴν πολιτείαν), οὐκ ἐᾷ κυρίαν γενέσϑαι τὴν ποίησιν, ἂν μὴ τῇ 
ψήφῳ εἰς τὴν ἐπιοῦσαν ἐκκλησίαν ὑπερεξακισχίλιοι ᾿4ϑηναίων nA 
σωνται κρύβδην ψηφιζόμενοι. Mögen diese worte auch nicht gut ab- 
gefaszt sein, su besagen sie doch offenbar nichts anderes als die oben 
besprochenen gesetze. **) 

Stimmt dazu aber die bestimmung über den ostrakismos, kam auch 
hier derselbe grundsatz zur geltung? — Plutarch sagt ausdrücklich 
(Arist. 7): die archonten zählten nach schlusz der scherbenabstimmung 
zuerst die ganze masse der scherben zusammen: denn wenn die zahl der 
votierenden (o£ γράψαντες) weniger als 6000 betrug, so war die abstim- 
mung ungültig (ἀτελής). Daun sonderten sie die scherben nach den 
auf denselben geschriebenen namen und lieszen den herold den namen, 
der auf den meisten scherben stand, ausrufen und erklären, der mann 
sei auf zehn jahre verbannt.5) Dieser angabe scheint Philochoros zu 
widersprechen, und seiner aussage müsten wir mehr trauen, wenn es 
nicht wahrscheinlich wäre, dasz Plutarch hier eine gute quelle, Theo- 
plhrast περὶ νόμων benutzt habe.) Auch ist Plutarchs angabe sehr be- 





90) Bóckh meint freilich: *wenn der redner sagt, die erteilung des 
bürgerrechtes sei nicht gültig, wenn nicht über 6000 bürger verborgen 
gestimmt hätten, so sind nach derselben ausdrncksweise [wie nach Bóckh 
in dem gesetz über die sicherheit] bejahende stimmen zu . verstehen.’ 
Ich folgere vielmehr aus dieser stelle, dasz die worte olg ἂν δόξῃ in 
dem oben besprochenen satz nichts neues ins gesetz bringen und keinen 
ton haben; sonst würden sie auch hier nicht fehlen können. Rich 
ist, was Dóckh weiter sagt, mutatis mutandis: 'sagt er (der redner gegen 
Néara) «über 6000» statt «6000», so wird man hierüber nicht rechten 
wollen, da doch nicht leicht gerade rund 6000 bejahende stimmen [d. h. 
blosz: stimmen] sich gewóhnlich werden gefunden haben.’— Gans rich- 
tir und recht klar bespricht diese gesetzesbestimmungen schon Paradys 
e. 2 8 Ὁ. 57) Diod. Sie. XI 55 à δ᾽ ἂν ὄστρακα πλείω γένηται, 
pinysiv ἐκ τῆς πατρίδος ἐτέτακτο πενταετῆ χρόνον. Auf diese stelle 
leze ich übrigens kein gewicht, weil Diodor hier jedenfalls aus der fünf- 
Jährigen dauer des syrakusischen petalismos auf ebenso lange dauer 
des attischen ostrakismos geschlossen hat, s. Wesseling zu d. st. Ueber 
die stelle Plutarchs vgl’unten den excurs. 58) Meier im Hallesehen pro- 


des ostrakismos in Athen. 147 


stimmt und genau. Die des Philochoros dagegen kennen wir wol nur 
aus einem auszug oder vielmehr aus zwei auszügen, von denen der eine) 
in bezug auf die uns jetzt beschäftigende frage vollständiger als der an- 
dere), deren beider text aber keineswegs fehlerfrei ist. Entscheidend 
für diese frage ist aber die bemerkung Bóckhs, mit dem Grote und Schó- 
mann übereinstimmen, dasz die speciellen gesetze über privilegien aus 
dem allgemeinen abgeleitet sind, also mit ihm auch nicht in widerspruch 
stehen kónnen. Plutarchs angabe ist daher ohne zweifel 
richtig. Doch auch Philochoros, der *in denjenigen dingen, wovon 
man geschichtlich überhaupt etwas wissen konnte? — und dazu gehört 
der ostrakismos jedenfalls — *sogar, in wiefern ein mensch untrüglich 
heiszen kann, wirklich das gepräge der unfehlbarkeit zu tragen scheint? 
(Bóckh), auch Philochoros wird wol nichts anderes gemeldet haben als 
Plutarch. ἀρυϑμηϑέντων δέ, heiszt es im Aristoph. scholion, und bei 
Philemon, (nemlich τῶν ὀστράκων) ᾧ ᾧ 5) πλεῖστα γένοιτο καὶ μὴ ἐλάττω 
ἑξακισχιλέων, τοῦτον ἔδει ἐν δέκα ἡμέραις ἐκ τῆς πόλεως μεταστῆναι" 

εἰ δὲ μὴ γένοιτο; οὐ μεϑίστατο. ἢ Die stelle wird gewöhnlich, 

wie es scheint, so aufgefaszt, als ob einerseits ᾧ auch von μὴ ἐλάττω 
ἑξακισχιλίων (sc. γένοιτο) abhänge, anderseits im bedingungssatz εἰ δὲ 
μὴ γένοιτο ---- αὐτῷ hinzuzudenken sei: d. h. wenn die scherben gezählt 
waren, so muste derjenige, gegen den die meisten derselben und zwar 
nicht weniger als 6000 abgegeben waren, das land verlassen; wenn 
aber die zahl der scherben, die seinen namen trugen, we- 
niger als 6000 betrug, so wurde er nicht flüchtig. Gegen 
diese auffassung des scholion erheben sich jedoch folgende bedenken. 
Aus den worten ᾧ πλεῖστα γένοιτο ersieht man, Philochoros habe es 
wol gewust, dasz es sich beim ostrakismos jedesmal nicht um das schick- 
sal éines mannes schlechthin, sondern um das éines unter mehreren ge- 
handelt habe. In diesem fall aber war es natürlicher zu sagen: wenn 
gegen niemand so viel scherben abgegeben waren, so 
wurde auch niemand flüchtig, oder: so war die scherben- 
abstimmung ungültig (εἶ δὲ μηδενὶ γένοιτο [sc. ἑξακισχίλια], 
οὐδεὶς μεθίστατο oder ἀτελὴς ἦν ὁ εὐστρακισμός) Auszerdem ist es 
auffallend, dasz es hier nicht einfach ᾧ μὴ ἐλάττω ἑξακισχιλέων γένοιτο, 
sondern ᾧ πλεῖστα γένοιτο καὶ μὴ ἐλάττω ἑξακισχιλίων heiszt. Die 
doppelte bestimnung: gegen wen sich die majoritit und zwar eine 
majorität von wenigstens 6000 ausspricht, wäre nur dann nóthig und 
natürlich, sobald man sich den fall denken kónnte, dasz gegen mehr als 


gramm 1835/36 s. VIII. 59) Schol. zu Aristoph. rittern 855; vgl. Phile- 
mon lex. techn. u. ὀστρακίνδα. 60) lex. rhet. Cant. u. ὀστρακισμοῦ 
τρύπος. 61) cod. ὧν: im lex. rhet. Cant. ὅτε, was Meier in ὅτῳ ge- 
ändert hat. 62) εἰ δὲ μὴ. . μεθίστατο fehlt im lex. rhet. Cant. Bei 
dieser gelegenheit sei es gestattet einen fehler in diesem scholion zu 
verbessern. In den hss. liest man: προεχειροτόνει ὁ δῆμος ὄστρακον 
εἰσφέρων καὶ ὅταν δόξῃ. Schómann verbessert εἰσφέρειν. Ich 
glaube, zwischen δῆμος und ὄστρακον sind die worte εἰ δοκεῖ τὸ ausge- 
fallen und darauf erst aus εἰ σφέρειν mit rücksicht auf ὁ δῆμος — 
εἰσφέρων gemacht worden. vgl. lex. rhet. Cant. 
10* 


148 K.Lugebil: über das wesen und die historische bedeutung 


einen staatsmann mehr als 6000 manm vötierten. Dasz dies aber nicht 
gut jemals zu erwarten stand, soll alsbald nachgewiesen werden. Diese 
bedenken schwinden aber, sobald man sich die worte xal μὴ ἐλάττω 
nicht sowol als relativen nebensatz denn als freilich anakoluthen haupt- 
satz aullaszt, wie ja solche anakolutha in den alten sprachen ganz ge- 
wöhnlich sind, Ich brauche nur an den fall zu erinnern, wo man zwei 
einander beigeordnete relativsülze erwartet, in denen aber das relativum. 
in verschiedenen casus hätte stehen müssen, und wo der zweite relativ- 
satz in einen hauptsatz verwandelt wird. In unserer stelle aber steht 
der satz xol μὴ ἐλάττω ξξακισχιλίων (sc. γίγνονται) nicht an der stelle 
eines relativen, sondern eines hypothetischen nebensätzes, und entspricht 
der protasis des folgenden satzes: εἰ δὲ μὴ γένοιτο, Das ganze aber be- 
deutet so viel als wenn dastände: ἀριθμηϑέντων δὲ ὦ πλεῖστα γένοιτο 
καὶ (ci) μὴ ἐλάττω ξξακισχιλέων (se. τὰ σύμπαντα γένοιτο), τοῦτον Eder. 
xxl, εἰ δὲ μὴ γένοιτο (se. ξξακισχίλια τὰ σύμπαντα), οὐ μεθίστατο (sc. 
ᾧ πλεῖστα γένοιτο): "derjenige, gegen den die majoritàt gestimmt, muste 
das land verlassen, sobald (im ganzen) nieht weniger als 6000 scherben 
abgegehen waren; waren weniger abgegeben, so wurde er nicht Nüch- 
tig? Diese erklärung hat freilich den anschein gezwungen zu sein; die 
schuld liegt aber nicht sowol an meiner auffassung als an der schlechten 
und verwirrten darstellung des epitomators. Bemerkt doch schon Para- 
. dys"), diese worte könnten im sinne der angaben Plularchs und Dio- 
dors gefaszt werden. Was mum die artikel im Etym. M. und in Timäos 
lex. Plat. (n. ἐξοστρακεσμός) betrifft, so nennt Böckh (staatsh. I s. 325) 
sie zweileutig; mir scheint aber die auffassung derselben viel ungezwun- 
gener, nach welcher bei ihnen die 6000 scherben als die summe aller 
vota und nicht als die blosze majorität betrachtet werden." So bleibt 
allein Pollux (VIN 19) übrig, der entschieden für die von mir bekàmpfte 
auffassung sprieht. Zu seinem irtum konnte er aber wol durch so ver- 
wirrle angaben wie die des epitomators des Philochoros veranlaszt 
werden. ἢ Ὅν 
Die bestimmung, dasz zur gültigkeit eines privilegiums die beteili- 
gung von 6000 Athenern an der abstimmung nöthig war, passt i 
nicht zu der von Böckh angenommenen durehschnittlichen frequenz der 
ekklesía. Wenn diese, wie Böckh (a. o. 1s. 324 If.) annimmt, un, 
8000 betrug, so wurde die durehbringung eines privilegiums durch die 
gesetzliche bestimmung, dasz zur gültigkeit der abstimmung 6000 vota. 
erforderlich seien, durchaus nicht ersehwert. Nun hat aber Sehómann. 
(de com. Ath. s. 275) die bemerkung gemacht, dasz die redner manchmal 
die im gesetz enthaltene bedingung ἐὰν μὴ ψηφισαμένων μὴ ἔλαττον 
ἑξακισχιλίων οἷς ἂν ὀύξῃ κρύβδην ψηφιξομένοις ganz unberücksichtigt 











63) e. 2 $ 0: *dubin quodam modo censeantur, quamvis ex Plutarehi 
et Diodori sententia eommode possint accipi, verba seholiastue Aristoph. 
eqnitt. v. 855° 64) Etym, Με... ἑξακεσχιλέων δὲ γενομένων 
(τῶν ὀστράκων) φυγὴ δεκαετὴς Ψηφίξεται τοῦ κρινομένου.  Timiost 
τούτων δὲ (sc. τῶν ὑαστράκων) ὑπὲρ ἐξακισχίλια γενομένων φυγὴ δεαξ. 
τὴς Unpitere« τοῦ κρινομένου: 3 








des ostrakismos in Athen. 149 


lassen und demnach die sache so darzustellen scheinen, als ob der an- 
trag von privilegien unbedingt verboten wäre. Und er erklärt diesen um- 
stand ganz richtig daraus, dasz es schwer seiu muste der bedingung, 
unter welcher eine abstimmung über privilegien entscheidend war, zu 
genügen. Das würe aber nicht der fall, wenn sich durchschnittlich gegen 
8000 bürger an den volksversammlungen beteiligten. 

Eine so starke durchschnittliche frequenz derselben scheint mir 
aber auch aus andern gründen sehr unwahrscheinlich. Je nachdem man 
die zahl der stimmberechtigten attischen bürger gegen 20000 oder 30000 
annimmt, hätte es zur gültigkeit eines privilegiums nach meiner erklä- 
rung dieser geselze der beteiliguug von mehr als !/, oder wenigstens !/, 
derselben an der abstimmung bedurft. Nach der gewöhnlichen auffassung 
der νόμοι ἐπ᾽ ἀνδρί hätte die beteiligung an der abstimmung eine noch 
bedeutend stärkere sein müssen. Nun kann die neuste zeit freilich bei- 
spiele von unverhältnismäszig stärkerer beteiligung an einzelnen meetings 
und wahlen aufweisen. Als z. b. im anfang dieses jahrs in Savoyen die 
agitation für den anschlusz dieses landes an Frankreich begann uud in 
Frankreich, um weitere politische maszregeln anzubahnen, die meinung 
verbreitet wurde, die Savoyarden wünschten nichts sehnlicher als in der 
‘groszen ualion? aufzugehen, fand in Chambéry eine versammlung mit 
antifranzösischer tendenz statt, zu welcher sich nach des deputierten 
Costa di Beauregard vielleicht etwas parteiischer und übertriebener an- 
gabe in einem an die Indépendance Belge gerichteten schreiben !/, der 
bevölkerung von Chambéry eingefunden haben soll. Schlägt man nun die 
zahl der stimmberechtigten attischen bürger auf 20000 an, so sind 6000 
etwa !/4, aller bürger (frauen und kinder eingeschlossen)®); schlägt man 
die zahl jener gar auf 30000 an, so sind 6000 nicht einmal !/,, aller bür- 
ger.) Hieraus könnte man vielleicht schlieszen, Böckh habe nicht un- 
recht die durchschnittliche frequenz der ekklesia auf 8000 mann anzu- 
schlagen, die zahl sei nicht zu hoch gegriffen. 

Es scheint mir jedoch solch ein schlusz von den neueren ıncetings 
ganz unberechtigt. Kämen diese ebenso häufig vor wie die volksver- 
sammlungen in Athen, deren es im jahr nach Böckhs annalıme durch- 
schnittlich gegen 50 gab, so würden jene natürlich iu demselben ver- 
hältnis auch weniger stark besucht werden. Man bedenke aber, dasz es 
“in Attika auszer den eigentlichen volksversammlungeu (ἐκκλησίαι) noch 
besondere versammlungen der phylen (@yogai) und demen gab, und dasz 
dort alljährlich 6000 Athener als geschworene beschäftigt waren. Auszer- 
dem müssen wir vorausselzen, dasz auf dem meeting zu Chambéry sich 
hauptsächlich bewohner dieser stadt und umgegend versammelten; in 
bezug auf Athen aber nahmen wir nicht blosz das verhältnis der bürger- 
zahl, die zur ekklesia kameu, zu der einwohnerzahl von Athen, sondern 
zu der zahl der bürger von ganz Attika, die im laude zerstreut waren. 
Da nun aber, was von dem meeting von Chambéry gilt, so ziemlich von 


65) Diese alle zusammen müsten 20000 x 414. = 00000 betragen. 
66) — 135000. 


150  K.Lugebil: über das wesen und die historische bedeutung 


allen neueren volksversammlungen gesagt werden kann, so ersieht man, 
wie mislich es ist von der frequenz derselben auf die frequenz der atti- 
schen volksversammlung zu schlieszen. Somit wäre ein punkt beseitigt, 
den Böckh zur erläuterung und bekräftigung seiner ansicht anführen 
könnte. Freilich ist hiermit die unrichtigkeit seiner annahme keineswegs 
bewiesen, Folgende betrachtungen jedoch möchten genügen zu zeigen, 
dasz. sie nicht richtig sein kann. 

Zu den ordentlichen versammlungen, zu denen das volk nicht be- 
sonders berufen zu werden pflegte und welche in gewöhnlichen zeiten 
gewis bedeutend zahlreicher waren") als die auszerordentlichen, wird 
die stadt sicherlich nicht blosz ein relativ, sondern auch ein absolnt grö- 
szeres contingent geliefert haben als das übrige land. Scheint doch der 
grammatiker Ammonios die sache so darzustellen, als seien die ordent- 
lichen ekklesien nur versammlungen der in der stadt. wohnenden bürger 
gewesen,*) Zu allen volksversammlungen also, den ordentlichen sowol 
als den auszerordentlichen, wird die stadt durchschnittlich 
schwerlich ein geringeres eontingent gestellt haben als 
das ganze übrige Attika. Diese verhältnismäszig geringe beteiligung 
an den ekklesien von seiten derer die wicht in der stadt wohnten wird 
wol mit ein hauptgrund gewesen sein, warum Kleisthenes die stadtde- 
men — was nach H. Sauppes untersuchungen keinem zweifel unterliegen 
kann — unter alle zehm phylen verteilt hat.) So hatte nemlich, ‚wenn 
‚auch viele attische bürger, die nicht in der stadt oder in der nähe der- 
selben wohnten, sich an den meisten versammlungen nicht beteiligten, 
jede phyle wenigstens an den mitgliedern eines demos, um mich so aus- 
zudrücken, ilire vertreter auf denselben. 

Nun wird die bevölkerung von Athen zwischen 120—192000 ange- 
nommen. Und zwar berechnet sie Clinton folgendermaszen. ”) *Aus 
Xenophon (Hell. II 3, 24)”') wissen wir dasz Athen mehr als 10000 häuser 
gehabt hat. In London kommen auf éin haus 755, in Paris ehemals 
25 bewohner. Rechnet man nun auf die häuser in Athen die hälfte, also 
12 bewohner, so kommt man zu dem resultat, Athen habe 120000 ein- 
wohner gezählt” Doch wollen wir, so viel wahrscheinlichkeit auch 
Clintons berechnung für sich hat, die gröstmögliche hevölkerungszahl, 
nach Leake”) 192000 einwohner annehmen. Da Xenophon von mehr als 


67) Vgl. Böckh staatsh. I 8, 326. 68) Ammonios u, ἐκκλησία 
5.47 Valck, ἐκκλησίαν μὲν ἔλεγον of Mer τὴν σύνοδον τῶν κατὰ 
τὴν πόλιν" κατάκλησιν δὲ ὁπότε καὶ τοὺς ἐκ τῶν ἀγρῶν συνεχάλουν πιρὸς 
ἐπίσκεψιν μείζονα τῶν πραγμάτων. 69) Einen andern grund für diese 
einteilung g gibt Sauppe selbst an, de demis urbanis Athenarum (Weimar 
1846) s. 20, Εἰ MAN aber wol beide gesichtspunkte für Kleisthenes 
maszgebend gew 70) Fasti Hell. s. 403 f. der bearb. von 
Krü 11) Vielmehr 4 denkw. d. Bokr. III 6,14; vgl. Böckh staatsh, 

72) topographie von Athen 2e ausg. übers. von Baiter und. 
Sauppe s. 405. Leake geht bei dieser berechnung nicht von der häuser- 
zahl aus, und seine berechnung scheint mir überhaupt falsch zu sein. 
Da jedoch niemand, so viel ich weisz, eine gröszere einwohnerzahl an- 
nimmt als er, so will ich seine annalune zugrunde legen. Vgl. Böckh 














des ostrakismos iu Athen. 151 


10000 häusern spricht und Leake demnach deren 12000 rechnet, so kom- 
men auf éin haus 16 bewohner ; und mehr darf man gewis nicht anneh- 
men, wenn man die angabe des Dikàarchos?) berücksichtigt, die mei- 
sten häuser von Athen seien von geringem werth, also jedenfalls auch 
klein gewesen. 

Ferner wird wol die annahme gestattet sein, die zahl der bür- 
gerin der stadt werde zu der im ganzen lande ungefähr in 
demselben verhältnis gestanden haben wie die zahl aller 
einwohner von Athen zu der aller bewohner Attikas. Frei- 
lich arbeitete bekanntlich eine sehr grosze anzahl von sklaven in den 
Laurischen bergwerken, und in diesem gebiet musz also die zahl der 
bürger verhältnismäszig sehr klein gewesen sein. Anderseits aber haben 
wol auch die in Athen befindlichen fabriken eine grosze anzalıl von sklà- 
ven beschäftigt, und die metóken, denen es nicht erlaubt war grund- 
eigentum zu erwerben und die daher meist handel und gewerbe trieben, 
werden gewis gróstenteils in Athen oder im Peiräeus gewohnt haben. 
Auch ersehen wir aus Thuk. Il 14, dasz — wenigstens vor dem Archida- 
mischen kriege — die masse der Athener gewohnt war ihr ganzes leben 
auf dem lande zuzubringen. Und dazu stimmt auch, was Isokrates von 
der ersten hälfte des fünften jahrhunderts sagt (Areopag. 52), damals seien 
die wohnungen und sonstigen bauten auf dem lande schóner und kost- 
barer gewesen als in der stadt. Ist nun das oben angegebene verhältnis 
ungefähr richtig, so kommen auf Athen 7680—9000 stimmfähige bürger."*) 

Nimmt man nun an, es habe die stadt kein geringeres contingent 
zu den ekklesien gestellt als das übrige Attika, und schlägt man die 
durchschnittliche frequenz derselben auf 8000 bürger an, so müste sich 
durchschnittlich an jeder volksversammlung ungefähr 
die hälfte aller inder stadt ansässigen stimmfähigen atti- 
schen bürger beteiligt haben. Ist das aber denkbar, da so viele 
Athener noch bei den gerichten zugegen waren und sie auszer den ek- 
klesien noch andere versammlungen wie die der phylen und demen zu 
besuchen hatten ?”®) 

Nach dieser berechnung, die freilich nicht auf sichern daten fusst, 
erscheint die grosze von Böckh angenommene durchschnittliche frequenz 
der ekklesia als unhaltbar. Aber auch abgesehen von diesen berechnun- 
gen fällt Böckhs annahme zugleich mit seiner auffassung der privilegien- 
gesetze. Nur deshalb, weil er voraussetzte dasz dieselben eine majoritàt 
von 6000 stimmen verlangten, wenn eine abstimmung über solche an- 


a. 0. I s. 57 f. 73) oder vielmehr Pseudo-Dikäarchos, s. Müller 
fragm. hist. Gr. II s. 254 fr. 59. 14) 500000 einwohner Attikas : 


192000 bewohnern Athens — 20000 stimmfähige attische bürger im gan- 

sen : 7080 stimmfähigen attischen bürgern in Athen. Wir haben hier 

die von Bóckh angenommenen zahlen benutzt; wollten wir 30000 etimm- 

f&hige bürger zählen, was wol richtiger sein dürfte, so müsten wir auch 

die zahl aller bewohner Attikas verhültnismüszig grószer annehmen; die 
anze berechnung würde aber ungeführ zu demselben resultat 

᾿ en. 75) Vgl. Paradys c. 2 8 6. Solche bedenken hegte auch 
Schömann de com. Ath. s. 288. | 


152 K. Lugebil: über das wesen und die historische bedeutung 


träge gültig sein sollte, nur deshalb: nahm er (a. o. I s. 324 IB) an, die 
durchschniltliche frequenz der. ekhlesia habe etwa 8000 hürger betragen. 
Da wir nun oben nachgewiesen zu haben glauben, dasz Bóckhs auffas- 
sung der privilegiengeselze nicht richtig. ist, so hindert uns nichts uns 
an die bei Thuk. VII 72 erhaltene angabe der oligarchen’vom j. 412m 
halten. Diese behaupteten ausdrücklich, es kämen nie mehr als 6000 
bürger zur ekklesia zusammen. Diese partei hatte nun freilich ein inter- 
esse daran die beteiligung au der volksversammlung möglichst gering au 
zahl anzugeben, Doch halten wir diese. angabe für eine übertreibung, 
d. h. für eine ὑπερβολὴ ἐπὶ τούλαττον., keineswegs aber für eine yoll- 
ständige läge: nicht deshalb weil diese nachricht eine officielle angahe 
enthält — officielle lügen sind. ja keine seltenheit —, sondern wir 
schlieszen es aus dem was Thukydides (I 22) über sein verfahren-bei: be- 
richten über fremde reden sagi; ὡς δ᾽ ἂν ἐδόκουν ἐμοὶ ἕκαστοι 
περὶ τῶν ἀεὶ παρόντων τὰ δέοντα μάλιστ᾽ εἰπεῖν, 
ὅ τε ἐγγύτατα τῆς ξυμπάσης γνώμης τῶν duoc λεχϑέντων, οὕτως 
εἴφηται. Demnach muste eine ekklesia von 3000. bürgern zu Thukydides 
zeit für eine stark besuchte gelten. Und die durehsehnittliche 
frequenz der volksversammlung in jener zeit können wir 
demnach höchstens auf 4000 bürger anschlagen. Jene zeit 
war Yreilich eine kriegszeit: viele Athener waren als krieger, als schifls- 
bemannung beständig auszer landes; doch auch in der ersten 
hälfte des fünften jahrhunderts wird die volksversamm- 
lung im durehschnitt schwerlich zahlreicher gewesen sein. 
Damals gab es kein ekklesiastikon, das den ärmern bürger hätte auf die 
Pnyx locken können, und auszerdem war damals Athen im vergleich zum 
übrigen lande weit schwächer bevölkert als seit beginn des Archidami- 
schen kriegs."") τ 

Ist nun in bezug auf die frequenz der ekklesien die angabe- bei 
Thukydides der einzige feste haltpunkt, so können die in den oben be- 
sprochenen gesetzen verlangten 6000 stimmen nieht die blosze majoritàt- 
sein. - 

Grote, der gleichfalls an der von uns bekämpften ansicht festhält, 
bemerkt (vol. IV s. 208): dadurch dasz das gesetz eine so grosze maj 
tät verlangte, habe es misbrauch des ostrakismos verhüten wollen, *Denn. 
sonst hätte ein individuum. mit. einer sehr geringen mehrheit von. stim- 
men ostrakisiert werden können, und dann hätte man keinen genügen- 
den gruni (reasonable presumption) gehabt. anzunehmen, .dasz diese per-- 
sónlichkeit die verfassung wirklich gefährdete.” Das sei aber der zweck 
des ostrakismos gewesen solch eine gefahr von der verfassung abzuwen- 
den. — Wir können nun die sache umkehren und behaupten: wenn-jene 
6000 bürger die ganze masse der abstimmenden und nicht die blosze 
majorität sind; wenn also die majorität gegen das zu oslrakisierende- 
individuum nur eine geringe zu sein brauchte, so konnte man daraus 





76) Demnach ist auch die durchschnittliche jährliche ausgabe für 
das ekklesiastikon von Böckh (a. o. I s. 327) verhältnismäszig zu hoch 
angeschlagen. > 


des ostrakismos in Athen. 153 


auch nicht auf die wirkliche gefährlichkeit dieser person schlieszen. 
Weist nicht auch dieser umstand darauf hin, dasz der ostrakismos 
nicht den zweck hatte, den man ihm beilegt? 

Anderseits ist die gesetzliche bestimmung, dasz die ostrakophorie 
nur gültig sei, wenn wenigstens 6000 scherben abgegeben werden, eine 
beschräukung der anwendung des ostrakismos. Wenn eine volksversamm- 
lung selten aus 5000 mann bestand, so konnte die ostrakophorie 
beschlosseu sein und vorgenommen werden, ohne dasz je- 
mand dem ostrakismos wirklich verfiel. 

Somitxhätten wir eine anzahl beschränkungen des dem volke gesetz- 
lich zustehenden rechts kenneu gelernt, einen misliebigen, vielleicht 
wirklich gefährlichen staatsmann zu verbannen. Sind nun diese beschrän- 
kungen vereinbar mit dem vermeintlichen zweck des ostrakismos die frei- 
heit und gleichheit zu garantieren? Warum gestattete das gesetz dem 
volke namentlich nicht zu jeder zeit einen ınann der nach der tyrannis 
strebte zu verbannen? Wer herschsüchtig war, brauchte unter solchen 
umständen nur die vorsichtsmaszregel einzuhalten, dasz er mit seinen 
plänen erst dann hervortrat, sobald die zeit der ostrakophorie verstrichen 
war. Und wenn sein gebahren dann auch noch so verdächtig war, von 
dem sicherheitsgesetz, das die verfassung schützen sollte, konnte gegen 
ihn im laufe des jahrs keine anwendung geinacht werden. 


T. 

Man könnte dagegen einwenden: die näheren bestimmungen des 
ostrakismos -geselzes, wie wir sie kennen, rühren vielleicht nicht von 
Kleisthenes her, das alte gesetz sei vielleicht modificiert worden durch 
abänderungen und hinzufügung neuer bestiminungen, und namentlich die 
beschránkungen des rechts einen mann zu ostrakisieren seien neueru 
ursprungs. So sei es immer móglich, dasz ursprünglich der ostrakismos 
die verfassung vor der herschsucht einzelner individuen schützen sollte 
und wirklich zu schützen vermochte. — Unmóglich ist es allerdings nicht, 
dasz jene beschrünkungen nach Kleisthenes eingeführt worden sind, ob- 
gleich wir zu dieser annahme keinen andern grund haben als die that- 
sache, dasz Staatseinrichtungen im laufe der zeit sich zu molificieren 
pflegen. Doch würde hieraus durchaus nicht gefolgert werden können, 
dasz die spätere auwendung des ostrakismos ein mishraüch gewesen 
wäre. Vielmehr würden die beschränkungen das bestreben der Athener 
beweisen, einen misbrauch des ostrakismos wenn nicht unmóglich zu 
machen, so doch zu erschweren. 

Doch wenn die spätere anwendung des ostrakismos auch nicht als 
misbrauch gegenüber der ursprünglichen betrachtet werden kann, so 
haben vielleicht die näheren bestimmungen, die wir kennen, wenn sie 
spätern ursprungs sind, den charakter des instituts ganz modificiert? — 
Auch zu dieser annahme sind wir durchaus nicht berechtigt. Denn je- 
denfalls ist die art der abstimmung, die ostrakophorie, 
insofern sie die stelle der gewóhnlichen abstimmung durch handaufheben 
oder durch steinchenpaare, die verschiedenfarbig oder von denen je eins 


154 K.Lugebil: über das wesen und die historische bedeutung 


ganz, das andere durchbohrt war, vertrat, gleichzeitig mit dem 
ostrakismos eingeführt. Hätte es sich nun beim ostrakismos um 
die erhaltung der verfassung gehandelt, d. h. wäre die frage, über die 
man abzustimmen hatte, folgende gewesen: scheint N. N. unsere freiheit 
und gleichheit zu gefährden und soll er deshalb verbannt werden oder 
nicht? so würde die gewöhnliche art der abstimmung-hingereicht haben, 
um diese frage zu bejahen oder zu verneinen. 

Das eigentümliche der ostrakophorie liegt aber eben darin, dasz 
auf die scherben namen geschrieben, d. h. dasz von einem bür- 
ger der eine, von einem andern ein anderer name darauf eingeritzt wurde. 
Diese eigentümlichkeit der ostrakophorie findet aber darin ihre erklärung, 
dasz durch diese abstimmung die frage entschieden wurde: wer (von 
zweien, ausnahmsweise von mehreren bürgern) hat die 
verbannung verdient, oder, wie Diodor (XI 87) angibt: wer 
kann allem anschein nach am ehesten über die bürger 
herschen?”) 

Hieraus folgt aber nothwendig, dasz, da es keinen ostrakismos 
ohne ostrakophorie geben konnte, es sich auch ursprünglich bei iliesem 
institut nicht um die erhaltung der verfassung, sondern um einen par- 
teienkampf handelte. 





8. 

Doch kann die unrichtigkeit der gewöhnlichen auffassung des ostra- 
kismos noch nicht als nachgewiesen Zelten, so lange nicht noch eine 
schwierigkeit beseitigt, so lange es noch nicht erklärt ist, wie Aristoteles 
und andere alte schriftsteller in den irtum verfallen konnten zu glauben, 
mit diesem institut habe der gesetzgeber bezweckt die demokratische 
verfassung zu schützen und tyrannis abzuwenden. 

Diesen irtum haben meiner meinuüg nach hauptsächlich die debatten 
veranlaszt, welche dem beschlusz oder der ablehnung der ostrakophorie 
vorangiengen, Die parteien, die in ihren hàoptern angegriffen, deren be- 
strebungen und interessen dadurch gefährdet waren, machten einander 
vorwürfe und vertheidigten jede ihre eigne politik. Die vorwürfe nun, 
welche bei dieser gelegenheit dem einen oder dem andern staalsmann 
gemacht wurden, konnten natürlich ‘sehr verschieden sein und sich auf 
dessen innere oder auswärtige politik oder auf beides zugleich bezi 
So ersehen wir aus Plutareh (Kim. 16 f.), dem Kimon sei. hauptsächlich 
sein Lakonismos, d, h. seine vorliebe für die Lakedämonier und demge- 
mäsz mangel an patriotismus vorgeworfen worden; seine feinde 
gelten nicht hervorzuheben, dasz seine lakonenfreundliche politik den 
schimpf veranlaszt und verschuldet habe, welchen die Spartaner den 
Athenern zugefügt hatten durch zurücksendung der erbetenen attischen 
hülfstruppen. Andere staatsmänner wurden bei solcher gelegenheit vor- 


77) παρὰ γὰρ ᾿Αϑηναίοις ἕκαστον τῶν πολιτῶν ἔδει yod- 
qi» εἰς ὄστρακον τοὔνομα τοῦ δοκοῦντος (sc. αὐτῷ) Md- 
λιστα δύνασθαι τυραννεῖν τῶν πολιτῶν. Vgl Photios lex. u. 
ὁοταρακισμὸς xol ἐξοσερακισμός. 


des ostrakismos in Athen. 155 


zugsweise oder ausschlieszlich wegen der richtung ihrer innern politik 
angegriffen: diese sei der demokratie gefährlich oder bezwecke geradezu 
die auflösung des demos. Wie geläufig solch ein vorwurf den Athenern 
war, zeigt der umstand , Qasz er vielfältig dem gegner bei processen ge- 
macht wurde, welche zur politik in keinem nähern bezug standen. Wie 
sollte nun solch ein vorwurf gefehlt haben bei angriffen einer partei auf 
die andere und auf den mann der an der spitze der letzteren stand? Sagt 
doch Photios ”®) ausdrücklich, man habe diejenigen ostrakisiert, welche 
gegen den demos übel gesinnt waren, d. ἢ. nach der ansicht ihrer gegner. 
Der mann, wer er auch sei, der die rede gegen Alkibiades nach der fiction 
ihres verfassers gehalten haben sol], vertheidigt sich gegen den vorwurf, 
er sei ein feind des demos (μισόδημος). 

Nur eine andere form dieses vorwurfs war es aber, 
wenn man dem gegner vorwarf nach der tyrannis zu stre- 
ben.”) Um dies darzulegen, müsz ich zuvörderst daran erinnern, welche 
stellung der demos zu verschiedenen zeiten der tyrannis gegenüber 
einnahm. 

Die tyrannen giengen bekanntlich aus dem schosze der demokrati- 
schen partei hervor; dasz sie die herschaft erlangten, dazu verhalf ihnen 
der leidenschaftliche hasz dieser partei gegen die aristokratie.9) Dieser 
hasz verblendete das volk so weit, dasz es sein vertrauen in männer 
setzte, die es zu egoistischen zwecken misbrauchten. Hatte ein solcher 
mann die alleinherschaft erlangt, so mochte mancher von seinen ehema- 
ligen anhängern seine verblendung bereuen; aber als befreier des deinos 
von der verhaszten oligarchie und als fortwährende unterdrücker oligar- 
chischer bestrebungen erfreuten sich die tyrannen doch noch des zu- 
trauens der masse.?! Wenn die rückkehr des Peisistratos aus seiner 
ersten verbannung einem triumphzug gleicht, wenn die grosze und schóne, 
mit voller rüstüng wie Athena ausgestattete Phye, an deren seite er 
zu wagen in Athen einzieht, von dem póbel für die góttin selbst gehal- 
ten wird, so musz ihm der tyranu gleichfalls wie ein gott erschienen 
sein. Die milde der regierung des Peisistratos auch nach seiner zweiten 
verbannung, die zugänglichkeit des Hippias bezeugen, dasz sie von seiten 
des demos noch keine opposition zu erwarten hatten. 


78) lex. u. ὀστρακισμός of κακονούστατοι τῷ δήμῳ ἐξωστρακίζοντο 
«τὰ. 79) Koutorga im mémoire sur le parti Persan dans la Gréce 
ancienne et le procés de Thémistocle (extrait du tome V1 I'* série Ir® 
partie des mémoires prés. à l'académie des inscr. Paris 1860) s. 14 drückt 
denselben gedanken mit den worten aus: 'l'arme qu'on employait avec 
le plus de succ&s contre ses adversaires était surtout l'accusation de 
vouloir renverser le gouvernement et établir la tyrannie.? 80) ve. 
Arist. pol. V 10 σχεδὸν γὰρ ol πλεῖστοι τῶν τυράννων γεγόνασιν ἔκ 
δημαγωγῶν ὡς εἰπεῖν, πιστευϑέντες ἐκ τοῦ διαβάλλειν τοὺς γνωρίμους. 

81) Dieselben verhültnisse, welche die tyrannis erzeugt, hatten be- 
ksnntlich auch die äsymnetie hervorgebracht; letztere wird deshalb von 
den feinden, des demos auch als tyrannis bezeichnet. Vgl. was Aristo- 
teles (pol. 14) über die üsymnetie des Pittakos in Mitylene und des- 
sen verhältnis zu den flüchtigen aristokraten sagt. 


156  K.Lugebil: über das wesen und die historische bedeutung 


Aber mit den tyrannen batte der demos einen sieg- über seine frühe- 
reu unterdrücker gewonnen und dieser.sieg muste sein selbstbewustsein 
heben. Von dieser hebung des s Ihstbewustseins aber bis zu der einsicht 
dasz er nur den herscher gewechselt, war nuf ein schritt. Daher ist es 
die politik der tyrannen zu verhindern, dasz das volk diesen sehritt thue. 
Sie bestreben sich dessen aufmerksamkeit von den politischen interessen 
abzulenken und den materiellen zuzuwenden. Letztere werden auf alle 
weise gefórdert.. Aufführung von nutz- und praehtbauten, luxus und 
groszartige festlichkeiten, auswärtiger politischer einflusz, bei 
lyranuen. kriegsruhm sollen das volk zerstreuen und ersatz bieten für den 
mangel an freiheit. ‚Die heibehaltung der republikanischen slaatsformen 
soll sie darüber täuschen. ®) Wehe dem volk, welches sich im diesen 
zustaud einlebt, bis es sich nicht mehr moralisch aufraffen kann! 

Zum glück für Athen bewog des Hipparchos ermordung den Hippias 
zur veränderung seiner regierungsweise. Er wurde zum Lyrannen in 
spätern, im modernen sinne des worls. Jetzt streekL er zur- abwehr 
inuerer und äuszerer feinde seine hand nach auswärtiger hülfe aus, da 
"er auf eine kräftige unterstützung von seiten des volkes nicht mehr rech- 
nen kann. Endlich vertrieben, 'sucht er mit spartanischer hülfe seine 
wieiereinsetzung als tyrann durchzusetzen, und als ihm dies misliugt, 
hetzt er die Perser gegen Athen. Da entbrenut aber auch in der demo- 
kratischen partei der glühendste hasz gegen. die tyrannis. Die sogenann- 
ten tyrannenmórder werden in der phantasie des volks zu märtyrern, sie 
werden wie heroen verehrt. Bildsäulen werden. ihnen gesetzt — zu einer 
zeit, da fast nur gótter und heroen dieser ehre teilhaftig wurden. Selbst 
deren nachkommen bis ins späteste glied sollen noch geehrt werden, sie 
sollen die ehre genieszen auf staatskosteu im Prytaneion zu speisen, Und. 
das lied, welches Harmodios und Aristogeiton besingt , wird zum volks- 
lied, zur attischen Marseillaise. Von jetzt an kennt die demokratie keinen 
schlimmeren feind als einen der nach der tyrannis zu streben scheint, 
selbst in der zeit als das demokratische prineip in allen seinen richtungen 
bis zu den äuszersten consequenzen durchgeführt war und die atlische 
demokratie einen vollkommen zusgebildeten organismus darstellte. ®) 
Damals hatte nemlich der demos kein. streben nach tyrannis, wol 
oligarchische pläne und intrigen zu fürchten. Aber die masse des volk 
unterscheidet nicht, streng. Während sie früher aus hasz gegen die 
aristokraten es übersehen hatte, dasz die tyrannis in demselben masze 
wie der aristokratie, so auch der demokratie feindlich gegeni ic 
vermengtifas volk jetzt, da die erinnerung an die letzten schrecklichen δας: 
gierungsjahre des Hippias fortwährend im gedachtnis fortlebt, das stroben 
nach der alleinherschaft mit den versuchen die herschalt weniger reicher 
bürger zu begründen. Zu solcher vermengung der begriffe musle die 








82) Vgl. Plass die tyrannis bei d. Griechen I s. 201. 203 ff 320. 
351. 300. 83) Vgl. das geist- nnd gedankenreiche pamj eines 
»es von der oligarehisehen partei (des Kritins? Bückh staatsh. Is. 
Ó.), das in Xenopbons schriften unter dem titel 'über. die verfassung 





433 
der Athener? steht. 





des ostrakismos in Athen. 157 
bl 

verwandtschaft der tyrannis mit der engern oligarchie, der dynasteia im 
sinne des Thukydides und Aristoteles verleiten. 5*) Hatte doch der sprach- 
gebrauch ausdrücke wie *herschaft der t yrannen, sturz der tyran- 
nen? sanctioniert, wo es sich eigentlich um den einen tyrannen llippias 
handelte. Und nicht ganz ohne grund. Wenn auch ein mann die seele der 
ganzen regierung war, so herschte er doch nur mit hülfe seiner besolde- 
ten knechte. Berichtet doch Thukydides ausdrücklich, die Peisistratiden 
hätten beständig dafür gesorgt, dasz die bedeutendsten ämter allemal 
von einem der ihrigen besetzt würden. Die menge konnte aber die 
leitende hand nicht immer von den werkzeugen unterscheiden, welche 
sie führte. *) Darum fürchtet das volk, als die Ilermen beschädigt, die 
mysterien durch nachäffung entweiht waren, eine verschwörung, welche 
den sturz der demokratischen verfassung und — einführung der tyrannis 
lezweckte, obgleich so manche anzeichen damals auf oligarchische und 
nicht die geringsten auf tyrannische bestrebungen deuleten. — Eine 
analogie zu solcher begriffsverwirrung bietet Florenz im 14n jahrhundert. 
Damals glaubte man daselbst fest, alle männer, welche die alleinherschaft 
in einer republik erlangt, seien Ghibellinen, obgleich solch eine tyrannis 
mit dem Ghibellinismus nichts zu schaffen hatte. Und gehörte solch ein 
mann selbst notorisch zur Guelfenpartei, so meinte man: die thatsache 
der herschaft selbst beweise schon zur genüge, dasz er zu den Ghibelli- 
nen übergegangen sei. Und doch war der gleich starke hasz der Guelfen, 
die damals in Florenz das regiment führten, gegen t yrannis und die 
Ghibellinische partei die alleinige veranlassung, der einzige grund, 
weshalb sie zwischen denselben einen so innigen zusammenhang an- 
nahmen. 95) 

Aehnlich stand es in Athen. Weil man die tyrannis so sehr häszte 
und fürchtete, konnte und muste nicht selten der einem slaatsınann ge- 
machte vorwurf, seine politik widerspreche dem princip der verfassung, 
sie bezwecke aufhebung derselben, in der attischen demokratie die form 
annehmen: der angegriffene staatsmann strebe nach der tvrannis. So 
konnte dieser vorwurf gegen Thukydides, des Melesias sohn, erhoben 
werden, welcher an der spitze einer vollkommen organisierten oligarchi- 
schen partei stand; gewis wurde er bei einer spätern gelegeuheit dem 


84) Plass tyrannis I s. 132 f. 85) Vgl. ebd. I s. 207 (wo Plass 
auf Góllers anm. zu Thuk. VI 54 verweist). 272 ff. 86) Der leser 
möge mir gestatten die betreffende stelle aus H. Hallan.s view of the 
state of Europe during the middle ages ganz herzusetzen (vol. Ich. III 
p. ID): *besides the effect of ancient prejudice, Ghibeliniem was consi- 
dered at Florence, in the fourteenth century, as immediately connec- 
ted with tyrannical usurpation. The Guelf party, says Matteo Vil- 
lani, is the foundation rock of liberty in Italy; so that if 
any Guelf becomes a tyrant, he must of necessity turn to 
the Ghibelin side; and of this there have been many in- 
stances (p. 481). So Giovanni Villani says of Passerino, lord of Man- 
tua, that his ancestors had been Guelfs, maper essere signore e 
tiranno si fece Ghibellino (l. X c. 99). And Matteo Villani of 
the Pepoli at Bologna: Essendo di natura Guelfi, per la tiran- 
nia erano quasi alienati della parte (p. 69). 


158 K. Lugebil: über das wesen und die historische bedeutung 


Alkibiades gemacht, und diesem mit recht; denn er war eine durch und 
durch egoistische, gewissenlose, mit einem wort eine tyrannennatur. 
Auch der κεφαληγερέτα Ζεύς, der sohn des Kronos und der Stasis (des 
parteikampfes), konnte diesem vorwurf natürlich nicht entgehen. Heiszen 
doch bei den komikern er und seine freunde *neue Peisistratiden?, ") 

Wenn nun die späteren sahen, dasz der ostrakismos uur solche 
persónlichkeiten traf, welche — als parteihäupter — eine hervorragende 
stellung im staate einnahmen, wenn sie ferner erfuhren, man habe die- 
selben des staatsverbrechens angeschuldigt nach der tyrannis zu streben 
und hervorgehoben, ihre macht gefährde die demokratie, so musten sie 
nothwendig auf den gedanken kommen, der ostrakismos sei eingeführt, 
um die gleichheit der bürger zu erhalten und tyrannis abzuwehren. Und 
in diesem glauben muste sie unter anderm die nachricht bestärken, dasz 
das erste opfer des ostrakismos ein verwandter der Peisistratiden war. 

Wenn nun das mistrauen einer partei gegen eine andere später 
seinen ausdruck fand in dem vorwurf, das haupt der gegner trachte 
nach der alleinherschaft, so muste solch ein vorwurf noch geläufiger 
sein zu der zeit, da die tyrannis eben gebrochen war, deren missethaten 
noch frisch im gedächtnis lebten, mithin der hasz gegen die tyrannen 
noch weniger erkaltet sein konnte. Ein gesetz, welches bestimmte dasz 
das haupt einer partei, gegen welches die majorität der bürger mistrauen 
hegte, durch scherbenabstimmung sollte auf eine zeit lang aus dem lande 
entfernt werden kónnen, konnte deshalb auch seinem offici 
len wortlaute nach als eine sehutzwehr gegen tyrannis 
bezeichnet werden, wenn auch die bedeutung dieses instituts that- 
sächlich eine ganz andere war. Es ist sogar nicht unwahrscheinlich, dasz 
es sich mit dem ostrakismos wirklich so verhielt. Sagt doch Diodor (s. 
anm. 77), bei der ostrakophorie habe jeder den namen dessem auf die 
scherbe geschrieben, der nach seinem ermessen am ehesten im stande 
wäre über die bürger zu herschen (rugavveiv). Spätere sahen den 
nominellen zweck des ostrakismos für den wirklichen an. 
Daher findet Aristoteles auch einen widerspruch zwischen dem zweck und 
der anwendung dieses instituts. 





9. 

Somit hoffe ich nachgewiesen zu haben, dasz der ostrakismos den 
zweck, den man ihm beimiszt, nicht gehabt haben kann; dasz die an- 
wendung desselben zu parteizweeken nicht nur als kein misbrauch zu 
betrachten, sondern schon in der natur dieses instituts begründet ist; 
auszerdem hoffe ich die veranlassung gezeigt zu haben zu der bildung 
der irtümlichen ansicht, als habe das gesetz über den ostrakismos die 
verfassung sichern sollen. 

Doch könnte es mauchem schwer fallen sich von der herschenden 
ansicht loszumachen: es könnte scheinen, als ob wir die bedeutung die- 
ses gesetzes schmälerten, wenn wir leugnen dasz es je den zweck gehabt 


87) Plut. Per. 16. 


des ostrakismos in Athen. 159 


hat die freiheit und gleichheit zu sichern gegen herschergelüste einzelner 
individuen. Angenommen also, der ostrakismos hätte ursprünglich wirk- 
lich diesen zweck gehabt, müste er dann etwa für eine lobenswerthe 
maszregel, müste der urheber desselben für einen um so weisern gesetz- 
geber gelten? 

Wenn man die sache genauer betrachtet, erscheint sie in einem 
ganz andern lichte. Halten wir daran fest, dasz der ostrakismos von 
einer gerichtlichen verurteilung zur verbannuüg durchaus verschieden 
war, dasz dem opfer desselben keine eigentliche ungesetzlichkeit nachge- 
wiesen zu sein brauchte, dasz also, wenn die majorität jemand zur ver- 
bannung verurteilte, sie nicht um der gerechtigkeit willen so handelfe, 
sondern aus politischen rücksichten und aus antipathie gegen eine be- 
stimmte politische richtung. Daraus folgt aber, dasz dieses institut nur 
eine sicherheitsmaszregel hätte sein können, von der im moment herschen- 
den partei eingeführt, um sich zu erhalten. Welchen werth aber sicher- 
heitsmaszregeln haben, wodurch sich die herschende partei — angeblich 
zum wohl des staats®) — das recht nimmt bei der unterdrückung einer 
opposition, die sich erst heranbildet oder schon die aussicht hat bald 
eine macht zu werden, sich über recht und gerechtigkeit hinauszusetzen 
— über den werth solcher sicherheitsmaszregeln kann man in jetziger 
zeit am wenigsten im zweifel sein. Eine wirkliche garantie der ver- 
fassung kónnen sie doch nimmer bilden. Denn entspricht letztere dem 
charakter und der bildungsstufe des volks, so ist sie auch keiner ernsten 
gefahr ausgesetzt und sicherheitsmaszregeln sind unnóthig. Damit hören 
sie aber auch auf sicherheitsmaszregeln zu sein, weil die verfassung gar 
nicht durch sie gesichert wird, sondern durch ihren eignen charakter, 
dadurch dasz sie den anforderungen der masse des volks im groszen 
und ganzen entspricht. Bedarf aber eine verfassung einer stütze an 
sicherheitsmaszregeln, so ist das ein zeichen, dasz dieselbe der masse 
nicht genehm, dasz sie nicht ein natürliches product der ganzen histo- 
rischen entwicklung des volks, sondern nur ein kunstproduct ist, von 
einer zur herschaft gelangten partei dem ganzen volke aufgedrungen. 
Sicherheitsmaszregeln also, welche die erhaltung einer solchen partei be- 
zwecken sollen, haben im grunde keinen zweck als die herschaft einer 
partei auf kosten jeder andern auf die dauer zu garantieren. 

Diesen und keinen andern werth scheinen auch die staatseinrich- 
tungen gehabt zu haben, mit welchen Niebuhr ®) den *ostrakismos ver- 
gleicht: “in Athen bestand damals dasselbe recht das im mittelalter 
namentlich in Italien dem volke zustand, dasz mächtige bürger, die sich 
über alle anderen bürger erhoben, verbannt werden konnten, ohne dasz 
sie verbrecher zu sein brauchten. Dies recht findet man in den statuten 
mancher italiánischen stüdte im mittelalter: so ist z. b. in den statuten 
von Tivoli, die ich gefunden habe, die befugnis der stadt anerkannt, ohne 
verbrechen denjenigen bürger zu verbannen der gefährlich scheint.’ Dies 


88) wie z. b. die inquisition in maiorem dei gloriam dienen sollte; 
man denke ferner an die sicherheitsgesetze im jetzigen Frankreich. 
89) vorträge über alte gesch. I s. 401. 


160 K.Lugebil: über das wesen und die historische bedeutung 


erläutert der herausgeber, Marcus Niebuhr, durch folgende anmerkung : 
"wahrscheinlich. hat N. folgende stelle in den «statuta et reformaliones 
civitatis Tiburis» gemeint: «item statuimus, quod Comes caput militiae 
vel sedialis et quilibet ipsorum possint et potestatem habeant. ewpel- 
dendi cives Tiburis el incolas et eos confinandi intra et extra civitatem. 
inobedientes pro rivis sedandis antequam perveniant ad ri- 
cam et in ipsa riza et posl ipsam rixam per unam dietam d longe (?) 
a dicta. civitate et contrafacientibus el inobedienlibus possint poenam. 
et mulctam inponere et auferre, prout in tertio superiori capile con- 
tinetur, alias expellere aliquem non possit nisi in casibus in quibus ei 
an. hoc slatutorum volumine sit concessum.» Lib. I c. IV sub rubr. quod. 
Comes caput militiae et sedialis possint expellere pro rixis non fa- 
ciendis.? 

Freilich dient der ostrakismos auch nach meiner auffassung dazu, 
die partei welche sich momentan: in der minderheit befindet noch mehr 
zu schwächen dureh die verbannung ihres führers. In folge davon erhält 
die andere partei auf eine zeitlang einen um so-gröszern eiullusz 
leitung des staats. Jedoch mur auf eine zeitlang. Sobald das machtver- 
hältnis der parteien sich ändert zum vorteil der ehemaligen miuorität, 
so bietet ihr der ostrakismos das mittel ihrerseits ein um so grüisores 
übergewicht über die ehemals herschende partei zu gewinnen. 

Wollten wir‘ also den ostrakismos als sicherheitsmaszregel 
schutz der verfassung auffassen, so könnten wir diesen zweck nur 
vorwand betrachten. Der ostrakismos hätte dann höchstens dazu bei- 
tragen können den politischen fortschritt zu hemmen. - Solch eine sicher- 
heitsmaszregel war aber der ostrakismos nieht: er kam nicht blosz einer 
partei zu gut, sondern jedesmal derjenigen, welche im volk momentan 
den meisten anklang fand. 





10. - 

Hiermit ist nicht gesagt, dasz ich den ostrakismos an und für sich. 
billige oder das verfahren bei demselben für ein gerechtes A 
aber wird dadureh an die stelle von etwas schlechtem etwas weni d 
schlechtes gesetzt. Die bedentung dieses instituts sehe ich nemlieh nieht. 
darin, dasz es die majorität der minoritàt gegenüber noch mehr 
sondern darin dasz es die unterdrückung der letztern dureh die majorii E 
in gewissen grenzen hält; nicht darin dasz es die verbannung eii 
dividuums ohne eigentliches gerichtliches verfahren gestattet, sondern in 
der beschränkung der ausheutung des siegs einer partei über die andere, 
Die ausführung dieses gedankens wird hoffentlich das wesen und die - 
historische bedeutung dés ostrakismos und den zweck, den Kleisthenes 
bei dessen einführung im auge gelnabt, ins rechte licht setzen. 

Hierbei müssen wir von der thatsache ausgehen, welche wir seham | 
nachgewiesen zu haben glauben, dasz nemlich der ostrakismos bestehende: 
parteien voraussetzt. Wie leidenschaftlich diese, wie in früheren zeiten, 
so auch im 5n jahrhundert in Athen waren, welch hittern hasz sie gegen 
einander hegten, braucht wol nicht erst nachgewiesen zu werden. Olfen- 


des ostrakismos in Athen. 161 


bar erkannte keine partei das recht der andern zu bestehen und in ihrem 
sinne zu wirken an; vielmehr dachte jede: 


Jene machen partei; welch unerlaubtes beginnen! 

Aber unsre partei, freilich, versteht sich von selbst. 
Charakteristisch ist folgende anekdote. Aristeides soll einmal in der volks- 
versammlung einen antrag des Themistokles bekämpft haben, nicht sowol 
weil er ihm an und für sich verwerflich schien, als weil er von der gegen-, 
partei ausgegangen war. In folge seines widerspruchs gieng der antrag 
auch wirklich nicht durch. Als Aristeides aber von der ekklesia nach 
hause gieng, bereute er es das interesse des ganzen staats parteirück- 
sichten hintangesetzt zu haben und rief aus: er und Themistokles hätten 
es verdient ins barathron gestürzt zu werden, weil sie mit ihrem partei- 
hader dem staate nur schadeten." Bei einer solchen stellung der par- 
leien zu einander, wie sie sich in dieser anekdote zeigt, konnte es leicht 
vorkommen, dasz nützliche und selbst nothwendige maszregeln hinter- 
trieben und ein entschiedenes vorgehen und handeln der regierung ganz 
unmóglich gemacht wurde, Namentlich wenn die parteien einander un 
gefähr das gleichgewicht hielten, konnte jede derselben stark genug 
sein die andere zu hindern der politik die von letzterer gewünschte 
richtung zu geben, aber zu schwach den staat nach eignen grundsätzen 
zu lenken. Und solch ein zustand muste den gegenseitigen hasz der par- 
teien nur noch melt anfachen. 

Was war nun gewóhnlich die folge davon? In Athen bis zur einfüh- 
rung des ostrakismos, in anderen staaten Griechenlands, wo dieses insti- 
tut nicht bestand, noch bis in das 5e jahrhundert, kam es in solchen fällen 
zu blutiger entscheidung. Nach heftigen debatten in der ekklesia trat 
der straszenkampf ein, wo die gewalt entschied. Und wehe den besieg- 
ten! Der sieg wird grausam ausgebeutet. Wer nicht flieht, wird ge- 
tódtet, die flüchtigen zur verbannung verurteilt, alle bürgerrechte ihnen 
genommen, ihr vermógen confisciert, in der hitze des kampfs manchmal 
selbst heilige orte durch handlungen der gewalt entweiht, für welche 
das ganze volk später die rache der götter zu fürchten hat. Die ver- 
bannten suchen mit gewalt ihre rückkehr in die heimat durchzusetzen: 
sie rufen fremde hülfe herbei und veranlassen die einmischung fremder 
staaten in die inneren angelegenheiten ihrer vaterstadt. Es wäre unnütz 
dieses thema weiter auszuspinnen. Ich brauche nur an die parteikämpfe 
in Megara und Kerkyra zu erinnern und an die art, wie Isagoras, als er 
durch herbeirufung spartanischer hülfe über Kleisthenes die oberhand 
gewonnen, dessen anhänger behandelte. Ganz dasselbe bild, um nicht 
analoge erscheinungen der neuesten zeit zu erwähnen, bieten uns im mit- 
telalter namentlich die parteikämpfe in den italiänischen freistaaten, die 
kämpfe zwischen adel und volk, zwischen Guelfen und Ghibellinen. Wenn 
nun Hallam "ἢ der ansicht ist, dasz die grausamkeit, mit welcher eine be- 


— 90) Plut. Arist.3. — 91) in dem anm. 86 angef. werke bd. I s. 105: 
' “the most deadly hatred is that which men exasperated by proscription 
and forfeiture bear to their country; nor have we need to ask any 


Jahrb. f. class. Philol, Suppl. Bd. IV. Hft. 1. 11 


162 K.Lugebil: über das wesen und die historische bedeutung 


siegte partei in die verbannung geschickt wurde, alles unglück Italiens zur 
genüge erklären kann, so gilt dasselbe aueh für die griechischen staaten. 
Solehem unheil. nun suchte. Kleisthenes durch ‚den ostrakismos zu 
steuern. Diesen zweck konnte er nicht dadurch erreichen, dasz er ein- 
fach verhot die besiegte partei zu verfolgen und die mitglieder derselben 
zu verbannen, Das hiesze zu viel verlangen von leidenschaftlich erregten 
parteien; es wäre trotzdem zum handgemenge gekommen und die sieger 
hätten sich eben keine gesetze vorschreiben lassen. Es galt also vor 
allem die parteien zu verhindern zu den wallen zu greifen und im 
blutigen kampfe eine entscheidung zu suchen. Kleisthenes bot ihnen in 
der ostrakophorie das mittel ihre kräfte zu. messen, ohne zu thätlich- 
keiten überzugehen. Auszerdem verschaffte er der siegreichen partei. die 
befriedigung das oberhaupt der gegenpartei zu verbannen und in folge 
davon ein entschiedenes übergewicht in der volksversammlung zu errin- 
gen. Solch eine verbannung ist freilich eine ungerechtigkeit, Klei-.. 
sthenes legalisierte also ein unrecht. Er that es aber nur, um 
grószeren ungerechtigkeiten vorzubeugen. Wollte er den parteileiden- 
schaften nicht die geringste befriedigung geben, so konnte er sie durch 
aus nicht bändigen und zügeln. Indem er aber das unrechtlega- 
lisierte, war er auch im stande demselben schrauken zu 
setzen. Während früher die parteien, sobald ihre erbitterung den 
höchsten grad erreicht hatte, zu den. walfen griffen „so nehmen sie jetzt 
die scherben zur hand: an die stelle blutigen kampfes tritt die ostra- 
kophorie; während früher die partei, welche im blutigen kampf erlag, 
massenhaft das land verlassen muste, wird jetzt nur das öberhaupt der 
in der minderheit gebliebenen partei verbannt; während früher das ver- 
mögen aller verbannten eingezogen wurde, wird jetzt dem einzigen ver- 
bannten das seinige gelassen; während früher die ‚besiegten lebens- 
längliche verbannung traf, musz der ostrakisierte die heimat blosz 
zehn jahre lang meiden; während früher die flüchtigen oder verbannten 
aller ihrer bürgerrechte auf immer verlustig erklärt wurden, verliert der 
ostrakisierte nur diejenigen vorleile des bürgerrechts, welche eben nur 
dem in der heimat wohnenden zy gute kommen: kurz, die strafe derer, 
welche früher im parteikampfe unterlagen, kann mit der atimie höchsten 
grades verglichen werden, den ostrakisierten dagegen trifft, so zu. 
eine leichte atimie, die in einer gewissen beschränkung des activen 
gerrechts besteht. Demnach war die einführung des ostrakismos ein 
schritt vorwärts in der entwicklung. politischer toleranz; sie hefönlerte 
zugleich die ausbildung einer art politischer moralität, um mich eines 
ausdrucks von Grote zu bedienen. Der ostrakismos bewahrte den staat 
vor unsäglichem unheil und ermöglichte eine ruhige und schrittweis vor 
sich gehende politische. entwicklung der Athener. Insofern, aber anch 
nur insofern, also nur mittelbar schützte er auch die verfassung und 
sicherte die gleichheit der bürger, die freiheit des attischen demos. 


oth for the calamities of Italy, than the bitter- 
ness, w han unsuccessful faction was thus pursued 
iuto baniahment? 

















des ostrakismos in Athen. 163 


Fassen wir den ostrakismos so auf, so passen dazu vortrefflich die 
nàheren bestimmungen des gesetzes, welche mit dem gewóhnlich ange- 
nommenen zweck des instituts im grellsten widerspruch stehen. Klei- 
sthenes gestattete den parteien freilich in der ostrakophorie eine art 
entscheidungskampf; es sollte aber nur einmal jährlich zur verbannung 
eines staatsmanns geschritten werden kónnen. Auch sollte es nur dann 
geschehen, wenn die erbitterung der einander das gleichgewicht halten- 
den parteien das ganze land aufregte. Der ostrakismos sollte eben den 
blutigen kämpfen vorbeugen, welche in einem solchen fall leicht aus- 
brechen konnten. Die debatten in der ekklesia und eine doppelte ab- 
stimmung, die procheirotonie und die ostrakophorie entschieden darüber, 
ob die lage dés staats eine so gefährliche sei. Wenn nemlich auch die 
ekklesia durch die procheirotonie entschieden hatte, es solle scherben- 
abstimmung stattfinden, so konnte letztere doch resultatlos bleiben: d. h. 
wenn weniger als 6000 Athener sich an der ostrakophorie beteiligten, 
wenn die erbitterung der parteien nicht stark genug war, um die masse 
der bürger für diesen entscheidungskampf zu interessieren, so war das 
eben ein beweis, dasz die gefahr blutiger entscheidung nicht bevorstand. 
Dann sollte aber, auch niemand in die verbannung gehen. 

Jedoch rühren die einschränkungen des dem volke zustehenden 
rechts einen misliebigen staatsmann zu verbannen auch wirklich von 
Kleisthenes her? Diese frage läszt sich aus mangel an bestimmten nach- 
richten nicht entscheiden. Sollten aber die bestimmungen, welche die 
anwendung dieses gesetzes beschränken, aus späterer zeit herrühren, so 
würde das ein zeichen sein, dasz das erziehende element im ostrakismos- 
gesetz seine früchte getragen, dasz die politische toleranz in Athen fort- 
schritte gemacht hatte. Dafür sprechen jedenfalls andere bestimmte that- 
sachen. Auf diese kommen wir zu sprechen, sobald wir erst die frage 
erörtert, wann der ostrakismos eingeführt worden. 


11. 


Aus der angabe, es sei der ostrakismos nach vertreibung der tyran- 
nen eingeführt, darf man natürlich nicht schlieszen, es sei unmit- 
telbar darauf geschehen. Die annahme dieses zeitpunktes würde zu 
der gewöhnlicheu auffassung dieses instituts freilich am besten passen. 
Ist es nicht ganz natürlich, dasz gleich nach der befreiung der bürger- 
schaft von der verhaszten herschaft, als der hasz gegen die tyrannen am 
stärksten sein muste, maszregeln getroffen wurden zum schutz der jun- 
gen, noch nicht erstarkten, also um so grószerer gefahr ausgesetzten 
freiheit? Das ist nun aber in Athen wahrscheinlich, in Syrakus gewis 
nicht geschehen. Und von unserem standpunkt aus enthält dieses fáctum 
nichts auffallendes. In Syrakus nemlich wurde der petalismos erst eilf 
jahre nach dem sturz des letzten tyrannen Thrasybulos eingeführt, im 
j. 454. ") Das jahr der einsetzung des ostrakismos in Athen ist freilich 


92) als in Athen Sosistratos archon eponymos war, Diod. XI 85. 
Thrasybulos war unter dem archontat des Lysanias, 465, gestürst. 


11* 


164 K.Lugebil: über das wesen und die historische bedeutung 


nicht überliefert. Wir wollen daher blosz versuchen mit hülfe der nicht 
zahlreichen, aus dem altertum erhaltenen nachrichten die stelle anzuge- 
ben, welche in betreff der zeit die einsetzung dieses instituts unter den 
wichtigsten damaligen begebenheiten der innern politik Athens einnahm. 
Ich meine den parteikampf zwischen Kleisthenes und Isagoras, welcher 
mit der vollständigen niederlage des letztern und seiner partei endigte, 
und die einrichtung der zehn phylen. Welche von diesen zwei begeben- 
heiten ist früher als die andere zu setzen? 

H. Sauppe hat richtig bemerkt), Kleisthenes habe auf keinen Fall 
die neue phyleneinteilung, welche eine vollständige umwälzung aller 
politischen und socialen verhältnisse Athens umfaszte, vor seiner flucht 
vor dem mit den Spartanern verbündeten Isagoras durchführen können, 
wie man es gewöhnlich annehme, gestützt auf Herodot V 66 II. Sauppe 
gibt nicht klar an, wie er Herodots erzählung auffasse; mir scheint sie 
mit seiner annahme nicht nur nicht im widerspruch zu stehen, sondern 
sie vielmehr vollkommen zu bestätigen. 

Merodot erzählt, es hätten nach vertreibung der tyrannem zwei 
männer, der Alkmäonide Kleisthenes und Isagoras, Tisandros sohn, mit 
einander um den grösten politischen einflusz gestritten. Kleisthenes 
stand, wie man aus dem verlauf der erzählung ersieht, an der spitze des 
centrums (cà μέσα τῶν πολιτῶν), der Paralier, wie sein vater Mega- 
kles; lsagoras war das haupt sei es der conservativen, sei es der reaetio- 
nàüren partei der Pediäer. Da letzterer nun die oberhand gewann, habe. 
Kleisthenes den demos, d. h. hier offenbar die Diakrier oder Hyperakrier 
für sich zu gewinnen gewust (ἑσσούμενος δὲ ὁ Κλεισϑένης τὸν δῆμον 
προσεταιρέξεται). Darauf sagt Herodot: später aber teilte er die 
Alhener, die in vier stàmme zerfielen, in zehn phylen. 
Und nachdem er von einer ähnlichen phylenreform, von dem tyrannen 
Kleisthenes zu Sikyon ins werk gesetzt, berichtet, erzählt Herodot wei- 
ter, Isagoras habe, da er seinerseits den kürzern gezogen, Kleomenes und 
die Spartaner zu hülfe gerufen. 

Diese erzählung scheint man gewöhnlich so aufzufassen: Kleisthenes 
habe zuerst den demos zu gewinnen gewust, darauf die phylenreform 
vorgenommen und dann die oberhand über Isagoras und dessen i 
erlaugt. Man nimmt also an, über diese drei thatsachen habe Herodot in 
chronologischer reihenfolge berichtet. Diese annahme ist aber yollkom- 
men unbegründet. Denn was von e, 66 μετὰ δὲ τετραφύλους ἐόντας bis 
c. 69 κατένεμε ἐς τὰς φυλάς steht, ist eine in die erzihlung vom partei- 
hader zu Athen eingelegte episode, und was in ihr erzählt ist, braucht 
daher nicht auch der zeit nach zwischen den’begebenheiten, welche vor 
und nach derselben erzählt werden, zu liegen. Wir hätten es also nach- 
zuweisen, dasz die erwähnung der phylenreform einer episode angehört. 

Dasz die erzählung von der phylenreform des sikyonischen tyrannen 
nicht hieher gehört, ist klar. Die phylenreformen bilden nun aber das 
tertium comparalionis zwischen den beiden Kleisthenes, groszvater und 








93) de demis urbanis Athenarum s. 1, 


des ostrakismos in Athen. . 165 


enkel, und darum ist die einteilung der Athener in zehn phylen und blosz 
darum erwähnt, und zwar zweimal: anfangs zur einleitung, dann zum 
schlusz derselben, um die erzählung vom parteienkampf zu Athen wieder 
anzuknüpfen. Die gedankenreihe bei Herodot V 66 —69 gliedert sich 
demnach folgendermaszen: 
A. Parteienstreit zwischen Kleisthenes und Isagoras c. 66 bis &000v- 
μενος δὲ ὁ Κλεισϑένης τὸν δῆμον προσεταιρίζεται. 


Episode. 
a. Kleisthenes richtet die neuen phylen ein, von μετὰ δὲ xr£. bis 
zu ende des cap. 
. nachahmung des Sikyoniers Kleisthenes durch den Athener in 
bezug auf die phylenreform, c. 67 bis zov Σικυῶνος τύραννον. 
c. über desSikyoniers Kleisthenes phylenreform, bis zu ende des cap. 
. nachahmung des Sikyoniers durch den Athener, c. 68 bis Kisı- 
σϑένεα ἐμιμήσατο c. 69. 
, phylenreform des Atheners, bis ἐς τὰς φυλάς. 


| Schlusz der Episode. Darauf 
B. wiederanknüpfung der frühern erzählung und fortsetzung derselben, 
von ἦν ze τὸν δῆμον προσϑέμενος (— c. 66 τὸν δῆμον προσεται- 
οἰζεταὶ) πολλῷ an. 
μετὰ δὲ aber in μετὰ δὲ τετραφύλους ἐόντας. ᾿Αϑηναίους δεκαφύλους 
ἐποίησε scheint mir nicht sowol das nachfolgende an das vorhergehende 
anzuknüpfen als vielmehr es von demselben zu scheiden, nicht etwa weil 
μετὰ δὲ an und für sich solch eine kraft und bedeutung besásze, son- 
dern weil im entgegengesetzten fall Herodot dem δέ ein μέν hätte voraus- 
gehen lassen und sich etwa so ausgedrückt hätte: ἑσσούμενος δὲ ὁ Κλει- 
σϑένης τὸν μὲν δῆμον προσεταιρίξεται. μετὰ δὲ oder πρῶτα μὲν τὸν 
δῆμον προσεταιρίζξεται, μετὰ δὲ xrÉ. Daher scheint mir Herodot hier 
durch μετά anzudeuten, dasz die phylenreform nicht etwa mit ein mittel 
gewesen, um den demos zu gewinnen und über Isagoras ein ühergewicht 
zu erlangen, sondern dasz sie später fällt als die begebenheiten, 
deren erzählung durch die episode abgebrochen wird. 
Zur beseitigung etwaiger bedenken müssen wir aber noch einige 
bemerkungen hinzufügen. Das ende der episode nemlich scheidet llerodot 
nicht streng genug von der wiederanknüpfung der unterbrochenen er- 
zählung, da er hiebei τὲ, die partikel der anknüpfung gebraucht: ὡς 
γὰρ dq τὸν ᾿Αθηναίων δῆμον πρότερον ἀπωσμένον τότε πάντα «πρὸς 
ξωυτοῦ μοῖραν προσεθϑήκατο, τὰς φυλὰς μετουνόμασε are. ἣν τε 
τὸν δῆμον προσϑέμενος πολλῷ κατύπερϑε τῶν ἀντιστασιωτέων. ἐν τῷ 
μέρεϊ δὲ ἑσσούμενος κτέ. Darum darf aber die episode nicht hinweg- 
geleugnet werden. Herodot hat diese partikel jedenfalls nur darum ge- 
braucht, weil Kleisthenes erst nach seiner schwenkung zum δῆμος hin, 
einerseits vor Isagoras einen vorsprung gewann, anderseits die zehn 
phylen einführte. τὸν δῆμον προσϑέμενος entspricht den worten τὸν 
Adnvalov δῆμον πρὸς τὴν ἑωυτοῦ μοῖραν προσεϑήκατο, wenn auch 
mehr noch der angabe c. 66 τὸν δῆμον προσεταιρίξεται. Denn Herodot 


166 K.Lugebil: über das wesen und die historische bedeutung 


unterlászt es nicht anzudeuten, dasz des Kleisthenes parteistellung eine 
verschiedene gewesen sei, als er über Isagoras ein übergewicht gewann 
und als er die neuen phylen einrichtete. Im erstern fall hatte er den 
demos (τὸν δῆμον, c: 66 u. 69 a. e.) für sich, im letztern falle stand er 
an der spitze des ganzen volkes (παντὸς τοῦ δήμου, c. 69 mitte), Hierin 
scheint mir ein unterschied zu liegen; anderseits aber kann Herodot hier 
schwerlich von dem vorwurf einiger undeutlichkeit des ausdrucks freige- 
sprochen werden. ὁ δῆμος kann nemlich einen teil des volks, die demo- 
kratische partei im gegensatz zu einer oder mehreren anderen zur 
aristokratie oder oligarchie hinneigenden bezeichnen. Aber πᾶς ó δῆμος. 
umfaszt das ganze volk olıne rücksicht auf parteien. Jenes ist, so zu 
sagen, ein politischer, dieses ein arithmetischer, ein statistischer aus- 
druck. Da nun aber Herodot das wort δῆμος wiederholt, wenn auch das 
eine mal mit der bestimmung πᾶς, so kann er dadurch, zu irriger aut- 
fassung veranlassung geben, um so mehr da er sagt: ὡς γὰρ δὴ 
Adnvalov δῆμον πρότερον ἀπωσμένον τότε πώντα πρὸς 
τὴν ἑωυτοῦ μοῖραν προσεϑήκατο. Denn nicht πᾶς ὁ δῆμος war bis- 
her ἀπωσμένος, insofern bruchteile desselben schon früher an Isagoras 
und Kleisthenes ihre parteiführer hatten. Herodot hätte sich deutlicher 
ausgedrückt, wenn er anstatt ὁ δῆμος im sinne der demokratischen partei 
die Diakrier genannt hätte. Denn offenbar sind die drei parteien, welche 
nach Hippias vertreibung zum vorschein kamen, die alten Pediäer, Para- 
lier und Diakrier. Durch die verbindung der beiden ersteren parteien und 
mit hülfe der Spartaner war Hippias gestürzt; als sie aber gesiegt, zer- 
fielen sie wieder mit einander, wie es auch früher geschehen war (vgl. 
Merod. 1 60) und auch sonst zu geschehen pflegt. Die Diakrier, früher 
durch die Peisistratiden vertreten, hatten an dem kampf gegen diese wol 
mur geringen anteil genommen. So scheint sich mir am einfachsten der 
vorwurf zu erklären, den Herodot ‚einem, teil des volkes macht V 64 a, e. 
Κλεομένης δὲ ἀπικόμενος ἐς τὸ ἄστυ ἅμα ᾿᾿ϑηναίων τοῖσι βου- 
λομένοισι εἶναι ἐλευϑέροισι ἐπολιόρκεε τοὺς τυράννους. ἢ 
Nach bexeitigung des Hippias nun waren die Diakrier ohne führer und 
ohne einflusz, bis sie sich an die partei des Kleisthenes anschlossen und 
ihm dadurch ein übergewicht über [sagoras verschafften. Als letzterer 
aber, durch die spartanischen truppen mehr compromittiert als sie ihm 
genützt, beseitigt war, hatte Kleisthenes πάντα τὸν δῆμον für sich. Und. 
jetzt erst, da er keine feindliche partei gegen sich hatte und ungefähr 
eine solche stellung in Athen einnahm, wie Perikles nach der ostrakisie- 
rung des Thukydides, jetzt konnte er die so umfassende phylenreform 
durchsetzen, ohne eine besondere vollmacht zu besitzen, ohne zum 
asymneten erwählt zu sein. 

Trat nun die phylenreform nach besiegung des Isagoras und seiner 
spartanischen bundesgenossen und nach der rückkehr des Kleisthenes aus 








94) Vgl. 162 ἐν δὲ τούτῳ τῷ χώρῳ (ἐν Μαφαϑώῶνι) σφι (τοῖς Πει- 
σιστρατίδαις) στρατοπεδευομένοισι of τε ἐκ τοῦ ἄστεος στασιῶται 
xovro, ἄϊλοι τε ἧς odo δήμων προσέρρεον, τοῖσι ἡ τυραννὶς πρὸ 
ἐλευδερίης ἦν ἀσπαστότερον. 


des ostrakismos in Athen. 167 


seiner verbannung ein, so musz sie in eine kriegszeit, in eine gefährliche 
zeit für Athen gefallen sein. Damals fielen die Peloponnesier von süden, 
die Böoter und Chalkidier von norden ein. Freilich zugen sich die erstern 
zurück, ohne auch nur eine schlacht zu liefern; freilich wurden die Bóo- 
. ter und Chalkidier überwunden, aber die Böoter gewannen darauf einen 
bundesgenossen an den Aegineten. Und die Spartaner, welche jetzt die 
partei des Hippias ergriffen, dachten an einen nochmaligen feldzug gegen 
Athen. Aber gerade kriegszeiten erweisen sich oft sehr geeignet zu in- 
neren reformen. Jedenfalls muste die.gefahr, die Athen von auszen be- 
drohte, dazu beitragen die einigkeil im innern zu erhalten und muste 
es verhindern, dasz sich eine opposition gegen Kleisthenes bildete. Auch 
Themistokles drang später, während seines archontats 493, mit seinen 
gesetzen, welche auf die innere und äuszere politik Athens von uner- 
meszlichem einflusz waren, gegen die opposition des Miltiades *) um so 
leichter durch, weil Athen damals mit der noch mächtigen insel Aegina 
im kriege war. In jene zeit aber, da Athen sich sogar nach persischer 
hülfe umsah , passt auch die verleihung.des bürgerrechts an ξένους με- 
‚tolsovg καὶ δούλους. Es war ihnen vielleicht versprochen worden für 
die teilnahme an den damaligen feldzügen, wie es auch sonst vorkam, 
dasz sklaven für geleisteten kriegsdienst die freiheit erhielten. 

Sollte der archon des jahrs 508 unser Isagoras, der sohn des Ti- 
sandros, sein, was möglich und wahrscheinlich ist, so.müste die 
phylenreform erst nach diesem jahr eingetreten sein. 

Ist nun die einführung des ustrakismos gleichzeitig ınit dem par- 
teienkampf zwischen Kleisthenes und Isagoras oder fällt sie vor oder 
nach einer von den obigen begebenheiten ? 

Zur zeit jenes parteienkampfs kann der ostrakismos nicht einge- 
führt sein. Denn die ostrakisierung des llipparchos durch Kleisthenes 
setzt voraus, dasz diese mänuer als häupter feindlicher parteien einander 
gegenüberstanden. Dies ist nicht nur eine an und für sich unumgäng- 
liche annahme, wie wir es schon oben bemerkt, sondern auch gewisser- 
maszen bezeugt durch die angabe Androtions "), llipparchos sei verbannt 
worden, nachdem eben erst der ostrakismos eingeführt war. Da wir 
oben nachgewiesen, die günstigste zeit für die phylenreform müste die 
nach der endlichen niederlage des Isagoras gewesen sein, so ist auch die 
möglichkeit benommen, dasz nach dem parteienkampf und vor der phy- 
lenreform, oder zur zeit der letztern die einführung des ostrakismos 
habe stattfinden kónnen. Sie müste also entweder vor dem beginn des 
parteienkampfs zwischen Kleisthenes und Isagoras oder nach der phylen- 
reform eingetreten sein. Ersteres ist so unwahrscheinlich, wie letzteres 
wahrscheinlich. , 

Von einem verwandten der Peisistratiden ist zu erwarten, dasz er 
als vertreter des demokratischen princips auftrat. Sagt doch auch An- 
drotjon (a. o.), Hipparchos sei verbannt worden διὰ τὴν ὑποψίαν τῶν 





95) nach Stesimbrotos bei Plut. Them. 4, 90) in Müllers fragm. 
hist, Gr. I s. 376 Androt. fr. 5. 


168 K. Lugebil:,über das wesen und die historische bedeutung 


περὶ Πεισίστρατον, ὅτε δημαγωγὸς ὧν καὶ στρατηγὸς ἐτυράννησεν. Soll 
die angehängte notiz nicht als ganz überflüssig erscheinen, so müssen wir 
annehmen, auch Hipparchos sei στρατηγός und δημαγωγός gewesen, 
Nun heiszt es aber, der-demos habe keinen einflusz, weil kein partei- 
haupt gehabt, bis er sich an Kleisthenes anschlosz und diesem zum siege 
über Isagoras verhalf, 

Wenn es nun sehr unwahrscheinlich ist, dasz man die einsetzung 
des ostrakismos vor den parteienkampf zwischen Kleisthenes und Isagoras 
anzusetzen habe, so ist es dagegen höchst wahrscheinlich, sie habe nach 
der plıylenreform stattgefunden. Darauf führt namentlich die bei Plutarch 
(Nik. 11) erhaltene nachricht, Hipparchos, des Charmos sohn, habe zum 
demos Cholargos gehört (XoAapyeug). Da solches nach Kleisthenes die 
officielle art ist einen Athener zu bezeichnen, so ist es sehr wahrschein- 
lich, dasz Plutarchs gewährsmann oder vielleicht des letztern gewährs- 
mann das officielle document über den ostrakismos des Hipparchos noch 
benutzt hat. Also wäre danach der ostrakismos nach der phylenreform 
eingeführt, obgleich freilich beispiele vorhanden sind, dasz männer, die 
lange vor Kleisthenes gelebt haben, nach ihrem demos bezeichnet wer- 
den: so bei Plutarch Sol. 12 ein zeitgenosse Solons Myron als Φλυεύς. 
In solchen fällen ist wol der vorfahr nach dem demos genannt, dem seine 
nachkommen zugezählt werden, oder es ist eine verwechselung der per- 
sonen anzunehmen. Das wäre freilich auch in.bezug auf unsern Hippar- 
chos möglich; doch sind wir hier zur annahme eines irtums nicht be- 
rechtigt, da es auch aus andern gründen wahrscheinlich ist, dasz der 
ostrakismos nach der phylenreform eingeführt worden ist. 

Und zwar kann kein gar zu kleiner zeitraum verflossen sein, seit 
Isagoras besiegt würde. Denn eine neue partei bildet sich nicht von 
éinem lage zum andern. Auch musten die neuen parteien seit der Klei- 
sthenischen reform sich auf ganz neuen grundlagen bilden, wie ich es 
bei einer andern gelegenheit werde zu beweisen suchen. Demmach ist 
es nicht unwahrscheinlich, dasz der archont des j. 496 Mipparchos der 
sohn des Charmos ist, dasz also die einführung des ostrakismos nach 
diesem jahr füllt. 

Welehe von den parteien, die des Kleisthenes oder die des 
chos, haben wir uns als die conservative , welche als die des fortschritis 
zu denken? 

Wir haben schon oben bemerkt, welche partei ein verwant der 
Peisistratiden aller wahrscheinlichkeit naeh vertreten haben wird. 
seits ist nichts wahrscheinlicher als dasz derselbe mann, der eine 
verfassung eingeführt, sie auch zu wahren und zu erhalten sucht gégen- 
über der tendenz aus dem von ihm zur geltung gebrachten demokratischen. 
princip weitere eonsequenzen zu ziehen. Das bestätigt auch Plutarch: 
(Arist. 2) durch die angabe, Aristeides habe zur aristokratischen (cousere- 
vativen) partei gehört, da er freund des Kleisthenes gewesen." 
Die verbannung des Themistokles betreibt unter andern ein Alkmäon, 








97) Vgl. Plut. Kim. 15. 


des ostrakismos in Athen. 169 


wol ein Alkmäonide (Plut. Arist. 35), und dessen sohn Leobotes ist es, 
der den verbannten Themistokles des verraths anklagt (Plut. Them. 23). 
Von einem Peisistratiden aber ist, wie gesagt, zu erwarten, dasz er die 
demokratische partei vertrat. So erscheinen Kleisthenes und Hipparchos 
als die ersten oberhäupter zweier parteien, an deren spitze später einer- 
seits Miltiades, Aristeides, Kimon, Thukydides, Nikias, anderseits The- 
mistokles, Ephialtes, Perikles, Kleon, Alkibiades stehen. **) 

Diese betrachtungen machen es wahrscheinlich, dasz die einfüh- 
rung des ostrakismos nach dem j. 496 anzusetzen sei. 


12. 


Die fernere geschichte des ostrakismos ist ein stück geschichte der 
ausbildung politischer toleranz. 

Wenn man Plutarch (Arist. 8) glauben schenken dürfte, so wären 
die ostrakisierten (of μεϑεστηκότες) und namentlich Aristeides zurück- 
berufen worden, als der zug des Xerxes nahe bevorstand. Leider ist 
diese nachricht eine spätere erdichtung. Denn als Aristeides von Salamis 
zur flotte der Athener kam, um Themistokles die nachricht zu überbrin- 
gen, dasz die Griechen von den Persern umzingelt würden; als er später 
auf Psyttalia mit einer schar Athener die feinde, welche auf dieser insel 
eine zuflucht suchten, niedermachte, war er noch ostrakisiert, wie es 
Herodot VII 79 ausdrücklich meldet. Grote sucht freilich deu wider- 
spruch zwischen den angaben Herodots und Plutarchs hinweg zu erklà- 
ren, indem er annimmt, damals sei Aristeides schon zurückgerufen, aber 
noch nicht nach Athen zurückgekehrt gewesen. Richtiger ist gewis die 
angabe des Cornelius Nepos (Arist. 1), er sei erst nach der schlacht zu- 
rückgerufen worden, da er jedenfalls im nächsten jahr in der schlacht 
bei Platää als strateg erscheint. Es mögen die wichtigen dienste, die er 
den Griechen in der schlacht bei Salamis erwies, die Athener bewogen 
haben die zeit seiner verbannung abzukürzen. Ob aber in dieser zeit der 
gefahr auch andere ostrakisierte und sonstige verbannte in ihr vaterland 
zurückkehrten, musz dahin gestellt bleiben. 

Erfreulicher gestalten sich die verhältnisse zu Perikles zeit. Als 
Kimon ostrakisiert war (Plut. Per. 10. Kim. 17), werden die Athener 
bei Tanagra geschlagen, wo die parteigänger und freunde jenes lakonen- 
freundes sich auszeichneten. Man erwartete für das nächste jahr einen 
einfall der Peloponnesier in Attika. Da bereuen die Athener Kimon ver- 
bannt zu haben, sie sehnen sich danach ihn wieder in ihrer mitte zu 
sehen. Setzen sie doch auf ihn alle ihre hoffnungen; er würde am leich- 





98) Kutorga (mémoire sur le parti persan usw. s. 15 f.) rechnet die 

en zur demokratischen partei, offenbar weil Xanthippos den 

Miltiades gerichtlich verfolgte, sodann aber auch wol, weil er mit den 

Alkmäoniden verschwügert war. Dagegen kann man anführen, dass 

auch Kimon eine enkelin des Megakles zur frau hatte (Plut. Kim. 4 

᾿Ισοδίκην τὴν Εὐρυπτολέμου μὲν ατέρα τοῦ Μεγακλέους, κατὰ νό- 
βους δ' αὐεῷ συμβιώσασαν). Entscheidend ist wol nur Plut. Arist. 2. 


170 Κ΄. Lugebil: über das wesen und die historische bedeutung 


lesten einen vorteilhaften oder wenigstens nicht unvorteilhaften frieden 
mit den Spartanern zu wege bringen kónnen. Da beantragt sein groszer 
gegner Perikles selbst dessen zurückberufung, ehe noch die zehn jahre 
verflossen waren, während deren dauer Kimon nach dem. gesetz seine 
heimat hätte meiden müssen. Freilich erzählten einige ‚schriftsteller, 
wie Plutarch augibt — und wir haben keinen grund an dieser erzählung 
, zu zweifeln — dasz, ehe Perikles in der ekklesia jenem antrag stellte, 
er mit Kimon ein geheimes compromiss abgeschlossen hatte, wonach für 
die zukunft ersterer die inneren augelegenheiten von -der- gegenparlei 
unbelästigt leiten, letzterem dagegen der krieg mit den barbaren über 
lassen werden sollte. Auszerdem ist es nicht unwahrscheinlich, dasz 
Perikles nur darum jenen antrag selbst stellte, um dadurch, dasz-er der 
damaligen stimmung des volks rechnung trug, seine popularilät und sei- 
nen einflusz zu wahren. Jedenfalls bezeugt jener antrag, dasz die par- 
teien damals einander nicht mehr mit einer so blinden leidenschaftlich- 
keit bekämpften, um über ihrer zwietracht die allgemeinen interessen 
des vaterlandes zu übersehen. Ganz unrecht hat daher Plutarch, wenn 
er sagt: "so handelte es sich bei den damaligen zwistigkeiten nicht um 
persönliche, sondern nur um stuatsinteressen, so gemäszigt war der 
hasz der parteien, so leicht liesz er sich im allgemeinen interesse he- 
schwichtigen, und der ehrgeiz einzelner, die máchtigste aller leidenschaf- 
ten, tritt zurück, da sich das vaterland in einer kritischen lage befindet" 
(Kim. a. ο.: οὕτω τότε πολιτικαὶ μὲν ἦσαν αἱ διαφοραί, μέτριοι δ᾽ of 
ϑυμοὶ καὶ πρὸς τὸ κοινὸν εὐανάκλητοι συμφέρον. ἡ 
πάντων ἐπικρατοῦσα τῶν παϑῶν τοῖς τῆς πατρίδος ὑ: ὑπεχώρει καιροῖς). 
Und doch war damals das land lange nicht von einer so groszen gefähr 
bedroht wie während des krieges mit Xerxes. 

Zum letztenmal wird vom ostrakismos gebrauch gemacht zur zeit 
des peloponuesischen kriegs. Das-letzte opfer dieser maszregel ist be- 
kanntlich Hyperbolos. Ueber diesen fall ist es nicht leicht ein urteil 
zu fällen, da er von Plutarch selbst (Alk. 13. Nik. 11. Arist. 7) auf ver- 
schiedene art erzählt wird. 

Im leben des Alkibiades gibt er an: nach den damaligen, der pro- 
cheirotonie voraufgehenden debatten hätte man schlieszen müssen, von 
drei männern, nemlich Nikias, Phàax und Alkibiades würde einer dem 
ostrakismos verfallen, und Hyperbolos sei es gewesen, der das volk 
hauptsächlich aufforderte und beredete die scherbenabstimmung zu be- 
schlieszen. Nun hätten aber Alkibiades und Nikias oder, nach anderen 
nachrichten, Alkibiades und Phäax ihre hetärien gegen Hyperbolos, an 
dessen ostrakisierung bisher niemand gedacht, vereinigt und dessen ver- 
bannung auch wirklich durchgesetzt. Was der dritte von den männern, 
welchen verbannung drohte, gethan habe, wird nicht weiter berichtet; zu 
ende der erzählung wird er eben überflü: Consequenter ist Plutarchs 
erzählung im leben des Nikias und in dem des Aristeides. Danach hat es 
sich um das los von blosz zwei staatsmännern, Nikias und Alkibiades, ge- 
handelt. Auch hier aber heiszt es, Hyperbolos habe der gefahr anfangs 
fern gestanden, er habe sich aber über das los, welches Nikias und Alki- 








des ostrakismos in Athen. 171 


biades bedrohte, gefreut und das volk gegen beide staatsmänner aufge- 
hetzt. Was mag nun an diesen erzählungen wahr, was falsch sein? 
Wenn ich diese frage zu beantworten versuche, so bin ich mir wol be- 
wust, dasz es sich hier nur darum handeln kann zu entscheiden, was 
wahrscheinlich und was unwahrscheinlich ist. 

So viel ist jedenfalls klar, dasz Alkibiades mit im spiel war. War 
es aber blosz noch das oberhaupt Einer partei, sei es Nikias oder Phäax, 
oder waren diese beiden männer von ihren beiderseitigen gegnern zur 
verbannung in vorschlag gebracht? Ersteres berichtet Plutarch im leben 
des Nikias und in dem des Aristeides. Und zwar bezeichnet er an beiden 
stellen Nikias als den damaligen gegner des Alkibiades. Welchem oder 
welchen schriftstellern er diese nachricht entnommen, gibt er nicht an. 
Anderseits sagt er aber, Theophrast habe als gegner des Alkibiades nicht 
Nikias, sondern Phäax genannt (Nik. 11 ovx ἀγνοῶ δ᾽ ὅτε Θεόφραστος 
ἐξοστρακισϑῆναί φησι τὸν Ὑπέρβολον Φαίακος; οὐ Νικίου, πρὸς 
᾿Δλκιβιάδην ἐρίσαντος). Also auch nach Theophrast handelte es 
sich um die verbannung eines von nur zwei parteihäuptern; und dieser 
autorität gegenüber können wir der angabe im leben des Alkibiades von 
drei einander bekämpfenden parteien keinen glauben schenken, und zwar 
um so weniger, da diese angabe offenbar der pseudo-Andokideischen rede 
gegen Alkibiades entnommen ist, die man dem Phäax zuschrieb.”) Denn 
wenn Manches von Plutarch etwas anders erzählt wird als wir es in der 
rede lesen, so liegt der grund davon wol nur darin, dasz der redselige 
historiker den inhalt derselben nur aus dem gedächtnis wiedergegeben 
und darum manches verwirrt hat.9) Da es nun ausgemacht ist, dasz 
die rede nicht echt, dasz sie nicht wirklich, weder von Phäax noch von 
Hyperbolos in der ekklesia gehalten, der darin besprochene fall also ein 
fingierter, die dort genannten persönlichkeiten willkürlich gewählte 
sind, so können wir auch dem, was Plutarch dieser rede über die per- 
sonen und über den kampf dreier parteien entnimmt, kein gewicht bei- 
legen. Demnach musz es sich in jenem fall um den kampf 
zweier, nicht dreier parteien gehandelt haben. Auch liegt 
es in der natur der sache, dasz es gewöhnlich so war. Denn jede partei, 
welche zugleich zwei andere angreift, musz dadurch bewirken, dasz 
diese beiden sich gegen sie verbinden, so dasz erstere wenig aussicht 
hat obzusiegen. 3) 

Nun gibt Theophrast an, damals hätten Alkibiades und Phäax ein- 
ander gegenüber gestanden. Die meisten aber nannten, wie Plutarch 
sagt, nicht Phäax, sondern Nikias. Und unser biograph ist unkritisch 
genug die zeugnisse zu zählen anstatt zu wägen. Denn hätte er eine 


99) Plut. ἐπεὶ δὲ δῆλον ἦν ὅτι ἑνὶ τῶν τριῶν τὸ ὄστρακον ἐποί- 
40v6: — rede g. Alkib. of δ᾽ ἀνταγωνιξόμενοι᾽ περὶ τῶν ἄϑλων τούτων 
ἐσμὲν ἐγὼ καὶ ᾿Αλκιβιάδης καὶ Νικίας, ὧν ἀναγκαῖον ἕνα τῇ συμφορᾷ 
πδριπεσεῖν. 100) Vgl. F. Vater diss. qua Andocidea oratio de ostra- 
cismo Phaeaci vindicatur, in Jahns archiv für philol. XI s. 4:6 ff. 
101) So wenig haltbar ist Meiers bypothese, man habe gewöhnlich drei 
candidaten zum ostrakismos vorg en. 


/ 


172 K.Lugebil: über das wesen und.die historische bedeutung 


dem Theophrast widersprechende ebenbürtige autorität gekannt, so 
würde er sie genannt und nicht blosz von *den meisten? gesprochen 
haben. 

Also bekämpften einander bei den damaligen debatten 
die parteien des Alkibiades und des Pháax. Um des Hyperbo- 
los verbannung handelte sich dabei nicht. Offenbar war er im vergleich 
mit den beiden männern nicht mächtig genug, um in frage zu kommen; 
Wenn aber später beide hauptgegner sich gegen ihn kehren, so musz 
er beiden gleich verhaszt gewesen sein; er wird ihnen gegenüber unge- 
fahr dieselbe^stellung eingenommen haben , wie 5. b. Roebuck gegenüber 
den führern der whigs und der tories.®) 

Nachdem nun die ostrakophorie beschlossen, ehe sie aber vorge- 
nommen war, musz sich etwas ereignet haben, was jene beiden parteien 
einander näherte und gegen Hyperbolos aufreizte Was geschah nun? 
etwas dem ähnliches, was in England bei abstimmungen vorzukommen 
pflegt. Wenn es sich nemlich um eine wichtige angelegenheit handelt, 
so dasz einfach sich der abstimmung zu enthalten einem verrath an der 
eignen partei gleichkäme, so vergleichen sich diejenigen mitglieder des 
parlaments, die sich aus irgend einem grunde nicht an der abstimmung 
beteiligen möchten, mit einer gleichen anzahl männer von der gegenpar- 
tei, die sich in derselben lage befinden, nicht zu stimmen (to y off). 
Das ist ein mittel sich der abstimmung zu enthalten ohne 'sein&t partei 
abbruch zu thun. Etwas ähnliches thaten damals die hetärien des Alkibia- 
des und des Phäax. Ohne sich eigentlich ausgesöhnt zu haben !®), ver- 
abredeten sie sich nicht gegen einander, sondern gegen Hyperbolos zu 
stimmen. Offenbar wirkten nun die hetärien in diesem sinn auch auf 
solche männer, die nicht eigentlich mitglieder einer von beiden hetärien 
waren. Hyperbolos wurde auch wirklich zur verbaunung verurteilt. Dieses 
resultat der abstimmung-erregte nach Plutarch anfangs lachen und freude 
unter dem demos, später sah man darin einen misbrauch des ostrakis- 
mos. Für letzteres gilt dem Plutarch als genügender beweis ein calem- 
bour des komódiendiehters Platon und die oben s. 133 angeführten worte 
des Thukydides. Schon dort habe ich mich darüber ausgesprochen, dasz 
beide stellen das was sie beweisen sollen nicht beweisen. Auch werden 
sich über das resultat der abstimmung nur die gefreut haben, denen des 
Hyperbolos verbannung genelm war. Andere hatten aber gewis gent 
genden grund das verfahren der hetärien zu misbilligen: denn es war ge- 
setzwidrig, wenn auch nicht in formeller beziehung. In letzterer bezie- 
hung war das verfahren freilich nicht illegal, weil durch die procheiro- 
tonie officiell nur die frage entschieden war, dasz ostrakophorie stattzu- 
finden habe, aber nicht wer zu verbannen sei, Letzterer punkt kommt 
ja erst durch die eigentliche scherbenabstimmung zur entscheidung. An- 





102) Von einem ministerium Derby, sagte letzterer einst, erwarte 
er nichts gutes, noch schlimmer sei aber das ministerium Palmerston, 
103) Plutarch gebraucht die ausdrücke λόγον διδόναι ἀλλήλοις, διᾶ- 


λεχϑῆναι, aber nie διαλλαχϑῆναι. 


des ostrakismos in Athen. 173 


ders stand die sache in der wirklichkeit. Die gelegentlich der procheiro- 
tonie stattfindenden debatten bildeten eine art präjudiz gegen die männer, 
die man verbannt zu sehen wünschte; wenn also ostrakophorie beschlos- 
sen war, so hatten die parteien dafür gestimmt, um den von ihnen bei 
dieser gelegenheit angegriffenen gegner zu verbannen, also in diesem 
fall die einen, um Alkibiades, die andern, um Phäax zu ostrakisieren. 
Des Hyperbolos los kam damals nicht in frage; es hatte also niemand für 
die ostrakophorie gestimmt, um ihn zu beseitigen. Insofern also war 
das verfahren der hetärien illegal, als infolge davon das resultat der 
scherbenabstimmung in widerspruch stand mit den beweggründen, wel- 
che das volk veranlaszt hatten die ostrakophorie zu beschlieszen. Dasz 
es aber unerwartet kam, dasz Hyperbolos, obgleich er seines verhältnis 
mäszig geringern einflusses halber ursprünglich nicht in frage kam, doch 
später zur verbannung verurteilt wurde, das deutet auch Platon in sei- 
nem boshaften wortspiel mit den worten an: αὑτοῦ δὲ καὶ τῶν στιγ- 
μάτων ἀνάξια (πέπραχεν). So liegt uns denn ein fall vor, wo der os- 
trakismos wirklich misbraucht wurde, aber freilich in einem andern 
sinne, als sich Plutarch die sache vorstellte, der bei dieser gelegenheit 
recht klar zeigt, wie weit sein mangel an kritik gehen kann. 

Seitdem wurde niemand mehr ostrakisiert. Ob wegen des oben 
besprochenen misbrauchs dieses instituts, wie Plutarch sagt, ist schwer 
zu bestimmen. Es karin aber kaum der einzige grund dazu gewesen sein. 
Roscher bemerkt in der oben s. 121 angeführten stelle, das beispiel des 
Alkibiades, der seine verurteilung in der fremde an der vaterstadt so 
hart zu rächen verstand, habe die Athener abschrecken müssen irgend 
jemand später zu ostrakisieren. Hätten nun die Athener auch nur aus 
diesem grund es gemieden vom ostrakismos fernerhin gebrauch zu ma- 
chen, so würde auch dieser umstand schon beweisen, dasz die parteien 
damals nicht mehr so leidenschaftlich waren, um durch ihre zwietracht 
den staat in gefahr zu bringen. Das that damals nur die kleine minoritàt 
der reichen, die oligarchen. Das volk der Athener im groszen und gan- 
zen dagegen zeigt — zur zeit der vielgeschmähten sogenannten pöbel- 
herschaft — den männern gegenüber, die sich gegen die verfassung ver- 
schwören und sie durch lug und trug, durch meuchelmord und spartani- 
sche hülfe stürzen, eine mäszigkeit und gerechtigkeit, dasz die geschichte 
gewis wenig solche beispiele aufzuweisen hat. Ich brauche dafür nur 
auf Grote zu verweisen, der zuerst der attischen demokratie gerecht ge- 
worden ist. Da nun damals bei den parteikämpfen sich eine solche masz- 
haltung zeigte, so glaube ich dasz schon damals der ostrakismos den 
Athenern als ein ungerechtes, mit der verfassung im widerspruch stehen- 
des institut erschien. So stellt ihn wenigstens der anonyme verfasser 
der rede gegen Alkibiades dar (S 3): *es verdient der gesetzgeber ge- 
tadelt zu werden, welcher dieses gesetz einführte, das mit dem schwur 
des demos und des raths im widerspruch steht. Ihr schwórt ja nieman- 
den zu verbannen noch in fesseln zu legen noch zum tode zu verurteilen, 
ohne ihn gerichtet zu haben. In diesem fall aber findet keine eigentliche 
anklage statt, wird keine eigentliche vertheidigung gestattet, ist die ab- 


174 K. Lugebil: über das wesen und die historische bedeutung 


stimmung nicht geheim '9), und doch (d. h. trotz solchem verfassungs- 
widrigen verfahren) musz der ostrakisierte seine vaterstadt so lange 
meiden.” 

Wenn der ostrakismos unter dem archontat des Eukleides gänzlich 
abgeschafft wurde, wie man gewöhnlich und mit recht annimmt, so hat. 
er kein jahrhundert bestanden. Er hatte den nutzen gebracht, den man 
von ihm erwarten konnte. Mit der abschaffung des ostrakismos war der 
zweck vollständig erreicht, den Kleisthenes durch die einführung dieses 
instituts freilich nur zum teil zu erreichen gesucht hatte. 

Mit der entwicklung der demokratie hielt in Athen die ausbildung 
gegenseitiger toleranz der parteien gleichen schritt. Jetzt hatte sich eine 
politische moralität gebildet, welche es nicht gestaltete sich im partei- 
interesse, in der hitze des parteienkampfs über das gesetz hinaus zu 
setzen. Auch in einem solchen fall war jetzt der Athener νόμεμος ἢ), 
d. h. er hielt sich in den grenzen des legalen verfahrens. 


Excurs zu s. 146 anm. 57. 


Die frage, wie nach schlusz der scherbenabstimmung die scherben 
gezählt wurden, bietet einige schwierigkeit. “Die archonten zählten zuerst 
die ganze masse der abgegebenen scherben* sagt Plutarch Arist. 7, *ohne 
sie nach den darauf geschriebenen namen zu sondern (of δ᾽ ἄρχοντες 
πρῶτον μὲν διηρίϑμουν τὸ σύμπαν ἐν ταὐτῷ τῶν ὀστράκων πλῆθος): 
d. h. wol, die an den einzelnen eingängen abgegebenen stimmen wurden 
ohne vorläufige sonderung gezählt und darauf summiert. *Darauf son- 
derten sie (die archonten) die scherben nach den darauf geschriebenen 
namen (ἔπειτα τῶν ὀνομάτων ἕκαστον ἰδίᾳ ϑέντες τὸν ὑπὸ τῶν πλείστων 
γεγραμμένον ἐξεκήρυττον). Bei diesem verfahren fallen uns zweierlei 
übelstände auf: 

1) in dem falle, wenn nach summierung aller scherben sich ergab, 
dasz nicht die zur gültigkeit der ostrakophorie erforderliche anzahl vota. 
abgegeben worden war, erfuhr man gar nicht, welche partei die stärkste 
war. Nach neueren verhältnissen zu urteilen, müste es aber für die par- 
teien von interesse gewesen sein ihr gegenseitiges machtverhältnis im 
gegebenen moment zu wissen. In Athen waren also die parteien in dieser 
beziehung weniger neugierig, oder die beamten trugen ihrer neugierde 
keine rechnung. 

2) wichtiger aber ist ein anderer übelstand bei dieser art der stim- 
menzählung. Wenn nemlich die erforderliche anzahl von scherben abge- 
geben war, so musten sie nicht-nur nachträglich gesondert, sondern auch 





104) Dies sagt der reiner in bezug auf die procheirotonie, welche 
ein prüjudiz abgab und gewissermaszen entschied, wer gefahr laufe 
verbannt zu werden, nicht in bezug auf die ostrakophorie, welche 
wirklich geheim war, Ich sehe daher keinen grund das οὐ vor διαψῆ- 
φισαμένων κρύβδην, das die handschriften haben, zu streichen. 105) 
Antiphon tetral. Aß 12. Plat. Gorg. 5044, 


des ostrakismos in Athen. 175 
zum zweitenmal gezählt werden. Ist es nun denkbar, dasz die athenischen 
beamten sich die sache nicht leichter gemacht hätten? Ich glaube daher 
nicht, dasz die von Plutarch angegebene art der scherbenzählung geselz- 
lich festgestellt war und deshalb stets eingehalten wurde, sondern nur 
die gewöhnliche war. Das konnte sie aber nur dann sein, wenn, wie es 
in den meisten fällen der ostrakophorie geschah, keine 6000 vota 
abgegeben waren, es also eine unnütze mühe gewesen wäre die 
scherben nach den namen zu sondern. Dies letztere werden aber die 
archonten vor der summierung gewis nicht unterlassen haben, wenn sie 
aus der masse der abstimmenden schlieszen konnten, die erforderliche 
anzahl vota werde wol eingegangen sein. 


Karl Lugebil. 





Die 
Philostratischen Gemälde 


gegen K. Friederichs vertheidigt 


von 


Heinrich Brunn. 


Jahrb. f. elass. Philol. Suppl. Bd, IV. ΗΝ. 2. 12 


9. 


Die Philostratischen Gemälde gegen K. Friede- 
richs vertheidigt. 


*Aus der Reihe der Kunstschriftsteller also ist Philostratus zu strei- 
chen*: so lautet das Verdict, welches K. Friederichs am Eude seiner 
kürzlich erschienenen Schrift über die Gemäldebeschreibungen dieses 
Sophisten und seines gleichnamigen jüngern Verwandten fällt. Ihre Ab- 
sicht soll gewesen sein Bilder zu fingieren, zu welchem Zwecke sie 
in den meisten Fällen ohne weiteres die Dichter ausgeschrieben hätten. 
Doch fehle es auch nicht an eignen Zusätzen und Erfindungen, die aus 
ihrer Belesenheit oder Phantasie herzuleiten seien. In den Kunstwerken 
ihrer Zeit aber sich umzusehen und mit ihrer Hülfe den eignen Fictionen 
den Schein der Wirklichkeit zu verleihen, hàtten sie, wahrscheinlich aus 
Eitelkeit, verschmäht. 

Es leuchtet ein, dasz für unsere Kenntnis der alten Malerei der 
Gewinn oder Verlust von etwa achtzig Gemäldebeschreibungen durchaus 
nicht gleichgültig sein kann, zumal wir ihnen ähnliche ausführliche 
Schilderungen aus unseren übrigen litterarischen Quellen nur ganz ver- 
einzelt an die Seite zu stellen haben und uns auch die noch vorhandenen 
Malereien für den Verlust einer Reihe sehr eigentümlicher Darstellungen 
keineswegs zu entschádigen vermögen. Schon deshalb verdient eine Be- 
hauptung , die sich der jetzt fast allgemein herschenden Ansicht über das 
Wesen dieser Bilder schroff entgegenstellt, eine eingehende und gründe 
liche Prüfung. Zu einer solchen fordert aber auch ein praktischer Ge- 
sichtspunkt auf. Ohne dem einzelnen einen Vorwurf daraus zu machen, 
glaube ich es als eine Thatsache aussprechen zu dürfen, dasz Philostra- 
tos von Philologen wie von Archäologen verhältnismäszig wenig gelesen 
und noch seltener in einigermaszen umfassender Weise geprüft und stu- 
diert wird; und bei den eigentümlichen Schwierigkeiten seines Verständ- 
nisses werden wol auch fernerhin diejenigen, welche ihn im einzelnen 
benutzen müssen, sich über seine allgemeine Bedeutung nicht sowol ein 
eignes und selbständiges Urteil bilden, als sich vielmehr an die Auto- 
rität derjenigen anschlieszen, welche die Erörterung dieser allgemei- 
nen Fragen zu ihrer Aufgabe gemacht haben. Bei dem Zwiespalt der 

12* 


180 H. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


Meinungen, der durch die Schrift von Friederichs nothwendig hervor- 
gerufen werden musz, kann es daher nicht genügen, die Unhaltbarkeit 
seiner Ansichten nur an einer Reihe einzelner Punkte nachzuweisen und 
es einem jeden zu überlassen, nach ihnen auf die Unhaltbarkeit des Gan- 
zen zu schlieszen, sondern es wird, um jenes der Wissenschaft höchst 
nachteilige Schwanken ein für allemal zu beseitigen, nöthig sein, dem 
Verfasser in alle Einzelheiten seiner Beweisführung zu folgen und die- 
selbe einer strengen Kritik zu unterwerfen. Es liegt dabei durchaus im 
Interesse der Sache, wenn die folgenden Erórterungen eine scharfe Po- 
lemik nicht nur nicht vermeiden, soudern, sofern sie ihr Ziel erreichen. 
wollen, sogar darauf ausgehen müssen, F.s Schrift sowol in ihren all- 
gemeinen Grundlagen als in ihren speciellen Ausführungen als verfehlt 
und haltlos nachzuweisen. 

Der Umstand, dasz ich F. schon einmal scharf entgegenzutrelen 
veranlaszt war, würde für mein subjectives Gefühl eher ein Grund ge- 
wesen sein jetzt zu schweigen, als einen neuen Kampf zu beginnen. 
Doch auch dieses Bedenken muste ich der Sache gegenüber unterdrücken. 
Niemand hat wol in der letzten Zeit die Philostratischen Beschreibungen 
bei Besprechung allgemeiner kunstgeschichtlicher Fragen so vielfältig 
benutzt als ich selbst in meiner Geschichte der Maler. Dadurch aber ent- 
steht für mich die Pflicht, diese Benutzung den von F. entwickelten An- 
sichten gegenüber zu rechtfertigen und eingehender, als es mir dart nà- 
thig schien, zu begründen, zumal sich dabei Gelegenheit bietet, auf so 
manche andere, die alte Malerei betreffende Fragen näher einzugehen. 
Auszerdem aber will ich keineswegs verhelen, dasz in der Rücksicht auf 
die wissenschaNliche Persönlichkeit des Verfassers für mich gerade eine 
Aufforderung zu einer gründlichen Besprechung seiner Arbeit zu liegen 
schien. Unter der an sich schon nicht sehr groszen Zahl von Archäologen 
sind es immer wieder nur wenige, welche der gesamten Entwicklung 
und Geschichte der alten Kunst in vorwiegender Weise ihre Kräfte wid- 
men. Um so wünschenswerther erscheint es, dasz nicht nur unter die- 
sen wenigen hinsichtlich der letzten Ziele eine gewisse Uebereinstimmung 
hersche, sondern dasz auch diese Ziele mit den richtigen und förder- 
lichsten Mitteln verfolgt werden. Gern und aufrichtig erkenne ich F.s 
Streben an, und es kann mir nur erfreulich sein, dasz er olfenbar viele 
den’ meinigen ganz verwandte Zwecke verfolgt. Aber je öfter wir des- 
halb voraussichtlich auf unseren Wegen uns noch begeguen werden, um 
so mehr fühle ich mich berufen vor Abwegen zu warnen, durch welche 
nicht nur der Erfolg selbst des wolgemeintesten Strebens gefährdet wird, 
sondern auch für die Wissenschaft nur Nachteil entstehen kann. Schon 
in meiner Recension der Schrift über Praxiteles glaubte ich F. auf die 
gefährliche Neigung aufmerksam machen zu müssen, aus vereinzellen 
Beobachtungen allgemeine Folgerungen zu ziehen und, anstatt solehe 
Folgerungen durch fortgesetztes Prüfen und Abwägen der Thatsachen zu 
controlieren und zu läutern, vielmehr die Thatsachen den allgemeinen 
Voraussetzungen anzupassen. Diese Neigung ist für das vorliegende Buch 
über die Philostratischen Bilder um so verderblicher geworden, als sich. 











gegen K. Friederichs vertheidigt. 181 


F. auf ein hervorragendes Vorbild, nemlich auf Lessing (S. 202) glaubt 
berufen zu können, der ja auch im Laokoon die Grenzen der Poesie und 
der bildenden Kunst mehr auf dem Wege der Abstraction als der Empirie 
festzustellen versuchte. Wenn nun aber die ganze Philostratische Frage 
schon an sich bestimmt scheint, vorzugsweise durch die Würdigung des 
Thatsächlichen , durch die Vergleichung der Monumente oder, sagen wir 
einmal, durch die praktische Archäologie ihrer Lösung entgegengeführt 
zu werden, so konnte eine theoretisch -ästhetische oder philosophische 
Betrachtungsweise nur dann Erfolg versprechen, wenn die Untersuchung 
nicht nur nach Lessingschem Schematismus, sondern mit dem ganzen Ge- 
wicht Lessingscher Methode und Kritik durchgeführt wurde. Was aber 
diese charakterisiert, der klare, scharfe Blick, der vorurteils- und leiden- 
schaftslose Geist, die Selbstverleugnuug, die nie die eigne Meinung, son- 
dern nur die Wahrheit mit unerbittlicher Streuge im Auge hat — gerade 
das geht den F.schen Untersuchungen durchaus ab. Es sei fern von mir, 
F. den Vorwurf zu machen, er habe gegen besseres Wissen ihm bekannte 
Thatsachen verschwiegen oder unberücksichtigt gelassen ; aber das glaube 
ich behaupten zu kónnen, dasz er eine Reihe von Thatsachen wirklich 
kennt, die er nach seinem Buche nicht zu kennen scheint, deren er sich 
aber bei einiger Ruhe und Uelerlegung nothwendig hätte erinnern müs- 
sen. Statt solcher Ruhe finden wir dagegen einen leidenschaftlichen Wi- 
derwillen gegen Philostratos verbunden mit einer wiederholt ausgespro- 
chenen Verachtung seines Wesens und seines Wissens, so dasz, wenn 
schlieszlich das' ganze Buch als durchaus verfehlt bezeichnet werden 
musz, die Schuld dieses Mislingens vielleicht weniger in dem mangeln- 
den Wissen als in einer fast unbegreiflichen Verblendung des Verfassers 
zu suchen sein wird. 

Leider erstreckt sich die Gehässigkeit des Tones, die dadurch in 
der ganzen Darstellung hervorgerufen ist, auch auf diejenigen, die über 
Philostratos anders geurteilt haben als der Verfasser; und namentlich 
musz jeden unbefangenen Leser die Art verletzen, in der an verschiede- 
nen Stellen Welckers Ansichten bekämpft werden, um so mehr als F.s 
Entgegnungen fast durchgángig nur beweisen, wie wenig er in den Sinn 
der Welckerschen Worte eingedrungen ist. Hier ist es Pflicht der Kritik, 
mit einer ernsten Rüge nicht zurückzuhalten. Wollen wir aber zu F.s 
Entschuldigung selbst annehmen, dasz er sich des Verletzenden seiner 
Ausdrucksweise nicht bewust gewesen ist, so ist es um so mehr gebo- 
ten, dasz ihm die Bedeutung seiner eignen Worte zur Erkenntnis ge- 
bracht werde, und das wird am natürlichsten durch eine gelegentliche 
Rückanwendung derselben auf ihn selbst geschehen. Dasz diese Art der 
Kritik zunächst bittere Empfinduugen hervorrufen wird, sehe ich voraus; 
vielleicht aber wird sich duch mit der Zeit auch bei dem Verfasser die 
Ueberzeugung Bahn brechen, dasz er nicht die Kritik, sondern sich selbst 
anzuklagen und für diese Bitterkeit verantwortlich zu machen hat. 

Welckers Verdienst um Philostratos wird durch diese Streitigkeiten 
nicht geschmálert , sondern vielmehr in ein um so helleres Licht gestellt 
werden. Denn obwol die folgenden Untersuchungen natürlich selbständig 


182 I. Brunn: die Philostratisehen Gemälde 


unternommen wurden und hie und da auch zu abweichenden Ansiehten 
führen musten, so ergab sich doch aus ihnen nicht nur die vollständigste 
Bestätigung der W.schen Grundansicht, sondern es blieb mir aueh in 
sehr vielen und wichtigen Fragen nichts weiter zu thun übrig, als W.s 
Andeutungen auszuführen oder nur in einem andern Zusammenhange zu 
entwickeln. Eine Erfahrung, die wol auch andere an den Schriften W.s 
gemacht haben, bestätigte sich mir hier von neuem: dasz nemlieh in 
demselben Masze, als ich selbst in meinen Untersuchungen vorschrilL, 
die Bedeutung des W.schen Commentars für mich wuchs, ja dasz oft 
gerade in solchen Bemerkungen , an denen ich bei flüchtiger Betraehtung 
zunächst Anstosz nahm, sich mir bei genauerem Studium. nieht selten 
eine überraschende Tiefe der Anschauung offenbarte. Dasz F. diese Be- 
deutung W.s verborgen geblieben, ist für seine eigne Arbeit wahrhaft 
verhängnisvoll geworden: hätte er sie nur geahnt, so würde er von vorn 
herein besser gewürdigt haben, was W. in der Vorrede (S. LXVI ff.) über 
seine eignen Studien bemerkt, Er gesteht, dasz auch er in früheren Jahr 
ren eine hartnäckige Abneigung gegen Philostratos gehabt und es für ihn 
eines äuszern Zwanges, der Aufforderung von Jacobs, bedurft habe, um 
dieselbe zu überwinden und sich zu einem genaueren Studium zu ent- 
schlieszen; ferner dasz auch er wenigstens an der Zuverlässigkeit des 
Philostratos im einzelnen gezweifelt und erst durch längeres Studium 
sich überzeugt habe, wie ihm selbst in dieser Beziehung voller. Glaube 
zu schenken sei, endlich aber, dasz Philostratos zu den schwierigsten 
Schriftstellern gehöre und nur durch wiederholtes Lesen und genaues 
Erwägen seiner Worte nicht nur in ihrer grammatischen und rhetorischen 
Verbindung, sondern auch in ihren sachlichen Beziehungen richtig ge- 
würdigt werden könne. Dieses Geständnis, welches niemand, der sich 
mit Philostratos beschäftigen will, unbeherzigt lassen sollte , hätte auch 
F. bedenklich und gegen seine eignen Vorurteile mistrauisch machen, 
und auf jeden Fall ihn zur àuszersteu Vorsicht in seinem ganzen Auftreten 
auffordern müssen. 


Das erste Erfordernis zur Beurteilung eines Schriftstellers ist sicher- 
lich das richtige Verständnis seiner Worte nach ihrer lexikalischen Be- 
deutung und grammatischen Verbindung , so wie nach den Modificationen 
des besondern Sprachgebrauchs. Wie wenig es F. sich hat angelegen 
sein lassen, auch nur in dieser Beziehung die Worte des Ph. zu ver- 
stehen, mag zunächst au einigen Beispielen nachgewiesen werden, zu 
deren Besprechung in anderem Zusammenhange sich nicht gerade Ge- 
legenheit bietet. 

Themistokles (I 31) war nach F. (S. 59) “dargestellt, dem Per- 
serkönig, zu dem er geflohn, seine Sache vortragend. Er stand — auf 
einem Stein, wie es in Wirklichkeit Sitte war, dasz der Redner in Ver- 
sammlungen auf einem βῆμα stand. Hätten wir es mit einer Ratlıs- 
vetsammlung zu thun, wie auf der Dariusvase, so wäre die Sache gut, 
aber ein Flüchtling soll dargestellt werden . .; dasz es sich aber um die 


gegen K. Friederichs vertlieidigt. 183 


Angelegenheit des Flüchtlings Themistokles handelt, sagt ‚Jas Bild 
nicht. Die Worte des Philostratos lauten: ἐκπλήττει δὲ αὐτὸν οὐδὲν 
τῶν Μηδικῶν, ἀλλὰ τεϑαρσηκεν, οἷον καϑεστὼς ἐπὶ τοῦ Aldov, also 
ınutig steht er da, wie auf der Rednerbühne; und das entspricht durch- 
aus dem Charakter des Themistokles auch in dieser Situation. 


Bei der Begegnung des lason mit der Medeia (iun. 7) war nach PF. 
(S. 53) “Iason dargestellt mit einem Schuh. Wer sieht hier nicht den 
Rhetor, der Reminiscenzeg seiner Dichterlektüre anbringt! Stände lason 
vor Pelias, so trüge er mit Recht nur einen Schuh . . und was soll nun 
dieser Zug in einer ganz andern Situation, in dem Verhältnis des Iason zur 
Medea!? Bei Philostratos steht: καὶ κρηπῖδα ἐνῆπται., aber nicht ulav, 
noch auch τὴν κρηπῖδα, wie doch mindestens erwartet werden müste, 
wenn die Worte den von F. behaupteten Sinn haben sollten. Auszerdem 
aber gebraucht derselbe jüngere Philostratos den Singular bei der Schil- 
derung des Meleagros: κρηπὶς ὑπὲρ σφυρόν (S. 137, 19 Jac.), und von 
Atalante in demselben Kapitel (S. 136, 22) sagt er sogar: κρηπῖδα δὲ 
τοῖν ποδοῖν ἀνῆπται. -- Ein ähnlicher Fehler ist es, wenn F. (S. 228) 
die Worte γοργὸν γὰρ τὸ ὄμμα ὑπὸ τῆς κόρυϑος ἑκάστῳ (S. 125, 5) 
übersetzt: “unter dem Helm sicht jedem der beiden ein funkelndes Auge 
hervor.” — Umgekehrt aber werden wir keinen Anstosz zu nehmen ha- 
ben, wenn Herakles (S. 116, 27) ῥόπαλον ἐν ταῖν χεροῖν ἔχων be- 
schrieben wird, obgleich er seine Keule gewis nur in éiner Hand hielt. 
*Ein Dichter spricht so, und natürlich mit Recht? sagt F. (S. 35); aber 
warum nicht auch der Rhetor , wenn er ohne Beziehung auf die specielle 
Handlung nur allgemein das Attribut der Hände angeben will? 


Antäos soll nach F. (S. 56) von Philostratos II 21 als “Schwarzer ἢ 
bezeichnet werden, was allerdings mit den erhaltenen Denkmälern nicht 
übereinstimmen würde. Die Worte lauten S. 89, 12: ἔτι καὶ μέλας Av- 
ταῖος, κεχωρηκότος αὐτῷ τοῦ ἡλίου ἐς βαφήν. Antàos war also nicht 
ein Schwarzer , sondern von der Sonne gebràunt, wie der Alte bei Cho- 
rikios (Mai Spicil. IV S. 440, 8) tà τοῦ χρώματος μέλανι τὴν ἐν ἡλίῳ 
διατριβὴν ἐνδεικνύμενος. oder der Ackersmann bei Eustathios (de Hysm. 
am. 4, 13): μέλαν οὐ κατ᾽ ἰϑίοπα κατεχρώσϑη τὸ πρύσωπον, ἀλλ᾽ 
οἷον ἥλως μεταχρώννυσι. oder der Sämann (ebd. 14), dessen Gesicht 
zwar τούτου λευκότερον. aber immer noch μέλαν genannt wird. — Min- 
destens zweifelhaft ist es mir, ob Memnon, wie F. (S. 49) annimmt, in 
dem Bilde des Antilochos (ll 1) als Schwarzer dargestellt war. Bei der 
Beschreibung seiner Person ist nicht die Rede davon; nur in der Erzäh- 
lung des Mythos heiszt es, dasz er unter den Achäern Schrecken ver- 
breite: πρὸ γὰρ τοῦ Μέμνονος μῦϑος οὗ μέλανες. womil es nicht in 
Widerspruch stehen würde, wenn nur das lleer, nicht er selbst, Mohren- 
bildung gezeigt hätte, wie er ja auch von Polygnotos (Paus. X 31, 7) nur 
durch einen neben ihm sitzenden Mohrenknaben als Kónig der Aethiopen 
charakterisiert war. Dasz es mit dem wirklich schwarzen Memnon (Ϊ 7) 
eine andere Bewandinis hat, werden wir später sehen. 


184 H. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


Einen der gróbsten Verstösze gegen künstlerischen Brauch und 
Schicklichkeit soll der jüngere Philostratos in dem Bilde des schlangen- 
würgenden Herakles (5) begangen haben (F. S. 13): "Bei Philostratus liegt 
der Knabe in den Windeln, auf allen erhaltenen Denkmälern . . sitzt 
oder kniet er nackt auf dem Boden. Und konnte wol der bildende 
Künstler anders verfahren? . . Pindar, dem Dichter, steht es frei, ihn 
in den Windeln liegen zu lassen . .” Philostratos beginnt seine Schilde- 
rung in lebendiger Weise: * wie ein Spiel und einen Scherz betreibst du 
schon den Kampf, ἐν σπαργάνοις ὧν καὶ ταῦτα" : und gegen das Ende 
erscheint Teiresias, um zu weissagen, ὁπόσος ὁ νῦν ἐν σπαργάνοις ὧν 
ἔσται. Damit vergleicht schon Jacobs passend Libanios IV S. 1105 Yes» 
al γοναὶ xal περὶ τὰ σπάργανα φαίνονται. Von Kindern, die πρὸ ὥρας 
ἐν σπαργάνοις ὄντες sterben, spricht Artemidoros V 78; von den An- 
fängen der Malerei heiszt es. bei Aelianos V. H. VIII 8: τρόπον τινὰ ἐν 
σπαργάνοις καὶ γάλαξιν οὖσαν. Hieraus ergibt sich deutlich, dasz Zw 
σπαργάνοις, gerade wie im Deutschen *in den Windeln?, vielfach nur 
zur Bezeichnung der Altersstufe gebraucht wurde; und es in dieser Be- 
deutung bei Ph. aufzufassen, ist nicht nur erlaubt, sondern durch das 
zweimalige sehr allgemeine ὧν gerechtfertigt, ja fast geboten, wenn wir 
im folgenden sehen werden, wie er sich anderwärts gerade in BetrelT 
der Windeln einer weit bestimmteren Ausdrucksweise befleiszigt. — 
Uebrigens hätten sogar die Windeln, ohne Anstosz zu erregen, in irgend. 
einer Weise auf dem Bilde sichtbar sein können; nur müssen wir dabei ^ 
den falschen Begriff fern halten, den sich F. nach einer andern. Stelle 
offenbar von den Windeln gebildet hat. Er bemerkt nemlich (S: 191) über 
das Kentaurenbild (U 3): *Einige Junge, heiszt es sodann, liegen in 
Windeln. Der Rhetor überträgt menschliche Verhältnisse auf die Cen- 
tauren , welche doch in diesem Punkt der thierischen Praxis folgen müs- 
sen. Er thut es nicht absichtlich, es ist kein Anlasz zu glauben, 
er einen komischen Eindruck beabsichtigt habe. Komisch aber ist ein 
Thier in Windeln gewickelt jedenfalls; es wäre da am Platze, wo man, 
wie in einer Affenkomüdie, menschliche Sitten und Zustände durch Thiere 
darstellen lászt.^ Dieses ganze Raisonnement fällt zusammen, da F. hier 
offenbar ganz-irtämlich Wickelkinder im Auge hat, von denen in kei- 
ner Weise die Rede ist; vielmehr heiszt es: τὰ μὲν σπαργάνοις ἔγπει- 
ται; τὰ δὲ τῶν σπαργάνων ὑπεκδύεται; eben so von dem kleinen. 
Hermes I 26 S. 41, 19: ὑπεκδὺς τῶν ‚om. und 30: ὑποδύεται τὰ om, 
und nur einmal 15: "No . . σπαργάνοις αὐτὸν ἀμπίσχουσιν, wo 
aber auch nicht ein festes Einwickeln, sondern ein bloszes Einschlagen 
bezeichnet wird, welches das Herausschlöpfen gestattet. Da es aber bei 
den Kentauren gerade auf ein Uebertragen menschlicher Sitten und Zu- 
stände abgesehen war, so konnten ohne die geringste Gefahr einer 
Lächerlichkeit die Jungen recht wol mit Windeln zugedeckt erscheinen. 
Selbst die erwachsenen haben ja wenigstens Thierfelle zur Bekleidung, 
Cheiron aber den Mantel und ausnahmsweise sogar den Chiton (Overheck 
Gall. T. 7 u. 8). Eben so durfte auch der Künstler, sofern er sonst einen 
Grund dazu gehabt hätte, dem kleinen Herakles in, d. h. zwischen oder 





gegen K. Friederichs vertheidigt. 185 


auf Windeln sitzend darstellen, ohne dasz dadurch die Freiheit der Be- 
wegung irgendwie behindert worden wäre. 


Ganz ähnlich haben wir es zu beurteilen, wenn F. (S. 24) in dem 
Bilde des Philoktetes (iun. 17) δάκια ἀμπισχόμενος übersetzt “mit Lum- 
pen umhüllt?. Zwar fügt er hinzu, dasz nicht gesagt werde, wie weit 
diese Umhüllung den Körper bedeckte. “Aber? fährt er fort *sie ist offen- 
bar der Grund, dasz der Rhetor nur das eingefallene Gesicht, nicht aber 
den abgezehrten Körper des Leidenden erwähnt, den er eben wegen der 
Lumpen nicht sah. Gerade hierin liegt das Auffallende; der Dichter mag 
den Philoktet mit Lumpen bekleiden, die ja bei ihm nichts verdecken, 
der bildende Künstler dagegen darf den leidenden Kórper nicht verhüllen, 
er zerstórt damit die unmittelbare, lebendige Wirkung seines Werkes.? 
Hätte F. das Wort einfach und streng durch *umhaben? übersetzt (vgl. 
vom kleinen Achilleus II 2 S. 55, 23 ἡ χλαμὺς δὲ ἣν ἀμπέχεται), so 
würde er zwischen dem Bilde bei Philostratos und den noch erhaltenen 
Werken, so wie der in einem Epigramm, (Anall. II 490 N. 27) beschrie- 
benen Darstellung keinen Widerspruch gefunden haben. Denn der Aus- 
druck des Philostratos setzt nicht mehr Bekleidung voraus, als in diesen 
die Chlamys oder in dem Epigramm das Thierfel] wirklich darbietet. Bei 
weiterem Verfolgen dieser Analogie würde ihm aber auch nicht entgan- 
gen sein, dasz nicht Ph. allein, sondern eben so der Dichter des Epi- 
gramms den abgezehrten Körper vollständig mit Stillschweigen übergeht. 


Aber F.s Bestreben geht überhaupt nicht darauf aus, in den Worten 
des Ph. durch sorgfältige Interpretation einen passenden Siun zu finden, 
sondern ihm möglichst viele Thorheiten und Absurditäten aufzubürden. 
Wenn z. B. Ph. (11 15) sagt, dasz die fünfzig Ruderer der Argo beim 
Erscheinen des Glaukos mit dem Rudern innehalten, so wird man doch 
daraus nicht mit F. (S. 53) folgern wollen, dasz Ph. auf dem Bilde selbst 
fünfzig Ruderer gezählt habe; sondern wir werden zugeben, dasz, wenn 
der Rhetor auf dem Bilde ein Schiff mit vielen Rudern sah, er die allbe- 
kannte Zahl aus dem Mythos in seine Beschreibung herübernehmen durf- 
te. — Eben so einfach sind die Worte über den kleinen Achilleus (ll 2 
S. 55) zu verstehen: ἐς γόνυ δὲ af χεῖρες. Ph. erläutert sie durch den 
Zusatz: ἀγαθαὶ γὰρ δὴ αὗται πομποὶ τοῦ δρόμου. und F. selbst citiert 
nach Jacobs Bóttiger, der richtig darauf aufmerksam gemacht, dasz 
Achilleus lange Arme habe, weil der Lauf die Arme ausdehne. Trotzdem 
kann er sich nicht enthalten hinzuzusetzen (S. 58): * nur bedachte der 
Rhetor freilich nicht, dasz dies Anbringen gelehrter Kenntnisse den 
Achill einem — Affen ähnlich macht.’ — Ganz willkürlich wird ferner 
Ph. gedeutet, wenn ihm F. einen Widerspruch darin nachweisen will, 
dasz er 129 das Meer als vom Blute des Ungeheuers geröthet schildere, 
*obwol Perseus gar kein Schwert, soudern nur das Medusenhaupt hat? 
(S. 145). Ph. spricht nemlich gar nicht von den Waffen, deren sich Per- 
seus im Kampfe bedient habe, sondern sagt nur, er liege nach dem 
Kampfe ermattet im Grase, τὸ δεῖμα τῆς Γοργοῦς ἔχων dnóOttov, um 
die ihm' begegnenden nicht zu versteinern. 


[d 


186 H. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


Wichtiger ist das Verkennen des folgenden Sprachgebrauchs. Bei 
der Schilderung mehrerer, aber einer und derselben Classe. oder 
Gattung angehörender Figuren oder Diuge werden die einzelnen häufig 
nicht im Singular, sondern im Plural aufgezählt, so z. B. die schon 
erwähnten jungen Kentauren: τὰ μὲν σπαργάνοις ἔγκειται. τὰ δὲ 
τῶν σπαργάνων ὑπεκδύεται, τὰ δὲ κλώειν ἔοικε, τὰ δὲ εὖ πράττει 
xrí. Ebenso begegnen wir mehrfach den Ausdrücken ἀγέλη, πλῆθος 
zur Bezeichnung einer Mehrheit von Figuren, namentlich von Zu- 
schauern einer und derselben Gattung. Diese Redeweise wird von 
F. an mehr als éinem Orte (z. B. S. 137. 189) als ein Beweis für 
seine Behauptung betrachtet, dasz der-Rhetor nicht wirkliche Gemälde 
beschreibe, indem in deu erhaltenen Kunstwerken das Gegenteil sol- 
cher Fülle, die weiseste Beschränkung hersche. Allein schon Weleker 
(zu S. 57, 15) hat durch eine Reihe von Beispielen nachgewiesen, dasz 
wir in jenem Plural nur eine rhetorische Eigentümlichkeit (idiotismum 
rhetoricum) zu erkennen haben, und dasz, wie die Kunst durch einzelne 
oder wenige Figuren eine grószere Zahl zu bezeichnen pllege, ebenso 
die Redekunst die Ausdrücke ἀγέλη, πλῆϑος in analogem Sinne anwende. 
Welckers Beispiele lassen sich leicht noch vermehren, 50 S. 70, 4. 81,245 
besonders lehrreich ist S. 12, 25 [T., wo bei der Schilderung der Eroten, 
die einen Hasen verfolgen, die Formeln à uiv . ὃ δέ und of μὲν. of 
δέ bunt durcheinander wechseln, wie es der Lebeudigkeit der ganzen 
Scene entspricht. Auch in den Briefen des Ph. (20) finden wir: Anda 
ὄρνιϑας. Εὐρώπη ἐλώμβανεν . . và ἐξ ἀγέλης. ἡ Avriómy ὅσα 
ἡ ᾿Αμυμώνη τὰ ἐν θαλάττῃ; und i in dem Bilde der Ariadne (1.15) heisst 
es von der Figur des Dionysos: σκεύη μὲν γὰρ ἠνϑισμένη καὶ θύρσοι 
καὶ νεβρίδες . ἔρριπται ταῦτα. Olfenbar beruht dieser Sprachgebrauch 
auf dem Streben nach Lebendigkeit der Schilderung: es soll nieht eine 
trockene Aufzählung gegebeu werden, sondern der Rhetor richtet das 
Auge auf die Menge, die ganze Gruppe und hebt das hervorstechende 
gewissermaszen als teilhabend au dieser Mehrheit hervor. Auch im Deut- 
schen künnte man ja sagen: die einen liegen in den Windeln, andere 
kriechen heraus, noch andere usw., olme dasz wir jede dieser Situationen. 
im Bilde mehrmals wiederholt anzunehmen haben. Darüber nun bemerkt 
F. (S. 137), nachdem er den Sinn der Welckerschen Worte nicht unwe- 
sentlich dahin entstellt hat, dasz “mit den Ausdrücken ἀγέλῃ, σελῆϑος, 
nicht Viele, sondern Wenige gemeint sein sollen”: "die Voraussetzung, 
dasz Philostratus Wirkliches sah, ist wieder der Grund solcher Willkür,” 
Wir sahen, dasz Welcker durch Induction einen Sprachgebrauch metho- 
disch erläuterte; und der Vorwurf der Willkür trifft also nieht. Welcker, 
sondern F., der sich weigert auf den Sprachgebrauch des Ph. einzugehen, 
um seine eignen Misverständnisse diesem als Fehler aufzubürden. 








Wie wenig es F. begreilt, dasz bei einem Rhetor wie Ph. die rhe- 
torische Zuthat von der realen Grundlage des nen streng zu schei- 
den ist, mag eine zweite gegeu Welcker gerichtete Note (S. 77) über das 
Bild des gemprdeten Agamemnon (ll 10) zeigen: *Agamemnon liegt v 





gegen K. Friederichs vertheidigt. 187 


μειρακίοις xal γυναίοις. welche Worte gewis aus einem Dichter enlehnt 
sind, wie es nachweisbar ist von den umstehenden , vgl. Aesch. Choeph. 
366. Welcker bemerkt darüber: Mulieres etiam praeter Clvtaemnestram 
et Cassandram, ancillas nimirum, expressas fuisse, non credibile est, 
quod moneo ob verba non urgenda ἐν μειρακέοις καὶ γυναίοις. Solche 
Art der Kritik kann Alles aus Allem machen.” Weun ich an W.s Worten 
etwas zu tadeln hätte, so wäre es vielmehr, dasz sie noch nicht bestimmt 
genug lauten. Ph. hat die ganze Scenerie des Bildes, deu Anblick der 
gemordeten Begleiter bereits beschrieben und fährt fort: τὸ δὲ κυριώ- 
τατον τῆς σκηνῆς ᾿Δ4γαμέμνων ἔχει, κείμενος ovx ἐν πεὸίοις Τρωικοῖς, 
οὐδ᾽ ἐπὶ Σκαμανδρου τινὸς ἠιύσιν, all’ ἐν μειρακίοις καὶ γυναίοις, 
βοῦς ἐπὶ φάτνῃ τουτὶ γὰρ τὸ μετὰ τοὺς πόνους τε καὶ τὸ ἐν δείπνῳ. 
Es leuchtet ein dasz hier von ovx ἐν πεδίοις an nichts für das materielle 
Auge sichtbares beschrieben wird, sondern dasz es sich einzig um eine 
moralische Betrachtung , einem Klagegesange gleich, handelt, in dichte- 
rischer Form und darum mit Worten die aus Dichtern entlehnt sind. ἐν 
μειρακίοις καὶ γυναίοις hat mit den Figuren des Bildes so wenig zu 
thun wie βοὺς iml φατνῃ: “nicht in der Schlacht, sondern mitten in 
seiner Häuslichkeit, wie ein Ochs im Stalle an der Krippe, ist er hinge- 
mordet.’ 


Zur Entscheidung der Frage, ob die Philostrate wirkliche Bilder 
beschreiben, ist nächst dem richtigen Verständnis der Worte das wich- 
tigste Erfordernis eine genaue Kenntnis und Berücksichtigung der noch 
erhaltenen oder aus Beschreibungen bekannten Kunstwerke, iudem sich 
mur durch ihre Vergleichung beurteilen läszt, sowol was die Künstler 
des Altertums wirklich dargestellt haben, als was nach den Gesetzen 
ihrer Kunst überhaupt als darstellbar zu betrachten ist. Auch in dieser 
Beziehung vermissen wir bei F. die nöthige Sorgfalt; nicht einmal das 
ist immer berücksichtigt, was bereits der Commentar von Jacobs und 
Welcker darbot. Auch bier hat die Verachtung der Philostrate ein tiefe- 
res und umfassenderes Studium als überflüssig erscheinen lassen, obwol 
es bei diesen Schriftstellern sowol wegen der Fülle des sachlichen In- 
halts als wegen der Form der Darstellung so dringend wie nur je ge- 
boten war. 

Als ersten Beleg für unsere Behauptung wählen wir F.s Bemerkun- 
gen (S. 188) über die Flöte, da sie zugleich noch einen Nachtrag zu den 
vorhergehenden Erörterungen über den Sprachgebrauch des Philostratos 
liefern. *Von einer Flöte [des Marsyas: iun. 2] spricht Philostratus, auf 
allen literarisch oder monumental erhaltenen Darstellungen hat Marsyas 
die Doppelflöte. Auch der ältere Philostratus giebt dem Olympus nur 
eine Flöte, und doch erinnere ich mich nicht, auf irgend einein grie- 
chischen Relief oder Geinälde — und die Flöte kommt ja iu bacchischen 
Scenen und Opferhandlungen häufig genug vor — eine andre Flöte als 
die Doppelflóte gesehn zu haben. Dichter gebrauchen dagegen oft den 
Singular, wofür ich weder Stellen noch den Grund anzugeben brauche, 


188 H. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


die Monumente folgen begreiflicherweise der Sitte des Lebens.” Zuerst 
ist es falsch , dasz der Gebrauch des Singular auf die Dichter beschränkt 
wird: αὐλός ist das Instrument im allgemeinen und der Singular wird. 
daher unbedenklich gebraucht, wo die Doppelgestalt ar weiter in Be- 
tracht kommt. So sagt Philostratos Ep. 15: κυμβάλων καὶ αὐλοῦ ἔργα, 
wo doch durch den vorhergehenden Plural fast eine Aulforderung zur 
Anwendung desselben Numerus gegeben war. So handelt es sich auch 
im Bilde des Marsyas um das Instrument im allgemeinen; καὶ ὁ 
[A βλέπει γοῦν ἀπολωλὸς ἤδη... ἔρριπταί τε αὐτῷ ὁ αὐλὸς ἄτεμος, 
μὴ αὐλεῖν Fu, ὡς καὶ νῦν ἀπέάδων ἰλήλεγκται. Nicht die besondere 
Form der Flóte soll beschrieben. "werden, sondern dasz sie daliegt, wie 
eine im Kampfe unbrauchbar befundene Waffe. Wo dagegen die Flöte 
als solche und nach ihren Teilen in Betracht kommt, im ersten Bilde 
des Olympos (120), da finden wir καλαμοὶ αὐλοῦντες und ϑατέρου τοῦ 
αὐλοῦ τὴν γλῶτταν. Aber war denn etwa “der Sitte des Lebens” die 
einfache Flöte ganz fremd? Es genügt auf Paulys Real-Enc. unter tibia 
zu verweisen; und eben so wenig haben wir nöthig unter den Monu- 
menten lange zu suchen: man vergleiche Zahn ΠῚ T. 31. 43. 65 und Mus. 
borb. X 4, wo wir sogar einen Olympos mit einfacher Flóte finden. 

Aber Olympos erregt noch einen weitern Anstosz (S. 52): * Olym- 
pus wird (1 21) auf das Ausführlichste beschrieben, aber von einer phry- 
gischen Mütze erfahren wir nichts.” Wir werden später sehen, dasz, 
selbst wenn die Mütze auf dem Bilde vorhanden gewesen wäre, doch 
Philostratos sie nicht zu erwähnen brauchte. Aber kannte denn F. nicht 
einmal den Olympos ohne Mütze in den bekannten Gemälden bei Millin 
Gal. myth. 19, 77 — Mus. borb. X 22 — Pitt. d'Erc. ΠῚ 19 und 1.9? 


“Die Windgötter auf den erhaltenen Monumenten, nicht der philo- 
stratische (19), pflegen Blasinstrumente zu haben.” (S. 175)') Wenn ich 
bemerke, dasz unter den acht Winden am Turm der Winde zu Athen nur 
Boreas eine Muschel zum Blasen hat, so entschuldigt sich vielleicht F. 
damit, dasz er nicht die *Götter’, sondern die Personificationen wirk- 
licher Winde in mythologischen Scenen gemeint habe. Diese Entschuldi- 
gung aber fällt weg bei dem Gemälde einer Meergöttin: Zahn ΠῚ 4 — 
Mus. borb. XII 32, wo ein Windgott in deu Wolken einfach aus seinem 
Munde herausbläst. 


1) F. macht diese Bemerkung bei Gelegenheit der folgenden Note: 
“Dabei erwähne ich den witzigen Einfall eines Lampenverfertigers (Bar- 
toli lucerne III 12), der ein Schiff darstellte, dem Hafen nahe, dessen 
Mannschaft beschiftigt ist, die Segel einzureffen. Aber ein kleiner 
Windgott macht den Leuten noch zu schaffen; er sitzt auf dem Hinter- 
deck und bläst mit einem Muschelhorn in das Segel, so dasz es den 
Einreffern noch Schwierigkeit machen wird.’ Um einen witzigen Ein- 
fall handelt es sich durchaus nicht, sondern der Gedanke ist, dasz sich 
das Schiff mit günstigem Winde dem Hafen nähert: ,ἀναχϑεῖσα δὲ 
ἡ ναῦς ἐφέρετο ἰαμπρῶς" .. πᾶς ἄνεμος οὔριος αὐτοῖς ἐδόκει καὶ κατὰ 
πρύμναν εἰστήκει (Chariton I 11, 1) 


gegen K. Friederichs vertheidigt. 189 


“In den Stellungen versieht sich der Rhetor überhaupt öfter; sehr 
begreiflich, da er hierin aus seinen Quellen nicht immer Belehrung schö- 
pfen konnte. Man vgl. noch die ungeschickte Stellung des Narziss (I 23) 
mit den erhaltenen Monumenten.? (S. 61) Ich vergleiche das Seitenstück 
eines Narkissos bei Zahn Ill 63 und finde eine allerdings etwas anders 
gewendete, aber in der Stellung der Beine, der Biegung der Hüften, 
dem Aufstützen auf den Speer und dem Einstemmen der Rechten in die 
Seite durchaus mit dem Narkissos des Philostratos übereinstimmende 
Figur, die selbst F. nicht *ungeschickt! wird nennen können. 


Die eben angeführte Note bezog sich auf das Bild des Antäos (II 21): 
*Die unnatürliche Haltung des gepressten Antaeus wird man leicht be- 
merken. Wie kann er zu Boden blicken, da er vielmehr den Kopf nach 
hinten werfen musz, um der Brust, die nach Athem schnappt, Freiheit 
zu geben! Und hierzu citiert F. das Gemälde bei Bartoli Sep. Nas. 13*), 
in dem aber Antäos keineswegs den Kopf nach hinten wirft, sondern, 
wenn auch nicht bestimmt nach unten, doch vor sich hinblickt. Auszer- 
dem aber muste F. aus Welckers Note die Florentiner Gruppe (Zannoni 
Gal. di Firenze III t. 105) kennen, die, wenn sie auch im übrigen nicht 
völlig mit Ph. übereinstimmt, gerade den Blick des Antäos entschieden 
nach unten gerichtet zeigt. Und ähnlich würde jeder verständige Künst- 
ler verfahren: denn wäre erst der Kopf nach hinten geworfen, so wäre 
jeder Widerstand gebrochen und das Interesse des Beschauers am Kam- 
pfe hórte auf. 

*Hermes aber kommt, um den Herkules zu bekränzen. Hermes? 
Wenn wir die vorhandenen Denkmäler vergleichen, so ist es in gymni- 
schen wie musischen Agonen Nike, welche den Sieger kränzt.” Wozu in 
der Note bemerkt wird: *Selten auf schwarzfigurigen Vasen . .; an ihrer 
Stelle erscheint ófter die Schutzgóttin selbst mit dem Kranz für ihren 
Helden in der Hand, die aber auch noch später neben der Nike als Kranz- 
verleiherin erscheint, wie [Athene] auf der Berliner Kadmosvase? (Wel- 
cker a. D. ΠῚ T. 23. Gerhard etr. u. kamp. Vas. T. C). Hier widerlegt also 
F. in der Note, was er im Text behauptet. Denn genauer gesprochen 
erscheint nicht Athene neben Nike, sondern umgekehrt die kleine Nike 
neben Athene, etwa in dem Verhältnis wie Eros zur Aphrodite: sie ist 
also untergeordnet als allgemeiner Begriff des Sieges, der natürlich zu- 
rücktritt, wo dle eigentlich siegverleihende Gottheit in Person auftritt; 
und dieses éine Beispiel ist zur Rechtfertigung des Hermes im Philostra- 
tischen Bilde, wo er ja ebenfalls als siegverleihender Kampfgott erscheint, 
durchaus genügend. 


2) Er fügt hinzu: “worüber Welcker sagt: Picturae genus est ad 
vulgarem veritatem et mores novitios accommodatum, quod nos pe- 
destre dicere solemus, tanquam poeticae ac symbolicae veteris artis 
rationi adversum, was ich nicht verstehe.’ Ieh will deshalb den ein- 
fachen Sinn deutsch wiedergeben: das Bild hat etwas prosaisches, wo- 
durch es zu der älteren und idealeren Kunst in einem gewissen Gegen- 
satze steht. 


190 JI. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


Amphiaraos (1 27) war geschmückt αὐτοῖς στέμμασι καὶ αὐτῇ 
δάφνῃ. “Binden und Lorbeerkranz? die ja dasselbe bedeuten? Auf den 
Monumenten finden wir eins oder das andre, nicht beide zusammen dar- 
gestellt? (S. 146) Ein Blick in den Commentar von Jacobs hätte genügt, 
nicht allein um sie an einer Statue des Amphiaraos wiederzufinden, son- 
dern auch um sich von der Art ihrer Darstellung einen klaren Begrilr 
zu machen. Jacobs citiert Christodoros Ekphr. 259: ἔστενε δ᾽ "Apgud- 
enog ἔχων περιλαμπέα χαίτην | στέμματι dapvalo, wonach wir also 
einen mit der heiligen Binde durchflochtenen Lorbeerkranz zu verstehen 
haben. " 


Ueber die als Zuhörer des Orpheus dargestellten Baume (iun. 6) 
äuszert sich F. (S. 85) in folgender Weise: “Man sehe die Kunstdarstel- 
lungen des Orpheus, die nicht selten sind. Wo steht je ein aus dem 
Boden gerissener Baum — das ist natürlich nothwendig, weil der ein- 
gewurzelte Baum als zur Charakteristik des Lokals, der Landschaft die- 
nend betrachtet werden würde — neben ihm? Wie kann er neben ihm 
stehn? Immer ist Orpheus umgeben von Thieren und nur von diesen, 
denn der Künstler kann ja nur solche Wesen als empfindlich gegen Musik 
darstellen, die es in Wirklichkeit sind, der Dichter aber kann auch die- 
jenigen Wesen beseelen, die in Wirklichkeit keine Empfindung haben.* 
Und kurz vorher: “Es fehlt nur noch, dasz auch die Felsen herankom- 
men, die bei Dichtern allerdings dem Orpheus zuhören.” Nun, nicht nur 
die Bäume und Felsen, auch die Flüsse und das Meer lassen sich nach- 
weisen und noch dazu in einem Werke der Sculptur. Unter den Be- 
schreibungen des Kallistratos, die ja auch F. als von wirklichen Statuen 
entnommen betrachtet, findet sich eine des Orpheus (7), an deren Basis 
auszer den Thieren auch die anderen Reiche der Natur ihre Darstellung 
gefunden hatten: εἶδες ὧν xal ποταμοὺς τυποῦντα τὸν χαλκὸν ἐκ 
γῶν ἐπὶ τὰ μέλη ϑέοντας. καὶ κῦμα ϑαλάσσης ἔρωτι τῆς φδῆς ὑ 
μενον; καὶ πέτρας αἰσϑήσει πληττομένας μουσικῆς, καὶ πᾶσαν βλά- 
στην ὥριον ἐξ ἡϑῶν ἐπὶ τὴν μοῦσαν τὴν Ὀρφικὴν σπεύδουσαν. Zwar 
scheint auch Welcker wegen der Worte εἶδες ἂν daran zu zweifeln, dasz 
diese Dinge wirklich dargestellt gewesen; allein εἶδες ἂν findet sich in 
ganz ähnlicher Verbindung noch öfter bei Kallistratos (S. 145, 16. 147, 6. 
149, 17. 151, 25. 160, 13), und zwar nie von etwas gar nicht dargestell- 
tem, sondern nur mit Bezug darauf, dasz zu dem für das materielle Auge 
wirklich sichtbaren das geistige Auge, die Phantasie noch etwas, was 
der todte Stoff nicht darbietet, nemlich Leben und Bewegung, hinzu- 
denken müsse. So ist im Bilde des Orpheus das Flieszen, Aufhorchen 
und Hineilen durch die Phantasie zu ergänzen, während die Worte τυ- 
ποῦντα τὸν χαλκὸν das Vorhandensein der Dinge selbst hinlänglich ver- 
bürgen. In den Thieren erkennen wir die Wirkung des Gesanges; bei 
den übrigen Dingen genügt die blosze Gegenwart, um die Phantasie diese 
Wirkung errathen:zu lassen. Ganz in derselben Weise haben wir das 
Gemälde aufzufassen. Der Maler, ὁ ξωγράφος, verpflanzt die Bäume aus 
ihren ursprünglichen Sitzen und stellt sie um Orpheus herum, und die 


‘ 


gegen K. Friederichs vertheidigt. 191 


Worte des Kallistratos ἐξ 780» σπεύδουσιν zeigen recht deutlich, dasz 
auch ἀνασπάσας τῶν (fov als eine rhetorische Wendung zu betrachten 
ist; der Rhetor aber sieht in den ineinandergeschlungenen Zweigen 
(ξυμβαλόντα τοὺς πτορϑοὺς olov χεῖρας) die Wirkung des Gesanges. 
Dasz aber die Bäume in den erhaltenen Monumenten nicht fehlen, lehren 
die schon von Welcker angeführten Beispiele. 


Es mag hier sogleich bemerkt werden, dasz durch die Analogie 
dieses Bildes auch das des Amphion (I 10) gerechtfertigt wird, in wel- 
chem die zur Mauer sich zusammenfügenden Steine für F. (S. 84) Anstosz 
erregen. Gemalt konnte allerdings nur die im Bau begriffene Mauer sein; 
und so würde der in der Darstellung weniger kühne Kallistratos auch 
hier sein εἶδες ἂν angebracht haben, während Philostratos sofort die 
Bewegung als (für die Phantasie) wirklich vorhanden darstellt. Ein ge- 
schickter Künstler mochte übrigens durch Stellung und Lage der Steine 
die Einbildungskraft des Beschauers einigermaszen unterstützen; und ich 
will hier an eine Darstellung der Dirke erinnern, in welcher Avellino 
(descrizione di una casa di Pompei , la quarta etc. 1833, t. 4 p. 64) einige 
im Hintergrunde eigentümlich aufgetürmte Steine als Hindeutung auf den 
späteren Mauerbau faszte: ob mit Recht, mag hier unerörtert bleiben; 
doch zeigt Avellinos Bemerkung immerhin, wie geringer Mittel es bedarf, 
um die Phantasie eines mit dem Mythos vertrauten Beschauers anzure- 
gen. Uebrigens finden wir unter den in das Gewand des Iason gewebten 
Bildern bei Apollonios von Rhodos (Arg.1 785 ff.) Amphion dem ein schwe- 
rer Stein folgt: "Auplaov δ᾽ ἐπὶ ol χρυσέῃ φόρμιγγι λιγαίνων | ἤιε, δὶς 
τόσση δὲ μετ᾽ ἴχνια νίσσετο πέτρη. 


Ein etwas genaueres Studium hätle ferner F. vor dem Irtum be- 
wahren können, dasz die in Bäume sich verwandelnden Heliaden (l 11) 
ohne Analogie in den erhaltenen Denkmälern seien (S. 94 ff.). Allerdings 
sind die Darstellungen der Metamorphose in Bäume selten; allein die 
Borghesesche Statue der Daphne liefert für ihr Vorkommen einen genü- 
genden Beweis. F. freilich sagt, dasz sie, soweit er nach der Abhil- 
dung bei Clarac 540 B, 966 C urteilen könne, von Wieseler Phaethon 
S. 62 A. 1 nicht als Stütze des Philostratischen Bildes hätte angeführt 
werden sollen. Aber warum begnügte er sich mit einer mangelhaften 
Abbildung und verglich nicht auszerdem die von Wieseler cilierten Arti- 
kel Brauns (Rev. arch. ll 683. Ruinen und Mus. Roms S. 541)? Er würde 
dann nicht nur erkannt haben, dasz der Kopf und die Hände neu sind, 
sondern auch dasz und mit wie feinem Verstünduis hier die Verwandlung 
selbst zur Anschauung gebracht ist, und das in einem Werke der Plastik, 
während der Malerei durch die Farbe noch weit bedeutendere Mittel zur 
Verstärkung der Illusion zu Gebote stehen. Man kann hierbei gern zu- 
geben, dasz die Kunst in ihrer höchsten Blüte die Darstellung ähnlicher 
Metamorphosen eher gemieden als aufgesucht hat; doch ist eine solche 
chronologische Unterscheidung für die Beurteilung des Philostratos un- 
wesentlich, ja in den meisten Fällen sogar unstatthaft; und es veran- 


192 A. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


laszt mich diese Betrachtung, schon hier kurz auf einen sehr weitgrei- 
fenden Irtum hinzuweisen, der sich durch das ganze F.sche Buch hin- 
durchzieht. Allerdings habe ich selbst (Gesch. d. gr. K. II 249), nach F. 
(S. 9) “mit wunderbarer Sicherheit? ausgesprochen, dasz ein groszer 
Teil der Philostratischen Beschreibungen auf berühmte Originale zurück- 
gehe, und ich halte auch jetzt noch an dieser Ansicht fest. Aber nirgends 
habe ich behauptet, dasz nun auch alles, was Philostratos beschreibt, 
durchaus den Anforderungen der Kunst in ihrer hóchsten Blüte und die- 
sen ausschlieszlich entsprechen müsse. Von dieser irrigen Voraussetzung 
aber geht F. in einer ganzen Reihe von Fällen aus, so dasz er sogar die 
pompejanischeu Wandmalereien meist für ungeeignet zur Vergleichung 
mit Philostratos zu halten scheint, obgleich sie doch groszenteils von 
älteren Vorbildern abhängen. Ph. aber schrieb um den Anfang des drit- 
ten Jahrhunderts, und wir sind daher bei unseren Vergleichungen keines- 
wegs immer auf die Zeit der höchsten Blüte beschränkt, sondern können 
je nach den Umständen unsern gesamten Denkmälervorrat heranziehen, 
sogar aus der spätesten Zeit, indem nach Ph. kaum noch etwas neues 
erfunden ist. Wir werden auf diesen Irtum F.s noch öfter bei allgemei- 
neren Fragen zurückkommen müssen; doch mögen schon hier einige 
Einzelheiten hervorgehoben werden. 

Wenn die Frage aufgeworfen wird, ob ein Bild wie der Skaman- 
dros (I 1) malbar ist, so musz sogar eine Darstellung dieser Scene, wie 
die Miniaturen zur Dias (Mai Hom. Il. pict. 53) sie darbieten, in Betracht 
gezogen werden. Und in der That, so untergeordnet dieselbe in der 
Ausführung ist, so genügt sie allein zur Widerlegung alles dessen, was 
F. (S. 83) über dieses Bild bemerkt. 


Eigentümlich ist der Einwurf, der S. 32 gegen die Galateia im Bilde 
des Polyphemos (I 18) erhoben wird: “eine Nymphe, die in einem leich- 
ten Wagen durch die Fluthen führt, musz selbst die Zügel führen, 
sonst ist sie jeden Augenblick der Gefahr ausgesetzt, von dem schaukeln- 
den Wagen herabzugleiten? Ich dichte doch, die Zügel wären bestimmt 
zum Lenken, und es müste uns um die Sicherheit desjenigen Lenkers 
bange werden, der im Fall der Noth keine andere Rettung hätte als sich 
an den Zügeln festzuhalten. Dasz aber die Alten nicht dachten wie F., 
zeigt z. B. das Diptychon bei Millin Gal. myih. 34, 121, das zwar aus 
später Zeit, aber immer noch reich an schönen, aus einer bessern Zeit 
herübergenommenen Motiven ist. Auch auf dem Mosaik (Expl. scient, de 
TAlgerie. Archéol. pl. 141—42) ruhen die Zügel auf dem Rande des Wa- 
gens, auf dem Poseidon und Amphitrite stehen; und eben so darf ich 
wol die Amazonen (Mus. borb. II t. A — Zahn neuentd. Wandgem. 12.13) 
anführen, welche, obwol auf dem Lande, wo aber doch noch heftigere 
Stósze als auf dem Meer zu besorgen sind, auf ihren rasch dahin eilenden 
Wagen ohne Zügel in lebhaftem Kampfe begriffen sind. — An derselben 
Figur der Galateia soll *nicht weniger unklar die Bewegung der rechten 
Hand sein; diese liegt nämlich auf der Schulter, eine Haltung, die mir 
eben so unbequem als unverständlich erscheint.” F. übersetze in den 


gegen K. Friederichs vertheidigt. . 193 


Worten ἀναπαύων τοὺς δακτύλους πρὸς ἁπαλῷ τῷ ouo worllicher: 
die Finger, und denke sich dieselben nicht ausgestreckt, sondern nebst 
der Handwurzel leise gebogen, so wird sich ihm vielmehr ein sehr an- 
mutiges Motiv ergeben. — Endlich: *Von dem linken Arm der Galatea, 
den wir uns das Gewand haltend denken müssen, und von ihren Begleite- 
rinnen schweigt der Rhetor. Das ist so seine Art...’ Der linke Arm 
konnte sich eben so gut etwa auf den Rand des Wagens stützen und da- 
durch der Figur einen bestimmten Halt geben. Wenn er nun aber durch 
die Wendung der Figur ganz oder fast ganz dem Auge entzogen war, 
muste ihn da der Rhetor erwähnen? 

In einem Bilde des Oenomaos bei dem jüngern Philostratos (9) sind 
die Köpfe der getödteten Freier sichtbar, und eben so bei dem ältern 
(ll 19) die Köpfe der von Phorbas gemordeten Reisenden. F. ΓΝ. 68) er- 
innert sich der ähnlichen Köpfe “auf römischen Reliefs und auf einer 
Vase späteren Stils... auf welcher übrigens die Köpfe ohne alles Wider- 
wärtige erscheinen . .. Also einzeln und fast nur auf plastischen 
Monumenten kommt dergleichen vor und vielleicht nie in der vollendeten 
Zeit.’ Aber hat denn die Malerei nicht ebenfalls Mittel, das Widerwär- 
tige zu mildern? und zeigt nicht das griechische Vasenbild, eine 
schöne Amphora aus Ruvo (Ann. d. Inst. 1830 t. N), dasz keineswegs die 
Römer die abgeschlagenen Köpfe zuerst in die Kunst eingeführt haben? 
— Doch genug solcher Einzelheiten. 


m— ——nÁ—— Ὁ —— — — —À— . 


Wir wenden uns jetzt bestimmter zu den Philostraten selbst, indem 
es zur Beurteilung ihrer Beschreibungen vor allen Dingen nóthig ist, uns 
den Standpunkt klar zu machen, von dem aus sie selbst die Ohjecte ihrer 
Schilderungen betrachteten. Philostratos ist Rhetor, und ich kann nur 
eben so wie Welcker (S. LXIV) auf Heyne (opusc. V S. 11) verweisen, 
der das Wesen dieser rhetorischen Schriftstellerei an sich und im Gegen- 
salz zur exegetischen und periegetischen kurz und scharf charakterisiert. 
Wenn daher F. Passow in einem Aufsatz über Ph. (verm. Schr. S. 223—236, 
früher in der Z. f. d. AW. 1836 S. 571 fF.) , auf welchen sich F. /S. 5 ff.) 
bezieht, glaubt hervorheben zu müssen: sein Stil mache den Eindruck, 
dasz es ihm nicht um die Sache, sondern nur um die Form zu thun sei, - 
so wollen wir dieser Bemerkung gar nicht widersprechen, sondern viel- 
mehr aus ihr die Verpflichtung ableiten, in das Verständnis dieser Form 
einzudringen. Wir dürfen also an Philostratos gar nicht die Ansprüche 
machen, zu denen wir hei einem einfachen Exegeten berechtigt sind. Es 
ist gar nicht seine Absicht, ein nützliches, brauchbares Buch, nach un- 
serer Ausdrucksweise etwa einen räsonnierenden Katalog einer Gemälde- 
gallerie zu schreiben. Wir dürfen die Gemälde kaum als das Object 
seiner Darstellungen bezeichnen, sondern nur als den Stoff, an dem er 
seine eigne Kunst darlegen will, in àhnlicher Weise, wie auch dem 
Dichter nicht die Erzählung des Mythos, sondern die poetische Verarbei- 
tung desselben Zweck ist. Am nächsten verwandt iu dieser Beziehung 
ist Ph. den Dichtern der Epigramme über Kunstwerke. Aus ihnen erfahren 


Jahrb. f. elass. Philol. Suppl. Bd. IV. Hft. 2. 13 


194 H. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


wir über die äuszere Gestalt der Werke meistens so gut wie nichts, wie 
uns denn z. B. trotz der mehr als dreiszig Epigramme auf die Kuh des 
Myron deren Gestalt noch immer unbekannt ist. Sie setzen die Auschau- 
ung des Werkes selbst voraus; sie beschreiben nicht, was das materielle 
Auge sieht, sondern was das geistige Auge sehen soll, oder vielmehr 
was gerade der Dichter darin sah-und was ihm diente, seinen eignen 
Geist utid Witz zu zeigen. So geht auch Philostratos auf das Detail der 
Beschreibung nur in so weit ein, als es seinen eignen Zwecken, seiner 
rhelorischen Darstellung angemessen erscheint, Diesen seinen. Stand- 
punkt spricht er selbst in der Vorrede bestimmt genug aus; und es mö- 
gen hier zunächst einige Bemerkungen über dieselbe folgen, da mam 
auch aus ihrer Fassung auf die Nichtexistenz der beschriebenen Gemälde 
hat schlieszen wollen. 

*“Passow’ sagt F. (S. 5) “macht aufmerksam auf die merkwürdige 
Unbestimmtheit in der Beschreibung der angeblichen neapolitanischen 
Gemäldegallerie, welche zudem von keinem andern Schriftsteller erwähnt 
werde. Es war, sagt der ältere Philostratus — denn der jüngere giebt 
gar keinen Ort für seine Bilder an — eine Halle von vier, mein’ ich, oder 
auch fünf Stockwerken. Spricht so ein Augenzeuge?" So hat man aller- 
dings die Worte ἐπὲ τεττάρων, οἶμαι. ἢ καὶ πέντε ὀροφῶν fast allge- 
mein gedeutet. Doch vermisse ich dabei eine Berücksichtigung der Prà- 
position ἐπί; übersetzen wir wörtlich: auf vier oder fünf Decken, so 
scheint der Sinn vielmehr zu sein: im vierlen oder fünften Stockwerk, 
wie in verwandter Weise an manchen Orten gesagt wird: über so und. 
so viel Stiegen. An der Unbestimmtheit der Zählung wird dann aber nie- 
mand mehr Anstosz nehmen, der die Bauart italiänischer Häuser kennt 
und erfahren hat, wie das Erdgeschosz und Mezzanino einfach oder dop- 
pelt oder auch gar nicht als ein Stockwerk gezählt werden. Bei so hoher 
Lage erhält auch das ἀφορῶσα ἐς τὸ Τυρρηνικὸν πέλαγος eine bessere 
Beziehung, während auf diese Weise auch für gutes Licht gesorgt ist. 
Dasz ferner ein Privatmann eine‘ Sammlung von einigen sechzig Gemäl- 
den (natürlich nicht lauter Originalen ‘berühmter Meister) besessen habe; 
ist in keiner Weise auffällig, und es wäre viel wunderbarer, von einer 
solchen Sammlung bei anderen Schriftstellern eine Erwähnung zu finden, 
als umgekehrt. e 

Eben so wenig ist Anstosz daran zu nehmen, dasz Ph. zuerst sagt, 
or rede jetzt nicht von den Malern und ihrer Geschichte , und doch gleich 
im folgenden milteilt, die Gemälde seien von mehreren Malern verfertigi. 
*Diese Bemerkung berechtigt gewis zu der Erwartung, dasz er einige 
Künstler namhaft machen werde, aber trotz der Menge und detaillirten. 
Beschreibung der Bilder ist kein auch nur zufällig erwähnter Name zu 
finden.” Ph. ist dadurch nur sich selbst consequent geblieben: denn die 
Angabe, dasz die Bilder von mehreren Malera herrühren, soll blosz auf 
die Manigfaltigkeit der Gegenstande-und der Behandlung. hinweisen: οὐκ. 
ἀπαϑῶς τις συνελέξατο" σοφία γὰρ ἐν αὐτοῖς ἐδηλοῦτο πλειόνων fa- 
γράφων: eine Manigfaltigkeit die so recht für eine. ἐπέδειξε des Rhe- 
lors gemacht war. - 


gegen K. Friederichs vertheidigt. 195 


Aber ..selbst einmal zugegeben, dasz die Gallerie als solche gar 
nicht existiert, sondern dasz der Rhetor sich die Bilder nach Belieben an 
verschiedenen Orten ausgewählt und sie zusammengestellt habe, so ist 
dadurch doch in keiner Weise bewiesen, dasz sie fingiert seien. Ihm 
kommt es einzig. auf die εἴδη ξωγραφίας an, ὁμιλίας αὐτὰ τοῖς νέοις 
ξυντεϑέντες, ἀφ᾽ ὧν ἑρμηνεύσουσί τε καὶ τοῦ δοκίμου ἐπιμελήσονται. 
Durch diese Beschränkung aber, die sich der Rhetor in der Vorrede selbst 
auferlegt, wird es nicht nur gerechtfertigt, dasz “weder Format noch 
Maaszstab der Gemälde, auch nicht die Grösze der Figuren angegeben 
wird und man vorn Zeitalter, von der Schule, vom Meister gleichfalls 
kein Wort erfährt’, sondern es sind danach auch noch andere * Unterlas 
sungssünden? zu beurteilen. Zuerst solche, die das Materielle der Be- 
schreibung angehen. 

* Es ist sehr auffallend, dasz bei Philostratus so wenig von Attrihu- 
tem die Bede ist, von solchen nämlich, die in der Poesie nicht vorkom- 
men. An Nymphen und Fluszgóttern erwähnt er nie die Urne, ihr stän- 
diges Attribut in der Kunst, Pan ist immer ohne seinen Nirtenstab und 
Olympus wird (1 21) auf das Ausführlichste beschrieben, aber von einer 
phrygischen Mütze erfahren wir nichts; besonders auffallend aber ist, 
dase uns der Rhetor die schwierigsten Figuren , z.B. die Personifikalionen 
der Bergwarten, die das, was sie vorstellen sollten, offenbar nur durch 
sprechende Attribute ausdrücken konnten, angiebt, ohne ein Wort über 
ihre &uszere Charakteristik zu sagen. Und merkwürdig genug, er be- 
nennt sie ohne Anstand, ohne Zweifel.’ (S. 52) Aber wollte denn etwa 
Ph. eih Handbuch der archäologischen Hermeneutik schreiben? Die Dinge, 
deren Angabe hier von ihm verlangt wird, brauchte er nicht zu erwäh- 
nen, weil sie sich für ihu von selbst verstanden. Wenn die Urne, der 
Hirtenstab ständige Attribute sind, warum soll er durch ihre wiederholte 
Erwähnung ermüden? Wol aber merkt er zuweilen an, wo sich Abwei 
chtmgen von der gewöhnlichen Darstellungsweise finden; so dasz heim 
Neilos (1 5) Krokodile und Nilpferde, ovc τῷ Νείλῳ τινὲς τροσγράφουσιν, 
fehlten; dasz Dionysos bei der Begegnung mit Áriadne (l 15) nicht mit 
Thyrsos und Nebris dargestellt ist; dasz der Meles (Il 8) un λάβρους τὰς 
πηγὰς ἐκδίδωσι. καθάπερ τοὺς ἀμαϑεῖς τῶν ποταμῶν γράφεσϑαι vó- 
poc ; dasz beim rasenden Herakles {ll 23) die Erinys, ἥν ἐπὶ σκηνῆς εἶδες 
πολλάκις. im Büde nicht sichtbar war; dasz das Wasser des Phasis 
(ium. 8) οὐκ ἀπὸ κάλπεδος ἐξεχεῖτο, ἧπερ οὖν εἴωθεν' und er ver- 
rätä gerade durch diese Art von Erwähnungen, dasz er recht wol im 
somstigen Kunstgebrauch Bescheid wuste. Personificationen der Berge 
und Localitäten siud aber schon durch die Art kenntlich, wie sie in der 
Composition angebracht sind, durch den Ort, die Lage, das Aeusrere 
der Darstellung; und der Name ergibt sich meist aus der Fabel selbst, 
wie ja auch wir den Latmos, den Kaukasos usw. in Darstellungen des 
Endymion , des Prometheus ohne Anstand benennen; ganz abgesehen 
dasz sie ja auch zuweilen durch Inschriften bezeichnet sein konnten. 
Aehnlich verhält es sich mit der Charakteristik der Ilelden, z. B. bei der 
Todtenklage um Antilochos (Il 7): *Kenntlich sollen sie sein an dem 


13* 


196 H. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


Sanften, Göttlichen und wie es weiter heiszt? Hatten sie denn keine 
Attribute? Hatte Odysseus nicht den Schifferhut, den ihm schon Apollo- 
dorus oder Nikomachus .. gaben, den er durchgehends trägt im den 
erhaltenen Kunstwerken? Oder sollte der Schifferhut der Situation nieht 
entsprechen, waren denn keine andern &uszern Zeichen da, um. die 
einzelnen Helden zu charaklerisiren?? (S. 52) Welchen Zweck, frage 
ich dagegen, hätte in der Beschreibung des Ph. die Erwähnung: des 
Schifferhutes gehabt? Mochte Odysseus ihn tragen oder nicht, hier war 
er in jedem Falle unwesentlich; nicht unwesentlich ist dagegen der-Gha- 
rakter der Figur, wie ihn Ph. mit kurzen Worten angibt. Ich musz.ge- 
stehen, dasz ich diese je in &inem oder zwei Worten zusammengefaszien 
Charakteristiken des Odysseus, Agamemnon, Menelaos, Diomedes und 
der beiden Aias zu den gelungensten rechne, die wir über alte--Kumst- 
werke besitzen, und mit Recht stellt sie K. O. Müller in seinem Hand- 
buch $ 415, 2 an die Spitze seines Paragraphen; da sie durchaus das 
Typische scharf im. Worle aussprechen, was wir sonst erst aus einer 
Reihe von Beispielen abstrahieren müsten. Statt also Ph. zu tadeln, 
möchte ich lieber so manchen heutigen Kunsterklirern, die mit lang- 
athmigen Worten jeden Gewandzipfel beschreiben, den uns ein Blick auf 
die Abbildung besser kennen lehrt, diese Charakteristiken des Ph, zur 
Nachahmung empfehlen. 

Aber der gegen Philostratos gerichtete Vorwurf ist auch an sich 
ungerecht: denn weit entfernt über Attribute und äuszere Zeichen der 
Darstellung zu schweigen, gibt er vielmehr sorgfältige Rechenschaft. da- 
von, wo er es für nothwendig oder nützlich erachtet. - Es wird nicht 
überflüssig sein, hier einmal eine ganze Reihe von Beispielen zusammen- 
zustellen, ohne dasz freilich diese Aufzählung auf Vollständigkeit An» 
spruch machen soll; manche Einzelheiten, an denen F. Anstosz nimmt, 
werden auszerdem später noch besonders erörtert werden. Beginnen 
wir mit den Localgottheiten. Thessalien (II 14) ist mit Oelzweig und 
Aehren bekränzt und hat ein Füllen neben sich; die Insel Skyros (iun. 
1,1) ist eine kräftige Frauengestalt in dunkelblauem Gewande, mit Bin- 
sen im Haar und Oelzweig und Rebe in den Händen; Kalydon (ium. 4), 
eine Heroine, ist dureh den Eichenkranz charakterisiert; der Phasis 
(iun. 8) trieft am ganzen Körper von Wasser. In Betreff des Costüms 

. mag hervorgehoben werden das orientalische des Perserkónigs (Il 31), 
das phrygische des Pelops (L17. 30. iun. 9), das amazonenartige der 
Rhodogune (ll 5), das attische des Dädalos (I 16) und Themistokles (II 81)ς 
das hochzeitliche der Hippodameia (I 17. iun. 9), das dem hochzeitlichen 
verwandte des Dionysos (I 15); das Jagdeostüm der Atalante (iun. 15), die 
Schmückung, wie zum Opfer, der Euadne (Il 30); von Kopfbedeckungen 
und Kopfschmuck die Mitra des Amphion (I 10) und des Midas (I 22), die 
Tiara des Orpheus (imu. 6. 11) und Ganymedes (iun. 8), der Fichtenkranz 
des Ölympos (121, also in dem Bilde, wo F. die phrygische Mütze-ver- 
miszu); von charakteristischen Attributen der Brodsack des Jägers (II 8), 
der Pflug des Poseidon (H 17), der Oelzweig der Palästra (Il 32), die 
Lówenhaut des lason (iun. 7), der Speer des Meleagros und das Schwert 





gegen K. Friederichs vertheidigt. 197 


des Peleus (iun. 15), die priesterliche Bekränzung des Amphiaraos (1 27), 
die heiligen Binden der Kassandra (II 10). Solche und ähnliche Einzel- 
heiten können allein schon genügen, um in uns die Ueberzeugung zu 
erwecken, dasz Philostratos wirkliche Kunstwerke vor Augen hatte und 
dasz er in seinen Beschreibungen weit melir, als mau es bei seinem Stre- 
ben nach rhetorischem Pomp erwarten sollte, auf das Bedeutsame sein 
Augenmerk gerichtet hatte. 


Wir betrachten sofort auch die weiteren Vorwürfe, die F. (S. 7) 
mach Passow gegen Ph. erheht: “Drei Momente, heiszt es weiter, seien 
bei der Schilderung eines Gemäldes besonders hervorzuheben, die Rich- 
tigkeit und Sicherheit der Zeichnung, die Harmonie der Farben und die 
"sinnvolle Schönheit der Anordnung und Gruppirung. Aber um die Zeich- 
nung habe er sich gar nicht bekümmert, er habe keinen Begriff davon 
und ebensowenig empfänglich sei er für die Farbe und für die Effecte 
des Lichts und des Schattens. «Nur an Gold und Purpur läszt er es nicht 
fehlen; wie könnte auch einem Sophisten jemals eine Schilderung zu 
kostbar bedünken? Das ganze übrige Reich der Farben behandelt er bei- 
nahe als nicht vorhanden . .».” Auch hier musz wiederholt werden, dasz 
vieles, was zu erfahren für uns sehr wünschenswerth sein würde, für 
Ph. unwesentlich war, ja, als ihn von der Hauptsache ablenkend, sogar 
störend gewesen sein würde. Von Anordnung und Gruppierung schweigt 
aber nicht allein Philostratos, sondern es ist davon fast nirgends in den 
Beschreibungen von Kunstwerken bei den Alten die Rede; selbst der 
sorgfältige Pausanias, der z. B. bei den delphischen Gemälden des Poly- 
gnotos die Aufeinanderfolge der einzelnen Figuren genau angibt, setzt 
doch die Anschauung des Ganzen in der Weise voraus, dasz seine Worte 
erst verständlich werden, sofern die allgemeine Anordnung und Grup- 
pierung richtig erkannt ist. Ehen so wenig lieben die Alten detaillierte 
Angaben über Zeichnung. Dasz aber Ph. das ganze Reich der Farbe und 
Zeichnung beinahe als nicht vorhanden behandelt habe, ist eine eben so 
willkürliche Behauptung, wie diejenige, dasz er nicht von den Attri- 
baten spreche, und es kann sie nur jemand aufstellen, der Ph. hóchst 
oberflächlich und nicht im Zusammenhange gelesen hat. Allerdings gibt 
er auch hier nicht alles und jedes Detail an; wo aber etwas als bedeut- 
sam, eigentümlich oder als besonders meisterhaft in der Behandlung her- 
vertritt, da fehlt auch in der Beschreibung eine Hinweisung darauf kei- 
meswegs. Wenn hierbei Gold und Purpur eine grosze Rolle spielen, so 
ist auch das nur natürlich: auf sie richtet sich das Auge, weil sie im 
Bilde am glänzendsten hervortreten, und weil auf ihnen nicht selten der 
malerische Effect hauptsächlich beruht haben wird. Häufig sind aber auch 
weisze Gewünder, über die später noch besonders zu handeln ist; ferner 
aber finden wir: φαιὸν das Gewand des Dädalos (I 16), schillernd bei 
Amphion (1 10) und dem kleinen Achilleus (II 2), κυανὸν bei Skyros 
(iun. 1); weisz bei der Aletheia und weisz und schwarz bei Oneiros 
( 97). Hervorgehoben wird sodann das Colorit des Menökeus (I 4), der 
Fischer (1 18), des Antäos (ll 21 vgl. 22), der Palästra (Il 32), des Glau- 


[498 II. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


kos (II 16), der Kentaurinnen (II 3); die Farbe des Meerstiers (114), der 
Rosse (17 und 28), der Oelbiume (I6), der Schlangen (tun. 5); der 
Glanz «ler Waffen der Athene (Il 27), des Eurypylos (iun. 10), das Marmor- 
bild der Rhea (Il 12), das elfenbeinerne der Aphrodite und die glänzenden 
Steine an seiner Basis (Π| 1). Hinsichtlich der Zeichnung will ich hier 
noch nicht anführen, was zur Charakteristik der einzelnen Figuren, na- 
menllich nackter Jünglingsgestalten, über die Proportionen und. einzel- 
nen Formen der Körper bemerkt wird; ganz speciell aber geht die Zeich- 
nung an: die Verkürzung der Finger des Amphion. (I 10), des Sehildes 
der Rhodogune (Π 5); kunstvolle Zeichnung mit. einer. eigentümlichen 
Brechung des Lichtes verbunden, finden wir an dem. geneigten Kopfe 
des Komos (1 2), an der Hand des Narkissos (I 23), zwischen deren Fun- 
ger die Lichtstralen einfallen; und eben.so wird die besondere Behand- 
lung von Licht und Schatten an. der Figur des Atlas (II 20) und .der-Pa- 
lästra (1| 32) hervorgehoben. Auf künstlerisches Raffinement deuten der 
Kranz des Komos (I 2), die Thunfische (1 13), das Spiegelbild des Olym- 
pos (1 21), der Staub an den Rossen des Anıphiaraos und Aeeles (I 27. 
iun. 11), das durchscheinende Gewand der Kritheis (Il 8), das glänzende 
Haar der Rhodogune (Il 5), die feuchten Nymphen (Il 11. 12), das-Teuchle 
Haar und der Reflex vom Gewande der Galateia (Il 18); und. endlich ge- 
sellt sich hierzu die nicht kleine Zahl von Nachtstücken und Scenen mit 
auszergewühnlicher Beleuchtung , über welche später ausführlicher. zu 
handeln ist. 


*Noch schlimmer übrigens? fährt F. (S..8) im Anschlusz an Passow 
fort * als die Unterlassungssünden seien die Begehungssünden. Philostra- 
tus nehme vor allem auf den ethischen und pathetischen Ausdruck der 
Figuren Rücksicht, aber ohne je einzelne sinnvolle Züge anzugeben, wo- 
durch der Affect ausgedrückt sei. «Nie aber wird uns ein Gesicht, das 
wir nicht gesehen haben , dadurch veranschaulicht, dasz uns die Leiden- 
schaft genaunt. wird‘, die es grade beherrscht oder die Höhe, die sie er- 
reicht hat» . .” Es liesze sich wol die Gegenfrage aufstellen , wie weit 
denn die Beschreibungen heutiger Kunstschrifisteller den hier aufgestell- 
ten Forderungen genügen. Nehmen wir einmal an, der vatieamisehe 
Apollo und der Heraklestorso seien nieht mehr vorhanden und die so 
berühmten Schilderungen Winckelmanns das einzige, was wir über-sie 
besäszen, welchen Begriff würden wir uns danach von diesen Werken 
zu machen vermógen? Wir besitzen kaum von den plastischen Götter- 
idealen, welche doch die am festesten ausgeprägten Formen haben, so 
genaue Analysen, dasz uns das Ideal dadurch wirklich * veranschaulicht? 
würde. Von Ph. aber dürfen wir solche formelle Analysen gar nicht 
fordern. Von seinem Standpunkte aus ist er durchaus im Recht, wenn 
er ‘vor allem auf den ethischen und pathetischen Ausdruck der Figuren 
Rücksicht nimmt’, Häufig genug aber sind seine. Andeutungen-und Be- 
zeichnungen so gewählt, dasz sie auf die Formen einen bestimmten 
Schlusz erlauben. Damit soll Ph. keineswegs als ein Muster hingestellt; 
und es soll nicht geleugnet werden, dasz manche Ausdrücke durch óftere 








. 
gegen K. Friederichs vertheigigt. 199 


und fast typische Wiederholung auf einen Mangel an tieferem Eingehen 
hindeuten. Doch auch hier wird unser Urteil milder ausfallen, wenn wir 
seine Worte sorgfältiger prüfen und namentlich auf die verschiedenen 
Combinationen seiner Terminologie in gröszerem Zusammenhänge achten. 
Wir stellen einige Beispiele zusammen: der Komos (I 2) ist ἁπαλὸς καὶ 
οὕπω ἔφηβος, Menókeus (I 4) ein μειράκιον ov λευκόν, οὐδ᾽ ἐκ τρυφῆς; 
ἀλλ᾽ εύψυχον καὶ παλαίστρας πνέον, IIyakinthos (1 24) ein “ακωνικὸν 
μειράκιον xai τὴν κνήμην ὀρϑὺν xai δρόμων οὐκ ἀγύμναστον καὶ 
βραχίονα ὑπεγεῖρον ἤδη καὶ τὴν ὥραν τῶν ὀστῶν ὑπεχφαῖνον, die 
Jäger ( 28) ὁ μὲν παλαίστρας τι ἐπιδηλοῖ τῷ προσώπῳ, 0 δὲ χάριτος, 
ὃ δὲ ἀστεϊσμοῦ. τὸν δὲ ἀνακεκυφέναι φήσεις ἐκ βιβλίου" vgl. auch 
lason und Meleagros (iun. 7 u. 15). Eben so wird der geistige Ausdruck 
unterschieden: das Liebesverlangen des Narkissos (I 23), die Verschämt- 
heit des Hyakinthos (iun. 14), die poetische Begeisterung des Orpheus 
(iun. 6), die Aufmerksamkeit des Olympos (I 21); sodann die Ungeduld des 
Pyrrhos (iun. 1), der von Ueberliebung entfernte Mut des lason (iun. 7 
vgl. 11), die Zuversicht des Pelops (I 80 vgl. 17 u. iun. 9), die Liebes- 
schwärmerei des Bakchos (I 15), der zwischen Unwillen und Lachen 
schwankende Ausdruck des Apollon (126). Alle diese Beispiele sind ab- 
sichtlich aus éiner Gattung, den Charakteren blühender Jünglingsgestal- 
tem gewählt, die z. B. in den pompejanischen Gemälden oft so nahe un- 
ter einander verwandt erscheinen, Qasz sie ohne bestimmte Handlung 
schwer oder gar nicht-unterschieden werden können. Dürfen wir nun 
wol sagen, dasz bei Ph. ‘diese Figuren sich so ähnlich sehen, wie ein 
Auge dem andern? (F. S. 200)? Wir kónnen aber auch jede andere Classe 
vom Figuren heranziehen, so zuvórderst die Fraueu: die von wider- 
natürlicher Liebe ergriffene Pasiphaé (I 16), die nicht mehr jugendliche 
Chorführerin (II 1), die stolze Rhodogune (Il 5), die vom höchsten Seelen- 
schmerz übermannte Kassandra (Il 40), die ihre Klage zurückhaltende 
Antigone (ll 30), die mit heldenhafter Festigkeit sich selbst den Tod 
gebende Panthia (II 9), die geschinückt zum Tode wie zu einem Opfer 
gehende Euadne (Il 29), die gymnastische Gestalt der Palästra (1l 32), die 
Jägerin Atalante (iun. 15), die düstere Medeia (iun. 7 u. 11). Selbst auf 
die Gefahr hin zu ermüden mag noch eine Reihe von Charakterzügen an 
männlichen Gestalten aufgezählt werden: der sinnende Blick des Aesopos 
(1 8), die Befangenheit des Sophokles (iun. 13), die wegen der Sprache 
mit einer gewissen Defangenheit geinischte Zuversicht des Themistokles 
(II 31), das Gutmütige und doch schon Mutige im kleinen Achilleus (Il 2), 
der Seherblick.des Aınphiaraos (| 27), der Hochmut des Aias (Il 13), die 
Gefräszigkeit und Gutmütigkeit, und dann wieder der Wahnsinn des He- 
rakles (ll 23 u. 24); die verschiedene Charakteristik der Satyrn (1 20. 22. 
iun. 3), des Pan (Il 11 u. 12), die bäurische Gestalt des Theiodamas 
(Il 23), die typischen Gesichter der Aethiopen (I 29) und Eunuchen (ll 31), 
das schläfrig blöde Gesicht des Midas (I 22), die Rohheit des messer- 
schleifenden Skythen (iun. 2), endlich die Ungeschlachtheit des Phlegyas 
und Antäos (II 19 u. 21). 

Diese Zusammenstellungen machen, wie gesagt, keinen Anspruch 


N 


200 TI. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


auf Vollständigkeit. Wenn nun aber F. (S. 8) sagt: in Passows Bener- 
kungen lasse sich ein richtiges künstlerisches Gefühl nicht verkennen; 
“sie geben keinen Beweis, aber erwecken doch die Präsumption, dasz 
es sich gar nicht um wirkliche Bilder handle’, so wird wenigstens die 
* Präsumption? jetzt gerade die umgekehrte sein: wir sehen ‚dasz unter 
all dem rhetorischen Flimmer, der den Leser bei flüchtiger Betrachtung 
so leicht verwirrt und abstószt, ein bedeutender Kern positiver Angaben 
versteckt ist, Angaben die häufig genug sich deutlich. als aus unmittel- 
barer Anschauung der Kunstwerke herübergenommen zu erkennen geben: 


“Aber? — erwidert F. — *es finden sich unter diesen Angaben ein- 
zelne, die dem Gebrauche der erhaltenen Kunstdenkmäler widersprechen 
und gerade dadurch den Beweis liefern, dasz sie nicht aus wirklicher 
Anschauung, sondern aus Dichtern und Schriftstellern geschöpft sind.” 
Wir haben daher die von F. erhobenen Einwürfe im einzelnen zu wider- 
legen, indem wir dabei zuerst von dem mehr Aeuszerlichen, von Costüm 
und Attributen, sodann von Charakter und Ausdruck handeln, ohne in- 
dessen wegen der Manigfaltigkeit des Stoffes überall eine streng syste- 
matische Ordnung einzuhalten. 

Von den Windeln des Herakles und den Lumpen. des Philoktetes, 
die F. im ersten Abschnitt bespricht, ist bereits früher gehandelt wor- 
den; im zweiten ($..141) beschäftigt ihn zunächst die Figur «des Dädalos 
(I 16), welcher ἀττικέξει.. τὸ σχῆμα. φαιὸν γὰρ τρίβωνα τοῦτον du- 
πέχεται, προσγεγραμμένης αὐτῷ καὶ ἀνυποδησίας. *Musz nicht eine 
solche Tracht an dem Handwerker Dädalus im höchsten Grade auffallen? 
Man sehe die vielen Darstellungen von Zimmerleuten und Schmieden 
durch, den Bau der Argo, die Arbeiten des Hephástos, des Epeios, des 
Dädalus, man wird immer finden, dasz der Werkmeister die Tracht.des 
Handwerkers, den Chiton, der die rechte Schulter frei läszt, einzeln 
auch einen bloszen Schurz um den Leib trägt.” Ohne den über das Meer 
liegenden Dadalos in langem Gewande (Millin Gal. myth. 131^, 489) in 
Anschlag zu bringen, vermag ich F. wenigstens noch einen Dädalos in 
langem Mantel nachzuweisen, in der Scene wo er dem Ikaros die Flügel 
anlegt, auf einem Vasenbilde (Mus. borb. XIII t. 57. 58). Doch will ich 
von diesem Bilde für die Beurteilung der vorliegenden Frage keineswegs 
Gebrauch machen, sondern glaube allerdings, dasz der Dädalos des Ph. 
zu der Kategorie der von F. erwähnten Handwerkerdarstellungen gehört, 
Zuerst nun stimmt wenigstens die Farbe mit den Wandgemälden bei Zahn 
1160, 1 — R. Rochette Peint. de Pompéi pl. 13 und Avellino Bull. nap. 
IV S. 92, was schon ein günstiges Vorurteil für Ph. erweckt. Sodann 
ist zuzugeben, dasz τρίβων allerdings gewöhnlich eine Art Mantel be- 
zeichnet; aber ist dies durchaus nothwendig, namentlich bei späteren 
Schriftstellern? Wenigstens liegt diese Bedeutung nicht in dem ursprüng- 
lichen Sinne des Wortes, das ein abgeschabtes und deshalb dürftiges Ge- 
wand bezeichnet, wie es besonders die Philosophen trugen. Ein anderes 
Attribut gewisser Philosophen war die πήρας der Brodsack; und τρί- 


gegen K. Friederichs vertheidigt. 201 


Bev und πήρα werden deshalb mehrfach zusammen genannt: Philostr. 
vit. Apoll. VI 11 S. 249. Plut. de vit. aere al. S. 831'. Diog. Laert. VI 6, 
13. 23. 77. Wie verträgt sich denn dieser Sack init einem ungegürteten 
Mantel? In den Monumenten pflegt er über einen kurzen Rock, dem der 
Handwerker entsprechend, gehängt zu sein, namentlich bei Jägern und 
Hirten. Dieser Rock aber, die ἐξωμές. ist nach Pollux VII 47 xal περί- 
λημα καὶ χιτὼν ἑτερομάσχαλος und nach Hesychios I S. 1301 χιτὼν 
ὕ καὶ [nariov. τὴν γὰρ ἑκατέρου χρείαν παρεῖχεν᾽ xal χιτῶνα μὲν 
διὰ τὸ ξώννυσθαι. ἱμάτιον δὲ ὅτι τὸ ἕτερον μέρος ἐβάλλετο. Eine ähn- 
liche Vorstellung aber müssen wir uns vom τρίβων machen, wenn es 
bei Diog. Laert. VI 13 von Antisthenes heiszt: πρῶτος ἐδίπλωσε τὸν τρί- 
Deve xol μόνῳ αὐτῷ ἐχρῆτο, vorher aber: Διογένει χιτῶνα αἰτοῦντι 
πτύξαι προσέταξε θοίμαάτιον" und eben so wenn Aelianos V. H. IX 34 von 
Lakedämoniern ἐν ἐξωμίσι φαύλαις καὶ δυπωσαις spricht, während für 
sie sonst gerade der τρίβων charakteristisch ist, den nachher die λακω- 
ψέζοντες in Athen zu Ehren brachten (vgl. Hermann gr. Privatalt. S 21, 
13—16). Wenn es hiernach scheint, dasz der τρίβων je nach den Um- 
ständen als Mantel und als Rock (χιτών) dienen konnte, und dasz ebenso 
im Sprachgebrauch τρίβων und ἐξωμίς von demselben Kleidungsstück 
gebraucht werden, so werden wir wol an den Worten des Ph. nicht 
weiter Ánstosz zu nehmen brauchen. 


Im Bilde der kalvdonischen Eberjagd (iun. 15) gibt F. (S. 144) für 
die Figur der Atalante die Reininiscenz eines wirklich gesehenen Kunst- 
werks allenfalls zu. *Desto auffallender aber ist der Meleager. Der Rhe- 
tor beschreibt zuerst in der ausführlichsten Weise alle Kórpertlieile des- 
selben, so dasz man glaubt, er sei nackt vorgestellt, aber dann erfahren 
wir, dasz er Chiton und Chlamys trug. Er weicht darin, wenn ich 
nicht irre, von allen Darstellungen des Meleager als Siegers über den 
Kber ab; schon in dem ältesten Vasenstil ist Meleager nackt dargestellt, 
so wie es allein schicklich ist." Es scheint nöthig, für F. zunächst zu 
bemerken, dasz auch durch das Gewand, namentlich ein leichtes und 
kurzes, wie dieser Chiton offenbar war, die Formen des Körpers deutlich 
sichtbar erscheinen konnten. Die Behauptung aber, dasz Meleagros gar 
nicht bekleidet dargestellt sein dürfe, will ich nicht durch ein erst kürz- 
lich genauer bekannt gewordenes Kunstwerk widerlegen, ein Mosaik aus 
Halikarnass, auf dem Meleagros — auffallend genug zu Pferde einen Lö- 
wen und Leoparden jagend — mit weisz und grün gestreiflem Chiton 
und blauer Chlamys bekleidet erscheint (Bull. d. Inst. 1860 S. 105). Da- 
gegen wird F. unbedingt zugebeu müssen, dasz Chiton und Chlamys ge- 
wöhnliche Jägertracht sind, und dasz in Darstellungen des Meleagros, 
des Adonis, des Hippolytos nicht selten ein Teil der Gefährten diese 
Kleidung haben. Weiter aber fällt hier eine Betrachtung allgemeinerer 
Art ins Gewicht. Wenn die Sculptur in den eben genannten Jagdsceneu 
die Haupthelden hervorheben will, so wird sie dies allerdings am besten 
durch die Nacktheit derselben erreichen. Anders verhält es sich mit der 
Malerei: hier beruht das Effectvolle nicht blosz auf der Form, sondern 


202 H. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


eben so sehr auf der Farbe. Sie wird häufig danach streben, die Ein- 
tönigkeit des menschlichen Körpers zu brechen, und zieht also von teil- 
weiser Bekleidung den grösten Nutzen. Um aber das Auge auf die Haupt- 
figuren zu lenken, wird sie sich gern heller und glänzender Farben be- 
dienen, und eben darum hat Meleagros einen weiszen Chiton und eine 
scharlachrothe Chlamys, während der dem Meleagros schon etwas unter- 
geordnele Peleus mit d lunkleren Purpur bekleidet ist. Darum finden 
wir bei Pyrrhos (iun. 1) wiederum den. weiszen Chiton und die Purpur- 
chlamys, bei lason (iun. 7) den weiszen Chiton, und darum reitet der 
ausgezeichnetste unter den Jägern (1 28) auf weiszem Rosse und ist roth 
bekleidet. — Da F. sich auch auf die Vasen beruft, so mag darauf hin- 
gewiesen werden, dasz mit der Sculptur am meisten der vollendete Va- 
senstil parallel läuft. Der ältere schlieszt sich teils mehr an die Sitte des 
Lebens an, teils kann er ein gewisses Gefallen an der Farbe nicht ver- 
leugnen: so finden wir Herakles meist mit dem Chiton unter der Löwen- 
haut, so Theseus mit Chiton (Millin G. m. 131,490. Mon. d. Inst. VI. 15), 
ebenso Perseus (Cat. Campana ser. Il n. 25), und endlich Meleagros mit 
Chiton neben einer langbekleideten Atalante (ebd. n. 34). Für die Seulp- 
tur kónnen der Perseus anf einer selinuntischen Metope und alter- 
tümlichen Terracotten mit Perseus und Bellerophon (Millingen-anc. uned. 
mon. II 2. 3) zur Vergleichung dienen. Auf die Vasen von späterem Sil, 
namentlich die groszgriechischen, hat offenbar die eigentliche Malerei 
schon einen bedeutenden Einflusz ausgeübt, und es ist also eine Bestäti- 
gung der oben aufgestellten Theorie, wenn wir dort häufiger reichge- 
schmückten Gewändern begegnen, wo der vollendete Stil die Nacktheit 
vorzieht: z. B. auf der berliner Kadmosvase und auf der Vase des Meidias. 
Namentlich aber mag noch das farbige Bild augeführt werden, auf dem 
Bellerophon auf weiszlichem Rosse mit dunkelrothem Chiton und gelber 
Chlamys erscheint (Inghirami vasi fitt. 13). 








An das Bild des Meleagros knüpft F. einen Excurs über Nacktheit 
und Bekleidung in der griechischen Kunst an (V, S. 230—239). Auf den- 
selben im einzelnen einzugehen liegt natürlich unserer jetzigen Aufgabe 
fern, zumal ich glaube, dasz Themata, wie dieses und andere von F.-in 
den Excursen abgehandelte, sich nicht so kurz und leiehthin abmachen 
lassen, wie es von ihm geschehen ist. Denn bei etwas genauerem Studium 
würde er nicht Behauptungen wie die folgende haben aufstellen künnen. 
*Natürlich einen Dichter oder Philosophen nackt darzustellen, wäre ein 
Unsinn, denn für die Idee solcher Darstellungen ist die Naektheit nieht 
allein nicht wesentlich, sondern sogar sehr stórend.' (8.234) Nackt sind 
aber der Aesopos und der Diogenes in Villa Albani, und als nackt; da 
die schmale Chlamys doch kaum in Anschlag zu bringen ist, kaum auch 
der sogenannte Tyrtàos der Villa Borghese bezeichnet werden (Braun R. 
und Mus. Roms 8. 539. 672. 674). Mir mag es nur gestattet sein mich 
gegen eine Bemerkung F.s (S: 238 Note) zu vertheidigen: * Dem Polygnot 
hätte übrigens Brunn II p. 23 nicht eine halbnackte Polyxena zutranen 
sollen , indem er das auf Polyklet lautende Epigramm des Pollianus + . 


gegen K, Friederichs vertheidigt. 203 


auf die Polyxena des Polygnot bezog. Er hätte sich auclP wol an Eurip. 
Hec. 555 ff. eriunern kónnen, mit welchen Versen das Epigramm und 
somit das beschriebene Bild übereinstimmen. Also kann auch der Zeit 
mach das iu dem Epigramm beschriebene Bild nicht das polygnotische 
sein.’ ^ Die Bezeichnung halbnackt ist hier durchaus unpassend gewählt. 
Polyxena, im Begriff geopfert zu werden, hat den Peplos nach Euripides 
bis zum Nabel zerrissen, um dem Opferer die Brust darzubieten. Pollia- 
nos und Euripides aber heben besonders hervor, wie sie gerade in dieser 
Lage die Züchtigkeit gewahrt. Eine solche Darstellung nun dem Poly- 
«motos abzusprechen, während doch Pheidias ganz kurz nachher im 
Parthenonsgiebel eine so gut wie völlig nackte Frauengestalt bildete, liegt 
micht der geringste Grund vor. Uehrigens stószt die Euripideische Stelle 
meine Annahme keineswegs um, sondern scheint sie vielmehr zu bestä- 
tigen. Wenn wir bedenken, dasz Euripides in seiner Jugend selbst Maler 
gewesen sein soll, dasz sich in seinem lon ganz bestimmte Hinweisungen 
auf den Giebelschmuck und die Metopen des eben vollendeten delphischen 
Tempels finden (Welcker a. D. 1 S. 165 ff.), so liegt die Annahme sehr 
mahe, dass er bei seiner Schilderung der Polyxena gerade das Polygno- 
tische, in Athen allgemein bekannte Bild im Auge hatte und wir deshalb 
uns dasselbe nach seinen Worten in der Phantasie ergänzen dürfen. 


An dem Bilde des Amphiaraos (I 27) haben uns Binde und Lorber- 
kranz schon früher beschäftigt; F. findet aber (S. 146 ff.) noch mehr 
daram auszusetzen: die Rüstung, das Zweigespann, das Fehlen des Wa- 
genlenkers. Zur Vergleichung bieten sich uns nur wenige Monumente 
dar: ein griechisches, ein etruscisches, ein rómisches Relief und eine 
Umriszzeichnung (Overbeck Gall. VI 6—9). Hätte nun F. darauf geach- 
tet dass sich die angeblichen Fehler nicht etwa da und dort, sondern 
alle drei zusammen auf dem einen römischen Relief wiederfinden , so 
würde ihm doch wenigstens ein Zweifel aufgestiegen sein, ob es sich 
denn bei Pb. um Fehler und nicht etwa um eine von dem griechischen 
Relief abweichende Auffassung handle. Prüfen wir jetzt das einzelne: 
‘Dem gerüstet hinunterfahrenden Amphiaraus ist allerdings ein späles 
römisches Relief zu vergleichen; die Sitte der griechischen Kunst lernt 
mn zus einem Relief von, Oropus und aus einem Monochrom von Iler- 
kulsnum: beide stellen den Amphiaraus nackt dar.” Relief und Monochrom 
können für ein Gemälde nicht unbedingt beweisend sein, und ebenso 
wenig ist das römische Relief unbedingt abzuweisen: wenn auf dem 
letzteren fast alle übrigen Helden nackt gebildet sind, so läszt sich für 
die Rüstung des Amplıiaraos vielmehr eine bestimmte Absicht voraus- 
setzen. Wo aber so wenige Vergleichungen für eine bestimmte Scene 
vorliegen, da dürfen wir wol fragen, wie der Held anderwärts darge- 
stellt ist. Da finden wir ihn nun (um von den schwarzfigurigen Vasen 
abzusehen) auf späteren Vasen im Gegensatz zu den Sculpturen bártig, 
auf einer (Overbeck IV 2) allerdings nur mit der Chlanıys, dagegen in 
den Abschiedsscenen (IV 1 u. Bull. nap. n. s. III t. 5), auf der Archemo- 
rosvraan (Overbeck IV 3), so wie auf der von mir ebenfalls auf Archemoros 


204 H. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


bezogenen Vase des Lasimos (XXVIII 1) mit dem Harnisch angethan. ‚Wir 
sehen also, dasz wir in solchen Dingen, wo der Mythos nicht einen be- 
stimmten Zwang ausübt, der Freiheit des Künstlers nicht zu enge Schran- 
ken ziehen dürfen. — Aus demselben Grunde wird aber auch der zweite 
Vorwurf ahzuweisen sein. * Amphiaraus fährt auf einem Zweigespann, 
denn, sagt der Rhetor, in der heroischen Zeit war das Viergespann noch 
nicht üblich. Hier bringt die Belesenheit den Philostratus zu Fall, denn 
die Kunst weicht hier ab von der Poesie, sie läszt die Heroen auf Vier- 
gespannen fahren.” Ob die gelehrte Notiz richtig oder falsch ist; braucht 
uns hier nicht zu kümmern; das Zweigespann findet sich aber erstens 
auf dem römischen Relief, wo es F. allerdings durch Hinweisung auf 
einen der rohesten und spätesten Oenomaossarkophage aus Raumnoth 
erklären will. Allein es ist einesteils nicht so roh, um ohne weiteres 
die Annahme einer Auslassung zu rechtfertigen, und andernteils verlangt 
die Darstellung eines Viergespanus kaum mehr Raum als ein Zweigespann. 
Sodann aber ist die Anwendung des Viergespanns keineswegs *eine so 
allgemeine Sitte’, dasz sie nicht auch Ausnahmen gestaltete: dahin ge- 
hören namentlich die Zweigespanne des Pelops und Oenomaos auf der 
Archemorosvase, und indirect das Bild, auf dem Odysseus die zwei 
Rosse des Rhesos entführt (Overbeck XVII 5). Auch der Wagen des 
Herakles beim Kampfe mit Nessos (Mus. borb. VI 36) ist mit zwei Pferden 
bespaunt. 

Für die Abwesenheit des Wagenlenkers, der übrigens in dem römi- 
schen Relief gleichfalls fehlt, ist allerdings ein ganz bestimmter Grund 
schwer anzugeben. Doch ist er keineswegs so unentbehrlich, wie F. es 
darstellt, sofern wir nur die Grundidee des ganzen Bildes schärfer ins 
Auge fassen. Die Scenerie und die Nebenfiguren, namentlich Aletheia 
und Oneiros, weisen mit Bestimmtheit darauf hin, dasz es dem Künstler 
weniger darum zu thun war, das Factum des Niederganges mit seinem 
Nebenumstánden zu schildern, als den Amphiaraos in seiner Bedeutung 
als Orakelgott oder Heros hinzustellen: nicht sowol sein Tod als seine 
Verklärung ist das Thema des Bildes, und hierbei ist die Gegenwart des 
Wagenlenkers wenigstens nicht geboten, da ja Götter und göttliche We- 
sen die Zügel ihrer Gespanne in der Regel selbst führen. Mit dieser Auf- 
fassung stimmt es vortrefflich, dasz Amphiargos ohne Helm, mit. Lorber 
und Binde geschmückt ist und. heilig uud seherisch blickt, weil auf diese 
Weise sein Tod wie ein freiwilliger Opfertod erscheint ζἀνιεὶς τὴν κε: 
φαλὴν ᾿Απόλλωνι). * Wie unnatürlich!? ruft F. aus; *denn welcher 
Mensch bebte nicht, wenn die Erde sich vor ihm aufthut! Was mensch- 
lich wahr ist, das zeigt jenes griechische Relief.” Dort nemlich, so be- 
hauptet er, sinke der Kopf auf die Brust herab, der Kórper bebe zurück, 
und die ganze Gestalt scheine kraftlos zusammenzubrechen. Allerdings 
hat auch Welcker (a. D. Il S. 177) die Stellung des Amphiaraos-in ähn- 
licher Weise aufgefaszt; allein eine Reihe von Vasenbildern (z. B. Millin 
6. m. 123, 362. 134, 497) belehrt uns, dasz wir in ihr nur die gewöhn- 
liche Stellung des ἀποβάτης zu erkennen berechtigt sind. Gegen Phi- 
lostratos also beweist sie nichts; und wir werden am dem Seherblick 


gegen K. Friederichs vertheidigt. 205 


des Amphiaraos so wenig anstoszen wie z. B. an einem M. Curtius, der 
sich mutvoll in den Schlund stürzt. 


Eine andere Bemerkung über dasselbe Bild führt uns auf das Gebiet 
der Farbe. Von den Θάλατται neben dem Jüngling Oropos sagt nemlich 
F. (S. 148): 'Uebrigens verstehe ich nicht, wie die «bläulichen Weiber» 
(γλαυκὰ γύναια) zu denken sind. Das Meer ist allerdings bläulich, wenn 
aber der Rhetor das Epitheton des Meeres auf die Meerweiber überträgt, 
so kana man nicht anders glauben, als dasz ihre Hautfarbe der des Mee- 
res glich.” Uud warum nicht? Natürlich nicht in grob materieller Weise, 
sondern so dasz durch die ganze llaltung des Colorits der Eindruck der 
Meerfarbe hervorgerufen wurde, nemlich teils durch passende Wahl der 
Gewandung, teils etwa durch Bekränzung mit Meergewächsen, teils 
endlich durch den besondern bläulichen oder grünlichen Ton der Carna- 
tion. Häufig ist solche Behandlung der Farbe namentlich in den Mosaiken 
mit Derstellungen von Meergóttern, unter denen das von Otricoli in der 
Rotunde des Vatican besonders hervorgehoben werden mag. 


Eine ganze Reihe von Eigentümlichkeiten der Farbe an Thieren 
zählt F. S. 143 auf: ‘Die Kuh, welche [im Bilde der Pasiphaé I 16] der 
Stier verfolgt, ist schwarz mit weiszem Kopf. Aehnliches dichtet der 
Rhetor auch an andern Stellen. In dem Bilde der Eberjagd (1 28) befand 
sich ein Pferd, weisz mit schwarzem Kopf, ein andres (II 5) war oben 
schwarz, an Beinen und Brust. weisz, und eine Centaurin (Il 3) hatte den 
menschlichen Theil weisz, den thierischen schwarz. Diese wunderbare 
Centaurin werden wir später noch genauer betrachten, ich musz es aber 
schon hier aussprechen , dasz alle diese Angaben nur den albernen Rhe- 
tor angehören, der nacli Besondrem suchte.” Jene genauere Betrachtung 
findet sich S. 191: *... wenn man das Centaurenmosaik in Berlin vergleicht, 
so findet man zwar namentlich an dem männlichen Centaur den Farbenton 
des Roszleibes etwas dunkler, wie natürlich, aber von einem grellen- 
Contrast ist keine Rede. Und wie wäre das möglich? Dadurch würde ja 
der Künstler sich selbst entgegenarbeiten. Er will einen einheitlichen 
Organismus schaffen; wenn er aber die beiden Bestandtheile dieses Orga- 
nismus mit diametral entgegengesetzten Farben färbt, so erweckt er ja 
gerade den Gedanken der Zusammensetzung, des Aggregats, den er ver- 
nichten wollte. Εἰ. vermischt hier offenbar Dinge, die bestimmt geschie- 
den werden müssen9 Der einheitliche Organismus beruht auf der Form; 
der nackte Menschen- und der behaarte Roszkórper aber müssen, sofern 
die Farbe nicht, wie in einigen pompejanischen Kentauren, rein decora- 
tiv und andeutend behandelt werden soll, nothwendig durch die Farbe 
unterschieden werden; und so hat sogar die Sculptur in dem Doriaschen 
Kentauren es gewagt, auf einen Pferdekórper von schwarzem Marmor 
die menschlichen Teile von rothem zu setzen und sogar einen ebenfalls 
rothen Schweif anzufügen (Bull. d. Inst. 1850 S. 72). Die Harmonie der 
Farben in einem Gemälde kann sich also nur darauf erstrecken, dasz die 
Hautfarbe (der Teint) und die Farbe des Haares zu einander stimmen. 


» 


206 U. Brunn: die Philosuratischen Gemälde 


Schwarzes Haar aber und weisze, sogar auffällig bleiche Carnation ge- 
hören namentlich im Süden keineswegs zu den Seltenheiten und ziehen 
sogar gewöhnlich durch den damit verbundenen Ausdruck einer ver- 
schlossenen, innerlich zehrenden Leidenschaft das Auge besonders an. 
Gerade bei einer Kentaurin liesz sich aber durch diese Farbenzusammen- 
stellung gewis eine ganz vorzügliche Wirkung erreiche. — Was nun 
die übrigen Thiere anlangt, so sind: bei ihnen die angegebenen Zeich- 
nungen keineswegs ein so seltenes Naturspiel, wie F. zu glauben scheint. 
Sobald etwas Charakteristisches damit verbunden war, wurden sie ge- 
wis im Altertum eben so gesucht wie in neuerer Zeit, teils aus Liebha- 
berei, teils aus andern Gründen. So werden die ganz einfarbigen Hunde 
von Xenophon (de venat. 4, 7) als weniger edel bezeichnet, während Ar- 
τ rianos (de venat. 6, 1) diese Ansicht bekämpft. Horatius (carm. IV 3. 57) 
will ein Kalb opfern: cetera fulvus mit weiszer Mondsiehel auf der 
Sürn; die Rosse des Achilleus sind Xanthos und Balios, Isabelle und 
Schecke, und der Bukephalos hatte seinen Namen von der Zeichnung am 
Kopfe. So mochte schon der besondere Geschmack im Leben auch auf 
die Kunst einen bestimmten Einflusz ausüben. Auszerdem aber konnte 
bei dem Maler noch eine ähnliche Erwägung , wie die oben hinsichtlich 
der Anwendung der Gewünler hervorgehoben, sich. geltend macheu, 
nemlich das Streben, die Eintónigkeit grószerer Flächen, wie sie Stiere 
und Pferde darbieten, durch einen Wechsel der Farbe zu unterbrechen. 
Von diesem Gesichtspunkte sind offenbar viele der bedeutendsten neueren 
Künstler, Raphael an der Spitze, ausgegangen, und ein ähnliches Streben: 
läszt sich bereits an der ältern Vasenmalerei in zahlreichen Beispielen 
nachweisen (z. B. Gerhard auserl. Vas. II 105. 91. 119. 149); so wie nicht 
minder in dem entwickeltsten ‚Stile (z. B. Millingen anc. un. mon. 116. 
Mus. Blacas pl. 22. Gerhard apul. Vas. 1. 3. 8. 7). — Auch dasz 1 28 (vgl. 
F. S. 175) verschiedene Racen von Hunden mit verschiedenen Eigenschaf- 
ten angeführt werden, kann uns nicht überraschen, wenn wir nur auf 
«lie charakteristisehen. Hundenamen, besonders in älteren Vasenbillern 
achten wollen (vgl. Braun in den Ann. d. Inst. 1848 S. 345 {7}. - 





Von der Gewandung, den Attributen, der Färbung wenden wir 
uns zur Betrachtung der körperlichen Gestalt selbst, gegen deren richtige 
Schilderung Philostratos namentlich‘ deshalb öfters gefehlt haben soll, 
weil er ohne Anschauung wirklicher Kunstwerke Men Beschreibungen 
der Dichter blind folge, während dem Maler in deren Behandlung engere 
Grenzen gezogen seien als dem Dichter (S. 26). Es handelt sich hier 
hauptsächlich um die Bildung des Polyphemos, des Acheloos, des die 
Hesione bedrohenden Meerungeheners, des Antäos und des Memnon als 
Aethiopen: also um Gestalten, die aus dem Kreise des Wirklichen oder 
des Gewöhnlichen heraustreten. Der Betrachtung des Detiils werden wir 
daher einige allgemeine Erwägungen voranschieken müssen. Zuerst mils- 
sen wir bedenken, dasz gerade darum, weil'es sich hier. um Anomalien 
der Bildung handelt, sich nicht durchaus feste und bestimmte. Grenzen 


gegen k. Friederichs vertheidigt. 207 


ziehen lassen: wie diese Bildungen in den erhaltenen Monumenten viel- 
fach unter einander abweichen, so wird auch an sich dem Künstler eine 
gewisse Freiheit in ihrer Gestaltung zuzugestehen sein; dem geistreiche- 
ren und phantasievolleren Künstler wird es möglich werden ‘neue Schó- 
pfungen zu wagen’, und er wird es verstehen ‘sie als existenzfähig dar- 
zustellen?, während der minder begabte an der Möglichkeit verzweifelt. 
Sodann aber dürfen wir nicht vergessen, dasz diese auszergewöhnlichen 
Bildungen den Rhetor vorzugsweise anziehen musten, da sie ihm auch 
für seine rhetorische Malerei den passendsten Stoff lieferten, wobei na- 
türlich die kräftigsten Züge nicht gespart wurden. Bedenken wir dazu, 
dasz die poetischen Schilderungen derartiger Gestalten sich dem Gedächt- 
nis der Rhetoren gewis besonders lebendig eingeprägt hatten, so würde 
ihre sonstige Glaubwürdigkeit noch nicht geschmälert werden, wenn wir 
fänden, dasz sie zuweilen das vollkräflige Wort des Dichters wiederhol- 
ten, wo etwa der Künstler sich mit einer bescheidenen Andeutung be- 


guügt hatte. 


Wir betrachten zuerst die Gestalt des Polyphemos (II 18; F. S. 27 ff.). 
Die erhaltenen Darstellungen sind meist von geringem Kunstwerth, und 
kaum in éiner ist der Versuch gemacht worden, die Gestalt des Kyklo- 
pen im allen charakteristischen Eigentümlichkeiten scharf durchzubilden. 
Von den publicierten Wandgemälden verräth das eine (Millin G. m. 163, 
683). schon durch den Eros mit dem Briefe einen ländeluden Charakter, 
und von der Eigentümlichkeit des Polyphemos selbst ist sowol hier als 
anderswo (Zahn lI 30 u. lll 44) nur wenig übrig geblieben. Am feinsten 
ist die Auffassung des plumpen Charakters jedenfalls in dem Albanischen 
Relief (Zoega 57). Hier sitzt er, wie bei Ph., unter einem Baume; sein 
Haar ist, wenn auch nicht wie Fichtenreisig, doch wild und ungeordnet, 
eben so wie der volle Bart; die Nase wie die ganzen Formen des Gesich- 
tes haben etwas breites und bäuerisch rohes; der Körper ist plump und 
in seiner Bewegung schwerfällig; und wenn er hier nicht behaart darge- 
stelit ist, so wird uns dafür z. B. von Eustathios (de Hysm. am. 4, 6) das 
ähnliche Bild eines Hirten beschrieben , welches in dieser Beziehung ganz 
mit der Philostratischen Schilderung übereinstimmt. Hinsichtlich der 
Darstellbarkeit aber möchte ich nicht mit F. an Silenopappos „erinnern, 
da trotz des πάντα (στέρνον τε xal γαστέρα καὶ τὸ ἐς ὄνυχα ἧκον, Ad- 
desc ss&yra) das Hervorheben einzelner Teile auf ein nicht überall gleich- 
miesig verteiltes Haar hinzudeuten scheint, sondern etwa an das Bild 
eines Giganten (Bull. nap. II t. 6) oder an die Kentauren des Aristeas und 
Papias im Capitolinischen Museum, an denen gerade Brust und Bauch 
behaart erscheinen, ohne dasz dadurch der menschliche Kórper im min- 
desten *entstelit? wird. So bleibt nur noch das éine Auge unter der 
(inen Braus, freilich ein Wagstück, für das sich aber trotzdem in der 
von F. 8. 80 erwähnten Gemme und in der Lyoner Maske (Millin G. m. 
174, 681) Belege findeh. Doch ich selbst will auf diese Analogien kein 
Gewicht legen, da sich uns eine ganz andere Lösung dieser Schwierig- 
keit ergeben wird, sofern wir nur noch einmal das ganze Kapitel im 


208 H. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


Zusammenhange überblicken: Der Rhetor spricht zuerst von den Kyklo- 
pen im allgemeinen (s. unten). Aber diese, sagt er dann, kümmern nns 
jetzt nicht; Polyphemos aber, der wildeste von ihnen, wohnt dort; μέαν 
μὲν ὑπερτείνων ὁ ὀφρὺν τοῦ ὀφθαλμοῦ ἑνὺς ὄντος, πλατείᾳ à δὲ τὴ jul 
ἐπιβαίνων τοῦ χείλους καὶ σιτούμενος, τοὺς ἀνθρώπους, ὥσπερ τῶν 
λεόντων of. noi. νυνὶ δὲ ἀπέχεται τοῦ τοιούτου σιτίου... ἐρᾷ γὰρ τῆς 
Ταλατείας . . ἀφιστορῶν αὐτὴν ἀπὸ τοῦ ὄρους. Er hat die Syrinx unter 
dem Arnf und singt unter einer Eiche sitzend: Sodann wird sein Aus- 
sehen beschrieben, das Haar, die Zähne, der Kinnbacken, die Haare am 
Körper und endlich der Zahmheit affeclierende wilde Blick. Erwartet 
man die Erwähnung des Auges nicht vielmehr hier, bei der Schilderung 
des Aussehens, als im Eingange? Dort aber wird diese Misbi 

Körpers erwähnt neben der Wildheit der Sitten: er friszt Menschen; aber 
— heiszt es sofort — jetzt nicht. Wie nun diese Worte, in denen schon 
Jacobs die Reminiscenz aus Homer (Od. « 292) erkannte, nichts mit dem 
Bilde selbst zu schaffen haben, sondern uns nur an den Charakter des 
Kyklopen im allgemeinen erinnern sollen, so werdön wir die unmittelbar 
vorhergehenden Worte über die Misbildung des Gesichts, zumal sie eben- 
falls eine Reminiscenz aus Theokritos (ld. XI 31—33) sind, als ehen so 
allgemein gesagt aufzufassen das Recht haben. Der ganze Satz dient 
lediglich als Einleitung: *dort wohnt Polyphemos, der wilde, einäugige 
Menschenfresser, der aber jetzt verliebt ist’; und wir haben nieht nóthig, 
die rhetorische Ausschmückung dieser Worte auf die im: Bilde gemalle 
Figur im einzelnen anzuwenden. Diese Auffassung wird vielleicht an 
‚dieser Stelle noch gewagt erscheinen; doch bat sie bereits eine Analogie 
in den oben besprochenen weigaxios καὶ γυναίοις beim Bilde des Aga- 
memnon, und eine weitere Bestätigung wird sie indirect durch dasjenige 
gewinnen, was später über die Disposition der Philostratischen Beschrei- 
bungen in ausführlicherem Zusammenhange dargelegt w n wird, — 


Grosze Unklarheit herscht in den Bemerkungen F.s (S.331T.) über die 
Gestalt des Acheloos (iun. 4. Um dem Rhetor etwas recht absurdes auf- 
zubürden, werden-seine Worte in der gröbsten und unbeholfensten Weise 
ausgelegt, obwol wegen der auch hier angebrachten poetischen Reminis- 
cenzen im Ausdruck ein feineres Abwägen besonders nóthig war. Die 
Gestalt des Fluszgottes wird zweimal, am Anfang und gegen das Ende 
der Beschreibung erwähnt; und zwar ist sie an der zweiten Stelle mit 
dem einen Worte βούκερως bezeichnet. Ausführlicher ist die Schilderung 
am Anfang und es treten deutlich drei Bestandteile hervor: ein Drache, 
ein zweites Thier, nemlich Stier oder Pferd, und menschliche Teile 
κἀνδρὸς ἡμέϑηρος). V. spricht von einem stierköpfigen Manne und meint : 
“von dem halbthierischen Menschen ist sichtbar der Stierkopf und auch 
wenigstens noch etwas Menschliches , denn sonst konnte ja überhaupt 
nicht vom Menschen die Rede sein? Ich frage nun, ob einem Stier- 
kopf ein voller Bart (peverag ἀμφιλαφής) zukommen und ob von dem 
Bart eines Stieres Wasser ausströmen ‚kann? Hätte F. hierauf geachtet, 
so würde er die Worte βούπρωρα πρόσωπα nicht "stierkópfig? übersetzt 


gegen K. Friederichs vertheidigt. 209 


und dem Philostratos aus dieser Bildung einen Vorwurf gemacht haben 
(der übrigens trotz F.s Bemerkungen S. 38 durch einen wirklich stier- 
hàuptigem Acheloos auf einer Münze von Metapont: Carelli T. 157, 149 
sich widerlegen liesze), sondern er liátte nur an ein menschliches Gesicht 
mit Stierhörnern denken können. Da dieses allein erwähnt wird, so ha- 
. ben wir nicht nöthig noch andere menschliche Teile vorauszusetzen: 
das Gesicht allein, “das Menschlichste am Menschen’, rechtfertigt die 
Bezeichnung als eines halbthierischen Menschen. Es fragt sich nun, an 
welches Thier dieses Gesicht angefügt ist. Die Kunstwerke zeigen uns 
eimen Stier. Ebenso spricht Sophokles, aus dem ja nach F. der Rhetor 
sein Bild im wesentlichen genommen hat, von einem Stier, und auf 
einen Stier deuten sowol die Worte ὃς ὑπὸ τοσαύτῃ κεραίᾳ γυρώσας 
τὸν αὐχένα, als auch die folgenden καὶ διασκάπτων τὴν ἐν ποσὶ γὴν. 
ὡς ἐς ἐμβολὴν ἵεται, da nach Lindaus richtiger Bemerkung ἐμβολή 
gerade den Angriff des Stiers bezeichnet. Doch bei Ph. steht γαύρου TE 
ἵππου. Zwar haben mehrere Erklärer yavgov in ταύρου verändern und 
Eserow entweder streichen oder dafür ein Epitheton des Slieres setzen 
wollen; “allein der gedankenlose Mensch weicht hier von Sopliokles ab 
mur aus dem Grunde, um sich nicht zu wiederholen. Wirkliches hatte 
er nicht vor Augen, verständig ist er auch nicht, und so bringt er hier 
das Pferd hinein und spart die Stiergestalt sich noch auf.’ Dasz durch 
solches Ralsonnement der Credit der Archäologen bei den Philologeu ge- 
hoben werde, möchte ich stark bezweifeln; denn diese bilden sich noch 


- immer ein in Fällen dieser Art conjicieren zu dürfen “nur geleitet von 


der Voraussetzung, dasz der Rhetor nichts Absurdes sage? (S. 58), und 
ich glaube sogar dasz viele von ihnen z. B. die von F. nicht gobilligte 
Conjectur δίῳ für ϑηρίῳ (II 21 S. 89, 4) für eine sehr glückliche Ver- 
besserung von Jacobs halten werden. Doch wir kehren zu Acheloos zu- 
rück, dem wir seine gewöhnliche Stiergestalt in dem Philostratischen 
Gemälde abzusprechen keinen Grund haben; und es bleibt uns nur noch 
übrig, den Drachen unterzubringen. Mehrere Vasenbilder schneiden den 
Stierleib in der Mitte durch, vielleicht nur um Raum zu sparen, mög- 
licherweise aber auch, um der Phantasie Spielraum zu lassen, sich das 
Bild in der Art der Sophokleischen , wol schon früher im Mythos vorge- 
bildeten Schilderung zu ergänzen. Eins indessen (Gerhard auserl. Vas. 
ll 115) bildet den Acheloos nach Art eines Triton mit Fischleib und un- 
terscheidet ihn von diesem nur durch die Ohren und Süerhórner am 
Kopf. Hier hahen wir also ebenfalls drei Organismen verbunden. Doch 
stehen uns noch andere Analogien zu Gebote: am Kerberos läuft der 
Schweif in eine Schlange aus; und an der Chimára ist auch nach F.s An- 
Sicht die Sehlange, indem sie den Schwanz des Ungeheuers bildet, 
‘glücklich angebracht. Denken wir uns also den Acheloos als Stier mit 
icht und mit einem in eine Schlange auslaufenden Schweif, 
der sich, wie bei einem wütenden Stier, über dem Rücken erhebt, so 
gewinnen wir eine Gestalt, die eben so wenig den Werten des Philostra- 
tos wie den Bildungsgesetzen der griechischen Kunst widerspricht. 
Jahrb. f. elass. Philol. Suppl. Bd. IV. fift. 2. 14 


210 H. Brunn: die Philostralischen Gemälde 


Antöos wird von Ph. (II 21) als ein plumpes Ungethüm geschildert; 
worüber F. (S. 58) folgendes bemerkt: *In den erhaltenen Schriftstellern 
findet sich keine detaillirte Schilderung der Gestalt des Antaeus, die 
Denkmäler, deren nicht wenige sind, stellen ihn dar als gewöhnlichen. 
Menschen , nicht anders als den Herkules. Wie könnten sie auch anders 
verfahren? Antaeus zwang die Fremdlinge, die zu ihm kamen, zum 
Ringkampf und besiegte sie; er war also ein guter Ringer, Daher muste 
doch der Künstler ihm einen Körper geben, dem man ansicht, dasz er 
geschickt ist zum Ringen. Was kümmert diese einfache Erwägung den 
Rhetor! Er hatte gelesen .bei Dichtern von der unermeszlichen Kraft des 
Antaeus und danach bildet er selbständig, wie ich glaube, weil die ganze 
Beschreibung so absurd ist, ein Ungethüm, das zu keinem andern Kampf 
so untauglich ist, als gerade zum Ringkampf.” F. eitiert Gerhard auserl. 
Vas. ILS. 102; die beiden Tafeln 113 u. 114 aber scheint er nicht 
sehen zu haben; denn sonst hätten ihm schon hier manche Ungleichheiten 
in der Bildung der beiden Kämpfer auffallen müssen. Auszerdem aber 
hat er die vorzüglichste aller Darstellungen des Antäos übersehen, die in 
den Ann. d. last. 1855 t. V publicierte Vase des Euphronios, auf welcher 
die rohe Wildheit in äuszerst charakteristischer Weise hervorgehoben 
ist. Hätte er dazu die in der Form etwas schwülstigen, aber in der 
Sache richtigen Bemerkungen i im Text von Braun nachgelesen, so würde 
er in ihnen sogar eine schlagende Parallele zur Beschreibung des Philo- 
stratos gefunden und erkannt haben, wie auch bei diesem das Grund- 
motiv der Beschreibung wie des Bildes in dem Gegensatz zwischen dem 
gebildeten Hellenen und dem rohen Barbaren lag. Herakles ist τέχνης 
ἔμπλεως δι᾿ εὐαρμοστίαν τοῦ σώματος, Antäos dagegen ἰσχυρὸς μέν, 
ξυνδεδεμένος μὴν καὶ οὐκ εἴσω τέχνης. Er vertraut nicht auf seine 
Gewandtheit, sondern auf die rohe, materielle Kraft, auf die Wucht sei- 
nes "vierschrütigen* Körpers; denn "mehr braucht mit den Worten ὀλίγον. 
ἀποδέων ἴσος Fes TG μήκει καὶ τὸ εὗρος nicht gemeint zu sein. — 
Aus diesem Gegensatz glaube ich auch noch die Besonderheit erklären zu 
müssen, dasz Antäos mit Ohrenklappen versehen war, die, soviel wir 
wissen, sonst nur bei den Uebungen zum Faustkampf angelegt wurden. 
Der Hellene Herakles ist beim Ringkampf kunstgemäsz ganz ohne Schutz- 
waffe, sellist die Löwenhaut legt er ab; der Barbar fühlt sich nur im 
Faustkampf und nur durch den Beistand seiner Mutter sicher und hält es 
darum für nölhig sich gegen die Gefahren einer andern Kampfweise oder 
auch etwa dagegen zu sichern, dasz ihn sein Gegner ins Ohr beisze (vgl 
16 S. 12, 17): die Ohrenklappen sind also ein Zeichen seiner niedrigen, 
feigen Gesinnung. 

. "Aber es sei so in Wirklichkeit gewesen [dasz man beim Faustkampf 
diese Klappen anlegte], durfte darum diese Wirklichkeit hier nachgeahint 
werden? Beachten wir zunächst folgende anäloge Falle. Apollo (heim 
Tode des Hyacinthus) steht auf der Erderhöhung, von welcher aus man 
den Diskus in Wirklichkeit zu schleudern pflegte (I 24); Apollo erscheint 
mit Riemen an den Händen, um den wilden Wegelagerer Phorbas zu 
bezwingen (Il 19). Wer sieht nicht, dasz in diesen Fällen der Rhetor 


gegen K. Friederichs vertlieidigt. 211 


Dinge, die er gelesen hatte, auf die unpassendste Weise einmischt' 
Warum, fragen wir, tödtet nicht Apollo, der ja der Riemen nicht be- 
darf, den Phorbas sofort ohne Vorbereitung?’ Die Antwort ist einfach: 
weil die Sage an diesen Kampf des Apollon seine Geltung als Vorstehers 
des Faustkampfes anknüpfte, wie nach den Scholien zur Il. * 660 bei den 
Kyklikern zu lesen war. Wenn ferner F. auf Bildwerken “die Erderhóhung 
nicht einmal da angegeben findet, wo Palästriteu dargestellt sind, sich 
im Diskuswerfen übend’, so glaube ich ihm wenigstens éin Beispiel nach 

„weisen zu können: Ann. d. Inst. 1836 t. d'agg. L. Die Vasenbilder, wel- 
che hauptsächlich in Betracht kommen, können aber überhaupt hier we- 
nig beweisen, da sie so viel wie möglich alles nicht dringend nothwen- 
dige Beiwerk beseitigen. Die eigentliche Malerei dagegen braucht noth- 
wendig Terrain und musz sogar danach streben, die Einfórmigkeit ebener 
Flächen zu brechen, so dasz sie aus der Angabe eineg durch die Hand- 
lung bedingten Erhóhung sogar einen malerischen Vorteil zieht. Wenn 
aber der Rhetor sie “mit der widerwärtigsten Breite beschreibt?, so 
folgt daraus noch keineswegs, dasz sie auch im Bilde widerwärtig er- 
scheint. 


Die Gestalt des Memnon (I 7) veranlaszt F. (S. 49) zu folgenden Be- 
merkungen : *Memnon hatte ... schwarze Gesichtsfarbe. Nur diese? fragt 
man sogleich; warum sagt nicht der Rhetor, dasz er auch die Gesichts- 
bildung des Schwarzen hatte? Oder war er etwa ein schwarz ange- 
malter Weiszer? Nicht denkbar...” Eher, meint F., sei noch zu glau- 
ben, dasz der Rhetor den äthiopischen Typus zu erwähnen vergessen 
habe. Aber dann widersprächen die erhaltenen Darstellungen, in denen 
Memnon immer in griechischer Bildung erscheine, indem die griechische 
Kunst nach dem Charakter, nicht nach der Nationalität gefragt habe. 
Nur in der Gewandung charakterisiere man den edlen Ausländer und 
selbst hierin verfahre die frühere Zeit mit grószerer Zurückhaltung als 
die spätere. “Diese ältere Kunst ist idealer, unbekümmerter um das Zu- 
sammenstimmen mit der Wirklichkeit, sie fällt vor jenen groszen kul- 
turhistorischen Wendepunkt, in welchem das griechische Volk vom Idea- 
len zum Realen sieh wandte.” Also, folgere ich, fällt das von Philostra- 
tos beschriebene Gemälde in die Zeit nach jenem groszen Wendepunkt, 
der etwa mit Alexander beginnt. Die erhaltenen Darstellungen, Vasen- 
gemälde, in denen jene Wendung nie zum vollen Durchbruch kam, oder 
Bronzen älteren und etruskischen Stils, können für unser Gemälde nichts 
beweisen. Die Zeit der Nachfolger Alexanders aber, welche es verstand 
die Bildung der Barbaren den Gesetzen der griechischen Kunst völlig zu 
unterwerfen, brauchte vor einem schwarzen Memnon nicht zurückzu- 
schrecken, und wir können wol hinzufügen, sie durfte es nicht einmal, 
wenn sie, wie in dem Gemälde bei Ph. durch die Hinzufügung des Mem- 
nonkolosses , die ägyptische Sage in bestimmter Weise mit der griechi- 
schen in Verbindung setzte Dazu kommt noch eine andere Erwägung. 
Die Aethiopen im Bilde des Perseus (1 29) waren nach Ph. ἡδεῖς dv τῷ 
τοῦ χρώματος ἀτόπῳ καὶ βλοσυρὸν μειδιῶντες... καὶ ol πλεῖστοι ὅμοιοι; 

14} 


212 H. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


also gewis echte. Negergesichter ; den Memnon dagegen οὐδ᾽ dv hey 
φαίης. τὸ γὰρ ἀκράτως dv αὐτῷ μέλαν ὑποφαίνει τι di 

Koloss endlich hatte gewis nicht die echte Negerphysiognomie, 
den Typus der dunkelfarbigen ägyptischen oder nubischen Race. Fand 
sich dieser aber auch in dem Gemälde, so wird es uns nicht auffallen, 
wenn Ph. von der Gesichtsform schweigt und sich begnügt auf die 
Farbe hinzuweisen, Und finden wir nicht endlich in einem Gemälde bei 
R. Rochette (Peint. de Pompéi pl. 28), das man als eine Personification 
der Weltteile gedeutet hat, eine Frau von ganz dunkelbrauner Farbe,» 
aber ohne Angabe des Negertypus? 


Noch eine Specialität mag hier besprochen werden, obwol F. der- 
selben mehr beiläufig und in anderem Zusammenhange gedenkt (S. 134), 
nemlich die Andeutung des eben keimenden Bartes (TovAoc). *In den zar- 
ten ἴουλος haben sich die beiden Rhetoren übrigens verliebt; wo es nur - 
angeht, wird er angebracht . . Die Kunstwerke, die uns erhalten qe 
stimmen keineswegs überein? Wir pllegen allerdings ein 
glatten Lippen und Kinn und noch nicht entwickeltem Backenbarte in 
bärtig zu nennen, und Ph. würde kaum. Tadel verdient haben, wenn auch 
er diesem Gebrauche gefolgt wäre, da ἴουλος gar nicht eigentlichen Bart, 
sondern den zarten Flaum bezeichnet, der beim ersten Keimen eine Fort- 
setzung des Haares neben dem Ohre bildet. Recht deutlich zeigt sich 
diese Bedeutung bei Ph. Ep. 56, wo der Fortschritt des Bartwuchses ge- 
schildert wird: ἕρπει μὲν ὁ loviog, al δὲ παρειαὶ χνοάξουσι, τὸ δὲ 
πρόσωπον ὅλον &vOsi. Dieselbe Bedeutung ist aber auch in den von F. 
eitierten Beispielen — 117 gehört nicht hierher, denm Antilochos ist 
ὑπήνης πρόσω --- streng festzuhalten: 1 10 κόμη δυγκατιοῦσα τῷ -— 
παρὰ τὸ οὖς: 1 80 κόμη ἰούλῳ ξυνανϑεῖ᾽ iun. 14 κόμη ξυναποι 
ταῖς τοῦ ἰούλου ἀρχαῖς. Dieser erste Ansatz eines Bartes entspricht pd 
gewis den Charakteren des Amphion, Pelops und Hyakinthos. Eine etwas 
stärkere Entwicklung scheint angedeutet bei Orpheus (iun. 7) ἀρτίχνουν 
ἐκβάλλων ἴουλον ἐπιρρέοντα vij παρειᾷ. lason aber (iun. 7) ἐούλῳ 
βρύει καϑέρποντι" Memnon endlich wird dem Achilleus verglichen. 
τὸν ἴουλον ὡς καϑ᾽ ἡλικίαν τῷ κτείναντι. So scheint mir die ΔΕ 
drucksweise keineswegs tadelnswerth, sondern vielmehr mit einer ge- 
wissen Feinheit gewählt. Was nun die Uebereinstimmung dieser Schilde- 
rungen mit den erhaltenen Monumenten betrifft, so dürfen wir nicht 
vergessen, dasz in einem mit Farbe, Lieht und Schatten durchgeführten 
Gemälde der ἴουλος nicht sowol durch bestimmte Zeichnung als durch 
einen in leisen Uebergüngen mit der Hautfarbe sich vermischenden Far- 
benton ausgedrückt gewesen sein wird. In Contourzeichnungen, wie 
wir sie von den pompejanischen Gemälden meist vor Augen haben, ver- 
schwinden allerdings solche Feinheiten, und zahlreichere Belege würden 
sich daher nur durch eine Prüfung der Originale selbst finden lassen. 
Doch mangelt auch micht eine etwas schärfere Bezeichnung des lovioc 
2. B. in den Gemälden bei Ternite Heft VII T. 3; R. Rochette mon. in. 19. 
Auszerdem aber fehlt es auch nicht an Beispielen auf Vasenbildern, auf 


gegen K. Friederichs vertlieidigt. 213 


welche sich doch F. sonst so geru zu berufen pflegt: z. B. Mon. d. Inst. 
IV 48. V 33. Gerhard Trinksch. 14. auserl. Vas. IV 268. 270. 273. 275. 
Millingen anc. un. mon. 24 u. 32. Da, wie in dem letzten Beispiele, dicser 
leichte Bart häufig nicht schwarz, sondern wie eine dünne Lasur aufge- 
tragen ist, so bin ich überzeugt, dasz auch in dieser Denkmälerclasse 
die Prüfung der Originale noch zahlreichere Belege liefern würde, als die 
Publicationen sie bieten; wie ich denn selbst auf der Prachtvase Mon. d. 
Inst. VI 21 die Andeutung des Bartflaums an den Figuren des Achilleus 
und Memnon leider erst nach der Publication bei besonders günstiger 
Beleuchtung entdeckte. So müssen wir zuletzt dem Ph. noch dankbar 
dafür sein, dasz er uns auf Feinheiten in der Durchführung der erhalte- 
nen Denkmäler aufmerksam macht, die wir sonst nur zu leicht übersehen. 


Für eines der elegantesten Gemälde erklärte Welcker die Horen 
(ll 33): um so ungeschickteg erscheint, was F. gegen dieselben geltend 
machen will Schon daran will er Anstosz nehmen, dasz die Blumen 
und Früchte der verschiedenen Jahreszeiten dargestellt waren, indem sie, 
die in der Wirklichkeit nicht coexistiren, auch nicht in dem Raum eines 
Bildes coexistiren können.’ (S. 28) Ueber ein solches Misverstehen sym- 
bolischer Darstellung viele Worte zu verlieren halte ich für überflüssig. 
Namentlich aber wird die Hore des Sonimners geladelt, von der es heiszt, 
dasz sie auf dem Haar der Aehren wandle ohne es zu brecheu und zu 
biegen, ja ὡς μηδὲ ἐπημύειν τι τῶν ληίων. F. citiert (S. 138) Il. 227. 
Hesiodos Fr. 221 Góttl. Verg. Aen. VII 809, da es nicht zu leugnen sei, 
dasz Ph. eine dieser drei Stellen vor Augen gehabt. Aber ‘nicht die 
Leichtigkeit, sondern die hóchste Schnelligkeit, die windschnelle Bewe- 
gung, die über den Boden hinfährt und ihn kaum berührt, wollen jene 
Dichter mit ihren Schilderungen veranschaulichen , sodann sagen sie nur, 
dasz die Aehren nicht gebrochen wurden von den darüber Laufenden. 
Philostratus aber läszt die Achren, ja das Haar der Aehren sich nicht 
einmal neigen unter den Füszen der Horen und eben durch diese Steige- 
rung wird das ganze Bild absurd.’ Und weiter: *Dasz die Horen, obgleich 
flügellose Wesen . . in der Luft schweben, möchte man sich allenfalls 
gefallen lassen, wiewohl es der Sitte der guten Kunst widerstrebt. Denn 
auch das göttliche Wesen denkt sich die alte Kunst mit physischer 
Schwere ausgestattet, es bedarf der Flügel, wenn es sich über dem 
Erdboden bewegen will. Aber darin liegt das Anstöszige des Bildes, 
dasz das Feinste und Zarteste, die Spitzen der Aehren, die dem leisesten 
Windhauch weichen, so mit den Huren in Verbindung gesetzt sind, dasz 
wir sie als Stütze derselben fassen müssen und doch nicht fassen können, 
weil sie ganz ihre Natur verläugnen. Die Huren haben eiue Stütze ui.d 
kaben sie auch wieder nicht, insofern diese Stütze nicht Stütze sein kann, 
ja nicht einmal versucht es zu sein” Man musz nothwendig glauben, 
dasz F., nachdem er sich den Inhalt des Bildes in sechs dürfligen Zeilen 
notiert, die Worte des Ph. gar nicht wieder angesehen habe. Nach die- 
sem Auszuge heiszt es allerdings: “die Frühlingshoren befinden sich . 
die Horen des Sommers wandelu . ^; bei Ph. dagegen: αἵ 29a: . . Evv- 


. 
214 H. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


ἁπτουσαι τὼς χεῖρας ἐνιαυτόν. οἶμαι, δλίττουσε, und später οἵα δὲ ἡ 
δίνη τοῦ κύκλου". . καὶ παρειὰ ϑερμὴ ὑπὸ τοῦ δρόμου καὶ οἵ ὀφϑαλ- 
μοὶ συγχορεύοντες. Also nicht blosz leicht waren diese Figuren, sondern 
in * windschneller? Tanzbewegung. Warum aber sollten sie, obwol flü- 
gellos, nicht in der Luft schweben? F. selbst sagt in einer Note: *die 
Selene auf gemalten Darstellungen das Endymion erregt die Vorstellung, 
als würde sie getragen von ihren wallenden Gewändern. Finden wir 
aber nieht öfter in pompejanischen Gemälden auch schwebende Horen 
mit wallenden Gewändern? Besonders lelirreich zur Vergleichung mit 
Ph. sind drei in einer Composition vereinigte, schwebende und tanzende 
Horen in einem Stuckrelief, das nächstens in den Mon. d. Inst. VI t. 44 
publiciert werden wird. Sind sie aber schwebend dargestellt, so dür- 
fen wir die unter ihren Füszen befindlichen Blumen oder Aehren | gar 
nicht als eine Stütze derselben fassen: μὴ πατεῖτε τὴν ὑάκινθον ἢ τὰ 
δόδα. ı οὐκ ἐρῶ πρὸς τὰς ἠρινάς" ὑπὸ γὰρ 180 πατεῖσϑαι ἡδίω φαίνεται 
καὶ αὐτῶν τι τῶν Ὡρῶν ἥδιον πνεῖ usw. Sie schweben über den Blu- 
men, berühren sie mit den Füszen, aber nicht um sich darauf zu stützen, 
sondern die Blumen scheinen unter den Füszen aufzusprieszen, sie ge- 
winnen aus der Berührung erst recht wieder Leben und Frische. Dieser 
poetische Gedanke würde durch die unter den Füszen der Horen sich 
neigenden Blumen und Aehren völlig vernichtet werden: die Figuren 
erschienen *mit physischer Schwere ausgestattet, und alle Illusion 
wäre dahin. 


Von diesen anmutigen Gestalten müssen wir uns noch einmal zu- 
rückwenden zu einem Ungethüm, dem Seeungeheuer im Bilde der He- 
sione (iun. 12): “Drei Reihen von Zähnen gibt der Rhetor dem Thier, eine 
Abnormität, die in der Natur und eben darum auch in der Kunst nicht 
vorkommt. In der Poesie freilich ..* (S. 40) Zuerst ist diese Folgerung 
wiederum ganz falsch. Denn wenn die drei Reihen in der Poesie und in 
Folge davon wol auch im Volksglauben vorgebildet waren, weshalb sollte 
die Kunst Anstaud uehmen zu folgen? Ferner aber ist die behauptete That- 
sache eben so falsch , und ich rathe F. die Naturgeschichte des Haifisches 
zu studieren, der ja zur Vergleichung besonders passend ist, um sieh 
von der Existenz mehrerer Reihen Zähne zu überzeugen. 


Dieses Meerungeheuer aber bietet F. den Anlasz zu weiteren Be- 
trachtungen allgemeinerer Art: nemlich über die Behandlung des Gewal- 
tigen und Kolossalen in der Malerei. Leider ist auch dieses Kapitel nichts 
als "ein ganzes Nest" (S. 43) von schiefen Ansichten. "Alles Auszerordent- 
liche wird von den Philostraten quantitativ gesteigert und damit ein 
deutlicher Beweis gegeben, dasz ihren Beschreibungen nichts Wirkliches 
zu Grunde lag. (S. 41) Ich dächte zunächst doch nur dafür, dasz sie als 
Rhetoren schreiben und dasz wir deshalb das Recht haben, die zu grellen 
Farben ihrer Schilderung uns in den beschriebenen Gemälden einiger- 
maszen gemildert vorzustellen. Hören wir aber die weitere Begründung. 


e 
gegen K. Friederichs verteidigt. 215 


Da wird zuerst behauptet, dasz der Malerei hinsichtlich des Kolossalen 
engere Grenzen gesteckt seien als der Plastik, ja es wird ihr eigentlich 
die Kolossalbildung gänzlich abgesprochen. Da F. die Gótterkolosse aus 
der edelsten Zeit der Kunst erwähnt, so mag er sich z. B. an die kolos- 
salen Mosaikbilder der früheren christlichen Jahrhunderte erinnern lassen, 
in denen die Kolossalbildung ebenfalls *der nothwendige Ausdruck für 
die erhabene Anschauung des Göttlichen war, die damals in den Gemü- 
thern lebte". Dasz aber auch sonst die Malerei das Kolossale nicht aus- 
echlieszt, bedarf für den einigermaszen mit Kunstwerken vertrauten kei- 
nes Beweises, wobei es sich freilich von selbst versteht, dasz die stilis- 
tische Behandlung eben so wie in der Plastik eine andere sein musz als 
bei gewöhnlichen höchstens lebensgroszen Figuren. — Aber geben wir 
selbst F. einmal seine Theorie zu, was wird dadurch für Philostratos 
bewiesen? wo wird dort je gesagt, dasz in dem Bilde selbst die Figur 
kolossal, über das Masz der Wirklichkeit hinaus, also etwa statt fünf 
oder sechs Fusz zehn oder zwölf Fusz hoch gemalt sei? Der Beschauer 
nimmt seinen Maszstab aus dem Bilde selbst, aus der Vergleichung einer 
Figur mit der andern oder den sie umgebenden Gegenständen; und F. 
selbst citiert dafür das bekannteste Beispiel aus der alten Kunst, den 
" Kyklopen des Timanthes, dessen Grösze dadurch anschaulich gemacht 
wurde, dasz Satyrn hinzugemalt waren, die mit dem Thyrsos seinen Dau- 
men maszen (Plin. 35, 74), wozu uns Philostratos (lI 22) in dem Herakles 
unter deu Pygmäen das Gegenbild liefert. Aber F. vernichtet sich selbst 
die Nutzanwendung, die er aus seiner Anführung hätte ziehen sollen, 
indem er den Satz dazwischenwirft, dasz die griechische Kunst die Ile- 
roen qualitativ, nicht quantitativ unterscheide, ja dasz selbst die Götter 
in gleicher Grósze mit den Sterblichen erscheinen (S. 45). “Ein Mensch, 
der vom Dichter zu einem Giganten gesteigert wird, bleibt darum iminer 
ein Mensch; erscheint er aber im sichtbaren Bilde als Gigant neben an- 
dern kleineren Figuren, so verliert er die Gleichartigkeit mit letzteren 
und rückt in eine andere Sphäre.” Allein auch hier widersprechen die 
Thatsachen den Voraussetzungen, auf welche F. seine Schlüsse gründet. 
Der Satz, dasz die griechische Kunst die Ileroen qualitativ, nicht quanti- 
tativ unterscheide, bedarf sehr wesentlicher Einschränkungen: nicht allein 
dasz Alkyoneus, Antäos dem Herakles gegenüber, Polyphemos unter den 
Genossen des Odysseus Yiesenhaft erscheinen, auch Tityos hat in den 
Gemälden aus der Odyssee (jetzt in der vaticanischen Bibliothek) fast die 
doppelte Läuge der andern Figuren, und ebenso sind die Lästrygonen 
bedeutend grószer als die Genossen des Odysseus gebildet. Aber selbst 
unter den mehr gleichartigen Heroen bewährt sich F.s Theorie keines- 
wegs: ich erinnere namentlich daran, dasz auf einer ganzen Reihe von 
Monumenten Odysseus um einen halben oder ganzen Kopf kleiner als die 
übrigen Helden erscheint. Umgekehrt aber genügt die gleiche Differenz, 
um den Eindruck des Riesenhaften oder Göttlicherhabenen hervorzurufen. 
So erscheint z. B. Athene im Kampfe des Achilleus und Hektor (8verbeck 
XIX 1) um einen halben Kopf grószer als die Helden, und umgekehrt lHe- 
rakles unter den Góttern (Gerhard auserl. Vas. 1} 146) um eben so viel 


216 H. Brunn: die Philostratischen. Gemälde, 


kleiner als diese. Dass nun F. sólche Unterschiede: nieht beachtet ; hat 
seinen Grund im einem neuen Misrerständnis: *der Gigamt des Dichters 
ist eine uneigentliche Bezeichnung, es ist ein uneigentlicher Aus- 
druck, um das Höchste übermäthiger, roher Kraft zu bezeichnen. Und 
nun vergegenwärtige man sich das Bild, wo der Leichnam des Kapaneus 
grószer als dasz er für den eines Menschen gehalten werden könnte, be- 
stattel wird von den Angehörigen. Wer ist der Riese, fragen wir? und wie 
kann man trauern über ein solches Ungethüm?? F, hält sich also-dureh- 
aus an die Vorstellung der mythisehen Giganten; aber bedeutet nicht yl- 
yag auch ganz einfach einen Riesen nach unserem gewöhnlichen Begriffe? 
Wir vergleichen num aber noch auszerdem die Worte des Philostratos; 
die Führer der Argeier sind μεγάλοι xal ὑπερβεβηκότες eos 
Kamaveus δὲ γίγαντε εἴκασται (1 29); der Leichnam des Kapant LL 
ἕων ἢ ϑρώπου δόξαι 30); Herakles.ciy dv καὶ ah xai 
εἶδος ἐν ὑπερβολῇ ἀνθρώπου (121); Aeétes μέγας τε καὶ ὕπει 
ἀνθρώπου, ὅπλα μὲν ἐνδεδυκὼς dora, γίγαντος οἷμαί τινος (iun. ui. 
"Wo ist in allen diesen Beispielen der Anlasz gegeben, ums das Bild ins 
Ungeheuerliche auszumalen? Halten wir uns gegenwärtig, dasz ein Rhe- 
tor spricht, so werden wir vielmehr zu der Annahine kommen, dasz die 
Gröszenuuterschiede auf den Bildern selbst sich so ziemlich auf ein eben. 
so bescheidenes Masz beschränkt haben werden, wie in den oben ange- 
führten Monumenten. 





Eine andere Bewandtnis hat es mit dem Dämon auf dem Bilde des 
Neilos, der gemalt war οὐρανομήκης ἐπινοῆσαι. * An der einen Seite 
des Bildes liegt der Nil umspielt von den Kindern ..., auf der andern 
steht der den Himmel berührende Dämon, der dem Nü sein Wasser zu- 
führt. Dieser Dämon, der ohnehin das Interesse ganz von dem Nil abzieht, 
der eine dichterische Reminiscenz ist, hatte aber auch an sich ganz am« 
dere Proportionen, als die Gegenfigur, denn dies ist man. dech aus. den. 
Worten des Rhetors zu schlieszen berechtigt. Aber was für ein ungrie- 
chisch componirtes Bild käme damit heraus!? (S. 43) Hätte F., statt nur 
nach Fehlern zu suchen, sich Welckers treffliche Note gründlich ange- 
sehen und auszerdem auf den Ausdruck ἐπενοῆσαι den nothwendigen 
Nachdruck gelegt, so würde er sich von dem Wesen dieses Dàmon einen 
ganz andern Begriff gemacht haben. Es handelt sich nemlich um das 
Sternbild des Wassermánns das gewis auch als solches gemalt war, d. li. 
etwa nach Art der Windgötter als in weiter Entfernung am Himmel er- 
scheinend und in einem der Himmelsfarbe entsprechendem Ton, so dasz 
es den im Vordergrunde gelagerten und in vollen und kräftigen Farben 
gemalten Neilos weder hinsichtlich der materiellen Grösze noch in seiner 
malerischen Farbeuwirkung beeinträchtigen konnte. 

Nach diesen Erörterungen ist es kaum nöthig auf das Meerungeheuer 
im Bilde der Hesione nochmals zurückzukommen. Wir dürfen recht wol 
annehmen *dasz das Thier durch Grösze sich auszeichnete’, und doch 
"genügt dies? nicht *um einen gewöhnlichen Fehler der Philostrate auch 
hier vorauszusetzen. Denn sofern das Thier nur nicht gerade in den 








gegen K. Friederichs vertheidigt. 217 


Vordergrund gesetzt war, verringerte sich das Masz im Bilde mit der 
Entfernung , ohne dasz es seine Grósze für die Phantasie einbüszte. 








Au die Betrachtung des Kolossalen schlieszen sich am besten die 
über die Behandlung des Gräszlichen bei Ph. an, in welcher 

sich ein * Gefallen au dem Widerwärtigen? finden soll, “das so ganz der 
griechischen Kunst fremd ist? (S. 145). Es handelt sich zuerst um Dar- 
stellung des Blutes bei Verwundungen. Ankäos (iun. 15) liegt verwundet 
ἀθρόον ἐκρέων τὸ αἷμα xol ἐς πολὺ ἀνερρωγὼς τοῦ μηροῦ" das Blut 
des Earypylos (iun. 10) κρουνηδὸν ἐκχεῖται" Acheloos (iun. 4) αἵματος 
ἤδη pid ἢ νάματος ἀφίησι κρουνοὺς ἀπαγορεύων das von Perseus 
39) liegt am Ufer ἐμπλημμυροῦν πηγαῖς αἵματος, 

99' dv rie ἢ 9a1a00a. ‘Solche Darstellungen erinnern an die Art 

der Mordgeschichten auf Jahrmärkten.” Wir betrachten uns zuerst die 
Worte selbst etwas genauer. Eurypylos hat eine tödtliche Stichwunde 
unter dem Arm erhalten, deshalb springt das Blut xgovvndov; aus der 
weitaufgerissenen Schenkelwunde des Aukäos flieszt es reichlich; im Bart 
des Acheloos mischt es sich mit dem Wasser des Fluszgottes; beim Meer- 
färbt es das Wasser; aus der Kopfwunde des Phorbas (II 19) 

ὥσπερ ἐκ πηγῆς ἐκδίδοται. rieselt es heraus: es ist also jedesmal anders 
und jedesmal den Verhältnissen entsprechend charakterisiert, wie es doch 
wahrlich nicht die Art eines “gedankenlosen , albernen? Rhetors ist. Fer- 
mer hat die griechische Kunst die Darstellung von Blut keineswegs so 
ingstlich vermieden, wie F. es vorauszusetzen scheint. Allerdings dürfen 
wir zahlreiche Belege nicht in den pompejanischen Gemälden suchen, da 
in Ihnen Kampf- und Mordscenen den anmutigen und gefälligen Darstellun- 
gen gegenüber sehr in den Hintergrund treten; doch fehlt gelegentlich 
auch hier das Blut nicht: z. B. an der Wunde des Adonis (vgl. Jahn arch. 
Beitr. S. 47 ff.), an dem getödteten Minotauros (Millin G. in. 198, 491), in 
der Alexamderschlacht, in der Jagd (Zahn IIl 5 — R. Rochette Peint. de 
Pompéi 16 — Mus. borb. XIII 18). Reiche Beispiele liefern dagegen die 
Vasen, und es ist daher unnóthig hier Citate anzuhäufen, da sich jeder 
dieselben leicht sammeln kann; nur einiges zur Vergleichung mit Ph. be- 
somders geeignete will ich hervorheben. Ein Jäger, vielleicht Ankäos 
selbst , mit stark blutender Wunde findet sich bei Gerhard (apul. Vas. A 4); 
unter der Achselhóhle hervorsprudelndes Blut an eiuem Kinde der Medeia 
anf einer cumanischen Vase (Cat. Campana XII 32); Blut am Halse in der- 
seiben Scene bei BR. Bochette Peint. de Pompéi S. 277, wo auszerdem 
auch das Schwert der Medeia mit Blut gefärbt ist. Um aber dem Ein- 
warfe zu begegnen, dasz die genannten Beispiele ausschlieszlich von 
Vasen des späten Stils entnommen seien, genügt es die Vivenziovase zu 
eitieren (Mus. borb. XIV 41—43. Overbeck XXV 24). Sie allein rechtfertigt 
nicht mar den mit Hiebwunden bedeckten Leichnam des Abradates auf 
dem Bilde der Panthia (ll 9; Ε΄. S. 65), sondern sie beweist auch, dasz 
die Griechen, weit entfernt von blutscheuer Sentimentalitàt, auch das 
Gräszliche darzustellen keinen Anstand nahmen. F.s Behauptung, dasz 


218 H. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


die Griechen *uns die Kämpfer in der spannendsten Situalion. zeigen, 
wenn der tódtende Streich erfolgen soll . ., aber nicht das wi 

Bild zerhackter Körper, an dem ein Henkersknecht Gefallen finden mag* 
(S. 68), musz also, wie man sieht, sehr bedeutende Einschränkungen er- 
leiden; und eben so wenig darf man, obwol wir *die Vorliebe der etrus- 
kischen Kunst für gräuelvolle Darstellungen? wenigstens für gewisse 
Classen der Monumente gern zugeben, doch keineswegs einen *diamelra- 
len? Gegensatz zur griechischen Kunst in ihrer Behandlung annehmen, 
worüber sich F. durch den von ihm selbst (S. 71) herbeigezogenen * cha- 
rakteristischen Beleg? belehren lassen mag. Dem etruskischen Vasenbilde 
nemlich mit der Figur des Aias, der sich bereits ins- Schwert. gestürzt 
hat (Overbeck XXIV 2), während in einem griechischen (Bull. nap. n. s; 1 t, 10) 
ein früherer Moment dargestellt ist, stelit ein altgriechisches durchaus 
parallel, welches, erst kürzlich publieiert (Mon. d. Inst. VI t. 33), früher 
schon durch die Beschreibung Brouns (Bull. d. Inst. 1856 S. 28—31) be- 
kannt war. — Dasz übrigens auch die Plastik die Andeutung des Blutes 
nicht verschmähte, zeigt z. B. der sterbende Fechter uud die dazu gehö- 
rige Ludovisische Barbarengruppe , welche letztere hier namentlich. zur 
Vergleichung mit dem Bilde der Panthia (II 9) angeführt werden mag. 


Bedenklicher als das Blut mögen auf den ersten Blick verstümmelte 
und zerrissene Körper erscheinen , deren einige bei Philostratos erwähnt 
werden. Auszer den schon früher besprochenen Köpfen der Freier der 
Hippodameia und der von Phorbas gemordeten handelt es sich um fol- 
gende von F. (S. 65) eitierte Beispiele: *Neben den Rossen des Diomedes 
erblickt man Krippen angefüllt mit menschlichen Gliedern, Herkules aber 
trägt den halbzerfressenen Körper seines Lieblings Abderus, den erden 
Pferden entrissen hat, in der Löwenhaut (Π| 35). Auch auf dem Bilde, 
das den Tod des Hippolyt darstellte (Il 4), erscheint der Körperdes 
Jünglings in der gräszlichsten Verstümmelung, und nicht anders ist. es, 
wenn (| 18) die Angehörigen den zerrissenen Körper des Pentheus zu« 
saminenfügen.” Dazu kommen noch die gemordeten Genossen des Aga- 
memnon im Bilde der Kassandra (Il 10). 

Zuvörderst ist von diesen Beispielen das des Hippolytos auszuneh- 
men. Die Worte σοὶ τὰ μὲν ἐσπάρακται τῶν μελῶν, τὰ δὲ συντέτριπται 
setzen um so weniger voraus, dasz irgend ein Glied vom Körper abge- 
rissen sei, als nur das Haar als blutig erwähnt wird; sie lassen vielmehr 
an eine Darstellung denken, wie sie sich auf dem agrigentinischen und 
dem Campanaschen Sarkophag findet (arch. Zeitung 1847 T. 6.. Mon. d. 
Inst. VI 2) und in dem Gemälde des Antiphilos (Hippolytus tauro emisso 
expavescens: Plin. 35, 113) vorauszusetzen ist. Freilich ist es F. *un- 
begreiflich, wie Weleker behaupten konnte, bei Philostratus sei derselbe 
Gegenstand dargestellt, wie von Antiphilus’, und eben so wundert er 
sich, wie ich (Gesch. d. gr. K. 11 249) *den Unterschied der beiden Bilder 
so ganz und gar übersehen konnte" (S. 73). Ich gestehe, dasz ich mit 
den * wahrhaft künstlerischen Moment, wo Hippolytus vor dem Meerun- 
geheuer zurückbebU, nicht wol gemalt vorzustellen vermag. Wenigstens 


gegen K. Friederichs vertheidigt. 219 


habe ich nirgends gelesen, dasz Hippolytos vor Schrecken vom Wagen 
gestürzt sei, wol aber wie seine Pferde scheu wurden und in Folge da- 
von das Unglück eintrat. Der Kürze des Plinius aber ist es ganz ange- 
messen, wenn er statt des Gespannes den Hippolytos nennt und von die- 
sem das fauro emisso expavescens prädiciert. So “begreift? vielleicht F., 
was Welcker und mich zu unserer Annahme veranlaszt hat. 


Ehe wir die übrigen Beispiele von Verstümmelungen näher betrach- 
ten, folgen wir F. in seineu aligemeinen Erórterungen. Er fragt S. 66: 
*Wie behandelt die griechische Kunst die Schlachtscenen, in denen die 
Verstümmelung natürlich zu sein scheint?’ Wir geben gern zu, dasz 
sie, weil es móglich war, in ihnen Verstümmelungen darzustellen ver- 
mied, und dies um so mehr., da die Schlachten der Alten, wenn sie auch 
nicht weniger blutig sein mochten als die unsrigen, doch weniger An- 
lasz zu eigentlichen Verstümmelungen boten. Wir wollen ferner zugeben, 
dasz die beiden von F. citierten Vasenbilder mit dem abgeschlagenen Kopfe 
des Troilos wegen ihrer Altertünnlichkeit nichts für die vollendete Kunst 
beweisen, wie wir denn auch z. D. die von F. nicht erwähnten Beine 
eines Genossen des Odysseus in den Händen des Polyphemos (Overbeck 
XXXI 4) nicht höher anschlagen wollen als etwa die zerrissenen Hunde in 
Jagdscenen und die zerrissenen, blutenden Bóckchen in bakchischen Dar- 
stellungen. Dasz indessen ‘die Köpfung von Ungeheuern, wie Medusa 
und Argos, wol einer andern Beurtheilung unterliege’, ist schwerlich 
riehtig oder vielmehr gar nicht zuzugeben. Allerdings wird unser Mit- 
leid bei der Tódtung dieser Wesen weniger erregt; allein im Bilde er- 
scheinen auch sie unter menschlicher Gestalt, und eine grell naturalisti- 
sche Behandlung z. B. des abgeschnittenen Halses würde uns hier nicht 
weniger unangenehm berühren als bei der Enthauptung Johannes des 
Taufers. Auszerdem werden von F. (S. 68) noch folgende Beispiele ci- 
tiert: die gewóhnlich auf Tydeus und Melanippos gedeutete Vorstellung ; 
die Agaue mit dem Kopfe des Pentheus, Diomedes mit dem Haupte des 
Dolon, endlich die Köpfe der Freier der Hippodameia und (S. 251) ähn- 
liche Köpfe im Heiligtume der taurischen Artemis: also immer schon eine 
nicht ganz kleine Zahl von Ausnahmen, die wenigstens so viel beweisen, 
dasz die griechische Kunst Verstümmelungen darzustellen nicht unbe- 
dingt vermied; und wenn es sich bei den angeführten Deispielen fast nur 
um Köpfe handelt, so will ich bemerken, dasz mir wenigstens ein Vasen- 
bild bekannt ist, eine Trinkschale von gutem Stil, auf der die rasenden 
Bakchantinnen die zerrissenen Glieder des Pentheus in den Händen tragen 
(Cat. Camp. IV—VII 638). Wenn nun F., wie schon oben bemerkt ward, 
die Bedeutung der angeführten Beispiele dadurch zu schmälern sucht, 
dasz er sagt, sie finden sich fast nur auf plastischeu. Monumenten, 
während gerade hier die Malerei andere Forderungen stelle, so kann ich 
diese Beschránkung in keiner Weise zugeben. Freilich müssen wir hier 
von einer Vergleichung mit der Malerei der * Mordgeschichten auf Jahr- 
märkten’ gänzlich absehen , und vielmehr unbefangen überlegen, wie ein 
verständiger Maler den Forderungen der edleren Kunst gerecht zu werden 

/ 


220 H. Brunn: die Philostratischen Gemälle 


vermag. Mir scheint diese Aufgabe gar nicht einmal übermäszig schwie- 
rig: es wird genügen, dasz er uus die Verstümmelung nicht in ihrer 
Nacktheit zeige, dasz er vermeide, z. B. den Querschnitt des Halses und 
überhaupt Flächen rohen Fleisches im Bilde zu zeigen. Dadurch allein 
wird schon der materielle Eindruck des Gräszlichen völlig verschwinden; 
unser Gefühl wird nicht verletzt, sondern zum Mitleid angeregt, Wir 
betrachten nun die Worte des Ph. und sehen zu, ob in ihnen etwas liegt; 
was mit einer solchen Behandlung unvereinbar wäre. Von Pentheus 
heiszt es: Zuvag ὅττουσιν τὸν ! vexgóv . „mgoxeıTaL καὶ ἡ κεφαλὴ οὐκέτι 
ἀμφίβολος. ἀλλ᾽ οἵα καὶ τῷ Διονύσῳ ἐλεεῖν, νεωτάτη καὶ ἅπα- 
λὴ «ον und nur bei der Agaue wird die Beileckung mit Blut erwähnt. 
Im Bilde des Abderos geschieht zuerst der μελῶν ἀνϑρωπείων καὶ ὀστῶν 
in den Krippen ohne weiteren Deisatz Erwähnung; die Reste des Abderos 
selbst dagegen, καλὰ ἔτι ἐν τῇ λεοντῇ κεῖται. Auch an Hippolytos ὥρα 
. οὐδὲ νῦν ἀπολείπει τὸ μειράκιον, ἀλλ᾽ ἐπιπρέπει τι καὶ τοῖς 

μασιν. Wenn also Ph. wirklich ein so groszes “Gefallen am Widerwär- 
ligen" gehabt hätte, warum. verhält er sich gerade in diesen Füllen so 
zurücklallend? Offenbar weil der Künstler das Gräszliche in der Aus- 
führung gemildert, ja veredelt hatte, Wenn aber auch bei Ph. Verstüm- 
melungen nur da vorkommen, wo sie durch den Mythos nothwendig ge- 
boten waren, so genügen seine Beschreibungen auszerdem noch einer 
andern Fi 'onlerung , die F. (S. 69) an die Darstellungen des Schrecklichen 
stellt: “In allen Scenen nämlich, in denen es sich handelt um Tod und 
Unheil, wird nicht allein das sinnlich Gräszliche vermieden, sondern es 
werden auch einzelne Gruppen oder Motive eingelegt, die das Gemüth 
sanft und friedlich stimmen. Die griechische Kunst ist überall bemüht, 
den Eindruck des Wilden zu dämpfen, sie will versöhnen iit dem 
Schrecklichen, sie will es auflösen in eine höhere Empfindung, sie will 
neben dem künstlerischen auch einen tief sittlichen, einen sittlich reini- 
‚genden Eindruck gewähren.” Nun, diesen Ansprüchen geschieht iu Bilde 
‚des Pentheus völliges Genüge durch die von der Raserei , und 
‚jetzt in tiefer Trauer dasitzenden Bakchanliunen, in dem Bilde des Abde- 
ros durch die Trauer des Herakles über den geliebten Knaben; und eben 
so ist bei Hippolytos die Trauer durch die Figuren der Umgebung hin- 
lánglich ausgedrückt, Indessen hat ein ausgeführtes Gemälde, um * das 
Schreckliche in eine höhere Empfindung aufzulösen’, keineswegs immer 
besondere Gruppen und Zuthaten nölhig, da es schon durch die | ‚Eut- 
wickelung des physiognomischen Ausdrucks diese Wirkung zu 

im Stande ist. Was sich bei Ph. nach dieser Richtung. hin 

findet, wird freilich von F. wiederum zu Vorwürfen benutzt, die er in 
dem folgenden Satze zusammenfaszt (S. 56): “Was. das Sterben mit 
ächelnder Miene betrifft, so ist zwar bekannt, dasz die griechische Kunst 
das Bild des Todes durch eineu Schein des Friedens zu erheitern sucht, 
dasz sie den Sterbenden wie schlafend darstellt; dasz aber Heiterkeit und 
Lächeln auf dem Gesicht «les Todten wohne, ist der hellenischen An- 
schauung vom Tode durchaus zuwider.’ Die Betrachtung der einzelnen 
Fälle wird wiederum beweisen, wie wenig F. auf das eingeht , was Ph. 


gegen K. Friederichs vertheidigt. 221 


eigentlich sagt. Panthia a 9 hat sich das Schwert in die Brust ge- 
stoszen , aber κεῖται τὸ στόμα ξυμμετρίαν τὴν ἑαυτοῦ φυλάττον καὶ 
ὥραν .., und von den Augen heiszt es: ἐλεεινῶς μὲν διακείμενοι. τοῦ 
δὲ φαιδρῶς ἔχειν οὐκ ἀπηλλαγμένοι, καὶ ϑαρσαλέοι μέν, λογισμοῦ 
δὲ εἴσω μᾶλλον ἢ τόλμης, καὶ τοῦ uiv ϑανάτου ξυνιέντες» οὕπω δὲ 
ἀπιόντες. Menökeus ( 4) sinkt zusammen ; ὑπεξιόντος δὲ αὐτῷ τοῦ 
αὕματος ὀπλάξει καὶ ἀσπάξεται τὸν ϑάνατον καλῷ καὶ ἡδεῖ τῷ Ou- 
ματι καὶ οἷον ὕπνον ἕλκοντι. Im Bilde des Arrichion (Il 6) bildet die 
Siegeszuversicht des sterbenden den Grundzug: μειδιᾷ, καϑάπερ of 
ζῶντες, ἐπειδὰν νίχης αἰσθάνωνται. im Gegensatz zu der Todesfurcht 
(νεκρῷ εἰκάσαι) des sich besiegt glaubenden, aber eigentlich siegreichen 
Gegners; und eben so wird endlich das φαεδρόν re καὶ μειδεῶν am tod- 
ten Antilochos (1 7) näher bestimmt als der Ausdruck des Seelenfriedens 
über die vollbrachte gute That, welcher das Gesicht selbst im Tode 
nicht verläszt. So finden wir also überall feine psychologische Schilde- 
rungen, die schwerlich in dem Gehirn eines albernen Sophisten entstan- 
den sind; und dasz diese verschiedenen Stinimungen durch die Malerei 
darstellbar sind, wird niemand leugnen wollen. Wie hart aber, dürfen 
wir wol fragen, würde sich F. geäuszert haben, wenn sich bei Ph. nur 
ein Wort von einer Verzerrung im Tode gefunden hàtte? 


Neben dem Lächeln im Tode mag auch sogleich noch des Lächelns 
der Lebenden gedacht werden. ‘Von Apollo [als Besieger des Marsyas: 
hun. 3] heiszt es, Lächeln sei auf seinem Gesicht. Ist das nicht empórend? 
Kann Apollo da lächeln, wo er Vollstrecker einer gerechten Strafe ist? 
So wenig wie es Dionysos kann als Bestrafer der Seerüuber, den der 
stempfsinnige Rhetor (I 19) ebenfalls lächeln läszt. Auf dem Monument 
des Lysikrates sitzt Dionysos in ruhiger Schönheit da, olıne Erregung, 
wie es dem Gott geziemt, er tändelt mit seinem Panther, aber dem nie- 
dern Volk der Satyrn überläszt er die Bestrafung der Rüuber.? (S. 188) 
Bezu noch die Note: “Wie ganz anders als bei Philostratus ist es in sei- 
nem Vorbild, dem homerischen Hymnus! Da lacht Dionysos darüber, dasz 
die Seeräuber ihn, den Gott, fesseln zu können glauben, aber als er zur 
Bestrafung schreitet, da ist er ein wild blickender Löwe. Aus solchen 
Zügen sieht man, was für ein Mensch dieser Philostratus war. Aus 
solchen Bemerkungen sieht man, was für eine Verblendung F. beherscht, 
da er nicht bemerkt, wie er durch seine eignen Worte sich selbst wider- 
legt. Soll Apollon etwa Thränen vergieszen oder über die von ihm selbst 
verhängte Strafe wüten? Gerade wie Dionysos auf dem Monument des 
Lysikrates sitzt hier Apollon in ruhiger Schönheit da, διαναπαύων ἑαυ- 

» ohne Erregung, wie es dem Gott geziemt, δάϑυμον τὸ τοῦ ϑεοῦ 

μα ἐπανθοῦν τῷ προσώπῳ, er tändelt mit seiner Leier, 
aber die Bestrafong überl&szt er “dem niedern, rohen Barbaren. Und soll 
Dionysos im Bilde der Tyrrhener sich etwa wie bei Homer in einen wild- 
blickenden Löwen verwandeln? warum soll er nicht über das Schauspiel, 
welches sich seinen Augen darbietet, lächeln? Auch bei Homer nimmt 
er ja die Gestalt des Löwen nicht an, um die Tyrrhener zu zerreiszen, 


222 H. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


sondern um sie zu. erschrecken. Er, der lächelt, als sie ihm: Fesseln 
anlegen wollen, soll er nicht ebenfalls lächeln, wenn jetzt vor einem 
Schreckbild die ganze Gesellschaft ins Wasser springt? Das ganze Aben- 
teuer hat etwas durchaus humoristisches , und die Strafe ‚erscheint selbst 
im Mythos gemildert, ja fast wie eine Erlösung, da die. bestraften aus 
schlechten Seeräubern menschenfreundliche und gesangliebende Delphine 
werden. — Noch ein drittes Beispiel haben wir zu betrachten; .*Das 
Aergste aber wird uns zugemuthet in dem Bilde des Nessus (iun. 16). Da 
heiszt es, dasz der Knabe Hyllos über den von seines Vaters Pfeil getrof- 
fenen Centauren vor Vergnügen in die Hände klatsche und dazu lache. 
Was könnte es Unnatürlicheres und Schündlicheres geben zumal bei 
einem Kinde, als Lachen über einen Sterbenden, über einen unter 
Schmerzen Sterbenden?” Wir könnten F. allenfalls Recht geben, wenn 
Hyllos der Sohn des Nessos, nicht der Deianeira wäre. Wenn aber der 
Knabe seine Mutter von einem wilden, halbthierischen Kentauren bedroht 
sieht, wenn er ihren Angstruf hört, soll er da nicht jubeln, dasz der 
Feind zusammenstürzt und die Gefahr beseitigt ist, ganz abgesehen da- 
von dasz dieses Zusammenstürzen eines ‚Kentauren von dem Knaben mit 
eben solchem Vergnügen betrachtet werden durfte, wie etwa von einem. 
Jäger das Zusanimenbrechen eines zum Tode getroffenen Hirsclies ? 


Nach dieser Abschweifung kehren wir zum Hauptthema zurück , bei 
dessen Besprechung wir noch die Ermordung der Kassandra (Il 10) unbe- 
rücksichtigt gelassen hatten, in deren Umgebung die erschlagenen Ge« 
mossen des Agamemnon dargestellt waren. Hier scheint allerdings das 
Pathetische des Gegenstandes auch im Bilde stärker‘ hervorgetreten zu 
sein, als wir es im allgemeinen bei griechischen Kunstwerken 
sind; und ich habe darum, als ich (Gesch. d. gr. K. 11 254) auf die in- 
nere Verwandtschaft desselben mit unsern Nachrichten über die Kunst 
des Theon oder Theoros hinwies, nicht unterlassen auf die Gefahr auf- 
merksam zu machen, die in einer solchen Richtung für die fernere Ent- 
wicklung der Kunst enthalten war. Zugleich aber dürfeu.wir nicht au- 
szer Acht lassen, dasz in der Beschreibung gerade dieses Bildes, ‚wenn 
auch natürlich durch die hervorstechende Eigentümlichkeit ‚desselben 
veranlaszt, die rhetorische Färbung besonders stark hervortritt, so dasz 
es gewis gerechtfertigt ist, wenn wir für die einzelnen Ausdrücke nicht. 
die schärfste, sondern eine möglichst milde Deutung suchen.‘ Die be 
denklichen Worte über Verstümmelungen sind nun folgende: 6 μὲν &x- 
τέτμηται τὴν φάρυγγα σίτου τι ἢ ποτοῦ ἕλκουσαν, ὃ δ᾽ ἀποκέχοπταν, 
τὴν κεφαλὴν ἐς τὸν κρατῆρα κύπτων, ὁ δὲ ἀπήρακται τὴν χεῖρα pe 
φουσαν ἔκπωμα. Hier deuten allerdings ἀποκέκοπται und  aregemtar 
auf eine wirkliche "Trennung der Glieder vom Körper. Soll indessen das 
in den Worten ἐς τὸν κρατῆρα κύπτων ausgesprochene Motiv im Bilde 
wirklich erkennbar sein, so können wir kaum annehmen, dasz der Kopf 
wirklich vom Rumpfe getrennt und herabgefallen war; sondern, es er- 
scheint wahrscheinlicher, dasz, wie in der ersten Figur die Kehle durch- 
geschnitten, so hier-das Genick die Halswirbel durchgeschlagen waren, 


gegen K. Friederichs vertheidigt. 223 


dureh welche der Zusammenhang des Kopfes mit dem Rumpfe zunächst 
und hauptsächlich bedingt war; und ähnlich konnte es sich mit der Hand 
verhalten , die offenBar den Becher noch festhielt. Doch will ich zunächst 
sicht mehr als die Möglichkeit einer solchen Auffassung behaupten. Wol- 
len wir uns aber vor einer einseitigen Verurteilung hüten, so müssen 
wir dieses Bild auch noch unter einem andern Gesichtspunkte betrachten, 
det hier sofort in grószerem Zusammenhange zu prüfen ist. 


Bei der Beurteilung der Philostratischen Beschreibungen darf nem 
lich die Bedeutung der malerischen Behandlung nicht übersehen 
werden. Da es sich um farbige, mit Hülfe von Licht und Schatten aus- 
geführte Gemälde handelt, so stehen diese, anstatt dasz sie nach Masz- 
gabe von Sculpturen und Vasenbildern beurteilt werden dürfen, zu diesen 
Classen der Monumente vielmehr in einem entschiedenen Gegensatze: ihre 
Ausführung musz wegen der angewandten Mittel in vielen Dingen eine 
wesentlich verschiedene sein. Zur Vergleichung bleiben uns fast nur die 
astiken Wandmalereien übrig, die aber nicht überall ausreichen können; 
deam abgesehen davon dasz sie fast nur von untergeordneten Künstlern 
und rein decorativ ausgeführt sind, kann uns die in ihrer Art ganz ver- 
einzelt dastehende Alexanderschlacht deutlich beweisen, wie beschränkt 
wir in der Anschauung der alten Malerei sind. Auszerdem aber fehlt uns 
sicht zur die Kenntnis der gewöhnlichen Tafel-(Tempera-) Malerei, son- 
dern auch der Enkaustik, welche eine in Farbe, Licht und Schatten 
effeetvolle Darstellung vorzugsweise ermöglicht zu haben scheint.*) Bei 
diesem Standpunkte unseres Wissens dürfen wir uns nicht einbilden, 
jede der durch Philostratos hervorgerufenen Fragen durch Analogien 
noch vorhandener Monumente entscheiden zu können. Namentlich aber 
werden wir neben den Monumenten auch den schriftlichen Nachrichten 
über die Geschichte der Malerei, die besonders für die Zeit Alexanders 
auf eine bedeutende Entwicklung des Malerischen hindeuten, unsere Auf- 
merksamkeit zuwenden müssen; und endlich darf, wo es sich um Fragen 
der malerischen Móglichkeit handelt, auch die neuere Malerei nicht ganz 
unberücksichtigt bleiben. Nach dieser Richtung nun hat F. jedes einge- 
hende Studium in so auffalliger Weise verabsäumt, dasz man zweifelhaft 
sein musz, ob ihm etwa der Sinn für das Verständnis der malerischen 
Forderungen fehlt, oder ob er absichtlich seine Augen für alle dahin 
einschlägigen Thatsachen und Nachrichten verschlieszt, etwa in dem 
Wahn, dasz die Entwicklung der Malerei in der Alexandrischen Zeit 
für Philostratos nichts beweisen könne, wie er ja auch die Vergleichung 





8) Sollte ein im Museum von Cortona befindliches und von verschie- 
denen Künstlern und Gelehrten für ein alter enkaustisches Bild gehal- 
tenes Gemälde wirklich antik sein (und ich gestehe wenigstens für sei- 
nen modernen Ursprung keine Gründe beibringen zu können), so würde 
dieses Werk allein zum Beweise genügen, dasz die Alten jeden Effect, 
dessen unsere Oelmalerei fühig ist, durch die Enkaustik zu erreichen 
vermochten. ^ 


224 H. Brut: die Philostretischeh Gemälde . 


der pompejanischen Malereien als * römischer? Werke von seinen Erörte- 
rungen so viel wie möglich ausschlieszt. 

Wir beginnen nit der Betrachtung von Nebensachen. In dem Bilde 
des rasenden Herakles (Il 23) sind nach F. (S. 133) die Opfergeräte auf- 
fallend detailliert angegeben. Sie dienen, wie er bemerkt, zur Steigerung 
des Grüszlichen, indem die That, am einem heiligen Orte verübt, nur 
noch schrecklicher erscheint. “Um dies zu erreichen, bedurfte es nur 
einer Andeutung , oder richtiger es durfte nur eine Andeutung gegeben 
werden, damit sich nicht als Hauptsache breit mache, was nur eine un- 
tergeordnete Bedeutung hat , ; . Ein Künstler hätte sich begnügt, einen 
Altar zu malen und etwa ein umgeworfenes Geräth dazu.” In einem Va- 
senbilde hätte ein Altar und ein umgeworfenes Gerät allenfalls genügt, 
obwol τ. B. die bei Gerhard arch. Zig. 1845 T. 35 u. 36 zusammenge- 
stellten Opferscenen auf Vasen uns eine weit gröszere Ausfihrlichkeit 
zeigen. Ein durchgeführtes Gemälde dagegen darf und musz- sogar in 
vielen Fällen wegen der reicheren Mittel der Darstellung das blosz an- 
deutende Verfahren aufgeben und sich enger an die Wirklichkeit an- 
schlieszen. Ein bloszer Altar und ein Gefäsz würden leicht leer und 
dürftig erscheinen. Dagegen aber bietet die Malerei wiederum die Mittel, 
um zu verhüten, dasz der reichere- Apparat sich nicht *als Hauptsache 
breit mache’. Sie behandelt diese Nebensachen auch künstlerisch als 
solche, indem sie es versteht sie durch die Behandlung von Farbe, Licht 
und Schatten für das Auge zurückzudrängen. Dasz dies in dem. 
den Gemälde wirklich der Fall war, scheint nicht undeutlich aus der Be- 
sehreibung selbst hervorzugchen: κανᾶ δὲ καὶ χέρνιβα καὶ οὐλαὲ καὶ 

σχίξαι καὶ κρατήρ, τὰ τοῦ Ἑρκίου. λελάκτισται πάντα: alles ist in 
einen einzigen Salz zusammengedrängt und gibt sich schon dadurch in. 
länglich als Nebenwerk zu erkennen. 

Was wir aber hier an einem einzelnen Falle beobachten, das wird 
sich uns bei einer genaueren Betrachtung der Philostratischen Beschrei- 
bungen auch im allgemeinen bestätigen. Es kann uns nicht " 
dasz in der Schilderung der in einem Bilde dargestellten Figuren und 
Gegenstände eine grosze Ungleichheit herscht, die wir keineswegs einem 
Zufall zuschreiben dürfen. Vielmehr werden wir leicht bemerken, dasz 
die gröste Ausführlichkeit sich stets bei den Hauptfiguren findet und dasz 
das Detail mit der Bedeutung der Personen oder Dinge abnimmt, so dasz 
bei eigentlichem Beiwerk meist nur die Sache-selbst ohne irgend eine 
‚nähere Bezeichnung benannt wird. Es wird nicht überflüssig sein einige 
Beispiele zusammenzustellen. Im Bilde des Memnon (L7) finden wir die 
Scenerie geschildert als πεδίον εὐρὺ καὶ σκηνὰς καὶ τεῖχος ἐν σερατο- 
πέδῳ καὶ πόλιν ξυμπεφραγμένην τείχεσιν" vom Heer des Memnon wird 
einzig gesagt, dasz es die Waffen abgelegt hat und seinen Führer 
Im Bilde des Antäos (Il 21): κόνις ofa ἐν πάλαις ἐκείναις ἐπὶ ῇ 
ἐλαίου")... xolowol re ἐπικήδειοι (so nach einer Conjectur 








tii 


4) Zur Erklärung dieser Worte bemerkt F. 8. 56: "πηγή steht 
in einer nicht seltnen metaphorischen Bedeutung; vgl; z. B. Pind. 


ἕξ 


gegen K. Friederichs vertheidigt. 225. 
für ἐπιτήδειοι) καὶ στῆλαι καὶ κοῖλα γράμματα. Die Bakchantinnen und 
Satyra bei der Findung der Ariadne (I 16) werden nicht beschrieben, 
sondern es wird nur gesagt, dasz sje keine Cymbeln und Flöten haben; 
die Zuschauer beim Sturze des Üenomaos (l 17) erscheinen ἐπ᾽ αὐτῷ 
βοῶντες" die Dienerinnen der Alkmene (iun. 5) ἐκπλαγεῖσαι ἄλλη ἄλλο 
ss προσδιαλέγονται τῇ πλησίον" von der Begleitung des Amphitryon 
erfahren wir nur, dasz sie ἐν ὅπλοις ist. Die Troer auf der Mauer (iun. 
13) ἀνατετάκασιν ἐς οὐρανὸν εὐχόμενοι τὰς χεῖρας. Etwas ausführlicher, 
aber immer nur nach einzelnen Hauptmotiven der Bewegung sind die 
. Zuschauer im Bilde des Arrichion (11 6) geschildert; und ll 7 tritt dem 
Autilochos und Achilleus gegenüber an den übrigen Führern nur ihr 
Grundcharakter hervor. Die Nymphen im Bilde des Midas (I 22) χυρεύουσι 
κωθάζουσαι τὸν Σατυρον᾽ die Satyrn bei der Bestrafung des Marsyas 
(fun. 3) ola θρηνοῦντες yeygaparaı, ὡς ἐπιφαένοντες τὸ ἀγέρωχον καὶ 

ὃς ξὺν τῷ ἀνιάσϑαι. Ueberall hält sich hier die Schilderung 
in ganz allgemeinen Zügen und verschmäht offenbar absichtlich das Detail. 
Sollen wir aber hierin nur eine Berechnung des Rhetors sehen? Gewis 
um so weniger, da er ja nach den Umständen auch anders verfährt. So 
gibt er, wie bereits früher bemerkt, bei den Localgottheiten die Attri- 
bute an, wo sie zur speciellen Charakteristik dienen; so schildert er im 
Bilde des Narkissos (1 23) ausführlicher das Local, weil es neben der 
einzelnen Figur bedeutender hervortritt, eben so bei Pentheus (I 18), 
weil es für die Handlung bedeutsam ist; so die Leier des Amphion (I 10), 
das Wasser in dem sich Olympos (I 21) spiegelt, während es I 20 nur 
kurz erwühnt wird. Wir erkennen also gerade hieran, dasz Philostratos 
ven wirklicher Anschauung ausgieng, indem sich das Masz der Beschrei- 
bungen durch das der Ausführung im Bilde bedingt zeigt. Denn der Ma- 
ler behandelt, um die Aufmerksamkeit nicht vom Hauptgegenstande ab- 
zuziehen, die Umgebung als Nebensache in flüchtigeren Zügen. Er unter- 
scheidet sich dadurch vom Künstler des Reliefs, so wie vom Vascnmaler, 
der sich in der Aufnahme vou Nebensachen eine weit gröszere Beschrän- 
kung-auferlegen musz, weil ihm nicht in dem Masze wie dem Maler die 
Mittel zugebote stehen, das unwichtige vom wichtigen qualitativ zu un- 
terscheiden. Von diesem Gesichtspunkte müssen wir bei der Beurteilung 
derjenigen Gemälde ausgehen, welche bei oberflächlicher Beobachtung 





4, 290 und Aesch. Pers. 238: ἀργύρου πηγή; es ist das, woraus etwas 
ia Fülle hervorgeht. ἐλαίου aber muss nicht von ἔλαιον, sondern von 
ülenog abgeleitet werden: die Quelle des Oelbaums ist Olympia, von wo 
der Oelbaum in reicher Menge ausgeht.” Man kann allerdings von einer 
Quelle des Silbers, der Rede sprechen, aber auch von einer Quelle des 
Oelbaums? Dazu kommt, dasz bei Ph. der Oelbaum ἐλαία heiszt: 
s. 8. 49, 23. 102, 34. 111, 5. In den vitae soph. S. 613 (108, 2 Kayser) 
aber finden wir ἐλαέου κρήνην iv τῷ τοῦ ᾿Ασχληπιοῦ γυμνασίῳ χρυσῆν 

ἤψου, wonach wol auch πηγὴ ἐλαίου in derselben Bedeutung für 
eine Loealitit im Gymnasion gebraucht werden konnte. Der Sinn ist 
demnach, dass die Ringbahn für Antüos ganz kunstmäszig wie im 
Gymnasion zubereitet war: οἵα ἐν πάλαις ἐκείναις, die doch sonst 
‚ver dem im Bilde dargestellten Kampfe so verschieden sind. 


Jahrh. f. elass, Philol. Suppl, Bd. IV. Hft. 2. 15 


226 H..Brenn: die Philostratischen Gemälde 


der Vorwurf der Ueberladung zu treffen seheint. S0 gliedert sich x. B. 
das Bild des Menökeus (I 4) sehr einfach: Menökeus selbst, der sieh 
in der Drachenhöhle tódtet, befindet sich natürlich im: Vordergrunde ; 
weiter entfernt erscheinen die Mauern Thebens mit ihren Vertheidigern, 
anderseits die Belagerer, d. h. eine Gruppe der Führer, unter denen nur 
Amphiaraes und Kapaneus einigermaszen charakterisiert hervortreten; 
das Heer ist vielleicht dureh einige naeh dem Hintergrunde halb ver- 
schwindende Figuren angedeutet. Eben so ist im Bilde der Antigone das 
Leichenbegängnis in einiger Entfernung von der Hauptgruppe in mehr 
andeutender als ausgeführter Schilderung zu denken. Wie viel sich aber 
bei derartigen Darstellungen durch eine geschickte Behandlung und An- 
ordnung erreichen läszt, vermag kein Werk besser als das Mosaik der 
Alexanılerschlacht zu beweisen, das den gewaltigen Conflict einer wirk- 
lichen Schlacht in lebendigster Weise veranschaulicht: und doch genüg- 
ten dem Künstler zur Darstellung beider Heere einige zwanzig Figuren; 
diese zwanzig aber thun durch die geschickte Anordnung der Wirkung 
der wenigen Hauptfiguren keinen Eintrag. 

So wird uns jetzt auch die Ermordung der Kassandra (Il 10), von 
welcher wir ausgiengen, in einem etwas andern Lichte erscheinen. Die 
Menge der dargestellten Figuren und Dinge veranlaszt allerdings den 
Whetor zu einer ausführlicheren Schilderung, welche er durch die Worte 
einleitet: καὶ εἰ μὲν ὡς δρᾶμα ἐξετάζομεν. ὦ ὦ παῖ, ταῦτας τετραγῴδηται 
μεγάλα ἐν σμικρῷ" εἰ δ᾽ ὡς γραφήν, πλείω ἐν αὐτοῖς ὄψει. Spar 
aber unterläszt er ticht hervorzuheben, dasz τὸ κυριώτατον τῆς σκηνὴς 
ὁ᾿᾿Αγαμέμνων ἔχει . . κυριώτερα δὲ ἐν οἴκτῳ τὰ τῆς Κασάνδρας. Aga- 
memmon, Kassandra und Klytimnestra treten also in der Darstellung am 
bedeutendsten hervor; alles übrige erschien mehr als Scenerie zur Hebung 
der Hauptgruppe bestimmt. 





Wir dürfen uns indessen auch an dieser Betrachtung noch nieht 
genügen lassen, sondern müssen, wenn wir uns die Wirkung dieses Ge- 
mäldes vergegenwärtigen wollen, noch weiter ins Auge fassen, dasz (lie 
Scene durch Fackeln beleuchtet , as Bild also ein Nachtstück war: λαμ- 
πτῆρες οὗτοι χορηγοὶ φωτός" "lb νυκτὸ γὰρ ταῦτά που. Wir werden 
hierdurch auf die Frage nach den auszergewöhnlichen Beleuchtungen 
geführt, die F. an | das Bild der Antigone (ll 29) anknüpft, wo. Σελήνη 
προσβάλλει φῶς οὔπω πιστὸν ὀφθαλμοῖς. “Ist es so gewis, dasz die 
alten Maler Sonne und Mond als leuchtende Körper in ihren Werken 
darstellten? Nicht wenige Eigenthümlichkeiten der neuern Malerei wer- 
den stillschweigend in der alten vorausgesetzt, da man doch zunächst 
untersuchen sollte, ob sie vereinbar seien mit der verschiedenen Geistes- 
art des Alterthums.^ (S. 88) Das Gegenteil sucht F. auf kaum vier Seiten 
mit Gründen so allgemeiner und zum Teil so nichtssagender Art zu be- 
weisen, dasz er selbst, statt mit gewohnter Zuversicht der Kunst ihr 
Gesetz zu dictieren, sich hier ‘nicht zu der Annahme entschlieszen kann’, 
dasz die Alten Sonnen- und Mondbeleuchtungen in ihren Kunstwerken 


gegen K. Friederichs vertheidigt, 227 


darstellten. Zuerst nun wird zur Begründung der ‘verschiedenen Geistes- 
art des Alterthums? darauf hingewiesen, dasz dieses bei Darstellungen 
elementarer Vorgänge für sich stets der anthropomorphistischen Auf- 
- fassung den Vorzug gebe. “Als Zuthat dagegen zu mythischen llandlun- 
gen sebn wir in der letzten Periode der Vasenmalerei und auf den 
Wandgemälden Sonne Mond und Sterne manchmal unpersónlich darge- 
stellt”? Von Wandgemälden wird in der Folge nur ein einziges (Bull. 
nap. VI p. 4) namhaft gemacht, auf dem zur Andeutung der Nachtzeit der 
Mond *in seiner realen Form als ein bescheidenes Zeichen? hinzugefügt 
sei. “Aber mehr als die Form hat ein solcher Lichtkörper nicht mit der 
Realität gemein, das Licht fehlt ihm.” Sonst ist nur von Vasenbildern 
die Bede. Aber was kónnen Vasenbilder, denen Licht und Schatten gànz- 
lich fehlt, bei dieser Frage beweisen? Nichts, oder höchstens — das 
Gegenteil, nemlich dasz, wenn in ihnen die Himmelskörper real darge- 
stellt werden, wir dasselbe nur um so mehr in wirklichen Gemälden er- 
warten dürfen. — *Sind wir aber berechtigt, nach diesen Thatsachen 
der erhaltenen Gemälde auch die verlorenen Werke der alten Malerei zu 
beurtheilen?? Hier weisz uns F. sogar von dem feueranblasenden Kna- 
ben des Antiphilos zu berichten, den “wir uns wol nicht anders denken 
können als nach der Analogie verwandter Darstellungen holländischer Mei- 
ster." Fast macht ihn dieser Knabe in seinen Ansichten wankend: “llie- 
mach. scheint es natürlich anzunehmen, dasz auch leuchtende Gestirne 
dargestellt seien, dasz die Maler nach Polygnot .. eben da, wo die Va- 
seamaler sich mit Andeutungen begnügten, wirklich lichtaussendende 
Körper malten und somit den übrigen Reizen ihrer Bilder auch den 
Zauber der Beleuchtung hiuzufügten. Doch dieser Zweifel dauert nicht 
lange an; F. fährt unmittelbar darauf fort: “Und doch kann ich miclı 
micht zu dieser Annahme entschlieszen. Den alten Gemälden fehlte nàm- 
lich — dies wird zugegeben und unten noch ausführlicher erórtert wer- 
den — das Landschaftliche. Eben aus diesem Grunde fehlten auch, wie 
ich glaube, die Sonnen- und Mondbeleuchtungen. Es ist mir nicht denk- 
bar, dasz man die unpersönliche Natur zum Theil — das ganze Reich 
der Vegetatien — nur audeutungsweise, symbolisch, zum andern Theil 
aber — die Lichtkórper — nach ihrer realen Erscheinung dargestellt 
haben solite. Beide Gebiete musten entweder naturwahr oder symbolisch 

werden, eine Mischung verschiedener Darstellungsweisen ist 
nicht denkbar. Sodann aber erscheint es mir zweifelhaft, ob es einem 
alten Künstler einfallen konnte, das Licht, das er mit seinem Volk au- 
schaule als gewirkt durch einen persönlichen Gott, für sich darzustellen 
getrennt von seinem Urheber) Und damit ist für F. die Frage so weil 
abgethan, um “demnach zu glauben, dasz die Gestirne in den Meister- 
werken der griechischen Kunst — wenn sie überhaupt hinzugefügt wur- 
dea — in derselben nur andeutenden Art angebracht waren, die uns auf 
den Vasen enigegentritt.’ 

, Es war mir nicht möglich, diese eigentümliche Gedankenentwicklung 
anders als mit F.s eignen Worten wiederzugeben. Zuerst ist hier völlig 
übersehen, dasz ja Sonnen- und Mondbeleuchtungen recht wol gemalt 

15 * 


228 H.-Brunn: die Philostratischen Gemälde - 


werden können, ohne dasz das Gestirn im Bilde selbst sichtbar ist. Was 
sodann die so ganz wundersame Behauptung betrifft, nicht etwa dasz 
den Alten die eigentliche Landschaft, sondern dasz den alten Gemäklen 
das Landschaftliche fehle, so wird dieselbe weiter unten in ihrer völligen 
Haltlosigkeit nachgewiesen werden. Die Hauptfrage aber ist nieht iu zu 
enger Begrenzung, sondern mit Rücksicht auf alle Lichterscheinungen 
überhaupt zu behandeln. Und hier will ich zuerst, so überflüssig es er- 
scheinen mag, nochmals wiederholen, dasz die Griechen auszer der Va- 
senmalerei und der Malerei mit ungebrocheuen Farben auch noch die 
Malerei mit voller Licht- und Schattemwirkung besaszen, in welcher die 
Dinge in einer bestimmten Beleuchtung erschienen. Diese konnte natür- 
lich schwächer oder stärker gewählt sein und ein verschiedenes Masz 
von Helligkeit und Dunkel bedingen. Ist aber einmal s0 viel gegeben, so 
handelt es sich bei der Darstellung besonderer Lichtarten nicht mehr um 
ein neues Prineip, sondern nur um eine Steigerung oder besonders 
gesuchte Anwendung eines schon bekannten. Raphael lag das Suchen 
nach Lichteffeeten gewis fern; als er aber in den vaticanischen Stamzen 
Petrus im Gefängnis zu malen hatte, da wuste er sogar in einem Fresco- 
bilde Mond- und Fackellicht, sowie den vom Engel ausstralenden Glanz 
r besondern Aufgabe dienstbar zu machen. Und wenig später malte 
Correggio seine Nacht. 

Prüfen wir jetzt die schriftlichen Nachrichten und die Monumente 
des Altertums, so wollen auch wir von den Vasenbildern, aber freilich 
in einem entgegengesetzten Sinne Nutzen ziehen. Sie personifieieren 
allerdings die Erscheinungen des Himmels. Aber wie schon im alten Stil 
zur Person des Sonnengottes die Sonnenscheihe hinzugefügt wird (Ste- 
phani Nimbus und Stralenkranz S. 386 N. 1), so erscheint er später 
selten ohne einen Stralenkranz um das Haupt, und eben so finden wir 
bei Eos und Phosphoros den Lichtglanz angedeutet, wahrend der Nimbus 
der Selene die Mondsichel veranschaulicht. Auszerdem aber erscheint der 
Stralenkranz bei Bellerophon, der Sphinx, bei der furienartigen Gestalt 
in Darstellungen des Lykurgos , über Poseidon und Amymone, über den 
Göttern bei einem Gigantenkampf. Also selbst in dieser Kunstgaltung 
gibt sich deutlich das Streben zu erkennen, den Lichtglanz sinnlich zur 
Anschauung zu bringen. Wenn nun Stephani in der eben erwähnten Ab- 
handlung wahrscheinlich gemacht hat, dasz solche Bezeichnungen erst 
um die Zeit Alexanders in der Kunst zu erscheinen anfangen, sollen wir 
da glauhen, dasz die Vasenmalerei diesen Versuch zuerst gewagt habe, 
und nicht vielmehr, dasz die eigentliche Malerei ihr darin voran; 
sei? Für die letztere Ansicht sprechen namentlich die Nachrichten üher 
einige Werke des Apelles: er malte Bronte, Astrape und Keraunoholia, 
sowie Alexander mit dem Blitz in der Hand, und von letzterem Bilde 
wenigstens können wir mit Bestimmtheit sagen, dasz der Blitz nicht blosz 
“in seiner realen Form als ein hescheidenes Zeichen hinzugefügt? war, 
und dasz ihm das Licht nicht fehlte; denn er schien aus der Tafel heraus- 
zutreten, welche Wirkung wahrscheinlich durch eine besonders kunst- 
volle Behandlung des Helldunkels am Körper des Alexander erreicht wurde 








: gegen K. Friederichs vertheidigt. 229 


(s. Gesch. d. gr. K. I| 226 vgl. 207 u. 209). Es handelte sich hier also um 
eine wirkliche Darstellung des Lichtglanzes, und hiernach dürfen wir wol 
vorausselzeu, dasz auch die Personificationen der Gewittererscheinungen 
nicht rein symbolisch aufgefaszt, sondern in Verbindung mit wirklichem 
Feuer dargestellt waren; alào gerade so, wie wir sie bei Philostratus 
im Bilde der Semele (I 14, vgl. II 19) geschildert finden. 

Unter den uns erhaltenen farbigen Darstellungen von Lichterschei- 
numgen kónnen wir wiederum ein Vasenbild voranstellen: auf der Apo- 
theose der Alkmene (Nouv. Ann. de l'Inst. Mon. pl. 10) wird uns durch 
das weisz punclierte und von einer Art Regenbogen umschlossene Feld, 
so weit es die immerhin beschränkten Mittel dieser Malerei erlauben, 
offenbar die glänzende Wolke zur Anschauung gebracht, in welcher Alk- 
mene zum Himmel emporgehoben werden soll. Nicht wenige Wandge- 
mälde zeigen uns neben dem Nimbus auch den stralenden Lichtglanz um 
das Haupt verschiedener Figuren. Einen wirklichen Regenbogen finden 
wir auf dem bekannten Bilde des auf Wolken und Regenbogen ruhenden 
Zeus (Mus. borb. X 33). Und warum sollen wir F. das von ihm selbst 
citierte Mosaik mit dem landschaftlichen Bilde des Sonnenaufgangs nicht 
enigegenhalten (Guattani Mon. in. 1786 p. LI. Ann. d. Inst. 1838 t. d'a. O)? 
Wean es F. für “fehlerhaft genug? erklärt, dasz vor der Sonne am Him- 
mel ein Stern ikonisch, ein zweiter ins Meer tauchender aber personi- 
üciert dargestellt sei, so widerlegt sich dieser Tadel (sofern überhaupt 
die Braunsche Deutung der betreffenden Figur richtig ist) leicht durch 
die wirklichen Sterne, welche sich nicht nur neben den Gestalten des 
Helios, der Selene und Eos, sondern auch neben dem personilicierten 
Phesphoros auf den von Gerhard (über die Lichtgottheiten, in den Schrif- 
ten der Berliner Akad. 1838) zusammengestellten Monumenten finden. 
Auch ein anderes, bei Guattani unmittelbar folgendes Mosaik, auf dem 
die -Erdkugel zwischen der Sonne und dem Sternenhimmel (einer mit 
Sternen besäeten Schale) schwebend dargestellt ist, verdient hier erwähnt 
zu werden. Denn aus welcher Zeit dieses Werk auch stammen mag, so 
zeigt es immerhin, dasz man im Altertum, wenn es galt die physischen 
Erscheinungen des Himmels im Bilde wiederzugeben, um die Formen der 
Darstellung nicht verlegen war. 

Um zu beurteilen, wie weit die pompejanischen Wandmalereien in 
der Durchführung einer auszergewöhnlichen Beleuchtung gehen, wäre 
eine umfassende Musterung der Originale nóthig, welche durch die 
müszige Zahl farbiger Abbildungen nicht ersetzt werden kann. Doch 
wird z. B. von Zahn bemerkt, dasz das Gemälde 11 78 in eiuem Tone 
durchgeführt sei, welcher zwischen Mondschein und Morgenlicht die 
Mitte halte. Unter den Gemälden aus der Odyssee in der vaticanischen 
Bibliothek sind zuerst die dunkeln Sturmwolken an der Küste der Lästry- 
gonen nicht zu übersehen; besondere Beachtung verdient aber die Dar- 
stellüng der Unterwelt: es herscht in ihr ein auffallend düsterer Ton, 
und nur die Hauptgruppe der Figuren tritt fahl beleuchtet hervor, wälı- 
rend z. B. zwei Fluszgötier jenes Dunkel teilen. So haben wir hier zwar 
kein eigentliches Nachtstück, aber eine sehr bezeichnende, durch eine 


230 H. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


geschickte Behandlung der Stimmung des Ganzen hervorgebrachte Dar- 
stellung des dunkeln Reiches der Schatten. Von diesem Punkte aber bis 
zu einem wirklichen Nachtstücke ist nur ein kleiner Schritt, und dasz 
ihn die Griechen nicht gewagt haben sollten, kann nieht dadurch bewie- 
sen werden, dasz sich unter der immer noch geringen Zahl antiker Ge- 
mälde gerade keine Beispiele dafür finden. Zur Ergänzung unserer lücken- 
haften Kenntnis kómien aber auch die Miniaturen zu Homer und Vergilius 
dienen, in denen wir das Feuer des Hephästos, Blitz, Regen, Sturm und 
das Dunkel der Nacht wirklich gemalt finden. Denn gehüren sie auch in 
ihrer Ausführung einer spáten Zeit an, so spricht doch unsere Kenntnis 
des gesamten Entwicklungsganges der Malerei dagegen, dasz so wesent- 
liche Neuerungen erst damals erfunden sein sollten. 

Hiernach werden wir uns von den verschiedeuen bei Philostratos 
hervorgehobenen Erscheinungen leicht eine genügende Vorstellung ma- 
chen können. In dem Bilde des Phorbas (Il 19) schlägt einfach ein Blitz 
in einen Baum; auf einer der Inseln (II 17) haben wir einen Vulcan, der 
Feuer und dunkeln Qualm auswirft, und darüber in den Wolken Zeus, der 
Blitze schleudert. Dunkles, durch die Figuren von Bronte und Astrape 
belebtes Gewölk finden wir im Bilde der Semele (I 14); hier dient es aber 
in Verbindung mit den dunkeln, laubenartig angeordneten Gewächsen, 
um den blendenden Lichtglanz hervorzuheben, der deu neugeborenen 
Dionysos umflieszt. Im Bilde des Phaéthon (I 11) haben sich die ruhig 
leuchtenden und wärmenden Stralen des Sonnengottes in verzehrende 
Flammen verwandelt; und während das Licht der Sonne gegen die Erde 
herabstürzt, werden darüber am Himmel die Erscheinungen der Nacht 
sichtbar. Wenn wir aber in den Sarkophagdarstellungen dieser Scene, 
in denen wir einen groszen Teil der Philostratischen Motive wieder- 
finden, durch die Masse von einzelnen Figuren verwirrt werden, 50 boten 
gerade die dureh die Handlung bedingten starken Gegensätze von Licht 
und Dunkel dem Maler Gelegenheit, der ganzen Composition. durch ἊΣ 
Farbe künstlerische Einheit und Ruhe wiederzugeben. 

Von den eigentlichen Naehtstücken scheint das Bild des seht 
würgenden Herakles (iun. 5) auszunehmeu zu sein, da die Nacht nur sytu- 
bolisch als Figur, ἐν εἴδει. gegenwärtig war. Vielleicht liegt darin eine 
indirecte Bestätigung der Vermutung, dasz die Conception dieses Bildes 
auf Zeuxis zurückzuführen sei, da wir allerdings für die Zeit dieses 
Künstlers schwerlich Nachtstücke voraussetzen dürfen. — Auch in andern 
Fallen mochte die Ausführung mehr andeutend nach Art des Unterwelt- 
gemälles verfahren sein: so bei dem Bilde des Pelops, wo schon Weleker 
in der vergleichenden Erwähnung des Hesperos eine Hinweisung auf die 
Abendstunde im Gegensatz zu tiefer Nacht zu erkennen glaubte. So blei- 
ben als Nachtstäcke Antigone (Il 29) mit Mondschein -, und Komws (12) 
und Kassandra (fl 10) mit Fackelbeleuchtung. Fassen wir dieses letztere 
Bild als unter genauer Berücksichtigung des Fackellichtes gemalt auf, so 
läszt sich vielleicht ein nicht ungegründeter Vorwurf, den F. diesem Ge- 
mälde macht, auf ein Misverständnis des Philostratos zurückfähren. Es 
heiszt nemlich, keiner der Todten sei bleich, da bei den in Trunkenlieit 


gegen K. Friederichs vertheidigt. 231 


gemordeten die Röthe nicht sofort das Gesicht verlasse. Sollte hier nicht 
die Wirkung der eigentümlichen Beleuchtung mit den Wirkungen des 
Weins verwechselt sein? Auders verhält es sich mit der Röthe in dem 
Gesicht der Panthia (ll 9); denn diese war dargestellt in dem Moment, 
wo sie sich das Schwert eben in die Brust gestoszen hatte, das Blut also 
noch nicht aus den Wangen zurückgetreten war. 


9 


An die Erörterungen über die malerische Behaudlung der Licht- und 
Feuererscheinungen sclilieszen sich am natürlichsten einige Bemerkungen 
über zwei Bilder an, in denen das Wasser zu einem seiner physischen 
Beschaffenheit widersprechenden Zwecke verwendet scheint: es sind die 
Bilder der Amymone (I 8) und der Kritheis (11 8), in denen sich die Woge 
gleich einer Höhle zum Brautgemach wólbt. F. (S. 81) glaubt diese Dar- 
stellungen für “unbegreiflich? erklären zu müssen. *Der Küustler malt 
Wasser, das nach physikalischen Gesetzen zu beurtheilen ist, das nur aus 

 Auszerem Anstosz, nicht aus einem innerlichen Antrieb bewegt erschei- 
nen kaun, denn eben diese innere Beseelung , die der Dichter mit einem 
Wort hineinlegt, kann der Künstler seinem Element nicht mittheilen, 
weil die Natur sie ihm nicht mitgetheilt hat. Oder er musz das Element 
verändern, menschliche Gestalt annehmen lassen . .? Es ist ein groszer 
Irtum, hier nach der innern Beseelung zu fragen; denn in den genannten 
Bildern ist das Wasser das Werkzeug des Poseidon oder des Fluszgoties; 
es gleicht der Wolke, die Zeus sammelt und mit der er umgibt was er 
schätzt oder liebt. Wie sie von unsichtbarer Kraft gesammelt und ver- 
teilt wird, so braucht auch bei der sich hebenden Woge die bewegende 

Kraft nicht sichtbar zu sein, so wenig wie sie z. B. bei einem kräftig aus 
der Erde hervordringenden Springquell für das Auge deutlich ist. Das 
Wesentliche beruht darin, dasz das Wasser seiner Natur nach zur Be- 
wegung fähig und sich zur Woge emporzuheben im Stande ist. Dem 
Künstler liegt es nur ob, in seiner Darstellung dem Gesetze der Bewegung 
des Wassers genugzuthun, wobei ihm aber dieselbe Freiheit einzuräumen 
sein wird, die wir ihm bei der Bildung der Phantasiegestalten zugestehen: 
nemlich n:cht allein die Wirklichkeit einfach nachzuahmen, sondern nach 
der Analogie ihrer Gesetze auch scheinbar wirkliches darzustellen. Da- 
durch aber sind die iu der Poesie vorgebildeten Gemächer und Behau- 
sungen im feuchten Element auch als Gegenstände künstlerischer Dar 
stellung gerechtfertigt. 

Auf die weitere Frage, ob sie auch wirklich in alten Kunstwerken 
sich nachweisen lassen, geht F. eigentlich gar nicht ein. Wir müssen 
hier eine bei anderem Anlasz von ihm ausgesprochene Behauptung in 
Betracht ziehen. Auf den schwarzügurigen Vasen, sagt er nemlich S. 178, 
sei der Schauplatz der Handlung selten charakterisiert; höchstens finde 
sich ausnahmsweise ein Baum, der materielle (nicht rein decorative) Be- 
deutung habe: *Wo aber eine äuszere Realität nothwendig ist zum Ver- 
ständnis der Handlung, wie z. B. das Wasser bei schiffenden Personen, 
da begnügt man sich, wenn es real dargestellt wird, mit dem bloszen 


232 H. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


uszeren Umrisz, man zeichnet eine wellenförmige Linie in der schema- 
tischen Wiederholungsmanier, die zu den wesentlichsten Eigenthümlich- 
keiten der alten Kunst gehört, oder man verfährt symbolisch, man gibt 
der Phantasie eine Andeutung, indem man ein paar Fische hinmalt,” F. 
kannte also z. B. die Badescene auf einer Amphora des Berliner Museums 
nicht, in der das Wasser mil einer für die Teclmik dieses Stils über- 
raschenden Ausführlichkeit gemalt ist (Gerhard etr. und kamp. Vasenb. 
T. 30, 3), noch auch die Amphora des britischen Museums, auf der sich 
aus einem Löwenrachen gewaltige Wasserstrüme gegen Herakles er- 
gieszen (Gerhard auserl. Vasenb. T. 134). Noch wichtiger für unsern 
Zweck aber ist ein drittes altes Vasenbild (ebd. T. 112), auf welchem 
Nlerakles mit Nereus ringend dargestellt ist: während zwei Nereiden den 
Heros durch einen Löwen und einen Panther zu schrecken suchen, heben 
sich hinter der Hauptgruppe zwei Wogen hoch empor.- Hier haben wir 
also schon im ältern Vasenstil eine Darstellung, die an jene Brautge- 
mächer lebhaft erinnert. — In anderer Weise ist ein solches in einem 
unteritalischen Vasenbilde augedeütet (Bull. nap. Il t. 3. Él. céram. IH 30): 
‚dort finden wir *Poseidon und Amymone wie thronend unter einem Was- 
sergewölbe, einen Thalamos wie Philostratus Im. 1l 8 einen. beschreibt? 
nach Welekers (nicht Müllers) Bemerkung zu Müllers Handbuch $ 356, 3. 
Freilich sagt F. (S. 81): *Ich. glaube, wenn Philostratus nicht wäre, 
so wäre man nie auf diese Erklärung gekommen. Denn wenn auch das 
« Wassergewülbes deutlich und wenn auch eine solehe Vorstellung den 
Vasen zuzutrauen wäre, so widerspricht schon die Analogie des bei 
Wieseler II 66, 843 mitgetheilten Bildes’, auf dem über der ganzen Com- 
position der Götter im Gigantenkampfe ein solcher Stralenkranz ausge- 
spannt ist. Hier ist offenbar ein Regenbogen oder eine ihm verwandte 
Lichterscheinung bezeichnet. Ein Regenbogen aber erscheint bei Regen- 
wetter am feuchten Himmel, und auszerdem beobachten wir ihn im Staube 
von Wasserfällen und groszen Springbrunnen, sobald der Beschauer sei- 
nen Standpunkt gerade zwischen der Sonne und dem Wasser nimmt. Es 
ist daher ein sehr feiner Gedanke des Vasenmalers, dasz er bei der Schwie- 
rigkeit, im Bilde der Amymone ein wirkliches Wassergewülbe mit‘ den. 
Mitteln seiner Kunst darzustellen, sich mit der Angabe dieses Lichtglanzes 
begnügte, der wegen der Regelmäszigkeit seiner Form eine bestimmtere 
Art der Bezeichnung gestattete. Dieses Bild steht also dem früher citier- 
ten der Apotheose der Alkmene durchaus parallel, nur-dasz wir für eine 
farbige Ausführung im Iunern der farbigen Umkränzung, anstatt einer 
Wolke, die sich hebende, nach auszen schäumende oder in Staub sich 
auflösende Woge hinzudenken müssen. Sollte aber wol der Vasenmaler 
eine so compendiöse Darstellungsweise gewagt haben, wenn ihm nicht 
aus wirklichen Gemälden die vollständigere Ausführung bekannt war? 
Wir glauben dies um so weniger , als uns die Philostratische Beschrei- 

bung gerade das darbietet, was wir nóthig haben; denn die Worte (N 8): 

ἡ γὰρ ἀνταύγεια τοῦ ἡλίου χρῶμα προσβάλλει μετεώρῳ τῷ ὕδατι, ver- 
bunden mit der Bezeichnung des Gemaches als κυρτὸν xal περιεχὲς καὶ 
ἀνθηρὸν Fri weisen deutlich genug auf eine analoge Behandlung des 


gegen K. Friederichs vertheidigt. 233 


Liehtglanzes hin. Dasz unter den erhaltenen Wandgemälden sich zufällig 
keine ähnliche Darstellung findet, kann hiernach nicht in Betracht kom- 
men. Auf éin Bild will ich indessen kurz hinweisen, obwol es wegen 
der vollständigen Ruhe des auf demselben dargestellten Meeres nur eine 
entfernte Analogie darbietet: das Bild des Phrixos und der Helle bei Ter- 
mite Vil 1. Schwerlich kann bei so anspruchsloser Einfachheit die Un- 
endlichkelt des Meeres uns poetischer und eindringlicher geschildert 
werden, als es in diesem Gemälde geschehen ist, und es liefert uns da- 
dureh den vollgültigen Beweis, dasz auch die Künstler des Altertums von 
jeder anthropomorphistischen Tendenz abzusehen und sich tief in die 
Anschauung des Elementes selbst zu versenken im Stande waren. 


Von allgemeinen Gesichtspunkten, die sich auf die künstlerische 
Form und Gestaltung der Darstellungen beziehen, bleibt uns jetzt noch 
die Frage nach den räumlichen Bedingungen der Composition 
zu prüfen übrig. Da jedoch Philostratos über die Stelle, welche die ein- 
zeinen Figuren im Bilde einnehmen, fast nirgends eine Andeutung gibt, 
so ist der reproductiven Phantasie der weiteste Spielraum gelassen, und 
die Kinzelheiten der Gruppierung kónnen für unsere Hauptfrage, ob Ph. 
wirkliche Gemälde beschreibe, keine Entscheidung abgeben. Andeutungen 
über die allgemeine Anordnung einzelner Bilder sind von mir bei ver- 
schiedenem Gelegenheiten früher gegeben worden und werden auch in 
der Folge ihre Stelle finden. Hier handelt es sich zunächst um eine wich- 
tige und schon oft besprochene Frage: ob nemlich griechische Gemälde 
im mehrere Scenen geteilt sein dürfen, so dasz dieselben Figuren mehr 
als éinmel in verschiedener und zwar fortschreitender Iandlung in dem- 
selben Bilde wiederkehren , und sofern diese Frage bejaht wird, in wel- 
chen Bildern dies bei Philostratos der Fall ist. 

F. gibt zu, dasz sich “für die Wiederholung einer und derselben 
Figur m einem Raum eine nicht kleine Anzahl von Beispielen auf- 
zahlen Hast, und zwar nicht blosz vou Sarkophagen, die man schon ver- 
glichen hat’ (S. 103); aber er bestreitet, dasz sie für Ph. etwas beweisen. 
Wir felgen seinen Erörterungen im einzelnen und beginnen, wie er, un- 
sere Betrachtungen mit den Vasenbildern. “Auf ein paar rethfigurigeu 
Schaalen . . an jeder Seite der Schaale, ist Theseus doppelt dargestellt in 
versehiedner Aktion, jede Seite zerfällt also in zwei Scenen mit Wicder- 
holung einer und derselben Figur. Ebenso wiederholt sich auf dem 
obern Bild schwarzfiguriger Hydrien Pallas in Kampfscenen. .. (S. 103). 
Pies sind die mir bekannt gewordenen sichern Beispiele der Vasenma- 
lerei.? ... (S. 105) Ohne vieles Suchen vermag ich noch folgende hinzu- 

: eine Schale, auf welcher Theseus sich an jeder der Auszen- 
seiten dreimal findet, während auszerdem diese sechs Scenen im Innern 
wm das Mittelbild des Minotauros herum wiederholt sind (Bull. d. Inst. 
1846 S. 106); eine Schale, dic uns auf einer ihrer Auszenseiten Herakles 
mit dem Löwen zwischen zwei Kämpfen des Theseus zeigt (Cat. Campana 
IV 647); eine grosze panathenäische Amphora , auf deren Bauch das Bild 


234 H. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


der Athena zweimal wiederholt ist (Mon. d. Inst. VI 9); eine Hydria, auf 
deren Bauch zwei sich entsprechende palästrische Gruppen zu beiden 
Seiten des mit dem Triton ringenden Herakles sichtbar sind (Cat. Cam- 
pana IV 1150); endlich die beiden unteritalischen Vasen, auf denen der 
Streit der Göttinnen um Adonis und sein Tod in éinem Bilde vereinigt 
sind (Bull. nap. n. s. VIE t. 9. Bull. d. Inst. 1853 S. 160). Schon diese 
Beispiele beweisen die Unrichtigkeit der Behauptung, dasz *die Theilung 
einer Flüche in zwei Scenen mit Wiederholung einer und derselben 
Figur sich (nur) auf Schaalen und au dem schaalenfürmig 

Hals . . von Krügen, nicht am Bauch der Gefäsze findet? (S. 105). Doch 
hören wir weiter! *Sollte das zufällig sein? Ich glaube nicht, und. die 
Begründung dieses Unterschiedes wird mich eben auf das führen, was 
ich beweisen will, dasz es von der Art des zu füllenden Raumes abhängt, 
ob sich eine und dieselbe Figur wiederholen darf. Auf Schaalen herrscht 
nämlich ein andres Compositionsprineip als auf Krügen. Die Gruppirung 
um einen Mittelpunkt ist den letzteren, namentlich im rothügurigen Stil, 
eigen, aber die Auflösung einer Figurenreihe in kleine, von einander ge- 
trennte Gruppen ist des herrschende Compositionsprineip der. Schalen" 
Es wird sodann auf die in Gruppen gesonderten Gigantenkämpfe, auf 
Gelage, palästrische und Liebesseenen u. a. hingewiesen, und dabei aller- 
dings zugegeben, dasz eoncentrisch gruppierte Darstellungen auch auf 
Schalen vorkommen. Der Grund für jene Auflösung der Gruppen aber 
wird in folgendem Satze gesucht: “Weil der für das Auszenbild der 
Schaale bestimmte Raum nicht mit einem Blick, ganz zu übersehen ist, 
darum vermied man auf Schaalen die centralisirte Darstellung, die auf 
einen Blick berechnet ist.” Es ist unmöglich‘, dasz F. eine so geringe 
Kenntnis der Vasenbilder besitze, wie es nach seinen Worten scheint; 
um so deutlicher aber tritt hier das. Verderbliche seiner Neigung hervor, 
aus vereinzelten Beobachtungen allgemeine Folgerungen zu ziehen. F. yer- 
weist auf den vierten Band von Gerhards auserlesenen Vasenbild D 
stelle ihm Overbecks Gallerie entgegen, in der sich unter zahlreichen 
Auszenbildern von Schalen keine einzige in Gruppen aufgelöste Gompo- 
sition findet. Der Grund ist einfach und klar; Gerhard behandelt im 
ten Bande das Alltagsleben, Overbeck die Heroenmythologie; also 
nicht der Raum, sondern der Gegenstand ist dasjenige, was das 
Compositionsprincip bedingt. 

Wir wenden uns zu den Sarkophagen. "Ein so schmaler, langge- 
streckter Raum wie die Langseite eines Sarkophags, taugt nicht für eine 
eentralisirte Darstellung; das Auge übersieht ihn nicht mit einem Mal, 
es war daher natürlich, ihn mit successiv auf einander folgenden Scenen 
zu bedeeken. Nur müssen sich die Scenen klar sondern, und es dürfen 
ihrer nicht zu viel sein, weil eine so starke Zerstückelung des Raums 
wieder willkürkch erscheinen musz. Man darf sagen, dasz sich in der 
von den Sarkophagen befolgten Regel, die Fläche in drei Scenen zu zer- 
legen, ein richtiges Gefühl offenbart, zumal da, wo sich die Mittelgruppe 
durch Ausdehnung etwas hervorheht vor zwei gleich langen Seitengrup- 
pen, Denu diese Dreitheilung ist die künstlerisch. allein natürliche; die 








gegen K. Friederichs vertheldigt. 235 


Theilung in grade Zahlen musz vermieden werden, weil sie das Ganze in 
Bilften auselnanderfallen läszt; eine Theilung in fünf Felder aber würde 
nicht im Verhältnis stehn zu der Länge des Raums, würde den Raum 
auf unangenehme Weise zerstückeln. (S. 108) Hier möchte man F.s 
Worte anwenden: ‘so viel Worte, so viel Schnitzer? (S. 98). Konnte F. 
so ganz vergessen, dasz gerade auf den vorzüglichsten Sarkophagen die 
centralisierte, einheitliche Composition besonders häufig ist, selbst hei 
Gegenständen, für welche sonst auch die Gliederung in verschiedene 
Semen gebräuchlich ist (z. B. Hippolytos: arch. Ztg. 1847 T. 5. Mon. 
d. Inst. VI 1; Oenomaos: Millin G. m. 133, 521*. Ann. d. Inst. 1858 t. Καὶ: 
kehilleus: Overbeck Gall. S. 988 ff. ; römische Hochzeiten: Mon. d. Inst. 
IV 9. Gerhard ant. Bildw. T. 74)? Die Zweiteilung ist ferner eben so 
hiufg wie die Dreiteilung, und zwar so dasz die Darstellung in zwei 
ziemlich gleiche Hälften zerfällt (Hippolytos: Jahn arch. Beitr. S. 311; 
Adonis: ebd. S. 45; Meleagros: Millin G. m. 104, 415), oder dasz eine 
Sceme vor der andern hervortritt (z. B. Marsyas: Mon. d. Inst. VI 18; 
Raub der Leukippiden: Millin G. m. 144, 523), oder dasz eine Scene ganz 
sls Episode behandelt wird (z. B. Phaéthon: Wieseler Fig. 2). Selhst 
für die Fünfteilung haben wir ein Beispiel: Protesilaos und Laodameia 
- (Millia 6. m. 156, 561); und es ist auszerdem zu bemerken, dasz, wo 
der Raum durch Säulen abgeteilt ist, gerade diese Gliederung vorherscht. 
Genug, die Gliederung in verschiedene Scenen ist nicht durch den ge- 
gebentu Raum bedingt, sondern der Raum ist wegen der Gegenstände 
der Darstellungen zu solcher Gliederung benutzt worden. 

Ausser Vasen und Sarkophagen citiert F. noch die Thaten des Ile- 
rakles von Praxiteles im Gicbel eines thebanischen Tempels und endlich 
das Gemälde der marathonischen Schlacht in der Pökile zu Athen, wel- 
ches im drei Scenen zerfiel. Aber “das Bild war ohne Zweifel von groszer 

nung und konnte daher nicht mit einem Blick übersehen 

werden. Die Wiederholung [einer oder mehrerer Figuren] war daher 

τε vo wenig auffällig, wie in neueren Bildern von ähnlicher Form.* 
197) 

"Bevor wir uns zur Prüfung der Folgerungen wenden, die Εἰ, aus 

diesen Beispielen zieht, müssen wir ihnen noch einige ihm unbekannt 
hinzufügen, "und zwar zuerst aus unseren litterarischen Quel- 
len. Durch die genauen Beschreibungen des Rhetors Chorikios kennen 
wir zwei zu dessen Zeit in Gaza befindliche Gemälde, die von -A. Mai 
{Bpte. Rom. V 8. 438 ff.) und Boissonade (Choricii orat. declam. Paris 1846) 
und von mir (Bull. d. Inst. 1849 S. 60) und Stark (Gaza 
8. 60€ f.) besprochen worden sind. Dasz sie erst in der Zeit des Chori- 
kiss‘, also etwa unter Justinian, gemalt sein sollten, läszt sich bei der 
us det ganzen Beschreibung hervorleuchtenden Vortrefflichkeit der Mo- 
tive wie der Durchführung nicht annehmen, und die Falkenjagd z. B., 
auf welche Stark als einen Beweis jüngern Ursprungs hinweist, war 
in manchen Gegenden schon in weit älterer Zeit bekannt 
ὑεῖ Mi in. N. H. X 34). In diesen Bildern war der Mythos der Phälra, 
Na des Paris und Menelaos und des Paris Rückkehr zur Helena 


236 H. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


in mehreren Scenen dargestellt. Zwei Scenen finden wir ferner in einem 
von Achilles Tatios V à beschriebenen Gemälde, dessen Composition zu 
streng künstlerisch ist, als dasz ich es mit Welcker (Phil. Vorr. S. LXU) 
für eine'rhetorische Fiction halten könnte. Dargestellt war nemlich eine 
Dienerin, welche das von Philomela gewebte Gewand ausgebreitet hielt, 
und Philomela, welche der Prokne das Gewebe mit dem Finger deutete. 
Diesen Figuren entsprechen in der zweiten Scene die beiden Frauen, 
welche dem Tereus die Ueberbleibsel des Itys zeigen, und Tereus, der 
zu ihrer Verfolgung aufspringt. Auch der Andromeda und. des Prome- 
theus von Euanthes bei demselben Ach. Tat. ΠῚ G ff. will ich hier'ge- 
denken: sie werden bezeichnet als εἰκὼν διπλῆ (vgl. die Ausdrücke 
αὐτοὺς εἰς ἐν συνήγαγεν ὁ ξωγράφος und c. 8 ἑξῆς) und waren daher 
wol in ähnlicher Weise verbunden, wie Prometheus. und. die Niobiden 
im Columbarium der Villa Pamphili (Jahn 1 3 und II 6 S. 9), welche ohne 
Scheidung des Raumes neben einander stehen, So finden wir an einer 
unteritalischen Vase auf einer Seite zwar in drei Reihen, aber nicht an- 
ders als sonst in einheitlichen Compositionen oben verschiedene Götter, 
in der Mitte Orestes und Pylades vor der lphigeneia, unten Perseus und 
Andromeda und, wie es scheint, Odysseus und Penelope (R. Rochette 
Mon. in. pl. 41). Wenn also Scenen aus ganz verschiedenen. Mythen- 
kreisen in einem Raume. vereinigt werden, so durften dies doch gewis 
mit viel grószerem Rechte verschiedene, auf &in Thema bezügliche Grup- 
pen. — Die pompejanischen Gemälde eigneten sich ihrer ganzen Art nach 
wenig zu einer solchen Gliederung. Indessen scheint in einem Bilde des 
‚Aktäon (Wieseler D. a. K. II 17, 183) die Figur dieses Jägers zweimal vor- 
zukommen, wie er die Göttin belauscht und wie er von den Hunden zer- 
rissen wird: denn die auffallende Aehnlichkeit beider Gestalten soll doch 
gewis andeuten, dasz wir es mit éiner und derselben Persou zu thuu 
haben. Endlich aber kommen. hier ganz besonders. die auf dem Esquilin 
gefundenen Wandgemälde mit Darstellungen aus der Odyssee in Betracht, 
von denen allerdings erst zwei publiciert sind (arch. Ztg. 1852 T. 45.1. 
46. Matranga la città di Lamo, Rom 1852), während von den übrigen 
bis jetzt nur Braun im Bull. d. Inst. 1850 S. 17 — 21 eine freilich unge- 
nügende Notiz gegeben hat. Ihre Wichtigkeit wird namentlich durch 
eine Stelle des Vitruvius (VII 5) gehoben, aus welcher. hervorgeht, dasz 
wir es nicht etwa mit einer einzelnen Erscheinung, sondern mit dem 
Specimen einer ganzen Gattung von Malereien zu thun haben, die Vitru- 
vius als dem ältern Kunstgebrauch entsprechend den Neuerungen seiner 
Zeit lobend gegenüberstellL. -Die Darstellung ist eine fortlaufende: der 
Beschauer begleitet den Odysseus und seine Gefährten auf ihren Irrfahrten 
und findet sie bei jedem neuen Abenteuer wieder, so dasz die architekto- 
nische Pfeilerdecoration nur als ein rein äuszerliches Hülfsmittel für. das 
Auge erscheint, ohne dasz die Linien der Composition dadurch unter- 
brochen werden. Allerdings bildet dabei jede Section eine gewisse Ein- 
heit; aber wie die Unterwelt nicht in éinem Bilde abgeschlossen ist, son- 
dern die Danaiden, Tityos und:Sisyphos von der um Odysseus versam- 
melten Gruppe getrennt sind, so kommen umgekehrt. auch in ein und 


gegen K. Friederichs vertheidigt. 237 


demselben Abschnitt dieselben Figuren doppelt vor: Kirke empfängt 
den Odysseus an der Thür ihres Gehófles, und unmittelbar daneben, 
etwas bedeutender hervortretend , kniet sie vor ihm, während er das 
Schwert zieht. 


Wir kehren nun zu F. zurück, der zu folgenden Schlüssen gelangt: 
*Der gekrümmte und der lang ausgedehnte Raum, so sahn wir, veran- 
leszste in der erhaltenen Kunst die Wiederholung einer und dersélben 
Figur in verschiedenen, entweder neuen oder fortschreitenden Handlun- 
gem. Keiner dieser Fälle passt auf den Philostratus. Seine Bilder waren 
Tafelbilder, also Flächen wohl überschaubarer Art, die gefüllt sein wollen 
durch eine einheitliche Handlung und immer, soviel wir wissen und ver- 
muthen können, auf diese Weise gefüllt wurden. Man könnte sagen, die 
betreffenden Bilder des Philostratus hatten vielleicht eine der Fläche von 
Surkophagen entsprechende Gestalt . ., allein diese Form verlangt ja 
eine grosze Anzahl von Figuren, die mehreren jener Bilder abgeht. . 
Am Analogien also für die Scenentrennung der philostratischen Bilder 
fehlt es ganz und gar. Und ist das Faktum wol an sich zu begreifen? .. 
Warum nimmt der Künstler nicht zwei Bilder, so dasz jede Scene ihren 
besonderen Raum hat?’ (S. 110) Wir haben jetzt eine lange Wider- 
legung nicht mehr nöthig: die Vergleichungen liegen vor. Und warum 
sollen nicht manche der Philostratischen Bilder Querformat gehabt haben? 
Bass dies aber nicht einmal ‚bei getrennten Scenen immer nöthig war, 
wird die Betrachtung der einzelnen Fälle lehren. 

Die Bildsäule des Memnon (I 7) fand sich neben der Todtenklage ἐπὶ 
τέφμασι τῆς γραφῆς, also mehr als Parergon, wie Welcker bemerkt, 

und wahrscheinlich nicht im Vordergrunde des Bildes. 

Bel der Erziehung des Achilleus (II 2) tritt die erste Scene περὲ τὰς 
ϑύρας τοῦ ἄντρου in den Vordergrund ; die zweite (ὁ ἐν πεδίῳ παῖς), 
in der uns die Beschreibung wenig Detail, sondern nur die Hauptmotive 
der Bewegung angibt, rückt offenbar in einige Entfernung nach dem 
Mittelgrunde, so dasz die Scenengliederung ganz dem Gemälde der Kirke, 
so wie auch manchen Werken neuerer Kunst entspricht, von denen F. 
8. 111 spricht: “Mir sind mehrere Bilder von quadrater Form bekannt, 
wo sich eine und dieselbe Figur wiederholt, abor nicht auf demselben 
Grund. Aehnlich verfuhr Ghiberti in seinen Reliefs vom Baptisterium. . . 
Aber die einzelnen Gruppen haben nicht gleich hohes Relief, wodurch 
die Wiederholung einer und derselben Figur erträglicher wird.” An die- 
sem Beispiele kann also F. sehen, dasz es mit der Vertheidigung des 
Philostratos durch Analogien der neuern Kunst keineswegs eine so mis- 
liche Sache ist, wie er bei derselben Gelegenheit behauptet, und dies um 
so weniger, als die neuere Kunst auf der Grundlage der alten, griechi- 
schen und rümischen erwachsen ist und wenigstens hinsichtlich der 
Kunstform mit ihr keineswegs in einem principiellen Gegensatze steht. 

Im Bilde des Pentheus (I 18) werden zwei Scenen scharf und be- 
stimmt geschieden; es sind gewissermaszen zwei getrennte Bilder, die 
sieh aber ohne die geringste Schwierigkeit in einem Rahmen vereinigen 


238 H. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


lassen: wie nemlich in den Bildern des Chorikios das Gemach des The- 
seus und das andere der Helena dem landschaftlichen Local der auderu 
Scenen gegenübertritt, eben so scheidet sich die Zerreiszung des Pentheus 
(τὰ iv τῷ ὄρει) von der Klage um seinen Tod (τὰ δὲ ἐγγὺς ταῦτα ἤδη, 
Θῆβαι καὶ Κάδμου στέγη). 


Die Betrachtung anderer Fälle von Scenenteilung, die sich aber 
schlieszlich vielleicht auf einen einzigen reducieren werden, machen eine 
weitere allgemeine Erörterung nóthig. Es gibt nemlich nach F. (S. 112) 
bei Philostratos auch “Bilder, die nicht Beschreibungen von zwei fixirten 
Momenten sind, sondern eine Folge von mehreren Momenten, Handlun- 
gen nach ihrem ganzen Verlauf darstellen, mit einem Wort es giebt 
Erzählungen unter den «Bildern» des Philostratus? F. weisz, wie 
diese “Erzählungen? von andern beurteilt worden sind. *Aber, 
man, es ist eine von den Dichtern entlehnte Eigenthümlichkeit der Rhe- 
toren, dasz sie das Kunstwerk nicht als ein vollendetes beschreiben, 
sondern dasz sie eine Handlung, nicht einen Moment derselben, sondern 
eine Handlung nach ihrem Verlauf zu erzählen scheinen. Man ver- 
weist auf Lessing, die Verkennung dieser Eigenthümliehkeit sei der Grund 
gewesen, dasz auch der homerische Achillesschild für ein reines Phanta- 
siebild gehalten sei.’ (S. 117) Nachdem sodann F. sich gegen die Ansicht 
erklärt hat, dasz der Homerischen Schilderung ein wirkliches Kunstwerk 
zugriule liege, gelangt er (S. 120) zu folgender Schluszfolgerung: "Wenn 
der Dichter ein Kunstwerk beschreiben will, so ist er beschränkt‘ durch 
die Natur des zu Beschreibenden, er musz den im Kunstwerk dargestell- 
ten Moment als solchen erkennen lassen , oder er verfehlt seinen Zweck. 
Denn wenn er den einen Moment zu einer continuirlichen Handlung er- 
weitert, in welcher eine und dieselbe Person in wechselnden Situationen 
erscheint, so verschwindet. das wirkliche Bild, das er beschreiben will, 
vor der Vorstellung des Hörers und der Dichter operirt selbständig, da 
er doch nur das Organ des Künstlers sein sollte.” Ich lasse den Homer 
hier bei Seite, da ich über das mir früher (Gesch. d. gr. K. L.S. 25) ziem- 
lich unklare Verhältnis der Homerischen zur spätern Kunst an einem 
andern Orte zu handeln gedenke. Dagegen darf ich mich zuerst auf ein 
Urteil Jahns (arch. Beitr. S. 13) berufen: *es ist schwer ein Kunstwerk, 
das man vor Augen hat, genau zu beschreiben, ohne bei der Darlegung 
der Motive in eine Erzählung von dem vorgestellten Gegenstande zu ge- 
rathen, wie man dieses fast bei allen Beschreibungen bemerken kann, 
obgleich dadurch allerdings die Reproduction des Kunstwerkes erschwert. 
wird.” Auszerdem aber mag es mir gestattet sein, hier die Beschreibung 
eines noch existierenden Kunstwerkes einzuschalten: “Ein Mädchen lockt 
ein Vöglein; nun kam es und setzt. sich auf ihre Schulter; das Mädchen 
stellt sich fest hin — es stemmt den Arm in die Seite — um. nicht durch 
eine zufällige Bewegung das Thier zu scheuchen, und hält ihm nun die 
Hand mit dem Futter hin. Etwas zweifelhaft ist noch das Thier, es 
streckt verlangend den Schnabel vor, doch nicht, ganz ohne Besorgnis, 


gegen K. Friederichs vertheidigt. 239 


ob die Gabe ehrlich gemeint sei, das Mädchen aber neigt leise innig ihr 
Köpfchen über das liebe Vóglein, — eine Geberde, die zugleich formell 
die Gruppe zusammenschlieszt. Das Schönste aber ist, dasz das Mädchen 
sich selbst wnbewust handelt, der Künstler dachte nicht an den Be- 
schauer, als er sein Werk schuf Wenn Εἰ. diese Schilderung, welche 
die Motive des Kunstwerks in eine Erzählung auflöst, bei Ph. fände, 
würde er da nicht sagen: “das Bild ist eine Erzählung, nicht eine Be- 
sehreibung? (S. 114)? Und doch rührt dieselbe, die auch durch ihre 
süssliche Sentimentalitàt keine unpassende Parallele zum rhetorischen 
Pathos des Philostratos darbietet, von niemand anders her als von F. 
selbst (S. 60; vgl. auch die Motivierung des Lampenreliefs S. 158). Zwar 
schickt er voraus, dasz es sich in der von ihm geschilderten Darstellung, 
die er mie ohne tiefe Rührung habe betrachten können, um ein Erz- 
ügürchen handle: * Ein Mädchen steht da den linken Arm in die Seite 
gestemmt; auf ihrer rechten Schulter sitzt ein Täubchen, das sich vor- 
neigt nach dem Futter, welches in der erhobenen rechten Hand des 
Mädchens vorauszusetzen ist’; aber der Rhetor hat diese materielle An- 
gabe des Süjets nicht nöthig, da bei seiner Schilderung die Anschauung 
des Kunstwerks selbst vorausgesetzt wird: seine Aufgabe ist vielmehr, 
die Motive in eine Erzählung aufzulösen, aus den Motiven den Verlauf 
der Handlung zu deducieren. Selbst wenn er eine blosze Erzählung ge- 
geben, so war er dabei ganz in seinem Recht — , aber er ist nirgends 
se weit gegangen. Wir finden fast überall hinreichende Hinweisungen 
anf das wirklich dargestellte, sofern wir nur seine Worte zu lesen ver- 
stehen, d. h. sofern wir uns die ganze Manier seiner Beschreibungen 
klar machen. Welcker hat, wie aus manchen seiner Noten deutlich her- 
vorgeht, diesen Gesichtspunkt keineswegs übersehen, aber ihn allerdings 
nirgends systematisch entwickelt; und hieraus erklärt es sich, dasz er 
von andern Archäologen fast gar nicht berücksichtigt worden ist, indem 
sich dieselbeu fast nur mit Einzelheiten der sachlichen Erklärung , aber 
nieht mit der Eigentümlichkeit des Schriftstellers beschäftigt haben. Es 
. wird daher gerechtfertigt sein, wenn wir hier ausführlicher auf diesen 
Pankt ei 

Sobeld wir die Beschreibungen des ältern Philostratos und nament- 
- Beh diejenigen, welche sich auf Darstellungen der Heroenmythologie be- 
ziehen, etwas aufmerksamer unter einander vergleichen, werden wir 
leicht eime gewisse Manier in der Disposition, ein Lieblingsschema er- 
kennen, nach dem die Beschreibung in einer bestimmten, öfter wieder- 
kehrenden Reihenfolge der Momente fortschreitet. Zuerst wirft der Rhe- 
tor einen allgemeinen Blick auf das Gemälde und hebt entweder das Local 
und die Scenerie, oder den Gesamtcharakter der Figuren oder-auch einige 
besonders in die Augen fallende Eigentümlichkeiten an den Hauptfiguren 
hervor. Hieran knüpft er in der Regel die Erzählung des Mythos, um 
den es sich in der Darstellung handelt, und erst dann wendet er sich 
bestimmter zum Bilde selbst; aber auch hier noch beschreibt er häufig 
in erster Limie die Figuren in Ruhe, nach ihren Attributen, ihrer körper- 
lichen Erscheinung oder ihrem allgemeinen (typischen) Charakter, bis er 


240 H. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


zuletzt die Handlung selbst, die Bewegungen der. Handelnden und den 
dadurch bedingten geistigen Ausdruck schildert. Zum Sehlusz gibt er 
sehr häufig noch eine Hindeutung auf die Folgen. der Handlung. Wir 
müssen zugestehen, dasz eine solche Gliederung etwas naturgemäszes hat 
und keineswegs Tadel verdient: wir werden nach und nach in die Be- 
trachtung eingeführt und mehr und mehr auf das bedeutendere hinge- 
wiesen; die Schilderung wird lebendig und verliert die Trockenheit der 
reinen Beschreibung. Aber-freilich läszt sich nicht leugnen, dasz für den 
Leser leicht Unklarheiten über einzelnes entstehen können, indem nament- 
lich die Hauptfiguren im Verlaufe der Schilderung fast regelmäszig mehr- 
mals erwähnt werden müssen. Hier hebt nun der Rhetor zwar nicht 
selten ausdrücklich hervor, was er im Bilde sah und was.seiner Erzählung 
angehört; aber eben so verführt ihn auch häufig das Streben nach poe- 
tischer Färbung, Redewendungen zu gebrauchen, die im strengsten Worl- 
sinn genommen den Fortschritt der Handlung als im Bilde selbst sichtbar 
anzudeuten scheinen. Hier kann in zweifelhaften Fällen eine Entschei- 
dung nur durch die Vergleichung der Beschreibungen unter einander ge- 
wonnen werden, da wir nur auf diese Weise uns ganz in die Art des 
Rhetors hineindenken lernen. Diese Art selbst aber wird sich uns bald 
als eine so seharf markierte herausstellen, dasz uns in den wenigsten 
Fällen ein Zweifel übrig bleiben wird. Auch das Verhältnis des jüngern 
zum ältern Ph. stellt sich bei diesem Anlasz deutlicher heraus. So sehr 
sich nemlich jener sonst als Nachahmer seines Verwandten zu erkennen 
gibt, so erreicht er doch gerade hinsichtlich der kunstreicheren Dispo- 
sition sein Vorbild nur in wenigen Fällen, während er gewöhnlich weit 
einförmiger in seinen Schilderungen Figur an Figur reiht. 1 





Wir betrachten nun eine Reihe von Dispositionen, die an sich ein- 
fach und klar sind, um an ihnen den Maszstab für die Beurteilung der 
schwierigeren zu gewinnen, wobei wir zunächst ‚unsere Hauptaufmerk- 
samkeit auf die Einleitungen richten, während wir die Schluszhinwei- 
sungen auf die Folgen der Handlungen besonders besprechen werden. 

116. Der erste Eindruck des Bildes und die Erzählung des Mythos 
werden zusammengefaszt: Pasiphaé , der Stier, ‚Pädalos erinnern an die 
Entstehung des Minotauros. γέγραπται δὲ οὐχ ἡ εὐνὴ νῦν, ἀλλ᾽ doya- 
στήριον μὲν τοῦτο πεποίηται τῷ Δαιδάλῳ. Darauf wird die Werkstatt. 
des Dädalos und er selbst als Hauptfigur geschildert, sodann Pasipha® und 
endlich die in einiger Entfernung sichtbare Herde. 

119. Wir erblicken ein Bakchisches Festschiff und ein Seeräuber- 
fahrzeug, dessen Bemannung die Besinnung verliert. τίς ἡ γραφή: Diese 
Frage führt zur Erzählung des Mythos von Dionysos und den Tyrehenern. 
Sodann kehrt der Rhetor mit den Worten ἡ μὲν ovv λῃστρικὴ ναῦς zum 
Bilde zurück und, beschreibt die beiden Schiffe genauer; aber erst mit 
den Worten ἀλλ᾽ ἐπὶ τοὺς Τυρρηνοὺς ἴωμεν, fog εἰσίν geht er zur 
Schilderung der eigentlichen Handlung über. 

124. Die Hyacinthe und der gefallene Hyakinthos veranlassen eine 
kurze Erwähnung des.Mythos. ἐπεὶ δὲ οὐ σοφισταὶ τῶν μύϑων ἥκο- 





gegen K. Friederichs vertheidigt. 241 


μεν... θεαταὶ di μόνον τῶν γεγραμμένων, ἐξετάσωμεν τὴν γραφήν. 
So durfte der Rhetor eine grószere Sorgfalt auf die Beschreibung der 
βαλβίς verwenden, durch welche auch die ganze Haltung des Apollon 
zum Teil bedingt ist und zugleich der Anlasz zum Tode des Hyakinthos 
klar wird. Die Gestalt desselben wird daher nur kurz geschildert und 
ebenso der durch das Unglück veranlaszte Ausdruck des Apollon ; endlich 
erscheint als Zuschauer Zeplıyros. 

1 27." Amphiaraos ist im Begriff in die Erde zu versinken. Die Sieben 
aefalich bis auf Adrastos und ihn sind vor Theben geblieben. οὗτοι μὲν c 
οὖν ἑτέρου λόγου" κελεύει δὲ ἡ γραφὴ βλέπειν ἐς μόνον τὸν "Aupid- 
qeu, worauf die Beschreibuug einfach fortschreitet. 

E 39. Ein von Blut gefärbtes Meer, Aethiopen, ein Hellene unter 
ihnen lassen das Abenteuer des Perseus erkennen. Der Mythos ist so 
bekannt, dasz ihn der Rhetor kaum einer Erwähnung werth hält. Im 
Bilde ist der Kampf schon beendet, weshalb nicht die eigentliche Hand- 
lung zu schildern ist, sondern die daraus erfolgenden ruhigeren Situa- 
tionen. 

1 30. Ein junger Lyder, Poseidon, ein Gespann weisen auf den My- 
ıhos des Pelops hin. ö μὲν οὖν ἦϑλος εὐδρομήσει τῷ Πέλοπι. τὸν δὲ 
τοῦ ξωγφώφον ἄθλον ἡμεῖς ἐξετάξωμεν: so beschreibt er zuerst das 
kunstreich ausgeführte Gespann; darauf die Gruppe des Poseidon und 
Pelops; und zwar wird, da bei dieser Begegnung vor allem der geistige 
Ausdruck hervortritt, erst dieser hervorgehoben und dann die körper- 
liche Erscheinung des Pelops geschildert. 

H 10. Gleich zu Anfang wird das Bild, die Ermordung des Aga- 
memmon und der Kassandra, in allen Hauptzügen geschildert, aber kei- 
meswegs, wie F. (S. 77) behauptet, nur der Mythos erzählt. Denn auf 
das Bild ‚selbst weist sowol das Demonstrativpronomen als der Wechsel 
der Tempora hin: πέλεκυν ἐς Ayapluvova ἧκεν, ἀμφήκχη Toürov' 
τὴν δὲ τοῦ Πριάμου κύρην... ἀποκτείνει. Zur Erklärung der im 
Bilde dargestellten Handlung, sagt Ph. selbst, würde diese Einleitung 
genügen: καὶ εἰ μὲν ὡς pape ἐξεταζομεν ; ὦ παῖ, ταῦτα, τετραγῴδη- 
ται μεγάλα ἐν σμικρῷ εἰ δ᾽ ὡς γραφήν, πλείω ἐν αὐτοῖς ὄψει. Hier- 
durch rechtfertigt sich die ausführlichere Beschreibung der Details, aber 
nicht minder, dasz Agamemnon, der im Eingang am ausführlichsten be- 
dacht war, hier am kürzesten und nur wie in einer moralischen Betrach- 
tung erwähnt wird. Des Netzes, durch das er umstrickt wurde, noch 
einmal zu gedenken , lag darum durchaus keine Nóthigung vor. 

Π 18. Das Bild stellt den Untergang des lokrischen Aias dar. Der: 
Mythos wird halb im Hinblick auf das Bild erzählt: ὁ μὲν δὴ λόγος τῆς 
γφαφῆς οὗτος. τὸ δὲ ἐναργὲς...» und nun erst folgt die eigentliche 


Hiernach betrachten wir zunächst das Bild des Polyphemos und der 
'Gejateia (Il 18), bei dem auch Jalin (arch. Beitr. S. 414) schwankend ist, 
eb er die im Eingang erwähnten Kyklopen als auf dem Bilde dargestellt 
torausseizen soll oder nicht. Wir finden nemlich eine Schilderung des 

Jahrb. f. elass. Dhilol. Suppl. Bu. IV. Hft. 2. 16 


242 H. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


Landes der Kyklopen, die durchaus eine Umschreibung der Homerischen 
Schilderung (0d. 165 —1 15) ist, und am Schlusse derselben die Worte: 

τοὺς μὲν ἄλλους ἕα. Πολύφημος δὲ .. οἰκεῖ ἐνταῦϑα. Nach der Ana- 
logie der eben analysierten Beschreibungen werden wir nun nicht .be- 
zweifeln, dasz Ph. sagen will: wir erblicken im Bilde das Land der 
Kyklopen, von denen die Dichter uns vielerlei erzählen. Hier jedoch haben 
wir es nicht mit ihrem Leben und Treiben zu thun, sondern allein mit 
dem einäugigen Menschenfresser Polyphemos. Aber selbst dieser ist jetzt 
nicht wild, sondern verliebt. So weit geht die Einleitung, die uns nur 
auf die landschaflliche-Scenerie und kurz auf die éine in ihr befindliche 
Figur hinweist. Uebrigens findet diese Auffassung durch eine genaue Be- 
trachtung der Worte selbst eine weitere Bestätigung. Es heiszt nemlich : 

ol ϑερίξοντες «. οὔτε ἤροσαν ταῦτα. « ἀλλ᾽ αὐτόματα ἡ γῆ ἀναπέμπει 
ταῦται und ferner nicht Κύκλωπες γὰρ οὗτοι, sondern εἰσὶ γὰρ δὴ 
Κύκλωπες. Das Demonstrativum wird also nur von deu Sachen als 
im Bilde sichtbar gebraucht; nieht von den Personen der Kyklopen. 


Ehe wir andere streitige Fälle untersuchen, bei denen auszer der 
Disposition namentlich. der Gebrauch der Tempora im Verlauf der Be- 
schreibung in Betracht kommt, werfen wir einen Blick. auf das Bild des 
Phorbas (Il 19), welches in dieser Beziehung besonders lehrreich ist, 
Das Local ist das Land der Phlegyer; of δὲ πυκτεύοντες (im Prüsens) 
Apollon und Phorhas. Apollon nemlich kámpft (πυκτεύει) wegen des. 
Durchzuges. Nun wird erzählt, wie Phorbas die ‚Gegend unsicher machte; 
aber während dieser auf seine Siege stolz ist, ἥκει ὃ "nolla, dessen 
Auszere Erscheinung sofort geschildert wird. Aber πεπύκτευται αὐτὸν 
ἤδη, wie aus der Stellung des Gottes. wie des Phorbas hervorgeht, an 
dem deshalb diese vor der körperlichen Erscheinung beschrieben wird. 
Hier, wo doch sicher nur ein einziger Moment dargestellt war, erkennen 
wir recht dentlich das Streben des Sophisten, die Fessel, welche in dje- 
ser Beschränkung für-die Schilderung lag, zu sprengen und in der Be- 
schreibung einen Fortschritt bis zur eigentlichen Entscheidung erkennen 
zu lassen, 


Nach Analogie dieses Bildes wird sich auch unser Urteil über das 
Bild des Antäos (Il 21), das wie ein Seitenstück zum Phorbas erscheint, 
anders gestalten als bei F. und selbst bei Welcker, der hier zwei Scenen, 
die Vorbereitung ‚zum Kampfe und den Kampf selbst, erkennen wollte. 
Die Beschreibung beginnt etwa in folgender Weise: *Staub der Palästra, 
zwei Athleten, Grabhügel und Grabsäulen: das ist Libyen und Antäos.” 
Diese Einleitung mit anderen verglichen soll uns offenbar den Gesamt- 
eindruck und den Hauptinhalt des Bildes, und zwar als eine Einheit, nicht 
als eine mehrfach gegliederte Darstellung vor Augen führen. Aber die 
beiden Athleten werden näher charakterisiert: ὁ μὲν ξυνδέων. τὸ οὖς, 
ὁ δὲ ἀπολύων λεοντῆς τὸν ὦμον, also wörtlich: der eine im Begriff 
sich das Ohr zu verbinden, der andere die Lówenhaut abzulegen. Hierauf 
gründet sich die Ansicht Welckers, dasz die Vorbereitung zum Kampfe 





gegen K. Friederichs vertheidigt. 243 


eine besondere Scene gebildet habe. Indessen fragt es sich , ob das Prä- 
sens hier eine so zwingende Kraft hat. So fanden wir im vorigen Bilde 
πυχτεύοντος in der Einleitung von denen die im Bilde den Kampf schon 
haben; so steht 1l 7: Μέμνων κτεένει τὸν 'Avslloyov, der im 
Bilde schon todt daliegt. Noch verwandter ist dem vorliegenden Falle 
der Ausdruck τὸν ταρσὸν καλύπτων (iun. 17), wo es sich nicht um die 
Handlung des Verhüllens, sondern um den bereits verhüllten Fusz des 
Philoktetes handelt ; am schlagendsten aber I 4, wo (Menökeus) τὸ μει- 
φράπιον ἐφέστηκε τῇ χειᾷ τοῦ δράκοντος, ἕλκων τὸ ξίφος καὶ ἐνδε- 
δυκὸς ἤδη τῇ πλευρᾷ. Hier erkenneu wir recht deutlich das Streben 
nach Lebendigkeit der Schilderung: da steht er an der Höhle, zieht das 
Schwert und schon ist seine Seite durchbohrt ; und weiter: sammeln wir 
das Blut! Während es aber ausströmt, sinkt er zusammen (ὀκλάξει) und 
der Tod bedeckt wie ein Schlaf seine Augen. Wir werden hiernach we- 
nigsteus zugestehen müssen, dasz das Präsens im Bilde des Antäos nicht 
volle beweisende Kraft hat, ja dasz es der Rhetor sogar in der gauz be- 
stimmten Absicht gewählt haben kounte, um den Beschauer für den ersten 
Augenblick noch von der eigentlichen Handlung abzuziehen und seine 
Aufmerksamkeit auf die Natur der Kämpfer hinzulenken: der eine, ein 
ungeschlachter Riese, versieht sich mit Schutzwaffen, der andere, ein 
Bellene, legt sogar seine einfache Bekleidung als beim Kampfe hinderlich 
ab. Und während der Riese auf seine Siege stolz ist (auch hier, wie im 
Bilde des Phurbas, das Präsens ἀϑλοῦντι, θαάπτοντι), führt das Bild den 
Herakles vor (ἄγει τὸν Ἡρακλέα ἡ γραφή), der ohne Zaudern den Kampf 
annimmt, aber mit dem Ausdruck der Mäszigung im Gegensatz zum Ueber- 
mut des Antäos. Diese ganze Erzählung nimmt hier durchaus dieselbe 
Stellung ein, die sonst der Darlegung des Mythos vorbehalten ist. Nun 
erst folgt die eigentliche Beschreibung der beiden Kämpfer hinsichtlich 
Ihrer Befähigung zum Kampfe: ταυτὶ μὲν ἀμφοῖν τὰ ἐς τὴν nalqv: 
und hieran schlieszt sich endlich die Beschreibung des Kampfes selbst: 
ὁρᾷς δὲ αὐτοὺς xal παλαίοντας, μᾶλλον δὲ πεπαλαικότας. So schlieszt 
sich die ganze Schilderung zu einer Einheit zusammen, in der sich das 
Interesse allmählich steigert. 

Diesem Bilde ganz parallel steht der Acheloos des jüngern Philo- 
stratos (4), welcher hier einmal auch in der Disposition ein strenger 
Nachahmer seines Vorbildes ist. Das Auge richtet sich zuerst auf Ache- 
loos, und das Auffallende seiner Gestalt erheischt gleich im Eingang eine 
genanere Betrachtung. Ihn umgeben andere Figuren, unter denen nament- 
lich eine Braut, ein betrübter Greis und ein jugendlicher Held hervor- 
treten, letzterer ἐκδυόμενος λεοντῆς xal ῥόπαλον ἐν ταῖν χεροῖν ἔχων: 
ohne Lówenhaut mit der Keule; endlich eine IIeroine: Kalydon. Es folgt 
die Erzählung des Mythos, durch welchen die angeführten Figuren ihre 
Namen erhalten. καὶ τὰ μὲν ἐν ἀναβολαῖς ταῦτα: das ist gewisser- 
maszen das Vorspiel ; denn wir sind jetzt orientiert und kónnen nun die 
Handlung selbst ins Auge fassen. ἐδοὺ δὲ καὶ ὡς ξυνεστήκασιν ἤδη᾽ 
und obwol nun die genaue Schilderung der Kämpfer, die im Bilde des 
Antäos an dieser Stelle folgt, hier schon im wesentlichen vorweg ge- 


16* 


244 H. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


nommen ist, 80 wird doch wenigstens noch eine allgemeine "Hinweisung 
auf ihr Verhältnis zu einander gegeben: xai ὅσα μὲν iv ἀρχαῖς τῆς dıe- 
μάχης .., d. h. was die allgemeinen Bedingungen dieses Kampfes an- 
langt, so o. findet er statt. zwischen einem Gotlte und einem unerschütter- 
lichen Helden. τὸ δ᾽ αὖ τέλος... sehlieszlich sehen wir dasz und in 
welcher Weise der Held den-Sieg davonträgt. 


Eine ähnliche , nicht im Bilde vorhandene, sondern rein rhetoriselie 
Scheidung von Vorbereitung oder ‘Ruhe und Bewegung oder Handlung 
finden wir im Bilde der Hesione (iun. 12). Freiwillig, heiszt es, unter- 
nimmt Herakles den Kampf mit dem Meerungelieuer, und seine Gestalt 
wird sofort ausführlich geschildert. ' Dann fährt der Rhetor fort: drge- 
μοῦντι προσετύχομεν τῷ κήτει" κπενούμενον δὲ νυνὶ .., worauf die 
Schilderung einfach und ohne Anstosz fortschreitet. Auch hier ist πέροσε-. 
τύχομεν durchaus nur eine rhetorische Wendung des Gedankens: wir 
haben zuerst das Ungeheuer nach seiner Gestalt geschildert; jetzt wollen 
wir es in Bewegung betrachten. 


Nicht anders haben wir das Bild des Pyrrhos (iun. 10) zu beurteilen, 
in dem nach F. (8. 928) die Personen ebenfalls in wechselnden Stellungen 
erscheinen sollen. Nach der Seenerie werden die Gestalten des Pyrrhos 
und Eurypylos beschrieben , aber keineswegs ihre Stellungen, sondern 
nur ihre körperliche Erscheinung und ihre Waffen , namentlich der deni 
Homer nachgebildete Schild des erstern. Erst gegen das Ende leiszt es 
dann: ἱκανῶς ἔχεις τῶν ἐκτυπωμάτων. ἄθρει δὴ καὶ τὰ περὶ τοὺς vea- 
νίας, ξὺν ὁποτέρῳ αὐτῶν ἡ νίκη. Also hier erst geht der Rhetor zur 
Beschreibung der Handlung über. 


Etwas anders verhält es sich mit dem Bilde des Achilleus auf Skyros 
(iun. 1), und zwar deshalb, weil hier die Erzählung des Mythos mit der 
Beschreibung verflochten ist. Nach der Localgottheit wird die Wohnung 
der Töchter des Lykomedes erwähnt, bei welcher Gelegenheit wir er- 
fahren, dasz Achilleus unter ihnen versteckt ist und mit einer ein Liehes- 
verhältnis unterhält. ἀλλ᾽ οὐκ ἐνταῦϑα ταῦτα, sondern auf einer Wiese 
vor dem Gebäude spielen die Mädchen. Alle sind schön und von ausge- 
sprochen weiblichem Charakter; nur ine unterscheidet‘ sich schon durch 
Haar und Blick, und die Handlung wird in ihr Achilleus erkennen lassen. 
Diese Handlung musz aber der Deutlichkeit wegen zuerst motiviert wer- 
den, weshalb die Beschreibung unterbrochen und die Erzählung von der 
Sendung des Diomedes und Odysseus eingeschoben wird. So schreitet 
dann die Beschreibung zur Hauptgruppe fort, die sich. in keiner Weise 
von den gewöhnlichen Darstellungen unterscheidet. Odysseus läszt durch 
den Trompeter Kriegslärm erheben, Achilleus greift nach der Rüstung, 
während alles was vorher erwähnt wird im-Bilde mehr zurückzutreten 
scheint, so z. B. die übrigen Mädchen, von denen ein Teil noch Blumen 
lesen mag, während andere sich etwa der Hauptscene zuwenden, 


gegen K. Friederichs vertheidigt. 245 


Noch weniger haben wir am Bilde des kleinen Herakles (iun. 5) An- 
stosz zu nehmen, dem F. (S. 13) Unklarheit vorwirft: *denn die Figur 
der Alkmene erblicken wir zuerst als von Sinnen und in groszer Furcht, 
sodann, nachdem uns mitgetheilt, dasz der Tod der Schlangen bereits 
erfolgt sei, scheint sie sich zu sammeln; gleich nachher aber schreit sie 
wieder mit ausgebreiteten Armen.” Es genügt die Worte etwas genauer 
anzusehen: du spielst, Herakles, mit dem Kampfe, καὶ οὐδὲν ἐπιστρέφῃ 
τῆς pmsoög, ἔκφρονος παρεστώσης καὶ περιδεοῦς. Hier wird also des 
Schreckens der Mutter nur ganz im allgemeinen und nur zu dem Zwecke ' 
gedacht, um den unerschrockenen Charakter des Knaben hervorzuheben. 
In der eigentlichen Beschreibung ihrer Figur aber heiszt es, sie scheine 
sich so eben vom ersten Schrecken zu erholen, traue aber kaum noch 
ihren Augen. Der (vorhergegangene) Schrecken aber offenbart sich noch 
darin, dasz sie halbbekleidet vom Bett aufgesprungen ist und die Arme 
ausstreckt. Der dargestellte Moment ist also deutlich charakterisiert als 
der des Üeberganges von einer Gemülsbewegung zur andern; und wenn 
F. (S. 199) in einem herculanischen Bilde des Marsyas erkennt, dasz 
‘Olympus sich in eiliger Bewegung dem Gotte genähert und nun mit bit- 
tender Geberde vor ibn kniel’, so wird er auch den im Bilde des Herakles 
dargestellten Moment nicht nur als einen künstlerisch möglichen, sondern 
sogar als einen vortrefflich gewählten anerkennen müssen. | 


Zuleizt betrachten wir noch die Eberjagd (| 28), die, schon von 
Welcker richtig aufgefaszt, sich jetzt um so klarer als ein einheitliches 
Bild herausstellen wird.°) Die Einleitung ist rein rhetorisch und der 
Gedankengang in der Kürze folgender: *Laszt euch fragen, was ihr jagt. 
Ihr behauptet: einen Eber; und ich sele wol die Spuren seiner Ver- 
wüstungen, ich sehe auch das Thier selbst. Mir scheint jedoch, dasz, 
während ihr nicht dem Eber, sondern der Schönheit dieses Jünglings 
nachstellt, ihr selbst von diesem erjagt und gefangen seid. Deun wozu 
dieses Nachdrängen? Doch — ich phantasiere, wir stehen ja vor einem 
Bilde. Nach Abzug des rhetorischen Schmuckes bleibt uns der Gedanke: 
Gegenstand dieses Bildes ist eine lebendig bewegte Eberjagd, iu der ein 
schóner Jüngling die Hauptfigur ist. Nun folgt die eingehendere Schilde- 
rung, zuerst der Begleiter und ihrer Rosse, dann namentlich des Jüng- 
lings. Der Handlung aber geschieht bei dieser Gelegenheit in keiner 
Weise Erwähnung. Um zu ihr überzugehen, benutzt der Rhetor die 
übrige Scenerie des Bildes; es siud nemlich (offenbar in zweiter Linie) 
Jegdgefolge , Hunde, ein Tempel und ein Heiligtum der Artemis darge- 
stellt, und bei ihrem Anblicke setzt man voraus, dasz die Jäger dort ihr 
Gebet verrichten müssen: xal τὴν /4ygorégav προϊόντες goovras. Doch 


5) F. erwühnt dieses Bild nur ganz beiläufig wegen einer E'uzelheit» 
während es ihm nach seiner Betrachtungsweise ganz besondern Anlasz 
sum Tadel geben muste. Dagegen nennt er die ‚Jäger des jüngern Ph. 
(3) eins der *absurdesten? Bilder (8. 199), obgleich es sich nach der 
Beschreibung durchaus einfach und klar gliedert. Sollte er etwa hier 
die Eberjagd des ältern gemeint haben? 


246 H. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


lehrt das Futurum, dasz von diesem Gebete im Bilde selbst nichts sicht- 
bar war; im Gegenteil, während der Rhetor das ‚Heiligtum noch be- 
schreibt, ist der Zug schon vorüber: ἔχονται μετὰ τὴν εὐχὴν τῆς θήρας. 
Der Rhetor hat jetzt gewissermaszen die ganze Gesellschaft in Bewegung 
gesetzt: das Thier bricht hervor, wird leicht verwundet, flieht in den 
Sumpf und hier wird es von dem Jüngling ereilt. Wir erblicken ihn noch 
in der Stellung des Siegers und die übrige Gesellschaft frohlockend hinter 
ihm. So haben wir also: Inhaltsangabe, Schilderung des Details der ein- 
zelnen Figuren, Schilderung der Handlung, aber nicht als einfache Be- 
schreibung des dargestellten, sondern motiviert durch die Erzählung der 
ihr vorhergegangenen Momente. Der Rhetor wählte diese Form offenbar 
deshalb, weil er keinen Mythos zu erzählen oder als bekannt vorauszu- 
setzen hatte. Er hatte also freies Feld und benutzte dies in seiner Weise, 
um eine Art Mythos, eine Erzählung aus dem Bilde selbst zu entwickeln. 
Aber je weiter sich auf diese Weise seine Schilderung von einer trocke- 
nen und nüchternen Beschreibung entfernt, um so gelungener ist sie als 
ein Probestäck rhetorischer Kunst und kann unter diesem Gesichtspankte 
dem Philostratos nur zum Lobe gereichen. 








Zu den Eigentümlichkeiten der Philostratischen Beschreibungen ge- 
hört ferner, dasz sehr häufig am Ende Hinweisungen auf die Folgen der 
dargestellten Handlungen oder einfach auf die Zukunft gegeben werden. 
Meist sind sie kurz und erlauben keine Zweideutigkeit. Wo'sie aber 
lànger und kunstvoller sind und die Schilderung lebendiger wird, da 
kann zuweilen die Frage entstehen, ob nicht die Consequenz der im 
Bilde dargestellten Haupthandlung in einer zweiten, mehr oder minder 
ausführlichen Scene hinzugefügt sei. Auch hier werden wir den Masz- 
stab für die Beurteilung der zweifelhaften Fälle nur durch die zahlreichen 
unzweideutigen Beispiele gewinnen kónnen. 

18. Das Meer hat noch seine natürliche Farbe; purpurn färbt es 
erst Poseidon. 

I 11. Die Thränen der Heliaden wird der Eridanos den Barbaren 
als Bernstein zuführen. 

I 15. Ariadne athmet im Schlafe; nach was sie duftet , wird Diony- 
sos sagen können, wenn er sie geküszt haben wird. 

1 19. Die in Delphine verwandelten Tyrrhener werden in der Folge 
Beweise von Menschenfreundlichkeit geben. 

I 24. Zephyros wird die Hyacinthe in seinen Kranz flechten. 

1 29. Groszen Lohues wird Perseus durch Andromeda teilhaftig 
werden. 

Π 2. Cheiron weist Achilleus auf seine zukünftigen Kämpfe hin. 

Il 8. Der Flusz Meles wird, wenn er als Vater Homers gelten kann, 
die anderen Flüsse um ihren Ruhm nicht zu beneiden haben. 

H 10. Agamemnon wird der Klage der Kassandra noch im Hades 
gedenken. 

II 13. Der Felsen, auf dem Aias sitzt, wird zerschmettert, die an- 
dern werden stehen bleiben. 


gegen K. Friederichs vertheidigt. 247 


M 14. Thessalien wird reich an Pferden werden. 

H 19. Der Ort wird durch seinen Namen das Andenken an die Schand- 
thaten des Phorbas bewahren. 

Il 20. Herakles will jetzt den Himmel tragen, aber bald wird er 
selbst unter den Ilimmlischen wohnen. 

li 31. Herakles rast; die Poeten aber fügen hinzu, dasz er auch ge- 
busden werde, obwol sie ebenfalls sagen, dasz er den Prometheus von 
seinen Fesseln erlóse. 

Iun. 5. Teiresias weissagt die zukünftige Grósze des Herakles. 

6. Orpheus, dessen Gesang die Thiere bezähmt, wird von Weibern 
zerrissen werden. 

9. Die Traurigkeit des Eros deutet auf das zukünftige Misgeschick 
im Hause des Pelops hin. 

10. Pyrrhos wird die Mysier zu Haufen ermorden. 

18. Der Blick des Asklepios deutet auf den zukünftigen Besuch bei 
Sophokles hin. 

14. Der Diskos und Zephyros weisen auf den baldigen Tod des Ilya- 
kinthos hin. 

15. Das Auge des Pelops läszt ihn auch für den spätern Zug nach 
Kolchis tüchtig erscheinen. 

Eine ausführlichere Entwicklung und eine förmliche Erzählung der 
historischen Folge des Factums linden wir in folgenden Fällen: 

ll 24. Die Begegnung des Herakles mit dem Bauer Theiodamas ist 
in Gultus der Rhodier verewigt: es wird geopfert, mau flucht heim Be- 
gimne des Opfers, Herakles freut sich darüber und gibt den Rhodiern 
gutes. Obwol es sich um zukünftigen Gebrauch handelt, ist hier doch 
die Erzählung im Präsens durchgeführt. 

li 25. Herakles wird auf dem Grabe des Ahdervs eine Stadt gründen 
(auch hier das Präsens ἀνέστησι). und es werden Kampfspiele eingesetzt 
und regelmäszig gehalten werden. 

Recht auffällig ist das Streben nach Belebung der Schilderung iu 
den Xenien II 26: diese Eszwaaren mögen wol für den Herrn des Ackers 
bestimmt sein; der aber findet vielleicht an ganz andern Dingen Geschmack 
als an solchen Süszigkeiten. Vom lerrn ist natürlich im Bilde nichts zu 
sehen ; und der ganze Zusatz soll also nichts anderes bezwecken als ge- 
wissermaszen den Appetit des Beschauers beim Anblick so leckerer Esz- 
waaren zu reizen. 


Wo also das Streben, die Phantasie des Beschauers oder Lesers über 
das im Bilde dargestellte hinaus anzuregen, in so zahlreichen Fällen un- 
zweifelhaft vorliegt, da wird es gewis fraglich erscheinen, ob eine elwas 
gröszere Ausführlichkeit in einigen andern Beschreibungen uns berech- 
Ugt, eine abgesonderte Schluszscene in den Bildern selbst anzunehmen. 
Wir betrachten zuerst den von den Pygmàen belagerten schlafendeu 
Herakles (Il 22). Diese Belagerung wird eingehend beschrieben, dazu 
aber auch das Erwachen des Helden geschildert; und zwar so dasz, nach- 
dem die Hauptscene durch die Worte ταὐτὸ μὲν περὶ τὸν καϑεύδοντα 


248 H. Brunn: die Philostratischon Gemälde 


abgeschlossen ist, der Uebergang mit ἰδοὺ δὲ erfolgt. was allerdings wie 
eine schr bestimnnte Hinweisung auf etwas wirklich. dargestellter aus- 
sieht und so auch von Welcker aufgefaszt ward. Wir sehen uns indessen 
die Worte noch einmal genauer an: sieh wie er sich aufrichtet und lacht 
(ὀρθοῦται, γελᾷ): er liest die Feinde zusammen, setzt sie in die-Lówen- 
haut (ἐντέϑεται) und bringt sie, meine ich (οἶμαι; φέρει), dem Eurystheus. 
Wir haben hier also nicht. eine Beschreibung einer Gruppe, sondern eine 
in mehreren Momenten fortschreitende Erzählung , wie sie der Beschmer 
aus der Betrachtung der Hauptscene und der Kenntnis. des Mythos sich 
fast mit Nothwendigkeit selbst entwickeln musz. Er erkennt die Gefahr, 
in der sich die Pygmäen befinden, und sieht voraus, was sich erei; 

wird; der Rhetor aber kommt seiner Phantasie zu Hülfe und schildert, 
was erst bevorsteht, als bereits eingetreten. Aendern wir einmal. einen 
einzigen Ausdruck und fassen ἐδοὺ δὲ im Sinne von ‘aber warte nur, 
wenn ...", so wird niemand. mehr an eine zweite im Bilde-dargestellte. 
Scene denken; und so hat schon Heyne und nach ihm Jahn (areh. Beitr. 
S. 428) erkannt, dasz eine Nóthigung zur Annahme einer solchen nicht 
vorliegt. 





Eine ähnliche Auffassung gestattet das Bild des Acheloos (iun; 4}. 
Herakles faszt das eine Horn des Acheloos und mit der Keule schlägt er 
ihm das andere ab. ‚Das ist die Beschreibung iler Hauptgruppe des Bildes. 
In der Beschreibung aber folgt noch: Herakles freudig üher seine That 
blickt auf Deianeira. Seime Keule hat er auf die Erde geworfen und er 
reicht der Deianeira das Horn als Brautgeschenk. Es soll nicht geleugnet 
werden, dasz an sich diese Scene recht wol neben der ersten dargestellt 
werden könne und dasz wir z. B. in einem Sarkophagrelief an ihr nicht 
den mindesten Austosz nehmen würden. Bedenken wir indessen, dasz 
Deianeira vorher zweimal als die Braut bezeichnet wird, wegen deren 
sich der Kampf entspinnt, so erscheint für den Rhetor eine Hiuweisung 
auf ihre Befreiung und auf ihre Verbindung mit Heräkles fast geboten, 
auch weun sie im Bilde nicht dargestellt war. Dasz dies aber in der That 
hier nicht der Fall war, glaube ich daraus schlieszen zu dürfen, dasz 
nicht gesagt wird, mit. welchen Gefühlen Deianeira die Gabe. aufgimmt, 
während sich doch ihre Haltung in einem scharfen Gegensatz zu der 
Furcht iu der frühern Scene hätte zeigen müssen-und sicher vom Rhetor 
nicht unbeachtet gelassen sein würde. So scheint mir der ganze Zusatz 
nichts anderes zu sagen, als was im Bilde des Perseus (1 29) mit den 
wenigen Worten πολλὰ καὶ παρὰ τῆς κύρης ἄρνυται ausgedrückt wird. 


In einem Bilde des jüngern Philostratos (8) spielen Eros und Gany- 
medes mit Astragalen.. Eros siegt, und zur Verhöhnung seiues Gegners 
schüttelt er die gewonnenen Knöchel im. Bausch seines. Gewandes. Da 
erscheinen die drei Göttinnen und Aphrodite bietet dem Eros als Lohn 
für die Hülfe, um welche sie ihn anspricht, einen schönen Ball. Jetzt 
kümmert er sich nicht mehr um die Astragalen (οὐδὲ ὁρᾷ Fri), er wirft 
sie zu Boden und hängt am Gewande seiner Mutter (dag.  rjgrnrau), 


gegen K. Friederichs vertheidigt. 249 


indem er ihr seinen Beistand verheiszt. Auch hier glaube ich am Schlusse 
aur eine Hinweisung auf die Folgen der eigentlichen Handlung zu erken- 
nen. Zuerst wird das Spiel, aber im Moment des Abschlusses und ge- 
wissermaszen als etwas schon vergangenes geschildert; sodann folgt 
die Beschreibung der Göttinnen und der übrigen Scenerie, und endlich 
erfahren wir. die Handlung der Aplırodite, das Zeigen des Balles, wel- 
ches Eros vom Spiel abruft. Es genügt, dasz dieser im Bilde den Blick 
vom Spiele weg auf Aphrodite wendet, um den am Schlusse geschilder- 
ten Erfolg der Vorstellungen der Aphrodite erkennen zu lassen. Das 
Bild, selbst aber erscheint sodann als ein ziemlich strenges Seitenstück 
zu manchen Darstellungen des Par:surteils. 


Ein anderes Bild, der Bosporos (1 12), wird erst später besprochen 
werden, da der besondere Charakter der Staffage nur zus der übrigen 
Eigentämlichkeit des ganzen Bildes seine Erklärung erhält. 


So bleibt denn auszer den im Anfange dieser Erörterungen genann- - 
tem Bildern nur noch ein einziges übrig, in dem sicher mehrere Scenen 
zu einem Cyclus in éinem Rahmen vereinigt waren, nemlich die Kindheit 
des Hermes (136). Dieses Bild wird daher von F. (S. 114 ff.) als ein he- 
sonders schlagender Beweis für die Behauptung angeführt, dasz der Rhe- 
tor hinfig nicht wirkliche Kunstwerke beschreibe, sondern nur Mythen 
erzäble. ‘Will man es gemalt denken, so sind etwa 6—7 Scenen anzu- 
nehmen . . . Selbst dies aber wäre noch Willkür, ich könnte ebensogut 
doppelt und dreifach soviel Scenen annehmen, es steht ganz in meinem 
Belieben, in. wieviel Theile ich die einheitliche Linie der Handlung zer- 
legen will? Und doch zeigt gerade dieses Bild, wie geschickt der Rhe- 
tor, trotzdem dasz er die Beschreibung in Erzählung auflóst, uns auf die 
Gliederung des Bildes selbst hinzuweisen versteht. *Der kleine Knabe, 
(nemlich) der da noch in den Windeln, der welcher die Ochsen in die 
Sehlueht treibt, und auch der wieder (ἔτι κἀκεῖνος), welcher dem Apol- 
lon seine Geschosse stiehlt, das ist (jedesmal) Hermes’: so beginnt die 
Beschreibung. Dreimal also ist der Kleine dargestellt; und dieses drei- 
malige Auftreten erscheint dem Ph. als ein so wesentliches und so cha- 
rakteristisches Kennzeichen dieses Bildes, dasz er davon in der ganzen 
Beschreibung als von einer sichern Grundlage ausgeht. Die Scenen son- 
dera sich nun ohne Schwierigkeit: Hermes ist auf dem Olympos geboren, 
die Horen pflegen ihn und schmücken seine Windeln mit Blumen. Aber 
während sie kaum damit fertig sich nach dem Bette der Mutter umsehen, 
ist Eiermes bereits aus den Windeln herausgeschlüpft und schleicht zum 
Ergötzen des Berggottes heimlich weg. Dargestellt sind also die Wöch- 
meris, die nach ihr hingewendeten Horen, die geschmückte Wiege, der 
vom ihr wegschleichende Hermes und der Berggott. Die Worte τές υὖν 
ἡ κλοπή; deuten einen hestimmten Abschnitt an. Es folgt als zweite 
Scene der Gott, der die Rinder in die Schlucht treibt. Die dritte gel 
wieder auf dem Olympos vor; denn der Got ist wieder in seine Wiege 
zurückgekehrt. Apollon erscheint und wendet sich an die Mutter, um die 


250 1i. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


Rinder zurückzufordern; unterdessen aber ist der kleine Hermes auf 
seinen Rücken gestiegen, raubt ihm zu den Rindern auch die Geschosse, 
wird aber nach der That ertappt. Diese Scene scheint auch räumlich der 
ersten ziemlich genau entsprochen zu haben; denn wir finden in ihr die 
Mutter, wahrscheinlich noch immer auf dem Bett liegend, Apollon nach 
ihr hingewendet, hinter ihm die Wiege, in der voraussetzlich der Knabe 
beim Beginne des Gespräches noch lag, während er jetzt schon vom 
Rücken des Apollon wieder herabgestiegen und im Begriff ist, sich mit 
seinem Raube davon zu machen. Die Scene in der Schlucht ist wie dazu 
geschaffen, die beiden andern zu scheiden und zugleich sie einander ge- 
genüberzustellen; und auf diese Weise ist das Ganze aueh künstlerisch 
so vortrefflich gegliedert, dasz dieses Bild in jeder Beziehung zu dem 
anmutigsten Schöpfungen griechischen Humors gehört haben musz. 

Ich habe mich in den letzten Erórterungen wenig mit der Wider- 
legung der einzelnen von F. erhobenen. Zweifel und. Vorwürfe. befaszt, 
sondern einen von ihm ganz unbeachteten Weg zu positiver Rechtferti- 
gung des Ph. eingeschlagen. Der Erfolg dieser vergleichenden Betrach- 
tungen wird dieses Verfahren hinlänglich gerechtfertigt haben. Denn nur 
auf diese Weise war es möglich, einen genauern Einblick in die ganze 
Technik der Philostratischen Beschreibungen und dadurch einen festern 
Standpunkt für die Beurteilung des einzelnen zu gewinnen. Dadurch aber 
schwanden nicht nur die Zweifel an der künstlerischen Möglichkeit der 
beschriebenen Gemälde, sondern diese selbst traten meistens aus der 
rhetorischen Umhüllung in scharfer Begrenzung und Gestaltung hervor, 
und gerade das, was am längsten und von den verschiedensten Seiten als 
Grund gegen die einstige Existenz dieser Gemälde geltend gemacht wor- 
den war, muste schlieszlich sogar als eine kunstreiche Form der Darstel- 
lung anerkannt werden. 


Nicht minder wiehtig als die formelle Seite der Darstellung, die 
uns bisher beschäftigt hat, ist der stoffliche Inhalt und dessen poetisch- 
künstlerische Auffassung und Verarbeitung zum: Bilde, und es liegt — 
uns daher ob, die von Ph. beschriebenen Gemälde auch nach dieser Seite 
hin gegen die von F. erhobenen Vorwürfe zu rechtfertigen. Wir haben 
es hier zunächst mit einer Reihe von Bildern zu thun, die nicht: nach 
allgemeinen Gesichtspunkten, sondern jedes für sich hinsichtlich. ihres 
poetischen Inhalts zu analysieren sind, und es ist deshalb unwesentlich, 
in welcher Reihenfolge wir sie betrachten. 

Wir stellen eine Aeuszerung F.s über das Bild des Marsyas (iun. 3) 
voran. F. gibt zu, dasz das Bild malerisch möglich sei; aber * wenn 
wir auch die nachgewiesenen Fehler einmal hinwegdenken, so würde 
das Bild doch immer ein dem Mythus ohne eigne Zuthat des Künstlers 
nachgemaltes bleiben, und eben ein solches ist einem griechischen Meister 
nicht zuzutrauen? (S. 189): dem Zeuxis nemlich, mit dessen Marsyas re- 
ligatus ich mit Weleker und andern das Philostratische Bild in Verbindung. 
gesetzt hatte. F. dagegen weist auf das herculanische Gemälde hin (Mül- 


nw Auuassung, uie senem supjecuveu uerum aui uicisven. cuespre- 
mag, eine typische und ausschlieszliche Geltung beansprucht und 
der Vorliebe für diesen éinen Typus selbst den Monumenten zum 
der Freiheit der Künstler die engsten Fesseln anlegen müchte. 
wsyasdarstellungen liefern uns dafür sogar noch einen zweiten Be- 
3. 731. behauptet F., dasz die Sarkophage in der Behandlung des 
ichen der griechischen Art ungleich ferner stehen als die Vasen. 
ierkophage scheuen sich weniger vor unruhigen, verwirrten und 
ben Darstellungen . . . Der peinliche Moment, in dem Marsyas auf. 
arkophagen erscheint, hängend am Baum, die Arme angebunden 
Iber dem Kopf, ist der Vasenmalerei ganz fremd.” Der Vasenmale- 
erdings; aber darum auch der griechischen Kunst? Konnte F. so 
Bie statuarischen Bildungen des Marsyas vergessen, deren vorzüg- 
^, ein durch hohen Kunstwerth ausgezeichneter Torso, sich in 
befindet, die also gerade zeigen, dasz in diesem Falle wenigstens 
wkophage der * griechischen Art? ungleich näher stehen als die Va- 
Und ist es nicht noch weit *peinlicher’, wenn wir in einem grie- 
wn. Vasenbilde (Millin G. m. 26, 79) Apollon finden, wie er an den 
ıdenen Marsyas selbst Hand anzulegen im Begriff ist? 
Was mun das Philostratische Bild anlangt, so ist unter den übrigen 
lichaelis (Ann. d. Inst. 1858 S. 340 ff.) zusammengestellten Darstel- 
n desselben Gegenstandes, die zum Teil auf ein berühmtes Original 
kgehen, keine einzige, welche in geringerem Masze als diese dem 
wmachgemalt wäre. Ueber die durch den Mythos gebotenen Ele- 
vaber hinauszugehen,, lag für den Maler um so weniger eine Nöthi- 
vor, als ihm durch diese Elemente selbst, welche sogar ein reiches 
für psychologische Entwickelung darboten, hinlängliche Gelegenheit 
sin menschlicher Zuthat? gegeben war. Aber F.s Anklage ist auszer- 





252 H. Brunn: die Philostratischen Gemäkle 


mentlich solche scheinbare Contraste liebte. Dasz zwingende äuszere 
Gründe für die Beziehung unseres Bildes auf Zeuxis nicht vorhanden sind, 
habe ich selbst zugegeben. Entspricht aber wenigstens der künstlerische 
Charakter, so mag auszerdem bemerkt werden, dasz die Bezeichnung | 
Marsyas religatus mit dem Bilde nicht im Widerspruch steht: Ph. sagt | 
allerdings nicht, dasz er gebunden sei, aber eben so wenig, dasz er die | 
Hände frei habe. Seine Stellung aber (παρέστηκε μὲν τῇ πίτυξ, ἀφ᾽ ἧς 
κρεμασϑήσεσϑαι olds, und: ὑποβλέπει δὲ ἐς τὸν βάρβαρον) entspricht 
so sehr einigen der erhaltenen Monumente, in deuen er gefesselt er- 
scheint, dasz wir naeh Maszgabe derselben die Beschreibung ergänzen 
und die auf den Rücken gebundenen Hünde auch im Gemälde: voraus- 
setzen dürfen. 





Wie nach F. der Marsyas dem Mythos ohne eigne Zuthat des Künst- | 
lers nachgemalt ist, so soll der schlangenwürgende Herakles (iun. 5) die 
Paraphrase einer Pindarischen Stelle sein (Nem, 134 T). Bis auf die 
Figur der Nacht, die Unterredung der Dienerinnen und: etwas mehr Detail 
in dem Habitus der Alkınene' schlieszt sieh Philostratus genau an Pindar 
an, nur dasz bei jenem zu einem Moment zusammengefaszt ist, ‚was ler 
Dichter allmählich entwickelt? (S. 13) Also doch nur *bis auf...” und 
zugleich unter selbständiger Zusammenfassung der suecessiven Momente 
zu einem einzigen: das sind bereits starke Zugeständnisse in einem Bilde, 
welches allen andern zur Begründung der Behauptung vorangestellt-wird, 
dasz die Philostrate nicht wirkliche Kunstwerke vor Augen gehabt, son- 
dern die Dichter ausgeschrieben haben. Die im Bilde befolgte Version 
des Mythos ist allerdings die Pindarische; aber ist das Bild darum eine 
blosze Paraphrase? Bei Pindaros sind die dienenden Frauen vom Schreeken | 
niedergeschmettert ; bei Ph. sprechen sie mit einander. "Dieser Zusatz ist 
merkwürdig genug. Ein denkender Künstler hätte das Weibervolk eilig 
davon laufen lassen, eine jede auf ihre Rettung denkend, oder wie ange- 
wurzelt vom Schreck dargestellt mit starren Augen auf das Unheil ge- 
richtet.” (S. 19) Gedankenlos wäre vielmehr der Künstler, der die Frauen 
noch davon laufen liesze, während die Gefahr schon vorüber ist: denn im 
Bilde hat Herakles die Schlangen bereits erdrückt. Pindaros schildert durch 
den Schrecken die Grösze der Gefahr, der Künstler den Eindruck welehen 
der Meldenmut des Herakles auf die Umstehenden hervorbringt; und so 
erkennen wir also hier eine selbständige, echt künstlerische 
von den Worten Pindars. — Etwas mehr Detail im Habitus der Alkmene 
gibt auch F. zu, aber er schränkt dieses Zugeständnis S. 15 wieder ein: 
*pasz Alkmene den bloszen Chiton trägt, ist für den Dichter 
aber nicht für den Künstler charakteristisch. Wäre dieser Philostratus 
mit Kunstwerken vertraut gewesen, er ‚hätte statt dieser Notiz auf die 
Unordnung im Gewande der Alkmene aufmerksam gemacht, die eine noth- 
wendige Folge ihres Aufspringens ist? Hierauf könnte Ph. erwidern: 
Wäre F. mit dem Sprachgebrauch vertraut, so müste er wissen, ılasz 
uovojírov so viel wie etwa “ἴων Unterrock? bedeutet, und dasz, wenn 
auszerdein Alkmene ohne Schuhe und mit gelöstem Haare erscheint, doch 


gegen K. Friederichs vertheidigt. 253 


der Leser auf die Unordnung in ihrem Auftreten deutlich genug hinge- 
wiesen wird. Der Ausdruck ἀἄπεπλος bei Pindaros hat also im Gemälde 
eine durchaus künstlerische Anwendung und dazu eine Erweiterung durch 
Züge erhalten. — Wenn aber, fragen wir jetzt, der Rhetor den 
Dichter ausschrieb, warum schwieg er gänzlich vom Zwillingsbruder des 
Herakles? Allerdings erwähnt ihn Pindaros nur beiläufig ; aber da ja nach 
P. Ph. auch das Idyll des Theokritos (24) benutzt haben soll, warum ent- 
manh er seine Charakteristik nicht von dorther? Und endlich: weshalb 
führt der Rhetor die Nacht persönlich an, die in seiner Beschreibung un- 
angenehm nachhinkt, aus der er für seine Schilderung so wenig Nutzen 
zu ziehen verstand, dasz sie vielmehr störend erscheint? Ihre Erwähnung 
erklärt sich nur dadurch, dasz der Rhetor sie im Bilde vor sich sah. 
Nicht einmal aus Theokritos, wie F. will, konnte er sie entnehmen. Denn 
dert ist wol Nacht, aber die Nacht ist nicht als Person gegenwärtig. 
Eine Paraphrase Pindars kann also das Bild bei so wesentlichen Ver 
schiedenheiten in keiner Weise genaunt werden. Wir haben aber weiter 
zu untersuchen, ob dasjenige, worin es mit Pindaros übereinstimint, 
dem Wesen malerischer Darstellung widerspreche. Hier hat sich F. sei- 
nen Blick wieder dadurch getrübt, dasz er sein Urteil offenbar weniger 
durch innere Gründe als durch ein einzelnes erhaltenes Werk, das her- 
calsnische Gemälde (Millin G. m. 97, 430), bestimmen läszt. Was von 
diesem bel Ph. abweicht, soll darum sofort ein Tadel sein: mir scheint 
dens man diesen Satz geradezu umkehren kónnte, und dasz das hercula- 
| nische Bild durch eine Vergleichung mit dem Philostratischen, statt zu 
gewinnen, nur verlieren müsse. Der Gedanke den Iphikles auf dem Arme 
des Pädsgogen in die Darstellung aufzunehmen konnte allerdings “ ein 
hähsches und für das Bild fruchtbares Motiv? werden; allein in dem her- 
calanischen Gemälde ist es so ziemlich bei dem “Motiv? geblieben, indem 
die fast indifferente Gestalt des Pädagogen mit der übrigen Bewegung der 
Seene einen auffallenden und wenig angenehmen Contrast bildet. Eben 
se wemig vermag ich das von F. der Figur des Amphitryon gespendete 
Leb su teilen: “er hat noch nicht das Schwert entblöszt, er ist vielmehr 
im Begriff es zu thun: seine Hand liegt am Griff und ein Theil der Klinge 
it. bereits sichtbar. Vortrefflich; .. Das halb entblöszte Schwert zeigt 
den Ampbitryon als Einen, der nicht weisz, was thun? Leider nur zu 
sehr; halb sitzend und fast Lräge unschlüssig erinnert seine gauze Er- 
| sheinung nur zu sehr an die einigermaszen zweifelhafte Rolle, die er in 
der ganzen Geburtsgeschichte seines göttlichen Sohnes spielt. Bei Philo- 
siratos ist er schnell bei der Hand, hat das Schwert gezogen zur Abwehr; 
aber der Ausdruck des ersten Schreckens weicht schon der Freude. Nicht 
ι aus Unschlüssigkeit, sondern aus der Ueherzeugung, dasz seine Hülfe 
nicht mehr nöthig ist, hält er das schon gezückte Schwert zurück. End- 
lich der Knabe: im herculanischen Bilde ist er noch mitten im Kampfe 
begriffen: “Das ist der Moment, den der Künstler wählen muss; denn 
kein Moment ist günstiger, uns einen Begriff von der Kraft und eine 
Ahnung von der Zukunft des Knaben zu geben.” Das psychologische In- 
‚teresse am Kampfe ınag bei solcher Darstellung am besten seine Befrie- 


254 H. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


digung finden; aber es gibt noch eine andere und höhere Auffassung der 
ganzen Scene, die historische , ich nicht begnügt uns das mutige 
Kind vor Augen zu stellen, sondern die uns den zukünftigen Helden zei- 
gen will. Diese Auffassung liegt dem Philostratischen Bilde zugrunde, 
und sie rechtfertigt namentlich auch die Gegenwart des Teiresias, die F, 
für überflüssig hält. Wir begnügen uns au die Darstellungen des Todes 
des Archemoros zu erinnern: hier bot das Factum an sich dem Künstler 
hinreichende Motive zu künstlerischer Verarbeitung; aber seine tiefere 
Bedeutung hatte dasselbe gerade in seiner Verbindung mit der Zukunft, 
und darum bildet gerade in den bedeutendsten Archemorosbildern die 
Weissagung des Amphiaraos den eigentlichen Schwerpunkt der Darstel- 
lung (vgl. Overbeck Gall. IV 2. 3. XXVIIL 1). Durch diese Vergleichung 
aber widerlegt sich hinlänglich die Behauptung, dasz *für das Kunstwerk 
der ganze konkrete Inhalt der Weissagung , auf den es bei Pindar grade 
ankommt, hinwegfallU. 

Hiernach gliedert sich schlieszlich das Bild auch räumlich in ganz 
vortrefflicher Weise: im Mittelpunkte Herakles; zu beiden Seiten zunächst 
der Vater und die Mutter, in deren Haltung sich die Wirkung der That 
des Knaben am stärksten und unmittelbarsten abspiegelt; in mehr unter- 
geordneter Weise gruppieren sich um sie Männer und Frauen, dem Chor 
im Drama entsprechend, indem sie mehr rellectieren über die Begeben- 
heit als an der Handlung selbst teilnehmen. Teiresias , die Zukunft ver- 
kündend, erhält sodann seine Stelle auf der einen Seite des Vordergrun- 
des, weshalb schon räumlich ein Gegenbild nóthig wird; und wie bei 
Vater und Mutter das Geschlecht verschieden ist, so muste auch hier eine 
weibliche Figur passend erscheinen. Die Nacht füllt diese Stelle vortrelf- 
lich aus*) und trägt auszerdem nicht- wenig bei, die Bedeutsamkeit des 











6) Wir haben hier also ein strenges Entsprechen der Glieder zu bei- 
den Seiten des Centrums, nach ks Ausdruck die Periploke. Wenn 
nun F. im dritten Exeurs (S. 220) die äginetischen Bildwerke mit den 
Seulpturen des Parthenon vergleicht, um zu beweisen, dasz sich in den 
letzteren ein Fortschritt der Compositionsweise von der Periploke zur 
Emploke finde, so kann ich diese Uebertragung strophischer 
auf die bildende Kunst in keiner Weise zugeben. Denn was bei zeit- 
licher Aufeinanderfolge natürlich erscheint, das wird, wie ich schon 
(rhein. Mus. N. F. V S. 322) gegen Bergk bemerkte, bei einer 
tragung auf den Raum *gekünstelt und eben deshalb unkünstlerisch’, 
Einen Fortschritt in der Zeit des Pheidias erkenne ich gleichfalls an; 
doch liegt dieser darin, dasz sieh nicht mehr einzelne Figuren, 
ganze Gruppen entsprechen, So östlichen Giebel des 
jedesmal die zwei Frauen und di elügur zu einer Gruppe zusam- 
menzufassen. Diese Gruppen, rechts und links, entsprechen sich, wäh- 
rend innerhalb der Gruppe selbst die Gliederung wechselt. Eben so 
entsprechen sich am Fries ah sechs Gruppen sitzender Figuren im der 

I 








PN CEEER, 
einfachsten Weise: c. b. a &. b. c, und wenn I a und Ile durch eine 
Nebenfigur erweitert sind, so sind dafür diese Figuren mehr zusammen- 
gedrängt, die entsprechenden Gruppen II a und I c dagegen räumlich 
mehr gedehnt, wodurch die Differenz ausgeglichen wird. Die Richtig- 
keit dieser Auffassung bewährt sich namentlich am Fries der beiden 


gegen K. Friederichs vertheidigt. 255 


Moments zu erhöhen: denn indem ihre Gegenwart uns die Gefahren , mit 
denen die Laufbahn des Knaben schon in ihrem Beginne umgeben war, 
eindringlicher vor Augen stellt, empfinden wir um so stärker den Gegen- 
satz der Weissagung, nach welcher der Held zum höchsten Lichte ge- 
fübrt werden soll. So erscheint die That, die der Knabe unbewust 
wie im Spiel vollbringt, deren Bedeutung die Eltern nur ahnen, durch 
die Figuren des Teiresias und der Nacht in ihrem hellsten Glanze für die 
Zukunft. 

Die Erfindung dieses Bildes wird hiernach eines Künstlers wie Zeuxis 
sicht unwürdig erscheinen; und die Worte des Plinius (35, 63) über des- 
sen Werk: Hercules infans dracones strangulans matre coram pavente 
et 4mphitryone, welche des Teiresias nicht erwähnen, können bei der 
Kürze des Plinius nicht als Gegengrund gegen die Uebereinstimmung bei- 
der betrachtet werden: tritt doch auch bei Philostratos Teiresias in der 
Beschreibung gegen Vater und Mutter materiell zurück. 


Ein anderes Beispiel angeblicher Dichternachahmung bietet der ra- 
sende Herakles (II 23). ‘Das Bild gehört zu denjenigen, deren dichterische 
Grundlage sich bis in die einzelnen Züge hinein nachweisen läszt. Es ist 
aus dem rasenden Herkules des Euripides entlehnt. Dieser läszt zwei 
Kinder am Altar des Zeus im Hofraum des Hauses, als geopfert werden 
sollte, unter den Händen des Vaters fallen, mit dem dritten flüchtet sich 
die Matter in ein Gemach, das sie verschlieszt, das aber von Herkules 
erbrochen wird. Der Moment vor dem Einbruch war auf dem philostra- 
tischen Bild dargestellt.’ (S. 127) Die angeführten Züge bilden den all- 
gemeinen Inhalt des Mythos, meinetwegen speciell des Euripideischen 
Mythos, dem zu folgen dem Künstler niemand verwehren durfte. Es fragt 
sich also nur, ob der Maler sich auch in der Ausführung ‘bis in die ein- 
zeinen Züge hinein? sklavisch an den Dichter band; und hier musz die 
Antwort entschieden verneinend lauten. Bei Euripides trifft Herakles den 
einen Sohn mit dem Pfeil in die Leber (979); der andere fällt vor dem 
Vater aufs Knie und erhält einen Schlag auf den Kopf, so dasz der Schädel 
zerschmettert wird (992); bei Philostratos ist der eine vom Pfeil in die 
Kehle, der andere in die Brust getroffen. Bei Euripides: fog δὲ μήτηρ.. 
Bog δὲ πρέσβυς οἰκετῶν τ᾽ ὕχλος (975); bei Philostratos beruht die 
ganze Composition darauf, dasz die Diener dem Herakles nicht blosz zu- 
rufen, sondern in die Arme fallen und ihn mit Gewalt zurückzuhalten 
suchen, wovon bei Euripides kein Wort steht. Die ganze Auffassung 
ist also durchaus selbständig. Noch mehr: bei Euripides (822 ff.) wird 
Lyssa eingeführt, die auf Geheisz der Hera den Wahnsinn in Herakles 
bewirkt; bei Philostratos heiszt es: τὴν Egivvv , ἢ ταῦτα ἴσχυσεν, ἐπὶ 
μὲν σκηνῆς εἶδες πολλάκις, ἐνταῦϑα δὲ ovx ἂν ἴδοις. ἐς αὐτὸν yaQ 
ἐσῳκίσατο τὸν 'Hoaxijv .. Warum wich hierin der Rhetor vom Dich- 
ter ab, gerade hier, wo er nach F.s Behauptung uicht einmal abweichen 


Längenseiten: denn obwol dieselben gar nicht gleichzeitig gesehen wer- 
den konnten, so ist doch die Gliederung des Zuges in Gruppen und 
gröszore Massen auf beiden Seiten ganz parallel durchgeführt. 


256 H. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


durfte? F. stellt nemlich bei dieser Gelegenheit wieder eine jener allge- 
meinen Theorien auf, die, an sich falsch, auch thatsächlich durch die 
Betrachtung der Monumente widerlegt werden: “Ein Vater. oder 'eine 
Mutter [Medeia], die das Schwert gegen ihr eignes Kind schwingt, ist 
allein dargestellt immer ein. Gegenstand des Abscheus; sie erregt aber 
sogleich unser Mitleid, sobald der Künstler das ‚schreckliche Beginnen 
von einem Dämon gewirkt, also nicht aus ihrer eignen Seele stummend 
darstellt? *Wir erblicken [auf Vasen] neben der Medea, die das Schwert 
schwingt gegen ihr Kind, neben Lykurgus, der Weib ‚und Rind in der 
Raserei mordet, neben Tereus, der das Schändlichste verüben will, eben- 
so wie bei dem Muttermörder Orestes-dämonische Gestalten, unter deren 
Macht die betreffenden Figuren gestellt sind? Allerdings, und sogar nicht 
selten, aber immer? leh könnte bier als das berühmteste Beispiel die 
Medeia des Timomachos citieren, trotz der Behauptung F.s, dasz "ihi 
kein solcher Dämon zur Seite gestellt werden konnte, denn diese Medea 
schwankt noch, sie ist noch nicht der dunklen Macht verfallen, die keine 
Liebe kennt.” Gerade hier, könnte man sagen, wäre ein Dàmon erst recht 
an seiner Stelle gewesen, um den Kampf zwischen.den mütterlichen Ge- 
fühlen und den dämonischen Gedanken, die auf sie einstürmen , zu eha- 
rakterisieren. Aber beschränken wir uns auch auf die eigentlichen Mord- 
scenen , so fehlen die Dämonen z. B. in den schon oben erwähnten beiden 
Medeiadarstellungen (R. Rochette Peint. de Pompéi p. 977. Cat. Campana 
XII 32) und bei Lykurgos (Mus. borb. XIII 29); in dem Relief bei Weleker 
(a. D. 11 3, 8) aber sieht F. ín Ermangelung des Dämons sich genöthigt, 
die Erklärung für das rasende Beginnen des Lykurgos in den Bakchanten 
und Bakchantinnen zu suchen, welche ihn umgeben. Aber wenn sich 
die Dämonen aueh regelmäszig auf Vasen und selbst auf Reliefs fanden, 
so gestatten selbst *die Aehnlichkeiten, die sich zwischen den Vasen und. 
dem uns näher bekannten Polyguot herausgestellt haben’, noch keines- 
wegs einen Schlusz auf die uns nicht erhaltenen Meisterwerke der grie- 
chischen Kunst. Deni der Kunst des Polygnotos wie der Vasenmalerei 
fehlten noch die Mittel zur Darchbildung des physiognomischen Ausdrucks 
und namentlich der complicierten und wechselnden Gemütsaffeete, und 
ihr muste daher das durch die Bühne vorgebildete Auskunftsmittel, diese 
Affecte als von auszen bewirkt darzustellen, durchaus willkommen sein. 
Die ausgebildete und schon nach dem höchsten Effect strebende Malerei 
hätte dagegen durch fortgesetzte Befolgung desselben Systems sich gerade 
die passendsten Gelegenheiten zur Darstellung des höchsten Pathos selbst 
entzogen: sie durfte also nicht blosz, sie muste sogar den Wahnsinn in 
den Menschen hinein verlegen und von innen heraus wirken lassen. 6e- 
rade dadurch aber werden die vom Wahnsinn beherschten Gestalten erst 
recht “mitleidenswerth”. Denn ohne dasz es uns der Mythos durch einen 
hesondern Dämon zu sagen braucht, sieht unser Auge unmittelbar, dasz 
im Innern des Menschen ein Dämon wirkt, der ihn bei seinem schreck- 
lichen Beginnen unzurechnungsfähig macht, Was die Malerei in dieser 
Beziehung zu erreichen vermochte, das zeigt uns gerade der Herakles in 
dem vorliegenden Bilde.. Denn er reiszt den Rhetor zu einer wirklich 








gegen K. Friederichs vertheidigt. 257 


glänzenden Schilderung hin, in der in auffallender Weise das rhetorische 
Pathos zurücktritt, um uns die kórperlichen Symptome des Wahnsinns 
in scharf ausgeprägten, wahrhaft plastischeu Formen mit erschütternder 
Wahrheit vor Augen zu stellen. Eine Lyssa oder ein Oistros neben die- 
sem Herakles könnte nur fade und störend erscheinen. 

Diese Ausführung rechtfertigt das Bild aber auch gegen den weitern 
Vorwurf F.s, dasz der Rhetor in Betreff der Mutter und des noch leben- 
den Kindes dem Dichter “komisch gedankenlos? nachgeschrieben habe. 
“ist nämlich die Mutter mit dem Kinde in einem geschlossenen Thalamos, 
so ist sie ja nicht sichtbar, der rasende Herkules scheint also gegen eine 
Thür zu rasen und wird uns unverständlich.” Wird der Beschauer, der 
zwei Kinder bereits gemordet daliégen und den Hlerakles gegen eine ge 
schlossene Thür rasen sieht, nicht hinter derselben den Rest der Familie 
voraussetzen müssen? Und wie sollte diese sonst im Bilde dargestellt 
sein? Etwa fliehend? Dann wäre ja für die Phantasie des Beschauers 
noch ein Entrinnen denkbar. Oder auch sie bereits von der tödtlichen 
Waffe getroffen? Dann dürfte uns F. leicht wieder an die Mordgeschich- 
ten auf Jahrmärkten erinnern. Sehen wir dagegen den rasenden gegen 
die Thür eines verschlossenen Gemaches stürmen, so verbindet sich damit 
die Vorstellung, dasz, sobald es ihm gelingt das Zimmer zu erbrechen, 
der Untergang der darin versteckten unvermeidlich ist. So ist also der 
dargestellte Moment für die Phantasie des Beschauers der furchtbarste; 
das Bild selbst aber gewinnt an Einheit, der Blick wird nicht durch die 
fliehenden oder die zu grosze Zahl von gemordeten zerstreut, sondern 
concentriert 'sich auf Herakles und die vergeblichen Anstrengungen seiner 
Umgebung , die ihn von weiterem Morden zurückzuhalten sucht. 


Falsche Dichternachahmung will F. ferner im Bilde der Hesione 
(fum. 13) erkennen. Er findet es sehr merkwürdig, dasz bei Philostratos 
die Figur des Telamon fehle. Auf allen Monumenten, die nicht durch 
eine effenbare Raumnoth auf Abkürzung angewiesen seien, erscheine er 
neben Herakles, und zwar geschehe dies gegen die schriftliclie Ueber- 
lieferung, welche die Hesione nicht nach ihrer Befreiung , sondern erst 
nach der Besiegung des Laomedon dem Telamon übergeben lasse, wäh- 
rend die Kunstwerke beide Momente vereinigen. So ‘sieht man sich zu 
der Annahme veranlaszt, wie anderswo, so habe Ph. auch hier die über- 
lieferte Erzählung nachgeschrieben. Diese Annahme ist um so berech- 
tigter, als bekanntlich die Darstellungen eines und desselben Gegenstandes 
in der griechischen Kunst immer eine merkwürdige Aehnlichkeit in den 
wesentlichen Momenteu zeigen.' (S. 48) Zur weitern Begründung wird 
in einer Anmerkung hinzugefügt: ‘Die Verschiedenheit zwischen Kunst 
und Dichtung, wie sie in diesem Mythus sich herausstellte, findet sich 
ganz ähnlich in dem Mythus von Kadmus und Harmonia. Nur die Kunst- 
werke setzen den Drachenkampf und die Hochzeit in ursächliche Verbin- 
dung, nicht die Schriftsteller. Vgl. Welcker A. D. III p. 386.’ Ich finde 
bei Welcker nicht “die Kunstwerke’, sondern ein einziges, bei dem dies 
der Fall ist, nemlich die von Welcker und von Gerhard (etr. u. kamp. 

Jahrb. f. class. Philol. Suppl. Bd. IV. Hft. 2. 17 


258 H. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


Vas. T. C) publicierte Vase; in den übrigen Bildern des Kampfes. ist die- 
ser ohne Beziehung auf die Hochzeit dargestellt. So muste es aber auch 
dem Künstler freistehen, bei der Befreiung der Hesione auf Telamon keine 
Rücksicht zu nehmen, und wir würden ihm das Recht dazu auch dann 
noch zuerkennen, wenu eine weit gröszere Zahl vou Kunstwerken, als 
die wenigen uns erhaltenen, diesen Helden dabei beteiligt zeigten. 


An dem Bilde des Polyphemos (Π 18) wird auszer der Gestalt des 
Kyklopen noch getadelt, dasz der Rhetor ihm. die Syrinx gegeben habe, 
während er auf den erhaltenen Denkmälern mit der Leier erscheine, 
Auch hier folge Ph. wieder den Dichtern, Ovidius oder einem andern 
(S. 31). Jahn (arch. Beitr. S. 416 (T); auf welchen F. verweist, citiert 
zwei Beispiele der Lei ine sehr geringe Zahl, die um so weniger den 

ὁ Beweis liefert, dasz die alten Künstler in diesem Attribut strenge Conse- 
quenz bewahren musten, als die Leier anderwärts fehlt. Auszerdem ist sie 
als Attribut zwar gut gewählt, aber nur unter einer bestimmten Voraus- 
setzung: sie beruht auf humoristischer Auffassung des Polyphemos. 
An sich nemlich widerspricht sie, wenn auch ‘roh gefertigt, wie es sich. 
schickt für den wilden Bergbewohner?, doch gerade in ihrer Uebertra- 
gung dem besondern Charakter desselben; und streng genommen schickt 
sich für ihn nur die Syrinx: sie ist das eigentliche Instrument der Hirten, 
und Gesang abwechselnd mit dem Spiel der Syrinx ist für sie weit cha- 
rakteristischer als Gesang zur Leier. 

Wir müssen aber auch die Erscheinung der Galateia noch näher ins 
Auge fassen. Ihr Wagen wird von vier Delphinen gezogen, die von weib- 
lichen Tritonen geleitet werden. *Die erhaltenen Monumente zeigen Ga- 
latea sitzend auf dem Rücken eines Delphins, so wie Nereiden gewöhnlich 
dargestellt werden. Wie viel anmulhiger ist sie in dieser einfachen Er- 
scheinung, als in dem pomphaften Aufzug , den uns der Rhetor schildert! 
Wenn der Herrscher des Meers seine Braut einholt, da mag's lebendig 
werden auf den Fluthen, da mögen Nereiden und Tritonen herauftauehen 
und das Paar geleiten, aber was soll solcher Pomp der einfachen Neveide 
Galatea?" Von erhaltenen Monumenten findet sich bei Jahn nur eins er- 
wähnt: das pompejanische Gemälde bei Zahn II 30, wozu später noch ein 
zweites (Zahn ΠῚ 48) gekommen ist. Auf letzteren sind der Galateia zwei 
Delphine gegeben, auf dem erstern aber ist sie von einem Eros mit 
Sonnenschirm und auszerdem von einem Triton mit Muscheltrompete be- 
gleitet, also doch nicht so ganz einfach in ihrer Erscheinung. : Auszerdem 
aber kann uns die Note bei Jahn (S. 411, 2) belehren, dasz sie in Sicilien 
einen der Sage nach von Polyphemos ihr geweihten Tempel, also einen 
besondern Cultus und dadurch eine über die Masse der Nereiden hervor- 
ragende Stellung hatte. "Dadurch ist nicht nur ihre glänzendere Erschei- 
nung im Bilde gerechtfertigt, sonderu wir dürfen auch annehmen, dasz 
das von Ph. beschriebene Gemälde sich enger an die in Sicilien ausgebil- 
dete Sage anschlosz, während in den erhaltenen Werken die hiervon un- 
abhängigen, mehr allgemein ansprechenden humoristischen Züge in spie- 
lender Weise hervorgehoben werden. 











gegen K. Friederichs vertheidigt. 959 


Der Maler des schiffbrüchigen Aias (II 13) folgte der Homerischen 
Erzählung des Mythos. Poseidon richtet den Dreizack nicht gegen den 
Frevler selbst, sondern gegen den Felsen. Dieser Moment soll nach F. 
(S. 197) gar nicht künstlerisch darstellbar sein. *Man denke sich das 
gemalt und wir werden verwundert fragen, warum die Hand des Gottes 
nicht den Frevler selbst treffe. Was in der homerischen Erzählung schön 
und bedeutsam ist, das ist gemalt lächerlich. Ilier kann sich der Zorn 
des Gottes nur unmittelbar gegen den Frevler selbst wenden, denn so 
äuszert sich eben der Zorn. Dann ist auch der Untergang des Ajax ge- 
wis, während er im andern Fall noch die Möglichkeit hat zu entkommen. 
Und alle sinnliche Deutlichkeit würde das Bild verlieren, es hedürfte eines 
Schlusses , um seinen Sinn zu begreifen.” Ganz richtig; es gibt ja *in 
griechischen Bildern Vieles, was nicht durch unmittelbare Anschauung, 
sondern erst durch einen Verstandesschlusz verständlich ist? (S. 179); 
und ich denke, darin liegt eben ihr Verdienst, dasz sie nicht platt die 
Alltäglichkelt copieren, sondern die Phantasie des Beschauers anregen. 
Aias ist für den Augenhlick durch deu Beistand des Poseidon trotz des 
Zornes der Athene gerettet. Auf den Fels vertrauend, auf dem er steht, 
brüstel er sich, dasz er auch ohne den Beistand der Götter dem Tode 
entgehen werde. Da erscheint Poseidon und zerschmettert nicht Aias, 
sondern den Fels. Versuche jetzt, sagt er damit, deine Prahlerei walir 
zu machen! Ein Entrinnen ist nun nicht mehr möglich, denn, so er- 
gänzt unsere Phantasie, wo sich wieder ein Fels zur Rettung darbóte, 
da wäre auch Poseidon wieder bei der Hand ihn umzustürzen. Sein 
Untergang erscheint jetzt nur um so gerechtfertigler und um so tragi-" 
scher, da er sogar in der besondern Form, in welcher er ihn ereilt, 
von ihm selbst verschuldet ist; das Walten der Gottheit tritt uns um so 

iger entgegen, je maszvoller es ist: nicht Zorn und Rache spricht 

sich im dem llandein des Poseidon aus, sondern nur gerechte Vergeltung. 
Schwerlich konnte der Moment fruchtbarer gewählt sein, und zwar nicht 
blosz für die Phantasie, sondern auch für die künstlerische Darstellung, 
die ans hier den Aias noch ganz in seinem frevelnden Hochmut und doch 
ich die ihn sicher ereilende Strafe zeigen konnte. Schwerlich bot 

die andere Erzählung, nach welcher Athene den Aias mit dem Blitzstral 
tódtet, dem Künstler so reiche und passende Motive. Denn auch nach 
dieser Version musz ja doch wol zuerst das Schiff getroffen werden: da- 
bei aber könnte sich kaum das Interesse auf die eine Person des Aias 
comcentrieren. Oder das Schiff zerschellt an den Klippen und der Blitz 
trifft den auf den Felsen geflüchteten. Dann aber verliert seine Prahlerei 
ihre Bedeutung; denn die Götlin zürnt ja dem Ilelden schon längst wegen 
ganz anderer Frevel. — Diese Betrachtungen kónnen mich nur in der von 
Welcker aufgestellten und von mir (Gesch. d. gr. K. 1I 73) mit einiger 
Zurückhaitung geteilten Annahme bestärken, dasz der Aiar fulmine in- 
census des Malers Apollodoros im wesentlichen mit dem Philostratischen 
Bilde übereinstimme. Nicht einmal an dem Ausdruck des Plinius möchte 
ich jetzt noch wie früher Anstosz nehmen. Denn wenn er mir etwas zu 
knspp und gesucht zur Bezeichnung der bei Ph. geschilderten Scene er- 

17 * 


260 H. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


schien, so ist das fulmine incensus für den vom Blitze getröffenen 
Aias gewis nicht minder gesucht. Lesen wir aber bei Ph.: βέβληται τὴν 
ἑαυτοῦ ναῦν, so liegt die Vermutung nahe, dasz des Plinius Ausdruck 
auf eine ähnliche griechische Bezeichnung , etwa Alag κεραυνωθεὶς τὴν 
ἑαυτοῦ ναῦν, zurückzuführen sei, gerade so wie wir oben eine ähnliche 
Verkürzung des Ausdrucks bei dem Z/ippolytus (auro emisso expavescens 
annahmen. 


In anderen Fällen soll dagegen der Rhetor wesentliche Züge in den 
darzustellenden Mythen übergehen: so im Bilde des Skumandros (1 1). 
“In allem Einzelnen folgt der Rhetor dem Homer .. Nur das Wesentliche 
läszt er weg und liefert so ein corruptes, unverständliches Bild. Achill 
nämlich fehlt, um dessentwillen dieser ganze Vorgang sich ereignete.” 
(S.83) Aber Achilleus fehlt auch bei Homer von dem Momente an, wo 
der Kampf des Hephästos mit dem Fluszgotte beginnt. Und welche Figur 
sollte er wol in dem Bilde spielen? Etwa zurückweichen? Gewis nicht. 
Oder in dem ausgetrockneten Fluszbette stehen? Aber in welcher Hand- 
lung? Die Scene ist an sich deutlich genug, und Achilleus wäre über- 
flüssig und sogar störend, 


Aehuliche und noch andere Vorwürfe macht F. (S. 54) dem Bilde, 
welches die Klage des Achilleus über den Tod des Antilochos darstellt 
(II 7): *Was ist das für ein unhomerischer, weichherziger Achill, der auf 
dem Bilde trauert, statt nach Rache zu schreien! Warum benimmt er 
“sich nicht so, wie der Achill der Vasenbilder, der über dem todten 
Freunde den Speer schleudert gegen Memnon, der nicht vor, sondern 
nach der Rache trauert. [Das letztere. war, beillufig bemerkt, schon 
deshalb nicht möglich, weil Achilleus nach vollzogener Rache sofort selbst 
den Tod findet.] Und andrerseits jener Memnon . . . warum ist er so mit- 
leidig und unverständig zugleich und steht jetzt still in seinem Sieg? . . 
Was ist es überhaupt für ein Einfall, dasz ein Heer im Angesicht. des 
Feindes ruhig dasteht um eineu gefallenen Helden!.. Aber es wird noch 
ärger. Den Nestor, den Vater, für welchen Antilochus gefallen, vermissen 
wir auf dem Bilde. Wenn ein Küustler zwei Momente, wie den Tod des 
Antilochos und die Rache des Achilleus, zu éiner Darstellung verbindet, 
sind dadurch alle anderen gezwungen ihm darin zu folgen? Aber der 
Kampf über Antilochos Leiche findet sich auszerdem nur auf einer Classe 
von Vasen, denen mit schwarzen Figuren, die in den Mitteln der Dar- 
stellung noch sehr beschränkt sind. Was sie an rein künstlerischen Mo- 
tiven weniger zu geben vermögen, suchen sie durch mythologische zu 
ergänzen und benutzen also hier den Leichnam des Antilochos, um den 
Kampf näher zu charakterisieren. Die späteren Vasen (wie auch die Alte- 
sten bräunlichen) lassen den Antilochos weg und heben dafür die Seelen- 
wägung oder die Teilnahme der Mutter ausschlieszlicher als dort hervor. 
Sie haben also weniger den Anlasz als die Folgen des Kampfes im Auge. 
Denken wir uns nun in einem malerisch durchgeführten Gemälde den 

+ Kampf über Antilochos Leiche dargestellt, so haben wir eine Kampfscene 


gegen K. Friederichs vertheidigt. 261 


wie viele andere, in der das psychologische Interesse an dem speciellen 
Charakter und dem Verhältnis der Hauptpersonen ganz in den Hinter- 
grund tritt, während der hauptsächlich von Arktinos entwickelte Mythos 
in dieser Beziehung weit fruchtbarere Motive darbot (vgl. Welcker ep. 
Cyclus H S. 173 ff). Antilochos fällt und der Leichnam wird gerettet: 
das musz der Rache vorhergehen. Die Griechen sind zwar zurückge- 
drängt, finden aber zunächst Schutz hinter ihren Verschanzungen, die 
den Memnon zu einem augenblicklichen Stillstand zwingen. Achilleus 
hat sich bisher von dem für ihn verhängnisvollen Kampfe fern gehalten. 
Da wird der Leichnam des getödtelen Freundes, des besten nächst Patro- 
klos, gebracht. Durchaus menschlich folgt ein Moment der Trauer. Aber 
je tiefer sich der Schmerz des Achilleus ausdrückt und je drohender die 
Haltung des Memnon erscheint, um so sicherer kann der Beschauer auf 
die Zukunft, auf den Vernichtungskampf zwischen Achilleus und Memnon 
schlieszen : plus intellegitur quam pingitur. Fassen wir den Moment in 
dieser Weise, so ist die Abwesenheit des Nestor nicht nur erklärt, son- 
dern gerechtfertigt. Das Thema ist: Trauer des Freundes und Gelóbnis 
der Rache. Durch die Gegenwart des Vaters würde das Ganze zu einer 
gewöhnlichen Todtenklage, und unsere Teilnahme müste sich noch mehr 
dem verlassenen Greise als dem rühmlich gefallenen zuwenden. Ja der 
mit dem Mythos vertraute vermag sogar aus der Abwesenheit des Nestor 
einen Schlusz auf die Tiefe seines Schmerzes zu ziehen. Antilochos ist 
gefallen, die Leiche gerettet. Da kann der Freund mit anderen Freun- 
den klagen und Rache verheiszen. Dem alten Vater aber vermag sol- 
ches Klagen keinen Trost zu gewähren: er ist durch den Tod verein- 
samt, und in einsamer Zurückgezogenheit gibt er sich darum auch der 
Trauer hin. 


*Und yvas hat der Rhetor (lI 10) begriffen von der wunderbarsten 
aller dichterischen Schópfungen, von der Kassandra des Aeschylus! Nur 
die Worte sind aus dem Dichter zusammengeschrieben. Das Mädchen ist 
im Begriff, sich über Agamemnon zu stürzen. Was soll das heiszen?. 
was kann das im Bilde anders heiszen, als dasz sie ihn geliebt hat? Und 
die Klytämnestra musz demnach als durch Eifersucht zu ihrer That ver- 
anlaszt erscheinen, sie, welche der Dichter blutig grosz hinstellt als 
Bächerin der gelödteten Iphigenia, ja als Vollstreckerin des Rachegeistes, 
der im Hause der Atriden waltet!? (S. 76) Das Bild des Aias wurde von 
F. verurteilt, weil es eines Schlusses bedürfe, um seinen Sinn zu be- 
greifen; hier dagegen erlaubt sich F. einen Schlusz, der nicht nur über 
die Schilderung des Rhetors hinausgeht, sondern mit ihr sogar in Wider- 
spruch steht. Denn diese gestattet auch nicht im entferntesten an ein 
Liebesverhältnis zu denken. Von der Gottheit erfüllt ist Kassandra darge- 
stellt (ἐνθέως ἔχουσα) und sie stürzt sich über Agamemnon ῥιπτοῦσα ἀφ᾽ 
αὑτῆς τὰ στέμματα καὶ olov περιβάλλουσα τῇ τέχνῃ αὐτόν. Wer denkt 
hier an Liebe, und nicht vielmehr an die Seherin, die alles Unheil schon 
vorher gekannt, die das Schicksal anklagt, dasz es sie nur hergeführt, 
um mit Agamemnon zu sterben? 


262 1I. Brunn : die Philostratischen Gemälde 


ποῖ δὴ μὲ δεῦρο τὴν τάλαιναν ἤγαγεν; 

οὐδέν ποτ᾽ & μὴ ξυνϑανουμένην. τί γάρ; (1139) 
So klagt sie vor der Katastrophe; aber ‘die Schilderung eines solchen 
Unglücks findet ihre dichterische Auflösung nur in starrer Ergebung, in 
entschlossenem Umfassen des Unvermeidlichen?, sagt W. v. Humboldt. in 
seiner Einleitung zur Uebersetzung des Agamemnon , auf die uns F. ver- 
weist. Nun, diese starre Ergebung zeigt sich gerade darin, dasz Kassandra, 
unfreiwillig an Agamemnon gekettet, doch im Momente der Erfüllung das 
Verhängnis mit ihm teilen will, dasz sie sich nicht einmal weigert, den 
nichtigen Vorwand der Klytämnestra zur Ermordung des Agamemnon 
scheinbar zu rechtfertigen: 

ἐπεύχεται. ϑήγουσα φωτὶ φάσγανον 

ἐμῆς ἀγωγῆς ἀντιτίσασϑαι φόνον. (1263). 
Für Klytimnestra. aber darf die Eifersucht recht wol, wie Humboldt sagt, 
“ein hinzukommender Grund? zur Ermordung sein, und er ist es hei 
Aeschylos (V. 1440 fL). Aber davon, dasz Kassandra den Agamemnon 
geliebt, ist im Bilde nichts zu sehen, 

Kaum eine Widerlegung verdient die Bemerkung, dasz wegen der 

im Bilde dargestellten ermordeten Genossen des Agamemnon nun auch 
Aegisthos "mit der nöthigen Mannschaft? zugegen ‚sein müsse, durch 
welche dieses Blutbad veranstaltet sei. Die Ermordung der Genossen ist 
vollbracht; zwei leben allerdings noch, aber der eine liegt im Sterben, 
der andere bat nicht Kraft zum Fliehen : wozu also sollen die Mörder 
noch gegenwärtig sein? Für die Hauptgruppe aber ist es wesentlich, dasz 
Klytännestra allein das, entsetzlichste vollbringt, Die vorangega 


Scene sich auszumalen, konnte der Maler getrust der Phantasie des-Be- 
schauers überlassen. 


“Sodann bezweifle ich, ob je ein griechischer Maler die Gestalt der 
sophokleischen Antigone so entstellt hätte, dasz er sie [wie Ph. II 20] 
bei Nacht ihre That [die Bestattung des Bruders] ausführen. liesz. Was 
versteht so ein Rhetor von sophokleischer Poesie, setzt er doch nach 
hinzu, das Mädchen unterdrücke ihre Klagen um den Bruder wol aus 
Furcht vor den Ohren der Wächter!? (S. 88) Wahrhaft naiv erscheint 
die hierzu gehörige Note: *Der Zug ist übrigens nicht dem Rhetor eigen, 
er kommt bei Hygin Fab. 72 vor, welcher wahrscheinlich den Inhalt der 
euripideischen Antigone erzällt, Vgl. Welcker griech, Trag. Il p. 367 > 
Wäre es denn nun ein so groszes Verbrechen, wenn einmal ein Künstler, 
anstatt aus Sophokles, aus Euripides geschöpft hätte? Aber betrachten 
wir nur den Mythos ganz für sich allein: die Beerdigung des Poly- 
neikes ist bei Todesstrafe verboten; Antigone also, indem sie trotzdem 
ihre Pflicht an dem Todten zu erfüllen unternimmt, kennt das Schick- 
sal, das ihr im Falle der Entdeckung bevorsteht. Musz sie aber darum 
den Tod suchen? darf sie keine Vorsicht anwenden, um unentdeekt zu 
bleiben? Sie darf ihn vielmehr gar nicht suchen vor der Erfüllung ihrer 
Pficht, vor der Bestattung; denn Unvorsichtigkeit würde den ganzen 
Zweck ihres Wagnisses vereiteln. Je grüszer also die Gefahr der Eut- 


gegen K. Friederichs vertheidigt. 263 


deckung vor der That, um so gröszer musz ihre Vorsicht sein. Die 
Aufgabe des Künstlers aber ist duch, die Grösze der That nach ihrem 
Verdienste zur Auschauung zu bringen: und das geschieht, indem uns 
das Dunkel der Nacht mit Bestinmtheit daran erinnert, dasz Antigone 
heimlich und gegen den Befehl eines gewaltigen llerschers ihre That 
vollbringt. — Indessen wollen wir uns doch auch die Antigone des So- 
phokles etwas genauer ansehen. Nach der Anlage seines Stückes konnte 
zwischen dem Beginn desselben und der That der Antigone die Nacht 
nicht eintreten. Wie es der Antigone gelingt sieh dem Leichnam zu 
nahen, geht aus der ersten Meldung des Boten nicht hervor: der Dichter 
scheint ein absichtliches Dunkel über den Vorgang zu breiten. Der Leich- 
nam wird wieder von der Erde gereinigt und die Wächter beginnen von 
neuem ihren Dienst: es ist Mittagszeit und die Sonne brennt heisz, also 
eine Zeit, in der niemand ohne Noth das Haus verläszt. Da erhebt sich 
plötzlich ein Wirbelwind und treibt gewaltige Staubwolken empor, so 
dasz die Wächter unfähig sind ihre Umgebung zu beobachten. Erst nach- 
her, als sich der Sturm gelegt, erblicken sie Antigone mit der Bestattung 
beschäftigt. Also auch Suphokles empfand die Nöthigung, die Thatsache, 
dasz Antigone nicht vor der Bestattung entdeckt und von den Wächtern 
gefangen wird, durch besondere elementare Erscheinungen wahrschein- 
lich zu machen und zu begründen. Der Rhetor aber, oder richtiger der 
Maler zeigt, dasz er Sopliokleische Poesie recht wol verstand: denn er 
erkannte richtig das Motiv des Dichters; doch als ein wahrer Künstler 
beschränkte er sich, dieses Motiv zwar aufzunehmen, aber es nicht 
mit den Mitteln des Dichters, sondern mit seiner eignen Kunst durch- 


zuführen. 


Weniger um die Nachahmung der Dichter als um die eigentlich 
künstlerische Motivierung handelt es sich bei folgenden Bildern. 

Im Bilde der Ariadne ([ 15) blickt Theseus auf dem Schilfe nicht 
mach Ariadne zurück, sondern hat den Lauf des Schiffes nach der Heimat 
im Auge: *ein Zug, den kein Künstler, wenigstens kein denkender, kein 
griechischer Künstler sich erlaybt hätte. Wie kann Theseus ohne innern 
Kampf eine Ariadne verlassen! .. der Künstler hätte ihn wenigstens zu- 
rückblicken lassen sollen nach dem Mädchen .. So wie es hier verlangt 
wird, verfahren die erhaltenen Denkmaler, welche den Abschied des 
Theseus darstellen .. Der Mythus freilich läszt kurz den Einen gehen 
und den Andern kommen; eben diesem schrieb der Rhetor nach.* (S. 195) 
. Zuerst bemerke ich, dasz es ein sehr wesentlicher Unterschied ist, ob 
Theseus eben das Schiff besteigl, oder ob er auf demselben schon eine 
Strecke vom Ufer entfernt dargestellt ist. Sodann aber ist es mehr als 
fraglich, ob das Zurückblicken im erstern Moment so bestimmt auf einen 
Innern Kampf zu beziehen ist. Ariadne schlift; Theseus entfernt sich 
heimlich; er musz fürchten sie aufzuwecken, und dies ist der Grund 
weshalb er im Moment der Flucht sich vorsichtig umblickt; ist er 
aber erst im Schiffe, so musz sich nothwendig seine Aufmerksamkeit 
darauf richten, dasz der Lauf desselben beschleunigt werde. Die Motivie- 


264 TI. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


rung im Bilde ist also die wirklich naturgemäsze, und wir müssen dem 
Küustler vielmehr Dank wissen, dasz er uns mit einem sentimentalen 
Theseus verschont hat. — Doch das Bild soll auch in allen anderen Mo- 
tiven verfehlt sein: “Dionysos ist berauscht von Liebe, aber sein Gefolge 
— Eros ist nicht da, denn der Mythus ineldete nichts von ihm — hält 
inne mit Cymbeln und Flöten, selbst Pan ist ruhig, um nicht den Schlaf 
des Mädchens zu stören. Ὁ über den stumpfsinnigen Rhetor, der so 
schreiben mochte! Man sehe die erhaltenen Monumente. Das wäre ein 
rechter Pan, dem nicht lichterloh die Begierde ausschlüge beim Anblick 
eines schlafenden noch dazu halb nackten Mädchens! Sv ist es, Pan und 
Satyrn können sich nicht halten vor Begierde, so wie es ihrer Natur au- 
gemessen ist, Dionysos aber pflegt zoudernd dargestellt zu werden . . . 
Der Rhetor aber, was weisz er davon, was einem Golt geziemt; er kehrt 
die Sache gerade um; bei ihm ist Dionysos trunken vor Liebe, sein Ge- 
folge aber, obwohl Wesen gemeinerer Natur, steht sill, um nicht den 
Schlaf des Mädchens zu stören.” Zuvörderst erlaube ich mir hinsichtlich 
des vermiszten Eros F. auf das hinzuweisen , was er selbst S. 242 sagt: 
*Die Darstellungen des Eros als Knabe schlieszen sich der tändelnden 
Poesie der Bukoliker an und es ist wol nicht zu gewagt, wenn man nach 
dem durchgreifenden Abhängigkeitsverhältnis der bildenden Kunst von der 
Poesie in dem Datum jener Bukoliker einen terminus post quem für diese 
Kunstvorstellungen annimmt.” Wenn auch dieser Satz schwerlich richtig. 
ist, so ist doch so viel klar, dasz F. den Eros, wie er in dem pompejani- 
schen Wandgemälde erscheint , nieht in einem Werke fordern durfte, das 
seiner Erfindung nach älter als die Bukoliker sein kann. Wenn es ferner 
heiszt: οὐδὲ κυμβάλοις αἱ Βάκχαι χρῶνται νῦν, οὐδὲ of Σάτυροι 4 av- 
λοῦσιν, ἀλλὰ καὶ ὁ Πὰν κατέχει τὸ σκίρτημα, so ist damit keineswegs 
gesagt, dasz sich in diesem Gefolge nicht *drángende Begier? ausspreche ; 
der Lärm und das Springen wäre dabei höchst überflüssig: im Gegenteil, 
je gröszer die Begier, um so gröszer wird beim Anblick des schlafenden 
halbnackten Mädchens die Stille sein: denn die erwachende würde ja ihre 
Reize den zudringlichen Gesellen sofort entziehen. Der Gott selbst end- 
lich ist trunken von Liebe: μεθύων ἔρωτι, φησὶ περὶ τῶν ἀκρατῶς 
ἐρώντων ὃ Τήιος. In künstlerischer Darstellung , wie im Leben, setzt 
selbst der Weinrausch keineswegs immer ein tolles Gebahren voraus: 
die einen, wie wir nachher sehen werden, versenkt er in tiefen Schlaf, 
alte Zecher, wie die Silene, läszt er weise Reden führen, die jungen be- 
seligt er: Dionysos aber, so toll sich seine Umgebung geberden möge, 
gehört immer zu den mehr sentimentalen Schwürmern; und nuu gar, 
wenn er nicht von Wein, sondern von Liebe trunken ist, soll er da 
rasen? *Dionysos steht wie von Erstaunen gefesselt still ... und sieht 
entzückt auf die Schlafende’ : so beschreibt Jahn (arch. Beitr. S. 290) den 
Gott auf einem pompejanischen Bilde (R. Rochette Peint. de Pompéi. 3. 
Zahn Il 60), auf dem er mit dem Philostratischen auch das Purpurgewand 
gemein hat. Es fehlte sonach nicht dem Bilde die richtige Motivierung, 
sondern dem "stumpfsinnigen Rhetor? der richtige Leser, 





gegen K. Friederichs vertheidigt. 269 


Ein anderes schmeichelhaftes Epitheton wird dem Ph. in einer An- 
merkung zum vorhergehenden erteilt: “Auf der andern Seite hat der 
geistesarme Rhetor die schöne Fabel von Silen und Midas auf das Gründ- 
lichste zerstört. Er zeigt uns (I 22) einen thierischen Silen, betrunken 
schlafend, und das wäre denn ein Bild, eines griechischen Künstlers wür- 
dig!’ (S. 195) Allerdings; nur müssen wir zur Würdigung eines solchen 
Werkes nicht eine saure moralisierende Miene, sondern etwas frischen 
Humor mitbringen, der ja den Alten wahrhaftig nicht fehlte. So sehen 
wir, um beim Weingenusz stehen zu bleibeu, auf den Auszenseiten zweier 
Schalen einen Bakchischen Komos oder ein Gelag, und im Innern einen 
der Zechgenossen, der sich des zu viel genossenen Weines unter dem 
Beistande einer Frau auf die natürlichste Weise entledigt (Mus. Greg. II 
81. Ann. d. Inst. 1856 S. 83). So weit war aber der Maler des Satyrs 
nicht einmal gegangen: er hatte sich offenbar gedacht, dasz der Satyr 
noch mit dem letzten Schluck im Munde in den Schlaf versunken war 
und dasz nun dieser dem Munde wieder entquoll (παραβλύξων τοῦ οἴνου). 
Im übrigen aber erinnert die Schilderung des Ph. in auffallender Weise 
an ein berühmtes Werk griechischer Kunst, an den ehemals Barberiui- 
schen schlafenden Satyr in München, von dem Welcker (akad. Kunstinus. 
3e Aufl. S. 27) sagt: “das thierische Leben, auch in diesem Schlaf, er- 
scheint gewaltig, aber ohne den geringsten Ausdruck von Thierheit.? 
Und wie der Maler sein Bild angesehen wissen wollte, das zeigt er uns 
selbst durch die Hinzufügung der Nymphen, die den Satyr umtanzen und 
verspolten und dadurch zeigen, dasz ein solcher Grad von Trunkenheit 
dech selbst bei ihm nicht habituell, sondern dasz er das Opfer einer List 
geworden ist. Vortrefllich aber ist der Gegensatz, in welchen dieses 
ihlerische Leben mit der erschlaffenden Weichlichkeit des Midas gesetzt 
ist, uad gerade hierdurch scheint der Künstler auf die tiefere Bedeutung 
des uns noch vielfach dunkeln Mythos hingewiesen zu haben (vgl. Braun 
ia den Ann. d. Inst. 1844 S. 400 11.). 


Bei dem Bilde der Kentaurinnen (ll 3) habe ich zunächst meine 
eigene Auffassung gegen F. zu rechtfertigen. Ich hatte nemlich (Gesch. 
d gr. K. 11 83) ausgesprochen, dasz dieses Bild und das Berliner Ken- 
izurenmosaik als durchaus derselben Geistesrichtung entsprungen erschei- 
men, die wir aus Lucians Schilderung der Kentaureufamilie des Zeuxis 
kennen. Dagegen bemerkt F. (S. 192), diese letztere sei ein Idyll, das 
Berliner Mosaik eine ergreifende Tragödie, sie seien also einander dia- 
metral entgegengesetzt; der einzige Vergleichungspunkt bestehe darin, 
‚dasz sich beide Bilder auf eine einzige Farnilie beschrünken, und dadurch 
wieder trete das Philostratische Bild in Gegensatz zu beiden, verliere aber, 
da es keine einheitliche Composition, sondern eine gröszere Zalıl von 
Gruppen darbiete, alles tiefere Interesse. Alle diese Einwürfe treffen 
mich in keiner Weise; denn F. will mich widerlegen, indem er die spe- 

eiellen Unterschiede hervorhebt, während ich nur von genereller Einheit 
gesprochen habe. Die Kunst vor Zeuxis halle sich in der Bildung von 
Kentauren schon vielfach versucht; aber fast überall war ınan in ihrer 


266 H. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


Charakterisierung von dem Begriffe des Halbthierischen ausgegangen. 
Obwol zum Teil mit menschlichem Körper begabt, sind diese Geschöpfe 
in ihrer Sinnlichkeit, Rohheit und Leidenschaftlichkeit mehr Thiere als 
Menschen; und diesen Grundzug bewahren sie nicht blosz in deu Metopen 
des Parthenon, sondern meistens auch iu den Werken viel späterer Zeit. 
Zeuxis dagegen, sagt Lucian, strebte immer etwas neues zu erfinden, 
sann auf ungewülnliches und fremdartiges und wollte darin die höchste 
Vollendung der Kunst zeigen. So verfuhr er nun gerade bei seinem 
Kentaurenbilde : er gieng im Widerstreit mit der bisherigen Kunstübung 
vom Begriffe des Halbmenschlichen aus. Obwol von halbthierischer 
Gestalt sind die Kentauren des Zeuxis in ihren Gefühlen, Leidenschaften 
usw. rein menschlich, und so zeigen sie sich auf dem Berliner Mosaik 
und in dem Philostratischen Bilde. In dieser Grundanschauung erschei- 
nen sie als Einer Geistesrichtung entsprungen und stehen in einem schar- 
fen Gegensatze zu den vorher berührten Darstellungen. Innerhalb dieser 
Grundanschauung aber ist nun wieder die gröste Verschiedenheit mög- 
lich: die ergreifende Tragödie des Berliner Mosaiks, das Idyll des Zeuxis 
und die Philostratische Darstellung. An dieser hat freilich F. noch spe- 
ciell auszusetzen , dasz *eine Menge von Mülteru und Jungen versammelt 
ist... Die Beschränkung auf eine Familie gibt erst das tiefere In- 
teresse, insofern sie das Halbthierische unter die Analogie des Menschen- 
lebens rückt, insofern sie die Tugenden einer menschlichen Familie in 
halbthierischen Organismen zur Erscheinung bringt. Das Säugen eines 
Jungen auf dem philostratischen Bilde ist nur ein Akt des Instinktes, auf 
dem Bilde des Zeuxis ist es zugleich eine That mütterlicher Liebe, wie 
im Menschenleben.” Das durchaus Willkürliche dieser Unterscheidung 
wird durch die &ine Frage in die Augen springen: was ist eine Familie? 
F. sagt vielleicht: Eltern und Kinder; er wird aber nicht ableugnen kön- 
nen, dasz auch die Descendenz der Kinder immer noch zu éiner Familie 
gehört; oder wir können, namentlich im Sinne der Alten, die Familie als 
die zu einem gemeinsamen Hausstande vereinigte Genossenschaft bezeich- 
nen, so dasz sie nicht blosz die Herschaft, sondern auch die Dienerschaft 
umfaszt. Wo sollen wir demnach für den Künstler die Grenze ziehen? 
Ich denke, der Maler darf eine Familie im engsten Sinne, er darf aber 
auch ein Geschlecht (gens), einen Stumm, ja ein Volk darstellen, wenn 
er sie unter éiner Idee zu vereinigen vermag. Diese Klee hat aber für das 
Philostratische Bild bereits Welcker nachgewiesen: sie liegt in der Schil- 
derung der Kinder, ihrem verschiedenen Gebahren und ihrer immer mehr 
fortschreitenden Entwicklung. Hieran knüpft sich zweifellos ein psycho- 
logisches Interesse; und es ist also auf dem Philostratischen Bilde nur 
entwickelt und in verschiedene Momente zerlegt, was Zeuxis in éine 
Gruppe zusammenfaszte. Das Bild erhält dadurch allerdings einen mehr 
genreartigen Charakter; aber so lange z. B. eine im Walde gelagerte 
Zigeunerbande einen passenden Vorwurf zu einem Bilde abgibt, werden 
wir uns auch das Lager der Kentaurinneu auf dem Pelion gefallen lassen 
dürfen. 








gegen K. Friederichs vertheidigt. 267 


- In dem Bilde des Pan (II 11) waren die Nymphen, die ihn gefesselt 
hatten, durch Behandlung des Haares und Bekränzung als Nasdes, Bov- 
2010: und ἀνϑοῦσαι unterschieden. “Welcher Künstler? fragt F. S. 175 
‘würde durch solche Anbringung mythologischer Gelehrsamkeit sein Bild 
verderben!’ Zuerst darf man wol fragen, ob das mythologische Gelehr- 
samkeit zu nennen ist, was man im Altertum von jedem Bauer oder 
Hirten erfahren konnte. Denn Nymphäen und Bilder der Nymphen in 
verschiedenartiger Auffassung gab es ja allerwärts. Eigentümlich ist aber 
die Ansicht, dasz der Maler sein Bild verderbe, der eine Schar Mädchen 
auf demselben nicht durchaus nach einer einzigen Schablone beliandle, 
während man doch glauben sollte, dasz eine gewisse Abwechselung , wie 
die ven Ph. hervorgehobene , künstlerisch sogar geboten sei. Hier aber 
ist sie noch suszerdem vom grósten Vorteil für die poetische Motivierung 
des Ganzen. Pan stellt den Nymphen nach, wie und wo er sie findet, 
und sucht sie namentlich einzeln zu beschleichen. Um so ergötzlicher 
ist es zu sehen, wie er jetzt von allen gemeinschaftlich überfallen und 
entlarvt wird, so dasz ihm mit einem Male das Handwerk gelegt und, 
wie Ph. hübsch bemerkt, vielleicht sogar noch die Echo abspenstig ge- 
macht werden wird. 


*Die Figur des Zephyr, der in die Fittige der Schwäne bläst (I 9), 
ist eine Entlehnung aus spätern Schriftstellern, bei welchen oft die Rede 
ist von dem Tónen, das Zephyr durch Schwanenfedern streichend hervor- 
rufe. Vgl. die von Jacobs angeführten Stellen.” (S. 174) Leider sind 
diese “wpätern Schriftsteller”, Himerios, Gregorios von Nazianz und Philes 
(dema Diom Chrysostomos nennt den Zephyros nicht), zu spät, als dasr 
Ph. überhaupt von ihnen hätte entlehnen können. Indessen will ich gern 

„ dasz man in das alte poetische Bild (vgl. Voss mythol. Br. il 
12 u. 18) schon lange vor Ph. auch die Person des Zephyros eingeführt 
hatte:: unser Bild lehrt es ja. Doch, sagt F., “das ist verständlich bei 
Schriftstellern, aber gemalt höchst unverständlich. Sieht man nämlich 
auf dem Bilde die geblähten Flügel der Schwäne und den blasenden Ze- 
phyr, so kann man nur denken, es soll die Vorstellung eines starken 
Windes erregt werden, man sieht freilich keinen Grund, warum das sein 
soll.” Allerdings um so weniger, als es ja allbekannt ist, dasz nicht der 
Wind, sondern Stolz oder Zorn die Flügel des Schwanes bläht. “Und 
wenn uns jemand den beabsichtigten Sinn sagt, so werden wir es háchst 
komisch finden, dasz Zephyr sich der Schwäne zum Musiciren bedient, 
da er ja für sich blasen kann, wie und wo er will? Also doch, wenn 
es ihm beliebt, auch in die Flügel der Schwäne. *Kurzum, die Geschichte 
ist, wenn nicht zu komischen Zwecken, wieder etwas nur im Wort Dar- 
stelibares." Alles Komische fällt schun dann unhedingt weg, wenn nur 
der Glaube verbreitet war, dasz das Wehen des Zephyros im Gefieder 
des Schwans ein Getón hervorbringe. Denn die im Bilde überhaupt nicht 
darstelibaren Töne ergänzt sich dann die Phantasie des Beschauers mit 
derselben Leichtigkeit wie bei einer Leier oder Flöte. Allein F. irrt 
moch weiter, wenn er glaubt, dasz es sich um eine reine Fabel handle. 


? 


268 H. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


Die eigentümliche Wólbung der geblähten Flügel, die stärke Spannung 
des straffen , aber elastischen Gefieders, die wie die Zunge gewisser In- 
strumente fein schwingende Fahne der Flügelfedern bewirken , dasz ein 
frischer und leichter Windhauch im Gefieder des Schwanes nicht etwa 
ein unbestimmtes Rauschen, sondern einen ganz scharfen und bestimmten 
Ton hervorzurufen vermag. Freilich wo so verschiedene und von einan- 
der unabhängige Elemente, wie hier der passende Grad der Spannung 
des Gefieders, eine damit im Verhältnis stehende Stärke, sowie eine be- 
stimmte Richtung des Windes zur Erzeugung der Wirkung sich harmo- 
nisch vereinigen müssen (ganz eben so wie etwa beim Klingen einer Glas- 
scheibe), da musz das Phánomen überhaupt zu den seltneren gehüren, 
und wird, wo nicht Schwäne in Massen heimisch sind, noch seltener 
wirklich beobachtet werden. Doch kann ich selbst es wenigstens aus 
einmaliger Erfahrung bestätigen und will nicht unterlassen hinzuzufügen, 
dasz der lange und gleichmäszig getragene Ton in der umgebenden Natur 
eine höchst merkwürdige und überraschende Wirkung hervorbrachte und 
mir vollkommen erklärte, dasz der poetische Sinn der Griechen sich da- 
von in hohem Grade angezogen fühlen muste. Wenn aber Ph. (I 11) von 
den Schwächen sagt: Ζεφύρῳ re χρήσονται πρὸς τὴν φδὴν ἐλαφρῷ 
καὶ eudlo, und wenn er von einem ψάλλειν οἷον ὄργανα spricht, so 
musz ich auch darüber noch zum Lobe des Rhetors bemerken, dasz seine 
Ausdrücke durchaus passend und sachgemász gewählt sind. 


Einer zusammenfassenden Betrachtung sind verschiedene Beispiele 
einer wirklichen oder vermeintlichen Prolepsis zu unterwerfen, in denen 
einzelne Züge oder Figuren im Bilde über den Moment der Haupthandlung 
hinaus auf die Zukunft hindeuten oder geradezu die weiteren Folgen 
veranschaulichen sollen. F. bemerkt darüber (S. 159): “Ich höre iu sol-" 
chen Bemerkungen nur einen Rhetor, der sein Gelesenes auf eine absurde 
Weise anbringt. Weleker spricht (zu Sen. I 7 und sonst) von einer 
nicht seltenen Prolepse in der Kunst und führt dann lauter Beispiele aus 
dem Philostratus an. Den Philostratus lassen wir nun billig aus dem 
Spiele, in der wirklichen Kunst beschränkt sich die Prolepse auf folgende 
Fälle.” Hierauf wird angeführt, dasz zuweilen ein Held schon vor dem 
Siege mit dem Kranze geschmückt erscheine ; dasz die Hippodameia schon 
vor dem Siege sich auf dem Wagen des Pelops befinde; endlich dasz in 
einem bekannten Gemälde nach Schellings Deutung bei der Vermählung 
des Kronos und der Rhea die drei Söhne aus dieser Ehe bereits sichtbar 
seien. Die Hippodameia lassen wir hier billig aus dem Spiele, da längst 
nachgewiesen ist, dasz nach ausdrücklichen Zeugnissen des Altertums 
ihre Gegenwart ganz anders zu deuten ist (vgl. Ritschl in den Aum. d. 
Inst. 1840 S. 173). Die apodiktische Zuversicht aber, mit welcher F. die 
Prolepsis auf so wenige Fälle beschränken zu können meint, beweist 
nur, dasz er über die Bedeutung dieser Frage kaum ernsthaft nachge- 
Zunächst ist es schon schwierig zu bestimmen, ‚wie weit 
überhaupt der Begriff der Prolepsis auszudebnen ist. Wenn an der Basis 





gegen K. Friederichs vertheidigt. 269 


des Zeus zu Olympia Aphrodite bei ihrer Geburt von Eros und Peitho 
emplangen wird, wenn am Parthenonsgiebel bei der Geburt der Athene 
neben den Göttern auch Heroen erscheinen oder auf Vasenbildern Herakles 
dabei zugegen ist, so dürfen wir die Anwesenheit dieser jüngeren Gene- 
rationen in gewissem Sinne eine Prolepsis nennen. Anderwärts hat inan 
wol von einer Vereinigung zweier verschiedener Momente zu einer ein- 
zigen Handlung gesprochen ; so wenn bei der Wegführung des Kerberos 
auf der einen Seite die Gótter der Unterwelt erscheinen, auf der andern 
sber Eurystheus wartet (vgl. Ann. d. Inst. 1859 S. 406); oder wenn bei 
der Schieifung des Hektor nach kaum vollendetem Kampfe schon das Grab- 
mal des Patroklos sichtbar ist, oder wenn bei dem Drachenkampfe des 
Kadmos Harmonia und Thebe gegenwärtig sind: aber ebensowol läszt 
sich dieses Verhältnis als Prolepsis fassen. Doch auch sonst lassen sich 
sicht wenige Beispiele derselben anführen. Auf Vasenbildern finden wir 
als Nebenfigur Nike mit dem Viergespann zur Hindeutung auf die Siege 
in den Nemeischen Spielen, obwol diese erst in Folge der in der Ilaupt- 
scene dargestellten Weissagung des Amphiaraos gestiftet werden (Over- 
beck XXVIII 1); Hermes mit der Siegespalme für Pelops, der erst die Vor- 
bereitungen zum Wettkampfe trifft (Mon. d. Inst. IV 30); einen Vogel bei 
der Klage der Eos über Memnon noch vor dessen Bestattung als Hindeu- 
tung auf die Verwandlung seiner Gefährten in Vögel (Mus. Greg. II 49); 
die Eule auf dem Arme des Zeus, während die Geburt der Athene erst 
bevorsteht (ebd. II 48, 2). Für die Sculptur liefert uns schon die älteste 
Zeit einen Beleg , indem auf einer selinuntischen Metope Medusa den Pe- 
gasos bereits im Schosze hàlt, noch bevor ihr Haupt vom Rumpfe ge- 
trennt ist. Neben der vaticanischen Statue einer Wettläuferin (PUI. IIl 
47), die eben das Zeichen zum Ablaufen erwartet, ist als Zeichen sicheren 
der Palmzweig angebracht. Auf einem schönen Bronzebecher δι 
Bonn (Jahrb. d. rhein. Alt. fr. I 1) ist der Schild eines gegen lierakles 
kämpfenden Kriegers, wahrscheinlich des Laomedon, mit der Wólfin nebst 
den Zwillingen geschmückt, um die troische Geschichte mit den Ursprün- 
gen Roms im Gegenbilde desselben Bechers zu verknüpfen. Endlich er- 
scheinen auf einem Sarkophage (Millingen anc. uned. mon. II 15) die Musen 
schen während des Wettstreites mit den Seirenen mit den Federn der- 
selben geschmückt. Ich bin weit entfernt zu glauben, dasz hiermit die 
uns erhaltenen Beispiele der Prolepsis erschópft seien , sondern vielmehr 
, dasz eine umfassende Musterung der Mouumehte eine weit 
reichere Ausbeute liefern würde. Aber schon die angeführten werden 
genügen, um die von Welcker (S. 247) aus Ph. zusammengestellten Fälle 
uns in einem andern Lichte als F. erscheinen zu lassen. Wir betrachten 
dieselben kurz im einzelnen. 
Zweifelhaft scheint mir, ob es eine Prolepsis zu nennen ist, wenn 
Midas ( 22) schon bei der Begegnung mit dem Satyr lange Ohren hat. 
wachsen sie ihm bei Ovidius (Met. XI 146) erst später; allein 
diese Zeitfolge scheint um so weniger eine nothwendige zu sein, als die 
langen Ohren selbst wahrscheinlich ein altes Attribut des Midas sind, aus 
dem sich die gewöhnliche Sage über ihre Entstehung erst nachträglich 


270 H. Brurm: die Philostratischen Gemälde 


entwickelte. In jedem Falle aber wird das Philostratische Gemälde durch 
einige Vasenbilder gerechtfertigt, in denen Midas bei der Begegnung mit 
dem Satyr ebenfalls langohrig erscheint (vgl. Ann. d. Inst. 1844 S. 300 ff.) 
— Eben so erhält die Verwandlung der Heliaden und des Kyknos noch 
vor vollendetem Sturze des Phaéthon (I 11) durch. die erhaltenen Dar- 
stellungen dieser Scene ihre Bestätigung. — Zepbyros und der Diskos 
im Bilde des Hyakinthos (iun. 14) deuten allerdings auf die Folgen der 
Begegnung des Jünglings. mit Apollon hin; aber ihre Gegenwart erklärt 
sich auch ohne Prolepsis, da das Diskosspiel unmittelbar naclı der Unter- 
redung beginnen kanu, während Zephyros als Nebenbuhler des Gottes 
den ganzen Vorgang schon von Anfang an beobaehten mochte. In dem 
andern Bilde (1 24) aber ist Hyakinthos bereits vom Diskos getroffen und 
die Entstehung der Blume ist die unmittelbare Folge seines Todes. — 
Ebenso verbindet sich 123 das Hinwelken oder Erstarren des Narkissos 
mit dem Wachsen der gleichnamigen Blume gewissermaszen zu einem 
einzigen Momente. — Auch das Wachsen der Granaté auf dem Grabe des 
Eteokles und Polyneikes (Il 29) steht mit der Bestattung selbst in so un- 
mittelbarem Zusammenhange, dasz für den poetischen Gedanken wenig- 
stens jeder Zeitunterschied wegfallt. — Ueber den trauernden Eros im 
Bilde des Pelops (iun. 9) ist weiter unten bei Gelegenheit anderer Eros- 
bildungen zu handeln. 

So bleibt die Geburt des Dionysos (I 14) übrig, bei welcher der 
trauernde Kithäron nebst Megära erscheint. Letztere pflanzt eine Tanne 
und ruft einen Quell hervor, wodurch nach Ph. auf das Geschick des 
Aktion und des Pentheus hingewiesen werden soll. Diese Hindeutung 
kann allerdings auf den ersten Blick als ein ziemlich müsziger Zusatz er- 
scheinen. Gerade darum aber dürfen wir fragen, wodurch wol Ph., wenn 
er kein Bild vor Augen gehabt hätte, auf einen solchen Zusatz verfallen 
wäre. Eine genauere Betrachtung wird uns lehren, dasz hier vielmehr 
weit tiefere Beziehungen zugrunde liegen, als in den kurzen Worten des 
Rhetors ausgesprochen sind. Pentheus und Aktäon waren wie Dionysos 
Enkel des Kadmos, und schon dadurch tritt die Geburt des Gottes zu der 
Hindeutung auf den verhingnisvollen Untergang der durch die Gottheit 
verderbten in einen bedeutenden Gegensatz. Dieser Untergang selbst wird 
ferner mit jener Geburt in bestimmten Zusammenhang gesetzt. Hyginus 
(fab. 5) sagt: Semele quod cum Iove concubuerat , ob id Iuno toti ge- 
neri eius fuit infesta. Als Grund für den Tod des Aktäon gibt eine 
Version der Sage seine Bewerbung um Semele an (Apollod, IIl 4, 4. Paus, 
IX 2, 3). Nach einem Epigramm (Anth. ed. Jacobs XV S. 621) führt Dio- 
nysos die Semele aus der Unterwelt zurück : 

τὰν ἄϑεον Πενϑεῦς ὕβριν ἀμειβόμενος. 
Von besonderer Bedeutung sind sodann die Localitäten. Den Fels, auf 
dem Aktäon geruht, und den Quell, in dem sich Artemis gebadet, zeigte 
man noch zur Zeit des Pausanias (a. 0.); und dasz man den Quell auch 
mit der Zerreiszung des Pentheus in Verbindung setzte, scheint die sehr 
eigentümliche Figur einer Nymphe auf einem Pentheus - Relief (Millin ὃ. 
m. 53, 235) anzudeuten. Ferner spielt auch die, Tanne , von der herab 





gegen K. Friederichs vertheidigt. 271 


er die tobenden Weiber beobachtet hatte, im Cultus des Dionvsos eine 
besondere Rolle, indem die Korinther auf den Rath der Pythia aus ihrem 
Holze Xoana des Gottes anfertigen lieszen (Paus. II 2, 6). Solche uud 
ähnliche Züge der Ueberlieferung weisen jedenfalls mit Bestimmtheit 
darauf hin, dasz das Philostratische Bild, weit entfernt nur in der Phan- 
tasie des Bhetors existiert zu haben, vielmehr recht eigentlich aus dem 
thebanischen Mythos oder, besser gesagt, aus der Kadmeischen Familien- 
sage heraus und mit Rücksicht auf bestimmte in derselben hervortretende 
Loealitäten componiert war. 


So viel über die Prolepsis. Es mag mir nun, olwol für Ph. wenig 
darauf ankommt, gestattet sein, hier des umgekehrten Verfahrens der 
griechischen Künstler kurz zu gedenken , wonach sie sich erlauben durf- 
ten, die Motive eines von ihnen gewählten Gegenstandes in ihrem Werke 
nicht so vollständig oder allseitig zu entwickeln, als es an sich wol mög- 
lich war. Welcker sagt bei Gelegenheit der Medeia des Timomachos 
(kl. Schr. lll S. 456): “je mehr Timomachos den groszen Meistern ähnlich 
war, um so höher stand er natürlich über der einseitigen und beschränk- 
tem Vorstellung, dasz was aus einem Gegenstand entwickelt werden kann, 
auch immer in der Darstellung mit ihm verbunden werden müsse, als ob 
der Künstler auf das eine oder das andre bei irgend einer Auffassung 
und Behandlung noch so günstige Motiv nicht gerade aus ernster Ueber- 
legung verzichten werde nach der Aufgabe, die er sich für jetzt gestellt 
hat? Darüber bemerkt F. (S. 18): “Schr wünschenswerth wäre es ge- 
wesen, die Einseitigkeit und Beschränktheit dieser Vorstellung an Bei- 
spielen nachgewiesen zu sehen, nur würde man sich dabei den Philo- 
satus verbitten dürfen, aus dem Welcker z. B. Sen. Il 7 für sich an- 
führen könnte.’ Gerade dieses Beispiel, das Fehlen des Nestor im Bilde 
des Antilochos, hat uns schon früher beschäftigt und darf danach als 
eia vollgältiges Beispiel für die Richtigkeit des Welckerschen Satzes 
angeführt werden. Aber brauchte Welcker überhaupt Beispiele anzu- 
führen zur Begründung eines Satzes, der zu den ersten Elementen grie- 
chischen Kunstverstäudnisses gehört? Ist es etwa nothwendig, dasz bei 
dem Tode der Niobiden der bloszen Vollständigkeit wegen Apollon und 
Artemis gegenwärtig sind? Vermissen wir bei dem Gigantenkampfe auf 
dem vaticanischen Sarkophage (PCI. IV 10) etwa den Zeus? oder auf 
dem capitolinischen Relief (Foggini IV 53) neben dem schlafenden Endy- 
mion die ihm sonst nahende Göttin? Die Motive der Mittelgruppe des 
Ludovisischen Parisurteils (Overbeck Π 12) sind in zwei Spadaschen Re- 
liefs (Braun zwölf Basr. 7 u. 8) sogar zu zwei selbständigen Compositio- 
men verarbeitet. Medeia und die Peliaden finden wir allerdings mit Pelias 
neben dem Kessel, in dem dieser Greis seinen Tod finden soll (Mus. Greg. 
H 89, 1); aber nicht minder vortrefflich sind die Compositionen, in 
denen Medeia und der Kessel (Bull. d. Inst. 1859), oder in denen Pelias 
fehlt (Böttiger Amalth. I T. 4). Solcher Beispiele lieszen sich noch viele 
safähren; doch. sollte hier nur kurz darauf hingewiesen werden, wie 
wenig wir berechtigt sind *auf dem Felde der Kunst den Raum mit Ellen 


272 M. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


und die Zeit nach Pendelschwingungen zu messen”, oder einzig das 
unkünstlerische Bedürfnis einer prosaisch historischen Vollständigkeit” 
befriedigt schen zu wollen (Feuerbach vat. Apollo S. 258). 


Noch viel weniger werden wir derartige Anforderungen da stellen 
dürfen, wo es sich nicht um Darstellung der wenn auch in hohem Masze 
poetisch motivierten Wirklichkeit, sondern um symbolische oder bildliche 
Ausdrucksweise handelt. Ein richtiges Verständnis derselben werden wir 
bei F. kaum noch erwarten dürfen. Seine Polemik gegen Ph. wird hier, 
da sie witzig sein will, noch in ganz besonderer Weise umerfreulich. 
Es handelt sieh zunächst um zwei Bilder, den Sophokles (iun. 13) und 
Pindaros (II 12). Bienen umschwärmen das Haupt des Sophokles und Bienen 
‚ernähren den eben geborenen und zwischen Lorbeeren und Myrten liegen- 
den Pindaros: beides zur symbolischen Bezeichnung der dichterischen Be- 
gabung. "Wer sich die Bienen, die dem Sophokles etwas auf den Kopf 
träufeln, gemalt vorstellt, der wird, wie ich glaube, an etwas ganz 
Andres denken, als an geheimnisvolle Tropfen, er wird sich ferner höch- 
lich verwundern über den Mann, der zur Erde bliekt, ohne sich um die 
Gefahr zu kümmern, die seinem Kopfe von den herumschwärmenden Bie- 
nen droht. Mit einem Wort, die Bienen, die bei dem Dichter uneigentliche 
Bienen sind, sind im Kunstwerk eigentliche; darin liegt der Fehler.” (F. 
S. 122) Hören wir zunächst wie sich F. bei einer andern Gelegenheit 
(S. 43) ausspricht. m Bilde des Neilos (1:5) waren Krokodil und Nilpferd 
nicht dargestellt, die, soviel F. weisz, auf keiner der uns erhaltenen 
Darstellungen des Neilos und Agyptischer Landschaften, meines Wissens 
aber z. B. an der capitolinischen Statue (Nibby e Re Mus. Cap. 1) fehlen. 
“Der Rhetor sagt, sie seien verborgen in der Tiefe des Wassers, um nicht 
den Kindern Furcht einzuflószen. An der vatikanischen Statue sehn wir 
zwei Kinder mit einem Krokodil spielend, und warum sollten sie nicht? 
Sie sind ja nicht gewöhnliche, sondern allegorische Kinder!” Also warum 
sollen nicht auch die Bienen allegorische Bienen sein? F. wagt dies nicht 
vollständig zu leuguen. *Aber schon die blosze Vervielfältigung der Biene 
hebt die symbolische Bedeutung auf, ein Schwarm von Bienen ruft un- 
mittelbar den Gedanken an die Realität hervor. Denn für den 
schen Gebrauch handelt es sich ja nur um eine Eigenschaft, welche die 
Biene als Biene besitzt, es genügt daher eine einzige, oder vielmehr es 
darf nur eine einzige verwandt werden, weil die grüszere Auzahl für das 
Symbolische nur ein melirfacher Ausdruck für eine und dieselbe Absicht, 
also lästiger Ueherflusz wáre...* Eine einzige Biene mag allenfalls neben 
einem Kopfe auf einem geschnittenen Steine genügen; doeh wird sie 
dann über das natürliche Masz vergröszert erscheinen, und selbst in die- 
sem Falle finden sich z.B. bei Winckelmann Mon. in. t. 12 zwei Bienen. 
Denken wir uns aber ein gröszeres Gemälde, wie den Sophokles des Ph., 
so würde eine einzelne Biene nicht nur für das Auge verschwinden, son- 
dern noch viel weniger genügen, um die Vorstellung zu erwecken, dasz 
sie allein süszen Flusz der Rede zu verleihen im Stande sei. Dazu verlangt 





gegen K. Friederichs vertheidigt. 213 


die Phantasie eine Fülle der Süszigkeit, das heiszt der Bienen. Den Ge- 
danken an die platte Wirklichkeit fern zu halten, fehlen aber der Kunst 
keineswegs die Mittel. Ph. sagt ὑπερπέτονται. sie fliegen über dem 
Haupte; denken wir uns dazu, dasz sie dies in einer gewissen Ordnung 
thun, so werden sie wie ein Nimbus über seinem Ilaupte erscheinen, der 
den Gedanken an gemeine Bienen gar nicht aufkommen läszt. Verstehe 
ich übrigens F.s erste Worte genau, so würde er gut gethan haben, 
sich, ehe er sie niederschrich , darüber zu belehren, auf welchem Wege 
sich die Bienen des aus den Blüten gesammelten Honigthaus entledigen. 

Die symbolische Beziehung wird in dem Bilde des Sophokles auszer- 
dem durch die ganze Motivierung der Composition noch bestimmter her- 
vorgehoben. Denn so *wunderbar? es F. erscheinen mag, es ist ein sehr 
glücklicher und feinsinniger Gedanke Welckers, dasz die Gabe, welche die 
Muse dem Sophokles darreicht, nichts anderes sei als ein Bienenstock, - 
aus dem die Bienen hervorfliegen,, um dem Dichter die Süszigkeit der 
Rede zu verleihen. Gerade ‘das Wörtlein xol? (ὁρᾷς γὰρ xol τὰς ue- 
λέτταρ) , welches nach F. diese ganze Erklärung umwerfen soll, dient zu 
ihrer Bestätigung. Die ganze Erklärung nemlich, mit Ausnahme des letz- 
ten Absatzes über Asklepios, ist in die Form einer Anrede an den im 
Bilde dargestellten Sophokles eingekleidet und die Eutwicklung eines ein- 
zigen poetischen Gedankens, etwa in folgenden llauptzügen: * Was be- 
sinnst du dich, die Geschenke der Muse anzunehmen? was blickst du 
befangen zur Erde? Habe Mut und nimm an, was du als góttliche Gabe 
gar nicht abweisen darfst. Du siehst ja auch die Bienen, wie sie — 
(oder dem Sinne nach richtiger:) du siehst ja auch, wie die Dienen über 
dir schweben mit süszem und gotterfülltem Tónen (βομβοῦσιν ἡδύ τε 
καὶ θεῖον) und ihren Thau auf dich herabsenden (d. ἢ. wie sie als Die- 
nerinnen der Góttin ihre Gaben spenden).. Bald wird man dich selbst 
als Δουσῶν εὐκόλων ἀνθρήνιον anreden .. Du siehst ja auch, wie die 
Göttin herablassend und wolwollend dir ihr Geschenk zumiszt.’ Der 
Bhetor sagt also keineswegs, wie F. meint, dasz Sophokles zur Erde 
blicke, zugleich aber die Bienen ehe die über ihm fliegen, sondern sein 
Uebergang ὁρᾷς γὰρ xal. . weist nicht nur rhetorisch den So- 
phokles auf die Bienen hin, sondern läszt auch den Leser erkennen, dasz 
mieht etwa eine ganz neue Sache in die Beschreibung eingeführt wird, 
nemlich ‘Bienen’, sondern dasz eben “die Bienen? das bereits erwähnte 
Geschenk der Muse sind. Das aus den Worten des Ph. von Welcker so 
schön herausgelöste Fragment des Aristophanes, in welchem Sophokles 
selbst Honigzelle der Musen genannt wird, erhält erst seine richtige Re- 
ziehung, wenn die Muse wirklich als Geberin erscheint. Wie das Attribut 
im einzelnen dargestellt war, läszt sich bei dem Mangel an monumentalen 
Vergleichungen nicht bestimmen. Dasz es aber nicht ‘spaszhaft’ erschien, 
läszt sich schon aus dem Ton des Ph. schlieszen, der gerade bei Schil- 
derung dieses Bildes besonders würdevoll erscheint und eine gehobene 
Stimmung verräth. 

*Asklepios ist anwesend, weil der Rhetor die Notiz kannte, nach 
welcher Sophokles einen Päan auf diesen Gott geschrieben haben soll; 


Jahrb. f. eiass. Philol. Suppl. Bd. IV. Hft. 2. 18 


274 H. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


man fragt aber erstaunt, ist das wesentlich für die Charakteristik des 
Dichters? Oder ist es nicht vielmehr vom künstlerischen Standpunkt eine 
historische Zufälligkeit?” Erstaunt fragt man vielmehr, warum es F. 
nicht einmal der Mühe werth gehalten hat, die Bemerkungen Welckers 
über die Beziehungen des Sophokles zu Asklepios genauer anzusehen. 
Aus ihnen würde er ersehen haben, dasz es sich keineswegs um eine 
historische Zufälligkeit handelt, sondern um eine Sage oder einen Glauben 
des Altertums, welches den Dichter dadurch ehrte, dasz es ihn als unter 
den besondern Schutz einer Gottheit gestellt betrachtete. 


Der eben geborene Pindaros (II 12) wird von Bienen gepflegt. Eine 
Statue der Rhea ist an der Thür des Hauses aufgestellt, und die Geburt 
des Dichters wird durch die Gegenwart der Nymphen und des tanzenden 
Pan verherlicht. *Ich wollte gern dem Rhetor alle Götter und Götter- 
statuen mit sammt den Bienen schenken, wenn er mir nur dafür eine 
Amıne für das neugeborne Kind geben wollte .... Der Rhetor fand keine 
Amme in der Erzählung, die er nachschrieb, erwähnt . . . Oder sollte er 
sie weggelassen haben, um die Bienen nicht zu stören? Denn eine Amme 
würde allerdings einen Bienenschwarm nicht in so nahe Berührung mit 
ihrem Pflegling haben kommen lassen.’ (S. 124) Nicht einmal die symbo- 
lische Bedeutung und dasz es “charakteristisch sei für die Zukunft des 
Kindes, mit Honig geuährt zu sein’, will F. zugeben: denn wie bei der 
säugenden Wólfin mit Romulus und Remus, so sei auch hier die leib- 
liche Ernährung eines hülflosen Geschöpfes die Hauptsache. Mich dünkt, 
dasz zwischen einer Wölfin, einer Ziege, einer Hindin und zwischen 
Bienen ein bedeutender Unterschied obwaltet; und dasz wir schon wegen 
der Kleinheit ‚dieser Geschöpfe nicht an eigentlich leibliche, sondern nur 
an eine symbolische Ernährung denken dürfen, namentlich wenn auch 
der Künstler mit einer gewissen Mäszigung verfuhr, wie wir sie in den 
Worten des Rhetors erkennen: of δὲ εἴσω μέλιτται περιεργάξονταε τὸ 
παιδίον ἐπιβάλλουσαι τὸ μέλε xol tà κέντρα ἀνέλκουσαι δέει τοῦ 
ἐγχρίσαι. ---- Alles übrige im Bilde soll naeh F. nichts sein als * mit ro- 
hem Sinn zusammengestoppelte Notizen’, *historische Zufalligkeiten , die 
zur Charakteristik des Dichters nichts beitragen, oder richtiger eine fal- 
sche Charakteristik geben müssen, weil man sie als bedeutungsvoll fas- 
sen musz und berechtigt ist zu Tassen.” F. wuste also nichts von den 
Sagen, die sich an die Person des Pindaros knüpften? Doch ja: *Vor Pin- 
dar's Haus, wissen wir, stand eine Statue der Rhea, die Nymphen aber 
und Pan sind aus einer misverständenen Stelle des Dichters selbst oder 
aus einer falschen Auslegung derselben geschöpft.” So mag der 
die Glaubwürdigkeit der Sage bekämpfen; aber die historische Kritik 
beweist uns auch, dasz Zeus und der ganze Olympos nur ein Misverständ- 
nis und nur aus einer falschen Auslegung des Gottesbegrilfes 
waren. Und doch exístierten sie im Glauben und existieren noch in den 
Werken der Kunst. Wir aber wollen vielmehr die Griechen preisen, dasz 
sie es verstanden, die edelsten der Sterblichen mit dem Nimbus der Gött- 
Jichkeit zu umgeben, dasz sie es verstanden, namentlich den Diehter aus 








gegen K. Friederichs vertheidigt. 215 


der Alltäglichkeit in eine höhere Sphäre zu erheben. Wer es aber wagt, 
solche Gebilde mit roher Hand zu betasten und in den Staub zu treten, 
den vermag ich nicht milder zu beurteilen, als F. gewisse Kritiker des 
Sophokleischen Oedipus (S. 72): *Ich musz gestehn, es ist wahrhaft 
empórend , mit welchem Leichtsinn und Unverstand man die herrlichsten 
Produkte des Alterthums kritisirt.? 


*Zahlreich? sagt F. S. 150 *sind die Fehler der Philostrate gegen 
die Allegorie. Ein ganzes Nest davon ist das Bild der Palästra (II 32)... 
Es ist ein Mädchen in blühenden Jahren, nur fehlt der Busen, der zu 
diesen Jahren gehórt. «Sie lobt nichts Weibliches», sagt der Rhetor zur 
Motivirung des fehlenden Busens. O über solche Albernheit! . . In dem 
Glauben, ein schwellender Busen schade dem Eindruck der Kraft und 
Rüstigkeit, den die Palästra machen soll, bindet er uns ein erwachsenes 
Mädchen ohne Busen auf.’ Mich dünkt, nicht Ph., sondern F. will uns 
em Mädchen ohne Busen ‘aufbinden?; denn ‚Ph. sagt: καὶ αὐτοὶ δὲ of 
μαζοὶ μικρὰ τῆς ὁρμῆς παραφαίνουσιν, ὥσπερ ἐν μειρακίῳ ἁπαλῷ. 
Der Busen fehlt also nicht, sondern bei dem Mädchen, das eben erst 
mannbar geworden ist (ἡβήσασα vov) und auszerdem einen mehr mann- 
haften als weiblichen Charakter verräth, ist er nur schwach entwickelt. 
Wie die Kunst eine solche Gestalt darzustellen hat, lehrt uns die vatica- 
aische Statue einer gleichfalls jugendlichen Wettläuferin (PCI. III 27), an 
der allerdings der Bau der ganzen Brust, d. h. der Knochen und Muskeln 
kräftig und stark, der Busen dagegen sehr mäszig ausgebildet ist. Auch 
ihr Haar ist wenigstens vorn kurz geschnitten, hinten allerdings länger, 
aber keineswegs, wie es F. für die Palästra verlangt, aufgebunden. — 
Doch nicht blosz an der Kórperbildung, auch an den Attributen nimmt 
F. Austosz: “Ein Künstler, glaub’ ich, hätte ihr dieselben Attribute ge- 
geben, die der Palästrit hat, Oelflasche und Striegel.’ Zum Belege wird 
das pompejanische Gemälde der Enkaustik (Welcker kl. Schr. III 426), so 
wie der Agon mit Springgewichten bei Paus. V 26, 3 citiert. Aber wa- 
rum dachte F. nicht an die Unterscheidung, die er selbst wenige Seiten 
später (S. 156) aufstellt: *Die Methe des Pausias [die aus einer Schale 
trinkt] war eine Personifikation, die Methe in Olympia dagegen (Paus. 
VI 24, 8), welche dem Silen den Becher reichte, ist der Dämon der Trun- 
kemheit. Es ist eine verschiedene Auffassung, wie auch z. B. an Hypnos. 
Hypnos selbst schlafend ist der personificirte Schlaf, über Andre sein 
Horn ausgieszend der Dämon des Schlafes.” Palästra mit Oelflasche und 
Striegel würde also die Personification des Ringkampfes sein. Philostra- 
tos dagegen nennt sie ausdrücklich Tochter des Hermes; und dasz wir 
auch ohne diese Angabe den Dämon erkennen müsten, lehrt auszerdem 
das Attribut, welches, von Ph. falsch verstanden, nur um so deutlicher 
beweist, dasz er ein wirkliches Bild vor Augen hatte. Er sagt nemlich, 
der Oelzweig sei der Palästra gegeben, weil dieser Baum πάλῃ TE ἀρήγει 
καὶ χαίρουσιν ἐπ᾿ αὐτῷ πάνυ ἀἄνϑρωποι. Abgesehen von der Mattig- 
keit. der letsten Worte, würde der Künstler zum Ausdruck des ersten 


18* 


216 H. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


Gedankens sicher lieber das Oelfläschchen als den Oelzweig gewählt haben. 
Dieser letztere aber ist der. olympische Siegespreis und daher ein pas- 
sendes Attribut der Palästra als Aufseherin des Kampfes und Verleiherin 
des Sieges. 

“Noch auffallender ist die Darstellung der Ringergriffe als personifi- 
cirter Wesen. Können denn überhaupt die Ringergrille personifieirt wer- 
den? Nur dasjenige kann personifiöirt werden, dem ein fester Begriff zu 
Grunde liegt, nicht das, was zufällig ist und wechselnd.” Eben darum 
ist es ein glücklicher Gedanke des Künstlers, eine Mehrheit von Wesen 
einzuführen, durch welche die Manigfaltigkeit der Ringerhewegungen 
angedeutet werden konnte; und gerade als “allegorische Wesen? musten 
sie sich freier bewegen und durflen ihre Uebungen wie ein Spiel be- 
treiben, indem sie dabei um ie Palästra herumhüpfen. Dasz aber *die 
Handlung des Hüpfeus ganz und gar ihr Wesen, d. h. den Ringergrill, 
dessen Darstellung sie sind, verdunkele?, ist in den Worten des Ph. kei- 
neswegs ausgedrückt, da sie ja dargestellt waren ἄλλο ἐπ᾽ ἄλλῳ ἐς aU- 
τὴν λυγίξοντα. Während also dureh das Hüpfen der heitere und 
spielende Charakter dieser Dämonen im allgemeinen hervorgehoben wird, 
bestimmen die letzten Worte die eigentliche Handlung genauer als die 
Biegungen und Windungen des Ringkampfes. 


Wie bei dem Oelzweig der Palästra, müssen wir auch bei der Echo 
in dem “Dodona? betitelten Bilde (II 33) das wirklich dargestellte von der 
Erklärung des Rhetors unterscheiden. Die gauze Stelle lautet: χαλκῆ vt 
"Hyà ἐν αὐτῷ (sc. χωρίφ) τετίμηται, ἥν. οἶμαι, ὁρᾷς ἐπιβάλλουσαν 
τὴν χεῖρα τῷ στόματε, ἐπειδὴ χαλκεῖον ἀνέκειτο τῷ Zi) κατὰ Zudui- 
viv; ἠχοῦν ἐς πολὺ τῆς ἡμέρας, καὶ μέχρι λάβοιτό τις αὐτοὺ μὴ σιω- 
πῶν. Deutlich ist hier zunächst, dasz die Worte von ἐπειδὴ bis zum 
Schlusse nur eine Erläuterung des Rhetors enthalten, nicht aber die 
Beschreibung weiter führen. Nicht ganz so bestimmt lauten die ersten 
der angeführten Worte. Sollen sie bedeuten, dasz Echo als eine Erz- 
figur im Bilde dargestellt war, oder soll durch τετέμηται nur auf den 
Cultus der Echo in Dodona hingewiesen und dadurch nur im allgemeinen 
die Gegenwart der Nymphe im Bilde motiviert werden? Statuen werden 
öfter bei Ph. erwähnt: 1 6 Aphrodite, 7 Memnon, 23 Acheloos und Nym- 
phen, 28 Artemis, II 1 Aphrodite, 12 Rhea, 17 Poseidon, Aber nie leidet 
ihre Erwähnung an irgend einer Unbestimmtheit: sie werden ausdrück- 
lich Statuen genannt, und zuweilen wird der malerischen Darstellung des 
Rildwerks noch besonders gedacht, oder es heiszt wenigstens, dasz 
Aphrodite , dasz Poseidon “aufgestellt” sind, und nicht blosz ganz allge- 
mein, dasz sie verehrt werden. Dazu kommt auszerdem noch, dasz die 
Worte ἥν, οἶμαι, ὁρᾷς ἐπιβάλλουσαν vielmehr auf die Darstellung eines 
lebenden Wesens als auf ein Bronzebild hinzudeuten scheinen, so dasz 
also der Sinn der ganzen Stelle in folgender Weise aufzufassen ist: das 
erzerne Echo, welches in Dodona verehrt wird, siehst du dargestellt als 
ein Mädchen, welches die Hand auf den Mund legt. Gerade dieser Gestus 
aber erregt bei F. (S. 156) den grösten Anstosz: *Das eherne Becken in 





gegen K. Friederichs vertheidigt. 277 


Dodona ist nur durch Anfassen zur Ruhe zu bringen, und eben dies soll 
an der personificirten Echo anschaulich gemacht werden. Sie legt den 
Finger an den Mund, um sich dadurch als ein Wesen zu charakterisiren, 
das nicht von selbst ruhig ist. Also: ein allegorisches Wesen hebt sich 
selbst durch seine eigene Handlung auf... Wenn doch wenigstens nicht 
sie selbst, sondern ein Andrer ihr den Mund zuhielte, da ja auch das 
eherne Becken nicht durch sich selbst still wird!” Die Philostratische 
Erklärung des Gestus gebe ich gern preis; aber ist darum der Gestus an 
sich sinnios? Ueber Kunstdarstellungen der Echo siud wir sehr mangel- 
haft unterrichtet, und kaum über ein Bild stimmen die Ansichten der Aus- 
leger auch nur in der Hauptsache überein. F. will überhaupt nur eins 
anerkennen: das Relief einer aus Athen in das Berliner Museum gekom- 
menen Lampe, über die indessen Wieseler (Echo S. 28) bemerkt, dasz die 
Inschrift der Rückseite, wenn er einer iim zugekommenen Angabe trauen 
dürfe, lateinisch sei (CINC?). Dargestellt ist Pan mit Syrinx und Pedum, 
unter einem Baume sitzend und nach hinten blickend ; neben ihm springt 
eine Ziege am Baume empor und in den Zweigen desselben erblicken 
wir ein ,weibliches Brustbild, von Pan abgewandt. Echo soll nach F. hier 
den Pan geneckt haben, der sich nun nach ihr umsehe und sie vergeblich 
suche. *Dasz Pan nicht weisz, wer ihm seine Musik wiederholt, darin 
liegt die Pointe des Bildes. Und nun die Figur der Echo... — sie ist wie 
mit dem Baum verwachsen dargestellt, weil sie ein Wesen ist, das an 
seinem Platz haftet, nicht naturfrei. Sie wohnt im Walde und ruft her- 
aus, wie man hineinruft. Und warum dreht sie der Scene den Rücken? 
Weil sie ein Wesen ist, das nur hórt, nicht sieht. Man drehe sie 
herum und gleich ist die Figur unverständlich, sie würde von einer 
Lokalnymphe nicht zu unterscheiden sein. Aber jetzt zeigt sie durch 
ihre Stellung an, dasz sie mit den Augen an der Scene gar nicht bethei- 
ligt ist, sie hórt nur und antwortet. Das ist sinnvolle Charakteristik ; 
das Bild kommt auch aus Athen. Mir erscheint diese "sinnvolle Charak- 
teristik sehr wunderlich. Denn in den schönen Narkissos, denke ich, 
verliebte sich Echo doch wol mit sehenden Augen. Und dann musz sie, 
da sie *herausruft, wie man hineinruft’, sich mit ihrem Schall nothwen- 
dig gegen den wenden, der ihn hervorgerufen hat. Schon deshalb also 
kann eine Figur, die sich von Pan wegwendet, nicht Echo sein. Am 
wahrscheinlichsten scheint mir Echo noch in dem Wandgemälde bei 
Wieseler Nr. 2 (Mus. borb. VII 4) zu erkennen zu sein, wo sie in hal- 
ber Figur hinter einem Felsen hervorschauend den Narkissos belauscht. 
Hier nähert sie ihren Finger dem Munde, erinnert also durch diese Ge- 
berde lebhaft an die Beschreibung des Ph. Und denken wir über diese 
unbefangen nach, so wird sie uns schleszlich nicht * kurios?*, sondern 
dem innersten Wesen der Echo entsprechend erscheinen. Echo wird 
nach der Sage (Ov. Met. ΠῚ 356) durch den Verlust ihrer eignen Sprache 
gestraft. Sie ist also in gewisser Beziehung stumm, wenigstens zum 
Schweigen verdammt, so lange nicht ein anderer sie anredet: sie darf 
niemand ansprechen, sondern nur antworten, und darum lauscht sie 
so lange schweigend, bis jemand sie ruft. Das ist “sinnvolle Charakte- 


278 H. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


ristik”. Wenn aber der Rhetor den zum Ausdrück des Schweigens einzig 
dienlichen Gestus richtig beschreibt, ohne ihn zu verstehen, so liegt 
darin ein neuer Beweis, dasz er ein wirkliches Gemälde vor Augen hatte. 


Bild und Deutung werden wir endlich auch bei dem Gemälde des 
Komos (I 2) unterscheiden müssen. Die Philostratische Deutung desselben 
ist allerdings schon früher vielfach bestritten worden, uud während 
Welcker die Benennung Komos für den vor einem Brautgemache schlafen- 
den Jüngling ausführlich zu rechtfertigen sucht, haben schon früher 
Heyne und Zoega in ihm den Schlafgott erkennen wollen. Auch an Hy- 
menäos erinnern manche Züge des Bildes. Diese Widersprüche lassen 
sich zum Teil wol darauf zurückführen, dasz derartige allegorische Ge- 
stalten und Dämonen selbst im Altertum nicht zu ganz festen Typen aus- 
geprägt waren und dasz daher dem Künstler für bestimmte Zwecke ge- 
stattet sein mochte, gewisse Modificationen einzuführen und wol auch 
die Eigentümlichkeiten verschiedener Wesen zu neuen Gestallungen zu 
verarbeiten. Auf eine vierte Deutung führt uns Pollux (Il 42), aus dem 
wir wissen, dasz bei Hochzeiten einer der Freunde des Bräutigams als 
Thürhüter thätig war: καλεῖται. . ϑυρωρός, ὃς ταῖς ϑύραις ἐφεστηκὼς. 
εἴργει τὰς γυναῖκας τῇ νύμφῃ Boda βοηϑεῖν. Mit solchem Dienste 
durfte ein Künstler wol auch einen Dämon betrauen, der dadurch dem 
Hymenáos nicht weniger als dem Komos verwandt erscheint und uns zu 
gleicher Zeit an den Schlafgott erinnert, wenn er zu später Stunde auf 
seinem Posten dem Schlafe etwas nachgibt, während im Brautgemach 
schon längst Stille berscht. — Die Möglichkeit verschiedener Erklärungen 
hat F. gänzlich auszer Acht gelassen; der Ansicht Heynes und Zoegas 
gedenkt er nicht einmal im Vorbeigehen , sonderu beschränkt seine Argu- 
mentalion darauf, dasz der Komos in der von Ph. geschilderten Weise 
nicht dargestellt werden könne, Wir können ihm dies vollständig zuge- 
ben; allein wir sind dadurch noch nieht im mindesten berechtigt das 
ganze Bild als eine rhetorische Erfindung zu verwerfen. Sehen wir viel- 
mehr einmal von der Deutung des Ph. ganz ab und richten wir unsere 
Aufinerksamkeit auf die eigentliche Beschreibung, so werden wir gestehen 
müssen, dasz gerade die Schilderung dieses Bildes reich ist an feinen Be- 
merkungen über Körperstellung, Beleuchtung, malerische Behandlung 
des Helldunkels, Verkürzungen: alles Einzelheiten, die sich so passend zu 
einem Gesamtbilde vereinigen, dasz dieses nimmermehr blosz in der Phan- 
tasie eines Rhetors des dritten Jahrhunderts existiert haben kann. 


Den symbolischen und allegorischen Figuren schlieszt sieh in ge- 
wisser Beziehung Eros an, Denn wenn er auch teilweise bis in späte Zeit 
ein bestimmtes mythologisches Wesen bleibt, so begegnen wir doch schon. 
früh auch derjenigen Auffassung seines Wesens, welche durch ihn die 
Wirkungen und Stimmungen der Liebe mehr symbolisch ausdrücken will 
und allmählich immer mehr in einen spielenden Charakter verfällt, so 
dasz zuletzt fast die ganze Welt der Erwachsenen in eine Welt der Ero- 


gegen K. Friederichs vertheidigt. 279 


ten übersetzt wurde. Gerade deshalb ist es schwierig , ja fast uumóglich 
die Grenzen zu bestimmen, innerhalb deren sich hier die bildende Kunst 
gehalten hat, und man darf der Wissenschaft kaum einen Vorwurf daraus 
machen , dasz sie diese leichten Spiele der Phantasie frei gewähren liesz, 
ohne sie in die Fessel strenger Regeln und Principien einzwängen zu 
wollen. In dem einzelnen Falle aber wird aus diesem Grunde ein vor- 
sichtiges Urteil stets rathsamer sein als ein schroffes Absprechen. 

Bei der Begegnung des lason mit Medeia (iun. 7) ist Eros gegen- 
wärtig; er steht da mit gekreuzten Beinen, auf seinen Bogen gestützt, 
und hält die umgekehrte Fackel in seiner Hand. “Es ist mir unter den 
Hunderten unserer Erosdarstellungen nur eine einzige bekannt, wo der 
Gott Bogen und Fackel zugleich hätte, und in dieser einzigen Darstellung 
ist er schlafend dargestellt, er gebraucht also seine Attribute nicht. Und 
ist es deun nicht höchst ungeschickt, dem Eros zwei Altribute zu ge- 
ben, die beide dasselbe bedeuten?” (S. 53) In einem fragnıentierten 
Relief bei Braun (ant. Marm. Dec. II 5*) finden wir Eros und Anteros, 
beide mit Bogen und Fackel. Allerdings scheint es sich um einen Fackel- 
lauf zu handeln und dadurch das eine Attribut bedingt zu sein; aber 
warum liesz dann der Künstler den Bogen nicht weg, zumal da einer 
Verwechselung mit gewöhnlichen Flügelknaben schon durch die besondere 
Flügelform des Anteros vorgebeugt war? Doch auch in einer weniger 
eigentümlichen Darstellung, nemlich auf der Portlandvase (Overbeck VIII 9) 
schwebt über der Thetis, welcher sich Peleus naht, ein Eros mit Bogen 
und Fackel; und eben so sind Europe und der Stier in dem Gemälde bei 
Achilles Tatios (I 1, 13) von Eroten begleitet, von denen der eine Köcher 
und Fackel trägt (ἤρτητο τὴν φαρέτραν; ἐκράτει τὸ πῦρ). Also: unge- 
schickt oder nicht, beide Attribute finden sich auch anderswo als bei Ph. 
vereinigt. 

Ph. erklärt auszerdem die Gegenwart und die | Erscheinung des Eros 
durch den Zusatz ἐπειδὴ ἐν ἀναβολαῖς ἔτε τὰ τοῦ ἔρωτος. F. übersetzt 
(8. 160): “da die Werke des Eros noch in der Zózerung begriffen sind, 
d. h. da die Liebe der Medea noch zógert, noch nicht ganz die entgegen- 
stehenden Empfindungen überwunden hat;? und bemerkt darüber: “Der 
Bhetor faszt also auch hier den Eros als Verkórperung der ganzen Stim- 
mung der Medea, da er doch mit dem der Liebe Entgegeustehenden , als 
Scham u. s. w. nichts zu thun hat, sondern nur seinen Begriff erfüllen 
.kann.? Für diese Folgerung fehlt hier jeder Grund, da ἐν ἀναβολαῖς 
einen ganz andern Sinn hal als den in der Uebersetzung angegebenen. 
Wie es in dem Bilde des Acheloos (iun. 4 S. 117, 11) vou der Vorberei- 
tung , der Einleitung zum Kampfe gebraucht wird, so bedeutet es auch 
bier nur, dasz die Liebe noch nicht vollständig entzündet ist, sondern 
dasz sie eben erst erwacht, wie es bei der ersten Begegnung durchaus 
naturgemäsz ist. Die Worte beziehen sich also nicht speciell auf die 
Stimmung der Medeia, sondern auf ihr und lasons Liebesverhältuis im 


allgemeinen. 


Anders ist es freilich im Bilde des Pelops (iun. 9), wo Eros mit 


280 H. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


niedergeschlagener Miene die Achse am Wagen des Oenomaos einschneidet, 
nach Ph. Erklärung , um.anzudeuten, dasz Hippodameia gegen ihren Va- 
ter handle und dasz in der Folge Unglück das Haus des Pelops betreffen 
werde. Hier ist also Eros die “Verkörperung der Stimmung Hippodamia’s, 
die um den Preis des Vaters ihrer Liebe folgt” (F. 8. 160). Eine solche 
Auffassung des Eros im Bilde nennt F. unverständlich. *Eros repräsen- 
tirt die Liebe, er trauert, wenn es, wie bei Narzissus, aus ist mil der 
Liebe, er triumphirt überall, wo Liebe siegt. Mag dieser Sieg der Liebe 
zu Stande kommen, wie er will, z. B. durch Gewalt . . so kann das für 
Eros keinen Unterschied machen, denn er hat einfach seinen Begrilf zu 
erfüllen. Hier aber "soll er zugleich die Liebe und das mit der Liebe 
Kämpfende, mit einem Wort, er soll sich selbst und seinen Widerpart 
zugleich ausdrücken.” Allein wir dürfen wol fragen, ob der reine und 
abstracte Begriff in der Auffassung des Eros und anderer Wesen stets in 
voller Strenge festgehalten worden ist. Auch von der Lyssa z. B. kann 
man behaupten , dasz sie einfach ihren Begriff zu erfüllen habe; dennoch 
sagt sie bei Euripides (ras. Her. 846); 

οὐδ᾽ ἥδομαι φοιτῶσ᾽ ἐπ᾿ ἀνθρώπων φίλους 
und mit besonderem Bezug auf die Verblendung des Merakles (V. 858): 

“Ἥλιον μαρτυρύμεσθα δρῶσ᾽ d δρᾶν οὐ βούλομαι. 
Von Eros aber sagt Ovidius (Met. X 311) bei Gelegenheit der Liebe der 
Myrrha zu ihrem eignen Valer: 

ipse negat nocuisse tibi sua tela Cupido, 

Myrrha , facesque suas a crimine vindicat isto. 

stipile te Stygio tumidisque adflavit echidnis 

€ (ribus una soror. f 
Wenn man sich also die frevelhafte Liebe als unabhängig von Eros vor- 
stellen durfte, so konnte es noch weit weniger Bedenken erregen, ihm 
je nach den Umständen auch widerwillig darzustellen, wenn er nieht aus 
eignem und freiem Antriebe, sondern in fremdem Auftrag handelte, und. 
das um so mehr, wo die zu erregende Neigung mit einer andern, durch 
ewige Gesetze gebotenen Liebe in Conflict trat, wie im vorliegenden 
Falle die Liebe zu Pelops mit der Liebe zum Vater. So verkörpert Eros 
allerdings die Stimmung der Hippodameia, und er erscheint fast nur als 
ein Werkzeug ihrer Liebe. Aber trotzdem ist seine Rolle noch immer 
weit activer als z. B. in einem Gemälde bei Zahn 11.32, wo er als Jagd- 
genosse des Ganymedes, wie dieser, vor Ermüdung in Schlummer ver- 
sunken ist, während wir doch vielmehr erwarten sollten, dasz er, wie 
in einem andern Bilde (Mus. borb. X 56), den Adler zum Raube geleite. 
Jahn (arch. Beitr. S. 16) bemerkt über diese beiden Darstellungen: *Hier 
nimmt er thätigen Antheil, stellt also die Leidenschaft dar, welche den 
Gott beseelt und zu dem schönen Knaben hinzieht, dort aber den Lieb- 
reiz, welcher dem Ganymedes eigen ist und Liebe entzündet, weshalb 
er als sein unzertrenulicher Gefährte erscheint, mit ihn jagt und mit ihm 
schläft.” Wir werden zugeben müssen, dasz die letztere Auffassung des 
Eros weit eigentümlicher und auffallender ist als die in dem Philos! 
schen Bilde. 





gegen K. Friederichs vertheidigt. 281 


Ein selbständiges Geinälde bilden die Eroten des ältern Philostratos 
(16). Sie scheinen nach Art eines Frieses componierl gewesen zu sein, der 
in eine Reihe von Gruppen zerfiel, von welchen jedoch nur ein Teil ge- 
Bauer beschrieben ist. Zuerst sehen wir sie in einem schónen Garten 
Aepfel sammelnd, tanzeud, laufend, schlafend uud von den Aepfeln na- 
schend; sodann finden wir em Paar das sich gegenseitig Aepfel zuwirft, 
und ein anderes das sich die Brust zur Zielscheibe der Pfeile darbietet. 
Ein drittes Paar ist im Ringkampfe begriffen. Eine ganze Schar jagt einen 
Hasen, und eine andere endlich bringt einem Bilde der Aphrodite Gaben 
dar. — Einige Ausstellungen, die F. (S. 162) gegen Einzelheiten erhebt, 
verdienen kaum eine Widerlegung. Wenn der eine Eros ἀφίησι φιλήσας 
τὸ μῆλον. der andere aber ὑπτίαις αὐτὸ ὑποδέχεται ταῖς χερσίν, so soll 
es fraglich sein *wie dies φιλήσας aus dem Bild zu ersehn war’. küszt 
der eine Eros den Apfel in einer etwas vorgeneigteu, zum Wurfe berei- 
ten Stellung, und steht dazu der andere schon bereit ihn aufzufangen, 
so ist die Handlung deutlich genug ausgedrückt; wobei noch zu bemer- 
ken ist, dasz die Satzverbindung, in welcher die obigen Worte stehen, 
uns die Wall des Momentes vollkommen freistellt. Gedankenlos soll sich 
sodann der Rhetor dadurch erweisen, dasz er sage, einige der Eroten 
seien schlafend vorgestellt. *Denu welches Kind wird wohl schlafen, da 
wo es zu Baschen giebt! Man kónnte antworten, dasz Eroten nicht 
gewühnliche Kinder sind oder dasz nicht alle gleichen Geschmack an 
Aepfeln finden; aber wenn nuu etwa die Schläfer bereits "satt wären, 
sollen wir ihnen da die Mittagsruhe nicht gónnen? — Doch F.s llaupt- 
bedenken ist *dasz die Eroten zum Theil als anmuthige geflügelte Kinder 
in einer für ihren ursprünglichen Begriff gleichgültigen Handlung, zum 
Theil aber iu einer symbolischeu Handlung vorgestellt sind, was nie auf 
einem und demselben Bild vereinigt vorkommt und nicht vorkommen kann? 
(S. 162). Denn *gleich erscheinende Figuren müssen in der Kunst 
. auch nach ihrem innern Wesen gleich sein? (S. 163). F. will nemlich 
mur die beiden Gruppen der schieszenden und der mit dem Apfel wie, mit 
einem Ball spielenden Eroten als symbolisch gelten lassen, während sonst 
überall der dem Eros zugrunde liegende Begriff ganz wegfalle und es 
sich nur um naive Handlungen von rein menschlichem Interesse handle. 
Er leugnet nicht, dasz der Apfel, der Hase sonst wol eine erotische Be- 
deutung habe; aber wenn z. B. die Eroten Aepfel verzehren oder in der 
Ringergruppe “einer dem andern ins Ohr beiszÜ, so kóune dies doch un- 
möglich symbolisch verstanden werden. Diese speciellen Motive aller- 
dings nicht. Aber indem F. auf dieselben den Hauptnachdruck legt, zeigt 
er, dasz er das ganze Wesen dieser Art von Erotendarstellungen misver- 
standen hat. Ihre Eigentümlichkeit beruht zum groszen Teil gerade in 
einer Kreuxung zweier verschiedener Gedankenkreise. In den Grund moti- 
ven, dem Lesen der Aepfel, dem Ringen, dem Verfolgen des Hasen ist 
ein symbolischer Kern enthalten; in der Verarbeitung dieser Motive aber 
waltet durchaus das rein menschliche Interesse vor, das Interesse an der 
naiven Kinderwelt. So ist es z. B. in den beiden unter einander nahe 
verwandten Reliefs der Villa Albani und des Palastes Mattei (Zoega Bass. 


282 H. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


10 90. Mon. Matth. IIl 47). Dort spieleu einige Eroten auf Fruchtkörben 
und einer groszen Marmorvase, ein Paar ringt, einer hebt den Deckel 
einer Cista auf, so dasz ein anderer aus Schrecken vor der herauskom- 
menden Schlange hinten über fällt; ein anderer sucht seinen Genossen 
durch eine grosze Maske in Furcht zu setzen: Maske, Cista, Fackeln, 
Früchte, eine bakchische Herme zeigen, dasz bakchisches Treiben die 
Grundlage der ganzen Composition bildet; in der Durchführung aber Ire- 
ten die Kinder als solche durchaus in ihr Recht ein und nehmen ein von 
jener Grundlage ganz unabhängiges Interesse in Anspruch. Ganz dasselbe 
finden wir in dem Philostratischen Bilde, nur mit dem Unterschiede, dasz 
uns der Grundgedanke desselben auf Aphrodite und den erolischen Kreis 
hinweist. 

Diese einfachen Bemerkungen werden zur Rechtfertigung des Phi- 
lostratos genügen. Noch weiter auf dieses Thema hier einzugehen, kanu 
mich auch F.s sechster Excurs *über die Gestalt des Eros in Poesie und 
Kunst? nicht veranlassen, da die wenigen Seiten ‚desselben zu flüchlig 
entworfen sind, als dasz sie die Grundlage für eingehendere Erörterungen 
abgeben könnten. Denn flüchtig musz ich es nennen, weun die Knaben- 
bildung des Eros dem Pheidias abgesprochen und erst für das Zeitalter 
der Bukoliker in Anspruch genommen wird, während im Parthenonsgiebel 
der Gott als Kind neben der Aphrodite stand. Uud eine.eben solche 
Flüchtigkeit verräth sich darin, dasz nicht einmal beachtet worden ist, 
was bereits Weleker und Jacobs zur Erklärung des Philostratos beige- 
bracht haben. Hieraus ergibt sich nemlich, dasz die Scheidung zwischen 
dem eigentlichen Eros und den Eroten, auf die auch Philostratos hin- 
weist, schon bis auf Platon (resp. Sokrates) zurückgeht, der im Sympo- 
sion (85) sagi: οὗτός ἐστιν ὃ τῆς Οὐρανίας ϑεοῦ ἔρως καὶ οὐράνιος 

. οἵ δ᾽ ἕτεροι πάντες τῆς ἑτέρας, τῆς Πανδήμου. 


An die Erörterungen über symbolische und allegorische Darstellun- 
gen menschlicher Thätigkeiten und Empfindungen schlieszen wir, wie F-, 
Betrachtungen über verwandte Darstellungen von Naturgegenständen und 
Naturerscheinungen an. Ueber manches einzelne ist schon früher hei 
Gelegenheit des Malerischen und malerisch  Darstellbaren rd 
worden, so über Lichterscheinungen, über Wasserbildungen, und ebenso 
über den Dämon im Bilde des Neilos, Einige Bemerkungen über andere 
Bilder, die F. an dieses letztere Bild anknüpft, sind hier zunächst kurz 
zu berücksichtigen. F. sagt (S. 166): “Es ist mir kein Beispiel bekannt, 
dasz ein und dasselbe Ding real und allegorisch zugleich dargestellt sei, 
und ich glaube, es kann keins geben.” Gegen diesen Satz soll das Bild 
der Semele (I 14) verstoszen, auf dem "Blitz und Donner personificirt, 
vom Himmel stürmendes Platzfeuer aber real dargestellt war, welches 
also, obwohl eine Wirkung des Blitzes, doch als ein Ding für sich vor- 
handen ist.” Wie wenig sich F. über das Wesen einer solehen Darstel- 
lung klar war, lehrt die Anmerkung, die auf die obigen Worte folgt: 
*Auch auf dem Bilde des Phorbas (Sen. II 19) stürzt Feuer vom Himmel. 


gegen K. Friederichs vertheidigt. 283 


Wenn ein alter Schriftsteller sich so ausdrückt, soeweisz man, wer der 
Urheber des Feuers ist, bildlich dargestellt aber ist es etwas Unbegreif- 
liches. Der Verfertiger des Jupiter Pluvius auf der Antoninssäule dachte 
antiker, indem er die Naturerscheinung von einem persónlichen Urheber 
ausgehn liesz.” Zunächst erscheint es als ein greller Widerspruch, dasz 
F. im Bilde des Phorbas den Blitz, der in die Eiche fährt, unbegreiflich 
findet, weil der Urheber nicht dargestellt ist, dagegen in dem Bilde der 
Semele, wo die Dämonen und das Feuer sichtbar sind, dies als Pleonas- 
mus rügt. Dieser Widerspruch löst sich nur durch die Annahme, dasz 
F. die plastische Darstellungsweise des Pluvius ohne weiteres auf die 
Malerei übertragen möchte, was zum mindesten nicht nothwendig ist. 
Die Plastik kann die Naturerscheinung nicht als solche darstellen; sie 
legt daher die persönliche Gestalt zugrunde und làszt an ihr das physi- 
sche Element in symbolischer Andeutung erkennen. Auch der Malerei ist 
dies gestattet; aber sie darf und vermag ebensowol das Phänomen an 
sich darzustellen (z. B. den Blitz im Bilde des Phorbas), als auch im Phà- 
nomen den Urheber sichtbar werden zu lassen (z. B. in dem Sturmgewölk 
an der Küste der Lästrygonen die Dämonen des Sturmes). Dasselbe ist 
in dem Bilde der Semele der Fall, wo Bronte, Astrape und das Feuer 
nicht “ein Ding real und allegorisch zugleich’, sondern das Feuer als 
Wirkung der Personen darstellen. 


Wichtiger ist die Frage, bis zu welcher Ausdehnung die Personifi- 
eation der Natur, namentlich der Flüsse, Meere, Berge und anderer Lo- 
ealitäten, in der alten Kunst möglich war und für uns nachweisbar ist. 
“Die Personifikation der äuszeru Natur hat ihre Grenzen. Es giebt Fälle, 
wo nur die eigentliche Darstellung möglich ist. Wenn es sich um Eigen- 
schaften handelt, die nur das Ding als ‚solches hat, so kann natürlich von 

einer Personifikation keine Rede sein.’ (S. 166) Dieser Satz soll an dem 
Gemälde von Thessalien (Il 14) erhärtet werden. Nach Ph. nahm der Pe- 
.meios seinen Nebenflusz, den Titaresios, auf sich (ἀνατέϑεται), um zu 
bezeichnen, dasz das leichtere Wasser des letztern sich nicht mit dem 
des érstern vermische. F. nennt das eine Absurditàt; denn das Merkwür- 
dige der Naturerscheinung verschwinde bei persönlicher Darstellung: 
*mam erblickt zwei Leute, den einen auf dem andern liegend, ohne dasz 
man weisz, was sie wollen und was sie sind.” Was sie sind, das sprach 
sich offenbar dadurch aus, dasz sie als Fluszgótter gebildet waren. Zwei 
derselben aber, einer auf dem andern gelagert, sind elwas so auffälliges, 
dasz der Beschauer sofort nach der Bedeutung dieser Anordnung fragen 
muste. Ward er dann aber, wie freilich nothwendig vorausgesetzt wer- 
den musz, über die natürlichen Verhältnisse der beiden Flüsse unterrich- 
tet, so ergab sich die Antwort von selbst. Diese Art der Symbolik ist 
vielmehr so einfach, dasz sie den Namen einer wahrhaft kindlichen ver- 
dient. , Welches Urteil müste F. consequenterweise über die Gruppe der 
Aphrodite im Schosze der Dione aus dem westlichen Giehel des Parthe- 
mom fällen? 


284 H. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


Allgemeinere Fragen bringt F. bei Gelegenheit des Bildes des Pali- 
mon (Il 16) und dann noch einmal abgesondert im siebeuten Excurs zur 
Sprache. Gleich in den ersten Worten desselben begegnen wir wieder 
einem Grundirtum: “Die sogenannten Lokalgötter, die Dàmonen des Orts, 
auf dem eine Handlung vor sich geht, haben eigentlich nur in der rómi- 
schen Kunst ihre Stelle” (S. 246) Ich will hier nicht ausführlich wieder- 
holen, wie wenig wir berechtigt sind, alles was F. unter römischer 
Kunst begreift, Wandmalereien, Sarkophage usw., als römisch der grie- 
chischen Kunst schroff entgegenzustellen. Wol aber ist das Vorurteil zu 
beseitigen, dasz es in der griechischen Kunst noch keine * sogenannten 
Lokalgótter* gebe. *In der ältern Plastik wüste ich mich auch nicht einer 
Lokalpersonifikation zu erinnern. Denn die sogenannte Nymphe von Olym- 
pia ist . . für Pallas zu halten. Das erste Beispiel möchte der Berggolt 
am farnesischen Stier sein, der deutlich charakterisirt ist als Lokaldämon.” 
(S. 249) Aber sind der Ilissos im Giebel des Parthenon, der Kladeos 
und Alpheios im olympischen Tempel etwas anderes als Localgottheiten? 
Denn ob das Local durch einen Flusz oder einen Berg charakterisiert 
ὦ ist doch für die Hauptfrage gleichgültig, und F. selbst bezeichnet 
169 jene Figuren als Localgottheiten. Ihre Gegenwart hat Keine andere 
Bedentung als die Bezeichnung des Locals, und es läszt sich in keiner 
Weise behaupten, dasz sie als * handelnde Figuren’, sondern höchstens 
dasz sie als teilnehmende Zuschauer gegenwärtig sind. Durch eiue solche 
Scheidung von acliven und passiven Localgöltern glaubt nemlich F. noch 
mehrere andere ältere Kunstdarstellungen als nicht im Widerspruch mit 
seiner Behauptung beseitigen zu können. Es sind dies die Copie eines 
ältern, aber kaum vor Ol. 80 gemalten Bildes, auf dem der Kampf des - 
Eutliymos mit einem Dämon dargestellt war und dazu *Sybaris als Jüng- 
ling, der Flusz Kalabros, die Quelle Lyka, das Heroon und die Stadt 
Temesa* (Paus. VI 6, 11); ferner zwei Vasen mit dem Drachenkampfe des 
Kadmos, bei dem einmal Thebe, das anderemal Thebe, lsmenos und Kre- 
näa gegenwärtig sind (Gerhard etr. u.kamp. Vas. T.C. Mus. borb. XIV 28). 
und endlich die Nemea auf der groszen Archemorosvase (Overbeck IV 3). 
Auch auf andern unteritalischen Vasen, z. B. auf einer andern Archemo- 
rosvase (Overbeck IV 2), werden wir trotz F.s Widerspruch (S. 248) Lo- 
calgottheiten anzuerkennen haben. Doch wollen wir uns auf die von ihm 
angeführten beschränken. Er bemerkt über sie folgendes: *Die inschrift- 
lich beglaubigte Nemea auf der Archemorusvase ist in die Handlung des 
Bildes verwickelt, die Thebe . , ist eine Gottheit wie die übrigen dort 
anwesenden, und Ismenos und Krenaie . . haben auch noch mehr 
gische Substanz als die Lokalpersonifikationen der römischen Kunst, Denn 
darin liegt eben der Unterschied, dasz die genannten Figuren der Vasen 
nicht Personifikationen sind, sondern mythologische Wesen, sie sind vor- 
gefunden, nicht geschaffen, sie sind lebensvoller als die abstrakten Rigu- 
ren der spätern Zeit. Diese sind reine Personifikationen und geben schon 
durch ihre Stellung zu erkennen, dasz sie verwachsen sind mit dem Lo- 
kal. das sie repräsentiren, sie sind passiv nach ihrer Natur, und wenn 
sie auch Theilnahme zeigen durch Geberden, so bleiben sie doch immer 





gegen K. Friederichs vertheidigt. 285 


kalt und uninteressant und scheinen entbehrlich. Ihnen entsprechen in 
griechischer Kunst die Satyrn und Pan.’ (S. 248) Auf dem Bilde des 
Euthymos aber waren nach F. (S. 169) “diese Dämonen die haudelnden 
Figuren, also nicht Lokaldämonen im eigentlichen Sinn, was sie nur da 
sind, wo sie als Theilnehmer [vielmehr: teilnehmende Zuschauer] mensch- 
licher Handlungen erscheinen.” Diesen Erórterungen liegt eine Ahnung 
des Wahren zugrunde, die aber wegen vorgefaszter Meinungen nicht 
zur Klarheit, sondern zu einer falschen Formulierung des Thatsächlichen 
geführt hat. Was F. von der einen Classe von Localgottheiten aussagt, 
das passt fast nur auf die spätesten, namentlich auf die Sarkophagdar- 
stellungen, auf denen sie allerdings vielfach passiv, als rein typische 
Gestalten ohne Individualität erscheinen. Die andere Klasse dagegen, 
welche mit andern Gottheiten ziemlich auf einer Linie steht, hat aller- 
dings mehr “mythologische Substanz’; aber als * handelnde Figuren? we- 
migstens im strengern Sinne vermögen wir sie nicht anzuerkennen. Man 
vergleiche des Gegensatzes wegen nur Darstellungen wie Olympias und 
Pythias, die den Alkibiades krónen, und Nemea, die ihn auf ihrem Schosze 
halt (vgl. Gesch. d. gr. K. II 54), die Nemea des Nikias (II 194), Hellas 
und Salamis von Panänos (I 172), Libya und Kyrene am Siegeswagen des 
Beton (1 105). Hier haben wir es überall mit vollen Persónlichkeiten zu 
thun. Jene von F. angeführten Halbgottheiten dagegen weisen (vielleicht 
mit Ausnahme der Nemea) nur auf die Bedingungen hin, unter denen die 
Handlung vor sich geht, sie lassen sich in entfernterer Weise als 
schützende und helfende Wesen auffassen, aber in die Handlung selbst 
greifen sie in keiner Weise selbständig ein. Noch weniger aber dürfen 
sie den “römischen? Personificationen schroff entgegengestellt werden, 
da beide Classen nur die Endpunkte einer und derselben Entwicklungs- 
reihe sind. Um dies zu erkennen, nehmen wir einmal unsern Standpunkt 
gerade in der Mitte und betrachten z. B. die Statue der Tyche vun An- 
tiochien (vgl. Gesch. d. gr. K. 1 412 ff). Dieses Werk des Eutychides 
liefert den Beweis, dasz unmittelbar nach Alexander schon in der Plastik 
die rein mythologische Auffassung aufgegeben wurde und die Betrachtung 
der Natur selbst stark in den Vordergrund trat: denn das Bild war nicht 
mehr die alte Tyche oder Fortuna, sondern gewissermaszen ein land- 
schaftliches Bild, eine Personification der landschaftlichen Erscheinung 
der Stadt. Dasz die Sculptur zuerst dieses Wagstück unternommen, ist 
kaum zu vermuten; es ist vielmehr weit wahrscheinlicher, dasz die Male- 
rel darin vorangegangen war, indem sie durch die malerische Behandlung 
der Scenerie und Landschaft weit eher darauf geführt werden muste, (die 
Gutiheit selbst mit diesem Local in eine unmittelbarere Verbindung zu 
setzen. Doch selbst in der Sculptur haben wir keineswegs einen schruf- 
fea Uebergang anzunehmen, da der llissos, Alpheios, Kladeos schwerlich 
ia einer und derselben Weise dargestellt waren, sondern die besondere 
Natur dieser Flüsse sich gewis auch in den Formen ihrer Bildung ange- 
deutet fand. Es handelt sich also zur Zeit Alexanders nur um eine Stei- 
gerung, um den durch die ganze Zeitrichtung bedingten Uebergang vom 
Idealismus zum Realismus. Gehen wir aber hiervon aus, so werden uns 


286 H. Brunn: die Philostratischen Gemalde 


auch die sogenannten römischen Localdàmonen in einem wesentlich an- 
dern Lichte erscheinen. F. selbst citiert den Berggott am Farnesischen 
Stier; mindestens nicht jünger ist der Berggott an der Ficoronischen 
Cista. Besonders lehrreich für die weitere Entwicklung sind sodann 
die schon früher erwähnten Wandgemälde mit Darstellungen aus der 
Odyssee. Am Gestade der Lästrygonen finden wir, so weit sich bei 
der Beschädigung der betreffenden Stelle erkennen läszt, einen Mann 
m Nachen mit der Beischrift AKTAI; dicht dabei ist der Quell 
Artakia als Nymphe KPHNH, oben auf dem Berge auszerdem noch ein 
Jüngling als Berggott gelagert. Ein Hirt oder Pan ist durch die Bei- 
schrift NOMAI als Repräsentant der Weiden bezeichnet. Endlich, wo 
Odysseus sich der Insel der Kirke naht, kehrt die Benennung AKTAI bei 
einer am Ufer sitzenden Gruppe von drei Nymphen wieder. Hier, wo die 
Landschaft ausführlich dargestellt ist, tritt das Wesen dieser Personifica- 
tionen um so deutlicher hervor und äuszert sich von Seiten des Künstlers 
in dem Bestreben, aus dem landschaftlichen Bilde die Personificationen 
poetisch - künstlerisch zu entwickeln und die Landschaft in einer mensch- 
lichen Gestalt gewissermaszen zu resümieren. Aehnliches läsat sich auch 
vielfach an pompejanischen Wandgemälden nachweisen. Doch fehlt es 
nicht an Beispielen der ältern Gattung, in denen die göttliche Bedeutung 
der Localgottheit bestimmter hervortritt, so z. B. bei der Auffindung des 
Telephos (Millin G. m. 116, 461), während umgekehrt ganz abstracte, an 
der Handlung gar keine Teilnahme verrathende Personificationen zu den 
Seltenheiten gehören. Selbst auf Sarkophagreliefs aber finden wir sie 
keineswegs immer von der Handlung losgelöst, und eine systematische 
Vergleichung würde manigfache Belege für das Streben nachweisen kön- 
nen, auch diese Figuren zur * Schilderung dureh die Wirkung?, d. bh. zur 
Darstellung der Stimmung zu benutzen, die der Künstler dem Betrachten- 
den mitzuteilen wünscht (F. S. 347). Wenn wir nun aber in spätester 
Zeit und meist auf den schlechtesten Werken diese Dimonen auch ganz 
passiv finden, so werden wir nach den vorhergehenden Darlegungen nicht 
mehr sagen können, dasz sie es "ihrer Natur nach? seien und dasz die 
römische Kunst den abstracten Begriff dem mythologischen Wesen sub- 
stituiert habe, sondern wir werden den Grund dieser Abschwächung viel- 
mehr in dem hereinbrechenden Verfalle der Kunst zu suchen haben, in 
der handwerksmäszigen und schablonenartigen Behandlung namentlich der 
Sarkophagarbeiten, welche beim Copieren und Arrangieren älterer Gom- 
positionen für ihre Zwecke alle feineren Züge und Motivierungen beson- 
ders in den Nebenfiguren verwischte. - 

Nach diesen allgemeinen Betrachtungen werden sich die einzelnen 
Beispiele von Localgóttern bei Ph. leicht in die verschiedenen Classen 
einordnen lassen. Durchaus selbständig als góttliche oder mythologisch 
handelnde Wesen erscheinen der Skamandros, der Neilos, Meles und 
Acheloos; als Teilnehmer an der Handlung der Eridanos im Bilde des 
Phaéthon; durch die Handlung bedingt der Peneios und Titaresios im 
Bilde von Thessalien, die Bakchische Quelle der Andrier; der Flusz beim 
Marsyas, der Isthmos mit den Häfen beim Palmon. Als Heroine, wie 





gegen K. Friederichs vertheidigt. 287 


auf den Vasenbildern, tritt Kalydon im Bilde des Acheloos auf, und ähn- 
lich ist Oropos beim Niedergange des Amphiaraos aufzufassen. Aus- 
schlieszlicher, nach der spätern Weise, herscht der reine Localbegriff 
vor im Phasis bei dem mit Ganymedes spielenden Eros, in der Nymphe 
von Skyros bei der Entdeckung des Achilleus, im Olympos bei der Geburt 
des Hermes.") Durchaus landschaftlichen Charakter haben die symbo 
lischen Gestalten im Bilde des Hippolytos. Ueberall aber begegnen wir 
Bicht obenhin schematisierten, sondern bestimmter charakterisierten Fi- 
garen, und nur selten erscheinen sie ohne eine nähere, wenigstens allge- 
menschliche Beziehung zur Handlung, 


Es bleiben jetzt noch die Einwürfe zu beseitigen, die F. gegen zwei 

der obigen Bilder im besondern erhebt. Das eine ist der Palämon (Il 16), 
der am Isthmos auf dem Rücken eihes Delphins schlafend anlangt, wo 
Poseidon ihm ein Heiligtum eröffnet, während das Volk der Korinther 
und Sisyphos opfern. Der Isthmos nebst den ihn begrenzenden Meeren 
war dabei persönlich dargestellt. Zuerst bemerkt F. (S. 168), dasz *be- 
sonders der Poseidon, der zugleich den Bergrücken — man kanı sich 
sicht vorstellen wie — auseinanderweichen läszt und den Berggolt seine 
Brust öffnen heiszt, viel zu fragen gibt? Beides ist natürlich nur von 
der Höhle zu verstehen, die das Heiligtum des Palämon bildet. Zuerst 
erfahren wir, dasz der Kuabe sich derselben naht, und durch ihre Form 
mochte angedeutet sein, dasz sie einem gewaltsamen Naturereignis ihre 
Entstehung verdankte. Erst nachher, wo der Rhetor die Gestalt des Po- 
seidon beschreibt , gebraucht er den bildlichen Ausdruck κελεύει τὸν 
"Ie0póv ἀναπετάσαι τὰ στέρνα: wir kennen bereits die Höhle und schlie- 
szem daher, dasz die Verhandlung mit der Person des Isthmos sich auf 
ihre Entstehung bezieht. — Doch *wir halten uns .. nur an die Natur- - 
nen. Wir wollen uns auch daran nicht stoszen, dasz die 

beiden Häfen Korinths personificirt zugegen sind, Korinth selbst dagegen 
durch seine Eimvohner — woran sah der Rhetor, dasz sie nach Korinth 
? —. vertreten ist...” Dasz sie nach Korinth gehören, ergibt 

sich doch für den des Mythos einigermaszen kundigen ganz von selbst 
sus der Handlung und aus dem Local. Hierbei ist die Stadt Korinth 
gleichgültig, nicht so die Localität des Isthmos. Dadurch widerlegt sich 
auch folgender Einwurf: “Wären diese Lokaldämonen allein ohne das 
opfernde Volk auf dem Bilde, so würden wir keinen Anstosz nehmen, 
damn wären sie Repräsentanten des Landes und seiner Bewohner, jetzt 
aber da das Volk selbst auwesend ist, haben sie lediglich geographisches 





7) Ph. (I 26) sagt von ihm: γέγηϑε δὲ αὐτῷ (sc. Eeuj) τὸ ὄρος" 
750 Bad αὐτοῦ οἷον ἀνθρώπου. Die beiden letzten Worte sollen 
F. (8. 86) den Beweis liefern, dasz der Berg gar nicht als perso- 
lit zu denken sei. Mir scheinen sie sich eben so gut 
menschliche Teilnahme beziehen zu lassen, durch welche der 
Element gefesselte und daher sonst ernsthafte und gleichgültige 
zen aus seiner Rolle füllt. Kurz vorher werden dem 


Olympos τὰ τῶν ἀνθρώπων ὄρη entgegengesetzt. 


ὃ. 


WES 


288 H. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


Interesse.’ Allerdings; und sie dürfen es > denn die Handlung, zu der das 
Volk versammelt ist, erscheint als wesentlich bedingt durch die geogra- 
phischen Verhältnisse, Wenn ferner gefragt wird, warum *das eine Meer 
real und personifieirt, das andre nur personificirt erscheint”, so kann 
man antworten, dasz es überflüssig war, auch das andere, auf dem keine 
Handlung vorgieng, real darzustellen; doch können wir nicht einmal be- 
haupten, dasz dieses andere Meer nicht in irgend einer Weise angedeutet 
war. — Doch F. selbst legt auf alle diese Einwürfe weniger Nachdruck 
als auf den folgenden: nemlich *dasz soviele und solche Personifika- 
tionen anwesend sind. Der geographischen Figuren — deun das Bild ist 
wirklich eine figürlich dargestellte Landkarte zu nennen — sind nicht 
weniger als sechs, wenn man für die Darstellung des Hafens Kenchreae 
die geringste Zahl annimmt? F. rechnet nemlich den Isthmos und Lechäon 
als einzelne Figuren, Kenchrei doppelt und auszerdem zwei Meere. Allein 
bei Ph. steht nach der Erwähnung von Lechäon und Kenchreá: ϑάλατται 
δὲ αὗται καλαὶ καὶ ἱκανῶς εὔδιοι τῇ τὸν Ἰσθμὸν ἀποφαινούσῃ γῇ 
παρακάϑηνται. Hier weist αὗται bestimmt auf das vorhergehende zu- 
rück, und dasz nicht das ägäische und adriatische Meer im allgemeinen, 
sondern eben jene beiden Häfen zu verstehen sind, ist auszerdem noch 
durch ἱκανῶς εὔδιοε zur Genüge angedeutet. Dadurch verringert sich 
die Zahl der Figuren um zwei. Aber es ist auszerdem keineswegs sicher, 
dasz Kenchreà durch eine Mehrheit von Figuren repräsentiert wars und 
ehe sich F. in Erörterungen darüber einliesz, ob eine Loealität mit plura- 
lischer Namensform durch mehrere Figuren darstellbar sei, wäre es seine 
Pflicht gewesen, den Text der Philostratischen Worte genauer zu prüfen. 
Die Worte Κεγχρεαί που τώχα finden sich nemlich nur in einer einzigen 
Handschrift, dem cod. Laud., der im allgemeinen zu den guten zu ge- 
hören scheint, aber doch.z. B. S. 101, 29 allein ein offenbares Glossem 
enthält. Der schon von Welcker ausgesprochene Verdacht, dasz auch an 
unserer Stelle die nur in ihm sich findenden Worte nicht von Philostra- 
ios herrühren, wird auszerdem durch die ungewöhnliche Stellung von 
που τάχα anstatt τάχα zov bestätigt. Mag mun nach der Vermutung von 
Salmasius κόραν in Κεγχρεαὶ zu emendieren oder die auch sonst noch 
verderbte Stelle in anderer Weise zu heilen sein, so ist es zunüchst 
durchaus nicht ausgemacht, dasz Kenchreä durch mehrere Figuren reprä- 
senliert war. Nehmen wir es aber sogar als sicher an, so liefern uns 
die beiden oben erwähnten Darstellungen der "Axrei einen Beleg dafür, 
dasz solche Localpersonificationen ín der Mehrheit, und auszerdem auelı, 
dasz sie je nach den Umständen männlich oder weiblich gebildet werden 
konnten. So wird also durch diese Axraf auch die Behauptung wider- 
legt, dasz “die erhaltene Kunst einer Handlung nur eine Lokalgottheit 
hinzuzufügen pflege’. Doch wir können F. selbst diesen Satz noch zur 
geben und trotzdem behaupten, dasz auch dann noch eit triftiger Grund 
vorlag, im vorliegenden Falle vom gewöhnlichen Gebrauche abzugehen. 
Wir fragen einfach: in welcher Weise läszt sich ein Isthmos charakteri- 
sieren? ἐν εἴδει δαίμονος, ἐνυπτιάξων ἑαυτὸν τῇ γῇ kann jeder be- 
hebige Dämon dargestellt werden. Um den Isthmos als solchen zu er- 


gegen K. Friederichs vertheidigt. 289 


kennen, ist es nothwendig dasz neben dem Dämon des Landes auch die 
beiden Meere persönlich gegenwärtig sind. Denn erst durch die Begren- 
zung zweier Meere wird das Land zum Isthmos. 


Fragen anderer Art kommen bei dem Bilde des Wippolytos (Il 4) in 
Betracht. Hier handelt es sich nicht um bestimmte geographische Per- 
sonificalionen, sondern die Localdämonen wachsen, so zu sagen, aus der 
sie umgebenden Natur heraus, und wir erkennen in ihnen die Wirkung, 
welche die Handlung auf den Beschauer ausüben soll: sie bilden gewis- 
'sermaszen den tragischen Chor (ὥστε ὠδύρατο xoi ἡ γραφή. ϑρῆνόν 
τενα ποιητικὸν ἐπὶ σοὶ ξυνθεῖσα). Die Bergwarten als Frauen zer 
fleischen ihre Wangen; die Wiesen in Gestalt reiner, unberührter Jüng- 
linge lassen ihre Blumen welken und die aus den Quellen hervortauchen- 
den Nymphen zerraufen ihr Haar und lassen Wasser von ihren Brüsten 
herabrieseln. Da auch Jahn (arch. Beitr. S. 328) glauht, dasz aus Quellen 
hervorragende (ἀνασχοῦσαι) Nymphen auf Kunstwerken nicht vorkom- 
men, so bemerke ich, dasz die Worte des Ph. keine anderen Darstellun- 
gen vorausseizen, als uns in dem Bilde des Hylas und Pegasos (Millin G. 
m. 97, 894". 106, 420*) wirklich vorliegen. Die Worte ἀποβλύξουσαι 
τῶν μαζῶν ὕδωρ glaube ich ferner nicht, wie es meist geschieht, als 
ein Entstrómen oder gar Sprudeln des Wassers, sondern gemäszigter 
deuten zu müssen: wenigstens entspricht ἀποβλύξειν an zwei anderen 
Stellen (S. 16, 6. 55, 37) mehr unserm *herabrieseln* oder *entquellen?, 
so dasz die Darstellung dieser Nymphen sich mit den Naiaden (S. 71, 21) 
vergleichen läszt, welche ῥανίδας ἀπορραένουσιν τῆς κόμης. Den Haupt- 
amstosz aber nimmt F. (S. 99) an den personificierten Wiesen und Berg- 
warten. ‘So sehr kann die Natur von dem Künstler nicht specialisirt 
werden; die Kunst kann nicht jede Einzelheit einer Lokalität anthropo- 
morphisiren, theils weil die Mittel ihrer Charakteristik nicht ausreichen 
würden, besonders aber deswegen, weil sie nur demjenigen eine selb- 
ständige Gestalt geben kann, das auch in der Wirklichkeit sich als ein 
selbständiges Wesen geltend macht. Die Quelle, der Berg treten als 
selbständige Dinge hervor, auch die Straszen und Plätze, die von den 
Römern personificirt werden; aber die Wiese kann erstlich nicht deutlich 
genug charakterisirt werden — der Berggott in der Gruppe des farne- 
sischen Stiers hat dieselbe Charakteristik wie die philostratischen Wie- 
sen —. Da dies der Fall ist, so werden wir besser thun ihn nicht einen 
Berggott zu nennen; und in der That ist er auch von andern schon als 
ein Hirt aufgefaszt worden, während ich ihn seinem Wesen nach als 
zwischen den Nouaí der Odysseebilder und den Philostratischen As- 
μῶνος in der Mitte stehend bezeichnen möchte. *Sodann aber ist die 
Wiese nichts für sich Bestehendes, sie wird untrennbar gedacht von dem 
Erdboden, den sie bedeckt.” Mich dünkt, dasz man bei der Wiese gerade 
am wenigsten an den Boden, sondern recht ausschlieszlich an die Vege- 
tation denkt, die wie ein Teppich über den Boden ausgebreitet ist. “Und 
ebenso ist die Bergwarte, von deren Charakteristik der Rhetor aus gu- 
tem Grunde schweigt, als ein unselbständiger Theil des ganzen Berges 


Jahrb. f. class. Philol, Suppl. Bd. IV. Ἠῶ. 2. 19 


290 H. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


nicht gesondert für sich darzustellen.” Die Warte ist die Spitze oder eiu 
hervorspringeuder Teil, mit dem sich für unsere Phantasie die Vorstellung 
freier Umschau verbindet, die sich keineswegs auf den ganzen Berg aus- 
dehnen läszt, also eine selbständige Geltung hat. Doch eine Widerlegung 
aller dieser Einzelheiten ist kaum nöthig, nachdem wir in den inschrift- 
lich beglaubigten Nowei und "Axrai Darstellungen kennen gelernt haben, 
die ihrem Wesen nach mit den Asıu@veg und Zxorwel durchaus auf 
einer Linie stehen. Jene Bilder aus der Odyssee zeigen, welche Freiheiten 
sich die Künstler gestatteten; und sie durflen es, weil gewissermaszen 
schon die Landschaft selhst solchen Figuren ihren Namen gab. Wir 
sprechen z. B. von den Nymphen des Gestades; der Grieche gebrauchte 
diesen vermittelnden Begriff nicht: er nannte solche Nymphen ohne wei- 
teres Vxral, Wir hören von Oreaden, Dryaden, Naiaden, "4ygovópor, 
Ἐπιμηλίδες, ᾿Ανθοῦσαι: der Grieche setzt die Nymphe, den Damon auch 
als Vertreter des concreten Gegenstandes. Hatte übrigens F. von einem 
Teil jener Inschriften keine Kenntnis, so war es wenigstens, ehe er all- 
gemeine Principien aufstellte, seine Pflicht, aus den ihm zugünglichen 
Monumenten, namentlich den pompejanisehen Gemälden, sich über den 
Thatbestand zu unterrichten und denselben mit der Ausdrucksweise des 
Ph. zu vergleichen. Dies hatte bereits vor ihm Stephani gethan (Parerga 
arch. XIV in dem Bull. de l'Acad. de St. Pétersbourg XII S. 300 I.) indenr 
er eine Reihe von Frauengestalten auf Felsenspitzen zusammenstellt , für 
welche sich in der That keine passendere Benennung finden läszt als die 
Philostratische der Zxorıel. Auch scheint es mir ein glücklicher Ge- 
danke Stephanis, dasz er die drei Knaben auf dem vielbesprochenen Bilde 
der Begegnung des Zeus und der Hera auf dem Ida (Mus. horb. 1159. 
R. Rochette Peint. de Pompéi pl. 1) als “ειμῶνες deutet, indem Homer 
(1. Κ᾽ 847) ausdrücklich von der blütenreichen Lagerstätte spricht. Eine 
solche Musterung würde F. auszerdem überzeugt haben, dasz so manche 
dieser Gestalten, die bei Nüchtiger Betrachtung "kalt, uninteressant und 
entbehrlich? scheinen, sehr wesentlich zur Belebung der ganzen Scene, 
zur ‘Schilderung durch die Wirkung? beitragen. 

So liefern denn allerdings diese Darstellungen Belege für den be- 
rühmten Satz des Simonides, dasz die Malerei eine stumme Poesie und 
die Poesie eine redende Malerei sei, selbst in dem unrichtigen Sinne, wel- 
chen ihm F. (S. 100) unterlegen möchte, der nur an *ausmalende, schil- 
dernde Poesie? und an eine eben so *detaillirt schildernde* Malerei denkt. 
Wenn Simonides, wie F. selbst bemerkt, als Zeitgenosse des Polygnotos 
eine solche Malerei noch gar nicht vor Augen haben konnte, so ergibt 
sich doch gerade daraus klar genug, dasz er seinen Ausspruch in einem 
durchaus verschiedenen Sinne that, dasz er nemlich nieht an die speciell. 
malerische, sondern überhaupt an die bildliche Gestaltung des poetischen 
Stoffes denken konnte. Dasz also Homer “mehr Form als Colorit? hat, 
kommt hierbei gar nicht in Betracht: genug er bietet dem Künstler Ge- 
stalten, und dadurch wird seine Poesie eine redende Malerei, wie umge- 
kehrt die groszen Gemälde des Polygnotos einem stummen Epos ver- 
glichen werden künnen. Nur so kounte Simonides seiner Zeit jenen 


gegen K. Friederichs vertheidigt. 291 


Satz aufstellen, der indessen auch später seine Geltung bewahrte: denn 
in demselben Verhältnis, wie in der Poesie das ausmalende schildernde 
Element weitern Einflusz gewann, entwickelte es sich auch in der bilden- 
den Kunst; und die Malerei von Apolloderos und Zeuxis an steht zu Drama 
und Lyrik annähernd in demselben Verhältnisse, wie die ältere bis auf 
Polygnotos zur epischen Dichtung. 


Durch die Personificationen der Natur werden wir endlich auf die 
Frage nach der Bedeutung des Landschaftlichen in der Malerei geführt. 
Wir haben schon oben die merkwürdige Behauptung F.s erwähnt, dasz 
‘den alten Gemälden das Landschaftliche gefehlt habe? und müssen nun 
jetzt nach deren Begründung fragen. Sie soll in den Erórterungen S. 178 ff. 
gegeben werden. Dort aber wird als Grundlage der ganzen Untersuchung 
wieder ein Gebiet gewählt, das mit eigentlicher, d. h. mit einer in Farbe, 
Licht und Schatten durchgeführten Malerei nur wenig zu thun hat, nem- 
lich die Vasenmalerei. Wir erhalten zunächst eine flüchtige Skizze über 
das Landschaftliche in Vasenbildern. Auf den schwarzfigurigen Vasen sei 
der Schauplatz der Handlung selten charakterisiert. Ausnahmsweise finde 
sich wol ein Baum, dem man materielle, nicht blosz decorative Bedeu- 
tung beilegen müsse. Wasser sei durch den bloszen Umrisz, durch die 
conventionelle Wellenlinie oder einige Fische angedeutet. Indessen führ- 
ten wir schon oben'einige Beispiele einer ganz verschiedenen Behandlung 
des Wassers an; und Gebäude, ein Wohnhaus, ein Brunnenhaus , Stadt- 
mauern und Stadtthor finden wir z. B. auf der Francoisvase ziemlich aus- 
fährlich dargestellt. In der rothfigurigen Malerei, heiszt es weiter, habe 
der Stil, welchen man den groszartigen zu nennen pflege, überhaupt 
eme Abneigung gegen alles Beiwerk. Das ist im allgemeinen richtig; 
aber auch hier finden wir z. B. die Mauern Trojas einmal ausführlich 
angegeben (Overbeck Gall. XIX 1), mehrere Bäume (Mon. d. Inst. VI t. 34), 
Wasser mit Fischen (Mus. Greg. ll 15 u. 74). Der zur Anmut und Zier- 
lichkeit neigende Stil, fährt F. fort, behalte zwar noch in vielen Fällen 
die Andeutungsmanier bei; aber seinem Charakter nach liebe er doch 
zierliche Blumen und Sträucher. Auf der Berliner Paris- und Kadmosvase 
solle nicht blosz der mythische Vorgang, sondern auch die Scene dieses 
Vorgangs bezeichnet werden, wenn auch nur durch geringe Mittel. Dies 
sei eigentlich der erste Anfang der Landschaftsmalerei [!]. Noch weiter 
gehe der apulische Stil. *Man sieht jedenfalls in diesem Stil die Neigung 
für anmuthige Naturumgebung am sichtbarsten hervortreten , wenn auch 
die einzelnen Bäume und Sträucher noch nicht gesammelt sind zu einem 
geschlossenen Hintergrund, wie es in der rómischen Wandmalerei ge- 
schieht. .. Hier ist es überhaupt Sitte, die mythischen Begebenheiten 
mit landschaftlicher Scenerie zu umgeben. Die römische Wandmalerei 
steht demnach in einem bemerkenswerthen Gegensatz zu der griechischen 
Kunst, wie sie in den Vasen vorliegt, und ebenso zu den freilich nur 
spürlichen Thatsachen, die uns über das Verfahren der groszen Meister 
vorliegen. Von solchen Thatsachen wird angeführt — die Alexander- 


19* 


292 H. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


schlacht! “Im Uebrigen ist uns etwas von dem Verfahren des Polygnot 
bekannt... Freilich läszt sich auch in den Gemälden der gruszen Meister 
verfulgen, dasz der äuszern Natur mehr Interesse zugewandt wurde; es 
heiszt von Zeuxis, dasz er seine Centaurin auf blühenden Rasen legte. 
Allein aus der Praxis der Vasenbilder ist wol der Schlusz erlaubt, dasz 
auch die groszen Maler der Griechen der äuszera Natur immer nur eime 
untergeordnete Stelle einräumten, und noch bestimmter läszt sich behaup- 
ten, dasz sie die äuszere Natur als einziges oder auch nur als Hauptobject. 
wol me zur Darstellung brachten; keiner der erhaltenen Titel führt darauf, 
und was wir besitzen, widerspricht.” Was F. über landschaftliche An- 
deutung in der Plastik hinzufügt, können. wir übergehen. — Es ist iu 
der That schwer, für eine solche Beweisführung den richtigen Ausdruck 
zu finden; erinnert aber wird man an den bildlichen Ausdruck vom Blin- 
den, der von der Farbe spricht. Der Grundirtum liegt, wie gesagt, darin, 
dasz aus Umriszzeichnungen auf das Verfahren der eigentlichen Malerei 
geschlossen werden soll. Sollen die Vasen bei dieser Frage herangezogen 
werden, so kaun es nur indireet geschehen, uud sie müssen uns dann zu 
ganz enlgegengesetzten Schlüssen führen. "Wenn schon die Zeichnungen 
der Vasen, die weit eher mit Reliefs als mit Gemälden zu vergleichen 
sind, eine fortwährende Steigerung in der Berücksichtigung des Land- 
schaftlichen zeigen, so ist eine solche in noch. weit höherem Grade für 
die eigentliche Malerei vorauszusetzen. Man versuche nur einmal, die 
Berliner Parisvase in Farbe mit Licht und Schatten zu übertragen, so 
wird sich nothwendig, sobald wir keine der Andeutungen in der Zeich- 
nung unberücksichtigt lassen wollen, eine Behandlung des Landschaft- 
lichen ergeben, welche z. B. der im Berliner Kentaurenmosaik in keiner 
Weise nachsteht. Sollte aber Polygnotos citierL werden, so durfte ‚es 
wiederum nur zu einem völlig entgegengesetzlen Zwecke geschehen, 
nemlich um auf den gewaltigen Umschwung hinzuweisen, der unmittel- 
bar nach ihm in der Malerei eintritt, auf den schroffen Gegensatz, in-den 
das Malen der folgenden Periode zu dem seinigen tritt: einen Gegensatz, 
über den wir durch positive Zeugnisse hinlànglich unterrichtet sind. 
Schon K. 0. Müller hatte gerade auf den Punkt, der für die vorliegende 
Frage entscheidend ist, nemlich auf die Entwicklung. der Skenographie, 
mit Nachdruck hingewiesen (vgl. meine Gesch. d. gr. K. I 73). Bereits 
bei Zeuxis (um von dem Aiaz fulmime incensus des Apollodoros zu 
schweigen) tritt ja dieser Umschwung deutlich hervor: seine Kentaurin 
war nicht blosz auf blühendem Rasen gelagert, sondern der nur zur 
Hälfte sichtbare Kentaur neigte sich von oben wie von. einer Bergwarle 
herab; die Landschaft muste also noch weiter als durch den blühenden 
Rasen berücksichtigt sein. Auch das laufende Pferd des Pauson, das 
herumgedreht sich im Staube wälzte (Gesch. d. gr. K. 11:50), verlangte 
einen malerisch behandelten Hintergrund. In der Alexanderschlacht aber. 
sind das Terrain, der dürre Baum, die Luft nicht nur andeutend, sondern 
landschaftlich behandelt. Und wie sollen wir uns die Seeschlacht des 
Nealkes gemalt deuken , die F. (S. 179) merkwürdigerweise als ein Bei- 
spiel für symbolische Behandlung des Landschaftlichen anführl? . Damit 


gegen K. Friederichs vertheidigt. 293 


die breite Fläche des Nil, auf dem gekämpft wurde, nicht init dem Meere 
verwechselt werde, malte der Künstler ans Ufer einen Esel, dem ein 
Krokodil nachstellte. Hier muste also doch die Wasserfläche deutlich 
zur Anschauung gebracht sein. So beweisen also schon die Thatsachen, 
die F. selbst anführt, gerade das Gegenteil von dem was er behauptet. 
Noch auffallender aber müssen diese Behauptungen erscheinen, wenn wir 
sie mit dem vergleichen, was F. selbst kurz vorher (S. 176) im ganzen 
richtig ausführt: “Den Zusammenklang der landschaftlichen Scenerie mit 
dem Charakter des Hauptobjects hat man an neuern Bildern ófters hervor- 
gehoben. .. So war es auch in der alten Kunst und es kann auch wol 
nicht anders sein, da alles Einzelne des Kunstwerks ja aus einer einheit- 
lichen Stimmung hervorgeht. Wir kónnen es nicht controliren, wie sich 
die vollendete griechische Malerei in diesem Punkt benahm, wenn wir 
nicht das Berliner Centaurenmosaik hieher ziehn dürfen, wo allerdings 
die Landschaft mit der dargestellten Handlung auf das Schönste zusam- 
menstimmt. .. Aber die römischen \Wandgemälde, auch die Vasen liefern 
eine Fülle von Beispielen, so dasz von ihnen ein Rückschlusz zu machen 
ist.” Angeführt wird die felsige und zum Teil öde und kahle Umgebung 
in Bildern der llesione, Andromeda uud Ariadne. “Auf der andern Seite 
sehe man die Darsteliungen des Ilylas, des Narzissus, des Endymion, es 
sind stille, geschlossene, schón belaubte Plätze, wie sie der aufsucht, 
der sich freuen will an kühler Waldeseinsamkeit. Glaubt etwa F., dasz 
dieses alles eigne Erfindung der pompejanischen Decorationsmaler sei 
und nicht vielmehr ein Abglanz früherer Zeiten? Allerdings müssen wir 
bei den Griechen, wie in der neuern Kunst, verschiedene Grade in der 
Auffassung und Durchführung annehmen, indem der strenge 'historische? 
Stil je nach den Umständen eine mehr ideale als realistische Darstellung 
vorzog. Aber die eine schlosz die andere keineswegs aus; und hier bie- 
ten sich uns wieder die Gemälde aus der Odyssee, obgleich sie in der 
Ausführung durchaus nur decorativer Natur sind, als eins der zewich- 
tigsten Zeugnisse dar. Auch in ihnen finden wir die vollkommenste 
Uebereinstimmung der landschaftlichen Scenerie mit der dargestellten 
Handlung. Die Bilder sind eine “stumme Poesic?, ganz und gar aus Ho- 
mer heraus componiert, aber trotzdem überwiegt in ihnen durchaus das 
Landschaftliche, so dasz wir sie iit derjenigen Kunstgattung auf éine 
Linie stellen müssen, welche wir nach heutiger Terminologie “historische 
Landschaft? nennen. Wir brauchen jetzt nur die Namen von Tizian und 
N. Poussin auzuführen, um die hervorragende Bedeutung gerade dieser 
Gattung zu bezeichnen, und zu bemerken, dasz die Landschaft auch in 
der Blütezeit der neuern italiänischen Kunst im wesentlichen auf diese 
allein beschränkt blieb. Der Satz, dasz die Alten keine Landschafts- 
malerei besessen, ist also sehr wesentlich zu modificieren, und seine Gel- 
tung beschräukt sich eigentlich darauf, dasz ihnen die naturalistisch im 
Detail durchgeführte Landschaft gefehlt zu haben scheint, eine Gattung 
deren einseitige Bevorzugung der Kunst im allgemeinen keineswegs zum 
Vorteil gereichen würde. 


294 H. Brunn: die Philostratíschen Gemälde 


Wenden wir uns jetzt zu Ph. zurück, so werden wir im allgemeinen 
ohne weiteres zugeben müssen, dasz, wo landschaftliche Seenerie aus- 
führlicher erwähnt wird, diese iu der Regel der Beschreibung nach dem 
Charakter der Haupthandlung entspricht; so z. B. der Kithäron im Bilde 
des Pentheus (I 18), Thessalien (Il 14: αἰγυπτιάξει), das stetige Land 
von Lindos (ΠΗ 24). Aber auch diejenigen Bilder, in denen das Land- 
schaftliche überwiegt, werden sich aus dem obigen gegen F.s Einwürfe 
rechtfertigen lassen. Bei den *Sümpfen? (1 9) nimmt er *Anstosz an der 
Sammlung verschiedener Bäume und verschiedener Erdreiche. Der land- 
schaftliche Hintergrund soll ja nicht auf sich und seine Natur die Auf- 
merksamkeit ziehn, sondern ist nur um eines Andern willen da. Die 
Sache ist wol nicht anders zu beurtheilen, als in dem «die Inseln» (II 17) 
betitelten Bilde, wo eine Insel ebenfalls eine ganze naturhistorische 
Sammlung von Baumarten, Cypressen, Fichten, Tannen, Eichen und 
Cedern erzeugt... Bedarf es noch weiterer Beispiele oder gar noch des 
Beweises, dasz hier der Rhetor, der absurde Rhetor spricht?? (S. 175) 
Die ‘Sammlung verschiedener Bäume” im ersten Bilde beschränkt sich auf 
Fichten, Cypressen und Tannen im Hintergrunde und einige Palmen im 
Vordergrunde; in dem andern sind es fünf Baumarten, und in dieser 
*naturhistorischen Sammlung? fehlen also ganz gewöhnliche Arten wie 
Ulmen, Buchen, Eschen, Kastanien usw. Wie häufig finden wir nun in 
pompejanischen Gemälden mehrere Baumarten in eine Gruppe zusammen- 
gedrängt! hu den beiden Philostratischen Bildern aber handelt es sich 
um die Darstellung mehrerer Berge und ihrer verschiedenen Vegetation, 
während schon auf einem einzigen einigermaszen beträchtlichen Berge 
die Baumarten in den verschiedenen Höhen wechseln. — Doch “der laud- 
schaftliche Hintergrund soll ja nicht auf sich und seine Natur die Auf- 
merksamkeit ziehn?, und noch mehr: "ein feinerer Fehler des Bildes 
verdient wol eine etwas nähere Besprechung, da er eine schöne Sitte der 
erhaltenen Kunst angeht. Der Charakter des landschaftlichen Hinter- 
grundes nämlich ist nicht im Einklang mit dem Charakter-der darge- 
stellten Handlung. Wie passt nämlich der unwirthliche mit düstern 
Tannen bewachsene Berg zu dem heitern Spiel der Eroten? Eine freund- 
liche lachend sich ausbreitende Landschaft sollten sich die Knaben zu 
ihren Spielen aussuchen.’ Schwerlich kann wol der Gedanke dieses Bil- 
des ärger verkannt werden als es hier geschehen ist. Dargestellt ist ein 
wasserreiches Thal, umgeben von himmelhohen bewaldeten Bergen. Zwi- 
schen der üppigen Vegetation des Wassers erblickt man verschiedenes 
Geflügel, Enten, Gänse, Störche, und an der ausgezeichnetsten Stelle 
Eroten, die auf Schwänen reitend Kurzweil treiben, dazu Schwäne am 
Ufer und den Zephyros. An einer andern Stelle oder Seite des Bildes 
flieszt ein Flusz aus dem Gewässer des Thals heraus, der von Ziegen, 
Schafen und deren Hirten überschritten wird. Wie konnte F. verkennen, 
dasz das Thal gerade durch die rings umschlieszenden Berge seinen hoch- 
poetischen Charakter erhält? Es ist ein stiller, abgeschlossener Raum, 
der von menschlicher Cultur noch nicht berührt worden ist. Selbst die 
Brücke über den Flusz (ob der Maler wirklich den Gedanken hatte, den 





gegen K. Friederichs vertheidigt. 295 


ihm Philostratos beilegt, ist ganz gleichgültig) ist von der Natur ge- 
bildet. Nur Thiere, Eroten und Hirten beleben das Ganze. Alles hat 
etwas Heimliches, Verstecktes, von der weiten Welt Abgelegenes; es ist 
ein idyllischer Winkel: und aus diesem will F. die Eroten in die weite 
Ebene binaustreiben? Ein solches Bild soll “der Rhetor, der absurde 
Bhetor? erfunden haben, ein Bild das uns eine fast durchaus neue Seite 
der alten Kunst kennen lehrt, das in poetischer Auffassung keiner neue- 
ren Landschaft nachsteht? 


Unter den Inseln (11 17) ist es namentlich die erste, an welcher F. 
Anstosz nimmt. Sie ist leer von Spuren ınenschlicher Cultur, von Göt- 
tern und Dämonen. ° Hat je das Alterthum solche Darstellungen hervor- 
gebracht, ist etwas Analoges zu finden in den erhaltenen Denkmälern?? 
(S. 178) “Wenden wir uns nun zurück zu dem Bilde des Philostratus, so 
musz behauptet werden, dasz die menschenleere Insel, die er gemalt ge- 
sehen haben will, ohne alle Analogie dasteht. Hätte er noch Heiligthü- 
mer ländlicher Gottheiten hinzugesetzt, so hätte man sich das Bild denken 
können nach der Art jener späten oben erwähnten [römischen] Gemälde.’ 
(S. 186) Aber ist denn diese Insel das ganze Bild? Es war eine von 
sieben und wol die kleinste von allen. Warum soll nun nicht einmal 
eine im Gegensatz zu den andern als unbewohnt charakterisiert werden 
dürfen? Es hat aber mit diesem Bilde noch eine ganz besondere Bewandt- 
mis. Hóren wir freilich F., so sollte man es für den Gipfel der Thor- 
beiten halten. *Zwar das ganze Bild mitzutheilen, dazu kann ich mich 
nicht entschlieszen, denn es ist eine lange Sammlung von Absurditäten, 
die zum Theil im Kopfe des Rhetors entsprungen, zum Theil dadurch 
hervorgerufen sind, dasz dichterische Beschreibungen als malerische vor- 
geführt werden.5).. Jede Einzelheit des Bildes und die ganze Zusam- 
menstellung ist völlig unbegreiflich. Es ist ein Gemisch von wilder 
Willkür, worin man vergebens Einheit und Gedanken sucht.’ (S. 177) 
Dies ist das vernichtendste Urteil, welches F. sich selbst schreiben konnte. 
Denn hätte er, wie es seine Pflicht war, sich erustlich bemüht Einheit 
und Gedanken zu suchen, so muste er sie finden, da sie bereits vor ihın 
gefunden waren, nemlich in den allerdings nur eine halbe Seite uinfas- 


8) Zum Beweise wird auf die Schilderung des Vulcan hingewiesen, 
die allerdings etwas unklar, aber nicht sinnlos ist. Sicher dargestellt 
war Zeus, doch wol nicht auf, sondern über dem Berge, wie er aus 
den Wolken seine Blitze gegen den Krater schlendert. Der Gott allein 
genligt, um an den Kampf gegen einen Giganten zu erinnern; einer 
weitern Darstellung &ber scheint sich der Künstler dadurch überhoben 
zu haben, dass er alles übrige in Dampf hülite: περιβέβληκε δὲ avroig 
ἄχλον, ὡς ὅμοια γεγονόσι μᾶλλον T γιγνομένοις φαένοιτο, was doch wol 
heiszen soll, dasz der vorher erzählte Kampf im Bilde beendigt erscheint, 
also der Gigant wieder unter der Insel liegt. Dasz übrigens auch eiu 
solcher erderschütternder Diümon in der Kunst wirklich darstellbar ist, 
lehrt die Personification des Erdbebens unter dem Gefängnisse des Petrus 
in den Raphaelischen Tapeten, die offenbar auch Goethe beim Seismus 
im sweiten Teile des Faust vor Augen hatte. 


296 Il. Brunn: die Philostratischen.Gemalde 


senden Bemerkungen Welckers S. 487 1. Diese weuigen Zeilen hätten F. 
von der Haltlosigkeit seiner Gesamtansicht über Ph. überzeugen müssen. 
Denn die nachgewiesene Einheit liegt allerdings nicht in der Beschreibung 
des Ph., sondern im Bilde selbst. Ph. verstand. sie nicht und beschreibt 
daher nur Einzelheiten ohne leitenden Gedanken; gerade das aber liefert 
uns den positivsten Beweis, dasz er nicht aus seiner Phantasie heraus, 
sondern angesichts eines ihm wirklich vorliegenden Bildes schrieb. Dieses. 
selbst aber war ebensowenig ein Phantasiestück des Malers, sondern:es 
enthielt eine Darstellung der iolischen oder liparischen Inseln. 
Zuerst weist Welcker auf die Siebenzahl der Philostratischen Inseln hin, 
in welcher die liparischen namentlich seit Aristoteles fast immer ange- 
führt werden, sodann auf ihren vulcanischen Charakter im allgemeznen, 
wegen dessen sie im Altertum auch Vulcansinseln genannt wurden, und 
endlich auf den in voller Thätigkeit dargestellten Vulean der vierten 
Insel. In der aus zwei durch eine Brücke verbundenen. Teilen bestehen- 
den Insel erkennt er Didyme, welche nach Strabon ihren Namen von ihrer 
Form hatte; und endlich macht er darauf aufmerksam, wie, übereinstim- 
mend im Bilde und in der Natur, einige unbewohnt, andere waldig, an- 
dere für Weincultur besonders geeignet erscheinen. Diese wenigen, von 
Welcker erst während des Druckes eingeschobenen Bemerkungen sind 
zum Beweise der Hauptsache vollkommen genügend, lassen. sich aber 
leicht noch vermehren. Der Cultus des Poseidon auf der zweiten Insel 
findet seine Bestätigung durch den Dreizack, der auf den Münzen der 
liparischen Inseln neben dem Kopfe des Vulcanus sich findet. ‚Die Drachen- 
höhle der fünften Insel werden wir leicht in der ‘Grotte des Meersliers’ 
auf Filicuri (Phoenieusa) wiedererkennen (Malte-Brun géogr. δ οὐ. IV 101). 
Der dunkle Qualm um deu brennenden Vulcan herum wird iu ganz über- 
einstimmender Weise von Strabon VI S. 276 hervorgehoben. Auch. die 
heiszen Strudel im Meere bei der letzten der Inseln werden von Strabon. 
ausdrücklich erwähnt, Eine systematische Vergleichung der Beschreibung 
des Ph. in allen Einzelheiten mit der Natur der [useln selbst würde nur 
mit lülfe einer genauen Schilderung. der Localitäten möglich sein, die 
mir nicht zu Gebote steht. Aber auch jetzt schon. kann kein. Zweifel 
mehr sein, dasz die liparischen Inseln im Bilde wirklich dargestellt waren, 
von Ph. aber als solche nicht erkannt wurden. 

In der Ausführung des Bildes erscheint allerdings manches auf den 
ersten Blick auffällig; und es ist schwerlich an eine eigentliche Landschaft, 
kaum an einen Prospect nach Art des Ludius zu denken. Doch wird sich 
auch diese Schwierigkeit heben lassen. Das Bild ist nemlich, um es kurz 
zu sagen, nichts anderes als eine landschaftlich behandelte Landkarte. 
Dasz das Altertum derartige Karten kannte, geht aus manchen Zeugnissen 
deutlich hervor, und ich begnüge mich der Kürze wegen auf die Zusam- 
menstellungen bei R. Rochette Peiut. ant. inéd. S.22 und 453, und Lettre 
ἃ Mr. Schorn S. 371 zu verweisen, Einzelne Andeutungen der Peutinger- 
schen Tafel, obwol sie als Wegekarte und ihrer Form nach zu landschaft- 
licher Behandlung sich nicht eignete, sodann aber die Abbildungen in 
den Handschriften der römischen Agrimensoren beweisen auszerdein we- 





gegen K. Friederichs vertheidigt. 297 


bigstens so viel, dasz man sich auf Karten und Plänen -keineswegs immer 
mit conventionellen Zeichen begnügte, sondern ein Bild der Dinge selbst, 
Bäume, Berge, Städte usw., zu geben suchte, und wir erkennen daraus, 
dasz die Kartendarstellung seit dem Wiederaufleben der Wissenschaften 
zunächst an die Tradition des Altertums anknüpfte. Wir dürfen daher 
auch zur Veranschaulichung des Philostratischen Bildes z. B. auf die geo- 
graphische Gallerie des Vatican verweisen, in welcher, wie einst im 
Tempel der Tellus zu Rom (Varro de re rust. I 2), in pariete picta Italia 
zu sehen ist. Wir finden dort nicht nur die Formation des Terrains, 
Berge, Wälder, Städte angegeben, sondern nicht selten auch historische 
Vorgánge, wie die wichtigsten Schlachten nach den Hauptgliederungen 
der Heere dargestellt, während in den Vordergründen die Behandlung 
ganz ins Landschaftliche mit manigfacher Staffage übergeht. Obwol natür- 
lich die geographische Darstellung immer die Hauptsache bleibt, so ist 
doch nicht zu verkennen, dasz der Künstler auch Anspruch machte für 
einen Landschaftsmaler zu gelten. 


Es wird jetzt keines Beweises mehr bedürfen, dasz auch das Bild des 
Bosporos (I 12) zu derselben Classe von Darstellungen gehört, während 
das folgende (die Fischer I 13) um so mehr mit diesem zu verbinden ist, 
als am Bosporos sich eine bekannte Station für den Thunfischfang befand 
(Strabon VII S. 330). Hiernach werden aber auch die Figuren auf diesen 
Bildern einer ganz andern Beurteilung unterworfen werden müssen als 
in gewöhnlichen Gemälden. Der Künstler hat sicherlich nicht beabsich- 
tigt in ihnen eine fortlaufende Handlung darzustellen, sondern er liesz 
sich von der Beschaffenheit der Oertlichkeit leiten oder berücksichtigte 
auch wol ganz locale Sagen, welche zu deuten dem Ph. ebenso wenig 
wie uns immer möglich sein mochte. Wenn er trotzdem an die einzelnen 
Gruppen eine bestimmte Erzählung zu knüpfen sucht, so thut er dies 
um seine rhetorische Kunst zu zeigen. Doch fühlt er selbst die Schwierig- 
keit, indem er plötzlich mit einer allgemeinen Betrachtung abbricht: 

TU γὰρ ἡ γραφὴ xoi τὰ ὄντα καὶ τὰ γινόμενα xal ὡς ἂν γέ- 
vosso . Trotzdem aber gewiunen jetzt seine Beschreibungen für uns 
eine erhöhte Bedeutung, indem sie uns ein anschauliches Bild einer Kunst- 
gattung gewähren, für welche uns bisher so gut wie jede Anschauung 
fehlte. 


Mit wenigen Worten mag hier noch der Stilleben gedacht werden. 

Die Xenia (1 31. Il 26) erwähnt F. gar nicht; und es möchte in der That 
schwer sein gegen diese Bilder, für die sich z. B. unter den pompejani- 
schen Malereien mancherlei Analogien nachweisen lassen, etwas wesent- 
liches zu erinnern. Eigentümlicher erscheinen * die Spinnengewebe’ (II 
38), welche den Einblick in einen verfallenen Hof durch eine mit Spin- 
bedeckte Thür darstellen. Sie werden von F. (S. 199) mit 

dem Prädicat “absurd” beehrt, und “es widersteht? ihm sie zu zerglie- 
dera. Wir wollen uns dadurch die Freude auch an diesem Bilde nicht 
verkämmern lassen, welches das Leben der Spinnen, ihr Gewebe, ihre 


298 j H. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


Beute in so treuer und eingehender Weise schildert. Es ist von dem 
Xenien zu diesem Bilde nur ein kleiner Schritt, und wir erinnern uns 
dabei der Rhyparographen und Kleinmaler (Gesch. d. gr. K. 1 259), so- 
wie der μεκροτεχνία eines Kallikrates und Myrmekides (Il. 405 — 407), 
und allenfalls der berühmten Linie des Apelles, um micht zu bezweifeln, 
dasz die Alten die Mittel ihrer Kunst auch an. solche Kleinigkeiten 'ver- 
schwendeten, welche durch die Sauberkeit der Ausführung und die 
emsigste und minutiöseste Naturbeobachtung auch den zu fesseln ver- 
mögen, der sonst den Zweck der Kunst in höheren und idealeren Auf- 
gaben erkennt, 


Die Erwähnung der Kleinmaler führt mich endlich auf das zehnte 
Bild des jüngern Ph., auf dem der Kampf des Pyrrhos mit Eurypylos, 
Pyrrhos aber mit dem Schilde des Achilleus gerüstet dargestellt war. 
Diesen Schild beschreibt Ph. als in allen Einzelheiten der Homerischen 
Schilderung nachgebildet. F. handelt darüber im vierten ἔχουν (S. 223 IT.) 
und benutzt diesen Anlasz zu einigen Bemerkungen über den Homerischen 
Schild, auf die ich hier nicht weiter einzugehen brauche. Denn ob die 
Homerische Schilderung eine rein dichterische Schópfung ist, kommt für 
Ph. nicht in Betracht. Genug dasz man auch im Altertum an ein wirk- 
lich zugrunde liegendes Kunstwerk dachte und dasz eben dadurch ein 
Künstler zu einer Reproduction veranlaszt werden konnte. Dasz es sich 
um eine solche in dem Philostratischen Bilde handle, hat schon Welcker 
angenommen, nur dasz er aus Vorsicht die Möglichkeit zugibt: es möge 
sich der Künstler mit flüchtigen Andeutungen begnügt haben, die der 
Rhetor nach den Worten des Homer weiter ausführte. ‚Doch auch ab- 
gesehen von den ausdrücklichen Worten des Ph., welche dagegen spre- 
chen (S. 125, 14), glaube ich nicht dasz wir eine solche Beschränkung 
anzunehmen haben, wenn wir nur genauer auf das Wesen der ganzen 
künstlerischen Aufgabe eingehen. F. sagt (S. 228): "Was aber den Schild 
betrifft, musz es nicht geradezu eine Geistesabwesenheit genannt werden, 
wenn einem Krieger der mit dem ganzen Figurenreichthum der homeri- 
schen Beschreibung angefüllte Schill des Achill in die Hand gegeben 
wird in einem Augenblick, da uns ganz was Andres inleres- 
sirt? Hier handelt es sich ja um den Zweikampf des Pyrrhus und Eury- 
pylus, wer hat aber unter diesen Umständen ein Auge für die Details des 
Schildschmuckes? Wozu, fragt man, dieser mühselige Fleisz, auf ein 
untergeordnetes Geräth verschwendet, dieser Fleisz, den Niemand wür- 
digt! Oder ist etwa das Bild um des Schildes willen da? Ein solcher 
Schild kann nur für sich gemalt werden , denn er ist eiu Kunstwerk für 
sich” Mich dünkt, dasz hier unsere heutigen Kunstbegriffe falschlieh 
auf die alte Kunst übertragen sind. Ein griechischer Cälator konnte wol 
einen wirklichen Schild nach dem Muster des Homerischen anfertigen. 
Ein Gemälde jedoch, welches nichts als den Schild enthielte, lag gewis 
der Anschauungsweise des Altertums feru: auch bei uns haben derartige 
Reproductionen nur ein gelehrtes Interesse oder treten als künstlerische 
Studie auf. Der gezeichnete oder gemalte Schild für sich kann mie ein 















gegen K. Friederichs vertheidigt. 299 


eigentliches Kunstwerk bilden; und so sehr wir ihn im einzelnen be- 
wundern mögen, so steht er doch als Ganzes kalt und unvermittelt da, 
sofern nicht auch im Bilde wenigstens eine Andeutung seiner eigent- 
lichen Bestimmung gegeben wird, sei es etwa auch nur, dasz er mit 
andern Waffen zu einer Gruppe nach Art von Trophäen verbunden er- 
schiene. Seine wahre Geltung erhält er sicher erst am Arme seines 
Trägers, wo allerdings, wenn der Schild Hauptsache sein soll, alles 
andere durch die Rücksicht auf ihn wesentlich bedingt sein musz. Dies 
ist aber in dem Philostratischen Bilde wirklich der Fall. Ilion, das 
Griechenlager, die beiden Heere bildeten offenbar die Scenerie und lieszen 
sich durch die malerische Behandlung so zurückdrängen, dasz die Auf- 
merksamkeit mit Nothwendigkeit auf die Hauptgruppe hingelenkt wurde. 
Die beiden Kämpfer waren gewaffnet; “über ihre körperliche Schönheit 
läszt sich deshalb nichts sagen? bemerkt der Rhetor: also auch dadurch 
ward das Auge nicht abgezogen. Die Waffen des Eurypylos waren nicht 
mit Figaren geschmückt und nur der Metallglanz war ausgedrückt. Eury- 
pylos war bereits gefallen; κεῖταε ἀνοιμωκτὶ πολὺς κατὰ τῆς γῆς dx- 
Ἰτυθείς woran F. besondern Anstosz nimmt: *alle Schönheit der Grup- 
pirung würde verloren gehen und auch das psychologische Interesse 
würde beeintrüchtigt^ Das würde der Fall sein, wenn der Künstler einen 
Entscheidungskampf, wie den von F. cilierten zwischen Achilleus und 
Hektor oder Memnon hätte darstellen wollen. Er hatte aber sein Thema 
anders gefaszt, nemlich: Pyrrhos siegreich über Eurypylos durch die 
Waffen des Achilleus. Er liesz daher den Pyrrhos seinen Gegner nicht 
mit der Lanze, sondern mit dem Schwerte, also im unmittelbarsten Hanı- 
gemenge erlegen, und so durfte er ihn triumphierend über dem Leichnam 
des Gegners stehend darstellen: dadurch ward Pyrrhos allein die lIaupt- 
Égur und auf ihn concentrierte sich die ganze Aufmerksamkeit. Indem 
san. die eigentliche Handlung, der Kampf mit Eurvpylos, bereits vollendet 
ist, zugleich aber auf einen noch bevorstehenden Kampf mit dessen Heere 
derch die ganze Haltung des Helden hingedeutet wird, erscheint der 
Menent für die Phantasie des Beschauers fruchtbar gewählt, und dabei 
isch einfach, klar und verständlich, so dasz er das Nachdenken des Be- 
schauers nicht zu stark in Anspruch nimmt, ja eine gewisse Ruhe ge- 
währt, um den Blick auf den Helden und das, was ihn äuszerlich charak- 
terisiert, zu richten. An dieser Figur nun gewinnt der Schild eine höhere 
Geltung, wie er wol auch materiell im Bilde gerade den Mittelpunkt ein- 


| genommen haben mag. Die ganze Handlung und Scenerie erscheint nur 


daza bestimmt auf ihn hinzuführen: durch den Schild wird der Triumph 
des Pyrrhos auch eine Verherlichung des Achilleus. So werden wir nicht 
leugnen können, dasz die Beschreibung des Ph. gerade wegen der von 
gewöhnlichen Kampfdarstellungen etwas abweichenden Motivierung der 


Β Handlung die Gewähr für die einslige Existenz des Bildes in sich selbst 
E irägt, und es kann zum Behuf einer äuszern Bestätigung nur noch ge- 


fragt werden, ob sich für eine solche Vereinigung von groszer und klei- 
ner Darstellung in einem und demselben Werke noch andere Analogien 
aus der alten Kunst nachweisen lassen. Ein Beispiel aus der Malerei 


à 


300 H. Brunn: die Philostratischen Gemälde 


liefert uns Chorikios in der Beschreibung des Gemäldes der Phädra: in 
dem königlichen Gemache, in welchem sie während der Ruhe des Tlieseus 
den Brief an Hippolytos schreibt, waren auf dem Fries der Säulenhalle 
in kleinen Figuren (αἴσϑησις λεπτοτέρα) zwei vollständige Darstellungen 
gemalt (ἐκ περιουσίας παρέρριπται): Hippolytos auf der Jagd und der 
Kampf des Theseus gegen den Minotauros. Aher wir dürfen, da es sich 
bei Ph. gerade um einen Schild handelt, wol an zwei weit berühmtere 
Werke der Sculptur erinnern, nemlich an die Parthenos und Promachos 
des Pheidias, an denen die Schilde zu ausführlichen Schlachtdarstellungen 
benutzt waren. Dasz zwischen Kolossalbildern der Sculptur und Gemäl- 
den mancherlei Verschiedenheiten obwalten, will ich keineswegs leugnen. 
Aber schon die Existenz jener Werke konnte einen Maler veranlassen, im 
Bereiche seiner Kunst etwas ähnliches zu wagen; und eim geschickter 
Maler wird gewis mit eben so viel Gewandtheit noch das Detail der 
Hauptsache so weit unterzuordnen verstanden haben, wie der Künstler 
der Dresdener Pallas, der auf dem bloszen Saume des Gewandes zehn 
Gruppen von Gigantenkämpfen ohne Ueberladung anbrachte. 

In beschrünkterer Weise ist der Schildschmuck auf einem Wandge- _ 
mälde und einem entsprechenden Mosaik behandelt, wo Achilleus auf 
Skyros bei seiner Entdeckung auf dem Schilde, den er ergreift, selbst 
wieder als Kuabe dargestellt ist, wie er von Cheiron im Leierspiel unter- 
wiesen wird (R. Rochette Peint. de Pompéi 20. 21). Ich erwähne dieses 
Beispiel, um daran die Vermutung zu knüpfen, dasz das Bild des Pyrrhos, 
der im Begriff ist Skyros zu verlassen (iun. 3), zu dem durch eine Lücke 
der Handschrift jetzt getrennten vorhergehenden Bilde des Achilleus auf 
Skyros wahrscheinlich in einem ganz ähnlichen untergeordneten Ver- 
hàltuisse stand, dasz nemlich Pyrrhos ebenfalls auf dem Schilde im Achil- 
leusbilde dargestellt war. Die Prolepsis kann nach dem früher eitierten 
Beispiele der Wölfin auf dem Schilde des Laomedon keinen Anstosz mehr | 
erregen. Die Worte dv βραχεῖ τούτῳ γράμματε gegen Ende der Beschrei- 
bung erhalten aber auf diese Weise erst einen scharfen und bestimm 
ten Sinn. = 


Hiermit darf ich die Betrachtung der Philostratischen Gemälde be- 
schlieszen. Denn da sich meine Aufgabe auf die Abwehr der gegen die- 
selben erhobenen Vorwürfe beschränkt und also durch die Natur des 
Angriffs bedingt ist, so kann ich auf die Erörterung einiger von F. völlig 
vernachlässigten, aber für die Würdigung der Philostrate keineswegs 
nuwichtigeu Gesichtspunkte hier verzichten. So würde z. B. eiu ver 
‚gleichender Blick auf die übrigen Philostratischen Schriften oder auf die | 
verwandte Litteratur rhetorischer Kunstbeschreibungen nur zu einer Be- 
’kräftigung der bisher gewonnenen Resultate führen. Zunächst wird es 
genügen, dasz von allen Angriffen F.s kein einziger, der irgendwie von 
Belang wäre, im vorhergehenden unberücksichtigt und unwiderlegt ge- 
blieben ist. Wenn dabei nach der Natur des Materials nicht in jeden 
einzelnen Falle der tatsächliche Gegenbeweis geführt werden k 


gegen K. Friederichs vertheidigt. 301. 


gelang es doch überall, wenigstens die künstlerische Möglichkeit der 
m den Philostrateu geschilderten Gemälde darzuthun. Sollten aber 
ch die einzelnen Gründe nicht immer gleich überzeugend befunden 
den, so würde doch dadurch das Gesamtresultat noch keineswegs 
i6 Schmälerung erleiden. Denn es würde den Philostraten kaum ein 
wwurf daraus zu machen sein, wenn sie von ihrem Standpunkte als 
wioren in der Ausführung ihrer Beschreibungen nicht überall die 
'ngste Gewissenhaftigkeit gewahrt und sich weit mehr zu rhetori- 
ben Ausschmückungen hätten verleiten lassen, als bis jetzt zuzugeben 
thig schien. Und ebensowenig dürfen wir vergessen, dasz auch die 
ch erhaltenen Denkmäler uns oft genug Ungewöhnliches und Selt- 
mes, überhaupt Schwierigkeiten darbieten, mit deren Lösung wir uns 
rgeblich abmühen. Wenn also auch einzelnes in den Philostratischen 
sehreibungen noch fremdartig und auffällig erscheinen und manche 
kwierigkeit vorläufig ungelöst geblieben sein sollte, so wäre duch da- 
rch noch kein hinlänglicher Grund zum Zweifel an der Glaubwürdig- 
it des Ganzen, sondern weit eher zum Zweifel an unserem eignen 
issen vorhanden. Bei richtiger Würdigung dieser Gesichtspunkte haben 
r daher vielmehr Ursache uns zu wundern , dasz bei unserer Analyse 
‚hts übrig blieb, was als unvereinbar mit den Gesetzen der griechischen 
ust hätte bezeichnet werden müssen, während uns nicht wenige der 
ἃ den Philostraten beschriebenen Werke durch die Tiefe der poetischen 
Mibssung oder durch den auch aus der Beschreibung hervorleuchtenden 
mz der künstlerischen Darstellung wirklich überraschten. Selbst die 
storische Form der Schilderung musz uns jetzt in einem andern Lichte 
scheinen, nachdem wir erkannt haben, dasz der Rhetor sich keines- 
egs im ein hohles Pathos verliert, sondern, wenn auch nicht immer 
mwehmackvoll in seiner Ausdrucksweise, doch überall bestrebt ist, von 
im im Bilde Dargestellten in bestimmter Weise Rechenschaft zu geben. 
5 gehen also die Philostrate aus dieser Untersuchung durchaus gerecht- 
wügt hervor, und F.s Versuch, sie aus der Reihe der Kunstschrift- 
leer zu streichen, hat nur den Erfolg gehabt, ihnen unter denselben 
ins um so festere und ehrenvollere Stellung zu sichern. 


Bom im November 1860. 
Heinrich Brunn. 


Register. 


Acheloos 208. 242. 248 

Acbilleus auf 8kyros 244, bei Chei- 
ron 237, ‘langarmig? 185 

Agamemnon 186 

Aias schiffbrüchig 241. 259, fulmine 
incensus des Apollodoros ebd. 

Aurel personificiert 286. 288. 200 

Aktion 270 

Allegorie 275 ft, allegorisches und 
reales auf éinem Bilde 282 f. 

Amphiaraos 203. 241, mit Binde 
und Lorbeerkrans 190 

Ampbion 191 

Amymone 231 

Antäos 210. 242 f., ob schwarz ge- 
bildet 183, seine Stellung im 
Kampf mit Herakles 189 

Antigone 230. 262 f. 

Argo fs ες ΓΟΜΝΝ 185 

Argo fünfzi 

Ariadne 365 f. 

Attribute 195 f. 

Bartflaum 212 f. B 

Bäume als Zuhörer des Orpheus 190 

Beiwerk in den Gemälden des Phi- 
lostratos 224 ff. 

Beleuchtung 226 f. 

Bienen symbolisch 272 f. 

Blut 217 

Bosporos 249. 297 

Chorikios 235 f. 300. 

Composition 233 ff. 

Düdalos 200 f. 

Daphne in Verwandlung begriffen 191 

Dichter ob nackt dargestellt 202 

Dichternachahmung 252 ff. 257 ff. 

Dionysos 221. 270 

Dispositionen bei Philostratos 240 ff. 

Eberjagd 245 

Echo 276 ff. 

εἶδες ἄν bei Philostratos 190 

ἐλαίου πηγή 224 f. 

Emploke 254 

Epigramme 193 f. 





Eros 270. 278 f. mit Boger 
Fackel 279 

Eroten 281 ff. 

Eteokles 270 

Ethos der Figuren des Philos! 


198 

lionis 201 

Farbe 205 f. ob von Philos 
übersehen 1971f. 

Flöte 187 

Galateia 192. 258 

γίγας 216 

Gliederung der Philostratischeı 
der 197 fi. 254 

Grüszliche, das, in der Malerei i 

Hüfen personifieiert 288 

Heliaden 270, sich in Bäume 
wandelnd 101 s 

Herakles der Sehlangenwürget 
245. 252, in den Windeln 
unter den Pygmien.247 f., r 
255 8. 

Hermes bekrünzt den Herakles 
dem Sieg über Autäos 180 

Hesione 214. 244, 257 

Hyakinthos 240. 270 

Iason 183 

Isthmos 287 f. 

Kargheit der Motive der griechi 
Künstler 271 

Kassandra 230, 241. 261 

Kenchreä personificiert 288 

Kentaurenbildung 205 f. 

Kentaurenkinder in den Windel 

Kentaurinnen 265 

Kithäron personificiert 270 

Kleinmalerei 208 f. 

Kolossale, das, in der Malerei : 

Komos 230. 278 

Körperdarstellungen 206 ff. 

χρήνη personitüciert 286 

Kritheis 231 

Krokodil 272 

Kyknos 270 


Register. 


Lampe, erklärt 188 
Landkarten landschaftlich behandelt 


296 f. 

Landschaft 291 ff. 

Leehäon personificiert 288 

Liehteffecte 220 ff. 

Liparische Inseln 230. 296 

Loeslgötter 270. 284 ff. 

Malerische Móglichkeit 202 

Marsyas 221. 250 ff., mit einfacher 
Flóte 187 

Megära 270 

Meleagros 183, in Chiton und Chla- 
mys 201 

Memnon 237, ob als Aethiopier ge- 
bildet 183. 211 

Midas 205. 209 

Mond auf Gemälden 227 ff. 

Nacht symbolisch 230 

Nachtstücke 226 f. 229. 230 

Nacktheit.in der griechischen Kunst 


202 
Narkissos 189. 270. 
Nessos 222 
Nopa( personificiert 286. 280 
Mympben 289 
Oenomaos 193. 280 
ohne Mütze 188 


Parthenon 

Pasiphas 200. 240 

Pathos der Figuren des Philostratos 
198 f. 

any ἐλαίον 224 f. 

Pelops 241. 280 

Peneios und Titaresios 283 

Pentheus 237 f. 270 

αήρα der Kyniker 200 f. 

Periploke 254 

Perseus 185. 241 

Personification der Natur 283 ff. 

Phaöthon 230. 

Pheidias 254 

Philoktetes in Lumpen 185 


303 


Phorbas 193. 230. 242 

l'indaros 272 f. 

Pluralis statt des Singularis 183. 186 

Polygnotos 202 f. 

Polyneikes 270 

Polyxena 202 f. 

Prolepsis in der Kunst 268 ff. 

Reales und allegorisches auf dinem 
Bilde 282 f. 

Responsion der Gruppen im Giebel- 
feld des Parthenon 254 

Rhyparographen 298 

Ringergriffe personificiert 276 

Sarkophagcompositionen 234 ff. 

Schwanenflügel im Winde tönend 
207 f. 

Scenen, ob mehrere auf demselben 
Bilde 238 ff. 247 

Seilenos 265 

Semele 230 

Skamandros 192. 272 ff. 

Zxorıal personificiert 290 

Sonne auf Gemälden 227 f. 

Sophokles 272 ff. 

Steine sich zur Mauer ordnend 191 

Stilistische Eigentümlichkeiten des 
Philostratos 242, 240 f. 

Stilleben 297 

Stralenglanz der Lichtgottheiten 228 

Syrinx in der Hand des Polyphemos 
253 

Tempora, ihr Gebrauch bei Philo- 
stratos 242 

Themistokles 182 

Titaresios und Peneios 283 

τρίβων des Dädalos 200 f. 

Tyrrhener 240 

WVulcanisches Feuer 230 

Wassermann (Sternbild) 216 

Wiederholung derselben Figur auf 
demselben Raume 233 f. 

Windgott auf der Puppis eines Schiffs 
188, Windgötter ohne Blasinstru- 
mente 188 

Wogengewölbe 231 

Zeichnung ob von Philostratos über- 
sehen 197 ff. 

Zephyros 267 f. 270 


Philosophen ob nackt dargestellt 202 Zeuxis 255. 205 f. 


Philostratos der Rhetor 193 f. 


Register nach der Reihenfolge der Philostratischen 


N 


. 183. 212. 225. 243. 200. 271. 


241. 


. 258. 


210. 217. 229. 230. 242. 


: 8. 183. 209. 210. 216. 224. 242. 


202. 270. 


250, 


Beschreibungen. 
Philostra A hI 4: S. 218. 220. 289. 
0 tus ἢ. ἃ. Buch | 5: S. 205. 
Vorrede: S. 194. 6: 8. 221. 225. 
1: 8. 192. 260. 7:8 
2: 8. 230. 278. 8: 8. 231. 240. 
à: — 9: 8. 217. 218. 221. 231. 
4: 8. 221. 220. 243. 10: S. 180. 218. 222. 220. 230. 
5: 8. 210. 272. 240. 201. 
6: 8, 281. l1: S. 267. 
1: 8. 183. 105. 211. 221. 224. 237. 12: 8. 272. 274. 
8: S. 231. 240. 13: 5. 241. 246. 250. 
9: 8. 188. 207. 294. 14: 8. 247. 283. 
10: 8. 191. 212. 225. 15: 8. 185. 
il: 8. 101. 230. 240. 208. 270. 16: 8. 284. 287. 
12: 5. 249. 297. 17 : S. 230. 294. 295. 
13: 8. 297. 18: 8. 192. 207. 
14: 8. 229. 230. 270. 282. 10: 8. 193. 
15: 8. 246. 263. 247. 283. 
16: 8. 200. 205. 225. 240. 20: 8. 247. 
11: 8. 225. 21 
18: 8. 218. 220. 225. 237. 294. 247. 
19: 8. 221. 240. 246. 22: B. 189. 215. 247. 
20: 8. 188. 225. 23: S. 224. 255. 
21: S. 188. 195. 225. 24: 8. 247. 294. 
22: &. 225. 265. 209. 25: 8. 218, 220. 247. 
23: 8. 189. 225. 270. 26: 8. 247. 297. 
24: 8. 210. 240. 246. 270. 27: — 
20: — 28: S. 297. 
20: S. 184. 249. 287. 29: S. 210. 226. 230. 
27: 8. 190. 203. 241. 30: — 
28: 8. 202. 205. 245. 31: 8. 182. 
29: 8. 185. 211. 217. 241. 240. 248. 32: S. 182. 275. 
90: S. 212. 230. 241. 33: S. 276. 
31: 8. 297. 34: 8. 213. 
Buch II. Philostratus d. j. 

1l: — |: 8. 202. 244. 300. 
2: 8. 185. 237. 240. 2: 8. 187. 221. 225. 
ἃ: B. 184. 205. 205. 3: S. 245. 


306 Register nach der Reihenfolge derPhilostratischen Beschreibungen. - 








183. 208. 217. 243. 248. 11: 8. 216. 
S. 184, . 230. 245.247.252. 12: S. 214. 210. 225. 244. 257. 
s. 190. 2 47. 13: 

. 183. 212. 279. 


. 193. 247. 270. 219. 
. 244. 247. 298. 








Untersuchungen 
über die 


Geschichte der griechischen Fabel 


von 


Otto Keller. 


Opinionum commenta delet dies, 
naturae iudicia confirmat. Cicero. 


Jahrb. f. eless. Philol. Suppl. Bd. IV. Hft. 3. * 20 





^ 


4. 


Untersuchungen über die Geschichte der griechi- 
schen Fabel. 





I. 
Ueber das Wesen der Aesopischen Fabel. 


1. 


Ueberblickt man die Sammlungen der sogenannten Aesopischen Fa- 
bein, wie sie in griechischer Sprache auf uns gekommen sind, so bietet 
sich dem Auge ein solches Gemisch ganz verschiedenartiger Geistespro- 
ducte dar, dasz man sich uur wundern musz, wie jemand auf den Ge- 
danken verfallen konnte, so heterogene Gegenstände in eine und dieselbe 
Kategorie zu bringen, mit einem uud demselben Namen zu bezeichnen. 
Dagegen wird es erklärlich, wie über die gleichen Aesopischen Faheln 
von den einen ganz widerstreitende Definitionen aufgestellt werden, wäh- 
rend die andern an aller Definition verzweifeln (vgl. Robert: fahles in- 
edites des XII", XIII* et XIV* siécles précédées d’une notice sur les fabu- 
listes, Paris 1825, I S. XIX). Auch ich will nicht versuchen eine so 
umfassende Definition aufzustellen, welche alle die Märchen, Lehrfabeln, 
witzigen und unwiszigen Anekdoten, Allegorien, Parabeln, kurz das ganze 
bunte Allerlei, das unter dem Namen Aesopischer Fabein circulierte, ge- 
nau in sich begriffe: denn eine solche müste so allgemein und weitschich- 
tig ausfallen, dasz sie eigentlich nichtssagend wäre. Dagegen dürfte auf 
den Kern der antiken Thierfabeln vielleicht die Definition passen, dasz 
sie eine phantastische Erzählung mit gnomischer Richtung sei, in welcher 
vernunftlose aber coucrete Wesen als mit Vernunft begabte Personen re- 
dend und handelnd auftreten. Von dieser Begriffsbestimmung sind we- 
nigstens einzelne Merkmale in den Wörtern ausgedrückt, welche die 
Griechen zur Bezeichnung der Aesopischen Fabeln gebrauchten '): das 


1) Vgl. Theon progymn. 3 (περὶ μύϑου) S. 73 Sp. mooccyogstíovot 
0) αὐτοὺς τῶν μὲν παλαιών ol ποιηταὶ μᾶλλον αἴνους, ol δὲ μύϑους" 
πλεονάζουσι δὲ μάλιστα ol καταλογάδην συγγεγραφύτες τὸ λόγους ἀλλὰ 
en [ovs καλεῖν, ὅθεν λέγουσι καὶ τὸν Αἴσωπον λογοποιόν- IM!drov 
δὲ διαλόγῳ τῷ περὶ ψυχῆς πῆ μὲν μῦϑον, πὴ ei λόγον ὑνομάζξει" 


20* 


310 0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


Merkinal des phantastischen kann man in p.99 oc finden (Plat. Phaed. 61®. 
Rep. 350*); der einfache Begriff der Erzählung ist durch das allgemeine 
λόγος ausgedrückt, was seit der ältesten Zeit (Herod. I 141. ll 134) der 
gewöhnliche Name der Aesopischen Fabel gewesen ist. In der dritten 
Bezeichnung, eIvoc, mag das Merkmal des gnomischen liegen, nicht als 
ob αἶνος in der Bedeutung von παραίνεσις gefaszt werden dürfte, was 
zwar G. C. Lewis (Philological Museum I 281), K. 0. Müller (Gesch. der 
griech. Litt. I 255), Hertzberg (Uebers. des Babrios, Halle 1846, S. 121) 
und schon der Rhetor Theon (s. Anm. 1)*) behauptet, jedoch keineswegs 
bewiesen haben, sondern insofern als in αἶνος (Benfey Wurzellex. | 362. 
11 352) der Begriff des Rüthsels, also eines versteckten tiefereu Sinues des 
gegebenen Bildes enthalten ist: dies ist der älteste, namentlich bei den 
alten Dichtern beliebte Name der Fabel. Eine vierte Bezeichnung ist endlich 
noch ἀπόλογος, die aber bei den Griechen (Hertzberg a. 0. S. 122) nie 
recht in Gebrauch gekommen zu sein scheint: mit dem hybriden apolo- 
gatio taucht sie zuerst bei den Römern auf (Quinet. inst. orat. V 11, 20) 
und wird wol überhaupt auf die römischen Rhetorenschulen beschränkt 
geblieben sein. 

Nicht einmal die vage Definition, die sich aus jenen drei Namen der 
griechischen Fabel bilden läszt, würde sämtliche sogenannte Aésopische 
Fabeln in sich schlieszen: denn lange nicht von ihnen allen kann man 
sagen, dasz sie phantastische Erzählungen mit durchschimmernder didak- 
tischer Tendenz seien; in den meisten späteren Fabeln ist vielmehr kein 
Funke poetisches Feuers zu verspüren. Anders dagegen bei den Fabeln 
von echtem altem Schrot und Korn: passt ja doch auf sie schon die oben 
aufgestellte engere Definition, wie könnte ihnen diese weitere zu eng 
sein? Die Fabel vom Igel und Fuchs mit den Hundsläusen, welche Aeso- 
pos den Samiern erzählt haben soll (Arist. Rhet, I1 20), die Fabel jenes 
alten Skolion (Athen. XV 695*) von Krebs und Schlange, die vom Fuchs 
und Adler bei Archilochos und Aristophanes, die vom Fuchs und Affen 
bei Archilochos , Aristophanes und Pindaros (Pyth. 2, 78 trotz Tafel Di- 
luc. Pind. S. 569 f.), die vom Fisebadler, Reiher und Aal bei Simonides von 
Amorgos (Fr. &. 9 Bergk), die bekannte Fabel des Stefichoros, die er den 
limeráern vorhielt (Arist. Rhet. a. 0.), ferner die von den Spuren zur 
Löwenhöle bei Platon (Alkib. I 123*), die vom verstümmelten Fuchs bei 
Timokreon (Plut, Them. 21) usw. — alle diese Fabeln von entschieden 
altem Datum können mit gutem Gewissen μῦϑοει, eIvor und λόγοι ohne 


εἴρηται δὲ μῦϑος olov λύγος τις ὦν, ἐπεὶ καὶ μυϑεῖσθαι τὸ λέγειν ἔχ. 
lov» of ποιηταί. Grauert de Aesopo et fabulis Aesopiis, Bonn 182%, 
S. 86 Ε΄ 2) Anszer Theon könnte man vielleicht noeh Agathias 
(Epigr. 35, Brunck Anal, III 45) beiziehen: —. 
φευκτὸν δ᾽ ἡ τρηχεία παραίνεσις" J| Σαμίου δὲ 
τὸ γλυκὺ τοῦ μύϑου καλὸν ἔχει δέλεαρ, 

Nur müste man dann ἡ Zuwlov lesen, was in Niebuhrs Ausgahe (S, 300) 
auch schon im Texte steht. — «lvog mit παραένεσις zusammenzuwerfen 
ist schon darum unrichtig, weil gerade die Composita mit παρᾶ einen 
vom Simplex ganz verschiedenen Sinn haben; so bedeutet auch αἶνος 
Lob, nicht aber Tadel. 


O. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 311 


Unterschied genannt werden. Erst in der spätern Entwicklung der grie- 
chischen Fabel, vollends als man für den Gebrauch der Rhetorenschulen 
“sich auf das Aushecken neuer passender Apologe verlegte, neigte sich 
alles immer entschiedener zum zweckınäszigen, Jehrhaften, prosaischen, 
so dasz man die Anmaszung, wenn solchen Producten der Titel Aesopi- 
scher μῦϑοι gegeben ward, höchstens da erträglich finden kann, wo sie 
sich in bescheidener Zalıl stillschweigend unter die alten Fabeln reihten. 
In diesen echt altertümlichen Fabeln aber weht noch der frische Hauch 
einer jugendkräftigen und natürlichen Phantasie, wie er die lleldenge- 
singe eines IIomeros durchzieht. Eben die schönsten Juwelen, welche 
die Aesopischen Sammlungen auszeichnen, stammen sicher aus dem 
grauen Altertum, wo jeder verläszliche Pfad für den Geschichtsforscher 
ausgeht; darin übrigens würde man schwerlich fellgreifen, wenn man 
die trefflichsten der unter Aesopos Namen erhaltenen Apologe eben auf 
jene erste verlorene Sammlung zurückführte, welche die Griechen dem 
Aesopos zuschrieben. Man wird es also begreiflich finden, dasz wir bei 
einer Untersuchung über das Wesen der Aesopischen Fabel zunächst und 
fast einzig unser Augenmerk auf diese Classe der altertümlichen Fabeln 
richten. 
2. 


Man hat der antiken Fahel den Titel “kleine Komödie? geben wol- 
len (Robert a. 0. S. XIX); allein es dürfie gerathener sein, sie eine 
Epopóe im kleinen zu nennen. Freilich ist der Aesopische Apolog eine 
wunderliche Art von Heldlengedicht: nicht die Meroen der altehrwürdigen 
Sage sind es, denen hier die Ileldenrollen zufallen, sondern die Thiere; 
aber Gedauken, Reden und llandlungen dieser Thiere sind menschlicher 
Art und stehen im vollkommenen Widerstreit mit der wirklichen Be- 
schränktheit der thierischen Natur. So ergeben sich ewige, meist lächer- 
liche Collisionen und Combinationen menschlicher und thierischer Ver- 
hältnisse, welche uns Menschen notwendig als Caricaturen der Zu- 
stände unserer Gesellschaft erscheinen müssen. Den Dichtern der alter- 
tümlichen Fabeln übrigens darf man, nachrühmen, dasz sie, unähnlich 
ihren späteren schulmeisterlichen Nachtretern, den Zuschauer nicht so 
leicht hinter die Coulissen blicken lassen; dasz sie sich vielmehr Mühe 
gegeben haben, das Bewustsein von der tiefern Bedeutung der im alvog 
an uns vorüberziehenden Schattenbilder gar nicht recht in uns erwachen 
zu lassen. Die Figur des Menschen, den Maszstab uach welchem wir 
alles fremdartige zu messen, alles übertriebene zu reducieren gewohnt 
sind, haben sie uns entzogen); selbst die Hausthiere treten in der alter- 
tümlichen Fabel nicht als Unterthanen des Menschen auf, sondern ohne 
Rücksicht auf deren factische Abhängigkeit vom Menschen läszt sie der 


8) Nur ausnahmsweise werden Leute wie Fischer, Jüger, Bauern, 
Holsbacker, deren Culturstufe und Lebensweise sich von der der Fabel- 
fhiere kaum unterscheidet, handelud eingeführt, und zwar so dasz ihre 
Rolle ganz füglich von irgend einem Thiere, z. B. einem Fischreiher 
oder Lówen versehen werden kónnte. 


312 0. Keller: üher die Geschichte der griechischen Fabel. “ἢ 


Diehter nach freier Selbstbestimmung handeln. Ueberhaupt aber werden 
den zahmen Thieren, schon weil sie zu stark an die Prosa des Alltag- 
lebens erinnern und das behagliche Träumen von den Wundern einer phan- 
tastischen Fabelwelt stören, in den besseren alten Fabeln nur Neben- 
rollen zugeteilt; die Hauptrollen fallen solchen Thieren zu, deren Wesen 
und Treiben uns weniger bekannt, willkürlicher poetischer Darstellung 
aber desto mehr preisgegeben ist. 

So treten also die wilden Thiere, und zwar natürlich die markier- 
testen Gestalten unter ihnen am meisten, in den Vordergrund. Von der 
obersten Thierclasse der Löwe mit dem Schakal, der Panther, der Wolf, 
der Fuchs, der wilde Esel, der wilde Stier, die wilde Ziege, der Alfe, 
der Hase, die Maus und der Delphin; von den Vögeln besonders die Eule, 
der Adler, die Weihe, der Rabe, der Reiher, der Kranich, die Nachtigal 
und die Haubenlerche; von den Amphibien die Schildkröte, die Schlange, 
der Frosch, die Eidechse; unter den Fischen wird auszer dem groszen 
zu den Säugethieren gehörigen eigentlich blosz der Aal hervorgehoben; 
unter den niederen Thieren der Krebs, der Mistkäfer, die Ameise, die 
Biene und die Cicade. Diese Thiere werden vom Dichter mit den Gaben 
der Vernunft und der Rede ausgerüstet und aus.ihrem Leben Scenen vor 
uns aufgeführt, die zum grösten Teil einfach durch einen poetischen 
Gewaltstreich aus der Menschenwelt auf die Thierwelt übertragen er- 
scheinen. Unsere privaten, politischen, ja sogar religiösen Verhältnisse 
sind auf diese fabelhaften Zwitterwesen übergegangen. Wir finden eine 
geordnete Staatsverwaltung entweder über dus ganze Thierreich oder 
nur über einzelne Stämme und Classen ausgebreitet, bald mit republi- 
kanischem Charakter und souveräner Volksversammlung (Nr. 365. 417. 
46. 105. 106 der Halmschen Sammlung Aesopischer Fabeln), bald mit 
einem König an der Spitze, welcher den Vorzügen seiner Natur (Babrios 
95. 102. 103. Aes. 251) oder der Abstimmung des Volkes (Aes. 44. 398) 
oder auch góttlicher Erwählung seinen Thron verdaukt (Aes. 76. 49). 
Gesetze werden gegeben (281), Kriege und Fehden geführt (Aes. 391. 
391. 147. 361. 345 usw.), Bündnisse und Frielensverträge geschlossen 
(Aes. 266. 268), ja eine gewisse Lynchjustiz ereilt oft den Verbrecher 
(Aes. 346. 225. 7). Man veranstaltet Wettkümpfe aller Art, wer der 
stärkste (Aes. 21), schellste (420), schönste (200. 415) sei, wer die mei- 
sten und schönsten Kinder habe (409. 364) u. dgl. Man pflegt die Ge- 
selligkeit durch gemeinsames Schmausen (Aes. 297. 154. B. 97), Reisen 
(Aes. 298. 225. 346), Jagen (259. 260 usw.) und Wohnen (346. 185). Man 
übt Kinderzucht (187. 71), ehrt die Eltern (100), pocht auf Stammbaume 
(43. 37. 416), hält auf anstindige Manieren (B. 95) und äuszerliche Früm- 
migkeit (Aes. 216. B. 97). Vom despotischen Löweukönig und seinen 
Hofhalt (Aes. 255. 242. 244 usw.) bis hinunter zum betteluden Mistkäfer 
(295) begegnen den Conterfeis der menschlichen Gesellschaft: dem 
durchtriebenen Schakal (Fuchs) als königlichem Minister und Günstling 
(243 und oft), dem prahlerischen Frosch als Arzt (78), der feigen Maus 
als Oflicier (291), dem heuchlerischen Wolf als Hirten (283), der egoisti- 
schen Ameise als Bauern (294. 295), dem emsig hackenden Rebhuhn als 











0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 313 


Tagelöhner im Weinberg (392), dem eitlen Wolf als Flötenspieler (134) 
und dem noch unbesonneneren Affen als Fischer (362). | 
So durchgängig sind also die realen Verhältnisse des Diesseits in 
diese Traumwelt übergetragen, dasz man keine so eigentümlich mensch- 
lichen Tugenden und Laster wird auffinden kónnen, die sich nicht auf 
einer solchen 'Schaubühne sehr gut darstellen lieszen. llaben wir doch 
hier selbst für Frömmigkeit (Storch) und Gottlosigkeit (Rabe), Räuke- 
sucht (Fuchs) und Wortbrüchigkeit (Wolf), Prahlerei (Frosch) und Schwatz- 
haftigkeit (Schwalbe) usw. stehende ausdrucksvolle Masken: wie hätte 
die Darstellung solcher sittlicher Zustände, die man ja im Ernst den Thie- 
ren nicht absprechen kann, wie Dankbarkeit und Mutterliebe, Eifersucht 
und Misgunst, irgend Schwierigkeiten bereiten kónnen? So passt zwar 
jede Lehre der Klugheit und der Moral, die der Fabeldichter uns in sei- 
nen Schattenbildern veranschaulichen will, in diesen phantastischen Rah- 
men; aber den Erfindern der alten Aesopischen Fabeln gieng das Erzählen 
über das Lehren: statt der affectierten Kürze Plädrianischer Lelivfabeln, 
bei deren Lectüre man gar nicht zu Athem kommt, treffen wir hier eine 
behagliche epische Breite, eine sorgfältig gegliederte Composition und 
eine detaillierte Ausführung der einzelnen Partien und Züge der Erzäh- 
lung. Je altertümlicher und naiver der Ton einer Aesopischen Fabel 
klingt, desto näher streift sie ans Märchen, z. B. die Fabel vom geschun- 
denen Wolf, vom Hirsch ohne llerz u. dgl. 


9. 

Diese Betrachtung musz von selber auf den Gedanken führen, die 
ursprüngliche Quelle der griechischen Fabeln móchte wol wirklich eine 
Art Märchen gewesen sein, und was wir unter dem Titel Aesopischer 
Fabeln besitzen, seien vielleicht groszenteils blosz Trüminer amfangreiche- 
rer Schöpfungen, die man mit dem Namen Thiermärchen wird be- 
zeichnen dürfen. Diese Thiermärchen selbst aber waren schwerlich auf 
griechischem Boden entstanden; wahrscheinlich stammen sie, wie fast 
der ganze Grundstock unserer occidentalischen Erzáhlungslitteratur (vgl. 
Holtzmann in den Heidelb. Jahrb. April 1860), aus dem fernen Morgen- 
land, und zwar zumeist wol aus Indien. Ilier lebte ein Volk, mit dem an 
feinem Sinn für die vernunftlose Natur das hellenische nicht verglichen 
werden kann (vgl Humboldt Kosmos lI 38 ff. Lassen ind. Alt. 1 297. 
Duncker Gesch. des Alt. II 211); und es gehört in der That eine seltene 
derartige Begabung dazu, um so gelungene Thiermärchen zu producie- 
ren, wie sie den bei aller Welt beliebten Aesopischen Fabelu zu Grunde 
liegen: denn gleichwie die uralten Sagen, auf welche sich die Helden- 
gedichte aller Volker gründen, auf einer poetischen Auschauung histo- 
rischer Begebenheiten ruhen, so ruhen jene uralten Tliermärchen auf 
einer poetischen Anschauung natürlicher Erscheinungen; ja man wird 
nicht leugnen können, dasz alle Grundzüge der ältesten Fabeln oder der 
Thiermärchen, aus denen sie stammen, auf wirklicher Naturbeobachtung 
basieren. Wie viele Thiere wolınen oft zusammen auf einem Baume! wie 
oft schmausen Fuchs und Rabe, Geier und Wolf an einem Aase friedlich 


314 0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


miteinander! Wölfe und Hunde, Wiesel und Mäuse liegen in beständiger 
Fehde, Bienen und Perlaustern haben ihre Könige‘); namentlich aber be- 
ruht der Grundpfeiler der meisten und schönsten alten Thiermärchen, 
der Satz vom Königtum des Löwen und.Ministertum des Schakal, auf 
einer ganz richtigen Naturbeobachtung. 

Somit sind diese Märchen ursprünglich nichts anderes als epische 
Gruppierungen von Scenen aus dem Thierleben, deren augenfällige Ana- 
logien mit dem menschlichen Treiben noch phantastiseh gesteigert sind. 
Ein anziehendes Beispiel dieser Art von Dichtungen bietet das nicht we- 
nige sogenannte Aesopische Fuchsfabeln enthaltende sanskritische Scha- 
kalmärchen, welches das Bidpaische Fabelbuch eröffnet uud , die massen- 
haft eingeflochtenen guten Lehren und Mahnungen abgerechnet, sicher 
aus grauer Vorzeit stammt. Uebrigens will ich nicht in Abrede stellen, 
dasz die ganze Composition von Anfang an eine gewisse Didaktik ent- 
halten habe, was sich ja am Ende von jedem epischen Gedicht behaupten 
läszt (J. Grimm Reinhart Fuchs S. XIII) ; und dem Charakter des Märchens 
insbesondere thut dies eigentlich keinen Eintrag, wofür man die Märchen 
von Perrault (vgl. Dunlop Geschichte der Prosadichtungen, übers. von Lieh- 
recht, Berlin 1851, S. 408 [.) als Belege ansehen kann: auch hier schlie- 
szen Naivetit und belehrende Tendenz keineswegs einander aus, Aber 
die Veränderungen, welche der Lauf der Jahrhunderte und der Wechsel 
des Orts notwendig mit sich bringen, üben auf solche anfangs nur münd- 
lich tradierte Schöpfungen regelmäszig eine schädliche Wirkung aus: das 
poetische Element, die Naivetät, nimmt in jedem Falle ab und das pro- 
saische, die Didaktik, gewinnt das Uebergewicht. Entweder schwillt das 
Märchen an zu einem unförmlich dicken orientalischen Roman, dessen 
Rahmenerzählung — eben das ursprüngliche Märchen — durch die zahl- 
losen moralisierenden Abschweifungen meistens fast ganz ungenieszbar 
geworden ist; oder es geht durch den Zahn der Zeit oder die Unsicher- 
heit weiter mündlicher Verbreitung das Märchen in Stücke auseinander, 
und statt einer Reihe von Abenteuern, die in wolgeordneter Abwechslung 
das anmutige Märchen an uns vorüberführte, haben wir dann blosz noch 
je eine einzelne, meist sehr einfache Handlung , welche nur zu oft einen 
prosaisch lehrhaften Typus recht deutlich an der Stirne trägt; mit &inem 
Wort: wir haben die Fabel und nicht mehr das Märchen. 


4. 

Fragen wir nun, wie es möglich war dasz diese seltsamen Produete 
des Morgenlandes mit so olfenen Armen von den Hellenen aufgenommen 
wurden und sogar bald eine Menge gleichartiger Schöpfungen in Griechen- 
land hervorriefen: so liegt die nächste Antwort in der groszen Vorliebe 
für gnomische Poesie, welche die Griechen namentlich zur Zeit von 
Aesopos Auftreten, in den Tagen der sieben Weisen und schon vorher 
besonders in ihren groszen Epopóen bezeigt haben (Bernhardy griech, 


4) Arrianos Ind. 8, I xal εἶναι γὰρ καὶ τοῖσι napyagiryaı βασιλέα 
ἢ βασίλισσαν, ὡς τῇσι μελέσσῃσι. 


΄ 


0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 315 


Litt. 1* 65 ff. F. Thiersch de gnomicis carminibus Graecorum in den Acta 
philol. Monac. Ill 392—414. 

Dasz sie aber auch die phantastischen Zwitterformen der Fabel, die 
sprach- und vernunftbegabten Thiere ohne Schwierigkeit in ihren Ge- 
dankenkreis aufnahmen, erklärt sich aus jenem kindlichen Gefühl einer 
innigen seelischen Verwandtschaft von Thier und Mensch (Grimm a. 0. 
S. II), das den llellenen am wenigsten in ihrer mythologisch so frucht- 
baren Vorzeit abgesprochen werden kann. Oder woher anders schreiben 
sich jene anmutigen Sagen, wie Hervenkinder einsam im Walde ausgesetzt 
von Bärinnen oder llindinnen mütterlich gesäugt worden seien??) wo- 
her anders jener Mythos über die Schópfung des Menschen, nach welchem 
Prometheus alle die Eigenschaften, die er an die einzelnen Thiere verteilt 
hatte, auf die eine menschliche Natur vereinigte?®) woher anders jene 
uralten Sagen über den paradisischen Zustand des goldenen Zeitalters, 
wo selbst die Thiere sprechen konnten?) und der Mensch sich ihrer 
Schlachtung enthielt??) Ebendalıin gehört die schöne Legende von Me- 
lampus, welchem Schlangen aus Daukbarkeit für ihre Errettung die Ohren 
ausleckten, so dasz er die Sprache der Vögel verstand und auszulegen ver- 
mochte (Apollod. I 9, 11); ebendahin auch die phantastischen thier- 
menschlichen Gestalten, die als Localdämonen oder Stammheroen im 
griechischen Volksglauben spukten?); ferner die abenteuerlichen Thier- 
combinationen, von denen die altertümliche Kunst mehr noch als die 
Sage wimmelt'?) ; endlich noch die unzähligen Metamorphosen, von denen 
. die hellenische Mythologie zu erzählen weisz. 

So war die Phantasie der Hellenen wol schon vor einer Bekannt- 





δ) a) Paris nach den Kyprien (Preller griech. Myth. II 289. Ael. V. 
H. XII 42) und Atalante (Ael. V. H. XIII 1); 5) Telephos (schol. vet. 
Pind. Ol. 3, 52. Welcker griech. Trag. I 410 f. Hygini fab, 00, 252). 
6) Hor. carm. I 16, 13. Philemon Fr. inc. III (Com. Gr. IV 32 Mein.): 

τί ποτε Προμηϑεύς, Ov λέγουσ᾽ ἡμᾶς πλάσαι 

καὶ τἄλλα πάντα ξῴα, τοῖς μὲν ϑηρίοις 

ἔδωχ᾽ ἑκάστω κατὰ γένος μίαν φύσιν; 

ἅπαντες oL λέοντές εἰσιν ἄλκιμοι, 

δειλοὶ πάλιν ἑξῆς πάντες εἰσὶν οἵ λαγοί. 

οὐκ ἔστ᾽ ἀλώπηξ ἡ μὲν εἴρων τῇ φύσει 

δ᾽ αὐθέκαστος, ἀλλ᾽ ἐὰν τρισμυρίας 

ἀλώπεκας τις συναγάγῃ, μίαν φύσιν 

ἁπαξαπασῶν ὄψεται τρόπον 9" ἕνα. 

ἡμὼν δ᾽ ὅσα καὶ τὰ σώματ᾽ ἐστὶ τὸν ὠἀριϑμὸν 

καϑ' £vóg, τοσούτους ἐστὶ καὶ τρόπους ἰδεῖν. Vgl. Dabr. II 61 
Lewis. 7) Kallimachos Fr. 87. Babrios Prooem. I. Welcker griech. 
Gótterl. 1726. 8) Welcker gr. Götterl. I 723. 9) λώπεκος, uralter 
Dämon der lakonischen Landscliaft, Wachsmuth hell. Alt. II 520. Paus. 
JII 16, 6. Der Wolfsheros von Temessa, Creuzer Symb. III 739. Der 
attische Heros Lykos, Schol. Arist. Wesp. 105 (388). 113 (303). Der 
attische Heros Leon, Paus. I 5, 2. 10) Vgl. K. ὁ. Müller IIandb. 
der Archüol. 8 65. 380. 303. O. Jahn Vasensammlung K. Ludwigs 044. 
063. Müller und Oesterley D. a. K. II 33, 384. 385. Panofka Terra- 
cotten des Berliner Mus. 8. 110 f. Gerhard ant. Bildw. ὃ. 104 ff. Anm. 
164 und S. 405. 


316 0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


schaft mit der Aesopischen Fabel an einen gewissen Glauben an Menschen- 
ähnlichkeit, Vernunft und Sprachvermögen der Thiere gewöhnt, einen 
Glauben gegen den selbst die nüchterne Reflexion kein entschiedenes 
Veto einzulegen vermochte. Bedarf es ja doch nur einer Nüchtigen 
Aufmerksamkeit auf das Treiben der Vögel, um zu erkennen dasz diese 
Thiere eine ganz bestimmte, je nach ihrer Art bald mehr bald weniger 
entwickelte Sprache besitzen, welche hinreicht, um im allgemeinen ihre 
Empfindungen, wie Angst und Schmerz, Freude und Liebe, einander mit- 
zuteilen; es handelt sich nur darum, den Schlüssel zum Verständnis die- 
ser Sprache zu finden"), und was nun für Melampus jene Schlangen 
waren, das ist für uns der Fabeldichter. 

Ebenso natürlich begründet ist die Ansicht von einem gewissen 
Denkvermögen der Thiere, das nicht materiell, sondern nur graduell vom 
menschlichen verschieden sei.) Auf ihr ruht schon das weilverlreitete 
Dogma des Pythagoras von den Wanderungen der Menschenseele durch 
allerlei Thierleiber; und erst in der blasierten Zeit der Stoiker und Epi- 
kureer konnte sich die barocke Theorie breit machen, dasz Thier und 
Mensch in geistiger Beziehung gar nichts miteinander gemein hätten, Die 
Naturforscher indessen lieszeu sich durch solche Philosopheme nicht be- 
irren, sondern hielten an der Ansicht fest, die ihnen ihre Studien täglich 
bestätigen musten, dasz auch die Thiere φρόνησις besäszen. ") 


5. 

Unter diesen Umständen kann man sich über den groszen Anklang, 
welchen die ausländischen Thierfabeln in Hellas gefunden haben, kaum 
wundern und ebensowenig über den Nachahmungseifer, den sie hier ent- 
zündeten: es entsproszten nemlich nicht blosz sehr viele den altertüm- 
lichen gleichartige Fabeln dem hellenischen Boden, sondern es entwickel- 











11) Die altfranzösischen Epiker haben dies gar zierlich dadurch 
ausgedrückt, dass sie sagten, die Vögel reden auf Latein mit einander: 
vgl. Grimm in den Göttinger gel. Anz. 1833 S. 1500. 12} Vgl. Grimm 
Reinhart S. ΠῚ und den Physiologen K. Reclam: über Körper und Geist 
in ihren Wechselbeziehungen (Leipzig 1859): “Man musz entweder 
die geistige Thütigkeit des Thiers für ähnlich und vergleichbar mit der. 
des Menschen annehmen, oder man musz umgekehrt auch dem Menschen 
Instinct zuerkennen, da auch er in vielen Füllen unbewust, d. h. ohne 
bewuste Ueberlegung und b 
Eigenschaften man im gewülu 
bezeichnen pflegt. .. Die geistige Thätigkeit der Thiere kann in den 
allermeisten Fällen mit der des Menschen verglichen werden, weil es 
dabei nicht an einer übereinstimmenden Basis fehlt und der alleinige 
Unterschied in der verschiedenen Grösze und Höhe besteht, 13) Theo- 
phrastos περὶ ζῴων φρονήσεως καὶ ἤϑους. Anon. Matth. (— Anonymus 
περὶ ξῴων τινῶν ἰδιότητος ed. C. F. Matthaei, in dessen Ποικέλα 'EL- 
Anvıxd, Moskau 1811) c. 50: ὅτε εὐκὸς φρονεῖν τὰ ἄλογα fie, b ὧν 
ἀπεδείχϑη ποιῶν ὦ κορκότης καὶ ὁ πελαργὸς καὶ ὃ λέων, ἡ ἀηδών, 3) 
τρυγών, ὁ ἀετός, ὁ πορφυρίων, ὃ ἐλέφας, ἡ μέλισσα, ἡ γέρανος, ὁ dovo- 
ΥΩ ἡ χελιδών, ὁ γυψοκόραξ, ὁ γλαῦκος, ὁ ἱπποπόταμος, ὁ πέρδιξ, 
ὁ ifie. 








O. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 317 


ten sich hier auch aus der märchenhaften Fabel. heraus alle denkbaren 
Abarten, an die sich dann wieder ursprünglich ganz fremdartige Erzeug- 
nisse anschlossen, bis endlich das bunte Chaos entstand, das sich uns 
unter dem Tite] Aesopischer Fabeln darstellt. 

Einmal spielt das komische Element, das schon dem Thiermärchen 
vermöge des Contrastes zwischen den Thieren und ihren menschlichen 
Handlungen anhaftet, eine sehr bedeutende Rolle in der Weiterbildung 
der Aesopischen Fabeln, indem sich, begünstigt durch den weiten Begriff 
von λόγος. eine solche Masse witziger Anekdoten, z. B. die λόγοι Zv- 
βαριτικοί und die λόγοι des Patäkos, an die Aesopischen Fabeln an- 
schlossen, dasz man geradezu mit Aloorov γελοῖα (Arist. Wesp. 566. 
1258. Hesych. u. “ἰσώπου γελοῖα, Avianus fab. praef. ridicula) die 
Fabeln im allgemeinen bezeichnete. Uebrigens bewegten sich derartige 
Schwänke sehr oft keineswegs in der phantastischen Märchenwelt des 
echt Aesopischen λόγος, sondern sie waren einfach aus dem nüchternen 
Menschenleben aufgegriffen und durften sich weder dem Stoffe noch der 
Ausführung nach jenen eigentlich poetischen Producten an die Seite 
stellen. Statt der behaglichen Breite und des ruhigen Flusses der mär- 
chenhaften Fabel finden wir hier meistenteils eine epigrammatische Hast 
und Knappheit, woraus uns im ersten Momente klar wird, dasz wir es 
weniger mit einem Dichter als vielmehr mit einem Witzmacher zu thun 
haben (vgl. Aes. 145). 

Aehnlich bei einer andern Classe von Apologen, bei den didakti- 
schen: auch in ihnen finden wir in der Regel denselben epigrammatischen 
Ton; aber alles läuft nicht auf ein humoristisches Bonmot, sondern auf eine 
ernsthafte Gnome hinaus. Diese gnomische Abart der Aesopischen Fa- 
bel war die naturgemäszeste und volkstümlichste. So unpoetisch sie ist, 
scheint sie doch in der besten Zeit Griechenlands groszen Anklang ge- 
fanden zu haben, und ihr zumeist hatte der erste berühmte Fabulist 
den Beinamen des Weisen (σοφός bei Babrios im zweiten Proömium 
V. 5) zu verdanken. Derartige Producte müssen aber notwendig, sobald 
sie sich über die Schwelle der Kinderschule oder die Sphäre des unge- 
bildeten Volkes hinauswagen wollen, die epigrammatische Form wählen; 
und Phádrus beschwert sich nicht mit Unrecht über die Unbilligkeit seiner 
Kritiker, wenn man ihm seine concisa brevitas (vgl. Schwabe *de eo quod 
pulcrum est in Phaedro? S. VI) zum Vorwurf mache; war sie ja doch 
nur die unumgängliche Folge des Grundmangels schon der meisten seiner 
Stoffe, der fehlenden Naivetät. Die wunderbare Hülle, welche die alter- 
tümliche Fabel so reizend gemacht hatte'^, wurde, sobald das lehrhafte, 
verstandesmäszige die Oberland gewann, mehr und mehr abgestreift: es 
war als ob man zurückbebte vor dem Vorwurf , etwas nicht mögliches 
Sngiert zu haben, und so gerieth man allmählich auf den ästhetischen 
Misgriff”), statt der poetischen aber unwirklichen Verhältnisse der alten 
märchenhaften Fabel zwar mögliche, aber unwalırscheinliche, zum Teil 


14) Arist. Post. 9, 12 von den wunderbaren Mythen: ἀνάγκη τοὺς 
τοιούεους εἶναι καλλίους μύϑους. 15) Ebd. 24, 10 προαιρεῖσϑαέ τε 
Sei ἀδύνατα εἰχότα μᾶλλον r δυνατὰ ἀπίθανα. 


915 O. Keller: üher die Geschichte der griechischen Fabel. 


(Aes. 92. 190) höchst unwahrscheinliche Begebenheiten zu statuieren. 
Dieser Abfall von der wahren Poesie zeigt sich schon äuszerlich in den 
Figuren, welche in dem ganz lehrlaften Apolog handelnd auftreten: zwar 
sind es bisweilen noch die alten wilden Thiere, aber ohne dasz sie so in 
alle Gewohnheiten und Zastände unseres Lebens eingeweiht wären wie 
in der epischen Fabel (Grimm Reinhart S. VII); meistens jedoch sind es 
die Hausthiere und der Mensch (Aes. 89), denen die Rullen zugeteilt sind, 
so dasz uns schon die ganze Scenerie in die Prosa des Alltaglebens ein- 
führt. — Der nemliche Vorwurf des durchaus unpoetischen fällt der 
Parabel zur Last, die sich als eine episch ausgeführte reine Lelirfabel 
an die Aesopisehen Apologe anschlieszt: sie steht sogar, wofern sie sich 
nieht dureh schöne Composition auszeichnet, der gnomischen Fabel oft 
nach, weil ihre breite Ausführung mit der kurzen Moralregel, auf die 
dem Erzähler doch alles ankommt, nicht ini rechten Einklang steht und 
darum gern Langeweile erregt. — ΤΑΙ schon die Parabel nicht nur, 
sondern auch die epigrammatische Lehrfabel, besonders wenn sie die 
Thiere blosz als ganz einseitige Charaktermasken gebraucht, der Tadel 
des unnatürlichen und verkünstelten, so ist dies in noch höherem Grade 
bei dem allegorischen Apologe der Fall, indem statt der concreten We- 
sen, die doch in jenen beiden Abarten der Aesopischen Fabel als handelnde 
Personen noch beibehalten sind, hier die nackten Begriffe auftreten, aus 
deren prosaischen Reden man die Weisheitslehre in Empfang nehmen 
darf (Aes. 133). 

Die dritte und letzte Hauptabzweigung der altertümlichen Fabel 
lindet nach der Seite der Satire hin statt. Trotz eines Auszerlichen Zu- 
sammentreffens in fast allen Merkinalen unterscheidet sich die satirische 
Fabel duch von der märchenhaften dadurch vollkommen, dasz sie jede 
Spur echter harmloser Naivetät eingehüszt hat: die Erzählung ist bei 
ihr nicht mehr Selbstzweck, und ohgleich sie eine märchenhafl aufge- 
schmückte epische Darstellung nicht ohne Schaden entbehren kann, ver- 
räth uns doch in der Regel das unnatürliche ihres phantastischen Auf- 
putzes, dasz wir hier nicht mehr die Schöpfung eines Naturdichters, 
sondern ein eigentliches Kunstproduct vor uns haben. Nichtsdesto- 
weniger ist sie jedenfalls die geistreichste unter den drei Töchtern der 
altertümlichen Fabel, und manches originelle Erzeugnis hellenisches 
Witzes, wie die Einführung der Thierchöre in die attische Komödie und 
die parodische Batrachomyomachie, ist im Anschlusz an die satirische 
Fabel entstanden. 

Unter die vier beschriebenen Classen der Fabel, die alten epischen, 
die rein didaktischen, die komischen und die satirischen, fallen nun zwar 
alle sogenannten Aesopischen Fabeln; um jedoch den eigentümlichen 
Charakter der griechischen Fabel gehörig ans Licht zu stellen, scheint 
es mir nötig dieselbe auch noch von einem andern Einteilungsprincip 
aus zu betrachten. Fassen wir nemlich die Entwicklung der Scenerie 
der griechischen Fabel ins Auge, so werden wir sogleich auf eine den 
llellenen ganz eigentümliche Gattung von Apologen aufmerksam, ich 
meine die mythologischen. Während Fabeln, in welchen Thiere, 


0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 319 


Menschen, Pflanzen, Gerätlie u. dgl. handelnd eingeführt werden, auch 
bei allen anderen Völkern sich vorfinden, die überhaupt auf Fabelpoesie 
sich gelegt haben, stelit das griechische Volk darin wol einzig da, dasz 
es sich nicht gescheut hat selbst die Götter seines Glaubens in den Thier- 
fabeln auftreten zu lassen, und zwar nicht etwa blosz in den frivol- 
satirischen, sondern auch einfach im harmlosen Scherze. Mag dies auch 
hauptsächlich von den Einwirkungen der komischen Bühne herrühren: 
jedenfalls ist diese Thatsache zum guten Teil auf die mancherlei An- 
knüpfungspunkte zurückzuführen, welche die alte Märchenfabel in der 
griechischen Mythologie gefunden hat. Man dachte sich in jenem phan- 
tastischen goldenen Zeitalter, wo ja die märchenhaften griechischen Fa- 
bein spielten '*), nicht blosz entsprechend der Sündlosigkeit {R. Rotlı über 
den Mythus von den fünf Menschengeschlechtern, Tübingen 1860, S. 10) 
der damaligen Menschheit auch eine viel vollkommnere thierische Na- 
tur'”), sondern sogar ein vertrauliches Verhältnis selbst der Götter zu 
den Thieren, gerade wie es damals zwischen Göttern und Menschen be- 
standen haben sollte (Roth a. O.). Man dichtete komisch -mythische 
Fabeln, wie alle Thiere einst in den Olympos gezogen seien, um Zeus 
ihre Hochzeitgaben zu bringen (Aes. 153) und wie sie dann vom Göller- 
könig köstlich bewirtet worden (154); wie Zeus ihnen Könige erkoren 
(149. 76), festliche Wettkämpfe veranstaltet (200. 364), wie er ilıre Bitten 
. und Klagen gehórt (347. 287. 319. 76) uud gestraft, wo zu strafen war 
(188). Daran schlossen sich, besonders durch Vermittlung der vielen 
Verwandlungslegenden (vgl. die Fabel von der Metamorphose der Ameise 
Aes. 394), allerlei humoristische Anekdoten über das angebliche Ein- 
greifen der Götter in die Menschenwelt an: meist handeln sie von lusti- 
gen und abenteuerlichen Streichen, welche der Lügengott Hermes (141), 
Aphrodite (73. 88), Tyche (316), Herakles (159), Momos (155), ein Satyr 
(6%), ein Kyklop (53) sei es ausgeübt, sei es zu erfahren gehabt haben; 
und bisweilen streifen sie (151) recht nahe an eigentliche religiöse Mythen: 
aur ihr komischer und oft frivoler Charakter trennt sie doch in der Regel 
scharf von den dogmalischen Erzählungen der heiligen Sage. 

Nach der didaktischen Seite hin konnte sich die mythologische Fabel 
kaum anders als zu der steifen Allegorie entwickeln: deswegen ist auch 
die rein komische und die satirische Richtung bei dieser Classe vorher- 
schend. Zur satirischen Tendenz namentlich neigte sich diese Art von 
Apologen ganz von selber: so lange sie sich nemlich an die Figuren aus 
der Thierwelt hielt, hatte sie besonders gern die scherzhafte Erklärung 
"irgend einer auffallenden natürlichen Erscheinung zum Vorwurf; dieses 





106) Babrios Proöm. 0 ff. ἐπὶ τῆς δὲ χρυσῆς (sc. yevens) καὶ τὰ λοιπὰ 
τῶν wo» gern ἔναρϑρον elys xal λόγους ἤδει, | ἀγοραὶ δὲ τούτων 
μέσαις ϑλαις. Aes. 2085 καϑ᾽ ὃν χρόνον ὁμόφωνα ἣν τὰ ἔφα. 
17 ὅτε φωνήεντα ἦν τὰ ζῶα. 377 ἦν δ᾽ ἄρα Tore ὁμόφωνα καὶ τὰ 
ϑηοία τοῖς ἀνθρώποις. 17) Aes. 100 ἡ μὲν γὰρ ἀρχαία γιαὺξ τῷ 
ὄνσει (uy ve "v καὶ ξυμβουλεύειν ἐδύνατο" al δὲ νῦν μόνον τὰ 
sce ἥκουσιν ἐκείνης καὶ τοὺς ὀφθαλμοὺς καὶ τὸ ῥάμφος, τὰ δὲ ἄλλα 
ἐῳρονέστεραί εἶσι τῶν ἄλλων ὀρνέων. 


»" , 
320 0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


Motiv auf eine solche mythologische Fabel übertragen, wo die Stelle der 
Thiere durch Menschen, die der thierischen Verhältnisse durch die mensch- 
lichen vertreten war: konnte da etwas anderes entstehen als eine vollen- 
dete Satire, die den Vorzug der Deutlichkeit vor der gemeinen salirischen 
Thierfabel voraus hatte und nicht einmal hinsichtlieh der märchenhaften 
Scenerie derselben irgend etwas nachgab? Zu diesem Genre 

manche treffliche Aesopische Fabeln der witzigsten Erfindung , z. B. die 
Babrianische Fabel von Hermes, dessen lügenbeladener Wagen von den 
Arabern geplündert ward (B. 57. Aes. 141); ferner wie Hermes allen 
Handwerkern aus einem groszen Mörser gleiche Portionen Lügengift 
einschenkte, zuletzt aber, als von den Handwerkern nur noch der 
Schuster, von dem Gift aber noch ein sehr betrüchtlicher Rest übrig 
war, den ganzen Lügenbrei vollends dem Schuster eingosz: woraus sich 
erklärt, warum alle Handwerksleute lügen, am meisten aber die Schuh- 
macher (Aes. 136). 


I. 
Hypothesen über die Herkunft der Aesopischen Fabeln. 


6. 

Nachdem wir hiemit das Wesen der Aesopischen Fabel kurz ge- 
schildert haben, gehen wir zu der vielbestrillenen Frage nach deren 
Merkunft über. Zunächst sind es auf diesem Gebiete zwei Hauptlager, 
die einander prineipiell gegenüber stehen. Von dem einen aus wird die 
Behauptung aufgestellt, man dürfe überhaupt nicht auf den Ursprung 
der einzelnen Aesopischen Fabeln fahnden; diese seien vielmehr nur 
Splitter eines groszen, einst harmonisch zusammengefügten und seit Ur- 
zeiten dem indogermanischen Stamme eigentümlichen Ganzen. Die an- 
dern dagegen wählen aus der vorhandenen Masse griechischer Fabeln 
etliche aus, die gerade in den Kram ihrer Theorien passen, und auf 
diesen schwankenden Grundlagen bauen sie kühn der eine diese, der 
andere jene Hypothese vom Vaterland der Aesopischen Fabel. 

Die erste Ansicht von einer ursprünglichen indogermanischen 
Thiersage, aus welcher sich die verschiedenen Phasen der griechischen 
und germanischen Fabeldichtung und namentlich die gegenseitigen Ueber- 
einstimmungen erklären sollen, hat Jacob Grimm im Reinhart Puchs 
(Berlin 1834) aufgestellt und mit so viel Wärme, Feinheit und Gelehrsam- 
keit verfochten, dasz sie wol jeden, der die Einleitung zu diesem Werke 
zum erstenmale liest, mehr oder minder bestechen musz. Aber diese 
Theorie, die sicherlich unter dem wenn auch unbewusten Einflusz Niebuhr- 
scher Geschichtsconstruction entstanden ist, wird auf die Dauer selten je- 
mand überzeugen, der nicht blosz die germanischen, sondern auch die 
griechischen Fabeln mit Unbefangenhieit genauer untersucht. Darum 
haben sich auch mit Recht Hertzberg, A. Weher u. a. gegen die Theorie 
einer indogermanischen Thiersage, wie sie Grimm sich gedacht halle, 
entschieden ausgesprochen. 

Schon den Begriff “Thiersage’ musz man fast als einen erschlichenen 


0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 321 


bezeichnen, da es sich ja gar nicht um einen Mythos, sondern um ganz 
profane Erzählungen, um die Thiermärchen , handelt: denn diese sind es 
eigentlich, von denen aus Grimm argumentiert. Nun aber ist es, wie 
der geistreiche Hertzberg richtig bemerkt, mit der Verbreitung des My- 
thos etwas ganz anderes als mit der des Thiermürchens. Jener umfaszt 
teils die heiligsten religiösen Ueberzeugungen des Volks, teils die theuer- 
sten Erinnerungen an seinen Ursprung und an die Repräsentanten dieses 
Ursprungs, die Königs- und Heroengeschlechter. Beim Thiermärchen 
dagegen, das nicht als Gefäsz für so köstlichen Inhalt, sondern nur dem 
harmlosen Ergötzen gedient hat, grenzt an sich das starre Fortbestehen 
durch so ungeheure Wandlungen des Volkslebens an das unglaubliche 
(Hertzberg a. O. S. 151). Vielmehr gehören die in den deutschen Isen- 
grim- und Reinhartgedichten mehrfach sich findenden Uebereinstimmun- 
gen mit der griechischen Fabel (Grimm, S. CCLX — CCLXV) teils schon 
der Zeit der germanischen Völkerwanderung an, wo die Deutschen mit 
dem byzantinischen Reiche in die engste Berührung kamen, teils aber 
stammen sie auch direct aus der Bekanntschaft des Clerus mit den Aeso- 
pischen Fabeln: denn die Dichter jener Thierepopöen zählten doch fast 
ohne Ausnahme zum geistlichen Stande. Die seltneren Uebereinstim- 
mungen der deutschen Dichtungen mit indischen Fabeln aber erklären 
sich ganz einfach durch Vermittlung der Araber. So kamen über Spa- 
mien Fabel- und Erzählungsbücher wie die *Disciplina clericalis? (Petrus 
Alfonsus ed. V. Schmidt S. 6) nach Frankreich und Deutschland; die 
Kreusfahrer brachten nicht blosz mündlich einen reichen Schatz von 
Märchen aller Art in den Occident zurück, sondern vor allem das Fabel- 
buch des Bidpai (Robert a. O. S. CLI. A. Loiseleur Deslongchamps: essai 
sur les fables Indiennes etc., Paris 1838, S. 67), dessen Einflusz auf die 
ganze Entwicklung der Reinhartsage überaus hoch anzuschlagen ist 
(Benfey Pantschatantra aus dem Sanskrit übersetzt, Leipzig 1859, I 107); 
denn wenn auch Grimm nachweist, dasz im Jahr 1112 die Fabeln von 
Isengrim und Reinlıart bereits ein Gut'des Volkes geworden, also ohne 
Zweifel schon lange gedichtet waren, ehe eine Uebersetzung des Bidpai 
in Deutschland Eingang gefunden hatte, so folgt daraus noch nicht, dasz 
gerade die aus Bidpai entlehnten Züge schon damals in den volkstüm- 
lichen Roman eingellochten waren (Weber indische Studien III 364). 
Jedenfalls aber ist entschieden selbst der Angelpunkt der ältesten 
deutschen Thierepopöe, des Isengrimus, nicht deutsches Ursprungs, 
memlich das Märchen vom geschundenen Wolf (Aes. 255). Die Königs- 
würde, welche der Löwe hier besitzt, musz durchaus aus der Benutzung 
der schon bei Babrios (ll 40 Lewis) sich findenden Aesopischen Fabel 
erklärt werden: und eine solche kann bei einem geschmackvollen Autor 
des zwölften Jahrhunderts, der seine Gelehrsamkeit und ziemlich ver- 
trante Bekanntschaft mit Ovidius und andern rómischen Dichtern (Grimm 
S. LXV) durch Form und Inhalt seiner Poesie genügend kundthut, in 
keiner Weise Wunder nehmen.) Nichts hindert demnach, dasz der 


18) Vgl. was Robert, der vom Isengrimus gar nichts zu wissen 
seheint, 8. LXXXIII über die Einwirkung der lateinischen F'abeln auf 





322 0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


Verfasser des Isengrimus den Ausgangspunkt seines kleinen Epos durch 
Vermittlung der Römer jener Aesopischen Fabel entnommen hat, zumal 
sich damals auszer Phädrus, Avianus und Romulus noch manche andere 
lateinische Fabelsammlungen fanden, z. B. wahrscheinlich die von Titianus, 
dem Uebersetzer des Babrios (Lachmaun Vorr. zu Babrios S. IX. Hertz- 
berg a. 0. S. 152). 

Ebenso müssen wir bei den Nachfolgern des Verfassers vom Isen- 
grimus, den Schöpfern der romanischen, flandrisehen , hoch- und nieder- 
deutschen Thierepopöen, Benutzung der griechisch-römischen Fabel- 
litteratur annehmen. Und zwar scheint der früheste Weg der Aesopi- 
schen Fabeln nach Deutschland derjenige mündlicher Ueberlieferumg von 
Byzantium her gewesen zu sein, so dasz den Gothen, Longobarden und 
Franken das Hauptverdienst zuzuerkennen wäre (Grimm.S. COLXVI. LII). 
Freilich wirft Grimm die Frage auf, warum denn die Deutschen eben 
solche Thierfabeln aus Konstanlinopel hätten mitbringen sollen, nicht 
andere weit ansprechendere griechische Dichtungen? Allein der Heer- 
dienst und das Lagerleben muste die Deutschen im, hyzantinischen Reich 
gerade am meisten mit denjenigen Volksschichten in Verkehr setzen, 
welche Märchen und Fabeln fortzupflanzen am geeignetsten waren: ilr 
gesunder Sinn verschmähte nun zwar das unheimliche und gespenstige 
Element, welches den östlichen Wundergeschichten auhaftet; desto be- 
gieriger aber mochten sie die ihrer Natur verwandten Stoife der Fabel 
sich aneignen, zumal da sie sicherlich schon einen heimischen Schatz 
von märchenhaften Thierfabeln besaszen, in welchen sich die entgegen- 
kommende Erzählung bequem und gefällig wie von selber einreihte. 

Diese Weiterbildung der urgermanischen Thiermärchen durch homo- 
gene ausländische Elemente entspricht ganz dem Charakter der alten deut- 
schen Poesie,.die in der Regel von überliefertem zehrte und, wie Grimm 
sagt (S. CCLXVII) “ein untreues Erdichten des Stoffs der Fabeln und 
Begebenheiten? schente. Somit steht es mit unserer Ansicht, wonach 
bei den Congruenzen der Reinhartromane mit griechischen und indischen 
Fabeln diesen letzteren: das Eigentumsrecht' zu vindicieren ist, keinese 
wegs im Widerspruch, wenn uns Grimm S. CCLXVII eine ganze Folge 
echt deutscher Scenen aus der sogenannten Reinhartsage aufzählt, Scenen 
die nur in der einheimischen Fabel vorhanden sind und denen gar nichts 
fremdes verglichen werden kann, z. B. der Fischfang auf dem Eis, der 
Bär mit dem Honig usw. 

Und wir leugnen auch gar nicht, dasz schon aus der originellen Br- 
findung dieser Stücke genugsam hervorgeht, welches Talent der Deutsche 
bei seinem für das Stillleben der Natur so empfänglichen Gemüle zur 
digen Dichtung märchenhafter Thierfabeln besitzt; aber zu einem 











sische Litteratur eben zur Zeit der Entstehung dieses Gedichte 
sagt: "Mais déjà saint Bernard, Pierre de Cluny, Abélard, Berenger ete. 
ont. cité les auteurs de l'antiquité, et plus partieulitrement Ovide. Parmi 
tant de noms célébres que l'on dérobe à un injuste oubli, celui d" 

n'est pas négligé .. . Parmi les auteurs classiques dont Everard de Bü- 
thune nous donne la nomenclature, Ésope occupe un des premiers range,” 








O. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 323 


wahren Thierepos nach Art Reineckes gehórt vor allem dic [dee eines 
Königs der Thiere. Nun aber wird niemand behaupten, dasz der Bär 
mit seinem plumpen, beinahe tólpelhaften Wesen den Eindruck kónig- 
licher Majestät unwillkürlich hervorbringe, wie dies beim Löwen der 
Fall ist.'*) Niemand wird behaupten, dasz der Fuchs in der Natur irgend- 
wie in einer Beziehung zum Bären stehe, wodurch das von der Poesie 
statuierte Ministerportefeuille Reinharts gerechtfertigt oder entschuldigt 
wäre, wie dies bei Löwe und Schakal der Fall ist. Selbst Grimm hat 
sich gehütet das Verhältnis zwischen Fuchs und Bär als ursprünglich 
au’zustellen; vielmehr schiebt er dasjenige von Fuchs und Wolf in den 
Vordergrund, weisz aber hierfür — und darüber wird sich niemand wun 
dern — keine stichhaltigeren Belege anzuführen als (S. XX f.) “der 
Charakter dieser beiden Thiere sei hervorstechend und sich zwar ent- 
gegengesetzt, gleichwol in einzelnen Zügen verwandt, so dasz ihr ge- 
naueres Verhältnis unter einander und die unzerreiszbare Verflechtung 
ihrer beiderseitigen Begebenlieiten vollkommen (?) begründet erscheine; 
ihre Eigentümlichkeit, wenn sie mit der der übrigen Thiere ins Spiel 
gesetzt werde, vermóge für alle Interessen der Fabel auszureichen und 
sie auf das vollkommenste zu tragen.” Dergleichen philosophische Re- 
flexionen aber können bekanntlich nur einem Kunstdichter als Ausgangs- 
punkte dienen; jede echte Volkspoesie dagegen basiert auf natürlichen 
Anschauungen oder auf historischen Thatsachen. Und es ist wirklich 
bezeichnend, dasz gerade König Löwe, dieser arge Stein des Anstoszes 
für die Thiersagentheorie, sich schon bei Fredegar findet, dem ilte- 
sten Zeugen für das Vorkommen der Thierfabel in Deutschland. 
Demnach ist es mir unmöglich die Thiersagentheorie, wie sie von 
δ. Grimm aufgebracht worden ist, für eine richtige historische Cumbina- 
tion zu halten; und ich kann dem berühmten Germanisten , wenn er die 
Aesopischen Fabeln für Splitter der alten Thiersage erklärt, nur insofern 
beistimmen, als ich glaube dasz sich in sehr früher Zeit auf indischem 
Boden gröszere zusammenhängende Thiermärchen gebildet haben, von 
denen wir noch in etlichen Aesopischen Fabeln Bruchstücke besitzen. 
Diesen Fragmenten aber wohnt schon vermóge ihres Ursprungs natürlich 
die Kraft inne, sich unter der Hand des ersten besten Poeten wiederum 
zu irgend einer epischen Dichtung, Roman, Novelle oder Epopóe grup- 
pieren und verschmelzen zu lassen. Nur weil gerade das Verhiltnis des 
Schakals zum Lówen zugleich das naturwahrste und am meisten roman- 
tische Ist, wiegen die Pvesien über den Schakal oder den gleichbedeuten- 
den Fuchs so unverhältnismäszig vor. Dasz aber jene alten Aesopischen 
Thierfabeln auch zu epischen Dichtungen anderes Stoffs dienen konnten 
und gedient haben, zeigt z. B. das mittelgriechische Epos von Esel, 





19) Dasz man auch den Urhebern der deutschen Thierromane eine 
solehe überschwängliche Ansicht vom Büren nicht unterschieben darf, 
erbellt eben aus der keineswegs besonders schmeichelhaften , aber um 
so natürlicheren Rolle, welche diesem Thier in den Reinhartsromanen, 
wo der Löwe auf seinem Throne belassen bleibt, regelmäszig zugeteilt 
wird, vgl. Reinhart V. 1533 ff. 


Jahrb. f. clase. Philol. Suppl. Bd. IV. Hft.3. 21 


324 0. Keller: üher die Geschichte der griechischen Fabel. 


Fuchs und Wolf: l'edegov, λύκου xal ἀλουποῦς διήγησις ὡραία. 
νεωστὶ μετατυπωθεῖσα καὶ μετ᾽ ἐπιμελείας διορϑωθεῖσα, cin in Vene- 
diger Ausgaben noch im heutigen Griechenland weit verbreitetes Volks- 
buch. J. Grimm hat dieses merkwürdige, 540 Verse lange, aus teils 
entschieden Aesopischen teils anderweitigen Fabeln zusammengewohene 
komische Epos, dessen Held der Esel ist, in seinem Sendschreiben an 
Lachmaun (Berlin 1840) S. 68 ff. abdrucken lassen. 


7. 

In dem der Grimmschen Theorie gegenüberstelienden Lager erblicken 
wir zunächst die Freunde Aegyptens, die den lückenhaften Stand 
der Tradition auch auf diesem Gebiete sich zu Nutze machend für ihr 
Lieblingsland als wahre Heimat der Aesopisclien Fabel plädieren. Diese 
Idee gyptischen flerkunft des Aesopos und seiner Fabeln mit allen 
möglichen Mitteln nachzuweisen hat sich J. Zündel im rhein. Maseum 
N. F. V (1847) S. 422 I. zur Aufgabe gestellt. Allein soviel Esprit, um 
mit A. Wagener zu reden, Zündel auch zur Verfechtung seiner Hypothese 
aufgewendet hat, einen aufmerksamen Forscher wird er doch kaum über- 
zeugen können. Da übrigens schon Wagener sich die Mühe genommen 
hat (Essai sur les rapports qui existent entre les apologues de l'Inde et 
les apologues de la Gréce, in den Mémoires der Académie royale des 
sciences etc. de Belgique, Bd. XXV, Brüssel 1854, S. 42 f.) Zündels An- 
sichten und angebliche Beweise auf vjelen Hauptpunkten zu widerlegen, 
so bleibt mir nur noch eine Nachlese übrig. 4 

Zuerst beutet Zündel die mangelhafte Ueberlieferung über die Lebens- 
schicksale des Aesopos in eigentümlicher Weise aus und behauptet S, 424, 
dasz derselbe höchst wahrscheinlich ein von Naukratis nach Samos ver- 
kaufter Negersklav gewesen sei. Allein die Beweisführung für diesen in- 
teressanten Satz steht auf schwachen Füszen. Aloanog sei so viel wie 
Aldloy, und Σύροι bei Babrios (2s Proómium V. 2) bedeute Neger; die 
Stelle lautet: h 

“Σύρων παλαιόν ἔστιν εὕρεμ᾽ ἀνθρώπων, 

οἱ πρίν ποτ᾽ ἦσαν ἐπὶ Νίνου τε καὶ Βήλου. ὁ 
Und von diesem Negertum des Aesopos sollte man — denn die Stelle des 
Babrios kann auch der wärmste Aegyplerfreund nicht in Zündels Sinne 
auslegen — erst lange nach Christi Geburt gesprochen und με 
haben? Warum schweigen die Komiker, die so ofl den alten Yi 
anführen, die ganze Stücke auf ihn gedichtet haben, warum schweigen 
auch sie von diesem absolut komischen Zug") , 

Doch wenn Zündel auch zugeben sollte, Aesopos sei von Natur kein 
eigentlicher Neger gewesen, so hat er noch einige Beweise für seine 
ägyptische Herkunft übrig. S.447 wird der Vater von ladmon, dem Herrn 
des Acsopos, Hephästopolis, obgleich ihn Herodotos (II 134) ausdrücklich. 


entlich hätte Zündel auch Spuren von Negersklavenhandel 
nach Griechenland für jene einfachen Zeitläufte vor den Perserkriegen 
nachweisen sollen 











0, Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 325 


als einen Samier bezeichnet, von Zündel in die Stadt Memphis verwandelt. 
Dasz aber schon zu Herodotos Zeit der späte Name Hephästopolis für 
Memphis überhaupt existiert habe, hat Zündel nicht bewiesen: bei Hero- 
dotos selbst kommt blosz der Name Μέμφις vor (Il 99. 11] 37). — Die 
Nachricht, dasz die sagenhafte Rhodopis von Samos nach Naukratis ge- 
kommen sei, soll nach Zündel beweisen, dasz Aesopos das umgekehrte 
Schicksal gehabt habe. Die nemliche Umkehrung erlaubt sich Zündel 
S.448 f. um darzuthun, dasz Aesopos im Grunde derselbe Mensch sei 
wie jener anonyme König von Aethiopien, der nach Plutarchos das Räthsel 
vom Meeraustrinken gestellt habe. —  Uebrigens scheint Zündel selbst 
nicht ganz zufrieden mit der Gewichtigkeit der Gründe gewesen zu sein, 
die er für die africanische Abstammung des Aesopos aufgespürt zu haben 
glaubte: sonst hätte er schwerlich, nachdem er alle Gelehrsamkeit er- 
schöpft, am Schlusse seiner ganzen Abhandlung (S. 455) erklärt, dasz 
man zwischen deu Zeilen gelesen haben werde, dasz ihm überhaupt an 
der Person des Aesopos gar nichts liege. 

Etwas besser steht es mit der Deduction, dasz die Aesopischen 
Fabeln teils wie sie vorliegen, teils in ihrer frühesten Gestalt aus 
Acgypten stammen. Da Zündel den Aesopos gern in Meroé das Licht 
der Welt erblickt haben Jassen möchte, so wundert man sich wol zu- 
nächst, dasz er nicht auch die Fabeln aus Nubien herzuleiten versucht 
bat. Allein da er seine Hauptargumente aus der Fauna zieht, so ist 
jene Zurückhaltung sehr begreiflich, wenn man bedenkt, dasz weder 
Giraffe noch Nilpferd noch die für Meroó am bestimmtesten zeugenden 
wilden Hunde (vgl. Ps. Kallisthenes 3, 18 hinter dem Didotschen Arria- 
nos) irgend in den Aesopischen Fabeln sich nachweisen lassen. Dagegen 
lesen wir S. 426, dasz das Personal aller Aesopischen Apologe ganz be- 
sonders für Aegypten passe. Dies ist jedoch bei nàherer Untersuchung 
keineswegs der Fall.- Abgesehen davon dasz doch auch manche nicht 
machweislich &gyptische Thiere darin auftreten, beweisen selbst die von 
Zündel angeführten Thiere nicht besonders viel. Die Katze kommt in den 
vorbabrianischen Fabeln gar nicht vor, sondern — und das spricht sehr 
gegen die ägyptische Herkunft der griechischen Fabel — statt ihrer das 
Wiesel (z. B. in der von Strattis erwähnten Fabel vom Wiesel als Frau); 
Eidechsen und “in gegrabenen Kanälen wohnende Frösche” gibt es nicht 
blosz in Aegypten; die am Wasser lebenden Stechfliegen*') sind eben- 
falls auch in der übrigen Levante nur zu bekannt. Ebensowenig wird 
es in Griechenland an Aerzten gefehlt haben, welche Augenkrankheiten 
zu heilen verstanden. So bleiben von den angeblich specifisch ägyplischen 
Figuren nur noch die Krokodile und die Käfer übrig. 

Was aber zuerst das Krokodi] anlangt, so sind die Fabeln, in wel- 
chen es auftritt, verhältnismäszig jung. Fabel 48 von dem Krokodil, das 
einen Mörder friszt, ist nichts als eine moralisierende hölzerne Parabel; 
die zweite Krokodilfabel dagegen (37) ein einfacher Wortwitz. Bei Babrios 


21) Diese wird wol Zündel unter den *'Schwalben? verstanden wissen 
21* 


326 0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


findet sich keine Spur von diesem Thiere**), man müste denn die ganz 
unerhörte Deutung Zündels von ὅράκων 41 , 2 als Krokodil acceptieren. 

Auders verhält es sich mit den Käferfabeln, die schon durch ihren 
epischen Charakter ein früheres Datum verrathen: Aes. 7. 185. 295. Da 
sie sich zum Teil an die ägyptische Vorstellung von der Heiligkeit des. 
Kantharos (Plin. N. H. XXX 11, 30) anlehnen, so müssen sie wol ursprüng- 
lich aus Aegypten stammen, wenn man auch mit ziemlicher Bestimmtheit 
annehmen darf, dasz sie nicht direet von Aegypten aus, sondern über 
Kyrene zu den Griechen gekommen sind. Denn die Zeit in welcher, wie 
wir aus Aristophanes sehen, diese sonderbaren, vom hellenischen Geiste 
so stark contrastierenden Fabeln in Athen Aufsehen erregten, ist eben 
die, wo wir zwar nichts von der Verbreitung àgyptischer, wol aber von 
der Verbreitung libystischer oder kyrenaischer Fabeln wissen. Den glei- 
chen Weg hat vielleicht die ebenfalls bei Aristophanes (Vögel 474) sich 
findende Sage von der Haubenlerche gemacht (Babr. Il 3 Lewis). Wenn 
nemlich von ihr erzählt wird, sie habe ihren Vater in ihrem Kopfe he- 
graben, so nimmt dies Zündel (S. 441) für eine Umwandlung des ägypli- 
schen Phönismythos, eine Hypothese die allerdings ziemlich plausibel 
erscheint. 

Dasz dagegen die Babrianische Fabel (65) von Pfau und Kranich aus 
Aegypten stamme (S. 434), ist wenigstens aus Horapollons Angabe, dasz 
der Kranich den Philosophen bedeute, noeh nicht mit Sicherheit zu. 
schlieszen: denn bei Babrios deutet auszer dem τρέβων in dem aus 
metrischen Gründen mehr als verdächtigen Epimythion nichts auf die 
philosophische Bedeutung des Kranichs, der, weit entfernt hoch über 
den Wolken sich der Speculation zu widmen, nichts thut als lustig sein 
und schreien (V. 4 ἵπταμαί τε καὶ κράξω). Zu alle dem steht jene An- 
gabe in dem unechten Teile Horapollons. 

Desgleicheu kann ich auch in den übrigen von Zündel namhaft ge- 
machten Apologen so wenig als Wagener einen specifisch ägyptischen 
Charakter erkennen: am meisten Schein hätte noch die S. 442 und 639 
citierte Fabel von der Schlange und dem Landmann für sicl 
hinsichtlich dieser erklärt sich Benfey (a. 0. 1 353) für keineswegs über- 
zeugt. Ob der von Zündel nicht beigezogene, aber von Athendos (XIV 
616) einem ägyptischen König in den Mund gelegte Apolog von dem 
mausgehärenden Berg den ursprünglich ägyptischen Fabeln beizuzählen 
sei, wird man schwerlich entscheiden können. Immerhin aber erhalten 
wir viel zu wenig Nummern von Fabeln wahrscheinlich ägyplischer Ab- 
stammung, als dasz wir von diesem Gesichtspunkt aus aller Tradition 
zum Trotz den Sehlusz ziehen dürften, die Aesopischen Fabeln seien im 
allgemeinen im Lande des Nils ersonnen worden. 





22) Auch nicht in dem kürzlich herausgegebenen zweiten Teile, 
dessen jetzige Gestalt freilich aus später Zeit herrührt (vgl. die schöne 
Abhandlung von H. Sauppe in den Gött. Nachrichten 23 Aug, 1860 
S. 245—233), dessen materieller Inhalt aber aus mancherlei triftigen 
Gründen, deren nähere Entwicklung hier zu weit führen würde, im 
groszen und ganzen als echt Babrianisch angesehen zu werden verdient, 


0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 327 


Erwägt man vollends, dasz abgesehen vom Krokodil, welches erst in 
wenigen späten Fabeln sich findet, gerade die Aegypten eigentünmlichen 
Thierarten, wic Nilpferd, Ichneumon*?), Ibis und Trochilos in den Acso- 
pischen Fabelu gar nicht auftreten, so kann jedenfalls das Eindringen 
des ägyptischen Elements in die Aesopische Litteratur nur sehr unter- 
geordnet gewesen sein, und ınan hat durchaus kein Recht zu behaupten, 
die Aesopische Fabel stamme aus Acgypten. Dasz hingegen besonders 
in die späteren griechischen Fabelsammlungen hin und wieder eine 
ägyptische sich eingeschlichen habe, läszt sich nicht abstreiten: sprechen 
doch Theon (s. Wagener a. O. S. 55) und Himerios (20, 718) ausdrücklich 
von λόγοι Αἰγύπτιοι. Aus dieser Bezeichnung musz man notwendig auf 
eine Bekanntschaft der Griechen mit ägyptischen Fabeln wenigstens im 
Zeitalter der Sophistik schlieszen, und das kann auch bei der damaligen 
Blüte und Verbreitung der alexandrinischen Gelehrsamkeit nur natürlich 
erscheinen. Denn dasz die Aegypter selbst Fabeln gedichtet haben, 
darüber besteht kein Zweifel. Man ist nicht genütigt erst aus der Ver- 
wandtschaft des Thiercultus*) und der Bildersprache** mit der Fabel 
philosophisch den Satz zu deducieren, sondern er läszt sich durch con- 
crete Beispiele erhárten. Rabbi Josua Ben- Chanarja, der unter der Re- 
gierung Hadrians gelebt hat, erzählt seinen Landsleuten, um ihre Auf- 
regung zu beschwichtigen , folgenden Apolog echt agyptischer Fassung 

Bereschit fol. 72*; s. Landsberg in der sogleich anzuführenden 
Ausgabe syrischer Fabeln S. XAX u. XXXI): “Dem Löwen, der einst 
gierig seine Beute verschlang , blieb ein Knochen im Halse stecken. Da 
sprach er: wer mir ilın herauszieht, dem gebe ich seinen Lolin. Hierauf 
kam der ägyptische Kore (Ibis, Nilreiher), dessen Schnabel lang ist, und 
zog mit diesem seinem Schnabel den Knochen heraus. Als er jedoch 
zum Lówen sprach: gib mir meinen Lohn, erwiderte ihm dieser: geh 
him und rühme dich, du seist unversehrt in den Rachen eines Lówen 
gestiegen und unversehrt wieder herausgekommen. Und so mögen auch 
wir zufrieden sein, wenn wir im den Rachen dieses Volkes (Roms) heil 
gelangt sind und ihm nur heil wieder entkommen.’ 

Dasz den Áegyplern sogar das komische Thierepos, das eine aus- 
gebildete Poesie kleinerer Thierfabeln zur Voraussetzung hat, keineswegs 
fremd gewesen, schlieszt Zündel (S. 446) mit Recht aus einem Turiner 
Papyrus, auf welchem unter anderem eine Scene dargestellt ist, wie die 
Katzen in ihrem Schlosz von den Mäusen mit Pfeil und Bogen bestürmt 
werden, also ein Stück aus einem ägyptischen Katzenmäusler. 

Aber aus dem allem folgt noch gar nicht, dasz diese ägyptischen. 


23) Im Pantschatantra tritt der Ichneumon, natürlich der indische, 
auf (Benfey a. O. 1172). 24) Vgl. Züudel 8. 445. Schon Conrad Gesner 
und Ath, Kirchner haben die Bemerkung gemacht, dasz von dem 'Thier- 
eultus der Aegypter zur Thierfabel nur din Schritt nötig sei. — 25) Die 
Hieroglyphen sollen zum Teil auf Darstellung halber Fabeln beruhen; so 
=. B. sagt Horapollon (8. 140 Ald.): einen durch Schmeichelreden be- 
rückten Menschen bezeichneten die Aegypter durch einen Hirsch mit 
einem Flötenspieler. 


328 0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


Fabeln mit den Aésopischen oder deren Urbildern identisch seien; viel- 
mehr wird man daran festzuhalten haben, dasz die Aesopischen Fabelur 
mur untergeordneten àgyplischen Einflusz verrathen, und zwar in der 
"Weise, dasz in den nachweislich ältesten, vor Einführung der libystischen 
Sammlung von griechischen Schriftstellern gebrauchten Faheln durchaus 
keine ägyptischen Elemente erkennbar sind, dasz aber einige altertümliche 
ägyptische Fabeln zum Teil unter beträchtlichen Umwandlungen über 
Kyrene zu den Griechen gekommen zu sein scheinen, einige spàte Agyp- 
tische Apologe dagegen wahrscheinlich dureh ihre Benützung vou Seiten 
alexandrinischer Autoren in die griechische Fabellitteratur Aufnahme ge 
funden haben: 


8. .— 

Auch die Juden sind in neuester Zeit so glücklich gewesen, für Er» 
finder der Aesopischen Fabeln ausgegeben zu werden, natürlich von einem 
Landsmann, und zwar dem Rabbiner Julius Landsberger in seiner 
Schrift: 912707 wbnn, die Fabeln des Sophos, syrisches Original der 
griechischen. Fabelu des Syntipas (Posen 1859). Die ganze Idee ist au 
sich so unglücklich, so verlassen von aller Tradition, dasz ihr nur, wen 
man in der Art Landsbergers zu argumenlieren vermag, ein vorüber 
gehender Schimmer von Wahrscheinlichkeit verliehen werden kann, und 
dasz ein bedeutendes Quantum hebräisches Nationalsinns dazu‘ 
um sich vou solelien Deduetionen hinreiszen zu lassen. Von welcher Art 
Landsbergers Beweismittel sind, will ich.an einigen wenigen‘ Beispielen 
zeigen. S. XCIV argumentiert er aus der Aelinlichkeit des Anfangs eines 
noch dazu unechten Epimythions von ziemlich allgemeinem Charakter 
bei B. 47 mit Psalm 133, 1 auf die Entlehnung der Babrianischen. Faliol 
von einer vielleicht ‚bei den Juden vorgekommenen ihn]icheu. - Fàlsche 
und unsichere rabbinisclie Interpretationen von Bibelstellen werden ohne 
Scheu herbeigezogeu (S. IV. Vill). 8. IX nimmt Landsherger θυμός bei 
B. 5, 2, wo es wahrscheinlich nichts als Mut. bedeutet, jedenfalls aber 
sich auf das Wollen tad.nicht auf due Erkennen. bezieht, einfach gleich 
Herz, und weil im Hebräischen das Herz als Sitz des Verständes ange- 
sehen wird, so erscheint ihm die Aehnlichkeit mit Hiob 38, 36, | 
Hahn Verstand zugeschrieben wird, eclatant. D 

Sämtliche angebliche von Robert, Weber, Landsberger und K. ἔκ. 
Roth in der Bibel aufgespürten Ausgangspunkte Aesopischer Fabeln 
(Landsberger S. XC If.) wolleu nichts-besagen : nur die Babrianische F- 11 
vom brennenden Fuclis, die jeden Leser von selber an das bekannte 
Abenteuer Simsons erinnert, ist höchst wahrscheinlich blosze Umarbei- 
tung einer noch zu Babrios Zeiten in Syrien gelàufigen Vulkssage. _ 

Auch die *Tráger der Thierfabel” mit ihrem. eigentümlich zuge- 
schnittenen stereotypen Charakter bat Landsberger in den Schriftwerken 
seiner Altvordern aufzufinden sich bemüht und glaubt sie teilweise jn 
der Bibel entdeckt zu haben. Allein der Löwe hoiszt eben nirg in 
der Bibel ausdrücklich König der Thiere (S. VI), so dasz die Juden in 
diesem Stück vor Indern und Griechen nicht das mindeste voraus haben; 


0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 329 


auch für die Schlauheit des Fuchses bedauert Landsberger absolut kei- 
nen Beleg aufgespürt zu haben (S. XIlj; seine Behauptung (S. VIII), 
dasz sich die Dummheit als Hauptcharakterzug des Esels nicht bei den 
Griechen, wol aber im alten Testament finde, ruht auf sehr schwachen 
Stätzen, nemlich auf einer zweifelhaften Interpretation von Hiob 11, 12. 
Bei den Griechen aber scheint der Mythos von Midas, vielmehr die Parodie 
desselben stark gegen Wageners (a. O. S. 65), Webers und Landsbergers 
Ansicht zu sprechen, welche alle drei wahrscheinlich zum Teil durch 
ihre Prásumptionen sich haben verführen lassen zu leugnen, dasz bei den 
Griechen die Dummheit des Esels sprüchwortlich gewesen sei. Midas war 
bekanntlich ein ganz besonders beliebter Gegenstand für das parodierende 
Satyrspiel, und Hyginus, der ja in der Regel die Fabeln der alten grie- 
chischen Tragiker wiedergibt, wird jenen Spruch Apollons zu Midas: 
quale cor in iudicando habuisti, tales ei auriculas habebis (Ilyg. 
fab. 191) aus einem Drama geschópft haben, das kaum jünger war als das 
Buch Hiob, so dasz an eine Entlehnung nicht entfernt zu denken ist. 
Ueberdies gilt gerade bei den Hebräern der Esel nicht einfach als Symbol 
der Dummheit, weder in der Bibel noch: im Talmud (vgl. Landsberger 
S. LIX und besonders Lewysohn Zoologie des Talmud S. 130—142): im 
Gegenteil gilt er gewólinlich als Sinnbild der Ausdauer, Arbeitsamkeit 
usw. — Allerdings hat zwar nach Aussprüchen der Bibel der Hahn Ver- 
stand (S. XI), die Schlange ist bósartig (S. X), der Storch heiszt fromm 
(S. XI); aber alles dies sind Anschauungen, die sich auch anderwärts 
finden: namentlich die Idee von der Frömmigkeit des Storchs, die noch 
am ehesten etwas beweisen könnte, wenn sie specifisch jüdisch wäre, 
kann ganz wol von Aegypten her zu den Griechen gekommen sein. Man 
sieht dasz es Landsberger nicht gelungen ist, die Typen der Aesopischen 
Thiercharaktere den Hebräern als ursprüngliches Eigentuin zu vindicieren, 
und ebenso sieht es mit den Aesopischen Fabeln, welche Landsberger 
aus dem Talmud und den Midraschim zusammengestellt hat. 

Allerdings erscheinen im Talmud zwei unleugbare Aesopische Fa- 
bein: 1) die bei Diodoros (XXXIII 10 Bk.) und Babrios (22) vorkommende 
von dem Mann mit den zwei Frauen (Landsberger S. XLIIT), und 2) die 
vom Kamel, das Gott um Hörner bittet und dafür die Ohren verliert, 
Babrios II 77 L. (Landsberger S. XLV); ebenso finden sich in den Midra- 
schim wenn auch bisweilen ziemlich veränderte, doch entschieden Aeso- 
pische Fabeln: 3) die vom Schwein das bei der Berührung schreit, Aes. 
115 (Landsberger S. XXXV); 4) die vom vollgefressenen Fuchs B. 86 (L. 
S. LX), ganz nach jüdischen Anschauungen ausgeschmückt; ferner 5) die 
von dem Hirten der einen jungen Wolf aufzieht, B. Fr. 134 (L. S. LXIID); 
6) die von der Eiche und den eichenen Keilen, B. Fr. 139 (L. S. LXII); 
7) ein Bruchstück der schon bei Archilochos vorkommendeu von Fuchs 
und Adler (L. S. LXXXVI); endlich 8) die bedeutend umgewandelte Fabel 
vom Esel als Zöllner (L. S. LXXID), hervorgegangen aus B. 95, und 9) die 
Vergleichung des Menschen auf seinen verschiedenen Altersstufen mit ge- 
wissen Thieren B. 74 (L. S. LIX). 

In der Sammlung und Aufzählung dieser unter der weitläufigen 


330 0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


talmudistischen Litteratur‘ zerstrenten Aesopischen Fabeln beruht wol 
neben der Herausgabe des syrischen Fabelbuchs. das Hauptverdienst 
Landsbergers: wenn er mur die Frage nach der Priorität der correspon- 
dierenden jüdischen oder griechischen Fabeln entweder bei Seite ge- 
lassen oder etwas unbefangener beantwortet hätte! Natürlich entscheidet 
er, da hier der Richter selbst Partei ist, regelmäszig zu Gunsten seiner 
Altvordern und spricht ihnen die Ehre der Erfindung zu, unbekümmert 
darum, dasz innere und äuszere Gründe entschieden zu Gunsten der 
Griechen sprechen. Ich will gar kein Gewicht darauf legen, dasz doch 
Archilochos seine Fabel von Fuchs und Adler nicht schon aus einem 
Midrasch abgeschrieben haben kann, der nur die eine Hälfte derselben 
enthält); aber um so mehr Gewicht lege ich darauf, dasz die älteste 
erhaltene Sammlung der griechischen Fabeln, die des Babrios, 500—1100 
Jahre älter ist als der Talmud und die Midraschim (vgl. Landsberger 
S. XC); und sie gerade musz, weil sie ja in Syrien abgefaszt war, den 
jüdischen Gelehrten ganz bekannt gewesen sein: daher sind von den auf- 
geführten 9 Fabeln nieht weniger als 7 Babrianischen Ursprungs; die 
zwei übrigen (Nr. 3 und 7) finden. sich bezeichnender Weise in jener 
aramäischen von Landsberger edierten Sammlung Aesopischer Fabelu, 
deren griechischen Ursprung kein vernünftiger Mensch leugnen. wird. 
Noch ein Blick auf die Verschiedenheiten der einzelnen einander entspre- 
chenden Fabeln, z. B. auf Nr. 4 und 8, und jedes Bedenken gegen das 
höhere Altertum der Aesopischen Fabeln musz vollends verschwinden: 
jedesmal, wo nur die hebräische Fabel sich von ihrem Original malen 
hat sie auch schon an Naivetàt eingebüszt. 

Gerade so verhält es sich mit der aramäischen F; 
welche Goldberg und Landsberger veröffentlicht haben. Auch hier mar 
chen alle stärkeren Dilferenzen zu Ungunsten der syrischen Bearbeiter 
(s. S. CXXXVI f); überdies verräth die ganze Sammlung durch Gräeismen 
ihren griechischen Ursprung, und der Umstand dasz sich die unbedeu- 
tenden F. 12 und 13 nur noch bei Lokman, nicht aber bei den Griechen 
finden, kann gegen die griechische Herkunft der ganzen Sammlung nichts. 
beweisen (S. CXXXVD, wenn man erwägt, wie überhaupt die griechische 
Fabellitteratur in so fragmentarischem Zustand sich durch die Stürme 
der Jahrhunderte gerettet hat, dasz keine grüszere Sammlung existiert, 
die nicht ihre eigentümlichen, sonst nicht nachweisbaren Stücke besäsze. 
Um aber alle Zweifel über die wirkliche Herkunfl seiner aramaischen 
Fabeln abzuschneiden, hat ihr Bearbeiter ihnen den Titel vorgeselziz 
Fabeln des Aesopos: 05303 85%, wobei (vgl. S. CXVIII) nach dem 
Ἢ genetivi, was sehr leicht geschelien konnte, ein quiescierendes X aus- 
gefallen ist. Nach K. L. Roths Ansicht wäre die Sammlung im vierten 
bis fünften Jahrhundert n. Chr. aus dem Griechischen übersetzt. 

Was es mit den specifisch hebräischen Fabelsammlungen, den Fabeln 
der Wäscher, den fabelhaft vielen Fuchsfäbeln”), den apokryphischen 

26) Selbst Landsberger entscheidet sich nach einigem Zweifeln halb 


uud halb für die Priorität der Fabel des Archilochos, 8. LXXXVL. 
27) Nach der Agada soll Bar Kappara bei einem Hochzeitsschmause- 








0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 391 


Fabeln des Salomon, für eine Bewandtnis habe, kann uns ziemlich gleich- 
gültig sein, da ich weit entfernt bin eine selbständige Fabeldichtung dem 
hebräischen Volke abzusprechen, das ja schon durch seine frülı ausge- 
bildete gnomische Poesie zu háuligem Gebrauch der Thierfabel geführt 
werden muste und auch in den wenigen Fabeln des alten Testaments 
sein Talent für diese Dichtgattung zur Genüge an den Tag gelegt hat. 
Aber davou bin ich überzeugt, dasz im allgemeinen für die griechische 
Fabellitteratur ein Einflusz hebräischer Fabeln nicht angenommen werden 
darf, sondern dasz aller scheinbar jüdische Einflusz auf eine untergeord- 
nete Einwirkung syrischer Sagendichtung und Naturanschauung in den 
Babrianischen Fabeln hinausläuft. 

' Dagegen scheint zwischen Indien und Palästina, hauptsächlich wol 
durch Vermittlung der vielen in Babylon ansässigen Juden, ein ziemlich 
gleichmäsziger Austausch von Fabeln und Erzählungen stattgefunden zu 
haben. So begeguen wir in Indien den Legenden von Jonas im Fisch, 
vom Durchzug durch das rothe Meer, von Salomous Richterspruch (A. 
Weber in der allg. Monatschr. f. Wiss. u. Litt. 1853 S. 734); ferner ist 
der Fabel Pantsch. Ili 12 schon von Robert (a. O. S. CCXVII) hebräische 
Abstammung vindiciert worden. Die Fabel von jenem undankbaren Ló- 
wen, den ein reisender Rabbiner durch magische Mittel ins Leben zurück- 
ruft, ist entschieden buddhistisches Ursprungs und soll in ihrer indischen 
Gestalt die hochmütige Buchgelehrsamkeit der Brahmanen verhóhnen ; ja 
der historische Hergang ihrer Verpflanzung aus Indien über Babylon ist 
in der hebräischen Fassung ganz deutlich dadurch ausgedrückt, dasz der 
unglückliche Wundermann gerade von Babylon nach Syrien reist. — 
Desgleichen stammt die Legende von der Fliege im Gehirn des Kaisers 
Titus vermutlich (Grimm a. 0. S. CCLXXXII) aus Indien. 


9. 

Wo möglich noch weniger Boden als die Theorie von der palästi- 
nensischen Abstammung der Aesopischen Fabeln hat die früher sehr be- 
liebte, seit Freytags Widerlegung (Zündel S. 423) aber mit Recht vóllig anti- 
quierte Hypothese über deren arabische Ilerkunft. Lokman ist ledig- 
lich nichts als der in arabisches Costüm gekleidete Aesopos, seine Lebens- 
beschreibung ist nur eine groteske Verzerrung griechischer Traditionen 
und die 37 angeblich von ilin erfundenen Apologe sind blosz Ueber- 
tragungen der im Mittelalter über Syrien in griechischer *) und syrischer 
Sprache verbreiteten Aesopischen Fabeln. 

Die Abweichungen , die sie von den syrischen Fabeln bieten, schla- 
gen stets zu Lokmans Nachteil aus. Z. D. setzt er (ich citiere nach Erpe- 
nius arabischer Graminatik , Leiden 1656) F. 28 = 6 syr. statt des ur- 


mach jedem aufgetragenen Gerichte 300 solcher Fabeln erzillt haben 
(Landsberger 8. XXVI). 20 jüdische Fuchsfabeln, zum Teil offenbare : 
Umarbeitungen Aenopischer hat, Lewysohn im 3n Jahrgang des jüdischen 
Volksblatts veröffentlicht, vgl. dessen Zoologie des '"l'alnud 8. 70 — 8l. 

28) =. B. die 57 sog. Fabelu des Syntipas, herausgeg. von C. F. 
Mattbäi, Leipzig 1781. 


332 0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


sprünglichen Wiesels unpassend eine Katze als Repräsentanten unersätt- 
liches Blutdurstes. F. 21 — 37 syr. läszt er den Wolf ein Ferkel rauben 
stat eines Lamms. Β΄, 24 — 13 syr. wird das Pech statt des Mistes als 
Element des Mistkäfers bezeichnet usw. Mau sieht dasz wir in den soge- 
nannten Lokmanschen Apologen eine der spätesten und alleriertesten 
Versionen der Aesopischen Fabeln. haben. 

10. 

Etwas mehr als die bisher durchgenommenen Hypothesen scheint 
mir die indische Theorie für sich zu haben. Bald nach dem Erwachen 
der Sanskritstudien in Europa wurde die auffallende Vebereinstimmung 
vieler Fabeln des Pantschatantra, Hitopadesa und Mahabharata von den 
Gelehrten wahrgenommen und Gegenstand nicht blosz gelegentlicher Auf- 
merksamkeit, sondern auch ganzer Abhandlungen. Schon Loiseleur Des- 
longchamps") und Lassen?) hatten sich dahin ausgesprochen, dasz 
höchst wahrscheinlich den Indern die Erfindung der beliebten Aesopischen 
Fabeln zuzuschreiben sei. Bei weitem am entschiedensten aber hat A. Wa - 
gener die indische Abkunft der Aesopischen Fabeln verfochten in 
ner oben angeführten Abhandlung: er vergleicht hier eine Reihe "King: 
scher Fabeln mit entsprechenden indischen aus dem Pantschatantrá, Hito- 
padesa und Mababharata und sucht allemal zu beweisen, dasz die indische 
Recension die ältere und ursprüngliche sei. Dabei ist er aber in einer 
Weise zu Werke gegangen, welche die Vorwürfe seines Antipoden, A, 
Weber, im 3n Band der "indischen Studien? nur zu sehr rechtfertigt, Er 
war von der Idee, dasz alle Aesopisehen Fabeln,, die sich bei den Indern 
finden, auch ursprünglich indisch sein müsten, so eingenommen, dasz 
seine ganze Betrachtungsweise von starker Befangenheit zeugt. Trotz 
dem ziemlich späten Abschlusz der Sammlung des Pantschatantra, welche 
erst viele Jahrhunderte nach Christi Geburt erfolgt ist, lenguet er 
radezu die Möglichkeit einer Einführung fremder Fabeln in die indische 
Sammlung, weil sich die Inder gegen alles ausländische hermetisch ver- 
schlossen haben sollen. Und doch ist im Pantschatantra selbst (Weber 
a. Ὁ. III 329) eine rege Reiselust erkennbar und nach Alexandria wenig- 
stens kamen nicht selten Inder (vgl. Damaskios bei Photios 340%); aueh 
waren in der Periode, in welcher wir die Entlehnung griechischer Fabel 
durch die Inder anzunehmen haben, durch den in voller Blüte stehenden 
Buddhismus alle früheren Schranken gegen das Ausland eingerissen: denn 
diese Religion weisz ihrem universalen Charakter gemäsz weder von 
Kastenunterschieden etwas noch von Nationalitäten. 

Auf der andern Seite geht Weber zu weil, wenn er selbst die alten 

n 








20) Essai sur les fables Indiennes S. 7: *ce serait peut-&tre émettre 
une proposition contestable que de réclamer exclusivement en faveur 
des Indiens l'honneur d'avoir inventé l'apologue: on ne peut, du moins, 
À reconnaitre qu'ils jonissent dans ee genre d'une haute 

par a physionomie toute particulire qu'ils ont donnée A 
la fuble et au conte.” 80) ind. Alt. IT 645: *die hierfabel. , eine 
frühe indische Erfudung?; vgl. ebd. I 290. 





0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 333 


Schakalmärchen den Indern abspricht , und statt eine alte volkstümliche 
Entstehung und Ausbildung gerade dieser schönen Schöpfungen auf in- 
dischem Boden anzuerkennen, worauf ihn doch schon die eigentümlichen 
Fabeln über den indischen Schakal bei Ktesias (Lassen ind. Alt. II 645) 
hätten führen können, eben auf das andere Extrem sich steift und alle 
den griechischen Apologen im Pantschatantra und sogar im Mahabharata 
entsprechenden sanskritischen Fabelu für echt griechische Producte er- 
klärt, die um oder nach Christi Geburt zu deu Indern gelangt seien. 

^ Eine Mittelstrasze hält eigentlich blosz Benfey ein, und ich glaube 
dasz sie auch in diesem Falle der beste Weg ist. Nur scheint dieser Ge- 
kehrte bei seinen Untersuchungen über die Priorität einzelner Fabeln mehr 
seiner allerdings sehr glücklichen Divination als einem bestimmten Prin- 
eipe gefolgt zu sein. Wenigstens vermochte ich in der an scharfsinnigen 
und fruchtbaren Bemerkungen so reichen Einleitung zum Pantschatantra 
ein solches klar ausgesprochenes und durchgängig festgehaltenes Princip 
nicht zu finden. Mit Recht bekämpft er das ästhetisch - kritische Princip 
Webers, der jede Babrianische-Fabel wegen ihrer trefflicheren Form für 
altertümlicher halten will (S. 333) als die indischen Apologe. Ich zweifle, 
sagt Benfey (I 325), ob die beiden Gründe, welche Weber geltend macht 
(reizende Form der griechischen Fabel und Uebertreibung in der indi- 
schen), für seine Annahme entscheidend sind, ja das eine möchte fast 
eher dagegen entscheiden. Die Schönheit, vollständige Congruenz der 
idee und der Form ergibt sich in diesen und àhnlichen, ursprünglich 
vielleicht im Schosze des Volks gedichteten und lange darin lebenden, 
selbst wenn sie schon in die Litteratur übergegangen waren, leicht wie- 
der von da in das Volk zurücksinkenden Geistesschöpfungen gewöhnlich 
erst als Product einer lange fortwirkenden, gewissermaszen reflexiv- 
kritischen Umgestaltung, an welcher das Volk mehr urteilend als schaf- 
fend teilnimmt; und wenn wir die Geschichte aller Faheln, Erzählungen, 
Volksgedichte, Volksepen usw. bis zu ihrem ersten Ursprung verfolgen 
könnten, so würden wir wol erkennen, dasz die schönsten derartigen 
Werke, die wir besitzen, aus oft sehr unförmlichen Anfängen hervorge- 
gangen, dasz sie erst durch langes Treiben im Strome des Volkslebens 
zu. der demselben homogenen Form abgerundet sind, und alsdann ihre 
höchste Vollendung dadurch erhielten, dasz sie durch eine für die eine 
wder andere dieser Formen hochbegabte Individualität als lebendiger Aus- 
druck des Volksgeistes ergriffen und mit dem Gepräge eines hochstehen- 
den individuellen Geistes bezeichnet wurden. — Von dem gleichen Stand- 
punkt aus sagt Benfey 1 106: es werde niemand, dem die griechische 
Form bekannt gewesen, eine so schlechte, als die indische sei, an ihre 
Stelle setzen, während die griechische eine ganz vortreffliche Verbes- 
serung der indischen sei. Nicht ganz ohne Grund hat sich indessen schon 
Holtzmann (Heidelb. Jahrb. April 1860) gegen diese Argumentation 
ausgesprochen, und Benfey selber bekennt, wie wenig dieses Princip, dasz 
die rohere und schlechtere Form das Kriterium der Ursprünglichkeit einer 
Fabel sei, überall ausreiche, wenn wir bei ihm (I 468) mit Bezichung 
auf die Fabel vom Schakal, der nach einem Spiegelbilde im Wasser 


834 0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


schnappt, lesen: *unsere Erzählung ist zwar gegen ilie griechische Form. 
sehr verschlechtert, dies erklärt sich aber durch die ohne Zweifel münd- 
liche Uebertragung der Fabel? 

Die Ientität des Ursprungs vieler Aesopischer Fabeln und vieler 
Fabeln des Pantschatantra und anderer indischer Werke kann auf keinen 
Fall geleugnet werden; es kann sich blosz darum handeln, welchem von 
beiden Völkern, den Griechen oder den Indern, die Erfindung der Aeso- 
pischen Fabeln, d. h. eines sehr bedeutenden Teiles derselben, zuzu- 
schreiben sei. 

Richten wir zuerst unsern Blick auf die Winke, welche die Ge- 
schichte uns über diese Frage gibt, so finden wir jedenfalls so viel, dasz 
alle zusammen nicht gegen eine Einführung indischer Fabeln nach: Grie- 
chenland sprechen. Die Inder haben sich in alter Zeit ganz sicher weit 
mehr gegen das Eindringen ausländischer Cultur verschlossen (vgl. Pauly 
Realenc. IV 130), als dies bei den Griechen der Fall war, die von jeher 
den stärksten asiatischen Einflüssen ausgesetzt gewesen sind, wie sie das 
namentlich hinsichtlich ihrer Fabellitteratur immer zugegeben haben. 
Warum sollten nicht schon sehr früh märchenhafte Fabeln aus Indien 
nach Griechenland gekommen sein? Stand doch Assyrien schon seit 
Ninos und Semiramis Zeiten in vielfacher Berührung mit Indien, und die 
assyrische Herschaft erstreckte sich von den Grenzgebirgen des Pendschab 
bis zu den griechischen Niederlassungen in Kleinasien; ‘ein blühender 
Seeli del verband die Mündungen des Indus mit denen des Euphrat und 
Tigris®'), und lange Züge von Karawanen bedeckten die Handelsstraszen, 
die von Indien und Tibet über Babylon und Susa nach den Häfen des 
mittelländischen Meeres führten (Heeren hist. Werke XII 402—409; vgl. 
Duncker a. 0. ἢ 234). Seit Hekalàos war für die Hellenen Indien das 
Wunderland, von dem man die allerseltsamsten Märchen erzählte (Heka 
%os Fr. 174— 179), und dasz hierbei die absonderliche Fauna Indiens 
keine kleine Rolle spielte, versteht sich von selbst (vgl. z. B. Strabon XV 
703—705. Lassen ind. Alt. IN 314). In späteren Jahrhunderten, in denen 
der Handelsverkehr Vorderasiens weit weniger lebhaft gewesen ist, aus _ 
denen wir aber sichere literarische Nachrichten besitzen, hat notorisch 
eine grosze Anzahl von sanskritischen Märchen und Erzählungen den 
in den Occident gefunden (Benfey S. XXI), und zwar zum guten 
durch Vermittlung der Perser. Man sieht nicht ein, warum nicht schon 
im Altertum Thiermärchen und andere Erzählungen durch. Vermittlung 
der Assyrier aus Indien ins Abendland gekommen sein sollten: nennt doch 
Lukianos (Macr. 4) die Vorliebe für Fabelerzählungen als einen hervor- 
stechenden Zug des assyrischen (und arabischen) Nationalcharakters. ®) 
Bei weitem die wichtigste Notiz für uns ist aber die bei Babrios im 2n 





31) Vgl. Lassen ind. Alt. I 860. Mémoires de l'Académie de Bt. 

Pétersbourg 1859, sciences nat. S. 216. Duncker Gesch. d. Alt, II 241. 

32) Wie empfünglich die Assyrier für derari ei gewesen 

sind, sieht man schon aufs klarste an ihren Kunstdenkmälern, in weleben 

Züge aus den alten Thiermärchen, wie die Idee vom Königtum des Lö- 
wen, in auffallender Weise in den Vordergrund treten, 











0. Keller: üher die Geschichte der griechischen Fabel. 335 


Proómium, woraus hervorgeht dasz man wenigstens jn Syrien den Assy- 
riern *) geradezu die Erfindung der Fabel zuschrieb: 
μῦϑος μέν, ὦ παῖ βασιλέως ᾿Αλεξάνδρου, 
Σύρων παλαιόν ἐστιν εὕὔρεμ᾽ ἀνθρώπων, 
. οὗ πρίν ποτ᾽ ἦσαν ἐπὶ Νίνου τε καὶ Βήλου. 
ich glaube dasz ein kritischer Litterarhistoriker aus dieser Nachricht 
schlieszen darf, dasz manche Aesopische Fabeln, namentlich auch solche 
die bei Babrios zum erstenmal auftauchen, durch assyrische Vermittlung 
aus ihrer indischen Heimat nach dem Westen vorgedrungen sind**); und 
zwar dürfen wir diese Verbreitung zunáchst bei den Thiermärchen voraus- 
setzen, da bekanntlich unterhaltende Märchen weit geeigneter für münd- 
liche Fortpflanzung sind als lehrhafte Apologe. Wollte aber jemand einzig 
auf Grund jener ganz isolierten Notiz eine Hypothese bauen, wonach 
den Assyriern nicht blosz die untergeordnete Rolle der Verbreitung, son- 
dern geradezu die Erfindung der altertümlichen Thierfabel zugewiesen 
würde, so müste man jedenfalls einwenden, dasz Persien schon deswegen 
schwerlich die erste Wiege der Thierfabeldichtung gewesen ist, weil ihm 
die Waldnatur fehlt (Humboldt Kosmos II 42), ein Mangel der auch auf 
‚die dortige Poesie mächtig eingewirkt hat. 
Wenn es nun auch immer zu beklagen sein wird, dasz diese Andeu- 
der Tradition eben nicht über alle Anfechtung erhaben sind, so 
gibt uns doch glücklicherweise die Logik eine Art Ariadnefaden in die 
Hand, um uns in diesem wahrhaften Labyrinth der Litteraturgeschichte 
zurechtzufinden, nemlich das Princip der Naivetät. Unter mehreren For- 
"men einer und derselben Fabel halle ich diejenige für die ursprüngliche, 
we die der ganzen Erzählung zu Grunde liegenden, aus dem selbständigen 
Leben der Thiere oder deren Verhältnis zum Menschen entnommenen 
Züge dem wirklichen Verhältnis in der Natur am meisten entsprechen. 
"Bei den eigentlichen Wundermärchen dagegen ist es natürlich ein an- 
deres: zwar ist auch hier wieder die Naivetät das Kriterium der Origina- 
kunt; aber das naive beruht hier auf der Volkstümlichkeit des angemuteten 
Wunderglaubens. ᾿ 
Mittels dieser kritischen Leuchte gelangen wir auf sicherem Wege 
απ dem Resultat, dasz der Grundstock der altertümlichen Aesopischen 
Pabeln wahrscheinlich schon vor Babrios aus Indien nach dem Occident 
verbreitet worden sei, während wol erst nach Christi Geburt, als durch 
die fremden Eroberungen dem Eindringen auch der ausländischen Littera- 
tur mach Indien Thür und Thor geöffnet war, manche einer spätern Ent- 
wicklung angehörige Apologe, als Witzfabeln u. dgl. aus Griechenland 
zu dem Indern kamen. 
- Betrachten wir einmal die altertümliche Fabel von dem Elephanten 
und der Maus. Diese Fabel des Pantschatantra ist nemlich (Benfey 1 325) in 


88) Mit Recht weist Wagener 8. 46 jede andere Deutung von Σύροι 
surück, besonders mit Berufung auf Herod. VII 63 οὗτοι (ol Acavgıor) 
& ὑπὸ μὲν Ἑλλήνων ἐκαλέοντο Σύριοι, ὑπὸ δὲ τῶν βαρβάρων Acavgıos 
ἐκιήϑησαν. K. L. Roth findet natürlich auch hier seine Juden wieder. 

$4) Auch sonst werden indische Producte, die über Persien ins Abend- 


336 0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


einer Version, wo die Elephanten an Bäume gebunden durch Zernagen 
der Stricke befreit werden, ganz ähnlich. der bei ‚Acsopos 956, wo der 
Löwe mit einem Strick an einen Baum gebunden {κάλῳ ἐδέϑη ἐπέ τινε 
δένδρῳ) und von einer Maus, welcher er früher das Leben geschenkt 
hatte, aus Dankbarkeit befreit. wird (B. 107). Seit Wilson: (analytical 
account of the Pancha Tantra, in den Transactions of the Royal Asiatic 
Society 1 2, 172) nimmt man allgemein?) einen historischen Zusammen- 
hang zwischen der griechischen und der sanskritischen Fabel an; was 
mich betrifft, so stelle ich mich trotz A. Webers Einwendungen auf die 
Seite Wageners und Benfeys und glaube an die Originalität der indischen 
Fabel. Denn wenn auch Babrios seiner Fabel von Löwe und Maus eine 
weit schönere und schlichtere Form geliehen hat, als die phantastische 
indische Fabel besitzt: so hat letztere doch die Naturwahrheit. ihrer 
Grundzüge vor der griechischen voraus und verräth dadurch ihre grüszere 
Ursprünglichkeit. Denn in der griechischen Version hat der Löwe eigent- 
lich durchaus kein Verdienst, wenn er die Maus nicht friszt, die ja über- 
haupt nicht seine Nahrung bildet; im Pantschatantra dagegen erwerben 
sich die Elephanten durch die rücksichtsvolle Behandlung der Mäuse, deren 
Wohnungen zu zertreten sie sich in Acht nehmen, wirklich einen gegrün- 
deten Anspruch auf ihren Dank, Und während es höchst albern und 
zwecklos erscheint, einen gefangenen Löwen mit einem Stricke an einen 
Baum zu binden, statt ihn zu tódten oder in einen Käfig zu sperren oder 
mindestens an eine Kette zu legen, besteht eine der gewi 
phantenjagden in Indien eben derin, dasz der Elephant mit starken Tauen 
an einen Baum gefesselt wird: Daher ereignet es sich auch nicht. selten, 
dasz er dureh Zerreiszen dieser Stricke wieder im Freiheit kommt 
Kaup Thierreich I 396). Ferner ist klar, dasz die Assyrier, wenn. 
ursprüngliche indische Fabel von Elephant und Maus hörten; dieselbe 
bald in die von Löwe und Maus verwandeln mochten, weil teils das 
fremde Thier ihnen weniger behagte als-ein entsprechendes einheimi- 
sches, teils die Aenderung deswegen sehr leicht von Statten gieng , βοὸς 
fern eben an den Ufern des Euphrat, wie Oppianos (Kyneg. IV 159) sagt, 
der Löwe in Netzen und nicht wie sonst in Gruben gefangen zu werden 
pflegte. Ich halte daher ‘vom Gesichtspunkte: der- Natürlichkeit in dem 
Grundzügen aus — dem einzigen für mich entscheidenden | Toeciutaen 
die Fabel für indische Erfindung. 

Indessen wird man schon an diesem éinen. Beispiele - reed 
solche Operationen, je-nach:den Veränderungen die eine Fabel im Lauf 
der Zeit durchzumachen gehabt hat, manches misliche- haben, mud.gar 
häufig musz der Kritiker, wenn er ehrlich sein will, gestehen, dasz vs 
ihm selber unmöglich geworden sei, auch nach der reiflichsten Erwägung 
eine feste Ueberzeugung von der Priorität der einen oder andern Version 
zu gewinnen. Die Untersuchung ist namentlich ungemein erschwert 
durch die späte Abfassung der schriftlichen sanskritischen Sammlungen. 








and gelangten, zuweilen persische genannt, vgl. Hor. carm. III 1,44 
Achaemenium costum. — 35) Wagener a. O. 8. 100 if. Weber ind; Sind, ΠῚ 
317 f. Liebrecht in Pfeiffers Germania I 272, Benfey Pantschat. I 325. 


O. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 337 


Um so mehr dürfen wir uns glücklich preisen, wenigstens in einem Haupt- 
zuge der altertümlichen Fabeln eine sichere Gewähr für unsere Ansicht 
von der Originalität der sanskritischen Märchenfabeln zu besitzen, nem- 
lich in dem Verhältnis des Schakals zum Löwen. Dieses Verhältnis bildet 
den Grundpfeiler der schönsten Thierfabeln und Thierepen, die wir über- 
haupt kennen: und da ja jedes echte Thiermärchen von poetischer An- 
schauung natürlicher Erscheinungen ausgeht, so wäre es äAuszerst be- 
fremdlich, wenn die Beziehung des Schakals zum Löwen in der That auf 
reine Fiction hinauslaufen sollte, wie man immer anzunehmen pflegt.**) 
Vielmehr ist es ein auf dem natürlichen Gebahren beider Thiere beruhen- 
der Grundzug der ältesten Thiermärchen, dasz der Schakal als Diener des 
Löwen angesehen wird. Denn er folgt gern in respectvoller Entfernung 
dem Löwen und der Hyáne, um sich an den Resten ihrer Beute zu sät-_ 
tigen. Und da er dem Löwen nicht folgen kann, ohne von Zeit zu Zeit 
sein heiseres Bellen hóren zu lassen, so beobachtet man seinen Laut ge- 
mau, um durch ihn Kunde von dem Dasein des Löwen und von der Rich- 
tung zu bekommen, welche dieser einschlägt. Siehe “Jules Gerard der 
Löwenjäger’ Leipzig (Lorck) 1855; Lenz Zoologie der alten Griechen und 
Römer (Gotha 1856) S. 117. Ob dieser Kunstgriff der modernen Lówen- 
jer auch schon den alten Indern bekannt gewesen, mögen bessere Ken- 
mer des Sanskrit, als ich, erforschen. Das aber bleibt ausgemacht, dasz 
die Inder, für deren richtige und zugleich tiefpoetische Auffassung der 
Suezern Natur in ihren Veden ein so schönes Denkinal sich erhalten hat, 
sach um das wahre Verhältnis des Schakals zum Löwen wol gewust und 
es poetisch aufs beste verwerthet haben, indem sie es als Grundlage 
ihrer ganzen Thiermärchendichtung benützten. Sie sahen den Schakal 
sehr oft nach Art eines Bedienten hinter dem Löwen drein folgen; der 
Löwe erschien ihnen, wie den Morgenländern überhaupt, als Herr und 
König der Thierwelt”): was war natürlicher ®) als dasz man den Schakal 
zum Rath und Minister des Löwenkönigs machte und Märchen ersann, 
wie der schwache aber pfiffige Schakal seinem starken aber einfältigen 
Herrn gegenüber sich da und dort in Vorteil gesetzt habe? Nur nach der 
indischen Erzählungsweise findet dieses Dienstverhältnis des pfiffigen Thie- 
res einfältigeren, welches doch eben einen Hauptzug der schönsten 
altertämlichen Fabeln ausmacht, seine natürliche Erklärung: deswegen 


86) Vgl. z. B. Wagener a. O. S. 60: “toutes ces analogies nous 
paraissent fort naturelles, parceque, dés notre tendre jeunesse, nous 
avons été habitués à voir le renard et le lion vis-à-vis l'un de l'antre 
dams un semblable rapport. Il est presque nécessaire de rappeler au 
leeteur que c'est pourtant ]à un rapport tout fictif, que dans l'histoire 
naturelle nous ne trouvons rien de pareil.? 37) Mém. de l'Acad. de 
Bt. Pétersbourg 1859, sciences nat. S. 212. Wagener a. O. S. 59. Lassen 
ind. Alt. I 295 f. Friedreich Symbolik u. Mythologie der Natur 8. 416. 
418, Weber ind. Stud. III 334. 38) Ein starker Beweis für die 
Natürlichkeit dieses Gedankens liegt darin, dasz die nemliche Ansicht 
vom Dienstverbältnis des Schakals zum Löwen sich in Erziihlungen aus- 
geprägt bei den Negerstimmen am Senegal noch heutzutage findet. 8. 
Roger fables Séndgalsises (Paris 1823) 8, 48. Benfey I 102. 


338 Ὁ. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


besteht auch für mich kein Zweifel, dasz die altem Aesopisehen Fuchs- 
fabeln, also der Kern unserer ganzen Fabellitteratur, gröstenteils aus 
ursprünglich sanskritischen Schakalmärchen abstammt. 

Es fragt sich nun, wie es gekommen ist, dasz bei Uebertragung der 
indischen Märchen ins Griechische der Fuchs die Stelle des Schakals er- 
halten hat. Diese Veränderung war &inmal deswegen sehr leicht möglich, 
weil den Griechen, welche überhaupt durchschnittlich in Beobachtung 
der äuszern Natur unter den alten Indern stehen, das wahre Verhältnis 
des Schakals zum Löwen ganz unbekannt geblieben ist. Ihre Naturfor- 
scher erwähnen es mit keiner Silbe, den sehr späten constantinopolita- 
nischen Anonymus ausgenommen, der gerade über die indische Fauna. 
manches Detail berichtet; bei ihm lesen wir (Anon. Matth. 13): περὲ 
ϑώων ὅτι τοῦ λέοντος ϑεράπων εἶναι δοκεῖ. Aristoteles dagegen he- 
hauptet (Thiergesch. IX 1): πολεμοῦσι δὲ (of ϑώερ) .. τοῖς λέουσε: διὸ 
ἐν τῷ αὐτῷ τόπῳ οὐ γίνονται, woraus folgen würde, dasz ilie Griechen 
damals gar keine Gelegenheit gehabt haben. die fragliche Beobachtung zu 
machen. Von den Dichtern erwähnt nur Homeros (Il. A 473 I.) und sein 
Nachtreter Quintus Smyrnäus (VI 132, vgl. Bochart Hierozoikon Ausg. v. 
Rosenmüller I 848) eine nähere Beziehung des Schakals zum Löwen; aber 
während der Schakal in der Natur dem Löwen nachfolgt; läszt ihn der 
Dichterfürst in minder passender Weise von dem zufällig nachkommenden 
Löwen seiner angefressenen Beute beraubt werden: hierdurch wird das 
ganze Verhältnis in einer Weise verkehrt, welche den der 
zu Grunde liegenden Gedanken an eine Dienstbarkeit des Schakals beim 
Löwen in Friede und Freundschaft eigentlich unmöglich macht. 

Fürs zweite findet diese Veränderung des Schakals in den Fuchs ihre 
natürliche Erklärung in dem allgemeinen Entwieklungsgange, welchen die 
Fabelpoesie genommen hat. . a sie nemlich in steliger Weise vom naiven 
zum didaktischen sich bewegt, so sanken mit dem Auseinanderfallen der 
alten Märchen in lehrhafte Apologe die Thiere allmählich zu bloszen 
Charaktermasken herunter, und auf die Natürlichkeit der einer Erzählung. 
zu Grunde liegenden Züge aus dem Thierleben wurde immer, 
Rücksicht genommen. Nun ist es zwar unrichtig "), wenn Weber (S. 335) 
behauptet, der indische Schakal zeichne sich blosz durch seine Feigheit 
und Gefräszigkeit aus und passe vermöge seiner ganzen Natur viel el 
als der Fuchs für die Rolle, die er in der Fabel spiele. Vielmehr galt « 
Schlauheit schon im grauen Altertum bei den Indern als ein Haupteharak- 
terzug des einheimischen Schakals. Bereits im Amara Sinha, dem ältesten 
sanskritischen Lexikon, wo sogar das Schwein, der Büffel und die Katze 
noch als ungezähmte wilde Thiere aufgezählt werden (Lassen ind. Alt. 


39) Ebenso unrichtig ist es, wenn Weber S. 336 sagt: “ἅπας über 
die Inder, wenn sie einmal den Fuchs der griechischen Fabel kennen 
lernten, denselben durch kein passenderes "hier als den Schakal ere 
setzen konnten, liegt auf der Hand. Es gibt in Indien nicht blosz 
Schakale, sondern auch Füchse; warum soll also eine Veränderung not- 
wendig gewesen sein? Vgl. K.Ritter Ostasien II 4 S. 510, 708. Mém.. 
de l'Acad. de St. Pétersbourg 1850, seiences nat, B. 192, 





DO. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 339 


| 298), finden sich als Namen des Schakals: eantshaka und mfga dhür- 
taka, d. h. Betrüger, Schalk unter den Thieren. Und warum sollte der 
Schakal den alten Indern nicht als ein besonders listiges Thier erschienen 
sein, so gut wie uns sein Vetter Reineke? Legt er doch gerade in seinem 
Verhältnis zum Löwen, dem wichtigsten für die Fabeldichtung, unver- 
kennbare Proben von Schlauheit ab. in Europa dagegen hat jedenfalls 
der Fuchs hinsichtlich des Ruhms der Schlauheit dem Schakal schon vor 
alter Zeit den Rang abgelaufen *), und es ist daher gar nicht zu ver- 
wundern, wenn bei lehrhafter Ausprägung der Bruchstücke der alten 
Schakalmärchen der Fuclis als Repräsentant der List an die Stelle seines 
Vetters trat, der nur sporadisch sich zeigte und viel weniger bekannt 
war“) als der in allen griechischen Landschaften gemeine Fuchs. 

Eine Verwechslung beider Thiere kann bei ihrer groszen Aehnlich- 
keit nicht blosz in der äuszern Gestalt, sondern in ihrem ganzen Be- 
nehmen keine Verwunderung erregen, wenn man bedenkt, wie wenig 
genau es die Griechen in der Unterscheidung ähnlicher Thierarten auch 
sonst bisweilen genommen haben. So macht Perizonius zu Aelianos Thier- 
gesch. XIV 4 die Bemerkung: "antequam homines satis distinguere pos- 
sent animalia, tunc ubique, quae non multum diversi erant generis, uno 
eodemque designabantur vocabulo: sic ergo etiam mures , mustelae, feles, 
steliones una hac voce γαλῆς fuerunt primum appellati? Nun, steigt 
aber gerade hinsichtlich der beiden Species Schakal und Fuchs der ge- 
gründete Verdacht auf, die Griechen móchten sie ursprünglich blosz mit 
&inem Worte bezeichnet haben. ᾿“λώπηξ ist nemlich (Weber S. 336. 
Benfey gr. Wurzellex. I 74) lautlich identisch mit skr. löpäga, d. h. Aas- 
fresser, einem schon in alten indischen Wörterbüchern (bei Hématschandra) 
erscheinenden Beinamen des Schakals, für den er jedenfalls noch besser 
passt als für den Fuchs.) Er entspricht dem griechischen ὠμοφάγος, 
einem beliebten Epitheton des Schakals (Hom. a. 0. Arist. a. O.). Es ist 
somit micht unwahrscheinlich, dasz ἀλώπηξ anfangs für Schakal und 
Fuchs promiscue gebraucht wurde; allmähliclı aber verblieb dieser Name, 

leich er zunächst hauptsächlich dem Schakal gehörte, seinem Vetter, 
dem Fuchs, allein: sei es dasz der Scliakal zum Unterschied vom Fuchs 
den Namen *Schreier? Soc (Benfey Wurzellex. Il 256) erhielt, sei es 
dasz der Fuchs wegen seiner gröszern Verbreitung und Schädlichkeit 
in den von Griechen bewolinten Ländern den Namen ἀλώπηξ ausscliliesz- 
lich bekam. 


40) Aelianos Thiergesch. VI 24 δολερὸν χρῆμα 7 ἀλώπηξ. IV 25 af 
δὲ ἀλώπεκες εἷς ὑπερβολὴν προήκουσαι κακουργίας καὶ τρόπου δολερού---. 
Oppianos Kyneg. I 448 ff. Anon. Matth. 6 usw. 41) Der Schakal wird 
von den griechischen Autoren nicht oft erwähnt. Dasz man ihn viel 
beachtet hat als den Fuchs, geht schon daraus hervor, dasz er 
in der griechischen Mythologie keine Stelle gefunden hat, wie sein Vetter, 
vgl. Anton. Liber. 41. 42) Es ist unbegreiflich, wie man, namentlich 
wenn man mit Weber als Haupteigenschaft des Schakals die Gefräszig- 
keit vorschiebt, behaupten mag, das so bedeutungsvolle sanskritische 
Wort sei aus dem bereits sinnlos gewordenen griechischen entstanden 
(Weber 8. 830). . , 


Jehrb. f. elsss. Philol. Suppl. Bd. IV. Hft. 3. 22 


340 0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


Doch sei es mit dieser sprachgeschichtlichen Vermutung wie es 
wolle: jedenfalls werden wir aus dem bisherigen die Ueberzeugung ge- 
wonnen haben, dasz aller Grund vorhanden ist, die Aesopischen Fuchs- 
fabeln aus indischer Quelle herzuleiten. 

Betrachten wir von diesem Gesichtspunkt aus ein paar märchenhafte 
Fabeln, so ist uns z. B. für den doch immerhin auffallenden ?) Ausdruck 
καρδία — Verstand bei Babrios 95 der Schlüssel in die Hand gegeben, 
sofern das identische sanskritische Wort Ardaya ganz regelmäszig diese 
Bedeutung hat. Unrichtig dagegen ist die Behauptung Wageners S. 73, 
der nach seiner gewohnten Weise gern die Ursprünglichkeit jener spáten 
Fassung der Fabel, wie sie im Pantschatantra vorliegt, beweisen möchte: 
er will nemlich erklären, warum der Schakal auszer dem Herz des er- 
legten Thigres auch noch dessen Ohren verzehrt, und behauptet zu dem 
Ende, die Fabel müsse schon darum indischer Abstammung sein, weil im 
Sanskrit akarna , d. h. ohrenlos, sowol taub als dumm bedeute. Weber 
(S. 330) hat aber gezeigt, dasz diese letztere Bedeutung des Wortes eine 
Erfindung Wageners sel. Und überhaupt trägt die ganze Fabel im Pant- 
schatantra (I 2) so auffallend den Stempel einer jüngern Bildung an der 
Stirn, dasz man nicht daran denken sollte, von ihr jenes *Cabinetstück” 
der Babrianischen Sammlung ableiten zu wollen. Der Inhalt dieser indi- 
schen Kabel ‘von dem Esel der weder Herz noch Ohren hat? ist in trocke- 
ner Kürze folgender. 

Ein Löwe, genannt Furchtbarmähnig (Karälakesana), hatte als be- 
ständigen Begleiter und Diener einen Schakal, genannt Graufarbig (Dhü- 
saraka). Im Kampf mit einem Elephanten schwer verwundet konnte er 
nicht mehr auf die Jagd gehen. Da nun der Schakal Mangel leiden muste, 
so zog dieser aus, um seinem Herrn irgend eine Beute zuzuführen. Er fand 
bald einen Esel, genannt Langohr (Lambakarna), der eben staubbedeckte 
Disteln frasz. Unter Vorspiegelung von der üppigsten smaragdgrünen 
Weide und von drei jungen prächtigen Eselinnen, die aus Sehnsucht nach 
einem Gemahl verschmachten , lockt Dhusaraka den Esel zur Höle des Lö- 
wen: statt ihn aber fest zu packen, macht der kraftlose Löwe nur eine 
halbe Anstrengung, und Lambakarna entkommt. Der Schakal macht dem 
Löwen bittere Vorwürfe, und Karalakesana verspricht ihm das nächste- 
mal den Esel gewis nicht entwischen zu lassen. Eiligst macht sieh jetzt 
Dhusaraka wieder auf den Weg, folgt den Spuren des Esels, erreicht ihn, 
macht ihm weis, es sei nur eine überaus stark gewordene Eselin ge- 
wesen, die ihn etwas zu leidenschaftlich habe umarmen wollen — und 
siehe da, Lambakarna geht zum zweitenmal in die Falle. Diesmal zer- 
reiszt ihn Karalakesana auf der Stelle, übergibt die Hut des Fleisches 
Dhusaraka und geht selbst zu Bade. Mittlerweile friszt der hungrige 
Schakal das Herz des Esels samt den Ohren. Wie nun der zurückkehrende 
Löwe den Verlust wahrnimmt, fährt er den Schakal heftig an; dieser aber 
antwortet ehrfurchtsvoll: “dieser Esel halte weder Ohren noch Herz: aus 








43) Vom unbefangenen griechischen Standpunkt aus musz man es 
befremdlich finden, dasz hier nicht das Zwerchfell, sondern das Herz 
als Sitz des Verstandes angesehen wird. 





0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 341 


diesem Grunde ist er, nachdem er hierher gekommen und bei deinem An- 
blick vor Schrecken davon gelaufen war, dennoch wieder umgekelirt.? 
Diese Worte leuchteten dem Löwen ein; er teilte mit iim und asz ohne 
Bedenken. 

Ist hier nicht Unwahrscheinlichkeit an Unwahrscheinlichkeit gereiht? 
Warum geht der hungrige Lówe noch lange zu Bade, ehe er den erlegten 
Esel verzehrt? Warum friszt der Schakal auch die Ohren des Esels, da 
er doch keine Entschuldigung dafür bereit hat, wie für das Verzehren des 
Herzens? Und warum glaubt der Lówe, dasz die Ohren der Sitz des 
Verstandes seien, oder vielmehr warum glaubt er dem Schakal, dasz der 
Esel keine Ohren gehabt habe, den er doch kurz vorher mit eignen Augen 
gesehen hatte und den er schwerlich nur als Esel erkannt haben würde, 
wenn ihm die charakteristischen Eselsohren gefehlt hätten? Schon das 
Auftreten des Esels überhaupt spricht entschieden zu Ungunsten der er- 
baltenen indischen Fassung, sofern in den echten alten Thiermärchen 
keine gezähmten Hausthiere auftraten. 

Wie viel naiver und schöner ist dagegen die Babrianische Fabel! 
Hier liegt der Lówe krank, und es gilt blosz Nahrung für ihn zu suchen; 
dem Fuchs gelingt es zweimal einen Hirsch zu ihm zu locken. Schliesz- 
lich friszt der Fuchs das Herz und antwortet dem Löwen mit dem be- 
kannten Witze (B. 95. Aes. 243. Lucilius bei Nonius S. 303, 17). Diese 
Form der Fabel, die auch nach dem Datum ihrer Abfassung die älteste 
ist, scheint der alten echten am nächsten zu stehen; und ich glaube dasz 
jene alte, die sich durch Naivetät vor allen überlieferten Versionen aus- 
zeichuen müste, durch eine solche Combination der indischen und der 
griechischen Fabel wieder hergestellt werden kónnte, bei welcher der 
griechischen entschieden die erste Stimme eingeráumt würde. Bedenken 
wir nemlich, dasz der Esel als specifischer Repräsentant der Thorheit, 
sobald man das lehrhafte Element premierte, sehr leicht an die Stelle des 
weit minder charakteristischen Hirsches gesetzt werden konnte, dasz da- 
gegen auch in Indien (Philostr. v. Apollonii bei Photios 3255) der Hirsch als 
gewöhnliche Beute des Löwen galt, dasz ferner der Schakal in der That 
auf den Hirsch Jagd macht, was der Fuchs niemals thut (Anon. Matth. 13): 
so kommen wir zu dem hóchst einfachen Resultat, dasz wir in der Fabel 
des'Babrios, sobald wir den Fuchs derselben in den Schakal verwandeln, 
die alte indische Märchenfabel in unversehrter, nur von demDichter äuszer- 
lich verschónerter Gestalt vor uns haben. 

Aus der Geschichte dieser Fabel erklärt sich auch ganz leicht, wa- 
rum wir noch im südlichen Pantschatantra die dem Esel gegenüber doch 
ziemlich unpassende Vorspiegelung von der Freundschaft des Lówen 
finden, statt des viel passenderen Motivs der Geilheit (Benfey I 432), das 
in den späteren Bearbeitungen angeführt wird. — So erklärt sich fer- 
ner der eigentlich sinnlose Verlust der Ohren, ein Zug der erst durch 
die Umsetzung des Hirsches in einen Esel, dann aber auch ziemlich na- 
türlich hinzugekommen ist. Baldo fügt zu Herz und Ohren noch die 
Augen; die türkische Bearbeitung erwähnt das Gehirn. — Ganz weg- 
gelassen dagegen ist dieser witzige Zug im südlichen Pantschatantra 
22} 


342 Ὁ. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


(Benfey 1 431 vgl. Wagener S. 14), wo der Löwe selbst Herz und 
Ohren friszt. 

Während in dieser Recension also eigentlich blosz der erste Teil 
der ursprünglichen wärchenhaften Fabel zu seinem Rechte komunt, ist 
das gleiche mit dem zweiten Teile in folgender hebrüischer Fabel der Fall. 
Bei Jalkut Exod. 182 (Landsberger S. LXXII) lesen wir: *Einst unter- 
nahm der Löwe mit noch anderen Thieren, unter denen auch der Fuchs, 
eine Wasserfahrt. Der Esel nun, welcher das Amt eines Zóllners heklei- 
dete, forderte von ihrem Schiffe den üblichen Zoll. Da sprach der Fuchs 
zu ihm: Unverschámter, du weiszt dasz der König der Thiere in unserer 
Mitte weilt, und dennoch verlangst du Zoll von uns? Der Esel erwiderte 
aber: Vom König nehme ich ihn und in seine Schatzkammer liefere ich 
ihn zurück. Hierauf sprach jedoch der Löwe: Führt mir das Schiff näher 
(dem Ufer zu); sodann schritt er hinaus, zerrisz den Esel und übergab 
ihn dem Fuchs mit den Worten: Ordne mir die Körperteile dieses Thoren. 
Der Fuchs that es, stahl aber des Esels Herz, als er es erblickte, und ver- 
zehrte es. Da nun der Löwe kam und den Esel zerstückt fand, fragte 
er den Fuchs: Wo ist das Herz dieses Thoren? Mein Herr und König, 
antwortete ihm dieser, er hatte kein Herz: denn hätte er Herz besessen, 
so würde er nicht vom Könige Zoll gefordert haben.” In dieser sinnigen 
Fabel sehen wir die zweite Hàlfte des ursprünglich indischen Schakal- 
märchens mit Geschick zu einer Satire auf die einfältige Pedanterie der 
verhaszten Zöllner verarbeitet, wobei es für deren dummen und an- 
maszenden Charakter bezeichnend ist, dasz gerade ein Esel als Zöllner 
fungiert. 

So sind durch Spaltung des ursprünglichen Márchens zwei ganz 
verschiedene Apologe mit deutlich ausgesprochener lehrhafter oder satiri- 
scher Tendenz geworden, während bei Bahrios, dem Fredegar gefolgt 
ist (Grimm Reinhart S. XLVIH), der naive Duft des alten Thiermärchens 
trefflich erhalten ist. — In starkem Gegensatz namentlich gegen die zwei 
letztgenannten Formen hat sich noch eine vierte völlig neue aus jene 
ersten indischen Form entwickelt, nemlich die Fabel vom Eber der Herz 
und Ohren verliert (Grimm Kindermärchen Nr. 8I. Robert a. 0. 1 Cap. 1); 
dagegen hat die Aesopische Fabel 326 (144 Furia, 116 Koraés), die Ben- 
fey beizuziehen einiges Bedenken trägt, mit obiger Babrianischer Fulel 
sicherlich nichts zu schaffen. 

Auch die uralte Märchenfabel vom geschundenen Wolf (Aes. 255. 
B. II 40 Lewis) gewinnt von unserem Standpunkt aus, wonach der Schakal 
und nicht der Fuchs als ursprünglicher Protagonist der Aesopischen Fabel 
angeschen wird, ein wenig an Naivetàt. Denn einmal passt zum nächsten 
Vertrauten und Rathgeber des Löwen der Schakal viel besser als der 
Fuchs; dann aber erklärt sich sein engeres Verhältnis zum Wolf in ganz 
natürlicher Weise: während man nemlich noch nicht beobachtet hat, dasz 
der Fuchs in der Natur je in unmittelbarer Nähe des Wolfes sich blieken 
lasse, wissen die Reisenden im Morgenlande ganz regelmäszig von den 
markerschütternden Concerten zu schreiben, welche Schakale und Wölfe 
im Verein allnächtlich um ihr Zelt aufführen, 








0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 343 


In diese Classe uralter sanskritischer Märchenfabeln,, welche zusam- 
mengezogen oder verstümmelt, wie wir oben an einem Beispiele gezeigt 
haben, zu ganz eigentlichen Lehrfabeln werden können, gehören ferner 
höchst wahrscheinlich ihrem Ursprunge nach noch folgende Aesopische 
Fabeln: wie der Fuchs sich anfangs vor dem Löwen fürchtete, allmäh- 
lich aber ganz vertraut mit ihm ward (39); wie der Fuchs mit Esel und 
Löwe auf die Jagd zog und so meisterlich die Beute teilte (260); wie der 
Fuchs als Diener (ἐν ὑπηρέτου προσχήματι) mil dem Löwen auf die Jagd 
gieng und ihm das Wild ausspähte, als er aber auf eigne Faust zu jagen 
versuchte, dem ersten Thier selbst zur Beute ward (41); wie der Fuchs 
auf Befelil des Löwen zwei Stiere, welche dieser fürchtete, durch arg- 
listige Ränke gegen einander aufhetzte und dadurch zu Falle brachte 
(Themistios, Weber S. 366); wie der Fuchs mit dem wilden Esel auf die 
Jagd zog, diesen aber an den Löwen verrieth (326) ; wie der Fuchs allein 
nicht zur Hóle des alten Löwen mochte, weil er keine rückwärtsführen- 
den Fuszspuren erblickte (246. Plat. Alkib. 1 123°. Pantschatantra I 
14); endlich eine Fabel, von der sich nur sehr entstellte Trümmer in 
der griechischen (B. 101. Aes. 272) und späthebräischen (Landsberger 
S. XLIX f.) Litteratur erhalten haben, wie ein junger Schakal einst 
mit zwei Lówenjungen zusammen von einer Lówenmutter gesäugt und 
aulgerogen wurde, später aber beim gemeinsamen Kampf mit einem Ele- 
phanten feige davon lief (Pantsch. IV 4. Benfey I 434). Vielleicht ist auch 
die Fabel 149 hieher zu zieheu, wo der Fuchs zum Kónig der Thiere 
eingesetzL wird, weil er aber sein füchsisches Wesen nicht ablegt, seines 

.Kónigtumes wieder verlustig geht: wer weisz, ob sie nicht auf einem 
verlorenen alten Márchen beruht, wo der Schakal, vom Lówen zum Nach- 
folger bestimmt , wegen seiner Unfähigkeit wieder abgesetzt wurde. 

Auch die Figuren dieser altertümlichen Schakalfabeln harmonieren 
so vortrefflich mit der Fauna des nordwestlichen Indiens, wo sich Ele- 
phanten und Löwen, Wölfe und Schakale, Hirsche und Wildesel (Ael. 
Thiergesch. IV 52. XVI 9) in reicher Menge finden und fanden, dasz man 
auch von diesem Gesichtspunkt aus gegen ihre sanskritische Abstammung 
kein Bedenken fassen darf. 

Natürlich sind sie nicht alle mit einander aus Indien nach Griechen- 
land eingewandert, zum Teil aber waren sie jedenfalls schon zu Platons 
Zeiten in Hellas verbreitet, und es kann demnach nicht Wunder nehmen, 
wenn wir in derselben Periode noch eine andere aus Indien stammende 
Märchenfabel in Griechenland finden; noch viel weniger aber dürfen wir 
uns daran stoszen, wenn wir in der Fabelsammlung des Syrers Babrios 
indische Märchen entdecken, da die politischen und commerciellen Be- 
ziehungen zwischen den Seleukiden und Indien von solcher Wichtigkeit 
gewesen sind, dasz sich, um nur éines anzuführen , zu Palimbothra, der 
Residenz des Sandrakottos (Tschandragupta), eine regelmäszige syrische 
Gesandtschaft aufhielt (Strabon II 70. XV 702. Justinus XV 4. Plin. N. H. 
VI 17,21). Nicht einmal buddhistische Anschauungsweisen dürfen uns zum 
voraus von dem Glauben an einen historischen Zusammenhang zwischen 
den betreffenden indischen Märchen und Babrianischen Fabeln abschrecken: 


341 Ὁ. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


denn bei der Lust uni Leidenschaft, mit der solche Conceptionen gehört 
und weiter erzählt zu worden pflegen, liegt es gar nicht auszer dem 
Bereich der Möglichkeit, dasz ein halbes Jahrtausend nach Gründung des 
Buddhismus) buddhistische Märchen ins westliche Asien vorgedrungen 
sind. Hören wir doch, dasz auf der ums J. 250 v. Chr. gehaltenen Synode 
der Bhikshu u. a. beschlossen wurde, auch zur Bekehrung der Javana 
Missionen abzusenden (Duncker Gesch. d. Alt. I 209). Wie leicht konnten 
bei dieser Gelegenheit manche mit buddhistischen Glaubens- und Sitten- 
lehren harmonierende Fabelerzählungen aus ihrer indischen Heimat bis 
zu den Länderu des Mittelmeers getragen werden! 

Die ganze Untersuchung ist übrigens auszerordentlich erschwert 
durch die ungeheure Elasticitàt und wahrhafte Proteusnatur dieser Jahr- 
hunderte lang blosz mündlich sich fortpllanzenden volkstümlichen Er- 
zählungen, deren unglaubliche Verstümmelungen, Verzerrungen, Ent- 
stellungen und Auswüchse einzig in der Litteraturgeschichte dastehen. ®) 
Deswegen läszt sich auch nur in wenigen Fällen zu einer wirklichen 
Veberzeugung von der ursprünglichen oder auch nur ursprünglicheren 
Form einer solchen Erzählung durchdringen, und wenn ich auf Benfeys 
epochemachenden Untersuchuugen fuszend im folgenden einige Ableitungen 
griechischer Fabeln aus indischen Quellen zusammenstelle, so will ich 
damit blosz den Versuch gemacht haben, ein paar mögliche Hypothesen 
über die Entstehungsgeschichte einiger sogenannter Aesopischer Fabeln 
zu bieten. 

In Poliers mythologie des Indes II 571 (Benfey I 374) lesen wir 
folgende in vielen Versionen über die ganze indische Literatur verbreitete 
Fabel: *Eine Katze füngt eine Maus; da aber eine zweile Katze hinzu- 
kommt und sich mit der ersten um die Beute balgt, gelingt es der Maus, 
halbtodt zu den Füszen eines Rischi zu entkormmen, Dieser unterbricht 
seine Andacht, um sie aufzuheben, findet es aber nicht der Mühe werth, 
zu dem höchsten Wesen um die Erhaltung eines so geringen Geschöpfes 
zu beten, und bittet daher Brahma, die Maus in einen Menschen zu ver- 
wandeln, damit sie von der Gefahr vor der Katze befreit sei. Sie wird 
nun ein Mädchen, wird von dem Einsiedler erzogen und soll heiraten; 


44) Der Stifter des Buddhismus ist ums J. 000 v. Chr. zu Kapila- 
vastu in Hindostan geboren, vgl. Duncker Gesch. des Alt. II 105—197. 

45) Bald werden blosz ganz äuszerliche Accidentien der ursprüng- 
lichen Form beibehalten, bald rettet sich nur die Idee, während ihre 
Hülle die rlichsten Metamorphosen durchmacht. Tür den Ietztern 
Fall wähle ich als unanfechtbares Beispiel die Rahmenerzühlung des 
vierten Buchs vom sauskritischen Pantschatantra, wo. als Hauptheld ein 
Meerungeheuer (eigentlich ein Delphin) auftritt: daraus wird im süd- 
lichen, prakritischen Pantschatantra ein Krokodil, in der arabischen Be- 
arbeitung eine Schildkröte und endlich in der hebräischen Uebersetzung 
eine einfache Eidechse. — Für den erstern Fall mag als Beispiel dienen, 
wenn (Benfey I 483) hervorgebildet aus der elassisehen Historie von 
König Pyrrhos treuem Hunde in einer tschndischen Fabel ganz anderes 
Inhalts als Herr eines treuen Hundes ein Czar Piras genannt wird. An 
der Identität dieses Piras mit dem epeirotischen König ist nach Schief- 
ners Nachweisungen bei Benfey a. O. nicht zu zweifeln. 

























©. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 345 


da fordert sie als Gemahl einen Gott, dessen Schönheit, Macht und Stärke 
nicht ihresgleichen unter den Wesen seiner Gattung habe. Der Rischi 
schlägt ihr nach einander Mond, Sonne, Wolke, Berg, endlich auch 
eine Maus als Gatten vor: und siehe da, sie wählt die Maus. Da erkennt 
der Weise, Jasz er Unrecht gehabt, die Orduung des Schicksals zu ändern, 
und dasz dies Wesen, als Maus geboren, bestimmt sei in seiner gegen- 
würligen Existenz eine solche zu bleiben; er verwandelt sie daher wieder 
in eine Maus.” Diese Fabel ist (nach Benfey I 375) so wesentlich gleich 
mit der griechischen Fabel von dem in einen Menschen verliebten Wiesel, 
welches von Aphrodite in ein Mädchen verwandelt wird, als sie aber eine 
Maus erblickt, nicht von ihrer Art lassen kann und darum von der Góttin 
wieder zu einer Maus gemacht wird (B. 32. Aes. 88. Phädrus App. Gud. 
3), dasz eine historische Verbindung zwischen beiden unmóglich bezwei- 
felt werden kann. Sie steht im Occident fast ohne Analogie (vgl. Fu- 
rias Anm. zu Fabel 48), während die Verwandlungen von Thieren in 
Menschen und umgekehrt den indischen Anschauungen, nachdem sich der 
Glaube an die.Seelenwanderung geltend gemacht hatte, so geläufig ist 
und so häufig hervortritt , dasz sie hier gar nichts auffallendes hat. Ich 
bin deswegen geneigt, unbeirrt dadurch dasz sich die griechische Fabel 
schon beim Komiker Strattis ums J. 400 findet, dieselbe als ein ursprüng- 
lich indisches Erzeugnis anzusehen. Dasz aus der Maus ein Wiesel ge- 
worden ist, erklärt sich vielleicht teils aus der schon von Perizonius 
(s. oben S. 339) gerügten Verwechslung der beiderseitigen Benennungen, 
teils daraus dasz diese beiden Thiere ganz stereotyp neben einander ge- 
.nannt wurden, teils etwa auch aus einer gewissen Aehnlichkeit ihres 
Wesens*), endlich daraus dasz bereits im Mythos von Galinthias (Anton. 
Liber. 29) ein Beispiel für die Verwandlung einer Jungfrau in ein Wiesel 
gegeben war, während die Metamorphose einer Maus in eine Jungfrau 
an keinen Vorgang in der Mythologie unmittelbar sich hätte anlehnen 
kónnen. 

Eine zweite märchenhaft wunderbare Fabel bei Babrios (119. Aes. 
66. Robert fables inéd. I 145 f. Enenkels Virgilius in von der lfagens 
Gesamtabent. II 525 V. 65 (f. Basile Pentameroue IV 4. Xailun Tausend 
und ein Tag Bd. 5) ist die von dem Arbeiter, der einem Hermesbild den 
Kopf abschlägt, worauf aus demselben eine Masse Goldstücke sich ent- 
leert. Von hellenischem Standpunkt aus betrachtet erscheint diese Er- 
zählung wo nicht widerlich frivol, doch höchst absonderlich und räthsel- 
haft, während der Aberglaube, auf dem sie basiert, vollkommen buddhisti- 
sches Gepräge trägt. Nun finden wir wirklich in der Sinhäsana-dvätringat 
(Benfey I 478 vgl. Loiseleur S. 53 f.) folgendes buddhistische Märchen : 
“Ein Büszer (Jogin) nimmt Vikramáditya mit sich, um ihm bei einem 
Zauber zu helfen. Vikramäditya holt den Vetála, der ihm fünfundzwanzig 
Geschichten erzählt, um ihn vor Ermüdung zu bewahren. Am Ende der- 
selben sagt er ihm, dasz ilım der Jogin nachstelle und er ihm nicht dienen 


, 45) Kyrillos c. Iulian. 8. 3184 Spanh. γαλῆ xal uoc γράφουσί πως 
᾿ ἑαυτοῖς τὰ δειλὰ καὶ ἄνανδρα καὶ ψοφώδη τῶν κλεπτῶν γένη. 
Vgl. Bocbart Hieroz. I 1020. 


346 0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


möge. Der König schlägt nun dem Jogin den Kopf ab, und in demselben 
Augenblick ist dieser ein Goldmann, rühmt des Königs Macht und zeigt 
ihm seine Gewogenheit; der Kónig nimmt ihu mit sich nach Hause und 
ist durch seine Gnade so reich wie Kuvera (der Gott des Reichtums).? 
Diese Anschauung passt so vollständig in den Kreis des buddhistischen 
Aberglaubens, dasz man schwerlich mit Weber (S. 351) dieses Märchen 
von jener Babrianischen Fabel ableiten darf; dagegen spricht schon, wie 
Benfey mit Recht hervorhebt, die entschieden viel tiefer liegende, auf 
einem religiösen Glauben beruhende indische Darstellung, während im 
Griechischen der Kopf nur ein zufälliges ") Versteck bildet. Jedermann 
sieht ein, wie die griechische Darstellung sehr gut aus der indischen ent- 
standen sein kann, aber nicht umgekehrt. 

Eine dritte Wunderfabel bei Babrios ist die von der goldeierlegenden 
Henne (123. Aes. 343). Das Vorkommen dieser Fabel bei Babrios, deren Grund- . 
zug bei der Farbe des Dotters allerdings überhaupt für den menschlichen 
Witz nahe liegen mag, ist darum so auffallend, weil sich, abgesehen von 
dieser Fabel, die Idee von Goldeiern bei den Griechen überhaupt nicht 
nachweisen läszt. Im Gegenteil haben sie einerseits, von der Anschauung 
nicht des gelben Dotters, sondern der weiszglänzenden Schale ausgehend, 
in ihrer Mythologie“) wie in ihren Orphischen Geheimlehren (Weber 
S. 341) die Vorstellung von silbernen Eiern, anderseits die auf einer 
poetischen Anschauung des Eiweiszes beruheude®) Idee von der Vogel- 
milch. Die frühe und allgemeine Verbreitung dieser letztern Vorstellung ®) 
mag wol den stärksten Damm gegen das Auftauchen des Gedankens an gold- 
eierlegende Vögel gewesen sein. Denn wäre dieser Gedanke den Griechen 
nicht bis auf Babrios fremd geblieben , so begriffe ich wenigstens nicht, 
warum die Komiker, die der Vogelmilch und überhaupt der Eier in jeg- 
licher Beziehung so oft gedenken und so gern auf die Philosophen sticheln, 
nicht z. B. gegen die eierverschmähenden (Diog. La. VIII 33) Pythagoreer 
beiszende Witze schleuderten, wie sich deren so mancher bei der Idee von 
Goldeiern ganz von selbst hätte darbieten müssen. Zeigt sich somit der 
ganze Grundgedanke dieser Fabel dem Ideenkreis der Griechen vollkommen 
fremd, so bleibt uns nur die Alternative, ob Babrios das Märchen selbst 
erfunden oder ob er es aus irgend einer nichtgriechischen Quelle geschöpft 
habe. Da nun der erstere Fall deswegen unwahrscheinlich ist, weil stoff- 
liche Ori litàt überhaupt nicht Babrios Sache ist, so haben wir uns 
nach einem Volke umzusehen, in dessen Aberglauben wunderbare Gold- 
production eine Rolle spielt, und hier steht wiederum Indien voran mit 
seinem Prinzen Goldspeier (Suvarnaschthivin im Mahábhárata XIE 1111. 
Benfey 1379), semen goldgrabenden Ameisen (Lassen ind. Alt. Il 314. 





47) Daher erklärt sich auch, daez im Pentamerone a. O, Vardiello 
der Bildvenle die Brust einschlágt und darin einen Topf mit Gold- 
stücken findet: vgl. Liebrecht in Pfeiffers Germania ΠῚ 242. _ 48) Iby- 
kos Fr. 10 (Bergk) von den Molionen: ἀμφοτέρους γεγαῶτας ἐν dép di 
γυρέῳ. , 40) Wie schon Anaxagoras richtig deutote bei Athen. IT 574 
τὸ καλούμενόν φησιν ὄρνιϑος γάλα τὸ iv roig ὠοῖς εἶναι λευκόν. 50) 
Vgl. die Ausleger zu Aristoph. Vögeln 1073. 


Ὁ. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 347 


I 850), seinen goldexcernierenden Elephanten (Benfey a. O.), seinem gol- 
denen Weltei (Weber S. 341) usw. Aber nicht blosz diese allgemeinen 
Vorstellungen von wunderbarer Goldgewinnung und von Goldeiern smd 
es, die, noch unterstützt von der Analogie der beiden besprochenen Mär- 
chenfabeln des Babrios, auf den indischen Ursprung auch dieser märchen- 
haften Fabel deuten: die Idee übernatürlicher Goldgewinnung aus einem 
Vogel und des Verlustes derselben durch die Thorheit des Besitzers findet 
sich vollkommen in einer sanskritischen Fabel wieder, die man, eben 
weil sie auf sonstigem indischem Aberglauben basiert, unmóglich von 
der im griechischen Altertum ganz isolierten Bahrianischen Fabel ableiten 
kann. Allerdings sehen wir im Pantschatantra, dessen entlliche Abfassung 
ja viel jüngeres Datums ist als die der Babrianischen Sammlung, ganz im 
Geschmacke der späteren Inder das Märchen stark ins grotesk-abenteuer- 
liche übertrieben: ein Umstand der mich jedoch keineswegs gleich Weber 
zu dem Schlusse zwingt, dasz die griechische Fabel die Mutter der sanskri- 
tischen gewesen sei. Vielmehr glaube ich dasz beide Fabeln ganz unab- 
hängig von einander aus einem und demselben sanskritischen Vorbilde 
sich entwickelt haben, das einerseits an dem sonstigen Wunderglauben 
der Inder eine feste Grundlage hatte, anderseits an Einfachheit der Dar- 
stellung der griechischen Fassung bei weiteın näher stand als der durch 
die Geschmacklosigkeit der späteren Inder verdorbenen Version im Pant- 
schatanira. Bedenkt man, wie das Märchen vom goldmachenden Vogel 
ohne alle schriftliche Fixierung wol ein Jahrtausend blosz in der münd- 
lichen Tradition des indischen Volkes gelebt und sich entwickelt hat, so 
erklären sich aus der ganzen Natur des Wundermärchens und aus dem 
phantastischen, träumerischen Wesen der Hindu die Extravaganzen des 
Pantschatantra höchst einfach: und ich statuiere somit weder mit Weber 
(8. 840) und Wagener ein directes Abhängigkeitsverhältnis, noch mit 
. Benfey gar kein geschichtliches Verhältnis, sondern einen wirklichen, 
aber indirecten geschichtlichen Zusammenhang der Babrianischeu Fabel 
von der goldeierlegenden Henne und der dreizehnten Erzählung des drit- 
ten Buchs des Pantschatantra von dem Gold entleerenden Vogel und den 
Thoren die ihn besaszen (Benfey II 267 f.). 

Ziemlich klar liegt ferner der indische Ursprung der folgenden sonder- 
baren Aesopischen Fabel zu Tage (B. Il 60. Aes.96 u.96®. Phädrus App. 33. 
Ugobardus 30): *Ein Bauer, dessen Kind durch den Bisz einer Schlange ge- 
tödtet war, sucht sich mit dem Beil an derselben zu rächen, verfehlt sie aber 
und trifft nur den Schwanz des Thiers oder nach einer andern Redaction den 
Felsen in welchem sie nistet. Da ergreift den Bauer plötzlich eine uner- 
klärliche Scheu, und er fordert die Schlange auf sich förmlich mit ihm zu 
versöhnen; allein sie erklärt, dasz ihr ein Blick auf ihre zerstörte Fels- 
wohnung, ihm ein Blick auf das Grab seines Kindes alle redlichen Freund- 
schaftsgedanken unmóglich mache? Da der merkwürdige Aberglaube, 
welcher dieser Fabel zu Grunde liegt, zum mindesten nicht weniger nach 
Indien passt als nach Griechenland"), und da die indische Litteratur eine 


51) Denn schätsehütende Schlangen sind dem indischen Volksglauben 


348 Ὁ. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


viel nalürlichere und verständlichere Form dieser Fabel aufweist, so wird 
jeder geneigt sein Benfeys Ansicht zu unterschreiben, wenn er sagt 
(1 359): “Auszer wegen ihres indischen Gepräges scheint der Fabel 
auch darum ein indischer Ursprung zuzusprechen zu sein, weil die ange- 
führten abendländischen Formen nur wie Fragmente aussehen, nur den 
Eindruck von gehörtem und nicht völlig verstandenem, darum unzusam- 
menhängendem machen. Bei den griechischen Darstellungen musz man 
sich fragen: warum will der Bauer die Schlange, die seinen Sohn umge- 
bracht hat, sich wieder befreunden? Denn dasz er ihr frühere Wolthaten 
verdankt und der Sohn sie auf die allerungerechteste Weise angegriffen 
hat, wird in ihnen nirgends angedeutet. In den lateinischen Darstellungen 
dagegen fehlt jeder vernünftige Grund, warum er die Schlange tödten 
will; denn es wird nicht erzählt, dasz sie seinen Sohn getödtet hat; da- 
für erhalten wir hier (in der Fabel des Pantschatantra) den Grund, warum 
er sie versöhnen will; nachdem er sie verwundet hat, wird er arm und 
meint nun, dasz er, wie die Fabel im Pantschatantra ausdrücklich sagt, 
seinen Wolstand ihr verdankte. So sieht man, dasz jede der vier erwähn- 
ten occidentalischen Formen nur eine unmotivierte, gewissermaszen halbe 
Fabel enthält; verbindet man aber eine griechische mit einer lateinischen, 
so erhält man eine wolmotivierte, gewissermaszen ganze, damit aber auch 
unsere indische. Nun wird gewis niemand behaupten, dasz diese lelztere 
eine mit Bewustsein vollzogene derartige Verbindung sei; wol aber wird 
man leicht zugeben, dasz eine so ausführliche Conception, wie die be- 
sprochene indische, die schon gar keine Fabel mehr ist, sondern ein 
Märchen, wenn sie nicht litterarisch; sondern mündlich überliefert ward, 
leicht in solche Stücke zerfallen konnte.” Auch existieren (Benfey I 361) 
noch mehrere verwandte Fabeln, sämtlich ursprünglich indische, was 
ebenfalls für den indischen Ursprung der Babrianischen Fabel von dem 
Bauer und der Schlange entscheidet. 

Endlich gehört zu den märchenhaften, vielleicht aus Indien stam- ἡ 
menden Aesopischen Fabeln auch die vom dankbaren Adler und dem 
herabträufelnden Schlangengift (Aes. 120. B. 1120), deren phantastische 
Gestalt schon an sich auf orientalische Herkunft rathen läszt. Eine ganz 
ähnliche Fabel fand sich im sanskritischen Original des Sindabadkreises, 
und nach Benfey (1 363) scheint den Indern die Ehre der Eulindung zu 
gebühren. 

Auszer solchen märchenhaften Fabeln verrathen nur sehr wenige 
unter den sogenannten Aesopischen Apologen eine wahrscheinlich in- 
dische Abstammung. So weist der in F. 261 vorgetragene indische Aber- 
glaube, als ob der Elephant aus Furcht, es möchte ihm eine Bremse ins 
Ohr fliegen und ihm dadurch den Tod bringen, in éinem fort mit den 
Ohren klappere, entschieden nach Indien (Wolif Uebersetzung des Bidpai 
173. Benfey 1245). Der Apolog läszt sich übrigens vor Achilleus Tatios 





keineswegs fremd. Der Behlangeneultus iat in Indien überhaupt mächtig 
und spielt insbesondere in dem buddhistischen Leben und in den buddhisti- 
schen Schriften eine sehr hervorragende Rolle: vgl. Benfey I 350. Lassen 
iud, Alt. II 285, 


0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 349 


(ll 21) nicht nachweisen. Noch späteres Datums scheint nicht blosz der 
Form°®) sondern auch dem Inhalt nach F. 423 von Papagai und Katze. 

Weit bedeutender aber als dieses sporadische Einschmuggeln in- 
discher Lehrfabeln unter die Aesopischen ist in jener spätern Zeit die 
Einführung ursprünglich griechischer Apologe in die persisch - indische 
Fabellitteratur gewesen. 

Die Perser haben von jeher grosze Liebe zu Fabeln und Märchen 
an den Tag gelegt. Von Nuschirwan dem Groszen erzählt eine gut ver- 
bürgte Tradition (Wolff Bidpai S. XXID, dasz er den Arzt Barzujeh nach 
Indien gesandt habe, um das berühmte Fabelbuch Bidpais von dort zu 
holen und ins Altpersische zu übersetzen. Aus dem Pehlwi machte Ibn 
Mokaffa (Wolff S. XXIII) eine arabische Uebersetzung , und auf dieser ba- 
siert das persische Anwar-i-Suhaili (Wolff S. XLI) insofern, als Ilusain 
Waiz bei seiner Bearbeitung eine ältere persische Version zu Grunde 
gelegt hatte, die (Wolff S. XLI) gegen 1121 Abul maali Nasrallah aus 
dem Arabischen des Ibn Mokaffa gemacht hatte. Von den vielen alten 
Versionen des Bidpaischen Werkes steht nun das Anwar-i-Suhaili nament- 
lich auch für Indien im Vordergrund (Benfey 1 81), sofern es hier beson- 
ders verbreitet ist: und es dürfle somit interessant erscheinen , dasz sich 
gerade in dieses Werk manche Aesopische Fabeln eingereiht finden, die 
in der orientalischen Litteratur eigentlich ganz isoliert dastehen, z. B. 
die von Frosch und Maus (Aes. 298. Benfey I 560), ferner von der Bäurin 
und ihrer Tochter (Aes. 166^. Anwar 453. Benfey 1574); von Stier und 
Lówin (Aes. 895. Benfey 1 600); von der Krähe als Adler (Kranich als 
Falke) (Aes. 8. Anwar 537. Benfey 1 602); von dem Mann mit den zwei 
Frauen (Aes. 56. B. 22. Anwar 358. Benfey I 602); von den Fliegen im 
Honigtopf (Aes. 293. B. II 47. Anwar 482. Benfey I 585). 

Es kommt mir deswegen bei dem regen Fabelaustausch zwischen 
Persien und Indien gar nicht unwalırscheinlich vor, dasz zum grósten 
Teil durch die Vermittlung alter persischer Bearbeitungen des Bidpai 
folgende sicher ursprünglich griechische Apologe in die erst spät (vgl. 
Weber S. 342) zum Abschlusz gebrachte Sammlung des Pantschatantra 
eingedrungen sind: der Ritt des Affen auf dem Delphin (Aes. 363. Benfey 
I 425); die Schlange als Königin der Frösche (Aes. 765. Weber S. 345. 
Benfey I 429); die fliegende Schildkröte (Pantsch. I 13. B. 115. Aes. 419. 
Weber S. 339); Krebs und Schlange (Pantsch. V 15. Aes. 346. Weber 
S. 343); der Esel in der Lówenhaut (Weber S. 338. Aes. 333. Benfey I 
463); der Schatten des Esels (Aes. 339. Benfey I 127); das angezündete 
Vogelnest (Aristoph. Vögel 652. Benfey I 384). M) 


52) γαλῆ steht hier bereits in der Bedeutung von αἴλουρος. 53) Die 
indische Fabel von der Anzündung des Eulennestes ist eine so stark ver- 
gerrte Copie des griechischen Urbildes, dasz man sich nur über die un- 
gewöhnliche Divination Benfeys wundern musz, dem ihr historischer Zu- 
sammenhang mit jener Fabel des Archilochos von Fuchs und Adler nicht 

n ist. Indessen wird die Zusammengebörigkeit beider Formen 
ausser Zweifel gesetzt durch eine in der talmudischen Litteratur erhal- 
tene Notiz (Landsberger S. LXXXV) über eine Fabel von dem Raben der 


350 0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


So sind wir denn, auch ohne mit Wagener den Aesopos selbst als 
indischen Aethiopier zu deuten, dennoch zu Resultaten gekommen, welche 
den Indern nur schmeichelhaft sein kónnen. Erst als es làngst in ihrer 
Poesie Spätherbst und Winter geworden war, reihtem sie in ihre schon 
an sich überreich ausgestatteten Fabelsammlungen, die immer mehr ein 
didaktisches Gepräge annahmen , auch ursprünglich occidentalische Apo- 
loge ein; der Ruhm dagegen, die schönsten märchenhaften Thierfaheln, 
die uralten Schakalmärchen und ähnliche geschaffen zu haben, bleibt 
ihnen, und die Hellenen haben in der hlühendsten Epoche ihrer Littera- 
tur, was die Fabeln betrifft, hauptsächlich von geliehenem indischem 
Gute gezehrt; namentlich aber hat ihr gröster Fabeldichter gar manche 
seiner reizendsten Stoffe, wenn auch nicht geradezu, doch mittelbar den 
Indern abgeborgt. 


Il. 
Traditionen über die Herkunft der Aesopischen Fabeln. 


11. 


Nachdem wir bisher auf den immerhin etwas unsicheren Pfaden ver- 
schiedener Hypothesen nach der Heimat der sogenannten Aesopischen 
Fabeln gefahndet haben, gehen wir jetzt auf den sichreren Boden be- 
stimmter Traditionen über und werfen fürs erste die Frage auf, ob, wie 
man schon behauptet hat, die Griechen fälschlich berichten, ihre älteste 

, Fabelsammlung sei von Phrygien her zu ihnen gekommen, oder ob sich 
nicht einige Stützen für diese Ueberlieferung entdecken lassen. Es ist 
mir hierbei nicht möglich, Lydien und Phrygien genau zu scheiden; da 
aber die Alten den Aesopos selbst ball einen Lyder bald einen Phryger 
heiszen und die phrygischen Fabeln jedenfalls ihren Weg nach Griechen- 
land durch Lydien genommen haben müssen, so denke ich, was in diesem 
Stücke für Lydien beweist, beweist eigentlich auch für Phrygien und um- 
gekehrt. Wenn ich indessen aus den Aesopischen Fabeln nicht viele Be- 
weise für deren phrygische Herkunft aufzubringen vermag, so musz man 
eben bedenken, dasz bei dem hohen Alter der ursprünglichen phrygischen 
Fabelsammlung gar mancher für die phrygische Abstammung einer Fabel 
charakteristische, z. B. locale Zug sich verwischt haben kann und dass 
überhaupt nicht wenige der echten Fabeln des Aesopos hei der Lrämmer- 
haften Ueberlieferung auf ewig untergegangen sein werden. 

Zu den alvos oder μῦϑοι Audıoı, deren Namen. der Scholiast zu 
Aphthonios (unten, S. 354) erwähnt, gehört jedenfalls die Fabel von dem 
Lorbeer und dem Oelbaum bei Kallimachos (Fr. 91): 

ἄκουε δὴ τὸν alvov: Ey κοτε Τμώλῳ 

δάφνην ἐλαίῃ νεῖκος ol πάλαι “υδοὶ 

λέγουσι ϑέσϑαι. (Vgl. Schneidewin in den Gött. gel. Anz. 
1845 S. 14). 


Feuer in Nest trug. Hieraus sieht mah, wie die ursprünglich so 
schöne griechische Fabel Schritt für Schritt verstümmelt und veründert 
wordeu ist. 








0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 351 


Ferner gehört dazu die Fabel von den Füchsen am Mäandros Aes. 30, 
nach J. Grimm eine der ältesten; die Fabel des Simonides von Amorgos 
vom Fischreiher am Mäandros (Fr. 8); endlich die Fabel vom kymäischen 
Esel (Lukianos Fischer $ 32. Schol. Cruq. Hor. Sat. 1 6, 22); einen loca- 
len Zug soll auch die sehr alte Fabel von Krebs und Schlange (Aes. 346. 
Weber S. 343) enthalten, sofern sie auf dem von Aelianos (Thiergesch. 
XVI 88) berichteten Factum beruhe, dasz ein Sumpf bei Ephesos von 
zahlreichen Schlangen angefüllt war, welche aber durch die vielen das 
Ufer bewohnenden Krebse verhindert wurden ans Land zu gehen. — 
Durch Beziehungen auf.den specifisch phrygischen Kybelecult verrathen 
ihren phrygischen Ursprung die Fabel vom Löwen und dem Gallen bei 
Ps. Simonides 179, 7 und Antipatros von Sidon Ep. 37 Anth. Gr. II S. 12 f. 
(vgl. Varro bei Nonius S. 483, 12), die vom Esel und den Gallen B. 126, 
die vom Esel mit dem Gótterbild, der sich angebetet wähnt Aes. 324. 
3. 128; ferner die F. 97 des Babrios, wo der Löwe vorgibt der Gölter- 
mutter zu opfern (vgl. Strabon XIll 589); auch die von den Bäumen der 
Götter (Phädrus Ill 17), in welcher V. 4 die Pinie der Kybele zugewiesen 
ist. — Die Fabel Aes. 113 vom Opferkalb und Pflugstier, welche auf dem 
Principe beruht, dasz der Ackerstier vor dem Schlachten sicher sei, er- 
klärt sich durch Aelianos (Thiergesch. XII 34): Φρύγες δ᾽ ἐὰν παρ᾽ av- 
τοῖς τες ἀροτῆρα ἀποκτείνῃ βοῦν, ἡ ξημία ϑάνατος αὐτῷ, vgl. Heusin- 
ger zu Planud. 23 und Nikolaos von Damaskos S. 148 Orelli. Auch die 
F. Aes. 351 von dem zum Tode verurteilten Dieb führt Heusinger (zu 
Plenud. 48) auf phrygisches Strafrecht zurück. — Schlieszlich glaube ich 
‘mit Welcker (kleine Schriften II 256), dasz die Fabel vom flötenspielenden 
Fischer, welche bei Herodotos I 141 den Ioniern. vorgehalten wird und 
die jedenfalls aus einer Küstengegend zu stammen scheint, wo Flötenspiel 
sam Tanz in alter Zeit beliebt war, einst in Karien und Lydien volks- 
tümlieh gewesen ist. Dasz auch die sicherlich alte Fabel vom Fuchs im 
Weinberg B. 19 in Phrygien oder Lydien aufgekommen sei, wage ich 
nieht fest zu behaupten, bin jedoch durch eine Notiz bei Varro ^) auf 
diesen Gedanken gebracht worden. 

Ueberhaupt aber passt die Scenerie und Fauna nicht weniger Aeso- 
pischer Fabeln vortrefflich zu der Ueberlieferung von ihrer phrygischen 
Herkunft: so die vielen Felshölen, in denen Löwen und wilde Ziegen 
oder auch Sennhirten mit ihrem Kleinvieh herbergen, die dichten Pinien- 
forste, in denen auszer dem gewöhnlichen Wilde Panther und Bären, 
Wildschweine die mit Löwen kämpfen, giftige Schlangen usw. hausen, 
während oben auf den kahlen Felsgebirgen wilde Ziegen, wilde Stiere 
wad wilde Esel sich umhertreiben. Ebenso stimmen auch die Hausthiere, 
die lydischen Maulthiere (Plut. Symp. 4) die Hauswiesel, die ausgedehnte 
Viehzucht, besonders in Eseln, Schafen und Ziegen, die blühende Obst- 
eultur, das Hervortreten des Weinbaus, kurz alles stimmt in vielen Fa- 
beln mit den sonstigen Nachrichten, die wir über das alte Phrygien be- 


54) de re rust, 1 8 8. 107 Bip... terra cubilia praebet uvis, ul in 
Asa multis locis, quac saepe vulpibus et hominibus fit. communis. 


352 0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel, 


sitzen, vollkommen überein. Auch die Idee vom Königtum des Löwen 
läszt sich wenigstens eben so gut, wie in Griechenland, an phrygischen 
Denkmälern nachweisen. Denn ganz die gleichen Löwen, wie jene Wäch- 
ter über dem Thor des mykenischen Schatzhauses, die selbst von Ger- 
hard (myken. Altert. S. 11) wol mit Recht auf phrygischen Ursprung zu- 
rückgeführt werden, finden sich sowol in Boghagkieui als in Doganlu 
und sonst wieder, so dasz sie von Ainsworth (travels and researches in 
Asia Minor II 58) als charakteristisches Ornament. phrygischer Baudenk- 
mäler bezeichnet werden. Ja auch das Kónigtum des Adlers ist deutlich 
ausgedrückt durch die als Felssculpturen den Löwen correspondierenden 
Doppeladler, wie man sie z. B. am Yasili-Kaia (vgl. Hamilton hei Pauly 
Realenc. V 1570) entdeckt hat. 

Endlich spricht auch noch die feine Natursymbolik, die uns in man- 
chen Puukten der phrygischen Mythologie aufstöszt, nicht wenig zu 
Gunsten der Ueberlieferung, dasz die Aesopischen Fabeln groszenteils 
Erfindungen des phrygischen Volkes gewesen seien: dadurch ist natürlich 
die Hypothese keineswegs ausgeschlossen, dasz der Kern der griechischen. 
Fabeln aus Indien über Assyrien zu den Phrygern und von da zu den eu- 
ropäischen Griechen gekommen sei. 


12. 

Ferner ist der Umstand nicht ohne Bedeutung für den Glauben an die 
Erfindung vieler Aesopischer Fabeln durch Kleinasiaten, dasz eine ganz 
bestimmte Tradition von alten karischen Fabeln existiert?) Unter die- 
sen karischen alvor, wie sie regelmäszig genannt werden (z. B. bei Suidas 
u. Καρικῇ Mosq), hat man sich, wie es scheint, kurze pikante Erzäh- 
lungen von Thieren, meist Fischerfabeln von oft altertümlichem Charak- 
ter, zu denken, die sich bei den vielen und weiten Seefahrten der alten 
Karer leicht zu den übrigen Hellenen verbreiten mochten. Auszer der 
oben erwähnten Fabel vom flötenblasenden Fischer, die Herodotos als 
eine Reminiscenz aus seiner Kindheit an passendem Ort in sein Geschichts- 
werk verflochten haben kann, ist man versucht die von Aristoteles 
(Thiergesch. IX 35) und Plinius (N. II. IX 8, 10) aufbewahrte fabelhafte 
Geschichte hieher zu zählen, wie einst an der karischen Küste, um ihren 
gefangenen Kameraden zu befreien, eine Schar Delphine in den Hafen 
eindrang und nicht eher wieder abzog, als bis der König von Karien den 
gefangenen Fisch wieder freiliesz. Auch die von Plinius IX 8, 8 referierte 
Sage von dem zärtlichen Freundschaftsbunde eines Delphins mit einem 
Knaben aus der karischen Stadt lasos gehört nach meiner Ueberzeugung 
zu den sogenannten karischen «vor. Ohne allen Zweifel aber haben wir 
einen karischen αἶνος an der schon von Simonides (Fr. 11) und Timo- 
kreon (Fr. 4) erzählten, bei Diogeuiauos (S. 179 der Göttinger Ausg. der 
Parömiographen) erhaltenen Fabel vom Fischer und Polypen. 








55) Theon progymn. 3 (περὶ μύθου) 8.73 Sp. καλοῦνται δὲ (of 1ó- 
qo) Αἰσώπειοι καὶ Außvorınol ἢ Συβαριτικοί τε καὶ Φρύγιοι καὶ Kıll- 
πιοι καὶ Καρικοί, Αἰγύπτιοι καὶ Κύπριοι. 


O. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 353 
13. 


Kaum mehr als die Namen wissen wir von den kilikischen und 
kyprischen Fabeln, welche, soviel aus Theon (s. Anm. 55) und Aph- 
tionios *) hervorgeht, in der griechischen Welt einmal verbreitet gewe- 
sen sein müssen. Von den ersteren wird wenigstens ein Verfasser oder 
Sammler genannt, Konnis (Theon a. O.); von den letzteren dagegen ist 
in den Excerpten aus dem codex Angelicus bei Walz Rhet. Gr. II 12 ein 
sicheres Bruchstück erhalten, das von den Tauben der Aphrodite handelt 
(Müller gr. Litt. Gesch. [ 258). Was von dem angeblichen Zusammenhang 
zwischen diesen kyprischen Fabeln und den von Eustathios (zur Od. S. 
1757) erwähnten Boswixsxa ψεύδη zu halten sei, will ich nicht entschei- 
den. Grauert (de Aesopo S. 72) hàlt beide für identisch. 

Jedenfalls aber erhellt aus diesen Nachrichten von eignen kyprischen 
und kilikischen Fabeln die namentlich im Vergleich mit deu europäischen 
Griechen auffallende Productivitàt der Kleinasiaten auf dem Gebiete der 
Fabeldichtung: und musz nicht jeder, der den ganzen Kranz von phrvgi- 
schen, lydischen, karischen, kilikischen und kyprischen Fabeln über- 
blickt, den Griechen aufs Wort glauben, wenn sie ihre Aesopischen Fa- 
beln zunáchst aus Phrygien und Lydien herleiten? 


14. 


Ebenbürtig neben den Traditionen von der indo-assyrischen und von 
der phrygisch -lydischen Ilerkunft der griechischen Fabeln steht eine 
dritte Tradition von deren kyrenäischer Abstammung. Alle drei Ue- 
berlieferungen hat Babrios in seinem zweiten Proómium in folgender 
Weise nebeneinander gestellt: 

μῦϑος μέν, ὦ παῖ βασιλέως ᾿Δλεξάνδρου. 

Σύρων παλαιόν ἐστιν εὐρεμ᾽ ἀνθρώπων, 

οὗ πρίν ποτ᾽ ἦσαν ἐπὶ Νίνου τε καὶ Βήλου" 

πρῶτος δέ φασιν εἶπε παισὶν Ἑλλήνων 

“Αἴσωπος ὁ σοφός. εἶπε xol Asßvorlvorg "ἢ 

λόγους Κυβίσσης. 
Unter den Libystinern hat man natürlich die Libyer, d. h. Kyrenäer zu 
- verstehen, obgleich Hartung (Babrios S. 176) den Weheruf erschallen 
läszt: “wenn nur die Libystiner mit den Libyern eins wären! Darum 
wird wol “ιβυστικοὺς λόγους Κυβίσσης oder Κυβίσσας zu schreiben 
sein?, so dasz also dieser Gelehrte lieber einen reinen Trimeter bei einem 
- Choliambendichter lesen möchte als eine so barbarische Wortbildung wie 


) Progymn. 1 8. 21 Sp. καλεῖται δὲ (ὁ μῦϑος) Συβαριτικὸς καὶ 
κίλξ καὶ ΚΧύπριος πρὸς τοὺς εὑρόντας μεταϑεὶς τὰ ὀνόματα, νικᾷ [δὲ 
μᾶλλον Αἰσώπειος λέγεσθαι τῷ τὸν Αἴσωπον ἄριστα πάντων συγγράψαι 
τοὺς μύθους. 57) Ich lese mit Schneidewin Διβυστίγνοις, gegen Düb- 
ner, Lachmann und Wagener (8. 44), welche das den metrischen Ge- 
setzen des Babrios widersprechende Aıßvorivog vorziehen (die Hs. hat 
λέβυς τινὸς), und gegen Hartung, welcher die den Parallelismus zer- 
störende, auch vom diplomatischen Gesichtspunkt ans keineswegs vor- 
züglichere Conjectur 4ifjvorívovg in den Text aufgenommen bat. 


354 0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


Aıßvorivog. Wahrscheinlich würde auch die Nebenform Kagivog zu 
Kagixóg bei Pollux V 37 vor seinem Ketzergerichte nicht bestehen kön- 
nen. Uebrigens scheinen die alten Siculer'*) und Catullus") in diesem 
Punkte duldsamer als Hartung gewesen zu sein, und man wird wol an- 
nehmen dürfen, dasz die Form Aıßvorivog bei den Alexandrinern imr 
Gebrauch gewesen ist; so erklärt sich ihr Auftreten bei Catullus und bei 
Babrios ganz einfach, namentlich da gerade Kallimachos, der selbst ein 
Libystiner war, beiden Dichtern zum Vorbild gedient hat. Zu dem allem 
kommt noch die ausdrückliche Notiz bei Stephanos Byz. S. 415 (Meineke), 
wo die Form Asßvorivog als gleichbedeutend mit Alßug angeführt wird. 
Somit darf man doch wahrhaftig dem Babrios keinen Vorwurf machen, 
wenn er, auch vielleicht blosz dem Metrum zu Liebe, jene so gut wie 
«Αιβυστικός (Aesch. Eum. 282. Hik. 276. Myrm. Fr. 135 Nauck) berech- 
tigle Wortbildung gebraucht hat. 

Dasz wir unter diesen libystischen Fabeln eine ganz bestimmte von 
den vorher in Griechenland eingehürgerten eigentlich Aesopischen Fabeln 
völlig verschiedene Sammlung zu verstehen haben, geht fast aus allen 
Nachrichten, die wir bei alten Autoren über sie finden , unwidersprech- 
lich hervor; erst in unsern Tagen hat man auch an diesem Stück Ueber- 
lieferung zu rütteln versucht, sofern z. B. Wagener S. 46 deduciert, dasz 
die libyschen Fabeln der Wortbedeutung nach äthiopische, also Aesopi- 
sche seien. Damit man sieht, wie unbegründet ein solcher Versuch ist 
die Tradition zu verdrehen oder zu umgehen, will ich die Aussprüche 
antiker Schriftsteller über die libystischen Fabeln im Unterschied von 
den eigentlich Aesopischen anführen. Die Hauptstelle über die verschie- 
denen Arten der griechischen Fabel bei Theon progymn. 3 S. 73 Sp. lau- 
tet: καλοῦνται, δὲ (οἵ λόγοι) Alowmeıcı καὶ ‚Außvorıxol ἢ ἢ Συβαριτικοί 
τε καὶ Φρύγιοι καὶ Κιλίκιοι καὶ Καρικοί, Αἰγύπτιοι καὶ Κύπριοι" 
τούτων δὲ πάντων le ἐστὶ πρὸς ἀλλήλους διαφορά, τὸ προσκι ν 
αὐτῶν ἑκάστου ἴδιον γένος, olov «Αἴσωπος εἶπεν, ἢ ἢ Alvc d; ἀνήρ, ἢ Συ- 
βαρίτης, ἢ Κυπρία γυνή, καὶ τὸν αὐτὸν τρόπον ἐπὶ τῶν ἄλλων: ἐὰν 
δὲ μηδεμία ὑπάρχῃ προσϑήκχη σημαίνουσα τὸ γένος, κοινοτέρως τὸν 
τοιοῦτον Αἰσώπειον καλοῦμεν... Τἰσώπειοι δὲ nien Ἂς ἐπί- 
παν, οὐχ ὅτι «Αἴσωπος πρῶτος εὑρετὴς τῶν μύϑων ἐγένετο (t 
γὰρ καὶ Ἡσίοδος καὶ ᾿Αρχίλοχος καὶ ἄλλοι τινὲς πρεσβύτεροι. ts 
αὐτοῦ φαίνονται ἐπιστάμενοι. καὶ δὴ καὶ Κόννις 6 Κιλιξ καὶ Θοῦρος 
ὁ Συβαρίτης καὶ Κυβισσὸς ἐκ Außöng μνημονεύονται ὑπό τινων de 
μυϑοποιοῦ, ἀλλ᾽ ὅτι Αἴσωπος αὐτοῖς μᾶλλον κατακόρως καὶ δεξεῶς 
ἐχρήσατο. Bei dem anonymen Scholiasten zu Aphthonios lesen wir (s. 
Grauert de Aesopo S. 72): ἰστέον dé, ὅτι εἰσί τινες, oi Συβαριτικοὺς 
μύϑους λέγουσι τοὺς ἐκ μόνων λογικῶν ξῴων, «Αἰσωπείους δὲ τοὺς ἐξ 
αλόγων καὶ λογικῶν συγκειμένους, -Avülovc δὲ καὶ Φρυγίους καὶ 4ι- 
βυκοὺς τοὺς ἐκ μόνων ἀλόγων ξῴων. Desgleichen stellt Isidorus Orig. 
139, 2 Aesopische und libystische Fabeln zu einander in Gegensatz, be- 


58) deren Apollo Libystinus Macrobius Sat, I 17, 24 erwähnt, 59) 
60, 1 montibus. Libystinis. 


, 


0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 355 


hauptet aber, ganz verschieden von dem eben citierten Scholfasten, in 
den libystischen Fabeln seien Menschen und Thiere handelnd eingeführt 
gewesen: Libyslicae autem , dum hominum cum bestiis aut besliarum 
cum hominibus fingilur vocis esse commercium. Ferner wird der Ge- 
gensatz zwischen phrygischen und libystischen Fabeln herv orgehoben 
von Himerios XX 718: λόγον͵ δὲ ὑμῖν οὐ “ιβυστικόν τινα ἢ Alyv- 
suov, all’ ix μέσων τῶν πάνυ Φρυγῶν, t ὕπου καὶ τὸ πρῶτον ὁ μῦ- 
eed is d iv αὐτοῖς εὑρὼν τοῖς Alsansloıs ἀϑύρμασιν ἐθέλω καὶ 
ὑμᾶς διηγήσασθαι. Endlich ist noch eine Hauptstelle für diesen 
ied, schon wegen ihres frühen Datums, die Notiz bei Aristoteles 
(Rhet. 11 40): παραδειγμάτων δ᾽ εἴδη δύο" ἣν μὲν γάρ ἐστι παραδείν- 
ματος εἶδος τὸ λέγειν πράγματα προγεγενημένα, ὃν δὲ τὸ αὐτὸν ποιεῖν" 
τούτου δ᾽ ἣν μὲν παραβολὴ ἕν δὲ λόγοι, olov οἵ “ἰσώπειοι καὶ Außv- 
κοί. Wer aus dem Fehlen des Artikels vor Asßvxod mit Grauert (S. 80) 
und Wagener (a. O.) schlieszen will, Aristoteles habe Aesopische und 
libysche Fabeln für wesentlich identisch gehalten, der möge die in K.W. 
‚griechischer Sprachlehre $ 58,2, 1 citierten Beispiele nachsehen: 
ἄρτι ὡρισμένα τὸ ὅσιον καὶ μή (Platon) ; πᾶς τις ἥδεται λέγων 
τά τ᾽ ὄντα καὶ μή (Euripides) usw. Der Artikel fehlt vielmehr deswegen, 
weil Aristoteles zwei Arten eines und desselben Genus anführt, und die- 
ses Genus sind die zu seiner Zeit in Griechenland bekannten Fabeln. 

Wie wichtig die Verbreitung dieser libystischen Fabelsammlung für 
Griechenland gewesen sein musz, springt in die Augen, wenn man ihre 
relativ sehr häufige Erwähnung bei den alten Schriftstellern erwägt (vgl. 
Grauert S. 69— 81). Dieses auffallende Hervortreten der kyrenäischen 
Apologe in der gesamten Tradition über die Aesopische Fabel führt uns 
metwendig zu der Annahme, dasz wir es hier mit einer von Anfang an 
schriftlich abgefaszten Sammlung, mit einem fórmlichen Fabelbuche zu 
thun haben, und in diesem Glauben an eine litterarische Aufzeichnung 
jener kyrenäischen Fabeln werden wir noch durch den Umstand wesent- 
lich bestärkt, dasz sich auch der ursprüngliche Titel des Buchs aus den 
Trümmern der Ueberlieferung mit ziemlicher Sicherheit wiederherstellen 
Mast. Setzen wir nemlich voraus, das Buch habe die Ueberschrift Kv- 
βίσσυυ λόγοι Aıßvorıxol geführt, so erklärt sich sogleich, warum sich 
gerade für diese Fabeln, trotzdem dasz man oft auch von ihnen die für 
die sonstigen Producte von Kyrenaika stereotype Adjectivform “Διβυκός 5) 
gebrauchte, doch die seltene Form Aıßvorıxog von Aeschylos bis auf 
Himerios in der Litteratur erhalten hat. Fürs zweite würde sich in die- 
sem Falle ganz leicht das Variieren der Tradition hinsichtlich des Namens 
des Verfassers- erkláren, ein Schwanken wodurch es eigentlich, bei der 


. Werderbnis der betreffenden Stelle des Bahrios, unmöglich gemacht ist, 


sich für die Form Κύβισσος oder Κυβίσσης zu entscheiden: wie denn 


: auch bei Babrios Schneidewin früher (Gött. gel. Anz. 1845 S. 6) Κύβισ- 
. €0g, später (in der Ausgabe des Babrios) Κυβίσσης vorzieht. Lag nem- 


) Aristoteles Rhet. 1i 20. Dion Chrysostomos I 8. 183 Reiske. 
Heejellos u. Διβυκοὶ λόγοι. 


Jcheb. f. cles. Philol, Suppl. Bd. IV. Hft.3. ^ 93 


|. 


356 0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabeln. 





lich für Theon und Diogenianos“) oder deren Quellen nur die Genetiv- 
form des Titels vor, so konnte leicht der eine auf diesen, der andere 
auf jenen Nominativ schlieszen. 

Indem ich somit darauf verzichte, den ursprünglichen Namen des 
Verfassers der libystischen Fabelsammlung ganz genau zu ermilleln, 
scheinen mir doch die beiden für die Litteraturgeschichte wichtigeren 
Punkte, die Heimat dieser Sammlung und die Zeit ihrer Einwanderung 
nach Hellas, so ziemlich auszer dem Bereich der Controverse zu liegen. 
Kann es uns doch wenig kümmern, wenn Wagener, der statt an Kybis- 
ses hartnäckig an einen Libysses, d. h. Aethiopen oder Aesopos glaubt, 
die Libyer mit den Aethiopen zusammenwirft und die naeh allgemeinem 
griechischem Sprachgebrauch einzig mögliche Auffassung von Außurög 
als kyrenäisch mit folgenden Phrasen ablertigt: *Si les falles Greeques 
ne sont pas venues de l'Egypte, comment la Libye les aurait-elle fournies 
à la Gréce? En effet, il n'y a plus que Cyröne qui pourrait re consi- 
dérée comme station intermédiaire, et il est encore beaucoup moins vrai- 
semblable que l'apologue soit venu de ce cóté-là. Car il serait réelle- 
ment étonnant que les barbares (!!) situés à l'ouest de l'Egypte, eussent 
dà fournir à la Gréce les arguments de ses fables? (S. 55). Ἢ 

Die Frage nach der Zeit der Einführung des libystisehen Buchs aber 
ist sehr erleichtert durch die Wichtigkeit, welche die Fabeln überhaupt 
als propädeutisches Mittel für das griechische Leben besaszen, und durch 
den groszen Einflusz, welchen gerade diese Sammlung allen Anzeichen 
nach in Griechenland ausgeübt haben musz. So ist man wol berechtigt, 
die Ueberkunft der kyrenäischen Fabeln entweder gerade in die Zeit oder 
kurz vor die Zeit zu setzen, wo sie anfangen in der griechischen Litte- 
ratur eine Rolle zu spielen, also in die Zeit des Aeschylos und kurz vor 
die Zeit des Aristophanes, mit andern Worten in die erste Hälfte des 
fünften Jahrhunderts vor Chr. In die Zeit des Aeschylos weist das Frag- 
ment aus den Myrmidonen 135 (Nauck): ὧδ᾽ ἐστὶ μύθων τῶν Außvor- 
κῶν κλέος κτλ. Für die Zeit des Aristophanes sprechen die Fabelü vom 
Mistkäfer und von der Haubenlerche, die sich zuerst bei ihm finden und 
im libystischen Fabelbuch gestanden zu haben scheinen: s. oben S. 326. 

Aus eben dieser Zeit besitzen wir eine merkwürdige etrurische Vase, 
auf welcher die Wägung und Verpackung des Silphion wahrscheinlich 
von dem Pinsel eines kyrenäischen Malers dargestellt ist.) "Den Mittel- 

















61) Diog. S. 180: Aıßvrös alvos ἀπὸ τοῦ ἔϑνους εἰρῆσθαι λέγεται, ἢ 
ἀπὸ Airóg τινος" ol δὲ Κύβιασαν εὑρετὴν γενέσθαι τοῦ εἴδους τούτου. 
2) Schon das bekannte Sprichwort «el zt καινὸν Διβύη φέρει (vgl. 
Schäfer zu den Poetae guom. Gr. S. 279) hätte Wagener eines andern 
belehren können. (8) Welcker alte Denkmäler ΠῚ Tf, XXXIV. Jahn 
Vasensammlung König Ludwigs S. CL. Punofka Parodien und Karika- 
turen S. 20 ff. — Verwandtes Ursprungs ist auch höchst wahrscheinlich 
die Vase des Taleidas (Müller Archäologie 8 09, 2), deren Rückseite, 
die Wägung einer in Sücke gepackten Waare vorstellend, in vielen un- 
tergeordneten Einzelheiten eine frappante Uebereinstimmung mit dem 
Bilde der Arkesilasvase zeigt. Nach Agrigent, wo sie gefunden wurde, 
mag sie leicht aus Kyrenaika gekommen sein. 












0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel, 357 


punkt des Ganzen bildet König Arkesilaos IV von Kyrene, der im J. 466 
v. Chr. den von Pindaros besuugenen Sieg in den pythischen Spielen da- 
vontrug. Da sitzt er auf einem Feldstuhl im fürstlichen Prachtgewand, 
seine Zöpfe wallen fast bis auf den Boden, seine Linke hält majestátisch 
das Scepter, und zwischen der dicken Nase und dem groszen Barte öffnet 
- sich sein Mund zum Commandowort. Alle übrigen Personen scheinen 
mur die eine Sorge zu haben, die gestrengen Worte des Tyrannen ent 
gegemzunehmen und eiligst zu vollziehen. Man sieht sie mit ängstlicher 
Hast und zum Teil in den bizarrsten Stellungen die kostbare Waare wä- 
gen, verpacken und in die Speicher tragen. Mit Recht hat man diesem 
Teile des Gemäldes eine satirische Beziehung auf die Silphionkrämerei 
jemes tyrannischen Fürsten gegeben, und es ist nicht unwahrscheinlich 
dasz er aus dem äuszerst werthvollen Ausfuhrartikel (Antiphanes bei 
Alhen. XIV 623°) ein Regierungsmonopol gemacht habe. 

Aber der übrige Teil der Darstellung ist bis heute ein ungelóstes 
Rathsel geblieben. 5 Neben den Menschen sind nemlich noch in ziem- 
lich groszer Zahl die Thiere vertreten, und zwar finden wir eine hóchst 
komlische Auswahl derselben: einen Panther, eine Eidechse, cin Aeffchen, 
einen Kranich, einen Käfer und drei Tauben. Woher kommt doch dieser 
seltsame Verein? wird jeder Beschauer erstaunt fragen. Gewöhnlich er- 
halt er zur Antwort, der Maler habe eben das libysche Terrain damit 
andesten wollen. Fragt er aber weiter, warum denn der Maler hiezu 
. mieht lieber andere Thiere, etwa den Schakal, die Giraffe oder die Ga- 

zelle. gewählt habe, wodurch doch Africa viel deutlicher von europäischen 
Ländern unterschieden worden wäre als durch Tauben, Käfer, Eidechsen 
und Kraniche: dann wird er entweder gar keine Antwort erhalten oder 
diejenige dasz man danach nicht fragen dürfe. 
Und doch hat der Künstler auch in diesem Teile, wie in der ganzen 
übrigen Composition, eine seltene Geschicklichkeit an den Tag gelegt. 
Ber Panther, der mit einem Halsband versehen, wie der zahmste IIund 
water des Königs Stuhle kauert ; die Eidechse, die hinter den Zöpfen Sei- 
mer Majestät an der Wand hinaufklettert; das Aeffchen, das mit viel 
Behagen hoch oben auf der Zeltstange hockt; die Tauben, von denen die 
eime in raschem Flug herbeieilt, die zweite mit possierlicher Aufmerk- 
sumkeit dem Treiben der Mensclien zuschaut, die dritte dem vorbeifah- 
. venden Käfer nachzustellen scheint; endlich der Kranich, der aus fernen 
Landen mit einer seltsamen Fracht, einem Mistkäfer) beladen zu dem 





64) Zum. mindesten hat Panofka a. O. nichts zur wirklichen Lö- 
sung bei Seine Dentung leidet nicht blosz an groszen Unwahr- 
eiten und Spitzfindigkeiten, sondern auch an offenbaren Feh- 

' ferm: die Zahl der Tbiere und Menschen ist nicht gleich, wie Panofka 
" ; der Kranich kann unmöglich als Taubenstöszer (Habicht) 
werden usw. 65) Der Grund warum der Kranich gerade 

einen Käfer heimbringt, ist wol darin zu suchen, dasz der Käfer hier 
nieht biosz ais lebendiges Thier, sondern zugleich als Geldstück (Sca- 
rabius, vgl. Müller Archäol. 8 230, 2), somit spöttisch als ürmlicher 
Erlös aus den Waaren, die der Kranich tiber das Meer aus Libyen 
nach Eurepa getragen hat, angesehen werden musz. 
, 23 * 


358 0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


krämerischen König zurückkehrt: alles athmet einen so köstlichen Hu- 
mor, dasz man nur noch zu erfahren braucht, wie alle diese Thiere unter 
sich einen so schönen und für jeden Zeitgenossen vollkommen verständ- 
lichen Zusammenhang gehabt haben, um dem Schöpfer dieser Composi- 
tion seine volle Bewunderung zu zollen. Wir sehen nemlich hier den 
König des kyrenäischen Landes umgeben von den Thieren der kyrenäi- 
schen Fabel. 

Da Bahrios selbst die libystische Sammlung als eine Hauptquelle 
seiner Fabelstoffe deutlich bezeichnet, so brauchen wir nicht daran zu 
zweifeln, dasz der Apolog vom prahlerischen Panther (F. 133) aus dem 
pantherreichen Libyen stammt. Auch die beiden Babrianisehen Apologe, 
in welchen der Eidechse die Hauptrolle zugewiesen war (41. 142), haben 
ohne Zweifel bereits in der Sammlung des Kybisses gestanden. Der Alfe 
als ein höchst possierliches, specifisch africanisches und in der Fabel 
sehr häufig auftretendes Thier durfte in dieser Gruppe kyrenäischer Fa- 
belthiere am wenigsten fehlen: bei Babrios sind ihm oft Hauptrollen 
übertragen (35. 56. 81. 106. ἢ] 23. 78), und namentlich möchten die Fa- 
beln, wo er zugleich mit dem in Africa heimischen Kamel auftritt, ur- 
sprünglich aus des Kybisses Sammlung stammen (Aes. 183. 365 Halm). 
Der Kranich , der alljährlich mit dem anbrechenden Lenze (Anakreonteia 
44, 6. Arist. Vögel 1136) aus Libyen nach Hellas zog, war für Africa 
von der grösten Wichtigkeit (vgl. Bechstein Vögel Deutschlands ΠῚ 65) 
und spielte als ein sehr kluges und stattliches Thier in den libyschen 
Apologen eine der ersten Rollen. Daher heiszt ihn noch Babrios in zwei 
sicherlich aus Kybisses Sammlung stammenden Fabeln (Il 42. 85) AlBuose 
γέρανος und führt ihn oft in seinen Fabeln auf (13. 26. 33. 65, vgl. Aes. 
34. 100°. 276°. 421 Halm). Ebenso waren die Tauhen ungemein wichtig 
für Kyrenaika: nach Aelianos Thiergesch. IV 2 musz es dort eine auszer- 
ordentliche Menge gegeben haben, und in den Aesopischen Fabeln treten 
sie so häufig auf (B. II 65. Aes. 201. 296. 357. 358), dasz das Stillschwei- 
gen, welches die echtbabrianischen Fabeln rücksichtlich der Taube-be- 
obachten, nur aus dem Verlust der mit ZZ (περιστερά) anfangenden Apo- 
loge im Athoischen Codex sich erklären läszt. Der Käfer endlich, der 
ebenfalls in der Athoischen Handschrift unerwähnt bleibt, war ebenso 
sicher wie die Taube in der vollständigen Babrianischen Sammlung nicht 
blosz éinmal handelnd eingeführt, und jedenfalls stammt die Fabel von 
der Ameise und dem Mistkäfer (Aes. 205) aus einem besonders warmen 
Klima: denn als einzige Wirkung des Winters wird der Regen angegeben. 

Zwar mügen auszer den Thieren dieses Vasenbildes noch viele an- 
dere africanische Thiere, wie das Kamel (val. Schneidewin Gött. gel, Anz. 
1845 S. 14 f.), der Strausz (στρουϑὸς Alßvooa B. 144), der Löwe, in Fa- 
beln der Sammlung des Kybisses aufgetreten sein, und namentlich halte 
ich mit Furia (S. LXI) die 98e Fabel des Babrios vom Löwen als Freier 
(schon bei Diodoros XIX 25) für eine libystische Fabel; aber mit Zuver- 
sicht kann man den kyrenäischen Ursprung nur noch für den hei Babrios 
(Il 10) stehenden Apolog vom getroffenen Adler behaupten: denn ihn er- 
wähnte schon Aeschylos in den Myrmidonen (Fr. 135), wo es hiesz: 

x 





0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 399 


ὧδ᾽ ἐστὶ μύϑων τῶν «Διβυστικῶν κλέος, 
πληγέντ᾽ ἀτράκτῳ τοξικῷ τὸν ἀετὸν 

εἰπεῖν ἰδόντα ηχανὴν πτερώματορ᾽ 

rad’ οὐχ vn ἄλλων, ἀλλὰ τοῖς αὑτῶν πτεροῖς 
ἁλισκόμεσϑα. 

Mehr der Curiosität als der Vollstándigkeit halber führe ich noch an, 
δες K. L. Roth die μῦϑοι Κυβίσσου eine griechische Transcription des 
Titels 30215 r^v zu sein scheinen, den Zunz mit *Fabeln der Dattel- 
zweige’, Landsberger aber mit *Fabeln der Wäscher? übersetzt (Lands- 
berger a. O. S. XVII—XIX). Wer von beiden Recht hat, kann uns voll- 
kommen gleichgültig sein, da weder die Babrianischen noch die sonstwo 
erhaltenen Aesopischen Fabeln sich mit Waschweibern oder Dattelzwei- 
gem irgend zu schaffen machen. Bestünde wirklich ein Zusammenhang 
zwischen diesem hebräischen Titel und dem griechischen, so gienge dar- 
aus nur das hervor, dasz die libystische Fabelsammlung des Kybisses 
wie zu den Hellenen, so auch zu den Juden gekommen sei, was bei der 
groszen Zahl von Juden, welche seit der Thronbesteigung des ersten 
Ptolemäos (losephos g. Apion II 4. jüd. Altert. XIV 7, 2) Kyrenaika über- 
schwemmten, sehr leicht denkbar ist. 


^|. 15. 

Neben den eigentlich Aesopischen und den libvstischen Fabeln ist 
im der classischen Periode der griechischen Litteratur besonders noch 
von den sybaritischen die Rede. Die Hauptstelle bei Theon habe ich 
eben: 8. 354 angeführt; man ersieht aber daraus nichts weiter als dasz 
sie, wie schon ihr Name zeigt, von Sybaris stammten. Dagegen können 
wir aus den von Aristophanes mehrfach in seine Komódien cingeflochte- 
menm syberitischen Apologen abnehmen, dasz sie sich nicht blosz durch 
ihre Heimat, sondern hauptsächlich durch ihren Charakter von den übri- 
gen griechischen Fabeln im allgemeinen unterschieden. Wir haben uns 
: nemlich unter ihnen reine Witzfabeln zu denken, welche den ilinen schon 
zu Aristophanes Zeiten beigelegten Namen sybaritischer Schwänke (γελοῖα 
Συβαριτικά, s. Grauert a. O. S. 74) in vollem Masze verdienten. Weit 
entfernt, dem Hörer eine Moral oder ernstliche Klugheitslehre einschär- 
fen zu wollen, sind es nur spaszhafte Anekdoten, kurze witzige Dialoge, 
in-denen ein sybaritisches Herrlein (Ar. Wespen 1400) oder dessen Ge- 
mahlia die Hauptrolle spielen, während bald ihr Kochtopf, bald ein an- 

deres Stück ihres Hausrats (Ar. We. 1435) als Deuteragonist fungiert. 
Wie stark diese sybaritischen Apologe schon hinsichtlich des auf- 
 tretenden. Personals vgn der Idee der echten Aesopischen Thierfabeln 
abgefallen waren, ist selbst den alten Grammatikern nicht entgangen, 
mel Ale sie erklären (Schol. zu Ar. Vögeln 471): τῶν δὲ ,us8ovy of μὲν 
[pov εἰσὶν Alsameoı, ol δὲ περὶ ἀνθρώπων Zußagırı- 
(i zu den Wespen 1258): of μὲν Συβαριτικοὶ περὶ τῶν 
νῶν ἦσαν, οἱ δὲ Αἱσώπειοι περὶ τῶν τετραπόδων. Den tiefern, 
westatlicbna Unterschied beider Fabelgattungen aber, welcher darin be- 
stelst, dass die sybaritische Fabel in epigrammatischer Bündigkeit sclinur- 


360 0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


stracks auf die witzige Pointe loseilt, während sich die Aesopische Fabel 
behaglich in epischer Breite zu ergehen liebt, haben diejenigen erkannt, 
welche als Synonymon der λόγοι Συβαριτικοί die Bezeichnung Συβάρεια 
ἐπιφϑέγματα gebrauchten (Suidas u. Συβαριτικαῖς, vgl. Grauert S. 78), 
namentlich aber der vom Schol. zu Ar. Vögeln 471 eitierte Komödiendich- 
ter Mnesimachos: εἰσὶ δέ τενες οἱ τοὺς βραχεῖς καὶ συντόμους λέγουσε 
Συβαρίτιδας, καϑάπερ Μνησίμαχος ἐν Φαρμακοπώλῃ. 

Solche Possen und Witzfabeln nun müssen kurz vor dem Untergang 
von Sybaris (446 v. Chr.) aus dem morschen und faulen Boden dieser 
üppigen Groszstadt zahllos wie Pilze aufgeschossen sein: weshalb es uns 
nicht Wunder nehmen kann, dasz sich nicht blosz der offenbar fingierte 
Name ihres angeblichen Erfinders (Θοῦρος bei Theon a. 0., vgl. Granert 
S. 71), sondern auch die Nachricht von einem Aufenthalt des Aesopos 
in Italien erhalten hat, bei welcher Gelegenheit er natürlich schr gefeiert 
worden sein soll: Hesych. “Συβαριτικοὶ λόγοι- τὸν γὰρ ἴσωπον iv 
Ἰταλίᾳ γενόμενον σπουδασϑῆναι σφόδρα φασίν, ὡς καὶ τὸ τῶν λόγων 
αὐτοῦ ἐπιδαψιλεῦσαι. 








16. 

In das sybaritische Genre gehören viele sicherlich in Athen ent- ὐ 
standene Schwänke und Witzfabeln, die sich noch unter dep Aesopischen 
Apologen vorfinden und zum Teil durch ausdrückliche Ortshezeichnung 
über ihren Ursprung keinen Zweifel lassen. So Aes. 11 von dem atheni- 
scheu Schuldner, 300 von dem beim Schiffbruch betenden Athener, 339 
von dem Streit um den Eselsschatten auf der Reise von Athen nach Me- 
gara, 363 von dem Delphin und dem Affen, der den Peiräeus für einen 
athenischen Bürger hält; ferner die Fabel des Themistokles (133) und die 
des Demades (117); endlich manche indirect durch locale Züge bald mehr 
bald minder deutlich sich als attisch verrathende Fabeln, z. B. 408 von 
dem Schwein das nicht der Aphrodite geopfert wird (vgl. die Anm. zu 
230 Furia), 410 vom Reiter mit der Perrücke (B. lI 84. Furia zu 326), 416 
von Schwalbe und Krähe (Furia zu 381); 190 von dem Töpfer, Esel und 
Eseltreiber, deren witzige Pointe ohne Zweifel in dem processkrümeri- 
schen Athen ersonnen' worden ist. 

Die vielen specifisch attischen Züge bei Babrios sind schon Schneide- 
win (Gölt. gel. Anz. 1845 S. 15) nicht entgangen: "die Ὑμηττίη μέλισσα, 
κηρίων μήτηρ Fr. 136; der ἙἭ μῆς τετράγωνος ἐν ὁδῷ F. 48 weist auf 
Athen; der δῆμος, der F. 76, 5 dem Reitersmann im Kriege den μισϑός 
reicht, ist der athenische; die frühere Bearbeitung yon F. 31. bei Suidas 
weist mit o? σφᾶς ἐκόσμουν καὶ διεῖλον εἰς φρήτρας ebenfalls auf 

. Mitunter mischen sich leise Andeutungen von Ironie gegen Athen 
cin: die Schwalbe 12, 21 μετὰ τὰς ᾿ἡϑήνας ἄνδρα καὶ πόλιν φεύγω" 
P. 15 der Böoter unterwegs mit dem Athener, dem der ehrliche Büoter 
unterliegt im Worlstreit: στωμύλος, γὰρ ἦν δήτωρ" 72, 20 will Zeus die 
Dohle keinen, εἶ prj χελιδὼν αὐτόν. ὡς Admwaln, | ἤλεγξεν ξλκύσασα 
τὸ πτερὸν πρώτη. | ὁ δ᾽ εἶπεν αὐτῇ" μή us συκοφαντήσῃς." Zwei 
Züge, welche ebenfalls auf Athen weisen, hat Schneidewin übersehen: 










0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 361 


F. 5 die tauagräischen Kappfháhne und die Version von F. 59, wo statt der 
hóchst wahrscheinlich ursprünglichen Gótterdreiheit Zeus, Prometheus 
und Athene (Aes. 155*) die in Athen typische Trias Zeus, Poseidon und 
Athene eingeführt ist. Auch aus dem kürzlich edierten zweiten Teile des 
Babrios liesze sich eine Menge specifisch attischer Züge aufzählen; allein 
bei der Verderbnis des Textes ziehe ich Einzelangaben dieses Teiles nur 
ungern zu einer Beweisführung bei. 

Vielleicht ist diese Menge nach Attika weisender Züge in den er- 
haltenen Aesopischen Fabeln, die mit dem Schweigen der Tradition von 
eigentümlich attischen Apologen seltsam contrastiert, zum grósten Teil 
auf Rechnung jener ersten groszen Fabelsammlung zu setzen, welche 
Demetrios von Phaleron eben zu Athen veranstaltet hat, so dasz ihm 
natürlich allemal die altischen Versionen einer Fabel zunächst lagen. 
Aber auch so lehren diese überall verstreuten Fingerzeige, eine wie rege 
Teilsahme gerade die genialste hellenische Gemeinde der Fabeldichtung 
zugewendet hat. Mehrfach sollen sich denn auch politische Redner, wie 
Demades und Demosthenes (Aes. 117. 339)), veranlaszt gesehen haben, 
die übertriebene Sucht des athenischen Volkes, sich Fabeln erzàhlen zu 
lassen, zu geiszeln und zu verhóhnen. 

Ob man einst wirklich in Athen geglaubt hat, Aesopos, dem man 
auf Staatskosten vom groszen Lysippos (Grauert S. 30) eine Statue er- 
richten liesz, habe einmal leibhaftig als Sklav bei einem Athener Namens 
Backenschläger (Koveolas, s. Welcker kl. Schr. II 253) gedient und zu 
Pelsistratos Zeiten Volksreden gehalten (Phädrus I 2), wer möchte es ent- 
scheiden? Jedenfalls sprechen auch diese Nachrichten für die bedeutende 
Produectivitàt der Athener auf dem Gebiete der Fabeldichtung. 


IV. 


Aesopos. 


17. 


' Nachdem wir bis jetzt uns mit der Untersuchung des Charakters und 
der Abstammung der Aesopischen Fabel beschäftigt haben, wenden wir 
uns nun zu ihrer Lebensgeschichte. Eine eingehendere Beachtung ver- 
dient eigentlich blosz der Abschnitt bis Babrios: von Babrios bis zu den 
Byzantinern klafft eine ungelieure Lücke, und was in den Tagen der By- 
zantiner unter dem Namen Acsopischer Fabeln sich breit machte, ist es 
etwas anderes als vor langer Zeit gepresste Blüten ohne Leben, ohne 
* Duft und ohne Farbe? Darum beschränken wir uns auf die Kindheit und 





' 66) Vielleicht sind aber auch” bloss durch Verwechslung dieser bei- 
den ähnlich anklingenden Namen aus einem einzigen Falle zwei gewor- 
den, und der Witz könnte von dem nicht so sehr bekannten Demades 
auf seinen berühmteren Rivalen übergetragen worden sein, gerade wie 
es höchst wahrscheinlich auch mit jener Anekdote von dem theuer be- 
zahlten Schweigen des Demades gegangen ist (Gellius N. A. XI 10), 
welehe Kritolaos von Demosthenes erzüblte (Gell. XI 9). 


362 Ὁ. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


die Jugendblüte der Aesopischen Fabel und widmen Aesopos und Babrios 
unsere hauptsächlichste Aufmerksamkeit. 

Fragen wir zuerst nach der Person des Aesopos, so kommt uns 
eine erstaunliche Masse von Notizen über sein Leben entgegen: nur Schade, 
dasz sie einander gar häufig widersprechen und dasz namentlich die er- 
haltene Biographie nicht gerade groszen Anspruch auf Glaubwürdigkeit 
erheben kann. 

Lange Zeit hat man allgemein, sowol seitens der Herausgeber (vgl. 
die Aldiner, Herwagischen, Brylinger usw. Ausgaben”)) als der Litterar- 
historiker 9), den Maximus Planudes im Verdacht gehabt, diese zuerst durch 
ihn in den Occident gekommene Lebensbeschreibung des Aesopos selbst 
verferligt zu haben. Man sollte nicht denken, dasz erst die Auffindung 
von Handschriften höheres Alters, als Planudes selber war, nötig gewe- 
sen wäre, um von der Unrichtigkeit jener Ansicht zu überzeugen. Weisz 
man doch, dasz eben dieser Gelelirte (Furia S. X) bei der Veranstaltung 
einer epigrammatischen Sammlung manche Epigramme blosz wegen ihres 
schmutzigen Inhalts ausliesz: und nun macht man ihn gar zum Erfinder 
so stark plebejisch gefärbler Anekdoten, wie namentlich im ersten Teil 
der Biographie zu lesen stehen; und ein Mann von so nüchlernem Cha- 
rakter (Bernhardy griech. Litt. 1* 617), der sich gerade dadurch vor den 
meisten bedeutenderen Schriftstellern seiner Zeit auszeichnet, dasz er sich 
von aller Romanschreiberei fernzelralten, ein solcher Mann soll die ahen- 
teuerlichen Wundergeschichten ersonnen haben, die im zweiten Teil der 
Biographie uns erzählt werden! Man begreift kaum, wie Bentley und 
seine Nachheter sich in Expectoralionen über den *unwissenden Mönch” 
usw. ergehen mochten, namentlich wenn man nach die grammatische 
Thätigkeit des Mannes ins Auge faszt, dem man mit der Autorschaft der 
Biographie des Aesopos schreieude grammatische Unregelmäszigkeiten in 
die Schuhe schiebt: dazu noch die auf den ersten Blick frappanten stilisti- 
schen Differenzen zwischen dieser Diographie und den echten Werken des 
Planudes.*) Glücklicherweise besitzt man heutzutage Handschriften der 
Biographie aus dem zehnten Jahrhundert (K. L. Roth in den Heidelberger 
Jahrb. 1860 Nr. 4), und es wird somit niemand mehr einfallen ihre Ab- 
fassung dem Planudes zuzuschreiben, der im Anfang des vierzehnten 
Jahrhunderts gelebt hat. 

Es darf übrigens gar nicht Wunder nehmen, dasz sich bei diesem 
Werke der Name des Verfassers nicht erhalten hat: ist dies duch das ge- 


67) Die constante Ueberschrift lautet: Αἰσώπου βίος τοῦ μυϑοποιοῦ 
Matíuo τῷ Πλανούδῃ συγγραφείς. -- Die Citate beziehen sich hier anf 
dic Seiten der Herwagischen Ausgabe der Aesopischen Fabeln Basel 1541. 

68) Bentley, Tyrwhitt, Jacobs, Kornes, Huschke, Grauert (S. 19). 

69) In seinen Schriften περὶ γραμματικῆς und περὶ σοντώξεως in 
Bachmanns Anecd. II, σχόλια εἰς στάσεις in Walz Rhett. V 232 f, £ouz- 
νεῖκι ᾿ΕἸληνικαὶ Λατινικῶν τινῶν συγγραφέων bei Matthii Var Graec. S. 
91 ff. habe ich nirgends Analogn gefunden zu τοῦ γυδαίον τούτον xeüdo- 
parog S. 16, ὅτου qe ἐγέλασας : statt τένος 8. 20, βαβαὶ πῶς ἡδέως 
xexofunuit! atat ὡς B. 8, Die stereotype (S. 20. 36. 04. 06) Phrase 
τοῖς ὅλοις ist bei Planudes (Matthäi a, O. S, 207) durch πάντως ersetzt. 


0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 363 


wóhnliche und ganz natürliche Schicksal der Volksbücher, und nur zu 
dieser Classe gerechnet kann unsere Biographie nach Verdienst gewürdigt 
werden. 

Ihr Inhalt ist in kurzem folgender. Aesopos, zu Amorion als Neger- 
sklav geboren, war von Natur höchst misgestaltet, und es fehlte ihm die 
Fähigkeit articulierter Rede. Erst durch das Gebet einiger Priester, denen 
er den rechten Weg gezeigt hatte, wurde ihm von Tyche die Zunge ge- 
löst. Nachdem er bei seinem ersten Herrn durch die Intriken des Plan- 
tagenaufsehers völlig in Ungnade gefallen war, kaufte ihn ein Sklaven- 
händler, brachte ihn nach Ephesos und setzte ihn hier an den samischen 
Philosophen Xanthos ab. Vermöge seines ungewöhnlichen Witzes und 
Verstandes (ayyıvovorarog xoi ἐπηβολώτατος) bringt er seinen Herrn, 
der doch ein groszer Philosoph sein will und viele σχολαστικοί um sich 
versammelt hat, mehr als éinmal in tüchtige Verlegenheit. Auszer Räth- 
selfragen, Fabeln und Sprüchen wird eine Reihe eulenspiegelartiger 
Schwänke erzählt, die Aesopos bei dieser oder jener Gelegenheit auf 
Samos ausgeführt haben soll und wobei nicht selten sein Herr und dessen 
Frau die Zielscheibe seiner Komik bilden. Schlieszlich presst er seinem 
Herrn das Versprechen der Freilassung ah, was dieser aber wortbrüchi- 
ger Weise so lange nicht erfüllt, bis das souveräne Volk von Samos ilin 
. dazu zwingt. Aesopos latte nemlich dem Volke die Auslegung eines 
wichtigen Vogelzeichens versprochen und deutete es dann auch wirklich 
auf einen bevorstehenden Angriff des Krösos. Als Bedingung des Friedens 
wurde den Samiern die Auslieferung des Aesopos dictiert, und er begab 
sich freiwillig an den Hof von Sardes, wo aber Krósos seine berühmte 
Groszmut auch an dem Fabeldichter übte: Aesopos dichtete hier seine 
Fabela und kehrte dann nach Samos zurück. 

Jetst beginnt seine Abenteurerlaufbahn: er zieht an den Hof des 
babylonischen Kónigs Lykeros und erwirbt diesem durch Lósung der ihm 
von andern Königen gestellten Räthselfragen bedeutende Summen. Von 
eignen Adoptivsohne Ennos durch untergeschobene Briefe ver- 
leumdet, entgeht er nur durch die Treue seines Freundes Hermippos dem 
Vollzug eines ungerechten Todesurteils. Bald aber steigt er wieder nur 
um so höher in der Gunst seines Monarchen, namentlich durch die merk- 
wrürdige Lösung einer Räthselfrage des ägyptischen Königs Nektenabo. 
Nachdem er so selbst die Weisheit Aegyptens im Charadenwettkampf 
überwunden hatte und zum Dank dafür von Lykeros mit den höchsten 
Ehren überschüttet worden war, faszte er den verhängnisvollen Ent- 
schluss nach Hellas zu reisen, wo er durch die Bosheit der Delpher einen 
schauderhaften und ganz unverdienten Tod erlitt. 


" 18. 
Auf den ersten Blick zerfällt der Roman in zwei grosze Partien, die 
aus verschiedenen Quellen herrühren : im ersten Teil erscheint der 
Fabeldichter Acsopos nach der Anschauung des Altertums, als Mensch von 
m Verstand, der aber doch über die Schranken der mensch- 
lichen Natur nicht hinausgreift; im zweiten Teil dagegen erscheint er, 


364 0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


wie ihn das orientalische Mittelalter aufgefaszt hat, durch Weisheit hoch 
über der Sphäre des gemeinen Verstandes stehend, als Magier uud Aben- 
teurer. 

Der erste Teil scheint zumeist aus antiken griechischen Volkssagen 
geschöpft zu sein, wie sie vom fünften bis neunten Jahrhundert in Klein- 
asien verbreitet gewesen sein mögen. Als Geburls- oder Stammort des 
Aesopos wird S. 4 Amorion in Groszphrygien genannt, und es ἰδὲ sehr 
wahrscheinlich, dasz sich diese gerade zu jener Zeit auszerordentlich 
blühende Stadt den berühmtesten Phryger als einsligen Bürger vindi- 
cierte, wozu sie jedenfalls so viel Recht haben mochte als Kotigeion und. 
andere Städte des Landes. 

Das Aeuszere des Aesopos wird möglichst abstoszend beschrieben, 
aber dem Verfasser der Biographie hat man dies nicht aufzurechnen, wie 
es Bentley thut (S. 587 Ribbeck). Zum mindesten ist die Idee von seiner 
Häszlichkeit viel älter als Planudes, da einerseits die öfters in den Fabeln 
wiederkehrende Erzählung vom Gespótte der thórichten Leute über Aeso- 
pos und seine Lehren den Gedanken an eine lächerliche Körpergestalt 
des Dichters nahe legen muste, anderseits eben damit ein treffender und 
durchsichtiger symbolischer Ausdruck der Auszerlich oft schmucklosen, 
fast abstoszenden, innerlich aber um so werthvolleren und tiefsinnigeren 
Fabel gegeben war. Zunächst aber hat sich die Vorstellung von Aesopus 
zwerghafter Misgestalt ohne allen Zweifel aus der sehr beliebten Sage 
von seiner Eigenschaft als Hofnarr des Krösos hervorgebildet, Schon 
lange vor Himerios, der im vierten Jahrhundert n. Chr. lebte, war die 
Sage von Aesopos Häszlichkeit allgemein verbreitet. Bei diesem lesen 
wir XII 5 S. 592: φασὶ δὲ καὶ Αἴσωπον τὸν λογοποιὸν τὸν Φρύγα, 
οὗ μὴ ὅτι τοὺς λόγους τινάς, ἀλλ᾽ ἤδη καὶ αὐτὸ τὸ πρόσωπον καὶ 
τὴν φωνὴν γέλωτα καὶ χλεύην Synvro, γενέσϑαι μὲν πάνσοφον καὶ 
διὰ τοῦτο ἱερὸν τοῦ ᾿Απόλλωνος. Somit ist nicht blosz seine garstige 
Gestalt, sondern auch seine schwere Zunge (τὸ βραδύγλωσσον αὐτοῦ) 
nichts weniger als eine Erfindung des Romanschreibers. 

Ebenso wenig wird gerade er die geistreiche etymologische Ent- 
deckung gemacht haben , dasz Aloanog — Αἰθίοψ sei, woraus das Ne- 
gerlum des Aesopos deduciert wurde: wenn nicht von Himerios bis zur 
Biographie alle schriftliche Tradition über Aesopos fehlte, so würde man 
sicherlich sehen, dasz sich die Idee von seiner Häszlichkeit sehr bald zu 
der von seinem Negertum weitergebildet hat, zumal dieser Gedanke wegen 
seines Sklavenstaudes sehr nahe lag. 

Weil er verirrten Priestern den Weg gewiesen hatte, erscheint ihm 
Tyche im Traum und löst seine Zunge: offenbar eine Nachbildung der 

ufigen Erscheinungen eben dieser Göllin in den Aesopischen Fabeln 
(101. 816. 316°). 

Von einem Viehhändler wird Aesopos auf den Sklavenmarkt von 
Ephesos gebracht: vgl. Apollonlos von Tyros bei Dunlop Gesch. der 
Prosadichtungen S. 86. 

Von Krüsos Mof kehrt er als eine Art Idi. 
mos zurück und liest (S. 74) den Samiern des 




















her Gesandter naeh Sa- 
nigs Sendschreiben vor; 


0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel, 365 


ganz ähnlich machte ihn die schon bei Plutarchos (Gastmahl der 7 Weisen 
S. 149) stehende Tradition zum Gesandten des Krösos. S. 90 ff. folgt sein 
klägliches Ende zu Delphi, dessen Einwohner er durch satirische Reden 
gereizt hatte. Sie schoben ihm eine heilige goldene Trinkschale unter 
sein Gepäck, holteu ibn an der Grenze von Phokis ein, setzten ihn ge- 
fangen und stürzten ihn vom Felsen. An dieser sonst durchaus alten 
Tradition (vgl. Grauert S. 58 f.) ist blosz Aesopos Flucht in den Apollini- 
schen Tempel neu; sicherlich aber hängt diese mit der Sage von seinem 
Priestertum in jenem Tempel zusammen, und diese findet sich eben wic- 
der bereits bei Himerios XII] 5 S. 592. Dieses wiederholte merkwürdige 
Zusammentreffen gerade mit Himerios erklärt sich daraus, dasz der Ver- 
fasser der Biographie und dieser Rhetor höchst wahrscheinlich beide aus 
der gleichen Quelle, nemlich der kleinasiatischen Volkstradition schöpften, 
wrie sie dort schon im vierten Jh. n. Chr. im wesentlichen sich ausgebildet 
hatte. Aber nicht blosz diese Hauptzüge sprechen für einen kleinasiati- 
schen Griechen als ursprünglichen Verfertiger des ersten Teils der Bio- 
graphie; die geographischen Notizen weisen sämtlich auf diese Heimat: 
Greszphrygien, Amorion, Lydien, Sardes, die Provinz Asia (S. 16), der 
ephesische Sklavenmarkt (S. 18), Samos; ferner deutet darauf die Er- 
wähnung des Artemiscultes (S. 10), der kappadokische Spielmann (S. 20), 
der specifisch kleinasiatische Name seines asiatischen Herrn Zenas (S. 12, 
vgl. Pauly Realenc. VI 2824); auch der seine Rolle ganz gut spielende 
(vgl. K. F. Hermann griech. Staatsalt. $ 56, 10) samische Prytane weist 
auf kleinadiatische Heimat des Verfassers: denn hier und auf den benach- - 
barten Inseln dauerte der Flor dieses Instituts am längsten. 

Von den über den ganzen ersten Teil zerstreuten rein hellenischen 
Zügen will ich nur einige herausheben: S. 42 das Recht der Frau, bei 
der Scheidung ihre Mitgift mitzunehmen (Meier und Schómann att. Proc. 
8. 430. Hermann griech. Privatalt. $ 64, 12); S. 60 das Augurium mit 
den Krähen, wo zwei für günstig angesehen werden (vgl. Horapollon 
Hierogl. 1 8. Schol. Pind. Pyth. 3, 27 ὁμονοίας χάριεν), dagegen éine für 
ungünstig (Hes. W. u. T. 746 f. Hor. carm. Ill 27, 16. Verg. Ecl. 1, 18. 
Grimm Reinhart S. CXXVI). Den Schwank, wie Aesopos als das schlech- 
teste und als das beste beidemal Schweinszungen auftischt (S. 46), hat 
schon ähnlich Plutarchos (Gastmahl d. 7 W. 146°. περὶ τοῦ ἀκούειν 385. 
 Granert S. 18; vgl. Dukes rabbinische Blumenlese S. 209). Das Räthsel 
vom Meeraustrinken (S. 56) ist schon von Camerarius auf Plutarchos 
(Gastmahl der 7 Weisen 151) zurückgeführt worden. 

Die Wortspiele und Witze sind zum groszen Teil absolut notwendig 
heilenische Erzeugnisse, weil sie auf der griechischen Sprache beruhen 
(vgl. 8. 48. 56. 34. 62 und besonders S. 68: * wenn der Sklav den Wett- 
kampf gegen seinen Herrn gewinnt, wird er von ihm geprügelt, wo nicht, 
so wird er auch geprügelt’: ξανϑίσεται Ὁ) mit Anspielung auf Xanthos); 
andere sind nachweislich alte griechische Sprüche: so steht das Dictum 


70) Bo ist ohne Zweifel statt ξανφϑήσεται zu emendieren, schon nach 
dem Sprachgebrauch des Ps. Kallistheues. - 


366 Ὁ. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


von den drei κράσεις des Dionysos: ἡδονῆς, μέϑης, ὕβρεως (S. 56) schon 
bei Diogenes Laertios (Grauert S. 18). 

Ein ganz fader Abklatsch dieses hellenischen Teils der Biographie 
des Aesopos ist die sogenännte arabische Biographie Lokmans, und es ist 
unbegreiflich , wie man hat behaupten können, Planudes habe an diesem 
arabischen Machwerk ein Plagiat verübt.”) Schon d'Herbelot hat (Biblio- 
thöque orientale, 1777, H 487 f.'nach einigem Sehwanken sich zu Gunsten 
des griechischen Romans entschieden : und jedenfalls ist diese Biographie 
Lokmans so weit entfernt, sich als echtes Kind origineller arabischer 
Poesie zu verrathen, dasz sie sich vielmehr vollständig teils aus einfacher 
Uebertragung der griechischen Biographie des Aesopos teils aus notwen- 
digen Modificationen teils aus ungeheuerlichen Uebertreibungen erklärt. 
So war die Umänderung der Schweinszungeu in Hammelszungen für den 
Muhamedaner kategorisch geboten, während der Grieche die umgekehrte 
Veränderung zu machen nicht nötig gehabt hätte; die Symposien musten 
natürlich auch wegfallen und damit der einfachste und natürlichste Rah- 
men für die meisten Schwänke des Aesopos. Wirft man vollends noch 
einen Blick auf das Schneidermetier Lokmans (d’Herbelot a. 0. Il 486), 
sein moralisierendes Geschwätz, sein tausendjähriges Leben und andere 
Albernheiten, so musz jede Spur eines Glaubens an die Priorität der ara- 
bischen Bearbeitung verschwinden. 

Ebenso werden wir vom zweiten Teil der Biographie, dem orien- 
talischen, sehen, dasz er sich so stark an die damals in Aegypten 
und Syrien beliebten Sagenromane anlehut, dasz man ihn unmöglich für 
eine auszerhalb der griechischen Litteratur entstandene Schöpfung "an- 
schen kann. 


19. 

Dieser zweite Teil (S. 76 — 90), auf dessen sprachliche Ueberein- 
stimmungeu mit Ps. Kallisthenes wir nachher kommen werden, zeigt 
noch merkwürdigere Congruenzen mit diesem hinsichtlich des Stolfs, 
Gleichwie in den Versionen der Alexandersage, die gegen das Ende des 
ersten christlichen Jahrtausends circulierten, aus dem makedonischen 
lleldenkónig ein geheimnisvoller babylonischer Magier geworden ist, so 
sehen wir auch Aesopos, sobald er sich von Samos und damit vom an- 
tiken Boden entfernt hat, wie mit einem Zauberschlag zum morgenländi- 
schen Schwarzkünstler umgewandelt, der an den Höfen von Babylon und 
Aegypten seine Künste zeigt: aus dem λογοποιός ist ein ϑαυματοποιός 
geworden. So teilt er denn das Los so mancher litterarischer Grüszen, 
welche die mittelalterliche Sage zu Zauberern umschuf: das Los eines 
Aristoteles, Platon, Vergilius, Horatius, Gerbert (Pabst Sylvester), Abä- 
lard, Albertus Magnus, Klingsor, Cornelius Agrippa, Theophrastus Para- 
celsus (von der Hagen Gesamtabenteuer ΠῚ S. CXXXL. Dunlop Gesch. der 





71) ‘Maximum Planudem partim ex mendaciis, quae ipse excogita- 
vit, partim ex fabulosis Arabum traditionibus eius vitam consarcinasse" 
TThosnurus epist, Lacrozianus III 153; ähnlich noch Grauert B. 117 ff, 
und Landsberger 8. CIX f. 





0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 367 


Prossdichtungen S. 483. Loiseleur Deslongchamps sur les fables Indien- 
nes S. 84). 

Als das Ideal eines Zauberers galt für die damals in Aegypten und 
Syrien (vgl. C. Müller Einleitung zu Ps. Kallisthenes) blühende Sagen- 
dichtung der ägyptische König Nektenabo: er ist es, dessen Name zu- 
mächst eine Verwandtschaft zwischen der sagenhaften Biographie Alexan- 
ders und der des Aesopos ahnen läszt. Nun ist die Verbindung Nektenabos 
mit Alexander schon sehr frühes Datums (vgl. Justinus IX 5, 7. Plut. 
Alex. 9. Athen. XIII 560. 609), und die litterarische Bearbeitung dieses 
Mythos hat ‚höchst wahrscheinlich schon vor dem vierten Jahrhundert 
begonnen (Müller a. O., Dunlop a. 0. S. 482).”?) Also musz wol Nekte- 
mabo, den sich das ägyptische Volk in rührender Auhänglichkeit an seinen 
letzten heimischen Herscher als einen Ausbund von Weisheit und Zauber- 
kumst und als Vater des Welteroberers Alexander zu denken gewóhnt 
hatte, diese Hauptfigur der Alexandersage musz wol aus dieser in den 
Roman von Aesopos gekommen sein. Hiermit ist aber zugleich zugestan- 
den, dasz überhaupt der zweite Teil der Biographie sich in einer engern, 
und zwar etwas abhängigen Beziehung zu Ps. Kallisthenes befindet. 

Nicht das Zusammentreffen in dem Namen Nektenabos, das man 
auch zufällig nennen könnte, ist es, was uns zu dieser Folgerung zwingt, 
sondern der Umstand, dasz dies der einzige. historische oder vielmehr 
sagenhistorische Name ist, der uns in diesem Teile begegnet, dasz also 
die Figur Nektenabos die wirkliche sagengeschichtliche Grundlage dieses 
zweiten Teiles bildet: der Sieg über Nektenabo ist der Mittel- und Glanz- 
pumkt dieser ganzen Partie, und gerade dieser Gedanke und seine Aus- 

ruhen wesentlich auf der Alexandersage. Bei Ps. Kallisthenes 

I1 werden Nektenabo die Prädicate gegeben: καὶ μαγικῇ δυνάμει χρώ- 
μᾶνος καὶ ἀστρονομίας ἀκριβῶς ὧν πεπαιδευμένος, ὥστε διὰ μαγικῆς 
,“αἰδούσεως γινώσκειν πᾶντα καὶ πάντων τῇ μαγείᾳ περιγινόμενος τῶν 
ἐθνῶν εἰρηνικῶς διάγειν. Ganz so tritt er auch in der Biographie des 
Aesepos S. 78 auf: es ist eine Zeit allgemeiner Ruhe, die Könige geben 
einander Räthselfragen auf, und wer sie löst erhält von dem Fragsteller 
Tribat, wer es picht vermag hat die gleiche Summe verwirkt. Nektenabo 
ist entschieden allen seinen Zeitgenossen, den einzigen Acsopos ausge- 
sommen, an Witz und Magie überlegen. Kaum erfährt er die Kunde von 
Acsopos angeblichem Tod, so bringt er durch eine neue Anfrage den Kó- 
mig Lykeros von Babylon wieder i in grosze Verlegenheit, aus welcher der- 
eeibe nur durch Aesopos gerettet wird, und zwar mittels seiner magi- 
^ sehen Künste. Nektenabo hatte nerzlich einen Brief geschrieben, welcher 
die Forderung enthielt: οἰκοδόμους αὐτῷ ἀποστεῖλαι; οἵ πύργον οἷ- 
mta gi m οὐρανοῦ μήτε γῆς ἁπτόμενον καὶ τὸν ἀποκρινού- 
πάνθ᾽ ὅσα dv ἐρωτῶσι (S. 78). Aesopos ἀετῶν νεοτ- 

τοὺς vidis συλληφϑῆναι κελεύει... ἔϑρεψεν, ὡς λέγεται. καὶ ἐπαί- 





7272) Moses von Chorene, im fünften Jahrhundert, der sein Leben 
Uebersetsungen aus dem Griechischen verfertigt haben soll (Bern- 
griech, Litt. I* 600), hat den Mythos auch schon gekannt, armen. 
120. Vgl. Grüsse Lehrbuch einer allg. Litterürgesch. II 3, 483. 


368 0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


δευσεν, ὅπερ οὐ πάνυ τί με πειθόμενον ἔχει, ὡς παῖδας διὰ ϑυλάχων 
αὐτοῖς προσηρτημένων βαστάξοντας ed ὕψος αἴρεσϑαι καὶ οὕτως ὑπη- 
κόους τοῖς παισὶν εἶναι, ὡς ὕπουπερ dv ^ ἐκεῖνοι βούλοιντο ἵπτασϑαι 
ἄν τε εἰς ὕψος ἄν τε εἰς γῆν χαμᾶξε. S. 82 und 84 führt Aesopos auch 
wirklich die Luftfahrt mit den vier Adlern und den Knaben aus, zum 
grósten Erstaunen und Aerger des ägyptischen Königs, der sich sofort 
für überwunden erklärt. Ich will hier nicht den Seeadler beiziehen, wel- 
chen Nektenabo laut Ps. Kallisth. I 8 ἐμάγευσε . . μαγεκαῖς κακοτεχνέαις 
παρασκευάσας αὐτὸν ἵπτασθαι, aber man vergleiche die Luftfahrt Alexan- 
ders bei Ps. Kallisth, U 41: σεάνυ μέγισται καὶ ἀλκιμώτατα καὶ ἥμερα 
ὄρνεα: δύο δὲ ἐξ αὐτῶν κρατήσας ὁ ᾿Αλέξανδρος προσέταξε μὴ φαγεῖν 
βρώματα μέχρι τριῶν ἡμερῶν" τῇ δὲ τρίτῃ ἡμέρᾳ προσέταξε κατα- 
σκευασϑῆναι ξύλον δι ὅμοιον ξυγῷ καὶ τοῦτο προσδεθῆναι, ἐν τοῖς τρα- 
χήλοις αὐτῶν. εἶτα ἐλθὼν αὐτὸς ἐν μέσῳ τοῦ ξυγοῦ ἐκράτησε τὸ δόρυ 
ὡσεὶ πῆχυν τὸ μῆκος ἔχον ἐπάνω ἧπαρ. εὐθὺς, οὖν ἀναπτάντα τὰ 
ὄρνεα τοῦ φαγεῖν τὸ ἧπαρ, ἀνῆλϑε μετ᾽ αὐτῶν ὁ ᾿Αλέξανδρος ἐν τῷ 
ἀέρι εἰς τὸ ὕψος. Man bemerke noch, dasz in der Aesopossage wie in 
der von Alexander beidemal die Luftfahrt von einem Babylonier ausge- 
führt wird: denn Aesopos steht im Dienste eines babylonischen Königs, 
und der König von Babylonien, Alexander, steigt (nach der histoire du 
Roi Alexandre, s. Dunlop a. Ὁ, S. 184. Grüsse a. Ὁ, II 3, 449) in seiner 
Residenz Babylon und mit Hülfe babylonischer Magier in die Höhe, 

Ferner scheint die Schilderung des ägyptischen Hofstaats bei Aesopos 
ebenfalls der Alexandersage entlehnt. Man vergleiche das wörtliche Zu- 
sammentreffen mit der Prachtschilderung von Dareios Hof, Ps. Kallisth. 
11 14: Δαρεῖος ἐκαϑέξετο ἐπί τινος ὑψηλοτάτου δίφρου (Aes.: ἐφ᾽. ἅψη- 
λοῦ δίφρου καϑεσϑείς), διάδημα φορῶν ἐκ λίϑων πολυτίμων, .. ὑπο-. 
δήματα διὰ λίϑων κεκοσμημένα (Aes. S. 82: ἐνεδύσατο διάδημα, χαὶ 
διάλιϑον κίταριν). 

Die Berufung der heliopolitanischen Weisen durch Nektenabo beruht 
ebenfalls sicherlich auf einer alten Version der Alexandersage, die zwar 
nicht mehr erhalten ist, deren einstige Existenz aber fast mit Gewisheit 
aus Gervasius (Otia Imperialia 8. 58 f. Liebrecht) erschlossen werden kann. 
Gervasius spricht hier in einem ziemlich confusen Kapitel von Heliopolis 
und den dort umher wohnenden Menschen und sagt unter anderem: quasi 
dicini appellantur, a quibus de omni interrogatione responsum acci- 
pitur. Man kann nicht daran zweifeln, dasz bei dem hohen Ruhme, wel- 
chen die heliopolitanische Weisheit seit alten Zeiten genosz”), sich sehr 
bald in Aegypten die Sage bildete, die weisen Räthe des weiseslen Agyp- 
tischen Königs (Ps. Kall. 1 z. A.) seien Heliopolitaner gewesen. Jedenfalls 
ist jene Notiz bei Gervasius aus einer sagenhaften Quelle genommen, und 
zwar höchst wahrscheinlich aus den von ihm selbst (S. XI) angeführten 
gesta Alezandri. 

Als Feierkleider sind in beiden Romanen die στολαέ gewöhnlich: 





73) Solon, Platon und Eudoxos sollten aus diesem Born ihre Weis- 
heit geschöpft haben (Plut. Bol. 26. Strabon XVII 808). Vgl. auch 
Aelianos Thiergesch. XII 7. Damaskios bei Photios 348%. 


0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 369 


Aes. S. 82. Ps. Kall. H 24; auch die Errichtung einer Bildseule zu Ehren 
des Aesopos (S. 90) dürfte wenigstens ebenso gut aus Ps. Kall. II 28 und 
43 als aus der geschichtlichen Ueberlieferung stammen. — Ein weiterer 
Berührungspunkt des Aesoposromans mit den Alexanderromanen ist die 
bedeutende Rolle, welche die Briefe in ihm spielen: Aesopos und Ennos, 
Lykeros und Nektenabo schreiben Briefe, und Aesopos kommt durch 
untergeschobene in die gróste Lebensgefahr: so schreibt auch in der 
Alezandersage alles in einem fort Briefe: Alexander, Aristoteles, Olym- 
pias, die Amazonen, Poros, Dareios, seine Mutter, seine Satrapen usw. 
— Schlieszlich vergleiche man noch die Nonchalance, mit der Aesopos 
und Krösos zu Zeitgenossen Nektenabos gemacht werden, mit der chrono 
logischen Confusion in der Alexandersage, wo unter anderem (11 18) Me 
lampus und Xerxes ohne Umstände in dieselbe Zeit mit Alexander gesetzt 
werden. 


20. 


Fragen wir nun nach dem Grunde, wie es kam, dasz Nektenabo in 
das Leben des Aesopos verflochten wurde, so scheint derselbe zunächst 
auf einer Vermischung der beiden damals in Syrien und deu angrenzen- 
den Ländern volkstümlichen Personen Aesopos und Markolf zu beruhen, 
einer Vermischung die zu natürlich ist, als dasz sie, sobald einmal die 
Traditionen des ersten Teils der Biographie in Syrien bekannt waren, 
lange hätte auf sich warten lassen können. Ein Blick auf den Markolf 
der mittelalterlichen Volksbücher und auf den Aesopos des antiken Teils 
der Biographie: und die Aehnlichkeit beider Figuren nach innen und nach 
aussen musz in die Augen springen. Es kommt übrigens in solchen 
- Dingen mehr auf guten Instinct als auf grosze Gelehrsamkeit an, und 
wenn ich als Zeugen für die Richtigkeit meiner Ansicht Fischart und ein 
italiänisches Volksbuch beibringe, so thue ich es, weil ich eben sie für 
die zuverlüssigsten halte. Fischart spricht einigemal (Geschichtklitte- 
rung, Ein- und Ver-Ritt Bl. 5. 6, Vorrede zum ersten Teil des Grillen- 
vertreibers Bl. 65) von dem ‘Marcolfischen Esopo?, einmal mit ausdrück- 
licher Beziehung auf eine im ersten Teil der Biographie erzählte Begeben- 
heit. Das italiänische Volksbuch vom Bertoldo dagegen nennt seinen 
Haupthelden,, der (Grässe allg. Litterärgesch. II 3, 470) lediglich nichts 
anderes als der italiänische Markolf ist, einen zweiten Aesopus? ); und 
in der deutschen Uebersetzung von 1751 führt das Buch sogar geradezu 
den Titel ‘der Italiänische Aesopus oder Bertholds satyrische Geschichte? 
usw. (Grässe II 3, 471). 

Die ganze ldee, die dem ersten Teil der Biographie zu Grunde liegt, 
ist dieselbe wie die in der Sage von Salomou und Markolf ausgedrückte. 
Warkolf und Aesopos rächen sich für ihre niedrige und gänzlich unfreie 
Lage durch allerhand eulenspiegelartige Schwänke an ihren Gebietern 
und Unterdrückern, und regelmäszig besiegt der ungebildete Sklav den 


74) Astuzie sottilissime di Bertoldo, ed. Cesare della Croce. In 
Rome. 8. 57: "eosi fin la sua vita con questa velontà colui cha era 
da tutti tenuto per un altro Esopo, azni un oraculo.’ 


— 


370 0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


tiefgelehrten Philosophen durch seinen guten Mutterwitz. Die ganze 
Selieuszlichkeit der Aesopischen Misgestalt findet sich bei Markolf wieder, 
ja selbst die schwarze Hautfarbe, zwar nicht an ihm selbst, aber an sei- 
nem Weib (von der Hagen Markolf S. VI). Alle die ewigen Misverständ- 
nisse, Derbheiten, Unverschämitheiten, Neckereien, wie sie in der Aeso- 
pischen Biographie vorkommen, kehren hier wieder. Gerade wie Aeso- 
pos dem Xanthos 7) und dessen Frau ?*) die derbsten Wahrheiten ins Ge- 
sicht schleudert, so Markolf dem Salomon und besonders der Kónigin. 
Auch er überzeugt durch Intriken, die einem Sklaven wenig zustehen, 
seinen Herrn von der Unzuverlässigkeit des Weibes, führt den Konig ge- 
legentlich zu dessen groszer Verlegenheit an der Nase herum und wagt 
sogar Drohungen gegen ibn fallen zu lassen?) usw. 

Diese innige Verwandtschaft der Aesopostradition mit der Markolf- 
sage, die wol auch auf die letztere von nicht unbedeutendem Einflusz ge- 
wesen sein mag, hat nun aber besonders auf die Entwicklung der Aeso- 
possage sehr folgenreich eingewirkt. Einer der altertümlichsten Züge 
der syrischen Markolfsage (vgl. Wilhelm von Tyrus bei Grässe Π 3, 466 f. 
Iosephos jüd. Altert. VIII 5, 3. J. Grimm in den Heidelberger Jahrbüchern 
1809 Ileft 45 S. 239—253) ist nemlich der, dasz in einer Zeit allgemeines 
Friedens, wo die Könige des Orients einander Räthselfragen aufzugeben 
pflegten und wer sie nicht löste dem Erfinder Tribut bezahlen muste, 
Markolf seinem Herrn, dem König von Tyrus, grosze Summen Geldes 
erwarb, namentlich aber durch die Besiegung des weisesten der damali- 
gen Könige, des Salomon, den grösten Rulım erntete. Ganz in demselben 
phantastischen Zeitalter des Räthselaufgebens und Räthsellösens spielt 
der zweite Teil von Aesopos Leben: S. 76 κατ᾽ ἐκείνους ydg τοὺς χρό- 
vovg οἱ βασιλεῖς πρὸς ἀλλήλους εἰρήνην ἔχοντες καὶ τέρψεως χέριν 
προβλήματα τῶν σοφιστικῶν πρὸς ἀλλήλους γράφοντες ἔπεμπον. aep 
οἵ μὲν ἐπιλυόμενοι φόρους ἐπεὶ ῥητοῖς πρὸς τῶν πεμπόντων ἐλάμβανον, 
οἵ δὲ μὴ τοὺς ἴσους παρεῖχον. Nur ist stalt Salomons der wahrscheinlich 
zur Zeit und am Ort der Entstehung der orientalischen Biographie des 
Acsopos noch berühmtere Nektenaho genommen, was übrigens an der 
Idee nicht das mindeste änderte, hiusichtlich der Ausführung dagegen 
Umwandlung des Königs von Tyrus in irgend einen fingierten??) Kö- 
nig von Babylon nach sich zog, sofern Babylon das einzig würdige”®) 
und in den damals verbreiteten Romanen stereotype Gegenstück zu Ae- 








75) S. 54: ἀλλὰ σύ, δέσποτα, μὴ φοβοῦ, οὐ γὰρ ἔχεις φρένας. 

70) Unter anderem sagt cr ihr &. 80 die Euripideischen Verse ins 
Gesicht: δεινὸν δὲ πενία, δεινὰ δ᾽ ἄλλα nvoía, | πλὴν οὐδὲν οὕτω 
δεινὸν ὡς γυνὴ κακή. 77) Ich kann mich natürlich auf die speciel- 
leren Parallelen hier nicht einlassen und unterdrücke deswegen auch 
die Citate; nur vergleiche man in Betreff des letztgenannten Punktes 
von der Hagens Narrenbuch S. 248 mit vielen Stellen der Biographie, 
z. B. 8. 20. 50. 00. 78) Den Namen Lykeros kann ich wenigstens 
sonst nieht finden, weder bei griechischen Schriftstellern noch in der 
Tausendundeinenacht oder in dau gesta /pmamorum. 170) Babylon galt 
für die damaligen Romanschreiber als die herlichste und grüste Stadt 
ἐν rois βαρβάροις, Ps. ΚΑΙ]. 1.32. 








0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 371 


gypten bildete. ‘80 ward Aesopos zum Babylonier und durch seine baby- 
lonischen Zauberkünste immer enger mit der ursprünglichen Nektenabo- 
sage verfiochten, die von der Alexandersage eigeutlich nicht getrennt 
werden kann. 21 


Wir. haben hiermit schon genug bedeutende Punkte der orientali- 
schen Biographie des Aesopos als Entlehnungen oder Anlehnungen an 
fremde Preduete nachgewiesen, um von der poetischen Erfindungsgabe 
des Verfassers keinen zu groszen Begriff aufkommen zu lassen; duch 
kéamie man vielleicht noch zwei Züge als Beweise für die Originalität 
unseres Autors beizubringen versuchen, nemlich die Auffindung des 
Schaizes, eine Episode des ersten Teils, welche offenbar von dem Ver- 
fertiger des zweiten herrührt, und die Rettung des Aesopos durch seinen 
Amfenthalt in einem Grabe. Zum Glück aber läszt sich auch von diesen 
beiden sonderbaren Abenteuern die naheliegende Quelle nachweisen, aus 
welcher sie höchst wahrscheinlich geflossen sind: nemlich der von dem 
Syrer Jamblichos geschriebene und sicher in den beiden letzten Dritteln 
des verflossenen Jahrtausends in Syrien vielgelesene Roman Βαβυλωνιακά. 
Besässen wir nicht blosz noch spärliche Fragmente und einen sehr ma- 
gern Auszug aus diesem Werk, so würden wir vielleicht noch eine stär- 
kere Abhängigkeit des Aesoposromans von ihm beobachten: so aber fin- 
den wir wenigstens hier das Vorbild zu der Schatzgräbergeschichte. Bei 
Immblichos 8. 74° lesen wir: xai χρυσὸν Poddvnc εὕρισκε, τῆς στήλης 
φοῦ «Δέοντος ) ὑποδηλούμενον τῷ ἐπιγράμματι, wobei aus dem Zusam- 
meuheng erhellt, dasz geheimnisvolle Buchstaben die Andeutung des 
Seliatsse enthielten. In der Biographie des Aesopos dagegen wird S. 64 
ven Aesopos und Xauthos erzählt, dasz sie bei einem Spaziergang unter 
den Grabmälern ἕν rei τῶν Aagvaxov ἐγκεχαραγμένα στοιχεῖα ταῦτα 
gesehen haben: AB A O E © X, welche von Aesopos auf einen vier 
Selwitte vom Grabe entfernten Schatz gedeutet werden (’Aroßas Βήματα 
a£ "Ogsgac Βύρήσεις Θησαυρὸν Χρυσίου). Mit dieser wol aus Aegyp- 
sen. stammenden Buchstabenspielerei vergleiche man, wie Ps. Kall. I 32 
else Iuschrift ABT A E gedeutet wird: ᾿4λέξανδρος Βασιλεὺς Γένος Διὸς 
^lerese πόλιν ἀείμνηστον, und ebd. I 33 (in cod. B und C) die alberne 
Inschrift auf dem Obelisken des Serapeion. Hierher gehören auch die 
süthselhaften Aufschriften, welche sich auf späthellenischen Münzen, 
z. B. von Alexandrien und von Antiochien am Orontes nicht selten 
fladen (Grüsse antike Münzkunde S. 41. 68). 

: "Bas zweite Abenteuer, wie Aesopos vor dem Bluturteil des Königs 
ve Babylon durch die Treue eines Freundes gerettet wurde, der ihn 
höchst seltsamer Weise ἔν τινε τῶν τάφων... κρὕψας ἐν ἀπορρήτοις 
ϑεξφοψεν, scheint veranlaszt zu sein durch die Erzählung bei lamblichos 
8. 76°, wo Rhodanes und Sitonis in einem Grabe sich verbergend der 
Tedesgefshr entgehen, die ihnen von den verfolgenden Schergen des 


Königs voa Babylon droht. 
"8 Diese Lesart móchte ich statt der bisher recipierten λέοντος 


Jaheh. f. «lass. Philol. Suppl. Bd. IV. Hft. 3. 24 


372 0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


Auch in diesem Roman tritt die Rivalität zwischen Babylon und 
Aegypten sehr in den Vordergrund, und wiederum ist es ein fingierter 
König von Babylon (Garmos), der einer historischen Figur auf ägyptischer 
Seite (Berenike S. 776) gegenübersteht. 

Endlich scheint sich auch der Name des in den Βαβυλωνιακά eine 
der ersten Rollen spielenden Eunucheu Damas in den Aesoposroman ver- 
irrt zu haben, sofern hier in der Erzählung von der sogenannten Matrone 
von Ephesos ihr Liebhaber den Namen Damas erhalten hat, während in 
den übrigen Versionen dieser sehr verbreiteten Geschichte dieser Name 
nicht mehr erscheint (vgl. A. Keller: li Romans de Sept Sages S. GLIX ff. 
Dess. Dyokletianus S. 49 ff.) 








22. 

Wollen wir auch das Zusammentrelfen der Biographie mit dem 
Roman des lamblichos aus bloszen fast unbewusten Reminiscenzen des 
Verfassers der Biographie erklären, so bleibt dennoch das Hauptresultat 
unserer Untersuchung stehen, dasz sich der zweite Teil aus dem ersten 
hervorgebildet und dasz auf den Abschlusz seiner Gestaltung die griechi- 
schen Alexanderromane den entschiedensten Einflusz ausgeübt haben. 
Somit ist also zwar jeder Gedanke an eine selbständige Genesis des 
zweiten Teils der Aesopischen Biographie vollkommen ausgeschlossen; 
dagegen musz man zugeben, dasz diese Partie trotz aller ihrer Mängel 
Lebensfähigkeit genug besitzt, um abgelöst von der übrigen Biographie 
Sich als selbständige Erzählung Geltung zu verschaffen. 

Und in der That findet sich unter den aus allen Winden zusammen- 
getragenen Erzählungen der Tausendundeinenacht auch der zweite Teil 
der Aesopischen Biographie als die Geschichte Heykars des Weisen, Sie 
ist demselben in allen Punkten gleich, nur weitläufiger , und liest. sich 
deshalb angenehmer als die griechische Version, die leider unter die 
Schere eines gauz besonders nüchternen Ueberarbeiters gerathen ist. Aber 
darum und um zweier specifisch ägyptischer Züge willen, welche Zündel 
(rhein. Mus. V 452 f.) hervorhebt?'), ist die arabische Version noch nieht 
die ältere und originale, wie Zündel, Wagener (S. 54) und der Uehersetzer 
der Tausendundeinenacht glauben ; vielmehr hat gerade die arabische Er- 
zählung mehrere wichtige sagenhistorische Züge eingebüszt: vor allem 
den König Nektenabo, der zu einem einfachen Pharao verflacht ist, ferner 
die Weisen von Heliopolis; sie weisz auch nichts von der góttlichen Ver- 
ehrung der Katze (S. 118); die vier Adler sind unpassenderweise auf zwei 
reduciert (S. 109); während nach der Behauptung Nektenabos beim Wie- 
hern der Hengste zu Babylon die ägyptischen Stuten empfangen, wird das 
Wunder in der arabischen Version geschmacklos dahin gesteigert, dasz 
sie dann sogleich gebären; statt des allgemeinen Friedensstandes, der 
doch ebenfalls zu den altertümlichen sagengeschichtlichen Elementen des 
Aesoposromans gehört, besteht nach dem Arabischen zwischen Assyrien 





81) Der Monat Nisam wird in einer Vergleichung erwähnt, und in 
dem Rütlsel vom Jahr steben statt der zwei Frauen, welche Tag uud 
Nacht bedeuten, eine schwarze und eine weisze Dattelfrucht. 


0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 373 


und Aegypten offener Krieg: kurz man sieht, dasz diese Bearbeitung der 
Geschichte in der Tausendundeinenacht wie dem Datum so auch der Ent- 
wicklungsstufe nach viel später zu setzen ist als die griechische Version. 
Dasz es aber vollends ganz unrichtig ist, Heykar als den ursprünglichen 
Helden dieses Romans anzusehen, dessen Schicksale eben auf den phrygi- 
schen Sklaven übertragen worden seien (Breslauer Tausendundeinenacht 
XH) S. 346), erhellt schon aus dem sehr durchsichtigen Beinamen des 
sonst gänzlich unbekannten Heykar, nemlich Abumalam, d. h. Märchen- 
oder Fabelerzäbler, auszerdem aus der Bedeutung von Heykar selbst, 
welche ganz vortrefflich auf den Aesopos besonders des ersten Teils der 
Biographie passt*); auch ist wol nicht so ganz zufällig S. 194 eine Aeso- 
pische Fabel (133 Halm) in die Erzählung eingestreut. Somit gehört eben 
dieser zweite Teil der Aesopischen Biographie zu den vielen Erzeugnissen 
der griechischen Litteratur, welche die Araber durch Uebertragung in ihre 
Sprache sich zu eigen machten: merkwürdig dasz auch hier wieder*") die 
Trias: Alexanderroman , Aesoposroman und Aesopische Fabeln, ein und 
dasselbe Schicksal zu erfahren gehabt hat. 


23. . 

Wir betrachten also diese zweiteilige von Planudes edierte Biogra- 
phie des Aesopos als einen populären Roman, in dem, wie es bei solchen 
Velksbüchern Regel ist*9, der Verfasser selbst keine besondere poetische 

an den Tag gelegt, aber dafür in der ganzen Ausführung 

um so besser den Ton und Geschmack des niedern Volkes getroffen hat, 
dem diese Erzählung als lustige Einleitung zur Lectüre der Aesopischen 
Fabein selbst und nebenbei als Rahmen für allerlei eingestreute Weis- 
heitssprüche und Apologe*) dienen sollte. Die Zeit der Entstehung des 
Buchs setzt K. L. Roth (Heidelb. Jahrb. a. O.) richtig vor das zehnte Jahr- 
bumdert; als Ort, wo die eigentümliche orientalische Weiterentwicklung 
der Aesopostraditionen stattfand, wird man S y rien bezeichnen dürfen: 
dema hier war fürs erste die Markolfsage zu Haus, welche den aller- 
Einflusz auf den Aesoposroman geübt bat (vgl. Wilhelm von Ty- 
rus ἃ, 0.); hier offenbar hat sich die dem Aramäischen entsprechende und 
mur in der syrischen Version des Ps. Kallisthenes (cod. C) vorkommende 
Form Nensevofioo für Nextaveßo in der Aesopossage eingebürgert; nach 





82) up! haikar bedeutet vilis, debilis, ignobili loco natus, 83) Wie 


so häufig in den Handschriften, vgl. C. Müller Einleitung zu Ps. Kallis- 
theneb; am Ende schrieb man deshalb einem Aesopus die Autorschaft der 
. Alexandri sa. 84) Vgl. K. L. Roth in Pfeiffers Germania IV 
: die im Volksbuch von Meister Virgilius ersäblten Geschichten sind 
Teil vom Bearbeiter des Romans erfunden; sie circulier- 
almehr schon im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert und sind 
meist orlentalisches Ursprungs. 85) S. 72 — Babrios 03; S. 32 und 
es SyT. 48; B. 40 — syr. 66; S. 94 = Anwar-i-Suhaili, Benfey I 
Babrios II 59. — Die 8. 06 eingeflochtene Fabel von Käfer und 
ist ve von dem Bearbeiter nicht willkürlich eingereiht, sondern ge- 
su der von seiner Thätigkeit unabhängigen griechischen Tradition 
Assopos Tod in Delphi. 
24* 


Hi 


374 0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


Syrien weisen die eingewobenen Apologe. Endlich scheint auch der Stil 
der Planudeischen Biographie deren syrische Heimat zu verrathen: denn 
die Aehnlichkeiten desselben mit andern höchst wahrscheinlich aus Syrien 
stammenden Werken des 10n bis 12n Jh. sind sehr beträchtlich. Ich will 
grammatische Eigentümlichkeiten allgemeinerer Art übergehen, worin die 
Biographie mit Ps. Kallisthenes (cod. C) und Syntipas **) übereinstimmt, 
doch nicht so dasz sie alle Verschlechterungen dieser beiden teilte.) Aber 
man vergleiche wenigstens folgende Einzelheiten : ἐξουδενόω Ps. Kall. 
IIl 2. Aes. S. 82 — πολὺς ἦν ἀϑυμῶν Aes. 66, ἦν ἡ μάχη πολλὴ ἄναι- 
φούντων xal ἀναιρουμένων Ps. Kall. ΠῚ 3 — ἡ οἰκουμένη stehend — 
Erde, Aes. 76. Ps. Kall. 1 32 und oft — καϑηγητής Ehrenname des Philo- 
sophen Aes. 82. Ps. ΚΑΙ]. Il 43 — σημειολυτεῖν Aes. 68, σημειολύτης. 
Ps. Kall. 1 32. 42. II 14 — Aes. 22 νὴ τὴν ϑείαν πρόνοιαν, Ps. Kall. ll 

43 xal ὅσα περὶ ἡμῶν ἡ ϑεία εὐοδώσειε πρόνοια, ταῦτα γενέσϑω, und 
ebd. II 39 schwört Alexander [νὴ] τὴν ἄνω πρόνοιαν. 

Sicher thut man dem Verfasser, der, so wenig als der Autor eines 
Alexanderromans, Geschichte schreiben wollte, vollkommen Unrecht, 
wenn man ihn lügnerischer Verdrehungen und Fictionen beschuldigt 
(vgl. Thes. epist. Lacroz. III 153), wie man ihn auf der andern Seite 
nicht weniger misversteht, indem man ihn als eine auch nur halb zuver- 
lässige historische Quelle betrachtet. Weit entfernt also, wie Meziriae 
versucht hat, halb aus dieser Biographie, halb aus den sonst erhaltenen 
Notizen eine neue romanhafte Lebensbeschreibung des Aesopos construie- 
ren zu wollen, müssen wir vielmehr von der Planudeischen Biographie 
als einer Dichtung vollständig absehen, wenn wir nach der wahren Lebens- 
geschichte des Aesopos fragen. 


24. 


Vor allem handelt es sich hier um nichts geringeres als geradezu um. 
die Existenz des Aesopos. Es gibt nemlich Gelehrte, und deren sind 
nicht wenige, welche einfach in Abrede stellen, dasz es überhaupt jemals 
einen Menschen des Namens Alowmog gegeben, der in irgend einer Be- 
ziehung zur griechischen Fabellitteratur gestanden habe. Zu diesem Ge- 
lehrten gehören Welcker, der eine eigne Abhandlung in diesem Sinne 
geschrieben hat: *Aesop eine Fabel’ im rh. Mus. VI (1839) 366 ff. kl. Schr. 
11 229 ff.; ferner Grauert (S. 68), Wagener (S. 28), Zündel, K. 
L. Roth, Landsberger. indessen glaube ich trotz alles wunder- 
baren und zusammenhangslosen Flitters, den die geschäftige Volkssage 
in die Lebensgeschichte von Männern wie Aesopos , Pythagoras und Ser- 
vius Tullius eingewirkt hat, nichtsdestoweniger an die Existenz dieser 
Männer, die eben, je gröszer und bedeutender sie dem Volke erschienen 
sind, desto mehr auch im Munde des Volkes gelebt haben, das sie be- 


86) Syntipas wird von Dacier in den Mém, de l'aend. des inser. 
XLI 556 und A. Koller Sept Sages S. XXVI ins elfte Jahrhundert ge- 
setzt. — 87) Vgl. den in der Biographie unerhörten Misbrauch des Con- 
junctivs bei Byntipas (Val. Schmidt dise. cler. S. 120. 131) und Ps. Kal- 
listhenes (II 35. II 89. III 4). 


Ὁ. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 375 


wunderte und wunderbares ihnen andichtete: “alles sagenhafte und anek- 
dotenartige,? sagt Welcker (S. 234) “das gern hin und her getragen wird, 
püegt sich an bekannte Personen zu hängen”; und warum sollte der 
Urheber eines so beliebten Volksbuches, wie die Aesopischen Fabeln 
waren, nieht ganz von selbst eine volkstümliche Figur geworden und, 
ob er gleich geleibt und gelebt hat wie andere Menschen, doch fast 
ganz der willkürlich dichtenden Volkssage anheimgefallen sein? — Bin 
ich also im Princip nicht damit einverstanden, eine nach dem durch- 
gängigen Glauben des Altertums historische Person ohne die triftigsten 
positiven Gründe für einfache Verkörperung eines abstracten Begriffs, 
also in diesem Fall Aesopos für die Personification des Begriffs der 
Fabeldichtung zu erklären, so vermag ich mich anderseits gerade so 
wenig von der Richtigkeit des Wegs zu überzeugen, auf welchem man 
zur Negierung aller Existenz des Aesopos vorgeschritten ist, nemlich 
ven der Wahrheit der Etymologie Αἴσωπος — Αἰθίοψ. Wagener sagt 
8. 6: “Esope veut dire Éthiopien: ce nom n'est autre chose qu'une allu- 
sion à l'origine orientale de la fable", und von dieser angeblichen Grund- 
wahrheit aus plädiert Wagener für die Inder, Zündel für die Aegypter 
und Landsberger für die Juden als Erfinder der Aesopischen Fabeln. 
Allein mit Recht nennt Bernhardy gr. Litt. I* 344 die Deutung eine mis- 
ratheme. Dasz Δίθίοψ zu “Αἴσωπος geworden sei, liesze sich dann zu- 
geben, wenn die wirkliche Existenz einer Mitielform Aldorog entweder 
in der Bedeutung von Aldloy oder von “Αἴσωπος nachgewiesen würde: 
demam sonst erleiden Volksnamen bei ihrer Anwendung als Eigennamen 
micht entfernt solche Veränderungen: man vergleiche die mythologischen 
Namen lop, Hellen, Aegyptos, ferner die Sklavennamen Lydos, Syros 
usw. Der Name ist entschieden nicht = Aidlow, sondern einfach, wie 
die Tradition behauptet, der Eigenname eines Phrygers. Nach Phrygien 
und Mysien gehören Flusz und Fluszgott “ἴσηπος (Hom. Il. B 825. 
M 31. Hes. Theog. 342); dorthin gehört der Troer Alonmog, Sohn des 
Bukolion und der Nymphe Abarbarea (Il. Z 21); dorthin Aloaxog, des 
Priamos Sohn von der Arisbe; dorthin weist auch der zuerst an der 
Selischen Küste (in Kyme, Aristoteles bei Schol. Eur. Med. 19) und auf 
dem Bolischen Inseln (Theophrastos bei Dion. Hal. V 73) auftauchende 
Name der Aesymneten, einer dem nordwestlichen Kleinasien eigentüm- 
lichen Würde. Es ist gewis nicht zufällig, dasz alle diese mit Aloomog 
höchst wahrscheinlich lautlich verwandten Wörter, wie die fast ein- 
stimmige Ueberlieferung, auf das nordwestliche Kleinasien führen. Aller- 
dings dürfte bei dem Mangel an phrygischen Sprachdenkmälern eine ganz 
überzeugende Etymologie zu den Unmöglichkeiten gehóren ; doch scheint 
mir die Creuzersche von «loa Schicksal (Symb. I 682) vorzüglicher als 
die anderen welche ich kenne, besonders wenn man beachtet, dasz eben 
jener Priamide Alsaxog ein Traumdeuter war und dasz αἴσακος der 
Lorbeer hiesz, den, wie die Sänger, so höchst wahrscheinlich auch die 
Seher in Händen hielten. Nahe liegt auch, nach dem ältesten griechi- 
schen Sprachgebrauch, die Deutung von Aluonog — Seher des Rechten 
(alea), was für die ganze Wirksamkeit des Aesopos bezeichuend genug 


376 0. Keller: üher die Geschichte der griechischen Fabel. 


wäre, um als ein ihm vom Volk gegebener Beiname aufgefaszt werden 
zu kónnen. D 

Dieser Mann Namens Aesopos, dem die Griechen ihre erste Fabel- 
sammlung verdanken, hat nach meiner Ansicht — ich will hier gleich 
zum voraus mein Glaubensbekenntnis ablegen — im sechsten Jahrhun- 
dert vor Chr. als phrygischer Sklav auf Samos gelebt. 


25. 


Ueber das Zeitalter des Aesopos dilferieren zwar die Angaben, 
doch nicht so stark, dasz man ihn nicht mit guter Zuversicht in das 
erste Drittel des sechsten Jahrhunderts verlegen dürfte. Im allgemeinen 
gilt er stets als Zeitgenosse der sieben Weisen und des Krösos. Hera- 
kleides der Pontiker (Polit. Fr. 10) setzt seinen Aufenthalt auf Samos in 
die Zeit des Pherekydes von Syros, also in die 59e Olympiade; Suidas 
setzt ihn in die 40e Olympiade (Welcker S. 229); in die 52e, also um 572 
v. Chr., wird Aesopos von Hermippos bei Diogenes Laertios 1 72 datiert. 
Ganz unrichtig ist es, Aesopos bis zu den Zeiten des Peisistratos herab- 
zurücken, wie Larcher gewollt hat (Grauert S. 31): denn die Stellen bei 
Phädrus I 2 und Il Epil., wo erzählt wird, dasz Aesopos damals den 
Attikern eine Fabel vorgehalten habe und dasz dieselben dem Fabulisten 
eine Bildseule errichteten, beweisen auch nicht das mindesle; man ver- 
gleiche Phädrus eigne Worte V Prol.: 


Aesopi nomen sicubi inierposuero, 

cui reddidi iam pridem quidquid debui, 
auctoritatis esse scito gralia; 

ut quidam artifices nostro faciunt saeculo, 
qui pretium operibus maius inveniunt , novo. 
si marmori adscripserunt Prazitelem suo, 
trito Myronem argento. 


26. 

Auch in Bezug auf Aesopos Vaterland variieren die erhaltenen 
Nachrichten, und namentlich sucht sich neben der allgemeinern Ansicht 
von seiner phrygischen Herkunft die von seiner angeblichen thrakischeu 
Abstammung geltend zu machen. Herakleides. der Pontiker (Fr. 10) er- 
klärt nemlich den Aesopos für einen Thraker, und ein gewisser Eugeiton 
bei Suidas macht als Vaterstadt des Aesopos Mesembria namhaft. Dieser 
Angabe stimmen Grauert S. 66 und K. Ὁ. Müller griech. Lili. I 260 ohne 
weiteres bei; ich kann sie indessen durchaus nieht für die richtige hal- 
ten; vielleicht dasz ein thrakischer Sklav Namens Aesopos einmal auf 
Samos gelebt hat, aber dasz er aus seiner thrakisehen Heimat die Aeso- 
pischen Fabeln sollte mitgebracht haben, dafür spricht nichts, weder in 
der Tradition noch in den Fabeln selbst Uebrigens scheint mir die 
ganze Notiz auf einer Vermengung der Geschichte des Aesopos mit der- 
jenigen der sagenhaften Thrakerin Rhodopis zu beruhen. Vielleicht war 
auch jener Eugeiton selbst aus Mesembria: wer kann es wissen? 





0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 377 


Jedenfalls hat allem Anschein nach ein ähnlicher Umstand der phry- 
gischen Stadt Kotiaeion zu dem Ruhme verholfen, des Aesopos Vater- 
stadt zu sein. Bei Suidas und bei Konstantinos Porphyrogennetos (de 
them. ] 4) liest man nemlich, dasz nach der Ansicht mehrerer Aesopos 
im Kotiaeion geboren sei: ich bin überzeugt, dasz dies blosz eine von 
gelehrter Eitelkeit eingegebene, übrigens sehr naheliegende Fiction des 
Alezandros Polyhistor war, der selber aus Kotiaeion stammte und ein 
Buch Dovyixa schrieb. *) 

"Es ist also auf diese Specialdata so wenig zu geben wie auf das der 
Biographie des Aesopos, dasz Amorion seine Vaterstadt sei; vielmehr 
müssen wir bedenken, dasz es nicht mehr als natürlich ist, wenn die 
Geburtsstätte eines Menschen von so niedrigem Stande, der nur fern von 
seiner Heimat etlichen Ruhm erlangte, sich nicht mehr genau ermitteln 
läszt. Im allgemeinen aber kann, namentlich wenn man noch die Aeso- 

Fabeln darauf untersucht, kaum ein Zweifel übrig bleiben , dasz 
die fast einstimmige Tradition des Altertums (Grauert S. 64 ff.) mit Fug 
und Hecht den Aesopos als einen Sohn Phrygiens bezeichnet hat. Mit 
dieser Behauptung harmoniert auch der Beiname ὁ Zapdınvog, den Aeso- 
pos im 2n Teil des Babrios führt (Il 1) und den man höchst wahrschein- 
lich auf die alte Sage von seinem Aufenthalt in Sardeis als Lustigmacher 
des Krösos (Alexis in Meinekes Com. Gr. III 386) zu beziehen hat. 


27. 


Wie rein natürlich es ist, dasz der erste Fabulist des Altertums 
gerade dem Sklavenstande angehörte, hat Welcker (S. 243 ff.) sehr gut 
gezeigt, freilich nur in der Absicht zu beweisen, dasz dieser Zug in 
Aesopos angeblichem Leben ein äuszerst natürlich und glücklich erfun- 
dener sel. in dieser Lage stand Aesopos mit denjenigen Volksclassen, 
deren natürliches Product und Eigentum die echte Aesopische Fabel war, 
in nächster Berührung, und was einem freigeborenen adelichen Sänger 
ungemein schwer hätte fallen müssen, Fabeln des Volkes zu sammeln und 
Fabeln für das Volk zu dichten, diese Aufgabe muste für ihn schon durch 
seine äuszere Stellung auszerordentlich erleichtert sein. 

Als Sklav soll Aesopos auf Samos gedient haben, und diese im Alter- 
tum sehr verbreitete Tradition (Welcker S. 242) hat so viel innere Wahr- 
scheinlichkeit für sich, dasz man an ihrer Richtigkeit nicht zweifeln kann. 
Samos war im sechsten Jahrhundert durch Handel und Reichtum vor den 
meisten griechischen Staaten ausgezeichnet (Pauly Realenc. VI 735 f.), 
und bei der Nähe von Phrygien und der Häufigkeit phrygischer Sklaven 
' fn den hellenischen Städten (Strabon VII 467) klingt es sehr glaublich, 
dasz ein phrygischer Sklav Namens Aesopos dort die Jahre seiner Knecht- 
schaft verlebt habe. Und ist nicht unzweifelhaft noch mancher andere 
nichtgriechische Kleinasiat im Altertum nur durch die Vermittlung des 


88) Für diese Vermutung spricht auch der Umstand, dass Suidas 
den Alexendros Polybistor studiert bat, vgl. Suidas u. ᾿Δλέξανδρος ὁ ὁ Μι- 


λήσιος. 


378 Ὁ. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 
. 


Sklavenhändlers in die Lage gekommen, wo er eine literarische Berühmt- 
heit werden konnte? Haben nicht auch, um von dem kürzlich berührten 
Alexandros Polyhistor zu schweigen, der Lyder Alkman, der Karer Phle- 
gon und — der Pascal des Altertums — der Phryger Epiktetes dieselbe 
Schule des Leidens durchgemacht wie Aesopos? Die sociale Kluft zwi- 
schen einem phrygischen Barbaren und einem geborenen Hellenen war 
für die antike Anschauung nicht kleiner, als sie heutzutage zwischen 
einem Neger und einem Kaukasier ist. 

Aesopos Herr auf Samos soll [ἃ ἃ πὶ ὁ ἢ geheiszen haben. Oh es wahr 
ist, oder ob er nur der Besitzer eines Homonymus oder am Ende nur 
der Rhodopis gewesen, will ich nicht entscheiden; jedenfalls aber ist 
(Welcker S. 260) der Name nicht allegorisch zu deuten, wie Grauert 
(S. 61) und Zündel thun. — Ob ferner dieser ladmon den Aesopos aus 
Bewunderung seiner eigentümlichen literarischen Begabung oder aus 
einem andern Grunde wirklich freigelassen hat, wie K. 0. Müller (a. 0.) 
annimmt, wage ich ebenfalls nicht zu behaupten. Immerhin ist der Ge- 
danke gar nicht unwahrscheinlich, dasz der frühere Sklav Aesopos als 
Freigelassener die heimischen Fabeln zusammengestellt und herausge- 
geben habe. 

28. 

Darin nemlich scheint mir die literarische Thätigkeit des Aesopos 
bestanden zu haben, obgleich ihm das Altertum im allgemeinen weniger 
das Sammeln als das Erfinden der Fabeln zugeschrieben hat. Auch von 
schriftlicher Abfassung seiner Fabeln ist erst spät ausdrücklich und klar 
die Rede, bei Scholiasten, Pseudo-Planudes und ähnlichen Gewährs- 
männern®); um so öfter dagegen von allerhand erdichteten. Gelegen- 
heiten, bei welchen Aesopos mündlich eine seiner Fabeln zum besten 
gegeben habe. Indessen scheint doch auch früher die Ansicht, dasz Aeso- 
pos seine Fabeln niedergeschrieben habe, keineswegs unerhört gewesen 
zu sein. Als μύϑων oder λόγων συνϑέτης (Himerios VII 520, vgl. Lo- 
beck zu Phryn. S. 199) gilt er dem Sokrates bei Platon (Phädon 60°), 
und da das Wort συντίϑημε bei Platon besonders gern von Abfassung 
von Schriftwerken gebraucht wird, so kann man wol annehmen, dasz 
die gebildetsten und gelehrlesten "Hellenen der damaligen Zeit davon 
überzeugt waren, Aesopos habe eine Fabelsammlung geschrieben. Apo- 
loge hat es schon vor Aesopos innerhalb und ausserhalb Griechenlands 
gegeben: wäre nicht eine geschriebene Sammlung unter seinem Namen zu 
den Griechen gekommen, so liesze sich der grosze litterarische Ruf des 
Aesopos gar nicht erklären. 

Nur so weniges von den vielen bunten Traditionen über Aesopos - 
erscheint mir als glaubhaft; damit man aber erkenne, was ich an der 
Ueberlieferung und warum ich es verwerfe, will ich die hauptsächlichen 
Fictionen über den Fabulisten kurz durchgehen. 


89) Suidas u. Alommos: ἔγραφε rà ἐν Δελφοῖς αὐτῷ συμβάντα ἐν 
βιβλίοις β΄. Biogr. S. 14 καὶ μετὰ τοῦτο τοὺς οἰκείους ὀνγγραψάιιενος 
μύϑους τοὺς p» ye: xal νῦν φερομένους παρὰ τῷ βασιλεῖ κατέλιπε. 
Ferner heiszt Aesopos bei Späteren bisweilen λογογράφος (Grauert S, 87). 


0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 379 


29. 


Dasz sein Aufenthalt hei Krósos rein mythisch ist, bedarf keines 
Beweises: Welcker, Müller, Wagener, Bernhardy, Grauert, Zündel, kurz 
4116 sind darüber einig. Eben weil die Analogien, nach welchen diese 
Erzählung erfunden und ausgesponnen wurde, so sehr nahe lagen, taucht 
die Combination der Geschichte des Aesopos mit der von Krósos und So- 
Ion schon in so früher Zeit auf. *) Den Griechen scheint diese Partie der 
Aesopossage ganz besonders gefallen zu haben, wie der niedere Fabel- 
dichter sich am Hofe des reichen Krösos beliebt machte, vom König 
(Plut. Solon 28) eingeladen und geehrt wurde, sein Günstling war und 
als Iydischer Gesandter nach Europa reiste. 

In diesem letzten Punkte teilt Aesopos das Schicksal seiner Zeit- 
genossen, der sieben Weisen und des Pythagoras, denen man ebenfalls 
alierlei Reisen andichtete. Bei Aesopos, den man auszer nach Korinth 
und Delphi auch nach Athen und Italien gekommen sein liesz, beruhte 
der Anlasz zu solchen Erfindungen zunächst offenbar in der Gewohnheit, 
selbst fest localisierte Fabeln dem Aesopos in den Mund zu legen: diese 
Erklärung wird bestätigt durch das negative Moment, dasz von einer liby- 
schen Reise des Aesopos nirgends die Rede ist, einfach weil einer solchen 
Fiction der Name des Kybisses mit Entschiedenheit in den Weg trat. 

Die angebliche Sendung des Aesopos von Sardeis nach Delphi soll 
zu seinem groszen Verderben ausgeschlagen sein. Die Griechen haben 
nemlich eine eigentümliche Liebhaberei gehabt, ihre groszen Männer, 
besonders auch litterarisch ausgezeichnete Persónlichkeiten, in der Sage 
einen romantischen Tod sterben zu lassen, aber so dasz in der Regel 
aus der ziemlich durchsichtigen Fiction eine tiefere symbolische Bedeu- 
tung leicht erkannt wird. So verhält es sich mit der Zerschmetterung 
des Aeschylos durch die den Klauen eines Adlers entfallene Schild- 
kröte, so mit vielen anderen sonderbaren Todesarten, welche Sophokles, 
Euripides u. a. erlitten haben sollen (vgl. Welcker im rhein. Mus. VII 
189 f.). Ich will unter Aesopos Zeitgenossen nur des Anakreon und des 
Pythagoras Erwähnung thun, von denen der letztere auf die alleraben- 
teuerlichste Weise (Diog. La. VIII 39. Grauert S. 26) ein Opfer zäher An- 
hänglichkeit an seine Grundsätze geworden sein soll. Ganz analog diesem 
Falle dichtete man von Aesopos, dasz er durch rücksichtsloses Fabel- 
erzählen in Delphi einen schauerlichen Tod sich zugezogen habe. Die 
Blteste Fiction über sein Ende scheint die gewesen zu sein, dasz er, von 
Krösos als Gesandter nach Delphi geschickt, dort das wüste und gottlose 
Treiben sah und sich nicht enthalten konnte, die sittenlose Generation 
durch beiszende Fabeln zu besserer Handlungsweise zu ermahnen. Die 
Delpher aber, erbost über seine freimütigen Reden, stürzten ihn unter 
irgend einem erlogenen Vorwande vom Hinrichtungsfelsen hinunter. So 
fand Aesopos als mutiger Vorkämpfer für Recht und Wahrheit einen 
echten Heldentod. Bei den vielen Neidern und Feinden, welche die Delpher 





90) Vgl. Babrios II 1. Welcker 8. 260 und des Alexis Drama A4i'co- 
weg, w in Sardeis spielte. 


380 0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


immer namentlich unter ihren Nachbarn gehabt haben, und bei ihrer un- 
leugbaren Verworfenheit und Habgier konnte sich ein derartiges Gerücht, 
sobald man einmal an die lydische Gesandtschaft des Aesopos glaubte, 
mit groszer Leichtigkeit bilden und verbreiten. Wenn Aesopos einmal 
als Gesandter des Krösos nach Delphi reiste — und dies schien die natür- 
lichste Gelegenheit, mit welcher seine Fabeln nach Griechenland gekom- 
men sein sollen — so muste er auch diesen sittenlosen Leuten ein paar 
entsprechende Fabeln erzählen: und da man über seine weiteren Lebens- 
schicksale absolut keine Nachrichten besasz, so war er offenbar in Delphi 
verschollen und ohne Zweifel ein Opfer der bekannten Bösartigkeit jenes 
Gesindels geworden. Die näheren Details, in welch hinterlisüger Weise 
die Delpher bei Aesopos Ermordung zu Werke gegangen sein sollen, 
sind entschieden von anderwärts entlehnt (Arist. Pol. V 3, 3. Plut. praec. 
reip. ger. 32. Ael. V. H. XL 5. Welcker S. 232 £.), und an dem Glauben, 
dasz die ganze Erzählung rein fingiert sei, könnte uns nur vielleicht die 
Notiz bei Herodotos II 134 stutzig machen: ἐπεί τε γὰρ πολλάκις κηρυσ- 
σόντων Δελφῶν ἐκ Beomgomlou ὃς βούλοιτο ποινὴν rijg Αἰσώπου ψυ- 
χῆς ἀνελέσϑαι, ἄλλος μὲν οὐδεὶς ἐφάνη, Ἰάδμονος δὲ παιδὸς παῖς 
ἄλλος ἸἸάδμων ἀνείλετο (vgl. Plut. de sera num. vind. S. 556). 

Man kahn sich aber, diese Nachricht unschwer auf die eine oder 
andere Weise zurechtlegen, indem man die Verwechslung mit einem Ho- 
monymus annimmt (Bernhardy griech. Litt. 1 344), oder so dasz man die 
Seuche und die damals verbreitete Sage von der Ermordung des Aesopos 
als Thatsachen stehen läszt: woraus dann ganz natürlich resultiert, dasz 
das Orakel nach gewóhnlichem Brauch als Heilmittel gegen die Seuche die 
Sühnung dieses angeblichen,, jedenfalls noch ungesühnten Frevels gebot. 

Wenn in diesem Punkte die Sage wenigstens die Linie des Mög- 
lichen nicht überschreitet, so hält sie selbst diese Grenze nicht mehr 
ein, wenn sie sogar von einem Wiederaufleben des Fabulisten spricht 
(Suidas u. ἀναβιῶναι. Schol. Arist. We 1251). Diese Ansicht findet sich 
als Volkssage schon beim Komiker Platon erwähnt und scheint eine ana- 
loge Veranlassung wie die fingierten Reisen des Aesopos gehabt zu haben, 
Wie nemlich diese die locale Verschiedenheit der Entstehung der griechi- 
schen Fabeln mit Beibehaltung der Identität des Urhebers erklären: soll- 
ten, so sein Wiederaufleben die verschiedenen Zeiten ihrer Entstehung: 
Sehr treffend vergleicht Welcker (S. 249) die bekannte Sage von der 
Wiederkehr des Hesiodos aus dem Schatlenreiche, die wegen des ver- 
schiedenen Zeitalters Hesiodischer Poesien erfunden worden ist. Eine 
positive. Stütze für diese Erklärung bietet Plutarchos (Solon 6): ταῦτα 
μὲν οὖν Ἕρμιππος ἱστορεῖν φησι Πάταικον, ὃς ἔφασκε τὴν «Αἰσώπου 
ψυχὴν ἔχειν. 

Was endlich die Verflechtung der halbmythischen Rhodopis in die 
Geschichte des Aesopos anlangt, so scheint sie ihren Grund einfach in 
dem Wunsche gehabt zu haben, den berühmtesten samischen Sklaven 
auch mit der berühmtesten samischen Sklavin in möglichst nahe histo- 
rische Beziehung zu setzen (vgl. den Anhang zu Grauerts diss. de Ae- 
sopo). 





Ὁ, Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 381 


V. 
Geschichte der griechischen Fabel vor Babrios. 
30 


Schon aus der Geschäftigkeit, mit welcher die Volkssage alle mög- 
lichen mehr oder minder aus der Luft gegriffenen Geschichten auf den 
Namen Aesopos zusammentrug, erhellt die grosze Popularität des Aeso- 
pos und seiner Fabeln. Und in der That hat die Fabel von ihrem ersten 
Auftreten in Griechenland an entfernt nicht eine so untergeordnete Rolle 
gespielt, wie ihr heutzutage beschieden ist, sondern vielmehr ein sehr 
wichtiges Element der hellenischen Erziehung ausgemacht. Sie diente 
als ein gewöhnliches Unterhaltungsmittel, sobald das Kind über jene 
Stufe hinaus war, wo es den abenteuerlichen Märchen und albernen 
Spukgeschichten der Wärterin blindlings Glauben schenkte (Plat. Rep. 
851), sobald in ihm der Wunsch.nicht mehr blosz schönes, sondern zu- 
gleich wahres zu hören erwachte. Denn eben diesen Uebergang von 
reiner Unterhaltung zur Belehrung zu bilden ist die Fabel ihrer Natur 
mach auszerordentlich geschickt): und man kann den richtigen Takt der 
Athemer nur bewundern, dasz sie für den ersten spielenden Unterricht 
ihrer Kinder die Aesopischen Fabeln gewühlt haben. ") Je niedriger die 
Altersstafe und das Verständnis des Knaben war, um so mehr muste das — 
angenehme Aeuszere, von welchem bei der Fabel der lehrhafte Kern um- 
schlossen ist, ihr den Vorzug vor den trockenen Gnomen geben, welche 
beim sogenannten grammatischen Unterricht den Hauptgegenstand des 
Lernens bildeten. "ἢ 
.. . Man hat schon oft behauptet, das Princip der griechischen Erziehung 
sei ein rein &sthelisches gewesen; allein sie zweckte vielmehr in der 
guten alten Zeit einzig darauf ab, dem Kinde eine edle und vernünftige 
Denk- und Handlungsweise anzubilden. Von diesem Gesichtspunkt aus 
verbannte man die Meliker aus der Schule, wáhrend die Kernsprüche und 
Sittenlehren eines Homeros, Hesiodos, Solon und Theognis jeder an- 
ständige hellenische Knabe sich zu eigen machen muste, und von dem- 
selben Grundsatz aus wählte man die Fabel als passendste Vorübung 
für die ganze ἐγκύκλιος παιδεία, die gewöhnlich mit dem achten oder 
neunten Lebeusjahre begann. **) 

01) Plat. Rep. 377 οὐ nasyOdvtig .. ὅτι πρῶτον τοῖς παιδίοις μύ- 
Hour pe»; τοῦτο δέ που ὡς τὸ ὅλον εἰπεῖν ψεῦδος, ἔνι δὲ καὶ 
ἀληθῆ. 92) Vgl. die Ausleger zu Soph. Ant. 712 und Aristoph. VÀ. 
470.. 93) Lukisnos Anacb. 21 προϊοῦσι δὲ ἤδη σοφῶν ἀνδρὼν γνώ- 
pag xal ἔργα παλαιὰ καὶ λόγους ὠφελίμους i» μέτροις κατακοσμήσαντες, 
ds βάλλον μονεύοιεν, ξαψωδοῦμεν αὐτοῖς. Plat. Prot. 325* παρα- 

v αὐτοῖς ἐπὶ τῶν (dO oov ἀναγιγνώσκειν ποιητῶν ἀγαθῶν ποιή- 

pasa nal ἐκμανθάνειν ἀναγκάζουσιν, d» olg πολλαὶ... νουϑετήσεις ἔνεισι. 

94) Btrabon I 8. 15 Cas. οὗ παλαιοὶ φιλοσοφίαν τινὰ λέγουσι πρώτην 

ποιητικὴν εἰσάγουσαν εἰς τὸν βίον ἡμᾶς ἐκ νέων καὶ διδάσκουσαν 

nal πάθη καὶ zodiac μεθ᾽ ἡδονῆς" ol δ᾽ ἡμέτεροι καὶ μόνον 

«enti» ἔφασαν εἶναι τὸν σοφόν. διὰ τοῦτο καὶ τοὺς παῖδας al τῶν 

y πόλεις πρώτιστα διὰ τῆς ποιητικῆς παιδεύουσιν, οὐ φυχα- 
Barden zig ϑήπουθεν ψιλῆς, ἀλλὰ σωφρονισμοῦ. 


382 0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


Je höher hiernach die praktische Bedeutung der Fabel in Griechen- 
land anzuschlagen ist, um so mehr musz ihr spätes Auftreten als Dicht- 
gattung unsere Verwunderung erregen. Bedenkt man indessen, dasz eben 
nach der Anlage der hellenischen Erziehung das Fabelerzählen gänzlich 
in den Bereich der Pädagogen, also der Sklaven fiel (Plut. de virt. doc. 
S. 439°), so ergibt sich jene auffallende litterargeschichtliche Erscheinung 
gerade als natürliche Consequenz der niedrigen und demütigenden Stel- 
lung, welche der Fabel im griechischen Leben angewiesen war. 


31. 

Diesem Umstande ist es groszenteils Schuld zu geben, dasz erst 
nachdem sogar das travestierte Epos, das moderne Lustspiel und die 
ldylle über die Bühne der hellenischeu Litteratur gegangen waren, end- 
lich auch die Fabel sich als selbständige poetische Form geltend zu 
machen wagte; vorher hatte sie durch ihr sporadisches Vorkommen in 
der Skoliendichtung (Skol. 16) und dureh den misrathenen Versuch des 
Sonderlings Sokrates (Welcker Vorr. zu Theognis S. LI) auch nicht ein 
Minimum selbständiger Geltung in der Poesie erlangt. 

Unselbständig dagegen, als bloszes poetisches Mittel, ward sie schon 
seit Hesiodos vielfach angewendet. Auszer den eigentlichen didaktischen 
Dichtern, wie Hesiodos (W. u. T. 202) und Theognis (602), diente sie 
hauptsächlich den Melikern und lambographen bald als neckische Ver- 
hüllung persönlicher Polemik (Müller griech. Litt. 1255), bald als an- 
mutige Einkleidung allgemeiner Moral- und Klugheitsregeln. 

Bei dem fragmentarischen Zustand, in welchem die Werke der alten 
griechischen Lyriker auf uns gekommen sind, können wir natürlich nieht 
eutscheiden, welche von ihnen die Fabel am meisten cultiviert haben; 
doch scheinen besonders Archilochos und Simonides von Amorgos Apologe 
in ihre Gedichte eingeflochten zu haben. Von Alkman könnte man aus 
Aelianos (Thiergesch. XII 3) und Isidorus (Orig. I 39) folgern, dasz er die 
Fabel gebraucht; es würde dies auch mil dem ganzen Ton seiner Poesie, 
die sich durch feine Naturmalerei auszeichnet”), vortrefflich stimmen ; 
da aber keine mutmaszliche Fabel von ihm auch nur bruchstückweise 
erhalten ist, so wage ich nicht auf zwei so unzuverlässige Zeugnisse hin 
ihn als Fabeldichter zu bezeichnen. 

Seine beiden älteren Zeitgenossen dagegen, die lambographen Archi- 
lochos und Simonides, verdienen als Fabeldichter genannt zu werden. 
Natürlich nicht als ob sie, wie man bisweilen annimmt"). alle die Fabeln, 
welche sie poetisch behandelt, auch dem Stoffe nach selbst geschaffen 
hätten. Vielmehr haben beide wol meistens aus dem in ihrer ionischen 
Heimat reichlich flieszenden Born der volkstümlichen epischen Fabel ge- 
schöpft und was Gemeingut war kunstmászig für ihre Zwecke verarbeitet. 


95) Bernhardy griech. Litt. II' | 8. 578; vgl. besonders Alkınans 
Aufmerksamkeit auf das Thierleben Fr. 53. 6l. 96) Z. B. wirft man 
oft dem Aristophanes ungenauen Ausdruck vor, dasz er eine Fabel des 
Archilochos dem Aesopos zuschreibe, als ob der betreffende Fabelstoff 
Privateigentum des Archilochos gewesen wäre. 


0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 383 


e 
Nennt doch Archilochos eine seiner Fabeln αἶνος ἀνθρώπων, und seine 
Apologe zeigen wirklich ein so populäres Gepräge, dasz sie sicher dem 
Schosze nicht der Kunstdichtung, sondern der Volkspoesie entsprossen 
sind. Unter seinen Fragmenten finden wir noch die Fabeln vom Fuchs 
und Affen, vom Fuchs und Adler und vom Fuchs und Igel (Fr. 117) ); 
mech Bergks richtigem Schlusz aus Aristeides Il 398 (Lyr. Graeci S. 557) 
hat er aber mehr als éine Affenfabel gedichtet, und Fr. 100 und 109 
könnte man vielleicht als Reste einer Krähenfabel ansehen. — Desgleichen 
hat, soviel wir aus den spärlichen Trümmern seiner Poesie abnehmen 
. können, des Archilochos Zeit- und Fachgenosse ,- Simonides der Amorgi- 
mer, seine Iamben gern mit Fabeln gewürzt: so existiert noch unter sei- 
men Bruchstücken die Fabel von einem Fischadler, der im Schlamme des 
Miandros einen Aal gefunden, denselben aber an einen räuberischen Reiher 
verliert (Fr. 8. 9); Fr. 29 scheint aus einer Fabel zu stammen, in welcher 
ein Fischer einen Polypen zu fangen suchte (vgl. Timokreon Fr. 4 S. 941. 
Simonides von Keos Fr. 11). Endlich hat Fr. 11 vom Ei einer mäandri- 
schen Gans höchst wahrscheinlich einst einer Fabel angehört. — Unter 
dem übrigen Melikern haben nachweislich Stesichoros (Arist. Rhet. II 20. 
Ael. Thiergesch. XVII 37), Ibykos (Ael. ebd. VI 51), Pindaros (Pyth. 2, 78 
und sonst), Simonides (Fr. 11) und Timokreon (Fr. 4) dann und wann 
vom Apolog Gebrauch gemacht. 

; Aber auch die Dramatiker trugen kein Bedenken, Aesopische Fabeln 
ia ihre Schöpfungen zu verweben; nicht blosz Sterne zweiter Grösze, 
wie Achäos von Eretria (Wagener a. 0. S. 11), sondern sogar die Kory- 
phien des attischen Kothurns*?) haben bisweilen einen ihrer Weisheits- 
sprüche in diesem populären Gewande vorgeführt. Nur von einer An- 
wendung der bloszen Witzfabeln konnte bei dem erhabenen Stil der 
Tregödie natürlich keine Rede sein. 

. -: Um so mehr behauptete sich dieses Genre dafür auf der komischen 

Bühne"), welche zwar keine Classe von Fabeln verschmähte, an den sy- 
beritischen aber ganz besonderes Wolgefallen gefunden zu haben scheint 
(K. 0, Mäller griech. Litt. 1 258. Koraes Einleitung S. δ΄. εε). 


ZEE 32. 

Gleich den Dichtern benätzten auch bedeutende Prosaiker gar bald 
die Fabel als Zierat für ihre Darstellung. Hatte schon Prodikos in einem 
prossischen Werke, welches den Titel gas führte, die Allegorie *Herakles 
am Scheidewege?’ sehr schön behandelt (Welcker kl. Schr. 11 470), so 
führte vollends der glänzendste attische Prosaist Platon, dessen Vorliebe 
f&# dem Apolog sich auch in seinen Epigrammen ausspricht (Robert a. 0, 





$97) Ueber die zwei ersten vgl. die sehr ausführliche Dissertation 
“ΣΙ, G. Huschke: de fabulis Archilochi (Altenburg 1803). 98) Aeschy- 
Myrm. Fr. 135 N. Soph. Ant. 712. Eur. Alk. 671. 99) Auszer der 

vom Käfer und Adler fn Aristoph. Frieden vgl. die vom Esel und 
Durstschlange bei Apollophanes (Meinekes Com. Gr. II 882), die von 
pw und dem Wiesel bei Strattis und Alexis (Weber ind. Stud. 


nu 


384 0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


. 
8. LIV), durch mehrfaches Beispiel (Wagener S. 12) die Sitte ein, die 
eigentliche Aesopische Fabel als passenden Schmuck der kunstreichen 
Prosa zu verwerthen; und so wurde sie namentlich zu einem der belieb- 
testen Putzgegenstände für die Rhetorik. Daher kommt es dasz Aristo- 
teles und Quintilianus in ihren Lehrbüchern über die Redekunst die Fabel 
einzig und allein als rhetorisches Mittel betrachten, ohne an ihre Be- 
rechtigung, als selbständige poetische Form aufzutreten, auch mur zu 
denken. Wie ausgedehnt allmählich ihre Anwendung auf dem Gebiete 
der Beredsamkeit wurde und wie erpicht das athenische Volk darauf war, 
selbst wenn es sich um die wichtigsten politischen Angelegenheiten ban- 
delte, dennoch aus dem Munde des Redners irgend einen pikantea Apolog 
sich erzählen zu lassen, geht aus den bekannten Anekdoten hervor, wo 
zwei der ausgezeichnetsten attischen Staatsredner, Demosthenes und De- 
mades, diese sonderbare Leidenschaft ihrer Mitbürger dadurch verhóhnt 
haben sollen, dasz sie nur den ersten Teil einer Fabel erzählten. Allein 
trotz allen diesen Oppositionsversuchen scheint die Neigung der Athener 
für die Fabel nicht abgenommen und die Gewohnheit ihrer Einflechtung 
in die Reden um so mehr überhand genommen zu haben, je mehr in der 
Beredsamkeit das künstliche Element das naive überwog, ein Sieg dessen 
natürliches Resultat ein Haschen nach allen erreichbaren Zieraten der Rede 
gewesen ist. 

Daher finden wir auch, dasz in der Blütezeit der Sophistik die Rhe- 
toren sich mit ganz besonderer Sorgfalt der Fabellitteratur zuwandten 
und mehrere der berühmteren, Nikostratos, Aphthonios und Theon, ei- 
gene Fabelsammlungen veranstalteten, nie aus Interesse für die Fabel 
au sich, sondern stets für die Zwecke ihrer Schulen (Koraes Einleitung 
S. xo/ — xà). 

Immerhin ist gerade die rhetorische Benützung des Apologs von der 
grósten Wichtigkeit für die ganze Fabellitteratur geworden: denn nur 
sie ist es eigentlich, der wir die Rettung der Aesopischen Fabeln ver- 
danken, sofern gerade noch vor Thorschlusz, als bereits die alles durch- 
dringende Zersetzung und Auflösung der hellenischen Verhältnisse be- 
gann, ein Meister attischer Rhetorik, Demetrios von Phaleron!®), eine 
allgemeine Aesopische Fabelsammlung herausgab. Sie führte den Titel 
λόγων “ἰσωπείων συναγωγαί (Diog. La. V 80. 81), war rein vom prak- 
tischen rhetorischen Gesichtspunkt aus unternommen und natürlich pro- 
saisch abgefaszt!!), und die Vermutung liegt nahe und ist auch schon 


100) Quint. inst. orat. X 1, 80 ultimus est fere ez ticis qui diet 
possit orator. 101) Bentley bei Furia 8. CXL. Tyrwhitt ebd, 8. CLXXX1. 
Wagener 8. 12—14. Hertzberg 8. 123. — Demetrios war eine durchaus 
nüchterne, prosaische Natur, dabei ein Sammler von Profession, der 
suszer den Fabeln auch Apophthegmen gesammelt hat; von einer metri- 
schen, poetischen Bearbeitung seiner Aesopischen Fabeln hört man nicht 
das mindeste, sie ist auch psychologisch hüchst unwahrscheinlich; dazu 
nehme man ‚noch die ausdrücklichen Wéórte des Babrios im zweiten 
Proömium: ἀλλ᾽ ἐγ νέῃ μούσῃ usw., und man wird alle Lust verliere: 
Landsbergers Ansicht (8. CIII) von der dichterischen Thütigkeit des 
Demetrios nachbeten zu wollen. 











0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 385 


von anderen aufgestellt worden (Koraes S. x', vgl. Bernhardy II* 9 S. 655), 
dasz Babrios, in dessen Fabeln so viele attische Züge jedenfalls die Be- 
nutzung einer attischen Sammlung verrathen, eben die von Demetrios 
ausgeführte als Hauptgrundlage seiner Gedichte gebraucht haben werde. 
Ist diese Hypothese richtig, so leitet sie noch zu der weitern, dasz ein 
Hauptverdienst des Demetrios in einer Vereinigung der bisher getrennten 
altertümlich Aesopischen und libystischen Fabeln bestanden haben mag. 
Hierdurch würde sich auch der Trugschlusz widerlegen, den Wagener, 
weleher um jeden Preis den Aesopos in eine blosze Fiction verwandeln 
möchte, sich erlaubt, wenn er (S. 12) erklärt, die offenbar historische 
Fabelsammlung des Demetrios und die des Aesopos schlieszen einander 
sus, die letztere sei also in das Reich der Phantasie zu verweisen. 


VI. 


Babrios. 


33. 


Durch des Demetrios lobenswerthe Arbeit war ein reicher Schatz 
eigentümlicher poetischer Stoffe gesammelt und harrte nur des Meisters, 
welcher diesen Schatz zu heben verstünde. Es war Babrios, der das 
lautere Gold erkannte, welches die volkstümliche griechische Fabel in 
sich barg, und mit dem natürlichen Geschick eines gehorenen Künstlers 
aus dem bisher so unscheinbaren Stoffe wahre Meisterwerke hervorzu- 
zaubern wuste. Den naiven Ton des Volkes hat er getroffen, wie keiner 
vor und keiner nach ihm, und auch in der Wahl des Versmaszes hat er 
dem glücklichsten Griff gethan. 

Man verkümmere ihm nicht den Ruhm, Erfinder der echten Fabel- 
dichtung zu sein, durch pedantische Einwände. Kallimachos hat freilich 
such an der Fabel sich versucht, er hat, so viel wir wissen, in seine 
choliambischen Gedichte ein paar Apologe eingewoben (Fr. 93. 87), und 
es mag wol sein dasz Babrios die grosze Brauchbarkeit des Choliambos 
für die Fabeldichtung zunächst aus dem Beispiele des Kallimachos abge- 
nommen hat: immerhin sind die Choliamben des Kallimachos nicht iden- 
tisch mit den Mythiamben des Babrios ; überhaupt aber begreife ich nicht, 
wie man aus jenen beiden armseligen Bruchstücken folgern mag, Kalli- 
machos sei ein Fabeldichter gewesen, der neben Babrios auch nur geuannt 
zu werden verdiente. Kallimachos hat die Fabel nicht als selbständiges 
poetisches Genre cultiviert, und wenn Babrios bestimmt erklärt, er sei 
der Erfinder einer ganz neuen Muse, so zwingen uns jene zwei Frag- 
mente am wenigsten dazu, ihn früher als Kallimachos anzusetzen. 


34. 

. Veber die Lebensverhältnisse des Babrios fehlt es uns auszerordent- 
lich sa bestimmten Daten. Ganz sicher weisz man eigentlich blosz , dasz 
Babrios vor dem dritten christlichen Jahrhundert gelebt haben musz, 
sofern damals Dositheus Magister mehrere Babrianische Apologe unver- 


386 0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


Andert in seine Fabelsammlung aufgenommen hat (Lachmann Vorrede 
S. Xl. Bei so mangelhaften Nachrichten darf es uns nicht wundern, 
wenn man sich schon in den allerverschiedenartigsten Vermutungen er- 
schöpft hat. Der eine hält ihn für einen Römer (Dübner, K. F. Hermann), 
der andere für einen Syrer (Sehneidewin, Hertzberg), der dritte für einen 
Juden oder Christen (Hartung S. 13), der vierte für einen europäischen 
Griechen (Bergk); der eine setzt ihn in die Zeit des Augustus (Tyrwhitt), 
ein anderer macht ihn zum Zeitgenossen des Alexander Severus (Boisso- 
nade), ein dritter rückt ihn ins vierte Jahrhundert vor Chr. (Bergk, Wage- 
ner): man wird mir nicht zumuten, dasz ich mich auf diese Conjeeturen 
hier des breitern einlasse, sondern entschuldigen, wenn ich blosz meine 
Ansicht ausführe, die zwar mit Schneidewin und Hertzherg in manchen 
Punkten zusammentrifft, jedoch ganz unabhängig von diesen beiden Ge- 
lehrten entstanden ist. 

Als Vaterland des Babrios wird gegenwärtig mit ziemlicher Allge- 
meinheit S y rien angenommen (Bernhardy 11? 2 S. 653). Lachmann be- 
hauptet (Vorr. S. XII), Babrios habe auf der Grenze von Syrien und 
Kilikien seine Fabeln geschrieben: da er auf Kilikien blosz durch eine 
eigentümliche Hypothese über den im 2n Proómium genannten Kónig 
Alexandros gekommen ist, so war also auch er, abgesehen von dieser 
Hypothese, der Ueberzeugung, dasz Bahrios in Syrien zu Hause gewesen 
sei. Directe Nachrichten über sein Vaterland sind uns lediglich keine er- 
halten. Zunächst wurde man aber auf Syrien geführt durch die im 2n 
Proómium ausgesprochene Behauptung, die Syrer seien die Erfinder der 
Fabel: μῦϑος .. Σύρων παλαιόν ἐστιν εὕρεμ᾽ ἀνθρώπων, dl πρίν ποτ᾽ 
ἦσαν ἐπὶ Νίνου τε καὶ Βήλου. Uebrigens ist diese Angabe nur als eim 
sehr indirecter Beweis für die syrische Heimat unseres Dichters anzu- 
sehen, da man hier unter Σύροι, wie schon aus dem Beisatz erhellt, 
jedenfalls die Assyrier zu versehen hat. Nun kann man sagen, dasz 
Babrios gerade den umfassenderen Namen vorgezogen habe, um seine 
Landsleute nicht von dem Ruhme der Fahelerfindung ganz auszuschlie- 
szen; oder es läszt sich hören, dasz nach dem Zuge des assyrischen 
Handels zu schlieszen, Babrios in Syrien jedenfalls leichter als irgend- 
wo sonst an der asiatischen Westküste assyrische Traditionen erfahren 
konnte; aber mit eigentlicher Sicherheit weist die Notiz für sich allein 
nicht nach Syrien. Indessen verbindet sie sich noch mit mehreren ande- 
ren und macht so eine syrische Heimat des Verfassers doch ziemlich 
glaubhaft. F. 57, 12 ff. gibt Babrios über seine Lebensschicksale eine 
Andeutung: ἐντεῦθεν "Agaßts εἶσιν, ὡς ἐπειράϑην, ψεῦσταί τε wal 
γόητες, ὧν ἐπὶ γλώσσης οὐδὲν κάϑηται ῥῆμα τῆς ἀληϑείης. Hat schon 
diese Babrios eigentümliche Fabel die Araber und ihren lügnerischen 
Charakter zum Vorwurf, so beschäftigt sich unser Dichter noch in einer 
zweiten, ihm ebenfalls eigentümlichen Fabel (18) mit dem Araber und 
seinem Kamel; mit dem Kamel auszerdem in F. 40 und 80 und Il 77. — 
Als Inbegriff des Kostbaren auf der Welt gelten ilm die Schätze des 
erythräischen Meeres. Denn auf „die Frage des Adlers (F. 115): πόσον, 
χέλυμνα, μισϑὸν αἰετῷ δώσεις, ὕστις σ᾽ ἐλαφρὴν καὶ μετάρσιον θήσω 





O. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 387 


antwortet die vor Sehnsucht nach der Luftfahrt brennende Schildkröte: 
τὰ τῆς ἐρυθϑρῆς πάντα δῶρα σοι δώσω, und der Adler sagt: τοιγὰρ 
διδάξω. Die nächste Strasze aber zu den Brennpunkten des antiken Han- 
dels gieng für die Schätze des erythräischen Meers, seine Perlen, kost- 
baren Steine, Muscheln usw. '*) über Syrien und die anstoszenden Wüsten. 
— Für die trefflichsten Feigen gelten Babrios die von der rhodischen 
Stadt Kameiros. Denn in F. 108, wo er V. 2 ausdrücklich von der Stadt- 
maus im Gegensatz zur ärmlichen Landmaus sagt: ὁ δ᾽ ἐν ταμείοις 
«ελουσίοισι φωλεύων, und wo er den Reichtum an Vorräthen (V. 16 ff.) 
ins breite ausmalt, heiszt es V. 25: spevev ἔμελλεν ἰσχάδος Καμει- 
ραέης. Dieser ganz locale Zug — allen anderen Bearbeitungen der Fabel 
fehlt er — stimmt sehr gut mit einem Aufenthalt des Dichters in Syrien: 
denn gewis hat Rhodos seine berühmten Feigen (Plin. N. H. XIII 8, 16. 
XV 16, 18. Athen. ΠῚ 75. 80) in dieses Land ausgeführt. Desgleichen 
passen die V. 18 erwähnten Dattelhaufen vortrefflich nach Syrien (vgl. 
golvszss Συριακοί iu Galenos ἀντεμβαλλόμενα XIII 966. 979. Theophr. 
hist. plant. Il 6, 2. 7. de causis plant. ll 3, 7. Melanippides Fr. 1 S. 980 
Bergk. Plin. N. H. XIII 4, 38. Isid. orig. XVII 7. Hesych. u. σούκλαι). 
Auch die landschaftlichen Bilder, gleichsam die Coulissen und Hinter- 
gründe der Babrianischen Fabeln, passen sehr wol auf ein Land, wo 
weite Sandwüsten mit kräuterreichen Matten, üppige Küstenstriche mit 
ewig beschneilen Alpen, wilde Bergwälder mit freundlichen Rebgärten 
und Sestfeldern abwechselten. Syrien war das Land, wo auf den ein- 
samen Gebirgen der Panther die Wildziege (B. 102, 8. Plin. N. H. VIII 
17, 49), der Löwe den Onager und den Büffel (Plin. VIII 54, 70. B. 57. 97) 
jegte; ja wohin sich bisweilen '?) vom tiefern Morgenlande her ein Tiger 
verirrte, um Thiere und Menschen mit Entsetzen zu erfüllen. Auf Syrien 
passt auch das Epitheton des Fuchses: ἀμπέλων ze xal κήπων ἐχϑρά 
F. 11 in besonderem Grade, wie man aus dem Hohenlied 2, 15 ersehen 
kamm. Usd auch die Geschichte von dem Manne, der zur Erntezeit einem 
Fuchs einen Feuerbrand an den Schweif bindet, führt unwillkürlich unsere 
Gedanken in jenen Landstrich, wo die Sagen von Simsons Abenteuern 
verbreitet waren (Richter 15, 4. 5. Landsberger S. XCH). Die ganze Thier- 
welt, wie sie unser Dicbter auf die Bühne seiner Fabeln bringt, kann 
mam im Syrien wiederfinden. Hätte er etwa im westlichen Kleinasien 
gelebt, so würde uns der Boden für den Tiger wie für den Araber und 
sein Kamel fehlen. Wäre sein Aufenthalt Aegypten gewesen, so hätte 





102) Lucanus X 139 f.: plena maris rubri spoliis collogue comisque | 
Cleopatra gerit cultuque laborat. VI 677 f.: ínnataque rubris | ae- 

custos pretiosae vipera conchae. "VIII 853 f.: rubri siagna pro- 

| aus Arabum porius mercis mutator eoae. 103) Das Prüdicat τὸ πᾶν 
donsain (B. 95, 19) ist für das insularische Vorkommen des Tigers in 
den Grenzdistricten seiner Verbreitung zu bezeichnend, als dasz man 
Zieht darans auf eine wirkliche Bekanntschaft des Babrios mit diesem 
scblieszen müste: wahrscheinlich hat man an den in der unmit- 
telbaren Nachbarschaft (Diod. Sic. II 50) Syriens gemeinen babyloni- 
schen su denken: vgl. meinen Artikel über den Tiger im Altertum 
im *Ausland’ 1800 Nr. 44. x 


Jahrb. f. class. Philol. Suppl. Bd. 1V. Hft.3. 25 


388 0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


er uns sicherlich das Krokodil, das Nilpferd, den Ibis und andere merk- 
würdige Arten der dortigen Fauna vorgeführt. Noch weniger kann man 
von diesem Gesichtspunkt aus an einen europäischen Wohnsitz des Dich- 
ters denken. 

Vebrigens fühle ich mich zu der Annahme hingezogen, dasz Babrios 
vor der Herausgabe seiner Gedichte einen temporären Aufenthalt in der 
Metropole der damaligen Bildung, in Athen, genommen hat. War er, wie 
wir im folgenden wahrscheinlich finden werden, ein Mann von solcher 
Bildung, dasz ihn ein König zum Erzieher seines Sohnes erwählte, so 
darf man wol annehmen, dasz er sich dieselbe entweder in Alexandrien 
oder in Athen geholt habe. Nun gedenkt aber Babrios Alexandriens mit 
keiner Silbe; auf Athen dagegen weist er trotz seiner sonstigen Kargheit 
mit localen Andeutungen oftmals hin. Zwar mögen die in seinen Apo- 
logen zerstreuten attischen Züge wol zum grósten Teil auf Rechnung 
der prosaischen Grundlage seiner Gedichte kommen, und dasz er diese 
Fabelsammlung persönlich aus Athen geholt habe, bleibt zum mindesten 
blosze Vermutung ; da aber auch seine Diction mit ihren vielen specifischen 
Atticismen auf einen dem reinen Atlisch nicht fremden Mann schlieszen 
läszt, so wird man obige Hypothese nicht eben wegen allzu groszer 
Kühnheit verurteilen. 3 

5. 


Schwieriger als die Heimat ist die Zeit des Dichters zu erforschen. 
Zwar hat Babrios im zweiten Proömium "angegeben, dasz er bei Abfas- 
sung seiner Fabeln zunächst die Belehrung und Unterhaltung des Sohnes 
eines Königs Alexandros i im Auge gehabt, und er nennt diesen Prinzen 
mehrfach Branchos: d Bgayze τέκνον, ὦ παῖ βασιλέως ᾿Αλεξάνδρου. 
Da aber von diesem Branchos sonst. lediglich keine Spur erhalten ist, so 
hat Bernhardy Recht, wenn er (ll* 2 S. 655) jede vom König Alexandros 
ausgehende Combination für unsicher erklärt. Die Wahrheit dieses Aus- 
spruchs wird durch die Resultate solcher Combinationen augenfällig. 
Während nemlich Lachmann von diesem Ausgangspunkt aus auf einen 
König Alexandros von Issias aus dem Stamme des Herodes räth (S. XII), 
wonach Babrios nach dem Jahr 73 unserer Zeitrechnung geschrieben 
habe, sieht Boissonade in jenem König den Kaiser Alexander Severus, 
Bergk dagegen kommt von hier aus auf die Jahre 250 und 241 vor Chr. 
als die Zeit der Herausgabe unserer Fabelsammlung. 

Mein Ausgangspunkt war die eigentümliche Ausführung, welche 
Babrios der 85n Fabel gegeben hat. Dieselbe hat den Krieg der Hunde 
und Wölfe zum Vorwurf. Während die Wölfe einig sind, herscht im 
Lager der Hunde die gröste Vielköpfigkeit. Da sind Kreter und Molosser, 
Akarnaner, Kyprier, Thraker usw. Diese aus allen Gegenden der grie- 
chischen Welt zusammengewürfelten Truppen wählen sich zum gemein- 
schaftlichen Oberfeldherrn einen achäischen Hund: κύων δ᾽ ᾿Αχαιὸς 
ἠρέϑη κυνῶν δήμου στρατηγὸς εἶναι. Es ist gewis kein Zufall, dasz 
sich die Hunde zu ihrem Bundesgeneral einen Achäer erkiesen. Denn 
weit entfernt dasz die achäischen Hunde für die besten in Griechenland 
gegolten hätten, weisz kein anderer Schriftsteller etwas von ihrer Trelf- 


O. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 389 


lichkeit? ; und dasz sie den molossischen, kretischen oder lakedämoni- 
schen weder an Ruhm noch an Werth die Wage halten konnten, darf man 
mit gröster Sicherheit ex silentio schlieszen. Wäre die reine Objectivität 
für Babrios das leitende Princip gewesen, so hätte er unmöglich die Lako- 
nerhunde übergehen können, sondern im Gegenteil einen Lakoner oder Mo- 
losser zum Anführer erwählen lassen müssen. Dasz er aber angibt, einem 
Achler sel das Obercommando über die verbündete Armee übertragen 
worden, das scheint mir anzudeuten, dasz Babrios hier eine politische 
Anspielung auf den achäischen Bund niedergelegt hat. Eines der ergrei- 
fendsten Trauerspiele, welches die Weltgeschichte den Menschen vorge- 
führt hat, war das Schicksal des achäischen Bundes. Die Sonne von Hellas 
gieng unter und warf im Scheiden ein paar blutigrothe, aber auch wun- 
derschöne Streiflichter über die Erde. Helden wie Aratos und Philopömen, 
die ihr Leben der Erkämpfung eines so edlen patriotischen Zieles opfer- 
ten, müssen, so weit die griechische Zunge herschte, die innigste Teil- 
nahme bei allen Braven im Volke gefunden haben, während dagegen die 
Lakedämonier mit ihrer kleinlichen, engherzigen, von blinder Eifersucht 
geleiteten Politik nirgends werden Sympathien besessen haben. Darum 

igt Babrios von den ausgezeichneten lakonischen Hunden und läszt 
einen Achäer zum Bundesgeneral erwäblen. Musz nicht notwendig, falls 
Babrios in jener erschütternden Zeit gelebt, falls er sich vielleicht sogar 
eben damals in Hellas aufgehalten hat, bei der Schilderung der unseligen 
Zerrissenheit der verbündeten Hundestämme ihren einigen Feinden gegen- 
über, im Geiste des Dichters sich die Parallele mit dem Schicksal des 
watergehenden Hellas von selbst gezogen haben? Jedenfalls aber kann 
men es im allgemeinen gar nicht unwahrscheinlich finden, dasz bei Babrios 
bie und da politische Anspielungen durchschimmern: steht er doch in so 
mahem Verhältnis zur neuern Komödie, welcher gerade dieses Moment 
nieht abgesprochen werden kann. Wir haben somit als wahrscheinliches 
Resultat gewonnen, dasz Babrios den Todeskampf der hellenischen Frei- 
heit, die Zeit des achäischen Bundes, erlebt hat. 

Da nun einerseits die Sprache eher auf das zweite als auf das dritte 
Jehrhundert vor Chr. hinweist, anderseits auch die meisten Autoritäten 
auf dem Gebiete der Litteraturgeschichte den Babrios in die Zeit nach 


104) Wir hören von kretischen, molossischen, lakonischen, meli- 
tischen, thrakischen, kyprischen, ätolischen, arkadischen, argolischen, 
lokrischen , eretrischen Hunden, ferner von indischen und gallischen, 
pannonischen, siciliachen, umbrischen, tyrrenischen, britischen, karischen, 
medischen, ischen, hyrkanischen, serischen und libyschen: von einer 
achiisshen e weiss niemand etwas, ebensowenig von akarnanischen 
oder dolopischen Hunden. Es liegt deswegen die Vermutung sehr nahe, 
dass Babrios nicht blosz bei der Nennung der Achüer eine politische 

bezweckte, sondern auch bei der der Doloper und Akarna- 
ner, 6 beide Völkerschaften sich auch in der That während der 
Bömerkriege im zweiten Jahrhundert vor Chr. hervorgethan haben (Liv. 
XXEVIII 3. Polybios V 5 ff.): den Uebergang mochten für Babrios viel. 
lejeht die Kreter gebildet haben, deren Bogenschützen damals wol bei 
weitem mehr in Griechenland von sich reden machten als ihre Jagdhunde 
(vgl. Liv. XXXV 20 ff. und sonst). 


25* 


390 0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


dem achäischen Bund rücken: so haben wir uns nach einem König Alexan- 
dros umzusehen, der gegen Ausgang des achäischen Bundes in Syrien re- 
gierle. Dieser König ist Alexandros I Balas, der sich von 150— 147 auf 
dem Thron der Seleukiden behauptete. Nach dreijähriger Regierung ward 
der sittenlose Usurpator von einem Sohne seines Vorgängers, von Deme- 
trios Nikator, entthront und muste zu einem arabischen Häuptling fliehen. 
Nehmen wir an, Babrios habe als Pädagog des damals höchstens dreijäh- 
rigen Branchos — denn erst auf dem Throne hatte sich Balas mit der 
ägyptischen Prinzessin Kleopatra vermàhlt!?) — an der Flucht des um- 
glücklichen Kónigs und seiner Familie teilgenommen, so war er auch 
Zeuge der treulosen Ermordung seines Herrn am Hofe jenes barbarischen 
Emirs (1 Macc. 11, 16. 17. Diod. XXXII 1. Iosephos jüd. Alt. Xll 8) und 
entgieng vielleicht selbst nur mit groszer Lebensgefahr samt seinem Zög- 
ling ähnlichen Nachstellungen. Dies wirft ein neues Licht auf den Hasz 
und die Verachtung, die Babrios F. 57 gegen die Araber ausspricht. Kein 
einziges seiner Erlebnisse hat er uns mitgeteilt als die traurigen Erfah- 
rungen, die er mit der Lügenhaftigkeit und Treulosigkeit dieser Leute 
gemacht habe, dw ἐπὶ γλώσσης οὐδὲν κάϑηται δῆμα τῆς ἀληϑείης. 
Gewis müssen diese Erfahrungen von tiefem Einflusz auf sein Leben ge- 
wesen sein, dasz er gerade sie allein uns erzählt und zum Zielpmmkt 
eines seiner Apologe gemacht hat. 

War somit vielleicht das verwaiste Königskind von frühen Jahren 
an fast einzig Babrios Fürsorge anvertraut, so erklärt sich die Freimütig- 
keit und Zärtlichkeit, mit welcher der aus dem Volke stammende Dichter 
den Prinzen anredet, fast als spräche er zu seinem leiblichen Sohne 
(F. 73. 18. 72 und im 2n Proómium). Auch steht es in bemerkenswer- 
them Einklang mit unserer Hypothese, dasz der Name dieses Königs- 
sohnes so spurlos aus den Tafeln der Geschichte verschwunden ist, sowie 
dasz Babrios dem Prinzen nie solche Pflichten einschärft, die auf eine 
künftige Regententhätigkeit desselben hinweisen würden; und eben weil 
dieser Branchos, für den Babrios zunächst geschrieben hat, nur der Sohn 
eines enttlironten Herschers, also aus der Hofwelt herab in die Sphäre 
des Volkes gerückt war, deswegen konnte auch Babrios seinen Fabeln 
ein so echt volkstümliches Gepräge verleihen. Der Unterschied, ob eine 
Fabelsammlung an einen Regenten oder an eine nicht zum Regieren be- 
stimmte Person gerichtet ist, springt in die Augen, wenn man unsere ja 
auch auf morgenländischem Boden entsprossene Fabelsammlung mit einer 
echt orientalischen vergleicht, z. B. mit Kalila und Dimna. Hier macht 
sich überall die Moral für den Herscher breit, bei Babrivs finden wir 
keine Spur davon. Und doch ist Babrios weit entfernt von demokrati- 
schen Grundsätzen und Tendenzen. F. 40, 5 f. sagt er, „dasz es schlimm 
stehe mit einem Staat, wo das Proletariat dominiere: ἧς ἔσχατοι κρα- 
τοῦσιν ἀντὶ τῶν πρώτων. Ueberhaupt kann Babrios nicht als ein Freund 
des niedern Volkes angesehen werden: wenigstens zeitweise haszte er 

105) Vorausgesetzt natürlich, dasz Branchos ein echter Sohn des 


Alexandros war, und nicht, wie Hertzberg. vielleicht mit Recht vermutet 
(8. 183), ein Anechter. 





O. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 391 


das Getreibe der groszen Welt. Fernab von der Menge suchte und fand 
er in litterarischer Beschäftigung einen Trost für die Wunden die ihm 
ein feindliches Geschick geschlagen hatte. Daher singt er F. 12, 25 f.: 
παραμυϑία τίς ἔστε τῆς κακῆς μοίρης λόγος σοφὸς καὶ μοῦσα καὶ 
φυγὴ πλήθους. 

Wahrscheinlich in ländlicher Zurückgezogenheit lauschte der Dichter 
den Eingebungen seiner Muse, die nirgends die Frische der freien Natur 

und zwischen Künstlichkeit und Rohheit die goldene Mittel- 
strasze einzuhalten weisz; den Rahmen des wirklichen Volkslebens hat 
Babrios als echter Fabeldichter in seinen Bildern und Anschauungen nicht 
übersehritten: wir haben in seinen Fabeln einen Hohlspiegel seiner Zeit, 
in welchem sie ihre Schwächen und Thorheiten karikiert und lächerlich 
gemacht erblickte. Es ist also ein sicherer Prüfstein für die Móglichkeit 
obiger Hypothese, ob der Geist, die Sitten und Gewohnheiten der bei 
Babrios geschilderten Generation auch wirklich auf den Schlusz des zwei- 
tem Jahrhunderts vor Chr. passen. 

Und in der That wird niemand in Abrede stellen, dasz die Babriani- 
schen Apologe, wiedie späten attischen Komödien, eine Zeit der Fäulnis und 
des baldigen Verderbens der hellenischen Welt verratlien. Babrios selbst 
zwar steht, durch philosophische Studien gehoben (avv relßavı, wie es 
ia dem zweifelhaften Epimythion zu F. 65 heiszt), über dem heillosen 
Wesen und Treiben seiner Zeit; aber er zeichnet und verdammt ihre 
Sohlechtigkeit: εἰ δ᾽ ἔστιν εἰπεῖν, sagt er F. 127, xol κλύειν Beßov- 
λησαι, ὁ νῦν πονηρὸς βίοτός ἐστιν ἀνθρώπων, und F. 33 läszt er die 
von dem Bauer und seinem Sohne , betrogenen Dohilen einander zurufen : 
φεύγετ᾽ ἀνθρώπων γένος πονηρόν, ἄλλα μὲν πρὸς ἀλλήλους λαλεῖν 

ὧν, ἄλλα δ᾽ ἔργα ποιούντων. Sehr bezeichnend ist auch, im 
Falle ihrer Authenticitàt, die Babrios eigentümliche Fabel II 31, wo die 
Wahrheit, um nicht geradezu Hungers zu sterben, sich ganz still unter 
den Lügenschwarm zu mischen genötigt ist. 

- Alle móglichen Laster und Thorheiten bilden die Triebfedern des 
Räderwerks in den Babrianischen Apologen: unter den ersteren stechen 
Heuchelei, Treulosigkeit, Grausamkeit, Habgier, Völlerei, Sittenlosigkeit 
der Weiber hervor ; unter den Thorheiten Vorwitz und Leichtgläubigkeit, 
Eitelkeit und Charlatanerie. Auf religiósem Gebiet stehen Frivolität und 
Unglaube der Gebildeten dem crassen Aberglauben und der fanatischen 
Götzenverehrung des groszen Haufens gegenüber. Während das Landvolk 
im den Opferfesten nur Gelegenheiten zur Uebersättigung seines unmäszi- 
gen Appetits sieht (F. 34), blickt der gebildete Städter höhnisch auf den 
einfältigen Aberglauben der Bauern (F. 2), die nicht einmal zwischen dein 
Gott usd seiner Bildseule eine Unterscheidung machen (30. 119). Er 
selbst hat seinen Olympos mit wesenlosen Allegorien, wie Nemesis, 
Pethos, Elpis, Tyche, den modern verwandelten Musen, bevölkert; die 
altem Götter braucht er nur noch als Theaterfiguren, wenn es darauf 
ankommt die Lachmuskeln zu kitzeln. Zeus ist so kurzsichtig und ein- 
fältig, dasz er sich von einer Athenerin belehren lassen musz, Hermes 
eim durchtriebener Gauner, der mit einem ganzen Wagen voll Lügen 


392 0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


durch die Welt fáhrt, um die Menschheit damit zu beglücken, die Heroen 
insgesamt sind so misgünstig und schadenfroh, dasz sie Jen Menschen 
blosz Schaden zuzufügen bemüht sind. Selbst die Unterwelt, wohin 
Hermes auszer den Menschenseelen auch Esel und allerlei anderes Vieh 
treibt, hat ihre Schrecken verloren: durch die Länge der Zeit hat die 
Lethe ihre betäubende Kraft eingebüszt; zwar trinkt man noch aus ihr, 
aber ohne Nachteil (F. 75). Ich frage, ob sich hier nicht der Geist einer 
Zeit spiegelt, in der Stücke wie der Plautinische Amphitruo Glück machen 
konnten? 

Einen merkwürdigen Zug der damaligen religiósen Entwicklung ler- 
nen wir aus der Babrios ganz eigentümlichen Fabel εὐνοῦχος καὶ θύτης 
(53) kennen, einen Zug der beim ersten Anblick auf eine spátere Zeit zu 
führen scheint. Denn die ϑύται kommen erst bei späteren Schriftstellern 
vor (Appianos Hisp. 85 μάντεις καὶ ϑύτας und Herodianos IV 13 μάγους 
καὶ ἀστρονόμους τε xal ϑύτας). Dasz übrigens das Wort schon damals 
vorhanden war, wird man aus dem Compositum συνθύτης bei Apollo- 
doros (II 7, 2, 4) schlieszen dürfen. Die Sache aber war zu jener Zeit, 
wenn auch nicht im Abendland, so doch in Syrien vorhanden. Den all- 
gemeinen Hang zur Magie und Mantik hat Movers für die syrischen und 
punischen Volksstämme genügend nachgewiesen; und dasz er gerade in 
jener Zeit besonders sich geltend gemacht hat, zeigt ein Blick in die 
Septuaginta, wo die Spuren davon nur zu häufig sind (Jes. 13, 21. 84, 
14. 65, 11 usw.). 

Noch möchte ich zwei Momente aus Babrios hervorheben , die eben- 
falls, so unbedeutend sie zunächst erscheinen, doch mit ziemlicher Be- 
stimmtheit auf die oben angenommene Periode hinweisen. Das erste ist 
das an Moliére erinnernde Hohngelächter des Babrios über die schlechten 
Aerzte seiner Zeit. Nicht nur die Charlatane von Profession werden an 
den Pranger gestellt (in der Fabel 120 vom βάτραχος darpog), sondern 
die eigentlicheu Aerzte selbst werden wegen ihrer ἀτεχνία bitter ver- 
spottet (F. 75). Es scheint dies bei der Hóhe, welche die theoretische 
Medicin in der alexandrinischen Periode erklomm (Bernhardy I* S. 471), 
kaum begreiflich; allein dasz in der Praxis gar manche Curen vorkamen, 
welche dem Credit der damaligen Aerzte Eintrag thaten, zeigen Frag- 
mente aus der neuen attischen Komódie (z. B. Men. Monost. 699) und 
namentlich die Menächmen des Plautus. 

Ein zweiter hinsichtlich der Zeitbestimmung des Babrios noch be- 
merkenswerther Umstand ist, dasz unter den bei ihm auftretenden Haus- 
thieren, Kamel, Pferd, Esel, Hühnern usw., auch die Katze erscheint. 
Babrios ist der erste Schriftsteller, der ihrer als eines auch auszerhalb 
Aegvplens verbreiteten Hausthiers gedenkt. Früher hatten die Griechen 
nur das Wiesel (γαλῆ) zum Wegfangen von Mäusen, Eidechsen , Schlangen 
u. dgl. als Hausthier gehalten; bei Babrios ist die Katze (αἴλουρος) eben 
im Begriff, neben dem Wiesel in den Dienst des Menschen einzutreten: 
noch ist sie halbwild und für das Federvieh sehr gefährlich (F. 17. 1421). 
Dasz eben zu jener Zeit, um die es sich jetzt handelt, die Verbreitung 
der Hauskatze über Syrien erfolgt ist, wird man teils wegen der Hóhe 


O. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 303 


der Civilisation des damaligen Syriens, teils wegen der vielfachen nahen 
Beziehungen des Seleukidenreiches zu dem der Ptolemäer mit Sicherheit 
annehmen dürfen: denn dasz von Aegypten die Domesticierung unserer 
Hauskatze ausgegangen ist, kann als ausgemacht angesehen werden (Wag- 
mer zu Schrebers Säugethieren Suppl. II S. 536); von hier aus aber musz 
ganz natürlich die Verbreitung dieses nützlichen Thieres den Weg über 
Syrien eingeschlagen haben, und zwar zur Zeit der Seleukiden. 


36. 

80 sind wir denn durch den Inhalt und die materielle Ausführung 
der Babrianischen Fabeln nicht von der anfangs aufgestellten Zeit abge- 
führt worden; die zweite grosze Hauptfrage hinsichtlich der Zeit des 
Babrios dreht sich um die formelle Ausführung seiner Fabeln. 

Dasz seine Sprache auf die von Polybios und dem neuen Testament 
wmgrenzte Periode hinweise, springt beim ersten Anblick in die Augen. 
An Polybios mahnt schon die constante Vermeidung des Hiatus (vgl. 
Heitsch im Philologus XIV 310 ff.) durch Umstellungen, Elisionen und 
Krasen: ein Moment das bei den attischen Komikern nicht gerade her- 
vortritt (vgl. z. B. Hegesippos bei Meineke Com. Gr. IV 480). Ueberhaupt 
fübrt die Grammatik des Babrios nicht von jener Zeit weg, die wir als 
die seinige angenommen haben. Was seine Syntax betrifft, so ist die- 
selbe von der Art, dasz sich fast alle seltsameren Fälle ohne Ausnahme 
durch Beispiele aus gleichzeitigen Dichtern und Prosaikern belegen lassen 
(vgl. Beruhardy Syntax S. 166. 254): nur stószt man hie und da auch auf 
syntaktische Eigentümlichkeiten der Volkssprache, wohin ich unter an- 
derem μή .. N; statt πότερον. . ἤ 50, 8 zählen möchte. Als Aramais- 
mus ist vielleicht die Wendung εἰς ἃ ἄντρον εἰσήλαυνε τῶν ἀοικήτων 45, 9 
aufzufassen. 

ich kann mir nicht versagen hier in aller Kürze einige Hauptpunkte 
der Babrianischen Satzfügung anzuführen, bitte aber die Unvollständig- 
keit dieses Abrisses mit dem Mangel einschlägiger Vorarbeiten entschul- 
digen zu wollen. Wie überhaupt die Syntax der hellenistischen Autoren, 
so verräth auch die des Babrios sehr deutlich jene Zeit, wo die griechische 
Sprache über den Culminationspunkt ihrer Entwicklung hinausgeschritten 
wed im Verfall begriffen war. Auf der einen Seite sehen wir einst lebens- 
kräftig grünende Zweige der griechischen Sprache allmählich absterben ; 
auf der andern bemerken wir immer unverständigeren Wucher mit den 
übriggebliebenen Schätzen der Sprache. Der Dualis z. B. existiert für 
Babrios so gut wie nicht: vgl. 30 u. 5. Apollod. I 9, 8. Ezechiel V. 186 
(Ezechiel und Philo des ältern Jerusalem, herausg. und comm. von Phi- 
lippson, Berlin 1830). — Den Genetiv gebraucht Babrios in sehr freier 
Weise zur Bezeichnung des woher? bei einfachen Verben: 82, 3 ἔϑορε 
φωλάδος κοίλης. 95, 70. 99. 57. 42. 119, 5; vgl. Antip. Sid. 94, 2. Ap. 
Rh. IV 598 πέσεν ἄρματος. Ganz ähnlich gebraucht er den Dativ zur Be- 
zeichnung des wo? woran? 109, 2 ὑγρῇ re πέτρῃ πλάγια κῶλα μὴ 
σύρειν, vgl. Ap. Rh. 11 827. 1175. III 44. — Besouders merkwürdig aber 
ist der ganz ausgedehnte Gebrauch des adverbialen Accusativs bei Babrios: 


394 0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. ᾿ 


50, 14 σεσηρὸς αἰκάλλουσα. 103, 5 φωνὴν βαρεῖαν προσποιητὰ λεπτύ- 
vov. 106, 17 προσποιητὰ σιγῶσα. 75, 7. 103, 4. 108, 5. 94, 6. 109, 1. 
9,9. 1I, IO usw. Das gleiche findet sich auch bei Apollonios, Pseudo- 
phokylides, Antipatros von Sidon, Nikandros und namentlich bei Meleagros 
(Anth. epigr. S. 132 Nr. 12. S. 134 Nr. 14). — Der an das Latein erinnernde 
Gebrauch des Relativs statt des Demonstrativs zur Anknüpfung (Pro. 1, 
17. 105, 2) scheint in den ersten Jahrhunderten des Hellenismus gar nicht 
selten gewesen zu sein, vgl. Demonax Fr. 1. Apollod. I 2, 1. 16,3, 
8. 12. — Was die Genera verbi anlangt, so ist bei Babrios auffallend 
der constante Gebrauch des Aor. | Pass. von ἔστημε in der neutralen 
Bedeutung, z. B. 103. 105 u. o. Hierin trifft er vollkommen mit seinem 
Zeit - und Stammgenossen Ezechiel zusammen (Ez. 73. 212). — Den 
Conjunctiv ohne ἄν verwendet Babrios mehrmals in Relativ- und Con- 
junctionalsátzen : 86, 8—10 ἀνάμεινον ; ἄχρι πεινήσῃς" οὐδ᾽ ἐξελεύσῃ 
πρότερον, ἄχρι τοιαύτην τὴν γαστέρα σχῇς 9 ἡλίκην € Or eloysıs. 126, 
2 f. ἐπράϑη, ὅστις φέρῃ. 93, 1—14 λύκων παρῆσαν ἄγγελοι. . ὕρκους 
φέροντες. . ἐφ᾽ ᾧ λάβωσι τοὺς κύνας πρὸς aixinv , δι᾽ oc μάχονται 
καὶ κοτοῦσιν ἀλλήλοις: vgl. Nikolaos Dam. S. 55 ἄχρε λούσηταε. Ap. 
Rh. 1 1247. 11278. Ps. Phokyl. 17 f. 165 f. Apollod. 1l|6,8,6. 14, 1 
γενέσϑαι παῖδα ἐκ τῆς ϑυγατρός, ὃς αὐτὸν ἀποκτείνῃ. Nik. Ther. 138. 
140. — Dasz Babrios im imperativischen Gebrauch des Infinitivs 109, 1. 2 
mit Pseudophokylides harmoniert (V. 3. 4. 5 ff.), ist ebenfalls beachtens- 
werth (Krüger griech. Sprachl. $ 55, 1, 5). — Die unattische Construction 
von g9«vo mit Inf. Aor. statt Part. teilt B. 172, 2 mit Nikolaos von Da- 
maskos (S. 81 συνελϑεῖν δ᾽ ovx ἔφϑασαν) ; vgl. auch Ezech. 107 πάρειμε 
σῶσαι. ---- Auch in der Verwendung des bloszen Infinitivs nach Adjectiven 
und Substantiven zur Bezeichnung des Zwecks, Inhalts oder Bereichs geht 
P. ziemlich frei zu Werke: 69, 2. 102, 5—7 τῶν ἀγρίων ἀγυρμὸς ἐγε- 
γόνει δύων δίκας τε δοῦναι καὶ λαβεῖν παρ᾽ ἀλλήλων. Vgl. Nikolaos 
Dam. S. 86 ἀγώνισμα πρύκειται λέγειν καὶ γράφειν. ---- Durch den eigen- 
tümlichen Gebrauch der Tempora verráth B. ebenfalls sein Zeitalter. Perfect 
und Plusquamperfect finden sich unzähligemal als rein erzählende Tem- 
pora bei ihm verwendet. Das gleiche treffen wir bei dem unter Ptolemáos 
Philadelphos gestorbenen Kinädographen Sotades (Bernhardy Synt. S. 379), 
bei Nikolaos Dam. (S. 88. 91. 93. 95. 96. 100) u. a. — Selbst das Imper- 
fect steht als rein erzählendes Tempus nicht blosz bei allerlei Verbis 
dicendi, sondern auch bei ἄγω. Die gleiche Erscheinung bieten uns die 
Fragmente des Ezechiel und Nikolaos Dam. (V. 33; — S. 8. 58). — Vom 
Aurist werden Infinitiv und Participium ganz regelmäszig auch für zu- 
künftiges gebraucht bei Babrios, Apollonios Rh. und Apollodoros. — 
Die imperativische Anwendung des Indicativs Fut. teilt B. mit Menandros 
(Krüger $ 53, 7, 3) und Ezechiel (117. 152. 188). — Um endlich noch 
die Negationen zu berühren, so finden wir auch hier den früher streng 
festgehaltenen Unterschied von ov und μή verwischt. Mn steht bei In- 
finitiven und Participien aller Art, und in der Frage wechseln ov und μή 
blosz nach metrischem Bedürfnis untereinander ab. Auch hierin trifft 
der Babrianische Sprachgebrauch mit dem des Antipatros von Sidon, Apol- 


0. Keller: über die Geschiclite der griechischen Fabel. 395 


lodoros und anderer Autoren jener Litteraturperiode zusammen, welcher 
nach obiger Vermutung der Urheber der Athoischen Fabelsammlung all- 
gehört. -— Schlieszlich seien noch zwei Punkte erwähnt, in welchen 
Babrios teils mit anderen Autoren jener Zeit, teils ganz besonders wieder 
mit Ezechiel zusammenstimmt : einmal im Gebrauch des Asyndeton (D. 85, 
4. 83, 2 [wo Lachmann und Hartung ganz unnótig den überlieferten Text 
verändert haben) u. ó. Ezech. 249. 251 u. s.), und zweitens in der ver- 
zwickten Auseinanderzerrung des Artikels und seines zugehörigen Namens, 
sz. B. dx δὲ τοῦ δύω πήρας κρεμάσαι τένοντός φασι B. 66, 3 ., vgl. 
Ezech. 373 f. ἥ τ᾿ ὦ βαρὺν τίκτουσα ϑησαυρὸν κακῶν πλάνη. 


37. 

Eines der untrüglichsten Merkmale der Zeit an jedem Schriftstücke 
sind ferner die Anomalien der Form bei Nomina und Verba. Und eben 
diese Wegzeiger sind es, die mit Bestimmtheit auf die Zeit eines Apollo- 
nios von Rhodos und Nikandros hinweisen. 

Unter den anomalen Substantiven, welche bei Babrios vorkommen, 
finden wir nur eine einzige Form, deren Existenz nicht als gut classisch 
sich verbürgen läszt. Von ὅλως nemlich braucht Babrios nach seiner 
sonderbaren Liebhaberei für Doppelformen die Accusative ἄλω (34, 9) 
und Giove (11, 9). Erstere Form ist gut attisch (Buttmann I 227), die 
zweite ist nur noch ein einziges Mal in der Litteratur nachweisbar, nem- 
lich bei Nikandros, Ther. 166 &Ac»v , mit Elision des « vor dem folgenden 
Vocale; zwar liest O. Schneider hier &Aov, welche Form sich aber sonst 
gar nicht belegen làszt; auch die alten Ausleger faszten die Nikandrische 
Form als apostrophierte auf. 

Was die anomalen Adjectiva betrifft, so finden sich die auffälligen 
Formen βράδιον 129, 7 bei Hes. W. u. T. 526, πάχιστος 28, 5 bei Hom. 
1. Π 314. Für τάχιον 45, 4. 129, 7 ist neben der Sapientia 13, 9 Me- 
nandros bei Meineke IV 189 ein zeiliger Gewährsmann; bei letzterem 
kommt hinzu, dasz er die Eigentümlichkeit des Babrios teilt, der auch 
hier die Doppelformen τάχιον und ϑᾶσσον, ϑάττων hat: die im Anlaut 
aspirierte Form zeigt Menandros IV 89. 227. 283. 

Anomalien der Zahlwórter: δύο Nom. fem. 12, 5. δύο Gen. fem. 
85, 1. δύω Acc. masc. 22, 5. Den Wechsel von δύο und δύω im Nom. 
und Acc. je nach metrischem Bedürfnis hat auch Apoll. Rh. 175. II 945. 
1300. 1306 usw. δύο für δυοῖν im Gen. zu sagen, ist Brauch des Poly- 
bios (Buttmann I 282), des neuen Testaments (Winer S. 75), Aelianos, 
Lukianos. 

Lassen wir jetzt die merkwürdigeren Anomalien der Verba an uns 
vorübergehen : 
ἄγνυμι, Aor. | Act. κατῆξα 3, 5 (Conjectur Lachmanns) , Hom. Il. % 392. 

Od. δ 539. Hippokr. Epid. 5, 13. 
βόσκω, Aor. I Pass. ἐβοσκήϑην 89, 7; nicht attisch, aber Nik. Ther. 34. 
βοέχω. Aor. Il Pass. ἐβράχην: διαβραχέντων 111, 19. Anakreon und 

Theophr., Krüger $ 40. 
γίγνομαι» Aor. | Pass. ἐγενήθην. Pro. 1, 3. Stellen aus Machon (Kom.), 


396 O. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


Pol., Diod., Dion. Hal. bei Lobeck Phryn. S. 109, vgl. auch Apollod. 
I 2, 1. Timäos Fr. 88A. Neutestamentliche Stellen bei Winer S. 95. 

εἰμί, Präs. 2. Ps. Sg. ἐσσί 77, 7. 119,7. Daneben εἶ 87, 5. 117, 11: jenes 
dorisch, dieses attisch, Buttmann I 550. Impf. παρήμην 130, 11. 
Longos II S. 154. Hermog. de invent. IV 172. ἤμην Xen. Kyrop. VI 
1, 9. Lysias 7, 34. Com. anon. IV 654; besonders häufig bei Lukia- 
nos, Plut., Alkiphron, s. Lobeck Phryn. S. 152. Moeris S. 173: ἦν 
"Ἀττικῶς, ἤμην ᾿Ἑλληνικῶς. Schol. Plat. S. 36 Ruhnken. 

evolcxw, Impf. δύρισκε 22, 9. Plpf. ηὐρήκει 22, 10. qo Men. IV 313 
(Codex). ηὗρεν, ηὑρέθη Marm. Par. 19. 33; vgl. προσηύχετο B. 63, 
4. ἐξηυτέλισαν Apollod. II 2, 2, 2. 

ξάω, Aor. I Act. ἔζησα: ὕπως ξήσῃ B. 137, 4. Septuag. oft, Plut., NT. 
(Winer S. 98). 

ξεύγνυμι, Aor. I Pass. ἐξεύχϑην für ἐξύγην. Tragg., Men. Monost. 197. 
B. 29, 2. 70, 1. ἀπεξεύχϑη B. 37, 6; sonst ἀπεζύγη. 

ϑνήσκω, Pr. Part. τεϑνώσας 45, 9 (ἅπαξ εἰρημένον), um den Zusammen- 
stosz zweier Vocale zu vermeiden, nach Analogie von ἑστώς, ναὶ. 
ἐπείκεια, ταμεῖον B.; attisch und alexandrinisch τεϑνεώς. Fut. lil 
τεϑνήξομαι: τεϑνήξῃ B. 27, 7, nur bei Späteren, Krüger $ 40 S. 166. 
Elmsley zu Ar. Ach. 577. Schon zu Lukianos Zeit war die Medial- 
form allgemein eingerissen (Soloik. 6). 

κερδαίνω. Aor. I ἐκέρδησα 111, 13, ionisch, Herod. IV 152 und später, 
Heliod., lamblichos, Plut., Libanios, Greg. Naz., Herodianos usw. 
bei Lobeck Phryn. S. 740. Neutestamentliche Stellen bei Winer S.98. 

κλαίω, 11, 8. Fut. Act. κλαύσω 98, 9, gewöhnlich Med., κλαύσω haben 
Dion. Arch. IV 70. XVII 8. Theokr. 23, 24 (nach Hss .), Manetho Ill 
143, neues Testament (Winer S. 98). 

κράξω, Pf. κέκραγα 3, 11, attisch. Plpf. xexgayav 5, 6. Pol. xni 
24, 1. Xen. Kyrop. 13,10. 

xountow, Aor. I Pass. ἐκρύφϑην 1, 9, attisch, Krüger $ 40 S. 170. Da- 
neben Aor. II Med. ἐκρύβοντο 108, 27. Vielleicht ist die Form auch 
Impf. von κρύβομαι, vgl. Diod. I 80 ἐγκρύβεται. Apollod. HI 2, 13 
ἀπεκρύβετο. κρυβόμενος Hesych. — πτήσσων᾽" ἐγκρυβοῦσα Apol- 
lod. III 13, 6. ἔκρυβον Lucae 1, 24. Winer S. 99. Lobeck Phryn. 
S. 317 f. 

λαγχάνω, Pf. λέλογχα 15, 9. Soph., Eur., Emped., vgl. Krüger $ 40 S. 170. 

λαμβάνω, Aor. II Act. 71, 5. 6. 32, 3 usw. Aor. II Med. λάβοιτο 23, 5; 
vgl. λαβόμενος — λαβών bei Alexis Ill 394. 415. Vielleicht emen- 
diert aber Dübner (Anim. crit. S. 36) mit Recht λάβοι γε. 

οἶδα, Pf. Ind. 2. Ps. Sg. οἷδας 95, 14. 63, 12. Diese Form scheint be- 
sonders um die Zeit der neuen Komódie zur Herschaft gelangt zu 
sein, Philemon IV 14. Phónikides IV 510. Straton IV 546. Timäos 
Fr. 127. Neutestamentliche Stellen bei Winer S. 96; vgl. Lobeck 
Phryn. S. 236. 

παίξω, Aor. I ἔπαιξα, παέξας 32, 9. Septuag.: lud. 16, 26. 19, 25. Prov. 
23, 35. Philodem. Epigr. 19. Lukianos Göttergespr. 6, 4. Neutestam. 
Stellen bei Winer S. 99. Plut., Philon usw. bei Lobeck Phryn. S. 240 


0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 397 


περίειμι, Part. περιόντες statt περειόντες 126, 6. Diese Variante erscheint 
noch bei Platon (Kom.) II 685 καὶ περιών (die Hss. περιεών); Anti- 
phon 3, 141 περιόντα (früher περιεόντα); Aristoph. Fr. II 1200 
περιόντες (Vulg. περιιόντες); dagegen Pherekrates II 347 περιόν- 
vag ohne Variante als Part. von περεέέναι. 

σκέπτομαι, Pris. σκέπτῃ 103, 14. Bei den Attikern im Präs. und Impf. 
sehr selten, nur Plat. Lach. S. 185. Men. IV 242; häufiger bei Polyb. 
Krüger $ 40 S. 181. Septuag.: 1 Sam. 11, 8. 15, 4 und neutesta- 
mentliche Stellen bei Winer S. 100. Ap. Rh. III 823 αἴγλην σκεπτο- 
μένη. Fut. σκεψόμενος B. 54, 3 ist attisch. 

συρίξζω. Aor. I Act. ἐσύρισα: συρίσαντος 114, 4. συρίσω Mechan. vett. 
S. 194. συρίσαε Luk. Harmon. 2. 


Wer zweifeln móchte, ob dieser Stand der Anomalien der Flexion 
eben auf jene Zeit hinweise und nicht auf eine spätere, der übersieht die 
merkwürdigen nur auf Nikandros und Apollonios von Rhodos deutenden 
Fingerzeige; aber er betrachte einmal das Verzeichnis der viel bedeuten- 
deren und zahlreicheren Unregelmäszigkeiten, wie sie das neutestament- 
liche Idiom darbietet; und doch würde, falls Lachmann mit seiner Hypo- 
these das richtige getroffen hàtte, Zeit und Ort der schriftstellerischen 
Thätigkeit des Babrios von der mancher neutestamentlicher Autoren kaum 
verschieden sein. 

38. 

Die Grammatik , deren Gesetzen Babrios gehorcht, hat sich somit 
als diejenige herausgestellt, welche zu Nikandros Zeit über die griechi- 
sche Sprache dominierte. Es fragt sich nun, ob auch der Würterschatz 
unseres Dichters auf jene Periode deutet. Für die Lósung dieser Frage 
ist von hóchster Wichtigkeit die Uebereinstimmung des Babrios mit dem 
Sprachgebrauch der alexandrinischen Epiker und Lyriker des zweiten 
Jahrhunderts vor Christo. Unter diesen Dichtern ist es namentlich Apol- 
lonios von Rhodos, dessen Verhältnis zu Babrios unsere Aufmerksamkeit 
in Anspruch nimmt. Zwischen ihm und Babrios ist trotz der Verschieden- 
heit ihrer beiderseitigen Aufgaben ein so merkwürdiger Einklang in einer 

Masse von Einzelheiten, dasz man sich des Gedankens kaum erwehren 
Kann, Babrios möchte diesen berühmten Meister persönlich gekannt und 
sich zu seinen Jüngern gezählt haben. 

Schon zum voraus treffen beide darin zusammen, dasz sie die Home- 
zrischen Epopóen in Fleisch und Blut aufgenommen haben. Für Apollo- 
nios bedarf diese Behauptung keines Beweises"®*); was Babrios betrifft, 
zo hebe ich folgende Stellen aus: ἄλλως “ohnehin? 15, 4. Hom. ἀπείρη- 
"zog ‘wer keine Erfahrung worin gemacht hat? 95, 64. Hom. M 30%. 
£8 170. βαϑύσχοινος 46, 2. A 383. δρυτόμος 38, 1. 92, 3. 50, 3. 4 86. 
JI 633. κολοιῶν ἔθνος 33, 4 — φῦλον V. 19. B 459. ἔκδηλος 31, 5. 
E 2. vexgóv flxsıv 14, 4. P 557 und sonst, vom Zerreiszen der Leichen 


106) Die hübsche Doctordissertation von Ludwig Schmidt *de Apol- 
loni Rhodii elocutione’ (Münster 1853) dreht sich fast einzig um dieses 


398 0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


durch Thiere. ἕτοιμα “das bereitete Essen? 16, 4. Hom. ϑάμβος δὲ τὴν 
δρῦν εἶχε 36,6. ϑάμβος δ᾽ ἔχεν εἰσορόωντας 479. ϑαλλός collect. 
*Laubwerk? 45, 7. 9 223. ἰχανάω 77, 2 mit Gen. cupio, desidero. 7 800. 
Dasz früher ἐχανάω und nicht ἐσχανάω geschrieben wurde, erhellt aus 
Etym. M. 78, 44 und Hesychios. κείρω abweiden? 89, 6. A 560. Φ 204. 
λαφύσσω ‘verschlingen’, vom Löwen 95, 91. A 175. Ρ 68. Z 568; gans 
anschlieszend an P 63 ist die Lesart bei Suidas: ἔγκατα lopíasevi an- an- 
dere σάρκας. λεπτὸν φᾶρος 132, 2. x 544. γῆρας λιπαρόν 108, 10. 
λ 186, τ 368. ψ 283. νεόσμηκτος (fast ἅπαξ εἰρημένον) 97, T. N 842. 
Ζεὺς νίφει 45, 1. „M 280. οἴχομαι φεύγων 91 , 9. 6 856. ὁμοφρονέω 
47, 11. Hom. Od. ὁ πτὼξ λαγωός 102, 10. K 810. πολύτρητος als Epi- 
theton des Schwamms 111, 15. Hom. vgl. Eust. zu a 111; auszerdem 
vom Netz 4, 4. ῥέω von der Rede 15, 3. A 249. ἄχρι μὲν συνειστήκει 
ó πόλεμος 76, Lf, vgl. 85, 1. 5 96 πολέμοιο συνεσταύτος. δόλους 
τεύξας 111,, 12 (Conjectur). 9. 276 τεῦξε δόλον, τολμήεις 92, 1. K 905. 
τρίξω von der Maus 108, 23, von der Fledermaus c 7. wvog 6, 6. Hom. 
Einen ausführlichen Beweis der vielfaltigen Vebereinstimmung zwi- 
schen Babrios und seinen alexandrinischen Zeitgenossen in Wörtern und 
Phrasen kann ich hier unmöglich geben; aber ich will wenigstens von 
den mit A anlautenden die bemerkenswertheren aufzählen, bei den fol- 
geuden Buchstaben dagegen nur die auffallendsten Congruenzen anführen. 
ἄγριος ϑήφ 98, 11. Ap. Rh. IV 444. ἄγρειος 61, 5. Leon. Tar. 34. ὠγρό- 
τῆς 37, 5. 13, 1 substantivisch; 34, 1 adjectivisch (wo die Recension des 
Suidas deswegen eine Verschlimmbesserung hat) ὄχλος ἀγρότης, Ap. Rh.IV 
109 f. ἀνέρες ἀγρόται. ἀγρότις 12, 16. Ap. Rh. Il 509. Antip. Sid. 95, 19. 
Paul. Sil.48. ἀγρώστης 115, 2. Ap. Rh. IV 175. Nik. Ther. 734. γάζλοι 
ἀγύρται 126, 2. Alkäos Mess. Anth. I S. 239. ᾿ἀϑρθῶς “auf einmal — 
plötzlich? 111, 18; das Adjectiv in derselben Bedeutung Ap. Rh. IV 34 
βλεφάρων δὲ xar ἀϑρόα δάκρυα χεῦεν und Ap. Rb. I 428 ὁ δ᾽ ἀθρῦος 
πεσών. Anlip. Βα. 68. αὔγιλος, ἥν Lieblingsfutter der Ziegen 3, 4. Arkad. 
55, 21. Theokr. 5, 128. αἴϑυια 115, 1. Ap. Rh. IV 966. τὸν βοώτην 
ϑυμὸς ellev 52, 3, vgl. Ap. Rh. 1 1054. Il 19 f. 1 1289, Π 577. 681. 
402. 1216. III 1221. IV 1245. ἄκος τινός 94, 4. 126, 4. Ap. Rh. 1906 f. 
im 711. 11517. Nik. Ther. 563. ἄκριτος "unermeszlich? 33, 3. Ap. Ah. 
IV 911. Antip. Sid. 93, 13. Nik. Ther. 180. ἄκρος beliebt bei Babrins 
107, 6. 45, 3. 122, 10 und sonst, Ap. Rh. Π 281. ΠῚ 1306. 1 83 f. IV 
852. 885. dxraiog: βατράχων ὅμιλον ἀκταίων 25, 6. ἀχταίης ὄρνιϑος 
(Eisvogel) Ap. Rh. I 1087. ἀλίπλωος,, sonst immer ἀλέπλοος 61, 4, von 
den Fischen ebenso Epigr. ad. 581 (Plan. 311), von den. Schiller. Ap. Rh. 
II 1329. Kallim. Hy. Del. 15. 52. dudo: 88,7 ἵν᾽ ἀμήσω, Ap. Rh. I 
1183 ἀμήσαντες, Ap. Rh. IV 374 ἀμῆσαι. Nik. Ther. 684. 843. Alex. 216. 
ἀμείβω vom Gehen 57, 4, oft bei Ap. Rh. ἀναπίμπλημε: κορώνην deu- 
τέραν ἀναπλήσας 46, 8. μοῖραν ἀνέπλησεν Ap. Rh. 1 1035. ἀναψύχω 
τινός (Nentr.) 96, 87. Meleag. 58. Oppianos. ὠντάδω 88, 2. Lukianos, vgl. 
Meleag. 111 ἀντῳδός. ἀποτρώγω τινός 46, 6. Theokr. 10, 6, gewóhn- 
lich zu, was Babrios 117, 7 hat. dea logisch 72, 19. Kallim. Ep. 32. 
ἀραιός ‘dünn’: ἀραιὰς καὶ διαβρόχους σίτου ῥίξας 108, 6 f. , besonders 








O. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 399 


bei spüteren Dichtern, z. B. δάφνη à ἃ. Nik. Ther. 575, Schol. = λεπτό- 
φυλλος. ἄρκος 14, 1. Alexandriner. &gvsıog 96, 9. Ap. Rh. ΠῚ 1035. 1208. 
IV 1186. ἀροτρεύω γῆν 21 , 5. Lykophron 1071 und Spätere. ἀροτρεάω 
55, 1. Kallim. Theophr. ἄτερ mit Gen. 8, 3. Ap. Rh. I 397. II 55. 1007. 
ab "nnl 26, 5. Ap. Rh. II 498. αὐτοῖς ἀνδράσι (νεώς ποτὲ βυϑισϑείσης) 
117, 1: denselben Gräcismus hat „Ap- Rh. oft: 1 1195. 1204. 502. 11 33. 
] 833. u 611. 788. 749. III 96. ἄφνω 62, 5. Ap. Rh. II 187. IV 1408. 
Esech. 92. ἀχαιένη (ἅπαξ εἰρημένον) 95, 87. Ap. Rh. IV 174f. 0009 δὲ 
δινὸς βοὸς ἥνιος ἢ ἐλάφοιο γίγνεται, $ ἤν τ᾽ ἀγρῶσται ἀχαμνέην καλέ- 
OUGtv. ἄχρι mit Conj.: ἀνάμεινον, ἄχρι πεινήσῃς.» οὐδ᾽ ἐξελεύσῃ πρό- 
τερον ἄχρι τοιαύτην τὴν γαστέρα σχῇς» ἡλίκην Or’ εἰσήεις 86, 8—10. 
ἄχρε φέρωσι πόδες Dionys. Rhod. (Anth. epigr. S. 274 Nr. 35). Βαϑύ- 
σπιος 92, 2. Theokr. 4, 19. Theophr. h. pl. I 11, 4. Platon Ep. 29. βασι- 
λεὺς ᾿Αλέξανδρος Pro. 2, 1, nie mit Artikel, B. Φαραώ Ezech. 194. 9. 
149. βοώτης 53, 3. Lykophron 218. γαυροῦμαί τινι 43, 15. Ps. Phokyl. 
47. Ezech. 63. Batrach. 266. Plut. γενειήτης 124, 11. Antip. Ep. 61. 
Kallim. Hy. Art. 90. Theokr. 17, 33. dan 32, 9. AP. Rh. Il 761. δαι- 
τρεύω 106, 11. Ap. Rh. II 1176. ᾿'διάβροχος 108, 7. Antip. Sid. 32. Kallim. 
διαυγής 72, 6. Kallim., Ap. Rh. I 221. II 1105. IV 1575. Nik. Ther. 726. 
δοκέω “ich glaube’, immer persönlich, 2, 6. 31, 4. 44,.3. 49, 3. 95, 31. 
Ap. Rh. II 1142. lll 548. 619. Meleagros 108. 128, 7. 123, 9. Antip. 
Sid. 5, 1. Ezech. 68. ἑλκύω für ἀνελκύω 94, 5; vgl. Apollod. 1 3, 2 ἄγω 
für ἀνάγω. ἔνδον — εἴσω: παρῆγεν ἔνδον 74,4. Lobeck Phryn. S. 128. 
Ap. Rh. I 906 πέμπε μιν ἡβήσαντα Πελασγίδος ἔνδον Ἰωλκοῦ. Babrios 
108, 27 οἱ δ᾽ ἔνδον ἐκρύβοντο. ἔργα * bestellte Ländereien? 13, 11. 
Kallim. Lav. Pall. 62. ἐρημαῖος 1, 11. 91, 1. 95, 19. ἀρ. Rh. II 672. 
Emped. 185. Moschos 3, 21. 63 und andere spätere Dichter. εὐπήληξ 
143, 1. Leon. Tar. 60. Nonnos, Paul. Sil. eugsvog vom Hund 43, 8. Ap. Rh. 
I 125. ζώειν und ζῆν abwechselnd 13, 7. 44, 7. Ezech. 134. 106. ϑυμή- 

ens 106, 8. Ap. Rh. 1705. 714. Kallim. ἴαμβοι πικρά Pro. 1, 19. ἴαμ- 
Bor ὑβριστῆρες Meleagros 119 (VII 352). καλλέπαις (ἀμητός) 11, 7, pro- 
vinciell einfach = καλός, wie ϑεόπαις beim Babylonier Herodikos (Athen. 
V 222) und beim Syrer Meleagros 129 einfach — ϑεῖος. καπνίζω (Bienen) 
“durch Rauch tódten (oder austreiben) 136, 3, vgl. Ap. Rh. Il 130 f. ὡς 
δὲ μελισσάων σμῆνος μέγα μηλοβοτῆρες .. πέτρῃ Evi καπνιόωσιν. 
πκάρχαρος 94, 6. Lykophron, Lukianos , Oppianos, Philostr., Ap. Rh. III 
1058 καρχαρέος. αἷγας κερούχους 45, 5. Theokr. 5, 145 κερουχίδες 
edyeg.. κνηκὸς 113, 2. Theokr. 3, 5. 7, 16. κοίλη σπῆλυγξ 95, 37 f. 108, 
3. Ap. Rh. Il 668. Den stereotypen Gebrauch von κόμη für Laub, Kraut 
teilt Babrios 88, 3. 3, 4 mit Ezechiel 185 und andern Dichtern seiner 
Zeit. κρίμνα 108, 9. 32. Nik. Alex. 552. Fr. 68. κρώξω vom Raben 
77, 7. Nik. Ther. 406. κτῆνος Sg. 7, 19. Septuag., Ps. Phokyl. κυκλόω 
τόξον 68, 5 f. Meleag. 79. Κύπρις ist die stehende Bezeichnung der 
Aphrodite bei Babrios, Meleagros und andern syrischen Autoren. κυρτὸν 
κῦμα 71, 2. Ap. Rh. II 580 f. Sosikrates (Kom.) IV 591. λάμπω trans, 114, 
21 ἑωσφόρον πρείσσων λάμπειν ἄπασιν ἐκπρεπέστατον φέγγος, auch Eu- 
ripides brauchte λάμσειεν transitiv, vgl. aber besonders Antip. Thess. Anth. 


400 0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


VI 244 λάμψω φέγγος ἀκουσίϑεον, Apollod. II 4, 9, 4 πυρὸς δὲ ἐξ ὁ ὀμμά- 
τῶν ἔλαμπεν αἴγλη. λευκός ‘deutlich? Pro. 2, 18 λευκῇ μυϑιάξομαε 
ῥήσει, vgl. λευκὸς στίχος Philippos Anth. ΧΙ 847. λιμώττω 46,8. Pha- 
nias 8 (Anth. VI 307), Lukianos, losephos, Alkiphron usw. ᾿λέγομαι *ein- 
sammeln’ 126, 6. Ap. Rh. III 807. 899. Nik. Ther. 752. λήιον *Saatfeld* 
88, 3. Theokr. 10, 21. 42. λιβάς 24, 6. Antip. Sid. 69. 83, 4. Nikandros. 
λιμνάς 115, 1. Theokr. 5, 17, vgl. Babrios 22, 3. λιτός ‘mager’, μτῆς 
βώλου 108, 31. Ps. Phokyl. 16 Astal τράπεζαι." λύγδινος 30, 1. Antip. 
Sid. 24 (VI 209). μάγειρος ‘Metzger? 21, 1. Machon bei Ath. VI 243. 
Babrios 51, 8. μέλαϑρα ‘Palast? 64, 5. Ap. Rh. 111 789. μέλαν ὕδωρ 25, 
2. Ap. Rh. 11 791. Hom. Il. B 825, vgl. Ap. Rh. IV 1573 f. κείνη μὲν 
πόντοιο διήλυσις, ἔνϑα μάλιστα βένθος ἀκίνητον μελανεῖ. μελισταγὲς 
κηρίον Pro. 1, 18. οἴνου ἀκηρασίοιο μελισταγέας χέε λοιβάς Ap. Rh. 
1 1212. μετάρσιος 115, 6. Ap. Rh. IN 1368. μεγάς mit Dativ: λευκαῖς 
μελαίνας μιγάδας ἐκλόνει χαίτας 22,3. Ap. Rh. IV 330 οὔτ᾽ οὖν Θρήι- 
ξιν μιγάδες Σκύϑαι οὔτε Σίγυνοι, vgl. Ap. Rh. ΠῚ 1210. μεθύων ἐλαίης 
λύχνος 114, 1, vgl. λύχνον. ἐλαιηρῆς ἐκμεϑύσασα δρόσου Philodem. 17. 
ἐν μέρει 32, 5. Ezech. 214. μόρος euphem. — ‘Tod’ 107, 2. Ap. Rh. If 
136. 1 1350. II 468. 1080. IV 1261. μοῦσα ganz abstract — “Gesang, 
* Gedicht, Witz’ Pro. 1, 16. 8, 3. Pro. 2, 10. 12, 25. Meleagros 111, 3. 
νωϑής 115, 1. 95, 18. Ap. Rh. IV 1506. ξόανα “wunderthätige Helligea- 
bilder” „128, 1, vel. Ap. Rh. IV 1284 f. ἢ ὅταν αὐτόματα ξόανα δέῃ ἰδρώ- 
ovra αἵματι. ξουϑός von der Schwalbe 118, 1, von der Nachtigal Theokr. 
Ep. 4, 1l. óveiog opp. ἔδιος 66, 5. Antip. Sid. 38, 2. Ap. Rh. 1 869. 
1l 13. Nikol. Dam. 77. ὀκλάξω vom Stier 112, 4. Moschos 2, 99. περι- 
σκαίρω 131, 3. Lykophron 68. Opp. Kyn. I 148. πηλέκος mit dem Ar- 
likel 69, 4. Diodoros 11 (Anth. VIL 235). ὅστις für ὅς, rückbezüglich auf 
eine ganz bestimmte Person 147, 2. Ap. Rh. 1 347, vgl. Menandros IV 69. 
105. ὀτλεύω 37, 3. Ap. Rh. ll 1008, vgl. ΠΙ 769. οὐκ und οὐχί wech- 
seln ganz willkürlich bei Babrios, Meleagros und Antipatros. παρέρπον 
37, 11. Theokr. 15,47. παρισούμην 131, 25. Kallim. im Etym. M. 477, 
10 dasselbe. ὁ δὲ πτερωϑείς ‘von Hoffnung hingerissen? 98, 12, vgl. 
Anakr. 25, 8 πόϑος πτεροῦται und 51, 4 ὁ γέρων ἐγὼ πτεροῦμαι. ἕπω- 
λεύμην 130, 11. 131, 24 “ich trieb mich herum’, ebenso πωλεῦμαι eer- 
sor, Emped. bei Diog. La. VIL 66. ῥωγάς 86, 3. Ap. Rh. IV 1448. Nik. 
Ther. 389. 64. σαέρω: σεσηρὸς αἰκάλλουσα 50, M de riss 
Theokr. 20, 13 χείλεσι μυχϑίζοισα.. καί τι σεσαρὸς καὶ σοβαι 
ἐγέλαξεν. Meleag. 14 (Anth. epigr. 8. 184) τί μάταια γελᾷς uum 
σεσηρὼς μυχϑίξεις; στελεόν 139, 1. Phanias 4 (VI 397). σύνεγγυς mit 
Gen. 65, 4. Ezech. 238. Timäos Fr. 7. σύρω vom Ziehen der Pflugschar 
37,2. Moschos 2, 81. σχέδην langsam 57, 4. Machon. σώομαι 108, 17. 
Ap. Rh. IL 1010. Il 307. 11 610. τεκοῦσα "Mutter? 34, 9. Meleag. 120, 1. 
Ant. Sid. 45, 7. τῆς δ᾽ οὐκ ἐτέρφϑη θυμός 95, 66. Ap. Rh. HI 1140 f. 
τέρπετο γάρ ol ϑυμός, Hom. sagt ϑυμόν ll. Φ 45, ebenso Pind. 
2,74. τίϑημε mit doppeltem Acc. entspr. lat. reddere 102, 11 f. us 
6. Ezech. 142. Nik. Dam. 20. τίνω χάριν 27, 8. Ap. Bh. I1 799 f. ΠΙ 
233. 990. φάραγξ κοιλώδης 20, 2. φάραγξ κοίλη Ap. Rh. Π 746. φέγγος 





0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 401 


stehend von himmlischem Licht, bei Babrios und Ezechiel. χηραμός 107, 
13. Ps. Phokyl. 172. Lykophron 181. Ap. Rh. IV 1299. ὦ φέριστε 
ϑηρίων γέννης 106, 22. ὦ φέριστε Ezech. 96. ὠκύπτερα * Schwung- 
federn? des Adlers 100, 4. Ap. Rh. ll 1955. νυκτὸς ἐν μέσαις ὥραις 63, 
6. Anakr. 81, 1 μεσονυχτίοις ποϑ᾽ ὥραις. ὥρα — Stunde Ps. Phokyl. 116. 


39. 


Ich hätte noch eine Menge kleinerer, aber nicht uninteressanter 
Punkte aufzuzählen, wo sich Babrios mit den gleichzeitigen Dichtern be- 
rährt, namentlich auch solche, worin er bei Benützung der Homerischen 
Epen mit Apollonios von Rhodos zusammentrifft; allein ich denke, die 
aufgeführten Fälle genügen jedenfalls dem, welcher das seltene Vorkom- 
men mancher von ihnen erwägt, um ihn zu dem Glauben zu bestimmen, 
dasz Babrios in der Zeit eines Apollonios, Nikandros, Theokritos, Me- 
leagros, Antipatros "") und Lykophron gelebt hat. Von diesen sechs ist 
es Theokritos, mit dem in Geist und Geschmack Babrios die nächste Ver- 
wandtschaft verräth. Auch Babrios war nicht der Mann der den Wort- 
und Phrasenschwall alexandrinischer Stubendichter sich zu eigen gemacht 
hätte: nein, er nahm mit feinem Gefühl und sicherm Takte nur soviel, 
als seine Zeitgenossen schönes und geschmackvolles schufen; alles un- 
schöne, übertriebene Schnörkelwesen hielt er mit Bewustsein von seiner 
Muse fern (2s Proömium). Dazu half ihm sein Studium des classischen 
Theaters: diesem herlichen Bildungsmittel des Geistes hatte es Babrios 
zu verdanken, dasz er inmitten einer der blasiertesten Perioden der Lit- 
teraturgeschichte (vgl. Bernhardy griech. Litt. 11? 2 S. 68) nicht von dem 
allgemeinen Strome zu Geschmacklosigkeiten fortgerissen ward, sondern 
dasz er eine Oase bildet in jener gedankenóden Wüste, wo die Luftspie- 
geleien wesenloser Phrasen so oft uns äffen. 

Zwar erhellt überhaupt aus den damaligen Schriftwerken die Fort- 
dauer der als kanonisch verehrten Meister, des Sophokles und des Euri- 


107) Nur ungern versage ich mir eingehendere Worte über die nahe 
Verwandtschaft des Babrios mit seinen beiden Btammesgenossen, Me- 
loros von Gadara und Antipatros von Sidon, sowol in Sinnes- als in 
Diehtungsart hier einzuschalten; das aber kann ich nicht verschweigen, 
dass im allgemeinen die vielfachen und feinen Züge, welche beide Dich- 
ter bisweilen in fast wórtlicher Uebereinstimmung mit Babrios gerade 
dem Thierleben entnommen haben (Mel. 58. 72. 120. 120. 112. 123. 90. 
Antip. 17, 8. 47, 7. 04. 78, 3. 95), einen Einfluss Babrianischer Lectüre 
sw verrathen scheinen. Dazu kommt für Antipatros, dass er in seinem 
63n Epigramm die deutliche Variation und weitere Ausführung einer 
Babrianischen Fabel bietet, sofern dieses Gedicht nicht, wie Jacobs 
meint Anth. Gr. VIII 8. 59, aus der 1115 B 315 f. entstanden zu sein 
scheint, wo ja vielmehr ein Sperling und nicht eine Schwalbe erwähnt 
wird, sondern aus Babrios F. 118. Bei Meleagros dagegen kann man 
sehr wol die unerwartete Wendung (ἢν δ᾽ ἀγάγῃς τὴν παῖδα, δορᾷ 

os λέοντος), mit welcher der Dichter im 90n Epigramm der 
ftechfllege das Fell eines Löwen verspricht, als eine Reminiscenz an 
die Aesopisehe und ohne Frage auch Babrianische Fabel ansehen (234 
Halm) von der Stechíiege die über den Löwen triumphierte. 


402 0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


pides?; aber in den Babrianischen Fabeln sind die Reminiscenzen ganz 
besonders häufig und augenfällig, und eine gewisse Vorliebe für Sopho- 
kles läszt sich bei Babrios kaum verkennen und zeichnet ihn vorteilhaft 
vor seinen Zeitgenossen aus, die in der Regel dem Euripides nachstrebten 
(vgl. Beruhardy II? 2 S. 67). Man darf vielleicht sogar vermuten, dasz 
Babrios von den Sophokleischen Stücken gerade die Antigone wo nicht 
studiert, doch öfters und aufmerksam gehört hat. Wenigstens spricht 
hiefür das Zusammentreffen des Babrianischen Sprachgebrauchs mit fol- 
genden zum Teil seltenen Ausdrücken in diesem Drama: ἀντεχαίρω 131, 
4. Ant. 149. βυσσόϑεν 95, 49. Ant. 596. δυσήνεμος 18, 10. Ant. 591. 
ἐγγὺς μόρου 107,2. ἐ. τῆς μοίρης 108, 16. & τοῦ ϑνήσκειν 95, 15. 
ἐγγυτάτω ϑανάτου Ant. 924. κολοιῶν ἔθνος 33, 4. ϑηρῶν ἀγρίων 
ἔϑνη Ant. 34. ἐννυχεύω “nächtliche Geschäfte treiben, im Finstern 
lauern?: πότ᾽ ἐννυχεύει, χρυσότοξος͵ Ὡρίων; 194, 16. Ἔρως ὃς ἐν 
μαλακαῖς παρειαῖς νεάνιδος ἐννυχεύεις (auch νεᾶνις hat Dabrios) Ant. 
780, nach Schneidewin *heimlich lauern?. ἐξεύχϑην 29,2. 70, 1. 
Ant. 945. of κάτω infer 75, 12. Ant. 75. κερτόμῳ γλώσσῃ εἶπεν 77, 
10. ψαύων τὸν ϑεὸν dv κερτομίοις γλώσσαις Ant. 951. παγκάκιστος, 
52, 5. Ant. 142, σϑένω mit Inf. 103, 1. Ant. 1044. ὑγρὸς ἀγκών Ant. 
1222, Babrios 34, 7 ἐφ᾽ ὑγραῖς μητρὸς ἀγκάλαις (vgl. Eur. Fr. 935 N.). 
φῦλον ὀρνίϑων 72,7. Anl. 342. 

Sonst erinnern an Sophokles Ausdrücke wie ὠγνώμων mit Dativ 
119, 7. Oed. Kol. 86. Trach. 473. ἵμερος ἔχει τινά 72, 4. Oed. Kol. 
1723. ἔλαφος κεράστης 48, 1. E558. δάκνομαι Ovu 131, 10. Trach, 
1107. ὀξύφωνος ἀηδών 12, 3. Trach. 959. — Auch Aeschylos scheint 
unserm Dichter nicht fremd geblieben zu sein, denn er trifft in gar man- 
chen Ausdrücken mit ihm zusammen; doch sind die Uebereinstimmungen 
nicht so schlagend, dasz ich sie nicht übergehen zu dürfen glaubte. — 
Auch hinsichtlich des Euripides, mit welchem Babrios nicht blosz in den 
Gedanken, sondern auch in der Sprache manche Verwandtschaft verräth, 
darf ich mich kurz fassen. Läszt sich doch natürlich — man mag von 
des Babrios Bekanntschaft mit Euripides noch so fest überzeugt sein — 
immer noch daran zweifeln, ob die Anklänge an Euripideische Dietion, 
die wir in den Babrianischen Fabeln finlen, auch wirklich auf Euripi- 
deische Reminiscenzen zurückzuführen sind. Aufgefallen. sind mir u. a. 
folgende: ἄναυλα νῦν ὀρχεῖσϑε 9, 9, vgl. Phön. 801 κῶμον. ἀναυλότα- 
τον προχορεύεις, λάμπω trans. (Phön. ), ἐν ἁβρότητι (κεῖσθαι), προσκο- 
ποῦμαι (Iph. Aul), εὐωπός, μαλϑακοὶ λόγοι, στύγημα von Personen, 
χάριν ἐκτίνω (Orestes), ἀμφιβαίνω mit Dativ (Hiketiden). 





40. 

Von den Komikern hat er wol vor allem Menandros Stücke gar 
viel gesehen, gehört und gelesen. Lebte er doch, wie wir annehmen, 
in einer Periode wo in der ganzen civilisierten Welt die neueren attischen 
Komödien gespielt wurden. Auch sind ohnehin die Berührungspunkte 
von Komödie und Fabel so stark und bedeutend, dasz man nicht zweifeln 
kann, Babrios werde jener seine volle Aufmerksamkeit geschenkt haben. 


0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 408 


Beide Arten der Poesie haben den Zweck ein sehr gemischtes Publicum 
zu unterhalten und zu belehren, nicht über die Grundsätze der Moralität, 
sondern der Lebensklugheit. Das Ilervorblitzen neckischer Satire, das 
Durchschimmern politischer Anspielungen, das Suchen nach Popularität 
und faszlichem Ausdruck, die planmäszige und kluge Oekonomie, die 
scharfe Markierung der Charaktere, der witzige, schlagende Dialog: alles 
dies sind Züge die den Leser des Babrios an Menandros und Terentius 
erinnern; aber er findet hier nicht die auf den Bedarf des gemeinen 
Lebens beschränkte Sprache des neuern Lustspiels, sondern der popu- 
läre Ton ist veredelt durch classische Eleganz und eine gewählte Phra- 
seologie. 

Ich bitte nur die wichtigeren Uebereinstimmungen des Babrios mit 
den Komikern anhören zu wollen: ἀγεννής mit dem eingeschlossenen 
Merkmal der Furcht: οὕτως ἀγεννὴς καὶ φόβου πλήρης πέφυκας 95, 
67 f. Men. IV 135 ὁ δ᾽ ἀγεννὴς καὶ δέδιε τὸν κρείττονα. ἀλήϑεια im 
Plur.: ταῖς ἀληθείαις 76, 1. 88,3. Philemon IV 48. Men. IV 94. 266. 
ἄωρος “vor der Zeit sterbend’: παίδων ἀώρων συμφορὰς ἀπεϑρήνει 
118. 8. Apollod. IV 451 ὅτε μειράκιον ἦν, τοὺς ἀώρους ἠλέουν" νυνὶ 
δ᾽ ὅταν γέροντος ἐκφορὰν ἴδω, Ada“ πρὸς ip γάρ ἔστε τοῦτ᾽, ἐκεῖνο 
δ᾽ οὔ. Babrios 12, 4 τὸν Ἴτυν ἄωρον ἐκπεσόντα τῆς ὥρης. ὕγκωμα 
xag aie 135, 5, vgl. μέχρε βουβώνων Pherekrates II 261. Bov- 

ἐπήρθη τῷ γέροντι Men. IV 98. δεῦρο γλυκεῖα 103, 15, vgl. bes. 

eni ΗΠ 457 ὦ γλυκεῖα. διῆκ᾽ ἀπελθεῖν αὐτὰ 58, 5, vgl. Men. IV 198 
mach Meinekes Conjectur, Plut. Demetr. 39. εἴσειμί τε statt. εἴς τὶ 2, 9. 
Apollod. IV 466. ἐκκλίνω τινά 91, 5. ‚Dionysios ΠῚ 552. ἐντρυφάω 
tW: τοῖς περισσοῖς αὐτὸς ἐντρύφα δείπνοις 108, 39. γαμηλέῳ λέχεε 
μοιχὸς ἐντρυφῶν Men. IV 231. ἐπικροτέω “die Hände zusammenklat- 
sehen? 96, 43. Men. IV 298 (erste Stelle); “die Flügel zusammenschlagen? 
Babrios 5, 6, vgl. Aristobulos bei Ath. XII 5305, Synesios, Plut. ϑαρ- 
σεῖν καλούω 1,13. Alexis III 429. εὐτέλεια *niedere Stellung, Einfach- 
heit’: τῆς λαμπερότητος δὐτέλεια βελτίων 31, 24. Men. Mon. 458 0 σοφὸς 
sivalalag ἀνέχεται. κατάχρυσος 65, 5. Diphilos IV 402. Lukianos Alex. 
18. mode 19, 2. 50, 18 usw. Aristoph. Ri. 1063. Luk. Hermot. 84. 
δευτέραν ἀναπλήσας. 46, 8. ὑπὲρ τὰς κορώνας βεβιωκώς 

Com. anon. IV 680. μακάριος ὅστις *5. 103, 30. Menandrische Phrase 
(IV 108 und sonst). οὐκόσιτος 108, 4. Men. IV 150. 202. Anaxandrides 
lll 171. Anaxilaos Ill 855. Antiphilos IIl 116. ὁλκή ‘Gewicht? 51, 6. 
Men. IV 183. Omov — ‘wenn, da^: ὅπου γὰρ οὕτω πικρὸν ἄγγελον 
spots, πῶς «αὐτὸς ἤδη φοβερός ἐστι γιγνώσκω 1, 15 f., vgl. Men. IV 
161 εἶτ᾽ οὐχ ὕμοια πράττομεν καὶ ϑύομεν; ὅπου ys τοῖς 'ϑεοῖς. . ἄγω 
«ροβάτιον, und ganz ähnlich Men. IV 117. Timokles III 590. ὁ πέλας 
‘der Nächste — Nebenmensch? 59, 12, sehr gewöhnlich bei Alexis und 
Menandros. πράττω τι mit Emphase, opp. bloszes dxgpoßeiv oder ἐλπί- 
δας ἔχειν 26, 12. Philemon IV 16. πρίομαι 28, 8. Men. im Etym. M. 
688, 12. πταίω 49, 7 nach Dübners Conjectur: 00° ἂν παρ᾽ αὑτοῦ 
δυστυχῇ τις ἢ πταίῃ. Men. IV 107 πταίσας τύχης. ähnlich Men. IV 264 
und Baton IV 499. πτερύσσομαι 65, 6. Diphilos IV 404, Lukianos, Aelia- 

Jahrb. f. class. Philol. Suppl. Bd. IV. HftL.S. . 26 


404 0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel, 


nos. στενάξω und στένω abwechselnd , wie Babrios, haben auch Menan- 
dros und Diphilos. συγκρούω 'verfeinden? 44, 4. Men. Mon. 122. τας 
μεῖον 108, 2. Phonikides IV 510 τοιοῦτ᾽ ἔχει, ταμεῖον ὥσπερ οἰκίας, wo 
Meineke inconsequent und wol mit Unrecht ταμεῖον liest, Pollux, Plut 
Babrios 83, 4 τὸ τρέφον ue μὴ πώλει ist eine offenbare Reminiscenz an 
den Menandrischen Spruch (Mon. 490) τὸ δὴ τρέφον μὲ τοῦτ᾽ ἐγὼ λέγω 
ϑεόν: denn man darf wol in Anschlag bringen, dasz Babrios subslanti- 
vierte neutrale Partieipia mur äuszerst selten gebraucht (auszer dieser. 
Stelle noch 95, 38 τὸ μέλλον, 106, 24 τὰ viv παρόντα und 74, 8 τὰ 
ὄντα), anderseits das Synonymon τροφή nicht absichtlich meidet, vgl. 
130, 5. 137, 4. βλάβην φέρειν τινί 1]. 12. Alexis ΠῚ 522. Men. Mon. 6. 
λύκος χανὼν ὄντως 16, 6. ὡς λύκος χανών Eubulos ΠῚ 212, vgl. Aristoph. 
11 1087. Euphron IV 487. χολὴ δ᾽ ἐπέξει καρδίην 95, 60. χολὴ ἐπεξεῖ 
Ar. Thesm. 468. — Wer ein so slarkes Zusammentreffen des Babrios mit 
dem spätern attischen Lustspiel, und zwar in manchen seltenen Aus- 
drücken, erwägt, dem musz doch wol der Gedanke aufsteigen, dasz 
Babrios dessen Blütezeit erlebt habe. 





41. 

Es wäre nun eigentlich unsere Aufgabe, auch diejenigen Wörter 
und Wendungen des Babrios anfzuzählen, welche sich bei den Prosaisten 
seiner Zeit, besonders bei Polybios, zu hunderten und aber hunderten 
nachweisen lassen. Denn es ist natürlich, dasz ein Fabeldichter sich weit 
weniger von der Prosa fernhalten kann als der Verfasser von Helden- 
gesängen „ dasz er vielmehr gar manche eben landläufige Münze in seinen 
Sprachschatz aufzunehmen sich genótigt sieht. Um übrigens das trockene 
Register von Wörtern und Phrasen nicht noch weiter auszudebnen, ver- 
sage ich mir auch nur die seltneren Ausdrücke Hier aufzuführen, die 
Babrios vor allem mit Polybios, ferner mit Platons Gesetzen , dem 
Platonischen Axiochos, Demosthenes, Isokrates, Aristoteles, Theophrastos, 
Demetrios von Phaleron, Timäos, Apollodoros, Diodoros, Dionysos 
von llalikarnass, Strabon, Nikolaos von Damaskos, den Septua- 
ginta'®) u. a. teilt; von Späteren sind es neben Iosephos und den neu- 
testamentlichen Schriftstellern besonders Alkiphron und Lukianos, diese 
beiden mit viel Glück nach einer guten attischen Diction strebenden Au- 
toren, mit welchen Babrios in auffallenderen Ausdrücken harmoniert. 
Bei letzteren mag die gleiche Heimat nicht wenig zu der sprachlichen 
Uebereinstimmung beigetragen haben, 1) 


108) Hauptsächlich das Zusammentreffen des Babrianischen Sprach- 
gebrauchs mit den Septuaginta hat O. Schneider ins Auge gefasst in 
einem mit viel Sachkenntnis und Umsicht geschriebenen Artikel in dez 
Jensiachon allg. Litt.-Zig. 1845 8. 5311. 109) Dass auch Alkipliron 
wie Lukianos und Babrios Syrer war, scheint mir aus mehr als 
Anzeichen, besonders im ersten Buch seiner Briefe hervorzugehen: Ado- 
nis und die Adonisfeste treten hervor (I 39,8. II 2, 2. 137, 1); 138,4 
ist die Rede davon, dasz ein Kaufmann aus Syrien der Bakehis 
muchen, Mädchen und andere orientalische Luxuswaaren 

habe; 122, 1 werden Pistacien und Datteln, beides, m die 





0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 405 


Ziehen wir auszer den aus Homeros, den Tragikern und Komikern, 
den alexandrinischen Dichtern und den Prosaisten jener Periode zu be- 
legenden Ausdrücken noch die specifisch attischen ab, deren Babrios 
nicht wenige gebraucht, ferner die der gemeinen Umgangssprache ent 
Jehaten Wendungen, so bleibt namentlich im Vergleich zu andern zeit 

üschen Dichtern eine höchst geringe Summe von Wörtern übrig, 
ie sich entweder spät oder gar nicht in der auf uns gekommenen Lit- 
feratur nachweisen lassen. Aus dieser Summe selbst aber fallen gar 
mmehe Summanden fort, weil sie auf Rechnung verdorbener Lesarten, 
verfehlter Conjecturen und später Interpolationen kommen. 

Zar ersten Kategorie gehört das bei Boissonade sich findende Fr- 
sisom 76, 10, wo Lachmann in jeder Beziehung mit Recht liest: σάγην 

τε νύτοις ἔφερεν οὐκέθ᾽ [ππείην. 

^ Zur zweiten Kategorie labe ich noch vor der Herausgabe des zwei- 
sen Teils das ὅκαξ εἰρημένον ἀληθίη 127, 3 gezählt, welches Lachmann 
erfinden hat: Π 52 findet man diese Misgeburt nicht. 

Zu der dritten Kategorie gehört das in dem unechten Epimythion 
su F. 43 aufstoszende πεποίϑησις, welches Lobeck Phryn. S. 295 auszer 
bei Iosephos, Philon, Zosimos und anderen Späteren nur “in libris sacris 
Indacorum et Christianorum? gelesen hat (vgl. O. Schneider a. 0. S. 531). 
"Vom dem nach dieser Subtraction noch übrigen Reste ist ein Teil 
freie Schöpfungen des Dichters anzusehen, der zwar nicht mit alexan- 
diisischer Willkür über die Sprache schaltete, aber auch von der Scrupu- 
Mesi der späteren Atticisten weit entfernt war (vgl. κνηκίας 122, 12. 
selten 76, Lu. Ein letzter Teil von eigentümlichen Wörtern be- 
stähr endlich aus solchen, deren Seltenheit, spätes Vorkommen oder 

Verschwundensein sich leicht aus dem fragmentarischen Zu- 

Mund der, litierarischen Ueberlieferung Griechenlands erklärt, die ja, 
mwmentlch was die alexandrinische Periode anlangt, sehr lückenhaft 
gemma werden musz. Wie manches Wort, das ganz gut classisch ist, 
gewinat, sobald wir den Untergang einer antiken Schrift als Voraus- 
setzung annehmen, den Anschein eine ganz späte Erfindung zu sein, oder 
einer gänzlich aus dem Bereich der griechischen Sprache. So 
ist s. hu ἀβόσκητος (Babrios 45, 10) erst aus Eustathios zu B 633 zu 
3 nichtsdestoweniger weist auch dieses Wort den Babrios bei 

er Ueberlegung in die Zeit des Nikandros, der Ther. 124 das ver- 

wandte ἀβοσκής gebraucht. Ebenso wenig Anstosz darf uns z. B. βλη- 
χύδης B. 98, 5 geben , obwol es sich zufällig blosz noch bei sehr späten 
Autoren findet (Suidas, Polemon Physiogn. 252. Constit. Apost): denn 
gerade für Adjectivbildungen auf -ὠδης zeigen auch andere syrisch- 
hellégistische Schriftsteller eine merkwürdige Vorliebe: νεφώδης Ezech. 


isn 











ersteren speeilisch syrische Früchte, als Knupperwerk zum Nachtisch 
erwähnt; I 17, 3 lesen wir, wie ein paar Fischer, die einen recht statt- 
lichen Fang zu thun glauben, mit vieler Mühe ein halbverfaultes Kamol 
aus der Tiefe des Seehafens emporsiehen. Als bester Wein gilt dem 
Alkiphron I 20, 1 nicht etwa der Chier oder Lesbier, sondern der aus 
Chalybon, einer Landschaft in Syrien, nördlich von Palmyra. 


26* 


406 0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


222. ἀνδραποδώδης Nik. Dam. 10. καυματώδης 99. δενδρώδης Meleag. 
111 usw. Der ganz gleiche Fall ist es mit den bei Babrios beliebten For- 
men auf --ἰς und -ag. 2 

42. 


So haben wir denn bei der formellen Betrachtung in der sprach- 
lichen Seite eine starke Stütze für unsere obige Hypothese gefunden, 
und die Technik des Babrianischen Verses wird ihr ebenfalls nicht 
entgegen sein. 

Als Metrum für seine Fabeln hat Babrios, wahrscheinlich durch 
Kallimachos Vorgang darauf geleitet, den choliambischen Trimeter ge- 
wählt und hiemit auch in Beziehung auf die äuszere Form einen so guten 
Geschmack bewährt, wie unter allen Fabeldichtern vielleicht nur noch 
Lafontaine. Die Ironie, der Humor, der im choliambischen Metrum liegt, 
passt so vortrefllich zu dem komischen, neckischen Wesen der Fabel, 
dasz gerade durch diese innige Harmonie. zwischen Form und Inhalt die 
an sich so anspruchslose, fast unschóne Form doch viel schóner er- 
scheint und wolthuender wirkt als das erhabenste heroische Versmasz, 
das auf den Apolog angewendet nur lächerlich und unvernünftig sich 
ausnelinen müste. 

Uebrigens unterscheidet sich der Babrianische Mythiambos vom ge- 
meinen Choliambos durch mehrere sehr greifbare Eigentümlichkeiten. 
Einmal liegt im sechsten Fusze überall der Accent auf der vorletzten 
Silbe und die letzte Silbe ist eine Länge. Die erstere, zuerst von Il. L. 
Ahrens gemachte Bemerkung kann uns insofern durchaus kein Moment 
für die Zeitbestimmung des Dichters abgehen, da ein solcher Einllusz 
des Accents auf die Quantitàt in der ganzen griechischen Litleratur bis 
zum siebenten Jahrhundert n. Chr. einzig dasteht und natürlich nicht 
die Rede davon sein kann, den Babrios auch nur in die Nähe eines so 
späten Jahrhunderts hinausschieben zu wollen. Auch kann man die Exis- 
tenz und Hörbarkeit des Wortaccents in der classischen Zeit durchaus 
nicht leugnen (Hertzberg a. Ὁ. S. 176); und unter keinen Umständen darf 
man diese Eigentümlichkeit des.Babrios mit den politischen Versen zu- 
sammenwerfen, wo ja nur auf den Accent und nicht auf die Quantität 
Rücksicht genommen wird. Wir sehen uns also genötigt, bis genügende 
Untersuchungen über den Werth und die Geltung des Accents in der 
Aussprache des Altgriechischen erschienen sind, einfach ohne alle Schlusz- 
folgerung die Thatsache anzuerkennen, dasz Babrios seinen Choliambos 
mit Wörtern geschlossen hat, welche auf der vorletzten Silbe den Ton 
tragen. 

Rücksichtlich der Quantität hat sich Bahrios nicht blosz an das bis 
dahin unerhörte Gesetz gebunden, den Choliambos nur spondeisch zu 
schlieszen, sondern er hat sich auch die Regel auferlegt, einen Ersatz 
des Iambos durch einen Anapäst oder Spondeus sede pari und im fünften 
Fusze wo möglich zu vermeiden. Indem er aber namentlich dieses letzte 
der Reinhaltung des fünften Fuszes keineswegs mit dem gelehrten 
smus der Alexandriner (vgl. Ὁ. Schneider Jen. allg. Litt.-Ztg. 1845. 
37) festgehalten hat, sondern zu der freiern Weise des Hipponax und 













0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 407 


Ananios zurückgekehrt ist, zeigt er, wie unrecht man ihm gethan, wenn 
man seine vorgebliche Schulmäszigkeit und Pedanterie im Versmasz für 
sein spätes Zeitalter geltend gemacht hat. Freilich wenn Babrios mit 
derjenigen Aengstlichkeit sich an solche metrische Regeln gebunden 
hätte, wie es nach den Lachmannschen Behauptungen und Correcturen 
den Anschein haben könnte, so dürfte man ihn kaum von dem Vorwurf 
übertriebener Künstlichkeit in dieser Hinsicht reinigen. Allein Lachmann 
hat eben auch in den Babrios, gerade wie in manche der altdeutschen 
vor.ihm herausgegebenen Dichtungen, metrische Sonderbarkeiten hinein- 
getragen, die weniger dem Autor als dem deutschen Kritiker selbst schuld 
zu geben sind. Ebenso darf man auch die Folgerung Lachmanns (Vorr. 
8. Xll f.), dasz Babrios Uebereinstimmung in dem correcten Bau der vier 
ersten Füsze mit Persius und Martialis für ein gleiches Zeitalter der bei- 
derseitigen Dichter zeuge, unbedenklich zu den übereilten rechnen, sofern 
diese Aehnlichkeit durch das völlig entgegengesetzte Verhältnis des fünf- 
Aen wad sechsten Fuszes paralysiert wird (Hertzberg S. 164). 

Immerhin erfordert die Handhabung des Babrianischen Metrums 
einen sehr fertigen Versificator, weshalb sich auch die Interpolatoren 
rögelmäszig in dieser Falle gefangen haben; um so mehr musz man es 
amerkennen, dasz sich Babrios durch keine metrische Schwierigkeit zu 
Misiuindiungen der Sprache hat verleiten lassen, wie sie doch eben zu 
seiner Zeit modern gewesen zu sein scheinen. Dafür hat er sich durch 
willkürliche Anwendung verschiedener Dialekte geholfen, eine Willkür 
dies je mehr man sich an die Handschrift hält, in um so auffallenderem 
Grade ‚sich zeigt (0. Schneider a. O. S. 536): daher sehen wir bei ihm 
eise ziemliche Anzahl von Wörtern zuweilen in einer und derselben 
. Wulpal im dialektisch verschiedenen Formen auftreten. Auszer diesem Um- 
-Siimd kam ihm dann und wann noch das Schwanken in der Quantität 
«tneá Wortes zu statten, sofern er ein solches ganz nach metrischem 
Bedtefuis bald lang, bald kurz zu verwenden pflegte. Man betrachte das 
Wort‘ : zwar braucht er « in den meisten Fällen lang 21, 4. 37, 8. 
4. 8. 69, 9. 91, 4. 112, 3; dagegen steht 8%, 1 κέρατε mit entschieden 
Mawsetn e. Bei Homeros ist « stets kurz. Dieselbe Freiheit ἃ in x£goz- 
ἐκ πὰ verwenden hat sich auch der Dichter der Pseudo-Phokylideia ge- 
motmmen, der, wahrscheinlich ein Landsmann von Babrios, jedenfalls aber 
gieleh diesem. von syrischem Geblüte (vgl. J. Rernays über das Phokyli- 
delache Gedicht, Berlin 1856), in einer merkwürdigen Menge von Einzel- 
iuiten seine Verwandtschaft mit dem Fabeldichter bekundet. Habe ich 
memlich Recht, so hat man V. 119 zu lesen: ταύροις δ᾽ αὐτοχύτως 

? daslv- κέντρα μελίσσαις (ἔδωκε). Die Vulgata lautet: ταύροις 
δ΄. τοὐτοχύτοις κεράεσσιν᾽ gänzlich anakoluth, der cod. Mut.: ταύ- 
quip δ᾽ αὐτοχύτως xsgsoow: Bergk conj.: ταῦροι δ᾽ αὐχαλέοι κεράεσ- 
ew. -Die Varianten sind wahrscheinlich durch den plötzlichen Wechsel 
dh Gonstruction entstanden; das Asyndeton aber hat nach dem Sprach- 
gubrauch des Pseudophokylides nicht das mindeste gegen sich. Vor der 
sibr-Binlichen Conjectur von Bernays, die mir erst später zu Gesicht ge- 
ἴοι, ‚hatidie gegebene wenigstens die Vermeidung des Hiatus voraus. 








408 Ὁ. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


43. 

Mat also Babrios, wie wir gesehen haben, sowol in Versmasz als 
in Sprache den wahren Ton der Fabel richtig getroffen, so müste es im, 
höchsten Grade befremden, wenn er, der zum erstenmal und mit so ent- 
schiedenem Geschick als Sänger der Acsopischen Fabel auftrat, nicht 
allgemeinen Beifall geerntet hätte: gehört doch die Aesopische Fabel zu 
den beliebtesten und populärsten Stoffen, welche die Poesie aller Völker 
aufzuweisen hat. Allerdings hat der Berühmtheit seines eignen Namens 
der ältere und volkstümlichere des Aesopos nicht unbeträchtlichen Ein- 
trag gethan; aber seine seltene Erwähnung bei den alten Grammatikern 
ist noch kein Zeugnis gegen seinen Ruf, da die ziemlich schlichte Aus- 
drucksweise des Babrios jenen Curiositätenhaschern sehr wenig interes- 
santes geboten haben kann. 

Dasz Babrios Gedichte bei seinen Zeitgenossen Anklang gefunden 
haben, geht schon aus dem Umstande hervor, dasz er eine zweite Aus- 
gabe seiner Mythiamben veranstaltet hat. Dies sagt er uns selber in den 
beiden Schluszversen des zweiten Proömium: ἀλλ᾽ εὖ πυρώσας, εὖ δὲ 
κέντρα πρῃύνας ἐκ δευτέρου σοι τήνδε βίβλον ἀείδω. ἐκ δευτέρου heiszt 
‘zum zweitenmal? F. 95, 97 vgl. 114, 5. Babrios hatte also bereits τήνδε 
βίβλον einmal veröffentlicht. Dasz diese Veröffentlichung von bedeuten- 
dem Erfolg begleitet gewesen sei und manchen zur Nachahmung. dieser 
früher unbekannten Dichtungsart angereizt habe, erfahren wir aus dem 
gleichen Proómium V. 9 ff. ὑπ᾿ ἐμοῦ δὲ πρώτου τῆς ϑύρας ἀνοιχϑὲ 
εἰσῆλϑον ἄλλοι, καὶ σοφωτέρας | μούσης γρίφοις ὁμοίας ἐκφέρουσι ποιή- 
σεις, μαϑόντες οὐδὲν πλεῖον ἤ μὲ γινώσκειν. Hier spricht er olfenbar 
von dem Resultat seiner ersten Ausgabe. Im Prolog zur zweiten Hälfte 
seiner Sammlung wäre V. 12 (μαϑόντες xr£.) entweder im höchsten Grade 
anmaszend oder geradezu sinnlos. Denn die nach der jetzigen Anord- 
nung auf das zweite Proómium folgenden Apologe sind zum. grösten 
Teil nicht der Art, dasz sie nicht höchst wahrscheinlich von den etwai- 
gen Nachahmern des Babrios aufgegriffen und in Verse gebracht worden 
wären. Fabeln wie die vom Adler und der Schildkröte oder von der Feld- 
und der Stadtmaus müssen damals Gemeingut der hellenischen Völker 
gewesen sein und werden in einem prosaischen Corpus, z. B. in der 
Fabelsammlung des Demetrios, nicht gefehlt haben. Wie hätte aber 
Bahrios von andern Dichtern als von gedankenleeren Nachtretern seiner 
Muse reden dürfen, wenn er nicht selber die gleichen Fabeln schon 
vorher dichterisch bebandelt hätte; wenn er vielmehr eben im Begriff 
gewesen wäre diese angeblichen Nachahmer seinerseits zu benützen? 
Auszerdem bleibt es höchst räthselhaft, warum Babrios ungefähr ein 
Decennium gewartet haben- sollte, ehe er eine mit μῳ v, & usw. anfan- 
gende Fabel publiciert hätte. Jedenfalls aber musz von der ersten Aus- 
gabe seiner Fabeln an bis zu jenem im zweiten Proömium ausgesproche- 
nen Urteil über die vielfache Nachahmung dieser Gedichte eine Reihe von 
Jahren hingegangen sein. Die Stellung dieses ursprünglich die zweite 
Recension eröffnenden Proömium in der Mitte der von Boissonade heraus- 
gegebenen Babrianischen Fabeln erklärt sich ganz einfach durch die alpha- 





0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 409 


betische Anordnung derselben, ein Princip welches diese Einreihung der 
mit dem bezeichnenden Worte μῦϑος beginnenden Vorrede nach sich 
ziehen muste. 

Ob dem vom Athoischen Codex in manchen Stücken abweichenden 
Texte, welchen Suidas excerpiert hat, die zweite oder erste Ausgabe zu 
Grunde gelegen, können wir nicht mehr ausmachen: der eine Kritiker 
entscheidet so, der andere anders (vgl. Schneidewin a. O. S. 25. Bernhardy 
griech. Litt. 11?2 S. 655. H. Sauppe in den Gött. gel. Anz. Aug. 1860 S. 247); 
mir scheint Suidas einen bessern, d. h. altertümlichern Text vor sich ge- 
habt zu haben als wir in dem Codex vom Athos. Was ferner von seiner 
Behauptung, Babrios habe seine Fabeln in zehn Bücher eingeteilt, zu 
halten sei, dürfte ebenfalls sehr schwer zu ermitteln sein, namentlich da 
Sich bei ihm keine Fragmente Babrianischer Proómien erhalten haben 
(Schneidewin a. 0.). ‚Uebrigens kann man aus dem Zahlenverhältnis der 
bei Suidas citierten Stücke mit Sicherheit abnehmen , dasz er keine um- 
fangreichere Sammlung der Babrianischen Apologe vor sich gehabt hat 
als diejenige, deren bei weitem gróster Teil in diesem Jahrhundert wieder 
. aufgefunden worden ist. 

Und wenigstens um den groszen Einflusz unseres Dichters zu er- 
klären, brauchen wir keine Hypothese von zehn Büchern Babrianischer 
Fabeln: vielmehr gerade darin, dasz Babrios sich mit zwei Büchern be- 
guügt hat, zeigt sich wiederum sein kluges Maszhalten, das ihn den 

griechischen Classikern ebenbürtig an die Seite stellt. Wie 
Lafontaine, der einzige Fabeldichter, von dem man sagen kann dasz er 
im seiner Art hinter Babrios nicht zurücksteht, liesz sich Babrios an dem 
überlieferten Vorrat echt volkstümlicher Fabeln genügen und wandte 
seine eigne poetische Schöpferkraft, ohne nach dem Ruhm eines Fabel- 
erfinders zu haschen, fast einzig und allein an eine vullendete Darstellung 
bereits vorhandener Stoffe. Auszer den Aesopisch-libystischen oder grie- 
, chischen Fabeln finden wir nur wenige unter seinen Apologen, die er 
selbst in Syrien aus dem Munde des Volks gehört haben mag, z. B. seine 
aus Indien herübergekommenen Märchen, und nur ganz wenige solche, 
die er wol selbst erfunden haben wird. Im Gegensatz zu gleichzeitigen 
Fabelpoeten, die in ihren verkünstelten, von alexandrinischem Bombast 
strotzenden Fabelbücheru allerhand wunderliche und räthselhafte eigne 
Krüadungen zum besten gaben (vgl. das 2e Proómium), nahm sich Babrios 
auch bei der Abfassung seiner zweiten Recension wu] in Acht, durch 
ausgedehnte Einmischung selbstgeschaffener, nicht dem Volksgeist wirk- 
lich entsprossener Apologe die Popularität seines Fabelwerks aufs Spiel 
zu setzen. Und diese stoffliche Beschränkung hat dem Dichter keinen 
Schaden gebracht: sein Wirkungskreis ist noch bei weitem grószer ge- 
wesen, als es auf den ersten Anblick erscheint. 

Wie die Waaren der Kaufleute von allen Weltgegenden in die syri- 
schen Handelsstädte zusammenflossen, um nach allen Weltgegenden wieder 
suszuströmen, so sind die Fabeln des Babrios nur dazu aus Phrygien und 
Assyrien, Hellas und Libyen in die syrische Heimat des Dichters zusam- 
mengekommen, um wieder nach allen Winden weiter getragen zu werden, 


410 0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


nach Armenien und Palästina, nach Indien und Italien. In alle möglichen 
Litteraturen eingedrungen, bald ziemlich unversehrt übernommen, bald 
aber bearbeitet, verändert, verstümmelt, finden sich die Babrianischen 
Fabeln trümmerweise überall, nirgends vollständig. Wir haben solche 
Fabeln schon oben bei der Frage nach dem Ursprung der Aesopischen 
Apologe in hebräischen, persischen und sanskritischen Werken. ange- 
troffen; einen Punkt aber — und er ist für uns der wichligsle — 
müssen wir hier noch erörtern, nemlich die Einwirkung des Babrios auf 
die beiden classischen Litteraturen. 


44. 

Zunächst begegnet uns auf römischem Boden der Rhetor Julius 
Titianus, der die Babrianischen Fabeln in lateinische Prosa übertragen 
haben soll. Nach Cannegieters Vermutung (*de aetate et stylo Flavii Aviani? 
bei seiner Ausgabe des Avianus, Amsterdam 1731) war er derselbe Julius 
Titianus, der des Kaisers Maximinus des jüngern Lehrer war, nach Ker- 
lers Ansicht (róm. Fabeldichter, Stuttgart. 1838, S. 209) vielmehr dessen 
Vater. Ueber seine Persönlichkeit sind wir somit ziemlich. im unklaren, 
und von den Nachrichten über seine schriftstellerische Thätigkeit ist 
eigentlich blosz die bei Ausonius Epist. 16, 78 von Werth: 

apologos en misit tibi 

ab usque Rheni limite 

Ausonius, nomen Italum , 

praeceptor Augusti tui , 

Aesopiam trimelriam , 

quam vertit ezili stilo 

pedestre concinnans opus 

fandi Titianus artifez. 
Man kann sich übrigens dabei beruhigen, dasz im Anfang des dritten 
Jahrhunderts ein gewisser Julius Titianus die Fabeln des Babrios in latei- 
nische Prosa übersetzt habe, sicherlich zunächst zu rhetorischen Zwecken; 
und bei dem Werthe, welchen Seneca (Consol. 27). und Quintilianus. an 
verschiedenen Orten seiner Institutionen (I 9 und sonst) auf die Aesopi- 
schen Fabeln legt, darf man annehmen dasz eine so gelungene Ueber- 
setzung der Babrianischen Apologe, die von einem Ende des römischen 
Reichs zum andern versendet zu werden verdiente, sich sehr beliebt in 
den Rhetorenschulen gemacht hat. Stand doch Phädrus, wie aus seinen 
mehrfachen Klagen erhellt, mit seiner übertriebenen Kürze selbst in den 
Augen jener sentenzenhaschenden Zeit weit unter Babrios: und auszer 
Titianus und Phädrus scheint lange keine namhafte lateinische Sammlung 
der Aesopischen ‚Fabeln entstanden zu sein: denn den Namen. Cilnius 
Melissus hat man mit Recht aus der Liste der Fabeldiehter gestrichen 
(Kerler S. 207). 

Wahrscheinlich später als Titianus ist Avianus zu datieren, ob- 
gleich ihn Cannegieter in die Zeit der Antonine rücken will. Treffend 
sagt Werusdorf (Poetae Latini minores V 2 S. 664) von den Bemühungen 
dieses Gelehrten, dem Stil des Avianus jenes classische Zeitalter. zu. via- 





0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 411 


dicieren und die vielen Mängel und Verderbnisse desselben zu vertuschen : 
‘mag die Arbeit auch vortreffliche Bemerkungen und grosze Schätze der 
Gelehrsamkeit aufhäufen , so ist sie doch so beschaffen, dasz sie bei all 
ihrer Fülle ihre Wirkung zu verfehlen scheint, und dasz sich, wenn man 
den Text des Avianus nach so vielen Vertheidigungen und Verbesserungen 
liest, nichtsdestoweniger die ungeschickte Darstellung des Verfassers, die 
eines bessern Zeitalters unwürdig ist, dem Leser aufdringt. Ego qui- 
dem veritatem? fährt Wernsdorf a. O. S. 669 fort *ultro se offerentem 
amplectens, et, quid alii operose quaerant, incuriosus, omni assensu 
dignam reperio sententiam a plerisque receptam, quae Flavium Avianum 
Theodosiani aevi scriptorem, nec eundem cum Festo Avieno, sed huic 
aetate supparem existimat, Theodosium autem, cui dedicatae sunt fabu- 
lee, non alium quam Macrobium Theodosium grammaticum, Saturnalio- 
rum auctorem, arbitratur Mag es sich nun mit dieser Hypothese, die 
allerdings bedeutend plausibler erscheint als die von Cannegieter, ver- 
halten wie es will: das bleibt ausgemacht, dasz Avianus der einzige ge- 
wesen ist, welcher die Fabeln des Babrios metrisch im Lateinischen 
wiedergab, dasz er aber zugleich als Fabeldichter gerade so tief unter 
Babrios steht, wie Vergilius, dessen Ausdruck er mit Vorliebe nachge- 
ahmt hat, unter Homeros, den sich Babrios in sn manchen Stücken zum 
Muster genommen hat. Des Avianus Poesie fehlt jener naive Duft, der 
die Babrianischen Fabeln so reizend macht, vollkommen: sie ist steif, 
gekünstelt und leblos, wimmelnd von gelehrten Anspielungen und Re- 
miniscenzen , schwerfälligen Constructionen und gesuchten Wörtern; der 
einzige Vorzug, welchen er vor Phädrus hat, ist der, dasz er nie wie 
Phädrus ins unanständige und pöbelhafte herabsteigt, was ihn für den 
Schulgebrauch ganz besonders empfehlen und seine zahllusen Textesver- 
derbnisse zur notwendigen Folge haben muste; aber jener einzige Vorzug 
ist lediglich dem Babrios zuzurechnen, da er bei Avianus blosz auf ge- 
treuer Nachahmung des Babrios beruht, bei dem sich in keiner echten 
Fabel etwas sittlich anstösziges nachweisen läszt. Uebrigens musz man 
zugeben, dasz sehr viele der Avianischen Fabeln leicht erzählt und abge- 
rundet erscheinen, und ich glaube dasz auch dieses an Babrios erinnernde 
Merkmal gegenüber dem strammen und knappen Zuschnitt der Phädria- 
nischen Apologe die Oberherschaft des Babrios auf dem Gebiete der rómi- 
sehen Fabeldichtung zur Folge gehabt hat. 

Nicht geringer natürlich war Babrios Autoritàt in der griechi- 
schen Litteratur. Nebeu den sehr zahlreichen prosaischen Bearbeitun- 
gen seiner Sammlung (vgl. Tyrwhitt S. CLXII ff. Robert S. LV), welche 
deren vollkommene Herschaft in den Schulen bekunden und sehr wahr- 
scheinlich machen, dasz die alten Redelehrer, ein Aphthonios, Themistios 
usw. bei ihren Sammlungen Aesopischer Fabeln hauptsáclilich aus Babrios 
geschöpft haben, geht eine Reihe metrischer Behandlungen der Babriani- 
schen Apologe (vgl. die Einleitung zu Knoches Ausgabe des Babrios); 
unter diesen Nachdichtern sind besonders Tzetzes (Tyrwhitt S. CLXXXIL), 
Gabrias und Ignatius Magister zu nennen, welcher letztere dreiundfünfzig 
Fabeln des Babrios in Tetrasticha faszte (vgl. Koraes Einl. S. xz). 


412 O. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


Leider hat die Berühmtheit und Verbreitung des Babrianischen Werks 
auch eine nachteilige Folge für dasselbe gehabt, nemlich beträchtliche 
Zusätze und Interpelationen. Nachahmer, welche auch in Stil und metri- 
scher Kunst mit dem Meister wetteifern zu kónnen glaubten, wider- 
standen bisweilen der Versuchung nicht, bald ganze Fabeln, bald einzelne 
Verse in die Sammlung des beliebten Dichters einzuschmuggeln. Indessen 
verräth sich doch glücklicherweise der Pfuscher in der Regel durch irgend 
eine Ungeschicklichkeit: so ist es bei der des Babrios total unwürdigen | 
Fabel 116 der Fall, von der man nicht begreift, warum sie von den 
Herausgebern nicht eingeklammert wird, da doch ihr Ausdruck entschie- 
den spät (z. B. νυκτὸς μεσούσης. vgl. Damaskios bei Photios 848" ἐν 
νυκτὶ μεσουσῃ)., schlecht (vgl. die Wiederholungen: 6 ἦλθε. 7 ἐλϑοῦσ 
10 ἦλϑεν) und ganz unbabrianisch ist (9 ζητῶν ὅπου 'osi, während 
Babrios regelmäszig das directe Fragwort auch in der abhängigen Frage 
setzt; 12 εἰς δόμους εὕδειν u. dgl.) und zu allem hin in den paar Versen 
vier Verstósze gegen die Babrianische Metrik sich finden, die allerdings 
einem Nachahmer, der die Gesetze des Babrianischen Versbaus nicht ganz 
durchschaut hatte, schwerlich als fehlerhaft werden zum Bewustsein ge- 
. kommen sein (V. 2. 3. 10. 13 ein Trochäus am Schlusz). 

Als in die Mitte von Fabeln eingeschobene Verse erweisen sich 46, 7 
und 75, 4; mit Recht streicht Hartung (S. 166) den ersten Vers ganz; 
mir scheint besonders auch die erste Hälfte, welche Fix und Schneidewin 
beibehalten wollten, wegen des unclassischen , latinisierenden ὅλαι für 
vAn unecht: wahrscheinlich rührt der ganze Vers von einem Römer her: 
so erklärt sich auch das ὁ δὲ πενίῃ θνήσκει) woran sich Lachmann und 
andere vergeblich abgemüht haben. 

Ganz besonders verrätherisch ist der vorn betonte Schluszspondeus 
des Babrianischen Mythiambos für die vielen unechten Epimythien ge- 
worden (F. 10. 22. 29. 47. 50. 64. 65. 71. 81. 84. 85. 107. 137); auch 
ein Anapäst oder Spondeus sede pari oder im fünften Fusze des Choliam- 
bos zeigt besonders bei den Epimythien nicht selten die Fälschung an 
(3. 21. 52. 70. 72, vgl. Lachmann Vorr. S. XV). Ueberhaupt musz man in 
der Anerkennung der Echtheit der Babrianischen Epimythien .ausszer- 
ordentlich vorsichtig sein und lieber Formen wie πεπούϑησις (F. 43) als 
unbabrianisch verwerfen, ehe man daraus einen einseitigen Schlusz auf 
ein spätes Zeitalter des Urhebers der Fabeln zieht. Bisweilen stöszt man 
noch unter den prosaischen Epimythien auf solche, deren rhythmische 
ohne viel Mühe in wirkliche Choliamben zu bringende Fassung auf die 
nur nicht ganz zur Ausführung gekommene Absicht des Verfassers schlie- 
szen liszt, sie in vollendeter metrischer Form den echten Versen der 
betreffenden Fabeln anzuhängen, vgl. 33, 25. 83, 5—7. 92, 10. 11. 


I. 


Inhaltsübersicht. 


Ueber das Wesen der Aesopischen Fabel. 

1. Namen und Begriffsbestimmung der griechischen Fabel 

2. Wesen der griechischen Fabel. . . . 

3. Woraus entwickelte sich die altertümliche Fabel? . 

4. Woher kam die Empfänglichkeit der Griechen für die Fabel? 
8. Wozu entwickelte sich die altertümliche Fabel? . . . 


IL. Hypothesen über die Herkunft der Aesopischen 


Fabeln. 
6. Thiersagentheorie. . . 


7. Aegyptische Theorie. . . . . 2 . . . . «. « 

[ 8. Palästinensische Theorie . . . . . . . . . . 
9. Arabische Theorie . . . . . . . . . τι 

10. Indische Theorie. . . TP 

IH. Traditionen über die Herkunft der Aesopischen 


'18. Kleisasiatisch -griechischer Teil der Biographie 


40. Vermengung der Aesopos- und Markolfsage  . 


Fabeln. 

11. Phrygisch-lydische Fabeln . . 
12. Karisehe Fabeln . . 

13. Kilikische und kyprische Fabeln 
14. Libystische Fabeln . . . . 
15. Sybaritische Fabeln . . . . 
16. Attische Fabeln . . . . . 
Aesopos. 

17. Verfasser und Inhalt der Biographie des Aesopos 


€ e 9 9 9 e 
e .* 8 ? ὁ ὁ 
e « ^ ? 4 ec 
e « . . e . 
e e e e e . 
e. « e e . e 


19. Syrisch- orientalischer Teil der Biographie . . 


21. Ausschmückung des Romans mit Erfindungen des Iamblicho 
22. Arabische Version des zweiten Teils. . 

23. Syrien die wahrscheinliche Heimat des Romans 
24. Existens und Name des Aesopos . 
25. Zeitalter des Aesopos. . . . . 
26. Heimat des Aesopos . . . . . 
27. Sklaventum des Aesopos . - 

28. Litterarische Tbütigkeit des Aesopos 
29. Fabeln über sein Leben . . 


b 


. Ges ebichte der griechischen Fabel vor Ba rios. 
80. Die Aesopische Fabel als Ersiehungsmittel eo 


31. Die Fabel als poetisches Mittel . . TEN 
82. Die Fabel als rhetorisches Mittel . . . . . . . . 
Babrios. 
83. Babrios der erste griechische Fabeldichter 
84. Heimat des Babrios . . . . . . ὁ 
85. Zeit des Babrios . . . . . . . . 
86. Syntax des Babrios . . . . . . 
87. Formenlehre des Babrios . . . 
38. Verwandtschaft seines Ausdrucks mit den alexandrinischen 
Dichtern . . Pe a ΌΎΕΕ 
89. mit den attischen "Tragikern TON 
40. mit den späteren Komikern . . . . . 
41. mit den späteren Prosaikern . . . . . . . . . 
42. Metrik des Babrios . . ne 
43. Litterarische Thätigkeit des Babrios . e 
44. Einwirkung des Babrios auf die beiden classischen Litteraturen 


Seite 


300 
911 
818 
914 
816 


820 


882 


305 


307 
401 
402 
404 
406 


410 


Aal . 


Register. 


Abul maali Nasrallah, ; Fabel- 


bearbeiter 


Abumalam, Fabulist 


Achüos von Eretria . 


Accent bei Babrios . » 


Achilleus Tatios (II 21 


Adler 


Adler als König 
Adlergespaun . . 
Aeschylos (und Babrios) 


— Myrm, Fr. 135 





Aesopische Fabel 
— 8 

—n 300 
— 30 351 
— 84 358 
— 37 325 
— 39 343 
- a 343 
— 48 325 
— 56 349 
— 06 345 
— τὸν 349 
— 88 349 
— 89 — 88 
-- 92 318 
-- 985 
— 90» — 347 
— 1005 358 
— 101 364 
— 113 351 
5 329 
- 117 301 
— 120 318.348 
— 123 373 
_ ΠΗ 318. 360 
— 320 
Zn 320 
— M5 317 
— M9 343 
— 151 319 
— 361 
- 349 
- 358 
-M 360 
— 201 398 








Seite 

312 

. $49 

. 373 

- 406 

383 
- 348 f. 

. . 312 

. .952 

εν 9608 

. 402 

. . 850 
358 £. 383,08) 
Aesopische Fabel 
— 234 401,107 
— 243 341 
— 246 343] 
— 255 342 
— 260 343 
— 272 343| 
— 2705 358| 
— 203 849) 
— 9294 319 
— 295 358 
— 296 358| 
— 298 349| 
— 300 300 
— 316 304 
— 3165 804 
— 324 551 
— 326 342.343 
— 333 349 
— 339 349. 360 
— 343 340; 
— 346 349.351 
— 351 351 
— 357 358 
— 858 358 
— 303 349.300 
— 305 358 
— 395 340 — 
— 408 360) 
— 410 360) 
— 416 360 
— 419 349 
—4n 358) 
— 428 348 


.| Αἴσωπος, Drama, 





Mes...» 2312, 818. ES 
αἴλουρος . . . 
αἶνος. © a0. 352 


Αἴσωπος, Etymologie - . 375 
Αἴσωπος Verfasser der gesta 
Alezandri . . .. = 
Alexis. 
Alexandersage . . - Ὁ 3 
Alexandriner (und Babrios) . 3084. 
Alexandros I Balas . 388—390 
Alexandros Polyhistor . . 377 
Alexis (Com. Gr. ΠῚ 380) 377.383,09 








Alkiphron (und Dabrior) | | 404 

—, seine Heimat . + . 404,100 
Allegorische Fabel . . . 318 
ἀλώπηξ 339 


Ameise . . 
Amorion Aesopos Heimat? 
Antipatros von Sidon 351. 401,107 


Alttestamentliche Fabeln |. 331 





Auwar-i-Subaili . . 349, 373,85 
Aphthonios. . . . . . 884 
Aphrodite . . . . . . 319 
Apollodoro —. 


Apollonios von Rhodos (und 


Babrios) . - 

Apollophanes (Com. Gr. T1889) 
apologatio . = . = - - 300 
dmOloyog . 


«ον 810 
Araber in der Fabel ^ 320. 386 
— Vermittler der Fabeln . 321 


Aramäische Fabeln . . 
Archilochos (884, 88%, 80. 100. 

100. 117) . . . 320. 388 
Aristophanes Friede . . 388,09 
— Vügelü52 . . . . . 949 
— Wespen 506. 1258 . . 317 
zuMemenliW. 1435 . . 359 
Aristoteles... . . . . 300 

(und Babrios). . . . 404 
— Rhet. II20  ... . . 355 
— Thiergesch. IX 35 . . 352 


Arkesilaosvase . Ὁ. 





9. Arzt in der Fabel 


Assyrier Vermittler EI. E 
Athen und die Fabel . 
Atensos(NIV 010) . > δῦ 























0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 415 
Seite 
Arlamıs . f.| Biographie des Aenopos 10. ας 
Babrios 29 Proóm. 317. 353. 390 E 16. 18. 20 . . 
Babrios Fabel Babrios Fabel |— oom om ono oe E 
— 2  326.391|— 80 386 t$] 865. 873,85 
- 8 412 81 358.412 oor on n. 973,85 
— 52 328 83,5-7 412 48. . 1 .305 
— 10 412 84 412 nn. 365. 306 
—Hu 328 85 388.412 DE 985 
— 13,21 360 85,4 395 64 De 7 77 
- 12.251. 301|— 86 329 2.225 190 
—13 808 --- $10. 11 412 5 s s . 804 
— 15 360|— 818,85 --- 76—90 . . . . . .860f. 
—18 396.300|— θὲ 320.310 ΞΞ 76 Soros os n κὸν 810 
-a 412|— 9519387100|— 78 . . . . . . . 861 
— 22329.849.412| — 97 851|]—90 . . . . . . .309 
-326 808 -- 98 858]--94.0. . . . . 818,85 
-» 412|— 101 343|Branchos . . ον 888 
—90 391| — 106 358 Buddhisten Verbreiter der 
-a 860 |— 107 830.412 “0. 882.843—346 
-5 945|— 115 349.386 Eon oon on n n . 987 
-: 3858| — 116 4l2|Cieade . . . . . .. 812 
— 83,25 412) -- 118 401,107|Cilnius Melissus . . . 410 
-4M 391|— 119 345.391 |Damas . . . . . . .372 
-3 358 | — 120 392|Datteln. . . . . . .387 
πο — 128 346|Delphi . . e. s. . 970 f. 
— 49,51. — 126 351|Delpbn . . . . 312. 344 
-— 48  405.412| — 127 891|Demade . . . 360. 361 
- 40,1 412|— 127,2  405|Demetrios von Phaleron 384 f. 404 
- 1 412|— 128 351|Demosthenes . . . 381. 404 
—-48 360 |— 134 329 | Deukvermögen der Thiere . 316 
—-50 412| — 136 860| Didaktische Fabeln . . . 817 
-B 412 |— 137 412 |Diodoros (und Babrios) . . 404 
-4 392 | — 139 820 -- (XIX 25) . . . . .358 
-50 858|— 144 808] -- (ΧΧΧΙ 1). . . . 890 
-97 390 | — II 10 8358| — (XXXIII 10 . . . . 829 
— 57,128. 380|— II 20 348 | Diogenianos . . . . 852 
-8 801|— 11 28 858 | Dionysios von Halikarnass . 404 
--ο 412| — IL 81 301 |diseiplina elericas . . . 821 
— 65326.358.412|— 11 40321.342 |Eidechse . . . . 
-» 412| — II 42 b Elephant und Maus 
—-7 412| — II 47 Ennos , Pom des Aesopoı 
— 72  390.412| — 1159 med Epheso! m 
—, 300|— IL 60 — dA1| —, Matrone von 
— 74  929.800| — IL 65 858 
— 76 — 802 bis | — II 77 886 
—154 412|— I2 78 — 358 : 
-- 10,5 360|— II 84 860 | Esel Symbol der Dummbeit . 329 
— %,10 406|— II 85 358 |Esel ohne Hars und Ohren . 840 
on . . . . . .808 |Eue . . . 
» . 822 f. | Euripides (and Babrios) . 32 
- » 949 |— Alkestis 6711 . . . . 383,88 
. . 918 |Eustathios . . 958 
326 |Esechiel und Philo des ültern 
Jerusalem . . . . . 393 
Feigen . . . . . . .887 
Fische n . . 812 
Franken Vermittler der Fabeln 322 











416 

Seite 
Fredegar . . . . 823. M2 
Frosch . . . . . 312. 313 
Fuchs . 312(bie .813. 323. 324.387 
b .os o. . 880 
2o. 0. 41 
. 949.3902 
oue (αι ὁ. 10) | . 86] 
γελοῖα Αἰσώπου. . . . m 

— Συβαριτικά . 0. 
Gervasius oti inperiaia(8.381 8f. ἠῶ 
gesta Alezandri . » 373,83 
Gnomen . en 
Gnomische Fabeln . . . 317 
Goldeier . 22. 346 
Goldenes Zeitalter . 315. 319 
Goldmann . . . a 


. . 845 
Gothen Vermittler der Fabeln 322 





Götter inden Fabeln. . . 391 
Hahn . . . . . 312. 320 
Haubenlerche . . . 312. 326 
Hausthiere . . . . . . 318 
Heliopolis . . . . . .308 
Herakles . . . . . 8ι9 
Hormon 2.2.2 810.920.301 
Hermippos . . . . . . 868 
Herodot qun... 
— αἱ . . 880 
Hefidos qw. . T. 

Heykar der Weise . . .3 
Hieroglyphen . . . . .827 
Himerios . . . . 304.305 
— (XX 718) . . . 827.355 
Hitopadesa . . . . 2 
Homeros (und Babrios) 

— (M. A438). 


Horatus . . 
Hunderassen . . 
Hyginus (F. 191). .» 
Iadmon, Herr des Acsop 


Tamblichos (Βαβυλωνιακά 

0 | 
Ibis . e... 821 
Ibn Mokafa . . . . . 849 
Toyko . . . . . . .388 
Ichnenmon . . . . . .827 
Ignatius Magister . . : 411 
Inder, Natursinn derselben . 313 
— Beziehungen sum Abend- 

land 334. 343 


Indogermanische usage : 
Jonas im Fisch . . 
Iosephos (und Babrios) . . 
— (jüd. Alt. VI 5,3). > 





(n zu) . 
Isengrim ὁ. 

Isidorus (Orig. I 30,2) . 
Isokrates (und Babrios) . 


” 











0. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 





Seite 
Jüdische Fabelsammlung - 359 
Julius Titianus . . 322. 410 
Küfer . . . . . 826.357f. 
Kallimachos (Fr. 87) . . 385 
—(Fr9) . .. . .8390 
- (FEB) . τὸ . . 9385 
Kamel . . . . . 358.386 
MELLE 
Kon S re 353 
Kon, regel 2o. MEN 
Kotiaeion Aesopos Heimat? 377 
Krähen vorbedentend . . 385 
Kranich . 912. 826. 358 
Krebs . . 312.351 


Kreuzfahrer Vermittler der 


Faben . . 4. . €. cd 
Krokodil . . . 
Krösos . . 303—365. $5 
Ktesias . . * o. o. 888 


Kursias, Herr des Aesopos . en 
Kybisses, Kybissos 353. 355-350 


Kyklop . . . 2 2» - 310 
Lists... . . . 354 
Lokman . . . . 331. 306 


Longobarden Vermittler der 





Fabeln . . . . . . 392 
pra EEUU C. 
Li 327. 331. 358. 387 

ds König. τ 312. 352 


Lueilius (bei Nonius 303, man 
Luftfahrt . . 
Lukianos und Babrios) . 







jy] 3 
Eysipposvorterigt ‚eine Statue 
d 





Aesopos. . . .- 8δὶ 
Mahabharata . . . Ὁ, 332 
Markolf eo. . $1900 
Maulthier . . . 850 

mE . 912. 345 
Plannds . . . 302 
Meeraustrinken . . . 365 
Melampus . . . . . . 815 
Meleagros von Gadara (und 
Babrios) . . 894. 401, 107 
Menandros (und Babrios) . 402f. 


Meroés Fauna . . 925 

Mesembria Heimat des Ae- 
sopos? . εν 976 

Mittelgriechisches Thieropos“ 823 


Mnesimachos . . . . .300 
Momos . . . . 9319 
Mpthologische Fabeln . . 818 
no80g . . . . . . «8:0 
Nachtigal . . . 315 


Negersklave, Aesopos ein 324. 363 


Ὁ. Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


Seite. 
Nektenabo, König yon 
. 368. 3671. 873 
Nenes Testament (2. Babrior) 404 
Nikamiros (n. Babrion . . 307 
— Ther. 166 (Conjectur) 
Nikolaos von Damaskos Peg 


Babrios) .. “ον. 404 
Nikostratos. » Fabalist “ον 384 
Nosehirwan" . . . 949 
Panther m . 812. E 887 


Pantschatantra . . 
Parabel . . 

Patäkos, Fabula . 

Peslsustern 


Perrault. 
Perse? Vermittler der Fabeln 349 
Persien nicht die Heimat der 


Phidrus 
—I123 . 
-π 
—ıu 


— app. 33 
Φοινικικὰ ψεύδη 
Phónixsage . 


gene der aieo 
Ex. 
Pan. . . .ὄ - 
— Alkib. I123* . . . 
— Axiochos (u. Babrios) . 

— Geestee (u. Babrion) - . 404 





Fiume X2) D: 
H Plutarchos Gastmahl (146.149. 


ien auf Samos . . . 
Psendo-Kallisthenes . . 





394 
. 851 


Peesdo-Phokylides u. 
Faeado-Bimoniden 
ET degeres Aehalicikeit m 


den Ji 


LINT m 











417 

Seite 

Bäthwelanfgeben . . 870 

Reiher . . 312 

ridiewa . . . « . 9817 

Rebhuhn . . . . . .812 

Reinhart . . . 920.821 

Hhetores Gr, (Π 12). . . 258 

Rhodische Feigen. en. 887 

. . 880 

. 0. .822 

Salomon und Markolf . . 369 

Bélonond poen . ih m m 

Sal ichterspruch . . 331 

un. 863. 377 

μον n 5 . 818 

Satyr . εν . 819 

Schakal Minister . . 312. 337 

— in den Fuchs verändert 388 

Schakalfabeln en. EH 
Schildkröte . . 

Schlange . . . 312. 826. 32 


—schätzehütend » + MT 
Schol zu Aphthonios. . Ὁ 
Schol. Cruq. Hor. (sat. 16,22) ES 
Schuster . . . s Ὁ 


Schwalbe . . . Ὁ M 
Sehweinszunge . . . + 305 
Seelenwanderung . . . - 316 
Seneca (cons, 27) . . . 410 
Septuaginta . 20.404 
Simonides v. Amorgos (8) 'asi. 383 

— (9. 11. 29) . . 383 
Simonides v. Keos (11) 352. 383 
Simson . . . . . 829.387 
Skolion (1) . . . . - 382 
Sokrates, Fabeldichter . . 382 
Sophokles (u. Babrios) . - 402 
— Ant 712 . . . . «888,98 
Sophos, Pseudo-Fabalist . 328 
oós Beiname des Aesopos 317 


Sprache der Thiere . . - ϑ' 






Stechfliegem . . . . + 325 
Stesichoro . . - . 883 
Storch . . 818. 829 
Strabon (u. Bal os) 2. 404 
Strattis — . . . 345. 383,99 
Li en. 998 





AE 
Suidas, Verhältnis sum Athoi- 
schen Codex des Babrios 409 



















[Sybaritische Fabeln . 817. 380 
Syntipas, Fabulist . . 928 
Syrens Fauna . . 381 
Talmud. . .o. . 880 
Taube . . . . . . 868 
Themistio . . . . + - 348 
Themistokles . . . . - 360 
Theognis (002) . . . . 382 
"Theon, Fabulist . . + - 384 


418  O.Keller: über die Geschichte der griechischen Fabel. 


Seite 
Theon (Progymn. III 78) . 354 
Theophrastos (u. Babrios) . 404 
Thiercultu . . 327 
Thierepos . . . . 323. 827 
Thiermärchen . . . 918 
Thiersage . . . . . .823 
Dogs. . . 839 
Thuros, Fabulist . . 860 
Tiger . . 987 
Timios (u. Babrios) . 4 404 
Timokreon (Fr. 4) . 852. 383 
Titianus, s. Julius 
Titus, Fliegen in s. Hirn . 331 
Tyche . . . 819. 303. 364 
Tyrus, Kónig von . 970 


Seite 
Tzetzes ,Fabulist . . . . 411 
Vergilius . . . . . 900 
Wäscherffabeln . . . . 830 
Weihe . . . . . 912 


Wiesel . . . . . 325. 345 


Wilder Esel . . . 


. . 812 
Wilder Hund . . . . . 


325 
Wilder Stier . . . . . 812 
Wilde Ziege . . . 3812. 887 
Wilhelm von Tyrus . 910 
Wolf . . . . 312. 313. 324 


Wolfsheros .. . .. 815,9 


Xanthos, Herr des Aesopos 


?, 


963 


Zenas, Herr des Aesopos . 365 
Zeus in der Fabel . 319. 391 


Umrisse der Gliederung 


des 


griechischen Drama. 


Von 


Ferdinand Ascherson. 


Jahrb. f. class. Philol. Suppl. Ba. IV. Hft.3. 27 


Lu 


ow 


tan 
x 
ST, 


AUGUST BOECKH 


zu seiner 


fünf und siebenzigjährigen Geburtsfeier 


am 24n November 1860 


verehrungsvoll zugeeignet 


vom Verfasser. 


27* 


9. 
Umrisse der Gliederung des griechischen 'Drama. 


im Sommer des Jahres 1852, hochverehrtester Meister, ward durch 
Ihre Vorlesungen über des Sophokles Antigone meine. Aufmerksamkeit 
zuerst nachdrücklich auf die Lehre von der Einteilung der Tragódie hin- 
gewiesen. Sowol in der Einleitung als bei der Erklärung des Stückes 
nahmen Sie stets auf diesen Gegenstand eingehende Rücksicht. Zugleich 
lernte ich damals Ihre Abhandlungen über die Antigone kennen, wie sie 
ia Ihrer Ausgabe und Uebersetzung dieser Tragödie abgedruckt sind. 
Wie Ihr Text, so berücksichtigen auch Ihre Abhandlungen stets den be- 
zeichneten Gegenstand. Namentlich aber behandeln Sie diese Sache in der 
ersten Abhandlung Abschnitt 22 S. 179 ff. der Ausgabe, und in der zwei- 
tem Abhandlung S. 980 fT. Die Worte aber, die Sie in einer erst in der 
Ausgabe hinzugefügten Anmerkung S. 253 ausgesprochen haben: *zer- 
legte man die Dramen in ihre wahren Teile, wie sie die alten Dichter sich 
dachten’, bezeichneten besonders deutlich eine der Lösung würdige Auf- 
gabe. Auch in Ihren Vorlesungen über griechische Litteraturgeschichte 
behandelten Sie im folgenden Winter den Gegenstand. In der nächsten 
Zeit hatte ich schon Anlasz bei den ersten Versuchen von Ausarbeitungen 
über die griechischen Tragiker, die ich Ihnen vorlegen durfte, auf diese 
Fragen einigermaszen einzugehen. Zu längerer, eindringenderer Beschäf- 
tigung damit ward ich durch die am 3n August 1854 verkündete Preis- 
aufgabe veranlaszt, in deren denkwürdigen Worten * tum vero chorico- 
rum carminum partes sive species? die Auregung lag, diese Dinge 
wenigstens in der durch die Aufgabe über die Natur des tragischen Cho- 
res der Griechen gegebenen Beschránkung zu untersuchen. Sie erinnern 
Sich, dasz dies geschah, dasz durch die Milde der hohen philosophischen 
Faculüàt die Arbeit preiswürdig befunden ward, und dasz ich gerade 
einen hierauf bezüglichen Abschnitt der Preisarbeit zur Promotionsschrift 
wählte, die unter dem Titel “de parodo et epiparodo tragoediarum Grae- 
earum? 1866 erschien und Ihnen zugeeignet ward. Wie in dieser S. 4 
angedeutet ist, befand ich mich hierbei mit den früheren Bearbeitern des 
Gegenstandes , namentlich auch mit den Verfassern der beiden vor Aus- 
arheitung meiner Abhandlung erschienenen Monographien, mit Waldästel 


424  F. Ascherson: Umrisse der Gliederung des griechischen Drama. 


und Th. Kock, insoweit auf demselben Boden, als wir alle von der Ueber- 
lieferung über die Einteilung ausgiengen und diese auf die Stücke an- 
zuwenden suchten. Zwischen Ausarbeitung und Druck meiner Arbeit er- 
schien aber die Abhandlung von Leopold Schmidt *de parodi in tragoedia 
Graeca notione? (Bonner Universitätsprogramm zum 15n October 1855), 
welche einen völlig verschiedenen Weg einschlägt. Schmidt legt das 
Hauptgewicht auf die Betrachtung der Ueberlieferungen an sich, findet 
Widersprüche in denselben auf, und zieht daraus die Schlüsse, dasz 
die Späteren oder wie er zu sagen pflegt * die Grammatiker? über diese 
Dinge nichts gewust, sondern nur Vermutungen gemacht hätten, und dasz 
wir gut thäten, ganz darauf zu verzichten, die Ueberlieferungen auf die 
erhaltenen Dramen anzuwenden (vgl. namentlich S. 21). Diese Schrift 
konnte ich natürlich bei der Schluszredaction meiner damaligen Arbeit 
für den Druck nur soweit berücksichtigen, als es mein Gedankengang und 
die durch die Umstände gebotene Kürze gestalteten. Ein Schreiben Leo- 
pold Schmidts gewährte mir nach dem Drucke meiner Arbeit über die 
Verschiedenheit der beiderseitigen Methode noch mehr Aufschlüsse als 
seme Abhandlung. Nach Empfang desselben verliesz ich den Gegenstand 
mit der Absicht meine Preisschrift später zu einem Buche zu erweitern. 

Nachdem ich längere Zeit durch andere Arbeiten von weiterer Ver- 
folgung dieser Studien abgehalten worden war, erhielt ich im Sommer 
1857 eine unangenehme Nötigung mich mit denselben wieder zu beschäfti- 
gen. Theodor Kock schrieb , wie Sie Sich erinnern, eine Anzeige meiner 
Abhandlung , von der mit seiner Zustimmung nur ein Teil als Anhang zu 
seiner Anzeige der Schmidtschen Abhandlung in Pleckeisens Jahrbüchern 
1857 S. 325 ff. gedruckt ist. Das ungedruckte ist mir unbekannt geblie- 
ben. Das gedruckte erforderte eine Abwehr, bei deren Abfassung Ihres 
Rathes und Ihrer Zustimmung ich mich zu erfreuen hatte. Diese steht in 
derselben Zeitschrift in demselben Jahrgang S. 660—664. Sie erinnern 
Sich, dasz der Gegner darauf einen sogenannten * ehrenvollen Rückzug? 
antrat, a. 0. S. 664, über den ich an derselben Stelle das nötige bemerkt 
habe. Hierauf habe ich die in jener Anzeige aufgestellten neuen Ansich- 
ten über die Parodos in Euripides Orestes in einem Aufsatze über die 
beiden Parodoi im Orestes des Euripides widerlegt, der im’ wesentlichen 
bereits im Sommer 1857 geschrieben war, im Spätsommer 1858 an die 
Redaction des Philologus abgieng und in Band XIV dieser Zeitschrift 
S. 499—507 (1859) gedruckt erschien. 

Inzwischen hatte ich mich aufs neue tiefer mit dem Gegenstande 
beschäftigt, als zu den gedachten Aufsätzen nötig war. Diese erneuten 
Studien und die Mitteilung einiger Ergebnisse derselben veranlaszten im 
Sommer 1857 eine rege Correspondenz mit Leopold Schmidt, der ich 
manche Anregung verdanke. Auch hatte Schmidt die Gefälligkeit, seinen 
Aufsatz * noch einmal das zwölfte Kapitel der Poetik des Aristoteles”, der 
in Fleckeisens Jahrbüchern 1857 S. 713—725 abgedruckt ist, mir vorher 
handschriftlich mitzuteilen. Diese Anregungen blieben nicht ohne Eim- 
flusz auf den damals im Einvernehmen mit meinem hochverehrten Lehrer 
Men. Prof. Haupt gefaszten Plan, zunächst die epischen Bestandteile der 








F. Ascherson: Umrisse der Gliederung des griechischen Drama. 425 


griechischen Tragódie und Komódie litterarisch zu behandeln. Bei der 
Verfolgung dieses Planes hatte ich auszer manigfachen äuszeren Hemm- 
nissen und Hindernissen auch mít den bedeutendsten inneren, in der Sache 
liegenden Schwierigkeiten zu kämpfen. Es galt besonders die namentlich 
von Schmidt so. eindringlich angeregten Zweifel über die Methode zu er- 
. ledigen. Ich habe mich nicht überzeugen können, dasz es gerathen sei, 
ven vorn herein auf die Lósung der Aufgabe zu verzichten, die ich mit 
Ihren Worten, Hochverehrtester, oben angeführt habe. Ich arbeite fort 
und fort dahin, die Gliederung der antiken Dramen zur Erkenntnis zu 

. Aber meine hierauf gerichteten Bemühungen nicht minder als 
die auf das’ Verhältnis der Ueberlieferungen bezüglichen Ausführungen 
Schmidts zeigten mir, dasz es einer sehr sorgfältigen Kritik der Quellen 
bedürfe, und dasz man selbst das im zwölften Kapitel der Poetik über- 
lieferte nicht blindlings und buchstäblich auf die erhaltenen Dramen an- 
wenden dürfe. Gestatten Sie mir, dies durch ein schlagendes Beispiel zu 
erfäutern. Hr. Prorector Waldästel in Neubrandenburg hat in seiner 
schätzeaswerthen, aus einer von der Berliner philosophischen Facultät 
gekrönten Preisschrift entstandenen Programmabhandlung * commentatio 
de tragoediarum Graecarum membris ex verbis Aristotelis (de arte poetica 
esp. XII) recte constituendis? (1837), indem er die Erklärung der Poetik: 
*Epeisodion ist ein ganzer Teil der Tragödie zwischen ganzen Chorgesän- 
gen? buchstäblich anwandte, S. 18 das erste Epeisodion in Aeschylos 
Eumeniden von V. 64—306 angesetzt, indem er hinzufügt, es enthalte 
kommetische Gesänge V. 143 —178 und V. 253—275. Hr. Dr. Friedrich 
Fritzsche in seiner Rostocker Preisschrift * quattuor leges scenicae Grae- 
eorum poeseos ab Horatio in arte poetica latae, illustravit F. F.? (Leip- 
zig 1868) S. 41 gibt etwas richtiger das erste Epeisodion an als von 
V. 177 [vielmehr 178] — 298 reichend und bemerkt dazu: Scene 1 von 
V. 171 [178] — 384; Scene 2 von V. 234 [335] — 298. Fritzsche hat also 
wenigstens geschen, dasz hier bei V. 234 irgend ein Abschnitt zu machen 
ist; darin haben aber beide Gelehrte kein Arg gefunden, dasz nach ihrer 
Einteilang die Verlegung der Handlung von Delphi nach Athen — beiläu- 
fg bemerkt das einzige ganz unbestrittene Beispiel einer gänzlichen Ver- 
wandlung des Schauplatzes in einer griechischen Tragódie — , dasz diese 
Verwandlung mitten in ein Epeisodion fällt. Eine solche Einteilung, sie 
mag sich noch so nahe an den Buchstaben der Poetik anlehnen, streitet 
klärlich gegen das natürliche Gefühl, auf das Sie mit Recht für das Alter- 
tum ein 80 groszes Gewicht legen. Es darf also, will man nicht um des 
Buchstaben der Poetik willen dem Aeschylos und schlieszlich dann auch 
dem Aristoteles schreiendes Unrecht thun, ein so wichtiger Abschnitt, wie 
der eben bezeichnete, weder ganz übergangen noch als secundär angese- 
hen werden. Ich erinnere mich mit Vergnügen, dasz Hr. Professor Haupt, 
als ich ihm den Fall mitteilte, Auszerte: der Anfang der Eumeniden sei 
bis zur bezeichneten Ortsveränderung gewissermaszen eine eigne Tragó- 
die, die der Dichter wirklich zu einer eignén Tragódie machen konnte, 
wesun es die Composition der Trilogie gestattete. Diese Ansicht erteilt 
den Aufstellungen die erwünschteste Bestätigung, welche mein Freund 


426 F. Ascherson: Umrisse der Gliederung des griechischen Drama. 


Dr. Reinhard Schultze in seiner Abhandlung *de re scenica in Aeschyli 
Eumenidibus” hierüber schon 1857 gemacht und im Programm des Dom- 
gymnasiums zu Colberg Ostern 1859 S. XI f. veröffentlicht hat, worauf 
ich zurückkommen werde. Wenn so nach dieser Seite nach. dem Spruche 
Ihres Lieblingsdichters (Ant. 1053) eußovAlag dei, so bedarf es nach an- 
deren Seiten noch grószerer Umsicht in Behandlung des Kapitels der Poe- 
tik. Viele weitgehende Ansichten über dasselbe scheinen daher zu stam- 
men, dasz man sich in die Alternative verraunte: entweder hat. der Inhalt 
des Kapitels die Autorität eines Dogma oder Gesetzbuches, oder er hat 
gar keine Autorität und ist dem Aristoteles abzusprechen. Der Zustand 
des Kapitels ist ein so eigentümlicher und schwieriger, dasz bei einer 
minder eindringenden Betrachtung manche dieser letzteren weitgetriebe- 
nen Ausichten Schein gewinnen kann. Und so war ich — um bei Franz 
Ritters Athetese des Kapitels nicht zu verweilen — schon in meiner 
Dissertation S. 3 in der Lage zu bemerken, dasz der Beweis für die Un- 
echtheit von Kock nicht erbracht sei. Schmidt scheint auf dessen Aus- 
führungen mehr Gewicht gelegt zu haben: er hat aber, abgesehen hier- 
von, S. 5 seiner lat. Abh. Verdachtsgründe gegen die Echtheit’ aufge- 
stellt, auf deren Nichtigkeit ich in der gedachten Abhandlung S. 24 f. 
bereits kurz hingewiesen habe. Diese (unhaltbaren) Bedenken gegen die 
Echtheit glaubt Schmidt nur durch eine S. 6 ff. der lat. Abh. mitgeteilte 
künstliche Combination und darauf gegründete Erklärung‘ des gedachten 
Kapitels abweisen zu können. Abgesehen von der mangelnden Begrün- 
dung des Fundamentes dieser Ansichten habe ich sie selbst niemals für 
haltbar erachtet. Einzelnes ist in Kocks angeführter Recension 
eingewandt, anderes unrichtig, und das Schluszurteil Kocks bleibt die 
Unechtheit des Kapitels. Schmidt hat in dem bereits angeführten deut- 
schen Aufsatze einiges Kock eingeräumt und seine Ansichten in Einzel- 
heiten verändert, die Hauptsachen aber aufrechterhalten. Ich darf sagen, 
dasz ich viel und von den. verschiedensten Seiten über das Kapitel nach- 
gedacht und nachgeforscht habe. Es scheint mir nichts schwieriger als 
die Unechtheit desselben überzeugend nachzuweisen. Selbst wenn diese 
Ansicht an sich mehr Wahrscheinlichkeit hätte, als sie mir zu haben 
scheint, würde der Beweis durch die eigentümliche Beschaffenheit der 
Poetik überhaupt ungemein erschwert werden. Auf der andern Seite aber 
bedarf das Kapitel einer sehr genawen und eingehenden Auslegung und ^ 
Kritik, und läszt sich nicht ohne weiteres als Grundlage der Einteilung 
anwenden. Durch mechanische Anwendung der Worte des Kapitels auf die 
vorhandenen Dramen kommen wir zu solchen schematischen Uebersichten, 
wie sie bei Waldästel und Fritzsche stehen, bei denen, wie das angeführte 
Beispiel lehrt, das Wesen der Sache nicht sein Recht erhalt. Indem ich 
also die Notwendigkeit erkannte einen móglichst sichern Boden für meine 
Arbeit zu gewinnen, überzeugte ich mich, dasz das 12e Kapitel der Poe- 
tik zwar ein unentbehrliches Hülfsmittel, aber kein Universalmittel sei, 
und da: h nach Quellen der Erkenntnis noch über Aristoteles zurück 
mich umzuschauen-hàtte, Diese fand ich auch. Zunächst fanden sich in 
den Tragódien selbst mauche technische Hinweise, die belehrende Blicke 





F. Ascherson: Umrisse der Gliederung des griechischen Drama. 427 


in die Werkstätten der groszen Meister gestatteten. Dann erwies sich die 
Komödie als eine in doppelter Hinsicht lehrreiche Quelle. Einmal und 
zunächst für sich selbst, dann aber für die Tragödie, wie es schon bei 
Athenbos heiszt (I S. 215: παρὰ δὲ τοῖς κωμικοῖς ἡ περὶ τῶν τραγικῶν 
ἀπόκειται πίστις. 80 genügte allein die genaue Betrachtung des Urteils 
über Aeschylos und Euripides in Aristophanes Fröschen, um der Schmidt- 
schen Skepsis gegenüber die Berechtigung festzustellen, die Kenntnis und 
den Gebrauch der Namen der Teile der Tragódie auch bei den Dichtern 
selbst voraussetzen zu dürfen. An diese Quellen und an das 12e Kapitel 
der Poetik schliessen sich dann erst die übrigen zum Teil nicht unwich- 
tigen Ueberlieferungen an. Im Anschlusz an diese und selbst durch blosze 
etymologische und semasiologische Betrachtung der überlieferten Namen 
lassen sich manche Bestimmungen gewinnen, die keine Kunst jemals aus 
dem Kapitel der Poetik allein hervorzulocken vermóchte. 

Indem ich nun auf dieser Grundlage forschte und dies und jenes 
ausarbeitete, wuchs mir der Stoff immer mehr an, und zeigte es sich bald 
unmöglich die anfangs erwünscht gewesene Beschrünkung zunächst auf 
die epischen Teile festzuhalten, und wünschenswerth den Gegenstand in 
möglichst groszem Umfange darzustellen. So entstand der Plan eines 
vorläufig auf zwei Bände veranschlagten darstellenden Werkes über den 
Bau und die Gliederung Yes griechischen Drama. Wenn auch hieran längst 
die Hand angelegt ist, so haben doch Umstände, welche Ihnen ; Hoch- 
verehrtester, wol bekannt sind, den Abschlusz desselben bisher verhindert. 
Diese Umstànde und der Wunsch endlich einmal einiges von den Ergeb- 
nissen meiner Untersuchungen zu veröffentlichen, haben mir schon lange 
und oft den Gedanken nahe gelegt, dem darstellenden Werke einen Vor- 
läufer von Untersuchungen voranzusenden. [οἷν kann hiefür sehr ehren- 
werthe Präcedenzfälle anführen und beabsichtige diesen Plan nunmehr ius 
Werk zu setzen, den noch andere Umstände gerade jetzt mir mehr als 
sonst empfehlen. Um nur eines anzuführeu, es soll der Schlusz des 
zweiten Bandes des Rossbach-Westphalschen Werkes über Metrik, in dem 
auch diese Fragen behandelt werden, nahe bevorstehen. Da, soweit Ge- 
spräche mit diesen beiden Gelehrten und deren bisher veröffentlichte 
Schriften urteilen lassen, von ihrem Urteil das meinige in manchen 
wesentlichen Punkten bedeutend abweichen wird, so halte ich dies für 
einen Grund mehr, das darstellende Werk nicht zu früh abzuschlieszen, 
damit es um. so würdiger und gerüsteter dem Werke der gedachten 
Herren gegenüber auftreten könne. Auf der andern Seite musz es mir 
bei der Abweichung meiner Ergebnisse von denen dieser Forscher und 
anderer Gelehrter nicht unerwünscht sein, durch eine Veröffentlichung 
der Hauptgesichtspunkte und Hauptergebnisse urteilsfähigen Fachgenossen 
Gelegenheit zu geben, meine Ansichten zu prüfen, damit ich die Ergeb- 
nisse dieser Prüfungen beim Abschlusz des darstelleuden Werkes berück- 
siehtigen könne. Für heute will ich mir Ihre Aufmerksamkeit, hochver- 
‚ehrtester Meister, nur für eine kürzer gehaltene Skizze meiner Grund- 
ansichten über die Bestandteile der Tragödie erbitten. 


428  F. Ascherson: Umrisse der Gliederung des griechischen Drama. 


Um meine Ansichten über die Bestandteile der Tragödie zur richti- 
gen Würdigung vorzubereiten, halte ich es für notwendig, einen kurzen 
Blick auf den Entwicklungsgang der griechischen Tragödie zu werfen. 

Dasz die griechische Tragödie aus dem Chor entstanden ist und ur- 
sprünglich nur aus dem Chor bestand, darf heute als allgemein anerkannt 
gelten. Stellen der Alten darüber citieren Sie in Ihrer Staatshaushaltung 
der Athener Bd. II S. 363 der ältern Ausgabe (vgl. G. Hermann de tragoe- 
dia comoediaque lyrica S. 8 — Opusc. VII S. 217) und Schneider über das 
attische Theaterwesen Anm. 3 S. 30 f. und Anm. 173 S. 153. Sobald aus 
dem ursprünglich Iyrischen Chor sich der dramatische entwickelte, muste 
sich der Chor in seinen Aufführungen in bestimmter, dem Dramatischen 
angemessener Form gliedern, und sobald die dramatische Aufführung 
mehr als einen ununterbrochenen Chorgesang enthielt, ergab sich sehr 
bald die natürliche Gliederung der Chorgesänge in Gesänge des einziehen- 
den Chores, Gesänge des dableibenden und Gesänge des abziehenden Cho- 
res. Suchen wir für diese drei Classen der Gesänge — oder, um ganz 
genau zu reden, der Vorträge — des Chores Namen, so werden wir keine 
passendere finden können als die Namen πάροδος, στάσιμον, ἔξοδος. Ob 
diese Gliederung der Chorgesänge schon vor der Einführung des ersten 
Schauspielers geschehen sei oder nicht, wird schwerlich jemals aus- 
gemittelt werden können. Nach der Ueberlieferurig soll Thespis der erste 
gewesen sein, der einen Schauspieler zum Chor hinzutreten liesz. Der 
Auftritt des Chores heiszt nach bekannten Stellen der Alten zunächst 
εἴσοδος, dann πάροδος. Um nur éine anzuführen: wir lesen bei Julius 
Pollux IV 108: ἡ μὲν εἴσοδος τοῦ χοροῦ πάροδος καλεῖται, Wenn das 
Auftreten des Chores εἴσοδος hiesz, so war für das Hinzuauftreten des 
Schauspielers der nächstliegende Name ἐπείσοδος, und für den Teil des 
Drama, der dies Dazuauftreten enthielt, der Name ἐπεισόδιον (sc. μέφος) 
der angemessene. Da ein Teil, der das Hinzuauftreten des Schauspielers 
enthielt, zwischen zwei Chorgesängen lag (denn dasz der Prologos jüngern 
Ursprungs ist als das Epeisodion, scheint unzweifelhaft), so verband sich 
von vorn herein der Begriff damit, dasz Epeisodion der Teil zwischen 
zwei Chorgesängen sei: ein Begriff der sich dann zu dem Begriff “Einlage, 
Einschub, Einschiebsel? überhaupt erweiterte und in dieser erweiterten 
Bedeutung noch in dem Wort * Episode? in den gegenwärtigen Sprachen 
erscheint. Für spätern Ursprungs als das Epeisodion halte ich den srgó- 
Aoyoc , das Auftreten eines Schauspielers (Redners) vor dem Chor. Hier- 
für sprechen manche Umstände. Um vom Thatsächlichen auszugehen, ent- 
behren die beiden ältesten der erhaltenen Stücke, des Aeschylos Perser 
und Sehutzflehende, sowie der Rhesos des Prologos, was hinreichend 
zeigt, dasz derselbe nicht von vorn herein *obligatorisch war und noch 
auf einer hohen Stufe der Entwicklung der griechischen Tragödie fehlen 
konnte. Mit diesem Thatbestande stimmt dieErwägung, dasz die sogenannte 
"Exposition, die Hauptaufgabe des Prologos, im Anfang sehr gut vom 
Chor in seiner Parodos versehen werden konnte, wie später, als die Hand- 
lung mehr hervortrat, dem Chor wenigstens der auf ihn selbst 
Teil der Exposition geblieben ist. Mit der Ninzufügung des Prologos als 


F. Ascherson: Umrisse der Gliederung des griechischen Drama. 429 


des fünften Hauptbestandteils sind die wesentlicher Glieder der Tragódie 
‚gegeben: ein ἐπέλογος ist für die Tragödie nicht nachgewiesen, obwol der 
Terpandrische Nomos diesen Schluszteil hatte, wie Julius Pollux IV 66 
bekundet,-auf den Sie schon de metris Pindari lib. II c. 4 S. 182 Anm. 15 
aufmerksam gemacht haben. Dasz. innerhalb dieser fünf Hauptglieder 
während des Verlaufs der tragischen Poesie eine Entwicklung stattgefun- 
den habe, ist von vorn herein wahrscheinlich und läszt sich auch teilweise 
nachweisen oder wahrscheinlich machen: den ganzen Entwicklungsgang 
in allen Einzelheiten klar darzulegen, reichen unsere Erkenntnismittel 
nicht aus. 

‘Das Verhältnis der fünf Hauptglieder, wie ich es angegeben habe, 
hat, wie ich wol ohne Anstosz sagen darf, eine innere Wahrscheinlich- 
keit, und man kónnte es, wenn man nur die fünf Namen überkommen 
hätte, vielleicht a priori so construieren durch blosze etymologische und 
semasiologische Betrachtung dieser Namen. Indessen kann man sich da- 
bei allein noch nicht beruhigen; als Philologe musz man sich mit der 
. Ueberlieferung über diese Dinge auseinandersetzen, und die volle philolo- 
gische Ueberzeugung gewährt streug genommen erst die Durchführung 
im einzelnen an den Dramen. Hierauf hinzuarbeiten ist meine Aufgabe. 
Euvórderst liegt mir aber ob, die gegebene Grundansicht in ihren einzel- 
nen Teilen etwas näher zu erläutern und mit der Ueberlieferung, nament- 
lich mit dem 12n Kapitel der Poetik zu vergleichen: wobei ich, wie es 
- der gegenwärtige Anlasz fordert, mich der Kürze befleiszigen, aber auch 
von der neuern bezüglichen Litteratur, wie es sich gebührt, vorzugs- 
weise Ihre eigne Darlegung berücksichtigen werde. 

Mit einem günstigen Auspicium kann ich meine Fahrt beginnen. 
Nachdem ich meine oben mitgeteilte Ansicht über πάροδος. στάσιμον, 
ἔξοδος selbständig gefunden hatte, fand ich zu meiner groszen Freude 
bei Gottfried Hermann in der Recension von K. O. Müllers Eumeniden, 
Wiener Jahrbücher Bd. LXV S. 124.— Opusc. VI 2 S. 161 die Bestätigung 
derselben. Hermann spricht dort von *dem Worte στάσεμον, dessen ein- 
fachste Erklärung doch wol am Ende keine andere sein wird, als dasz es 
zum Unterschiede von πάροδος und ἔξοδος den Gesang bedeutete, den 
der Chor weder bei dem Kommen noch bei dem Abgehen,, sondern wäh- 
rend er sich auf der Orchestra aufhielt, sang.” Diese Worte Hermanns 
stellen kurz und gedrängt das wesentliche hin. Wenn man gegen die- 
selben einwenden wollte, die πάροδος werde ehenfalls gesungen , wäh- 
rend der Chor sich auf der Orchestra befinde, so möge mir gestattet sein 
an die Worte zu erinnern, in die Hermann in der 2n Ausgabe seiner 
*epitome doctrinae metricae? (1844) die Definition des Stasimon gekleidet 
hat. Es heiszt dort S. 281 $ 666: *neque stasimum ab eo, quod (chorus) 
immotus stet, dictum est, sed quod a choro non accedente primum et 
ordines explicante sed iam tenente stationes suas canatur.? Sollte selbst 
dies noch nicht jenem Einwande hinreichend vorbeugen, so mag man mir 
ferner etlauben zu versuchen, dem Einwande, der mir wirklich gemacht 
worden ist, noch durch folgende Erläuterung zu begegnen. Parodos 
menne ich den Vortrag des Chores, welcher während des Einzugs oder 


430  F. Ascherson: Umrisse der Gliederung des griechischen Drama. 


unmittelbar nach demselben stattfindet; Stasimon den Vortrag eines 
schon vorher, d. ἢ. während eines epischen Teiles des Drama, anwesen- . 
den Chores, der auch nach dem Vortrag anwesend bleibt; Exodos end- 
lich heiszt mir der Vortrag des Chores unmittelbar vor seinem Abzug 
oder während desselben. Wenn auch Hermann meines Wissens nirgends 
die weitgreifenden Consequenzen aus dem angeführten Satze gezogen hat, 
so hat er duch, wie ich überzeugt bin, hier das richtige anerkannt. An- 
erkannt sageich: denn wie ich später erst gesehen habe, ist vor Hermann 
der Grund dieser Ansicht schon von Kolster * de parabasi” (Altona 1829) 
S. 11 ff. gelegt worden; Hermann aber ist Kolsters Ansicht vom Stasi- 
mon schon in seiner Receusion von Kolsters Buch in Jahns Jahrbüchern 
Bd. XIII (1829) S. 297 beigetreten. Sie haben freilich der Kolsterschen 
Ansicht Ihre Zustimmung versagt zur Antigone S. 281 der Ausgabe in 
der Anm. Es wird weiter unten meine Aufgabe sein zu versuchen, für 
den Kern der Kolsterschen Ansicht Ihre Zustimmung zu erlangen. 

Was die Parodos betrifft, so habe ich sowol in meiner angeführ- 
ten Dissertation als auch in Fleckeisens Jahrbüchern 1857 S. 660 f. in 
vorläufig hinreichendem Masze darauf hiugewiesen, dasz man bei einer 
an dem Buchstaben der Definition haftenden Auslegung der im 12n Kapi- 
tel der Poetik gegebenen Erklärung zu keiner richtigen Vorstellung von 
dem Wesen derselben gelangen kann. Die wichtigste vou den drei ver- 
schiedenen Erklärungen der Parodos, die ich an beiden Orten (Diss. S. 
3—17, Jahrb. a. 0. S. 662 f.) bezeichnet und beleuchtet habe, ist die 
zweite, wonach Parodos der mit dem Einzuge des Chores verbuudene 
Vortrag des Chores ist: das liegt der Worlbedeutung des Namens am 
nächsten, vgl. die S. 428 angeführte Stelle des Pollux und mehr in meiner ^ 
Diss. S. 13 ff. Es hat auch den groszen Vorzug , dasz es auch auf die Epi- 
parodoi und zweiten Parodoi passt, walche ich, um bei Aeschylos stehen 
zu bleiben, die erstere für die Eumeniden (Diss. S. 28), die zweite für den 
Prometheus (Diss. S. 26, vgl. S. 15. 20 und Jahrb. a. 0. S. 663 f.) nach- 
gewiesen habe. Die im 12n Kapitel der Poetik enthaltene Erklärung: 
πάροδος μὲν ἡ πρώτη λέξις ὅλου χοροῦ, beschränkt sich erstens auf 
die ersten Parodoi und läszt die anderen unberücksichtigt; zweitens 
erkennt man aus ihr nicht deutlich, wie dieser Vortrag des Chores gerade 
zu diesem Namen kam, was jene erstgedachte Erklärung vollständig lei- 
stet; drittens gibt sie, um von dem zweideutigen Wort λέξις für jetzt 
zu schweigen, in dem Worte ὅλου eine Bestimmung über die Vortrags- 
weise dieses Chorvortrages, die aber doch so wenig hestimmt. ist, dasz 
sie einer bedeutenden Meinungsverschiedenheit Spielraum läszt, vgl. m. 
Diss. S. 6 ff. und später, bes. S. 12. Die beiden bisher betrachteten Er- 
klärungen der Parodos stehen sich also so gegenüber: die erste ist aus 
dem Wesen der Sache geschöpft und auf alle Erscheinungen derselben 
anwendbar; sie erklärt auch vollständig, wie das Ding zu dem Namen 
kam; die zweite läszt den Zusammenhang zwischen Namen und Sache 
unerklärt, ist nur auf einen Teil der Erscheinungen anwendbar und gibt 
unklare und schwierige Nebenbestimmungen. Welche der beiden Erkli- 
rungen den Vorzug verdiene, kann hiernach nicht zweifelhaft sein. Wir 


P. Ascherson: Umrisse der Gliederung des griechischen Drama. 431 


sind also gleich bei der Parodos in dem Falle, die Autorität der Sache der 
Autorität des Buchstaben des 12n Kapitels der Poetik vorzuziehen. Dasz 
die in diesem gegebene Bestimmung gleichwol auf die meisten der erhal- 
tenen Dramen anwendbar sei, ist im ganzen richtig in meiner Diss. S. 6 ff. 
gezeigt worden. Manche Berichtigungen im einzelnen behalte ich mir vor. 

Was die dritte alte Erklärung der Parodos anlangt, nach welcher 
dieselbe der Teil der Tragódie ist, in dem der Chor sagt, aus welchem 
Grunde er erscheine (ὅτε λέγει di’ ἣν αἰτίαν πάρεστεν), so habe ich über 
diese in meiner Dissertation von S. 16 an gehandelt und bemerkt, dasz 
dieselbe sach- und naturgemäsz sei. Sie ist also mit der hier an "erster 
Stelle behandelten Erklärung sehr. wol verträglich, musz aber aus ähn- 
lichen Gründen wie die Erklärung der Poetik gegen jene zurückstehen. 
Denn auch sie hängt mit dem Namen Parodos nicht so unmittelbar zu- 
sammen wie jene, und leidet auch natürlicherweise nicht in vollem. Um- 
fange auf die Epiparodoi und zweiten Parodoi Anwendung , worüber ich 
bier auf das in den Jahrbüchern a. O. S. 661 ff. gesagte verweisen kann, 
indem ich nur noch hervorhebe, dasz die Veranlassung des zweiten Ein- 
zuges im vorhergehenden gegeben ist; daher derselbe selten einer aus- 
drücklichen Motivierung bedarf. Hiernach ist auch das Lob, welches ich 
S. 17 m. Diss. der Kockschen Ausführung über die Parodos im Oedipus 
auf Kolonos gezollt habe, wesentlich zu ermäszigen. — Auf Leopold 
. Sehmidts Ansicht über die im 12n Kapitel der Poetik gegebene Definition 
der Parodos kann ich, wie in der Regel auf seine Ausführungen, hier 
Bicht näher eingehen: denn das würde eine für diese Schrift unverhältnis- 
missige Ausführlichkeit erforderu. 

Gehen wir denn zum Stasimon über. Bei diesem befinden wir 
uns in ungünstigerer Lage als bei der Parodos, da uns keine der aus dem 
Altertum überlieferten Erklärungen mit unzweideutigen Worten das von 
uns aufgestellte bestätigt. Wir halten dennoch unsere zuerst von Kol- 
ster aufgestellte und von G. Hermann gebilligte Erklärung für die rich- 
tige. Doch betrachten wir die Ueberlieferung der Alten und ausgewählte 
Ansichten der Neueren. Ueber die dunklen Worte des 12n Kapitels der 
Poetik: στάσιμον δὲ μέλος χοροῦ τὸ ἄνευ ἀναπαίστου καὶ τροχαίου ha- 
ben Sie zur Antigone S. 179 Sich nicht weiter erklärt. Sie sagen gleich 
nachdem Sie diese Worte angeführt haben: * dasz bei letzterem der Chor 
stillsteht, ist wol gewis." Und allerdings scheinen alle übrigen Stellen 
der Alten (abgesehen von der Wiederholung der eben angeführten Defini- 
tion aus der Poetik bei Tzetzes περὶ τραγικῆς ποιήσεως V. 51 f.), wie 
sie gewöhnlich ausgelegt werden, das Stasimon in diesem Sinne zu er- 
klären. Ob mit Recht, werden wir bald sehen. Auch die beiden Neueren, 
die Sie a. O. und ebd. S. 280 angeführt haben, G. Hermann elem. doctr. 
metr. S. 724 ff. 731, und Kolster de parabasi S. 11, geben keine Erklärung 
der Worte der Poetik. Waldästel verdient wenigstens die Anerkennung, 
den Versuch einer Erklárung gemacht zu haben. Beifall kann ich demsel- 
ben freilich nur in eingeschrünktem Masze zollen. Seine Erklärung läuft 
darauf hinaus, Stasimon sei ein Gesang ohne Marsch und Tanz (ἄνευ 
ἀναπαίστου καὶ sooyalov), also ein Gesang des stehenden Chores ohne 


432  F. Ascherson: Umrisse der Gliederung des griechischen Drama. 


Bewegung der Füsze vorgetragen. Durch diese Erklärung wäre Einklang 
zwischen dem 12n Kapitel der Poetik und der übrigen Ut 

(nach deren gangbarer Auslegung) hergestellt. Hätte die Ansicht, dass 
das Stasimon vom stehenden Chor vorgetragen worden sei, weiter keine 
Anstände, und stimmten alle Ueberlieferungen zweifellos dazu, so- würde 
man vielleicht geneigt sein die sich gegen diese Erklärung erhebenden 
Bedenken fallen zu lassen, anzuerkennen dasz durch dieselbe Einklamg in 
die Ueberlieferung vom Stasimon gebracht sei, und vielleicht eine beson- 
dere Feinheit darin zu finden, dasz statt des Marsches dessen Vertreter 
der Anapäst und statt des Tanzes der Trochäus genannt sei, dessen ande- 
rer Name Choreus vom Tanz herkommt, und den Aristoteles wiederholt 
(Poetik 4 S. 1449* 21 ff. der groszen Bekkerschen Ausgabe = 153, 33 ff. 
der kleinern, und Rhetorik ΠῚ 6 S. 1408° am Ende = 123, 2 4.) eis vor- 
zügliches Tanzmetrum anerkennt. Da aber die ausschlieszliche Berechti- 
gung jener Ansicht über das Stasimon manigfachen erheblichen Zweifeln 
unterliegt, so kann auch die in Rede stehende Erklärung nur insofern an- 
erkannt werden, als sie die Möglichkeit gewährt, die Worte der Poetik 
auf irgend eine Weise und zwar in dem Sinne zu erklären, den wir spä- 
ler als engere Bedeutung des Wortes feststellen werden. Wir wollen 
daher die Möglichkeit dieser Auslegung in der gegebenen Beschränkung 
anerkennen und auf Mitteilung unserer Bedenken gegen dieselbe, wenn 
man sie an und für sich betrachtet, verzichten. Wenn auch Franz Ritter 
in seinen Anmerkungen zur Poetik des Aristoteles in seiner Ausgabe 
S. 170 f. diese Ansicht Waldästels gebilligt hat, so hat dieselbe doch in 
den folgenden Monographien über diese Gegenstände keine Anerkennung 
gefunden. Kock und Schmidt scheinen die Waldästelschen Schriften nicht 
zu kennen; sie erwähnen dieselben nirgends. Aber auch F. Fritzsche, der 
das gedachte Programm kennt und eitiert, hat beim Stasimon diese Erklä- 
rung nicht einmal angeführt. Dagegen haben Kock und Schmidt, wie schon 
Schneider att. Theaterwesen Anm. 195 S. 203, die Worte der Poetik so 
erklärt, dasz zwar nicht die Anapästen und Trochàen als Versfüsze, wol 
aber die Systeme aus solchen Versen von den Stasima ausgeschlossen 
seien. Allein auch dieser Erklärung stehen erhebliche Bedenken entgegen. 
Um von einem Anstosz, der in dem Singularis ἀναπαίστου xol τροχαέου 
gefunden werden könnte, zu schweigen, gibt die Erklärung der Poetik 
nach dieser Auslegung etwas rein negatives, was noch dazu dem vorhande 
nen Thatbestande nicht entspricht. Etwas negatives gibt sie: sie schlieszt 
anapästische und trochäische Systeme aus, alles übrige μέλος des Chors 
sei στάσιμον. Hieraus haben die genannten beiden Gelehrten mit einem 
Schein von Berechtigung den Schlusz gezogen, dasz anapästische und 
trochäische Systeme zum Wesen der Parodos gehören. Ich bin in meiner 
Dissertation S. 23 und 25 so weit gegangen, den Gebrauch tröchäischer 
Systeme für die Parodoi der Tragödien ganz in Abrede zu stellen, bis auf 
die Verse am Schlusz der Parodos der Perser, die vielleicht aber schom 
zum ersten Epeisodion zu rechnen sind. Ich musz dies jetzt insufern be- 
schränken, als wenigstens in der Epiparodos des Rhesos wirklich tro- 
chäische Tetrameter sich finden, und dasz dies in verlorenen Tragödien 


F. Ascherson: Umrisse der Gliederung des griechischen Drama. 433 


auch ia der Parodos stattgefunden habe, ist wenigstens nicht undenkbar. 
Aber der Ausschlusz der Anapästen und Trochäen vun den Stasima hat 
auch noch grosz&'Schwierigkeit, wenn man diese Bestimmung auf die Tra- 
gödien anwenden will. Es sind die Fälle nicht selten, in denen Stasima von 
Anapästen eingeleitet werden, wie z. B. in des Aeschylos Persern V. 527 
und 636 (Hermann), in desselben Schutzflehenden V. 609, oder ausgeleitet, 
wie z. B. die drei ersten Stasima der Sophokleischen Antigone. Diese 
Anapäste Von den Stasima zu trennen mag hie und da thunlich sein; in 
andern Fällen ist es unthunlich. In jedem Falle lehren solche Beispiele, 
wie mislich eine solche rein negative Bestimmung ist. 

Wenn Sie nun, Hochverehrtester, nachdem ich die Erklärungen der 
früheren Bearbeiter unseres Gegenstandes teils als unzulässig verworfen, 
telis ihnen nur beschránkte Berechtigung zugestanden habe, von mir eine 
mege erwarten, so fühle ich mich nicht im Stande dieser Erwartung zu 
entsprechen. Ich könnte mich darauf berufen, dasz Sie selbst es a. O. vor- 
gezogen haben die Worte nicht zu erklären. Ich will aber nur soviel 
sagen: nach dem uns zu Gebote stehenden Material und der nur nach Ló- 
sung (oder Ueberzeugung von der Unmöglichkeit der Lösung) der groszen 
mir gestellten Aufgabe anfechtbaren Voraussetzung, dasz die Definition der 
Pestik eine sachgemäsze sein solle, war es. bisher nicht möglich eine halt- 
here, dem Begriff des Stasimon in seinem ganzen Umfange entsprechende 
Erklärung der Worte zu finden, und müssen wir uns begnügen, wenn 
es uns gelingt anderweitig Aufklärung über das Stasimon zu gewinnen. 

- Gehen wir also weiter. Sie sagen, wie schon bemerkt, a. O. S. 179: 
“dass bei letzterem (dem Stasimon) der Chor still steht, ist wol gewis.? 
Allerdings scheinen darin alle andern Ueberlieferungen zusammen zu 
stimmen. Aber auch wenn diesem Schein eine Wahrheit zu Grunde läge, 
so verursachte diese Erklärung nichtsdestoweniger bedeutende Schwierig- 
keiten. Wie billig, fangen wir mit einer an, welche Sie selbst in Erwä- 
güng gezogen haben. Ihrem Scharfblicke konnte es nicht entgehen, dasz. 

‚„ wie der in der Antigone V. 1070—1097 , unmöglich voin 
stehenden Chor können vorgetragen worden sein, sondern notwendiger- 
weise getanzt worden sind. Sie haben daher schon in der ersten Abhand- 
lang über die Antigone (S. 183 der Ausgabe) von dem gedachten Chor- 
gesange gesagt: ‘dieser kann kein Stasimon sein ; sowol der Inhalt als die 
Rhythmen erfordern Bewegung: offenbar schreitet und tanzt der Chor 
heim Dionysischen Altar.? Sie führen gleich hier den analogen Fall aus 
den Trachinerinmen V. 205 an und verweisen auf die Entwicklung der 
Gründe des gegebenen Urteils in der zweiten Abhandlung, wo dieselbe 
vem 8. 380 der Ausgabe an zu lesen ist. Sie haben vollständig Recht zu 
behaupten, dasz diese beiden und die andern von Ihnen dort namhaft 
gemachten Gesänge (Aias 678 ff. Oed. T. 1079 ff.) getanzt sind, denen 
der unvergeszliche Schneidewin, dem Sie in Ihren Vorlesungen über Metrik 
beigetreten.» sind *), den Chorgesang in des Sophokles Philoktetes 391 ff. 


sehen |) ete etst anch F. C. Kirchhoff ‘sur Theorie einer griechisch - römi- 
N Programm des Gymnasium su Altona 1861 S. 8. 14. 17.] 


434 F. Ascherson: Umrisse der Gliederung des griechischen Drama. 


== 507 ff., Hr. Professor von Leutsch in den Göttingischen gelebrten An- 
zeigen von 1855 Nr. 18. 19 S. 175 (f. den Chorgesang in Euripides Elektra 
V. 858, und ich vor mehr als fünf Jahren in meiner nocHf nicht gedruckten 
Preisschrift noch vier Beispiele aus Euripides: Orestes 1353 ff.—:1687 Δ. 
Bakchen 1153 ff. (dies mit Kock über die Parodos S. 11 Anm. 58), rasen- 
der Herakles 763 ff. und Elektra 585 hinzugefügt haben. Aber hiermit 
ist die Zahl der unmöglich ohne Tanz oder Bewegung vorgelragenen 
Chöre noch nicht erschöpft. In der Medeia finden wir V. 1081 if. (ich 
citiere immer nach Nauck) einen ganz aus Anapästen bestehenden Chor- 
gesang. Nach allen Analogien können wir nicht zweifeln, dasz derselbe 
in schreitender Bewegung vorgetragen sei. In derselben Tragödie finden 
wir V. 1251 ff. einen wesentlich dochmischen Chorgesang. Der Dochmius 
ist bekanntlich das Metrum der grösten Aufregung; einen in diesem Me- 
trum gedichteten Chorgesang ohne orchestische Bewegung vorgetragen 
zu denken ist kaum möglich. Diese beiden Beispiele sind nicht die ein- 
zigen Fälle auszer den heitern Tanzliedern, in denen der Sinn oder das 
Versmasz darauf leitet, den Chor in Bewegung zu denken. Auch andere 
Chorgesinge, z. B. Soph. El. 1384 ff. gewinnen ungemein an Leben, wenn 
man sie in Bewegung vorgetragen denkt. Setzen wir diese Betrachtun- 
gen fort, so werden nicht allzuviel Chorgesänge übrig bleiben, bei denen. 
es gleichgültig scheint, ob wir sie vom stehenden oder sich bewegenden 
Chor vorgetragen denken, oder bei denen gar die Annahme eines stehen- 
den Chores den Vorzug verdient. 

Wir sehen also , dasz uns der Begriff des Stasimon, als der Vortrag 
eines stehenden Chores gefaszt, in.-der Anwendung gewissermaszen zer- 
rinnt. Sie hatten Sich genötigt gesehen, um den Thatsachen gerecht zu 
werden, neben die Gattuug der als Gesänge des stehenden Chores gefasz- 
ten Stasima eine besondere Classe Tanzlieder zu setzen. Zur Zeit als Sie 
dies schrieben wuste man schon dasz der Laurentianische Scholiast des 
Sophokles in einigen Fällen, zu Aias 693 (vgl. zu 698. 699. 701), Trach. 
216. 217 (vgl. zu 218) dasselbe bemerkt, in éinem (Trach. 216) sogar hin- 
zufügt, das Liedchen sei kein Stasimon, sondern werde getanzt. Nachher 
sind des Tzetzes Verse über die Tragödie und-andere Ueberlieferungen 
ans Licht gekommen, welche diese Unterscheidung auch anerkennen, Wir 
können denjenigen Alten, welche den Begriff des Stasimon auf den ste- 
henden Chor teils beschränkt haben , teils beschränkt zu haben scheinen, 
dafür dankbar sein, da Sie dadurch zu Ihren wichtigen Untersuchungen 
über die Tanzlieder veranlaszt worden sind. Aber wenn wir weiter gehen, 
kommen wir in die Notwendigkeit noch andere Namen zu erfinden. Den 
gedachten anapästischen Gesang können wir leicht ἐμβατήρεον nennen; 
schwieriger werden wir schon für die andern Fälle eigne Namen finden. 
Wenden wir uns aber zum 12n Kapitel der Poetik zurück, so finden wir 
in der hier gegebenen Aufzählung der Teile der Tragödie, von welcher 
wir doch eine gewisse Vollständigkeit vorauszusetzen haben, weder Tanz- 
lieder noch solche Marschlieder noch andere genannt. Sollen wir also 
voraussetzen, dasz die Aufzählung unvollständig sei? Dazu werden wir 
uns um so schwerer entschlieszen, als wir uns erinnern, dasz ein Zwang 


F. Aseherson: Umrisse der Gliederung des griechischen Drama. 435 


zu. dieser Annahme nur in der herkómmlichen Erklàrung des Stasimon 
liegt, voa der wir gesehen haben, dasz sie manigfachen Bedenken unter- 
legt , und. bald weiter sehen werden, dasz sie nicht als zweifellos und 
einstimmig überliefert gelten darf. Wenn wir also eine Erklärung von 
στώσιμον finden, welche gestattet auch Tanzlieder, Marschlieder und an- 
ders mit Bewegung vorgetragene Chöre unter dieser Benennung zu be- 
greifen, so liegen die Vorteile davon auf der Hand. Das 12e Kapitel bie- 
tet dann keine unvollständige Aufzählung der Hauptbestandteile der Tra- 
gédie, und die Erkenntnis der Gliederung der Dramen wird unabhängig 
yen der Nötigung in jedem Falle erst zu untersuchen, ob ein Chorgesang 
mit Tanz oder Marsch verbunden oder im Stehen vorgetragen sei; wir 
bekommen dann auch Freiheit, den Vortrag mit Tauz als das gewöhn- 
lichere zu denken. Diesen Anforderungen leistet die oben gegebene Er- 
klärung volles Genüge, auf die wir sogleich noch näher eingehen werden. 

Zuvor wollen wir aber die Ueberlieferungen etwas genauer darauf 
ansehen, ob dem Schein, dasz 'sie alle in der Beziehung des Stasimon 
auf das Stehen des Chores zusammenstimmen, eine Wahrheit zu Grunde 
liege. : Die nähere Betrachtung der einschlägigen Ueberlieferung ergibt 
das überraschende Ergebnis, dasz ein paar Stellen allerdings nur zu die- 
ser ar meen Bedeutung von oracıuov passen, die meisten aber auch die 

aben.angegebene weitere Bedeutung zulassen. 

. . Die Ueberlieferungen über das Stasimon lassen sich nemlich in neun 
(assem teilen, welche wir der Reihe nach betrachten. wollen. 

Die erste Stelle geben wir dem 12n Kapitel der Poetik, dessen 
Definition, wie oben angegeben, bei Tzetzes περὶ τραγικῆς ποιήσεως 
V.. 61 f. wiederholt ist. Ueber diese Definition ist hinreichend gespro- 
chen: an sich kann dieselbe sowol für die weitere als für die engere Be- 
deutung von Gracınov gebraucht werden. Bei der vorauszusetzenden mög- 
lichsten Vollständigkeit der im Kapitel behandelten Gesänge ist die weitere 
Bedeutung sogar, wie schon bemerkt, wahrscheinlicher. Ich bin freilich 
nicht im Stande die Definition der weitern Bedeutung gemäsz auszulegen, 
während wir eine Auslegung für die engere Bedeutung kennen gelernt 
haben, die wir in einer gewissen Besehränkung für zulässig erklärt haben. 
Aber dieser Umstand kann nicht die Unzulässigkeit der weitern Erklärung 
zur Folge haben. 

Die zweite Classe der Ueberlieferungen bildet das Pariser Scholion 
zu dem Kapitel der Poetik in Tyrwhitts Ausgabe S. 245, welches mit einer 
Stelle des griechischen Inhaltsverzeichnisses zu Aeschylos Persern gleich 
lautet, die jedoch von Wilhelm Dindorf und von meinem hochverehrten Leh- 
rer Hrn. Geh. Reg. Rath Meineke mit Recht für einen spätern Zusatz erklärt 
worden ist, denen ich sehon S. 1 meiner Dissertation beigetreten bin. Die 
. Stelle lautet. wie folgt: τῶν δὲ χορικῶν τὰ μέν ἐστι παροδικά, ὡς ὅτε 

"λέγει. δι᾽ ἣν αἰτίαν πάρεστιν, ὡς τὸ «Τύριον οἷδμα λιποῦσα» (Eur. 
Phön. 303): τὰ δὲ στάσιμα. ὡς ὅτε ἴσταται καὶ ἄρχεται τῆς συμφορᾶς 
(so der Inhalt der Perser, das Scholion zur Poetik ϑρηνῳ δίας) τοῦ δρα- 
μανος τὰ δὲ κομματικά, ὅτε λοιπὸν ἐν ϑρήνῳ γίνεται. Hier werden 
alge, drei Arten, von Gesängen unterschieden: xaQodixd, στάσιμα und 

Jehzb. f. εἶδον. Philol. Suppl. Bd. IV. HfL3. . 28 


436  F. Ascherson: Umrisse der Gliederung des griechischen Drama. 


κομματικά. Diese Stelle läszt beide Bedeutungen von Stasimon zu. Zu 
Gunsten der engern könnte man sich auf Foraras berufen wollen; indes- 
sen heiszt ὕστασθαι nicht ursprünglich “stehen”, sondern zunächst * sich 
stellen, sich gestellt haben; stationem cepisse? (Kolster S. 12), auch "ste- 
hen bleiben’. Beispiele geben die Lexica. Diese Bedeutungen von ἵσταται 
lassen also auch die weitere Bedeutung von Stasimon zu. Auf keinen 
Fall übrigens ist diese Stelle aus sehr früher Zeit. 

Die dritte Classe bilden die Ueberlieferungen, welche auf Eukleides 
zurückgehen. Dieselben zerfallen in zwei Unterabteilungen , deren erste 
folgende Stellen bilden: das Anecdoton Parisinum in Cramers anecdota 
Parisina Bd. I S. 19 f., welches mit dem Scholion aus der Schellersheim- 
schen Handschrift des Hésiodos; das Creuzer in den Wiener Jahrbüchern 
Bd. LXI (1833) S. 190 veröffentlicht hat , "wörtlich übereinstimmt, soweit 
letzteres reicht. Dieselben Teile, meist mit denselben Definitionen, werden 
dem Eukleides auch bei Tzetzes περὶ τραγικῆς ποιήσεως (V. 90... und 
an einzelnen früheren Stellen) beigelegt. Ich mache zunächst darauf auf- 
merksam, dasz wir es hier nicht mit den fünf Teilen der Tragödie zu 
thun haben, wie im 12n Kapitel der Poetik, sondern mit angeblich zehn 
Teilen, von denen aber nur neun aufgezählt werden: Prologos, Angelos, 
Exangelos, Parodos, Epiparodos , Stasimon, Hyporchematikos (denn so 
sind die verderbten Ueberlieferungen ὑπερμακτικός in der Pariser und 
ὑπερμαχητικός in der Schellersheimschen Handschrift zu bessern), ' Amó- 
bios, Skenikos. Welcher zehnte Teil hier ausgefallen sei, lüszt sich 
nicht mit Sicherheit ausmilteln; ob Exodos, woran man zunächst denkt, 
kann bezweifelt werden, da es möglich ist, dasz Eukleides dieselbe mit 
dem Hyporchematikos identificiert habe, wofür man sich auf Tzelzes 
V. 71 ff. berufen könnte, Die Definition des Stasimon fehlt indem Schel- 
lersheimschen Scholion , welches nach Creuzers Mitteilung nur bis zu der 
Definition der Parodos einschlieszlich reicht; bei Cramer lautet sie: στά- 
σιμος δὲ (sc. ὁ enar ὅταν del λέγειν. στάσιμον, ὡς ἐν τῷ Ἱππολύτῳ 
Εὐριπίδης (V. 121)* «ὠκεανοῦ τις ὕδωρ πέτρα λέγεται». Die hierher ge- 
hörigen Definitionen bei Tzetzes, der von V. 46 an vom Stasimon handelt, 
zuerst V. 47 —50 wesentlich über die Stelle desselben in der Tragódie 
(s. unten Classe 9); dann V. 51 u. 52 die Definition des Kapitels: der 
Poetik gibt, sind zunächst V. 58 ff. 

πάλιν ὁ Εὐκλείδης δέ φησιν d£ mug‘ 
ὅταν χορὸς στὰς τι κατάρχεται λέγειν 


ὡς δράματι μὲν υἱοῦ Θησέως ence ᾿ 
ὠκεανοῦ τις ὕδωρ στάξουσα πέτρα λέγεται. 4 di 
xal ταῦτα πολλοῖς ἕν τελοῦσι τοῖς λόγοις" ' 
dann V. 111 T 
ὅταν χορὸς στὰς δ᾽ ἐμπαράδη τί μέλος 
ὡς" ὠκεανοῦ τις ὕδωρ στάξειν πέτρα λέγεται. 
στάσιμον τὸ μέρος εἴληχε τὴν κλῆσιν φέρειν. 
Die Uebereinstimmung dieser drei. Stellen ist grosz und augenfällig. Was 
zunächst dae in allen citierte Beispiel aus dem Hippolytos des Euripides 


V. Ascherson : Umrisse der Gliederung des griechischen Drama. 437 


amlengt, so mag es für jetzt genügen auf meine Dissertation zu verwei- 
$en , ia der ich S. 8. 18 f. 80 f. hierüber gesprochen und bewiesen habe, 
dass der Gesang kein Stasimon, sondern die Parodos der Tragödie ist. 
Auch im : übrigen enthalten diese Definiionen wie die ganzen Stellen, 
denen sie entnommen sind , manches verwunderliche. Auf das στάς, wel- 
ches su beiden Taetzesstellen vorkommt, werden diejenigen, welche beim 
Stasimon die engere Bedeutung ausschlieszlich festhalten wollen, sehr 
viel Gewicht legen; in der freilich wunderlichen Erklärung bei Cramer 
stebt es nicht. Wer dagegen auch eine weitere Bedeutung für möglich 
häls;; wird anerkennen. (was mir zu leugnen nicht in den Sinu kommt), 
dass der Begriff στάσιμον zu irgend einer Zeit und bei irgend wem auch 
eine engere. Bedeutung gehabt habe. Uebrigens. kann das στάς sehr gut 
dureh Auslegung einer Definition entstanden sein, in der etwa der Aus- 
druck duivssog μένων vorkam, den wir sogleich kennen lernen werden. 
Während dieser mit der weitern Bedeutung von Stasimon im Einklange 
steht, wenn man ihn erklärt “an seinem Orte bleibend’ d. ἢ. “weder her- 
eintretend noch hinausgehend’, so erklärte man ihn gewöhnlich im Sinne 
der engern Bedeutung durch *unbeweglich stehen bleibend". 

Die zweite Abteilung der dritten Classe bildet das Scholion zu Eu- 
ripides Phönissen V. 209, das teils (in Bezug auf die Parodos) mit weni- 
gen Abweichungen. mit den Stellen, welche in der ersten Abteilung dieser 
Classe vereinigt sind, teils (in Bezug auf das Stasimon) mit einer Stelle 
des Eiymologicum magnum unter dem Wort στάσιμον S, 735 2. 3 ff. der 
Sylburgschen Ausgabe übereinstimmt: 

lt — Sehol Eur. Phön. 202. Et. M. S. 726, 2. 
τοῦτο τὸ μέλος. στάσιμον λέγεται. [στάσιμον τὸ μέλος 
ὅταν γὰρ ὅ χορὸς μετὰ τὴν πάρο- τοῦ χοροῦ. ὅταν γὰρ 
Qe» λέγῃ ti μέλος ἀνῆπον τῇ ὑπο- ὁ χορὸς μετὰ τὴν πά- 
oes: ἀκίνητος μένων, στασιμονίροδον δεατίϑηταί τι 
καλεῖται τὸ ἄσμα. πάροδος δέ ἐστιν] ἀκένητος μένων πρὸς 

5. βαδίζοντος ἀδομένη & ἅμα τῇ ἐξό- | vv ὑπόϑεσιν dv εἰ- 

Ἢ « σἦγα σῖγα. λεπτὸν ἴχνος ἀρβύληςνἱπκότως στάσιμον λέ- 

140). yoıro. 

Dass‘ der Gesang der Phünissen, zu welchem versjehendes Scholion ge- 
hört, kei Stasimon , sondern eine Parodos sei, ist in meiner Dissertation 
8. 8. 18 f. gezeigt worden. Die Definition der Parodos geht uns hier nur 
insofern an, als sie zur Beurteilung der des Stasimon etwas beitragen 
kata. "Diez wir hier mit einer abgeleiteten Ueberlieferung zu thua haben, 
versteht sich von selbst: wir haben ein Scholion zu einem bestimmten 
Gedicht; dem ein Name beigelegt wird, und zu diesem Zweck dienen zu- 
nächst die angeführten Definitionen. Betrachten. wir die Befinition des 
, Wie sie in den beiden vorstehenden Stellen fast gleichlautend 

gegeben ist, so erkermt man leicht, dasz der Ausdruck ἀκένητος μένων 
beide Erklärungen des Stasiimon zuläszt. Wir haben die beiden Erklärun- 
gen des ἀκίνητος μένων so eben angegeben, zur ersten Abteilung dieser 
Casse: : Matt könnte vielleicht anf den Gedanken kommen, aus dem in der 
Evkistunty déi-Parodos im Kuaripides-Seliolion gebrauchten: Ausdruck βα- 

28* 


438  F. Ascherson: Umrisse der Gliederung des griechisebea Drama. 


δίξοντος ein Kriterium zu Gansteu der..engern Bedeutung von Siasimon 
herleiten zu wollen; allein dagegen’ sprechen zweierlei Bedenken.. Einmal 
ist ein solcher Schlusz aus dem Gegensatz immer mislich ; awaitena. steht 
in den vier andern überlieferten Fassungen’ dieser Erklärung der.Parodos 
(bei Cramer, im Schellersheimschen Scholion und:bei.Tzeises, ael vgayı- 
κῆς ποιήσεως V. 40 u. 107).das βαδίζειν. nicht. ‚Es darf auf dasselbe.um 
so weniger Gewicht gelegt werden, als wir: es, wie gezeigs, bie. mit 
einer abgeleiteten Ueberlieferung zu-thun haben. i 

An vierter Stelle haben wir das Scholion zu Aristophanes Wespen 
V. 270 zu betrachten... Hier lesen wir nemlich.zu den. Worten.des Dich- 
ters ἀλλά μοι δοκεῖ στάντας ἐνθάδ᾽ ὠνόρες ἄδοντας αὐτὸν. ιἐκκαλεῖν 
folgendes Scholion , welches jedoeh die beiden besten Handschriften von 
Ravenna und Venedig nicht enthalten: πρὸ τῶν vog τοῦ Φελοκλέωνος 
στάντες οἵ τοῦ χοροῦ τὸ στάσιμον ἄδουσε μέλος. τῶν. γὰρ χορικῶν τὰ 
μέν ἐστι παροδικὰ ὡς τὸ (Wolken 215) «ἀέναοι νέφελαι, ἀρϑώμεν φα- 
νεραίν, καὶ τὸ προειρημένον ἐνταῦϑα (V. 380) «χώρει, πρόβαιν᾽ ἐρρω- 
μένως»" τὰ δὲ στάσιμα ὡς τὸ παρόν, καὶ παρ' “Αἰσχύλῳ, (Prom. 399) 
«στένω σε τὰς οὐλομένας τύχας. Προμηθεῦ»: τὰ δὲ προῳδικώ, τὰ δὲ 
μεσῳδικά,. τὰ δὲ ἐπῳδικά, περὶ ὧν προείρηται, τίνος χάριν οὕτω κα- 
λοῦνται, τὰ δὲ ἐξοδικὰ ἢ ἢ ὑποχωρητικώ, ἅπερ ἐπὶ τῇ ἐξόδῳ τοῦ: δράμα- 
τος ἄδεται. ὡς ἐν τῷ ᾿Πλούτου » δράματι (Ar. Plut. 1308) τὸ «οὐκέτι νῦν 
γ᾽ εἰκὸς μέλλειν οὐδ᾽ ἡμᾶς, ἀλλ᾽ ἀναχωρεῖν εἷς voUmaDev: δεῖ γὰρ 
κατόπιν τούτων ἄδοντας ἔπεσϑαι». Diese Stelle liefert. kein. directes. 
Zeugnis, da sie keine Definitioneh enthàlt.... Indirect. könnte man sie für 
die weitere Bedeutung von Stasimon geltend machen, da bier die drei 
Begriffe πάροδος, στάσιμον. und ἔξοδος nehen einander erscheinen, yon 
denen oben gezeigl ist, in welcher Beziehung zu: einander sie. erklärt 
werden können, wobei die weitere. Bedeutung von Stasimon gebraucht 
wird. Dasz wir diese drei Begrilfe hier herausheben, ist völlig sachge- 
mäsz: denn es verstehL. sich von selbst, dasz die drei andern Ausdrücke 
προῳδικά, μεσφδικά, ἐπῳδικά in diesen Zusammenhang nicht, gehören, 
da sie sich rein auf die innere metrische Composition der. Gesänge bezie- 
hen. Es ist also wahrscheinlich, dasz diese Worte anderswoher unrichli- 
ger Weise hieher gekommen sind. Vielleicht ist.die Einschaltung durch die 
nicht seltenen Fehler zapgdıxd und ἐξῳδικά für παροδικά und ἐξοδικά 
veranlaszt, welcher. in, diesem Scholion wenigstens in Aldus Ausgabe 
vorkommt. Anderseits kann aber.nichL geleugnet werden, dasz aus meh- 
reren Gründen auf das Scholion kein sehr»groszes Gewicht gelegt. werden 
kann. Einmal fehlt.es in den beiden besten Handschriften; dann enthält 
es eine falsche Erklärung der Worte des, Aristophanes, und knüpft. an 
diese seine Auseinanderselzung. über die Arlen der Gesánge. Es. ist also 
eine abgeleitete Quelle. Beiläufig bemerke ich noch, dasz der Ausdruck 
ὑποχωρητικά richtig zu sein scheint , ‚indem, dies ein. denkbarer synony- 
mer Ausdruck zu ἐξοδικά ‚ist: daher kein, Grund vorhanden. zu ‚sein 
scheint, ihn in Urogynuarıza zu verändern. B ecu hae 

An fünfter Stelle wollen. wir hetracha, was. dan 
gicum magnum unter deu Werten PR ‚und ieu 500 





Ῥ. Astherson: Umrisse der Gliederung des griechischen Drama. 439 


der Sylburgschen Ausgabe mitteilt. Im erstern Artikel, in dessen Lem- 
ma schoh Sylburg die richtige Endung —:a hergestellt hat, wird zu- 
nächst. aus Didymos περὶ λυρικῶὼν ποιητῶν eine Unterscheidung von 
πᾳοσόδια (denn auf diese Schfeibung führt die Erklärung fast mit Not- 
wentligheit)' und ὕμνοι. 'gegeben: παρὰ r0: προσιόντας ναοῖς ἢ βωμοῖς 
ποὺς. ὐλὸν δειν᾽ διὰ (Moris ; Sehmidt ,Didymi fragmenta S. 890 vermu- 
tet ἀνμδεάστέλλετξαι) δὲ τῶν ὕμνων. ὅτε τοὺς ὕμνους πρὸς xıdagav 
ἐσεῶϊες ὄδουσιν. -ovto Δίδυμος ἐν τῷ περὶ λυρικῶν ποιητῶν. Diese 
Unteretheidubg laütet unter dem Worte ὕ ὕμνος S. 777 etwas anders s0: 
πφοσῴδιαι (1. mgocsde) yap ᾿4ϑηναῖοι προσιόντες ναοῖς ἢ) βωμοῖς πρὸς 
wulov. à ὕμνον πρὸς κειϑάραν. οὕτω Δίδυμος κτλ. Diese 
Stelle ‚zeigt decis Rede und. bessern und verständlichern Ausdruck, 
scheint: daher ursprünglicher. Man könnte mithin bestreiten, dasz der 
Ausdruck ὁστώτες dem Didymos zususchreiben sei, zumal da Orion S. 156 
K. 9 der Sturzschen Ausgabe, der sich ebenfalls auf Didymos beruft, das 
ἐσνῶτος aueh nicht hat. [Indes will ich diesem Zweifel für jetzt keine 
Folge geben, dagegea: anführen, dasz aueh in dem Auszug aus Proklos 
Ohrestemathie. in der Bibliothek des Photios S. 320 Ζ. 30 der Bekkerschen 
Ausgabe das ὁστῶεες sich: findet, was um so mehr Beachtung verdient, 
as nach Bernhírdy griech. Litt. Bd. II S. 455 der ersten Ausgabe und 
Weriz Schmidt a. 0. S. 390 auch hier Didymos zu Grunde liegt. Der Un- 
terbolied. zwischen προσύδια und ὕμνοι besteht also nach diesen Stellen 
dirin, dass das προσόδιον zum Blasinstrument und.iu Bewegung, der 
ὕμνος zum: Saiteninstrument und nach Proklos und Et. M. u. προσῳδίαι 
stehend vorgetragen wird. Die anderen in dem Artikel. προσωϑέαι des Et. 
M. enthaltenen etymologischen Erklärungen dieses Wortes kónnen wir 
bier übergehen und: uns sogleich zu dem ‚unmittelbar folgenden Artikel 
dés Bt. δ. ἡ, προσῴδιον wenden, der zum Teil sich auch bei Phavorinos 
ester demselben Worte S. 1583 2. 56 ff. der Baseler. Ausgabe. von 1538 
findet. Der Artikel des Etym. M. lautet: προσῴδιον (I: προσόδιον) λιτα- 
vele μετὰ ὕμνων᾽ παρὰ" τὸ προσιέναι μετὰ τούτου τοῖς ϑεοῖς. ἰστέον 
ὅτι τῶν᾽ λῶν καὶ τῶν ὕμνων τὰ μὲν καλεῖται προσῴδια (1. προσύδιο), 
τὰ ^ Ἵματὰ. τὰ δὲ στάσιμα. καὶ πρόοσῴδια᾽ 6 προσόδια) μὲν τὰ 
evo ganará elöpegöndviov εἰς τὸν βωμὸν τῶν ᾿περοίων᾽ παρὰ τὸ 
"ερόδιόντων εἰς τὸν βωμὸν τῶν ϑυμάτων ταῦτα λέγειν" ὑπορχήματα δὲ 
ἅτινα πάλιν ἔλεγον ὁ ὑμενοὶ καὶ τρέχοντες κύκλῳ τοῦ βωμοῦ, καιο- 
y τῶν. δερείων". στασίμα δὲ ἃ ἑστῶτες ὕστερον ἔλεγον, ἀναπαυόμενοι 
mia τὸ κύκλῳ δραμεῖν τοῦ βωμοῦ. Hierauf folgt die bekannte Behaup- 
tung/ dass: det Chor sich zuerst von linksnacb rechts, dann von rechts nach 
dinke bewegt habe, von.der Sie zur Antigone S. 980 f. der Ausgabe gespro- 
chen Haben, wo.Sie auch diese Stelle nicht vergessen, die ganze Behauptung 
abei mit Beeht bestritten haben. .Phavorinos gibt den Artikel des Εἰ. M. in 
Abgekürsior Fassung, indem die Worte παρὰ τὸ προσιόντων bis καῦτα λέ 
gyesv, ferner πύκλῳ his δερεέων (οἰ. und bei ἀναπανόμενοι dieser Artikel 
aibbricht, : Ich! bemerke zunächst, dasz aus dem Umstande, dasz im vor- 
hergehenden Didymos genannt worden ist , nicht.obne weiteres gefolgert 
spebddip darf „dass! euch dieser. Artikel auf Didymos zurückgehe. Zum 


440 F. Ascherson: Umrisse der Gliederung des griechischen Dráma. 


Verständnis ist sodahm vor allem zu beachten, das? ὕμνος in émgereim 
und in weiterem Sinne gebraucht wird. Das letztere ergibt sich aus un- 
serer Stelle, wo ὕμνος synonym mit μέλος erscheint, und σεροσόδια, 
ὑπορχήματα und στάσιμα als Unterabteilungen, letztere mit derselben 
Definition, die wir so eben als die Didymeische des ὕμνος (selbstverständ- 
lich im engern Sinne) kennen gelernt haben. ‘Ferner ergibt sich die wei- 
tere Bedeutung von ὕμνος aus Orion S. 155 Z. 22 MM: und Proklos bei 
Photios S. 320 Z. 12 ff. Aus unserer Stelle irgend etwas entscheidendes 
für die tragischen Stasima zu folgern scheint bedenklich. Denn die στά-. 
race, von denen hier die Rede ist, sind ohne allen Zweifel lyrische Ge- 
singe, wie die προσόδεα und ὑπορχήματα: diese Iyrischen Gesänge hei- 
szen anderwärts Hymnen, hier aber στάσιμα, und zwar, wie mir scheint, 
aus einem leicht zu erkennenden Grunde. Da hier ὕμνος voran in weite- 
rem Sinne gebraucht war, so schien es anstöszig denselben Ausdruck 
für die Unterabteilung wieder zu gebrauchen, Es ward also ein anderer 
Name gesucht, der sich mit der Definition vereinigen liész, und naeh στά- 
σιμὸν gegriffen, das sich leicht mit ἑστῶτες in Zusammenhang bringet 
und auf stehenden Chor beziehen liesz. ' Wir werden im folgenden sehen, 
dasz diese Definition des tragischen Stasimon in einigen Stellen nieht ab- 
zuweisen ist; daraus folgt aber noch nicht dasz es zweckmäszig sei, diese 
engere Bedeutung von στάσιμον auflyrische Gesänge zu übertragen, und 
dann aus dem Iyrischen στάσιμον wieder Beweise für die engere Bedetr- 
tung des tragischen στάσιμον herzuleiten.^ Es folgt also aus dieser Stelle 
für das tragische Stasimon nicht mehr als was ohnehin feststeht, dasz 
der Begriff στάσιμον schon in den Quellen’ auch im engern ΟΝ Lid 
braucht wird. 

An sechster Stelle haben wir ein im Ravennas und Venetus ste- 
hendes Scholiom zu Aristophanes Fröschen V. 1281 zu betrachten, das 
im ganzen gleichlautend bei Suidas unter dem Worle στάσεμον steht. 
Wir stellen zunächst beide Ueberlieferangen neben einander: |^ be 


Schol. Ar, Frö. 1281. Suidas u. στάσιμον. 
«στάσιν μελῶν: στάσιμον. μέλος, ὃ στάσιμον" εἶδος μέλους, 0: ὅπερ T 
ἄδουσιν ἱστάμενοι. οἱ χορευταί. — μένοι. ἦδον of. χορευταί" ἢ στάσι- 
σύνοδον, διήγησιν. μὸν τὸ ταραχῶδες. καὶ Στάσιμος 
ὄνομα κύριον. 

Hier ist vor allem zu bemerken, dasz selbst das Aristophanes -Scholion 
nur eine secundäre Autorität hat: denn es redet vom στάσιμον aus An- 
lasz der Worte oraoıv μελῶν bei Aristophanes, welche weder deni Worte 
noch der Sache nach auf στάσεμα bezogen werden dürfen. Die zweite 
Erklärung des Scholion ist vielmehr die angemessene: eine zweite Reihe 
von Gesängen soll nach einer vorangegangenen betrachtet werden. Hier- 
von abgesehen stimmt die Definition des Stasimon mit derjenigen überein, 
welche wir in der zweiten Classe kennen gelernt haben, woselbst auch 
bereits bemerkt ist, dasz die Form ὕστασθαι sowol mit dér'weitern als 
mit der engern Bedeutung von στάσίμον verträglich ist. 

Siebentens haben wir das Laurentianisclie Scholion zu Sophokles 


F. Astherson: Umrisse der Gliederung des griechischen Drama. 441 


"frachimerinaen V. 316 zu betrachten. Dies lautet: ἀείφομ᾽ οὐδ᾽ ἀπώ- 
Φεμαι" μετεωρίζομαι dv τῷ χορεύειν εἰς τὸν ἀέρα καὶ ἄνω αἴφομαι᾽ τὸ 


γὰφ μελιδώριον οὔκ ἐστε στάσιμον, ἀλλ᾽ ὑπὸ τῆς ἡδονῆς ὀρχοῦνται. 
Dieser Definition liegt klar und unbestreitbar die engere Bedeutung von 


Siasimon su'Grunde, indem Tanz nur dieser entgegengesetzt ist, nicht 
der weitern. 

Achtens haben wir eine Stelle des Julius Pollux IV 58 zu be- 
twachten, mit der Tzetzes περὶ τραγικῆς ποιήσεως V. 30 ff. 84 ff. über- 
enstjmmt. Die Stellen werden unten bei der Exodos soweit es für unsere 
Zwecke erforderlich ist mitgeteilt. Hier ist zu bemerken, dasz an beiden 
Stellen: fünf Chorvorträge der Reihe nach aufgezählt werden. Bei Pollux 
nach κωμῳδία und τραγῳδία: πάροδος, στάσιμον, ἐμμέλεια, κομματικα, 
Bjedog. Tzetzes führt an beiden Stellen dieselben fünf Gattungen des 
Übervertrages (τμήματα) auf; nur sagt er an beiden Stellen χομμός statt 
ομματικά. Diesen Stellen liegt offenbar ebenfalls die engere Bedeu- 
tung von Stasimon zu Grunde, weil ἐμμέλεια, der Tanzchor, davon unter- 
schieden wird. Da das Onomastikon des Pollux dem Kaiser Commodus 
gewidmet ist, so wissen wir, dasz die engere Bedeutung spätestens bei 
‚dessen Lebzeiten aufgekommen ist. 

Hiermit ist die Reihe der Ueberlieferungen, welche für die Frage 
über die weitere und engere Bedeutung von σεάσεμον in Betracht kommen 
können, geschlossen. Das Ergebnis unserer Prüfung ist das oben bereits 

angegebene: nur die beiden letzten Classen führen ohne alles weitere auf 
die:engeré Bedeutung des tragischen Stasimon; die übrigen lassen ent- 
weder die weitere Bedeutung zu oder sind überhaupt nicht von entachei- 
déndenm Gewicht. ᾿ 
'* — per Vollständigkeit halber führe ich hier noch neuntens die Verse 
dés Tzetzes V. 46 ff. an, welche sich auf die Stelle des Stasimon in der 
Tragédie beziehen. Sie lauten: 
τὸ στάσιμον δέ pot μάϑε. 
qudd μὲν ἔσχε τὴν τάξιν φέρει von 2r Hand ergänzt] 
' τὸ πρῶτον. tov μὲν γένεται, 
τς τῷ δράματι δ᾽ οὔπω τι τῶν σκυλμῶν μέρος 
Ut εἴτ᾽ Son μετ᾽ αὐτῶν ἀξιόχρεων πάθορ. 
Mh habe bereits S. 34 meiner Dissertation über diese zum Teil verderbten 

Werte gesprochen und die Ansicht aufgestellt, dasz ihnen zufolge vor 
dem Sehlusz des ersten Epeisodion kein Stasimon anzunehmen sei. 

: "Eum Schluss will ich noch anführen, dasz bei Athenäos das Wort 
eresipog in Beziehung auf Tanz erscheint, Es heisst nemlich daselbst 
XIV. 8. 629°: τὰ δὲ στασικώτεφα καὶ ποικιλώτερα xol τὴν ὄρχησιν 
Legere git ἔχοντα καλεῖται δώκτυλοι, leufos, μολοσσικπή xz. 

Nech allem gesagten kann es: also von Seiten der Ueberlieferung 
Minen Bedenken unterliegen, eine weitere und eine engere Bedeutung 

" Die weitere Bedeutung von Stasimon hat, wie schon bemerkt, mei- 
wes s Wisedas zuerst Kelster de parabasi S. 13 aufgestellt. Wenn Sie in 
der zweitin'Abhandiung über die Antigome 8. 281 der Ausgabe in der 


442 F. Ascherson: Umrisse der Gliederung des griechischen Drama. 


Anmerkung bemerkten, dasz Sie Kolsters Erklärung nicht. befriedigen 
kónne, so halte ich dies Urteil insoweit für gerechtfertigt, als Koleter 
zweifelhafte Momente mit eingemischt und das, was mir das wesemt- 
liche scheint, vielleicht nicht genau genug präcisiert und voh dem un- 
wesentlicheren geschieden hat. Ich glaube es Ihnen wie Kolster schul- 
dig zu sein, auf dessen Darlegung noch etwas näher einzugehen. 

Mit Recht bemerkt Kolster S. 11, dasz das Stasimon unter allen 
Gedichten der Tragödie gleichsam einen gewissen Vorrang (prineipatum) 
behaupte. Wenn er sich hiefür auf Sextus Empirieus adv. math. VI 17 
[S. 751 2. 18 ff. Bekker] beruft, só hat er dazu auch nach: der: von: Bek- 
ker aufgenommenen Veberlieferung ein Recht. Dieser liest nemlich: 
ὡσαύτως δὲ καὶ τὰ παρὰ τοῖς τραγικοῖς μέλη καὶ στάσιμα nri. Nach 
dieser Lesart wären also die Stasima allein neben dem allgemeinen :Be- 
griff μέλη genannt, was man mit der S;439 angeführten Stelle des Et. M. 
unter προσῴδιον vergleichen kann, wo τῶν μελῶν καὶ τῶν ὕμνων ver- 
bunden ist. Ich möchte aber. fast. ‚glauben, dasz Kolster die Lesart des 
Fabricius und Hervet μέλη τὰ στάσιμα vor Augen hatte: denn diese ent- 
spricht seiner Behauptung noch besser, die auch bei der erstgedachten 
Lesart wol unterstützt ist, indem sieh ebensowol denken liszt, dasz 
στάσιμα der allgemeine Name für die tragischen Gedichte gewesen sei, 
wie ὕμνοι für die Iyrischen. Kolster bemerkt darauf, viele glaubten, das 
Stasimon sei vom stehenden Chor vorgetragen, beruft sich hiefür auf die 
Scholien zu Eur. Hek. [soll heiszen Phón.] 210, Ar. We. 370. Frö: 130 
[vielmehr 1307 — 1281 Meineke], Pliavorinos und andere Stellen, dieer 
nicht näher anführt, und bemerkt darauf nicht übel: *sed istud eui pote- 
rit probari, qui paulum de hac re cogitaverit? Man kann lange Zeit-len 
Glauben hegen oder versuchen, mit jener Defihition auszukommen will 
man aber auf kritischem Wege: zu einer möglichst gründlichen Kenntnis 
des Baus des griechischen Drama gelangen, so kann man. wie ich. ge- 
zeigt zu haben glaube, sich bei derselben-mieht beruhigen. Kolster 
wendet sich darauf zum 12n Kapitel der Poetik: und bemerkt zuerst, wenn 
man die Parodos, der er mit nicht. ganz unbestreitbarem Rechte die Me- 
tastasis [das Abziehen eines Chores der nachher wiederkommt, und das 
dabei etwa vorgetragene], die Epiparodos [den Vortrag des-Chores beim 
Wiedereintritt] und Aphodos. [den Vortrag beim: letzten Abtreten des 
Chores] mit Verweisung auf: Pollux 1V.108 [zu dem die angegebenen Et- 
klärungen stimmen] und mit dem: bei dem unbestreitharen Vorhandensein 
solcher Gedichte nicht unbedenklichen Zusatze * si quando eiusmodi car- 
mina inveniantur in tragoedia? — wenn man also alles «dies abzieht, so 
würden alle übrigen Gesänge [oder Vorträge] des ganzen Chores Stasima 
sein. Nach der angegebenen Erklärung von Stasimon. würde also der 
Tragödie fast aller Chortanz entzogen. — Dies Argument: Kolsters ist aus 
zwei Gründen nicht recht. brauchbar. ‚Einmal würde, wenn jene Be- 
hauptung richtig wäre, mancher darin keine Schwierigkeit finden ; an - 
derseits hat Kolster doch äber selbst mehreres vom Stasimon mit Recht 
ausgenommen, was also selbst nach jener Erklärung dieses Begriffes als 
getanzt gedacht werden kana. — Nicht mit Unrecht legt Kelster: darem 

















P. Ascherson : Umrisse der Gliederung des griechischen Drama. 443 


Gewicht, dasz dem Verfasser des 12n Kapitels die gewöhnliche Erklärung 
von Stasimon unbekannt zu sein scheint: obwol auch er die dort gege- 
bene Erklärung nicht näher erörtert, so behauptet er doch nicht ohne 
Grund, dasz dieselbe nicht wol mit jener andern stimmen könne. Wir 
haben zwar oben die Erklärung Waldästels, der später als Kolster schrieb, 
kennen gelernt und in gewisser Beziehung anerkannt, aber das ungenü- 
gende derselben einerseits und der Mangel an ausschlieszlicher Begrün- 
dung der gewöhnlichen Ansicht über das Stasimon anderseits rechtferti- 
gen hinreichend das über Kolsters Ansicht ausgesprochene Urteil. Dieser 
'hemerkt ferner, es widerspreche der Natur des Stasimon selbst, welches 
in Strophen und Antistrophen bestehe, welche, wie alle [?] zugäben, mit 
Tanzbegleitung vorgetragen seien, und schlieszlich eine Epodos . habe, 
weiche nsch dem Zeugnis des Scholiasten zu Eur. Hek. 647 [640 Matthiä] 
stehend ‚gesungen ward und daher mit Recht *stasimum stasimi, μέλος 
συυσιμώτατον᾽ genannt werden könne. Diese Schwierigkeit habe Her- 
mann elem. doctr. metr. S. 727 bemerkt, und da er sah, dasz die Gesänge, 
von ‚denen die Scholiasten überliefern das sie Stasima seien, eine solche 
‚Anordnung der Strophen hatten, dasz sie nur eine Epodos am Ende des 
-Gedichtes hatten, so habe er geglaubt hierin die Natur des Stasimon zu 
erkesinen. Aber, fährt Kolster S. 12 fort, wenn dies der Begriff des Sta- 
οὶ sei, ao verstehe er nicht, warum Aristoteles, ohne hierauf Rücksicht 
8 nehmen; auszer der Parodos jeden Chorvortrag auszer den trochäi- 
'Schen und anapistischen Stasimon genannt habe. — Gegen diese Ausfüh- 
rang lässt sich mancherlei erinnern. Vor allem läszt sich fragen, ob es 
gersthen war auf die Tanzfrage in der Weise eilizugehen, dasz man von 
eisen! vielfach und, wie wir gesehen haben, auch von Ihnen a. O. bestritte- 
nen Ueberlieferung über den Vortrag der tragischen Chorlieder aus gegen 
die verbreitetste Erklärung der Stasima vorgieng. Denn man kann, wie 
geschehen ist, die Sache umkehren und sagen, jene Ueherlieferung sei 
falsch, weil sie nicht mit diesen Definitionen stimme. Es lassen sich 
aber allerdiugs die Ausdrücke drgogs$ und ἀντίστροφος an sich besser 
erklären, wenn man an erchestische Bewegung denkt, als wenn man 
Stehen des Chores voraussetzt. -Dasz nicht alle zugeben, Strophen und 
Antisirephen könnten nur mit Tanzbegleitung gedacht werden, dabei 
breuche ich. Ihnen gegenüber nicht zu verweilen. Dasz Hermann an der 
eitierten Stelle nicht eigentlich die. Natur des Stasimon in die Stellung 
der: Epodos gesetzt habe, hat er selbst in der Recension des Kolsterschen 
Buches a. 0. S. 397 bemerkt, wo er die Stelle der elementa so verstan- 
des wissen will, dasz nur eine die Stropheneinteilung betreffende wesent- 
liche Verschiedenheit von der Parodos angegeben werde. Später in seiner 
Ausgebe: des Orestes hat Hermann übrigens zu V. 817 den Chorgesang, 
. den er. in den elamenta für eine Parodos hielt, mit Recht als Stasimon 
amerhsunt und damit dieser ganzen Unterscheidung die Grundlage ent- 
-sogen.: Dass: die Definition der Poetik auf diese vermeintliche Eigenschaft 
den. Stasimon: keine Rücksicht nimmt, werten wir sonach nicht verwun- 
. derlich finden. — Kolster fährt fort: alle stimmten darin überein, dasz 
, dap Jiasge vom Tanz herkomme. .Das musz ich bestreiten: ich babe oben 


444 F. Ascherson: Umrisse der Gliederung des griechischen Drama. 


dieselbe Erklärung, die Kolster gibt, zu begründe& gesucht, ohme zur 
Deutung des Namens den Tanz zu gebrauchen. Darin stimme ich aber 
Kolster bei, dasz der Schein des Namens leicht zu der von ihm und mir 
bekämpften Definition verführen konnte. Ganz passend macht er auf eiue 
Stelle des Pollux aufmerksam, die der von uns angenommenen Definition 
des Stasimon entspricht. Es heiszt tiemlich ΜΙ 149: xal of μὲν .dgo- 
μεῖς ἐλαφροί, κοῦφοι, ποδώκεις. οἱ δὲ παλαισταὶ βαρεῦς, στάσιμοι, 
μόνιμοι. Es kann natürlich nicht daran gedacht werden, dasz beim Ring- 
kampf auf Stillstehen ein Gewicht gelegt würde. Kolster führt noch eine 
Stelle aus Pollux an, IV 156 ἄστρα ἀπλανῆ, στάσιμα, ἀμετάθετα, und 
bemerkt, es bewegten sich nach Ansicht der Alten die Sterne die wir 
Fixsterne nennen. Mehr zur Sache scheint die von: mir ohen:beigebraehte 
Stelle aus Athenäos zu gehören, wo vom Tanz das: Wort στάσιμος 
gebraucht war. Ganz mit Recht bemerkt Kolstet dann, στάσιμος heisze 
nicht “qui non movetur?, sondern *qui statione non discedit", worüber 
wir oben schon hinreichend gesprochen haben. Er vergleicht darauf die 
Parodos mit dem Stasimon, bemerkt, jene sei * chori earmen- stationem 
suam occupautis', was richtig verstanden wahr ist, vgl. m. Diss. S. 13 I, 
und schlieszt hieraus, dasz der Vortrag der Strophen bei der Paródos ein 
anderer sei als beim Stasimon nach jenem Seholion zur Hekabe. Diesen 
Punkt können wir hier unerürtert lassen. Zum Schlusz bemerkt Kolster 
noch, die Erklärung des στάσιμον als μέλος. welches forausvor o£. yo- 
eevrai jov, stimme mit seiner Ansicht: denn Foranzvog bedeute nicht 
ἀκίνητος μένων, sondern *qui stationem suam cepit?. Hier faszt Kolster 
ἀκίνητος μένων noch als *unbeweglich stehen bleibend’. Wir habei oben 
S. 437 gesehen, dasz es ebenso gut wie ἱστάμενος eine weitere Bedeu- 
tung erhalten kann. 

Soweit Kolster. Wir erwähnten schon dasz Hermann ihm in der 
angeführten Recension und in den ebenfalls schon genannten Stellen 'sei- 
ner Recension von Müllers Eumeniden und seiner epitome doctr. metr. 
beigetreten ist. Auch Leopold Schmidt hat S. 14 seiner lateinischen Ab- 
handlung dieselbe Ansicht vom Stasimon, indem er sagt: "quocirca stasi- 
morum nomen ita tantum valuisse antiquitus erediderim , ut chori in-or- 
chestra manentis carmina ab accedenlis ad eam parodis discriminaren- 
tur’; wenn er fortfihrL: *eamque notionem rei secutum esse philosophum?, 
so wage ich nicht das zu unterschreiben, würde aber für den Erweis 
dankbar sein. Auch Friedrich Fritzsche a. Ὁ. S. 35 f. tritt G. Hermann, 
seinem Groszvater, und L. Schmidt bei. Endlich hat aüch mein verehrter 
Lehrer Julius Richter in seiner Ausgabe der Wespen: des Aristophanes 
(Berlin 1858) das Stasimon nicht auf die engere Bedeutung: beschränkt. 
Er kommt in dem 3n Kapitel seiner Prolegomena (de elioro Vesparum) 
$ VIII S. ΤΙ auf die oben erwähnte Stelle V. 270 und. das dazu gehörige 
Scholion zu sprechen. Mit Recht thut er dagegen Einspruch, dasz der 
Scholiast das Wort στάσιμον von στάντας herleitet; da der Chor hier 
nur etwas stehen bleiben will, um den alten Philokleon herauszurufen. 
„Es sei nemlich allgemein bekannt, dasz στάσιμον zwar von ἔστάναι 
herkomme, aber dennoch nicht ein Stehlied: (canticum. stativam), 


F. Ascherson: Umrisse der Gliederung des griechischen Drama. 445 


sondern ein Lied bezeichne, das der Chor vortrage, nachdem er seinen 
Standpunkt in der Orchestra eingenommen habe, sei es gleich nach der 
Parodos oder nach dem ersten Epeisodion und zwischen den Epeisudien. 
hm ganzen muss ich dem gesagten zustimmen, über einzelnes mögen 
noeh folgende kurze Bemerkungen gestattet sein. Unter allgemein be- 
kannt kann hier nicht allgemein zugegeben verstanden werden; würe das 
der Fall, so hätte ich nicht nötig gehabt so eingehend über das Stasimon 
τὰ handeln. Ueber das was Richter über ‘Einnahme des Standpunktes? 
sagt , gilt daiselbe was ich so eben über die gleiche Bemerkung Kolsters 
gesagt habe. Bei Erwähnung der Orchestra hätte auch der Fall, wenn 
der Chor zuerst auf der Bühne erscheint, mit berücksichtigt werden kón- 
meh. Endlich bemerke ich, dasz ich die Ansicht, dasz ein Stasimon un- 
mittélbar auf eine Parodos folyen kónne, bis jetzt nicht teilen kann, ob- 
wol sie jetzt sehr bellebt ist; s. auch m. Diss. S. 24. *) 

^ "Nehmen wir also diejenige Erklärung von Stasimon an, welche sich 
bei Betrachtung desselben im Zusammenhang mit Parodos und Exodos und 
im Hinblick auf die Entwicklung der griechischen Tragödie fast von selbst 
ergibt, der auch sprachliche Bedenken nicht entgegenstehen, da sie sonst 
6: Hermann schwerlich gebilligt hätte. Lassen wir uns nicht dadurch irre 
führen, dass die gewöhnliche Erklärung der Grundbedeutung von στάσι- 
po näher zu stehen scheint. Es ist doch wahrlich keine zu gewagte An- 
ehm zu denken, dasz der Gesang eines an seinem Orte bleibenden Cho- 

ven; μέλος στασίμου χοροῦ, selbst μέλος στάσιμον genannt worden sei. 

" Folgen wir dieser Ansieht, so verlieren die schónen Untersuchungen, 
δεν Sie, hothverehrtester Meister, über die Tanzlieder angestellt haben, 
wicht das mindeste. Gestattet uns auch die weitere Bedeutung von στᾶσι- 
μὸν auch jene Lieder unter diesem Namen mitzubegreifen,, so hatten Sie 
doch das vollste Recht hervorzuheben , dasz dieselben unter den Begriff 
tia engen Sinne nicht fallen. Da Sie gern in noch so dunklen Ueberlie- 
ferungen: die Spuren des wahren zu suchen pflegen und nicht vorschnell 
dieselben za verwerfen lieben, so wird es Ihnen nicht unlieb sein, die 

naehgewiesen zu sehen , auch jene Lieder mit unter der im 
13. Kapitel der Poetik allein gegebenen Benennung zu befassen. Haben 
wir αἷνο sweierlei Erklärungen, eine weitere und eine engere, so dürfen 
wir diejenige wählen, welche der Sache die angemessenste ist, und das 
dt ohne allen Zweifel hier die weitere. Wer die engere daneben festhal- 
tea will, dem bleibt es unverwehrt, zwischen Stasimon- im engern Sinne 
und Stasimon im weitern Sinne zn unterscheiden. Nur schlage ich vor, um 
der wnbrtrüglichen Willkür und den Schwankungen auf diesem Gebiet ein 
Bude se méchen, die weitere Bedeutung der Darlegung der Gliederung 
dis Drama zu Grunde zu legen, und erst auf dieser Grundlage eine wei- 
térd-Olessiicatioh der Ghorgesänge eintreteri zu lassen, wobei man dann 
dem στάσιμον v ὑπορχηματικόν, wie man die von Ihnen behandelten Tanz- 


—À | —. 


Ar Ansicht, dass die auf Anapästen der - Parodos folgenden 
prophen ebenfalls sur Parodos ehören, hat auch F. Häcker 
| pow - Iles Prolur in Mützells Zeitac rift für das Gymnasialwesen 


446  F. Ascherson: Umrisse der Gliederung des: griechischen Drama. 


lieder jetzt nennen kann, ein στάσιμον στάσιμον an die Seite stellen kann. 
Ich für mein Teil hege allerdings bescheidene Zweifel , 6b , nachdem man 
sich einmal von der mehrgedachten Beschränkung des Begriffes. Stasimon 
frei gemacht, viele Lieder übrig bleiben, von denen man die sichere Ueber- 
zeugung hegen kann, sie seien vom stehenden Chor vosgetregeni ı Sowiel 
für diesmal vom Stasmon. nen em d fane d 
Das dritte der Glieder des Brama, die. wir zu betrachten haben , ist 
die Exodos. Ich habe oben dieselbe als einen Chorvortrag bezeichnet, 
und finde mich dabei im Einklang mit vielem Ueberlieferufigen:. Die Er- 
klärung des 12n Kapitels der Poetik scheint freilich nicht! damit. zu .etim- 
men. Sie lautet: ἔξοδος δὲ μέρος ὅλον τραγῳδίας, ned! δ οὐκ ἔστε qe- 
ροῦ μέλος. Für sich betrachtet enthält sie wieder mur eine.megatiwe 
Bestimmung: ein vollständiger Teil der Tragödie, nich .dem. kein Ghor- 
gesang folgt. Wenn ‘also eine Tragödie , wie z. B. die: Sch 
und Eumeniden des Aeschylos, mit einerh Chorgesang schliesat, ae Kat die- 
selbe nach dieser Definition keine Exodos. Die:Saohe bessert: sich. Sieht 
wesentlich, wenn wir die Erklärung im Zusammenhang des Kapitels he- 
trachten. Dieser läszt keinen Zweifel, dasz die Exodos ein: epischer Teil 
der Tragödie sein soll. Dies würde auf die' meisten: der echaltenen'Tra- 
gödien Anwendung leiden; wenn man die Anmapásten, mit denen.der. 
das Drama zu schlieszen pflegt, vom Begriff des u£Aog' ausnimmt. : Aber 
die Schutzflehenden und Eumeniden bleiben ohne Exodos. Sie werden zwar 
hei Waldästel a. 0. S. 18 und Fritzsche S. 41 f. für beide Tragödien, und für 
die Eumeniden bei R. Schultze a. Ὁ. S. XIl] Exodoi angegeben finden, wäh- 
rend alle drei mit Zugrundelegung des 12 Kapitels. der Poetik einteilen 
wollten. Der letztgenannte hat sich über die 6ründe dieses: seihes 'An- 
satzes nicht erklärt; aber er ist wol ohne Zweifel abuliclien. Erwägungen 
gefolgt, wie sie Waldästel und Fritzsche ausgesprochen haben... Des .et- 
stere übersetzt nemlich die Erklärung der Poetik S. 4 so: *exodus... di- 
citur tragoediae pars, post quam non invenitur chericum carmen (inte- 
grum).? Aehnlich sagt Fritzsche S. 39 ven der Exodos:; *quod;iir eite 
fine non longius chori carmen adieetum erat.? . Beides, integertut ua 
longius, haben beide hinzugefügt; in der Poetik: ist. beifleh. micht .ge- 
sagt. Abgesehen hiervon ist es doch auch swvillkürlich: solche Gesänge, 
wie in den Schutzflehenden dés Aeschylos V) 988— 1643, und des freilich 
kürzeren Eumeniden V. 1044— 1027 nicht für voll anseheh zu: wollen. die 
bleibt mithin das gesagte stehen: die beiden Tragódier'habén .uheh der 
in der Poetik gegebenen Erklärung, wenn man: nicht dieser Gewaltien- 
thun will, keine Exodos. . Dies ist aber nicht etwa damit zu vergleichen, 
dasz Perser, Schutzflehende und Rhésos keinen Prologod bebem Denn 
was später der Prolog versah, konnte im Anfang; wie gezeigt ist. die Pe- 
rodos mit versehen, aber welcher Teil soll das der Exodos eigentämnliche 
versehen? ein Stasimon eder'ein Epeisodion? . Da würde die Tregédie 
schwerlich zu einem formellen Abschlusz gelangen: vielmehr, wie wir 
im Anfange derselben die Parodos, einen eigentünlichen und in der 
Regel nur einmal vorkommenden Teil, finden, so ist.am, ‚Schlusz.i A "sol- 
cher die Exodos, die wir für einen ehenso wesentlichen. 


F. Ascherson: Umrisse der Gliederung des griechischen Drama. 447 


jeder Tragódie halten werden als die Parodos. Die beiden genannten 
Tragödien des Aeschylos kommen aber ohne Willkür und gewaltsame 
Auslegung der Poetik nur dann zu einer Exodos, wenn wir nicht den 
Begriff des 12n Kapitels der Poetik, sondern den andern zu Grunde legen, 
nach welchem die Exodos zum Chor gehört. Hiefür sprechen mehrere 
Spuren der Ueberlieferung. Erstens eine direct auf die Tragódie zu be- 
ziebende. In den bei Pollux IV 52 ff. aufgezählten Namen für Dichtungs- 
arten folgen u. a. folgende Namen in $ 53 auf einander: κωμῳδία, τρα- 
γφδία, πάροδος, στάσιμον. ἐμμέλεια, κομματικά, ἔξοδος, εὐκτικα, 
ἥρια usw. Hier erscheint also die ἔξοδος mitten unter lauter Iyri- 
schen Dingen in der Gesellschaft von παροδος und στάσιμον. Hier darf 
sig also auch als etwas lyrisches, also, wenigstens für die erste Zeit der 
Tragódie ,. ala.ein Chorvortrag angesehen werden. Hiemit kann man die 
Stslie.$. 109 verbinden: xal μέλος δέ τι ἐξόδιον, 0 ἐξιόντες ἧδον. Auch 
Tzetses hat Spuren der chorischen Exodos erhalten, nach seiner Weise 
freilich mit der andern Erklärung gemischt. Es heiszt bei ihm περὶ τρα-. 
zung ποιήσεως V, 24 f. 
εὐτὺς ἢ δ᾽ ἔξοδος, τίς τυγχάνει χοροῦ λόγος; 
|... M9" ὃν χοροῖς οὐκ ἔστι τί λέγειν μέλος. 

Mi der ersten: Stelle aus Pollux stimmt überein V. 30 ff. 

un ᾿ τὴν τοῦ χοροῦ δὲ (se. δὴν) πενταχῇ τετμημένην, 

bos tv: τμημάτων κλήσεις, δέ, πάροδος. στάσιμον. 

nin #7 ἐμμέλεια, κόμμος ἐξόδου μέτα. 
v. 7 tf. sagt derselbe: 

τὰ τέσσαρα νῦν τοῦ χοροῦ μαϑὼν μέρη 
| τὴν ἔξοδον τὸ πέμπτον ἀκροῶ μέρος, 

ὅπερ μετ᾽ ἐμμέλειαν ἐστὶν εἷς τέλος. 

τραγῳδίας δ ὃ ὄρχησις αὕτη τυγχάνει. 
Hieraus folgt wenigstens, dasz die ἔξοδος zum Chor gerechnet wurde 
und der, letzte Ghorteil der Tragödie war; dasz sie getanzt worden sei, 
möghte..ich qus dieser Stelle nicht folgern, da bei dem Mangel an guter 
Disposition, deu diese Verse des Tzetzes verrathen, diese Worte sich, um 
vom andern möglichen Auslegungen zu schweigen, ebensowol auf die 
ἐμμέλεια als auf die #&odog beziehen können und ihrem Inhalte nach auf 
jene viel besser. passen. Bei der Wiederholung (V. 75 ff.) zählt Tzetzes die 
ἕξοδος wieder zweimal auf, V. 80 als Teil der λέξις und V. 85 als Teil 
des Chores. . 

Zu diesen Spuren für die Tragödie gesellen sich ferner noch andere 
für. die Komödie, Da diese in formeller Beziehung die Tragödie zum Mu- 
ser genommen hat, so ist es nicht ohne Bedeutung, dasz alle Erklärungen 
der. Exodos der Komödie sie einstimmig als einen Chorvortrag bezeich- 
nen. [ἐξ werde, an einem andern Orte die Stellen vollständig geben. Hier 
stehe nur éine, welche leicht die älteste uns erhaltene sein mag. In dem 
Anekdoton, das Cramer in seinen Anecdota Parisina Bd. I S. 403 ff. zu- 
erst aus dem, codex Coislinianus 120, einer Handschrift des 10n Jh., ver- 
Öffentlich; bat, und ‚das seitdem oft wiederholt ist, zuletzt in Bergks 


448 F. Ascherson: Umrisse der Gliederung des griechischen Drama. 


Aristophanes Bd. I S. XLIII f. der 3n Ausgabe, heiszt es 8. 406, I5. ff. 
bei Cramer oder $ 8 der spätern Abdrücke: 


MEPH THC KOMOIAIAC TECCAPA 


πρόλογος χορικὸν ἐπεισόδιον ἔξοδος 
Es folgen dann die Definitionen; für uns sind die von τοριπόν ud elec 
wichtig: 
χορικόν ἐστι τὸ ὑπὸ τοῦ χοροῦ μέλος ἐθόμενον, re m" μῆνϑος 
ἱκανόν. 
ἕξοδός ἔστι τὸ ἐπὶ τέλϑε λεγόμενον τοῦ 

Dies Anekdoton mit dem ]2n Kapitel der Poetik zu vergleichen det 
lehrreich und bringt mehr Gewinn als man nach Bernays Adusserung im 
rheinischen Museum Bd. VIII 8. 588 und der von Schmidt de psrodinietiene 
S. 7, welche von fast wörtlicher Uebereinstimmung reden, erwartes.sellite. 
An dieser Stelle mache ich nur auf folgendes: aufinerksem:; Die hier'ge- 
gebene Erklärung von Exodos gestattet nur in Verbindung milt der etwas. 
verwunderlichen Erklärung von z0gsxöv, die gegebene Vierteilung der Be- 
standteile der Komödie für eine logische zu halten: denn unter den all- 
‚gemeinen Begriff zogıx6v gehört auch die Exodos, wenn sie ein Chorteil 
sein soll: Im 12n Kapitel der Poetik finden wir. dieselbe Vierteilung für 
die Tragödie; aher dieselbe ist logischer, insofern die. Exodos nach der 
dort gegebenen Definition nicht zum Chorikon gehört. Wir glauben hier- 
aus und aus den übrigen dahin deutenden Momenten den Schlusz ziehen 
zu dürfen, dasz die Definition der Exodos als eines Chorteils älter sei als 
die Vierteilung der Tragödie in der Poetik. Wir dürfen also davon aus- 
gehen, dasz die Exodos ursprünglich zum Chor gehört. Dies passt auch, 
wie wir oben schon gezeigt haben, vortrefllich zur Parodos, und über- 
haupt stützen diese drei Erklärungen von Parodos, Stasimon und Exodos 
sich gegenseitig. Im weitern Verlauf schrumpfte die ursprünglich längere 
Exodos in wenige Schluszanapäste zusammen. Die Frage, ob für diese der 
Name Exodos festzuhalten oder mit dem 12n Kapitel der Poetik für irgend 
eine Zeit der Tragödie der Name Exodos als für den letzten epischen Teil 
der Tragödie einschlieszlich des Schluszvortrages des Chores geltend an- 
zusehen sei, kann an dieser Stelle noch nicht entschieden werden. Auf 
jeden Fall werden diejenigen gern diese Auskunft ergreifen, die nicht 
gern irgend etwas von der Ueberlieferüng ohne die allerdringendste Not 
daran geben. 

Etwas kürzer als von diesen drei Teilen können wir für diesmal von 
den noch übrig bleibenden beiden andern reden, dem Epeisodion und dem 
Prologos. Was das Epeisodiön angeht, so ist leicht einzusehen, wie 
die S. 428 mitgeteilte Ansicht über die Entstehung desselben sowol"am sich 
sachgemäsz ist als auch mit den überlieferten Erklärungen desselben über» 
einstimmt. Epelsodia sind wesentlich die Teile des Drama zwischen zwei 
Chorvortrágen. Wir werden uns zwar bei der Betrachtung der Bramen 
leicht überzeugen, dasz nicht jeder Chorvortrag einen Abschnitt bedingen 
kann. Z. B. gehört der Chorvortrag in den Schutzflehenden des'Aeschylos 
V. 403—420 mitten in die Entwicklang hinein, wid ehliekrt Weder vor 





F. Ascherson: Umrisse der Gliederung des griechischen Drama. 449 


ihm noch beginnt nach ihm ein Abschnitt der Handlung. Es wird die 
Aufgabe meiner späteren Arbeiten sein, hierüber feste Bestimmungen zu 
gewinnen. Die bei Pollux IV 108 gegebene Bestimmung: ἐπεισόδιον δὲ 
ἐν δράμασι πρᾶγμα πράγματι συναπτύμενον ς stimmt mit der gegebenen 
Ansicht von Epeisodion sehr wol zusammen. Namentlich in dem ent- 
wiekelteren Drama liegt ja die Handlung hauptsächlich in den Epeisodien. 
Das Wort Epeisodion gestattet, wie sich aus der a. 0. gegebenen Ablei- 
tuag desselben ergibt, noch eine weiter gehende Einteilung, indem man 
die. Bedeutung ‘durch Hinzuauftreten des Schauspielers bedingter oder be- 
stimmter Teil? festhaltend nun eine Untereinteilung der bis jetzt so genann- 
ten Epeisodien nach Art unserer “Auftritte? kónute eintreten lassen, wo- 
bei tioch mehrerlei verschiedene Weisen denkbar sind. Indessen ist es 
mir bis jetzt nicht räthlich erschienen, diese Unterabteilung als eine von 
den Dichtern beabsichtigte oder gemachte anzuerkennen und dafür den 
Namen Epeisodion im engern Sinne zu brauchen. Vielleicht ist das später 
einmal móglich; jeut handelt es sich zunächst darum, für die Hauptglie- 
derung des Drama einen kritisch gesicherten Boden zu schaffen. 

Wir haben endlich noch vom Prologos zu sprechen. Dieser ist 
dem Wortainne nach ein Vorwort, eine Vorrede, eine Einleitung, oder wie 
der meuere technische Ausdruck heiszt, eine Exposition. Hiermit ist die 

am 130 Kapitel der Poetik gegebene Erklärung wol verträglich, nach 
welcher Prologos ein ganzer Teil der Tragödie vor der Parodos des Cho- 

res ist (μέρος ὅλον τραγῳδίας τὸ πρὸ χοροῦ παρόδου). Wir können 
mock iu dieser Erklärung die Spur von dem verfolgen, was wir S. 428 
historisch nachwiesen, dasz der Prologos spätern Ursprungs sei als der 
Chor und seine Vorträge. Wenn Aristoteles in der Rhetorik III 13 tiefer 
in.das Wesen des Prologos eingeht, als an der in Rede stehenden Stelle 
der Poetik geschah, so hätte das nicht Kock (über die Parodos S. 2 und 
in Fleckeisens Jahrbüchern a. O. S. 331) und Schmidt (de parodi notione 
S. 6, vgl. Jahrbücher a. 0. S. 717) zu der Behauptung verleiten sollen, 
beide Stellen seien unverträglich. Denn die Bezeichnung der Aufgabe des 
Prologos ist durchaus vereinbar mil einer Angabe der Stelle, an welcher 
der Prolog steht. Auch beim Prolog kann man die Frage nach Unterabtei- 
lungen aufwerfen; indesseu wollen wir auch hier dem weitern Fortgange 
der Untersuchung es vorbehalten solche anzunehmen, und für jetzt wenig- 
stens dabei stehen bleiben, den ganzen Teil der Tragódie vor der Parodos 
des Chores mit dem Namen Prologos zu bezeichnen. 

Werfen wir nun auch noch einen Blick auf die Komódie. Wie 
wir schon bemerkten, sind wir überzeugt, dasz die Komödie in formeller 
Beziehung sich die Tragódie zum Muster genommen hat. Von Parodos, 
Exodos, Epeisodion und Prologos der Komódie ist in unsern Ueberliefe- 
rungen hie und da schon die Rede, und wir werden natürlich mit diesen 
Namen bei der Komódie dieselben Begriffe verbinden wie bei der Tragó- 
die. Ein Stasimon der Komödie zuzugestehen war man bisher wenig ge- 
neigt, obwol, wie oben ‚angeführt, ein Scholiast zu des Aristophanes 
Wespen V. 270 sagt: πρὸ τῶν ϑυρῶν τοῦ Φιλοκλέωνος στάντες of τοῦ 
χοροῦ τὸ στάσιμον ἔδουσι μέλος. Man hat zwar hier wenigstens richtig 


450  F. Aschersou: Umrisse der Gliederung des griechischen Drama. 


erkannt, dasz die Ableitung vom Stehen nichtig sei; auch ist auf dies 
Scholion nicht viel zu bauen, weil es wahrscheinlich durch das im Text 
vorkommende στάντας veranlaszt ist. So: urteilen hierüber. auch Kolster 
a. 0. S. 13 und Richter a. 0. S. 71, welcher letztere gleichwol nicht ab- 
geneigt scheint, den Namen Stasimon mit der Erklärung Stehlied für. diesen 
Fall festzuhalten. Aber das allgemeinere Vorkommen: der Stasima in der 
Komödie wird man nicht mehr bestreiten können, wenn man die Riohtig- 
keit unserer Ansicht über das Stasimon in der Tragödie anerkennt. . Auch 
Tzetzes nimmt ein Stasimon in der Komödie an, περὶ τραγωνῆς "οήσεως 
V. 174 T: 

τὴν τοῦ χοροῦ δὲ (sc. φδὴν) τετραχῇ. πειμημένην.. (d 

εἰς πάροδον, ἐπιπάροδον, στάσιμον. ὄρχημά τὸ (cod. Paris, 

. ὀρχημανεκόν)... 

ἅπερ φέρει σύμπαντα καὶ κωμῳδία. an 
Bei der Komödie tritt zu den fünf mit der Tragödie gemeinsamen Bestand- 
teilen noch ein sechster, welcher der Komödie: vorzugsweise. eigen ist, 
die Parabasis. Auf diese werden wir später näher einzugehen haben.*) 

Jetzt, hochverehrtester Meister, drängt aber die Zeit, dieseu etwas 

lang gewordenen Brief zu schlieszen. Indem ich mich den Wünschen. für 
Ihr Wohl, welche Tausende heute zum Himmel emporsenden , aus. ganzer 
Seele anschliesze, bitte ich Sie um freundliche Aufnahme und ‚eingehende 
Beurteilung dieser Umrisse. bs d 


*) [Zu den älteren Sobriften über die Parabasis von, Kolster,, ‚Köster 
(Stralsund 1835) und C. Kock (Anclam 1856) sind jetzt zwei Berliner 
Dissertationen gekommen, welche auch die übrigen Teile der Komödie 
behandeln: Hornung commentationis ‘de partibus comoediarum Grae- 
carum particula (1861), und Nesemann de episodiis Aristophaneis 
(1862).] 


Berlin. | n Ferdinand Ascherson.: : 


Ueber eine Sammlung 


unedierter Henkelinschriften 


aus dem südlichen Ruszland. 


Von 


Paul Becker. 


Jahrh. f. class. Philol, Suppl. Bd. IV. lift. 3. 29 





6. 


Ueber eine Sammlung unedierter Henkelinschriften 
aus dem südlichen Ruszland. 


Zu meiner bereits im Jahre 1854 im Bulletin der St. Petersburger 
Akademie!) abgedruckten Abhandlung über die Henkelinschriften der hie- 
sigen Sammlungen erlaube ich mir im folgenden dasjenige hinzuzufügen, 
was ich neues seit jener Zeit hier habe zusammenbringen kónnen, und 
glaube dieses um so eher thun zu müssen, als nur durch Vervollständi- 
gung des Materials neue Entdeckungen gemacht und die bereits gewon- 
nenen Resultate sicher gestellt werden können. Bei den dieses Mal zu 
beschreibenden Henkeln und Ziegeln musz ich mich indessen fast aus-. 
schlieszlich auf die mir selbst gehórigen Stücke (es sind im ganzen 120) 
beschränken, da die Sammlung der hiesigen Gesellschaft für Geschichte 
und Altertümer, welche seit einigen Jahren mit der des städtischen Museums 
vereinigt worden ist, nur zwei?) Henkel aufzuweisen hat, die in meiner 
oben erwähnten Abhandlung noch nicht berücksichtigt worden sind. Das 
mir zu Gebote stehende Material erscheint der leichteru Uebersicht wegen 
wieder in den früher angenommenen Unterabteilungen, und zwar in jeder 
- in alphabetischer Ordnung und mit Angabe des Fundortes. Den einzelnen 
Stücken werde ich meine Bemerkungen beifügen und dann nach Beschrei- 
bung des neuen Materials dasjenige folgen lassen, was über den ganzen 
Gegenstand im allgemeinen und über die einzelnen Abteilungen im be- 
sondern noch zu sagen ist. 


I. Rhodische Henkelinschriften. 


Nr. 1. ETTIEP.DE ἐπ᾿ [ερ[έ]ως aus Olbia. 
AT EMAXoY Mys[pa] zov , B. Nr. 112. 
eE£...oPloY Oec[uog]oo/ov. 


Der Titel des Eponymos, ἑερέως.» findet sich bei dem auf rhodischen 
Henkeln öfters vorkommenden Namen 'Ayeuczov (Franz im Corpus in- 


1) Mélanges Grécó- Romains tirés du bulletin historico-philologique 
de l'Aesdémie Impériale des sciences de St. Pétersbourg. Tome I B. 
416—021, 2) VI A Nr. 16 und 20. 
29* 


454 P. Becker: über eine Sammlung unedierter lHenkelinschriften 


scriptionum Graecarum Bd. ΠῚ Vorr. S. V Nr. 10—12. Becker a. 0. S. 420 








Nr. 3 —7) hier zum ersten Male. 
N ETTIA.EMAXoY ἐπὶ ᾿Α[γ]εμάχου, aus-Olbia. 
AANIOY . Δαλίου. B. Nr. 163. 


Vl. Franz und Becker a. 0., welche indessen beim Namen "Ayspazov 
den hier genannten Monat Ζάλιος noch nicht anführen. 


Nr. 3. EMIATEZ ἐπὶ "Ayeo- aus Olbia. 
TPAT.. τράτ[ου], B. Nr. 93. 
MANAMoY Πανάμου. 


Der Name "Ayesrgdrov schon bei Franz Nr. 13 und 14, aber in Ver- 
bindung mit anderen Monatsnamen. 





Neo ...Al [ἐπὶ] Al- aus Olbia. 
ANTOY ἄντου, ' B. Nr. 188. 
ΘΕΣΜΟΦΟΡΙΟῪ Θεσμοφορίου. 


Vom Namen Aidvrov sind blosz die beiden ersten und die drei letz- 

ten Buclistaben ganz deutlich erhalten. 
Nr. 5. EDIAPATOPANEY £TIANAMOY balaustium. aus Olbia. 
ἐπὶ Agaropdsevs, Πανάμου. B. Nr. 171. 
Rundschrift, in deren Mitte die Blume balaustium. Der Name 4ga- 
τοφάνευς bei Franz S. VIL Nr. 87 und 88 und bei Stephani (Antiquités 
du Bosphore Cimmérien Tome II: anses d'amphores de Rhodos Nr. 3.4.5), 

jedoch mit anderen Monatsnamen. 


Nr. 6. EMIAPMO. . AAGEXMO90PI . . balaustinm. aus Olbia. 
ἐπὶ Mono[vi]da , Θεσμοφορίου]. . B.Nr.184. 
Rundschrift, wie bei Nr. 5. 
Nr. 7. EPIAP..KPA ἐπὶ Mo [no]xod- aus Olbia. 
TEYCAPTE eve, "Aer[a]- B. Nr. 166. 
MITIoY μιτίου. ᾿ 


Derselbe Name, aber mit anderer Beugung und einem andern Monat 
bei Franz S. VII Nr. 150: ἐπ᾽ ἱερέως d gnoxoarov , Texiv9/ou, balaus- 
tium. Der letzte Buchstab der zweiten Zeile ist ein deutlichey E. 


Nr. 8. APTAMITIoY ᾿Αρταμιτίου, " aus Olbia. 
.ENEZOENE [Mjeveotlog. B. Nr. 155. 
Franz S. XI Nr. 330: Πανάμου, Μῆενεσθέως. ^ ^ " 
Nr. 9. EDIEPE.X ἐπ᾿ feoio]s aus Olbia. 
AYTOKPAT..X Adrongar[ev]s, B. Nr. 164. 
KAPNEIOY Καρνείου. . ] ἢ 








Auf den, von Franz S. VIII Nr. 176—181 und Stephani (Mél. Gréco- 
Row. Tome {1 S. 16 Nr. 3) beschriebenen Henkelu mit dem Namen, A49- 
τοκράτευς steht weder der Titel des Eponymos, ἱερέως, noch der hier 


genannte Monat. Kagvefov. i 


aus dem südlichen Ruszland. 455 
Nr. 10. EMIA....oX ἐπὶ 4... . 0$, aus Olbia. 
BAAPOMIOY Βαδρομίου. B. Nr. 96. 


Der Eigenname kann wegen der ngch dem A verwischten Buchstaben 
nicht mit Sicherheit restituiert werden. 


Nr. I1. ἘΠΙΓΟΡΓΏΝΟΣ ἐπὶ Γόργωνος, aus Olbia. 
YAKINOIOY Taxıydiov. B. Nr. 110. 
Nr. 12. ΕΠΙΓΟΡΓΩΝΟΣ ἐπὶ Γόργωνος, aus Olbia. 
YAKINOIOY "Toxiv€tov. B. Nr. 150. 


Die Inschriften auf den Henkeln Nr. 11 und 12 sind nicht blosz 
in ihrer: Fassung, sondern auch in der Form der Buchstaben einander so 
ähnlich, dasz sie von einem und demselben Stempel herrühren müssen. 
Der Name Γόργωνος kommt sowol bei Franz S. VII] Nr. 182 als bei 
Becker S. 424 Nr. 42, und bei letzterem noch vollständiger (ἐπὶ ἱερέως 
Γόργωνος) vor, aber bei beiden mit anderen Monatsnamen. 


Nr. 13. EMI..ERZ ἐπ᾽ [{ερ]έως aus Olbia. 
AA. ..NEToY Ja[ucı]verov, - B. Nr. 158. 
DA..MoY Ila[vsa]uov. 


Eine mit der obigen ganz übereinstimmende Inschrift findet sich bei 
Franz S. VHI Nr. 189 auf einem llenkel, der aus Alexandreia stammt. Den 
Namen Ζαμαινέτου. in Verbindung mit dem Πάναμος oder anderen Mo- 
nalsnamen, treffen wir hei Franz Nr. 183—190. Becker Nr. 44. 


Nr. 14. Alo£eYoY «“Ζιοσθύου, aus Olbia, 

AF'AeoKAE Y ᾿γαθοκλεῦ[ς]. B. Nr. 159. 
"Aya®oxisüg mit anderen Monatsnamen bei Franz S. V Nr. 2—5. 

Nr. 15. AloCOEoY -11009[v1ov, eaput Solis aus Olbia, 

9IA^INI. . Φιλ[α]ενέίου].  radiatum. B, Nr. 185. 


Das Stralenhaupt des Helios ist rechts, neben der Inschrift. Der 
Name Φελαινίου kommt mit anderen Monatsnamen oder auch ganz allein 
auf anderen rhodischen Henkeln öfters vor: Franz S. XVII Nr. 469—468. 
JBecker S. 432 Nr. 111 und unten Nr. 31. 

Nr. 16. ..... ATOPAAFPIANIOY balaustium. aus Olbia. 
(ἐπὶ Ἡρ)αγόρα, Aygıaviov. B. Nr. 172. 

Rundschrift wie bei Nr. 5 und 6. Dieselbe Inschrift bei Franz S. 
RX Nr. 329, aber ohne balaustium, und deshalb wol auch nicht in einer 
JBundschrift. 

Nr. 17. EPIHPAToPA ἐπὶ Ἡραγόρα. ‚aus Olbia, 
ΚΑΡΝ. .0Y Kagv[ei])om B. Nr. 108. 

Beim Namen ᾿Ηραγόρα (vgl. Franz Nr. 229—231) steht der Monat 
Kagvsiog hier zum ersten Male. 

Nr. 18. EMIOEAI ἐπὶ Θεαι- caput Solis aus Olbia. 
AHTOY [τ]ήτου. radiatum. Β. Nr. 8]. 


Das Stralenhaupt des Helios links, vor der Inschrift, in welcher der 


x 


456 P. Becker: über eine Sammlung unedierter Henkelinschriften 


erste Buchstab der zweiten Zeile, wie bei Mac Pherson (Antiquities of 
Kertch [London 1857] pl. X Nr. 5 und 16) ein deutliches A ist. Franz 
S. IX Nr. 234 u. 235 beschreibt ein paar Henkel mit dem Namen Θεαι- 
τήτου und einem Monatsnamen, aber ohne Emblem. Letzteres ist bei 
Mac Pherson das balaustium. . 


Nr. 19. EMIOEAI ἐπὶ Θεαι- caput Solis aus Olbia. 
AHTOoY [τ]ήτου. radiatum. Β. Nr. 161. 


Die völlige Uebereinstimmung mit Nr. 18 sowol in der Fassung als 
in der Form der Buchstaben und in der Darstellung des Stralenhauptes 
läszt sich nur dadurch erklären, dasz für beide Henkel ein und derselbe 
Stempel gebraucht worden ist. 


Nr. 20. EMIKPATIAA ἐπὶ Koaride, | aus Olbia. 
MANAMOY Παναάμου. B. Nr. 169. 

Bei Franz S. X Nr. 306: ἐπὶ Koazída, Πανάμου δευτέρου. 
Nr. 21. ..... ATIAAAF'PIANIOZ balaustium. aus Olbia. 
[ἐπὶ Κρ)]ατέδα, Aygıavıog. B. Nr. 170. 


Rundschrift, wie bei Nr. 5. 6. 16. Der letzte Buchstab der Inschrift 
ist ein deutliches X, so dasz der Monat ’4ygiavsog statt im Genetivus 
hier ausnahinsweise im Nominativus steht. Vgl. Becker Nr. 83. 


Nr. 22. AAITASMIAAAIC713 balaustium. aus Olbia. 
ἐπὶ Kallınparlda. B. Nr. 109. 


Rundschrift, wie bei Nr. 5. 6. 16. 21, aber hier von der Rechten 
zur Linken. Der Name Καλλεκρατέδα mit einem Monatsnamen bei Franz 
Nr. 276. 


Nr. 23. IMA Iua... caduceus. aus Olbia. 
B. Nr. 105. 
Der caduceus liegt horizontal unter den Buchstaben. Ein ganz àhn- 
liches Exemplar bei Becker S. 497 Nr. 68; vgl. Franz Nr. 258—963. 
370. 447. 
Nr. 24. MAPZYA MagQova, sus Olbia. — 
AF PIANIOY Aygıavlov. B. Nr. 14 


Franz S. XI Nr. 317 und 318 gibt dieselbe Inschrift auf einem Hen— 

kel aus Alexandreia und auf einem andern aus Olbia. Vgl. Becker S. 43 
Nr. 79. Stephani Antiq. du Bosph. Cimm. Il a. O. Nr. 33 u. 34. 

Nr. 25. MAP.1^ Mae[ova], sus Olbia — 

-ATPIANIOY Myoravéov B. Nr. 113— 


Die auf diesem Henkel weniger gut erhaltene Inschrift scheint vom 
demselben Stempel herzustammen wie die unter Nr. 24 angegebene. 


Nr. 26. EMINIKR... ἐπὶ Níxo[voc]. balaustium. aus Olbiss- 
B. Nr. 08 - 
Rundschrift, wie bei Nr. 5. 6. 16. 21, und in deren Mitte die Blume 
balaustium. | : 


aus dem südlichen Ruszland. 457 


Nr. 27. ETTIZENO®AN ἐπὶ Bevopav- aus Olbia, 
ToY του, B. Nr. 108. 
YAKINejoY Tax »9ov. 


Bei Franz S. XI Nr. 355 und Mac Pherson pl. X Nr. 17 derselbe Ma- 
gistrat mit einem andern Monatsnamen. 


Nr. 28. ETIZE ἐπὶ Bı- caput Solis aus Olbia. 
NO®AN vopav- radiatum. B. Nr. 187. 
T [ov]. 


Links, vor der Inschrift, das Stralenhaupt des Helios, das bei Franz 
Nr. 366 fehlt. 


Nr. 29. EMIEENO®ANEYE ἐπὶ Ξξενοφάνευ[ς], aus Olbia, ^ 
ZMINeloY Σμινϑίου. B. Nr. 131. 


Ganz übereinstimmend mit einem gleichfalls aus Olbia stammenden 
Henkel bei Becker Nr. 85. 


Nr. 80. ΕΓΊΞΕΝΟ ἐπὶ Ξενο- .  stella. aus Olbia. 
9.NEY£ g [«]vevs. - B. Nr. 157. 


Links, vor der Inschrift, in welcher die erste Zeile von der zweiten 
durch eine horizontale Linie getrennt wird, ein sechsstraliger Stern. 
Der Name Ξενοφάνευς kommt auf den rhodischen Henkeln häufig (Franz 
S. XI Nr. 349—354. Becker S. 428 Nr. 84^ — 88. Stephani Antiq. du 
Bosph. Cimm. Il Nr. 13—17. Kóhne Ornncanie MyseyMa knasa Kauy- 
6en Il S. 401 Nr. 2) vor, aber auf keinem der bisher bekannten Stücke 
ist der Stern als Emblem gebraucht. 


Nr. 31. YAKINOIOY ῬὙακινϑίου, aus Olbia. 
91. AINIOY Φι[λ]αινέου. B. Nr. 186. 


Beim Namen Φιλαινίου steht der Monat Ὑακένθιος hier, und der 
41068 voc oben (Nr. 15) zum ersten Male. 


IL Knidische Henkelinschriften. 


Nr. 1. HPAKAEIToY Ἡρακλείτου — caput bovis. aus Olbia. 
eesosososessos —gM  csoscovee B. Nr. 89. 


Von der zweizeiligen Inschrift ist blosz die obere Zeile erhalten, 
die untere aber gänzlich verwischt; zwischen beiden das Staatswappen 
der Knidier, der Stierkopf. 


Nr. 4. OEY®A Θευφαϊνευρ), aus Olbia. 
TAXIZ Ταχέσ[του], B. Nr. 115. 
KNI Kvı[ldlov). 


Die Inschrift auf diesem Henkel stimmt aufs genaueste mit einem 
von mir schon früher beschriebenen Exemplare derselben Fabrik (Becker 
S. 438 Nr. 5). 


498 P. Becker: über eine Sammlung unedierter Henkelinschriften 


Nr. 3. .ACQMoC [1]«o[o]voc / securis, aus Olbia. 
FoAAOXEI tov /oy[a]/[ov], B. Nr. 180. 
ETTIV.IKWI: Ἐπίνι[κος], Kvi[Síov]. 


Die Streitaxt liegt horizontal über der ersten Zeile, in welcher der 
erste Buchstab | verwischt ist. Die Form der Buchstaben C ΟΜ X € zeugt 
von dem späten Ursprung dieses Henkels, auf welchen auszerdem noch 
die Schreibfehler Ἰάσωνος statt Ἰάσονος und “οχείου statt “οχαέου 
hinweisen. Auch ist die Fassung der Inschrift vou der auf den knidischen 
Henkeln gewöhnlichen’ ganz verschieden, da auf denselben, soviel ich 
weisz, der Name des Vaters bis jetzt noch nie vorgekommen ist. Den 
einfachen Namen Ἰάσων oder Ἰάσονος finden wir auf einigen von Franz 
S. XV Nr. 96— 98 beschriebenen Exeimplaren kuidischer Ansen. 


Nr. 4. EMIKAEICIN ἐπὶ Kisicın- ^ tridens. "aus Olbia. 
MIAAAPKT zida , Agrtli]- B. Nr. 181. 
NOCKNIAI vos, ᾿ΚνιδῆωνἿ. 


Nach den Buchstaben der dritten Zeile ein horizontal liegender Drei- 
zack mit den Spitzen zur Bechten. 


Nr. 5. EMIMENITTTIOY ἐπὶ Μ|[ε]νίππου, tridens. aus Olbia. 


HNIoXoY . NIAI Ἡνιόχου, [Κ]Ίνιδί. | B. Nr. 173. 
OM [ω]». 
Dieselbe Inschrift bei Franz S. XV] Nr. 119. 130. 
Nr. 6. ETTI$PoYPAP ἐπὶ doovode- | ' aus Olbia. 
XoY yov, . B. Nr. 100. 


. TAooKNAEYC [4]γαϑοκλεῦς. 


Die Form der Buchstaben € und C beweist, dasz der Henkel zu den 
Jüngeren Exemplaren dieser Gattung gehört. 


III. Thasische Henkelinschriften. 
Nr. l. OA. ION Ga[c|íov, ^ piscis. aus Niconium. 


ΑΘΛΙΟΣ "49106. B. Nr. 199. 

Das zwischen beiden Zeilen in horizontaler Lage dargestellte Emblem 

scheint, so wie unten Nr. 11 und bei Becker S. 434 Nr. 1 und Perrot 

(Revue archéologique, nouvelle serie, Bd. ΠῚ S. 288 Nr. 22 und pl. IX 
Nr. 22) ein Delphin zu sein. 

Nr.2. .,CIQN . [Θα]σέων, avis. aus Niconium. 


AMOAAOANPOC "Arollodweos. B. Nr. 101. 
Der Vogel, wahrscheinlich ein Hahn, steht der Länge nach zwischen 


beiden Zeilen und kehrt den Kopf der obern, den Schweif der untern zu. 
Vgl. Perrot S. 288 Nr. 34. 


Nr. 3. ZAPI£TO Agıorousv[n]s,  sagittarius, aus Olbia. 
e x Zi[pog] oder Z/[po»], B. Nr. 118. 
w Ζ Θασίων. 
Ae IA 


aus dem südlichen Ruszland. 459 


Der Bogenschütze, zur Rechten kniend, füllt die Mitte des durch 
die Inschriften gebildeten Oblongums. Dasselbe Emblem bei Becker S. 
434 Nr. 2. 3 und Perrot S. 286 Nr. 40, welcher API£TOoMEAAS liest. 
Die auf meinem Exemplare deutlich erhaltenen Buchstaben ΜΈΝΟΣ geben 
uns dagegen den Namen ᾿“ριστομέν[η]ς.» für welchen man irtümnlich 
Αριστόμενος geschrieben hat. Ob das von Perrot beschriebene Exemplar 
und das meinige von éinem und demselben Stempel herrühren, bleibt da- 
hingestellt; aber nach der von ihm gegebenen Zeichnung herscht zwischen 
beiden so grosze Aehnlichkeit, dasz man es fast vermuten solite und 
dann seine Lesung nach der meinigen emendieren müste. Wie dem aber 
‚auch sei, so besteht doch darin eine wesentliche Verschiedenheit zwi- 
schen Perrois und meinem Exemplare, dasz die Inschrift bei jenem auf 
den Henkel, bei dem meinigen auf den Hals eines Gefäszes geprägt 
ist, dessen einer noch erhaltener Henkel keine Inschrift trägt, und bei 
welchem der andere, jetzt leider abgebrochene, gewis auch nicht mit 
einem Stempel versehen war. Die beiden Buchstaben zj sind sicher, aber 
der Raum für die drei verwischten kann durch Mo£ oder M9N ausgefüllt 


werden. . 
Nr. 4. API£.. Agıo[rouevns], ^ sagittarius. aus Olbia. 
ΩΝ . Θασίων. B. Nr. 152. 
w 
< 
© 


Die Inschrift vor dem zur Rechten knienden Bogenschützen ist ver- 
wischt, allein dieselbe bildete auch hier, wie bei Nr. 3, ein Oblongum, 
in dessen freiem Felde der den Bogen spannende Schütze, Herakles, seinen 
Platz gefunden hat. Ob nach Nr. 3 Agsorop&vng, oder nach Becker Nr. 2. 
8 "Agsorodauag zu lesen sei, musz unentschieden bleiben, da die Lücke, 
bei der gleichen Zahl der Buchstaben, sowol von dem eiuen als dem an- 
dern Namen ausgefüllt werden kann, und beide Namen bei dem auf dem 
vorliegenden Henkel gewáhlten Staatswappen der Thasier vorkonımen. 

Nr. 5. OACION Θασίων, diota et aus Olbia. 
folium. 
AHMAAKHC Inualiuns. B. Nr. 183. 

Die diota und das Weinlaubblatt über derselbeu liegen horizontal 
zwischen beiden Zeilen, deren Buchstaben vollständig erhalten sind. 

Nr. 6. OAXIQN Θασίων, signum aus Niconium. 
incertum. 
HP...... He...... B. Nr. 198. 

Das zwischen beiden Zeilen befindliche Emblem, vielleicht eine Keule, 
ist nicht mit Sicherheit zu bestimmen. Der dritte Buchstab in der zweiten 
Zeile scheint ein A zu sein. | 


Nr. 7. ΘΕΟΦΩΝ. Θεοφῶν, lacerta. aus Niconium. 
M [Θ]ασέων, B. Nr. 174. 
5 Παυσανέη[ς]. j 
HINV3AVU 


-€- 


460 P. Becker: über eine Sammlung unedierter Henkelinschriften 


In der Mitte der Inschriften, horizontal, eine zierlich gezeichnete 
Eidechse mit dem Kopfe zur Rechten. Dasselbe Emblem bei Becker S. 
437 Nr. 16. , 


Nr. 8. BFÜIPQRN ...... ῶν, signum incertum. aus Olbia. 
Θασίων. B. Nr. 153. 


oA£ION 


Der mir unverständliche Name endigte sich jedenfalls auf ΡΩΝ oder 
ΦΩΝ. Ob auszer den angegebenen Buchstaben noch andere auf dem Hen- 
kel standen, läszt sich nicht mit Bestimmtheit sagen; wären welche da 
gewesen, so könnte man sie nur dort suchen, wo ich die Punkte hinge- 
selzt habe. Das in der Mitte der Inschriften dargestellte Emblem kann 
ich nicht erkennen. 


Nr. 9. OA.... Θα[σίων], rota. aus Niconium. 
Ιξοδικο. ᾿Ισόδικο[ς]. B. Nr. 129. 
e 
In dem Felde zwischen beiden Inschriften ein Rad. 
Nr. 10, OACION [Θ]ασέων, fax. aus Olbia. 
KYMNo£ Kvpvos. B. Nr. 151. 


Die brennende Fackel liegt horizontal, von der Rechten zur Linken, 
zwischen den beiden Zeilen der Inschrift. 


Nr. 11. ΓΎΘΙΩΝ Πυϑίων, piscis. aus Olbia. 


NOI2VO | Θασίων. B. Nr. 150. 


Der roh abgebildete Fisch, wahrscheinlich ein Delphin, befindet 
sich in horizontaler Lage zwischen den beiden Zeilen der Inschrift. Ein 
ähnliches Emblem bei Becker S. 434 Nr. 1 und bei Perrot S. 288 Nr. 22 
und 36. Der Name Πυϑέων auch bei Mac Pherson pl. XI Nr. 2. 


Nr. 12. ZMo... Zwo[iog], scarabaeus. sus Olbia. 


Θασίων. B. Nr. 82. 


NOI3VO 


- 


Im Felde ist der Käfer, horizontal, von der Linken zur Rechten, 
‚abgebildet. Nur die zwei ersten Buchstaben des Namens sind ganz sicher; 
der dritte scheint ein o zu sein. Die Buchstaben befinden sich blosz auf 
zwei Seiten des Oblongums; auf den beiden andern sind keine Spuren 
einer Inschrift zu entdecken. 


Nr. 13. ®1ATA Φάτατος, prora.navis. aus Olbia. 
G[acíov). B. Nr. 95. 


Im Felde das Vorderteil eines Schiffes. Dasselbe Emblem bei Becker 
S. 435 Nr. 9. 


aus dem südlichen Ruszland. 461 


IV. Henkelinschriften unsichern Ursprungs. 


Nr. 1. _MIAFPI [4] Myed[ov], aus Olbia. 
EY4PON Evqoov[os]. B. Nr. 182. 

Nr. 2. AMYNTA Auvvra. clava. aus Olbia. 
B. Nr. 92. 


Derselbe Name mit einem andern Abzeichen bei Franz S. XVIII Nr. 7 
und bei Becker S. 438 Nr. 4. Die Keule liegt horizontal unter der In- 
schrift. Dem Thone nach halte ich den Henkel für einen rhodischen. 


Nr. 8. ANTIMAXoY Avtiuagov. caduceus. aus Olhia. 

B. Nr. 106. 

Der caduceus belindet sich, wie bei Stephani Antiq. du Bosph. Cimm. 

II Nr. 42 und Mac Pherson pl. XI Nr. 1 in horizontaler Richtung unter 

der Inschrift. Auch dieser Henkel darf dem Material nach den rhodi- 

schen beigezählt werden, wie dieses Franz S. VII Nr. 81 u. 82 mit ein 
paar ähnlichen bereits gethan hat. 


Nr. 4. ANTI "Ayti- oo. aus Olbia. 

$9I^AoY . φίλου. B. Nr. 161. 

In völliger Uebereinstimmung mit den vier früher in Olbia gefun- 
denen Exemplaren (Becker S. 438 Nr. 5—8). 


Nr. 5. AMOAAQNIOZ Anollovıog, aus Olbia, 

HPAKAEIAA€ X 'Hoaexle(Qog. B. Nr. 116. 

Die zweizeilige Inschrift ist englyphisch und am Halse eines Ge- 

fäszes, von welchem nur ein Fragment ohne Henkel erhalten ist. Der 

zu dieser Amphora gebrauchte Thon ist grob und von graulicher Farbe, 

und ganz verschieden von dem Material, welches zu den rhodischen, kni- 
dischen und thasischen Gefäszen zu dienen pflegt. 


Nr. 6. APICTo Agıoro- aus Olbia. 
BoYAoC βουλος. B. Nr. 104. 

Nr. 7. API£TO£ "Agıorog, aus Olbia. 
AHZAPTRN “Μησάρτων, B. Nr. 117. 
AA da 


Die Buchstaben sind englyphisch und sehr roh auf den Hals des Ge- 
fäszes geprägt, von welchem nur ein Fragment mit einem ungestempel- 
ten Henkel erbalten ist. Die beiden im Nominativus gebrauchten Namen, 
die Abkürzung AA für OA (Θασέων), wie bei Becker S. 435 Nr. 9, und 
der auf den Hals geprägte Stempel (sieh oben III Nr. 3) lassen vermuten, 
dasz das Gefász thasischen Ursprungs sei; allein dagegen spricht die 
englyphische Inschrift, die Abwesenheit jedes Emblems und die Rohheit 
des Stempels, alles Dinge welche bei den mit Sicherheit aus Thasos 
stammenden Amphoren nicht vorzukommen pflegen. 


Nr. 8. »9Q9XI A4oz[s]- aus Olbia. 
YOTAST3 στράτου. B. Nr. 04. 


Es scheint derselbe Stempel zu sein, von welchem Mac Pherson pl. 
XI Nr. 4 nur die erste Zeile beschrieben hat. 


462 P. Becker: über eine Sammlung unedierter Henkelinschriften 


Nr?, Aa E[9]ud- aus Olbia. 
»va eds. B. Nr. 107. 


Der zweite Buchstab des Namens ist ein deutliches 7, vgl. Stephani 
Antiq. du Bosph. Cimm. Il Nr. 48. 
Nr. 10. EPATo "Eedso[v] aus Niconium. 
B. Nr. 197. 
Die Inschrift ist englyphisch auf den Hals des Gefäszfragmentes 
geprägt. 
Nr. 11. AIM93 "Eenéa. aus Olbia. 
B. Nr. 80. 
Die Form der Buchstaben, die von der Rechten zur Linken gehen, 
spricht für das sehr hohe Alter dieses Henkels. 
Nr. 12. EPMIA cC "Eenéa. aus Olbia. 
. B. Nr. 167. 
Dieser Henkel kann nach der Beschaffenheit des Materials, aus wel- 
chem er gefertigt worden ist, einem rhodischen Gefäsze angehört ha- 
ben, während der vorhergehende, obgleich er dieselbe Inschrift trägt, 
wegen des gróbern Thons einen andern Ursprung haben dürfte. 


- Nr. 13. EYPY Εὐρυ- aus Olbia. 

AAMO 8ápo[v]. B. Nr. 130. 

Die englyphische Inschrift befindet sich auf dem Halse eines Ge- 

fäszes, welches mit seinen beiden ungestempelten Henkeln zur Hälfte 
erhalten ist. 





Nr. 14. ...lo£ E aus Nieonium. 
ANOÉ ee 00g. B. Nr. 175. 
Die englyphisch auf dem Halse angebrachten Buchstaben sind roh. 
Nr. 15. MENINNoY Μενίππου. aus Olbia. 
B. Nr. HI. 


Form und Fassung der Inschrift so wie der zu dem Henkel ge- 
brauchte Thon machen es wahrscheinlich, dasz derselbe einem rhodi- 
schen Gefäsze angehört habe. 


Nr. 16. OAYMMoY - Ὀλύμπου. fax. ans Olbia, 
. B. Nr. 162 
Auch dieser Henkel scheint aus Rhodos zu stammen, worauf nicht 
blosz das Material, sondern auch das dem Namen Ὀλύμπου beigefügle 
Abzeichen — eine brennende Fackel mit dem Teller, welcher die Hand 
schützen soll (Stephani Mél. Gréco- Romains II S. 17 Nr. 8. Becker S. 496 
Nr. 63) — hinzuweisen scheint. Mehrere ganz ähnliche Exemplare, die 
gleichfalls in Olbia gefunden worden sind, sind schon früher beschrieben 
worden: s. Becker S. 442 Nr. 57—61. Franz S. XIX Nr. 165. 


Nr. 17. £APAPIQNO£ Zwe[c]míovog. — asterisci. ans Olbin. 
B. Nr. 189. 

Die Sternchen sind in den vier Ecken der Inschrift angebracht. Fin 
ganz ähnliches Exemplar aus Olbia bei Becker S. 442 Nr. 63. Der Thon 


aus dem südlichen Ruszland. 463 


und die Sternchen lassen vermuten, dasz der Henkel rhodischen Ur- 
sprungs sei. 


Nr. 18. CIAA Σιλά- aus Niconium. 
NO vo[v]. B. Nr. 176. 


Die rohen englyphischen Buchstaben befinden sich auf dem Halse 
des nur in einem Fragment erhaltenen Gefäszes. 


V. Mit Marken bezeichnete Henkel. 


Nr. 1. Nr. 2. Nr. 3. 
aus Olbia. aus Niconium. aus Niconium. 
B. Nr. 97. B. Nr. 90. B. Nr. 101. 

Nr. 4. Nr. 5. Nr. 6. 
e © TIM 
aus Olbia. aus Olbia. aus Olbia, 

B, Nr. 114. B. Nr. 190. B. Nr. 90. 


Nr. 7. AAO aus Niconium. B. Nr. 102. - 


Die drei Buchstaben sind eriglyphisch in den Hals eines Gefäszes 


eingedrückt, von welchem nur der obere Teil erhalten ist. ᾿ 


Nr. 8. HM! aus Olbia. B. Nr. 108. 
^AoM 


Die Inschrift steht englvphisch am Halse eines Grefäszes. 


Nr.9. H N aus Olbia. B. Nr. 101. 
*| NoY . 


VL Inschriften anf Henkeln und Ziegeln mit Angabe des 
Wortes ἀσευνόμου oder ἀστυνομοῦντος. 


So wie ich in meiner im Jahre 1854 publicierten Abhandlung alle 
bis dahin bekannten Inschriften dieser Gattung zusammengetragen und 
auszer den mir selbst zugänglichen Exemplaren auch diejenigen nochmals 
mitgeteilt habe, die hereits von anderen beschrieben und erläutert wa- 
ren, so will ich mich auch dieses Mal nicht blosz auf die noch unedier- 
ten Stücke meiner Sammlung beschränken, sondern denselben auch die- 
jenigen Henkel heifügen, welche nach dem Erscheinen meiner oben er- 
wälnsen ‚Arbeit veröffentlicht worden sind. Hierbei werde ich folgende 


464 P. Becker: über eine Sammlung unedierter Henkelinschriften 


Werke berücksichtigen: 1) Antiquités du Bosphore Cimmérien. Tome II 
(St. Pétersbourg 1855): inscriptions. 2) Antiquities of Kertch by Mac 
Pher (London 1857) 3) Onmcamie myseyma xuaan Kowy6en, 
cou. h e. Tom» II. Caugmrremep6ypr» 1857. 4) Stephani in den 
Mélanges Gréco-Romains tirés du bulletin historico-philologique de l'Aca- 
démie Impériale des sciences de St. Pétersbourg. Tome Il (St. Pétersbourg 
1839). 5) Compte-rendu de la commission Impériale archéologique pour 
l'année 1859 (St. Pétersbourg 1860). Zur leichtern Uebersicht gebe ich 
das ganze Material wieder in alphabetischer Ordnung und in den früher 
von mir angenommenen drei Unterabteilungen, bei denen die Stelle, wel- 
che das Wort ἀστυνόμου oder ἀστυνομοῦντος einnimmt, berücksichtigt 
worden ist. Dasselbe steht nemlich entweder zu Anfang oder in der 
Mitte oder am Ende der Inschrift, und veranlaszt nach eben dieser Stel- 
lung eine der erwähnten Unterabteilungen. Die Ziegel sind, um sie so- 
gleich von den Henkeln zu unterscheiden, vorn mit eínem Sternchen be- 
zeichnet. 





A) Inschriften auf Henkeln und Ziegeln, bei denen das Wort 
ἀστυνόμου oder ἀστυνομοῦντος zu Anfang steht. 


Nr. 1. 
AETYNoMoY ἀστυνόμου stella. aus Kertsch. 
AoHNIPPoY ᾿Αϑηνίππου Stephani Mél. 
ToYMHTPoAQPoY τοῦ Μητροδώρου, 8.18 Nr.4. 
. TOAARNIOE [[4]πολλώνιος. 

Nr. 2. 

AETYNoMoY ἀστυνόμου uva. aus Kertsch. 
AIEXINOY “Αἰσχίνου, Mac Pherson 
APABOE Ἄραβος. pl. X Nr. 2. 


Da auf den Henkeln und Ziegeln mit Angabe des Wortes ἀστυνόμου 
oder ἀστυνομοῦντος vor dem Namen des Vaters regelmäszig der Artikel 
τοῦ steht und derselbe nur dann im Stempel fehlt, wenn seine. Aus- 
Iassung kein Misverständnis hervorbringen konnte (Becker S, 484 Nr. 9: 
ἀστυνόμου Διονυσίου ᾿Απημάντου. Ἑστιαῖος , ebd. Nr. 89: ἀστυ[ νόμου] 
Μνησιϊ κλέος] ᾿Αρίσεζωνος), Εὐκλῆς: ebd. Nr. 88: ἀστυνόμου) Ναυ- 
τίωνος Alov, Ἑρμαῖος und unten A Nr. 11. C Nr. 11. 39), so habe ich 
in den Stempeln meiner ersten Abteilung , so oft zwei Namen im Geneti- 
vus ohne den Artikel τοῦ und ohne einen Namen im Nominativus auf ein- 
ander folgen, in dem einen den Astynomen, und iu dem andern den Fa- 
brikanten und nicht den Namen des Vaters zu erkennen geglaubt. Des- 
halb halte ich auch hier "4gafoc nicht für eine nähere Bezeichnung des 
Astynomen «Αἰσχίνου, sondern vielmehr, wie in allen ähnlichen Fällen, 
für den Namen des Fabrikanten. 





Nr. 3. : 
A£TYNOMOY ἀστυνόμου clava, aus Kertsch. " 
4. £XINoY LAdoztvov, Btepharil Mél. 


.  AAIZeENOYE [Χαλλεσθένους. 18. 18 Nr. 15. 


aus dem südlichen Ruszland. 465 


Nr. 4. 
. £TYNoMoY [ἀ]στυνόμου clava, aus Niconium. 
AI£XINOY Αἰσχίνου, B. Nr. 194. 
MIePAAATOY Mi99a8dcvov. 


Rechts von der Inschrift eine aufrecht stehende Keule, wie bei 
Nr. 3. Der Name Mi99aóccov kommt als der des Fabrikanten schon bei 
Becker S. 485 Nr. 14 vor, allein wir finden denselben auch unter den 


Astynomen: Antiq. du Bosph. Cimm. Tome Il: anses d'amphores d'origine 
incertaine Nr. 38 — VI C Nr. 26. 


Nr. 5. 
A£TYNoMoY ἀσευνόμου uva, aus Olbia. 
AI£XINOY Aloyivov, _ Köhne 
..APYAATHE .«ὠρυλάτης. S. 309 Nr.2. 


In den unverständlichen Buchstaben der dritten Zeile erkenne ich 
nach der von Kóhne gegebenen Zeichnung den Namen MIePAAATHZE, 
über welchen unter Nr. 4 das nótige gesagt worden ist. 


Nr. 6. 


A£TYNoMoY ἀστυνόμου clava. aus Kertsch. 
A£XINoY 4[σχίνου Stepliani Mel. 
TEL LZ ("OC S. 210 Nr. 9. 
Nr. 7. 
A£T YNoMoY ἀστυνύμου rhyton. aus Kertsch. 
ANTIMAXoY ᾿Αντιμάχου, Stephani Mél. 
XABPIAZ Χαβρίας. S. 18 Nr. 16. 
Nr. 7*, 
A£T Y NoMo£ ἀστυνόμος homo ad aus Kertsch. 
APIETINN Agıorlor, dextram StephaniC.R. 
. . MI QN [(Ge]u/[c]oov gradiens. 8. 144 Nr. 32. 
Nr. 7». 
Ac TY NoMoY ἀστυνόμου homo aus Kertsch. 
APIc TieNoc ᾿Δριστίωνος, nudus. Stephani C. R. 
H.AICTIOC ᾿Η[φ]αέστιος. S. 144 Nr. 3l. 
Nr. 8. 
A£T YNOMOY ἀστυνόμου Diana aus Kertsch. 
BoPYo£ToY Βόρυος τοῦ taedifera. — Stephani Mél. 
ZEYzIot Ζεύξιος, 8. 212 Nr. 14. 
no....... Io........ . 
Nr. 9. 
᾿ς A£TYNOMOYN ἀστυνομοῦν- caput aus Kertsch. 
TO2BOPYO? τος Βόρυος, Bolis Stephani Mél. 
$9 IAQNO€t Φίλωνος. radiatum. 8. 212 Nr. 15. 
Nr. 10. 
....NOMOYNTOKX κ[(ἀστυ͵νομοῦντος — caput aus Kertsch. 
..PYOzZ [Βόϊ]ρνος, Solis Stephani Mél. 


. "2 &IOY [dtovv]etov. radiatum. 8.212 Nr. 16, 


406 P. Becker: über eine Sammlung unedierter Henkelinschriften 





Nr. 11. . 
A£TYNOMOYN ἀστυνομοῦν- aus Kertsch. 
TOCAEAYINIOY tog Δελφινίου Nach Kóhlers 
TOYKANAIOY τοῦ Καλλίου, Abschrift, 
BAKXIOZAIOAO Báxyiog 4ιοδ[)- Stephani Mél. 
PoYerioHC€ ov ἐπόησε. 8.208 Anm. 19, 
Nr. 12. vgl.ebd: 8.9.10, 
. YNoMoY [dor]vvópov diota, ^ aus Kertsch, 
το MHTPloYToY [An]unzeion τοῦ Mae Plierson 


NHToY [Kisei]v[é]rov, pl. X Nr. 5. 
22... MATHE [MtgaJödıns. 

Die unvollständige Inschrift in der dritten und vierten Zeile hahe 
ich vervollständigt, und zwar letztere nach A Nr. 4. 5. Der Name ἄλεαι- 
vérov ist auf deu Henkeln dieser Gattung nicht ungewöhnlich, bezeichnet 
aber in drei Exemplaren (Becker S, 485 Nr, 15 und unten A Nr. 18 u. 19) 
den Fabrikanten. For 








Nr. 13. 
een [ἀστυνόμου) eaput aus Keitsch. 
. MHTPIOY [Δη]μητρίου, ^ humanum.  StephaàlMél. 
KTHERN Κιήσων. 8.212 Nr. 17. 

Nr. M. 

ACTYNo...NTOc  derwvolnoölsros Victoria. aus Kertsch. 
AIONYcIOY Διονυσίου Stephani Mél. 
ToY.TTHMANTOY τοῦ [᾿4]πημάντου, UC 8.218 Nr.18. 
TA... H D..... 

Nr. 15. . . 
A£TYNOM ἀστυνομ[οὔντος] ἀπε Olbia. 
ΔΙΟΝΥΣΙΟΥΤΟ “Διονυσίου το[ὃ Διονυ)- B. Nr. 79. 
floYToYKAE σίου τοῦ Κλε[εταγό]- ᾿ 
ΡΟΥΕΣΤΙΑΙ eov, Ἑστιαϊϊος]. 


Die Inschrift ist am Ende jeder Zeile leider nicht vollständig, aber 
doch so erhalten, dasz man das fehlende, mit Ausnahme, des Emblems, 
leicht und gewis fehlerlos ergänzen kann. Bei den Buchstaben KAE am 
Ende der dritten Zeile darf man nicht an den Namen KAecuvérov (vgl. A 
Nr. 12) denken, da die drei ersten Buchstaben der vierten Zeile, mit denen 
der Name endigt, PoY und nicht ToY sind. Auch komunt der Name 
Κλειταγόρου bereits auf einem andern Henkel: (Becker S. 484 Nr. 8) vor, 
der mit dem vorliegenden in der Fassung und in der Form der Buchsta- 
ben so grosze Aehnlichkeit hat, dasz beide aus éiner und derselben Zeit 
zu stammen, ja éinen und denselben Astynomos zu bezeichnen scheinen. 
lier wie dort wird nemlich der besagte Magistrat Aiovvouog nicht blosz 
durch die Angabe des Namens seines Vaters, sondern auch durch Nennung 
seines Groszvaters von seinen Namensvettern genau unterschieden; umd 
da die drei Namen auf beiden Henkeln dieselben sind, so wird an der 
Identität der Person kaum zu zweifeln sein. Die Bezeichnung der einzel- 
nen Individuen durch die: Namen des Vaters und des Grogzvaters war in 











aus dem südlichen Ruszland. 461 


den griechischen Städten, in denen die griechische Bevölkerung die allei- 
nige oder die bei weitem überwiegende war, bei der Manigfaltigkeit der 
Namen weder notwendig noch gewóhnlich, und deswegen hat Stephani 
(Gtulorum Graecorum part. II S. 17. IV S. 5. Mél. Gréco-Rom. II S. 19 
Nr. 19. vgl. S. 213 Nr. 19) durch Annahme eines zweimaligen Stempelns 
diejenigen Exemplare zu erklären gesucht, auf denen auch des Groszvaters 
Erwähnung geschieht. Ein doppelter Stempel findet sich namentlich auf 
einem Henkel (Stephani Mél. S. 19 Nr. 19 — A Nr. 21), wo die aus vier 
Zeilen bestehende Inschrift, da beim Stempeln das ersie Mal nur zwei. 
Zeilen vollständig herauskamen, sich unter jenen aochmals zur Hälfte 
wiederholt und zu einer sechszeiligen geworden ist, in welcher das Wort 
ἀστυνόμου in der ersten und dritten, und der Name Ἡρακλείδου in der 
zweiten und vierten Zeile zu lesen ist. Auszerdem kennen wir einen an- 
derm Henkel (Stephani Mél. 1 S. 213 Nr. 19 = C Nr. 23), wo ein zwei- 
ter pel unmittelbar neben dem ersten querüber mit den. Buchstaben 
IQ und dem Emblem, einem Seeadler über einem Delphine, aufgedrückt. 
ist. ;. Weshalb man hier den zweiten Stempel gebraucht, kann ich nicht 
angeben , ‚zumal da die dreizeilige Inschrift, deren Fassung eine ganz 
gewühnliche (Becker S. 492 f. II] Nr. 1—836) ist, mit Ausnahme des Ab- 
zeichens keines weiteru Supplementes bedurfte. Ein Fehler irgend einer 
Art wird aber aüch hier die Veranlassung zum zwejten Stempel gewesen 
sein, der nur als besondere Ausnahme, nicht aber als Regel vorkommen 
konnte. . Zu den fehlerhaften, mit doppelter Stempelung, gehören indes- 
sen. nicht, diejenigen Exemplare, auf denen auszer dem Namen des Vaters 
auch der des Groszvaters angegeben wird. Dieses lehrt uns der vorlie- 
gende Henkel. Während nemlich in den beiden bis jetzt bekannten 
Stücken dieser Art (Becker S. 484 Nr. 8 und S. 487 Nr. 28) die zweite 
ünd dritte Zeile ganz dieselben Buchstaben enthalten und diese vollstän- 
dige Uebereinstimmung zur Annahme eines doppelten Stempelns verleiten 
konnte, findet man auf unserem Henkel Nr. ]5 in jeder Zeile eine andere 
Inschrift, so dasz bei einer solchen Verteilung der Buchstaben der dop- 
pelte Abdruck einer und derselben Zeile einen ganz unverständlichen 
Sinn gegeben hätte. Ist aber in dem vorliegenden Exemplare eine dop- . 
pelte : Steripelung unzulässig, und somit die genaue Bezeichnung des 
Astynomen Aıovvorog durch den Namen seines Vaters und seines Grosz- 
vaterd äls sicher gestellt zu betrachten, so wird man das so gewonnene 
Resultat auch auf die beiden oben erwähnten Henkel anwenden und mit 
aller Sicherheit behaupten dürfen! dasz die auf ihhen üns erhaltenen In- 
schriften nicht fehlerhaft, sondern nur auf eine in Griechenland 
selbst ungewöhnliche Art abgefaszt sind. Dasselbe gilt aber nicht 
von den Asianern, bei denen die Erwähnung des Groszvaters (Böckh 
im Corpus inscr. Gr. Bd. II S. 167 Nr. 2130 Z. 33 und Antiquités du Bosph. 
Cimm. Tome ἢ! inscr. XVII) auch sonst vorkommt, und bei den griechischen 
Namen hauptsächlich nur dann gebräuchlich ‚gewesen zu sein scheint, 

wenn. Vater und Sohn: óinen: und denselben Namen führten und bei der 
Besehränktkeit der in jenen Staaten gebräuchlichen Namen eine Verwech- 
selung der Individuen: vermieden werden sollte. "So heiszen auf zwei 


Jahrb. f. class. Philol, Suppl. Bd. IV. Hft. 8. 30 


468 P. Becker: über eine Sammlung unedierter Henkelinschriften 


der hierher gehörigen Henkel Sohn uud Vater Διονύσιος, und auf éinem 
werden beide Ἱερόνυμος genannt. 


Nr. 16. ^ 
ον TYNoMoY [ἀσ)ευνόμον — puppis. ans Olbia. 
EKATAIOY. Ἑκαταίου, Odess. Gesell- 
MIAA£ Midas. schaft Nr. 125. 


Ἑκαταῖος, dessen Name öfters (Becker S. 486 Nr. 19. 20. 21. S. 493 
Nr. 6. Antiq. du Bosph. Cimm. Nr. 39. Mac Pherson pl. X Nr. 8) vorkommt, 
erscheint hier zum ersten Mal sicher als Astynomos, während Midas, 
wie schon bei Becker S. 489 Nr. 40. S. 487 Nr.25 uni unten A Nr. 20, 
als Fabrikherr genannt wird. Das Emblem ist auf allen vier Exemplaren 
mit dem Namen des Fabrikanten Μίδας ein anderes, und zwar einmal 
ein Zweig (Becker Nr. 40), dann ein aufrecht stehender Lorbeerzweig 
(ebd. Nr. 23), ferner eine Weintraube (VI A Nr. 20), und hier endlich 
das Hinterteil eines Schiffes mit einem Steuer. 








Nr. 17. 
21... 0MoY [ἀσευν]όμου aus Οἰρία. 
.... AloYToY [Ἑκατ]αίου τοῦ B. Nr. 87. 
...MIARPoY [᾿ρτε]μιϑώρου, 
. ANO [Στέφ]ανος. . 


Ein ganz &hnlicher Henkel ist von mir (Becker S. 485 Nr. 13) schon 
früher beschrieben worden, uur habe ich auf dem vorliegenden Exem- 
plare die letzte Zeile, die auf dem frühern ganz verwischt war, nach 
€ Nr. 37, wo der Fabrikbesitzer gleichfalls Στέφανος heiszen dürfte, 
durch den Namen Στέφανος vervollständigt. 


Nr. 18. 
A.LN d[ecv]v[ónov] diota, aus Olbia. 
ΕΟΤΙΑΙΟῪ , Ἑστιαίου, B. Nr. 137. 
KAEAINETY Κιεαινέτου. ᾿ 

Das Emblem ist undeutlich. 

Nr. 19. 
A£TY ἀστυ[νόμου] . aus Olbia. 
ECTI Ἑστι[αίου), . B. Nr. 138. 
KAEA Kiso[ivéxov]. 


Die Inschrift auf den Henkeln Nr. 18 und 19 stammt nach der Form 
der Buchstaben von éinem und demselben Stempel, und dieser scheint 


auch für den von Bóckh beschriehenen Henkel (Becker S. 485 Nr. 15) be- 
nutzt worden zu séin. 


Nr. 20. 
A£TYNoMoY ἀστυνόμου uva. sus Olbia. 
EYXAPI£ToY ToY Εὐχαρίστου τοῦ Odes, Gesell- 
KAMAI£ . ENOY Καλλισ[ ϑ] νους], schaft Nr. 126. 
M.AA£ Midas. 


Beim Namen des'Fabrikanten Μίδας finden wir hier ein anderes 
Abzeichen als bei A Nr. 16; dort erscheint als solcher der hintere Teil 
eines Schiffes, hier eine aufrecht stehende Weintraube. 


aus dem südlichen Ruszland. 469 


Nr. 21. u 
AT.ıN.... equus. aus Kertsch. 
HPAKAEIAoY Stephani Mél. 
A£TYNo..Y dorvvo[uo]v S. 19 Nr. 19. 
HPAKAEIAoY Ἡρακλείδου 
. : YMIKPloY [το]ῦ Μικρίου, 


Was von | diesem fehlerhaft bedruckten Henkel mit doppeltem Stem- 
pel zu halten sei, habe ich bereits oben zu Nr. 15 bemerkt. 
Nr. 32. 


.TYNo [4c] vv»o[pov] ^ aus Olbia. 
IeAI£ToYE. [ Βηφαίστου [109] Ἑ[σ]- B. Nr. 135. 
TIAloY τι[α]έου, 

. ,^60N [[4γχάϑων. 


Während auf den schon früher bekannt gemachten Henkeln (Becker 
S. 494 Nr. 13. 14. 15. S. 497 Nr. 35) ein Ἡφαίστιος Astynomos gewesen 
sein kann, lernen wir hier als solchen einen "Hgeucrog kennen, der 
durch den Namen seines Vaters 'Eorixíov noch näher bezeichnet wird. 
Des ToY in der zweiten Zeile dürfte doppelt zu lesen sein, da der Arti- 
kel τοῦ vor dem Namen des Vaters selten (A Nr. 11. C Nr. 11. 39. 
Becker S. 484 Nr. 9. S. 488 Nr. 32. 34) fehlt. Der Fabrikherr 4yadov 
kommt in gleicher Eigenschaft noch auf zwei anderen Henkeln vor (A 
Nr. 24* und 36), und kann für einen solchen gleichfalls in einer Inschrift 
auf einem Ziegel (Becker S. 490 Nr. 5) genommen werden. 
Nr. 23. 


. £T YNoMoYNTO [ἀ]στυνομοῦντοίς] aus Olbia. 
eE&oARQPoY Θεοδώρου B. Nr. 183. 
ToYPDPYTANIo£ τοῦ Πρυεανιος. 


Obgleich man nach der Fassung der Inschrift eine vierte Zeile mit 
einem Namen im Nominativus erwarten kónnte, so ist von einem solchen 
doch nichts zu sehen, und bei der sehr deutlich erhaltenen Schrift nicht 
anzunehmen, dasz die Inschrift auf dem Henkel ursprünglich vollständi- 
ger gewesen sei. Statt der hier gebrauchten Form Θεοδώρου heisat 
derselbe Name auf den anderen Henkeln dieser Gattung (Becker S. 496 
Nr. 81 und C Nr. 16. 39. 45) Θουδώρον. Auf einem Henkel, auf wel- 
chem sich der Name des Astynomos nicht mit Sicherheit bestimmen 
läszt, geschieht schon eines Πρύτανις (Stephani Mél. S. 39 Nr. 30 — 
C Nr. 26) Erwähnung. 


Nr. 24, 
. -YNTo£ [ἀστυνομο] ὕντος diota. aus Olbia. 
IAAOYTPYSI JAaov Tevgi- Köhne 
AI£PoY Alogov. S. 402 Nr. 9. 


Da auf allen Henkeln dieser Gattung immer nur griechische Namen 
vorkommen, so ist der barbarische Name Τρυφιλίσρου, wie Köhne liest, 
jedenfalls fehlerhaft; statt desselben glaube ich nach der Zeichnung (Tafel 
XXVII Nr. 9) ΤΟΥΦΙΛΙΞΤΟΥ (τοῦ Φιλίστου) lesen zu müssen. Auch 


90" . 


470 P. Becker: über eine. Sammlung unedierter:Henkelinschriften 


auf diesem Exemplare scheint sich der Fabrikant, wie bei Nr. 23, nieht 
genannt zu haber; wenigstens sagt Köhne nicht, dasz. sich 'auf ^dem 


Henkel Spuren einer vierten Zeile erhalten hätten. fell 

Nr. 24*. . ' d... T A 
etn M.ı [leevsc]o[olo caput ': 5; aüsiKertsch. 
KAEINIoY ToY Αλεινίού tob: Panis /'Stejbh&niC. R. 
EKATAIOY Ἑκαταίου, - - adversum, . .S.144 Nr.29. 

EE ATAORN :' NL hint I EET UU 7 os. d Lib Hu ἢ ἢ diea m ἐξ 
Nr. 25. ἀνα τ δον δ af des aree hand dat owdial caue aal gi ET 
. . TYNoMoY [ἀσ]τυνόμου tropaeum. aus Ojbie,; 
..PoY ToY Ix ]xov: soo. | De Nr..136. 

. 4€ TA 10 Μβρ]οσοαγίώρου, ‚Ir. [31H 

. KAH€ [Ev]xAge. :. Y Y 4 AMT 


Bei dem Fabrikanten EvxAnjg'(Beeker $. 487 Nr. 26. 304 vgk S. 488 
Nr. 32) finden wir drei: verschiedene: Embileme: einmal (Nr.,36)/einen 
aufrecht stehenden / Lorheerzwééig dann :{Nr.:80) ein Jaufendes‘ Thier, 


wahrscheinlich einen Windhund, mid bier. ein: tropaeum.  ; |o uduel on 
Nr. 26. ΘΠ obe en icis eres cune nen vod aber 
A... N..sY s . d[orrj[éhe]o N TAMSYUS: | ama Kertseb. 
IPCONOÉTOY Áo Ü"Dwwovog tob c^. dlauréus. | Stephani :Mél, 
ΔΙΟΝΥΞΙΟΥ. E cio Δ φοψυδϑέου δ. 1 co 0 0 o7 8; A97 Nr.900 
.NYE. | "Ldie)wse[os] esed tebeolyoe onen 

Nr. (7. podio uu. aei. Tea σα { dps dte Lati or ἮΝ τα GL 
ἈΣΤΎΝΟΜοΥ:»"". Zus μιξονονόμουιν oU. &mphora& |;:ana Kentsab. 
KPATIZTAPXoY Κρατιστάρχου, Mac Pharson 

" KAANIZOENH.. — Καλλισθένη[}). TC FOX ENT. 4. 


Ob in der dritten Zeile Καλλισϑένηὸ oder Καλλισϑέμσυς zü: schrei- 
ben sei, ist nicht sicher; aber da bei Mac Pherson ider Platz fürmwei 
Buchstaben angedeutet wird uhd er dem-Buthstaben Ο für H.gentmmmen 
haben kann, so gebe : ich dem Genetivus.den Vorzug „ zumal..da: derselbe, 
in den dreizeiligen init ἀσέυνόμου beginsendén Henkelinschriftent (Berker. 
S. 483 Nr. 4. 6. 13. £4. 15. 42 und: oben A Nr. 2. 8./4..10. 18. msw.).ge- 
wöhnlicher ist als der Nominativus, für ‚welchen: indessen auch. mehrere. 
Beispiele (Becker:8: 489 Nr. 44: und oben Nr. δ... 13. 16.usw.) angeführt, 
werden kónmem.://Wie dem aber auch sei, so ist αλλεσϑέφης der Fabrir. 
kant, als welchen wir ilm. h schon. oben. Nr, 3. and ‚bei Becker. $. 487. Nr. 37, 


kennen gelernt haben. . αἰ ὑπ adu. jM iba πε νι  fbani cas viva 

Nr. 28. ndthhiieéad n ug 
AXT YNOoMoY ἀστυνόμου Sphinx aus Kertsch; 
MANTIOEOY ^ 'Mevußsov: ' non al&ts; . Stepbani Mél. 
ToYPP92TACoPoY τοῦ. Πρωταγόρου, PEE Γ 19/87. 21. 
NAY..... Ναυ[κρατης]. Y.z 


Da auf den Henkeln dieser Gattung der Name JVovcíotvy, nicht: aber 
Novxoerng, schon einige Male vorgekommen: ist, so möchte.ich: ja. der: 
vierten Zeile ΙνΝαυ[τέων] lesen, besonders weil auf einem dieser. Henkel; 
(Becker S. 493 Nr. 9) der Fabrikbesitzer auch so Σὰ heiszen scheintui / / / 


aus dem südlichen Ruszland. . . 41 


Nr. 29. ; 
'..'TYNoMoY.T [ἀσ]τυνομοῦ[»]τ[ο0]. signum  , aus Olbia. 


| 0C ASTPOASPoOY [Mn]sgodegov, incertam. B. Nr. 84. 
U VL WERN [Kr]gcmw. . 


Das Emblem könnte, wie bei Becker- S. 486 Nr. 24, ein aufrecht ste- 
hender Lorbeerzweig sein. Auf den übrigen Exemplaren mit dem Namen 
des Fabrikanten Κεήσων finden wir hier eine Nike (Beoker S. 486 Nr. 19), 
dort einen Schiffsschnabel (ebd. S. 487 Nr. 29), ferner einen sitzenden 
Hund (ebd. δ. 488 Nr. 31), dann wieder einen Zweig (ebd..S. 489 Nr. 41) 
umd .endlieh einen Kopf (Stephani Mal. S. 212 Nr. 17 = A. Nr. 1. . 


Nr. 30. "EE 
A..eee re lo£ dlecovoposex]os tropaeum. ats Kertsch. 
iX MMPIOYTOY ᾿ . - Μικρέάου τοῦ : . . . Stephani Mél. 
o APIETAPoPoOY - "4evszayogou, . | 8.213 Nr.20. 
e ehe SSTIJOoY o co » GROOD, 
Nr. 31. $c uM . : 
A£TYNO ἀστυνο[μοῦντορ] tropaeum. aus Olbia. 
4, "MIKPIoY ToY Μικρίου τοῦ. " B. Nr. 177. 
ro: APIZTADOPOY . ‚Agıazayopov,. | 
Qvo ett gre OY .: us esee 00. 


Die Inschrift dieses Henkels stimmt bei gleichem Abzeichen so ge- 

Dau ‚mit, der, vorhergehenden (Nr. 30), dasz beide von einem Stempel her 

“scheinen. In der vierten Zeile hätte nach Nr. 30 ᾿Εφαιστίου 

stehen en köhnen,, zumal da ein Fabrikant, Ἡφαίστιος (Stephani Compte- 
rendu S. 144 Nr. 31 — Α Nr. 7^) schon bekannt ist. 


zi 





Nr. ‚32. ! 

, her NOM ..' derovop[ov] ante sedentem ' aus Tanais. 
Ami IAoY - [Meppflov feminam Antig.du Bosph. 

"74 UNERATAIMOY c 7 „"Euetalov, iuvenis. ! Cim.Nr. 30. 
ERBISE: (50 nc AlaMfiog. IE f 


Nach der gewöhnlichen Fassung dieser Henkelinschriften dürfte in 
des''äritien Zeile τοῦ Exozcíov zu lesen sein. Der ‚Fabrikherr könnte 
eher “Φντίβιος als ᾿Δλκίβιος geheissan baben , weil jener Name auf einem 
Henkel dieser Gattung als Astynomos (B Nr. 3) bereits vorkommt. 


i 89... "HM 


Jan ST CONINT E “ ᾿ἀστυνομαδντ[οὶς ᾿ " "aus Olbia, 
| AATOY | ᾿ Tlas;dda vod 8 00 B. Nr. 132. 
" 7" WP eq Ἡροδότου. ΝΞ | 





nta Die. AUN ist vollständig, ‚obgleich. in derselben, wie z, B. bei 
N 38 ond. δι, der. Namedes,Fabrikanten nicht, angegeben ‚wird. 
Nr. 34. 
oe... NoMoY [ἀστυ]νόμου caduceus. aus Kertsch. 
. A£IXAPoY [I1]e«e«geoov[sc], Stephani Mél. 
AHMHTPI.. . 4ημητρίου). 8. 214 Nr. 21. 


LI 


472 P. Becker: über eine Sammlung unedierter Henkelinschriften 


Nr. 35. 
TM ) [ἀστυνομοῦντος) amphora. aus Kertsch. 
DATPOYT.Y [Ayzı)zargov c[o]9 ‘Mac Pherson 
ADOAAOAQPOY "“πολλοδώρου, pl X Nr. 12. 
.ΚΟΣ ....Κορ. 


Die zweite Zeile ist von mir vervollständigt worden, obgleich ein 
᾿Αντίπατρος unter den Astynomen bisher noch nicht vorgekommen ist. 
Nr. 36. 


A£TYNOM | ἀστυνόμου » aus Olbia. 
Do£to£ ToY ^ πόσιος τοῦ ᾿ . B. Nr. 86. 
£ TPATONIKoY Στρατονίχου, 

V7AOQN [ ᾿4γγώθων. 


Derselbe Astynomos Πύόσις bei Becker S. 488 Nr. 85 auf einem Zie- 
gel, welcher indessen in der Fabrik eines Μιλτιάδης gefertigt werden 
ist. Ueber den hier genannten Fabrikbesitzer ᾿4γάϑων habe ‚ich ‚oben 
zu Nr. 22 das nötige bemerkt. BE 


Nr. 37. . 
Α“ ἃ. ΟΟὙΝΙΟ d[crvvouo]és[r]o[c] caput Aus Kertsch. 
MYooKNAEo.X Πυϑοκλέο[υϊς, Panis Stephani Mel. 
MYoIA Πυϑί[έ]α. barbatum. 8.214 Nr. 22. 
Nr. 37%, j | | B 
A£TYNOMO ı ἀστυνόμο[υ) caput aus Kertsch. 
.YOOIAIOY £ [II]v&o[xif]ovo, ^ Panis StephaniC.R. 
MENIZKOY Mevíaxov, adversum. 8.144 Nr. 27. 
Nr. 38. | 
. TYNo [ἀσ]ευνό[μου) avis. &us Olbia. 


. ὩΠΙΩ [Ziv]oxto[vos). .— ,B.Nr.178. 
Der Vogel scheint, wie bei Becker S. 494 S. 16, wo. Zavomíov 
gleichfalls der Name des Astynomos sein kann, ein Schwan zu sein. 
Nr. 39.* = Br ΝΣ ln 
.. TYNoMoY .. [ἀσ]ευνομοῦντος avis. ^ . aus Olbia. 
5 ᾿ Σινωπίων[ος]. : ^5 ^ -— B;Nr.196. 
. 9 .i ZEN EE TEES 
NUIUUNI22 m 
Obgleich auf dem Ziegel die Inschrift nicht vollständig erhalt ist, 
so hat auf demselben, da in der obern Zeile nur die beiden ers ch- 
staben fehlen, die untere aber vollständig ist, ursprünglich doch‘ nur der 
Name des Astynomen gestanden. Der in der Mitte des Üblorigurhs zur - 


Rechten stehende Vogel gleicht nicht eitem Schivane;; &omderti sieht 
vielmehr wie ein Rabe aus. 'Vgl. Becker S. 491 Nr. 13 und unten € | Nt. 11. 


. Nr. D. 


aus dem südlichen Ruszland. 473 


B. Inschriften auf Henkeln und Ziegeln , bei denen das Wort 


 ἀστυνόμου oder ἀστυνομοῦντος am Ende steht, 
Nr. 1. 


ABANOA2POY Adavodagov aus Kertsch. 

ToYNIKEAA£ τοῦ Nixía ἀσ- Antiq. du Bosph. 

TYNOMOYN... τυνομοῦν[τορ]. Cimm. Nr. 4. 
Nr. 2. 

AIZXINoY Alagívoo folium. aus Olbia. 

AETYN. ἀστυν[ὁμου)]. . Köhne8. 309 Nr. l. 


Dasselbe Emblem bei Stephani Mél. S. 214 Nr. 24 == € Nr. 50, wo 
der Name des Astynomos, vielleicht auch Alaylvov, verwischt ist. 


Nr. 8. 


ANTIB ᾿Αντιβ[ίου] | aus Olbia. 
| AZTY ἀστυ[νόμου]. . B. Nr. 126. 
Vgl. meine Bemerkung zu A Nr. 32. 
Nr. 4. 
SAI. e... aus Olbia. 
. „TIOAAAN (A]wohlav[ fov] B. Nr. 147. 
. . T YNoM2 ἀστυνόμ[ου]. 


Die erste Zeile läszt sich nicht entziffern; aber in der wol erhalte- 
nen zweiten und dritten Zeile sind die gegebenen Buchstaben ganz deut- 
lich, so dasz der vorletzte Buchstab der zweiten jedenfalls ein A, und 
der letzte in der dritten ohne allen Zweifel ein 2 is. Für die Schreib- 
art ἀστυνόμω findet sich bei Becker S. 492 Nr. 16 ein anderes Beispiel. 


+ ANAOMA 'Axolle[víov] aus Niconium. 
0M..YT3A ^. &esv[vo]po[v]. B. Nr. 195. 


Die Schrift von der Bechten zur Linken gehórt auf den Henkeln 
dieser Gattung zu den Seltenheiten, und ist his jetzt nur auf wenigen 
Exemplaren (Becker S. 492 Nr. 2. S. 496 Nr. 30 und unten C Nr. 1) vor- 
gekommen; auch auf den Ziegeln, wo die Inschrift die Form eines 
Oblongums mit einem Emblem in der Mitte zu bilden pflegt, geht die- 
selbe nur scheinbar von der Rechten zur Linken: denn wendet man den 
Ziegel gehörig, so laufen die Buchstaben von der Linken zur Rechten. 


Nr. 6. 
^ APOAAQNIOY ““πολλωνίου. aus Olbia. 
. ACT YNoMoYNTOC ἀσευνομοῦντος. " Kühne 8. 899 Nr. 8. 


"Ein Astynomos ᾿Δπολλώνιος findet sich sowol bei Becker S. 490 
Nr. & als bel Stephani Mél. H S. 18 Nr. 17 — B Nr. 10 und unten C 
Nr. 37, wo indessen sowol die Schrift als die Fassung überall eine an- 
dere ist. 
ι΄ SII 
u^ «ec .IAQPOY (4etep idol ooo aus Kertsch, 
^1. ἐς NOMOY . [devo}vopoV. —— Stepbani Mel. 8.211-Nr. 12. 


474 P. Becker: über eine Sammlung unedierter Henkelinschriften 




















Nr. 8. t ra τ E: 
APXANAP .,..  ᾿Αρχάνδρ[ου] , , |, Δ. μον MM Kertsch. 
A£TYNOM "C ἀστυνόμ[οὐ]. ^ Stephani Mél. 8.211 Nr.12. 

Nr. 9. ν zt 
Alo«no ı PIAA “Διο[σ]κο[υ]φίδα .; : 398: Niopnlum. 
AZTYNOMoY ἀστυνόμου. ,, urn BrNin 192. 
Das A am Ende der ersten Zeile ist deutlich. REA 

Nr. 94, τα οὐ Y 
KAAAI£eENOY . Καλλισϑένουϊο] 

KEPAMERE ,. 17. 117 xem, oss .R. 
HPAKAEIA in. Hgandelä[ou] .. aono; BoMBuragb. 
«.  YNoMo [ἀσε]υνόμο[υ]. az 

Nr. 10. us 
MIo£Ao Μιόσλο[υἹ, . aquila. ch. 
ἘΓΙΑΓῸΛ ἐπὶ 4πολ-,  delpl 8 i Mél. 
AQA£TY Fee derofsänon]." "B. 18 Nr. 17. 

Nr. 11. ᾿ UC 
Po£lA Tloo[r]id[»iov] Olbia. 
TOYH® τοῦ Ἡφ[αιἱστίου] M τ. 88. 
AETYN davos[ónos]. 


Ein Ποσειδώνιος, Solin eines Νουμήνιος, erscheint schon bei 
phani Mel, 0 Nr. 22 — (€ Nr. 52 als Astynomos, und in derselben 
schaft, aber ohne den Namen des Vaters, auf zwei anderen Henkeln 
(Stephani Mél. S. 20 Nr. 33 — C Nr. 31 und S. 20 Nr. 24 — C Nr. 53). 


Ste; 


















Nr. 11. "us 
TIMaPlo£ Tepaigros, aquila insidens, aps Kértach. 
EPIAPoAA ἐπὶ imo:  delphino. i C. R. 
oAQA£TY oda [gov] ἀστυ[νόμου]. 8. 142 Nr. 21. 

Nr. Deseo ja En anh fae fone nl 
eIAOK.... ^ υΦιΑσκ[ρέτευρ pub =" aka Kérteoh. 
AETYNO τος ἄστοφό[μου]. / ^ bufnandm; MabPhersch 





PIE. 10. 


deem pd x (e HH 

In der ersten Zeile wird sti "Dbitoxgiébog (vit C τον θήκας 
"iat. 
yh 





Φιλοκράτεος (Becker S.'491 Ne: 9) "oder! QiloKpadbod' Sunt 
δ. 31 N- 29 —='C Nr. 987 vgl: Becker! 7403. Nt.^t5, S. 496 Nr; 

schreiben sein, da die dorischen Formen auf den Henkeln dieser Gattung 
zu den Seltenheiten gehören und ein Genetivus auf -evb/in/der dritten 
Declination bis jetzt auf keimem: andern Exemplare vorgekotämen ist. 
Ein Kopf, wie hier bei Mag Pherson, ist auch das Emblem) apf,einem 
der angegebenen Henkel (Becker,S. 493.Nr. 10], auf welchem rlexog- 









τῆς gleichfalls der, Name des Astynomos sein Kopp», iu on τὸ οὐ 
Nr. 13. Maced 
e0YToY 0.2.0.5... 0v τοῦ prora aus Kertsek. 

Y vcr b a naYiy4^ ^, Mac. Pherson 








ES. [iemmegedwto]e. fork X Nr. 18. 


' aus dem südlichen Ruszland. 475 


C. Inschriften auf Henkeln und Ziegeln, bei denen das Wort 
. ἀστυνόμου oder ἀστυνομοῦντος in der Mitte steht. 
Nr. 1. ὁ 


YONIX3M ᾿ [4Hogtvov flos. aus Olbia. 
YoNY T 3/ [ἀ]στυνό[μου] B. Nr. 139. 
03x14. [Alozer[rödsos]. 


.. — Da der Name “Αἰσχίνης auf vielen Henkeln (oben A Nr. 2. 3: 4. 5. 6. 
B Nr. 2 und bei Becker S. 490 Nr. 1. 2. 3) mit Sicherheit den Astynomos 
bezeichnet, so glaube ich denselben auch hier diesem Magistrate vindicie- 
ren zu müssen, wenngleich die Person eine andere und zwar eine àltere 
'gewésen zu sein scheint als’ die auf welche sich die anderen Inschriften 
mit dem Namen Aloylvov beziehen. ' Nicht" blosz die Schreibart von der 
Rechten zur Linken, sondern auch die Form der Buchstaben weist auf 
-ein' Hohes Alter hin. Den Namen ín: der dritten Zeile habe ich nach einem 
Ziegel.(C Nr. 40); wo derselbe vollständiger erhalten ist, restituieren 
kónnen.' - 2 


Nr. 1*. . j et a . 
J. I£XINO [A4] azévo[v] caput bar- aus Kertsch. 
. AKTYNO .. .' &ecvvó[pov) . batum ad Stephani C. R. 
.. APXTTIO "Mez[/]mxo[v]. dextram. S. 143 Nr. 24. 


‚In der dritten Zeile dürfte man nicht einen Schreibfehler zu suchen, 
sondern: vielmehr nach ἃ Nr. 1 und 40 “ρχεπτύλιος zu lesen haben, wel- 
chen Namen ich, wie bei den eben genannten Henkeln, dem Fabrikanten 
vindiciere, | Unter den Astynomen wird Adoylvns häufig genannt (vgl. zu 


0 Nr..1). 
‚Nr. 2. 007 
wu. „MAXoY [Avrılugzov δ diota. aus Kertsch. 
el .TYN. MoY . ;Me&o]rv»[o]uov, . Stepbani Mél. 
USS.NY£EILY | [Διρ)νυαί[ο]υ.. - . 8. 210 Nr. 10. 
Nr. 3. 
een AXoY |. |  [AMwrnujégov. X amphors. aus Kertsch. 
| v. I ..MoY ^ [ἀστυνό]μου,᾽ . Mac Pherson. 
TOPPED Y ' ΝΞ T. p. X Nr. 1. 
Nr. 4*. s | 
AP .AARdoY od : ἡ π[ο]λλω[υ]ίου signum ' asus Olbia. 
STYNoOM..- ᾿- [d]szévóp [ov]. incertum. B. Nr. 119. 
NEYMHNIOY Nevunvtov. e 


Ob ᾿“πολλώνιος der Astynomos oder der Ziegelfabrikant sei, läszt 
sich ,. daAlieser Name-sawol unter den: Astynomen (B Nr. 6) ale unter den 
Pebrikanten (Stephasi Mél. S. 18 Nr. 14 — A Nr. 1) vorkommt, nicht mit 
Bestimmtheit sagen; aber da Νευμήνεορ (Becker S. 494 Nr. 19. S. 495 
Nr. 21. 23.25. ,.497. Nr. 86 und € Nr. 35). hauptsächlich auf Ziegeln 
genannt, wird, 30 hat es-grosze Wahrscheinlichkeit für sich, dasz. AmoA- 
Aröviog, ‚wia.oban B Nr. 4. 5.,6., auch hier den Astynomen, Νευμήνιος 
aber..den . Felrikanten.. hezeichse, welcher. aus Lakedämon- stamnend 
(γευμηπίρυ, zoo dax vog. Becher S. 495.,Nr..21. 22) den dorischen .Na- 


476 P. Becker: über eine Sammlung unedierter Henkelinschriften 


men beibehalten und denselben nicht gegen den gewöhnlichen Νουμή- 
vıog (wie bei Stephani Mél. S. 20 Nr. 23 = C Nr. 52. Kóhne S. 401 Nr. 1 
— ( Nr. 33) vertauscht hatte. Das Abzeichen ist nicht mit völliger Si- 
cherheit zu bestimmen, scheint aber eine diota gewesen zu sein. 


Nr. 5. 


APAAQ Agado..., 'aus Niconium. 
AZTYN ἀστυν[ὁμου) B. Nr. 106. 
MANT Ma» 19£0v]. 


Einen Astynomen Mevrideos finden wir bereits bei Becker S. 488 
Nr. 31 und Stephani Mél. S. 19 Nr. 21 —: A Nr. 28, so dasz dieser Ma- 
gistrat auch hier so heiszen könnte. 


Nr. 6. 
TP o£ ecco. 0g "flos et aus Olbia. 
. YNo [xoc]v»e [nov] uva. Köhne 
. AQNIO [Ποσει]δωνέο[υ]. S. 412 Nr.12. 


Die von Köhne vorgeschlagene Lesart der ersten Zeile: ἐπ᾿ "Agloro- 
voc ist ganz willkürlich und auszerdem so unwahrscheinlich, dasz ich sie 
unberücksichtigt lassen musz. Obgleich der Name Ποσειδώνιος, wie wir 
oben (B Nr. 11) gesehen haben, unter den Astynomen häufig genannt 
wird, so fehlt es doch nicht an Beispielen (Becker S. 492 Nr. 3 und un- 
ten C Nr. 11. 39), dasz ein Ziegelfabrikant ebenso geheiszen habe. 


Nr. 7. 


BOPYOZAZTY Boqvog ἀστυ- caput. aus Kertsch. 
NOMOYNTOX vOLOUFTOS , Mac Pherson 
nYoEo Πύϑεωα. pl. X Nr. 3, 


Βόρυς ist, wie oben A Nr. 8. 9. 10 und bei Becker S. 484 Nr. 56, 
der Astynomos, und Πύϑης (Stephani Mél. S. 20 Nr. 95 — C Nr. 43 
Becker S. 488 Nr. 33) der Fabrikbesitzer. 


Nr. 8. 
BoPYot: Bógvog caput iuvenile. aus Olbia. 
AXTYNOMoOY ἀστυνόμου, B. Nr. 145. 
.M.okPAToY£ [[Ππ[π]οκράτους. 


Βόρυς ist auch auf diesem Henkel, wie auf dem vorhergehenden 
Nr. 7, der Naine des Astynomos, während Ἱπποκράτης hier zum ersten 
Male als Fabrikant genannt wird. 


Nr. 9. 
AIoNY £loY Διονυσίου signum aus Nioonium. 
A£TYNOM ἀστυνόμ[ουἹ) incertum. Β. Nr. 128. 
ΗΦΑΙΣΤΊΟ ᾿Ηφαιστίο[υἹ. (07 


Da der Name Ζιονύσιος sowol unter den Astynomen (A«Nr. 14. 15. 
C Nr. 11. Becker S. 484 Nr. 8. 9. 10. S. 485 Nr. 11. 12) als unter den 
Fabrikanten (À Nr. 10. 26) vorkommt und es nicht ganz sicher ist, ob 
auf den Henkeln A Nr. 30. 31 der Fabrikbesitzer wirklich Ἡφαίστιος ge- 
heiszen habe, was auch für andere Stücke (Becker S. 494 Nr. 18. 14. 15. 


aus dem südlichen Ruszland. 471 


S. 497 Nr. 35) entscheidend wàre, so musz es dahingestellt bleiben, wel- 
cher von beiden Namen dem Astynomos, und welcher dem Fabrikanten 
angehóre. Das Abzeichen, vielleicht eine aufrecht stehende Blume, gibt 
uns auch keinen Aufschlusz. 


Nr. 10. 
VF AAYKIA ΤΠλαυκέα fax erecta. aus Kertscb. 
A£T YNoMoY To ἀστυνομού[ »]τος Stephani Mél. 
DA£IXAPoY Πασιχάρου[9]. S. 20 Nr. 26. 


. Nach den Inschriften auf den Henkeln C Nr. 36. 37 vgl. 13 darf man 
Γλαυχίας für den Fabrikanten, Πασιχάρης für den Astynomos halten. 


Nr. 11*. 
..ALTYM...D Ζδι[ονυσίου) ᾿ς avis. aus Olbia. 
BB  daecv[vópov], B.Nr.149. 
δ ΠΙοσει]δώνιος ᾿ 
E _ AÓISANOIV2 | Διονυσίου ' 


Ueber den Namen Διονύσιός, der hier dem Astynomos angehört, 
sieh meine Beinerkung zu C Nr. 9, und über den Fabrikanten Ποσειδώ- 
vsog das was ich zu C Nr. 6 und 39 gesagt habe. Der in der Mitte des 
Oblongums zur Rechten stehende Vogel scheint ein Rabe zu sein und 
ist dem oben A: Nr. 39 und bei Becker S. 491 Nr. 13 auf einem Ziegel 
vorkommenden sehr ähnlich. 


Nr. 12. 
ΔΙΟΣ. . ' - 44iog, ' | aus Kertsch. 
ALTYNOMOY ἀσεονόμου Mae Pherson 
: ANTIMAXOY "Actu rov. pl. X Nr. 6. 


Wenn in der ersten Zeile wirklich AJOE£, und nicht, wie hei Becker 
8. 498 Nr. 10. Kóhne S. 399 Nr. $ — C Nr. 13 und Stephani Mél. S. 21 
Nr. 47 = C Nr. 14, AtoY gelesen wird, so ist unter diesem Namen der 
Fabrikant, und unter ᾿Δντιμάχου der Astynomos zu verstehen, in welcher 
Eigenschaft wir letztern bereits oben (A Nr. 7. C Nr. 2 vgl. C Nr. 3) ken- 


nen gelernt haben. 


Nr. 18. oo. 

7 AY ' “ίου caput botis. aus Olbia. 
" AETYNoMOo ἀστυνόμο[υ), | Kóhne . 
"TAAYKIA Tiavatals]. | S. 309 Nr. 5. 


Da das von Kóhne am Ende der dritten Zeile hinzugefügte c, soviel 
miim aus der Zeichnung (Tafel XXVIII Nr. 5) sehen kann, nicht auf dem 
Henkel gestanden zu haben scheint, so bliebe es zweifelhaft, ob Aiog 
oder Γλαυκίας für den Astynomén zu halten sei, zumal da auf den bis- 
her- bekannt gemaoliten. Stücken (Becker 8. 484: Nr. 7. S. 493 Nr. 8. C 
Nr, 10) J'Aevsdog nirgends mit Sicherheit: als Fabrikant nachzuweisen 
war., Durch die weiter. unten (C Nr. 86. 87) beschriebenen Henkel wird 
es. indessen sehn. wahrscheinlich, dasz ein Fabrikant Γλαυκίας geheiszen 
Ing, :and deshalb stehe mh. sicht: an ihm auch hier diesen Namen zu 
vindicieren. Us pnr tie P, 


478 P. Becker: über eine Sämmfung unedierter Henkelinschriften 








Nr. 14. mE ^ Mov n 
AIOY Δίου caput ^ "aus Kertsch. 
A£TYNO «7 ἀσευνόϊμον, Bilen Stephani ME. 
TEYOPA Τεύϑρα[»τος]. 5.50}. agio Me "37. 

Nr. ᾿ epar 

DA. E...daiı.)  diote. — ^küé^KeHtscb, 
AZTYNONOYNTOE - ἀσευνομοῦττος, T "Mac TPilerson 
$IAOKPATEYE Prlongaira[o] pc Nr. 7. 





Statt des dorischen Genetivus / ‚Dileixgaseug (vgl. B Nr. 113); wéelcher 
bei den auf -xgdrng endigenden Namei bis jetzt. noch ‚nie aude Hbd- 
kein dieser Gattung vorgekommen ist, glaube ich, wie oben B Nr. 12, 
᾿Φιλοκράτεος nach dem Vorgange. yon Ἡροκράτεος (Becker $ 491 Nr. 7), 
᾿Ιφικράτεος (ebd. Nr. 9) schreiben zu, müssen,‘ zumal da Φιλοκράτου 
(Becker S. 493 Nr. 10) und Φιλοκράτο (Becker S. 496 Nr. 29. Stephani 
Mel. S. 21 Nr. 29 — C Nr. 22), beides für Φιλοκϑάτους., auf anderen 
Exemplaren gelesen wird, Nach Stephanis Bemerkung.(S. 212.u. 213 zu 
Nr. 29) dürfte auch hier Φιλοκράτης der Name des Fabrikanten. sein: 
vgl. unten meine Bemerkung zu € Nr, 18. 








Nr. 16. ͵ pes 3 ons ἐπε σαν de 
EPIEAPo: ἐπὶ Ἔλπο[υ). : νῷ.) 1. iaunOfbia 
A£TYNOM deve»óp[ov] — 1,1; Bre 4140. 
.EYANPoY [θ]ευδώρου. κα 


Ob ἐπὶ Ἕλπου oder Ἐπιέλπου zu schreiben sei, lasse i2b wnent- 
schieden, da weder der Eigenname "EAmog noch 'Emíelwoc bikini ist; 
dasz aber die Präposition ἐπέ auch auf den Inschriftei mit. ᾿ἀστυνόμου 
bisweilen vorkommt, beweisen. sowol, Henkel (Beoker 8,499 Nr-& Ste- 
phani Mél. II S, 18 Nr. 17,—B Nr. 10) als. auch Ziegel (Becker 8:,492 
Nr. 3. S. 494 Nr. 19 und C Nr, 18). Der Fabrikant. ist. Θεύδωρος. der als 
solcher auch auf einem andern Henkel. (C Nr..45). und; auf einem. Ziegel 
(Becker S. 496, Nr..31) gelten. kann , und. auf seinen Sohn Ποσειδώνιος 
(C Nr. 39) das Töpfergeschäft vererbt haben mag. Die.dorische.Form 
Θεύδωρος statt der gewöhnlichen Θεόδωρος, wie der Astynomos auf 
einem Henkel (A Nr. 23) genannt wird, macht es wahrscheinlich, dasz 
der Fahrikant @evdagog, ebenso wie Nevunviog (C Nr, 4). dorischen 
Ursprungs war. 5 











Nr. 17. N tud s ode ane crei des on 
ETIEATO ἐπὶ "Eino[y]) SAT N A DIR 
A£TYNO darvvó[nov],; ἡ ον ru Br NIS 
MANTIeE ΜΜαντιϑέ[ου). ,.. κα ἢ ens Vase 


Der gleiche Name und das gleiche Abzeichen füliren'bei der-gleicher 
Form der Buchstaben: auf die Vermutung, dasz der auf den Henkehi Nr. 
16 und 17 genannte Astynomós dieselbe Person: sei; dagegen' heiszt der 
Fabrikant hier Movri&sog welcher Name auf zwei anderen -Henkelir 
(Becker S. 488 Nr. 3). Stephani Mél; S. 10 Nr. 21A Nr: 98 vil. C Nr. 97) 
mit aller Sicherheit einem Astynomen zukommt. Wir 


aus dem südlichen Ruszland. 479. 


Nj. 185. 
. AMINO£AfTY ἐπὶ Φίλωνος Spica. aus Olbia. 
$ ἀστυνόμου, :. B. Nr. 122. 
WHVIVANAO. Κυδίας. 


Da abf diesem Ziegel die Schrift vorzüglich gut und vollstándig er- 
halten ist und der Astynomos jedenfalls Φίλων heiszt, so dürfte die von 
mir auf einem andern Ziegel (Becker S. 491 Nr. 14) ergänzte Lesart ®:- 

Aözplajre[os] Φ[(λῆωνος aorvvoluov) unrichtig und vielmehr durch 
ini Φ[ίληωνος ἀστυνό[μου), Φιλοκρί a]r[ yc] zu verbessern sein. : Für 
diese' Aeirderung spricht nicht nur die Uebereinstimmung im Namen des 
Astynomos, sondern auch das auf beiden Ziegeln gleiche Abzeichen, eine 
zar Litiken liegende Achre. Könnte somit der Astynomos auf beiden Zie- 
geln éine umd dieselbe Person gewesen sein, so stammen dieselben doch 
aus verschiedenen Fabriken; hier ist Kudiag, dort Φιλοκράτης der 
Besitzer: der. Ziegelbrennerei. 


Ne: 19. : 
Y. .DPlAoY [E]/[0]oo/dov ^ caput aus Kertsch. 
" ACTYNOMOY ἀστυνόμου Satyri vel Stephani Mél. 
.VATAIOY Ἑκαταίου. Panis. 8. 21 Nr. 28. 
Nr. 20. ΄ 
οὐ ἘΙΔΗΣ᾿ [Ηρφακλε]έδης, ^ scyphus. aus Kertsch. 
5o. e. YNOMOY [&or]vsouov Stephani Mél. 
^. ον EMIAQPoY. [4ρτ]εμιδώρον. S. 19 Nr. 18. 
Nu: al. . 
‚EITOY. ' [Θεογ]δέτου spica. aus Olbia. 
ur. No [ἀστυ)]νο[μου] B. Nr. 125. 
Qf ss 2NIO  . . [Ἀπολλ]ῳνέο[υἹ. 


: Der Name Θεογείτου auch bei Becker S. 494 Nr. 16, aber gleichfalls 
ungewis, in welcher Eigenschaft, während ᾿“πολλωνίου (vgl. C Nr. 4) 
sowol für den. Namen .des Astynomos als für den des Fabrikanten gelten 
kann. Ä | 


Nr. 22. 
I£ TIAIO "lloveío[v] . amphora. aus Kertsch. 
A£TYNOMoY ἀστυνόμου Mac Pherson 
EKATAIO '"Exaxao[v]. pl. X Nr. 8. 
Nr. 23. ἘΞ 
'" I€KTIAIO| "Iesiafo[v] aquila aus Kertsch. 
A£T YN e ἀστυνοίμου) insidens Stephani Mel. 
APY.TO ['4jez[ov)to[c]. delphino. 8.213 Nr. 19. 
' Von diesen Henkel habe ich schon oben (A Nr. 15) gesprochen. 
Nr. 24. : 
KAMIKOENO Χαλλια[ϑ]ἐνο[υς], aus Olbia. 
.A£TYNoMOY . ... ἀστυνόμου B. Nr. 88. 


AlIoNY£loY Jıovvolov, 


480 P. Becker: über eine Sammlung unedierter Henkelinschriften 


Der unter den Astynomen mit Sicherheit nur éinmal (Becker S. 487 
Nr. 29), aber als Fabrikherr öfters (A Nr. 3. 27, vgl. Becker S. 489 Nr. 38. 
S. 492 Nr. 1. S. 493 Nr. 5. S. 496 Nr. 30 uud C Nr. 29. 30) genannte 
Καλλισϑένης dürfte 'auch hier in letzterer Eigenschaft zu nehmen sein, 
und dann wäre Διονύσιος. wie bei Becker S. 484 Nr. 8. 9. 10. 11. 12 
und oben A Nr. 14. 15, der Astynomos. 


Nr. 25. 
. 1 KOY [A4v]xov signum aus Kertsch. 
.£TYNO [ἀ]στυνόϊμου͵ ^ incertum. — Stephani Mel. 
. PY TANIO£ [ΠἸφυτάνιος. S. 22 Nr. 80. 
Nr. 20. 
MIOPAAA... Μμι[ϑ)]ραδα[του) aus Tanais. 
A£TYNOM.. &cvv»op [ov], Antiq. du B. C. 
IKE£IOo£ " "Inéatog. Nr. 38. 


Zum ersten Male erscheint hier .sowol ein Μιϑραδάτης als Asty- 
nomos, als auch ein Ἱκέσιος als Fabrikant, während auf anderen Hen- 
keln gerade umgekehrt Ἱκέσιος der Name des Astynomos (Becker S. 486 
Nr. 23) und Midgadarng (Becker S. 485 Nr. 14 und A Nr. 4. 5) der des 
Fabrikherrn ist. 


Nr. 20 a, * 
MIOPAA Μιϑροα[δατου] caput aus. Kertsch. 
A£ T YNoMoY ἀστυνόμου Panis Stephani C. R. 
KPATIZTAPXoY Koerıotapgov. ^ barbatum. 9.144 Νγ. 28. 


Nach dem Henkel A Nr. 27 dürfte Κρατίσταρχος dqr Astynomos, 
Mı$gadarng aber nach A Nr. 4. 5. 19 der Fabrikant sein. 


Nr. 27. 


. .KPIOYA£ZT YNoMOYN [Mi]xe£ov, ἀσευνομοῦν- aus Olbia. 
. fADOAAQ [1o]e 4z0440- equus. B. Nr. 134. 
. YToYMAN [νέο]υ τοῦ Μαν[τιϑέου]. 


Mit dem hier den Fabrikanten bezeichnenden Namen Mixglac 
wirt auf ein paar anderen Henkeln (A Nr. 30. 31) der Astynomos be- 
zeichnet, welcher letztere auf dem vorliegenden Stücke ᾿“πολλώνιος 
(wie bei Becker S. 490 Nr. 4. Stephani Mél. S. 18 Nr. 17 = B Nr. 10 
und B Nr. 6 vgl. € Nr. 4. B Nr. 4. 5), und zwar wie auf keinem andern, 
der Sohn τοῦ Mavri9£ov heiszt. Das zur Linken sich bäumende oder 
galopierende Pferd hat grosze Aehnlichkeit mit demjenigen, welches auf 
einem andern Henkel meiner Sammlung (Becker S. 490 Nr. 45) zu sehen 
ist; aber die Vermutung Stephanis, dasz der ganze Stempel jenes Stückes 
mit dem von ihm (Mel. II S. 21 Nr. 29 = C Nr. 28) gegebenen wahr- 
scheinlich übereinstimme, hat sich bei nochmaliger Prüfung des Hen- 
kels nicht bestätigt. Dagegen könnte, bei der Uebereinstimmuig des 
Emblems, die unvollständige Inschrift auf einem andern Henkel (Stephani 
Mel. II S. 214 Nr. 25 == C Nr. 48) nach dem hier vorliegenden Stücke 
durch [ Mixofo]v , ἀστυνο[μοῦντ]ος [ “Ἵπολλωνίο[υ] mit einiger Wahr- 
scheinlichkeit ergänzt werden. 


aus dem südlichen Ruszland. | 481 


Nr. 28 
MIKll...... Μικ[ρέωνος «ctvvo]- aus Kertsch. 
MOYNTOoEZ μοῦντος equus. Stephani Mél. 
. IA0kPATO [Φ]ιλοκρατο[υρ]. 8. 21 Nr. 29. 
Nr. 29. 
MNHEIKAEO. X Mv6ixAéo[v]c uva, aus Olbia. 
A£TY  NoMoY.To ἀστυνομοῦ[»]το[ς], B. Nr. 144. 
KAAAI£ BENOY Καλλισϑένους]. 


Das Emblem, die Weintraube , nimmt den freien Platz in der Mitte 
der zweiten und dritten Zeile ein. 


Nr. 30, 
MNHE.... Mvno[ixAéovg] aus Niconium. 
.E&TY [«]esv[vonoovtos], B. Nr. 193. 
KAAAI€* Καλλισθένους]. 


Ν 


Die Henkel Nr. 29 und 30 sind in.der Fassung und Schrift ein- 
ander so ähnlich, dasz beiden derselbe Stempel, welcher sich bei Nr. 30 
unvollständiger erhalten hat, aufgedrückt zu sein scheint. Einen Asty- 
nomen Mynoıninc finden wir bereits bei Becker S. 488 Nr. 33. 34 und 
einen Fabrikherrn Καλλισθένης (C Nr. 24) auf mehreren Henkeln. Das 
nicht ungewóhnliche Abzeichen, die Weintraube (Becker S. 486 Nr. 22. 
A. Nr. 2. 5. 20. C Nr. 16. 17), gibt über die auf diesen beiden Henkeln 
(Nr. 39. 30) vorkommenden Namen, bei welchen dasselbe hier zum ersten 
Male angetroffen wird, keinen weitern Aufschlusz. 


Nr. 81. 
MNHEIOE M»*1o:06, balaustium. aus Kertsch. 
A£TYNoMo ἀστυνόμο[υ] Stephani Mél. 
h^*r A^NIto Ποσε[ι)]δωνέο[υ]Ἱ. 8. 20 Nr. 23. 

Nr. 82, 

΄ MN . Mv.... aus Niconium, 
Az &c[tv»óopov] B. Nr. 98. 
NI Nt - 


Die Namen sind nicht mit Sicherheit zu restituieren. 
Nr. 33, 


MoY uva. aus Olbia. 
A£TYNO ἀστυνόμου Kóhne 
NoYMHNI Novunsi[ov).: 8.401 Nr.1. 


Die drei Buchstaben der ersten Zeile scheinen an das Ende der 
zweiten zu gehören und nur aus Mangel an Raum über dieselbe ,ge- 
setzt worden zu sein, was freilich auffallend ist, da das Wort ἀστυνόμου 
sehr häufig nicht ganz ausgeschrieben wird und auch abgekürzt jedem 
verständlich war. Ueber die Namen Νουμήνιος und Νευμήνιος sieh 
meine Bemerkung zu C Nr. 4. 


Nr. 34. 
NAYn2... Nawv[c/]o [voc] facies aus Kertsch. 
AETYNO.. ἀστυνο[μοϑν)]- virilis. Mac Pherson 
τοσϑυ.... τος, Θυ[σίλεω]. pl. € Nr. 9. 


482 P. Becker: über eine Sammlung nnedierteniHenkelinschriften 


Aus den von Mac Pherson für die erste Zeile gegebenen. Büehsta- 
ben habe ich mit geringer Aenderung den Namen Ναυτέωψος (Becker 
S. 488 Nr. 34 S. 493 Nr. 9) restituiert, und in der dritteg Zeile, in den 
Anfangsbuchstaben ©Y den Namen ϑυσίλεω (Becker S. 489 Nr. 43)-wie- 
der zu erkennen geglaubt. Da Nawz/ow iu der ersten der;so;eben ange- 
führten Henkelinschriften gewis, und.in der andern vielleicht der. Asty- 
nomos ist, so könnte derselbe Name auch hier in gleicher Bedegtung ge- 
nommen werden. Ὁ " 





Nr. 35*. " 
DAPIZA Tlagıoc[dous] 
A£TYNoMo ἀστυνόμο[υ], 
NEYMHNloY - Νευμηνίου. ἢ 





Ueber den dorischen Namen ΝΝευμήνιος,, welcher auf den iageln 
stehend ist und dem Fabrikanten enrugehöre sche i 
merkung zu C Nr. 4. : a 








Nr. 36. Eon : . 
DA£IXAPoY£ Πασιχάρουρ, „, fax erect... Mm ΠΝ 
A£TYNOMOYN ἀστυνομοῦν- |i a: ad BANr MR. 
TO£FAAYKIA . τος, Γλαυκίας. i. u, mens fid n 








Wie bei Stephani (Mél. S. 20 Nr. 36 —.€ N}. 10) bei ᾿δίβοιά gánz 
ähnlichen Henkel; 80 ist auch auf diesem. Exemplare: der Stempel 'änge- 
wöhnlich scharf und ganx'vollständig erhalten, aber mit'üerh :svesent/ 
lichen Unterschiede, dasz auf jenem Γλαυκία zu Anfang und IIwdgd- 
ρους am Ende der Inschrift steht, und dasz die aufrecht stehende. δοκοὶ 
dort rechts, bier aber links von der Inschrift angebracht ist. . Dessen un- 
geachtet scheinen beide Henkel aus éiner.und derselben Zeit zu ‚stammen 
und dieselben Personen, aber in verschiedener Reihenfolge, zu beseich- 
nen. Wäre dieses wirklich der Fall, so sähen wir daraus mit Bestienmt- 
heit, dasz das Wort ἀστυνόμου oder ἀστυνομοῦντος, wenn es ip der 
Mitte zwischen zwei im Genetivus stehenden Namen gebraucht wird. zur 
nähern Bestimmung. bald des einen,| bald des, andern Namens ‚benutzt . 
wurde, ohne dasz man dabei eine feste Ordnung zu beobachten pflegte. 
Ilaoıyaong wird, wie bei einem von Stephani Mél. S. 14 Nr. 21 == A 
Nr. 34 beschriebenen Henkel, wegen des bei diesem Namen sich wieder- 
holenden Emblems, der aufrecht stehenden Fackel (vgl. C Nr. 10. 37), 
auch hier der Astynomos sein, und dann ist Γλαυκίας, wofür noch kein 
sicheres Beispiel vorlag (Becker S. 493 Nr. 8. Kóhne S. 399 Nr. C 
Nr. 13), der Name des Fabrikherrn. In derselben Eigenschaft sind auch 
auf dem Stephanischen Henkel (C Nr. 10) beide Namen zu deuten. 








Nr. 37. 
-IXAPoY [Il«cjzdeov[s] fax erecta. ausOlhin,, 
A£FTYNOMO ἀστυνόμο[υ], B. Ντ.141.. 
«ΤΕΦΑΝΟΥ [Σ]τεφάνου. 


Da auf diesem Henkel, wie bei C Nr. 10 und dem vorhergehenden 
Nr. 36, beim Namen Πασιχάρους sine aufrecht stehende Faokel;ala Ab- 


aus dem südlichen Ruszland. | 483 


zeichen gebraucht worden ist, und das Emblem sich algo weder in Nr. 36 
auf Γλαυκίας noch in- Nr. 47 auf “Στέφανος beziehen kann, so wird es 
sehr wahrscheinlich, dasz Πασιχάρης der Astynomos und Στέφανος der 
Fabrikant geheiszen habe, zumal da uns schon Πασιχάρης als Astyno- 
mos (A Nr. 34) und Στέφανος als Fabrikherr (A Nr. 17) bekannt sind. 


Nr. :38: 
TATAIKOY Ilavaíxov signum aus Olbia, 
A£T YNO ἀστυνό[μου], incertum. B. Nr. 143. 
'Pe£ElAQ Ποσειδω[ νέου]. | 


"Vgl. Becker S. 495 Nr. 20, wo ein Henkel ganz dieselbe luschrift 
irägt. Ueber den Fabrikanten Ποσειδώνιος, dessen Name auf Ziegeln 
ein sehr gewöhnlicher ist, der aber auch auf einem Henkel oben genannt 
zu sein scheint, sieh C Nr. 6. 


Nr. $9*. 
NoZEIANNIOY IIocsidov(ov anguis. aus Olbia. 
ATTYNo ἐστυνό[μου),. B. Nr. 121. 
l'o£EIAQNIO£ . , Ποσειδώνιος 
"| OEYAQPoY Θευδώρου. 


Der Name Ποσειδώνιος erscheint hier (vgl. Nr. 6 und 34) offenbar ^ 
in doppelter Eigenschaft, und bezeichnet zuerst den Astynomen und dann q' 
den Fabrikherrn. Rech@® von der Inschrift eine sich erhebende Schlange, 
deren Kopf in den freien Raum der zweiten Zeile hineinreicht, um durch 
diese Stellung, wie ich glaube, eine Beziehung zum Astynom en anzu- 
deuten; demn hätte sie als das vom Fabrikauten gewählte Abzeichen 
gelten: sollen, so fehlte es nicht an Raum, sie niedriger abzubilden. 
Diese ‚Bemerkung gewinnt durch die Zeichnung beim Grafen Ouwaroff 
(&seAbAoBapin o ApeBRocmax? roxnos [occim δὲ Geperos» Tepnaro 
»opz G. Τί. 1851 Tafel XII Nr. 19 u. 21, vgl. Becker S, 495 Nr. 21 u. 24 
an Wahrscheinlichkeit, wo auf beiden Stücken die Schlange ihrer Sti 
lung nach zu dem Namen des Astynomen Ποσειδώνιος zu gehören scheint. 
Dasselbe dürfte auch auf einem von Stephani beschriebenen Stücke (Mel. 
S. 30 Nr. 32 — C Nr. 52) der Fall sein, auf welchem die sich erhebende 
Schlange zwar zur Linken des Beschauers verzeichnet ist, sie jedoch 
auch, da in der ersten Zeile der Name des Fabrikanten verwischt, die 
Schlange aber déssenungeachtet zu sehen ist, für das Emblem des Asty- 
nomen Ποσειδώνιος gehalten werden musz. Ferner verdient bemerkt 
zu werden, dasz hier der Fabrikant mit dem Namen seines Vaters, wie 
C Nr. 11, genannt, und dasz für letztern die dorische Form Θευδώρου 
(sieh die Bemerkung zu C Nr. 16) gebraucht worden ist.  - 


Nr. 40*.. | 
PPOTACoPo Ilgoteyógo[v] signum aus Olbia. 
A£TYNO ἀστυνό[μου], incertum. B. Nr. 148. 
i APXEPCT Aogzert[olsog] 


- Πρωταγόρας ist hier wie bei Becker S. 488 Nr. 36. 37 (vgl. ebd. 
S. 487 Nr. 30. 31. S. 489 Nr. 42. Stephäni Mel. S. 19 Nr. 31 — A Nr. 28) 


Jahrb. f. elaes, Philol. Suppl. Bd. IV. Hft. 3. 31 


484 P. Becker: über eine Sammlung unedierter Henkelinschriften 


für den Astynomen , "4ozéxrolig wie oben (B Nr. 1) für den Fabrikanten 
zu nehmen. Das am Ende der zweiten und dritten Zeile stehende Ab- 
zeichen ist nicht zu erkennen. 


Nr. 4048. 
PPOTATFOPO Πρωταγόφο[Ὁ] ^ amphora. aus Kertsch. 
A£TYNO ἀστυνο[μου], Stephani C. ΒΕ. 
MANEQ Ma»so. 8. 143 Nr. 23. 
Nr. 41. 
nPOT.. IIgot[ov] aus Kertsch. 
ACTY.. ἀστυ[νόμου)] Mac Pherson 
AION.. A os[vorov] pl. X Nr. 11. 


Wenn wirklich Πρώτου, und nicht vielmehr Πρωταγόρου in der 
ersten Zeile zu lesen ist, so kónnte man unter diesem Namen den Fabri- 
kanten verstehen, dessen schon auf anderen Henkeln (Becker S. 485 Nr. 18. 
S. 489 Nr. 39) Erwähnung geschieht. Der Name Διονύσιος. der sowol 
vom Astynomos (Becker S. 484 Nr. 8. 9. 10. 11. 12. A Nr. 14. 15. C Nr.24 
vgl. C Nr. 9) als auch vom Fabrikauten (A Nr. 26. C Nr. 2) gebraucht 
wird, kann keinen Aufschlusz geben, um so weniger als auf dem Henkel 
jedes. Abzeichen zu fehlen scheint. 


Nr. 42. 
‚ıoH£ [I1v]9s, diota. aus Olbia. 
A£ TYNOMOY ἀστυνόμου B. Nr. 142. 
ΔΙΟΝΥΣΊΟΥ Διονυσίου. | 


Die diota steht neben den letzten Buchstaben der dritten Zeile und 
musz daher als das Emblem des Astynomen Διονύσιος betrachtet werden, 
bei dessen Namen die diota auch sonst (Becker S. 485 Nr. 19. S. 496 Nr. 
27. 28) vorkommt. Der Fabrikant Πύϑης wird als solcher quf mehreren 
Henkeln genannt, und zwar bald im Nominativus Πύϑης (C Nr. 43), bald 
im Genetivus Πύϑεω (Becker S. 488 Nr. 33 und C Nr. 7). 


Nr. 43. 


DYeoKAEOoYtf Πυϑοκλέους ἡ caput aus Kertacb. 
A£T YNOMO ἀστυνόμο[υ), Panis. Stephani Mél. 
DYeHz Πύθϑης. 8.20 Nr. 25. 
Nr. 44. 
n...£€..0 IH....... aus Kertsch. 
A£TYNO... ἀστυνό[μου] Stephani Mel. 
KAANIN. . Kalllv[ov]. 8.214 Nr. 23. 
Nr. 445. | B 
ΦΙΛΟΝ. Δ Φιλον[]δ[ ου) eaput aus Kertsch. 
' A£TYNOM «crvvop[o9v]- ^ imberbe.  StephasiC.B. 
TO£NAYPA... τος Naevs[(ov]. 8. 144 Nr. 30. 
Nr. 45. / 
$INTIO£t Φέώντιος flos. zus Olbia. 
AZTYNoM ἀστυνόμ[ου) B. Nr. 128. 


OEYA2Po . Θευδώρο[υ]. 


aus dem südlichen Ruszland. 485 


Die Inschrift ist auf diesem Henkel vollständiger erhalten als auf 
einem Ziegel (Becker S. 496 Nr. 31), der indessen denselben Stempel ge- 
tragen zu haben scheint. Die Blume, welche man, wie bei Stephani Mél. 
S. 20 Nr. 28 — C Nr. 31 für balaustium halten kann, steht aufrecht am 
Ende der zweiten und dritten Zeile. Auffallend ist es, dasz hier beide 
Namen, sowol Φίέντες statt Φίλτις und Θεύδωρος statt Θεόδωρος in 
dorischer Form gebraucht sind. 


Nr. 45«, 
€oPBA.... doofia[vroc] diota. aus Kertsch. 
A£TYNO... dotvso [nov] Stephani C. R. 
. TEO€AN.. [Z]tegpa vov. S. 143 Nr. 26. 


Da wir einen Fabrikanten Στέφανος schon A Nr. 17 und C Nr. 37 
kennen, so wird ihm dieser Name aller Wahrscheinlichkeit nach auch 
hier zuzuweisen sein. 


Nr. 40. 
PPP ΟΣ ἜΣ signum aus Olbia. 
A£T . NO ἀδε[οἸνόϊμου] incertum. B. Nr. 179. 
KAAAI£eE Καλλισϑέ[ νους]. 


Das undeutliche Abzeichen besteht aus zwei Teilen, die rechts von 
der dreizeiligen Inschrift über einander verzeichnet sind. Καλλισθένης 
kónnte auch hier, wie oben A Nr. 27, der Name des Fabrikanten sein. 


Nr. 47. 
..Δ ..d.. diota et uva. . aus Olbia. 
. δὴν [ἀ]σευ[νο]- ᾿ς ΒΝ . 127. 
..NT (uov]»t[os) 


. 0oY ee s « OU, 


Die Weintraube steht über der diota, und beide sind zur Rechten 
der vierzeiligen Inschrift deutlich zu sehen, während von der Inschrift 
selbst sich nur die angegebenen Buchstaben erhalten haben. 


Nr. 48. 


TP YATTYNo ees 9 ἀστυνο- equus. aus Kertsch. 
(e. 0€ [μοὔντ]ος Stephani Mél. 
. ΝΟ | |  )..... sio[v). , 8.214 Nr. 25. 


Die lückenhafte Inschrift könnte, wie ich schon zu C Nr. 27 bemerkt 
habe, mit einiger Wahrscheinlicbkeit durch [Msxglo]v, ἀστυνο[ μοῦν- 
s Joc ['Anoiin]vio[v] vervollständigt werden. 


Nr. 49. 
een - duo delphini. aus Kertsch. 
A£TYNO... &ctovo[uov) , Stephani Mél. 
AION Y £t Διονυσῆου]. 8. 211 Nr. 11. 
Nr. 50. ' 
seco TOR LL CODD e folium. aus Kertsch. 
AXT YI . Mo derv[vo]wo|v] - Stephani Mél. 
AN. QNO£ «[ὠκ]ωνος. B. 214 Nr. 24. 


31* 


486 P. Becker: über eine Sammlung unedierter Henkelinschriften 


Nr. öl 
err t, c lveecmatsetcs n uva. aus Kertsch. 
A£TYNO M.. docovón[ov] | Stephani Mél. 
Po£EIAQ NI... Ποσειδωνί[ου].͵ S. 20 Nr. 24. 
Nr. 52. . EN 
TP sec tl ey anguis, ans Kertsch. 
ΑΞ TYNoMoY ἀστυνόμου | . Stephani Mél. 
Do£E!.QN.oY Ποσει[δ]ων[(]ου 8.208. 22. 
.0YNo....loY [r]e9 No[lvunv]lov. 


Vgl. C Nr. 39 und meine Bemerkung zu diesem Henkel. 


-Nr. 58. | 
D | esso ns ooo, status. aus Kertsch. 


. TYNoMoY  [da]tv»ópov . Priapi. StephaniG.R. 


. oKPATOY [Τιμ]οκραάτου. τς 8.148 Nr. 22. 


Obgleich man erst in neuerer Zeit den Iuschriften auf Henkeln und 
Ziegeln eine gröszere Aufmerksamkeit zugewandt und durch Veröffent- 
lichung der sich ih verschiedenen Sammlungen vorfindenden Stücke !) 
richtigere Ansichten über die hiether gehörigen Altertümer gewonnen 
hat, so sind es doch hauptsächlich ein’ paar'von Stephani gekännte und 
von ihm neuerdings?) beschriebene Henkel, welche uns über einen in 
den Inschrifteu bisher auf verschiedene Weise gedeuteten Namen sichern 
Aufschlusz geben. Auf jenen beiden Henkeln, welche zur Classe der mit 
ἀστυνόμου bezeichneten gehóren, wird nemlich die fragliche Person 
durch einen sonst nicht gewöhnlichen Zusatz — und zwar auf dem einen 
durch das Verbum ἐπόησε ἡ und auf dem andern durch das Wort περα- 
μεύς ἢ — für den Töpfer, respective Fabrikanten erklárt, und daher ist 
es keinem Zweifel unterworfen, dasz dieselbe auch in den weniger voll- 
ständigen Stempeln dieser Gattung die gleiche Bedeutung baben musz. 
Aber nicht blosz hier, sondern auch in den Henkelinschriften der übrigen 
Classen dürfte, bei der nicht zu verkennenden Aehnlíchkeit der verschie- 
denen Stempel mit einander, der Name des Fabrikanten in den Inschrif- 
ten zu suchen sein und in diesen denjenigen Namen für sich in Anspruch 
nehmen, über dessen Bedeutung: bis. jetzt noch Ungewisheit  herschte. 
Durch diese wichtige Entdeckung Stephanis ergikt "65. sich von selbst, 
dasz die auf den Henkeln angebrachten. ‚Abteiohen ;, wie wenigstens für 
die mit ἀστυνόμον oder ἀστυνομοῦντος gestempelten Gefäsze gewis ist, 


1) Zu den bereits von Stephani in den Mélanges Gréco-Romains II 

S. 8 Anm. 2 und 8. 206 Anm. 16 angegebenen Schriften ist „och Compte- 

rendu de la commission Impériale archéologique pour l'année 1859 (St. 

Pétersbourg 1860) S. 142 f. und Perrot (in der Revue archéologique III 

[1861] 8. 283 f.) *sceaux trouvés sur des anses d'amphores Thasiennee' 

hinzugekommen, 2) Mél. II S. 207. 208. 3) S. oben VI A Nr. 11. 
4) Stephani Compte-rendu 8. 143 Nr. 25 = VIBNr.9*. ,;: 


aus dem südlichen Ruszland. 487 


keinen Bezug auf die Waaren haben, zu deren Versendung jene Am- 
phoren benutzt worden sind. Letztere müssen vielmehr selbst, so wie 
die Ziegel, einen Handelsartikel abgegeben haben, und sind als Waare 
im eignen Lande benutzt oder in fremde Länder ausgeführt worden. Ist 
an der Richtigkeit dieser Behauptung jetzt nicht mehr zu zweifeln, so 
verlieren die Embleme die ihnen früher zugesprochene Bedeutung, und 
die staatlichen Wappen erscheinen unter ihnen namentlich nur dann, 
wenn der auf dem Ilenkel genannte Magistrat den ohnedies nicht zu 
verkennenden officiellen Charakter des Stempels ungeschmälert erhalten 
und seine eigne Person ganz aus dem Spiele lassen wollte. Ein solches 
Aufgehen des Individuums in den Staat ist der alten Zeit charakteristisch, 
und deshalb treffen wir die staatlichen Abzeichen vorzüglich auf den älte- 
ren Henkeln, auf denen die Inschgiften kürzer abgefaszt sind und der 
öffentliche Charakter des Stempels nicht durch Hindeutung auf Privatver- 
hältnisse abgeschwächt worden ist. Letztere treten dagegen in den 
làngeren Inschriften deutlicher hervor, so dasz es nicht auffallen darf, 
wenn bei ihnen statt der Staatswappen andere Abzeichen in die Stempel 
hineinkommen, durch welche die in den Inschriften genannten Personen 
sich selbst geltend zu machen suchen. Dieses Streben des Individuums, 
aus der Masse herauszutreten und die eigene Persönlichkeit hervorzu- 
heben, gehört in die spätere Zeit des Griechentums, aus welcher offen- 
bar die Henkel: stammen, auf denen die staatlichen Embleme gegen an- 
dere, auf die Personen bezügliche vertauscht sind. Bei alle dem besasz 
der Stempel hier ebenso wie bei den älteren Inschriften eine staatliche 
Bedeutung , die sich nur nach dem Geiste der Zeit auf verschiedene Weise 
äuszerte, aber im wesentlichsten keine Aenderung erlitt. Läszt sich die- 
ses alles zwar mit Sicherheit nur von den mit ἀστυνόμου oder ἀστυνο- 
μοῦντος bezeichneten Stücken sagen, so ist es doch sehr wahrscheinlich, 
dasz die für jene gewonnenen Resultate auch bei den aus Rhodos, Knidos 
und Thasos stammenden Gefäszen ihre Anwendung finden. Auch diese 
werden sämtlich als Waare in den Handel gekommen sein, werden 
gleichfalls nicht zur Versendung gewisser Landeserzeugnisse, auf welche 
manche Embleme hindeuten könnten, gedient haben, und werden in ihren 
Stempeln gröstenteils denselben Modificationen. unterworfen gewesen 
sein, auf welche ich so eben aufmerksam gemacht hahe. Wodurch sich 
die gestemipelten Gefäsze vor den nicht gestempelten ausgezeichnet, kann 
ich nicht sagen, da die wenigen uns erhaltenen, zwei in der Sammlung 
des Hrn. Porticone") und drei in der kaiserlichen Ermitage zu St. Pe- 
tersburg*), mir nicht zugänglich sind. Von den ungestempelten, von 
denen aus hiesiger Gegend mir so manche unversehrt vorgekommen sind, 
und von denen ich selbst mehrere besitze, musz ich bemerken , dasz der 
zu denselben gebrauchte Thon, weil man ihn weniger gebrannt, nicht 
ganz wasserdicht ist. ἘΠῚ} man diese Amphoren mit Wasser, so zeigt 
sich schon nach wenigen Stunden auf der Oberfläche derselben eine Feuch- 


." B) Btepbani titulorum Graec. pert. II 8. 15. 6) Antiquités du 
Bosphore érien. Tome II inscr. LV 1. 2. 3. 


488 P. Becker: über eine Sammlung unedierter Henkelinschriften 


tigkeit, welche durch ihre Verdunstung zur Kühlung des in dem Gefäsze 
befindlichen Wassers wesentlich beiträgt. Hiernach läszt sich vermuten, 
dasz diese Amphoren hauptsächlich zum Aufbewahren des Wassers dien- 
ten, welchem bei ihrer langhalsigen Form und der Lockerheit des Thons, 
aus dem sie gefertigt sind, die nótige Frische erhalten wurde. Dasz diese 
nicht ganz wasserdiehten Gefäsze auch zum Aufbewahren anderer Flüs- 
sigkeiten als Wasser benutzt worden seien, ist nicht anzunehmen, und 
doch scheinen sie dem Material und der Form nach wenig von denjenigen 
verschieden zu sein, von welchen sich uns gróstenteils nur die gestem- 
pelten Henkel erhalten haben. Was endlich die Frage anbelangt, ob 
beide Henkel oder nur einer gesteinpelt worden sei, so kommt der 
doppelte Stempel mit Gewisheit nur auf den rhodischen und aus- 
nahmsweise auf den knidischen Gefäszen vor; auf den übrigen scheint 
er immer nur ein einfacher gewesen zu Bein. - 

Sehen wir uns jetzt die verschiedenen Gattungen der Henkelinschrif- 
ten noch im einzelnen an. 

Obgleich unter den uns erhaltenen Henkelinschriften die rhodi- 
schen am zahlreichsten vertreten sind, so ist das bis jetzt vorliegende 
Material doch nicht der Art, um aus demselben selbst jeden Zweifel über 
die Deutung der einzelnen in den Stempeln erwähnten Namen vollständig 
zu heben. Anders verhält es sich indessen, wenn wir das, was für die 
mil ἀστυνόμου oder ἀστυνομοῦντος gestempelten Henkel als sicheres 
Resultat gewonnen ist, auch auf die rhodischen übertragen dürfen. In 
diesem Falle würde der noch nicht ganz sicher gedeutete Name, welcher 
in den vollständigen Inschriften nach der Zeitangabe durch den Epony- 
mos und dem Monatsnamen (seltener vor letzterem) gewöhnlich im Gene- 
tivus, aber auch manchmal im Nominativus") zu stehen pflegt, dem Fa- 
brikanten zu vindicieren sein. Für selche wären dann in den oben be- 
schriebenen Henkelinschriften folgende zu’ halten: ἹΜενεσθέως ἢ), Aya- 
doxleüg‘), Φιλαινίου"), Magosa!!), und wol auch ᾿Δμύντα ἢ), "Avrına- 
' gov), Eonía 4), Μενίππου “) und Σαραπέωνος 1). Auf allen diesen 
Henkeln ist die Inschrift nur das Supplement zu dem was auf dem andern 
Henkel stand. Denn dasz die rhodischen Gefäsze auf beiden Henkelh ge- 
stempelt worden seien, ist nach den früheren Untersuchungeu über jeden 
Zweifel erhaben; nur fragt es sich, ob dieser doppelte Stempel für alle 
Zeiten im Gebrauch gewesen sei. Bei den ältesten Henkeln dieser Gat- 
tung, wo sich um das balaustium eine Rundschrift herumzieht , dürfte, 
wie ich schon früher behauptet habe, ein einziger Stempel ausgeseicht 
haben, so lange man sich auf die Angabe des Eponymos und des Monats 
beschränkte. Dasz dieses längere Zeit der Fall gewesen sein müsse, be- 
weist die verhältnismäszig geringe Anzahl von Exemplaren, auf welchen 
um das balaustium ein einziger Name kreisförmig ‘geschrieben ist. 
Jeder der auf jenen Stücken vereinzelt dastehenden Namen bildete nun 


7) Becker g. 426 f. Nr. 63. 83. Franz Nr. 331. .. 8) I Nr. 8. 

9) I Nr. 14. 10) I Nr. 15 u. 31. 11) I Nr. 24.25. 12) IV 
Nr. 2.  13)IV Nr. 3.. 4) IV-Nr. 13. 15) IV Nr. 15, 16) IV 
Nr. 17. 60 vd Δ} τς, ΝΕ ΝΣ ' ΝΣ 


aus dem südlichen Ruszland. 489 


zwar das Supplement zu der Inschrift auf dem andern, leider verloren 
gegangenen Henkel, wie solches aus dem ganz erhaltenen Gefäsze in der 
kaiserlichen Ermitage'”) ersichtlich ist; aber wenn stets alle Inschriften 
mit balaustium auf beide Henkel verteilt worden wären, so müste die 
Zahl der Einzelnamen viel gröszer sein, um ein richtiges Verhältnis mit 
denen hervorzubringen, auf welchen sich um das balaustium der Name 
des Eponymos und des Monats herumziebt. Auch ist nicht zu übersehen, 
dasz es Henkel gibt), die eine so vollständige Inschrift aufweisen, dasz 
auf dem zweiten Henkel nichts mehr zu bemerken übrig blieb. Hieraus 
ergibt sich, dasz, wenngleich die rhodischen Gefäsze in der Regel auf 
beiden Henkeln gestempelt wurden, doch auch in Rhodos Gefäsze mit 
einfachem Stempel vorgekommen sind, und zwar hauptsächlich in älte- 
rerer Zeit. Ist der fragliche Name wirklich der des Fabrikanten, so ent- 
spricht es dem Geiste des hóhern Altertums, wenn derselbe in den älteren 
Stempeln mit balaustium oder dem Stralenhaupte des Helios, den staat- 
lichen Emblemen der Rhodier , anfänglich unberücksichtigt geblieben und 
erst in dieselben hineingekommen ist, seit man neben den Interessen 
des Staats auch der eignen Persónlichkeit Geltung zu verschaffen ange- 
fangen hatte. Seit dleser Zeit begnügten sich die Fabrikanten nicht blosz 
mit der Nennung ihres Namens, sondern fügten demselben oft auch ihre 
eignen Abzeichen bei. Als solche erscheinen auf den oben beschriebenen 
Henkeln aus Rhodos: die horizontal liegende Keule bei Auvvrag!?), der 
caduceus bel 'Avrluayos®) und Ina... .*'), die brennende Fackel bei 
Ὄλυμπος ἢ, während die in den vier Ecken angebrachten Sternchen 
beim Namen Σαραπίωνος ἢ). wie Stephani** mit Recht annimmt, eher 
für eine Verzierung des Stempels als für ein Emblem des Fabrikanten gel- 
ten dürften. 

Da die knidischen Henkel in der hiesigen Gegend viel seltener 
vorkommen als die rhodischen, so kann man nicht erwarten, dasz die 
wenigen von mir oben beschriebenen Exemplare neue Aufschlüsse über 
diese Classe von Inschriften zu erteilen im Stande wären. In der Haupt- 
sache bestätigen sie nur das schon früher bekannte, wonach in den 
knidischen Stempeln, díe als solche durch den meistens abgekürzten 
Namen der Knidier (Kvıdlov, Κνιδέον) leicht erkennbar sind, auszer 
dem Eponymos, dem Damiurgos, noch eine Person bald im Nomina- 
tivus bald im Genetivus genannt wird. Der fragliche Name gehört 
auch hier, da die für die Henkel mit ἀστυνόμου gewonnenen Resultate 
sicherlich auch auf die knidischen auszudehnen sind, dem Tópfer an, 
in dessen Fabrik das mit seinem Namen gestempelte Gefäsz gefertigt 
worden war. Diese Annahme gewinnt durch die doppelten Namen *), die 


—— | —À 


17) Antiq. du Bosph. Cimm. Tome II inscr. LXXIX A Nr. 6. 


18) Frans Vorr. zu Bd. III des CIG. 8. VI Nr. 72: ἐπὶ 4y0gía. .. ... 
Ilavdpov. balaustium; Nr. 383: ἐπὶ Μολπαγόρα, Πανάμου....... 0t0v; 
Nr. 370; ixi Παυσανία, Πανάμου. IMA; Nr. 386: ἐπὶ Ilo. ...... Tle- 


vdpov. Avafıldov. 19) IV Nr. 2. 20) IV Nr.8. 21) I Nr. 23. 
9») IV. Nr. 16. 23) IV Nr. 17. 24) Mél. I1 8.12. 25) Frans 
8. XIV II Nr. 7: ᾿4γέα καὶ ᾿Αστογένους. diota. Nr. 00: Ἰάσονος xal 


490 P. Becker: über eine Sammlung unedierter Henkelinschriften 


auf einigen knidischen Henkeln vorkommen , sehr an Wahrscheinlichkeit ; 
für ein Fabrikgeschäft, bei welchem zwei Unternehmer interessiert wa- 
ren, passt eine doppelte Firma vortrefflich. Die knidischen Amphoren 
pllegten übrigens um vieles seltener als die rhodischen auf beiden Hen- 
keln gestempelt zu werden, da man alles, was zu sagen nötig. war, leicht 
in einen Stempel hineinbringen konnte, und die Inschriften , welche für 
Supplemente zu anderen Stempeln gehalten werden dürften, wie δ. B. 
"4uövre Kudllov). diota"),, Θερσάνδρου Kvidi[av]"), Holkras xol 
Κράτης K[widiov]") zu den Ausnahmen gehören. Was die Embleme 
anbelangt, so sind dieselben auf den kuidischen Henkeln zwar manigfal- 
tiger als auf den rhodischen; aber unter denselben wird man mur den 
Stierkopf und den Vorderteil eines Löwen, wie uns die knidischen Mün- 
zen lehren, für staatliche Embleme halten dürfen; die übrigen werden 
sich auf die im Stempel genannten Personen beziehen ; aber bei der klei- 
nen Zahl von Exemplaren mit besonderen. Abzeichen, die.ich aus eigner 
Anschauung kenne, wage ich nicht zu bestimmen, ob die auf den Henkeln 
angegebenen Embleme dem Eponymos oder dem Fabrikherrn. angehören. 
Wie dem aber auch sein mag, dieselben hahen auch bei den knidischen 
Gefäszen keinen Bezug auf die Waare, zu welcher die Amphoren benutzt 
werden sollten. Unter den oben von mir beschriebenen Stücken verdie- 
nen ein paar besondere Aufmerksamkeit, namentlich Nr. 3, wo der Epo- 
nymos nicht blosz durch den Namen seines Vaters , sondern auch. durch 
die über seinem eignen Namen horizontal liegende Streitaxt sich recht 
bemerklich zu machen gesucht hat, und Nr. 6, wo Bgovgagyog, wie ich 
schon früher vermutet habe?"), offenbar als Eigenname gebraucht ist, da, 
wenn man hier einen Magistrat dieses Namens hätte nennen wollen, die 
dritte Zeile von der zweiten nicht so sichtbarlich abgetrennt , sondern 
ein Teil vom Namen ^4yeozlUg in die zweite Zeile gebracht worden 
wäre. Ist aber Dgovgapyog hier ein Eigenname, so ist er jedenfalls als 
solcher auch bei den von Franz ®) beschriebenen Exemplaren zu ver- 
stehen. 

Die thasischen Henkelinschriften haben das mit den knidischen 
gemein, dasz in beiden die staatliche Bedeutung des Stempels durch. den 
Namen der Einwohner (Θασίων, Θασίον) leicht zu erkennen ist, unter- 
scheiden sich aber vom denselben wie von den rhodischen dadurch, dasz 
in ihnen der Eponymos nicht genannt und somit eine genaue Angabe 
der Zeit vermiszt wird. Statt des Eponymos erscheint auf den Henkeln 
mit dem Namen der Thasier stets éin Eigenname im,Nominativus, wel- 
cher sich auf den, die Tópferwaaren controlierenden Magistrat bezieht 
und in einem officiellen Stempel nicht fehlen durfte. Neben seinem Na- 
men finden wir oft") noch einen andern, gleichfalls im Nominativus, 








Καλλίπποι, Κυ[ιδίων). Nr. 97 u. 98 Ἰάσων Κάλλιππος. cuput bovis. 









Yr. 102 . eadueeus, Φιλόπολις. “Διονύσιος, 
Nr. 120 ον Πολίτης xal Κράτης K[vid(ov]. Nr. 110: Adgns Ev. 
zólru[os). caput bovie. Vgl. Nr. 152. 30) Franz Nr. 21. — 27) 
Franz Nr. 9]. 28) Franz Nr. 120. 29) Becker Mél. 1 8, 476. 


30) S. XIV f. II Nr. 62. 149. 176. 31) HI Nr. 3. 7, 8,. Becker 


aus dem südlichen Ruszland. 491 


welcher der des Fabrikanten zu sein scheint und als solcher nicht notwen- 
digerweise in den Stempel hinein gehörte. Sein Fehlen darf uns aber 
nicht auf die Vermutung fübren, dasz die Inschriflen mit éinem Namen 
unvollsfändig seien und durch einen zweiten Stempel, der sich nicht er- 
halten, erst vollständig würden. Gegen einen doppelten Stempel spricht 
das oben unter Nr. 3 beschriebene Exemplar, wo die Inschrift auf dem 
Halse des Gefäszes angebracht ist, so wie die drei vollständig conser- 
vierten Amphoren der kaiserlichen Ermitage zu St. Petersburg, bei wel- 
chen nur der éine Henkel mit einer Inschrift versehen ist. Manigfaltiger 
als auf allen anderen Henkeln sind die Embleme auf den thasischen , und 
schon deshalb wird es wahrscheinlich, dasz ihre Wahl den Magistrats- 
personen zustand, welchen die Aufsicht über die Töpfereien übertragen 
war. Auszerdem ist nicht zu übersehen, dasz die Abzeichen auch bei 
den Inschriften mit einem Namen niemals fehlen, und dasz sie, wenn es 
nicht die staatlichen”) sind, doch wol am natürlichsten mit der in 
der Inschrift genannten Person iu Verbindung stehen. Wären es die Em- 
bleme der Fabrikanten, so würde uuter ihnen schwerlich eine so grosze 
Manigfaltigkeit herschen und ein und dasselbe Wappen sich häufiger wie- 
derholen, als dies bei den uns bis jetzt bekannten Stücken der Fall ist. 
Auch haben selbst die wenigen Embleme, welche sich einige Male, wie 
z. B. der Fisch??), die Eidechse?*), der Vogel®), zu wiederholen scheinen, 
in der Darstellung so wenig übereinstimmende Aehnlichkeit mit einander, 
dasz sie schwerlich für die Abzeichen éines und desselben Fabrikanten 
gehalten werden kónnen. Ein solcher Mangel an Uebereinstimmung ist 
dagegen bei den Wappen der Magistrate etwas ganz natürliches, da nur 
durch Vermeidung der typischen Darstellung desselben Gegenstandes eine 
Verwechselung verschiedener Persönlichkeiten umgangen werden konnte. 
Was die Gefäsze selbst anbelangt, so werden auch die thasischen, unab- 
hängig von deu auf den Henkeln angegebenen Emblemen, ihrer selbst 
wegen in den Handel gekommen und als Waare in die hiesige Gegend 
eingeführt worden sein. 

Die Zahl der Henkelinschriften unsichern Ursprungs ist im obi- 
gen Verzeichnis deshalb so grosz, weil ich alle Stücke, deren Vaterland 
nicht durch die Inschrift oder die Abzeichen deutlich zu erkennen ist, 
in diese Classe gebracht habe; aber beachtet man meine zu den einzelnen 
Henkeln gemachten Bemerkungen, so wird ihre Zahl um vieles geringer. 
Die unter Nr. 2. 3. 13. 15. 16. 17 beschriebenen Stücke stammen, jedes 
als ein Supplement zu einem verloren gegangenen Henkel, aller Wahr- 
scheinlichkeit nach aus Rhodos, wohin auch Nr. 4 gehóren dürfte. 
Auszerdem kann man Nr. 5. 10. 13. 14. 18, alle mit englypliischer In- 





8. 435 Nr. 5. 11. 12. Btephani Antiq. du Bosph. Cimm. inscr. LV Nr. 
1. 2, 8.. Mél, Gréco-Rom. II 8. 18 Nr. 12. S. 209 Nr. 5. 7. Compte- 
rendu 8. 141 Nr. 2—9. 13. 14. 17. 1. 32) Der Bogenschütze Hera- 
kles Nr. 3 u. 4, das Vorderteil eines Schiffes Nr. 13, die diota Nr. 5. 

:83) III Nr. 1. 11 und Perrots Zeichnung Nr. 21. 22. 30. 341) 
III Nr. 7 und Becker 8. 437 Nr. 16. 35) III Nr. 2 und Perrots 
Zeichnung Nr. 84. 


492 P. Becker: über eine Sammlung unedierter Henkelinschriften 


schrift, nicht einmal hierher rechnen, weil der ihnen aufgeprágte Stem- 
pel kein staatlicher ist. 

Die in der fünften Abteilung beschriebenen Marken verrathen, wie 
die englyphischen Inschriften, keinen óffentlichen Charakter, sondern. 
scheinen von den Töpfern herzurühren, deren Geschäft sich nicht bis zu 
einer vom Staate überwachten Fabrik erhoben hatte. Die Manigfaltigkeit 
der Marken, die auf jedem Gefäsze verschieden sind — die einzige Ueber- 
einstimmung bietet Nr. 5 mit Nr. 9 bei Becker S. 443 — liesze sich da- 
durch am leichtesten erklären. 

Zum richtigen Verständnis der in unsere sechste Abteilung gebrach- 
ten Henkelinschriften tragen nicht blosz die beiden schon oben erwähn- 
ten Henkel Stephanis wesentlich bei, sondern auszerdem verdient noch 
ein dritter, gleichfalls von Stephani angeführter Henkel, auf welchem der 
Magistrat, der ἀστυνόμος, zum ersten Male im Nomihativus?®) genannt 
wird , besondere Beachtung: denn durch jene erfahren wir mit aller Be- 
stimmtheit, dasz auf den in diese Classe gehórigen Henkeln der fragliche 
Name niemand anders angehóre als dem Töpfer oder Fabrikanten, und 
aus diesem ergibt sich, dasz der auf den einzelnen Henkeln genannte 
Astynomos nicht als Eponymos, sondern als Magistrat, dem die Con- 
trole über die Tópferwaaren zustand"), zu nehmen sei. Letzteres gibt 
der von mir schon früher ausgesprochenen Ansicht, dasz die mit dem Na- 
men ἀστυνόμου bezeichneten Henkel aus Olbia stammen, noch grószere 
Wahrscheinlichkeit: denn wenn wir auch durch die uns erhaltenen Nach- 
richten keinen Magistrat dieses Namens in Olbia kennen, so ist dieses bei 
dem Mangel aller ins Detail gehenden Kenntnisse durchaus nicht auffal- 
lend, während es befremden musz, dasz ein Eponymos, der dort Asty- 
nomos geheiszen habe, nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden kónne. 
Der Wirkungskreis dieses Astynomos, dessen Geschäfte mit denen der 
athenischen Beamten desselben Namens”) nicht völlig übereinzustimmen 
scheinen, läszt sich nicht näher angeben; aber es ist keinem Zweifel un- 
terworfen, dasz man sich unter den Astynomen überall, wo ihrer Er- 
wähnung geschieht?) , Polizeibeamte zu denken hat, welche je nach den 
Umständen und Verhältnissen über das eine oder das andere eine polizei- , 
liche Aufsicht zu führen und deshalb schwerlich überall dieselben Ge- 
schäfte zu besorgen hatten. Dasz ihnen irgendwo die Aufsicht über die 
Tópferwaaren zugestanden habe, wird zwar nirgends angeführt; allein da 
sie mit ihrem amtlichen Titel in den Stempeln der Gefásze und Ziegel 
beständig genannt werden, so musz wenigstens in dem Staate, wo dieses 
gebráuchlich war, die officielle Controle über die hierher gehórige In- 
dustrie zu ihren Geschäften gehört haben. Der in Frage stehende Staat 
wird jedenfalls in hiesiger Gegend zu suchen sein, weil alle bisher ent- 
deckten Henkelinschriften dieser Gattung nur in Olbia, Kertsch, Ni- 
conium und Tanais aufgefunden worden sind, und dieselben die in 
den griechischen Colonien unserer Gegend gebräuchlichen Staatswappen 

36) Stephani Compte-rendu 8. 144 Nr. 38 — A Nr. 7*. 37) Vgl. 


Stephani der ausruhende Herakles (St. Petersburg 1854) 8. 230 f. 38) 
Schömann griech. Alt. I S, 417. 39) z. B. bei Strabon XV 707. 708. 


' aus dem südlichen Ruszland. 493 


zu tragen pflegen. Unter ihnen ist auf den oben beschriebenen Stücken 
der Seeadler auf eipem Delphin *), das bekannte Emblem der Münzen von 
Olbia, das Stralenhaupt des Helios *'), der bärtige Panskopf *), die Keule 9), 
der caduceus*), das Hinterteil eines Schiffes ), die Aehre *) und die 
auf den Münzen selbst oder auf ihnen als Contremarke gebrauchte Wein- 
traube”) so entscheidend für Olbia, dasz dagegen der bärtige Panskopf 
von der Form, wie er auf den Münzen von Pantikapäon gewöhnlich ist), 
nicht in Betracht kommen darf. Ferner wird jeder zugeben, welcher die 
hierher gehórigen llenkel und Ziegel aus eigner Anschauung kennt, dasz 
beide nach ihrem Material und ihrer Fassung aus éinem und demselben 
Vaterlande stammen, und dasz dieses, da alle Ziegel, deren Fundort 
sicher ist”), nur in Olbia) vorgekommen sind, kein anderes als 
Olbia sein kann. Dagegen darf man nicht einwenden, dasz die auf die- 
sen Henkeln und Ziegeln gebrauchten Namen nicht diejenigen seien, wel- 
che sich uns in den Inschriften von Olbia erhalten haben. Letztere ge- 
hören ohne allen Zweifel einer spätern Zeit an; indessen geschieht doch 
in der ältesten®'), wie auf einem Henkel*), auch eines Πόσις Erwäh- 
nung. In jener Inschrift, deren Abfassung nach Bóckh") in das erste 
‘oder zweite Jahrhundert vor Christi Geburt gesetzt werden kann, aber 
jedenfalls der Zerstörung Olbias durch die Geten (etwa 54 vor Chr.) vor- 
ausgeht, finden wir bereits das runde C, wie es nur ausnahmsweise in 
den Henkelinschriften dieser Gattung") vorkommt.’ Hiernach würden die 
jüngsten Stempel ins erste Jahrhundert vor Chr. falien können, mit Aus- 
nahme eines einzigen”), in welchem auszer dem runden C auch noch 
das runde €, das in den Inschriften von Olbia selbst aus der naclıchrist- 
lichen Zeit eine Seltenheit ist”), einen spätern Ursprung zu verrathen 
scheint. Der viel gröszere Teil der Inschriften auf den Henkeln und Zie- 
geln dürfte in das zweite, dritte und vierte Jahrhundert vor Chr. hinauf- 
reichen. Einige scheinen noch älter zu sein, worauf, wie bei B Nr. 5, 
die von der Rechten zur Linken gehende Schrift hindeuten kónnte, da 
dieselbe nicht, wie bei Becker S. 496 Nr. 30, für eine Nachahmung der 
altertümlichen Schreibweise zu halten ist. Unter allen von mir selbst 


40) B Nr. 10. C Nr. 23, vgl. Becker 8. 493 Nr. 11. 12. S. 494 Nr. 

13. 19. Stephani C. R. S. 142 Nr. 21 — B Nr. 115. 41) A Nr. 9. 
10, vgl. Becker 8. 489 Nr. 38. 42) A Nr. 47. Btephani C. R. S, 144 
Nr. 28 = C Nr. 26%, ebd. Nr. 20 = A Nr. 24* und Nr. 27 — A Nr. 37%, 
48) A Nr. 3. 4. 6. 44) A Nr. 39. Becker 8. 404 Nr. 17. ὃ. 405 

Nr. 23. 45) A Nr. 16. 46) C Nr. 18. 21, vgl. Becker S. 490 Nr. 5. 
8. 491 Nr. 14. 8. 495 Nr. 24. 47) A Nr. 2. 5.20. C Nr. 16. 17. 29. 
33. 47. bl. Graf Ouwaroff macabAoBaHid Oo ApeBHOCILAX b FOXHOH 
occim m beperonr "lepnaro Mops. Tafel XXIII Nr. 48. Stephani C. 

. 8. 143 Nr. 25 — B Nr. 95, 48) C Nr. 48. 49) Becker S. 488 f. 
Nr. 85. 37. 8. 490 f. Nr. 5. 13. 14. S. 492 f. Nr. 3. 19. 21. 22. 25. 29. 


31. 33. 34. 30. 50) A Nr. 39. C Nr. 4. 11. 18. 35. 39. 40. 51) 
Corp. insor. Gr. II Nr. 2058 B Z. 58: κατὰ row Πόσιος πύργον. 52) 
A Nr. 86, vgl. Becker 8. 488 Nr. 35. 53) CIG. II 8. 123. 54) 


A Nr.14.18. 19. B Nr. 6. C Nr. 41, vgl. Becker S. 485 Nr. 16. 8. 480 
Nr, 41. 8. 491 Nr. 8. 8. 490 Nr. 30. 55) A Nr. 1l. 50) CIG. II 
Nr. 2084 Z. 


494 P. Becker: über eine Sammluug unedierter Henkelinschriften 


untersuchten Henkeln halte ich den unter C Nr. 1 beschriebenen für den 
ältesten,‘ weil auf demselben die Buchstaben nicht blosz von der Rechten 
zur Linken gehen, sondern sich auszerdem noch sämtlich durch ihre Form 
als sehr alt ausweisen. Man dürfte kaum irren, wenn.man diesem Henkel 
das fünfle Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung vindicierte. Wenn somit 
die einzelnen Inschriften in einem Zeitraum von mehreren Jahrhunderten 
verfaszt sein dürften, so kann es niemand wundern, dasz die Namen so- 
wol der Astynomen als der Fabrikanten sehr manigfaltig sind. Die Fa- 
briken waren natürlicher Weise einem geringern Wechsel unterworfen 
als die Magistrate, und deshalb werden auf verschiedenen Stücken die- 
selben Fabrikherren genannt, unter denen Ayadov, Γλαυκίας, Διονύ- 
σιος. Ευκλῆς, Καλλισϑένης, Kvgoov, Midas, Nevanvıog, Ποσειδώ- 
νιος, Πυϑῆς ófters9?) wiederkehren. Auszer der Form der Buchstaben, 
die wegen der kurzen Inschriften über das Alter jedes einzelnen Stückes 
nicht immer sicher entscheiden kaun, sind es die Namen selbst, welche 
auf ein hohes Altertum hinweisen. Dieselben sind durchgehends rein 
griechisch und fern von jeder barbarischen Beimischung,, durch: wel- 
che die meisten Namen in den nachchristlichen Inschriften von Olbia Auge 
und Ohr beleidigen, müssen also aus eimer Zeit stammen, wo das grie- 
chische Element noch nicht durch fremde Eindringlinge zersetzt war. In 
manchen Namen haben sich noch die ionischen Formen erhalten, wie 
z. B. in folgenden: Zev&sog“) von Ζεῦξις, IIovrdvioc) von Πρύτανις, 
Πόσιος ®) von Tlooıs, ‚Divuos”) von Φέντις. Ζήνιος “ἢ von Ζῆνις; 
Πυϑεω von Ilv&ac*), Θυσίλεω ) von Gvollye, Aylıo®) von 
"Ayins, Maveo“) von Μάνης: Φιλοκράτεος ἢ von Φιλοκράτης, Ἶφι- 
κράτεος 5) von Ἰφικράτης, Ἡροκράτεος ἢ von Ἡ ροκράτης. Neben die- 
sen ionischen Formen finden sich indessen auch dorische, wie '8a- 
νοδώρου") neben AOnvinzov"), Nevanvlov”) neben Νουμηνίου Ὡς 
Θευδώρου 7 neben Θεοδώρου), 'Εστιαίου 7) neben Ἱστιαίου Ὁ), "Amor 

λανίου 5) neben ᾿Απολλωνίου und Γλαυκία ) neben Γλαυκέου ". 
Endlich treffen wir noch vereinzelt folgende dorische Genetivendungen: 
Πασιάδα 5) von IIaciaóng, Nixéa* von Νικέας; Διοσκουρίδα 9) von 
Διοσκουρίδας, Χαβρίέα " von Χαβρίας  υπὰ IIv8£a*) von Πυϑέας. 
Diese Dorismen in einer Stadt ionischen Ursprungs kónnten überall eher 
als in Olbia auffallen, wo unter den vielen dort ansässigen Fremden”) die 





57) Sieh unten das Verzeichnis und Becker S. 520. 521. 98) 
A Nr. 8. 59) A Nr. 23, C Nr. 25. 60) A Nr. 36 und Becker S. 
488 Nr. 35. 61) C Nr. 45 und Becker S. 496 Nr. 31. 62) Becker 
S. 485 Nr. 18, 63) C Nr. 7 und Becker 8. 488 Nr. 33. 64) C Nr. 
43. 44. 65) C Nr. 34 und Becker S. 480 Nr. 43. 66) Becker 8. 492 
Nr. 1. 67) Becker S. 492 Nr. 2. Stephani C. R. 8. 143 Nr. 28 — C 
Nr. 404, 68) C Nr. 15 und Becker 8. 491 Nr. 14. 09) Becker 8. 491 
Nr. 9. 70) Becker S, 491 Nr. 7. 71) B Nr. 1l. 72) C Nr. I. 43) 
C Nr. 35. 74) € Nr. 33. 52. 79) C Nr. 16. 39.45. — 76)A Nr. 23. 
77) A Nr. 15. 18. 19. 78) C Nr. 22.. 23. 70) B Nr. 45. 80) B 
Nr. 6. C Nr. 4. 21. 27. 81) C Nr, 10. 13. 36. 82) Becker 3. 484 
Nr. 7. 83) A Nr. 38. 84) B Nr. 2. 85 B Nr. 9. 86) 
Becker S. 490 Nr. 33. 34. 87) A Nr. 7. 88) A Nr. 37. ᾿ 89) 


aus dem südlichen Ruszland. 495 


Städte dorischen Ursprungs gleichfalls vertreten waren. Nach dem Anm. 
89 erwähnten Volksbeschlusse nemlich gehören die dorischen Städie He- 
rakleia, Chersonesos und Byzantion zu denjenigen, welche den Eteokles, 
den Sohn des Satyros, für die ihren Stammesgenossen in Olbia geleiste- 
ten Dienste mit goldenen Kränzen beschenken, und so sind es gleichfalls 
der Rath und das Volk in dem dorischen Byzantion ?), welche dem Olbio- 
politen Orontes, dem Sohne des Ababos, für die ihren Staatsangehórigen ἡ 
in Olbia bewiesenen Dienstleistungen durch Erteilung des Bürgerrechts 
und Aufstellung seiner Statue óffentliche Ehre zuerkennen. Unter den in 
Olbia ansässigen Doriern, welche anfänglich nur aus Handelsinteressen 
den Ort auf kürzere oder längere Zeit besuchten, werden sich viele blei- 
bend dort angesiedelt und manche vielleicht sogar das Bürgerrecht von 
Olbia erworben haben. Von ersteren kann man vermuten, dasz sie sich 
oft mit Fabrikgeschäften abgegeben und namentlich die Fabrikation von 
Amphoren und Ziegeln als Gewerbe betrieben haben; letztere dürften 
zum Teil diejenigen sein, deren dorische Namen sich uns auf den Hen- 
keln erhalten haben. Ihre Zahl ist im Verhältnis zu den vielen Stücken 
mit nicht dorischen Namen eine sehr geringe und beschränkt sich unter 
den Astynomen selbst auf die Namen Πασιάδα, Διοσκουρίδα, Adavo- 
δώρου und ᾿4πολλανίου, während die dorischen Formen Θευδώρου, 
Γλαυκία, Neuumvlov, Xaßgla ausschlieszlich den Fabrikanten, die ge- 
wöhnlichen Θεοδώρου. Γλαυκίου und Νουμηνίον dagegen den Astyno- 
men angehören. Der dorische Name Gvzig statt Φίλτις mit ionischem 
Genetiv Φέντεος "ἢ steht, wenn er als Astynomos zu nehmen ist, verein- 
zelt da. Bemerkenswerth ist es, dasz in Olbia namentlich die Ziegel- 
brennereien im Besitze von Fabrikanten dorischen Ursprungs gewe- 
sen zu .sein scheinen, sa dasz man vermuten darf, es sei ein und dasselbe 
Geschäft vom Vater auf den Sohn übergegangen und habe sich in der 
Familie Nevanvsog Jahrhunderte lang in Olbia erhalten.**) Zu diesem 
dorischen Geschlechte mögen auch die Ziegelfabrikanten Θεύδωρος ""), 
Ποσειδώνιος Θευδώρον""). Χαβρίας") und die Töpfereibesitzer Χα- 
Bela”), Πυϑέας "ἢ. Γλαυκίας ἢ), Θεύδωρος ") gehört haben. Doch 
abgesehen hiervon werden manche dorische Formen auch dadurch in 
die olbiaschen Stempel gekommen sein, dasz die Stempelschneider in 
Olbia ansässige Dorier waren'?), welche die olbiaschen Namen nach 
dorischer Weise aussprachen, beugten und so auch in die Stempel brach- 
ten. Auf solche Art iäszt sich dann nicht blosz das zweimal wiederkeh- 
rende ἀστυνόμω im dorischen Genetiv !!') statt ἀστυνόμου leicht erklären, 
sondern zum Teil auch die Schwankung zwischen dem ionischen und do- 


Sieh das olbiasche Decret zu Ehren des Eteokles im Corpus inser, Gr. 
II Nr.2059. 00) Ebd. Nr. 2060. 91)C Nr.45. 92) Becker S. 495 
Nr. 21. Nr. 20: ευμήνιος ὁ Λάκωνος; Νευμήνιος: Becker 8. 494 f. 
Nr. 19. 25. 20. 36. C Nr. 4. 35. 93) Becker B. 406 Nr. 31. 94) 
C Nr. 29. 95) Becker 8. 496 Nr. 33. 34. 96) A Nr. 7. 97) 
A Nr. 97. 98) C Nr. 10. 13. 36. 90) C Nr. 16. 45. 100) K. F. 
Hermann griech. Privatalt. S. 215 ὃ 42 Anm. 9. 101) B Nr. 4 und 
Becker 8. 492 Nr. 16. 


496 P. Becker: über eine Sammlung unedierter Henkelinschriften 


rischen Dialekt in den oben angeführten Namen, zu denen noch der Name 
“Ἑστιαῖος zu rechnen ist, welcher, obgleich die ionische Form Ἱστιαῖος '**) 
den Henkeln nicht fremd ist, doch auch in der dorischen sowol den Asty- 
nomen?) als den Fabrikanten '%) zukommt. In den meisten Stempeln 
aus Olbia wird zwar auszer dem Astynomen noch der Fabrikant genannt, 
aber es finden sich auch viele Beispiele‘®), in denen der Name des lets- 
tern nicht weiter angegeben ist. - Deshalb dürfen wir indessen nicht ver- 
muten, dasz sein Name auf dem zweiten Henkel gestanden habe. Der dop- 
pelte Stempel ist auf den in Olbia gefundenen Gefäszen durch nichts 
nachzuweisen; wir sehen im Gegenteil aus einem Ziegel, wo es dem Fa- 
brikanten doch nicht an Raum fehlte, um auch seinen Namen im den 
Stempel zu bringen, dasz er auch dort‘®) vermiszt wird, und können 
daraus folgern, dasz auch alle übrigen Stücke, auf denen der Astynomos 
allein genannt ist, als vollständige Stempel zu betrachten sind. In den 
officiellen Stempeln von Olbia war der Name des Fabrikanten eine zwar 
gewöhnliche, aber durchaus nicht notwendige Zugabe, und deshalb ist 
auf die genauere Bezeichnung des Astynomen, durch welchen der Stem- 
pel eine staatliche Bedeutung erhielt, viel mehr geachtet worden als auf 
alles was den Fabrikanten betraf. Letzterer erscheint nur auf dem merk- 
würdigen Henkel Köhlers'”) und auf zwei Ziegeln‘®) mit dem Namen sei- 
nes Vaters, während bei vielen Astynomen nicht blosz der Name des Va- 
ters, sondern einige Male sogar der des Groszvaters”®) angegeben wird. 
Dem Astynomen, als der Hauptperson im Stempel, musz denn auch die 
Wahl des Emblems zugestanden haben, indem er zu seinem Amtstitel 
entweder das Staatswappen oder sein eignes oder gar keines hinzufügen 
konnte. Hierfür spricht folgendes: 1) finden sich selbst auf demjenigen 
Menkeln, auf denen der Astynomos alleià genannt ist, manchmal auch 
Embleme""%); 3) sind bei gleichnamigen Astynomen die Abzeichen öfters 
dieselben: so treffen wir z. B. beim Astynomen Ἵππων einen aufrecht 
stehenden Lorbeerzweig ' TH). bei Πασιχάρης eine aufrecht stehende 
Fackel ""), bei Ποσειδώνιος eine sich erhebende Schlange!!); 3) bei 
den gleichen Namen der Fabrikanten stehen auf den verschiedenen 
Stücken fast immer verschiedene Embleme, wie z. B. bei dem Fabri- 
kanten Μίδας"), Εὐκλῆς "5), Καλλισθένης ), Κτήσων "ἢ; 4) das 
Abzeichen ist so angebracht, dasz es sich nur auf den Astynomen be- 
ziehen kann. !5 


102) C Nr. 22. 23. 103) Becker 8. 485 Nr. 14. 15. 16. A Nr. 18. 19. 
104) Becker S. 484 Nr. 9. 8. 487 Nr. 28. A Nr. 15. 105) Becker 8. 
483 ff. 1 2. 3. 7. 10. 12. 23.45. 11 1. 2. 3. 4. 6. 7. 8. 11. 12. 15. 16. 17. A 
Nr.23. 24. 33. 38. 39. B Nr. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 11. 12. O Nr. 33. 
100) A Nr. 39. 107) A Nr. 11. 108) C Nr. 11. 39. 109) 
Sieh A Nr. 15 und meine Bemerkung zu diesem Henkel. 110) Becker 


S. 400 Nr. 2. 3. A Nr. 88, 39. B Nr. 2. 7. 12. 111) Becker 8. 
486 f. Nr. 24. 25. 26. 27. 112) C Nr. 10. 36. 37. 113) Becker 
S. 405 Nr. 21. C Nr. 39. 52. 114) Sieh meine Bemerkung zu A 


Nr. 16. 115) C Nr. 25. 110) A Nr. 3 u. 27. 117) A Nr. 29. 
118) C Nr. 39. 42, 


aus dem südlichen Ruszland. 


497 


Zum Schlusz folge noch, ein alphabetisches Verzeichnis sämtlicher 
Astynomen und Fabrikanten, die wir vereinzelt in den oben aufgeführten 
Inschriften bereits kennen gelernt haben: 


L Namen der Astynomen. 


᾿ἀϑᾳνόδωρος ὁ ὁ Νικέα B Nr. 1. 

᾿᾿θήνετστος ὃ Μητροδώρου A Nr. 1. 

Aloylvng A Nr. 2.8.4.5.6. B Nr.2. 
C Nr. 1. 1* (?). 

᾿Αντίβιος B Nr. 3. 

"Ἀντίμαχος A Nr. 7. C Nr. 2. 3. 12. 

᾿Αντίπατρος ὁ ᾿Απολλοδώρου A Nr. 


35. 
‚Amollavıog B Nr. 4. 5. 
᾿Απολλόδωρος B Nr. 11°. 
᾿Α“πολλώνιος B Nr. 6. 10. C Nr. 4. 
470). 
᾿Απολλώνιος ὁ o Μαντιϑέου C Nr.97. 
Ayıszlov A Nr. 7°. 7°. 
Ἀρτεμίδωρος B Nr. 7. C Nr. 20. 
"Aexavögos B Nr. 8. 
Βόρυς A Nr. 9. 10. C Nr. 7. 8, 
Βόρυς ὁ Ζεύξιος Α Nr. 8. 
Ζελφίνιος ὁ 0 Καλλίου A Nr. 1]. 
“4ημήτριος A Nr. 13. 
Ζημήτριος 0 Κλεαινέτου A Nr. 12. 
Διονύσιος C Nr. 11. 24. 42. 
Ζιονύσιος 0 'Arsnnavrov A Nr. 14. 
Διονύσιος 0 Διονυσίου τοῦ Kisı- 
ταγύρου A Nr. 15. 
"fioc C Nr. 13. 14. 
“4:οσκουρίδας B Nr. 9. 
Ἑκαταῖος A Nr. 16. 
“Ἑκαταῖος ὁ ὁ ᾿Αρτεμιδώρου A Nr. 17. 
Ἔλπος C Nr. 16. 17. 
Estiaing A Nr. 18. 19. 
Εὐχαάριστος ὃ Καλλισϑένους ANr.20. 


Ἡρακλείδης ὁ 0 Mixolov A Nr. 21. 
Ἥφαιστος ὁ ὃ Ἑστιαίου A Nr. 39. 
Θεόδωρος ὁ Πρυτάνιος A Nr. 33. 
Ἴλαος ° Φιλίστου A Nr. 24. 

Ἵππος 0 ᾿Δρισταγόρου A Nr. 25. 
Ἵππων ὁ Διονυσίου A Nr. 26. 
Κλεινίας ὁ "Ἑκαταίου A Nr. 24°. 
Κρατίσταρχος A Nr.27. B Nr.26*(?). 
Mavzrí8toc C Nr. 5. 

Μαντίθεος ὁ Πρωταγόρου A Nr. 28. 
ἹΜητρόδωρος A Nr. 29. 
Μιϑραδάτης C Nr. 26. 

Μίκριος 0 Αρισταγόρου À Nr. 30. 31. 
Mvnoıxing C Nr. 29. 30. 

Ναυτίων C Nr. 34. 

Νουμήνιος | C Nr. 33. 

Πάμφιλος ὁ “Ἑκαταίου A Nr. 32. 
Παρισάδης C Nr. 35. 

Πασιάδας 6 ὃ Ἡροδότου A Nr. 33. 
Πασιχάρης A Nr. 34. C Nr. 10. 36. 37. 
Παάταικος C Nr. 38. 

Ποσειδώνιος C Nr. 31. 39. 
Ποσειδώνιος ὃ 0 ᾿Ἡφαιστίου B Nr. 11. 
Ποσειδώνιος ὁ 0 Νουμηνίου C Nr.53. 
Πύσις 0 Zroarovixou A Nr. 36. 
Πρωταγόρας C Nr. 40. 

Πυϑοκλῆς A Nr. 37. 37*. C Nr. 43. 
Σινωπέων A Nr. 38. 39. 
Φιλοκράτης B Nr. 12. 

Φίλων C Nr. 18. 

Φόρβας C Nr. 45 (ἢ). 


IL Namen der Fabrikanten. 


᾿4γάϑων A Nr. 22. 24°. 36. 
᾿Αλκίβιος (Ὁ A Nr. 32. 
᾿Απολλώνιος Α Nr. 1. 
4oado.. . C Nr. 5. 

‚Aday A Nr. 2. 


᾿Αρχέπτολις C Nr. 1. 1050). 40. 


Βάκχιος ὁ Διοδώρου A Nr. 11. 
Γλαυκίας C Nr. 10. 13. 36. 
Δημήτριος A Nr. 84. 

Διονύσιος A Nr. 10.26. C Nr. 9. 49. 
Aioc C Nr. 12. 

Ἑστιαῖος A Nr. 15. 


498 P. Becker: über eine Sammlung unedierter Henkelinschriften usw. 


Εὐκλῆς A Nr. 25. 

Ἡρακλείδης C Nr. 90. 
Ἡφαίστιος A Nr. 75. 30. 31 (?). 
Θεμίσων A Nr. 7*. 

Θεύδωρος C Nr. 16. 

Θυσίλης (?) C Nr. 34. 

'Ixéciog € Nr. 96. 

Ἱπποκράτης C Nr. 8. 


Μίκριος C Nr. 97. 48 (?). 

Μίοσλος B Nr. 10. 

Mvnouog C Nr. 31. 

Nav[xgarns] (?) A Nr. 28. 
Νευμήνιος C Nr. 4. 35. 
Ποσειδώνιος C Nr. 38. : 
Ποσειδώνιος ὁ Διονυσίου C Nr. 11. 
“Ποσειδώνιος ὁ Θευδώρονυ C Nr. 39. 


Καλλισϑένης A Nr. 3. 97. BNr. 9*. Πυϑέας A Nr. 37. 


C Nr. 24. 99. 30. 
Κλεαίνετος A Nr. 18. 19. 
Krnowv A Nr. 13. 29. 
Κυδίας C Nr. 18. 
Mevrideoc € Nr. 17. 
Mevioxos A Nr. 37*. 
Midas A Nr. 16. 90. 
Μιϑραδάτης A Nr. 4. 5. 12. B Nr. 
26°). 
Odessa, 1861. ' 


Πύϑης C Nr. 7. 49. 43. ᾿ 
Στέφανος A Nr. 17. C Nr.37. 460) 
Τεύϑρας C Nr. 14. 

Τιμώριος B Nr. 11*. u 
Φιλοκράτης C Nr. 15. 

Φίλων A Nr. 9. 

Χαβρίας A Nr. 7. 


| Paul Becker. Ν 


4 


Nachtrag. 


— on 


Zur Vervollständigung des oben beigebrachten Materials erlaube ich 
mir noch diejenigen Henkelinschriften hinzuzufügen, welche nach Abfas- 
sung der vorstehenden Abhandlung von meinem hochverehrten Freunde, 
dem Hrn. Professor Philipp Bruun in Odessa, im August dieses Jahres 
in Parutina (Olbia) zusammengebracht und mir von demselben, als der 
Druck meiner Arbeit bereits begonnen hatte, gütigst mitgeteilt worden 
sind. Die Zahl dieser sämtlich in Olbia gefundenen und gegenwärtig in 
dem Museum der Gesellschaft für Geschichte und Altertümer in Odessa 
aufbewahrten Henkel beläuft sich im ganzen auf 22 Stück, von denen 12 
aus Rhodos stammen, 2 nach Thasos gehören, 3 durch die Angabe 
eines Astynomen charakterisiert werden, und 5 unsichern Ursprunges 
sind. Auszerdem ist noch ein Henkel zu erwähnen, auf welchem ein 
runder Stempel, mit balaustium in der Mitte, dadurch bemerkenswerth 
ist, dasz sich hier um die Blume keine Inschrift kreisförmig herumzieht. 
Ein ganz ähnliches Exemplar, auf welchem die Buchstaben gleichfalls 
feblten, ist mir aus Olbia schon früher vorgekommen, aber es musz da- 
hingestellt bleiben, ob solche Stücke nicht für fehlerhafte zu halten sind, 
da die Abwesenheit der Inschrift sich auch dadurch erklären liesze, dasz 
der Stempel nicht tief genug in den Thon hineingedrückt worden war 
und dadurch einen nur unvollständigen Abdruck gegeben hatte. 

Indem ich bei der Beschreibung dieser neu entdeckten Henkel die 
oben angenommenen Abteilungen mit fortlaufenden Nummern beibehalte, 
habe ich in den respectiven Classen zu den einzelnen Stücken noch fol- 
gendes zu bemerken. Ä 


I. Rhodische Henkelinschriften. 


Nr. 32. EDI... MAXOYDTIANAMOY balaustium. 
ἐπὶ [Aysjudyov, Πανάμου. 


Die Inschrift bildet, wie gewóhnlich in den durch das balaustium charak- 

terisierten Exemplaren (oben I Nr. 5. 6. 16. 21. 22. 26, unten Nr. 34. 35. 

36. 37. 38. 40. 41. 42), einen Kreis, in dessen Mitte die Blume steht. Der 

Name '4yépayoc, häufig auf rhodischen Henkeln (sieh oben I Nr. 1. 2), 

findet sich auf einem Exemplare aus Alexandreia (Franz CIG. Bd. III S. V 

Nr. 10) auch in der ’erbindung mit dem hier genannten Monatsnamen 
Jahrb. f. elase. Philol. Suppl. Bd. IV. HfL3. ὁ - 32 


500 P. Becker: über eine Sammlung unedierter Henkelinschriften 


Ilávayog, aber ohne balaustium , und deshalb wol auch nicht in einer 
Rundschrift. 
Nr. 33. Ent ἐπὶ 

AINHZIAAMOY — μίνησιδάμου, 

eE£MotoPloY Θεσμοφορίου. 
Auf den schon früher in Olbia gefundenen Henkeln mit dem Namen Al- 
νησιδάμου (Becker Mél. I S. 421 f. Nr. 17—19), so wie auf ein paar 
Stücken aus Sicilien (Franz CIG. Bd. Ill S. VI Nr. 32. 83) werden andere 
Monate, nicht aber der Θεσμοφόριος genannt. 


Nr. 34. 3olqo$oM33eYONOTlITNA balaustium. 
᾿Αντιγόνου, Θεσμοφόριος, 
Nach der von der Rechten zur Linken um das balaustium laufenden 
Schrift und der Form der Buchstaben darf man. diesem Henkel ein hohes 
Alter vindicieren. Für den im Nominativus stehenden Monatsnamen finden 
sich bereits ein paar Beispiele bei Becker Mél. I.S. 421 Nr, 9 und S. 428 
Nr. 83. 


Nr. 35. APIETOKAEYE ᾿Αφιστοκλεῦς.. balaustium. 
Rundschrift mit balaustium in der Mitte. 
Nr. 36. [ixi] 
^«|VMHAEYE  [Merv]urjdevs, balaustium, 
sMINeloY Σμινϑίου. 


Die Inschrift bestand wol ursprünglich, wie bei Nr. 33, aus drei Zeilen, 
von denen sich in der ersten die Präposition ἐπέ nicht mehr erhalten hat, 
Die vier ersten Buchstaben der zweiten Zeile waren jedenfalls ΑΞ ΤΎ und 
geben uns dann den Namen ^4crwjojdevc, welcher bei Franz S. VI Nr. 
178. 174, aber in Verbindung mit anderen Monatsnamen, auf rhodischen 
Henkeln aus Alexandreia schon vorkommt. 


Nr. 37. EPIAAMOKAEY£DANAMoY ' balaustiuim, 
ἐπὶ dauoxisös, Πανάμον. 
Der Name Δαμοκλεῦς . mit anderen Monatsnamen , aber ohne balaustium 
in der Mitte, bei Franz S. VIII Nr. 194. 195. 196, und ohne Monatsnamen, 
mit dem Kopfe des Helios, bei Becker Mél. I S. 425 Nr. 47. 
Nr. 38. 3Y3N-....323q43Iln3 balaustium. 
ἐπ᾽ [eofog. .. . . veg. 
Für ἐπ᾽ ἱερέως statt des auf den rhodischen Henkeln viel gewöhnlicheren 
ἐπὶ ἱερέως finden sich zahlreiche Beispiele bei Franz S. VII f. Nr. 66. 67. 
141. 150. 169. 365. 378. 413. 417. 421. 452. 457 und oben I Nr. 1. 9. 18. 
Der wahrscheinlich auf -veug ausgehende Eigenname läszt sich nicht mit 
Sicherheit restituieren. 
Nr. 39. |MA Ina caducens, 
Der caduceus liegt horizontal unter den Buchstaben. Es sind schon meh- 
rere Exemplare dieses Stempels (sieh oben I Nr. 23) vorgekommen, 


aus dem südlichen Ruszland. - 501 


Nr. 40. IMMOKPATEYZ Ἱπποκράτευς. balaustium. 
Derselbe Name, dessen Buchstaben kreisfórmig um das balaustium herum- 
láufen, findet sich bereits auf einem Henkel aus Olbia (Becker Mél. I S. 
427 Nr. 69) und auf zwei anderen bei Franz S. X Nr. 263. 264 aus Lykien 
und Alexandreia. 

Nr. 41. AAITASPIAAAnI"I3 balaustium. 

ἐπὶ Καλλικρατέδα. 
Dieser Stempel scheint eine Dublette von dem oben (I Nr. 22) beschriebe- 
nen zu sein, mit welchem er durch die Schrift von der Rechten zur Lin- 
ken, durch die Form der Buchstaben und durch das balaustium, um wel- 
ches die Inschrift herumlàuft, genau übereinstimmt. 


Nr. 42. £o THPIXoY Zotneízov. balaustium. 


Rundschrift mit balaustium in der Mitte. Ein ganz ähnliches Exemplar 
bei Becker Mél. I S. 431 Nr. 106. 


Nr. 43. ΦΙΛΑΙΝΙΟῪ Φιλαινίου. 


Dieser Name ist mit einem Monatsnamen (oben I Nr. 15 und 31. Becker 
Mél. I S. 432 Nr. 111) und ohne denselben (Franz S. XIII Nr. 462—468) 
schon früher vorgekommen. 


DL Thasische Henkelinschriften. 
Nr. 14. OAZIQN Θασίων stella. 


Ein achtstraliger Stern befindet sich zwischen den beiden Zeilen, von 
denen die untere verwischt ist. 


. Nr. 15. OA£.9N Θασ[ἤων. signum incertum. 


Das Emblem scheint dasselbe zu sein, welches Stephani Mél. II S. 17 
Nr. 10 auf einem andern Exemplare für eine Keule oder einen Lóffel in 
horizontaler Lage gehalten hat. 


IV. Henkelinschriften unsichern Ursprungs. 


Nr. 19. EMIAA ἐπὶ Δαί- 
IMoNo£ povog. 

Nr. 20. .HNO | [Ζ]ηνο- balaustium. 
AOTOY δότου. 


Das zur Rechten von der Inschrift angebrachte balaustium läszt vermuten, 
dasz dieser Henkel ein rhodischer ist, wobei freilich ein Abweichen von 
der gewöhnlichen Form mit der Ruudschrift anzunehmen wäre. 


Nr. 21. MATPOo Ma[x]oo- 
BloY βίου. 
Nr. 22. MOCXI Moczí- 


@NOC @vog. 


4 


502 P. Becker: über eine Sammlung unedierter Henkelinschriften usw. 
Nr. 28. TEAA Τελα- 
MONOC povog. 


Das runde C und die Form des ὦ zeugen für den jüngern Ursprung die- 
ses und des vorhergehenden Henkels. 


VI. Inschriften auf Henkeln und Ziegeln mit Angabe des Wortes 
ἀστυνόμου oder ἀστυνομοῦντος. 


A Nr. 40. 
A...NoMoYNTC ἀϊσευ)νομοῦντ[ος] | signum 
.NIo£ToY ᾿ [Z5]vtog τοῦ incertum. 
ΑΠΟΛΛΟΔΩΡΟΥ ᾿Απολλοδώρου, 
ΠΡΩΤΟΣ Πρῶτος. 


Nach der Form der Buchstaben und ihrer Verteilung scheint diese Henkel- 
inschrift einer von mir schon früher beschriebenen, gleichfalls aus Olbia 
stammenden (Mél. I S. 485 Nr. 18) vollkommen zu entsprechen. Das am 
Ende der zweiten Zeile angebrachte Emblem, welches sich jedenfalls auf 
den Magistrat bezieht, ist mir unverständlich. 


A Nr. 41. [&ovvvopoov]- 
To£MNHE£IKAEOY τος νησικλέου[ς]. | 


Ein Astynom MvnoıxAng kommt schon bei Becker Mél. | S. 488 Nr. 32. 
33 und oben VI C Nr. 29. 30 vor. 


C Nr. 53 *. 
oEAPI2NO€ Θεαρίωνος uva 
A£TYNOMO. ἀστυνόμο[υ], οἱ 
zATAPIZ Σαάγαρις folium. 
NOYMHNIOY Νι[ε]υμηνίου. 


Von dem doppelten Embleme bezieht sich das eine, eine Weintraube, am 
Ende der beiden ersten Zeilen, auf den Astynomen, das andere, ein Blatt, 
rechts von der dritten und vierten Zeile, auf den Ziegelfabrikanten Za- 
yagıs, den Sohn des Νουμήνιος oder Νευμήνιος. 


Dresden, 1862. Paul Becker. 


Zur 


Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


Karl Keil. 


Jahrb. f. class. Philol. Suppl. Bd..IV ΗΠ. 4. 33 


1. 


Zur Sylloge inseriptionum Boeoticarum. 


Die nachstehenden Inschriften Nr. 1 — XXXII, welche Ilr. Dr. Ri- 
chard Schillbach, gegenwärtig Lehrer am Gymnasium zu St, Elisa- 
bet in Breslau, bei seinem Aufenthalt in Griechenland während der 
Jahre 1857 bis 1859 copiert hat, sind mir durch Vermittlung des Hrn. GR. 
Gerhard in Berlin vor längerer Zeit von demselben mit dem Ersuchen 
zugeschickt worden, seinen kurzen Bemerkungen etwa nötige weitere 
Erläuterungen von mir hinzuzufügen. Inwieweit ich diesem gern über- 
nommenen Auftrag zu genügen vermocht habe, musz das folgende selber 
ausweisen. Vorweg aber sei nicht unterlassen, mit groszem Danke den 
Eifer des gelehrten Reisenden anzuerkennen, welcher bei anderen Haupt- 
zwecken seiner Wanderungen und Forschungen in Hellas wie in Italien, 
von denen die der Universitàt Jena 1858 gewidmete Schrift * über das 
Theater des Herodes Atticus! und das Neuruppiner Programm vom J. 1860 
* de Cannis et pugna Cannensi? (vgl. Peter Studien zur róm. Geschichte, 
Pforta 1861, S. 31 Note **) Zeugnis ablegen, doch auch den Inschriften 
lóbliche Aufmerksamkeit zugewendet und namentlich einige sehr interes- 
sante bóotische Stücke, meines Wissens zuerst, an das Licht gezogen 
hat. Sind aber die Titel, welche ich aus Hrn. Dr. Schillbachs Aufzeich- 
nungen diesmal mitteile, nicht sämtlich ganz neu, so schien es doch an- 
gemessen selbst die schon anderweitig publicierten, besonders auch da 
ihrer nur wenige sind, hier nicht wegzulassen und völlig mit Stillschwei- 
gen zu übergehen. 


Zu Pagä, jetzt Alepuchóri (vgl. Reinganum das alte Megaris S. 103. 
Hoffmann Griech. und die Griechen im Alt. 1 S. 744. Forchhammer Hal- 
kyonia S. 14), auf einem weiszen Marmor in der Mauer einer groszenteils 
zerstórten Kirche: 

MENEKPATHE M]Jevexgarng 
ONAZIMOY O[v]ac/uov. 
Vollständig gibt dieselbe Grabschrift Lebas voyage arch. Pages Nr. 19 
S. 7 (vgl. Revue arch. 1844 I S. 173), welcher überdies die Form W statt 
99" 


506 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


N bietet. Das ©, d. i. O, in unserer Abschrift Z. 2 kann antik sein; den 
Beispielen ebenso aus uralter wie aus späterer Zeit, die ich im diesen 
Jahrb. Suppl. 11 S. 385, 38 und im rhein. Mus. XIV S. 533 gesammelt ha- 
be, füge ich noch folgende hinzu: 1) Rhangabis antiq. Hellén. Nr. 1996 
Bd. Il S. 917, Stele auf Anaphe 

I£OKAHt Ἰσοκλῆς 

ΤΙΜΟΘΕΟΥ Τιμοϑέου 
wo man wie in dem vorliegenden und dem nächstfolgenden Titel das Ne- 


beneinandervorkommen von © und O hinzunehmen hat; 2) Eph. areh. 
Nr. 3311 S. 1743 


MATEIC Marek 
BAPAKOY Bagdxov 
OPO AN AHNH Ὀροανδηνή, 


eine Frau, nicht aus Θρύανδα in Lykien, wie Pittakis unter Voraus- 
selzung eines Irtums des Steinmetzen glaubt, sondern aus dem pisidi- 
schen Ὁρόανδα᾽): 3) ebd. Nr.2399 8. 1205 AIQNIOY£. E. Διωνιούσίε)ε, 
doch hat Lebas Nr. 678 S. 149 AIQNIOY£ . . €, was vielleicht derselbe 
Titel ist, obschon Pittakis als Fundort Alalkomenà , der franzósische Ge- 
lehrte aber Koroneia angibt. S. auch Mommsen unterit. Dial. Tf. 1 Nr. 2 
(theräisch melisch), Nr. 5 (achäische Colonien), Nr. 12 (Vase von Cäre).. 

Ein reiner Zufall läszt dieselben Namen , nicht Personen, in Altika 
wiederkehren CIG, 273, 9 Bd. 1 S. 379 Ὀνήσιμορ “Μενεκράτ[ους] Φι- 
λ[αἴδης]. ἢ 


u 


Ehendaselbst, ein groszer Cippus, mit einer trauernden [7] Frau 
auf einem Sessel; auch bei Lebas a. 0. Nr. 21: 


ΞΕΝΩ Ξενὼ 
ΔΑ "Ida ] 
XAIPE χαῖρε. 


Gegen eine etwaige Aenderung in Ξενω[ν] δα oder Ξενώϊν] δα schützt 
eben so die Uebereinstimmung beider Copien wie der Umstand dasz eine 
Frau, wenn auch nicht eine trauernde, sondern die beerdigte, auf dem 
Relief dargestellt ist. Wenn aber der Name Ἴδας (Gen. "Ida, z. B. Paus. . 
MI 13, 1, neben "Idov und "Idavrog, Lobeck paral. S. 173) sonst nur 
ologischen Wesen angehört, so hindert dies seine Führung durch 





ny 
gewöhnliche Leute nieht. 
ΠῚ 
Eldl., in der Apsis, auch bei Lebas Nr. 22 
TIAPAMONE Hlagüpove 
XPHETH axencr|i] 
XNIPE χαῖρε. 


2.2 a. E. hat Lebas H vollständig. Ueber das auf Grabschriften so ge 


K. Keil : zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 507 


wöhnliche χαῖρε. χαέρετε hat meines Wissens zuletzt und am besten L. 
Stephani tit. Graec. part. IV (Dorpat 1849) S. 20 und im *ausruhenden 
lferakles? S. 41 Anm. 5 gehandelt. Hr. Schillbach bemerkt, dasz Παρά- 
μόνος ein besonders in Böotien häufiger Name gewesen, s. m. Syll. inscr. 
Boeot. S. 225* und unten Nr. XXVI u. XXVIII. Er ist aber auch anders- 
wo viel üblicher, als man nach den wenigen Citaten bei Pape vermuten 
sollte. 


IV 
Ebd., in der Apsis, bei Lebas Nr. 16: 
IANEÀÀHN Π]ανέλλην 
KOPANOC Kogavos — 
YOCKAIHR . τος καὶ Ἡρ[ἀκλει- 
OEHPAKAEI oc Ἡρακλείου 
5 IC ΙΕΡΆΟΥΝ καὶ ἢ] ἱερὰ σύν[οδος 
TONHRAKA τῶν Ἡρακλ[εῖσ- 
TGNPPOIK τῶν zgoix|a τ- 
ONHRAKAEA 0v Ἡρακλέα [ἀν- 
ETHCAN ἔστησαν. 


Die Form des Rho Z. 8. 6. 8 hat Schillbach. Derselbe gibt Z. 1 das Epsi- 
lon unvollständig. 2.5 a. A. fehlen die ersten zwei Züge bei Lehas. 
Z. 9 steht in Schillbachs Abschrift ıT@CAN. Man kann schwerlich ent- 
scheiden, ob der oder die hier verzeichneten Panhellenen auf das Syne- 
drion der Achäer, Booter, Lokrer, Eubóer und Phoker in Argos Bezug 
haben, oder ob sie für Theoren zu den Panhellenia gehalten werden 
müssen, die seit Hadrianus in Athen gefeierl wurden: s. Stark zu ller- 
manns gott. Alt. $ 62, 2 S. 429. Hertzberg de rebus Graec. inde ab Achaici 
foed. interitu S. 104. Welcker griech. Gótterl. Il S. 209. Syll. inscr. Boeot. 
S. 122. Hermann griech. Staatsalt. $ 190, 8 S. 566. E. Kuhn Beitr. zur 
Verfassung d. róm. Reiches S. 135. Vielleicht auch dasz der Anfang etwa 
lautete: "Aya61j τύχῃ ὑπὲρ toU συνεδρίου τῶν Πανελλήνων usw. Ζ. 2: 
Κοράνης Παύλης CIG. 1626, 9 Bd. 1 S. 793, wozu ich Syll. inscr. Boeot. 
S. 146 aus Gruter DLII 9 1. Coranus Vrsinus und Martialis IX 98, 3 

centum Coranus amphoras aquae fecit beigebracht habe. Z. 4 υ. 5 
war auch “Ἡράκλειτος möglich. Z. 6 vgl, wenn die Ergänzung richtig 
ist, das Actenstück auf Delos CIG. 2271, 36 Dd. 1} S. 228 τῷ κοινῷ τῶν 
Τυρίων Ἡρακλεϊστῶν ἐμπόρων καὶ γαυκλήρων; ebd. ist auch die hier 
ergänzte Bezeichnung der religiösen Genossenschaft, σύνοδος, öfters ge- 
braucht, s. Hermann gott. Alt. $ 7,9 S. 34. Schömann griech. Alt. I 
S. 482. Passow Handwört. u. d. W.; ; σύνοδος Εἰσιακή CIG. 4938 ^, 9 Bd. 
Ill S. 1231, 8 und die σύνοδος ξυστικὴ τῶν περὶ τὸν HoaxAéa ἀϑλητῶν 
ξερονεικῶν στεφανειτῶν.. an welche IIadrianus rescribiert , CIG. 5906”, 5 
Bd. ill 8. 779, 5907 A 6 ‚ebd., die 5908, 1 S. 781 ἡ ἱερὰ ξυστικὴ σύνο- 
dog τῶν περὶ τὸν ‘Ho. ἀπὸ καταλύσεως ἐν Ῥώμῃ κατοικούντων heiszt; 
ebenso 5909, 1 S. 782, 5910. 1; vgl. Krause Gymn. u. Agon. der Helle- 
nen S. 207. Ferner s. Orelli 2542 Bd. I S. 445 sacra synhodus Neapoli 
ceriamine quinquennali, wozu CIG. 2931, 3 Bd. Il S. 589 ἡ Ὀλυμπικὴ 


508 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum; 


σύνοδος τῶν ἀπὸ τῆς οἰκουμένης ἱερονεικῶν xal στεφανειτῶν (Magnesia 
am Mäander) beigebracht ist, u. 2543 archiereus synhodi. Noch andere 
σύνοδοι Dionysischer Künstler und Mysten verzeichnet Ussing inscr. Gr. 
ined. S. 97. 2. 7 προῖκα : dieser Ausdruck entspricht dem häufigeren 2x. 
τῶν ἰδίων. Besonders oft findet sich in späteren Titeln προῖκα πρεσ-- 
Bedew, Syll. inscr. Boot, S. 1235. ἰατρεύσαντα προῖκα CIG. 4816", 17 
Ba. HII S. 1148; γυμνασιαρχήσαντα.. δωρεάν 518. Nr. XV* 1. S. VIL. ἢ 
2. 8 τὸν " Hooxhéa: das Bild des Herakles, s. SIB. S. 87. 236. 


v 
Auf einer viereckigen Basis ebd., bei Lebas Nr. 18: 
TONKYPIONHM@NTONENI — τὸν κύριον ἡμῶν τὸν ἐπι- 
φλνεοτατονκλιολραφλ φανέστατον Καίσαρα Φλ. 
ουὐλλερι — KOCTANTION Οὐαλέριον; d ᾿Κωστάντιον 
HDOAIC 


Lebas hat mehrmals Γ statt C, und Z. 3, wo er P a. A. für C bei Schill- 
bach bietet, fehlt ihm das erste lota. Das kleinere, über der Zeile ste- 
hende Omikron hat Sehillbach a. E. von Z. 1, Lebas Z. 3 a. E. 
Die Bildseule war ohne Zweifel die des Constantius Chlorus, wel- 
chen mit dem Maximianus im J. 292 Diocletianus zum Cäsar machte: 
CIG. 2018, 5 Bd, IL S. 66 Κωστανἰτίου] καὶ ΜΜαξιμιζανοῦ]) τῶν ἐπεφανε- 
[στάτων] Καισάρων,, oder. vollständiger 3857 ", 6 Bd. III S. 1088" Φλα- 
out] Οὐαλ[ερίῳ] Κωνσταντίῳ καὶ Γαλερ (ῳ) Μαξιϊμ]ια[ νῷ] τοῖς: 
ἐπιφανεστάτοις Καίσαρσι, 3883”, 6 S. 1101; 4300*, 6 S. 1135*; auf 
lateinischen Titeln Flaeius Valerius. Constantius nobilissimus Caesar, 
z. B. bei Orelli 1053 Bd. 1. S. 234. 1058 u. 1039 S. 235. 5142 Bd. III 
S. 13 u. 5561 S. 111. Nun heiszt zwar allerdings aueh der sonst ge- 
wöhnlich Flavius Iulius Constantius genannte Sohn des groszen Con- 
stantinus bei Orelli 225 Bd. 1 5, 103 Flaeíus Valerius Constantius und 
auf Münzen FL . VAL. CONSTANTIVS . NOB . C. (Eckhel DN. VIII S. 143), 
oder sogar Flaeius Iulius Valerius Consiantius auf zwei Inschriften, 
Henzen zu 5258 Bd. ΠῚ S. 36. Doch diesen hier zu verstehen ist ohne 
besondere Nötigung mehr als bedenklich.) Dasz dem ὁ ἐπιφανέστατος 
Καῖσαρ der nobilissimus Caesar entspreche, ist längst von anderen an- 
jene: Letronne recueil des inscr. Gr. et Lat. de l'Egypte Bd. 1 S. 318. 
2. 3: mit der Form Kooravrıog stimmt, wie der Einsender erinnert, 
die heutige Art zu sprechen und zu schreiben überein; Meineke zu Steph. 
Byz. Κωστάντεια" ἢ νῦν ἐν Κύπρῳ Σαλαμίς S. 403 (wo. jedoch die Les- 
art der Hss. Κωνστάντεια nicht nach Xylander in Kosravreız umgeän- 
dert zu werden brauchte), Costans; Costantinus Corssen Ausspr, usw. I 
S. 97. Uebrigens wiegt auf Inschriften die volle Schreibweise Kovarav- 
τῖνος bis in das Mittelalter hinein bedeutend vor: CIG. 8646, 5 Bd. IV S. 
302 im Jahre 577 ; 8659, 1 S. 310 im J. 641; 8665, 1 S. 312 in den Jahren 
876—877; 8700, 1 S. 326 im J. 1013; 8701, 1 ebd. im J. 10255 8708, 2 
8. 337 in d. J. 1025—28; 8707, 1 S. 329 im 1. 1043 usw: Kovgzavriva 
#862, 25.382. Dagegen Κωστάντιος 2018, 5 Bd, II S. 66; 2745, 1 S. 500. 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 509 


Κωσταντῖνος 9891, 5 Bd. IV S. 583 im J. 409, Francke Richters Inschr. 
S. 439. Auch wo Omikron für Omega eingeschlichen ist, hat sich das 
N erhalten: Kovoravrivos 8689, 3 S. 318 im J. 893; 8709, 5 S. 330 vor 
dem J. 1067; 8782, 2 S. 358; 8786, 3 S. 362; 9026 S. 418; 9287,4 S. 469. 
und Kovoravınvos 8685 D 1 S. 316. Wiederum begegnet man schon im 
J. 417 einem barbarischen Kooravrivog 9855, 9 S. 572; 9025 S. 417, Ko- 
σταντῆνος 9070*, 1 S. 427; 9241, 1 S. 458, Κοστάντις d. i. Kooravriog 
(KOCCANTIC) 9462, 3 S. 503. 


VI 


In Aegosthena , jetzt Porto S. Germano (s. Forchhammer Halkyonia 
S. 15) entdeckte Hr. Schillbach nur einen einzigen, auf zwei Seiten be- 
schriebenen Stein über der Thür der Marienkirche. Es konnten jedoch 
die 28 und 46 Zeilen, welche in sehr kleinen und abgeriebenen Buch- 
staben verlaufen, aus Mangel an Zeit nicht abgeschrieben werden. Der 
mitgeteilte, wenn auch nicht völlig correct copierte Anfang: 

NIKIAZAIONY£IOY YAFZETClIOPEb QOAE YMENON 
MENAY TOIETIIAH 

erweist glücklicherweise die Identität mit dem Titel bei Lebas Aegos- 
thénes Nr. 1. 2 und bei Forchhammer a. O. S. 30. Inzwischen ist das in 
dialektischer Beziehung sehr beachtenswerthe Denkmal von Bóckh in den 
Monatsber. der Berliner Akad. 1857 S. 483 fT. mit gewohnter Meisterschaft 
hergestellt und erläutert worden. Die Angabe von 28 Zeilen in den mir 
vorliegenden Papieren wird ein Zählungsfehler sein: Lebas hat deren 25, 
Forchhammer nur 2$, da ihm die letzte mit AEIOI fehlt. Welche wei- 
tere Inschriften von Lebas die von Schillbach angegebenen 46 Zeilen der 
andern Steinseite bilden, ist für jetzt, bei dem Mangel nàherer Angaben 
in dem französischen Werke, nicht zu bestimmen. 


VII 
Im Dorfe Kokla, unweit Platàa (Ross griech. Kónigsreisen I S. 17. 
W. Vischer Erinn. und Eindrücke aus Griech. S. 540) liegt in einer zer- 
stórten Kirche folgender Stein: 


AF AOHIT Y XHI 
ENIIEPERNZTOYAIONY 
Z£ZOYEAEYOEPOYATnOA 
AQNIOYToYZTPATOKAECYZ 
δ KAIDYPe€oPOYAYzIn 1OY 
APIZTIQNOZAT QNOO 
ETOYNTOZTOAEYTEPON 
APIZTIQNOZ 
TOoYZTPATOKAEOYZ 
10 ENEIKONZAATnIZ 
ΝΤΕΜΩΝΜΕΝΙΠΊΠΟΥΥΛΑΣ 
kHPYz 
QONNAQTOYMYAA 


510 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


, xc 
᾿ἀγαϑῇ τύ 
ἐπὶ ee le 
Gov ᾿Ελευϑέρου "Anol- 
λωνίου τοῦ Στρατοκλέους 
5 καὶ πυρφόρου “υσίππου 
᾿Δφιστίωνος, ayavod- 
ετοῦντος τὸ δεύτερον. 
᾿Αριστίωνος 
τοῦ Στρατοκλέους. 
10 ἐνείκων᾽ σαλπισ[τὴς 
᾿Αρ]τέμων Μενίππου Ὑλα[ἴος" 


simi 
Φίλω]ν [Φιλώτου Μυϊκαλήσσιος. 

Diese Inschrift habe ich zwar schon in Gerhards arch. Anz. 1859 
Nr. 132 S. 148* bekannt gemacht, woraus sie der Referent im Philol. XVI 
S. 548 entnommen hat; ich wiederhole sie jedoch hier der Vollständigkeit 
halber und weil ich einiges nachzutragen habe, 

Die erste Zeile hat nach einem vielfältigen Brauch grószere Buch- 
staben. Das Schwanken zwischen einem zur übrigen Schrift stimmenden 
Omikron und einem kleinern über der Zeile kehrt ebenfalls anderswo 
wieder. Leider ist ein groszes Stück der Siegerliste verloren gegangen: 
über den etwaigen Umfang des fehlenden kann man aus ähnlichen böoti- 
schen Aufzeichnungen CIG. 1583 —87 Bd. I S. 762 einen Schlusz ziehen. 
Das Vorantreten des Trompeters und des Herolds ist gewöhnlich: 1583, 
5.7; 1584,2.5; 1586, 13.14; 1587, 7. 9, Ussing inser. Gr. ined. 53, 2. 4; 
blosz CIG. 1585 ist die Ordnung eine andere: ποιητὴς προσοδίου Z. 3, 
κῆρυξ Z. 4, σαλπικτάς 2. 5. Vor ἐνείκων Z. 9 einen Ausfall von οἶδε 
in der Lücke anzunehmen ist nicht nótig: wenn auch 1583, 3 rude 
ἐνίκωσαν (1), οἵδε ἐνίκων 1584, 1, ἐνείκων οἵδε 1586, 12 gesetzt ist, so 
genügte dem Concipienten wie hier das Zeitwort allein 1585, 2. Ueber 
den Herold s. Ch. Ostermann de praeconibus Graec. (Marburg 1845) S. 71. 
Die zu Ehren des Dionysos gefeierten Wettkämpfe waren musischer, dazu 
vielleicht auch gymuischer Art: so gab es in Theben die "4ygudvue oder. 
᾿Αγριώνια desselben Gottes mit einem Agon: Hesych. u. Aygsaveu. Bergk 
Beitr. z. griech. Monatskunde S. 49. Welcker griech. Gött. S. 445. Die 
in Platäa sonst allbekannten ᾿Ἐλευϑέρια (Hermann got. Alt. $ 63, 9 S. 
441. Welcker gr. Gótt. II S. 212) waren dem Ζεὺς ᾿Ελευϑέριος geweiht. 
Erinnert aber sei auch an die Spiele des Amphiaraos, die uns zuerst eine 
Inschrift kennen gelehrt hat, s. Preller Ber. d. k. sächs. Ges, d. Wiss. 
1852 S. 150 — Eph. arch. Nr. 1317 S. 797 == Rhangabis ant. Hell. Nr. 
965 S. 691. 

Der Διόνυσος ᾿Ελεύϑερος kommt dem nachmals attischen (Paus. 1 
38, 8. Lobeck Agl. S. 661) Διόνυσος ᾿Ελευϑερεύς aus Eleutherä bei Pla- 
«δὰ gleich: Hesych. Ἐλεύϑερος" Διόνυσος dv ᾿Αϑήναις καὶ Ἐλευϑεραῖς 
(ἐἘλευϑερεύς audit apud Pausaniam 1 39. 9. 20, 3. Clem. Alex. Protr. 4 
$ 53» M. Schmidt Bd. II S. 63). Preller gr. Myth. I S. 525, 2 (wo unsere 
Inschrift berücksichtigt ist). Gerhard gr. Myth. $ 442, 3a. 4a, Welcker 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. $11 


gr. Gött. 1 S. 450. Vischer Erinn. aus Griech. S. 532. In Betreff des 2f:0- 
vudog Eisudegog oder ᾿Ἐλευϑερεύς als Liber pater (Plut. quaest. Rom. 
104. Döderlein lat. Syn. VI S. 194. Ross Italiker u. Gräken S. 237. Benfey 
Gótt. gel. Anz. 1858 S. 1661) vgl. Preller róm. Myth. S. 440, 4. Endlich 
ist die Verbindung τοῦ Διονύσου ᾿Ελευϑέρου nicht zu übersehen, wofür 
das gewühnlichere τοῦ A. τοῦ ’EA. oder τοῦ EA. 4., auch völlig ohne 
Artikel Διονύσου ᾿Ελευϑέρου gewesen wäre, Krüger gr. Spr. $ 50, 7, 10. 
Gleichwol fehlt es selbst für die befolgte Art nicht ganz an Beispielen, 
indem der eigentliche Name mit dem Beinamen als ein einziges Wort be- 
trachtet wurde, s. CIG. 11, 6 Bd. 1 S. 26 τῷ Ai Olvvnio, Inschr. von 
Nakoleia bei Lebas S. 271 Nr. 1011, 17 vov ioc Ὀλυμπίου, CIG. 4485, 
15 Bd. ll] S. 298 τοῦ Διὸς Βήλον, 5874, 4 mit Vergl. der Add. Bd. tii 
S. 1261 τῷ 4i Κωμναρῷ καὶ Zi Ἐλευϑερίῳ, 6834, 2 Bd. IV S. 7. 
SIB. S. 73.5) 

Z. 2: Inschriften mit der Eponymie eines Priesters, namentlich wo 
es sich um etwas auf den Cult bezügliches handelt, sind schon in Her- 
manns gott. Alt. $ 44, 10 S. 289 gehäuft. Die Wortfolge ἐπὶ ἱερέως τοῦ 
δεῖνος ist die bei weitem üblichere; nur selten ist die umgekehrte, wie 
ἐπὶ Ἡ ροδώρου Ífoso CIG. 2058 A 23. 33. 58, s. m. vindiciae onom. 
(Naumburg 1843) S. 8 Anm. 2. Z. 5 πυρφόρου: vgl. Hermann gott. Alt. 
$ 36, 14 S. 225. Schómann gr. Alt. II S. 373. Wachsmuth hell. Alt. II 
S. 616. Statt “υσίππου ᾿Αριστέωνος war das gebräuchlichere “υσέππου 
τοῦ ’Ae.; vielleicht dasz TOY auf dem Steine Z. 5 a. E. nicht mehr zu 
erkennen war. 

Die Eigennamen enthalten nichts charakteristisches. Ein viel älterer 
"Aeıorlov Πλαταϊκοός oder Πλαταιεύς kam bei Hypereides und bei Aes- 
chines III 162 vor (Sauppe orat. Att. II S. 290°). Neu für Bóotien ist 
nur Σερατοκλής, dessen beide Söhne ᾿4πολλώνιος und ᾿“ριστέων, und 
vielleicht auch ein Enkel Avoımnog, Ilauptrollen beim Culte des Gottes 
spielen. Z. 13 konnte auch MoAwrov geschrieben werden. Z. 11 ist 
Ὑλαῖος unsicher ; Steph. Byz. Ὕλη S. 467, 11 ἔστι καὶ πόλις “οκρῶν 
τῶν Ὀζολῶν, ἧς τὸ ἐθνικὸν. "TAaioc. δῆλον δ᾽ ὅτι καὶ Βοιωτίας ἣν ἢ 
Ὕλη. Zu weit von der Ueberlieferung entfernen sich ὙὝπαταῖος und 
'Ῥήττιος CIG. Bd. 1 S. 768). Preller Ber. d. k. sächs. Ges. d. Wiss. 1852 
S. 156. Z. 13 scheiut ἹΜυκαλήσσιος wenigstens glaublicher als das vor- 
dem von mir gesetzte υλασεύς. Was schlieszlich das Zeitalter anbe- 
trifft, so reicht die Inschrift gewis nicht über das zweite Jahrhundert 
vor uuserer Zeitrechnung hinauf, kann aber bedeutend jünger sein. 


VII 
In dem kleinen Dorfe Pyrgos bei Platäa, viereckiger Stein in der 
Mauer eines mittelalterlichen Turmes: 


$AAÀBIAN Φλαβίαν 
ΝΕΙΚΆΡΕΤΗΝ Νεικαρέτην 
ONOAIKPATIAHE Ὁ. Πολ[υ]κρατίδης 


ΤΗΝΜΗΤΕΡᾺ τὴν μητέρα 
δΥ Δ ψίηφίέσματι) δ(ήμου). 


812 K Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


Die Buchstaben werden als schön bezeichnet; die Häkchen habe ich bei 
dem Alpha, Delta und Lambda aus einer Copie von Ross, über die gleich 
mehr zu sagen ist, hinzugethan, und ebendaher stammt die Form des 
Phi. Die erste Zeile hat, so viel äus Schillbachs Abschrift hervorgeht, 
grössere und weiter auseinander gehaltene Lettern. 

Diese Weihung also unter einem Standbilde ist schon im CIG. 1636® 
Bd. I S. 795 aus Köhlers Papieren mitgeteilt, jedoch mit der Abwei- 
chung von Schillbach, dasz Z. ἃ NEPOAPETHN gelesen wird und die 
Form der Buchstaben die gewöhnliche (A, A, A, E), auch die erste Zeile 
nicht gröszer geschrieben ist. In der Sammlung von Lebas ist das Stück 
getreu nach dem CIG. wiederholt, Nr. 450 S. 92. Aber eine dritte 
Copie von Ross, welche mir in dessen Tagebuch vom J. 1836 vorliegt, 
bietet auszer den erwähnten gezackten Lettern und dem Phi als eigen- 
Vümlich Z. 2 NIKAPETHN, Z. 3 OTIOAYK usw. und in der Mitle 
zwischen Y und A Z. 5 einen iolahbnlichen Strich. Hievon habe ich 
oben Νικαρέτην verschmäht, weil für Schillbachs Diphthong auch Köh- 
lers NEPO spricht. Das Z. 3 a. A. in allen drei Abschriften vorhandene 
© glaubte Böckh etwa in (5| d. i. Publius umändern zu dürfen. Ich suche 
auch in dem O ein Pränomen, wie A AuAog, Γ Γάϊος, K Kóivroc, ri 
“Πόπλιος oder Πούβλιος bedeutet. Darf aber nicht auf Occius und Oe- 
taous gerathen werden, weil diese Pränomina bedenklich sind, so schlage 
ich "O(Bioc) Ovius yor, welches Henzen Nr. 6218 S. 238 nachgewiesen 
hat. Oder wäre € Ὧλος d.i. Αὖλος zu lesen? Keinesfalls ist ὁ Πολυ- 
κρατίδης zulässig, was völlig gegen den epigraphischen Stil verstoszen 
würde. Ebd. ziehe ich das von Böckh gemutmaszte, durch Ross hesti- 
tigte Πολυκρατίδης unbedenklich vor: Avcavögog Πολυκρατίδου SIB. 
Nr. XXIX 2 S. 114 — Ulrichs ann. delP inst. XVIII S. 50 Nr. IV. Ein 
Name Πολικράτης scheint noch nicht aufgefunden, so wenig wie πολε- 
κρατής; wol aber Κρατησίπολις. Vgl. auch ΠΠολέαρχος d. i."Agy ἫΝ 
Bóckh Staatsh. d. Ath. III S. 239, und die Πολέαρχες oder Πολιαρχίς 
(Lobeck path. prol. S. 510) in Prellers böotischem Titel aus Chäroneia, 
Ber. d. k. sáchs. Ges. d. Wiss. 1854 S. 200. Z. 4 hätte auch vor Z. 8. 
Platz haben können: Νεικαρέτην τὴν μητέρα Πολυκρατίδης. Die Tren- 
nung ist aber nicht so aufällig wie z. B. in dem Titel bei, Ross Demen 
von Attika Nr. 126 S. 83 ἡ ἐξ "Agslov πάγου βουλὴ Δημήτριον ᾿4πόλ-- 
λωνι τὸν Μαραϑώνιον. 


IX 

Auf einem Steine in der Mauer einer kleinen Kirche nahe dem Dorfe 

Balitza oder Baltza: 
\AIAXAIPE Kos lic χαῖρε. 

Es versteht sich dasz die Ergänzung nur ein Versuch ist: Καλλέκλεια 
in Chäroneia CIG. 1627, 5 S. 793. Vgl. auch die bóotische Grabschrift. 
Eph. arch. Nr. 2343 S. 1199 AMGIKAIAXAIPE ᾿ἀμφίκλια χαῖρε, wolür 
Rhangabis ant. Hell. Nr. 2106 S. 926 AM®IKAEIA liest. Wegen des 4 st. 
& bei den Böotern s. Ahrens dial. Acol. S. 189. 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 515 


X 
Ebd. auf einem marmornen verzierten Balken über der Thür: 
+AarıWTATOYENIEKONOYAIONYEIOY 
"Ayıwrarov ἐπισκόπου Διονυσίου. 


e 
XI 
Ebd. in dem südóstlichen Winkel der Mauer: 
ΣΏΤΗΡΙΧΕ Σωτήριχε 
XPHZTE . χρηστὲ 
ΧΑΙΡΕ χαῖρε. 


Ueber diesen in Bóotlen gar häufigen Namen s. 518. S. 228°. Rhangabis 
Nr. 1316 I 16. I1 ἃ S. 834 (in Theben) == Lebas Nr. 493 1 16. II 2. Lebas 
Nr. 492, 24 (ebd.). Σωτεέριχος (ebd.) Lebas Nr. 491 I 19 — Rhangabis 
Nr. 705 S. 301. Zornolya, Grabschrift in Platäa, Lebas Nr. 452,1 S.992.*) 


XII | | 

Bei Lefka (von λεῦκαι. Ross Königsreisen I S. 18) in der Nähe von 

Thespiä befinden sich zwei zerstörte Kirchen. In der nach Osten zu ge- 
legenen hat sich folgendes Bruchstück erhalten: 





IEQNMNAZ 


H βουλὴ καὶ ὁ δῆμος Θεσπ]ιέων Mvao[o- 
να τοῦ δεῖνος.......... yv]pvaciagyno| avra 
εἰς ᾿Ερωτίδεια . . ἀρετῆ)ς Evexe[v. 


Zu Mvaoov s. SIB. S. 222*. Der Gymnasiarchen in Thespiä geschieht 
als sehr pflichtgetreuer Männer von Plutarchos Erwähnung ‚Erot. 10 5. 
755" τῶν Θεσπιέων xal τῶν ξένων of μὲν ἐγέλων, οὗ δὲ ἠγανάκτουν 
καὶ τοὺς γυμνασιάρχους παρώξυνον" ἄρχουσι γὰρ ἰσχυρῶς τῶν ἐφήβων 
καὶ προσέχουσι τὸν νοῦν σφόδρα τοῖς ὑπ᾽ αὐτῶν πραττομένοις: dies 
gelegentlich der Entführung des schónen Bakchon durch die jugendliche 
Witwe Ismenodora, etwa um die Mitte des ersten Jahrhunderts nach 
Christus. Die Ergänzung Z. 3 a. A. macht natürlich keinen Anspruch auf 
Sicherheit; s. über das Fest Hermann gott. Alt. $ 63, 4 S. 440. SIB. Nr. 
XXIX 5 S. 115 ἀγωνοθϑετήσαντα Καισαρήων 'Eootiólov Ῥωμαίων. Ζυ 
. αἷς s. CIG. 251, 3 — Eph. arch. Nr. 3214 S. 1660 γυμ]νασιαρχήσας Ke- 
κροπίδι φυλῇ [εἰς Πα]ναθήνοια. wo Böckh Bd. | S. 868" aus Lysias 
ἀπολ. δωροῦ. e 699, 7 (XXI 3) ἐγυμνασιάρχουν εἰς Προμήϑεια anführt ; 
s. auch Schömann zu Isäos S. 308. Möglich war überdies τοῖς Ἔρωτι- 
öelosg, Bhang. Nr. 999, 2 Bd. II S. 715 — Eph. arch. Nr. 776 S. 491 γυμ- 
νασιαρχοῦντος Anvaloıg. Ingleichen ist ebd. ἀρετῆς unsicher; denn wenn 


514 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


auch sonst die ἀρετή der Gymnasiarchen belobt wird (einige Beispiele s. 
SIB. S. VIII), so konnten doch auch andere Pràdicate wie μεγαλοψυχία, 
μεγαλοπρέπεια u. dgl. Platz haben. Ebd. habe ich das N a. E. ergänzt; 
jedoch ist Evexe wenigstens nicht unerhört, s. auszer dem was schon in 
Passews Handwört. II S. 929* beigehracht ist, CIG. 1347, 6 Bd. 1 S. 658; 
1404, 3 S. 674; 6581, 6 Bd. III S. 989, Aristänetos I 2 8.252 Boiss., sivexe 
CIG. 6553, 5 S. 980. 

In den Ueberbleibseln Z. 4 hat man vielleicht-den Namen des Künst- 
lers, der die Statue gefertigt hatte, Εὐτ] υχί [dng oder ähnlich, zu suchen. 


XIII 
In der Nähe auf einem Steine, welcher einst in die Mauer der jetzt 
verfallenen Kirche eingefügt war: 
AAYKIAZAANC (Τ]λαυκίας Aav|öuov. 
Der zweite Name ist, wenn treffend ergänzt, mit “αονόμη (s- Pape) zu- 
sammenzustellen. Wegen des böotischen λα- für λαο- vgl. SIB. S. 220° 
“Μαδάμας, “ακράτειος, “ακράτης, “ασϑένης und Ahrens dial. Dor. 
S. 522 oben. 
XIV 
Nicht weit davon, an einer Quelle welche Schillbach mit einem ver- 
mutlich türkischen Namen Istessin barbagá bezeichnen hörte: 
AFIOEIEXYPOE Ἅγιος ἰσχυρός, 
Werte mit denen nach des Entdeckers Bemerkung noch jetzt der feier- 
liche Gesang bei der katholischen Messe am Freitag vor Ostern beginnt. 
Inschriftlich haben sich vier Wiederholungen des Hymnos in vollerer Fas- 
sung (τὸ τρισάγιον oder ὁ τρισάγιος ὕμνος, du Cange Gloss. S. 1608, 
aus der Zeit Theodosios des jüngern) erhalten: 1) zu Karyanda CIG. 8916 
Bd. IV S. 392: 
äyıng ὦ ϑεώς, ἅγιως, [ἢ- 
σχυρός, äyıns, ἀϑάνατος" 
ἐλέησον ἡμᾶς. 
3) auf Andros, ebd. 8917: 
Sanctus deus, sanctus fortis, sanctus immortalis, miserere nos. 
“Ἅγιος ϑεός, ἅγιος ἰσχυρός, ἅγιος ἀθάνατος ἐλέησον ἡμᾶς. 
3) zu Antiocheia am Orontes , „ebd. 8918: 
"Ayıos ὁ ϑεϊός), ἅγιος, 
ἰσχυρός, ἅγιος. 
ἀϑάνατος,, ὁ „or|av- 
φωϑ]εὶς δι᾿ ἡμᾶς" 
ἐλέησον ἡμᾶς" 
4) auf einer Scherbe aus Aegypten, ‚ebd: 9060, 6 S. 424: 
ἅγιος ὁ ϑεός, ὃ ἀνυμνῖ τὰ χερουβὶν καὶ προσχυνοῦσ- 
[ev of ἄγγελ]οι" ἅγιος ἰσχυρός], ὃ ἐνδοξάσσοι ὁ χορὸς τὸν Bea 
ἀγγέλοϊν" 
[ἄγιος, ἀϑάν]ατος, ὁ [Z]v φίωνῇ! τὸν ἀλόγον γνορισϑείς" Uber ion 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 515 


XV 


In der Apsis der Kirche des I. Demetrios zu Erimokastro d. i. 
Thespià (Schillbach de Thespiarum situ ac finibus, Neuruppin 1856, S. 9. 
Vischer Erinn. S. 553 ff.): 

MEWENNOIWOZ Metv£&|9 ]o:vogc. 
Dies ist ohne Zweifel derselbe Grabstein, welcher SIB. Nr. LIIÍ[* S. 165 
nach Ross und Rhangabis herausgegeben, auch seitdem von Pittakis Eph. . 
arch. Nr. 2429 S. 1212 und von Lebas Nr. 426 S. 90 wiederholt worden 
ist. Die Pünktcheu in den beiden O bezeugt Pittakis ausdrücklich, s. 
oben zu Nr. 1. Zum Namen vgl. unten XX 3 Εὔϑοινος und den Parasiten 
Τρεχέδειπνος bei Alkiphron ΠῚ 4. 


XVI 
In einem Hause des Dorfes Kaskaveli (Vischer Erinn. S. 553): 
$IAOZENO&£ Φιλόξενος. 
Einen Thespier gleiches Namens s. SIB. LXII* S. 173, andere Bóoter 
ebd. S. 230* und S. IX; Rhang. Nr. 1805 S. 897 Agpgodeloıog Φιλοξένου 
Θηβαῖος. 
XVII 
Im östlichen Winkel des Hauses des Papas zu Erimokastro (Thespiä): 
EYETHPI£ Εὐετηρίς. 


Der Stein ist zufolge der Form des Sigma wol älter als dasz an einen 
Mann Εὐετῆρις d. i. Evernguog zu denken wäre. Vgl. sverngle, τριέτη- 
ρος, Εὐετηρίς; Σωτήρ Σωτηρίς; προστατήριος, Προστάτηρος 518. Nr. 
XV* III 5 S. VII, Προστατηρές ebd. S. 226^, Lobeck path. prol. S. 464, 50. 
Der Name fehlt in den Wörterbüchern. 


XVII 
Neben der Thür desselben Hauses : 
KAANIETAPETIE Καλλισταρετίς. 


Auch dieser schóne Frauenname ist sonst nicht bekannt. Wegen der 
Analogie vgl. Φιλήρατος Ross inscr. Gr. ined. II Nr. 317", 1 S. 87 und 
Φιληρατίς, Κλεόφαντος und KAsogavríg, Πολύαρχος und Πολυαρχίς 
u. dgl., Lobeck path. prol. S. 510. Aber viel häufiger sind die Formen 
auf -αρέτη, wie Κλεαρέτη (Kisaperog), Νικαρέτη ((Νεκαρετος), Κλεινα- 
ρέτη, “Μνησαρέτη, Νικησαρέτη, Σωσαρέτα (Pape), und um eine neue 
anzuführen: Καλλισταρέτη Θράσωνος Χολαργέως Rhang. Nr. 1286 I 16 
Bd. Il S. 814.5) 


XIX] 
In demselben Hause auf einem Steine der westlichen Mauer: 
EO.... 2.22 22 00 0. 20.0 
„AL... 2... . .. OAQPOI 


4Ol£........ 0... TONYIONKHTON 


516 K. Keil: zur Sylloge inseriptionum Boeoticarum. 


«NTIXOE .. . ...... ΟΗ... 

5 ANHPEMBAZINTOHPAKAEIQETOIAID .- 
ENTOIAAMATPOIMEINIEZZETRENIAYTAI 
ONAYOINDZTINATKAAPXOKIMAAAEIK 
KHT2MMIPOZETATANNOBEAONYNEPEK 
BPAXMANHAERAPBETTPOF TNENIPOZTA 

10 ///XPEIEA£KAOIZ TAEIEZZM///OXA€ EMBAZIA 
AUNTAENTOAEYKQMAEZ 7; Y V/JAPXAEOEZ 
BAANEITANEMBAEINENTRITEFPAMMENDI 
TANEMBAEINKHAYTONKHTRENPOZTATAZ 
KAMONEYPEHOM... -...BANTAENTO 

15 FA£E9EIMIOAIOIAEI. TANAEI...IEONOITON 
AEIBOIQTQONOEPEMENEIET///HMONOEI/IIO. . . .. 
MNOYEMOTTANAPXAN . . 
FEFPAMMENAAEMBA£I£ . . . . 

»ONAPX 222.2 n n n 

Am Anfange stand vielleicht die Formel @Jeös [τύχαν ἀγαθάν, wie CIG. 
1564, 1 Bd. 15.736 Θίος τούχαν ἀγαϑάν- doch ist diese Mutmaszung 
schon deshalb unsicher, weil eher ϑιός als 0g zu erwarten war. 2.2: 
᾿Ασαπ]οδώρω, Ἰσμεινοδώρω, Καφισοδώρω, Ποταμοδώρω oder ähnlich. 
7. 8 τὸν υἱὸν κὴ τὸν —, wegen der Copula s. Ahrens dial. Aeol. S. 188 
und Z. 8.13. 7.4 Meid]vryos, SIB. S. 321*, Grabstein in Alalkomenà 
Eph. arch. Nr. 2403 S. 1205 — Rhang. Nr. 1261, 1 S. 939. 

2. 5 dvi! ἔμβασιν τῷ Ἡρακλεῖ [οἷς τῶ με]... 

» ἢ ἐν τοῖ Zapexo|fJor μεινὲ En ἰκἸάστω ἐνιαυτῶ.. 











» ς δυοῖν ὥστινάς χα wa 

M H = τῶμ προσστατάων ὀβελὸν ὑπὲρ ἑκίάστω... 

» 9 δὀ]ραχμὰν ἢ δέκα... πρὸς - προστάτας .. 

»10 ss καϑιστᾷ & ...... ἐμβώσι καΐς «- «Ὁ 

ὙΠ οὡς ἐν τὸ λεύκωμα ἐϊγγφάγψι [&] ἀρχὰ ἐφ᾽ Syn: . 
»12 βάλλει τὰν ἔμβασιν" ἐν τῷ deae: 

„13 τὰν ἔμβασιν κὴ αὐτὸν κὴ besos 






peor rH ἐμ a dud τὸ πος D 
$15 jd) tfjuoMos rers i : 
16 ... Βοιωτῶν φερέμεν à EN. πόλιος. 

“0 11 οὐκ ῖς ποττὰν ἀρχᾶν... 


» 18 γεγραμμένα δ᾽ ἔμβασις. 

„19 τ]ὸν ἄρχίοντα 

So weit ich den Inhalt dieses auch im dialektischer Beziehung sehr 
beachtenswerthen Documents zu errathen vermag, handelt es sich um den 
Zutritt (ἔμ βασις) in das Heiligtum des Herakles, welcher einem Privat- 
mann nur in Gegenwart der Vorsteher im Monat Damatrios jedes Jahres 
gestattet war. Doch über den eigentlichen Zweck dieses Zutrittes wie 
über die Bedingungen, unter denen er erlaubt und ein bestimmtes Geld 
eingezahlt wurde, weisz ich nichts befriedigendes anzugeben. Dasz in 
Griechenland manche Tempel in der Regel verschlossen und auszer an 





K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 517 


bestimmten Festen unzugänglich waren, ist hinlänglich bekannt: Her- 
mann gott. Alt. S 19, 13 S. 104. Schömann gr. Alt. IL S. 183. Eine Art 
Analogie zu dem Inhalt der vorliegenden Inschrift bietet möglicherweise 
auch der Titel von Halikarnasos , in dem angeordnet wird, dasz einen 
von der Priesterin der ἴάρτεμις Περγαία anzulegenden ϑησαυρός die 
ἐξετασταί jährlich Einmal öffnen sollen, CIG. 2656, 29 Bd. II S. 453. ἡ, 

Z. 5. Paus. IX 27, 5 (6) καὶ Ἡρακλέους Θεσπιεῦσίν ἐστιν ἱερόν᾽ 
ξερᾶται δὲ αὐτοῦ παρϑένος; ἔστ᾽ av ἐπιλάβῃ τὸ χρεὼν αὐτήν, worauf 
eine auf die Thestiaden zurückgehende Erklärung dieser Sitte folgt. Noch 
einen andern besondern Bezug, den llerakles zu Thespiä hatte, ersehen 
wir aus Diod. IV 29 τῶν πεντήκοντα παίδων. - κατέμειναν. . ἑπτὰ ἐν 
Θεσπιαῖς, ous ὀνομάξουσι δημούχους, ὧν καὶ τοὺς ἀπογόνους ἡγήσα- 
σϑαί φασι τῆς πόλεως μέχρε τῶν νεωτέρων καιρῶν. vgl. Hermann gr. 
Staatsalt. $ 180, 11 S. 538. Welcker gr. Gótt. II δ. 767. Heiligtümer und 
Feste des llerakles werden, um anderer bóotischer Culte zu geschwei- 
gen '?), auch in den thespischen Städten Thisbe und Tipha erwähnt: Paus. 
IX 32,2 Ἡρακλέους δὲ ἱερὸν καὶ ἄγαλμα ὀρϑὸν ἐνταῦϑα ἐστι λίϑου 
καὶ Ἡράκλεια ὃ ἑορτὴν ἄγουσι, ebd. 3 Ἡράκλειόν τε Τιφαιεῦσίν ἐστε καὶ 
ἑορτὴν ἄγουσιν ἐπέτειον. Inschrift von Kakosi (Thisbe) bei v. Velsen in 
Gerhards arch. Anz. 1856 Nr. 96 S. 283* Nr. 1 (Eph. arch. Nr. 3062 S. 
1476) 2. 3 ἀνέϑηκεν τὴν στοὰν καὶ τὴν εἴσοδον καὶ τὰς ϑύρας “Ἑρμῇ, 
Ἡρακλεῖ καὶ τῇ πόλει. Nach der Analogie von pei Z. 6 war freilich 
Eigaxleis zu erwarten, wie Efgoóorog und Εἰρῴδας SIB. S. 212^; vgl. 
indes Ahrens dial. Aeol. S. 185 und Prellers Inschrift aus Chàároneia in 
den Ber. d. k. sächs. Ges. d. Wiss. 1854 S. 200, wo auch Z. 6 Ἡρακλείδαν 
neben ἀνέϑεικε Z.5 steht. Doch den Genetiv ἩΗρακλείως weisz ich nicht 
zu vertheidigen ; daher habe ich die der sonst üblichen Weise entspre- 
chende Form Ἡρακλεῖος hergestellt, Ahrens S. 202. 

2.6: die Ergänzung des Monatnamens war notwendig, Hermann 
griech. Monatskunde S. 53. In Betreff des or in τοῖ Ζ“αματρίοι und Z. 15 
εἰμιολίοε s. Ahrens S. 194 und unten zu Nr. XXL μειενέ: so μεινὸς 
Giov (1) in Prellers Inschr. aus Chäroneia a. 0. S. 200, während die an- 
deren dortigen Titel auf demselben Steine μηνὸς Ὁμολωίω (neben ᾿4ρι- 
στοκλεῖς und ἀνέϑεικε) 8. 199. und μηνὸς Ὁμολωίου S. „198, und μηνὸς 
ἹἹπποδρομίου S.199 bieten. Ζ. 7 ὥστινας böotisch für ovorıvag, Ahrens 
S. 301. Ebd. ist, wenn nicht das vorgeschlagene Compositum, doch δο- 
κεμαδδει d. i. δοκιμάξῃ sicher, Ahrens S. 175 u. 209. Es liegt nahe da- 
bei an die Prüfung zweier Opferthiere zu denken, dergleichen dem llera- 
kles manigfache dargebracht wurden, vgl. Jacobi Handwört. d. griech. u. 
röm. Myth. S. 430. Rhang. Nr. 821, 14 (CIG. 2360 Bd. II S. 387. Lebas 
Nr. 1775 S. 398) δοκιμάξειν δὲ τὰ [socia τοὺς προβούλους καὶ τὸν ra- 
μίαν καὶ τὸγ κήρυκα, 1688, 14. 15 Bd. I S. 807 (Ahrens dial. Dor. S. 484). 
ἑερεῖα δόκιμα Paus. IX 19, 5 (7). Ζ. 8.9. 18: die προσ] σ]τάται. sind vermut- 
lich die über das ἑαρόν gesetzteu: Titel von Gytheion in m. “zwei Inschr. 
aus Sparta u. Gytheion? S. 23 Z. 29 (bei Lebas Nr. 243 S. 49 f. .) καὶ ἔχειν 
αὐτοὺς τὰν ἐξουσίαν τοῦ τε ἱεροῦ καὶ τοῦ ϑεοῦ καὶ τῶν ἀπὸ τοῦ ἱεροῦ 
πάντων, προστασίαν ποιουμένους καὶ ἐπιμέλειαν καθὼς ἂν αὐτοὶ 


518 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


προ[αι]ρῶνται. Hierher gehört auch der προστάτης in der ‚gelphischen 
Urkunde bei Rhangabis Nr. 905, 24 ᾿μάρτυροί] of ἱερεῖς τοῦ ᾿Απόλλωνος 
᾿Ανδρόνικος. Πραξίας καὶ ὃ νεωκόρος Meng καὶ ὃ προστάτης “ρομο-. 
κλεῖδας᾽ ἰδιώται ᾿Αρχέλαος xxÀ. (bei Curtius auecd, Delph. Nr. VILS.58 ist. 
7.24 ganz ausgefallen). Der Herausgeber bemerkt S. 467: “il est probable 
que le prostate soit ici celui des prétres qui avait en particulier le ministàre 
de la priére orale, en opposition peut-étre à ϑύτης le sacrificateur", was 
freilich nicht sehr glaublich ist und durch προστάτης ϑεοῦ d. i. ἱκέτης 
ϑεοῦ Soph. Oed. Kol. 1278 u. 1171 nicht erwiesen wird. Ferner sind 
anzuführen die ἱεράρχαι des Amphiareion bei Oropos, den attischen £mz- 
στάται τοῦ ven vergleichbar, CIG. 1570* und Bückh S, 731”. 751%, 
Mermann gott. Alt. $ 11, 10 S. 55. und die von Stark S. 504 nachge- 
tragenen attischen isoággaa Rhangabis Nr. 454, 5 Bd. Il S. 148. Die 
Ungleichheit in der Schreibung προσστατάων Z. 8 und προστάτας Z. 9. 
13 darf nicht auffallen. Dasz aber σστ für or, 66x für gx, und, wenn 
auch etwas minder häufig, 00%, oo, Góp, 60% neben G9, dm, ou, Gy 
durch die Dialekte bis in die späten Zeiten des vulgiren Griechisch gar 
oft auf Inschriftsteinen gefunden werden, ist heutzutage bekannt ge- 
nug; s. Mommsen unterit. Dial. S. 5. m. anal. epigr. et onom. S. 151, 3. 
Ahrens dial. Dor. S, 100. 557. Ross alte lokrische Inschrift S. 46 und, 
um nur bei dem in Rede stehenden Stamme zu bleiben, Ross inscr. 
Gr. ined. 18. 32 Nr. 74^, 7 προισστάσϑω in Steiris (ebi.74*, 6 τοῦ προ- 
στάτα):; ebd. S. 35 Nr. Bl, 17 τοῦ προσστάντος in Daulia (2. 12 mgoi- 
στασϑαι, Z. 15 τῷ προστάντη; Ussing inser. Gr. ined. S. 3 Nr. 2, 33 
= Lebas Nr. 1179 S, 278 — Hhangabis Nr. 692 S. 275 in Melitàa οἵ 
προσστάται. 

2. 11 ἐν τὸ λεύκωμα ἐγγράψι: CIG. 2360, „40 Bi. II S. 287 (Rhang. 
Nr. 821 S. 459. Lebas Nr. Nr. 1775 S. 398) ἀναγράφειν. εἰς λεύκωμα τοὺς 
ἀεὶ νικῶντας τὸγ γραμματέα. 6819, 39 Bd. IV S. 2 τοὺς μὲν χρυσοῦς 
στεφράνους εἰς λεύκωμα καταχωρίσαι, τὸ δὲ δύγμα τόδε ἀναγράψαι εἰς 
στήλην λιϑίνην. Eph. arch. Nr. 9581, 49 S. 1272 — Rhang. Nr. 785 S. 
399 λευκώματος ταῖς [c] υγγφόφοις Μενεκράτει (denn so haben Rhangabis 
und Bursian richtig für ὑγγρόφοις hergestellt, rhein. Mus. XI S. 838}. 
Franz el. epigr. Gr. S. 313 Anm. Meier und Schömann att. Proc. S. 605, 
20. Wachsmuth hell. Alt. Il S. 262, 29. Bóckh Staatsh. d. Ath. 1 S. 152. 
ἐν ist böotisch für εἰς, Ahrens dial. Aeol. S. 213 Z. 14. Z. 16 ἐφ᾽ εἴμιο- 
Moi: ἡμιόλιον ὀφλέτω Ross alte lokr. Inschr. 8.1715, Titel aus aan 
bei Lebas Nr. 416 S. 139 Z. 14 ἐὰν δὲ μὴ διορϑώσηται an eer ee 
φόρον καϑότι γέγραπται, δότω ἡμιόλιον" ἐὰν δέ τις c] μὴ ἀπο- 
δῷ, ἀποτεισάτω τὸν τε φόρον τῶν δύο ἐτῶν ἡμιόλιον κελ. 2. 16 φερέ- 
gev, falls dies wirklich echt ist, verdient Beachtung; bisher war nur 
κριδδέμεν d. i. κρίξειν — γελῶν als böotisch ermittelt, Ahrens S. 175. 
210. M. Schmidt Hesych. Bd. II S. 535. 


XX 
Ebendaselbst auf einem andern Steine, mit kleinen Buchstaben ein- 
gegraben: 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 919 


OYOI-4AAMEHOZ-IE 
DOYOIQNAAMEHOZ-IEPP-SS-IIYOZAI 
EYOOINOZOEOAOT Q-[ESSSS-EC T YOZNM 
TIMOAAMOZE Y OINQ-[ESD-EC T YOXMENN 

5  TANAM'EAONPETKIAL ΦΙΛΟΓΙΤΟΝΟΣ -PP-$ 
PIXKHAEKATAZE£O-AMTOFEZ-MNAZINNPYA 
ONATOPIAAZONAT OPIAAO-I[EP-P-EF T YOXk 
OEIPAPXOZ-KANAO-[EP-5 S-EL T YOXNIKEA 

EIPAPXOX-KANAO-»-P-SS-EL l'YOXEYAA 

10 PAPXOZ-KANAO-TEB->S-EFTYOZNEIKEI 
PXOZ-KANAO-TEB-ETTYOZEYAAM 
AIAY-#IAQNIAAZI 
OO 
Ir]ove[/ov] Δαμέηος v............ 
Πουϑίων 4ap£gog οβ΄. [ἔγγ)υος Αι... ... 
Εὔϑοινος Θεοδότω v &yyvos N....... 
Τιμόδαμος Evolvo να΄ καὶ ἡμίδραχμον᾽ ἔγγονος Mevv[ldag 
5 τὰν ἄμπελον Ῥεγκία[ς) Φιλογίτονος κα΄ - [τ 
οιςκηδεκάτας ---- --. Mvoolov Φυλ[δαο 
Ὀρνατορίδας Ὀνατορίδαο ο΄: ἔγγνος Κα. 
Θείραρχος Kavao EB - ἔγγυος Νικέας «.. 
ΘἸείραρχος Κάναο κβ'" Eyyvos Εὖ e[nog . . 


10 Θεΐραρχος Kavao οα΄ Eyyvos Νεικέϊας ..... 
ΘείραἼρχος Κάναο E ἔγγυος Εὔδαμ[ος ..... 
eere m9 rs Φιλωνίδας ...... 


Wahrscheinlich eine officiell angefertigte Liste von Individuen, welche 
Grundstücke (r&v ἄμπελον Z. 5), etwa vom Tempel des Herakles (Her- 
mann gott. Alt. $ 20, 6 S. 107. Privatalt. $ 66, 6 S. 315) in Pachıt ge- 
nommen hatten, mit Angabe ihrer Bürgen (ἐγγνοι); dergleichen auch bei 
den Pächtern von Staatsgefällen erforderlich war"): Meier und Schömann 
att. Proc. S. 516, 26. van Lelyveld de infamia iure Att. S. 196. 199. 
Böckh Staatsh. d. Ath. IS. 517 Anm. b. Hermann Privatalt. $ 67, 3 S. 319. 
CIG. 82, 20 Bd. 1 S. 121 M) ὃς a[v πείϑ]ῃ τοὺς δανείζοντας Lea 
[xoci Junperı ἢ ἐγγυητῇ. 103, 5 S. 141 τοὺς ἐντὸς A ὄραχμί ὧ]ν (με- 
σϑωσαμένους καθιστάναι) ἐγγυ[ς[η]τ[ἡν] ἀποδιδόμενον τὰ ἑαυτοῦ τῆς 
μισϑώσεως. Rhangabis N 56 A 48 μισϑωτής. 48 ἐγγυητής Bd. LS. 47. 
Nr. 57 B 16. 19 S. 52. Rechnungsurkunde von Mykonos bei Lebas Nr. 
2092 B 46 S. 468 ᾿Εμπεδοκλῆς ᾿Εμπεδοκλέους ὀφείλει καὶ ὁ ἔγγυος 
᾿Αναξος ᾿Ἵπημάντου τὴν ἔγδειαν τῆς οἰκίας τῆς Σωσιλείας ΔΔΔΔ. 
“ημήτριος καὶ ὁ ἔνγυος Δημέας ᾿Επικλέους ὀφείλει τὴν ἔγδειαν τῆς 
οἰκίας ΔΔΔΙ, vgl. ebd. A 39. 44. 45 S. 467. Bergk tit. Arcad. S. X 2. 38 
ἔστω δὲ καὶ τωνὶ τῶ ἐπιξαμίω 6 αὐτὸς ἴγγυος, ὅπερ καὶ τῶ ἔργω ἧς» 
dv ἔστεισιν. 

Col. 1 2. 1 u. 2 Πουϑίων: Πυϑίων, wie Πουϑίας, Πουϑόδωρος 
u. a, SIB. S. 226“. Ebd. vertritt Ζαμέηος d. i. Δαμέαιος den Genetiv 


Jebrb. f. class. Philol, Suppl. Bd. IV Hfi. 4. 34 


520 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Beeoticarum. 

des Vaternamens Ζαμέαο, über welche Art posséssiver Adjecliva, vor- 
nehmlich bei Thessalern und Böotern, zu den ínscr. Thessal. tres (Naum- 
burg 1857) S. 5 mehr von mir bemerkt ist. Z. 8 Εὔϑοινος: s. Pape 
(Meier comm. epigr. Nr. 65, 3 S. 65) und Εὐθοίνα 818. Nr. LVIII' S. 169 
(Eph. arch. Nr. 2366 S. 1202. Rhang. Nr. 2180 S. 929).") Uebrigens sind 
Namen wie die eben erwähnten und Mev&dowög (oben Nr. XV) für die 
gern schmausenden und materiellem Lebensgenusz ergebenen Böoter 
ganz charakteristisch: Böttiger kl. Schr. I S. 38. SIB. S. 143. Wachsmuth 
hell. Alt. 1 S, 129, 38. Becker Charikles 1? S. 180. Ehd. Θεοδότω: SIB. 
S.215". Z.4 dringt sich die Vermutung auf, es sei Εὐϊϑ]οίνω her- 
zustellen, doch wird eine besonnene Kritik nicht ändern. Eüorwvog ist 
übrigens ein neuer Name, welcher im weinreichen Böolien sich füglich 
behauptet; vgl. die Εὐποσία in Thisbe, SIB. Nr. LIX® S. 170 — Lebas 
Nr. 387 S. 83.") Ebd. habe ich Μεννίδας nach CIG. 1593, 9 ᾿“ρίστωνος 
Mevulduo Θεσπιεῖος licher als ἽΜεννέας ") vorschlagen mögen, s. 818. 
S. 102. Z. 5 τὼν ἄμπελον: vom hügeligeu Rebgelände noch jetzt unweit 
Erimokastro spricht Vischer Erinn. S. 554. Dasz der Weinbau in Böotien, 
dem Lande des Διόνυσος Ἐὐστάφυλος SIB. Nr. XVI 1 S. 79, uralt war 
(πολυστάφυλος "Agvi V. B 507) und an vielen Stellen trefflichen Ertrag 
gewährte, ist bekannt, s. Kruse Hellas Il 1 S. 507 ff. und Fragen über 
mehrere für d. höh. Alt. wichtige Verhältn. im heut. Griech. S. 112. Gä- 
dechens Glaukos der Meergott S. 31, 2. Auf thebiischen Münzen befindet 
sich eine Traube (v. Prokesch Ined. m. Samml. auton. altgr. Münzen S.24); 
dasz in Chäroneia sein Vater Wein zog, erzählt Plutarchos quaest. conv. 
ΠῚ 7, 3. Vom Abhauen der Weinstöcke um das Φήλισν berichtet Thuk. 
IV 90. Ebd. ist Ῥεγκέας "der Schharcher? stelien geblieben, weil ich eine 
sichere Besserung nicht beirubringen weisz. "Oder wäre [F}elo}x/a[s zu 
schreiben? Auch die Abkürzungen 7. 6 E4O-APOFEE sind mir rath- 
selhaft. In dem zweiten Worte scheint ein Digamma zu stecken: ἀπὸ 
fec[mipag? Ebd. Mvaolav: SIB. S. 322" Φυλίδαο d. i. Φολείδου: IIe- 
ϑάγγελος ὁ Φυλείδου cin Böotarch Thuk. 1I 2, doch schwankt die Lesart. 
Der Schreiber der Polemarchen zu Theben bei Xenophon Hell. V 4, 2 heiszt 
in der Dindorfschen Ausgabe S. 366 Φυλλίδας. M 818. 8. 8'*) und 
S. 229°. 2.7 Ὀνατορίδας: Thuk. Il 3 Διέμπορος ὁ Ὀνητορίδου, ein 
Böotarch. 2. 8 ff. liefern für die Würterbücher die neuen Namen Θεί- 
φαρχος d. i. Θήραρχος und Κάνας. Beiden werden wir unten Nr. XXXIR 
wieder begegnen. Zu Col. IL 8 u. 10 s. CIG. 1542, 8 Bd. 1:8. 711 Νικέας 
Κοροινάδου Θεσπιεύς. *) Z. 9 u. 11 Εὔδαμος:: SIB. 8, 318^. Eph. arch. 
Nr. 3453, 21 8& 1805 Εὔδημος Φιλούργου Πλαταιεύς. 2:13 Φιλωνίδας: 
818. S. 230**. 

Von den Zahlzeichen bedeutet [E offanbar πεννήκοννα oder, wie 
hier nach der Analogie von Θεέραρχος zu sprechen ist, sevre(sovra; > 
ist δέκα, 5 die Einheit, & Col. Π 4 ein Halbes. Vermutlich hat man 
Drachmen anzunehmen, nicht Obolen. Ueber andere bóotische Zahlzeichen 
in CIG. 1569 s.-Böckh S. 744^ und über den béotisthen Münzfusz den- 
selben in den metrol. Unters. S. 98. v. Prokesch Ined. 8. 28. 


X. Keil: sur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 921 


XXI 


Ostwärts vors Hause des Papas (Lemma Nr. XVII) steht ein anderes 
deines Haus, dessen Mauer folgender Titel eingefügt ist : 


oO E oo & 
TYXAAl AOATIA£IBOIQ \PX 
YOZEYTYXO£KAAAIKPATEOt 

NETIEAEYOEPOQ&AT IANON 

5 ΜΟΝΑΠΕΙΣΙΠΠΟΝΣΕΛΕΥΚΟΝΕΥΡ. 
\WNIOYKATIANEYPANEIMENAE 
ToI£DANEAEY OEPIAN('APAI ! 
ΝΑΝΤΕΣΙΕΥΝΟΩΣΑΝΕΚΛΕΙΤΟ 
FINONENOIEEYTYXOYA ?IEIAX 

10 EL:AENKATAOEIEYTYXOZTANI 
INTIOETAIOYTATALRAN 
ENANTIATRATKAATINTAPA 
—PITIMONZAMIXRKHEZAMIXON 

IKAAAIKPAT HNET'UTIMeo0Y 

15 2 EPPO£TATEIMENAY TONKH 
MEAE£eAIQP'O£BEBEIAEIHAY 
I£ZAEAEYeEPIAKAOAEY TY XOtAT 
IOEIENT ONADANTAXPONONET! 
AEKATEAEYTAZEIEYTYXozAN 

20 <APYZATDENITRMNAMATOZ 

- EPITIMOEKH£AMIXO£KHKAAAI 
KPATH£EAEYeEPAOENATA£2 

ATAAOIENTAEY TY XONKAT 
AN£TAAANTANENAZKAAT[ 

25 ^CIFI£ToPE£MNAE£ICENE£eEAQ 
OEAQPO£MNA£ITENEO£ 
AAMATPIG£AAMOQNO£KAEIT 
AA££AMIXQ 


6 s 9o g, 
Τύχα. ἀγαϑά᾽ Πασιβύ[τ]ω [ἀ]ρχίον- 
zjo[g]) Evtvzec Kallıngarsog, 
agplleis]rs ἐλευϑέρως ᾿Αγίαν, Ὀυϊασι- 

5 μον, Alylelaınnov, Σέλευκον [Σ] ὕρίως 
κὴ B]ovsaríav Σύραν" εἶμεν δὲ [αὐ- 
τοῖς ne debel. 
νάντεσιε εὐνόως d iol ἐς 
γινο[μ]ένοες Evrögols &[xe]ic ir [ξώει. 

10 ἐΪπὶ] δέ [τό] κα πά ae moleene- 
τατ]ίϑεται. οὗτα τὰ Og ματα 
ἐναντία τῶ Aoxlanıc παρὰ 
δ gin Σαμέχω κ[ἢ] Zapıyov 
Καλλικφάτην ᾿Εσωτίμ[ω" τ]ουΐτως 
94" 


522 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


15 δ]ὲ προστατεῖμεν αὐτῶν κὴ [ἐπ- 
dista (res ae Ta] wöfe- 
ἴς ἁ ἐλευϑερία Εὔτυχος [δι- 
ἔϊϑει ἐν τὸν ἅπαντα hie ἐπὶ 
δέ κα τελευτάσει Εὔτυχος, &n[o- 

30  x]agv&éro ἐπὶ τῶ μνάματος 
᾿Ἐπίτιμος s Σάμιχος κὴ Καλλι- 
μάτην Hebtage ϑε[ῆνα[.] τὰ σώ- 
ματα ἀφιέντα, ον κατὰ 
τ]ὼν στάλαν τὰν ἐν Aoxhan| εεί- 

25 o] Floroges iil Θεδώϊρω, 
Θέδωρος Μνασιγι 
“Δαμάτριος Δάμωνος. λεών: 
dag Σαμίχω. 

Die erste Zeile ist mit grószeren Buchstaben geschrieben, was mit 
sonstigem Brauche stimmt, s. oben Nr. VII. VII. Ross inscr. Gr. ined, I 
Nr. 67. 73 usw. Ob der Steinmetz durchweg 026 für OQO eingegraben 
hat, läszt sich aus der Copie nicht deutlich ersehen. 

Die Urkunde selbst, welche aus dem zweiten Jahrhundert vor un- 
serer Zeitrechnung stammen kann, gehört zu der allmählich zahlreich 
gewordenen Classe von Actenstücken über Freilassungen von Sklaven 
unter Beteiligung einer Gottheit. Seitdem E. Curtius den früher schon 
bekannten, auch böotischen (CIG. 1608. 1609) Documenten dieser Art die 
vielen delphischen und phokischen wie mehrere thessalische in den anec- 
dota Delphica (Berlin 1843) mit ausführlichen Erläuterungen angereiht 
und darauf M. H. E. Meier sachkundig einzelne Punkte noch etwas ge- 
nauer bestimmt hat ('die Lehre von der Freilassung bei den Griechen* usw. 
in der allg. Litt. Ztg. 1843 Dec. Nr. 230 f., vgl. auch Rhangabis Nr. 903 IT. 
Ba. II S. 608), bedarf der Gegenstand jetzt keiner umständlichen Erórte- 
rung mehr. Für Böotien ist nach den Arbeiten der erwähnten Forscher 
eine erfreuliche Ergänzung durch die Inschriften aus Chäroneia hinzuge- 
kommen, welche Preller Ber. d. k. sáchs. Ges. d. Wiss. 1854 S. 195 If. 
mitgeteilt hat. Fast noch interessanter ist die in Rede stehende Inschrift. 
Zunächst gehört sie zwar nicht zu den Stücken, wo die Freilassung 
durch Weihung an einen Gott erfolgt (Meier a, 0. S. 606 u. 615. Hermann 
gott. Alt. $ 20, 15 S. 113), die Wirkung also eine eigentliche IHierodulie*") 
ist; allein die Gottheit wird, und das ist neu, in so weit zugezogen, als 
die Freigelassenen dem Schutze dreier Vorsteher in Gegenwart des As- 
klepios als des Zeugen und Mitwissers, offenbar im Tempel vor dem 
Bildnis, überantwortet werden Z. 10—12, vgl. Polybios VII 9, 2 ὅρκος ὃν 
ἔϑετο "lvavslov “Διός usw. Asklepios aber ist auch in Elateia (Curtius 
anecd. Delph. Nr. 39* ^* S. 74) und in Stiris (Ross inscr. Gr. ined. I 
Nr. 73. Nr. 74*") bei gleichen Verhandlungen interessiert, Sodann ver- 
dient es hier Beachtung, dasz die Verkündigung der Freiheit am Grabe 
des Freilassers erfolgen soll, Z. 19. Dasz diese Proclamation durch den 
Herold im Theater, vor einem Gerichtshofe oder in der Volksversammlung 
bisweilen stattgefunden hat, wusten wir auch vordem (Meier S. 610. 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 523 


Curtius S. 11 fT); allein von einem solchen Vorgang am Grabe scheint 
dies der erste Beleg zu sein, insofern auf die Freilassungsurkunde hei 
Heuzey le mont Olympe Nr. 14 S. 474 Z. 1 ONTHENOAEOETHBEE. 
EDIHPQOY schwerlich gebaut werden kann (ἐπὶ ἡρῴου). Jetzt würde 
vielleicht auch Meier (S. 611) die Zweifel schwinden lassen, welche er 
gegen die Nachricht bei Suidas (u. Κράτης und βωμός) hegte, der Ky- 
niker Krates habe, nachdem er sein Vermógen mit dem Rücken angesehen, 
von einem Altar herab (ἐπὶ βωμὸν ἀρϑείς) ausgerufen: Κράτης ἀπολύει 
τὰ Κράτητος oder Koarng ἀπολύει τὸν Κράτητα. Dies klinge viel zu 
fabelhaft, als dasz man daraus auch nur selbst auf eine Gewohnheit, auf 
ein Herkommen schlieszen dürfe. 

2. 1. 3 Θεός, Τύχα ἀγαθά: die Noininative finden sich ebenso auf 
dem Erze von Petilia CIG. 4, 1 Bd. I S. 10° Θεός, Τύχα (Franz el. ep. 
Gr. S. 318. Welcker gr. Gótt. II S. 802), am Anfange des Titels von Dreros 
auf Kreta Rhang. Nr. 2477 * 1 1 Bd. II S. 1028 


OEO£EITYXA Θεός, Τύχα. 
AF'AOAIT Y XAI ᾿4γαϑᾷὰ τύχα, 


und vor dem Verzeichnis der Priesterinnen der Hera und dem der Priester 
des Apollon zu Kyrene CIG. 5143, 1 u. 5144, 1 Bd. III S. 520 Θεός. Τύχα 
dyaO2.!) In der vorliegenden Inschrift würde der Dativ gewis das zu- 
geschriebene lota haben. 

Ebd. Πασιβότω: Χαιρέβοτος SIB. Nr. LI^ 1 S. 164, Titel von [4808 
bei Lebas Nr. 298, 7 S. 96 Διογένης .ANYBOTOY ΓἸανυβότου oder 
I1 Javvfiozov , attische Inschrift bei v, Prokesch Denkw. u. Erinn. aus dem 
Orient II S. 630: Φιλόβοτος Ξενωνίδου [Σ]φήττιο[ς. Minder wahr- 
scheinlich däucht Πασιβοίω, wie Evflotoc , s. Pape, Conze Reise auf d. 
Ins. d. thrak. Meeres Tf. VIII Z. 21 Εύβοιος Τηλεμάχου, Bursian mon. 
ann. et bull. 1854 S. XXXIII* Asovrıyog Εὐβοίου ᾿Ἐλαιούσιος. Der Ar- 
chon ist der von Thespiä. Z. 4 kann auch ἀφίητε gestanden haben. Die 
Phrase selbst ist die in den Testamenten gewóhnliche, Diog. Laert. V 15. 
55. 73.73. X 21. Ross inscr. Gr. ined. I Nr. 78, 5 S. 32. (10. 2144", 
6 —8 Bd. IL S. 1005. Heuzey le mont Olympe Nr. 4 S. 467 Z. 7. 17. 24. 
30. Nr. 11 S. 471 Z. 6. Hipponaz Fr. 79 Mein. ἀφέω τοῦτον τὸν ἑπτάδου- 
λον. 2.4.5 Ὀνάσιμον: einen Sklaven des Plutarchos mit Namen Ὀνή- 
Gipoc habe ich SIB. S. 224° angeführt. Die Bezeichnung erschien den 
Alten für den dienenden Stand besonders geeignet: CIG. 4380 k* 6 Bd. 1II 
S. 1168 in Balbura Ὀνήσιμος δημόσιος. Lebas Nr. 350, 8 S. 114 in Mylasa 
ἀκόλουθοι Ὀνήσιμος, Ἐλευσῖνος. Ueber den gleichnamigen Sklaven 
des Philemon, an den Paulus eben durch seinen entlaufenen Diener den 
kleinen Brief im neuen Testamente gerichtet hat, vgl. Winer bibl. Real- 
wört. 11 S. 176. Eine Freigelassene Ὀνησώ s. in der Urkunde von Hypata 
bei Lebas Nr. 1133, 10 S. 266. Auch die 'Ovacígogov, welche durch 
Kauf an den pythischen Apollon übergeht (Curtius an. Delph. Nr. 9, 5. 9. 
10 == Rhang. Nr. 903 Bd. Hf S. 608), und die gleichnamige dem Sarapis 
in Tithora verkaufte (Ulrichs rhein. Mus. Il [1843] S. 558 Nr. VI 7. 10. 14. 
19) gehören hieher, wie ingleichen vermutlich Ὀνήτωρ ὁ ἔδεος (CIG. 6707, 


521 K. Keik: zar Sylloge inscriptionum Boeoticwum: 


t Bá. ΗΙ S. 1015) zu Ronr ein Freigelassener ist.) Z. 5: ᾿“γήσιπεπος im 
dem spartanischen Titel bei Lebas inser. HI S. 129 Nr. 35, 11, wo 
Leake AFHZIMMIOY gibt (anal. epigr. et onom. S. 92) ; ““γησιππέα und 
᾿Αγησιππίδας s. bei Pape. Der ritterliche Name hat für dem sachkundigen 
bei einem Sklaven niebts auffalliges. Wegen des ec vgl. auch "Ayelsavdgoc. 
und "Aysısikuog SIB. S. 205*, wie "4yeıolvinog in der Soldatenrolle aus 
Orchomenos, Rhang. Nr. 1304, 42 S. 828, dessen Copie vollständiger ist 
als die von mir SIB. Nr. ll S. 3 und die von Lebas Nr. 626 S. 140 sm- 
grunde gelegte. Ebd. Σέλευκον Zugwg: in dem Umstand dasz ein. syri- 
rischer Sklav den Königsnamen seiner Heimat Lrögt mag man nicht etwa 
eine Ironie des Namengebers finden; es Regt darin vielmehr eim in 
alter nnd neuer Zeit hemerkbares Streben von Individuen niederen Stan- 
des, sich wenigstens durch den Eigennamen hervorzuheben und über die 
Dürftigkeit ihrer Verhältnisse zu trösten. So lebte zu Athen noch in dem 
Zeitalter des Demosthenes ein Schutzverwandter, nicht wie Pape annimmt 
ein Skambonide Dareios (Δαρεῖος ἐν Σκαμβωνιδῶν οἰκῶν Böckh See- 
urkunden Nr. XVI* 39 S. 549), und ein δανειστὴς Aagelog ist in der 
Hypothesis von Demosthenes Rede LVI L. I0 S. 898 Sauppe erwähnt, 
s. auch Dorville vdun. crit. S. 277 und die Inschrift aus Andriake im 
Lykien CIG. 4303, 1 Bd. ΠῚ S. 1144 τὸν τάφον κατεσκεύασε "Eg[u]ó- 
[Aje[oc υἱὸ]ς Φίλωνος [τ]οῦ Hafo)elov [τοῦ] Φίλωνος τοῦ Δαρείου. 
Derselben Gattung sind Kroisos CIG. 4380 n* 4 S. 1169 in Termessos 
bei Qenoanda Πολύκλειαν Κροίσου τρῆς; Senthes eg Arat. 5. 20) 
und Kotys CIG, 4705?, 1 8. 1190" Σεύθης Kfö]evog Agíxer[o, wo 
Franz 4814” S. 1213° anführt ἐγὼ ᾿Ῥοιμητάλκας εἶδον, dort jedoch 
nicht an die Möglichkeit zu denken brauchte, der Mann stamme aus dem 
königlichen Geschlechte von Thrakien oder vom Bosporos; Inaros 4796» 
8. mor "Ivagóc "Eo[u]f]o[v; Rhodogune 5724” S. 666 u. Add. 


S. 1251*: 

ὄνομα τὸ πρίν με πᾶς ἔκλῃξεν et 

νῦν δὲ Ῥοδογούνηί ν) βασιλίδος τοὐπώνυμον 
und Z. 1 τύμβον ὁρᾷο, παροδεῖτα, περικλειτῆς Ῥοδογούνης, deren Ge- 
mahl 7. 4 ᾿Αβιάνιος heiszt; Roxane Eph. arch. Nr. 3167 S. 1601 "Po- 
ξάνη Ζωπύρου "Alcifoc τιτϑή. Eine lange Reihe weiterer Beispiele hat 
aus lateinischen Inschriften Marini Atti de" fratr. Arv. S. 528 (f. gesammelt, 
s. Orelli 2783 Bd. 1 8. 488 u. Ὁ. Jahn spee. epigr. 8. 68. 

Dasz ferner Syrien besonders seit den Diadochenzeiten für Aegyp- 
ten, Griechenland und Rom zahlreiche Sklaven lieferte, welche oft auch 
kurzweg Σύρος und Zuge genannt wurden, wie die französischen Be- 
dienten Champagne, La Brie usw. (Boissonade zu Aristän. S. 666), ist zwar 
hinlänglich bekannt, und es hätte Creuzer zur róm. Gesch, u. Alt. 8. 10 
nicht blosz Καρίων, Audos, Dove, Τίβιος, doi") und Γέται anführen 
sollen; weil jedoch die inschrifiliehen Zeugnisse meines Wissens noch 
nirgends zusammengestellt sind, so sei ihnen hier Raum gegeben: 1) Le- 
tronne récompense promise à qui découvrira ou ramönera deux esclaves 
echappés d’Alexandrie (Paris 1833) S. 8 Z, 4 πωῖς d ὄνομα Ἕρμων, dc 
xal Νεῖλος καλεῖται, τὸ γένος Σύρος ἀπὸ Βαμβύκης,, ein Steckbrief auf 








K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 520 


Papyrus aus dem J. 146 vor Chr. (Hermann zu Beckers Char. I S. 343). 
2) Curtius anecd. Delph. Nr. 17, 4 — Rhang. Nr. 911 Νουμήνιος τὸ γέ- 
vog Σύρος. 3) Ebd. Nr. 48,4 — Rhang. Nr. 914 Θεοδόσιος τὸ γ. Σ. 
4) Ebd. Nr. 35, 10 —og τὸ y. X. 5) Rhang. Nr. 910, 3 S. 614 ᾿“σκλαπιά- 
dag τὸ y. 2. 6) Eph. arch. Nr. 3056 S. 1474 zu Paläopanagia in Böotien 
Σύρος ἐστός; d. i. dialektisch χρηστός. Ὁ 7) Rhang. Nr. 1271 1l 16 
S. 806 Σύρος "pv[v]t[ov, wo die ganze Columne hóchst wahrscheinlich 
lauter Sklavennamen ^) enthält: Φιλόστρατος, Φοῖνιξ, Γέτας, ᾿Δσσύριος, 
Γέτας, Εὔτυχος, Δάμων, Σωκράτης, ᾿Αρχέφιλος, Παυσανίας, Τριβαλ- 
Aog, Γῆρυς, ἩΗφαιστόδωρος, Ὑπέρανϑος, Kaplov, Τεύπρος. und zwar 
so dasz die beigefügten Genetive: Φοῖνιξ Alskinnov, Γέτας Alebinmov 
usw. nicht den Vater sondern den Herrn bezeichnen. 8) Ussing inscr. Gr. 
ined. Nr. 6, 20 S. 17 = Lebas Nr. 1295 S. 304, Liste von Freigelassenen 
aus Metropolis in Thessalien: Zvo« Hogrivov ἀπὸ Πορτίνου; 9) Heuzey 
le mont Olympe S. 478 Nr. 23 


CYPACY.® OPONTON 
EAY THCANA PAM.NEIACXA 
INHPOCXP CTEXAIPE 


Σύρα Zw[u ]pogov τὸν 
ἑαυτῆς ἄνδρα μνείας χα[ρ- 
ἐν *"Hooc χρ[η]στὲ χαῖρε. 


Ueber der Inschrift ist ein Reiter, darunter ein Rudel Hunde und in dem 
hier leeren Raum ein Hermes abgebildet. 10) CIG. 1239 11 6 Bd. 1 S. 615 
Σύρος Ποτϑηνάτας., vermutlich ein nach der Mutter ee meler Staats- 
sklav in Sparta, da Z. 5 δημόσιος Φιλοδέσποτος vorangeht. 11) CiG. 
6474, 1 Bd. Ill S. 969 in Rom Σύρῳ ἀσυνκρίτῳ ψυχῇ “4ιονυσιὰς τῷ 
ἰδίῳ συνβίῳ. 12) Mommsen IRNL. 6892, 1 P-POETELLIVS-P-L-SYRVS- 
LANISTA. Von Schriftstellern vgl. Strabon VII 304. XIV 669. Athen. IV 
137*. 176*. VII 290^ *. Jacobi com. dict. index Bd. II S. 987. Ar. Fri. 
1146. Diog. Laert. V 73. 74. Dem. XLV 86 S. 1127 a. E. Luk. Tox. 28. 
Anth. Pal. XIV 123, 10. 11. Cic. de orat. Il 66,225. Böttiger Sabina S. 446. 
ligen animadv. in carmen Virg. quod Copa inscr. (Halle 1820) S. 21. Co- 
bet NL. S. 23. O. Jahn spec. epigr. S. 135. Der schlimmste Syrus war 
bekanntlich jener Eunus im Sklavenkriege 690 (134). 

Z.6 Βουκατία: SIB. S. 210* u. S. 162. Aus Glisas in der Mauer 
der Kirche der Panagia führt Ulrichs annm. dell' inst. XVIII S. 10 den mit 
altertümlichen Charakteren geschriebenen Titel an: BYKATE. Die 
Schreibweise BOYKAT TEE, d. i. Βουκάττης oder Bovxarreig, habe ich 
a. 0. S. 169 bezweifelt, weil L. Stephani nur ein Tau angibt. Ich musz 
indes jetzt nachtragen, dasz der betreffende Titel aus Orchomenos auch 
in Welokers Papieren den doppelten Buchstaben hat, dasz Βουκαττης 
durch Beulé les monnaies d'Athénes S. 340 nachgewiesen ist, s. Schmidt 
Gótt. gel. Anz. 1859 S. 748, und dasz eine Inschrift von Imbros bei Conze 
Reise auf den Inseln des thrak. Meeres S. 85 Col. III 15 u. 16 zweimal 
BOYKATTH. gibt. Vgl. Δενύττας und Πολύττης 9 Lobeck path. prol. 
δ' 593, nur dasz in dem Epigramm bei Paus. VI 8, 2 Bergk de titulo 


526 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


Arcadico S. V gegenwürlig Δεινύτα d. i. Δεινοίτα (᾿ἀνεμύτας Avswol- 
τας) schreibt, s. auch S. IV Anm. 2. Z. 7 πανελευϑερία scheint hier 
zum ersten Male gefunden zu werden. Ebd. musz die Schreibweise ma- 
φαμινάντεσι beachtet werden, weil sonst dergleichen äolische Formen 
ein doppeltes Sigma haben, s. die inschrifllichen Beispiele bei Ahrens 
dial. Aeol. S, 115, während in der epischen Sprache das Bedürfnis des 
Verses entschied. Vielleicht stand aber auch in dem Titel von Mytilene 
CIG. 2167, 3 Bd. II S. 189 APXONTEE.NEE doyóvreo[r]v 2g —, nicht 
wie hergestellt ist &yóvreo[or]v, wenngleich diese vollere Form 2.6 
(A..KONTEZZI) und vollständig Z. 10 vorkommt. Ueber die παραμονῇ 
vgl. Curtius anecd. Delph. S. 40 u. Meier a. 0. S. 616. 7. 8 ἀνεγκλείτοις 
Curtius S. 40. 

2. 9 war Εὐτύχου schon des Dialektes halber nicht zu ertragen, s- 
᾿Ασκλαπιὼ Z. 12 und Σαμίχω 2. 13 u. 28. Uebrigens ist nicht zu ver- 
schweigen, dasz Böckh in den Dativen auf ΟἹ, die der bóotisch abge- 
faszte Titel von Aegosthena darbietet, nur die archaistische, durch -@ 
wiederzugebende Schreibweise. anerkennt (Berliner Monatsber. 1857 S. 486), 
da er noch nicht überzeugt sei, dasz die Böoter αὐτοῖ, roi δάμοι usw. 
gesprochen haben. Das -o& festzuhalten hat mich der Umstand veranlaszt, 
dasz an dessen Stelle auch in den Dativen böotisch -v tritt (rU δάμυ, re 
τῦ, Ahrens dial. Aeol. S. 193), welches nicht füglich für -@ eingetauscht 
sein kann. 

Ebd. ἄχρις xe ξώει: so oder ganz Ähnlich lautet die übliche For- 
mel, Curtins an. Delph. Nr 16, 10 S. 63 ἄχρι κα ξώῃ, Nr. 89, 25 S. 74 
e ΚΤΩΗ — Rhang. Nr. 955, 8 S. 661; Curtius Nr. 22, 38. 67 ἄχρι 

xa ξώῃ — hang. Nr. 929 S. 634; Curtius Nr. 30, 198. 70 ἄχρι ξώῃ 
— Rhang. Nr. 921 S. 626. Anderswo heiszt es dorisch: ὡς κα 
Hamilton researches in Asia minor II S. 469. f. Nr. 294 — Lebas 
Nr. 1572 (bis) S. 387 Z. 8 (. EKAZQI); ἕως dv fei Mysterieninschr. von 
Andania Z. B6 S, 25 Sauppe. ξώεε, d. i. dialektisch £am; habe ich ge- 
schrieben und Z. 16 fec d. i. En, 7, weil 2.10 πάθει und Z. 16 τελευτάσεε 
überliefert sind. Ebenso hat die Inschrift von Mytilene CIG. 2166, 32 Bd. 
Π S. 188 εἰ δέ κέ τι ἐνδεύη v ψαφίσματος bei sonstigem lola in den 
Dativen; die kymäische 3524, 44 S. 849 hat zwar auch ECIEIAEKETE- 
AEYTAEH , Böckh setzt jedoch, da das beigeschriebene Iota durchgängig 
fehlt, τελευτάσῃ. Dasz auch die Dorier das Iota der Conjunctive oft weg- 
lassen und neben ἢ auch ἡ und zt geben, hat Ahrens dial. Dor. 8.293 (f. 
ausgeführt, s. auch Sauppe a. 0. S. 11. Böckli sieht in diesem EI dori- 
scher Denkmäler wiederum (vgl. oben zu Εὐτύχοὴ blosz einen Archais- 
mus der Schrift und verwirft gleicherweise in dem böotisch abgefasz- 
ten Titel aus Aegosthena Z. 15 die Lesart von Lebas κυρωθεῖτ gegen 
die von Forchliammer κυρωϑῆϊε, während er ebd. Z. B Te: d. i. prc 
nicht geändert hat, Berl. Monatsber. 1857 S. 492. 

2. 10 ἐπὶ δέ τί xa πάϑει: der gewöhnliche Euphemismus, s. Böckh 
CIG. Bd. I S. 875^. Nr. 1850, 3 Bd. IS. 27 af κά [τι͵] πάσχη. Nr. 2448 
1l 28 S. 362 εἰ δέ τέ κα πάϑη οὗτος. Curtius an. Delph. Nr. 16, 16 S. 63 
εἰ δέ τί κα πάϑῃ Αἰακίδας, (CIG. 6572, 8 Bd. ΠῚ S; 988 πλὴν el μή τι 





K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 527 


αὐτὸς ὁ ᾿Αχιλλεὺς πάθοι τι ἀνθρώπινον, Testament des Aristoteles bei 
Diog. La. V 11 ἔσται μὲν εὖ (vgl. V 51): ἐὰν δέ τι συμβαίνῃ, 13 ἐὰν δὲ 
τῇ παιδὶ συμβῇ τε usw. Dem Z. 10 f. ergänzten Zeitworte liegt die oben 
aufgestellte Annahme zugrunde, dasz die nach dem Ableben des Euty- 
chos frei zu lassenden Sklaven von Epitimos und den beiden andern als 
ihren Beschützern feierlich im Angesichte der Gottheit wie ein anvertrau- 
tes Pfand übernommen werden. Diesen Act hatte natürlich Epitimos mit 
Samichos und Kallikrates anzuordnen. 

Z. 11 die unerhörte Form ovra steht so deutlich in der Abschrift, 
dasz ich es nicht über mich gewinnen kann sie zu verdrängen. Die Neu- 
griechen, welche sich auch ταύτη erlaubten, CIG. 8683, 1 Bd. IV S. 315, . 
sagen bekanntlich τοῦτα. Mullach Gramm. der griech. Vulgarspr. S. 194. 
Z. 18—15: Samichos und Kallikrates haben ohne Zweifel den Epitimos, 
des Kallikrates Sohn, zum Vater. Noch deutlicher würde das Verhältnis 
bezeichnet sein, wenn Z. 16 geschrieben wäre τὼς "Exevípe. Vielleicht 
fand eine Verwandtschaft zwischen dem Eiruyog Καλλικράτεος und dem 
Epitimos mit seinem Sohne Καλλικράτης statt, welche eben die Wahl 
gerade dieser Prostaten bedingte. Wegen des in Böotien auch sonst üb- 
lichen Namens ᾿Εσείτεμος s. SIB. S. 213°, und wegen Σάμιχος S. 237° und 
Ahrens dial. Dor. S. 560.) 7..14 Καλλικράτης : SIB. S. 917* Z. 15 
περοστατεῖμεν : einen gleichen bóotischen Infinitiv καρτερεῖμεν hat Ahrens 
dial. Dor. S. 528 dem Eubulos bei Ath. X 417" hergestellt und Meineke 
fragm. com. S. 696 d. kl, Ausg. anerkannt. Z. 16 mag die Aenderung, 
welche ich mit den überlieferten Zügen vorgenommen, kühn erscheinen 
(dass der Diphthong in BEBEIA unsicher sei, bemerkt Hr. Schillbach) ; 
allein ὕπως βεβαία εἴη läszt sich wegen des Optativs nicht füglich ertra- 
gen, und βεβαιωθεῖ, d.i. βεβαιωθῇ (wie xovocOsls: d. i. κουρωϑ εἶ, Böckh 
Berl. Monatsber. 1857 S. 491) zu vermuten hindert die dann noch weiter 
greifende Umgestaltung der Copie. βέβαιος als Femininum bedarf keines 
Beleges, Ts; aber steht deutlich auf dem Titel von Aegosthena Z. 8 oxoz' 
ὧν φανορὸν In, 8. „Böckh S. 491 u. oben zu 2.8. Inschriftlich bekannt war 
schon ἕωνϑε d. i. ὦσε» Ahrens dial. Aeol. 8. 211. Z. 17 f. nehme ich für 
den Singular des zweiten Aoristes gern etwas besseres an; Hr. Schillbach 
bezeichnet Z. 17 AT als nicht recht deutlich. Wer möchte aber in Abrede 
stellen, dasz ein EOH ἔθη noch einmal aus einer Inschrift hervortreten 
könne, wenn auch das Epitaphion von Telos bei Ross Hellenika S. 66 
Nr. 9 Z. 6 ATEYEEBIHEPAEINEOHPATEPA schwerlich πᾶσιν ἔθη 
sserríon gelautet hat? Z. 32 wäre mir ϑέμεν lieber, wenn es sich nicht 
zu sehr von OENA entfernte, während zwei lota leicht auf dem Steine 
verschwanden oder übersehen wurden. Z. 24 die στάλα im Asklapieion 
ist eben der vorliegende Stein. Z. 25 sind Flosoges Zeugen, wie viel- 
leicht auch in der orchomenischen Urkunde, wo die Form scharfsinnig 
- von Ahrens entdeckt ist, SIB. S. 16. Dieselbe fehlt bei Christ griech. Laut- 
ichre S. 248: Ebd. ermangelt Μνασιγένε[ εἸς — denn darauf führt die 
Abschrift — heben Καλλεκράτην 7. 14 der Gleichmäszigkeit; s. indes 
über das Schwahken der böotischen Orthographie in den Vocalen Ahrens 


ad | 


528 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum; 


dial. Aeol. $. 193. Dor. S. 521. Ein Μνασιγένης Βοιωτίός) erscheint. in 
Aegypten CIG. 4702”, 4 Bd. Ill S, 346. 

2. 25 u. 26 wird die Schreibweise Θέδωρος, d. i. Θεόδωρος, On. 
805 , durch eine Note'Schillbachs ausdrücklich. verbürgt, ‚wozu kommt 
dasz dieselbe Kürzung neuerdings in einer ziemlichen Anzahl von Bei- 
spielen bemerkt ist. S. unten XXIV 26 ᾿4ρ]ιστοκλῆς Θεδώρω; Titel von 
Pagä Lebas Nr. 17, 4 S. 6 τοῦ δεῖνος τ]οῦ ΘΕΔΩΡΟῪ ; von Megara Lebas 
Nr. 34, 4 S. 11 — Rhang. Nr. 695 S. 288 Θέδωρος Παγχάρεος (— Eph. 
arch. Nr. 1397, 4 S. 804 Θεόδωρος Παγχώρεος), Rang. Nr. 696, 4 S. 289 
= Eph. arch. Nr. 1328 S. 806 (@eöd.), hang. Nr. 699, 16 S. 291 = Eph, 
areh. Nr. 1332 8. 810 (@e0d.) — Lehas Nr. 31 S. 9 (o. EAQPoX), Rhang. 
Nr. 698, 16 S. 291 AAMEAEA Ος — Lebäs Nr. 32 8. 10 E. 2... — 
Eph. arch. Nr. 1333 8. 8Π᾿ ΘΕΟΔΩΡΟΣ, Rhang. Nr. 700, 15 S. 292 = 
Lebas Nr. 33, 16 S. 10 — Eph, arch. Nr. 1334, 15 S. 812 OEOAQPOS, 
ebenfalls megarische Inschrift ”) vou Conze Philol. XIV S. 153 Z. 12 (wo 
2. 10 ΒΑΣΙΛΕΥΣΘΕΩΜΑΝΤΟΣ βασιλεὺς. Θε[ὀἼμαντος angegeben ist) 
blosz ein einziges Mal scheint Θεόδωρος echt zu sein, Eph. arch. Nr. 
1330, ὃ S. 808 MATXA € ΓΙ! OANPOY — Lebas Nr. 98 S. 8 

P.F.APH£..|| oAaPoY 
2) Θέμναστος in Megara, Lebas Nr. 27, 4 S. 8 — Eph. arch. Nr. 1329, 
4 S. 807 —— hang. Nr. 693, 4 S. 286; Lebas Nr. 98, 4 S. 8 — Eph. arch. 
Nr. 1330 S. 808 — Rhang. Nr. 694 S. 987. 3) Θέψειτος in Aegosthena, 
Lebas Nr. 3,29 8. 2. 4) Θέτιμος ebd, Lebas Nr. 3, 39.  Hiernach ist 
auch sattsam glaublich, dasz Rhangabis Nr. 705 1 23 S. 301 (Theben) richtig 
OEA2PO£ AzP2 Θέδωρος [Θε]δώρω gelesen habe, während dafür 
Lebas Nr. 491 1.15 S. 104 OEIAQPOZO . IAQPOQ. Θείδωρος Θ[ ε]ιδώρω 
gibt.) Wie viel Verlasz auf Θετέλης ist, welches Pape aus Mionnet 
Suppl. Ill 335, Münze von Dyrrhachion, verzeichnet, weisz ich nicht. 
Ebenso will ich blosz nicht mit Stillschweigen übergehen, dasz bei Jus- 
linus XXIII 2, 6 S. 138, 8 jüngst Jeep nach der Lesarl.des Bongarsius 
und der meisten Hss. (Tezenam) die Frau des Agathokles Thezena (Va- 
rianten theozenam , Iheonezam, thessonam, theodozenam) genannt hat, 
und dasz ϑέσκελος durch £-axehoc, ϑεοῖς ἐμσκόμενος erklärt wird, Dür 
derlein Hom. Gloss, Il S. 14 Nr. 432. Lobeck path. elem. [ S. 309.) Wie 
es aber auch mit. diesem zuletzt berührten Worte stehe, die Schreibwei- 
sen Θέδωρος, Θέμναστος u. dgl. sind aus der Aussprache zu erklären. 
Wie nemlich c für ov gesagt wurde (ἀτός, "Ayovarog, SIB. S. 144), so 
liesz man auch das v des. Diphthongs. ev schwinden und ‚statt Θεύδωρος. 
blosz Θέδωρος hören, wovon Ross Italiker und ‘Gräken S. 150 der 
2n Bearb. es herleitet, dasz die Russen hei der Annahme des Christen. 
tums die Form Fedor überkamen. Zuverlässige Belege sind die in- 
schriftlichen ἐπισκεάξειν, κατασκεάξειν und σκεοϑήκῃ » welche schon 
Franz el. ep. Gr. 8, 161 gesammelt hat, aus Kerkyra, Tenos und Kyme 
(Ahrens dial. Dor. 8. 188), also wol in allgemeinem Gebranche , wenn 
auch erst in späterer Zeit, Ein paar andere Beispiele aus-Megara erman- 
geln voller Sicherheit, Während nemlich Rhangabis Nr. 693, 28.86 = 
Eph. arch. Nr. 1329 S. 807 und Nr. 694, 2 S. 287 — Eph. arch. Nr. 1330 






K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 529 


S. 808 ΕΑΓΡΟΣ "Eayooc, d. i. „Eöeygos, lesen, hat Lebas Nr. 37, 2 und 
Nr. 38, 2 5. 8 dafür EAIZO£ Ἕλιξος, was ein bekannter megarischer 
Name ist, s. Pape.®) Ebenso ist Ἐμάθου für Βὐμάϑου nur Mutmaszung 
von Rhangabis Nr. 701, 17 S. 293 und Nr. 702, 18 S. 294 "Avripılos 
EMAAOY, wo a. À. auch X und für A ein O gelesen werden kónne, 
nicht aber X (Ἐμάχου, Εὐμάχου), S. 295; s. unten Anm. 45 a. E. End- 
lich musz kundigeren die Entscheidung anheim gegeben werden, ob das 
byzantinische Θέκλα (Θεόκλεια, Θεόκλα) hieher gehórt.9*) Für o statt 
ov reicht die Hinweisung auf βόλομαι. ὄρανος (Ahrens dial. Aeol. S. 101), 
ὁ πίττομαι (Hesych, Bd. II S. 213 Schmidt) aus. 

Z. 27 s. zu den beiden ersten Namen SIB. S. 211". Ebd. habe ich 
den vorzugsweise, nicht ausschlieszlich böotischen Typus”*) gewählt 
(Lobeck path. elem. 1 S. 278); doch ist auch Κλειτ[ίδας von KAsiros oder 
Μλῆτος und Κλειτ[ορῆδας möglich. Ἀλειτώ SIB. S. 219*. 


XXII 
Nehen der Thür desselben Hauses, in der Mauer: 


ZTIAHZEYKAEOYZBOIQTIOZ 
CIATOYZPOHTAZTSNEPDDNNIK 


HZAZMOYZAIZ 


"4o ]oríóqs Εὐκλέου Βοιώτιος 
Μονυσε]ῖα τοὺς ποητὰς τῶν ὁπῶν νικ- 
ἥσας Μούσαις. 

Die dritte Zeile ist von der zweiten dureh einen doppelten Zwischenraum 
getrennt. Das kleinere Omikron wird blosz Z. 1 zweimal angegeben. 

Ueber die Museia, welche von den Thespiern am Helikon gefeiert 
wurden, s. Hermann gott Alt. $ 63, 4 S. 440. CIG. 1585 S. 767 Z. 8 
ποιητὴς sic τὸν αὐτοκράτορα, 9 ποίημα εἰς τὰς Μούσας, 10 ῥαψωδός, 
dieser auch 1686, 15 S. 768. Zu der Form ποητής vgl, um nur bei 
Böotien stehen zu bleiben, CIG. 1583, 6 S. 762 Kapıalas ἐπόεισε, 1583, 
9 S. 168 ποείτας. 35, 2 8. 41 Ὑπατόδωρος, ᾿Δρισστο[γίτων] ἐποησά- 
ταν Θηβαίω, Ahrens dial. Aeol. S. 193. Leicht könnten viele weitere 
Belege aus den übrigen Dialekten angeführt werden, da soc allen Grie- 
chen gemeinsam war, Bóckh CIG. Bd. 1 S. 21°. Man hat es aber bald 
vorzugsweise dorisch (Mehlhorn gr. Gr. $ 84 S. 84. Ahrens dial. Dor. S. 
188. 208. 566), bald besonders attisch genannt, G. Hermann zu Eur. Hek. 
Vorr. S. XXV d. In Ausg. Maittaire de dial. S. 12 Sturz, und Mommsen RG. 
1° 8. 915 Anm. hebt ἐπόησεν als den attischen Töpfern geläufig hervor. 
Ich möchte glauben dasz die Kunstgenossen anderer Stämme jenes nicht 
minder häufig gesetzt haben. Doch ist überhaupt auf Vasen ἐποίησεν 
unendlich öfter geschrieben als ἐπόησεν, Franz CIG. IV Vorr. S. XIV*. 
0. Jahn Vasensamml. K. Ludwigs S. CV. Auch steht bei demselben Künst- 
ler einmal die vollere und dann die kürzere Form. Gleicherweise ist 
unter Statuen ἐπόησε das seltnere, CIG. 6137 Bd. III S. 861 ᾿Δπολλώνιος 
Agylen ᾿4θηναῖος ἐπόησε, 6157 S. 864 Κλεομένης ᾿Απολλοδώρου ᾿4θη- 
ναῖος EDQEXEN. Eph. arch. Nr. 8294 S. 1739 Agsorlov μ᾽ ἐπόησεν. 


\ 


530 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarums 


Den Aristides habe ich von Schillbach überkommen, s. SIB. S. 208*; 
inzwischen sind noch andere Möglichkeiten, wie '4xecr(órg (Κλεομνάστου 
Βοιωτός SIB. S. 205°), einzuräumen. 


XXXIII 
Bruchstücke in der Mauer eines andern Hauses ebendaselbst : 
a) NEINOC 5) AO e) Kk 
YCnC H NEI 
ΛΕΙ KAT 
XXIV 


Ebd. nicht weit vom Hause des Papas befindet sich in der Mauer 
eines andern Hauses eine lange Inschrift eingemauert , von deren neun- 
zehn ersten Zeilen nur vereinzelte Buchstaben zu unterscheiden waren. 
Das von Z. 20 an erkennbare ist dies: 


20 .......AOY..NITOY 
\PIETIRNOE. 














e ἐς LAAMATPIQ. 
„„AANIKPATEOZATAOOKNE. 
25 „„AOOKAHE....... ο.. ᾿ΥΦΙΛΩΝΦΙΛΌΝΟΣ.. 
m "IETOKAHEOEAQPOAGANEPOEMOYR.. 
AIONOYZIoZATIOAAQNIDEYAAM. .KAMII 

. -NEIAQNAN. TIER. 4.00. 


Vermutlich ein Katalog von jungen Leuten, welche ilıre erste Militàr- 
pflicht geleistet hatten , vgl. CIG. 1573 fT. S. 756. Rhangabis Nr. 1303 f. 
S. 826.) 

2. 21 "Agsorlovog: oben VIL 6. 8. SIB. S. 308*; Rhang. Nr. R98, 7 
S. 598. 2. 22” Ayelloav[dgog, ebd. 8.205, oder ähnlich. Z. 23 “αμα- 
zelo, 818. 8.311". Z. 24 Καλλικράτεος. a. Ὁ. S. 217%, Ebd. Ayado- 
κλείς, ᾿ἀγαϑοκλ[ῆς S. 205%, oder "Ayadonefldug.. 2. 25 ᾿4γ]αϑοκλῆς 
— Φίλων Φίλωνος, SIB.S. 230%. 2. 26 ᾿4]ιστοκλῆς, ebd. S. 208* und 
Inschrift von lasos bei Lebas S. 76 Nr. 255, 5 αὐλητὴν «Σάτυρον ᾿άριστο- 
κλείους Βοιώτιον. Doch kann auch Θεμ)στοκλῆς das ursprüngliche 
sein, SIR. S. 215*. Θεδώρω: zu XXL 25. Ebd: vielleicht "A0[d|ve[1]oc 
für ᾿᾿ϑήναιος, wie ᾿4ϑανεῖος böotisch ist statt ᾿Αϑηναῖος, CIG. 1562, 
4 S. 735. 1583, 6 S. 763. Ahrens dial. Aeol. S. 198. Bergk Beitr. zur gr. 
Monatskunde 8.16 Anm. Ebd. Mjov[grow? So Movgríc u. Μουρτώ, 
4. i. Μυρτίς u. Μυρτώ, SIB. S. 399", Minder wahrscheinlich ist A] 
ου[σίας --- Aovslag, ebd. Nr. Il 29 S. 17 — Lebas Nr. 625 S. 139.*) 
2.97 für δΔιονούσιος (unten XXXVI* 3) findet sich sonst: “ιωνούσιος und 
“Διωνιούσιος, XXXVIIL* 18. SIB. S. 212^. Ahrens dial. Aeol. S. 181. Eph. 
arch. Nr. 2399 S. 1205 AIQNIOY.E (was Pittakis verkannt hatz Alva 
ϑυσ[ίαἹ ©...) in Alalkomenä; Lebas Nr. 678 S: 149 Coronée AIQNI- 
OYz..£, Rhang. Nr. 2161 S. 929 ebd.: 














EloY 








K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 531 


0j MEAANTIXO£ Μελάντιχος 
Διῶνυους x Δειων[ εἸουσ[ο]ς» 


dies die Inschrift welche ich 518. Nr. LV' S. 166 nach der Copie von Ross 
Z. 3 AIQN. Y.. fälschlich Διωνύ[μου ergänzt habe, obwol ich auch an 
“ιωνυσίου dachte.®) Ebd. ‘Arollovio: CIG. 1570", 6 S. 748. Evdau| os: 
oben XX Col. 119. 11. Καλλικλείουϊς denn Καλλικλείου würde, wenn 
auch sonst möglich (m. epigr. Excurse in den Jahrb. f. class. Phil. 'Suppl. 
Hl S. 380), hier ganz unsicher sein; Καλλικλῆς Ὁμολωΐχου Θεσπιεύς 
CIG. 1590, 3 S. 771. Z. 38 ΜΜε]ίδων d. i. Μήδων, s. Pape, freilich ohne 
Sicherheit. Dann: A[pvv ]z/[ 7]? 


XXV 
Ebenfalls zu Erimokastro, Stein in der Mauer einer Oelpresse : 


«TOMENEO£ 
HAPI£TOMENEI£ 
TONITATEPA , 
Y£XOEYE£ 


ETTOIH£EN 


ν δεῖνα ᾿Αρισ]τομένεος 
ὃ δεῖνα κὰν “ριστομένεις 
L ó]v πατέρα 
t |Ug ϑεῦς 
ὃ δεῖνα ἐποίησεν. . 
Unter einem Standbilde, welches zwei Sóhne geweiht hatten, deren einer 
nach dem allbekannten, keineswegs blosz in Attika gültigen Brauch den 
Namen des Groszvaters trug. ᾿Δριστομένεις : SIB. S. 208**. τὺς ϑεῦς 
d. i. τοῖς θεοῖς "ἢ: ebd. Nr. IX 4 S. 69 τῦς θεῦς mit noch etwas ausge- 
Bóotismus, der hier auch Z. 1 Aqısroufvuog erheischt haben 
würde, und Nr. XII^ S. 74 Avılov ἀνέθεικε Παναρμὼν τοῖς θεοῖς. Am 
Schlusz ist auch der mit kleineren Buchstaben etwas tiefer eingehauene 
Name des Künstlers weggefallen. 


a XXVI. 
. Zu Paläopanagia (Vischer Erinn. S. 554) in der Mauer der Kirche 


des h. Blasius: 
. MAIAMOWVA 1 [ap apóve 
XPHCTH 207077 
XAIPE χαῖρε. 


Ganz gleicher Art aber doch verschieden ist der Titel aus Hag. Theodoru 
bei Theben SIB. Nr, LXV* S. 175 
lA... NA 
XPHZTH, 
EE XAIPE 

wo indes vielleicht Πα[ρϑέ)να gestanden hat, s. a. O. S. 107 und Nr. 
LIX* 4 8..170 == Lebas Nr. 886 S. 83.) Die Häufigkeit des Namens 
Ilegépovec auch in Böotien erhellt aus den Citaten a. O. S. 236". ᾿ 


532 K. Keil: zur Sylloge inscriptionuni Boeoticanına. 


Xxvil 
Ebd. auf einem andern Steine, auch in der Eph. arch. S. 1483 Nr. 25 
und in dem Tagebuch von Ross (18 Juli 4633): 
AYTOKPATOPIéX 
KAIZAPITPAIANDIAAPIANQ 
XEBAZTOK 
EQTHPIKAIKTIETHS 
THEOIKOYMENHE 
Αὐτοκράτορε 
Καίσαρι Τραιανῷ ᾿Αδριανᾷ 
Sees. 


ze αἱ κτίστῃ 


Aufschrift einer der ἀυβεεγβῖ zahlreichen Bildseulen des Hadrianus, wie 
sie in gleicher Fassung auch sonst vorkommt, nur dasz der Kaiser in der 
Regel σωτὴρ xal κτίστης oder κτίστης zul εὐεργέτης mit Bezug auf die 
bestimmte, ihn ehrende Stadt heistt: s. Franz zu CIG. 6828 Bd. IV S. 5. 
Aus Böotien ‚gehören hieher CIG. 4614-8. 785 zu Thespiä, jetzt auch bei 
Lebas Nr. 412 S. 89;. Nr. 1615 su Korencia — Eph. arch. Nr. 2356 S. 
1201; Nr. 1616 ebd., s. 818, S. 118 u. Eph. arclı. Nr. 2357 S. 1201, auch 
unten Aum. 33. 


* xxvi 
Ebd. ist ein Stein mit verwittertem Bildwerk eingemauert: eine 
Frau in langem Gewande, vor ihr ein Pferd und ein Altar.*) Die Ueber- 
bleibsel der Inschrift hatte ich nach Leake SIB. Nr. XLII* S. 157 mitge- 
teilt; seitdem ist sie von Lebas Nr. 446 S. 91 und von Pittakis Eph. arch. 
Nr. 3076 S. 1479 wiederholt worden. Auch liegt mir eine Copie von 
Ross vor. 
IIHPOIZEHTTAP/ 
ΝΩΝΟΣΓΎΝΑΙΚΙ 
NOZTOYTIAPAMON € 


Dies die Lesart Schillbachs. Aber Z. 1 haben Pittakis und Ross HPQ 
usw.; ebd. a. E. gibt Leake TTAPA. 2.2 steht a. A. KONOE bei Leake, 
ΚΩ͂ΝΟΣ in der Eph. arch. und bei Ross. Z. 3 bietet Pittakis a. 'E. blosz 
T'APM, Leake TTAPAM, Lebas TTAPA, Ross .APAM. Eine vierte un- 
leserliche Zeile hat nur Leake angedeutet. Detnnach möchte zu schrei- 
ben sein: ix 

τῇ! ἡρῴσσῃ Hapa[uóvy τοῦ δεῖνος τοῦ Ἡρά- 

κῶνος γυναικί, [ϑυγατρὶ δὲ Φίλω-. 

νος τοῦ Παραμόϊ νου 
Die dreisilbige Form ἡρᾷσσα habe ich jan nach W. Dindorf zu Lukia- 
nos Bd. 1 S. XXI^ (Tauchnitz) geseist, vgl: auch ‚Lebeok au Be&ümanna 
gr. Spr. Il S. 428. ‚Häufiger ist 499vz, iih ἀρίασσο ἐκὶ Metro 
Nr. 2478 1 32 Bd. ll S. 1928. 











K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 533 


᾿Ἡράκωνος oder Ἡ ρακῶνος 5) steht nur, um keine Lücke zu lassen, 
da Γλύκωνος. “ύκωνος, Níxovog und mancher andere Name möglich 


ist. 
XXIX 
Auf einem andern Stein in derselben Kirche: 
EYKPATEIE Exxgare[:]c. 

Nicht der Eigenname ist zweifelhaft, wol aber die Schreibart. Denn wenn 
für ein lota zwischen E und £ kein Raum bleibt, was die Copie nicht 
vóllig deutlich macht, so kann E als H (Εὐκράτης) oder echt bóotisch 
als EI (Εὐκράτεις) gelesen werden, wie CIG. 1637 S. 795 HATEXANAPOX 
Aynioavögos oder 4γείσανδρος gelautet hat. Uebrigens s. SIB. Nr. LXII* 
S. 173 = Lebas Nr. 436 S. 90: 


EYKPATH Εὐκράτη 
ΚΟΡΩΝΕΥ Κορωνεῦ 
XAIPE χαῖρε. 


Εὐκρατίδαο in einer Inschrift von Lebadeia bei Rhang. Nr. 130913 S. 831 
— Lehas Nr. 7606" S. 159. 


XXX 


Ebd. auf einem Stein in der Ecke nach Mittag zu: 
MVAMENDVIPE 
PTPIAADOTMER. 
WEREKBNAODE 
TIasyırosDos 
5 NREVWBUIIBEAR? 
^POOBIMNWDmDY 
Dasselbe alte Epitaphion, welches wir schon aus der Publication von 
Ross: ad Aug. Boecklium epistola epigraphica (Halle 1850) S. 12 IT. ken- 
nen. Dort ist folgendes Facsimile gegeben: 
MYBMMENTDL..E 
DAUIMDTH TER. 
TEBEKERAMWOS 
TIOSsSNI’OSDS 
5 PEVBDSBEKE 
hhOONIMENWLIS 
Die erste Entdeckung des Steines fällt in das Jahr 1833; zwölf Jahre spä- 
ter fand ihn Ross zwar noch an Ort und Stelle vor, er war aber bei einer 
Restauration der kleinen Kirche bis zur Unleserlichkeit mitsKalk überstri- 
chen. Nachmals musz die .Tünche wieder abgefallen und nur noch hier 
und da haften geblieben sein. So erklärt sich die zum Teil mangelhaftere 
Lesart bei Schillbach. Dasz die Buchstaben σεοεχηδὸν eingegraben sind, 
lehrt der Augenschein. Ueber die Formen der einzelnen Elemente hat 
Ross ausführlicher gehandelt. Wenn aber mein vollendeter Freund ge- 
neigt war dieses Denkmal bis in die Zeit vor Hesiodos hinaufzurücken, 
S. 16, so scheint mir wider ein so hohes Altertum schon der Umstand 
zu sprechen, dasz die Zeilen nicht ßovsrgopndov verlaufen (vgl. CIG. 


534 K. Keil; zur Sylloge inscriptionum Boeoticarım, 


1647 S. 796"). Mit dem Herabsetzen um einige, d. h. drei bis vier, Jahr- 
hunderte dürfte eher das richtige getroffen werden. 

Ross nun las das Distichon 80: 

Mväy' ix Ὀλ[αξ]είδᾳ μ᾽ ὃ πατὴρ en Bavo[v]t« 
ὡς [p]/Aoc* ὡς πένϑος ϑῆκε[ ν) anopHusvog- 
Meineke, welcher den Fifessamen und das ausrufende und Verwunderung 
ausdrückende doppelte ὡς hier nicht anerkannte (Gerhards arch. Ztg. 1851 
Nr. 25 S. 253), sch diese Fassnóg yor: 
“Μνᾶμ᾽ ἐπ᾽ O[ixA elo μ᾽ ὃ arm iod Suvo[v]tt, 
al o]Hhos dv] πένϑος Onnelv) ἀποφϑίμενος: 

Davon füllt Ὀϊκλείδα,, was ich selber vordem aufgestellt habe (arch. Ztg. 
1850 Nr. 21. 22 S. 209), die Lücke genau aus, indem £ den Diphthong 
vertritt und jede Zeile eilf Buchstaben enthält; einen Rhodier Ὀϊκλῆς 
"Andkov s. bei Ross inser. Gr. ined. ΠῚ S. 22 Nr. 274, 50. Wagt man 
sich ein wenig weiter von der Ueberlieferung zu entfernen, so ist auch 
᾿Αϊκλείδᾳ nicht unangemessen; vgl. die thebäische Liste CIG. 1578, 10 
S. 761 (AIKAIAAE) — — Lebas Nr. 489 S. 103 Z. 14 AIKAIAAE — Eph. 
arch. Nr. 1453, 18 S. 906 oder Rhang. Nr. 1319, 13 S. 836 AIKAIAAZ 
"Aixidag, und ebenso in der Copie von Ulrichs ann. dell’ inst. XVIII S. 
48 Nr. 1 14, wo der Name S. 49 richtig durch "AeıxAeldng erklärt wird. 
Ueber "Auxlog oder "Aexàoc handelt Meineke vind. Strab. S. 1645 s. auch 
Unger Theb. parad. S. 300. Inzwischen sei unverholen, dasz mir der 
echte Name, welcher vielleicht mit den Buchstaben ἘΠῚ anfieng, hier noch 
nicht gefunden zu sein scheint. 

Auch die Schreibart o[1 ]/Aog [v] ist zwar dem Gedanken , wel- 
‚eher hier Platz haben kann, völlig angemessen, allein das zweite Element 
anusz nach beiden Abschriften unzweifelhaft als Sigma festgehalten wer- 
den. Demnach kann man entweder ὃς [g]/Àog [v] lesen, oder in den 
sechs ersten. Buchstaben den Eigennamen des Vaters suchen: 'Oo[c]/Aog 
der Ὄσ[ σἼιλος und hierauf d[: | schreiben, letzteres freilich wieder nicht 
ohne Bedenken, Mit Ὄσσιλος von ὄσσα würde, wenn echt, Ὄσσυλος zu 
vergleichen sein in der koischen Inschrift bei Toss Hell. I S. 95 Nr. 18,4; 
die Analogie (Τρωΐλος, Ζωΐλος, Πενϑίλοξ) hat Lobeck erläutert path. 
prol. S. 114 fI. Auch gehörte alsdann der Landsmann Tlvggikos hieher, 
Inschrift von lasos bei Lebas Nr. 253, 5. 16 S. 75 αὐλητὴν Μνασίαν 
“Πυρρίλου Βοιώτιον. Doch auch an dieser Stelle verbleibt treffenderem 
Scharfsinn, wie ich gern einräume, der Preis aufbewahrt. 

In BetrelT des Zeitwortes ἐπέϑηκε vgl. die altertümlichen Epitaphien 
bei Rhang. ΝΡ 20 Bd. ES. 17 (Eph. arch. Nr. 103 S. 242. Bull. dell” inst. 
1840 8.29. Schöll arch. Mitt. aus Griech. S, 29) vof ἐνθάδε σῆμα 
πατὴρ Σήμων ἐπέθηκεν; Ross aun. dell inst. IX ἃ S. 10 (Rhang. Nr. 37 





Bd. 1 5. 25. rhein. Mus. I [1841] S. 301) σῆμα τόδε Κύλων παῖδ᾽ ᾧ ἐπέ- 
ϑηκε ϑανόντι ἢ; WEAITOAESV 
TIMOKLESENE 


Ross in Gerhards arch. Ztg. 1844 Nr. 18 S. 295 und den Jahrb. f. class. 
Phil. 1855 S. 34 (rh. Mus. VI [1848] S. 82), welcher 4]ivele τόδε a[jjua 
πατὴρ] Τιμοκλῆς ἐπέϊϑηκεν ergänzte, wofür Bergk arch. Ztg. 1850 Nr. 


, .K Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 535 
16 S. 172 annehmbarer , weil mit Vermeidung des metrischen Bedenkens, 
also schreibt : 
Alivelg τόδε o[ jue πατὴρ ᾧ παιδὶ ϑανόντι 
Τιμοκλῆς Ent Onnev. 
Simonides Anth. Pal. VII 177 (Fr. 129 Bergk) σᾶμα τόδε Σπίνϑηρι πατὴρ 
ἐπέϑηκε ϑανόντι. Eur. Iph. Taur. 702 τύμβον τε χῶσον κἀπίϑες μνη- 
μεῖα μοι. CIG. 6965 Bd. IV S. 37. Συνέτη τῷ ϑρέψαντι Μ[η]νοφίλῳ 
τὴν στήλην ἐπέθηκεν. Herod. VII 188 οἵ βάρβαροι στήλην λίϑου ἐπέ- 
ϑηκαν. Il. K 466 δέελον δ᾽ ἐπὶ σῆμα τ᾽ ἔϑηκεν. CIG. 6241, 5 Bd. Ill 
S. 898 ἀμφοτέροις δ᾽ ἐπέϑηκε χυτὰν κόνιν Ἱππυδάμεια. Inschrift aus 
Mylà in Thessalien bei Lebas Nr. 1301 S. 307 (— Ussing inscr. Gr. ined. 
Nr. 47 S. 39 und Heuzey le mont Olympe Nr. 53 S. 488) Kvvvava τῷ 
ἀνδρὶ ἐπέϑηκε. Seltener ist κατέθηκε, wie in dem Epitaphion bei 
, Rhang. Nr. 2488 S. 1041, welches Bursian Ber. d. k. sächs. Ges. d. Wiss. 
1860 S. 201 sehr ansprechend hergestellt hat: 
Τοὐπικλέους παιδὸς Δαμασιστράτου ἐνθάδε σῆμα 
Πεισιάναξ κατέϑηκε᾽ τὸ γὰρ κλέος ἐστὶ ϑανόντων. 

Z. ἃ πένθος ϑῆκεν ἀποφϑίμενος: CIG. 2264" Bd. l1 S. 1037 Κλεο- 
uiavógov τόδε σῆμα. τ[οὔ] ἐν πόντῳ κίχε Moiga: | δακρυόεν δὲ πόλει 
πένθος ἔθηκε ϑανών. (Böckh schreibt s[0v]; der Stein hat TQ, also 
wol TO für TOY, wie Z. 1 KAEOMANAPO. Wegen κιχεῖν mit dem 
Genetiv s. Jacobs Anth. Pal. S. 189.) 

Endlich veranlaszt mich die Uebereinstimmung beider Copien Z. 2 
Buchstab 3 zu einer rein orthographischen Bemerkung. Da nemlich Ross 
wie Schillbach für das Iota einen doppelten Strich geben, so führe ich 
folgende Beispiele einer gleichen Schreibweise an: 1) Inschrift von Rho- 
dos in Gerhards arch. Anz. 1854 Nr. 70—72 S. 516 nach Newton: O]AA- 
ΜΟΣΟΙΙΣΘΜΙΩ ΤΑΙ͂Ν. 5) 2) Ross Demen von Att. Nr. 197 S. 106: 

AMNA 
AAOAIKIIZZA 
denn nicht das einfache Iota, sondern H oder Il hat, wie ich aus dem 
mir vorliegenden Tagebuch von Ross ersehe, der Marmor; Rhanpabis 
Nr. 1941 Bd. II S. 911 hat den Stein nicht selbst verglichen, sondern aus 
den Demen entnommen. 3) Eph. arch. Nr. 3059 S. 1475 zu Δομβρένα in 
Böotien: NEJIK 
EAIKOQNIA 
XAIPE 
hier wird die Lesart schon durch das von Pittakis gesetzte Νειΐχ[ ἡ be- 
státigt ?*); doch will ich nicht unerwähnt lassen, dasz A. von Velsen in 
Gerhards arch. Anz. 1856 Nr. 96 S. 286 * Nr. X NEIK gelesen hat. 4) 
Ebd. Nr. 3526 S. 1836, Titel von Eubóa aus der Nähe von Eretria: 


ONLI®OPON Ov[»]e/gogov 

TTPEIIMOY Πρείμου 
Pittakis steht freilich nicht für die Genauigkeit der Abschrift ein, doch 
kann das li in Z. 2 ganz füglich echt sein. 5) Ebd. Nr. 3588 S. 1859 


Jahrb. f. class. Philol. Suppl, Bd. IV. Hft. 4. . 99 


4 


a 


536 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boevticarum. 


MHNOAQPO£ 
MHNNAOE 
AICINHTHE, 
s. auszer Pape CIG. 6910 Bd. IV S. 30 Διονύσιε Μήνιδος χαῖρε und καὶ 
Κλέανδρε Μήνιδος χαῖρε. ") 


ΧΧΧΙ 
Ebd. auf einem andern Steine: 
TAMAZEIZ 
bei Ross im Tagebuche (1833 18 Juli) 
DANA££I£ 


XXXII 


In der Kirche des:h. Taxiarches, unten am Berge auf dem Askra | 

lag und noch ein alter Turm steht (Vischer Erinn. S. 565): 

ov 

AP — '4g- 

TAMIAL ᾿ τάμιδιν 

also anscheinend der Ueberrest einer Weihung; über die böotische Form 
s. Ahrens dial. Aeol. S. 178. SIB. Nr. LXI zx à 8, 172 lATPOKAEIEAP- 
TAME (Mustoxydi APTAMI) Ἰατροκλεῖς Aoraqi[ doo. 


Anhang. 


Da mir die vorstehenden Inschriften vielfach Anlasz geboten haben 
den nach meiner Sylloge zutage geförderten büolischen Inschriften die 
Aufmerksamkeit zuzuwenden, so schliesze ich noch eine Anzahl bisher 
nicht ganz richtig hergestelller oder sonst beachtenswerther Titel aus 
jener Landschaft hier an. Ich beginne zufolge der oben Nr. XX Col. 1 8 
gemachten Andeutung mit einem Actenstücke, das zwar wiederholt. her- 
ausgegeben ist, aber erst jetzt in Betreff einiger Eigennamen mit Sicher- 
heit verbessert werden kann. 


XXXIII 
eExoPo X APXONTOZKANAZBEIPAIXRENEZE.IP BE 
EIMENA TOTTONAAMONNPOZENSZEEIMENKHEYEPFETAL 
TAZTONIOEBEZNIEIANTIMENAKPATEITOEANTIKAEINAIDANIO 
Alor ENEINPP2TOFENEIOEKAEOGANEINKAEO$ANEIDEABANHOE 
KHAYT2EKHELTONGZKHEIMENAYTYETAEKHFYKIAZEYPYO 1 
KHAESANIANKHAZOY AIANKHTIOAEMaKHIPANAZESZAEKHKATATAN 
KHKATAGAMAT TANKH TAA YPADANTAKAGADEPKH TYZAAAYXDPO- 
ΚΗΕΥΕΡΓΕΤΗΣΤΑΣΓΌΛΙΟΣ 


K. Keil : zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 537 


Auf einem Stein in der Mauer der Kirche des h. Theodoros zu The- 
ben, Lebas Nr. 497 S. 108 und Rhang. Nr. 705 Bd. 11 S. 301. Der Marmor 
enthält auszerdem zwei Listen von Epheben, Lebas Nr. 491 u. 492. Rhang. 
a. O. Beide Copien lassen an Genauigkeit in Wiedergabe einzelner Buch- 
stabenformen und Wórter zu wünschen übrig. Aus dem Abdruck in der 
franzósischen Sammlung ist ersichtlich, dasz die Buchstaben durchweg 
mit Häkchen versehen sind, ἃ E T A usw., s. Franz el. ep. Gr. S.246, 
besonders Z. 7 v. u., und vornehmlich Stephani über die Zeit der Verfer- 
tigung der Laokoongruppe (St. Petersburg 1848) S. 31 ff., welcher auf 
eine umfassende Autopsie der Denkmäler gestützt die eigentliche Blütezeit 
dieser Verzierung in das letzte Viertel des ersten und in das erste Viertel 
des zweiten Jh. nach Chr. setzt, doch so dasz die Anwendung schon vor- 
her nachweisbar ist. Die kleineren Formen des 9 und o hat nur Lebas, 
das 2 blosz Rhangabis; s. Franz a. O. S. 24. 

Z. 1 a. A. Rhang. AILOPO X AP usw., Lebas eEZ. ...... AP.. 
T...; dann derselbe XANAZeEIBA.XQ und a. E. EAEZE.IP...... 
Rhang. EAEZE I BE. Ζ. ἃ ist das erste A von Rhang. Z. 3 Lebas 
0.2N usw., am Schlusz ANTIKAE..A..... Z. 4 a. E. ist das Gentile 
nur bei Rhang. erhalten. Ζ. 5 gibt Lebas nach FYKIAZ blosz E..... 
Z. 6 nach ENZAZ:.HK..., Z. 7 EANAZZAN. Ebd. fehlt bei Rhang. KH 
vor TYZ ; a. E. hat Lebas AM. .P.. 


G«[o]je[eavdo/]y[m] ἄρχοντος Kávag Θειρα[φἼχω ἔλεξε" [v]o[o]fs- 
[βωλευμένον 

εἶμεν e[vrö] ποιτὸν δᾶμον, προξένωρθμεν κὴ εὐεργέτας 
τᾶς πόλιος Θεσπιείων Τίμωνα Κρατειτος, ᾿Αντικλεῖν A[lo)naile]ı[ov, 
Ζιογένειν Πρωτογένειος. Κλεοφάνειν Κλεοφάνειος ᾿ϑανήζω)ς 

5 si] αὐτὼς κὴ ἐσγόνως x εἶμεν αὐτῦς yàg an βυκίας ἔϊππασιν 
xn] ἀσφάλιαν N ἀσουλίαν πὴ πολέμω πὴ ἰράνας ἐώσας κατὰ γᾶν 
κὴ κατὰ ϑάλατταν κὴ τὰ λυπὰ πᾶντα καϑάπερ xr τῦς ἄλλυς προ- 
κὴ εὐεργέτης τᾶς πόλιος. [ξένυς 


Das Document gehört zu der Classe öffentlicher Urkunden, über die M. H. 
E. Meier de proxenia sive de publico Graecorum hospitio (Halle 1843; 
vgl. die Zusätze in der allg. Litt. Ztg. 1844 S. 1319 f.) am gründlichsten 
gesprochen hat, wenn auch aus den seither neu hervorgetretenen Titeln 
mancher Zusatz im einzelnen gemacht werden kann. Die böotischen Pro- 
xenien sind dort S. 3 Nr. 12—15 verzeichnet (denn Nr. 16, d. i. CIG. 1567 
gehört nicht hieher *)); s. noch SIB. Nr. I — Lebas Nr. 631 S. 144 Or- 
choméne. Ein Denkmal derselben Gattung ist später aus den Papieren 
von Ulrichs in den ann. dell’ inst. XVIII (1836) S. 55 Nr. ΧΙ mitgeteilt 
und hier zu wiederholen, weil es in dem Werke von Lebas fehlt. Der 
in der Kapelle der Hagia Triáda bei Askra aufgefundene sehr lückenhafte 
Stein ist dieser: 
ἔδοξε và Bola 

κὴ τῦ δάμΥΠΡΟΞΕΝΟΝΕΙΜΕΝ 

κἢ εὐεργέτΑΝ ΤΑΣΠΟΛΙΟΣΘΕΙΣΠΙΕΙ 

ὧν τὸν δεῖνα ΚΟΡΙΝΘΙΟΝΚΗΑΥΤΟΝ 


90} 


538 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


sn ΕΓΓΌΝΩΣ αὐτῶ κὴ ὑπάρχιν αὐτῦς 

προξενίαν κὴ προεδρίαν. κὴ πὶ oh 

κίαν κὴ ἔγκτασιν γᾶς E 

κὴ ἀτέλιαν πάντων κὴ τὰ En 

παν ΤΑΚΑΘΑΚΗΤΥΣΑΛΛΥΣΠΡΟΞΕΝΥῪΣ 

10 κὴ eYEPFETHE, 

wo Z. 7 für ἔγκτασιν vielmehr ἔππασεν zu ergänzen sein wird. Ferner 
gehören hierher die Titel von Oropos, welche zuerst Preller und dann 
Pittakis veröffentlicht haben, Ber. d. k. süchs. Ges. d. Wiss. 1852 S. 157 IT. 
Nr. 4 bis 13, vgl. die Nachträge S. 205 IT. 

Die oben Z. 1 vorgeschlagene Ergänzung Θερσανδρίχω hat minde- 

stens das für sich, dasz der Name ein böotischer ist, CIG. 1593, 7 S: 776 
᾿Ἠσχρίωνας Θερσανδρίχω Kopmvsios; auch kann man sich auf die Lesurt 
von Rhangabis da wenig verlassen, wo Lebas eine Lücke hat, s. Z. 5 a. E. 
EYPYO 1 d. i., wie unten gezeigl wird, s. v.a. ENMAEIN. Ueber den 
Aeolismus ϑέρσος für ϑάρσος s. Ahrens ia Aeol. S. 75. Döderlein Hom. 
Gloss. $ 1038 Bd. ΠΙ 8,39. Herod. IX 16 ἤκουον Θερσάνδρου ἀνδρὸς μὲν 
᾿Ορχομενίου λογίμου δὲ ἐς τὰ πρῶτα ἐν Ὀρχομενῷ. Dasz indes Namen, 
die mit Θερσ- anfangen, nich blosz bei Aulischen Griechen bräuchlich 
waren, zeigt schon das Verzeichnis Papes, dem ich den Attiker @&osw» 
hinzufüge aus Eph. arch. Nr. 1970, à S. 1049. — Wegen des überliefer- 
ten ΘῈΣ könnte man noch an Θεσσαλίσκω denken (Aristot. Rhet. II 23. 
Arr. Anab. Π 15,2 ©. Ἰσμηνίου Θηβαῖος ᾿Ολυμπιονίκης) ς allein der 
Dialekt würde für σσ vieli zr verlangen (vgl. unten zu Z. 7), und 
das X darf hier schwerlich beseitigt werden, da auch das Zeichen 2 bei 
Rhangabis darauf hindeutet. 

Ebd. werden die Namen Kavag Θειράρχω durch Nr. XX Col. 18 IT. 
auszer Zweifel gestellt, wenn auch die Bedeutung des erstern ungewis 
ist. Statt Θειράρχω ist in den Antiq. Hell. Θειραΐχω gesetzt («pour On- 
ραίου» S. 302); Lebas würde im Anschlusz an seine Copie vermutlich 
Θειβαζ χω hergestell haben, wofür Θείβιχος CIG. 1577, 5 S. 760 und 
Θειβάδας in einer Inschrift zu Theben Eph. arch. Nr. 1453, 5 S. 906 (— 
Rhang. Nr. 1319 S. 836. Lebas Nr. 489 S. 103. Ulrichs ann. dell' inst. 
XVIII S. 48 Nr. 1. CIG. 1578 S. 761) keine Beweiskraft haben.®) 

Ebd. ἔλεξε: dieser Aoristus (in altischen Beschlüssen εἶπε) ist vom 
Antragsteller so feststehend (Meier die Privatschiedsrichter und die öffent- 
lichen Diäteten Athens S. 51. Lebas Aegosth. Nr. 1, 1. Nr. 2, 16. Forch- 
bammer Halkyonia S. 34 Z. 2) und in der Sache selbst so natürlich be- 
gründet, dasz in der Inschrift aus Megara, die ich nach Meier a. Ὁ. SIB. 
Nr. IV® 1 S. 19 wiederholt habe, die Ueberlieferung EAETE mich von 
der Umänderung in ἔλε[ ξ]ε nicht hätte zurückhalten sollen. Zum Ueber- 
flusz geben neuere Copien in der That den notwendigen Aoristus, Lebas 
Nr. 35 S. 11 u. Eph. arch. Nr. 1337 S. 816 — Rhang. Nr. 703 S. 296. 

Z. 1 f die von mir zurückgerufene Formel προβεβωλευμένον εἶμεν 
αὐτῦ ποττὸν δᾶμον ist zum erstenmal, doch „vollständiger in dem Titel 
von Oropos CIG. 1570*2 προβεβουλευμένον αὐτῷ εἶναι πρὸς τὴν βουλὴν 
καὶ τὸν δῆμον gefunden, wo die Anmerkung S. 751? zu vergleichen ist. 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 539 


Kürzer heiszt es dann in der böotisch abgefaszten Inschrift von Aegos- 
thena für Siphà Lebas Nr. 1. 1 προβεβωλευμένον εἶμεν αὐτῷ (Böckh 
Berl. Monatsber. 1857 S. 485) und ebenso in dem dorischen Actenstück 
auf demselben Stein Lebas Nr. 2, 17. Desgleichen wird dort Nr. 7, 4 S. 2 


AIOANPOZONAZI 
ΝΥΝ AYT£1I........... esee NO.EI.ENEP'EIAH 


zu ergänzen sein: Διόδωρος Ὀνασί- 
μου ἔλεξεν] αὐτῷ [προβεβωλευμέ]νο[ν] εἶμ]εν ἐπειδὴ πτλ. 


Z. 3 Θεσπιείων., nicht Θεσπιειῶν. Für Θεσπιεῖς wurde bóotisch 
Θεσπιεῖες d. i. Θεσπιῆες gesagt, wozu das obige der Genetiv ist wie 
Σιφείων (Σιφεύς, Σιφεῖες = Σιφῆεο) und Χορσιείων von Χορσιεύς, 
Bóckh Berl. Monatsber. 1857 S. 487. Dagegen steht jetzt CIG. 1588, 1 
S. 770 AsBadenov durch zwei neue Abschriften Leakes und Kramers 
fest, SIB. S. 63, und 1575, 1 Aeßadeınoıg ebd. S. 46. Ebd. a. E. 4gza- 
Aog ist auch sonst für Attika nachweisbar, Rhang. Nr. 1603 Bd. Il S. 875 
(Eph. arch. Nr. 1546 S. 929) 


AZKAHTIAHE ᾿Ασκληπίδης ἢ) 
ΑΡΠΑΛΟΥ "Aenálov | 
PIOEYt Πιϑεύς. 


Der griechische Herausgeber setzle ZAinaMo, was so wenig annehmbar 
ist wie Alyaklov S. 302. ‚Agmahsıov, wenn nicht das echte “Aonalo 
war, ists. v. a. zov “Δρπάλω nach der schon Homerischen, nachmals 
aber vornehmlich in Bóotien, Thessalien und Phokis üblichen Bezeich- 
nungsweise, welche in m. inscr. Thess. tres (Naumburg 1837) S. 5 f. er- 
läutert ist, s. auch Hor. carm. 1l 20, 13 tam Daedaleo ocior Icaro. 
An dem Wechsel aber, dasz, während sonst der Name des Vaters im 
Genetiv zugefügt wird, hier dieses Verhältnis einmal durch das possessive 
Adjectivum ausgedrückt wird, darf niemand Anstosz nehmen; ein gleiches 
zeigt der Titel SIB. Nr. lI S. 5. 

Z.4 A9avi[o]c: aus der Form ’A9avnjog flieszt erst die weitere 
bóotische ’A9aveiog (4ϑάνειος oben Nr. XXIV 26), Ahrens dial. Aeol, 
S. 188. Mit jener stimmen Ταναγρῆος und Θειβῆος. Ahrens dial. Dor. 
S. 530. 518. Nr. X 2. 3 S. 71. 

Z. 5 hat Rhangabis fälschlich 2[x]yovos geschrieben. Eoyovog ist 
aus &(xo)yovog gekürzt, indem die Böoter das x schwinden lieszen 
und ἐσ vor Consonanten, 200 vor Vocalen setzten, Ahrens dial. Aeol. S. 
214. Böckh CIG. Bd. 1 S. 726" (" εἰς veteribus Boeotis est ἐς, quod patet 
e composito ἔσγονος᾽) hat vielleicht seine Ansicht geändert. Dasz aber 
dieses ἔσγονος auch thessalisch war, zeigt der Titel aus Krannon, den 
ich nach Leake in den inscr. Thess. tres S. 7 Nr. Il B 18 behandelt habe; 
Ahrens dial. Dor. S. 535. Vgl. ἔκγονος (ἔγγονος), Nauck zu Meier comm. 
de vita Lycurgi S. CLXI, und unten zu Nr. XXXIV 3. Ich gedenke hiebei 
des alten Epitaphion aus Theben, welches nach der Copie von Vischer 
epigr. u. arch. Beiträge aus Griech. S. 47 Tf. VI Nr. 5 in folgender Ge- 
stalt erhalten ist: 


540 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


ϑιφίπμιθρμις 

ΜΕΕΝΜΙΌΒΙΟ 

ESTOWIDEYS 
während eine mir gütigst mitgeteilte Abschrift Bursians (minder genau 
in den mon. ann. bull. dell’ inst. 1854 S. XXXV* wiedergegeben) diese 
Züge hat: (IY -4pAOS. 

MENWIDAO 

ESMONIDEYS 
Es ist dies dasselbe Facsimile, nach dem Rhangabis Nr. 2275 S. 960 den 
Titel herausgegeben hat. Hier unterliegt nun zuerst ἐσγονιδεύς keinem 
Bedenken weiter, s. Vischer S. 48, mag uns auch dunkel bleiben, warum 
dem beerdigten die Bezeichnung nach dem Groszvater oder Urgroszvater 
zugegeben wurde. Denn ᾿Ἐσγονιδεύς als Eigennamen zu fassen, wie 
«Δεοντιδεύς bei Ross inscr. Gr. ined. ΠῚ S. 21 Nr. 274, 19 oder “Τυκεδεύς 
(Münze von Chios bei Mionnet Suppl. VI 389, Auridtog hei Pape), würde 
in neue Schwierigkeiten verwickeln. Zweitens mag ich schon wegen des 
‚ganz sichern doppelten X nicht mit Rhangabis a. Ὁ. vermuten, es sei 
᾿Ἐμ]ωενίδαο zu schreiben, wohei jener daran erinnert, dasz Theron und 
die Emmeniden in Agrigent aus Theben stammten, Antiq. Hell. Bd. 15. 41. 
K. 0. Müller Orch. S. 337. Hermann Staatsalt. $ 85, 12 S. 246; s. (10. 
1593, 9 "A4elazavoc Mevvldao Θεσπιεῖος und dazu SIB. S. 103. Heuzey 
le mont Olympe Nr. 77 S. 491 Tyıeig Ἱππονίκα, Μεννείας und Nr. 79 
S. 492 ’Agsoroudung Μεννέα. Hat endlich Vischer Recht, wenn er be- 
merkt dasz die Inschrift nicht mehr al$ drei Zeilen gehabt, so musz in 
der ersten Zeile der Name des verstorbenen enthalten gewesen sein. Ob 
dieser auf -Aeog endete — "AgylAxog schreibt Rhangabis — wird durch 
die Lesart Vischers zweifelhaft. Um inzwischen etwas mögliches vorzu- 
schlagen, so gebe ich anheim ob Πουϑίλαος d. i. Πυϑίλαος Beifall fin- 
det; vgl. Meier comm. epigr. S. 107 a. E. Mit etwas mehr Kühnheit, in- 
dem am Anfange der Wegfall mindestens éiner Zeile mit dem Namen des 
verstorbenen und mit dem seines Vaters vorausgesetzt wird, kann auch 
an Θειβεῖος gedacht werden, worauf Vischers Copie hindeutet. 

Ebd. Fes/ac: Ahrens dial. Aeol. S. 170. Auch CIG. 1569, 7 S. 738 
hat Bóckh gewis mit Recht das EOIKIAE der überhaupt mangelhaften 
Copie in FOIKIAE geändert. Neuerdings hat man daran gezweifelt, s. 
Wieseler de linguae Gr. nominibus propriis et adieet. quorum prior pars 
est IO (Göttingen 1860) S. 15 Anm. 146. Einen Beleg dafür, dasz öfters 
E gelesen worden ist; wo F auf dem Steine steht, gibt auch unten Nr. 
XXXVII Z. 13 u. 38. Ebenso geben CIG. 1588, 3 S. 770 für EIAAPXION- 
ΤΩΝ Leake (SIB. S. 63) und Pittakis Eph. arch. Nr. 2630, 2 S. 1314 rich- 
tig FINAPXIONTRN. Ebd. fragt Rhangabis: fuzecrv? Zu ἔππασιν s. 
SIB. Nr. L6 S. 2. Ahrens dial. Aeol. S. 213. dial. Dor. S. 525. ®) 

7.6 ist in den Ant. Hell. πολέμῳ geschrieben, was vielleicht nur 
als Druckfehler gelten musz. Z. 7 war καϑάπερ κὴ τῦς ἄλλυς προξένυς 
mit Lebas zu setzen. Denn um nicht von den Proxenien anderer Staaten 
zu reden, so haben gerade die böotischen in der Regel hier ebenfalls suj 
(CIG. 1563* 6 S. 735. 818. Nr. 1, 9 S. 1. Böckh Berl. Monatsber. 1867 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 541 


S. 484 Nr. 113 xadanep x7) toig πολίτης u. 7. 21 καϑάπερ καὶ toig 
ἄλλοις προξένοις) oder καί: CIG. 1566, 10 S. 188 ὅσαπερ καὶ τ. ἄλλ. 7cQ., 
Titel von Oropos bei Preller Ber. d. k. sächs. Ges. d. Wiss. 1852 S. 157 
Nr. 4, 10. Nr. 5, 10 S. 158. Nr. 6, 7 S. 160. Nr. 7, 11 S. 161. Nr. 9,8 
S. 163. Nr. 13, 2 S. 165. Seltener fehlt «54, wie CIG. 1564, 14 S. 737 
OnOTTA | TYZAAAYZIIPOZENYZ (doch kann es hier ursprünglich 
auf dem Steine gewesen sein), oder καί: CIG. 1567, 13 S. 739 OZAJ| 
TOIZAAAOIZIIPOZENOIZ, ein Stück dessen Zeilenausgänge ebenfalls 
mehrmals unleserlich geworden sind, Preller a. O. Nr. 8, 11 S. 162 == 
Eph. arch. Nr. 1312 S. 792. 


XXXIV 


Die Stammrolle aus Theben, welche Lebas unter Nr. 492 S. 104, 
Rhangabis aber als das Stück rechts von Nr. 705 S. 301 gibt, ziehe ich 
deshalb in den Kreis dieser Mitteilungen, weil die wenn richtige sehr 
interessante Herstellung des Anfanges, wie sie der griechische Heraus- 
geber mit dem Gefühl ziemlicher Sicherheit vorträgt, zu schärferer Prü- 
fung einladet. Die Copie bei Lebas ist diese: 


KAAAIK.....AO 
APXONTOZATEN. 
.ONTEZAZTON.M.YO..N 
KAE.NOC 
®H.QNENTATMA 
bei Rhangabis: AXAK χιοος 
APXONTOZADPEIA Y OOY 
ONTEZEZTANMOYCRN 
CT2N NTATMAKAEWNOCC 
mit der Deutung Ay. . 10. . 06 
ἄρχοντος. ἀπελ[ηλ)υϑύ- 
τες (1) ἐς τᾶν Movoov 
[τὸ] τάγμα Κλέωνος --- 
S. 302 “une liste militaire de jeunes gens qui s'étaient faits inscrire dans 
différens bataillons, dont l'un parait étre nommé bataillon des Mu- 
ses, et d'aprés son chef, bataillon de Cléon. Das würde in recht 
poetischer Weise zum ἱερὸς λόχος der Thebaner stimmen, und unsere 
modernen, nach Fürsten oder Generalen bezeichneten Regimenter, wie 
auch die akademischen Legionen mancher Communal- und Nationalgarden 
hätten hier ihr classisches Vorbild, wenn die ganze Erklärung nicht ein 
Traum wäre. Man vergleiche nur zunächst das Stück gleiches Inhalts 
auf demselben Marmor unten, bei Lebas Nr. 491 S. 104: 


TIMEOYAPXONTOZACEAHAYOOTEZ 
EKTONE9$HBONEIZTAÓ MA 
Tiuéov ἄρχοντος ἀπεληλυϑότες 
ἐκ τῶν ἐφήβων εἰς τάγμα, 
um zu erkennen, dasz hier gelesen werden musz: 


' $42 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


Καλλικρατίδ]αο 
ἄρχοντος ἀπελ[ ηλ]ύ- 
ϑήοντες ἐς «[à]v [ἐ- Mov[er]ov 
φή[β]ων ἐν τάγμα. Κλέωνος. 
Nemlich der Soldat Μούρτων Κλέωνος ist, als die ührige Liste schon 
eingegraben war, nachtragsweise am Rande hinzugefügt worden. An àhn- 
lichen Zusätzen fehlt es auch auf anderen Steinen nicht, und es machen 
sich dieselben bisweilen durch kleinere Buchstaben kenntlich, 2. B. Rhang. 
Nr. 1316, 3 S. 834 AEONTIAAH «“Δεοντιάδηϊς 
' TPYZ  ΦΊ]ρύξ.") 
Uebrigens ist es auch möglich, dasz jener Movgrov seinen Namen aus 
irgend einem Grunde nachmals auf den Stein gesetzt hat, ohne zu den 
anderen jungen Leuten zu gehören. Doch wie dem immer sei, der Name 
“Μούρτων geht aus den beiden Schreibweisen M.YO..N und MOYC2N 
völlig sicher hervor und ist dialektisch so viel wie Muprav (SIB. 5, 223"), 
s. Movers und Movoro ebd. Vielleicht stand 'desgleichen bei Rhang. 
Nr. 1306, 19 S. 830 IMQNMOYKRNOZ T]/uov Mov[or]ovos, wenn 
hier nicht, Mod[o]ovoc d. i. Mugavog (SIB. S. 222) das ursprüngliche 
war: Μούκωνος schreibt ‚Rhangabis, wo der Samier Myxav bei Paus.VI 
2, 9 (mit der Variante Mx) verglichen werden kaun.. Volle Zuverläs- 
sigkeit ist deshalb nicht zu erreichen, weil Leake (SIB. Nr. ΠῚ τι S. 13) 
und Lebas Nr. 625 S. 139 mit ihren Abschriften des sehr unleserlich ge- 
wordenen Titels nicht bis zu dieser Zeile gelangt sind. f 
2. 1 füllt Καλλικρατίδαο die Lücke geuau aus. Ist sie zu grosz 
angegeben, so bietet sich KaAlı»[Ald]xo dar, wenn schon CIG. 1578, 10 
S. 761 nicht mit Böckh Καλλικλίδας, sondern ᾿ΑἸκλίδας zu schreiben ist, 
s. oben zu Nr. XXX Vers1. Καλλικράτεις (ng) findet sich in Böotien, 518. 
S. 217°. 
2.2f. wird das Participium des Perfects erfordert, wie schon der oben 
angeführte Titel bei Lebas Nr. 491 darthut. Da nun aber beide Copien als 
den Schlusz der Form ONTEE geben, so habe ich statt der gewöhn- 
lichen Form, welche Rhangabis herstellt, die wenn bisher nicht als böo- 
tisch bekannte doch sicher Aulische anerkennen zu müssen geglaubt: πε- 
πληρώκοντα CIG. 2189, 9 Bd. Il S. 196, in Mytilene, wiederholt zu Thya- 
teira Nr. 3486, 7 S. 826. Ahrens dial. Aeol. S. 148. Die Belege aus der 
Homerischen Sprache κεχλήγοντερ) und aus Pindaros (κεχλάδοντας, me- 
φρίκοντας Pyth. 4, 179. 183) erwähnt auch. Baumeister. hymni Hom. S. 
265. Für Kallimachos bemerkt Meineke zu εἰς Δία 53 S. δ "neniyovreg] 
videtur poeta Homericum aoristum πέπληγον Od. IX 264 pro imperfecto. 
habuisse atque inde novum praesens πεπλήγω finxisse. eadem prorsus 
ratio parlicipii τετύποντες Dian. 61, quod ne τετυπόντες scribatur, ut 
Thesaurus Paris. v. τύπτω voluit et Par. habet, velat loci sententia." 
Dasz die Bildung auch dem. byzantinischen Griechisch bekannt war, erweist 
CIG. 9060, 5 Bd. IV S. 424 γεγρακόντα d. i. κεκραγότα (oder vielleicht 
γεγράκοντα). Vgl. Hirzel z. Beurt. d. aeol. Dial. S. 56. 
Z. 3 ἐς τῶν ἐφήβων d. 1. ἐξ (2x0): Ahrens a. 0. S. 213; bisher war 
inschrifüich dieses ἐστ nur aus Zusammensetzungen (ἔσγονος Nr. XXX 5) 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 943 


nachgewiesen. Gegenwärtig kennen wir es auch in Arkadien, Bergk tit. 
Arc. 1860 S. IX. XII. XIII Z. 51 ἐσδέλλοντες ἐς voi ἔργοι d. i. ἐκβαλλον- 
τες ἐκ τοῦ ἔργου, Z. 6. 15. 18. 50 ἐσδοτῆρες. 2. 7 ἐσδοϑέντων, 2. 54 
ἐσδοθῆ, Z. 16 ἐσδόσεσιν, Z. 42 rag ἐσδοκαῦ und Z. 53 ἐσδοκαῖς (éxdo- 
χαῖς). Auf Kypros hatte man es vordem bei Hesychios erkannt: ἔσποϑ᾽ 
ἕρπες" πόϑεν ἥκεις. Πάφιοι, wie M. Schmidt Bd. II S. 205, oder ἐς 
700 ἔρπες (d. i. ἐκ πόϑεν ἕρπεις), wie Bergk schreibt S. VIII.) Eine 
weitere Assimilation .lehrt der Vertrag zwischen Oeantheia und Chaleion, 
wo die Vorderseite Z. 1 ETA£YAAEIDOo£ , Z2. 9 ETA£COIAWeIDOZ, Z. 3 
EoANAZAZ und Z. 4 EMMENWot gelesen wird. Oikonomides S. 7 (— 
Ross alte lokrische Inschrift S. 21 ff.) beruhigte sich bei € τᾶς Χαλείδος, 
i τὰς Οἰανϑίδος. à ϑαλάσσας und à λιμένος, s. auch F. Wieseler Gótt. 
gel. Anz. 1855 Nr. 182. 183 S. 1816. Allein Kirchhoff im Phil. XIII S. 2 
nahm lieber an, die sonst auf dem Titel bemerkbare alte Orthographie, 
für den doppelten Consonanten das einfache Consonantenzeichen zu setzen, 
habe auch hier Platz gegriffen, es sei also ἑἐττᾶς X. und Oi. wie 289a- 
λάσσας und ἐλλιμένος zu lesen. Die orthographische Bemerkung trifft 
zu, abgesehen davon dasz auf der Rückseite Z. 6 καττασσυνβολας steht. 
Auch sind hier die Glossen des Hesychios: ἔλλυσιεν ἔκλυσιν]. Κρῆτες, 
und: ἐττῶν᾽ ἐκ τῶν, M. Schmidt Bd. ll S. 216. Ahrens dial. Dor. S. 358, 
anzuführen. Anderseits ist inzwischen allerdings auch die kürzere Form 
d aufgetaucht: denn die Inschrift mit dem Vertrag der Meoocvior und 
Φιαλεῖς aus der Blütezeit des ätolischen Bundes, Eph. arch. Nr. 3193, 6 
S. 1823 = Gerhard arch. Anz. XVII (1859) Nr. 127 —129 S. 112 * gibt 
TOQNE4IAAEIA£ τῶν € Φιαλείας. Dasz hier ἐφ Φιαλείας zu lesen sei, 
ist auch darum nicht glaublich, weil Z. 16 ἀλλάλως und Z. 22 Mtoca- 
vos vollständig geschrieben sind. 

Kürzer als hier heiszt es in den Stücken von Aegosthena Lebas Nr. 

4 τ]οίδε ἐξ ἐφήβων. Nr. 8, 2. 9, 3. 10, 3. 11, 2; mit einem Zeitwort 
N 4,1 ἐξ ἔϊφη)βων ἐν πελτοφόρας ἀπεγράψατο, eben so Nr. 5, 2 

7. 4 ἐν τάγμα d. i. εἰς v.: Ahrens dial. Aeol. S. 214. Das τάγμα, 
Bataillon, entspricht der attischen τάξες, Schömann gr. Alt. I S. 424. 
Offenbar stimmt aber der Uebertritt der bóotischen Epheben in das Ba- 
taillon mit der attischen Sitte, nach welcher die in das Gemeindebuch 
eingetragenen Epheben, welche den Bürgereid geleistet hatten und vor 
dem gesamten Volke wehrhaft gemacht worden waren, zwei Jahre, vom 
J8n bis zum 20n Lebensjahre, als περίπολοι dienten, Hermann Staatsalt. 
$ 121 S. 350. 

Die nun folgenden Namen der jungen Leute sind in beiden Abschrif- 
ten nur sehr fragmentarisch erhalten; bei Lebas: 


5... . NAMINONIKOZ 
. ZIAZAPITTOKPIT .. 


"PEN O . ΟΔΩΡΩ 
"M MEE PO 
.0........ 
10 ......-.. AD ..A. 
ecc so o n n he... . 


544 K. Keil: ur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 





5. ees rn o t n tm og 


ENEOX ....- 





. ΨΆΒΑΣ ν΄. ens ΠΑΡΆΛΙ 
ποσλ. MDP . KA 
. . . KA€QNO CORAG 
* HPIOMAXOZEQTHPIXOY 
bei Rhangabis: 
5 M AMINONIK2 
ATTAZAPIETOKPITE 
H MO£f 
OTOA2P2 
FINOY YAsPa 
10 nOfA AEIQ 
OISNADOAAOAs2Pa 
£EY£!2 
A  PPAZISNO 
x nos 








15 N 
ANTICENEO£ 
ATOANOARP2 
Za£IKIAOY 
MOZMENEMAXOY 
20 PATONOE 
ro oz x oO 
KAERNOE 
NTIMAXOZZETHPIXOY 


Also 2. 5 ᾿Αμινονίκω. Da der hübsche Name bei Pape fehlt, so s. Ross 
Demen von Attika Nr. 57 S. 62 (Rhang. Nr. 1394 S. 846) Ἡδυλίνη Ause- 
vovixov ’Apıdvalov ϑυγάτηρ und das Verzeichnis atlischer Frauen 
Rhang. Nr. 1286 II 25 S. 813 AMJEINONIKH ’Aujewovfxn. Ueber die 
Synkope, die auch in "Ausworkig, ᾿Αμεινοκλείδης (Conze Reise auf d. 
Ins. d. thrak. Meeres S. 100), ᾿ἡμεινόκλεια (Eph. arch. Nr. 3802 S. 1951) 
und Εὐδαιμοκλῆς erscheint, s. Lobeck path, elem. IS. 349. Z. 6 

σίας. 518. S. 29255, oder Θρ]ασίας ᾿Αφιστοκρίτω. 7.7 Lebas (8) vielleicht 
Πτῳ]οδώρω: der gleichnamige Thehaner bei Thuk. IV 76 und der Mega- 
rer bei Plut. Dion 17 sind noch fälschlich Πτοιόδωρος geschrieben, 
Bergk lallisches Progr. z. 4n/Mai 1859 S. 4. 2. 9 Rh. ΕἸὐδώρω, SIB: S. 
213°. Z. 11 Rh. (10) Iko]ov ᾿Απολλοδώρω, ehd. S. 226^ und 907". 
7. 13 Rh. Πραξίωνο[ς, auch in Orchomenos Rhang. Nr. 1304, 48 S. 828 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 545 


INO£TPO£O£PPAZIONIO£ 

ΔΊ]ινόστρο[τ]ος Πραξιώνιος 
d. i. Δεινόστρατος ὁ Πραξίωνος, und ebd. Nr. 1389 S. 846 — Eph. arch. 
Nr. 764 S. 484 mit Facsimile 


KAEITO λ]ειτὼ 
TIPAEIONO£ T llanoe 
OHBAIA Θηβαία, 
ΤΙΜΟΔΗΜΟΥ Τιμοδήμου 

5 ΑΤΗΝΕΩΣ ᾿Ἵτηνέως 
FYNH γυνή. 


Eine Frau Πράξιον s. SIB. Nr. LVIII^ S. 169. Rhang. Nr. 2186 S. 929. 
Z. 16 Rh. (17) ᾿Αντιγένεος, ebd. S. 401". Z. 17 Rh. (18) ᾿“πολλοδώρω, 
dies glaublicher als "AroAAodoro. Z. 18 Rh. (19) entspricht weder Zw- 
sioe (wie Σωκύδης Eph. arch. Nr. 2908, 1 S. 1431) noch Zwor- 
κ[λ]ίδου dem Dialekte, sondern entweder Zwoıxvdeos oder Σωσικλίδαο 
wie Z. 1 Καλλικρατίδαο. Andere Móglichkeiten lasse ich unberührt, da 
sich mancherlei darbietet. Z. 19 Rh. (20) i ros Μενεμάχω. 7. 20 Rh. 
Πασίωνος. SIB. S. 225°. Z. 21 Lebas d:]iéac, Εὐκ]λέας oder ähnlich 
(Ahrens dial. Dor. S. 560), Φιλ]λέας (SIB. S. 7, Φιλλίαυ Ussing Graeske 
og Latinske Indskrifter, Kjóbenhaven 1854, S. 26 Nr. 7 B17), dann Παρά- 
[uovoc. Z. 22 Lebas -im]moc Aa μπρ[ο]κλ[έος und zwischen Z. 22 u. 
33 Εὐκλήςς. Z. 22 Rh. (23) Κλέωνος, SIB. S. 219°. Z. 23 Rh. (24) 
᾿δντίμαχος Σωτηρίχου (ebd. 228°), nach Lebas Θ]ηριόμαχος. wofür 
Θηρίμαχος üblicher ist. 

Endlich fasse ich die κατάλογοε. d. i. Verzeichnisse der Dienstpflich- 
tigen (Schómann gr. Alt. I S. 424) zusammen, welche aus Böotien übrig 
sind: 1) CIG. 1573 S. 756 = SIB. Nr. ΠῚ 11 26 S. 13 nach Leake TY..A 
TON] EZTPOTEYAOH und Lebas, ganz wie Leake, Nr. 625, 9 S. 139, 
wo die unvollständigere Copie Rhang. Nr. 1306, 9 S. 880 TY: || EZTPO- 
TEYAOH gibt, d. i. sul πρᾶτον ἐστροτεύα[ϑ]η. in Orchomenos. 2) In 
Kopä, Nr. 1574, 2 S. 757 TONFEFAYANTENONAITA==Lebas Nr. 599 
S. 130, welcher Z. 3 FOIANOETPAYANT.ENOMANITA hat: τ]οὶ ἀποε- 
γράψαντο ἐν ὁπλίτας, SIB. S. 42. Böckh Berl. Monatsber. 1857 S. 489 
zieht τοι d. i. ro/de vor, indem er jenes TON in TOII auflöst. Eben so 
Rhang. Nr. 898, 1 S. 598 in Orchomenos: ΤΟΙ YNEBANONOO oii 
[σ]υνεβάλονθο. 3) In Lebadeia, Nr. 1575 S. 759, wo Z. 2 nach Leake 
(SIB. S. 46) -IKATITETIEZANETPAYANTO, nach Rhang. Nr. 130959 
S. 831 HIKATIFETIE£ usw., nach Lebas Nr. "165^ S. 46 das längst er- 
kannte FIKATIFETIEZ steht. Dasselbe auf demselben Steiu in der an- 
dern Liste Lebas Nr. 765* 1: FI. ATIFETIEZATETPAYANOO und cor- 
rupt bei Rhang. Nr. 1309* S. 831: IEAEIHTITZATENPATAHOO?Z. 4) In 
, Orchomenos, SIB. II S. 3 Z: 6 TONTPATONEZTPOTEYAOH, ebenso 
bei Lebas Nr. 626 S. 140, während Rhang. Nr. 1304 S. 827 TOII gibt, 
was Böckh Monatsber. a. O. erheischt hatte. 5) In Kopä, SIB. Nr. IV 5.18 
nach Ulrichs TOIANETPAYANTOEMMIEATO$OPAZ, bei Lebas Nr. 600, 
7 8.131 FOIEMITPAYANTOEMMIEATO®OPAZ und bei Rhang. Nr.1315, 


546 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum; 


78.834 FOIENITPAYAN DEATO?OIAIAE, also doch wol τοί, wie oben 
Nr. 2. Mit FOI wuste auch Böckh a. Ὁ. nichts anzufangen. 6) Zu Or- 
chomenos, Ussing inser. Gr, ined, Nr. 52 S. 41 (Eph. arch. Nr. 819 S. 508, 
Rhang. Nr. 1305 S. 829. Lebas Nr. 624 S. 139) Z. 9 TYIPPATONJ. £TPO- 
TEYAOH zul πρᾶτον [ἐ]στροτεύαϑη. wie aus den drei Copien hervor- 
geht. 7) In Lebadeia, Rhang. Nr. 1311 S. 833. 8) In Theben, Lebas Nr. 
491 S. 104 — Rhang. Nr. 705 S. 301. Wahrscheinlich haben dann zu 
derselben Classe von Verzeichnissen die Fragmente gehört 8) CIG. 1578 
S. 761, in Theben, seitdem in umfänglicheren Abschriften publiciert, von 
Leake (SIB. S. 50), Pittakis Eph. areh. Nr. 1453 S. 906. Rhang. Nr. 1319 
S. 836. Lebas Nr. 489 S. 103. Ulrichs ann. dell"inst. XX (1848) S. 48 Nr. I. 
9) Desgl. in Theben, Lebas Nr. 493 S. 105 — Rhang. Nr. 1316 S. 834. 10) 
SIB. Nr. XLV S. 159 — Eph. arch. Nr. 820 S. 508. Rhang. Nr. 1307 8, &31, 
zu Orchomenos. 11) Ebd. bei dems. Nr. 1308. 12) Iu Lebadeia, Nr. 1310 
S. 832. 13) Ebd. Nr. 1314 S. 834. 14) In Theben Nr. 1317 S. 835. Ebd. 
Nr. 1318 S. 836. 


XXXV 

Einige der vorher erwähnten Bruchstücke sind neben einem voll- 
ständigen Titel in onomatologischer Rücksicht so. interessant, dasz ihre 
Behandlung an dieser Stelle durch sich selber gerechtfertigt erscheinen 
wird. . 

Ich bespreche zuerst die allem Anscheine nach ganz erhaltene Liste 
aus Theben bei Lebas Nr. 491 S. 104. Rhang. Nr. 705 S. 301; derselbe 
Stein welcher auch die oben unter Nr. XXXIII und XXXIV wiederholten 


Stücke enthält: . 
4 TIMEOYAPXONTOZATEAHAYOOTEE 
EKTRNESHBANEIZTATMA ; 
MENEKAHZMENEKAEOEZ 
APOAAOAQPOZTEIMEOY ΑΡΙΣΤΙΩΝΑΡΙΣΤΊΩΝΟΣ 
5 ΔΗΜΟΦΩΝΜΕΛΙΣΤΊΧΟΥ NOYOOKAHZNONOYAPXR 

EYTOPOESANAKPIRNOC A®POAITIOEMAPAMONN 
MAPAMONOZSANAKPIQNOC 
XTPATQNEIMIOY AIONOYZIOZOMOAQIXO 


APXIPPOZAOYZIETPATO 


10 KAPAIOFEITOXEMTIEAQNOX nA a 


ZNTNNEIOYKPATOYE EYMOPOZAIONYEIR 
AEONTEYZANTIQNOE APIETIQNENEIKAEOYZ 
IANYPOZBOIATR 
ONACIM APIETE..... 

15 ΘΕΙΔΩΡΟΣΘΩΔΩ͂ΒΩ ΞΕΝΟΦΙΛΟΣΑΜΦΙΚΛΕΟΥῪΣ 
ONAEIMOCONACIMG) APIETIRNZOMOYPR 10 
TIAPAMONOZAAMQNOX 


ZTPOTRNEREIBIN 
ΣΩΤΕΙΡΙΧΟΣΣΩΤΕΙΡΩ͂ 
20 KYAAN.PTi.EA 


t€ 


ex 
NN 
-] 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


Τιμέου ἄρχοντος ἀπεληλυϑύτες 


ἐκ τῶν ἐφηβων᾽ 
“Μενεκλῆς ἹΜενεκλέος. 
᾿Απολλόδωρος Τειμέου, ᾿Δριστίων ᾿Δριστίωνος,; 

5 Δημοφῶν Melioriyov, Πουϑοκλῆς Πολουάρχω, 
Εὔπορος Φαλακρίωνος, ᾿Ἀφροδίτιος Παραμόνω, 
Παράμονος Φαλακρίωνος. Διονούσιος Ὁμολωΐχω, 
Στράτων Zuulov, Πραξίων Πραξίωνος, 5 
[Ἄρχιππος “ουσιστράτω, Εὕὔπορος Διονυσίω. 

10 Καραιόγειτος ᾿Ἐμπέδωνος, ᾿Δριστέων Σ[ωσι]κλέους, 
Σώτων Εἰθυκράτους, Agore[löng en 
Asovreüs ᾿Αντίωνος, ενόφιλος ᾿Αμφικλέους, 
Ζώπυρος Βοιωτῶ, ᾿Δριστίων Ζωπούρω. 10 


Ὀνάσιμ[ος. 

.15 Θείδωρος Θ[ε]ιδώφω, 

Ὀνάσιμος Ὀνασίμω, 

Παραάμονος Δάμωνος, 

Στρότων Σωσιβίω, 

Σωτείριχος Σωτείρω, 

40 Κυδαάν[ω]ρ Τ[ιμ]έα. 
In Wiedergabe der Buchstabenformen und in der Anordnung der Zeilen 
bin ich dem Exemplare von Lebas gefolgt, worin sich einige Zeilen durch 
gröszere Lettern hervorheben, namentlich Z. 1. 3. 11. 16 — 19 und Col. 
Il 1. 4. 5. 7. 9. Z.2 lies Rhang. E£, Z. 4 a. A. APOAAONIOS, Z. 9 a. A. 
AIX, Z. 10 KAPAKTEITOZ, Z. 11 Zo T9N, Z. 12 ΑΡΙΠΩΝΟΣ, Z. 14 ONA- 
OOC, Z.15 OEA2PO£ A9P32, 2.90 XAAMKOHC ATAOOKA€OY ; Col. 
Il 4 OMOA9I£2, 6 a. E. OY statt Q, Z. 7 APIETON; dann hat Lebas 
blosz X...KAEOY, Z. 8 Rhang. API£TOKAH£ ; Z. 10 Lebas APIETQN. 

Eigentümlich ist das Schwanken des Dialektes: 2. 3 MevexA&og und 
Il 7. 9 Σωσικλέους, ᾿ἀμφικλέους; Z. 5 Meligríyov und sonst der Gene-, 
tiv auf -o: Z. 9 “ουσιστράτω, 13 Βοιωτῶ, 15 θειδώρω usw.; Z. 1 Tı- 
u£ov, 4 Τειμέου u. 2. 20 wahrscheinlich Τιμέα; Z. 8 Στράτων u. Z. 18 
Στρότων; Z. 13 Ζώπυρος u. Col. Il 10 Ζωπούρω; Z. 9 Aovasoıparo, 
Col. 113 Πολουάρχω, 4 Διονούσιος und ebd. Z. 6 Διονυσίω. 

A. 1 Τιμέας: Z. 4. 20, CIG. 883 Bd. I S. 526 Τιμέας Tiu£ov Πλα- 
ταιεύς. 2.3 MevexA£og: ᾿4γαϑοκλέος XLII Nr. 2124; Nr. XXI 3 Καλλι- 
κράτεος (auch Nr. XXIV 24), ebd. 26 Μῦϑνασιγένεος. ᾿Δριστομένεος Nr. 
XXV 1, um nicht mehr Beispiele zu häufen. Das üblichere wäre Meve- 
xAsiog, Ahrens dial. Aeol. S. 202. Z. 4 ᾿4πολλόδωρος: SIB. S. 207°, Nr. 
XXXIV 17 (18), Nr. XXXV* 4. *4, Nr. XXXVIII* 9. Z. 5 Meilorıyos: Ar. 
Ekkl. 46 τὴν Σμικυϑίωνος δ᾽ ovy ὁρᾷς Μελιστίχην; Derselbe Name 
scheint Βελιστέχη. wolür man meist Bilsorlyn gegen die Ilss. gesetzt 
hat,- W. Dindorf Steph. Thes. u. Βιλ. Allg. Litt. Ztg. Erg. Febr. 1840 
S. 78. Spec. onom. Gr. S. 28. Beispiele vom Wechsel des B und u s. bei 
Ross Italiker u. Gr. 2e Bearb. S. 140 ff. MeAsorlyov musz vielleicht auch 
bei Rhang. Nr. 862, 4 S. 533 TYXHMENIZT hergestellt werden: Καλλι]- 
τύχη, Συν]τύχη Μελισι[ίχου, wiewol auch MeAor[/ovog möglich ist. 


548 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


2.6 u. 7 Φαλακρίων: Pape im Wórterb. Häufiger ist Φαλακρος oder 
(Φαλακρός, Pape, Meineke Steph. Byz. S. 244. Rhang. Nr. 57 I 70. 72 Bd. 
S. 51. Eph. arch. Nr. 3760 II 12 S. 1927. CIG. 5542* 1. ^7 Bd. III S. 603. 
' Einen Φαλάκριος scheint die Inschrift aus Trózen zu bieten Eph. arch. 
Nr. 2581, 17. 21. 31 S. 1272 (Rhang. Nr. 785 Bd. Il S. 398), s. Bursian 
rhein. Mus. XI S. 325. Auch Βάλακρος findet man oft, Pape u. Rhang. 
Nr. 686, 4 S. 256 (Preller Ber. d. k. sächs. Ges. d. W. 1868 S. 160 Nr. 6). 
Παράμονος: 2. 17. Col. Il 3. SIB. S. 225*. 2. 8 Στράτων: ebd. S. 237 *. 
Nr. XXXVIP 19. Σιμίας: a. 0. S. 357". 2.9 "Aeyımnog: ebd. S. 309". 
“ουσίστρατος d. i. “Δυσίστρατος, wie “ουσικράτεις CIG. 15695, 6 Bd. I 
S. 741, Aovaldsog Nr. XXXV* 5, Aovolag Nr. XXXVI* 4. Ζ. 10 Καραιό- 
γειτος (Καράιχος u. Καραέων SIB. S. 218*, ersteres auch atlisch, v. Pro- 
kesch Ined. m. Münzsaml. S. 30 f.) ist von (Ζεὺς) Καραιός (Hesych. Bd. II 
S. 410 Schmidt. Gerhard gr. Myth. $ 192, 7". Lauer Syst. d. gr. Myth. 8.202. 
Spec. onom. Gr. S. 7) ebenso gebildet wie Διόγειτος (Inschr. von Telos 
bei Ross Ilell. S. 60 B 5) von Zevg und Ἡρογείτων (Pape, Ross a. O. C 11 
S. 61) von Ἥρα: Θεύγειτος anal. epigr. et onom. S. 196. SIB. S. 189 u. 
215^. Euntdov: CIG. 1609, 1 S. 784 ᾿Ενπέδωνος ἄρχοντος in Chäro- 
neia; ein '"Euzéóov Θημακεύς erscheint in der attischen Inschrift bei 
Bóckh Staatsh. d. Ath. II S. 32 Z. 20. Z. 11 Σώτων: diesen Namen habe 
ich Anm. 6, 16 zu schützen gesucht; Rhangabis schreibt [Ζ]ώτων. .Ei- 
ϑυκράτους: ᾿Ιϑυκράτεις Nr. XXXVIII* 834. Z. 19 Asovrevg: Nr. XL 8. 
’Avriov: SIB. Nr. XIl^ S. 74 in Theben ᾿Αντίων  ἀνέϑεικϑ Παναρμὼν 
τοῖς ϑεοῖς : vielleicht auch bei Rhang. Nr. 2049 S. 932 für AITIQN her- 
zustellen. Rhang. liest hier ἡ ρίπωνος. wofür mindestens ᾿Δρίσεωνος zu 
schreiben war. Z. 13 Zosveog: 518. S. 214". Bowrog: zu Pape trage 
ich nach Iosephos ant. lud. XIV 10, 14 ψήφισμα 4ηλέων᾽ ἐπὶ ἄρχοντος 
Βοιωτοῦ —. Mehr Beispiele liefern die attischen Redner. Z. 14 Ova- 
σιμος: Z. 16. SIB. S. 224*. Nr. XXXV? 2. Nr. XXXVIII* 4 Z. 15 Θείδω- 
eos: so mit Lebas; dasz jedoch auch Θέδωρος bräuchlich war, ist oben 
zu Nr. XXI 95 erhärtet. 2.17 Aauwv: ebd. S. 411". Nr. XXI 97. Nr. 
ΧΧΧΥ "20. *6. Nr. XL 13. Eph. arch. Nr. 2575 S. 1269. Rhang. Nr. 1801, 
2 S. 986. Z. 18 Σερότων: s. zu Σωστρότιος Nr. XXXVII* 3, Καλλίσερο- 
rog Nr. XXXVIII* 29. Ζ. 19 Σωτείριχος «ΣΣωτείρω: Anm. 6, 14. SIB. S. 
298*. Nr. XI 1. Nr. XXXIV 23(24). Z. 30 Κυδάνωρ: CIG. 615 Bd. I S. 498 
"Erolun Kvóqvogoc ἐκ Bepvamıdav. Die Lesart in den Ant. Hell. XAA 
AIKOHC AFAGOKAE€OY [Α]αλλικ[λ]ῆς ᾿4γαϑοκλέου[ς (Rhang. Kalle. 
xong!) stellt vielleicht eine nach Z. 20 folgende Zeile dar, welche Lebas 
nicht mehr lesen konnte. Jene beiden Namen sind auch sonst böotisch, 
SIB. S. 217? u. S. 205°. Nr. XIV 25. Lebas Nr. 526, 2 Bd. IL S. 113. We- 
gen des von mir zugesetzten Sigma s. zu Col. 11 7. . 

(0]. 1 ᾿Δριστίων: Z. 7 u. 10, falls die vollere Schreibweise an 
beiden Stellen vorzüglicher ist, s. oben die Varianten; SIB. S. 908*. Nr. 
VII^ 8, Nr. XXIV 21. Nr. XXXV* 11. Nr. XXXVIII* 3; aber auch 4 
findet sich in Böotien nicht selten, ja fast noch häufiger: SIB. S. 908^. 
Nr. XXXV* 9. ^10. 14. *10. Nr. XXXVIII* 9. 16. 42. 49. 2.3 Πονϑοκλῆς 
d. i. Πυϑοκλῆς; so Πονϑίας (Nr. XXXVIII* 7), Πονθιάς, Πουθόδωρος 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 949 


(Nr. XXXVI^ 18. Nr. XXXVIII* 12), Πουϑόνικος, Πούϑων (Nr. XXXVI*9. 
Nr, XXXVIII* 10) SIB. S. 226*. Πολούαρχος: Πολουξένιος Nr. XXXVIII* 
31, und noch mehr bóotisch Πολιουκλεῖς Nr. XXXV* 7. 2. 3 4gpoót- 
zıog: auch hier zeigt das τ auf Bóotismus hin, s. Ahrens dial. Aeol. S. 173 
und dial. Dor. S. 61. CIG. 5776 Bd. III S. 1253" zu Herakleia in Grosz- 
griechenland Ἱστιαίᾳ πρὸ αὐταυτῶᾶς καὶ τὰς ᾿Δφροδιτίας Δορκὰς ἀνέ- 
ϑηκε. 2.4 Διονούσιος: s. zu Nr. XXXVI* 2. Nr. XXIV 21." Ὁμολώιχος: 
SIB. S. 224°. Z. 6 Πραξίων: weitere Belege s. zu Nr. XXXIV 13. Nr. 
XXXVIII* 48. 2.7 Σωσικλῆς: Nr. ΧΙ 7. Der Genetiv auf -£ov würde 
an und für sich erträglich sein (epigr. Excurse in Suppl. d. Jahrb. f. class. 
Phil. H S. 380), kann aber hier gegen Rhangabis Lesart nicht aufrecht 
erhalten werden, so wenig wie Col. 1 20 ᾿4γαϑοκλέου in einer schwer 
leserlichen Zeile; s. auch Nr. XXIV 27. — Zu den a. O. beigebrachten 
Beispielen füge ich folgende hinzu: 1) Lebas Attique Nr. 117, 5 S. 16 
EITIIEPE2EKTHEIKAEOY ATNOYZIOY (dagegen CIG. 551 Bd. I S. 490 
Νικαρέτη Κτησικλέους Ayvovalov). 2) Eph. arch. Nr. 3390 S. 1773 
€IAONIKO£ 
$IAOKAEOY 
BEPENIKIAH£ 
3) Ross inscr. Gr. ined. lI Nr. 191 B 5 S. 74 NYM$OKAEOY, doch setzt 
eine neuere Abschrift in der Athenischen Zeitung Νέα Πανδώρα 1857 
S. 357" das X a. E. hinzu. 4) CIG. 4211" Bd. III S. 130 ΙΕΡΟΚΛΕΟΥ, 
Franz: "sooxifov[c. 7.8 ist ᾿Δριστείδης ungewis (SIB. S. 208°, oben 
Nr. XXII 1). Misfällt der Diphthong , obwol Z. 4 Τειμέου und Z. 11 Ei- 
ϑυκράτους stehen, so läszt sich ᾿Δριστέας vorschlagen, SIB. S. 997 ". 
Der Schreibweise bei Rhang. APIZTOKAHS (a. 0. S. 208°) scheint mehr 
Vermutung als wirkliches Erkennen zugrunde zu liegen. Z. 9 Ξενόφιλος 
ist neu für Bóotien. Der Sieger συνωρίδι [τ]ελείᾳ T. Φλαούιος ᾿ἄμφι- 
πλῆς in dem thespischen Titel SIB. Nr. V 13 S. 52 kann ein Thespier ge- 
wesen sein. Der Wegfall des Beonızvs, was andere Namen nach sich 
haben, oder, wenn man will, eines anderen Gentilicium, ist wol da- 
durch zu erklären, dasz der Mann mit seiner vollen Bezeichnung, auch 
nach dem Vaterlande, schon vorher in dem jetzt mangelnden Teile der 
Inschrift verzeichnet war. Z. 10 Ζώπουρος d. i. Ζώπυρος: 818. S. 214^, 
vorher Col. I 13. 
a) Rhang. Nr. 1308 S. 831, zu Orchomenos: 
AAMATPIO 
ZKOPIAAZEP 
OTFENEIOZANTI 
PANGIAOEMNAZIAOXN 
9 AAIMQO€IAAEIAO Y ZIOIN 
IO£ETEAPXO£AAAPXO 
NMITOIAAAOTOAIOYKAI 
BIOTOEYPOYAOXOZAOANIX 
KAEIZAPIETNNOZ 
10 £MIATIAOAIQNXAPIK^ 
PATEI££OPATPO 


550 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


EZAAKEZT KAIENIK 
EIAQANTIFENIAO 


O£EYPIO 
15 AAQ 
9ANT 
Z.1 Δαματρίω, s. SIB. S. 311". 2. 2 Asolexogidag, Rhang. Nr. 1298 
Ill 35 S. 822 
| OHBAIOI Θηβαῖοι" 
AY£ANAPO£ Avcavdgog. 
AIO£KO YPIA£ Διοσκουρή ὅ]ας. 


wobei ich die Lesart der Proxenie von Orchomenos SIB. Nr. 1 ὃ 8. 1 ver- 
bessere, indem hier nach der Copie von Lebas Nr. 631 S. 144 €. £IBIONI 
AIofKoPIAAO (Rhang. Nr. 705^ S. 303 E £IBIONIJAIO£KOPIAAO) 
Σ[ω]σίβιον Διοσκορίδαο gestanden hat. Z. 3 4/]-Eogu]oyévesog oder 
ähnlich. Z. 4 Πάνφιλος Mvaoılöyw. Z. 5 -δαμω, Φίλλει[ς] Aovas- 
lo, Rhang. schreibt Δαιμωφίλλης. Griechisch wäre Δαμωφέλης (s. 
Pape), bóotisch ΖΦαμωφέλεις, wie Νικωφέλης ὃ Θηβαῖος Pollux IV 77 
S. 160 Bk. und Οἰκωφέλης. ein Rhamnusier, Rhang. Nr. 425, 11 S. 96. 
Wegen Φίλλεις vgl. SIB. S. 7, Φιλλέας Anm. 47 a. E., Φιλλώ Anm. 18 
a. A. «Πουσιϑίω ist s. v. a. “υσιϑέου, SIB. S. 220°. Z. 6 Ἐτέαρχος 
“αάρχω, letzterer Name schon sonst bekannt, ebd. S. 320°. Z. 7 Hsr- 
ϑιάδαο, Πολιουκλ[εῖς : Rhang. will ohne Grund Πιτϑιάδα[ς] (vgl. Πιτ- 
ϑεύς) und Πολιοῦ, KAs-. Jenes steht für Πολυκλεῖς (SIB. S. 225^) wie 
“Διουσίας ünd Ὁλιουνπέων (Rhang. Nr. 1306, 13 S. 830 OMOYANI£IQN, 
Leake ONTOYNMIQNOF SIB. S. 17 a. E.) bóotische Formen von Avalag 
und Ὀλυμπίων sind. Z. 8 Βιότω oder Εὐ]βιότω: Plut. de soll. an. VII 9 
Εὐβίωτον μὲν εὖ οἶδα xal τὸν ἐμὸν ἀνεψιὸν ᾿Δρίστωνα τούς vt Διονυ- 
σίου παῖδας ἀπὸ Δελφῶν Alaxlörw καὶ ᾿Δριστότιμον *) τοῦτον εἶτα 
Νίκανδρον τὸν Εὐϑυδάμον χερσαίας δαήμονας ἄγρας" der sprechende 
ist AvroßovAog, wenn nicht der Sohn des Plutarchos, so doch ein Böo- 
ter, und ein solcher auch Eufiíoroc: denn so musz verbessert werden. 
Ebd. Εὐρούλοχος ᾿4ϑανίχω: Εὐρύλοχος SIB. S. 214*, wo auch Evgov- 
φάων nachgewiesen ist. Desgleichen kennen wir 46cvizog und ᾿4θανέχα 
als bóotisch, a. 0. S. 306". Z. 9 -xÀsig ᾿Δρίστωνος" Namen auf -xissg 
s. unten Nr. XLI 2. Z. 10 Midz/ao, Δίων XagixA[Ídao oder Χαρίκιζειος, 
nicht Χαριεκλ[είδου mit Rhang. Hier taucht Μελτέας (vgl. Μίλτας 
μάντις Plut. Dion 94) zum erstenmale auf.*) Zu Δίων s. SIB. S. 213; 
Χαρικλῆς ebd. S. 231°. Z. 11 Σωκ]ράτεις Σωπάτρω, ebd. S. 328". 
7. 12 E£oxfo:[o], Kis[o]vsx[og: den Genetiv habe ich hergestellt, weil 
blosz éin Buchstab ausgefallen zu sein scheint; s. SIB. S. 212”. . Der 
andere Nàme ist ungewis. Rhangabis schreibt ᾿Εξακηστοκλεῖς Nim-. 
Z. 13 Evu]e/Ao oder [Μνασιμ]είλω, SIB. S. 214* u. 223", andere Zusam- 
mensetzungen, wie Qilou]s(Ao, nicht ausgeschlossen, S. 230*. Hierauf 
᾿Αντιγενίδ[ας, ebd. S. 207". Z. 14 EX[f]i[o, S. 218^, oder Ev[f];o[ so. 
Z. 16 Rhang. Ζιο]φάντ[ου ; mindestens 4Διο]φάντζω, SIB. S. 219*. 

b) Der Stein zu Lebadeia, welcher die Inschrift Böckhs Nr. 1575 
(SIB. S. 46 ff.) enthält, ist links von diesem Stücke mit einer zweiten 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 551 


Liste beschrieben, die Rlıaug. Nr. 1309 S. 831 und Lebas Nr. 765° S. 159 
mitgeteilt haben. Aus beiden Copien ergibt sich für den Titel links fol- 
zendes Ueberbleibsel : 


AEIHOI£HNEI9SFI.ATIFETIEZADETPAYANOO€ 
ANAZIENOZ .PAAIATONAZIMR 
EYKPATIAAOENITTAZIXOZ 
TANAPOZATOAAOARPLELT 

5 EN ΑΓΛΩΝΕΥΔΑΜΩΟΛΥΜΓΊΧΟΣ 
POTO£OMORAGSIX2£ZAMIXO£NIONO£ 
A NKAEI£EIMEIAOAN9IAIAA£ EYNOM2 
T YPKOMAPMOZEN294IAOAAOtA 
KPATIOXZAFEI£IAAOZAOANOA92P2 

l0 ITO£ZAPIZT29NOSCOAYKPITO££A 


M NISHOZMNAZ2 
A N I A Y 
TPINOYAOZAZTAZIR 


2 
IZINAPITTNNPIAOKPATIOZ 


Z. 1 fehlt bei Rhang. das zweite lota; dann hat dieser MIEAEIHTIEZA- 
ΓΕΠΡΑΓΑΗΘΟΣ. Z. 2 ist ebd. NOT und £IM2 ausgefallen. Für PA- 
AIA£ bei demselben gibt Lebas .P..IA£. Z. 3 hat Lebas statt des zwei- 
ten T ein Iota. Z. ἃ a. A. Rhang. P für T; Lebas .D.AA usw. Z.5 
derselbe blosz ΑΓ A  AYMPIXO£, Z. 6 nur OAOX Σ O£, 2.7 
I.KAEIZIEI AIAAZ usw., zuletzt M statt N bei Rhang. Z. 8 Lebas 
T YP...APMOZENQ, Rhang. ENO. Z. 9 fehlt a. A. KP bei Lebas, 
auch hat dieser nur AF E£ usw., Rhang. OAN usw. für AOAN. Z. 10 
a. A. Lebas ΙΟΣ.  Demselben fehlt Z. 12. Nach ilm sind Z. 13 u. 14 
heruntergerückt und mit gröszern Buchstaben geschriehen, welches letz- 
tere bei Rhang. nur für die überdies durch einen Strich getrennte Z. 14 
gilt. Z. 13 Rhang. TOPIOIAOS usw. Die Form des Phi Z. 14 hat allein 
Lebas: in dem kleineren Omega stimmen heide Abschriften, das kleinere 
Omikrou erscheint éinmal Z. 8 bei Lebas. Der Vollständigkeit halber und 
um den SIB. S. 46 hingeworfenen Verdacht eines Irtums zurückzunehmen, 
ist noch zu erwähnen, dasz zuerst L. Stephani Reise durch einige Geg. 
d. nórdl. Griech. S. 69 Tf. V Nr. 39 diese Anfänge der ersten Zeile beider 
auf dem Steine befindlicher Titel mitgeteilt hat: 

AEIHOITHNETONA ONMINNAPXONTOZ 
und die Schluszzeile des linken Stückes: 

ZIOAPIZTONOIAOKPATIOZ 

was auffällig sein konnte, so lange von dem Vorliandensein einer zweiten 
Liste nichts bekannt war. 

[..... 2... e . ἄρχοντος Δεβα- 

δειήοις "Hvtra ἐικατιξέτιες ἀπεγράψανϑο Σ͵ μων 

᾿Αναξίωνος, [Θ]ρα[σ]ίας Ὁνασίμω, -------- 

Εὐκρατίδαο, ᾿ΕἘπιστασιχος - - - - - - - - - [Av- 

Jahrh. f. elass. Philol. Suppl. Bd. IV lift. 4. 36 


902 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


τανδρος Anollodwgw, Zor[elgıyos ----- Προ- 
5 ξ]έν[ ὦ], "Aylov Εὐδάμω, Ὀλύμπιχος - - - - - [Evo- 
τΊροτος Ὁμολωΐχω, Σάμιχος Νίἤω]νος; - - - - - - 
α[λλι]κλεῖς Ε[ ὑ]ἱμεῆ λω]. [Πανφιλίδας Εὐνόμω, ΙΣ- 
ἀιρίοῖ: “ρμοξένω, Φιδόλαος A T------- [ E- 
ὑ]κράτιος, ᾿Δγεισίλαος ᾿᾿ϑανοδώρω --- -τ-ς [Καλλίκ- 


Ι0  o]iroc Aglorwvos, Πολύκριτος Σα[μέχω - - - 
T----- Nie|v]os, Μνάσαϊν ---2--- 


- - - Τρίπουλος ᾿Δσπασίω ----2-- [ Xag- 
solo, Aglormv Φιλοκράτιος --------- 

Nach Analogie der Liste rechts: Χαροπένω ἄρχοντος Boswroig, 
Asßadeı[n]oıs δὲ Κα - - ist der Anfang hier deshalb nicht zu ergänzen, 
weil zwischen AEIHOI£ und HNETQ durchaus kein Raum für ein AE 
bleibt. Mutmaszlich hat daher an der Spitze ein Wunsch guten Erfolges 
(10g τύχαν ayadav oder ähnlich) seinen Platz gehabt. 

2.1 “εβαδειήοις: diese Form (SIB. S. 46, “εβαδειήων CIG. 1588. 
1. SIB. S. 63. Ahrens dial. Aeol. S. 188. 205. dial. Dor. S. 520) ist diplo- 
matisch sicher; neben Asßadevg (Asßadeıevg) haben wir “εβαδαῖος 
anzuerkennen, wie Augırponaiog und ᾿Δμφιτροπαιεὺς nehen einander 
bestanden, Lobeck paral. S. 27, und Zigevg, Σιφαιεύς (Σιφαεύς), Σι- 
φαῖος. Böckh Berl. Monatsber. 1857 S. 487. 

Ebd. weisen die Lesarten HNEI2 und HNETO zu deutlich auf 
HNETO Ἠνέτω (Alveros Apollod. 1 9, 4 S. 21, 21 Bk., 4iverog Lelrs 
de Arist. S. 991), als dasz ich eine Aenderung wie HNEIAO d. i. Ἠνείαο 
(.Aiv&lao) wagen möchte, s. Rhang. Nr. 1312, 3 S. 833. Die Inschrift zu 
Cháüroneia , Eph. arch. Nr. 2631 S. 1315: EIHEZHNETOFI lautete viel- 
leicht Ἐ{[πὶ] ᾿ἘΕ[ξ]ηνέτῳ d. i. ᾿Εξαινέτῳ; s. Pape und Eph. arch. Nr. 3362 
S. 1760 Πειϑίας Ἐξαινέτου Μαντινεὺς. Auch ᾿Επαίνετος ist ein bóoti- 
scher Name, SIB. S. 212^. Zu ἀπεγράψανϑο s. Bóckh a. O. S. 489. Σί- 
ko» ist natürlich ungewis, SIB. S. 927 ". 

Z. 2 "Avablovog: ebd. S. 206^. Θρασέας nur versuchsweise; [ E]o- 
[uU /ac (SIB. S. 213°), Π]ρα[ξ]ίας, Φ]ρα[σ]ίας u. a. ist möglich. Ὀνασί- 
po SIB. S. 224°. Münze aus Tlieben in Besitz des llrn. von Prokesch in 
Gerhards arch. Ztg. 1846 Nr. 41 S. 269 ONA£I, wo J. Friedländer die 
gleiche Legende böotischer Silbermünzen bei Mionnet Il 102, 41 anführt. 
Ζ. ὃ Εὐκρατίδαο: SIB. S. 213". Enuoraoıyog: der Name scheint von 
"Eníovacog (Ἐπίστησος)  benso gebildet wie Σωσέχα (SIB. S. 228*) von 
2000c , vgl. Nixaoos, Ovaoos, Πράξος u. a., Lobeck P Lis S. 410. 
Z. 3—4 ist "Avravdgo; für Böolien nachweisbar, SIB. S * 5 doch bie- 
tet sich auch noch anderes dar, wie 44o/o]ravóoog (ebd. s. NT b. Anol- 
λοδώρω: ebd. S. 207 . Zon[cíoryos: ebd. S. 228*. Z. 4—5 Προξένω: eld. 

S. 226^. Z.5 Aylàv d. i. Aylawv: CIG. 1575, 3 (unten c 3). 4 έξιππος 
᾿Αγλάωνος (Lebas und Rhangabis lassen hier den Vaternamen weg): 
"Aylor ist von Bóckh üher die von Hrn. v. Prokesch in Thera entdeckten 
Inschriften S. 79 und von Franz el. ep. Gr. S. 52 geschrieben; nur weisz 
ich nicht, wie die Vergleichung mil ἀγαϑός “γάϑων und ἀγλαός Aylaav 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 553 





wegen des Accentes zutrili. Εὐδάμω: SIB. S. 213. Eph. arcli. 
21 S. 1805 Elö[d]nuolv || Φι]λούργου Πλατ[αιέα. ᾿Ολύμπιχοι 
224°. 2. 5—6 kann statt eines Namens auf -6rgorog. d. i. -στρατος, Ah- 
rens dial. Dor. S. 517, auch einer mit der Endung -Bgurog gestanden ha- 
ben, wie Ὀνασίμβροτος. 818. S. 224°. 2.6 Ὁμολωΐχω: ebd. a. 0., Za- 
N& i & 223°. . unten Z. 10. Z. ^" hat 




















1597, 18. 777. 7. "4 Σάτυρος: SIB. S. 
. 255, 5 S. 76 αὐλητὴν Σάτυρον PAM 
Βοιώτιον. “Αρμοξένι Pape u. d. W. und "Aguobéva SIR. Nr. LXV* 
8.175. Φιδόλαος : ebd. S. 229", Rhangabis schreibt die ganze Zeile also: 
Κόμαρχος Zevopliw, “αοσα-: s. An. 58. 7. 8—9 ist ein bloszer 
Versuch, SIB. 5. 213”. ᾿Δγεισίλαος ’A9avodage chi. S. 205 * u. ". Z. 
9 —10 Καλλίκριτος ist ganz ungewis, aber mindestens höotisch, Polyb. 
ΧΧΙΠ 2 S. 953, 12 ΒΚ. Liv. NLIT 40 Thebanos legatos. Euersam (t) et 
Callicritum. “Agloravog: SIB. S. 208". Πολύκριτος: ehd. S. 226°. Z. 11 
Μνάσων: ebd. S. 222*.. 2. 13 Τρίπουλος : es fragt sich, ob der Name voll- 
ständig ist. Τρίπυλος heiszt ein Abgeordneter des Kleomenes bei Plu- 
tarchos im Aratus 41: allein derselhe Mann wird im Lehen des Kleomenes 
19 Τριτύμαλλος ὁ Μεσσήνιος genannt, so dasz dieser Beleg keine rechte 
Beweiskraft hat.) 7. 14 bildet nach minder genauen Copien den Schlusz 
von (IG. 1575, welche Liste hier mit Zuziehung derselben Gewährsmän- 
ner wie die mit δ) bezeichnete unter 

c) wiederholt wird, weil es erst jetzt möglich ist die echte Lesart 
wenn nicht überall doch an mehreren Stelleu zurückführen. 


XAPOTIN2APXONTOEBOISTOIZAEBAAEIEIOIEAEKA 
OTTIOFFIKATIFETIESATETPAYANTO 
AIONY£OAsPO£eHAPIAOAEZIPOSAT AASNO £61AO 
ZENOXXEIPIAOSIAoNAAMOKAIAAOMNA£IAAEZAPHIKo£ YAANOS 
5 TIMA£IOISAAEZGoNADOAAOAsSPo*EPEIZNIKONO£AMINIAZ£AOAA 
ZIXoPOZENO££AoNO£EYTITeNZENeNO £HPAKAEITO£AA 
MIAOFAZIA££ TPEYIDPIAAOAPIZ TOT IT2NMNAZIMOX 
KAI2NNISNO£KAPAIXO £MNAZIMEIA2BPANIAAE 
MNAZIMAXRGIA2NAZRTIXREYPINEITOZANTANAPR 
10 MAZIANAPIETRNOZKANNIAEAPIETEZNOZONYMTIXOZ 
PAMPIPAOMNAZIAZPAZISNO £API£TISNOOEAEIMo 
SENOKAEI££AYMEIA2AIODIOEI£O9EAEIMa 
xo A € KAIaNR£ 
OEOAOTOEITTAPXOE 
Wo nichts bemerkt ist, liegt die Lesart des (ΟἹ. zugrunde. Z. 1 hat 
Leake AEI. OIZ, die übrigen Copien (Rhang.) AEIOI£ oder (Spon) AEI- 
ΕΙΟΙΣ, Lebas A..A... Dieser und Rhang. gehen durchweg 2,* und £. 
2.2 a A. Rhang. OTTa£. Die folgenden zwei Worte sind allein bei 
Lebas richtig geschrieben. 7. 3 NIAPIAO CIGi., ®HAPIAO Lebas, ΣΦΟ- 
APIAO Rhang. Beiden fehlen die letzten zwei Namen. Z. 4 AAMOKAEI- 
36* 


von lasos hei Lehas 






























054 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


AAO Rhang. Derselbe a. E. MNA£IAA, wozu Lebas E! fügt: der Rest 
fehlt beiden. Z. 5 haben sie vollständig TIMA£IOI2. Statt €4EPEI£ bei 
Lebas liest Rhang. (EPEY£, CIG. ΙΕΡΕΙΣ. Nach NIK2NO£ hat Lebas 
weiter nichts, Rhaug. AN2. Ζ. 6 a. E. Rlıang. HPA, Lebas HPAKAE. 
2.7 FAZIAZ Lebas und Rhang. (im GIG. lA£IA£). Dieselben: ZTPE 
usw. (ehemals TPE), a. E. nur MNA£. Z.8 a. À. sind die zwei Namen 
wie oben bei Lebas; Rhang. hat KAISNNESNO£, CIG. KAIMNHISNO£. 
Zuletzt Rhang. BOANO£A£, Lebas BPAN.AAZ. Z. 9 hat blosz Lebas 
ΦΙΔΩΝ, die anderen ΦΙΛΩΝ. Am Schlusz bieten das richtige 2 Le- 
bas und Rhang. Z. 10 dieselben OAYMP'XO&£ für OAYMMIOZ. Z. 11 
Lehas API£TI2N. Derselhe OdEIAEIM2, Rhang. OPEAEIME wie im CIG.; 
ganz ebenso a. E. von Z. 12. Ilier hat nur Lebas AIOPIOEI£, Rhang. 
AIOPIAEI£, CIG. AIOTIOEX. Z. 13 sind die ersten vier Buchstaben 
aus Rhang. entnommen. Dann liest dieser Al? 2£, Lebas KAIONA, CIG. 
KAIONAZ. Z. 14 hat bei Lebas, dem aber das letzte € fehlt, ebenso 
grószere Buchstaben wie die vorhergehende. 


Xagonívo à ἄρχοντος Βοιωτοῖς, “εβαδει[ή]οις δὲ Κα -- -- - 

όττιος Finarufirseg ἀπεγράψαντο᾽ 

Διονυσόδωρος Φηδρίαο, 4Δέξιππος᾽ Αγλαωνος; Φιλό- 

ξενος Χειρίαο, Φέλων Δαμοκλίδαο, Mvactaó[a]c AelvlAzlo; 

ıllavoc 

Τιμασιϑίω. ᾿Αλέξων ᾿Απολλοδώρω, ,Φέρεις Νίκωνα: --- 

σίχω, Πρόξενος Σάωνος, Εὐγίτων 5 Ξένωνος., Ἡράκλειτος 4α- 

μέαο, Ρασίας Στρεψιππίδαο, ᾿Δριστογίτων Mvaci|ov]oc, 

Kilov Νίωνος. Καράιχος ΜΜνασιμείλω, Βρανίδας 

Μνασιμάχω, Φίδων ᾿Ασωπίχω. Βυφίλειτος ᾿Αντανδρω, 

10 Πασίων ᾿Δρίστωνος, Καλλίας ᾿Αρίστωνος, Ὀλύμπιχος 
Παμπίραο, Mvaoias Πασίωνος, Agıctiov Ὀφελείμω, 
Ξενοκλεῖς Σαυμείλω, Διοπίϑεις Ὀφελείμω - - 

--- - - - - Κλίωυ]ο]ς - - - 
Θεόδοτος ἵππαρχος. 


Z. 1 “Δεβαδειήοις: s. oben zu b 1. Ζ. 8 Φηδρίαο d. i. Φαεδρίαο, 
wie unten Nr. XXXVI 5 16, wenn ich richtig hergestellt habe. Ehenso 
Φήδιμος SIB. S. 229^. Σφοδρίαο wäre auch böotisch (ebd. S. 227 5) 
doch steht Rhangabis mit seiner Angabe eines € a. A. ganz allein. Ebd. 
"Aylacvoc: Rhang. Nr. 965 B 40 S. 691 A. Διοδώρου γέττιος ("Tiyrruog). 
7. à hat Alırens νασιάδεις vermutet (SIB. S. 47), was durch Rhang. 
Nr. 1312, 2 S. 833 MKSEPXAPIAAOMNAZIAAIO f Ἐπιχαρίδαο Mvaocta- 
διος hestätigt zu werden scheint; duch ist die Lesung jenes gauzen 
Bruchstücks äuszerst unzuverlässig. Ebd. ist für ᾿Δρονίχω nicht zu bür- 
gen, allein auch "Agyigo oder ᾿Δρειίχω ( (SIB. S. 47) hat Bedenken; vgl. 
Fagvov und ’Agvorkeig a. Ὁ. S. 208^. Σιλανός scheint mir jetzt glauh 
licher als das einst vorgeschlagene Evdanog, ebd. S. 47. Z. 5 Τιμασι- 
90, wie ich S. 47 vermutet hatte. Ebd. hat nun Pegeıs, was ebenfalls 
von nıir S. 48 vorgeschlagen worden war, seine Bestätigung. Z. 5—6 
weisz ich keine unzweifelhafte Hülfe für Σαολασέίχω; Σαυμείλω entfernt 


CQ 





K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum, 555 


sich zu weit von den Zügen, Ein Name auf -σεχος scheint unzweifelhaft; 
vgl. Περμάσιχος und Σώσιχος, Σωσίχα. Z. 7 βασίας hatte ich S. 48 
glücklich errathen, wie auch Στρεψιππέδαο. Ebd. Μνασίωνος: SIB. 
5. 222*. 7. 8 KMov Niovog, schon vordem von mir S. 48 getroffen. 
Boavídag ergibt sich so bestimmt aus den Lesarten, dasz ich nicht mehr 
zu ändern wage. 2.9 Φίδων: s. oben zu 5 8 und SIB. S. 42. Eine 
böotische Münze mit ΦΙΔΟ verzeichnet auch Pinder antike Münzen des k. 
Museums S. 49 Nr. 268. 7. 10 Ὀλύμπιχος : SIB. S. 294°. 'OR. Τιμάρχου 
"Roumoc, Inschr. Prellers in d. Ber. der sächs. Ges. d. Wiss. 1852 S. 151 
2.19. Σαυμείλω: Inschr. von Chäroneia a. 0. 1854 S. 198 Z. 4 Θέων 
Σωμήλου “Δεβαδεύς. 7. 11 ᾿Αριστίων nach Lebas, SIB. S. 208". Ebd. 
und Z. 12 billigte ich sonst Böckhs Ὀφελ[σ]ίμω, ebd. S. 49. Da jedoch 
die Abschriften sämtlich EIM2 haben, so scheint man eine Form ὀφελή- 
μός (böotisch ὀφελειμός, Ὀφέλειμος). annehmen zu müssen, wie ϑελημός, 
ἐθελημός, μελημός, Lobeck paral. S. 398. Mullach Gramm. der griech. 
Vulgarspr. S. 175. 





XXXVI 
a) Zu Lebadeia in der Kirche der h. Eleusa, Rhang. Nr. 1311 S. 883: 


OINNAPXIONTOZAPIETOAIKROYNAPXIAHOY 
HFOAAPXIONTOZNIPONOZEYATOPAOMPAPXI 
XAPIZEN AIONOZAAMEAO 


Β]οιω[τ]αρχίοντος ᾿Δριστοδίκω Θυναρχιδη[ω, πο- 

λεμ]αρχίοντος Νίϊκωϊνος Εὐαγόραο, ἡἱππ|αρχόντων 

“Χαριξέν[Ἱ] ΔἤωΪνος Aapt[alo - - 
Ueber den Bóotarchen s. Böckh (1. Bd. I S. 728 ff. Hermann griech. 
Staatsalt. $ 181, Ὁ u. 182, 20. 518. S. 146. ᾿Αριστοδίκω: ebd. S. 208°. 
Dann schreibt Rhangahis 8vvaggid[ao, was auch möglich ist; Θύναρχος 
a. Q. S. 216°. moleuagylovrog: Bóckh a. 0. S. 730. Hermann $ 180, 15. 
Níxovog: SIB. S. 223*. Evayogao: s. unten XVIIL5 8. ἑππαρχιόν- 
τῶν hahe ich geschrieben, weil lauter Genetive folgen. Nimmt man blosz 
éinen Hipparchen an, so erwartet man am Anfang der Liste wenigstens 
ap£o[c, wenn der Vatername (Δίων) des Hipparchen mit angegehen ist. 
Doch erscheint. sonst. allerdings, und zwar gerade in Lebadeia , ein einzi- 












ger Hipparch: Nr. XXXV 14. CIG. 1588, 2 S. 770 ἐππαρχίοντος Δεξίππω 
Zavsgarelo. Ob indes die Inschrift hei Rhang. Nr. 1313 
APEAZEPIOTEAL Χ]αρέας Ἐρ[γ]οτέλ[εος - 
PPAPXO£ T|nnaoyoc 
AYZINOZAY£IAAA "Avcivog Δυσιάδα" 
NAYAPXO£ ναύαρχος 
IIKOZENO£KAPANO Nlıxösevog Καράνου 


wirklich derselben böotischen Stadt angehóre (“cette inscription se trouve, 
autant que je sais, à Lévadie" S. 833), bezweifle ich wegen des Nauarchen. 
Der Dialekt würde dann übrigens wenn nicht 'Egyozéliog (Agıorontveog 


556 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


neben ᾿Δριστομένεις oben Nr. XXV 1) doch sicher “υσιάδαο, Kagdvo 
verlangen; a. A. setzt Rhangabis Ae£as, doch fehlt, wie Z. 2 zeigt, a. 
ein Buchstab; also ist wol das oben gesetzte das ursprüngliche. ym 
oben Nr. XXXV a 10. SIB. S. 212*. δΔαμέαο: Πουϑίων 4Δαμέηος oben 
Nr. XX 1.2. Ζαμίας SIB. S. 4211". - 

b) Zu Kopä auf einer Stele von blauem Marmor, die ein Fronton 
mit einem Schilde hat, Rhang. Nr. 1315 S. 834 und Lebas Nr. 600 S. 131. 
Auch Vischer epigraph. und arch. Beitr. S. 531 fand die Liste noch vor, 
konnte jedoch keine Copie nehmen. 


ATABAPXNAPXONTOZNOAEMAXRN 
MEAAOAEI ΟΣΑΓΑΘΑΡΧΙΩΝ.... 
ΚΑΠΙΩΝΟΣΓΕΩΡΓΟΦΙΛΙΩ 
ZYPIOZXAPYANIR 

5 FPAMMATIAAONTOZ 
ΚΡΑΤΩΝΟΣΦΙΛΗΚΙΩ 
ΕΟΙΕΠΙΓΡΑΥΑΝΤΟΕΜΠΕΛΤΟΦΟΡΑΣ 

ΣΤΑΘΑΡΧΟΣΠΕΛΑΚΛΕΙΟΣ 
AAA. ΠΟΣΚΑΦΙΣΟΔΩΡ. 

10 ΑΚΥΚΟΔΩΡΟΣΠΥΜΕΝ. 
ΛΑΚΩΝΗΣΧΙΝΑΟΣ... 
EPMONEYXEIPAAO 
AIKINIA ΙΠΠΩ͂ΝΟΣ 
. .ANAP... NIONOZ 

15 ZOKAIAOEO*ANEIOZ 
KAAAIAZOGHNAAOH... 
ZATYPOZANTIERNNOZ 
MNAZAPXIAAZFIOYO. ΔΩΡΩ 
ZTPATRNEYNAOFR 

20 OPAZRNAAMNNOZ 
EY*AMIAONETII.. NO 
KPITOAAOZCrIOTAMOAQPO 
ANTITENHZAM....KAE.OZ 
ΑΡΧΕΠΟΛΙΣΔΩΙΛΩ 


Z. 3 hat Rhang. TERFO usw. Ζ.7 AN PEATO?9IAIA£. Z. 10 fehlt 
das N a. E. bei Lebas, Z. 11 das zweite Σ bei Rhang. Z. 14 gibt Rhang. 
NONO, Z. 15 Lebas ZOKA usw. Z. 18 derselbe NOTAMQ usw. Im 
ganzen scheinen beide Abschriften aus einer und derselben dritten geflos- - 
sen zu sein. 

Ayadapyo ἄρχοντος , πολεμαρχ[εο]νίτων 

Πεδακλεῖος ᾿4γαϑαρχίω, 

Kanlovog Γεωργοφιλίω, 

Σύριος Χαρυλλίω. 

5 γραμματίδδοντος 
Κράτωνος Φιληκίω 
τ]οὶ [ἀ]π[ε]γράψαντο ἐμ πελτοφόρας" 


il: zur Sylloge inscriptionum Bovotlcarum. 557 





E &sagyos Πεδ᾽ακλεῖος, 
dns Kagusoduglo, 
᾿Αἰσωπ)όδωρος [ E]üntv[uog, 
Adxov Ἠσχίναο. 
Ἕρμων Εὐχειρ[δαο, 
᾿Δμ]ινίας] Ἵππωνος, 
Εὔ]αν[δ)ρος Νίωνος, 
15 ΣΙ[ο]κλία[ ο] Θεοφάνειος» 
Καλλίας Φη[δρί]αῖο, 
Σάτυρος ᾿Αντίϊγ]ωνος. 
Μνασαρχίδας Πουϑ[ο]δώρω, 
Σεράτων Εὐλόγω, 
30 φράσων “Δάμωνος, 
ἘΪπ]αμίζν]ων Ἐπι[γόνω, 
Κριτόλαος 'Ποταμοδώρω, 
᾿Αντιγένης Ap[wo]shsi Jos, 
"Agyknolıs Δωΐλω. 
Die Zahl der Polemarchen geht auch hier nicht über drei hinaus. 2.2 
a. E. scheint zwar nach "dyeugy/o noch ein mit N anfangender Name 
zu stehen, worauf der Vatermame oder ein patronymisches Adjectivum 
ehenfalls ausgefallen wäre und eine Vierzahl gewonnen würde. Allein 
zu einer solchen gi 1 Ergänzung reicht die Lücke kaum aus, und 
auszerdem ist ganz sicher, dasz nicht sechs Polemarchen, wie Böckh 
CIG. Bd. 1 S. 730" nach Nr. 1573 u. 1574 annahm, sondern drei die Ge- 
währ der richtig erklärten Inschriften für sich haben, s. SIB. S. 7 und 
Ussing inscr. Gr. ined. S. 42. 

2.2 Πεδακλεῖος d. i. Meranktoug"), 5. 7. 8. Der Groszvater "Ayd- 
ϑαρχος war ἄρχων. der Sohn Πεδακλεῖς einer der drei Polemarchen. 
der Enkel "Ayadagyog stellte sich unter die weAropöger, was mit den 
Altersverhältnissen (etwa 60, 40, 20 Jahre) füglich stimmt. Ein Poleinarch 
Καφισιάδας Πεδάκλειος kommt auch in der orchomenischen Liste SIB. 
Nr. ll 3—4 vor, wo ich S. 7 nach der Ueherlieferung von Ross PEA . | 
AYAEIR Πεδιακλείω vermutet hatte. Es war aber im Anschlusz an 
Curtius (EAJA.AZIN; Rhang. Nr. 1304 S. 827 OEY|AIIA7IQ) vielmehr 
jenes herzustellen. Z. 3 Καπίωνος : ein gleichnamiger Mann aus Kopä 
SIB. Nr. IX 1 S. 68. Γεωργόφιλος ist ein neuer Name. Für Σύριος von 
Zeus (εις) oder Σῦρις 7. à stehe ich nicht ein; Χάρυλλος ehd. fehlt in 
den Wörterbüchern: über solche Bildungen habe ich im Philol. II S. 4641T. 
einiges angemerkt; s. auch Cobet var. lect. S. 239 u. 366. 

2.6 Κράτωνος: Πτωῖς Kodrovog, auch in Kopä, SIR. Nr. IX 2 
S. 68; andere ebd. S. 219". Φιληκέω von Φίληκος: die Zuverlässigkeit 
der Lesart vorausgesetzt, hat man Namen wie Μονήκα und Μαάληκος 
zu vergleichen, SIB. S. 76. Philol. II S. 313. Z. 7 wird ἀπεγράψαντο, 
was alle anderen Listen gleicher Art haben, notwendig verlangt. Umge- 
kehrt gibt bei Xenophon Ilell. VII 5, 20 eine Pariser Is. fälschlich ame- 
γφάφοντο statt dmeyg. Die Form mehropögus für πελτοφόρος (Xen. Hell. 
114, 8. Kyrop. VII 1, 24) erscheint hier zum erstenmale, s. SIB. S. 18.) 


10 

































508 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


7. 9 Δάμιππος versuchsweise , a. 0. 5.211". Καφισοδώρω ebd. S. 218°. 
Z. 10 ist ᾿᾿σωπόδωρος unsicher , S. 909^. 7. 11 "Hoyívao d. i. Ασχένου, 
ebd. S. 215°. Z. 12 Ἕρμων ebd. S. 218". Wegen des £&& in Εὐχειρίδαο 
s. Ahrens dial Aeol. S. 185. Z. 13 ist ᾿Δμινέας nicht sicher, s. indes 
SIB. S. 206*. Ἵππων ebd. S. 216". 2.14 Eveavógoc S. 413". Níevoc 
S. 223". Z. 15 Σωκλίας d. i. Σωκλέας. Ahrens dial. Dor. S. 560. Θεο- 
φάνειος SIB. S. 215^. Z. 16 Καλλίας ebd. S. 217°. Φηδρίαο: oben zu 
Nr. XXX c 3. Ζ. 17 Σάτυρος SIB. S. 227*. Inschr. von lasos bei Lebas 
Nr. 255, 5 S. 76 αὐλητὴν Σάτυρον Agıoroxäelous Βοιώτιον. ᾿Αντίγων: 
diese Abkürzung für Avriyovog glaube ich SIB. S. 43 ausreichend erhártet 
zu haben, wenn gleich statt Rossens ANTIT QN ebd. Nr. 1133 S. à Rhan- 
gabis Nr. 1304 S. 827 ANTINQP liest. Ich trage hier blosz dies nach, 
dasz im Titel CIG. 1574, 16 auch Lebas Nr. 599 S. 130 ΑΝΤΙΓΏΝΙΟΣ 
d.i. ὁ "Avrlyovoc gibt. 5) Ζ. 18 Πουϑόδωρος: SIB. S. 226°. Ζ. 19 
Στράτων: ebd. S. 227^. Ζ. 20 Θράσων: ebd. S. 216°. Δάμων: S. 211*. 
Z. 21 lag vielleicht Evgapuíó[ac] noch näher, SIB. S. 214^. Rhang. Nr. 
1298 II 17 S. 822 658aio,." — Εὔφημος. 7. 8) Κριτόλαος: SIB. S. 219^. 
Ποταμόδωρος: S. 996^. Z. 93 ᾿Αντιγένης: ebd. S. 207°. ᾿Δμινοκλεῖς: 
S. 906*. 2. 24 Δωΐλω d. i. Zwilow, Ahrens dial. Aeol. S. 175. dial. Dor. 
S. 517. Zu Ζωΐξλος s. SIB. S. 914^. 

c) Zu Theben in der Kirche der h. Eleusa, wohin der Stein aus den 
Ruinen der Apostelkirche gebracht worden ist. Letztere stand, wie ver- 
mutet wird, an der Stelle des Teinpels vom Zeus Ammon (Paus. IX 16, 1. 
Gerhard gr. Myth. $ 198,7); Rhang. Nr. 1317 S. 835, welcher das Ueber- 
bleibsel einer militärischen Liste erkannt hat. 


KAGILOANPOZZNAAMN Καφισόδωρος Σωδάμω, 
ΔΙΟΝΟΥΣΙΟΣΔΩΡΟΘΕΩ “Διονούσιος Δωροϑέω, 
ΟΝΑΣΑΝΔΡΟΣΠΟΥΘΩ͂ΝΟΣ Ovacavógoc Πούϑωνος, 
AOY£IA£AIQ ‚Aovolas Δίωνος; 

5 ΑΣΩΠΩΝΕΥΚΛΕΙΟΣ "Acon[/]ov Εὐκλεῖος 
ΚΑΛΛΙΚΛΕΙΣΔΑΜΩΝΟΣ Καλλικλεῖς Δάμωνος. 
AAMATAOOZAAAIQNO£ “Ζαμάγαϑος Δα[μΊωνος. 
ΑΡΙΣΤΟΞΕΝΟΣΘΕΟΤΕΛΙΟς Agıoroßevog Θεοτέλιος, 

NIOYZOANPOZAOANIAO Διο]νιουσόδωρος A9avíao, 
10 ὨὩΝΘΕΟΔΩΡΩ Δῆων Θεοδώρω, 
AZNIKIAO Νικίας Nixíao, 
TRNMNAZNNOZ Koa |vov Mvacovoc, 
AITO£EYANAPOQ Af javros Evavógo, 
ATOZAEYEINN "Ap ]ezrog “ευξίπ[πΊ]ω. 


Z. | Καφισόδωρος: SIB. S. 218". Der zweite Name ist für Böotien neu. 
Z. 2 Διονούσιος: man erwartete nach Διονιουσόδωρος Z. 9 auch hier 
“Διονιούσιος, s. aber zu Nr. XXIV 9572. Ζωροϑέω SIB. S. 212^. Ζ. 3 
Ὀνάσανδρος ist der erste Böoter dieses Namens. *) Πούϑωνος SIB. 
S. 226°. Ζ. 4 Aovolas, auch “ιουσέας SIB. S. 2205, s. v. a. “υσίας : 
vgl. “ουσικράτεις ebd. Δίωνος: ebd. S. 912*. Z. 5 hätte ᾿σώπων eine 
gewisse Analogie an ‘Aoxkarov, s. Anm. 4. Aber 44ooníov — ein 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 559 


Jota wurde auf dem Steine leicht übersehen — entspricht dem Kagıslav, 
SIB. S. 218°. Dort sind S. 209^ auch die Ableitungen von "Aoamög ver- 
zeichnet: 'Asamıyog, ᾿Ασωπόδωρος, ᾿Ασωποκλῆς (ein Attiker bei Rhang. 
Nr. 1883, 1 8.838), ‘Aoamolaog. EvxAsiog ist der büolische Genetiv 
von Εὐκλεῖς, wie Διοκλεῖος ClG. 1593, 14 u.a. 2. 6 Καλλικλῆς Ὅμο- 
λωίχου Θεσπιεύς chd. 1590, 3. Δάμωνος: SIB. S. 211*.. 7. 7 Δαμάγα- 
Soc bereichert die Wörterbücher. Dann schreibt Rhangabis ES 
ich erkenne in Z. 6 u. 7 zwei Brüder. Z. 8 “Agiorokevng: SIB. S. 

Belege zu Θεοτέλης hal Pape. 7. 9 ᾿Αϑανίαο: SIR. S. 205^. Z. 10 ἊΝ 
δώρω: ebd. S. 215°. 2. I1 Νικέας Κοροινάδου Θεσπιεύς ClG. 1542, 8 
S. 111. Z. 12 Μνάσωνος: SID. S. 222”. 7. 18 Εὐάνδρω:: eld. S. 213". 
Δίαιτος (s. Pape, Rhang. Nr. 1366, 1 S. 869) ist ı 
lektisch bedenklich. Vielleicht stand 
Z. 14 δΔευξίππω: 518. S. 211^. 











igens stelle ich nicht in Ahrede, 
dasz auf dem Steine wirklich nur éin Pi steht. Gerade bei den Namen 
auf -isog kehrt diese Schreibweise auch in Zeitaltern wieder, wo man 
längst den doppelten Consonanten schrieb: vgl. den Grabtitel aus Theben 
bei Lebas S. 113 Nr. 526 
ΣΩΣΤΡΑΤΟΣ 
(zwei Finsetzrosen) 
ATAOOKAHE 
ΓΛΑΥΚΙΠΟΣ, 
attisches Verzeichnis bei Rhang. Nr. 1281, 11 S. 812 ANAZIPO£OOY- 
AID. Bisweilen liegt aber auch nur ein Lesefehler zugrunde, wie Nr. 
XXXVII 13, wo Pococke CIG. 1578, 11 S. 761 gegen alle sonstigen Zeu- 
gen ΦΙΛΙΠΙΟΣ für &IAIPPIO£ anmerkt. 








XXXVII 

a) Die zu Theben in der Kirche des h. Georgios teilweise erhaltene 
Liste ist nach Bücl . 1578 und nach Leakes Copie von mir SIB. S. 50 
wieder besprochen worden, hat aber seitdem besonders durch die Ah- 
schrift von Lebas Nr. 489 S. 103 gewonnen. Mit dieser die Bekanntına- 
chungen von Pittakis Eph. arch. Nr. 1453 S. 906 und Rhangabis Nr. 1319 
S. 896, und die von Ulrichs ann. dell’ inst. XX (1848) S. 48 Nr. I he- 
nutzend schreibe ich jetzt folgendermaszen : 


AYzIPPozi IPPAAI2NOÉ 
YPATOoA«sPo£BPEIKIAA 
ΜΚΩΝΣΩΣΤΡΟΤΙΟΣ 
APIZTOFIT2NOMoARIXloX 

5 OEIBAAA£OEOIOTIOÉ 
FoPFIAAZKA®IZOARPIOE 
ANAPSNFOPFIAAO 
$ETTAANOZIZMEINIHo€ 
KAGIZIAZAPITTIHOZ 

10 ANTI®ANEIZXAPEITIAAO 
AEZIPPo£MNA£I£TPoTIO£ 
















560 K. Keil: zur Sylloge inseriplionum Boeuticarum. 


ANTIFENEIZNIKIHOZ 
TIM2NSIAITMIOX 
AIKAIAAZMOA9NIOt 

15 IP..YNI£Ko££"^.T.Po 


Die Formen der Buchstaben gibt Lebas am genauesten. Ζ. 1 hat sich 


unter ClG. 1676 S. 802 versteckt : AYZINNOZTPAAAIQNOZ 
Dafür schreiben Pittakis und Rhangabis: AYZINTOZTAPPANINNOZ 
Leake hingegen mit einer Lücke AYXIDDo£ ΤΡΑΛΙΩ͂ΝΟΣ 
Ulrichs endlich, der oben gesetzten 

Lesart von Lebas nahe kommend :  AYzZINNOZI IPPAAIQNOZ, 


Z. 9 a. E. weichen Pitt. und Rhang. ab, indem sie allein BEPNIKI- 
AAZ geben (doch hat Leake a. E. A für A). Z. 3 ist bei denselhen a. E. 
ATIO£ für oTlo£. Z. 4 beruht der zweite Name auf Lebas und Ulrichs, 
Leake hat nur oMoAe , die Griechen OMOAO..A&. Ζ. 6 fehlt denselben 
das erste Delta, und Z. 7 gänzlich. Z. 9 hat Ulrichs a. E. THIOZ. Z. 10 
lesen Pitt. u. Rhang. NHX für ΕἸΣ und lassen das letzte O weg. Z. II 
bieten dieselben a. E. EPITH£ statt £ TPoT!— (£TPATIOoZ Leake). Z. 14 
a. A. haben sie wie Ulrichs A für A bei Lebas, dann aber K an Stelle 
des zweiten A, und Z. 15: M.I.INIOZKOZZIT ; l'ococke im CIG. IP . . NIZ- 
KOZ.^.T.PO. 
‚Auoınmog [ Ter]eadiovos, 
Ὑπατόδωρος Βρεικέδα[ 
Νίκων Σωστρότιος, 
᾿Αριστογίτων Ὁμολωΐχιος; 
Θειβάδας Θεοζότιος. 
Γοργίδας Καφισοδώριος, 
᾿ἄνδρων Γοργίδαο, 
Φέτταλος Ἰσμεινιῆος» 
Καφισίας ᾿Δριστιῆος. 
10 ᾿Αντιφάνεις Χαρειτέδαο. 

“Ζέξιππος ἹΜνασιστρύτιος, 

᾿Αντιγένεις Νικιῆος. 

Τίμων Φιλίππιος. 

᾿Αϊκλίδας Μολώνιος, 


15 ΦΊρ[ο]υνίσκος Σ[ὡσἸτρό[τιος. 


Z. 1 weisz ich noch nichts besseres vorzuschlagen als das einst vermutete 
Τετραδίωνος. jetzt darum etwas bestimmter, weil Lehas a. E. Delta 
gibt. Auszer dem SIB. S. 50 verglichenen und auch hei ἤριζον le mont 
Olvmpe Nr. 2, 10 S. 464 PIAKAAION anzuerkennenden Τριακαδίων 
(Mommsen IRN. Nr. 6769 Vl 29 Ti. Claudius Triucadion) gehört noch 
Eixerdrog hieher. s. Pape u. Böckh CIG. Bd. ll S. 1026". Z. 2 darf Βρει- 
κίδαο nicht mehr bezweifelt werden. Dasz ClG. 1577, 7 S. 760 ein Ὑπα- 
τόδωρος ᾿Αριστείδαο — man erwartet "Agiorld«o — verzeichnet ist, 
konnte früher bedenklich machen; gegenwärtig hebt die Uebereinstim- 
mung von Leake, Lebas und Ulrichs über jeden Scrupel hinweg. Boti- 
κίδας musz eine bóotische Form für Benxidag sein, s. Z. 5 Θειβάδας, 


Q 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeolicarum. 561 


Z. 8 Ἰσμεινιῆος und Z. 10 Χαρειτίδαο. Möglicherweise vertritt das Beta 
ein Digamma, wie in βράκεα, βρόδον, Βρῆσσα usw., Christ griech. Laut- 
lehre S. 179. 2. 3 ist Σωστρύτιος vollkommen gesichert. In Betreff des 
o statt & s. Ahrens .dial. Dor. S. 517 und Z. 11, v. Velsen in Gerhards 
arch. Anz. XIV (1856) Nr. 96 S. 286 * Nr. V TPOTIA Z]roorla aus Thisbe, 
G. Curtius griech. Etym. I S. 184. Einen Böoter Σώστρατος, den die 
Ilellenen Ἡρακλῆς nannten, erwähnt Lukianos im Demonax Kap. 1. S. 
auch Rhang. Nr. 965 B 32 S. 691 Σώστρατος Νικηφόρου Θεσπιεύς. Z. 5 
ist Θειβάδας neu, vgl. ᾿ϑηνάδας oder bóutisch Adavadas Rhang. Nr. 
1304, 46 S. 828 und ähnliches bei Lobeck path. prol. S. 350. Θεοζότιος 
hatte ich vordem errathen, SIB. S. 51; vgl. auch Sauppe rhein. Mus. IV 
(1846) S. 138 und die drei Vasen mit Θεόξοτος CIG. Bd. IV S. 197 Nr. 
8211— 8213. Jahn Beschr. der Vas. K. Ludwigs S. CVI. Z. 6 Γοργέδας: 
SIB. S. 210^. Dasz der Titel Namen aus der Zeit des Epameinondas ent- 
halte, ist schon von Ulrichs a. 0. S. 49 erinnert. Z. 7 "4vógov: 518. S 
206°. Z.8 Φέτταλος d. i. Θέτταλος nach der bekannten àolischen Ver- 
tauschung von 9 und 9, Ross Italiker und Gräken 2e vearh. S. 150. 
Ἰσμεινιῆος: SIB. S. 216^ u. 217^. Z. 9 Καφισίας: ebd. S. 218*. Z. 10 
᾿Αντιφάνεις: ebd. S. 207^. Z. 11 Δέξιππος: ebd. S. 211". 1 12 Mvriyi- 
vers: S. 207*, Bruchstück aus Lebadeia bei Lebas Nr. 787, 4 S. 162 ANTI- 
FENIOX. 2. 13 Τίμων: S. 229^. Φίλιππος: S. 2995. 2. 14 ᾿Αϊκλίδας 
ist auch von Ulrichs richtig durch "AsıxAelöng gedeutet, s. oben zu Nr. 
XXX 1. MoAwvios: Μενεκράτεις M. CIG. 1574, 20 S. 757 in Kopä. 
Z. 15 hat mich vornehmlich das von Pococke, Lebas und Ülrichs am An- 
fang überlieferte Rlıo auf Φρουνίσκος d. i. Φρυνίσκος geführt, s. Rhang. 
Nr. 965 A 25 S. 691 κωμῳδὸς Ἴρανος Dovvidov Tavaypaios (Φρυνεί- 
dag CIG. 5615, 4 Bd. Ill S. 623. G. Curtius griech. Etym. 1 S. 268). Das 
bei den griechischen llerausgebern angemerkte M scheint nicht sicher 
genug, um darauf eine Vermutung wie Movvioxog d. i. Mvvíoxog (Mei- 
neke com. Gr. V S. CIV), Mvvvioxog (Eph. arch. Nr. 2456, 6 S. 1230 — 
P. Eustratiadis διατριβὴ ἐπιγραφική, ἐν Adnvaıg 1856, S. 15) bauen 
zu können. 

b) Bruchstück in der Mauer eines Kaffechauses zu Theben, Rhang. 
Nr. 1318 S. 836: 


HKAEIOEZMTYOEAZA Ev ]xÀAeioc, Πυϑέας A—, [Διό- 
ANPOZENSGINPIAIN δωρος Σωφίλ[ω], Δίων —, 
MNA£IDIO£MNAXI£ Μινάσιππος Μνασιοσ[τρότω, --- 
ΓΛΑΥΚΙΑΟΘΕΟ ς — Γλαυκίαο. Θεο[γένεις — 

5 ΟΜΑΧΟΣΔΕΙΝΙΗΟ Νικ]όμαχος Δεινιῆοίς. 


Z. | Πυϑέας: SIB. S. 226^. 7.2 schreibt Rhang. Σωφιελ[εἼέδεω ; was ich 
gesetzt habe, ist wenigstens richtig gebildet, s. SIB. S. 298* u. 212. 
2. 3 ebd. S. 222°. Z. 4 Γλαυκίας war bisher in Böotien nicht nachge- 
wiesen. Der zweite Name ist unsicher. Hat es mit Zfetvusjog Z. 5 seine 
Richtigkeit, so bietet sich auch Θεογείτων oder Θεόγειτος dar. Beiläufig 
verbessere ich meinen Írtum 518. S. 2155, wo ich den von Pindaros ge- 
liebten Θεόξενος unter den Böotern aufgezählt habe: dieser stamınte 


562 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


aus Tenedos, Athen. XIII 601°. Bergk poet. lyr. S. 262. Z. ὃ Νικόμαχος: 
SIB. S. 223*. CIG. 1636 S. 796 — Rhang. Nr. 2040 S. 921. Z. 6 Ζενέαο 
Ερωτίωνος Θεσπιεῖος ClG. 1593, 16 S. 776. 


XXXVIII 


a) Das Verzeichnis junger Conscribierter aus Orchomenos, welches 
SIB. Nr. ll S. 3 ff. nach E. Curtius und Ross mitgeteilt. und dann von 
Lehas Nr. 626 S. 140 wiederholt worden ist, hier noch einmal zu be- 
handeln veranlaszt mich die vollständigere Abschrift von Rhangabis Nr. 
1304 S. 897. Dieser hat nemlich die sieben Zeilen am Schlusz der Liste, 
welche Ross als unleserlich bezeichnet hatte. Auszerdeim bietet die neue, 
von dem llerausgeber selbst besorgle Copie so mancherlei Varianten, 
dasz eine nochmalige Besprechung des ganzen, für die böotische Onoma- 
tologie ziemlich wichtigen Actenstückes als nicht überflüssig erscheinen 
wird. Lebas weicht von dem Exemplar in der SIB. nur darin ab, dasz 
er Z. 5 den Druckfehler ΠΟΛΕΜΛΡΧΟΙΣ berichtigL, Z. 9 APOAAQAQ- 
PO (s. Lobeck path. elem. I S. 365) und statt des Digamma Z. 13 u. 38 
vielmehr E hat. 


$€IAOAAMQAPXONTOXBOIQTOI£EPXOME 
OI£AEOIOT NEITIAAODOAEMAPXIONT QN 
EYXAPIAAOAAMATPIXINKASIZIAAAOTEA 
AYAEIOQOIAAIO£ZDOTAMOAQPIOT PAMMATIA. 

5 ONTO£TOI£ZÜl'OAEMAPXOIZDOAYPEITOQOIO 
KOYAEIOTOIIDPATONE£Z£TPOTEYAOH 
MNA£IAIKO£AOANOAQPIO£ZPOYOIA£OIOA 
OTIO£OPA£YAAO£TIMAX£IOIQIDI'QONAOAN 
OAQPIO£ADOAAOAQPO£OAYMPCIXIOZKOPEIA 

10 AA£ZENONIO£EYPOMPOZKAAAITTITONIO£PO 
YOQNAMINOKAEIO£KAAAIKPATEIZAF At. 
.JO£'OYOOAQPO£OPNIHOXTIMOAAEIO! 
OANPIXIOZEYPYAOXOZFAZTTINIOZTTR. 

. NANIAZIRNIOZAMINIATTIMNNIOZATEIZA 

15 ΝΔΡΟΣΦΙΛΩΝΙΟΣΚΑΦΙΣΟΔΩΡΌΣΛΑΚΡΑΤΕ 
IO£APIZTOKAEI£ZAPI£TONOZAPIZTON. 
ENEIZSIAOKAEIOZAEY=ZINNOZOAYMTIXIO 
ZAINNIOYZIOZTEAE EAPXIOZKAAAIAZ 
NIKOKAEIOZMNAZINIKOZAPIETOA 

20 AMIOZONAZIMOZBIOTTNTAAYKOEKA 
PAIQNIO£MNA£IOAAEI£OIOl'OMPIO££ 
AOQNOMORAQIXIO£EYATFT EAO£OIOTI 
MRMENEAAMOZOIOTIMREPMRNAOANIH 
O£MNAXIQNMNA£IOIQAAMI. . .QNZAMI 

25 XIO£MYPTQNZOMOOPQN 
IO£KAPAIXO£TIMANAPI Q 


AINPIAAZZENOMIAIOZEIK 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 963 


NOAO£EY9AMIO£KAAAIZTPOTOXKAAAI£T 
30 POTIOZMOTAMOAI.OZMPOKAEIOZTEAE?T 
IA£ZKAPIQNIO£DA£ZQNPOAOYZzENIO£OIO 
TEAEI£AOANOAQPIOZAAMATPIXOX£TPA 
IONIO£ANTIF QNIAP2NIO£KAAAIA£ZAPI£ 
TOKAIAAO£Q . XNEIZZO£PA£IAAOIOYKP 
35 .TEI£ZAPXIKAIAAOA HETIRNAYKINIO 
.XAP.. AAZKAPONIO£ZMEAQNTIMQONIO£ 
AIOTIMO£ZOPA£QNIO£AOANIA£ZANAP 
...PPOKPITOZMEIAIHO£KAAAIDIO£FA£ANA 
O.AAAPXO£ TIMOAAIO£Z ZENQONO9IAE T HP 
40 ..APIZ TAPXO£A£KAAPIXIO£ZKAOI£IQNAY 
.XO£ZEYMEIAO£EYKAIAAOAMEYE£IA£ZKEOGQNIO£ 
OYMEAOZAATETAOATEIZINIKOZAPEIETRNOZ 
AMOARPOZEYPRTINRNOEKPATEYAMIMNIZO 
QANTIKPATEIEXHPNZAAOEYOOYMOFTEAERI 
45  €4PONIZKO£KA€*I£OAQPIO£O9IAOZENO£ 
EO9NIXO£ZAOANAAA£ANAPOTEAEIOZ£QTH 
ZOARPIOZTOYOONIKOZPIAOKPATEIO?T 
ΙΝΟΣΤΡΟΣΟΣΠΡΑΞΙΩΝΙΟΣΚΟΡΟΠΊΔΑΣΔΟ XIAAIO 
TEAEZIA£ZAPIMONOX 
Die Form des Sigma hat die Abschrift von Ross allein; in dem MT stimmt 
diese mit Rhangabis. Z. I hat blosz dieser die Buchstaben NTOZB, doch 
fehlt ihm a. E. das E. Z. 2 derselbe: OIOTENIAAR und Z. 3 a. E. OEY 
statt DEA.  Ehd. hat Ross a. A. E.. AP. AAO. Z. 4 a. A. Rhang. AIA- 
7—I9OIAAIOZ, Ross AYAEIR.IAAIOZ, Curtius A. AZIQ. — Ebd. a. E. be- 
merkt Ross den Ausfall eines Buchstaben. Z.5 a. A. felilt ΤΟΙ bei Ross, 
TO bei Rhang. Dieser liest dann AYPEITQ statt YP usw. Z. 6 gibt er 
richtig TOII statt TON. Z. 7 AOANOAGQ9PIO£ nach Curtius; das Iota 
lassen die anderı weg. Z. 8 ἃ. A. Rliang. O €, dann TIMAZOIRINTRAO 
usw. Z.9 a. E. lesen Ross und Rhang. A statt A. Z. 10 a. A. Rhang. 
AAZ; KAAAIPIT usw., Ross KAAAITET.  Z. 11 Rhang. AMEIN usw. 
Z. 19 a. A. ders. .IOZ, a. E. TIMOAAEIO. Ζ. 13 a. A. PYX für PIX. 
Z. 14 hat nur Curtius das letzte A. Z. 15 Ross EOIA statt ®IA. Z. 16 
a. A. Rhang. ΟΣ (Ross .!|O£), dann ONOZ für QNOZ und statt. des 
letzten N vielmehr P. Z. 17 hat derselbe allein das erste E, hierauf 
HX für El£ und a. E. IXIO, Ross IXIO£, welcher Z. 18 mit ..AIQN 
usw. anfängt. Z. 18 Rhanz. APXOX statt APXIO£. Z. 19 Ross .IKO- 
. .AEIO£IMN usw. Z. 20 hat derselbe das erste A nicht; Rhang. BIOT TO 
und a. E. XA für KA. Ζ. 91 a. A. Rlıang. PAQNIOZ , Ross .AIQ usw., 
Curtius IAIQ. Z. 23 Rang. NEN AA usw... a. E. X statt H. Z. 24 er- 
mangelt derselbe des zweiten MNA; dann wie Curtius, während Ross die 
sieben Buchstaben nach AAM wegläszt. Z. 25 hat Rhang. das ® nicht. 
Z. 26 Ross KAPAXO£. Ebd. fehlt hei Rhang. TIM, doch gibt nur er das 
letzte 2. Z. 27 desgleichen das N. Z. 28 liest Ross ZENO. AIO£E, 
Rhang. AINPIA Σ PNOMIAIQ EIK. Z. 29 a. A. derselbe NOAOZ, Ross 
. OAO£; derselbe liat die letzten neun Buchstaben nicht. Z. 30 a. A. gibt 


964 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


er blosz POTOZ und a. E. . TEAE., Z. 31 a. A. . A£.. AP" usw., dann 
ΠΑΣΩ͂Ν statt 9. ΣΩΝ bei Rhang., welcher die zwei folgenden Namen 
allein hat. Z. 32 a. A. Ross . KAEI£ und AAMATPIOE; für €TPA bietet 
Rhang. ETI. Z. 33 a. A. Ross «ΟΣ; dann Rhang. ANTINQP. Z. 34 
a. A. Ross .OKAIAAO; hierauf felılt bei Rhang. das X. Im. folgenden 
hat derselbe ZNZFAZIAAO, Ross £Q.MAZIA.O. Z. 35 ist der Ausfall 
des Elementes a. A. bei Rhang. nicht bemerkt. Derselbe hat weiter 
APXIKPATIAAO, das bei Ross ausgelassene A HZTIOQN. und das erste 
bei demselben nicht erkannte I in AYKINIO. Z. 36 a. A. gibt Rhang. 
nur AAZ, dann KAP statt Rossens IAP und Z am Schlusse, was jener 
nicht hat. Z. 37 a. A. Rhang. blosz OTIMOZ olıne Zeichen einer Lücke, 
und a. E. APQ statt AP bei Ross. Z. 38 a. A. Rhang. nach einem leeren 
Raum für zwei Buchstaben KPITOZMIAIHOZ (Ross MEIAINO£) und a. E. 
A. 2.39 a. E. Ross ..AAAPXOZ, Rhang. OAA usw.; dieser hat dann 
AAIOZ für AAIOZ, und a. E. THP.  Z. 40 beginnt Rhang. ohne Lücke; 
derselbe AZXA für A£KA. Z. 41 a. A. Ross .IOX, Rhang. XOZ; derselbe 
MEYZIAZ. und a. E. 2. 


Φιλοδάμω ἄρχοντος Βοιωτοῖς, ᾿Βρχομε[νί- 
og δὲ Θιογνειτίδαο, πολεμαρχιόντων 
Εὐχαρίδαο Δαματριχίω, Καφισιάδαο Πεδ- 
α[κ]λείω, Φίλλιος Ποταμοδωρίω γραμματίό[ ὃ- 
οντος τοῖς πολεμάρχοις Πολυ[πρ]έτω Θιο- 
κουδείω τοιὶ πρᾶτον ἐστροτεύαϑη᾽ 
Mvasidınos ᾿Αϑανοδώριος, Πουϑίας Θιοδ- 
ὅτιος; Θρασύλαος Τιμασιϑίω, Ἵππων ᾿4ϑαν- 
οδώριος, ᾿Απολλόδωρος Ὀλυμπίχιος, Κορ[σ]ιά- 
10 δας & Ξενώνιος, Evnounog Καλλιγιτόνιος, IIo- 

v89ov ᾿Δμινοκλεῖος, Καλλικραάτεις ᾿4γασί ı- 

n]os, IIov$odagos Ὀρνιῆος, Τιμο[ κ]λεῖ[ς } Θι- 

οδωρίχιος , Εὐρύλοχος ῥαστίνιος. Πτῳ[ω- 

ν ᾿Αναϊ ξ]ιώνιος, ᾿Δμινίας Τιμώνιος. "Ayelaa- 
15 vógoc Φιλώνιος, Καφισόδωρος “ακραάτε- 

ιος , ““ριστοκλεῖς ᾿Αφίστωνος, ᾿Αριστο[ μ- 

ἕνεις Φιλοκλεῖος, Δεύξιππος Ὀλυμπίχιο- 

e, Διωνιούσιος Τελεσάρχιος , Καλλίας 

NıxoxAtiog, Mvaolvixog ᾽Δριστοῦ- 
20 ἅμιος. Ὀνάσιμος Burro, Γλαῦκος Κα- 

ραιώνιος;, Μνασυϑαάλεις Θιοπόμπιος, Σ΄- 

&9cv Ὁμολωΐχιος; Evayyekog Θιοτί- 

po, [Μενέδαμος Θιοτίμω, “Ἕρμων Adavır- 

oc, Μνασίων Μνασιϑίω, “αμ[ οτίϊων Σαμίέ- 
25 2106, Μύρτων Σομφόρω, N--- 

Μὴ Καράϊχος Τιμάνδρεζος, --- 

-———— ὦ «« 9. - [ 6,- 
λεπίδας Zevul κλε]ῶς, ᾿Ε[ὑρύ- 
λ]ο[χ]ος Εὐφάμιος, Καλλίστροτος Καλλεστ- 


[si] 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeotiearum. 565 


30  Qorioc, Ilorauod| op Joc Προκλεῖος, Τελεσ- 
ας Καπιώνιος. Πάσων Πολουξένιος, Θιο- 
τέλεις ᾿4ϑανοδώριος, ΖΔαμάτριχος Στρα- 
τώἼνιος, ᾿4ντίγων Ιαρώνιος, Καλλίας ’Agıo- 
τοκλίδαο, Zw φάνεις Σωσ[τρ]α[τ]ίδαο, Ἰϑυκρ- 
35 «]r&g Apyızildao, A[g ]uovíov “υκίνιο- 
c], Χαρ[ωὠν] δας ‚[Xegwvios, Μέδων Tipovioc , 
Διότιμος Θρασώνιος ; Αϑανίας ᾿Ανδρ[ών- 
i05], Πρόκριτος Μειλιῆος, Κάλλιππος Ῥασάνϊ δρι- 
ols], “ἄάαρχος Tipolaiog, Ξένων Φιλετήζρι- 
40 oc], Agloragxos Aonkanlyog , Καφισίων [ M v[ o/- 
ı[l.Jos, Εὔμειλος Εὐκλίδαο. Ausvolas Κεφώνιος, 
ΕἸυμεῖ εἾλος ['4Àx Jérao, "Ayaafvixoc “ρίστωνος. 
Ποτ]αμοόδωρος Ἑρωτίωνος. Κρατευαΐς] Μυ[α]Ἱο[τὃ- 
(o, ᾿Αντικράτεις Χηρωζν]δαο, Εὔϑουμος Τελεσι[ῆος, E- 
46 wv]goóvioxoc Καφισοδώριος 9) Φιλόξενος [ K- 
egoviy| εἾος. Adavadas Avdgorälsiog, Zw εἰριχος 
Καφι]σοδώριος, Πουϑόνικος Φιλοκράτειος, [.4- 
ἐνόστρο[τ]ος Πραξιώνιος, Κοροπέδας Ao[ x] u]ıo[s, 
Τελεσίας ᾿Αρἴ os ]ovoc. 
Indem diese nun vollständige Liste darthut, dasz in einem einzigen 
Jahre zu Orchomenos eine Zahl von siebenzig und einigen Jünglingen 
zum ersten Waffendienste sich stellte, làszt sie zugleich auf die Gesamt- 
bevölkerung der Stadt einen Schlusz machen. Nur dasz dieser freilich 
sehr im allgemeinen verbleibt. Darf angenommen werden, es habe eine 
Haushaltung etwa sieben Freie umfaszt — vierzehn war in Athen schon 
viel, Bóckh Staatsh. d. Ath. 1 S. 57 — so ergibt sich für die Häuser mit 
dienstpflichtigen Sóhnen eine an fünfhundert hinanreichende Menschen- 
menge. Nun wäre nötig zu wissen, in welchem Verhältnis diese Häuser 
zu den andern ohne erwachsene Sóhne standen. Dafür fehlen mir jedoch 
Data, die ich auch weder bei Dureau de la Malle noch hei Zumpt finde, 
und es ist nur eine ganz ungefähre Abschätzung, wenn ich annehme, 
dasz Orchomenos mindestens drei bis viertausend freie Bewohner gehabt 
habe. Die Zeit der Inschrift dürfte das dritte oder zweite Jh. vor Chr. 
sein. In einer früheren Periode, als Orchomenos im Jahre 364 durch die 
Thebäer zerstört wurde, lesen wir von den dreihundert Rittern, welche 
eine geschlossene Aristokratie bildeten, Diod. Sic. XV 79. Wachsmuth 
hell. Alt. I S. 276, 16. Grote Gesch. Griech. V S. 556 d. d. Ueb. Aber nur 
auf einem Misverständnis beruht, was K. 0. Müller Orch. S. 418 schreibt: 
*Orchomenos war damals Agesilaos Hauptquartier. Die Stadt stellte allein 
achthundert, das übrige Bóotien fünftausend Reiter.” Denn der als Zeuge 
angeführte Xenophon (Hell. IV 2, 17) sagt: Βοιωτῶν δ᾽, ἐπεὶ Ὀρχομένιοι 
οὐ παρῆσαν, περὶ πεντακισχιλίους, nemlich ὁπλῖται ἐλέ ovro, und ἔπ- 
πεῖς δὲ Βοιωτῶν μέν, ἐπεὶ Ὀρχομένιοι ov παρῆσαν, εἷς ὀκτακοσίους ---. 
Orchomenische Reiter werden auch damals dreihundert gewesen sein. 
Dasz ich Ζ. 2 Θιογνειτίδαο (Θεογνητίδου) gegen Θιογενέδα[ o] nach 
Rhang. festgehalten habe, wird keiner Rechtfertigung bedürfen. Z. 3 


966 . K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


Πεδακλείω: s. oben zu Nr. XXXVI b 2. Z. 4 Φίλλιος: Nr. XXXVa 5. Die 
Dreizahl der Polemarchen hat auch Rhangabis erkannt S. 8285, s. oben 
zu Nr. XXXVI ὁ. Z. 5 ist es bei der Uebereinstimmung der Copien viel- 
leicht auffällig, dasz von mir die früher schon vorgelragene Aenderung 
Πολυ[κρ]ΐτω wiederholt wird. Allein IIoAvgeitw mit einem ἈΠῸ wird 
sich für Πολυρρείτω d. i. Πολυρρήτου schwerlich rechtfertigen lassen, 
wenn auch vielleicht die Böoler δειτός statt ῥητός gesagt haben. Liegt 
sodann HoAv[y e/o, nach der Analogie von ᾿Δριστόγειτος, 4Διόγειτος 
usw., nahe (anal. epigr. el onom. S. 196), so maclıt wieder der Diphthong 
Schwierigkeiten, da langes Iota erwartet wird: Evyíza, Εὐγίτων SIB. 
S. 213°, Καλλιγέτων S. 217". Πολύκριτος findel sich auch oben Nr. 
XXXV 10. Noch anderes, wie Πολυ[βόἼτω, entfernt sich zu weit von 
der Ueberlieferung; s. auch unten zu Z. 31. Z. 9—10 scheint mir Ko- 
ρειάδας nicht wol zu ertragen. Κορ[σ]ιάδας ist von dem Namen der 
böotischen Stadt Κορσίαι (Kogoela, Κορσία, Χορσιείων Forchhammer 
Halkyonia S. 34 Z. 3) eben so gebildet wie Θειβάδας Nr. XXXVIIa 5 von 
Θεῖβαι und ᾿ϑανάδας unten Z. 45 von Adavaı. Z. 13 Facriviog von 
facrv, Christ griech. Lautlehre S. 238. Curtius gr. Etym. I S. 175. Ebd. 
s. zu Igi, dessen lota in der Lücke ausgefallen ist, jetzt auch Lobeck 
path. elem. 1 S. 442 und Bergk Hall. Progr. zum 4 Mai 1859 ὃ. 4. Z. 14 
habe ich mit geringerer Aenderung ᾿ἀναξιώνιος statt des früheren Mva- 
σιώνιος verinutet; die Voraussetzung, dasz in den Abschriften ein lota 
nach AN zu viel stehe, hat eine Art Bestätigung an Z. 19, wo Ross IMNA 
usw. für MNA gibt. Vgl. (16. 1574, 4 5. 757 Javabíov Zaovóao. Ζ. 17 
Δεύξιππος: Nr. XXXVIc 14. Z. 20 Bíorzog: Pott Personennamen S. 573. 
(16. 223, 1 Dd. L S. 347°. 621, 1 S. 499^. Z. 21 Μνασιϑαλεις : Auf- 
schrift einer marmornen Urne zu Florenz, CIG. 6704 Bd. III S. 1014 TOV 
ἀγαϑὼν ἡ μνήμη ἀειϑαλής. Z. 21—22 Σάϑων: s. auch Lobeck rhem. 
S. 326, 13; Πόσϑων Franz ClG. 7454 Dd. IV S. 115. Keoxlov Rhang. 
Nr. 1812, 1S. 897. Κρέϑων llesych. Bd. II S. 535 Schmidt.®) 2.24 a. E. 
war meine frühere Vermutung Kalkıylmav; Δαμοτέων d. i. Δημοτίων 
stimmt, denke ich, besser zu dem überlieferten. 2. 25 ist Zougogoc 
aus derselben. Metalepsis der Vokale v und o (Christ gr. Lautlehre S. 28) 
zu erklären, wie "uovrag statt "pv vrac SIB. S. 168; Πότιος st. Πύ- 
ἅγιος Rhang. Nr. 2478 1 23 S. 1028, Ὄλομπος CIG. 8312 Bd. IV S. 230. 
Bekanntlich haben umgekehrt die Aeoler häufig v für sonstiges o, Mehl- 
horn gr. Gramm. S. 118; doch ist πρότανις statt πρύτανις in der myti- 
lenäischen Inschrift ClIG. 2166, 31 Bd. II S. 189 und in der ebenfalls les- 
bischen 2265^ 1. 2. 3 Rd. Il S. 1038 (Ahrens dial. Dor. S. 496 u. 507) 
unzweifelhaft. So war $ogavdız papliisch an Stelle von 9voavdsc, M. 
Schmidt Hesych. Bd. Il S. 320 Nr. 41 und Bergk de titulo Arcadico S. VII 
11, welcher nocli andere Deispiele aus diesem Dialekt anführt. Für son- 
stigen Wechsel von o und v sei auch Σόφαξ neben Σύφαξ erwähnt, 
van Herwerden spic. Vat. S. 7. 60. Polyb. S. 772 ΒΚ. Uebrigens war Σύμ-- 
qogoc und Zvvgopgov in Bóotien bekannt, SIB. S. 227", s. jetzt noch 
Eph. arch. Nr. 2406 S. 1207 - = Lebas Nr. 664 S. 148 zu Alalkomenä: 
EMIEYM®OPRAAMONOC ἐπὶ Συμφόρῳ Aau|w]vug. Z. 30 ist mir jetzt 


K. Keil: zur Sylloge inscriptiunum Boeoticarum. 967 


das vordem gesetzte Ποταμόδικος bedenklich, wenn auch Avrodızog 
(SIB. S. 209) und Movaocidıxos (S. 222°) böetische Eigennamen sind. 
Zu Ποταμόδωρος . was auch Rhangabis ergäuzt hat, s. oben Z. à, dann 
Z. 43, wo keine andere Herstellung wahrscheinlich ist, vorher Nr. XXXVI b 
22, Rhang. Nr. 2296, 6 S. 977. sb) Z. 31 weist Πολουξένιος denselben 
Böotismus auf wie Z. 7 Πουϑίας. Z. 10 Πούϑων, 2. 19 Πουϑόδωρος, 
Z. 18 Διωνιούσιος, 7. 47 TlovOovixog: Ahrens dial. Aeol. S. 181. dial. 
Dor. S. 819. Man würde übrigens dieses Πολουξένεος schwerlich mit Fug 
gegen das oben Z. 5 vermutete Πυλυκρίτω geltend machen, da strenge 
Gleichnäszigkeit der Schreibart auch in diesem Punkte des für v stehen- 
den ov oder sov nicht nachweisbar ist. wie denn der vorliegende Titel 
Z. 8 Θρασυλαος, Z. 13 EvgvAogog, 1.25 Mvorwv, Z. 34 ϑυκράτεις, 
Ζ. 35 Δυκίνιος, Z. 41 Εὔϑουμος hat, wáülrend. anderswo Evgovgaav 
(518. S. 214°), Movoris, Movgrw (ei. S. 999 und Aovxwv (S. 220") 
vorkomnien. Wegen Πολυξένης und Πολύξενος s. die Citate a. 0. S. 296", 
Ebd. ist Θιοτέλεις. d. i. Θεοτέλης für Böotien neu. Ζ. 32 habe ich Ζαμα- 
τοιχος nach BRhangahis herstellen zu müssen geglaubt, SIB. S.211?. Jener 
schreibt dann ’Erıuoviog. 7. 33’Avriyov hei Ross scheint mir noch im- 
mer vorzüglicher als ANTINOQP bei lhang.. s. SIB. S v. 28. Dóotisch würde 
"Avrdvag sein (Rhang. Nr. 714, 2. 20 S. 309 “Ἱαΐστας Avravogos Ἡρα- 
κλεώτας), wie Exevogídc; a. Ὁ. S. 213". 7. 34 Σωφανεις:: früher schrieb 
ich Σωγένεις.. allein das X bei Ross weist auf A hin. Ehd. möchte Zo- 
στρατίδαο wahrscheinlicher sein als das ehedem gesetzte Σωσικλείδαο, 
wofür Σωσικλίδαο zu erwarten stand, wie Z. 33 “ριστοκλίδαο. Z. 35 
"Aexınalöao, Z. 41 Εὐκλίδαο. Wer aber Zocrooríóao erwartet (Καλλί- 

στροτος Z. 29), der vgl. Nr. XXXV A48 Στράτων und Z. 18 Στρότων. 
Z. 35 isl Aynorlov | ΓΝ ᾿Αχοηστίων.. sehr unglaublich) s. v. ἃ. ΝΠ φαι- 
στίων. vgl. pud DR SIB. S. 210°. Ebd. “υκίνιος im Anschlusz 
an Rhang. Z. 36 ist mit demselben Χαρώνιος (früher Teo.) hergestellt, 
was zu Χαρώνδας stimmt, Z. 37—38 bleibt νδρώνιος unsicher. Der 
Vater kann. auch Avdgiag geheiszen , also ᾿Ανδρίαο oder ᾿ἀνδρεῆος ge- 
standen hahen. Z. 39— 40 hat jetzt DiAegwrıog weichen müssen. (βελε- 
τήριος isl s. v. ἃ. (διλεταίριος τ doch möchte ich hierbei nicht an den 
φΦιλέταιρος der Diadochenzeit denken und davans Schlüsse für das Zeit- 
alter der Inschrift ziehen. Ζ. 30 — 41 ist das einstige Ζεώνιος nicht 
mehr aufrecht zu halten, nur dasz auch. MvgZyiog (Megıyos SIB. S. 922) 
blosz ein Versuch ist. Z. +1 “μευσίας von ἀμεύω: Curtius griech. Etym, 
18.287. Ζ. 42 liest llhang. Θύμελος Sarereo. Davon wird Θύμελος 
durch Paus. ] 20, 2, wo der Künstler Θυμέλος erwähnt ist, nicht ge- 
rechtfertigt. Einen Strategen der Bóoter. AAxeres erwähnt Polybios 
XXIII 2, 13 8. 953, 28 Dk. "Oder stand Aaytrao? | Ebd. Aysıotvıros: s. 
Nr. XXXV) 9 und SIB. S. 205° Aysıclloos; oben Z. 14 ᾿4γείσανδρος. 
Eine alte Grabschrift CIG. 1637 S. 795 (Lebas Nr. 522 S. 113) HAT EXZAN- 
APOX liat die Form aspiriert: Ayeloavdgoz (Ahrens dial. Aeol. S. 168. 
HIDPARYIA CIG. 1642 S. 796°. HEPMAIA SIR. Nr. LVIII? = Eph. arch. 
Nr. 2379 S. 1203 — hang. Nr. 2181 S. 929 == Lebas Nr. 727 S. 181), 
was.von der früheren Aussprache herzuleiten ist, nach welcher die Böo- 


Jahrh. f. class, Philol. Nuppl. Bd. IV Hfu 4 $i 


568 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


ter ebenso wie die Autiker und Lokrer (schedae epigr., Naumburg 1855, 
S. 7) ἄγω sagten.) Ζ. 13 halte ich Evgurlavog, was Rhang. setzt, für 
bedenklich, wenn schon Εὐρώτας αἷς Mannsname im Gebrauch war, spec. 
onom. Gr. S. 87. Wegen ᾿Ερωτίων s. SIB. S. 213”; Rhangabis konnte 
leicht einen Buchstaben zu viel erkennen, wie Z. 42 in APEIZTQONOZ, 
wofür ich lieber ᾿Αρίστωνος (SIR. S. 208^) als [Χ]ρείστωνος d. i. Χρή- 
Gro vog (χρειστός Eph. arch. Nr. 3056 S. 1474) herstellen mochte. Vgl. 
auch unten Anm. 56 a. E. Ebd. scheint Κρατεύας (Rang. Κρατεύς) an- 
nehmbar; Mvacıdio (SIB. S. 222°, Mvnoldeos cbd.) ist wenigstens 
möglich; seinem ΜΜΙιμνισολάω fügt Rhangabis schon selber das Frage- 
zeichen hinzu. Z. 4% hat dieser Χηρώνδαο gut getroffen: Χαερώνδαο 
ist vielleicht ClG. 1565, 15 S. 738 (Lebas Nr. 498 S. 108) zu lesen, SIB. 
S. 30. Ebd. Εὔϑουμος d. i. Εὔϑυμος. SIB. S. 213^. Dann hat Rhang. 
Τελέσιος; zu meiner Mutmaszung stimmt der Musiker Τελεσίας ὁ Oy- 
Beioc ein Zeitgenosse des Aristoxenos, Plut. de musica 31, und TtÀe- 
oıadas, der Vater des Thebäers Melissos bei Pind. Isthm. 3, 62 f. Z. 45 
habe ich dem Φρονίσκος des Herausgebers einen Kopf gegeben: Εὐφρυ- 
νίσκος Ὀνασίμ[ιἾος CIG. 1574, 94 S. 757 in Kopä (Lehas Nr. 599 S. 130). 
Statthaft ist aber auch Σωφρονέσκος und, falls das erste O unsicher 
wäre, Φρυνίσκος. Ebd. sind Καφισόδωρος und Φιλόξενος in Bóotien 
ungemein bräuchliche Namen, 518. S. 218° und 230°. Z. 45—46 wird 
Kegwviz[i]os — denn so zu schreiben, nicht Kepgvigoz, verlangt die 
blosz das Stück eines einzigen Namens fassende Lücke — durch Κεφώ- 
νιος Z. 41 geschützt. Was aber Kégev, Κεφώνιχος bedeute, erhellt 
aus der Glosse des Hesychios : κεφωϑείς" καταγελασϑείς. εἴρηται δὲ 
ἐπὶ τῶν ἀλόγου δίκην ἀνοήτως συνεπαγομένων. So schreibt Schmidt 
Bd. 1 S. 471 mit dem Codex, während Kyrillos xegpwdeiz hat, Musurus 
aber xexqo sí; las. Letzteres mit Bezug auf κέπφος . ein leichtsinniger, 
einfaltiger Mensch, der wie der gleichnamige Seevugel leicht zu berücken 
ist. Eine Form xégoc, welche Lobeck paral. S. 33 Note 33 zugestanden 
hatte, ermangelte bisher der Belege, Nauck Aristoph. Dyz. S. 84 u. 171. 
Vgl. σκύπφος und σκύφος. Der Mannsnamen , die von Vögeln hergeleitet 
sind, gibt es auch im Griechischen eine grosze Anzahl: "deróc, ᾿Δετίων, 
Ἵέραξ. Κόραξ, Κύκνος. Στρουϑίας, Χελιδών, vgl. Pott Personennamen 
S. 669 ΤΙ Z. 46 Adavadas; s. oben zu Nr. XXXVILa 5. Ebd. ist Avdeo- 
τέλεις ein neuer Name, ebenso wie Τελέσανδρος bei Pittakis Eph. arch. 
Nr. 2894 S. 1427: 


ΕΥ̓ΚΤΗΜΩΝΙΔΗΣ Ευκτημ[ο]νίδης 
TEAE£ANAPOY Τελεσάνδρου 
AIE ΩΝ ΕΥς Αἰξωνεύς. 


Z. 46—47 rühren die zwei Namen von Rhangabis her, nur dasz dieser 
Σωτήρεχος geschrieben hat. In Betreff der folgenden isl es ein eigmner 
Zufall, dasz ein Tanagräer Πυϑόνικος Φιλυκράτειος dreimal ClIG. 1571. 
23 ff. verzeichnet wird, SIB. S. 42. Z. 47—48 Ζινόστροτος (Thang. -1vo- 
Grgorog) d. i. Δεινόστρατος, wie στροτός auch bóotiseh war, Ahrens 
dial. Dor. S. 517; Καλλίστροτος Z. 29. Doch ist auch anderes denkbar 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boecoticarum. 560 


wie Ap]svöszgorog, was ein neuer, aber möglicher Name sein würde. 
Z. 48 Κοροπίδας scheint mit Κορύπη und Κοροπαῖος ᾿“πόλλων (Steph. 
Byz. S. 375, 8) in Verbindung zu stehen. Δοκίμεος ebd. ist wenigstens 
griechisch; Rhang. hat Δο[ρκ)ιάλιος. Z. 19 laugt die Form Χαρίμωνος 
bei Rhang. nichts. Derselbe bezeugt S. 829 ausdrücklich, dasz die Liste 
mit Z. 49 abgeschlossen ist. 

b) Der Vollständigkeit halber füge ich noch das folgende Stück aus 
Orchomenos hinzu, welches Pittakis Eph. arch. Nr. 819 S. 508, Rlıanga- 
bis Nr. 1305 S. 829, Lebas Nr. 624 S. 139 und Ussing inscr. Gr. ined. 
Nr. 52 S. 41 herausgegeben haben. Die Formen der Buchstaben sind in 
dem französischen Werke am getreuesten nachgebildet. Am unvollstän- 
digslen ist die Copie von Ussing, dem die Ueberbleibsel von Z. 12 u. 13 
ganz fellen. 


DPSToMAX2APXoNTo£ Πρωτομάχω ἄ ἄρχοντος 
Bol? TY£EPXoMENIY£AE Bowrüs, Eoyouevivc δὲ 
EYAF'oPAotoz9eNOoZ[l'oAE Evayogao Φόξωνος. πολε- 
MAPXIONT9NONA£IMa2elof I μαρχιόντων Ὀνασίμω Θιογί- 
5 ToNo£EAAt£IPPSzENOTIMa2 τονυ:. Ἐλασίππω Ξενοτίμω, 
<@MINAOTENEZINTSTPAM Κ]ωμέναο Telsoinno, γραμ- 
MATIAoNTo£TY*t[l'oA ματίδοντος τῦς πολ- 
" EMAPXYZKANOKAIAAo ἐμάρχυς Καλοκλίδαο 
ΦΙΛΟΜΕΙΛΩΤΥΙΠΡΑΤΟΝ Φιλομείλω τυὶ πρᾶτον 
10 .£TPoTEYAoHAeANIA£A ἐ]στροτευαϑὴ ᾿Αϑανίας 4- 
.2No£l'o TAMaN []ωνυς; Ποτάμων - - - [E- 
o£To£EY ὑνἼοστος Ev[vóoro -—-- 
M^I -- - -- - - - 


Z. 4 hat das letzte lota nur Pitt. u. Rhang. Z. 6 a. A. gibt Uissing . MINAO, 
Rhang. *QMINIAO. Ebd. ist M am Ende blosz bei den Griechen. Ebenso 
das A Z. 7 a. E. (Lebas I) und Z. 8 am Schlusz das o. Z. 10 a. E. ist 
A von Lebas angemerkt. 

Z. 1: eine IIgoroueq5 ist als Tochter des Pindaros bekannt. Z. 3 
tritt der Name Φσξων neu zu Do&os und Φοξίδας. Ucher die Bedeutung 
des Wortes s. Loheck patlı. elem. 1 S. 137 und Christ. griech. Lantlehre 
s. 222 (ὀξύς: Fo&oc, 90505); Doderleim Hom. Gloss. Nr. 2478 erklärt 
Dickkopf?. Vielleicht gehört auch die atlische Inschrift Rhaug. Nr. 2350, 
16 Bd. II 5S. 1012 hieher: ΦΩΞΙΑΣΑΝΤΙΓΑΤΡΟῪ, wo nicht Qoblag 
sondern Φυξέας gelesen werden zu müssen scheint. Z. 5 "Eàecizmo: 
Plinius n. h. XXXV 122 Elasippus quoque Aeginae picturae suae in- 
scripsit évéxacv, nach der schönen Emendation von Schneidewin. Z. 6 
Κωμίναο (Rhaug. Κωμενίαο) vun Kópoz") (Pott Persunennamen δὶ 127 
Note): vgl. “ευκίνας (in Thespiä CIG. 1644. SIB. S. 177. Lebas Nr. 420 
S.89: VEVKIWAS) und andere Namen auf -/vas, die ich in den inser. Thess. 
wes S. 13 zusammengestellt habe. Z. 5 — 6 γραμματέδοντος ist durch 
die Uebereinstimmuug säntlicher Copien geschützt; ebenso, vorausgesetzt 
dasz man auf die Copie bauen darf, bei Rhang. Nr. 898. 5 S. 598: AM- 
AIATIAONTOSs γρ]αμ[μ]ατέδοντος. Aber die von Ussing S. 43 ange- 


31* 


570 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


führte Inschrift Nr. XXXVIII a 4 kann nicht als weiterer Beleg des à für 
€ in der Mitte der Wörter gelten, weil dort Ross durch seinen Punct 
den Ausfall eines zweiten ὃ andeutet. 2.8 Καλοκλίδαο: SIB. S. 17 zu 
Nr. Hl 14, wo ich, wie der vorliegende Titel erweist, richtig KeAo[x4/]- 
das Φιλομείλω ergänzt habe; Rlıang. Nr. 1303, 15 S. 826 setzte Καλο- 
δωρίδας.") Ζ. 9—10: Ussing hatte Grund meine frühere Lesung, die 
ich von Ahrens annahm, τὺ πρᾶτον ἐστροτεύαον zu tadeln. Dasz er 
aber mit seinem τὺς πρᾶτον ἐστροτευάϑη mindestens eben so schlecht 
gefahren ist, wird er in der Zwischenzeit von Bóckh gelernt haben. Z. 
10— 11 stützt derselbe seine Schreibweise A9avíag "Avógovog auf Nr. 
XXXVIII a 37 49. Avdowvios. Mein Διώνιος ergibt sich aus der Ueber- 
lieferung ungezwungen. Z. 11—12 Evvocroc: SIB.S. 214*, Pape u. d. W. 
Evvoori ἴδης Rhang. Nr. 1293, 4 S. 819. 
c) Aus Kokla, unweit der Ruinen des alten Platäa (Vischer Erinn. 
S. 540), teilt Rhang. Nr. 1217 S. 778 folgendes Bruchstück nach eigner 
Copie mit: 
AOYNAITYPAAQOEI£PIEIO 
'" . I£MEINIIETAOOEIB 

APIZTINNOZEPXOMEN 

APIETOMAXLREITTIR 

OPIONTOZAINIAOEPOT 

TI ENEIAAOTPAMMATIAAAN 

Dies die Inschrift der einen Hälfte eines runden Piedestals in der Mauer 
einer kleinen zerstörten Kirche. Auf dem andern Halbkreis waren mit 
Mühe diese Buchstaben zu erkennen: 

O PI T 

NIANIR 

AOY MN 


lon 
Dasz eine Weihung vorliegt. hat Rhangahis mehr zufällig erkannt, da 
seine Lesung des Anfanges: Adave, wobei er an die Aogel« und ihre 
von Phieidias gefertigle Statue erinnert, sicherlich nicht zutrifft. Glück- 
licherweise sind aber zwei analoge böolische Inschriften erhalten, welche 
über unser Bruchstück einen sichern Aufschlusz gewähren: 
1) GIG. 1593, SIB. S. 101 nach der Copie G. Kramers, Lebas Nr. 616 
S. 34: 
Βοιωτοὶ τὸν τρίποδα ἀνέϑεικαν 
τῆς Χαρίτεσσι καττὰμ μαντειίαν 
τῷ ᾿Απόλλωνος, ἄρχοντος 
Σαμίαο Ἰσμεινικέταο Θειβήω, 
5 ἀφεδριατευόντων 
Μελάννιος Νικοκλεῖος Eoyousvío, 
Ἡσχρίωνος Θερσανδρίχω Κορωνεῖος. 
"Aovoxlsiog ᾿Αντιοχίδαο Avdadoviw, 
᾿Δρίστωνος Mevvidao Θεσπιεῖος, 
10 Πραξιτέλιος ᾿Αριστοκλέδαο Θειβήω, 





K Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 571 


Θιομνάστω Ἑρμαϊκῶ Ταναγρήω, 
“Πούϑωνος Καλλιγίτονος Ὡρωπίω, 
γραμματεύοντος 
Διοκλεῖος Διοφάντω Πλαταεῖος,, 
15 μαντευομένω 
Awlao Ἐροτίωνος Θεσπιεῖος, 
[ϑ)προπίοντος 
Οἰνοχίδαο Εὐμενίδαο Ἐρχομενίω, 
ἰαρ]ατεύοντος 
30 “αμπρίαο [Θ]ειδοτίω Ἐρχομενίω. 


Lebas weicht von dem Exemplar in der SIB. nur darin ab, dasz er Z. 2 
XAPIZTEZZI liest (was Druckfehler zu sein scheint), Z. 14 IXMEINIKE- 
TAO, Z. 8 ANTIOXIAAO und ANOA usw., Z. 11 TANAPHR (wol durch 
ein Versehen des Setzers), 7. 14 AIOANTQ, Z. 15 MANTEYOMENQ, 
2.16 OEEN usw. Um blosz ein paar onomatologische Bemerkungen anzu- 
schlieszen, so ist nunmehr der einst von mir errathene Name Ἰσμεινικέ- 
τας 7. à auf das beste bestätigt. Ebenso sind Z. 8 "AgvoxAeiog und ’Av- 
τιοχίδαο jetzt gesichert. Dagegen kaun Z. 11 die Uehereinstimmung 
sAintlicher Abschriften in EPMAIK gegen Böckhs "Eguoi(z]o gewichtig 
erscheinen. Man wird wol, auc en den Widerspruch von Ahrens 
dial. Dor. S. 516, eine Doppelform "Eguaixós und "Egpeiyog anzunehmen 
haben; letztere steht Cl. 1220 (spec. onom. Gr. S. 28) und ist mit Ka- 
φάϊχος (SD. S. 218*) zu vergleichen. ®) So finden sich nebeneinander 
«Σάμιχος (SIB. S. 2277) und Σαμικός, wenn Lebas Nr. 656, 2 S. 145 rich- 
tig ZAMIKR liest, wo ich SIB. Nr. XLV 2 S. 159 nach E. Curtius ZAMIXQ 
geschrieben habe (wie auch Rhang. Nr. 1307 S. 831 εἶδ): Ὀλυπικός CIG. 
284 134 S. 393, Olvuzixóg bei Pape von einer Chiischen Münze Mion- 
neis Suppl. Ill 60. Eph. arch. Nr. 3261 Il 39 S. 1699. Olympicus Momm- 
sen IRNL. 6310, 97 u. 6769 1 86, und Ὀλύμπιχος CIG. 120,4 Bd. 1 S. 161. 
168^ 5 S. 207. 768, 1 S. 514. SID. S. 224”. Rhang. Nr. 898, 3 S. 598. Nr. 
1417, 5. 819; s. auch Jacohs Anth. Pal. lll S. 678. Lobeck path. elem. 
15. 343; Σωτήριχος, Soterichus*) R. Ruchette lettre à M. Schorn S. 304. 
Orelli-llenzen 6115 und lateinisch oft Sotericus Cie. pro Balbo 25. Gel- 
lius n. A. ΧΠ 2. Mommsen IRN. 497. 3790. Jahn spec. epigr. 8.31 Nr. 38. 
Lobeck a. 0. S. 342; Μύστιχος, denn der attische Archon Ol. 98, 3 (vor 
Chr. 386) heiszt Μυστιχίδης nach Diod. XV 2, und Μυστικός CIG. 189, 
36 Bd. 1 S. 907°. eld. 54. Nr. 268 1 29 S. 370. Nr. 28418. 30 S. 393. Nr. 
305^ 115 S. 911. Mysticus Mommsen IRNL. 5805.) Z. 14 ist Zftogdvro 
der Schreibarl Διαφάντω (SIR. S. 103) gewis vorzuziehen, und ebenso 
Z. 15 μαντευομένω dem APXIIEPEYONTOE. Dagegen wird 2. 15 
EPOTIQNOZ, was von sümtlichen Abschriften geboten ist, nicht län- 
ger mit EPRTIQNOZ zu vertauschen sein, so angemessen auch der Name 
’Egurlov für einen Mann aus Thespiä scheinen konnte. Es kommt hinzu, 
dasz auch CIG. 1577, 4 S. 760 (Lebas Nr. 490 S. 103) EPOTIQN (ENO 
Murat. 'Eg[w]ríov Böckh) überliefert ist. So erkenne ich an beiden Stel- 
len einen Namen Ἐροτίων von ἔροτις d.i. ἑορτή, Hesych. II S. 194 























972 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


Schmidt: vgl. 'Eögriog in der alten attischen Weihung Rhang. Nr. 8 Bd. 
Ι S. 14 (Ross arch. Aufs. I S. 204): 


EOPTIOSKAIOOSIAAE SAWEGETEN 
APAP-FEN TAGEN AAI 


Ἑόρτιος καὶ Ὀψιάδης ἀνεϑέτην 
ἀπαρχὴν roO qvo. 


CI. 3662, 5 Bd. IL S. 918 EGPTIOZ Καμεριανὸς Πολλέων 3), wo nicht 
Ἑώρτιος sondern "Eógriog zu schreiben sein dürfte, Liban. Epist. 225 
(von Pape angeführt). Vielleicht gehört auch der Name Eoorríg hierher, 
Rlıang. Nr. 2138 δ. 929, Grabstein zu Koroneia: vgl. 'Euztóorríg 518. 
Nr. XIII δ. 77; “Αμφοττίς Rhang. Nr. 2083, 3 S. 924 aus Lebadeia. Z. 17 
hatte ich vermutet, es sei ein kleines Omikron, dergleichen in diesem 
Titel mehrere bemerkt sind, nach Ol von den Copisten nicht bemerkt 
oder unleserlich geworden. Weil indes die Abschriften übereinstimmend 
OICPOPIONTOS geben, so wage ich keine Einschiebung mehr, be- 
trachte die Form ϑιπροπίοντος für einen seltneren Böotismus und ver- 
gleiche die oben zu Nr. XXI 25 auch in Böotien nachgewiesenen init &e- 
anfangenden Wörter wie Θέδωρος. Θέγειτος: Θέτιμος. lugleichen lassen 
sich die dorischen Formen Zıyaong (Θεοχάρης) Eph. arch. Nr. 3163 H 9 
S. 1595 und Σέχαρες Nr. 3165 Il 17 S. 1598, Σίπομπος (Θεόπομπος) ebd. 
Nr. 3164 1 10. 24 S. 1597, Σικιλῆς ebd. 1 27, τὸν civ φέρων ebd. Il 20 
(σιοφόρος Nr. 3165 Il 20 S. 1599), Σιδέκτας d. i. Θεοδέκτης ebd. Nr. 3165 
I 29 S. 1599. CIG. 1241 1 3 Bd. 1 S. 618 u. 1352. 4 S. 659 (neben Σειδέκ- 
τας. was Böckli an beiden Stellen gegen die Ueberlieferung gesetzt hat) 
anführen, s. Ahrens dial. Dor. S. 67, anal. epigr. el onom. S. 94, unten 
Anm. 28. Endlich ist Z. 20 [Θ] εἐδοτέω neben Θιομνάστω Z. 11 allerdings 
auffällig, doch scheint auch hier eine Aenderung bedenklich. 


2) SIB. Nr. X S. 69, nun auch bei Lebas Nr. 583 S. 123: 


1) Βοιωτοὶ A4zxóAAowi Πτωίοι avedıav, ἄρχοντος Βοιωτοῖς Φιλοκώμω 
᾿Δ[ντ] εγ[ενε]είω Θεσπιε[ζος. 

9) ἀφεδριατευόντων Ἐμπεδο[κ]λεῖος ““ϑανοκριτίω Ταναγρήω, Πούϑω- 
νος “4[υ]τομει[δ]ε[ ὦ Ερχομενίω. 

8) Ἱπποτίωνος ξαστυμειδοντίω Κορωνεῖος. ἜἘπεξαἰλτ]ιος Μαχωνέω 

Θειβήω, Νικίωνος Γ[ρ]υλίήωνος Πλαταεῖος, 

4) ““ριστοκλεῖος ᾿Δγασιήω ᾿νϑαδονίω, Σάωνος [Θ]ιο[τ]εμέω Θεισπιεῖος. 
μαντευομένω [[ΟἸ]νυμάστω Νικολαΐω Θεισπιεῖος. 


Lebas hat Z. 1 nach ΦΙΛΟΚΩΜΩ allein das A vor den zwei Puncten, so 
dasz "Avrıyeveulo, wofür ich S. 71 an ᾿Ἐπιγενειίω dachte, auszer Zweifel 
gestellt ist. Z. 3 gibt derselbe C. YA. .QNOZ d. i. l'[o]vA[ A ]ovos, s. 
indes Aum. 56 a. E. Zu Z. ἃ «Αὐτομειδειίω vgl. Θεομείδεις. v. Velsen in 
Gerhards arch. Anz. 1856 Nr. 96 SN. 287 * Nr. XVI. und das thessalische 
“Ιυκομείδεις Χαύροι Lebas Nr. 1246. 7. 3 bleibt αστυμειδοντέω wegen 
des Diphthonges verdächtig. 

Aus diesen beiden Titeln ergibt sich nun zuerst mit voller Sicher- 
heit, dasz Z. 1 Rhangabis nicht berechtig t war A9[a]ve Πυράλω Θε- 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 2513 


orıeio[lg zu schreiben. Der Aufang des Ganzen mit der Weiheformel und 
dem Namen der Gottheit — s. über die in Platäa verehrten Wachsmullı 
hell. Alt. II S. 503 — ist ausgefallen. Vor dem Gentilicium aber sind 
hier zwei Eigennamen verzeichnet gewesen, ein ἀφεδριατεύων mit sei- 
nem Vater. Von dem ersteren Namen ist blosz die Genetivendung -@o 
übrig, wo das Omikron einen Punet hat, s. oben zu Nr. I. Vielleicht 
kann dann gelesen werden [M]val oiu ]g( 4]o , SIB. S. 222°. Die Schreib- 
weise Θεισπιεύς hat sich schon sonst gefunden, s. SIB. Nr. X 4 S. 70 u. 
103, Münze hei Mionnet Sup. Nr. 196 OEI£, angeführt von Cavedoni 
im Bull. dell’ inst. 1847 S. 157. 2. 2 Ἰσμεινι[κ]έταο Θειβ[ήω: oben 1 
7. 4: Xauíao I. ©. vielleicht dasselbe Individuum. Ζ. 8 Agıstlovos 'Eg- 
χομεν[ίω: SIR. S. 208°. 7. 4 schreibt Rhang. "4oicrogazc [Ὑ]ειττέω, 
vielleicht richtig: vgl. CIG. 1585, 18 δ. 767 Lebas Nr. 404 S. 85) σατυ- 
ρογράφος M. Αἰμίλιος Ὑήττιος (wo der Stein YMHT TIOX haben soll, 
s. aber Böckli S. 768"). und den Titel aus Oropos bei Preller Ber. d. süchs. 
Ges. d. Wiss. 1852 S. 152 Nr. 11, 69 ==: Rhang. Nr. 965 Il 40 S. 691 
Aylaoy Διοδώρου Ὑ[ή]ττιος ( (YETTIOZ nach beiden Copien). Dieses 
“Ὑέττιος. was Preller und Rhangabis beibehalten haben, ist nicht zu er- 
tragen; über den Ort handelt K. Ὁ. Müller Orch. S. 211, 4. Dasz derselbe 
bedeutender gewesen, als man gewöhnlich annehme, behauptet, wie es 
scheint richtig . Preller a. O. S. 174 Anm. 58. Z. 5 ϑιοπρ]οπίοντος Δ:- 
víao ᾿Εροτ[ίωνος. Am Anfang kann auch ϑιπροπίοντος gestanden liaben, 
s. vorher die Inschrift 1 Z. 15 μαντευομένω Δινίαο Ἑροτίωνος Θεσπιεῖος, 
[9] προπίοντος Οἰνοχίδαο Εὐμενίδαο Eoyousvio. Derselbe Dinias war 
also einmal der μαντευόμενος. das anderemal der ϑι[ο]Ἱπροπίων. 2.6 
᾿Δυ]ει[γ]ενείδαο, yoauueriöö[o]v[ros. Bei dem Eigennamen erregt mir 
der Diphthong einige Serupel, wenn auch ᾿Αντιγενείδης eine gewöhnliche 
Form war, SIB. S. 207°. 


XXXIX 


Eine mit einem Adloına verzierte Stele zu llaliartos enthält naeh 
den so gut wie gleichlautenden Copien von Ulrichs (ann. dell" inst. XX S. 
55 f. Nr. NII) und Lebas Nr. 661 S. 147 folgenden Ehrenbeschlusz : 


APXONTOZAOHNHZINIKOAHMOY 
EDnIME... TOYAEINIAIAPTNA...... 
OYANTATOPONOT.YNE.......... 
.ZTHZAPTEMIAOZKAAAIZTPA 
5 TOZEEIAHANTAT OPOZANTAFO 

POYOTPYNEYZOKATAZTAOEIETA 
MAZTHZZYNOAOYTRNKYNHFRN 
.OYXTEAOlOYZKATABEBAHTAIOP 
. .2KAIAIKAIOZKATAZTAOEIZAE 

10 ..... ITHNENIZKEYHNTOYOIKOYK. 
ΛΩΣΚΑΙΔΙΚΑΙΩΣΑΝΕΣΤΡΑΦΗΕΤΙ 
.«ἘΠΛΕΙΟΝΑΕΥΧΡΗΣΤΑΠΕΠΟΙΗΚΕ... 
ZYNOARITRNKYNHFRNKATAT.... 


914 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


MANTAENAINEZAIANTAFOPON.... 
15 A...O.AEAOXOAIT 
OHEINZTE®NRX 
Ql 
Z. 8 a. A. hat Ulrichs das O allein; demselben fehlt Z. 9 a. E. das Epsi- 
lon. Die Zahl der Buchstaben in den einzelnen Zeilen wecliselt, wenn 
Z. 3 richtig ergänzt ist, zwischen dreiundzwanzig und mehr bis dreiszig. 


"ἄρχοντος ᾿4ϑήνησι Νικοδήμου; 
ἐπιμε[λη]τοῦ δὲ [ἔν [[4]λεάρτῳ Apiosi- 
Ov “Avrayogov Ὀτ[ο]υνέ[α ἐτίμησε ὁ Lege- 
ὺ]ς τῆς ““φτέμιδος Καλλίστρα- 
5 106° ἐπειδὴ ᾿Αντάγορος "Avrayo- 
ρου Ὀτρυνεὺς 0 κατασταϑεὶς τα- 
μέας τῆς συνόδου τῶν κυνηγῶν 
τ]ούς τε λόγους καταβέβληται ὁρ- 
90]; καὶ δικαίως; κατασταϑεὶς δὲ 
10 καὶ ἐπ]ὶ τὴν ἐπισκευὴν τοῦ οἴκου κ[α- ἡ 
λῶς καὶ δικαίως ἀνεστράφη. ἔτι 
ó]à πλείονα εὔχρηστα πεποίηκε [τῇ 
συνόδῳ τῶν κυνηγῶν, διὰ ταῦτα 
πάντα ἐπαινέσαι Avrayogov [ 4vv- 
15  e[yoo]o[v] δεδόχϑαι v[1j συνόδῳ τῶν xv- 
»]η[γῶ]ν; ezegp[o]vo[cos δὲ καὶ στεφαν- 
ᾧ - -, -  - ἘἨὀο--- -τ - Ἐ- ο- 
Das an und für sich ziemlich interessante Actenstück weicht im Stil 
mehrfach von dem sonstigen Brauche ab, wird jedoch, wenn man wie 
billig an der Ueberlieferung festhält, nicht auf die gewöhnliche Aus- 
drucksweise zurückgebracht werden können. 

Z.1. Einen weit ältern Archon Nikodemos weisen die atlischen 
Fasten unter Ol. 74, 2 (v. Chr. 483) nach. Der hier verzeichnete gehört 
dem nach Ol. 121, 2 fallenden Zeitalter an, für welches Meier comm. 
epigr. S. 79 ff., ohne unsere Inschrift zu kennen. die meist inschriftiich 
erwähnten Eponymen zusammengestellt hat. Die Schreibart A8nvnoi ist 
in einem Titel, der das stumme lota beifügt (Z. 13), wol zu beachten, 
wenn es auch heutzutage keines weitern Beleges für die Richtigkeit der- 
selben hedarf, s. spec. onom. Gr. S. 33. Franz el. ep. Gr. S. 111. Mehl- 
horn gr. Gramm. S. 133 Note 2. Buttmann ausf. gr. Spr. I S. 352. Lobeck 
patlı. el.18. 627 (ἐν ᾿Αϑήνῃσιν). 2. 2 hatte Ulrichs geschrieben: Ἔσεε- 
μενίδου δὲ ἐν “Δλιάρτῳ. W eil jedoch das T durch die heiden Abschriften 
gesichert ist, so verdient die obige Ergänzung schon deshalb den Vor- 
zug; wozu noch kommt dasz, wenn Extusvidov gelesen wird, mit den 
Buchstaben OY Z. 3 a. A. nichts anzufangen ist. Diese sind der Rest des 
Eirennameus, der natürlich von mir nur beispielsweise so ergänzt ist, 
dasz die Buchstabenzahl der andern Zeilen nicht überschritten wird. Das 
Sachverháltnis, welches von mir Z. 2 hergestellt ist, findet durch Zeug- 
nisse der Alten seine unzweifelhafte Bestätigung. Wir lesen neinlich, 


" 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 270 


dasz die Römer den Atlienern auf ihr Gesuch Ol. 153, 3 (v. Chr. 168) IIa- 
liartos und dessen Gebiet überlassen hatten. Polvb. XXX 18 S. 1064 Bk. 
K. 0. Müller Orch. S. 428. Hermann gr. Staatsalt. ὃ 176, 2 S. 526. Wenn 
nun Strabon IX 2, 30 s. 411 berichtet: ᾿Αλίαρτος δὲ νῦν οὐκέτι ἐστί, 
κατασκαφεῖσα ἐν τῷ πρὸς Περσέα πολέμῳ. τὴν χώραν δ᾽ ἔχουσιν 49g: 
ναῖοι δόντων Ῥωμαίων (Liv. XLII 63 urhis diruta a fundamentis durch 
den Prätor C. Lucretius im Winter 171 — 170), so lehrt schon die vor- 
liegende Inschrift, dasz die Stadt. von der selbst gegenwürlig ganz an- 
sehnliche Ruinen vorhanden sind {Ross griech. Kónigsreisen I S. 96. Vischer 
Erinn. S. 558). nach jener Zerstör ung "und sicherlich lange vor dem Zeit- 
alter des Geogr apheu wieder anfgebaut und bewohnt worden ist. Aus 
diesem Grunde mag ich auch nie ht ἐν τῇ ᾿Αλιαρτίᾳ lesen. In der Ord- 
nung aber war es, dasz die Alhener in diese, übrigens mehr Schande 
als Frucht bringende Besitzung auf dem Boden Röoliens einen Epimeleten 
schickten. wele her zugleich die Eponvmie hatte. Vgl. über solche Land- 
vógte Böckh GIG. Bd. 18. 611 und 731", Bd. II S. 937" zu Nr. 2286, 2, 
wo ein ἐπιμελητὴς Δήλου | ngleichen auch bei Meier comm. epigr. Nr. 26, 
2 S. 52) vorkommt (ἐπ. τὴς νήσου Nr. 2298, 5 S. 242 u. Nr. 2306, 4 S. 244), 
und Staatshaush. d. Ath. IS. 564. Ganz analog ist es, wenn in mehreren 
Urkunden von Aegosthena eine doppelte Datierung stattfindet, indem das 
Präseript τοῦ δεῖνος ἄρχοντος ἐν Ογχηστῷ den Zusatz hat ἐπὶ δὲ πόλιος 
τοῦ δεῖνος. llieraus folgert, für mich überzeugend, Böckh Berl. Monats- 
ber. 1857 S. 485 “dasz Aegosthena damals zu Onchestos gehörte, nach 
dessen Archon datiert wurde, und als besondere Magistratur nur einen 
ἐπὶ πόλιος genannten Vorsteher halte, eine Art ἐπιμελητής. wie der athe- 
nische von Delos und mehrere älnliche.?°" 

2.3 'Avrayogov wie Z. 5: dasz die Eigennamen auf -eyogog etwas 
minder zahlreich sind als die in -αγόρας endenden, habe ich anal. epigr. 
S. 159 bemerkt. Bei Pape fehlen: "dorsueyogog CIG. 3498 A 2 Bd. Il 
S. 834, Evayooos SIB Nr. LXI, 11 8 S. 173, Κλειτάγορος Ussing inscr. 
Gr. ined. Nr. 6, 13 S. 16 :Lebas Nr. 1295 S. 303), Πειϑάγορος ehi. Nr. 8, 
1 8. 20 mit der nie ht zutreffenden Note: «Hai ϑάγορος pro Πειϑαγύρας 
seriptum, ut n. 6 v. 13 Κλειτάγορος pro Κλειταγόρας. quam. forinam 
Aeoles propter insitum retrahendi accentiis. studium praetulisse videntur. 
eiusdem generis est ““ρχιος pro Aoylas in Meliv lapide apud Ross. inscr. 
ined. n. 298, et fortasse. antiqui Athenieusis arlificis nomen Korziog. pro 
Κριτίας —». Die Inschrift Nr. 8 gehört in die Zeit Hadrians /Z. 4) ; Nr. 6 
aber ist zwar elwas älter. doch keineswegs aus einer Epoche wo der 
Aeolismus sich noch sehr geltend machte. Endlich ist auch Τιμάγορος 
zu erwähnen bei Ross inscr. Gr. ined. I Nr. 81, 25: hier würde Τιμαγόρα 
stehen, nicht das auf dem Stein befindliche Τιμαγόρου, falls der Nomi- 
naliv Τιμαγόρα: wäre. Z. 4 weisz iel nichts anderes vorzuschlagen als 
ἐτίμησε: denn so habe ich, um einen Buchstaben zu ersparen und die 
Zeile nicht übermäszig lang zu machen. vor dem folgenden Vocal ge- 
schrieben, nicht &r/unoev: Beispiele des fehlenden Nv ephelkystikon sind 
auf Inschriften selir häufig ; einige bringt Vömel de N et Z adductis lit- 
teris (Frankfurt 1853) S. à hei. Was Ulr ichs wollte, 


916 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Bocoticarum. 





᾿Επιμε[νίδ]ου δὲ [ἤν [4] λιάρτ 9, εἶπεν ὑπ- 

ào] Avrayooo[v] Ὀτ[ρ]υνέζως ὁ ἕερε- 

ὺ]ς «zà., 
das falli. init der oben begründeten Verwerfuug von Enıpevidov, unge 
rechnet dasz die Aenderungeu in Z. 3 zu gewaltsam sind. Jenes erkläre 
ich in dem Sinne von *er beantragte oder bewirkte dasz Antagoros geehrt 
wurde’, Krüger gr. Spr. ὃ 52. 1, 4. Vgl. Οἷα, 2140, 1 Bd. ll S. 173: 

4] πόλις Διόδω[9]ον [Ἡ]ρα[κλείδα ἐτίμασεν 

exo συνέόρων καὶ τοῦ dauov' $5) ἐπειδὴ ὑπὸ 

τῶν πολιτ ἂ]ν Διόδωρος “Ἡρακχ[λείδα 

κατασταϑεὶς ἀγορανόμος κτλ. 
wo das Zeitwort allerdings ergänzt ist, aber kaum bezweifelt werden 
kann. Denn hier wie oben Eriunos ganz wegzulassen würde zwar nicht 
völlig gegen den Stil verstoszen, hätte jedoch bei unserer Inschrift den 
Unistand wider sich, dasz dann die angemerkte Lücke Z. 3 a. E. nicht 
saltsam ausgefüllt wäre. Wegen des Sinnes, der dem Verbum beigelegt 
werden musz, s. noch CIG. 4380*, 1 Bd. IIl S. 1167 

Ὃ Κιβ]υρατῶν δῆμος IH[o]xA[/]ov Πανκράτου [γνω]μῃ Zrei- 

unoev 

Kóivrov Οὐηράτ[ι]ον To[o]/Aov υἱόν —.“*) 

2. 7 τῆς συνόδου τῶν κυνηγῶν : Gesellschaften von Jägern , welche 
irgend etwas weihen, sind inschriftlich öfter bezeugt: Titel von Stiris bei 
Ross inser. Gr. ined. I Nr. 75, I u. 11 S. 33 (Lebas Nr. 988 S. 235, anal. 
epigr. S. 82) οὗ κυναγοὶ avtdnn[av; auf Kypr os CIt. 2614, 1 Bd. II S. 437 
ΒἸερενίκην Ποσείδιππος καὶ Bofoxog καὶ of κυνηγοί, wo Böckh zu 
vergleichen ist (0 ἀρχικύνηγος in Alexandreia Nr. 4677, 2 Bd. II S. 336 
mit "ler Note von Franz S. 289°); Orelli Bd. Il S. 240 Nr. +118 (Mommsen 
IRNL. 5380! M. Attio 3I. f. Ser. Draconi Clodiano Annaro Rufo col- 
legéium tenatorum. Noch andere Inschriften sind von Gladiatoren zu er- 
klären, wie CIG. 1106, 2 Bd. I S. 575 ϑηρεύτορες ἄνδρες --- 7. ἀνϑ᾽ 
ὧν χαλκείην τήνδ᾽ εἰκόνα ϑήκαμεν ἀνδρός, ἐγγὺς ,“ϑηρείων ἰστάμενοι 
στομάτων" Nr. 2511, 1 Bd. II S. 390 φαμιλία μονομάχων καὶ ὑπόμνημα 
κυνηγεσιῶν᾽ Nr. 2719, 12 S. 486 μονομαχίας καὶ κυνηγεσίας (KYNHF IAL 
auf dem Stein) [ἐπ]ετέλεσεν᾽ Nr. 3764, 2 5. 963 Χρυσόμαλλον δητιάριον, 
τὸ πρὶν [δ]ὲ zb venatorem circensem s. bestiarum? ; Nr. 3847°, 
8 hd. ΠῚ S. 1081 κυνήγιον πολυτελὲς [xoi παρ]άδοξον μετὰ πάσης 
σπουδῆς x«oo[cyous]vov* Henzen Nr. 7209 S. 456 coll. venator. Deen- 
sium, qui ministerio arenario fungunt. d'edicarerunt) ex d(ecreto) 
s(oluto? e(oto); Nr. 7210, 2 D]ianae Nemorensi [c]ollegium cenator. 
l'ulentinorum . . dedecar.;, Zell Hdh. d. róm. Epigr. | S. 60 Nr. 401 A. 
Suellii Cerii aedilis familia gladiatoria pugnabit Pompeis pr. k. lu- 
nias. cenatio et cela erunt \!). Einige Basreliefs. auf denen Jüger dar- 
gestellt sind, bespricht L. F riedlànder- de operibus anaglyphis in monum. 
sepuler. Graec. S. 48. Ueber die Jagd selbst als eine sehr heliehte Be- 
schäftizung des griechischen Mannes s. was Hermann Privatalt. $ 3, 17 
S. 14 anführt. Z. 8 τοὺς λόγους καταβέβληται: statt des üblicheren τ. 4. 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 577 


(τὰς εὐθύνας) δέδωκεν ”) oder τοὺς λόγου; ἀπήνεγκεν (1. 2058 B 
74 Bd. 11 S. 120) “er hat die Rechnungen abgelegU.*) Ebd. ὀρθῶς καὶ 
δικαίως: das den Schatzweistern i in, der Regel gezollte Lob, Cl. 115. 16 
Bd. LS. 158 ὑπερ ἁπάντων [ὧν] ὠκονόμηκεν ἀπολελόγισται τῇ βουλῇ 
); Titel von Telos bei Ross Ilellenika 5. 63 Nr. 5 ἱεραπόλος τὰς 
2058 B 73 UL Il 
S. 120 πάντα διῴκησεν ὁ, ὁ. x. 6. Z. 9—10 κατασταϑεὶς δὲ καὶ ἐπὶ τὴν 
ἐπισκευὴν τοῦ οἴκου: kürzer ist die Bezeichnung, in dem Salaminischen 
Deeret Eph. arch. Nr. 1381, 12 S. 860 τ]ὸ δὲ γενόμενον ἀνάλωμα μερίς 
σαι τοὺς ἐπὶ τὴν ἐπισκευὴ! Wegen ἐπισκευή “Reparatur? s. NIB. S. 35 

. llermann Philol. X S. 295, 6. Unter ofxog (curia erklärt Ulri 
mit Auführung des bull. dell inst. 1846 S. 73) verstehe ich dax dem 
weihte Haus, in dem die 
ihre Schmäuse hielten, vgl. SIB. S. 87. und Franz CIG. IM. lll S. 748.5; 
V. 12 πλείονα εὔχρηστα πεποίηκε: ebenso in Vischers Titel aus Sparta 
epigr. u. arch. Beitr. Nr. 30. 5 S. 13 & ἦν πεποι[ηκ]ὼς εὔχρηστα καὶ 
κατὰ κυινὸν καὶ κατ᾽ ἰδίαν τοῖς ἐντυγχάνουσιν. Wiufiger sind auf In- 
schriften εὐχρηστεῖν, εὔχρηστον γίγνεσϑαι. εὔχρηστον favrüv παρα- 
σκευάξειν.""" 

Z. 18 habe ich die Ergänzung κατὰ τζαὐτα] πάντα ") von Ul 
angenomuen, Ungewöhnlich ist jedoch κατά: man erwartete etwa δι᾿ ἃ 
δὴ δεδύχϑαι (Franz el. ep. Gr. S, 336**. διὰ ταῦτα δεδόχθαι Inschr. 
von Aphrodi. ions of the roy. soc. of litt. I ser. 1 vol. 
S. 293 Nr. Xll 30, de’ ἃ x«i à. € 24, 24 Bil. II S. 849), deun auch 
dies weicht von der reg "n Art ab, dasz ἐπαινέσαι Z. 14 vor de- 
δόχϑαι gesetzt ist. Für die Ergänzung Z. 15—16 stehe ich nicht ein. 



































XL 
Der auf den Cultus bezüglichen Inschriften, welche mir nach der 
Herausgabe der SIB. bekannt geworden sind, ist nur eine gerin, 
zahl. Ehenso wenig beanspruchen 
besondern Werth. Inzwischen 
lein für unsere Kenntnis des 
a) Zu Lebadeia, Lebas Nr. 
«elg τὴν ξηρόβρυσιν τῆς συνοικίας τοῦ ἁγίου Νικολάου ande, Au- 
szerdem liegt mir in Welckers Papieren eine von Turrettini und Henzen 
gefertigte Abschrift von Z. 1—13 vor. 

ΘΕΟΣ TYXH AFAOH 
OIAEZYNEBAAONTOEIETONTOYIEPOYEHKOY 
OIEPEYETOYAIOZTOY TPOPNNIOYTPOPRNIANOE 
EYBOYAOLAYAOYEYNTRYIRAPAXMAEP ELTII 

5 XMACS AHMHTPIOCHPAKAEITOYCYNTQYIQA 
AYKIAACYNTQYIQAPACP APICTEACAEGNTOE 
EQEIKAEOYENEQTEPOLAPAXMACKÉ ΠΑΡᾺ 
PACAPAXMACKE NPEIMOLAEONTEOLOKAI 
OEOKAHECOEOKAEOYEAPAXMACKE ZQC 


















078 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


10 XMAX! AEONTEYEHPAKAEITOY APAXMAET 
NOYAPAXMALIE APPOAEILIOEMAPA 
MAPKIANOEKAAAQNOLAPAXMALEIE CQCI 
TOYAAMQNOZAPAXMALIE TIAPMHENQN 
XMAEIE AIKINNIOCEOEIKAHEEYNTO 

15 POAOKAHEEIEIQNOZAPAXMAXIE CQ . 
XMALIE ELRTHPOLA$POAEILIOYEYNTOIE 
XOLEYTYXOYAPAXMALIE APIETOKAHEN 
XOLAFABOKAEOYLAPAXMACK ONHIE 
TOIEYIOICAPAXMACIE POAOKAHLPOA 

?20 ZAOLIMOLMAATNRNOLLYNTOIZYIOIE 
$®OPOYAPAXMALI MAIKHNAETIAP 
AIONYEIOYAPAXMALIE Y$POLYN 
MAPXOYAPAXMAEI ONHLIACZ 
AYKOYAPAXMACI KAANIKPATH 

95 ZOLIMOELKAANIKPATOYLAPAX 
ENLIKPATHILNEIKPATOYETAY 
POYAPAXMALI ZOIAOEAION 
. . MOEZENOYAPAXMALI $EM 
T" HCXAPIKAEOY C APAXM 

30 .......ee OKAEOYLAPAXM 


Im wesentlichen musz die Copie von Lebas zugrunde gelegt werden. Ζ. 3 
a. E. hat dieser blosz XHKI, Turr. und Ilenzen nur HK. Z. 4: Pittakis 
bemerkt S. 1908. dasz durchweg YQ und YOIX auf dem Steine stehe, 
während Lebas, demnach wie man glauben möchte irtümlich, überall die 
volle Form hat; s. über vog m.*zwei Inschr. aus Sparta? S. 18. Mehlhorn gr. 
Gramm. S. 85. Lobeck path. el. I S. 137. Da jedoch auch Turr. u. Henzen YIQ 
und YIOIZ gelesen haben, so wage ich nicht dieses zu verwerfen. Ebd. 
liest Pitt. à. A. EYOYAOL; auch gibt er an, dasz bis zu dieser Zeile 
X, dann aber E geschrieben sei. Das erstere [ota a. E. rührt von dem- 
selben her, das zweite von Turr. u. lfenzen. Ebenso geben Pitt. u. Turr. 
llenzen das A Z. 5a. E. Z. 6 hat Pitt. AYKIAAE (A durchweg bei Lebas); 


dann ist bei Lebas (wie bei Turr. u. Ifenzen) APAZP (Pitt. APAXMAZ); 
a. E. fehlt diesem das T, doch lesen Turr. u. llenzen KAEQNOZ. 2.7 
Pitt. NEOT usw. A. E. fügt derselbe nach MAP ein A zu. Z. 11 ist 
bei Pitt. APAXMAC ausgefallen, ingleichen Z. 12. Derselbe liest Z. 13 
AANIONO und a. E. MAPAM usw. Z.14 Pitt. AIKIQNOC, Z. 15 € statt 
des zweiten Sigma; Z. 17 a. E. hat er allein das Π. Z. 18 fehlt ihm das 
letzte lota; Z. 19 liest er a. E. OC statt POA. Z. 90 ist das E a. E. 
von demselben. Z. 21 hat er nur MAIK..AE, und darauf TI für N. 
Z. 22 fehlt der letzte halbe Buchstab bei Lehas. Z. 23 Pitt. MAPKOY u. 
ONHLAC. Z. 24 hat derselbe allein das H a. E., Z. 25. a. E. TAY statt 
APAX. 7.26 ist in der Eph. arch. vollständig übersehen. Z. 28 habe 
ich ebendaher das € für Z; daselbst ist a. E. N statt M. Z. 30 Pittakis 
AAIOYCAPAXM. 





K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 579 


Θεὸς τύχῃ ἀγαϑῇ" 
Ofd: συνεβάλοντο εἰς τὸν τοῦ ἱεροῦ σηκοῦ [ϑησαυρόν" 
ὁ ἱερεὺς τοῦ Διὸς τοῦ Τροφωνίου Τροφωνιανὸς [δραχμὰς — 
Εὔβουλος Αὔλου σὺν τῷ υἱῷ δραχμὰς e "Ecri[aiog τοῦ ῦ δεῖνος dga- 

5 mag v “Δημήτριος. Ἡρακλείτου σὺν τῷ υἱῷ δίραχμὰς ---' à δεῖνα 

Avulda σὺν τῷ υἱῷ δραχμὰς θ᾽ Αριστέας “έωντος [δραχμὰς - 
ὁ δεῖνα 

'Σωσικλέους νεώτερος δραχμὰς κε" Παφάϊμονος Ἱλά- 

φας δραχμὰς πε’ Πρεῖμος Λεοντέος ὁ καὶ [— δραχμὰς — 

Θεοκλῆς Θεοκλέους δραχμὰς xt Ζώσίιμος τοῦ δεῖνος ρα. 

10 μὰς v “εοντεὺς Ἡρακλείτου δραχμὰς τ τ' [ὁ δεῖνα Παραμό- 
vov δραχμὰς TE ᾿Αφροδείσιος Παραϊμόνου δραχμὰς — 
Magxıavös Κάλλωνος δραχμὰς ie" Σωσῆας Σωσίου 
τοῦ “Δάμωνος δραχμὰς it^ Παρμένων [τοῦ δεῖνος dpa 
χμὰς ie" Αἰκίννιος Zwoızkig σὺν τῷ [υἱῷ δραχμὰς - 

15 Ῥυδοκλῆς Εἰσίωνος δραχμὰς i£ Σωΐτηρος τοῦ δεῖνος dga- 
mus i£* Σώτηρος ᾿Αφροδεισίου σὺν τοῖς [υἱοῖς δραχμὰς 
τος Ἐὐτύχου δραχμὰς it^ ᾿Αφιστοκλῆς [roo δραχμὰς--- Εὔτυ- 
nos "Ayadonkloug δραχωιὰς &* Ὀνήσιμος Ὀνησίμου σὺν 
τοῖς υἱοῖς δραχμὰς ii Ῥοδοκλῆς Podloxkious ὁραχμὰς -- 

20. Ζώσιμος Πλάτωνος σὺν τοῖς υἱοῖς [δραχμὰς ---" o δεῖνα E. 
φόρου δραχμὰς τ. Μαικήνας Παραμόνου δραχμὰς ---" ὁ δεῖνα 
Διονυσίου δραχμὰς it" ΕὐφρόσυΪνυς τοῦ δεῖνος δραχμὰς ---" 6 

δεῖνα 4η- 
μάρχου δραχμὰς i i Ὀνησίας Ζ[ωΐλου. δραχμὰς ---" ὃ δεῖνα 
«Αὐκου δραχμὰς 1. Καλλικράτης τοῦ δεῖνος ὀραχμὰς. — 
35. Ζώσιμος Καλλικράτους δραχμὰς — - - - - 
Σωσικράτης 'Σωσικράτους [δραχμὰς ---" 0 δεῖνα Elayd- 
eov δραχμὰς i* Ζωῖλος 4iov|valov δραχμὰς -- ὃ δεῖνα 
ΔαἸμοξένου δραχμὰς i- De - Ο- - - - 
=== ng Χαρικλίους δραχμὰς — - - - - - - 
30 - - - - Θεοκλέους δραχμίας — - - - - - - - 








Das Actenstück verzeichnet die Summen, welche fromme Individu 
in den Schatz des Zeus Trophonios euert hatten. Sulch 
hat sich eine Anzahl erhalten. Schon im ClG. 1571 Bd. 1 S. 755 ist eine 
gleicherweise in Lebadeia hefind ft mitgeteilt, welche aller- 
lei Geber und Gaben an den Trephonio: t (7.13 Τρεφωνίῳ dv τὸν 
ϑησαυρόν, SIB. S. 41. Sodann ist liie Titel aus Skripu (Ürchome- 
mos) zu erwähnen, welchen Ihangahiv Nr. 898 S. 598 veröffentlicht hat 
Von diesem leider sehr verstümmelten Dei 
etwas vollständigere Abschrift Welcker: werde daher das Ganze an- 
derswo behandeln und setze hier hlosz den Anfang her und den Beginn 
einer zweiten Liste, welchen Rhangabis nicht erkannt hat: 


o LI o t 


ΤΟΙ! £YNEBAAONOOENION 
AEXAATIN. 


























980 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Bocoticarum. 


6:0c* 
Toil συνεβάλονϑο ἐν [τ]ὸν [ϑεισαυρὸν τῶ 
᾿Ασ[κ]λαπιῶτη --. 
Dann gibt Welcker Z. 41 folgendes: 
TYIEC.EBANO — Twlo[vv]sBoAo[v9o ἐν τὸν ϑεισαυρὸν τῶ Aox- 
AADIQAPXONTON λαπιῶ, 


wovon Rhang. Z. 41 gar nicht, Z. 42 aber dies hat: AAPIQAYX. 


Auszerdem sind hier die smyrnäischen Verzeichnisse zu erwähnen, 
CIG. 3140 Bd. 11 8. 701, Nr. 3141. 3142. 3143. 3144. 3148, worin Beisteuern 
von Geld oder, wie namentlich in dem letztgenannten Stücke, freiwillige 
Anerbietungen sich bei öffentlichen Bauten, Tempelu u. dgl. mit unent- 
seltlicher Leistung zu beteiligen angemerkt werden. [lier wie in der 
gleie hartigen Inschrift von Rhodos, Ross inscr. Gr. ined. 1I] Nr. 274 S. 23, 
spendet auch nicht selten einer zugleich mit für seine Angehörigen: ὑπὲρ 
τοῦ υἱοῦ. παιδίου. ἀδελ φοῦ. πατρός. μητρός, γυναικὸς usw., wofür in 
unserm bóotischen Stücke σὺν τῷ υἱῷ. roig υἱοῖς gesagl ist, 7. 4. 5. 6. 
14. 16. 19. 20. Endlich gehören“ auch die attischen ἐπιδόσεις hierher 
(Schömann gr. Alt. "V wovon wir nocli inehrere Beispiele besitzen, 
Meier comm. epigr. S. 22. Nr. 10 5. 23 (καὶ ὑπὲρ τοῦ vov), Nr. 37, 10 
S. 39 otde dann τὰς ἀπαρχάς, Nr. 41, 1] S. 41, Nr. 62*, 30 S. 59 
οἵδε ἐπέδωκαν εἰς τὴν σω[τηρίαν τῆς πόλεως καὶ τὴν φυλακὴν τῆς 
[χώρας. 

7.1 ϑεὸς τύχῃ ἀγαθῇ: dasz der Dativ lier anzuerkennen ist, habe 
ich Anm. 21 bemerkt. Z. 2 schreibt Pitt. εἰς τὸν τοῦ ἱεροῦ σηκοῦ [περί- 
βολον. wofür Paus. IX 39, 5 τοῦ περιβόλου ἐντός. innerlialb der Um- 
fassung der Orakelstátte, nicht angeführt werden kann, Rhang. aber 
Nr. #98, 2 ἐν [r]ov [ναὸν τῶ ' dax ieri. Mir scheint au beiden Stellen 
ϑησαυρόν oder Nr. 898 vielleicht ϑεισαυρόν (Ahrens dial. Aeol. S. 185 
a. E.j vorzüglicher, GIG. 1571, 13 'Τρεφωνίῳ ἐν τὸν ϑησαυρόν, Nr. 
1570”, 33 0 di συλλογεὺς ἀνοίξας τὸν ϑησαυρόν, 86 ἐὰν δὲ μὴ Tj ἐν 
τῷ ϑησαυρῷ το[ σ]ο[ὕτον vou der Schatzkammer des Amphiareion, Wie 
F. Wieselei ‚las Orakel des Trophonios, Göttingen 1848, S. 9) dargellian 
hat, bestand die Baulichkeit aus einer unterirdischen, natürlichen , aber 
künstlich ausgebauten und zweckdienlich cingerichteten llölıle und einem 
unmittelbar über derselben belegenen. ganz überirdischen, rein künst- 
lichen Bau von der Gestalt eines κρίβανος mit einer ringsherum gehenden 
Einfassung von Marmor. Dasz die Gesamtanlage auch zur Schatzkammer 
diente. erweist derselbe 5. 15 auszer durch CIG. 1571. 13 noch durch 
Paus. IN 89, 5 (12) ἀποϑανεῖν δὲ υὐδένα τῶν καταβάντων λέγουσεν, 
ὅτε u ) | μόνον τῶν Δημητρίου τινὰ δορυφύρων᾽ Τοῦτον δὲ οὔτε ποιῆσαε 
περὶ τὸ ἴερόν φασιν οὐδὲν τῶν νενομισμένων οὔτε χρησόμενον τῷ Oeo 
καταβῆναι. χουσὸν δὲ καὶ ἄργυρον ἐκκομιεῖν ἐλπίσαντα ἐκ 
τοὺ ἀδύτου. Vielleicht wurden die Gelder uud etwaige Weihgeschenke 
aus edlem Metall grószerer Sicherheit halber in dem unterirdischen Ge- 
mach aufbewahrt. Mit σηκός aber ist der ganze Bau bezeichnet, vgl. Eur. 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 981 


Ion 300 σηκοῖς δ᾽ ἐνστρέφει Τροφωνίου. 7. 3 τοῦ Διὸς τοῦ Τροφω- 
vlov: Preller gr. Myth. 11 337. Gerhard S 192, 8. 199, 9. 14. Lauer Sy- 
stem d. sr. Myth. S. 206. 339. llermann. gott. Alt. $ 41, 2. 63, 8. δι}. 
Nr. XVI S. 79 (Eph. arch. Nr. 2332 S. 1198. Rhang. Nr. 1219 S. 779) 
Jovvoo Εὐσταφύλῳ κατὰ χρησμὸν Διὸς Τροφωνίου. Artig heiszt der 
Priester des Gotles Τροφωνιανός. Aehnlich scheint der des Heros Butes 
auch selbst Βούτης genannt worden zu sein, Böckh CIG. Nr. 468 Bd. I 
S. 466, wie der βουξυγὴς dem alten Heros gleichnamig war, ehd. Nr. 491 
S. 473". Lobeck ΑΜ]. S. 982. Auch kann hier des anf Weihgeschenken 
oft hervortretenden Brauches gedacht werden, welcher z.B. (1, 4682 ν 
Bd. ΠῚ S. 330 ““πολλωνι καὶ Κόρῃ "Anollowiog καὶ ᾿πολλόδωρος εὖὐ- 
χήν ersichtlich und neuerdings von Panofka besprochen worden ist (*von 
einer Anzalil anliker W eihgese henke und den Beziehungen ihrer Geber zu 
den Orten ilırer Bestimmung? Ahh. d. Berl. Akad. 1839 s. 195—192), frei- 
lich mit mancher hedenklichen. Deutung; vgl. Franz Add. zu Nr. 3946 
Bd. HI S. 1105^: reveren τοὺς πέντε " Epurrcie τῇ γλυκυτάτῃ πατοίδι 
S..42". 

Z. 4 Εὔβουλος: SIB. S. 213". Ehd. kann auch Ecri[0dcpoc ge- 
standen haben. Z. 5 Δημήτριος : SIB. S. 211^, Nr. XV? 118 S. VIII. Hoa- 
κλείτου: ClG. 1575, 6 S. 759 ebenfalls zu Lebadeia ^H. ΖΙαμίαο 9 unten 
Z. 10. 2.6 “υκίδα: λυκίδης Lobeck path. prol. S. 355, doch s. auch 
Nauck Aristoph. Byz. S. 114. Ebd. ᾿“ριστέας: SIB. S. 207". “έωντος: 
möglich dasz Κλέωνος nach Turrettini und Ilenzen den Vorzug verdient, 
s. Κλέων und KAíov SID. S. 219*. “έωντυς für “έοντος hat der Stein 
auch CIG. 4716 d ?, 4 Bd. HII S. 1195^; zu dem attischen Schiffe Zsov- 
τίς, welches Pape anführt, trage ich nach dasz auch der Name der 
Phyle öfters "m Omega hat, E ph. arch. Nr. 2482, 6 S. 1243. Nr. 3453, 3 
S. 1805. CIG. 232, 18 S. 355^. Nr. 275 1 29 S. 3-3". Nr. 244 1 13 8. 393°. 
Nicht minder zu a achten ist “εωντίδας bei Demosth. 58, 18 neben “εον- 
τίδαι ebd. 60, 29. 2. 7 Σωσικλέους: Z. 14. δ}. S. 228°. Παράμονος: 
Z. 11. 21. SIB. Nr. XV? Il 4. 10 S. Viu. S. 225?*. Z. 7 —8 ist T.e]oag 
nur beispielshalber gesetzt; auch kann nicht dafür eingestanden werden, 
dasz Paramonos wirklich nach einer auf -9o zenannten Mutter bezeichnet 
ist. Bis indes eine wahrscheinlichere Ergänzung gefunden wird. mag 
dieses Beispiel des unroodev καταλέγειν Eavrov seine Stelle heliaupten. 
Viele andere Belege sind von mir Philol. XVI S. 9 ff. beigebracht worden; 
vgl. noch die geistreiche Erläuterung von E. Curtius Anhang 2. In Bande 
d. griech. Gesch. S. 543. 7. 8 Λεοντέος: 7. 10. Nr. XXXV A 12. Pape 
u. d. W.; die daselbst fehlenden Namen Asovr@ und Aeovrıdevg hahe ich 
Philol. IV 738 belegt. Wahrscheinlich ist auch bei lleuzy le mont Olympe 
S. 492 Nr. 79 


ΑΝΑΣΣΑ zulesen λε]άνασσα 
ΟΝΤΕΟΣ nM "te ovréoc. 


Z.9 Θεοκλῆς: 2.30. SIB. Nr. XV? Ill ‚68. VIII; Titel aus Oropos bei Preller 
Ber. d. sächs. Ges. d. Wiss. 1852 S. 153 7. 31 Ισίδωρος Θεοκλέους Θη- 
βαῖος. Ueber Namen wie Θεοκλῆς, Διοκλῆς, Ζηνοκλὴς (?) , Adyvoring, 


582 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Bocolicarum. 


Διονυσοκλῆς, EouoxAge, Ἡρακλῆς s. Welcker gr. Gött. Il S. 754. Ζώ- 
σιμος: Z. 20.25. 518. S. 215°. Z. 11 „Apoodeloıog: Z. 16, wo bei Pittakis 
das E E ausgefallen ist, SIB. Nr. XV? II7 S. Vlll u. S. 210*. Eph. arch. Nr. 
1691 S. 984 "Aggodelaroc Φιλοξένου Θηβαῖος. Z.13 Δάμωνος : SIB. S. 
211*. Παρμένων: ein gleichnamiger Maun aus Lebadeia auch CIG. 1598, 
28.777. Z. 14 “ικίννιος (Licinius) "adeo usu omnium est confirmatum, 
ut exempla proferre supervacaneum sit; inde “ικεννιανός Zosiin. IT 20° 
Wannowski antiq. Rom. e Graecis fontibus explic. S. 27. Δικειννία CIG. 
1062. 3. “ικιννιανή 2511. 10. “ικιννεανὸς 1991, 1. 3170, 10. “ικίννεος 
270 16. 2535, 1. 2. 3182, 7. 3502, 1. 2264" ἃ. 4001” 2. 4294, 1. 2688, 
]. 2. +: att. Inschr. bei Schóll arch. Mitteil. a. Griech. S. 121 Z. 10 (Jahn 
Paus. deser. arcis Ath. S. 54 Nr. 85), Eph. arch. Nr. 2552, 2 S. 1260, 
Nr. 2765, 1 S. 1383. Ebenso können aus Inschriften ’Acivvıos, Kovotv- 
vi05, Σατρίννιος erwiesen werden. 
2.15 Ῥοδοκλῆς: Ζ.19. Εἰσίωνος d. i. Ισίωνος von Ἶσις (CIG. 2253, 
6 Bd. II 5. 213); jenes ebd. 1184, 3 Bd. 1 S. 591”. spec. onom. Gr. S. 5 
Σώτηρος bleibt ungewis, s. Anm. 6 Nr. 14, und Z. 16. Z. 17 ᾿ Ἀριστοκλῆς: 
SIB. S. 208°. Z. 18 Ayadoxins: ehd. S. 205°; v. Velsen arch. Auz. XIV 
(1856) Nr. 96 S. 233* Nr. IT 1 zu Thisbe; Preller Der. d. sächs. Ges. 
d. Wiss. 1854 S. 202 Z. 3 in Chäroneia. Ovijoiuog: SIB. S. 224? und zu 
Nr. XXL 4. Z. 20 Πλάτωνος: ebd. S. 925". Z. 21 Mauxgvag: Momm- 
sen IRNL. 3761 C. Maecenati Maecenatis. ipsius I. Lysiae. 6769 1 86 
C. Maecenas Olympicus. llübner quaest. onom. Lat. (Bonn 1854) S. 19. 
CIG. 6510^ Bd. III S. 975 'EÀzig Μαικηνιανή. Z. 22 Διονυσίου: SIB. Nr. 
XV? [8 S. VIII u. S. 212?, unten Z. 27; wahrscheinlich ist dies der häu- 
figste griechiselie Eigenname. Z. 22—33 Δημώρχου: SIB. S. 211*".. Z. 23 
Ὀνησίας; nicht Ὀνησᾶς (SIB. S. 224°) mit Pitt, wenn auch der Name 
selten ist: Paus. IX 5, 5 (11) καὶ Ὁνασίας Πλαταιᾶσιν ἔγραψε κατηφῆ 
τὴν Εὐρυγάνειαν ἐπὶ τῇ μάχῃ τῶν παίδων. So die Hss., wofür Ovarág 
verinulet wird. Die Analogie ist bekannt: Σωσίας, Πραξίας, Δἰνησίας 
usw. Z. 24 Auzov: SIB. S. 220". Rhang. Nr. 976, 3 S. 702 Auxog Θη- 
Boios viel. Καλλικρατης: SIB. Nr. XV? Ill 8 S. VIII u. S. 217° 2.3. 
7. 36 Εὐαγόρου : ein Versuch, SIB. S. 213°. 2. 27 Ζωΐλος: ch. Nr. XV* 
1 6. 10. II 10. HL 7. 10 S. VIII u. 8.214”. Z. 29 Χαρικλέους:: ehd. S. 231°. 
b; Ein zu Theben gefundenes Verzeichnis geweiliter. Gegenstände 

(φιάλη. σκαφίον , πρύσωπα, δακτύλιος) wiederhole ich hier nicht voll- 
ständig mit seinen 39 zum Teil ganz verwischten Zeilen, weil die Ab- 
schrift bei Rhangabis Nr. 897 S. 507 zu mangelhaft ist, als dasz man viel 
mehr denn einige Eigennamen der Geber mit Zuverlässigkeit herstellen 
könnte. Solche sind Z. 2 TAAIOAOTOY Lıodorov. Z. 3 MNHEIKAHE 
AHMOZTPA Μηνησικλὴς Anuoorga[tov, davon ist Μνασικλεῖς in Böv- 
uen nachgewiesen SIB. S. 222". Z. 9 EPENIKA Β]ερενέκα oder ΦΊερε- 
νίκας s. Φερένικος a. 0). S. 229". Ζ. 38 AATEI ΦΙΑ: Γαλ]άτει[α] φια- 
[λὴν. Rhang. Nr. 1803 S. 896: 

TANATEIA 

AYZKINOY 

OHBAIA 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 583 


wofür Pittakis Eph. arch. Nr. 709 S. 465 Ταλάτεια hat, auszerdem aber 
statt Avoxivov entweder Avoivov oder Avoırlzov zu lesen sein wird. 
Z. 30 MHTPOAQPOX Μητρόδωρος. SIB. S. 221 ^. Z. 34 EEZINNMANI- 
KR: [Ζ]ε[υ]ξίππα oder [4]εξίππα Néno [voc , a. Ο. S. 211". Dagegen 
mag ich zwei wenn aucli kleine doch interessante Weihinschrilten nicht 
übergehen, die ebenfalls Rhangabis zuerst bekannt gemacht hat. 

1) kleines Basrelief des schönsten Stils, mit einem nackten Jüng- 
ling welcher auf einem Bett liegt. Ein bärtiger Kopf in den grösten Di- 
mensionen halb flach gearbeitet ist von vorn hinter dieser Figur darge- 
stellt, und vor ihr führen drei junge Mädchen, welche sich an den Hlän- 
den halten , einen Tanz auf. Ueber dem gelagerten Jüngling befindet sich 
eine kreisfórmige Vertiefung von 0,05 Métre Durchmesser, welche in ih- 
rem Felde drei kleinere Löcher hat: dies vermutlich die Vorrichtung zur 
Aufnahme des ex voto. Gefunden ist der Marmor zu Tlieben in den 
Ruinen einer Kirche der h. Apostel, welche uach der Ansicht des Ent- 
deckers die Stelle des alten Ammontempels einnimmt (Paus. IX 16, 1). 
Den Kopf hált Rhangabis für den des Ammon, den jungen Menschen für 
den Osiris: Nr. 1213 S. 778 

EYNOIAEIZIAIEYXHN 
Εὔνοια Εἴσιδε εὐχήν. 


In Böotien ist meines Wissens der Cultus der Isis nur noch für Thespiä 
bezeugt, GIG. 1633 S. 794, wo ich einst SIB. S. 149 die Copie Dodwells 
ohne Grund angezweifelt habe. Denn die neue Abschrift (mit gezackten 
Buchstaben ἃ ] XX usw.) bei Lebas Nr. 410 S. 88 bestätigt Böcklis Lesung 
so weit dies mögliclt ist: 


UIAHKA 'H βυυ]λὴ κα[ὶ ὁ δῆμος, 
ΜΝΑΣΙΠΠΑΙ Μνασίππαν - 
TOYIEPATE του Ísgere[UcaGav "T. 
ZIAOZKAIAN σιδος καὶ “Αν[ούβιδος 7) 

5 THNOMEIET τῇ πόλι εἰς τ[ὴν Διο- 

YZOYFOPT v |veov [£]ooz[qv. 


Uebrigens ist mit Sicherheit anzunelimen, dasz jene ägyptische Gottheit 
noch an viel mehr Orten Bóotiens als von denen wir zufällig wissen ver- 
ehrt worden ist. Vgl. auch oben Nr. XLa 19 den Namen Eisiov (oic) 
und Eiosdorn in Lebadeia ClG. 1598, 2 S. 777. 

2) Nahe einer kleinen Kirche zu Parapungi, Rhaug. Nr. 1215 S. 778: 


AAEZIZ£ZENO4IAQ Zelig Ξενοφίλω 
TAPEIAZA£AOEMITI [Παρειάξασα Θέμετι. 


Der Frauenname ᾿Αλεξίς erscheint hier wol zum erstenmale neben 24As£ic, 
wie "4noAy&íc neben ᾿Απόληξις, Νῖκις Nixig usw., Lobeck path. prol. 
S. 511. ἰαρειαξασα hat schon liangabis erkannt, GIG. 1568, 2 S. 739 
(SIB. S. 31) [αρειάδοντος ᾿Αντιχαρίδαο. Ein Heiligtum der Themis in 
Theben und ein gleiches zu Tanagra erwähnt Pausanias IX 25. 4 u. 22, 1. 

Rhangabis bringt unter Nr. 1216 SN. 778 auch die Inschrift aus 
Leuktra: AAEZIQN, welche von mir SIB. Nr. XXIV S. 96 (jetzt auch hei 

Jahrb. f. class, Philol, Snppl. Bd. IV. ΗΠ 4. 38 


584 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


Lebas Nr. 448 S. 92) umständlich besprochen ist. Ich habe mich dort für 
die Lesung 44Ae&/ov, als Eigenname eines bestatteten, erklärt und die 
Zustimmung Meiers gefunden, allg. Litt. Ztg. 1847 Nr. 214 S. 555. Rhan- 
gabis deutet mit Ulrichs: ἀλεξέων.. nemlich ϑεῶν. Derselben Ansicht ist 
Vischer Erinn. S. 553. Auffällig bleibt dann jedenfalls die Kürze der Auf- 
schrift, in der man namentlich auch ein ἀπὸ 7) τῶν “ακεδαιμονίων ver- 
miszt. 

Erwähnung verdient auch die Abschrift des Weihetitels CIG. 1596 
S. 577, welche Rhangabis Nr. 1218 S. 779 nach Pittakis wiederholt hat, 
weil sie Z. 1 APIZTIeN und Z. 2 a. E. EIAIOIH bietet. Da nun auclı Ross 
ganz ebenso gelesen hat, s. SIB. S. 104, so kann über die Richtigkeit 
beider Formen kein Zweifel mehr sein. 

Zum Schlusz füge ich zwei leider sehr verstümmelte Weihinschrif- 
ten an, die so viel ich weisz nur Pittakis bekaunt gemacht hat: 


1) Eph. arch. Nr. 2424 S. 1211 in Orchomenos: 


APIZTOFEI TONTIMQNOSEZ 
£AYTONAFPI9NIOE£ 
IAIKAI THPDOAE!I 


Agısroyelsov Τίμωνος [καὶ ἡ ἢ δεῖνα τοῦ δεῖνος κ- 
αἱ ὁ υἱὸ]ς αὐτῶν Aygımvog 
᾿Αρτέμ]ιδι καὶ τῇ πόλει. 


Zu den Eigennamen Z. 1 vgl. SIB. S. 208* u. 229°. 2. 2 Ayoıwviog: den 
Διόνυσος "Aygioviog und die ᾿Αγριώνια eben auch zu Orchomenos sind 
allbekannt, Hermann gott. Alt. $ 63, 13. Bergk Beitr. zur griech. Mo- 
natskunde S. 50. llomonymie des Menschen mit einem Gotte hat beson- 
ders in der Zeit welcher dieser Titel angehört — etwa das erste Jh. 
vor Chr. — nichts befremdendes. Ob Z. 3 richtig ergänzt ist, steht da- 
hin. Doch'Zci: mochte ich nicht vermuten. 
2) Ebd. Nr. 2573 S. 1269 in Theben: 


4 0 XÍIA.. . -AXIIX .. . Al 
..QNESAMAOPALEOYTOYANAPOMAXOY ANEOHKE 


Εὐφάμα Θρασέου τοῦ ᾿Ανδρομάχου ἀνέϑηκε. 


So Pittakis, welcher nichts von dem Felilen des v in dem ersten Namen 
erwähnt; vielleicht ist daher dieses Element in der Inschrift nur durch 
Schuld des Setzers ausgefallen. Zu Εὐφάμα s. Εὐφαμίδας und Εὐφά- 
wog SIB. S. 214", Εὔφημος ein Thebàer Rhang. Nr. 1298 II 17 S. 823. 
Räthselhaft bleibt endlich der Stein aus der Kirche des h. Elias zu: 

Kopä, Eph. arch. Nr. 789 S. 500 — Lebas Nr. 604 S. 131 = Rhang. 
Nr. 2195 S. 930: 

AAMATPA Ζαμάτρᾳ 

ΤΑΥΡΟΠΟΛΩ Ταυροπόλῳ ; 


denn eiue Damatra, des Tauropolos Tochter, wird man nicht mit Rhan- 
gabis annehmen wollen. Einen Tempel der Demeter in Kopä erwähnt 
Pausanias IX 24, 2. Wegen eines späten Nominativus Δήμητρα s. Lobeck 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 585 


paral. S. 142. Cobet nov. lect, S. 403. Meineke vind. Strabon. S. 45. Als 
Ταυροπόλα (Lobeck zu Soph. Ai. 175) war bisher blusz Artemis bekannt. 


XLI 

Wie anderswo so sind auch in Bóotien unter den geretteten epigra- 
phischen Denkmälern die meist ganz kurzen Grabsteine die zahlreichste 
Classe, wie sie es natürlicli schon im Altertum waren. Seit dem Erschei- 
nen der SIB. ist ihrer wieder eine nicht geringe Menge an das Licht ge- 
zogen, nur dasz man leider bei gar vielen mit den überlieferten Copien 
wenig ausrichten kann. Ich teile hier einige mit, weil sie für den Ono- 
matologen Interesse haben. 


A. In der Kirche von Alikes Siphä hat Forchlhammer folgende sieben 
Epitaphia aufgefunden, Halkyonia S. 32: 


1) EYKPATON  Evxgorov 2) AAMOKAEI£ 
XAIPE χαῖρε. Δαμοκλεῖς. 
8) ΣΩΣΙΔΑΜΑ 3) Auf einer Stele die ein Aétoma hat: 
Σωσιδαμα. OMOAQPE Ὁμολώϊχ]ε 

XRHCTE χρηστὲ 
ΧΑΙΡΕ χαῖρε. 

5) Stele mit einem Aétoma und zwei Figuren unter dem Namen: 

MAPAMONA Παραμόνα. 


6) TIMOAIKA Τιμοδίκα. 7) EYAPXOx  Evagyoc. 


Der Name Εὐκράτων stelit neben Εὐκράτης oder bóotisch Εὐκράτεις 
wie Πολυκράτων (ό Κρίϑωνος ηναιεύς Athen. IV 173") und Πολυχρά- 
TUS. Εὐμάρης und Εὐμάρων (518. S. 214”), Εὐκλῆς und Εὐκλέων, 
Ἡρακλῆς und Ἡρακλέων. “Ανδροκλῆς. und Avdgoxkslov Plut. Pyrrh. 2, 
Εὐγίτα (Εὔγετος) und Εὐγίτων (ἃ. 0. S. 213"), Τιμόϑεος und Τιμοϑέων 
(Curtius anecd. Delph. Nr. 36*, 4 S. 72 = Rhang. Nr. 904 S. 609) zugleich 
vorkommen. Nr. 9 Δαμοκλεῖς: SIB. S. 211*. Die Endung ist die echt 
böotische: "4vrixAsiv oben Nr. XXXIII 3, Aqıoroxkeig SIB. S. 208", 
Preller Ber. d. sächs. Ges. d. Wiss. 1854 S. 199 in Cháronela, Καλλικλεῖς 
Nr. XXXVc 6, Ξενοκλεῖς SIB. S. 993", Παντακλεῖς S. 224^, Πολυκλεῖς 
S. 325", Τιμοκλεῖς S. 928". Nr. 3 braucht nicht Σωσιδάμαϊς d. i. Σω- 
δάμας (anal. epigr. et onom. s 159, 2) und noch weniger Σωσίδαμ[ος 
(Preller Ber. d. sächs. Ges. d. Wiss. 1854 S. 198 Z. 8 ϑρεπτὸν ᾧ ὄνομα 
2, in Chüroneia) ergänzt zu w erden. Σωσιδάμα ist das Femininum zu 
Zooldauos, wie Edovdaun llerod. VI 71 zu Εὐρύδαμος,} böotisch und 
dorisch von δᾶμος, während Ἱπποδάμη CIG. 155, 55 Bd. 1 S. 246 zu Ir- 
πόδαμος gehört, anal. epigr. et onom. S. 183. Nr. à Ὁμολώϊχε: SIB. S. 
451". Nr. XXXV A Il 4^ 6. Nr. 5 Παραμόνα: oben Nr. XXVI 1. Nr. 6 
Tipodíxo : ein neuer Frauenname ; Τιμόδικος, was in den Wörterbüchern 
noch fehlt, s. bei Franz CIG. B. ΤΙ Vorr. S. ΧΠῚ Nr. 486 — 439 auf rlio- 
dischen Gefüszhenkeln. Vgl. KiAesdixn, die Mutter des Pindaros, und die 
zahlreichen andern böotischen Propria auf -Óixog : "Auglóixog SIB. S. 
406", Agsozodıxog S. 208* und Nr. XXXV a 2, Avroóuxog S. 209", "Ev- 


98 * 


986 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Bocoticarum. 


δικος S. 212), IM Μνασίδικος S. 222°, Ποίδικος S. 43, Ποταμόδικος S. 
226°. Nr.7 Ἔδαρχος: ebd. S. 213". 

lm Vorübergehen nehme ich aus Forchhammers Titel S. 34 (Kirche 
unterhalb des Klosters Taxiarches, neben den Ruinen von Chorsia) die 
Eigennamen hier mit: Z. 1 Alz ENQAPXONTOE Καλ])λιξένω ἄρχοντος, 
SIB. S. 311", Ζ. 3 EMIAEI.I..NQNBPOXAO ἐπιδεὶ (d. i. ἐπειδὴ) “Ππ]- 
nov Booyao: über Ἵππων s. a. 0. S. 216°. Oder Aau]mov? ebd. S. 
220°. Βρόχας gibt mir die willkommene Gelegenheit einen frühern Ir- 
tum zu berichtigen. Da nemlich auf Inschriften von Thisbe wiederholt 
Βράχας oder wie Böckh schreibt Βραχᾶς gefunden ist, SIB. S. 210°", so 
hatte ich S. 111 zu CIG. 1613, 5 S. 785 vermutet, die Tochter Οὐλπία 
Booyılla sei in βράχιλλα umzuneunen. Allein nachmals hat v. Velsen 
im arch. Anz. XIV (1856) Nr. 96 S. 28+* Nr. Il die Aufschrift einer Statue 
des Nerva Trajanus Germanicus veröffentlicht, wo es Z. 6 heiszt: 

Βρόχας “4ημοσϑένους 

φιλόκαισαρ καὶ ὃ υἱὸς 

αὐτοῦ Δημοσϑένης ----. 
Er bemerkt dazu ganz richtig, dasz Βρόχας und Βράχας nur verschie- 
dene Formen desselben Namens sind, wie στροτός und στρατός. Vgl. 
auch die Inschrift Nr. Ill S. 285 * 

M.] Οὔλπιος Βράχας 

Μ. Οὔλπιον Δημοσϑένη[ν 

τὸν υἱὸν κτλ. 
Auch ist nach v. Velsens Angabe S. 284 Ἐ CIG. 1613, 5 jetzt. wenigstens 
noch B OXIAAA zu erkennen; Lebas Nr. 377 S. 82 hat Z. 11 ΟΥ̓ΛΠΙΑ 
B[PO]XIAAA. Ebd. scheinen in dem verstümmelten Anfang von Z.7 
YPQNK.9IZQ. .AKA die Namen M]vgwv oder büotisch Mo]veov K[a]- 
φισῶ zu liegen: Κάφισος (oder Καφισός, Lelrs de Arist. S. 288) ὁ Θέω- 
νος υἷος, vielleicht ebenfalls ein Dóoter, wird von Plutarchos erwähnt 
quaest. symp. VIII 4, 5. 1. Z. 20 EYAAMYHPOZENOX Evdauv (d. i. 
Evdauoı, Εὐδάμῳ) Ἡρόξενος, s. SIB. S. 213^ und wegen Hoo&evos 
Pape. Endlich berühre ich, um einen zukünftigen llerausgeber zu war- 
nen, Z. 14 


KHTOQNIIOAITA NTIOONTRNAYTONA$HKETAN, 


denn hier ist nicht etwa τεϑοόντων das echte, sondern man musz lesen: 
x1] τῶν πολιτα[ω]ὴν [π]ιϑοντων αὐτὸν ἀφῆκε. 

πιϑόντων ist s. v. a. πειϑόντων, vgl. “1οπίϑεις (Διοπείθης) 51}. S. 213* 
und Ξενοπέϑεις bei v. Velsen a. Ὁ. S. 285 * Nr. IV zu Thisbe (— Pittakis 
Eph. arch. Nr. 3039 S. 1473, wo Sevon[&]d{n]s geschrieben und doch 
die Endung ΕΠΣ als bóotisch erkannt ist). 

B. Schon oben zu Nr. XXXVII a 5 (Zworgoriog) habe ich die In 
schrift angeführt, welche v. Velsen a. 0. S. 286* Nr. V mitteilt: 

TPOTIA -G]roorie. 

Der Name gilt diesem als verstämmelt, s. Epl. arch. Nr. 2857 S. 1415 
auf einer Hydria von pentelischem Stein: 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 987 


KAAAI£ZTPATIATIMOAHMO£ 
Καλλιστρατία. Tiuodnuos, 

um eine den Wörterbüchern mangelnde Form zu erwálinen; Pittakis Eph. 
arch. Nr. 3050 S. 1473 liest Τροτία. Ich habe Z]rooria geschrieben, was 
dialektisch so viel als Στρατεία sein kann. Vgl. wegen dieses bei Pape 
fehlenden Namens die attischen Titel bei Ross Demen v. Attika S. 100 Nr. 
182 = Rhang. Nr. 1644 S. 881 Στρατεία Agıorouayov Φαληρέως γυνή 
und Rhang. Nr. 1662 S. 883 Στρατεία Mevergarov Ηρακλεῶτις, Koíro- 
vos Φλυέως γυνή. In den Ant. Hellen. ist beidemal Στράτεια betont, 
wofür sich die Analogie der von Nominibus oder Verbis gebildeten For- 
men wie Μήδεια, Φήγεια, Avdsıa, Κράτεια (Philol. 1 S. 551. Meincke 
com. Gr. V S. GCXCD) anführen läszt, s. Göttling allg. Lehre v. Accent d. 
gr. Spr. S. 131. Lobeck paral. S. 131. Lobeck paral. S. 16%. Doch kann 
Zxgortía auch zu Στροτίος (Στρατίος Cobet nov. lect. S. 614) gehören: 
Lukianos dial. meretr. 9, 1 49)và orgari«, wie W. Dindorf mit Lobeck 
zu Soph. Ai. S. 113, 2 und paral. S. 552 liest, während die alte Lesart 
στρατείᾳ war. So Χρόμιος und Xoouía, Lobeck path. prol. S. 504. 

Andere neue Grabschriften sind folgende : 

8) In Thishe, Eph. arch. Nr. 3048: ΔΩΡΟΣ Awpog. Piltakis setzt 
40 \dwgos; so lange jedoch nicht bestimmt erklärt ist, dasz am Anfang 
Buchstaben ausgefallen sind, wird sich jener nicht seltene Name (s. Pape, 
Rhang. Nr. 1869 S. 904 zfiàpoc Ζιοσκούρου Zironevg) behaupten. Von 
den Zusammensetzungen mit -ócgoog ist, uni dies gelegentlich zu erwäh- 
nen, Evdwoog (SIB. S. 213"; auch auf einer Münze gefunden: YAOPO, 
Cavedoni im bull. dell’ inst. 1847 S. 157. 

9) In Dombrena bei Thishe (v. Velsen a. Ὁ. S. 282 *), Rhang. Nr. 
2032 S. 921, Eph. arch. Nr. 3051 S. 1473: 

AT AOAPXI£ ᾿Δγαϑαρχίς , 
AEZIOEA Δεξιϑέα. 


Beide Namen waren für Bövtien noch nicht nachgewiesen. 
10) Ebd., Rhang. Nr. 2031 8.921, genauer Eph. arch. Nr. 3047 S. 1472: 


KAAAIPPE Καλλιππε 
ΧΑΙΡΕ χαῖρε" 

ΘΕΟΔΟΤΕ Θεόδοτε 
ΧΑΙΡΕ χαῖρε. 


Z. 1 giht Pittakis nach Rhusopulos KAAIPPE, Rhang. AAAITDE: dem- 
nach ist Κάλιππε weder durch Berufung auf alten orthographischen 
Brauch (anal. epigr. et onom. S. 169) noch durch späte Nachlässigkeiten 
(Eph. arch. Nr. 3641. 2 δ. 1879 Kalınayov, Καλιτυχὴ UlG. 5178 Bd. II 
S. 521 und Nr. 5304 SN. 550 Καὶ ]αλέτυ! y Jos) zu schützen, s. Anm. 59. Bóo- 
ter dieses Namens s. in der folgenden Nummer und SIB. S. 217". Ebd. 
S. 915" sind @codoros verzeichnet. 

11) In der Kapelle ᾿“γία Τριάδα bei Thisbe, v. Velsen a. 0. S. 286* 
Nr. VIL: 


958 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


XAIPEKAA χαῖρε Kal- 
AINNEET@N λιππε ἐτῶν 
IE εε΄. 


Dasz dem Namen des verstorbenen das χαῖρε vorangestell ist, weicht 
von der sonstigen Gewolinheit ab, doch s. Eph. arch. Nr. 2672 S. 1326 
XAIPE 
BAACTOCETWN IH 
χαῖρε 
Βλάστος ἐτῶν m; 

CIG. 3330 Bd. ll S. 773 χαῖρε Θεόφιλε. χαῖρε ᾿Ερμόδωρες Nr. 6270! Bd. 
ΠῚ S. 912. Nr. 6488, 2 S. 972. Unter der Inschrift befindet sich ein Reiter 

in Relief. Das alsdann bei v. Velsen Nr. IX folgende Bruchstück 
ΡΟΥΦΩΗΡ Ῥούφῳ ἤρ[ωι 

steht schon SIB. Nr. LIX f S. 169. wo ich nach Ross ΡΟΥΦΩ geschrie- 

hen liabe, und bei Lebas Nr. 384 S. 82. 

Die andern Inschriften v. Velsens a. O. hat auch Pittakis a. O. be- 
kannt gemacht, namentlich ist Nr. XIII S. 987 * in der Eph. arch. Nr. 3053 
S. 1474 mit genauerer Angabe des Alplıa AAMOKPITA Aauoxgire, s. 
Ζαμόκριτος SIB. S. 211". Eben so kehrt v. Velsens Nr. XII ONAZIMOE 
in der Eph. arch. Nr. 3060 S. 1375 wieder. Nr. VII. Ζημοσϑένει Kodro- 
vog καὶ Κράτωνι Δημοσϑένους ἥρωσι ist Eph. arch. Nr. 3052 S. 1473, 
und Rhang. Nr. 2131 S. 927 Οὕλπιος Anuooßevng in Thisbe CIG. 1613, 
3 S. 785; v. Velsen Nr. lll 1 S. 955 Ὁ M.] Οὕλπιος Βράχας M. Οὔλπιον 
Δημοσϑένη[ v]. τὸν υἱὸν κτλ. und Nr. ll) S. 284 * Βρόχας 4Δημοσϑένους 
φιλόκαισαρ καὶ ὁ υἱὸς αὐτοῦ Δημοσϑένης rh Ovinıos Koarov CIG. 
1613, 4. Andere Koarwveg in Bóotien s. SIB. S. 219^. Ingleichen gibt 
Pittakis Nr. 3061 S. 1475 dasselbe Fragment wie v. Velsen S. 985* Nr. 
XAVIL, wenn auch ein wenig unvollständiger: 


M. OYANIOC 
BOYAOMENOCOICBAI(NXGPIONAH 
. . . NElIEMOYT €QOPF OYMEN(QON 
. BIBAIONTIA. . €N. Y... OTIlOIT CONIC 
& AAl.ONYMEPEKACTOYNMAEOPOY 
AHCHE....ONTATOAEAO.ONI 
NK  IMENTIC 
Ir TMEeKK 
Z. | hat Pittakis grószere Buchstaben; Z. 2 am Ende fehlt ihm AH, Z. 3 
das erste N, Z. 4 das erste O, ebd. hat er €l! statt €N, und a. E. zwi- 
schen 1 und C ein Punctum. Z. 5 gibt das erste ^ nur v. Velsen; Pitt. 
hat dann YME.EKA.TOYMNAEO.OY. Z7. 6 fehlt ilim nach AHCH alles 
übrige, Z. 8 hat er hlosz HEKK. Vel. Steph. Dvz. u. Gioflg S. (δ. 17 
ὁ πολίτης Θισβαῖος. Daneben kommt Θισβεύς vor, Steph. Byz. S. 315, 1, 
v. Velsen Nr. 11 S. 283 II — ᾿4γαϑοκλέους [OIZ:BIF[YZ. 
Auch v. Velsens Nr. XIV: 
OZElAIPT ITloosidınn[e 
XAIPE χαῖρε. 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 589 


und Nr. XV: 
$POA€EICI ᾿Δ]φροδείσι[ε 
XPHCT€ χρηστὲ 
ΧΑΙΡΕ χαῖρε. 


finden sich bei Pittakis wieder, obwol er Nr. 3063 S. 1476 für das erstere 


ozzlAaınn” 
XAIPE 


hat, was weder Ποσσίδισπε noch Συσσέδιππε gewesen ist, sondern eben 
die schöne llinweisung auf den Ποσειδῶν inssıog (Krah im Philol. XVII 
227). Die zweite Grabschrift ist Eph. arch. Nr. 3065 S. 1476 sogar ein 
wenig vollstándiger erhalten, indem das A Z. 1 a. A. nicht fehlt. Dann 
hat Pittakis Nr. 3066 OEOMEIAEIE Θεομείδεις (s. oben zu Nr. XXXVI € 
2, 2) wie v. Velsen Nr. XVI S. 987 *. 

12) Eigentümlich ist dem erstgenannten Nr. 3054 S. 1474 (Rhang. 
Nr. 2119 S. 927): 


XE£TPATA ᾿Δρ]χεστράτα 
ΧΑΙΡΕ χαῖρε. 


Nr. 3055 ebd. ΑΜΦΙΚΑ "Augixe (in der Eph. arch. ist Augıxe[la ver- 
mutet; will man ändern. so liegt Aupfxkıa d. i. Auplxisıa noch nà- 
her, s. Eph. arch. Nr. 2344 S. 1199 [Rhang. Nr. 2106 S. 926. Lebas Nr. 
782 S. 162] in der Kirche des h. Nikolaos in dem hóotischen Orte Me- 
yalov MovAxi: AMOIKAIAXAIPE; Πολύκλια SIB. Nr. 11} 3 S. 164, 
EI£OKAIA Εἰσόκλια (?} Rhang. Nr. 2028 S. 921) hei Rhang. Nr. 2169 S. 
929 aus Koroneia; Nr. 3056 S. 1474 ΣΥΡΟΣ XPEI£TOS, s. oben zu Nr. 
XXI Z. 5, und Nr. 3064 S. 1476: 


l'ENEICTEPAET.N τῷ γένει. γέρας τυχὼν 
ΚΑΙΤΉΠΟΛΕΙΤΟ καὶ τῇ πόλει τὸ]ν ναὸν 
. APTE..MF'IIITEIA "Aore]usdı Εἰλιϑ]εέᾳ 
CK.AAZE..AAKOE 6x .. Auc. . λάκος 
5 EKTONIAIQNANEOHKE ἐκ τῶν ἰδίων ἀνέθηκε. 


Dies die Schreibweise des Herausgebers. Bei der Beschaffenheit der Ab- 
schrift ist es ganz ausnehmend schwierig das ursprüngliche zu errathen. 
Doch scheint Z. 1 γένει [Σ]εβαστ[ ὧ]ν gestanden zu haben. τὸν ναὸν ist 
schwerlich echt und ehenso wenig trifft die Ergänzung Z. 3 zu. Eher 
könnte in der Ueberlieferung die "Joreuig ἀγφοτέρα enthalten zu sein 
scheinen, allein auch dies ist mehr als ungewis. Nur Z. 4 glaube ich 
sicher Ex[vAa]& X[xv]Aaxoc herzustellen. 

14) Aus Lebadeia hat Pittakis Nr. 2355 S. 1201 folgende Aufschrift 
einer groszen Herine ohne Kopf, unten mit dein aldoiov; etwas vollstän- 
diger finde ich den Titel in dem Tagebuche von Ross (13 Juli 1833). Die- 
ser hat Z. La. E. das N, Z. ἃ AYPHA (Piu. AYPIA); Z. 4 liest Pitt. 
nach einer kleinern Lücke @KP und a. E. A für ^. Z. 6 gibl Ross nur 
KCYÀCEN. 


990 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Roeoticarum. 


OENWNYMOCAPXQN 0 ἐπώνυμος à ἄρχων 
ΚΑΙΑΓΩΝΟΘΕΤΗΣΤΩΝ καὶ ἀγωνοθέτης τῶν 
CEBAETWNAYPHAIOC Σεβαστῶν “Αὐρήλιος 
.. OKPATHCPOAOKA. Δειν]οκράτης “Ροδοκλ[ε- 
5 ....ONNPONANNON/ avov τ]ὸν πρόπαππον 
CKEYACEN κατε]σκεύασεν. 


Die Zeit ist eine ziemlich späte, etwa das zweite oder dritte Jh. nach Chr. 
Die einst in Lebadeia gefeierien Τροφώνια und Βασίλεια (SIB. S. 54) 
hatten den Zeßaora Platz gemacht, oder bestanden vielleicht auch neben 
dem neuen Agon fort. Δεινοκράτης ist natürlich unsicher; Pittakis hat, 
gewis falsch, Σωκράτης. s. a. 0. S. 228°. Ῥυδοκλὴν (Nr. NL a. 15. 19 
aus derselben lleimat) füllt die Lücke ‚nicht, darum habe ich das obige 
versucht. Ueber diese Namen auf -urvog. s. Pott in Καδης Ztschr. f. vergl. 
Sprachforsch. VI S..246 ff. Oh κατεσκεύασεν das echte ist, bleibt unge- 
wis. Wie indes CIG. 3607, 5 Bd. II S. 896 τὸ ἄγαλμα τοῦ Διὸς κατα- 
σχευασϑέν gesagt wird, so kann auch Ῥοδοκλιανὸν xaraoxevafeıv in 
gleicher Bedeutung (τὸν ἀνδριάντα τοῦ Ῥοδοκλιανοῦ xar.) gesetzt sein. 

15) Rhangabis teilt Nr. 2028 ff. S. 921 nach Pittakis und andern Ge- 
währsmännern eine ganze Reihe von hisher unbekannten Grabsteinen aus 
Dohrena und anderswoher mit; die Copien sind jedoch zum guten Teil 
so beschaffen, dasz es schwer hàlt die echten Lesarten herzustellen. So 
gleich Nr. 2029 EYZO®E, was Evi[i]ge gewesen sein soll. Eher wol 
Ev[g]o[o]e oder EX[n]v[o]:- Ueberdies wird χαῖρε fehlen. Nr. 2030 ist 

£OKIAA 
XAIPE 

vielleicht wirklich Σωκιλλ[α] χαῖρε zu lesen, von Σῶκος (Lobeck path. 
prol. S. 323. ClG. 4034, 20 Bd. ΠῚ S. 83). Doch OBPHP'I"A Nr, 2035 ist 
durch Ogo(£]xzxa nicht befriedigend gedeutet ; ich habe au Θηρέσσεα oder 
Θειρίππα gedacht. {ελεσίππα Nr. 2044 ist für Bóotien neu. Nr. 2037 
ANOIA ist, wenn vollständig. s. v. a. ἄνϑεια. höotisch νϑια. Nr. 9039 
EPFOTEAE! hat ᾿Εργοτέλειίς oder ἐπὶ] βογοτέλει gelautet. Nr. 2041 
D YPPIXOz Πύρριχος. s. Πύριχος SIB. S. 227". Nr. 2046 AIZINIA: 
Aulırla[s? Nr. 2047 S. 922 l'OPIO£ ΜΝ Rhangabis annehmbar in 
I'og[]os: SIB. Ne V 14 8.52 Γόργος ᾿“ἡφροδεισίου Θεσπιεύς. Nr. 2048 
Lehas Nr. 451 S. 92 (Platée) ETINEIKIAHPQI ἐπὶ Νεικίᾳ ἤρωι: SIB. S 
222^ u. 223*, Νεικείας und Νικέας. unten Nr. 2066. Nr. 9049, wie das 
vorhergehende Stück zu Parapongi, AITIQN Altiov, oder Zi[v]zíov? 
SIB. Nr. XII^ 1 S. 74. Nr. 2052 in Leuktra: 


XAIPE χαῖρε 
ΑΝΙΡΩ͂Ν "Avipov 
XAIPE χαῖρε. 


So der Herausgeber; mir ist jedoch “άβρα (goce, Φι͵ϊλάβρα Ὁ) und 
noch mehr Δνίρων bedenklich. 0b "4v[0]ocv, s. Nr. XXXVII a 7. oder 
Mv]oov? Vermutlich ist der Grabstein aus derselben (regend, den Ulrichs 
ann. dell’ inst. XX S. 40 veröffentlicht hat, ABPAXAIPE, mit dem vor- 


K. Keil: zur Svlloge inscriptionum Boeoticarum. 591 


liegenden identisch. Nr. 2055 in Thehen INNOMENIAAZ "Izzopsvídag, 
eine Bereicherung der Wörterbücher. Nr. 2060 ehd. KAANIZTNE Καλ- 
λιστώ. wenn nicht wirklich Καλλιστῶς. Nr. 2061 ebd. 

ΕΠΙ ἐπὶ 

IAAAK/ Κ)]αλλικ[λεῖ; 
518. S. 917^. Nr. 9062 S. 993 EYFTAZIE glaube ich noch immer durch 
Evn[o]e[£]:e gehessert zu haben, SIB. Nr. LII? 1 S. 164. Auch schreibt 
jetzt Pittakis Eph. arch. Nr. 2434 S. 1219 EYP'PA£IXZ. S. Eph. arch. Nr. 
3665 S. 1893 Εὔπραξις Πλαταϊκή. Nr. 2063 in Theben EPIATAOQ ἐπ᾽ 
"Ayado (016.272 Ill 6 Bd. 1 S. 377 Θεοπείϑης 4ya90v) oder ᾿4γάϑω[νεῦ 
S. Beispiele a. ©. S. 205°. Nr. 2064 ehd. | AAAAPXo£ Δα[μ]αρχος. 

BA£IAEIA ΒΒΕασίλεια. 
den ersten Namen hat Rhang. hergestellt, s. a. O. S. 211*. Das kleine 
Omikron gebe ich nach einer Abschrift von Ross, welcher auch die zwei 
von Rhangabis erwähnten Rosen hat, eine vor, die andere nach BA£IAEIA. 
Nr. 2065 in Theben ΝΙΚΙΑΣ Νικίας. s. oben Nr. 2048. Nr. 2071 in Le- 
hadeia EMIKPATEIT ᾿Επικράτεις. vorher Nr. 9067* Ἐπικράτης — SIB. 
Nr. XIII 3 S. 75 Ἐπικράτεις. so dasz wir hier vielleicht gar keinen neuen 
Titel vor uns haben. Nr. 2072 OEAT' ENE& Θεαγένεις: bekannt ist ein 
Thebäer Θεαγένης. Mätzner zu Deinarehos S. 133. Nr. 2073 AMeIAX 
"Augíag: für Bootien noch nicht nachgewiesen; aber ebenfalls in Leba- 
deia kennen wir cine Augple, Nr. 2066 '— 518. Nr. XIII 2 S. 76. Nr. 2074 
XAPMONHKA erinnert atn Μονήκα SIB. XIII 3 (Rhang. Nr. 9067" Mo- 
van), Rhangabis schreibt jedoch Χαρμονίκα, vielleicht richtig; vgl. zu 
den bekannten Namen Xaguavdgos, Χάρμιππος, Χαρμοόλεως noch den 
Knidier Xapuoxgarns hei Franz ClG. Bd. II Vorr. S. AV Nr. 73. 89. Nr. 
2075 S. 024 $IAOKAHEXAIPE steht schon bei Böckh Nr. 1668 S. 801. 
Dagegen ist Nr. ‚2076 DPOYOOAQPOSt ΠἤΠουϑόδωρος. in Lehadeia, wirk- 
lich neu, SIB. S. 226°. Ehenso der dortige Stein Nr. 2077 
NIQN Niov 
ETAMINIE Eranınıc. 

Einen Niov aus Lebadeia s. oben Nr. XXXV c 8 (ClG. 1575). Ἔπαμινις 
ist , wenn a. E. nichts fehlt, s. v. a. '"Exaplviog oder Ἐπαμινίας (Exa- 
keivıos, ᾿Επαμεινίαςι, w as ich indes nicht belegen kann. Oder ist an 
zweiter Stelle eine Frau 'Errauıvis als beerdigt genannt? Nr. 2078 

KOPIOQ Kogi8 o: 

EYPONTIA — Evzovría 
zwei überhaupt zum erstenmal auftauchende Frauennamen. Der letztere 
gehört zu einem vorauszuselzenden εὔποντος (εὐθαλασσος), wie Εὐπο- 
ρία zu Εὔπορος. Auch Nr. 2079 ΔΡΟΜΩ͂Ν Δρόμων ist der erste Bóoter 
dieses Namens. Nr. 2080 AOANOANPOE ᾿Αϑανόδωρος findet sich dort 
öfter, SIB. S. 205^. Nr. 2081 AOANIXA à Lévadie, au cóte gauclie de l'é- 
glise de St. Eléuse ist höchst wahrscheinlich dasselbe Epitaphion, das 
ich nach Ross SIB. Nr. LV* 8.166 (A für A) bekannt gemacht habe. Mein 
Gewährsmann führt in seinem Tagebuche die Vertlichkeit in7Lebadeia 
nicht näher an. Pittakis aber schreibt zu Eph. arch. Nr. 2348 S. 1200 
AOANIXA «ἐπὶ Aldov λευκοῦ. ἐντειχισμένου εἰς τὴν ἐκκλησίαν τῶν 


592 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


«Aylov ‚Avapyvowv» εἰς Asßadsuv, παρὰ τὴν πηγήν, καλουμένην 
Kovyuo, und wiederum Nr. 2435 S. 1213 AOAAIXA «εἰς τὴν ἐκκλησίαν 
τὴν ἄντικρυ τοῦ Τροφωνίου ἐν Asßadeler: sicherlich dreimal derselbe 
Stein. 

Nr. 2082 ΦΙΛΩ͂Ν Φίλων, in Lebadeia nicht ungewöhnlich, oben Nr. 
XXXV c 4 (CIG. 1575) und nach der alten Lesart auch Z. 9, wo ich indes 
von Lebas Φέδων angenommen habe. Nr. 2083 εἰν. 


KAAMAAMOZ κΚαλλίδαμος᾽ ΄ 
EMIXAPIA Emiyagın 
AM$OTTIE ᾿Αμφοττίς. 


Zu Z. 1 5. SIB. S. 217^. Dann scheint ’Eriyagıe dialektisch s. v. a. "Ex- 
χάρεια, ein allerdings in seiner Art neues Femininum zu ᾿Επιχάρης. zu 
sein. Zu der Augortis vgl. die ᾿Εμπεδοττίς,, eine Landsmännin, SIB. Nr. 
XIlI 4 S. 75 u. 77 (Rhang. Nr. 2067" S. 923), und die EPOTTIE ᾿Εροττίς 
aus Koroneia, Rhang. Nr. 2138 S. 928. Nr. 2084 ΧΑΡΕΣ d. i. Χάρεις 
(Χάρης 518. S. 991", wie EYKPATEZ Εύκρατεις in der Kirche zu Pa- 
laeopanagiá bei Kakosi (Thisbe) nach dem Tagebuche von Ross: s. zu Nr. 
2086. Nr. 2085 XEP£QN Χέρσων : ein neuer Name zu Xtgaíac, Χέρσις 
usw. Nr. 2086 PROKLIE£€ Προκλέεις. Der gleiche Name ist in Thespiä 
gefunden, SIB. Nr. LIII^ (Lebas Nr. 418 S. 89), wo ich S. 165 Προκλίης 
geschrieben und CIG. 1651 NOKLIEZ , etwa ᾿ἡρνοκλίης (Zevoxking, Aus- 

voxAing, Φανοκλίης oder ähnlich) verglichen habe S. 178; s. auch SIB. 
S. 171 Nr. LX*. Es scheint aber dem Böotismus entsprechender, in die- 
sen alten Stücken das E für El zu nehmen. Nr. 2089 MEAEI£IQN Me- 
λεισίων. d. i. wie Rhangabis erkannt hat, MeAnoiov; dies neben MeAr- 
σίας. wie Πραξίας und Πραξίων. Σωσίας und Zocíov. Doch darf man 
auch an Mti[:6]o/ov denken, Titel v. Aegosthena bei Lebas Nr. 9, 8 
S. 4. Nr. 11, 5. Nr. 2090 OEOFTITONIAAZ Θεογιτονίδας᾽ 

MENEKAIA Μενέκλια. 
Zu 2. 2 s. Πολύκλια SIB. S. 225^, unten Nr. 2102, 1 ΖΦαμόκλια. Θεογί- 
τῶν ebd. S. 215°. Beide Namen sind in den Wörterbüchern nachzutragen. 
Nr. 2091 AN ıKPA Εἰς ᾿Αν[τι]κρα[τ]εις 
ΑΘΑΝ ᾿ϑαν[ίαο. 

Z. 1 bereichert den hóotischen Namenschatz. Z. 2 kann noch manch 
anderer Name gestanden haben; Rhangabis setzt f9evígov, wofür 449a- 
vixo erwarlet wird. 


XLII 
Unter Nr. 2092 S. 925 gibt Rhangabis folgende drei Namen auf drei 
Steinplatten ans einem Grabe von Catzicaveli bei Thespiä, dem auch drei 
andere und zwar ältere Namen (Ant. llell. Dd. 1 S. 385 Nr. 326 — 338; 
entnommen sind: 

a) OPZEAAOZ b) OPZEAAOt c) £AQ£I£ 

ὉὈρσέλαος Ὀρσέλαος Σαωσις. 
Unter dem zweiten Namen ist in Hautrelief eine Art Helm oder Kürasz 
abgebildet. Ὁρσέλαος stimmt zu Ὀρσεδίκη Apollod. III 14, 3, 4, vgl. 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 993 


Formen wie περσέπτολις und περσέπολις, Lobeck zu Phryn. S. 771. Be- 
kannt war Ὀρσίμ[αχος oder Ὀρσιμ[ένεις aus Tanagra CIG. 1563^ 3 S. 
735. Vgl. auch Aesch. Sieben vor Th. 88 ὁ λεύκασπις ὄρννταε λαός. 
Σαωσις isl s. v. a. Z sic, Σωσίας. Eine Mulmaszung Σαύ[τ]ις (CIG. 4, 
I S. 10^. Franz el. ep. Gr. S. 63) scheint nicht am Platze. 

Nr. 2093 in Eremokastron (Thespiä) INN auf einem Cippus: nach 
Rhangabis eine andere Form für Ἰνώ mit Verdoppelung der Liquida, wie 
in Esxolvvtg , Meiavviog, Mevvlöco SIB. S. 3. Sollten indes am An- 
fang einige Buclistaben ausgefallen sein, so wäre etwa Κορ]ιννώ VOrZU- 
schlagen, was neben Κόριννα bestehen konnte, vgl. Γύρεννα und I'v- 
oıvvo, Mälıvva und Meiıvvo, Lobeck path. prol. S. 224. Anal. epigr. 
el onom. S. 8, 3. S. unten zu Nr. 2153. 

Nr. 2094 zu Orchomenos in der Kirche der Jungfrau, welche im J. 
9RO auf den Trümmern des Tempels der Chariten erbaut ist, TEAAQ 
Teiio, Femininum zu Τέλλων (Paus. VI 10, 9); so schon der Heraus- 
geber. Nr. 2095 ebd. KAAAIAAMOZ. Καλλίδαμος war von mir nach der 
Abschrift von E. Curtius (A für A) 518. Nr. XLIV* S. 158 vorweg genom- 
nen. Nr. 2096 ehd. ANIA£ d]evíag, wie auch Rhangahis schreiht. Nr. 
2097 ebd. PAMIZKO£:; olıne Zweifel derselbe Titel den ich a. O. Nr. XLIV^ 
bekannt gemacht habe: FAMIZKOZ “αμίσκος. Ebenso ist Nr. 2098 auf 
einer Stele ebd. làngst bekannt: 

ΑΘΑΝΟΔΩΡΟΣ ᾿Αϑανόδωρος" 

zwei Einsetzrosen 

API£TEA ᾿Δρίστεα 

XAIPE χαῖρε, 

s. GIC. 1663 S. 800. wo AOENOARPOZ A9[n]vodweog jetzt weichen 
ınusz. Ueber "Aolorea (Δρίστεια) s. SIB. S. 191. Ahrens dial. Dor. S. 188 u. 
566. Ingleichen steht Nr. 2100 ebd. ZQMTATPIZ Σωπατρίς SIB. Nr. XLIV? 
S. 1585 vgl. die Städtenamen Avrınergis und Κλεοπατρίς. Auch Nr. 2101 
ebd. auf einer Basis von weiszem Marmor AM®APIXOZ wird von CIG. 
1673 S. 801 KAAAIMITON AMOAPIXOZ (nach Meletios in QOrchomenos) 
nicht zu trennen sein. Zugleich erhellt, dasz Bóckh nicht glücklich Ko- 


λι[γ]ίτων 'Augagiy[ı]los geschrieben hat. Nr. 2099 ebd. KAAAI£ kehrt 
NIKQN 


ganz ebenso unter Nr. 2103 S. 926 wieder, wie es denn dem Herausgeber 
öfter begegnet ist dieselben Stücke mehrmals zu publicieren ohne die 
Identität zu merken. Uebrigens ist das natürlichste, dasz man Καλλίές " 
Νίκων 
liest, erstens als Frauenname (NIB. S. 217 ἢ). nicht Κάλλις [ἂν Καλλίας. 
Νίκων: a. 0. δ. 223°. Nr. 2102 eh. AAMOKAIA Zopoxhia : 
ANTIT A ᾿“ντίπ[ζατρος. 
Zu Z. 1 s. ohen Nr. 2090, 2 ΪΜενέκλια. Nr. 2104 S. 926 ebd. 


^AI£TO Καλ]λιστονικος᾿ 
ΤΕΛΕΣΖΑΡΧΟς ΤζΤελέσαρχος. 


Der erste Namc (Rhang. Καλλιστω) ist nicht sicher herzustellen. Einen 
Τελέσαρχος ploichfalls in Orchomenos s. oben Nr. XXXVIlIa 18 Δεωνιού- 


994 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


σιος Τελεσάρχιος. Nr. 2105 MYPINTOYEYPHMHXI in der Kirche des 
h. Lukas zu Avramaga, bei Lebas Nr. 803 S. 166 Chéronée, scheint der- 
selbe Titel zn sein wie Nr. 2107, in einer Kapelle zwischen Orchomenos 
und Panope: 

nYPIP^OY Πυρίππου᾽ 

ΕὙΦΗΜΟῪ  Envg5uov. 


Ein Thebier Εὔφημος bei Rhang. Nr. 1208 II 17 S. 822. Für ein Epita- 
phion ist in Bóotien der Genetiv auffällig, SIB. S. 193 zu EIG. 1677. Duch 
s. unten Nr. 2029. Ueber Nr. 2106 AM®IKAEIAXAIPE ᾿ἀμφίκλεια χαῖρε 
s. oben Nr. XLI 12. 

Nr. 2108 zu St. Lukas am Helikon ®IAOKPATEIA Φιλοκράτεια, ein 
neuer Name; Φιλοκράτης SIB. S. 230*. Ebd. Nr. 2109 mit groszen Buch- 
staben EPI$IAOZENAI ἐπὶ QuAokfva; Φιλοξένη s. bei Pape und Eph. 
arch. Nr. 3395 S. 1774 


£TPATIPP"^O£ $9IAOZENH 


I$I£ TIAAHE 
Ebd. Nr. 2110 APIZT ᾿Δριστ[ο- 
ΞΕΝΟΙ ξένῳ, 


so Rhangabis, doch scheint ἐπὶ am Anfang ausgefallen zu sein; ᾿δριστο- 
ξένης SIB. S. 908^. 

Nr. 2120 S. 927 aus Kakossi (Thishe) AAAAMAZ “͵]αδάμας steht 
richtig (A a. A.) schon SIB. Nr. LIX* S. 169 und bei Lebas Nr. 381 S. 82. 
Aus Thespià ist derselbe Name CIG. 1675 S. 801. Nr. 2121 ebd. AM®IKAH 
"ApugixAg[c, SIB. Nr. V 13 S. 52 T. Φλαουιος A., oder als Vocaliv Afu- 
φικλὴ. spec. onom. Gr. S. 33. Franz el. ep. Gr. S. 233. Nr. 2123 ME- 
NIZKO£ Mewioxog s. SIB. Nr. LIX® und Lehas Nr. 380 S. R2. Nr. 2123 
AAMOKPF und Nr. 2127 AAMOKPHTA Zapoxo[/]re sind vielleicht 
derselbe Titel. 

Nr. 2194 ebd. AFAOOKAEQ£ "AyaSoxAdo]s., über den Namen s. 
zu Nr. XLa 18. Nr. 2195 APIZTOF ITQN ᾿Αριστογίτων, SIB. S. 308". 


Nr. 2126 ebd. AAHPIXE Aamgıye 
XAIPE χαῖρε 
ist mir verdächtig. Ob K]o[B/]orys oder Σωτ]ὴηριχε 


Nr. 2128 EY$PO£YNE  EvgooGvve 
XAIPE χαῖρε. 


Nr. 2129 EPIKAAAIONOS ἐπὶ Κλαδίονος. so Rhangahis. Allein ἐπέ ver- 
langt nach feststehendem bóotischem und phokischem Brauche den Dativ. 
Wie von eixades ein Name Eixadıog (Böckh ClG. Bd. H S. 1125"), /ca- 
dius, und Einadeis (in Oropos) gebildet wurde, so ist vielleicht nach 
den ἐπεικάδες ein Mann ᾿Επεικαδίων. οι. ᾿Επικαδίων genannt, also 
Enixoó(o]vog? Auch Nr. 2130 OYPMAOZ Θύρμαος wartet der Besse- 
rung. Unter Nr. 2131 gibt Rhangabis die Inschrift v. Velsens im arch. 
Anz. XIV Nr. 96 S. 286* Nr. VII, nur dasz die Buchstabenformen genauer 
wiedergegeben sind: 


C 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 09 


AHMOZOENEIKPATQNOE 
KAIKPAT9NIAHMOZOENOYEZ 
HP2ZI 


Δημοσϑένει Κράτωνος 
καὶ Κράτωνε Ζημοσϑένους 
ἥρωσι. 
Nr. 3182 ΝΙΚΙΑΣ INix/og, derselbe Nr. 2066 in Theben. 

Rhangabis teilt weiter Nr. 2135 — 2153 nach den Abschriften von 
Naoum (irabsteine aus der Kirche der Taxiarchen zu St. Georg (Koroneia) 
mit, die meist schon in m. SIB. bekannt gemacht sind. Als neu hehe ich 
hervor Nr. 2137 S. 928 (Lebas Nr. 692 S. 150) AIOTENEI? Διογένεις. 
Nr. 2138 (Lebas Nr. 731 S. 152) EPOTTIE 'Εροττίς, s. oben Nr. XLI zu 
Nr. 2082, 3 Augorríg. Nr. 29130 ZRQNPEINA, und so Lebas Nr. 783 S. 151; 
Eph. arch. Nr. 2382 S. 1204 ΖΩΠ.. PEINA Zon[vJeelva: Ζωπύρα ebd. 
518. Nr. LVII^ 1 S. 168. Nr. 2141 HIZMENA oder Eph. arch. Nr. 2383 
S. 1203 und Lebas Nr. 735 S. 152 HI£MINA... "IGueíva: den Spiritus 
haben wir zu den zalilreichen namentlich attisc hen Beispielen hinzuzuneh- 
men, welche ich in den schedae epigr. (Naumburg 1855) S. 6 fl. beige- 
bracht ‚habe, vgl. CIG. 1637 S. 795 bei Theben HATEZANAPOLZ Ayeioav- 
ὅρος, à (0 sched. epigr. S. 7. Wegen des & vgl. Toueıvlas, ᾿Ισμεινικέτας, 
᾿Ισμείνιχος. Nr. 2142 (Lebas Nr. 696 S. 150) EYAPXIAZ Εὐαρχίας: der 
Name kann füglich nur als Genetiv (εὐαρχέα) aufgefaszt werden: so im 
gleichen Casus oben Nr. 2029 Ἐπικαδίωνος. Nr. 2154 (Lebas Nr. 695 S. 
150) EPMAIONOZ "Eouai[w]vos (s. Thuk. Ill 5 ᾿Ἑρμαιώνδας Θηβαῖος) 
und Nr. 2160 (Lebas Nr. 686 δ. ἊΝ APITONO£. Nr. 2143 A E£TO- 
AQPA ᾿“[φη]στοδώρα) Rhang. ᾿Δ[κ]εστοδώρα. Zu jenem s. Agpnoro- 
δωρος SIB. S. 210°; Pittakis Eph. arch. Nr. 2385 S. 1204 liest. dagegen 
APE.£TOAQPA. 

Nr. 2144 AOHNOAQPA ᾿Αϑηνοδώρα: eine Landsinnnin aus Koro- 
neia, ᾿Αϑανοδώρα, SIB. Nr. LVI" S. 167. Nr. 2145 (Lebas Nr. 705 S. 150) 
φιλόμναστος Φιλόμναστος. für Böolien ein neuer Name. Nr. 2146 
ATHZIE: SIB. Nr. LVIII* S. 169 habe ich Aynoıg nach der neugriechi- 
schen Betonung geschrieben, doch wird "4ynoıg, wenn es Mannsname 
ist, vorzüglicher sein, Gl. 2918" Il 18 Bd. H S. 1123 Ἡράκλειτος "Ayn- 
σιος Κυδω[νιάτης. Nr. 2147 (Lebas Nr. 690 S. 150; APXIDI'O£ "Aoyınneos, 
ein gleichnamiger in Kopä CIG. 1574, 29 S. 757. Nr. 2148 (Lebas Nr. 702 
S. 150) ONA£IMO£ Ovaoınos, SIR. s. 224°. Nr. 2150 (Lebas Nr. 704 
S. 150) £9£O£ Σώσος. der erste dieses Namens in Bóotien. Nr. 2153 
OPINNQ: SIB. Nr. LVIII" S. 168 .OPINNO K]ogwvvo, vgl. oben zu Nr. 
9093 INNO, und Ar. 2184, aus einer andern Kirche zu Koroneia, OPINNQ : 
alle drei Titel vielleicht einer und derselbe. Nr. 2157 (Lebas Nr. 738 5. 
152) AOY £I : ob Avoıg oder “υσίς (ClG. 725, 1 S. ‚509 AYZIZMIAHZIA 
Avalg, nicht Avcıs, Milyoía , Lobeck patlı. prol. S. 511, 45), läszt‘ sich 
nicht entscheiden. Der Diphthong ebenso in Aovoıxgarsıg, SIB. S. 220°. 


Nr. 2162 S. 929 EIMOKPITA hat bei Lebas Nr. 742 S. 152 ein T 
vorgesetzt, also Τειμοκρίτα. Wäre dieses T blosz eine Mutmaszung, so 


596 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


könnte man 'E[o]uoxgíra schreiben. Nr. 2163 (Lebas Nr. 685 S. 150) 
AAONIKOZ, Eph. arch. Nr. 2401 S. 1205 AAQNIKO£: Rhang. . . αδόνι- 
κος. * 4dovixóc d. i. "Hóovixog sagt inir aus mehreren Gründen nicht zu 
(HAONIKOY (Ια. 2656, 3 Bd. II S. 453 ἩΪ δ]ονικοῦ nach Bückh, vgl. 
Anm. 9); vielleicht hatte der Stein K]e[4]owixog. Nr.2164 ΚΛΕΩΝ Κλέων, 
SIB. S. 219*. Nr. 2165 (Lebas Nr. 731 S. 152) KOPIAAA KooiAAa, s. oben 
unter XLI Nr. 2030 Ze»uAMo. Nr. 2166 <YPINAXAIPE M ]volve χαῖρε, 
gewis identisch mit SIB. Nr. LVIII' * 169 EYPINAXAIPE Evoíva χαῖρε. 
Nr. 2167 AFF EAIN7?) ᾿4γγέλιν d. i. ᾿Αγγέλιον, was als Frauenname 
neben Ayy&lıog (Suidas u. d. W.) in später Zeit bräuchlich sein konnte, 
Rhangabis schreibt unwahrscheinlich AyyeAlv[y. Nr. 2170 ANTITENEIA 
᾿Αντιγένεια habe ich etwas mangelhaft (ATIF usw.) SIB. Nr. LII^ 4 S. 165; 
vollständig auch bei Lebas Nr. 723 S. 151. Nr. 2174 APXIT'ETA£ war 
vielleicht nicht in "Aoy[n)rérac umzuündern, sondern in Apy[a]y&ras, 
CIG. 1732^, 1 ὁδὸς ἡ ἐπὶ τὸν Aoyaykıv. Der andere Vorschlag von 
Rhangabis 44oyiyé|v]ac ist gar nicht zulässig, weil dann Agxıytvas 
nötig wäre. Nr. 2179 (Lehas Nr. 708 S. 150) EMA®PA "Enaggà 
XAIPE χαῖρε, 
möglicherweise nicht verschieden von ...A®PA bei Ross im Tagebuch 
XAIPE 
aus der Kirche des h. Johannes in Koroneia. Derselbe Name scheint in 
dem Titel aus Lebadeia Lebas Nr. 776 S. 161, Eph. arch. Nr. 2344 S. 1199 
(in einer Zeile) A®PA 'En]agoó hergestellt werden zu müssen. Auszer 
HPQEI ἥἤρωει 

dem fehlt hier a. A. vermutlich ἐπὶ, der Diphthong in ἥρωει erklärt sich 
aus der späten Orthographie. 

Nr. 2192 S. 930 in Topolia (Kopä), Lebas Nr. 602 S. 131 BOYPIE 
Βοῦρις : Rhangabis führt Plut. apophth. Lac. S. 235" an; allein der hier 
Βοῦρις genannte heiszt sonst überall Βοῦλες, s. die Erkl. zu Herod. VII 
134. Nr. 2193 ebd., Lebas Nr. 601 S. 131, Vischer epigr. u. arch. Beitr. 
Nr. 56 S. 51 OMOAQIXO£ Ὁμολώϊχος. 'Nr. 2194 ebd. über einein Bas- 
relief, auch bei Lebas Nr. 603 S. 131 und zwar mit gezackten Buchstaben: 

EPI£?THPIAAHPOQI 

ἐπὶ Σωτηρίδα ἥρωι. 
Vischer a. O. S. 51 Nr. 57 liest ARTHPIAA, gibt dies aber schon selbst 
preis. Nr. 2191 in Coutomoula, einem Dorfe bei Koroneia: KAEONYMO£ 
Κλεώνυμος, dasselbe Stück Eph. arch. Nr. 2352 S. 1200 KAEQNYMO£ 
«ἐπὶ τῆς ϑύρας τῆς ἐκκλησίας τοῦ Aylov Νικολάου τοῦ χωρίου τῆς 
“εβαδείας. καλουμένου νῦν Κουτουμουλά. » Nr. 2045 S. 921 zu Araméni 

En! ἐπὶ 

A£ODOAQPQ ᾿“σωποδώρωῳ, 

SIB. S. 209". Nr. 2190 S. 929 in der Kirche des h. Georg zu Karye bei 
Orchomenos, Pittakis Eph. arch. Nr. 2414 5. 1210, Lebas Nr. 633 S. 144 
AFAORNOE Ayadwvog. 

FNAOQON Tyvador. 
NOYMENI£ ΜΝυούμ[η]νις. 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 597 


Rhang. u. Lebas haben Z. 1 AFAOONO£. Der Wechsel der Casus ist 
auffällig. Deshalb mag man annehmen, dasz entweder Z. 9 und 3 nicht 
vollständig sind, oder dasz die drei Namen enger verbunden werden müs- 
sen: *des Agathon (Sklaven) Gnathon (und) Numenis?, wo Novunvıs — 
Novunviag oder Νουμήνιος ist, s. Pape, spec. onom. Gr. S. 99 u. CIG. 
2347* 25 Bd. Il S. 276 οἰκετικῶν σωμάτων Νουμηνίου καὶ Borgvog. 
Der Genetiv wird erläutert durch das Wort bei Plut. Lys. 18 ἐπεὶ... ὃ 
κιϑαρωδὸς “Αριστόνους ἑξάκις Πύϑια νενικηκὼς ἐπηγγέλλετο τῷ Av- 
σάνδρῳ φιλοφρονούμενος, ἂν νικήσῃ πάλιν, “υσάνδρου κηρύξειν 
ἑαυτόν, «ἡ δοῦλον;» εἶπεν. 


Nr. 2198 S. 930 in der Kirche der h. Jungfrau zu Akräphnion: 
ZQPYPO£ Ζώπυρος, SIB. S. 214^. 


XLIII 
Aus dem Werke von Lebas erwähne ich Nr. 440 S. 91 aus Thespiä: 


ENINAPAMONRENMINPOZAOKIMR 
ἐπὶ Παραμόνῳ. ἐπὶ Προσδοκίμω. 
Einen Παράμονος aus jener Stadt s. SIB. S. 225°. 
Nr. 452 S. 92 in Platäa 
£OTHPIXA — Zormnolza: 
zwei Einsetzrosen 
ENI ἐπὶ 
THPIA Σω]τηρία. 
Den ersteren Namen s. SIB. S. 228°; der zweite, wenn richtig ergänzt, 
ist überhaupt neu. 
Nr. 481 S. 101 in Oropos: 
MPAANFRQNTOAMIAOYMAATAIKH 
TOAMIAHZTAATAEYZ 
Πλανγὼν Τολμίδου Πλαταϊκή᾽" 
Τολμίδης Πλαταεῦς. 
Gemeinschaftliches Grab des Vaters und der Tochter. IIÀevyoiv ist = 
Πλαγγών.) Durch Πλαταϊκη (CIG. 88$, 3 Bd. I S. 526 Πλ]αταιϊκή) 
wird die Notiz bei Steph. Bvz. S. 526, 12 ergänzt: καὶ Πλαταιᾶτις τὸ 
ϑηλυκὸν καὶ Πλαταιίς. Ehenso Eph. arch. Nr. 3665 S. 1898 Εὔπραξις 
Illaraixn. 2.9 Πλαταεύς wie Nr. 1593, 14 S. 776 Πλαταεῖος. 


Nr. 482 ebd. TIMOZENH Τιμοξένη 
ΚΑΛΛΙΠΠΗΣ Καλλίππης. 


Es würde befremden, wenn auf demselben Steine zwei beerdigte iu ver- 
schiedenen Casus ständen. Deshalb nehme ich an, die Timoxene sei Pr 
τρόϑεν benannt, s. Philol. XV 9 ff., oben zu XL a 7. Τιμοξένα 518. 
329°. Τιμοξένη Eph. arch. Nr. 3579 S. 1855 hei Chalkis am Euripos. 


Nr. 535 S. 114 in Theben Nr. 546 ebd. 
MAPETOC Δαμάρετος᾽" ΕΠΙΕΙ ΡΉΝΗ 
MOKAEIA 4ΔαἸμόκλεια. ἐπὶ Εἰ- enu, 


vgl. Eph. arch. Nr. 2346 S. 1200 in Lebadeia €IPANA Eipava. 


998 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


Nr. 547 ebd. mit gezackten Lettern 
Eni ἐπὶ 
ΔΑΦΝΗ EPIA Δάφνῃ Egie[v8ov. 
Einen Thebäer ᾿Εριάνϑος oder Egiavdng s. SIB. S. 213*. Dagegen ver- 
mutet Pitiakis Eph. arch. Nr. 845 S. 515, es sei Daphne eine Priesterin 
gewesen, also [í]toío zu lesen. 


Nr. 536 ebd. 
IIOCBENOYCTOC . . Bevovoroc 
€NOAAE€KEIT€ ἐνϑαδὲε κεῖτε. 


Vgl. CIG. 266, 48 Bevvoroc, Nr. 6495 Βενοῦστος. 

Nr. 531 S. 114, Pitt. Eph. arch. Nr. 847 S. 515 mit gezackten Buch- 
staben : 

ΕΠΙ ἐπὶ 
O®ENINNE [ K]periovfı. 

S. Ὠφελέων bei Pape, Rhang. Nr. 1959 S. 913 £geAtov Θραξ; CIG. 6177, 
1; Hesych. u. Toig Bd. II S. 371 Schmidt, Berl. Monatsber. 1850 S. 254. 
Ὀφελίων ist aber vielleicht auch möglich. 

Nr. 664 S. 147 in Alalkomenä, Eph. arch. Nr. 2406 S. 1207 

EMIEYM$OPRAAMONOL ἐπὶ Zvugogo Zap[o]voc, 
s. SIB. S. 297" 2. Ὁλμώνιος. - 
Nr. 706 S. 150 in Koroneia, Eph. arch. Nr. 2381 S. 1204 


AAMALON Δαμὰς Ov[noluov. 
Nr. 716 S. 151 ebd., Eph. arch. Nr. 2393 S. 1205 (o) 
ZWNAIE Ζώπα[τρ]ε 
ΧΑΙΡΕ χαῖρε. 


Ζωώπατρος (s. Pape) war neben Σώπατρος im Gebrauch wie Ζώπυρος und 
Σώπυρος,, Franz el. ep. Gr. S. 247. 
Nr. 771 S. 161 in Lebadeia, Eph. arch. Nr. 2345 S. 1200 
EYTYXEAEIMNHZTEXEPE 
Εὔτυχε ἀείμνηστε χέρε (χαῖρε). 
Pittakis hat XAIPE. In dem Titel von Larissa CIG. 1783, 3 Bd. I S. 866 
HPQCXPHCTEXEPIN hat Leake travels in north. Gr. Nr. 10 XAIPE 
und ebenso Lebas Nr. 1262 S. 300: vermutlich ist X€P€ das echte. 
Ebenso auf der thebischen Grabschrift Eph. arch. Nr. 2576 S. 1269 Zor500 
Φιλίππου yege und in Vischers Titel Nr. 55 unten Nr. XLIV. S. auch Heu- 
zey le inont Olympe S. 480 Nr. 30 


C MN-TTAPOAI Σ[ε]μνὴ παροδί- 
ΓΕΕΧΕΡΙΝΧΕΡΕ τ]ες χέρεν᾽ χέρε- 
TENAPOAITE te παροδῖτε. 


Inschr. von Kypros bei Ross rh. Mus. VII S. 516 (B) 'Agıoroxungog vto- 
τερὺς χρηστὲ χέρε. (F) Avec χθεστὴ χέρε.  Sakellarios Κυπριακὰ 
(Athen 1855) S. 48 Nr. 16 χέρε ὴ ὑπὸ ϑεὼν πεφιλημένη xà ὑπὸ ἀν- 
ϑρώπων ξητηϑίσα" Βυψυύχι: οὐδὲς ἀϑάνατος. Ebd. Nr. 17 “εμετρία 
χρεστὴ χέρε. S. 56 Δημητρία χρηστὴ χέρε. S. 201 [ΕἸύτυχίδη χρηστὸ 
χέρε. CIG. 6900 Bd. IV S. 29 Γλαῦκος Γλαύκου χρηστὲ χέρε. Nr. 6934 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 599 


S. 33 Ζηνωνὶ χρηστὴ xi ἄλυπε χέρε. Nr. 6987 S. 40. Nr. 3135 Bd. II . 
S. 690 4Ζειοκλῆ Avoavelov χρηστὰ χέρε. Böotisch würde χῆρε sein, 
(Ια. 1648, 2 S. 796. Selten triffl man auf Grabschriften den Infinitiv 
yalgeıv, Franz zu Nr. 7014 Bd. IV S. 43. 
Nr. 771 S. 161 ebd., Eph. arch. Nr. 2350 S. 1200 
AMOAARNIAAZ Anoklwvidag. 


SIB. S. 207. Man sieht, dasz der bóotische Typus auf -@vdag keineswegs 
immer festgehalten worden ist, wie ja auch umgekehrt die Namen in 
-νδας nicht auf Böotien beschränkt waren, Meineke zu Steph. Byz. S. 571. 
Eph. arch. Nr. 2418 5. 1210 ebenfalls in Lebadeia 
PYPPOZ Πύρρος. 
ΧΡΕΜΩΝ Χρέμων. 
ΝΙΚΙΑΣ Νικίας. 
Von diesen drei Namen ist Χρέμων für Bóotien neu. 
Eplı. arch. Nr. 2427 S. 1911 zu Platäa in der Kirche des h. Nikolaos 
EPITAAYKOY ἐπὶ Γλαύκ[ῳ 
ΑΦΡΟΔΙΣΙΟΥ ᾿Δφροδισίου. 
Der Genetiv bei ἐπί würde gegen die feststehende Weise verstoszen , wel- 
che den Dativ erheischt. Γλαῦκος SIB. S. 210^. 4gooóíciog ebd. S. 210. 
Eph. arch. Nr. 2430 δ. 1212 in der Kirche des ἢ. Charalampes zu 
Eremokastron 
DOIAOKIAAZ 
Diesen Namen zu entziffern ist mir nicht gelungen. Zur Vergleichung 
bietet sich 'Avdoxlöng; Παρδόκας Ar. Fró. 608 (wenn auch Meineke den 
Vers jüngst ausgeworfen hat) und IIgoodoxas CIG. 287 1 10 S. 399" kom- 
men dagegen von Παρδόκιμος und Προσδόκιμος her. 
Auch Nr. 9431 S. 1212 ebd. in der Kirche des h. Demetrios 
AAMI. TOY 
ist kaum mit Sicherheit herzustellen. Ob Kja[AA]i[o]rov? Möglich auch, 
dasz der Titel, welchen Ross in der Kirche des Dorfes Katzkabello (Ere- 
mokastro) copiert hat: AAMAN TO derselbe ist. 
Nr. 2433 S. 1212 wird dieser Stein aus Theben mitgeteilt: 
..zENE? 
mit der Ergänzung “4ριστο]ξένης. Dies ist unzweifelhaft derselbe Titel, 
den ich SIB. Nr. 111} 2 herausgegehen labe: APIZTOZENEZ und zwar 
nach Pittakis Eph. arch. S. 58. Die Möglichkeit. dasz ᾿Δριστοξένης der 
Nominativ sei, wird nicht zu leugnen sein, s. a. O. S. 193. Inzwischen 
musz doch auch der Genetiv auf büotischen Epitaphien anerkannt werden, 
s. Nr. XLIl zu Rhang. Nr. 2142, und so ist keine sichere Entscheidung 


zu geben. 
Nr. 2439 S. 1233 in der Thür des Metochion des h. Charalampes zu 
Thespiä TONETIWN 


ΦΛ APXEAA 
woraus sich nur DA. Aerei oder ®A.’Apydia entnehmen lászt ; heide 
Namen s. SIB. S. 209 
Jahrh. f, class. Philol, Suppl. Bd. IV Hft. 4. 9 


660 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


Zur Vermehrung des bóotischen Namenschatzes dienen auch folgende 
Inschriften: Eph. arch. Nr. 3597 S. 1861 nördlich von Athen 


ZNZIKPATEIA Σωσικράτεια 
ΑΛΕΞΑΝΔΡΟΥ ᾿Αλεξάνδρου 
ΑΡΓΕΙΑ "Agyela, 
TIMANAPOY : Τιμάνδρου 
ὅ ΤΑΝΑΓΡΑΙΟΥ Ταναγραίου 
ΓΥΝΗ γυνή. 


Ueber Τίμανδρος s. SIB. S. 298^. 
Rhang. Nr. 1805 S. 897 auf der Akropolis von Athen 


AOCPOAEI£IO£ Agyoodelsıos 
$IAOZENOY Φιλοξένου 
OHBAIO£ Θηβαῖος. 


Z. 1 s. oben zu Eph. arch. Nr, 2497. Auch vgl. SIB. Nr. XLIII 1 S. 157 
(Preller Ber. d. sächs. Ges. d. Wiss. 1852 S. 143, 3) ᾿Αφροδίσιος Φιλο- 
ξένου in Oropos. 

Aus dem Tagebuche von Ross führe ich eine bei Παλαιοπαναγιά 
unweit Κακόσι (Thisbe) gefundene Inschrift an: 

DCIAAT ENH€ 
Eben daraus entnehme ich das am 6 August 1840 in einer Kirche zu 
Harma copierte Bruchstück: PY®ANI Eölgupavisız, den Grabstein in 
einer Kapelle ebd. ZENOKPITH Kevoxolrn, s. ενόκριτος SIB. S. 923, 
und die Aufschrift einer kleinen rohen Stele mit spitzem Giebel ebd. 
ΠΑΚΟΝ Ἱάρων, vgl. Ἱαρώνδας, Ἰαρώνιος ἃ. 0. S. 2165. 

Die Liste von, wenn ich nicht irre, Sóldnern in Athen bei Rhanga- 
bis Nr. 1398 S: 8% hat auszer Col. ll 16 Θηβαῖοι --- Εὔφημος (vgl. Nr. 
XL a. E.) noch Col. lll 35 Θηβαῖοι — Avcavöpogs — Διοσκουρί ὅας, 
deren schon oben gedacht wurde (Nr. XXXV ἃ 2); ehd. 38 Βοιωτοὶ --- 
᾿Αντίγονος. 


XLIV 


Pittakis Eph. arch. Nr. 2722 S. 1363, wie die vorherstehenden Titel 
«εἰς τὴν ἐκκλησίαν τοῦ ᾿Αγίου ᾿Αϑανασίου εἰς τὴν συνοικίαν "Puoi ἐν 


"Aj vaig » : 


OMC/ Ὁμ[ολώϊχος 
IOL Ζω[σίμου 
ΤΑΝΑΓῚ Ταναγ[ραῖος. 


So schon Pittakis, über Ὁμολωΐξχος s. 518. S. 394", Ζωώσιμος ebd. S. 215". 
Vgl. auch Ross Demen von Attika Nr. 201 S. 107: Θε]όξο[τ]ος [.H]ea- 
κλείτου T'avaygaioc, SIB. S. 51 (Geoforoc Franz CIG. 8211 Bd. III S. 
197). Dasz Tanagra jemals ein attischer Demos gewesen sei, ist durch 
nichts erwiesen. 

Ehd. Nr. 2746 S. 1373, Papasliotis im arch. Anz. XIV (1856) Nr. 99. 
93 S. 244*, in einer Kirche des h. Nikolaos unweit Athen: 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 601 


EYAAMEA Εὐδάμεα 
TTA£IQNO£ Πασίωνος 

΄ ΕΡΧΟΜΕΝΙΟΥ ᾿Ερχομενίου 
OYFATHP Ovyarqo. 


Εὐδάμεα, wie bei Pitt., habe ich nach der Analogie von Aglorea XLII 
Nr. 2098 betont; vgl. Ἱπποδάμεια; CIG. 1436, 3 Bd. 1 S. 681 ’Avı[o]- 
vlav Εὐδαμίαν. Πασίων: SIB. S. 295*. 


Ebd. Nr. 2796 S. 1394 in Theben 
AAKIAAMO£ ᾿Αλκίδαμος. 
Ebd. Nr. 3665 S. 1893 im Peiräeus gefunden 
MIATIAAH€ EYTPAZIE MAATAIKH 
Μιλτιάδης. Εὔπραξις Πλαταϊκή. 
Dem Namen Μιλτίας sind wir oben Nr. XXXVa 10 in Orchomenos be- 
gegnet; Μιλτιάδης s. unten Anm. 49. Εὔπραξις : oben XLI zu Rhang. 
Nr. 2062. Πλαταϊκή: XLIII zu Lebas Nr. 481. 


Rhangabis Nr. 1801 S. 896 (Eph. arch. Nr. 1497 S. 919) in einem 
Hause unweit des alten Lykeion: 


I£MHNIXA Ἰσμηνίχα 
ΔΑΜΩΝΟΣ Δάμωνος 
ΘΗΒΑΙΑ Θηβαία. 


Wegen Ἰσμηνίχα s. XLII Rhang. Nr. 2141. Δάμων: SIB. 8.211". 

Das nächste Stück bei Rhang. Nr. 1802 ᾿ἀντίκλεια ᾿Απολλοδώρου 
ϑυγάτηρ, Θηβαία befindet sich schon im ClG. 853 Bd. I S. 522^. 

Ueber Rhang. Nr. 1803 Γαλάτεια Avolvov oder Avoıvixov Θηβαία 
und über Nr. 1804 (wiederholt Nr. 2424) Εὔκαιρον Σωφίλου Θηβαία 
habe ich in den epigraphischen Excursen (Jahrb. f. class. Philol. Suppl. II 
S. 373) gehandelt. Zu Σώφελος s. oben Nr. XXXVII ὁ 2. 

Ein Grabstein ebenfalls einer Θηβαέα zu Megara wird von Conze 
im Philol. XIV S. 153 erwähnt. Doch konnte sich dieser des (weiter nicht 
begründeten und kaum glaublichen) Verdachtes einer Fälschung nicht er- 
wehren. Der Stein trage die Namen Ξενίας 1 und Θηβαία. den weiblichen 
unter dem männlichen. Mindestens wird Zevies 

Θηβαία 
zu lesen sein. Zevsag war neben Ξξενίς (s. Pape) bräuchlich, wie Νικές 
und Νικιάς. ᾿Ασίς und Acıas, Δυκαμβίς und “υκαμβιάς, Lobeck path. 
prol. S. 464. Zeviag aber steht zu Ξενίας wie Νικεάς zu Νικίας. 

Rhangabis gibt Nr. 1424 S. 850 den vorher durch Ross Demen von 
Attika Nr. 64 S. 65 veröffentlichten Grabstein 


ANTIKAH£ ᾿Αντικλὴς 
. AEo£OENoY ΚἸλεοσθένου 
ΒοΙΩΤΙΟΣΧΑΙΡΕ Βοιώτιος χαῖρε, 


und ist mehr geneigt Βοεώτιος nicht für ein attisches Demotikon zu hal- 
ten, was Ross a. Ü. wenigstens unbestimmt gelassen hatte. Auch mir 
scheint Βοιώτιος gerade so viel wie Βοιωτός zu sein (SIB. S. 54); vgl. 


398 


602 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


noch Rhang. Nr. 701, 1 Bd. II S. 293 in Megara: ἐπειδὴ 4ιοτέλης "Agyı- 
dauov Βοιώτιος εὔνους ἐὼν διατελεῖ καὶ εὐεργέτης τοῦ δάμου τοῦ Me- 
γαρέων xvÀ.; oder Lebas Nr. 29, 1 S. 9 ebd.: ἐπειδὴ ᾿4γαϑοκλῆς ᾿άρχι- 
dauov Βοιώτιος εὔνους d. δ. κτλ. "Ayadoxing ist in Böotien sattsam 
bekannt, 518. S. 205", oben zu Nr. XL «18. Rhang. Nr. 2124. ᾿Αρχίδαμος: 
SIB. 5. 209°. 

Im arch. Anz. 1855 Nr. 79—81 S. 75* veröffentlicht, gleichzeitig mit 
Vischer epigr. u. arch. Beitr. S. 67 Nr. 72 Taf. VII 4, v. Velsen diesen 
Grabstein, der sich an der Scala von Oropos befindet, Nr. 1: 


ENZOYZA Σώζουσα 
ΦΙΛΟΚΡΑΤΟΥ Φιλοκράτου 
ΩΡΩΠΙΑ «δ οωπία. 


Hiervon ist Zofovca häufiger als man aus Pape schlieszen möchte. Die- 
ser führt nur das attische Schiff aus Bóckhs Urkunden XVII* 90 an; s. 
aber Meineke com. Gr. V S. CCXX. CIG. 5414 Bd. III S. 1243. Anal. epigr. 
el onom. S. 199. Φιλοκράτης: SIB. S. 930*. 

Ebd. ist Nr. 2, auch bei Bursian Ber. d. sächs. Ges. d. Wiss. 1859 
S. 112: ONAANHOAYKPATOY — IIoivxoarov: SIB. S. 225. 

Ebd. S. 76* Nr. 6 zu Skimatari bei Tanagra üher der Reliefplatte 
eines Mannes, bei Bursian a. O. S. 113 

EnIZOIA ἐπὶ Ζωΐλ[ω, 

s. SIB. S. 214°. Von Velsen liest a. E. X für A. Ein Name Zoiyos 
Scheint jedoch nicht vorzukommen. 

Ebd. über dem Relief einer Frau, Bursian a. O. 

ΕΛΕΝΗ “Ἑλένη. 
Der zweite Gewährsmann, dem ich auch das € statt E entnommen habe, 
merkt an, dasz von der Inschrift blosz dieser Name jetzt noch leserlich 
sei. Derselbe erwähnt a. O. noch ein Grabrelief, dessen sehr verwischte 
Inschrift nur diese Buchstaben erkennen liesz: 
MOIM.I®OIM... 
Φιλο]ποίμ[ην] Ἰφϑίμ[ου. 

Aus den bóotischen Titeln, welche Vischer in den epigraphischen 

und archäologischen Beiträgen bekannt gemacht hat, hebe ich folgende 


heraus: ͵ 
Nr. 52 S. 50 an der Kirche des h. Georg zu Karditza /Akraiphion) 
KAMIAIHXPHZTH Ko[AAJZ[v]y χρηστὴ 
ΧΑΙΡΕ χαῖρε; 


so der Herausgeber, vielleicht richtig. 
Nr. 53 ebd. in Kopä auf einer zierlichen Stele, Taf. VI 8 
MATPOANPOZ μἜηα]ερόδωρος. 
Μητρόδωρος ist bekannt, s. Pape. 
Nr. 55 S. 51 auf dem Fuszboden der Kirche des h. Elias in Topolia 
(Kopä;, bei Lebas Nr. 594 S, 129 Acréphie: 


- 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 603 
AYZRN “Μύσων 
ΧΑΙΡΕ χαῖρε" 
ΕΤΤΑΦΡΑΧΡΗ ᾿Επαφρᾶ χρη- 
ΣΤΕΧΕΡΕ στὲ χέρε. 


Z. 1 ἃ. A. Lebas A statt A, Z. 8 a. E. Χ. ΠῚ und Z. 4 a. A. E für E. Av- 
cov ist im bóotischen Namenschatz nachzutragen. 'Exego&g: zu XLII 
Rhang. Nr. 2179. χέρε: XLIII Lebas Nr. 771. 

Nr. 51 S. 48 in der Vorhalle der Kirche des h. Lukas zu Theben: 


AOZAI 
TII 
ENTIMIOZ Σ]επτίμιος 
NENOZTP Mevoote[arog 
δ KYPIOYYD κυρίου. 


Vischer führt zum Schutze von Μενόστρατος für Meviorgerog aus Pape 
Mevoxins an, Münze von Apollonia Mionnet Suppl. Ill 316, und Mevo- 
φιλος ClG. 2466° Bd. II S. 377, wo die Variante ΜΙΝΟΦΙΛΟΣ auf Mn- 
νόφιλος deutet. Welcher Verlasz auf jene Münze sei, steht dahin. Auch 
fragt sich, ob nicht etwa -uevog vg- zu lesen ist. Bei Lebas Inschr. von 
Olvmos Nr. 332, 1 S. 109 wird zwar MENOTIMOY Mevorluov gelesen, 
doch war das ursprüngliche am Ende M[n]|vorikov. 

Aus Akräphion hat Lebas Nr. 584 S. 123 noch folgendes Bruchstück; 
dem sich wenigstens einige Eigennamen abgewinnen lassen: 


Yt 
ONIO£ANZOE MNAZAPXIAAZ 
TIZKONK Q.DOAAQNIO£ 
AIOY£O AATIPITQNNA 
5 O.12NOTIOIA..O ZzIIOITONAIO A 
z XMQ AMRI 


A 


Col. 1 Ζ. 2 ist vielleicht av[£]$e[o«v anzuerkennen. Col. IIZ. 1 Μνασαρ- 
χίδας. Z. 2 AjmoAlwvıos, Z. 3 Κα]λλ[ιγε]ίτων, 518. S. 217 ". 

Ein metrisches Epitaphion aus Kopä ist in zwei so mangelhaften 
Abschriften mitgeteilt, dasz eine Ilerstellung des ganzen kaum möglich 
ist, Lebas Nr. 605 S. 131 und Rhang. Nr. 2216 S. 935: 

KQTTAIO*ITTIIOI . . OBATA®. NENOAA 

MAZITTIOON ZRNHIKOYOEN 
EIAEME ΙΕΣΙΣΗΣΙ.Δ 
EIZIAIN 
Z. 1 hat Lebas a. Δ. AIOYITT 2101. . 2, Z. ἃ ohne Lücke ΟἿΣ: Z. 3 hal 
er allein das Punctum, vor dem letzten A. 
Koneio[s] In[m]w|v εἰσέϊβα véglo]v ἐνθάδε, 

πᾶσιν π]ο[ϑητὸὶς - - - - 
Ἵππων: SIB. S. 216^. Der Verfasser konnte auch setzen Κωπαῖος Ἵππων 
ἐνθάδ᾽ εἰσέβη τάφον. Rhang. schreibt ποϑεενός,, was ich, wenn die 


604 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


Lücke wirklich grosz genug ist, gern vorziehe, CIG. 805, 4 Bd. I S. 518 
μητρὶ φίλον xai πατρὶ κασι[γνήταις τε ποθεινὸν] πᾶσ! e ἑταίροι- 
σιν. Nr. 930 S, 533 Γοῦργος χρυσοχόος κεῖμαι πολλοῖσ[ι) ποθεινός, Nr. 
939 S. 535 Anwig δρηστοσύνῃσι κεκασμένη, οἷσι ποϑεινὴ | Donau 
νοις. Zu jenem s. den Titel aus Chàroneia Nr. 1667 S. 801 (SIB. S. 193), 
welchen Lebas Nr. 806 S. 166 so copiert hat: 


XAIPOICCWTHP χαίροις Σώτηρίε 
KAIENONHTOIC καὶ ἐν Bvmoiolı 
TTOOHTE ποϑητέ, 


bei welchem etwas mangelhaften llexameter es wol verbleiben musz. 


Ein längeres Bruchstück , welches Ross in der Mauer einer Kirche 
zu kakosi (Thisbe) am 17 Juli 1833 copiert hat, füge ich wegen eines 
Monatsnamens hier an: 


YI CKOIKAIA 
OINAITPA9€F () . ENE 
AITFNNOCONITATOY$OPOY 
ETEAPXOYCINKAIAEKAT. 
5 TINNPOCOAONTMEI 
ATOYTO.IOY T€AC 
ANECINTOY$OPOYTONMPOT@N 
AQCCEITONeOPONTONETHCIONTO 
AAAAK O MENAIOYTIMENTEKAIAEK 
10 AONYMEYOYNOIECONTAIONOYKE 
TAENACMHOYTEYCAITOTEXWPION 
CTPATH OI AIONYMNECTHTEAECEI 
AC. ..€CIA€OY TEYCEIEN.'EPOCOQCC 
*OPON/AHIIPAT TeCoQnInPACKECOQ) 
15 TEYMENONENITW@TINMENTEIMAHNT 
A€* OPONDnANOCTEAECICOAIKAOCKACTO 
AOFHCENCYFXQPOYJ/AE€NOY TQ) MPIAA 


lOYMONOY AAJABANETQ AE 
€I/A€ENTOITICeQPAOECIHOYTEYCACT 
20 OMENWTWNIOÄEITWNENITW 
TOCOYTONOCON _ 
INIAPATO 
Was ich hiervon zu erkenuen glaube, beschränkt sich auf nachstehendes: 
2.23 — γραφέϊτ]ω ----- - 


κ]αὶ τὴν ποσόΪτη)τα τοῦ φύρου - - 
- τοῖο] τε ἄρχουσιν καὶ δεκατ[ευταῖς 
5 -- yp πρόσοδον τὴν ---,͵,- 
ἄνεσιν τοῦ φόρου τῶν πρώτων - - 
δώσει τὸν φόρον τὸν ἐτήσιον τοῖῦ - - - τοῦ μηνὸς τοῦ 
᾿Αλαλκομεναίου τῇ πεντεκαιδεκάτῃ -- - — πρόσο- 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 605 


10 dev, ὑπεύθυνοι ἔσονται ὦ ὧν οὐκ ἔΐλαβον - - - - 
--- μὴ [p]vretGas, T0 τε χωρίον - - - - 
στρατηγοὶ [sje € ὃν ὑπέστη τελέσει -- -- - 
- - - εἰ δὲ φυτεύσει v μέρος ὡς - — - 
φόρον μὴ πραττέσϑω, πιπρασκέσϑω - - - [πεφυ- 
15 τευμένον ἐπὶ τῷ τὴν μὲν τειμὴν ------ «- 
δὲ φόρον παντὸς τελεῖσϑαι xoc ἕκαστοῖν ἐνιαυτὸν - - 
- - - συγχωρουμένου τῷ πριαμένῳ ----- 
--- - λαμβανέτω δὲ - - - - - - - , - - 
εἰ μέντοι τις φωραϑείη [plvrevoag τ[ὁ 0 χωρίον - - - 
40 - - ομένῳ τῶν πολειτῶν ἐπὶ τῷ [ἡμίσει - - - - 
-- - - - τοσοῦτον 000y - - - - - - - - 


Offenbar ein Contract zwischen der Commune Thisbe und einem Privat- 
manne, welcher von dieser ein óffentliches Grundstück gepachtet halte, 
vgl. Bóckh Staatshaush. d. Ath. 1 S. 414 ff. und, um einige Actenstücke 
gleiches Inhaltes zu erwähnen, CIG. 93 Bd. 1 S. 132. 103 S. 141. 104 
S. 149. Bóckhs Inschr. von Delos in den Abh. d. Berliner Akademie 1834 
S. 23 ff. 

Der Z. 9 erwähnte Monat ‘AAcAxoueveiog heiszt bei dem bisher 
einzigen Gewährsmanne Plutarchos, Arist. 21, wo er dem attischen 
Μαιμαχτηριών gleichgestellt wird, ᾿4λαλκομένιος. Wie als Ethnikon 
beide Formen im Gebrauch waren (Steph. Byz. u. AAolxoué£yiov), so 
musz wol ein gleiches für den Monat zugestanden werden. Dieser ist 
nach der doni ᾿Δλαλκομενηίς (Lobeck path. prol. S. 470. Gerhard gr. 
Myth. $ 247, 1. Preller gr. Myth. I? S. 170. Welcker gr. Gött. 1 S. 316, 
81. Lauer System d. gr. Myth. S. 322, 1325) benannt, K. F. Hermann 
griech. Monatskunde S. 44. Neben ihm hatten nach Bergks Vermutung 
(Beitr. zur griech. Mon. S. 10) die Bóoter noch einen auf dieselbe Göttin 
zurückweisenden Monat Ἰτώνιος, CIG. 1608* 1 S. 782 

MIINOZ..... T&..IOZ..PAAIONYZIOZ... 

uln]vos [Πτοω[ν]ώ[υ τριακ]άδι [ Ar]ovvoros. 
Z. 13 sind die στρατηγοί beachtenswerth, s. SID. S. 114. Z. 19 ff. war 
"eine Bestimmung über dem Anteil am Strafgelde gegeben, welchen ein 
Mitglied der Bürgerschaft erhielt, wenn es den Pächter wegen Bepflan- 
zung des Grundstückes mit Bäumen anzeigle. Statt ἐπὶ τῷ ἡμέσει kann 
auch ἐπὶ τῷ τρέτῳ μέρει gestanden haben. 

Endlich sei zweier Grabsteine gedacht, die ich in den Papieren von 
Ross ohne Angabe des llerkommens gefunden habe: 


(YAEIAA . Φ]υλείδαϊς 
ΚΛΕΙΔΑΟ Ευ]κλείδαο 
OEBAIO£ Θηβαῖος. 


Vgl. Thuk. 11 2. βοιωταρχοῦντες Πυϑάγγελος ὁ Φυλείδου καὶ Διέμπο- 
qoc, und 518. Nr. 1131 S. 6 Εὔμειλος Εὐκλείδαο. Die Genetivform und 
die Orthographie Z. 3 weisen auf ein ziemliches Alter hin. 


606 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


Neben diesem Grabsteine stehen die Abschriften dreier schon be- 
kannter Titel gleicher Art aus Kyrtones oder Korsia, SIB. Nr. LXII & é ἃ 
S. 173, welche ich wiederhole, weil die neue Copie der Buchstabenfor- 
men genauer wiedergibt : 


£$OAPIA£. EYOPANQP. AOANIA£. 
Zwischen Βὐφραάνωρ aber und ’Adavies ist ein vierter Name eingefügt: 
EYZION  Ew£ov, 
welcher bisher nicht bekannt war. 


Anmerkungen. 


1) Wegen der Stadt Ὀρόανδα s. Livius XXXVIU 37. 39. Plinius ». A. 
V $ 94. Forbiger llandb. d. alten Geogr. II S. 335. Die Einwohner heiszen 
sonst Ogoavdeis (Polyb. XXII 25. Oroandenses Livius a. O. 18 u. 19). 
Doch war auch nehen “αβρανδεύς die Form Aaßgevdnvos i im Gebrauch, 
Steph. Byz. S. 405, 7, und zudem kehrt Ὀροανδηνή in einer zweiten 
Inschrift wieder, wo sonderbarerweise beide Herausgeber abermals das 
richtige verfehlt haben. Denn auf dem bei Athen gefundenen Grabsteine 
Eph. arch. Nr. 765 S. 484 und Rhang. Nr. 1965 Bd. II S. 914 


ΘΕΟΦΙΛΗ Θεοφίέλη 
ΦΑΡΟΥ Φάρου 
OPOANAHNH Ὀροανδηνή 


liest Pittakis gegen die ganz unzweifelhaften Züge seiner Lithographie 
Θρυανδίνη unter Berufung auf Θρύαττα (verstehe Θρυανδα) in Lykien 
bei Steph. Byz.; der andere aber schreibt ihm nachirrend: “Une ville Oro- 
anda n'est pas connue. Je crois que ce peüt étre Θροανδινή. de Θρύανδα 
(οἴη. Θρυανδεύς) ville de Lycie. Dans la prononciation de ces villes 
barbares !' Y pouvait facilement alterner avec l' O.* Ob der Kreter 
Ὀροάνδης. welcher den kónig Perseus betrog (Plut. Aem. Paul. 26. Li- 
vius XLV 6) hicher gehöre, weisz ich nicht; in Papes Wörterbuch fehlt 
der Name, Der Typus -evóo aber ist bei Städtenamen in Asien ganz 
häufig. So finden sich, um das pisidische "Außlade (Steph. Byz.] .) we- 
nigstens nicht zu übergehen, in K arie n: ’AAaßavda (karisch ἄλα᾽ ἵππος, 
βάνδα" νίκη Steph. Byz. S. 66, 13), Auvvavdıig Böckh Staatsh. Il S. 671, 
Καρβασυανδῆς S. 694, Καρυανδῆς S. 696, Κυλλάνδιοι, Κυλλανδεύς, 
Κύλλανδος S. 701, Δάβραί (v)vda S. 698, Ayypınavöns, “ηψνανδῆς 
S. 108. Πασανδῆς S. 718, und in L ykien: ᾿Δρύκανδα, Θρύανδα und 
Οἰνόανδα. Steph. Byz. 

Der Name der gestorbenen Marelg bietet Anlasz zu einer Bemerkung 
über Formen auf -&c, die meines Wissens noch von niemand umfassen- 
der behandelt worden sind. Man hat aber hiebei zwischen rein griechi- 
schen und barbarischen Namen zu unterscheiden. Bei den Griechen kenne 
ich ein derartiges -ξἰς als orthographische Besonderheit nur an Frauen- 
namen, dergleichen die in den Anal. epigr. et onom. S. 131 angeführten 
sind: ᾿4ϑηναείς, ᾿Δρτέμεις (CIG. 2806, 1 Bd. II S. 525, wo Böckli ᾿άρτε- 
plc? setzt), Μητρείς (K. F. Hermann Gott. gel. Anz. 1847 Nr. 11.12 S. 117, 


608 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


und dagegen allg. Litt. Ztg. 1849 Nr. 223 S. 626), Σφραγείς. Σωείς. 
Hiezu treten noch Boenoaels, wenn CIG. 2049 Bd. ll S. 71 Κορνηλία Asv- 
κίου BPHZAEIZ mit Montfaucon zu lesen ist (Caylus BPHEALIZ , K. 0. 
Müller BPHEANZ); Ναεὶς Tugavvov γυνή attische Grabstele Eph. arch. 
Nr. 3627 S. 1874, Meoreic, Inschrift von Thasos bei Conze Reise auf d. 
Ins. d. thrak. Meeres S. 36, Tf. X 3 Φαῦστος Meoreidos προσφιλὴς χαῖρε: 
Χρυσαιεὶς ἡ μήτηρ in Soma bei Pergamon CIG. 3565, 2 Bd. II S. 869 und 
9285 Bd. IV S. 469, wo dieselbe Grabschrift ohne Bezugnahme auf die 
erste Herausgabe und ohne dasz der Name ausgeschrieben wäre (Xpvoa-s) 
wiederholt, richtig aber wegen des am Anfange stehenden Kreuzeszeichens 
als christlich erkannt worden ist. Dann gehören hieher ein paar verein- 
zelte Beispiele auf -&v: 1) CIG. 3221 Bd. II S. 742 in Smyrna: 


OAH ὃ δῆ- 

ΜΟς μος 
AYCEIN “ύσειν 
AEYKINNOY “ευκίππου. 


Hier hat freilich Bóckh nach K. O. Müller AYCCIN “ύσσεν geschrieben ; 
allein da Dorville AYZEIN und Heydan AYCEIN gibt, so ist die Endung 
-&v offenbar besser beglaubigt. Ich nehme daher jetzt mein früheres 
Bedenken Anal. epigr. a. O. zurück und halte Avssıv für eine Frau mit 
Hinweis darauf, dasz der Demos der Smyrnäer auch gestorbene Frauen 
oft bekränzt hat (3221, 5 MeAlrıov Ἐένωνος. 3223 S. 748 0 δῆμος IMo- 
τεμοῦν ᾿Απολλωνίου usw.), und mit Anführung 2) der beiden Landsmän- 
ninnen Aeon, CIG. 3167 S. 720 Apgav Σμυρναία Ord φωσφόρῳ εὐ- 
χήν. und "Angeıv 3978, 1 S. 157 Beßla"Angpsıv τὸ ϑωράκειον usw. Diese 
Formen scheinen aus den wenn auch noch nicht nachgewiesenen doch 
analogen "Arcpeıov und Appesov, was derselbe Name ist (Philol. II S. 469) 
durch Ekthlipsis entstanden, und ebenso könnte “ύσειν für Avasov, 
Avcıov gelten (vgl. die zahlreichen Frauennamen auf -40», s. Bursian zur 
Topogr. von Böotien und Euböa in den Ber. der sächs. Ges. der Wiss. 
1859 S. 199, 16, der nur Hóvr:ov nicht anzweifeln durfte). Endlich wird 
3) hieher die Form Στρούϑειν zu beziehen sein CIG. 4926, 1 Bd. 1Π S. 433 
auf der Insel Philä: 


ZTPOYOEINOKI Στρούϑειν ὁ κί- 
NAIAOCHKQ vardog ἥκω. 


Wir können hier die Vermutung von Franz, vielleicht sei CTPOYOGN 
das echte, füglich auf sich beruhen lassen. Σερούϑειν ist 8. v. a. Zreov- 
ϑειον, Στρούϑιον: vgl. den Sklaven Paegnson bei Plautus capt. v 3,7 
und die auszerdem von Lobeck path. prol. S. 615 nachgewiesenen ' Eeei- 
110v und Navvagsov zur Bezeichnung von Lustknaben. Wie amgemessen 
aher, um dies gegen einen etwaigen Zweifel an der Gräcität des Wortes 
nicht unbemerkt zu lassen, ein Kináde Spatz genannt wurde, leuchtet 
ein, da ja dieser Vogel der Aphrodite heilig war: Sappho I 9 κάλοι δέ σ᾽ 
γον ὥκεες στρουϑοί, Hesychios u. στρουϑός. Preller griech. Myth. I 
S. 291 Anm. 1. Engel Kypros Il 8, 104. Welcker gr. Götter. U S. 717. 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 609 


Von Masculinis auf —&ic statt -s0g habe ich mir einen einzigen sichern Be- 
leg angemerkt: CIG. 2322 ὁ °' Bd. II S. 1049" — Lebas Rhenée Nr. 9016 
S. 452 

KOINTOCNONNEIC (NQNNEIC Lebas) 

XPHCCTEXAIPC 

Koivrog Νόννεις, 

χρηστὲ χαῖρε. 
Denn dasz Böckh hier nicht Νόννει[ο]ς ändern durfte, erweist die Ab- 
bildung des Grabsteins, welche L. Stephani nach eigner Zeichnung (der 
ausruhende Ilerakles Tf. VII 1 vgl. S. 47, Z. 2 XPHCTE wie Lebas) ge- 
gegeben hat. Auf ein zweites Beispiel, welches vielleicht hieher bezogen 
werden kann, lege ich selber kein groszes Gewicht, mag es aber wenig- 
stens nicht unberührt lassen. Im CIG. 3976 Bd. III S. 59 findet sich nem- 
lich: AYPFAEICB. CYMAXOYEICTOYCDPOFON. C, wofür Franz Ave. 
Trası[os] Συμ[μ]άχου εἰς τοὺς προγόν ουἸς geschrieben hat. Vielleicht 
ist jedoch zu lesen: Ave. Γάεις B [ΕἸὐμάχου d. i. Ave. Taıog Γαΐου 
τοῦ Eunayov, so dasz auch der Groszvater angegeben wird, Franz CIG. 
Bd. lI S. 1163". Γάειος für Γάιος auch Nr. 6898 Bd. IV S. 28. — Denkbar 
wäre übrigens noch eine andere Entstehungsart dieser Formen auf -ξες 
für -sog und -&v für -:0v. Wenn nemlich Schreibweisen wie Adyvazls, 
᾿Αρτέμεις, Νναείς kaum anders zu erklären sind, als dasz man ein Ein- 
reiszen des Diphthongen auch für kurzes lota hier wie sonst (xvoela, 
ἡρώειον, ᾿Αδρειανός, Εἰούλιος, Μαρκειανός. Eullsiog, ὑειός u. dgl.) 
in der spätern Zeit zugibt, so könnte mit gleicher Dehnung Novveıg aus 
Novvios, Növvis, und ein “ύσειν aus Avcıov, “ὔσεν hervorgegangen 
sein, indem die Verkürzung, auf τς und -ἐν das Mittelglied bildete. Vgl. 
“πημήτριος Δημῆτρις, ᾿Μπώνιος ’Anavıs, ᾿Ἐξλευϑέριον Ἐλευϑέριν, Φι- 
λημάτιον Φιλημάτιν u. dgl., was in unendlicher Fülle vorkommt, Ross 
rh. Mus. IV (1846) S. 185. Mullach Gramm. der griech. Vulgarspr. S. 157. 
Was schlieszlich die Betonung angeht, so habe ich oben ᾿Αρτέμεις für 
Böckhs 4oreuefc gesetzt, da dies an Formen wie Νηρεῖς. Φινεῖς u. dgl. 

beck path. elem. I S. 261 Anm. 39) keine Stütze hat. Eine Sklavin 

“ἔρτεμις (Diog. Laert. III 42) ist längst in den Anal. epigr. S. 95 nachge- 
wiesen: ich füge statt der Diuna, welche Vischer “über den Gebrauch 
der Heroen- und Gótternamen als Eigennamen von Sterblichen? in den 
Verhandlungen d. 10n Vers. deutscher Philologen (Basel 1848) S. 83 nach 
Walz im Philol. I S. 548 zuthut, lieber ein paar andere griechische Be- 
lege bei: Rhang. ‚Nr. 1968 Bi. II S. 914 “Ἄρτεμις ABvon, CIG. 2569, 1 
Bd. Il S. 4934. ἡ Σαλουΐου ϑυγάτηρ (auch bei Pape), um auf Nr. 2568, 
2 S. 433 AAPKIAAPTEMIEIX [M]eQxía ᾿Αρτέμεις (?) kein Gewicht zu 
legen, wiewol Χουρμούξη in den Κρητικά (Athen 1842) S. 75: AAPKIA 
..APTEMEIC., also wol A1]agxıavn ᾿Αρτέμεις., liest, und mit dem Diph- 
thong: Aordusıs aus den pisidischen Titeln CIG. 4366 k 1 Bd. ΠΙ S. 179, 
4366 11 ebd., Nr. 4367 ὁ 1 S. 184. Dort ist auch ᾿Δρτέμει als Dativ, ergänzt 
Nr. 4866 m 5 Ss. 180 neben 4gz£u Nr. 4366 u 13 S. 181. Dasz noch heutzu- 


610 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


tage”Aoreusg und "Mersu auf Aegina übliche Frauennamen sind, bezeugt 
Pittakis Eph. arch. S. 1477 N. 1. 

Die andere Classe für sich bilden die Barbarennamen auf -ssc. Sol- 
che sind 1) auf pisidischen Inschriften im Nominativ der Mannsname Ὀσαείς 
Nr. 4366 o 16 S. 182, ebd. 58. 67. 83 (und Nr. 4367 B 4 S. 184) neben 
Ὀσαίς 79, im Genetiv Ὀσαεί 30. 50. 70. 82. 85 und Nr. 4367 B 3 und 
Nr. 4367 42. 3 S. 185 oder Ὀσσοαεί Nr. 4366 ὦ 11, im Accusativ Ὀσαείν 
Nr. 4367 d 3 S. 184, und das unvollständige Nomen -αδαδεὶς Ἡρακλείδου 
Nr. 4366 o 20. 2) in Phrygien die Frau Τατείς Nr. 3827 ia ἃ Bd. II S. 
1053". Nr. 3827 aa a 1 S. 1056. Nr. 3827 dd c 2 S. 1057^. Nr. 3857 c 1 
S. 1086^, d. i. Τατίς Nr. 3857 $6 S. 1087*. 3) in Galatien die Baßels 
Nr. 4192, 4 S. 109 und die Σαμεατείς Eph. arch. Nr. 293 S. 266 


ZAMEATEIZ Σαμεατεὶς 

ΒΡΟΜΙΟΥ Βρομίου 

ATKYPANH ᾿Αγκυρανή, 
΄ 


denn so ist Z. 2 mit Ross statt BPOMYOY zu lesen. Hiezu vgl. CIG. 4039, 
93. 32 Bd. III S. 85 4Afiógi& "Arenopsiyog ((Ατεπόριγι Strabon XII S. 560 
u. das. Kramer). Franz trägt in den Add. S. 1110 die von Cavedoni (Bull. 
dell’ inst. 1847 S. 73) erwähnten Münzen der Aeduer mit DVBNOREIX 
und den Namen BODORIGI auf einem Sarkophag in Modena nach. Eben 
dahin gehören Cingetoriz und Vercingetorir, welche sicher auch ein 
langes lota gehabt haben. Doch über diese keltischen Namen erwarten 
wir weitere Aufschlüsse von H. J. Heller, der jüngst im Philol. XVII S. 
270 If. das Thema zu behandeln unternommen hat. 4) in Kilikien die Ka- 
"είς Nr. 4405,2 S. 200, der Jüngling Νίνεις Nr. 4412 52 S. 203 und Nr. 4413 
« | (beidemal im Acc. Niveıv), der Genetiv Níve Nr. 4412 a 6 und 4413 a 

1 und c 2; dazu die Männer Maze (Gen.) Nr. 4419, 1 und 4422, 1 S. 206 
md Zip (im gleichen Casus) Nr. 4426, 1 S. 207. 5) in Syrien: Σιλισεὶς 
ἡ μήτηρ Nr. 4419, 4 S. 212 und die αρϑειν (Acc.) Nr. 4506, 1 S. 236; 
dazu, die Männer ’AAsaldusıv (Acc.) Nr. 4479, 15. 295, Αἰ[λ]ιλάμει (Gen.) 
Nr. 4503, 4 S. 235, Βαρείχειν (Acc.) Nr. 481, 1 S. 226 und «Σοχαίεις 
Nr. 4505, 2 S. 236. 6) in Aegypten: Θανεὶς LI παιδίων ὃ εὐψύχι 

Nr. 4976 e 1 S. 1239, wohin von den Formen ’Avıoaels, "Hooxeic (vgl. 
CIG. 4687 S. 332), Θιλακλεῖς, die Sturz de dial. Maced. S. 136 aus der 
charta Borgiana citiert, wenigstens die erste sicher zu rechnen ist, 
und der Nubier Ὀρσεντουάξεις CIG. 5018, 1 S. 470 (Ψεντούαξις 5034 
S. 473). 7) Zuletzt berühre ich die mäotischen Männernamen, wo aber 
Böckh für -&g vielmehr - εἴς geschrieben hat: Zoßeis, Acseis u. dgl., 
"IG. Bd. ITS. 1115, Naeis Nr. 2096 ^ 1 S. 1000*. 

Ein weiterer Verfolg dieser Untersuchung wird sich auf die Les- 
arten der Handschriften zu erstrecken haben. In diesem Bezug begnüge 
ich mich gegenwärtig zu erwähnen, dasz Tischendorf dem Neuen Testa- 
mente nach den IIss. Formen wie Pevırueıv, Geutetv , «eig, AEVEIG, ἀχειμ 
wiedergegehen hat, s. edit. VII crit. mai. LS. LI. Im Alten Bunde finde 
ich bei ihm Jesaias 6, 2 Zepaplu (Var. σεραφειν) und Χερουβίμ Psalm 
17 (18), 11. 98 (99), 1 usw. (Var. χερουβείν). ---- Ich bemerke übrigens 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 611 


noch, dasz die vorstehende Anmerkung längst niedergeschrieben war, 
bevor mir Ritschls lehrreiches Programm zugieng: “de declinatione qua- 
dam Latina reconditiore quaestio epigraphica? (Bonn 1861). 

Ob der Vater der Mateis Βαράκης oder Bagaxog geheiszen, läszt 
sich nicht sicher entscheiden. Schon im Altertum wie heutzutage ist die 
Zahl der Bildungen auf -axng bei den Griechen wie bei den Barbaren 
grosz: Lobeck path. prol. S. 312. 521. Ross inser. Gr. ined. IE Nr. 173, 3 
Σειμάκης S. 59, Mullach Gr. d. griech. Vulgarspr. S. 171, Pott Personeu- 
namen S. 565, Χουρμούξη Κρητικά S. 33 (Ζερβυυδάκης, Hovvadazxıs, 
Σιφάκης, “Λουτξάκης; ᾿Ανδρεαδάκης), Βαδάκης in Olbia CIG. 2074, 7 
Bd. II S. 135; Οὐαπαδάκης, Σπαδάκης u. a., Böckh S. 1135, während 
z. B. "Apdagaxov (Stephani Antiq. du Bosph. Cimm. Nr. LXII 17. LXXII 6. 
LXXIII 4) und Φοργαβώκου (ebd. LXIII 10) und Mevexov (ebd. 20) auch 
-og gehabt haben können, s. 'ναύακος ebd. 20. Ein gleiches gilt von dem 
pisidischen Zuuaxov CIG. 4367 B 25 Bd. Ill S. 184. Mehrere griechische 
Namen mit der Endung -axog sind Anal. epigr. S. 63 Note 1 verzeichnet; 
Taraxos CIG. 3846 Ὁ ?? Bd. III S. 1076°, in Phrygien. Den Femininis auf 
-ἄκη bei Lobeck a. O. reihe ich die zx» an, Rhang. Nr. 1981 S. 915: 


ADAKH "Anaxq 
MENANAPOY Μενάνδρου 
DEP£I£ Περσίς. 


3) Bursian bemerkt in der arch. epigr. Nachlese (Ber. d. sächs. Ges. 
d. Wiss. 1860 S. 226) zu der Inschrift Eph. arch. Nr. 2235, 10 S. 1158 
ἹΜενεκράτης Teleopogov Φιλάδης, dasz dieser Ephebe höchst wahr- 
scheinlich ein Sohn des TeA&opogog Mevexo|arovs Φιλαΐδης} ClG. 273, 
11 Bd. 1 S. 379 sei. Ebd. S. 225 Nr. 20 wird nach Pittakis die verkürzte 
Form Φιλαδὴς mit CIG. 425, 10 S. 455 belegt. Das audere als unrichtig 
bezeichnete Citat bei Pittakis: CIG. 141 ist in 191, 6 S. 328* wnzuändern. 
Ueberdies findet sich die Kürzung, welche von den neueru (Leake, Wester- 
mann, Ross, Grotefend) unbeachtet geblieben ist, auch Eph. arch. Nr. 2603, 
8 S. 1297. Vgl. ähnliches bei Lobeck path. elem. I S. 280. Ich kann 
auszerdem mit Bursian nicht übereinstimmen, wenn er den Anfang des 
Titels Nr. 2235 
XHI 
VNPPIANOXY.TIAIANIEOL 
NIEYONT9£AOHNAIOXY 
LILTPEMMANEOHKEN 
5 TWNIAIWNDAEMAPXOEATIOA 
AOSANHLLYNEO9HBWN X 
folgendermaszen hergestellt zu haben glaubt: 
Aya81 cvi 

ἐπὶ ἄρχοντος KA. ᾿ΑΠρριανοῦ Παιανιέος 

κοσμητ! Ἴεύοντος ᾿᾿ϑηναίου, 

τὸ σὺ Ἰστρεμμ[α] ἀνέϑηκεν 
9 ἐκ) τῶν ἰδίων. Πολέμαρχος ᾿πολ- 

λοφανὴς [τὠν ] συνεφήβων. 


612 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


Zu diesen Einschiebungen in den Text liegt kein genügender Grund vor. 
Nicht das Systremma hatte ein Weihgeschenk dargebracht , sondern der 
Polemarch Apollophanes, welcher Z. 7 als der erste in der Liste steht 
(A. Εὐφήμου Σφήττιος), stiftele die Tafel mit den Namen seiner Syne- 
pheben und liesz in einem poetischen Anflug von vorn herein zwei dak- 
tylische Hexameter einflieszen, deren erster freilich eine Silbe zu viel hat: 


κοσμητεύοντος Adnvalov, σύστρεμμ᾽ ἀνέϑηκεν 
τῶν ἰδίων πολέμαρχος Anollopavng συνεφήβων. 

Vgl. CIG. 268, 1 Bd. I S. 371 nach E. Curtius Ὁμωνύμου παῖς εἰμὶ 
κλεινὸς ᾿Αρχικλῆς, κοσμητὴς ᾿Αρχικλῆς ᾿Αρχικλέους Ζακκιάδης. Nr. 
27011—2 S. 375. Dasz aber der Titel πολέμαρχος gleichbedeutend mit 
dem eines συστρεμματαάρχης sei (Bursian S. 226), möchte wenig Wahr: 
scheinlichkeit haben. Der πολέμαρχος wird über dem συστρεμματάρχης 
gestanden haben. Zu dem, was Bursian sonst mit gelungener Besserung 
zweier attischer Titel CIG. 285, 3 u. 974 5 7 Bd. 1 S. 395 u. 910) über 
σύστρεμμα und συστρεμματάρχης beigebracht hat, füge ich nur dies 
hinzu, dasz Meineke exerc. in Athen. I (Berlin 1843) S. 10 bei Hesychios 
u. Ὀροῦα Bd. III S. 222 Schmidt emendiert: χορδή καὶ σύστρεμμα πο- 
λετικόν; εἰς ὃ Ἐπιχάρμονυ δρᾶμα für σύντριμμα. Der Archon aber, 4e- 
esavog Παιανιεύς, ist in Meiers Katalog comm. epigr. S. 82 und bei 
llermann griech. Staatsalt. S. 572 nachzutragen. 

3) Die Copie L. Stephanis, nach der allein dieser orchomenische 
Titel von mir herausgegeben ist, hat Z. 3 TPEAN, was zu ergänzen mir 
damals nicht glückte. Später fand ich dasselbe Stück in der Eph. arch. 
Nr. 817 S. 507, wo Pittakis aus dem auf der Lithographie noch ersicht- 
lichen Reste das volle Omega erkannt und 9o]oe«v hergestellt hat. Der- 
selbe Rest ist dann auch in der Abschrift von Lebas Nr. 620 S. 135 aus- 
gedrückt. Der Ausdruck γυμνασιαρχεῖν δωρεάν selbst deutet darauf hin, 
dasz der Gymnasiarch in Orchomenos sonst von der Gemeinde zur Be- 
streitung des nöligen Aufwandes wenn nicht die vollständigen Mittel, 
doch etwas erhielt, wie z. B. das Oel an mehreren Orten Griechenlands 
den Gymnasiarchen geliefert wurde, Bóckh Staatsh. II S. 611. Vgl. SIB. 
Nr. VII b. 1 S. 54 = Lebas Nr. 449 S. 94 γυμνασιαρχοῦντος ἐκ τῶν 
(oiov. 

4) Ein anderer griechischer Titel, welcher hier noch in Betracht 
gezogen zu werden verdient, ist der tegeatische CIG. 1522 Bd. I S. 705: 


a b 
TONETTIPANE TONMEFICTON 
CTATONKAICA KAIOCIOTATON 
PABAACPION AYTOKPATOPA 
OYAAEPION: @AABIONOYA 

δ KOCCTANTION AEPIONK@NC 
HTTIOAIC TANTEINON 

EYCEBHEYTY 

XHCEBACTON 


HTTOAIC 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 613 


a) τὸν ἐπιφανέστατον Καίσαρα [ΦλάβἼ)ιον Οὐαλέριον Κ[ων]στάντιον 
ἡ πόλις. 

b) τὸν μέγιστον καὶ ϑειότατον Avtoxparo Φλαβιον Οὐαλέριον 
Κωνσταντεῖνον Εὐτυχῆ Εὐσεβὴ Σεβαστὸν ἡ πόλις. 


Bóckh bezieht die Aufschrift a auf Constantius Chlorus; Constantius, der 
Sohn Constantins des groszen, kónne darum nicht verstanden werden, 
weil dieser Flavius Iulius genannt gewesen. Dasz jedoch dieser Grund 
nicht ganz stichhaltig ist, geht aus dem oben im Text beigebrachten her- 
vor. Nimmt man hinzu, dasz beide Titel auf demselben Steine befindlich 
sind und der in ὁ geehrte nach Bóckhs gewis zutreffender Deutung Con- 
stamtinus der grosze ist, so scheint es natürlicher, den Flavius Valerius 
Constantius in a als dessen Sohn aufzufassen. Endlich folgt aus 5 5 
K@NCTANTEINON nicht mit Zuverlässigkeit, dasz a 5 für KOCCTAN 
TION Κ[ωνἼσταντιον ergänzt werden müsse. Wahrscheinlicher ist viel- 
mehr nach den überlieferten Zügen K{o]eravrıov. Denn dasz die Stein- 
metzen in der Orthographie nichts weniger als consequent waren, geht 
aus dem nicht seltenen Schwanken auf éinem und demselben Stein hervor. 
Vgl. das zu Nr. XX über προστάτας und προσστάτας erinnerte. 

5) Hier musz jedoch der Beleg aus CIG. 2364, 2 τῷ ᾿Απόλλωνι ’Agı- 
σταίῳ gestrichen werden, da die richtige Lesart vielmehr TOIAPOAAQ 
NIAEKATHN ist (Add. S. 1071". Franz Bd. IV S. 14*. Lebas Céos Nr. 
1761 S. 393). Demnach hat es vorläufig bei einem Ζεὺς Agıaraiog sein 
Bewenden, Welcker gr. Gött. I S. 486. Uebrigens finden sich in schlech- 
ter Gräcität, auf Grabsteinen in Italien, freilich auch Verbindungen wie 
τῇ μητρὶ ἀξίᾳ CIG. 6454, 4 Bd. IlI S. 966", τῇ μητρὶ γλυκυτάτῃ Nr. 6518, 
3 5. 976, τῇ ϑυγατρεὶ αἰμνήστῳ Nr. 6536, 1 S. 980", τῇ ἑαυτοῦ συμβίω 
χρηστοτάτῃ καὶ γλυκυτάτῃ S. 985. 

6) Die von σώξω und σωτήρ abgeleiteten böotischen Namen von 
Männern und Frauen haben sich seit dem Erscheinen meiner Sylloge ge- 
mehrt: 1) £AQ£I£ Σαωσις, vermutlich s. v. a. 204g, Grabstein bei 
Thespiä Rbang. Nr 2092 c S. 1025. 2) Σώδαμος in Theben Rliang. Nr. 
1817, 1 S. 835. 3) Σωκλίας in Kopä, wenn bei Lebas Nr. 600, 15 ZOKAIA 
OEO9ANEIOZ (Bhang. Nr. 1315, 15 S. 884 ZOKAIA) so herzustellen ist. 
Namen auf -κλέας s. bei Ahrens dial. Dor. S. 560 ff. 4) Σωκράτης in 
Theben, Rhang. Nr. 1316 I 18. 19 S. 835 = Lebas Nr. 493 117. 18. 5) 
Σώμηλος (Σαύμειλος SIB. S. 227*, nicht bei Pape), Tite] von Chäroneia 
bei Preller Ber. d. süchs. Ges. d. Wiss. 1854 S. 198 Z. 4 Θέων Σωμήλου 
“Μεβαδεύς. Derselben Heimat gehört Σαύμειλος an. 6) Σωσανδρος in 
Theben, Rhang. Nr. 2065 S. 923. 7) Zwoldauos, ein dem Sarapis zu 
Chàroneia geweihter Sklav aus Lobadeia, Preller a. 0. Z. 9. 8) Σωσι- 
κλῆς in Lebadeia, Lebas Nr. 762, 7. 14 S. 155 (ungenau Eph. arch. Nr. 
2408 S. 1207). 9) Σωσικράτης, ed. wo Nr. 8, Z. 26, welche in der Co- 
pie von Pittakis ausgefallen ist. 10) Σωσιλλα in dem heutigen Dobréna, 
Rhang. Nr. 2030 S. 921: €9KIAA 

XAIPE 
Doch liest der Herausgeber vielleicht richtiger ZaaxsAla von Zuxog, Lo- 


614 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


beck path. prol. S. 393. Vgl. denselben über Feminina auf -4ÀÀe ebd. 
S. 120. 11) Σῶσος in Koroneia, Lebas Nr. 70$ S. 149 — Eph. arch. Nr. 
2388 S. 1204. 12) Σωστρατος Νικηφόρου Θεσπιεύς, Sieger über die 
Knaben im Ringen und im Pankration, Preller Ber. d. sächs. Ges. d.Wiss. 
1852 S. 152 Z. 49 u. 61 — Eph. arch. 1317 ll 16. 28 S. 797. 13) Σωτη- 
eis, Lebas Nr. 749 S. 152 Coronée COTHPI 
XAIPE, 
falls dies nicht dieselbe Grabschrift ist wie die 518. Nr. LVII i S. 168 
CWTHPIXA 
XAIPE, 


die auch Pittakis Eph. arch. Nr. 2370 S. 1203 veröffentlicht hat. 14) Ze- 
tyioos. s. SIR. S. 192 zu GIG. 1667, jetzt auch hei Lebas Nr. 806 S. 166 
XAIPOICCOTHP 
KAIENONHTOIC 
NOOHTE 


Neuc Belege sind a) Lebas Nr. 762, 16 S. 155 in Lebadeia und δ) Σωτει- 
ρος. ebd. Nr. 491 1 19 S. 104 — Rhang. Nr. 704 S. 301, in Theben. Un- 
gewis hleibt Eph. arch. Nr. 3070 S. 1477 bei Thespiä (?) 

KAAOKAEA 

CWTHPO 
wo Σωτήρου, Σωτῆρος und mit Pittakis Σωτήρω oder Σωτηρώ vermutet 
werden kann. Der letzte Name ist in der ziemlich jungen Grabschrift 
15) Eph. arch. Nr. 2576 S. 1269 (Thehen) anzuerkennen: 


CWTHPW Σωτηρὼ 
OIAITITTOY Φιλίππου 
ΧΕΡΕ χέρε. 


Pittakis berichtet zu Nr. 3070 ἃ. 0... dasz noch heutzutage viele Frauen 
in Böotien diesen Namen tragen. 16) Zorwv, ein Tlıebaner, Lebas Nr. 
491 L 11 S. 104 — Rhang. Nr. 705 (ΞΏΤΩΝ ᾿Ζώτων). Dieser Name ist 
wo er noch sonst erscheint verdächtigt worden. a) CIG. 1800, 3 (8) Bd. Il 
S. 5 u. S. 683^, Leake trav. in north. Gr. Nr. 170, schreibt Bóckh Zoz[/]eov. 
b) Anth. Pal. IX 744, 1 ändert Meineke del. poet. anth. Gr. S. 137 Σώξων 
und lIecker comm. crit. de anth. Gr. I S. 118 stimmt bei. c) Titel von 
Samos,  Monatsber. d. Berliner Akad. 1859 S. 755 Z. 14 ZQTNRNOZ, Kirch- 
hoff 5. 756 Zwr[i]ovog. Musz nun aber schon dieses dreimalige Vorkom- 
men Bedenken gegen eine Aenderung erregen, so tritt auch die Analogie 
schützend hinzu. Denn von σωτός; was nach dem bezeugten σωτέος 
vorauszuselzen ist, oder von Σωτός (Σῶτοςλ wird Σώτων mit gleichem 
Rechte gebildet wie Agarov von Aguros, Γνώτων (Inschrift von Olymos 
bei Lebas Nr. 326, 5 S. 105 κατὰ δὲ víoOtalav Γλαύκου τοῦ Γνώτωνος) 
von Γνωτός oder Γνῶτος (s. Pape), Κρίτων von Κρίτος (Kolros Τεισα- 
νορος (16. 2448 II 25 Bd. II S. 363. wenn Φείδων ὁ Κρίτου Leonidas 
Tar. LXIX 2 in Meinekes del. P. anth. Gr. S. 42 auch unsicher sein mag). 
Κτήτων CIG. 2338, 69 Bd. ll δ. 270 von Κτῆτος. ὥαντων vun φαντός, 
Χαρτων CIG. 1393, 3 Bd. I S. 671 von Xagro; Ross Reisen u. Reiserouten 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 615 


I S. 9, vielleicht auch inscr. Gr. ined. IIl S. 6 Nr. 236, wo Aglotımmog 
XAITOY gelesen wird. 17) Zogilog, Rhang. Nr. 2424 S. 1022 Εὔκαιρον 
Zopliov Θηβαία (denn so musz mit Zuzieliung von Nr. 1804 gelesen 
werden, s. epigr. Excurse in den Jahrb. Suppl. II S. 373). Der Herstel- 
lung wartet endlich der Thebaner -ócgog ΣΩΦΙΛΡΙΔΙΟ bei Rhang. Nr. 
1318, 2 S. 836. 

7) Dasz auch heidnischen Göttern das Prädicat ἰσχυρός erteilt wird, 
sei hier blosz zweier merkwürdiger Inschriften halber erwähnt. Die eine 
aus der Nähe von Phanagoria CIG. 2119 S. 157, dann bei Dubois (Add. 
S. 1106”) und zuletzt bei Stephani Ant. du Bosph. Cimm. Nr. V, gibt Z. 2 
nach allen Copien 


ANEOHKEI£XYPQIOEIOIZANEPTI EIKAIAZ TAPAI 
ἀνέϑηκε ἰσχυρῷ Ferm Σανέργει καὶ dovaga —. 


Böckh liest ἐσχυρῷ ϑείῳ *valido et divino und erinnert gegen Köhlers 
Conjectur ἐσχυροῖς ϑειοῖς d. i. €coig, dies sei kein lonismus, wie jener 
glaube. Stephani verweist auf seine Tit. Graec. part. Ill S. 10, wo zu 
dem Titel von Neapolis Nr. IV 4 (CIG. 5816 Bd. Ilf S. 738) ETTTAETHIMEC 
COC ἑπταέτη" μέσσος — bemerkt ist: *lineola post ἑπταετῆ sculpta vel 
ex lapicidae errore addita est, vel ut interpunctionis signum esset. cf. 
ep. I. Boeckh C. 1. 214 et sexcentos alios titulos Demnach las er ohne 
Zweifel ἰσχυρῷ Deo. Meines Erachtens hat er hiemit das richtige in der 
Hauptsache getroffen; allein die Erklärung des |! langt mir nicht aus. Um 
zunächst das Epigr. 1 a. 0. S. 4 Z. 11, jetzt auch CIG. 6261 Bd. Ill S. 907, 
zu beseitigen, so ist schon von Franz in den Add. S. 1266" gegen die 
Lesung EPPETAIMEPMHPAIOYMAATEEC ἔρρε᾽ af μέρμηραι ϑυμαλγέες" 
eingewendet worden, dasz das auf dem Marmor anerkannt sichere T kein 
Irtum des Steinmetzen oder ein Interpunctionszeichen (Stephani S. 5), 
sondern ἔρρεται eine späte Schreibweise für ἔρρετε sei, also: ἔρρετε 
μέρμηραι ϑυμαλγέες, was lecker comm. crit. de anth. Gr. I S. 291 zu 
dem von ihm hergestellten αἴ μετ᾿ Ἐρώτων | χαίρετε κουφόταται δαί- 
μονες ἀϑανάτων, nemlich ἐλπίδες, Anth. Pal. VIE 420, ὃ vergleicht; vgl. 
noch ebd. V 72, I τοῦτο βίος, τοῦτ᾽ αὐτό" τρυφὴ βίος" ἔρρετ᾽ ἀνῖαι. 
Ferner in CIG. 214 Bd. I S. 345 kann Stephani nur die Schreibweise 
®IAOTIMEI || A£ Z. 96 f. φιλοτιμείας gemeint haben. Allein Pittakis, 
nach dessen Copie der Titel herausgegeben ist, hat jüngst eine herichtigte 
Abschrift veröffentlicht, Eph. arch. Nr. 3545 S. 1846, welche Z. 27 
ΦΙΛΟΤΙΜΙ bietet; der Anfang der nächsten Zeile war nicht mehr lesbar. 
So bleibt nur jenes ETTTAETHI selbst übrig, wo das lota dem Eta, wie 
sonst in den Handschriften und auf Inschriften aller Art, als ein Nach- 
schlag besonders am Schlusz eines Wortes zugesetzt ist. Dasselbe gilt 
von Qi: Jacobs Anth. Pal. ΠῚ S. 8. Ahrens dial. Dor. S. 571 oben. Ross 
rhein. Mus. VIl S. 519, ZOINAY THE Lobeck path. elem. 1 S. 445, um nicht 
mehr Citate zu häufen. Nacli dem vorstehenden waren daher nicht Ortho- 
graphien wie ἑπταέτης beizubringen, um OEINI für ϑεῷ zu erklären, 
sondern es muste der ebenfalls sehr hàufige Brauch angezogen werden, 
nach dem ΕἸ stalt E vor einem langen Vocal und auch sonst geschrieben 
Jahrb, f, class. Philol. Suppl, Bd. IV Hft. 4. 40 


616 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


ist: AEIHTAI δέηται. KEIONTAI κέωνται Franz el. ep. Gr. S. 159. 
AEIOQNTAI δέωνται Ross inscr. Gr. ined. II S. 42 Nr. 148, 14 = CIG. 
2374 d Bd. II S. 1073 == Rhang. Nr. 455 S. 150. MOAEINE πόλεως me- 
trische Inschrift von Priene bei Lebas Nr. 186, 5 S. 57. ANPEINN δω- 
ρεῶν CIG. 107, 37 S. 146 — Rhang. Nr. 416 S. 124. ΠΡΕΣΒΕΙΩ͂Ν πρέσ- 
βεων Frauz el. ep. Gr. Nr. 69, 49 mit der Note S. 179. ΙΕΡΕΙΩ͂Ν ἑερέων 
CIG. 3595, 30 * mendum est quadratarii? Bd. II S. 882°. AAMP'TPEIQ£ 
“αμπτρέως Eph. arch. Nr. 1231, 2 S. 775 oder Rhang. Nr. 1486 S. 858 
(‘comme on rencontre souvent βασιλείως ^?) NJEPEINZYNA ἱερεώσυνα 
Rhang. Nr. 2336, 2 S. 995 oder Eph. arch. Nr. 1433 S. 895. TONBAZI- 
AEIA τὸν βασιλέα Ussing inscr. Gr. ined. Nr. 62, 9 S. 56 — Eph. arch. 
Nr. 1060, 10 S. 606, welchen Diphthong beide Herausgeber ausdrücklich 
bezeugen, der Däne aber für einen Nachlässigkeitsfehler ansieht; ebenso 
Rhang. Nr. 438, 15 S. 109 (wo jedoch Pittakis Eph. arch. Nr. 1031 S. 558 
die gewöhnliche Form gibt). AJOPEIAI δωρεαί Curtius inscr. Att. XII 
Nr. IV 3 oder Rhang. Nr. 388 Bd. Il S. 58. ATEIAEIAN ἀτέλειαν CIG. 
2416 ὁ 13 * mendum lapicidae? Bd. Il S. 1080'. Doch den schlagendsten 
Beleg gewährt in der schon angeführten Inschrift aus Priene, Lebas Nr. 
186. 6 (CIG. 2907 „Bu. Ii S. 578, Ross Jahrb. für Philol. 1854 Bd. LXIX S. 
647 f.) OEION: ὧν ἕνεχ᾽ ἴδρυσεν τόνδε ΘΕΙΟΝ d. i. ϑεὸν Φίλιος (Φι- 
Mog), und ΤΙΜΟΘΕΙΟΣ Τιμόϑεος Ross Demen von Attika Nr. 23, 1 
S. 54 (Rlıang. Nr. 1326 S. 837), wofür dann auch mit Uebergang des & 
in ἢ TIMOOHO£ bräuchlich wurde, Ross Demen Nr. 132 S. 85 (TIMO- 
OHO£ ist ein orthographischer F ehler statt Τιμόϑειος, wie dieser Name 
in Inschriften des dritten und vierten Jh. vor Chr. nicht selten geschrieben 
wird?) = Rhang. Nr. 1561 S,869; s. auch ClG. 4778 c Bd. in S. 1208° 
APXCEAHMOCAQGCI Agyednuos Δωσι- 
OHOYOQCETQN K  $4ov ὡς ἐτῶν x. 

Noch würde die Inschrift Rhang. Nr. 750°, 5 Bd. II S. 344 KATAPAN- 
OEIOI£AOYNAI, wenn die Deutung κατάραν ϑεοῖς δοῦναι fest stánde, 
hier anzuführen sein. Aber auch ohnedies ist, glaube ich, jeder Zweifel 
an der Richtigkeit der Deutung Steplianis durch ἰσχυρῷ ϑεῷ beseitigl, 
vgl. auch Ar. Plutos 946 τοῦτον τὸν ἰσχυρὸν ϑεὸν ἐγὼ ποιήσω τήμερον 
δοῦναι δίκην. Ueber den starken Gott Σανέργης und die ᾿στάρα hat am 
besten Bóckh a. O. gehandelt. Movers Unters. über die Religion und die Gotth. 
d. Phünizier S. 625 läszt diesen ganz unbeachtet und hàlt an der unrichtigen 
Lesart ἀνέϑηκε ἰσχυροῖς ϑεοῖς ᾿Δνέργει καὶ ᾿Δστάρᾳ fest; Cavedoni aber 
Aunotaz. al Corp. inscr. Gr. (Modena 1818) S. 78 vergleicht, ich weisz nicht 
zu welchem Nutzen, den bithynischen ZEYZ ZYPFAZTHE. 

Die zweite wegen der ϑεοὶ ἐσχυροί hieher gehörige Inschrift ist das 
Denkmal von Imbros, welches Conze Reise auf den Inseln des thrak. Mee- 
res S. 91 u. Taf. XV 9 publiciert hat: 


ΘΕΟΙΜΕΓΆΛΟΙ ϑεοὶ μεγαλοι" 
OEOIA'NATOI ϑεοὶ δυνατοί, 
ΙΣΧΥΡΡΟΙΚΑΙ ἰσχυρροὶ καὶ 
KACMEIAE Κασμεῖλε 


5 ΑΝΑΞ κτλ. &vob usw. 


, 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 617 


Eine weitere Besprechung dieses merlwürdigen Titels, an dem nichts 
verdorben, sondern Z. 5 eine Lücke von drei oder zwei Buchstaben aus- 
zufüllen ist, s. im Philol. Suppl. II S. 598 f. 

8) Rhangabis ergänzt ebd. I 11, wo am Anfang zwei oder drei Buch- 
staben ausgefallen sind, QTEPA Νικομάχου Χολαργέως in Νε]ωτέρα. 
Es möchte jedoch eher Φιλ]ωτέρα zu ergänzen sein, wie ich schon in 
den schedae epigr. (Naumburg 1855) S. 21 erinnert habe. Weitere Bei- 
spiele dieses Namens sind Eph. archi. Nr. 1730 S. 991 — Rhang. Nr. 1512 


S. 862 
$IAOTEPA Qi [o]réga 
AIONYZIOY Διονυσίου 
ΚΗΦΙΣΙΕΩΣ Κηφισιέως 
l'YNH γυνή. 


SIB. Nr. LV 9 S. 166 — Lebas Nr. 743 S. 152 (Koroneia); Ussing inscr. 
Gr. ined. Nr. 6, 14 S. 16 — Lebas Nr. 1295 S. 304 (Metropolis im pelas- 
giotischen ''hessalien); CIG. 4818 c 1 Bd. ΠῚ S. 1214* (Aegypten); Momm- 
sen IRN. Nr. 6876; Inschrift aus Makedonien «v χωρίῳ "Paxíra» in der 
Zeitschrift Φιλολογεκὸς Συνέκδημος 1849 S. 299 Nr. 8 


HKAITYCTONEYCIMAKEAO 
NIKAIGIAQTEPAKAITQA 
AEAO9AIONYCIOZOCI 
EZEAYTHCMNHMHC 

5 XAPIN........ 


wo ich für Auskunft über den Namen der frommen Tochter und Schwester - 


dankbar sein werde. 

Im Vorübergehen sei bemerkt, dasz in dem Katalog attischer Frauen, 
welchen v. Velsen aufgefunden und im arch. Anzeiger 1860 Nr. 133 Bei- 
lage IV (Philol. XVI S. 550) publiciert hat, Col. Il 5 BAOYAAA nicht 
Βλοῦλλα. sondern Β[ ἀ͵ϑυλλα zu lesen war, und so schreibt, wie ich 
eben sehe, Pittakis Eph. arch. Nr. 3796 S. 1948 und G. Wolff (Philol. XVII 
S. 375), vgl. Βάϑυλλος BaOvÀAa, Ξένυλλος Ξένυλλα, “Ἤρυλλα, Del- 
δυλλα u. a., Lobeck path. prol. S. 128; Conze Philol. XIV S. 152 (Eph. 
arch. Nr. 2566 S. 1265) Z. 2 

OYAAAAKTAIOYAOMONE QZT YNH 
Βάϑ᾽νλλα Axraíov ᾿᾿Αϑμονέως γυνή. 
Willkommen ist auch die ebd. Col. I[ 14 verzeichnete 4Eíoua: zu Ἐπί- 
τευγμα, Δώρημα, Νόειμα u. a., die ich vordem in den epigr. Excursen 
Jabrb. Suppl. Il S. 376 zusammengestellt, trage ich jetzt nach: Conze 
Reise auf d. Ins. d. thrak. Meeres S. 113 


zYNOHMA Σύνϑημα 

HPAKAEIQTIEZ Ἡρακλειῶτις, 

ΣΟΦΩΝΟΣΣΙΝΩΠΕΩΣ Σόφωνος Σινωπέως 
ΓΥΝΗ γυνή; 


ferner Rhang. Nr. 1890 S. 906 (Eph. arch. Nr. 871 S. 524) "Eniztvyua 
Mivavögov ΜΜειλησία, Eph. arch. Nr. 3247 S. 1691 


ΑΔ ἃ 


618 K. Keil: zur Svlloge inscriptionum Boeoticarum. 


NITEYFMA  'E]xírevyua 
KIOYXAIPE ᾿“λ]κίου χαῖρε, 


Mommsen IRN. Nr. 4917 Noema, Nr. 598 Philoma, Henzen Nr. 7291 
Zetema. 
9) Der Anfang dieser Urkunde lautet von Zeile 3 an also: 


FND2MHTPYTANERNMPIAMO 
4 HNIEPHTEIANTHZAPTEMIAOTTHZTIEPIXIAZF: 
6 EZETAPEPEIANA£THNEZA£ TONAM9$OTEPON 


d. i. nach Böckh: 
— — — γνώμη πρυτανεων᾽ πριαμ[ ἐνη 
τ]ὴν ἱερητείαν τῆς ᾿Αρτέμιδος τῆς Περ[γα]ίας π[αρ- 
&era[ı Πέρειαν ἀστὴν ἐξ ἀστῶν ἀμφοτέρων κτλ. 
Verstehe ich dies richtig — eine besondere Erklárung ist im CIG. nicht 
beigefügt — so soll diejenige echtadliche Frau (s. eben wegen Halikarna- 
sos meine Bemerkung im Philol. IX S. 453), welche das Priestertum ge- 
kauft hat, erst noch eine zweite Person, die eigentliche Priesterin der 
Artemis Pergäa (v. Prokesch Inedita meiner Sammlung autonomer altgriech. 
Münzen S. 58), die in der Ileimat der Göttin selbst ἀγύς (Hesych.) hiesz, 
sum heiligen Dienste stellen. Ein derartiges Vicariat scheint mir an und 
für sich nicht recht glaubhaft. Es kommt aber noch ein der Gräcität ent- 
nommenes Bedenken hinzu. * Tum quod dedi πριαμένη est breviloquen- 
Lius dietum pro 7 tig ἂν πρίηται vel πριαμένη τις. Paulo post (v. 8) est 
ἡ δὲ πριαμένη: vel priore loco articulus videtur de industria omissus 
esse? S. 454”. Inzwischen musz ich doch unumwunden bekennen, dasz 
mir diese Rechtferligung des ohne bestimmten Artikel gesetzten Partici- 
piums nicht auszureichen scheint, vorausgesetzt dasz der Concipient des 
Beschlusses sich gut griechisch ausdrücken wollte. Werde deshalb, bei 
der sonstigen Beschaffenheit der Copien gewis nicht überkühn, die Ver- 
mutung gewagt, es sei die ganze Stelle vielmehr folgendermaszen zu 
schreiben : 
γνώμη πρυτάνεων" πρία[σϑαε 
τ]ὴν ἱερητείαν τῆς ᾿Δρτέμιδος τῆς IIeg[ ya las [ἐνὸ- 
ἐξεταῖι Πέρειαν ἀστὴν ἐξ ἀστῶν --- --- — --- 


*es soll statthaft sein, dasz das Priestertum der Artemis Pergäa eine 
Priesterin kaufe, die’ usw. Das Futurum an Stelle des Infinitivs ἐν δέχε- 
σϑαι erhält einige Bestätigung durch die unmittelbar darauf folgenden 
Worte Z. 8 ἡ δὲ πριαμένη ἱεράσεται καὶ ϑύσει xol λήψεται usw. Dem 
Sinne entsprechend würde auch ἐξέσται sein, jenes stimmt jedoch besser 
zu den überlieferten Buchstaben.  Trifft aber meiue Vermutung zu, so 
sull, und dies ganz sachgeinäsz, nicht eine beliebige Frau von guter bür- 
gerlicher Herkunft das Priestertum der Artemis auf Lebenszeit (ἑεράσεται 
ἐπὶ ξωῆς τῆς αὑτῆς oder wol richtiger αὐτῆς Z. 8) erkaufen dürfen, son- 
dern nur eine solche, die schon einen priesterlichen Charakter trägt: ein 
neues Beispiel zu den längst von Hermann gott. Alt. $ 35, 23 S. 220 und 
Schómann gr. Alt. II S. 383 angeführten, aber unschwer zu vermehren- 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 619 


den, wo ein Individuum in späterer Zeit mehrere Priestertümer in sich 
vereinigt hat. 

Dasz ferner die bisher vorhandene Litteratur keine Nachricht von 
einem noch anderswo als in Halikarnasos üblichen Versteigern oder Ver- 
kaufen eines Priestertums enthielt, mochte man daraus folgern, dasz 
weder Böckh eine solche nachgewiesen hat noch Hermann gott. Alt. $ 34, 
24 S. 214, dem jüngst unbillig nachgesagt worden ist, vieles aber alles 
unkritisch gewust zu haben. Allein der neue Herausgeber der gott. Alt. 
hat, bei sonst ziemlich umfassender Benutzung der neu zutage gekomme- 
nen Inschriften, ein solches Denkmal übersehen, welches lehrt, dasz jener 
Brauch nicht auf Halikarnasos beschränkt war. Es ist dies ein von Lebas 
meines Wissens zuerst bekannt gemachter, allerdings auch nicht eben 
alter Ehrenbeschlusz, welcher in dem groszen Werke von Lebas zweimal 
abgedruckt ist, ohne dasz die Identität erkannt worden wäre, so dasz man 
‚vorläufig nicht weisz, welchem unter den heiden angegebenen Fundorlen 
das Actenstück angehórt: 1) Andros Nr. 1799 S. 408, 99 Zeilen, 2) Myko- 
nos Nr. 2059 S. 457, 28 Zeilen. Hier heiszt es Z. 9 παρὰ τοῦ μεμισϑω- 
μένου τὴν ἱερωσύνην und Z. 15 καὶ γενόμενος μὲν ἱερεὺς τοῦ — ; auch 
kann Z. 8 τὸ ἐκ τῆς μισϑώσεως AHMYETAI ATIOTOY oder Nr. 2059 ro 
ἐκ τῆς μισϑώσεως AHM.. TAIAETOY hierauf Bezug haben. 

Noch erübrigen ein paar andere Stellen des Titels von Halicarnasos, 
wo mir die gegenwärtige Textesgestalt nicht richtig zu sein scheint. So 
weisz ich nicht, ob Z. 3 Διοδότου τοῦ HAONIKOY treffend in 'H[6]owvi- 
κοῦ umgewandelt ist. Wenigstens beweist ein zweites Beispiel nichts, 
CIG. 1997 c 7 Bd. II S. 991^ "Κλαύδιος Σερῆνος .AO.KOY [Ἡ]Πδοζνή- 
xov. Wäre auf Ἡλοϑάλης, Vater des Epicharmos, bei Diog. La. VIII 78 
Verlasz, so stellte sich "Hàovixog neben diesen Namen. Dort ist aber 
vielleicht Ἡλιοϑάλους zu lesen und hier 'HAsovixov (vgl. die bei Pape 
fehlenden ᾿Ἡλιόδοτος Lebas lasos Nr. 295, 4 S. 95 HA..AOTOX und 
Ἡλιοκλῆς auf Münzen, Köhler Serapis ] S. 4 Nr. 9 BAZIAENZ HAIO- 
KAEOYE AIKAIoY) oder "H[ojJovíxov: Ἡρόδικος -dorog -δωρος u. a. 
bei Pape, "Hacnqusos Samier bei Lebas Priéne Nr. 206, 16 S. 62. Auch 
*Hóovij, wie Franz CIG. 6334, 5 Bd. ΠῚ S. 946 für HAIONH schreibt, 
dünkt mich sehr fraglich. 

Ebd. Z. 14 τοὺς δὲ ταμ[ί]ας διδόναι τοῖς πρυτάνεσιν εἰς τὴν ϑυ- 
σίαν τῆς ᾿Αφτέμεδος ἐντελὲς δραχμὰς τριάκοντα. Dazu S. 454^: «ἐντελὲς 
de. ze. nescio quid esse possil nisi fegeiov ἐντελὲς (τέλειον) καὶ do. tQ. 
quamquam exspectes genus viclimae designatum esse ut βοῦν ἐντελῆ vel 
simile», und in Stephanus Sprachschatz ΠῚ S. 1159? ἐντελές “ambigua 
sententia". Sollten in der That, noch abgeselien von dem Asyndeton, die 
ταμίαι auch ein Opferthier, nicht blosz das Geld gegeben haben? Ver- 
mutlich musz gelesen werden: ἔντελε[ [öls δραχμὰς τριάκοντα: s. Thuk. 
vili 29 ἐβούλετο τριώβολον διδόναι" ἣν δὲ κελεύῃ δώσειν ἔφη ἐντελῆ 
τὴν δραχμήν᾽ ebd. 45 A. E. ἐντελῆ ἀποδώσειν τὸν μισϑόν. Bergk tit. 
Arcad. Z. 80 S. X πεντήκοντα δαρχμᾶν σμεστᾶν. 

2. 25 ἐν à δὲ μηνὶ ἡ ϑυσία συντελεῖται ἡ Önuoreing, ἀγειρέτω 
πρὸ νήσον [τὰς ( .A£) ἡμέρας τρεῖς ‘dies illos festi, ex quibus primus 


620 K. Keil: zur Svlloge inscriptionum Boeoticarum. 


videtur XII Heraclei.! Vorher steht Z. 20 τὴν δὲ ϑυσίαν συντελείτω μη- 
νὸς Ἡρακλείου δωδεκάτῃ. Aber die drei Tage bleiben auffällig. Àu- 
szerdem kann ich nicht darüber weg, an der Stellung des τρεῖς Anstosz 
zu nehmen, die durch eine falsch copierte Inschrift CIG. 3446 Bd. II S. 809 
βουληϑέντων τῶν σωμάτων δύο nicht geschützt wird (s. Hamilton Res. 
in Asia minor Nr. 336). Das erforderliche würde sein τὰς τρεῖς ἡμέρας. 
Deshalb schlage ich vor: [x]e[9"] ἡμέρας τρεῖς. Wie Z. 10 die Ab- 
schriften AZ fälschlich für A6 geben, so haben sie hier £ unrichtig für 
©. Die oben erwähnte Insel kann keine andere sein als die sonst sog. 
4g%0v1005 , Strabon XIV S. 656 πρόκειται δ᾽ αὐτῆς ((Αλικαρνασοῦ) ἡ 
Aor. Bei Arrianos Anab, I 23, 3 wird aus den Hss. angeführt: of μὲν lg 
τὴν ἄκραν τὴν ἐν τῇ νήσῳ ἀπεχώρησαν, was Sintenis beibehalten, Krü- 
ger mit Gronovs Conjectur ἐς τὴν ᾿“ἀρκόννησον vertauscht hat, die auch 
Ross Reisen nach Kos, Ialik., Rhodos usw. S. 37 Anm. 15 billigt. Seit 
aber die einfache Bezeichnung 'νῆσος auch durch unsere Inschrift beglau- 
bigt ist, wird von einer Textesinderung abzustehen sein. Nehme ich 
übrigens die Worte des IIrn. von Prokesch richtig (Denkw. u. Erinn. aus 
dem Orient lll S. 441): *so wie man um dies Kap beugt, wird man das 
beweiszte Schlosz von Halikarnass gewahr, das aus der Flut empor zu 
steigen scheint. Es liegt auf niederer Klippe aus grauem Lavastein, 
einst cine Insel, nun durch eine Landzunge mit dem Festlande ver- 
bunden’, so ist diese vormalige Insel eben die νῆσος oder ᾿ἀρκόνησος, 
d. i. Agrtovnoog (Nauck Aristoph. Bvz. S. 115. Jacobs Anth. Pal. III S. 696. 
Aelianos Thiergesch. Il S. 29), welche heutzutage Orak Ada genannt wird, 
Hamilton Res. in Asia minor ll S. 34. Vgl. dazu den Plan von Budrun 
oder Halikarnasos bei Ross Reisen nach Kos, Halik., Rhodos usw. zu 
S. 39. Verschieden aber von dieser karischen ᾿Αρκόνησος isl die ioni- 
sche zwischen Teos und Lebedos, welche auch Aondg hiesz, Strabon XIV 
S. 643. πρὸ νήσου ist nicht * vorn auf der Insel?, im vordern Teile der- 
selben, wie ᾿4λεξάνδρεια ἡ πρὸ Αἰγύπτου vorn in Aegypten, Unger de 
C. Valgio Rufo S. 278: denn so müste man notwendig als Gegensatz den- 
ken: “im Innern der Insel soll das Sammeln für den Tempel verboten sein.’ 
Wie aber ein solches Verbot hätte aufrecht erhalten werden können, und 
warum es überhaupt erlassen gewesen wäre, ist nicht abzusehen. So er- 
scheint mir als die richtige Erklärung des Ausdruckes die, dasz πρό hier 
das Vorschreiten innerhalb eines Raumes der Insel bedeute, vgl. πρὸ ὁδοῦ 
εἶναι oder γίγνεσθαι, und es kommt daher πρὸ νήσου auf dasselbe wie 
ἐν νήσῳ hinaus. Aelnliches im Lateinischen bei Hand Turs. IV S. 576 ff. 
Schómann dagegen bezieht den Ausdruck darauf, dasz die Priesterin bei 
dem Sammeln der Collecte nicht habe in die Häuser gehen dürfen, gr. Alt. 
11 S. 385. Weil das Nomen eine Art proprium geworden, fehlt der Arti- 
kel, wie von den Inseln des ägäischen Meeres dia, ἐπὶ, ἀπὸ νήσων ge- 
sagi wird, Krüger gr. Spr. $ 50, 2, 15. Meier comm. epigr. Nr. 4317 
S. 42 ἱερεὺς ᾿Αρτέμιδος ἐν νήσῳ, d. i. Δήλῳ. 

10) Hermann gott. Alt. $ 68. 10 S. 439. Preller griech. Myth. II S. 120 ff. 
Weleker gr. Gött. 11 S. 759. 763. CIG. 1625, 4 Ἡρακλεῖ καὶ τοῖς Σεβα- 
στοῖς ayov[a in Akräphia, wenn die Ergänzung SIB. S. 138 richtig ist; 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 621 


Hoaxi]ei Παλαίμονι ‘dem Ringer Herakles’, nicht Ἡρακλεῖ, Παλαίμονι, 
518. Nr. XVIII b 1 S. 84 —Eph. arch. Nr. 2404 S. 1206 (wo ΣαράπΊει vermutet 
ist) — Rhang. Nr. 1222 S. 780 —Lebas Nr. 665 S. 148, bei Koroneia, vgl. ai. 
Litt. Ztg. 1848Dec. Nr. 267 f. Welcker Nachtrag zur Aesch. Trilogie S. 134, 
Ross allg. Monatsschr. für Litt. 1850 August S.86. Preller gr. Myth. Ι I 
Welcker gr. Gótterl. ll S. 164,38"; Φιλεῖνος Διονυσὰ Ἡ ρακλεῖ κατ᾽ ὄνει- 
ρον. bei Leuktra, 518. Nr. XXV S. 100 vervollständigt durch Ulrichs Annali 
dell’ inst. 1846 S.56 Nr. XIII. S. Paus. IX 24,3 ἐν Tirso ναῦς ἐστιν Ἥρα.- 
κλέους, καὶ ἰάματα εὔρασϑαι παρὰ τούτου τοῖς κάμνουσιν ἔστιν, ὄντος 
οὐχὶ ἀγάλματος σὺν τέχνῃ. λέϑου δὲ ἀργοῦ κατὰ τὸ ἀρχαῖον (G. Krüger 
theol. Paus., Leipzig 1860, S. 39. Gerhard gr. Myth. H S. 211 $ 916 “der 
Heraklesdienst alhenischer Demen, Marathon. Hyettos (?) Diome Kynosar- 
ges’), und IV 26, 3. Zu vergleichen ist der römische Hercules somnialis, 
Orelli 1553 und 2405 (Spon Misc. erud. ant. S. 100), welchen man nach 
Preller róm. Myth. S. 657 N. 1 entweder auf Incubationen oder auf den 
Todesschlaf beziehen musz. Ich halte mit Spon die erstere Deutung für 
glaublicher, vgl. Jacobi myth. Handwört. S. 429. Anders Stephani der 
ausruhende Herakles S. 125, 1 

12) Ehd. Z. 50 IOIENE$#OAIONKAINAYZONONAAMOSANTAI, oder 
besser mit Rhang. NAY£OAON, darf nicht ἴοιεν ἐφόδιον gelesen werden, 
sondern es ist mit Pittakis der Schlusz einer Dativform wie ΜελανϑΊῳ 
anzuerkennen , nur sclireibt auch der letztgenannte wieder unrichtig ἔνε- 
φόδιον stalt Ev ἐφόδιον. ναῦσϑλον Yür ναῦλον hat als Beleg zu He- 
sychios schon Bursian angemerkt und auch Z. 12 hergestellt, rhein. Mus. 
XI S. 325, doch ist es von Schmidt Bd. III S. 142 übersehen worden. Bei 
συγγρόφοις aber Z. 49 trage ich zu den von Rhangabis S. 401 und von 
Bursian S. 333 angeführten Citaten nach: 1) die zuerst von Lebas unter 
Smyrna herausgegebene argivische Inschrift Nr. 1, 15, welche der franzó- 
sische Gelehrte in der Revue archéol. Xl année umständlich erläutert und 
auch in einem Separatabdruck (Explication d'une inscr. Grecque trouvée 
à Smyrne, Paris, A. Leleux libraire, 1855) wiederholt, danach aber Schnei- 
dewin in seinem Eifer interessante Entdeckungen möglichst rasch weiter 
zu verbreiten von neuem behandelt hat im Philol. IX S. 588: FPO..Yz- 
BOAA£ γρο φε]ὺς βωλᾶς d. i. γραμματεὺς βουλᾶς. Ahrens dial. Dor. Il 
S. 1%. Hesych. γροφεῖς of ξωγράφοι u. das. Schmidt Bd. I S. 446. 2) 
avılygopov, Inschrift von Anaphe, die nach Ross und Böckh von Rhang. 
Nr. 820, 22 S. 453 publiciert ist, mit ausdrücklicher Versicherung , dasz 
auf dein Steine diese Form gelesen werde, S. 456. 3) yoonnare, d. i. 

ράμματα, àolisch Alırens dial. Aeol. S S. 16, GIG. 4725 , 14 Bd. Ill S. 369 
und 4730, 14 S. 372. 4) ἀπογρόφονσι, d. i. ἀπογράφουσι. Participium, 
Bergmann inscr. Cret. ined. (Brandenburg 1860) Z. 55 S. 9. 

18) Doch liegen auch Fälle vor, dasz die verpachtende Commune sich 
damit begnügte, den Pächter allein mit seinem gauzen Vermögen für die 
Erfüllung des Contractes haftbar zu machen. „so in der Urkunde CIG. 93 
Bd. 1 S. 133 2.7 ff. ἐὰν δὲ μὴ ἀποδιδῶσιν, εἶναι ἐνεχυρασίαν Αἰξωνεῦ- 
σεν καὶ ἐκ τῶν ὡρίων τοῦ χωρίου καὶ ἐκ τῶν ἄλλων ἁπάντων τοῦ μὴ 
ἀποδιδόντος. Ich bemerke zu diesem Titel, welchen nachmals Janssen 


622 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


Mus. Lugd. Bat. inser. Gr. et Lat. Nr. I wiederholt hat, im ‚Vorübergehen 
zweierlei. 1) Das verpachtete Grundstück (Z. 1 ἐμίσϑωσαν τὴν ΦΙΛΑΕΙΔΑ, 
Janssen ΠΛΛΕΙΔΑ, Pittakis €&EAAIAA, Anon. bei Niebuhr ®EANEIAA; 
Z. 91 οἵ μισϑωταὶ τῆς ΦΙΛΑΕΙΔΟΣ: Pitt. u. Anon. €EAAEIAOZ) hiesz, 
wie schon von Bóckh Bd. I S. 345 nachgetragen ist, nicht Φιλαεές oder 
Φιλαίς, sondern ΦΕΛΛΕΙΣ. Die Frage ist nun aber, wie diese Form zu 
erklären sei. Schómann zu Isäos S. 402 schreibt DeAAlde und Φελλέδος, 
falls nicht Φελλεῖδα, Φελλεῖδος das echte sei, indem der Diphthong & 
an der Stelle von s stelie. Hiegegen ist aber zu erinnern, dasz dieser 
Tausch in der Regel nur dann statt hat, wenn das Iota lang ist, was hier 
nicht zutriffi. Ross Kónigsreisen Il 68 [vgl. Demen von Attika S. 57 (11) 
und arch. Aufsätze I S. 12 u. 16 Note 14] nimmt φελλεῖς oder φελλές “eine 
Steinhalde? an, d. h. eine grosze, steinigte, aller hóhern Cultur auszer 
einiger Baumzucht gröstenteils unfähige, mit niedrigem stachlichtem Ge- 
strüpp bewachsene und fast nur zur Beweidung durch Ziegen und Schafe 
dienliche Fläche; allein abgesehen von dem Dichtergebrauch dürften For- 
men wie Φελλεῖς, Nnosls, Φινεῖς (Lobeck path. elem. I S. 261) schwer- 
lich gäng und gäbe gewesen sein. Deshalb erkenne ich in den sicher be- 
zeuglen BEANEIAA und €EAAEIAOZ Ueberreste der alten Schreibweise, 
die gar oft noch auf attischen, schon der rómischen Zeit angehórigen 
Denkmälern in den Namen der Phylen AIT EIZ, EPEXOEIZ, OINEIZ bei- 
behalten ist, ohne dasz sie überall im CIG. durch & wiederzugeben für 
zulässig befunden worden wäre, s. Böckh zu Nr. 275 S. 383°, wo Col. 
14 EPEXOEIAOX Ἐρεχϑεῖδος, Z. 17 ΑΙΓΕΙΔΟΣ Aiyesidog, Col. 1I 12 
OINEIAOX Οἰνεῖδος steht. Wie jedoch bei andern Resten der voreuklei- 
dischen Orthographie (TEIBOYAEI, EPMEI) vielmehr τῇ βουλῇ, Ἑρμῇ 
u. dgl. zu schreiben ist, so musz auch ᾿Ἐρεχϑηΐδος, “Αἰγηΐδος, Οἰνηΐδος 
und “Φελληΐδα, Dei ἦδος gesetzt werden, um Gleichmäszigkeit mit der 
übrigen Schreibart zu erreichen. Natürlich aber kommt Φελληΐς von 
φελλεύς, nicht von φελλός (φελλές) her. 2) Was Z. 4 angegeben wird: 
ESOTEKAICYTE 
YONTAKAIAAAONTPODONONANBOYAQNTAI 
E ὦτε καὶ φυτε- 
vovra καὶ ἄλλον τρόπον ὃν ἂν βούλωνται 
ist allerdings eine “mirifica dictio? statt ἐφ᾽ re φυτεύοντας ἔχειν usw. 
(S. 133?). Ich vermute, es sei herzustellen: 
ἐφ᾽ ᾧτε καὶ φυτε- 
v[oJovra[s] καὶ ἄλλον τρόπον κτλ. 
“unter der Bedingung dasz sie den Ort zu ihrem Nutzen auch bepflanzen 
dürfen, auch auf eine andere ihnen beliebige Weise (als wie das Grund- 
stück schon bepflanzt ist, nemlich besonders mit Oelbàumen, die ausge- 
rottet werden 2. 36. 41, und init Weinstócken, Z. 17). Beispiele des Fu- 
turs nach ἐφ᾽ ore gibt Krüger zu llerod. VII 153 und zu Thuk. 1 103. 
14) Ebd. ist Z. 18 geschrieben 
O£O[N]JAEK ATEN(AN T 
IIJNAANEIIETA!AANE I I[ONJTA £O[P O 
£JANPAEI£ TONTOKONAIA021I 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. « 623 


oco[ v] δὲ xarev[avr- 
fo]v δανείξεται) δανείξοντας ὑ[πω- 
cg] av πλεῖστον τόκον διδῶ. 


Hier soll κατεναντίον bedeuten *alio modo atque antea diclum est, hoc 
est μὴ κατὰ ψήφισμα elc? S. 192*. Allerdings geht Z. 15 ff. vorher 
περὶ μὲν ὅτου ἔστε ψ]ήφισμα δανεισμοῦ 7 ἢ τόκος τεταγ[μέν]ὔος, κατὰ 
τὸ ψήφισμα δανείξοντί ας κα]ὶ ἐσπράττοντας. Allein ich befürchte, dasz 
κατεναντίον in diesem Sinne nicht nachweisbar ist. Vielleicht war das 
ursprüngliche κατ᾽ ἐνιαυτόν ‘alljährlich’. Die Zahl der Buchstaben trifft 
ebenfalls zu. 


15) Wegen des zweiten, in unsern Wörterbüchern noch fehlenden 
Namens ist die Grabschrift aus Seriphos beachtenswerth, welche Pasch 
van Krienen descrizione dell’ Arcipelago S. 108 und 163 (85 und 120 des 
Halleschen Abdruckes) mitteilt: 


EYOOINOZ 
EYOOINOKAEOYZ 


Zu Εὐϑοινοκλῆς vgl. Εὐδαιμοκλῆς in Sparta. Ein gleicher Nachtrag ist 
@oivog auf attischen Münzen Beulés S. 269, C. G. Schmidt Gótt. gel. Anz. 
1859 S. 748. 

16) Zu den mit olvog zusammengesetzten Eigennamen bei Pape kom- 
men aus Inschriften hinzu: Oivıyog, ein Phokenser, Rhang. Nr. 1998 III 
41 S. 821; Olvoyapng, attischer Weihetitel bei Ross Demen von Attika 
Nr. 151 ὦ 2 S. 91, arch. Aufs. I S. 180. Rhang. Nr. 46 Bd. I S. 38. Lebas 
Attique Nr. 104 S. 14. Anal. „Pier. et onom. S. 113, und Οἰνοχίδας. CIG. 
1593, 18 nach Kramer SIB. S. 102 OINOXIAAO Εὐμενίδαο ᾿Ερχομενίω. 
Für Οἴνοβιος s. noch Rhang. Nr. 1275 Il 9 S. 809 und Nr. 2349, 43 S. 
1012. Eph. arch. Nr. 3770 11 20. 21. 26 S. 1936. Οἰνοκλῆς ebd. 96. Oi- 
vogilog, Meier comm. epigr. Nr. 66 B 4: πολζ[έμαρχος] OINO.. VOX 
Παιο[νίδης]. Olvo, Tochter des Anios und der Dorippe, Tzetzes zu 
Lykophron 570 S. 682 Müller. Οἰνάνϑη, Rhang. Nr. 1488, 3 Bd. II 5. 858. 
Οἰνείδης , ebd. Nr. 2253 A 8 S. 946: Togyoıvog Οἰνείδου Ἰκαριεύς. Ol- 
νεάδης ebd. Nr. 972, 3 S. 700: NIAAHZ Προνόμου ηὔλει. Doch Olvo- 
πέδας durfte ich CIG. 1574, 17 in der SIB. S. 44 nicht schreiben, da Le- 
bas Nr. 599 S. 130 ΘΑΛΩΝΙΔΑΣ Θαλωνίέδας deutlich gibt (Bóckh S. 757 
OAAQ*NIAAE ᾿Απολλωνίδαι). 


17) Sollte nicht auch bei Strabon XVI S. 753 statt Πτολεμαίῳ τῷ 
Mevvalov vielmehr Mevv£ov zu lesen sein? 


18) Den hier besprochenen Namen Φιλλέας. Φίλλακος usw. reiht 
sich jetzt Φιλλώ an, wofür ein doppeltes Zeugnis vorhanden ist: 1) ein 


Grabstein 
ΦΙΛΛΩ 
ΘΗΒΑΙΑ 


in den Papieren von Mustoxydi, bisher nicht bekannt gemacht; 3) Eph. 
arch. Nr. 3500 S. 1828 


624 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


INONEPA...*T 


pız AEONTION ΑΜ 
Pit NIKHER £C 
$IAAQ £ OQON mA 
5 NEMEIA£ MEAITTA  IAIO 
EYKOAON AINHZION OAY 
AEA API£.0 AH 
Ko]ıvov ἐρα[ νισ]τ[ iv. 
‚Aoe |íc. Asovuov. Adam. 
EA]rts. Nixnoo. —— Z[ogía. 
Quiio. — X0gov. Ila| vagloza. 
5 Neuss. Μέλιττα. — 4hw|doiQa. 
Εὔκολον. «Αἰνήσιον. Ὀλυ[μπιας. 
ΕὔκΊλεα. ᾿Αρισ[τ]Ίώ. 4ἀΖη[μητρία. . 
Pittakis schreibt Z. 1 Ko]ivóv dgo[wo]róv, wie wir CIG. 267 1 2 Bd. | 
S. 369 in einer etwas zerrütteten Aufschrift τὸ κοινὸν τῶν ἐρανιστῶν 
finden, vgl. Bóckh Staatsh. I S. 346. Weil uns jedoch hier gleich vom 
Anfang herein lauter Frauen begegnen, so wird sich die Annahme recht- 
fertigen. es seien eben nur solche, und zwar, wie die Namen selber an- 
deuten. von elwas anrüchiger Arl, zu einem Eranos zusammengetreten. 
Man darf dies wol glauben, seitdem aus einer vollständigeren Copie des 
Titels CIG. 110 bekannt geworden ist, dasz Frauen auch an einem Thia- 
sos Teil haben konnten; s. meine schedae epigr. S. 40, wo ich nach der 
Abschrift von Ross den Männernamen am Ende die Ἡσυχία, Ἐρωτίς und 
Ai9éoiov zugefügt habe, wie gleichzeitig auch Rhangabis gethan, Nr. 
1247 II 13— 18 Bd. II S. 793. Ebenso dürfte das über zwanzig Namen 
von Frauen enthaltende Verzeichnis Eph. arch. Nr. 3796 S. 1948 eine ähn- 
liche Gesellschaft aufzählen. Wie solche lletàren einem gemeinschaft- 
lichen Vergnügen nachgiengen , läszt sich ungefähr aus Alkiphron Fr. 6 
S. 79 M. ersehen. Das Wort ἐρανίστρεα selbst hat sich in der immer 
noch mehrfach zu verbessernden Inschrift, wo es Osann Syll. inscr. S. 173 
entdeckt zu haben meinte und aus der es in die Lexica gekommen ist, frei- 
lich nicht bewährt, indem Böckh CIG. 120, 29 Bd. I S. 162 vielmehr mit 
Recht προ]ερανίστρια ergänzt, vgl. auch 7. 93. Inzwischen bedarf die 
ordentlich gebildete Form (αὐλήτρια, ὀρχήστρια, ποιήτρια, Lobeck paral. 
S. 451) gar keiner weiteren Bestätigung. Bei den Namen selber erwähne 
ich blosz , dasz 12 Ζωρίς (s. Pape) auch Eph. arch. Nr. 3281 S. 1736: 
AQPI£ 
XPHZTH, 
keine eingeborene Attikerin, ebd. unter Nr. 3344 S. 1756 wiederkehrt. 
Hetären ınit den Namen "AAxn, Asovriov, Νεμεᾶς, Μέλιττα (Μέλισσα 
Alkiphron Fr. 6, 6) sind schon bekannt, s. Pape. Col. Il  Νικησώ: auch 
Eph. arch. Nr. 3796 1I 16 S. 1948. Col. lll 3 Σοφία nur versuchsweise: 
Σοφία Ayanıroü ἐκ Κηραιδῶν Ross Demen von Attika Nr. 94 S. 75, ebd. 
Nr. 163, 3 S. 95 Φλαβία Σοφία. Möglich ist z. B. auch Σοφέλη. Eph. 
arch. Nr. 3601 S. 1863: 


K. Keil: zur Sylloge iuscriptionum Boeoticarum. 625 


£001! AH Σοφίλη 
ΑΘΗΝΙΩΝΟΣ Adnylovog 
HPAKAEQTI£ Ἡρακλεῶτις. 


Zu Col. III 4 Παναρίστα s. Rhang. Nr. 1024, 1 S. 728 Παναρίσταν Mav- 
zíov Παραϑωνίου und Nr. 1286 II 8 S. 813 MANAPIZITAMA Παναρίστα 
Mel[vriov: höchst wahrscheinlich dieselbe Frau, wenn in der letzteren 
Inschrift a. O. weibliche Individuen aus der Aiantis aufgeführt werden, 
wie Rhangabis annimmt, da Maratbon kann ich zu dieser, Phyle ge- 
hörte. Weder Pittakis Eph. arch. Nr. 392 S. 325 (Ilavaglg Ἰταμάτου) 
noch Rhangabis (Ileveglg Irauadov) bringt annehmbares. Col. IIl 5 
ΔΙιοδώρα CIG. 825, 1 S. 520. Rhang. Nr. 1986 I 14. Il 14. 28. Col. 17 
habe ich Εὔκλεα (Εὔκλεια Eph. arch. Nr. 2788 S. 1392) geschrieben, 
nicht EvxAla, nach Lobeck pathol. prol. S. 42, 50. Vgl. Θεόκλεα Eph. 
arch. Nr. 3796 II 18 S. 1948 (Θεύκλεια. Pape und Rhang. Nr. 1286 Il 10) 
und Σοφόκλεα ᾿Αντιόχου Lebas Rhenée Nr. 1944, 1 S. 447. Col. 117 
"doro: s. Pape, Rhang. Nr. 1286 II 6. Ueber Namen wie Zogov (Xo- 
φος Lehrs de Arist. stud. Hom. S. 291) Col. 11 4 und EvxoAov Col. 16 
habe ich in den epigr. Excursen S. 373 gesprochen. 

19) Der Name Κοροινάδης ist im CIG. und von Pape wol richtig mit 
einem Fragzeichen versehen. Da er blosz auf dem Zeugnisse von Cyriacus 
und Muratori beruht, so schlage ich Κοροι[ β]άδης vor, indem B und N 
sehr leicht verw echselt werden konnten. Vgl. Αἴολος Αἰολάδας. Alxi- 
vog ᾿Αλκινάδας, Ὄλβιος Ὀλβιάδης. ᾿4ϑηνάδας u. dgl., Lobeck path. 
prol. S. 350. Ein ^uu£ag ὁ Κοροίβου aus Platàa wird von Thukydides 
111 3 erwähnt. Der Thebaner Κοιρατάδας (nicht Kugaradas, wo v für 
os nur von der Aussprache herrührt) in Xen. Anab. VII 1, 32. Hell. 13, 
15. 21. 22 liegt schon weiter ab. 

20) Es war immerhin ein kleiner Mangel, dasz man einst in dem 
berüchtigten Ilierodulenstreit (1818), welchen unzweifelhaft für jeden mit 
dem Stil und Wesen des gelehrien, aber nicht charakterfesten Mannes 
vertrauten C. A. Bóttiger gegen Hirt aufgeregl hatte, dem Angreifer nicht 
auch einen inschriftlichen Beleg entgegenhalten konnte, durch den die 
unverfängliche Bedeutung des Wortes ebenfalls erhärtet worden wäre. 
Gegenwärtig stehen aber auch solche, freilich noch nicht bis in die Wör- 
terbücher vorgedrungene Beispiele zugebote: 1) Grabstein von den Ky- 
kladen, CIG. 2327 Bd. ]l S. 249 . 


IEPOAOYAE ἽἹερόδουλε 
AYAE Αὖ[λὴε 
ΚΑΣΤΡΙ Καστρί- 
ΚΙΕΧΡΗΣ *&£ , χρησ- 
δ TEXAIPE τὲ χαῖρε. 


4) Zu Pselkos, jetzt Dakkelı in Nubien, CIG. 5089 Bd. IH S. 491 ᾿4]σπλη- 
σειάδου ἱεροδούλζου r]o προσκύνημ[αἹ ὧδε [π]αρὰ τῷ κυρίῳ Ἑρμῇ, 
ein nicht altes Stück, wie schon die Buchstabenformen ὦ und E erwei- 
sen. Auch müssen diese ἱερόδουλοι,, wie Franz S. 306* richtig bemerkt 
hat, von den griechischen wol unterschieden werden. 3) Bei Aquae Sex- 


626 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


tiae (Aix) CIG. 6000, 18 Bd. IlI S. 819 ἱεροφώνοις καὶ καμεινευταῖς καὲ 
τῇ ἱεροδουλείᾳ ἀνέϑηκεν ἐπ᾿ ἀγαϑῷ. Den Eigennamen "TeoódovAog er- 
kennt Franz in dem Titel aus Aluntium auf Sicilien an, CIG. 5603 Bd. ΠῚ 
δι 621: ' 


XAPITw NENO Χαρίτων éxo| Inoe. 
MONTONKAAY Πόντ[ ιἼον Kalo[rugov 
9 ΡΦΙΤΙΑΝΟ NIE Ὀρφιτιανὸν Ἱε[ρό- 
ΔΟΎΥΎΛΟΈΝΕυ TE δουλο[ς] νεωώτε[ ρος. 


Bei weitem üblicher ist allerdings der Ausdruck £egog: CIG. 18 S. 33 zu 
Gerania in Lakonien oder Messenien ζαρὸς Χαροπῖνος " lag[og] ᾿Αρισστό- 
δαμος. Ebd. 2953 ὁ 35 Bd. II S. 599 Θεύδωρος ὁ αὐτοῦ ἑερός. d. i. des 
vorgenannten N. N. Sklave. welcher nach dem Tode des Herrn einem 
Tempel geweiht war, zu Ephesos. Ebd. 3152, 7 S. 715 in Smyrna Ῥοῦ- 
φος ἱερός. Nr. 3394 b 1 S. 792 "Ixlov ’Ixiov τοῦ Εὐημέρου, ἱεροῦ Zpvo- 
ναίων. Ar. 2339 ὁ 6 S. 1057°, auf Tenos, feooü Πυϑέωνος. Nr. 9384 b 
AS. 1076? auf Paros o£ ἤ εἸραφόροι Μοῦσαν τὴν ἱερὰν ἐπὶ τ[ἢ] πρὸς 
τοὺς ϑεοὺς εὐσεβείᾳ. Zu diesen, wie ich eben sehe, schon von Curtius 
Anecd. Delph. S. 40 (bis auf Nr. 3152) angeführten Stellen gehóren viel- 
leicht auch noch der Titel aus Aezani bei Lebas Nr. 851 S. 247: As καὶ 
roig κυρίοις Ka orav. Alvnov ἱερὸς ἀνέϑηκεν, und die attische Weihin- 
schrift bei K. O. Müller arch. Mitteil. aus Griech. S. 89: 


OA.... ὃ δΓῆμος 
OYAAEPIAN Οὐαλερίαν 
ΕΡΑΝΠΑΡΘΕΝΟΝ [Περὰν παρϑένον 


ΕΥ̓ΣΕΒΕΙΑΣΕΝΕΚΑ εὐσεβείας ἕνεκα, 


aber wol nicht die bei Lebas Attique Nr. 83 S. 12 ἱερὰν Μητρὶ ϑεῶν Zfio- 
νύσιος καὶ ᾿Αμμώνιος. Ueber die fegol und die egal in der Mysterien- 
inschrift von Andania s. Sauppe S. 36 ff. Etwas weiter ist der Begriff, 
wenn die Delier bei llerodotos VI 97 ἄνδρες Igol angeredel werden, oder 
wenn Ilyperanthes im Epitaphion bei Xenophon Eph. IIl 2 S. 56 Loc. ἔε- 
006 πολίτης heiszt. Vgl. auch G. Curtius Grundzüge d. griech. Etym. I 
S. 368 Nr. 614. 

21) Den erstern dieser Kataloge setzt Franz in das Zeilalter der 
Ptolemáer, und bei ihm ist wol sicher, dasz in OEOZTYXAATAOA kein 
Dativ τύχᾳ ἀγαθᾷ steckt. Der andere Titel zählt Priester aus den J. 68 
und 73 nach Chr. auf: hier wird sich also der Nominativ nur durch die 
Analogie des andern Verzeichnisses schützen lassen. Aber in dem bóoti- 
schen Stück zu Lebadeia aus römischer Zeit Lehas Nr. 762, 1 S. 155 — 
Eph. arch. Nr. 2408 S. 1207 ΘΕΟΣ TYXH AFAOH ist nicht mit Pittakis 
τύχη ἀγαϑή zu lesen, sondern τύχῃ ἀγαϑῇ. was die üblichere Formel 
ist: s. Franz el. ep. Gr. S. 318 Note 2. CIG. 5852, 1 Bd. III S. 751 «y]a- 
[910 τ ὑχ]ῃ΄ Ζεὺς σωτήρ. 

22) Auch in dem attischen Titel CIG. 516 Bd. 1 S. 480 Ὀνήσιμος 
ἐμνήσϑη τῆς ἀδελφῆς Χρηστῆς läszt die Abwesenheit eines Vaters- und 
Demos-Namens auf niedrigen Stand schlieszen. Ebenso wird das Verzeich- 
nis zu Pergamon CIG. 3554 Bd. Il S. 865 Ὕμνος Εὐφρόσυνος Φιλόκαλος 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 627 


. veıxog ηνόφαντος Ovnoog [Γλ)ύκων nur Leute letzten Ranges 
aufzählen. Nicht minder kann die Ὀνησίμη i in Rom CIG. 6452 Bd. ΠῚ S. 
966 eine Libertine sein, und der Ὀνήσιμος Nr. 6616 S. 996 ϑί(εοϊς) x(a- 
ταχϑονίοις) “ικινίᾳ Χρυσορύῃ Τ. Λικίνιος Ὀνήσιμος συμβίῳ κτλ. Wenn 
aber auf Nr. 6158 Θίεοῖ;) κ(αταχϑονίοις) Ὀυ[η]σίμον. ἐπόησ[εν] Aia 
"'Olvvriac ἀγαϑῷ ov[v]reopo, und auf Nr. 6679 S. 1010 ϑε(οϊς) κα- 
(ταχϑονίοις) A. Ὀνησὰ Σεβαστοῦ ἀπελευϑερί ὦ] nichts zu geben ist, 
weil beide Stücke einzig den Ligorius zum Gewährsmann haben, so reihe 
ich hinwiederum den obigen Belegen noch das späte römische Epita- 
phium hinzu, welches O0. Jahn spec. epigr. S. 37 Nr. 103 hekannt ge- 
macht hat: 


OE KA Θ(εοῖς) κα(ταχϑονίοις). 
ONHCEIMOC Ὀνήσειμος 
EICEIAWPH Εἰσειδώρῃ 
TH.CYNBEI() τῇ συνβείῳ 

6 EAYTOYBEIWCA ἑαυτοῦ βειωσά- . 
CH €TH 61) ἔτη 

EIKOCEI εἴκοσει 

MNHMHCXAPE μνήμης χαρε- 
ἐν. 


| 

Lebrigens sind die erwähnten Namen sämtlich auch freien Leuten eigen, 
wie denn “Ονασίφορον, um dieses seltnere Nomen hervorzuheben, die 
Freilassende bei Ulriclis a. Ὁ. Nr. V 6. 21. 25 S. 557 heiszt; vgl. Hermann 
Privatalt. $ 13, 17 S. 58. Nur der freien Ὀνάσιμοι oder Ὀνήσιμοι. wel- 
che mir nach der Herausgabe der SIB. (S. 224?) bekannt geworden sind, 
werde hier noch insbesondere gedacht : 1) ONAZIMOZ, Grabstein in der 
Ayla Τριάδα zu Thisbe, v. Velsen im arch. Anz. 1856 Nr. 96 A B S. 287 
Nr. Xll. 2) ONAZIMOZ , ein gleicher Stein in der Kirche τῶν Ταξιαρχῶν 
εἰς Πόντξια bei dem allen Koroneia, Eph. arch. Nr. 2339 S. 1204 == Le- 
bas Nr. 702 S. 150. 3) ONACIM und ONAZIMOZ ONAXIM(), Katalog 
von Epheben in Theben, Lebas Nr. 491 I 14 und 16 — Rhang. Nr. 705 
S. 301, der an der erstern Stelle ONAGOC liest. 4) .P..IA£ZONA&IMQ, 
etwa 8]o[ac lac, Koi ]/oc, 'E]e[ c |/oc, Me[ar]ias Ὀνασίμω, Liste 
der zwanzigjährigen in Lebadeia, Lebas S. 159 Nr. 765 a 2 — Rhang. 
Nr. 1309 S. 881: PAAIAZONA 5) ONA£IMO£OIOIITONIO£ Ὀνάσιμος 
Θιο[γ]ιτόνιος, Register der zu dem Tempel des Asklapios in Orchomenos 
beitragenden, Rhang. Nr. 898, 13 S. 598. Vgl. πολεμαρχιόντων Ὁνασίμω 
Θιογίτονος, in derselben Stadt, Rhang. Nr. 1305, 4 S. 829 — Ussing 
inser. Gr. ined. Nr. 52 S. 40, und ‚Florogss Ὀνάσιμος G:oyírovoc, eben- 
falls orchomenische Urkunde, SIB. Nr. Ill 13. 17 S. 14. llier prásentiert 
sich also wahrscheinlich dreimal dieselbe Persönlichkeit. 6) ὁ δεῖνα 
ONAZIMQ, zu Orchomenos, Rhang. Nr. 1306, 21 S. 830, vollständigere 
Copie von CIG. 1573. 7) Ὁνήσιμος Θεοκλέους., Ephebe ebd., SIB. Nr. XV« 
ΠΙ 6 S. VII === Eph. arch. Nr. 817 S. 507. Lebas Nr. 620 S. 135. Rhang. 
Nr. 1005 S. 721. 

33) Inschrift aus Chäroneia nach Prellers Mitteilung Ber. d. sächs. 
Ges. d. Wiss. 1854 S. 202 2. 3 ᾿4γαϑοκλῆς Καλ[ζλΊωνος ἀνατίϑησι τὸν 


628 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


ἴδιον ἀπελεύϑερον Δᾶον ἱερὸν τῷ Σεράπει. ---- Auch Schömann griech. 
Alt. 1 S. 349 erwähnt Syrien nicht unter den Ländern welche Kaufsklaren 
lieferten. Ebenso wenig Wachsmuth hell. Alt. Il S. 52. 
24) Vgl. wegen χρηστός das salaminische Epitaphion bei Lebas Nr. 

1665 S. 380 — CIG. 9322 b. Welcker rhein. Mus. IIl (1845) S. 242. 
Stephani Titul. Gr. part. V S. 11 Nr. XVII 

Χρηστοῦ Τέχνωνος μνῆμα τοῦ Φρυγὸς τόδε, 

ὃς νῦν ποϑεινὸς γέγονα τοῖς ἐν τῇ πόλει, 
denn Τέχνωνος (Sklave des Aratos, Plut. Ar. 5. 20; Eph. arch. Nr. 8778 5. 1942 


ΕΧΝΩΝ T]eyvov 
AIONY ‚Avovv| σίου 
HPAKAEQTH Ἡρακλεώτης» 


nicht "Exvov mit Pittakis), nicht Τεχνᾶνος 9 ist die richtige Lesart ; Γέτας 
χορ. CIG. 928 Bd. IS. 533; Σκύϑης zo. ebd. 1002 S. 545; Τριβαλλὸς xe- 
Rhang. Nr. 1969 S. 914. Möglicherweise sind auch Ἕρμιος yo. und Pr- 
ö@v yo. in Attika Eph. arch. Nr. 3101 S. 1492 und Nr. 3669 S. 1894, wie 
ebd. Θεόφραστος χρηστός. v. Velsen im arch. Anz. 1854 S. 467 Nr. 9, 
für Sklaven anzusehen. 
25) Ich fürchte nicht zu irren, wenn ich barbarische Sklaven, Tlira- 
ker, auch in dem attischen Bruchstück Eph. arch. Nr. 2837 S. 1411 suche: 
SADES 
EANOIS 
STPYMOS 
KLEON 
δ ZYMMAXOS 
ZANOIAS 
MNIXON 
ABYNOS 
EKTESVEOI 
105 IOPlYPOS 
/ AT TAS 
OPAN 
Die Litteratur rückt den Katalog bis zur Zeit um das Archontat des Eu- 
kleides, Ὁ]. 94, 2 (403 vor Chr.) hinauf. Die “εωντές Z. 9 ist schon von 
Pittakis erkannt. Für thrakische Onomatologie ist auch aus dem Ver- 
zeichnis von Sóldnern bei Rhang. Nr. 1298 Col. 1 1—46 S. 820 gar man- 
cherlei zu lernen. — Ebenso wenig leiste ich Gewähr für den Stand der 
frommen Mysten in dem samotlirakischen Titel bei Conze Reise auf den 
thrak. Inseln S. 67 


MYZTAI Μύσται 

EYZEBEIZ εὐσεβεῖς" 
ΝΙΚΗΦΟΡΟΣ Νικήφορος. 
ΦΙΛΟΣΤΡΑΤΟΣΔΩΣΙ Φιλόστρατος. Awol- 


σι 


ΘΕΟΣΔΑΟΣΕΥΗΜΕΡῸΣ ϑεος, 4&oc, Εὐήμερος, 
ΕΠΑΜΙΝΩΝΔΑΣΤΑΛΟ Ἐπαμινώνδας. Τα[μί- 
ΞΑΣΒΙΘΥΣ᾽ e]ec, Βέϑυς. 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 629 


Für den vorletzten Namen geben Blau und Schlottmann in den Monatsber. 
d. Berliner Akad. 1855 S. 620 Nr. 11: ΤΑ. ΡΑΣ Τα[μυ]ρας. Mein Vor- 
schlag gründet sich auf den Ciliz Tamiras bei Tacitus hist. II 3 und 
dessen Nachkommen, die Ταμιράδαι bei [Iesychios. 


26) Das von mir Anal. epigr. S. 154 gegebene Verzeichnis von Eigen- 
namen, die mit Zixu- beginnen, ist inzwischen um einige neue Nomina 
vollständiger geworden: D) Σαμιάδης. Inschrift von Bargylia bei Lebas 
Nr. 484 S. 155; ein Ἰασεύς Rhang. Nr. 1298 III 5 S. 820. 2) Σάμιππος, 
attischer Ehrenbeschlusz bei Ross Demen von Attika S. VII Z. 8 Avtaviog 
O£vioc. Ἠλεῖος ᾿Αντωνίου Σαμίππου υἷος; Rhang. Nr. 1178 S. 770 ἡ 
βουλὴ ἡ ἐξ Aotlov πάγου Σάμιππον Μῶολοσσοῦ Ἠλεῖον, vgl. Ross a. U. 
S. X. 3) Zapoxing, ein Melier, Eph. arch. Nr. 3586, 2 S. 1857 (Acc. 
Zouoxinv, Anal. epigr. S. 123, 2); Ross inscr. Gr. ined. lit S. 8 Nr. 246a 
auf Melos: Ἰξαγόρα 7 Ζωπύρου ϑυγάτηρ Παγκλέα τὸν ἑαυτῆς [κ]αὶ 
ΓΑΜΟΒΛΕΟΥΕ νῶν ἡρώα. wo die Richtigkeit der Verbesserung Σὰ- 
μοκλέους nunmehr ganz sicher ist. +) Σαμοκράτης; llenkel aus Olbia 
CIG. 2085, 2 S. 1100 ZAMOKPATEY; doch liest Böcklı Δηαμοκράτευς. 
5) Σάμος oder Züpoc, (10. 2328 ὁ 1 8. 1051" Βόηϑε Σάμου Age9ovcic. 
6) Σάμων, ein Achäer, Sóldnerliste bei Rhang. Nr. 1298 ΠῚ 53 S. 821 
£AMO[N. 

27) Dieser Titel hat Z. 1 die Form Τροζήνιος (EPMNNAZEPMOTE- 
NEOLTPOZ.NIOE 'Eguóvo[5] “Βρμογένεος Τροξ ἡ]νιος). welche auch 
auf dem platäischen Weihgeschenk zu Konstantinopel Gewinde IX 2 TPO- 
IAWIOl gefunden und schon von Frick (Jahrb. f. Phil. Suppl. HI S. 497) mit 
CIG. 106, 2. 5. 10. 14 Bd. 1 S. 145 u. Eph. arch. Nr. 2583,3. 10 S. 1281 belegt 
ist. S. auch Wescher u. Foucart inscr. rec. à Delphes Nr. 4, 50. Im Vorüber- 
gehen bezweifle ich, dasz Cl. 106 nach Attika gehöre (s. auch die Add. 
S. 900), obwol mir die Zustimmung von E. Curtius Pelop. II S. 575 zu 
Böckhs jetzt etwas modificierter (Staatsh. 1 S. 403 g) Ansicht nicht unbe- 
kannt ist. Schon die dort Z. 17 erwähnten ἐξετασταί werden sich als 
altische in der amtlichen Thäligkeit, dasz sie für die Aufzeichnung des 
Beschlusses Sorge tragen sollen, schwer rechtfertigen lassen. Um jedoch 
hier nicht genauer auf diese Obrigkeit einzugehen, so sei nur mit er- 
wähnt, dasz Exetasteon, welches €. G. Schmidt Gött. gel. Anz. 1860 
Nr. 124 S. 1240 mit einem Fragzeichen als neuen Eigennamen aus Ery- 
thrà auf einer Münze der Sammlung Leakes anführt, vielmehr ἐξεταστέων 
gelesen werden musz. Die ἐξετασταί zu Erythrä in lonien s. bei Curtius 
Anecd. Delph. S. 85. 


28) Hiefür läszt sich CIG. 1593, 20 “αμπρίαο OEIAOTIN, d. i. 
Θ]Ἰεεδοτέω nach Kramers Copie SIB. S. 102 und aus demselben Titel Z. 17 
OIPPOPIONTOZ, wie alle Abschriften haben, d. i. ϑιπροπίοντος. ϑεο- 
προποῦντος,, beibringen. Nicht minder die lakonischen Formen Σιδέκτας, 
Zuötnrag, d. i. Θεοδέκτης u. dgl., Ahrens dial. Dor. S. 67. 218. 569, 
meine ‘zwei gr. Inschr. aus Sparta und Gytheion’ S. 6. Aber Σιανορέδαο 
des kopaischen Katalogs Nr. 1574, 32 S. 757 hat Ahrens dial. Aeol. S. 173 
mit Fug bezweifelt. Ich halte SIB. S. 45 Εὐανορίδαο gemutmaszt; nun 


630 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


sehe ich dasz Lebas Nr. 599 S. 130 EMANOPIAAO liest, was kaum an- 
ders hergestellt werden kann. 

29; Auch Attiker hieszen so, Rhang. Nr. 1259, 11 S. 802 — Eph. 
arch. Nr. 320 S. 280, wo falsch Ἐλίξου gesetzt ist; Eph. arch. Nr. 947,8 
S. 554 \POZEAIZOAXAPN , doch hat Rhang. Nr. 1240 S. 789 vielmehr 
\POZEATEOAXAPN, also '"EAn£ov , d. i. Ἐλπίου. 

30) Chöroboskos in Bekkers Anecd. S. 1200, CIG. 8683, 1 Bd. IV ἃ 
315. 9138, 2 S. 441. 9209 S. 454 Θέκλης elorgelvmg, 9223, 2 S. 455. 9234, 
5 S. 457. Θεκλιανός 9163 S. 447. 

30?) Sieh oben Nr. XX II 12 Φιλωνίδας, SIB. S. 44. Bei Dionysios 
Wal. ant. Rom. Ill 46 S. 283, 14 hat jüngst A. Kiessling nach Meineke 
Κλεώνδας Θηβαῖος geschrieben, während die Hss. Κλεωνέδας geben. 
Jenes ist für den Sieger in der 41n Olympiade gewis vorzuziehen. 


31) Ich würde hieher auch das SIB. Nr. LXI S. 172 bekannt gemachte 
Bruchstück beziehen, wenn dort nicht das Gentilicium Φιλιππεύς Col. Il 6. 
12. 15 auf einen andern Charakter der Liste hindeutete. Oder wäre etwa 
vorauszusetzen , dasz unter der thebäischen Jugend auch Ausländer mit 
gedient hàtten, wie auf Samos inschriftlich unter den Epheben als Preis- 
träger zweimal ein geborener Eplesier und einmal ein Alexandriner er- 
scheint, die aus irgend welchem Grunde in den Gymnasien von Samos 
ihre Ausbildung erhalten hatten? S. Kirchhoff Monatsber. der Berliner 
Akad. 1859 S. 752. Indem ich mir weiteres für einen andern Ort aufhebe, 
bemerke ich blosz, dasz mehrere der samischen Titel, welche der erwähnte 
Gelehrte nach Newtons Papieren treffiich behandelt hat, schon vordem 
durch Urn. ᾿Ἐμμανουὴλ Kontixiöng in der Athenischen Zeitschrift IN£a 
Πανδώρα 1857 S. 256 fT. herausgegeben sind. Auch ist es nicht richtig, 
wenn dort S. 753 Mivvíov als ein neuer Name aufgeführt wird, s. 518. 
S. 172 und die Inschriften von lasos bei Lebas Nr. 285, 5 S. 92. Nr. 987,5. 


32) Meine Behandlung dieser Inschrift liesz einige Probleme unge- 
löst, die jetzt wenigstens teilweise beseitigt werden können. Seitdem 
hat nemlich Rhangabis Bd. II S. 830 Nr. 1306 eine von ihm gefertigte 
Copie herausgegeben, welche überdies die Anfánge von sechs weiteren 
Zeilen gibt und bei aller Mangelhaftigkeit und Unsicherheit an nicht we- 
nigen Stellen doch immer dankenswerth ist. Zu bequemerer Orientierung 
setze ich beide Abschriften her: 


KTEIZIAOAPXONTOZBOoIQGTYZ KTEI£IAOKPXONTO£BOIOT 
EPXoMENYZAEKAPAIXQEP EPXOMENIOIZAEKAPAIX 
MAIRTTOAEMAPXIONTRNAN NAISTTOAEMAPXIONTRNA 


TIFENIAAoEYKPATIAAO TIFENIAAEYKPATIAA 

ὃ KACIZoAQP APIZTONoX KAOI£ZOAQPOAPI£ZTO δ 
ΤΙΜΟΜΕΙΛΩΚΑΦΙΣΊΩΝΟΣ ΤΙΜΟΜΕΙΛΩΚΑΦΙΞΙΩ͂Ν 
ΓΡΑΜΜΑΤΙΔΔΟΝΤΟΣΤῪ ΓΡΑΜΜΑΤΙΔΔΟΝΤΟΣΤ 
ΤΤΟΛΕΜΑΡΧΥΣΛΙΩΝΟΥΣΙΩ TTOAEMAPXYZIRNOY 
KAAAIMEAIOZTY.. PATON KAAAIMEAIO£TY:1 

10 EZTPoTEYAoHAEE.NAOA E£TPOTEYAOHAH£Z 10 


NIAoKAAAIKPATEIZXIONIoOZ NIAOKAAAIKPATEIZ£Y 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 631 


KAIAPETOZ®IAO=ZENNAIOY KAIAPETO£OIAOZEN 
ZIAZoNToYNTTIONoZ. £IA£OAIOY ANIZION 
ANAPONAPIZTIONoZ ANAPRNAPIZTINN 
16 οἰῶ. APXEAAooMOAEIXO... ΘΙΩΝΑΡΧΕΛΑΩΟΜΟΛ 15 


ΝΟΣΚΑΛΛΙΩΝΔΑΣΜΥΡΙΧΩ ΝΟΞΣΚΑΛΛΙΩΝΔΑΣΜΥ 
— - - -- -ς-- - - —| TIOAAOYARPOEKAIR 
ΙΜΩΝΜΟΥΚΩΝΟΣΑΚΡ 
ΦΙΞΣΙΟΔΩΡΟΞΑΝΤΙ 80 
APR ONAZIMRKA 
ΛΕΞΙΝΩΝΙΚΩΝ 

— - -- -- - — — —' KAÁA£AO 


Das kleine Omikron (vielleicht auch Omega und Theta) scheint nach Leake 
durchweg auf dem Steine anzuerkennen, musz aber jetzt hin und wieder 
sehr undeutlich sein. Nun erklärt sich auch, warum Rhangabis Z. 4 Ge- 
netivforınen gibt, die nicht zu dem übrigen Dialekt stimmen. Vollständig 
ist aber der Titel auch so nicht, denn Leake bemerkt: *32 lines follow, 
much defaced.? 


-——— 9 0 —— ἅπαν. Gi ἅὑθ 0 ———— Gin ἤν“ 


20 — 


— 
--Ὁ . 1 ὦ 5... T GE “πτ:τὸὕἣγν 


EMI TEIZAAOOEOYMAXO 
| 
| 
1 
l 


— db (|| 1... dk GE GE GE 


Κτεισίαο ὁ ἄρχοντος Βοιωτῦς, 
᾿Ερχομενίυς δὲ Καραΐχω, "Eg- 
μαίω, πολεμαρχιόντων Av- 
τιγενίδαο Εὐκρατίδαο, 
Καφισοδώρω ᾿Αρίστωνος, 
Τιμομείλω Καφισίωνος 9 
γραμματίδδοντος τὺΪς 
πολεμάρχυς [4Πιωνουσέω 
Καλλιμέλεος τυ[ὶ π]ρᾶτον 
10 ἐστροτεύα[9Ίη᾽ 4 ξ]ων A[9]a- 
víao, Καλλικράτεις Xtoviog, 
Κλιάρετος Φιλοξένω. Διου- 
σίας Ὁλιουνπίωνος, 
“Ἄνδρων ᾿Δριστίωνος , 
165 Θίων ᾿Αρχελάω, Ὁμολ[ ὦ] γος; Ευ- 
μ]ενίδαο. Ὀξούμαχος “ούκω- 
voc, Καλλιώνδας Mveiyo, [ 4- 
πολλύδωρος Κλίωϊ νος ; T- 
ίμων Mov[g]wvos, "Axg[ ov Ἴωνος, Ka- 
20 φισύδωρος Avil| yovog, Σωτ- 
& ]eo[ oc ] Ovacíuo, Καζλλίας 
᾿ΔΠλεξίνω, Νίκων [Νίκωνος; E- 
ὑγκλί[ δγας ᾿49[ανίαο. 


Dasz ich 2. 10 nach Ahrens ἐστροτεύαον geschrieben, hat zwar Us 
sing inscr. Gr. ined. S. 42 mit Recht getadelt, dabei aber selhst das ur- 
sprüngliche verfehlt, indem er die Formel τῦς πρᾶτον ἐστροτευάϑη an- 
nimmt. Ich darf versichern dasz ich das echte schon gefunden hatte, als 
die schöne Auseinandersetzung Bóckhs erschien in den Berliner Monatsber. 

Jahrb, f, class. Philol. Suppl. Bd. IV- Hft. 4. Al 


σι 


632 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


1857 S. 489. Z. 13 ist nunmehr ὉὈλιουνπίέωνος, eine Conjectür von Ah- 
rens, vollkommen beglaubigt, wobei der Form gedacht sein mag, die 
gar keinen U-laut hat, OAOMP'OZ Franz CIG. 8412 Bd. IIl S. 230. Z. 151. 
ziehe ich Εὐμενίδαο dem früher vorgeschlagenen “ασϑενίδαο vor, vgl. 
CIG. 1593, 18 nach Kramers Copie SIB. S. 102 EYMENIAAOEPXOMENIQ. 
Die Buchstaben ZT sind dem M näher als dem £O, zumal das bei Rhan- 
gabis fehlende Σ kaum erkennbar scheint. Z. 16 weisz ich noch nichts 
besseres als Ὀξούμαχος d. i. Ὀξύμαχος: Rhangabis gibt Θεούμαχος, 
was ebenso wenig glaubhaft ist wie sein anderer Vorschlag Ὁμολ... vess 
4«o9éov, Mayo... Z. 18 kann ITOAAOYASPOZ auch Iloi[:]osóo- 
Qoc d. i. Πολύδωρος gewesen sein: “Πιουσίας “Μυσίας, Ὀλιουνπίων 
Ὀλυνπίων, 518. S. 17. Z. 19 hat Rhang. Movxwvos. Wegen Μούρων 
d. i. Μύρων s. SIB. S. 222^, Rang. Nr. 2052, 3 S. 922 ANIPQN ΧΑΙΡΕ: 
Mv]oov? χαῖρε. Vielleicht ist aber Mov ec avos. das echte, s. zu Nr. 
XXIV 26. Ζ. 19 f. Καφισόδωρος: SIB. S. 218°. "Avciyav: natürlich 
nur versuchsweise; einen gleichnamigen Orchomenier s. 518. S. 307”. 
Auch Zwreipog d. i. Σώτηρος Z. 20 f. wird einer annehmbarern Her- 
stellung gern preisgegeben , vgl. inzwischen ohen Anm. 6 Nr. 14. 

33) Den Namen Διώνυμος meinte ich durch CIG. 1616 S. 786 nach 
der vollstindigeren Copie von Ross SIB. S. 112 erweisen zu können, wo 
Z. 5 TIAIAIOYAIWNY 

MOY 
angemerkt ist. Später ist dieselbe Basis von Pittakis Eph. arch. Nr. 2357 
S. 1201 wiederholt worden: 

TIAIAIOYAIMNY 

MOY 
mit der Erinnerung, dasz in Z. 5 besonders AIMNY (ἐκάλυπτεν ἕτερος 
λίϑος τοῦ τοίχου) nicht völlig leserlich sei. Ζεωνυσέου wird aber keinen- 
falls auf einem Titel unter der Bildseule Hadrians zu ertragen sein, und 
eine Aenderung Zfi[o]vv[of]ov greift viel zu weil. Bekannt sind "4ya- 
ϑώνυμος; Ἱερώνυμος, Κλεώνυμος, Φιλώνυμος ; es fehlen bei Pape u.a. 
Εὐώνυμος, CIG. 1082, 1 Bd. IS. 570 ΓΕΟΡΓΕΩΕΣΎΩΝ., d. i. nach Bóckh 
Γεώργιος (oder Γεόργιος) Εὐων[ύμου; ein zweiter Beleg Nr. 6665, 3 Bd. 
lll S. 1007 BYONIMOZ gilt nicht, da Ligorius Gewährsmann ist; und 
Kalovvpos , Titel in Florenz bei Montfaucon Diar. Ital. S. 353 Σιμσπλε- 
κία ἡ καὶ Καλώνυμος. 

34) Eine Form ϑεύς für ϑεός (Herodianos S. 15, 1 Lehrs, Kallima- 
chos auf Demeter 58 γείνατο δ᾽ & ϑεύς) und ϑεῦν (Kall. 3.0. 130 ποτὶ 
τὰν ϑεῦν ἄχρις Ouegreiv, Bekker Anecd. S. 1004 u. 1231 τὴν ϑεῦν "Ao- 
τεμιν ol ἔπαϑεν. Meineke zu Kallim. S. 240) hat hiemit nichts gemein- 
sames; Ahrens dial. Dor. S. 215. Lobeck paral. S. 85. 

35) Doch ClG. 2032, 7 Bd. II S. 69 ist — s. rhein. Museum XVI 993 
— für XAIPETTAPOENA vielmehr die gewöhnliche Formel XAIPETTAPO 
AITA χαῖρε παροδῖτα herzustellen. 

36) Vielleicht dasz auf dem Pferde ein jetzt nicht mehr erkennbarer 
Reiter sasz. Dann würde die Sculptur zu den Bildern treten, wo ein 
Reiter, gewöhnlich eine Schale in der Hand, im Schritt auf einen Altar 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 633 


zureitet, während sich hinter diesem an einem Baumstamm eine Schlange 
aufwindet: Stephani der ausruhende Herakles S. 76. Ein von rechts her 
dem Altar zutrabender Reiter, welcher zur linken Seite den groszen run- 
den Schild und die eingelegte Lanze hält, ist auclı auf der obern llälfte 
eines Steines zu Theben abgebildet, dessen Copie in den Papieren von 
Mustoxydis mir durch Welckers Güte vorliegt. Oben am Rande unmittel- 
bar über dem Reiter sind die Spuren einer Inschrift übrig: 
MI! AIHEHPRZ 
Κα[λλεκράτ]ης ἥρως. 

Vgl. 518. Nr. XXXIX e S. 155 ᾿“ρίστων ἥρως. Nr. LIII d 2 S. 165 —Lebas 
Nr. 498 S. 90 Κόρενϑο[ς] News, Ross Königsreisen I S. 21 Note 16. 

37) Bekanntlich gehören zahlreiche Feminina auf -s00«@ der späteren 
und ganz späten Zeit an, Lobeck path. prol. S. 415: ἀρχόντισσα; avro- 
κρατόρισσα CIG. 8722, 5 Bd. IV S. 335. Nr. 8754, 5 S. 346; βαλανισσα; 
βασίλισσα; γερόντισσα; διακόνισσα Nr. 9318, 2 S. 477 ; [έρισσα Nr. 4009 ὁ 
2 Bd. Π|8..7]. Lobeck zu Phryn. S. 456; Καισάρισσα Cramer Anecd. Oxon. 
ITS. 304, 9; κτητόρισσα; μαγείρισσα; μάγισσα; πανδόκισσα; πολίτισσα: 
δήγισσα; ὑπάτισσα CIG. 9008 Bd, IV S. 415. 

38) SIB. Nr. LX A 1 S. 171 = Rhang. Nr. 2057 S. 922 

HPAKQN 
AAMO 

wo eben so unnötig wie unrichtig Ἱππο]δάμω vermutet wird; m. Anal. 
epigr. et onom. S. 231. Curtius Anecd. Delpli. S. 93. Lebas Inschr. von 
degna Nr. 9, 10 S. 4. Nr. 10, 9. 11, 2. 13, 3 S. 5. Lehrs zu Ilerod. 

S. 26. Meineke Com. Graec. V S. CCCXXXVIIL Die falsche Form 'Hoa- 
κοντα hat jüngst auch Wölfflin bei Pulyänos VIII 46 S. 322, 27 u. S. 323, 
4. 8 nicht gebessert: es muste wenigstens Ἡρακῶντα heiszen, wie CIG. 
654, 5 Bd. I S. 502 HPAKONTOZ Pauvovolov. Vgl. den Mannsnamen 
Ἑλικών. vog und ὦντος: Rhang. Nr. 1406 Bd. II S. 848 


AIOKAHZ Διοκλῆς 
EAIKONTOZ “Ελικῶντος 
ΑΧΑΡΝΕΥΣ Ayagvevs, 


und ᾿Απελλικῶν, ὥντος. 

39) Schneidewin Beiträge zur Kritik der poet. lyr. Gr. S. 193 schrieb: 
σῆμα τοδὶ Κύλων κτλ. Allein der Stein hat nach der wiederholten aus- 
drücklichen Versicherung von Ross rode, s. arch. Aufsätze I S. 214 ff. 
Freilich steht auf diesem auch €DEGEKEN : GANOTOI, so dasz wol an 
παίδοι[ν] ἐπέϑηκε 9avo|v]vos[v gedacht werden darf. 

40) Vielleicht genügl: δᾶμος ὁ ᾿Ισϑμιωτᾶν. s. die Beispiele 518. 
S. 137. CIG. 1544 a 1 πόλις Φαραιέων S. 714". Nr. 5597, 2 Bd. III 5. 620 
δάμος τῶν ᾿Δλαισίνων, wo Franz den Artikel vorgeschoben hat. 

40*) Ἑλικωνία kann eine aus EAlxn in Achaia stammende Frau be- 
zeichnen, s. Steph. Byz. u. EAixy S. 267, 1 ὁ πολίτης Ἑλικώνιος ἀπὸ 
τοῦ κτιστοῦ “Ἑλικῶνος καὶ ᾿Βλικωνία τὸ ϑηλυκόν, wozu der vortreffliche 
Herausgeber bemerkt, dasz der alte Name der Stadt vermutlich “Ἑλικών 


41* 


634 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


gelautet habe, Curtius Pelop. I S. 489, 8. Lobeck path. prol. S. 429. Al- 
lein es liegt zu nahe, da die Inschrift aus Böotien stammt, an den Helikon 
zu denken, von dem Dombrena wenig über eine Viertelstunde entfernt ist, 
v. Velsen a. 0. S. 282*. Die ᾿Ελικώνιαε παρϑένοι sind aus Pindaros 
Isthm. Υ1 (VII) 57 (126) bekannt. Von Velsen, welcher den achäischen 
Ursprung der Nelxn oder, wie er schreibt, -veixn festhält, vergleicht 
Eph. arch. Nr. 1516 S. 923 

ZYM®OPC 

OAQPOYE 

EAIKONTC 

rY 

wo Z. 1 Σύμφορον und Z. 3 'EAixóvrog γυνή anzuerkennen ist. 

41) Dasz im Lateinischen die Schreibart II für I im Inlaut einfacher 
Wörter häulig genug vorkommt, ist bekannt, Corssen Ausspr. I S. 128. 
Creuzers sic zu DEAE MAIIAE (Henzen Nr. 5696 S. 141) musz daher weg- 
fallen, zur róm.'Gesch. u. Alt. (1836) S. 130 Nr. 99. Ritschl priscae Lat. 
epigr. suppl. V S. XIV. Vgl. ἐπανορϑωτὴν AXAIIAX CIG. 1624, 3 S. 787, 
durch die Copie von Ross bestätigt (1839, 3 Juli): 


Al . ON 
TONAA.MNPOTATONYMATIKONENANOPOWTHNAXAIIA . 
AEFNATIONBIK ^ OAAIANONTONAFNONKAIAIKAION 

NOIATGQNEAAHNGN 
CPlIETHN 7X 


und durch Stephanos Byz. S. 151, 6 ᾿“χαΐα παρὰ τὸ ᾿Αχαιὸς xvgiov; 
anders Oves statt ! 49 vals (Pape , Eph. arch. Nr. 3573 S. 1855. 
Nr. 3771 S. 1938 Κούρην υἱῆος περιώνυμον "Tegogaviig | 95xe ϑεαῖς 
ἰδίαις μύυστιν ᾿4ϑηναΐδα) Eph. arch. Nr. 3659 S. 1889 


AOHNAII? 

BYIANTIZ 
«ἐπὶ τοῦ λίϑου γέγραπται Admvaris καὶ οὐχὶ ᾿4ϑηναίς»; Βρισαιείς, 
Κρηταιίς, Κυταιίς Lobeck paral. S. 25. — Das Dürener Programm von 


W. Schmitz 'studia ortlioepica et orthographica Latina. I de | geminata 
et de I longa? (1860) kenne ich nur aus Anführungen. 

42) Vgl. über diesen Stein aus dem lokrischen Chaleion Ross alte 
lokrische Inschrift von Chaleion oder Ocantheia S. 11. 

43) Ich erwähne die bei Pape fehlenden Namen Θηροκράτης Franz 
CIG. Bd. Ill Vorr. S. XV Nr. 95, Ἱπποϑηρίδης Eph. arch. Nr. 2757, 1 S. 
1377 (auch im Philologus XII S. 967); Φιλόφειρος d. i. Φελόϑειρος Titel 
aus Larisa in Thessalien bei Ussing inscr. Gr. ined. Nr. 25,1 S. 34 (= Le- 
bas Nr. 1249 S. 299), wo die falsche Deutung Φιλόχειρος vorgetragen 
wird, s. Schneidewin Philol. IX S. 630 und über den Wechsel von 9 und 
9 Ross Italiker und Gräken, 2e Bearb. S. 150. Auch durfte Pape nicht be- 
zweifeln, dasz Σηριτῦπος CIG. 1260, 13 S. 630 lakonisch s. v. a. Θήριπ- 
πος ist, Ahrens dial. Dor. S. 68. 

ài) Dieser Titel kann in Zukunft zur „Berichtigung der Note zu So- 
phokles Phil. 1333 dienen: καὶ τῶν παρ᾽ ἡμῖν ἐντυχὼν ““σκληπιδῶν 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 635 


edichterisch statt AoxAnmıadov. Dies freilich in Hinblick auf Lobeck 

ath. prol. S. 480: *sed unum tamen innotuit praetermissionis exemplum 
“σκληπίδης Soph. quod metri necessitate defenditur.? Die Inschriften 
beweisen jedoch, dasz man von manchen Namen auf τος auch Neben- 
formen auf -og im gewöhnlichen Leben brauchte. Neben ᾿“σκληπιός zur 
Bezeichnung eines Menschen (CIG. 3822 c 1 Bd. III S. 3. Nr. 4016, 17 S. 75. 
Nr. 4069, 3 S. 97. Libanios Epist. 267. 884. 905. 1026. ᾿σκλήπις Ross 
inscr. Gr. ined. Nr. 246 c 3 fasc. Ill S. 9. Spec. onom. Gr. S. 18) gab es 
ein verkürztes “σκλαπός oder ᾿Ασκλαπος: GIG. 5181. 1 Bd. II S. 517 
᾿Ασκλαπὸν AaxAanà ἱεριτεύοντ[α] và (4]noAAovoc, Nr. 5144 16 S. 521 
und 11 7 Nr. 5547, 3 S. 605. Eph. arch. Nr. 1625, 38 S. 966 .... AAPO£ 
NIKO£ TPATOY '4cx]Aanóg Νικοστράτου. Davon ist dann ᾿Ασκλάπων 
gebildet, was schon Pape angeführt hat; s. noch CIG. 569 a 3 Bd. IS. 493. 
Nr. 1260, 2 S. 630. Nr. 1295, + S. 639. Nr. 2146 ὁ 2 Bd. II S. 1018*. Nr. 
3822 b 6 Bd. III S. 3. Nr. 5302, 2 S. 550, Inschrift von Trikka bei Ussing 
inscr. Gr. ined. Nr. 1, 2 — Lebas Nr. 1900 S. 286. Eph. arch. Nr. 3257, 
10 S. 1695. Auszerdem erwähne ich 1) CIG, 2732, 1 Bd. II S. 492 ὥλα- 
(βιος) Γένεϑλος, wo Bockh Γενέϑλ[ι)ος schreibt. 2) CIG. 2146 ^ 2 Bd. II 
S. 1018* Novunvo ᾿σκλάπωνος,, was anerkannt wird und wonach auch 
Nr. 4458 II 20 Bd.Ill S.215 NOYMH®OZNOY...OY nicht in Novuml[ve]os 
Νουμηνῆου, wie Franz wilt, sondern in Novun[v]os Nov[unv]ov, der 
Lücke genau entsprechend, zu ändern sein wird. 3) CIG. 4977, 1 S. 458 
Τριάδελφος Zapanov, was wieder den Namen Σαράπων gegen Franzens 
Zagan|/]ov schützt Nr. 4905, 1 S. 427. 4) Aonoxgerov Nr. 4771 S. 388", 
wo Franz in gleicher Weise ein lota eingeschoben hat. 5) Γύμνασος CIG. 
8482 Bd. III S. 245, sonst I’vuvaosos, s. Pape. Uebrigens ist zu beach- 
ten, dasz ein AoxAnnlöng gegen Aoxkmıadng immer ziemlich selten 
war. Letzterer Name scheint in der späteren Zeit zu den sehr beliebten 
gehórt zu haben, wie nur aus dem ersten Bande des CIG. an vierzig Be- 
lege zugebote stehen. 

45) Eine neue Bezeichnung für diesen Begriff, nemlich γᾶς xai or- 
κέας ἐπαρχά. glaubt Rhangabis Bd. II S. 295 in drei Inschriften von Me- 
gara entdeckt zu haben: 1) Nr. 695, 9 S. 288 

KAIEIMENAY TQICA£KAI || KIAZE ^. ΔΑΓ xai προεδρίαν ---- 


wofür Pittakis Eph. arch. Nr. 1327 S. 804 etwas vollständiger E A XAr 
gibt, Lebas aber Nr. 34 S. 11 mit anderer Abteilung der Zeilen 
KAI.1. E. A. ΤΩΙΓΑΣΚΑΙ | ...IAZE..... AF 
4) Nr. 696, 11 S. 289 
KAIEIMENAY TOIFA£KAIOIKIA£'] EP PX ΚΑΙ προεδρίαν — 
ebenso wie Eph. arch. Nr. 1398 S. 806 ; Lebas hat dieses Stück nicht. 
3) Nr. 697, 16 S. 290 [καὶ εἶμεν) αὐτῷ ἀσυλέαγ | κατὰ yéy καὶ 
κατὰ ϑάλασσαγ καὶ ἐμ n ολέμῳ καὶ ἐν εἰράνᾳ xal....... l 
ΑΝ" τὸ δὲ δόγμα τόδε ἀγγραψάτω ὁ γραμ! ματεῦς —. 


nicht anders als Eph. arch. Nr. 1331 S. 809. Davon weicht jedoch die 
Copie bei Lebas Nr. 26 S. 8 wesentlich ab, 2. 14: 





- 


636 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


MEFAPE2...... AEAY T9IA£Y AIAD 
KAIKATATATKAIKATAOANAZ AT KAIEM 
DoAEM2IKAIENEIPANAI.Alo.KIA£EMI'A 
£INTOAEAOFMA κελ. 


Ist demnach in Nr. 3 offenbar οἰκίας ἔμπασιν das ursprüngliche, so wird 
auch in Nr. 1 vielmehr γᾶς καὶ οἰκίας ἔμπασιγ καί, und in Nr. 2 γᾶς 
καὶ οἰκίας ἔμπασιν herzustellen sein. Dieses selbige ἔμπασεν hatte Rhan- 
gabis in Nr. 701, 9 S. 293 richtig vermutet: 
EIMEN 
AEAYTOI  CIMA«EMPATI 
KAIPPOEAPIANEMPI'A£ITOI£AT 
zIN 
elusv 
δὲ αὐτῷ [καὶ οἰκίας] Zuna[o]ı|v 
καὶ προεδρίαν κτλ. 
worin er wieder den Herausgeber der Eph. arch. Nr. 1336 S. 813 zum 
Vorgäuger hatte, welcher etwas bestimmter CIKIA£EMPATI als auf dem 
Steine befindlich drucken liesz. Allein es bedarf der Mutmaszung gar 
nicht: denn die Copie, welche Lebas Nr. 29 S. 9 veröffentlicht hat, bringt 
deutlich Z. 8 ff. : 
EIMEN 
AEAYTRIKAIOIKIATEMTAZIN 
KAITPOEAPIAN κτλ. 


Dasz nemlich den Proxenen bisweilen blosz olxlag ἔγκτησις (ἔμπασες) 
verliehen worden ist, hatte schon Meier in seiner trefflichen commentatio. 
S. 19 Nr. 173 bemerkt und mit CIG. 90, 15 Bd. I S. 129 (auch Nr. 92, 6 
S. 131) belegt, einem Actenstücke von dem nachher Stephani titnl. Gr. 
part. V S. 7 eine bessere Abschrift geliefert hat. Auszerdem vgl. Rhang. 
Nr. 458, 2 S. 153 — Eph. arch. Nr. 402 elvJas oder δεδόσϑ]αι δὲ αὐτῷ 
καὶ οἰκίας ἔγκτησιγ xai ἀτέ[λειαν. Nur nebenbei berühre ich, dasz auch 
die volle Formel γῆς καὶ οἰκίας ἔγκτησις auf attischen Inschriften nicht 
ganz selten ist. Meier, welcher a. Ὁ. und zu Ross Demen von Attika S. 43 
Note blosz die Titel des CIG. vor Augen hatte, bestritt deshalb eine durch 
Ross vorgeschlagene llerstellung jenes Ausdrucks. Darüber gedenke ich 
an einem andern Orte umständlicher zu handeln. Ich musz jedoch hier 
beim Rückblick auf die oben angeführten ınegarischen Proxenien noch 
eine kleine Entdeckung mitteilen, welche etliche Berichtigungen der 
Texte in der Eph. arch. und in den Antiq. Hell. gewährt. 

a) Das Stück, welches Eph. arch. Nr. 1327 S. 804 u. Rhang. Nr. 695 
steht, ist zwar ersichtlich identisch mit dem bei Lebas Nr. 34; allein 
beide Abschriften differieren so vielfach, dasz man hier an einem recht 
schlagenden Beispiele sieht, mit wie unzuverlässigem Material die Epi- 
graphik bisweilen zu operieren hat, besonders wenn Abschriften allein 
vorliegen, was der unendlich hàufigere Fall ist, nicht zugleich Abdrücke. 
So lesen Pittakis und Rhangabis Z. 1 


EPIBAZIAEQZADOAAOAQPOYTOYEYOPONIOYFPAMMATEO£AE, 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 637 


Lebas ....A£IAEO£ADOAAOA.... TeYEPM.IoY..TPAMMATEYONTO£, 


Hier verdient ἐπὶ βασιλέος den Vorzug; ob aber auch ᾿“πολλοδώρου τοῦ 
"Eon[s]íov vor τοῦ Eußgoviov? Letzteres kehrt Eph. arch. Nr. 1328, 1 
S. 806 — Rhang. Nr. 696 S. 289 wieder. 

Z. 4 f. haben die griechischen Herausgeber ATAJOQNO£, Lebas 
allein ATA; doch wichtiger ist, dasz jene Zeile 5 ATAONNAZTTIOY 

Σ haben, statt des von Lebas angegebenen ATAOSNAPXIOY.PF. 

IO£: dieses ᾿Δρχίου [A]ey[e]ios zu mutmaszen, wäre wol niemandem in 
den Sinn gekommen. Dann viele Worte zu übergehen, wo Lebas lücken- 
haft ist, so hat derselbe Z. 10 wiederum das echte: 


KA...0.AP..N...... T..£A..£lol£|' AMoAIZTIoHTI 
καὶ προεδρίαν ἐμ πᾶσι τοῖς ἀγῶσι οἷς || « πόλις τέϑητι, 


jene schreiben nach den vollständigen Worten x. zo. ἐμ 76. τ. &. οἷς noch 
AN, was alsdann ein falsches οἷς a[v] « πόλις τίϑητι hervorruft. End- 
lich Z. 14 hat Lebas nach dem fragmentierten eve uev εἰς τὸ Ὀλυμπιεῖον 
sechs Puncte und Z. 15 


NEPoNHIOTIOAAMO£oMET[A...... MHToY£.Y.... 
KAIXPH£IMoYt£AYT2l, 


die Griechen fügen nach Ὀλυμπιεῖον TO hinzu, erkennen in der näch- 
sten Zeile einzig OAAMOZOMEPAPERN und Ζ. 1] PH£, und ergänzen 
ohne Treffer τὸ [δὲ ἀνάλωμα δότω] ὁ δᾶμος ὁ M. Das ursprüngliche war: 
[ὕπως φα- 

νερὸν ἢ ὅτε ὃ δᾶμος ὃ o Μεγαρέων [τιμῇ τοὺς [εἼύζνους 

καὶ χρησίμους αὑτῷ. 
Wegen τιμῇ s. Ahrens dial. Dor. S. 195. 310. 

b) Ein gleiches Verhältnis findet zwischen Lebas Nr. 29 S. 9 und 

Pittakis Nr. 1336 S. 815 oder Rhangabis Nr. 701 S. 293 statt. Denn Z. 1 
haben die beiden letzteren 


E'EIAHAIO TEAHZAPXIAAMOY 
BOIRTIOE, 

der erstere ber EMEIAHATAooKAHZAPXIAAMoOY 
Bole Tlo£t. 


Also Διοτέλης oder ’AyadoxAng? Doch wol der zweite Name, wenn es 
auch nichts zur Entscheidung thut, dasz ein AyadoxAns Εὐάνδρου aus 
Chäroneia bekannt ist, CIG. 1608 c 21 S. 782. Dasz Z. 9 bei Lebas καὶ 
oixíac ἔμπασιν vollständig, erhalten ist, haben wir schon oben geschen. 
Z. 16 gibt derselbe Διονύσιος Πυρρίδα, jene AIO . IOX YPPIAA, 
doch ergänzen sie gut. Z. 17 f. hat Lebas ᾿Αντίφιλος AMA || XOY, wie 
Nr. 30, 18 S. 9, Pitt. u. Rhang. EMA [| AOY, wie Nr. 702, 18 S. 294 und 
Nr. 1335 S. 814. Pittakis S. 815 gedenkt des Titels CIG. 1052, 5 Bd. 1 S. 
558, wo Böckh nach Chandler fälschlich ANTIMAOZEMAXOY (Avilue- 
[χ]ος E[$|uexov) geschrieben habe. Ich habe den fraglichen Namen 
schon oben zu Nr. XXI 25 f. berührt. Aueyov ist möglich; aber auch 
Ἐμάχου für Εὐμάχου wird nicht geleugnet werden können. Zuletzt ist 


638 K. Keil: zur Svlloge inscriptionum Boeoticarum. 


in dem Exemplar des französischen Gelehrten 2. 18 f. EPKIQ. || TEAH- 
ΤΟΣ, bei den andern EPKIRN || ΛΈΟΝΤΟΣ: Τέλητος oder Adovrog!? 
Derselbe Zweifel erhebt sich Rhang. Nr. 702, 19 f. (Pittakis Nr. 1335) und 
Lebas Nr. 30, wie auch Pittakis die Schreibweise Chandlers CIG. 1062, 5 
'Eoxíov Τέλητος bestreitet. Ich übergehe geringere Abweichungen. 


c) Noch weiter greifende Unterschiede bestehen zwischen Lebas Nr. 
96 S. 8 und Rhang. Nr. 697 S. 289 (Eph. arch. Nr. 1331 S. 809). Man 
vergleiche Z. 1 —8 Lebas: 


EPI... £I. E.. AD. A. 2NIAAETPAMMA 
TEYEBOoYAAIKAIAA.2IXPY £ZANGIAA£ 
ADoA.oA2.0YE£ TPATATOYNPYoo 
.AH. EYFE. TAPA. T.KAHENIKoAAMoY | 

5 ZTPAToMEIoHZATOKPATEOZTAZTIAAAZ 

HPoA2..£Al2No£ 
EPEIAHAPI£ TANAPo£oAPFHAIOYAAI 
KAPNAZZEYZ 
Rhangabis : 

ETIBASIAENZE OYTOYAENNIAAETPAMM 
ATEYENBOYAAIKAIAAMOIXPYZANTIAA  , 
£zlOAY£TPATOYE£TPATATOYNI'YOOAQPOt 
Ar Qu 7 TITPEA NAAMQNO£t 

5 APIZTOTFEITON 

EAOZEBOYAAIKAIAAMQI 

EDPEIAHAPI£ TON 


EPETPIEYt 
wo Pittakis Z. 4 ein wenig mehr gibt: 
IAN QD ETITPEA ΟΝΔΑΜΩΝΟΣ 


Man kann Bedenken tragen beide Abschriften auf ein und dasselbe Origi- 
nal zurückzubringen. Ich stehe gleichwol nicht an ein einziges Acten- 
stück anzuerkennen, weil die anscheinend kaum vereinbaren Varianten 
einander bei genauerem Zusehen doch gar nicht so fern stehen und an- 
genommen werden darf, Pittakis sei der Lesung des undeutlich gewor- 
denen Steines mit der Phantasie lebhafter zu Hülfe gekommen. Auch 
geht schon aus Chandler (CIG. Nr. 1052 Lemma) hervor, dasz diese Pro- 
xenien von Megara schwer zu lesen sind. 
Ich schreibe demnach mit Benutzung auch des unvollkommneren 

Exemplars: 

Ἐπὶ βασιλέος] 4z[o]A[A]ovíóa ἐγραμμά- 

τευε βουλᾷ καὶ δάμῳ Χρυσανϑίέδας 

᾿Α4πολ[ λ]οδώ[ρ]ου, ἐστρατάγουν Πυϑο- 

xls] Εὐγεζῆτα, Παϊ[ν || οἸκλῆς Νικοδάμου, 

ὃ Στρατοπείϑης ““[ρἸποκρατεος, Πασιάδας -- - 

- -, Ἡρόδω[ρο]ς Δίωνος" 

Ἐπειδὴ ᾿Δρίστανδρος Θαργηλίου Akı- 

καρνασσεὺς κτλ. 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 639 


Hier ermangelt zunächst der eponyme βασιλεύς wie in allen übrigen me- 
garischen Titeln des Vaternamens; dasz vom attischen ἄρχων ἐπώνυμος 
fast durchweg ein gleiches gilt, ist bekannt. Sodann gewinnen wir die 
neuen Namen Χρυσανϑίδας, Εὐγείτας (neben Εὔγειτος und anderen auf 
-7γειτος Lobeck path. prol. S. 378), Στρατοπείϑης d. i. Πεισίστρατος. 
Ob Apmoxgarng richtig ergänzt sei, ist unsicher. Θαργήλιος fehlt bei 
Pape, s. indes CIG. 5879, 6. 10 Bd. HII S. 767 und Ταργήλιος bei Anakreon 
Fr. 41; mehr Belege hat Bergk im Halleschen Einladungsprogramm zum 
4 Mai 1859 S. 5. 

Endlich sind so auch die fünf Strategen gefunden, die Bóckh von 
den fünf alten xc: der Megarer herleitet und mit den fünf Ephoren in 
Sparta vergleicht, CIG. Bd. 1 S. 558^. Nur dasz diese Zahl auch über- 
schritten wurde. Fünf Strategen sind es CIG. 1052, 2. Lebas Nr. 27, 3 
(Eph. arch. Nr. 1329. Rhang. Nr. 693), Nr. 28, 3 (Eph. arch Nr. 1330. 
Rhang. Nr. 694), Nr. 29, 15 (Eph. arch. Nr. 1336. Rhang. Nr. 701), Nr. 
30, 16 (Eph. arch. Nr. 1335. Rhang. Nr. 702), Nr. 31, 14 (Eph. arch. Nr. 
1332. Rhang. Nr. 699), Nr. 32, 15 (Eph. arch. Nr. 1333. Rhang. Nr. 698), 
welche beiden letzten Titel wieder in dem Namen des geehrten differieren ; 
dagegen hat man sechs Strategen bei Lebas Nr. 33, 15 (Eph. arch. Nr. 
1334, 14. Rhang. Nr. 700, wo Z. 1 für Πρωρέα mit Lebas Πρωτέα glaub- 
licher ist), Nr. 34, 2 (Eph. arch. Nr. 1327. Rhang. Nr. 695). E. Kuhn die 
griechische Komenverfassung im rhein. Mus. XV S. 3 N. 21 hat dies über- 
sehen. 

46) So vermute ich für TPY= unter der Voraussetzung, dasz eine 
etwas seltnere Form des 4 auf dem Steine gestanden habe, entweder 4- 
(Eph. arch. Nr. 350 mit Facsimile — E. Curtius de portubus Athenarum 
S. 46, ebd. Nr. 3450 S. 1803, Nr. 3620 S. 1872, attische Inschr. in der arch. 
Ztg. 1854 Nr. 65. 66 S. 465 f.) oder :*t, Ussing inscr. Gr. ined. Nr. 57 
S. 54 (*quam .. formam . . nusquam alibi me videre memini’), wofür Pit- 
takis Eph. arch. Nr. 1059 S . 604 vielmehr $ hezeugt. Vgl. Rhang. Nr. 939, 
4 S. 639 σῶμα [avöge]iov, ᾧ ὄνομα Μηνόφιλος. τὸ γένος Φρύγα — 
Curtius anecd. Delph. Nr. 31 S. 71. 

47) Nur an ein paar Stellen dieses hóchst merkwürdigen und durch 
. Bergk vortrefflich erläuterten Actenstückes bin ich anderer Ansicht als 
mein Freund. Z. 25 ff. steht: 

κα τὰ αὐτὰ δὲ καὶ εἴ x&v τις 
πλέον ἢ ἢ δυο ἔργα ἔχη τῶν ἱερῶν 1j 7 τῶν δαμο(σ)ίων 
κατ᾽ εἰ δέ τινα τρόπον, ὄτενι &u μὴ οἵ ἁλιασταὶ 
παρετάξωνσι ὁμοϑυμαδὸν πάντες. ξαμι(όντ)ω 
καϑ᾽ ἕκαστον τῶν πλέονω(ν) ἔργων (un κ)ατὺ wnj(ov) 

30 πεντήκοντα δαρχμᾶ(ν) cusczav . 
mit der Note S. XV: *quod v.28 legitur παρετάξωνσι nescio an describentis 
error aliquis subsit, siquidem alias in hoc titulo neque in verbis simplicibus 
neque compositis augmenti servati vestigium appareat, velut γένητοι, δια- 

vro scribitur, neque exempla huius generis quae alias extant satis certa 
sunt aliamque potius explicationem admittunt. nolui tamen quidquam no- 
vare, cum non tam παρατάξωνσι quam παρταάξωνσι dialecti huius pro- 


640 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


prietas requirere videatur, ut est v. 42 mag τὰν σύγγραφον; atque hac 
ipsa observatione fides illius scripturae confirmari aliquantum videtur.' 
Ilier hebt sich die Schwierigkeit, wenn wir zo geve Savas. von παρετάζω 
ableiten, einem Zeitwort welches Hesychios anführt: παρήτασεν * ἐξήτα- 
σεν. wozu Schmidt Bd. III S. 285 keine Belegstelle anführt. Der Sinn ist 
also: “auf irgend eine Weise, welche nicht die Haliasten einmütig insge- 
samt geprüft und gebilligt haben. ^ Vgl. die Inschrift über die χαλκοϑήχη 
in Athen Eph. arch. Nr. 8840 S. 1752 Z. 13 xol ἐπειδὰν τὸ οἴκημα a[vor- 
χϑῇ ἐξ)ετάξειν κατὰ ἔϑνος ἕκαστα, und Ζ. 17 ἐπειδὰν δὲ ἐξετασϑῇ 
πάντα κ[αλῶς καὶ ἀκριβῶς oder ὀρθῶς. Auch sei hier erwähnt, dasz 
neben den anderswo nicht seltenen ἐξετασταί in Lampsakos CIG. 3641 b 
42 Bd. II S. 1131 ἐτασταί vorkommen: of δὲ ἐτασταὶ δρκισάϊτωσ]αῖν 
αὐτ]ούς, nemlich τοὺς ἐπιμηνίους. 

Z. 35 f. un οὗ ἔστω ἰνδίκ(α) μηδέποϑι ἄλλη iv Τεγέᾳ, wozu S. XIV 
bemerkt ist: “ἄλλη adverbium pro ἄλλεε, quemadmodum apud Dorienses 
et διπλεῖ et διπλῆ reperitur. Mir scheint vielmehr ἄλλ᾽ ἡ ἐν Τεγέᾳ ge- 
lesen wergen zu müssen, s. über diese Verbindung Rost Worterbuch d. 
class. Gräc. I S. 186*. 

Z. 13 ἀπυδόας (τ)ὸ ἀργύριον vergleicht Bergk das bóotische ἀνέ. 
ϑιαν 8518. Nr. X 1$. 69. Ob dies für ἀνέϑεικαν oder ἀνέϑεσαν steht, 
ist fraglich, Ahrens dial. Aeol. S. 211, Dor. S. 525. Ich möchte eher den 
Ausfall des Sigma , annehmen, wie, um dies zu erwähnen, selbst die Atti- 
ker σωῶ statt σώσω gebraucht haben, L. Dindorf zu Xen, Kyrop. S. IX 
(Teubner 1858); wegen der Dorier s. Ahrens dial. Dor. S. 74 ff. (Σωαν- 
ὅρος und dafür Ziivógoc, was jüngst verkannt worden ist). Doch jenes 
ἀπυδόας hat seine sichere Bestätigung an dem ebenfalls bóotischen ἀπο- 
δεδόανϑι d. i. ἀποδεδώκασι CIG. 1569 a ΠΙ 35 Bd. I S. 741. Ahrens 
a. 0.8. 211. 

Endlich Z. 44 ist τᾶς dgyovíav statt ἐργωνέαυ vielleicht nur Druck- 
fehler. Das Wort ist zuerst aus Polybios VI 17 S. 512, 29 Bk. nachge- 
wiesen. Genetive auf -«v (Bergk S. IV. XIV) von Eigennamen finden sich 
in dem tegeatischen Titel CIG. 1513 Bd. I S. 699 nach den Copien Leakes 
(Anal. epigr. et onom. S. 71) und vornehmlich Bröndsteds (Graeske og 
Latinske Indskrifter af J. L. Ussing, Kjöbenhavn 1854, S. 26 Nr. 7) zahl- 
reicher: A 94 -av. 35 -relav. 37 EINIAY Ki eria. 39 MNAZTAY 
ΕὐἹμνάσταυ. 45 KOAAY Ni]xoiov. 47 ANAAY. 51 wav. B4 
-ἰδαυ. 10 Πυϑαγγελία[υ]. 13 .ZOAAMOXPEIMIAY Tjoödauol[s Teı)- 
μίαυϊ 16 ᾿Απολλωνίδαυ. 17. Φιλλίαυ. 19 Καλλίαυ. 20 ADIAY "(y fav. 
25 ᾿Δλεξιάδαυ. 28 Εὐπράκταυ. 31 Μεγαλίαυ. 32 Πολέαυ. 86 Γοργιπ- 
πίδαυ. 37 Ayablav. C 22 Εὐμηλίδαυ (— Leake Ζ. 13 Εὐμενέδαυ, was 
richtiger zu sein scheint). 26 4zoAÀoví(deav. 39 OIAEEA . G[o]ac£o[ v. 
49 KAMNI. Kallllav? 52 u. 53 -av. 

38) Die Stelle fehlt in Curtius nomenclator Delphicus, Anecd. D. S. 
92, wie auch CIG. 1936, 11 Bd. II S. 4 “ἰακέδῃ καὶ Xo(:]oegevy τ οὔ] 
[Β]αβύλου Δελφοῖς. Ueberhaupt sind aus den Plutarchischen Schriften 
noch manche Nachträge für jenes Verzeichnis zu entnehmen. Β]αβύλου: 
s. Curtius 5, 93*, Wescher u. Foucart inscr. rec. à Delphes Nr. 21, 1 u. ó. 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 641 


49) Zu dem Artikel Μιλτιάδης bei Pape füge ich auszer der Inschrift 

Eph. arch. Nr. 3665 (Nr. XLIV S. 601): 1) M. Μ“ακιάδης in den Urk. über 
d. Seewesen d. att. Staates S. 245. 2) Epli. archi. Nr. 3495, 10 S. 1825 
NMIATIAAOYAXA -v Μιλτιάδου ᾿4χαζρνεύς. 3) Inschrift aus Milet bei 
Lebas Nr. 1570 S. 386 

MIATIAAHZ 

MIATIAAEQ € 

KITTEY? 


50) An der ersteren Stelle heiszt es: ἐδίᾳ δὲ πρὸς αὐτὸν ἔπεμψε 
Τρίπυλον καὶ πάλιν Μεγιστόνουν τὸν πατρωόν᾽ an der zweiten: Tgı- 
τύμαλλον δὲ πάλιν τὸν Μεσσήνιον ἀπέστειλε πρὸς αὐτόν, wofür Bryan 
und Mos. du Soul Τρίπυλον δὲ xoi πάλιν Μεγιστόνουν vermutet haben. 
Hiergegen erklärt sich Schömann S. 233 mit gutem Grunde. Wenn aber 
derselbe schreibt: “Tri pylum quidem pro Tritymallo si quis prae- 
optet, propter huius nominis formam insolentiorem, non intercedo. . 
scripserim potius Τρίπυλον δὲ πάλιν τὸν Μεσσήνιον . 80 móchte man 
eher sagen, dasz Τρίπυλον einer durch den Abschreiber nicht richtig 
verstandenen Abkürzung für Τριτύμαλλον seinen Ursprung verdanke. 
Vgl. Καράμαλλος und Χρυσόμαλλος ῥητιάριος ClG. 3764, 2 Bd. lI S. 963, 
Nr. 5052, 6 Bd. III S. 481 (wo Franz, da Pape den Namen nicht kennt, 
statt ' nomen Xo. notum est aliunde? besser cin Citat gesetzt hätte); 
sonstige Wörter auf -αλλος bespricht Lobeck path. prol. S. 94. 


51) Dieser Name ist zwar nicht nachgewiesen, hat aber die Analo- 
gie für sich: Merayévgc, Meraveıgos Inschrift von lasos bei Lebas Nr. 
254, 12 S. 75 und Nr. 256, 12 S. 77 ( Ἰάνειρα Wieseler de linguae Grae- 
cae nom. propr. et adiect. quorum prior pars est IO, Götlingen 1860, 
S. 6). Meraixng führt Pape aus Apollodoros 11 1, 5, 8 an, doch hat 
Bekker S. 39, 22 Μεναλκης: die Bücher sollen μεγακλῆς, weralung, 
μελάλκης geben, Ileyne S. „124°. Bei Μετακλῆς gedenki man des Ilo- 
merischen μετὰ κλέος ἵκετ᾽ ᾿Αχαιῶν Il. A 927 und ὅς da νέον πολέμοιο 
μετὰ κλέος εἰληλούϑειν IN 364. 


52) In der Inschrift von Rosette CIG. 4697, 7 Bd. III S. 335 hatte 
Franz die Schreibweise l'T EPo9oPAI in πτεροφόρ[0]ε umgeändert. Eine 
Rechtfertigung versucht er Add. S. 1187*: *haud mihi persuadere pote- 
ram hoc loco eam formam orationi poeticae familiarem non esse a lapi- 
cida illatam, cuius incuriam in litteris confundendis notavi p. 3385.* Der 
Steinhauer hat hier sicherlich nur eingegraben, was ihm vorgeschrieben 
war, und nicht aus Belesenheit in den Dichtern ein blosz poetisches 
Wort gesetzt. Oder móchte jemand annehmen, dasz auch der Bóoter 
πελτοφόρας geschrieben, weil ihm die dichterische Form geläufiger 
war? 

53) Zu den SIB. a. O. erwähnten irrationalen Kürzungen zählt auch 
die Form διάκων für διάκονος und ἀρχιδιάκων für ἀρχιδιάκονος (16. 
9238 Bd. IV S. 458 nach Hamilton res. in Asia minor Bd. 11 S. 482 Nr. 
433 u. a. 


642 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


MAPICAPXI Magıs ἀρχι- 
AIAKQNKA διάκων κα- 
AWCEEYTTH Ads ἐξυπη- 
PETHCACTO) ρετήσας τῶ 
5 AAWENOA λαῷ ἐνθά-. 
ΔΕΚΕΙΤΕ δὲ κεῖτε. 
Ehd. Nr. 9517 S. 514 

COCIOCBYXXYAOC Σύσιος Βύχχυλος 

AIAKQNENOAAE€ διάκων ἐνθάδε 

ΚΙΤΕ κῖτε. 


Vgl. Sturz de dial. Maced. et Alexandr. S. 161 und Buttmann Lexil. I S 
219, welcher διάκων, διήκων, von dıaxw als Participium für die ur- 
sprüngliche Form ansieht. 

94) Bei Pausanias IX 12, 4 (3) πλησίον δὲ Διονύσου ἄγαλμα, καὶ 
τοῦτο Ὀνασιμήδης ἐποίησε hat Kayser rhein. Mus. V (1847) S. 348 vor- 
geschlagen, nach dem Eigennamen ἐπιχώριος einzuschieben, so dasz 
Theben als Vaterland des heimatlosen Künstlers (Sillig catal. art. S. 306) 
genommen würde. Ich finde die nicht eben wahrscheinliche Conjectur 
von Schubart in der Teubneriana nicht erwähnt. Echt böotisch hätte der 
Maun Ὀνασιμείδεις geheiszen: vgl. den Grabstein aus Thisbe in der Ka- 
pelle A. Κυριακή: OEOMEIAEIE, welchen im arch. Anz. 1856 Nr. 96AB 
S. 987 * Nr. XVI der jüngst so raschen Todes verblichene, für die Epigra- 
phik viel verheiszende A. von Velsen bekannt gemacht hat. 

55) Rhangabis schreibt 


KEPKION ‚Keoxior 
AITTINOY Aln]re[ne]ov 
OETTAAOX Θετταλός. 


Pittakis aber Eph. arch. Nr. 760 S. 483: Καρκίων "A[v]rrivov Θετταλός 
mit einer zwiefachen Willkürlichkeit. Auf der Abbildung des Gefäszes, 
welche letzterer beigefügt, ist zwischen K und E der ersten Zeile wie 
zwischen A und | der zweiten eine Beschädigung des Marmors ersicht- 
lich; von diesen Ritzen scheint das vermeintliche Iota herzurühren. We- 
gen der Analogie von ᾿Αττίνας s. was von mir inscr. Thess. tres S. 13 
beigebracht ist. Böckh hat zweimal ’Arrsväc betont, CIG. 180, 7 Bd. I 
S. 312 A. Ἡρακλείδου ὥλυευς und Nr. 1424, 11 S. 678 T. Φλαούιος "A. 
Φωκαεύς. worin ihm Pape gefolgt ist. 

56) Der Name beruht hier freilich nur auf Mutmaszung, aber auf 
einer kaum zweifelhaften. Da der Titel überdies Gelegenheit bietet einen 
andern bóotischen Eigennamen herzustellen, so setze ich ihn vollstän- 
dig her: 

PYLLINOZERXOMENI 
NPOZENOKAIEYEPFETO 


EAOZENTHIBOAHIKAITRIAHMRITNTOOLRNTIZEN 
TANEYEN. ..XYAO£ECPAMMATEYEKH94IZOAQPO£ 
DPETTATEIKAANASHPXEMENETEAHZEITENETEIA 5 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 643 


EYPYAIQNKAIOPATHPAY TOTOTEZOANPOEKAPOI 
POFONOIAYTONPPOZENOITEEIZINAOHNAIOND 
O£EVAIKAIANAPE£AT AOOIENTETHI 
TETHNTOAINTHNAOHNAIRNKA 
10 KAIOAHMOX 


Tleviliolvos ᾿Ερχομε[ν]ῆου 
προξέν ov καὶ evepy ου. 
Ἔδοξεν τῇ βουλῇ καὶ τῷ δήμῳ᾽ Ἱπποϑωντὶς ἐπίρυ- 
τάνευεν᾽ ἰσ]χύλος ἐγραμμάτευε: Κηφισόδωρος [ἐ- 
6. πεστατει" Καλλίας "015 Μενετέλης elnev Ἐπειὸ- 
9 “ΓΊρυλίων καὶ ὁ πατὴρ αὐτοῦ Ποι[αμ]όδωρος κα[ὶ] of [π- 
Qóyovot αὐτῶν πρόξενοί τέ εἶσιν ᾿᾿ϑηναίων [κα- 
i εὐεργέτ]αι καὶ ἄνδρες ἀγαθοὶ ἔν ve yj - - - 
---- - τε τὴν πόλιν τὴν ᾿4ϑηναίων καὶ 
10 ---------- καὶ ὁ δῆμος - - :- - - 


Die erste Zeile ist mit ganz groszen, die zweite mit etwas kleineren, 
der Beschlusz mit Lettern gewöhnlicher Grósze geschrieben; weitere 
Beispiele davon, dasz die vorangestellte Inhaltsangabe des Actenstückes 
durch die Schrift ausgezeichnet wurde, s. bei Franz el. ep. Gr. S. 317 ". 
Dasz Z. 3—10 die Buchstaben στοιχηδὸν eingegraben seien, ist nicht 
ausdrücklich bezeugt, aber sehr wahrscheinlich. Rhangabis hat übrigens 
den Titel von Pittakis entlehnt, Eph. arch. Nr. 1368 S. 847. 

Obwol der Archou Καλλέας Z. 5 namhaft gemacht ist, so hat die 
Zeitbestimmung doch ihre Schwierigkeiten. Diese bestehen 1) in der 
Schreibweise Καλλίας. 2) in der ganzen Orthographie, 3) in der Forinel 
des Decretes Z. 3 ff. Bekanntlich enthalten, um mit dem letzten Punkte 
zu beginnen, die atlischen Beschlüsse vor dem Archon Eukleides Ol. 94,2 
(403 v. Chr.) regelmäszig oder mit nur geringen Abweichungen die Data 
welche sich auch hier finden in den feststehenden Ausdrücken: ἔδοξεν τῇ 
"βουλῇ καὶ τῷ δήμῳ᾽ LU δεῖνα φυλὴ ἐπρυτάνευεν᾽ ὁ δεῖνα ἐγραμμάτευεν" 
ὃ δεῖνα ἐπεστάτει. ὁ δεῖνα εἶπεν, Franz a. Ο. S. 319. Rhang. Nr. 250 
Bd. 1 S. 318 (— Bóckh Staatsh. II S. 748), Nr. 257 S. 337, Nr. 259 S. 343, 
Nr. 263 f. S. 347, Nr. 267 S. 349, Nr. 284 S. 363, Nr. 294 S. 366 (— Eph. 
arch. Nr. 2912 S. 1433, in m. schedae epigr., Naumburg 1855, S. 2), Nr. 
301 S. 369, Bóckh Staatsh. II S. 50. Dasz ferner nicht gleich mit der 
unter Eukleides für Staatsschriften angenommenen ionischen Literatur 
(Franz a. O. S. 148. Wachsmuth hell. Alt. IE S. 751) statt dieser alten 
Formel die neue: ἐπὶ τοῦ δεῖνος ἄρχοντος ἐπὶ τῆς δεῖνος φυλῆς πέμπτης 
(oder ähnlich) πρυτανευούσης , ἡ ὁ δεῖνα ἐγραμμάτενε; τρίτῃ (oder 
ahnlich) τῆς πρυτανείας, τῶν προέδρων ἐπεψήφιξεν ὁ δεῖνα" ἔδοξεν τῇ 
βουλῇ καὶ τῷ δήμῳ ὁ δεῖνα εἶπεν in den ólfentlichen Documenten Platz 
griff, wird von Franz a. 0. S. 320 und anderen eingeräumt. Die Frage 
ist aber eben, bis wie lange sich die erstere Ausdrucksweise erhalten 
hat. Das inschriftlich vorliegende Material thut nur so viel mit Sicherheit 
dar, dasz die geänderte Forınel, namentlich mit τῶν προέδρων à 0 δεῖνα 
ἐπεψήφιζεν für ὁ δεῖνα ἐπεστάτει., zum erstenmale “υσιστράτου ἄρχον- 


644 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


vog Ol. 102, 4 (369 v. Chr.) CIG. 85 c S. 899 gebraucht ist: Hermann epi- 
crisis quaestionis de proedris apud Ath., Góttingen 1843, S. 23. Meier 
comm. epigr. S. 100, 1 und de epistatis Athen. comm., Halle 1855, S. V. 
Ein weit älteres Zeugnis würden wir freilich an der Inschrift Rhang. Nr. 
377, 16 Bd. ll S. 31 haben: 
in]i Φιλοκλέους ἄρχοντος ἐπὶ τῆς Οἰνηίδος ἐναΐτ- 
ns] πρυτανείας, ἡ ἡ Εὐϑυγένης Ἡφαιστοδήμον Κηφι- 
σιε]ὺς ἐγραμμάτευεν, Θαργηλιῶνος δευτέρᾳ Íoz- 
αμέν]ου, τρίτῃ καὶ εἰκοστῇ τῆς πρυτανείας, ἐκκ- 
20 λησί]α᾽ τῶν προέδρων ἐπεψήφιξεν Εὔαλκος Φαληρε- 
vc ἔϊδοξεν τῷ δήμφ᾽ Διόφαντος Φρασικλείδου M[v- 
ορι]νούσιος εἶπεν, 
wenn hier der llerausgeber Recht hätte, den Archon Ol. 97, 1 (398 v. 
Chr.), nicht den aus Ol. 114, 3 (322 v. Chr.) anzunehmen. Dasz diese Be- 
ziehung jedoch falsch ist, geht schon aus einer viel späteren Inschrift * 
hervor, welche noch die ältere Formel hat; es ist dies die jüngst so viel 
behandelte Tafel über die Bundesgenossenschaft Athens zur Zeit des Cha- 
hrias und Timotheos (Meier comm. epigr. Nr. 61 S. 53. Rhang. Nr. 381 
Bd. II S. 40 u. S. 373. A. Schaefer de sociis Athen. usw., Grimma 1856), 
deren Col. 1 1 so lautet: 
Ἐπὶ Ναυσινίκου ἄρχοντος" 
Καλλίβιος Κηφισοφῶντος 
Παιανιεὺς ἐγραμμάτευεν᾽ 
Ἐπὶ τῆς Ἱπποϑωντίδ]ος Eßdo]ung πρυτα- 
5 νείας, ἔδοξεν τῇ βουλῇ καὶὶ τ[ῷ] δήμῳ" 
“Χαρῖνος Aduorjeis ἐπ)εστάτει." 
᾿Δριστοτέλη[ς] εἶπεν" 
Oder sollte nían glauben, dasz unter Nausinikos Ol. 100, 3 (378 v. Chr.) 
wieder ἐπέστατεε gesagt worden wäre, wenn dafür schon vierzehn Jahre 
früher der Ausdruck τῶν προέδρων ἐπεψήφιξεν Aufnahme gefunden 
hatte? Ich stehe nicht an unter Philokles den späteren Archon von Ol. 114, 
3 zu verstehen. Von dem Titel aber, der durch Nausinikos chronologisch 
lixiert ist, wird gleich weiterer Gebrauch zu machen sein, um die Frage 
zu entscheiden, in welches Jahr unsere Proxenie des Grylion gehört. Ein 
Καλλίας erscheint, wie hier Z. 5, zweimal als Eponymos: 1) Ol. 92, 1 
(412 v. Chr.) und 9) Ol. 93, 3 (406 v. Chr.). Ein dritter, sonst so genann- 
ter wird jetzt Καλλέας geschrieben, Böckh Staatsh. II S. 83; dieser am- . 
lierte Ol. 100, 4 (377 v. Chr.). An den zuerst erwälmten zu denken ver- 
hietet die Schreibweise meines Erachtens unbedingt; denn dasz schon 
acht Jahre vor Eukleides in einer Staatsschrift die neue Litteratur fast 
vollständig durchgedrungen sein sollte, ist nicht denkbar. Auch gegen 
den zweiten Kallias wiegt mir dasselbe Bedenken schwer genug, um die 
Aunalime aufzugeben, er sei hier gemeint. Ich weisz, dasz schon vor 
0l. 94, 2 (403 v. Chr.) allerlei Spuren der neuen Schreibweise auch in 
öffentlichen Actenstücken bemerkbar sind, s. Bóckh Staatsh. Il S. 763 
Ross ın den Jahrb. f. Philol. Bd. 69 (1854) S. 534, 39. Franz el. ep. Gr. 
S. 128 u. 150; allein hier ist abgesehen von dem Lambda und dem Rho 


K. Keil : zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 645 


der ersten Zeile, worin man Affectation altertümlicher Schrift erkennen 
mag, alles zu sehr mit dem späteren Brauche übereinstimmend. Denn O 
für OY, wie 2.2 u. 6 in den Genetivendungen steht, und BOAHI statt 
ΒΟΥΛΗ͂Ι Z. 3 (Nausinikos-Inschrift Z. 15 BOAHNTHNAEIBOAEI[Y OZAN, 
CIG. 85,7 T]HIBOAEI, 11 THZBOAHZ — A. Schaefer Philol. XVII S. 
160, aus dem Sommer 376, Ol. 101, 1) erweisen nichts weniger als ein 
so hohes Alter. So bleibt nur der dritte Kallias übrig, und ihm ist in der 
That, wenn ich nicht irre, die Inschrift zuzuweisen. Man kónnte gleich 
einwenden, dasz der officielle Name dieses Archonten nicht Καλλέας son- 
dern Καλλέας gewesen sei, wie ich vorher selbst bemerkt habe. Allein 
auch als sicher angenommen, dasz Pittakis richtig copiert und der Stein 
KAAAIA hat, so hindert nichts triftiges zu glauben, entweder derselbe 
Mann habe sich bald Καλλίας bald Καλλέας geschrieben, oder der Stein- 
metz habe die ihm geläufigere und jedenfalls viel hàufigere Form Ko4- 
Alag statt des authentischen Καλλέας eingegraben. Nunniehr vereint sich 
die vorliegende Inschrift sehr gut mit der des Nausinikos, indem die bei- 
den der Zeit nach so nahe zusammenrückenden Stücke (0l. 100, 3 und 4, 
378 u. 377 v. Chr.) auch in den Práscripten sich ganz ähnlich sind. [οἱ] 
knüpfe hieran noch ein weiteres. Meier hatte (de epistatis Athen. comm. 
S. V) den Satz aufgestellt, da die jüngste Inschrift mit &reorareı die des 
Nausinikos aus Ol. 100,3 (378 v. Chr.), die älteste aber mit τῶν προέδρων 
ἐπεψήφιξεν die im CIG. 85 c aus Ol. 102, 4 (369 v. Chr.) sei, so falle die 
Veránderung, nach der ein Proédros für den Epistaten der Prytanen ein- 
rückte, zwischen Ol. 100, 3 und 102, 4 d. i. 378 und 369 v. Chr. Gegen- 
wärtig musz aber statt Ol. 100, 3 vielmehr Ol. 100, 4 gesetzt werden. 
Endlich erwähne ich, dasz Pittakis S. 848 lediglich aus paláographischen 
Gründen sich ebenfalls für den dritten Kallias (Kalleas) erklärt hat. Da- 
gegen ist er im Irtumm, wenn er S. 968 für Nr. 1627, 1 S. 967 ἐπὶ Kel- 
Aljov ἄρχοντος ergänzt und denselben Archon versteht. Hier faszt die 
Lücke einige Buchstaben mehr, auch liest Rhangabis Nr. 385, 1 Bd. II - 
S. 53 für OY abweichend: NO und vermutet, dem leeren Raume ent- 
sprechend: ἐπὶ 4Ax:09£]vovc ἄρχοντος oder ἐπὶ Navaıy£]vovg ἄρχ.» Ol. 
102, 1 (372 v. Chr.) oder Ol. 103, 1 (868 v. Chr.). Doch da näheres Ein- 
gehen auf diesen auch sonst merkwürdigen Titel hier zu weit abführen 
würde, so verweise ich nur noch auf Meier de epistatis S. VII. 

Der Brauch grószere Buchstaben bei der Ueberschrift eines Acten- 
stückes zu setzen ist schon oben berührt worden. Umgekehrt sind auf 
dem korkyräischen Erz mit der Proxenie eines Atheners bei Vischer epi- 
gr. u. arch. Beiträge aus Griech. Tf. I Nr. 4 unten die Worte Ζιονύσιον 
Φρυνίχου ᾿4θηναῖον in noch einmal so groszen Zügen wiederholt. Bei 
unserer Inschrift hat man den Genetiv zu beachten: Γρυλίωνος ’Egyoue- 
víov προξένου καὶ εὐεργέτου , welcher ausdrückt, dasz der nachfolgende 
Beschlusz den Grylion betrifft oder ihm gleichsam angehört. Eben so ist 
eine noch vor Eukleides fallende Proxenie abgefaszt, welche zuletzt 
Rhangabis Nr. 260 Bd. 1 S. 345 (Anal. epigr. et onom. S. 129. Schöll 
arch. Mittheil. aus Griech. S. 53. Beulé l'acropole d'Athénes Bd. lI S. 204) 

herausgegeben hat: 


646 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


Σωτίμου Ἥραϊ κ]λειώτου x- 
αἱ ἐκγόνων προξένου x- 
al εὐεργέτου ᾿4ϑηναίων, 
woran mit kleinerer Schrift der Beschlusz des Volkes und Rathes ge- 


fügl war: 

Ἔδοξε τῇ β)ου[]ῇ κ[ αὶ τῷ [dnum, ἡ δεῖνα 

φυλὴ ἐπρυτάνε)νεν, 'E — — [ἐγραμμάτευεν usw. 
Bisweilen bediente man sich aber auch folgender Form in der Ueberschrift : 
προξενία (καὶ εὐεργεσία) τῷ Osivi (αὐτῷ καὶ ἐκγόνοις), wie CIG. 90, 1 
Bd. 1S. 129^. Nr.91,1 S. 131* und Nr. 475, 1 8. 467 (wo Böckh Θε]οξ[ εἸνέα 
Φωκίνῳ καὶ Νικάνδρῳ καὶ Δεξίϊππῳ geschrieben und Franz el. ep. Gr. 
S. 318 gebilligt, Stephani aber tit. Graec. part. V, Dorpat 1850, S. 9 und 
nach ihm Stark im arch. Anz. 1853 S. 367 f. Πρ]οξ[ ε]νέα erkannt hat); 
oder προξενέα τοῦ δεῖνος. wie CIC. 1563 b 1. c 1 S. 736. 

Die Herstellung des Namens Γρυλέων Z. 1 u. 6 scheint mir sicher, 
vgl. SIB. S. 71. Die Handschriften geben für γρῦλος.) Γρυλίων gewöhn- 
lich γρύλλος (Γρῦλλος Lobeck paral. S. 415, 26) und Γρυλλέων (z. B. 
auch bei Alkiphron III 10); allein das doppelte Lambda ist falsch oder 
mindestens nicht altisch, Schmidt zu Hesych. Bd. I S. 447. Rhangabis 
setzt EvovAlov und Z. 6 ὃ πατὴρ αὐτοῦ Ποταμόδωρος.. letzteres gewis 
zutreffend. Doch ist nicht rathsam, in Nr. 1304, 43 (oben Nr. XXXVIII) 
Ποτ]αμόδωρος EYPRTINNOZ Γρυλέωνος zu vermuten, oder hier Z. 6 
für EYPYAIQN zu schreiben Evg[or]íov; denn auszerdem dasz Z. 1 
dagegen spricht, stimmt es zu der Anordnung der στοιχηδὸν gefertigten 
Zeilen, wenn wir das E am Anfang für den Schlusz von ἐπειδή nehmen, 
mag nun E wirklich auf dem Steine stehen, für H als Ueberbleibsel der 
alten Litteratur, oder mag Pittakis E fälschlich für H gelesen haben. 
Z. 8 a. A. gibt auch Rhangabis εὐεργέται. Die übrigen Ergänzungen des- 
selben: ἄνδρες ἀγαϑοὶ [ὀ͵ντείς διατετελέκασι || εὖ ποιοῦν]Ἴτες] τὴν 
πόλιν τὴν ᾿4ϑηναίων ermangeln der Wahrscheinlichkeit. 

57) So erklärt sich wol ἡγέομαι neben ἄγω, ἄγω; denn dasz beide 
Wörter nicht von einander zu trennen sind, hat G. Curtius Grundzüge 
der griech. Etym. I S. 140 bemerkt. 

58) Diesen Namen, wie Κωώμαρχος (CIG. 8198 Bd. IV S. 194), Ko- 
μαρχίδης, Koulac, Κωμιάδης hat schon Pape nachgewiesen. Aber der 
Tyrann in Ephesos, welcher den Hipponax vertrieb, hiesz nicht Κωμᾶς, 
sondern Κόμης (Schneidewin Beitr. zur Kritik der poetae lyrici S. 113). 
Umgekehrt ist auch Κόμαρχος (oben Nr. XXXV ὁ 8) nicht richtig von 
Rhangabis angenommen: es müste wenigstens Kopuegyoc heiszen. Des- 
eleichen musz man Kogeog, was jener in dem böolischen Titel aus 
Kerovouni Nr. 2040 S. 921 KOMAYOS findet, sicher in Νικόμαχος um- 
ändern. Höchst wahrscheinlich ist es dieselbe Grabschrift, welche schon 
CIG. 1646 S. 796 und dann von Leake travels in north. Gr. Nr. 89 (in Xe- 
ronomi) wie von Lebas Nr. 423 S. 90 (NIKOMAY OX) bekannt gemacht ist. 
Ueber das Chi (V, Y, t) s. Franz el. ep. Gr. S. 48 und CIG. Bd. IV Vorr. 
5. V*. Mommsen unt. Dial. Tf. 1. Ross alte lokr. Inschr. S. XV. Wescher 
und Foucart Nr. 480. Von böotischen Denkmälern gehören hieher CIG. 


m 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 647 


1599 S. 788 (Leake a. O. Nr. 71, Lebas Nr. 573 S. 120) AESYRONDAs; 
Nr. 1639, 9 S. 796 (Leake Nr. 36, Lebas Nr. 633 S. 14) DEYSONI; Nr. 
1642 (Leake Nr. 67, Lehas Nr. 460 S. 94) HIPPARVIA, Leake (^, Lebas +; 
Nr. 1647 (Leake Nr. 72, Lebas Nr. 575 S. 120) EPIPAAY 
JAY ; 
Nr. 1678 ὁ 3 S. 802 — Lebas Nr. 785 S. 162 ASYONTES ; SIB. Nr. 60a 
1 S. 171 (Rhang. Nr. 31 Bd. I S. 27) YSENOISI. — Ein anderes OMAVOZ 
habe ich SIB. S. 178 nach O. Jahn arch. Aufsätze S. 138 angeführt. Eine 
Vase mit Κώμαρχος s. CIG. 8198 Bd. IV S. 195 (Jahn Vas. K. Ludwigs S. 
CXXI N. 884). S. Kirchhoff Studien zur Gesch. d. gr. Alphabets Tafel 1]. 
59) Den dort verzeichneten Namen, welche mit KeAo- anfangen 
(Lobeck path. elem. I S. 467), reihe ich folgende für Papes Wörterbuch 
hinzu: 1) DA. Καλημέρα, vgl. ’Ayadnueoos, auch deutsch Gutentag als 
Eigenname, (16. 6647, 2 Bd. Ill S. 1004 (der Titel, aus dem ich ἀστομά- 


. χῆτος [sine ullo stomacho Moinmsen IRN. 2680] bei Alkiphron Il 2 schon 


vor W. Diudorf Philol. XII 192 zu schützen gesucht hatte, Jahrb. f. Phil. 
Bd. 70 [1854] S. 611), Mommsen IRN. 147 Flavia Calemera ; vgl. das 
neugriechische καλημέρα, καλεσπέρα, καληνύκτα, καλὴ ὥρα Konst. 
Oekonomides περὶ τῆς γνησίας προφορᾶς τῆς Ἕλλην. γλώσσης S. 536. 
9) Καλοκλέα oder Καλόκλεα d. i. Καλόκλεια, Grabstein aus der Nähe 
von Thespiä, wie es scheint, Eph. arch. Nr. 3070 S. 1477 


KAAOKAEA 
COTHPO 


Die Herausgeber betonen bei solchen Kürzungen auf -&« für -zt« gewöhn- 
lich -éc, SIB. S. 191; doch entscheiden sich Lobeck path. prol. S. 42, 50 
und Ahrens dial. Dor. S. 188 u. 566 für Proparoxytona. Pittakis liest 
dort Z. 2 Σωτήρω (Zevnos)), s. Anm. 6 Nr. 14. 8) Kakoxing, CIG. 1392, 
3 Bd. 1 5. 671 Mag. Avo. Καλοκλέα ἀγωνοθέτην. 4) Καλολάκκα, &, 
eine Cisterne auf der Grenze der Latier und Olontier in Kreta, CIG. 9554, 
167 Bd. Il S. 399; vgl. καλοὲ λιμένες und καλὴ axın, Höck Kreta 1 S. 440 
und ᾿Δρχελάκκα ebd. Z. ‚168. 5) Καλόξενος, ein Oropier, 518, Nr. XL a 
S. 156. 6) Σιμπλικία ἡ καὶ Καλώνυμος, Titel in Florenz bei Montfau- 
con Diar. Ital. S. 353. Auszerdeim bemerke ich nachträglich, dasz in der 
Inschrift aus llypata, wo E. Curtius Καλ[α]τύχη las, ich aber Καλ[ο]- 
τύχη vorschlug , jetzt nach Lebas Nr. 1133, 8 S. 266 KANATY.. vielmehr 
Καλλ[ι]τύχη zu schreiben ist. Zu Καλόκαιρος s. noch CIG. 6427 Bd. III 
S. 961 mit dor Note von Franz. Wiederum aber gehören auf Vasen ste- 
hende Formen wie Καλιππος CIG. 7559 ὁ Bd. Iv S. 197, Kalıs und Ka- 
λισϑένης Nr. 7679 S. 141, Καλιχόρα Nr. 7591 S. 130, Kaiıdon Nr. 7593 
S. 131, Καλιστάνϑη 0. Jalın Vas. K. Ludwigs s. 1 N. 36, u. dgl. nicht 
hieher, da dies blosz alte Orthographie ist (Jahn S. CXLIX N. 1148; m 
Anal. epigr. et onom. S. 170), welche natürlich auch auf Steinschriften 
vorkommt: Καλιτύχη GIG. 5178 Bd. III S. 529, Καλέτυχος Nr. 5304 S. 550, 
Καλικράτης Nr. 2264 s 1 Bd. H S. 1036; s. oben Nr. XLI 10. 

60) Die Vertheidigung einer Form "Eguayog Hermachus, welche 
Ahrens dial. Dor. S. 498 unternommen, befriedigt mich nicht. Dasz der 


Jahrb, f. elass. Philol. Suppl. Bd. IV Hft. 4. 42 


648 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


Philosoph "Eguegyog geheiszen, wird jetzt, im Anschlusz an die bessern 
Handschriften, wol allgemein angenommen, s. m. Vind. onom. (Naum- 
burg 1843) S. 13. Schneidewin Gótt. gel. Anz. 1844 S. 159. Lobeck path. 
prol. S. 521. Madvig zu Cic. de fin. 1| 30 S. 308. CIG. 6845 u. 6846 BM. 
III S. 830. Namen wie dyog&yoc, 449avala πολιᾶχος, Τιμᾶχος, Ἱερᾶ- 
4oc gehören nicht hieher, s. rhein. Mus. XIV 522. 

61) R. Rochette teilt dort folgende Inschrift aus Verona mit: 


L.ESOTERICHVS 
VIVIR- ARGENT 
VASCLARIVS, 


wo Z. 1 Orti gelesen hatte: LL- SOTERICIVS. Ich weisz eine Schreib- 
weise Esoterschus nicht zu rechtfertigen, da Formen wie Ispartacus, 
istruis, iscevas (Corssen Ausspr. I S. 289. II S. 73), iscripsit Henzen 
Nr. 6147, istare (cod. Med. Cic. epist. ad fam. XVI 12, verkannt von 
il. A. Kleyn observ. crit. in Cic. epist., Leiden 1860, S. 55) etwas anderer 
Art sind. Vgl. Lachmann zu Lucr. S. 231. 

62) Uebrigens verkenne ich nicht, dasz bei dem Schwanken der Les- 
art hin und wieder eine Form auf -ıyog der noch in den Texten beibe- 
haltenen auf -ıx0g vorzuziehen sein wird, s. Lobeck path. prol. S. 342. 
Lateinische Wörter in -icus statt -schus sind zum Teil mit der Aussprache 
zuzuschreiben, wie Eutycus Mommsen IRN. 1158 (schwerlich von evzv- 
xog, sondern für Εὔτυχος; dem von Pape aus Münzen beigebrachten 
Εὐτύκης traue ich nicht), apoca Henzen Nr. 5089, Cilo, Malcus K.L. 
Schneider lat. Gramm. 1 209, Cimaera, Acerunlis, stomaco usw. Lach 
mann zu Lucr. S. 317, LVSIMACVC, ANTIOCV Ritschl de miliario Popi- 
liano (Bonn 1852) S. 27. Als Belege für die Endung -icus erwähne ich 
noch Pirueicus Plin. n. h. XXXV 10, 112 und Eroticus (ἐρωτικός) Momm- 
sen IAN. 1248. 5078. 6769 IV 8. Vl 54. Das böotische ΑΡΗΙΚΩ CIG. 1575, 
+ glaube ich oben Nr. XXXV ὁ 4 durch 49víyo beseitigt zu haben. 

63) Als auf dem Steine befindlich ist T1OAAIQN angegeben, Bóckh 
hat jedoch JI[c]AÀ/ov gesetzt. Allein dieses Omikron kehrt öfters wie- 
der, s. CIG. 279, 6 Bd. 1 S. 388, Nr. 1262, 90 S. 631; Inschr. von Lebedos 
bei Lebas S. 46 Nr. 129; IloAlov (Polio Lachmann zu Lucr. S. 33) Nr. 
1988 ὁ 2. 5 Bd. ll S. 59, Nr. 4963, 6 Bd. IIl S. 455; Πωλλέων Nr. 603, 2 
S. 497, Nr. 1245, 3 S. 621. Gleicherweise waren Πόλλα und Πώλλα in 
Gebrauch, Bóckh Bd. 1 S. 665^: Πόλλα “ολλία Nr. 887, 2. Nr. 1369, 14 
S. 665^, Nr. 6862, 1. 5 Bd. IV S. 24; Φλ. Πωώλλα Nr. 379, 7 S..438, Nr. 
1156, 3 S. 587^, Nr. 1444, 18 S. 683. Πωλιανοός (s. Pape) und Πωλλια- 
voc, s. Pape und CIG. 1710 A 2 S. 833, Nr. 1733, 7 S. 852^, Inschr. aus 
Thyateira in d. Berl. Monatsber. 1855 S. 190 Nr. 7 Z. 11. Eph. arch. Nr. 3250 
I] 4 S. 1692. Osann zu Philemon S. XXV war noch im Irtum. 

64) Der Ausdruck ὁ ἐπὶ πόλεως hat übrigens anderswo andere Be- 
deutung. In dem Titel von Oropos bei Preller Ber. d. sächs. Ges. d. Wiss. 
1852 S. 158 Nr. 5, 1 (Eph. arch. Nr. 1311 S. 790. Rhang. Nr. 679 S. 253) 


ἄρχοντος Ev κοινῷ Βοιωτῶν Ἱππάρχου, ἐπὶ δὲ πόλεως Ἑρμοδώρου, 
ἱερέως δὲ τοῦ ᾿ἀμφιαράου Δημοστράτου 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 649 


musz darunter der Eponymos der Stadt Üropos verstanden werden, Prel- 
ler S. 159, Rhang. S. 261. Der ἀγορανόμος ὁ ἐπὶ πόλεος τὰ Andania, 
Mysterieninschrift Z. 100 S. 27, ist "nach Sauppes richtiger Erklärung 
S. 34 der städtische Polizeimeister im Gegensatz zu dem über den 
Landbezirk von Andania gesetzten. Von einem Verwalter der Insel Ae- 
gina, welchen der pergamenische Kónig Attalos Philadelphos gesendet 
hatte, heiszt es in dem noch nicht völlig hergestellten Ehrenbeschlusz 
CIG. 2139 b 30 Bd. II S. 1013 (Rhang. Nr. 688 S. 262. Lebas Nr. 1688) 
μέν εἰν] αὐ[τὸν] ἐπὶ τῆς πόλεως. Dieselben Statthalter sind Z. 2 durch 
οἵ fone ἐπὶ τ[ἡ]ν [πό]λεν bezeichnet (ἐπεσταλμένοι bei Vischer 
epigr. u. arch. Beitr. aus Griech. S. 43 ist ein Versehen) und durch ὁ κα- 
τασταθεὶς ἐπ᾿ Αἰγιναιτ[ἂν] ὑπ[ὸ τοῦ βασ]ιλέος Εὐμένεος in der Inschrift 
Vischers ἃ. O. Nr. 47, 3 S. 43. 

65) ἀπὸ συνέδρων καὶ τοῦ δάμου “ex decreto synedrorum etc.* 
Bóckh S. 174°. Hiezu vergleiche CIG. 1716, 1 Bd. I S. 843 (auch bei Leake 
transact. of the rOy. soc. of litt. II ser. vol. II, London 1847, S. 7. 12) 

"4. Magıov Νέπωτα Αἰγιαλεινόν, τε- 

τειμημένον ἀπὸ τῆς Κορινϑίων 

βουλῆς τειμαῖς [βουλευτικαῖς — 
wo bemerkt wird, dasz ἀπό für ὑπὸ stehe; Nr. 2447 e 1 Bd. II S. 1084 

κατὰ τὸ γ]εγονὸς ψήφισμα ἀπὸ τῆς 

βουλῆς κ]αὶ τοῦ δήμου. 
wo Bóckh ohne weiteres []πό geändert hat, eine Freiheit die bei einer 
Abschrift von Ross dringender gerechtfertigt sein müste. Zu dem obigen 
σύνεδροι καὶ ὁ δᾶμος s. die reichhaltige Note in Sauppes Mysterienin- 
schrift aus Andania S. 32 If. 

66) Dasz γνώμῃ aus der Ueberlieferung .PMH richtig hergestellt 
ist, liegt auf der Hand. Dagegen kann ich mich nicht überzeugen, dasz 
die von Franz gegebene Schreibweise der folgenden Zeilen annehmbar sei, 
obwol mir diejenige, welche ich selbst Philol. V S.,666 vorgeschlagen 
habe, auch nicht mehr völlig genügt. Die Copie des Titels, so weit er 
Bedenken erregt, ist folgende: 


" YPATONAHMOZRETIAO Y 'TANKPATOY ..PMHETEIMHZEN 
KOINTONOYHPATONTPOIAOYYIONKA...TOYMEINAN 
9IAATPONENEAA. ETH£ZI YMNAZIAPXONENIETH 
AEKA.Y..AZÜ YMNAZIAPXHZENAY TOXZTON 

δ EXAPIZATOAETHPOAEIEIZTHNMETATAYTA 
P YMNAEZIAPXIANTHNAIQNIONMYPIAAAZAPAXMQN 
POAIONTEZZAPAKONTA 


Ὁ Ἀιβ)υρατῶν “δῆμος ΠΙ οἸπλ[έου „Havagarov [γνώμῃ Erelungev 
Koivrov ea To[@]TAov υἱόν. Κλ[ουσ]τουμείνᾳ, 
Φίλαγρον, [ὃ]ν [x]o[1]& σἼτησ[ s] γυμνασίαρχον, ἐπ[ε]} ἔτη 
δεκαίτρι]α ἐ)γυμνασιάρχησεν αὐτὸς τῶν [νέων᾽ 
5 ἐχαρίσατο δὲ τῇ πόλει εἰς τὴν μετὰ ταῦτα 

μνασιαρχίαν τὴν αἰώνιον μυριάδας δραχμῶν 

do dla τεσσαράκοντα —. 
A2,* 


650 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


Philagros wurde, nach meiner Annahme, von Staatswegen zum Gymna- 
siarchen auf Lebenszeit ernannt, nachdem er zuvor dreizehn Jahre lang 
sich jedesmal freiwillig (αὐτός d. i. αὐτεπάγγελτος , αὐθαίρετος) zu die- 
sem Posten gemeldet hatte. Bei γυμνασίαρχον Z. 3 konnte aiofviov zu- 
gefügt werden, doch war dies nicht unumgänglich notwendig, weil das 
Verhältnis durch die folgenden Worte genugsam erklärt ist. Auch scheint 
αἰώνιον (lebenslänglich) gerade absichtlich vermieden zu sein, weil wei- 
ter unten die γυμνασιαρχία αἰώνιος eine nie wieder pausierende 
Gyinnasiarchie bezeichnet. Wenn der Stein wirklich ἘΠῚ hat, so läszt 
sich dieses ἐπέ für ἐπεί nach einer gar häufigen späteren Schreibweise 
ertragen. Inzwischen ist ersichtlich, dasz die Genauigkeit der Copie 
mehrfach gering ist; darum habe ich auch hier das Uebersehen eines E 
vorausgesetzt. Uebrigens wird, indem ἐπεί dem ἐπειδή Z. 5 entspricht, 
die Formel dieses kibyratischen Titels der des haliartischen gleich. Ζ. 8 
nehme ich Οὐηράτιον dankbar von Franz an: Veratus scheint kein ró- 
mischer Name zu sein; Veratii oder Veracii finden sich nicht wenige, 
CIG. 5042, 10 Bd. III S. 478. Mommsen IRN. S. 440. Hübner quaest. ono- 
mat. Lat. (Donn 1854) S. 31. 
Dagegen liest Franz folgendermaszen: 


Ὁ Κιβ]υρατῶν δῆμος Π᾿ οἸπλ[ἢου Πανκράτου [γνω]μῃ ἐτείμησεν 
Koivrov Οὐηράτ[ε]ον To[o]fAov υἱόν. Κλ[ ουσ]τουμείνᾳ 

Φίλαγρον FR Μα γυμνασίαρχον, [3c] i ἐπὶ Ern [uiv 
δεκα[τέσσαρ]α [ἐγυμνασιάρχησεν αὖτὸς τῶν ἱνέων, 

5 ἐχαρίσατο δὲ τῇ πόλει κτλ. 


Philagros hatte hienach, als er für das eilfte Jahr zum Gymnasiarchen 
erwählt war, sein Amt ununterbrochen bis auf ein vierzehntes Jahr aus- 
gedehnt. Allein um diesen Inhalt zu gewinnen, wird meines Erachtens 
zu frei mil den überlieferten Buchstaben geschaltet, indem Z. 3 das € vor 
γυμνασίαρχον ausgew orfen und nach diesem Substantivum ΟΣ einge- 
schoben wird. 

67) Diesen Ausdruck hat man CIG. 190, 7 Bd. I S. 161 anzuerkennen, 
wo EAEAQK erhalten ist. Von Z. 5 an wird etwa zu lesen sein: q5o- 
πεφα[γήκασιν πλεονάκις; [612] καὶ n[a]o[oc τὰς ϑυσίας τεϊ!ϑύκασἾεν dv 
ταῖς [ἐπ] μελε[]αἐς κι καὶ τοὺς λόγους! | ὀρϑῶς] δεδώκ[ασι - Ebd. lese 
ich Z. 13 καὶ ἀναγορεύειν [αὐτ]ῶν τὰ ov[óueze vo||v]e ἑεροποιούς. Die 
Ergünzung Bóckhs weicht zu weit ab. 

67*) Dasz καταβάλλειν *eintragen?, von Sachen, und häufiger "ent- 
richten’, von Menschen, bedeutet, ist bekannt genug: Herod. lI 149 (nicht 
159 wie in Passows Lex. steht): ἡ (διώρυξ) ἐς τὸ βασιλήιον καταβάλλει 
ἐπ᾿ ἡμέρην ἑκάστην ταλάντον ἀργυρίου ἐκ τῶν ἰχϑύων. Dagegen hat 
die einzige Stelle, welche für den gleichen Gebrauch des Mediums ange- 
führt wird, Alkiphron I 12 τὸν μισϑὸν πολὺν κατεβάλετο Meineke S. 95 
nach dem sonstigen Ausdruck des Epistolographen selbst geändert. 


68) In diesem Actenstücke, von dem wir blosz Pocockes Copie be- 
sitzen, musz noch manches aufgehessert werden. Der Anfang 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 651 


ΣΦΕΙΩΣΑΣΙΙΠ 
ΝΑΠΟΦΑΙΝΟΥΣΙΝΕΙΣΤΗΝΒΟ 
T" NII....... IOZAIKA.OIKPINENTHNMPYTANEIAN 
. .IINOYAETONKAI. ...... ASIITQTAOHITYXEIAEAOXOAITHIBOYAEIE 

lautete etwa so: 
ἐπειδὴ οἵ δεῖνες] ἀποφαίνουσιν εἰς τὴν Bolvinv, ὅτι 
τεϑύκασι]ν [τὰς 9voíac], oco[c] ad [n]x[e]v ἐν vz[1] πρυτανείαε, ὑπέρ 
τε τῶ]ν [φ] υ[λ]ετῶν καὶ [τοῦ δήμου, αγ]αϑῇ τύχῃ δεδόχϑαι κτλ. 
Ueber die Formel gedenke ich an einem andern Orte ausführlicher zu han- 
deln. Der Ueberrest der Z. 1 weist auf στεφανώσαντες hin. Den Antrag- 
steller Z. 10 EYMOZENIKPATOYAIOANIAHE nennt Bóckh [AZi]uoc 
Ἐπικράτου 4 8]αλίδης; vermutlich hiesz aber der Mann Ev[fi]oc, s 
CIG. 150 A 9 S. 232 oder Staatsh. II S. 240: (τῷ ταμίᾳ) Εὐβίῳ Alda- 

" Mön. Ebenso wenig scheint es mir richtig, zwischen Z. 14 und 15 den 
Ausfall einer Zeile durch Pocockes Nachlässigkeit anzunehmen. Ueberlie- 
fert ist dies: 
ZINMEMEPIKENTOIZIEPONOIOIZKAIAYTOEXYNENIMEANTAPDE- 

TATR2NNMA 
ZAZTAZOYZIAEZEOYZENAKAIEeTONIAIONKAIT ECIAOTIMHZAIEIZ - 
THNBOYAHN 
wofür im CIG. geschrieben wird: 
σιν μεμέρικεν τοῖς ἱεροποιοῖς, καὶ αὐτὸς συνεπιμε[μέ]ληται, ὡς τὰ 
TOV πα- 
[τρίων ϑεῶν etc. excidit enim integer versus; pergitur: πά-] 
σας τὰς ϑυσίας ἔϑυσεν, ἀνήλωσε δὲ] καὶ ἐκ τῶν ἰδίων, καὶ πεφιλοτί- 
μηται εἰς τὴν βουλήν ---- 
Ich móchte vorschlagen: 
μεμέρικεν τοῖς ἱεροποιοῖς καὶ αὐτὸς συνεπιμε[μέ]λ[η]τα[ ε με]τ᾽ α[ὑ]τῶν 
| eol πά- 

σας τὰς [ϑ] σίας. I[9]vos [δὲ] καὶ [x] τῶν ἰδίων wz4., . 
wodurch auch die Einschiebung von ἀνήλωσε erspart wird. 

In der Namenliste Col. Il Z. 26 MNHZAPOPAENINHIOIIOZ. scheint 
ἸΜνησαγόρας νησ- durch Mvyoovog vervollständigt werden zu kön- 
nen. Täuscht mich mein Gedächtnis nicht, so hat auch Bóckh irgendwo 
nachträglich so ergänzt. 

69) Anders in der mösischen Inschrift, welche Mercklin herausge- 
geben hat, arch. Zeit. 1850 Nr. 13 S. 140 Nr. 5 Ayadn τύχῃ; τὸν υἱὸν 
τοῦ αὐτοκράτορος Μάρκον) Αὐρή[λ]ιον Οὐήρ]ον͵ Καίσαρα ὁ οἶκος 
τῶν ἐν Τύμοις ναυκλήρων ἀναστήσαντος τὸν ἀνδριάντα ἐκ τῶν ἰδίων 
Τίτου Τίτου νεωτέρου. Einen olxog, der zu den oben erwähnten zählt, 
hat die Inschrift Eph. arch. Nr. 1830 S. 1010 

EICOAOCTTPOC H 

KONBAAYTHCKAI 

KOYPOTPO®OYANEI 
NHT@WAHMRI 


652 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


falls Pittakis richtig liest εἴσοδος πρὸς ἧκον d. i. olxov. Ohne Zweifel 
ist in ganz später uud schlechter Schreibweise eine Verderbnis von οἶκος 
in ἶκος und ἦκος möglich: ἀνεκοδομηϑέντος, ἀνηκοδωμή CIG. 8704, 
12, 3 Bd. IV S. 327. Nr. 9023 ὁ S. 417 ἀπὸ [δι]ηκήσ(εως) 'EAAados , d. i. 
διοικήσεως (ὑκηακός, ὑκιακός Nr. 8685 A 5. B 6 S. 816). Allein die 
übrige Orthographie der vorliegenden Inschrift ist untadellich und daher 
kaum zu glauben, es sei eine einzelne so üble Form annehmbar. Ueber- 
dies kónnte zwischen C und H ein Buchstab ausgefallen sein, weshalb 
ich das Ganze lesen möchte: 

εἴσοδος πρὸς [σ]η- 

κὸν Βλα[στης καὶ 

Κουροτρόφου ἄνει- 

μέν]η τῷ δήμω. 
Pittakis schreibt Βλαύτης mit Anführung von Hesychios: Βλαύτη᾽ τόπο 
᾿4ϑήνησι (Bd. 1 8. 879 Schinidt) und Pollux VII 87 καὶ ἥρως ᾿4ϑήνησιν 0 
ἐπὶ βλαύτῃ. Er bemerkt aber auszerdem, dasz an der Stelle eines ἱερὸν 
τῆς Βλαύτης eine Kirche der Panagia getreten sei, welche noch jetzt 
Βλασταροῦ oder βΒλασσαροῦ genannt werde. Ein Ort Βλαύτη, von der 
Beschaffenheit ‚des Terrains, wie auch wir Sohle sagen, und ein dort 
aufgestellter ἥρως ἐπὶ βλαύτῃ läszt sich denken, eine Göttin Βλαύτη 
schwerlich, geschweige denn ein lleros Βλαύτη, wie Pittakis schreibt 
l'ancienne Athénes S. 94. Und hat es mit dem Namen Βλασταροῦ oder 
Βλασσαροῦ scine Richtigkeit, so führt auch dies auf Βλαστη, ein cerea- 
lisches Wesen. Dasz auch die Mutter des Epimenides BAaorn oder Βλά- 
στα. nicht BaArn (Plut. Solon 12) geheiszen , habe ich Z. f. d. AW. 1844 
S. 818 bemerkt. S. noch CIG. 6897 Bd. IV S. 28 Βλάστη ἐτῶν μ΄. Ganz 
hänfig war der Name BAaorog, Pittakis Eph. arch. Nr. 2672 S. 1326. — 
Endlich gedenke ich, da Franz a. O. die Bethäuser der Christen erwähnt, 
der Titel Nr. 8638, ἃ S. 298 εὐκ]τήριος οἶκος τοῦ ἁγίου xai ἀϑλοφόρου 
Iex) )eB[ov , Nr. 8800, 7. 10 S. 367, Nr. 8821, 1 S. 374 οἶκος τῆς ἁγ[ῆας 
&[v]do&ov [Θε]οτόκου Μαρίας. Nr. 8840, 2 S. 377 εὐκτή]ριον οἶκον 
τοῦτον, Nr. 8844 S. 378 οἶκ]οῖς τῶν ἁγῆων καὶ ἐνδόξων ἐποστόλων, 
Nr. 8845, 2 οἰκέδιον διαφέρον τῷ δεσπότῃ] μου, τῷ ἁγίῳ Ἰσιδώρῳ 
mit Kirchhoffs Anmerkung. 

69*) Inschr. von Mylasa bei Lebas Nr. 406, 11 S. 132 πρὸς] ἅπαν- 
τας τοὺς πολίτας εὐχρηστήσας μεγάλα (falls nicht das ergänzte πρὸς zu 
streichen und die Structur εὐχρηστεῖν zıva anzuerkennen ist); CIG. 3800, 
13 Bd. 11 S. 979 πειρασόμεϑα εὐχρηστοῦντες ὑμῖν ἀεί τινος ἄλλου [ἀγα- 
ϑοῦ παραίτιοι ,γενέ]σί ϑα]}ε; Nr. 2724, 8 S. 490 ἐν πολλοῖς καὶ μεγίστοις 
εὔχρηστον γενόμενον τῇ πατρίδι; Nr. 3831 a 715 Bd. III S. 1069 καὶ ἐν 
τοῖς λοιποῖς εὔχρηστον γενόμενον τῇ πόλει; Lebas Nr. 394, 11 S. 125 zu 
Mylasa ἰδέᾳ ἑκάστῳ τῶν πολιτῶν εὔχρηστος γίνεσϑαι; CIG. 2347 c 5 
Bd. ll S. 27 7 πᾶσιν ἑαυτὸν εὔχρηστον καὶ φιλάγαϑον παρασκευάζων εἰς 
τὰ λυσιτελῆ; Eph. arch. Nr. 2584, 6 ἐδέᾳ ἑκάστῳ εὔχρηστον αὑτὸν πα- 
φασκευάξων; Ross inscr. Gr. ined. I S. 23 Nr. "ΟἿ, 15 (Rhang. Nr. 714 
S. 308; αὐτὸς αὐτὸν εὔχρηστον ἐμ παντὶ καιρῷ παρασκευάζων; ebd. U 
S. 70 Nr. 189, 6 xal κοινῇ καὶ καϑ᾽ ἰδίαν ἑκάστῳ ξαυτὸν eUxono[v]ov 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Bocoticarum. 653 


παρεχόμενος ἀπὸ τῆς πρώτης ἡλικίας. Sieh auch CIG. 5361, 18 Bd. Il 
S. 588 καὶ κοινῇ xai κατ᾽ ἰδίαν εὔχρηστον προσστασίαν ποιούμενος. 
Aehnlich ist παρασχόντα ξαυτὸν χρήσιμον τῇ πατρίδι Nr. 2768, 10 Bd. ἢ 
S. 512, Nr. 2771 110 S. 513, Nr. 3831 a * 18 Bd. III S. 1059"; ἔν τε πρεσ- 
βείαις ᾿καὶ ἐπιδόσεσιν ἀεὶ χρήσιμος γεγενημένος τῇ πόλει Nr. 2881, 19 
S. 563. 

70) Man hüte sich etwa auch an κατὰ τρόπον] πάντα zu denken; 
denn der feste Sprachgebrauch erheischt κατὰ πάντα τρόπον, Xen. Anab. 
VI 6 (4), 30. Polyb. XXX 18. Passows Wörterh. u. τρύπος Bd. II S. 1989. 
CIG. 2376, 12 Bd. Il S. 344 ἐπὶ τῷ κατὰ 7. τρ. ἄριστα werroAtevoden, 
Brief an die Römer 3, 1 πολὺ x. 7t. τρ ClG. 3069 , 10 Bd. II S. 666 τὴν 
ἐκείνου ἅπαντα τρύπον εὔνοιαν. Eben so: κατ᾽ οὐϑένα (οὐδένα) τρό- 
sov Nr. 3047, 17 S. 634, Nr. 4255, 4 Bd. III S. 143, und κατὰ μηδένα vg. 
Nr. 3364, 9 Bd. Il S. 872, Nr. 4508, l Bd. II S. 237, Ross inscr. Gr. ined. 
I Nr. 71, 7 S. 28, μηϑεὶς μηδὲ καϑ᾽ ὁποῖον τρόπον ebd. Nr. 73, 7 S. 30, 
Nr. 74 b 11 S. 32, Nr. 81, 9 S. 35. 

71) Beide Copien g geben ΑΣΧΛΑΠΊΩ: da nun auch Rhangabis Nr. 1304, 
40 S. 828 (hier Nr. XXXVIII a) AZXAAP'IXIOZ liest und CIG. Nr. 6737, 2 
Bd. ΠΠ S. 1020 ΑἸΖΧΛΆΠΙΙΟΙ überliefert ist, so könnte die Vermutung auf- 
gestellt werden, es habe eine Nebenform ᾿σχλαπιός gegeben. Ich weisz 
jedoch dieselbe nicht weiter zu bestätigen. Andere Beispiele, wo K für 
X in böotischen Titeln zu stehen scheint und die jetzt beseitigt sind, er- 
wähnt Ahrens dial. Aeol. S. 172, dial. Dor. S. 516. 

73) In der Regel tritt zu diesen Gottheiten Sarapis hinzu: attischer 
Titel im Intell. d. allg. Litt. Ztg. 1835 Nr. 33 S. 268 Z. 1 Ἴσιδι, Σαρά- 
ut, Avoußıdı, “ρποκράτῃ: zu Amphryssos CIG. 1729, 2 Bd. I S. 849 
Σαράπι, "Iot, Avovßı; Inschr. von Tithora rhein. Mus. H (1843) S. 550 
Z.2 Σαράπει; "Ion, ᾿Ανούβει: auf Chios CIG. 2230, 6 Bd. II S. 208 Ἴσιδι; 
Zepanıdı, ᾿Ανούβιδι, “Μρποκράτει: in Delos Nr. 2293, 5 S. 239 Σαρά- 
“-ιδι. Ἴσιδι, ᾿Ανούβιδι, “Δρποκράτει. ebenso Nr. 2297, 12 S. 241 und 
mit dem Zusatz Διοσκούροις Nr. 2302, 5; ohne den vierten Gott Nr. 2302, 
9 S. 244 Zageni, Ioı, Avovfi; Nr. 2304, 1 und Nr. 2305, 1 Σαράπιδι, 
Ἴσιδι, Avovßıdı; in Ambrakia Nr. 1800, 3 Bl. II S. 5 und S. 983^ Ze- 

&&, Ἴσει; ᾿Ανούβει ( (Bóckh schlieszt Κανώπῳ an, aber der Stein hat 
ΚΑΝΩΠΟΣ). Ἴσιδι, Ὀσίριδι, Avovßıdı (Ια. 6841, 2 Td. IV 8.8. "4vov- 
Bıöı allein Nr. 2399, 2 S. 243. Am häufigsten erscheinen Sarapis und Isis 
verbunden: vgl. Preller Ber. d. sächs. Ges. d. Wiss. 1854 S. 196. 

73) Góttling hat in dem commentariolum de inscriptione monument! 
Plataeensis (Jena 1861), worin er sehr hübsch den Anfang jenes Titels 
also ergänzt: ᾿“πόλλωνι ϑεῷ στάσαντ᾽ ἀνάϑημ᾽ ἀπὸ Μήδων, S. 6 
einige Beispiele dieser formula sollemnis zusammengestellt. Vgl. noch 
den von Krüger zu Thuk. I 132 angeführten Demosthenes g. Androtion 
ς 72 Κόνων ἀπὸ τῆς ναυμαχίας τῆς πρὸς “ακεδαιμονίους und die In-' 
schrift bei Rhang. Nr. 1158 S. 763: 


TAPANTINOIAPOTOQNPIOAEMIQNANEOE£AN 
Ταραντῖνοι ἀπὸ τῶν πολεμέων ἀνέϑεσαν, 


654 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 


wo man nicht an eigentliche Bürger der unteritalischen Stadt, sondern 
an echte Attiker zu denken hat, über die anderswo nach Inschriften zu 
handeln ist. Jener Aufschrift bei Demosthenes entsprechen die Worte auf 
dem Helme CIG. 16 Bd. I S. 34 Jegov ὁ 4Δεινομένεος xal τοὶ Συρακύσιοι 
τῷ Al Τυρράν᾽ ἀπὸ Κύμας, da die Etrusker bei Kymà besiegt worden 
waren. Ein wenig anders lautet die Fassung CIG. 29 S. 47: Ταἀργεῖοε ἀνέ- 
ϑὲν τῷ Aufl (oder ἀνέϑεντο Aufl) τῶν Κορινϑόϑεν. 

713°) "ἄγγελος ist unzweifelhaft Männername in dem Titel von Tenos 
CIG. 2339 ὁ 3 Bd. II S. 1057® (Lebas Nr. 1834 S. 415) ᾿“πολλωνέδου 
τοῦ Avytiov Πρωτίωνος. wie Plut. Pyrrhos 2 und de Herod. mal. 31 
S. 859°. Allein auf den Grabschriften von Thera ClG. 2476 a Bd. II S. 739 


AT T EAON 
KPATEPOY, 


Nr. 2476 e S. 1088* (auch bei Rhang. Nr. 2005 S. 919, wo aber Z. 3 
QPOY fehlt) 

AT T EAOZ 

MHTPOAQPOY 


(Ross Reisen auf den griech. Inseln I S. 183 “ein kleiner Grabstein . . gilt, 
glaube ich, jetzt für eine christliche Reliquie’), Ross inscr. Gr. ined. lll - 
S. 12 Nr. 252 ATTE und darunter zwei Namen Βασέλιος D —, 


ΛΟΣ 
Nr.253 ΑΓΓΕ Nr. 364 ATTEAOC 
AOCNEI DAO.MOYCOY 
KHTOY | 
Nr. 355 ΑΓΓΕΛΟΣ 
KAAAINO Καλλινό- 
ΗΣΚΑΙΣΥ ns καὶ [Ε]ὑ- 
ΦΙΑΝΤΙΚΗΣ φ[ρ]αν[τ]ικῆς 
Nr.956 ATTEAOZ Nr. 957 ΑΓΓΕΛΟΣ 
®1AOYME $IÀOMOY 
NHE EON 
und bei Baumeister Philol. IX S. 393 Nr. 19 
AC TEAO 
CAIONY 
CIOY 


darf nicht mit Ross a. O. ein Proprium anerkannt werden, dessen so 
überaus häufiges Vorkommen gerade auf jener Insel sehr auffällig bliebe. 
Ἄγγελος ist vielmehr hier “der Engel, der abgeschiedene Geist des und 
des gestorbenen.? So sagten im Hause der Maria die Christen, welche nicht 
glauben wollten dasz Petrus leibhaftig vor der Thür stehe: ὁ ἄγγελός 
ἐστιν αὐτοῦ ; Apostelgesch. 12, 15. Auch gehört die Inschrift von Melos 
lüeher, welche Ross inscr. Gr. ined. III S. 9 Nr. 246 c 5 veróffentlicht hat: 
καὶ ἐπὶ pn τὸ ϑηκίον τοῦτο, 
ἐνορκίξω ὑ ὑμᾶς τὸν ὧδε ἐφεστῶτα ἄνγελον, 
μή τις τολμή[σῃ] ἐνθάδε τινὰ καταϑέσϑε. 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 655 


Der ἄγγελος entspricht den ϑεοὶ ἥ ἥρωες (CIG. 6653 Bd. III S. 1004, Nr. 6664 
S. 1007), ϑεοὶ καταχϑόνιοι, ϑεοὶ δαίμονες. Franz ClG. Bd. ΠῚ S. 742^, 
δαίμονες ἀγαϑοί Inschrift von [505 bei Lebas Nr. 305, 1 S. 98, δαίμονες 

᾿ εὐσεβεῖς CIG. Nr. 6243, 1 Bd. Ill S. 899, di manes der Heiden und dem 
genius, der mit den manes verbunden erscheint, Orelli 1725 P. Alfeno 
Hypano genio et dis manes Thoria Gemella fecit, 1727 diis manibus 
et genio C. Flavii Hermetis, 2921 deis et genio Rhodonis; vgl. Schö- 
mann opusc. I S. 368. 380, 138. Preller róm. Myth. S. 73. 572. Die Ma- 
nen sind auch CIG. 5858 ὁ 3 Bd. Ill S. 756 zu verstehen: δαίμονες xai 
πνεύματα, οὗ ἐν [τῷ τό]πῳ τούτῳ, ϑηλυκῶν καὶ ἀρρενικ[ζν], ἐξορκέξω 
ὑμᾶς. vgl. S. 1269". Dagegen ist der angelus loci (Berl. Monatsber. 1844 
S. 53) und bonus angelus (Hlenzen 6032. Stephani ausruh. IIerakles S. 60) 
wie der ἀγαϑὺς ἄγγελος in der Inschrift von Stratonikeia Lebas S. 162 
Nr. 512 natürlich ein anderes Wesen: 

Ai ὑψίστῳ καὶ 

ἀγαθῷ ἀϊν]γέλῳ 

Κλαύδιος "Ay - 

λεὺς καὶ Γαλάτίει- 

5 ὑπὲρ σωτηρίϊας 

μετὰ τῶν ἰδίων 

πάντων χαριστ[ή- 

g10V, 
eine Weihung in der sich christliche und heidnische Elemente mischen. 
Zum Schlusz komme ich noch einmal auf den Namen ”AyyeAog zurück. 
Gerhard gr. Myth. $ 519, 3 Th. I S. 545 führt, wie Jacobi Handw. d. 
Myth. S. 98, den so benannten Sohn des Poseidon zu Chios aus Pausanias 
VII 4, 6 an; allein dort ist’AysAov besser beglaubigte Lesart als "Ayyelov 
und deshalb von-Schubart beibehalten; Osann schlug “ἄμπελον vor, ohne 
es erweisen zu können. Somit würde "AyeAog auf Treue und Glauben 
hinzunehmen und nichts weiter zu hemerken sein, wenn nicht Bóckh 
diesen Chier”4yeAog wie den Landsmann Ayding Χῖος κρατήσας πυγμῇ 
“ταῖδας Paus. VI 15, 9 benutzt hätte, um die Lesart einer parischen In- 
schrift festzustellen: CIG. 2374 d 3 Bi. ITS. 1072 


AM®IAYKOFKAIATEAAH 
lEAIEQ£KAIAPIZTOXOMMET A 
AOKAEOXXIO£ 

Auplivxoy καὶ Ay&[av] 
Πεδιέως xol Agloroyou Meya- 
λοκλέους Χίους ---- 


Dieses ΑΓΕΈΛΛΗ ist, wie die ganze Copie, den durch Kellermann und 
Franz mitgeteilten Papieren von Ross entnommen. Ross selber hat inscr. 
Gr. ined. ll S. 41 Nr. 148 ATZAAHI drucken lassen und ᾿Ἵπελλὴν ver- 
mutet; Lebas — ich kann augenblicklich nicht genauer citieren — las 
ATEANHI. Erwägt man hiezu, dasz ᾿Απελλῆς auch auf Münzen von 
Chios gefunden wird, so empfiehlt sich sicher die Rossische Schreibart 
.vor der im CIG. vertheidigten. Weiter ist daselbst die Vermutung q&- 


656 K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. | 


äuszert, es sei Agsoro[Ao]gop herzustellen. Mir scheint dies'bel der ge- 
wöhnlichen Zuverlässigkeit der Abschriften von Ross wenig glauhlich. 
Jedenfalls könnte man minder kühn API£TONOM “Αριστόνουμ. ändern, 
wenn ᾿Δρίστοχος (Κλέοχος. Κλεόχα Meineke del. poet. anth. Gr. S. 96) 
oder ᾿Δριστοῦχος (4ημοῦχος) in der That unerträglich wäre. 

Ein neuer, wenigstens bei Pape fehlender Name ist auch ’Ayysllc, 
Inschrift aus Mostene in Kleinasien in d. Berl. Monaisber. 1855 S. 193 
Nr.152.6 ἈΝΓΈΛΙΣΗΜΗΤΗΡ ᾿Ανγελὶς 5 μήτηρ. Ebenso wenig 
finde ich das Appellativum ἀγγελίς nachgewiesen. 

74) Derselbe Name ist vermutlich auf einer von Pittakis veröffent- 
lichten Stele Eph. arch. Nr. 3781 S. 1944 herzustellen: 


PEIOIATAEONTOR: 
AAAMINIOE 
OPAIT.A 
NER 
b n1ı..0Y 
£AAAMINIO£ 
PAA.QN 
XAP..TYNH 
MPEIOIAZAEONTOZZAAAMINIOZ 


Xgollov] yurn‘ 
Πειϑίας “έοντος Σαλαμίνιος. 


Hier sind fünf Personen beerdigt: 1) drei Männer: Πειθέας Adovros, 
“Μέων Πειϑέου, Tleıdlag Atovros, welche als Vater, Sohn und Enkel 
aufgefaszt werden kónnen, ohne dasz man jedoch ersieht, ob diese drei 
auch in der natürlichen Ordnung nach einander gestorben sind. Es ist 
aber vielleicht dieselbe Familie, zu welcher der von den Dreiszig hinge- 
richtete Salaminier Leon gehórte, Plat. Apol. 32**. Xen. Hell. II 3, 39. 
Apomn. IV 4, 3. Andok. zt. avos. 46 (94). Dion Chrys. 43 Bd. ll S. 191 
(S. 579 Emp.), Scheibe oligarch. Umwälzung zu Athen. S. 83. 

Von den beiden Frauen scheint die Θρᾷττα Z. 3 das Kebsweib des 
Πειϑίας gewesen zu sein; so hatte Neokles von der Thrakerin Abrotonon 
den Themistokles, s. Sintenis zu Plut. Them. 1. Vgl. CIG. 854, 1 Bd. I 


S. 522^ 
APXEZIE ᾿Δρχεσὶς 
OPAITTA . θρᾶττα. 


Dies die Schreibweise Böckhs, während Dodwell die Namen getrennt, als 
zwei Titel, zu geben scheint. Rhang. Nr. 882 B 14 Bd. II S. 574 Θρᾷετα 


K. Keil: zur Sylloge inscriptionum Boeoticarum. 657 


καπηλ(ὶς) du Μελίτη) οἰκοῦ(σα). ἀποφυγοῦζ(σαὶ Meveönuov; ebd. 17 
Θρᾷ]ττα MHTANZI ἐμ Πει(ραιεῖ) οἰκοῦσα ἀποφυγοῦ(σα) Χαΐέριππον, 
vgl. E. Curtius inscr. Att. duodecim S. 19. In den Elementen nach Θρᾷττα 
steckt vielleicht ein thrakischer Name des Vaters. Eph. arch. Nr. 3653 
S. 1888 


AOYTION Δούτιον 
AAEZANAPOY ᾽Δ4λεξάνδρου 
OPAITTA Θρᾷττα. 


Endlich die Plangon, des Charias Weib, war móglicherweise auch keine 
einheimische, sondern eine fremde niederen Standes. 


Pforta. Karl Keil. 


Akrä-Palazzolo. 


Eine topographisch-archäologische Skizze 


Julius Schubring. 


Nebst einer Steindrucktafel. 





ὃ, 
Akrá-Palazzolo. 


Die historische Ueberlieferung weisz uns wenig über die älteste 
Tochterstadt von Syrakus zu berichten. Wir erfahren aus Thukydides VI 
5, 2 nur die nackte Thatsache, dasz Akrä Ol. 29, 1 von Syrakus gegründet 
worden ist; ferner erzàhlt Plutarch im Dion 27, dasz Dion auf seinem 
Marsche von Akragas nach Syrakus Ol. 105, 4 über Gela und Kamarina 
nach seinem Eintritt in syrakusisches Gebiet auch Akrä berührte; denn 
als er dort lagerte, gelang es ihm die Leontiner und Campaner, welche 
Epipolà besetzt hielten, zum Abzug zu bewegen. Vou Akrà marschierte 
er dann in einer Nacht bis zum Olympieion am Anapos. 

Akrä war zu klein, um eine selbständige Politik zu üben. Obwol 
es staatlich unabhängig war, so waren seine Schicksale doch immer eng 
mit der syrakusischen Geschichte verflochten: es bildete einen Teil des 
engern Gebietes der Hauptstadt und war ein nach Nordwesten vorge- 
schobener fester Posten gegen die feindlichen Stämme des Innern. Daher 
wurde es auch in dem eingeschränkten Territorium, welches Hieron II 
von den Rómern überlassen wurde, mit einbegriffen und gehórte nebst 
Leontinoi, Megara, Heloros, Neeton und Tauromenion dem Kónige (Diod. 
XXIII 6). So machte es auch im ITannibalischen Kriege alle Schwankun- 
gen der Mutterstadt mit, und wenn es auch nicht so voreilig von der rö- 
mischen Bundesgenossenschaft abfiel wie die andern das syrakusische Gebiet 
bildenden Stádte Leontinoi, Megara, Heloros (Liv. XXIV 30. 35, 1), wie 
Enna, Herbessos und Akragas, so war es doch zu der Zeit, da Marcellus und 
Appius die Hauptstadt einschlossen, den Karthagern unterthan. Denn als 
Hippokrates bei Akrilla (zwischen Akrä und Akragas; die heutigen Gelehr- 
ten von Palazzolo setzen es 2 Millien südwestlich von Akrä nach Aguglio 
im feudo detto Celso in der Nähe von Mezzo Gregorio) von Marcellus über- 
rumpelt und geschlagen worden war, fand er eine Zufluchtsstätte in dem 
hochgelegenen, natürlich festen Akrä (Liv. XXIV 36, 1), ebenso wie früher in 
Herbessos. Silius Italicus nennt zwar Akrà unter den Genossen der Ró- 
mer (XIV 206): non Thapsus, non e tumulis glacialibus Acrae defue- 
runt; doch hat er weder im allgemeinen noch im besondern hier grosze 
historische Autorität: denn er nennt z. B. Panormos als den Karthagern 
zugethan (XIV 261), welches doch nach Livius XXIV 36, 4 gut rómisch 


662 J. Schubring: Akrä-Palazzolo. 


geblieben war; Agathyrna läszt er sogar mit beiden verbündet sein V. 907 
und 259; man sieht, es kam ihm nur auf vollklingende Namenreihen an, 
die der Wahrheit nicht immer entsprachen. 

Unter der römischen Ilerschaft scheint Akrá nicht unbedeutend ge- 
wesen zu sein: es wird von Plinius unter den tributpflichtigen Städten 
des Binnenlandes mit aufgezählt, und es führte eine besondere Heerstrasze 
von Syrakus über Akrä nach Agrigentum. Da nun noch eine andere an 
der Küste entlang nach demselben Ziele gezogen war, so war, glaube 
ich, die Strasze durch das Binnenland, die auch etwas näher war, haupt- 
sächlich Akräs wegen angelegt. Dies ergibt sich aus dem Itinerarium des 
Antoninus. Endlich wird Akrä noch von Ptolemäos und von Stephanos 
von Byzanz als κτίσμα Συρακοσίων erwähnt. Es bestand noch lange Zeit 
und ist erst in den spätern Perioden des Mittelalters zerstört worden. 

Es ist ein Glück, dasz wir diesen spärlichen Nachrichten, aus denen 
wir fast nur über die Fortexistenz unseres Städtchens belehrt werden, 
vom topographisch- monumentalen Standpunkt aus zu Hülfe kommen 
können, um uns ein etwas deutlicheres Bild von Akrä zu entwerfen. Dies 
wird noch viel gründlicher geschehen können, wenn die archäologische 
Commission zu Palermo mit ihren Ausgrabungen etwas weiler vorgerückt 
sein wird: denn noch manche Schätze birgt der Boden in seinem Schosze. 
Ich erlaube mir zu berichten, was mir bei einem zweitägigen Aufenthalte 
in Palazzolo vor die Augen gekommen ist. 

Ich schicke voraus, dasz kein Zweifel obwalten kann, dasz das neue 
Palazzolo und das alte Akrä identisch sind. Es lag nach den Notizen, die 
ich angeführt habe, im Binnenlande, auf dem Wege von Syrakus nach 
Agrigentum, nach dem Itinerarium und der Peutingerschen Karte 24 Mil- 
lien von ersterem. Schon sein Name sagt, dasz es eine Bergfeste war, 
und zur Bestätigung dient die Localtradition, die hier von Wichtigkeit 
ist, weil Akrä so lange fortbestanden hat, und sodann die an Ort und 
Stelle aufgefundenen Münzen. Aus diesen Gründen ist Cluver abzuweisen, 
der es an die Küste nach Avola verlegen wollte. 

Der Weg von Syrakus nach Akrä führt zunächst durch den grünen- 
den fruchtbaren ager Syracusanus, der im Norden von dem Plateau von 
Syrakus und Belvedere und vom Thymbrisgebirge, im Westen und Süd- 
westen durch die langen Linien des Berglandes zwischen Floridia und 
Noto bis Monte d'Oro begrenzt wird; im Nordwesten zieht sich das Thal 
des Anapos hinauf bis Sortino in dem viel engeren Becken zwischen Serra 
di Buon Giovanni im Norden und dem Gebirge von S. Paolo und Palaz- 
zolo im Süden. Denn die Anaposniederung ist die geographische Feld- 
mark von Syrakus. Die heutige Strasze von Floridia war ungeführ, doch 
nicht ganz der alte Weg nach Akrà; dieser zweigt sich in der Nähe von 
Ortygia auf der untern Neapolisterrasse nach links, nach Südwesten, ab, 
geht also weiter südlich als die neue Chaussee und war bis vor nicht lan- 
ger Zeit in Gebrauch. Bei Flóridia, welches 9 Millien von Syrakus noch 
in der Ebene, aber am Fusz des Gebirges liegt, zieht sich die Strasze nach 
Nordwesten den Berg hinauf bis zu dem 3 Millien von da entfernten S. Paolo, 
welches schon halb oben steht, um dann nachher wieder zur ursprüng- 


1. Schubring: Akrä-Palazzolv. 663 


lichen Richtung zurückzukehren und die llochebene völlig zu erklimmen. 
Diese Ausbiegung bezweckt, die grosze cava von Floridia, die sich von 
diesem Orte weit nach Westen zieht, zu umgehen, welche der alte di- 
rectere Weg auch passierte. Dieser grosze Umweg hat die Entfernung 
zwischen Syrakus und Palazzolo bedeutend vergrószert, so dasz diese 
nicht mehr 24, sondern 30 Millien beträgt. Auf dein breiten Rücken die- 
ses Gebirgslandes geht die Strasze nun 8 Millien direct nach Westen; der 
Charakter des Laudes ist meist rauh und steinig, öde, wasserarm und un- 
bebaut; doch sind die Waldungen von Kork - und Steineichen oben nicht 
unbedeutend (Boschi Mandredonna und Giambra) und die zahlreichen 
Schluchten sind mit Oliven dicht besetzt. An einer kleinen Höhe, Monte 
Grosso genannt, 10 Millien vor Palazzolo, öffnet sich die Landschaft, 
das Städtchen liegt vor unsern Augen, zwischen uns und ihm befindet 
sich ein umfangreicher, wenig eingesenkter Thalkessel mit zalılreichen 
nicht konischen, sondern breiten und sanften Hügelkuppen. Je mehr man 
sich der Stadt nähert, und namentlich von der Entfernung von 4 Millien 
an, begegnet das Auge rechts und links vielen terrassenfórmig abgestuften, 
theaterartig gerundeten Felsrändern; alle sind mit uralten Felsgräbern 
besetzt, die von den Sicilianern Ddieri genannt werden. Ich komme unten 
auf sie zurück. Die ganze Strecke dieser 10 Millien heiszt Bibino Magno 
und besteht aus 5 feudi: Val di fame, Bibinello, Santolio, Bibbia, Caıne- 
lio. Zwischen Bibinello, Val di fame und Bibbia ist das Thal S. Giovanni 
del Bibino Magno, wohin Cluver, nur durch die sehr zweifelhafte Achn- 
lichkeit des Namens bewogen, das Städtchen Bidis setzt (Cicero in Ver- 
rem ll'$ 53 Bidis est oppidum tenue sene, non longe a Syracusis). 
Am Fusz des Hügels von Palazzolo zeigt ein von mächtigen Kastanien- 
und Nuszbäumen beschatteter kleiner Quellensee, dasz wir uns in einer 
wasserreichen Gegend befinden. 

Syrakus konnte für die erstgeborene Tochterstadt keinen nähern 
und zweckmüszigern, sicherern und wolgelegenern Platz finden; er ver- 
einigle alle für eine Stadtgründung im Binnenlande notwendigen Eigen- 
schaften in ausgezeichneter Weise. Trat man aus dem «ger Syracusa- 
sus heraus und hatte man das wüste Felsgebirg, welches sich zur Be- 
bauung und Bewohnung wenig eignete, hinter sich gelassen, so war der 
Bergkegel von Palazzolo der erste günstige Punkt; führte man hierher 
eine Colonie, so erreichte man am besten seineu Zweck die Herschaft 
von Syrakus und griechische Civilisation in das Binnenland zu tragen. Sie 
war nahe genug, uin von Syrakus aus geschützt werden zu kónnen, und 
doch entfernt genug, um dem griechischen Element ein bedeutend gró- 
szeres Territorium zu gewinnen; stark genug, um sich im Falle der Not 
und gegen einen mäszigen Feind selbst zu vertheidigen; in einer Gegend 
gelegen, welche alle Hoffnung zu einen glücklichen Aufblühen der jun- 
gen Anlage darbot; eine feste Akropolis, eine ausgezeichnete Operations- 
basis, um von hier aus, von der Grenze zwischen Küstenlandschaft und 
Binnenland erobernd und civilisierend in die sikelischen Berge (den He 
räischen Bergzug nannten sie die Alten, Diod. IV &4) vorzudringen. Man 
erkennt hierin den Unternehmungsgeist und die rastlose Thätigkeit der 

Jahrb. f. class. Philol. Suppl. Bd. IV Hft. 4. A3 


Pi 

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Sig! 
2o 
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664 J. Schubriug: Akrä-Palazzolo. 


edlen Geschlechter von Korinth, die erst seit 70 Jahren Geomoren 1n Si- 
cilien waren; und wenn es wahr ist, was Stephanos von Byzanz berich- 
tet, dasz in demselben Jahr Enna (Castrogiovanni) von ihnen gegründet 
sei, diese “Akropolis von Sicilien? (Poseidonios bei Strabon 274), bei des- 
sen Anlage ganz ähnliche Gesichtspunkte vorgewaltet haben wie in Akı, 
so ist daraus ersichtlich, wie groszartig schon damals ihre Politik war, 
wie klar von Anfang an ihnen der Plan vorgeschwebt hat, die Insel von 
Syrakus aus zu beherschen. 

Palazzolo bildet mit Buocemi und Cassaro den südlichen Teil des 
Gebirgsknotens Monte S. Venere und Monte Lauro, ein Bergland welches 
nach allen Seiten grosze Wassermassen entsendet: nach Norden Fiume 
Ruina und Fiume di Lentini (— Terias und Pantakyas), nach Osten Ana- 
pos, Cardinale und Cassibili (== Kakyparis), nach Südosten Fiume Abisso 
(—Heloros), nach Südwesten Fiume di Ragusa (— Hirminius). Es ist ein 
Gebirge von langen Linien ohne spitze Kuppen, die Thäler sind nicht tief, 
sondern breite Hochthäler, eingesenkte Mulden. im Süden an das Hoch- 
land, das sich von hier nach Noto zieht, angelehnt steht der Bergkegel 
von Palazzolo und Akrä, ein hocherhobenes Plateau von 3 Millien Umfang, 
das über seine Umgebung weit hinausragt. Oben hat man eine mehr aus- 
gedehnte als gerade durch Schönheit hervorstechende Aussicht auf die 
umgebenden Bergstócke: im Nordosten sieht man den langgestrecktem 
Rücken von S. Venere, weiter nach Westen zu Serra di Pedagaggi, dahinter 
Pilato, weiter Serra di Guffari, dahinter Monte Lauro; oben auf den Ber- 
gen liegen die Ortschaften Buocemi, Cassaro, Ferla, Bucchemi; im Nord- 
westen Serra di Casale oder Monte Pellégrino, im Hintergrunde Glarratama 
(zwischen welchem und Palazzolo in Casale 6 Millien von Palazzolo eat- 
fernt zahlreiche avanzi eines alten Ortes vorhanden und z. B. eine Ziege 
von Brouze und Münzen mit llerakles gefunden sein sollen), weiter nach 
Westen Serre di Chiaramonte, Ragusa und Modica mil diesen Orten; im 
Süden soll man bei klarem Wetter Rosolino, Spaccaforno und Pachino 
mit den Augen erreichen können. Per Berg von Akrä ist ein einzeln 
stehender 1600 Fusz hoher Bergpfeiler, im Westen, Norden und Süden tief 
unten von Thalrinnen umgeben, in denen sich die von Fazello auf 365 . 
angegebenen Quelladern des Anapos sammeln, nur von Osten her zu- 
gänglich, da wo man jetzt von dem auf halber Höhe auhangenden Palas- 
zolo hinaufsteigt ; sonst fällt er überall in steilen Felsw&nden ab und be- 
sonders gegen Norden durch eine ungeheure Kluft gegen Buocemi ge- 
schieden. Nach Süden hängt er durch einen tief eingeschnittenen Sattel, 
Monte Allériu (nicht allegro) mit einem andern gleich hohen Bergstock, 
dem Monte Pinéta zusammen, ein Sattel aus dem zwei kleine, Sorori ge- 
nannte Zitzen hervorragen, denen Polybios sehr anschaulich den Namen 
μαστοί beizulegen pflegt. Gleichwol ist der Berg von Akrä auch von der 
Südseite her unzugänglich, und so haben wir ein schroff nach allen Sei- 
len abgeschnittenes, nicht kleines, schönes Bergplateau, nur von éiner 
Seite her, die auch steil ansteigt und leicht zu vertheidigen ist, erreich- 
bar, eine wahre von Natur feste Akropolis, auf einer quellreichen Höhe, 
vou fruchtbaren Korn- und Weinfeldern umgeben. Oben weht eine er- 


% Schubring: Akrä-Palazzolo. 665 


frischende Bergluft, welche diesen Ort auch im heiszesten Sommer zu 
einem kühlen, augenehmen Aufenthalt macht, und in alter und neuer Zeit 
die Syracusaner einladet ihre Sommerwohnung daselbst zu nehmen. Das 
meint Silius Italicus, freilich in sehr übertriebener Ausdrucksweise, mit 
den tumuli glaciales , auf welchen Akrä stehe. Es ähnelt in allen diesen 
Beziehungen den beiden trojanisch - elymischen Städten Eryx und Egesta, 
besonders dem ersteren, welche gleichfalls auf hohen festen Bollwerken 
der Natur gelegen sich getraidereicher Fluren und erquickender Atmo- 
sphäre erfreuten; ja in Hinsicht des Wasserreichtums ist es ihnen noch 
vorzuziehen 

Auf diesem Berge stand also "Axgaı ‘lie Bergfeste?, die in ihrer An- 
lage viel Aehnlichkeit mit ihrer Mutterstadt hat: Latomien, Gräber, Aquä- 
ducte, Bäder sind durchaus nach syrakusischem Vorbilde eingerichtet. 
Wollte man zweifeln an der anderswo von mir aufgestellten Beliauptung, 
dasz die Latomien in Syrakus fast alle zur Vertheidigung der einzelnen 
Stadtteile dienten, so sehen wir dies in Akrà vollkommen besliütigt, 
und kónnen nach der Analogie der andern Nachahmungen folgern, dasz 
auch die Art der Anlage der Steingruben von Akrä nach dem Muster 
der syrakusischen gewälllt war, und daraus Rückschlüsse auf diese ma- 
chen. Die Bestimmung der Latomien von Akrä ist klar: sie finden sich 
an der Ostseite, da wo man von Palazzolo hinaufsteigt, um auch den ein- 
zigen Zugang zur Stadt möglichst zu erschweren. Es sind ansehnliche 
Steingruben, die den syrakusischen sehr gleichen; sie dienten auch hier 
zur Wohnung der verstorbenen, und auszerdem sind hier wie dort alle 
Räume zwischen den Steinbrüchen in jeglicher ITohe mit unzähligen Grä- 
bern besetzt, von denen sich eine Gruppe der andern ununterbrochen an- 
schlieszt, sei es in künstlich zurecht gehauenen oder natürlichen Höhlen, 
Grotten, Klüften, Gruben oder Wänden. So war die angreifharste Grenze 
durch diese künstlichen Vorrichtungen und durch die Heiligkeit des Orts 
gesichert. 

Beginnen wir unsere Periegese von der nordöstlichen Ecke, so ge- 
langen wir durch umherliegende Trümmer von Säulen, Triglyphen und 
Karnieszstücken bald zu einer Gruppe von Gräbern in unterirdischen Höh- 
len; daneben befindet sich ein Gang mit einem schönen Relief in der 
Wand. In der Mitte liegt eine kranke Person auf dem Bett vor einer durch 
das Attribut der Schlange gekennzeichneten Asklepiosstatue; zu beiden 
Seiten stehen je zwei Personen, alle vier der Statue zugewandt; an den 
Wänden hängen Ilelme und Panzer. Das ganze flache Relief ist umgeben 
von vielen Einschnitten für Votivtafeln. Weiterhin ist ein geräumiges 
Grabzimmer , la Marciana genannt, worin allerhand Gegenstände, die her- 
umlagen und verwitterten , eingebracht sind. Unter diesen zeichnet sich 
ein ungefähr 4 Fusz hoher Pfeiler aus, oben mit Giebel und Akroterien, 
schönem Karniesz und Triglvphen: in der Mitte ist eine kleine Nische 
eingehauen mit drei hinter einander folgenden eingedrückten Raudein- 
schnitten; in der Mitte ist wiederum ein kleiner nischenartiger Eindruck, 
als Kammer für ein kleines bronzenes idoletto von der Lánge einer Spanne. 


43* 


666 J. Schubring: Akrä-Palazzolo. 


Auch einige andere schöne Karnieszblócke sind zu sehen, und eine In- 
schrift: NAEXP στοιχηδὸν geschrieben. 
JTOYT 


Weiter nach Süden stoszen wir auf die groszen, aus mehreren Tei- 
len bestehenden , mit Epheu umrankten Latomien, voll von Katakomben; 
in den Wänden sehen wir drei Stockwerke von Grabkammern über einan- 
der eingeliauen. Interessant sind einige Abteilungen dieser geräumigen 
Katakomben, welche, wie es scheint, die Mitglieder eines Hausstandes 
vereinigten. 1n der Mitte als dem ehrenvollsten Platz befinden sich unter 
einem kleinen Dache zwei natürliche Sarkophage mit hohen Wänden, in 
ihrem oberen Teile mit durchbrochenen Fenstern, in beinahe gothischem 
Rosettenstile; die Angehörigen sind um diesen Mittelpunkt herum grup- 
piert; durch Bogenthüren gelangt man von éinem solchen Zimmer ins 
andere. [n diesen Latomiekatakomben sind Loculi und Columbarien ge- 
mischt, während der bei weitem gröszere Teil der übrigen Grabhóhlen 
Columbarien enthält. Eine andere Latomie ist der sogenannte tempio 
ferale, etwas weiter nach Süden und tiefer liegend als die eben genannten. 
Es ist ein rechteckiger Raum von geringem Umfang, an seinen drei Wän- 
den (denn die vierte Seite ist die offene Front) mit unzähligen Einschnit- 
ten für Epitaphien bedeckt, von denen einige den dreieckigen Giebelschnitt 
haben, der ihnen den Charakter einer Art aedicula gibt. Oben, so zu sa- 
gen im zweiten Stockwerk, sind zwei gröszere Grabkammern eingehauen 
mit Nischen; man kann nur schwierig hinaufklimmen. Zwischen den 
Epitaphien finden sich einige kleine Inschriften, links in der Ecke ΟΣ 

ATA 
daneben eine andere +IAON und in der Mitte eine dritte ΩΣ  Un- 

ΑΓΑΘΟΣ 

weit davon ist wiederum eine Felsgrotte mit Stockwerken; weiter unten 
nach Osten zu sind kleine Steinschnitte von zwei oder drei Lagen, Hóh- 
lungen, Klüfte gleichfalls massenhaft zu Wohnhàusern der Todten ge- 
macht; viele Epitaphienlócher mit Giebeldreieck oder auch mit Bogen ge- 
ben dafür Zeugnis ab; und endlich weist auch die Südseite der Stadt, 
sowol am Ablıang des Berges als auf dem Monte Allériu, viele Felsgrä- 
ber auf. Es ist auffallend und besunders hervorzuheben, dasz hier in Akrä 
der Friedhof nur auf der Ost- und Südseite angelegt worden ist, nicht 
wie gewöhnlich im Westen und Norden (auszer einigen vereinzelten Ka- 
takombenhöhlen oben in der Südwestecke). Religiöse Gründe möchte man 
hiefür wol vergebens suchen ; eher waren es Sicherheitsrücksichten, weil 
in Akrä die Ost- und Südseite angreifbarer ist als die von Natur sehr 
schwierige Nord- und Westseite. 

Steigen wir nun wieder zum Stadtplateau hinauf, so ist erstens zu 
bemerken, dasz man von einer Stadtmauer nichts mehr entdecken kann. 
Nur im Nordwesten des Berges scheint es beinahe, als ob eine der vielen 
natürlichen Terrassenabstufungen des Berges durch Kunst geglättet wor- 
den sei, um als Fundament des Umfriedigungsringes zu dienen. Es darf 
uns dieser Mangel an Spuren nicht wundernehmen; im Südwesten und 
Nordeu ist durch die oben am Abhang angelegten Weinberge, welche 


J. Schubring: Akrä-Palazzolo. 667 


ganz besondere Vorrichtungen erfordern (kleine Terrassen die von Mau- 
ern gehalten werden), das alte Terrain durchaus verändert; man müste 
die hochaufgeschichtete Erde entfernen, um Fundierungen zu sehen. Denn 
es ist sicher anzunehmen, dasz diese *Bergfeste? ilireu Befestigungsgürtel 
hatte, und ganz besonders an der Ostseite, wo gleichfalls alles mit Schutt 
bedeckt ist. — Die Stadt war selbst eine Festung und hatte deswegen 
keine besondere Akropolis; das Niveau der IIlochebene ist überall ziem- 
lich gleich eben. | 

Akrä emplieng sein Wasser wie Syrakus durch kunstvoll gearbeiteto, 
unterirdische Aquäducte. Von verschiedenen Seiten, also aus mehrern 
Quellen, und in verschiedenen Höhen führen die Gänge der Wasserleitun- 
gen unsichtbar in die Stadt; man kann verschiedene (7—8) Adern des 
Netzes verfolgen und begegnet vieleu eingebohrten Luftschachten; eins 
solcher spiragli sieht man in der erwähnten Katakombe auf der Südwest- 
ecke des Berges, und über dem tempio ferale läuft eine in die Felswand 
eingeritzte Kanalrinne. Ich habe diese wunderbaren Werke nicht näher 
untersuchen können, doch verlohnte es sich wol der Mühe nachzufor- 
schen, durch was für Anstalten das Wasser vom Thal auf den Berg hin- 
aufgehoben wurde. 

Die einzigen überirdischen Reste vun Akrä, die uns erhalten sind, 
stehen innerhalb des Stadtringes, aber ınehr nach der Ostseite zu, und 
sind in einer Gruppe von vier Denkmilern vereinigt, die in unmittelbar- 
ster Nähe bei einander liegen. Die hochtónenden Namen, die ihnen die 
Ciceroni von Palazzolo gegeben haben, sind auszer dem Theater Naumachie, 
Odeum und Palast des Hieron. Das Theater ist eine in den Fels gear- 
beitete kleine reizende Anlage mit der Sicht nach Norden. Es enthält 
zwölf Reihen Sitzstufen, von einfacher Altertümlichkeit, welche durch 
acht Treppen in sieben und zwei halbe cunei geteilt sind; rechnen wir, 
dasz ein cuneus im Durchschnitt, auf der vierten Stufe, acht bis zehn 
Plätze faszte, so gewinnen wir als Gesamtzahl derer welche das Theater 
aufnahm 520—640, oder wenn wir annehmen dasz auch die Treppen be- 
setzt waren, 660—700, woraus sich auf die Bevölkerung von Akrä 
Schlüsse ziehen lassen. Die Sitzstufen sind unversehrt und die Funda- 
mente der ϑυμέλη ersichtlich. Weder Paraskenien noch Skene sind jedoch 
zu bemerken, und ein besonderes Bühnengebäude scheint kaum dagewe- 
sen zu sein; wol aber finden wir auf der Orchestra eine Art Hyposkenion, 
dessen vordere Mauer noclı steht und zwei halbrunde Einschnitte hat, und 
dessen hintere oder äuszere Mauer im Durchschnitt des Theaters läuft. 
Es ist zwei Schritt breit und nimmt den ganzen Durchmesser des Or- 
chestrakr^ises ein; nur ist es an beiden Seiten von den Sitzen durch Ein- 
gänge geschieden. Sollte das etwa die Bühne gewesen sein und sollten 
die Eingänge zu beiden Seiten für die εἴσοδος des Chores gedient haben? 
Auf dieser Brüstung befindet sich ein in der Mitte ausgetiefter Steintrog, 
deren sich hier am Theater ini ganzen sechs vorfinden, und eiu weih- 
licher Torso; auf der Orchestra liegen eine hleine Säule, einige becken- 
ar.ge Fragmente und zwei Lavakegel. Auf der Orchestra steht aber auch 


668 J. Schubring: Akrä-Palazzolo. . 


ein Inschrifistein mit schwer zu entziffernden und schwer lesbaren Let- 
tern, die ich folgendermaszen copiert habe: 
IONI 
NKEIN:PAIN 
AE&TIDNTK/ 
'" IN SOTEk 
NINKETIO 
EI£L 
Dasz es ein Bühnengebäude gar nicht gegebon haben kann, schliesze 

ich aus zwei Anzeichen. Erstlich befindet sich auszen, im Norden des 
Theaters, wo wir das Proskenion vermuten müslen, eine Gruppe von 13 
runden Cisternen, deren Alter und Bestimmung freilich sehr dunkel ist. 
Sie liegen ohne Ordnung auf einem Fleck zusammen; sie sind unten brei- 
ter als oben, die obere Einfassung besteht aus schlechtem Ziegelbau , in- 
wendig sind sie mit Stuck bekleidet. Sie haben verschiedene Grósze , bis 
zu 11% Meter oben; die zwei östlichen sind am besten gearbeitet, die eine 
von ihnen sogar nur gehauen, ohne Vermauerung; eine andere hat jedoch 
eine Communication mit dem besprochenen Hyposkenion, woraus erhellt, 
dasz wenigstens einige von ihnen so.alt sind wie das Theater und diesem 
gedient hahen. Zweitens bemerken wir auf der Stelle, wo das westliche 
Paraskeniun stehen müste, eine Mauer, welche schon einem andern Ge- 
bäude, der sogenannten Naumachie angehört. Dies ist eine rechteckige 
Anlage, von welcher drei Mauerfluchten zutage liegen: 1) die ehen be- 
schriebene von Süden nach Norden, die östliche Mauer 9—10 Schritt 
lang; 2) die südliche Mauer von Osten nach Westen, die Fortsetzung des 
Apsisdurchmessers des Theaters nach Westen zu, 18—20 Schritt lang; 
3) die westliche, die nur einige Schritt weit sichtbar ist. Es ist schade, 
dasz der Baron Judica, dem wir alle bisher gemachten Ausgrabungen ia 
Akrä verdanken und der seine gelehrten Studien über die Geschichte .sei- 
ner Vaterstadt in dem tüchtigen Werke *Antichita di Acre? niedergelegt 
hat, seinen Patriotismus nicht weiter getrieben, sondern sich begnügt hat 
die Spuren der alten Gebäude aufzudecken, ohne sie ganz bloszzulegen. 
Es ist so nicht móglich von der Anlage, die den fabelhaften Namen Nau- 
machie trägt, sich einen weitern Begriff zu machen. — Das sogenannte 
Odeum befindet sich dicht dabei, südlich von dieser sogenannten Nau- 
machie und westlich vom Theater. - Es ist ein ganz kleines theaterartiges 
nach Westen geóffnetes Halbrund mit Sitzstufen und zwei Treppen, nicht 
eingehauen, sondern aus groszen Marmorblócken aufgebaut, davor ein 
rechteckiger Wasserraum, wie in der Arena der Amphitheater, der aber 
über das Halbrund hinaus sich nach Westen streckt. Für ein Odeum ist 
das Monument viel zu klein, und ein solches würde auch dem Theater zu 
nahe stehen, an das es mit dem Rücken fast anstószt. Auch passen die 
Stufen nicht: diese ähneln vielmehr durchaus denen des neu entdeckten 
Dades Buon fardieci in Syrakus, welches ja ein gleichartiges Rund hat; 
auch zeigen die Canallócher, welche zu und aus dem Wasserbecken in 
der Mitte führen, und ein gewaltig tiefer quadratischer Brunnen an der 
Nordwestecke desselben, der gewis mit den Aquäducten in Verbindung 


J. Schubring: Akrä-Palazzolo. 669 


steht, dasz wir es hier mit einer Wasseranstalt, mit einer Dadeanlage zu 
thun haben. Zwei kleine unterirdische Gänge verbinden dieses Bad mil 
dem Theater, woraus sich ergibt, dasz auch diese Anlage mit demselben 
zusammenhieng. — Die innere Mauer des Wasserbehälters setzt sich einige 
Schritt nach Süden weiter fort, wo sich noch eine andere im rechten 
Winkel auf sie stoszende Mauerflucht anschlieszt; es begiunt hier viel- 
leicht ein anderes groszes Gebäude, dessen Grundlagen von Erde bedeckt 
sind, und weil man daselbst eine Inschrift Ἱέρων oder Ἱέρωνος gefunden 
hat, so hat man diese Mauer einem Palazzo di Gerone zuerteilt. So grund- 
los dieser Name an diesem Orte ist, so scheint es doch auszer Zweifel, 
dasz Hieron II Akrä besonders geliebt, sich daselbst öfter aufgehalten und 
ein Schlosz erbaut hat. Im Museum Judica ist eine Inschrift mit schönen 
groszen Lettern, die seiner Epoche angehört, da sie dieselbe Schrift hat 
wie die Namen der Königinnen im Theater zu Syrakus: 


[B AE | A [E 0 X], 


und der Berg von Akrä heiszt heutigestages noch Serra di Palazzo, wo- 
von der jetzige Ort seinen Namen Palazzolo erhalten hat. 


Andere Denkmäler sind auf dem Boden des alten Akrä nicht ersicht- 
lich. Wir begeben uns nun noch einmal auszerhalb der Stadt, um noch 
einen Augenblick an drei wichtigen Punkten zu verweilen, die den Todten 
geweihel waren, wie denn die Gräber unter den Denkmälern der Stadt Sy- 
rakus und der mit ihr zusammenhängenden Locale eine höchst wichtige 
Rolle spielen. — Zuvörderst auf dem Monte Pinéta im Süden von Akrä. 
Es ist meines Wissens noch gar nicht recht auf eine besondere Gattung 
von Grübern hingewiesen worden, die in Sicilien in groszer Anzahl ge- 
funden werden. Sie gehóren wahrscheinlich gar nicht der griechischen, 
sondern einer vorgriechischen, sik:"isch-sikelischen Periode an und neh- 
men deswegen besonderes Interesse in Anspruch. Das sind die sogenann- 
ten Ddiéri, von denen das ganze Val di Noto, das südöstliche Drittel von 
Sicilien, voll ist. Diejenigen Gegenden, in welchen nach meiner Kenntnis 
solche Ddiéri vorkommen, sind: die Umgegend von Leontinoi (die soge- 
nannten campi Laestrygoni), die Thàler der beiden in den Megarischen 
Meerbusen mündenden Flüsse Marcellino und S. Gusmano, Plemmyrion 
jetzt Scola, die das Thal des Anapos von Norden begrenzenden Wände 
des Thymbrisgebirges, Sortino, Pantalica; Ferla, Bihbío, Bauli, Vallo- 
nello oder Marramiáu, Sparano, Gaetaui, Pianetta, Castelluccio , Caınelio, 
das berühmte Val d' Ispica und Pinita. Das charakteristische au 
ihnen ist ihre Unzugänglichkeit, ihre Form, ihr kleines Masz. Sie be- 
finden sich fast immer in einer holien Bergwand, so dasz man nur durch 
künstliche Mittel zu ilinen gelangen kann; dazu eignen sich besonders 
die senkrecht steilen Felswände von Flüssen, an denen wir sie auf beiden 
Seiten in Reilien von mehreren Millien Länge thronen sehen, so beson- 
ders im Val d’Ispica, an dem Flusz Marcellino, S. Gusmano, Buttigliarie 
und Anapos bei Pantalica und aın Anapos zwischen Sortino und Belvedere. 
Die einzigen, die gut erreichbar sind, sind die auf Plemmyrion; in Pinita 
sind wir nur mit Lebensgefahr emporgeklommen. Diese letztern habeu 


670 J. Schubring: Akrä-Palazzolo. 


die Front naclı Norden und stehen in drei bis vier Stockwerken überein- 
ander, wie auch die des Marcellino und der Buttigliarie, in nicht regel- 
mäszigen Reihen. Schqu zur untersten Ordnung musz man auf Leitern 
hinaufgestiegen sein. Diese zog man dann nach, um sie hier wieder an- 
zusetzen und zum zweiten emporzuklettern. Doch wie sie hier im ersten 
Stockwerke, wo oft keine Schwelle, kein Haltpunkt ist, und oben befes- 
tigt wurden, ist mir ein Räthsel. An so unzugänglichen Orten bewahrten 
die uralten Bewohner Siciliens ihre Todten; wir erkennen daraus, für 
wie heilig und unantastbar sie die Verstorbenen hielten, wie entwickelt 
sie daher in religiöser Beziehung sein musten. Die Grabkammern sind 
nicht natürliche Höhlen, sondern ganz gemeiszelt. Durch kleine vier- 
eckige fenslerarlige Eingänge von gewöhnlich 2' Breite und 3’ Höbe 
schaut man hinein ; am Rand dieser Oeffnung sieht man noch die Löcher 
für die Angeln der eingefügten Holzthüren. Auszen vor dem Rand, gleich- 
sam als Ralimen, befinden sich auszerdem noch 1, 2 oder 3 Eindrücke in 
fortschreitender Erweiterung nach auszen, als ob die innerste und engste 
Thür nicht ausgereicht, sondern man nötig befunden hätte 2, 3 oder 4 
Verschläge anzubringen, jede nach auszen folgende immer etwas gröszer 
als die vorige, und in eine solche Ilóhlung eingelassen. Vielleicht wurde 
vor der Thür auch eine Tafel oder ein Relief eingefügt. Inwendig ist der 
Boden glatt gemeiszelt, die Form gerundet, die Decke horizontal oder 
kuppelfórmig; in einem habe ich auch eine Steinbank und in einem an- 
dern zwei Fenster bemerkt. Wenige gröszere ausgenommen sind sie ge- 
meiniglich so klein, dasz ein Meusch nicht anders Platz darin findet als 
auf allen Vieren (carponi) Es ist schwer einzusehen, in welcher Stellung 
die Todten, wenn sie nicht verbrannt wurden, hier Platz fanden , und es 
gibt Leute welche glauben, man habe ihnen die Lage wieder gegeben, 
die sie im Mutterleibe gehabt. Eines solcher Ddierigräber in Sparano soll 
sogar eine Art 9040c sein, ein kleines Gebäude aus polygonen Rlöcken, 
deren Zwischenräume mit kleinen Steinen ausgefüllt sind, 3—4' hoch. — 
Solcher Grabnischen finden sich 80 in Pinita, anderswo dagegen unzählige. 
Ich mache hier auf die kleine, sich mit diesen Ddieri beschäftigende 
Schrift des liebenswürdigen Gelelirten vonPalazzolo aufmerksam , Dr. Gae- 
lano Italia- Nicastro: ricerche per l'istoria dei popoli Acrensi anteriori 
alle colonie Elleniche, Messina 1856. 

Demselben Gelehrten verdanke ich briefliche Mitteilungen über die 
neuen Entdeckungen an dem zweiten Punkte, von dem ich noch sprechen 
wollte, nemlich in Betreff der sogenannten phönikischen Gräber auf dem 
‘acrocoro detto della Torre’, bei S. Giovanni gleichfalls auf Pinita. Schon 
der Baron Judica hatte dort 223 Vasen, mehrere Hunderte von Schalen, 
Fläschchen, Armringen, Haarnadeln gefunden, phónikisohe Freskomalereien 
gesehen und auf einer Schale eine punische Inschrift, auf zwei Tischen 
von Kalkstein zwei gleiche von 7 und 11 Reihen entdeckt. Jetzt hat man 
daselbst noch mehr Gräber bloszgelegt, in den Felsboden gehauene Be- 
hälter, init Steindecken geschlossen, die jetzt mit Kieseln, Erde und Pflan- 
zen bedeckt waren. Man erkannte sie nur an dem hohlen Klang. Man 
hat nun 30 grosze und kleine Gräber bloszgelegt, mit der Richtung meist 


J. Schubring : Akrä-Palazzolo. 671 


von Osten nach Westen, doch auch von Norderf nach Süden; die erste 
Richtung hatten die Gräber der Frauen, wie aus den verkalkten Knochen, 
aus den Haarnadeln und Armbändern, die daselbst gefunden, hervorgeht; 
die andere Richtung war den Gräbern der Männer eigen. In diesen be- 
sonders fanden sich Schalen an der Seite oder auf der Brust; doch be- 
merkte man auch in einem Frauengrabe eine Schale, und zwar in obsce- 
ner Stellung, mit der Oeffnung gegen die Füsze. In den kleinen Gräbern 
waren winzige Fläschchen und seltsam geformte kleine Vasen von nicht 
feinem Stoff; ihre Farbe war meist bleischwarz, mit einer Unterfarbe von 
Carmin, bei einigen auch kastanienbraun. Verschiedene Schalen hatten 
zwei Zonen, eine bleischwarz, die andere schmutzigweisz; die Haarnadeln 
und Armbänder waren sämtlich von Kupfer. Die gewöhnliche Länge der 
Gräber ist zwischen 1, 50 und 1,80 Meter. Sobald man ein Grab zu öff- 
nen begann, stieg aus den kleinsten Spalten ein häszlicher Leichenge- 
ruch heraus. Die Skelette waren vollständig erhalten; die Köpfe waren 
'an den Schläfen sehr eingedrückt und hatten fast die Form einer Mandel; 
die Zähne standen weit heraus. 

Endlich enthält der Ostabhang der Berge von Akrä, Monte Allériu 
und Pinita die wunderbaren Basreliefs, die sogenannten Santoni oder 
Santicelli. Diese wol gleichfalls uralten Bildwerke beziehen sich wahr- 
scheinlich auch auf Gräber, sie finden sich neben einander in einer 6 Fusz 
hohen, von Westen nach Osten sanft abwärtsziehenden Felswand. Ihren 
Charakter kann man bei Serradifalco ersehen, der sie meistenteils ab 
gebildet hat; ich will berichten, w:.s ich gesehen habe; nemlich im gan- 
zen 12 Reliefs, welche von Westen angefangen sich also folgen: 1) eine 
sitzende Frau mit Modius, rechts und links oben zwei kleine Statuetten ; 
2) rechts in der Ecke ein Reiter, weiter ein Mensch den rechten Arm he- 
bend, ein Hund, eine Frau, ein Mann mit übergeschlagenen Beinen, eine 
unkenntliche Figur, links in der Ecke wieder ein Reiter; 3)eine sitzende 
Frau mit Modius, schónem Gewand an den Füszen und zwei Statuetten 
auf den Schultern; 4) ähnlich wie 3, die Frau hat reiches Haar und Ohr- 
gehänge , die Statuette links mit Schild und Lanze, die rechts gleicht ei- 
nem Herakles mit Keule oder stützt sich auf den Schild; 5) sehr un- 
deutliche Figur, von der man nur das untere Kleid unterscheiden kann, 
Oben sind kleine Nischen; 6) eine sitzende Frau in Pallium und Tunica mit 
einem Schild; 7) ein Mann mit zwei Knaben und zwei Hunden, daneben eine . 
kleine Nische; 8) wie 3 und 4; die beiden Statuetten auf den Schultern 
sind bewaffnet; eine kleinere Figur sitzt daneben; 9) wie 3 und 4, links 
unten zwei kleine Figuren, von denen eine weiblich und sehr hübsch ist 
und die Arme ausstreckt, rechts unten ein Mann, zu den Füszen der 
groszen sitzenden Frau ein Hund; 10) sehr undeutlich , man unterschei- 
det nur einen halben Oberkörper; 11) eine kleine aedicula; 12) eine 
Nische. 

Dies möchten etwa die Denkmäler sein, welche heute auf dem Bo- 
den des alten Akrä sichtbar sind. Dazu kommt das reiche Museum des 
Baron Judica, voll von allen Arten kleiner Antiquitäten, Vasen, Terracotten 
und manigfaltigen Gegenständen von Eisen, Bronze und Kupfer. Hier eine 

Δ" 


672 J. Schubring: Akrä-Palazzolo. 


kleine Nachlese von Inschriften, welche auf dem Beiblatte verzeichnet 
sind: 1) byzantinische Grahschrift; 2) Basis; 3) auf einem kleinen recht- 
eckigen Steine, auf welchem mehrere Kreise eingeritzt sind; 4) Fabrik- 
stempel auf einem Ziegelsteine; 5) Buchstaben aus verschiedenen Steinen 
zusammengesetzt (Diod. XVI 83). Diese Stücke befinden sich im Museum 
Judica. 

Inschriften aus anderen Orten von Sicilien: 6) an der ersten Stufe 
am östlichen Portale des sogenannten Dianentempels vor dem Isthmus 
von Syrakus. Die Inschrift nimmt den Raum unter den drei südlichen 
Säulen ein. 7) Auf einer Basis im Museum. von Syrakus, Unter der In- 
schrift sind zwei Kränze eingeritzt, in deren rechtem OAHMOS steht. 
8) In dem mit ungemeiner Kunst von Dionysios 1 angelegten Fort Eury- 
alos, über dessen Lage, Geschichte und Einrichtung ich anderswo han- 
deln werde, befinden sich an den Wänden’ von vier unterirdischen Fels- 
kammern vier räthselhafte Inschriften an den Wänden eingeschnitten. 
Die Räume können wol nur zu Wallenmagazinen oder zur Aufbewahrung 
von Lebensmitteln und ähnlichem Bedarf gedient haben. Daher ist es nicht 
unmöglich, dasz die Zeichen Zahlen darstellen sollen. Die oberste Reihe 
steht im ersten Raume von Norden anfangend, die zweite im zweiten usw. 
Die Zeichen sind 0,15 M. hoch. 9) Byzantinische Inschrift zwischen Sor- 
tino und.Lentini, 3 Millien von ersterem gefunden, an einem Ort wo auch 
viele Goldmünzen entdeckt sein sollen. 10) Inschrift eines Hestia-Altars 
aus Taormina, jüngst neben der Kirche S. Panerazio gefunden, welche 
auf den Fundamenten eines griechischen Tempels steht. 


Messina. Julius Schubring. 





Jahrb. Γ class Philol.Suppl I’ $6; 


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OYMAPHNBIOTA2 0ABoNEXOIENAE I 


SCHOLIA BERNENSIA 


AD VERGILI 


BVCOLICA ATQVE GEORGICA 


EDIDIT EMENDAVIT PRAEFATVS EST 


HERMANNVS HAGEN 


Jahrb. f. class, Philol, Suppl. Bd. IV Hift, 5. AA 





PRAEFATIO. 


— nun—ÓáÓ 


Scholia Bernensia Carolus Guilelmus Mueller, professor olim usque 
ad annum 1846 Bernensis, inde gymnasii Rudolphopolitani director, primus 
edidit integra quattuor annorum 1847. 1852. 1853. 1854 programmatis, 
proposita ante in Analectorum Bernensium particula IIl (prooem. aestiu. a. 
1841) p. 12— 23 maiore eorum scholiorum parte, quae Iunilii GaudenUi 
Galli nominibus sunt insignita. Videtur autem codice Bernensi 172 saec. 
VIII[.—X usus esse, quod quamquam editione eius cum isto codice conlata 
aegre tibi persuadeas, tamen quia ipse ait Anal. Bern. part. III p. 11 et 
progr. Rud. I praef. utrobique accurata codicis 172 descriptione propo- 
sita, credendum sane. Tanta autem uidebatur olim cum fide eum librum 
excussisse, ut uel typographorum menda pro uariis scripturis Reiffer- 
scheid ex eo mutuaretur. Ne multa: mille omnino pluribusque locis falsa 
tradidit: neque crilicae eius curae, quae rarissimae sunt, paucis locis 
quibus res in propatulo erat exceptis, satis cuiquam probabuntur neque 
multum me in edendorum scholiorum munere non ita facili adiuuerunt. 
Quid quod alterum codicem Bernensem 167 saec. VIII — X, quo eadem 
scholia ut infra uidebimus dimidiata continentur, non nisi in Georgicorum 
argumento Vergiliique uita altera adhibuit? unde nouisse sane eum librum 
existimandus est. Quod scholia ad E. I v. 1—48 pertinentia, quae in 
cod. 172 abscisso olim primo folio deperierant, in codice 167 extare 
non uidit? Quod denique locos in 172 putredine deletos (conf. E. II 56. 
ΠῚ 32) ex 167 suppleri posse non intellexit? Quae Muelleri uitia quia per 
uniuersam scholiorum farraginem aequabiliter diffusa sunt, quicumque 
uiri docti post scholiis Bernensibus usi sunt, non potuerunt non ad unum 
fere omnes aut transcribendo propagare aut coniciendo, quippe in re 
nimis incerta , noua uetustis adiungere. 

Quare cum primo non nisi grauiores Muelleri errores commenta- 
tiunculis nonnullis detegere statuissem, postquam in conuentu philolo- 
gorum Heidelbergae nuper habito Alfredus Fleckeisen, uir mea laude 
maior, quae est elus erga nouicios humanitas adfabilitasque, ut nouam 
scholiorum Bernensium editionem instituerem me cohortatus est, nulla 
mehercle animo meo optabilior potuit occasio contingere, qua et defende- 
rem a tanto crimine nostrum codicem, neque fallerem, si qua fieri posset, 
fidem a tanto uiro mihi habitam. 


AA 


676 1. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 


I 
DE DONATIANAE VERGILII VITAE CODICIBVS. 


In Donatianae Vergilii uitae uerbis ad librorum fidem exhibendis, 
quam etsi nouissime Reifferscheid in Suetoni rell. p. 52 — 66 ex parte 
edidit amplo apparatu qui dicitur critico adiecto, tamen denuo typis 
describendam me curasse sane non indignabuntur ii, qui et consilium 
meum omnia, quae de scholiis Bernensibus a Muellero publici iuris erant 
facta, iterum edendi bene animo uolutauerint respexerintque etiam, codi- 
cis 172 uarietateın a Reifferscheidio plus centum locis Muclleri beneficio 
false esse descriptam, deuique alteram Donatiani argumenti partem , qua 
de Bucolicis agitur, a Reifferscheidio praetermissam esse meminerint; 
praeter codicem Bern. 172, quem per totum librum pro fundamento esse 
uolui, uti poteram Reginensi quoque codice 1495, quem Reifferscheid 
p. 54 not. G. Thilonem contulisse refert meo quoque iudicio accuratis- 
sime. Exposuit de eius libri indole et II. Keil olim summatim (Zeitschrift 
für Alterthumswissenschaft 1848 p. 549) et nuper fusius G. Thilo mus. 
Rhen. XIIll p. 542. Eam partem qua Donati uita habetur saec. X Thilo 
adsignat; saec. XI in uniuersum amplectuntur Keil et Reifferscheid. Neque 
tamen eius libri uarietatem trauscripsi. pos(quam ex Bernensi eum esse 
deriuatum | intellexi. Quod ut probabiliter euincatur, non profecto ea 
est codicis B uarielas inspicienda quam Mueller exhibuit. Quid mirum, si 
concors inuenitur codicum B et R scriptura hisce in locis: 


Pag. 54, 9 (Reill.) initio mercennariun 10 substantiae 55, 3 
ilico 4 sequenti 15 isdem 17 transiit 57,2 egloga 11 uero 
15 quanquam — patrem — 58, 1 inpuberem 8 disticon 11 priapia 
14 eum 17 disticon 60, 2 inperfecta — 61, 1 atque atellae 5 ut 
seneca  12grài 17 hypografa — mitteretur. 62, 2 adfectione 4 
focilata 7 quondam 9 aeoliden — 13 ascriberet 16 philosophiae 
63, 1 cognoscit 3 obiit — sestio quinto lucretio conss 11 plocium 
12 emendauerunt — 14 aboleri 19 poene 64, 1 uaro 3 ualitudine 
11 sunt 13 se 065,4 carmina 8 numquam 10 eglogas 12 
tvlire 17 frigore 18 uipranius 21 ideo 22 sed — 


quibus omnibus locis summas apud Reifferscheidium inter codices B et 
R inimicitias uidere licet. — Discrepant autem non nisi his locis: 


505,14 cremonae B chremonae R 17 cremona B chremonaR 56,4 
cibi uinique B eibü uinique R 57, 2 appellat B dicit R 10 sectantis 
demonstrantisque B sectantes demonstrantesque R 13 sestertium B sex- 
tercium R 58, 7 puer adliuc B adliuc puerR 11 epigrammata diras B 
epygramata dyrasR_ 59, 3 philippensem D philipensem R_ 5 in honore 
B in honorem R 8 ac multiplex B et multiplex R 60, 7 in scenam B 
in scena R 61, 1 atliacam D actiacam R 4 quotiens B quociens ἢ 
17 quodlibet B. quolibet R 62, 9 misenum B missenun R 10 aere 
ciere B ere cyereR 15 triennioque B triennio quoque R amplius B 
om.R — 63,3 GN B NG()R 11 tucam B tuccam R 14 iuserat 


II. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 677 


B iusserat R 15 phrygium B phrigium R 64, 2 se pernegarat B 
supernegarat ἢ 11 [eum] B eum R emisthichia B hemistichia (?) 
R sensu B sensum ἢ 65, 9 quidam B om. R 10 repsitanti 
bucolica B rescriptitanti bucolica ἢ 22 homoeotheleuton B. homoeu- 
theleuton R 606, 4 ea que B ea quae Tt 8 subripere B surripere R 
secedere B recedere (?) R 9 satietatem B sacietatem R. 

Quae omnia leuidensia habebis (nam eiusmodi discrepantiae quales sunt 
54, 9 magi B magi*" (ead. m.)R 56, 1 aquili D aquilinoR 4 pro- 
nior. his B proniorR_ 57, 4 consuisse B. consuesse R 58, 2 daphni- 
dis B daphnis R 61,5 lenociniis B lenociis R 66, 9 maliuolo- 
rum B maliuorum R decederet B decederent R aperle errorum 
correcturarumue indole fontem indicant), si considerabis haec, quibus 
mire ad cod. D se adplicare Reginensem quis negabit? Exhibent autem 
p. 55, 2 contracta (corrigebat ubique m. sec. sed saec. X) B contracta ἢ 


I 
57, 2 geria B egeria R 6 uario B uaro R 8 proba corr. pro- 


bum B probum R 14 domum"? 5 domum romaeR 20 aethnam 
dequa ambigitur (sic) B de qua ambigilur actnam ἢ ὅθ. 9 car- 
mini corr. carminis B carminis R 60, 1 accipiens corr. arripiens B 
accipiens R 4 /ibianibus corr. fibialibus B tibialibus ἃ 62, 11 
iactatum (longiore 1) B laetatum ἢ 63, 9 ex dimidiam partem D ex 
dimidia parte R 14 uariusque B uarusque R 64, 5 uario B uaro R 
8 uarüs B uarus ἃ 13 uarium B uarum R 65, 9 numinatoris B 
numinatorus R 22 ct quae octauiani corr. et qui octaui auili B οἱ qui 
o5.» auti R Vides cod. R librarium Bernensis correcturas prout 


liberet modo esse secutum modo aspernatum. 
lam illud quod unum eliam superest discrepantiae indicium 55, 1 


ins v 
pregnaus cum D praegnans^"'5 (supr. m. sec.) co (corr. m. sec.) ἃ non mul- 
tum officere meae sententiae statues, si insuper in his locis maxime ad eam 
quaestionem profligandam idoneis mirum codicum concentum deprehenderis: 


55,3 in om. 4 leuiata 14 XVII 56, 4 minime 57,11 suffugere 
58, 12 cirimus 59, 5 georgicam (georgica. R) 61, 5 suauitate cum 
62,14 summa manu 63,3 sestio quinto lucrelio conss 11 ualerium 

aeneidam 64,1 uaro 65,3 qui siluas 17 et habebis 18 aeneo- 
mastix uipranius 20 repertorem 66, 6 nonnulli (quibus addas p. 58 
not.: magis uarium quod et paulo liberius est quam cetera); 


quorum locorum grauitas inprimis codicis Sangallensis et uulgatae uaria 
scriptura conlata inlustratur. Inde pro certo iam mihi uideor posse sta- 
tuere, Reginensem aut statim ex Bernensi fluxisse aut cerle ita uiliose ex 
communi utriusque codicis fonte esse descriptum, ut nullum omnino dum 
Bernensem habeamus criticis praebeat auxilium. 

lam de codice Sangallensi 862 G, quem C. L. de Steigeri nostrae 
urbis bibliothecae publicae praepositi summa qua semper erga me ulitur 
liberalitate petitum atque Bucheggeri bihliothecae Sangallensis capituli 
custodis gratissima officiosilate transmissum primus contuli, fusius est 


678 I. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 


exponendum. Est saeculo decimo nitidissime exaratus forma quam uocant 
quadrata, continens Seruii in Aen. VIII. X. XI. XII commentarium, ad cuius 
calcem Vergilii uita est subiecta. De Seruio breui tempore quae digna 
scitu uidebuntur, publici iuris faciemus. Qui codex iam ob id magni est 
faciendus, quod permultis locis lectiones multo meliores quam Bernen- 
sis exhibet, cf. editionis huius SS 3 contactu terrae in speciem 8 
grandi aquilo minimi 9 pronioris (promoris cod.) Hieria 13 Maece- 
natianos 18 culici 21 litis agrariae carminum 24 ac ne quid Ie- 
uissimis uersibus — quos übicinibus 32 focilata [est] 35 summam 
manum GN sencio q; lucretio conss 38 troia cremata sepulta rogo 
(cf. ad h. 1) 42 qui quondam [et] habebis 44 aeneidosmastix 
(leg. Aeneidomastix) reperlore 45 sed et quinti octaui auiti; aliaque 
multa quae omnia enumerare taedet, cf. $$ 46. 47. 48. 49. 51. 53. 60. 
63. 64. 68. 71. 72. 

Sed praecipua codicis laus in eo est posita, quod aut ipse aut 
certe simillimus eiusdem familiae codex fons est existimandus, unde 
uulgati et interpolati uitae speciminis pars non interpolata manauit. 
Bonis codicibus usum esse interpolatorem iam Reifferscheid bene uidit, 
cum Suet. rell. p. 403: *uulgati exempli scripturam ut quae interdum 
melioris libri quam nostri essent memoriam sequi uideretur, non prorsus 
esse neglegendam? iudicaret, quod conparatione inter Sangallensem et 
uulgatam instituta luce clarius euincetur. 

Ac primum quidem, si Bernensis (et Reginensis) indolem respicias, 
discrepant ab illo et unanimiter inter se concinunt locis plurimis, quorum 
ex numero non nisi specimina dare in animo est haec: 

$ 2 [et] m.licinio 3 in speciem ex itinere (exinere G) diuertit 
leuata 5 [et] suscipientium 6 iterum [duobus] 8. grandi 9 pro- 
nioris (promoris G) Hieria 11 uita 18 obdormisset ad illum con- 
triuit 21 litis agrariae carminum 22 ursae more 24 leuissimis 
uersibus — quos tibicinibus interponi a se dicebat 27 reficiendarum 
uirium — 37 ex alio patre |. uariun 42 qui quondam carmen 43 
[et] habebis 44 Aencidomastix (aeneidosmastix G) 45 faustinus 46 
non illi decideret — 47 spectantur 48 testatus sit 49 honoratiores 
qui ποιμένες — maximi qui fovxoAor 56 dei[et]item 60 quod et paulo 
liberius et magis uarium (ualidum uulg.) quam cetera est 64 fuit [et] 
est θῶ conscripserit mirandum — aetatem scenarum cum [id] ipsum 
(ipsam uulg.) 66 aliquid figurate — 69 pastoralem conscriptumque 

sed sunt 71 modificatione pes primus  trocheus fuerit in caesura 
(el caesura uulg.; om. B) quod tamen (tamen om. uulg.) uirgilius a 
theocrito saepe seruatum uictus. 

Quid? Nonne aperte ad Sangallensis exemplum sese formauit leclio 
uulgata iu hisce: 

$ 1 regulam auxisse G  reculam auxit g auxisse regulam B | 4 
iam duraret ἃ — iam tum indicaret g iam tum daret B : 11 subterfugere 
G subterfugere solitum $ suffugere B | 28 cum suauitatem lenociniis G 
cum suauitate et lenociniis $ cum suauitale cum lenociniis D | 32 aegre 
focilata [est] G aegre refocillata [est] & acgre focilata est B | 41 reli- 


Ἢ. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 679 


queri.os G reliquit hos & reliquerit quos B | apud eum emistichia prae- 
ter illud quem tibi iam troia sensum uideantur habere perfectum G — apud 
eum hemistichia praeter illud: *quem tibi iam Troia peperit sensum ui- 
dentur habere perfectum g — apud [eum] emisthichia absoluto perfecto- 
que sunt sensu praeter illud quem tibi troia B | 43 frigoré G frigora g 
frigore B | 62 suorum adfinium ἃ suorum finium g finium suorum B | 
perdidef G perdiderint & — perdidissent B. 

Haec opinor sufficere poterant: sed restant etiam loci tam luculenti, 
ut si taceam crimen mihi uidear committere. Leguntur enim S 6 in G: 
initia aetatis Cremonae egit usque ad uirilem togam quam VII anno 
aetatis suae coepit (quam XVII anno nalali suo accepit B), quocum si 
conferas uulgatam: 'initia: actatis idest usque ad septimum annum Cre- 
monae egit et XVII anno uirilem togam cepi, iam uides absurditatem 
interpolatoris, qua Vergilius et usque ad VII annum Cremonae degisse et 
Cremonae annos XVII natus togam uirilem sumpsisse ac tum demum 
relicta Cremona Romam esse profectus dicitur, inde esse ortam, quod 
Sangallensis et alterius familiae codicis cuiusdam lectiones a uitae uulga- 
tae interpolatore non tam docto homine quam arguto mira licentia con- 
taminatae sunt. 

Item $ 10 codicis G scriptura *maiorum natu? fortasse ansam dedit 
interpolatori ut ex his: “ipsam postea maiorem natu narrare solitam? fin- 
geret: 'ipsum postea maioribus (minoribus typographi mendum esse ui- 
detur, cf. infra) natu narrare solitum.? 

Ex qua uulgatae cum cod. Sangallensi cognatione euenit, ut $ 39 
cum G exhiberet * priusquam ita facturum?, omissis “Italia decederet ut 
siquid sibi accidisset Aeneida combureret at is? in uulgata quoque eius 
Vergilii ad Varium mandati nulla fieret mentio neque S 58 ubi de ea 
re dicendum erat neque $ 52. — Simillima loci $ 43 causa est: Sangal- 
lensi non nisi haec trunca pracbente: *obtrectatores uirgilio numquam 
respcripsit? omissis *defuerunt nec mirum nam nec Ilomero quidem pro- 
latis bucolicis . . . . quidam?, neglexit Homerum interpolator et talia suo 
ingenio digna excogitauit: 'nec Virgilius qui columen linguae Latinae 
fuit, caruit obtrectatoribus; in Bucolicis enim duas eclogas sed insulsis- 
sime Paro quidam deridet et sic deridendo incipit: *Tityre? etc. Nimirum, 
quia illa Sangallensis lacuna obtrectatoris nomen perierat, nouum erat 
nomen fingendum fictumque *Paro? est praeclare ex uoce “parodesas’ 
(duas modo eclogas sed insulsissime παρωδήσας libri), cuius uim homo 
doctus non uidetur intellexisse: haud dubie illi Graeca non legebantur! 

Eandem ob causam ὃ 61 quoniam in G omissa erant uerba: 'ami- 
serat ob hanc causam occiso in curia’, suppleuit certe ex alio codice in- 
terpolator *amiserat ob hanc causam?, cetera uero omissis “in curia? sic 
composuit: *die III iduum Martiarum Caesare interfecto? $ 94. 

Sed quid ais, si haec tuo animo uolutes $ 26 uerba (Bucolica eo 
successu edidit ut in scaena quoque per cantores) *crebro pronuntiarentur? 
postquam leuiter corrupta in G hunc in modum inueniebantur: *crebra 
pronuntiarentur", instigasse interpolatorem, ut sic amplificaret sententiam: 
*crebra pronuntiatione recitarentur? $ 41. 


680 IL Hagen: scholia Beruensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 


Ceterum quod strictim iam attigimus, sunt nonnulla quae ex San- 
gallensi non potuerit interpolator haurire, cf. e. g. S 5 eualuit G con- 
ualuit € [tempore] ut multo [ante] satas G tempore ut multo ante satas 
cum ceteris libris g aliaque id genus. Sciendum tamen, plurimis elus 
modi locis quibus a codicis G scriptura uideatur uulgala recedere, inter 
quos el ille est numerandus de quo modo dixi $ 26 (41), non tam ab 
interpolatore quam ab illo qui interpolatam uitam primus typis excus- 
Sil, $cripturac uarietatem esse repetendam. 

Nam quod Reifferscheid Suetoni rell. p. 401 contendit, interpolatum 
uitae exemplum in nullo codice manuscripto legi, sed inde ab inuenta 
arte typographica genuinae uitae locum occupauisse, quamquam ipse re- 
uocauit in addendis p. XIII], ubi Rothium in Pfeifferi Germania Illl a. 1859 
interpolatam uitam in libris manuscriptis legi quarti decimi saeculi referre 
doceret, tamen adeo uulgaris sententia perualuit, ul nuperrime etiam 
Haupt eam repeteret, cf. Hermes, Zeitschrift für class. Philol. ed. Hübner 
I p. Al. AL profecto extat in bibliotheca Dernensi codex saeculo quarto 
decino exeunte uel summum ineunte quinto decimo scriptus 527 clıarta- 
ceus forma minore, quem num l. c. intellexerit Roth, quia nescio quo 
fato quartus iste Germaniae Lomus in bibliotheca nostra deperiit, doleo 
certius me non posse significare. Ex quo libro ut chartae parcam, non 
nisi ea quae ad firmandam sententiam supra propositam ualent nonuulla- 
que alia quae scitu digna uidentur, nunc promam. Numeri ad editionem 
lleyne-Wagnerianam spectant. 

Praemissus est hic titulus: Vita p. uirgilii Maronis poete maximi quam 
a donato editam nonnulli putant. $ 1 marone om. cuiusdam mercato- 
ris socer om. 2 qui abest 3 praegnans mater maia cum somniasset 
enixa se quom conpactu terre coaluisse atque ex subiecta 4 ut sit 
editus neque euagisse — 5 adequasset alque etiam — grauidarum ac (sic) 
ac foetarum — 6 togam uirilem accepit 7 et mathematicis — 10 cesari 
missus dono fuit quodque uerum duplicari sibi et animum ct celeri- 
tatem — ilerum augmentari panes uirgilio 13 Amutis ergo penitiorem 
domus parlem 14 te Caesarem Augustum 15 loqui iubeas 16 pater 
tuus apperire possim — diceret [at ille] quantum rem ego 17 quo id 
facto conicio (sic) officium erat [Placuit Caesari facetia] Ad deinceps — 
dona feres. Placuit caesari facetia illumque 19 sepius eiecit — 20 fama 
fuit libidinis pronioris alcibiadem et plato TATTAIAIKA — ineruditum 
[dimisit] nam alexandrum 21 uolgatum (sic) cum phocea hieria ip- 
sum postea maioribus a uaro ad communionem mulieris sed pertina- 
cissime 22 uolgo apparetur  subterfugere [solitum] 23 sustinuit 
suscipere (in marg. ead. m. accipere) 24 ortos mecenatianos 25 
captum oculis [et] duos 26 ut superius dixi — mathematicis 27 
milesius tradit 28 ludi [gladiatorii] magistrum (cf. Haupt Hermes 1 
p.41. 42) nocte dieque tutum 29 οἱ [uisum] serpentem 30 offen- 
sus materia [et nominum asperitate] philipensem 31 georgica honori 
mecenatis [edidit] qui uixdum noto — 32 nouissime [autem] 33 soli- 
lum 34 conponere 35 Alii eius sententiae sunt ut menti habuerit 
qualuor et uiginti alia quidem (quod et Reilf. bene coniecit p. 60, quae- 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. ΟΣ] 


dam uulg.)  leuissimis uersibus scripsit quos per iocum pro tigillis 
[uel tibicinibus] interponi 36 cuius fauore agros suos cum uelerauis 
distribuerentur Virgilius non amisit 37 et [dilectus] ab co — inuitatus 
ad prandium — 38 C.asinium [cornelium] gallum in latinum in libris 
ilii —41 crebra pronuntiarentur magna spes οἱ Maro [futurus esset] 
secunda ipse postea eneide 42 atque attelle reficiendarum  uiriuin 
causa commoranli  interpelleretur cum suauite [et] lenociniis 44 
montuanum si et uocem zZnanescere quasi mutos (arescere quasi mutos 
uulg) 45 credite, bis grai 46 abesset [et] supplicibus de eneide 
[ut ipsius uerba sunt] mitteret negauit [se facturum Virgilius] cui ta- 
men secundum [uidelicet] quartum et sextum 47 egre focillata dena 
(ut uulgatae refocillata typographi mendum esse uideatur) 48 frequenter 
et ferme] illa 51 cum cesare redire festinauit at cum magarà opidum 
πα Athenis] Gn sencio qq; lucretio consulibus quo ut grauari 
morbo se sentiret 52 tucca uarusque 53 eidem uaro quod a se 
editum (in marg. derelictum) 57 simul cum 58 legum est seruanda 
59 non proinde — iam troya [peperit] sensum uidentur 60 Nisius 
et qui tunc his uersibus demptis 61 in buccolieis [eonim] duas 
tantum eglogas Paro quidem et sic ridendo — 62 uipranius eum a 
mecenate suppositum KAKOTEAH appellat repertoremque dicebat neque 
tumidum ^ uicia eius [tantum contraxit] perillius transtulerint 64 
obiecta proponit ab homero sumpserit sed hoc ipsum crimen assue- 
tum [ait] 65 benignum atque omnium bonorum et eruditorum culto- 
rem fuisse eruditum dictum 66 antiquum dietum sepe usurpabat com- 
munia (omissis Graecis) 67 partis secutus (sic) illud non tulit 68 
cum quidem uersus suos [quosdam] sibi ascriberent 69 qui laudem qui 
felicitatem augusti is erit commune imperium [hi] uersus eorum 
factorem — Bacillus donatus atque honoratus ΤῸ hisdem ualuis au- 
gustus [ut hi uersus complerentur] alter honorem Rome hacillus 71 
cum [is aliquando] Ennium  rogitaretur[que] quidnam 72 guberna- 
tur 74 Item rogauit [cui Maro] praestantior sis nitaris 75 com- 
modiorem [homini] quidquid erit uincenda omnis — 76 [esse] huius 
cum mea gloria el laude  uehementius ipse inuidia 71 ingenium 
fuit (in marg. erat) etiam si suam [linguam] haberet defendere si tem- 
pus inquit Caesar cum aut taciturnitas 78 uenit sibi in mentem 
Agrippa [enim] facere [tum ille] | necessum erat hominum facta com- 
paratione 19 a Silone Ἡ80 Nunc de autore ipso summatim diximus 
de ipso carmine [et] ante opus cuius sit quid 51 poeta assumpserit 
(in marg. prae) 81 weudolPA®A idest falsa subscriptione — uarrus 
eddidit [pro sua] hoc metuens principio eneidos οἱ in alio carmine suum 
ipse testatus est sic dicens 82 sulfecerat  monstranda — quorum inini- 
mi sunt qui AITTOAH dicuntur idest ouiliones — inagis decuit — imponi 
nisi ab eo 84 de ınore [sacra] non posset — 87 nimpharum [scilicet ] 
et cuiusdam generis numinum 90 in huiusmodi ad ultimuin milites 
belii — 91 conscribendi aut [enim] aut tris modos TEKOC qui te- 
nuis AAPOC MECOC 92 praoualuit  repetendique agri 92} ueterani 
[milites] ciuili bello agros uicinos deduci perdiderunt  uicini cre- 


682 II. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica alque Georgica. 


monensium 96 finis persequendi sein flumen et mecenate et ipso 
caesare augusto — 97 in laude caesaris el principum aliorum — praecepta 


[cuncta] confecit 98 uidetur (in marg. /-bi) circumspiciens theocri- 
tum quae pollioni inscribitur cum [ipsam sic] prestruat [ipse] dicens 

et item similiter 99 prediximus 100 quod [autem] 101 non 
debent dici [con]gratulationem — uarus uel silenus — septima parmaceu- 
tria oclaua amores diuersorum senum (sic) et dicitur damon. Nona con- 
tinet 102 et in ultima 104 fuerint in caesura  dificultate sepe ne- 
glexit 105 patule recu tercium trocheum quamuis ferme omnibus 
106 [uero] supradicta  quisue finis nec minus in eneide TEAO£ FINIS 
VITE P. M. VIRGILII. 

Quae qui accuratius erit perscrutatus, is facile sibi persuadebit, 
omnibus fere locis ipsum interpolatae uitae auctorem uetustos libros at- 
que inprimis Sangallensem sequi, editiones uero et a uetustis libris et ab 
interpolatore longissime recedere. Vnde non tam suspicari quam certo 
concludere licet, eum qui editionem quam uocant principem curauit, 
omnia ista suo Marte uariasse librorum nullo habito respectu.*) 


1) Quoniam de Donatiana Vergilii uita quaesiuimus, non alienum 
esse uidetur, de nouissimo Reifferscheidii super Vergilii uita Seruiana 
placito (Suetoni rell. p. 398. 399) quaedam adicere. Is enim uir doc- 
tissimus inde, quod in Probianae Vergilii uitae fine p. 2, 2 K. leguntur: 
*quod et Seruius Varus hoc testatur epigrammate: Iusserat haeo rapi- 
dis etc. — consnlis historiae', quae in Seruiana Vergilii uita Aeneidi 
praemissa frustra quaeras, conclusit, eam Seruii uitam, quae ad nostri 
aeui tempora peruenit, suppositiciam esse, genuinam, in qua isti olim 
uersus fuissent, deperiisse. Quod ut statueret motus est simul G. Thi- 
lonis auctoritate qui uitam Seruianam in antiquis Seruii libris non ex- 
taro epistula ad se data esset testatus, et quod quae in ista uita 
leguntur: ‘Periit autem Tarenti in Apuliae ciuitate. nam dum Metapon- 
tum eupit uidere, ualetudinem ex solis ardore contraxit, Donati uer- 
bis (8 35 editionis meae, 8 51 Wagn., p. 62, 19 Reiff.) conlatis aperte 
nouiciam originem proderent. Sed primum G. Thilo errauit: nam uita 
Seruiana in uetusto codice Bernensi 363 saec. VIII—VIIII (uetustissimo 
illo Horatii libro) f. 58 diserte legitur. Deinde locus ille, cuius ineptiae, 
quas nemo, opinor, defendet, personatum Reifferscheidio Seruium uide- 
bantur ostendere, cum in aliis tum in ipsis Bernensibus 363 et 167 
plane deest. Iam uersus isti in Probiana uita Seruii Vari testimonio 
prolati, quia apud Donatum $ 38 Sulpicii Carthaginiensis esse dicuntur, 
et Reifferscheid recte uidit non de Seruio quodam poeta sed de com- 
mentatore notissimo cogitandum esse et O. Iahn uerissime ‘Seruius 
Maurus? legendum esse censuit (p. 399 not. Reiff)). Verba autem *quod 
et Seruius Maurus' etc, e margine in Probi uitam inrepsisse idem Beif- 
ferscheid optime uidit. Quid igitur? Num interpolatori uitae Probianae 
uiro non satis docto, de quo tam sagaciter quam manifesto egit Ale- 
xander Riese familiaris meus, de comment. Verg. qui Valeri Probi di- 
citur p. 24, 25 (nam eundem omnia ista interpolasse certum est) maio- 
rem quam libris fidem habebimus? At res ita potius se habet: Donati 
uitam in uetustis libris excepto Parisino, in quo una cum epistula ad 
Munatium data praemissum est: FL- DONATVS L MVNATIO SvO 
SALVTEM non Donati nomen prao so ferre sed nullo titulo praemisso 
subiunctoue in Seruii codicibus uersari et Reginensis 1495 et Bernensis 
codex 172 ostendunt; in Sangallensi uero statim Seruil in Aen. XII ex- 


π᾿ 
F 


x 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 683 


His accedit tertium subsidium codicis Parisini Suppl. lat. 1011 saec. 
VII Pithoeani forma quarta, cuius uarietatem scripturae una cum Donati 
ad Munatium epistula Eduardus Woelfflin nuperrime publici iuris fecit 
in Philologo XXIV p. 153 sq. summaque cum liberalitate, antequam 
ista typis describerentur, mecum communicauit. Quem librum ad eandem 
familiam pertinere, quam Bernensis atque Reginensis repraesentant, quae- 
uis linea clamat, ita quidem, ut idem utriusque codicis archetypum fuisse 
uideatur. Neque enim aut Bernensis ex Parisino aut Parisinus ex Bernensi 
fluxisse dici potest. Ceterum quia interdum Parisinus artius archetypi 
uestigia pressisse uidetur, scripturae uarietatem integram exhibui. 


II 
DE DONATIANA VERGILII VITA EMENDANDA. 


lam ad singulos uitae locos, quibus ab editoribus librisue receden- 
dum esse arbitrabar, exponendos transeo. 

Quod $ 19 uerba “de qua ambigitur? seclusi, satis perspicue uide- 
tur glossema ostendi et co quia alio in aliis codicibus loco collocata in- 
ueniuntur et quod in G plane desunt. $ 32 *Aeneida prosa prius oratione 
firmatam? legendum proposui pro formatam , quia post illa: “non ab- 
surde carmen sc informe more ursae parere dicens et lambendo demum 
effingere, uox *formare? non poterat significare nisi: “ad certam perfec- 
lamque formam effigiemque perducere. Dignus omnino qui cum hoc 
conferatur Gellii locus est XVII 10, 3. At omnino contrariam notionem 
buic sententiae subesse debere docent quae secuntur. 

De loco $ 42 amplius est disputandum. *Nisus grammaticus audisse 
se a senioribus aiebat, Varium duorum librorum ordinem commulasse et 

| tunc secundus essel (qui nunc secundus sit BG et Pitlioeanus, qui tum 
tunc uulgata cod. Dern. 527] secundus erat uulgata) in tertium locum 
Aranstulisse.^ Conlato eniin Seruio praef. Aen.: *Ordo quoque manifestus 
est, licet quidam superflue dicant secundum primum esse, tertium secun- 
dum et primum tertium, idco quia primum llium concidit, post errauit 
Aeneas, inde ad Didonis regna peruenit, Reifferscheid legendum coniecit : 
*Varium [duorum] librorum ordinem commutasse et qui nunc secundus 
sit (in primum, terlium in secundum et primum) in tertium locum trans- 
lulisse." Sed egregie fallitur.?) 


positionem uita sequitur neque adiecto expositioni Seruii neque prao- 
misso uitae Donati nomine. Quae cum ita sint, mohercle non est mi- 
randum, interpolatorom uitae Probianae pro ingenioli sui natura aut 
eonmutasse Seruii et Donati nomina aut Donati uitam reuera a Beruio 
profectam esse crodidisse. De Seruianae igitur uitae genuinitate non 
est quod dubitemus. 

) Haec dum typis mandanda transcribo, adferuntur mihi O. Rid- 
beckti Prolegomenon Vergilianorum fasciculi octo priores umidi etiam 
ab inpressu, quos uir humanissimus summa cum liberalitate per Teub- 
nerum bibliopolam mihi transmittendos curauerat. Cui uiro, quem adu- 
lescentulus olim optimum nanctus praeceptorem uerique innestigandi 
acerrimum expertus instigatorem pia abhine prosecutus sum prosequor- 





684 11. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 


Nam primum quidem Vario, qui el ipse pocta fuerit, eiusmodi 
ineptiae inputari nequeunt (quod gaudeo etiam Ribbeckio placuisse proll. 
p. 91, cui tamen Reilferscheidii coniectanea probari uidentur, sed ila 
ut totam de liac Varii mutatione narrationem pro fabella habeat, neque 
tamen uideo cur his: Nisus audisse se a senioribus aiebat? fidem εἰ 
narrationi paruam tribui Ribbeckio sit concedendum p. 90, cum potius 
ipsa hac seniorum euocatione qui Varium ipsum adire potuerint, fides 
quam maxime stabiliatur), praesertim cum Seruius, ut eorum qui trium 
librorum priorum ordinem inuertendum censerent sententiam refutaret, 
ad poeticam Horalii artem prouocauerit: “nescienles hanc esse artem poe- 
licam ut a mediis incipientes per narrationem ad prima redeamus et non- 
numquam futura praeoccupemus, ul per uaticinationem; quod etiam Ho- 
ratius sic praecipit in arte poetica (v. 43): *Vt iam nunc dicat? etc. Deinde 
si de Varii quadam mutatione quid traditur, multo magis eiusmodi mula- 
lionem narrari expectamus , quae posterioribus etiam temporibus probata 
alque consentienter sit accepta, quale fuit id Varii consilium, ut Aeneidos 
uersus quattuor priores decideret. Neque cnim parui faciendum, quod id 
statim post illam librorum mutationem memoratur, nulla omnino facta 
discretione, qua hoc probatum, illud reiectum esse a sequentium aetatum 
hominibus significaretur.?) Accedit quod absurdum est dicendi genus, 
si quis dicat, Varium eum librum “qui nunc secundus sit’ in primum 
locum elc. transtulisse, quia, si Varius quid mutauit, mutatio ista ad ea 
quac Vergilius ipse reliquisset erat referenda, non ad eam Aeneidos for- 
mam quae nunc hominibus praesto esset. Vel, si incongruam talem di- 
cendi ralionem aequo feras animo, insuper addi utique oportebat, eum 
quem nunc sequerentur homines ordinem, eundem esse quem Vergilius 
ipse instituisset, Variumque conatum quidem esse alium instituere ordinem, 
neque tamen id hominibus potuisse probatum acceptumque facere. Qui- 
hus ego causis ductus eum solum posse isli sententiae sensum subesse 
mili persuasi, quem uulgata, liberius illa quidem, quamuis non nisi ex 
parte ita expressit ut: “qui tunc secuudus erat? exhiberet. Quare pres- 
sius traditionis quam uocant uestigia secutus dedi: “qui tunc secundus 
esset". 

Sed inde, si cetera omnia sana essent, ea efficeretur sententia, Va- 
rium Niso tradente eum librum qui ante secundus essel in tertium (et, 


que atque sum prosecuturus ueneratione, non possum non maximas pro 
tanta obseruantia gratias habere palamque profiteri. 

3) Idem de tertio Varii ct Tuccae consilio, quo uersus II 567—588 
sustulisse dicuntur a Beruio, ualet, qui, quamquam de corum origine 
prorsus adsentiendum est Gruppio atque Ribbeckio p. 92. 98, siue de- 
tractos siue post interpolatos dicas, certe non lecti sunt inde a Vergilü 
tempore in Aeneidos exemplaribus, unde patet in grauioribus certe re- 
bus non alias mutationes ad l'arium ac Tuccam relatas esse, nisi quac pos- 
terioribus quoque temporibus ut indubitatae in libros receptae obseruarentur 
atque obtinerent, Quod mehercle de ultimis quoque duobus libri quinti 
uersiculis a Tueca Varioque ad libri sexti initium transpositis dicendum, 
quem quidem ordinem a Vergilii amicis institutum posteri secuti sunt 
prneter Probum omnes, qui nostros codices conscripserunt, cf, Rib- 
heck p. 95. 


WI. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 685 


quod per se suppleretur, qui ante tertius esset, in secundum) locum 
transtulisse. Vides in nouam nos difficultatem incurrisse. Quid? in Ver- 
gilii schedis tertium librum, quo Aeneae sociorumque post llii cuersio- 
nem errores conlinentur, priorem obtinuisse locum secundo, quo llii 
euersio quae Aencae errores antecessit describitur? Quam probabilem 
eiusmodi ordinis causam dicemus? Nullam onmino: neque enim rerum 
in tertio et secundo libro exponendarum neque poematis artificiose con- 
ponendi ordine cogi umquam ad id potuit, ut talem librorum ΠῚ et II 
ordinem inslitueret. Vt consilio quidem secundum librum tertii locum 
obtinuisse et uice wersa confilenter negem. Vnum supersit, ad quod 
etiam paululum refugiamus. Nam poslquam uiri docti Conrads quaest. 
Virgil. Treueris 1863 p. VII atque Ribbeck proll. p. 69 probabiliter do- 
cuerunt librum secundum post tertium scriptum esse inde quod II 782 
Creusae uaticinii nullo sequentis libri loco, ubi tamen consentaneum ma- 
xime erat, facta est mentio vv. 7. 88.146.163. 182, possit quis conicere, 
ea ipsa libri II posteriore origine factum esse, ut casu nescio quo in 
Vergilil schedis tertii locum occuparet itaque turbae efficerentur quas 
Varius postmodum remouisse diceretur. Sed et uereor magnopere ut 
de tali dispositione a Vario suscepta, si casu erat uera in schedis Vergi- 
lianis turbata, notitia ulla siue ad illius siue ad posterioris aeui homines 
potuerit umquam permanare uel ut memoratu digna a grammaticis pro- 
pagari, neque, etsi ex I v. 782 librum secundum post tertium scriptum 
esse credamus — quod ut de vv. 781—784 ualet, ita ad tofum quoque 
librum secundum pertinere nulla ut credam uideo me necessitate cogi —, 
sati ea idonea turbarum causa uidelur haberi posse, quoniam sine ullo 
ordinis uitio idem prorsus in ceteris libris saepius accidit, ut non conti- 
muarentur omnes sed alii alio tempore conscriberentur, cf. Ribbeck 
p. 79 de librorum VIII vv. 176—503 et V 286—361, et de ceterorum 
librorum aetate conspectum ab eodem p. 87 propositum. 

Ceterum iam per se consentaneum erat, quod priorum librorum 
3rdinis inuersi uel inuertendi et a Suetonio et a Seruio mentio fit, ean- 
Tem ab utroque rem respici. Nam si Seruil uerba nil ad eam quaestio- 
aem pertinere dicas, mirum sane et prorsus incredibile, Seruium Varianae 
quidem mutationis nullam habuisse rationem, summis uero uiribus inpug- 
ıasse futilem eorum sententiam, qui ob rerum in tribus libris prioribus 
axpositarum ordinem librorum quoque seriem inuertendam esse cense- 
‚ent. Kd igitur bene fecit Reifferscheid quod utrumque contaminauit, sed 
arrauit quod futile hominum uanissimorum excogitamentum ab ipso Vario 
*epetendum censuit. Quid quod tale quid excogitari potuisse prorsus 
1egamus, ul postquam Vergilius ij ipse uerum qui ad nostra tempora per- 
1enit ordinem in schedis suis reliquisset, inuertere eum quispiam insti- 
weret? Suetonium porro ipsumque Nisum dicasne tales absurditates ferre 
»otuisse, immo et recipere ac probare, nulla refutatione adposita? Neque 
amen ea de Varii quadam mutatione narratio ut fabella reici poterit 
»raesertim in tanta uersuum quattuor priorum a Vario detractorum pro- 
»inqultate (quamquam de his aliter sentit Ribbeck p. 90), quos siue a 
Tario siue ab alio, at detractos cerle esse a Seruio quoque docemur 














686 1. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. . 


praef. Aen. Quid igitur? Narrauit nimirum Nisus scripsitque Suetonius: 
* Varium [duorum] librorum ordinem commulasse el qui tunc secun- 

dus essel in lertium, tertium in primum, primum in secundum locum 
transtulisse." 

Sed uideor iam mihi reprobantium uoces audire. Quid? Vergilium 
tu easdem illas ineptias quas Vario inputari posse modo negares, commi- 
sisse ipsum ais? Aio equidem, sed nullas ineptias. Quodsi Vergilius, ut 
apud uitae auctorem Donatum siue Suetonium $ 23 legimus relatum, 
*Aeneida prosa prius oratione firmatam digestamque in XII libros parti- 
culatim componere instituit prout liberet quidque et nihil in ordinem 
arripiens, quae quidem uerba recte ad Varii auctoritatem referuntur a 
Ribbeckio proll. p. 89, iam quo illud nihil in ordinem arripiens spectare 
dicamus? praesertim cum digestam in XII libros materiam ante eum 
habuisse legamus? Quid? si prosa prius oratione materiam firmauil 
Vergilius, putasne prosam eam narrationem ab Aeneae in Africam 
aduentu incepisse neque potius, quae rerum in Aeneide exponendarum 
prima erat, ab Ilii cuersione? Πὰς igitur mehercle illud *nihi] in ordi- 
nem arripiens? praecipue spectare dico, quod Vergilius, quamquam Ilii 
euersionem atque Aeneae errores per episodii quam uocant figuram ab 
ipso Aenea Didoni narrari et uoluit certe olim ut poeta, et finxit postea, 
tamen in schedis suis pristinum prosae narrationis ordinem libros istos 
tres, donec totum opus absolueretur, seruare passus est, quem si Varius 
post poetae mortem ad artificiosae conpositionis ab ipso Vergilio insti- 
tutae rationem reuocauit, uides nihil eum aliud fecisse nisi quod Vergilius 
ipse, si diutius uixisset, fuisset facturus. 

Itaque si Seruium in praef. Aen. reprehendere uidemus eos 'qui 
superflue dicant secundum primum esse, tertium secundum et primum 
tertium, ideo quia primo llium concidit , post errauit Aeneas , inde ad Di- 
donis regna peruenit, iam iam intellegimus, Seruio rem de qua peculiari- 
ter agebatur satis obscuram fuisse. Videtur enim ita potius res se habere, 
quod fuerunt, qui Varianae mutationis memores ipsum Vergilium alium 
olim ordinem instituisse dicerent, non quo restitui eum uellent, sed ut 
de Varianae mutationis causis fusius probabiliusque exponerent. Seruius 
uero, qui non adsequeretur animo, quid illi uiri sibi uellent, stultam 
omnino alque adeo uesanam sententiam iis obtrusit inuitis. Turbas 
autem in Vergilii uita conspicuas idem uidetur commisisse qui $ 34 une 
eodemque tempore duo hemistichia Vergilium supplesse satis inepte 
tradidit, cf. Ribbeck proll. p. 63. 64, quod quia artissime inter se co- 
haerere patet: *quo non praestantior alter aere ciere uiros’, ineptus 
mihi uidetur, quam ut uel senili Erotis garrulilati inputari possit. Certe 
Eros atque Suetonius diuersis ea hemistichia temporibus suppleta esse 
rettulerant. In talibus Donati mihi uideor manum Suetoniana uerba re- 
tractanlis agnoscere, cf. Reifferscheid Suet. rell. p. 401.5) 


4) Iuuat hoc loco iis argumentis, quibus uitam Donati nomine in- 
signitam reuera a Donato profectam esse probauit Reifferscheid quaest. 
Suet. p. 400. 401, nouum adicere. Leguntur enim in glossario Latino 
Bernensi, cod. 16 saec. VIII uel X praemissa ‘de glosis? nota haec: *Ca- 


E 





H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 687 


Ceterum quod Donatus $ 31 tradit tres omnino Vergilium Aeneidos 
libros Augusto recitasse, secundum quartum sextum, Seruius uero ad 
Aen. Ill] 324: “nam recitauit uoce optima primum tertium et quartum? 
rettulisse dicitur apud Danielem, *primum et quartum? apud Reifferschei- 
dium p. 61, 17 not., *primum libros fertium et quartum? apud Leonem 
(codices non uariare testante G. Thilone apud Ribbeck. p. 58), cum per 
se sit consentaneum eosdem utrumque libros significasse, tum reuera id 
conprobatur codicum Bernensium 172 et 167 scripturis, quorum ille 
Seruiana uerba sic exhibet: “nam recitauit uoce optima -liI-I- VP?, hic 
uero paruo uitio commisso: *nam recitauit uoce optima m-I- VI? Quibus 
ex numeris primum VI non temptabimus et Donati et ipsius Seruii ad 
Àen. VI 862 memores. Deinde quartum numerum recte se habere et 
Donatus et ipsa Seruii testantur uerba ad Ill 324: “dicitur autem ingenti 
affectu hos uersus pronuntiasse, cum priuatim paucis praesentibus reci- 
taret Augusto. Denique primum numerum, quem et uulgati Seruii et 
Bernensium 172 et 167 scripturae tuentur, multo esse probabiliorem 
quam, qui apud Donatum legitur, secundum, ex temporum rationibus 
docuit Ribbeck p. 87 (conf. p. 69 sq.). Quare, cum de quarto et sexto 
concinant Seruius atque Donatus, non dubito quin et Seruius scripserit: 
“nam recitauit uoce optima primum quarlum sextum?, et Donati uerba 
ita sint corrigenda ut illi *secundum? primum substituas. 

$ 43: Obtrectatores Vergilio numquam defuerunt, nec mirum: nam 
nec Homero quidem. Prolatis bucolicis innominatus quidam rescripsit 
antibucoJica etc. Codicum uestigia numinatoris (pung. m. sec.) B, numi- 
natoriis Pithocani, numinatoris Regin. secutus non dubitaui *Numitorius? 
restituere. "Innominatus? enim, quae est Petri Danielis coniectura, et ualde 
uereor ut latine dicatur, neque credibile est aut Suetonium, qui ubique 
auctorum nomina adfert, uno hoc loco a sua consuetudine recessisse 
aut auctoris eiusmodi parodiae nomen ipso Vergilii tempore potuisse 
latere, etiamsi ἀνωνύμως primo circumlatam esse concedas. Quare lae- 
tor Ribbeckium quoque de Numitorio quodam cogitasse proll. p. 99, 
quamquam inter utrumque ambigit. Quid? quod in eo quoque libro, unde 
G fluxit, ex Ipsis codicis Sangallensis reliquiis certissime potesl probari, 
siue Numitorius siue nomen qui a litteris Num incipiebat, nomen certe 
lectum fuisse. Omissis enim *defuerunt nec mirum nam nec IIomero qui- 
dem, prolatis bucolicis . . . . . quidam? cum exhibeat: *uirgilio numquam 
respcripsiU, patet lacunam esse ortam ex eo, quod ex uocabulo numquam 
librarius aberrauit ad *numitorius quidam’, unde Numitorius etiam in 


racteresimodi elocutionum dicit esse donatus quos greci curtateras uo- 
eánt scinos qui tenuis melos qui moderatus sdeos qui ualidus intellegi- 
tur’, hunc in modum emendanda: ‘Characteres. III modos elocutionum 
(uel: Characteres id est modi elocutionum. III modos elocutionum) dicit 
esse Donatus, quos Graeci characteras uocant: ἐσχνός qui tenuis, u£dog 
moderatus, ἀδρός qui ualidus intellegitur. Quae exposita uides in 
onati uita Vergilii $ 58 (91). Quibus argumentis nouum accessit nu- 
rime facta ab Eduardo Woelfflino notitia codicis Parisini 1011, Phi- 
ol XXIV p. 153 sq., in quo Vergilii uitae praemissa est epistula ad 
L. Munatium, δὶ. Donati nomine insignita. 


688 II. Magen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 


archetypo fuisse intellegitur. Ceterum Eduardus quoque Woelfflin ami- 
cus nreus epistula nuper ad me data in idem Numitorii nomen opportunis- 
sime incidit, cf. Philol. XXIV p. 154. 

Porro S 44 codicis G scriptura repertore unice uera est habenda; 
repertorem, quod in ceteris libris atque in uulgata editionibusque omni- 
bus legitur, ob id falsum, quia qui suppositus esse dicebatur, non idem 
repertor dici poterat noui dicendi generis, quo ipso nimirum ut suppo- 
Situm eum diceret Vipsanius motus est. Idem ni fallor, quamquam de 
repertorem scriptura non dubitauit, sensit Ribbeck, cum proll. p. 100 
dicebat: *ceterum in Maecenatem magis quam in Vergilium inuectus est, 
cum summum cacozeliae arlificem et auctorem ceteris omnibus .. .... 
salisfecisse, uni tamen ex communibus uerbis composito atque adeo latenti, 
quod et ipse repperisset , inparem se sensisse eique uicarium supposuisse 
Vergilium dictitaret.? 

Superest locus $ 45, quo librorum lectionem Ὁμοιοτελεύτων iam 
Reifferscheid uidit non posse ferri, quia quae sequitur eius operis inter- 
pretatio: *quos et unde uersus transtulerit continen minime isti titulo 
conuenit. Quod autem coniecit Àomoeon elenchon, quamquam specio- 
sum sane est atque etiam Ribbeckio probatum p. 99, tamen manet de 
plurali elenchon cum homoeon coniuncto difficultas , ut omittam haec 
nimis procul a uulgata lectione recedere. Oposörnreg fuisse titulum 
haud inusitatum ex Athenaeo discimus l. XV p. 690 E, ubi Sosibius qui- 
dam Ὁμοιοτήτων scriptor laudatur. Sed multo magis hic Athenaei locus 
eo pertinet, 1. IV p. 170E: ξητητέον δὲ εἰ καὶ ὁ τραπεξοκόμος ὁ αὐτός 
ἔστι τῷ τραπεξυποιῴ. Ἰόβας γὰρ 0 βασιλεὺς ἐν ταῖς Ὁμοιότησι 
τὸν αὐτὸν εἶναί φησι τραπεζοκόμον καὶ τὸν ὑπὸ Ῥωμαίων στρού- 
κτορα. Vides simillimum regis Iubae opus titulo Ὁμοιότητες citari, 
quo ille uerborum /atinorum graecorumque similitudines explicuisse 
statuendus est. Neque incongrue quis indeconiecerit , Octauii Auiti ope- 
ram in eo potissimum constitisse, ut graecos praesertim uersus, quos 
Vergilius esset imitatus, congereret Vergilianisque conponeret, eodemque 
graecus operis titulus spectare uidetur. Contra Ribbeckium p. 99 (cf. 
p. 112) de latinis tantum poetis cogitare uideo; neque tamen illud ob- 
stare dicas, quod de Zomeri exemplis Asconium inprimis disputasse in- 
tellegimus e uitae loco $ 46 (64). 

Priusquam Vergilii uitam relinquimus, conferenda est etiam S 10 
cum scholio Bern. ad E. VI v. 17: *Cantharus, allegorice quidam uolunt - 
Hieriam (ieram) intellegi (om. cod., suppleuit M) Maecenatis ancillam 
quae dicitur uinosa (ingeniosa cod.) fuisse, quidam Fari (uarri) amicam.? 
Quam Hieriam eandem esse cum illa Plotia Hieria, cuius Suetonius me- 
ininit, negari nequit. Quare cum in ecl. VI de Faro, non de Vario sit 
sermo, genetinum *Vari? ad nominatiuum *Varus? possit quis reuocare 
et exinde in uita quoque 'inuitatum quidem a Faro? reponere, praesertim 
cum ibi iu B littera i puncto sit inducta et inde in Reginensi varo inue- 
niatur scriptum. De Alpheno Varo sane cogitauit Poinponius Laetus 
ad E. ΜΠ 14: *Amarvllida fuisse Plitiam Ilieriam aiunt, cum qua uulgatum 
fuit poetam coisse. Sed Pedianus Asconius scribit, illam alfirmasse iura- 


, 
ἢ 
1 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 689 


mento, inuitatum Virgilium ab 4/pheno Varo ad talem libidinem perti- 
nacissime recusasse. Tamen siue librarium siue scholiastam errasse 
potius statuerim, quoniam de Varo in ea ecloga agitur, ad id uitium 
adductum , cf. ecl. VI argum. et v. 13. Atque notum sane, Parii et 
Vari nomina omnino sexcenties inter se permutari a librariis, cf. Ribbeck 
proll. p. 101. 


DE SCHOLIORVM BERNENSIVM CODICIBVS. 


In scholiis Bernensibus ad librorum fidem recensendis et ad pristi- 
nam, si dis placet, faciem reuocandis praecipuo codicis nitidissimi 172 
saec. VIIII— X auxilio usus sum, de cuius specie postquam Mueller Anal. 
Bern. part. Ill p. 11 et progr. Rudol. I, 1847 praef. fuse exposuit, item 
Ribbeck proll. p. 229, nolim repetendo acta agere. Signaui littera B. 

Codicem Bernensem 167 (C) saec. VIIII— X, quem Mueller non 
nisi de Vergilii uita altera et de Georgicorum praefatione consuluit, ea- 
dem sed non omnia codicis B scholia continere iam erat notum. Sed 
parum accurate teste nescio quo paullum modo abbreuiata dixit Thilo 
mus. Rhen. XV p. 126 not. Neque tamen ea est eius codicis indoles, ut 
inde quod alia adsunt alia desunt, simile quid possit quispiam suspicari 
de istius scholiorum farraginis origine, ac de Seruii commentario sta- 
tuendum est, sed ita est conparatus liber, u! non nisi ea scholia quae in 
sinistro cuiusque paginae codicis B margine scripta sunt, sed ea ad 
unum omnia conlineal, ceteris quae dextro margini sunt adpicta con- 
stanter omissis, ut, quia artissimis utriusque marginis scholia uinculis 
inter se cohaerent, ratio quam codicis C librarius secutus est nihil om- 
nino ad crisin ualeat. Est autem ea scribendi ratio tantummodo in E. VII 
initio non tota obseruata, ubi in C a uerbis demum: *Vir gregis hircus? 
(v. 7) eius eclogae commentarium incipit omissis quae in cod. B margine 
sinistro inde ab eclogae initio usque ad hunc locum scripta sunt, sed 
ob hanc uidelicet causam, quia antecedens pagina tota erat scholiis ad 
eclogam sextam pertinentibus conpleta, ut spatium non sufficeret. Quae 
igitur e codice C ad E. I v. 1—49 hausi scholia noua, quia in codice D 
primo olim folio rescisso, postea saec. XIII manu sine scholiis repleto a 
uersu demum XLVIIII commentarium incipit, iis noli putare totam codi- 
cis B lacunam refici, sed dimidiam fere, marginum tantummodo sinistro- 
rum scholia continentem. Ita accidit ut, si qua erat in B foliorum pars 
extrema putredine deleta uel casu quodam rescissa, ea quae in «allera 
laesi folii parte olim erant scripta, ex C possent suppleri, quod E. ll 
v. 56; 111 32. 33 facerc licuit. Necesse est igitur statuas eum de quo C 
fluxit codicem eiusdem fuisse habitus, qualem cod. B prae se fert, ut 
per utrumque marginem commentario aequaliter perfuso eadem in sinistra 
quaque et in dextra parte essent scripta, quae in B alterutri margini tri- 
buta sunt. Nam quominus ex B manasse C statuas, multa sunt quae ob- 
stant. Sunt enim in magno utriusque codicis consensu satis tamen multi 


Jahrb. f. class. Philol. Suppl. Bd. IV, ΗΝ, 5, 45 


690 1. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 


loci, quorum ex scripturae discrepantiis non B, sed alium fuisse codicis B 
fontem certissime euincatur, ita tamen, ut idem utrique fuisse archetypum 
probabiliter conici possit. Quare quamquam plurimis locis B meliorem, 
C deprauatam lectionem seruasse negari nequit, tamen pro critici uiri 
officio integram lectionis uarıelatem describendam putaui. JMeliorem 
autem lectionem C seruauit locis non paucis, quorum ex numero hos 
tantum libet proponere: 

E. I 65. II 13. III 20. IV 7. 10. 23. 45. 63. V 4. 20. 24. 35. 45. 
60. 85. VI 1. 16. 32. 41. 42. 46. 63. 74. 85. VII 18. 27. 61. 62. VIII 
13. 33. 38. VIIII praef. 39. X praef. — Georg. praef. 1. 13. 46. 55. 56. 
109. 138. 143. 162. 178. 211. 240. 247. 267. 386. 397. 426. 462. 
G. II 8. 20. 47. 54. 73. 85. 207. 277. 300. 312. 359. 360. 389. 395. 
400. 431. 522. G. 1115. 7. 8. 25. 111. 258. 3418. 392. 440. 448. 472. 
481. 489. 509. G. III 55. 222. 269. 294; aliaque id genus quae codi- 
cis C librarii oscitantia atque inperitia, quae multa multis locis conspici- 
tur, neque e cod. D haurire neque scribendo corrigere potuerit. 

Continentur autem eo codice, quem Anal. Bern. part. III p. 10. 11 
Mueller non satis accurate descripsit, haec: fol. I" —I* cum figura astro- 
nomica quaedam ex lsidori de rerum natura libro excerpta; f. I"— II" 
titulo INCIPIT ARGUMENTUM IN VIR de Vergilii uita scriptisque nonnulla 
medii aeui excogitamenta, quorum primum huius libri calci adieci ; f. III“ 
INCIPIT CARMEN OCTAVIANI CAESARIS DE VIRGILIO *Ergo ne supremis 
— relegatur ametur'. Manu recentiore subscriptum nomen “Richardus’, 
lectoris scilicet, atque nonnulla precaria: *facinora nostra relaxaris mundi 
gloria petimus mente deuot? etc. quae et f. VI" recurrunt. f. lll "—V* 


INCPT EXPST SERVIL GRAM. IN DUCOLIC IN LIBRIS GEORG ATQVE 
AENEIDVF; Seruii praef. in Bucol. Georg. Aen. Extremis praef. Aeneidis 
uerbis: “olatius fraternas acies alternaque regna? adduntur insuper haec: 
Arma. Multi uaria edisserunt cur ab armis Virgilius coeperit, omnes 
tamen in hac sentire (leg. in hoc consentire) manifestum est, cum eum 


conslet aliunde sumpsisse principium sicut in praemissa (pmisse cod.) 
eius uita monstratum est. Et est tropus metonymia (metonomina). Nam 
arma quibus in bello utimur pro bello posuit, sicut toga qua in pace uti- 
mur pro pace ponitur ut Cicero: “Cedent arma togae’, idest bellum paci, 
conf. Seru. Aen. [ 1. — Secuntur f. V" uersus uitae interpolatae ($ 69. 
10): *Nocte pluit tota redeunt spectacula mane | Diuisum imperium cum 
Ioue Caesar habes (sic; uulg. habet). [108 ego uersiculos feci, tulit alter 
honores; Sic uos non uobis mellificatis apes uel uellera fertis oues." 
Sequitur VITA VERGILII POETAE, quam post Donati uitam collocaui. 
f. VI" decem uersus: 'Vergilius magno quantum concessit Homero — 
Liuoris titulum praeposuisse tibi? Anth. lat. 862 M., deinde quattuor 
uersus: "Qualis bocolicis quantus tellure domanda | Vitibus arboribusque 
satis pecorique apibusque | Aeneadum fuerit uatis letrastica dicent | Con- 
Lineat. quae quisque liber, lege munera nostra.' Sequitur argumentum 
in ecl. I, eadem manu scriptum: *Hic loquuntur duo pastores — pertinent 
uel trium amicorum?, quod in editione cum primae eclogae scholiis con- 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 691 


iunxi; deinde: "Virgilius teocritum siracusanum (gloss. interlin.: siracusa 
ciuitas in sicilia) in bocolicis sequutus est. Isiodum ascreum, (ascra 
ciuitas est gl. int.) in georgicis. llomerum uero in aeneadibus. Tribus 
annis bocolica composuit, VII uero georgica, XI autem annis aeneidos.? 
Claudit agmen DE TRIBVS DVCIBVS carmen (Anth. lat. 210 M): “Ve 
belli sonuere tube uiolenta peremit — Argolicus Teuthras Moesus Clonon 
Oebalus Arcas’, manu recentiore scriptum ; praeterea uerba precaria non- 
nulla eadem quae f. III" adsunt. Inde a fol. VI"—f. XX" Vergilii Buco- 


nn nn 

lica, INCIPIT DRAMATICON: MICTON. MELIB TITVR, cum scholiis Bernen- 
sibus; f. XX' — f. XXXIII" Georgica cum schol. Bern. Sequitur iude 
usque ad finem Vergilii Aeneis, cuius lihris duobus prioribus nonnulla 
scholia aspersa sunt recentioris originis dubii admodum pretii, e. g. ad 
Aen. I 751 Memnon Tithoni (thithonis) et Aurorae filius rex Aethiopum 
armis Vulcani pro Troia dimicans interfectus est ab Achille et sepultus 
est a matre et ad eius templum aues Aethiopicae certis diebus aduolare 
dicuntur quae de cius nomine Memnones uocantur; ad Aen. Il 761 Asylo 
templo unde nullus possit abstrahi uel locus sacer deo et dictum asylum 
quasi asyrum. hoc autem non est in omnibus templis, sed in his quibus 
consecrationis leges insequebantur. quod autem posuit *“lunonis asyli? 
sic accipere possumus ut inimica Iuno laetaretur ante oculos esse propo- 
sita, quae Graecorum uictoriam testarentur (testaretur cod.). Libros Ill 
—Xil v. 771 Seruius comitatur manu eadem qua uersus scriptus. Codi- 
cem in Britannia uel Scotia scriptum esse testantur glossae laud paucae 
Iro-Celticae, quas ad uirorum doctorum, quibus talia sunt curae, usum 
sub uno omnes conspectu iuuat proponere: 


E. lI 8 frigora id est guascatou. 18 ligustra -i- melgabr. 30 hi- 
biscum -i- elestr. 47 uiolas -i- wileou. Ill 55 quandoquidem -i- an- 
naor. IV 23 cunabula -i- mabcauuelou. AT fusis -i- aguirtitou. VII 
42 rusco -i- ethin (cf. G. 11 413). VIII 34 supercilium -i- guorail. X 
19 opilio -i- ousor. 38 fuscus -i- daliu. 41 serta -i- couarcou. 

G. 1 44 putris «1. buc (cf. G. 1392). 153 lappae (labet cod.) -i- 
gloialou. 166 uanuus -i- cauell. 173 tilia -i- Zimncollin (cf. G. II 449). 
178 cylindro -i- acronnmain. 201 lembum -i- caubal. 262 obtusi -i- 
éruch. 266 fiscina -i- ser uel cest. 308 auritos -i- scobarnocion. 309 
stuppea -i- iscartholion. 323 foedam -i- daureth. 363 fulicae -i- gui- 
Zannou. 364 ardea -i- corcid. 388 cornix -i- corniol. 392 putres -i- 
bocion (cf. G. 144). 

G. 11 381 proscaenia -i- racloriou. 389 oscilla -i- Zuscou. 394 
Jances -i- discou. 413 rusci -i- ethin (cf. E. VII 42). 449 tiliae -i- 
Zimncollou (cf. G. 1 173). 

G. ΠῚ 100 notabis -i- agnosces uel signabis «1: ercentbidite. 148 
musca uolitans -i- actanoc οἷ" clehurin. 406 serum -i- meid uel cosmid. 
564 papulae -i- Auital. 

G. III 120 intiba -i- cocitou. 131 uerbenas -i- veruencou. 168 
fucos -i- safrun uel guohi. 388 caeruleus -i- duglas. 

Aen. 1 726 Iychni -i- lucernae idest aninou uel acepriou. 


45* 


692 1. Ilagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 


Aen. II 29 sacuus -i- bodin. 85 cassum -i- Aepcorim. 180 patrias 
εἶν broolion. 236 stuppea uincula -i- coarcholion (cf. E. X 41; Georg. 
1 309); ad v. 235 siue 236 in margine: idest libiriou (cf. Aen. III 289) 
uel sloitprenou. 646 iactura -i- priliri. 

Aen. Ill 20 auspicibus -i- doromantorion. 22 tumulus -i- cnoch. 
31 lentum -i- limn. 92 cortina -i- esceilenn. 158 (idem) uenturos -i- 
nionuret. 289 transtris -i- libiriou. 549 antemnarum -i- deleiou. 

Aen. IllI 131 plagae -i- guinodroitou. | uenabula -i- guinuclou. 332 
obnixus -i- contra nisus -i- utgurehconeti. 

Quibus addam nonnulla ex Philargyrii codicibus proposita a G. Thi- 
lone mus. Rh. XV p. 133: E. 1 76 dumosa drisidi; ll 13 cicadis cauig; 
I 19 bacchare boobethin (1. 1. p. 125, 12, cf. supra ad E. VII 42); 28 
flauescet blicfithir ; ib. arista broth; 45 sandyx gläüs (p. 125,46); VI 16 
ansa dorn; VIII 64 uitta snatAhae.?) 


llis accedit fertium subsidium codicis Bernensis 165 saec. IX (cf. 
Mueller Anal. Bern. part. HI p. 7; Ribbeck proll. Verg. p. 229. 230, 
nisi quod ecl. IllI 36 achillis corr. achilles habetur), quo inter excerpta 
Seruiana aliaque modo uetustioris modo recentioris originis scholia 
continentur passim quaedam cum scholiis Bernensibus congruentia, quae 
quia haud raro meliores exhibebant lectiones (cf. ad Georg. lll 7. 493), 
ubicumque deprehendebam, suis locis in apparatu critico proposui. Ex 
eo codice deprompsi, quae appeudicis loco noua Bernensibus scholia sub- 
iunxi ad Eclogas el Georgica pertinentia; multa, quae Aeneidos libris ad- 
picta sunt bonae frugis plena atque hactenus incognita, breui publici 
iuris faciemus. Quem librum in hac editione ubi non addito nomine 
memoraui, littera D signari uolui. 


Restat ut de codice Leidensi Vossiano F 79, Bernensium similli- 
mo, cuius scholiorum specimen ad Georg. I pertinentium typis mandauit 
Suringar hist. crit. scholl. latt. II p. 272—349, paucis disseram. De 


6) Atque quoniam semel talium glossarum mentio facta est, non 
alienum uidetur haec quoque cum uiris doctis communicare, quae in 
codicibus Bernensibus 536 et 334 repperi, eodem opinor pertinentia. 
Quorum in illo scriptam est manu saec. XI uel XII: arfula astarum 
flibar. interinas. ostigatir. mica. pinaeles. eeleleon. cerboneus. eripen ueniet 
ille qui solet adducere alios dueluos (sic) ab oriente uel ab occidente a meri- 
die uel ab septentrione ctc., quae quidem ultima uerba haud uidentur ad 
priora pertinere; in hoc uero mauu saec. X sub libri finem post sub- 
scriptionem: EXP. EPISTOL. AD HEBREOS. VERS. DCCCC. SCRIPTA 
A ROMA: Croh, nheri. nihater. nuflin. nihater. subnil. nihater rauuenait. 
nihater arta, daf (claf?). hagal. artat netri. artat netri. artat netri (sic ter, 
ut iuris iurandi fascinandiue formulam esse suspiceris) pomabo suptuna- 
mor. ifiamor. lofiens. fonui. pater uulnus commendo. arcus. fargus. seclens 
(sedens) corna. nedens. lux detofinet (d suprascriptum) si na bit. San- 
guinis cohibendi formulam subesse uerisimile fit illis *pater uulnus com- 
mendo additis. 


Il. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 693 


libri facie, egere et Suringar olim 1. l. p. 269 seq. et nuper G. Thilo 
mus. Rhen. XIII p. 540. Huius codicis, sicut ex Suringari specimine 
uidere licet, ea est indoles, ut paucis exceptis reliqua omnia scholiorum 
Berneusium conplexu contineantur, Bernensia uero alterum tantum nume- 
rum spatiumque occupent. Sed in Vossiano non solum tertia scholiorum 
Berneusium pars omnino desideratur, uerum ipsa quoque illa, quae utro- 
bique extant, scholia hic misere decurtata atque ad tenuem obscuramque 
imaginem redacta suut. Nam quominus quispiam suspicetur, quae in 
scholiis Bernensibus ampliora feruntur, postmodum amplificata atque 
exaucta esse, tenuia uero Vossiani specimina propius ad pristinam for- 
mam accedere, omnes, ad quos ea quaestio pertinet, loci obstant, nisi 
quod G. I 59 uerba μέ in physiologi libro dicitur, quae ab ipso lunilio 
profecta esse nullo modo credi potest, bene in Vossiano omissa sunt, sed 
non quo neglexerit librarius, uerum quia ig suo codice non inuenit medii 
aeui additamentum. De quo loco infra fusius agemus. Atque statim in 
speciminis a Suringaro exhihiti initio, quae Georgicorum praefatioui in 
breuius contractae subiuncta sunt: "Praefatio autem huius artis haec est: 
principium Georgicorum paene tale est quale in Aeneide? etc., facile epito- 
matoris medii aeui hominis manum agnoscas. Vt re satis aperta breuibus 
defungar, similem in modum scholia Dernensia decurtata sunt in Vossiano 
praesertim vv. 1. 2. 3. 4. 5. 7. 8. 10. 13. 17. 18. 19. 21. 24. 25. 27. 
30. 33. 45. 55. 57. 62. 73. 77. 18. 86. 96. 98. 100. 102. 103. 108. 
114. 115. 116. 147. 149. 160. 163. 166. 174. 178. 193. 205. 207. 
208. 218. 228. 230. 232. 247. 266. 270. 271. 275. 277. 284. 285. 
293. 301. 313. 315. 332. 336. 346. 364. 373. 375. 397. 400. 415. 
416. 424. 428. 431. 450. 466. 468. 479. 482. 488. 496. 502. 512. 
514 —, quorum numerum etiam augeri posse quiuis uidebit, qui Surin- 
gari librum accuratius inspexerit. Atque his locis tantum non omnibus 
summam librarii aut oscitantiam aut nequitiam aut inscitiam mirari licet. 
Nullum igitur inde praesidium peti poterit, quo quis firmatus de pristina 
scholiorum Bernensium forma facieque atque nascendi ralione certius 
quid statuere possit. 

Ceterum Vossianum codicem ex fonte fluxisse Bernensium simillimo, 
ut íam isti loci quos supra posui ostendere poterant, ita eo conprobatur, 
quod hic quoque eaedem snbscripliones duae (ad E. X et Georg. I fin.) 
leguntur atque idem Georgicorum praefationi titulus praeimissus est el 
jn ipso commentario passim eadem Junilii et Gaudentii et Galli nomina 
Jaudantur. Quamquam saepe Zunilii et Galli fere semper nomen omissum 
est, quod haud dubie librarii oscitantiae pigritiaeue relinquendum. Con- 
trarium uero, ul Junilii nomen adderetur in Vossiano, in Bernensibus 
desideraretur, bis accidit, ad v. 33 et v. 448, idque in scholia Bernensia 
recipere nullus dubitaui. 

Sed lacera codicis condicione, qua plura quam adsunt desiderantur, 
faclum est ut ad uerba emendanda eius auctoritas non possit magni 
haberi. Igitur, quamquam interdum genuinam lectionem Vossianus solus 
seruauit, de quibus locis in adnotatione critica accurate rettuli, tamen, 
postquam locos multo plures uitiorum monstris horride cumulatis sca- 





694 II. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgig; 


tere intellexi, non ita multum, si codicem integrum excuterem, me pro- 
fecturum ratus in specimine a Suringaro proposito , quod ad G. I pertinet, 
adquiescendum esse statui. Cuius fidem satis omnino suspectam esse iam 
subscriptionum in Bucolicorum atque Georgicorum 1. I finibus positarum 
habitus temere uariatus atque corruptus docere poterat. Quid quod v. 1 
pro illis: fimus uulgo laetamen in Vossiano legitur: similifer uulgo 
laetum, v. 5 pro hunc Liberum: home liberum; horum duorum pro 
horum deorum, v. 33 pro Erigonen autem Iustitiam dicit speciosum 
sane sed temere fictum: Erigonen autem lutatius dicit, qua corruptela 
apertissima Suringar infeciliter abusus est hist. crit. scholl. latt. II p. 283, 
ut ex Statii scholiasta Zactantio siue Lutatio, qui ad Theb. III 692 sane 
mentionem fecit Erigones atque Icari, *transiisse quaedam in Seruii com- 
mentarios? probatum iret ; — v. 43 pro canis niue candidis; quo cum: 
canis candidis in quo cum, Suringaro male ‘cum, in quo? scribendum 
esse suspicante; v. 70 iuuat pro iubet; v. T1 pro Tonsas, agros messos 
qui alternis uacant. Nouales quia sementa nouantur, haec: Tonsas, 
agros messes quae alternis uocant nouales quia ibi semina nouantur 
(quae alternis uacant uocant nouales coni. Sur.); v. 120 pro intiba 
vena: intyba autem; v. 134 pro ductibus aratri: dictis aratri; v. 138 
pro quod ortu suo pluuiae nascuntur quae a nautis "suculae? dicuntur 
et in modum y litterae in fronte Tauri sunt, haec: quae ortu suo plu- 
uiae oriuntur et quae sunt in medium y literae; ibid. pro Lycaonis 
arcton: Lycaonis autem; v. 155 pro: Insectabere, insectaberis idest 
nisi sarriueris. Rasiris, raritate dentium dicti, haec: et sonitu idest nisi 
araueris. rastris sarritum dentium dicti , Suringaro in arauerís latere 
aues fugaueris ariolante; v. 179 pro alba: herba — aliaque id genus 
multa, quae omnia enumerare taedet. 

Sed ne huic scholiorum Bernensium editioni nouae deessent, quae 
codicis Leidensis peculiariter uiderentur propria esse, in unum congerere 
placuit, quaecumque in illo libro aut paullulum uariata aut nouis qui- 
busdam additamentis exaucta deprehenderentur.  Spectant igitur ad 
uarietatum genus haec: Georg. I v. 1 seges pro terra sed alii pro terra 
tamen cum fructibus accipiunt. 5 quidam — uolunt intellegi. 8 in 
louis tutela est quippe ex qua. 11 Ferte, adhibete adiutorium carmini 
meo. 13 prolesque Neptuni (quae quidem scriptura ex eodem fonte Vos- 
sianum fluxisse arguit, unde Bernenses deriuati sunt, quippe in quibus 
neptuni proles habeatur; Vossiani uero librarium corrupto metro teme- 
rariam medellam adhibuisse certum est). v. 14 (v. 8 scholl. Bern.) re- 
sponsum dedit Apollo — candida armenta — illi uero electos. v. 19 
quia non unus sed diuersi aratrum in orbe monstrauerunt. Alii Tripto- 
lemum qui Cererem Proserpinam quaerentem hospitio suscepit et pro 
humanitate ei fruges dedit totumque orbem seminauit. v. 20 ınansuetam. 
v. 30 Thule. Insula est in septentrione (in VII trio) in Oceano. Pro 
magnitudine potestatis dixit. v. 34 Astrologi enim Chaldaeorum Scor- 
pionem — tenere dicunt. 50 antequam scinditur. 55 sine studio cul- 
turaque. 97 iuxta Assyriam. 67 iunguntur — significant. 74 legu- 
inen dicit quodcunque falce non colligitur succiditur sed manu colligitur. 


N. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 695 


81 Cinerem, stercorationem intermissionem arandi incensionem stipula- 
rum — utuntur puellae. 104 cominus, statim prope. 140 funda a 
fundendo idest iactando dicta quia (qua) lapis stupeis uinculis iacitur. 
Sed alii genus retis dicunt quod funditur aquae. 143 serrae qui primus 
usum inuenit. 154 sed magis fructibus obest. 163 agriculturae et 
ideo Eleusinae dicit quod ibi maxime colitur. 164 colliguntur uel terun- 
tur in area. — inaequali quia. 175 uitium materiae — apparet. 212 
et Cereale papauer. Eo autem Ceres leuauit curam lugens. 219 sq. 
Robustaque farra. Plus enim — serenda. Atlantides autem uirgines 
sunt numero VII, quarum nomina Alcyone — Taygete. Eoae orientes. 
Eoae abscondantur, idest matutino occasus faciunt. nam cum — lunilius 
dicit. Atlantides aliquando sex aliquando septem uidentur: in Nouembri 
non uidentur a nobis. Abscondantur, idest in Nouembri (quae si confe- 
ras cum scholiis Bernensibus, Vossiani epitomatoris nequitiam admiraberis 
intellegesque simul, quantillum ex Vossiano utilitatis esset redundaturum). 
247 abscedentem solem a nobis — negant sed uolunt illic esse tenebras 
perpetuas. 248 iuxta Epicureos d. d. e. c. quod nobis. 271 non de 
aucupatione. 273 aselli. Deminutiue. 278 steriles quae sunt deae. 
291 idest aliqui quod est cerlae personae est (quod certae personae est 
cohi. Suringar). 381 pluuias recipit. 393 serenum a serando idest 
reserando aperiendo dicit. 397 texturas dicit quae similiter iactantur 
per aera. lunilius dicit. 490 quia primum ibi a Caesare et Pompeio 
postea a Bruto contra Antonium et Octauium Augustum pugnatum est 
(quanto melius Bernenses codd. illud 4ugustum indocti aeui additamentum 
omiserunt!) v. 498 ZIndigetes. omnes dii dicuntur qui nullius egent. 
Nigidius dicit. Vel dii facti ex hominibus. 

Addita autem sunt praeter ea quae in scholiis Bernensibus leguntur, 
noua etiam haec, quorum ex numero ea quoque, quae ex Burmanni co- 
dice G iam erant nota, iterum proponere libebat, ne totus additamentorum 
conspectus turbaretur: G. I v. 5 post oculos mundi: Aliter Apollo et 
Diana. v. 9 Achelous (Achelonius cod.) fluuius. Puis. Staphylus Oenci 
(ouista filius ynen cod. Onista Burm.) regis pastor cum uideret caprum 
saepius a grege discedere, eum secutus est et (et on. cod.) uuam de- 
pascentem inuenit, quam statim expressit ac (hac cod.) de Acheloo flu- 
mine, in cuius ripa uua fuerat inuenta, aquam miscuit uino obtulitque 
regi, qui cum probasset uuam, inuentoris nomine uocari iussit (sic cod. G, 
probasset inuentoris nomine uocari cod.), uinum graeco uerbo οἶνον 
(ynen) a suo nomine appellauit. v. 14 (v. 8 scholl. Bern.) post et ibi 
reliquerunt: quamquam fuerunt numero CCC. v. 32 Tardis, longis 
idest si addatur Caesar (sic Ph. Wagner de Philargyro II p. 9; sis ad cod.) 
XII] signum uel cum Caesar ierit (abierit Wagner, erat cod.) in caelum 
(sic Wagner, coelo(?) cod.) hominum uita tendetur (sic Waguer, tendebitur 
cod.). lunilius dicit. v. 34 Ardens Scorpius, licel tempus Scorpii fri- 
gidum (frigidus cod.) sit idest Nouembris (nob. cod.); sed tamen ardens 
non solum ad calorem dicitur sed etiam [et] ad frigus. Aut ardens, 
festinans etc. v. 48 Calorem dierum et noctium; similiter frigora. 
Dispar enim est calor diei et noclis, et etiam frigus. Sentit, arata (etl 


696 IL. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georglca. 


etiam frigus sentit arator coniecit Suringar). v. 92 Tenues lentae et 
penetrabiles idest secretae (leg. idest secreta; pertinent autem haec ad 
v. 89). v. 96 nequicquam, sine causa inaniter. . v. 125 ante idest 
regna uel usum terrae (Suriugar non intellegere se fatetur: est autem 
dittographia uerborum ue] ueternum uersus praecedentis). v. 138 post 
Calisto Lycaonis filia: quae fuit Dianae in uenationibus comes, quam 
luppiter adamauit et in Dianam uersus cum ea concubuit: quae cum 
praegnans apparuisset, de suo eam (de suo comitatu Diana eam Burman- 
nus) remouit, quae Árcadem puerum edidit. Sed Iuno odio pellicata (pel- 
licatus Burm.) in ursam eam transfigurauit et uenanti filio obtulit. Cum 
ille feram putasset insequique coepisset, luppiter eos iisdem figuris con- 
secrauil astris et illa uelut ursa fugiens, ille uelut impetus faciens in eam 
(in eam « Burm., an: ut illa — in eam appareret ἢ). quod sidus septentrio 
dicitur siue a numero stellarum siue quod in parte poli septentrionalis 
sit. Hanc (hoc cod.) Arcton dicit, illum autem Arctophylacem (arctofilium 
cod.) quod iuxta locatus custos esse uideatur. v. 166 coniunctae -i- s. 
u. hoc esl contextae. v. 232 An mundi astra. Vtrumque dici potest. 
v. 286 Nona fugae. Hic Virgilius stultus uidetur, fugam suadendo seruis 
el eis indicando dies quibus a rapinis contineant (stultum sane scholium 
Seruio tamen antiquius est, quippe a quo refellatur). v. 298 Tostas 
exuslas (exussas cod.) uel siccas. v. 378 in ranas conuersos cum illa 
ageretur a Iunone, in Lyciam perueniens. Et Ouidius ait: Ceres cum Pro- 
serpinam quaereret, ad fontem peruenisse (peruenit coni. Suringar) quae- 
rere aquam ad bibendum: tunc eam Lycii rustici a potatu prohibuerunt 
cumque contra eam eınillerent sonum (leg. umoren)) narium turpem, ita 
illa irata eos conuertit in ranas. Alii dicunt ranas etc. (Quibus opor- 
tune suppletur scholium in codd. Bernensibus consilio decurtatum). v. 
404 Nisus, auis. 405 Et pro purpureo dat, sonitu (leg. soluit; sonitu 
ex sequentibus inrepsisse uidetur Suringaro). Scyl/a, auis. 406 Leuem 
idest nubem. Aethera, accusatiuus pluralis. 407 inimicus, Nisus. stri- 
dore, sonitu. 409 Raptim, uelociter. v. 422 Concipiunt. Incipiunt 
canere (sic Suringar; incipiunt concipiunt canere cod.). 

Ilaec erant quae de isto libro excerpere placebat. Ceterum si non 
multum, at aliquantulum fructum, opinor, is habebit, qui ad Georgicorum 
librorum lll ceterorum atque Eclogarum scholia codicis Leidensis per- 
scrutanda ut accedat ab animo suo impetrare poterit. 


IIII 
DE SCHOLIORVM BERNENSIVM AVCTORIBVS. 


Priusquam dé tribus Vergilii commentatoribus, quorum nomina sin- 
gulis passim scholiis subiuncta sunt, fusius agam, de duabus subscriptio- 
nibus pauca praemittam, quarum una in Bucolicorum, altera in Georgi- 
corum fine legitur. Ex quibus illa quae est: *ITaec omnia de commentariis 
Romanorum congregaui, idest Titi Galli et Gaudentii et maxime lunilü 
Flagrii Mediolanenses?, primum ita est emendanda, ut Mediolanensis scri- 


Il. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 697 


batur, non quo in altero id codice Bernensi 167 (C) legatur, quod nescio 
unde petitum perperam et Thilo olim statuit mus. Rhen. XV p. 126. 127, 
et Th. Mommsen credidit mus. Rh. XVI p. 416, sed quia uerba Georgi- 
corum argumento: praemissa: *'lunilius Flagrius Valentiano") Mediolani? 
Iunilium Mediolanensem fuisse ostendunt. Nam quod in Vossiano codice 
F 79 legitur Mediolanentium , librarii coniectura est infelicissima, quaın 
Wagnerum amplexum esse magnopere miror (de I. Philarg. 1 p. 21.118; 
ef. Thilo mus. Rh. XV p. 127). Ceterum quamquam congregatorem eius 
farraginis non Romanum fuisse, sed Scotum Mommseno 1.1. p. 446 liben- 
ter concedo, tamen id ex uerbis “de commentariis Romanorum congre- 
gaui* elici posse non arbitror, quippe quae ad illud Mediolanensis respi- 


“ eere uideantur. Scilicet Titum Gallum et Gaudentium Romanos fuisse, 


Junilium Mediolanensem epitomator tradidisse uidetur. Quare legen- 
dum coniecerim: *Haec omnia de tribus") commentariis congregaui, idest 
Titi Galli et Gaudentii Romanorum et maxime Iunilii Flagrii Medivlanen- 
sis” Sunt autem ea uerba in libris sub Bucolicorum finem collocata, unde 
Mueller quattuor suis programmatis Rudolphipolitanis titulum speciosissi- 
mum: 'Commentaria Tunilii Flagrii T. Galli et Gaudentii in Virgilii eclo- 
as et Georgica? praelusit. Nec Thilo uidetur ab ea sententia abhorrere 
l. 1. p. 126. 127. Sed postquam Moinmsen 1. ]. p. 446 inde quod Galli 
Scholia non nisi in primo Georgicorum libro occurrunt, ad Georg. I ini- 
tium ea uerba pertinere uerissime coniecit, in edendis scholiis ueritatem 
quam codices sequi malui. Accedit quod subinde in utroque codice Ber- 
nensi Georgicorum titulus sequitur. 
lam alteram subscriptionem sub Georgicorum libri I finem positam: 
‘Titus Gallus de tribus commentariis Gaudentius haec fecit? ad prioris 
imaginem, sed corrupte effictam esse una uirorum doctorum uox est 
uerissima. Quam probabiliter ita restituas: “Titus Gallus. Gaudentius. 
lunilius Flagrius. De tribus commentariis haec feci?, ut Mommsen con- 
jecit, nisi quod lunilii nomen primo loco posuit. Quod autem Vossianus 
“Titus Gallus de tribus commentariis Gaudentii haec feci! praebet, en 
alterum est eius librarii nequitiae specimen, cf. Thilo mus. Rh. XV 
p. 127, ut mirer hic quoque Wagnerum de Phil. Il p. 8. 9 Vossiano 
maiorem quam Bernensi fidem habuisse. Suringari uero de istis sub- 
scriptionibus commenta, quae nihili sunt, ex ipso cognoscas hist. crit. 
scholl. latt. II p. 169. Quid quod ipsum sibi contra dicentem deprehen- 
das p. 271? — Ceterum ex ipsis his turhis atque ex toto scholiorum 
habitu uitils innumeris foedato cognoscitur, longius libros nostros ab 
lllo tempore recedere, quo epitoinator *haec omnia? ex tribus commen- 
tariis congregauit. Quod circa octauum fere saeculum contigisse uidetur 
G. Thiloni mus. Rh. XVI p. 133. 


6) Bic scriptum est in codd. Bernensibus atque in Vossiano; neque 
de ea nominis forma, quin uera sit, dubitandum, cf. Wagner de Iunio 
Philargyro I 20. 21. J’alentinianum, ut est in subscriptione altera codi- 


. eum Laurentiani et Parisini (cf. mus. Rhen. XV p. 119) post Fuluium 


Vrsinum Mueller perperam amplexus est. 
T) Cf. infra alteram subscriptionem in Georgicorum 1. I fine. 


698 1]. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Ducolica atque Georgica. 


v 
DE TITO GALLO VERGILII COMMENTATORE. 


Citatur Titi Galli nomen in scholiis Bernensibus non nisi Georg. I 
v. 2. 8. 8. 13. 25. 28. 31. 40. 54. 81. 149, ut Mommseno adstipulandum 
sit, qui mus. Rhen. XVI p. 447. 448 epitomatorem Galli commentarium 
non continuo sed ex parte adhibuisse, mox seposuisse contendit. Ex qui- 
bus locis quia plures magnam cum uulgato, quem dicunt, Seruio simili- 
tudinem prae se ferunt (v. 25. 28. 31. 40. 54. 81, ex parte 149; nam 
de v. 3 mox uidebimus) Mommsen eo simul, quod alii loci cum Seruio 
haud congruunt , commotus est, ut Galli commentarium pleniorem Seruii 
quam uocant recensionem , qualem Lemouicensis Fuldensisque codices 
praeberent, repraesentare atque, quod inde consequitur, post Seruium 
uixisse diceret, eodem una de Gaudentio lato iudicio (1. I. p. 448). Idem 
uidetur H. Keil innuere (Zeitschrift für Altertliumswiss. 1848 p. 553), 
cum omnia scholia et Galli et Gaudentii et Iunilii et anonyma, quae cum 
Seruianis congruant, ex eodem fonte, Seruio opinor, fluxisse contendit 
Sed mirum sane, unde ista Galli et Gaudentii nomina Seruianis recensio- 
nibus sint inposita, neque semel in titulo uel in subscriptione, sed multi- 
fariam in singulis scholiis uersantia, id quod minus quam debebat curasse 
uidetur Mommsen p. 448. 

Iam de Galli scholiorum indole uideamus. Ac primum quidem scho- 
lium ad v. 3: *pro omni pecore ut maius animal minoribus non separetur, 
sicut de hominibus facit dicens: Relliquias Danaum atque inmitis Achillis?, 
si cum Seruiano conferas: *Aut in sequenti epexegesis est hoc ut sit: qui 
cultus habendo sit pecori, quod est: quae cura boum. Aut certe κατ᾽ 
ἐξοχήν ait boues el postea intulit cetera pecora, ut maius animal sepa- 
raret a minoribus, sicut de hominibus facit dicens: Relliquias Danaum 
atque inmitis Achill?, patebit Gallum iisdem uerbis adhibitis eodemque 
Vergilii exemplo usum prorsus contrarium ac Seruium referre. Seruius 
quid significare uoluerit, si ea quae primo loco posuit respicias, minime 
est ambiguum. Nimirum boues pro maioribus animalibus, pecora pro 
minoribus dicta esse uult, quemadmodum 1. l. ἃ minoribus Danais maior 
Achilles distinguatur. Gallus uero e contrario illam secutus explicatio- 
nem, quam primo loco Seruius memorauit, boues generalem esse, ut ita 
dicam , notionem eisque et maiora et minora pecora conprehendi conten- 
dit. Vterque aulem suam probaturus sententiam eundem Vergilii locum 
Aen. 1 30 in partes uocat. Quid igitur? Inde haec mihi uidentur certis- 
sime euinci, primum Galli commentarium non fuisse pleniorem Seruii 
recensionem : iisdem enim uerbis usus uterque aliud atque plane con- 
trarium. profert. Deinde Gallum non ex Seruio sua hausisse , quia, si 
hausisset, priorem Seruii explicationem, quippe quae cum sua ipsius 
plane cougrueret, potius fuisset translaturus quam alteram ita uexaturus, 
uL contrarium prorsus sensum eliceret. Denique Seruium potius ex 
Gallo haec peliisse, ita tamen ut Galli uerba in contrariam sententiam 
detorqueret, quod non miraberis factum, si cogitabis eiusdem iam argu- 
menti explicationem aliunde petitam Seruium primo loco positam habuisse, 


U^" 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 609 


cuius in gratiam Gallum diffingere quam istam dimittere mallet. Quae 
probabiliter me statuere ii potissimum loci ostendunt, quibus summa 
inter Seruium Gallumque similitudo intercedit. Nam v. 25 Galli uerba 
*quem deum esse te uelis, utrum caeli an maris uel terrae possideas im- 
perium? Seruio obuersata esse, cum scribebat: *Vtrum uelis terrarum an 
maris an caeli imperium possidere? multo uerisimilius est, quam si illa 
ad Seruium ficta esse dicas. Item v. 40 Galli uerba *uerecunde dicit de 
suis niribus? propius originem accedunt quam Seruiana *uerecunde suas 
uires extenuat et commendat operis difficultatem dicendo audacibus?, quae 
potius ex illis dilatata esse uidentur. Nec minus manifesto v. 31 id quod 
in Seruio insuper legitur: *sicut habemus in Iure? Seruii additamentum 
esse deprehenditur. Quae Gallum aequaliter et a plenioris Seruii recen- 
sionis hypothesi et ab excerptionis crimine defendere patet. Accedit 
quod Galli scholia ad v. 2. 8. 13. 149 aut plane desunt in Seruio aut 
minime cum Seruianis congruunt. Quibus ego ductus indiciis Titum Gal- 
lum Seruio antiquiorem fuisse atque a Seruio haud raro in partes uo- 
catum esse dixerim. 


vi 
DE GAVDENTIO VERGILII COMMENTATORE. 


Quia maximam scholiorum partem, quae Gaudentii nomen prae se 
ferunt, aut uerbis ad uerba expressis aut leuiter mutatis apud Seruium 
extare negari nequit, quod accidit E. 155. VI 48. 79. VIII 21; G. 12. 
222. 245. 252. 275 (ubi * Gaudentius dicit? uulgo post “Incussum re- 
paratum refectum perforatum? positum manifesto ad praecedens scholium 
referendum est). 277. 284. 314. 324. 337. 350. 378. 1I 160. 512. 
Ill 4. 105. 113. 339. 349. 380. 392. 461. 474. 475. 497. 518. 526. 
IV 6. 10. 14. 51 (de quo loco conf. infra). 89. 100. 104. 111. 117.122. 


131. 278. 289. 330. 520. 565 —, Thilo mus. Rh. XV p. 138 not. Gau- 


dentium, quippe qui multa ex Seruio hausisset, saepe uerbum ad uerbum 
expressisset, post Seruium uixisse opinatus est. Mommsen uero mus. 
Rhen. XVI p. 447. 448 rem ita exposuit, ut Gaudentium uulgati qui 
dicitur Seruiani commentarii recensionem repraesentare diceret, parum 
accurate ille quidem: restant enim non pauca scholia Gaudentii nomine 
signata, quae apud Seruium frustra quaeras. Atque artissimas interce- 
dere inter Seruium Gaudentiumque rationes in propatulo est, quod mani- 
festius etiam Iunilio conlato probatur, quem toto caelo a Seruio abhor- 
rere certa doctorum uirorum sententia est uniceque probanda. Quae cum 
ita essent, Mommsen acutissime uidit primam Georgicorum argumenti 
partem inde a uerbis * Virgilius in. operibus suis? usque ad illa “cum de 
Italia diceret, cui parti in codicibus Bernensibus Iunilii nomen praemis- 
sum atque subiunctum est, ob id ipsum, quod eisdem fere uerbis con- 
scripta apud Seruium extat, perperam siue a librario siue ab epitomatore 
ad lunilium auctorem esse relatam credi oportere. Pertinent scilicet ad 
Gaudentium. Hoc luculenter insuper probatur scholio ad G. 11 542, ubi 





100 H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 


praemisso Gaudentii nomine haec leguntur: *Et plerique uolunt idee 
eum dixisse se hoc loco carmini Georgico finem facturum, quod duo se 
quentes libri pastorales sint, non georgici, ut étiam in prima huius car- 
minis parte memorauimus*. Respiciuntur enim his procul dubio primae 
argumenti partis uerba: *Alii autem duos tantum Georgicos male dicunt" 
etc. ldem de scholio ad G. 1 1, quod lunilio uulgo tribuitur, uerissime 
iudicauit, factumque hoc esse ob id, quia in initio operis non satis lihra- 
rius anünum suum muneri subeundo adaptasset, probabilissime conieciL 
Quare uerba *lunilius Flagrius Valentiano Mediolani? potius ante * Geor- 
gicorum duae sunt species? etc. erunt collocanda, atque " hucusque luni- 
lius? post *ex secundi similitudine? subiungenda. Quod ut statuam, 
moueor uerbis post (ertiam argumenti partem additis: * Hucusque hic 
tractlatus?, utpote quae ad Iunilium haud uideantur referri posse, culus 
nomen sequentibus subiunctum uideas, quamquam ne haec quidem solius 
lunilii esse, sed ceterorum quoque commentariorum frustula praebere non 
est quod moneam, quia res ipsa indicat. Videtur potius illud * hucusque 
hic tractatus? ad Galli commentarium pertinere, cuius nomen in inilio 
operis non satis cognitum habuisse librarius statuendus est. Haud dubie 
Monımsen mecum faciet; quem G. I 1 sub illo * alius dicit? Galli nomen 
latere ob causas satis idoneas conicientem (p. 449) ad eandem id uitium 
originem rettulisse laetor. lam in istis, quae argumenti agmen claudunt: 
‘in Georgieis poeta solus loquitur? etc. usque ad illa: *in Georgicis an- 
gusta dilatauit? difficile est diiudicatu, quid ex quoque trium commenta- 
riorum potissimum petitum sit, nisi quod nouissimae duae particulae inde 
a uerhis: *Georgica duobus ınodis scripsi usque ad finem Gaudeutio sine 
dubio erunt tribuendae, quas in prima etiam argumenti parte deprehen- 
dere licet.?) Ceterum turbarum toto hoc loco commissarum apertum in- 
dicium id quoque est, quod ad primam argumenti partem in libris primi 
uersus scholium adsutum est. 

Quodsi personatum primae arg. Georg. partis auctorem Iunilium, 
quem propter ea quae modo dixi Gaudentium dicere licebit, cum Seruio 
conferas, unde rationum quae inter utrumque intercedant indolem probe 
perspicias, primo deprehendes locos non paucos quibus scripturae discre- 
pantia ab ipsa librarii oscitantia erit repetenda. Sunt autem hi: quibus 
temporibus ager Seruius, quibus ager Gaudentius; ad imitationem Odys- 
siae S, ad imitationem om. G; dicentes γεωργίαν γῆς ἔργον S, γῆς ἔργον 
om. G; circa terras constat S, constat om. G; Italiae et praecipue Vene- 
liae S, Italiae, om. et praecipue Venetiae G (quo quidem loco codicis € 
lectio uilaliae clamat non consulto esse “et praecipue Venetiae? omissa). 
Accedit his luculentus locus: Nescientes tertium et quartum licet γεωρ- 
ylav non habeant tamen S, unde in BC nil nisi nestamen relictum est. 


— —— — 


8) Hoc iam Wagner uidit de Iunio Philargyro I p. 24. Sed quod 
*inde intellegendum ei uidetur, cetera quoque, quae in Üla praefatione 
non attingantur, ex eadem deprompta esse, copiosiorem igitur eam fuisse 
quam nunc extet", ea, si cum Wagnero de solo Iunilio (Gaudentio 
cogites, parum probabilis sententia est, multo probabilior futura, si 
tres istos omnino commentatores causam rettuleris. 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 701. 


Sunt autem nonnullae praeterea discrepantiae, leues eae quidem, quae 
lamen non uidentur ad librarium referri, ut: longo interuallo S, inter- 
1allo longo G. idest S, hoc est G; diuisit in ΠῚ S, in IIIl diuisit G; duo 
ontinent S, continent duo G. Quaedam porro, quae in Seruio omissa, 
ἢ Gaudentio addita sunt et uice uersa, ut: transtulit sicut S, transtulit 
ἢ sicut G; Hesiodi S, Hesiodi tamen G; secutus est tamen S, secutus est 
35 praeceptum et doctoris S, praeceptum doctoris G. Accedit quod Gau- 
lentii uerba: *inde duobus modis scripsisse dicendum est? prorsus desunt 
ipud Seruium, et Seruiana: “nam omnis terra ut etiam Varro docet qua- 
Irifariam diuiditur, omisso Varrouis testimonio apud Gaudentium ita se 
sabent: “nam omnis terra quadrifaria". Simile accidit in his: “in his libris 
[uem penitus reliquit? S, pro quibus Gaudentius exhibuit non nisi haec: 
in his libris Georgicorum?. — Denique grauius inter se discrepant hoc 
oco: “male autem quidam Georgicorum duos tantum esse asserunt libros 
3, G uero: “4111 autem duos tantum Georgicos male dicunt. Quid igitur? 
jequitur inde, non eundem nos manibus tenere auctorem Seruium scili- 
‚et modo genuinum modo librariorum neglegentia corruptum uariatum- 
[ue , sed duos eiusdem saltem rei tractatores, Seruium unum, alterum 
saudentium. lam quaeritur, utrum ex Seruio Gaudentius, quae uulgaris 
ententia est, an ex Gaudentio Seruius sua hauserit. 

Sane Varronis testimonium, quod Seruius protulit, apud Gaudentium 
ieglectum est, ita tamen, ut librarii quidem uitio id accidisse per totum 
ententiae liabitum non liceat suspicari.") Restat ut consulto Gaudentius 
misisse dicatur, si ex Seruio eum hausisse cum Thilone statuas. At ne 
ıoc quidem uidetur cogilari posse in summa ista ceterarum partium ae- 
juabilitate atque consensione, praesertim cum probabilis omissionis causa 
iulla possit inuestigari. lam quid relicuum, nisi ut Seruium ex Gaudentio 
ua hausisse dicamus? ea quidem ratione, ut mutatis interdum Gaudentii 
ierbis atque inserto Varronis testimonio aliunde sublato eodem fere modo 
gere!, quo Donatus Vergilii uitam a Suetonio scriptam paucis de suo 
dditis mutatisque (qua de re post Gronouium caute iudicauit Reifferscheid 
uetoni rell. p. 401, cf. supra, quamquam de Donati mutationibus aliter 
entit A. Riese de comm. Verg. qui Valeri Probi dicitur p. 24 not.) omnino 
ülegram commentario suo praetexuit. Nam Mommseni sententia, qua 
saudentium uulgati Seruii recensionem repraesentare dicit, hoc loco nos 
leseri patet, quippe quo plenior Seruius uulgatus Gaudentio conspicia- 
ur. Quid? quod Gaudentii uerba *in his libris Georgicorun?, “nam 
mnis lerra quadrifaria?, *alii autem duos tantum Georgicos male dicunt, 
praeceptum doctoris", si cum Seruianis conferas, propius omnino fontem 
riginemque accedere, Seruiana uero secundam manum perpessa esse 
ideantur? 

Sed iam tempus est hanc nostram sententiam celerorum Gaudentii 
choliorum indole atque natura conprobare. 

Sunt igitur, ut de his primum loquar, scholia non pauca, quae apud 


9) De quo minus cauto iudicauit Wagner de Phil. I p. 31, qui Phi- 
ırgyrii epitomatoribus id inputare mallet. 


702 NH. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. | 
L 


Seruium frustra quaeras, E. V 80. VI 41. VII 22. 37 (ubi haud dubie 
collato Philargyrio: *dulcior inquid Gallia melle Siculo et fertilitate 
[Thilo mus. Rhen. XV p. 129] Gaudentii nomen, quod uulgo post *melle 
Siculo? legitur, superius post “et ipsa adesset? erit collocandum,, Iunilius 
uero scholii *laudat Nymphas — melle Siculo? auctor intellegendus); 
G.15, 8. HI 338. IV 283. 493. Ex quibus G. 18. IV 283. 493 de 
Aristaeo agitur idoneis uidelicet fontibus adhibitis, ut mirum uideatur, 
si cum Mommseno Gaudentium uulgati Seruii quandam recensionem exis- 
times, tam constanter in uulgato Seruio scholia ista ad Aristaeum perti- 
nentia omissa esse, praeserlim cum omissionis causa nulla possit inueniri. 
Vt sane mirer, cur non idem saltem de Gaudentio statuerit Mommsen quod 
de Gallo, pleniorem isto Seruii recensionem significari. Sin Seruium 
Gaudentio usum esse dicas, omissa non miraberis praecipue in tanta com- 
mentatorum copia, quibus Seruius usus esse intellegitur. Ceteris quos 
supra posui locis inueniuntur quidem apud Seruium de iisdem rebus 
scholia, sed adeo diuersi coloris, ut de Gaudentiana quadam Seruii re- 
censione nullo modo possit cogitari. 

Deinde E. I 55 Gaudentii scholium: *Hybla mons in Sicilia? ex Seruio: 
* [Iybla uel Ilyhle oppidum est Siciliae quae postea Megara? non potuisse 
excerpi patet: contra Gaudentianum nonne in istius *quae postea Megara, 
gratiam quod aliunde petitum erat inserturus, a Seruio mutatum esse in- 
tellegitur? Inde simul uides errare Thilonem 1. I. p. 129, qui id quod 
apud Philargyrium legitur: *Hybla quae postea Megara oppidum Siciliae 
uel locus in Attica ubi mel optimum nascitur? ex Gaudentio sumptum 
esse diceret: nimirum ex Seruio potius inrepsit. G. 1 324 loco ceterum 
cum Seruio congruo Gaudentianum *quia altus? obscurius dictum, quin 
Seruiano *qui utique de alto flat? explicetur dubitari nequit. G. IV 89 
legimus in his scholiis: Prodigus, non mella conficiens sed consumens. 
Gaudentius dicit. Dede, da. Neci. Ideo autem regem solum etc. Quae 
eisdem uerbis apud Seruium occurrunt, sed continuato sermone: *Non 
mella conficiens sed mella consumens. [460 autem regem" etc., omissis 
Dede da. Neci. Inde efficitur Gaudentium haec, cum apud Seruium de- 
sint, non potuisse ex Seruio haurire. Denique E. v1 79. VIII 21. G. 1 2. 
245. 277. 284. 337. IV 6. 89. 100. 104. 111. 289. 520. 565 in Gau- 
dentio primam , in Seruio secundam manum facile agnosces. Quid? quod 
G. Ill 113 et inprimis G. IV 117 durius Gaudentii dicendi genus Seruius 
emolliuit? Certe ex Seruiano: *illam allegoriam respicit qua est usus ia 
IP, ut quis potuerit haurire: *Nunc allegorice dicit qua in ll usus est’, 
ualde uereor. Ceterum si inueniuntur loci quibus excerpta esse uideri 
possint ex Seruio Gaudentiana, ut G. lll 474. 526, id non a Gaudentio 
sed a Gaudentii excerptore commissum est, quod luculenter G. lll 526 
ostendit. 

Restat locus praeclarus G. IV 122, quo mea de Gaudentio Seruii 
fonte sententia certissime conprobatur. Vbi haec Seruius tradit: *Sane 
hic cucumis huius cucumis declinatur, sicut agilis; secundum idoneos. 
Nam neoterici hic cucumer huius cucumeris dixerunt, sicut puluer pulue- 
ris. Schol. Bern.: *Cucumis. liaec cucumis nominatiuus huius cucuminis, 


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H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 703 


sed hoc maluit poeta quod eufoniam sequitur. Junilius dicit. Et huius 
cucumeris dicitur ut Gaudentius dicit. IIoc loco primum animaduertas, 
obloqui Gaudentium Iunilio uel salteın respicere Iunilii uerba, fuisse igitur 
Iunilio aetate minorem uel aequalem. Deinde non ita Gaudentium de ge- 
netiui * cucumeris? forma loqui, ut eam inpugnet, uerum ita potius ut 
commendet. Quodsi Seruius ' cucumeris? genetiuum quasi neolericorum 
formam inprobandum esse censet, patet Gaudentium ex Seruio sua hau- 
sisse non posse cogitari. Denique ex hoc loco docemur, Seruium non 
satis habuisse Gaudentii commentarium ipsis uerbis in suum transcripsisse, 
sed interdum illius excogitamentis oblocutum esse. 


VII 
DE IUNILIO FLAGRIO VERGILII COMMENTATORE. , 


Superest ut de tertio commentatore Zunilio Flagrio pauca subiun- 
gam, qua in causa ne longius mihi esset excurrendum, uirorum doctorum 
cum aliorum tum Philippi Wagneri sagacitas effecit, qui duabus “de Iunio 
Philargyro? commentationibus accuratissime atque doclissime scriptis 
difficilem de Philargyrii aetate atque commentario quaestionem fere pro- 
fligauit. Ac primum quidem Junium Filargirium (cf. Laurentiani et 
Parisini codd. subscriptiones mus. Rh. XV p. 119 a Thilone propositas), 
quem Philargyrium uel Philargyrum recentioris aeui homines nominare 
maluerunt, eundem esse atque istum cui Junilii Flagrii nomen inditum 
est in scholiis Bernensibus, trita sane res est, quae non solum nominum 
atque commentariorum utrique adscriptorum summa similitudine conpro- 
batur, uerum etiam eo quod utriusque commentarium Valentiauo '^) cui- 
dam Mediolanensi erat dicatum, cf. schol. Bern. Georg. arg. init., et 
Laurentiani in Bucol. fine subscriptionem, Thilo mus. Rh. XV p. 119. 127. 
Dubitabat tamen Il. Keil Ephem. antiq. stud. 1848 p. 553. Atque Juni- 
lius ex lunio per coupendium scripto ortum est. Alterum uero lunii 
nomen quin Filargirıus siue Philargyrius fuerit, non Philargyrus, 
quod cum Wagnero Eckstein (Encycl. Hal. s. u.) defendebat adsentante 
Keilio 1. 1. p. 550, post dilucidam Thilonis disputationem p. 134. 135 
dubilari non potest, praesertim cum uitium in altera Laurentiani codicis 
subscriptione FILAGIRII commissum eiusdem fere naturae sit, quam fla- 
grius et flagrii formae in scholiis Bernensibus obuiae prae se ferunt. 
Quid? quod G. Ill 532 flagius scriptum est? 

Quod ad aetatem Iunilii adtinet, Suringar (hist. crjt. scholl. lat. II p.97) 
olim Philargyrium et Seruium aequales fuisse statuit atque Osann (symb. 
ad hist. litt. gr. et rom. lI p. 284 seq.) Duebnero praeeunte (Ephem. antiq. 
stud. 1834 p. 153) Seruio Philargyrium uetustiorem censuit. Vrsini enim de 
Imperatore Valentiniano nugae explosae sunt. Optime autem de ea quaes- 
tione meruit Philippus Wagner, qui inde quod Romanam quandam Philar- 


10) Palentinianum nominat subscriptio, sed cf. supra p. 697. De 
uno eodemque homine certe cogitandum est. 


704 T Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 


gyrius dignitatem uideatur contra Graecos tueri, quod prisci temporis mo- 
res suo eliam tempore manere passim ostendat (de cuius rei fide, postquam 
Gaudentium Seruio priorem fuisse docui, quem Philargyrio obnisum esse 
mox ostendam , iam nemo haesitabit, cf. Keil Ephem. p. 550, Thilo 1.1. 
p. 130), quod doctrinam non mediocrem in citandis auctoribus prodat, 
quod denique de Tlıyeste tragoedia quasi superstite referat multaque de 
poetis Latinis qui Augusti temporibus uixere, non uulgaria memoret 
nitido etiam stilo usus, circa Seruii tempus quarto fere post Chr. nat. 
saeculo eum uixisse certissime conclusit Ecksteinio Keilio Thilone (p. 134) 
probantibus, de Iunio Philargyro I p. 25—30. Quamquam aliter sentit 
Bernhardy hist. litt. Rom. p. 485 ed, IIIl, qui Philargyrium farraginis 
Seruianae partem aliquantam esse uult, cuius ob id tenuissima species 
appareat, quod ab epitomatoribus ex Seruio sit euolutus. Cuius theseos 
argumenta omnino desiderantur. 

Li 


VIII 
DE LOCIS QVIBVS IVNILII ET GAVDENTII NOMINA 
CONIVNCTA LEGVNTYVR. 


Ex eorum locorum, quibus ad unum eundemque uersum explican- 
dum Iunilii simul atque Gaudentii mentio fit, numero plures per se iam 
ita sunt conparati, ut diuersae ab utroque proferantur sententiae: E. 1 55. 
VII 37. VIII 21. G. 1 5. 275. 378. 11 160. 542. Ill 105. 113. 338. 349. 
392. 461. 474. 475. 497. 518. 526. IV 6. 10. 89. 100. 104. 111. 
117. 122. 278. 283. 289. 330. 520. 565, quibus omnibus locis et 
lunilii et Gaudentii explicationes seorsum disponuntur. 

Suut autem praeterea loci nonnulli, quibus subscriptis Iunilii et 
Gaudentii nominibus (lunilius et Gaudentius dicit uel dicunt) quasi unam 
eandemque uterque explicationem tradere uidetur: E. VI 48. G. I 222. 
G. ΠῚ 4. IV 131. Sed accuratius in eorum locorum naturas inquirens 
ubique non unum idemque tradi ab utroque, sed binas sententias diuer- 
sas ab epitomatore deprehendes ita in unum conflatas siue mauis dicere 
contaminatas, ut unam speciem ementirentur. 

Iam loci G. Ill 380 ratio non est habenda, quippe quo non ut 
Mueller ariolabatur, Junilius et Gaudentius dicit legatur in libris, sed 
Junilius dicit, Gaudentius dicit, ut Gaudentius dicit ad ea quae secun- 
tur sit referendum. Quod Seruio collato conprobatur. 

Igitur E. VI 48; *Proetides Proeti regis Argiuorum filiae de Sthenoboia 
uxore eius Chrysippe uel Lysippe Iphinoe uel Epinoe Iphianassa (destinobio 
uxore eius crissippe uel hissipe ifinoe uel epinoc ifianasia B) ue] Cyria- 
nassa (deest in B) Iunoni formam suam praetulerunt et insania conpulsae 
crediderunt se esse boues et petierunt altos montes et postea sanatae 
sunt a Melampode Leosthenis uel Amythaonis filio. Iunilius et Gauden- 
tius dicit (leustonis filio iunilius et laudentius dicit B)" — ipsa Proetidum 
nominum duple.c enumeratio duplicem fontem ostendit. Quocum si Ser- 
uium conferas: “Proetides Proeti et Sthenobocae siue Antiopae secundum 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 705 


Homerum filiae fuerunt Lysippe Epiuoe Cyrianassa? et infra: “Ilas Melam- 
pus Ámythaonis filius? facile inihi rationem quae inter Seruium et Gau- 
dentium intercedit respiciens adsentaberis, primum quod uel Cyriunassa 
post *Iphionassa? addidi, deinde quod ex corrupto leusionis extricaui 
Leosthenis uel Amythaonis, postremum quod pro nominibus Proetidum 
Junilium rettulisse Chrysippen Iphinoen Iphianassan, pro Melampodis patre 
Leosthenem contendo, Gaudentium uero Lysippen Epinoen Cyrianassam 
et Amythaonem. Cetera uerba sane *regis Argiuorum? quae apud Ser- 
uium non inueniuntur, lunilio quam Gaudentio tribuere malim ita ut e 
Gaudentii scholio non nisi nomina ista relicta esse dicantur, celeris per 
contaminafionem deperditis.'') 

lam quae ἃ. I 222 habentur: * Quia Liber pater Ariadnam filiam 
Minois uxorem suam cum corona in caelo dedicauit quam coronam Vul- 
canus obtulit ad uxoris insigue et inter sidera collocauit. Iunilius et Gau- 
dentius diciU, si Seruium in partes uoces: “cum Liber pater Ariadnen 
Minois Cretae regis filiam uxorem duceret, Vulcanus ei coronam obtulit 
quam ille ad uxoris insigne inter sidera collocauit’, atque codicem Ber- 
nensem 165, de quo supra dii: “cum liber pater adriatné minois crete 
regis filiam duceret uulcauus ei optulit coronam quam inter sidera collo- 
cauit’, efficitur scripsisse lunilium illud: *quia Liber pater — in caelo 
dedicauil?, cetera Gaudentio esse tribuenda, ita tamen, ut turbae in istis 
couspicuae epitomalori relinquantur. Quare Junilius dicit post dedicauit 
collocaui atque post lacunae signum statui. 

G. IV 131 Vescum minutum uel uescum papauer idest uescendo 
saturum hoc est quo uescimur; aliud est enim lethaeum quo non utlimur. 
Vescum dicilur quicquid sine coctura manducatur; alii ue el esca quia 
ue ualde significat idest multa esca (quia ue multa significat idest ualde 
B) Gaudeutius et [unilius dicit. Iam Vaticani scholiastae (Philargyrii) 
scholio: *uescum tria significat minutuin edule multum’, ostenditur, In- 
nilio tribuenda esse liaec: *Veseum minutum (= minutum Phil.) uel ues- 
cum dicitur quicquid sine coclura manducatur (— edule Phil.‘; alii ue et 
esca quia ue ualde significat idest multa esca (— multum Phil.).^ Quae 
restant: *Vescum papauer idest uescendo saturum lioc est quo uescimur; 
aliud est enim lethaeun quo non utimur? Gaudentii esse insuper ex Seruiv 
discere poteramus, qui omissis: 'idest uescendo saturum lioc est? eadem 
exponit. Thiloni quoque mus. Rh. XV p. 137 placuit, Vaticanum Philar- 
gyrium ex Bernensi hoc loco esse excerptum, ita lamen, ut *edule? ex- 
cerptum diceret ex *uescendo saturum’, quod non procedit. Nam a uer- 
bis *uescum papauer idest uescendo saturum? nouum incipere scholium 
lemmate 'uescum papauer' praemisso ostenditur. Denique Philargyrii 
Vaticani *multum? non ex Bernensi scholio: *alii ue et esca quia ue multe 
significat idest ualde? false intellecto, quae est Thilonis sententia, ex- 
cerptum, sed ex eiusmodi sane libro, quo genuina scriptura: *quia ue 
ualde significat idest multa esca? nondum uitio erat iufecta. 








11) Nomina ista per uel adiuncta pro librarii correcturis perperam 
habuit Wagner de Phil. II p. 27. 14. 
Jahrb. f. class. Philul. Soppl, Bd, IV. Hft, 5. 406 


706  H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Ducolica atque Georgica. 


Restat locus G. Ill 4: Eurystlheus — sufficere. lunilius et Gaudentius 
dicunt. Quae quia paucis non nisi leuiter mutatis apud Seruium omnia 
leguntur, Gaudentio soli erunt tribuenda. lunilii uero nomen ad sequens 
potius scholium: *Durum fortem laboriosum et rerum inexorabilem’ rettu- 
lerim, quod testante subscriptione alterius scholii, qua lunilii nomen 
prius infertur, haud dubie priorem olim locum obtinuit, delrusum inde 
post librarii incuria, quam simili in causa, praesertim in librorum initis, 
summam multis locis licet deprehendere. 

Valet igitur omnibus his locis quibus Iunilii et Gaudentii nomina 
coniuncta leguntur, ea lex certissima, ut bina ubique scholia contaminata 
ferantur. Quare G. IV 51 Pulsam hiemem. Nunc secundum physicos 
dicit qui dicunt quo tempore hiemps hic est, aestatem esse sub terris 
οἱ uersa uice, ut Lucretius ostendit putealem aquam aestate frigidissimam 
hieme uero tepidiorem. hoc sentil el Iunilius dicit, neque Mommseni 
erit probanda ratio, qui Gaudentius et lunilius dicit coniceret mus. Rh. 
XVI p. 447 not. 2 neque Reifferscheid omne uidetur punctum tulisse 
*hoc Suetonius et lunilius dici? restituendo, Suet. rell. p. 247. Primum 
enim wnum omnino scholium esse intellegimus et ex ipso et ex Seruio, 
quod nullo modo in duo diuidi poterit duobusue dispertiri cominentato- 
ribus. Deinde quod iam Reifferscheid quasi praesagiens praeripuit, no- 
men Gaudentii saepissime in eo commentario obuium ac per hoc librario 
tritum satis atque notum corruptum esse in Aoc sentit cogitari nequit. 
Vnius enim eius nominis corruptelae, quae E. VI 48 conspicitur, propter 
ceteras eiusdem. loci turbas non leues certe tolerandae “laudentius? alia 
prorsus natura est. — Accedit quod et anteeuntibus istum locum et sub- 
sequentibus scholiis (G. IV v. 6. 10. 14; 89 etc.) Gaudentii nomen recte 
seribitur. Reifferscheidianae uero sententiae id maxime obstare uidetur, 
quod idem scholium iisdem uerbis apud Seruiwum legitur: nam quod Sue- 
tonii nomen sub corrupto sentit latere coniecit mihi quoque quam ma- 
xime probatur, praesertim si recorderis, G. IV 127 stanto legi pro Sue- 
tonio, v. 565 sitonius crancillus pro Suetonius Tranquillus, aliaque id 
genus plura, quode cf. Reiff. p. 445. Accedit quod non solum decimi 
*Pratorum? libri mentio fit in scholl. Bern. G. IV 14, sed ipse liber nonus 
conpluries adhibitus esse uidetur, conf. G. II 158, cui addas G. Il 479. 
Quid igitur? Scripsit certe epitomator Suetonius et Iunilius dicit, sed 
commisso scribendi errore: uoluerat enim scribere Suetonius et Gauden- 
lius dicil. Pro Gaudentii nomine non raro Iunilium supponi seu librarii 
seu epilomatoris neglegentia iam supra uidimus (cf. Mommsen mus. 
Rhen. XVI p. 447) atque factum hoc esse ipse Seruius conlatus testis 
est. [loc enim iam extra omnem dubitationem positum est, Philargyrium 
proprii commentarii esse auctorem neque ad Seruium pertinentis uel ex 
Seruio euoluti. δὶ igitur. Seruiana in scholiis Bernensibus sub Zunilii 
nomine ferri uideas, fere ubique Gaudentii nomen reponendum aio. '*) 








12) Tale quid G. I 437 accidisse uidetur ubi uides duo scholia de 
Glauco prolata non posse, quod sane factum est a librario, uni eidem- 
que Iunilio tribui, praesertim cum Glaucus modo Polybi, modo Anthe- 
donis filius fuisse dicatur. Quare cum posterius scholinm cum Seruiano 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 707 


Quamquam magna in ea re cautio est adhibenda, quia haud raro Iuniliana 
in Seruium posteriore tempore inrepserunt. Dico eos Seruiani commen- 
tarii libros in quibus addita sunt, quae uncis inde a Burmanni tempore 
includere consueuerunt (cf. Thilo mus. Rh. XV p. 138—148 de Lemo- 
uicensis et Reginensis ad ecl. IV. V additamentis).?) ^ Quod uitium inde 
ortum est, quia multo saepius Iunilius quam Gaudentius ab epitomatore 
excerptus est, ut illius nominis memoria librarii animo penitius inhae- 
reret. Contrarium uero , ut Gaudentii noinen pro Iunilio poneretur, num 
acciderit usquam, ob eandem causam dubitauerim. Nam G. 1 378 (cf. 
Mommsen Mus. Rh. XVI p. 447 not. III) uerba Gaudentius dicit in mediis 
Philargyrianis uersantia haud dubie ob id, quod epitomator fabulam Oui- 
dii de Lyciis pastoribus in ranas conuersis integram referre supersedit, 
alieno loco intrusa sunt eruntque post ‘perucnisse et reliqua? collocanda. 
Tamen de hac causa tum demum (firmum satis atque secans iudicium 
ferri poterit, cum ad codicum fidem totum Philargyrii commentarium 
editum fuerit. Ceterum magna cum licentia epitomatorem auctorum no- 
mina modo posuisse modo otnisisse, prout liberet, inde licet cognoscere, 
quod E. I quater Iunilium laudauit, E. Il. Ill. IV nusquam ; E. V octies et 
decies, E. VI sexies, VII sexies, VIII octies et decies, IX quinquies, X qua- 
ter; Georg. 1 octoginta fere, G. II non nisi nouem locis; G. Ill tricies 
semel, G. IV uicies semel. Pari fere numerorum ratione Gaudentium E. I 
non nisi semel, E. Hl. III. IV nusquam nominauit, E. V semel, E. VI ter, 
E. VII ter, VIII semel , IX. X nusquam; G. I quinquies et decies, G. Il nou 
nisi bis; G. ΠῚ quatuordecim, G. IV duodeuiginti locis. 

Sed ut eo unde digressi sumus reuertamur, loco G. IV 51 nemo 
opinor dubitabit, quin Suetonii nomen in ipso scholio Gaudentii olim 
lectum fuerit. Quod cum apud Seruium 1. l. frustra quaeras, en nouum 
indicium, quo Gaudentium ex Seruio fluxisse negamus. Epitomator autem 
interdum ila egit, ut, si laudari auctores quosdam a suis commentatoribus 
ukleret, eorum nomina una cum commentatorum nominibus scholiis sub- 
iungeret, ut G. I 158 Iunilius et Tranquillus dicunt; G. 11 240 * Aratus 
et lunilius diciU. Quamquam ipso hoc loco accidit, ut duo scholia diuersa 
epitomator in unum contraherel. Nam ad Aratum pertinere non nisi illa: 
*[am definitio? etc. testantur cod. G uerba ad v. 242: "Arctos ut Aratus 
dicit quam secundum clima nostri caeli arclicus circulus? etc. Reliqua 
quae praecedunt, lunilii esse dico, cf. Seruium uncis inclusum ad v. 240: 
*Sane aliqui mundum pro caelu accipiunt hoc loco qui mundum nomen 
uolunt esse uniuersae naturae. De quo genere supra exposui. Cf. etian 
quae ad G. IV 127 infra sumus dicturi. 

lunilium a Gaudentio inpugnari supra uidimus poteratque id inde 


si non uerbis at re satis congruat, illud Iunilii, hoc uero Gaudentii 
esse dixerim. 

13) Cf. Wagner de Phil. II 29. Sunt autem loci eiusmodi: E. V 
72. 19. G. I 134. 240 alii. Longe aliter se habet res G. I 133, ubi ex 
Vossiani lectione: “extunderet, studiose reperiret, a fabris translatio, 
Junilius dicit! Philargyrium in Seruium inrepsisse probatum iuit Surin- 
gar, perperam ille quidem, si scholia Zernensía ndeas, 


40) 


708 1. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 


quoque probari, quod lunilii explicationes fere semper Gaudentianis prae- 
mittuntur, quamquam hoc ex excerploris lubitu factum esse si quis dicat, 
non πὺξ καὶ λαξ obnitar. Id uero noli credere ad hanc quaestionem per- 
tinere, quod E. 155, postquam Gaudentii explicatio praemissa est, sub- 
iungitur: set tamen Iunilius dicit, quia idem, sed inuerso nominum scho- 
liorumque ordine E. VII 37 accidit. Profligatur uero causa loco G. 11 542: 
*paene sic finiuit quemadmodum in primo, ut comparatione uteretur. 
lunilius dicit. Aliter Gaudentius ait, allegoricos hoc dicit: debemus fati- 
galo ingenio parcere fine carminis; sane non est comparatio sed trans- 
latio, sicut etiam in primi fine dicimus." Seruium quoque Iunilio aduer- 
sari ostendit locus ἃ. Ill 475 ubi Seruii uerba: *Vnde male quidam 
lapygis legunt cum lapygia sit Apulia? non possunt non ad Junilium 
referri. Eodem modo Gaudentius (cf. Georg. II 542) in Georg. argum. 
parte I uerbis: *quidam male dicentes? usus Iunilium inpugnat, qui cum 
ob alia tum ob eam ipsam causam argumenti partis II auctor existimandus 
est, conf. supra. Philargyrius igitur et ante Seruium et ante Gaudentium 
commentarium suum in Bucolica et Georgica conposuit. j 

Videmur igitur ex spinosa hac disquisitione id conseculi esse, ut 
probabiliter, credo, statui possit, (ria Iunilii Titi Galli Gaudentii com- 
menlaria Seruiano priora fuisse, ita ut Seruius Gaudenlium fere 
semper, Titum Gallum conpluries, lunilium non nisi raro in suum 
usum conuerteret. Quod autem de Philargyrio Wagnero credendum 
erat, quod de Valerio Probo aliqua sane ex parte non poterat negari, 
idem ut de Tito Gallo et Gaudentio concedatur, aequo iure mibi uideor 
postulare. Ceterum qui eius quaestionis difficultatem nouerint, mitius 
eos spero de meis tentaminibus iudicaturos. 


VIIII 
DE SCHOLIIS ADESPOTIS. 


lam de ceteris Iunilii et Gaudentii scholiis quibus nomina non sunt 
addita, paucis disputandum.  Paruam omnino scholiorum Bernensium 
partem nominibus additis ad certos referri auctores supra monui, ita 
ut memores uerborum in Georgicorum initio positorum: *Haàec omnia 
de commentariis Romanorum congregaui idest Titi Galli et Gaudentii et 
maxime Iunilii Flagrii Mediolanensis? plura etiam ex adespotorum numero 
ad istos commentalores referenda esse per se probabiliter possimus coni- 
cere, ltaque ad lunilium haud dubie pertinet de Maeuio et Bauio scholium 
E. IIl 90, ut ex Philargyrio uidere licet. Quodsi G. 1 42 legimus: “nam wt 
dixi Augustus diuinos meruit honores. Zunilius dici, scholium ad v. 24 
patet ab eodem lunilio profectum esse, quamquam nomen non est additum. 
E. V 74 apud Philargyrium obuium est (Laur. Paris.). Denique scholium 
ad G. IV 273 aperte lunilium Mediolanensem redolet. Idem de Philar- 
gyrio Vaticano statuit Thilo 1. I. p. 137. Sed de his edito olim a Thilone 
toto Philargyrio melius certiusque iudicabimus. 

ldem Gaudentii scholiis quibusdam accidit, ut nomen omilteretur, 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 708 


e. g. G. III 89 Pollucis, Castor equorum domitor etc., conf. E. VI 79; 
G. ΠΠ 5 conlato Seruio fortasse Gaudentius dicit scribendum pro: *in- 
laudatus Apollo? conf. E. VI 48 laudentius. ἃ. 1 514 'Neque audit 
Translatio? Gaudentii explicatio est, cf. G. II 542: Gaudentius ait: 
eO . 2 Sane non est comparalio sed (ranslatio, sicut etiam in primi fine 
dicimus, Denique ex G. IV 565 conicias, quaedam ex Seruiano Bucoli- 
corum argumento p. 96 extr. L (cf. etiam Seru. ad E. 1 29) Gauden- 
tium auctorem prodere qui ipse hoc quidem loco sua ex Asconio Pediano 
hausit, ut testatur Probus p. 7, 7 K. Neque uero inde quod artissima 
Gaudentium et Seruium cognatione consociari manifestis usi indiciis 
ostendimus, quaecumque in scholiis Bernensibus similia Seruianis ferun- 
tur, ad unum omnia Gaudentio erunt tribuenda. Sunt enin non pauca 
scholia admixta, quae non ex uetustioribus Seruio fontibus sed ex ipso 
Seruio aperte fluxerunt. lloc ut probetur, sufficiat nominasse locum 
G. 11170, quo de Scipionum historia plenius enarranda ad sexti Aeneidis 
libri commentarium (Seru. ad Aen. VI 844) delegamur ita ut illic fusius 
se expositurum schuliasta polliceatur Seruio fusius se exposuisse adfir- 
ımanle et G. IV 220 quo mira excerptoris oscitantia Seruianae ad v. 218 
et 219 explicationes foedissimum in modum confusae sunt, adeoque cor- 
ruptae ut si mederi uelis, totum Seruii locum describas, cf. etiam Thilo 
mus. Rh. XV p. 138. Seruium passim in scholia Bernensia inrepsisse eo 
minus mirandum, quod idem nonnusquam Philargyrio accidit ul patere- 
tur, cf. Thilo l. l. p. 129, inprimis ad E. 1 55, quo contra Gaudentium 
atque Iunilium Bernensem Philargyrius Laurentianus idem omnino quod 
Seruius exhibet. Seruii scilicet scholium postquam inrepsit, Philargyrii 
uerba expulit. 

Sed quae de lunilio atque Gaudentio hucusque disputaui, ita possil 
quispiam inpugnare, ut locos G. IV 193 et G. 1 59 mihi obiciat, utpote 
quibus Gaudentii et lunilii nominibus additis tradantur, quae recentioris 
omnino originis indicia prae se ferant. Priore enim loco G. IV 493, 
postquam de Aristaei Orphei Eurydices fabula expositum est, haec addun- 
tur: *Hoc per somnium tantum uisum est, ut puto, sed ridiculosa genti- 
litas fingit falsa Quae hominem christianae fidei addictum redolere, 
immo prodere, mihi quoque persuasum est. Sed inde quod in codice 
Bernensi 165, in quo ex scholiorum Bernensium numero nonnulla passim 
margini aspersa sunt, optimae lectionis plena (cf. ad G. 1ΠΠ 7), uerba ista 
christiana plane desunt, iam luce clarius efficitur, ab istius scholiorum 
' ferraginis congregatore, quem Christianum fuisse non moror, inter excer- 
pendum esse adsuta. ldem G. 1 59 accidit: ubi sub lunilii nomine PAy- 
siologi liber laudatur (duo seruantur in bibliotheca nostra codices nr. 
233.318, cf. Sinner catal. codd. mss. Bernn. I p. 128—-136), quem sep- 
timo uel octauo fere saeculo scriptium medii aeui hominibus praeter Soli- 
num praecipuum fuisse fontem, unde naturalem animalium historiam 


14) Eodem pertinere dico, quod de Vossiano tradidit Suringar hist. 
erit. II p. 270, ad calcem folii XVIII ab antiqua manu rubro colore 
adpictas esso litteras: 'Seruus Hus exp’, in quibus ‘Seruius Honoratus 
exposuit? latere neminem fugit. 


110 11. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgíca. 


cognoscerent, satis notum est Scheffeliani Ekkehardi lectoribus (cf. p. 
422 not. 58). Quare ibi quoque uerba: “ut in physiologi libro dicitur? 
ex grato epitomatoris animo, qui iucundi libri bene esset memor, pro- 
fecta esse dicemus. ^) 

Ceterum ipsorum etiam scholiorum numeri haud parui auctor est 
habendus idem iste, qui scholia congregauit atque excerpsit. Quae epito- 
matoris additamenta eo potissimum agnoscuntur, quod ridiculam stulti- 
tiam atque mirabilem absurditatem profitentur. Huc referas E. III 51. 
52. IX 1, ubi de uelocissimo Saracenorum equo, cui Zmori nomen fueril, 
bellum in modum inludimur, cuius equi Emoris uelocissimi atque prae- 
stantissiini parentes fuere falsa uerborum: “Quo te Moeri pedes? discri- 
minatio atque e litterae interitus.) — Sed, nescio unde, mihi suspitio 
suboritur latere in his ineptiis tenuem quandam Vergiliomastigis memo- 
riam, qui Vergilii inludendi causa pro *quo te Moeri pedes? proferret: 
*guot te Moeri pedes?, ridiculum sane commentum, sed non absurdius 
quam qualia omnino de istius Vergiliomastigis indole innotuerunt. — 
Denique G. Ill 350 *flauentes spirantes? sibi persuasit epitomator, flauen- 
les idem esse quod /lantes. 

Ilaec igitur scholiorum Bernensium farrago ex quinque partibus 
constat: nimirum scholia Zunilii, &audentii, Galli, Seruii et epitomaloris 
inesse uidimus. Quibus pro sexta parte adiungi possunt ea scholia, quae 
recentiorem quidem atque Christianam ostendunt originem (cf. inpri- 
mis scholia ad E. Ill) neque tamen ita sunt conparata, ut ex epitoiia- 
Loris cerebello uideantur exoriri potuisse. Idem iam Thilo de Philargyrio 
recle censuit mus, Rh. XV p. 130. Id uero certum est, uerba ista de- 
cantata: λας omnia de commentariis? etc. de tribus quos ultimo loco 
nominaui scholiorum generibus nihil ualere. ldem sensisse uidetur II. 
Keil ephein. antiq. stud. 1848 p. 553 qui scholia ad ecl. III 40 et II 4 
ex Probo repeteret; ut angustioribus olim finibus congregationem istam 
cireumscriptam fuisse probabile sit. Quamquam Mueller aliter censuit, 
cui uiro insuper Titus Gallus non solum per quattuor Georgicorum libros, 
uerum etiam per decem eclogas ambulare uisus est. 

Sed id accuratius singulatim definiri nequit, quae potissimum farra- 
ginis anonymae scholia ad Iunilium Gaudentiunmque referenda sint, prius- 
quam integer codicum Laurentiani atque Parisini Pliilargyrius, et Vati- 
camus Georgicon commentarius typis erunt descripti. Tunc autem ex 
inutua. utriusque collectionis conparatione uerum est et ad Philargyrium 
uanis posleriorum temporum additamentis purgandum et ad scholia Ber- 
nensia certius quam fieri licuit discribenda et suis quaeque auctoribus 
reddenda satis subsidii esse redundaturum. Res enim ita sese habet, ut 


t — — 088 





15) Nam Wagner de Phil. II p. 23 pro “ut physiologi libro dicitur? 
ex cod. Burm. G (quod ait et Cicero pro Scauro) coniciens scribendum 
esse: ul Cicero pro Scauro dici!, feruidius incautiusque egit. Neque 
parui faciendum hac in causa Vossiani codicis testimonium, in quo ea 
uerba desiderantur neque leguntur nisi haec: “δὲ uirus quod habent 
castorium dicitur. Iunilius dicit. 16) Et profecto in cod. Bern. 173 
manu prima in textu scriptum erat: “quo timori pede»’, cf. Ribb. 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 711 


alterum alterius auxilio quam maxime egeat; siquidem in Bucolicorum 
commentario codicum Laur. et Paris. oh subscriptiones certas summa est 
auctoritas habenda, in Georgieis uero, dum Philargyrii qui uulgo fertur 
codices nihil omnino de nomine testantur, ad unos codices Bernenses 
quaestionis momentum rediit. Quare hic subsistendum. 


Xx 


DE QVIBVSDAM SCHOLIORVM BERNENSIVM LOCIS 
CORRVPTIS. 


lam de singulis scholiorum locis pauca, quae ad crilicen spectant, 
proponam. 

1) Ac primum quidem E. Ill 90 Zusebio reddidi, quae praemisso 
eii dicit ex llieronymo Ol. 186, 2 de M. Bauio poeta traduntur, non in- 
memor loci E. X argum., ubi ex eiusdem Eusebii nomiue item nil nisi eus 
(B) uel eius (C) relictum erat in libris. Quo scripturae conpendio accidit, 
ut argum. E. V post: *poeta Virgilio amantissimus? Euscbii nomen peri- 
ret atque loc semel facto, quod relicum erat, dicit in quía uerteret. Si- 
mile quid in cod. Bern. 165 contigit, quo post Firgilii scilicet haec infe- 
runtur: “οἱ praedicti emilii macri qui ucronensis poeta cum esset in asia 
moritur. Conlato enim llieronymo Ol. 191, 1, non dubium, quin cum 
essel corruptum sit fueritque olim scriptum: wt Eusebius ail. Nam de 
Suetonio ipso haec posse ualere suspicanti Ribbeckio proll. p. 195 nolim 
adsentiri. Ceterum Ribbeckium quoque de E. IIl 90; arg. Ecl. V; arg. 
Ecl. X ad Hieronymum prouocasse laetor proll. p. 104. 195. 

Quoniam de Eusebio sermo est, non alienum de personato quodam 
Eusebio quaerere, quem ad G. | 482 schulia Bernensia laudant. Sunt 
autem haec: "Eridanus. Rex siue quod in eum flumina multa intrant 
ex Alpibus uel quod ipsius simulacrum in caelo sit receptum. Vbi enim 
Eridanus sit multi errant. Eusebius ipsum esse Rhodanum propter ınagni- 
tudinem et cursum rapidissimum; Cíesias etc.’ Quorum omisso isto no- 
mine apud Burmanni G non nisi haec leguntur: *ubi sit Eridanus multi 
errant; ipsum esse Rhodanum putant propter muititudinem. Thesias etc.’ 
Eusebii nomen hoc loco inter antiquissimos auctores Graecos Cfesiam 
Choerilum Ionem uersari et per se mirum uideri poterat et auget suspi- 
tionem, quod nullus inuenilur liber, «quo ista Eusebius dixisse cogitari 
possit. Quare caute Th. Mommsen , cum auctores in scholiis Bernensibus 
laudatos enumerabat, mus. Rhen. XVI p. 452, egit quod Eusebii nomini 
interrogationis notam addidit. Quid multa? Nimirum .eschylus est 
intellegendus. Tradit enim Plinius Hist. Nat. 1. XXXVIIL 32 liaec: "Nam 
quod Aeschylus in lheria hoc est in Hispania Eridanum esse dixit cun- 
demque appellari Rhodanum. Accedit quod in cod. B non est eusebius, 
quod C exhibet, sed eusebus scriplum; Acschyli uero nomen uides G. II 
382 erculus scribi, qua forma prior fuit esculus, quae quam facile in 
eusebus abire potuerit, immo abierit, quid uiros crilices codicumque 
uersandorum peritos moneam? Quid? quod paullo post $ 39 Ctesias 


712 1]. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 


quoque a Plinio laudatur, cuius nomen in hoc scholio Aeschylum sub- 
sequi uides. Ostendunt autem uerba: “propter magnitudinem et cursum 
rapidissimum?, non ex Plinio ea hausta esse, sed ex communi fonte, unde 
Plinius quoque sua desumpsit. Ceterum de Aeschylo conferas Godofredi 
Hermanni opusc. 1. IIl p. 131 seq. et schol. Hom. Odyss. o v. 208: ἡ 
ἱστορία παρὰ τοῖς τραγικοῖς. 

2) De scholio ad E. Ill v. 105 amplius disputandum. Hoc loco pri- 
mun Ribheck recte uidit, in his: * dicit Cornutus ab ipso Virgilio audisse 
[se] etc.’, pro, quo nomine in Philargyrii codicibus Laurentiano atque 
Parisino cornif legitur, et ob rationes, quae inter Vergilium Cornifi- 
ciumque intercedebant parum familiares et, quod de utroque aeque ualet, 
propter nimias temporum discrepantias (quia ul Cornificius mortuus est 
antequam Vergilius Bucolica ad finem perduceret, ita Cornutus, quem ab 
ipso Vergilio audisse tradit scholium illud, eo tempore quo Vergilius de- 
cessit ne natus quidem fuisse uidetur) neque hoc neque illud uerum esse. 
Subseribendum igitur indubitanter eius uiri emendationi palmariae, qua 
Cornelii nomeu uiri cum Vergilio, ut satis constat, coniunclissimi sub- 
stitui uoluit, praesertim cum non iam ad uocum CORNEL. et CORNIF 
similitudinem sit confugiendum, sed ad id, quod locis quibus Cornelii 
Galli in scholiis Bernensibus fit mentio, tantum non, omnnibus cornilius 
scriplum est, a qua nominis forma (cornil?) et cornif et cornut' pari fere 
atque adeo uili ducluum discrimine uides recedere. Quamquam Cornelii 
et Gornifieii nominum permutationis causa non a ductuum tantummodo 
similitudine uidetur repetenda esse. Neque enim dubitari ullo modo 
poterit, quin apud Cledonium p. 1898 P, p. 43 K (gramm. latt. uol. V) 
qui laudatur. Cornificius Gallus, ut ei id Galli cognomen adderetur, nulla 
alia de eausa factum sit, nisi quod aut librarius aut, id quod magis cre- 
dendum, Cledonius ipse Cornificii Corneliique nomina inter se permutanit. 
Nam id bene uidit Zenricus Keil ad Cledonium praef. gramm. latt. uol. V, 
non pauca cum ceteros grammaticos, tum Cledonium ex commentatorum 
Vergilianorum copiis degustauisse, quod p. 1898 P, p. 43K quoque con- 
ligisse probat Seruius ad E. V v. 36 conlatus. Cum enim eodem Cice- 
ronis evemplo adhibito utrobique uocis ordeum pluralis usurpatio in- 
lustretur. iam manifestum tenemus indicium, Cledonium ex uetusto 
quodam ad E. V 36 commentario et uersum illum Cornificii deprompsisse, 
qui nuuc inter Maeuium Bauiumque, *quibus oninia sua erant communia, 
aequaliter distributus ad Georg. 1 210 a Seruio memoratur, elsi non 
hunc locum sed E. V 36 siue Cornificium siue Maeuium Bauiumque respe- 
Msse iam dudum intellectum est a Ribbeckio lectt. Vergg. p. 2; proll. 
p. 17. Qui Cornificii uersus ut ad Maeuium Bauiumque referretur, sane 
laetum. est turbulenta commentatorum ad E. VII 22 seq. interpretatione, 
qua modo Maeuium modo Cornificium ef. scholl. Bern. v. 26) sub Codri 
nomine perstringi opinarentur. 

Neque uero, ut ad quaestionem illam redeam, solum in ecloga quinta 
Gornilicii Corneliique mentio fit a commentatoribus (cf. scholl. Dern. E. V 
8. 15. 73.88. 89) sed tota ecloga VII (praesertim in argumento! tam 
artis ea nomina uinculis inter se coniuncta proferuntur, ut minime mirum 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 113 


sil, grammaticum obiler commentaria percurrentem cum altero alterum 
ita conmutasse, ut Cornificio Cornelii cognomen daret. Quam sententiam 
post Pngerum Ribbeck quoque, quamuis dubitanter, amplexus est, proll. 
p. 96. Idem igitur hoc uitium scholii ad E. III 105 aut epitomator aut 
librarius conmisisse putandus sit ille qui Philargyrianam codicum Laur. 
et Paris. farraginem congregauit. 

Porro Ribbeck contra Maduicum de Asconii commentariis p. 8 adn. 
iure statuit, p. 98, eandem rem respici et illis: *Dicit Cornelius ab ipso 
Virgilio audisse [se] quod Caelium Mantuanum quendam tetigit qui con- 
sumptis omnibus facultatibus nihil sibi reliquit nisi locum trium ulnarum 
spatium ad sepulturam et Caeli pro Caelii dixi, et his: “Item Asconius 
Pedianus ait se audisse Virgilium dicentem in hoc loco se grammaticis 
crucem fixisse: quaesiluros eos si quis studiosius occuleretur. Dicit au- 
tem propter Caelium Mantuanum', nisi quod non debebat opinor utrumque 
scholium ex Asconii libro petitum esse statuere. Videtur enim, ut breui- 
hus defungar, prioris scholii auctor primarius ipsum potius Corneli? 
librum inspexisse, quod et ipsa utriusque scholii diuersa indole et ordine 
a Seruio Philargyrioque aeque instituto firmatur. Ceterum Ribbeckio 
bene monente, *cum Asconius uiginti fere annis post mortem Vergilii 
natus sil, necesse esse auctorem fabellae ab Asconio in commentariis tra- 
ditae librariorum culpa intercidisse?, equidem Cornelium dicere post 
.4sconius Pedianus ait lihenter insererem, nisi dubius haereret animus, 
utrum ad librarium id uitii genus an non ad Philargyrium ipsum referri 
deberet. 

lam in illis: “Item caeli spatium Quidius Naso torificium ail qui 
tantum caelum patere uidetur quantum torrificium pateU (de Philargyrii 
codicum discrepantia scripturae cf. Ribb. proll. p. 98 not.), auctoris 
nomen, quod in Laurentiano legitur oledius nasso, in Parisino oledius 
nasso, corr. olidius naso, corruptum esse palet.  Indagandum autem 
eiusmodi nomen, quod aequaliter et in olidius et in ouidivs corrumpi 
potuerit. Quare de Aufidio cogitaui (cf. supra CORNIL in CORNIF corrup- 
tum), quem idem Philargyrius ad Georg. II v. 497 de Dacorum quodam 
more Vergilium recte statuisse introduxit adfirmantem. In reliquiis autem: 
nasso (orrificium ait non uidetur aliud latere, nisi: esse putei orificium 
ait, putei uero ob id, quod antecedit, spatium, eodem modo expulsum 
esse, quomodo infra post quantum, propter id quod sequitur patet, idem 
euanuit. '?) . 





17) Atque quoniam Pseudo-Cornuti mentionem fecimus, in mentem 
uenit personatus, ut opinor, Porphyrion una cum genuino Cornuto memo- 
ratus in /ucani commentario optimo Bernensi, quem locum ex codice 
CCCLXX saec. X protulit commentatusque est //ermannus Vsener prne- 
ceptór meus carissimus, cui hunc librum uolui dieatum, in prohoem. aest. 
Bern. CIDIJCCCLXTII p. VI. Est autem is, f. 10* ad Lucani I 214: Puniceus 
Aubicon: *Porfurion (corr. porfirion; Porfirius cod. Bern. XXXXV) puniceum 
interpretatus est quasi phoeniceum (feniceum; propter rubras aquas add. 
Vsener ob glossam cod. XXXXV interlinearem: quasi feniceus propter rubras 
aquas) quemadmodum ἐρυϑρὰν θάλασσαν (EPITRANTALASAN rubr.; opi- 
trantalasan cod. 45) dicimus rubrum mare. Cornutus uero sic: quasi (uero 


41. H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 


3) E. Vl argument. *Fauni a fando dicti. Zeonymus co libro quo 
de mirabilibus diuersorum deorum ac dearum sacramentis loquitur, dicit : 
*l'auni a Fauno pastore qui et deus dicti, Sileni a Sileno poeta, Satyri a 
Satyro pastore. Hisque omnibus haec ecloga modulabilis est.’ 

Haec in libris sic legebantur: Fauni fauno pastore qui et deus dicti 
leonimus dicit. fauni (leoni mus dicit. fauni C, ut leonumus olim scrip- 
tum fuisse in C adpareat) a fando dicti sileni a silenu poeta satyri a sa- 
tyro pastore. Hisque (His quoque C) omnibus haec egloga modulabilis 
est quia de mirabilibus diuum suorum (diui suorü C) haec (hec C) dearum 
sacramentis loquitur. 

Atque, ul hinc incipiam, uerba: 'quia de mirabilibus diuersorum 
deorum ac dearum sacramentis loquitur? (nam sic corrigenda esse nemo 
negabit) non posse ad Vergilium referri, idest ad eius eclogae argumen- 
tum non pertinere, iam inde euincitur, quod nulla omnino in hac ecloga 
‘de mirabilibus diuersorum deorum ac dearum sacramentis? fit mentio. 
Quare ad Zeonymum referre non dubitaui: tertium dari non uideo. Tum 
uero istis uerbis non potest non Leonymi operis titulus contineri. Quae 
si recte disputata sunt, iam alterum, de quo quaeri potest, facillime sol- 
uitur, scilicet, utrum illud Zeonymus dicit ad superiora an ad sequentia 
pertineat: nam pertinere ad sequentia, quamquam post dicil interpunxerunt 
nostrorum librorum librarii, sequens operis titulus satis uidetur probare. 
Quod. autem uerba: Fauni a fando dicti, quae in libris post *Leonymus 
dici secuntur ad superiorem locum reieci, illa uero *Fauni a Fauno 
pastore? post *Leonymus dici! sedem occupare iussi, his sum potissimum 
rationibus adductus. Primum enim non est credibile, Leonymum in deo- 
rum nominibus explicandis modo ad verbale, ut ita dicam, modo ad no- 
minale ueriloquii genus respexisse. Quare, quoniam paullo ante re uera 
eiusdem generis explicatio, quo in nominibus Silenorum et Salyrorum 
explicandis Leonvmus usus est, de Faunorum nomine extat: *Fauni a 


sic sic; uero sic quasi eod. 45) puniceum lapidem habens aut ripas. Quae 
in Porphyrionis fragmentorum numerum rottulit O. Keller Symb. p. 499. 
Quid? si conlato Seruio ad Georg. IIII 373: 'Zurpureum? autem ni 

ex altitudine accipimus. Nam Padus non in rubrum mare sed iuxta 
Rauennam in Adriaticum cadit, Zt * purpureum? graecum est epitheton: 
[mere rubrum etiam dixit] Homerus: εἰς ἅλα πορφυρόεσσαν. Vnde 
apparet Victorinum hoc loco errasse qui purpureum mare rubrum esse 
dixit quod est iuxta Indiam’ —, quocum conpares etiam schol. Bern. 
ad hunc loeum: Purpureum epitheton graecum est ctc., quid igitur, si nil 
illis subsit nisi hoc: Πορφύρεον *puniceum! interpretatus est (Lucanus sei- 
lieet) quasi phoeniceun? quod sane additum: quemadmodum ἐρυθρὰν Ba- 
λασσαν dicimus rubrum mare non tam suadere quam efflagitare uidetur. 
Nam ut paruam Z'orphyrionis istius fidem esse credam, moueor insuper 
et co, quod interpretari non commentandi, sed ex lingua alia in aliam uer- 
lendi, praesertim ex graeca in latinam uim habere solet et quia non per- 
fecta sed praesenti uerbi forma utentes auctores a scholiastis laudari 
consueuerunt. Inde uero, quod sequitur: * Cornutus uero sic’, alterius 
commentatoris »omen praccessisse non posse colligi docent Seruii loci 
cum multi alii tum is ad Aen. I 488 ‘Se quoque etc., aut latenter pro- 
ditionem tangit .. . . aut uirtutem eius uult ostendere . . . . Cornutug 
tamcn dicit uersu isto ctc. 


H. Hagen: scholia Berneusia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 715 


Fauno pastore’, sine ulla dubitatione tria haec, coniungenda inter se esse 
censui. Nam patet, si quis ex aliquo fonte adferat eiusmodi explicationes: 
*Sileni a Sileno poeta Satvri a Satyro pastore, si insuper addat: "Fauni 
a Faüno pastore, ex eodem lioc quoque quo illa fonte esse petita. Su- 
perest unum, quod quis possit suspicari, ut ex Leonymo commentatorem 
non nisi haec petisse dicat : 'Leonymus dicit: Fauni a fando dicti. Hoc 
uero quominus uerum esse credatur, maxime obest locus ad G. 1 10, quo 
eadem ista, de qua agitur, explicatio, a Farrone dicitur tradita esse: 
*Fauni dii siluestres Latinorum, dicti a Fauno rege [Italiae μοὶ a fando 
dicli, ut Varro ait. Tunilius dicit? Patet commentatorem, qui Georg. 
I 10 Varronis auctoritatem esset laudaturus — nam Junilio omnia ista 
argumenta eclogarum tribuenda esse ostendunt argg. E. VII. VIII. X — 
eadem non potuisse in ecl. VI argumento ex auctore prorsus alieno pe- 
tere. Quis uero iste Leonymus, qui de deorum sacramentis scripsit, fue- 
rit quoue tempore uixerit curiosius interrogantibus, quia praeter hoc 
nullum omnino testimonium extare uidetur, non habeo quid respondeam. 

4) E. VI v. 61. Miratam mula puellam. Nic participium actiuum 
agit, quod more Graecorum passiuum ueteres agunt ut Flaccus adnotat. 

Flaccum istum esse V'errium Flaccum grammaticum notissimum 
non est quod moneam. Videtur autem haee de participio tradidisse codem 
fere loco, quo tradebat, quae Charisius p. 184, 12 K et Diomedes p. 376, 
19 K ex Verrio protulerunt ad participii notionem spectantia. Sed sunt 
in codice alia prorsus scripta: Miratam mala pucllam. llic participium 
passiuum agil quia more grecorum ap! ueteres agunt ut flaccus adiuuat. 

Ac primum quidem adiuual corruptum esse ex adnotat uel adfir- 
mat (cf. Charis. p. 58, 22 K “ut Verrius Flaccus adfirmat?) in propatulo 
est. Deinde abbreuiatum illud ap! non posse, quod Muellero placuit, in 
aput resolui, iam inde patet, quod in co codice, si per conpendium «put 
scribatur, ubique af scriptuin est, apt nusquam. Accedit quod (Vergilius) 
agit el. ueteres agunt ita sibi inuicem respondent, ul weferes non nisi 
pro nominatiuo accipi possit. Deinde illi passiuum debere actiui notio- 
nem respondere, praesertim cum Vergilii usus ueterum mori quasi con- 
trarius opponi uideatur, res ipsa indicat, immo non indicat sed clamat. 
Audacter igitur pro apf reponas actiuum: apt nimirum ex act ortum est. 
Superest ut pro quia scribas quod, participium scilicet: nam quod et 
quia sexcenties inter se conmutari sciunt qui codices uersarunt; quie 
autem si defendas, omni sententiam sensu destitui manifestum est. lam 
haec refert scholiasta: *Hic participium passiuum agit quod more Grae- 
corum actiuum ueteres agunt, ut Flaccus adnotat. Quid? Vergilium hoc 
loco: *miratam mala puellam? miratam passiue posuisse? Quis mehercle 
homo adeo uesanus inueniri poterit, qui talia contendere cogitari possit? 
Nimirum scripsit commentator: *Hic participium actiuum agit, quod more 
Graecorum passiuum ueteres agunt? — Librarius autem, siue lemmatis 
miratam forma passiua deceplus siue oculo ad sequentia in scribendo 
aberrante passiuum primo loco posuit. Iam quod altero loco pro act, 
quod erat consequens, scripsit apt, nonne illud p inuersionis a librario 
perpetratae manifestum indicium relictum esse censcamus? Flaccus igitur 


716 H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 


tradidit, ueteres, cum pro miror dicerent miro (cf. Nonius p. 474, 24. 
480, 29 M) participio miralus ut passiuo usos esse (uelut uenerata 
Aen. Ill 460; dignate ibid. 475 cum Seruii adnotationibus) Graecorum 
more, qui ut Havaafeıv dicerent, non ϑαυμάξεσϑαι, ita participio τε- 
ϑαυμασμένος passiuo uterentur. Tractauit de hoc ueterum usu Diome- 
des p. 400. 401 K et A. Gellius XV 13. Cf. praeterea locos de isto usu 
a Ribbeckio congestos atque ad Probi auctoritatem relatos proll. p. 147. 
Quem morem Verrius ipse secutus est apud Priscianum l. VIII p. 791 P. 
(92 P. 

5) Sunt autem alii etiam loci nonnulli scholiorum Bernensium ad Verrü 
Flacci auctoritatem reuocanda. Nam ecl. VI v. 18: *.4mbo, pro ambos, hos 
amho. Sic et Zomerus. lunilius dicit", neque de llomero poeta neque de 
llomero quodam mythographo (de quo infra dicemus) apte cogilari posse 
iam Wagner uidit de 1. Philargyro Il p. 14. Sed quod coniecit Zonoratus 
(Seruius scilicet) adeo parum ipsi probatum est, ut suspicaretur, nete- 
rem grammaticum, qui uberius de ea re exposuisset Latinum uocabulum 
conparasse cun) graeco ἄμφω uersumque in quo id legeretur Homeri 
aliquem adscripsisse. Vtrumque multum a uerisimili abhorrere iudicabis, 
si consules Charisium p. 119, 14 Kk: *idque llelenius Acron sic oportere 
dici in eadem Terentii fabula dispulauit Perriumque dicil errare qui 
pulat Aos ambo dici dehere.? Et sane infra in eorum locorum enumera- 
tione, quibus Verrii sententia defenditur, liunc ipsum Bucolicorum uer- 
sum, de quo agitur, laudatum deprehendimus neque dubitandum, quin 
hos locos ex ipso Verrio causam suam agente Charisius hauserit. Expulso 
igitur Homero qui inepte memoratur reponas: "sicut ait Verrius. 

Atque idem profecto, ni fallor, uitium ad E. VIII v. 30 commis- 
sum esse uidetur: *Sparge marite nuces. Ita enim primo factum est 
quando Iuno loui iuncta est ut Zomerus et abhinc apud antiquos moris 
fuil in nuptiis nuces spargere propter ueneficia.’ Nam qui a Caecilio Mi- 
nuliano Appuleio duobus locis in libello de orthographia p. 127 $ 2 et 
p. 136 ed. Ang. Mai laudatur. Zomerus minor mythographus (eundem 
Hyginus fah. CLXXXIII uidetur significare), ualde dubito num tale quid 
de nuces spargendi more Romano usquam tradiderit, quippe qui secun- 
dum Appulei et Hygini locos!) non tam de mythorum caerimoniarumque 
causis alque originibus, quam de ipsis mylhis rettulisse uideatur atque 
adeo de Graecis potius quam de Latinis. De Romano autem more Ao- 


— 


18) Quamquam enim .Maduicus luce clarius ostendit opusc. acad, I 
p. 2—28 Caecilii Minutiani Appulei libellum de orthographia a Maio 
olim, dein ab Osanno editum ab inpostore saec. XV inprimis ex Ouidii 
epistulis confietum cesse, de Homero quidem isto minore ih tantum fal- 
sario (quem nonnulla saltem ex idoncis fontibus qui hodie enanuerunt 
haurire potuisse quis ncgare auait?! fides est habenda, quod et Grae- 
eum nntione et Graecos mythos referentem introduxit. Quamobrem in 
ro sane mihi uidebar Appulei istius testimonio uti posse, ut Homerum 
illum quem laudant scholia Bernensia ad E. VIII 30 et G. I 18 eun- 
dem esse Homerum istum minorem mythographum propter rerum ab 
utroque expositarum naturam uariam atque adeo contrariam confidenter 
nezarem, 


m 


M. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 717 


manum auctorem laudari quam maxime erat consentaneum. Quare ıne- 
mor loci, de quo super dixi, si conferas Puuli Diaconi excerpta: *Nuces 
flagitantur nuplis iaciuntur pueris ut nouae nuptae intranti domum noui 
mariti secundum fiat auspicium? cum scholii uerbis: “apud antiquos 
moris fuil in nuptiis nuces spargere propter ueneficia?, quo loco perquam 
memorabile est Philargyrium praebere: “nocte nuptiarum solent nuces 
jacere ne perueniat malum augurium’, ul testatur Thilo nus. Rh. XV 
p. 131, Perrii nomen nolis reponentibus non admodum aduersaberis. 
Neque aliter de loco G. I 18 statuerim, quo quamquam de IIomero mi- 
nore mylhographo cogitari posse uideatur et cogitauit sane Wagner, de 
Phil. II 14, tamen et singulari mythorum interpretandorum ratione ab iis 
quae Appuleius et Hyginus de isto Homero protulerunt quam maxime 
aliena et Pauli Diaconi uerbis: "Minerua dicta quod bene moneat; hanc 
enim pagani pro sapientia ponebant (cf. schol. Bern. quam sapientiam 
interprelantur) moueor ut relicto Homero ad Verrium confugiam. De 
Ribbeckii uero coniectura qua Ebrio quodam nonnullis Georg. Ill locis 
memorato eundem Verrium significari suspicatus est, uide quae iufra 
sumus reposituri. 

6) E. VI 65 * 4onus. Alii leguntur codices habentes corusas idest 
nouem musas alii boetiae monte elicona et cilherona musis consecretas 
uel aonas nymphas in monte boeliae uenientes? libri, pro quibus scripsi: 
* Alii legunt codices: «Aonias Musas» idest nouem Musas. Alii: Boeotiae 
1nontes llelicona et Cithaerona Musis consecratos, uel 4onias, Nymphas 
in montes Boeotiae uenientes? hisce de causis. Explicatio * idest nouem 
Musas? per.se satis probabile facere poterat, corruptis "habentes corusas? 
subesse 4onias Musas, quod confirmatur etiam eo quod in codice Ro- 
mano (R apud Ribb.) inuenitur AONIAS scriptum et item in codd. Bern. 
165 (b Ribb.) et in ipso B manu certe prima aonias erat positum, poslea 
$ littera inducta. Cui lectioni satis ineptae cum sensum aliquem extricare 
conabatur scholiasta, ducere uerbum accusatiuo casui omissa ad praepo- 
sitione iungi posse sibi persuadebat. Alterius scholii auctor, quod inde a 
uerbis: 'Alii Boeotiae montes? incipit, 4onas in montes legisse putandus 
esl. Tertii denique scholii scriptor ad Aonius lemma rediit ita tamen, ut 
Aonias Nymphas praetulisse uideatur. Ceterum omnes hae ineptiae inde 
potissimum orlae esse putandae sunt, quod lectionem Aonias ex Jonas 
corruptam homines nescio qui, inepti certe, defendendam sibi sumpserunt, 
quod ut fieri aliquo modo posset, alter Musas, alter Nymphas pro in 
montis legendum esse suspicatus est, securus uterque, quid illu duxerit 
faceret. 

1) Georg. 1 1. Quid faciat laetas segetes, quae res tervas pingues 
efficiat: nam segetem tnodo pro terra posuit, ul (Aen. VII 520): *Ilorres- 
cit seges ensibus. Junilius dicit. Alius dicit: * Seges? non omnino pro 
‘terra’, sed cum fructibus accipere debemus, ut ne bis idem dixisset subi- 
ciens: “quo sidere terram. Et idem dicit: Nec sane *segetes? simpliciter 
pro 'terra? ponuntur, sed pro ‘terra arata? ut Varro rerum ruslicarum 
primo libro (1 29): *prata purgari salicta seri, segetes arari conueniU. 
lam illa “εἰ idem dicit: Nec sane? etc. non posse ad istum commentato. 


* 


(19 I. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 


rem referri qui paulo ante uocabulis Alius dicit praemissis significabatur, 
iude probatur, quod ille * segetem? non terram omnino, sed terram cum 
fructibus significare dixit, hic uero non terram simpliciter, sed terram 
aralam, quae sibi quam maxime contraria unum eundemque dixisse credi 
non potest. Quare cum inde ab his: et idem dicit alius commentator lau- 
detur ac is fuit qui modo laudatus est, uon dubium, quin legendum sit: 
“αἱ idem dici, Vergilius scilicet, ita ut illud idem non ad commentatoris 
cuiusdam personam, sed ad rem a Vergilio primo Georgicorum uersu pro- 
latam spectare dicatur. Fallitur autem Mommsen qui pro “et ne bis idem 
dixisseL? corrigendum censuit: “et bis idem dixit? mus. Rl. XVI p. 443. 
Neque enim, qui acerrime defendit segetem non omnino pro terra, sed 
cum fructibus accipi debere, eandem tautologiam, quam modo arcebat, 
Vergilio inputasse cogilari potest. Ceterum notetur insignis explicationum 
continuatio. Postquam primus (lunilius personatus, cf. supra) segetem 
simpliciter pro terra dictam accepit, alter terram esse cum fructibus obi- 
cit, terius denique primi sententiam excipit ila, ul segelem alias non 
simpliciter pro terra poni diceret sed pro terra arata. Verba enim * nec 
sane segeles simpliciter pro terra ponuntur? etc. non lam ad Vergilii, 
quam ad ceterorum loquendi consuetudinem pertinere, ostendit uocabu- 
lum ponuntur. Alioqui * accipere, intellegere debemus?, uel simile quid 
positurus fuisset cius scholii auctor. 

Nec tamen locum eum ex tali sclioliorum farragine esse excerptum, 
quam ex codicibus Florentino et Parisino Mommsen attulit mus. Rh. XVI 
y. 142, uiro clarissimo crediderim, quia rerum expositarum arta conli- 
nualio, qualem in Flor. Paris. frustra quaeras, iu BC obuia fidem facil, 
DC fontis omnino melioris quamuis minus docti speciem praebere. Ne 
urgeam in FP loco Aen. ΝῊ 526 perperam sentibus scribi, in BC ensibus 
recle, quae in FP leguntur: *Nam segetem modo pro terra arala posuil', 
in his * arata? temere ex sequentibus huc inrepsisse probaluro non tam 
codicum Bernensium scriptura quam laudati uersus Vergiliani natura sulr 
ueniet. Est autem ad eam sententiam adductus Mommsen eo quod in 
scholl. Bern. Varronis locus in uocabulum conuenit , quod apud Varronem 
ipsum non legitnv, desinit, cui in Flor. Paris. subiunctus est alter Varro- 
nis locus his uerbis: * et infra seges dicitur quod aratum nondum satum 
est.” Hoc loco quia conuenit ad et infra (avari. Conuenit et infra) tra- 
hendum esse ei uidebatur, apertissimum id ducebat indicium esse, quo 
scholium Bernense ex simili farragine, qualis in Flor. Paris. conspicitur, 
sed quam maxime oscilanler excerptum esse probaret. Quod enim olim 
ad sequens testimonium respexissel conuenit, id epitommatorem excerpendo 
perperani cum superioribus coniunxisse. Sed liceat mihi hoc saltem loco 
nostrum oscitantiae crimine purgare. Nam uerba Varronis (de re rust. 
120) prata. purgari salicta seri segetes arari, cum haereant al supe- 
riora: “in primo interuallo inter Fauonium et aequinoctium uernum haec 
lieri oportet, non. poterant omissis his laudata a quopiam intellegi, nisi 
conuenit ucl simile quid adderet excerptor. Eodem modo commentator 
ad (ἡ. ] 208, quamquam non erat necessum, Varronis uerba de re rustica 
1 34 ita nariauit, ut pro *incipere scribunt oportere serere? mallet *nobis 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 719 


serendum? scribere. Itaque cum illud conuenit ad priorem omnino Var- 
ronis locum sit referendum, utpote intellectus gratia additum, nullum 
iam inde argumentum peti poterit, quo quis scholia Bernensia ad h. 1. ex 
Florentinis et Parisinis fluxisse probare conetur. 

8) v. 13. Hunc locum Mueller ita exhibuit: Fudit equum , equum 
nunc dicit Arionem: quum in Thessalia tridente terram Neptunus percus- 
sisse, exisse dicitur equus, unde Neptunus equester dictus est, idest £- 
seıog; ibi eliam natus est fons Hippocrene. Item in Thessalia primum 
equi nali sunt, ubi cum aliquando flumen esset statiuum et quondum 
diruptum um habundasse, dictum est Neptunum percussisse tridenti quasi 
non credebant, tantam uim aquae humano motu excitatam sed diuino el 
ee est, nec reclusit captellum in Thessalia in qua primum equi domari 
coeperunt , et Thessali adsidentes equis quum tauros sequerentur, grani- 
hus eos uulneribus adficiebant et quosdam adprehensos dumabant; illi 
dicti sunt perfelleres hippocentauri. Gallus dicit. 

Quo in loco foedissime corrupto probabiliter emendando critices 
summa in eo est posita, ut suo quodque scholium lemmati reddatur. Nam 
hoc per se patet, non potuisse eundem commentatorem sermone continuo 
modo de equo a Neptuno scopuli percussione excitato, modo de «aqua 
referre, quod unum ex lectione Vergiliana *fudit equum?, alterum ex 
scripturae discrepantia * fudit aquam? eral repetendum. Haud igitur ni- 
mium mihi sumpsisse uideor, quod post *equi nali sunt? nouum lemma 
fudil aquam inserui lacunamque statui, nec minus, quod post *sed «i- 
uino? fudit equum suppleui atque ex uerbis corrupüssimis: e£ ee est ncc 
rec| lusit captellum certam salis firmatamque sententiam elicere posse 
mihi uidebar hanc: Neptunus tridenti percussit scopulum, si conferas 
quae ex Florentino et Leidensi (Durm. G) attulit Mommsen mus. Rh. XVI 
445 *cui prinum usque Neptune. Quoniam Neptunus (eptunus F) in 
Thessalia (thessalie F) scopulum tridenti percussit. Ceterorum «quae 
nouaui ralio per se manifesta est. Neque enim de habundantia, ut nostri 
scribendi consuetudinem sequar, sed de inundatione agebatur, neque 
aegre quis feret, quod in tanta uocabuli equis propinquitate qui post ὦ 
T'hessalis inserui atque artius librorum uestigia premendo «a Thessalis 
scribere, quam Muelleri coniecturam et Thessali sequi malui. Quod ad 
rem nouissimo scholio expositam spectat, dignus omnino qui cum nostro 
conferatur, Probi locus est p. 61, 1 K: * Ex qua causa CentauriYNebulae 
filii creduntur et Ixion iis mercedem promisit, si furentem taurorum gre- 
gem occidissenL, quorum iinpetum cum uelocitate effugerent et ipsos telis 
conficerent (malim configerent), ἀπὸ τοῦ xevreiv quod est figere xol 
ταύρου centauri dicli sunt. 

9) v. 14. *Ceae, insula in Oceano fertilissima. Aristaeus hanc tenuit 
primo hominibus uacuam, postea ca relicta cum Daedalo transitum fecit 
in Sardiniam? Sunt uerba ex Sallustio deprompta, cf. Hist. fragm. 1] 5 Bj, 
7 K, quo loco miror Gerlachium Kritziumque ipsum pro Cea insula 
Cretae nomen substituisse, cum apud Seruium ]. l. diserte de Cea insula 
agatur. Ceterum Seruium Sallustii uera non tam e memoria summatim- 
que laudare, quod ex adpusito: *ut Sallustius doce? intellegere sibi uide- 


720 11. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 


batur Kritz p. 126, quam ipsa uerba esprimere, testimonio est glossa- 
rium Berneuse cud. 16 saec. X, ubi s. u. Cea haec leguntur: *Cea insula 
Salustius ait iuristeum primo insulam quam relieta patria coluisse?, idest: 
*Cea insula. Salustius ait II, Aristaeum primo insulam uacuam relicta 
patria coluisse? — in quibus uides accuratius etiam Sallustii uerba referri. 
Denique quod apud Seruium legitur matris instinctu Arislaeum Thebas 
reliquisse, uide ne sit patris instinctu legendum, cf. Diod. IV 82: τὸν δὲ 
εἹσισταῖόν φασι μετὰ τὴν ᾿Ακταίωνος τελευτὴν ἐλϑεῖν εἰς τὸ χρηστήριον 
τοῦ πατρὺς καὶ τὸν Anollwva προειπεῖν αὐτῷ τὴν εἰς Κέω 
νῆσον μετάβασιν. Apoll. Rhod. 11 519: λέπεν δ᾽ ὅγε πατρὺς ἐφετμῇ 
Φϑίην, ἐν δὲ Κέῳ κατενάσσατο. Opitulatur Probus quoque p. 28, 22K: 
*Aristaeus. monstrante Apolline patre profectus est in insulam Ceam.? 
"un quod Silius [talieus refert XH 369 *Cyreneu monstrasse ferunt noua 
lit.ra matrem’ ad Surdiniam spectare praecedens uersus ostendit. 


10) v. 19 Velut Philochorus ait. Cum D non nisi pAilorus exhibe- 
ret, Mueller de Philochoro et PAilostephano ambigebat. Sed de Philo- 
stephano Seruius |, l. haec attulit: “Ergo Osiris siguificatur, ut Philo- 
stephanus zegi εὑρηματων᾽, unde, cum in scholiis Bernensibus de 
Triptolemo agatur, non est uerisimile, eundem Philostephanum modo ad 
Osirim aratri inuentionem modo ad Triptolemum rettulisse. Quare iu 
Philochori Authidis scriptoris noinine uobis erit adquiescendum. 


11) v. 218 Nigidii uerba istis: "Taurum aduersum inter sidera loca- 
tum? conprehendi uolui et ante *quod posteriores? etc. lemma aduerso 
suppleui ob id, quod neque Nigidius apte laudari potuit nisi in tantum, 
ut aduersum Taurum divi eius auctoritate probaretur, et reliqua quae 
inde ab illis: * quod posteriores? ete. secuntur, ad ipsos Vergilii uersus 
explicandos pertinere manifestum est. Testimonio sunt ipsa codicis Burm. 
G6 uerba quamuis male corrupta: 'denique Nigidius ait taurum auersum 
uel sidera locatum, vel aduersum astris. Sirius dicitur, qui est terris 
aduersus. Totum uero scholium ad Nigidium rettulerant et Suringar et 
Mueller. 


12) v. 403. Noclua auis lucis profuga si canat post solis occasum 
pluuiam significat. Probus ait: si in tectis uel iu arboribus canat sero 
serenitatem significat. 


Ilaec iu Burm. ἃ ita traduntur: Probus ail si in tectis uel arboribus 
altis canat, serenitatem significat, si in foraminibus uel ramusculis [tem- 
pestalem]. Patet Probi scholium incipere inde a uerbis: si im tectis. 
Nam quae praecedunt: 'si canat post solis occasum pluuiam significat? et 
Seruiana sunt ("quae significat pluuiain si cecinerit post solis occasum?) 
el iis quae secuntur plane contraria, ul ab eodem esse utrumque pro- 
fectum cogitari nequeat. Vnde patet perperam olim Muellerum atque 
nuper A. Rieseum (de comm. Verg. qui M. Valeri Probi dicitur 1862) 
p. 30 nol. fofum Probo adsignasse. Sed recte inde Riese pleniora olim 
Probi commentaria fuisse statuit, quamquam de loco ad G. IV 134 aliter 
sentiendum.  Obuersabatur autem, cum haec scribebat, Probo haud dubie 
Arati locus v. 999 sq. Ceterum in Vossiano uerba Probus ait desunt. 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 721 


13) v. 502 Accii uerba olim non nisi ex schol: Leid. (Suringar hist. 
crit. scholl. latt. II p. 347) cognita, in quibus ita se habent: * quomodo 
Laomedonte orti sunt Troiani Accius docet: luppiter Dardanum genuit 
Dardanus Troum Trous (Troein Tros) Assaraeum et llum et Ganymedem, 
Capys ex Assaraco satus qui Pergamum construxit, Laomedon Priamum et 
Anchisen edidit’, cum in scholiis Bernensibus multo propius originem 
accedant iambicumque rythmum aperfe prae se ferant (en senarium 
integrum: *Capis ex Asaraco satus qui statuit Pergamum?), O. Ribbeck 
roganti mihi erfstula data hunc in modum acutissime ad pristinam formam 
reuocauit : 

louis Dárdanum [pro ]génuit, Troum Dárdanus, 
Troüsque Asaracum et "Ium et Catamitám [creat]. 
Capis ex Asaraco sátus qui statuit Pérgamum, 
Aluménto Priamum et [Cápis] Anchiseit edidit. '9) 

14) G. 1I 21 scholium: Viret, idest διὰ διαστολῆς prima (idest dia- 
stoles B) quid sibi uelit obscurum uideri possit, nisi animum aduertas 
ad id, quod in sequentibus. lemma non est fruticumque , ut Mueller edi- 
dit, sed fruticum. Scilicet si in Vergilii uersu fruticum legebatur pro 
fruticumque , prior uerbi viret syllaba erat producenda. 

15) v. 43 Fragimenti Enniani: *'ora decem? felici casu contigit ut 
supplementum in codice Parisino (7960) inueniretur prolatum a Momm- 
seno mus. Rh. XVII p. 143, cuius uerba male corrupta haec sunt : 


a 
mon s lingua loqui saperet at ora X sint 
in metrum ferro cor sit pecusque reuinctum — 
hunc in modum ab anonvmno p. 144 refecta: 
Non si lingua loqui saperet atque ora decem sint 
Atque meum ferro cor sit peclusque reuinctum. 
Sed qui Vergilii uersus G. Η 43 (Aen. VI 625) atqne ipsius Homeri uerba, 
quae Ennius procul dubio expressit , ll. B 489: 
οὐδ᾽ εἴ μοι δέκα μὲν γλῶσσαι. δέκα δὲ στόματ᾽ εἶεν. 
φωνὴ δ᾽ ἄρρηκτος, χάλκεον δέ μοι ἧτορ ἐνείη — 
Hostii denique imitamenta apud Macrobium VI 3, 6: 
non si mihi linguae 
Centum atque ora sient (otidem uocesque liquatae 
accuralius perpenderit, eundem ubique /inguarum et orum numerum 
proferri uidebit, ut iam inde suspitio oriatur, num Ennius potuerit scri- 
bere simpliciter: “non si lingua loqui saperet. Idem ualet de Owuidii loco 
Trist. 1 5, 53 quem mus. Rh. XVII p. 313 attulit Koch: 
Si uox infragilis pectus milii firmius aere 
Pluraque cum linguis pluribus ora forent, 





19) Cf. Ritschl mus. Rh. XII p. 107. 110 et schol. G. III 35. Vide- 
tur praeterea inter secundum tertiumque uersum unius uersus laeuna 
statuenda esse, quo Illum Laomedontis patrem fuisse Accius doceret. 
Denique non Capys sed Laomedon Pergami conditor fuit, ut malim 
scribere: 

Aluménto ex Ilo sätus qui statuit Pérgamum 
Capis éz Asaraco . . . . . . . 


Jahrb, f, class, Philol. Suppl. Dd. IV. ΗΔ. 5. 4( 


129 Il. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Ducolica atque Georgica. 


cf. Ars amandi 1. 1435: 
Non mili, sacrilegas meretricum ut prosequar artes 
Cum fotidem linguis sint satis ora decem. 
Lucretianum quoque (Seru. Aen. VI 625: Lucretii uersus subiatus de 
Homero sed ille * Aerea uox? dixit, cf. Lachmann Lucr. p. 399) eodem 
tendit, si quod par est, Seruio est credendum, Vergilium nihil de Lucre- 
tiauis uersibus mutasse nisi quod ille * aerea uox? scripsisset. Accedit 
quod illud: non si lingua loqui saperet ieiune prorsus atque adeo ab- 
iecte dictum est, si cum ista quae in sequentibus uerbis conspicitur, oris 
magniloquentia atque poetico etiam furore conferas. Quid quod uel in. 
eplum est salisque absurdum, si quis dicat: “si loqui possem?! Ceterum 
nemo credet, Ennium in tanta uerborum propinquitate bis posuisse *at- 
que’. Animaduertas insuper , praecedere apud llomerum uersum: #4 1- 
ϑὺν δ᾽ ovx av ἐγὼ μυϑήσομαι οὐδ᾽ ὀνομήνω, apud Vergilium G. Il 42: 
‘Non ego cuncta meis amplecti uersibus opto?, et Aen. VI 626 subsequi: 
*omnes scelerum conprendere formas, omnia poenarum percurrere no- 
mina possim", apud Ouidium denique: “Non tamen idcirco conplecterer 
omnia uerbis?. Quare scribendum coniecerim: 
non sic 
Omnia lingua loqui sapiat, licet ora decem sint. 
In sequenti uersu Kochii coniectura mus. Rh. XVII p. 313  *infragili 
ferro? ob id non uidetur probari posse, quod Ennius poeta poetae lMo- 
meri uerba: φωνὴ δ᾽ ἄρρηκτος. χαλκέον δέ μοι ἦτορ ἐνείη certe nou 
ita imitando turbaturus fuisset; audi ipsum Ouidium: *si uox infragilis, 
pectus mihi firmius aere. Fortasse Homericum &ve/n respiciens scri- 
bas: 4tque intus (in metrum cod.). 

Ceterum non raro Ennius in scholiis Bernensibus laudatur, tamen ita 
uonnumquam, ut nomen aul male corrumperelur aut plane periret. Cor- 
rupli nominis specimen nuper in Fleckeiseni annalibus phil. 1865 p. 503 
proposui ad G. IV 7 pertinens, quo quidem loco post uidi codicem Ber- 
nensem 1065 diserte ennius exhibere. 

Praeterea G. IV 178 Grandaeuis oppida curae. Apibus maioribus 
uel senioribus sicut: *Senes muros tueantur et non in bella prorumpanı’ 
primum quidem manifestum est, laudari poetam inde a uerbis: *Senes 
ınuros tueantur?, quod inprimis illa: ei non in bella prorumpant osten- 
dunt; atque poetam epicum: nam de dactylico eorum uerborum rytlimo 
non potest dubitari. Scribendum autem: 

muros 
. . senes tueantur et non in bella prorumpant. 

Quem uero poetam commentator significauerit, incerlum est, nisi ex eo 
ipso quod perperam senes uocabulum primum testimonii locum occu- 
pauit, concludi posse tibi persuadeas, quandam inter auctoris nomen at- 
que illud senes similitudinem intercessisse qua efficeretur, ut et illud a 
librario neglegenti omitteretur et hoc in illius locum succederet. Tunc 
uero non nisi de Ennio cogitari poterit. 

16) G. II v. 98. Notandum hic quod uinum masculino genere dixit 
"Tmolius? nec inmerito quoniam et aput Petronium in satira inuenitur. 





H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 723 


Quamquam inde quod interdum Petronii et Afranii nomina conso- 
ciata leguntur (cf. Buecheler Petron. praef. I) praeeunte Buechelero dubi- 
bitari pótest, utrum codicis B scriptura franium ad Petronii cognomen 
Afranium sit reuocanda an pro ipsa Petronii nominis corruptela habenda 
sit, lamen ex Peíronio illud esse corruptum codicis C lectione fronium 
fit probabilius. Hoc uero manifestum est, s franium siue Petronium. 
ampleclaris, spectari Petronii sect. 41 (p. 46, 2 B) uerba: *uinus mihi in 
cerebrum abiit. Ante Buechelerum de Afranio fogatarum poeta cogita- 
baut Schneidewin apud Buech. 1. 1., Mommsen mus. Rh. XVI p. 450. 


17) G. H v. 28 in Muelleri editione haec leguntur: Egent. Cicero: 
* egel ille senatu el populo; aller alterius auxilii eget^; ideo non egent 
radicis. Quae uerba in eis Ciceronis libris qui ad nostram aetatem per- 
uenerunt, non obuia minime est uerisimile ad unum eundemque auctorem 
locumue spectare, et quia magnopere dubito , num quis intra artos eius- 
dem sententiae fines uerbum egere modo ablatiuo modo genetiuo casui 
iunxerit, et quia uerba posteriore loco posila: "alter alterius auxilii eget" 
nullo modo cum prioribus ad unam sententia efficiendam uidentur con- 
jungi posse, nisi scribas: *eget auxilio senatus el populus, quod tamen 
a codicis uestigiis longius recedit. Ostendunt autem commentatoris uerba 
postremo loco posita: Ideo dixit®): "Non egent radicis" adlatis eum 
lestimoniis probare uoluisse, quod Vergilius egere genetiuo iunxisset, 
ueterum auctoritate non carere. Quare Ciceronis locum non nisi uerbis 
* eget ille senatu et populo? conprehendi, deinceps uero alium auctorem 
laudari mihi persuasum est. Quis autem ille, cuius nomen intercidit, 
fuerit, ex ipsis codicis uestigiis elici posse uidelur. Neque enim *populo 
alter’ in B scriptum est, sed *populos alter’, unde mehercle non dubium 
est, quin Sallustii nomen olim laudatum fuerit, si memoria teneas , Sal- 
lustium in eo codice semper per conpendium sat scribi. Extat autem is 
Sallustii locus in Catil. 1 7: *alterum alterius auxilio eget", ut uerum me 
coniecisse pateat. 

Sed cum commentaloris uerba: ‘Ideo dixit: Non egent radicis? 
ostendant, ob id eum Sallustium laudasse ut eius auctoritate bene Vergi- 
lium egere genetiuo iunxisse probaret, non dubito quin Cat. I 7 uel contra 
omnium codicum auctoritatem in lectione auxilio unanimiter conspiran- 
tium (cf. Dietsch 1. 1.) codicis B scriptura auzilii reponendum sit. Quod 
tamen a Sallustii loquendi usu non abhorret, cf. lug. XXXI 29: * 
saepe auxilii egeas’; XIV 23 auxilii egens; Cat. LI 37 neque consilii ne- 
que audaciae umquam eguere; lug. CXl 3. XIV 17. LVII 1 et alibi. Restat. 
ut in scholio G, Il v. 28 pro alter scribas alterum. 

Celerum praesertim in auctorum nominibus multum a lihrario pec- 
catum est. Vi omittam quae iam a Muellero obseruata atque correcta 
sunt G. IV 125 satiuo pro Statius, G. IV 127 stanio pro Suetonio, ibid. 
v. 564 sitonius crancillus pro Suetonius Tranquillus, en E. Vil 29 pro 
wt Horatius corruptum legitur *in oratione, unde Mueller conpendium 






























90) dizit ob simile ideo intercidisse in propatulo ost. 
Αἴ" 


724 11. Hagen: seholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 


dris, quod praecedit neque eo loco aliud esse polest nisi dicens, perperam 
in dominus resoluens edidit: *dominus in oratione?! 


Porro G. 1l 184 Cominiani nomen in communi abiit. Quid uero 
G. IV 125 *Oebaliae, Laconicae Tarentinae. Terrentius ait, quas condi- 
derunt hi qui de Oebalia uenerunt? illo Terentius faceres, nisi in cod. 
Bern. 184 saec. X haec legeres: “Turrim autem oebalie dicit quam edifi- 
eauerunt illi qui de oebalia uenerunP ? Seribendum nimirum est: Turres 
autem ait. Vnde Terrentius ait librarius finxit. Agmen claudat G. IV 520 - 
Asper uult in superbum corruptum. 


18) G. 11 119 Acanthi. Gnifo commentatur annalium libro decimo 
hanc arborem in insula Cercina (insola certipa B) regionis Africae esse 
oportunam lincturae quae in floris sui colorem lauam tinguat unde uestis 
(uitis B) Acanthia appellatur. Ex his cod. Burm. ἃ (Mommsen mus. Rh. 
XVI p. 452) non nisi haec exhibet: Achanti] de qua Gnifo scripsit, quod 
in flore tincta uestis achantia dicitur; — de quo loco perperam olim 
Wagnerum de Phil. Il p. 28 statuisse, cum post uerbum scripsit uersuin 
ex Aen. ] 649 * Et circumtextum croceo uelamen acantho? intercidisse, 
reliqua ita emendanda esse diceret: *quod in eius ora acanthus intextus 
unde uestis Acanthina dicitur?, scholia Bernensia conlata ostendunt. 


Sed de uerbo commentatur iure quis poterat dubitare, praesertim 
si cod. Burm. G scripsit respiceret meminissetque, in auctoribus laudandis 
semper uel dicit uel ait uel scribit scripsitue poni, commentatur nus- 
quam. lustam autem talem suspilionem esse, testis est codex Bernensis 
165, quo ista sic se habent: ‘Niso commentator annalium lib. X hane 
arborem in insula certina regionis africae esse dicit oportunam tincturae 
quae in floris sui colorem lanam tinguit.? 


Vnde quis possil suspicari, conlato Charisio p. 204, 32 K: *Mox 
Maro Georgicon (1 24): *tuque adeo quem mox quae sint habitura deorum 
concilia incertum est’, ubi Gnifo pro *cito? significare aiU, Gnifonem ius- 
tum commentarium in Vergilium conscripsisse (quod negat Suring. II p. 
230), quamquam illo loco non alium Gnifonis librum, sed commentarium 
ipsum laudari expectamus. Rem satis difficilem peritiores expediant! 


19) G. 1I 479 Sallustius dicit: *uenti per caua terrae citatu.? Locus 
a Seruio ad h. u. et ab Isidoro praeterea Origg. XIIH 1, de Rerum Natura 
eap. XLV (cf. Reifferscheid Suetoni rell. p. 245) seruatus haud dubie 
solis in scholiis Bernensibus caret uitio, quod in ipsas adeo nouissimas 
editiones inpune inrepsit. Cum enim in optimis Zsidori codicibus legatur: 
*uen/i per caua terrae praecipitat? uel cituti (ad Origg. XIII 1 uenti per 
caua terrae citati cod. Bern. 224 saec. X, concitati cod. Bern. 95 saec. 
XII, precipitata cod. Bern. 36 saec. X; per concaua terrae citati codd. 
Bern. 101 saec. X, 291 saec. XIII—XIIII, 159 saec. XIII; concitati cod. 
Bern. 129 saec. XIIH ineuntis; ad locum de erum Natura cap. XLV per 
caua terra praecipilatim cod. Bern. 249 saec. VIII, per cauerna terrae 
precipitatim cod. Bern. 417 saec. VIII, per caua terrae praecipitati 
eod. Bern. 610 saec. X), atque in Seruio summo librorum ut uidetur 
consensu: *uen/i per caua terrae cilat/, ea quae ex Sallustio insuper ad- 





atque Georgica. 725 


H. lagen: scholia Berneusia ad Ver 





feruntur ab Isidoro: *rupti aliquot montes Lumulique sedere? non minus 
quam quae praecedunt ipsius Isidori uerba: *cuius motum alii dicunt 
uentum esse in concauis eius qui motus eam mouet? Origg. XUN, 1, id 
summo iure uidebantur suadere, ut uentis citatis (uel praecipitatis) scri- 
beretur. Eodem spectant uerba apud Seruium praemissa eiusdem paucis 
mutatis argumenti: *Alii dicunt uentum esse in concauis terrae qui motus 
etiam terram mouet? Nam quae R. Dietsch nominatiuum *uenti — citati? 
tuiturus contra argutatur ad Sall. hit. fragm. ΠῚ 43 p. 48, grammaticis 
quidem eo deceptis, quod Sallustius ex eorum. qnae in terrae motu fie- 
rent numero primo loco uentus posuissel, uenlos lerrae motus causam 
esse uisos, Sallustio non item, ca inmane quantum a uerisimili diserepant! 
Sed audacius fuerit, *uentis citatis? reponere , praesertim si mirum libro- 
rum in lectione ista uenti eifati consensum respieias. Cui Isidori et 
Seruii librorum lectioni accedit, quod et apud Seruinm et apud Isidorum 
utroque loco (de Origg. XIII, 1 cf. supra; in libro de Rerum Natura 
cap. XLV praemittuntur: *inde aiunt fleri terrae motum, dum uniuersa 
uentus inclusus concutit) non de uentis pluraliter, sed singulariter de 
uento agitur. Vt iam profligatum esse uideatur, scholiorum Rernensium 
lectionem uenti citatu unice ueram esse. Quid quod apud ipsum Seruium 
in codice peruetusto Bernensi 363 saec. VIII— VIII dilucide legitur uenti 
cilatu? 

Eodem codicum Bei m 249 et 417 atque Bambergensis (cf. 
Reifferscheid l. 1.) praecipitatim et Bernensis 36 precipitata tendere quis 
negauerit? Denique auxilio ueniunt scholia Lucani ad 1552 codicis Ber- 
is 370, ex quo llermannus Vsener in lihello de scholiis Horatianis 
p- XXXI Sollustiani fragmenti supplementum. quod adhnc desiderabatur, 
gratissimum deprompsit. Sunt autem hacc f. 131": "Tunc cardin& ut sal- 
lustius. set metello cordu'ba& gemanti cum duabus legionibus alione 
casuan sapientibus | ut. placet ueno per caue terre citatu rupti aliquod 
montes tumulique seder —, ab Vsenero sic emendatius exhibita: Tus 
cardine t. Vt Sallustius: *set Metello Cordubae hiemante (malim hi: 
manti) cum duabus legionibus, alione casu an, sapientibus ut placet, uento 
per caua terrae cifato rupti aliquod montes tumulique sederunt? Hic 
qnoque uides codicem cifatu tueri; weno autem ex uenli ortum esse. 

20) G. Π| 108 Eadem in cod. Bern. 165, sed ita leguntur: *militari 
uerbo usus est ut ibi: “cum primum uellere signa annuerent superi. Mos 
enim fuerat ut bellantium signa figerentur eaque cum mouere uellent, 
si profecto facile uellentium manus sequerentur — si cum conafu tum 
exitium — rhodanum Lransnatauit’. 

Sed cod. B lectionem utpote hoc. quidem loco multo meliorem sequi 
malui. Ceterum sequentis uersus scholio: 'Hic* crocus et “hoc” crocum 
fit, quod haud dubie ad Sallustii dicendi consuetudinem spectat (cf. schol. 
ad v. 182) egregie firmatur Eduardi Woelflini amici coniectura , qua ista 
de Sertorio v. 108 exposita ad Sallustium auctorem reuocanda esse cen- 
suit. Ad idem, ni fallor, bellum Sertorianum pertinet Sallustii fragmen- 
tum, quod ex Seruii cod. Bern. 172 ad Aen. ME 520 protuli nuper, in 
philologorum conuentu Ileidelbergae habito hactenus incognitum: ‚unde 





















































126 MW. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Geurgica. 


“mare ueliuolum? (Aen. 1 224). Sallustius: “ei paruis (leg. paullum) modo 
uelorum alis remissis’.*‘) 

21) G. ΠΗ͂ v. 127 uerba obscurius dicta: *Dicimus autem memini me 
uiderc auctoritate Terentii el relicorum grammalicorum? optime expla- 


nantur Agroetii loco p. 2268, 28 P: "Memini me (.me: Minime cod. Bern. 
dicere 


330 saec. X) facere dicere debemus (facere debemus cod. Bern. 338 saec. X, 
facere dehemus dicere 330), non memini me fecisse. Nam memini 
sermo est tolus praeteriti temporis, quia ante factam (qui ante factam P, 
quia ante factam 338; quia ante actam 330) rem in praesens reuocat 
(reuocet, corr. reuocat 338, reuocet 330) et si dixeris (uel contra '. si 
dixeris 338) * memini me fecisse? (rum recte potueris dicere scio me 
fecisse add. cod. 330), duo praeterita simul iungis. Cicero: * memini 
Pamphilum Lilybitanum (bilybitanum 330, libitanum 338) mihi narrare 


solitum?. Infra (idem infra 338): “respondi Metello ut debui (et debui ut 
debui 338) et iam illud (illud om. 330) memini me (me om. 330) dicere. 
Terentius. ‘Ego (ergo 338) illam uidi uirginem forma bona (quam add. 
in margine 338) memini me (me om. 330) uidere". Vergilius: *Cantando 
solitum memini me condere soles? (Idem *memini Auruncos ita ferre senes? 
add. 330). Et (Ex 338) multis praeterea locis. Neque (raro 338) inueni- 
tur ubi ab illis (ah aliis 338) magnis auctoribus * memini? positum sit ut 
non addatur aut esse aut aliquis (aliquid, corr. aliquis 338, talis add. 330) 
sermo qui praesens tempus reslitual, nisi in uno loco: * Namque sub 
Oebaliae (eo||liae 338) memini me turribus altis Corycium (coricium 
338) uidisse senem. Quod poetae pro necessitate metri licuit usurpare 
(usurbare m. 1 338). 

Vides epitomatorem, cum in uberiore commentario Terentii poctae 
exemplum simile prolatum nominatim referre supersedisset, ita Terentii 
fecisse mentionem, ut pro grammatico haberi posset. Idem fere ad ecl. 
VIII 65 accidit, quo de uerhenis praecepisse dicitur una cum funilio 7e- 
rentius quidam, re autem uera ad Terentii Andriam Il 3, 11 prouoca- 
uerat integer commentator, cf. Thilo mus. Rhen. XV p. 131. Minus igi- 
tur recte de Terentio Scauro grammatico cogitauit Ribbeck. proll. p. 172. 
Pertinent autem haec ad eam epitomatoris incuriam, qua ea ipsa scripto- 
rum nomina, qui jn scholiis laudabantur, interdum una cum commentato- 
rum nominibus scholiorum calcibus subiecit, quasi a duobus ista scholia 
auctoribus essent conscripta, cf. ad Georg. 1 240. Il 158. Quare non 
crediderim Ribbeckio proll. p. 195 suspicanti, id ipsum ad 6G. IE 158 pro- 
latum scholium potius ex Isidori de Natura Rerum cap. XLIIII haustum 
esse. Quem epitomatoris morem iam supra obiter strinximus cap. VIII, 


21) Non alienum uidetur hoc loco, quo do scholiis ad historiam per- 
tinentibus agitur, uiri historiae Romanae peritissimi Berolinensis ani- 
mum adtendere ad schol. Bern. E. HI v. 31: Pauca tamen] *Siue 
Gothorum perturbationem prophetat, sed uerius Parthicam de qua portas 
lani (porta iam cod.) clausas legimus duodecim annos? Nam ex corum 
scriptorum numero, qui de Iani portis ab Augusto ter clausis tradide- 
runt, nullum uideo de tali elausionis diuturnitate accuratius rettulisse. 








H. Hagen: scholia Dernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 727 
cum de locis agebamus, quibus Iunilii et Gaudentii nomina coniuncta 
leguntur. 

22) Ibid. v. 134. *Carpere, carpebat. Infinitivo enim inperfecta 
tempora significat more ueterum, ul Probus ail.” Quibuscum si conponas 
Diomedem , p. 341, 4 K: *hoc modo plerumque ueteres praecipue histo- 
scriptores et inperfecla tempora finitiua significant, quale est apud 
jallustium” etc., patet hoc quoque loco, quamquam non nominato auctore, 
Probum a Diomede in parles esse uocatum, quod paullo post nominatim 
fecit p. 342, 9 K, ef. Keilii praef. p. LII et praecipue LIIN, quem nunc 
gram. latt. uol, ΠῚ} praef. p. XXII idem definiuisse laetor. 

23) Ibid. v. 232. * Atlantis enim et Pleiadis filiae numero VII, quas 
scripsit 4ratus. Warum nomii Merope Sterope Alcyone Electra Maia 
Celaeno Taygete. In Glossematibus haec nomina inueni". Verba postremo 
loco posita: *In Glossematibus Aaec nomina inueni? ostendunt, a duobus 
id scholium auctoribus profectum esse, ita ut uerba: *Harum nomina? 
elc. a recentiore adderentur. Glossemata autem ista, quorum et ad G. I 
399 (Aleyones) et ad G. ΠῚ 151 (Corybantes) mentio fit, ad Arati com- 
mentarium perlinere suspicanti Tli. Mommseno (mus. Rh. XVI p. 452) oh 
id non ausim adstipulari, quia Alcyones ab Arato non memorantur. Pleia- 
dum sane nomina quamquam Aratus ipse exhibuit v. 262, tamen in cius 
commentario iterum posse proposita fuisse, unde scholiasta haurire pos- 
set, facile concesserim, cf. schol. German. p. 397 (404) Eyssenhardt. 
Videtur potius de enchiridio (cycío opinor) mythologico cogitandum esse. 
Locum de Alcyonibus, schol. G. 1 399 **) ad Theocriti Idyll. VII 59 sese 
adplicuisse inde possis suspicari, quod uerba: “Alcyones omnibus Nym- 
phis dilectae sunt? uersum Theocriteum: ““λκύονες γλαυκαῖς Νηρηίσι 
ταὶ τὲ μάλιστα Ὀρνίϑων ἐφίλαϑεν quodammodo referre uidentur. 
Pleiadum sane nomina schol. Hom. Z v. 486 recensentur: 

24) G. 1Π| 238. Quae hoc loco Asper monuisse dicitur (cf. Ribbeck 
proll. p. 133. 136), ea non ex commentario Vergiliano desumpta esse, 
quod Mommsen statuit mus. Rh. XVI p. 452, cum uetustorum Vergilii 
commentatorum fragmenta in scholl. Bern. obuia enumerabat, sed ex alio 
libro petita, iam illud: nam legimus: "animasqne in uulnere ponunt? lau- 
datusque ipse ille Vergilii uersus ostendere polerat. Pertinent autem non 
ad Asprum grammalicum ueterem, sed ad Asperum quendam multo re- 
centiorem, qui Donati artem exposuit, de quo nuperrime disputauit Hen- 
rieus Keil Hermes 12 p. 334. Extat ars Asperi Tunioris apud Putschium 
p. 1725—1736, sed partim auctior partim admodum decurtata, sicut ex 










































22) Ceterum in glossario Bernensi 16 saec. VIIII— X. praemissa de 
frorri nota satis oportune similia fere scholiis Bernensibus leguntur 
Alehione auis marina quae pelago nidum medio facit cuius par- 
tus fertio (tertia) die pullamina excluduntur (-antur) quarto cibo fouentur, 
septimo wolalui ostenduntur. Alchion. Pelagi wolucris dicta quasi ἁλὸς 
χιών (alescianen) eo quod hyemo in stagno (stagnos) Oceani nidos facit 
pullosque ducit quae exenbanto (leg. qua excindente) fertur extento 
aequore pelagus silentibus uentis continua septem diorum tranquillitate 
manere (miscere) et eins fetibus (fuit: flctibus) educandis obsequium 
ipsam rerum naturam pracbere. 








128 H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 

conlatis codicibus Bernensibus 207 et 611 licel intellegere, ul non mi- 
rum uideri possit, quod hic quoque scholiorum Bernensium locus in edi- 
tione Putschiana desideratur. Nam id nondum ausim ex discrepantia Asperi 
Putschiani et illius, qui in codicibus adhuc latet, pro certo colligere, duos 
fuisse omninu Asperos artium explanatores. Quare ad codices confugien- 
dum. Sed cum illi- quoque duo libri, qui in nostra bibliotheca seruantur, 
non paullum inter se discrepent, in describendo eo loco, de quo 6. IIII 238 


agitur, utriusque scripturam proponere placet ?): 


eod. 207 saec. VIIII—X 
f. 139* 

Vtriusque enim casus praeposicio- 
nes idest accusaliui et ablatiui hae 
(haec) sunt : in sub super subter quae 
tuncaccusaliuo casui seruiunt quando 
aul gressu aul uerbo aut iniuria aul 
lapsu aut lalore aut ira [aut] motus 
adsignatur, quod ita intellegi potest: 
in carcerem el in carceres mit(o etc. 

infra: 
f. 139" 

subter eandem uim habet quam et 
sub. Sed hoc specialiter obseruandum 
est ut tunc hae praepositiones accusa- 
liuo casui seruiaut (seruiunt) quando 


cod. 611 saec. YN— VII 
f. 68" 

Vtriusque uero casus praepositio- 
nes hae sunt: in sub super supter, 
quae tunc accusatiuo casui seruiunt 
quando aul motu aut uerbo aut in- 
iuria aut lapsu (lapso) aut labore aut 
ira molus adsignalur, quod ita in- 
tellegi potest: in carcerem et in 
carceres mitto elc. 


f. 68" 

Supter autem quam uim habet? 
eandem quam [quam] et sub. Ah- 
latiuo! f. 69"| casui tunc hae (haec) 
praepositiones seruiunt, quando ni- 


hil cum ira et inuidia dicitur et niliil 
cum labore fit uel non ad malum cur- 
rilur etc. 


uel gressu ut supra dictum est uel 
animo uel uerbo uel labore uel lapsu 
motus adsignatur. Ablatiuo uero casui 
tunc. hae praepositiones seruiunt, 
quando nihil cum iracundia dicitur, 
nihil cum labore fit, uel non ad ma- 
lum curritur etc. 


—— —— 


23) Asperi nomen in cod. 207 initio legitur: ARS ASPERI GRAM- 
MAT; in cod. 611 f. 54T EXPL A T ASPERI: DE VERBO. DE ADUER 
BIIS, et in indice libri f. 92v et 98" manu antiqua proposita: I ARS 
DONATI EXPOSITA AB ASPERO. De Asperi codicibus Monacensibus 
cum quaererem, Zfenricus Keil benigne epistula amicissima mecum com- 
municauit istorum quae protuli locorum apographa ad codicem Mon. lat. 
6281 Frising. 81, saec. X facta, ex quo alterum Monacensem, Tegern- 
reensem 181 saec. XI fluxisse idem contendit, quae cum ad cod, Bern. 
207 miro sese concentu adplicare niderem, scripturae uarietatem hanc 
excerpsi: fol. 114" INCIP - ARS- ASPERI - DE PARTIB; ORATION-, 
f. 125" super et subter aut iramotus adsignntus, f. 125" super eandem 
uim habet que. et sub serniunt quando uel gressu nel animo ut snp- 
dietum ὃ uel uerbo.nel labore.gressu motus. adsignatus; cum labore 
sit — gressus dirigetur, f. 126" quod ponit nam legimus animos. ani- 
masque de morte duxisset .abto. casu. usus est; Quod ita dictum in 
etiam tune acco casui seruit, - 





H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 729 


Sciendum est tamen specialiter Item. 
guod quocies ad bonam partem 
gressus dirigitur, ponitur in abla- 
tiuo casu elc. 

Infra: f. 69" 

Sciendum quoquequod ponit(po- ^ Sciendum est hoc quoque , quod 
net) aut posuit aut positurusest nul- ponit aut posuit aut positurus cst. 
Ium motum habet, etiamsi ad malam. nullum. motum. habet, ctiamsi ad 
‚pariem pertineat. Nam legimus: malam partem pertineat (pertinat). 
*animasque (quae) in uulnere po- 
niunt? (Verg. G. 1ΠῚ 238). Non dixit 
in uulnus aul in uulnera, quamlibet 
de morte dixisset, ablatiuo famen 
casu usus est quod (quo) dictum in 
allo sermone, ubi motus uidetur, 
inuenire non poleris. In tunc etiam In etiam (unc accusatiuo casui 
accusatiuo casui specialiterseruite!c. specialiter seruit etc. 


Cetera desunt. 


Quae si cum schol. Georg. III 238 conponas, facile opinor mihi ad- 
stipulaberis, quod pro quoniam scripsi quando, quas particulas sexcen- 
ties inter se mutari quiuis liber manuscriptus testis est, el quod post 
"sper dicit et post ponitur lacunarum signa posui. 





I - 
XI 
INCERTORVM AVCTORVM FRAGMENTA QVAEDAM 
RECENSENTVR. 


Memoratu dignum est scholium ad G. ΠῚ v. 289, cuius uerba: *quem 
habuit hospes Serenus? ex aliquo Catulli commentario deprompta esse 
uidentur. 

Citantur praeterea nonnulli incertorum auctorum loci, quorum in 
numero primo loco nominandum est fragmentum poetae Zyriei, ut puto, 
E. VII 53 seruatum: Mala. Fit melum et malum, ut: * meluni erebra 
decerpere manu. Sunt iambi haud dubie uidenturque ad uos uersus 
pertinere: 

Melüm crebra decérpere 
Mani. 

G. 11194 “Fumantia, recentia; cum uola tibi bene responderint 
tunc funde Jihans’. Adparet, uerba cum uota etc. non pertinere ad v. 194, 
ad cuius explicationem nihil ualent, sed potius ad v. 192: “lie laticis 
qualem paleris libamus et auro’, ut lemma libamus intercidisse statuen- 
dum sit. Sed ne hunc quidem uersum, quippe quo nihil lale legatur, 
explicare recte dici possunt, nisi laudari locum alicuius scriptoris statuas. 
Et inest saue uerbis istis, quae poelae esse iam postrema: *tunc funde 
bans! ostendunt, iambicus rythmus. Scribas fortasse: 


750 1]. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 


Cum uota bene animó tuo respönderint 
Tunc fünde libans. 
Tragicone an Comico tribuenda sint, non ausim diiudicare. 

Ad Ennium fortasse, ul supra suspicatus sum, certe ad epicum 
poetam referendus est uersus ad Georg. III 178 prolatus, quem sic 
restituas : miros 

. . Senés tueántur et nón in bella prorümpant. 
Ad hune incerlorum fragmentorum numerum rettulerim praeterea G. I 
143: Inde * rigidus amor? dicitur; G. IT 260: dicimus certe * deustum 
[rigore holus? ; v. 441 Animosi, uiolentes: ἡ ualidi spirilus saeuique’; 
nam quominus ea ad scholium ipsum pertinere statuas, obstat saeuique 
noue ultimo loco positum atque particulae que usus, qui apud scholiorum 
Bernensium auctores, quicumque Vergilii uerba explicant, fere nullus est." 

Laudatur denique ad E. III 111. VIIII 29, G. 1 50 et 88 Isidorus 
ilocis primo et duobus extremis isió) neque tamen horum quidquam in 
eius operibus deprehenditur. Isidori nomine cum E. VIII] 29 praefixum 
sit Aucusque, quod alioqui non nisi in Zunilio accidit ut adderetur Georg. 
argum. ] et paullo infra: * hucusque hic tractatus?, cum de iusto Vergilii 
commentatore epitomator loquebatur, adstipulandum erit Ribbeckio , qui 
proll. p. 194 de quodam commentario haec sublata esse statuit, cuius 
auctor, siquidem E. VIII 20; ἃ. 1 50 suo Marte rem gerere uidetur, non 
lam expressus ex Seruio quam postea in eum inlatus est, cf. schol. ad 
t. HL 111; G. 1 88. Nam de altero, qui Seruium tempore praeiuerit, 
Isidoro quodam coniectura nimis incerta sit. Ceterum non obnitar, siquis 
omnihus istis locis Iunili? nomen reponere uelit, 


XII 
DE CORNELIANO ATQVE EBRIO VERGILII EDITORIBVS. 


Georgicorum 1. III aliquot loeis scholia Bernensia mentionem faciunt 
uariarum lectionum, quae ad Corneliani (v. 87) et ad Ebrii (v. 26. 77. 
a8. 131. 169. 545. 564) auctoritatem referuntur aut separatim aut con- 
iunetim (v. 120. 175). 

Atque primum quidem Ribbeck proll. p. 28 bene ad eundem uirum 
el scholiorum Bernensium locos, quibus in Corniliani hoc illud legi do- 
cemur et Seruii Lemouicensis ad Georg. I 12 adnotationem “in Cornel. 
equum in authentico aquam ipsius manu equum? rettulit, ex quo ipso 
loco colligas non parnae illum auctoritatis fuisse, Sed quod idem Lribus 
scholl. Bern. locis pro incorniliani, quae constans codicum scriptura est, 


24) Quodsi ad E. 1I 52 recte conieci, legendum esse: *quao Autem 
mollem mala ut «cerea mala»’, id quoque pro fragmento incerti auctoris 
habendum erit. Similem loquendi fornulam non nisi Martialis usur- 
passe uidetur X 94 *Mittimus autumni cerea poma mei', quo quidem loco 
illud cerea insuper /igurate dietum est. Quamquam me non fugit, illud 
cerea mala propter id quod sequitur v. 53 * addam cerea pruna? corrup- 
tum esse posse, ipsum nero commentatorem cana mala (v. 61) aut scrip- 
sisse aut scribere uoluisse. 


m] 
. 





MH. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 731 


in Corneliano uel in Cornelianis scribendum esse coniecit, minus pro- 
bari potest. Vt mittam, ad Georg. ΠῚ 120 et 175 ita coniungi cum Cor- 
neliano Ebrii cuiusdam nomen, ut aut utrobique geneliuum casum rel 
neri aut, id quod et librorum auctoritate el sensu proprio destituilur, 
utrobique ablatiuam formam statui sit necesse, si alterutro loco statua- 
tur, iam ne hoc quidem dicendi usu firmatur, Cornelii librum Cornelianum 
dici potuisse neque etsi Cornelium Celsum , ad quem ista Ribbeck referri 
uult, commentarium quidem in Georgica conseripsisse libenter credamus, 
id quoque concedi poterit, recensendis eum Vergilii carminibus operam 
dedisse. Nam quae ad Georg. 11332 in Philargyrio leguntur: * Celsus 
ait germina reliquisse Vergilium, loquitur enim de omuium arborum fetu. 
Vnde male quidam gramina legunt’, si conferas cum ceterorum Seruii 
Philargyrüque, quibus Celsi mentio fit, locorum natura alque indole, 
patet, Celsum obiter tantummodo atque tum quoque magi: 
larelur quam ut recenseret, ad criticas quas uocant quaestiones descen- 
disse. Quibus accedit, quod, si recte tradidit Pomponius Laetus ad Aen. 
VI 1: *Probus, his duobus uersibus, inquit, finitur hic liber in Tuccac et 
Cornelianis commentariis", cogitari nullo modo potest, uirorum duorum 
primo post Christum saeculo uiuentium libros indistincte Cornelianus 
appellatos esse, respici autem modo Cornelium Celsum rhetorem atque 
medicum, modo Cornelium Balbum aliumue nescio quem. Atque uidelur 
Ribbeck, ut a Cornelio Celso probe distinguendum esse Cornelianorum 
commentariorum auctorem dicerel, hoc potissimum argumento adductus 
esse, quod ad Aeneidos libri V finem Pomponii Laeti scholium pertinet, 
Cornelius uero Celsus non nisi in Georgica commentatus esse ul traditur 
ita putari potest. Quos Cornelianos commentarios si cum Heynio ad Cor- 
nelium Balbum rettulit, qui ad Aen. ΠῚ 127 a Seruio laudatur eiusque 
ἐξηγητικῶν librum octauum decimum citat Macrobius Sat. ΠῚ 6, 16, id 
quoque parum probabile, Cornelium Balbum perpetuum in Vergilium 
commenlarium scripsisse, nel si commentatus est, recensuisse potius 
quam interpretatum esse Vergilii carmina. Nam de scholiis Veronensibus 
ad ecl. VII 37 et Aen. XIl 470 nunc Arnoldi Herrmanni diligentia effectum 
est (cf. Fleckeiseni aunal. 1866 p. 66. 72) ut ne pertinere quidem ad 
eam quaestionem dicas. Neque tamen negari potest, quae ex istis Corne- 
lianis commentariis proferuntur a Pomponio , argumenti quadam commu- 
nione cum illis locis esse conexa , quibus in Corniliani hae lectiones 
inueniri dicuntur. Accedit quod duriuscule dictum est *in Tuccae et 
Cornelianis commentariis", ul nesciam an non audacter Corneliani com- 
mentariis sit scribendum cogitandumque de ipso illo Corneliano quem 
scholia Bernensia atque Seruius Lemouicensis ad Georg. 1 12 laudarunt, 
uiro intra primi post Christum saeculi spatium uiuente. Et uideo iam 
Suringarum II p. 225 Laeti scholium cum Seruio G. 1 12 conparasse. 
Suetonius uero Asprum quoque inter inlustrium grammaticorum ordines 
referre supersedit. 

Quod autem ad Ebrium adtinet, cuius nomen una cum Corueliano 
effertur ad Georg. Ill 120. 175, per se solum v. 26. 77. 88, 131. 169. 
545. 564, recte et Reifferscheid olim uidit Suet. rell. p. 350 eundem 





























132. M. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 


esse Zebrum illum, quem semel tantummodo ad Aen. VII 6 Seruius lau- 
danit (quierunt] Nebrus quierant legit) et Ribbeckio placuit proll. p. 178. 
Nam Parrhasii Zelenius Acron explosus est. Neque tamen ob wnum 
istum. Seruii locum nouem scholiorum Bernensium locis Hebri nomen 
restituendum esse Reifferscheidio concesserim, sed potius apud Seruium 
quoque Ebrius legendum est. Nam quod Ribbeck sagaciter coniecit proll. 
p. 176, Verrii Flacci nomen sub isto in ebrii latere, parum mihi proba- 
lur primum ob ea quae ad α. ΠΠ] 120 leguntur: *intyba? in ebrii *intuba? 
in corniliani, quo loca Verrium non intyba, sed intuba commendaturum 
fuisse consentaneum est ex iis quae Felius Longus tradidit p. 2215 P: 
* Verrio Flacco uidetur eandem esse apud nos V^ literam quae apud 
(Graecos v; namque his exemplis argnmentatur: quod illi dicunt cvminum 
nos cuminum: quam κυπαάρισσον nos cupressum, illi κυβερνήτην nos 
gubernatorem, nec non ex eiusmodi "Theseus Menoeceus Peleus? et simi- 
libus adfirmat. Nam haec Verrium Flaccum non de Graecis uocabulis 
tantummodo statuisse, sed omnino y litterae usum ex Latino sermone 
expelli iussisse, patet, si grammaticorum omnium qui ad nostra tempora 
peruenerunt, unanimem de ea littera uocem respexeris, scilicet Graecam 
esse alque solorum nominum Graecorum causa in Latinum usum uenisse, 
cf. Diomedes p. 415 P : *Graecae duae y 7, quae in usum nostrum propter 
nomina Graeca uenerunt, id. p. 421 P: ἐν nocalis diyoovos Graeca quae 
propter Graecas dictiones admittitur? ; [ Fal. Probus] de ultimis syllabis 
p. 222 K: *Graecac litterae duae sunt in oratione Latinitatis v et z .... 
has Latinitas de Graeco fonte derinauit non suorum necessitate uerborum 
quam Graecorum nominum ratione*; Scaurus de orthographia p. 2260 P: 
ἐν litteram. superuacuam Latino sermoni putauerunt quoniam pro illa v 
cederet; Caper de orthographia p. 2246 DP: ἐν litteram nulla uox nostra 
adsciscit et ideo (el om. cod. Bern. 338) insullabis gylam dicentibus*; 
Terentianus de litleris p. 2386 P: *y quam memorant uocibus auia est 
Latinis. p. 2389 P: *Nihil Ausoniis esse opus y sonare dixi’, quibus ad- 
das Cassiodori de orthographia Papirianum p. 2291 P et Annaeum 
Cornutum p. 2286 P. Inde efficitur, Verrium qui ne in Graecis quidem 
nerbis y litteram seruari uellet, multo minus in Latinis eam passum esse. 
Ebrium uero illum non intyba, sed intiba probauisse, quae cod. Bern. 167 
(C) lectio est, quominus credamus, obstat obpositum infuba atque ipse 
codicis Dern. 172 (B) habitus longe honestior. Deinde si Charisii loco p. 
119, 14 K, quem uterque nostrum in partes uocauit ad Verrii nomen 
restituendum, recte usus suni ad ecl. VI 18, cuius auxilio pro corrupto 
sic et homerus resliluerem sicut ait Verrius, tum parum uerisimile est, 
potuisse idem nomen angusto commentariorum ad Bucolica et Georgica 
perlinentium spatio bis ita corrumpi, ut in Bucolicis constanter homerus, 
in Georgicis ebrius scriberetur; atque. hoc etiam minus credibile, Seruii 
commentatoris , ut supra docni, a Philargyrio satis alieni librarios omni- 
hus aliis locis quibus Verrii mentionein fecit, recte eius nomen scripsisse, 
uno uero solo ad Aen. VIl 6 in eandem fere corruplelam deiapsos esse, 
quam. Philargyrii librarii commisisse creduntur. Retinendus igitur Ebrius 
Vergilii editor, uir non spernendae doctrinae, ut Ribbeck optime demon- 


a adi 





H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgiea. 733 


strauit proll. p. 176. Ceterum uitium ad G. III v. 131 commissum nun 
tam Philargyrio uel quo nomine sclolii auctorem dicere mauis, quauı 
epitomatori uel librariis oscitausibus erit tribuendum, cf. edit. Ebrium 
uero ambo formam probauisse Ferrii potissimum auctoritate ductum quiuis 
lubenti animo concedet. 





De iis quae appendicis loco scholia Bernensia subsequi uolui, breui- 
hus id praemonendum, Figuras Graecorum, cum in Lucani quoque 
codice Bernensi XXXXV (quamquam satis lacera com 
criticam nihil fere ualere dicendus sit) inueniantur, ut olim ad Vei 
solum, ita posteriore tempore ad ceteros quoque poetas epicos pertinuisse 
uideri. Quem quidem de figuris tractatum, quoniam non pauca in co 
inueni peculiariter exposita, quae in similibus rhetorum catalogis (cf. 
Halm, rhett. Latt. minn. 1863 p. 1— 77) aut omissa aut alia fere ratione 
traclala sunt, ul typica quam uocant descriptione dignum haberem facile 
ab animo meo impetraui. Scholia uero noua, quae ex cod. Bern. 165 
saec. VIII excerpsi , quiuis uidebit ea esse indole, ut in tanta cummenta- 
torum uelerum strage non possint non pro oportuno quodam, quamuis 
salis exili, supplemento haberi. De nouo aliquo fonte haud spernendo, 
unde deperdita commentalorum Vergilii ueterum scripta aliqua certe ex 
parte reparari posse confido, proximo exponam tempore tum, cum scho- 
lia in cod. 165 al .4eneida pcrtinentia publici iuris faciam. Denique 
quae agmen claudunt, medii aeui excogitamenta de Vergilii uita atque 
Scripfis, ea quoque, quamquam tenuem satis doctrinae speciem praebent, 
spero accepta fore, qualem Vergilii notitiam noni post Christum saeculi 
homines habuerint , scire cupientibus. 

Orthographicam in scholiis edendis rationem seculus sum eam, ut 
librorum scripturam quamuis non semper sibi constantem exprimere ple- 
rumque mallem, quam constantiae cuiusdam speciem adfectare, qua omui- 
bus lemporihus usum *tyrannum" superiorem fuisse confido. 

Quod autem ad critieam operam adtinet, quam scholiis Bernensibus 
mauaui, id uelim animo lencas, permultis locis prauo epitomaloris ab- 
breuiandi studio scholia adeo lacera abiectaque condicione ad nostra tem- 
pora deuenisse, ut intacta relinquere talia quam temere quippe in re satis 
lubrica coniciendo temptare longe praestaret. Sed haec quoque nouis ali- 
quando subsidiis inuentis tempus sanaturum spero. 

Quodsi accuratius fortasse, quam opus erat, de falsis Muelleri lectio- 
mibus atque prauis conieclaneis reltulisse uideor, necessarium id factu 
erat, ut fidem facerem uiris doctis tam inmanem uitiorum molem male 
credituris. 

Superest ut omnibus viris doctissimis atque humanissimis, qui me in 
hac opera aut communicandis uel suis uel aliorum inuentis aut li sugge- 
rendis adiuuerunt, Ribbeckium dico, Woelfülinum, Vsenerum, Keilium, Fleck- 
eisenum, Steigerum Bernensem , Bucheggerum Sangallensem , Fritz chium. 
Turicensem beneficiorum in me conlatorum gratias agam quam maximas. 

Dabam Bernae mense Augusto CIJIJUCCLXVI. 
































194 11. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 


VERGILII YITA DE COMMENTARIO DONATI 
SVBLATA. 


Cal P. Vergilius Maro Mantuanus parentibus modicis fuit ac praecipue 
patre, quem quidam opificem figulum, plures Magi cuiusdam uialoris 
inilio mercennarium, mox ob industriam generum tradiderunt, egregieque 

2 substantiae siluis coemendis et apibus curandis auxisse reculam. ; Natus 
est Gn. Pompeio Magno [et] M. Licinio Crasso primum coss. iduum Octo- 
55  brium die in pago qui Andes dicitur et abest a || Mantua non procul. | 
3 Praegnans eo mater somniauit enixam se laureum ramum, quem contactu 
lerrae coaluisse et excreuisse ilico in speciem maturae arboris refertaeque 
uariis pomis et florihus ac sequenti luce cum marito rus propinquum petens 

4 ex itinere deuerlit atque in subiecta fossa partu leuata est. | Ferunt in- 
fantem ut sit edilus neque uagisse et adeo miti uultu fuisse, ut haud du- 

5 biam spem prosperioris geniturae iam tum daret. [et] | Accessit aliud 
praesagium, siquidem uirga populea more regionis in puerperiis eodem 
slatim loco depacta ita breui eualuit [tempore], ut multo ante satas po- 
pulos adaequauisset, quae arbor Vergilii ex eo dicta atque etiam con- 
secrala est summa grauidarum ac fetarum religione et suscipientium ibi 

6 el soluentium uota. | Initia aetatis Cremonae egit usque ad uirilem togam. 
quam XV anno nalali suo accepit isdem illis consulibus iterum duobus, 


Vsus sum in Vergilii uita codicibus his: B = Bernensi 172 saec. 
IX—X, olim Floriacensi dein Danielis post Bongarsii; P = Parisino 
suppl. lat. 1011 saec. IX Pithoeano fol. 62'—67' quem a Fróhnero in 
C. L. Rothii usum conlatum Eduardus Woelfflin benigne in meum usum 
transmisit, ef. philol. XXIV p. 153 sq.; G == Sangallensi 862, saec. X 
quem contuli primus; 1 — libri BGP; M == Müller editor. ‘Vergilius’ 
semper scripsi cum Reifferscheidio Suet, rell. p. 51—66, uirgilius libri. 
Numeri uncis inclusi ad interpolat&c uitae editionem Wagnerianam 
spectant. Nulla adest in l. inscriptio || 1 VBLIVS VIRGILIVS MARO 
G | P uirgilius inaroB \ quidem G || ml superscript. uel negoti Pi- 
thoeanus j| initio 1 (sic) || mercennarium 1 || gregiaeque G || substantie 
BP ! substantiae G || substantia M [| comdisset apibus G || auxisse regulam 
DP | regulam auxisse G | quaedam intercidisse suspicatur MI 2 GN BP, 
qu Gjil[et] G I et BP[| CONSS BP [| idium (suprascr. manu II, sed anti- 
qua saec. X) B !| ande G || 3 pregnans cum BP | pregnas eum G | praegnans 
eo nulgata [| eontactu terrae G | contracta terra (expunxit m. II) B | con- 
tracta P | contacta terra uulgata || ilico 1 (sic) | in speciem G | [in] spe- 
ciem BP j| sequenti 1 (sic) [| ex inere diuertit G || leuata G | leuiata B ; 


leunta Pj 4 ut sit editus 1| cum sit editus Reifferscheid | iam tum da 
ret BP | iam duraret G || 5 [et] accessit Reiff. | *accessit? uel *accessit 
et? Gronov, | et accessit | !| impuerperiis G || eualuit 1| conualuit Gro- 
*. lempore 
nov. l| enaluit P | eualuit tempore B || [tempore] ut multo [ante] satas 
G | ac foetarunı BP | ac foetorum G || [et] suscipientium G || 6 quam 
XVII anno natali suo accepit (in marg. man. Il saec. X natalis sui H) 
BP | quam VII anno aetatis suae coepit G | initia aetatis idest usque 





H. Hagen: scliolia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 735 


quibus erat natus, euenitque ut eo Ipso die Lucretius poeta decederet. ; 

Sed Vergilius a Cremona Mediolanum et inde paulo post transiit in ur- 7 
bem. || Corpore et statura fuit grandi, aquilo colore, facie rusticana, ua-:68 (10) 
letudine uaria; nam plerumque a stomacho et a faucibus ac dolore capitis 
laborabat, sanguinem etiam saepe reiecit: cibi uinique minimi; | libidinis 9 (20) 
in pueros pronioris, quorum || maxime dilexit Cebetem et Alexandrum, 57 
quem secunda Bucolicorum ecloga Alexim appellat, donatum sibi ab Asi- 

nio Pollione, utrumque uon ineruditum, Cebetem uero et poetam. Vul- 
gatum est consuesse eum et cum Plotia Hieria. | Sed Asconius Pedianus 10(21) 
adfirfuat, ipsam postea maiorem natu narrare solitam , inuitatuni quidem 

a Vario ad communionem sui, uerum perlinacissime recusasse. | Cetera 11(22) 
sane uitae el ore el auimo tam probum constat, ut Neapoli Partheuias 
uulgo appellatus sit, ac si quando Romae, quo rarissime commeabat, ui- 
seretur in publico, sectantis demonstrantisque se subterfugeret in pro- 
ximum tectum. | Bona autem cuiusdam exulantis offerente Auguslo non 12(23) 
sustinuit accipere. | Possedit prope centiens sestertium ex liberalitatibus 13(24) 
amicorum habuitque domum Romae Esquiliis iuxta hortos Maecenatianos 
quamquam secessu Campaniae Siciliaeque plurimum uteretur. | Parentes 14(25) 
iam grandis amisit, ex quibus patrem captum || oculis el duos fratres — ow 
germanos, Silonem inpuberem, Flaccum iam adultum , cuius exitum sub 
nomine Daphnidis deflet. | Inter cetera studia medicinae quoque ac ma-15(20) 
xime mathematicae operam dedit. Egil et causam apud iudices unam 





ad septimum annum Cremonae egit et XVII anno uirilem togam cepit 
uulgate | XV anno Reifferscheid || isdem 1 (sic) || iterum (duobus) G 1} 
eodem ipso dio G 
7 [sed Virgilius a] Cremona Reiff, [| transiit 1 (sic) || 8 corpora G i 
τὰ 


ne (tu m. II, fuit: 





grandi G | grandis BP || aquilo G | aquili BP || ualidi 
ualiditune) P || ob stomacho G ἢ sepius reiecit G || minimi G | minime 
BP || 9 promoris G | pronior. his BP ἢ caebetem G || bucholicorum-G | 


bocolicorum B || egloga !||ab Sinio B || polione BP | [ab Asinio] Pollione 


G || consuesse G | consuissc BP || Hieria G | ieria P | feria (i.e. man. I 
geria, m. ΠῚ ieria) B | Aleria Daniel | Gleria M (uides propagatum er- 
rorem, cum i super g positum, quod longiore ductu in uocabulorum ini- 
tiis scribi solet in B, pro | falso haberent) | Galeria coniecit Ribbeck 
proll. Verg. p. 101, quode cf. idem praef. p. II sq. || 10 maiorum natu G 
Harrarem solitam G||a uario G | a uario (ung. m. II) B ! n uurco P ef. 
Ecl, VI 17 et praef. p. 688 || 11 uitae BP | uita G | corruptum nidetnr 
Reifferscheidio || tam probum constat G | proba m. I probum m. IL B ' 
proba [fuisse] M. An: tam probatum? || ui, ;seretur G || sectantes demon- 
strantesquo bterfugeret seripsi | subter fugero G | subterfugere 
solitum uulgata | suffugere BP | suffugere [solitus] M | suffugeret Reiff. |, 
12 autem | (sic) | uero M || boni autem cuiusdam exuolantis offerentà 
augusto G || 13 centiensestertium 1| ex liberalitatibus (pung. m. I) B | 
domumP I enis (rome man. II add.) B | domum rome exquiliis P | do- 
mum rome nesqniliis G [| mecenatianos G cf. Sucton. Tiber. cap. XV : 
1necenatis quanquam B || utetretur G || 14 ex quibus patrem 1 (sie 
et B, non Palem, quod oculis eaptus ariolatur M) || inpuberem 1 |] lac- 
eum [ium] adultum G || ouius exitam G 





























1736 NH. lagen: scholia Bernensia ad Verzili Bucolica atque Georgica. 


16(27)omnino nec amplius quam semel: | nam et in sermone tardissimum ac 
paene indocto similem eum fuisse Melissus tradidit. 
17(28) Poeticam puer adliuc auspicatus in Balistam ludi magistrum ob in- 
famiam latrociniorum coopertum lapidibus distichon fecit : 
Monte sub hoc lapidum tegitur Balista sepultus; 
Nocte die tutum carpe uiator iter. 
Deinde catalecton et priapia el epigrammata et diras, item cirim el culi- 
18(20) em, cum esset annorum XVI. | Cuius materia talis est. Pastor fatigatus 
ποδία cum sub arbore condormisset et serpens ad eum proreperet e palu- 
de, culex praenolauit atque inter duo tempora aculeum fixit pasluri.. At 
ille continuo culicem contriuit et serpentem interemit ac sepulchrum cu- 
lici statuft et distichon fecit (v. 412. 413): 
Parue culex, pecudum custos tibi tale merenti 
Funeris officium uitae pro munere reddit. 
19(30) Scripsit etiam [de qua ambigitur] Aetnam. Mox cum res Romanas in- 
ὅθ — choasset, offensus materia ad Bucolica transiit || maxime ut Asinium 
Pollionem Alphenumque Varum et Cornelium Gallum celebraret, quia in 
distributione agrorum, qui post Philippensem uictoriam ueteranis trium- 
uirorum iussu trans Padum diuidebantur, indemnem se praestitissent. 
20(31) Deinde edidit Georgica in honore Maecenatis, qui sibi mediocriter adhue 
noto opem lulisset aduersus uelerani cuiusdam uiolentiam, a quo in aller- 
21(32)catione litis agrariae paulum afuit quin occideretur. | Nouissime Aenei- 
dem inchoauit, argumentum uarium ac multiplex et quasi amborum Ho- 
meri carminum inslar, praeterea nominibus ac rebus Graecis Latinisque 
commune et in quo, quod maxime studebat, Romanae simul urbis οἱ 
22(33) Augusti origo contineretur. | Cum Georgica scriberet, traditur cotidie 
meditatus mane plurimos uersus diclare solitus ac per totum diem retrac- 
lando ad paucissimos redigere, non absurde carmen se informe more 
23(3-)ursae parere dicens et lambendo demuin efiingere. | Aeneida prosa prius 


16 nec et sermonem tardissimum G | ac pene indoctum (indocto πὶ. 11) B| 
indocto G || melisus G || similem fuisse ! | eum addidi || 17 ballistam P || dis- 
ticon B | disthicon G || ballista GP || priapia BP | priapea G | Priapeia M |: 
et item cirim G | [et] item eirimus BP || annorum XVI BP | annorum XV 
G ji 18 condormisset BP | obdormisset G || ad eum BP | ad illum G || prori- 
peret P | proriperet (m. II proreperet) B | praereperet G || praeuolauit G | 
prouolauit BP h contriuit G | attriuit B | adtriuit P || culici G | culicis BP | 


f. 
disticon 1 j| 19 scripsit etiam aethnam de qua ambigitur (sic) B | etiam 
de qua ambigitur aeternam P | de qua ambigitur aetnam uulgata | scrip - 
sit etnam, omissis *etiam de qua ambigitur? G | ‘de qua ambigitur? uncis 
inclusi, cf, praef p.683 || Bucolica uulgata | bocolicam BP | bucholicam G, 
sed cf. ad 1). III 29. 30 || assinium pollionem B | asinium [pollionem] G : 
alphenumque G | alphenum BP || in distributioné G |! quo, eorr. qui P !' 
philippeusem B | philipensem GP |i 20 edidit om. 1, add. uulgata post 
*Maecenatis*, posui post *deinde' || georgica G | georgicà BP || in honore 
1| in honorem, eorr. honoro P || litis agrariae paulum G | litis paulum 
BP j| afuit G | affuit B | a fuit, corr. affuit P (2) || 921 carminum G | car- 
minis I' | earmini (m. II carminis) B [| 22 meditatus scripsi | meditatos 1 || 
carmen se more ursae BP | ursae more G | informe addidit Reifferscheid j 








H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 737 





oratione firmatam digestamque in XII libros 
stituit, prout liberet quidque, et nihil in ordinem 
impetum moraretur, quaedam inperfecta ti 
sibus ueluti fulsit, quos per iocum pro * ti 
sustinendum opus, donec solidae colunmae aduenirent. | Bucolica trien- 25 (- 
nio, Georgica VII, Aeneida XI perfecit annis. | Bucolica eo successu edi- 26 (+ 
dit, ut in scaena quoque per cantores erebro pronuntiarentur. || Georgiea 27 (. 
reuerso post Aeliacam uictoriam Augusto atque Atellae refi 
faucium causa cummoranti, per continuum quadriduum legit , suscipiente 

Maecenate Tegendi uicem, quotiens interpellaretur offensione. | 34 7. 
Pronuntiabat autem cum suauitate et lenociniis miris. | Ac Seneca tradi- ὦ € 
dit, lulium. Montanum poetam solitum dicere, inuolaturum se Vergilio 29 € 
quaedam, si el uocem possel el os et hypoerisin: eosdem enim uersus 

ipso pronuntiante hene sonare, sine illo inanes esse multosque. | Aeneidos 30 (4 
uixdum coeptae tanta extitil fama, ul Sextus Propertius non dubitauerit 

i e (II 34. 65): 


articulatim componere |! in- e» 
ipiens. | Ac ne quid 24 (: 
iL, alia leuissimis uer- 
lus? interponi aiebat ad 



















































us nascitur Hiade — 
Augustus uero — nam forte expeditione Cantabrica aberat —, suhplici- 31 (4 
bus atque etiam minacibus per iocum litte aret, ut "sihi de Ae- 
a sunt, uel iitis ὑπογραφή ucl quod- 
libet κῶλον miteretu?. (ui tamen multo post perfectaque demum ma- 


















23 firmutam seripsi | formatam 1, ef. praef. p. 683 || arripiens G | acci. 
iens (m. II arripiens) B || 94 ut ne quid DP | ne ne quil G || inperfecta 
lenissimis nersibus € | leuissimis uerbis BP || quos G | quae DP || 
einibns GP | tibianibus (m. 11 tibinlibus) B, ef, Sern. Aen. VI 186: Forte 
precatur] Vaeat *forte^ et. uersus de qui tibi i. 
bus additur aliqnid ad solam metri sustentatione: 
BP | a se dicebat G |j 25 bucolien biennio G [| Geo VII] VIII suspi- 

eatur Ribbeck proll. p.14 duce Phocae ueran 98 || pertieit G || 26 in scenam 
BP | in sena (|| erebra G | erebra pronuntiatione recitarentur uulgata. 
ef, praef. p.679 [ 27 post attinenm Hl | per atiacam |j atque l, om. M ; atellg 
P || refieiendarnn faneium BP | reficiendarum uirium G || quadriduum G | 
quatriduum BP | interpelleretur G [| An: 'reficiendarum uirium causa? et 
"faucium offensione? quod ipsum Snet. Aug. cap. 84 fin. commendari 
midetur. || 28 eum sunnitatem lenoeiniis G | cum suauitate cum lenoci- 
uiis BP | cum suauitate tum lenociniis Reifleracheid | cum suauitate et 
lenoeiniis scripsi cum wulgata || 39 ac Seneca seripsi | ut seneca libri 
et Seneca Heiff. Locus in Senecae scriptis quae ad mos peruenerunt 
non extat. Videtur eodem pertinuisse unde sua hausit Gellius XII 
montanum poeta G || inuolatarum (m. II inuolaturum) B [| quadam G ; 
[et et ipoerisin G j| nerha *eosdem enim uersus — mutosque* om. (ἡ 
30 sic praedicare]. An: 'praedicere" ? || eredite romani scri, 
dite Gh grat 1 (sie) || ante Reifferscheidium post *Iliade? puncto 
pungebaut ἢ 81 cantabria aderat GP | aberat (man. II aderat) b (sie) 1 
er, qui 











|| iuterponi 





















































subplicibus P | supplicibus BG || efflagitaret 1 | eftlagitahnt M 
post *Iliade? puneto interpungeret || ὑπογραφή scripsi | hypografe G | hy- 
pografa BP | hypographia M || mitteretur libri | mitteret M. Reiff. || quartiu 





e conlato 





et sextum G | quartum sextum BP. De horum numerorum 
Heruio cf. praef. p. 687. 
Jahrb. f, clas», Philol, Suppl, Hd, IV. Hft, 5. 48 


2 (47) 


738 I. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 


teria tres omnino libros || recitauit, seeundum quartum et sextum, | sed 
huue notabili Octauiae adfectione, quae cum recitationi interesset, ad 


illos de filio suo uersus (Aen. VI 884): “Tu Marcellus eris’, defecisse fer- 


3 (45) tur atque. aegre focillata [est]. | Reeitauit et pluribus, sed neque fre- 


4 (9) 


5 (51) 


63 


quenter οἱ ea fere de quibus ambigebat, quo magis iudicium hominum 
experiretur, | Erofem librarium eius exactae iam senectulis tradunt referre 
solitum, quondam eum in recitando duos dimidiatos uersus complesse ex 
tempore. Nam cum hactenus haberet (Aeu. VI 16-4): *Misenum Aeuliden', 
adiecisse: “quo non praestantior alter’, item huic (ibid. 165): *Aere ciere 
uiros?. simili calore iaetatum subiunxisse: *Martemque accendere cantu, 
statimque sibi imperasse ut utrumque uolumini adscriberet. 


Anno aetatis quinquagesimo secundo inpositurus Aeneidi summam 
manum statuit in Graeciam et ın Asiam secedere triennioque continuo 
nihil amplius quamı emendare, ut reliqua uita tantum philosophiae uaca- 
rot. Sed eum ingressus iter Athenis occurrisset Augusto ab oriente Ro- 
mam renertenti destinaretque non absistere atque etiam una redire, dum 
Megara uicinum oppidum feruentissimo sole || eognoscit, languorem nac- 
Uis est eumque non intermissa nauigalione auxit ita ut aegrior aliquanto 
Brundisium appelleret, ubi diebus paueis obiit M Kal. Octobr. Gn. Sentio 


Ὁ (55) Qu. Lucretio coss. | Ossa eius Neapolim translata sunt. tumuloque condita 


7 (06) 


qui est uia Puteolana intra lapidem secundum, in quo distichon feeit tale: 
Mantua me genuit, Calabri rapuere, tenet nınc 
Parthenope; cecini pascua rura. duces. 
lleredes fecit ex dimidia parte Valerium Proeulum fratrem alio patre, 
ex quarta Augustum, ex duodecima Maecenatem, ex reliqua L. Varium et 


N 


Plotium Tuecam, qui eius Aeneida post obitum iussu Caesaris emendaue- 
3 


iB (57) runt. | De qua re Sulpicii Carthaginiensis extant. huinsmodi uersus: 


Iusserat haec. rapidis aboleri carmina flammis 
Vergilius, Phrvgium quae cecinere ducenn. 


[m — —— - 


32 notabili| (fuit: notabilis) D | notabili GP An notabilem? || ad- 
feetione BP | ad perfectionem ( || focilata [est] G | focilata est BP || 
33 et [ca] fere G Ϊ ambiebat G || quo ma. (sic) G j| 34 quondam cum 1 | 
aliquando M || nam eum actenus G || aeoliden 1 (sic) || iactatum GP | 
laetatum (longiore i, ut semper in uerborum initiis) B | inde perperam: 
"]netatuim? M | elatum Reifferscheid | aetutum Burmann || inperasse G ! 
adscriberet G | ascriberet B. De ea re prorsus inercdibili ef. Ribbeck proli. 
p. 93 et praef, p. 686 || 35 inpositurus P | impositurus BG || neneidis sum- 
man manum G | neneidi summa manu BP || in georgicam G [| continuoque 
G j| phylosoplie P | philosophiae BG (sie) | philosophia M || destinarotquo 
B tt m. II) | destinareque P | distinaretque G | non abstinereG [| opidum P [| 
cognoscit | | cognouit M || aegrior scripsi | grauior 1|| appellaret G |! obiit 
1 | obitM || GN sencioq; lucretio conss G | GN sestio quinto lucretio conss 
I^ | Festio M || 36 nenppolim uia pottolana G || [in quo] distehon G |] 
47 ex dimidia parte G | ex dimidiam partem (puug. m. II) B || ex alio 
patre G [| l. narium et plotium tucenm G | 1. ualerium BP | et plocium 
team B [| aeneidam B | eneidam P | aeneidem (+ || emendanerunt 1 | 


emendarunt M || 38 supplicii G || earthaginensis G [| iusernt B |, aboleri 1 





II. lagen: scholia Bernensia ad Vergili Ducolica aque Georgien. 739 


Tucca uetat Variusque; simul tu, maxime 
Non sinis et Latiae consulis historiae. 
Infelix gemino cecilit prope Pergamon igi 
Et paene est alio Troia sepulta rogo. || e 
erat cum Vario, priusquam Italia decederet, ut siqu accidisset, 39 ( 
Aeneida combureret; at is ifa facturum se perm Lrema 
walitudine assidue scrinia desiderauit, crematurus ipse; uerum nemine 
offerente nihil quidem nominatim de ea cauit. | Ceterum cidem Vario ac 40 (. 
simul Tuccae scripta sua sub ea conditione legauit, ne quid ederent, 
quod non a se editum esset. | Edidil autem auctore Augusto Varius sed 41 ( 
summatim emendata, ut qui uersus etiam inperfectos sicut erant relique- 
ril; quos multi mox supplere conati nou perinde ualuerunt ob difficulta- 
tem, quod omnia fere apud eum hemistichia absoluto perfectoque sunt 
sensu , praeter illud (Aen. ΠῚ 340): *Quem tibi iam Troia". | Nisus gr: 
malicus audisse se a senioribus aiebat, Varium duorum librorum ordinem 
commntasse et qui tunc secundus esset || in tertium locum transtulisse, 
eliam primi libri correxisse principium, his uersibus dempl 
lle ego qui quondam gracili modulatus auena 
Carmina et egressus siluas uicina coegi, 
Vt quamuis auido parerent arua colono, 
Gratum opus agricolis, at nunc horrentia Marl 
Arma uirumque cano. 
Obtrectatores Vergilio numquam defuerunt, nec mirum: nam nec Homero 43 (1 



























42( 


























f ic) || uergilium G || tuca. metat G [ nariusque Q | uariusque (pung. m. II) 
|| tu om. 4 | Tucea uetat Variusque simul: tu maxime Caesar inter- 
punxit Reifferscheid || et poene 1 || Troia sepulta rogo scripsi | troia 
cremata sepulta rogo G | troia cremata rogo BP || 
$9 cum uario ( | cum uaro B ! eum uario, eorr. 
seripsi | et is 1| sed is Reiff. || it« addidi, om. lili 
decederet ut siquid 
rum G || assiduo l| 
dem B || vurio GP | nario B || scripta " 
B || sicut erant Gronouius | si qui erant 1 || reliqnerit quos BP | reli- 
quer. os ἃ || suplero G || apudeum cmi; 1 P | apud [eum] emisthichia 
HB || sunt sensn BP | sunt om, M || iam addidi | om. BP | apud cum 
stichia praeter illnd quem tibi iam troia sensum uideantur habere pe 
fectum G | unde *quem tibi iam Troin peperit sensnm uidentur habere 
perfectum" uulgata || 42 Nisi G || se a senioribus | Lie) ]| agebat G. | 
uarium GP | uarium B || duorum uncis inelnsit Reifferscheid || qui tune 
secundus esset scripsi | qui nune seenndus sit 1] qui tum secundus erat 
tune seenndus crat uulg. cod. Bern. 627) | qui nuuc secun- 
primum, tertium in secundum et primum) in tertium loeum 
conlato Sernio, praef. Aen. Reifferscheid. ed cf. praef. 
683—686 | Do Vario et Tueca copiose egit Ribbeck proll. cap. VII p. 
95; do Varii librorum mutatione p. 91 ]| qui quondam G | qui xilnas 
BP || gracili BP | tenui G || carmina. DP | eurmen G | earmino M || siluas 
seripsi | siluis libri, cf, supra in B: “qui siluas? || utrumque cano G ἢ 
43 numquam (sie) 1 || nec Homero] ne Homero Gronouius || Numiterius 
scripsi una. cum Ribbeckio proll. p. 99 (praef. p. VI) et Woelfilino Phil. 
Xxlv p. 154 idem conicientibus, cf. praef. p. 687 | numinatoris (pung. 
m. IT) B | nnminatoriis P | numinatorus Re 
ropsit B | scripsit M | uirgilio numquam [4 











naro P || at is 
priusquam [Itali 








accidisset Aeneida combureret at is] ifa factu- 
il quedam G | 40 ceterum eidem GP || eius- 








sun] G || 41 uarius GP | uar 




































iensis 1195 || rescripsit P 
verunt nee mirum nam nec 


43* 





A (02) "llabebis 


τὸ (03) Faustus fart 





740  H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georglca. - 


quidem. Prolatis Bucolicis Numitorius quidam rescripsit Autibucolica, 
duos modo eclogas sed insulsissime zragoórse;, quarum prioris ini- 
tium est: 





Ti 





rre, si toga calda tibi est, quo tegmina fagi? 
sequentis: 





Dic mihi Damoeta: *cuium pecus? anne Latinum? 

Non. Verum Aegonis nostri sic rure locuntur. 
Alius recitante eo ex Georgicis (1 299): *Nudus ara, sere nudus? subiecit : 
igore febrem. | Est et aduersus Aeneida liber Caruili Pictoris, 
titulo Aeneidomastix. M. Fipsanius a Maecenate eum suppositum appel- 
labat nouae varozeliae repertore, non tumidae nec exilis, sed ex commu- 
nibus uerbis atque ideo latentis. ZJerennius tantum uitia eius, Perellius 
contraxit. | Sed et Q. Octaui Auiti || Ὁμοιοτήτων octo 














:6 (64) uolumina quos et unde uersus transtulerit continent... Asconius Pedianus 


libro, quem contra obtrectatores Vergi! 
ei proponit eaque eirca historiam fere et quod pleraque ab Homero sump- 
sed hoc ipsum crimen sie defendere adsuetum *Cur non illi 
quoque eadem furta templarent? Verum intellecturos. facilius esse Ile 
euli clauam quam Homero uersum subripere. Et tamen destinasse se 
dere ut omnia ad satietatem maliuolorum decideret. 
Quoniam de auctore summatim diximus, de ipso carmine iam dicen- 
dum est, quod bifariam tractari solet, idest ante opus ct in ipso. opere. 


scripsit, pauca admodum obiecta 






















1omero quidem; prolatis Bucolieis . qnidam] resperipsit (sie) G 
innominatus quilam post Danielem editores omnes || eglogas 1 || TTAPW 
AHCAC BP | parodesas G ||ttire 1|| tegmina Grononius ! tegmine libri | 
damueta G || locuntur B | loquuntur G || ante Gronouium haec ita inter- 
pungebant: Die milii Damoeta: cuinm pecus? anne latinum? Non, uerum 
Acgonis nostri, sie rure loquuntnr ᾿ subiecit habebis G | aubieeit et lia- 
bebis BP || frigore BP | frigoró igora M || 

44 Carailii Gronov | carbili n i ili G || Aeneidomastix scripsi : 
nel mo mastix (n marg. m. 11 mandens ὁποῖα) B (aeneidosmastix G ‚| mar- 
cus P || nipranius 1 || encozeliae ( | eacozelie P | eacozche B | κακοξηλέας 
M ἢ repertore G | repertorem BP cf. praef. p.688 N ideo (sie) | latentius GG. | 
Perilius M || fanstus B | faustinus G || 45 sed et quinti octaui auiti G * 
sed et quae octauinni (m. II qui octani auiti) B | sed et d; octauia uiti 
P | sunt et Q. Octauii Auiti uulgata., Reit, | «unt et Q. Fen Mc 
Ὁμοιοτήτων scripsi | OMOIOTEAEYTWN ὦ |, homocothelouton, WP | 
homocon elenchon Reift. ef. praef. p. 688 | | quos libri | quae quos ReilT. 
continent libri | eontinentia M || 46 asconias € || librum G || ef. de h 
omnibus Inculentaın Ribbecki disquini *De obtreetatoribus V. 
sil et de Q. Asconio Pediano” proll. Vergg. cap. VIII p. 96— 101. 


alsuetum P | assuetum BG || nonnulli BP | non illi € || fufura G || clauam 
P | elawem G | elauem (m. II clauam) B ἢ secedere 1 | decedere M, 
ef. snpra καὶ ὅδ: inpositurus Aencidi summam manum statuit in Grae 
in Asiam seredere | recedere cum Reginensi 1495 (Ὁ) Reiffer- 
malinolorum BP | malorum € || decideret G | decederet BP 

reeideret Gronov, | aut *lestinasse secedere ut omnia. .., recideret? aut 
*destinasse nt omnia. deret" Ribbeck proll. p. 113 not. | Hue 
qne Reifferseheid, Sueton. rell. p. 54--66 || 47 crimine G ||idy ante opus 


"Si y | nid sit om. M ἢ φὰ effücere 
T] spectantur Q | expeetantar BP || 






























































G [| eniux sit quid sit GP | cuius sit 
BP | quod. efficere GN 





Il. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 741 


Ante opus titulus causa intentio. *Titulus?, in quo quacritur cuius sit 
quid sit; *causa?, unde ortum sit et quare hoc potissimum sibi ad scri- 
bendum poeta praesumpserit ; *intentio?, in qua cognoscitur, quid efficere 
conetur poela. In ipso opere sane tria spectantur: numerus ordo ex- 
planatio. 

Quamuis igitur multa ψευδεπίγραφα, idest falsa inscriptione sub 48 ( 
alieno nomine siut prolata, ut Thyestes tragoedia huius poetae, quami 
Varius suo nomine edidit, et alia huiusmodi, tamen Bucolica liquido Ver- 
gilii esse minime dubitandum est, praesertim cum ipse poeta, tamquam 
hoc metuens, principium huius operis et in alio carmine suum esse testa- 
tus sit dicendo (Georg. IV 565. 566): 

Carmina qui lusi pastorum audaxque iuuenta 

Tityre te patulae cecini sul) tegmine fagi. 
Bucolica autem et dici et recte [dici], uel hoc indicio probasse suffecerat, 49 (| 
quod eodem nomine apud Theocritum censeantur; uerum ratio quoque 
monstranda est. Tria genera pastorum sunt, quae dignitatem in Buco- 
licis habent, quorum minimi sunt qui αὐπόλοι dicuntur a Graecis, a nobis 
caprarii; paulo honoratiores qui μηλονόμοι ποιμένες idest opiliones di- 
cuntur; honoratissimi et maximi, qui βουκόλοι. quos bubulcos dicimus. 
Vnde igitur magis decuit pastorali carmini nomen inponi nisi ab eo gradu, 
qui fere apud pastores excellentissimus inuenitur? 

* Causa? dupliciter inspici solet, ah origine carminis et a uoluntate 50 (t 
scribentis. 

Originem autem hucolici carminis alii ob aliam causam ferunt. Sunt 51 (t 
enim [etiam] qui a Lacedaemoniis pastoribus Dianae primum carmen hoc 
redditum dicant, cum eidem deae per bellum quod toti Graeciae illo tem- 
pore Persae inferebant, exhiberi per uirgines de more non posset. | Alii 52 (t 
ab Oreste circa Siciliam uago id genus carminis Dianae redditum locuntur, 


48 VEYAEITITPAOA G | VEYAETHTPAGG) BP | ψευδεπιγράφως M | 
sub aliene G uerba falsa inscriptione interpolata esse uidentur || thye- 
tes P || uarius G | uarus B || liquido B | liquida G | tamen Bucolica 
liquido Vergilii esse minime dubitandum est om. P || huius BP | his 
G || operis 1 | carminis M || et in alio GP | et in alia (in marg. sup. 
*probationis pennae causa? manus lusit: huius operis et in alins trans- 
lationes) B n testatus sit G | testatur sie B || 49 bocolica 1, et recte 
[diei] G | et recte dici BP || indicio libri, sic et P; iudicio typo- 
thetae sphalma Philol. XXIV p. 155 | iudicio M || probasse se suffece- 
rat G || teccritum B || monstranda ! | demonstranda M) minimi G | minima 
B [| aepoloe P || anbis G || honoratiores qui TTOIMENCC G | honoratiores 
[qui] MHAONOMOI TTOIMENAIC B || Ahao Nouot TTOIMENAIC P [| idest 


ubiliones G | idest aea B | idest opiliones P !| horatissimi G || maximi qui 


BOYKOAOI G | [qui] BOYKOAOI BP || bucolicos dicimus ( || inponi P . 
imponi BG || 51 sunt enim [etiam] G | sunt enim etiam BP || lacedo- 
moniis Β [| cum eidem dene] An: cum idem ei deae? || toti greci G || 52 
arboresto G || loeuntur B | loquuntur G || atque pastores 1 | et pastores M || 
scithya B | schithia G || perfugerat G || subrepto nominis G || fascelinam 


B | fa*celinam P | facelinam G || numinis iphigeniam G | nomini sifice- 
niam B | nominis ificeniam P || pirricidio G [| 








(142 1]. Hagen: scholta Bernensia ad. Vergili Bucolica atque Georgica. 


et redditi per ipsum atque pastores, quo tempore de Scythia Taurica 
cum sorore profugerat, subrepto numinis simulacro et celato iu fasce 
lignorum unde Fascelinam Dianam perhibent nuncupatam ; apud cuius aras 
Orestes per sacerdotem eiusdem numinis Iphigeniam, sororem suam a 

3 (n6) parricidio fuerat expiatus. | Alii Apollini rogo pastorali scilicet deo, 

1 (87) qua tempestate Admeto pecora pauerat; | alii Libero Nympharum et Sa- 
tyrorum et id genus numinum principi, quibus placet rusticum carmen ; | 

5 (88) alii Mereurio Daplinidis patri, pastorum omnium principis et apud Theo- 

fi (30) critum et apud hune ipsum poetam; | alii in honorem Panos scribi pu- 
tant. peculiariter pastoralis dei, [et] item Sileni Siluani atque Faunorum. | 

7 (00) Quae cum omnia dicantur, illud erit probabilissimum, bucolicum carmen 
originem ducere a priscis temporibus, quibus uita pastoralis exercita 
est et ideo uelut aurei saeculi speciem. in huiusmodi personarum simpli- 
cilate cognosci, et merito Vergilium processurum ad alia carmina non 
aliunde coepisse, nisi ab ea uita, quae prima in terris fuit. Nam postea 
rura culta et ad postremum pro cultis et feracibus terris hella suscepta. 
Quod uidetur Vergilius in ipso ordine operum suorum uoluisse monstrare, 
cum pastores primo, deinde agricolas canit et ad ultimum bellatores. 

R (01) Restat ul, quae causa "uoluntatem? adtulerit poetae Bucolica potis- 
simui conscribendi considerare debeamus. Aut enim dulcedine carminis 
Theocritei ad imitationem eius inlectus est, aut ordinem temporum secu- 
lus est cirea uitam humanam, quod supra diximus, aut eum tres modi 
sint eloeutionum, quos χαραχτῆρας Graeci uocant, /ozvóc, qui tenuis, 

9 (92) μέσος qui moderatus, «ógóg qui ualidus intellegitur, | credibile erit Ver- 
gilium qui in omni genere praeualeret Bucolica ad primum [modum], 

Ὁ (93) Georgica ad seeundum, Acneidem ad tertium uoluisse conferre; | an ideo 
potius Bucolica scripsit, ut in eiusmodi poemate quod et paulo liberius 
et magis uarium quam cetera est, facultatem haberet captandae Caesaris 


—— 


53 alii apolloni B | alio apollini G || NOMI() BP | nomio G || 
Admeto pecora pauerat scripsi | admeco papaucrat G | admeco oues 
paraverat B | Admeto oues pnauernt M || 54 satyrrorum B || princi- 
pis scripsi cum Gronouio et Wagnero de Phil. II 13 | principi G | 
principio BP || 65 daphinidis [patri] pastorum G [|| 56 pecualiter pas- 
torilis dei [et] item G | peculiariter pastoralis dei et item BP || 
57 quae eum omnia G | quaecumque omnia BP || probalissimum,G || exer- 
cita est οἵ scripsi | exercita et 1| exercitata [erat] et M || uelit B || ab 
alia G || faracibus B || quod uidetur BP | que uidetur G || 58 adtulerit P | 
attulerit BG || Theoeritei scripsi | theocriti libri || inlectus GP | illeetus 


B | modi "Μὲ Ο ı XAPKTNPAC G | characteras P | carachteras B [| tenuis 
Ij || mecos G |} moderatur (m. I1 modoratus) B | 59 in omni 1 | in om. M || 


bucolica primum [nodum] G ı bocoliea ad primum modum BP || aenei- 
dem (m. II aeucidam D) BP | encidem G | Aeneida M || [con]ferre G || 
60 an ideo 1| et non ideo M || poete G [| quod et paulo liberins et magis 
uarium quam eetera est G || magis uarium quod ct paulo liberiua est 
quam cetera BP | quod maris uarium et paulo liberius est quam cetera 
Müller, Reifferscheid || Bucoliea scripsit — perfruitus est Reifferscheid, 
"uetoni rell. p. 58. 59 not. || captandae P | cuptandi (m. II captandco) B | 
eapte"de G [| rep'tendique G || que (m. II quem) Β [| amiserat Ob P ! 





H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 743 


indulgentiae repetendique agri? Quem amiserat ob hanc causam. | Occiso 
in curia die [Ill] iduum Martiarum C. Caesare, cum Augustum Caesarem 
paene puerum sibi ueterani non abnuente senatu ducem constituissent, 
exorto ciuili bello Cremonenses cum ceteris eiusdem studii aduersarios 
Augusti Caesaris adiuuerunt. | Vnde factum est, ut cum uictor Augustus 
in eorum agros ueteranos deduci iussisset, non sufficiente agro Cremo- 
nensium Mantuani quoque, in quibus erat eliam poeta Vergilius, maximam 
partem finium suorum perderent eo quod uicini Cremonensibus fuerant. | 
Sed Vergilius merito carminum fretus et amicitia quorundam potentium 
centurioni Arrio cum obsistere ausus esset, ille statim, ut miles, ad gla- 
dium manum admouit, cumque se in fugam proripuisset poeta, non prius 
finis persequendi fuit, quam se in fluuium Vergilius coniecisset atque ita 
in alteram ripam enalauisset. Sed postea et per Maecenatem et per triun- 
uiros agris diuidendis Varum Pollionem et Cornelium Gallum fama carmi- 
num commendatus Augusto et agros recepit et deinceps Imperatoris fami- 
liari amicitia perfruitus est. 

"Intentio? libri quem σκοπόν Gracci uocant, in imitatione Tlicocriti 
poelae constituitur, qui Siculus ac Syracusanus fuit; [el] est intentio 
etlam in laude Caesaris et principum ceterorum, per quos in sedes suas 
atque agros rediit, uude effectus finisque carminis et delectationem et 
utilitatem secundum praecepta continet. | Quaeri solet, cur non ultra 
quam X eclogas conscripserit, quod nequaquam mirum uidebitur ei qui 
considerauerit uarietatem scaenarum pastoralium ultra hune numerum 
non potuisse proferri, praesertim cum ipse poeta circumspectior Tlieo- 
erito, ut ipsa res indicat, uideatur meluere, ne illa ecloga quae Pollio 
inscribitur, minus rustica iudicetur, cum id ipsum praestruit, dicens: 
* Sicelides Musae paulo maiora canamus? et item similiter in aliis duabus 
facit. | Illud tenendum esse praedieimus, in Bucolicis Vergilii neque nus- 
quam neque ubique figurate aliquid dici, hoc est per allegoriam. Vix 


—— —Ü 


61 die [III] iduum Reiff. | die III iduum 1|] agriquem [amiserat ob 
hanc causam occiso in curia] die III G || marciarum 1|| GN caesare B | 





cel 

.c- cosare G || 62 suffiente G || finium suorum BP | suorum adfinium G || 
perderent scripsi | perdider G | perdidissent BP || 63 ut amicitia G | atque 
ita in GP | atque [ita] in B|| et per mecenatem G | [et] per mecenatem 
BP || pullionem G || fana carmina G || imperatori (m. II imperatoris) B || 
amicitia G | amore DP || perfruitus BP | perfruetus G || 64 qué scopon G | 
qua CKOTTON BP | quam σκοπόν M || ac siracusanus 1 | atque M | fuit 
ley est G | fuit et est BP || principum GP | principium (i eras) B || re- 

iit G | redit BP || continet scripsi | conuenit (m. II uel eadem confecit) 
G | perfocit D | num in per latet poctarun? quale sane conplementum 
desideratur || quur non ultra P || 65 conseripserit G | scripserit BP || mi- 
rum BP | mirandum G || uarietatem scenarum BP | aotatem scenarum G i| 
intra hunc G | circumspecior G || quae Pollio inscribitur scripsi, cf. infra 
*et dicitur Pollio? | quae pollioni scribitur BP | «quae pollini inscribitur 
G || cum [id] ipsum G || praestruit GP | prestruit B | praestruxit M || et 
item 1 | et idem M || malis dunbus G || facit BP | faciat G An 'praestruat 
— faciat? || 66 predicimus BP | praediximus G [| aliquid figurate G !! 
per allegorian G Ϊ 


61 (9 


62 (0 


63 (9 


64 (9 


65 (© 


66 ( 


144 N. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 


enim propter laudem Caesaris el amissos agros haec Vergilio concedun- 
tur cum Theocritus simpliciter conscripserit, quem hic noster conalur 
imitari. 

(100) Sequitur id quod in ipso carmine tractari solet, idest qumerus ordo 
explanatio. 

(101) *Numerus? eclogarum manifestus est, nam decem sunt, ex quibus 
proprie bucolicae septem esse creduntur, quod ex his excipiantur Pollio 
Silenus et Gallus. Prima igitur continet conquestionem publicam, priua- 
tam gratulationem de agro et dicitur Tityrus; secunda amorem pueri et 
dicitur Alexis; tertia certamen pastorum et dicitur Palaemon; quarta ge- 
nethliacum et dicitur Pollio; quinta ἐπιτάφιον et dicitur Daphnis; sexta 
μεταμορφώσεις et dicitur Varus uel Silenus; septima deleclationem pas- 
torum et dicitur Corydon; octaua amores diuersorum sexuum et dicitur 
Damon uel farmaceutria; nona propriam poetae conquestionem de amisso 
agro et dicitur Moeris; decima desiderium Galli circa Volumniam Cythe- 
ridem et dicitur Gallus. 

" (102) Quod ad *ordinem? spectat, illud scire debemus, in prima tautum 
el in ultima ecloga poetam uoluisse ordinem reseruare, quando in altera 
principium constituerit, ut in Georgicis ait (IV 566): *Tityre te patulae 
cecini sub tegmine fagi?, in altera ostenderit finem, quippe cum dicat: 
"Extremum hunc Arethusa mihi concede laborem." Verum inter ipsas 
eclogas naturalem consertumque ordinem nullum esse certissimum est. 
Sed sunt qui dicant, initium bucolici carminis non *Tityri? esse sed: 
*Prima Svracusio dignata est ludere uersu.? 

) (103) Superest *explanatio?^, quam in ordinem digeremus, cum praedixe- 
rimus, illud inprimis tenendum esse, bucolicum poema usque adeo ab 
heroico charactere distare, ut uersus quoque huius carminis suas quas- 

. (104) dam caesuras habeant et suis legibus distinguantur. | Nam cum tribus his 
probetur metrum: caesura scansione modificatione, non erit bucolicus 
uersus, nisi in quo et primus pes partem orationis absoluerit, et tertius 
trochaeus fuerit in caesura, et quartus pes dactylıs magis quam spondeus 
partem orationis Lerminauerit, e£ quintus el sextus pes cum integris dic- 
tionibus fuerint, quod tamen Vergilius a Theocrito saepe seruatum uictus 


68 proprine G || genethiacum G | genethalincum, eorr. genetliliaeum 
P [| ephitaphion G | ENITAOI(QN B ! enita prox P | μεταμορφώσεις scripsi | 
metamorfossis G | METAMOPOQXIC B | METAMOPO(QCIC P | μεταμορ- 
φωσιν M || octaua amores G | octaua mores BP || uel farmaceutria ] , 
et pharmacenutria Müller || propriam GP | proprium B || Volumniam scripsi ; 
uoluminam 6G | polimniam B || citheridem 1 !| 69 ad originem BP || reser- 
seruare. G || pastoralem conscriptumque G || sed sunt G | etsi sunt BP 
10 digeremus scripsi | degeremus BP | digerimus G || eum post dixerimns 
G || bocolieum poema 1 | earmen M |! ab hercio G [j earachtere B || habeat 
G |; 71 probetur GP ! probetur (m. I peribetur) B || modificatione G | 
editicatione B [| et pes primus (ὁ || trocheus 1!! in caesura G, om. BP ll ec 
quintus seripsi | quintus 1 ;; ingegris G || fuerint quod tamen uirgilius a 
theocrito saepe seruatum uictüs G | fuerint a theocrito saepe seruatum 
quod tamen uirgilius (in marg. m. II uirgilius B) uictus DP | fuerint quod 
a lheocrito saepe seruatum tamen Virgilius uietus M || 


HN. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica atque Georgica. 745 


operis difficultate neglexit, | in solo principio incertum industria siue 
casu, bucolico uersu posito. Nam “Tityre’ dactylus pes partem orationis 
absoluit; * Tityre tu patulae recubans? tertium trochaeum circa re prae- 
positionem quamuis de composita dictione conclusit; * Tityre tu patulae 
recubans sub? [tegmine fagi] quartum spondeum pro dactvlo cum parte 
orationis exhibuit; *tegmine fagi? integrum comma perfecit, cuius rei 
diligentiam licet in Theocriti multis uersibus admirari. 


VERGILII VITAE SPECIMEN ALTERVM. 


Publius Vergilius Maro genere Mantuanus dignitate eques Romanus, 
natus idibus Octobribus Gn. Pompeio M. Crasso consulibus, ut primum se 
contulit Romae, studuit apud Epidium oratorem cum Caesare Augusto, 
unde cum- omnibus Mantuanis agri auferrentur, quod Antonianis partibus 
fauissent, huic solo concessit memoria condiscipulatus, ut et ipse poeta 
testatur in Bucolicis dicendo (1 6): “Deus nobis haec otia feciU. In qui- 
bus ingenium suum expertus [est] fauorem quoque Caesaris emeruit, ac 
deinde Georgica conscripsit et in his corroborato ingenio eius Aeneida 
conscripsit, cui finem non potuit imponere raptus a fatis; et ideo inue- 
niuntur apud eum uersus non peracli, quibus non superuixit ad replen- 
dum. Vixit annos Lil amicitia usus Imperatoris Augusti et aliorum com- 
plurium probatissimorum uirorum. 


72 dactilus pes B | dactilus per P | dactilus per se G | pes om. M || 
circa pro°positionem G | re inserui || recumbens sub [tegmine fagi] G | 
rocubans sub tegmine fagi BP | tegmine fagi uncis seclusi || cum parto 
orationisG | cum partem orationis BP || cuius regi G || theucriti G || Correxi 
interpunctionem | nam * Tityre? dactylus partem orationis absolnit, Ti- 
tyre tu patulae recubans?; tertium trochaeum circa praepositionem quam- 
uis de composita dictione conclusit: “Tityre, tu patulae recubans sub 
tegmine fagi’; quartum spondeum pro dactylo. Cum partem orationis 
exhibuit *tegmine fagi? integrum comma perfecit etc. Müller || VITA 
VIRGILII POETAE EXPLICIT B | EXPLICIT VITA VIRGILII POE 
TAE G | VITA VIRGILII EXPLICIT P || 

Vergilii uitae specimen II. Adhibui codices Bernenses 172 — B, 
167 saec, VIIII— X — C (F apud Müllerum) quorum B in aufe[rrentur] 
desinit. Nullus adest titulus in B | VITA VERGILII POETAE C | uer- 
gilius l||octobribus C | octobris B || gneo B | gneio C || et marco crasso 

l| romae 1 immutare non ausus sum | Romam M || agri 1 (sic) || aufe B | 
aufereutur C || solo C quod quia et Reginensis 1495 et Monacensis 18059 
exhibet, non ausus sum mutare, cf. scholl. Prudentii cod. Bern. 394 saec. 
X f. 62": *unus unius uni et unus uni uno dicimus sicut solus solius 
soli et solus soli solo’ || expertus est C | [est] seclusit Reifferscheid |! 
Extat uita apud Reifferscheidium Suetoni rell. p. 52. 53 not. || 


72 (10 








SCHOLIA 


IN 


VERGILI BVCOLICA ET GEORGICA. 


BVCOLIC A. 


Ecroaa I. 


Hic loquuntur duo pastores inter se, Meliboeus, qui et Cornelius, 
uel unus ex Mantuanis, a quo agri adempti sunt ; Tityrus qui et Virgilius, 
cui agri redditi sunt; Meliboeus inuidens felicitatem Tityri, idest Virgilii, 
quia ob suum ingenium redditi sunt sibi agri a Caesare Augusto. Si 
secundum historiam respicias, duo pastores inter se loquuntur, sed tamen 
Virgilius sic composuit, quasi alter cum illo contentiose locutus fuisset. 
Sed ille solus loquitur et adsumit secum personam loquentis. Si uero 
allegorice intentionem Virgilii consideras, omnino in laudem Caesaris et 
principum ceterorum, per quos agri sibi redditi sunt, loquitur et inde 
eclogam istam composuit, in qua sibi personam induit Tityri et Meliboei, 
alicuius Mantuani fugientis et felicitatem Virgilii admirantis uel inuidentis. 
Prima quae sunt iu hoc libro, semper ad laudem et amorem Caesaris per- 
Linent uel trium amicorum. — Nunc loquitur pastor ad alium uel unus 
de amicis Virgilii Cornelius Gallus, uel unus de Mantuanis a quo sunt 
agri adempti. Hic loquuntur duo pastores. 

v. 1. Tityrus apud ueteres Latinos el Graecos intellegitur Satyrus. 
Tityrus Siculorum lingua hircus dicitur, uel Tityrus lingua Laconica uil- 
losus aries appellatur. Tityrus dicitur qui oues pascit. Patulae, latae 
excelsae, uel patulae , idest ramis diffusae. ARecubans, securus accum- 
hens. Sub tegmine , per syncopam dixit, ceterum *tegimen? dicilur, ues- 
timenti scilicet ue] culminis. agi. Fagus arbor fructifera, cuius fructu 
antiqui uescebantur. 





EcrocA I. 

Hic loquuntur — v. 49 Palus flumen Mincii ex solo codice Bernensi 
167 — C petita sunt, desunt in cod. 172 — B et apud Muellerum, cf. 
praef. p. 689. A uerbis demum: *Nunc loquitur pastor? etc. commenta- 
rius orditur perpetuus: quae antecedunt: *Mic loquuntur — uel trium 
amicorum? a sequentibus seiuncta et in priore pagina separatim posita, 
conlatis ceterarum eclogarum argumentis, non dubitaui coniungere, prae- 
sertim cum eadem manu sint scripta, qua cetera, quamuis illis multo cor- 
ruptius. 1 uirgilius 

tityrus qui et cornelius || hystoriam || omnino in laudem scripsi | 
omnium laudem C || meliboe || admira"tis || inuidentis. Prima quae sunt 
scripsi | inuidentis. S&copon idest intentio. 'l'elos prima finis quae sunt 
(σκοπός idest intentio, τέλος finis) C || 

v. 1. apud uetes || saturus || loconica || patule late excelse uel patule || 
diffuse || securus scripsi | secus C || sincopam [| fructu scripsi | struetu Ο |} 





150 NH. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


rure nascitur, ucl pro possibilitate et facilitate dieitur. Tenui, subtili. 
Musam. “Musa? graece a mussitando uel personando dicitur, pro omni 
carmine accipitur. MMedilaris cantas, uel *melitaris, 1 pro d, ut idem sit 
tropus. Auena, fistula. Auena, herba nocens messibus. 

v. 9. Dulcia, formonsa, ucl pro sapore. Linquimus, non uoluntate, 
sed ui Caesaris mililumque eius compulsi uicto Antonio. 

v. 1. Nos patriam, iteratio. Fugimus, ui. Lentus, securus. 

v. 5. Formonsam, pro *formonsa est’, uel haerct ad * patriam?. 
Resonare, ut resonent. Amaryllida, accusaliuus graecus est. Formon- 
sam Amaryllida amicam Tityri dicit, uel Amaryllidas, sed excluditur de 
metro. ᾿ 

v. 6. 0, execrantis οἱ inuidentis interiectio. Meliboee, bouum cu- 
ralor, ex graeco et latino compositum. Deus, Augustus uel deus omni- 
polens, ut Junilius dicit. Deus. Alii enim Imperatores post mortem in 
deos transferuntur ; Augustus uero in uita, ut Zoratius ait (Ep. Il 1, 155). 
Otia , securitatem. 

v. 7. Namque erit ille mihi semper deus. Nunc adorabo eum ui- 
num et iterum mortuum. Octauianus enim uiuens ut deus habitus est. 


v. 8. Ouilibus, saeptis. Inbuet, sacrificiis initiabit frequentabit: 
*inbui? autem dicitur ara noua dedicata. 


v. 9. Errare, libere pascere. Et ipsum , me ipsum. 


v. 10. Ludere, scribere. Vellem, pro uellet. Calamo, auena uel 
culmo. 

v. 11. Non equidem, non ego quidem. Tolis prosperis T. Totis, 
quia Syla iussit dominos agrorum habere partes quibus uiuerent; hoc 
ergo negal Caesarem fecisse. 

v. 12. En, ecce. Capellas diminutiue, *capras? integro dicimus. 

v. 13. Protenus, longe a finibus, idest porro tenus ; “prolenus? per 
e aduerbium loci, *protinus? per i aduerbium temporis est, statim. 

v. 14. Corylos, arbores nuciferas appellant. 

v. 15. Spem. Nam maxima spes gregis, cum bina nascuntur ab una. 
Gregis, agnos. A, aduerbium dolentis uel interiectio animi dolentis et 
execrantis partum ouium. 

v. 16. Saepe malum, bella ciuilia significat. Zaeua, stulta con- 
trarıa. 


v. 2. Siluestrem, agrestem. Siluestrem, quia Siluanus quasi in 


u rra 


v. 2 quia Siluanus cod. Bern. 165 saec. VIIII— X | quasi lucanus 
C || in. ruere [| graece scripsi | green C || musitando [| personando scripsi | 
prosondo C! ut idem sit tropus] Malim *antistocchon tropus? cf. Figur. 
Graec. 23 et Seru. [|3 sed ui seripsi | sed ih C || 5 formonsa est scripsi | 
formonse C [| heret ad patria || 5 resonet || 6 ut uinillius || alii enim scripsi , 
qui C || securitatem scripsi | fecunditatem C | otia idest securitates gloss. 
interlin. | haec otia idest hane securitatem cod. 165 || 7 mortuorum || 8 
nouo || ara noua sacrificio dedicata cod. 165 || 10 pro uellet scripai | pro 
uelle C || 14 arbores nuciferns seripsi | arboris nucis C || 


^oc mA 


II. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. — 721 


v. 17. De caelo tactas, fulmine perenssas. Ouercus, quae in tutela 
louis fingebatur, quoniam cum peccaret quis in louem, ipse percutiehat 
quercum et significabatur ira Iouis. Per Iouem allegorice significatur 
Octauianus. In templo louis Dodonaei quereus fuerunt dedicatae quae 
fata ltomanornmn cecinerunt. 

v. 19. Deus, Octauianus. Da, dic, sicute contrario *accipe? audi. 

v. 20. Frbem, pro in urbe homines significat, inuentum pro in- 
uentore. 

v. 21. Huic nostrae , urhi Mantuae. Quo, ubi, uel quo, ad quam. 

v. 22. Depellere, idest depulsos a matribus deserere. Depellere, 
separare amouere auellere uel «f nunc uenales agere. Fefus, agnos ucl 
haedos. 

v. 24. Noram, per syncopam “noueram’. Componere, comparare 
adsimilare. 

v. 25. Verum, sed. Haec, Roma. 

v. 26. Lenta, flexibilia uel non suspeusa. Fiburna, humilia ar- 
busta, semper uirentia, uineis commodata. 

v. 21. Causa, cupiditas. Agri acceptionem libertatem dicit. 

v. 28. Liberlas, honor fides. Sera, sero. Inertem, infirmum uel 
parum curantem. — Libertas, quae multo tempore per ingenium ante- 
cedens uix respexit. Aespe.vit, ab antecedenti, quia antecedit qui respi- 
cil. Aliter: libertas respexit, hoc est: nunc maior mea libertas quam 
cum iuuenis essem. 

v. 29. Candidior, pro candida. Candidior, idest nunc mea libertas 
maior, quam cum iuuenis essem. Tondenti, post acceptionem agri rasi 
barbam, quae in tempestate et tristitia excreuerat. 

v. 30. Longo post tempore. ‘Post?’ hic aduerbium temporis est: 
*longum post tempus ueni? longum post spatium uenisse significat, sed 
opportune. IIoc quasi soloccismo est usus. 

v. 31. Posiquam nos, idest postquam Amaryllis amica me amare 
coepil. (Galatea reliquit. Est autem et hoc alterius amicae nomen. Zust- 
quam. Quidam dicunt ut allegorice Galatea sit Gallia, Amaryllis autem 
Roma, sed errant. Nam Tityrus Romam ierat, quare moesta Amaryllis 
est. Sed profecto duarum inducta sunt. nomina in eadem ciuitate uiuen- 
tum. Galatea, quam primam habuit Tityrus, Amarvllis, quam postea. 
Junilius Flagrius dicit... ... 

v. 94. Victima, hostia, dieta quod “ui icta? cadat. Saeplis, agris..... 

v, 35. Caseus, casando dicitur ..... 


v. 17 de celo tactns || fingebatur scripsi | fiebat C || facta romano- 
rum || 20 Aomines addidi || pro inuentore scripsi | per inuentorem C an 
“id quod continet pro eo quod continetur? ? | 21 quo, ad quam scripsi | 
corde (sic) C || 22 ut addidi || foetus || 26 suspensa scripsi | sponsa C || 28 
parum curantem scripsi | patre tantum C |] /iespexít lemma addidi [| quia 
antecedit qui respicit seripsi | quam anteceditur C || 31 mea amare || 
sed erant || quare scripsi | cur € || profecto scripsi | profero C || quae 
postea || Post *Iunilius Flagrius dicit? socuntur tres lineolne adeo ma- 
nuum tritura cuanidae, ut non nisi quae gupra posui, legi possint || 








» δ 


(02 — M. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 

v. ὅτ, Mirabar , deos iratos fuisse tibi, Roma; ac si dicat, discor- 
diam inter deos fuisse Romae et inter reges et praepositos. — Moesta, 
quia neminem. labeat poctam uel G. lulii leto. Nunc per ironiam 
loquitur, 

v. 98. Pendere, a pendeo, secundae coniugationis. Cui, in cuius 
honorem. JPendere, inuiolata seruares. Sua, consueta, non insita. Pa- 
lereris, sineres. Mala, poma. Vel cui, interrogatiue: Nonne diis fructus 
omues parantur? 

v. 39. Tityrus, Virgilius. Zlinc, a Mantua uel a Roma, tempore 
discordiae secessit. Pinus , Roma. 

v. 10, Fontes, senatores. Arbusta, scholastici. Vox pastoris uo- 
eantis alium de exilio; allegorice poetae ad poetam. psae te Tityre 
pinus. luxta historiam Melibueus dicit ad Titvrum, quod dum ab aliis 
pastoribus absens uocarelur, arbores el fontes ad uocem Amarvllidis 
resultarent. 

v. 11. Quid facerem , quam rem agevem, dubius fui quia hac fero- 
citas est Antonii, ibi pauor est Augusti. Seruifio, seruitus condicionis 
iudicium, seruitium multitudo seruorum. Neque seruitio me exire lice- 
bat, non deesse officio poteram. 

v. 43. Hic illum uidi. Wespoudet ad illud quod dixit de Tilyro. 
Juuenem , Augustum Caesarem dicit. Deereuerat enim senalus ne quis 
eum *puerum? diceret, ne maiestas tanti imperii minueretur. Quolannis, 
per singulos amuos. 

v. 44. Bis senos , omnes Idus omnium mensium. 

v. 45. Tlle, Octauianus milii libertatem dedit primus. 

v. 46. Pascite. llortatur personas omnium agros ab Octaniano 
aceipientium. Ft ante, permisit libere uiuere, idest, sicut ante solehalis, 
uel sicut ante errastis, sic nunc pascite. 

v. 47. Fortunate. Rustiei dicunt. Senex, Virgilius. Senex, quo- 
wodo supra (v. 29): 'eandidior barba? dixit. Quod inde hic Virgilius 
*senex? dicitur, non ad aelatem refertur, sed ad futuram felicitatem. 
Nam apud philosophos "senes? dicuntur qui spem futuri temporis habent 
in uicti. 

v. 48. Magna, perpetua. Satis. Est ordo: Satis omnia pascua. 
Nudus. Tityri ager non est cultus alienorum armentis. 

v. 49. Palus, Numen Mincii. Zimoso iunco, quia iuxta Mincium. 


v. 37 nune per ironiam scripsi | non per hironiam C || 38 inuiolata 
seruares seripsi | inuiolatam seruaret C | 0 ad uoeem amarras || 41 quía 
addidi jj, 43 respondit || quodannis || 46 hortatur scripsi | trahit C || 47 rus- 
tici dicunt seripsi | rustic dieuntur || quomodo supra scripsi | quomodo si 
C || ad futuram felicitatem scripsi | ad fortunitatem C [| 48 Est ordo 
seripsi , res ordo C || Tityri ager non est cultus scripsi | tityrns ager 
sine cultu C || 49 Palus flumen Mincii | Hucusque, quae in solo codice 
167 leguntur. Exinde inprimis secutus sum codicem Bernensem 172 = 
B, adhibui praeterea cod. 167 = C, quem seliolia. dimidiata continere 
docui praef, p. 689. Notis 1 libros, M Millerum elitorem significari uolui. 





1 


m - 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 753 


v. 50. ‚Von insucta graues, idest alienam terram minus quam suam 
amant. Ex hoc enim intellegitur Virgilius non propriam possessionem 
recepisse. Insuela, aliena. Temptabunt , idest abortus facient. Fetas, 
praegnantes nec iam party liberatas; idest anlicipativ quia *fetae? post 
fetum dicuntur. 

v. 91. Nec mala wicini, idest quia alienae oues tuis non miscentur, 
a quibus morbos transducere possint. Nec mala wicini, quia fiunt in 
bono. Contagia laedent, quia ex conuersatione pecorum morbus in- 
nascitur. 

v. 52. Inter flumina , idest Padum et Mincium. 

v. 53. Ei fontes sacros, pro deabus, Nymphis. Zt fontes sacros, 
idest habitacula Nympharum ; quia omnibus aquis praesident, ideo habi- 
tacula earum dicuntur. Frigus, quia aestiuo tempore frigus fit sub um- 
hra. Frigus opacum, idest nemorosum. Capfabis, aeque capies. Frigus 
opacum , ulrum pro opacis locis, nemoribus, an pro ualde frigidum , in- 
certum sit. 

v. 54. Hinc tibi quae semper, idest aberunt a le uicinorum saepes, 
dum remotus habites, quae semper adesse solent. Quae, aura. Ab li- 
mile, limes agri terminus. 

v. 55. Hyblaeis. Mybla mons in Sicilia uel locus in Attica, ubi 
mel optimum nascitur. Gaudentius dicit, Set tamen Junilius dicit ciui- 
tatem llispaniae. Z/yblaeis apibus, idest aptum est hoc loco llyblaeis 
apibus salicti florem depascere. Ilybla autem mons est in Sicilia, ubi 
optimum mel fit. Rorem depasta, florem aptum depascere. — Salicti. 
Salictum a saliendo idest crescendo dictum. 

v. 56. Saepe leui somnum. oc est: dum leuiter susurrantes apes 
audieris, ad somnum inlicieris. Saepe, saepis. Suadebit. Mic prouocat 
rusticum ad delicias quas amat, Susurro, murmur quod de apibus nascitur. 

v. 57. Frondator, rusticus, uel nomen auis, uel animal, quod fron- 
dibus uescitur. Tria tamen genera frondatorum sunt; frondator qui arbo- 
res amputat, et qui a frondibus manipulos facit hiemis tempore ad pas- 
tum pecorum, et qui manibus uitis folia auellit, quo ardor solis uuam 
reddat maturiorem. 


v. 50 Virgilium M || aliena scripsi | digna 1|| abortus facient scripsi | 
abortiuos faceret | | abortiuas facere M || nee iam scripsi | eciam C | 
etiam B || libertas I || 51 tranducere B || quia fiunt in bono] An: “quasi 
fant et bona? —? || pecorum morbus innaseitur scripsi | pecorum homi- 
nibus innascitur ] || 52 Inter flumina — Mincium om. M || Zic, idest Man- 
tua C|| 53 praesedunt B || earum M | quorum 1} fit scripsi cum Seruio | 
sit 1|| eque 1 | om. M || utrum per I [| frigidis M || incertum est M || 54 ab- 
eruntate B | aberundate (sic) M Il quae aura B | quae eruere C || Quae — 
terminus om. M || δῦ set tamen I || mel fit roröm 1. lllud *rorem?, quod 
" Mueller uncis inclusit, nil aliud est nisi uarians scriptura pro “florem’, 

quo spectat uirgula super em posita. || /torem depasta, florem aptum de- 
pascere scripsi | rorem florem aptum. Depasta depascere 1 || salicti salic- 
tum salictum 1| 56 a somnum B || ad dilicias 1|| susurro murinur scripsi | 
susurro animal ] || 57 Frondatur, rusticus, uel nomen auis, uel animal 
quod frondibus uescitur scripsi | uel nomen auis. Frondator rusticus uel 
animal quod de floribus nascitur 1|| manipulo 1/|| uiam I || maturiore C ,, - 


Jahrb. f, class. Philol, Suppl. Bd. IV ΠΩ. 5. 49 








T II. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 58. Nec tamen interea, cum haec ita agantur. Nec tamen in- 
lerea, idest inter haec, dum susurros apium et cantantem frondatorem 
audieris, non cessabunt palumbes tibi uel turtures gemere. Istae etenim 
aues proprie pro cantu *gemitus? habent. Raucae, sono uocis. Raucae 
dicuntur, quia raucum sonanl. Tua cura, quas diligis. Tua cura, de 
quibus tibi cura est, quae te delectant. Palumbes, uulgo *tetos? uocant. 

v. 59. Nec gemere, canere. Proprie de turture *gemere? dicitur ut 
Plautus ait. 

v. 60. Leues, ueloces. Ante leues ergo et cetera. Sensus: ante 
rerum mutabitur natura, quam possimus Caesaris obliuisci, qui nobis 
hona haec contulit. Dicit autem hoc Virgilius sub specie Tityri. 


v. 61. Frela, maria. Destiluent, relinquent. .Destiluent, idest sub- 
duclis aquis in sicco dimittent. 

v. 62. Ante pererralis et cetera. Dicit Persas et Germanos mutuos 
a linibus suis exulare. Pererrulis, per errorem confusis. Amborum, de 
Persis et Germanis dicit, Zul, pro exules, uel Caesar. 


v. 63. Aut Ararim Parthus et reliqua. Tityrus qui uult diuersis- 
sima inter se loca siguificare, dicit prius Parthum ex Arare potaturum, 
Germanum ex Tigride quam sibi obliuionem futuram non diuisi agri Cae- 
saris beneficio. Junilius Flagrius dicit. Jul Ararim, quia duce Caesare 
Germanis et Persis uictis milites eius Ararim biberunt. Arar flumen Ger- 
maniae. Tamen alii dicunt, flumen Galliae in Rhodanum ieus. Parthus, 
colonus Parthiae. Germania, pro habitatore. — Tigrim. Tigris flumen 
Armeniae et Parthiae, in Persicum sinum fluens. 

v. 64. Illius, lulii Caesaris. Zabatur, separetur, obliuioni trada- 
tur. Pectore , nostra cogitatione. 

v. 65. 4t nos hinc alii et cetera. Vult. hic diuersa inter se loca 





v. 58 genere B || istae enim M [| raucum B | rauca M || tetos] cf. Seru. 
et schol. Persii ad sat. I 20 p. 253 Iahn: nam titi columbae sunt agrestes. 
Papias: titus palumbes. — stecos I|] 59 Proprie de turture gemere dici- 
tur ut Plautus ait]. Si Seruium conferas, facile intellegas, misere 
haec esse conpilata stolideque excerpta. Nimirum legendum: Proprie 
de turture gemere dicitur ...... ut Plautus ait: Tu tibi istos habeas 
turtures (Most. I 1, 44) || GO etcetera. Sensus scripsi | etö sensus 1 quod 
si amplecti malis, lacunam ante statuas necessum | est sensus M || hoc 
Virgilius 1| Virgilius haec M || 61 maria 1 | maris M || relinquant 1 | om, 
M j| dimittent 1 | demittent M || 62 dicit Persas scripsi | hic persas B | 
Post *exulare? adici 'dicit? uult M || *per? addidi | errorem 1 | errore M || 
Amborum. Amborum M || 63. qui uult B (sic) || uerba “Tityrus qui uult? cor- 
rupta esse ex ‘per Tigrim et Ararim uult? (Seru.) suspicatur Wagner de 
Philargyro II p. 10 || in rodanum 1 [| tygrim 1|| in Persicum sinum fluens]. 
Post haec talia in C insuper adduntur: Quod difficultatem (dificiditatem) 
haberet, si Parthus bibisset fluuium Orientis /sidoro (is) dicente (Orig. 
XIII 21, 13): *Araris (ararim) fluuius Orientis, de quo Virgilius ait: aut 
Ararim Parthus bibet.) "Tamen Zucanus dicit (VI 475 Rhodanumque): 
"Rhodanum morantem praecipitauit Arar. Sed sic soluitur, quod *Arar’ 
fluuius Galliae est, de quo hic Virgilius dicit, *Araris? autem est in 
Oriente, de quo non dixit || 64 separatur B | respuatur Seruius || 65 ad 


II. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. τοῦ 


significare, idest, nos qui patria pellimur, alii ad Africam, alii ad Scy- 
thiam, alii ad Britanniam ibimus. Sitientes Afros, quia Africa sicca est. 
Afros, in Africam, in qua aqua rara. Ideo οἱ ferarum generosa est. 
Ibimus, exilio. Afros, synecdoche, Afros pro Libya dicit, quae aquae 
indiga est. 

v. 66. Cretae Oaxen. Cretam? albam terram dixit. Nam Oaxes 
fluuius Mesopotamiae est, non Crelae. Rapidum cretae dixit, quia raptim 
currit et ex uelocitale rapiens terram albam turbulentus efficitur, et ideo 
*cretae? dixit. Rapidum, lutosum. Oaxen. Philostephanus ait Apollinis 
et Anchialae filium; hunc Oaxen in Creta oppidum condidisse, quod Oaxen 
suo nomine nominauit. Aliter: Oaxen, fluuius Scythiae, creteum colorem 
habens, et in Creta non est, sed cretei coloris est aqua. 

v. 67. Diuisos, quia olim Britannia orbi terrarum fuit iuncta, uel 
quia inter se el orbem maria multa conueniunt. 

v. 68. En umquam, aliquando. Post, aduerbium temporis, signifi- 
cat “diu?. En umquam et reliqua, idest erit aliquando tempus, cum fines 
patrios et pauperis tugurii congestum super cespite culmen post aliquan- 
tos annos rursum uideho, quae utique mea regna uoco, dilecta mihi rura 
in quibus natus sum. 

v. 69. Tuguri, i pro ii. Tugurium aedificium a tegendo dictum, 
idest casa pastoralis. Cespite. Cespes terra cum propria herba reuulsa, 
nel cespes fundamentum domunculae. Culmen ideo dicitur, qui culino 
tegitur idest stipula. Mea regna, ubi dominatus sum. 

v. 70. Post aliquod aristas, post aliquod annos. More rustico per 
segetes annus computat, qui rustici per aristas aunos adnumerant ; eorum 
enim plıysica in paleis οἱ messibus est. Post aliquod aristas, pro annis 
'aestates?. lic tropus inetalepsis ab eo quod praecedit id quod sequitur 
ostendens, quia per aristas grana, per grana anni significati sunt. 

v. 71. Impius miles. Augustus, qui contra Antonium arma porta- 
uit. Miles. Mic Octauianum Virgilius laesit, sed hic ueritatem secutus 
est. Impius, quia bella ciuilia desiderat. Impius, epitheton est militis, 
co quod uincendo pietatem praetermittit. Zmpius miles portando arma 
et uincendo alios uocendoque dicitur. Hoc Meliboeus iratus dicit, quod 
milites diuidentes ucl quod bella ciuilia facientes essent. Noualia sunt 
noua rura, quae per singulos annos nouantur semine. 


nos B || alii Scythiam M || brittaniam B || sinecdocheae B | sinecdoche C | 
pro libiae dieit D | pro libia dicit C || indiga scripsi | indega C [| inde- 
gina D | indigens M || 
v. 66 terram dicit M || Oaxen om. M || philostenes 1 | Philosteplianus 
Vsener Anal. Theophrast. p. 48. Philistides Stiehle Philol. X 171, conl. 
Plin. h. n. IIII 12, 22 | Philistenes Seruius || antalae (B m. I antelae) 1 Jj 
hunc oazen l|| quod Oaxen scripsi cum Seruio | et ozen 1 || nominauisse 
M || ineretue 1|} crotei scripsi | eretenci 1 | cretacei M || 68 idest om. M || 
patriae M || utique M | inique B || 69 tugurii pro ii 1| Tugnuri pro ii M || 
propria erba 1 | 70 aliquod B, ter || aestates1| aestatis M || metalomsis] ;: id 
ost praccedit addidi ἢ per grana anni] Videtur legondum esse: per grana 
Faostates, per acstates] anni || 71 laesis ! || uicilia B || Zznpius miles portando 
scripsi | Dum miles portando 1 || nocendoque | nocet [impius] M || haec M || 


49* 





756 NH. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 72. En quo, ecce ubi. En quis, ecce quibus. Mas segetes, quae 
mili sunt in Mantua. 

v. 73. Produxil , pro porro duxit in alienos agros agris propriis. 

v. 74. Insere , semet ipsum imperat. Piros, arboris genus. Pone, 
in alienis agris. Inserc, se ipsum hortatur, siue hoc dolentis dicit affectu, 
quia nihil profuit illi hoc fecisse, quando excludebatur a propria pos- 
sessione. 

v. 75. Felix, quamdiu et ego felix fui. Felix, in finibus uestris. 
Inuidet pastor, se non habere quod Tityrus habet. Quondam, aliquando. 
Felix , quando habitastis in finibus uestris. 

v. 76. Non ego, idest post haec non uos pascentes uidebo, uel in 
antro cubabo. ZPosthac, post hoc. Viridi, pro parua herba uirente. 

v. 77. Dumosa, spinosa. Pendere, quia capra cuim pascitur in spi- 
noso pendet. 

v. 78. Carmina nulla canam, quia tristis est sua possessione carens, 
et non licet tristi canere sua carenti. 

v. 19. Cylisum. Verba est lacti habundantiam suggerens. Cytisum, 
genus fruticis uel herba in Cytisa ciuitate, quaeque inter campos et siluas 
nascitur. Amaras, lominibus non capris. Amuras, hominibus dixit ; 
ceterum pecori dulces sunt. 

v. 81. Mitia, matura. — Mitia poma. "Allegorice pro suauitate car- 
minum dixit. 

v. 82. Caslaneae , mala. Press’, emulcti uel casei. 

v. 83. Et ium summa procul. Noctem per hoc superuenisse dicit. 
Culmina fumant, cena pastorum ad uesperum. 

v. 84. Maioresque cadunt, duplicantur, augentur. Maioresque ca- 
dunt, idest uergente ad occasum sole umbrae montium crescunt. F’m- 
brae , uox imminet. 


v. 73 pro porro duxit scripsi | porro produxit 1 || in alieno 1 || [ex] 
agris M || 74 in alienis agris | | indierat agris .... M || ortatur B || 75 
Ite, idest discedite C || inuidet scripsi | hic uidet 1, sed cf. Seru. nnde 
scribas fortasse: Hic uidet se pastor (exclusum esse et innidet se) non 
habere etc. || se addidit M || 76 uel in antro scripsi | sed in antro B || 
herba uirente scripsi | herba in se 1 || 77 in spinoso scripsi | in spinosa 
1|| 78 tristem 1] idest quia non libet rustico canere carenti possessione 
Seruius || carentem M || pendere a pendeo, capellue idest uersus C || 79 
eithisum, eithisa B || lactis M || 81 alligoricae B, fere semper (uel alli- 
gorice) || 8% maioresque suut duplicantur augeantur B || cod. C glossas 
interlineares has insuper exhibet: 78 (Carmina, idest pastoralia sicut 
ante solebam. 79 Amuras, quia lac amarum de salice efficitur. 80 
Nocte, uel noctem. Z7/ic, uel hinc, 81 Alitia puma, ident matura carmina 
uel dogmata. 83 Fumant, signum finis diei est, quando fumant ad 
uesperum culmina domorum, et signiticat finem eclogae. 84 Maivresgue, 
idest, quod descendente sole umbrae maiores tiunt. || 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 757 


Ecroaa II. 


Ifaec ecloga iu honorem Asinii Pollionis scripta est. I[aec ecloga sic 
habetur, quasi in Sicilia, ut (v. 21): *mille meae Siculis errant in montibus 
agnae.’ llaec ecloga in agru canitur, ut (v. 8): *nunc etiam pecudes um- 
bras et frigora captant. In hac ecloga poeta solus loquitur, hoc est 
(v. 4): 'adsidue ueniebat, ibi haec incondita solus iactabat, idest amores 
pueri. Sub Alexis nomine nomina in hac ecloga tria intellegenda sunt ; 
primo uetus pastor historialiter, quem Theocritus scripsit in amoreimn 
pueri arsisse; secundo Virgilius allegorice in pueruni Asinii Pollionis, ut 
Asinio placuisset, qui Transpadanam prouinciam regebat; tertio Virgilius 
Octauianum superbum uidetur allegorice adolari ut ab eo honoratus fuis- 
set. — Alexander fuit seruus Asinii Pollionis; hunc Virgilius rogatus ad 
prandium, cum uidissel in ministerio oinnium pulcherrimum, dilexit eum- 
que dono accepil. Nam Virgilius dicitur tres pueros habuisse in tali 
amore. (Caesarem quidam, ut dixi, forma superbum et gloria accipiunt ; 
alii. puerum. Caesaris, quem si laudasset, gratam rem Caesari fecisset. 
Tribus modis in hac ecloga amor persuadetur, primo diuitiis, ut (v. 21): 
‘Mille meae? et reliqua, secundo forma, ut (v. 26): *Non ego Daphnin? 
et reliqua, tertio uoce, ut (v. 31): “Imitabere Paua canendo? et reliqua. 
Haec ecloga proprie bucolicon carmen. 

v. 1. Pastor Corydon Alexim, pastor introducitur amans puerum. 
Per Corydonem hic Virgilius, per Alexim Alexander puer intellegitur quein 
ei Asinius Pollio donauerat. 

Corydon , de nomine auis quae corvdalis dicitur, nominauil. Cory- 
dalis auis dulce canens. .4rdebat, inpatienter diligebat, laudabat, ardenter 
amabat. Alexin, puerum sine responsu ac superbum. Hunc autem dilexit 
quo et Pollio pro furmae decore delectabatur, qui eo tempore Transpa- 
danam partem [Italiae tenebat et agris praeerat diuidendis. 

v. 2. Delicias domini, idest domini Pollionis, quem ille prius dile- 
xeral, Puer enim dilectus ei eius deliciae dicuntur. Allegorice putatur 
Virgilius de se hoc et Caesare dicere. Delicias domini, filium Caesaris, 
uel delicias domini, puer dilectus deliciae dicitur Asinii uel pastor de se 
dicit. Nec quid, nec spem potiundi habebat quia puer eum exosus est. 

v. 9. Tantum, tantummodo. Nec enim eum diligebat quod non cre- 
dendum. Vmbrosa cacumina , caret coniunclione. 

v. 4. Incondita, uerha insanientis incomposita, subito dicta, agrestia, 
insanientia. 


EcL. II egloga ut fere semper 1 || assinii 1 || incendita 1 [| iactabat 
idest amores Mueller | reitantum id est (ucl C) amoris 1]| nomine addidi ' 
sub alexis nomina 1| sub Alexis nomine M || uidetur allegorice scripsi 
et alligoricae ] || adolatur M || omnium M | nimium B |j eunque dona ac- 
cipit B || forma superbum scripsi cf. supra *Octauianum superbum! | 
formonsum operibus B | forma ut B | ut om. M|| v. 1 corydalis B | cori- 
dalis C | corydalus M || laudabat ardenter amabat] An: uel ardebat, ar- 
denter amabat —? || responsu scripsi | responso 1 || que et 1 [| transpa- 
dam 1||2 prius M | pius B || diliciae B |] potiandi B || 4 inamposita B || 


758 1. Hagen: seholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. o. Jaclabat, incassum fundebat. Inani, inepto. Ziani, nihil sibi 
procuraus contra absentem loquebatur. 

v. ὃ. 0 crudelis, quia mortem sibi praestabat Caesar. ὁ crudelis, 
inexorabilis qui non flecteris meis scriplis el non das creptos agros. 
Nihil meu carmina curas, siue ad puerum siue ad Caesarem dicit. 

v. 7. Mori me, secundum contemptum. 

v. 8. Nunc cliam pecudes. et cetera. Vocal per has delicias pue- 
rum, uel omnia in requie esse dicil praeler se, quem amor requiescere 
non sinebat. Yonbras et frigora, apriea loca uitantes; quasi dixisset : 
*ueni ad me’, prouocat pueruni per has delicias. 

v. 9. Pirides, quia in uiridibus fiunt. Zucerlos, genus serpentis. 

v. 10. Thestylis, nomen est rustieanae mulieris, quae messoribus 
aestu fatigatis diuersa genera herbarum contundens pulinentarium parat. 
Thestylis, concubina Corydonis quae cum testis ministrabat. | Rapido, 
feruenti,  Fessis , ardure solis uehementer fatigatis. 

v. 11. Allia, olus. Serpillum, herba uel cepae. Οὐ serpillum- 
que et reliqua, quasi diceret: non debueras haec tam bona pulmentaria 
deserere uel respuere. Olentis, cum bonis odorihus. 

v. 12. Al, uerum. 

v. 13. Sole sub ardenti, polest et de amore accipi. Cicadis. Ui- 
cadae uermes quae cuculum fugant cantando iu lignis, similiter istas 
cerui expellunt. 

v. 14. Tristes iras, «quia tristem we faciunt. 4maryllidis iras, 
allegorice Romuleas iras significauit. Alii Amaryllidos graece, Amaryllidis 
latine. . Yonne fuit sutius, idest melius milii fuerat, Amarvllidis amicae 
meae iras perferre et superbe me fastidientem. 

v. 15. Fastidia, contemptus. " Menaleam , pastoris nomen. Nonne 
Menalcam , idest melius mihi fuerat Menalcan puerum amare. loc qui- 
dam Virgilium de Autonio putant dicere. 

v. 16. Quamuis ille. niger. Quia Autonius Aegyptius et Aetliiopes 
iu bello habuit... Nzger, siue de Menalca dicit siue de Antonio. Candidus, 
siue Alesim siue Caesarem accipe. Quamuis lu candidus, quia Caesar 
cuin Romanis et Gallis ad bellum ueniebat. 

v. 17. O0 formonse puer. Si ad puerum, dicit: non te eleues de 
formae pulchritudine; si ad Caesarein, non te eleuet successus rerum quia 
saepe mulantur prospera. Nimium, non debel te praesens rerum suc- 
cessus ininitem facere; aeque enim rerum laeta mulantur. 


v. 5 inopto 1]| 6 eaesarum I [Jet non das 1 || 8 aprica loca uitantes 
seripsi | apriea loea aestate 1 | [Non] apriea loca aestate M cf. Seru. 
10 fatigatus 1|, contondens 1|| parat C euanuit in D unde faciebat M 
11 eum bonis scripsi | in bonis B [ji 12 /ustro, idest inquiro uel inuestigo 
(inuestigio) 13 resonant, idest respondent arbusta idest ciues.  cicadix 
idest discipulis C [| 13 de comore B | de omore € || eapi M || accipi et sub 
potestate Caesaris C | uermis que B [| uermes qui M || istos B j| 14 signi- 
ficabit B || fastidientis M || 16 dicit om, M || aecipa scripsi | accipi I | ac- 
eipilendum esse dieunt] M || caesarem B || 17 eueles C [| fome 1 ἢ laeta 
mutantur scripsi | leta mutatur B | laeta [conditio] mutatur M || 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. — 159 


v. 18. Ligustra, flores papauerum. Vaceinia, uiolae purpureae. 
Ligustra, llores sunt caudidi qui de arboribus deciduut. Paceinia nigra, 
uiolae purpureae. Niyra, quia quando inaturescunt nigrescunt. Zegun- 
tur pro eleguntur, quia usui sunt. 

v. 19. Despectus, contemptus quia despicis et spernis ingenium 
meum. 

v. 20. Pecoris niuci, albae oues. Alii sic distingunt: *pecoris?. 
Niuei, quia antiqui lanam albam admodum diligebant. — Pecoris niuei, 
allegorice metri uel carminum. Zabundans, ostendit habundantiani in- 
genii sui; plurimi eniin incitantur ad amorem uoce forma diuitiis. 

v. 21. Mille, innumerabiles, Ignae, quia spes gregis magis in illis 
est. Mille meae Siculis, quia in Bucolicis Theocritum, poetam Siculum 
imitatus est. 4gnac , uersus Bucolicorum. 

v. 22. Zac mihi non defit, numquam carmina desunt. Won aestate 
nouum, quia id oinni tempore liabet, et per hoc pastor puerum prouocat. 

v. 24. Amphion, idest louis et Antiopae filius. Amphion, Thebanus 
Musae studiosus omnibus notus qui et Dircaeus de fonte Dirce qui est 
'Thebis in Bocotia, cuius cantu lvrae Thebanorum muri surrexisse dieun- 
tur et cithara sic cecinisse dicilur ut montes el saxa aduocaret. — Vult 
aulem loc dicere: sicut ille lapides mouebat cantu, sic te moueam car- 
wine meo. Dircaeus, a lDirce fonte appellatus. Zn Actaco, in Tlıessa- 
liae prouincia. In .4ctaeo Aracintho, in Attico Aracintlio; sed Aracinthus 
mons est Bocotiae uel Arcadiae unde mirum cur eum “Aclaeum’ dixerit, 
sed melius *Actaeum? nemorosuim aceipimus. 

v. 25. Nec sum adeo in/ormis, ingenium meum cognoui. Nuper 
me. Ne diceretur ei: in quo speculo te uidisti, cum sis rusticus? /n 
litore uidi, sunt enim in litoribus fontes aquae dulcis. Zn litore, idest 
in margine aquac. 

v. 26. Cum, quando. Placidum uentis staret. marc. Mic totum 
pro parte idest mare pro aqua posuit. Allegorice dicit *cum placidum', 
quando tranquillitas rerum fuit ut omnium rerum status essel quietus. 
Mare pro aqua, totum pro parte. Non ego Daphnim, idest non metuo, 
ut tuo iudicio mihi Daphnis quamuis pulcher sit, praeferatur. Allegorice 
hoc dicit, non timeo Pollionem, quamuis melius carmen texere possit. 


—— ll: -- - Φ 


v. 18 Nigra quia quando matureseunt nigrescunt. Leguntur pro 
eleguntur quia usui sunt scripsi | quae de omnium nigrescunt nigra quia 
ausui sunt leguntur pro eleguntur B || 19 dispectus dispieis 1 || spernis 1, 
contemnis M || 20 Alii sic distingunt: pecoris (idest “niuei? ad *lactis? 
trahentes). Aiuei, quia etc. seripsi ef. Seru., Ribb. proll. p. 195 | Alii 
sic distingunt pecoris niuei, quia etc. M || 31 uersibus bucolicorum B |! 
22 habet et scripsi | haberet 1| habet per hoc etc. M || 23 Canto, a Vir- 
gilio sic obsernatum est (sit), ut omne uerbum o littera terminatum 
produceretur C || 24 Amphion idost scripsi | amphioni I | Amphion ΔΙ" 
musa studiosus l|| dercaeus dercae ]1|| boetia 1|| in thesali prouincia B || 
25 dieeret M || cum sis scripsi | cum sit 1 || dulces ! || 26 Cin, quando. 
Placidum etc. scripsi | Quando placidum u. s. m. BM || pro parte scripsi | 
proparate B | properate M [| dicit cum placidum scripsi | dum placidum 
B || ut omnium scripsi | et omnium B || dieit: non metuo M || 


760 I. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


Non ego Daphnim, pulchritudinem eius. Daphnis rex pastorum pulcher- 
rimus. Non ego Daphnim , nobilem poetam, cuius ingenium non timeo 
te iudicante. Daphnis filius Apollinis et Psamatlies. 

v. 27. Imago. Imaginem philosophi dicuut binam esse, uoluntariam 
et iimaginarianı; uoluntaria per temet ipsum, imaginaria per alium. Zul 
lat, Vc. 

v. 98. Tantum, magnum. — Libeat, delectet te. Sordida rura, quae 
sordida existimas. Sordida rura, rusticum carmen. 

v. 299. Humiles, sub terra. Humiles, quas humiles reris. Casas, 
quae mapalia dicuntur, Figere ceruos, uenari idest sagittare ceruos uel 
palos figere qui ramosi sunt et adsimulant cornua cerui, unde et *cerui? 
dicuntur. Allegorice dicit, se cum Caesare uelle uenationi insistere aut in 
bello liostes persequi. 

v. 30. Firidi, ne uim patiantur pecora. Conpellere, ad pastum 
inuitare. /libisco. WMibiscum genus est uirgulli quo pastores pro flagello 
utuntur. 

v. 31. Imitabere, futurum uel imperatiuus. Zmitabere , imitaberis. 
Mecum imitabere Pana, sicut ille de amore canit, sie et ego. Pana, 
aceusatiuus Graecus. Zmitabere Pana. Dicitur enim Pan Syringa Nym- 
pham amasse, quam dum persequeretur, in calamum uersam esse, et 
exinde Pan fistulam fecisse unde Graece fistula syrinx dicitur. 

v. 32. Cera, quia perforati c[alami cera coniungun tur. 

v. 93.. Curat, sanat de morbis. Magistros ......... 

v. 54.. Nee (e poeniteat, non le pudeat, o puer, sic canlare. Tri- 
uisse, Vero Lriui. Triuisse labellum. Dum haec Pan, deus pastorum, fevit, 
non te pudeat, o puer uel Caesar, ut audias carmina. Nee (e poeniteat 
ΝΥ ΞΟ ΕΞ ΕΕΕΕ 

v. 35. Hacc cadem , idest ut haec carmina discere possit, Amyntas 
omnia facere paratus erat. Amynlas, nomen pueri. Amynlas, pastor 
nobilis qui uoluit. carmen. rusticum scribere, insulsum tamen scripsit et 
auctoritate pulsus est. Amyntas, alligorice]............ ll. 
conalum esse C... .... estre hr t n 
indorum sa ............ eet tetas 
el sem. .......... eet eh etur tn en. 

v. 36.eDisparibus, inaequalibus. Conpacta contexta. Septem cicu- 
tis. Allegorice significat septem pastoralcs odas quibus pastores praemia 


^ — — 





v. 26 spamathis 1|| uel filius Mereurii add. C || 

v. 27 uoluntariam per — imaginariam M || 28 delectet 1 | te addidi 
cura rusticum B |! 29 sagitare D[[se cum Caesare uelle scripsi | secum 
cesarem uclle B | secum uelle Caesarem M || 30 ad pastum inuitare (uel 
incitare?) scripsi | a pastum minare 1 || 31 /mitahere, imitaberis mecum, 
imitabere Pana M || Pan idest Theocritus; instituit idest composuit C 
syringam B [| Pana M || fistulam (sic) B j| unde graece fistula syrinx dici- 
tur scripsi | u.de..ece fistula syringi dicitur B || 32 quia perforati 
€... 0.0020 .... tur (trium fere uerborum spatium putredine. euani- 
dum) B || 31 sic cantaret B | si cantaret C [| 35 pulsum est libri || In 
sequentibus imi folii pars abscissa desideratur || 36 contexta scripsi | 
excitata l| excitata septem cicutis. Allegorice etc. M || 


If. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. — 761 


merentur, quia tres in carmine pastorali non reputantur: *Sicelides? et: 
‘prima Syracusio? et: “Extremum’. Septem cicutis, idest septem culinis 
uel calamis. Allegorice in septem calamis septem eclogae bucolicae intel- 
leguntur; nam tres aliae idest: *Sicelides? et: “Prima Syracusio’ et: "Ex- 
tremum hunc? ad singulos uiros specialiter factae sunt. 

v. 37. Damoctas, nomen pastoris periti canere. Damoelas.  Alle- 
goriee Theocritum uult Virgilius intellegi qui sibi facultatem canendi Bu- 
colica tradidit, quia post Theocritum proximus Virgilius scripsit Bucolica 
cuique aemuli inuident. . 

v. 38. Te nunc habet, idest Virgilium. Secundum, dominum.  Se- 
cundum , quia post Theocritum Virgilius hucolicum texuit. 


v. 99. Stullus, quia inuidit. Amyntas, praenomen pastoris. Amyn- 
(as. Allegorice Cornificium dicit, qui contra Virgilium conatus est scribere. 


v. 40. Nec (utra, in securitate. Nec tuta. ualle, idest non secura, 
quia cum difficultate eos de capreolis adquisierit, quos puero pre amore 
daret. Reperti, veperti sunt. 

v. 41. Capreoli, caprae silnalicae. Sparsis, maculosis, eleganter; 
isla enim pueri adpetere solent. ibo, uarıi. Duo caprevli. Allegurice 
in duobus caprevlis duos libros Georgicorum uel ut alii, Georgica et 
Aeneidos, quae cum difficultate condidit, uult intellegi, quos se dicit 
Augusto seruare, non, ut alii, Cassium et Brutum. 

v, 42. Siccant, mulgent uel sugunt. Quis, caprae. 

v. 13. Thestylis, amica mea uel uicina mea, rusticana mulier. Ab- 
ducere , auferre. Orat, rogat. Thestylis, allegorice Cleopatra uxor An- 
tonii, et lioc accipitur quasi rogaret Virgilium ut οἱ canlaret. Thestylis 
desiderosam et uoluptariam significat. 

v. 44. El fuciet, ne diceret: faciam. | Surdent , sordida existiman- 
tur. Sordent libi. Aduue precibus meis, o Caesar. Tibi eni omnis 
suauitas eL omnis flcs operis mei destinatur. 

v. 45. Huc ades. Ades imperatiuus est. Delicias rusticorum lau- 
dat puero. ZJuc «des. Allegorice per diuersa genera olerum ad uaria 
melrorum cariuina Caesarem inuitat, 

v. 46. Culathis; ealathus genus est canistri. Tibi Nais, tibi fert 
Nais, dea pastoralis uel una de Nymphis euius diminutiuum est Naidis. 

v. 47. Pullentes, micautes.  Violas , uaccinia. Summa papauera, 
herba quae in summo granum habet. Curpens, colligens. lis omuibus 
Caesarem iuuitat et gloriam eius multiplicat. 

v. 48. Narcissum. Narcissus flos est qui credebatur de puero 


v. 36 primas syracosio et extremum nunc B || facta B |] 

v. 387 canere scripsi | eaneret I | canendi M || eique M || 39 pro- 
nomen B || 40 eos de capreolis] Malim: *eos duos capreolos? || 41 uel. ut 
alii, Georgica scripsi | uelut alii georgiea M || quos se dieit seripsi ' 
quos edieit B || 42 mulgant uel suggent 1l om. M || 43 uoluptariam M | 
uoluntariam B || 44 ne diceret faciam scripsi ef. Seru. | me ut faciam | Ι 
distinatur B || 45 olerum B] an florum? || carmina om. M || eessarem B || 
46 diminutiuum 1|| est om. M || 


102 M. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


transformatus. Narcissus fuit filius Apollinis qui dicitur puer conuersus 
in florem a Nymphis eas contempnens. Olentis, graue uel boni odoris. 

v. 49. Casia, ablatiuus. 

v. 50. Mollia, tactu plumae. Zufleola rubicunda, in qua formae 
omnium pigmentorum pinguntur uel genus herbae propriae. Pingit, com- 
ponit. *Mollia uaccinia luteola caltha pingiU, idest, dum flores isti inter 
se iunguntur, picturam imitantur. Cal(ha, herba quae prope stabulis 
pecorum nascitur. Zuteola caltha , lutei coloris. 

v. 51. Ipse ego, omni te carmine rustico. persequar. Zanugine, 
uel de lanugine barbae suae dicit, ac si diceret: cum sim iuuenis, cur 
me refugis? hoc est Octauiane ucl puer. Cana, alba. Tenera, cum tenera. 
Cana mala, candida poma uel genus lirsutum. Tenera lanugine, idest 
lanugincın habentia. 

v. 52. Castancasque nuces. * Nuces? dicuntur omnia poma quae 
duram corticem habent; ideo cum adiectione * castaneasque nuces? dixit; 
quae autem inollem, *cerea mala’. Amaryllis, amica aut Ronia.. 4maryl- 
lis, ciuitas pro Octauiano dieitur. 

v. 03. Cerca, matura. ZJonos erit. Diuersitas colorum picturam 
imitatur. 

v. 04. Et uos lauri, nam gratas habetis bacas. Curpam , tollam. 
Proxima, loco uel dignitate. 

v. 55. l'osilae, posucrunt; posi(ae, quoniam  passiua participia 
frequenter aguntur a poetis.  Miscetis, siue Nymphae siue uirgulta 
praedicta. 

v. δύ. Rusticus est Corydon, ad semet ipsum loquitur poeta uel 
pastor. Nec munera, nec carınina quae ad honorem ci disit. Alexis, 
puer ucl Caesar. Rusticus. loco utitur et significat Pollionem diuitiorem 
se esse, quia eral dominus. Austicus, pastor, poeta ad semet ipsum. 
Corydon , Virgilius. Munera, carmina. Nec curat, non amat. Alexis, 
Caesar. Signilical nihil proficere sibi quia non mouetur Caesar eius 
ingenio. 

v. 04. Muneribus, siue praedictis siue poemate. ollas, dominus 


v. 48 transformatus esse M || 49 intexens idest coniungens C || 50 in 
qua formao scripsi | in quo fome 1 cf. ad eci. V 20 || proprie C || 51 omni 
te carmine rustico M | omni te carmina rusticum Bl hac si B || diceret 
et cum M || octauianae B || 62 quae autem mollem *cerea mala?] Seri- 
bendum: quae autem mollem mala, ut: 'cerea mala’. Contra statuit 
Seruius, ad quem caue nostrum diffingas. || Amaryllis ciuitas B | *uui- 
tas? sibi legere uidebatur M ideoque coniecit *uditas? uel *uuiditas?. 
Cf. scholium praecedens: ^Amaryllis, amica aut /toma’, || 54 -nigratas 
M | ingratas | | nam gratas scripsi || 55 Positae posuerunt 1] an Zosi- 
tue, si positae eritis? || aguntur a poetis scripsi cf. ecl. VI 61 | agunt 
cum poetis 1! Nymphas M || praedicta scripsi | praedicit 1[| 56 */iusticus. 
Ioco utitur — ab Alexi contempnuntur', quorum in B nil nisi haec le- 
vuntar: Rusticus coco utitur et significat . ... uiciorem se esse qui erat 
dominus. Rust.....rydon uirgilius. .. . alexis caesar.... cacsar eius 
ingenio . ... ellus idest .... unc pollionem .... m idest.... est omnia 
tibi .... 1 proficiens. ... s uentus... . temnuntur ex C suppleui || Ioco 
Scripsi | coco 1j| quia erat scripsi | qui erat 1 || 57 Iollas dominus eius 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 763 


eius, idest Pollio, tamen per Augustum. JZollas, deus Mantuanorum; nunc 
Polliunem nunc Cornificium significat idest Il poetas. [ Eheu quid, o, in- 
leriectio dolentis.] Austrum, uentum idest Notum, floribus contrarium 
prae calore. llic sensus est: omnia tibi praeparaui , tamen conturbata el 
conbusta sunt. Perditus, niliil proficiens. Floribus austrum, sicuti flo- 
ribus collectis οἱ depositis uentus contrarius spargit eos, sic mea carmina 
ab Alexi contempnuntur. Jollas, alius pastor, amator puerorum, uel 
Pollio qui et ipse poeta erat. Muneribus, poematibus. Concedat, idest 
non concedit Pollio ut carior illo sim. 

v. 58. Quid uolui floribus austrum, ct est sensus: oumia quae tibi 
praeparaui, conturbata suut et sic dissipata, quemadmodun auster flores 
dissipal. lloc uel ad puerum uel ad Caesarem dicit dolens sua munera 
despici. 

v. 09. Perditus, demens. Inmisi, quia uolutantes se aquas fontium 
conturbant. Fontibus apros, idest quemadmodum apri fontes conturbant, 
sic a le conturbata sunt el conculeata omnia mea. 

v. 60. Quem fugis, reuocat illum ad rusticum carmen. 4 demens, 
hoc in se, non in Alexin. — Z/abitarunt, idest, non sit tibi uile ut illud 
facias, quod ineliores fecerunt. — Z/abitarunt di quoque siluas. Si ad 
Caesarem dicit, hoc uult intellegi, quia et di carminibus delectati sunt. 

v. 61. Dardaniusque Paris. Vlavim Priami filium pastorem fuisse 
priusquam a patre agnosceretur, cerlum est, quem Dardanium uocat, 
quia in ea regione pastor fuit. Pallus quas condidit arces, fortasse Atlic- 
narum historiam attigit. Dalfus, idest Minerua, quam Iuppiter de capite 
genuil, ul pagani, ut [uuo Vulcanum sine uiro peperit arte magica. Mi- 
nerua enim prima condidit urbes. Dardaniusque Paris, idest Alexander 
filius Priami, pastor fuit in Dardania. Pallas, idest Minerua habitet in 
urbibus quas condidit; nobis habitatio siluarum placet. Allegorice *sil 
uae* carinen. 

v. 63. Torua leaena, saeua irata truculenta aspera. “Leaena? lit 
auctoritate, quamuis ueleres dicebant “lic? et *haec? leo, Turua leaena 
el reliqua, idest omnia se inuicem sequuntur amore uel odio conpellente; 
nos te, puer uel Caesar. Sequitur capellam, ad conprehendendum. 

v. 64. Cytisum herbam, | Sequitur capella, ad pastum. 

v. 65. Corydon de aüe dictus, non ut alii, nomeu coupositum ex 
*coro? et *dono?. Te Corydon, o Alexi. Quomodo ferae cupiditatem 


scripsi | iollas domicellus C (B) || tumen per Augustum] Haec oscitanter 
excerpta sic suppleas: tamen (alii) per (Iollam significari dieunt) Au- 
gustum || [£Aeu quid, o, interiectio dolentis] uneis cireumseripsi, quippe 
quae in B adfuisse per spatii angustiam non liceat suspicari | Eheu 
quid, o scripsi | eheu o inquid C || prae caloro scripsi | pro calore C 
* Perditus? lemma addidi || poatibus B [| Concedet idest non concedet M 

vy. 58 carmina despici, M || 59 uolutantes M | uoluntates B || 60 hie in 
se M || di quoque D) || et di D N dilectati B || 61 pariumi 1 || pastorem fuisse 
M | pastorem suis B | p. sui C || ut pagani [narrant] M || condidit arces 
M || 63 trunculenta D | trunculata οἵ lena 411} ad eonprehendendam D 
unde fortasse: “ad conprehendendam eam, || 65 Corydon de aue dictus 


764 11. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


patiuntur, sic ego, Caesar, te. Trahit, quia omnia ad uoluptatem suam 
se inuicem persecuntur. Voluplas, cura se inuicem capiendi. 


v. 66. γαίας. aratrum dicitur sed propter uersi mensuram *aratra'. 
Aspice aratra, ad semet ipsum loquitur. Referunt, post laborem ad 
domum portant et ad requiem festinant. 


v. 67. Et sol decedens. Ad occasum properat el ad refrigerium; 
amor nec requiem habet nec refrigerium. Duplicat umbras, iam tempus 
preces meas finire; dies enim defecit ueniente nocte nec ego finem amoris 
inueni, Duplicat, noctem facit. 


v. 68. Me tamen uril amor, requiem non inueniendo. Quis modus, 
nullus pietatis modus est. Quis modus, idest nullus est linis amandi. 


v. 69. A Corydon, Corydon. Figura utitur et reprehendit se, quod 
carmina scribat, per quae nullum sihi mereat nutritum. Quae dementia. 
Tam demens sum rogando Caesarem. A Corydon. A interiectio dolentis 
uel mirantis. Sub Corydone poeta se intellegi uoluit dementemque se 
dicit, ingratum officium exhibentem. 


v. 70. Semiputata, ex parte ampulata. Queritur tarditatem donaudi. 
Semiputata, idest: tua dereliquisti propter laudem uel amorem pueri ucl 
Caesaris. Vel quia Numa, cum ad uini cultum uellet prouocare Romanos, 
edicto monnerat, dementiam facile contrahere cos qui de inculta uinea 
uinum bibissent, dicit se dementem, quasi de tali uinea biberet. 


v. 71. Quin tu, idest incipe, aliquid operare, quod necesse est. Quo- 
rum, ciborum. | Sultim, uidelicet. Quorum indiget , ut placatum habeas 
Caesarem. | Zndiget usus, ad necessitatem uictus. 


v. 72. Fiminibus, uirgulis mollibus; detexere, uiminibus caseum 
praebere. Paras detexere. Vult se intellegi Aeneidos scripturum perti- 
nentes ad stirpem Caesaris. 


v. 73. Inuenies alium , idest Alexim. Siue inuenies alium, cui car- 
wine placeas si Caesari non places. Inuenies alium. δὶ nun Caesari car- 
mina placuerint, alii placent, uel aliud. opus adgredimur in quo placebi- 
mus Augusto, idest Aeneidos, non, ut alii, eclogas sequentes. 


ef, v. 1 [| Caesar te scripsi | caesarem B || ad uoluptatem scripsi | ad 
uoluntatem B || se addidit M || Voluptas cura se inuicem capiendi scripsi : 
uolupta eausa ubi capiendi B || 


v. 66 uersus mensuram M || 69 mereat nutritum scripsi | nutriat me- 
ritum l1]| quo dementia B | quod dementia C [| 70 ad uini cultum scripsi ' 
ad omne ustı B || elementiam B ||liberet B || 71 opcrari M || ad necessi- 
tatem usus M || 72 detexere u. c. p. transposui | u. c. p. detexere B : 
73 placebimus scripsi | placebit B || eclogas sequentes scripsi | egloga 
sequentes D | eclogae sequentes M | 


m MÀ ED t — a —aÍ— 


II. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. — 165 


Ecroca III. 


Haec ecloga in honorem Asinii Pollionis scripta est, llaee ecluga 
sic habetur quasi in Hispania uel in Gallia ut (v. 64): *Malo me Galatea 
petit.” Ilaec ecloga in agro, ut (v. 55): “Dieite quandoquidem molli con- 
sedimus herba. Ilaec pari numero epigrammatum gaudet, et pars. eius 
ultima distichon, continet enim duos uersus. — Menalcas pastor melior 
Damoeta, hoc est Cornificius poeta consularis, fascinat Damoetae, idest 
Virgilio, agrum suum, quasi sui umquam uon essel, ut moris apud eos 
omnes non habere agrum nisi a Palaemone idest Caesare accepissent. — 
Menalcas Cornificius, Damoetas Virgilius, Palaemon Caesar. — In liac 
ecloga tres introducuntur personae, idest personae duorum pastorum, 
certantium de uariis rebus coram iudice, et allegorice personae poetarum 
et militum coraın Caesare et iudicibus eius cerlanlium, sed maxime poc- 
larum. — Allegorice Menalcas, idest Cornificius, loquitur, poeta Antonii, 
quasi ex Cremona uel Mantua, qui contra milites Octauiani contendit; 
Damoetas, idest Virgilius, qui a loma contra Antonii milites pugnat; 
Palaemonem Caesarem uel Meliboeum ucl Gallum accipimus, qui poetarum 
iudex factus est. In hac ecloga Virgilius nunc personam Menalcae accipit, 
nunc Damoetae. llaec ecloga proprie bucolicon dicitur. In hac ecloga 
saepe personae mutantur , ideo obscura est. 

v. 1. Dic mihi Damoeta. lic fascinat Menalcas Damoetae pecus. 
Dic mihi , contumeliosa interrogatio prouocantis ad pugnam. Dumoelas, 
mercennarius Menalcae uel custos gregis Aegonis. Cuium, pro cuius, 
antiqua locutio ueterum, qui * cuium? neutro, *cuius? masculino, “cuia’ 
feminino dixerunt; nos 'cuius? tribus generibus dicimus. Pecus, ager 
quem tu non habes. Aeliboei, Antonii allegorice. 

v. 2. Megon, custos gregis, uel amicae nomen.  Zradidit, ne videa- 
tur mercennarius, quasi ab amico acceperit. Jegon, allegorice Pollio uel 
Caesar, ut (ecl. V 72): *Lyctius Aegon?, idest Cretensis. 

v. 3. O, interiectio dolentis. Ouis pecus. Omnia animalia exeepto 
homine *pecus? appellantur; hic ergo ut ostenderet, de quo loqueretur, 
addidit *ouis'. Pecus, allegorice agrum uel eines Mantuanos spolialos 
significal. Neueram, nomen proprium amicae suae idest amicae commu- 
nis. Neaerum, allegorice Mantuam uel Caesarem, uel *nouitatem? uult 
intellegi , idest agrum recipiendi. 

v. 4. Fouet, amplectitur, Ne me. Ne me Caesar praeponat sibi, ne 
me inagis amet quam illum.  Sibé, idest Damoetae uel Neaerae. 


Ecroca IIT. asynii B || epigramatum B || disticon B || ut moris apud 
eos omnes] An: sed moris apud eos homines esset? || idest a Caesare 
M || accipissent B || et allegorice personae scripsi | et allegorice p. B | 
et allegoricae p. M|| ex cremone B || qui a Roma scripsi ! quiaroma B; 
quia Roma M || Palaemonem scripsi | palemon B || qui poetarum iudex 
Scripsi | qui posten iudex B || propria bucolicon B || 

v. 1 euium pro cuius 1 | cuium pecus M || 2 acceperit scripsi | ac- 
cipit B || “τερον, allegorice Pollio uel Caesar ut *Lyctius Aegon? idest 
Cretensis scripsi | licitus aegon idest cretensis aegon alligoriee pollio 
uel caesar B la de quo loqueretur addidit scripsi | de quo loquitur ad- 
dit 1 [| 4 amplectitor B | amplector C || 


1606 I. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 9. Alienus, Damoetas. Bis mulget in hora, siue historialiter in 
mulcetram, siue “bis mulget? allegorice seruitutis grauitas intellegitur. 
Alienus custos, Caesar uel milites quibus distributa fuit terra. 

v. 6. Sucus, pinguiludo uires. Subducitur, furto tollitur. Zac 
agnis, quia spoliantur agris. 

v. 7. Parcius, loquere non iniuriose sed parcius. Firis, uiris fortüi- 
bus praeda. Tamen, quamuis dicis .1. ...1.a consideranda. 

v. 8. Nouimus. Non ignorat populus; quia scimus te ea passum 
quae uivis inhonesta sunt. Hacc ad Cornificium. Zt qui te, de turp... 
...[fransue |rsa , retro conuersa idest trans dorsa uel trans... ... ..ntes 
lornieatorem uerecunde stuprum tra... ... ... limis intueri. Tuentibus, 
pro intuentibus. 

v. 9. Faciles, propitiae, quia non animaduerterunt. Faciles, pro- 
pitiae ad ueniam dandam, uel ad culpam consentientes. Risere, inde ... 
ZEN o. Sacello, diminutiuum ut alii al... ... ... 

v. 10. Cum, quando. Cum mc, cum ego uel me cum.  Miconis, 
Caesaris. 

v. 11. Mala falce. Mic probatur Virgilius quod sit ei studiorum 
instrumentum. Falce, poeinate. 

v. 12. μι hic. Nonne te uidi? Ad ueteres fagos, ubicumque, quia 
fagi uhique sunt, uel prinati loei indicium, Daphnidis. Daphnis Amy- 
claei filia ab Apolline adamata quae cum fugeret uim amaloris, in laurum 
conuersa est. — Daphnis. Alii eum Neptuni filium dicunt. — Daphnidis, 
Augusti, quia haec omnia certaminibus Antonii et Augusti conueniunt. 
Daphnidis. Alii dicunt Daphnim, unam de Nymphis, ab Apolline uitiatam 
et prae pudore, ne apud sorores esset infamis, ab loue petisse ut in lau- 
rum uerteretur. Ex ea arbore Apollinem diadema amoris gratia sibi pa- 
rasse, quod uirens est semper, ut sol nouus. Arcum, pro carmine uel 
exercitu Augusti. 


v.5 Bis mulget in hora, siue historialiter in muletram siue "bis mul- 
get? allegoriee seruitutis grauitas intellegitur scripsi | bis mulgit in hora 
siue historialiter siue in muletram (multram C) bis mulget alligorice etc. B | 
6 furtu B ‚| quia spoliantur scripsi | cui spoliantur B | qui sp. M |] 7 Seriben- 
do: * Zamen, quamuis dicis obicienda, uirilia consideranda! lacunae spatium 
completur || B Non ignorat populus] In Philargyrii igitur uerbis: *non igno- 
rante populo? non debebant haerere. In cis quae secuntur lacunis ternorum 
fere uocabulorum spatia desiderantur supplenda | In C solo insuper le- 
guntur: Tuentibus hircis: [sidorus (i$; Origg. XII 1, 14). *Hireus lasciuum 
est animal et petuleum feruens semper ad eoitum (coaticum) cuius oculi 
ob libidinem in transuersum aspiciunt unde et nomen traxit. Nam *hirci? 
sunt oculorum anguli secundum Suetonium (cf. Reiffersch. p. 272); cuius 
natura adeo calidissima, ut adamantem lapidem quem neque ignis nec 
ferrum domare ualet, solus cruor dissoluat (desoluat)’ || 9 propitiae quia 
scripsi | proprie quae 1 || consentientes 1] an *coniuentes?? || 10 'Tum 
quando 1 || mecum 1 || 11 quod sit ei studiorum instrumentum] an: 
studiorum *&onum? instrumentum? || 12 amiclei 1 || ct prae pudore ne 
apud sorores esset infamis scripsi | et proprio pudore nec apud sorores 
essct et infamis B | et proprio pudore nec apud sorores csse et in- 
famem M || diadeina amoris gratia M | dm amoris gratiam B | an ἐν 
(moris gratiam? 


DAE . 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. — 161 


v. 13. Calamos, pro scriptura. Peruerse Menalca. llo tempore 
quo dedisti operam ul me ingratum Caesari faceres studiaque mea apud 
illum reprobares. 

v. 14. Puero, Theocrito uel Caesari. 

v. 15. Aliqua, aliqua ratione. Nocuissel, uel me uel illum de- 
traxisses. 

v. 16. Domini, sinceri uel liberi. Quid domini faciant. Quid fa- 
ciant, qui possunt, mali, cum tu qui furto possides agrum meum, fiduciam 
aduersus me sumpseris? Fures, serui. Fures. De officiis nomina inpo- 
nuntur hominibus; ut philosophus de philosophia, ita et fur de furto 
quia *furuae? dicuntur tenebrae. 

v. 17. Non, nonne. Non ego te et reliqua. Crimen crimini obiciunt, 
iste stuprum ille furtum. Damonis, Antonii quia cum Antonio Mantuani 
erant, antequam uincerentur ab Augusto. Caprum, agrum. 

v. 18. Excipere, uelle percutere. Zycisca, canis de lupo et de do- 
mestica cane conceptus. Mullum latrante, allegorice plurimis reclaman- 
tibus. Zycisca, allegorice Mantua. 

v. 19. Se proripit, ingerit inmittit. Ille, fur. 

v. 20. Tityre, allegorice Antoni. Coge, collige. Tw, Damoeta. 
Carecta, carice saepta, ut (G. HI 231): *carice pastus acuta, et allego- 
rice sub tutella Pollionis. 

v. 21. An, pro *num?; reclius pro *ergo? ut Cominianus dicit. 
Victus, superatus cantando. Nun redderet, nonne debuerat reddere mihi 
agrum quem merui carminibus? Ile, Damon, allegorice Octauianus. 

v. 22. Caprum , agrum 

v."23. Caper, ager. Damon, Caesar. 

v. 24. Reddere possc negabat, quia distributus erat militibus. 

v. 25. Cantando, ad magnitudinem. Aut umquam , numquam. 

v. 26. Vincta, iuncla. Non tu, ad despectum. In triuiis. omae 
pastores cum ouibus circumeunt et in locis triuiis stantes cantu pastorali 
eos admonent qui lac emere uolunt, itaque sub praesentia emptorum lac 
uenditur; inde dixit: *Non tu in triuiis.? In triuiis, triuiae tres uiac. In- 
docte , aduerbium; homo nullius momenti eras. 

v. 27. Stipula, culmo frumenti uel ordei. Disperdere, cum socor- 
dia spargere. Miserum. Miserum carmen a te canitur, uel quod in tri- 





v. 13 quod dedisti B || 14 uel caesare B || 16 quid faciunt qui pos- 
sunt l||forto 1|| possideas M || agrum ineum 1 (sie) || 17 nonne ego te ct 
reliqua 1|| 18 domestico 1|| 20 alligorice atoni B | allegoricae antoni C '| 
tutella B || 21 An pro num scripsi eum Fabricio, Charis. II p. 229, 15 K. 
An pro cum (?) Maro bucolicon: *an mihi cantando? etc. nisi, ut de dis- 
tinctionibus diximus, ὑπακουόμενον sit “an aecum uideatur’, sed Marcius 
Salutaris uir perfectissimus pro ergo rectius sensit | pro eum 1 [| dicit om. 
M || cominianus 1 || superatus scripsi | pastus B | pastor coniec. M || nonne 
debuera redderet B || quemerui B || 24 distributus erat scripsi | distributü 
erat 1|| 26 Notu ad dispectum 1|] Non tu om. M | uincta functa C || eir- 
eumeunt et scripsi | circumeuntes 1] [| uenditor 1[| nullus momenti B || 27 
ordei 1 || cum socordia spargere scripsi | concordare spargere 1 || a te 
eanitur scripsi | ante canitur B || ue] quod in triuiis — pastores ululabant 


768 VL. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


uiis, ubi ululans Ceres filiam suam Proserpinam quaerebat, et pastores 
ululabant. 

v. 29. Ewperiumur, probemus. Filulam. Si uitulam, cur dixit: 
“Bis nenit ad muletram?? * Vitulam? dixit pro uacca. Ne forte recuses. 
lic sensus est non, ne uilulam recuses sed ne contendere recuses. Z7Zanc 
uitulam, allegorice Ducolicam. ZRecuses, Menalca. 

v. 30. Bis uenit, mane et sero. Mulctra, uas in quo mulgetur. 
Dis uenit ad mulctram. Duplici sensu Bucolica iutellegitur, historiae el 
allegoriae, 

v. 81. Depono, promitto. Quo pignore, qua sponsione quia pignus 
spousionis est. 

v. 32. Non ausim , non ausus sim. Non ausim, Allegorice Corni- 
ficius negat se uelle contendere. 

v.33. Est mihi, sub cuius imperio uiuo. Paler uel nouerca, inpe- 
dimenta captiuitatis uel infirmitatis. Iniusta, odiosa, inimica priuignis. 

v. 34. Alter et haedos. Quidam synaloepham putant; sed ad nalu- 
ram humanam respicere debemus; si quando enim mixtos uidemus uiros 
et feminas: *qui? nos “illi?? dicimus, non *quae. Pis numerant ambo, 
duin exeunt mane, et sero cum redeunt, al ambobus numerantur pecora. 
Alter, nouerca. 

v. 35. Fatebere , Tateberis. 

v. 96. Insanire libel, idest, ego cantare debeo; quia poetae *insa- 
nire? dicuntur cantando. Pocula, allegorice duo libri Georgicorum. 

v. 37. Fagina, non recte dicitur; *faginca? enim dicendum ex fago, 
tàm quam *ulmea? ab ulmo et * populea? a populo. Diwini opus, artifi- 
cem gloriatur. Alcimedontis, allegorice Hesiodi qui duos libros Georgi- 
corum composuit. 

v. 98. Facilis superaddita, Nexibilis. * Facilis? ad materiam refer- 
tur uel ad laudem artificis; sed magis ad uitem. Vitis, quia de uitibus 
ibi mentionem fecit. Superaddita, torno addita. 

v. 39. Jedera, folio uiridi, ab aerendo arbori dicta. Festit, idest 
magister. 

v. 10. Conon, Samius genere, mathematicus, stellarum peritissimus 
magister, uel ut quidam, Alexandrinus qui cum Ptolomaeo fuit. Quis 


— - — DE 


seripsi | uel quod in triuiis ubi ululauit filiam suaın proserpinam et que- 
rebat et pastores nlulabant, ecres. B | an potius: uel quod in triuiis sub 
ululatu ?| Ceres filiam suam Proserpinam quaerebat et pastores ulula- 
bant — ? || 

v. 99 lie sensus est: Non, ne uitulam recuses sed ne contendas, 
recuses M || bucolicam B | bucolica M || 31 quo pignore ..... .. & pignus 
sponsionis est B | Suppleui ex € qui tamen habet *guí pignus?. || 32 Non 
ausim non ausus ,. B | suppleui ex C || 33 Est mibi sub euius imperio 
ees ss dimenta eaptiuitatis uel infirm... B | suppleui ex C || adioss 


y 
B || 34 sinalypliam B | sinalipham C || *qui nos illos? nel "qui nos de illis' 


M || mane om. M[J37 allegorice om. M |] 38 ad matheriam refertur 1 ad 
laudein B || 39 aberendo 1 | ab aerendo scripsi cf. Philargyrium || 40 pae- 
ritissimos B | peritis sumos C || uelud quidem 1 [| ptholomeo B | tholo- 


2A 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. — 769 


fuit alter. Quis, quidam. Cur nomen liuius non posuit? Quia a Roma- 
nis occisus est. Εἰ acute, ut eruditum pastorem induceret, et edoctum 
mathematicum significat et eundem philosophum, Platonis discipulum, uel 
ut quidam, Arati. 

v. 41. Radio, idest uirga philosophorum, per quam inuenta est 
Geometrica. Quoniam Nilus totam Aegyptum operuit, inde philosophi in 
aere mensurabant fines singulorum, qui deturbati per aquae diluuium 
fuerant. 

v. 42. Tempora quae messor et arator haberet. Allegurice Ilesio- 
dus, qui artem georgicam de temporibus et aratris scripsit. 

v. 43. Necdum illis labra admoui, ad usum conuiuii. Necdum, 
allegorice, necdum cantaui. 

v. 45. Circum, circiter. Ansas. Sicut ansae additae sunt, sic duos 
libros addimus. Amplexus, Alcimedon. Acantho, genus herbae. 

v. 46. Orphea, accusatiuus. Orphea. Nomina pomposa ad pucu- 
lorum laudem non ineleganter adiunxit. Sequentes, molatas quia mola- 
tae sunt siluae illius cantilena. 

v. 48. Vilulam, quam deposui nomine pignoris. Nihil est quod 
pocula laudes. O Palaemon, idest Caesar. Allegorice: si Bucolica uolue- 
ris, quid Georgica laudas * 

v. 49. Quocumque uocaris, ad quodcumque uocaueris. 

v. 00. Audiat, aliquis. Is audiat, inquid, quem casus obtulerit, 
uicinus noster. Qui, aliquis. Palaemon, iudex causae, allegorice Caesar. 

v. 51. Efficiam, pro effigiem, imaginem. Posthac, posthoc. ZLa- 
cessas, non prouoces [Propone quicquid uelis, incipe dicere]. 

v. 02. Quin age, immo potius. Age, aut aduerbium temporis aut 
uerbum imperatiuum. δὲ quid habes, dic, propone quiequid uelis, incipe 
dicere. Non erit , non erunt. 

v. 04. Sensibus haec imis. Adhuc iratus est. Reponas, ut facile 
possis nostram discernere discrepationem. 

v. δῦ, Dicile quandoquidem , allegorice, quoniam ubique nunc pax 
est. Ouando, quatenus. Molli consedimus herba, quouiam suauiore 
odore herbarum consedimus et delectamur, incipite. 

v. 56. Parturit, fetum reddit, pullulat. 

v. 57. Annus, totum pro parte; uernum enim lempus dicit, quo 
aues incipiunt cantare. 


meo C || inducit M || 

v. 41 geometria M || mensurabam 1 || post *singulorum? agrorum ex- 
cidisse suspicatur M || 45 additae tiunt I | sunt M || 46 ineliganter ad- 
iuncxit B | ineligantur adiuxit C || motatas et motatae scripsi | mutatas 
et mutate B || 48 deposui scripsi | adposui || 49 uocaberis 1|| 50 uieinus 


noster q aliquis B | qui aliquis C | uicinus noster aliquis M || 51 effugiem 
] | delirat scholiasta N 52 Non erit, non erunt.] Deliranti scholiastae Ver- 
gilius uidebatur inmemora scripsisse || 54 sensibus haec in imis | | 55 
quoniam ubique nunc pax est scripsi | quoniam subicent pax est ] || in- 
cipite scripsi | incipere B [| 66 fetu redit B | fetum reddit M || 57 uernum 
enin B ||: 

Jahrb. f. class, Philol. Soppl. Bd. IV. ft. 5, o 


770 — A. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 58. Damoeta, Virgili. Menalca, Cornifici. 

v. 09. Alternis, sermonibus. Dicetis, pro dicite. Alterna, car- 
mina. Camenae, deae carminum uel cantionis. 

v. 60. Ab loue. louem enim quidam uolunt dicere calorem homi- 
num animis inhaerentem. Ab Ioue principium, adolatur Augusto quia ah 
loue duxit originem. ouis, Caesaris. Omnia, omnipotens. Plena, plena 
sunt. 

v. 61. Illi mea carmina curae, fecunda fecit aut quod poeta est. 
Illi mea carmina curae, ... ... ... 

v. 62. Et me Phoebus amat. Ideo, ait, amat me Phoebus, aut quod 
originem geniturae ex isto uersu conpraehendit. Nam fertur mater Vir- 
vili Maia cum eundem paritura grauis esset, somniauisse, lauri fructum se 
peperisse; denique de poeta ille uersus ostendit. Phoebus, allegorice 
Caesar, filius louis. Zi me amat. Alter amicitia Caesaris, alter familia- 
ritate contendens se iactat. Phoebus, Apollo, quem solem esse uolunt. 
Et me Phoebus, quia honorauerunt me luppiter et Apollo. Phoebo sua 
semper aput me. De Virgilio hoc allegorice intellegendum. 

v. 63. Lauri, quia in tutela Apollinis erant. Suaue, odore. Rubens, 
rubei coloris flores. Z7yacinthus. Puer prope amnem Eurotam, dum cum 
Apolline ad discum iaciendum ludit per inprudentiam incautus interiit, 
eumque Nymphae fleuerunt, earum ut lacrimis inriguus flos crearetur. 
Inde rubeus Hyacinthus dicitur, colori solis comparatus. Hyacinthus. 
Puer pulcherrimae formae fuisse traditur; ab Apolline dilectus et ab eo- 
dem inprudenti ludicro disco peremptus est, de cuius cineribus flores nati 
sunt et nomine eius inscripti sunt. 

v. 64. Malo, carmine. Galatea, filia uel concubina. Petit, percus- 
sit adpetit. Galatea, allegorice Mantua uel Gallia, quae blandimentis pe- 
tit. Lasciua, luxuriosa, ultro uolens. Zasciua, allegorice: mihi mens op- 
tala contigit praesentia Caesaris. 

v. 65. Ad salices, ad poetas peiores. 

v. 66. Ignis, amor. Meus ignis 4myntas, allegorice meus amor 
Antonius. 

v. 67. Notior, ut Amyntas non minus nolus sit nostris canibus 
quam Delia. Delia, nomen amicae uel concubinae Menalcae. Delia, alle- 
gorice Diana de Delo insula. 





_ —- 


v. 59 pro dicite 1 | producite M || cantionis scripsi | canciones B |, 
60 horiginem B [| 61 /Ui mea carmina curae ... ... ... lacunam signaui | 
Et me Phoebus amat emma addidi | Illi mea carmina curae ideo ait amat 
me phoebus etc. B || 62 horiginem B || uirgili (sic) B || somniauisse scripsi | 
somnia- esse B || se iactat scripsi | iactat B || 63 in tutella B || Eurotam 
M | erodotum 1 || ad discum iaciendum scripsi | ad discendum 1 | ad discum 
M || eum quae 1 dos crearetur scripsi | fons crearetur 1 || rubens M || pul- 
cherrima forma M || traditor B || peremptus M | pertus B || et nomine eius 
M | et nomen eius B || inscripti scripsi cf. v. 106 cum schol. | conscripti 
B || 64 Malo, carmine scripsi cf. Ecl. II 51 | malo omni ora B || uel per- 


eussit M || lasciui et lasciuia B || 65 Ante, idest priusquam exeat C || 67 
non minus notior 1|| Delia lemma ante *'nomen? addidi [| dedelon insula Bj 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. — 771 


v. 68. Parta, pro parata. Meae, amicae Galateae. Veneri, adola- 
tur Caesarem qui de stirpe Veneris uenit. Munera, myrti. Iamque no- 
laui, inueni quae cupiebam mihi contingere, idest amicitiam Caesaris. 


v. 69. Locum, altare in nomine eius. Aeriae, aerii coloris. Con- 
gessere, nidificando. Allegorice loquitur. Aeriae palumbes, aliquando 
*hi? palumbes. 

v. 70. Puero, Antonio uel Augusto. Siluestri, agresti. Arbore, 
carmine. Puero siluestri ex arbore lecla aurea mala decem misi. Al- 
legorice ex agresti carmine decem eclogas misi Octauiano scriptas. 

v. 71. Cras, pro futuro tempore. Altera, Georgica uel Aeneidos. 

v. 72. O quoliens. Ad Caesarem allegorice loquitur, ut sciat, quo- 
modo eum diligat Mantua. ' 

v. 73. Partem aliquam. δὶ non totum. Referatis, optatiuo modo. 

v. 74. Quid prodest, amor tuus, dum in diuersis locis moramur. 
Non spernis, sed diligis. Amynta, Antoni uel Caesar. 

v. 75. Ego retia seruo. Virgilius tangit allegorice pugnantem Oc- 
tauianum contra Antonium ... ... ... et Virgilium non dimittebat dimi- 
care. Aelia seruo, stabilis sum. Ego retia seruo, tu uoluptalem capis 
uenando. 

v. 76. Phyllida, accusaliuus casus. Nomen mulieris, cum qua fuit 
amica eius. Nalalis, dies natalicius. Jolla, uocatiuus casus, amica com- 
munis. Natalis. Natalem pro recipiendis agris dicit. Jollam, deum ac- 
eipimus Mantuanorum, PAyllida uero felicitatem, idest mitte mihi felici- 
tatem. Jolla, allegorice Augnstus. 

v. 77. Cum faciam, cum aliis sacrificem. | Vitulam. Antiqui ante- 
quam messes meterent, uitulam ducebant circa messes, ac post sacrificium 
ineipiebant secare. 1986 uenito, ut lbi sacrificeim. 

v. 78. Phyllida, accusaliuus casus. Dicunt ambo Phyllidam amare. 
Ante alias, super alias. Phyllida, dea, ei sub eius nomine Antonius uel 
;aesar allegorice intellegitur. 

v. 79. Longum, diu. Jolla, Antonius. 

v. 80. Triste, aduerbium. Zupus, inimicus uel herba quam pecora 
nOn Maturis frugibus imbres. Vi enim pullulantis frugis spem eiciunt. 
Hic Cornificius poeta sul Damoeta intellegitur, et hic sensus est: Sicut 
haec contraria contrariis repugnant, sic nobis Romae irae, quia exul fuit, 
ut alii. 

v. 81. Arboribus uenti, decutiunt enim flores. Nobis, Mantuanis. 

v. 82. Dulce, aduerbium. Satis, seminatis. Vmor, pluuia uel ros. 
Dulce satis et reliqua. Vt amant. sata umorem, haedi arbutum, sic ego 


v. 69 aerei B [| hii palumbes B || 72 allegorice ad Caesarem M || 74 
antonii B || 76 contra antonium et uirgilium B | lacunae signum posui || 
uoluptatem M | nolnntatem B || 76 agris M | agros B || deum (dm) B | do- 
minum M cf. Ecl, II 56 || 77 ducebantur ca messes | |] 78 Phyllidem M !| 
80 Post *pecora? lacunae signum posui: supplendum ‘edunt’ uel “pas- 
euntur? uel simile quid. Et reuera in codice B aliquid erasum est || ui 
enim B | hi enim M || Romae irae seripsi | romanae irae B || 


50* 


772 1. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


unice Caesarem diligo. Hic Virgilius sub persona Menalcae intellegitur. 
Arbutus. Puto autem poetam hoc loco nomine arbuti non certum arbo- 
ris genus definire sed solita figura orationis speciem unam pro genere 
posuisse, hoc est frondes arborum. Agnis praegnantibus autem salices 
gratas significal esse. 

v. 84. Pollio amat nostram, Caesar. llic adolatur consulem. Pollio. 
llic magister equitum fuit Caesaris et hic apparet quod in honorem Pol- 
lionis liaec ecloga scripta est. 

v. 85. Pierides. Nvmphae Pierides. Vitulam, optimum carmen uel 
lionorem uel amorem. — Zectori, amatori ut ci sacrificetis. 

v. 86. Pollio et ipse. Nunc respondet sibimet quod ideo non dili- 
gitur a Pollione quia ipse sibi cantare possit. Noua, mirabilia. Pascite 
(aurum, quia erat praemium poetis taurus propositus. Allegorice taurum 
amorem maiorem quia meliora carmina cano. 

v. 87. Cornu petat, feriat. 

v. 88. Qui te Pollio et reliqua. Asinius Pollio, consularis uir, tra- 
voedografus, cuius beneficio Virgilius in amicitiam Caesaris uenit, et sen- 
sus est: qui te amat, ei rerum natura mutabitur uel ad amoenitatem uel 
ad utilitatem. Quo te quoque, una tecum. Venial, ad consulatum. 
Gaudel, uenisse. ᾿ 

v. RO. Mella fluant illi, aurea saecula dicit. Fluant, stillent. Au- 
bus, spineta. ȣmomum, genus herbae uel flos. 

v. 80. .4met, pro poena dicit. Maeui. llic Cornificius Virgilium 
uituperat sub nomine Maeui. Maeui, allegorice Virgilius. Bauius et Mae- 
uius, duo poelae pessimi sui temporis, ut Materianus ait, ex quibus Ba- 
uius curator fuit, ei quibus omnia sua eranl communia, ut spirilus unus 
geminis corporibus diceretur inesse; sed postquam allerius uxor cum 
altero. concubuit, alter amicitiam dissoluit, et noua regna accipiunt. 
De Maeuio nihil repperi. Quorum quoque carmina ob humilitatem abiecta 
sunt, et inimici Virgilio erant. Sensus est: llic qui Bauium, pessimum 
poelam, amat, amet etiam Maeuium peiorem ut duplum habeat malum. 
FEuscbius dicit: *M. Bauius poeta, quem Vergilius in Bucolicis notat, in 
Cappadocia moritur.? 





v. 82 difinire B || 8& saesar 1 [| 85 piherides B | pierides C || 85 sacri- 
ficet M [| 86 respondit M || non diligitur a Pollione M | diligit ab apollone 
1 || propositus scripsi | praepositus B || meliora M | meliorem B || 88 apol- 
lio ! j Caesaris] uenit suppleui | caesaris et sensus etc, 1|| Caesaris [ue- 
nerat] M || ei rerum natura mutabitur transposui | rerum n. m, ei 1|{ ad 
amoenitatem scripsi | ad amorem 1 || Venia ad consolatum B | 89 aurea 
saecula dieit, Fluant, stillent scripsi | aurea secula distillant | || 90 pro 
pena | || uiteperat 1 || sui temporis ut Haterianus ait scripsi cum Saup- 
pio | athenienses sui temporis B | ait ... ... Reifferscheid Suet, rell. 
p. 41 || nanius, et sic semper B || et quibus omnia — noua regna acci- 
piunt] ef. Domitii carmen apud Philargyrium h. l. | aiter addidi ex Phi- 
largyrio [| ab humilitatem B || amat amet scripsi | amaet B || Eusebius 
dicit seripsi cf. Ecl. X arg. | eü dicit B | chron. dicit Reifferscheid | 
Hieronymus dicit Sauppe. Hieronym. Ol. 186, 2. Cf. de toto hoc loco 
Reifferscheidii Suetoni rell. p. 41. 42 not. |! 


ἢ 


H. Hagen: seh Bgernensia ad Vergili Bucolica et Georgiea. 713 


v. 91. fungat, aratro. Vulpes, haec pro inpossibilitate dicuntur. 
Et mulgeat hircos, hoc est: rerum odiosarum pereat sterilitate, ut ma- 
lam rem habcat. 


v. 92. Qui legitis flores, ad suos ciues dicit ante indulgentiam. Zi 
humi nascentia fraga, poma iuxta terram nata. 


v. 93. Frigidus, aut nocens aul quia in frigore inoritur aut natura 
frigidus, aut per morsum frigidos facit. Frigidus anguis, milites quibus 
agri dati sunt. Frigidus o pueri et reliqua. Allegorice Claudius, qui pu- 
tauit se inpune agrum Virgilii habiturum, si eum occideret. Aliter: ad 
eos dicit, qui tunc populati sunt ciues suos, ut moderate agerent, Ser- 
pentem se dicit. 

v. 94. Parcite, ad ciues dicit. Nimium procedere, ulterius ingredi. 
Non bene, pro impetu militum uel pro se ipso. 

v. 95. Ipse, Virgilius ipse uel Octauianus. Aries. Aestiuo tempore 
oritur quo maxime incalescit. Quidam Virgilium interfici uoluit; is uero 
transnato fluuio uix potuit uestitus euadere ibique uestem suam in ripa 
contraposila siccauit. Allegorice: Mantuani, uidete, ne quid temere facia- 
tix, cum ipse Virgilius periculum euaserit praeceps. Pellera siccat, 
uestes ad pugnam cingit. 

v. 96. Tityre, de se dicit. Reice, amoue fuga. 

v. 97. Ubi tempus erit, post indulgentiam. Zn fonte, non in fluuio. 
Lauabo, purificabo. Allegorice de agris recipiendis intellegendum est. 

vw. 98. Cogite, seruate.  Praeceperit, exsiccauerit, -praeoccupaue- 
rit. Aestus, ardor. Nam soli« calore lac consumitur, nisi mulsum fuerit. 
Allegorice turbida hella Augusti et Antonii, 

v. 99. Nuper, heri. Frustra, iuane, quia lac non habent. 

v. 100. Eheu, dolentis interiectio. Macer, exilis. Taurus macer. 
Allegorice: licet agri redditi sunt, tamen timore consumor, uel quamuis 
in opulento statu aput. Romanos sim, tamen lacerat me amor agri. 


v. 101. Exitium pecori. Allegorice, ciues taedet reseruari ad sua. 
. Pecorisque magistro, tauro, uel se inagistrum dicit. Magistro, magistro 


est. 
v. 102. His, agnis meis, allegorice Cornificio. 7Z«erent, mouentur. 


v. 91 sterelitate B || ut malam rem scripsi | ut maiora B [| 92 ante 
indulgentiam 1] an: “ante militum licentiam’? Nam agri redditio uereor 
ut 'indulgentia? simpliciter possit dici, et agitur de imminenti periculo |! 
93 aut per scripsi | et per ju occideret scripsi | occiderit B || Serpentem 
se dicit, v. 94. Non bene, pro impetu militum uel pro se ipso scripsi | 
serpentem se dicit. Non bene etc. B | Serpentem si dicit, non bene 
pro impetu militum X 94 Parcite oues M || uel pro se ipso om. M || 95 
stiuo tempore 1 || interficere M || in rapi 1 || contrapossita C [| sicauit 1 || 
mantuä uidete 1|| 97 post indulgentiam 1 cf. v. 92 || 98 preciperit exica- 
uerit 1 || ardor. Nam scripsi | adornam B cf. E. II 50 ||turbida bella Μ' 
turbido belli B || 99 haeri 1 [| 100 maces 1|| redditi sint -M || lacerat] an 
macerat? || 102 mouentur scripsi | mouent B || nimia macie ac tabe scripsi | 
nimia maciaetate D || maciei causam non amor praestat scripsi | macies 
causam non amori prestat B | macies causa, nam amori praestat M WV 








774 1. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili laco el Georgica. 


Vix haerent, nimia macie ac tahe conficiuntur; maciei causam non amor 
praestat. Allegorice: ciues non sperant et exilio torquentur. 

v. 103. Nescio quis, nescio unde haec mala. 

v. 104. Dic. *Dic' dedit locum soluendi quaestiones, ut (Aen. 1 8): 
*Musa mihi? et reliqua. Pastor pastori, poeta poetae proponit problema. 
Quibus in terris. Siue in Graecia siue in talia. Zt eris inihi magnus 
Apollo, in honore Apollinis te adorabo. 

v, 105. Caeli spatium et reliqua. Alii dicunt, clipeum Aiacis trium 
ulnarum, in quo expressa caeli forma fuit. Alii specum in Sicilia angusto 
ore, profunda altitudine, per quam rapta est Proserpina a Dite patre. 
Alii *nundum' in sacro Cereris, et caelum pro 'inundum? positum dicunt. 
Aliter: aput antiquos fuit altissimus puteus, in quem descendebat puer, 
quo cognosceret anni prouentus ad sacra celebranda, cuius pulei orbis, 
idest summus circulus, non amplius quam trium ulnarum mensuram ha- 
bebat, cumque descendisset, sursum aspiciens non ampliorem caeli par- 
tem, quam quod puteus habuit, poterat uidere. Dicit Cornelius, ab ipse 
Virgilio audisse se, quod Caelium Mantuanum quendam tetigil, qui con- 
sumptis omnibus facultatibus nihil sibi reliquit, nisi locum trium ulna- 
rum, spatium ad sepulturam et Caeli pro Caelii dixit. Item caeli spatium 
Ouidius Naso T orificium ait, quia tantum caelum patere uidetur, quan- 
tum orificium patet. Item Asconius Pedianus ait, se audisse Virgilium 
dicentem, in hoc loco se grammaticis crucem fixisse; quaesituros eos, si 
quis studiosius occuleretur. Dicit autem propter Caelium Mantuanum. 
Hoc tantum posuit allegorice, idest in illo loco noluissem te adloqui, hoc 
est: noluit Virgilius Octauianum uidere in... Galliae loco. 

v. 106. Dic, responsio. Inscripti nomina regum, Aiacis, Hyacinthi, 
alii Adonis. Allegorice flores omnia poemata, nomen Octauiani demon- 
strantia οἱ Antonii. 


— — Aon n 


v. 104 Dic, dedit M || problesma 1 || 105 treum ulnarum 1 || caeli forma 
fuit [Hoc est iacinthum significat quem aiax occidit] alii specum ] ' 
Vncis inclusa patet ad v. 107 pertinere, quem cf. || discendebat 1 || quo 
cognosceret anni prouentus ad sacra celebranda trapnsposui | ad sacra 
celebranda quo cognosceret anni prouentus | || urnarum 1 || discendisset 
sursum aspiciens ] | descendisset et sursum aspiceret M || Cornelius] cor- 
nutus l. De Cornelio Gallu acutissime cogitauit Ribbeck proll. Verg. p. 91. 
98. Apud Philargyrium Cornificius male dicitur, cf. praef. p. 712 || audisse 
quod ᾿ se addidit M || Caelium] caelum 1 [| nil M Ϊ et Coeli pro Coelii 
dixit M || Item caeli spatium ouidius naso torificium ait qui B || Idem 
M || quia M || Apud Philargyrium 'Oledius Nasso? iste grammaticus dicitur. 
De putei orificio (cf. supra) agi patet. Nec quin in isto Naso uel Nasso 
uitium lateat, quod semel natum Ouidius secum traxcrit, dubitari potest, 
ef. praef. p. 713 || torrificium patet B || Asconius Pedianus] de eius loci 
indole cf. Kibbeck proll. p. 97. 98 et praef. 1. 1. [ se uidisse M || quaesituris 
res M || oceuleret M || propter Caelium] poeta Caelium Philargyrius edi- 
tus, prorcaelü Philargyrii codices, in quibus alterum Caelii nomen la- 
tere uidetur Ribbeckio proll. p. 98 not. || octauianum uid. ... ... ..llise 
loco B | uidere in Galliae suppleui; unius etiam uocabuli spatium uacat 
idest m — llo — — — noluissem te adloqui hoc est Virgilius Octauianum 
] — — — luce loco ΜΠ 106 acinthi B |] Adonidis MJ 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 775 


v. 107. Nascantur flores. Eos flores qui litterarum demonstrant 
formam, nominari optat. Aiax cum se interfecit gladio Hectoris, flores 
uiolae e terra sanguine concreto exortae litteras habuerunt nomen Aiacis 
exprinentes; habuerunt enim duo ae ae. Phyllida, accusatiuus casus. So- 
lus habeto, tua erit amica et Antonii, si reseres quaestionem. 

v. 108. Non nostrum, non nostrae peritiae. Non nostrum, non est 
certantum, idest uestrum, sed iudicantum componere. 

v. 109. Tu, Damoela. Dignus, more iudicis. Zi hic, dignus Phyl- 
lida. Et quisquis, idest, qui amet quid, uideat ne odiat. Allegorice re- 
capitulatio de amore Octauiani et Antonii. E! quisquis amores et reliqua. 
Recapitulatio: qui amat, ne amittat, et qui studiorum amore flagrauit, ne 
labore desit. 

v. 110. Aut metuet dulcis, donec amat; aut experielur amaros, 
postquam impetrauerit. Si meluet dulcis, experietur amaros, sin autem 
non meluet amaros, experietur dulces. 

v. 111. Claudite et reliqua. Palaemon ipse processerat agros suos 
inrigare, sed iudex residens seruis suis hoc facere permiserat. ldeo ergo 
dicit, sufficienter esse inrigalos agros. Claudite. hoc est cantare desinite ; 
satiati enim audiendo sumus. Zsidorus ait. Claudite et reliqua. Allego- 
rice carmen finiendum dicit. Aiuos, linguas. Prata, mentes uel aures 
audientium. 


EcrocA IV. 


Hanc eclogam scriptam esse aiunt in Asinium Pollionem; quidam, 
in filium eius Saloninum, alii in ipsum Caesarem. Saloninus dictus a Sa- 
lonis, ciuitate Dalmatiae; nam Pollio pro consule Dalmatiae constitutus 
progenuit eum. In hac ecloga solus poeta loquitur de restauratione 
noui saeculi, hoc est: Saturni regnum aureum sub Octauiano adulanter 
restauratur, quod secundum Christianos ad nouum testamentum per Chri- 
stum et Mariam renouatum de prauato conuenit. — Hanc eclogam alii 
dicunt in laudem Pollionis eum fecisse, alii autem in filium eius Salonium, 
qui ab eo nomen accepit, quod illo tempore pater eius Salonas expugna- 
uit. — Alii in laudem Caesaris siue Marcelli, filii Octauiae. — In hac 
ecloga simpliciter poeta canit genesim renascentis mundi sub Caesaribus. 


v. 107 nominari optat scripsi | nomine optinent l|| e terra sanguine 
concreto exortae litteras habuerunt nomen scripsi | et terra sanguine 
concrete litteras haberunt exorte nomen 1 | uiolae et terra sanguine 
concretae litteras habuerunt nomen M [| aee 1 si reseres scripsi | resere 
B [] 108 certantium M || ne odiat] an ne perdat? || quia &mat B [| nec labore 
desit Bj πὸ]. d. M[ Et hic Phyllida, om. dignus M || 111 satiati enim 
audiendo sumus Seruius | satiat enim audiendo sonus 1| Isidorus] isio ait 
B | osió ait C, cf. ad E. IX 29. G. I 50. 88 et praef. 

Ecroca IV. dictus est M || de prauato (sc. testamento) scripsi | de 

ranate | | deprauate M | an potius de parte? || alii autem in filium eius 
sic) 1|| nomen accipit 1|| nascentis mundi M || 


776 1. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


In lac ecloga poeta. duobus modis Augusto adolatur habundantia rerum 
et carminis modulamine. In hac ecloga palingenesiam inducit idest mundi 
iterum infantiam. Ilaec ecloga sic habetur, quasi in Sicilia tet (v. 1): 
*Sicclides Musae’. Maec ecloga aliquando sic habetur, quasi in agro, ut 
(v. 2^: *Non omnis arbusta iuuant', aliquando in urbe, ut (v. 62): *Incipe, 
parue puer, risu cognoscere matrem.? Haec ecloga non proprie bucoli- 
con dicitur. — Noui saeculi interpretatio, quod praedixit Sibvlla. 


v. 1. Sicelides. Siciliae facit mentionem, quia Theocritum Siculum 
imitatur in Bucolicis. Musae, uocatiuus casus. Paulo matora, maiorem 
laudem. Sicelides Musae, Musas Siculas inuocat, quoniam Siculus fuit 
Theocritus, quem in Bucolicis imitatur. Sicelides idest Sicilienses. Paulo 
maiora canamus, quia nouum saeculum, de quo dicturus est, uetus 
praecellit. 

v. 9. Omnis, pre omnia. Non omnis arbusta iuuant, idest non 
omnis delectat pastorale carmen. Juuant, delectant, Myricae, genus 
frutecti. Non omnis arbusta iuuant, allezorice ac si diceret: non omnes 
populi laudem amaut, uel uicem laudis suae reddunt; ideo regnum Octa- 
uiani et consules laudabo et cantabo; uel omnia ad Christum referuntur. 
Myricae, uirgultum infructuosum, allegorice carmina humiliora. 

v. 9. Si canimus siluas, si de rusticis rebus scribimus, Sic animus 
siluas, idest: sic animus meus digne siluas idest pastorale carmen expe- 
diat, uel sic animus Pollionis siluas diligat, hoc est carmen meum. Siluae 
sint consule dignae, idest, possim et ego in Bucolicis digne aliquid de 
Pollione scribere, qui utique erat designatus consul eo tempore, quo agris 
praeerat. diuidendis. 

v. 4. Fltima, suprema. Cymaei, Sibylliaci. Cymaei, quia Sibylla 
quatiuor deorum descripsit regna; quae Cymaea dicitur de ınonte Cymo, 
el haec est Sibylla, quae de Christo cecinit multa; sed melius *Hesiodei 
earininis? qui Gymaeus de Cvme, Asiae ciuitate dicitur. Aefas, tempus. 
Vltima Cymaci. Alii Sibyllam, quae Cymaea fuit, intellegunt, quae quat- 


carminis M | carmine B [| palingenesiam scripsi | talem genesim R " 
inducit | indicit FP apud Thilonem mus. Rh. XV p. 120 || ut: "Sicelides 
Musae? addidi, ef. argamenta ecl. II. III | quasi in sicilia haec ecloga 
B || in urbe ut: Incipe scripsi | in urbe incipe B || bucolicon M | bucolico 
B || sibilla B || 

v. 1 SicelidesC | sicilides B|[Siciliae scripsi | sicilide 1 | Sicelidis M (idem 
coni. Siciliae) ! uocatiuus casus scripsi : uöc aces] | unde uocatiuus accusa- 
tiuus M | Solet casuum nominibus casus notio addi cf. ecl. III 76. V 95 et 
alibi |quem] quae B | Paulo maiora, quin M 2 Iuuant delectant FP 1.1. p. 120. 
124 | iuunt delectat I [| allegorice ac si diceret scripsi | hac si allegorice 
diceret B (hac si — ac si, cf. ad v. 11, Ecl. II 51. IX 53. X 42) | haec 
si allegorice diceret M || amant M | emunt B || et consulis M [| et cantabo 
et cantabo B [| referunt M || carmen humiliora B || 3 sie de 1|| sic animus 
meus — carmen meum| Patet ex scholii habitu, scholinstam sic animus 
pro sí canimus per delirantiam legisse, quare illud in lemmate quoque 
posui | si animus utroque loco M | Similem oscitantiam glossator cum 
aliis locis tum inprimis ad Ecl. IX 1 prodidit || 4 supprema 1 || Hesiodei 
carminis scripsi | hesiodi carminis | Ϊ que cyneus |. || eias tempus 1 || 





H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Ducolica et Georgica.— 111 


tuor saecula libris suis digessit, aureum argenteum aereum et ferreum. 
Alii uerius Ilesiodum, qui aput Cvmen, urhem Asiae uixit quique per or- 
dinem, ut Sibylla, deorum regna scripsit et ait, regna in caelo esse di- 
uersa; primum Saturni fuisse aureum, deinde louis argenteum, Neptuni 
aeneum, ferreum postremo Apollinis. Hoc sequitur Virgilius regnum, 
quod posteritatem significat, et ad Apollinem pertinere ait, et in honore 
Caesaris, quia Apollinem se Augustus uult accipi. Vltima Cymaci car- 
minis, quod Cvmae carmen Sibylla descripsit, in quo praedixit futuris 
saeculis tempora meliora. 


v. 9. Magnus ab integro, ab origine, de nouo, ab initio, denuo, 
hoc est: ut fuerunt bona, ita et nunc erunt. 


v. 6. Virgo. lustitia, inter rusticos morata, fugiens mores hominum 
malos, in caelum abisse fertur et nunc redisse. Virgo, iustitia, quae 
redire decreuit propter hominum conuersiones, uel Terra, quae nunc 
frugifera, sicut et tunc, uel secundum nos Maria. Jam redit et uirgo, 
idest incorrupta iustitia, quae fugiens malos hominum mores in caelum 
dicitur abisse. Redeunt Saturnia regna, quae credebantur aurea fuisse: 
quattuor etenim saecula dixerunt extitisse, idest aureum argenteun acre- 
um ferreum. Ergo aureum dictum est esse rediturum. 


v. 7. lam noua progenies. Salonium dicit, filium Pollionis qui mul- 
tis cum prodigiis natus esse dicitur οἱ risisse statim et locutus esse et XX 
digitos in manibus habuisse et nono die obisse, unde propter praesentia 
mala, cupiditate temporum meliorum coniciebat aliud saeculum secuturuin. 
Progenies, Saloninus uel Augustus uel Christus uel Marcellus, Octauiae 
filius. Caelo, a caelo uel de caelo, quia uolebat eum credi a diis genitum, 
uel per hoc Pollioni adolatur, dum eum habere dicit honorem deorum. 


v. 8. Tu, Diana. Puero, Phoebo uel Salonino. Quo ferrca primum, 
gens laboriosa uel lex uetus, uel aemulos Romanorum compescet puer. 
Tu modo nascenti pucro casta faue Lucina, idest, Salonio faue, Diana, 


e 

degessit B || argentum B || cymem B || iouis argentum B j| ferreum omisit 
M || Hoc sequitur Virgilius. Regnum cte. M || quod Cymae carmen Sibylla 
descripsit scripsi | quod cyme sibilla descripsit B || 


v. 6 abisse fertur et scripsi | abysse seruiret nunc redisse (redis C) 
l|| iustitia quae redire decreuit scripsi | iustitiaque decreuit 1 || conuer- 
sioncs scripsi | conuersationes | || uel Terra scripsi | uel terrae 1 || uel 
seeundum nos maria cod. Leid. | nol salmn; maria l|| in eaclum abiisse 
Seruiret, nunc redisse uirgo iustitinque decreuit propter hominum conuer- 
sationes uel terrae, quae nunc frugifera sicutettunc, uel Saturni (!) Maria M ' 
aurum dictum est esse redditurum B || esse om. M || 7 cum prodigiis M | eum 
prodignis B || et locutus esse omisit M || ex XX digitos D || abuisse B [| alium 
seculum B | ex codice Bern. 165 sacc. X: Quaeritur de quo filio Pollionis 
ista dicantur, de Gallo an Salonino., Gallum enim constat natum desig- 


nato Pollione, Saloninum (salonino) uero iam ipso consule; qui multis 
cum prodigiis natus esso dicitur. ftatim enim ut natus est legitur 
risisse et etiam locutum esse et niginti digitos in singnlis manibus ha- 
buisse et nono die postquam natus est porisse, unde propter praesentia 
mala — aliud saeculum (sec.) secuturum || genitum C | gentium B || 


778 N. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


quaın nascentes pueros in lucem educere putabant. Quo ferrea primum, 
idest desinit ferreum saeculum ut oriatur aureum. 

v. 9. Gens aurea, Romani in deliciis, aut aurea domus Romae uel 
noua lex aurea. JDesinet, cessat. 

v. 10. Lucina, idest Diana, quae apud Latinos Lucina dicitur, apud 
Graecos llithvia. Lucina, dea, quae parturientibus lucem praebere dici- 
tur quae duas lampades duasque pupillas babere dicitur, quod nascenti- 
hus pueris lucem perennem det, uel quod luci praesit. Twus, o Diana. 
Jam regnat Apollo, quia dixerunt Apollinem quandoque regnaturum, qui 
frater Dianae putabatur, uel per Apollinem Caesarem uult intellegi. 

v. 11. Teque, adolatur consulem. Teque adeo decus hoc, ad Pol- 
lionem loquitur ac si diceret, haec bona tuo consulatu prouenient. Zmi- 
bit, incipit. 

v. 12. Magni, longi, uel pro populis intellegendum est lucida opera 
quasi dies habentibus. Procedere, uenire. Magni menses, duodecim qui 
anle decem fuere uel magni menses pro magnis populis. 

v. 13. Te duce, te ueniente, o Salonine. Te duce, te principe. 
Sceleris, peccatorum. Sceleris uestigia, proscriptiones Syllauae et Cae- 
sarianae, uel corpus liberatum a peccatis significat, quia tempore Augusti 
Saluator uenit. Sceleris uestigia nostri, mali mores, si quod est uesti- 
gium sceleris, unde est magna formido. 

v. 14. Soluent, homines. Soluent terras, idest si quod uesligium 
sceleris remansit, unde est magna formido, soluetur; uel 'scelera? pro 
hellis posuit, quae cessatura dicit; uel proscriptiones Syllanas et Caesari- 
anas dicit esse soluendas, et hoc de Augusto uult intellegi. Formidine, 
Pollionis. 

v. 15. Ille, Caesar. Deum uitam accipiet, adfirmat Caesarem esse 
inmortalem. Jlle deum uitam accipiet, de Salonio dicit, deorum 
uitam habebit. 

v. 16. Permixtos heroas, potestates caelestes. Permixtos heroas. 
quos dicebant deos de hominibus fieri. 

v. 17. Pacatumque reget orbem. Si de Salonio, paterna uirtute 
regelt Salonas; si de Caesare uirtute lulii reget terrarum orbem. Regel, 
Octauianus orbem, Saloninus Dalınatas, uel Caesar Romanos, vel Christus 
Christianos. Aliter: quia lulius Caesar orbem terrarum pacasse uidetur, 
qui Augustum sororis suae filium heredem imperatoremque reliquid. 

v. 18. At tibi prima puer et reliqua; idest tibi, Saloni, inculta 
munus dabit, uel nullo colente terra tibi munuscula sponte praebebit. 
Nullo cultu, sine humano cultu uel dona magorum. Munuscula. apte 
diminutiue, tamquam puero, munuscula dicit. 


— 


v. 9 in diliciis B N uel aurea M |] 10 Ilithyia scripsi | iathias B ' 
iathia C || duas (sic) 1 || Tuus, o Diana scripsi | o tuus diana B || 11 
hac 8i B |] 12 lucida opera scripsi | lucido opera B || 13 sceleris nos- 
tri uestigia B || 14 remansit unde M | remansi inde | || cessatura dixit 
M Ι 15 caesa B || 17 si de Caesare C| si de.... B| si deOctauiano 
M || Dalmatas scripsi | dalmata B | Dalmatiam M || qui Augustum 
Scripsi | quia augustum B || reliquid B || 18 munus dabit scripsi | munus 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 779 


v. 19. Errantes passim, passim serpentes. Baccare, genus herbae 
florisue iucundi odoris. 

v. 20. Ridenti, laeto uel patenti. Colocasia, herba aput Alexan- 
drinos uastae radicis, cibo digna, el in Aegypto circa Nilum nascitur. 
Acantho , herbae uel flores purpurei. 

v. 21. Ipsae referent, ipsae capellae per se ultro, non per pasto- 
res. Distenta , plena. 

v. 22. Magnos, feroces. Nec metuent, mansuescent enim ; magnos 
leones , homines feroces. 

v. 23. Blandos florcs, non omnes blandos sed ex omnibus meliores. 
Cunabula, initia generis. Cunabulum genus arboris, in quo pueri conau- 
tur molimina gressuum. 

v. 24. Occidet, abscondetur. Fallax herba, herba aconitana, 
quae in Sardinia nascitur, quam si quis comederit, moritur; alibi autem 
mala somnum tantum hominibus facit. Occidet et serpens, idest non 
orientur noxiae pestes. Assyrium et serpens, signa nocifera in caelo, 
quae occidere dicuntur. 

v. 25. Occidet Assyrium, idest abscondetur nociuum Syrii sidus, 
uel Assyrium amomum ubique nascetur. Vulgo, ubique, passim, pro- 
miscue. Amomum, genus floris, quod tantum in Parthia nascitur, quo 
amomum unguentum conficitur. 

^v. 26. At, uerum. Simul. una. Heroum laudes, Pollionis et 
Caesaris, uel duodecim libros Aeneidum. Laudes heroum , idest laudes 
Pollionis uel Caesaris canere poteris, cum ad uirilem togam perueneris, 
vel scriptas ab aliis legere. 

v. 27. Legere, liceal canere. Jam legere; fecit enim Pollio noua 
carmina , faciens uelut Christus in templo. 

v. 28. Paulatim, sine studio hominum terra fructus redde!. — Fla- 
uescet. Onmnia tibi dulcia. 

v. 99. Rubens, matura. Senlibus uua , uineis , arbustis. 

v. 30. Sudabunt, effluent. Roscida mella, quia mel ex rore collı- 
gitur, aut quia cum rore de caelo cadit. 














dabo 1|| magorum| cf. mus. Rhen. XV p. 125, 18 || Munuscula — dicit 
omisit M || abte 1 || diminutiue 1 || 

v. 20 apud Alexandrin — — - - aste radicis M || accentho herbe B '! 
floris B || Acantho, herba M ||21 ultro omisit M ||22 magnos, feroces, ho- 
mines feroces] unde non temptanda erat codi. FP scriptura: *Magnos 
feroces homines mus, Rh. XV p. 122, 7||28 gressum C | gresuum B 
'raecum Mueller || 24 abscondetur scripsi cf. v. 25 | abscondet 1 | abscon- 
Rot se Thilo 1. 1 p. 122, 10 || aconitana B | aconitata C | aconita M ' 
somnum scripsi | somnium | || idest non orientur noxiae pestes scripsi | 
idest morietur noxiae pestes B | idest morietur. Noxiae, pestes M || 
qui occidere B ||25 ubique nascetur scripsi | ubique nascitur | | ubi nas- 
eitur M || 26 Simul, una scripsi | simul cum 1 | Simul heroum laudes, Pol- 
lionis etc. M || idest laudes Pollionis] landes omisit M || scriptas M | 
scripta B || 27 liceat M | liqueat 1 || fecit enim scripsi fuit onim I || 28 
Ea 8 dulcia] omnia tibi erunt (torunt) duplicia FP mus. Rh. XV 
P. 















180  H. Hagen: scliolia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 31. Pauca tamen. | Siue Gallorum siue Gothorum proturbatio- 
nem prophetat, sed uerius Partliicam, de qua portas lani clausas legimus 
duodecim annos. Priscae ucstigia fraudis , antiquae discordiae, astutiae 
hominum. Priscae fraudis, uetera bella raptusque coniugum et perfi- 
diae hospitum remanebunt. 

v. 32. Temptarc, pro temptabunt. TAetim , mare. 

v. 33. Jubeant, cogant. 

v. 94. Alter, allegorice Antonius. Tiphys, gubernator nauis 
Argo, qui in Ponto cum superiore parle nauis perisse dicitur in loco 
qui Svmplegas dicitur. Argo, nauis aput Danaos, eiusdem Tiphys guber- 
nator. 

v. 35. Delectos heroas, idest fortes viros. Delectos pro electis 
dixit, qui Argonautae dicti sunt et cum lasone Colchos profecti. Altera 
bella, imperii tui. 

v. 36. Troiam, Italian uult intellegi per longiorem sensum quia 
à Troianis est constituta. Achilles. Pyrrhus Epirota de genere Achillis, 
uel Pyrrhus qui contra Romamdiricauit; allegorice Antonius. Ad Troiam, 
ad Asiam. Achilles. De Augusto Caesare idest Octauiano dicit. Julius 
enim Caesar, cum Octauiano per testamentum nomen suum el regnum 
tradidit, etiam Troiam eum iussit restaurare. 

v. 37. Hinc ubi iam formata actas, quasi tunc puer esset Augustus 
uel non natus ita dicit, Virum (e fecerit, uel ad puerum Salonium 
loquitur, quasi diceret , ubi adoleueris uel ubi uirilem togam sumpseris; 
uel ad Augustum, «quasi puer esset tunc Octauianus, siue non natus 
esset, ita uaticinatur. 

v. 38, Cedet et ipse mari uector , idest is qui merces uehit, dabit 
locum mari, nec necesse erit negotiari, quia omnia in omnibus terrae 
locis habundabunt. Nec nautica pinus, non indiget nauigare quia omnia 
ad Le ferentur. Pro timore et pro honore regni eius haec omnia dicuntur. 
Cedet et ipse mari, abstinebit mari, sponte aduenient. Vector, pro 
uectores, uel cedet, omnia tibi cedent quamuis primo putaueris bella. 
Nautica pinus , nautarum nauis. Omnia habundabunt. 

v. 39. Merces, pro mercedes. Feret, procreabit. 

v. 40. Rastros, aratra, uel rastros, quibus operiuntur grana. 
Nun uinea falcem , non amputabitur. 

v. 41. Robustus quoque et reliqua. Ordo: Robustus arator tauris 
iuga soluel; propter ubertatem terrae infatigabilis non iniciet se labori. 


— 





v. 31 perturbationem M || portas M | porta 1 || Iani scripsi ! 
ro 


iam 1 ospitum B || 32 pro temptabunt C | qui temptabunt B [| 34 typhis 
B || superiore] posteriore FP 1. 1. p. 122, 28 || simplecas B || gubernator ad- 
didit M [| 35 colcos 1 || 36 de gerere cachillis ! || 37 formata aetas I ': 
lbi adoleueris B || siue non M | siuenus B || 38 negotiari C | negociari B : 
ad te ferentur prae timore, et pro honore M || regni, om. eius M [| nau- 
torum B || omnia habundabunt] pertinet ad v. 39 et intercidit lemma 
Feret omnia tellus cf. mus. Rh. XV p. 122, 35. 125, 38 || 39 fert procrea- 
bit (m. I — uit) B || 41 Robustus quoque et reliqua, Ordo addidi | Ro- 
bustus arator etc. ||| 





H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 781 


v. 42. Varios colores. Plagae enim signum aput gentiles creditur 
diuersos colores in uno uellere esse. Mentiri. Fucata lana mentitur 
alius colores. 

v. 48. Aries, arietem pro omni pecore dicit, et per arietem cete- 
rum pecus uult intelligi. Suave, aduerbium. 

v. 44. Murice, tinctura purpurea uel rubra tinctura, uel flos. 
Croceo luto, hyacinthio colore, uel genus floris. Croceo luto, idest 
tinctura crocei coloris. Mutabit, idest naturam suam ex alio in alium. 
colorem. liaec omnia pro habundantia rerum dicuntur. 

v. 45. Sponte sua , nemine serente; hyperbolice loquitur. Sandy, 
genus herbae rubeae, cuius radices infantes cum coxerint, tabularum 
ceras ex eis tingunt, unde et ' sandines? uel * sandices? uestes dicuntur. 

v. 46. Talia, praedica. Talia saecla suis, idest dixerunt concor- 
des Parcae fusis suis, idest cum fusis suis haec statuerunt, in quibus 
putabantur fata continere. 

v. 4T. Parcae. Parcae enim fata hominum per fusos suos ex- 
posuerunt, alia nendo, alia texendo, alia rumpendo, ut Lucanus 

v. 48. Adgredere, o Saloniue. 4dgredere magnos honores , ilest 
incipe ascendere. 

v. 49. Cara deum soboles. Deum pro deorum posuit. loc uel ad 
Saloninum puerum loquitur uel ad Octauianum quos uult a diis originem. 
trahere. Magnum Iouis incrementum , idest cui luppiter magnum dederit 
incrementum, hoc est augmentum, aut est incrementum louis, ut iu 
numerum deorum accesserit. Jouis, de gente eius. Incrementum, siue 
homlnibus siue diis. 

v. 50. Conuexo, ueclo rotundo uexato. —Nutantem, exultantem 
gaudio aut trementem sub onere. 

v. 51. Tractus, latitudinem. Profundum , excelsum. 

v. 52. Laetentur ut omnia , laetatur mundus in aduentu tuo. 

v. 53. 0 mihi οἱ celera , idest: O si mihi uitae spatium esset, suf- 
ficienter Lua facta canerem. Vitae, quo uita mihi liceat. 

v. 55. Nec Thracius Orpheus. De Thracia Calliopae Musae et 
Oeagri filius, qui tantum putatur cithara potuisse ut ab inferis Eurydie 
coniugem reuocaret. liuic Orpheo mater Calliopea. 


























it M || intellegit M || 44 purpurea M | purpura 1 |; 
| iacineto colore 1 | hycinthino M |} natnram suam 
ipsi | natura sua B || 45 nemine serente Ὁ | ferente B || tingunt seripsi | 
tinguntur B || continbri M |] 47 fusus B | Zucanus ΠῚ 19 "lassant rumpen- 
tes stamina Parcae" || Parcae sunt triplices (? triapata), Megaera (mi- 
chera) Allecto (cillecto) Tisiphone (thosifone); eunt filiae Plutonis 
tonis) et Noctis, quarum una filat, altera uoluit et tertia frang 
Oreus Pluton (plauton) februus deus infernalis est secundum paganos 
cuius Aline ΠῚ (1) Parcao fucrunt C || 49 horiginem 1| aut est eripsi | 
ants B | aut M || 50 sub onere scripsi | sub honere B | honore M || 53 
sufücienter [ut] tua fata canerem M || Vtae quo uita mihi liqueat B | 
Fitae, quo uita mihi liceat M | Pars ultima uilae quo uitam licent eam 
mihi niuere FP (liquiat) mus. Rh. XV p. 123, 28. || 55 thrachius H | tra- 
chlus C || oegri 1 || putabatur M |] 






















(1*2 H. Magen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 56. Nec Linus. Hic dicitur fuisse Apollinis et Psamathes filius, 
Thebis oriundus, qui cursum solis lunaeque et omnium astrorum, 
omniumque rerum carmen scripsit uersibus non infacundis. ique 
huic , Lino. 

v. 59. Pan eliam Arcadia, ubi maxime colitur. Judice, iudicante. 
Mecum si iudice certet, quae possit eius uicloriae fauere. 


v. 60. Incipe parue puer et reliqua usque cubili est. Horum 
uersuum, nisi in nimis doctos inciderent, facilis erat intellectus. Pro- 
fecto enim nihil aliud dicit quam hoc: Incipe puer parentibus iucundus 
esse el risu cognoscere matrem; sed curiosi aliud putant. διε cognos- 
cere, quoniam sic uidentur filii parentes suos agnoscere, cum ultro eis 
adrident, quod post quadragesimum diem faciunt; sin uero ante quadra- 
gesimum diem riserint, indicium mortis est. 


v. 61. Decem menses, quia mares in decimo mense nascuntur, 
feminae uero in nono. 


v. 62. Cui non risere parentes. luppiter sine concubitu dicitur 
de capite suo Mineruam genuisse, luno Vulcanum claudum, cui propter 
deformitatem abiecto nec luppiter illi nec [uno adrisit, nec epulis eum 
luppiter accepit, nec Mineruae matrimonio copulatus est. Loquitur 
aulem ad Salonium pucrum, ne si parentibus non adriserit, Vulcano 
similia patiatur. Putabant autem ex hominibus duabus ex causis deos 
lieri: si aut mensas cum diis habeant aut uxores deas ducant, unde ail 
Aeolus lunoni (Aen. 1, 79): “Tu das epulis accumbere diuum". Proinde 
nobilibus pueris editis, in atrio domus lunoni Lucinae lectus, Herculi 
mensa ponebatur. Siue hoc uult dicere: incipe parue puer iucundus esse 
et agnoscere risu matrem quia qui parentes suos non laetificauerant, 
uitae fructum non receperunt, idest uitales non fuerunt. 


v. 63. Nec deus hunc mensa, dea nec dignata cubili est. luppiter 
et luno, cum ex altercatione sine coitu filios edere susciperent, luppiter 
de capite edidit Mineruam, luno Vulcanum claudum. Hic praecipitatus 


v. 56 psamatis B || infacundis scripsi | infecundis B | iniucundis M 
cod. 165: Hic Linus fuit filius Apollinis oriundus ex Thebis composuit- 
que non insulsa carmina ox solis cursu et lunae. || 59 archadia | | Ar- 
cadiae M [| se iudice M || quae possit eius uictoriae fauere scripsi | quae 
: possit etiam uictor fabere B | quae possit etiam uictor fauere M 1 60 
nisi in nimis doctos inciderent scripsi | nisi nimis doctos incederent 1 
nisi nimis docti incederent M || facile 1|| quam ho 1|| curios 1, cf. mus. 
Rh. XV p. 124, 6 || quadragisimum et quadragismum B || agnoscere] 
cognoscere FP mus, Kh. XV p. 128, 37, cf. ad v. 63, et l. 1l. p. 126, 11. , 
riserunt M || 62 cui propter deformitatem abiecto ne iuppiter illi B | 
Scriptum olim fuit, ni fallor, qui propter deformitatem abiectus est. Nec 
Iuppiter illi etc., unde postquam ‘qui’ in *cui? et *abiectus est? in *ab- 
iecto? abiit, illi remansit pristinae scripturae indicium || epulis M | epu- 
las B || ex hominibus M | ex omnibus B || dicant B || esset et BJ laetifica- 
uerunt M [i parentesuo B [| reciperunt B || 63 cubile est 1 || Glios edere 
susciperent Vsener | filios se debere suscipere | | suscipere [putarent] 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 783 


de caelo arti fabrili operam dedit e£ fecit sellam miram, in qua cum luno 
sedisset, dicilur haesisse. Quae cum rogaret, ut solueretur, ille petit, 
ut suos parentes ostendisse. At risisse dicitur luno, unde ille matrem. 
agnouit Mec deus el reliqua. ΠῚ sunt , qui parentes suos non laetifica- 
uerunt uitaeque fructum non ceperunt, hoc est uitales non fuerunt, sed 
hi parentes suos adfligunt, tamquam deos qui epulis et conubiis praesint 
seo s. quod Vulcano faetum est: non enim Mineruae matrimonio 
copulatus est. Nec deus, luppiter, quia de conuiuio eum trusit, uel 
Hercules de mensa sua. Hoc allegorice ad Saloninum refertur, quasi in 
conuiuio deorum non esset, cum cito obisset; nonnulli ad Christum. 
Nec deus, quia epulis et conubiis deos praeesse putauerunt. Dea, 
Minerua luno uel Venus, quia nuptias Veneris petierat sed ab illa con- 
temptus est, idest Vulcanus historialiter. 


Ecroca V. 


In hac ecloga pastor Menalcas regem pastorum Daphnim coram 
Mopso, contubernali pastore historialiter deflet; allegorice uero poeta 
Virgilius Flaccum fratrem suum coram Aeuilio poeta, Vergilii amantissimo, 
deflet; alii Saloninum, alii lulium Caesarem. aec ecloga epitaphion 
dicitur. Haec ecloga proprie bucolicon' dicitur. Haec ecloga in agro 
canitur, ut (v. 3); *Hic corylis mixtas inter consedimus ulmos?. Haec 
ecloga in Gallia canitur ut (v. 8): Montibus in nostris solus tibi certat. 
Amyntas". Haec ecloga inpari numero epigrammatum maxime gaudet. — 
Quidam autem hanc eclogam dicunt ad Saloninum pertinere. In hac ecloga 
personae l[ inducuntur. In hac ecloga historialiter uita rustica, et 
allegorice ciuilis intimanda est. In hac ecloga nomina duorum pastorum 
inducuntur, quorum alter obitum fratris deflet, alter sacrat eum. Haec 


M Thilo || dedit et fecit scripsi | dedit fecit || ostendisset, At risisse 
scripsi | ostendisset adrisisse | | ostendisset (ostenderet Thilo) et risisse 
FP Lp. 124, 3. || hii 1 || receperant C || uitales non fuerunt scripsi, 
cf. v. 62 ἢ hii tales 1|] sed hi parentes suos adfligunt tamquam deos qui 
epulis et conubiis praesint ... . quod Vulcano etc. transposui 
lacunaeque signum statui | tamquam deos qui epulis et conubiis prae- 
sint sed hii parentes suos adfligunt quod uulcano etc. | | Lacunam his 
expleuerim: unde mec epulis mec conubiis digni habentur, uel similiter || 
Salonium M || idest om. M || 
EcLooa V. contubernali pastore historialiter cod. 165 | contub: 
nali pastorem aliter B || contubernali historialiter M || Ve 
amantissimo scripsi cf. argumenti finem | certe amantissimo B | 
amantissimo cod. 165 || epetaphion B || propriae B || hanc eclogam scripsi | 
ad hanc eglogam 1 || personae II inducuntur scripsi | persone inducuntur 
1 || historaliter uita rustica scripsi | historia rustica | | intimanda est 
el. VIII | intuenda sunt (8 C) | || alter sacrat eum 
sacrat ei aram’ | deflet et consacrat eum 1 | con- 




















(84  W. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


ecloga in personas duas diuisa est, Virgilii scilicet et Aemilii Macri; fuit 
enim el ipse poeta Virgilio amantissimus. — Eusebius dicit: *Aemilius 
Macer, Veronensis poeta, in Asia moritur?. In hac ecloga Virgilius 
quasi sub persona Menalcae loquitur, et Macer quasi sub persona Mopsi. 

Menalcas, Virgilius hic intellegitur, qui obitum fratris sui Flacci 
deflet, uel, ut alii uolunt, interfectionem Iulii Caesaris. Mopsus uero 
Aemilius Macer, Veronensis poeta, amicus, Virgilii amantissimus, qui 
el ipse poeta fuit accipitur. Menalcas, Mopsus: hi duo Daphnim flent. 

v. 1. Boni, ad cantandum, docti, idonei. Ordo est: Cur non, 
Mopse, hic inter mixtas corylis ulmos consedimus, quoniam honi conue- 
nimus ambo? Cur non, idest, non incipimus cantare: “incipe’ enim 
est infra (v. 10). 

v. 2. Inflare , intus flare. 

v. 3. Corylis. Corylus genus arboris. Consedimus pro considimus. 

v. 4. Tu, elige locum, quia tibi pareho. Maior, aetate. dequum, 
iustum. Parere, oboedire. Tu maior. Sub persona Menalcae se uult 
Virgilius intellegi, ut Mopsus eum maiorem el se minorem pronunliet. 
lunilius dicit. 

v. 5. Sub incertas, sub diuo, sub motu arborum inconstantes. 
Sub incertas umbras zephyris motantibus. Ex uentorum enim flatu 
ranii arborum commouentur et umbras mobiles faciunt. 

v. Ὁ. Siue antro, pro in antrum, ut (Aen. Vl, 126): *Facilis 
descensus Auerno?. Ft antrum , ubi Pant. 

v. 4. Labrusca, uitis siluestris, labrusca dicta eo, quod labris 
adponitur, siue quod in labris ruris, idest in saepibus nascitur. In con- 
paratione uineae uituperabiliter dicitur, quando uero sola profertur, 
laudabiliter dicitur. Iunilius dicit. 

v. 8. Amyntas. Cornificius hic per ironiam intellegitur. Amyntas, 
pastor. Amyntas, allegorice Cornificius, uel per ironiam dicitur. Nemo 
enim polest praeter se. 

v. 9. Phoebum, Apollinem, uel te, o Virgili, fulgentem. Phoebum 
superare, idest: nonne potuisset me uincere? Vel potuisset uincere 
etiam Phoebum. 





in personas duas diuisa scripsi | in personas diuisa ] || amantissimus. 
Eusebius dicit: * Aemilius Macer — moritur? scripsi. Hieron, Ol. 191, 1; 
cf. ad ecl. III 90, argum. ecl. X et praef. p. 711. Reiff. Suct. rell. p. 43. 
ltibbeck proll. p. 195 | amantissimus quia emilius macer etc. | || Vero- 
nensis poeta] poeta om. M [| amicissimus M || deflent M || Quae conpre- 
henduntur uerbis: *Menalcas Virgilius — Daphnim flent? ad commen- 
turium rettulit M, cum ad argumentum pertineant. || 

v. 1 ad cantan B | ad cantan[dum] M || mixtos B | bini B || 3 Conse- 
dimus pro considimus scripsi cf. argum. Ribbeck proil. p. 195 | in textu 
fuit consedimus, corr. considimus | Consedimus pro consedimus B | Con- 
sidimus pro consedimus M || 4 elige C | eligi B || pronuneiet B || seniorem 
M || 5 nobiles B [|] 6 in antrum scripsi | in antro 1 || facilius C || discensus 
| [| £t antrum, ubi Pan t) an /'t antrum, ut pro quemadmodum? In C 
certe in textu super μέ scriptum est *quemadmodurm? || 8 per hproniam 
B | per hironiam C [| 9 nonne potuisset me uincere? scripsi | non potuis- 
set m. v. B. [|| uel potuisset] an *qui potuisset?? || 





M. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 785 


v. 10. Phyllidis ignes, Phyllidis amores. Phyllis, Lycurgi uel 
Sithonis filia, regina Thracum , quae adamauit Demofonta, filium Adrasti, 
qui cum Troiam expugnabat, non poteral amorem eius extinguere iila. 
Inpatienter enim eum desiderans laqueo uitam finiuit in arbore folia non 
habente. Reuersus ergo Demofon ad illam arborem lacrimauit. Illa 
autem sensit amantis affectum οἱ pro lacrimis folia pullulauit, ex quo et 
Phyllis est uocata. Junilius dicit. Phyllidis ignes. — Phyllis regina 
Thraciae, Lycurgi uel Sithonis filia, Demofontem, Adrasti wel Thesei 
filium redeuntem a Troia adamauil, qui iuxta promissum non rediens, 
illa sibi mortem laqueo adsciuit. Reuersus est ergo Demofon ad arborem 
illam foliis carentem et coepit lacrimare, illa autem sensit amantis 
affectum et folia pullulauit, ex quo et Phyllis uocata est. 

v. 11. Alconis. Alcon genere Cretensis, sagitlarius nobilis cum 
Dianae sacrificaret, filium suum ludo fatigatum et a somno correptum 
draco conplexus est quem librata sagitta inlaeso puero transfixit et occiso 
dracone filium incolumem liberauit. Alconis. Alcon peritissimus sagilla- 
riorum iter agens puerum aspexit a serpente circumplexum et direxit 
sagitlam pueroque inlacto serpentem occid Junilius dicit. Codri. 
Codrus Atheniensium dux; cum inter Lacedaemonios et Athenienses bella 
gerebantur et nullo modo poterant conpesci , accepto responso Apollinis, 
eorum fore uictoriam , quorum rex hostium manu cecidisset, et ex qua- 
cumque acie princeps fuisset occisus, illam et uincere; cum ergo nemo 
auderet principem occidere, Codrus iste seruili et rustico habitu quasi 
unus pabulatorum ad hostes ueniens tanta iurgia ingessit nt mortem 
mereretur. Sic ergo ab eis occisus suis uictoriam praebuit. 

v. 12. Tityrus haedos, pastor, quia quisquis haedos uel ones 
pascit, Tityrus dicitur. Seruabit Tityrus haedos. Non te retinebit lioc. 

















v. 10 Phyllis Lycurgi uel Sithonis filia scripsi cf. Seru. et Ouid. 
Her. IL 111 | utramque abiit in: Phyllis githonis (gythonis infra!) filia 1 || 
demofonta l. sic semper | extinguere illa. Inpatienter enim eum scripai 
et interpunxi | extinguere illa. inpacienter Gil. Inpacienter C) eum | | 
extinguere. Illa impatienter cum M || ille autem 1|| Pyllidis pyllis B | 
trachiae B || Lycurgi uel Sithonis scripsi cf. supra | grihonis 15} Adrasti 
wel Thesei scripsi cf. supra ot Seru. | adrastitesei B || non redeuntem 
coniecit M || ex Troia M || quia iuxta promissum non rediens] Epitoma- 
toris nimia oscitantia accidit ut et hoc dicendi uitium committeretur et 
Demofontis causa profectionis celaretur. || illa aut B | Phyllis regina 
Thracum, adamauit Demofontem (demonfontem) reuertentem a bello 
"Troiano quae mandanit ci, ut eam acciperet (accipiret) uxorem, qui 
ait ita so facturum, si (sed) prius ordinare iret regnum. Qui cum m. 
raretur extra placitos dies, contempni se putans nmoris impatienti 
mersa est in amygdalum. Posten Demofon reuertens, ut cam duceret, 
conperit casum (causam) eius: [eum] uersam esse in arborem. Qui 
amplexatus cst truncum aridum [quí] statim ad amplexus eius emi! 
folia. C. m. II sed saec. X—XI || 11 quem librata scripsi | quam ἢ 
rata 1 | quem uibrata M | inleso 1 || incolomem 1] cireumplexum M cum 
JWagnero II 11 qui praeterea pro puerum Phalerum coniecit p. 12 | cir- 
eumflexum B || intacti B || accidit (corr. o — m. I) B [ inter Incedonios 
B || rustico M | rustici B || 12 Tityrus — dicitur omisit M || retinebit hoc 
om. C || varta 1|| 

Jahrb, f, clase, Philol. Suppl. Bd. IV. Ift, 5, ol 
































186 — MH. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 13. In cortice fagi. Antiqui carmina in cortice scribebant quia 
charta non erat. 

v. 14. Modulans, modos conponens carminum. 

v. 15. Zxperiar, dicam. Amyntas, Cornificius. 

v. 16. Lenta, flexibilis. Salix pallenti cedit oliuae, quia salix 
similia folia habet oliuae, et paene similes sunt salix et oliua. 

v. 17. Puniceis, rubeis. Saliunca, genus herbae florem minutum 
gerens suauissimi odoris. Junilius dicit. Rosetis a rosa, ut: “ Rubentes 
rosas." 

v. 19. Desine, dicere.  Successimus, intrauimus. Successimus 
antro. Wucusque conloquium. Nunc luctus incipit. 

v. 20. Crudeli funere, saeua morte. *Crudele funus? est uiuis 
parentibus inori. Vel de Caesare dicit qui uiginti tribus plagis in curia 
coufossus est. Daphnim. Daphnis eximiae formae, rex pastorum et non 
diu uixit... Alii allegorice luctum Salonini relatum dicunt, sed inagis 
epitaphium fratris intellegimus, et Virgilius specie Daphnidis fratrem 
suum, Flaccum nomine, deflet, quamuis alii de lulio Caesare dicunt. 
Tunilius dicit. — Daphnim. Daphnis pastor. Hic cum amaret Caedinam 
Nympham et fidem ei dedisset, expertem se omnium feminarum fore 
praeler eam iurauit, et in quamdam Nympham lapsus est, et ob hoc 
peiurium luminibus orbatus est; carminis tamen meruit scientiam et 
uenerabilis inter pastores fuit pro carmine. Junilius dicit. Daphnim. 
Daphnis Mercuri et Hersae filius, in Sicilia pastor eximiae formae fuisse 
dicitur, sub cuius nomine uel Flaccum, germanum suum uel lulium deflet. 

v. 21. Flebant, lamentabantur. Vos, estis. Coryli et flumina, 
populum el senatores appellat; notandum tamen, quod feminino nomine 
el neutri respondit dicendo “ἡ testes coryli et flumina.? 

v. 22. Cum conplexa sui. Si de Flacco dicit, Maiae matris eius 
mentionem facit, qua superstite mortuus est; si de Caesare, matrem 
eius uult intellegi. Conplexa corpus. Superstite enim Maia matre 
Flaccus defunctus est, quae eius mortem grauiter ferens non diu super- 
uixit. Junilius dicit. Miserabile, miseratione dignum. 

v. 23. Astra crudelia, per quae hominum fata moueri atque impleri 
uel mutari putabant; sane dicendo * crudelia? etiam deos , quod masculi- 
num nomen est, conclusit. 


v. 16 poene B || 17 ut: *Rubentes rosas'] Aen. XII 68 *mixta rubent 
ubi lilia multa alba rosa? || 19 hucusque scripsi | hoc € B [| 20 est 
uiuis B | est om. C [| 20 formae C | fomae B || Caedinam] Zycam nomi- 
nant Philargyrius et Seruius Reginensis || dilectus a Nympha Zyca vel 
Aedina Philargyrius excerpt. 11 || feminarum fore praeter scripsi ! 
feminarum praeter B || luminibus Philargyrius | luminis B || urbatus Κα ! 
scientiam B | scientia M || mercuri B || 21 Vos [t]estis M || coryrili B " 
quod feminino nomine et neutri respondit scripsi | quod femino nomine 
et neutro respondit B | quod feminino nomini et neutri respondet [testes] 
M |! Quod autem ait *coryli testes et flumina? usurpatum est; nam. 
'testia"^ non dicimus, unde per definitionem debemus dicere: 'testes 
sunt Nymphis". C m. TI [| 22 quae superstite B || matrem B | ma[t]rem 
M j| iniserationem B || 





H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 787 
v. 24. Non ulli, pastores nulli. Nullus erat qui pecora Daplinidis 
pasceret, uel nullus gregem proprium pro Inctu requirit, uel ipsa pecora 
pro maerore pascere nolunt. Non ulli, uersus ΧΠῚ syllabarum. Nullus 
ogit pecus suum propter planctum, ue] pecora ipsa non pascebant se 
pro taedio. Egere, egerunt; ago egi. 

v. 25. Daphni , uocatiuus casus est. 

v. 26. Libauit , gustauit, uel leuiter ore attigit. Graminis, campi. 

v. 27. Poenos, crudelis. Poenos leones, idest Africanos uel Car- 
thaginienses uult intellegi lulium fleuisse. Leones, pro montibus in 
quibus sunt leones. 

v. 28. Interitum, mortem lulii Caesaris. Interitum. Non optime 
morte inmerita interitus dicitur. Zunilius dicit. Montesque feri, prae- 
rupti, uel in quibus sunt ferae, uel si de lulio accipis, feros montes 
eius interfectores, siluas Romanum populum intellege. 

v. 29. Daphnis, deest “nam.” Armenias, reliquias Liberi patris, 
quas lulius deduxit de Armenia ad Romam. Curru, pro currui, idest: 
inmanes enim et feros homines domuit religione. Armenias tigres. uel 
quia inter pastores Daphnis primus tigres domuit, uel allegorice de lulio 
intellege, quod Armenias tigres, idest feras gentes, perdomuit. Tigres, 
bestias. 

v. 80. Instituit, inuenit, non primus, quia alius tigres domuit, 
sed inter pastores primus Junilius dicit. Daphnis thiasos. lulius enim 
reliquias Liberi patris et sacra Romae adduxit. T/iasos, hastas uari 
sertis indutias quibus Dacchae idest mulieres debacchantes in sacris 
Liberi patris utebantur. Hoc genus ludi more certantium. Bacchi thic 
405, coetus uirginum uel puerorum hacchantium plangentibus Nympl 
ltem: Tkiasos, soltationes. Sunt enim thiasi coetus uirginum alque 
puerorum bacchantium plangentibus Nymphis. Bacchi, Liberi patris, 
qui postquam hibebat uinum , hacchabatur. 











v. 34. Non ulli, pastores nulli scripsi | Nonnulli pastores non nulli 1 | 
N. p. non ulli M || Nulla erat scripsi cum C | non nullus crat B | non 
ullus erat M ἢ gregem propriam M || pro merore 1|| pecora B | uel. pecora 
scripsi || 26 Gramminis B || 27 crudeles M || cartaginenses 1||28 morte 
inmerita scripsi | morte iam merita 1 | mors iam merita M | mors etiam 
immerita Wagner II 21 non obitum ne morte iam merita uideretur ex- 
tinetus Laurent. Phil. (leg. ne morte inmerita) mus, Rh. XV p. 131 || 
montesque fieri D || 29 Paphnis B | Panis C || que iulius 1|] et fero 1 || 
domuit religione scripsi cf. sequ. | docuit religione (docut C) 1 | docuit. 
religionem M || uel quia B | uult quia M || intellege scripsi | intellegi B || 
30 quia alios tigros B | an *quia Liber"? || ‘non primns — inter pastores 
primus', quae olim post "Tigres bestias" sequebantur, huc transposui || 
quia alius tigres] quia ante Dacchus tigres Wagner de Phil. II 13 Ro: 
mam addnzit M | "Romae? non ausus sum temptare cf. Verg. nit. II || 
icholii auctorem malis statuere, 
erediderim, ef. Seru, || mu- 
lieres debacchantes scripsi | mulieres dibachantis B | dibacandis C | 
bacchantes M || Hoc genus ludi more certantinm. Bacchi (Aiasos, coctus 
ete. scripsi cf, sq. | hoc genus ludi more certantium bachintia coetus 1! 
et, nisi quod barekintia maluit, Mueller || qui postquam bibebat scripsi | 

DU 

















188 I. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 91. Intecere, inligare innectere. 

v. 94. Tuis, parentibus sis propitius tuis. Tulerunt , abstulerunt. 

v. 35. Ipsa Pales, dea frugum uel pabulorum uel dea pastoralis 
ut putabant. 

v. 36. Grandia saepe quibus. Morte Flacci uel lulii uniuersa 
mutata sunt adeo ut sterilitas fieret. 

v. 91. Infelix, sterile ut e contrario “felix? fecundum. Zolium, 
zyzaniam. Infelix lolium, quia qui lolium manducant, caecitatem pati- 
untur. Auenae, herba messibus nociua. 

v. 38. Molli, purpurea. Purpureo, pulchro. Narcisso, puer in 
florem conuersus. 

v. 39. Carduus ei spinis surgit palliurus acutis. Sensus est: post 
obitum Daphnidis idest Flacci, omnia quae fecunda erant, sterilia facta 
sunt. Junilius dicit. Palliurus, herba spinosa. 

v. 40. Spargite humum foliis. Genus planctus est, hoc est, desu- 
per folia congregate, uel humum super folia spargi dicit. Inducite, 
idest tegite circumflexis uel circumfixis arboribus. 

v. 41. Mandat fieri sibi Daphnis, carmen post mortem. alia, 
funesta. 

v. 42. Addite, superscribite. Carmen, epitaphium, hoc est in 
eulogio superscribite duos uersus sequentes. 

v. 43. Daphnis ego et reliqua, sit scriptum supra tumulum. Haec 
allegorice Julio conueniunt uel Flacco. In siluis, in siluis positus. 
Hinc usque ad sidera notus, ut alibi (Aen. I, 379): “Fama super 
aethera notus. Aut quia deus, aut quia futurus erat. Junilius dicit. 
Ad sidera notus, quia deus futurus existimabatur. 

v. 44. Formosi pecoris, Romani populi. Si ad Caesarem referas, 
hoc dicit: boni populi optimus imperator. Ellipsin epigrammata amant 
ut (Aen. IIl, 288): *Aeneas haec de Danais. 

v. 45. Tale, dulce. 

v. 46. In gramine, in campo. 

v. 47. Restinguere , infinitiuo modo. Saliente, scatente. 

v. 48. Calamis, scriptis. — 4equiperas, coaequaris, adsimulas. 
Aequiparas, accusatiuo casu et ablatiuo seruit. Voce, cantu. Magis- 
trum, Theocritum. Allegorice dicit Virgilius de Theocrito. 





qui postquam libebat B | quia postquam libabat M cf. ad ecl. II 70 
(liberet pro biberet) || 

v. 34 sis propitius tuis] An: siue propinquis tuis? cf. ad v. 65 '! 
Tu decus idest fuisti C [| 35 I pales C | Pales B || 36 stelelitas 1 || 37 
zyzaniam B | zizaniam C | zizanium M || lolium om. M || cecitatem B . 
39 sterilia facta sunt scripsi | sterilia sunt B [| spinona 1] fuitne spi- 
nonsa? || 40 genus plactus | | planctus M || desuper congregare M || idest 
tegite scripsi | idem tegite B | et cireumfixis M || 48 conueniunt B | con- 
uenit C || super hethera B || exestimabatur B || 44 romani populi optimus 
imperator C omissis ceteris || Ellipsin scripsi ef. schol. Veron. p. 76 K : 
Semper B || 45 Tale C | tela B [| 46 in uersu *lassis', in margine * fessis" || 
41 scantente'B || 48 coaequaris scripsi | quo equaris B | quo aequaris M : 
equiperas, equiparas B || 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 789 


v. 49. Fortunate , honorem coeptum seruat. Alter ab illo, secun- 
dus a Theocrito. 

v. 50. Nostra, carmina. 

v. 51. Tollemus ad astra, inmortalem faciemus. 

v. 58. Maius, melius. 

v. 54. Et puer istc fuit, modo Daphnis uel Flaccus, non lulius. 
Ordo: οἱ ipse puer fuit. 

v. 55. Stimicho, poeta uel pastor. Figurauit nomen Echo Nymphae 
resonaudo. Stimicho , quasi stimulante Echo. 

v. 56. Candidus, pulcher. Insuetum, aut sibi aut hominibus, aut 
Insuetam hominibus caeli uiam. Limen Olympi, ianuam caeli , ue] limen 
pro templo posuit. 

v. 57. Daphnis , lulius. 

v. 58. Alacres, sine laceratione, iucundas. ΑἹ cetera rura uolup- 
tas, adiunat caelo. 

v. 59. Panaque pasloresque tenet. 'Tenet delectat, ut: "nos 
lectio tenet? Dryadas, Nymphas inter arbores habitantes. Dryadas, 
Nymphas agrestes. 

v. 60. Nec lupus insidias. Sensus e: 
elus. Nec lupus insidias. Securitatem di 

v. 61. Medituntur, praeparant. Otia, pacifica. 

v. 62. Ipsi, idest Menalcac intellege hanc uocem colles et siluas 
dedisse respondentes. Jatant, laudant. 

v. 63. Intonsi montes , metaforice, intacti umbrosi nemorosi sil- 
uestres, uel montes pro habitatoribus. 

v. 64. Deus, deus ille, Menaica, Mic quaestio ab imperitis Vir- 
gılio obicitur, qui confundi personam hoc loco a poeta arbitrantur. 
Duos enim inducit pastores in principio huius eclogae alternis cantantes, 
Mopsum et Menalcam, unde cum *Mopse? dicere debuit, 'Menalca? 
suum nomen dixit. Sed qui diligentius sensum horum uersuum adten- 
derit: "Ipsi laetitia uoces, intelleget hanc uocem colles et siluas dedisse 
respondentes Menalcae cantanti: “Deus, deus ille, Menalca.’ Junilius 
dieit. Deus, deus ille Menalca, idest cantanti Menalcae montes et siluae 
haec respondebant. /He, Daphnis scilicet. 

v. 65. Sis bonus, idest propitius, ul ibi (Aen. I. 734): “Adsit 
laetitiae et Bacchus dator et bona luno. Felixque tuis, quos superius 


: omnia bona sunt adiutorio 















v. 49 Fortitudine C || $4 Ordo: et ipse puer fuit. Stimicho, poeta 
mel pastor seripsi et transposui | Stimicho (Stimico C) poeta uel pastor 
et ipse puer fuit 1 1 55 echo nympho 1} | Echo nympha M || stumulante 
B [| 56 aut insnetum | | aut insuetam hominibus om. M || 58 adiuuat caelo] 
An “ut uidet de caelo'? || 59 pastoresque tenet 1 [| egrostes B || 60 Ne lupus 
B | Nec lupus C || 62 idest idest menalce 1 j Menalcae; intellege M ||63 
umbros T 64 manalca 1 || personas M || hoc loco om. M || alternis scripsi | 
alterius 1 | alternosM || cum *Mopse' scripsi | eum mopsns 1 | cum Mopsum 
M || Menalcam M || ipsa laetitia uocis coniecit M || idest cantandi B || 65 
et bona uino || unde de bonis uinis cogitabat M, “et bona uina’ coni- 
ciendo, haud inebrio || quos superius occupauerat maeror scripsi cf. 














790  H. Magen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


occupauerat maeror. Felix, feliciter usus. —Qualluor «ras. * arae? 
enim hominibus ponuntur, diis tamen * altaria? 

v. 66. Duas tibi Daphni. Semper inpar numerus ad superos 
pertinet; par autem ad inferos, siue mortuos homines. Phoebo, Apollini, 
idest sic tibi ut Phoebo uota feremus. 

v. 67. Vina, pro uinea, uel * uina? pro *bina? —Nouo, recent. 
Lacie, quia et caseus lac dicitur, ideo dixit * nouo? idest receuti. 

v. 68. Craterasque duos, idest duo sextaria; quoniam duas aras 
consecrat, eleganter adiunxit duas craleras. Junilius dicit... Craterasque, 
fit crater et cratera. Oliui, pro olei, quia tantum Mineruae oliuum 
consecratur. 

v. 69. Baccho, uino. 

v. 70. Si frigus erit, si hiemps fuerit. Si messis, si aestas. 

v. 71. Nouum, magnum. — Calathis, calicibus.  Calathis, genus 
poculi, hoc est fialis in angustum sursum collectis. Ariusia. Ariusium 
uinum Chium significat ex Graecia quod est optimum. — Nectar , dulcedo 
saporis. Ariusia, oppidum Italiae, ubi Picenum uinum nascitur, uel uina 
Ariusia, quae sunt nouum nectar, uel Ariusia, promunlorium est Chi 
insulae, uel Ariusia, Lesbium uimum, uhi portus Ariusius in insula 
Lesbo est, uel Chio monte, qui est in insula Chio. 

v. 72. Damoetas, allegorice Virgilius. egon, allegorice Pollio. 
Lyctius , Cretensis, a Lvcto urbe Cretae. Junilius dicit. 

v. 73. Saltantes, ad mobilitatem corporis pertinet. Satyros, 
pueros uel homines siluestres. Sensus est: Sic laeti sicque saltantes 
erimus, quasi satyri simus. Alphesiboeus, quidam pastor, uel allegarice 
Cornelius Gallus; quem inuenisse boues significat, eum sibi restituisse 
agrum. 

v. 74. Solemnia, dona sunt quae certis diebus celebrantur. Solemnia 
uota, anniuersaria sacra, quae certis diebus celebrantur propter fetus. 
Cenarum autem genera tria sunt, unum ut dixi “solemne?, aliut * uiati- 
cum", cum ad cenam conuocentur, tertium * geniale’, quod genio nostro 
indulgemus. 

v. 75. Lustrabimus, purgabimus, jinde et *ambarualis? dicitur 
hostia, ab ambiendo arua. Zustrabimus, idest purificamus sacrificiis. 


v. 20 sq. et ad eel. VII 51 | quo superius oecupauerat memor 1 | quos 
opertus occupauerat memor M || diis tamen] tantum 1 | diia altaria M || 

v. 67 recenti. lacte B | recenti lacte; quia M [| caseos B [| idest re- 
centi scripsi | uel recenti B [| 68 duos crateras M [| Craterasque lemma 
addidi || oliuum consecratur scripsi | oleum consecratur B || 71 Nouum, 
magnum cf. Seru. || fialas 1|| ariusiccariusum 1|| Chium M | ciori 1 || uina 
aruisa B || uel aruisa promontorium B || ehi B]; uel [a] Chio monte M | 
72 lictius, lieta 1| Lyeto Wagner de Phil. II 11 [| 73 ad nobilitatem B | 


ad Mobilitatem CT] quas satyri B || quem inuenisse boues] Patet adludi 
ad uocis ἀλφεσίβοιος etymologiam i 14 sacraque | | sacra M || propter 
fetas M || Cenarum C | eaenarum B, semper || aliut B | aliud C || uiatieum 
ut Terentius: “Ad coenam uocant aduentum gratulantur" Philargyrius || 
quo genio coniecit M || 75 Zustrabimus lemma post * arua? addidi [| ar- 
uambalis dicitur ostia B || 





A. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Geurgica. 791 


v. 76. Dum iuga montis aper. * Dum? hic in perpetuum, ut (Aen. 
1, 607): In freta dum fluuii currunt, dum montibus umbrae’. Alibi enim 
ad tempus. 

v. 77. Thymo, genus uirgulti florentis. Dum rore, donec ros est. 
Cicadae, uermes. 

» v. 78. Honos, honor. Honos, in sacrificiis, nomen, in praedica- 
tione, laudes, in mei 

v. T9. Baccho, Libero patri. Pi Baccho Cererique, sic ibi, 
Daphnidi, quasi tertio deo. *Cereri” autem propter aridos * Libero? 
propter humidos fructus, Daphnidi propter pecudum prouentus. Juni- 
lius dicit. 

v. 80. Damnabis, alligabis. * Damnatus, addictus et absolutus? ut 
Agroecius di Tu quoque uolis, uota tua multi adorabunt. Tu quoque 
uotis, discossio hic. Damnabis, deuincies uotis, reos facies, condemna- 
bis et reos uotorum facies, hoc est alios damnabis non sacrificantes, 
uel superahis alios deos sacrificiis tuis. Gaudentius dicit. 


v. 81. Quae tibi, ut 
laudibus istis.) Iunilius di 

v. 82. Venientis sibilus austri, molliter et leniter uenientis. eque 
me , iuuat. 

v. 88. Percussa, leni strepitu. Juuant, delectant. 

v. 84. Saxosas, quoniam iucundus auditur sonus, quoties aqua 
prosaliens saxis inpeditur. 

v. 85. Hac te nos ante, ac si diceret: te carmine donabimus buco- 
lico. Fragili cicuta hoc est carmen bucolicon. Hac, cum qua de ouibus 
pastoribusque cantaui. Zac te nos, ad memoriam iucundae contentionis 
alter alterum munerauit. llic duas illas eclogas superiores dicitl. Dona- 
bimus, allegorice Octauianum.  Cicuta , carmine bucolico. 

v. 86. Ardebat Alexim, sic te diligimus. 

v. 87. Docuit, cecinit, idest illa cicuta tibi dabitur, in qua illud 
expressum est carmen: 'Dic mihi Damocta? et reliqua. 














(Aen. IX, 252): 'Quae digna wiri pro 





v. 76 Dum iuga montis aper. 'Dum' hic in perpetuum ut: ‘In freta" 
etc. Alibi enim ad tempus scripsi et transposui | Dum iuga montis 
aper hic ad tempus alibi enim in perpetuum nt in freta — umbrae ! | 
T9 pecudum M | peculum 1 ! 80 ut Agroceius dicit] cf. p. 2270 Putsch: 
*Damnatus et addictus et absolutus. Virgilius (Aen, XII 727): *Quem 













damnet labor.' . , Sicuti 
woti reos dixera! ipsi | dis- 
cissio B || doui i | deuoces uotis | | deuouebis, uotis reos 





facien || sacritiein 1 [| 81 et Et 1}} αὐ ibi (Aen. IX 252): “Quac 

 wiri pro laudibus istis? seri| que digna p laudibus istius 1 
Miller || 82 Venientes B || 84 aud "As | auditur C | prosaliens 1 | pro- 
siliens M | proflnens Philargyrius || 85 ac si diceret te carmine etc. scripsi | 
ac te carmine C | hac te carmine B | hoc te carmine M cf. ad ecl IV 
2, 11 multisque aliis locis || bac cumq; C || actenos B || munerauit M | 
numerauit B || 





192 1. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 88. Pedum , baculum incuruatum, quo pedes ouium praepediun- 
tur; pedum, accusaliuo casu tantum inuenitur. Pedum, aliam laudem 
quam nulli alii uolebam dare. Quod me cum saepe rogaret. non tulit 
Antigencs et erat tum dignus umari, idest, quod munus, puer cum esset 
Cornificius uel Antonius speciosus, et cum concupiscerel, non inpetrauit 
quamuis ob aetatem dignus esset. 

v. 89. 4ntigencs, quidam pastor, allegorice Cornificius uel Antonius. 


v. 90. Paribus nodis, pari interuallo distantibus, aut aequalibus. 
lunilius dicit. Menalca , Daphni idest Octauiane. 


EcrocaA VI. 


In hac ecloga historialiter notandum, pastores ad senem quendam 
idest Silenum isse el eum sciscitasse antiquas fabulas uariasque muni 
series, quod allegorice significat amicos uel socios Pollionis et Vari Vir- 
gilium postulasse Bucolica. Quanto magis Pollio et Varus postulauerunt, 
qui amici Virgilii erant? Haec ecloga in honore Vari scripta est et Pollio- 
nis. In lac ecloga solus poeta loquitur. — In hac ecloga ostenditur quod 
primo Virgilius Aeneidos adgressus est scribere, sed Augusti rogatu hu- 
millima idest Bucolica conscripsit, ut est (v. 3): * Cum canerem reges? 
et reliqua. Alii dicunt hanc eclogam principium esse Bucolicorum. Haec 
ecloga non proprie bucolicon dicitur. Ilaec ecloga quasi in Sicilia canitur 
ut (v. 1): *Prima Svwracusio? et reliqua, et in urhe canitur. In hac 
ecloga Virgilius se Silenum fingit, qui canebat; Chromem et Mnasyluın 
Pollionem et Varum, uel Cornelium et Tuccam qui uinctum quasi Silenum 
Bucolica postulabant, esse aiunt. — Fauni et Sileni et Satvri. Haec 
animalia sunt et alas habent et prius uermes sunt, qui in lignis nascuntur, 
ut aiunt, et posunodum petulca animalia fiunt. Faunorum, hoc est 
antiquorum Sicanorum, uel genus Fauni, pastoris Latini. Sed genera 
daemoniorum a quibusdam creduntur; alii uero tria genera pastorum in 
ltalia fuisse dicunt antiquitus. Fauni a fando dicti. Leonymus eo libro 


nn —— — m — —— 


v. 88 acc8 cas l| accusatiuus casus, tantum M || Quid me B || ob 
aetate B] an: ob aetatem amore? || Menalca — Octauiane om. ) 


Ecroca VI. amico l||uel Vari M || in honorem M [| scripta et ΜΙ!" 
Virgilius Silenum M || qui canebat scripsi | quia canebat B || eromem et 
mnasilum B [| et Varum uel Cornelium et Tuccam qui uinctum quasi 
Silenum Bucolica postulabant, esse aiunt scripsi | et uarum et sillam uel 
cornilium et tnecam qui uinctum quasi postulabant efficiunt B | et 
Scyllam conl, Seruio coniecit M sed cf, v. 13 || postulant M || Fax- 
norum hocest etc. (idest M)] Genetiuus iste, qui et in sequentibus con- 
spicitur, eius oclogae titulum respicit, qui est is: FAVNORVM SATY 
RORUM ET SILENORVM DELECTATIO. titulos quoque scholia ex- 
citasse, en uide alterum exemplum ad argum, ecl, X [| pastoris Latini 
scripsi | patris latini 1 (latinis C) [| demoniorum 1 | daemonum M [| Fauni 
a fando dicti, Leonymus eo libro quo de.mirabilibus diuersorum deorum 





H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgi 793 





de mirabilibus diuersorum deorum ac dearum sacramentis loquitur, 

* Fauni a Fauno pastore, qui et deus, dicti, Sileni a Sileno poeta, 
Satyri a Satyro pastore". lisque omnibus haec ecloga modulabilis est. 
Faunorum οἱ reliqua, quia de diis dicit pro inhabili qualitate uel feri- 
lale ab hominibus disiunclis, quos his nominibus uocat. Faunorum, 
antiqua genera pastorum in Italia, idest antiquorum Sicanorum nomina, 
uel socii Pollionis et Vari, qui Bucolicam postulauerunt. 

v. 1. Prima. Non quia primus Bucolica Latina scripserit, sed hoc 
ait: prima haec me uoluit Thalia conscribere, mox et alia facturum; uel 
laudatiue prima , idest principalia , ideo quia Syracosio uersu scribuntur, 
qui uersus praecellit, quia Theocritus Syracusanus fuit qui primatum 
obtinuit apud Latinos. Syracusio, pro Syracusano, proprium pro appel- 
latiuo posuit. Syracusano enim debuit dicere a Syracusis , ciuitate Siciliae, 
sed poetica figura usus Syracusio dixit. Syracusae urbs Tlieocriti in 
Sicilia, quia hic Syracusauus auctor Bucolicon fuit. Dignata est, digno 
et dignor. Zudere, eleganter ait "ludere", carmen iucundum et remissum 
εἰ minime triste describens. 

v. 2. Nostra, idest ltala, Romana. Nostra. Musa namque poetarum. 
Neque erubuit siluas habitare , idest Bucolica scribere. Thalia, nomen 
proprium Musae uel Musa siluestris. 

v. 8. Cum canerem et reliqua, lioc est, cum canere uellem , u 
(Aen. Hl, 111): “Εἰ terruit Auster euntes, pro *ire uolentes." Eleganter 
declaratur.hoc uersu Virgilius ante hoc carmen coeptos Aeneidos libros 
habuisse in honorem regum Romanorum, et proposito omisso Augusti 
imperio minora potius carmina scripsit. Junilius Flagrius dicit. durem 
uellit, aurem a meis carminibus abstulit, ucl aurem uellit, idest aurem 























ac dearum sacramentis loquitur, dicit: "Fauni a Fauno — a Satyro pas- 
Hisque omnibus haec ecloga modulabilis est scripsi et iranspo- 
fauno pastore qui ot dens dicti loonimus dieit fauni (leo- 
fauni C) a fando dicti siloni a sileno poeta satyri n satyro 
pastore. Hisque (His quoque C) omnibus haec egloga modulabilis est 
quis de mirabilibus diuum suorum (dinüs nori C) haec (hec C) dearum 
sacramentis loquitur libri, quos sceutus est M || Zeoninus M ἢ [a] Fauno 
pastoro M || diuum snorum et dearum M cf. praef. cap. X 3|| qnia. de diis 
dieit pro inhabili qualitate uel feritate ab hominibus disiunctiw, quos 
his nominibus uocat seripsi et transposui | quia de diis dieit quos his 
nominibus pro inhabitabili qualitate uel foritate ab hominibus desenno- 
tis uocat B | unde: deiunctos M || bocolienm B cf, Ecl. ΠῚ 99. 30 buco- 
lieum M || 
v.1 Non quia M | eum quia B || Thalia scripsi | talia B [| uel lauda- 
tine. — Prima, idest M | apud Romanos M, cod. 165: Non quia primus 
carmen bucolicum (boculicum) aput Latinos scripserit sed hoc ait: prima 


haec me noluit idest Thalia (thia) scribere carmen bucolicum mox et 
alia facturum, uel landatiue prima, idest praecipua — primatum tenuit 
aput Latinos. || Syracusano enim scripsi | yracuso autem 1 || debuit € | 
debnt B || poetico 1 | Syracnsae — Bucolicon fuit om. M || eliganter I fere 
semper | locundum Ὁ 2. Nostra Musa, namqne poetarum [ost] M ἢ Talia. 
Β΄ 8 pro hire B | ante hoc carmen om. M ἢ coeptos M | ceptus B || omisso 
M | amisso Β [| scripsit] nisi mauis *scripsisse" || 

















194 ἢ]. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bncolica et Georgica. 


mihi tetigit. Cum canerem reges, idest cum canere uellem reges Roma- 
norum siue Albanorum , uel uellem Aeneidos scribere. Cynthius, Apollo, 
a Cyntho monte qui in Delo insula est. Sic appellatus allegorice Augustus 
qui se rogauit Bucolica scribere; eum per Apollinem pro honore eius 
uult intellegi. 

v. 4. Et admonuil pastorem, de se dicit. Tityre, o Virgili. 

v. 5. Pascere oportet oues, ad illud refert, quod coepisset Alba- 
norum reges et bella describere Virgilius, sed territus insuauitate carmi- 
nis desisset. Junilius dicit, Deductum, in obliuionem ductum renouare. 
Paseere oportct oues, idest Bucolica scribere. Deductum , subtile tenue 
ieiunum. — Dicere, subtiliter canere. Carmen, Bucolica. 

v. 6. Erunt, habundabunt. Laudes, Bucolica. 

v. V. Fare. Varus consul fuit qui praepositus est ab Augusto diui- 
sioni agrorum et idcirco ei a Virgilio adolatur, quique Romanis Gerına- 
niam domuit. Tuas condere, historias scribere Vari. Vare, quia Varus 
consul Germanos Romanis domuit. Victo enim Antonio Caesar Varum in 
loco Pollionis substituit, qui praeesset Transpadanae regioni, cui idcirco 
Virgilius adolatur. Ed tristia bella, Ausonium bellum. 

v. R8. Agrestem Musam, carmen bucolicum. Agrestem, scriptura 
Bucolicorum. | arundine , scriptura quae est per calamum. 

v. 9. Non iniussa cano, uel a Musis uel a Varo, idest: non cano 
quae proliibitus sum aut certe cano quae iussus sum; ut enim adgredere- 
tur Gcorgica scribere petit Augustus. Non iniussa, idest Bucolica. 
Haec quoque si quis, idest: etiam in his inuenies laudem, o Vare. 

v. 10. Captus amore, adolatur in omnibus Varum. Vare, allegorice 
Caesar.  Myricae uirgultum humile, cui eclogas suas et carmina sua 
coniparat. 

v. 11. Te nemus, nemus nobis cantantibus resonabit, uel pro his 
qui in nemore sunt. Nec Phoebo gratior ulla est, idest nulla, idest 
Apollini, uel allegorice Augusto non est gratior pagina quam quae de Varo 
loquitur. Fuit autem Varus condiscipulus Virgilii quem fraterno amore 
dilexi. — Canet, respondebit. Nec Phoebo gratior, idest Apollini uel 
Augusto, ut audiat uel suas uel consulis sui laudes. 

v. 12. Hucusque praefatio. 
v. 13. Pergite, dicite, perseuerate. Hortatur Musas uel inuocat 


v. 3 Cyncius 1|| quis erogauit C 

v. 5 desisset scripsi | desistit 1 || seges 1 || bocolica B | bucolicum 
M || ieiunum scripsi | iucundum B || carmina M || 7 praepositus augusto 
C || idarco 1 || adolatus C || domuit om. C || domuie B || Ausonium 
bellum] Perusino bello Philargyrius || 8 musa, bocollcum B || 9 quae 
iussus sum scripsi | quae iussum | | quae iussa M || Non iussa B || 
11 nobis cantantibus scripsi | uobis cantantibus (cantaPtibus C) I || uel 
pro his om. C || qui imemore sunt C || Nec Phoebo gratior ulla est, idest 
nulla, idest Apollini scripsi | Nec phebo gratior Nulla (gratior. nulla C) 
est idest apollini 1 [| Nec Phoebo gratior ulla est, i. e. Apollini M | de 
uora C || fuit autem uarus est C || fraterno M | frater non 1 [| respondebit 
scripsi | respondit B | respondet M || gratio B || consuli B || 18 Pergite 
dicite pergite ortatus (fuit: ortatur) C || ortatur B || 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 795 


Musas et sic incipit canere. Pierides, Musae, ut quidam uanius uolunt, 
dicla quasi “μίας heredes?, et *Pierides? corrupte dicitur. Chromis et 
Mnasyllus. Silenorum et Satyrorum nomina; hos pro condiscipulis 
Virgilii accipere debemus, Varo scilicet et Tucca, qui poetam quasi Silenum 
petierunt scribere Bucolica. Silenum. Pocta se facit Silenum, Glromin 
et Mnasylum Varum et Pollionem, uel Cornelium et Tuccam, qui quasi 
uinctum carmen sibi bucolicum pangere postulabant. Chromis et Mnasy- 
lus in antro. Pastorum nomina, qui Fauni et Satyri dicuntur propter 
solitariam et agrestem uitam, qui Silenum adorti sunt, ut carmen excie- 
rent. Allegorice condiscipuli Virgilii intelleguntur Varus et Tucca, qui 
Virgilium petierunt quasi Silenum carmen bucolicon scribere. I» antro, 
dormientem uino gustato grauatum. 

v. 14. Silenum, idest uetus quidam, qui rogatus a Virgilio expo- 
suit οἱ Cosmopoeiam; ut dicunt quidam, Panos filius uel Terrac, ucl 
Thaumantis , comitis Liberi patris, uel ipse comes Liberi patris. 

v. 15. Inflatum uenas, figurate dixit pro inflatas uenas habentem, 
ut (Aen. I, 320): *Nuda genu.) Ut semper, tota die hibebat. Zaccho, 
uino ebrium. Jaccho, idest tempestate antiqua uel Jacchus uel Liber 
pater dicitur. 

v. 16. Sería capiti delapsa iacchant. Serta idest coronae ei ceci- 
derant de capite suo, pro ebrietate autem. *Sertum? corona de floribus. 
Procul, pro prope. Serta procul et reliqua. Allegorice uull pocta 
intellegi honorem suum exilio minoratum esse. 

v. 17. El gravis atirita, eleganter ehriosum ostendit attrita fre- 
quenti potu. Cantharus, uas non grande, quo merum datur. „Alrita, 
ex usu tenendi splendens. Cantharum dicit uas in quo datur ıneruu. 
Cantharus, uasis species, idest pictum uas cum pigmentis. Cantharus, 
allegorice quidam uolunt lieriam intellegi, Maecenatis ancillam, quae 
dicitur uiaosa fuisse, quidam Vari amicam. 

v. 18. Senex, pro senes. Ambo, pro ambos, hos ambo. Sic el 
Homerus +. Iunilius dicit. 


v. 13 ut quidam uanius uolunt scripsi | ut quidam nauis uolunt 1] | 
ut quidem naui uolunt M || quasi pie heredes 1] quae pie heredes M || 
corrupte dictae M |] mnasillus 1 || narro seilicet 1 || cornilium 1 || postubant 
C || ut carmen excierent scripsi | exierent B | audirent M || uino gustato 
grauatum scripsi | in angustia grauatum B || 


v. 14 uetus] An: uates? || cosmopeiam B || ut dicunt scripsi | ut dicant 
B | et dicunt M || taumantis commetis B || 15 Iaccho idest tempestate 
scripsi | uino idest tempestate B || Iacchus uel Liber scripsi | iaccus liber 
B | 16 serta C | ferta D || coronae ei ceciderant C | corona ei ceciderat B ' 
hebrietate C || Procul, pro prope scripsi | procul prope 1! [| 17 potu] poto ! ' 
usu M || post ostendit interpunxit M || datur M | dat? B | dat. uel sciphus 
C || Cantharum scripsi | eraterem B || mesum B [| uasi species B || Hieriam 
scripsi. Est Plotia Hieria in Donati uita Vergili coumemornata p. 57, 
4 Reiff. | ieram B | Hieram M || intellegi add. M || uinosa scripsi | Can- 
thari nomen Hieriae inditum non tam ad ingeniositatem, quam ad ui- 
nositatem respexisse cogitari potest nisi nos fallit epitomator | ingeniosa 
B || uarri B] An Vari pro Varii? cf. Donat. 1.1. et praef. p. 688 || 18 Verba 


196 — H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 19. Luserat, dum carmina repromittit. Iniciuni, nectere inci- 
piunt. Zpsis ex uincula sertis. Ordo est: ex ipsis sertis uincula iniciunt. 
Ligationes de lino tenero factae * serta? dicuntur. 

v. 20. Timidis, pro tünentibus: natura enim *'timidi? sumus, *ti- 
mentes? metu interueniente. 4egle, una Nympharum uel amica. Naiadum, 
dearum uel Nympharum, quae in fontibus sunt. 4egie, allegorice Roma, 
quae illum blanda manu mulcebat. 

v. 21. Jamque uidenti, Sileno; uidenti, pro uigilanti, uidere 
incipienti. 

v. 22. Sanguineis moris, sanguineum colorem habentibus. Moris, 
nomen oleris rubicundi coloris, quo uultus unguntur, idest blandimenta 
Nympharum. 

v. 93. Ille, Silenus, quem se uult intellegi Virgilius. Dolum, lacie- 
hant enim timidum gressum solliciti ne ante uideantur. Quo, quarc. 
Nectilis, obligatis. 

v. 24. Satis cst, sufficit ad poenam. Satis est potuisse uideri, idest 
allizatum me, uel leuem a praesentibus uideri. 

v. 25. Carmina uobis, deest *dabo?. Carmina quac uultis cogno- 
scite, propter quae alligastis carmina discite. 

v. 26. Carmina uobis, huic aliud mercedis erii, uos quidem car- 
mina, mulier uero capiet pro suo sexu munera. Venerarianı uoluptatem 
significat; uel allegorice *huic Acglae’, idest Romae uel Mantuae. Auic, 
idest mulieri. Zfuic aliud mercedis erit. Si de Nympha ue] amica dicit, 
stuprum intellege, si de Roma, georgicon carmen, uel 'erit? dicendo per 
syllepsin etiam superiora conclusit. Simul incipit ipse; ipse Silenus. Ele- 
ganler perseuerat ut describat amantem senem. Aliud, idest Georgica. 

v. 27. Tum uero, persona cantoris dicit, Tum uero. Nunc uenit ad 
modulationem. Tum uero, ad certam modulationem. Faunos, deos pa- 
storales, uel homines siluestres, allegorice discipulos. Innumerum, ad- 
uerbium est, uel pro "innumeros, uel in uersuum mensuram, siue ad 
certam ınodulationem. 

v. 28. Tum rigidas, inflexibiles. Motare, mouere. Molare cacu- 
mina quercus, idest motalae sunt siluae. Tum rigidas et reliqua. Alle- 
gorice uult omnia dura mollescere, uel Caesarem et consules intellege. 

v. 29. Nec tantum et reliqua, quantum haec loca mirantur Sileni 
cantum. Parnasia, Parnasus, mons Boeotiae uel Thessaliae Apollini et 
Libero consecratus. 


— — — ui 


*'Ambo — dicit? in rasura B || sic et Homerus] legondum: sicut ait Fer- 
rius, cf, praef. cap. X 5 et ad E. VIII 30 || 

v. 19 Ordo est scripsi | sensus est B [| 20 interueniente M | interue- 
nientes B || 22 Moris — Nympharum om. M || 23 silenos 1 [| timidum M | 
tumidum 1 [| uideantur C | udeantur B || 26 mulies C || pro sui sexu C || 
noluptatem scripsi | uoluntatem 1 || camen B || per silem sin B || Ante 
*eleganter? uidetur excidisse lemma *Huic aliud mercedis erit? || 27 In- 
numerum, innumeros scripsi cum B | In numerum, in numeros M || 28 


rigida 1 || inflixibiles C || querecus C ult B || molliscere B || et consulem 
M || 29 sileni tantum | || parnasius B [| boetiae B || 


II. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 797 


v. 30. Rhodope, mons Thraciae, uel mons in Macedonia Apollini 
consecratus, habens duo promuntoria, Cyrrham Appollini, Nysam Libero 
patri consecratam. Rhodope et Ismarus, montes Thraciae, uel Ismarus 
mons Macedoniae. Orphea, accusatiuus graecus est. 


v. 31. Namque canebat. Secundum Epicureorum seclam ex solidis 
et atomis constare caelum et periturum putat. Inane, quod putant mundi 
materiam. Coacía, collecta coniuncta. Namque canebat. Inducit poeta 
Silenum ea, quae ab aliis inuestigata fuerant, tractantem seque Silenum 
uideri uult. Per inane, uel chaos magnum dicit, quod philosophi dicunt 
esse materiam omnium rerum, in quo omnia confusionem habebant et 
sine forma erant, hoc est aerem aquam ignem terram, quattuor elementa 
naturae. Jnane, idest omnium rerum materiam, quia ipsam in seminibus 
esse adfirmat ex atomis; Epicureus enim fuit. 


v. 32. Semina, elementa, uel atomi. Animae, aéris. Artificiose sa- 
pientium dogmata persona Sileni retractantur. Maris, aquae. Terrarum- 
que animaeque marisque fuissent et liquidi simul ignis. Quattuor ele- 
menta dicit ex atomis collecta el coniuncta, sed alii Oceanum uolunt pa- 
Lrem esse rerum omnium. 


v. 33. Liquidi idest puri. Liquidi ignis, speciem caeli, quae in si- 
deribus est. Vt his exordia primis. lic anastropha est. Zxordia, prin- 
cipia, uel ut his exordia primis, *primis? principiis: nam ex his omnia 
principiis, ex quibus omnia sunt. 

v. 34. Tener, recens natus. Mundi concreuerit orbis. Saeculum 
sine materia. Alii dicunt omnia inprimis ex aqua et igni creari, alii ex 
Oceano, materie omnium. Concreuerit orbis, conglobatus sit aer submotis 
nubibus et in altum collocatis. 


v. 35. Durare, pro durescere; solum ... ... ... sed melius, nomi- 
natiuo legi, uel durare, durum fieri. Solum, terrae. Discludere, terram 
a mari separare. Nerea, animalia, uel deus maris, ut putant, uel Nerea, 
dea filia Neptuni. 


v. 96. Coeperit, proprium statum accipere. llaec omnia de initio 
rerum sub Sileno indicat. Sumere formas, species uarias. 


v. 30 Rodope C || thrachiae B || trachiae C || machedonia I || promon- 
toria 1|| cyrram 1|| Nysam seripsi | misam 1|| Libero patri om. c] conse- 


cratam addidi | [consecrata] M || Rodope B || 31 matheriam B | materiam 
C || coniuncta om. C || caos B || confusionem (sic) B || elimenta B [| naturae. 
Inane, idest scripsi | natura meae idest B | naturae, idest M cf. supra || 
epicorius B || 32 elementa scripsi | alimenta 1 || persona Sileni retractantur 
scripsi | persona C | per persona B pueri retractant | | per personam pueri 
retractat M || Terrarum M || uolunt uolunt B [| 33 anastropha est scripsi | 
anastrophae B | anastrophe M || nam ex his scripsi | non (corr., fuit nun) 
ex his b || 34 materie omnium scripsi | matre omnium 1 | patre M cf. 
ad v. 82 || B6 Post solum lemma lacunae signum statui, qua *solum? ac- 
eusatiuum casum esse docuit olim interpres, cf. seq. || nominatiuo legi- 
[tur] M || a maris separare B || 


198 IL Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 97. Iamque nouum, ante non uisum, idest anaphora. Terrae 
stupeant, hoc est homines qui in terris sunt. Sol, stellae, luna, fulgura. 
Nuuum, aut primitus uisum aut aute non uisum. 

v. 38. itius et reliqua. Caelum enim quasi aqua congelata est 
Summolis, sursum motis. 

v. 39. Surgere, crescere, ut ibi (Aen. X, 725): 'Surgentem in cor- 
uua ceruum.? Junilius dicit. 

v. 40. Zara, primum facta. 

v. 41. Zinc, subauditur “canebat’, cui uerbo omnia posteriora iun- 
guntur. Lapides Pyrrhae iactos. Deucalione Thessalo fugiente diluuium 
iu montem Parnasum cum Pyrrha, respondente Themide, sacerdote Ter- 
rae uel filia Terrae factum est, ut lapides iactarent in terram; lapides 
quos Deucalion iaetauil, in masculos uersi sunt, lapides uero, quos Pvrrha, 
in feminas. liuc genus humanum ucl hinc *"lapides Pyrrhae iaclos?. 
(Gaudentius dicit. Themis, dea iustissima, petentibus propter raritatem 
hominum responsum dedit ut ossa ınatris [siue Terrae] post tergum po- 
sita tollerent. Illi cum peruidissent Terram omnium matrem esse, lapides 
sustulerunt et in aquam iactauerunt, et hinc homines nati sunt. Zapides 
Pyrrhae iactos.. luppiter, ut putant, ut hominum scelera uindicarel, di- 
lIuuium in terris effudisse memoratur, et omnibus deletis Deucalion Ilelle- 
nis filius et uxor eius Pyrrha Epimethei filia, in monte Parnaso euaserunt, 
ignemque. fecerunt, ut nucte face uterentur; sed reputans Deucalion eo 
facto louem posse offendi, ut prius commento igneo Prometheus ostende- 
rat, ignem extinxit. Oh hoc miseratus luppiter per Mercurium monuit, 
post se lapides iacerent nec respicerent, qui in homines dicuntur mutati. 
Idem dicitur et Themis fecisse. — Saturnia regna. Sine ordine posuit ; 
ante enim "Saturnia regna? et tunc. *Pyrrliae?. “furtumque Promethei?. 
Saturnia regna, quae perhibentur aurea fuisse. 

v. 42. Caucasias. Caucasus mons Scythiae. Refert, Silenus. F'o- 
lucres, pro aquila. Furtum, ignis. | Promethei. Prometheus, lapeti 
lilius, dieitur per sollertiam ignem a fulmine ferula furatus esse et homi- 
nibus dedisse, eum luppiter in Caucaso monte Scythiae, catenis religasse 





v. 31 nouo 1 [|| fulgora B | *So1 — fulgura? argumenti loco esse uiden- 
tur || : Nouum, aut primitus uisum aut ante non uisum 38 Altius et reliqua. 
Caelum enim quasi aqua congelata est transposni lemmaque *nouum? addi- 
di | Altius et rcliqua. Caelum euim quasi aqua congelata est aut primitus 
uisum ant ante non uisum | | congelata] conglobata Phil. || nouisum C ;; 
41 deocalione tliesalo I || diluuium C | diliuium B || pharnasum 1 [| cum 
Pyrrha respondente Themide sacerdote Terrae ucl filia Terrae faetum est 
seripsi | cum pyrrae (pyrre C) dea terrac uel filia terrae (inde in B duorum 
fere uocabulorum spatium scriptura uacat) Factum est libri | eum Pyrrha 
dea terrne etc. M || deocalion 1[| ut ossa matris] Glossema apertum [siue 
Terrae] uneis cireumseripsi || siu? terrae C | suae terrae BM || matrem 
esse add. M || sustulerunt. M | tullerunt 1 || memoratur scripsi nisi mauis 
mentionatur | mentitur B || effundisse B || helinis B || Epimethei scripsi | 
pymethel B | Promethei M || ignemque seripsi | ignem qui B | ignem ibi 
M || et nocte faece utebantur M || Deucalion eo facto M | deocaleonio 
facta B | an: igni facto? || ostenderat]. Malim *offenderat! || extinexit B [| 
et fine seripsi | et sie B [| futurumque B || 42 ferola B || alligasse M | 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 799 


et aquilam siue uulturem ei adposuisse ut iecur eius exederet, quod sem- 
per dicitur renasci semperque lacerari. — Caucasus mons Armeniae uel 
mons Scythiae, ubi Prometheus ligatus ab aquila consumitur, propter 
quod ignem de caelo furtim abstulit, et ideo ab Ioue condemnatus in 
montem Caucasum per consuimnptionem iecoris interiit, quod semper re- 
natum et semper laceratum poenam aeternam facit. Prometheus et Epi- 
metheus lapeti filii fuisse dicuntur. 


v. 43. His adiungit Hylan. Hercules cum Argonautis nauigans re- 
ficiendi remi causa in siluam processit, quem comitatus est Hylas, Theo- 
damantis filius; sed dum Ilercules optatam arborem quaerit, puer aquandi 
gratia ad fontem uenit Cetei fluminis qui a Nymphis adamatus el raptus 
est, uel sicut alii uolunt, in eodem fonte praeceps lapsus et necatus est, 
quem cum diutius clamitans quaerit, ab Argonautis relictus Prometheum 
soluisse dicitur. Adiungil, canit. Aylan, filius Thiodamantis. Aylan, 
comes Herculis et cum Argonautis nauigans naui excidens interiit. Qui- 
dam eum dicunt ad puteum Moesiae uel fontem Caici uenisse atque ibi 
praecipitatum interisse. Quem fingunt esse a Nymphis adamatum alque 
raptum. elictum, perditum uel ablatum iuxta Attum ciuitatem Moesiae. 


v. 44. Vt litus, Hyla Hyla! omne sonaret, quaerenti Herculi, uel 
a Nympliis adamatus quaeritur. 

v. 45. Armenta, forsan viri? 

v. 46. Pasiphaen. Minos rex Cretae; Pasiphae uxor eius adamauit 
Iouem. Pasiphaen. Pasiphae uxor Minois, taurum illum quem Neptunus 
Minoi dederat, adamauit cum quo artificio Daedali concubuit ac Minotau- 
rum, hominem mixtum boui genuit. Niuei, candidi. Solutur. Silenus 
solatur, idest canit solatium. Amore, quo flagrauit Pasiphae. Amore, 
pro amore. Juuenci, tauri uel louis. 


v. 47. A, idest o, interiectio dolentis uel mirantis. Virgo. Antiqui 
fortes mulieres uirgines dicebant; sic et Virgilius uirginem pro muliere 


iecor B || prometheos 1 || fortim C || abstulit C | abtulit B [| à Ioue M || 
condempnatus C || in montem Caucasum scripsi | in montem caucasie 
(C — iu, corr. io) 1| in monte Caucasio M || consumptione M |] hiecoris 
] || renatum scripsi | cf. supra "renasci semperque lacerari? | renouatum 
I || epimetheu 1 || iapetii 1 || 

v. 48 herculis B,|| Theodamantis scripsi | theodaphnidis B || Cetei 
scripsi | celei B || in edem B |] et negatus est B || diucius B || Thioda- 
mantis scripsi | thimodemantis ] || Hylas comes M [| ad puteum Moesiae 
(i. e. Mysiae) scripsi | ad puteü. ee. B | apud οὗ ee C | ad puteum isse 
ΜΙ ποῖ fontem Caici scripsi cf. Seru. | uel caiaei I | uel Celei M an 
Ascanii? cf. G. III 289 Prob. p. 55, 5 K || interiisse M || esse a Nymphis 
scripsi | einymphis B | a Nymphis M [| atque ibi praeraptum (uno uersu 
omisso) C || adamantum B || Attum (Assum) scripsi | actum 1 || Moesiae 
(Mysiae) M || madosiae 1 || 45 Armenta forsan uiri] Nisi mauis nostrum 
ineptire, coniecerim: Armenta fuissent , tauri || 46 Passiphaen ] sic sem- 
per f| iouem 1 | bouem M || ac Minotaurum scripsi | hae B | haee M || 
Niuei C | Neuei B || Amore lemma post *solatium? addidi | Amore, pro 
amore iuuenci uel tauri ucl Iouis M | pro ἐν amore Philargyrius || 47 sic 
etiam M || 


800 — H. Hagen: scliolia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


posuit more suo.  Firgo, uirili specie, uel fortes mulieres uirgines dice- 
bantur, eo quod uiris similes essent. 

v. 48. Proetides implerunt. Proetides Proeti regis Argiuorum filiae 
de Sthenobuea uxore eius, Chrysippe uel Lysippe, Iphinoe uel Epinoe, 
Iphianassa wel Cyrianassa lunoni formam suam praetulerunt et insania 
conpulsae crediderunt se esse boues et petierunt altos montes et postea 
sanalae sunt a Melampode Leosthenis wel Amythaonis filio. Tunilius et 
Gaudentius dicit. 

v. 51. In leui, in molli. Quaesissent cornua fronte, quia per de- 
mentiam cornua sibi inesse credebant. 

v. 02. A uirgo, o uxor fortis. Tu, idest Pasiphae. 

v. 53. Ille, luppiter uel taurus. Niueum , candidum. Fultus, sub- 
stratus. ZZyacintho, genus herbae. Fultus hyacintho, fultum latus hya- 
cintho habens. 

v. 54. Ruminal, Laurus. 

v. ὅδ. Aul aliquam, idest uaccam. Aut aliquam, sui oblitus generis 
sequitur naccam. Claudite Nymphae, apostrofa. Claudite, idest hauc 
inpudentiam defendite. Jam claudite saltus, ut inueniatur taurus, uel 
claudite, ne uideatur uestigium mulieris taurum sequentis. luppiter uero 
per artem magicam egit ut concumberet cum matre Minotauri. 

v. 06. Diclaeae, Cretenses, uel Dictaeae, a *Dictaeo? monte, quasi 
de monte nemoroso. 

v. 04. Sese, pro se. 

v. 08. Errabunda. Homerus stabula errabunda aut errantia aut 
uagantia dixit, aut proprie, quoniam non in directum pedem tollunt, idest 
Feihinodes Bovs. Bouis uestigia, tauri. 

v. 59. Captum, delectatum, ut ibi (Aen. VIII 311): “Capiturque 
locis.? 

v. 60. Gortynia. Gorlyna Cretensis ciuitas, ubi putabatur, Solis 
fuisse armenta. Gortyna ciuitas Cretae, ubi armenta Solis fingebantur. 

v. 61. Tum canit Hesperidum. lesperides Atlantis filiae, qui He- 
sperus alio. nomine dicitur, quae hortum patris trans Oceanum, in quo 


d uirili specie scripsi | uiridi specie 1 || dicebant M || uirisimi- 
les C 

v. 48 Proethi B || filiae de Sthenoboia M | filia destinobio B || Chry- 
sippe M | crissipe B || Lysippe scripsi | hissipe B | Hypsippe M || itianasia 
B \ uel Cyrianassa addidi, cf. praef. p. 705 || sanataera B || Leosthenis 
uel Amythaonis scripsi | leustonis B cf. praef. 1. l. || laudentius B || 
53 Fultus idest erectus C || hiacintho, hiacineto bis B || 55 An: tui 
oblitus, gregis sequitur uaccam? || apostrofa B | apostrophe M [| Iup- 
piter autem M || coneuberet B || 56 Dicte B | Dicite € || Cretenses 
scripsi | cretensis ] || a Dicta monte M || quasi B | quas C | quoniam 
M || 57 Sese pro se scripsi | Sese per se | || 58 aut errantia aut 
nagantia scripsi | aut errantis aut uagantis | || non directum M || idest 
Fsillnoöas Bovs scripsi | idest felix pedibus 1 | idest helix pedibus M j| 
Boues B || 59 ut ibi: *Capiturque locis? scripsi | ut ipse capitur locis B | 
60 Gortinia, gortina B || fuisse M | fuissent B | Cortina C || ingebantur 
seripsi | fiehant I |] 61 esperidum 1 || adlantis 1 || hisperus I || ortum 1 |; 


IT. lagen: scholia Berneusia ad Vergili Bucolica et Georgica. 801 


mala aurea erant, custodiebant, unde lHippomenes, Megarei filius, tria a 
Venere accepit, quibus pellexit Atalanten. Aesperidum. Atalanten Schoenei 
filiam signilicat, quae duni eursu uiros prouocaret ab llippomene superata 
est; dum mala aurea ab Hippomene iactata, admirata colligit, praeuenta est. 
Tum canit Hesperidum, idest Atalante, cum omnes uiros cursu praeiret 
et mala aurea luderet, ita concubitus uirorum fugiebat; sed postea ada- 
mata est ab Hippomene, Megarei filio, Neptuni nepote, superata ab illo, 
qui tria mala a Venere accepit. Miratam mala puellam. Mic participium 
acliuum agit, quod more Graecorum passiuum ueteres agunt, ut. Flaccus 
adnotat. Item: Atalante Schoenei lilia cursus certamine tres uiros uicit. 

v. 62. Tum Phaethontiadas, idest sorores Phaethontis casum fratris 
plangentes conuersae sunt in arbores, hoc est in populos. Tum Phaethon- 
tiadas et cetera. Phaethon cum incertae originis argueretur, petit a patre 
Sole ut uno die equos eius regeret ad testimonium generis sui, quod cum 
uix inpetrasset, per ignorantiam lapsus in Eridanum flumen cecidit, cuius 
obitum dum sorores deflerent, in populos arbores dicuntur esse mutatae; 
quae a fratre Phaethonte Phaethontiades appellatae sunt. Harum mater 
Giymene Nympha fuisse dicitur. Musco, herba quae circa caudices arbu- 
rum nascitur, bene olens, uel muscus nomen herbae nascentis in cortice 
uel in pariete, ut F/auianus ait. Circumdal, cireumdatas musco canit. 
Muscus est lanugo quae in corticibus arborum nascitur. Amarae, pro 
amari. Tum Phaethontiadas et cetera. Phaethon filius Solis; qui cum 
se non crederet filium Solis, petit a patre suo, ut currus regeret. Hic 
postea praeceps missus est in Padum fluuium uel in Eridanum, ut alii, 
cuius amicus Cygnus nominatus est, quem flentes sorores suae in popu- 
los mutatae sunt. Circumdat, circumdatas et contextas musco canit. 





Hypomenes uel ypomenes uel ipomenes semper 1 || magaris 1 || pellexit 
Atalanten scripsi | pollexit eas 1 nisi mauis conicere pellexit eam ac 
male epitomasse nostrum suspicari || athlante 1 [| Schoenei scripsi | cinei 
11} praenenta es 1 || atlante B || luderet, ita scripsi | luderet et ita B || 
megaris B || accepit scripsi | accipit B [| Hic participium actiuum agit 
quod more Graecorum passiuum ueteres agunt ut Flaccus adnotat scripsi | 
Hic participium passiuum agit quia more grecorum apt ueteres agunt 
ut flaccus adiuuat B | unde: more Graecorum apud ueteres M cf. praef. 
cap. X 4 || adlentes coenei B [| tres uiros uicit scripsi conlato A. Mai 
mythographo primo 39: *adeo ut /res sponsos prouocatos ac uictos oc- 
ciderit? Class. Auct. Vatic. III p. 15 | termisurum uicit B || 

v. 62 phetontiadas B | phoetontiadas C || phoetontis B || phoetoncia- 
das B || phoeton B [| regeret ad M | regeret et ad B || eridianum B || de- 
flerent scripsi | dum florent B | flerent M || a fratre phethonte phoeton- 
tiadas B I climene B || caudices M | caudaes B | caudes C || ut Flauianus 
ait] Fabianus coniecit Reifferscheid mus, Rhen. XVI p. 23; sed Flauium 
Sosipatrum Charisium intellegi (p. 32, 3 K, p. 19T) euicit H. Keil Hermes 
I 9 p. 334 || Amara pro amari | | Tum Phaethontiadas et cctera. Phaethon 
filius Solis — mutatae sunt transposui lemmate suppleto et post v. 64 
t Tum. canit errantem Gallum. Gallus? lacunae signum posui | Tum canit 
errantem gallum. gallus filius solis — mutate sunt. Errantom dicunt 
illum etc. Tibri quos secutus est M || aridanum 1 [| cuius amicus Cygnus 
seripsi | ac cignus 1 || nomitus C || nisi mauis: cnius nmieus in cygnum 
mutatus est || sororis suae 1 | sorores ΜΠ 


Jahrb. f, class, P’hilol, Suppl, Bd, IV Hft, 5. 52 


x02 ΜΠ. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 63. Proceras, alias sursum erectas. Erigil, erectas canit. Alnos, 
pro populis. 

v. θά, Tum canit errantem Gallum Gallus ... ... ... Errantem. 
Dicunt illum errasse in monte et a Nymphis inuentum esse et mira illic 
uidisse et accepisse cantandi potestatem. Allegurice Cornelium Gallum 
poetam, cuius eclogarum libri leguntur. Permessi. Permessus fluuius 
Bueotiae uel Aetoliae ubi aliquamdiu moratus est Cornelius Gallus; uel 
Permessus, promuntorium. 

v. 65. Aonas. Alii legunt codices: *Aonias Musas’, idest nouem 
Musas. Alii Boeotiae montes Helicona et Cithaerona, Musis consecratos, 
uel Aonias, Nymphas in montes Boeotiae uenientes. Vna sororum, idest 
una Nympharum. llic indicat, quod una Nympharum Hesiodum in Aonas 
montes adduxerit, Aonas, montes Boeotiae Helicona et Cithaerona, ubi 
Musae morantur. P duxerit. Hesiodus poeta, de Ascra, unde Ascraeus 
dictus est, calamis peritissimus, cuim iam per aetatem senesceret, in Heli- 
cona, ınontem Aoniae subiit ibique a Musis coronam cum floribus et 
frondibus dicitur accepisse, qua indutus capul iuuenis factus est. Alii di- 
cunt et Lino, Apollinis filio, hoc concessum esse, alii hoc de Gallo 
accipiunt. 

v. 66. Vtque uiro, idest Gallo uel Hesiodo. Phoebi, Apollinis. 
Chorus omnis, omnes Phoebi discipuli. Jdsurrexerit, honorem fecerit. 

v. 67. Vi Linus, hoc est Hesiodus quasi Linus fictus est. Vt Linus, 
Linus cilharista, Apollinis et Psamathes filius. Alii dicunt huic Lino hoc 
factum contigisse. 

v. 68. Apio, olus uel genus herbae uiridis. Amaro, quia flores qui 
iuxta aquam crescunt amariores esse solent. 

v. 69. Dixerit, Silenus Aeglae, uel Virgilius Varo. 


v. 63 alta sursum erectas C | alta susum rectas B | sursum rectas 
M || Alnos pro populis scripsi | Alnos propulis 1| Alnos populos M || 64 
inuentum esse scripsi | inuentus 1| inuentum mira M || accipisse 1[ illa 
C || boetia B || promontorium B || 65 legunt scripsi | leguntur 1 |] Aonias 
Musas scripsi (Aon||as B in textu, AONIAS Romanus apud Ribb,) ' 
habentes corusas 1 cf. seq. || monte elicona ! l consecretas 1 || uel 
Aonias, Nymphas scripsi | uel Aonas nymphas 1 || in montes Boeotiae 
uenientes scripsi | in monte boetiae uenientes 1 | uiuentes M. Cf. praef. 
p. 717 || boetiae elicona et chiterona B || de Ascra unde Ascraeus scripsi | 
de ascraeos B | Hesiodus poeta Ascraeus M || est, calamis scripsi | est 
et calamis B || per hetatem B || in eliconia B || dicitur scripsi | dicit B |] 
accipisse B [| eaput scripsi | capiti B || et frondibus accepit et calamos 
qua induta capiti iuuenis factus est cod. 165 || et lino B] Lino M || 66 
V'tque uiro, idest Gallo uel Hesiodo. Phoebi, Apollinis — honorem fece- 
rit, Pt Linus, hoc est Hesiodus quasi Linus fictus est. Pt Linus, Linus 
citharista etc. scripsi et transposui et lemma 7t Linus ante ‘hoc est 
Hesiodus?! suppleui | Vtque (usque C) uiro idest gallo uel hesiodo hoc 
est hesiodus quam (qua C) silenus secutus est. pohebi apollinis (sic) 
I || ehorus omnis omnes phebi discipuli. Adsurrexerit honorem .fecerit 
B|Vt linus linus citharista | || quem Silenus M || 67 samathe 1 || 68 
uiridis om. M || Amaro quia flores qui iuxta aquam crescunt scripsi | 
Amore apii- qui iuxta aquam non sunt B || 





IH. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. — 803 


v. 70. Ascraeo. llesiodo. Ascra ciuitas Graeciae. Quos anle seni, 
subaudiendum *dederanÜ. Ante seni. Notandum ibi *sen?; nam mori- 
turus finem uiuendi recepit, uel quod ei uita redonata. Quibus ille sole- 
bat. Silenus dicit, uel Hesiodus, uel ille, idest Phoebus. 

v. V1. Rigidas, aut duras aut nimium rectas. Deducere montibus 
ornos, idest quibus rusticos solebat mulcere. 

v. 72. His, idest calamis. Grynei, mons Colophoniae, sacer Apol- 
lini in quo ei modulabatur. His tibi Grynei nemoris dicatur origo; idest 
his calamis a te canatur origo Grynei nemoris. Gryneum nemus in monte 
est Colophoniae Apollini sacrum.  Dicatur , consecratur, ut Apollini illic 
cantes. 

v. 73. lactet, glorietur. 

v. 74. Quid loquar ut Scyllam Nisi, quemadmodum Silenus locu- 
tus est. Aut Scyllam Nisi et reliqua. Sciendum est in hoc loco, utruiu 
Virgilius de una an de duabus Scyllis loquatur ; sed si de una, quae est 
Nisi, eum falli putamus; inde melius intellegendum est, eum de duabus 
loqui, et per “aut? coniunctionem disiunctiuam fabulas earum caute secer- 
nit, et in sexto libro Aeneidos Virgilius dicit duas Scyllas esse, dicens 
(v. 286): 'Scyllaeque biformes.’ Una Nisi, altera Forci, quarum fabulae 
hae sunt: 


Nisus Megarensium et Sicyoniorum rex a Minoe Cretensium rege 
propter Androgei filii sui obitum, quem Athenienses et Megarenses dolo 
circumuentum occidissent, grauiter obpugnabatur. Sed Scylla filia Nisi 
adamauit Minoem patris scilicet hostem et patri dormienti crinem fatalem 
purpureumque abscidit ut Minoi hostium regi, cuius amore flagrabat, da- 5 
ret, quo absciso pater periit. Atqui Scylla a Minoe non recepta, qui 
hoc genus uictoriae execratus eam in mare deiecit, in auem, quae *ciris? 
dicitur, Latine uero “tonsilla’, conuersa est. Item pater eius Nisus in Ha- 
liaeetum conuersus est, qui parricidii exsequens poenas Cirim hostili 
mente persequitur. 10 

ltem: Scylla Forci et Crataeidis Nymphae filia, uirgo pulcherrimae 


— —— — —— —— — -- 


v. 70 asca {{] deerant C | derant B || Notandum ibi ‘seni’; nam mo- 
riturus finem uiuendi recepit scripsi | Notandum |, bis enim motuus finem 
uiuendi pcepit B cf. ad v. 65 | bis enim mortuus M || idem est Phoebus 
M || 72 Crynei 1 || modolabatur 1 | nemomoris B || crynei B || erus ποῦ 
nemus B || in monte est (sic) B || sacrum M | sacer B | an potius sacro? || 
consecretur M [| 74 Quid loquar ut Scyllan Nisi, quemadmodum scripsi | 
Quid loquor (loquar C) nisi quod (qf C) dm 1 | unde Quid loquar, nisi 
quod deus Silenus locutus est M | Eius scholii auctorem ut Scyllam le- 


isse patet | aut scylla l|| uirgilius C | urgilius B || de una an de ΜΙ 
de una de 1 || loquitur 1 || cum de duabus 1 || forei 1 || 

1 et Sicyoniorum scripsi | siculorum 1 || 2 et nugarenses 1 || 3 Sed 
scyllam C || filiam 1|| 4 ostem 1||5 purpureum M || monoi B | monui C j; 
ostium 1 || ὁ quo scripsi | quoque 1 | eoque M || abscisso M || Atqui 
Ncylla scripsi | Itaque scyllu 1 || recepta quí hoc scripsi | recepta hoc 
l ΠῚ deiecit, in auem scripsi | deiecit et in auem | 1 8 in Haliaeetum 
scripsi, cf. Ciris v. 528 | in alietum 1 | in alitem M || 9 exequens C : 
penas cyrim ostili 1 || 11 forci et cretidis 1 || puleherrima formae a 


02* 


s04 1. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


formae a Glauco, deo maris adamata est, de qua Virgilius dicit in primo 
libro Aeneidos (v. 200): “Vos et Scyllaeam rabiem penitusque sonantis 
Accestis scopulos. Set a Circe Solis filia, quae Glaucum adamauerat, in 

15 beluas marinas transfiguratur fretumque Siculum obsedit, ubi praetereun- 
tes naufragio adficiebat eamque Neptunus percussam tridenti in scopulum 
mutauit. 


Scylla Forci filia, à Glauco deo maris, adamata est. Glaucus uero 
non ualuit tenere eam. Ad Circen Solis filiam perrexit maleficiorum doc- 
20 tissimam rogauitque ut Scyllam maleficiis corrumperet. Circe uero ro- 
gautem Glaucum adamauit, sed ne Scylla plus forte a Glauco amaretur 
quam Circe, fontem in quo Scylla post uenatum ablui consuerat, quia 
Dianae comes erat, uenenis infecit, in quem descendens Scylla pube tenus 
in beluas mutata est; sed quia monstra, idest pilos suos in canes uersos, 
25 tegere non potuit, in mare profugit et uirgineam extulit faciem nauigan- 
tibus; ideo nautae torquebant ad eam naues, uirginem eam credentes, quos 
illa conprehensos beluis suis porrigebat, ut rabiem luporum posset con- 
pescere. Tunc Neptunus iratus tridenli percussam in scopulum mutauit, 
qui praetereuntes naufragio affligi. Quam fama secula est, furandi 
30 erinem Nisi, quem dedit Minoi. llla crinem furata est, ego carmen. 
Fama, idest infamia, ut ipse (Aen. Il, v. 21): “Est in conspectu Tenedos, 
notissima fama, idest infamia, quia Tennes cum nouerca sua concubuit. 
Fama secula est, si quidem alterius amore flagrauit. Junilius dicit. 


v. 75. Candida, clara. Succinctam, Scyllam Forci filiam. Inguina, 
noinen loci in quo canes Scyllae latrabant. Monstris, canibus. 

v. 76. Dulichias, lhacenses, a patria Ulixis, mons Ithacae. ates, 
pro nauibus. Gurgite, mari per tapinosim. 

v. 77. A, execralio. Scyllam alii Crataeidis, alii Lamiae filiam di- 
cunt, quae cum a Glauco adamata esset, a Circe, Glauci coniuge, pelicatus 
odio fontem, in quo lauari solebat, medicamentis infectum, in quem cum 


Glauco scripsi | pulcherrime a glauco 1 | pulcherrima a Glauco M || 
13 uos scylleam rabiemque 1|| 14 Set a Circe scripsi | et a circe 1 || 16 
eumque ineptunus C || 19 tenere scripsi | tenerere B | temerare M || ad 
ciree B || maleficiorum, maleficiis] an ueneficiorum, ueneficiis? || 20 roga- 
nitquae B [| ut eylla maleficiis B || corrumperet scripsi | corriperet B et M, 
quamquam olim Anal. Bern. III p. 13'corrumperet? coniecerat [| 21 claucum 
B || 22 post ante *uenatum"* addidi || consuerat scripsi | censuerat B | con- 
sueuerat M cf. A. Mai mythogr. II 169 *fontem in quo illa conswerat 
corpus abluere? || 28 infecit scripsi | inficit B || in quem descendens scripsi | 
in quo discedens B cf. ad v. 77 || 26 extulit scripsi | extollit B || 27 posset 
M | possit B || 29 qui scripsi | quasi B | an potius 'quae se"? || affligit] 
supra 16: naufragio ad/iciebat || Quam femina B || 31 ut ipse: ‘Est in 
conspectu? etc. scripsi | ut est ipse in conspectu B | ipse om. M [| 33 fama 
secuta .. B | Fama, seu... M || 


v. 75 in quo c.... B | in quo [canes] M || 76 mons ithaci B || 77 
alii Crataeidis scripsi | alii erathedis B | alii Crathedis M [| Lamiae 
scripsi | ganiue B | Ganiuae Μ a glaco B || clauci B || fons M || medica- 
mentis infectum scripsi permutatis uocabulorum finibus | medicamentum 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Geurgica. — R05 


illa descendissel, ea lenus, qua fontem contigerat, in beluas esse inuta- 
tam. Est enim Scylla Forci filia, in quam Ulixes dicitur incidisse. 

v. 78. Terei. Tereus rex Thracum Prognen uxorem habens, filiam 
Pandionis , regis Atheniensium, Philomelam sororem eius adamauit atque 
dum eam ad sororem ducit, in itinere stuprauit et, ne factum sorori lo- 
queretur, linguam amputauit quae de sanguine suo scelus quod pertule- 
rat, in harundine scribens misit ad sororem, quam illa secrete ad domum 
suam adduxit filiumque suum nomine Itu» iugulatum patri Tereo eden- 
dum adposuit, cuius caput nouissime Philomela ante ora patris ingessit, 
quibus omnibus sceleribus patefactis iu aues dicuntur esse mutati, Tereus: 
in upupam, Progne in hirundinem , Philomela in lusciniam. Nurrauerit, 
idest Prognae. Artus, ltuis filii Nerei uel Terei. Progne Pandionis filia 
uxor Nerei Thracum regis, cuius filius Itus. 

v. 79. Quas illi Philomela dapes. Quod fecit Progne, hoc dicit 
Philomelam fecisse, licentia poetica ut Gaudentius ait. Progne et Philo- 
mela duae sorores sunt; Progne in auem lusciniam, Philomela in hirundi- 
nem uersa est. Progne interfectrix est, Philomela causa est, ut puto. 
Progne uxor Nerei, Philomela Terei; aliter uersa uice. Pararit, pro pa- 
rauerit. 

v. 80. Cursu, pro uolatu. Hic metafora, 

v. 81. Infelix, quae loqui minime potuit. 

v. 82. Omnia quae Phoebo, idest quae ab Apolline solitus erat 
Eurotas audire, qui est fluuius Laconiae, in cuius ripa lauri sunt, quas ar- 
bores edidicisse carmen poeta refert. Beatus, Silenus uel Varus. 

v. 88. Eurotas, fluuius Laconiae, in cuius ripa lauri sunt οἱ tem- 
plum Apollinis cuius arbores edidicisse carmen poeta refert. 

v. 84. lile, idest Silenus. Pulsae, pulsatae, idest echo audiebatur, 
ue] pro audientibus. Aeferunt, commonentur referre. Pulsae, idest 
carminibus eius pulsatae. Aeferunt ad sidera, idest dum resultant. 

v. 85. Cogere, concludere. Aeferre, reducere recognoscere recen- 
sere; uult eniin per hoc significare, pastorale carmen finitum esse. 


infectis B | medicamentis infectus M || discendisset B || fontem M || in 
quam Vlixes dicitur incidisse scripsi | quem ulixis uidetur incedere B || 


v. 78 progne 1]| athenensium 1 || filomelam et sic semper C || ut que 
dum C || stuprauit quae de sangune C || in arundine 1 || filiumque suum 
nomine //un iugulatum scripsi | filiumque suum nomine iugulatum 1 | 
filiumque suum iugulauit M || caput C | eapud B || in uppupam B | in 
uppam C || in hyrundinem B | in irundinem C || in luscinam C || Narra- 
uerit idest Prognae]. Aut lacunam statuas aut 'Progne? (cf. sq.) scri- 
bad [| Ituis scripsi | itius B | Iti M | prognae B | unde Prognae M || 79 
illi folomela B ! gaudencius B || philomelam irundinem B||therei B || 
Pararit, praepararit M || 80 pro uolatu M | pro uoluto B [| 81 loquimini 
me 1|| 82 quas arbores edidicisse scripsi cf. text. | quas arbores et edisse 
B | quas arbores edisse C | et edidisse M [| 83 cuius arbores edidisse B | 
84 pulsare M || *Pulsae pulsatae — referunt commonent referre? à M 
bis posita somel tantum ἐπ 1 extant. || commonentur scripsi | commonent 
B | commonem C || idest dum referunt M | 85 Cogere C | congere B " 
Referre etc. ad v. 85 quo pertinent, traxi | Versui 84 subiunxit M lem- 


mate non signato || 


ROO 11. Hagen: scholia Bernensia ad Vergil Bucolica et Geurgica. 


v. 86. Inuito, quasi nolente. Nolentem dicit propter carminum de- 
siderium et suauitatem. Vesper, stella occidentis. Olympo, caelo. 


Ecroca VII. 


Hacc ecloga iu honorem Caesaris scripta est. In hac ecloga perso- 
nae Il ıntroducuntur. In hae ecloga hislorialiter ΠΠ| pastorum personae, 
duorum scilicet certantium οἱ tertius more iudicis loquitur et quarta per- 
sona subrepit, idest dei pastorum uel principis. Corydon autem et Thyr- 
sis coram Meliboeo, idest iudice in praesentia Daphnidis idest dei pasto- 
ralis certant, et allegorice certamen poetarum intellegitur, Corydon enim 
Virgilium, Thyrsis Cornificium, inimicum Virgilii, Meliboeus Cornelium 
Gallum, poetam optimum, iudicantem inter eos significat, Daphnis uero 
allegorice Caesarem. — Meliboeus, Corvdon, Thyrsis et Daphnis. Quat- 
tior personae in hac ecloga introducuntur, Meliboei Virgilii uel Vari, 
Daphnidis Cornelii Galli uel Caesaris , Corydonis et Thyrsidis, Virgilii et 
Macri, quorum par aetas fuit. — Haec ecloga proprie bucolicon. Haec 
ecloga μιμητικὸν appellatur. Haec ecloga a Meliboeo, iudice conflictus, 
lota narratur, cuius personam Virgilus scribens induit. Haec ecloga pari 
numero epigrammatum gaudet atque tetrasticha idest quattuor uersus 
continet, Haec ecloga quasi in Gallia canitur, ut (v. 12): *llic uirides te- 
nera praetexit harundine ripas Mincius’, et in agro canitur, ut (v. 1): 
‘Forte sub arguta consederat ilice Daphnis.? Meliboeus Cornelius Gallus, 
Corydon Virgilius, Thvrsis Cornificius. 


v. 1. Forte, euentu. Arguta, personanli uento. Argula, stridula 
inobili canora. Ilice, nomen arboris. Ilex allegorice rempublicam signi- 
licat. Daphnis, Mercurii filius uel deus pastoralis, uel princeps. Alle- 
gorice Caesar uel Cornelius iudex eorum. 

v. 2. Conpulerant, coadunauerant. Corydon et Thyrsis, Virgilius 
el Cornificius. In unum, quia ambo Antoniani erant, priusquaui suis 
priuatus uix transuadato flumine ad Caesarem confugeret. 

v. ὃ. Distenlas , plenas. 

v. 4. Ambo florentes, nobiles poetae Corydon et Thyrsis. Arcades 
ambo, laudatiue dicit. Cur Arcades dicit, cum Mantuani sint? Propter 


EcrnoaA VII. personae IIII introducuntur scripsi | personae intro- 
ducuntur B || historialiter scripsi (sic et Vossianus) | storialiter B | pas- 
toraliter M || IIII pastorum scripsi | titum pastorum B | trium pastorum 
M [| subrepit scripsi | subripit B |] idest dei pastorum scripsi (sic et Voss.) ' 
idest pastorum B || idest di B | idest dii MI propriae bocolicon B || mime- 
ticon M | memeticos B [| Hac ecloga M || conflictus totus M | tota (sic) B ^ 
adque thetrastica B | et tetrasticha M || arundine B || consederat ille B 

v. 1 stridola B || personanti uento arguta, stridula M || ilix B [| uel 
cornilius iudex eorum B | uel Cornelius Gallus M || ? coadunauerunt B |; 
dni atl M | antonium B [| confugeret B | confugerat M || 4 laudatius 
dixit M 





* . H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 807 


eloquentiam, quia agrestis carıninis fistula sit instrumentum, cuius 
primus Pan inuentor fuit. 

v. 5. Canlare, uoce. Respondere, fistula uel stipula uel cicuta. 
Parati, docti , periti alterna dicere. 

v. 6. Huc, pro hic. Dum teneras defendo a frigore myrtus, dum 
illic in Cremone essem subita tempestate euulsus. A frigore, a futuro 
frigore. Ceterum aestus erat, dum subiungitur (v. 9): *requiesce sub 
umbra. Myrius, uirides plantas. 

v. T. Vir gregis, hircus idest spes gregis. *'Vir gregis? abusiue 
dicitur spes gregis. Deerraueral, idest a me errauerat. Caper, hircus; 
hic *uir? et *caper ipse? allegorice ager. Atque ego Daphnim aspicio. 
Caesarem petiui ut (Ecl. I, 43): *Hic illum uidi iuuenem.? 

v. 8. Ille ubi me contra uidet. Allegorice significat se Virgilius, 
dum sub Antonio sua etiam minima protegere nititur, et maiora perdi- 
disse, sed postquam uenit ad Caesarem, omnia recepisse. ÓOfius, citius 
uelocius. 

v. 9. Huc ades, idest huc ueni, ut (Ecl. I, 45): *Responsum 
primus dedit ille petenti. © Meliboee, laborator et pastor, allegorice 
Virgilius. Caper et haedi, quoniam ex eo generantur. 0 Meliboee, 
uox est Caesaris ad Virgilium. Caper tibi saluus et haedi, idest οἱ maiora 
et minora tibi salua sunt. 

v. 10. Et si quid cessare potes. Hic ostenditur Meliboeus laborator 
et pastor fuisse. Aequiesce, ut (Ecl. 1, 46): *Pascite, ut ante, boues, 
pueri. Si quid cessare potes. Allegorice ab itinere uel labore quiesce. 
Requiesce sub umbra. Vox Caesaris ad Virgilium: requiesce sub pro- 
lectione mea. 

v. 11. Juuenci. Quomodo * iuuenci? dixit, cum supra dixerit (v. 9): 
*Caper libi saluus et hacdi’? Set sic soluitur: Huc ipsi per prata 
* Juuenci? uenient haedi. Juuencus enim fluuius dicitur haud longe a 
Mincio. Allegorice: Huc ipsi iuuenci potum uenient; quasi dicat Augustus: 
Etiam magni quique ad meum festinabunt amorem. 

v. 19. Hic uiridis tenera praetexit harundine ripas. Secunduin 
litteram ostendit se magis in Mantuanorum agris. Zarundine, calamo. 
Allegorice potest per Mincium flumen Augustalis potestas intellegi. 

v. M3. Mincius, amnis est Galliae, quae modo Liguria dicitur, qui 
fluuius Mincius transit per Mantuam patriam Virgilii. Eque sacra reso- 


v. 5 * Respondere — uel cicuta? om. M || uel cicuta scripsi | uel e 
contra B || periti alterna scripsi | pericia alterna B || 6 frygore myrtus 
B || in cremone B | in Cremona M cf. v. 14 || subita tempestate euulsus] 
an 'subitam tempestatem ueritus'? || Ceterum aestus erat om. M || dumb 
subiungitur B || uirides scripsi | rudes B || 7 adque ego B J| ut hie illum 
etc. M || 8 contra uidit M || recipisse B || uel»cius B || 9 Auc ades idest 
hue ueni, ut: * Responsum? etc. scripsi | Huc ades idest ut responsum 
— petenti. Huc ades huc ueni B || meliboeae 1|| laboratur C || capetedi 
ἘΠ] 10 labore quiesce scripsi | labore quiescere B | labore requiescere 
M || 12 Huc uirides M || secdin litr 1 || ostenda se C || 13 qui fluuius 





808 Tl. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica el Georgica. 


nanl examina quercu. Vel mellis delicias narrat, uel allegorice intra 
potentiam Octauiani uel urbis continentiam popularem frequentiam. Feso- 
nant, susurrum remittunt. Examina apes. 

v. 14. Quid facerem, nisi acciperem. Alcippen et Phyllida, nomina 
ancillarum uel deae cantici; allegorice Mantuam et Cremonem uel Musas 
quae erant illic. Phyllida, accusatiuus casus. Neque ego Alcippen nec 
Phyllida habebam. Alcippen, nomen pueri. Vel, ut alii uolunt, duae 
puellae. Alcippe et Phyllida intelleguntur amici Meliboei; allegorice 
neque Mantuam neque Crenionam se dicit ad solacium habuisse. 

v. 15. Depulsos. Verbo proprio pastorum utitur, ut (Ecl. l, v. 22): 
“Ouium teneros depellere fetus? Junilius dicit. Depulsos quae clau- 
deret , idest adiuuaret me. 

v. 16. Et certamen erat Corydon cum Thyrside. Se uult intellegi 
et Cornificium contra quem sub persona Corydonis in defensionem Caesaris 
contendit, qui sibi bona restituit, uel per Thyrsim Antonium uult intel- 
legi. Corydon cum Thyrside, ile et ille, non illius et illius, idest 
personas 'certamen? uocat, non opus earum. Allegorice Virgilius cum 
inimicis, defendens Caesarem. 

v. 17. Posthabui, allegorice: post ea habuit Virgilius conflictum 
cum inimicis. Posthabui, postposui contempsi ut (Aen. I, v. 16): *Post- 
habita. Tamen, aduerbium. Seria, negotia. Mea seria, secreta negotia 
domus meae. Seria, forsan idem et syrice T serendo dicta. /llorum 
ludo , idest cantauonibus. 

v. 18. Alternis igitur. Nunc poela dicit, idest Virgilius. Nunc 
alternatim Virgilius et Cornificius quasi Corydon et Thyrsis cantant. 

v. 19. Musae, numina carminis. Musarum nomina tria ef (ria 
genera sunt: aqua ignis aer. 

v. 20. Hos, uersus. 

v. 21. Nymphae, Musae. Nymphae noster amor, allegorice 
Musae, quas nos diligimus. Aut mihi carmen, epigrammata lelrasticha 
idest quattuor uersibus cantant, ut in prioribus disticha sunt, ubi duobus 
uersibus cantant. Disticha idest duorum uersuum. Nymphae Libethrides, 
a monte Boeotiae Libethro qui est Musis sacer, ucl Libethrus fluuius in 
Thracia, ubi Orpheus laniatus est, ubi se Musae lauabant. Alii fontem 
in Boeotia dicunt. Junilius dicit. 


transit M || quercum B || uel mellis scripsi | uel muellis B | uel in illis 
M || ἼΩΝ B || susurrum remittunt scripsi cf, E. I 56 | sursum remit- 
tunt 

v. 14 Cremonam M | mantuarum et cremoné C || pyllida B | pillida 
C || aleipen nom puer B || uelut alii nolunt B || 15 depulsos C | depolsos 
B || proprio M | proprie 1 || foetus C || 16 in defensionem Vossianus | in 
defensione B | in definitione C || contendit Voss. | defendit 1|| Caesarem 
defendit M || non illius et illius idest personas M | non illius et illum ad- 
est personas B || 17 postea M || postabui l.|| ut posthabita tamen aduerbium 
l | ut posthabita aduerbium M || et syrice 1] num de sericis cogitauit? |' 
cantionibus M || 18 Alternis C | Arternis B || poeta adicit M || 19 tria et 
tría genera scripsi | tria genera B || 21 allegoricae B [| tetrastica B | tetris- 
stica C || ubi duobus cantant C || in trahia B | lauabant M [| leuabant B |i 











H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 800 


v. 22. Quale meo Codro et reliqua. Allegorice per Codrum uult. 
Theocritum intellegi quem in Bucolicis secutus est. Aliter: Per Codrum 
uult intellegi Heluium Cinnam poetam, de quo melius sentit. . [Codrum 
dicit Cinnam et uult utique tamquam liuidum aestimatorem futurun. operis 
sui inuidia rumpi. Aliter: Virgilius de Maeuio, inimico inuido; sicut 
Codrus prae inuidia periit, sic et iste inuidus moriatur.] Aliter: Sic 
fauete Caesari, quomodo Phoebo. Gaudentius dicit. — Codrus aut 
nobilis poeta aut pastor, quem laudat Virgilius. Quale meo Codro , de 
alio poeta bono uel de Caesare dicit, et petit Musas, ut et ipse ila possit. 
Proxima , similia Phoebi, qui bene cantauit. Allegorice Homerum signi- 
ficat; uel proxima Phoebi uersibus ille facit, idest Caesar paene sicut 
Apollo facit. 


v. 23. Versibus ille facit, per uersus canit. Aut si non possumus, 
similia facere, aut si non donatis mihi, aut si non similia canere potero, 
desistam esse poeta. Nunc quasi alius respondet. 

v. 24. Arguta, stridula mobilis. Pinu, forsan de pinu uel tropice. 

v. 25. Pastores, poetae uel Nymphae idest Musae. Hedera circa 
poetam, laurus circa militem ponitur. Crescentem , dicere incipientem. 
Ornate poetam , de se ipso dicit 'Chyrsis. 


v. 26. Arcades, de Arcadia. Inuidia, ex inuidia. Rumpantur ut 
ilia Codro. Loquitur lioc Thyrsis, idest Aemilius Macer poeta de Virgilio, 
uel rumpantur, idest Cornificio nel Maeuio. Codro. lloc nomine aut pasto- 
rem aut poetam commemorat. (Codro, allegorice Thyrsis morlem Augusti 
uel Virgilii optat. 

v. 27. Aut si ullra placitum laudarit baccare frontem. cingite. 
Quia putabant laudibus aliquem fascinari, conuenienter, ne laus futuro 
uati officiat, baccare cingi iubetur quae herba fascino resistere posse 
putatur. Aut si ultra placitum laudarit , si plus laudauerit, quam mihi 
placuerit, uel Thyrsis de se dicit. Baccare, herba quae ob fascinum in 
frontem ligatur; ex baccare corona enim ligatur, si quis est nociturus 
ingenio. Vt quidam putant, Cornificium liuidum dicit, quia Cinnqm supra 
laudauit. 

v. 28. Cingite, ne fascinet uati, idest mihi, uel Antonio allegorice. 
Mala lingua, fascinosa. Futuro, quia canam. 


v. 22 Qua meo B || IIeluium Roth apud M | Elidum 1 ef. schol. Ve- 
ronens. p. 74, 8 Καὶ ‘nonnulli Heluium Cinnam putant de quo bene sen- 
tit? | unnam 1 || prae inuidia scripsi | pro inuidia 1 ||de meouio, inuidio 
C || Sic fauete scripsi | sic facite 1 || Codrbus B || poeta bono scripsi | 
poetabo B | poeta M || poene H || sicut M | sic B | Quae uncis cireum- 
scripsi *Codrum dicit — inuidus moriatur' ad v. 26 pertinere uidentur 
23 donatis M | donantis B || quasi alius scripsi | quas alius B || respondet 
scripsi | respondit B | *Nunc — respondet? ad v. 25 uidentur pertinere ' 
25 dicere incipientem ornate poetam, De se ipso '"hyrsis M || 96 Πα 
idest uiscera C || imoeuio B || 27 frontem C | ferontem B || conuenienter 
M | cumuenienter 1l || efficiat 1 || putabatur M || corona enim ligatur scripsi : 
coronä moliatur B || ingenio. Vt quidam scripsi | ingenium quidam B 
ingenio. Quidam M || dici M || 


810 IL Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 20. Tibi, deest * eril". Setosi, pilosi. Vota facit conuenientia 
uenatoribus et pastoribus Dianae si impetrauerit uti restituatur sibi ager. 
Delia , Apollo uel Diana, de Delo insula. Delia, uocatiuus casus est, uel 
Diana. Paruus, Micon puer eius, uel, ut Zunilius dicit, * pauper?, dicens 
ut 7Zforatius (Ep. 1 3, 28): *Parui properemus?; ut e contrario * ampli? 
diuites dicuntur. 

v. 30. Fiuacis, quia centum annis ceruus uiuere dicitur. Cornua 
cerui, deest * erunt?. 

v. 81. Si proprium hoc fuerit, hoc poema si aut perpetuum aut 
acceptum uel aptum, ut accipias. Leui de marmore, forsan pro colore 
uel forma. 

v. 82. Puniceo, rubeo. Cothurno, calciamento uenatricio , quo 
crura teguntur. 

v. 88. Sinum, genus uasis rustici uimine factum. Zt haec te, 
sufficit uel decet. Priape custos horti, quia Priapus hortis praeesse 
dicitur, unde et mense Martio Priapeia sacra celebrantur. Sub persona 
Thyrsidis Macer uota facit pro Virgilio; quotsi agros receperit, etiam 
maiora promittit. — Priapus iurgiis gaudet; fascinum eum deum dicil; 
ergo Aemilius Macer timet, ne fascinet ei et ideo ueneratur eum, uel 
l'riapus custos bouum.  Allegorice Priape , Antoni. 

v. 34. Exspectare, sustinere tollere. Sat est, decet uel sufficit. 
Custos es pauperis horti. Allegorice quasi ab eo, idest ab Antonio, exul 
esset Cornificius susceptus. 

v. 35. Marmoreum , lorinosum. Pro tempore , prout tempus tulit. 

v. 86. Si felura el cetera. Si responderit carmen spei meae; qui 
nuuc marmoreus deus, aureus eris, si fetus gregis ampliatus fuerit. 
Aureus esto, formosior, idest maioribus laudibus prosequar. Haec ad 
Antonium dicit uel ad deum, cui sacrificat. Si fetura, si habunde carmen 
dicam. Gregem suppleuerit , idest per multitudinem agnorum. 

v. 37. Nerine Galatea, amicam aduocat.  Allegorice Virgilius 
Galateam idest Galliam, his uerbis laudat et hortatur, ut, sicut ipse erat 
cum Caesare, et ipsa adesset. Ayblae. MHvhla ciuitas Hispaniae ubi 


v. 29 Tibi deest erit B | Tibi deest coniecit et ad v. 28 rettulit M '' 
imperauerit ] || Delia, uocatiuus casus est, uel Diana. Paruus, Micon 
puer eius, uel, ut Iunilius dicit, pauper scripsi | Paruus uocatiuus casus 
est paruus mycon puer oius uel diana uelut iunilius dicit pauper BM !| 
dicens ut Horatius scripsi | dns in oratione B | Pauper dominus in ora- 
tiono M || ut e contrario scripsi | et e contrario B Il eod. 165 pauper ut 
horatius parui properemus, ut e contrario ampli diuites dicuntur | cf. 
praeterea Philargyr. || 30 cernus uiuere scripsi | dicere uiuere B || Cen- 
tum annos uiuere dicitur M | idest erunt M || 31 hoc poma 1|| si autem 
M || 33 fastum 1} nel decet seripsi | uel debet 1|] primape C || marcio 1 ;' 
celebrabantur M || reciperit 1|| emelius B || custus B || 34 debet 1|| orti B | 
quasi ab eo idest ab Antonio, exul esset Cornificius susceptus scripsi 
quasi sub eo exule esset Cornificius ab Antonio susceptus B || 36 respon- 
derit B (sic) || cui M | cuiu sacrificat B | an *cui uota facit?? cf, v. 48 |] 
abunde 1 | subpleuerit C | si abunde carmen, dicam gregem, suppleuerit 
M || 37 idest gallia B || Hible B || tymo 1 |] 


το ΑΝ 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 81] 


thymum nascitur. Zunilius dicit. Tamen Gaudentius dicit: Mons in 
Sicilia uel locus in Attica, ubi mel optimum. Nerine, Nerei file.  Gala- 
tea, concübina. TAymo, melle uel flore. Nerine Galatea et reliqua. 
Laudat Nymphas ut ad se ueniant et adiuuent carmen. Aliter: Allegori&t 
de Gallia dicit quae dulcior est mihi substantiis nostris, uel dulcior melle 
Siculo. Gaudentius dicit. 

v. 38. Candidior, formosa. Hedera alba. *Alba? dicit quia est 
et nigra. 

v. 99. Cum primum, idest tunc ueni, cum primum possessores ^ 
noui coeperint adsignatos possidere agros. epetent pruesepia tauri. 
Veni tunc, cum hora adest gregum, uel sero fuerit. 

v. 40. Si qua, si me diligis, si modo non habes Virgilium inuisum, 
restituatur mihi hoc quod possedi. Tui Corydonis, concubinam alloquitur. 
Si habet te cura uenito, idest si tenet te amor mei, ueni. Cura , amor, 
ut (Aen. IV, 1): “At regina graui iamdudum saucia cura? Junilius 
dicit. 

v. 41. Immo tibi, idest Priapo. Immo. Coniuratio est ct execratio 
est; coniuratio est, quando dicimus: *'sic uiuas?; execratio, ut si dicas: 
*sic non moriaris. Immo ego et reliqua. Allegorice: nou diligas me, 
Antoni. Sardoniis, Sardiniensibus. Sardonia herha similis apis iuxta 
riuos nascitur in Sardinia insula, quam si quis manducauerit, risu moritur. 

v. 42. Rusco. Ruscus genus fruticis spinosi amarae corticis. 
Proiecta, pro nihilo habita. ἶσα. herba maritima, uel herba quae in 
littore maris inuenitur proiecta. 

v, 43. Si mihi non haec lux, idest dies peregrinationis uel exilii 
dies pro anno accipi potest. Si mihi non haec lux et reliqua. Sub 
persona Thyrsidis Macer loquitur et dicit, se Priapo, cui uota fecerat, 
odiosum uideri, si non taedio afficiatur de exilio Virgilii. Siue ad amicam 
loquitur absentem, quam sibi reliquerat, el expectando uesperam, aunum 
sibi dicit diem uideri, unde et hortatur pecus suum domum reuerti, 
dum dicit: *Ite domum pasti, si quis pudor, ite inuenci.’ 

v. 44. Jte domum et reliqua. Ad suos dicit Cornificius. — Pasti, 
satiali docti. Allegorice si paeniteat Augustum uestri, cur non mei? 

v. 45. Muscosi fonles et reliqua. Vterque adolatorium carmen 
subiecit pertinens ad Caesaris uenerationem. Muscus herba quae nascitur 
in aquis. Junilius dicit. Muscosi fontes, quae muscum habent, quod est 
genus lanuginis et in arborum corticibus et in fontibus nascens. Mus- 


v. 38 Condidior C || 39 Veni tunc cum hora adest scripsi | ubi iam 
cum hora esset B || ubi iam hora esset M 40 amor mei M | amorem ei 
B || ad regina B || 41 coniurationem et execrationem coniurationem quando 
C || non diligas scripsi | non diligis B || sardinensibus B || risum oritur B, 
cf. Sall. Hist. fragm. 1. II 2 Dietsch || 42 fructicis 1 || amarae corticis 
scripsi | amarus cortice 1 | amaro cortice M | 48 mae B | Mai M || si non 
te odio B | si non odio in textu, si non taedio in marg. M || uideri (sic) 
unde et ortatur B | unde om. M \ 44 Item domum 1 || Augustum uestri, 
cur scripsi | augustus uestri cum | | *Ite domum — non mei? om. M ;; 
45 utque, uenationem C || iu frontibus nascens B | nascentis M || deum 


812 NH. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


cosi fontes. allegorice deus aquarum, uel Nymphas fontium inuocat, 
kt somno, mollior herba, allegorice deus herbarum. — Herba, pro her- 
harum, dea. 

E ον, 46. Et quae uos, o dea arborum super fontes, Arbutus, genus 
Arboris rubea mora gerens, Arbuius, frondes, deus frondium. 
2 v. 47. Solstitium, aestus. Solestitium quia circa horam sextam 
stat et iterum ad ima currit. Allegorice: ardorein tempestatis, dii, defen- 
dile, ut non sic pereamus, ut prius. Iam uenit aestas, idest ira Caesaris. 
Solstitium defendite, ab ardore tempestatis, idest ab ira Caesaris , ut non 
sie pereamus ut prius. lloc allegorice, ad litteram uero hoc uult dicere: 
solstitium pecori defendite, idest pascua defendite, ne siccentur solis 
ardore. Jam uenit aestas. Hic aestum, ille frigus laudat. 

v. 48. Torrida, ignea sicca. Iam, idest nunc incipiamus laetificari. 
(emmae , flagella uitium gemmas uocat. 

v. 49. Aic focus, subauditur *est?. Et (aedae pingues, ligna 
luminaribus apta, quae in nuptiis fiunt. Zic focus et reliqua usque 
ripas. Allegorice hic sensus est: licet hic aliquid congregare possimus, 
semper tiniemus frigora, idest tempestatem.  Zic plurimus ignis, idest 
consiuetus. 

v. 90. Fuligine. Quicquid fumus de taedis fuscum facit, fuligo 
dicitur. 

v. 01. Hic tantum Boreae et reliqua. Superius sub persona Corydo- 
nis Virgilius cauel, ne ut prius tristia patiatur, et post sibi laeta promittit ; 
nuuc Cornificius qui cum Antonio erat, dicit, se tristia non timere et 
munitum feruore armorum frigus, idest iram Caesaris non formidare. 
Ponit autem rusticas similitudines lupi et torrentis, quae bene congruunt 
ruslticitati pastorali. Curamus, hoc est parui ducimus. Curamus frigora, 
pro nihilo curamus frigora propter lignorum habundantiam. 

v. 52. Auf numerum lupus. Vt de numero unum pecorum tollat. 
Numerum , allegorice ciuium multitudinem. Zupus et flumina. Vt lupus 
uel flumina suam seruant naturam, sic curamus. Ripas, lapillos. 

v. 53. Stant, habundant. Juniperi. [uniperus genus ligni duri. 
Stant et reliqua usque sicca. Allegorice hic sensus est: dicit se omni- 
bus bonis habundantem, sed si Alexis desit, idest Caesar, putat se esse 
frustratum. Stant et iuniperi et cetera. Sensus huiusmodi est: Dicit se 
Virgilius omnibus bonis habundare; at si Caesar ab illo auertatur, omnia 
in contrarium uerti; uel Corydon hoc dicit de suo dilecto Alexi. ZZirsu- 
ae, capillosae uel spinosae. 


-- — 


aquarum M || Nymphas fontium scripsi | nympha si montium, corr. fon- ^ 
tium ἢ | Nympham fontium M | Nympham scilicet fontium apud M Kluss- 
mann 

v. 46 o dea scripsi | o loca 1]| 47 Solstitium aestas M || circa oram 
1|| Hic aestus M || 48 Torida C || 50 de thedis 1|| 51 idest ira B [| rustica 
simultitudines B || rusticitate B || "Curamus — habundantiam’ om. M |! 
02 Vt de numero unum scripsi | ut de numerum 1 | ut de numero peco- 
rum tollat numerum (coniec, unum) allegorice M || si curamus B || 53 
putat se esse M | putat esse 1|| uel spinosicae B || 


11. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 813 


v. 54. Sirala iacent, non uento sed maturilate. 

v. 55. Omnia nunc rident. lMilara et festiua sunt. Alexis, puer 
pastoralis. 

v. 56. 4beat, discedat. Flumina sicca , aqua uiduata. 

v. 57. Arei ager et celera. Si de pastore accipitur, sensus est: 
Omnia nunc sicca sunt, sed aduentu amicae Phyllidis reuirescent; sin 
Cornificii uox est, hoc est, quod dicit: Vniuersa nunc metu arida sunt; 
si uero Roma nobis propitia sit, omnia prospera erunt. PFitio, siccitate. 
Fitio aeris. Caelum uitiatum dicit. Aret ager. Nunc Thyrsis idest Cor- 
nificius de saeuitia persecutionis uel exilii ait, quod nec aer nec terra 
fructum det, sed et deos iratos dicit pro ira Caesaris, quia Mantuani cul- 
Lores agros amiserunt, quos si Caesar restituerit, redituram eis fecundi- 
tatem ait. 

v. 58. Pampineas, uitium. ZInuidit, uites natae non sunt. 

v. 09. Phyllidis. Phyllis dea Mantuauorum uel Caesar allegorice. 

v. 60. luppiter , aer, imber. luppiter et laeto descendet plurimus 
imbri, idest mixti multa cum pluuia fulgurum ignes cadent, quos puta- 
bant Iouem significare ; nam luppiter pro igne solet poni. 

v. 61. Populus, genus arboris. Alcidae, llerculi. Populus Alcidae, 
quia Hercules populo coronatus descendit ad inferos. Jaccho, idest Baccho, 
Libero patri, qui putabatur uitem inuenisse. Populus Alcidae et reliqua 
usque laurea Phoebi. 'Si pastor loquitur, iste sensus est: Licet siugula 
quaeque suis inuentoribus cara sint, tamen, dum mea amica Phyllis 
corylos amabit, carius aliquid illis esse non poterit; si sub persona pa- 
storis Virgilius loquitur, sensus iste est: Licet singuli populi a suis diis 
amentur, nos 'coryli?, idest Mantuani, a Roma diligiwur, quae quamdiu 
nos dilexerit, aliquis nobis praeferri non poterit. 

v. 62. Myrtus, arbor Veneri consecrata. Laurea, idest laurus arbor. 
Phoebo, idest Apollini. 

v. 63. Phyllis, idest Caesar allegorice. Corylos, Mantuanos, hoc 
est: licet hi dii suos diligant, nos tamen Caesar diligit. 

v. 64. Myrtus, quae in tutella Veneris est. Corylos, tam steriles. 
Nec myrius uincel οἱ reliqua. Allegorice: licet nihil tam sterile, quam 
ager Mantuanorum, fauente tamen Caesare nulli fecundiores nobis, quia 
nullus potentior Caesare. Zaurea Phoebi, quia laurum dilexit Apollo. 

v. 65. Fraxinus in siluis et reliqua. Refert arbores, quae suut 
speciosae, idest "fortes et bonos?, sed si Lycidae, idest Cornelii Galli 


v. δά Strate 1| 66 Habeat 1|] 57 accipitur scripsi | accipit B || reui- 


᾿ rescent scripsi | reuiriscent B | reuiuiscent M || uicio aries C || uiciatum 1 || 


amiserant M || quos si M | quosi 1 || rediturum M || 59 Pyllidis B || Phyllis do 
mantuanorum uel caesar allegorice 1 | dea scripsi | Phyllis de Mantuanis 
uel Caesare allegorice M || 60 discendit B || mixti multa cum scripsi | mixti- 
mus cum B | mixti cum M || fulgorum B [| Iouem scripsi | interdum B || 61 

uia hereulis C | quia heruilis B [| discendit 1 || carius aliquid] an atiud? | 

ilimur B aliquis) an alius? || 62 arbor uenem (ueneri corr, B) I [| phebo 
C | phoeb B | Phoechus, idest Apollo M || 63 mnntuano 1 [j hii 1'164 tutella 
l | tutela M || 66 fortes et bonae M ||lyeida 1} cornilii 1 [| 


414 I. Hagen: scholia Berneusia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


praesentia contingat sibi, ail infirmiores fore. Frazxinus in siluis et 
cetera. Vox est pastoris ad Lycidam puerum dicentis: quamuis singula 
congruentibus locis pulchra sint, si me, Lycida, uisitaueris, omnibus tu 
pulchrior eris. Allegorice uel Cornificius hoc dicit de Antonio, uel Vir- 
vilius de Caesare, siue de Cornelio Gallo. 

v. 67. Lycida, concubina uel amicus suus. 

v. 68. Cedet , uilior erit. 

v. 69. Haec memini , poeta dicit. Haec memini, haec omnia poeta 
Virgilius qui et Corydon, licet sub duali persona, quasi de alio narrans 
canit. Frustra contendere , frustra petit amicitiam Caesaris. llaec omnia 
de se dicit poeta quamuis de alio narrans. Haec memini, Virgilius loqui- 
tur sub persona Meliboei; uictum, Tlıyrsim aut Macrum poetam dicit, 
ut praedictum est, aut Cornificium a se superatum. 

v. 70. Ex illo Corydon Corydon est tempore nobis, idest, extunc 
nobis Corydon amabilior factus est quam Tlıyrsis. 


EcLoca VIII. 


Haec ecloga in honorem Asinii Pollionis, uel filii eius Salonini 
scripta est, ut aiunt, οἱ allegorice Caesaris. In hac ecloga personae 
duae ueterum pastorum bistorialiter intimandae sunt. Hoc genus carminis 
κοινὸν uel μεκτόν dicunt. [laec ecloga φαρμακές appellatur. In hac 
ecloga duae personae introducuntur Damonis et Alphesiboei , qui repudia- 
torum amores narrant. Damon ainissain queritur uxorem, Alphesiboeus 
eius inulieris refert actus, quae uiro alii dedita fuerat. Damon queritur, 
Alphesiboeus remedia agit; ille iustum amorem contemptum et sordidum 
appetitum canit, hic uenificia excurrit amoris deterioris, quibus iustum 
amorem nititur disrumpere; Damon puellam, Alphesiboeus puerum amat. 
Junilius dicit. llaec ecloga inpari numero epigrammafum gaudet. Haec 
ecloga proprie bucolicon. Ilaec ecloga siue in Hispania siue in Gallia ca- 
nitur, el ín agro canitur ut (v. 2): *Inmemor herbarum quos est mirata 
inuenca.” Junilius dicit. Allegorice Damon, idest Cornificius, poeta An- 
tonii, amissam queritur Mantuam sub nomine Nysae; Alphesiboeus, qui 
el Virgilius, sub uomine Daphnidis Augustum insinuat. 

v. 65 uisitaueris scripsi | uisitaberis B || 69 quia et corydon C || 
quamuis de alio] an quasi? cf. supra et E. VIII, 1 || 

Ecrosa VIII. saloninis C || scripta 8 ut aiunt 1 || In ac egloga C ;' 
cenon uel micton 1 || peguexég M | parmacies B | permacies C | In Vita 
nominatur Pharmaceutria. | In hac ecloga duae scripsi ad ceterorum 
argumentorum exempla | Nam duae 1 | cod. 165: ct hoc genus carminis 
koinon uel mycton dicitur. appellatur autem haec egloga farmaceutria, 
in qua ut diximus, duae personae introducuntur, Damonis etc. || amissam 
queritur M | querit 1 || damon amissam querit uxorem alphesiboeus remedia 


agit C [| iustum amore B | anore C || amoris deterioris scripsi | amoris alte- 
rius ] || propria bucolicon B |] Post *in Gallia canitur? uidetur testimonium 


idest 
intercidisse || damon cornifieius B || querit Β || nisae B || qui est M || 


1 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 815 


v. 1. Musam Damonis οἱ Alphesiboei, dicemus. Damonis, Corni- 
ficii. Alphesiboei, Virgilii; poeta autem Virgilius quasi de alio narrans 
sic incipit dicens: *Pastorum Musam’ et reliqua. Musam pro carmine. 
Musam Damonis ei Alphesiboei, idest carmen suum et Cornificii sub 
nominibus pastorum. 

v. 2. Inmemor , oblita. Herbarum, pastus. Juuenca pro armentis 
posuit. Mira incrementa uarietatis: iuuenca, lynces, flumina. 

v. 3. Lynces, lupi ceruarioli. ZLynces, ferae Liberi patris sacris 
dedicatae, pantheris similes, caudas tamen graciliores habent. Zynces, 
pro omnibus feris. 

v. 4. Et mutala, idest naturam mutantia. Flumina, prae carminum 
dulcedine;.sed allegorice pro auditoribus accipi potest. 

v. b. Dicemus, repetemus. 

v. 6. Tu mihi seu magni superas et reliqua. Asinium Pollionem 
petit Salonitarum uictorem, qui praecipuae, non minus poeticae quam 
oratoriae, uel imperatoriae laudis auidus fuit; nam et multa carmina et 
uaria poemata scripsit, unde est illud (v. 10): *Sola Sophocleo? et reliqua. 
Huic post uictum Antonium aput Perusiam successor datus est Alfenus 
Varus qui iratus Mantuanis agros eorum parti Cremonensium iunxit. Causa 
autem iracundiae haec fuit, Octauius Musa enim, ciuis Mantuanus, idem- 


‚que magistratus, cum tributum ab Augusto fuisset indictum, pecora Vari 


capta pignori Lamdiu in foro clausa tenuit (nam Varus possessor Mantuanus 
erat), donec inedia morerentur, unde molestiam Mantuanis super amitten- 
dis agris intulit Varus; Virgilio tamen pepercit, quoniam condiscipulus 
eius fuerat. Eiusdem autem Vari est tragoedia Thyestes omnibus tragicis 
praeferenda; aliud nihil eius legitur. Thyestes nomen artis +. lunilius 
dicit, Tu mihi et reliqua. Allegorice Virgilius tangil Caesarem Octauianum 


nauigantem in Illyricum. Superas, Iransgrederis. Timaui, locus in quo 


Antenor condidit ciuitatem. Timauus flumen de Rhipaeis montibus oriens 
inter Asiam et Europam serpens Maeolidas paludes auget; uel Timauus 
fluuius est Venetiae magno fonle exoriens. 

v. 7. Oram, litus. Jilyrici, Adriatici. Legis, consideras uel prae- 
teris, uel legis, per liburnas nauigans. .4equoris, maris, En erit, 
optantis uox est. En erit umquam ille dies mihi cum liceat, idest uti- 
nam liceat tua facta meis carminibus digne exponi. Hic Pollionem uel 
Caesarem allegorice adolatur et optat, ul praesente Caesare uel Pollione 
posset eorum facta canere. 

v. 8. Tua dicere facta, expugnationes urbium et beila. 





v. 9 linces B | lynces flumina om. M |] 3 linces libri semper || graci- 
les M || 4 natura motantia 1|| prae carminum scripsi | pro carminum B || 


6 qui praecipuae scripsi | qui proprie I || huic C | hue B || aput B || apud 

C (erimonensiam ] || iunexit 1 [| ciues I || tributum M | tribunum 1 || inedia 

M | media 1|| amitendis C || Thyestes nomen artis T] Num de tragoediae 

uel dramate, an de Atrei fratre cogitauit? Num igitur: Thyestes nomen 

Atrei fratris? || yliricum B[ ripeis B [| horiens B f europem B || meotidas 

B ἢ angit B ἢ exhoriens B || 7 *Oram — maris? bis iu B leguntur || utinam 
i liceat M || adolatur M | addatur B || 


N10  H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 9. En erit, optantis uox. Vt liceat, eadem repetit. Totum ferre 
per orbem , idest diuulgare per orbem. 

v. 10. Sola Sophoclco, idest sola tua carmina possunt aequari car- 
nibus, quae Sophocles scripsit; is enim primus tragoediam conposuit. So- 
phocleo. Sophocles poeta tragicus, qui primus tragoediam scripsit, eximiae 
grauitatis habitus, et ideo Pollionem huic comparat, quia scripsit Pollio tra- 
soediam illo tempore; sed Cornelius Gallus potest existimari. Digna, similia. 
Sola digna , hoc est, nullus dignus honore Sophoclis nlsi tu. Cothurno. 
Est cothurnus genus uestis praeclari hominis, idest ... ... ... uel genus 
caleiamenti utrique pedi conueniens. Cothurno, carmine; pro altitudine 
carminis posuil, et proprie genus calciamenti quo tragoedi utuntur. 

v. 11. Ale, Pollio. 4 te principium, hvperbolice loquitur. Accipe, 
subauditur digne. .4 te principium , tibi desinet, idest: nemo ante te 
tragoediam scripsit nec post Le scripturus erit. Virumque dignitatis est, 
cum dicit “ἃ te initium? et “a te finis. Accipe iussis, palet quia auL a 
Caesare aut a Pollione iussus est hanc eclogam scribere. Accipe iussis 
carmina coepta (uis. Sic loquitur, quasi a Pollione iussus sit ista scri- 
bere, quod factum non est; sed hic sensus est: accipe iussis carmina 
coepta (uis, ut desit * digne?, hoc est, quia iusseris ab agris meis receli, 
et ego haec in te carmina digne scribam. 

v. 12. Atque hanc, hederam idest hanc eclogam. Sine, uerbum, 
idest admitte inter tuos triumphos aut tragoedias et meum poema. 

v. 13. Inter victrices et reliqua. Asinium Pollionem significat, qui 
et poeta fuit, sed quoniam Salonas deuicerat, utraque corona dignus 
fuit, lauro ut uictor, liedera ut poeta, ut (Ecl. Ill, 86): *Pollio et ipse 
facit noua carmina. Junilius dicit. Hederam, allegorice hoc carınen. 
Inter lauros, triumplios, quasi ad Pollionen et ad Caesarem allegorice 
dicit. Victrices lauros, quia uiclores lauro coronantur. Serpere, idest 
humiliter uel molliter procedere; est autem sensus: permitte, o Auguste 
uel Pollio, inter Jaudes triumplhorum tuorum meum carmen adesse. Huc- 
usque praefatio poetae de se; nunc incipit Damonis texere carmen quem 
Cornificium uult esse. Inter uictrices hederam et reliqua. Quoniam solent 
peetae coronas hederae habere, quia pallida est et qui uersificantur, 
pallidi sunt, et uictores lauro in certaminibus coronantur, quod Asinio 
Pollioni conuenit , qui uersificus fuit et inter Dalmatas triumphauit. 


v. 9 diuulgare M | deuulgare B || 10 Sophocles composuit M || his 
enim B || Suphocleo suphocles C || habitus] malim Aabitu || tragoediam 
illo tempore scripsi | tragoedia, in illo tempore,l | tragoediam in illo t. 
M || cornilius 1 || Coturno 8 coturnus B || Post *hominis idest? lacunam 
signaui || utroque B || conueniens quoturno B || carmini B || 11 desinit B : 
scripturus erit M | scripturus erat B || ante initium B [| hoc est quia ius- 
seris ab agris meis reeedi (nel: ab agris meis milites recedere) scripsi | 
hoe est quiseris ab agris meis recede libri | quisquis es coniecit uel 
nonnulla exeidisse suspicatur M || et haec I | ego addidi || 12 ederam B. ἢ 
admitte M | dimitte B || tuo B || 13 asianum pollionem C || lauro ut uictor 
hedera ut poeta scripsi | laurum uictor hederam poeta 1 | lauro uictor 
hedera poeta M || quasi scripsi eum C | quia si B | quia sic M || corona- 
bantur M || uictrices herbam BH || 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 817 


v. 14. Frigida uix caelo et reliqua. Quando nox finierat et mane 
prorumpebat. Nunc poeta locum tempusque designat. Frigida uia caelo 
et reliqua. Poeta adhuc loquitur tempus locumque designans, ac si dice- 
ret: cum aliorum opera quasi inmissa luce florescerent, tunc me de 
amissa coniuge tenebrae inuaserunt. 

v. 15. Cum ros in tenera herba, subaudis * deciderat?. Cum ros 
in tenera et reliqua. Allegorice latitudinem triumphi significat. 

v. 16. Incumbens , quasi prae tristitia per se consistere non ualens. 
Tereti, rotundae. Oliuae, arbori uel baculo ex oliua, ut pastor. Damon, 
poeta de se dicit. Sic coepit oliuae , hucusque tempus et locus. 

v. 17. Nascere, oriri diem desiderat. Nasco et nascor. Praeque 
diem ueniens , aut ante diem ueniens, aut diem praeueniens, cito. Nascere 
et reliqua. Allegorice, fruere iucunditate tua, dum ego maerore consu- 
mor, o Caesar. Age Lucifer. Loquitur autem ad Luciferum, quam 
stellam Veneris dicunt, a qua putabant amorem dari. Age, adduc, uehe, 
quia metiris diei tempura. Almum, lucidum. *Almus? tria genera signi- 
ficat, ut (Aen. I 306; III 311): “Lux alma?, idest candida, et (Georg. 
I] 330): *Parturit alnus ager?, idest fertilis, et (Aen. I] 591. 664. 
X 252): “Alma parens?, idest sancta. Junilius dicit. 

v. 18. Indigno, inpari. Coniugis indigno el reliqua. Amaloria uox 
est, quia erat sua uxore destilutus. Indigno, idest magno, ut (Georg. 
11 373): *Indignas hiemes? idest magnas. JIunilius dicit. Ex indigno 
amore, idest inpari, possimus conicere dignum amorem, idest parem. 
Deceptus , ego. 

v. 19. Queror, adioquor. Dum queror, dum querellas facio, ut 
Junilius dicit. Diuos, allegorice Caesar, uel Pollio. 

v. 20. Extrema, uitae meae scilicet. — Moriens, prae asperitate 
exilii uel amoris. . 

v. 21. Incipe Maenalios. Maenalum eiusque lucos laudat el frequen- 
Liam pastorum canentium; uersus Maenalios uocat. Junilius dicit. Ei 
uersus *calares? dicuntur quia subinde repetuntur, et ornatus causa per 
schema hoc facitur. Gaudentius dicit. Tibia, stipula uel fibia, idest: 
o calami. Maenalios, Arcadios, hoc est a Maenalo monte Arcadiae. Hic 
sensus est: uL sic possim amorem cantare , quasi Pan in Arcadia Nynipham 
cantauit, ut praediximus in secunda ecloga (v. 31). Et hic metalepsis 
est et ideo tropice uult Pana intellegi quia ipse est inuentor fistulae 
pastoralis. 





v. 14 nox finierat et mane scripsi | nox facta est mane 1 | nox finita 
est, mane M || 15 subaudi M || 16 prae tristitia scripsi | pro tristitia ] || 
hncusque M | hic usque B || 17 diem diem desiderat C | ant. ante dicm 

quia 
scripsi | ut ante diem 1 || merore B || stella ueneris B || uehe metiris B | 
uehementer meritis C | uehe metire M || alma parenti 1 [| 18 quia erat 
scripsi | qui ad 1 | quia a M [| distitutus 1 || possumus M || 19 querelas M || 
20 prae asperitate scripsi | pro asperitate | | Extrema uitae meae, scilicet 
morions pro asperitate exilii e£ amoris M || 21 maenalum (sic) B [| canen- 
tium M | eanentiam B || Hii B || per sceina B [| idest calami M || hoc est a 
Maenalo monte Arcadiae M | hoc est amando mente arcadie 1]' metalemsis l'! 


Jahrb, f. class, Philol, Suppl. Bd. IV HN. 6. 53 


818 I. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 22. Argulum, stridulum, ex iteratione resonantis reciproce uocis, 
idest echo. Argutum nemus, a uento motum. Pinosque loquentes, pro 
Musis posuil. Pinos, allegorice: poetas plurimos semper habet. 

v. 23. Pastorum, idest Apollinis uel aliorum. mores, querellas. 

v. 24. Panaque, accusatiuus esl, idest *pinosque loquentes? ét 
Pana habet. Non passus, idest: non passum calamos esse inertes. 7ner- 
tes, lacentes, sine cantu, uel inhabiles, uel non canoros. 

v. 26. Mopso, indigno homini. Nysa, uxor. Iloc pastor dicit de 
pastore, cui sua coniunx nupsit. Mopso Nysa datur. Nunc adnotatio 
incipit usque ad finem. Indignatur enim Nysam Mopso datam et se spre- 
tum. Junilius dieit. Quid non speremus amantes, idest, quando hoc 
contigit, nihil iam est, quod fieri non possit. Quid non speremus amantes. 
Quia in amore est, semper sperare, idest: Quid est, quod non semper 
sperare debemus?  Mopso Nysa datur, hoc est, pastor uxorem suam 
pastori alii datam indignatur. Mopsus Atticus uales fuit, Nysa locus in 
Asia, et inde allegorice per poetas intellegendum est. Mopso, allegorice 
Theocrito uel Ario centurioni. Nysa, ager Virgilii, uel Cornificius de 
Virgilio dicit, cui Mantua uel agri redduntur. Quid non speremus οἱ 
reliqua. Allegorice: quare non habemus fiduciam, ut nobis reddantur 
agri, cum eis, qui simile aliquid fecerunt, redditi sint? 

v. 27. lungentur iam gryphes equis. Waec contra naturam fiant. 
Gryphes, aues ferae quae sunt. in Scythia, uel animal, quod in Hyper- 
boreis locis nascitur, semper equos adfectans, sed ad nocendum, quod 
rostrum habet et pennas quattuorque pedes: imago leonis, caput aquili- 
num et ungues. lloc est: sicut haec contra naturam sunt, sic contra 
ueritatem Mopso Nysa datur. Gryphes , animal est in llyperboreis monti- 
bus, simile leoni, alas habens et rostrum in similitudine aquilae, equis 
inimicissimum. 

v. 28. Cum canibus et reliqua, quod est contra naturam. Timidi 
pro *timidae?, mutavit genus ut in Georgicis (I, 183): *capti talpae." 
Dammae, genus animantium idest caprac. 

v. 29. Mopse nouas incide faces. *Incide? scinde; faces incidere 
iubetur, quia scilicet nuptae ad facem deducebantur. Tibi ducitur uxor, 
pro eo quod est: a te ducitur; datiuus enim pro ablativo positus est. 
Mopse nouas incide faces, allegorice ad Virgilium respicit. Tibi ducitur 
uxor, inlicila superstite eius uiro. 


v. 22 stridolum 1 | 24 et Pana M | et pan 1|| inhertes 1 | Inhertes B || 
inhabile B || 26 Nysa fere semper 1 | Nisa M || coniunx C | coniux B || Nunc 
adnotatio incipit usque ad finem] Haec cum loco Georg. II 70 *Heu — 
ingens? contulit M, Ego potius de dispositione eclogae cogitasse nos- 
trum suspicer, cf. ad v. 13. 14 atque pro *adnotatio? coniecerim lamen- 
tatio. Secuntur enim: “Indignatur enim? etc. ||nisa mopso C || nihil iam 
1 | iam om. M || idest quidem 1/|| Speramus idest timemus C || et inde al- 
legorice scripsi cf. 8q. | et inde alio ingenio B; alligorice semper scribi 
memento || tehocrito B || simile aliquid scripsi | simile aliud B [27 grifes 
ἽΕΙ B || fant B cf. v. 52 | finnt M || aues ferae M | aue fere B || scithia 








B || aequos BI hae* contra B || grippes 1 || rustrum 1 |] 28 mutabit 1 || dumme 
B || 29 Tibi dicitur, a te dicitur 1 [| positum est 1|| Tibi dicitur B || 





H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 819 


v. 90. Sparge marite nuces. lta enim primo factum est quando 
Iuno loui iuncta est, ut Zomerus + et abhinc apud antiquos moris fuit 
in nuptiis nuces spargere propter ueneficia. Sparge marite nuces, Vir- 
gillo para laetitiam. Tibi deserit, in tuum honorem incipit. Hesperus, 
stella, idest nox adest. Oetam , mons Thessaliae, unde Hesperus oritur 
idest uesper. Sparge marite nuces, idest, desine iam nucibus ludere, 
siue quia mos erat in nuptiis nuces spargere. ibi deserit Hesperus 
Oetam , idest: dum occidit Hesperus, tibi relinquit Oetam montem Thes- 
saliae; tuis utilitatibus nox superuenit , uel tibi deserit, sicut alii uolunt, 
oriendo. Hesperus enim et Lucifer idem esse dicitur, dicitur autem 
Hesperus graece, latine Vesper. 

v. 82. O digno coniuncta uiro. Per ironiam dicit hoc deridendo, 
uel antiquo uocabulo. Dum despicis omncs. Dum enim ipse despicitur, 
omnes despici putat. Difficile est per singula allegoriam unam seruari; 
inde considerandum , utrum per singula sit inquirenda allegoria, an non, 
et utrum diuersa allegoria in iisdem personis per diuersa loca, an non. 

v. 33. Dumque tibi est odio mea fistula, idest meum carmen.  Fi- 
stula, rusticum carmen siue studium humile, idest patrimonium. Dum- 
que capellae, sunt. Capellae , humile patrimonium. Dumque capellae, 
idest meae diuitiae. In amatore enim tria requiruntur, ut formosus sit, 
ut diues, ut bene cantans. Haec enim tria in eo sua amatrix despexerat. 

v. 94. Hirsutum, pilis hispidum. Promissa barba, pendens uel 
inculta. 

v. 35. Nec curare deum credis morlalia quemquam. * Deum? pro 
* deorum? posuit; dicit hoc minando, idest: non putas, quod dii talia 
considerant? Nec curare deum credis morlalia quemquam. Nisi uirum 
istum T; sunt enim alii qui non credunt esse deos. 

v. 97. Saepibus in nostris. Non semper superba fuisti. Paruam, 
exprobrat ueteres suos amores et incongrue dicit se contemptum. Maior 
iniuria hinc apparet , cum ab infantia secum fuit. Junilius dicit. Saepi- 
bus in nostris, uel circa saepes, uel prima coniunctione amoris, uel in 
nostra uicinia, quae est maior iniuria: ueteres etenim eidem amores ex- 
probrat. Roscida, rore madentia. 

v. 38. Dux ego uester eram, ego uobis ducatum regebam uel 
praecedebam uos. Allegorice capras suas alloquitur. Zegentem, colli- 
gentem uel deliciosam. 


v. 80 Spargere marite | ut Homerus]. Legendum: ut Verrius ait, 


cf. praef. p. 717 et ad E. VI 18 in nuptiis nuces uirgilio para laetitiam C i| 
g Ootham 1|| thesaliae C | tesaliae B || Spargite marite B || nuces aspar- 


gere B || oeotam B || dum occiditur B | dum occidit Hesperus tibi, relin- 
quit Oetam montem Thessaliae tuis utilitatibus, nox superuenit inter- 
punxit M || 32 per hyroniam 1 |] per singula M | per singulam B || in isdem 
B || loca, an non scripsi | loca B || 33 *Dumque capellae idest — despe- 
xerat? om. M || meae diuitiae scripsi | nice (uel nae) diuitiae 1 [| sua 
amatrix scripsi | suo amatrix C | suco amatrix B 136 Nisi uirum istum] 
An: nimirum uirum iustum dictt? || 37 hinc scripsi | hic 1 || eidem amor B || 
rore madentia scripsi | rorem habentia B || 38 praecedebam C | precebam 


B || capra suas 1 || 
o3* 


820 i. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 39. Alter. A duobus “alter? pro *secundo?, ut sit tertius deci- 
mus annus. Alter ab undecimo, idest tertium decimum annum attigeram. 
Tum me iam acceperat , quando conuenimus. 

v. 40. Fragiles, flexibiles. Ium fragiles poteram , tunc ego iuue- 
nis eram. 

v. 41. Ft uidi, mox statim. Vt perii, idest ualde. Vf me, idest 
quemadmodum. AMalus abstulit error, quia inpar amor et non recipro- 
cus. Fl uidi ut perti, idest mox, ut te uidi, amore tuo clangui. Malus 
error. Ex malo errore bonum errorem conicimus. Malus error, idest 
malus amor; pulaui enim, quod mea esses, sel non amauisti, sed in 
despectu me habes. 

v. 43. Nunc scio. Mic definitionem amoris ponit. Nunc scio quid 
sit amor, quam durus, uel quare tam durus. Duris, hoc est: non de 
nobis, sed de duris dura, quae. uon molliuntur, generantur. Cotibus, 
saxis. Cotis fit deminutiuum “colicula’. 

v. 44. Mut Tmaros aut Rhodope, edit. Tmarus et Rhodope mon- 
tes Thraciae, pro habitatoribus dicil. Aut extremi Garamantes. Populi 
Africae in extremo mundi constituti. Aput eosdem autem Garamantes 
coniugia sine dilectu haberi et Zellanicus in chorografia testatur. Aut 
extremi Garamanles, idest populi Africae, apud quos dicuntur coniugia 
sine dilectu haberi. 

v. 45. Nec generis nostri nec sanguinis. Non ex nostris elementis 
generant, idest non ex nostro genere nascitur. Nec generis nostri, mire, 
quasi ex homine nalus sit Amor; inhumanum magis, quem ut ex dea 
natum et potentem testatur. Puerum, idest Cupidinem quem et Amorem 
uocant. Nec generis nostri puerum, idest non de nobis, sed de duris 
rebus el quae non molliuntur, Ainor generatur. Zdunt, generant. 

v. 47. Saeuus amor docuil natorum sanguine malrem. Incertum, 
quam matrem dicit. Plures enim hoc uocabulo dignae sunt; nam et 
Progne, Terei uxor, ob amorem Terei filium suum interfecit, et Medea 
suos filios propter lasonem interfecit; sed magis hanc dixisse accipiendum, 
quae damno coininunis sobolis ınarilum lasonem atfecit. Junilius dicit. 
Matrem , Progneın uel Medeam. 





v. 39 ‘Alter — attigeram? om. M || atigeram C || conuenimus (sic) B .: 
40 inm fragile C || 41 idest quemadmodum scripsi | idem quemadmodum 
(idé C) 1 || abstullit B [| ut pueri B [[ut idest mox, ut idest ualde, μὲ idest 
tunc uel quando (qm) € Ϊ set non amauisti scripsi | et non ama, iati 
B || in despectu scripsi | in dispeetum B || 43 Mic scripsi | hoc 1 [] difini- 
tionem C | difinicionem BI hoc est scripsi | hoc 1|| gerantur C || hoc non 
de nobis, sed de duris; dura quae non molliuntur, generantur M || di- 
minutiuum scripsi | diminutiue 1|| cotis fix C | an igitur ‘cos, cotis facit 
diminutiue c.’? || 44 aut tinaros 1|| hrodope B | rhodophe C || hedit 1 ;' 
'thrahiae B | trahie C || aput eosdem B | apud eosdem C || sine dilectu 
scripsi | sine intellectu 1 cf. infra | sine delectu M [| et Zellanicus scripsi ! 
&hlanicus 1 (sic) | Ethlanius M || in chorographia M | in torogrosia B | 
in corogrosia C || sine dileetu aberi B | delectu M || 45 helementis 1 |, 
mire C | mirae B || quam ut M || potentem dixit M || moliuntur B [| gene- 
ratur amor M || 47 pluses 1|] iucabulo B | iucabo C ||ob amorem scripsi ' 
ah amore I || atfecit 1} affecit M [| Commaeulare manus. medea enim 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 821 


v. 49. Crudelis et reliqua, interrogatiue. Mater, Medea, Acelae 
filia, regis Colchorum. Puer, Amor. Inprobus, inoportunus. Crudelis 
maler , Medea, Aectae filia. Ille. lason qui mortem filiorum petierat. 
Sensus est: sic me amor docet inepta facere, J7le puer, idest lason, 
cuius illa amore conpulsa est filios interficere, uel puer inprobus , Amor, 
qui tale facinus adduxerit. 

v. 50. Crudelis tu quoque mater. Omnia haec ad Amorem referun- 
tur crudelem. 

v. 52. Nunc el ouis et reliqua. Contrariis ıniscel aduersa, quibus ini- 
quam coniunctionem Nysae ostendat et Mopsi, et se despectum esse conue- 
nienter probat. Junilius dicit. Fugiat, imperatiue uel interrogatiue. Nunc 
el ouis. Sensus est: Nunc, inquid, fiat, quicquid contra rerum est naturam. 

v. 63. Mala. Fit *melum? et *malum?, ut: *melum crebra decer- 
pere manu. Narcisso, genus floris. Floreat, imperatiue. 

v. 54. Sudent, imperatiue. — Electra sucinum. — Myricae, genus 
arboris medicae. Electra, gemmae sucinae, quod genus uilis est; quamuis 
et nomen talenti est de auro et argento conflati. 

v. 55. Certent, imperatiue. Cycenis, cycnus a canendo. Vlulae, 
aues de ululaui dictae, cuius diminutiuum est *ulluccus', sicut Itali dicunt, 
quam auem Galli *cauannun? nuncupant. *Vlula? autem dicta est a sono 
propriae uocis. Sit Tityrus Orpheus. Talis poeta, qualis Orpheus, sit 
Tityrus. Orpheus in siluis, hic anadiplosis. Sit Tityrus Orpheus. Ti- 
tyrus uelut Orpheus polleat in carmine. Orpheus enim dicitur cithara 
siluas et saxa mouisse. 

v. 56. Orpheus in siluis, quasi inter pastores. Inter delphinas 
Arion. Arion poeta summus et citliaroedus, Methymnaeus natione, ab 
agone recedens in piralas incidit, et inpetrauit, ul sibi eodem habitu, 
quo in scaenam introire adsuesset , canere liceret, οἱ cantu cnm delphinas 
adlicuissel, in mare se praecipitauit exceptusque ab eis in terram perlatus 
est, dictusque Delfinius. Tunilius dicit. Inter delphinas Arion. Tityrus 
uelut Arion polleat in carmine; dicitur euim Arion cantu citharae delphinas 
aduocasse, quod tamen factum est, sed pro miraculo. 


aetae Colchorum regis filia ob (ab) amorem iasonis suos filios trucida- 
uit iuni? dicit Vossianus || 

v. 49 aete I || cholehorum 1 [|| inoportunus 1 || adduxerit scripsi | adue- 
xerit 1} 62 Nunc et uos C [| dispectum B | dipectum C || imperatiuae B !' 
Nun et ouis B || Sensus est: Nunc etc. scripsi | Nune — naturam. Sen- 
sus est quicquid B | unde post quicquid lacunam statuit M || 53 malum 


crepita decerpero C | decepere B; cf. praef. cap. XI || 54 succinum, succi- 
nae M || mirice B [| quamuis scripsi | quam ius] | cui uis M |] 55 cinis! || cic- 
nus B | cinenus C || cauan nuncupant M | cauaN nii B cf. Mommsen mus. Rh. 
XVI p. 446 not, et Diez lex. etym. II p. 248 s. u. Choe || Sit Tityrus B | 
qualis Orpheus, sit Tityrus. Sit Tityrus Orpheus M || anadiplosis sit 
tyrus B || Tytyrus, cythara B || 56 quasi inter pastores M | quasi pasto- 
rem ||| inter delphianas l |] eytharedus 1 || metbemneus 1|| in pyrata 1 |: 
eodem habitum 1 || in scaenam scripsi | in scena 1 || adsuisset 1 || dictus- 
que PDelfinius scripsi | sic et fineus 1 | Zygíni nomen latere suspicatur 
Wagner de Phil. II 17 || antu cytharae 2| Verba 'quod tamen — mira- 
culo? in B post *Inter delphinas Arion? posita transposui || 


822  H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 58. Omnia uel medium fiat mare. Prius diluuium optat, deinde 
uel medietatem mundi perire, uel omnia, inquid, confundantur; satius 
enim mihi est mori, quam haec perpeti. Omnia, etiam profundum? 
Omnia uel medium fiat mare. Prius optauit omnia, dein uel medietatem 
perire. Sunt enim insanienlis uerba prae amore uel indignantis. Yiuite, 
idest ualete. 

v. 59. Praeceps aerii, idest de specula alti montis praeceps in 
undas deferar. erii, excelsi. Specula de montis, de scopulo eminenti. 

v. 60. Deferar, optatiuo modo. Deferar, ad mortem. Extremum 
hoc munus, mortem meam, ut (Aen. 1V 308) *Nec moritura tenet crudeli 
funere Dido’, idest: sinis mori. Morientis habeto, uxor Nysa ucl Mantua. 

v. 61. Desine, idest: sit finis carminis et uitae, uel carminis fac 
finem, sicul et uitae. Desine. Petit a Musis, ut desinerent, quia postu- 
lata non procedebant. 

v. 62. Haec Damon. Poetae uerbum, quasi dixisset: *haec in per- 
sona eius dixi? Vos quae responderit Alphesiboeus, quae nunc dicet. 

v. 63. Dicite, insinuate, quae possim sub persona mea de eo can- 
tare. Pierides, inuocat Musas. Inuocalis namque Musis incrementum 
carmini suo tribuit. Omnia, similia. Possumus, nisi uos adiuuetis. Non 
omnia possumus omnes, sicul et Cicero dixit (pro Mur. cap. XXII): 
*Pauci unum possunt, utrumque nemo.’ 

v. 64. Effer aquam οἱ cetera. Alphesiboeus sub persona uxoris 
Daphnidis haec dixit. Zffer. Vxor Daphnidis dicit ad suam ministram, 
idest praesaga dicit ad Amaryllidam ministram , idest ancillam eius. Fit 
Amaryllis et Amaryllida. .Effer aquam. Vxor dicit ad suam ministram, 
quae nititur ueneficiis despicientem se maritum ad amorem reuocare. 
Vilta, sacerdotum infula. 

v. 65. Verbenas, genus herbae castissimae, uel ex loco sancto 
sumptae, ut Terentius et Junilius dicunt; uel uerbenas, oliuae ramos, 
uel carnes pingues, uel frondes; nam omnia quae uirent, “uerbenae’ 
dicuntur. Mascula, fortia, pro masculina. Mascula tura, quae in mo- 
dum testiculorum sunt. 

v. 58 uel omnia scripsi | et omnia 1 mihi mori M [| deinde M || 59 
de monti C || 60 deferat obtatiuo modo C || deferat B || ne moritura 1 |! 


i 

sinis scripsi | siuis B | sius C [| 61 fit finis M || desinerent M | desineret 
B || 62 haec in persona eius, eiecto *dixi? M || 63 prae possim C || Omnia, 
similia possumus nisi uos adiuuetis M || paucim impossunt B || 64 Da- 
phnidis haec dixit scripsi | daphni dixit haec dixit 1 | Daphni haec dixit 
M|| Zfer. Vxor Daphnidis dicit scripsi cf. sq. | uox daphnidis dicit 1 | 
uox Daphnidis. Dicit interpunxit M || idest praesaga dicit ad Amaryl- 
lidam ministram idest ancillam eius. Fit Amaryllis et Amaryllida scripsi 
et transposui | idest praesaga dicit ad ama fit amaryllis et amaryllida 
asyllidam ministram idest ancillam eius 1 | unde dicit ad eam. Fit etc. 
M | Postquam inter ad Ama et ryllidam inrepsit ‘Fit Amaryllis et Ama- 
ryllida?, *ryllidam? in *asyllidam? abiit | depicientem B || ad amorem M | 
calamorem B || 66 sancto M | sanctae I ||terrentius B || terremus C, cf. 
Andria IV 3, 11 et Thilo mus. Rhen. XV p. 131. Hoc addendum eis quae 
praef. p. 707 de laudatorum auctorum nominibus per conpendium cum 
commentatoribus coniunctis monui | Filargirius: V. g. h. c. sumptae ut ait 





H. Hagen: scholla Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 823 


v. 66. Coniugis , mariti idest Daphnidis. Sanos, non amantes; nam 
qui amant, aegrotant quasi morbo. Auertere, ut ament. Coniugis et 
reliqua, Forsitan et haee allegorice Cleopatrae Antonio iunctae conue- 
niunt, quae Caesarem odibilem habuit. P magicis sacris. Nunc uene- 
ficiis eum inuitat. . 

v. 67. Nihil hinc, post sacrificium conflatum. [Bene desperanti sunt 
carmina necessaria ut uel sic ducat ad consensum. ] Nihil híc nisi carmina 
desunt. Bene desperanti carmina sunt necessaria, ut uel sic ducat ad 
consensum. Desunt, figurate pro absunt. 

v. 68. Ducite, huc. Domum, idest ad domum meam, sed aduer- 
bium. Ducite et reliqua. Allegorice Virgilius hoc de Augusti uocatione 
ad Musam suam audiendam dicit. 4b urbe, idest Roma. Domum, Musam 
uel carmen. Daphnim, amatorem uel Caesarem. Daphnim, uel gene- 
tiue intellegendum, ut alii, quod sensum commutat. Daphnim. Virgilius 
mutauit nomen possessionis suae et eam appellauit Daphnim.  Ducite ab 
urbe domum, idest reducite ab urbe ad domum. Daphnim, hoc est ama- 
torem suum. Allegorice Virgilius loquitur ad sua carmina, ut ab urbe 
Roma ad suum amoren Caesarem Augustum adtrahant. 

v. 69. Carmina et reliqua, idest, non solum Daphnim, sed lunam 
ipsam deducere caelo possunt. Vel, saltim. Vel, etiam. Possunt, pro 
potuerunt. Deducere lunam, Pana dicunt deduxisse caelo Lunam car- 
minibus suis. Carmina uel caelo possunt deducere lunam, “possunt’ 
pro deducere potuerunt. Deducere lunam. Dicitur enim Pan de caelo 
Lunam carminibus deduxisse. 

v. 70. Carminibus ueneficiis. Circe, Solis filia, quae fertur uene- 
ficiis socios Vlixis in bestias uertisse. Socios mutauit Vlixis. Comites 
eius in sues conuersi sunt. Apparet quod orum constituta T Circe ista 
agit maleficia; uel Circe disputatoria erat, et qui adgrediebantur, illis 
illa asserebat: Tu ursus es, tu canis, quia nihil scis, et poetae acce- 
perunt quasi uere in feras uerteret, 

v. 71. Frigidus , nocens , uel quia frigidos morsus facit. llic sensus 
est: licet uenenosus sit, tamen frangitur carmine. Haec incantatores fa- 
ciunt. Cantando rumpitur , dum ei carminibus cantatur. 


Terentius ex ara: 'ex ara hinc sume uerbenas tibi? || Muscula tura, tura 
quae M || 
v. 66 odibilem habuit ct magicis sacris nunc ueneficiis eum inuitat M | 
eam inuitat B ||67 conflatum scripsi | confatum B | conlatum M || Bene 
desperanti M | bene desperanda B cf.sq. iterat. || uel sic ducat scripsi cf, sq. 
iterat. | uel sic abieat] | uel sic abigatM || 68 Daphnim amatorem scripsi | 
amore 1 || uel genetiue M | uel genitiae I || intellegenduin scripsi | legendum 
Ἰ cf. ad v. 85. Nescio quem iste genetiuum arioletur; num Daphnis pro 
Daphnin sibi legere uidebatur? cf. Ribbeck proll. p. 250 sq. N uisa S et 
p. 260 || reducite ab urbe domum M || 69 Possunt, pro potuerunt scripsi 
ro adferunt | ro deducere potuerunt scripsi | pro adposuerunt B 
icitur Pan M deduxisse scripsi | adduxisse B || 70 Carminus ueneficus 
C || in sues scripsi | in aues B || quod orum constituta N An: 'quod ad 
horum constitutionem? || ista M | iste B || illis M | illi B || acciperunt B |; 
71 morsus C | morsu B || uenenosus sis C || cantatur B] an incantatur? | 
canitur M || 








824  H. Hagen: scholia Bernensia ad Verglli Bucolica et Georgica. 


v. 72. Daphnim. Daphnis *laurus? dicitur latine, unde putatur 
Virgilius Daphnim pro sua possessione posuisse. 


v. 73. Terna, hostia quae lerna est. Tibi, Daplinis. Terna, nouem 
intellegimus. | .Diuersa colore triplici, tria alba tria rosca tria nigra. 
Terna tibi hagc primum triplici diuersa colore , quae nouem sunt, idest 
alba, rosea, nigra, omnia trinum numerum habentia, Triplici diuersa 
colore. Allegorice uarielas carminum. 


v. 74. Licia, quasi *ligia’, per quae ligantur stamina. Bene utitur 
liciis, quae mentem adolescentem alligant. Tergue haec altaria circum 
effigiem duco. Maec faciunt malefici facientes ueneficia, idest effigiem 
amatoris cireumferunt , unam ex ligno, alteram ex luto, tertiam ex cera. 
Haec altaria, quae in honorem Augusti consecrata sunt. Circum effi- 
giem, circum imaginem hacc uenelicia fiunt, quibus ad amorem premitur. 
Licia , quibus iunguntur stamina. 


v. 75. Deus, pro omnes dii. Inpare pro inpari. *Par? numerus 
aduersis conuenit, ut (Aen. I] 243): “Quater ipso in limine portae sub- 
stitit adque ulero sonitum quater arma dedero, quod excidio ciuitatis 
conuenit, el alibi (Aen. V 639): “En quattuor arae Neptuno?, quod arsuris 
nauibus conuenit; inpari uero numero deus gaudet. Zunilius dicit. 


v. 77. Necte. Nunc ad concubinam suam dicit. Tribus nodis, in 
augurium. Amarylli, uocatiuus casus. Amarylli, mulier. Ternos colo- 
res, idest laneos colores. 


v. (8. Amarylli, uocatiuus casus. El Veneris, Cupidinis uel Amo- 
ris. Veneris dic uincula necto. Cum ligare coeperis , amorem te ligare 
dicito. Veneris dic uincula necto, metro anapaestico in honorem Cupi- 
dinis consecrato. 


v. 80. Limus ul hic durescit et haec ut cera liquescit: *Limus? 
Daphnis, nos uero *cera’. Limus, terra mollis ex aqua soluta igni coqui- 
tur. lic sensus est: Sicut haec durescunt et liquescunt, sic Caesar 
mollescat amando nos et noster amor in eo durescatl, Limus ut hic du- 
rescit el cetera. Limus, terra mollis ex aqua solula, igni durescit eodem- 
que igni solis cera liquescit. 


v. 81. Igni, sole. Sic nostro Daphnis amore. Subauditur durescat 
el liquescat. 

v. 82. Sparge molam, inpone salem.  Ancillam uel concubinam 
alloquitur, uel collegam. Sparge molam, fragmenta molae, ut mittas 


 ——- —M— — 


v. 72 Ante * unde putatur! uidentur aliqua intercidisse quibus eius 
denominationis causa ostendebatur || 73 tria rosea tria regna C || Terna 
tibi hae B || idest alba M | idest ab B || 74 quasi ligia scripsi | quasi 
ligna 1 | quasi ligamina M || quae M | qua 1 || mente C IFeircum figiem B | 
circum frigiem C [| cireum fuerunt 1 [| quem in honorem 1 || fiant 1 || pre- 
mitur seripsi | puenitur 1 | peruenitur M || 75 en IIII aras B || 77 Necte 
om. M || Tribus modis 1||lanes, corr. laneos B || 78 uocatiuus casus est. 
Veneris M || uincula dic 1|| 80 remollescat M | mollescat B | molescat C 
81 ‘Sie nostro — liquescat' om. M || 82 inpone salem scripsi | inpone 
laborem 1 [| colligam 1 || fragmenta molae scripsi (an *mole??) | fragmenta 


ur 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 825 


in ignem, uel molere debes, cum ignis ardet. Fragilis, flexibilis, idest 
quae possint eum flectere. Bitumine. Bitumen de fulgore nascitur, quo 
naues unguntur.  Bifumine, quod glutinat et ardet, ut glulinetur et 
ardeat. Zauros, laurus, in quam Daplınis conuersa est, dum Apollo eam 
sequeretur. 

v. 83. Daphnis me malus urit, amore. ἔσο hanc, aduersum. 
In Daphnide laurum, idest uro, ut urat eum hoc. . 

v. 85. Daphnim, genetiuus in forına accusaliui. Qualis cum fessa 
iuuencum. Eleganter rusticus amorem suum pecoris amori comparauit. 
lunilius dici.  Juuencum, taurum. Eleganter amorem suum rustica 
amori pecoris comparauit. 

v. 86. Quaerendo bucula. Sic discurrimus quaerentes Caesarem, 
ut bucula. Bucula, uacca uel uaccula. 

v. 87. Propter, iuxta. Aquae riuum, illum sperans.  Viridi, her- 
bosa. In ulua, in ualle, uel uiua, herba. Hae sunt parabolae de amore. 

v. 88. Serae, tardae. Nec meminit decedere , scd manere. 

. v. 89. Teneat, optatiuo modo. Talis amor teneat, subauditur ‘nos’ 
uel ‘te’. Nec sit, pro sit ... ... ... Cura, ablatiuus uel nominaliuus. 
Mederi, sanare. Mederi, illum. 

v. 91. Exuuias. Exuuiae uesles dictae ab exuendo. Zxuuias el 
reliqua. Pastor de puero dicit, poeta de collega, Medea de fratre suu, 
Virgilius de Octauiano Caesare, aut mulier de amalore suo dicit. Ex- 
uuias , allegorice, pars agri quae secum remansit. Perfidus, malae fidei. 
Perfidus, idest dignus magicis carminibus dum perfidus sit. Junilius dicit. 

v. 92. Pignora cara sui. Pignora rerum, pignora liliorum. Licet 
relicta est, cara eius pignora confitetur. Zimine in ipso, sub limine 
depono, idest in loco sacro uel in templo Vestae. 

v. 93. Terra, tibi mando. Terra, Vesta, dea terrae. llic sensus 
est: dona quae dedit inihi, tibi do, ut eum ducas ad me. Debent , idest 
reducere haec pignora Daplinim, ex quibus maiora speraui. 

v. 95. Has herbas, idest has arles et haec auguria. 

v. 96. Moeris, huius rei peritissimus. Moeris, magus pertissimus 
in magica arte, pastor quoque et tutor. llic Virgilius de magica arte 
loquitur. 


molle 1 | fragmentum molle M || fragiles flexibiles M || quae M | quo B | 
unguntur B | iunguntur M || quod glutinet B || ut glutinetur et ardeat Bj 
ut glutinet et ardeat M || Lauros, laurus scripsi | lauros B | Apollo eam 
M | apolline B || 

v. 85 genitiuus M || rusticus om. M || comparat M || eliganter B | 
amorem M | amatorem B || rustica B | rusticus M. Daphnidis uxor in- 
tellegenda || 87 Hac scripsi | hic B || parabolice M || 89 Nec sit, pro sit ... 
scripsi et lacunam statui | prosit M | sanare scripsi | sanari δ ἢ Mederi, 
illum om. M || 91 Pastor de puero dicit, pocta de collega otc. scripsi | 
pastor de colliga de puero dicit B cf. ad v. 109 |] allegorice om. M || 92 
Licet relicta est (uel sit) scripsi | relictus licet B || pignera, semper B : 
98 Terra Vesta M | terra uestra B || maiora speraui] scilicet quam ex 
ceteris ueneficiis || 95 as artes 1|| 96 de magica arte M | magica arte B ; 
Ponto, orientalis regio C || 


T 


826 H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergill Bucolica et Georgica. 


v. 97. His ego saepe lupum fieri. Mis herbis, per has herbas Moeris 
se lupum faciebat. Lupum fieri, inter feras ambulantem. Et se condere 
siluis, non agnosci. Efficacissima carmina exemplis ostendit, et forsitan 
per liaec possim deducere te. 


v. 98. Saepe animas excire. Reuocabat his herbis in uitam animas. 
Excire, commouere. JImis sepulchris , quia in sepulchris conduntur. 


"v. 99. Salas, segetes; "seges? interea et ipsa terra dicitur et quod 
continet ferra. 4lio, aduerbium. Traducere, decipere, a propria ferti- 
litate remouere messes iam in culmum turgentes. 


v. 101. Fer, effer. Fer, ministranti dicit, idest uxor. Amarylli, 
concubina uel ancilla. 


v. 102. Transque caput. Hoc augurium est et ueneficia, quibus 
ad amorem traxit alios. Mos enim apud ueteres fuit auguria semper obser- 
uari. Nec respexeris, ne forte respiciens aspiclas maiestatem. His, 
ueneficiis. 


v. 103. Daphnim adgrediar , illi insidiabor. 4dgrediar , idest car- 
minibus. Sic hoc dixit quasi aduentu eius quaedam carmina dictura sit, 
dum ille sacrificium despexit. Hoc dicitur Ciceroni ab uxore sua con- 
tigisse. 

v. 105. Aspice, forsitan ancilla dicit. Corripuit, inuasit. Tremulis, 
crispantibus. Altaria. Altaria dicuntur et quac continent et quae conti- 
nentur in eis. 

v. 106. Sponte sua, sine igni, subito ex ipsis cineribus flammae 
arserunl, Dum ferre moror. Ferre, efferre proicienda. Cinis ipse, tan- 
tummodo. Bonum sit, ul bonum sit, uel credo, quod bonum erit. 

v. 107. Nescio quid, nonne, prae gaudio. Certe, uerum. Hylas, 
nomen canis. Conuenit hic fieri canis mentionem. In limine latrat. La- 
tratus prae nimio gaudio figurat domini aduentum. 

v. 108. Credimus. Verum esse credebam. din qui amant ipsi sibi 
somnia fingunt. Quia qui amant, quae cupiunt, ea uident. Fingunt, 
idest sibi somnia fingunt, idest, mihi ostensum est per hoc augurium, uel 
in somnio. 

v. 109. Parcite et reliqua. Pastor de puero suo, uel Medea de 
fratre, uel poeta de collega, uel de Caesare haec dicit. Parcite. Hic non 
dixit *desinite? ; qui enim desinit finem facit; qui uero parcit, suspendit 


v. 97 Et se consedere B || Nam agnosci M || 98 his herbis C | his 
erbis B || 99 continet terra scripsi | continetur B | fertilitate scripsi | 
festiuitate B || turgentes] an surgentes? || 102 capud 1 || traxit B | contraxit 
C || uetere C || obseruare M || ne forte respiciens aspicias scripsi | ne forte 
respicias B || 103 Sic hoc scripsi | sicut hoc 1]| aduentum M || dictura sit 
scripsi | dixerat ] [| dispexit 1 || Ciceroni] cf. ad G. IV 385 || 105 Tremulis — 
continentur in eis om. M| Alterum *alteria? addidi || 106 arserunt scripsi 
arserint 1|| 107 prae gaudio scripsi | pro g. 1|| canis mentionem scripsi 
canem 1|| figurat M | figura B | 108 somnio M | somno B || 109 de colliga 
|| non dixit “desinite? scripsi | non dixit desine 1 || agebat Philargyrius | 
agat 1} Desine ita defendit Wagner de Phil, II p. 7 ut ad uersum inter- 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 827 


quod agebat. Zunilius dicit. Parcite, desinite augurium facere. Venit, 
quasi dixisset: scio eum uenturum ad nos , cum sic ignis erupit, 


EcLocA IX. 


Virgilius hanc eclogam in honorem amicorum suorum scripsit. Hoc 
genus carminis δραματεκόν ucl μεμητικόν dicitur. Haec ecloga in Gallia 
canitur uel in Hispania, et in agro canitur ut (v. 1): “An quo uia ducit 
in urbem.? In hac ecloga personae Il introducuntur , quae inpari numero 
epigrammatum decurrit. Haec ecloga proprie bucolicon. In hac ecloga 
personae duorum pastorum in uia fortuitu conuenientium et fugientium 
milites et alloquium atque consilium habentium historialiter intimandae 
sunl. Junilius dicit. In hac ecloga Moeris, idest Virgilius, fingit se ad 
querelas iturum Romam; nam cum Claudio quodam milite, communem 
agrum possidebat, a quo paene fuerat occisus. Quidam autem dicunt, 
primitus agros ab Pollione Virgilio redditos; postquam autem Varus suc- 
cessit Pollioni, adempti sunt. llinc Romam pergit, et Cornelius adque 
Macer illi consilium dant, sub quorum persona hanc eclogam texit. Alle- 
gorice Lycida Cornelius Gallus, Moeris Virgilius, uel amicus eius aequalis 
uel Aemilius Macer intellegitur. 

v. 1. Moeri, uocatiuus casus. Quo te, Moeri, pedes, subauditur 
ducunt. Alii dicunt: moris, equus uelocissimus Saracenorum, quem 
interdum. accipi potest: Quod Emori pedes, idest, utinam quattuor, ut 
me in urbem cito ueherent ad accusandum Cladium. Hoc tamen non cre- 
dendum est. An quo uia ducit, interrogatiue. In urbem. Forsitan hoc 
in Gallia dicit. 

v. 2. Lycida, uocatiuus casus. Viui, uix uiui. Peruenimus, eo 
peruenimus. Aduena, idest Cladius, non ut alii Varum uel Arium cen- 
turionem dicunt. 

v. 9. Quod numquam uerili sumus, malum inopinatum, ut Dido 
(Aen. IV 419): *Iunc ego si potui tantum sperare dolorem’. Possessor, 
Cladius. Agelli, uicus Virgilii; ager, agellus. 


calarem (Desine, ab urbe uenit etc.) referret (cf. v. 61); sed carmina 
pluralem numerum requirebat. De metro non cogitabat Iunilius, cf. 
Schol. sq. 

EcLoaa IX. μιμητικὸν M | meticon 1 || in ispania C || personae II 
introducuntur seripsi | ersone introducuntur | : decurrit C | decurrunt 
B cf. argum. ecl. V, VII, VIII || iturum | B || pene B || sub quorum 
scripsi | et sub quorum B | et sub horum M || cornilius B semper || Lyci- 
das M [| amicus eius aequalis scripsi | amicus el qualis B || 

v. 1 *Alii dicunt Emoris — credendum est? in C bis adsunt. De 
his ineptiis cf. praef, p. 710 || quod 1 (idest quot) || ueherent B | uehe- 
menter C || acusandum C || gladium 1| Claudium M, semper | Cladium 
scripsi quia in sequentibus quoque semper ita hoc nomen scribitur in 
cod. | in urbem om. M||2 licida, semper B || Peruenimus, eo peruenimus 
scripsi | Peruenimus sepe imus B 


R98  H. lagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 4. Veteres migrate. Quoniam repugnare non possumus, cedi- 
mus. Zunilius dicit. Coloni. Quondam domini, nunc coloni. 

v. 5. Quoniam fors omnia ucrsat. Allegorice clamor laetitiae mili- 
taris. Fors, fortuna. 

v. 6. Hos illi, Cladio uel Ario. Nec bene, ei proficiat. Quod nec 
uertat, nec ueniam mereatur. Bene *mittimus haedos? pro portamus dona. 

v. 7. Certe, tuo ingenio audieram agros restitutos. Qua se sub- 
ducere colles, in procliuium a summo usque in imum. Hic terminat 
agruin Virgilii. 

v. 8. Mollique cliuo, ripa Mincii. Cliuo, aequae descensionis colles. 

v. 9. Vsque ad aquam, Mincii. El ueteris iam cl reliqua, idest a 
lacu usque ad arborum fines possessiones Virgilii dicit. Fracta cacumina, 
fagi quia alta franguntur. 

v. 10. Omnia, supra scripta loca. Carminibus, ac si diceret: nonne 
carminibus agrum suum seruauil? — Vestrum seruasse Menalcan. Hic 
sensus est: Menalcan, idest Virgilium, seruasse agrum a monte usque ad 
aquam el ab aqua usque fagum. 

v. 11. Audieras, idest reddi. Zt fama fuit, idest fama tantum 
fuit. Sed carmina tantum, pro nihilo habentur. 

v. 12. Valent, solaciant T. Lycida, uocatiuus casus. Tela inter 
Martia, idest inter uim militarem, hoc est tumultum Vari uel Cladii. 

v. 13. Chaonias, idest de nemoris nomiue, quod est in Epiro ; uel 
Cliaonia regio in Epiro. Dicunt, ualere. Chaonias columbas, Dodonenses, 
quia ibi a quercu per ipsas responsa dabantur. 

v. 14. Quod nisi me quacumque, subaudi *ratione?. Quod nisi me, 
idest nisi praescirem augurando. Notwas, inauditas. Incidere, deuitare. 
Quacumque, quoquomodo. Zites, militares ucl /ifes, Cladii uel Vari de 
agro communi, qui uolebat Virgilium occidere. 

v. 15. Sinistra. Qualluor genera augurii: antica postica sinistra 
dextra. Cornix, auis quae cantare solet augurantibus. 

v. 16. Nec tuus, amicus. Moeris, Macer. Nec uiueret ipse Me- 
nulcas, quia paene occisus est Virgilius. 

v. 17. Heu, interiectio dolenüs. Cadit, congruit. Heu cadit in 
quemquam tantum scelus, ut occideret Virgilium. 

v. 18. Solacia. Tecum uel carınina rapta essent, Menalca, Virgili. 
Solacia rapta, solacia carminum rapta nobis essent. 


v. 5 laetitiae 1] an licentiae? || 6 uel ario 1| uel Varo M | Nec bene, 
ei proficiat scripsi | ne ei bene proficiat 1 | Hacc post 'Varo' subiunxit 
M I tuo ingenio M | tua ingenio 1||8 Cliuo, aequae descensionis colles 
scripsi | Cliuo eque discensio VII cursus B | acqua descensio VII cursus 
M cf. ad Georg. III v. 293 not. || 0 hac si diceret I || e monte M || 12 
Valent, solaciant T] An sauciant? cf. ‘tela inter Martia? || 13 Dicunt 
ualere Chaonias columbas etc. M || dedonenses B || 14 Quod nist me qua- 
cumque, subaudi ratione scripsi cf. Seru. | Quod nisi me subauditur dico 
] || auguriando 1]| uel lites B | uelitis M || 15 antiqua C || destra C || aues- 
que cantaret solet auguriantibus B || 17 Heu C | En B || Cadit, congruit 
om. M || occideret scripsi | occiderit B [| 18 Tecum uel scripsi | Macrus 
uel 1|| solatia M || rapta nobis scripsi | rapta a nobis B |] 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 829 

v. 19. Caneret, cantarel. Quis caneret Nymphas, quis Bucolica 
faceret? Subauditur: 'nemo’. Humum, per carmina. Quis humum, 
Georgicon agriculturam caneret? 

v. 20. Aut uiridi fontes induceret umbra, arbores fontibus. 

v. 21. Sublegi, subduxi. Pel quae sublegi. lloc Cornelius ad Ma- 
crum de Virgilio dicit. Hic sensus est: Has ipsas odas, quas tibi recitaui, 
cum Romam ires. Jurilius dicit. 

v. 22. Cum te, o Menalca, idest Virgili. *Amaryllidas? metri causa 
excluditur. Amaryllida, concubina amborum, idest Virgilii et Lycidae, 
uel Roma. Ad delicias nostras, Romanas; nostrae deliciae sunt successus 
Romanorum. 

v. 23. Tityre, qui oues pascit, Tityrus est. Zityre, ad aliquem 
suorum dicit. Hoc est, hos tres uersus ex persona Virgilii cantat Lycida, 
idest Cornelius. Imperium ouium Virgilius mandat alicui suorum. Dum 
redeo, breuis est uia, pasce capellas. Virgilius loquitur ad pastorem: 
non abfuturus sum longe. 

v. 24. Et potum, ad potandum. Zt potum pastas age. Monel ne 
quid contra Alfenum Varum diuisorem agrorum faciat, ne asperiorem 
reddat, quia necdum per liuius Vari seu Tuccae intercessionem liberatus 
est, cum per carbonarias fugeret. Junilius dicil. Zt inter agendum, 
quasi, iter dum agis. 

v. 25. Capro, militi. Cornu, gladio. Cornu ferit ille caueto. 
Militem caue, gladio enim tangit. Transfigurate loquitur. 

v. 26. Immo. Quasi alius, se occiso, hoc cantaret, el hos tres uer- 
sus, ul priores, de se ipso cantauit, Haec, carmina. Necdum perfecta, 
scripta, sed mediata. Canebat, Menalcas. 

v. 27. Vare tuum nomen. Commemoratio Vari. Superet, impera- 
Liue. Tuum nomen, superet modo Mantua nobis.  Excellentior nobis 
Mantua, sed sicut Mantuae, sic tuum nomen a nobis canetur. 

v. 28. Mantua, uae, subauditur *tibi?. 

e v. 29. Cantantes cycni. Allegorice poetas Mantuanos dicit, qui 
quasi cycni cantant, qui acti sunt de paludibus idest de agris suis. Man- 
fua uae et reliqua. Quando Creinonenses contra Augustum Antonii copias 


v. 19 agricylturam caneret scripsi | agrieulturam tenentem B || 21 
odas quas] quas om. M || ires M | inies | || 22 Amaryllida idest M || dili- 
ciae B || 28 ad aliquam 1 || hos tres uersus ex persona Virgilii cantat 
Lycida, idest Cornelius, Imperium ouium Virgilius mandat scripsi | 
hos tres uersus imperi huius uirgilius mandat alicui suorum si cantet 
lycida idest cornilius 1|] imperium Virgilius M || si cantet. Lycida M; 
cf. ad v. 39. 46 || abfuturus M | affaturus B || 24 per carbonarias M cf. 
Beru, E. IX v. 1 *fugit in tabernam carbonariam? | per cardinarias 1 || 
Coterum uerba: ‘Monet — fugeret? ad v. 25 pertinere lemmatisque "Et 

otum pastas age’ explicationem intercidisse patet, unde ante * Monet? 
acunae signum statuas [ 26 sed mediata (idest dimidiu) B | meditata 
M || 27 a nobis canetur scripsi | et nobis claret B || superet, idest rema- 
neat C || 29 cieni M || cantant qui acti sunt de paludibus idest de 
agris suis. Jfantua uae et reliqua. Quando Cremonenses etc. scripsi et 
transposui | cantantes. Mantua uae et reliqua. qui acti sunt de palu- 


830 TI. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 
susceperunt, agros eorum diuidi iussit Caesar, cuius mali partem inique 
perpessi sunt Mantuani. Vis enim regni fecit indignationem poetis; inde 
allegorice per pastorum decem colloquia poeta lamentatur. Hucusque 
Isidorus dicit. Sublime ferent, nomen Vari, allegorice Caesaris. Cycni, 
poetae Mantuani. 

v. 30. Gryneas, Corsicas. Junilius dicit. Examina, apes. Fugiant 
examina taxos. Hic ostendit, habitatores Mantuae fugisse ab ea, sicut 
apes effugiunt taxos. Taxos, arbor apibus uenenata, amaros flores ha- 
bens et mel amarum, uel animalia suiiia T quae offendunt apes. 


v. 31. Cytiso, genus herbae uaccis odiosae. Distendant, dilatent. 


v. 32. Et me fecere, idest cum errarem in monte, ut alii. Poetam, 
propter ingenium. 

v. 33. Pierides, Musae. ] 

v. 35. Nam neque adhuc, idest necdum talis sum, qualem promt- 
serunl. Paro et Cinna, ablatiui casus. Cinna, optimus poeta Antonii, 
qui et Anser nominatus est, uel qui *auis* nomine dicitur. 

v. 36. Argutos, canoros. Argulos inter anser olores, inter olores 
canoros anser. 

v. 37. Voluto, cogito. 

v. 38. Meminisse, cantare carmen Lycidae. - 

v. 39. Huc ades. Nic allocutio est. Zuc ades o Galatea. — Hos 
quinque uersus Macer ex persona Virgilii dicit, uel Tucca; Nympham ad 
se uocat. Galatea, filia Nerei, quam Cyclops Polyphemus adamauit, quae 
allegorice Mantuam significat, uel Polyphemus eam uocat historialiter. 
Quis est nam, magnus ludus. Canit maris aduersa. Et hoc in honorem 
Mantuae dixit. 

v. 40. Hic uer, et reliqua. Ingentia munera promiltit. Purpu- 
reum, florens. Hic flumina circum. llyperbaton. Hic, anastroplie est. 


v. 41. Hic candida populus aniro, adiuncta Mincio, ut (Ecl. VII, 
66): *Populus in fluuiis". 
v. 42. Lentae, flexibiles. 


dibus idest de agris suis quando cremonenses B || susciperunt B || agros 
scripsi | et agros B || Vis enim scripsi | ius enim B || lamentatur hncusque. 
Isidorus dicit M || 


v. 30 grineas l|| effugiant M || suilia T] An uilia? similia? futilia? 
cf, ad E. X 77 || 31 cithiso B | chithiso C || dilatent scripsi | deui- 
tant B || 32 cum errarem scripsi | cum erraret B || ut alii poetam 
propter ingenium M [| /ncipe idest canere C || 35 nec ! || qualem (sic) 
1 || 36 Argutos inter[strepere] anser M || 89 hie ad locutionem C || 
ex persona C | ex psona B \ uel Tucca nympham ad se uocat M || filia 
Nerei]. Nerei addidi || ciclops C | ciclos ps B |] pholiphemus 1[| quam 
ciclops pholiphemus eam uocat historialiter C || Quis est nam, magnus 
ludus. Canit maris aduersa scripsi | quis est nam magnns ludus can- 
tauris diuersa B | Quis est nam ludus in undis, diuersa M || dicit M || 40 
Hyperbaton. ic, anastrophe est scripsi | Hic yperbaton anastrophe est 
B | Hic hyperbaton anastrophae est k |] 41 ut: *Populus in fluuiis’ sup- 
pleui | ut populus 1 || 





H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 831 


v. 48. Huc ades, o Galatea. Insani, rapldi magni. Sine, impera- 
tiue, idest: sine locum tuum, uel sine hic esse. 

v. 44. Quid, idest et cetera carmina, hoc est siue ob interitum Sa- 
lonini, siue ob iacturam ciuium tuorum. Pura, splendida candida. 

v. 46. Daphni, uocatiuus, o Caesar. Hos quoque quinque uersus 
Gallus ex persona Virgilii canit, sicut alios priores. Daphni, quid anti- 
quos et reliqua. Hic sensus est: O Caesar, quid antiqua regna consideras, 
quia nullus tibi comparabitur. Suspicis, consideras, idest susum aspicis. ^ 

v. 47. Dionaei, a Dione, Veneris filia, ex qua Caesar originem du- 
cere gloriabatur. Processi, imperare coepit. Astrum processit. Hic 
astrologiam tangit, quia quaedam astra cum regni principio oriuntur, ut 
dicunt astrologi. Astrum, regnum imperium. 

v. 48. Caesaris astrum, astrum quo segetes. lic anadiplosis est. 
4Astrum, Gai Caesaris qui instituerat heredem imperii. Segetes, arua. 
Gauderent frugibus, urgent, maturae fiunt. — Quo segetes gauderent 
frugibus οἱ reliqua. Regnum Caesaris laudat in quo omnia bona futura 
sint. 

v. 49. Duceret, acciperet. Apricis, calidis. 

v. 50. Daphni, o Caesar. Insere piros et reliqua. Nunc Caesarem 
monet de statu regni, indicans quod nepotibus proficiet, uel longaeuus eris 
ut uldeas nepotes tuos. 

v. 51. Omnia fert. Waeret uerbo Lycidae (v. 32): *Incipe si quid 
habes", et nunc dicit se non posse cantare propter inminens periculum. 
Aetas, iuuentus. Animum, fortem. 

v. 52. Cantando, carmina. Puerum, Daphnim idest Caesarem. 
Memini me condere soles, tota die canebam. Zongos condere soles, dies 
finire magnos. 

v. 53. Nunc oblita mihi tol carmina , inpossibilia sunt prae graui 
periculo inminenti. Voz quoque et reliqua. Hic rusticam fabulam tangit, 
quia uox pastoris obruitur, si prius eum lupus uiderit, quam ille lupum, 
ac si diceret: Non possum cantare quia me tempestates obruunt. 

v. 55. Sed tamen ista satis referet, allegorice haec pericula, uel 
quae possim cantare. Tibi, Lycida. Menalcas, siue Virgilius siue amicus 
eius. 

v. 56. Causando, causas diuersas neclendo, In longum, per lon- 
gum. Ducis amores, recusas cantare. 








v. 44 carmina. C | crimina, corr, carmina B || salomoni C || candida. 
M | canda B||ob iecturam 1 || 46 antiqua signa coniec. M sed cf. ad 
v. AT|| dursum adspicis M || 47 gloriobatur 1 || 48 heredem imporii] an 
hereditatem? || 50 insere idest planta C || 61 inminens M | eminens | || Aetas, 
iuuentus scripsi | Hactas inuentus D | Hie aetas iuuentus M | δὲ magnos 
M | magnus B || δὲ prae graui scripsi pro grani 1||inminenti M | emi- 
menti 1 || ac si diceret (usitata formula) scripsi | hac si dici B | ac 
dicat M || 55 referet, allegorice scripsi | refert 1 (alligoricae B) | unde: 
Sed tamen ista satis. Refert eto, M || δῦ causas diuersas noctondo uel 
exeusando. Ducis, pro trahis C || amore recusas cantaret B || 





832 Il. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 07. Et nunc omne libi et reliqua. Nunc obicit suauitates pluri- 
mas, pro quibus cantare debeat, et dicit omnia uelle audire. Stratum, 
quietum. 

v. 09. Media, ad urbem. 

v. 60. Bianoris. Bianor filius Tusci qui et ipse Mantuam condidit, 
animo et corpore fortissimus agricola; inde Bianor dictus est, sed postea 
deus erat, hoc est: forsitan adiuuet fe cantantem. 

v. 61. Agricolae stringunt frondes. Hic sacrificant ut adiuuentur; 
uel tecta sibi faciunt. ic, Moeri, canamus, inuicem nos delectemus. 
Canamus, subauditur, ut adiuuemur. 

v. 69. Tamen ueniemus in urbem. Licet bonum sit hic, tamen ea- 
mus in urbem. Zic haedos depone, allegorice uersus canta. 

v. 63. Pluuiam ne colligat ante, ueremur, inminentem pluuiam. 
Pluuiam, tempestatem, allegorice periculum. 

v. 64. Licet usque, iugiter. Minus, non. 

v. 65. Hoc te fasce leuabo. llic sensus est: non debes laborare in 
cantando. Fasce, onere. Leuabo, exuam, releuabo, leuiorem reddam. 

v. 66. Puer, Lycida. Agamus, ambulemus. 

v. 67. Ipse, Daphnis idest Caesar. Canemus, futuro tempore cane- 
mus, quia non nunc possum cantare prae grauitate periculi, sed praesente 
illo melius cantabo. 


EoLoaA X. 


Ilaec ecloga in honorem G. Cornelii Galli, amici Virgilii, scripta est, 
de quo Eusebius dicit: *G. Asinius Gallus, orator, Asinii Pollionis filius, 
de quo Virgilius meminit. Ilaec ecloga quibusdam in Arcadia posita ui- 
detur ideo, quia dicit (v. 14): *Pinifer illum etiam sola sub rupe iacentem 
Maenalus et gelidi fleuerunt saxa Lycaei. In hac ecloga solus poeta lo- 
quitur. Ilaec ecloga non proprie bucolicon. lloc genus carminis &&nyn- 
τικόν dicitur ue] ἐπαγγελτικόν. Junilius dicit, Ilaec ecloga in agro ca- 
nitur ut (v. 7): “Dum tenera adtondent simae uirgulta capellae? In hac 
ecloga tantum ordo ostenditur dicendo: *Extremum?; tamen per hoc coni- 
cere possumus, naturalem ordinem in his esse. Poeta hanc eclogam 
de zelu cum laude + ad Gallum camit. Incipit ecloga decima de desiderio 


v. 07 Stractum B || 58 Murmuris aurae, idest procellae maris C || 60 
filius tucci B || te post *adiuuet? addidi || hoc est forsitan: adiuuet can- 
tantem M || 61 ut adiuuentur scripsi | et adiuuentur 1 | uel adiuuantur 
M || delectemus M | deleremus B [| 63 inminentem pluuiam B | in mente 
pluuiam C | inminente pluuia M || 65 exunm scripsi | exultabo 1 || 67 
Daphnis est Caesar M || prae grauitate scripsi | pro grauitate B || can- 
tabo M | cantando B || 

Ecroaa X. Haec C | hac B||de quo eus B | de quo eius C | Euse- 
bius Vsener | de Isidoro cogitat M | Eusebius dicit] Hieron. Ol. 198, 9 | 
*cuius etiam Vergilius meminit? Hieronymus. Pertinent autem haec Euse- 
bii uerba potius ad eclogam IV || pinnifer 1]| bocolicon exigiticon epan- 
gelticon B || simeae B || de zelo cum laude] Videtur subesse de zelo 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 833 


Galli circa Voluminiam Cutheridem meretricem, quam Lycoridem dicit. 
Conquestio cum Gallo de agris. llic titulus allegorice loquitur. Cum 
Gallo. Mic est Gaius Asinius Gallus orator, Asinii Pollionis filius. 

v. 1. Arethusa, Nympha, dea carminis. 

v. 2. Gallo, poeta Antonii. Sed, antiquo uocabulo. Zycoris, pro- 
uincia, uel meretrix, quam Gallus adamauit, quae contempto eo Caesarem 
est secula. 

v. 3. Neget, interrogaliue. Quis carmina Gallo, meritis eius. 

v. 4. Labere, pro laheris, idest curres. Sicanos, Siculos. 

v. 5. Doris, lluuius Doris, mater Nympharum et maritima Nymplia. 
Ex nomine itaque eius mare appellatur, quia et aqua cius amarior est 
mari. llic sensus est: Non te inpediat ullus neque mare, sub quod fluis, 
quia tu scis, quid sit amor, dum modo adinues me cantantem de amore. 
Vel ad Caesarem et Virgilium intellegenda sunt. Amara, salsa. Fndam, 
aquam marinam. 

v. 6. Incipe, semet ipsum imperat, uel L 

v. T. Atlondent, pascuntur. Simae, presso naso, ut: 'simae? ... 
uel simae, graecum, idest capellae. 

v. 8. Respondent omnia siluae. Montes enim reciprocam emittunt 
ex echo uocem. Tucusque praefatio. 

v. 9. Quae nemora, inuocatio. llinc incipit narratio. 

v. 10. Naides. Nymphae fontium, si simpliciter; si proprie, Oreades; 
idest Nymphae montium, hoc est: ubi fuistis non me adiuuantes allegorice 
nel Gallum. Indigno, magno hoc est inpari, quia amans contemnebatur. 

v. 11. Parnasi, mous Thessaliae. Nam neque Parnasi οἱ reliqua. 
Maec omnia allegorice pro Nymphis in eis habitantibus dicuntur, uel au- 
ditoribus consolantibus. Pi; Pindus mons Thessaliae. 

v.12. Aoniac, mons Boeotiae. Aganippe, fons Thraciae. Junilius dicit. 

v. 13. Myricae, genus fruticis paruae. 


























Lycoridis || EGLOGA B || CVTHCIDEM B [| QVM B || LICORIDEM 
B | Verba: *Ineipit — de agris? titulum eius eclogae. qnalis est in 
Vergili uersibus inscriptus, repraesentant [| Hic titulns allegorice loq 
tur scripsi | Hic tylus etc. B | Haec ad nonissimum titulum qui est: 
*Conquestio cum Gallo de agris? apectare patet || Asinii Pollionis filius] 
filius addidi | 


v. 2 Gallo, pocta Antonii sed antiquo nocabulo M || Liquoris B Ι 
4 cures] curris B || Siculos] sycilicos B | sicilios M || 5 amaior est C . 
inpedist C | impediat B || dum modo scripsi | dum non 1||6 Incipe me sc- 
met C || 7 Sime B | Simene C || Post ‘nt simae" uidentur nonnulla excidisse: 
nam citari locum patet || 8 Montes enim reciprocam emittunt ex echo uo- 
cem scripsi | montes enim reciprocani aemittunt ex echo uocem B | reci- 
procum remittunt ex echone uocem M || 9narratio uel interrogatio C [| 10 
oriades 1 || montium M | fontium 1 || allegorice" post *hoc est? colloenndum 
uidetur || /ndigno, magno] magno om. M || 11 Parnasi mone C |] thesaliae 1 | 
eonsolantibus scripsi | considerantibus B || thesaliac B | 12 Aonine mons I 
fons M bis || Aganippel | Aganippae M , monstratine | ; Iunilius dicit om. 1 
Villa aoniae mona boactiae agamiphae mons trano T pärnuni boctine. pindi 
traciae ot aganiphao similiter ut /unilins dicit Voss. || 13 fructicis parue B | 


Jahrb. f, class, Philol, Suppl. Rd, IV Ilf. 5. o4 




















834 II. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 14. Sola, deserta. Sola sub rupe iacentem, prae nimio amore 
contemptu atque odio hominum captum in solitariis locis iacentem. 

v. 15. Maenalus, mons Arcadiae. Gelidi, frigidi. Lycaei, mons 
Arcadiae. 

v. 16. Oues, auditores allegorice. Nec paenitet illas, aliter non 
consolabantur te, pastor, uel de se, uel Gallum, si Gallus amens erat. 

v. 17. Nec le paeniteat. Allegorice: non erubescas Bucolica scri- 
bere. Pecoris, poematis. Ditine poeta. Gallus optimus poeta fuit. 

v. 18. Adonis, pastor uel aliquis poeta. 

v. 19. Opilio. “Opiliones’ dicuntur haedorum pastores, uel *opilio- 
nes? magistri ouium dicuntur. Junilius dicit. Venere, uenerunt. Tardi, 
uenere Subulci. Pastores porcorum ideo *tard? dicuntur, quia aliter 
porci non pascuntur nisi radicitus herbam effodiant. 


v. 20. Yuidus pinguis sucus intrinsecus, unde *uuae? dictae sunt, 
uel uuidus, glandibus quasi uuis pendentibus ex quercu coronatus. Hi- 
berna de glande, quia hiemis tempore glandes maturae fiunt. Menalcas, 
Virgilius. 

v. 21. Rogant, interrogant. Tibi uenit, etiam. Apollo, se ipsum 
dicit uel Caesarem. 

v. 22. Galle quid insanis, siue canendo siue amando. Cura, amor, 
ut (Aen. IV 1): 'Saucia cura. Tua cura Lycoris, inrisorie dicitur. 

v. 28. Alium, Antonium. Horrida castra. *Castra? bella; ideo 
autem *horrida?, quia cum Augusto Caesare bella ciuilia fecit. 

v. 24. Agresti, rusticano. Siluanus, deus siluarum, uel pro Nymphis. 

v. 25. Florentis, wirides frondentes. Ferulas, genus herbae, uel 
uirga caua de lierbis nascens. Lilia, quae fiunt in ipsis ferulis. Grandia, 
longa. 

v. 26. Quem uidimus ipsi. Solent enim numina se offerre rusticis. 

v. 27. Sanguineis, rubeis. Ebuli, flos, uel *ebulum? genus herbae. 
Sanguineis bacis, quia grana ipsa nigra sunt, floris sucus autem rubeus, 
ex quo *uenenum? est, ideo dixit *bacis sanguineis?. —Minio, colore 
rubro. 

v. 28. Ecquis erit. "Ec? increpantis aduerbium. Modus, amandi. 
Inquid, Gallus. Amor non talia curat, non flectitur maeroribus. Quasi 
expertus loquitur. 


v. 15 archadiae l||licaei mons archadiae B || 16 penitet B || conso- 
labantnr scripsi | consulabant B | consolabant M || uel de se, uel Gallum, 
si Gallus amens erat scripsi | uel de se si gallus ucl gallum si amens 
erat B || 17 erubescas scripsi | erubesces 1 || bocolien 1 || circum, idest ad- 
uerbium loci. nostri, genetiuus pluralis C || obtimus B || 19 radicitur B : 
aerbam B || 20 suceus M |] uel uuidus, glandibus etc. scripsi | uel uuidus 
quasi uuis (uuius C) pendentibus glandis 1]|| 21 se ipsum dicit] dicit ad- 
didi || 22 Cura, amor| amor om. M || licoris inrisoriae B || 24 rusticano 
seripsi | cano 1|]25 herbae C | erbe B [| quae finnt] an “sunt”? [| 27 baccis 
M || sanguincis baccis M || colore rubro scripsi | coloribus 1 || 38 Haec quis 
1|| ec increpantis B | haec increpantis C || amandi M | amanti 1 || mero- 
ribus B |] 





y 7 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 835 


v. 29. Nec lacrimis crudelis amor, salialur. Quantascumque enim 
lacrimas fuderit amans, tanto amor extitit amplior. Nec gramina riuis, 
hyperbolice loquitur. 

v. 31. Tristis at, uerum tristis amator. Ille, Virgilius uel Gallus. 
Tamen cantabitis, de se dicit. "Tamen" alii superioribus iungunt, sed 
melius ut sic legamus: 'Tamen cantabitis? Sensus enim hic est: licet 
ego duro amore consumar, tamen erit solacium, quia meus amor erit 
uestra cantilena. Inguit, Gallus, 

v. 33. Tum, tunc. Tunc possim requiescere, si uos uoluissetis de 
amore cantare. Quam, postquam. Molliter ossa quiescant , pronuntiat, 
se moriturum. Quiescant, sedentur. 

v. 34. Olim, aliquando. "Olim? tria tempora continet. 

v. 35. Atque utinam ex uobis, pastoribus. — Vestrique fuissem, 
melius mihi uobiscum esset. 

v. 36. Aut custos gregis, ul rusticanam uitam colerem, ac si dical: 
Quid mihi cum urbibus, ubi sunt meretrices tam pulchrae, quam perfidae! 
Maturae uinitor, custos uinearum. 

v. 37. Phyllis, Roma. Amyntas, Caesar. 

v. 98. Seu quicumque furor, aliquis amorum furor; omnis enim 
amor plenus est furoris. (Tuum carmen, tuum, o Mantua.] Si fuscus 
Amyntas, licet aliis nociuus, tamen mihi bonus. 

v. 39. Et nigrae uiolae sunt, successus rerum mihi habundat. 

v. 40. Sub uite, sub rupe. Lenta sub uite iaceret. Allegorice: de 
uitibus cantantem audiret. 

v. 41. Serta, flores. Phyllis mollis lentaque + manibus et digitis 
suis. Cantaret Amyntas, me cantare fecisset. 

v. 42. Hic gelidi fontes οἱ rel Inuasit amor eius animum et 
quasi ad praesentem loquitur, ac si dicat: quid te adiuuat inter frigora 
esse? Gallus nunc multa enumerat bona, quibus adducat concubinam; 
allegorice Virgilius Caesarem. 

v. 48. Tecum consumerer aeuo, idest tecum essem usque ad 
mortem. 








v. 29 quantiscumque C |] fuderit M | fuerit 1 || amor M | amore 1 jj 
extitit C | extetit B||31 Tristis at, uerum tristis amator scripsi | Tristis 
uerum tristis (tristris C) amatur 1 || de se dieit, 'Tamen? alii seripsi 
(de uocabulo "tamen? hic agi patet) | de se dicit; tamen alii M [| 
bitis M | cantabis B |] solatium M || 33 Zum tunc, Tunc possim ete. scripsi | 
Tune tunc tunc possim 1 || tum, idest tunc C || pronunciat B ! sedentur 
seripsi | sedantur B |] 35 csset B | erit M || 36 uitam colorem 1 || hac si 1|; 
winitor (sic) B [| 37 Pyllis B || 38 amorum seripsi | amicorum 1 || [7vum 
carmen, tuum o Mantua], ubi pro carmen scribas nomen, nescio quo casu 
ex comm. ad Ecl. IX, v. 27 inrepsisse uidentur || 40 Sub uite, sub are] 
Tllud *sub rupe? non iam glossa quam uarians scriptura esse uidetur 
41 Phyllis, mollis lentaquo manibus etc.] an PAyllis, Lycoris (cf. ad v. 46) 
Seria legeret, manibus etc, || 4 hac si dicat B | hae si dicat C || inter 
frigora esse. Gallus nune multa cnumorat bons seripsi et distinxi | 
enim erat] | inter frigora esse Gallus nunc? Multa enim orant bona 
Mueller |] ic, aduerbium loci C || 

mar 


















836 II. Ilagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 44. Insanus amor et reliqua, idest nunc morior pro amore t0, 
quia neque per absentiam discedit. Insanus amor, quia omnis amor ple- 
nus est furoris. Hinc usque in finem amatoris inconstantia exprimitur. 

v. 45. Aduersos, infestos. Hostes, bellicosos. 

v. 46. Tu, o Phyllis uel Lycoris. ΤῊ procul, cum moriturus eo. 
A patria, subauditur recessisti. 

v. 47. Alpinas, montanas uel Mantuanas. A, interiectio dolentis. 
Rheni, lhuuius Europae. 

v. 18. Sine, imperatiue. Me sine, idest relinque, o amor, ne fati- 
gatus fueris. Sola uides, tunc uides. A, interiectio dolentis. 

v. 49. 4 tibi ne teneras glacies secet aspera plantas. Etiamsi 
spretus a te, tamen sollicitus sum, ne quid amari sustineas. spera, 
frigida. 

v. 50. Ibo, dimittam te. Chalcidico, heroico, Homerico, Euboico. 
Chaleis eiuitas in Euboea, in qua Euforio fuit, quem transtulit Gallus. 
llic seneus est: Tum tantum cantare potuero, cum non inpedies me, et 
tunc scribam Theocriteo stilo et carmina Euforionis canam. 

v. 51. Pastoris Siculi, Theocriti. Auena, calamo, pro scriptura. 

v. 52. Certum est, idest me a te ad alios uelle transire, idest Gal- 
lus ad concubinam, Virgilius ad Caesarem dicit. Inter spelea, inter 
speluncas. 

v. 53. Malle pati, ferre laborem. Incidere, a te uellere. Arbori- 
bus, ad arbores dare. 

v. 04. Illae, siluae. Crescetis amores, et uos, o amores, crescelis 
siluestres. 

v. 55. Lustrabo Maenala lymphis, alii uerius Nymphis. uel cum 
Nymphis permixtos montes lustrabo uenando. Maenala, hic *Maenalus?, 
haec *Maenala?, mons Arcadiae. 

v. 56. Acres, uehementes. 

v. 07. Parthenios, Arcadios uel mons Partheu + in montihus Cau- 
casi est. Junilius dicit. Sed et Parthenii Lacones, ideo quod. cum pro- 
fecti essent ad bellum, reliqua iuuentus stuprum cum uirginibus fecit; 
iude Parthenii nominati sunt, uel Parthenii dicti a uirginibus , quae illic 
uenari consuerunt. 

v. 59. Ire, a prouincia. Partho, Persico. Cydonia, Cressia, accu- 
satiuo casu. Cydonia. Arcus Persicus uel Cretensis, quia illic earum 
arborum primus usus inuentus est. 


v. 4t decedit M || 45 Aduersus B || 46 cum moriturus eo scripsi | 
ero l|| Credere, idest ut tam longe discessisses B man. II|| 47 Alphinas 
montana | || mantuanas C | mantuanos, corr. -as B || 49 ne quid amari 
scripsi | ne quid mari B | ne quid mali M || 50 demittam M || caleidico 1 !| 
homerieo om. C [| heuboico C || calcis 1|| euboia 1 || in qua Euforio fui? 
scripsi | in qua euforios 1 | in qua Eupborion M || Tum tantum scripsi | 
tam 1, unde tamen M || potero M || teocretio 1 || 52 ad alios 1] an "δὰ 
siluas? [| spelaea M || δῦ mymphis B || uel om. M || 57 uel mons Parthe- 
n[ius] in montibus M || partheni B semper || uenari scripsi | uenerare B |! 
59 Ire prouincia C || eresia B | om, C || earum, post *inuentus est? in | 
collocatum, ante 'arborum" collocaui |] 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 837 


v. 60. Tamquam haec sil nostri medicina furoris , idem sensus ei 
nec (v. 28) *talia curat? Furoris, amoris. 

v. 61. Deus, Cupido uel Caesar allegorice. Milescerc, molliri. 

v. 62. Hamadryades, Nymphae, quae cum arboribus nascuntur et 
pereunt, qualis fuit illa, quam Erysichthon occidit, qui cum arborem 
incideret, et uox inde erupit et sanguis, ul Ouidius docet (Metam. VIII 
738 sq). Dryades uero sunt, quae inter arbores habitant. lloc autem 
ad superiora haeret, quia dixit (v. 55): *Lustrabo Maenala Nympliis?. 

v. 63. Conccdite , recipite uos. 

v. 64. Illum , amorem , uel Caesarem allegorice. 

v. 65. Hebrum, fluuius Thracius, uel genus poculi inebriantis. 
Dicit amore carere non posse. 

v. 66. Sithonias, pro Scythobarharicas, Thracias. Sithon mons 
Thraciae, uel Sitkonias, idest Scythias a Sithone Phyllidis patre. Juni- 
lius dicit. 

v. 67. Moriens, uitis aegra.. Alla, uitis in arbore posita. Alta, 
suspensa. Liber, uitis. Aret, morietur. In ulmo, in cortice. Nec sicum 
et reliqua. lic sensus est: licet in Aethio| itiamus et licet in Scythi. 
laboremus propter eum, tamen non mutatur. Liber aret, allegorice se- 
nium adpropinquat. 

v. 68. Versemus, pascamus. Cancri , unum de XII signis, quod in 
australi parle semper moratur. 

v. 70. Sat, pro satis. Diuae, Musae. Poetam, Gallum. 

v. 71. Fiscellam, sportam; allegorice significat se conposuisse 
hunc librum tenuissimo stilo. Hibisco, genus herhae. 

v. 73. Gallo, cuius amor et reliqua. Hoc dicit propter Caesarem. 

v. T4. Vere nouo, in principio ueris. Se subicit, susum mittit ad 
proceritatem. 

v. 75. Surgamus, finiamus carmen. Crauis, idest plantarum agre- 
stium umbra grauis cantantibus, uel quia difficile est oninia sub uno sensu 
constringere in Bucolicis. 





v. 60 idem sensus ei scripsi | idem sensus et B | idem sensus est 

61 malis idest miseriis C || 62 Amadriades 1 [ fuit illa qua siclium 
occidit 1 | quam Erysichthon M || driades 1|| dicit | dit C | unde dixit 
| 63 recipito] uos addidi || 65 Hebrum C | Hacbrum B || trachius 1 || 
ntis C || Dieit scripsi | hic 1 || 66 Scythobarbaricas Thracias M 
scitho barbaricas thracius | || tracie B | trachio C || seithins B | sciti 
mp. Sab. | a scithone 
, Thracias. Bithon 
mons Thraciae. Vel Seythonias , a Beythone Phyllidis patre 
Wagner de Phil. II 18; cf. ad E, V 10.) Seithonias pro scythobarbari- 
cas i. e. scythias, uel sithonias, thracias. Sithon mons Thraciae a Bi- 
thone Phyliidis patre Ribbeck proll. p. 146 adn., perquam aerisimiliter || 
67 Moriens, uitis aegra scripsi | Moriens uitio agri B || in Aethiopia 
sitiamus scripsi | in ethiopia simus 1 |] 68 Ouis idest nostras C|| 71 Gra- 
cili idest exili C || Pierides, idest o uos, Musae carminum. aec idest 
carmiun. (allo idest Caesari Octauiano C||genus haerbae B ἢ 18 Haec 
dicit M || 74 sursum mittit M || T5 idest plantarum scripsi | idost psarum 
1|idest ipsarum scripsit ot "arborum' excidisse suspicatus est M || can- 































888  H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 76. luniperi, genus ligni duri. Juniperi, allegorice Georgica. 
Nocent et reliqua, allegorice Aeneidos. 

v. 77. Ite domum saiurae, uenit Hesperus, ile capellae, idest, 
non amplius uos canam. Verecunde se 'capellarum? esse pastorem dicit, 
hoc est uilissimorum animalium; nam Ducolica scribens debuit se dicere 
*bouum? pastorem; sed uitans arrogantiam ullimum se esse uoluit, non 
principem, inscribens Bucolicis: *Ite domum saturae, ite capellae. Sa- 
turae, saluratae. Hesperus, stella quae primo uespere apparet. 


tantibus scripsi | certantibus 1 cf. text. De ‘certamine? hic non agitur || 
sub uno sensu] uno addidi || in bocolicis 1 || 
v. 77 arogantiam B 


GEORGICA. 


Maec omnia de commentariis Romanorum congregaui, idest Tili 
Galli, et Gaudentii et maxlıne Junilii Flagrii Mediolanensis. 

Junilius Flagrius Valentiano Mediolani. 

Virgilius in operibus suis diuersos secutus est poelas, Homerum in 
Aeneidis, quem licel interuallo longo secutus est; Theocritum in Bucolicis, 
a quo non longe abest, llesiodum in his libris Georgicorum. llic autem 
Hesiodus fuit de Ascra insula , qui scripsit ad fratrem suuin Persen librum 
quem appellauit EPFA KA! HMEPAC, hoc est ‘opera et dies.” llic autem 5 
liber continet quemadmodum agri et quibus temporibus sint colendi, 
cuius titulum transferre noluit, sicut Bucolicorum transtulit et sicut Ae- 
neidem appellauit ad imifationem Odyssiae; tamen eum per perifrasin 





*Haec omnia — Mediolanensis! ad Bucolicorum calcem in libris 
adiecta, ad Georgien potius pertinere luculenter ostendit Mommsen 
mus, Rhen. XVI p.416. Cf. praef. p. 697 | iunilii flagrii. mediolanenses 
1]| Valentiniano M] mediolani B | medionali C | 

Vsus sum in ca praefationis parte, quae inde a uerbis: "Virgilius 
in operibus suis’ usquo ad “cum de Italia diceret? porriguntur, praeter 
B et C, Seruianis quoque codicibus his qui in bibliotheca publica Ber- 
mensi adseruantur: D cod, 363, saec. VIII uel VIII, uetustissimo ill 
qui in omnium oro est, Horatii libro; E cod. 165 saoc. X Tironianis 
interdum notis perscripto; F cod. 167 (idem est cod. C), euius in initio 


NE 

oque illa praemisso Seruii nomine leguntur, sace, VIIII—X. LIib PM 
EXPLANÄTIONV GEORGICORVM (praecedit Bucolicorum praefatio, 
st titulus praemissns: INCPT EXPST SERVII - GRAM IN BVCO- 
LIÓ.IN LIBRIS GEORG ATQVE AENEIDVM) F || 1 sequutus Ε || omo- 
rum E | Omerum F|| 2 in eneiadis BC | in eneide D | in cneidg E | in 
Seläno Ρ ἢ longe Ὁ ἢ longo interuallo DEF ἢ secutus est tamen DEF ἢ 


theoerotum B | theocritum C | teocritum DE | theocritXm F || teocritum 
(dimidii stichi lacuna, in marg. ascriptum: *deest?) teocritum in boco- 
licis D || 3 hesiodum B | esiodum ceteri. Tin his libris quem penitus reliquit 
(reliquid E) DEF || 4 do ascra insola BD | dea sacra. insola C | do asera 


insula EF|6 HPTA KAl E.MEPAC DC | EPA KAI HMEPACD | erge kaiem 


eras F | erga kai emeras E | idest DEF ||6 et quibus [temporibus] M | 
corum 
buccolicum E |i 


















et quibus temporibus (sic) libri [| 7 bocolicorum BCD) 
transtulit sient DEF | in aeneidem F || 8 apellauit o BC || πὰ imi- 
tationem DEF | odissig (upraseript. end. man. idest ulixing) D | odissiao 
F | odyssig E || tamen eum BCE | tamon cum D | tamen F |] per perifra- 






840 1]. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Geurgica. 


primo exprimit uersu, diceus: Indicabo quo opere et quibus temporibus 
ager colendus sit. Inde duobus modis scripsisse dicendum est. Ingenti 
aulem egit arte, ut potentiam nobis indicaret sui ingenii coartando lata 
et angustiora dilatando. Nam cum llomeri et Theocriti in breuitatem 
5 scripla collegerit, unum Hesiodi tamen librum in N diuisil, quod ratione 
non caret. Nan omnis terra quadrifaria. Aut enim *aruus? est ager idest 
sationalis, aut *consitus? idest aptus arboribus, aut *pascuus?, qui herbis 
tautum et animalibus uacat, aut *floreus?, in quo sunt horti apibus con- 
gruentes et floribus. Alii autein. duos tantum Georgicos male dicunt 
10 dicentes FE@PFIAN esse THC €PTON, idest terrae operam, quam primi 
continent duo libri, nescientes tertium et quartum licet V€QPTlIAN non 
habeant , Vamen ad utilitatem rusticam pertinere. Nam et pecora et apes 
hahere studii est rustici. Licet possimus agriculturam etiam in his duobus 
sequentibus inuenire. Nam et farrago sine cultura non nascitur et in 
15 hortis colendis non minorem quam circa terras constat. impendi laborem. 
Et hi libri didascalici sunt, unde necesse est ut ad aliquem scribantur. 
Nau praeceptum doctoris et discipuli personam requirit, unde ad Macce- 
natem scripsit, sicut Hesiodus ad Persen, Lucretius ad Meinmium. Sane 
agriculturae liuius praecepta non ad omnes pertinent terras sed ad solum 


uers 
sin EF | per peryfrasin D | perifrasin BC | per istas in M || 1 primo expri- 
mit D | primo uersu exprimit E | primo exprimit uersu BCF || quibus 
ager BC | quibus temporibus ager DEF [| 2 inde duobus modis scripsisse 
dicendum est om. DEF || dicendum BC | dicendus M [| 3 agit F || indicaret 


sui BC | sui indiearet DEF || 4 dilatando DEF | delatando B | dilatendo 
€ [| Pomeri F || theoereti BC | teocriti DEF [] 5 collegit E || tamen om. DEF - 


or 
in III diuisit B | in III diuisit C | diuisit in IIII E | esiodi librum per 
perifrasin diuisit in quatuor D | diuidit in quattuor F [| 6 Nam omnis terra 
ut etiam Varro docet quadrifariam diuiditur, aut enim DEF || quadrifa- 


m 
riam E | quadrifaria (= uel quadrifariam, man. ead.) D | quadrifaria, 
u 5 
corr, quadrifarie F || arus D || 7 sationalis ED | rationalis F | ratiunalis BC 
u 


Müller |] pasetis F || 8 floreus DCEF || floridus D || horti E | orti BCDF . 
9 et tloribus. Male autem quidam Georjicorum duos tantum esse asserunt 
libros dicentes DEF || 10 dicentes FEOPFIAN esse idest BC | dicentes 
georgiam (georgicam E) esse THC EPFON idest DEF (THC €YTON E ' 
ENCEPON D | TIHC €PYTION F) [| Gees D || terra C | primi duo conti- 
nen DEF || 11 nescientes tertium et quartum licet FEWPFIAN (georgiam 
DF georgieam E) non habeant (habent D), tamen | ex DEF suppleui | 
nestamen ad utilitatem etc. BC | nec tamen M || 12 rusticum BC | rusti- 
eum DEF || 13 rusti" F [| 15 Fortis D | "ortis F | ortis E | hostiis BC || non 
minorem (nec E) cirea terras libri | quam addidi [| cirea terras constat 
inpendi laborem DEF | eirca terras impendi laborem BC | circa terras 
impeudi[mus] laborem M |! 16 et hii DC || didascalici DF | didaschnliei sunt 


at 
idest doctrinales unde E | italici DC | didactici M || aliquem F || 17 prae- 
ceptum et doctoris DEF [| personam reliquit D || 18 seribit EF || esioodus 
D j| Inereti® F || situm Italiae ef praecipue Venetine teste cte. suppleui ex 
DEF || ad solum situm uitaliae teste C (quam scripturam ex uerborum 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica εἰ Georgica. 841 


situm Italiae ei praecipue Venetiue teste ipso Virgilio qui ait (Georg. Il 
174): *Tibi res antiquae laudis et artis ingredior’, cum de Italia diceret. 
Hucusque Junilius. 

Georgicorum duae sunt species, alia ad agriculturam pertinet, alia 
ad rusticationem, Et agriculturae quidem opera sunt segeles et uites et 5 
alia quaecumque ex agris gignuntur; rusticationis uero cura pecorum et 
ouium el ceterorum animalium, quae ruri sunt fructuosa. Ergo duo 
priores libri super agricultura sunt, quapropter uelut perfecto opere in 
secundo libro laudem agriculturae exsequitur, in quo etiam nullo uelut 
principio utens statim ad ipsam rem transit, scilicet praefationem eius 10. 
operis hahunde explicante primo libro. At uero opus rusticalionis tertio 
et quarto uoluminibus continetur, quapropter tertius longiorem um 
praefationem uelut nouo principio ac primae comparatiuam incipit, et 
quartus expeditam οἱ festinantem rem refert ex secundi similitudine. 

Principium Georgicorum paene tale est, quale in Aeneide. lbi prae- 15 
fatio prima, ut: *Arma uirumque cano’, secunda inuocatio numinis, ut 














"Italiae? ot ‘Venctino’ conflatione ortam esse neminem fugiet) | ad solum 
situm italiao teste D || 2 de 'talia Βὶ || In uerba “cum de Italia dicoret" 
desinunt DEF ||de italia diceret. Ineipiunt georgica D || Quae praete- 
rea anto: *Hucusquo Innilius? leguntur in BC: *quid (quiad C) terras 
pingues efücint", ca, quippe nersus primi Georg. I interpretationem con- 
tinentia, illuc sunt retrudenda, cf. l. 1.}} 


Inde ab ill 'Georgicorum duae? usque ad finem duobns solix 
codicibus BC ati pergo || 4 species in ras. B || Cui tantum duae sunt spo- 
cies: alia enim ad agriculturam ete. Commentator apud Burm. I p. 167 , 
5 Et agriculturae sunt segetes ot uites alia quae ex agris nascuntur Burm. ', 
6 quaecumque scripsi | quaeque B | queque C [ rusticationis autem Burm. | 
rusticationes uero 1|| 1 cneterorumque animalium quae frnctuosa. Ergo 
duos Burm. || fructuosae M ἢ 8 supra. agricultura sunt propter uelut opero. 
In secundo libro laudem Burm. || oua. propter C || 9 exequitur C || in quo 
etiam nullo uelut (sic) 1 | in quo etiam in principio utens statim Burm. j; 
10 Scilicet praefationem huins abunde explicanto Burm. ἢ 11 priore libro 
ΜΙ δὲ uero opus (sie) B || tertio etiam uolumine continet Burm. || Verba 
*opus rusticationis tertio et quarto uoluminibus continetur quapropter? 
in C desunt, in B inde ab “rustientionis tertio? in margine suppleta 
eadem manu||12 rursum B | sursum, corr. rursum C | rursus Burm. || 13 

raefatioen B [| praefatio C || ac primae comparatinam seripsi [| hae prime 
comparatiue B | prime comparatiue C | praefationem in principio ad- 
prime comparatiue Burm. | apprime eomparatino M | ne prime compara- 
tione codd. Parisini 7950. 7960. Laur. pl. 45 cod. 14 || 14 et quartus expedi- 
tam ot fostinantem rem refert cx secundi similitudine scripsi | et qnar- 
tus oxpeditam et festinantem referens ex secundo similitudinem 1 | et 
quartus expeditam ot perfectam referens ex secundo similitudinem 
Burm. 

15 Prineipiom D || poene 1| in neneide C | in nedino B || in Acneide. 
Ibi praefatio prima, ut: "Arma nirumque cano, secunda innocatio nu- 
minis scripsi | in (aenide €: nedine D) ut expositio materiae ibi hie prao- 
































acuda 
fatio prima, seeunda ( Il B Äl C) lnuocatio numinis 1 | secundo inuo- 
catio M | Confer de his sequentia. | Principium Georgicorum tale est 
quale Aencide, ut expositio materiae ibi, hic praefatio, secunda inuo- 
catio numinis Burm. | Testimonium: "Arma uirumque cano? concinuitatis 





842 M. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


(v. 8.): “Musa mihi causas memora?, terlia exposilio materiae narratur, 
ul (v. 12): *'Vrbs antiqua fuit^ llic autem praefatio est, ut: *(Quid 
faciat laetas segetes?; inuocatio numinis, ut (v. 5): *Vos o clarissima 
mundi lumina?, ut ibi (Aen. 1 8): “Musa milii causas memora? ; expositio 

5 materiae, ut (v. 43): 'Vere nouo gelidus canis quo montibus humor.’ 
IIucusque hic tractatus. 

In Georgicis poeta solus loquitur. In Georgicis ethicam narrat. In 
(ieorgicis operator. In Georgicis medium eloquium. In Georgicis uita 
prudentium. Georgica septennio scripsit. Georgica Maecenas postulauit. 

10 Georgica duobus modis scripsit, praecepto doctoris et persunam discipuli 
requirente. In Georgicis angusta dilatauit. Junilius dicit. 


GEORG. LIBER I. 


v. 1. Quid facial luelas segetes et reliqua. In his quattuor uersibus 
quattuor agrorum sunt genera: quid faciat, aruus; uertere (v. 2), con- 
situs; conueniat (v. 3), pascuus; sit pecori (v. 4), floreus, Quid facia: 
lactas scgetes, quae res terras pingues efficiat; nam *segetem? modo prc 
‘terra?’ posuit, ut (Aen. VI] v. 526): “Horrescit seges ensibus. JIunilius 
dicit. Alius dicit: *Seges? non omnino pro ‘terra’, sed cum fructibus 
accipere debemus, ut ne bis idem dixisset, subiclens: “quo sidere terram?. 
At idem dicit, Nec sane 'segetes! simpliciter pro “terra? ponuntur, sed 
pro “terra arata?, ut Varro rerum rusticarum primo libro (1 29): *prata 
purgari, salicta seri, segetes arari conuenit? Quid faciat. Praefatio in 
his quattuor uersibus indicat, quid in his libris Georgicorum scripturus 
sil. Zaetas segeles, pingues lerras; nam fimus qui per agros iacitur, 
uulgo *laetamen? dicitur. Quo sidere. Quo sideris ortu uel occasu, idest, 
quo tempore; ex sideribus enim tempora colliguntur. llic metafora ex 
animali ad inanimale. ) 


gratia desideratum addidi || 1 ITI expositio 1 | tertio expositio M || materiae 
narratiuae Burm. [| 2 Hic igitur praefatio est Burm. || 3 laetas segetas 1 ;. 
4 ut ibi scripsi cum Burm. | ut ubi (ut ij|bi B) 1 || 5 matherie B || Hucusque 
hic tractatus scripsi, cf. ad Georg. II 70 | hucusque hic tractatur 1 || 7 In 
Georgicis poeta solus loquitur om. C [| 8 operator € | operatur||| B |] 9 geor- 


gicam scptennio C || Georgieca Maecenas postulauit om. C || 10 II mo- 
dus l|| praecepto doctoris et personam discipuli requirente scripsi | prae- 
cepto doctoris et persona discipuli requirentis 1, cf. supra || 11 dilatauit 
scripsi | delatanit 1]| Innilius dicit om. € || De praemissi tractatus aucto- 
ribus diuersis cf. pracf. p. 699 sq. 

v. 1 quid faciat aruus uester, consitus, conueniat pascuus, sit pe- 
cori tlorens M || consistus C || pinguas 1 || modo pro terna 1 || ut ne 
bis scripsi | et ne bis 1 | et nobis M | et bis idem dixit Mommsen mus. 
Ih. XVI p. 413 || at idem scripsi cf, pracf. p. 718 | et idem 1 | et idem dicit: 
Nec M || salieta C | salicia B [|| seges arari 1|| fimos B || iacitus B |] Quo - 
sidere l\cemma om. M || hi metafora B (| ad animale M [| 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica el Georgica, 843 


v. 2. Verlere, arare. Maecenas, praefectus praetorio fuit, ad quem 
fecit Virgilius Georgica, ut Hesiodus ad Persen. Gallus dieit. μεῖς, 
ulmi arbores sunt in Italia, in quibus uites altius eleuantur, ut sit opti- 
mum uinum. Gaudentius dicit. 

v. 3. Bouum, pro omui pecore, ut maius animal minoribus non 
separetur, sicut de hominibus facit dicens (Aen. I 30): Relliquias Danaum 
atque inmitis Achillis. Gallus dicit. Cultus , habitus hominum, *cultura? 
agrorum. Habendo, dum habeantur. Cultus, pro cultura. *Cultura? in 
animi constat intentione, *cultus? autem in ipsa operis diligentia. Ex eo 
uerbum nimirum illud in cousuetudinem peruenit, ut pecora *culta? 
dicantur. 

v. 4. Pecori, pecus quod fructus gratia alitur, a quo et * pecunia". 
Experientia, notitia, scientia. Experientia, actus rei, usu nata doctrina. 
Experientia. Cicero dixit: 'Proprie si quaeratur nihil interest; sed 
imperiti sic discernunt ab experimento experientiam ut "experientiam? 
dicant actum rei, *experimentum? rem ipsam. Apibus parcis. Apes 
*parcae? parcendo suis dominis; apes aeriac, idest colligendo mel *sa- 
crum? eo quod cum luppiter in Creta celaretur in spelunca, cibum ei 
offerebant, ideoque eas munere donauit, sine Venere mel parturire. Api- 

- bus parcis, quoniam apes minutatim conferunt et diligenter custodiunt. 
arcis , seruatricibus frugum , quia mel custodiunt. 


v. 5. Incipiam , non ut mathematicus; non enim de apibus in primo 
Hbro scripturus est, sed de agricultura. Vos, inuocatio. — os o claris- 
sima mundi lumina labentem caelo quae ducitis annum Liber et alma 
Ceres. Quaeritur, quos nunc deos istis nominibus significauerit. Quidam 
simpliciter intellegunt Liberum et Cererem, quos philosophi dicunt quasi 
*oculos mundi”. Nam Liberum inuocat, quod de uitibus dicturus sit, 
Cererem, quod de frugibus. Zunilius dicit. Quidam autem hunc Liberum 

















v. 2 praetoria, corr. praetorio B | praefectus praetorio] cf. Momm- 
sen mus, Rh. XVI p. 448 || ut hesioq B || uiter B || ut cit, corr. sit Bj 
ut fit M || Gaudentius dicit scripsi | gaudä B | Gaudentius M ||3 relliqui 
hominum M | schilles B || pro eultura in animi C || cultura in animi 1 | 
cültura animi M | intentiono] intensione Voss, || uerbum nimirum, mi in 
ras, B | uerbum nimirum C | mirum M || dicantur scripsi | dictentur B. | 
eultura dicuntur C || Cultum pro eultura posuit: nam *cultura’ 
fione animi constat, *cultus? in ipsa exercitatione et operis 
ex quo uerbum (uerbo) uenit in consuetudinem, ut peco 
cantur eod. Bern, 165 | 4 usu natam doctrinam experientiam Cicero 
dixit M || cié dixit 1 || quoratur 1 || nihil interest scripsi | niil est 1 || 
discernunt ab experimento experientiam ut experientiam dicant seripsi 
sic solent ut ob experimonto experientia dicantl|ut ab experimento cx- 
perientiam dicant M || apes parcendo M || *apes aerine? idest colligendo 
mel sacrum transposui | idest colligendo apes. Aeriae mel sacrum B 
Videtur rospiei versus 1 Georg. IV: *acrii mellis caelestia dona" || ideo- 
que eas M | ideoque eis Ti || Apibus partis B || seruatraibus B |] 5 matlıe- 
máthieus B || sed de agricultura scripsi | sed oleagricultura B | sed de 
oleagri cultura M || labentem om. 1 |] ductis || quos nunc] an *quos 
nam? || signicauerit scripsi | signiBicauer (signifauer C) 1 | significauerint 














D 








S44 IH. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


* Solem? uult intellegi, quod *libere? uagetur, Cererem * Lunam?, quod 
*ereet? fructus; non enim alias possunt segetes uirere, nisi fuerint horum 
deorum adiutae mysteriis. Gaudentius dicit. 


v. 7. Liber et alma Ceres. Stoici. dicunt unum deum, sed pro 
uario officio uaria nomina dicuntur, quia Sol Liber pater et Apollo, Luna 
Proserpina. Secundum quosdam pro Sole Liberum, pro Luna Cererem 
inuocauit, quorum cursu tempora computantur, per lunam menses, per 
solem annus. Yestro, creando. Si, siquidem; nam confirmantis est *si.' 
Alma , ab alendo, hic * casta?, alias * pulehra?, alias *altrix? significat. 
Liber, Sol; Ceres, Luna. Liber et Ceres Sol et Luna accipiuntur, ut per | 
Liberum masculum * deos? significaret, per Lunam uero feminam * deas.* 
Liher, quia libere commoueat; luna enim obnoxia est, quia beueficium 
luminis a sole accipit. Junilius dicit. 


v. 8. Chaoniam glandem. Lucus louis Epiri, ubi glandem ante 
homines cderunt, quam aristam. Chaoniam, regio est in Epiro, ubi 
luppiter praecipue colitur. Quercus autem arbor est in louis tutella, 
ex qua glandes nascebantur, quibus homines uescebantur, antequam essent 
fruges inuentae. Gallus dicit. Arista, pro frumento, speciem pro ge- 
nere posuit. Arista, Aristaeus Apollinis et Cvrenae filius, cuius fabula ista. 
Cuin aliquando in quasdau Graeciae ciuitates grauis pestilentia ueniret, re- 
ponsui dedit, aliter pestilentiam non posse sedari, nisi suo filio Aristaeo 
nouissent candidissima armenta; illae electos iuuencos candidos in Ceam 
insulaın duxerunt et ihi reliquerunt. Hic Aristaeus, qui Eurydicen , uxe- 
rem Orphei in prato flores legentem, intermixtam Nymphis , adamauerit. 
Inuocat eum, quia hic primus aratri usum inuenit. Gaudentius dicit. 


v. 9. Scheloia, fluuialia. Achelous fluuius; non quod ipse solus 
uino sit mixtus, sed ipsum pro qualibet aqua posuit, et hic fluuius ante 
omnes primo mixtus est uino. Acheloia, de Acheloo pastore Aetoliae 
regis Oenei, qui primus arburem adtulit suo domino Oeneo. 


M || quod libere uagetur scripsi | quod liber euagetur 1 cf. Prob. p. 96, 
15 K | quod Liber euagetur M, cf. ad v. 7 || quod ercet] quod ereat ] ἢ} 
alias Vossianus | alicos D | aliq C, unde fortasse alioqui? | aliter M [| ut- 
vere M [| adiute inisteriis 1 | eductae ministeriis M |] 


v. 7 et arma B || pro uario (sic) B [| innocat M || per solem annus 
seripsi; eod. 165: quorum cursu tempora computantur; nam per solem 
annus per lunam mensis intellegitur | per solem annos B | per solem 
anni M || liber e ceres I || masculum eos C | masculos M || feminam 
scripsi | feminas 1 || Liber quia libere I | Liber a libere M || 8 Lucus 
Iouis Epiri, ubi glandem ante homines ederunt quam aristam scripsi | 
lucis iouis ubi epiri glandem ante homines uiderunt quaredum (quare- 
dam, corr, quaredum B) 1|} regi est 1|| quereus at 1] autom Voss, | quer- 
eus nlta M || tutella B 1 tutela C || aristus apollonis ct coronae B | Perti- 
net hoc scholium ad v. 14 quem locum in Vossiano quoque oceupat i| 
tilius fnit M [| ueniret scripsi | uenerit D || sedceri B || aristeo B || illae 
scripsi | ille B | illi M || hie aristheus qui euridicens B || &damauit, in- 
uocatur M |[|9 Acheloga C | Achelonia B bis || Achelonius 1 || ipse sol C !: 
acheleo B || Aetoliae scripsi | Italiae B cf. Prob. p. 27, 1 K 








H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 845 





v. 10. Praesentia, propitia. Fauni, dii siluestres Latinorum, 
eti a Fauno rege Italiae, uel a fando dicti, ut Varro ait. Iunilius dicit. 

v. 11. Ferle, et uenite et annuite felicitatem carmini meo. Pedem, 
ersum. Dryades, ab arboribus dictae. 

v. 18. Fudit equum. Equum nunc dicit Arionem, quia cum in 
hessalia tridenti terram Neptunus percussisset, exisse dicitur equus, 
ade Neptunus equester diclus est, idest ἵππιος. lbi eliam natus est 
ms Hippocrene. Item: in Thessalia primum equi nati sunt. Fudit 
quam nun ubi cum aliquando flumen esset statiuum et quondam 
ruptum inundasset , dictum est Neptunum percussisse Lridenti, quia non 
"edebant, tantam uim aquae humano motu exeitatam, sed diuino, Fudit 
quum. Neptunus tridenli percussit scopulum in Thessalia, in qua 
timum equi domari coeperunt a Thessalis. Qui adsidentes equis cum 
1uros sequerentur, grauibus eos uulneribus adficiebant et quosdam ad- 
rehensos domabant. llli dicti sunt. Nephelocentauri wel lippocentauri. 
Equum, Pegasum, quia Neptunus in principio terram 
sroussit tridenti el inde equus Pegasus prosiliuit, ul (Aen. IX, 523): 
At Messapus equum domitor Neptunia proles? Junilius dicit. Equum, 
A1oniam ab Ope pro Neptuno sit equus subpositus Saturno, pro loue lapis, 
ie conuenit Neptunum inuocare de equis dicturum. Junilius di 

v. 14. Cultor, pro incola, idest Aristaee, quem dicit Jfesiodus 
pollinem pastoralem. Ceae, insula in Oceano fertilissima.  Aristaeus 
anc tenuit primo hominibus uacuam, postea ca relicta cuin Daedalo tr; 
um fecit in Sardiniam. 

v. 15. Ter centum, pro multis. Dumeta , aspera pascua , spineta. 
'ondent , uescuntur. 




















v. 10 praesentia, idest optima C || seluestres B j| Varro] de L. L. 
Π 36 M. | 11 Ferte uenite C || et annnite scripsi | et amate 1! 
; date M || Driadis B || 13 Fudit equum - equum (aequum C) nnne 
cit arionem quia (qui C) cum in tesalin tridente terrai (tridenti 


sis 
rram C) neptunus porcusset (percusset C) exisse dieitur equus unde 
nde C) neptunus equister (eQ3 C) dictus est idest hippios (ippios C) 
i etiam natus est fons hippocrene (ippocreno C). Item in thesa- 


ti 
& primum equi nati sunt ubi cum aliquando Aumen esse. statium 
tatum C) et quondam |!|}',,jü (in marg. signo addito diruptum; 





an 
"ndam inraptum C) hab | asse (habundasse C) dictum est neptunum 
eptunum om. C) percussisse (percusisse C) tridenti quin non crede- 
ınt tantam (corr. ox tantum, tantum C) uim aque humano motu exci- 
iam sed diuino et ec cst (an et ec ost? et liaec est C) nec re;c lusit 
eclusit C) captellum in thesalia in qua primum equi domare (corr. 
mari, domare C) ceperunt » thesalia adeidentis equis cum tauros 

ıerentur granibus (g'auibus C) eos nulneribns adfeiebant et quosdam 
Iprehensos domabant illi dicti eunt. nefelleros hippocentauri (ippocen- 
nri C) gallus dicit libri | De Muelleri in co loco corruptissimo sanando 
"locata opera meisque sanandi rationibus cf. praef. p. 719 ἢ prowiluit 
| prosilinit ut mesapus B || noptuni proles B || qunm ab Ope M || de 
qms B || dicturum sc ieturue B || 14 aristee B || apollionem B || 
ristaeus M | aristei H || cum declalo B cf. de hoc loco praef. p. 720 || 














840 IH. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 16. Lycaei. Lycaeus mons Arcadiae. 

v. 17. Pan. Pana Pindarus ex Apolline et Penelopa in Lycaeo 
monte editum scribit, alii ex Aethere et Oenone. Si, siquidem. Maenala, 
mons Arcadiae. 

v. 18. O Tegeaee, diriuatiuum a Tegeo oppido Arcadiae, quia post 
mortem Vlixis Mercurius cum uxore eius concubuit Penelopa et grauidam 
fecit et in monte Maenalo iuxta oppidum Tegeum parturiit Pana ideoque 
dixit * Tegeaeum?. * Tegeum? tribrachus, *Tegeaeus? paeon primus. 
Oleaeque Minerua. Sunt qui dicunt, Athenis prolatum esse oliuae ramum 
a Minerua; sunt qui putant olei humorem Mineruae idcirco conuenire, 
quod nulli possit misceri iucorruptus et integer, comparabilis uirgini deae, 
quae ex uno parente progenita est, quam sapientiam interpretantur, uir- 
tntem inuiolabilem, ut Homerus T. Iunilius dicit. 

v. 19. Puer. Bene autem tacuit de nomine et generaliter ait “puer’, 
quia non unus aratrum in toto orbe monstrauit, sed diuersi. Puer. Trip- 
tolemum dicit Celei filium. Alii Osirim putant, ob quam rem ab Acgyp- 
liis inter deos sit relatus. Puer. Triptolemus. Ceres raptam Proserpi- 
nam cum quaereret, hospitata est apud quendam et pro humanitate fruges 
Triptolemo dedit totumque orbem seminauit. Dedit etiam dracones, qui- 
bus iunctis adsideret et reliqua, uelut PAilochorus ait. 

v. 20. Siluane cupressum. Deus siluarum. Ilic adamauit puerum 
Cyparissum nomine, qui habebat mansuetissimam ceruam. Hanc cum 
Siluanus nescius occidisset, puer extinctus dolore, quem amator deus 
conuerlil in cupressum arborem eius nominis, quam pro solacio portare 
dicitur. 

v. 21. Diique. Post specialem inuocationem generaliter dicit, ne 
quod numen praelereat. Maec im Indigitamentis inueniuntur, idest in 
libris pontificalibus, qui nomina deorum et rationes nominum ipsorum 
continent. Zueri, pro tuendi. 


v. 16 lycei lyceum mons archadiae B|| 17 Pana Pindarus cf. Bergk 
fr. 76 | ex appolline B || in lyceo 1|| editum C | editam B || et Oenone] et 
Iunone cod. G. Burmanni cf. schol. Theocrit. Syring. τὸν δὲ Πᾶνα Enoı 
γηγενῆ ἱστοροῦσιν, ἕνιοι δὲ Αἰϑέρος καὶ νύμφης Οἰνόης, ὡς καὶ Πίν- 
δαρος || archadiae B [| 18 o tegeae 1 || diriuatiuum C | diriuatum B [| a 
tegco 1| a Tegaco M || archadie 1|| Penelopa concubuit M [| et in monte 


m 
C | et in j|'orit B || menalo C || parturiit 1 | parturit M || dixit tegeum 1 | 
cod. 165: Penelope uxor Vlixis fuit post cuius mortem concubuit cum 
ca Mercurius, ex qua natus dicitur esse Pan in oppido Tegeo, propte- 
ren dictus Tegeneus (tegeus) || Tegeum addidi || tribracus 1 ||tegeus peon 
primus 1 || Tegaeum. Tegeum tribrachys, Tegeaee paeon primus [tertius?] 
coniecit M cf. Seru. || Mineruae M || ouile ramum B || ideirco (sic) B | 
quae eximio parente M || progenerata M || ut Ilomerus H Legendum : ut 
nit Ferrius, cf. praef. p. 717, et ad E. VI 18. VIII 30 || 19 in toto?rbe 
B | in toto orbe C || treptulemum 1 || caelei C || oserim C || putant et 
ob «quam 1 [| trepulemus B || quaereret M | coleret B || trepulemo B !! 
Philochorus scripsi | philorus B | Inter Philochorum et Philostephanum 
(ef. Seru.) anceps M iudicium. De Philostephano cogitari nequit cf. 
praef. p. 720 || 20 ciparissum B || ceruam (sic) B || quam solatio M || 21 
numen B | nomen C ἢ Waec in indigitamentis M | haec indigitamentis 1 || 





H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 847 


v. 22. Non ullo semine , non satas a nobis. 

v. 23. Satis, seminatis. Caclo, idest e caelo. 

v. 24. Tuque, o Caesar. Adolatur Caesarem, quem inuocat inter 
deos, quia deorum Imperatores post mortem honorem meruerunt, Caesar 
autem in uita honores meruit diuiuos, ut Horatius ait (Epist. Il, 1, 15. 
16): *Praesenti tibi maturos largimur honores iurandasque tuum per 
mumen ponimus aras) Vnde male quidam culpant Virgilium. dicentem 
laudem post interitum, si inaximum est deum fieri. 

v. 25. Incertum. est, quem deum esse te uelis, utrum caeli an 
maris, uel terrae possideas imperium. Gallus dicit. 

v. 26. Maximus, totus, ut (Georg I 329): “Quo maxima motu terra 
tremit. Junilius dicit. 

v. 27. Auctorem, ab augendo dictus, uelut sator, ut (Aen. VI, 49): 
“Tu sanguinis ultimus auctor. Junilius dicit. Tempestatum , temporum. 
Potentem , ubique. 

v. 28. Cingens, ornans. Myrto, quae in honore Veneris, a qua 
Auguslus originem ducit. Gallus dicit. Materna tempora myrto, pro 
lulia gente. Iunilius dicit. 

v. 29. Inmensi, totius maris. 

v. 30. Sola, magna. Thyle. lusula est in Üceano quam idcirco 
nominauit, ut magnum ei et longum tribueret imperium. T’hyle, insula 
Oceani inter Septentrionem et Occidentem , ultra Britanniam lliberniam- 
que et Orcadas. 

v. 31. Generum, uirum filiae. Tethys, uxor Oceani, Nympharum 
mater. Emat. Quod *emat" ait, ad antiquum nuptiarum ritum pertinet, 
quo se uir et uxor inuicem emebant. Gallus dicit. Tethys, iuxta hono- 
rem inmortalitatis deam uxorem adiungit. Junilius ait. 

v. 32. Tardis, longis, maioribus, aestiuis. Junilius dicit: Elegan- 
ter dicit *tardis?, quasi futurum sit, u, cum Caesar ierit in caelum, 
hominum uita tendatur. 

v. 33. Erigonen. Ipsa est uirgo Erigone, lcari Atheniensis filia; 
inter duodecim signa esse dicitur. Modo secundum Chaldaeos loquitur 
dicens, eum posse habere locum inter Scorpium et Virginem uel Siri 














v. 22 non sstaw scripsi | non iactas ἱ || 98 Colo deest c celo B, unde 
idest e caelo scripsi | an 'deest e [caelo]? || 24 ndnlatur C || inuocat 
C | nocat B || post interitum scripsi | per interitum 1 || si maximum € | 


maximum B || 26 tremuit DM || 27 tempestato D || 28 Myrto quac 

| Myrtoque BM || in honorem M || duxit M || pro Iulia gente Durm. 
ento Voss. | pro iliam gentem B || 30 T/yle. Insula est 
tribueret imperium om. M || quam scripsi | qui 1|| cius C || 
Brittaniam B || hibernamque B || 31 uxor Oecani scripsi | uxor oceann 


ymphardım B | oceano nympharum C |] Emat. Quod *emat? uit scripsi ex 
Seruio | Emat ait B | Emat aut C | Emat, nd antiquum etc. Voss. || he- 
mebant B || Tethis B || 32 aestiuis scripsi | aestatis B || Iunilius dicit 
scripsi | utilius D et est in Vossinno Iunilii nomen in fine additam [| “ut? 

t "futurum sit? addidi || ierit scripsi | hierit B | iucrit M ||33 Ergonen 
Bitacai B || Chaldeos B || syrium B || 








SAM 1. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


el ordo hic est: “Qua locus ipse tibi panditur? Erigonen. Tropus meta- 
plora. Erigonen autem lustitiam dicit. Liber pater pro hospitio Icaro 
Atheniensi uinum dedit et usum uini monstrauit; at ille cum pastoribus 
dedissel et ille cupiditate non paruum bibissent, somno sunt oppressi, 
quorum parentes aestimantes ueneno ab Icaro esse necatos, eum Icarum 
occiderunt et cadauer eius in puteum proiecerunt. Canis autem eius cum 
uenisset Athenas, quocumque modo significare coepit domini mortem. 
Icari autem filia Erigone suspitione tacta antecedentem canem secuta est. 
Cum ad puteum peruenisset animaduertissetque patris cadauer, sepelit 
qua potuit oplauitque, ut nisi Athenienses ulti essent lcari mortem, eadem 
morte perirent. Inde per laqueos uitam finiuit. Et cum pestilentia inci- 
disset , responsum est, pastores eos poenam pro illis soluturos. llli cum 
pastores punireut, pestilentia caruerunt. Liber autem memor quod sua 
causa Icarus periit, filiam eius inter astra collocauit, quae est Virgo, 
eiusque canem, qui quoties oritur, uitis aduritur, quique Sirius appel- 
latur. 


v. 34. Ipse tibi, in tuum honorem gratiamque. | Zrachia, idest 
Ncorpii. Ardens Scorpius. *Ardens? ad illud refertur, quia Martis domi- 
cilium; nam tempus Scorpii frigidum est, idest Nouembris. Ardens, 
commune omnibus, au proprie ad Scorpion refertnr, quod sit feruen- 
lissimum siguum, an ardens *festinans? et cupiens parare locum Augusto, 
ut (Aen. VI 5): * Manus emicat ardens.? Ardens, candidus idest Sirius, 
qui canis dicitur. 


v. 35. Scorpios, frigidus. Eleganter Virgilius locum Scorpionis 
Augusto tradidit. Aiunt astrologi idest Chaldaei, Scorpionem locum 
duorum siderum in Zodiaco tenere, et in locum, quem inprobe occu- 
pat, sine iniuria cuiusquam Caesar inuocatur. Bene dat Augusto regio- 
neun [ustitiae. 


v. 36. Quicquid eris, quia celera per parenthesin dicta sunt. Nam 
(e nec sperant Tartara regem.  Mlegorice dicit, illum non dehere mori 
uel bene posse. 


v. 33 ordo hic est scripsi | ordo hic em B | ordo hic: ín qua etc. M || 
meafora ] || ospicio 1|| icara C []- pastoribus quum M || oppressi M | ap- 
pressi 1 || estimantes 1 || ab incaro 1]| eum iacarum 1 | eum lacerum M | 
inortem M | morti 1 || iacari 1 || erigonen C || suspicione tnra C || ad 
puteum uenisset M || animaduertisset quo C || quia potuit C || iacari mor- 
tem 1] [ perirent scripsi | periret 1|| Inde per laqueos scripsi | inde silen- 
tios 1 | inde silentio M Ϊ incidisse C || solituros 1 || sua causa Voss. | 
suo causa 1] || iacarus 1|| quoties C | quocies B [| 34 in tüü B || nouembis 
B || an ardens M | an cordens B [| parare M | parere B || angusto B || 
manus micat B; cod. 165: Vel festinans accipitur uel quia generale est 
omnibus sideribus, ut *ardentia? dicantur propter calorem οἵ propin- 
qnitatem aetheris || Ardens om. M || Candidus, idest Sirius in textu, ct 
im margine: 'Videtur scribere uoluisse gelidus οἵ adnotatio referenda 
ad v. 45? M || 35 eliganter C || insticiae B || 86 quiequid C | quid- 
quid B || per parenthesin dicta] per parentes indicta | et M || spe- 
rent M || 


IT. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 349 


v. 98. Quamuis Elysios et reliqua. Quaerendum an ad auctores 
Graecos an ad solum Ilomerum retulerit, qui in Odyssia campos laudat 
Elysios, et adeo amoenos locos quos praetulerit amori matris Proserpina. 
Tunilius dicit. 

v. 39. Nec repelita sequi et reliqua. Nec accepta facultate eam 
uoluit sequi. JZunilius dicit. Matrem, idest Cererem. 

v. 40. Da facilem cursum, poematis. Adnue, faue. Coeptis, uerc- 
cunde dicit de suis uiribus. Gallus dicit. 

v. 41. Ignaros, rusticos iuua. Jynarosque viae , pro artis uel tra- 
ditionis uel rationis. 

v. 42. Votis, sacrificiis. Jam nunc, adhuc. Zt uotis iam nunc, 
nam ut dixi Augustus diuinos meruit lionores. Junilius dicit. 

v. 43. Vere nouo. Expositio. Gelidus, frigidus. Canis, niue candidis. 
Quo,cum. Nouo, recenti, incipiente uere idest Martio, qui initium anni est, 
quo nix de montibus soluitur. Fmor, quia nix humida in montibus solet esse, 

v. 44. Liquitur, lluit manat. Zephyro, calido uento. 

v. 45. Depresso, cum ui fixo. Taurus, speciem pro genere posuit; 
* taurum? enim bouem dicit, ut (Aen. III 21): *Caelicolum regi in litore 
taurum,? uhi nisi bos intellegitur, Virgilius errauit; *tauro? enim sacri- 
ficium Ioui non fit. Junilius dicit. 

v. 46. Sulco, aratri ductu. Splendescere , splendere, ut calescere 
et calere. Yomer. Lucretius ait (I 315): “Occulto decrescit uomer in 
aruis? llic *uomer? et hic *uomis? et ab utroque huius *uomeris? dicimus. 

v. 47. Illa, illa terra uel gleba, uel illa seges. Auari, parci. 

v. 48. Bis quae solem, calorem dierum et noctium. Sentit, aratur. 
Indicat autem his tempora, quibus seritur. 

v. 49. Illius, parci agricolae. Ruperunt, impleuerunt. 

v. 50. Ignotum, iumensum. Ferro, uomere. Quam scindimus, 
idest antéquam aramus. Acquor, ‚pro campo. Hic metafora. Isidorus. 

v. 51. Varium caeli , diuersas caeli partes. 

v. 52. 4c patrios et reliqua. Tres res dicit, quemadmodum a 
maioribus sit cultus et quid melius ferat οἱ quid recuset. Zabitusque 
locorum , idest natura utrum pluuiis gaudeat an tepore uel frigore. 


v. 38 Quam elysios C [| auctores codd. Paris. Flor. Burm. G | audi- 
tores 1 || qui nodyssia C | qui in odysia B || elyscos 1 cf. Od. à 503 | 
amoenos M | ameios B | ameis C |] locos] Malim lucos cum Burm. 
Proserpina addidi ex Burm, G || 40 poematis C | poenatis B | poéámatis 
adnue, faue M || 41 rusticus C || 42 nam ut dixi, cf. ad v. 24 ut niue 
candidis scripsi | uiue candidis 1 || Quo, cum B | quoque cum nouo re- 
centi M | ‘Cum’ pro uariante scriptura potest accipi, Nam in B in textu 
‘cum? legitur, in margine pro uariante scriptura *quo?. || recente, corr. 
recenti B || inicium D || Vmor B || 45 cum ui fixo C | cum infixo B [| pro 
gene B Ut ubi nisi bos intellegatur Virgilius errauit codd, Paris. Flor. | 
iibi nisi bos intellegitur tauro enim etc. B | ubi non nisi cte. M |] Ioui sacri- 
ficium M || 46 calescore calere M || /'omer lemma om. M || decrefut. Vomer 
Β || 48 Bisque !|| aratur scripsi | arator B || tempora Voss. | temporo 1} || 
560 aramus scripsi | faciamus B | faciamus ueruactum Seru. || isio B | est 
Voss. || 51 diuersas caeli partes scripsi | diuersa cacli parte 1[| 52 utrum 
pluuiis Seru. | ut pluius B || a tepore B | an temperie M || 

r 


Jahrb. f. class. Philol. Suppl. Dd. IV. lift. 6. 











850 ΗΠ. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 53. Recuset, abnuat. 

v. 54. Veniunt, proueniunt, et *prouenire? fructus dicuntur. Junilius 
dicit. Peniunt, crescunt, ut (Aen. V 344): * Pulchro ueniens in'corpore 
uirtus?, idest crescens. (Gallus dicit. 

v. 55. Arborei fetus, poma. libi, alio loco. Inter "alibi? et *ali- 
ubi* hoc interest: 'alibi? est alias, “ aliubi? alio loco. Atque iniussa, 
sine studio, sine cultura; nam frumenta iniussa nascuntur. Firescunt, 
reuirescunt. 

v. 56. Nonne uides. Argumentatur, ac si dicat: Si una prouincia 
ferre non potest, quanto magis unus ager. Tmolus, mons in Lydia, ubi 
odores nascuntur, uel mons Ciliciae, in quo crocum nascitur. 

v. 57. Molles Sabaei, aut delicati, aut toto corpore uestiti. Molles 
Sabaei eo, quod sub aere clementiore sunt. Molles Sabaei. Populi sunt 
iuxta Syriam et Arabiam; Sabaeum oppidum in Arabia, in quo tus nasci- 
tur suaue., 

v. 08. Chalybes, gens in Ponto, inuentrix ferri, dicti a Chalybio 
Euboiae uico quod hinc coloni fuerunt. Junilius dicit. Nudi, duri. 

v. 09. Castorea, testiculos. Castorea.  Castores dicuntur idest 
canes siluestres, qui in Ponto tantum nascuntur, quos Latini * febros? 
dicunt, quorum testiculi pretiosi sunt ad medicamenta, et uirus, quod 
habent, *castoreum? dicitur, ut in PAysiologi libro dicitur. Junilius 
dicit. Zliadum. Elis urbs Peloponnesi ab Elo dicta. Juntlius dicit. 
Epiros, in Europa, in qua equi optimi. Junilius dicit. 

v. 61. Imposuit, quicquid frugis debeat proferre. 

v. 62. Deucalion. Cum in Thessalia aliquo tempore flumina habun- 
dabant et omnes alta loca petebant, Deucalion Thessalus et Pyrrha dea 
uel filia Terrae lapides iactauerunt in terram. Lapides quos Deucalion 
iactauit, in masculos uersi sunt, lapides uero quos Pyrrha, in feminas. 
Hinc genus humanum. Vacuum, hominibus. 

v. 63. Durum genus, quod ex lapidibus constat secundum historiam 
Deucalionis. Terrace, genetiuus casus. 


v. 53 abnuet B || 54 fluctus 1|| uenies B || crescens B | cresces M |I 
55 poma C | pomo B || iniussae M || reuiriscunt, corr. reuirescunt B || 66 


n 
Nonne C | Nune B || argumentatio M || hac si B | ha si C | sic ac si Voss. || 
non potest omnia Seruius || quanto magis] an *quanto minus’? || Ciliciae 
M | sciline DB || in quo scripsi | in eo B | in eo M || croccum M [| 57 dilicati 
1 || Molles Sabaei scripsi | uel suauei 1 | uel suaues Suringar || Moles 
Sabei B | thus M || saaue, corr. suaue B || 58 Chalibes gens in pento 
C \ Chalybia M || Eubocae M || coloni fuerunt seripsi | coloni *||| sunt C ; 
colonis sunt B | coloni sunt M || Iunilius Voss. | Nunilius B | nunillius C |; 
59 que in ponto B | qui Voss. || fibros Voss. || pretiosi Voss. | ptiosa B |j 
in Physiologi libro] cap. XIX | phisologi B || dicitur M | dicit B |] Helia- 
dum, Helis, Helo 1[| peloponensi B | pelopenensi C |] Iunilius Voss. | nuii 
B | nui C || Epirus M [| eurupa 1 || 62 Quum M || in thesalia 1 [| aliquo 
scripsi | alio ] | habundabant] an inundabant? cf. ad v. 13 | thesalus Ι: 
pyra l[] dea uel filia Terrae cf. ad Ecl. VI 41. Pyrrham Terrae deam 
uringar quoque miratur || ictauerunt C || quo deucalion 1|] 63 & lapidi- 
bus B | et lapidibus M || genitiuus M. 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georglca. 851 


v. 64. Pingue. Redit ad solum. Primis , ueris tempore. 

v. 65. Inuertant , arent. 

v. 66. Puluerulenta, idest quae concreta propter hiemis frigus 
puluerulenta facit. llic metafora uel epitheton est. Coquat, glebam uer- 
tat in puluerem. Maturis, pro matura facientibus aut plenis et legitimis. 
Solibus , diebus. 

v. 67. Sub ipsum. *In? et ‘sub’ tunc accusatiuo casu iungitur, 
cum *aduersum? uel “ante? significat, ut (Aen. IX 424): *Ibat in Eury- 
alum?, et *sub ipsum Arcturum? pro ‘ante’, ut Donatus dicit in Arte II. 
Sub ipsum, prope ipsum, ut in VI (v. 255): *Ecce autem primi sub 
lumina? idest prope lumina. Sub ipsum Arcturum, autumnali tempore, 
quo Arcturus oritur. Sub, quando tempus significat, accusatiuo gaudet, 
ut hic *sub ipsum Arcturum’, circa ipsum Arcturum. 


v. 68. Arcturum. Arcturus qui Bootes dictus, quem ursas putant 
quidam Boreo circulo continere. Bootes autem quod plaustrum. Hic ori- 
tur ad Kalendas Octobris. Suspendere , leuiter arare. 

v. 69. Illic, in terra forti et pingui. Officiant , obsint noceant. 

v. 70. Hic, in tenui et infecunda. Ne deserat humor harenam, 
minus fecundam terram aquis inrigari iubet. 





v. 64 Primus B || 66 Puluerulenta, idest quae concreta propter hiemis 
frigus puluerulenta facit scripsi et transposui | idest contrita propter 
hyemis (hiemis C) quae puluerulentia facit 1 | idest propter hiemens 
quae puluerulentia facit contrita Voss. | idest contrita propter hiemem 
quae puluerulenta facit M || maetafora B || epytheton i uertat Voss. | 
uertit B || matura facientibus scripsi | maturis f. B | maturas f. M || diae- 
bus B || 67 tunc Voss. | tunt 1 | cum M || accts B | aces C ||iba in C | 
eurialum 1 || significat ibat 1|| ut dona dicit in aeneide II (eneide II C) 1 
in Aeneidem M | Aeneidos secundo Voss. De Donati comm. Aen. II v. 442 
*postesque sub ipsos'] Manifesta descriptio: alii quippe obsidebant 
ante fores etc. cogitabat Suringar. \ in Arte II reposui, quia ea uerba 
neque in Donati comment. in Aen. |. II leguntur et dilucide inueniuntur 
in Aelii Donati Arte altera. Cum enim apud Keil. Gramm. Lat. IV p. 390, 
Donat. art. II 16 in textu legantur: *quarum “in? et ‘sub? tunc accusa- 
tiui casus sunt cum ad locum uel nos uel quoslibet ire isse ituros esse 
significamus; tunc ablatiui, cum uel nos uel quoslibet in loco esso fuisse 
futuros esse significamus', haec reperias ex interpolatis quas uocat edi- 
tionibus insuper addita et a Keilio in marginem relegata: *tunc prae- 
positiones accusatiui casus sunt, cum *aduersum"? uel "aute’ significant ut: 
‘Ibat in Euryalum? et “sub ipsum Arcturum’ pro *ante? etc., undo μέ anto 
*Ibat? inserere haud dubitaui || ecco primus sub limia idest prope limina 
B || aut tumnali B || gaudet M | saudet 1} || ipsum arcturus B || 68 bootus 
l]| quem ursas putant] quod ursus ! | ursos M || boreo B | borreo C, cf. ad 
v. 243 | boreali M || contineri 1 || plaustrum hic oritur interp. M || ad Καὶ 
octimbri 1 || Arcturus qui Bootes dictus quod ursus putant: quidam boreo 
circulo contineri Bootes aiunt quod plaustrum hic oritur ad Kl. Octim- 
bres Voss. (Suringar) | Arcturus id est qui et Boetes dictus idest quem 
ursas putant quidam baorio circulo contineri. Boetes quam plaustrum 
huic ursarum nominis attribuant. bic oritur a. d, XI Kal. Octobr. Burm. 
G coll. Mommsen. || 69 forti C | forta, corr. forti B | malim fertili, ut *fer- 
til? in sequenti uersu respondeat “infecunda’, ut *pingui' terrae 'tenui* 
opponitur cf. v.74 | intenui M [| 10 Ne* deserat B || harsenamB [| inrigareM |} 

655 





352 — IL Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 71. Alternis, per uices, aduerbialiter dixit. Idem, agricola. 
Tonsas, agros messos, qui alternis uacant. Nouales, quia sementa 
nouantur. *Noualia? prima rura proscissa. Has “nouales? et haec *noua- 
lia? dicunt. 

v. 72. Segnem , sterilem, qui nihil ferat. Durescere campum , ut 
redeat in uires priores. Segnem , pro * cessantem? dicit. Patiere, patie- 
ris. Situ, positione. 

v. 73. Mutato sidere, in principio ueris, alternis annis uel anno. 

v. 74. Laetum , fertile, pingue. Legumen.  Legumina dicuntur, 
quaecumque non falce succiduntur, sed manu leguntur. Siliqua quas- 
sante , folliculo sonante. 

v. 75. Tenuis. Vicia enim uix ad triplicem prouenit fructum. 
Viciae, genus leguminis. Tristisque lupini, quia tristes faciat propter 
amaritudinem; incoctus enim amarus est. 

v. 76. Siluamque sonantem,ubi enim faba tolluntur, sonant siliquae. 

v. 77. Vril, uexat. Lini, auenae, papauera. Bene excerpsit linum, 
auenas, papauer et dicit post haec frumenta non esse serenda; nam licet 
manu legantur, et sint inter legumina, uiribus tamen frumentis aequantur. 


v. 78. Leihaco, idest plena obliuionis; nam Ceres Ioue admonente 
dicitur cibo papaueris orbitatis oblita, et reuera papauer gignit soporem; 
nam ad dolorem obliuiscendum in potionibus datur. Perfusa papauera 
somno. Qui papauera manducat, cito somno opprimitur; est enim papa- 
uer somniferum,  Junilius dicit. 

v. 79. Sed tamen et reliqua. Redit ad praeceptum. 

v. 80. Pingui , umido. 

v. 81. Effetos, continua fertilitate. Cinerem. Cinis, stercoratio, 
inlermissio arandi, incensio stipularum. Gallus dicit. Inmundum, sor- 
didum, ad discretionem illius quo utitur puella. 

v. 82. Bequiescunt, quia per intermissionem arationis roborantur, 
quam rem repetit dicendo (v. 83): *Nec nulla.? 

v. 88. Inaratae, non satac.. Haeret ad illud, quod dixerat: *Ton- 
sas cessare noualis? (v. 71). 


v. 71 Idem Voss. | ide B | idest C et M|[ sementa Durm. G | sementia 
B || proscisa D || has nouales et haec noualia dicunt M | has nouales ut 
ut noualia dicuntur B | malim dicimus cum Burm. G cf. v. 99 || 72 positione] 
pro otio coniecit Suringar || 73 alternis annis nel anno] Alternis, annis, ni- 
detur ad v. 71 pertinere, scribendumque: “in principio ueris uel anni? |] 74 
folliculo M | foliola (/a in ras. B) 1 || quas ante C || 75. peruenit M Voss. 
quia tristes faciat M | quia tristes facit Voss. | qua triste facint H | 
76 sonant siliquae scripsi | sonant silua B | sonat silua Voss. || 77 Prit. 
uexat. Zini, aucnae, papauera, Bene excerpsit scripsi | Vrit excerpsit uexat 
lini auene lini auene papauera bene excerpsit 1 | uexat linum auenas pa- 
pauera. Bene excerpsit M || papnuera ct dicit M | ligantur C [| equantur 1 | 
78 Loetheo C | Ictheo B [| admonto C || orbitatis C | olbitatis, corr. orb. B 
potionibus M | potationibus 1 |] Perfnra B || manducat (sic) B [| oprimitur B 
80 humido M | humidi Voss. || 81 effectos C | stercuratio 1 || 82 nec ulla M 
83 snte heret 1 || dixerat scripsi | dixorä 1 | dixit Voss, | dixeram M || *Ton- 
Bas cessaro noualis' (v. 71)] tonsas caesare noualis 1 et M || 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 853 


v. 84. Incendere, igni. Agros, non agros, sed quae in agris sunt. 

v. 85. Crepitantibus , sonantibus. 

v. 86. Pabula terrac , Diligenter plures causas exsequitur, ex qui- 
bus certe aliqua profecisse uideantur. 

v.88. Exudat, exsiccatur excoquitur. Hic hypallage, dum non 
humor exudat, sed terra. Isidorus ait. 

v. 89. Caeca spiramenta , breues cauernas , per quas sudor emanat. 

v. 90. Spiramenta , uocat poros. 

v. 92. Tenues, lentae οἱ penetrabiles. Rapidi, nelocis. 

v. 93. Acrior, pro duobus uel pro uno. Penetrabile, non quod 
penetrat, sed quod facile penetratur. Junilius dicit. Adurat, siccel; ad 
solem et ad frigus pertinet; uno sermone duo diuersa eadem conclusit 
clausula. 

v. 94. Multum adco et reliqua. Ordo hic est: multum adeo adiuuat 
arua, rastris qui frangit aut uimineas trahit crates. Rastris, hos *rastros?, 
haec 'rasira?. Inertis, pigras, non fertiles. “Iners? enim sine arte, 
qui nullum rei affectum habet; ita et glebae nune appellantur * inertes? 
melaforice. 

v. 95. Vimineas , lentas adque graciles uirgas. Trahit, auellit. 

v. 96. Flaua, propter aristarum maturitatem. *Flauam? quidam 
putant dictam, quae flauescentibus frugibus faueat. Zunilius dicil. Ne- 
quiquam, sine causa. Spectat Olympo. Quasi sedeat in caelo et pro- 
spiciat, laborantibus fauens. Junilius dicit. 

v. 97. Proscisso, conueniens uerbum. Aeguore terga, campo, 
terra quam arauerit. 

v. 98. Rursus , scilicet autumnali tempore, quando cum seminibus 
aratur. Perrumpil. Bene perrumpit de obliqua aratione contra sulcum, 
ut rustici dicunt * cancellate arare.? 
























v, 94 Incendere igni. Kxurere agros M | *Exurero’ per uirgulam 
appositam uarians scriptura esse intellegitur eius quod est in textu, 
e 


5 
*incendero" || qui in B || 85 Cropautibus C || 86 ex quitur B 
scripsi | ex sc quibus B | quibus M || profecisso scrip: 
exciccat exquoquitur C || hicipalago C | ypalago B || 
sudore manat | sudor manat Voss, || 90 uocat poros. Pori sunt minu- 
tissima. foramina, per quao exit sudor a corporibus. Cutis enim humana 
iota ost plena foraminibus, quamuis non uideantur. B man. II, scd saec. 
X | 92 lentae scripsi eum Voss. ox Seruio [lato C | leto D || 93 pene- 
trantar B | Aut logendum: ‘non quod penetratur, sed quod facilo pene- 
trat’, aut: “nunc quod penetrat; alias quod facile penctratur." || Aduret 
B [|'eadem* anto *conclusit? addidi || 91 hordo C || uimino astrahit 1 || 
ita et Voss. | ite et B | item M || metafocice, corr. -forice B || 95 adque 
B | atque C || Crates idest cletas C ! 96 putant dictam scripsi | putant 
deam 1|| faueat M | flaueat 1 || frugibus om. C | Augibus, corr. fru. B || 
Nequicquam x) Olympho B || quasi semper in caelo sedeat laborantibus 
fauens Burm. G | sedoat in caelo et prospieist 15 ot prospieiat M 1.98 
autumnale C ἢ quando M | qii— quoniam 1 | quo iam cum Seruio Surin- 
gar || cancellate M | concollate πῇ 








854 11. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 99. Aique imperat aruis, ut tantum ferant. quantum ipse desi- 
derat. Imperat, elegantis translatio. Nam de militibus dicimus. 


v. 100. Ymida, ut humida fiant. Humida solstitia. Quomodo 
congruit, cum alterum hibernum, alterum aestiuum? Et sunt alii, qui 
solstitia pro *solstitio? dicunt, referentes ad aestiuum. Ymida solstitia. 
Alii solestitia, pro aequinoctiis uerno et autumnali accipiunt, alii pro 
aestatibus. Orate, idest , o agricolae. 

v. 101. Puluere. Serenitas puluerem creat. Farra, frumenta. 

v. 102. Nullo tantum se Moesia cultu, quantum humida solstitia 
et hiemes serenae, idest, quamuis colatur optime Moesia, tamen tan 
tum nullo cultu se iactat, quantum ea terra, quae huiusmodi habet caeli 
temperiem. Moesia, regio Asiae uberrima, uel Moesia. Moesiae tres 
sunt: Moesia * Gargara?, Moesia “superior” Moesiaque in Asia prouincia. 
Vel ciuitas Phrygiae non longe a Troia prope Gargara, montes Phrygios. 


v. 103. Et ipsa suas mirantur Gargara messes. Fantasia poetica 
in re inanimali. Gargara, pars Idae montis in Phrygia, nunc uero in 
Troade, quoniam Troes Phryges dicuntur. Gargara, regio Asiae. Eliam 
mons uocatur. Gargara, mons Apuliae. 

v. 104. Jacto, iactato. Comminus, prope, sed nunc * statim. 

v. 105. Ruit, frangit, euertit, dissipat. Male pinguis arenae, 
non fertilis. 

v. 106. Deinde. Ante generaliter, nunc specialiter agriculturam. 
Satis, segetibus, seminatis. *Satis? participium est. Seguenlis iuges. 

v. 107. Exustus, calore aestatis. Morientibus. Secundum Pytha- 
goricos dicit, qui dicunt, omne quod crescit, animam habere. Aestuat, 
calefit. 

v. 108. Ecce supercilio, quasi superiore cliuo. Cliuosi, inclinati. 
Cliuosi tramilis, ex inprouisa altitudine terrarum; nunc ab alto. Metafo- 
ricos ab animali. 

v. 109. Elicit, euocat, inducit. Leuia saxa, calculos dicit. Rau- 
cum. Non solum ad utilitatem hanc rem, sed et uoluptatem. 


v. 99 fuerant C [| elegans M || dicimus scripsi | dicuntur B | dicitur 


r 

M [| 100 soltitia C || conguit C pro solsticio B [| solestitia B || equinoctis 
B || 101 seronitus, corr. -tas B || 102 colatur scripsi | collocatur d tamen 
tantum nullo scripsi | tam nullo 1 || cultu se iactat] cultus se iacet I | cultu 
ge iactot M M uel Moesia. Moesiae scripsi | uel moesia moesia B | uel 
Moesia M || Vel ciuitas scripsi. Pertinet hoc scholium ad illud: "Moesia 
regio Asiae uberrima? quocum in Voss. quoque coniunctum ]logitur | et 
ciuitas l||frigie, frigios B || 103 et ipsas suas mirantur garra C || in re 
in animali M Voss | in rei animali I||ide 1[ frigia 1|| nunc uero in Troia 
Burm. G | nune ueroiada 1 | nunc uero Troade M || friges 1 || 104 Comminus. 
Glossam om. C || 105 euertit Voss. | auertit 1|| pingues M || 106 segitibus 
B || Sequestis B [| iugis M || 107 phitagoricos 1 || Haestua B || calefit scripsi | 
calefacit B 108 supercilii C | ex inprouisa scripsi | ex inprouisu B || 
nunc ab alto]. An undam elicit? || metaphorice M || 109 Etlicit B || calculos 


et 
C | calctilos B et M || sed uoluptatem B || 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 855 


v. 110. Ciet, inriget Tuel canit. Scatebris. *Scaturigines? dicuntur 
uenae aquarum, sed in arido solo aqua ebullat, atque si ibi oriatur, idest 
aqua feruens quae scaturire dicitur, idest glomerari. Scatebris, saltibus. 

v. 112. Zuxuriam, perifrasticos dicit. Ostendit rem superfluam 
et nocituram, nisi amputaretur. — Tenera depascit in herba, herbae 
adhuc tenerae antequam in culmos cogantur. 

v. 113. Quique paludis et reliqua. Ordo est: paludis umorem de- 
ducit collectum bibula arena. Haec cultura priori contraria est. Nam ut 
illa sicco agro aquam inmittit, ita haec habundantem aquam deducit. 

v. 114. Deducit, diriuat siccat trahit. Tradit palustrem aquam 
diriuari ex agris. 

v. 115. Praesertim, maxime. Incertis, inoportunis. “Incertos 
menses? quoscumque, qui adferant uariam tempestatem, an proprie ad 
uernos. Incertis si mensibus, ueris autumni, quia in hieme *certum? 
frigus, in aestate calor. 

v. 116. Exit. *Exire? amnes dicuntur, quaudo exuberant. Exit 
dixit, ut ibi (Aen. II 496): *Non sic aggeribus ruptis cum spumeus amnis 
exit.” Obducto, superfuso, superlito. Limo, limus infimum lutum, unde 
et uiatores attinguntur. 

v. 117. Tepido, noxio inutili. Lacunae, caua loca, quae aquam 


concipiunt pluuialem. 
v. 118. Nec tamen et reliqua. Ordo: nec tamen nihil officiunt, 


cum haec sint. 

v. 119. Inprobus anser. *Inprobum? dicit anserem, quia fugatus 
redeat, referens ad animum rusticorum, an potius pro auido cibi, idest 
insatiabili uel nulli probabili. Set anseres agrestes dicit. Junilius dicit. 





v. 110 inriget] Vera glossa intercidit. Videtur onim *inrigat? ad 
v. 109 * Elicit, euocat inducit? pertinere cf. ad v. 269 | Ciet inriget uel 
uocet Voss. || canet 1 |] Scatenebris B | scatebri C || Scaturigines M | 
scaturmes 1 | aqua ebullat atque si ibi oriatur scripsi | aqua que 
ebullat atque ibi oriatur (ebulat C) ] | aqua quae ebullit atque ibi 
oritur M || idest feruens, om. aqua M [| glomerari scripsi | glomerare 1 || 
Verba ‘aequare quo operire? (pro operire M) = 'aequare, cooperire? quae 
st *glomerare? collocauit M ad v. 113 pertinent. || saltibus scripsi | 
salientibus B || Scaturigines (Scatturrigines) sunt ebullitiones, quas facit 
&qu&, cum in unum locum coadunatur B m. II || 112 Luxoriam 1 || erpi- 
frasticos | || Luxus dicitur omnis superfluitas. *Luxuriem segetum" dicit, 
quando nimium excrescunt, et tunc teneras (et tunc eas fin ras.]) de- 
ascit (depasci) eas (om. M) B m. II || in erba B [|| 113 umore B [| aquam 
(sic) B | Quae inde apud M secuntur uerba: ueris temporum pro uarieta 
eris (ueris tempore pro uarietate aeris Voss.), ad v. 115 pertinere patet, 
hunc in modum corrigenda: Z7ncertis mensibus, ueris tempore, pro uaria 
tempestate ueris, cf. ad v. 116 {114 diriuat 1|| trahit. Tradit palustrom 
scripsi (nisi mauis hortatur) | trahit plaustrim 1 et M || diriuari 1 |] inopor- 
tunis 1 | inopportunos M || AN B | aN C || ueris " autumni M [| quia in 
hieme scripsi | quam hieme B | quam hiemis M || àestate B || 116 dixit ut 
ibi scripsi | dixit ubi 1 || spumeus exit, 1 | exit dixit, ubi non sic aggeri- 
bus ruptis: cum spumeus exit. M || litum B || 117 nexio C |] inululi, corr. 
inutili B || pluuialem (sic) B || 118 et reliqua om. M || he sint C || 119 in- 
saciabili uel nulli probabilis et inseres et agrestes dicit D | idest insa- 
tiabiliter nulli probabilis et anseres agrestes dicunt M || 


856 — IL Hagen: scholia Berneusia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 120. Strymoniae. Strymon fluuius Macedoniae uel Thraciae per 
duos alueos discedens lacum magnum efficit. Amaris, amaro suco. In- 
tiba. llic *"intibaà? neutrum; cst et frequenter hic “intibus’; est *intibus? 
in singulari numero masculinum, in plurali ucro neutrum. Intiba, uena 
quaedam pessima et nerui amari terrae. Officiunt, nocent. Fibris, fibrae 
summae partes jecorum sunt; nunc frumentum dicitur. 

v. 121. Nocet, frugibus. Pater, Triptolemus uel Iuppiter. 

v. 124. Torpere, stupere. Velerno. Morbi nomen, otio pigritia 
desidia hydropicorum uel * ueternum? torporem quendam corporis, quo 
quasi inueterascat corpus. 

v. 125. Ante, idest regna. Ante Iouem et reliqua. louem dicit 
fecisse ca quae in uituperationem ueniunt, sed hoc loco defendit dicens 
(v. 123): “Acuens mortalia corda? et reliqua. Inte Iouem et reliqua. 
Dicunt [ouem commulasse omnia, cum bonus a malo non discerneretur, 
terra omnia liberius ferente, quod Caluus canit. Junilius dicit. 

v. 126. Limite. “Limes? fossa in agro, quae inutilem concipit plu- 
uiam. Junilius dicit. Limite, termino. Inter *limitem? οἱ *terminum? 
hoc interest: «limes? consecratus adeo terminus. 

v. 127. In medium, in commune. Quacrebant , adquirebant. 

v. 128. Liberius, largius. Nullo poscente. Ferehat ultro, ut supra 
dixit in eclogis. 

v. 129. Ille, luppiter. Vírus, uenenum. Malum wirus, ad discre- 
tionem epitheton; nam *uirus? et bonum et malum est, sicut uenenum. 
Licet suh Saturno serpentes fuerint, sed fuerunt sine ueneno. 

v. 130. Moueri, nauigari. 

v. 131. Remouit, non sustulit, sed occuluit. 


v. 120 Strimoniae 1 || strimon 1 || machedonie C || traciao 1 |] dis- 
. cedens scripsi | discendens ] | unde descendens M || sueco M || Hie 


ho 

intiba neutrum M | hie in utrum B | hic in neutrum C || uero neutru 
C || singulari C | sigulari B || 121 treptolemus B || 124 eterno. Est 
morbus, qui et “intercus? dieitur, graeco ὕδρωϑ (ydrops); sed (om. M) 
hic ponitur pro pigritia. B m. II || Torpere stupere scripsi | Tor- 
pore stupore B |] hidropicorum B | Malim hoc uocabulum post “morbi 
nomen? collocatum || inucterescat B (fuit -scas) || 125 cum bonus] 
Malim ‘cum antea bonus? || *Subigo? multos sensus habet: *subigo’ 
est fodio, et 'subigo? est exaro et *'subigo' acuo ut (Aen. VII 627): 
*Subiguntque in cote secures? (ut subiit in cote secures) B m. II || 
126 pluuiam scripsi || opinionem 1 cf. ad v. 117 | colluuiouem Wagner 
de Phil. II p. 9 || “Limes? est petra (petrum M), quae (quod M) 
ponitur pro signo inter duos campos. DI m. II || ad eo terminus B | 
Scholium excerpendo misere mutilatum ita Burm. G plenius exhibet: 
Limes consecratus est adeo ut quoniam Turnus eum commouit fit autem 
terminus (commouit sit interemptus ait enim cod. Paris. 7950) limes 
agrorum — quae sic corrigas: limes consecratus est adeo ut quoniam 
Turnus oum commouit, sit interemptus; nit enim (Aen. XII 898): Limes 
agro || 127 Querebant adquerebant B || 128 in eglogis B, i. e. ecl. IV | 
129 epithethon B | epitethon € | epitheton facit Voss. || serpentes C | 
serpentis B || fuerint sed fuerunt scripsi | fuerint sod Voss. | fuerunt sed 
1|| 131 sed occuluit M | secloaulit D [ sed occulit Voss. || 





H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. — 857 


v. 132. Riuis. Quidam uini riui fuerunt. Junilius dicit. Repressit, 
inhibuit ; hyperbolice loquitur. 

v. 133. Extundercet, studiose reperiret. — Extunderet, a fabris 
translatio. Junilius dicit. | 

v. 134. Paulatim , bene paulatim, quia ars gradibus quibusdam ex- 
cogilatur. Junilius dicit. Sulcis, ductibus aratri. Frumenti, segetis. 
Herbam , perifrasis, segetes. 

v. 136. Alnos, rates. 

v. 137. Numcros, modos, ut diceretur Septentrio septem stellarum. 

v. 138. Pleiadas. Ortu suo primae nauigationis tempus ostendit. 
*Pleiades? sunt stellae quae in cauda Tauri positae in uere oriuntur et 
*Vergiliae? nuncupantur. Ayadas. Stellae, quae in fronte Tauri, septem 
ut Chaldaei tradunt, nutrices Liberi patris, appellatae, ut Musaeus 
scripsit, ab Hya fratre, quem in uenatione interemptum fleuerunt. Juni- 
lius dici. Hyadas. Alii ab eo * Ilvadas? dictas esse putant, quod ortu 
suo pluuiae nascuntur, quae a nautis * Suculae? dicuntur et in modum Y 
litterae in fronte Tauri sunt. Claram, quia non occidit, aut quia aliae 
non clarae. Zycaonis Arcton, idest maiorem, Septentrionem, quia minor 
* Cynosura? dicitur. Zycaonis, subauditur filia, idest ursa, in quam 
transfigurata est Callisto, Lvcaonis filia. 

v. 139. Fallere uisco, ad aues capiendas. 

v. 141. Funda, genus retis fundendo dicti, unde fundatores dicun- 
tur, quia lapidem stuppeis uinculis iaciunt; sic et *iaculum? dicitur 
jactando. Alius, piscator. 

v. 143. Rigor, acies, ut (Aen. XII 304): “Rigido ense ferit.' ἴσον, 
durities, inde * rigidus Amor? dicitur. Zammina, *plures? per “lammi- 
nam? dixit. Argutae, stridulae. Serrae. Perdix, discipulus Daedali, 
serrae usum primus inuenit. Junilius dicit. 

v. 145. Artes. Persius (Prol. v. 10. 11): *Magister artis ingenique 
largitor | uenter negatas artifex sequi uoces." 

v. 146. Improbus , magnus. 

v. 147. Prima Ceres et reliqua. Omne agriculturae genus homini- 
bus indicauit. Alii dicunt Osirim, uel Triptolemum aratrum inuenisse 
obiciunt, sed aliud est omnem inuenire agriculturam, aliud unam rem. 


v. 134 ductibus aratri scripsi | ductis aratri B | ductis aratro M || 
eriphrasis scgetis M || 137 dicerentur M || septentrio B semper || 138 
Iyadas 1 || hortu C || Plyades C | plyadas B Ϊ uirgiliae 1 | nuncupan- 
tur M | nuncupant ] || Pleiades (Plyades) sunt stellae in fronte Tauri, 
quae et Vergiliae dicuntur, dictae Vergiliae, quia (quod M) uernali 
tempore oriuntur. JIyades (yades) sunt in genu illius, quae et * Sucu- 
las’ (setulae) dicuntur. B m. II || chaldei 1 N patris C [ patres, corr. 

atris B || museus 1 cf. Hyg. poet. astr. II 291. Schol. Germ. v. 173, p. 396 
Ey». || Hyadas dictas esse scripsi | hyadas esse B [| sycule B || cynosura 
M | cinosa B || licaonis B || caliston licaonis B || 139 fellere B || 141 uin- 
culis] An reticulis? || dictum M || 113 rigos B | Rigor aces C || ense se 
ferit I || duricies 1 || Lamina, laminam M || Argutae stridulae serrao. Per- 
nix M || pernix B || declali B || serre B || 145 perseos magister artis ingenii 
largitor uentor negatus (negatur C) artifices sequi uoces 1 || negatus M 
146 Improbus magnus uel inlaudabilis. Jrgens idest inconpellens C 











858 11. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


Ferro, uomere. Prima Ceres et reliqua. Cum enumerauerit ca quae ab 
loue inuenta sunt, alia, quae ad usum arandi pertinent, prima a Cerere 
inuenta meminit. 

v. 148. Arbuta, genus uirgulti, rubra poma habens, quae Plinius 
*unedones? uocat. 

v. 149. Deficerent, quia quercus mella ferebant. Dodona. Ciuitas 
Epiri iuxta quam nemus loui consecratum et habundans glandibus, uel 
locus in Chaonia, ubi praecipue luppiter colebatur. Gallus dieil Siluae, 
quarum sterilitate significatur ceterarum infecunditas. Dodona, quercum 
significat, quae consecrata erat in templo Dodonaei Iouis. lunius dicit 

v. 150. Moz: et frumentis labor additus. Quia ante erat labor, 
sed tantum herbarum intiborum, postea accessit rubiginis labor. 

v. 151. Essel, consumeret. Rubigo, genus uilii, quo culmi per- 
eunt, abusiue. Proprie uitium obscenae libidinis, quod *ulcus* uocatur, 
ut Varro ait. Segnis, inutilis infecundus, quia segnes facit carduus ubi 
valeatur. 

v. 152. Subit aspera silua, de herbis dicta. 

v. 153. Tribuli, spinae. Nitentia , uiridantia. 

v. 154. Infeliz , ad discretionem earum quae seruntur. Dominan- 
tur auenae, quod altius inter segetes concrescunt, ideo * dominantur? 
dixit. Infelix, quia nullum facit fructum, sed magis messibus obest. 
Aucnae , herbae messibus nociuae. 

v. 155. Quod nisi et reliqua. Haec superioribus addit. Nam illic 
dixit (v. 120): “Am: intiba fibris’. Insectabere, insectaberis, idest 
nisi sarriueris. Rastris, raritate dentium dicti, "Insectabere rastris? hae- 
rei (v. 120): *Amaris intiba fibris". 

v. 156. Et sonitu terrebis aues, haeret (v. 119): *Nihil inprobus 
anser. Εἰ ruris opaci falce premes umbras, haeret (v. 121): “Aut 
umbra nocet? 

v. 157. Premes, supprimes incides conpesces. Falce premes um- 
bras, nisi falce temptaueris ramos. Vofisque uocaueris imbrem , haeret 
(v. 100): *Vmida solstitia.” Junilius haec coniungit. 


















v. 147 Prima ares 1|| arundi B || 148 uirgulti scripsi | uiminis B || ple- 
nius unidoneas D] H.N. XV, cap. 28 | 149 mella forebant scripsi | mol fe- 
robant C | mel adferebant B || Dedona C |] ceterarü infecunditas B | cete- 
rarum fecunditas M || sterilitate, corr. sterclitate B || quao consecrata erat 
in templo Dodonaci Iouis scripsi | quae conmater illa dodonci iouis B, 
cf. ad ecl, 117. Wagner de Phil. IT 19 de quercu Iouis matre cogitat cum 
Voss., qui exhibet: *quae est mater illa ote. || 160 additur C || herbarum 
intyborum Voss. (cf. v. 14 sq. v. 120) herbarum ut ciborum 1| 151 uicium 
1||obscene 1|] infecundis B |] 153 Nitencia B || uiridantia M | uiridencia 
D || 164 Post infelix glossa intercidit, nam ‘ad discretionem earum quae 
seruntur? pertinent ad nouum lemma steriles auenae || crescunt M. ] 155 
addit] Malim reddit cf. v. 208 || nisi sarriueris scripsi | nisi araueris 1 j| 
raritate dentium scripsi | raritatem denuum B || 156 sonitü 1 || Nihil om. 
M || umbras om. M ἢ 157 suppremes 1 || temptaueris] Quamquam Verg. georg. 
11 365 'temptare' uerbum oo, qui hie requiritur, sensu adhibuit, tamen 
pro nostri consuetudine dicondi legerim *amputaueris" |] uocaberis B ἢ 











H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica ct Georgica. 859 


v. 158. Heu,0; suo more ingemit, referens ad personam de qua 
loquitur. Aceruum, multitudinem frugum. 

v. 159. Quercu, glandes ad uictum colligendo. 

v. 160. Arma, instrumenta ut (Aen. 1 177): *Cerealiaque arma.? 

v. 162. Vomis et uomer *uomeris? faciunt, et ex eo dictus, quod 
trudendo uomat terram. Inflexi, pro flexi. Inflexi, propter sulcos altius 
inprimendos. 

- v. 163. Eleusinae, ciuitas Atticae haut longe ab Athenis; in qua 
cum regnaret Celeus et Cererem quaerentem filiam susciperet hospitio, 
illa pro remuneratione ostendit ei omne genus agriculturae quare οἱ ibi 
maxime colitur. Plausira, uehiculum bubus aptum. Zleusinae. Eleusi- 
nam ab Eleusina urbe Atticae in qua Ceres adorabatur. Matris. *Matren’ 
autem *Eleusinam? Cererem dicit. Nam ut ueteres *patres? deos dicebant, 
ita et deas *matres?, Deum Matrem, Vestam Cereremque. Junilius dicit. 


v. 164. Tribula, genus uehiculi, quo frumenta teruntur in areis. 
Iniquo, gräui; iniquum ab inaequalitate dictum. Trahae, genus uchiculi 
a trahendo dictum, quia non habet rotas. Iniquo pondere, quia quae 
iniqua sunt, pondere praegrauantur. 


v. 165. Celei. Celeus antistes Cereris, Eleusinorum rex, non utique 
honestus, qui ex uirgis habuit plurimam suppellectilem. Vilis, quod uili 
pretio ematur. Suppellex, usurpatum est, nam Artis est *suppellectilis?, 
domus instrumentum. 


v. 166. Arbuteae crates , coniunctae inter se uirgae. annus, al- 
ueus ex uiminibus factus, corio desuper tectus, quo in areis rustici utun- 
tur, discernens fruges et paleas. Vannus dictus quasi annus quud patens 
sit. Mystica, quia mysteriis Liberi patris adhibetur, et mystica, quia 
instrumentum purgationis est. Jacchi, idest Bacchi. 


v. 170. In burim, *buris? dicta a bustione ; igni enim flectitur. Pu- 
ris curuamentum aratri est, dictum quasi βοὸς οὐρά, quod in similitu- 
dinem caudae bouis. 


v. 158 ingemit M | ingemat » 159 Querquu B || 160 cerealia arma 
M || 162 uomueris C | uoueris D || alcius B || 163 atrice C || haut 1 || atthe- 
nis 1[| caeleus B | caelus C || filium 1 [| ospicio 1 || illa praemuneratione 
C [| quare addidi || colitus 1|| Eleusine M || atice B || ares B [| Eleusiniam 
M j| Deum Matrem scripsi cum Wagnero de Phil. II p. 19 | dea matrem 3 | 
deam matrem M [| Vestam scripsi | uestram B M || 164 trobula, corr. tribula 
B | tribulae C [| in areis (sic) B | in aeris C || ueiculi B || 165 Caelei C || 
cereis C || precio B || quod uili pretio ematur suppellex usurpatum est 
nam artis est. Suppellectile est domus instrumentum. M, cf. Charis. 
p. 47, 31. 88, 10. 143, 16. 144, 6, 13] 166 coniuncte C | coniunte B || in 
se M || Vannas, corr. -us B || factum, tectum 1; an *alueus uel uas — 
factum — tectum?? cf. ecl. VII 33 | factus Voss. || discernentes M || pa- 


tensit B | quod patens sit om, C | Quae uidentur in hunc esse modum 

igenda: 'Vannus dictus quasi Ianus, quod patens (nisi mauis ‘bipa- 
tens") sit? || Iachi idest bachi B || Zacchi, qui apud inferos in uanno ac- 
cipit animas malasque mittit in incendia, bonae (bona) seruantur ad 


ysiacas sedes. C m. IL |] 170 ab ustione C || bosura 1 | bouis sit Voss. || 





860 ΗΜ. Magen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 172. Binae aures, duae, quibus latior sulcus efficitur. Duplici, 
lato. Dentalia. *Dentale? lignum in quo uomer inducitur. 

v. 173. Ante, ante tempus necessarium caeditur, ut exsiccatum fiat 
leue. lugo, idest ad iugum. Alta, longa. 

v. 174. Stiua, gubernaculum aratri ut Nigidius ait. Currus, rotas 
ideo * currus? ait, quia in Gallia et in Britannia et aliis regionibus aratra 
axes habent et rotas, ei sic arant. Junilius dicit. . 

v. 175. Et suspensa, radicitus euulsa. Explorat, siccat. Bene ait 
"explorat, quia uitia materiae ex eo apparent. Junilius dicit, 

v. 176. Possum. lucunde commemorat habundantiam peritiae suae 
in rusticis rebus. 

v. 177. Tenuis. Subtilitatem studii ostendit. 

v. 178. Area, ex ‘aruisse? dicitur, carens umore, ut in urbe *area 
Vulcani? dicitur. Cum primis, hysteroproteron posuit; prius enim manu 
lerra uertitur, deinde solidatur area, postremo aequatur. Et uertenda. 
Bene triplicem ordinem fecit; primo enim ait, uertenda est area, post 
cylindro aequanda est, tertio creta tenaci solidanda. — Cylindro, lapide 
rotundo, in modum columnae, qui uolubilitate nomen accepit, quo area 
aequatur. 

v. 179. Creta, alba terra. 

v. 180. Neu puluere uicta fatiscat. Ilypallage est, pro “ne uicta 
fatiscat in puluerem". Puluere fatiscat, idest in puluerem soluatur. 
Fatiscat , dehiscat, crepet. 

v. 181. Inludant, noceant. Exiguus. Debuit enim dicere "paruus"; 
"exiguus? namque, cui aliquid ex debito dotrahitur aut aliqua pars corpo- 
ris aufertur , *paruus" uero totus natura. 

v. 182. Domus atquc orrea. “Domus? et *orrea? ait, ut copiam 
abrepti frumenti exprimeret. Junilius dicit. 

v. 183. Capti, caeci. Capti talpae, mutauil genus ut in Bucolicis 
(ecl. VIEL v. 28): "Timidi dammae. Tulpae, genus bestiae. 

v. 184. Bufo, raua terrestris nimiae maguitudinis. Plurima ter- 
rac. Et alia purgamenta terrarum. 





v. 172 Dontilia, dentilo B || indnr B]173 ides D || 174 quia in M | 


quam B || britania B [| 176 euulsa M | auulsa 1} Robora idest instrumenta 
praedicta C || uiein mathoriae B || bono ait scripsi cum Voss. | beneagit 
B N 178 exaruisso 1 || aurea uulcani C ἢ histeroproteron 1 || auertitur 1 ἢ so- 
lidatur area || solidatur glarca M Suringarum secutus, a quo doceptus 
in sequentibus quoque cylíndro coniecit|| Et uertenda C | Euentenda B 
Euentum da in textu, in marg. cylindro coni. M || facit M || aoquanda C | 
"anda B || tertio C | tercio B || tenac;!| C || immodum columne B |! 
Cylindro idest acronnmain, quod rotulum dicitur C ἢ 180 dicta 1 || fatisca 
ΟἽ] ypalage 1|| pro noc uicta (uita C) 1| pro uicta M | neu uicta Voss. 
fatis 1 || saluatur 1 || deiscat B || 181 nocent 1 Illudunt nocent Voas. | 
Aute 'debuit enim? quaedam oxcidisse uidentur, e. g. "Incongrue dixit '; 
detraitur B || “paruus? uero tous natura scripsi | paruero totus nat 
B | paruus ucro mus natura M || 182 horrea M | orrea. u 183 ut in Voss. 
ut B || clamme B || talpe B [| talpa Μ 184 terrestri C || et alia Voss. 
talia D || terrae M 4 





H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 861 


v. 185. Populat , despoliat. 

v. 186. Curculio. Varro ait hoc nomen per ἀντίστοιχον dictum, 
quasi *gurgulio’. Curculio, genus bestiae. Inopi, quae semper quaerit 
alienum auxilium. Metuens formica, non tantum ad formicas, sed ad 
generales pertinet. Senecae senectuti. Inopi, generale epitheton sene- 
ctutis est. 

v. 187. Contemplator, futuri temporis imperatiuus modus. Pluri- 
ma, longa, ut (Georg. 11l 52) *Plurima ceruix.” Nux, auellana, idest 
amygdala. Contemplator item. Prognosticon est anni futuri fertilis uel 
infecundi. Plurima, longa: amygdalum uult intellegi. 

v. 188. Induet, se infundet. Et ramos curuabit, propter pondus 
pomorum; bene elegit arborem quae prima foliis uestitur. 

v. 189. Si superant felus, si habundat nux. Pariter, similiter, 
itidem. 

v. 190. Calore, aestate. Aestus nimios fore dicit. 

v. 191. Exuberat , fluit habundat. 

v. 192. Nequiquam pinguis, non pingues, sine frugihus. Palear. 
*Paleam? contra Artem dixit, quia quae ex pluribus constant, numeri 
sunt pluralis, ut *cancelli.? Paleae culmos, strages spicarum. 

v. 193. Semina uidi. Incipit dicere de medicandis leguminibus. 
Medicare , pro medicamentis aspargere. Serentes, serere uolentes. 

v. 194. Nitro, aqua ut puto. Amurca, umor expressus ex oleo, 
idest feces olei. 

v. 195. Fallacibus , quae fallere plerumque solent. 

v. 196. El quamuis ei reliqua. Ordo: quamuis cito coquerentur, 
aldi ea tamen degenerare. 

v. 197. Spectata, probata ut (Aen. VI 151): *Rebus spectata iu- 
uentus? Zabore, hominum. 





v. 186 ἀντίστοιχον scripsi | antesticon 1 | antistichum M || Cureulio 
genus bestiae, /nopf, quao sempor — pertinet, Senectae sonoctuti. /nopi, 
erale — est transporui et suppleni | quasi gurgulio genus bei 
quae semper querit (jrit C) alienum auxilium metnens formica — pertinet 
funes C) 1| Inopi genali senecte senoctuti acpiteton senectutis ext 

quam cod. scripturam secutus M nil nisi hoc mntauit: Znopi senectae, 
senóotati, generale epitheton | Varro] cf. Wilmanns de Varr, libr. gramm, 
pas fr. 112 ]187 Plurima, longa ut: Plurima ceruix’. Nuz, aucllaua 
t amygdala scripsi ot transposui | Plurima longa abellana idest 
amigdala ut plurima ceruix 1 || 188 Inducet 1 ἢ prima] primo B || foctus 1 j| 
P sestus nimios] sestus nimius D.| aestum nimium M |) 192 Neqnic. 
nM sine frugibus Sera, | in frugibus 1 [| constant Vosa. | constat 


om, B, add. M et Voss. |ui cancelli. Paleae culmos, strages 
Efi interpunxi et scripsi | ut cancelli, paleae. Culmos, strages 








(B) M[| contra artem] cf. Charis. p. 32, 19. 93, 6] 193 de me- 

li leguminibus scripsi | de medicamentis leguminibus (leguminis, 

eorr. unde do medicamentis; leguminibus medicare M || aspar- 

gere B | spargere C | adspergere M || 194 Waro. aqua ut puto idest herba 

Unde lanantur uestimenta dicta a nitiditate (niditato) uel a regione C || 

wmur B || 197 probata ut *Rebus — iuuentus. Zabore hominnm transpo- 
sui | ita labore hominum ut rebus otc. B 








862 I. Hagen: scholia Bernensia ad Vergill Bucolica et Georgica. 


v. 198. Ni, nisi. 

v. 201. Zembum, nauiculam breuem. 

v. 202. Subigit, susum agit, remigat, impellit, urget. 

v. 203. Alueus, media pars amnis et maxime altissima. Sensum 
parabola (init. 

v. 204. Praeterea. Astrologiam rusticam dicit. Arcturi, perifra- 
sis est pro Arcturi sidus. Arciuri, Septentrionis, cuius ortu tempestas 
fit, ucl stellae in signo Bootae. 

v. 206. Haedorum. Antiqui antequam adspiratio esset inuenta, f 
littera utebantur, et quod nos dicimus *haedi* illi *faedi*, et nos *fortuna". 
illi Sortuna’, et ideo postquam inuenta est, “haedi? dicuntur. Maedorum- 
que dies. Aurigae signum est haud longe a Septentrione, cuius pedem 
cornu Tauri una stella adtingit. Lucidus anguis. Tres sunt angues in 
caelo, unus inter Septentrionem est, alter Ofiuchi, tertius australis, in 
quo Crater et Coruus, de quo nunc proprie dicitur. 

v. 206. Vectis, idest his qui uehuntur. 

v. 207. Pontus, regio Asiae. Ostriferi, in quo ostreae mullae 
sunt. Abydi. Sestos et Abydos ciuitates lellesponti, quae angusto εἰ 
periculoso freto segregantur, uel Abydi conchulae sunt, unde fit purpura. 
v. 208. Libra, aequinoctium autumnale, in quo sol in Libra fit; 
uernali enim in Ariete. Varro scripsit (R. R. 1 34): * Ab aequinoctio 
autumnali nobis serendum usque ad diem XC post brumam. Die, pro 
diei. Die somnique. Antitheton diei “ somnum? reddidit, non ‘noctem’. 
*Nox' enim per *somnum? significatur, quia per id tempus diei somno 
opera datur. Junilius dicit. 

v. 209. Luci atque umbris. Eodem antitheto: nam luci *umbram', 
non *noctem? reddidit. 

v, 210. Exercete, uiri, tauros. Obseruat praedicta, ut (v. 45): 
"Taurus aratro. Ordea, usurpatiue Ill casus tantum pluralis dicuntur. 
Serite ordea. Notandum quod frumenta autuinno serenda dicat, legumina 
uero uere. 





v. 202 remigat Voss, | remiget 1 || 204 fit M | sit B || 205 Haedorum 
C | badorum B | Hosdorum M, semper || hedi ili fedi 1 | dizerunt post 
faedi addid, M || hedi dicuntur 1] cf. Velium Longum p. 3230 P || auriga 
M | aurigo D || haud M | hoc D || adtingit scripsi | adiungit B, cf. Sera, } 
est om. M || officii B|| tercius B | cod. 165: Tres sunt serpentes in caelo 
unus in Soptentrione, alter Ofiuchus idest serpontarius, tertius australis 
in quo sunt Crater et Coruus de quo hie proprio dicitur anguis || 206 
his Voss. | hi sunt Β ἢ 207 Ponti M |] Sostos M | esto B || ellesponti B ; 
fretu D | uel Abydi conchulae sunt Voss. | uel abidi concule sunt B 
nel Abydi emule sunt M ἢ 208 Libera C || in libra M | in libero I] δὲ 
Voss. [sit || anteteton B | non noctem. Nox enim scripsi! mon nocti 
uenus enim 1} | non noctem; eam enim — significat Wagner de Phil, 
1E p. 9 | signident M || 209 eodom antitheto Von. | eodem D | eddem, 
corr. codem C | anteton 1| idem antitheton M || non noctem scripsi, cf. 
supra nd v. 208 | noni nocti | | non nocti Voss. ἢ redidit 1 |] 210 Ex- 
cr*te B || ordea B, bis | hordea C [| serenda dicat M | serendicat B | seri 
dicat Voss, || 





3 














. 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 863 


v. 211. Psque sub exiremum brumae. Bruma a breuiore meatu 
solis dicta. Bruma finit Vlll Kalend. Ian. Non ad brumae finem dicit esse 
serendum, idest non usque ad ipsam diem, quamuis aliter scripsit arro. 
Intractabilis , durae. 

v. 212. Segetem, semen. Et cereale papauer, quod inter frumenta 
sit, uel uerius, quod eo Ceres curam leuauerit lugens filiam suam, somno 
impleta. Zunilius dicit. 

v. 213. Tegere, seminare. Et iamdudum, pro quam primum. 

v. 214. Dum sicca tellure licet, hoc est, antequam pluuiae inmine- 
ant. Dum nubila pendent, dum serenitas est. Dicit hoc tempore seren- 
dum, quando non pluit, sed inminent pluuiae. 

v. 215. Vere fabis. laec *faha? fit. Fabis uero inusitata declina- 
tio est, ut Cominianus ait. Medica, quam Xerxes pugnans ad Medos ra- 
puit, uel translata est in Graeciam, naturamque huius herhae respicit; 
uno enim anno seritur el frequenter procreatur. Salio, sementis. Me- 
dica, herbae species. 


v. 216. Milio. Milium nigrum est, quod ad pabulum bouum seritur. 
Venit annua cura. Medicae ostendit non esse curam. 

v. 217. Candidus . .. Non enim a capite, sed dorso oritur, idest in 
medio sui apparere incipit, non a fronte, uel quod Aprili mense sol in 
Tauro est. Auratis, aura plenis, idest rorulentis; uernum tempus signi- 
ficat. Aperit, bene aperit, quia Aprilis aperiendo dicitur. 

v. 218. Aduerso astro. Quidam *malo? accipiunt, *Sirium ardorem 
illum sitim morbosque ferentem mortalibus aegris". Alii *aduerso astro? 
ad ipsum Canem non referunt, sed ad solem, qui *aduersus? intellegitur 
ex eo, quod contra mundum nititur. Sed magis intellegere nos conuenit 
*aduerso astro? Taurum dici, cum quo Canis occidit, quia Nigidius ait: 
*Taurum aduersum inter sidera locatum.? Aduerso. Quod posteriores 
eius partes, quia primi ueris sunt, umidiores habentur, priores autem ideo 
quia aestatis, existimantur sicciores. Junilius dicit. 


tatu solus 1 [| finitur Voss. et M || VIII|| (fuit VIIII) C || abrumo 1 || seren- 
dum Voss. | ferendum 1|| 214 idest M || inmineant M | inminant | || nubilo 
B || serentas B || 215 uero] uere M || declinationem C || commianius B || com- 

namus C | at Commianus M, cf. Charis. I p. 34, 25 K. haec faba. Ver- 

lius *uere fabis satio? inusitata declinatio | Media C || xerses 1 || trans- 
ata est in Graeciam scripsi | translatio est in greciam | | translatio est. 
In Graeciam M || seritur et frequenter] seritur frequenter 1 | frequenter 
[eu Prey ww , cf. Seru, || sementis Suringar cum Seru. | semen 








v. 211 extremum C | exemum B Brumae M [| meatu solis M | me- 
| 


217 Ante ‘Non enim? lacunam signaui cf. ad v. 181 || aprile 1 || 
rorolentis B | puluerulentis coni. M \ 218 Auerso C || male M || odorem 
1|| morboque B | borboque C || egris |, Aen. X 273. 274 *Birius ardor: ille 
sitim morbosque ferens mortalibus aegris? || canem ron referunt scripsi | 
canem referunt 1 || Post locatum *aduerso? lemma interposui cf. praef. 
p. 720 | Sed magis intellegere nos conuenit auerso astro taurum dici cum 
quo canis occidit. denique Nigidius ait etc. Burm. G || quia primi scripsi 
qui primi 1 | quae primi M || quia aestatis, existimantur sicciores scripsi 
quia aestati (estati| C) existant sicciores 1 | quia acstato existant, sic- 
eiores M || 





864 ΠῚ Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 219. Robustaque farra. Plus enim uirium habent, quam legu- 
mina, et tempore quo Atlantides occidunt, sunt serenda. 

v. 991. Koae, orientes.. Eoae abscondantur, idest mälutinos oces- 
sus faciaut. Nam cum sol in Scorpione est, XV Kalend. Mai., Vergiliae 
occidunt. unilius dicit. Allantides, idest Pleiades, hoc est Vergiliae, et 
sunt sex, quarum nomina Alcyone Merope Celaeno Electra Sterope Ta 
gete. Atlantides, aliquando septem, aliquando sex uidentur. In Nouembri 
non uidentur a nobis. Abscondantur, in Nouembri. 

v. 222. Gnosia. Cretica. Coronae. Corona Xll signis proximo. 
Coronae, quia Liber pater Ariadnam filiam Minois, uxorem suam cum 
in caelo dedicauit. Iunilius dicit . ..... quam coronam Vulea- 
obtulit ad uxoris insigne et inter sidera collocauit. — Gaudentius. 





















v. 224. Inuilac terrae. Terra enim quando aratur, quasi uulnera 
quaedam patitur. 

v. 225. Maiae, idest Atlantidum, quia de illis una est. Maia, una 
de Vergiliis, sed per unam onines intellegimus. Tropus synecdoche. 

v. 226. Auenis. “Auenis’ calamis. 

v. 227. Vilemque phaselum, plurimum habundantem. Omne enim 
quod habundat *uile? dieitur. Phaselum, genus leguminis quod nos *, 
quam? dicimus. 

v. 228. Pelusiacae, Alexandrinae, non pretiosae, de oppido Pelusio 
in Aegypto. ubi lentis magna est copia. Moris est poetis epitheta rebar 
dare aut a loco, ubi nascuntur, aut ubi optimae sunt, aut ubi plurima. 
Lentis autem ut uiticula quidam T. 'Lens? ut dens. Pelusiacae. Pelu- 
sium graece dictum a luto uel umore aquae, et hoc oppidum apud Alexan- 
driam Nilo inrigatur, uel unum de septem ostiis Nili. „fspernabere, 
aspernaberis. 

v. 229. Cadens, uerno tempore occidens. 7oofes, caeleste sidus, 

















v. 321 orientes M | orientis 1 an scribendum *in plaga orieni 
matutinos] matutino 1 [| faciant] faciunt 1 || in scriptione C || pliad 
l|leeleno l| asterope 1| Taygete M | taugero 1 || Athlantides 13 || non 
midentur a nobis, absconduntur in Nonembri M [i 522 Cnosia B |; 
proxima corone D | proxima corona M || liber pater M [| adrindnum B | 
Ariadnen M || Minois scripsi | ionis R | louis M || in d Ti || obtalit 
seripsi | abstulit D cf. Seru. | Post *dedicauit" transposui *Iunilius dieit’ ot 
laeunam signani | dedicauit quam coronam uulcanus abstulit ad uxoris 
insigne et inter sidera collocauit iunilius et gaudencius dicit B ct M 
cf. praef. p. 705|| 225 hathlantidum D [| senecdocho B |] 226 calami B i| 


h 
227 abundantem B || Phaselum — quod nos siliguam scripsi | Süiguia — 
qud nos phaselum M || 298 preciosne B ||eopin om. 1, add. M] ephiteta 
3 | epithon C | daro Suringar | dicere 1 || lontis autem nt nitisula (corr. 

nineula C) quidam (quidem C) I. Num latot snb hoc corrnp- 
earum acero? Denis wute «earum! ut (Georg. III 404): *Nee tibi 
cnra canum?? an *lentis antem lenticula diminntiunm?: cod. 165 *ubi 
habnndant lenticulae? —? | Pelwsiacae. Pelusium ctc.] Pelusium — ini, 
gatur pelnsiacg ul unum B | unde inrigatur Pelusiaco M || hostiis B || 
aspernubiris B || 























„U. lagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. . 865 


cuius occasus tardus uidetur. Occidit enim cum quattuor, Tauro, Geni- 
nis, Cancro, Leone, quare hic primam partem occasus eius, idest cum 
Tauro, intellegi oportet, ut uere legumina serenda dicantur, non aestate. 
Junilius dicit. 

v. 230. Ad medias. Omnia conplexus est tempora; uernum, «quo 
legumen seritur, autumnum, quo frumenta, et multi uolunt hanc partem 
astrologiae librasse Vergilium. Pruinas, pruina ‘ros’ matutino tempore 
congelatus. 

v. 231. Idcirco, idest, ul serues sidera. Dimensum ordinatum. 

. 232. Per duodena, propter annum diuisum in quattuor tempora, 
XII signa, Xll ınenses. Mundi sol. An “mundi astra’, ut (Georg. | 335): 
*Caeli menses et sidera seruaà?? Astra, menses. 

v. 233. Zonae, translatiue; nam proprie *zonae? in terra, sed pro 
paralleloes posuit, idest circulis. 

v. 299. Zxtremae, Zonae, septentrionalis et australis. Junilius 
elicit. | 

v. 237. Duae, solstitialis et brumalis. Junilius dicit. 

v. 238. Via secta, zodiacus circulus, quem nos *signiferum? dici- 
mus. Junilius dicit. 

v. 239. Ordo, circulus. 

v. 240. Mundus, pro caelo; nam “mundi?” nomine Ill elementa con- 
tinentur, ignis, aer, aqua, terra. lam definitio est nostri climatis, idest 
habitationis, quae a Septentrione incipiens in australi desinit plaga. Ara- 
tus et Iunilius dicit. “Ad Scythiam" dicit, cuius montes sunt Rhipaei. 

v. 242. Hic, in hac parte, in Septentrione. V'ertex, Septentrio. 
Nobis semper sublimis, haec pars mundi semper a nobis uidetur. Illum, 
idest mundum. 

v. 243. Sub pedibus Styx, idest axem *notion? idest australem, qui 
numquam a nobis uidetur, sicut boreus. δίψα, quasi de inferis. 

v. 245. Circum perque duas. Circum enim et per utramque labitur, 
maiorem cauda tangens aluoque conplectens minorem, “in morem flumi- 


v. 229 tardus uidetur scripsi | tardo uidetur B | nisi mauis 'tarda- 
tur? || Occidit scripsi | decidit B || géminis D || serenda dicantur scripsi | 
seri indicentur D, cf. ad v. 210 || 230 librasse Seruius | liberasse (libe 
in ras. B) 1| astrologice libras«e M || uergilium 1][ ros scripsi | eos D | 
931 ut serues scripsi | ut serue | | ut serue sidera per dnodena etc. M | 
232 an mundi astra et caeli menses et sidera serua astra menses M | 
933 pro paralelo es posuit B | pro paralelis posuit C | pro parallelis eas 

osuit M || 337 Duce B [| brumalis scripsi | australis B Ϊ 240 definitio M | 

oficio ] || in australi definit plaga C | in australé definit plaga B || iu- 
niliu B | Aratus] v. 21 sq. Iunilii scholium uerbis “pro caelo — terra’ 
conprehenditur, cf. praef. p. 707 || riphei D || 242 Zie in hac parte in 
Septentrione. J'ertex Septentrio scripsi | Hie uertex septentrio in hac 
parte in septentrione 1 || Quae inde secuntur in codd. uerba: *^frctos. 
Astrologi nullam picturam designant", ad v. 245 pertinent || 243 Seb 
pedibus C || stix 1 || axem otion 1 | notion M || que numquam nobis 1 | 
Post *boreus? uerba *a nobis semper uidetur? excidisse suspicatur M 


Jahrb. f. class, hilul. Snppl. Bd. IV. Hifi. 5. 56 











866 11. llagen: scholia Bernensia ad Vergili Ducolica et Georgica., 


nis. Arctos. Astrologi nullam picturam designant. Duas arctos, arctos 
Oceani metuentes. Mae duae pelices Iunonis fuisse dicuntur, quas post- 
quam luppiter in sidera pertulit, luno rogauit Tethyn, suam nutricem 
uxoremque Oceani, ne umquam pateretur occidere; inde nunc *metuentes? 
dicit. Gaudentius dicit. 

v. 247. Illic ut perhibent et reliqua. Ilic uariae philosophorum 
opiniones. Alii dicunt a nobis abscedentem solem ire ad antipodas; alii 
negant et uolunt illic tenebras esse perpetuas. Intempesta, non apta uel 
profunda; medium noctis tempus ideo *intempestum?, quia nulli rei tem- 
pestiuum est, idest aptum aut maturum. 

v. 248. Et obtenta. luxta Epicurum dubitat de ea causa, quae nobis 
ortum, illis occasum . . . Obtenta, longa. 

v. 249. Aurora, sol. 

v. 252. Hinc, ex ratione astrologiae. Et iam conclusio. Nam hoc 
dicit: non sine causa intuemur siderum ortus et occasus, hinc uniuersa 
noscuntur. Gaudentius dicit. 

v. 254. Infidum, periculosum. | Impellere, nauigare. Marmor, 
aequor mare. 

v. 256. Tempestiuam, oportunam. Zuertere, incidi. Tempestiuam 
siluis euertere pinum, idest quo tempore incidi debeat. 

v. 257. Signorum, siderum. 

v. 258. Parem, uerno aestiuo autumno hiberno. Diuersis. Quid 
tam diuersum est, quam aestas et hiemps? 

v. 259. Continet, prohibet. 

v. 260. Multa forent et reliqua. Ordo est: multa maturare datur, 
quae forent in serenitate celeriter properanda. Nam male quidam *forent 
esse praesentis temporis uolunt, ut sit sensus: multa sunt properanda, 
quae maturare datur. 

v. 261. Maturare, idest celeriter facere. Hoc uerbum duas habet 
significationes. Dicitur enim *maturare? tarde, hoc est sensim aliquid fa- 
cere, et dicitur pro 'nelociter’. Hic ergo duo sensus possunt accipi, ut 
de uelocitate ail (Aen. I 137): *Maturate fugam.  Junilius dicit. Pro- 
cudit, cudendo dentem extenuat. 





v. 245 pellices M | pertulit scripsi | reptulit B | rettulit M [| tethin 
BM || gaudeneius B || Scholia a versu 242 malo distinxit Suringar p. 315. 
316 | 247 philosophorum C | phylosorum B [| 248 epicorum B [ Post 
*occasum? nonnulla interciderunt. | Nomina equorum solis: Erythreus 
(erictheus) Aethon (actheo) Lampon (lampas) et Philogeus (filogeus); cum 
his circuit totum mundum, ut fabulae ferunt C || 252 et iam scripsi | 


etiam 1 || tatione B || noscuntur Seruius | nascuntur 1|| 25% periculorum, 
corr. -osum B || v. 255 Armatas aeratas M | Sed nil nisi *aeratas? in B, 
Signo apposito, cui idem signum super armatas, quod est in textu, 
positum respondet; manu eadem scriptum. Est uarians scriptura || 256 
oportunam 1 [| ineipi M || 258 diuersum quam, om. est M || 259 Continet, 
prohibet uel refrenat ab opere C | 260 esse praesentis temporis uolunt 
scripsi, cf. sq. et Seru. | esse pro semper uolunt } | esse pro [futuro 
tempore| semper uolunt M || 261 semsim B || duos sensus B || ait maturare 
fugam M | maturate B || cudendo dentem extenuat scripsi | cudendo di- 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 867 


v. 262. Lintres duas significationes habet; siue naues significat, 
siue *uasa concaua? in quibus premuntur uuae. Junilius dicit. 

v. 263. Aut, deest facit. Pecori signum, characteres quibus pecora 
signantur. Auf numeros inpressil aceruis. “Tesseras’, quibus frumen- 
lorum numerus signatur. 

v. 264. Exacuunt alii uallos , ut: "Acuto robore uallos? in secundo 
libro (Georg. II 25). 

v. 265. Amerina, urbs Italiae in Veslinis est, circa quam uimina 
multa nascuntur, quibus uites ligantur. Iunilius dicit, 

v. 266. Facilis, Nexibilis. Fiscina, in qua caseum premitur. Rubea. 
Rubi oppidum iu Apulia hoc genere uiminis habundans. Iunilius dicit. 

v. 267. Nunc terrete et reliqua. Quibusdam uidetur hic hystero- 
proteron esse, sed non est, quoniam Vestae sacrificium XV Kalend. Mai. 
celebratur, duo tempore necdum maturae segetes inueniuntur, et prius 
torrentur, idest siccantur, deinde moluntur. Torrete, praeparate panem; 
frangite, molite. 

v. 269. Fas ad deos. Jura ad homines. Riuos deducere, siccare ; 
nam inrigare "inducere? dicitur. 

v. 270. Religio, diuina humanaque, nam ad religionem pertinent, 
fas ad homines, iura ad deos, quia fas diuinum, ius humanum. | Junilius 
dicit. 

v. 271. Insidias auibus moliri, non de aucupationibus loquitur, sed 
iubet a satis aues prohiheri, ut (v. 119): *Nihil inprobus auser?^ Fepres, 
masculini generis. 

v. 272. Balantum, syncope pro “balantium’. Mersare , mundare, 
mergere. Fluuio salubri. Nam dicit in tertio libro (Georg. lll v. 441), 
scabie temptari nisi lauuntur. 











citur exterrat ] (exterrat, err in ras. B) | aut cudendo extenuat aut Pro- 
cwdit] a cudendo dicitur idest extenuat Suringar | tundendo dicitur ex- 
tenuat M || 


v. 963 caracteres B | caracteres C || thesseras B || 264 Vallos, idest palos 
idest motosi C || 365 ulbs, corr. urbs B || in Vestinis] cf. Wagner de Phil. IT 
. 19. 20 || 267 isteroproteron B || XV # Mai. B |] inneniutur 3 |] deinde mo- 
lantur ecripsi | indie moliuntur BS | inde moliunturM || frangiteC | frangilito 
B||269 Fas ad deos. lura nd homincs scripsi | Fas ad homines iura ud 
deos 1| 270 Relligio M. IIoc scholium misere corruptum, unde in Voss, 
mon nisi uerba '/elijio dinina lumanaque? remanserunt, sic fortasso 
restituas: Religio, diuina humanaque; wirague onim ad religionem per- 
tinent, fas ad deos iura ad homines, quia fas dininum ius humanum; 
— ut illud religio Iunilio ΠΥ quam uocant notio uii 
Maluit Wagner de Phil. II 20 hoc scholium in duas partes dirimere sie: 
Fas et iura. Diuina humanaque; nam ad deos pertinet fas, ad homines 
iura. Fasetiura. Quis fas diuinum ius humanum. | Seruius: idest diuina 
humana: P iura permittunt; nam ad religionem fas, iura pertinent ad 
honine a || quia. scripsi | qua 1}} 271 aues om. M || 272 sincopo 1|| mundare 
2 Feds mundare rei conuenit, tamen ob notionum conein- 
nitatem maluerim: *in undas mergere" || fercio B [| lauuntar] labuntur 
B | lauentur M || 












τῶν 





868 — H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 973. Tardi, onusti. Aselli, asini. Agitator, uerberator, ab 
agendo dictus. 

v. 274. Filibus, habundantibus. Lapidem, molam manualem. 

5. Incusum, incude conpositam molam significat. Junilius 
dieit. Aut atrac massam picis urbe reportat, quia pix in agris nascitur 
el in urbe tractata in agrum a plerisque reporlatur. Incusum, repara- 
tum, refectum, perforatum. Gaudentius dicit. 

v. 276. Ipsa dies. De ommibus diebus expressit Hesiodus, quam 
iste praelibat, — Zpsa dies et reliqua. Ordo est: Ipsa luna alios dies 
alio ordine dedit fc ed alios aliis rebus apt Junilius dicit. 

v. 277. Felicis operum, ad sumenda opera. Pallidus, quia pallidos 
faeit. Quinfam. Dicitur hic numerus Mineruae esse consecratus, quam 
sterilem esse constat, unde sterilia omnia quinta luna esse nata dicuntur. 
Gaudentius dicit. Orcus, infernus; quidam cum aspiratione *Ilorcus? 
legunt 

v. 278. Eumenides, steriles, uel propria dearum nomina. Eume- 
nides. Kar’ εὐφημισμόν Eumenides uocantur. Sutae, filiae. Nefundo, 
sacrilego. 

v. 919. Coeumque lapetum, pro gigantihus. Saeuum. "Saeuus* 
multa significat, sed hic *crudelis?, aliquando "fortem, ut ibi (Aen. I 99): 
*Saeuus ubi (Acacidae telo) iacet Hector", aliquando *potentem’, ut. (Aen. 
14): 'Saeuae memorem lunonis ob iram. Iunilius die. Typhoea, a 
loco gigas. 

v. 280. Kt coniuratos fratres. Aloidas dicit Oton et Ephialten 
gigantes. 














rem 



































274 Vilibus — manualem om. M || molam Voss. | molem C | mole 
5 Inenssum 1 || incude conpositam scripsi | inconpositam 1|| molem 
compositum Voss., unde: “incompositnm: molam significat? Surin- 
gar j| reportant. C Jin nrbe traetata scripsi | in nrbe retracta (in urbere 
fraeta €) 1| in urbe retractata M || ineussum I|] Gaudentius, om. dicit 
6 De omnibus dicbus seripsi | omnibus diebus 1 || hesidus l, ef. Opp. 
" at M ! proliba L| 277 Fuliein, eorr, -es B | Felices C ἢ quia. 
. | qna 1] constat M ! constant B || sterilio B |] Horcun scripsi Lorcum 
D | om. M, ef, Snringar hist. crit. IT p. 18 not. Ilesiod. Opp. 805: Ops» 
γεινόμενον. Probum sie statnisse Sernins auctor est, Dicit enim 
hutus netat adspirationem addendam, non inserendam, At archus legiese 
Trobum statnebant Lersch ephem. antiq. 1840 p. 111; (A. Rieme de 
comm. Valeri Probi p. 7 not. 2); IT. Keil gramm. latt. nol. Tni praef. XXV; 
quibus Ribbock recto aduersatus est proll. p. 139. Probi catholica p. 10, 

27 9 K, nil hne pertinent; neqne schol. ad G. ITI 
lo rape Ribbeck p. 128 | 278 nomina add. M | Eu- 
menides, dene irarum quae crinem niperonm habuisse (abnisse) dieun- 
tnr C || eatenphemisnone menides uocatur 1 || sacrilega B [| 279 Coeimque 
Tapetum, pro gigantibus scripsi | Coonm poeta inpetum pro gigantis 
(gignantis C) 11 Coeum pocta [et] Iapetum pro gigantes M | Coeum poe- 
tun. inpetns gigas Voss., unde Coeum Zapetumque, Inpetus et Coeus gigas 
it Peerlkamp apud Suringarum ! fortem ut ibi: *Saeuus ubi? ete. 
psi | fortem ubi senus incet ector | || Typhea B || a loco t gigas] 
An: alius gigas? quod Peerlkampum quoque coniecisse laetor. Poi 
fortasse suspienri: Typhoea, gigas nt alibi (Aen, I 665): *Tcla Typhoia? || 
380 alloidas dicit oton et iaphialem D || 












































H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 869 


v. 281. Conati, pro difficultate. Pelio Ossam, montes Thessaliae. 

v. 282. Ossae, monti. Inuoluere, ut mognitudinem exprimeret, 
dixit, ut (Georg. lll 378): "Totasque aduoluere focis ulmos.” Olympum, 
mons. 

v. 283. Pater, luppiter. 

v. 284. Seplima pos decimam felix. Felix quidem est septima, 
sed felicior decima. Gaudentius dicil. Septima post decimam, idest XVII, 
aut VII sola, aut post decimam sequens septima, ut (Aen. 1 330; conf. 
Ecl. V 65): 'Sis felix." 

v. 285. Licia, pluraliter, ut in Buc: 

v. 286. Fugae, nauigationi. Fu; 

v. 287. Multa adeo et reliqua. Diligens diuisio temporum; primo 
enim quattuor partes anni exsequutus est, deinde dies lunares. modo ho- 
ras, in quas et dies noxque diuiditur. Junilius dicit, deo, ualde. Nocte, 
nomen est. Horatius enim iunxit praepositionem, ut (Epist. I 2, 32): 
“De nocte latrones. "Noctu autem aduerbium est ut Salustius: *Diu 
noctuque laborare." 

v. 288. Eous, oriens. Euus, stella Veneris; alii lunonis, alii 
Cephali et Aurorae filium tradunt, qui cum Venere de pulchritudine con- 
tendit, sed magis Veneris stella est. 

v. 291. Quidam pro aliquis; "quidam enim persona est certa. 

v. 292. Inspicat, acuit findit incidit, ad species aristarum. 

v. 293. Solata. Bene *solata’, ut in Bucolicis (IX 64): *Cantantes 
licet usque — minus uia laedet — eamus. Iunilius dicit. 

v. 294. Arguto, resonanti. 

v. 295. Aut dulcis. Hic uersus longior est una syllaba, sed sine 
uitio. lunilius dicit. Fulcano, igni. Decoguit humorem, idest uuam 
passam facit. 

v. 296. Trepidi, exultantis, feruentis, bullientis. 

v. 297. Ceres. Mic melonymice Ceres pro frumento ponitur. Hic 
lamen ingraliorem metonymiam reddit, quod subiungit "succiditur". 
Junilius dicit. 

v. 298. Tustas, exustas. 

v. 299. Nudus ara, iuxta Hesiodum, adeo sereno caelo, ut amictum 








is (VIIL 74): *Licia eircum.? 














v. 281 Conati, ut ascenderent in caelum C || tessaliae B || 282 foces 
1 || 284 septima est M || gaudencius B || nt: Sis felix scripsi | ut sit felix 
fugae nauigatione furtis bellis innilius dicit B | sed uerba *felix — iu- 
qiios dicit ad v. 286 pertinere manifestum, unde illuc protrusi | ut 
felix fugae, nauigationi ete. M || 985 Lycia C bis || 387 oracins 1|] p 
nem 'B ἢ nuctu B | nunctu C |] 288 ous oriens ucl lucifer C ὯΝ 
phali scripsi | caelei B I de pulcritudinz B | de om. M | 289 Lever, de idest 
quia in die fragiles sunt C || 391 pro alique B | pro aliquos C || Ser 
Sdest tardos quin longas uigilias faeit C || 292 μά species aristarum] 
Etymologiae, quae hic agitur, gratia maluerim: ‘ad speciem spicarum’ 
ef. PhiL: *findit in modum spicarum’ || Faces idest motosi C cf. ud v. 961] ° 
393 ledit 1| 295 sine nicio B | 297 ingratiorem metonymiam scrip 
ef. ad G. IV 117 | ingratiorem eam 1|| 298 exussas B ἢ 























870 1. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


contemnere possis. Jfiemps, frigus. Sere, imperatiuus modus. 7gnaua 
colono, ignauos facit colonos. 

v. 300. Parto, parato. 

v. 301. Mutua conuiuia , ut Lucretius (Il 75): “Inter se mortales 
mutua uiuunt? 


v. 302. Genialis hiemps, eo quod in hieme homines ingenio suo 
uluntur. *Geniales homines? ab antiquis appellati sunt, qui ad inuitandum 
et largius parandum cibum et quae consequuntur, promptiores essent. 
Junilius dicit. Genialis, uoluptuosa conuiualis. Curasque resoluit. Nam 
X. Kalend. Februarias frugum lustrum faciunt. 


v. 303. Pressae, onustae. Ceu pressae et reliqua. Vt solet, sen- 
sum similitudine conclusit. Junilius dicit. 

v. 304. Coronas, funes. 

v. 305. Quernas, ex quercu, ut *colurnus'. Stringere, decutere. 
Quernas, mons Macedoniae T et diriuatiuum a quercu, tamen usu niagis 
quam ratione, ut colurnum a corylo. 


v. 306. Cruentaque myrta, idest de sanguine Adonis, ucl quod su- 
cum cruori similem habeant, uel quod belli tempore inde hastilia fiunt. 

v. 307. Pedicas, laqueos quibus pedes inlaqueantur. 

v. 308. 4uritos, aures grandes habentes. Sequi, ab equis. Figere, 
uenari. 

v. 309. Balearis. Baleares insulae Ilispani maris, uicinae inter se, 
ubi primum dicitur fundae militaris usus inuentus. Verbera fundae, 
funes fundae. 

v. 310. Cum nix. Kaxíugerov. Nix alta, niue onusta terra. 

v. 311. Quid tempestates autumni. Verno et autumnali tempore 
tempestates fiunt, quia nec plena aestas nec hiemps; inde in hoc confini 
tempestates efficiuntur. Sidera, frigora. 

v. 313. Vigilanda, idest uigilanter et mature facienda. Junilius 


v. 299 contompnere C, cf. Hes. opp. 391 γυμνὸν σπείρειν, γυμνὸν 
δὲ ped γυμνὸν δ᾽ ander. || frigus Voss. | frigidus 1 | hiems, frigitur 
M || quod ignauos Voss. || 300 Parto parato Voss. | Porta paratu B 
Parto paratu M [| 301 ut lucrecius mutua inter se mortalia uiuunt | 
ut Lucretius mutua inter se mortalia ineunt M || 302 geniales ote.] Sunt 
Santrae uerba apud Nonium p. 117 M | Nonium uero haec ex codem 
fonte hausisse unde Philargyrius desumpsit probat schol. Phil. ad G. II 
344 conl, Non. p. 200, 2 M, cf. Ribbeck proll. p. 211 | qui Nonius | quod 
B || parendum B | promciores B ΠΧ K febr 1 || 303 conclusit Voss. | clu- 
sit 1| clausit M || 305 ex quercu ut colurnus scripsi | ex quercu colore 
l| ex quercu arbore coniecit Suringar || mons Macedoniae +] Haec 
uerba, quae suo loco mota esse Suringar quoque uidit, sine dubio ex 
v. 332 inrepserunt nonnullaque expulerunt || tamen usu magis quam ra- 
tione M | tamen usu quam racione B [| colornum B || 306 suecum M || 
eruori similitudinem C || inde hastilia] inde hostilia Leid, 135 | inde 
astilia Flor. Par. | in astilia 1 | in hastilia M || 309 inuentus esse M || 
Verbera -— fundae om. M [| 310 cacemfaton 1 || niue onusta 11 terra ad- 
didi [| 311 tempore add. M || plena M | plana 1 [| hiemps C | hiemp B || 
frigora (i. e, uarians scriptura) scripsi cum Voss. | frigore B | frigore M || 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgca. 871 


dicit Ruit, praecipitatur uel intermisit}. Imbriferum uer. Vtrum per- 
petuum ueris est epitheton, an, si forte imbriferum fuerit? 

v. 314. Spicea. De maturis frugibus abusiue dicimus; nam proprie 
*spicus? est, cum per culmi folliculum, idest extremum tumorem aristae 
adhuc tenues in modum spiculi eminent. Gaudentius dicil. Inhorruit, 
densata est. 

v. 315. Lactentia, adhuc tenuia et lactis plena. Varro in libro 
diuinarum dicit, deum esse “lactanteın’, qui se iufundit segetibus οἱ cas 
facit lactescere. Stipula. Stipulam pro culmo posuit, scilicet uersu tertio 
(317) *culmum? dicturus. Zactentia. *Lactans? qui lacte praebet, “lac- 
tens? cui praebetur. Turgent, implentur. 

v. 317. Stringeret, desiringeret meteret, ut (Ecl. IX 60): *Vbi den- 
sas agricolae stringunt frondes.’ 

v. 918. Omnia, pro omnium. 

v. 320. Sublimem, pro sublime. Turbine nigro, tempestate noxia. 

v. 321. Ferret, auferret agitaret. Ziemps. lliemem pro tempestate 
posuit. Culmum, stipula. Stipulas, folia. 

v. 322. Aquarum, pluuiarum. 

v. 323. Et foedam, ut (Aen. IV 195): *Passim dea foeda.? 

v. 324. Ex allo, a Septentrione, ex aquilone quia altus et facit 
tempestates grauissimas, quia auster humilis. Gaudentius dicit. Rutil 
arduus aether, cum impetu uenti et tonitru uenit. 

v. 326. Diluit, disicit dissoluit. Zt caua flumina crescunt. Ad 
alueum retulit fluuiorum. 

v. 827. Fretis spirantibus, reciproco spiritu. 

v. 328. Ipse pater. luppiter. Pater, non addit “quorum’. Media 
nimborum, ne lemporis esse fulmina crederenus et non subitarum tem- 
pestatum. In nocte, pro tenebris uel tempestate posuit. Corusca, cor- 
repte, ut ultima. 

v. 329. Fulmina. Vnum fulmen est quod colorat, aliud quod in- 
cendit, aliud quod transfigit, aliud quod adflat, ut (Aen. II 649): “Ex quo 
me diuum paler atque hominum rex fulminis adflauit uentis? Molitur, 
bene “molitur’, ut uideatur terrere. Maxima, tota. 


v. 313 uel intermisit +]. Forsan: uel 'imbrem misit? j| epiteton B || 
814 spiceus B || cum folliculum idest extremum tumorem aristae. gau- 
dentius dicit B | per, eminent add. M | Malui omnia quae insuper apud 
Seruium leguntur supplere. De Gaudentio Seruii auctore ci. praef. p. 
699 sq. j inorruit B ἢ 315 Lactentia B | Lactantia C |] tenua 1 || in libro] 
An III libro? | in libris diuinarum Seruius || 315 qui lae praebet M | 
qui lacte prerupet B | prorupet Voss.[| 317 distringeret ıneteret B | des- 
tringeret et meteret M || 319 Grauidam, idest plenam granis C || 321 au- 
ferret agitaret Voss. | auferet agitet 1 || 322 pluiarum B || 323 ut: “Pas- 
sim dea foeda? scripsi | Et foedam passim de ea foeda 1 || 324 septen- 
trione C | septemtrione B [| quia altus scripsi | qui altus BM | quia latus 
C [ grauissimus C | tonitrui B || 326 disicit scripsi | diligit 1 |] 327 spiritui 
1 || 828 iuppiter C | iupiter B || addidit M || Iupiter, nam addit corusca 
Voss. || 329 aliud quod adflat ut: “Ex quo — adflauit uentis? scripsi | 
aliud ex quo medium pater atque hominum rerum adtlauerat 1 | aliud 








872  W. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 330. Terra tremit, quatitur mouetur. Fugere ferac, passim 
disperguntur. 

v. 331. Per gentes humilis, quia humiles facit. Humilis pauor, 
quod humiles facit. 

v. 332. Athon. Potest adfectus ordo uideri, crescente numero syl- 
labarum per aucta montium nomina, quod genus et aput Zomerum in- 
dustrie factum inuenitur, cum idem uersus ab I svllaha incipiens usque 
ad V decurrit. Junilius dicit. Aut Athon aut Rhodopen , montes Thra- 
ciae duo. Ceraunia, mons Epiri iuxta Amantiam. 

v. 333. Deicit, ferit percutit. Ingeminant austri, post enim ful- 
mina uentus et pluuia in montibus fiunt. 

v. 334. Plangunt, percutiuntur, resonant. 

v. 335. Caeli menses. XII signa, quibus menses agnoscuntur. Si- 
dera. planetas. Caeli menses, quasi caeli motus et cursus. Junilius dicit. 
Serua, cuslodi, tene, intellege. 

v. 336. Frigida, nociua et contraria. Frigida. Satis cognitum est, 
Salurni stellam frigidam esse et ideo aput ludaeos Saturni die frigidos 
cibos esse. Frigida. 'Frigidam? dicunt, quud sit glacialis, pestilis, gran- 
dinosa, atrox, permutabilis. 

v. 337. Quos ignis. Stella Mercurii. Quos ignis et reliqua. Pars 
Mercurii, pars Apollinis. Cyllenius, Mercurius, quia in Cvllenio monte 
Arcadiae natus esse Mercurius dicitur. Gaudentius dicit. 

v. 338. Fenerare, mero et ture sacrificare. Annua, anniuersaria. 
Magnae, bene, ut incutiat religionem agricolis. 

v. 339. Refer, redde. Operatus, dans operam conuiuiis, cum 
cuneta opera compleueris [sed ipsius anni]. 

v. 340. Sub casu, de cursu uel fine. Sub casu, 'casu? pro *'oc- 
casu* intellegendum, ut (Aen. IV 81): “Suadentque cadentia sidera som- 
nos’, pro *occidentia". 


diuum pater atque hominum rex adflauera? M 

v. 331 Per gentes humilis, quia humiles facit scripsi | Per gentis hu- 
miles facit C | Per gentes humiles humiles facit B || quod humilis B [| 332 
per aucta montium Voss. | per aucto montium (moncium B) 1|| aput I | 
Homerum] Contrarium notatur schol. M 208 | industriae C | industrie B | 
idém B || incipiens usque codd. Laur. Paris. | incipit usque 1 | incipit [et 
usque M || rodopen B || trachiae B || Cereunia mons epyri B || Amantiam 
Scripsi | iuxta amaticum B | iuxta Amaticam M | iuxta Adriaticum Voss. !! 
333 ferit percutit resonat 1 | *Resonat? ad v. 331, quo pertinet, transposui :' 
Deiecit C || fulmina uentus M [| fuluentas B | Prius enim fulmen uentus 
Voss. unde possis conicere: Prius enim fulmen, tum uentus etc. || 334 
resonant scripsi | resonat 1, cf. ad v. 333 || 335 planaetes B | planetes 
C || iunilius, corr, iun B || 336 aput C | ap B || iudeos 1|| Frida B || atox 
B || permutabilis Paris. | permotabilis BM || 337 Quos ignis. Stella Mer- 
curii scripsi | Quostellà mereurii 1, unde Uno stella, Mercurii M || pars 
Apollinis] Scilicet: *stellam intellegi nolunt? || in Cylleno M |] 338 thure M : 
ut incutiat scripsi | ut incitat B | ut mutat M || relegionem B j| 339 reddes 1" 
[sed ipsius anni] uncis cireumseripsi quippe ex scholio v. 311 perperam 
hue nduecta || 310 Sub casu, casu pro oecasu intellegendum scripsi | Sub- 
easu pro occasu legendum B | Sub casu, pro occasu, om. legendum M [i 


medium ex quo pater adflauerat Voss. | aliud [mod adflat] *ex quo me 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 873 


v. 341. Mollissima uina, dulcia, iucunda, asperitate carentia el ue- 
tustate, sed ipsius anni. lunilius dicit. 

v. 342. Densae, suberescentibus frondibus densantur umbrae. 

v. 343. Tibi, tibi in honorem, in tuam gratiam. 

v. 344. Dilue, offer, dissolue. Baccho, uino. 

v. 845. Ter, ut (Ecl. VIII 75): *Numero deus inpare gaudet? Felix, 
fecunda. Eat, bene, quasi sua sponte inmolaretur. Zunilius dicit. 

v. 846. Chorus. Chorus est proprie coaeuorum cantus, ut alibi 
(Aen. VIII 287): “Chorus ille senum?. Hic multitudo. 

v. 347. Nec ante. Ordo cst: ante quam det. 

v. 349. Cereri, habens in memoria uictum priorem, quando homines 
glandibus uescebantur. Redimitus. coronatus. 

v. 850. Motus, sallationem aptam religioni, nec ex ulla arte ueni- 
entem. Gaudentius dicit. Incompositos , syllepsis, quia: *incomposita? 
etiam ipsa carmina intelleguntur. Carmina, hymnos. 

v. 351. Discere. Ilaeret (v. 335): "Caeli menses et sidera serua.^ 

v. 352. Aestus, pro serenitatibus posuit. 

v. 353. Menstrua, unde et Μήνη dicitur. 

v. 354. Caderent, flare desinerent. 

v. 355. Propius stabulis, non longe a stabulis. 

v. 356. Surgentibus, flare incipientibus. 

v. 357. Aridus, quia sicca et arida ligna quaeque facile franguntur, 
"aridum? pro *sonanti? dicitur. 

v. 359. Misceri, pro turbari. 

v. 360. Male temperat, pro non temperat, uel non abstinet, non 
sibi parcit, idest unda furiosa. 

v. 361. Celeres, celeriter. Reuolant, festinant. 

v. 362. Marinae, ad discretionem fluuialium. 

v. 363. Fulicae, quas uulgo *fulliculos? dicunt. 

v. 364. Ardea, quasi *ardua^; auis, quam uulgo ‘sarapam? uocant, 
dicta ab eo, quod cum uocem ei oculi eius ardescunt; ut alii putant, 
dicta, quod ardua crura habeat, idest alta, uel quod ardue idest alte uolat. 





v. 341 et netustate]. Seruianum et defecata sub hoc latere suspica- 
tur Suringar || 342 densatur C || Densae — umbrae, bis, sed prius cras. 
B [348 gratiam C | graciam B [314 diluae C || dissolue scripsi | desolue 
lifoffer) Aufer coniecit Suringar respiciens Tibull. ΠῚ 6, 3, non satis 
exute || Bacho D || 346 Ter ut: ‘Numero deus inpare gandot’ scripsi 
"Ter deus numcro inpara gandet et nisi quod ' impari? correxit, M | 
Feliz fecunda, quasi etc. *eat, bene’ om. M || 346 coenorum B ] 39 
in memoriam 1 || quando scripsi | qm 1 | quum M || 350 saltationem 
M | salutationem (salutacionem B) 1 || relegioni D || gandencius B || 
syllepsis] sinlipsis B | synlipsis M || 351 Discere (sic) B [| mene 

Ipse idest luppiter C. ΠῚ Propius stabulis est longe a stabulis 
Μ| 357 ligna quaeque B | ligna quoque C | qunequo ligna M ἢ dicitur 1] 

ponitur M |] 359 Misceri perturbari Voss, || 300 abstenet. corr. abstinet 

Bil parcet. 1| 361 Caeleres B || Reuolant festinant, bis, sed prius eras. 
E ] 362 discrecionem B |] 364 uulgano sarapam l||uulgo sarpam Voss. 

Burm. G | uulgo nosarapam M || ut alii putant dicta scripsi | alii putant. 
dicta 1| alii putant dictam M || 








874 II. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica el Georgica. 


v. 965. Inpendente, inminente. 

v. 966. Praecipites, utrum pro celeritate, au potius, quia sic a no- 
bis uidentur? 

v. 367. Flammarum et reliqua. Stellarum purgamenta cadentia 
uentum denuntiant. Fit enim hoc ex habundantia fluctuosa, quae dicitur 
densitas aeris, unde uenti ueniunt. 

v. 369. Conludere, conmoueri, ut (Aen. VIII 632): *Ludere pen- 
dentes. Plumas, quascumque plumas, nisi forte “pappos’ significat, idest 
cardui florem plumeum. Aratus ait. 

v. 971. Tonat, ubi pluit. 

v. 943. Legit, colligit, Inprudentibus, pro nescientibus posuit, 
idest numquam nescientibus offuit tot iis praecedentibus signis, uel uerius 
ualde prudentibus. 

v. 944. Illum surgentem, imbrem. — Vallibus imis. Grues ualles 
petunt. 

v. 975. Aeriae. Lucretius ait (1 12): *Aeriae primum uolucres, 
quod alte uolent. Fugere, propter hiemis signum. 

v. 376. Paltulis. *Patulis? apertis. Captauit, suscepit. 

v. 377. Arguta, stridula personans. Lacus circumuolitauit hirundo. 
Acstatis signum. 

v. 378. Veterem, solitam. Et ueterem in limo ranae et reliqua. 
Modestus ait, Lycios pastores qui Latonae sitienti aquam denegassent, in 
ranas conuersos, et Ouidius (Met. VI 340 seq.) ait, Ceres cum Proserpi- 
nam quaereret, ad fontem peruenisse et reliqua. Alii dicunt ranas per 
habundantiam aquae extra paludes pelli et serpentibus cibo esse aut alio- 
quin interire. Gaudentius dicit. Ranas namque dicunt ad tempestatis 
aduentum querellam excipere. “Querella’ uox est multa, ut (Aen. VIII 
215): "Omne querellis inpleri nemus?. JIunilius dicit. 


v. 979. Extulit oua. Vbi frigidus est aer, terra spissescit, et si qua 
habet caloris semina, intrinsecus cogit, ex quo accidit, ut hieme aqua pu- 
teana calidior sit. Ergo inminente pluuia frigidiore aere humus interior 


——— — 





v. 866 pocius B || 367 denuntiat C || 369 Concludere C || conmoueri 
Scripsi | conmouere 1 | moueri Voss. || papos B cod. 165: ‘aut reuera 
plumas aut flores carduorum accipe qui pappi uocantur siue pappuli? |! 
Aratus ait] cf. Arat. 921: ἤδη xal πάπποι, λευκῆς γήρειον ἀκάνϑης 
Zuw ἐγένοντ᾽ ἀνέμου. || 371 ubi scripsi | ubique B 1 373 nunquam 
nescientibus; offuit totis etc. interp. M || tot iis scripsi | totus, corr. 
totis B | tontis C || 374 imbrem scripsi | aerem B || 375 lucrecius B |; 
aeriae C | erie B | Lucretius ait aeriae primum uolucres quod alte 
uolent M [| 376 suscipit B [|] 377 personans sonora C | n rundo B | 
378 Modestus] ef. Ribbeck proll. p. 121 || et reliqua om. εἶ licios 1 | 
latonae (latone C) sicienti 1 || ad fontem uenisse M || peruenisse et 
reliqua| Haec librarii uel epitomatoris arbitrio decurtata plenius enar- 
rantur in Voss. cf. praef. p. 696 || habundantiamque B | aquae M || cibo 
scripsi | cibos B || querellam, querellis B || Querela est uox M || multas 
scripsi | muta B Voss, | mutua G Burm. || Gaudentius dicit post peruenisse 
et reliqua collocandum, cf. praef. p. 707. Cetera Iunilii sunt. || 379 ut 
hiene ||| qua puteana C | frigidiore eere acripsi | frigidiora aere 1 | fri- 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 875 


poratur, qua propter mirum non est, si formicae, quae sub Lerra 
iunt, ex repentino calore pluuiam praesentientes oua proferant. Extulit, 
sum tulit. 

v. 380. Et bibit, uulgare prouerbium est. Junilius dicit. Ingens, 
ist duplex. 

v. 381. Arcus. Iris enim ex Oceano bibit, idest pluuias repetit. 
"ine magno. Translatiue uocem militarem de coruorum multitudine 
it. 

v. 383. Asia, palus. Circum, aduerbium. Asia prata uocantur 
ca Caystrum fluuium, qui est in Lydia. Junilius dicit. 

v. 384. Ordo est: Circum Asia prata dulcibus in stagnis Caystri ri- 
tur. [ucunda translatione usus est; proprie 'rimari' sues dicuntur. 
nilius dicit. Rimantur, quaerunt, uel altius pascuntur, ut alibi (Aen. 
599): *Rimaturque epulis'. Caystri, deest uideas. Caystri, fluuii. 

v. 885. Certatim largos umeris infundere rores, deest videas. 

v. 386. Nunc caput et reliqua. Sicut homines laetitiam suam uer- 
; ostendunt, ita aues corporis gesticulatione exprimunt. 

v. 987. Incassum. Frustra enim humor pennarum densa leuilate 
spenditur, ut minime corpus perlinguat. Videas, hic praesagientis est, 
n imperantis. Gestire, uelle. 


v. 388. Tum cornix et reliqua. Notandum cornicem solam prae- 
ere pluuiam, coruos uero plures. Vocat, denuntiat. Plena, rauca, 
ntra eius naturam. Improba, ut (v. 119): *Improbus anser.? 


v. 989. Et sola. Tum enim dat signum, cum sola est. Posuit aues 
1edicere futura, quae in aere fiunt. 

v. 390. Ne nocturna quidem et reliqua. Ne puellae quidem igno- 
ierunt pluuiam futuram, nocturna pensa recarpentes, cum uiderint 
ntillare oleum timore pluuiarum. 





lior sere M || interior scripsi | inferior 1|| formice sub terra uiuunt C 
iuíam M | pluuia B | pluui C || praesencientes 1 | qua pro fera^t 
d. 165: Vbi frigidus est aer, terram spissiorem facit et siqua habet 
loris semina intrinsecus ex quo accidit ut hieme aqua ex puteis 
lidior sit. Ergo inminente pluuia frigidiore aere humus inferior — 
ıniam praesentientes oua proferant’ || sursum M 


v. 380 prouerbium est, J/unilius dicit. Zngens i. e. duplex scripsi | 
yaerbium tullit etc. Voss. | prouerbium estulit ingens idest duplex D | 
yuerbium est. ibit ingens, i. e. duplex M || 381 Translatiue uocem 
litarem scripsi | translatiuae militalem B | translatiue multitudinem 
[| 888 aduerbium M | adumbium 1 || 384 dulcia 1 [| rimanturque B [] 385 
meris M || deest uideas] Quae deinceps secuntur: *hic presagantis est 
n inperantis? ad v. 387 reieci || 386 Nunc caput C | Nuncapud B || 
iciam B || 387 pertinguat B | pertingunt M || ideas lemma suppleui 
supra ad v. 384 | raesagientis Voss. | presagantis B || inperantis B | 
3 coruos] coruus | uere C || coruus uero plures uocat denuntiat M 
nunciat B | denuntiat C | adnuntiat Voss, ||rauca, contra eius scripsi 
üc& eius B || 389 praedicere scripsi | praediscere B |] fiunt scripsi 
iunt B || 890 Ne noeturna B | Nec nocturna C || quidem post *puellae? 
didi | Nec puellae Voss. |] 








876 Il. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 391. Testa. “Lucernam’ pro uilitate noluit nominare, ne 
“ychnum’, ut (Aen. I 726): *Dependent lychni.? 

' v. 392. Fungos, globos. Plinius dicit (H. N. XVIII 84): Cum frigas 
aeris esse coeperit, (fauilla quae cum fumo solet egredi) prohibita aeris 
erassitudine in lucerna residet et quasdam uelut fungorum imitatur 
imagines. 

v. 393. Nec minus ex imbri soles. Signum serenitatis. Serena. 
*Serenum? a serando idest aperiendo dicitur, idest reserando. 

v. 394. Prospicere. Quia sic cognoscitur caelo tempestuoso sert 
nitas futura. ut ex sereno tempestas. 

v. 395. Oblunsa. Perseuerauit in translatione; nam cum dixissel 
*aciem?. “non obtunsam? addidit. Junilius dicit. 

v. 396. Fratris, Solis. Ergo non absurde hic uidetur duo tempora 
dixisse, nocturnum et diurnum, Junilius dicit. Obnoxia, quia ab illo 
accipit lumen, uel pro eo, quod noceat, idest eclipsin dicit. Junilius dici 

v. 397. Tenuia, nebulae dicuntur, quae inminente tempestate ob 
nimiam leuitatem uento in aere iactantur, uel aranearum texturas dieit, 
quae inminente tempestate per aera rumpantur. Junilius dicit. 

v. 398. Pennas in litore pandunt. Signum tempestatis. 

v. 399. Alcyones, aues marinae. Alcyones. Ceyx, Luciferi filius, 
liabuit uxorem Alcyonen, a qua cum prohibitus essct ire ad consulendum 
Apollinem de statu regni sui, naufragio periit; cuius corpus cum ad ute 
rem delatum fuisset, illa praecipitauit se in pelagus, quos Thetis ambos 
in aues conuerlit marinas, quae Alcyones uocantur. Aliter: Alcyon cum 
sororis suae incestum ulturus eam gladio perimere uellet, tuuc Thetis 
miserata eos aues marinas fecit. Alcyones omnibus Nymphis dilectae sunt 
Nam nouem diebus, quibus fetus in mari faciunt, nulla aura nullusque 
uentus consurgit, uel septem, ut alius ait. Tertio die pullamina excludun- 
tur, quarto fouentur, quinto plumis uestiuntur, sexto alis emouenlur, 


v. 391 noluit M, cf. Seru. | uoluit B || licinum B || ut dependentes 
lichini B || 392 Fungos globos luminis lucernae C || ceperit C || *faoills 
— egredi’, ex Seruio suppleuit M [| uelut C || 398 serenum a ser 
M | serenida serando B || 394 Quia sic scripsi | quia sicut (sic C) 1 ἢ} 
quasi ait Voss. || tempestuoso M | tempestiuo | || serenitas futura 
Voss. | serenitati futura | | serenitatem futuram M || ut ex scripsi | its 


solis 

et 1|| 396 Fratris ergo B || eclypsin B || 397 Tonuiia B || iactanter 1]| ars 
nearum C | arenearum B || dicitque B | dixitque C || imminente 1 [| rum 
pantur B | raptantur Burm. G, haud incongrue | 398 Pinnas B | Penxes, 
in littore pandunt, om, *signum tempestatis' M || 399 Altiones, fere sem. 
per ! || Alcyones. Ceyx Luciferi filius scripsi | Altiones alconesci et 
(ex C) luciferi filius 1| Aleyones. Alconesci et Luciferi filius M [| alcione 
C || esset iro ad C | esset ad B | esset [et inisset] ad M | prohibitus isse! 
ad Suringar || consulendum M | consulandum B | consolandum C || quo 
stetis 1 [ in anes | || marinas quae scripsi | marinasque 1 | marinaeque 
M || ef. de toto hoc loco Lactantium ad Stat. Theb. IX 361 [| cum sororis 
suae incestum ulturus scripsi | cum sororis suae incestatur B (an: it 
cestum celaturus? Simile quid legitur apud Prob. p. 44, 22 K, ut mesm 
corrupti loci restitutionem Muelleriana uerisimiliorem arbitrer) || et eam 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 877 


septimo uolatui ostenduntur. Quod in Glossematibus inueni. Solutos, 
qui soluuntur, uel so/uto, ore, idest nimium patent. 

v. 400. Inmundi, nimis sordidi, quia luto gaudeut. Jactare, de- 
ferre, proicere. Maniplos. Quicquid manus includit, maniplus dicitur. 

v. 401. Ima petunt, deprimuntur ad ualles. 

v. 403. Noctua, auis lucis profuga. Si canat post solis occasum, 
pluuiam significat. Probus ait: Si in lectis uel iu arboribus canat sero, 
serenitatem significat. Noctua postquam cum patre concubuit, facinus 
agnoscens abdidit se in siluis et lucem refugit, ubi deorum uoluntate 
in auem conuersa est, quae pro tanto facinore omnibus auibus est ad- 
mirationi. 

v. 404. Nisus. llic aues. Dat, soluit. Scylla, auis. Nisus Mega- 
rensium ei Sicyoniorum rex, a Minoe Cretensium rege propter Androgei 
filii sui obitum quem Athenienses et Megarenses dolo circeumuentum occi- 
dissent, grauiter obpugnabatur; sed Scylla, filia Nisi, amauit Minoem pa- 
tris scilicet hostem et patri dormienti crinem fatalem purpureumque ab- 
scidit, ut Minoi, hostium regi, cuius amore flagrabat, daret, quo absciso 
pater periit. Atqui Scylla a Minoe non recepta, qui hoc genus uictoriae 
execratus eam in mare deieciL, in auem, quae *ciris? dicitur, Latine uero 
*tonsilla', conuersa est; item pater eius Nisus in Haliacetum conuersus 
est, qui parricidii exsequens poenas Ciriin hostili mente persequitur. 

v. 408. Insequitur, ut in Bucolicis (VIII 47): *Saeuus amor docuit 
natorum sanguine matrem.? Nisus, auis. 

v. 409. Raptim, uelociter. 

v. 410. Liquidas, aperlas puras. Liquidas uoces, puros cantus. 
In hoc uersu ipsarum auium sonum uocis exprimit. 

v. 411. Cubilibus altis, iu alto factis. 

v. 412. Praeter solitum, plus quam soliti sunt. 

v. 413. Strepilant, saepe strepunt. Juuat, iucundum. Actis, dis- 
cussis transactis abaclis. 

v. 414. Dulces nidos. Merwvvuıxoz 'dulces nidos! dixit eos, in 
quibus pulli sunt dulces. 





B || cum sororem suam incestaret et eam M || uellet tunc scripsi | uellet 
et tunc B | qui fetus B [| sura M | aurora B || in glosomatibus B cf. praef. 
p. 727 || Solutus C || | 


v. 400 nimis M | niminis 1|| maniplos dicitur B || 403 profugassi C || 
nictimon 


Probus ait] Cf. praef. p. 720 || Noctua C || omnibus auis C || 404 Nisus, 
hic aues | | auis M || Dat, soluit scripsi | Dat sonitu B | Dat sonitum 


C | Da sonitu M || scilla 1 || et Sicyoniorum scripsi | sicolorum B, ef. 
ad Ecl VI 74 || atenienses B || migarenses B || obpugnabatur B || ostem 
B [| patri dormientem B || quo scripsi : quoque B || abscisso M |) Atqui 

i | itaque B |... M || qui post *recepta" addidi || a Minoo rege 
M || deiecit, in auem scripsi | deiecit et in auem B || cyris B [| tonsylla 
B || in Haliaeetum scripsi | in alietum B | in alitem M [| cyrim B || perse 
...B [| 418 Strepitant idest croccitant C || Actis descusis Voss., unde 
deoussis coni. Suringar || 414 metanimicos 1|| dicit eos M || 











873 11. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica οἱ Georgica. 


v. 415. Haud equidem credo. ProponiL sibi quaestionem acerri- 
mam. Nam quaerit cur homines, quos constat esse prudentiores animali 
bus, per se non sentiant qualitatem aeris futuri. Haud equidem crede. 
Quare, cum hoc in sexto dixerit (Aen. VI v. 728): "Inde hominum pecu- 
dumque genus uitaeque uolantum? — ? Anchises enim apud inferos le- 
quitur, hie uero uiuus poeta hoc dicit. 

v. 416. Ingenium, ingenium concessum. Prudentia maior , idest 
nobis; nam si hoc esset, et lucerna testae sapientior hominibus uideretur, 
quia et ipsa habet significationem suam. 

v. 417. luppiter, imber. 

v. 490. Species animorum, animorum formae. Mofus, sic enim 
aer est mobilis, quemadmodum animus hominis. 

v. 422. Concentus, *cou? et *cantus?, idest symfonia. 

v. 423. Et laetae, aeris serenitate gaudentes. Ouantes , laetantes, 

v. 424. Solem ad rapidum, uelocem uehementem. Alii *rapidum’ 
dicunt, quod humorem, de quo pascitur, rapiat.. Lunas, noctes. Sequen- 
tes, a prima, secunda, IIl uel III sese sequentes, uel luna solis circulos 
sequitur, licet ipsa inferior est. 

v. 425. Numquam te crastina. fallet hora. Quia fida sunt sign, 
quae sole et luna colliguntur. 

v. 496. Ilyperbole est, quod non hora nos decipit. Capiere , dec- 
piere. Capiere, capieris. Noctis, lunae. 

v. 427. Revertentis ignis, quia postea dicturus de sole . 
cerle cum luna noua renascilur; Lunc enitn 
quem decrescendo perdiderat. 

v. 428. Si nigrum, nigrum aera, non nigrum cornu. Aralus all, 
si cornu aquilonium sit erectius, aquilonem inminere et per eum sere- 
num fieri. Si nigrum et reliqua. Si non habuerit luna cornua et intra 
eam nigrum aera uideris, erit ubique pluuia atque tempestas. Nigidius 
de uentis Il ait: *Si summum corniculum maculas nigras habuerit in 
primis, meusis parlibus imbres fore, at si in imo cornu, serenitatem de- 
bemus scire.” 

v. 430. At si uirgineum , quia uirgo est luna. 

v. 431. Ventus erit. Ventum semper denuntiat luna rubens. Ven- 
tus uenit ex aeris densitate et uento luna rubescit. Nota quod concilatio 














‚ud 
ignem? uidetur *colligere” 








v. 415 animabus C || ITaud dequidem B || pocodum B || concetsen] 
Perperam Suringar hinc suspicatur, scholiastam ingenitum legisse || 41 
lucerna teste B | tosta M |o Species animarum M [| mobilis M | nobilis 
1|| 422 symfonia B | symphonia C || ipsa inferior B | ipsc inferior M | 
425 et luca C || 426 quod Voss. | qui 1 || decipiere C | decipere B || 
dicturus de sole | | Post ‘sole’ lacunam signaui | dicturus est de sole 
M || tunc enim ignem uidetur colligore quem scripsi | tunc enim 

nem uidet tollere quem 1 | tunc enim originem indet tollere quam M |] 
428 Si nigrum 1 | Nigrum M [| aratius ait I|] Aratus] cf. v. 794 || rectius 
(sic) 1] non habuerat M || pluuia atque tempestas M pluuia et aéj. stas 
M || habueri B || in primis, quod ex Burm. G hausit M, adost in B || fore, 
at scripsi | forat B | fore Μ ἢ imo corna B, cf. de eo loco Isid. de nat. 
rer. cap. XXXVIII || 430 uirginom C || 431 denunciat B ἢ concitatio M | 





H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 879 


crassitudinis uentum facit. Phoebe autem lunam dicit, ut solem Phoebum, 
ut (Aen. IV 6): *Postera Phoebea lustrabat lampade terras. Phoebe 
uenit ab eo quod est Phoebos. Sciendum in propriis nominibus duo tan- 
tum genera fieri, nt Phoebos Phoebe, Tullius Tullia. 


v. 433. Pura, deest * erit? 
v. 435. Exacium ad mensem , usque ad peractum mensem. 


v. 437. Glauco. Glaucus Polybi et Euboeae filius. Ilic herba qua- 
dam gustata immortalitatem dicitur adeptus; quae in Fortunatis insulis 
nascitur et deus factus est maris. Junilius dicit. — Glaucus Anthedonis 
filius piscator; qui cum cepisset pisces, eos deposuit. Illi autem animam 
ex herbis receperunt et redierunt in mare. Glaucus amissam dolens prae- 
dam sese praecipitauit in undam el maris effectus est deus. Junilius dicit. 
Panopeae, filia Nerei , Glauci coniunx, Nympha marina. Inoo, patrony- 
micum est a matre, et *Inous? ut alibi (Aen. III 328, uel VII 364): 
*Ledeam et reliqua. Ino Graece dicitur Leucothea, dicitur Latine Mater 
Matuta. Melicertae. Melicertes Athamantis filius quem Corinthii Palae- 
monem in Isthmo colunt, Latini Portunum dicunt, quod portibus praesit. 
Junilius dicit. 

v. 438. Sol quoque et reliqua, ortu el occasu signa dabit. 


v. 442. Conditus in nubem. llic soloecismus est; nam dicere debuit: 
* conditus in nube. Sed non hic uitium, quoniam “in? multa significat, 
et hic *in? non “in nubem conditus?, ut sit uitium, sed *in? pro *infra?, 
et significat * infra nubem conditus. Medio, medio orbe, si orbem suum 
fecerit cauum.  Medioque refugerit orbe, uelut refugiens ab orbe 
apparuerit. 

v. 444. Sinister, malus noxius. 

v. 445. Sub lucem, “sub? pro * prope’. 

v. 446. Surget , instat inminet. 

v. 447. Croceum. Cum enim tempestas futura sit, semper nascitur 
crocea Eos in serenitate et significat grandinem. 


concitaci l|| postera B | ut postea Phoebea etc. M || Phoebus, bis M || in 
nominibus propriis M || 

v. 483 Pura deest erit scripsi | Pura deest fuerit Voss. | Pura deest 
] | est add. M [| 437 et Euboeae scripsi cf. Athen. VII 47 | scriboe B | scri- 
beo C | Eriboeae M [| Hic herba scripsi | in cerba B | in erba C | is 
berba M || in fortunatis B | in furtunatis C || antheodonis 1 || capisset 1 || 
ex erbis 1 [| ammissam 1| Iunilius dicit] Cf. praef. p. 706 not. || Panopca 
silia neregi B || patronomicum PI et Inous scripsi | ut inous B || Ino 
seripsi | Inous B || licothea B || Alterum *dicitur? om. M || Mater Ma- 
tuta Voss. | mater nautica BI Melicerte B [| Atamantis B || quem corinti 
pslimonem in istimon B | Corinthii Palaemonem in isthmo M Voss. | 
An subest nomen Ἴσϑμιον || 442 solocismus B | solocysmus C || si non 
hic uicium C || non nubem conditus C || Pro *infra? utroque loco ‘intra’ 
I i fiorbem, corr. si orbem B [| uelut refugiens ab orbe scripsi | 
uelato re orbe B | uelut ore quae fuga orbe a poruenit Voss. || 444 
Sinester B || 445 sub properope uel ante C || 446 instet B || 447 Crocheum 
1 || crocea Eos scripsi | eroceus 1]] 





880 Il. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 448. Mitis, maturas, ul (Ecl. 1 81): *Sunt nobis mitia poma, 
idest matura. Junilius dieit. Defendet, non defendet maturas. Pampinus, 
feminini generis, ut Farro: * Harum pampinorum.? 

v. 450. Hoc etiam et reliqua. Ordo hic: hoc etiam meminisse magis. 
Quia sole ueniente ad Vesperam signa meliora sunt. Emenso, Lransacto. 
Emenso non proprie sed translatiue, ut dicimus * emensam uiam", quam 
perambulauerimus, idest transactani. 








v. 452. Ipsius. solis, In wultu, in orbe. Pultu, non proprie, 
quia uultus * hominum.? 

v. 453. Caeruleus , color est niger. Caeruleus pluuiam denuntiat 
igneus euros. Breuiter collecta conclusio est. 

v. 454. Rutilo, claro. 

v. 455. Omnia , ubique periculum. 

v. 456. Feruere, feruo feruis. Quisquam me et reliqua. Suam 
ut solet personam inserit, ul alibi (Georg. ΠῚ 435): *Mihi tum molles 
sub diuo carpere somnos?, ut ostendat, uilandum esse periculum. 

v. 457. Conuellere , soluere. 

v. 458. Referet, adferet, idest sol. Relatum, quem adtulerat uel 
inuexerat. 

v. 459. Lucidus orbis erit, solis scilicet. Terrebere, terreberis. 

v. 460. Claro, serenifico, idest puro, sereno, quia est ef nigrum 
ul (Aen. V 2): *Fluctusque atros aquilone secabat.” 

v. 401. Quid uesper. Prouerbium est: * Nescit quid uesper fera" 
Vesperum pro nocte posuit. Synecdoche, a parte totum. Fehat, adferat 
Vnde serenas, siccas , idest pluuia non adlaturas. Conelusio est, quae 
haee contin uel ex uentis possimus colligere, me- 
lius ex sole colligimus. 

v. 462. Cogite, in quam se partem flectat, serenitatis an pluuiae. 

v. 163. Falsum, pro fallaci, ilest mendacem, ut Salustius all 
(Catil. X 5): "Multos mortales falsos fieri subegit? idest mendaces. 

v. 464. Ille, sol. Caecos, coniuraliones latentes, insidias. 























v. 448 Mites, -is B || maturas Voss. | maturis B || boma corr. 
poma B ἢ Iunilius dieit add. Voss., om. B || Varro] cf. Seru. ad Eel. VII 
58 || ew interieetio dolentis C || 450 quia sole uoniente ad uesperam I 
*quia sol euemente ad uesperam? cum legeret M, coniecit: quia 
emenso Olympo ad nesperam || ut om. M || dicimus emonsnm uiam B (sie) j 
transactum, corr. -am B || 452 Vultu non propriae B | Vultus M ἢ 468 
denuneiat B |] 455 ubique perieulum scripsi cf. ad v.371 | ubi periculum I [| 
456 Feruero C | ferue feruis M || tum mihi B || 460 Et claro M || serenifico 
1 (sic) || quia. est e£ nigrum seripsi | quin (qui C) est nigrum 1|| ut fluctus- 
qne utrosque aquilones 1 || 461 Prouerbium est] Gell. XIII 11. Macrob. 
Sat. 1 7, 12 || senecdocho C | senecdoce B [| collegere, collegimus B || 462 
Cogit 1| Ventus cogit Voss, unde: Ventus agat Suringar, sed perperam. 
Fentus enim uox uersum ir ef. ipsum Suringarum II Ϊ 275 || ectat 











scripsi | flectaet C | flectet B |] serenitatis M | serenitati 1 || 463 Falsum 
— mendaces am, M ἢ subuit B || 461 coniurationes scripsi | coniunciones 
B | coniunctiones M || Recapitulatio praodictae rei cst C || 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 88] 


v. 466. Caesare, Gaio Iulio Caesare. In gratiam Augusti deflet 
Caesaris mortem. Constat occiso Caesare in senatu pridie iduum Martii 
solis fuisse defectum ab hora sexta usque ad noctem. 

v. 467. Ferrugine, subnigra. Proprie *ferrugo? dicitur color 
subniger, ut purpura. 

v. 468. Impia, quibus occisus Caesar. Impiaque aeternam et re- 
liqua, ut Romani timuissent perpetuam noctem. .4eternam, lomgam. 
Timuerunt, quia se mereri noctem sciebant, uel pro eclipsi posuit. 

v. 469. 4equora ponti. Quia sunt aequora et “non ponti?, idest 
campi, ut (Georg. I 50): At prius ignotum ferro quam seindimus aequor." 

v. 470. Obsceni, diri idest quoniam obscenum canunt, quia obsint 
augurio. Inportunae uolucres , idest striges et bubones, nocte gauden- 
tes, in alienum tempus ruentes, idest uideri in die dicit, quod insolitum 
erat. Inportunae, quae ad dumos accedunt et malum significant. 7npor- 
tunae uolueres. Hic epitheton est. 

v. 471. Signa dabant ..... Quotiens et reliqua. Ordo est: Quo- 
ties Cyclopum ruptis fornacibus efferuere. 

v. 472. Vndantem , flammas uomentem. 

v. 473. Flammarumque globos, malum omen, quando non fumos 
sed flamınas emergit. Liquefactaque uoluere saxa, uoluendo liquefacere. 

v. 474. Germania, bene Germania, quam uicerat Caesar, ul eo 
occiso in rebellionem uideretur exsurgere. 

v. 475. Insolitis, idest, quales numquam ante in Alpibus fuerunt, 
uel quia maiores solito. 

v. 476. Vox quoque per lucos silentes. Vocis magnitudo. silentio 
aucta esse dicitur , ut terribilior esset. 

v. 477. Pallentia, ut Lucretius ait (1 122) *pallidum? Homerum ad 
Ennium uenisse et loquutum illi hexametris antea Latina liugua inauditis. 


v. 466 Caesar C || gagio 1 || ociso C || solis Voss. | solem 1 || 467 
Ferrugine subnigra] sub nigra M | Ante *subnigra? uidetur intercidisse 
*ueste? || 468 a quibus M || Impiaque aeternam] Impiaque terram 1 | 
Impia &eternam M || perpetuum 1 || eelypsi B || Vossiani scholia aut 
corrupta aut male disiecta aut decurtata exhibentis indolem optime 
ex hoc loco cognoscas: Timuerunt. Vt Komani timuissent perpetuam 
noctem uel mereri noctem uel pro eclipsi posuit || 469 quia sunt ae- 
quora et non ponti idest campi D | An: proprie sunt aequora non ponti 
sed campi? || ut: At prius scripsi | ut prius B || ignorum B || quum M |: 
470 Obsceni 1 || obscenum scripsi | obseenam 1 | obscoena M || canant M || 
uoluces C || dicit post “in die? addidi || Inportunaeque M || domus M |! 
accedunt M | accidunt B || epiteton B || 471 Signa dabunt M || Signa 
dabant] Eius lemmatis expositio intercidit, unde lacunam statui ante 
Quotiens || Quoties 1|| ciclopum C || 472 uomentem M | uomantem B || 473 
quando scripsi | qm C | quonia B || 474 exurgere C || 175 idest quales — 
fuerunt — maiores scripsi | idest quia — fuit — maior B || 476 Vox quo- 
que — terribilior esset om. M || silentio scripsi | silentia I || aucta. scripsi | 
audita B | montibus audicta C | Illud * montibus? nil nisi uarians scrip- 
tura uidetur esse pro *motibus? quod est in v. 475, nisi malis silentio 


montium conicere || esse dicitur scripsi | sit 1 || 477 lucrecius B || loqutum 
B || exametris B || 
Jahrb, f, class, Philol, Suppl. Bd, IV. If. 5. T 


832 11. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 478. Sub obscurum noctis. Augel terrorem tempus nocturnum. 

v. 479. Infandum , aut quia loquutae sunt, infandum, aut id quod 
dixerunt, infandum fuit. Manes, idest amnes, non dii T. JDehiscunt, 
aperiuntur. : 

v. 480. Ebur aeraque sudant, idest eburna et aenea simulacra 
sudant. Metonymia, signa laboris futuri. 

v. 481. Insano, magno. Si supra modum crescat, damnum indicat. 


v. 482. Fluuiorum rex Eridanus. Rex, siue quod iu eum flumina 
multa intrant ex Alpibus, uel quod ipsius simulacrum iu caelo sit recep- 
tum. Vbi enim Eridanus sit, multi errant. Aeschylus ipsum esse Rhoda- 
num propter magnitudinem el cursum rapidissimum. — Cfesias hunc in 
India esse adfirmat, uel Choerilus in Germania, in quo fluuio Phaethon 
exstinctus est, uel Jon in Achaia. Sed Virgilius Padum dicit, cuius inun- 
datio sit prodigiosa. Vel rex? quod apud inferos habetur, ut in sexto 
(059): “Plurimus Eridani per siluam uoluitur amnis? Rex fluuiorum, 
idest per Italiam , uel certe per totum orbem. 

v. 484. Tristibus, tristitiam ferentibus. 

v. 485. Cruor cessauil. Ordo est: nec cruor cessauit. Zt altae. 
Syllepsis est, ut alibi (Georg. I 350): “Det motus inconpositos.? 

v. 486. Resonare lupis ululantibus urbes , ad quas lupis non esset 
accessun. 

v. 487. Sinistro, sinistro sereno. 

v. 488. Cometae. Stella lugubris, quae uelut * comam? luminis ex 
se fundit. Ilaec dum uisa fuerit, imperii mutatiouem significat. 


v. 189. Ergo inter sese paribus. Lucanus (1 7): *Pares aquilas. 


v. 490. Iterum, quia primum ibi a Pompeio et Caesare, postea a 
Bruto et Cassio contra Antonium et Octauianum pugnatum est. Philippi, 
ciuitas et campi Macedoniae, uel ubi Romani primo uicti sunt a Philippo 
rege. Philippi, ciuitas Thessaliae, in qua primo Caesar et Pompeius, 
postea Augustus el Brutus dimicauerunt. PAiippi, urbs οἱ campi Mace- 
doniae. 

v. 491. Nec fuit et reliqua, quasi exclamatio ad deos. Nostra, 
Romano. 


— -- ςΣ. --  .-, 


v. 479 loquute B | locute C || Manaes B || In textu *amnes', in mar- 
gino "manes | non dii 1] an *inferni"?[|480 Eubur C || subdant C || enea 
C | enea Dj [| metonimia B | et omnia C || 482 et alpibus C |] cius simula- 
erum M || ibi enim C | sic multi erant C || er//;rant B || Aeschylus scripsi, 
cf. Plin. hist. nat. XXXVII 32 et praef. p. 711 [| eusebius C Voss. | cuseb; 
B || rodanum 1 |! repidissimum ( || Ctesias M | Thesias 1[ choerulus 1 i 
germana B || feton I || extinetus C |] Velion 1] eridanu 1 | Eridanus M l 
per undam 1 || 484 ferentibus scripsi | merentibus B || 485 Ex alte B ' 
Et alte M || Syllepsis] sinlimpsis B et M |] 487 Alias, quam in illo 
tempore, Toties, quam in illo tempore € || Sinostro, bis B. Varians 
scriptura est || 488 mutacionem D ||489 Ergo in inter 1|| aquilae M [| 490 
postea abrupto et casio B || oetouianum B || Octauium M || eiuitas et 
campi scripsi, ef. infra | Philippi -c- et campi B | PAilippi, campi M ^ 
Phylippi C [| thesaliae I |[ machedoniae C || 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. διδῷ 


v. 492. Emathiam, mons. Emathiam, ab Emathioue louis οἱ 
Electrae filio, pars Macedoniae οἱ Thessaliae continens. Zaemi, ons 
Macedoniae. 

v. 495. Exesa, consumpta. Scabra, inde scabies. Aubigine , ru- 
higo uitium, rodens ferrum ucl segetes. 

v. 496. Inanes, uacuas. Tunc inanes sunt galeae, quando non 
tegunt capita, ut ibi (Aen. V 673): “Galeam ante pedes proiecit inanenr?, 
idest Ascanius. 

v. 497. Grandia. Bene * grandia ossa?, ut grandiores uiros fuisse 
ostendat, sicut ibi (Aen. XI] 900): *Qualia nunc hominum producit cor- 
pora tellus.? 

v. 498. Dii patrii. Qui praesunt singulis ciuitatibus, ut Minerua 
Athenis, luno Carthagini. Indigetes, a Latinis, qui a Graecis ἔμμυχοε 
dicuntur. Alii dicunt, ex quibus Nigidius, omnes deus *indigetes? cog- 
nominari quia nullius indigent. Alii *indigetes? proprie interpretantur, 
quorum propria nomina ignorantur, ut sunt dii Penates, item dii Lares 
et dii Consentes, quorum singulorum nomina ignorantur. Alii: indigetes 
proprie sunt dii ex hominibus facti, quasi “in diis agentes?, abusiue, ul 
Aeneas el Romulus. Vesíaque mater, ut physici, terra est. Cur a Vesta 
Tiberim et Roınanı seruari dicit, cum urbs Romana in tutella sit Martis? 
Ne hostes scirent, cui deo Romani seruirent, quia uerum numen, quod 
urbi praeest, sacrorum lege prohibitum est scire, quod ausus quidam 
tribunus plebis enuntiare cruci fixus est. 

v. 500. Hunc, Augustum. Juuenem, bene * iuuenein? ut ostendat 
clarum quia hac aetate tantum possit. 

v. 002. Laomedonteae. Laomedon pater Priami; quomodo Laome- 
donte Troiani orti sunt, Sccius docet: * luppiter Dardanum genuit , Dar- 
danus Troum, Trous Assaracum et llium Ganymedenique; Capys ex Assa- 
raco salus qui statuit Pergamum, Laomedon Priamum et Ancliisem edi- 


v. 492 ab ematione 1 || partem Voss, || machedoniae C [| thesaliae 1 || 
mons Macedoniae M | mons cedoniae B || 495 indes eabies B || 496 quando 
scripsi | qm B | quoniam M [| ut ubi B [ ut ibi M || inanem idest Ascanius 
B | inanem Ascanius M || 497 Crandia Β || ossa] essa B | esse C et M || 
nut grandiores C || 198 cartagini I || Indigetes (sic) 1 || gregis C || ἔμμυχοι 
scripsi | ennichi | | ἐμμύχιοι Sintenis Hermae I 142 | ἔνοικοι Hertz 
Annal. phil. LXXXXIII p. 583 | μύχιοι 1. Klein Annal, phil. LXXXIX 


p. 338, conl. Dion. Hal. A. R. I 67 | enchorii M || indigites B | indigbtes 
C | indigites proprie 1 || ut sunt — ignorantur om. M || consentes] conso- 
nantes ||| indigites B [| phisici B |] tutela M || ne ostes B || romani serui- 
rent (sic) B || numen quod urbi praeest scripsi | nomen quod urbi est 1} || 
enuntiare scripsi | nunciare B || 500 bene iuuenem nt ostendet clarum 
quod (quia Flor.) hac aetate omne (tn Flor.) possit codd. Paris. Flor. | 
bene juuenem ut ostendüdarà quia hactantum possuit I | bene iuuenem 
ut ostendat clare qui hae [aetate] tantum possit M || 502 quo modo 
Laomedonte Troiani orti sunt scripsi | qmd (qumd B) laomedon te troiani 
(laomedon troiani C) orti sunt 1 | qumd Laomedon te Troia morti sunt M || 
Accius docet, cf. Ribbeck tragy. Latt. rell. p. 188. De uersibus a Ribbeckio 
restitutis cf. praef, p. 721 || ganimedemque 1 [| capis I || asaraco C || nucis- 


nt 






ut 


S84 IL. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 





> Periuria. Tam longe repetit bellorum ciuilium causas, ut nihil 
aliut populus Romanus commisisse uideatur, nisi ira numiuum dignus 
Bene pluraliter dixit * periuria ?, quia Ilerculi propter lesionam, Apollini 
et Neptuno propler muros ... Luimus, soluimus. Horatius ait (Od. HI 
6, 1): *Delicta maiorum. inmeritus lu Periuria Troiae. Nunc excu 
sat Augusti tempora el eum dicit suis uiribus conpensare tanta damna 
publicae, quae ex maiorum uitiis descendisse confirmat. 
v. 503. Regia, regina. Caesar, o Caesar. 
v. 504. Inuidet, uult. te in caelum tollere et te adhuc terrenis lau- 
dibus interesse inuidet. Triumphos. Fit "triumphum? et * triumphus.? 
v. 505. Quippe ubi fas uersum atque. nefas, aput homines. qui 
spernunt licita, petentes inlicit. 
v. 506. Aratro, bene qui scripsit Georgica, dolet nullum aratro 
lionorem haberi. 
07. Abductis , ad hella. 
v. 508. Curuae, antitheton reddit * ripidum?, rectum. Falces con- 
flantur in ensem. Non ut Esaias dicit (Il 4). 
v. 509. inc, idest undique bellum. Euphrates, orientis fluuius. 
ti enim non * Rhenum? reddit, sed "Germaniam" ut ait (Ecl. 163): 
i Parthus bibet aut Germania Tigrim. Germania , occidentis pro- 
quae est trans Rhenum. 
v. 510. Ficinae et reliqua. Tam longinquae, quam uicinae urbes 
inter se arma ferunt. Ac per hoc omnem urbem dicit in arma Romana 
raptam. 
v. 511. Mars impius, propter bella ciuilia, ut (Ecl. 1 71): * Impius 
haec tam culta noualia miles habebit.” 









































“Cum a carcere fusi 





v. 512. Carceribus, ianuis, — Ennius ai 
currus cum sonitu magno permittere certant. 


sem B || repetit M | appetit 1 || einileum 1|| aliud M || commississe C | com- 
misisse B || nidetur nisura M ἢ Post 'dignus" nidentur nonnulla interci- 
disse || Bene pluraliter scripsi | bene plur& 1]| numinum dignus bene plura. 
"ivit M || prius quod Voss. | quia B | qui C || erenli 1]| exionnm € | post 
*muros? nonnulla desiderantur, e. z. "periurium feeit Laomedon. Post 
propter muros leguntur in Voss. hoc nutom numine diuum ideo enenit || 
oratius B [| delicta om. M || inmeritis luis B || Horatins ait: maiorum in 
meritis uis periuria Troiac* M || uieiis discendisse (sic) B || 


v. 504 interesse. Inuidet triumphos Suringar || 505 apud homines 
© || δυὸ weribit M || nullum aratro honorem haberi scripsi | nullum ara- 
trum in honorem habere B | nullum aratrum in honore haberi M || 508 
anteton 1| Regidnm R || reddit. Rigidum interpuuxit M eum Suringaro :1 
dieit 13 | dixit M [| 509 Ante *Euphrati enim* auppleas "incongrue dictum? 
uel simile quid ef. ad v. 217. 181|| Eufrates, oufrati C || renum C || par- 
tus 1 ἢ tygrim 1 || 510 Tam longinquae — arma ferunt, Ac per hoe — 
raptam transposui | line. per hoc — raptam et tan longinque — ferunt ἢ 
Ac per hoe scripsi | hac per hoe 1| Per hoc M || orbem dieit in arma 
raptum M | urbem — raptam 1 ἢ ἴῃ arma Romana scripsi || in armorum 
lin arma M || 511 habent I || 512 enrins B || a carcere] malim *e car- 
eere" |j permittere] an *perbitere^? 

































H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 885 


v. 513. Addunt in spatio. Propria uox circi; equi enim cursus 
* spatio addere? dicuntur. 

v. 514. Fertur equis auriga. Mic uult dicere: Res publica habet 
bonum imperatorem, sed malis praeteritorum temporum fertur, ut *auriga 
equis? Adtendendum est, librum parabola finitum esse. Neque audit, 
translatio. [Titus Gallus de tribus commentariis Gaudentius haec fecit.] 


Gxona. LiRER II. 
itur, ubi de uitibus 





llic liber * consitus? 

v. 1. Hactenus aruorum et reliqua. — Mire iterauit illum uersum 
(Georg. 11): * Quid faciat laelas segetes.” Haetenus, aduerhium tempo- 
ris et significat * hueusquags.Memen alii dicunt "tenus? et "hae?, ut (Ὁ. III 
53): *Crurum tenus?, sed unam partem dici. ΑἹ sidera caeli. 
Pleonasmus est; non enim aai" idera nisi in caelo sunt. — //actenus. 
Notandum quod hic tantum prioris operis meminerit, cum in cetei 
Georgicorum libris nullius mentionem faciat. Hic uersus ad finem primi 
libri haeret. lic ellipsis est: deest enim *loquutus sum, siue *conpre- 
hendi?, uel uerius *cecini?, ut infra (v. 2): "canam. Et quia in primo 
libro dixit de temporibus et terris et de tempestat! 
























us, ideo dixit *hac- 
lenus) Quaeritur quare cum de uitibus primum debuerit dicere, de ar- 
boribus coeperit. Quia in Italia in arboribus pendent uineae idest in ulmi: 
et non possunt uites esse, nisi prius fuerint arbores. Vel aruorum . 
de aruis dicit, sed b loco u ponitur. 

v. 2. Bacchus. Bacchum, uinum. Nunc tc Bacche, Yua- 
rum inuentorem pro uuis posuit, quem ueteres Liberum patrem dixerunt. 














v. 513 in spatio | | in spatia M || cirei] ora Voss. unde Suringar 
orationis coniecit || 514 Hoc M || Respublica habet honum imperatorem 
ὃ mperatord 1| rempublieam habere honum imperato- 
rem M || "litus Gallus -- Gandentius haec fecit", male corrupta (pro 
quibus eerte legendum: Titus Gallus Gaudentius Iunilius Flagrius, De 
tribus commentariis haec feci), quia ad eius adnotationis exemplum 
quae in Georg. 1 initio ext. collocata, a patet, uncis inclusi 
Mommsen mus, Kl. XVI p. 446, "Thilonem mus, Ih. XV p. 127 et praef. 
p.697. In Vossinne non nisi haec leguntur misere excerpta, malo ec 
rupta, temere temptata: Ferter. lie uult dicere remp. bonum imper: 
malis praeteritorum temporum, Titus Gallus de tribus com- 
is Gandentii haec seripsit, 

Gxona. Lim. II. traetator 1|] v. 1 arborum 1 | iterauit] an 
faciit C || letes 1 | erure tenus 1 || alibi M | abi 12 | ab C || nullius scripsi 
nullus B | nullam M || emlimpsis B || deest enim *loquntux sum" seripsi | 
Hie ellipsis est de, est enim, loquutus sum M [| dixit M | dixi B [| Quac- 
rilur quare seripsi | quare B ]| de nitibus M | diuitibus B || primum om, 
M || debuerit seripsi | debui R | debuit M Me ante "arboribus" add. Mi; 
coeperit B | coepit M || Vel aruorum ete.] Hacc co pertinent, quod «upra. 
*arborum' pro 'arnorum? seriptum fuerat || 2 Bacens 1 || baceum C || in- 
uentor est C || liberum presidem (sic) 1 || 





















ariauit?, 























S86 — H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


Naim licet de aliis arboribus, praecipue de uitibus dicit. Notandum, «quod 
hic Virgilius omnium ferarum arborum et uirgultorum Liberum praesi- 
dem dicit. 

v. 3. Virgulta, pro infelicibus arboribus posuit, quibus in Italia 
uites [arboribus] cohaerent. Tarde. Res enim diu duratura tardius cres- 
eit. Oliuae. Oliua arbor. 

v. 4. Pater, Liber pater. “Pater? licet. generale sit omnium deo- 
rum, lamen proprium Libero. O Lenaec. *Lenaeus? Liber pater dictus 
quod leniat. Ὁ Lenaee. Arno τῆς ληνός, idest a lacu dicitur. Nam quod 
Donatus dixit: ab eo quod mentem deleniat, proprium Libero patri * Le- 
naeus?, non procedit: nec enim potest Latinam etymologiam Graecum 
nomen recipere. 

v. 5. Pampinco ut *nemus frondeum?’, frondosum. — A4utumno. 
Autumnui pro autumni tempore posuit. 

v. 6. Labris , doliis. 

v. 7. O Lenaee, iucunde , lenis. Musto, * Mustum? numero singu- 
lari tantum, ut uinum, licet Ouidius dixit * musta? 

v. 8, Tingue nouo. llabundantiam poscit. Tinyue nouo mecum. 
Tragica grauitate deposita fac mecum opus agreste. Dereptis, celeriter 
abstractis. 

v. 9, Principio arboribus et reliqua. Tria genera arborum nascen- 
darum sunt: aul sua sponte nascuntur, aut ex seminibus fortuito iacen- 
tibus surgunt, aut ex radicibus pullulant. Nam cetera usus inuenit fauente 
natura. 

v. 10. Cogentibus , laborantibus. 

v. 11. Sponte. 'Nomen?, dum habet genus, quo si caret, *aduer- 
bium. Veniunt, crescunt. Sponte sua ueniunt, proprie dixit. de his, 
quae sponte sua generantur. Camposque et flumina. — Ostendit loca, 


v. 3 uites arboribus 1 | arboribus quippe ex praccedenti perperam 
ropetitum sustuli || choerent 1 || Tardae M || durutura D || 4 generale sit 
quia omnium M || proprium] proprie B | propriae C | proprie Libero patri 
coheret Leid, 135 || Olenee 1 | O Lenaee pater M || leneusB | lenusC || Quae 
post *quod leniat' secuntur in libris: wt igni nouo habundantiam pascit, ea 
ad v. 8 retrudenda atque sic sunt emendanda: Tinyue nouo, habundantiam 
poscit? [πὸ τῆς Anvog scripsi | ATTOOHC ANNOC B. | ἀπὸ τοῦ AnvooM|| 
9 lacu dicitur. Nam quod Donntus dixit scripsi cum Seruio | a lacona 
dicitur qm (quando) natus est dixit B οἱ M [| proprium scripsi | propriam B 1 
Lenaeus scripsi | oleneus B | om. M || praecedit M || in latinam ethimo- 
logiam B || 5 ut *nemus frondeum? cf. Aen. I 101 *nemora inter frondea? |! 
6 doleis BM || 7 lenee incunde B || ouidus dixit musta B | musta dixit M. 
ef, Ouid. Am. I 16, 11 (mustis) | 8 Tingue — poscit cf. ad v. 4 | ut igni 
nouo habundantiam pascit | || thragica C | trhagica D || fac mecum opus 
agreste scripsi | faueum opus agresto C | faue nouum opus agrestae B | 
quem, nisi quod *agreste? scripsit secutus est M || obstractis B || Cothur- 
nis, genus enleiamenti quo utebantur poetae aptum (aptus) utroque pede 
B m. II ||9 fortuito B | fortuitu C || 11 *Nomen?, dum habet genus, quo 
si seripsi | nondum habet genus quo (quia C) 1| modo habet genus quo 
caret aduerbium M | nomen est quia iunetum (iunctum Flor.) est ci genus 
quo caret semper aduerbium codd. Puris. Flor. || Campos et flumina M |; 
hostendit B || 





H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 





in quibus sponte nascuntur, idest humida; nam iater omnium rerum et 
creatrix seminum aqua est. 

v. 12. Curua. Epitheton perpetuum; nam omnia flumina curuata. 
Zentae, flexibiles. Molle siler. Notandum genus neutrum in arboribus, 
quod admodum rarum est. 

v. 18. Glauca. Glaucus color est ferrugineus, quia subniger. Ca- 
nentia, pro cana." Participium pro nomine posuit, quod participium a 
uerbo *canco? uenit. Glauca canentia et reliqua. Locum salicum pro 
ipsis arboribus posuit; bene autem "glauca? et *cauentia?. Nam salix 
una parte alba est, ab altera uiridis. Sane κακέμφατον *glauca canentia.? 

v. 14. Pars autem posito, qualicumque ratione proiecto, uel ab 
auibus uel hominibus. Pars surgut, ut (Aen. 1 212): *Pars in frusta 
secant?. Soloecismus. 

v. 15. Nemorumque Ioui et reliqua. Ordo est: nemorum maxima, 
hoc est aesculus uel loui consecrata quercus, et ideo maxima, quod uir- 
tute nulli arbori cedit ut nulli deo luppiter. 

v. 16. Aesculus, escando dicta. Aesculus et reliqua. In Epiri re- 
gione in templo louis quercus erant, ex quibus colunibae futura hominibus 
praedicebant. Habita, credita existimata. Grais, idest Graecis, quasi 
Italus dicit. 

v. 18. Cerasis. Cerasus ciuitas Ponti. Arbor *cerasus?, pomum 
autem *cerasum? dicitur. Parnasia. Parnasus mons in Bocotia Apollini 
consecratus. Cerasis. Lucullus capto Cerasu oppido primus in Italiam 
attulit, 

v. 19. Subicit umbra, parua surgit, ut alibi (Aen. XII 287): “Aut 
corpora saltu subiciunt in equos.” 

v. 20. Hos natura modos, ut "sponte? nascantur, aut ‘de seminibus 
positis?, aut de *radicibus.' Jos, idest tres. Primum, olim. Bene *pri- 
mum? ut ostendat naturales modos, dum alii, quos usus repperit. 

v. 21. Viret, idest διὰ διαστολῆς prima. Fruticum. *Frutices? 
proprie dicuntur pomiferarum arborum quasi “fruclifices.? 








v. 12 apitheton B | apitethon C || Cura, flexuosa tortuosa C || neu- 
trum genus M || 13 ferrugeuns C || canco] cano 1 || eacomphaton 1} |] 14 
qualicumque seripsi | quasi cum 1 | quacumque M || racione B || frustra 
B || solocismus B ᾿ 15 uirtute] An 'uiribus?? || 16 eseando coni. M | 
aescendo B | escendo C || futura M | futuro 1 || pracdicebant scripsi | pre 
(#0) dicabant 1|] Quidam aesculum arborem quao qnercus (cornus) nun- 
Cüpatur, aestimant in Dodonueo nemore consecratam loui, cx qua ar- 
boro, ut fertur, a columbis (a demonibus) responsa dabantur B m, II 
Habita] est scriptura uarinus || 18 Caerasis C || cerenusus 1 || cereasus 1 
pemam auiem cereasenm 1| Uoctiu D] boctien C || lociliur B | coranso 
all 











| 19 parua surgit ut alibi: “Aut corpora" cte. scripsi | passum amietu 

Seru.: radice maioris minor crescit et surgit? || 20 
positis scripsi | positae D | posite C || radicibus C | racibus B || dum alii] 
An: sunt enim alii? || 21 Viret idest διὰ διαστολῆς prima scripsi | Viret 
idest diastoles prima 1, cf. pracf. p. 721 |] Fruticumque M || pomiferarum 
M | pomiferum B || fructifices M | frutifices B || 





o ut corpora | cf. 














ge 


888 1. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 22. Sunt alii, subauditur modi. Pia, itinere ratione propria. 
Vsus, pro consuetudine. 

v. 23. Plantas. Inter *plantas? et *plantaria? hoc interest: *plantae?, 
quae de suis arboribus nascuntur, *plantaria?, quae ex seminibus nata 
cum radicibus et terra propria transferuntur. 

v. 24. Deposuit , mandauit, credidit. Sulcis, fossis, pro scrobibus. 
Stirpes. “Haec? stirps hominum, *hic? stirps arborum, quamuis ueteres 
indiscrete. Aruo, terra. 

v. 25. Quadrifidas, id est ualidas. 4cuto robore, pro acuti roboris. 
Sudes et ualli idem sunt. *Vallos? dicit, ut possint in quattuor partes 
diuidi. 

v. 26. Siluarum. “Siluae’ pro arboribus. Pressos, arborum. 
Pressos, ab incremento. Propaginis, propagando uel protendendo. 
* Propago? uitibus praecipue congruit. 

v. 27. Exspectant, amant uolunt desiderant. Diuersitas inserendi 
pro genere pomorum. Sua, bene * sua?, quia in sequentibus (v. 268): 
*Mutatam ignorent subito ne semina matrem.* 

v. 28. Nil radicis. Ad uites retulit, quarum cacumina terrae tra- 
dita firmitatem radicis accipiunt, et postea desuper uitis locum possidet. 
Egent. Cicero: “Egel ille senatu et populo. Sallustius (Catil. 1 7): *Al- 
terum alterius auxilii eget? Ideo dixit: “Non egent radicis." 

v. 29. Referens, pro ferens. Referens, quasi reddens, ex qua 
creuerunt. 

v. 30. Caudicibus, pro codicibus. 

v. 31. Truditur, urgente natura ex arido procreatur. Diuersa ge- 
nera creationis specierum demonstrat. Olcagina, diriuatiuum ab oliua. 

v. 32. Et saepe. De mutationibus loquitur. Impune, sine damno. 

v. 33. Vertere pro uerti. Mutatamque insita mala. Mutatio licet 
pomorum est, ei tamen nulla sunt damna. 


—— — 





v. 22 racione B || 23 planteque 1 || et terra scripsi cum S. | e terra 
B | et erra C || 24 Suleis, fossis pro scrobibus. Stirpes. Maec stirps etc. 
scripsi | Suleis fossibus Stirpes pro scrobibus hec stirps B || quamuis 
ueteres indiscrete. Aruo terra om. M [| 25 Quadrifas B || idest ualidas 
scripsi | idest mali 1|| acuti (sic) 1 || Ordo misere turbatus est; scriben- 
dum enim: Quadrifidas idest ita ualidas ut possint in quattuor partes 
diuidi. Acuto robore, pro acuti roboris. Fallos. Sudes et ualli idem sunt | 
Yxx uoce ualidas mcdia discissa (cf. ad E. VIII 64) illic mali, hic dicit factum 
est || 26 Siluarum. Siluae scripsi | Siluarum sillie 1|| Siluarum aliae M || 
Propagines B || 27 Exspeetant B | Expectant C || motata ne ignorent 
subito semina B | unde Mutata ne ignorent etc. M || 28 ad uites retulit 
scripsi | ad antes retulit 1|] posidet B || Cicero: *Eget ille senatu ct po- 
pulo. Sallustius alterum etc. scripsi cf, praef. p. 723 | cicero egot ille 
senatu et populos alter ctc. B | eget ille senatu et populo; alter M !| 
dixit post *Ideo? addidi | Ideo non cgent radicis M || 29 /teferens pro 
ferens. /leferens quasi reddens ex qua creuerunt scripsi ct transposui | 
Iteferens pro ferens quasi referens et reddens ex qua creuerunt B et M || 
30 Gaudicibus C || 31 Traditur C || ereationis C | creacionis B [| 32 mo- 
rationibus C | motacionibus D || 33 Vetere C || Mutataque B || Mutatio 
licct pomorum est scripsi | mutacio ista mors est B || 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 889 


v. 34. Lapidosa dura. Rubescere maturescere. Corna, in arborem 
eornum. 

v. 35. Quare agite o. Ordo est: quare agite, o agricolae. Tem- 
pestiue autem se ad hortationem conuertit. Generatim, singillatim. Pro- 
prios , unicuique generi arborum. 

v. 96. Fructusque feros et reliqua. Asperum saporem fructuum 
inserendo mutate. 

v. 37. Segnes, pigrae infecundae. Ismara. Ismarus mons et urbs 
Thraciae. Jaceant. Eleganter “iaceant? dixit, quasi despectae et incultae. 

v. 38. Festire, implere. Taburnum , mons Campaniae in Apulia 
uel Sabinorum. lloc dixit: in Ismaro uinea, in Taburno oliua fieri debent. 

v. 89. Tuque ades, o Maecenas. Tuque ades, imperatiuus modus. 
Vna, una incipe et decurre. 

v. 40. O decus. Horatius ait (Od. 1 1, 2): *O et praesidium et 
dulce decus meum. O decus οἱ reliqua. Quamuis durum opus ab illo 
acceperit, Lamen uult illius beneficio factum, ut per hoc graliam conse- 
queretur. 

v. 41. Pelago. Pelagus patens, idest carminis felicitatem accipimus. 
Da. Metafora. Da opem temptant. Vela, fauorem, simplici generi car- 
minis praesta fauorem. Volans, idest nauigans. Patenti , secundo. 

v. 42. Non ego cuncta et reliqua. Non sum uniuersa dicturus. 
Opto, non expeto conprehendere uel petere uolo. 

v. 43. Non mihi et reliqua. lIomericus sensus (Il. 2 488): sic etiam 
Ennius: *Ora decem? 

v. 44. Ferrea, aenea. Et primi lege litoris oram. Cito ad me 
ueni. Hic allegoria. Lege, idest transi ad festinationem. Lege. Verbum 
nauticum est, ut (Aen. ΠῚ 706): *Vada dura lego saxis. Suam uerecunde 
extenuat possibilitatem et Maecenatis auribus ex sui carminis hreuitate 
blanditur, uel Maecenatem dicit litterarum peritum esse et plura conpo- 
suisse Augusti Caesaris gesta. 

v. 45. In manibus , in facili et promptu. In manibus terrac. Non 
ideo, quoniam rem magnam in manibus habeat, sed ut allegoria perma- 

















v. 34 Corna in arborem cornum] An: Corna, "cornus? arbor, pomum 
*cornum?? cf, ad v. 18 | cod. 165 m. II: Ilaec cornus dicimus feminino 
genere de arbore. JIoc cornum neutraliter lignum. Cornus antem est 
arbor quae et corniolus rustice appellatur || 35 agite ὁ I [| agriculae D | 
gricule C || ad hortationem scripsi Taa orationem C | ad oracionem B || 
singillatim C | sigillatim 1 || Proprius R [ 36 Fruetosque B || 97 pigeo C | 
trachiae 1 [| dispeetae B || 38 appnlia R || eri debent] an: 'seri debent? ' 
39 ὁ mecenas ||] impr mod 1 | imperatino modo M [| na, una incipe ct 
decurre scripsi | Vna una incipere decurro decurre C | Vna una in 
decurro decurrore B || 40 oratius ait οἱ praesidium I || aceiperit B [| gratiam] 
An 'gloriam'? | 41 Da. Metafora. Da opem scripsi | Da de cetero (de- 
tetero C) da opem 1| Da, de cetero opem temptanti M || generi M | go- 
mere 1[|48 sic etiam Ennius scripsi | sic nam et Ennius 1] sic [nam] et 
Ennius Mommsen mus. Rh, XVI p. 450. Possis ctiam conicere, latere 
sub illo *nam' ín annalibus. De re cf. mus, Rh. XVII p. 143 et praef. cap. 
X 15 p. 721 || 44 allegolia C || festinacionem B ἢ 45 In manibus terrae M " 
promptu M | prorupta 1|| quoniam] malim quasi non || habeat C | abeat B [; 














890 Η. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


neal, idest gaudemus inpositum nobis a te istum laborem. Alii sic disti- 
gunt: “in manibus terrae non’. In manibus enim *terram? habeam, non 
*praelia Non hic (e carmine ficto, non cum summa diligentia conpo- 
sito, sed ex facili et subtili uniuersa describam. 

v. 46. Et longa exorsa tenebo. Initia tibi indicabo, uel dicit pro- 
oemia longe repetita. 

v. 47. Sponte sua et reliqua. Nunc redit ad id quod omiserat, idest 
physicam tangit. In luminis , pro in *lucis^ 

v. 48. Infecunda, nobili fructu carentia. Laeta. Gaudet enim 
arbor terra, qua genita est. 

v. 49. Quippe solo et reliqua. Quaerenda prius ratio et ubertas 
terrae, cuius ad prouentum natura conueniat iuxta illut (Georg. 1 53): 
*Quid quaeque ferat regio et quid quaeque recuset. Natura. Naturaliter 
enim omnium rerum mater est terra et uniuersa intra se conlinet semina. 
Tamen haec quoque si quis. Tamen si quis. Quippe solo natura subest. 
Non mirum, inquit, fortia surgere, cum illis subsit natura in terra, quae 
talia generauit. 

v. 50. Inserat, alio translata. Scrobibus, scrobis generis masculini, 
licet Lucanus contra Artem dicit (VIII 756): *Exigua scrobe, idest fossa. 
Scrobibus. Scrobes fossae ubi uites ponuntur. 

v. 01. Exuerint siluestrem animum , asperitatem naturalem, infe- 
cunditatem. *Animum? pro “natura?” posuit. 

v. 52. In quascumque. In fecunditatem ex arte uenient. Artes, 
duobus modis, insitione et translatione. 

v. 53. Quae stirpibus, quae de stirpibus crescit, idest arbor. 

v. 04. Pacuos. “Vacuos? dixit idest aliis arboribus non occupatos. 
Digesta, diuisa disposita per ordinem. 


in manibus terre N in manibus B | in manibus terre non in manibus 
C || proelia M | praelio B | praelio C || Videtur scribendum esso: ‘in ma- 


υ 

nibus terrae non’. Sed false. Dicit enim: in manibus terram habeam, 
non praelia. — Sic Vergiliomastix opinor distinxerat maligne, cf. Seru. 
E. II 23. An agitur de minorís maiorisue interpunctionis Signo ante non 
statuendo? ut qui allegoriam amplecterentur, maiorem statuerent, mino- 
rem qui uocem ferrae opponi crederent illi carmine ficto? cf. schol, prae- 
cedens. Similem distinguendi quaestionem de non particula cum supe- 
rioribus sequentibusue iungenda mouerunt quidam apud Philargyrium 
ad G. II 312 || discribam B || 

v. 46 inicia B || proemia B || 47 nunc redit B | non credit C || phisi- 
cam l||pro in lucis scripsi | in spe luncis C | in speculis B || 48 nobili 
fructu scripsi | nobis fructu l|| quasi hoc in ipsis est genus fecunditatis 
B m. II || 49 illut B | illud C || queque B | quequae C || recusat 1 || intra 
se scripsi | inter se B | in se M || Tamen si quis. Quippe solo natura 
subest. Non mirum etc. scripsi et lemma suppleui | tamen siquis nimi- 
rum etc. B || quae talia generauit scripsi | que tamen (tan) generauit 
3 |] 50 idest fossa 1 | intra fossa M | contra artem] cf. Prob. cath. p. 20, 
3 K || Scobibus B || uiter B || 51 siluestrum C || B2 In feeunditatem ex arte 
uenient scripsi | infeeunditatos ex arte uenientes 1 || insitione scripsi | 
institucione B [| translacione B || 54 idest aliis arboribus C | idest arbo- 
ribus B || oceupatos scripsi | occupata 1 || 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 89] 


v. 00. Nunc altae frondes et rami matris opacant, quae ferre 
potest, si ei umbra non noceat. 

v. ὅθ. Adimunt, tollunt. Ferentem, ferre incipientem. 

v. 57. Nam quae seminibus. Modo de his quae seminibus iactis 
nascuntur. Sustulit, susum tulit. 

v. 58. Tarda, pro tarde uel sero, nomen pro aduerbio. 

v. 59. Poma, arbores dicit. Degenerant, in peius. Pomaque de- 
generant et reliqua. Ab animali ad inanimale. Vertuntur in peius, alia 
in melius. Pro arboribus dicit *poma?, pro uitibus *uuam'?, idest fructum 
pro arbore. ' 

v. 60. Hacemos. Labruscam dicit. Yu«a, pro uitibus. Racemos, 
labruscas. 

v. 61. Scilicet, idco. 

v. 62. In sulcum, in ordinem serendae. Mercede, pro labore. In 
sulcum, in culturam uel in scrobem. Domandae, congregandae. 

v. 63. Truncis, stipitibus uel taleis. Melius. Modo, unde melius 
nascuntur, docet. Melius, pro *bene? posuit, uel quia aliunde bene, hinc 
melius est. 

v. 64. Respondent, consentiunt proueniunt. Solido, ualido. 

v. 65. Plantis, semine. Durae, non ad lignum, sed ad fructum. 
Nascuntur , subauditur *melius respondentes. Durae, alii *edurae? le- 
gunt, ut (Georg. IV 145): *Eduramque pirum.? Coryli. Corylus est ex 
qua auellana nux nascitur. | 

v. 66. Herculeaeque arbos, populus, ut alibi (Aen. VIII 276): *ller- 
culea bicolor." 

v. 67. Chaoniique patris glandes, louis Epirotici quercus. Ardua 
palma, aut alta, aut certe quod moleste ascendatur. 

v. 68. Abies. Duo sunt genera abietis, unum quod fabricis datur, 
aliud quod ad faciendas naues et *papinas? uulgo dicitur. Visura, pro 
passura, ut (Aen. ΧΙ 263): *Aetnaeos uidit Cyclopas Vlixes?, et (Aen. IL 5): 
*Quaeque ipse miserrima uidi?, idest patiendo. 

v. 69. Inseritur uero et reliqua. In arbuto nucem, in platano ma- 
lum, in fago castancam, in orno pirum inserimus. Horrida, hispida. 
Horrida, uersu dactylico; nam male quidam *horrens? legunt. 





v. 55 alte 1[| matres, corr. matris B || 57 susum 1 | sursum M || 59 
Ab animali ad inanimale scripsi | ab inanimali ad inanimalem D || Ver- 
tuntur] An alia uertuntur? || Pro arboribus dicit poma, pro uitibus unam 
idest fructum pro arbore. v. 60 /tacemos, labruscam dicit transposui | pro 
arboribus dicit poma racemos lubruscam dicit pro uitibus uuam etc. B || 
60 lubruscas B || Yua pro uite, fructus pro arbore C || 62 serendae scripsi | 
arandae 1 [| in Vergili uersu *mercede', in marg. *uirtute? |] 64 Solido ualido 
soripsi | Solido ualde B || Paphus urbs in Cypro insula C || 65 melius respon- 
dentes scripsi | melius respondent 1 [| alii edurae legunt scripsi | alibi edu- 
rae leguntur B [| ut ederumque phyrum B | ederumque pirum M [| corilus 
B || auellana scripsi | canellaria B || 66 Herculiae aeque B || populis M || 
67 epyrotici 1 || aut alta scripsi | nunc alta B || 68 fabricis uulgo datur 
M || papinas] sapinus uulgo dicitur uel appnum uulgo uocant Leid. 135 * 
ethneos B ||idest patiendo scripsi | et paciendo B || 69 dactilico B |] 


802 NH. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 70. Heu, heu, tractatus deest ab hoc loco usque “et ingens 
(v. 80). 

v. 71. Castaneac, figura hypallage. Non enim castaneae fagos. sed 
fagus castaneas, ut alibi (Aen. Ill 61): “Dare classibus austros’, non au- 
stros classibus, sed classes austris. Fagos, nominatiuus Graecus, quod 
non credo, quia fagus fungendo ; uerius autem fagos pro “fagi”. 

v. 73. Nec modus inserere. Non idem modus inserendi qui est in- 
oculandi. Oculos, pro gemmis, melaforice. Simplex, non fortuita ra- 
tione sed ingenti labore. Nec modus et reliqua. Nunc transit ad insitio- 
nem, quae duplex est: nam aut *insitio? dicitur, cum fisso trunco surculus 
fecundae arboris sterili inseritur, aut *oculorum inpositio?, cum inciso 
cortice alienae arboris germen inserimus. 

v. 74. Trudunt, pullulant, iaciunt. 

v. 75. El lenuis rumpunt tunicas, interiores arborum libros. Tu- 
nicas, pro corticibus dicit. 

v. 77. Includunt, coniungunt, quia ex aliena. Jnolescere, con- 
crescere, cohaerere, inligari, inhaerere. Zibro, interiorem corticem dicit 
librum. 

v. 78. Enodes, sine nodo. 

v. 80. Plantae, a pangendo quasi 'pangae? dictae. 

v. 81. Exiit ad caclum. nimiae festinationis properatio, ut ad cae- 
lum *exire? diceret, cui sufficiebat *subcrescere?. Felicibus. fertilibus. 

v. 83. Praeterea οἱ reliqua. Nunc etiam in singulis arhorum spe- 
ciebus esse aliquam uarietatem dicit. 

v. 84. Lotoque, uulgo faba Syriaca. Loto. Nvmpha Priapi amorem 
fugiens in arhorem sui nominis uersa, Cyparissis. Cvparissus fuit Nym- 
pla, quam Siluanus occidit. 

v. 85. Nec pingues et reliqua. Vult dicere oliuarum multa esse 
genera. F’nam in faciem, in similitudinem eandem, uel in formam. 


m mn -- —— — 


v. 70 tractatus C | tratatus B | Quem iste tractatum deesse dicat 
utrum Iunilii an Gaudentii, incertum. Fortasse Iunilii. quia quae ad 
vv. 71 -80 exposita sunt, Seruianis sunt admodum similia. Ceterum ex 
ipsa lianc librorum quos excerpebat ordinis turbatione uidetur causa 
petenda esse, quod perraro in hoc libro excerptor Iunilii Gaudentiique 
nomina adposuit || 71 figura hypallage scripsi | figura acypalage 1 '' 


castanene fagos M | castaneae ramos 1 || 73 modos B |] ileo modus C | 
inoeulandi M | inocultandi C | inoceultandi C || Simpler, non fortuita 
ratione sed ingenti labore scripsi | Simplex sed forti ratione (racione 
B) et ingenti labore 1, unde 'sed fortuita ratione et ing. lab.’ M, cf. 
Neru. || insicionem B semper || stereli B || inciso scripsi | inscisso B || ger- 
inen M | genuis D [|| 74 iaciunt M | ieciunt B || 75 tenues M || libras I 1 
77 Includunt C | Includun B || coniunguntur quia ex aliena | | coniungunt 
quae ex aliena [arbore] M || choere 1]| interiorem scripsi | inferiorem B - 
80 a pangendo (sic) 1 [| 81 festinacionis properacio D || exire diceret cui 
sufficiebat subcrescere scripsi | suberescere diceret cui sufficiebat exire 
I | exire om. C [| 83 dicit scripsi | dicitur B || 84 faba Syriaca scripsi cf. 
Seru. | subarissica 1 | faba rissica M || Lotos nympha M || Priapi amorem 
fugiens scripsi | aliam rem fugiens 1 || Ciparissis, ciparissus B || 85 Vnam 
C | Vnum B || 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 893 


v. 86. Orchades, a similitudine testiculorum dictae, quos Graeci 
OPXEIC appellant. Pausia, oliua a pauiendo dicla, idest trudendo; mul- 
tum enim humoris habet pausiae baca, et *rossia? uulgo dicitur. Radii, 
oliuae, a longinquitate nominatae. Amara, uiridis. Orchades ct radii 
et amara pausia baca, subauditur: non unam nascuntur in faciem. 

v. 87. Alcinoi. Alcinous rex Atheniensium, studiosus agricola. Per 

, huius hortos multiformium rerum prouentum laudat. Siluae, pomiferae 
arbores. 

v. 88. Crustumiis, de oppido Crustumio. Grauibus, magnis. Syriis, 
de Syria allatis. Volemis, *uolemae? uel *uolemi’ ; *uolemae? ab eo quod 
uolam implent dictae, idest mediam manum. 

v. 90. Methymnaeo. Methymna oppidum, quod est in Lesbo insula, 
ubi uinum optimum nascitur. De palmite, de uite. Lesbos, insula, cuius 
ciuitas Methymna, habens uinum optimum. 

v. 91. Thasiae, ab insula Graeciae Thaso. Hoc uersu grata uarietas 
est. Mareotides, de loco et ione in Aegypto. Albae, sunt et pur- 
pureae. 

v. 93. Et passo. Hic ostendit ei de alia uua posse passum fieri. 
Psithia insula Creta, Tenues, molles penetrabiles. Zageos, quae latine 
*"Jeporariae? dicunti Tenuis, uel quod cito ad maturitatem currit uel 
quod tenue et gracile facit uinum. 

v. 94. Templalura. Dicit, facile de eius uino hominem inebriari 
posse. Olim, aduerbium cuiuslibet temporis. Temptatura et reliqua. los 
uersus a Caluo poeta transtulit; ait enim ille: “Lingua uino, temptantur 
et pedes.^ 








v. 86 OPKEIC B | OPICEI C ἢ pauiendo M | paciendo 1 || pusio C |! 
trudendo scripsi | rudendo | || humoris habet pausiae baca, et rossia 
mulgo dicitur scripsi | humoris habet plus et rossia uulgo dicitur idest 
baca 1 || longinquitate scripsi | lonqnitate B | longitate M || 87 Athe- 
ni id B | atehsiü C ! atomisius M | Per huius hortos 
seripsi | per huius ortus | | huius hortos per multiformium rerum pro- 





Y 
uentum [Homerus] Inudat M 88 Crustumiis C | Crustimiis B || erustimo 
B |erystimo C | Crustimio M || Crustumerium oppidum est habundans 

is B m. II || olemis, uolemae uel uolemi scripsi | Volemis wel nolemi 
b | 90 Methymneo | || methemna B | methaemna C || insula € | insola 1} |; 
methemna, corr. -imna B||91 quarta uarietas est coni, M || Albae, sunt 
et purpureac scripsi | Albae purpurene B || 93 et post *ostend 
mie 1 ἢ Passo uino cocto B m. II || Paythia M ||'Lagacos B [ ley 
scripsi | leporarii B [| qui latine M || Tenuis, ucl quod cito ad maturi: 
enrrit scripsi | Tenues ucl maturitatem curat B | (Ingeos) locus ubi cito 
uites enrrunt ad maturitatem. Psithia patria ubi inuenitur uinum bonum 












ta 
ad uinum coetum faciondum B m. II || 94 Temptura C || inhebriari 1 || dicit 
de eius uino hominem inhebriari C || aduerbium cuius libet temporis M | 
ad (de C) enins libet tempus 1|| do Caluo M ἢ ant enim B |] lingua uino 
temptantur et podes D] uidetur “uineitur” intereidisse. Fortasse: 
. - uineítur lingua 
uind temptantnr ét pedes, 








894 11. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 95. Purpureae. Mae cito maturescunt. Purpureac, genus uuae 
purpurei coloris. 

v. 96. Rhaelica, a regione Italiae idest Rhaetia dicta. AAaetica. 
Hanc uuam Cato praecipue laudat. Licet sint optima, tamen postponun- 
tur. Falernis, hoc est uino Campano non praeferendum.  Cellis, ubi uina 
conduntur, "cellae? dicuntur. Falernis. Falernus mons Campaniae, in 
quo uina optima nascuntur. 

v. 97. Aminecae. “Amineum’? dici uersus probat. *Amineum? uinum 
quasi sine minio dietum, idest sine rubore; nam album est. Vel “Amincos’ 
Pelasgos fuisse Varro ait. Hinc ab agro Amineo hanc uitem translatam 
dicunt. Firmissima, diuturna antiqua. 

v. 98. Tmolius. Lydiae mons. Notandum hic quod uinum masculino 
genere dixit “Tinolius’, nec inmerito, quoniam et aput Petronium in Satira 
inuenitur. Zmolius adsurgit et reliqua. Duplex est expositio. Nam alii 
uolunt sine uitio *uinus? subaudiri; alii ad superiora referunt, et non ad 
poma, sed ad uites, ut sit: *quibus cedit Tmolius et Phanaeus?, montes 
uitibus consiti. Phan«eus, promuntorium Chii. Tmolius, mons in Cilicia. 
Tınolium dicit et Phanaeum cedere Amineae uiti, licet uitibus fertiles. 

v. 99. Argitisque. Candida uina, quae per multos annos durant. 
Minor, quantum ad solam speciem pertinet. 

v. 100. Aut tantum .,.. 

v. 101. Accepta, amata dilecta. Secundis, sacrificiis, uel pro pictis 
frugibus. 

v. 102. Rhodia. Rhodia et Rhaetica a regionibus dictae. Bumaste, 
regio uel uua quae esí in mammae bouis similitudinem. 


v. 95 hae cito scripsi | hic licito 1 | haec cito M || 96 Retica C | 
Ketika B || a regione Italiae idest Rhaetia dicta scripsi | a regione idest 
italiae retia dicta 1] | Rhaetia dictae M || Retica C | Retika B || hanc 
uitem M || fallernis C || uno campano C || Falernus mons Campaniae 
scripsi | falernus campaniae B | Falernum Campaniae M || 97 Amineum 
dici uersus probat. Amineum uinum — nam album est. Vel Amineos 
etc. scripsi, cf. Seru. | amineium uinum diuersa probat nam album nam 
amineum quasi sine minio dictum idest sine rubore uel amineos ] || Pelasgos 
M | pelasgas B | pelagas C [| hac uitem C [| diuturna scripsi | diurna B 1} 
98 lidie 1|| dicit M || aput fronium C | aput franium B || in satyria B | 
in satiria C | aput Petronium in Satira scripsi cum Bucchelero Petr. sat. 
p. 46 not., pracf. I. | Afranium M cf. praef. p. 723 || iuenitur B [|| Temol- 
lius D || uolunt sine uitio uinus subaudiri scripsi | uolunt sine uicio B cf, 
Sern. || cedit molius (sic) B | cessit M [| consiti scripsi | consistentes B || 
pheneus promontorium B || 7molius, mons in Cilicia scripsi | chii in 
Sicilia tmolium dicit et phaneum B || 99 Argitisque C | Arguitis B |] qui 
per 1 || durant quia et Argitis maior est, idest ciuitas Siciliae C [| Minor, 
quantum ad solam speciem pertinet. v. 100 Aut tantum .... transposui 
et lacunam statui | Aut tantum quantum ad solis specimen pertinet | | 
ad solam speciem M cf. Sera. || 101 uel pro pictis frugibus] An: wel pro- 
pitüs uel frugibus? cf. Philarg.: Mensis secundis quae post inferuntur, per 
quod significat et esui et potui bona; — diis secundis intellegit hoo est 
propitiis || 102 rodia et retica B | roda et retica C || Akodus, regio B m. II || 
Pumaste, regio uel una quae est in mammae bouis similitudinem scripsi | 
Bumaste regio uitibaq; bobis similitudinem D et, om. regio, M || Bumaste 
una est in similitudinem (similitudine) mammae bouis B m. II [| 


{ fH. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 895 


v. 104. Refert, prodest interest. 

v. 105. Quem, idest numerum. Quem qui, idest innumera sunt 
uitium genera, quare offensus ait: qui enumerare conatur uniuersa, dehet 
inpossibilia scire, ui harenarum fluctuumue numerus incertus est. Libyci, 
quia, ut ipse ait (Aen. IV 257), maxime harenosum est. 

v. 107. Incidit, incubuit. 

v. 108. loni. lonium mare ab lsthmo usque ad Macedoniam ex- 
tenditur, dictum quod /o in eo Iunonem fugerit. 

v. 109. Nec uero terrae. Tautologia est hic, quae duobus modis 
est. Prima est, quando unam rem ponimus bis, sed aliter ut (Aen. 1 664): 
*Nate, meae uires, mea magna potentia, solus? Secunda est quando ipsam 
rem repelimus ut (Georg. 1 53): *Quid quaeque ferat regio οἱ quid quae- 
que recuset." 

v. 110. Crassis, lutosis uel coenosis. 

v. 112. Apertos, solares. 

v. 113. Bacchus amat colles, amant uites montes. Et frigora lazi, 
deest “amanı’. 

v. 144. Aspice, intuere. Domitum, excultum. In hoc loco onines 
regiones laudat, sed apposito crimine, ul cum ad panegyricum Italiae 
ueniat, maior fama eius uideatur. 

v. 115. Pictos, quos alii dicunt *Cruithnecdiu* sed false. Pictosque 





v. 104 interost] uol distat B m. II || 105 quaro offensus ait scripsi | 
uir offensus ait B | uir offerant C | quibus offensus M, cf. Sera. || qui 
enumerare scripsi | qui interim 1 | qui enim conatur uniuersa cogn 
Sera. | harenarum fluctunmue scripsi | harenarum (arenarum 
fructuum (fluctuum C m. I) fluctuumuo 1 | fluctuumquo M | Do fruci 
hie nil agitur; uel fructum aut dittographia aut uarians scriptura illius 

€ est | libiei D || quia ut ipso ait, maximo seripsi cf. Philarg. 
h. L: Libyci. Ipse alibi: “Litus arenosum Libyae? dixit. Schol. Veron. 
p. ΤΊ, 5 K. (Büchelor Annal. phil. class. 1866 p. 67): quia maxime ha- 
renosum, ipso alibi litus harenosum ait (ad) Libyae | quia ipsud maxi- 
me B ἢ 107 incubuit B | incumbit C ἢ 108 Isthmo M | istimo B ἢ quod Zo 
in eo Iunonem fugerit scripsi | quod iunonem fugerit B || 109 quao duo- 





















bus M | due duobus I [| prima. est quando scripsi | prima est qm 1 | prima 
est quum M || ponimus bis sed aliter ut. *Nate? etc. scripsi | ponimns 
nobis ut nato | cf. sq. | ponimus nouis ut *natc* M || potencia B || secunda. 
est quando scripsi | secunda. est qm | | secunda est quum M || ipsam 
rem repetimus scripsi | ipsam rem sed (saed B) aliter repetimus 1 

“sed aliter? supra, quo pertinet, collocaui || (ques *quid? etc. M 





queque B | quaequae C || queque 1 [| recusat 1 || 112 solares] uel mu 
festos ad solem (sole) B m. II [| 113 montes 1 | colles M || 114 Aspice 
M | Aspicero ] || sed apposito crimine scripsi | sed opposito crimine B | 
ut cum ad panegyricum Italiae ueniat, maior fama cius uideatur scripsi | 
ut cum pani gerum italiae maior sama esso uidetur D | ut ad pannige- 
rieum Iti i eatur Burm, G (Leid. 135) | ut ad pane- 
gyrum Italiae maior iam esse uidetur M || 115 Pictos, quos alii dicunt 
*Cruithneediu sed falso scripsi | Pictos quos alii dicunt craithnec diu sed 
false 1 (sic) | quos alii *Cruith, nec diu sed M, qui “false? perperam m. 
II scriptum esso indicaret et pertinere ad id, quod m. II in B additum 
legitur, *uel populus Scythiao? (sitiac), a quo deceptus Mommsen mus. 
Rh. XVI p. 447 coniecit: “quos aliter «Cruithnee», diuersi sunt? || De 
illo *Cruithnec* cf, Diefenbach orig. Europ. p. 149. 374. Sed uerum 























890 1l. Hagen: scholia,Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


Gelonos, qui stigma habent. Sunt autem Thraces a Gelono, Herculis et 
Chaoniae Nymphae filio dicti. 

v. 116. Sola India, omnem plagam Aethiopiae dicit. 

v. 117. Hebenum. Hic *hebenus?, hoc *hebenum" fit. 

v. 118. Odorato, magni odoris. 

v. 119. Balsama, genus ligni. Acanthi. Gnifo commentatur anna- 
lium libro decimo hanc arborem in iusula Cercina regionis Africae esse 
oportunam tincturae, quae in Noris sui colorem lanam tinguat, unde 
uestis Acanthia appellatur. 

v. 121. Vellera, pro foliis dicit. Depectant, tollunt decerpunt de- 
trahunt. Seres, plebes, uel uerius quidam in arbore uermes et bombyces 
appellantur qui in murem aranearum tenuissima fila deducunt, unde *seri- 
cum*. Nam. lanam arboream non possumus accipere, quae alibi pro- 
creatur, 

v. 122. Aut quos οἱ reliqua. Haec enim magnas arbores habet. 

v. 123. Extremi, ut ostendat Indiam extremam partem orbis. Aera, 
aereni. 

v. 124. Arboris. Arbores procerrimae gignuntur, quarum cacumina 
sagittae non pertingunl, sicut et Cliturchus refert. 

v. 125. Non tarda, strenuissima. 

v. 126. Media, ubi primum citrium natum est. Tristes, amaros, ut 
(Georg. 1 75): “Tristis lupini. Tardumque saporem, diu inhaerentem 
ori, uel uix intellegibilem. 

v. 127. Felicis mali. Omni enim tempore pomifera; ut alii: Felicis 
mali. Apud Medos quaedam arbor est, quae *citriun? dicitur habens mala 
quae "Medica? uocantur, et ideo dicitur “felix”, quia nec folia ullo tempore 
amittit et omnibus maleficiis obstat, uel certe "felicem? dixit fertilem, ut 
(Aen. VI 230): *Ramo felicis oliuae". Hucusque Zunilius dicit. Praesen- 
lius, maius. Vllum, idest auxilium, quia contrarium est maleficiis ; si qui 
enim uenenum acceperint et illud manducauerint, facile liberantur periculo. 





est * Cruithnecdiu? (cruithentuath) cf. Diefenbach. Celtica II 2 p. 215. 
217 || Gelones M || traces B || Gelone M [| Chaoniae] Echidna dicitur a 
Probo p. 48, 1 K. quod hic reponi uult Wagner de Phil. II p. 26 |] 

v. 116 ethiopiae C | etiopiae B || 117 hebenum M | enum B | (Hebe- 
num) arbor quae incisa in lapidem uertitur D m. II || 118 Odurato B | 
119 Balsama genus ligni C || Balsama, corr. -um Arbor (m. II, in ras.) 
Liquor carpobalsamum fructus opobalsamum liquor cauerna serobalsa- 
mum lignum fractum B m. II || Gnifo] ef. de hoc loco praef. p. 724 N insola 
certina D | Cereina Mommsen mus. Eh. XVI p. 452 || oportunam Bi || Jlanam 
om. M || uestis Acanthia M | uitis acantia B || 121 seres sericum quod 
bombices uermiculi faciunt B m. II || Seres plebes uel uerius quidam 
scripsi | plebes ucl uerius seres quidam B ef. ad v. 134 | Prolebes uel uerius 
Seres quidam M || bombices B || aranearum M | arenearum (sic) B || quae 
alibi scripsi | que ubi B | quae ubique M j| 123 orbis india C || Sera, ae- 
rem scripsi | Aera aer 1} j| 124 sicut et Clitarchus scripsi | sicque ecli- 
tarchus B | sique eclitartus C | sicque Clitarchus M || 125 struissima C | 
196 tristes B || diu iNerentem ori B (sic) [| 127 felicis simali C ᾿ quae Medica 
uocantur seripsi | quae medi uocantur 1 [| qui? C || maleficiis] An *neneti- 
ciis? || obstrat C || Praesentius maius ullum M || auxilium scripsi cf. v. 130 | 
malum B || malefieiis| An *ueneficiis? cf, ad Ecl. V1 74 || aceiperint B || 





A. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica οἱ Georgica. 897 


v. 128. Pocula, uenena quae per pocula dantur. Saeuae, epitheton 
omnium nouercarum. 

v. 129. Non innoxia, nocentissima. Ei non innoxia uerba , uox 
confessiua. 

v. 130. Auxilium, quia periculo liberat. — Venit, offertur. Agit, 
excludit. Afra’uenena. Venenum radices, nuces, lupini et reliqua. 

v. 131. Ipsa. Medicam arborem accipe. Faciemque simillima lauro, 
sed maiora folia habel quam laurus. 

v. 132. Jactaret, emittere. 

v. 134. Ad prima, nomen pro aduerbio. Ad prima, idest prime uel 
maxime. Olentia, putentia. Animas, halitus foetidos dicit. Animas idest 
pulmonis nitiosum anhelitum, qui et sub dentibus inhaeret. Medi, plebes. 

v. 135. Senibus, suspirium infirmum habentibus. 

v. 136. Sed neque Medorum et reliqua. Incipit laus Italiae, quam 
exsequitur secundum praecepta rhetorica. Dicit enim eam omnia bona 
habere et malis uniuersis carere. 

v. 137. Pulcher Ganges, quia agros fertiles facit Indiae. Vt alii: 
Ganges solus contra solem nascentem oritur. Auro turbidus, harenas 
aurcas trahens. Hermus, Lydiae lluuius, in quo naseitur aurum, et ideo 
"turbidus", seu quod copia auri uiridilatem aquae perdat, seu quod ita 
sit intolerabili cursu rapax, ut turbida semper congerie suscitet arenas. 
Ganges, Indiae fluuius est; oriens a Caucaso circumit maximam partem 
Indiae et Oceano Indico adsumitur, qui auro purissimo lapidibusque pre- 
tiosis nimboso turbine ac uentorum flatibu. alus sua litora sternit. 
Vnde in poetarıım carminibus eius "aurea? litora legimus et ideo eum Vir- 
gilius "pulchrum" inter lluuios dicit. Zermus, fluuius Asiae, eumque dicit 
auriferum, quia Pactolus aurifer in eum defluit. Pactolum autem esse auri- 
ferum Aurimantus+, qui Alexandri Macedonis res gestas scripsit, testis est. 

v. 133. Bactra, urbs Asiae, in oriente, quam Alexander Macedo 
cepit. Inde * Bactriani populi’. Dactra, idest urbs Persarum. Maec loca 
cum Italia comparat. 




















τ. 128 quae per pocula dantar transposui | per pocula quae dantur 
1| 129 uox confessiua] an *confirmatiua’? || 130 Agit expellit excludit 
c ices enim nncesque ac 





| ofertur C || Venenum radices ete.] uenena. radit 
Tupini acceptum nomen fugunt (uenenum fugant Mommsen) cod. Leid, 136, 
ef. Bern, || radicis nucis I || 131 Medicam scripsi | mediam 1 || accipit C j folia. 
M | falia B |] 134 Olentia putentia M | Olonti pudentia 1 |] anelitum B [| inho- 
ret B || 186 suspirium M | suprimum B || 136 lusit aljo C || ex*equatur C || 
rethorica. !jeam M]ea 1} 137 harenas B | arenas C || lidiae B | lidie C || 
copia auri B (sic) | copia tauri C || uiriditatem C |] intolerabili 1 [| cursu 
M | causa 1} suscitet M | suscitat 1 || harenas 1 || fluuius est oriens etc. 
M | purissimo M | purismo B || lapidibusque preciosis B | lapilibus pre- 
tiosis M || p'etarum B ἢ lluuios M | fluuius B || pactulus, pactulum B |] 
Aurimantus f] “Anrimanti? istius nomen, ut corte antiquam induat for- 
mam, in *Erymanthum? mutauerim. Amyntianns coniecit Schneidewin 
Philol VII p. 739 conlato Phot. Bibl. cod, 131 p. 97 B quod conprobat 
Stiehle Philol, IX p. 479, cf. seriptt. rerum Alex. M. ed. C. Müller p. 161 || 
testis M | testus B || 138 quam alexander (sic) 1 || machedo C || cepit C 

coepit B|| Bactriani populi. Zactra, idest urbs Persarum scripsi | bac- 


Jahrb. f. clos, Philol, Suppl. Bi, IV 58 




















“ὉΠ. IL Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Geergica. 


v. 139. Panchaia, Arabia. Panchaia, propler suauitatem dixit. 
Pinguis, hona ubi tus habundanter nascitur. 

v. 140. Haec loca, ltalica quae sunt bona. Non tauri et reliqua. 
Laudat Italiam istis maculis uiduam. Non tauri spirantes, quales fuerunt 
cum Aeeta in Colchide, ciuitate Scythiae. Hic fabulam Medeae Aeetae filiae 
et lasonis Thessali domantis tauros a Medea adiuti intellegendum. 

v. 141. Alydri, pro dracones, ut solet; in Boeotia Cadmum seuisse, 
in Colchide lasonem. Aydri, serpentes. 

v. 142. Seges, de semine. 

v. 113. Grauidae, largae fertiles habundantes. Massicus, idest de 
monte Campaniae, ut Junilius dicil, qui prope Falernum est, in quo uinum 
excellens est. 

v. 145. Bellator equus. Equos bellicos in Italia nasci adserit. 

v. 146. Clitumne. ltaliae lacus. Est autem in Vmbria, parte Tusciae, 
lacus Cligamnus, et eodem nomiue deus οἱ fons et fluuius, ex quo apparet 
Virgilium non sine causa dixisse et *flumen sacrum, ubi boues optimi 
nascuntur. Maxima. In Meuania quae est pars Vmbriae, in qua est Cli- 
tumnus, tauri optimi nascuntur, quos triumphantes prae se agunt et magis 
humiles T immolant. Taurus, quia triumphantes albis tauris sacrificant. 

v. 147. Perfusi du.vere, greges uel tauri. 

v. 148. Duxere, pro antecessere. 

v. 149. Hic uer, quando enim alibi est hiemps, hic aestas. Ver 
«dsiduum, idest uerna temperies; nam uer adsiduum esse non potest. 

v. 150. Bis, biferac. 

v. 151. Rabidae tigres, malum Armeniae. 

v. 152. Aconita, herba uenenosa, dicta a cotibus, in quibus nasci- 
Lir, cuius sucus letalis est, et in Ponto nascitur. llic ad innocentiam Ita- 
lorum respiciens execratur uenena peregrina, Aconila, malum Ponti. 

v. 153. Orbes, gyros. 

v. 154. In spiram, idest, quando se in nodum conglomerat anguis. 
Sunt quidem serpentes in Italia, sed non tales, quales in Aegypto et Africa. 


traani populi idest urbis persarum 1 | Baetriani populi idest urbis Per- 
sarum M || cum Italia scripsi | italia 1 | Italiae M || 

v. 139 panchai propter B || hubi tus D | hubi thus C || habundanter C i| 
110 laudat M | lauda 1 cum Aecta] cum eta B | Aeetae M || cholcide 
eiuitatis scithiae B | ciuitate M || Hic fabulam scripsi | haec fabula B || 
mediae ceto B || isonis thesali B || a media B || adiuti intellegendum scripsi 
ef. ad Ecl. IX 1 ['adiutus tangendum B | adiuti tangenda M || 141 ut 
solet| An: ut fnbula est’? | boetia cadnum 1 || cocide 1 [| 143 idest de 
monte scripsi | dele monte I | de monte M || iunlius B | iunit C |] fale- 
num l||145 Equos bellicos] corrupte habetur in Leid. 135 sie: bellicosi 
equi in Italia nasci adsuerunt || 146 Clitumne greges Italiae lacus; autem 
M | aut C ||in Vmbria parte M | in umbra partis 1|| laeus M | locus 1 || 
Clitumnus, iluuius in Meuania (sic), quem cum animalia potauerint albos 
fetus (sic) creant B m. 11 || In Meuania quae scripsi | meuanniaq; D | Me- 
uania quae M || ibi nascuntur M || et magis humiles T] An ‘ct aquis hu- 
midos?? cf. v. 147 || 149 adsiduum, bis B [| 151 Rabidae — Armeniae om. 
M || 152 a cotibus M | a cuotibus 1 || loetalis 1 || in panto C || Aconitum 
molum Ponti M || 153 giros B || 154 in nodum M [ in nodium B || 





H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 899 


v. 155. Adde, dic. Operumque laborem. Industria demonstratur. 

v. 156. Congesta, coadunata. Praeruptis, eminentibus. Oppida 
saxis. Hic laudat ltaliam per ciuitates et oppida. 

v. 157. Fluminaque, quod laudat etiam Cicero.- Subter, infra. 

v. 158. An mare et reliqua. Adriaticum *superum? uocatur, Tyr- 
rhenum *inferum?, ut lunilius et Tranquillus dicunt, *quibus adluitur 
Italia’. Mare quod supra, Adriaticum; quod infra, Tyrrhenum. 

v. 159. Lari. Larius lacus in Italia sub urbe Como. Anne. Natu- 
rae beneficium. Vel Zari, lacus in Gallia cisalpina, circuitus habens 
stadia CXX. 

v. 160. Fluctibus el fremitu, anliptosis hic est. Benace. Benacus 
lacus inter Brixiaım et Veronam, quae sunt ciuitates Venetiae. Junilius 
dicit: Benacus, eiusdem regionis lacus, circuitus Aabens stadia mille, ut 
Aemilius Macer : “li multa iacus quem circum miliaà?. Gaudentius dicit: 
Benacus magnitudine sua marinas tempestates imitatur. Adsurgens, 
crescens, pro 'adsurgentem?. 


v. 161. Portus, unum brachium Caesar adiecit , ut tutior esset illic 
nauibus statio. Zucrino, lacus Campaniae. Lucrinoque addita claustra. 
In Baiano sinu Campaniae contra Puteolanam ciuitatem lacus duo sunt, 
Auernus et Lucrinus, qui olim propter copiam piscium uectigalia magna 
praestabant. Sed ‘cum plerumque maris impetus pisces excluderet, re- 
demptores grauia damna patiebantur supplicaueruntque senatum, et prae- 
fectus G. lulius Caesar ductis brachiis exclusit partem maris, quae ante 
infesta erat et reliquit breue spatium, quo pisces intrarent, et hoc *opus 
lulium? dictum est. Sed hic ambitiose *undam Iuliam? appellat, fremen- 
tem contra moles a Iulio positas. 

v. 162. Indignatum , simile indignanti, ac per hoc sonans, liuc est 
exclusum a solita licentia. 

v. 163. Julia, a lulio Caesare dicta.  Ambitiose *undam Iulian? ap- 
pellat frementem contra moles a Iulio positas. 

v. 164. Auernis. Lacum Auernum dicit, per quem Augustus ratem, 





v. 156 Comgesta quo adunata C [| 157 Flumina M || 158 Animare C || uoca 
uel C || tyrrenum 1 || Tranquillus, cf. Reiffersch. Suet. roll. fragm. 157 p. 242 
et praef, p. 706. 726 || 160 antiptosis scripsi | tapinosis 1 cf, Seru. || Brixiam 
MI briem 1[| Venetiae scripsi | nenatice 1 | Veneticae M || circuitus Aa- 
bens stadia scripsi | circuitus stadia 1 || ut emelicus macer 1 | IHexame- 
trum sic restituas: *Illic multa lucus quem cireum milia currunt? (uel 
curras) [| magritudine C | Verba /unilius dicit, Gaudentius dicit, quae per- 

eram ad antecedentia scholia rettulit M, ad sequentia potius pertinere, 
i e. in scholiorum initiis esse posita, docent Philargyrius Seruiusque 
conlati | aderescens M || adsurgentem scripsi | ad gentem B || 161 unum 
scripsi | inü 1 | in eum M || tucior 1 || stacio B || propter scripsi | per B | 
uectigalia magna M ox Seru. | uectiltalia, corr. uectigalia B ! mag. B | 
cum add. M || malis, eorr, maris B [| excluderet scripsi cum Seru. | inclu- 
deret B || redemptores scripsi | et redemptores B || praefectus] profectus 


Leid. 136 || dictis B || ambiciose B | 162 simile indignanti 1 | simile indignant 
M || hac per C || sanans C || ad solita C [| 163 ambiciose Bla iula IN 
AR* 





900  H. Hagen: scholia Berneusia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


qua erat usus aduersum Pompeium, inmisit, sed ideireo hanc stationem 
poeta laudat, quia nondum erat portus Augusti. 

v. 165. Haec. lalia. 

v. 166. Fluxit, habundauit. 

v. 167. Aere, forte. Marsos et reliqua, gentes bellicosas in Italia. 
Sabellam, WMalicam. 

v. 168. Adsuetum, exercitum. | Malo, fame, inopia uiclus. Adsue- 
(um malo, pro *labore adsueto?, sicut e contrario *labor* pro *malo? po- 
nitur, ut ibi (Aen. IV 169): *Ille dies primus leti primusque laborum’. 
Vulscos, in Alpibus Vulsci sunt. Zigurem, Ligures, ut Nigidius dicit, 
confines Galliis, latrones ac piratae. Frigida enim et montuosa loca, idest 
Alpes marinas iucolunt.  Verutos, uerutis telis utentes. 

v. 169. Extulit, creauit. Decios. Uecii duo fuerunt, pater et filius; 
pro republica se deuouerunt, quorum alter bello Gallico, alter Marsico 
functus est. Marios. G. Marius Arpis natus qui de lugurtha et Numidiis 
triumphauit et de Teutonibus et Cimbris Galliae gentibus. Marii multi 
fuerunt, quorum unus VI consul fuit. Camillos, abusiue, nam unus fuit. 
qui Gallos prostrauit, praenomine Marcus. [lic est Marcus Maximus Ca- 
millus. Fuit tamen et alter, Ligurius, Furius Camillus Pontifex, qui prae- 
dam fecit et Latinos subegit, propter quae statua ἐπ eius memoriam po- 
sita in Rostris publice stat. 

v. 170. Scipiadas pro Scipiones, ut (Aen. I 490): “Amazonidum’ 
pro Amazonum. Duo Scipiones fuerunt, auus et nepos, quorum unus 
uictae Cartliagini leges inposuit, alter eandem diruit. llaec plenius in 
sexto libro dicemus. 

v. 172. Inbellem et reliqua, ut alibi (Aen. ΠῚ 237): *Scuta latentia 
condunt, pro abscondunt et latentia faciunt. Sie et hie non *inbellem 
auertis?, sed quem tu inhellem facis et sic auertis; uel ideo “inbelles’. 
quia hos Caesar contemnendo inbelles uocauit. Areibus, Romanis urbibus. 





v. 164 eraet B || aduersus M || stacionem B || angusti B || 168 exerci- 
tum malo M || pro labore scripsi | probare 1[| ut ibi scripsi | ut ubi 1 . 
laeti 1 ]| uulcos 1]| Ligorem, ligores B || ut Nigidius] cf. Seru. ad Aen. XI 
715 et Burm. G. 1. 1. |] galliis B | Gallis M || latronesac phyratae B | et 
piratae M || et montuosa B | ac montuosa M || ucritos B || utentes om. 
M || 169 ereauit scripsi | creat 1 || se deuouerunt] sed euouerunt 1 | se 
euouerunt M || Decios — functus est] Gloss. Bern. cod, 16, saec, IX —X. 
'Virgilii (sie in margime): Decios. Decii (deci) duo feruntur Mures 
cognomento dieti et ob paruitatem (op. paruitate) corporis nominati; 
diuersis temporibus pro re p. se deuouerunt (deuolnerunt), pater gallico 
bello (nati quo uello) filius latino.? | G. Marius Arpis natus qui — trium- 
phauit et de Teutonibus ct Cimbris scripsi secundum Leid. 135 | G. mars de 
iugortha et numediis triumphauit arpisque et cimbris B || quorum unus VI 
consul scripsi | quorum V1 consul B | quorum [hic] VI consul M || gallos 
(sie) B || propter quae scripsi | per quae B|| in eius memoriam seripsi ' 
eius iam B || 170 ut [Amazonidum pro] Amazonum M | ut amazonum 1 ' 
uitae cartagini | || Hoc plenius M || in sexto libro] cf. Seru. Aen. VI 


844 || 172 ut alibi senta latentia (letentia C) coudnnt ] | ut alibi scita 
latentia quaedam MY 


HB. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 901 


Inbellem auertis, inertem aut sine bello fugere facis, idest auertendo red- 
dis inbellem. Indum. Indi ad orientem sunt, a flumine Indo dicti, sed 
munc per Indos barbaras gentes significat, quae sunt ad orientem. Non 
enim Indi tantum imperium Romanum, sed Parthi et qui sub Parthis erant, 
sensere. 

v. 173. Salue, pro adoratione positum est, ut (Aen. V 80): 'Salue 
sancte parens? et: 'Saluete recepti", et (Aen. VII 120): ‘Salue fatis mihi 
debita tellus", et (ibid. v. 121): Ὃ fidi Troiae saluete penates’. 

v. 174. Tibi, ad tuum honorem. Res antiquae, antiquas res. llic 
sensus est: dico iam laec, quae olim debui dicere. Tibi res antiquae 
laudis, quia antiquis maxime agrorum culturae inseruire gloriosum erat. 

v. 175. Ingredior, incipio. 

v. 176. Ascraeum et reliqua. Carmen llesiodi dixit. Ascra ciuitas 
in Graecia, ubi sunt natae Musae. Ergo dicit: Alia non cano, sed unde 
sumpsit Hesiodus Graecus poema, inde et ego ad dicendum sumpsi, sed 
ille Graecis cecinit, ego Romanis. Ascraeum, cano llesiodi Graeci poetae 
carmen. Ascraeum, a uico Ascra, ubi Ilesiodus natus. : 

v. 177. Nunc locus et reliqua. Tempus, dicendi naturam agrorum. 
Ingeniis, pro naturis. In hoc loco propositio continetur, deinde exse- 
quutio breuiter. Quae robora cuique, quac sit possibilitas cuiusque. 

v. 178. Quis color, quae species. Et quae natura ferendis, qualis 
naturae res una quaeque sit el quid maxime generari possit. 

v. 179. Difficiles, durae. Maligni, steriles uel asperi. 

v. 180. Tenuis, sine humore, quia est οἱ pinguis. Calculus, lapil- 
Jus, idest lapis breuis terrae admixtus, dictus quod sine molestia sui bre- 
uitate calcetur. Dumosis, spinosis. 

v. 181. Palladia, a Minerua, eo quod Minerua oleae inuentrix dici- 
tur. Piuacis diu uiuentis. 

v. 182. Indicio, testimonio idest exemplo. Oleaster, genus arboris 
oliuae similis. Tractu, territorio, ut puta *tractus prouinciae", idest ter- 
ritoria. Vbi oliuam nasci dicit, ibi et oleaster erit. 

v. 183. Plurimus, copiosus. 

v. 184. Vligine. *Vligo humor quidam pinguis, qui de montibus 


























v. 172 sed Parthi M | sed partibus B || partis B || 

v. 173 adoratione seripsi | adoratore 1 || et: *Salueto recepti? addidi | 
Salue sancta parens et salue fatis 1 || telles C || osidi C || saluete pere- 
testes 1] Quod uocabuli monstrum ‘peretestes’ pro "penates? corruptum, 
cum uiderotur non nisi duobus uocnbulis perperam iu unum conflatis 
ortum esse, *salucte recepti? addidi || 174 Res antiqui € || 176 Carmen 
Hesiodi dixit. Ascra — Musae. Ergo dicit: alia non cano sed unde 
ipsi ot transposui | earmen hesiodi dixit ergo alia dicit 
mon quo (non equo C) ascra (asera C) ciuitas in grecia ubi sunt nato 
musae unde sumpsit otc. | | Post “non quo’ nonnulla excidissc uidentur 
Müllero || esiodus B |] 177 propositio M | proportio H || 178 naturae rex una 
quaequo scripsi | naturae una quaeque B Treo ealetur C || 182 Oleaster 
genus M | Olea + genus B | Olca sunt genus C || territorio D || ut puta 
tractus prouinciae, idest territoria ubi oliuam nasci dicit, ibi ot oleaster 
erit interpunzit M || 
























902 1. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica οἱ Georgica. 


super glebas uenit quique non patitur terram arescere. Vligine laeta 
[uligo]. Tamen Cominianus ait: “in eadem forma masculina uligo et far- 
rago?. Laeta, umore terrae. 

v. 188. Felicem, fertilem fecundum. Editus, expositus, ut undique 
accipiat flatus. 

v. 189. Filicem, quia terra quae filicem generat, inutilis est, quia 
quicquid frumenti satum fuerit, a filice suffocatur. Pascit, nutrit; ubi 
enim filix fuerit, optimus est locus uitibus. Inuisam, odiosam. Inuisam 
aratris , tropum metaforam fecit, ut uideantur quasi suas iniurias aratra 
sentire, quod radices filicis aratris sint inpedimento. 

v. 190. Hic, idest campi. Praeualidas, permansuras. Olim, futuro. 
In laude parum dixerat *praeualidas?, nisi dixisset "olim?, idest multo tem- 
pore duraturas. 

v. 191. Mic, campus. Fertilis uuae, fertilis uuae erit. 

v. 192. Laticis, idest uini. 

v. 193. Inflauit, cecinit. Apud Tuscos enim a Tyrrheno symphonii 
et tibiae usus inuentus et sacris primus additus est, et fere omnes tibi- 
cines. 'Eborem? autem pro tibiis posuit, quia ex ebore fiunt eaeque in 
sacrificiis adhibentur. Pinguis. “Pinguis’ dicit, quia sacrificiis intersunt, 
propter carnium copiam. Zbur, pro symphonio et tibia. 

v. 194. Zancibus, caucis rotundis. Pandis, caucis longis, incuruis. 
Pandis, patentibus, apertüs. Fumantia, recentia. Cum uota tibi bene 
responderint, Lunc funde libans. Reddimus, libantes. 

v. 195. 4rmenta, equos dicit. 

v. 196. Culta, uites, ab eo quod coluntur. Prentes, nam ex morsu 
haedorum sic uites uruntur ac laeduntur, ueluti ex flamma. 

v. 197. Saturi. Saturum Caelius in libro qninto historiarum dicit 
nomen accepisse a Satura puella, quam Neptunus conpressit. Petito, im- 


tamen Cominianus ait: in eadem forma masculina uligo et farrago scripsi 

uligo tamen communi ait in eadem forma maslna ut iligo efferrago B 

in eadem forma mas uel femina M, cf. Charis, 1 p. 65, 11 Καὶ *inueniun- 
tur tamen ex eadem forma masculina uligo ct farrago?, — unde fortasse 
scribendum: Znueniuntur tamen, ut Cominianus ait etc. || umore scripsi | 
uirore B || 187 Despicere, idest conspicere C || 188 Quae post *aceipiat 
flatus? secuntur in B: “ex pro mercede accipiendum est’, fortasse ad 
v. 191 pertinent, scribendumque: 'Sufficiet, pro mercede accipiendum 
est’, conpensans scilicet frumenti suffocationem || 189 Felicem ἢ metra- 
foram B) focit ex Leid. 135 udd. || ut uideant Leid. 135 | uel uideantur B | 
suas iniurias] An filicis iniurias? || aratris sunt Leid. 135 | aratri sint B 
aratro sint M || 190 futuro scripsi | fut B | futurum M || paruum M || 192 
Latices B || Latex a latendo B m. IL || 193 a tyreno 1 |] simphonii 1 | sympho- 
nia M || et sacris primus additus est) An potius: “et in sacris primus adhi- 
bitus est? cf. sq. || tibicines M | tibicinit 1 || eaeque M | eaque 1[| carnium 
eoni. M | ciuium B || symphonia M | simphonio B || 194 cautis rotundis C | 
caucis, rotundis — caucis, longis M || discis uel resupinis B m. II || eum 
uota etc.] ef. praef. p. 729 || Kedimus B || £xta, quiequid intra corium 
nascitur B in, II || 195 aequos C || 196 hedor. D || hac leeduntur B |] 197 Satur 
1 |] Saturum addidi || aceipisse 1 | quam M | quem 1 || saturi, locus tarentem 


v. 181 terra marescere 1 || Vligine laeta M | Vligine betet D [| sre 





H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 903 


peraliuus modus.  Longinqua, longe posita, uel posteriora, ut Junilius 
dicit. Tarenti. Tarentus ciuitas Italiae in Calabria, ubi foenum satis 
nascitur et lana Tarentina unde et Hercules fuit, ex quo Virgilius ait (Aen. 
ΠῚ 551): ‘Si uera est fama Tarenti’. Regio in qua Tarentum constitutum 
est, antea “Satura? uocata est. 

v. 198. Mantua, uirgo, quam adamauit Tiberis, unde natus est con- 
ditor huius ciuitatis. 

v. 199. Niueos, candidos. 

v. 200. Liquidi, puri, sine pestilentia, 

v. 202, Gelidus ros, bene dictum *hic? ros. 

v. 204. Putre, maturum. Hoc imitamur arando, *lloc? inodo non 
dicit: “imilamur solum?, sed *studemus et sequimur. 

v. 205. Optima, utilis. Ex aequore, pro area posuit campi. 

v. 207. Aut unde iratus et reliqua. Posteritas adnotanda est; prius 
quippe nemora euertuntur, quam deuehantur. Zrafus, quod nullos ex his 
fructus habuisset. 

v. 208. Ignaua, infructuosa, cessantia, idest eo quod non sere- 
bantur ad cessationem terrae. 

v. 210. Illae, aues. 

v. 211. Campus, qui necdum operatus est. 

v. 212. Jeiuna, sterilis uel macera. Glarea, lapillosa terra. Cliuost, 
cliuum et procliuium. 

v. 213. Vix, idest tantum. Casias. Casia in Arabia nascitur. Ro- 
rem, idest marinum. asia et ros marinus herbae apibus aptae. 

v. 214. Et tofus, lapis asperrimus. In glareosis locis uel collibus 
casiam et tofum nasci ait, in quibus et apes nascuntur. Scaber, unde et 
“scabies’, ab asperitate dicitur. Chelydris, serpentibus, quia argillusam 
terram, idest cretam pro cibo sectantur. 


quem celius in V libro historiarum dicit nomen accepisse aratura puella 
quam nepthunus compressit Burm. G, cf. Mommsen mus. Rh. XVI p. 453 || 


longe posito B || fénum B | fenum M || terrentina_B || ex quo Virgilius 
ait, si uera est fama; Tarenti regio M || in qua tarentum B |] antea Sa- 
tura] antea satura B | ante a Satura M || 


v. 199 Neueos, corr. niueos B || Niueos albos M || 204 maturum con- 
ditum C || * Hoc? modo non dicit: *imitamur solum?, sed *stulemus et 
sequimur? scripsi | hoc modo nilum imitamur nilum studiemus et sequi- 





mur B | hoc modo nil imitamur nilum studemus et sequimur M | stude- 
mus hoc quidem modo, nullum imitemur Burm. G || 307 undae B || poste- 


ritas] i. 6. vOTEg09 πρότερον cf. v. 260 || euertuntur scripsi | uertuntur 1 || 

uam deuehantur scripsi | quam debeantur C | quam debebantur B | quam 
dobebant M || nullos M | nullus B [| 208 Ignauia C | Ingnauia B || censan- 
tia, corr. cessantia, sed ita ut alter litterae n tractus remaneret, ἢ 
cefisantia C unde in archetypo idem uitium commissum fuisse patet | 
idest om. M || terre C | terae Β [| 311 Enituit splenduit B m. 1I || 212 ste- 
relis 1||lapillosa a terra 1 || Cliuosi inclinati B m. II || 213 Post “in Ara- 
bia nascitur secuntur in C: *tofus fit in illa terra glarcosa’ || rosmarintis 
(i. e. rosmarinum corr. -marinus) B || 214 in glareosis scripsi | in gloriosis 
1 | in globosis M || nascuntur] Malim paseuutur j| Celydris B || quin. argil- 
losam scripsi | quia algidiorem B || 








904  W. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 215. Negant, idest Solinus et Nicander, qui de his rebus scrip- 
serunt. Agros, ager quoque, qui tofum aut cretam habet, tam inutilis 
est, quam glarcosus. 

v. 217. Exhalat nebulam. DiciL agrum omnium rerum feracem. 
Exhalat, quoniam dicuntur nebulae a terra nasci. Fumos uolucres, quasi 
ex humore. 

v. 219. Quaeque suo et reliqua. Genus terrae melioris; nam de 
meliore loquitur, quae semper progenerat et “facilem pecori el patientem 
womeris unci? se praestat. Suo, naturali scilicet. 

v. 224. Diues, ideo quia talem arat. Veseuo. Veseuus mons Ligu- 
riae sub Alpibus positus, ue] mons iuxta Campani 

v. 225. Et uacuis, a fluuio, uel *uacuas? dicit, quia a paucis habi- 
tantur. Non acquus, iniquus. Clanius, Nunius Campaniae. Acerris. 
Acerrae ciuitas Italiae Campaniae. quam jus fluuius inundat. Clanius. 
fluuius Campaniae. non adeo ingens, sed torrens; huic iniuncta fuit Acer- 
rae, quam paulatim inundatione disiecit, et *uacuas* terras, idest destitu- 
tas effecit. 

v. 226. Quamquc, terram. 

v. 997. Supra morem, supra opinionem, idest plus quam existimas. 

v. 228. Altera frumentis et reliqua. Hi uersus inconparabiles sunt ; 
tantam habent repetitionem sine aliqua perissologia. 

v. 229. Densa, terra. Hic ostendit, quid ubique melius nascitur; 
potest enim et frumentum in rara et uinum in densa nasci, sed non felici- 
ter. Zyaeo, eo quod nimium uinum bibentium membra soluit. 

v. 230. Capies, eleges. 

v. 231. In solido. nc ager sit concauus. 

v. 932. Humum. *Humus? est inferior pars terrae. superior terra". 
Acquabis, calcabis. 

v. 233. Si derunt et reliqua. Fodi terram iubet et fieri fossam, 
uelut puteum, ac de nouo terram in eam iactari. Si itaque minor inuenta 
fuerit, utilis erit nitibus ponendis, set inutilis frumentis serendis; sin re- 

















perii 
v. 215 Negant C || gloriosus R || 217 Exalat nebulam C |] Exalat 
quoniam B || Pumus, corr. -os B || quasi fumos scilicet ex humore Seru. 







219 sóo B || pacientem 1!]unei se praestat scripsi | uneibus praestat 1 : 
220 Scubic, asperitate C ἢ 224. aret M || Vncaeno B || neseuus B [| uc! mons 
post *positus? addidi || 225 *Iora? nomen aocepit de horologio sicut ho- 


rologium de hora nomen sumpsit "llorae? q nomen ex Graeca 













origine descendens interpretatur sories ordo (series) ucl umbra, sine 
etiam finis; inde "oras? maris et fuuiorum dicimus extremitates sine 
terminos. Non autem eodem modo scribitur *hora? temporis ct "ora 
ceterarum rerum, sed sola aspiratione discernuntur, quia hora temporis 
vum aspiratione, ceterarum autem rerum sine aspiratione scribuntur. 
B m. ΠῚ (snee. XI) || quin a paueis scripsi | quia paucis 1 [| iniuncta]. 
inn"? || acerrg (sic) B || et uncuns terras] An “et uacuas Acer- 
it B [| 228 hii uersus 1|| tantam] an: tam gratam? 
nsentit B. m. IT [| 229 hi Nostendit C || post 1 
N ferior scripsi | interior B || 233 Si deerunt N [i 
nt puteum C || iacturi ἃ ἢ minor seripsi | min' | || utilis erit scripsi | inuti- 



















H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. — 905 


pleta fossa superauerit, terram scias fertilem et opimam esse, sed οἱ pe- 
coribus utilem. 

v. 234. Negabunt, si non potuerint, idest semina. 

v. 235. Scrobibus, fossis. Superabit, si superauerit repleta fossa 
terra superiora. 

v. 236. Cunctantes, dubitantes an Baccho an Cereri seruiant, Cune- 
tantes, obstantes aratro. 

v. 237. Expecta, proba ut (Aen. VII 151): *Rebus spectata iu- 
ventus?. 

v. 238. Salsa autem. Non eadem salsa el amara, sed magis alia 
salsa et alia amara; neque enim eadem saporem utrumque retinet. 

v. 239. Frugibus, idest omnibus fructibus. Nec mansuescit arando, 
dum aratur, sicut illud (Aen. VI 777): ‘Sunt sine nomine terrae, idest 
sine gloria et dignitate. 

v. 240. Genus, origo, ut (Aen. 1 6): "Genus unde Latinum". No- 
mina, species, ut (Aen. VII 737): *Cui nomina mille", idest species. 

v. 241. Tale dabit specimen, pro indicio posuit exemplum. Spisso 
wimine, spissl uiminis. Qualos, cofinos, per quos uinum defluit. 

v. 242. Colaque, in modum canalis fiunt. Praelorum. *Praelum* 
dicitur lignum grande, quo premitur oleum. Deripe, instrumenta ad co- 
landum. 

v. 243. Ager, terra. 

v. 246. Sapor. V genera saporum sunt, uisus auditus odoratus 
lactus gustus. Et ora tristia οἱ reliqua. In superioribus hene diuisit ter- 
rarum speciem, separatim salsam, separatim amaram ; hic de sola loquitur. 
amara. 
v. 249. Jactata, tractata. Fatiscit, soluitur. 

v. 250. Lentescit, concrescit. 

v. 251. Humida, humidam dicit magis herbis quam fructibus lae- 
tar. Maiores, ad sterilem respicit. 

v. 252. A nimium, idest, ne herbae plus aequo crescentes adimant 
spem frumentorum. 





Jis et 1 Hoc scholium in cod. quoque 165 extat, sed ita: Fodero terram 
iubet — ac denouo, corr. denuo — superanit terram, corr. terra — opti- 
mam — pocoribus || ponendis, set inutilis frumentis scripsi | ponondis ot 
frumentis 1 ἢ ἴω terram scias C | an *eam terram? || 

v. 234 potuerint seripsi | potuerunt D || 235 fossa; terra, superiora 
M || 236 baccho C | bacho B || seruiant M | seruant 1 || aratro scripsi | 
faturae B || 237 proba M | probata B || exspectata B || 238 Non eadem 
scripsi | cum eadem 1 || neque enim eadem saporem utrumque scrips 
neque enim saporem utraque 1 || retinet M | retinent 1 || 239 ut illud 
x 2 specimen B | speci C || cofimis M || 242 Calaquo C | Cala- 
quae B [Ὁ eum scripsi, nisi mauis 'caleatn uua" ef. Seru. | cocleum B | 
cochloa. 947 (temptantum) bihentum gustantum C || 246 scperatim 
salsam B || de sola M | de solo R || 250 Lentiscit M | (habendo) dum ha- 
betur B m. II ]]251 umida, humidam dicit magis herbis quam fructibus 
laetari. Maiores, ad sterilem respicit. v.252. A nimium, idest ne horbae 
ete. scripsi | Humida humidam uel ad sterilem ropediat magis quam 
herbis quam fructibus laetam id cst ne herbae l|| 




















906 Il. Hagen: scliulia Dernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 253. Aristis, herbis surgentibus. 

v. 254. Pondere, iacienti. 

v. 256. Sceleratum, sterile, pro insalubri uel nociuo posuit. Fri- 
gus, lerrae frigus. 

v. 207. Piceae; ubi enim hae nascuntur, intellegitur terra esse 
frigida. 

v. 258. Pandunt, extendunt. Niyrae, quia et albae sunt. 

v. 259. His animaduersis, ut agri qualitatem deprehendas. 

v. 260. Excoquere el magnos et reliqua, ut excoquatur a sole. Ex- 
coquitur tam frigore quam calore; dicimus certe *deustum frigore holus? 
resque alias. Serobes autem excoqui dixerunt omnes, qui Georgicon 
scripserunt; prius excoqui debent frigore et sole et sic plantas accipere. 
Quod cum ita sit, posteritas inest sensui; prius enim debuit dicere scrobi- 
bus concidendos esse montes, quani terram excoquendam. Solent praete- 
rea, qui celerius uites aut arbusculam quamuis ponere uolunt, incendere 
scrobes, ul igni uitium wice solis aut pruinae excoquatur. — Excoque, 
uerte et ara, per ignem enim excoquitur uitium. 

v. 201. Aquiloni, hieme arare. . Glebas, cespites. 

v. 263. Gelidaeque pruinae, deest faciunt. 

v. 265. Viros, idest experientes. 

v. 266. Ante locum similem. In translatione arborum similem ter- 
ram requirendam esse dicit et caeli partem. — V bi prima paretur. et reli- 
qua. Plantaria in cadem regione habenda esse ait, quoniam diuersis locis 
uites ceteraeque plantae adlatae ipsa nouitate locorum deteriores fiunt, 
queniam quae in frigidioribus locis natae sunt, calidam regionem non 
sustinent, nec quae in calidioribus, frigidam. 

v. 267. Seges, pro terra translatiue, uel *seges? dispositio arborum; 
"seges" enim proprie messis. Bene *segetem? appellauit loquutus de se- 
mine arborum. Digesta, ordinata. 

v. 268. Matrem, ut (Aen. III 96): *Antiquam exquirite matrem", 
idest terram natiuam. 

v. 269. In cortice, sub eadem plaga. 

v. 271. Austrinos, meridianam partem. “αὶ, caeli, Septentrioni. 

v. 273. Collibus, ut supra (Georg. 11 113): *Denique apertos Bacchus 
amat colles?. 


v.”254 iacienti scripsi | iacenti } [| 256 storelo, corr. sterile D [| 257 
hubi enim B || extendunt scripsi | ostendunt B || 259 deprehendas 1 | Ma- 


co 

lim: *deprehenderis? || 260 Exquoquere C || exquatur € [| olus C cf. Liu. 
l. XL, 45: Iliems... arbores... deusserat || exquoqui C || prius scripsi | pro 
B [| scripserunt ex quoqui C || quod ita sit C || prius 1 | plus M || exquoquen- 
dam C | solent M | sole 1] quamuis scripsi | magis 1|| incendere scripsi | 
intendere 1 || ut igni witium uice scripsi | uti uice 1 || exquoquatur C || uicium 
B || 266 habenda om, M || esse ait scripsi | esse aut D || locurum B || quoniam 
quae seripsi | quoniamque B || nee quae scripsi | nec B [| 267 locutus C |! 
268 Anatrem D | exquiret B | ut antiquam exquirat matrem M || idest ter- 
ram natinam scripsi | idest ut in qua B | Nonnulla deesse uidentur Mül- 
lero | 273 denique asperos ||} 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 907 
v. 274. Quaere, considera. Metabere, metaberis idest dispones et 


les. 

v. 275. Densa, pro dense. Segnior, tardior. Sere, pro dispone. 
Bacchus, pro uino uel uite. 

v. 277. Indulge ut (ken. IX 165): *Indulgent uino". Ad ponendas 
uites da operam, ut eas efficias largiores, ut ex aequo omnibus uineis 
uires terra praebeat. In unguem, in ordinem uel in aequalitatem; *in 
unguem? ad perfectionem.  Positis, uitibus ordinatis. 

v. 278. Seclo. Melafora a marmorariis Afris, quia ungue illi con- 
iunctiones et planitias marmorum probant. Secto limite, idest ducto, unde 
et ‘seclae’ philosophorum, idest ‘ductus’ dicuntur. Qwadret, consentiat 
congruat. Translatio a quadris lapidibus qui sibi bene conueniunt. 

v. 281. Fluctuat, splendet. 

v. 283. Dubius, idest communis. Errat, quia euentus uictoriae 
incertus est. 

v. 285. Pascat prospectus, delectet prospectus ut (Aen. 1 464): 
*Atque animum pictura pascit inani^, idest pascendi causa. 

v. 287. In uacuum, liberum aerem ; “uacuum? disit intercapedinem 
duarum arborum. 

v. 288. Fastigia, altitudines. *Fastigia" scrobum imas fossas dicit; 
sed *fastigia? nullo loco de humili parte dixit, alibi pro altiore parte, 
ut (Aen. Il 302): *Excutior somno et summi fastigia teeli ascensu 
supero?. 

v. 289. Ausim, ausus sim. Facilitate culturae blanditur agricolis, 
ut ostendat, diligentia magis uites, quam labore consurgere. Sulco, 
fossae. 

v. 291. Aesculus, genus arboris glandiferae, quae licet ab esu dicta 
sit, tamen aspera est. 

v. 293. Flabra, flatus. 

v. 296. Tendens, uel pandens. 





" " idost non erit iutilior 
v. 274 dispones ucl eges C | eligos M 576 jore qe c 
(leg. uilior) [277 /ndwlge, ut: 'Indulgent uino*. Ad ponendas uites da 
Operam ut eas eic. transposui | Indulge ad ponendas uites da opcram 
δὶ indulgeat uino ut ons 1 | ut ex quo C || omnibus C | omibus 1} || in- 
ungom ad porfeceionem B]278 a marmorariis M | a marmoriis 1]|unzo 
B Fiunge || eoniuneciones B || planitias scripsi | planatia 1 || phyloso- 
phorum B || consentiat] consentiet B || congruat M | congrua D || de 
quadris M || 279 Ita sint ordinatae illa uites in directo, sicut ordi- 
natur acios militum, dum adpropinquant bello, nec tamen sunt com- 
mixti inter se B m. IL | 280 Aymen proprie exercitus (exsercitus) prac- 
aratus ad bellum; *agmen? etiam impetus dicitur B m. II | Axplicuit, 
idest collegit uel ordinauit C || 981 (Omnia) spatia uinearum C || 985 
dilectet l| idest pascendi causa scripsi | sed pascendi cansa | om, M. 
Possis etiam conicere: Sed (v. 386), non pascendi causa || 287 inter- 
capidinem B || 988 sed fastigia C || nihil loco C | nihi loco B | nullo loco 


Μ slejore B | exeneior Β | locti M || 299 ausd sim 1| eultore C | enttb- 
Tae B || 291 glandiferne quae M | glandifera nequae 1 || 295 Snecala 
(secula) non solum dicuntur mundi, sed otiam hominum B m. II | 














908 NH. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 298. Cadentem, pro occidentem, ut (Aen. II 9): *Suadentque ca- 
dentia sidera somnos?. 

v. 299. Flagella, summae arborum partes *flagella? dicuntur, ab eo 
quod uentorum crebros flatus sustinent. Corylum. Coryli enim radices 
late spargentes et terram sterilem faciunt et nocent uitibus. 

v. 300. Summa pete οἱ reliqua. Neque de summa arbore plantam 
ponito neque de summa uite. 

v. 901. Tantus amor terrac. Obscure dixit, ut statim germinent. 
Semina, plantas uitium. Tantus amor terrae, cum radice pone, ut statitn 
germinent. Tunso, hebetato, idest obtunso seminare, quo uites potius 
quassantur quam putantur. 

v. 302. Semina, plantas uitium. Neue oleae, non sint in medio. 

v. 303. Incautis, neglegentibus, circa alia occupatis. 

v. 307. Victor, ignis. Regnat, quoniam uictor; ideo *regnat?, quo- 
niam uictorum est regnare. 

v. 308. Nemus, pro silua. Et ruit, ab imo emittit et ruere facit. 
Nemus et ruit. Adnotandum, quod *nemus? dixerit *ruiP, cum ab imo 
loco expellit. 

v. 309. Crassus, ignis crassus. 

v. 310. 4 uertice, idest a Septentrione, ut (Aen. 1 114): “Ingens a 
uertice pontus in puppim feriU, idest a Septentrione. 

v. 911. Ferens, flans. 

v. 312. Hoc ubi, subauditur contigerit. Valent, siluae. 

v. 914. Infelix. Cum siluestres truncos oliuae inseris, uitis etsi 
renascatur, naturam suam in oleastrum uertit. Superat, superest, ul 
(Aen. III 339): *Quid puer Ascanius, superatne et uescitur aura? 

v. 315. Nec tibi et reliqua. Nunc dicil, quo tempore ponendae sunt 
uites. 

v. 316. Gelidam, alii rigidam. 

v. 317. Rura, optima ait. 


-— 


v. 298 suadent quae B || (ad solem uergant) Contra occidentalem plagam, 
sed potius ad orientem uel austrum. B m.II || 299 Corylus nociua est uitibus, 
unde in colurnis ueribus capri carnes coquebantur, quia nimirum (nimium) 
caper uitibus infestus ost B m. II || 300 Summa petere C || uite C | uitae B !! 


neque de summo uitem ponito Leid.135 || 301 TantusC | TantosB || obscure 
C | obscure B (sic) || Tantos B || cum radice pone scripsi | cum radice depo- 
nere D || hebetato scripsi | hederato B || pocius B || 302 Oleaster non qui- 
dem est nociuum nitibus, set quia (quod M) ex se ipso ignem generat, 
sieut oliua (sic; si cum M) ideoque dicit non debere plantare inter uites 
quia (quod M) aliquando totum nemus exurit uitium B m. II || 308 ab 
imo M | ab imi 1 || runt C || emittit] Malim *euertit? || Nemus et ruit 


Β 
scripsi | Ne et ruit B 309 crasus B || 310 A uertece, corr. -ice B || septen- 
trione ingens C [| 311 (glomerat). Glomus spira (spera; an sphaera?) ex 
filis, unde *glomerare? coadunare B m. II [| 312 contigerit B | congerit uel 
contigerit C || 314 Cum siluestres truncos oliuae inseris, uitis etsi renas- 
catur scripsi | cum exsequutus (exsecutus C) truncos oliuae ferit iam etsi 
renascatur 1 ef. v. 302 1 in oleastrum 1 | mole astrum M [| 315 sunt 1 | 
sint M || uitaes C || 316 In uersu ’rigidam’ (regidam M), in marg. ‘gelidam’ || 





A. Hagen: scholia Berneusia ad Ver 





Bucolica et Georgie. 909 


v. 318. Concreiam, quasi guttam quandam. 

v. 319. Rubenti, floribus splendido, uel *rubenti ad serenitatem 
retulit, non ad colorem florum. 

v. 820. Candida, alba. Auis, ciconia. Inuisa, infesta, quia ser- 
pentes manducat. 

v. 321. Rapidus sol, quia uehemens et humorum suo uapore 
rapidus. 

v. 322. Nondum hiemem, autumnali tempore. 

v. 324. Poscunt, idest tument. 

v. 325. Tum pater omnipotens et reliqua. Dicitur enim quod lup- 
piter "aether? et eius coniux "terra? cum concubuerint, tune terra fructus 
mortalibus proferat. Terra frigida, aether calidus. Caeli etiam uxorem 
"Terram? dici testis est Varro. Iunilius dicit. 

v. 326. Coniugis, terrae... Et omnis, fetus. 

v. 327. Magnus, luppiter, quoniam praedixit (v. 324): *Vere tu- 
ment terrae. Corpore, pro corpori. 

v. 329. Et Venerem. Vere enim incipiunt omnia generari, per Ve- 
neris concubitum coeuntibus III elementis, igni humore terra aere. 

v. 330. Almus, fertilis, uel *aluus* ab eo quod alat nos. Tremen- 
tibus, uel tepentibus. Zephyri, Fauoni. 

v. 331. Vmor, non est sicca. 

v. 332. Nouos soles, dies uernales. 

v. 333. Nec metuit, quia non sunt frigidi, uel *nec metuit surgen- 
tis", pro non metuit, ne surgant. 

v. 935. Trudit, fundit, eicit in folia. Gemmas. *Gemmae? hic 
uitium oculi. 

v. 836. Non alios. Aduersus quorundam ineptam reprehensionem. 
Lucreijus enim in libro V (v. 816): “At nouitas mundi nec frigora dura 
ciebat | Nec nimios aestus nec magnis uiribus auras. | Omnia enim pariter 
crescunt et robora sumunt. 

v. 338. Agebat, ut qui dicitur “diem festum agere". 

v. 339. Orbis, mundus. Hibernis, asperis sacuis. 








v. 319 colorem M | calorem B || florum seripsi | foliorum D || 324 tu- 
ment scripsi | tum erit B || 325 hacter C | heter B. quod ante "Iuppiter" 
inserui || Cum concubuerint scripsi | eum cubuerint 1 || frigida ehter B 
frigidae iter C || dicit tostis est C ἢ 326 Coniugis, terrae uel Iunonis C | 
foetus B || 327 praedixit: "Vere tument terrae" coniecit M | uoraoterae 
1|| Physiei (phisici) dicunt, deum corpus habere; indo Iouis πῦρ νοηρόν 

or 


(pir neoron) dicitur idest ignis sensualis, B m. II || 329 1ΠΠῚ C || terrae 
mere C | terra ro B || 330 alat nos. Trementibus M | alat nostrae mon- 
tibus B | Est uarians scriptura || 332 Non uos C || 333 nel *nec metuit 
surgentis' pro non metuit no surgant scri | wel nec metuunt surgen- 
tis pro non metuunt resurgunt B; cf. Philarg.: neque surgentes metuit 
sed ne surgant. lloc d on metuit ne tempestate opprimatur [| 336 
luerecius 1 ]| sient noui || neque ciebat nec nimius estus 1 || rubora 
C || 888 (crediderim) concessiuum uerbum est (est om. M) pro credo B 
m. IL || 339 hybernis B || saeuis M | enesis 1|| 















910  H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 340. Cum primae, cum primum. Hausere, biberunt, Virum, 
uirorum, 

v. 341. Ferrea, ferreum saeculum et Zesiodus dicit pro inmani- 
tate el labore. Progenies οἱ reliqua, a lapidibus, ut (Georg. 1 63): *Vnde 
homines nati durum genus.? 

v. 342. Inmissae, ut quieti homines essent. EM sidera caelo. 
llunc ordinem propter Arcades dicit, qui dicuntur *astris lunaque priores.? 

v. 343. Laborem , uel frigoris uel caloris. 

v. 344. Frigus, ut alibi (Aen. VI 726): “Spiritus intus alit totam.? 

v. 345. Caeli indulgentia , ueris definitio * caeli indulgentia.? 

v. 946. Quod super, quod sequens. Premes, pones uel infodies. 
Firgulla , siue de plantariis siue de arboribus. 

v. 347. Occule terra, propter admittenda spiramina. 

v. 348. Aut lapidem, propter spiramenta et propter hauriendum 
liumnorein, si forte nimius fuerit. Squalentes, scatebrosas uel sordidas. 
Bibulum , qui harenarius dicitur. 

v. 990. Halitus, spiritus; animam salis dat. Tollent, erigunt, idest 
ah his rebus sumunt magnanimitatem. Jamque reperti, diligentiores. 

v. 352. Alii * munimen? idest pro nimiis pluuiis. 

v. 393. Hiulca, diuisa hiantia. Sit, idest aestate et laboribus 
ualidis. 

v. 355. Duros, fortes intunsos, ut frangi possit terra. Jaclare 
bidentes, ad comminuendas glebas pertinet. 

v. 357. Fleciere, cum quadam ratione ducere, ne tenera adhuc 
uirgulta conculiant. Zucíantis, non luctantis secum sed cum bubulcis. 

v. 359. Furcasque bicornes, uel * ualentes.’ 

v. 360. Viribus eniti, hic loquitur de uineis arbustis. Zniti, admi- 
nicula uitium, idest palmites. 

v. 361. Tabulata sunt effusiores rami et in plana tendentes, non 
in altiora crescentes. Tabulata, inter ramos quod est interuallum in 
arboribus, * tabulatum? dicitur. 


— MÀ À—— — MR. 


v. 341 seculum D | scfm C || IIesiodus] opp. 127 sq. [| a lapidibus B 
lapidibus M || 342 ut quieti omnes C || qui dicuntur scripsi | qui dicunt B 
astris [se] M cf. Statius Thob. IIII 275 || 344 tota 1 | 345 definicio D | ueris 
indulgentia M || 347 Ocule B || Occule terra propter admittenda spiramina] 
Videtur lemmatis*occule terra’ expositio intercidisse et *propter admittenda 
spiramina? ad v. 348 pertinere || 348 bauriendum C || nimius 1 | minus M || 
arenarius M || 350 animam satis dat scripsi | animam istis dat 1 | spiri- 
tus animam istis dat M || 362 Vrgerent (ungerent) idest premerent idest 
semina C | 352 In uersu *munimen?, in marg. *munine? = *munimine? || 
355 diuissa C || laboribus] Malim *ardoribus' || 355 intunsos scripsi | in- 
ucrsos B || comminuendas Seru. | commouendas B || 357 eum quodam C | 
racione B | moderatione Seru. || eum bubulcis scripsi | cum bobuleis B 
cum bubulis uiribus M, qui non uideret, sequi praeterea in codice dein- 
ceps: *eniti adminieula uitium?, unde *7iribus eniti, adminicula uitium? 
seribendum. Pertinent autem ea ad v. 860 [| 359 Furcasque bicornes, uel 
ualentes scripsi | Furcas biscornas B | Furcas biscornas uel ualentes C, 
ef. Verg. Ribb. ἢ. 1. || 360 arbustis scripsi | arbusteis C | arbiteis B |] 361 
rami in plana M || non in altiora M | non alciora 1 [| 


Ti. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 911 


v. 863. Parcendum. Initia non inquietanda, ut radices robur ac- 
cipiant. 

v. 364. Per purum , aerem. 

v. 365. Ipsa. 'lpsa? acies, uel neutro genere, cum de uitibus 
loqueretur, quoniam superius dixit (v. 357): *Flectere luctantis inter 
uineta?; uel ad semina retulit , cum dixerit (v. 354): * Seminibus positis." 
Ipsa, uineta uel semina, uel *ipsa acie? Sensus est hic: Teneris adliuc 
uitibus non est falcis acies necessaria. 

v. 367. Validis , solidioribus. 

v. 368. Excierint , egressi fuerint, ut (Georg. II 81): * Exiit ad cae- 
lum ranis felicibus arbos." 

v. 371. Tenendum, prohibendum. Tenendum, non pecoribus, sed 
uitibus. Tenendum, hoc est arcendum, ne morsibus laedant, ut infra 
(v. 379): *Dentis et admorso signata? et reliqua. 

v. 373. Indignas, molestas, sacuas. Pofentem , intolerabilem. 

v. 374. ri, boues siluestres, el non in omni regione fiunt, quo- 
niam 'uri? boues siluestres, quos uulgus et inperiti *bubalos? dicunt. 
Fri, boues siluestres, qui in Pyrenaeo monte nascuntur. Sequaces, fu- 
gaces persequutrices. Nam morsu bouum caprearumque sic uites uruntur, 
quasi ex flamma. 

v. 376. Cana, niuca. 

v. 377. Incumbens, penetrans. Scopulis arentibus, non scopulis 
incumbens, sed locum pariter uiridem et scopulos obit. 

v. 378. Venenum , idest capri. 

v. 380. Non aliam ob culpam. Vult dicere ob quam causam caper 
a ueteribus immoletur ant certantibus praemium detur. Baccho caper. 
Victimae numinibus aut. per similitudinem aut per contrarietatem. immo- 
lantur; per similitudinem, ut nigrum peeus Plutoni; per contrari 
tatem, ut porca, quae obest frugibus, Cereri et caper qui obest uitibus 
Libero. 

v. 981. Et ueteres. Dionysia et Lenaea, quoniam Dionysia uelustis- 


















v. 363 inicia | || ingnietanda Leid. 135 | incitanda I [ 365 /psu. 
*Ipsa? ucios, uel neutro genero scripsi | Ips uel ipsa acies neutro 
genere 1 | /psa, in ipsa, ncies neutro genere M || luctantis inter uineta 
seripsi | luctantis idest uineta I, unde "flectere luctantis?, idest uinot 
M || ad semine 1 || uel ipsa acic scripsi | uel ipsa acies D'|| Sensus ost 
his teneris M || v. 369 Ante, quam conualescent C || 871 dentis et admo: 
sus οἱ reliqua. 5} 374 Vri idest boballi C || Viri 1, bis || bubalos scripsi | 
babulos C | bubulos 1 ἢ boues siluestres scripsi boues agrestes B, scd 
ef. G. III v. 532 || pyreneo B || 376 ΠῚ M | niua B [| 377 scopulos obit] 
scopulos calore (squalore cod.) resoluit Leid. 136 || 380 Non alium ob 
eulpam. Vult dicere, ob quam causam caper a ueteribus immoletur 
scripsi | Non aliam ob culpam a ueteribus zonsia ct lenea uult dicere 
ob quam causam caper immoletur aut certantibus praemium detur quo- 
niam zonsia uetustissimi ludi sunt idest liberalia. Baccho capor etc. l. 
Verba 'zonsia et lenea? et *quoniam zonsia — liboralia’ ad v. 381 per- 

irent quem conferas || uitibus Libero M | libero uitibus B || 381 Et ueteres, 
Dionysia — Liberalia; primi ludi otc. scripsi cf. ad v. 380 | Et neto 
primi i ludi etc. ΠῚ Dionysin scripsi | zonsia 1|] quoniam sonsia | | Zonsia, 



































912 1]. Magen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


simi ludi sunt, idest Liberalia; primi ludi theatrales ex Liheralibus nati 
sunt; ideo ait ueteres ludi. Proscaenia autem sunt pulpita ante scae- 
nam, in quibus initi sunt ludi. Proscaenia. Inter “scaenam? et * pro- 
scaenium? hoc interest: * scaena? est dispositio columnarum et erectio 
ipsius ornatus, ul (Aen. 1 429): *Scaenis decora alta futuris?; “proscae- 
nium est autem spatium ipsum. 

v. 382. Praemiaque ingeniis pagos. *Vraemia? capri; ingeniis, 
quoniam istis ludis omnes tragoedias dabant, ut Euripides Aeschylus 
Sophocles. Pagos, quos Graeci ἀγυιὰς et κώμας uocant, unde comoediae 
dictae; tragoedia autem ἀπὸ τοῦ ro«yov, hoc est ab hirco. Conuiuia 
rusticorum in occisione liircorum sunt comoediae. Compita circum, per 
quadram uiam, quae *compitum? dicitur ab eo, quod multae uiae in 
unam confluant. «gos, uillas, quae *pagi? ἀπὸ τῶν πηγῶν appellantur, 
idest a fontibus circa quos uillae consuerunt condi, unde et *pagani? dicti 
sunl quasi ex uno fonte potantes. 

v. 383. Thesidae, Athenienses, qui primi ludos instituere Liberalia. 

v. 384. Mollibus in pratis, ne laederentur cadentes. Per utres, 
idest ad insultationem mortuorum caprorum, ne quid ex his esset, quod 
non senliret iniuriam. Pnctos, oleo. Romulus cum aedificasset templum 
loui Feretrio, pelles unctas strauit et sic ludos edidit, ut caestibus dimi- 
carent et cursu contenderent , quam rem Ennius in annalibus testatur. 

v. 385. Nec non Ausonit, Romani haec sacra celebrabant. 

v. 386. Versibus incomptis. Ante enim incondita carmina erant, 
idest sine metro, et postea metrum Saturnium inuentum est, quo nietro 
Naeuius hellum Punicum scripsit et Liuius. Risu, idest cachinno. So- 
luto , libero, securo. 

v. 387. Oraque corticibus ei reliqua. Necesse enim erat in sacris 
ludicra et turpia fieri quibus posset populus risu moueri. 

v. 988. Et te Bacche uocant. Ilymnos in tuum honorem canunt. 


om, quoniam M || liberalia M || teatrales 1 || liberalibus M || nati (sic) 1 |} 
ait M | aut B | ut C || proscenia 1 [| scenam 1, sic semper || initi sunt 
seripsi, cf. Verg. | nati sunt 1|| et proscenium M | ct scenium 2] imter- 
est B || disposicio B || ornatus M | ornat B || ut: *Seaenis? etc.] insce- 
nis D | ornatus: “in scenis? etc. M | in cod. 165 legitur: 'ipsius onatus 
ut scenis? || spacium B || (proscenia) sunt pulpita uel gradus sconae B 
m. II 

v. 382 Praemia M || ingentes, et paulo post ingentis ] | Sed ex- 
positio eiusmodi est, ut "ingeniis? legisse commentatorem euincas || tra- 
gedias 1 || euripide rerculus sophodes 1 || Graeci ἀγυιάς scripsi | greei 
aginos 1 || et comas 1|| comedie diete (dicte C) 1 | comoedia, om. dictae 
M || trageedia 1|| ἀπὸ τοῦ τράγου hoc est M | apo to tragihi est 1 || ab 
yreo ΕΠ} oceissione C || hyrcorum B | hycorum C Ϊ comediae B | comedie 
€ || Compita cireum, per quadram uiam scripsi | Competa competum per 
quadrauia 1 | Compita, compita per quadriuia quae compitum dicuntur 
M,: competum dicitur, 1 || confluunt C || Pagos et uillas B || ATTO TON 
TYITAIN B || cirea qos, corr. qoos B [| 384 insultacionem B | insultionem 
€ || caestibus Burm. | caelestibus B et Burm. G || demicarent B || cursu 
scripsi | curru B [| 385 sneita celebrabant C || 386 incompis 1 || niuius 1 || 
bellüm B | bellum C || 387 ludrica B [| 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 913 


v. 389. Oscilla, diminutiue ab ore. Oscilla, ab eo quod * os cillea- 
tur.” Oscilla, quod os sursum aspicit in uultum ludentium. Pinu in 
cornu de pinu T. Oscilla ex alta et reliqua. Icarus Atheniensis pater Eri- 
gones (idest Litis filia), cum a Libero patre usum uini didicisset , ciuibus 
suis exhibuit, qui cum ebrii iacerent , ut mortui uisi sunt, quo indignati 
ceteri Icarum lapidauerunt. Huius canis ad Erigonem filiam suam perue- 
nit, quae cum eum comitata ad patris cadauer peruenisset, laqueo uitam 
finiuit et a diis inter astra adlata est. Itaque Athenienses eius memoriam 
celebrantes filias suas laqueis suspendunt et funes in summa pinu suspen- 
dentes atque in duplice supersedentes huc atque illuc eunt suspensi luden- 
tes, quem funem lusus T *oscilla? appellauerunt. Alii dicunt: post mor- 
tem Latini regis quaesierunt eum in terra in mari et nusquam inuentum 
est corpus eius; quaesierunt in aere et suspendisse se in laqueo inuentum 
est et initiauerunt hoc genus mortis. 

| v. 394. Patriis, Latinis uel Romanis. Nam supra de Graecis sacris 
est locutus. Zances, saturas. 

v. 395. Stabit, placebit. Hircus ad aram , ut (Aen. IX 627): “Et 
statuam ante aras aurata fronte iuuencum.? Quoties autem deuola uic- 
tima rumpit et fugit, magnum exitium significat. 

v. 396. Veribus, sudibus. Exta, intestina hostiarum. Colurnis, 
per transmutationem litterarum dixit; debuit enim dicere *corylnis.? 
Ideo ulciscendae sunt hae uirgae quia inimica arbor est uitibus, ut ibi 
(Georg. lI 299): “Neue inter uites corylum sere? quia sicul caper inimicus 
est uitibus, ita corylus, et ideo in uirgis his ultionem capientes exta hae- 
dorum sacris torrebant. 

v. 889 diminutiuae B || cilleatur scripsi | excellat B | Oscilla, diminu- 
tiue ab ore oscilla, ab eo quod os excellat oscillu, quod M || in uultum 
ludentium M | in ultum ludencium B || Pinu in cornu de pinu B | Pinu, 
in cornu pinu M | an: Pinu, in Corneliani 'pino?? cf. G. IV 87. 120. 176 || 
Ocilla C | akarın B | iacarus C || idest Litis filia scripsi | -i- (= idest) 
fllis 1 | Etymologiam de ἔρις et γονή proferri patet, cf. ad Georg. III 
v. 118 | peter Erigones et filia M || qui cum scripsi | quique cum 1 |! 
iakarum | || erigionem 1|| et a diis scripsi | et haec diis C | et hec diis 
B || eius memoriam scripsi | ob memoriam 1 || suspendunt scripsi | suspen- 
dentes | || et funes in summa pinu suspendentes scripsi | et funes in 
summum inususpendentes 1 || in duplice 1 | itaque Athenienses ob me- 
moriam celebrantes filias suas laqueis suspendentes et funes in summum 
suspendentes atque in duplico supersedentes M || quem funem lusus 1] 
an mutatis finibus: *quem funis lusum?? || apellauerunt | || quaesiue- 
runt, bis M [| eum M | eam 1|| nusquam B | numquam C || inuentum est 
M [inuentus est 1, unde possis conicere: “et nusquam inuentus est; 
corpus eius quaesierunt etc. || suspendisse [se] in laqueo [inuentum est] 
et initiauerunt M ex Burm. G qui habet: et suspendisse laqueo in- 
uentum est tunc initiauerunt | et suspendisse in laq; e (laqueo C) et 
iniciauerunt 1 || 394 est sacris est locutus (locus C) 1 saturas scripsi | 
stateras B || 395 Hyrcus ad aram ut est autem ante aras ||| aureata C | 
aur& ea B || iuuencus 1[| quocies B " uictima rumpit] An wictima uincula 
rumpit? || exicium 1 || 396 subdibus C || transmutacionem litterarum B || 
corylnis M | corylis B || enim om. M || ulciscendae scripsi cf. sq. schol. | 
auellande B | auellendae M. Possis etiam: *ideo «auellanae» sunt hae 
uirgae’ conicere || quia inimica arbor est uitibus B | ab inimica arbore 


Jahrb. f, class. Philol. Suppl. Bd. IV. Hft, 5, 59 


914  H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 397. Est etiam. lam paulatim tendit ad uitium culturam. 

v. 398. Exhausti, consumpti, uel exhausti, idest exhaustionis, 
finitionis. Omne , continens uitem. 

v. 400. A4eternum , semper perpetuo. Leuandum , spoliandum. 

v. 401. Nemus. Nemus uinearum intellegendum. Zabor actus in 
orbem , annuus. 

v. 403. 4c iam, cum iam. Olim hic *quandoque? significat, 'et 
finale tempus est autumni, Seras, pristinas, uel *seras frondes?, sero 
cadentes. Tarde enim spoliantur frondibus uites. 

v. 404. Frigidus et reliqua. Varronis hic uersus est. Honorem, 
foliorum ornatum. 

v. 405. Acer, non quilibet, sed acer et diligens. Curas uenientem 
extendit in annum , meditaturus futurum laborem. 

v. 406. Dente, falce. Saturni, quia in eius tutella. Aelictam, 
non desertam uel neglectam , sed fructu ablato derelictam. 

v. 407. Fingil, componit, ut ibi (Aen. VIII 634): “Et corpora fin- 
gere lingua.’ 

v. 408. Deuecta, domum asportata, idest debes mundare. 

v. 409. Sarmenta, non quasi praecipiat ut crementur, sed conpor- 
tato primus, quae crematurus eris. Vallos, furcas, uitium sustentacula. 
Sub tecta referto, ne imbre et niue pereant. 

v. 410. Postremus, ut sit uinum optimum, ad laborem primum te 
conuenit adfore et ad fructus legendos ultimum. Meiito, uindemiam 
praecide, legito. Postremus metito, idest legito. Perseuerat enim in 
translatione, ut quoniam uinderiae "segetem? dixerat, *metendam? eandem 
uindemiam diceret, pro colligendam. Postremus autem, ut maturius sit, 
quia quanto maturior fuerit lecta uindemia, tanto dulcius dabit uinum. 
Sic autem "metere? pro legere dixit, ut alibi ait (Georg. IV 231): “Duo 
tempora messis", cum de melle colligendo loqueretur. 

v. 411. Bis segelem. *Segetem* pro terra posuit; dicit enim bis 
terram propler herbam fodendam et bis uineam pampinandam. Bis, 
semel autumno , semel uere. 


idest uitibus M [| ultionem capientes M | ulcionem capientibus B || hedo- 


v 
rom B || 

v. 398 exhaustionis scripsi | examissionis B || finitionis M | ficionis 
B || 'ümne? lemma suppleui || 400 perpetuo C | per tuo B || 408 *cum iam" 
uarians scriptura est || qmque — quandoque 1 | 4c iam, cum iam olim, 
hic quemque significat M || finale M | finiale 1|| (ac iam olim) praesens 
tempus significat C || Seras pristinas ut Salustius Leid. 135 || 404 folio- 
rum M | filiorum B || 405 quinibet, corr. quilibet B || 406 quia scripsi | 
qui B || neglecta B || 407 ut ibi *corpora' etc., om. et M || 408 Deuectam 
B || 409 erementur (sic) 1 [[ uieium B [[ ne imbre et niue pereant scripsi | 
ne in breui depereant B || 410 Postremus (sic semper) 1 [| ut sit uinum 
optimum; ad laborem primum reconuenit M || uindemiam scripsi | consi- 
dera ], cf. sq. *metendam eandem uindemiam’ [| translacione B || Sie au- 
tem M | sic hie Leid. 185 | si autem B || ut alibi ait B | ut alibi M || cum 
[de] melle colligendo M (sic et Leid. 136) | cum melle colligendos B Hit 
dieit M | dicis 1|| his C || terram om. € || fodendam 1 | fodiendam M | Cum 








H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 915 


v. 412. Durus uterque labor, ad pampinandum et ad fodendum, 
uel tollendarum herbarum et frondium secandarum. Zaudato ingentia 
et reliqua. Quia maiores et agros incullos "rura? dicebant. Zaudato, 
idest ingentes siluas ne colito. 

v. 413. Exiguum, rus. Rusci, idest inculti agri. Rusti. * Rusci? 
magis legendum, ut ibi (Ecl. VII 42): *Horridior rusco.' Genus uirgulti 
uitem inpedientis. 

v. 414. Harundo, calamus. 

v. 415. Inculti, quasi cum indignatione ait: "cura salicti?. 

v. 416. Jam falcem arbusta reponunt, putatae sunt. 

v. 417. Effectos, alii *effectus". Vinitor, auis siue nomen poetae. 
Antes dicuntur anguli quadratorum uinearun, siue nouis: ordines 
uinearum; alii *macerias? quibus uineae concluduntur. 

v. 418. Sollicitanda, fodenda. Puluisque. Genus ipsum culturae 
*pulueratio* uocatur. 

v. 419. Tuppiter, imber. 

v. 421. Rastros , ad fodendum scilicet. 

v. 422. Cum semel haeserunt aruis. Negleguntur oleae, cum ua- 
lentiores fuerint. Tulerunt, passae sunt. 4urasque tulerunt , aeris ua- 
rietatem sustinent. 

v. 423. Ipsa satis , aratum oliuetum. 

v. 424. Sufficit humorem, aquam subministrat arboribus. Graui- 
das, habundantes. 

v. 495. Nutritor. Cum 'nutrito? dicere debuil, pro actiui impera- 
tiuo passiuum posuit. Nufrifur, pro "nutrit", idest humor uel pastor. 

v. 421. Et uires habuere suas, quia tenera uirgulta ualidioribus 
solent eniti. 

v. 429. Nec minus, quam ea quae coluntur. Fetu, ubertate, nam 
ubertas *fetus* est. Grauescit , uirescit. 





et in sequentibus semper pro *fodiendum’ etc. *fodendum' in libris lega- 
tur, mutare non sum ausus formam sane praeposteram || 

v. 412 labora ad pampinandam ( |] et agros incultos rura scripsi | 
agros et incultos rura B || ne colito scripsi | incolito B || 413 idest. ineulti 
Es (sic) 1 || Rusti rusci (sic) B || oridior B || inpedientes B || 415 cura 
salicti scripsi | causa uitium 1 || 416 arbustam B Tin marg. *nec falcem 
requirunt? pro uarianti scriptura || sunt B |] 417 Effectos, alii effectus, 
Vinitor, auis siue nomen poetae scripsi | Effectos effectus alii auis siue 
momen poetae B | Absurde sane expositum, sed praeter 'uinitor' lemma 
aliud inueniri nequit || anguli quadratorum scripsi | angusti quadrato B || 
monuissimi B || includuntur M || 422 Gualentiores C || fueri*t B || 424 
aquam subministrat scripsi | quia subministrat 1 || Graudas abundantem 
B [ 425 Nutrit® cum nutri'^ C | Nutritur cum nutri B | Nutritor cum 
mutri Ribbeck proll. p. 196 || pro actiui imperatiuo passiunm posuit M | 
pro actini imperatiuo posuit B | pro a (corr. -tiuo) imperatiuo 
(corr. -tiuum) p. posuit C | nitritor pro nutri pro actiui imperatiuo 
passiuum futurum ponit Leid. 135 || 427 habuere (habuerae B) sua 
uslidioribus solent eniti scripsi | ualidioribus eniti ] | ualidioribus 
tantur M cf. Seru, || 429 Fetu ubertate, nam ubertas scripsi | Fetu 
tate nam utilitas B || Grauescit uirescit] * Virescit? nisi uis pro narianti 
seriptura iudicare, corruptum ex 'increscit? nel *tumescit" ἢ 


89" 


























916 MH. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 430. Sanguineis bacis. “Bacas sanguineas? accipimus poma sil- 
uestria. Auiaria, secreta nemora, uel quia longe a uia posita sunt et 
inculta, aut quia aues per ea pascuntur. 

v. 431. Tondentur, in usum pecoris. Cytisi, uirgultum a Cyto in- 
sula dictum δὲ habundat. 

v. 434. Sequar, pro persequar, idest enumerem. Z7umiles, infruc- 
tuosae, 505 “humiles’; nam quemadinodum sunt “humiles’, si umbram 
pastoribus faciunt? 

v. 437. Vndantem , habundantem. Vndantem buxo. Buxus uento 
motata aestus imitatur undarum. Cytorum. Cytorus mons in Ponto ha- 
bundans in buxo. 

v. 438. Naryciae, a loco in quo habundat pix, ut alibi (Aen. Ill 
399): *Hic et Narycii posuerunt moenia Locri’. 

v. 439. Non ulli obnoxia curae , nihil laboris nostri indigentia. 

v. 440. Caucaseo. Caucasus, mons Scythiae, pro quolibet monte; 
speciem pro genere posuit. 

v. 441. Animosi, uiolentes, 'ualidi spiritus saeuique'. Adlusit ad 
illut, ut ab anima, quae spiritu et halatu constat, *animosos? diceret uen- 
los. Euri, uenti. 

v. 444. Triuere , tornauere, subauditur pastores. Tympana, rotas 
ingentes. 

v. 445. Pandas, longas extensas. 

v. 447. Bona, fortis. Et bona, bello apta est etiam cornus. 

v. 448. Ityraeos, Persicos; uel Ityraeos, Ityra ciuitas Cretae. Ily- 
raeos. liyri gens orientis, incolens Libanum montem, sagittis exercita; 
uel /fyraeos, ab Ityra, quae est pars Iudaeae, *Ityraeos arcus? dicit. 

v. 449. Nec non, ordo est: nec non formam accipiunt. 

v. 452. Missa Pado. Padus fluuius Italiae; speciem pro genere 
posuit. Pado. Bene huius fluminis mentionem fecit, quoniam professus 
est, se Italiae carmen scribere, dicens (Georg. Il 173) *Salue magna pa- 
rens frugum Saturnia tellus, magna uirum tibi res antiquae laudis.? 


-- πα —— ——— —À — 7 


v. 480 baccis baccas M || 481 pecoris M | peccoris C | pectoris B || 
Cithisi B || a chito B || dictum udi habundat scripsi | dictum b abundat B 
dietum [in qua] abundat M || 434 pro persequar scripsi | prosequar 1 ! 
enumerem scripsi | enim aerem I, cf. ad ecl. X 42 || Humiles infructuo- 
sae humiles 1] Zumiles infructuosae, non humiles scripsi; aut scriben- 
dum: 'Zumiles infructuosae. ZAumtles’ et post alteram *humiles? lacuna 
statuenda; quam sic expleas: “mire dictum, nam? etc., quod ego ma- 
luerim, quia in C non nisi haec leguntur: *Humiles infructuosae', cf. 
ad Georg. I vv. 181. 217. 509 || sic umbram M || 487 Vadantem C |] abun. 
dantem 1 [| citorus B [| 438 a loco scripsi | a luco 1]| ut alibi in narico | || 
lochri C | lochri B |] 489 nostri indigentia scripsi | nostri debentia B, cf. 
Philarg.: obnoxia, egentia || 440 scithiae ] ||spetiem B || 441 seuiq; £1 
seuiquae B [| illut B | illud C [| et halatu scripsi | et alatitudine ἢ 
pastoris B [| rotos 1|| Tympana (timphana) sunt tecta plaustrorum (plaus- 
torum) B m. II || 447 bello apta M | bella apta 1|| 448 Ityreos B | Ityreos 
C[|uel ytiraeos C || craetae B || ciuitas cretae uel Parthicos C || tyraeos 
&rcus B || 449 Nec nec non 1 || 451 Torrentem, fortem B m. II || 462 ut 
aliae 1|| carmen C | camen B| 








H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 917 


v. 453. licis aluo, arboris antro. Vitiosae , putridae. 

v. 454. Quid memorandum , ut siluae aliae. 

v. 455. Dedit, praestiti. Ille furentis Centauros, idest Lapithae 
et Centauri in furorem ebrietate conpulsi sunt, uel Centauros in furorem 
actos a Libero dicit, non Lapithas. 

v. 456. Centauros, nomen populi. Leto, morte. 

v. 457. Cratere , figurate pocula dicit. 

v. 458. O fortunatos et reliqua. Nunc laudat uitam rusticam, et 
quoniam priora posuit ad uituperationem uini, haec quasi ad consolationem 
ponit, per quae ostendit, quantas uoluptates rusticis natura praestiterit. 

v. 459. Procul, idest longe a ciuilibus bellis, Discordibus armis, 
plenis iurgio aut rapinis. 

v. 460. Iustissima tellus. Iustus quod acceperit, reddit. Terra uti- 
que iustissima est, quia maiore fenore semina accepta restituit. 

v. 461. Si non, quia non. Non solum in laude Italiae uitam rusti- 
cam laudat, sed etiam urbanam uituperat. 

v. 462. Testudine, camara. Pulchra testudine postes, indicat po- 
stes ornatos uel lectulos. 

v. 464. Inclusas, inlusas. Inclusasque auro uestes. Non usus 
talis est, ut aurum uestibus intexatur. EpAyreia, idest Corinthia, quia a 
Graeco ante Corinthus Ephyra uocabatur. 

v. 465. Assyrio, Syro; aput quos usus purpurae optimus. F'eneno, 
colore, idest medicamento. Antiqui enim "uenenatas? uestes dicebant ali- 
quo colore tinctas. 

v. 466. Casia, herba est de qua fit unguentum. Fsus oliui. Nam 
oleum generalem usum habet. 

v. 467. 41 secura quies. Hyperbaton reddit, ac per lioc luxuriam 
execratur, ut Zunilius dicit. Nescia, quia innocentes sunt, uel quia in- 
mobilis est status uitae eorum. 

v. 468. Latis uel "laetis. Fundis. *Fundus? dicitur quod sit om- 
nium rerum fundamentum. Otia, otium habent. 

v. 469. Speluncae et reliqua, idest bona naturalia, non sicut in 


Y. 468 licit aluo suppleui | Arboris antro B, quae est uarians scrip- 
turs || In uersu uitiosaeque, in marg. ex seq exesaeque, cf. Georg. 
IV 44 ]] uiciose Bl Arboris antro uitiose putridae M || 465 Ille furentis 
scripsi | Vel furentis B. ἢ 456 nomen populi scripsi | nom i 1 | nomi M ἢ 458 
nunc laudat M | nunc laudit B | nuc laudit C || uituperacionem B || con- 
solacionem B | solationem C || uoluntates 1 | uoluptates [rusticis natura 
praestiterit] ex Seruio M | per quam dit quanta uoluntas esset 
Leid. 186 ἢ} 459 a cinilibus belli iuitatibus B || 460 [81] iu 

juod M | proprie, nam si iustus est qui quod recipit reddit 

ceiperit 1 l 464 Inclusas inlusas scripsi | Inclusas inlesas 
B | Inlus: as C | Inclusas inlaesas M || inclausaque auros uestes C | 
Non usus talis est, ut aurum scripsi (ad uolgus nimirum respicit) | sed 
auram | | male quidam legunt inclusas. non enim usus talis est, sed 
auro uestibus (uestis Mommsen) texitur Leid. 135 ἢ HEphyreia B || 
corinthea, corr, -ia B || ephera B || 466 Syrio M || aput B | apud C || eos 


1||aliqoo B [|466 oliue, corr. -ui B || 467 luxoriam 1 || hac per hoc C | 
execratur B | exsecratur C ἢ 468 fundas dicitur B |] 469 in urbibus labor 























018  H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


urbibus labor. Frigida, amoena. Tempe, fons uel loca amoena in Thes- 
salia. Tempe. Hoc accipiendum est pro quibuslibet locis; proprie tamen 
Tempe sunt loca amoena in Thessalia; tempestate turbata esse dicuntur. 

v. 470. Molles, idest dulces, ut (Georg. 1 341): *Mollissima uina, 
et (Ecl. VII 45): 'Somno mollior herba." 

v. 471. Illic saltus, idest uenationes. Ac lusíra ferarum. Maec 
in urhibus non sunt; bene addit *ferarum?, quia in urbibus lustra *mere- 
tricum? sunt. 

v. 472. Paliens, non ut urbana, quae esl segnis. 

v. 473. Sacra deum. Mic intellegi uult, aput solos rusticos reli- 
quias iustitiae remanere. 

v. 474. Iustitia excedens et reliqua. Aratus dicit, primo in urbi- 
bus, postea in agris fuisse iustitiam. 

v. 475. Musae, idest matres philosophiae. 

v. 476. Quarum sacra fero, poeta quasi Musarum est sacerdos. 

v. 477. Caelique uias, artes, ut (Aen. IV 478): *Inueni germana 
uiam?, uel] circulos quibus sidera continentur. Ef sidera monstren!. Hic 
primam philosophiam post rusticam uitam esse dicit. 

v. 478. Defectus solis uarios, quia non uno modo; sol nobis uidetur 
deficere, cum luna se sibi obiecerit. Varios, quia non uno modo. Lunaeque 
labores, uel errores, quia non uia recta iucedit, uel defectus lunae dicit. 

v. 479. Vnde tremor terris. Alii dicunt, uentum esse in concauis 
terrae, qui motatus etiam terram mouel. Salustius dicit : *Venti per caua 
terrae citatu? Zucanus (Ill 460): *Quaerentem erumpere uentum credi- 
dit’. Alii aquam dicunt genitalem sub terris moueri et eas simul conculi 
sicut uasa. Qua ui et reliqua. Alii sic accipiunt *obicibus ruptis? idest 
Calpe et Abema , montibus Hispaniae et Mauretaniae. 

v. 480. Rursusque , accessus et recessus dicit. 

v. 482. Hiberni. Hiberni nobis cum sunt soles, antipodis nostris 
aestiui, nam qui sphaeram scripserant, diuersa nos ab illis uno tempore 
pati dicunt. Cum enim sol siue huiusmodi siue illius excedit, regiones 
mutantur diuersitate cardinis. Vel tum tardis , ut tarde ueniant. 








1 | in urbibus M || Frigida amoena tempe (sic) 1 | frigida Tempe M || tesa- 
lia B | *hesalia C || proprie tamen Tempe sunt loca M | proprietatem pe- 
sunt loca B || amoenia B || tesalia ΒἾ Ante *tempestate? etc. uidentur 
intercidisse uerba: ‘Tempe, quia’, cf. G. I 13. || 

v. 471 uenaciones B || 472 Paciens B | Patiens idest sustinens C |] 
segnes 1|| 473 aput B | apud C || romanere C || 474 Iusticia B, semper || 
Aratus] cf. v. 127 sq. || 477 circulus, corr. -os B || sidere, corr. -era B | 
178 qui& non uno modo scripsi | quia uno modo 1 | quia uno modo sol 
nobis etc. M || cum luna se M | cum lua se B | cum luasse C || obiecerit 
C | obicerit B ||479 in concaus 1|| qui motatur C || per caua C | pericaua 
B || citatu (sic) 1| citati M, cf. praef. p. 724 || concuti scripsi | concuteri 
I | conentere M || et Abema scripsi | et aue B | et Auenum M | Atlante 
Seruius || ispaniae et mauritage B || 480 Rursus M || accesus et recesus B ı, 
482 soles M | solis 1 |] aestiui add. M || speram scripserà Liuersa 1 | sphae- 
ram sBeripserant diuersa M | ueram scripserint diuersa Leid. 135 | Malim 
"scripserunt? || diuersa nos Leid. 135 | diuersa nobis nos 1 || excedit M | 
excidit I || mutantur] motantur 1 || Vel — ueniant om. M || 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 919 


v. 484. Frigidus obsliterit. Nunc secundum philosophos loquitur, 
qui dicunt stultos esse homines *frigidioris? sanguinis, prudentes *calidi?, 
unde dicitur: 'et senes in quibus iam friget et pueri, in quibus necdum 
calet, minus sapiunt? Obstilerit, quia obstitit. 

v. 485. Rura mihi. Intermissis illis rura amem sine aliqua super- 
bia, intermissa philosophia. Rigui, quod incessabiliter fluant. 

v. 486. Inglorius , ualde gloriosus uel ingloriosus; ualde gloriosus 
non ita inglorius". 

v. 487. Spercheus, fluuius Thessaliae. Ef uirginibus bacchata, in 
quibus uirgines debacchatae sunt. Zacaenis, uel Laconicae, et figura est 
ut Junilius dicit. 

v. 488. Taygela, mons et ciuitas Laconiae, idest Graeciae prouin- 
ciae, de quo credunt descendere Spercheum fluuium, Libero et Bacchis 
consecratus. J7aemi, mons Thessaliae, in qua sunt Tempe. 

v. 490. Felix qui potuit et reliqua. Quamquam Virgilius Epicureus 
est, hoc ait, quod Stoici dicunt, esse fatum sed “inexorabile’. Cognoscere, 
philosophiam scire. Rerum, idest malarum, quae in urbe per ambitionem 
et auaritiam quaestiones et discordias incitant. 

v. 491. Inexorabile fatum, quia non potest exorari; nemo enim 
potest ultra fatum uiuere. 

v. 492. Subiecit pedibus, idest felix est ille, qui sub pedibus fatum 
habuit, idest calcauit. Acherontis, inferni. Auari, quia illa palus num- 
quam potest saturari. 

v. 493. Agrestis , idest agrestium et rusticorum deos. 

v. 494. Siluanumque senem, Silenum. Sorores, Oreadas, uel inter 
se sorores. 

v. 495. Fasces, idest honores. Fasces, quos populus tribuit, quare 
gestiuntur. In hoc versu proprie loquitur *honores populi! et *regum 
purpuras?. Purpura, imperium. 

v. 496. Discordia fratres. *Discordiam? pro auaritia posuit; ex 
illa enim oritur discordia. Fratres, Remum et Romulum. 

v. 497. Aut coniurato. Coniuratio barbarorum non eum sollicitat. 
Quia conuenerunt iureiurando ultra flumen Histrum, idest Danuuium, et 


€——————Ó——— 


v. 481 frigidiores, corr. -is B || unde dicitur iam friget 1 | unde 
[senes in quibus] iam friget ex Seruio M || et puer in quibus C || 
485 rura amem scripsi | rura amen 1 | runtamen M || sine I | fine 
M || Rigui, currentes B m. II || 486 /nglorius, ualde gloriosus uel 
ingloriosus ualde gloriosus, non ita inglorius M || 487 Supercheus 
οἵ thesaliae | || uirgines debacchatae scripsi | uirginibus bacate B | 
uirgines bacchatae M, cf. ad ecl. V 30 |] uel Laconicae] an *puellae 
Laconicae?? || 488 Tahygeta B || discendere 1 || sperchium 1|| Hiemi the- 
saliae B | Haemi Thessaliae M | *mons? addidi || 490 quamquam scripsi | 
qi 1 | quoniam M || epicurus C [| philophiam C | phylosophyam C || ambi- 
cionem, auariciam B || questiones B || 493 Agrestis] Agresti B || Oreadas] 
orcadas B | arcadas C | Oreades M |] in uersu * nymphasque sorores", 
in margine: 'driadasque puellas? || 496 auaricia B || post *discordia? in 
B m. II secuntur: 'ab eo quod praecessit id quod sequitur' || 497 con- 
juracio B [| danubium 1 [| 





920  H. Magen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


cum sedes ponerent, coeperunt Romanos pellere, sed iussu Augusti ab 
Agrippa sunt proiecti et repulsi. Zistro, Danuuius fluuius Scythiae. 

v. 498. Non res Romanae et reliqua. Nunc II dicit; rusticum 
nec Romanum imperium mouet, idest ad ambitum cogit, nec barbarorum 
regna peritura. Peritura, quod non sunt perpetua et semper perman- 
sura per aeuum. Aegna , uel regna barbarorum. 

v. 499. Inopem, non malum esse paupertatem credit, sed munus 
deorum; ideo rustici nec bonis nec malis mouentur, quia eis nihil inter- 
est; sel non ita urbani. 

v. 500. Quos, fruges. 

v. 501. Nec ferrea iura , inexorabilia inuisa dura, idest inflexibiles 
leges, quia nihil remittunt. 

v. 502. Insanumque forum, idest propter insaniam litigatorum, 
aut quia non uident ea, quae fiunt in ciuitatibus mala. Mic respicit reg- 
num aureum Saturni. Tabularia. Antiquis temporibus, dum Aegyptus 
sub dicione regis sui erat et non in potestate Romanorum fuit, Romani 
usum chartae non habentes in tabulis omnia conscribebant. Tabularia, 
instrumenta, unde et tabelliones dicti. 

v. 503. Caeca, subito in tempestatem surgentia. Auuntque. Pira- 
tas et satellites uult intellegi. 

v. 004. Regum, diuitum. 

v. 505. Penates, deos. 

v. 506. Vt gemma bibat, in calice gemmato. Sarrano, a ciuitate — 
Sarra; uel Sarrano, aput antiquos Tyrorum ciuitas *Sarra? dicebatur, 
quae nunc Tyrus dicitur; idest: ul in Tyria purpura dormiat el in gem- 
mato calice bibat. Ostro, purpura uel conchylio. 

v. 507. lius, idest Crassus. 

v. 508. Hic, Cicero. Stupet attonitus. Quia hi *attoniti? dicuntur, 
iuxta quos fulmen decidit quia timore stupeant. Rostris, ul contionetur. 

v. 509. Per cuneos , Pompeius. 

v. 510. Perfusi, Romulus. 

v. 511. Dulcia, ad luxuriam, non ad necessitatem retulit. llic *dul- 
cia^, sicut ibi (Ecl. I 3): *Dulcia linquimus arua? Mutant, uoluntarie 
scilicet et propter auaritiam. 


v. 497 sedes ponerent scripsi | sede ponerent 1| se deponerent M |! 
Romanos M | roma 1|| iussu M | iussa 1 || danubius, scithiae B || 


v. 198 Nunc II scripsi | nam II 1 || nee barbarorum regna peritura 
addidit M || 499 credidit M || set non scripsi | et non B || 502 ea quae 
scripai | ea qd C | eaque B et M || egyptus B || dicione B | ditione M | 
Karte B || conscribebant instrumenta unde et tabelliones dicti B | 7a- 
hularia lemma suppleui [ unde om. M [|| 503 pyratas et satellitaes B " 
506 et sarrano aput B || a ciuitate Sarra uel Sarrano; apud M || quae 
nune scripsi | que nunc B | et nunc M || ty. us B || calaci B || concilio B | 
conchilio M || 508 quia hi scripsi | hi M | hii (sic) qui 1[| quia seripsi | qui 
l || stupent add. M | de Cicerone uidetur dicere. hi attoniti dicuntur iuxta 
quos flumen decedit qui timore stupeant Leid. 135 || contionetur B | con. 


cionetur M || 611 lóxoriam B [| mutat uoluntarie B || auariciam B |] 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 921 


v. 512. Atque alio patriam et reliqua. Duros nimis descrihit eos, 
qui relicta patria ad alios migrant. Sole, climate. 

v. 514. Hinc anni labor. Ex agricultura habet substantiam totius 
anni. Patriam, uillam. 

v. 515. Meritos, dignos. luuencos, participes dixit laboris duri. 

v. 016. Nec requies , rusticis. 

v. 517. Mergite, fasce, idest habundantia. Mergites, fasces spica- 
rum sunt eo quod merguntur a quibus metuntur. 

v. 019. Sicyonia, a Sicyone oppido Laconiae, ubi optima oliua 
nascitur. Trapetis, molis oliuariis. *Trapeta? saxa sunt, quibus oliua 
frangitur, a *trahendo? dicta. 

v. 520. Arbuta, frondes. 

v. 021. Ponit, praestat. 

v. 522. In apricis, in oppositis soli. In apricis, unde ctiam senes 
faprici' nominari possent, qui solem cupiunt propter rigidum sanguinem. 
Coquitur, ut mitis fiat et dulciorem saporem reddat. Vindemia , uina. 

v. 523. Interea dulces et reliqua. Contra illud (v. 511): "Exilio- 
que domos? et reliqua. 

v. 524. Casta pudicitiam, in urbibus ipnpudicitia. Pbera uaccae et 
reliqua. Hae sunt opes rusticorum, haec quies, melior ciuitate. 

v. 527. Ipse dies festos et reliqua. Idest alios sibi facit, quam qui 
sunt festi, uel omnes dies sic habet, ut festos; et alii festos dies cum 
religione celebrant. 

v. 528. Coronant, uino replent. Homerice loquitur. 

v. 529. Te, Maecenas uel Saturnus. 

v. 531. Palaestra, per palaestram. Palaestra , rustica luctatione. 
*Palaestra? dicta est ἀπὸ τῆς πάλης, idest a luctatione, uel ἀπὸ τοῦ πάλ- 
Atty , idest a motu urnae; nam sorte ducti luctantur. 

v. 533. Fortis Etruria creuit. Eleganter Italiae Etruriam iunxit, 
quia primo loquitur de Romuli imperio , et Titum Tatium collegam eius 
intellegi uult. Siue Etrusci bellicosissimi et gens magna fuerunt. Efiru- 
ria. Constat secundum historiam Tuscos a Tuscia usque ad fretum Sicu- 
lum omnia possedisse. 


— 


v. 512 discribit 1 || 514 substantiam C | sustanciam tocius B | 515 parti- 
cipes coni. M | principes B || duri laboris M || 516 Haoc requies C |] 517 fasce 
scripsi | fas B | fascis coni. M | mergites fasces culmorum etc. Philarg. :! 
519 Bicyonia sicyoneB | a add, M, sed uix recessario || molis olinariis scripsi 
(sic et Leid. 135), cf. Philarg.: trapetis autem molis lapideis ubi oliua moli- 
tur | mala oliuarius B | mola oliuaria M || (trapetis) molis oliuaribus; est 
neutrum hoc trapetum C m. II || 522 nominari M | meminisse 1 || In apricis 
C | In pricis B || In apricipis C || possens C || reddat uindemia et uina M ! 
reddit uindemia uina B (uendimia, corr. uendemia) || 524 pudiciam 1 || 
ciuitate B | ciuitatis M |] 527 et alii, festos M || relegione 1 || caclebrant 
C [| 528 omerice B. Cf. Il. 4 470 || 531 palestra B semper || luctacione pnles- 
tra dicta est B | luctatio dicta est M || apo tes pes B | ἀπὸ τῆς πάλης Μ᾿, 
uel add. M [| ἀπὸ τοῦ πάλλειν M | apo tes pame B unde ἀπὸ τῆς παλα- 
ins conicias | nam sorle ex Seru. add. M || 633 etrura 1 |] eleganter C | eli- 
ganter B || Italiam Etruriae Leid. 136 [| titum titacium 1 || colligam I || intel- 
lege C || siue Etrusci scripsi | siue truscil | siue Tusci M || fuerunt scripsi | 











922 MH. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucoli 





et Georgica. 


v. 535. Septem, idest septem montes Romae, Auentinus Tarpeius 
Caelius Taniculus Quirinalis Viminalis Esquilinus. 

. 536. Dictaei regis, louis, a monte Dictaeo Cretae; ut alii, in quo 
nutritus est. Dictaei. Micta locus est in Graecia, in quo louis educatus 
est, et illo imperante saeculum fuit ferreum. 

v. 537. Impia et reliqua. More rusticorum *impios* dicit, qui iu- 
uencos in epulas fuderint eo quod seruandos magis ruri putabant, quia 
maiores bouem nefas comedi putabant. 

v. 538. Aureus, non “aureus Saturnus", sed quia aureo saeculo 
regnauerit, quo bobus homines non uescebantur. 

v. 539. Necdum classicum , sonum tubarum. Classica, tubae. 
Classica. Prius enim per classes diuidebantur exercitus, postea legio 
ab electione militum dicta est. 

v. 542. Et iam tempus equum. Paene sic finiuit, quemadmodum 
in primo, ul comparatione uteretur. Junilus dicit. Aliter Gaudentius 
ait: Allegoricos hoc dicit: debemus fatigato ingenio parcere fine carmi 
Sane uon est comparatio sed translatio, sicut etiam in primi fine dicimus. 
Et plerique uolunt ideo eum dixisse se hoc loco carmini Georgico finem 
faclurum, quod duo sequentes libri pastorales sunf, non Georgici, ut 
etiam in prima huius carminis parte memorauimus. 











GroRG. Liner III. 


v. 1. Quoque. Coniunctio expletiua, quae non ponitur, nisi iam ali- 
quid ante dictum sit. Magna Pales. Virgilius feminino dicit; alil, inter 
quos Farro, putant esse masculinum, ut *hic Pales’. Huic sacra soluun- 
tur Xl. Id. Mai., quae Palilia dicuntur. Magna Pales. Quare *magnam" 
Palem dixit? Cum igitur Romani bellum contra Sallentinos habuissent 
Regulo consule, templo ei a Regulo constituto Sallentini uicti sunt. 
Magna Pales. Inuocat deam pabuli dicturus de animalibus; sicut de 
frumentis et uitibus Ceres et Liber, sic nunc et in carmine pastorali post 
Georgicon dea pabuli Pales, quam alii Vestam esse, alii Matrem deorum dicunt. 











fuerit 1 | fuit M || constrat secundum historiam a tuscia usque ad fretum 
siculum B | secundum historiam tuscos usque siculum omnia possedisse 
Leid. Vtrumque contaminandum uidebatur || secundum historiam] Zi- 
uium dicit I 2. Idem fero addito ut aít Liuius legitur apud Philarg. usque om. 
MI} v. 535 romeae 1 || tarpeus 1 || celius 1 | aniculus C || esculinus 1 |] 586 
locns, om. est M || eductatus B [| seculum B || 537 Moro rusticorum scripsi | 
miro rusticos | || qui iuuencos in epulas fuderint co quod seruandos 
seripsi | qui iuuoncos in epulas eo quod funderint seruandos 1 | qui in- 
wencos in epulas fuderint; P'eerandos M [33 non auroaus ||| seculo B ! 














seto C || uescebantur M | pascebantur 1 num M'|ornam 1 || 642 
Pene 1] An 'apte' nel *bene”? | in primo scripsi | in principio 1| gauden- 
fius aut C |} alligoricos 1 | Gandentius ait allegoricos: hoc dicit M Ἢ 

' 





J| al 

translacio B|| dixisse [se] M | se om. B || eunt post "pratoralee” addi 

memorabimns B | memorauimus M, cf. ad Georg. I argum, et Sera. 
Grow 5. HL vp XDid. mai ig; palea [|| Sellenteni B ἢ car- 

minis, corr. carmine B || Vestam, om. esse M || 





H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 923 


v. 2. Pastor, Apollo, qui pecus Admeti in Thessalia pauit. Pastor, 
qui Admeto seruiens pecus pauit, idest Apollo. Amphryso. Amphrysus 
fluuius Thessaliae, ut Junilius dicit, uel mons, ubi Apollo propter poenam 
colitur et iuxta quem spoliatus diuinitate Admeti armenta pauit. Lycaei, 
mons in Arcadia Pani consecratus. 

v. 3. Cetera, idest fabulae, quae delectationi esse potuerint et qui- 
bus occupari mentes curis uacuae. Carmina, poetarum. 

v. 4. Eurysthea.  Eurvstheus rex Persei genus, qui lunonis in- 
stinctu imperabat Herculi omnia monstra occidere, quibus posset perire, 
unde eum *durum? appellauit, qui potuit ad conplendum odium nouercae 
sufficere. Junilius et Gaudentius dicunt. Durum, fortem laboriosum et 
rerum inexorabilem. 

v. 5. Inlaudati, pro inlaudabilis; est et inlaudatus, qui necdum lau- 
datus est, inlaudabilis qui laudari non potest. Inlaudati, non quod lau- 
datus non sit, sed quod non meruit, participium pro nomine posuit, ut: 
*[nlaudatus Apollo.’ Busiridis. Busiris rex Aegypti, qui hospites Nep- 
tuno patri immolabat; alii dicunt, quod Nilo fluuio ipse ab Hercule im- 
molatus sit. Junilius dicit. 

v. 6. Hylas puer. Hic secutus Herculem, ut aiunt, ab codem dilec- 
tus, a Nymphis adamatus in fontem praecipitatus est, quem cum quaere- 
rent nautae nomine suo saepius uocarunt, dicentes: *Hyla, Hyla.' Juni- 
lius dicit. Latonia, mulier. Delos, insula. Latonia Delos. Latona quo 
tempore a Pythonte premebatur, quem draconem luno inmisit, Delon con- 
fugit, ubi Apolliuem Dianamque procreauit. 

v. 7. Hippodameque. Hippodame filia fuit Oenomai, regis Elidis ct 
Pisarum, qui sic spondebat, ut, siquis eum uicisset in Circensium certa- 
mine, ei filiam suam coniugem daret. llic namque equos ueloces habuit, 
ul poetae fingunt, uentorum flatu creatos, qui procos filiae multos neca- 


v. 2 tesalia 1|| Amphrysous B || thesaliae B || propter poenam scripsi ! 
per poena B | per poenam M [| diuinitate Admeti armenta pauit ex Ser- 
uio add. M|| Lycaei — consecratus om. M || 3 dilectationi B | dilectioni 
C |] potuerint scripsi | potuer 1 | potuerunt M || et quibus occupari scripsi | 
potuer|;|:|j.| et occupare B | et occupari C || mentes M | mentis 1|| nacuae 
scripsi | gratiae C | gracie B | uacuas Μ| 4 Euristhea B | Euristea C || 
et gaudemus C, cf. A. Mai, Myth. I 64. Class. Auct. Tom. III p. 25 | 
5 Inlaudat C || inlaudabilis est, et inlaudatus M || inlaudabilis M | in 
laudibus 1 [| Inlaudat C N articipium C | participii B [| pro nomine M | 
pronomen B | pro no.n Nut 'inlaudatus Apollo.” Hoc nusquam aput 
Vergilium obuium. An scribere uoluit “uocatus’ Georg. IV 7; Aen. III 
395; uel 'formidatus? Aen. III 275 —? Sed potest et Gaudentii nomen 
latere praesertim cum idem scholium apud Seruium quoque inueniatur. 
Ecl. VI 48 certe pro * Gaudentius? corrupte scriptum erat “laudentius ’ 
cf. praef. p. 709 || 6 ut aiunt scripsi | ita ut B[|latonia quo tempore 1 ij 
a phitonte 1 || 7 Hyppodameque B | Hyppodamque C || hyppodame B i 
hypodame C || oenemai 1, semper || helidis 1 || spondebat w^ scripsi | spon- 
debat 1 || uicisset C | uicesset B || cercensium 1 || equos ut loques C || flatus 
C | flata, corr. flatu (sic) B || ereatos M | ereatus 1 || qui procos filiae multos 
necauit scripsi | qui proci coniuge appetitores proce filios multos necauit 
1] qui procos coniugii appetitores filiae multos necauit M | Patet, libro. 


924 Il. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


wit. Fmero, brachio. Pelops corrupit praemio Myrlilum. aurigam , qui 
Oenomai currui cereos axis clauos inposuit , ut calefacta aera, qua fraude 
Oenomaus deceptus est, sicque Pelops Hippodamiam duxit uxorem, idest 
uelocitate currus sui, qui cum in patriam reuerteretur, Myrtilum in mare 
praecipitauit. Insignis umero. Tantalus filius louis pater Pelopis, uolens 
deorum temptare diulnitatem , diis conuiuium fecit e deficientibus epulis 
diis membra fllii subposuit, quo facinore conperto omnes ab iis epulis 
abstinuerunt excepta Cerere, quae brachium eius consumpsit, et iuuenem 
in uitam restituerunt, et Ceres eburneum brachium restituit, ut integra 
conpago corporis staret, et inde Tantalus aput inferos poenas luit, et ideo 
hoc fingitur, quia Ceres terra est. Ipsa esl quae corpora uniuersa con- 
sumil ossa tantum reseruans. 

v. B. Acer, uictor. Acer, nunc nobilis οἱ inlustris, quia equos a 
Berea natos superauit. Qua me, merito carminis. Possim, deest "ego", 
ut: “qua me ego quoque possim." 

v. 9. ictor, pro claro et nobili. 

v. 10. Primus, quia ante ipsum nullus poeta Mantuanus fuit, uel 
quia nullus exinde talis emersit. Modo, tantummodo. 


v. 11. Aonio. Helicone, monte Musis dedicato. 


v. 12. Idumaeas, Phoenicas, uel a regione Idumaeorum. Idu- 
maeas. ldumaea ciuitas in Syria, in qua palmae nascuntur. Palmas, 
arbores. 

v. 13. Ei uiridi in campo. “ Viridem campurm? ad amoenilatis in- 
dicium dicit. Ponam, constituam, ut Salustius: “Bene posita urbs’, idest. 
bene constituta, 

v. 14. Propter, iuxta. Ingens, bonitatem enumerat loci. Tardis, 
longis. 

v. 15. Praetexit, cooperit. 

v. 16. Caesar, simulacrum eius. 

v. 17. Illi uictor ego, agros recipiens uenia Caesaris. In ostro, in 
habitu pontificis, cuius officium in templo consecratur. 


rum 'proci coniugii (coniuge) appetitores? interpolationem esse inter- 
pretatiuam, et "procos filiae" uerborum finibus mutatis, quod saepissime 
usu uenit, in *proce filios’ abiisse || corrupit scripsi | corrumpit B [| mar- 
cellum aurigam B || qui oenemai B | Oenomai [qui] M || cersos M | reos 
B || axis clauos scripsi | eaxidonos B | axedones M ἢ ippodamiam B || cur- 
rus scripsi | cursus B || myrtnlum B [| [et] deficientibus M | e om. B || 
quo M | quoque B || ab iis scripsi | ab is-B | ab his M || excepto cerereq; 
B | brachium eius B | eius om. M || iuuénem in uitam M | iuuenem uitam 
B || et cereus B || aput B [| terra est ipsa est quae B | terra ipsa est, quae 
etc. M || consumpmit B || 


v.8 Acer uictor nunc M ἢ nobilis C | nubilis B || qua me ego 1 | quam 
ego M | Qua me, merito carminis possim, deest ego nt qnam ego quo- 
que possim M | 10 quia ante M | nte 1| 11 Helicone M | benae 1 !! 
12 Hydymeas B | Hydimoas C | ydimeorum B | ydymeorum C || Idym: 
idymea B || palmes B | 13 ad amoenitatis scripsi | ad moenitatis 1 | am: 
nitatis M [14 Tardis, longis om. M [| 17 Illic 

















H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 925 


v. 18. Centum, idest, unius diei exhibebo Circenses. Centum et 
reliqua. Ludos Circenses post mortem Virgilii frater eius Proculus exhi- 
buit. Centum dicit, idest secundum antiquitatem hoc dicit. 4gitabo, pro 
*faciam agitari". 

v. 19. Cuncta, in honorem tuum. Alpheum, fluuium Siciliae. Zin- 
quens , Nemeam siluam, in qua celebratur agon ; ex aliis agonibus ad me 
certatum multitudo conueniet. Molorchi. Fluui. Molorchus pastor fuit, 
qui Herculem uenientem ad occidendum Nemeum leonem suscepit. 

v. 20. Crudo, duro. Decernet, pugnabit. Caestu, ut (Aen. V 69): 
*Seu crudo fidit pugnam conmiltere caestu.’ 


v. 21. Ipse caput tonsae εἰ reliqua. Coronam *tonsibilem? dicit. 
Tonsae. Tonderi enim solent coronae, ut est aput ipsum (Aen. V 550): 
“Omnibus in morem lonsa coma pressa corona.’ 


v. 24. Vel scaena. Apud maiores theatri gradus tantum fiebant; 
nam scaena de lignis ad tempus fiehat, unde usque hodie consuetudo per- 
manet, ul componantur pegmata a ludorum theatralium editoribus. Scaena 
autem quae fiebat aut 'uersilis? erat aut “ductilis’. 'Versilis? tunc erat, 
cum subito tota machinis quibusdam conuertebatur et aliam picturae fa- 
ciem ostendebat. “Ductilis? tunc, cum tractis tabulatis hac atque illa 
species nudabatur interior, unde perite utrumque tetigit dicens: *uersis 
discedat frondibus, singula singulis conplectens. Scaena. Scaenarum 
genera sunt tria: duclilis apertilis uersilis. Ductilis, quae de foliis, aper- 
tilis, quae de tabulatis, uersilis, quae uertitur. Vel. Certe duplicem scae- 
nam dixit ab apparatu magnifico Caesaris. 

v. 25. Purpurea usque Britanni. Secundum historiam locutus est. 
Nam Augustus, postquam uicit Britanniam, plurimos de captiuis, quos 


v. 18 exhibebo M | exhibeo 1 || ludor circenses ] || centum dicit ! ; 
dicit om. M || 19 Linques B [| certatum scripsi | certaturus B | certatura 
M || conueniet (sic) B || Molorchi — suscepit om, M || fluui B || ercolem 
B || ad occidendum Nemeum leonem suscepit scripsi | ad occidendam 
meam nemeam leonem suscipit B || 20 pugnabit uel ludet C || Cestu ut 
se crudo fidit comitere caestu B | Cestu, ut *crudo fidit [pugnam] com- 
mittere cesta? M || 21 Tondere, corr. -eri B || coronae ut est aput ipsum: 
‘Omnibus in morem? etc, scripsi | coronae ut caput ipsum omnibus in 
morem tonsa coma (sic) pressa corona B | coronae et caput ipsum om- 
nibus in morem; tonsa, conpressa corona M || 24 Vel scenam ||| teatri 
3 tontum C || scena 1/|| de lignis B | dilignis B || Sebant C || componantur 

| cum ponatur 1 || pegmata a ludorum scripsi | pegmata ludorum 1 |, 
theatralium B | teatralium C || aeditoribus B | editoribus C | ab editori- 
bus M ||scena 1 || ebat C | siebat B || picturam faciem C || atque illa 
l | &tque illac M | mubebatur (sic) 1} nudabatur scripsi cum Seru. | nu- 
debatur M || frondibus 1, quod retinui, cf. schol. sq. [| conplectans C ' 
Scaena scenarum B | Scena scenarum C || ductilis apertilis M | ductili 
apertili 1 || uersilis scripsi | uersibilis 1 | de tabulatis scripsi | de subito 
B | de rubito C [| uersibilis 1|| Alii tria genera ostendunt ita ut una cum 
foliis fieret, altera uelis, tertin aedificiis idest tabulatis cod. Bern. 16D 
Saec. X I Vel certe M || scenam B | frontibus in uersu, in marg. frondi- 
bus || 25 brittanni B | brittanis C || Pistoriam B | istoriaın C || lucutus B || 
Augustus]. Iulii Caesaris nomen desiderat Augusti loco Ribbeck proll, 








926  H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. ἢ 


adduxerat, donauit ad officia theatralia, Dedit etiam “aulaea’, idest uela- 
mina, in quibus depinxerat uictorias suas. Aulaea autem dicta sunt ab 
*aula Αἰ αἱ, in qua primum inuenta sunt uela ingentia. Aulaea, picta 
uela. Britanni, quia ab co uicti erant, quasi triumphum eius oblatura 
iusula ex spectantium usibus. 

v. 26. In foribus, ianuis. Solido, integro , non sectili. 

v. 27. Gangaridum, non pugnam Gangaridum, sed elefantorum 
vrnamenta faciam. Apul Gangaridas enim, idest Indos ultimos, multi 
sunt elefanti. Pro *ebore? ergo posuit. Faciam, insculpi. Gens inter - 
Indos εἰ Assyrios circa Gangen fluuium, unde Gangarides dicli sunt, et 
hos uicit Augustus, ut (Georg. 11 172): *Inbellem auerlis Romanis arcibus 
Indum." Quirini, Caesaris. 

v. 28. Vndantem , affluentem. Vndantem, idest bella portantem, 
propter Antonii et Cleopatrae bellum grauissimum. Caesaris tamen tota 
Aegyptus fuit. 

v. 29. Nilum, idest habeto. Aere, cum rostris, idest cum summis 
parlibus Liburnarum. Columnas, quas quidam rex hahuit, et uieto eo 
Caesar eas Romam contulit, uel quattuor columnas effecit, quae postea in 
ornamentum Capitolii conlatae, quas hodie conspicimus. 

v. 30. Niphaten. Niphates fluuius οἱ mous in Cappadocia prope 
lines Armeniae, idest populus iuxta habitans. 

v. 31. Versisque sagittis, quae retrorsum iaciuntur a Parthis. 

v. 32. Duo tropaea, idest ex insulis quae orlui occasuique sub- 
ieclae sunt el quas subiecit. 

v. 93. Bisque triumphatas a litore gentes, uel Scytharum et Par- 
thorum, uel ab oriente et ab occidente. 

v. 34. Stabunt, idest, stabunt in templo Caesaris ei maiorum signa. 
Parii, marmorei, Spirantia signa. Caesaris et maiorum eius marmore 
opus futurum laudat. 





p. 30 || brittanniam B | brittaniam C || domauit C || teatralia 1 || aulea 1, 
semper || ab aula [Attali] M | ab aula 1 || primum C | brimum B || Aulea 
picta uel a brittanni quia B, unde Aulaea picta uela. Britanni, quim 
scripsi | Aulaea, picta uel a Britannis quique M [| ob;'latura B || ex 
spectantium usibus scripsi | ex spectantibus usibus B | expectantibus 
usibus M || 

v. 27 sed elefantorum scripsi | idest elefantorum (defantorum C) 1 j| 
aput B | apud C || multi sunt multi sunt 1 || pro ebore M | p(— prae)- 
bore 1 || asirios B || Gangem M || Gangarides] gangetrides B | Gangari- 
dae M | angustiis B || romanibus arcibus B || Quirini | rini B || 28 Vn- 
dantem idest affluentem M || Caesaris tamen tota Aeg, 
caesur famen toti: i 












tus fuit scripsi ' 
ypti C) fuit 1 | nisi satis habeas *domi- 
nur” uel simile qui: fe Nilum idest habeto. Aere, cum rostris 
idest cum summis Nilum aera ei (aera et C) idest habito in 
rostris idest in summis 1|] Nılbornanım 1|| effecit M | efficit B. || 80 capa- 
docia B [131 ieciuntur B. partis B || 32 trophea B | tropheo C | dest in- 
salis I | ex add. M || occaeui quae B || et quas seripsi | ut 1 || subiecit uel 

plaga C || 33 seitarum ||| partorum C || et ab oed desto Blet 
Abeidente d et occidente M || 34 et maiorum signa scripsi | maiorum 
signa | || marmore scripsi | mire B || facturum M || 


















H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 927 


v. 35. Assaraci proles. Ab Assaraci origine Iuliam familiam dicit 
descendere. Demissaeque ab loue gentis. De loue et Electra Dardanus 
natus, a quo Dardania, Erichthonius Tros Ilus Laomedon Priamus. ltem 
Troi filius Assaracus Capys Anchises Aeneas Ascanius Euryleon lulius ; 
Juliorum gens ad Caesarem Augustum descendit; item Ganymedes Troi 
fllius. 

v. 96. Et Troiae Cynthius auctor. Apollinem dicit, qui muros 
Troiae fabricatus est, uel ut alii, Cynthius, rex Troiae et cum suis com- 
memoratur. Cynthius, Dardanus. 

v. 37. Inuidia infelix. Dicit se talia scripturum opera quae prop- 
fer magnitudinem mereantur inuidiam, quia inuidia nihil est nocitura 
timore poenarum. Amnem. Cocytus amnis. Seuerum, tristem. 

v. 38. Ixionis. lxion cum interfecto socero Furiis agitaretur, mise- 
ricordia in caelum receptus ibique Iunonem stupro conpellauit. Simula- 
crum [unonis illi per nubem obpositum est. Cum nube concubuit. Nati 
Centauri. Ixion in Tartarum iactatus est, quia concubuit cum Iunone et 
ob hoc apud inferos constrictus ad rotam poenas luit. Jajonis. Ixion 
rex Lapitharum, poenis subditus. Angues, quibus in inferno alligatus est 
ad rotam. 

v. 99. Exsuperabile, excussum. 

v. 40. Sequamur, idest prosequamur. Saltusque sequamur, quos 
nemo ante scripsit Latine, idest Georgica scribendo, donec tempus Caesa- 
ris aduenit. 

v. 41. Intactos. Non recte dixit “intactos’. Nam plures Georgica 
scripserunt, Nicander, Hesiodus; sed “intactos’ ad Romanos retulit, quia 
nullus scripsit. Tua Maecenas haut mollia iussa. Non ineo fretus in- 
genio, sed tuo imperio ad hoc carmen accessi. 

v. 42. Te sine, anastrophe. 

v. 43. Cithaeron, pars Parnasi mons Boeotiae. 

v. 44. Taygeti. Taygetas mons in Scythia ; uult per haec intellegi, 
quod montes in quibus fiunt quadrupedes, eum ad scribendum hortantur. 


v. 35 Assarici, bis 1|| ab Ioue M || erectonius B || iulus B || capes B |; 
iurileon B || discendit B || ganimedes B, cf. Prob. 57, 20 K || 36 cinthius C || 
appollinem C |] cinthius C | cinchius B | Cinthius M || commemoratur M | 
cum memoratur 1 || Cynthius, Dardanus om. M | Cinthyus B || 37 se talia 
scripsi | se alia | || opera quae propter magnitudinem scripsi | opera 
magnitudinem | | opera [quae] magnitudine Μ mereantur [inuidiam] M | 
meroeatur B | meaturC || siuerumB || 38 receptns scripsi | raptus I, cf. G.IV 
v. 484 || stupro] stropro 1| [ad] stuprum M || Simulacrum Iunonis illi per 
nubem scripsi | simulacrum illius per nubem iunonis ] | simularum ipsius 
Iunonis per nubem M || obpositum B | oppositum C || centa'ri C || iactatus 
est scripsi | iactauit se | || et ob hoc scripsi | et ab hoc 1| et ab hac M | 
eod. 165: Ixion cum interfecto socero Furiis agitaretur, misoricordia 
deorum in caelum raptus est ibique Iunonem stupro compellauit, cui 
simulacrum Iunonis oppositum est per nubem; ille cum nube concubuit 
et exinde nati sunt Centauri; qui Ixion ob hoc apud inferos constrictus 
ad rotam poenas luit || 41 nicades 1 || [ad] Romanos M | romano I |} 
nulus C || haut B || non meo M | non me B || 42 anastrophae C || 43 
boetiae B || 44 scithia 1 || per hoc M |] quadrupedes M | quadripes 1 | 





998 Η. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


Epidaurus. Epiri ciuitas, nobilis equis, in Graecia. Taygeli. Taygetas 
ciuitas est Laconica, et hoc dixit, quia dicturus est (v. 404): *Nec tibi 
cura canum? et reliqua. 

v. 45. Ingeminata , idest per echo, ut est (Ecl. X 8): *Non canimus 
surdis , respondent omnia siluae." 

v. 46. Mox, post Georgica. Ardentis, feruentis. 

v. 48. Tithoni, hoc ait: Vt per tot annos fama illius feratur! 7Ti- 
thoni. Tithonum pro ‘Sole’ posuit, idest pro Titane. Nam “Tithonus’ 
frater Laomedontis quem proeliantem Aurora dilexit et rapuit, a quo 
usque ad Caesarem non tempus longum. Ab origine Caesar, a Troia 
originem ducit. 

v. 49. Seu quis Olympiacae. Olympia urbs in Elide antea Pisa 
dicta, in qua quinto quoque anno louis Circenses et agon celebratur. 
Seu quis Olympiacae et reliqua, dicturus de armentis et gregibus. ‘Ar- 
menta* equorum et bouum sunt, quia haec animalia apta “armis’; *greges* 
uero capellarum et ouium. Seu quis Olympiacae miratus. Curulis cer- 
taminis studiosus , quod geritur aput Pisas in honorem louis Olympiaci. 

v. 51. Corpora praecipue matrum legat. Per hoc ostendit, ma- 
irum corpora esse requirenda. Toruae, truculentae. 

52. Forma bouis, sit. Plurima, longa, ut (Georg. I 187): *Cum 
se nux plurima siluis? Turpe, grande magnum; ut (Georg. IV 395): 
"Turpes pascit sub gurgite focas.? 

v. 53. Et crurum tenus, usque ad crura. Palearia. Pelles depen- 
dentes et gutturi cohaerentes et cruribus. Tenus, modo aduerbium, non 
praepositio; dum contra, ablatiuo seruit, ut alibi. 

v. 54. Magna , longa. 

v. 55. Camuris, curuis uel flexis, unde et ‘camera’. Hirtae, hispi- 
dae horribiles. 

v. 56. Nec mihi displiceat , ualde placeat. 

v. 59. Verrit , trahit legit. 

v. 60. Aetas. Aetas matribus conueniens. Zucinam, quia ipsa 
praeest partui. Hymenaeos , concubitus. 

v. 61. Desinit ante decem et reliqua. lic hysteroproteron. Ordo 
est: anle quatluor incipit, post decem desinit. Post decem annos 








Epydaurus C || Laconica scripsi | laconici B | Laconiae M || et hoc dicit 
[dicturus ost, non tibi cusa ete. M| nec übi B 
1,8 hoe ait ut M || fama Caesaris M || nam Tithonus M | nam tita- 
proroeliantem B||a quo ad, om. usque M || 
a C||bouum B | bonum C | boum M || quia baec, om. animalia 
2 | olimpiacae B || curulis M | corillis B || aput, corr. apud B | 
psi cum Seruio | ipsos B || olympiace, corr. "οἱ B | 'palmae" in 
uersu, in marg. pugnae? | 51 requerenda C || δὲ cum nubs plurima 1 j! 
gurgite focas B | gurgite [phocas] M [| 53 palearea C || guttori 
Tentes 1 pracposicio B | seruit B | seruiret M ut alibi veri 
1 737. II 427. X 536 | ut al ET 155 euraix C | Hyrtae B ἢ 69 legit, uel 
scopat B m. II || 60 matribus scripsi | matris eius (δι᾽ C) I cf. v. 51 | 
Lucinam lemma addidi | aetas matri eius conneniens, quia ipsa ete, M 
cum 1} qui ipsa C61 isteroproteron 1|] 














H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 929 


nec coitum patitur, nec partum reddit; post quattuor uero utrumque 
incipit. 
v. 62. Celera, quae ante quartum uel post decimum. Habilis, 
rationabilis. 

v. 63. Interea. Dum haec ita aguntur. Superat, subpetit. Dum 
laeta iuuentas , florent greges. 

v. 64. Mares, masculos. Pecuaria, armenta. Pecuaria, pro pe- 
cora. 'Pecuaria? enim sunt loca, in quibus pecora Sunt aut ipsa nego- 
tiatio. Fit *pecuaris? “pecuare’. 

v. 65. Alque «liam ex alia, idest, ut haec habes, quaere alia. Suf- 
fice, subministra suscipe, idest ut coeant, unde *sulffectos consules? 
dicimus. 

v. 68. Inclemenlia, inexorabilitas, uel iniquitas, ut Junilius dicit. 

v. (1. Anieueni, antecape. Sortire, subministra substitue; uerbum 
iudiciorum; nam *sortiti? dicuntur iudices. 

v. 73. Tu modo quos in spem, ut habeas mares optimos in spem. 
Tu modo et reliqua. Nota, quod in bobus matres ante, in equis admis- 
sarios ante commemorat. 

v. 75. Pecoris, equi. 

v. 76. Altius, cum iusultatione quadam incedit. Mollia, flexibilia, 
et Ennius de gruibus dicit. 

v. 77. Primus et ire uiam, praecedit in uia. Minantis , minaces. 

v. 78. Audet el ignoto ponto, per quem numquam transierat. 

v. (9. Ardua , nunc “erecla?. 

v. 80. Arguium, breue, paruum. Aluus, uenter. Obesa, pinguia, 
subacta.' 

v. 81. Zuzxuriat, habundat. *Luxuriat? barbare dixit: est enim 
primae positionis uerbum *luxurior?. Toris, capillis spatiosis. .Honesti, 
nobiles. 

v. 82. Spadices, rubicundi. *Spadices? dicuntur equi rubicundi 
coloris. 'Spadix? enim apud Siculos dicitur palma, cuius color rubicun- 
dus. Glauci.... 


v. 62 Cetera, quae] Caeteraq; 1 | Cetera M || et post decimum M || 
racionabilius B || 63 subpetit B | suppetit C || 64 in quibus pecora sunt 
aut scripsi | in quibus pecara aut B [| negociatio B || pecuaris pecuare 
scripsi | pecuaris irae B || in quibus pecora aut ipsa negotiatio fit pe- 
cualis irae M [| 65 habeas M || 66 (optima quaeque) ad omnia quaeque 
pertinet ista sententia C || 69 in uersu *malis', in marg. ‘uelis’ || 71 sor- 
titi B | an 'sortiri'? || iudices] qui occupatorum funguntur officio B m. II !| 
13 habeas scripsi | habeat 1 i obtimos 1 || admiserios B || Notanda sane 
exquisita uarietus; nam in bobus matres ante descripsit, in equis ad- 
missarios ante commemorat B m. II || 76 insultacione B || 77 Minantes 
M || in uersu *minacis?, m. II minaces; in marg. *minantis? (sic, minan- 
tes Μὴ 78 Audet ignoto ponto C | 79 eraecta B || 80 Argutumque M | 
aluus M | alius ] | 81 Luxoriat C | Luxorat B || habundat abundat C 
abundat abundat B || luxoriat 1 || posicionis B [| luxorior 1 || spatiosis 
scripsi | spatiis B || nobilis B [| 82 Spadicit B | Spadic C [| coloris M | co- 
lores 1 || Glauei . . . . v. 83. Giluo. Albis etc. scripsi et *giluo^ lemma 
suppleui, cf. Seru. Agitur de *albo giluo? | Glauci albis B || 


Jahrb. f. class, Philol. Suppl. Bd. IV. HIN. 5. NA) 


030 Η. Hagen: scholia Dernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v, 83. Giluo. Albis uituperationem dare non poterat, quia dixit 
(Aen. ΧΙ 84): “Qui candore niues anteirent, cursibus auras? Sed hic 
una pars orationis est. 

v. 84. Tremit, tremebundus. Artus, pro "artubus. 

v. 85. Ignem, iracundiam, bene, quia interior pars equi ignea est, 
uel flatus indicat maguanimitatem suam. 

v. 86. Iuba, coma. 

v. 87. Cauat , fodit. 

v. 88. Et solido grauiter sonat ungula pulsu, ut ostendat. animo- 
sitatem. 

v. 89. Talis Amyclaei et reliqua.  Amycla urbs in Peloponneso. 
Equos autem a Neptuno Iunoni datos Alciman lyricus dicit Cyllarum et 
Xanthum , quorum Polluci Cyllarum, Xanthum fratri eius concessum esse 
dictum est. Cyllarus enim equus fuit Pollucis. Pollucis. Castor equorum 
domitor, sed licentia poetica fratrem pro eo posuit, ut (Ecl. VI 79): 
*Quas Philomela dapes?, pro Progne, et (Aen. 1 235) *Reuocato a sanguine 
Teucri. pro Dardani. Aut ideo Pollucem pro Castore posuit, quia ambo 
*Polluces? et 'Castores? uocantur; nam et ludi et templum et stellae 
*Castorum? dicuntur. 

v. 90. Et quorum. Ocys Pegasus Arion. 

v. 02. Talis et ipse. Chiron, qui ex Philura natus est. 

v. 93. Coniugis, Philurae uel Opis. Saturnus cum premeret Philn- 
ram Nympham, uxor eius Ops adueniens in figuras equorum eos uertit, 
quo coitu Philura grauis facta petit Pelion montem ct illic Chirona Cen- 
laurum procreauit. Pernix, uelox. Et altum, montem Thessaliae. 

v. 04. Acuto, largo. 

v. 96. Abde domo. Nominaliter intellegendum, ut puto, “abde 
domo? pro “in domo?; nam si 'aduerbialiter? uellet, domi diceret. Abde 
domo, idest *de? domo; altera enim praepositio liic nihili est. Nec turpi 


v 

v. 83 uituperacionem B || quia candore B || oracionis B || 84 artibus 
B | artibus M || 85 Indigat sua magnitudinem C || in uersu *premens", 
in marg. *fremens? [| 86 iuua. corr. m. II iuba B || 88 osten|tendat 
B || in uersu *cornu?, in marg. *pulsu? || 89 amiclei C || amicla 1 || pelo- 
ponenso l || Aleman lyricus M | alcimän liricos l. Dixit hoc Alcman 
haud dubie in hymno ad Dioscuros eritque fragmentis 8—14 p. 635. 636 
Bergk II adiciendum, cf. Schneidewin Philol. VII 738 || cillarum et 
exantum 1 || exanthum 1, cf. Prob. p. 28, 8 K: et iccirco ctiam poetae 
tradunt ab eo donatum Adrasto equum Ariona et Iunoni Xanthum et 
Cyllaron, quos illa dederit Castori et Polluci, et p. 59, 25. Philargyr. 
l. l. ut poetae Graeculi fabulantur || Cyllarus enim equus fuit pollucis et 
magni currus acyllis 1. Haud dubie legendum: Cyllarus enim equus 
fuit Pollucis. v. 91. Et magni currus Achillis — cuius lemmatis expositio 
intercidit || progne B || reuocati B || dardanii B || 90 Ocys scripsi | ocius 
B, an ‘Caerus’? cf. Paus. VIII 25, δ} arrion B || 92 eiron qui ex phi- 
lara I. Quod nomen, cum in sequentibus quoque uel *philara* uel ffilura' 
scribatur, formam *Philuram? reponere haud dubitaui || 93 Coniugi phi- 
larae 1 || phylaram C | philaram (sic) B [| opis C | opis B, unde Ops 
scripsi || adueneens, corr. -iens B || in figuras M | figuras 1 || conuertit M || 
filura 1 || cirona B | ciron C || centnrum C || thesaliae B [|94 large B || 96 
Nominaliter scripsi | sed aliter I || praeposicio B || nihili scripsi | nihil B il 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 48 


ignosce seneclae. Est sensus: ignosce nec turpi senectae, ideo quia equi 
semper formosi sunt. 

v. 97. Frusira, cum iam non possit bene uti coilu. 

v. 99. Vt quondam. Significat aliquando, idest, conparalio est. 

v. 100. Ergo animos et reliqua. Ante omnia uult aetatem et 
magnanimitatem equorum requirere, postea parentes et studium probare, 
ut sciat, quales adquirunt uel amittunt. uictoriam. 4euumque notabis, 
considera aetatis tempora. 

v. 101. Artes, uirtutes. 

v. 104. Carcere, usurpatiue pro carceribus, qui ab arcendo dicti 
sunt; nam 'carcer? est Οἱ eustodia noxiorum. — Carcere, ianuis circi. 
Currus, pro “curribus’. 

v. 105. Juuenum, aurigarum uel speclantium, ul Gaudentius 
dicit. Tuuenum, populi. Zunilius dicit. Exultantia, palpitantia. Zauril, 
ferit. 

v. 106. Perbere, nominatiuum non habet. Verbere torto, frequenti 
scilicet iteratione. 

v. 111. Vmescunt spumis flatuque sequentum, cum humorem 
spumeum inmiltunt. 

v. 113. Erichthonius. Rex Atheniensium ex Vulcano et Terra ge- 
nitus, primus ad currum equos iunxisse dicilur. Junilius dicit. Currus 
et quattuor equos, quadrigas fecit. Erichthonius. Vi Gaudentius. dicit, 
de Vulcano et Minerua reluctante et libidinem proiciente in terram, puer 
draconteis pedibus quasi de Terra et Lite procreatur; hinc ad tegendam 
pedum foeditatem iunclis equis usus est currui, quo tegeret sui corporis 
turpitudinem. 

v. 114. Rapidus, uelox. Victor, propositi sui effector. 

v. 115. Pelethronii. Pelethronion locus est Thessaliae, in quo 
Chiron Centaurus habitauit, “medicinae antistes? appellatus. L«pithae, 
dicti a Lapithe, filio Apolliuis et eorum domicilia circa Pelion in Thessalia 
ferunt fuisse, ideoque inter ipsos et Centauros de locis bellum commis- 
sun est. 

v. 116. Atque equitem, equum. 

v. 117. Insullare, frequenter salire. Glomerare, alternare, ut cum 
disciplina incedat. 


v. 97 coitu scripsi | conuentu 1 || 99 conparacio D || 100 Ergo, corr. 
erga B || ante B | arte M || quales scripsi | quos B | qui M || amittunt M | 
admittunt B [| 104 qui ab M | quia ab 1[| nam earcer est et scripsi | nam 
et carcer est ||| pro curribus scripsi | pro curruum B || 106 iteracione B |! 
109 adsurgere in uersu, in marg. *adsurgere uel insurgore? || 111. Vmes- 
cunt 1 | Humescant M || humorem scripsi | hudorem C | hodorem B | odo- 
rem M || inmittunt scripsi | amittunt 1 | admittunt M || speum C [| 113 Eric- 
thonius l|| ex uulcano 1 | et Vuleano M || genitos 1|] currum quos C || et 


or 
IHI equos C || Ericthonius C || de Vuleano — proiciente] mendosum hoc 


loquendi genus non ausus sum coniciendo temptare || currui] curru 
δ tegeret scripsi cum M | tegerat B || 110 Peletroni € || peletronion 
C 


thesaliae 1 || ciron 1 || centaur'os (= centaurusos) B | centauros € |, 
Laphitae B || a laphis B | a Lapithe M ||tesalia B || commissus est B | 


ΝΣ 


932 II. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 118. Mequus, iunctos el singulos regendi. Juuenem, equum. 

v. 120. Quamuis saepe fuga, ordo est: quamuis fuga sit saepe 
uictor. Zgerit, persecutus est aul reuocauil fugientes. 

v. 121. Ei patriam Epirum. Epirus posita circa lonium sinum; 
propter campestrem tractum oportunissima loca equino generi, Referat, 
idest repraesentet. Claras , fortes. 

v. 122. Neptuni, nobili genere ab equo Neptuni, qui tridentis na- 
Lus est percussione, cui nomen erat Arion uel ut alii Pegasus. Ipsa de- 
ducat origine gentem , deest hic *aliquis?. 

v. 123. His animaduersis. Moribus et aetate deprehensis. Sub 
tempus, coeundi scilicet, quo eis cura maior adhibetur. 

v. 124. Denso, non laxo, quod quibusdam potationibus per fraudem 
agasones facere consueuerunt. 

v. 125. Maritum , admissarium. 

v. 126. Florentes, adultas maturas quibus robur adquiritur. 

v. 127. Blando labori, idest perifrasis coitus. 

v. 128. Referant, repraesentent, ut ibi (Aen. IV 329): “Qui te 
tamen ore referret? leiunia, infirmitatem ex inedia. 

v. 131. Sollicilant, commouent. Frondesque negant et fontibus 
arcent, Per transitum frondes negant post primum partum, contra illut 
(v. 126): *Florentesque secant herbas fluuiosque ministrant.? 

v. 133. Cum grauiter et reliqua. Hoc est, die medio, idest ad ex- 
primendum diei tempus , non quod equae aestatis lempore non coeant. 

v. 135. Nimio, pingui. Zuxu, idest a luxuria segetum. Nimio ne 
luxu et reliqua. Turpem rem uitauit, a translationibus, quas omnes ab 
agricultura traxit. 

v. 136. Genitali aruo, muliebri. Oblimet, claudat meatus, et hoc 
translatiue, nam legimus (Georg. I 116): *Et obducto late tenet omnia 
limo? Aruo, folliculo quem “uuluam? uocant. 

v. 139. Exactis, uicinis partui; tunc diligentius tractandae sunt, ne 
abigant. 


v. 118 Equus ||| iunctos et singulos regendi scripsi | iunctus ad sin- 
gulos regendi 1|| 121 ephirum epirus 1 [| oportunissima 1 || representat B || 
121 in uersu “fortis’, in marg. *claras? || 122 erat Arion M | erat 1 || Ipsae B | 


deest hic *aliquis’ scripsi | alid B (— aliqua) | aliquid M || ipsa in uersu, 
in marg. ipsam [| 123 coeundi M | coequandi 1 || scilicet quo scripsi | sci- 


licet et quo 1]|| 124 quod Seru. | quia B [| quibusdam (sic) B || potacioni- 
bus B || agasones facere consueuerunt om. B, ex Beruio addidi || Denso 
non 

laxo B || 125 admisarium B || 127 Farra pro omni annona C || 128 ut ibi 
scripsi | repraesentant ut ubi qui tae tamen D | qui om. M || 130 Dicendo 
*nota? per transitum tetigit rem ab aliis diligenter expressam C m. II || 
131 In uersu *sollicitat’, in marg. ‘sollicitant’ || illut B || herbas et flu- 
mina ministrant B [| 133 diei M | diea 1[| non coeant scripsi | coeant 1 || 
135 luxoria l| a tra®slacionibus B] malim ‘in translationibus’ || 136 Geni- 
talia muliebri ] | Genitali, muliebri M || translatiuae B [| latet enim et 
omnia 1|| 138 Cura idest narrationis admissariorum (emisariorum) C || 139 
Exhactis B || tractandae scripsi | tractanda 1 || abigant M | abigeant 1 || 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Geurgica. 933 


v. 141. Non saltu superare uiam, quod solet fieri cum pascunt 
pedibus inpeditis. E! aeri carpere prata fuga. Voc in l'annonia fit. 

v. 142. Fluuiosque innare rapaces, ne abortiuum faciant. 

v. 143. Saltibus in uacuis, sine spinis, spatiosis, magnis. £t 
plena , ue inclinentur ad potum. Secundum, idest iuxta. 

v. 145. Speluncaeque tegant et reliqua, ut si fuerint aestus, ha- 
beant receptaculum. | Procubet , immineat. 

v. 146. Est lucos Silari circa. Ordo est talis: est circa lucos. 
Silari, fluninis Lucaniae.  Silarus fluuius in Lucania, idest regio uel 
lacus in Italia. Silarus amnis Lucaniae. Jlicibus, propria fluminum uel 
arbores. 

v. 147. Alburnus mons Lucaniae. Volitans, nomen, non partici- 
pium, ac si diceret: est multa musca uolitans. Alburnus, mons, qui a 
Silaro distat VI passuum. Circa liaec loca uulgo aestiuo tempore pecora 
demorantur. silo, muscam uariam Nigidius dicit eum esse, et eum 
*tabanum? bobus maxime nocentem. 

v. 148. Oestrum, Graece, Latinum “asilus’, uulgo “tabanus’. Cui 
nomen asilo, ut (Aen. IX 593): *Cui Remulo cognomen erat. Circa haec 
loca pecora aestiuis lemporibus demorantur. Fertere, uocarunt. 

v. 101. Tanagri. Est locus in Graecia aut palus Boeotiae; torrens 
est ante ciuitatem Graeciae Tanagraım, quae sita est septimo miliario a 
Chalcidensium ciuitate. Tanugri, torrens fluuius Lucaniae. 

v. 153. Inachiac. lo, Inachi filia, quae a loue conpressa est. Me- 
ditata , inferens exercens excogitata. 

v. 154. Hunc quoque el reliqua. Etiam hoc malum remoue. Fer- 
uoribus, meridie. Aunc quoque el reliqua. Ostendit, quemadmodum 
possit uitari. 

v. 155. Grauido, praegnanti. 

v. 156. Sole recens orto, statim. Jul noctem ducentibus astris, 


aut circa noctem. Ducentibus, aduehentibus. 


v. 141 quod solet scripsi | quia solet I ||in pannonia B | in Pania in 
textu, in Panico (idest terrore) coni. M || 142 in mare B || faciant scripsi | 
faciat B || 143 sine spinis scripsi | in spinis | || spaciosis 1|| magnis scrip- 
si | magis 1|| 145 Spelunchaeque B | si fuerint aestus scripsi | si fuerint 
aostas | | si fuerit aestas M || ceptacula C || inminet B || 146 Est lucos C | 
Est lucus B || est talis M | est alis 1 |] Silarius 1 || amnis in lucanie B | 
amnis in Lucania M || fluminam, corr. -um B | flumina M | an ‘propriae 
fluminum arbores? | 147 Alburitus C || ac si diceret multa, om. est M || 
musca uolitans i- actanoc -i- clehurin C, quorum illud *ilicis?, hoc 
*asili? nomen interpretari uidetur, cf. praef. p. 691 || VI passuum B | III 
passuum M || eum esse scripsi | inesse B, cf. Philarg. || 148 grece latinum 
I1 || uulgo M | uulgus I ||tabantur C || asilio C || uocarunt scripsi | uocatur 
B [| 151 boetiae 1 || tanagrum 1/[| miliario à M | miliario B || miliriario C |j 
Chalcidensium scripsi | calcidonensium 1 || ciuitate M | ciuitatem 1| 154 
remoue M | renoue 1 || meridie] meridie ! | meridiei M || 155 praegnanti 
scripsi | ignoua 1 |ignauo M || 156 dicentibus B || aut circa noctem ad- 
uertimus B et in marg. RQ, idest *require?, lacunae signum apertissi- 
mum, unde scripsi 'Zucentibus, aduehentibus? || 


034 1. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 158. Notas, characteras. Inurunt, significant. 

v. 159. Submittere, admissarios, uel ad fetum. Aabendo, seruando. 

v. 160. Aut aris, de omnibus dicit generaliter. Sacros, dedicatos 
ad sacrificium. 

v. 161. Ei campum horrentem et reliqua. Poetice dicit; sufficit 
enim *scindere campum.? Inuertere, abscindere. 

v. 162. Celera. Excipit illa animalia, quae dicit domi seruanda. 
Per agros , per herbas. | 

v. 163. Tu quos, de bobus domandis dicit. 

v. 164. Hortare, blandire. Viam, artem. Znsiste, impone, institue. 

v. 165. Dum mobilis aetas, idest in teneros. Mobilis, pro flexibilis. 

v. 166. Circlos, idest circulos. “Circus” principale, unde *circulus'?, 
sicut "periclum? et *periculum? et *saeclum? “saeculum?’que. 

v. 168. Serwuitio, seruituti. Torquibus, circulis. A4dsuerint, inole- 
uerint. 

v. 169. Gradum conferre, accedere ambulare incedere. 

v. 170. Inanes , sine pondere. 

v. 173. Instrepat, stideat. Aereus, pro aeratus, ut (Aen. V 274): 
*Aerea quem obliquum rota transit. Aereus, ualidus. Orbis, orbes rotas. 

v. 174. Pubi indomilae , iuuencis. 

v. 175. Vescas, siccas et teneras uel amaras. 

v. 179. Studium, deest ‘sit’. 

v. 180. Praelabi flumina, quia ut supra dixit (v. 18) circa ripas 
fluminum agitabatur curule certamen. Pisae. Pisa oppidum Graeciae, 
ubi Olvmpia celebrantur, et Alpheus fluuius illius regionis est. 

v. 181. Et Iouis in luco, quia ibi quinquennalia Ioui celebrantur. 


t 

v. 158 caracteras C | carecteras B || 159 Submitere B || 161 poetice 
M | poetae B | poete C || sufficit, om. enim M || capum C || 162 Ónetera 
B | Cetera C || In uersu ‘per herbas", in marg. *per agros? [| 163 de bo- 
bus M | de duobus B | de duobus, corr. bobus m. II C || 164 ortare B || 
blandire M | plandiri B || instituae C || 165 idest scripsi | ideo B || in 
teneros] malim *in teneris? || 166 Circos B || peridum B [[sectum seculum- 
que B || 168 Seruicio B || circulis scripsi | circaeis 1 [| Seruitio, seruituti, 
torquibus cireaeis M || 173 stridet 1 IF Aereus, ualidus orbis; orbes, rotas 

et teneras 

M || 175 siccas et teneras uel amaras C | siccas uel amaras (et teneras 
m. II, siccas in ras.) B | siccas uel teneras M || Ad v. 176 haec sunt in 
libris scripta: Etiam farraginem tulerit salis satyro (satiro C) alieno ut 
reo uiridi minphis (nymphis C) aptos & tyro autem largo abundantia 
drimoque exanthoque (exantoque C) hee sunt (he esser C) ut multi 
uolunt de quibus ait iuno sunt mihi bis septem (bis VII C) sed magis 
poetice (poetice C) conficta nomina accipimus pinctis intinctis pellibus 
aut hebridas (hedridas C) habentem dabis. — Pertinent ea ad Georg. 
IV v. 335 sq. hunc in modum emendanda: .... etiam ferruginem tule- 
rit T. //yali saturo, hyali uitreo uiridi Nymphis apto. Saturo autem 
largo habundanti. v. 336 Drymoque Xanthoque. Hae sunt ut multi uo- 
lunt, de quibus ait Iuno (Aen. I 71): “Sunt mihi bis septem’, sed magis 
poetice conficta nomina accipimus. v. 342 Pictis íincinctae pellibus ambae, 
nebridas habentes, cf. ad Georg. IV 335. 336 || 180 quia ut supra scripsi ! 
quia supra 1 || curule M | curale 1 [| olimpia B || celebrabantur M [| In 
uersu *Alphea^, in marg. !Alyphete/ || 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. — 035 


v. 182. Primus equi labor est. Laborandum est, ut haec omnia 
non equi aspernentur. 

v. 183. Lituos, tubas maiores. Gementem , sonantem stridulam. 

v. 184. Ferre, pati. 

v. 185. Blandis laudibus, blandimentis. 

v. 186. Plausae, manu percussae. .4marc, diligere. 

v. 187. Depulsus, exemptus. 

v. 188. Inque uicem del, non semper, sed modo det, modo non 
del capistris, ne adhuc tenera ora laedantur. Mollibus. Primo enim pulli 
capistro subiciuntur, ut incilentur, postremo μέ flectantur et ceruicem 
habeant molliorem , unde ipsa capistra ait *inollia?. 

v. 189. Inualidus, adhuc infirmus. Zi iam inscius aeui, ignarus 
adhuc pullus, nondum habens ab annis fiduciam. 

v. 190. Tribus, annis. Accesserit, acceperit. 

v. 191. Carpere , ambulando facere. 

v. 192. Conpositis, sinuosis. 

v. 193. Sitque laboranti similis, quasi laborans; nam non laborat. 
Sitque laboranti similis, ad futurum laborem praeparatur. 

v. 194. Tum uocet, prouocet ; cominoueat, idest maiorem impetum. 
Per aperta, idest per campestria. Ceu liber habenis, sine freno, extra 
frenos constitutus. 

v. 195. Aeguora, campos, ut uideatur ultra harenas ambulare. 

v. 196. Qualis Hyperboreis. Wyperborei montes in Scythia, inter 
quos aquilo inflat. 

v. 197. Hiemes, tempestatem significat. Quomodo his locis dixit 
magnam incubuisse tempestatem, et quomodo item (v. 199): “lenibus 
flabris’? Soluilur sic: quia quando materies tanta saeuit, serenum facit. 
Atque arida differl, sine pluuia spargit, dissipat. 

v. 199. Horrescunt, contremiscunt. Flabris, flatibus. 

v. 201. Ille, uentus. Verrens, trahens. 

v. 202. llic, equus. Ad Elei, circi fines. Elis ciuitas Arcadiae, in 
qua agitur curule certamen. Species pro genere dicitur. Ad Klei metas, 
agon apud Eleam ciuitatem. Maxima spatia. Mic Olympiacum maximum 


i: uocibus 

v. 182 equi non M || 181 Fere B || 185 Blandis laudibus blandimen- 
tis C || 187 exemptus scripsi | excerptus 1 188 modo non det. Cupistris, 
ne adhuc etc. M. Est Ceisi sententia. apud Philargyrium || subiciantur 
ΜΠ αἱ incitentur seripsi || ut incitati 1 || ut flectantur scripsi | flectentur 
1[|| 190 acciperit 1 | in uersu “accesserit’, in marg. *acceperit? || 122 Com- 
positis C || 193 laborant similis C || 194 commouet 1 || extra frena M || 
195 ultra harenas| ultra arenis 1|| 196 Qualis hyperborei (s eras.) mon- 
tes C | insicia ] || 197 Hiemes tempestatem his locis significat quomo 
dixit B | tempestatem significat. Quomodo his locis dixit scripsi | tem- 
pestatem, His locis significat quomodo dixit M || lenibus flabris solui- 
tur, sic quia etc. M || quando materies tanta scripsi | quanta materies 


tantum B || defert 1]|| 199 contremeseunt B | contremescuno C || 202 equos 
Β|] 4d Elei, circi fines. Elis, ciuitas scripsi | Ad elei (olei C) heleus 
circilis (circulis C) ciuitas 1 | 4d Elei, Elis circilis ciuitas M || currule 
M | cereale 1 || Eleam M | eliam B || olimpiacum B || studium B || ercoles 


936 1H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. . 


est stadium , quod Hercules melitus est, ideo maius ceteris, quod Hercu- 
les maiores passus quam ceteri homines habuerit. 

v. 203. Εἰ spumas aget, quod signum equi fortis, si cruentas, 
uelut ruhras egerit spumas. 

v. 204. Belgica esscda, genus uehiculi Gallici; nam Belgi ciuitas 
Galliae; quae appellant *esseda? quaeque Lucanus memorat. Molli, tenero 
uel domito ut (Aen. XI 622): *Mollia colla reflectunt.? 

v. 205. Farragine , esca farris. 

v. 206. Inte domandum , antequam domentur. 

v. 208. Duris, asperis. Lupatis. “Lupata” a lupinis dentibus, for- 
tiores freni, idest hami quibus equi facilius flectuntur. Parere, discere 
ambulare. 

v. 209. Vires industria firmat, solidum facit coitum. 

v. 210. Caeci, latentis. Amoris , cupidinis. 

v. 211. Cui gratior usus equorum, siquis est, qui non amat boues, 
sed equos. 

v. 212. Procul atque in sola relegant, idest secreta a feminis 
remouent. 

v. 213. Pascua, ut manducent. Post montem , ne uidant et ne 
possint accedere. Oppositum, absconditum. Zi trans flumina lata , ne 
natatus sit facilis. 

v. 215. Videndo, dum uidetur. Vrit , incendit. 

v. 218. Cornibus inter se subigit, inter utrumque praelium. De. 
cernere , certare. 

v. 219. Formosa iuuenca, ut magis illa laudetur, quam Sila. Lau- 
daturus locum pascui etiam pecus laudat. 

v. 221. Lauit, qui alium, *lauaU; *lauatur?, qui se. Lauo lauas 
lauor lauaris lauo lauis. 

v. 222. Versa , contraria , infesta. 

v. 223. Reboant, reclamant remugiunt, faciunt sonum. — * Reboo? 
uerhum Graecum; nam apud Latinos nullum uerbum, quod ante o finitum 


mecitus, corr. metitus B || hercoles B || In uersu *hinc?, in marg. ‘hie? | 
An: ‘eo maius ceteris quo Ilercules maiores οἷς. || 


v. 203 equi fortis si 'cruentas? uelut rubras scripsi | equi fortis 
cruentas uelut robustas l| equi fortis. Cruentas, uelut robustas M, cf. 
Seru. || 204 Belgica (sic) I | ueiculi B [| Belgi M | gelgi 1 || quam appel- 
lant *essedam? M ! quem appellant issida 1[| quamque 1 || quae — esseda 
— quaeque scripsi, cf. Lucan. I 426: *Et docilis rector monstratis Belga 
couinni’, cum scholiis || molli in ras. B | collo flectunt B | molli collo 
flectant M || 208 a lupinis dentibus M ex Seru. | a lupinis B [] forciores 
freni B | fortiora frena M || hami scripsi | cami B || 211 gracior 1|| boue 
sed 1]| Zoum idest taurorum; equorum, idest admissariorum (emisariorum) 


ue ec 
C [| 213 niuideant C || accere C |] 216 in uersu n herbae, in marg. *neque' : 
218 inter utrumque scripsi | utrumque 1 || proelium 1 || in uersu aman- 
lis, corr. -tes m. IT, in marg. “tauros’ || 219 quam Sila scripsi | quam 
silua B || 221 quia alium B || 223 remugiant M || uerbum πᾶ grecum 
πᾶ C || ante o finitum habeat alterum scripsi | ante o finitum habeat | | 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgic.. — 937 


habeat alterum, nisi *inchoo’, quod adspiratione in medio sita aliter scri- 
hitur *incoho?. Il tantum nomina in quibus c litteram sequitur h, idest 
sepulchrum orchus pulcher, e quibus hodie *pulcher? tantum recepit. 
Olympus, mons Macedoniae, et aller in Moesia; praeterea a poetis Olym- 
pum *caelum? uocari notum est. 

v. 224. Stabulare, *stabula? proprie magnarum ferarum recep- 
tacula. 

v. 225. Exulat, extra solum suum habitat. Oris, ablatiuus casus. 

v. 226. Multa, pro mullum, subauditur dolens. Multa gemens, 
ululatibus. Ignominiam, infamiam. 

v. 227. Inultus, gemens. Plagas , contusus, 

v. 228. Auitis, a patre relictis. 

v. 229. Ergo omni cura uires exercet, ab inculto robur adquirit. 

v. 230. Pernix, perseuerans. 

v. 231. Carice, herba durissima. De carice et iunco tegurium con- 
struxit. 

v. 235. Oblitum, securum ex ante acta uictoria. — Fertur, uenit. 
Fertur in hostem, contra aduersarium ; metafora a militibus. 

v. 237. Fluctus ut, primum. In medio coepit cum albescere ponto, 
sic taurus paulatim ad praelium. 

v. 239. Inmane, aduerbium. Sonat fragorem facit. 

v. 241. Subuectat , subleuat. 

v. 244. In furias , idest amoris. Amor omnibus idem, similis, pro 
natura uniuscuiusque generis. 

v. 245. Leaena, graecum, sicut “dracaena’. Nam nos “hic? et 
*haec? leo dicimus, quia in o exeuntia nomina feminina ex se non faciunt 
ut fullo latro leo; “lea? autem usurpatum est. 

v. 247. Informes ursi, bene informes, quia informis nascitur , sed 
mater lambendo ad formam suam deducit. Informes, uel magni. 


3 


ante o finitum o habeat M || quod adspiratione in medio sita aliter 
scripsi | adspiracionem in medio sita quod aliter 1 | quod adspiratione 
in medio posita M || incoho B | inchoo C || Tria tantum M | in tantum 1 | 
c littera M || sepulchrum orchus pulcher B | sepulchrum orcus pulcher 
C || e quibus hodie] Malim A hodie || pulcer B | pulcher C || recepit ! ! 
recipit [adspirationem] M e Seruio, cf. de eo loco Probi catholica p.38. 
27 k.: *quidam putant inchoo debere dici inperitissime. nam neque 
post c litteram h Latina uerba regit, exceptis nominibus tribus quae 
supra posui, pulcher Orchus lurcho; neque o littera ante o alteram in 
Latinorum uerborum prima persona reperitur..... igitur quod Plautus 
posuit reboo, non Latine sed Graece posuit Vnde pro *sepulelirum? 
scripserim “lurcho?. 

v. 226 Exultat C || 227 /nultus gemens. Plagas contusus scripsi | 
Inultus gemens contusus 1|| 999 ab incultu 1 || 230 Pernix uelox, supra- 
scr. perseuerans B || 235 Oblitus securus 1[|| 337 prelium B || 244 7n furias 
idest amoris idest in furores; ignem idest in ardorem libidinis C || 215 
Non alio, idest quam quando ruunt in ignem libidinis C || leo; lea autem 
nsurpatum est scripsi | ut fullo latra leo leo hoc sutem usurpatum est 
B | lea non autem usurp. e. M [| femininia B || 247 in forme quiat infor- 
mis C || lanbendo B | labendo C || 


938 1]. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 249. Libyae, regio. Solis, desertis. In agris, serpentibus 
plenis. 

v. 250. Nonne uides. Signatis utitur sermonibus ad uim amoris 
exaggerandam. 

v. 251. Notas odor attulit auras. Hypallage, pro si aurae odorem 
adportauerint notum. 

v. 252. Virum, uirorum fortium. 

v. 253. Non scopuli et reliqua, ut supra dixit (v. 213): *Post mon- 
tem oppositum et trans flumina lata." 

v. 254. Vnda, per undam. Montes, saxa ingentia *montes? uocat, 
quae flumina uoluunt. 

v. 255. Ipse ruit et reliqua. Dicit enim domesticum suem, quem 
*cicurem? uocant; nam de apris dixit supra (v. 248): “Tum saeuus aper.' 
Vult enim non solum feras probare, sed et mansueta animalia amore in 
furorem moueri. Sabellicus. Iunilius dicit Samniticum aut Sabinum. 

v. 256. Prosubigit, fodit impellit. Fricat arbore costas, alternis 
pugnaturi sues. 

v. 257. Vmeros, hic pro armis posuit. Ad uulnera, uenatorum. 


v. 258. Quid iuuenis et reliqua. Hic Leandrum tangit. Hic quidam 
putant Virgilium tristissimam et ab omnibus poetis paene celebratam 
historiam Leandri atque Herus solam retulisse, sed falluntur; nam gene- 
raliter cum ferarum, tum etiam adulescentum amorem grauem et omnis 
condicionis expertem uult indicare, et sicut ille ardens interiectum trans- 
ierit pelagus, ita etiam ceteros accipiamus in cupiditate nimia nullos 
timores refugisse mortis, ut Leander ob amorem Herus, uxoris eius, na- 
tauit et periit, qui Hellespontum inter Asiam et Europam noctu tranatans 

. à puella lumen in turre accendebatur. Hoc saepius facto tempestate 





v. 249 Lybie B || Solis desertis in agris B | Solis erratur in agris 
M || 250 ignatis C || ad uim amoris exaggerandam M | ad uim maioris 


exaggerandum | || 251 Notas adorat attollit auras ypalage B |] 254 mon- 
tes uocat que B | montes uocati, quae in textu, in marg. uocata quae 
coni. M || 256 domesticum suem B | domesticum sicut C | domesticum 
siue M || de apris dt C | dicit B [| non solum fera M || Post *mansueta 
animalia? insuper *amore in furorem agi? uel *ad furorem moueri? adi- 
ciendum censet M | amore in furorem moueri ex Seru, addidi [| uel Sa- 
binum M || 257 armis sposuit B || posuit ad uulnera uenatorum M || 258 
Quid iuuenis οἱ rel.] Quod scholium cum in cod. Verg. Bern. 165 integrum 
adsit, eius codicis scripturas uariantes D siglo notatas addidi. Hic 
quidam D | hoe quidam BC || pene ! || leandri atque adero. solum 
retulisse D, unde Herus solam scripsi | leandri atque eaurea retulisse 
B | aurea retulisse C | Heronis retulisse M || cum ferarum 1 | cum fero- 
rum M || adulescentium D | adolescentum BC \ amorem amorem D || et 
omnis condicionis D | et omnem condicionis B | conditionis C | et omnis 
rationis coni. M |] ita etiam ceteros 1| ceteros om. M || ob amorem D | 
ab amorem BC | ab amore M || adero uxoris natauit D | ydoneris uxoris 
eius natauit BC | Heronis uxoris eius M || hellespontum D | ellespontum 
BC || et europam D | et eurupum C | et urupam B | tranatans . .. a puella 
Scripsi, lacunam aignaui \ natans a puella BD | nata sis a puella C ii 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georzica. 080 


]umen extinctum aliquando. Leander periit in tenebris. Cuius corpus 
naufragio terrae adpulsum est. Puella uero se a turre praecipitauit et in 
amplexibus dilecti cadaueris animam amisit, et a parentibus hi sepulti 
sunt. Quid iuuenis. Leandrum dicit, siue generaliter pro omnibus aman- 
tibus. Cui uersat in ossibus ignem, quia post illa animalia homines gra- 
uius in amorem mouerit. 

v. 261. Porta tonat caeli. Aer nubibus plenus, per quem iter in 
caelum est. 

v. 262. Nec miseri possunt reuocare parentes, hoc est preces 
parentum. Hoc genere dicendi aliud uult intellegi, idest sine respectu 
sollicitudinis parentum suorum in discrimina se dare. 

v. 263. Super, alii supra. Virgo, pro puella. Inuolutus est sen- 
sus: quae sine respectu pudicitiae parentumque pudoris damna ne- 
glexerit. 

v. 264. Quid lynces Bacchi uariae. *Lynces? ferae, consimiles 
pantheris , Libero patri adsignatae propter uarietatem macularum, quibus 
indicatur uini usum uarias et lubricas hominum mentes efficere. Iunilius 
dicit. 

v. 265. Inbelles, fugaces. 

v. 266. Insignis, praecipuus notabilis. 

v. 267. Et mentem, furorem uel uoluntatem. Mentem, ardorem 
concubitus minui uisis equis dicunt. 

v. 268. Polniades. Potniae urbs in Boeotia, uel uicus; quae habet 
multas fabulas, et haec est ciuitas Deucalionis, de qua Glaucus fuit. Qui 
cum sacra Veneris sperneret, illa irata equahus eius inmisit furorem, qui- 
bus utebatur ad currum, et eum morsibus dilacerauerunt. Est ordo: quo 
tempore Glauci membra Potniades quadrigae absumpserunt. Glaucus 
equas cognomine Potniadas habuit, quae prius Diomedis erant. Malis, 
maxillis. Quadrigae , equae. 


sepius 1 |] extinctum aliquando. Leander scripsi | extinctum leander 1! 


exstinctum [est et] Leander M || naufragio terrae adpulsum scripsi 
terri uero 


naufragio appulsum D | naufragio adpulsum BC || puella e turro se D ! 
puella 8e & turre DC || dilecti D | dilicati BC || parentibus C | perentibus 
B || hii BC || dicit, om. siue M || amantibus M | animantibus B |] ignem. 
quia post scripsi | ignem post B || in amorem mouerit B | in amorem 
conuertit M || 

v. 261 in uersu ‘reclamant’, in marg. *resultat? || 262 parentis M ^ 
preces parentum scripsi | parentum B || Hoc genere cod. 165 | hoc 
genus B || sine respectu cod. 165, M | fine respectu B || 963 pudiei. 
tiae parentumque pudoris M | pudicitiae parenpudoris B || 264 linces C |. 
Bacchi uariae scripsi | bacchiae 1 | Bacchi M || ferae seripsi | fere ] 
panteris B | pateris C || adsignate 1 || indicatur uini M | indicat uni | | 
quibus assignat uini cod. 165 || lubrias C || omnium C || 366 notabilis M | 
motabilis 1 || 267 ferorem uel,uoluntatem amoris C | unde possis etiam 
*feruorem? conicere || concubitos B || 268 potnidis urbs in boetia 1 | Potnia 
urbs M || uicus que habet B | uicus cuiuslibet C | uieus, qui habet M 
dilacerauerunt M | delacerauerunt 1|| gluci membra C || adsumpsérunt 1 ': 
potnidas C || domedis 1|| quadrigae aeque B || 


940 Η. Hagen: sclıolia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 969. Trans Gargara, pro quibuslibet montibus. Gargara, 
mons uel ciuitas Mvsiae regionis, ubi est amnis Ascanius. 

v. 270. Ascanium, pro quibuslibet fluminibus. 

v. 273. Ore omnes ct reliqua. Varro dicit in llispania ulteriore 
uerno lempore equas nimio ardore contra frigidiores uentos ora pate- 
facere ad sedandum calorem et exinde concipere pullos ueloces. 

v. 274. Exceptant, frequenter excipiunt. 

v. 275. Vento grauidae. lunilius dicit: saepe in Hispania circa 
Hiberum amnem equae sine ulla admissura Fauonio uento concipiunt, 
quod a quibusdam *sacrum pecus? uocatur, quod Solis esse autumant. 

v. 277. Eure, o, uentus. 

v. 278. In Boream Caurumque , nomina uentorum hic dicuntur, 
pro quibus equae concipiunt. Caurum. Fauonius uentus nimium frigidus 
esl; inde inpudens habetur. 

v. 279. Sidere, frigore. 

v. 280. Hic demum hippomanes, per insaniam equarum uirus 
quod collegitur ex corpore destillans a pastoribus, ad mulierum deuotio- 
nes aptum dicunt. Sed ZAeocrilus in Bucolicis (Pharm. II 48) in Arcadia 
herbam quandam esse significat. Quod simul qui gustauerit, nimia rabie 
efferatur, deinceps sudor ab inguine destillat ad concitandos amores effi- 
cax. Junilius dicit. Hippomanes, herbae genus. Pero quod nomine 
dicunt, excitatio ueritatis. Zippomanes. Si eam equae comedant, furore 
quatiuntur. 

v. 281. Lentum uirus, uiscidum. 

v. 283. Innoxia, uenena. Et non innoxia uerba. Exprimit aug- 
mentum inalitiae, quod nouercae uerhis armant uenena. 

v. 284. Inreparabile, inreuocabile. 

v. 285. Singula dum capti et reliqua. Singula capti amore uecta- 
mur, idest dum speciatim cuncta describimus. 

v. 287. Hirtas, hirsutas pilosas setosas, ut (Ecl. VIII 34): *Hirsu- 
tuique supercilium.? 

v. 288. Hinc labor, ad tuenda inbecilliora animalia. 

v. 289. Magnum , (difficile. 

v. 290. Et angustis addere rebus honorem.  Humilem materiem 


v. 213 patefacere M | patere 1|| callorem C || 274 Exceptant C |] 275 in 
uersu *coniugiis?, in marg. *conubiis? || 278 chaurumque 1 || Chaurum B |: 
279 in uersu 'frigore?, in marg. ‘sidere’ || 280 ippomanes 1 || uiros 1 ; 
eollegitur 1 [| distillans 1|| deuociones B || teocritus 1 || archadia C || signi- 
fieat, quod simul M [| cod. 165: Zippomanes, uirus destillans ob amorem 
coitus ab inguinibus equarum quod colligitur à pastoribus aptum ad 
mulierum deuotiones,. Sed "Theocritus in Bucolicis herbam quandam 
esse significat in Arcadia, quod (corr. quam) qui gustauerit, nimia ra- 
bie efferatur || deinceps seripsi | deucoli 1|| ab inguine M | ab ungine ! | 
distillat I || furure C || 281 uiros C || uiscidum scripsi | roscidum 1 || 283 
augmentum scripsi | augmento B | augmenta M || uerbis M | herbis B ὁ 
285 uectamur M | neetamur 1/|| discribimus 1 || 287 hirsutum supercilium 
1 || 288 inbeciliora 1) 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. — 941 


alto sermone decorare; sic in quarto (v. 6): *In tenui labor; at tenuis 
non gloria? Angustis, subtilibus. 

v. 201. Sed me. Vull poeta se ostendere primum Romanorum car- 
men de agricultura composuisse, cum apud Graecos Nicandrus et Hesio- 
dus Georgicon libros scribserint. Junilius dicit. Deserta per ardua. 
Helicon et Cithaeron , Musis montes dedicati. 

v. 292. Raplat amor, idest amor scribendi rapit me opus ad arduum 
et a nullo ante describtum. Jugis, per iuga. 

v. 293. Castaliam, mons; alii dicunt fontem. Vel Castalia , mons 
Parnaso uicinus, dictus a Castali Delfi filia, Neptuni nepte. Moll, facili. 
Cliuo, itinere. Ordo est: qua nulla priorum orbita Castaliam deuertitur. 
Orbita, rotae uestigium. 

v. 294. Pales, dea pabuli inuocanda. 

v. 295. Slabulis in mollibus, clementibus aeris temperantia, siue 
propter plagam australem, siue propter herbas subpositas animalibus. Ir 
mollibus , molliter stratis. 

v. 296. Dum moz, donec uernum tempus adueniat. 

v. 297. Maniplis , fascibus. 

v. 299. Molle pecus. Respexit ad curam, quae sine pannis et me- 
dicaminibus non sit. Ferat, procreet, ut ibi (Georg. 1 53): "'Quid quae- 
que ferat regio. Turpesque podagras turpissima uulnera. 

\ v. 300. Posthinc, cum hoc feceris. 

v. 301. Arbutu, speciem pro genere posuit. Fluuios, aquas statim 
haustas; nam si pigram potauerint, statim morbum contrahunt. Recen- 
tes , iuges. 

v. 902. A uentis, figurate dicit “uentos perferentes hibernos.’ 
Hiberno soli, ad meridiem. Ziberno, quia contra plagam meridia- 
nan sol currit per hiemem, quod explanat dicens: “ad medium conuersa 
diem.’ 

v. 304. Jam cadit, cum transitum fecerit ab Aquario ad Piscem. 
Cadit , occidit. Extremo anno, Februario, qui est ultimus, quia a Mar- 
tio annus incipit. Kxtremo, non extremo anno, sed extremo anni tem- 
pore, idest mense Februario; constat enim pro numero signorum etiam 


v. 290 in tnui B | innui C || 291 esiodus B | esiode C || scribserint 
dedi cum cod. 165 | scriberint B | scripserint C et M || licon et citheron 
B || 292 Reptat 1|| in eopus C || annullo C || diseribtum B | discriptum C |; 
298 carnaso, corr. parnaso m. II C | carnaso B || delfi filia B | defilia 
C || nepte scripsi | nepote 1l, cf. rob. p. 62,19 K.: dictus a Castalio Delphi 
filii Apollinis filio nepote Neptuni || qa nulla B || Ordo est: Qua nulla 
priorum orbita Castaliam deuertitur (diuertitur). Molli cliuo, idest facili 
itinere et descensione B m. II || 294 pabuli inuocanda] malim ueneranda, 
inuocanda || 295 inmobilis C || 296 dum mox etc.| Est Celsi sententia 
apud Philargyrium [| 299 procreat 1 || quid quaeque B | ut ubi quieque- 
quae C d quidque M || gegio C || Torpesque B || 301 sufficere idest mini- 
strare | austas B || Hecentes juges] cf. ad Georg. I v. 106 || 302 perfe- 
rentes hibernos idest aquilonalibus (aqui londlibus) partibus habeant 
dorsum C |]304 ab equario C || febroario B | febroaria C || quia a Martio 
scripsi | quia martio 1 || extremo anni M | extremi anni B [| febroario B || 





942  H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


menses ordinem suum habere. Aquarius, idem et Ganymedes, qui imbres 
facit. 

v. 306. Milesia. Miletus ciuitas Asiae, ubi lanae pretiosissimae et 
mollissimae sunt “linclaeque nigram in purpuram.? 

v. 307. Incocta, ualde cocta. Tyrios, figurate, quia coquendo Ty- 
rium Lraxit colorem. Tyrios, in Phoenice urbs. 

v. 308. Densior hinc soboles , binos pariunt capellae. 

v. 309. Quam magis, quo magis. 

v. 310. Pressis, mulctris. 

v. 311. Incana, ualde uel nimium cana. Barbas. Nunc de qua- 
drupedibus; nam *barbam? hominum, *barbas? pecudum dicimus; ita dicit 
Caper. Tamen hoc Cominianus uincit, dicens: *Errant qui in hominibus 
*harbain?, in hircis *barbas? dici putant, sed recte "barbam? in uno homine 
singulariter et pluraliter in pluribus dicas.? 

v. 312. Cinyphii, Libyci, a fluuio Cinuphe. Cinuphius fluuius Gae- 
luliae in Africa prope Garamantas, eirca quem hirci nascuntur admodum 
pilosi. Tondent, deest pastores, ut sit genetiuus casus *Cinuphii hirci? 
Tondent, pro tondeant. 

v. 313. Vsum in castrorum , tentoria. Ei miseris nautis, qui fre- 
quenter patiuntur pericula. 

v. 314. Pascuntur, quia incerti generis *pasco? “pascor’. Summa 
Lycaei. Synecdoche, idest species pro genere. Lycaei, montis Arcadiae. 
llic notandum est, quasi in solo Lycaeo pecora adsuerint pascere. 

v. 316. Atque ipsae, capellae. 

v. 317. Ducunt, educunt, idest fetus proprios nutriunt, ut *educ- 
tos? dicimus. Superant, gradiuntur. 

v. 319. Egestas, si cum cura fiat, erit pecorum minor egestas. 

v. 320. Auertes, glaciem et uentos ab eis. 

v. 321. Nec tota claudes faenilia bruma. Quia faenum pecoribus 
per hiemem subministrat, qui prudens est. 

v. 322. Zephyris , uer dicit,' quo flant zephyri, ut (Georg. I 44): 
"Zephyro putris se gleba resoluit.” Cum laeta aestas, subauditur aduenerit. 


v. 304 ganimedes B || 

v. 306 molissimae B || nigram scripsi | migrant B || 307 phenice B |! 
309 exhausto idest euacuato C || 311 uel nimium cana scripsi | uel nimium 
l||ita dieit caper B | Caper om. M | Caper] cf. eius orthogr. p. 2243 
med. P || Cominianus] cf. Charis. I p. 95,19 K.: *Barbam singulariter in 
uno homine recte, pluraliter in pluribus dicas .... Errant enim qui in 
hominibus barbam, in hircis barbas dici putauerunt? | in ^irtis B || 312 
Ciniphii C || libiei 1|| cinuphe cinuphius 1 | Cinyphe Cinyphius M || Gae- 
tuliae M | Gethaliae B | getaliae C || astrica C || garamantes, corr. -tas 
B || eirca quam C || postores B || einuphii B || 313 castorum C [| 314 lycei 
B, semper | licei C | Lycei M, semper || senecdoche 11| 317 educuntur C \! 
ut eductos scripsi | ut educatos 1|! graduntur B || 319 Hoc est minus ad 
ipsarum pertinet curam. Ordo est: igitur omni studio auertes ab illis 
uentos niuales et glaciem, quo egestas mortalis, idest necessitas mor- 
talitatis, minor est illis eurae B m. IL || 321 faenilia faenum B | fenilia, 
fenum M || 322 quod Aant C zeyhiri ut zephiro C || putris so 1 |] adue- 
nerit scripsi | adueniet M | aduenent WW 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Ducolica et Georgica. 943 


. v. 323. Vtrumque gregem, caprarum et ouium. 

v. 325. Carpamus, ambulando; carpamus, carpere cogamus gre- 
ges. Dum gramina canent, albicant; nocturnis et matutinis roribus lu- 
cent herbae. Mane nouum idest secundum morem prouinciae suae. No- 
uum ,recens, Notandum quod *mane? nomen posuit, pro aduerhio. 

v. 328. Querulae, quia queruntur semper. Rumpent, personant 
clamore. Cicadae, idest uermes , qui in lignis cantant. 

v. 329. Iubebo , alii *iubeto?. 

v. 330. Ilignis canalibus, factis ex ilice; sane *canalis? feminini 
generis melius, quam masculini. Vndam , aquam. 

v. 332. Sicubi, si alicubi. Jouis quercus, quia omnis quercus loui 
consecrata, ut omnis lucus Dianae. 

v. 933. Nigrum, densum uel opacum. 

v. 335. Tenues, puras, epitheton est aquarum. — Rursus, post 
meridiem. 

v. 337. Temperat, refrigerat. Temperat, uel aestu calefactos uel 
a pecoribus pastos.  eficit, recreat, idest rore. — Aoscida, humida. 
Roscida luna, nox, quia rorem dat. 

v. 338. Alcyonem. Alcyones aues marinae, de quibus in primo 
(Georg. 1 399) diximus. Acalanthida. Acalanthides a Graecis dictae, siue 
quia pennas acutas habent, an * acalanthides? spineta dicuntur, e quibus 
hoc nomen acceperint? Junzlius dicit. Acalanthida. Acalanthis mons in 
Arcadia uel spineta. Gaudentius dicit. Dumi, rusci. 

v. 339. Quid tibi. Pro qualitate prouinciarum diuersa esse genera 
pastionum Gaudentius dicit. Libyae, Africae. 

v. 340. Mapalia, casae pastorales. Salustius dicit (lug. XVII 8): 
*Mapalia aedificia Numidarum oblonga incuruis lateribus tecta, quasi na- 
uium carinae. 

v. 942. Sine ullis , stabulis, 

v. 343. Tantum campi iacet, pascui extensum est. 

v. 344. Armentarius, pastor. Consuetudinem uult esse pastorum 
ostendere secum omnia bona habere. Tectum, tentorium, militum more, 
ac si dicat “casam’. Zaren, ignem. 


m ——  --Ο“-... 


v. 325 ca'pere cogamus B [| lucent scripsi | lucentes 1 || posuit M ! 
posui B || 328 queruntur M | querunt 1|| Runpen B || cycadae B || 329 Zu- 
bebo, alii iubeto scripsi | Alii iubeto B || in uersu *iubeto?, in marg. 
*iubebo' || 330 Lignis 1|| 332 consecrata M | cum secreta B || 335 epiteton 
C || Tenues, puras] Inde Philargyrius: *tenues idest paruas’ corrigendus, 
quod et ostendunt sequentia Philargyrii uerba: *cui contrarium illud: 
Et pinguis flumine Nilus? || 337 cnlefnctos scripsi | calefactar 1 | calefactus 
M || pastos scripsi | pastus 1. De saltibus cogitandum. Quare post tem- 
perat lacunam statuerim et ante fuel aestu? ete, Aefcit lemma supple- 
uerim || 338 Alcyonem B | Alcionem C || Aleyone B | alcione € | aleyonae 
M || Acalanthida B | acalantida C || acalanthes B | acalantes C || a gregis 
C || siue quia M | sine quia ||| pinnas 1|| an acalanthides B | an acalan- 
tides C (sic) [| aceiperint 1 || rusci scripsi | ruris B || 339 prouintiarum C ! 
342 Pascitur, pro pascit, idest ille pastor C |] 344 consuetudinem (sic) ! | 
ostendere secum scripsi | ostendere idest 1 || 


944 II. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 345. Cressam, Creticam; alii “crassam’. Amyclaeum , species 
pro generc. Amycla ciuitas Laconiae regionis, in qua nascuntur abomi- 
nati canes et magni. Vult per haec metonymicos ostendere et canes et 
tela pulcherrima quibus solent uti pastores ferarum praedonumque causa. 


v. 347. Iniusto sub fasce, ciuili bello, uel sub acerrima potestate. 
Fasce, onere, ut (Ecl. IX 65): ‘Ego hoc te fasce leuabo.’ Junilius dicit. 


v. 348. Ante exspectatum , diclo citius, antequam exspectatur ad- 
uentus. Stat, pro obstat. Nam afaeresis est. 

v. 049. 4. Subauditur, qualis est pastio Pontica Scythicaque. 
Maeotia, palus Scythiae frigore congelascens. Gaudentius dicit. Scy- 
thiae gentes, sub Septentrionis partibus iacent Asiae et Europae. Maeo- 
tia. Maeotis Scythiae palus, in quam fluit Tanais dicta a Nympha huius 
nominis. Junilius dicit. 

v. 350. Flauentes spirantes. Hister, fluuius Scythiae, qui et Da- 
nuuius nominatur; alii dicunt separatim Hister. 

v. 351. Rhodope, mons Thraciae et flectitur in Septentrionem; nam 
axis est Septentrio, quae a Graecis ἅμαξα nominatur, sed et Nympham 
significat, a qua nomen accepit. ARhodope, mons Thraciae, qui a Nym- 
pla nomen accepit. Junilius dicit. Rhodope, ciuitas Thraciae. 

v. 354. Informis, carens uarietate formarum nullisque agnoscenda 
limitibus. Aggeribus niueis, superfusione niuis. 

v. 355. Adsurgit, crescit. In ulnas. Vlna utriusque manus ex- 
tensio, uel uerius cubitum , quod Graece ὠλένη dicitur. 

v. 356. Cauri, uenti idest cori. 

v. 357. Vmbras, ex nubibus non nocte factae. 

v. 958. Pelit, sol. 

v. 360. Crusta cum genere feminino dicimus lapidis aut ligni aut 
gelu, cum masculino panis. Crustae, aquae congelatae. 

v. 961. Tergo, dorso. 

v. 362. Puppibus et reliqua. Paludem in Scythia dicit, quae per 
hiemem plaustris transiri potest, per aestatem nauigari. Nunc, hieme. 
Prius, aestate. Patulis, * patula? plaustra pro latitudine rotarum di- 


v. 346 Creticam M | cretiaın 1 || amicla B | Amyelae M [| cyuitas B || La- 
conicae M || pastore ferarum B || 347 onere M | honore B || 348 expectatumC ; 
expectatur C | exspectatus B || aduentur 1, unde exspectatur aduengus scripsi 
mutatis uerborum finibus | exspectatus aduentus M [| aferesis B | afferesis 
C || 349 meotia 1 | Maeotica M |] paulus C || congelascens M |conualescens 1 } 


partibos B || Asiae et Europae scripsi | asie eurupae B || meotia meotis 
B | Maeotica M [|| 350 Flauentes &pirautes] *Flauentes' pro *flantes? acce- 
pit noster || quia et C || Danubius 1 || alti dicunt C || separatim 1/| 351 Ro- 
dope C [| trachiae 1|| amaxo 1]| nymphas C || nimpha B | nympham M ; 
accipit 1 || Rhodope — Thraciae om. M || trachie B || hrodope B [| trachise 
B || 354 formorum ||| agnoscenda scripsi | agnoscendo 1 Ϊ 855 utriosque 
B || eubitus B || ὠλένη M | ulna B || 356 Chauri, chori B || 357 Pallentis 
idest nigras non ex nocte sed ex nubibus factae C || 359 Praecipitem 
idest uelocem C || Petit sol om. M || 360 € genere 1|] 362 per himem B | 
hiemem plaustis C | nauigari; nunc hieme M || latitudine scripsi | altitu- 
dine B [| 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. — 945 


cuntur. Hospila, facilis apta, unde et “hospitalis” homo dicitur apte 
seruiens. 

v. 363. Dissiliunt, franguntur. Vulgo. Passim crepant nimio fri- 
gore aera, ut putant. 

v. 364. Caeduntque securibus umida uina. Gum in doliis glaciata 
fuerint. Vinum naturaliter calidum illic gelatur et intellegimus pere- 
grinum. 

v. 965. Vertere, sese uertere. 

v. 366. Stiria, umor de naribus fluens; *stiriam? umorem esse di- 
cunt in glaciem uersum, quod etiam per hiemem solet tectis depeudere, 
appellatum a “duritia’, a quo etiam mulier *sterilis? dicitur, quae non 
molliatur partu. Stiria, gutta tectis uel arboribus. Sfiría , gutta, dimi- 
nutiue 'stilla?, inde *stirs? +. Barbis, in modum barbarum. 

v. 967. Non selius, non segnius quam inchoauerat. 

v. 968. Pruinis, abusiue pro niuibus; nam *pruina? matutini tem- 
poris frigus. 

v. 370. Mole noua, nimia niuis magnitudine. Exstant, apparent. 

v. 371. Cassibus, retibus. Hinc est quod *incassum? idest sine 
causa, quasi “sine cassibus?, in quibus uenatio est, inanc. 

v. 943. Puniceae, rubeae; puniceae, rubicundae. Ita enim hic co- 
lor ab Afris appellatur. Intellegendum autem non *pinnas punicas?, sed 
*pinnis puniceis?, idest maculis roseis. Agitant, coloni. 

v. 944. Montem , niuium multitudinem. 

v. 975. Rudentes, ru more suo corripuit. 

v. 377. Specubus, Ill declinationis. 

v. 949. Hic noctem, quasi perpetuitatem noctis, quippe sub terris 
locati ludos celebrant. 

v. 980. Acidis, herbis. Sorbis. Sorbae quaedam pira sunt, quae 
cum fermento saporem uini mentiuntur. Junzlius dicit. Gaudentius dicit: 
genus potionis est, quod dicitur "ceruisa’, et consequens est, quod dicit, 
ut uinum per naturam calidum in prouincia frigida non possit creari. 


v. 381. Hyperboreo, monte Scythico. Ayperboreo. Septentrioni 
subiecta llyperborea regio est, quae posita sub huius sideris parte. 
Septentrioni. Septentrionem quidam iunctis bobus dictam putauerunt. 
*Triones? autem ab eundo uel arando boues uocauerunt rustici, a Lerendo 


v. 363 aera ul putant scripsi | aera putant B || 364 doleis B || 366 
Styria C || umor B | humor C || dependere M | deprehendere 1 || a duritia 
scripsi, cf. sq. *quae non «molliatur » partu? | aduntia 1 || styria, bis B '; 
867 setius B [| inchouerat B || /nterea idest dum gelat C || 368 pro niuibus 
scripsi | pro nubibus B || 370 nimia niuis magnitudine seripsi | nimia in 
magnitudine 1|| 371 in quibus] sine quibus coni. M probabiliter cf. Isid. 
Etym. XVIIII 5, 4 || 373 rubiae 1 [| non pinnas punias C | punicas B | pu- 
niceas M | cod. 165: puniceas dicit, quia puniea dicitur Africana, uel 
puniceas rubeas idest pauoninas || pinis } || 375 ru more scripsi | more M | 
rore B [| 380 pyra B || eum fermento mixta cod. 165 || Iunilius dicit. gau- 
dentius dicit B | Iunilius et Gaudentius dicit, Genus etc. M [| prouintia 
B || Fermento idest ceruisa. Acidis (accidis) idest neribus (acris) uel «ew- 


Jahrb. f. class, Philol, Suppl. Bd. IV ΗΠ. 5. QV 


946 MH. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


. . N ΜΝ χὰ . 
terram, neque alia causa idem sidus Graeci ἀμαξαν dixerunt, nos plau- 
sirum, denique Bootes quasi consentaneo nomine. 


v. 382. Rhipaeo Scythico. Rhipaei montes in Scythia sunt, appel- 
lati ATTO TOY PITTTHCAI. Perperam autem *Rhipaeo Euro? dixit, cum 
aquilo flatu suo ipsa loca conturbet, non Eurus, qui ab ortu uenit. 7u- 
nilius dicit. Euro, uento. 


v. 383. Vestitur, induit. Fuluis, uestes de pellibus, quae uocantur 
‘renones’, ut Salustius dicit, quia pecudum de pellibus faciunt *gunnas', 
quibus uestiuutur omnes barbari, idest ouium et caprarum luporumque 
pellibus utuntur. 

v. 984. Lanitium, haec lana, hoc lanitium, ut fuga 'fugium". 


v. 385. Lappaeque tribulique absint. Lappae et tribuli species 
herbarum sunt quae natiuam asperitatem habent et ita haerent lanae , ut 
sine dispendio diuelli non possint, quare qui curam lanitii habet, ea loca 
euitet. Lappaeque tribulique absint, quibus herbis lana decerpitur. 
Fuge pabula laeta. *Pabula laeta fuge? nonne contrarium suadet? Sed 
quoniam laeta crassiores lanas faciunt, bene dixit: si tibi lanitium curae, 
tunc laeta fuge pabula. 

v. 386. Albos. Lana enim alba pretiosior, quia quemlibet suscipit 
colorem. 

v. 387. Quamuis aries sil candidus ipse. Quod hic per transitum 
tangit, in aliis plenius est. Aries sit candidus ipse. Bene addit quamuis, 
ut dominus gregis est T, quae in Regum Legibus dicuntur. 

v. 388. Fdo, semper umido. 

v. 389. Reice. Minus enim generare idonei sunt. Hic pastoribus 
diligentia operis inpenditur. Ne infuscet, ne uarios agnos faciat. Pullis, 
nigris , unde dicimus *pullas uestes?, idest nigras. 

v. 390. Pleno, copia. 

v. 391. Munere sic niueo et reliqua. Luna cum adamasset lanam 


tis C || 381 monte M | montem 1 || iunctis B | uinctis M || uocarunt M | 
amaxin B || botes B || 


v. 382 Rypheo C | Piphaeo B || riphaei B | riphei C || appellati sunt M || 


ἀπὸ tov ῥιπτῆσαι scripsi | ATOTWPITHZHEAT B | ATTOTWPTIIZHEAT 
C | ἀπὸ τοῦ ῥίπτειν M || perpera 1 || riphaeo B [ ripheo C [| conturbet 
eurus C || 383 Vestitur induit om. M || In uersu *uelantur', in marg. 
*uestitur? || renones scripsi cum Seruio et Isidoro | senones 1 || Salus- 


cu 
tius] ef. Kritz Hist. II 58; Dietsch fragm. incert, 19 || quia pedum C || 
325 Lapeque tribulique C [| tribolique B || herent C | "erent B || diuelli 
cod. 165 | deuelli 1 || lanicii C |] ea loca euitet cod. 165 | ea loce uitet 1 | 
ea loca uitet M ||tribolique B || herbis scripsi | rebus B || decerpitur M | 
decepitur B || nonne contrarium suadet scripsi | non ne contrarium ui- 
det | non ne contrarium uitet M [| crassiores lanas faciunt scripsi | 
grossiores lana faciunt B | grassiorem lanam faciunt M || 387 bene addit, 
quamuis ut dominus M. Anlegendum: Aries sit candidus ipse. Ipse bene 
addit quia uelut dominus gregis est etc,, cf. Seru, || 389 Reice om.M || gene- 


a 
rare scripsi | generari I ἢ Pullis — nigras om. M || Poslus B || 391 Iunam 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 947 


eamque a Pane postularet, eo quod lanificii inuentor sit, unde et “pani- 
culae? dicuntur, ut acciperet, interpellata de stupro, neglexit δ ut in 
adulterio fraudem pertulit, quod non cum uoluntate peccauil. Junilius 
dicit. Si credere dignum est, tantum de Luna sacrilegium. 

v. 392. Pan, mutauit fabulam. Nam non Pan, sed Endymion amasse 
dicitur Lunam qui spretus pauit pecora candidissima, el sic eam iu suos 
inflexit amplexus, cuius rei mystic uolunt quandam secretam esse ratio- 
nem. Gaudentius dicit. Pan, deus Arcadiae. Pan Lunae amore captus 
hoc ingenio usus est, ut lana eam prouocaret ad uoluntatem. Et Endy- 
mion hoc fecit. Junilius dicit. 

v. 394. Lotos, genus herbae. 

v. 395. Ille manu salsas et reliqua, ut et multum potantes reddant 
plurimum lactis et ipsud lac non sit fatuum. 

v. 396. Tendunt, lacte implent. 

v. 397. Et salis occultum, uix intellegibilem, non statim apparen- 
tem saporem. Occultum saporem , suauiorem collegunt saporem. 

v. 398. Excretos, auctos ualidiores, uel ut Tunilius dicit, a lacte 
separatos. 

v. 3999. Primaque et reliqua. Ab his scilicet, quibus lactis usus 
est necessarius. erratis , duris. 

v. 401. Premunt , cogunt, caseum faciunt. 

v. 402. Sub, ante. Calathis, uasis aereis. Adit oppida pastor, 
portans caseum uiride. 

v. 403. Paruo, alii parco, idest modico, uel seruatore; nam liomo 
frugi *parcus? dicitur. 

v. 404. Nec tibi cura canum, pro: magna sit tibi cura canum. 

v. 405. Spartae, uenaticos. Sparta ciuitas Laconiae est. Molos- 
sum. Molossus est canis rusticus. Molossus pars Epiri appellata a Mo- 
losso Pyrrhi filio, ubi optimi uenatici canes sunt; in illis uelocitas landa- 
tur, in his fortitudo. 

v. 406. Sero. ‘Serum’ aqua lactis. Pingui, quod pingues facit. 

v. 407. Nocturnum furem, captantem noctis oportunitatem; “fur? 
autem a *furuo? dictus, idest nigro; nam noctis utitur tempore. 


C | lunam B || adäınasset B || ut acciperet interpellata scripsi | ut aeci- 
perint et interpellata (interpelata C) 1 | ut acceperit et interpellata M [| 
neglexit scripsi | intellexit I || et ut in adulterio scripsi | ut in adulterio 1 ;| 
. v. 392 mutauit scripsi | mutabunt B | motabt C | mntabat M || endy- 
myon C {{ dicitur M | dicuntur | || luna C || et sic eam C | et sic etiam 
B || secretam esse rationem 1 | secretam et rationem M || cuius rei mystici 
uolunt ex Seruio addidi || ut lana eam scripsi | ut lunam eam 1) || endi- 
míon B || 394 Lotus M || 395 manus M || Ille manu salsas et reliqua 
quandam secretam esse rationem ut et multum etc. ] | Verba *quandam 
— rationem? quippe ex v.392 perperam huc delata omisi || reddant M i| 
redeant 1 || plurimum scripsi | plurima 1 || fataum ex Seru. M | uacuum | | 
397 intelligibilem C || collegunt B || 401 cognunt € || 403 in uersu *parco'. 
in marg. *paruo? || 405 uenaticos scripsi | uenaticae B | uenatice C I spare 


cinitas C || loconiae B [| Molosum, sic semper B || rosticos B || Pyrrhi] 
persei B || 407 oportunitatem 1 || 
λῆς 


'048 1. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 408. Inpacatos Hiberos, abactores fuere enim Hispani. A (ergo, 
idest loci. Hiberos. Hiberus amnis in Hispania, a quo gens Hibera; uult 
autem ostendere barbaros regionis huius adsuetos praedari. Junilius dicit. 

v. 409. Onagros , agrestes asinos. 

v. 410. Dammas , sicut caprae, sed lumilioris staturae. 

v. 412. Agens, indagans persequens. 

v. 413. Premes, proprie dixit, ut ibi (Aen. 1 324): *Spumantis apri 
cursum clamore prementem.? 

v. 414. Odoratam cedrum , odore plenam. 

v. 415. Graues, perniciosas. Chelydros , serpentes. 

v. 418. Aut tecto assuetus coluber. Gaudent tectis serpentes, quos 
Latini *genios? uncant. 

v. 419. Adspergere, iactare. 

v. 420. Fouit, amplectitur, in qua potest latere. 

v. 422. Deice, occide. Timidum caput, cui timet. 

v. 423. 4gmina , uolumina motus. 

v. 425. Calabris in saltibus. Calabria a Salentino promunturio lta- 
liae incipit. Junilius dicit. Calabris in saltibus. Calabria in Apulia, et 
ideo Apulia, quia effert odorem serpentium uentus et homines morbificat. 

v. 427. Maculosus, squamis. 

v. 428. Rumpuntur fontibus, exeunt de fontibus, uel pleni sunt, 
ul ibi (Georg. 1 49): *Ruperunt horrea messes.? 

v. 429. Madent , rorant. 

v. 481. Inprobus, insatiabilis, quem nemo potest *prohibere?. Zo- 
quacibus , quia ex hominibus factae sunt, ut Ouidius (Met. VI 340 seq.) 
dicit. Ingluuiem , gulam; ingluuies est spatium gulae, unde et “glutum’ 
et *gluttire? dicimus per ingluuiem aliquid demittere ; nam et *gluttinatus’ 
est quasi gulae ictus. Explct, haec enim facit, quando pleni sunt fontes. 

v. 432. Exusta, siccata. 

v. 434. Asperque sili. *Quod genus siti magis quam alia re accen- 
ditur?, ut Salustius dicit (Yug. LXXXIX 5). Exterritus , exacerbatus. 

v. 435. Ne mihi. Moris ei, in periculis suam personam interponere. 

v. 438. Calulos. Quae proprie canum sunt, hic abusiue dicit. 

v. 439. Trisulcis. Serpens triplicem linguam habere dicitur, sed a 
uibratione linguae, nisi fallor; sic et Cerberus trifauci dicitur ore. 

v. 440. Morborum et reliqua. Quattuor dicit signa morborum; sed 


v. 408 hyberos C || hispi 1|| hostendere B || 412 Agnes B [| 415 (Gal- 
baneo) lignum aptum multis medicaminibus C || pernitiosas B || Chelidri 
dieti quasi chersidri qui et in aqua et in terra morantur, nam cherson 
dicitur terra aqua uero ὕδωρ C m. II || 418 genios uocat C || 490 Fauit 
M || Nam ut dicit Plinius serpentis caput etiamsi cum duobus euaserit 
digitis nihilominus uiuit C m. II|| 425 promontorio 1|| 427 rumpunt hor- 
rea B |] 431 insaciabilis I || nomo C || et gluttire scripsi | et glutine B ;' 
demittere scripsi | dimittere B || gluttinatus B | glutinatus M || est om. M 
quando scripsi | qm (siue qii?) B | quoniam M || 432 siciata C [| 434 alia 
rem 1|]438 quae proprie ἃ ἢ qui proprie M || 440 morborum sed C | mor- 
borum ser D | sed om. MY 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgien. 949 


non seruat legitimum ordirtein; nam post remedia signa commemorat, 
idest turpitudo scabies seclio per uepres podagrae. . 

v. 442. Altius ad uiuum persedit, medullas et ossa penetrat. Ad 
uiuum , locum sensibilem, ad corpus. Cano, candido. 

v. 443. Inlotus , sordidus. 

v. 444. Hirsuti, spinosi. 

v. 445. Magistri, pastores. 

v. 446. ries. Ducem dicit gregis. Huic enim solent pastores par- 
tem lanae dimittere; nam oues semper tonsae lanantur. Willis, *hic? 
uillus. 

v. 448. Aut tonsum et reliqua. Hoc remedium scabiei et laeso cor- 
pori uepribus ponitur. Tristi, olei amaris sordibus. Amurca, fex olei. 

v. 449. Et spumas miscent argenti uiuaque sulphura. Dactylicus 
uersus. 

v. 450. Idaeas, olera ad sanitatem pertinentia, quae in monte Phry- 
giae lda nascuntur. 

v. 451. Scillamque elleborosque, genera herbarum sanabilium. 
Nigrumque bitumen. Duo genera sunt, album ac nigrum. 

v. 452. Praesens, efficax. Malorum est, ut alii, "laborum? pro 
“malorum’. 

v. 453. Quam siquis ferro et reliqua. Sensus est: si medicamini- 
bus emolliri non poterit, incidendum est uulnus. Summum. Tunc enim 
summum est, cum os habuerit. 

v. 454. Tegendo, dum tegitur. 

v. 458. Arida febris. Arida corpora hominum efficit febris, a fer- 
uore dicta. 

v. 460. Salientem, idest mobilem. JVenam. Dicit illam uenam esse 
feriendam, quae super unguem est animalis, tam latam quam mobilem. 


v. 461. Pisaltae. Geloni iidem sunt, qui et Getae, Graeciae iuncti, 
quorum pastores, quos Nomadas uocant, eum usui curandi pecoris habere 
dicuntur, quem supra memorauit. JZunilius dieit. Bisaltae, populi Scy- 


— Í —— —  — 


v. 442 medullas et ossa penetrat et carnem C || 443 Inlotus C | In- 
lutus B || sordibus C ᾿ 444 Hyrsuti C [| 446 siam oues, corr. nam oues m. 
II B || 446 Simonem dicit ducem gregis, quem ita et Varro commemorat 
B m. II || 448 Aut tonsum C | Ad tonsum B [| Tristi — olei om. M - 


li 
amarca B || In uersu “contingunt’, in marg. *perfundunt! || 449 dacticus 
B || 450 Ideas L|| frigie ida C | frigiae idi B || 451 Scyllamque C || genere 
M || duo genera M | dne gene B || 452 Presens efficax [utilis profutura 
m. II) malorum etc. B || ut alii laborum (sic) B | uel alii laborum Kib- 
beck proll. p. 197, || In uersu *laborum^, in marg. * malorum" || 453 non 
poterat C || cum hos D || Ad v. 456 ascriptum in B m. II: *Salustius: non 
uoti8 neque suppliciis muliebribus deorum auxilia conparantur? «Catil, 
LII 29), et manu eadem in altera paginae parte: *Maiores enim pug- 
nantes religionem totam in experientia collocabant? || 456 in uersu *omi- 
na’, in marg. *omnia? | 458 corpora hominum.] Malin *omnium? [| 460 
feriendiendam B | super unguinem B || 461 iidem M | idem 1]| iuncti] au: 
sicini? quorum pastores M | quarum pastoris | | quorum pastores quos 


950  H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica ei Georgica. 


tharum qui fugientes equorum sanguine aluntur cum lacte permixto. 
Gaudentius dicit. 

v. 462. Cum fugit, pergit celeriter. In Rhodopen. Rhodope mons. 

v. 463. Concretum,nunc*commixtum? sanguine est, alibi * discretum". 

v. 464. Quam; idest ouem. Molli. Bene *mollem? umbram dicit, 
quam diligunt petunt. 

v. 465. Ignauius , sine auidilate. 

v. 466. Procumbere , accumbere iacere. 

v. 467. Pascentem , saepe pascentem. 

v. 468. Continuo culpam ferro conpesce, idest tum occide ouem. 
Priusquam. Priusquam contagio omnem gregem impleat. 

v. 469. Vulgus , gregem. 

v. 470. 4equore, de aequore. 

v. 471. Singula, singulatim. 

v. 472. Aestiua. *Aestiua? loca umbrosa, quibus per aestatem pe- 
cora uitant calorem. 

v. 473. Spem, fetum. Spemque gregemque simul, simul agnos 
cum matribus. 

v. 474. Sciat aerias Alpes et reliqua. Hic sensus est: Siquis est 
qui sciat ista loca, qualia tunc fuerunt, cum pecoribus erant quondam 
referta, nunc quoque ea morbo uacanlia uideat. Descripsit pestilentiam 
Venetiae Galliae lllyrici. Nam quodam tempore cum Nilus plus aequo 
excreuisset et diu permansisset in campis, ex aqua fluminis et calore 
prouinciae diuersa et plurima in limo animalia sunt creata. Gaudentius 
dicit. Aerias Alpes. Alpes sunt montes, qui Galliam ab Italia diuidunt. 
Aeriae, ex Graeca consuetudine dictae. Graeci enim quicquid celsum 
*aerium? uocant. Junilius dicit. Norica. Norica castella dixit ab urbe 
Noreia, quae est in Gallia ut Asellio historiarum non ignarus + docet. 

v. 475. In tumulis, locis. apygis. lapugia pars est Istriae ac 
Dalmatiae adfinis. Junilius dicit, lapygis. Tapugia pars est Venetiae 


nomadas — pecoris cod. 165 [| nummadas 1|| eum usum scripsi | usum 1 || 
pecores l||scitharum B || sanguinem B || 


v. 462 rodopen hrodope C | hrodopen hrodope B || 463 sanguine est 
1 | sanguine et M | alibi addidi \ 464 diligunt] an: diligenter? || 468 
tum occide scripsi | cum occide | | eam occide M || Priusquam prius- 
quam contagio B | Priusquam contagio M || 470 Aequorae B [| 472 
per estatem C | per statem B || 473 Spem B | Spemque C || matibus 
C || 474 Si quis est qui sciat scripsi | qui sciat ] || tunc om. M || 
fuerint 1 || errant 1 [| referta nunc quoque ea? et *uacantia uideat? 
ex Seruio erant petenda | quondam morbo discripsit 1 || uenitiae 1 || 
illiriei 1 || plus aequo exereuisset et diu ex Seruio emendaui | pulsa 
aequore et diu 1 | plus aequo [creuisset] M || prouintiae 1|| diuersae M il 
et plurima ex Seruio scripsi | et primo 1 | et prima M || Gallium M || 
aereum B [| ab urbe Noreia Mommsen mus. Rhen. XVI p. 450 | ab orea 
norea B | a Borea. Noreia M || non ignarus t] *nono? latere suspicatur 
Mommsen | An 'historiarum Romanarum nono docet??, siquidem eius 
operis titulus apud Charisium p. 195 K. est ‘rerum Romanarum’. De re 
cf. Mommsen 1. l. || 475 Iapigis iapigia C | lapygis iapagia B unde 
Iapugia dedi || et Dalmatiae M || ab oppido gapagio B | Iapygo M | Haec 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. NN] 


regionis dicta ab oppido lapugio. Gaudentius dicit. Arua Timaui, in 
Istro sunt. 

v. 476. Post tanto , tempore. 

v. 478. Miseranda, pessima, inferens rem dignam ıniseratione. 
Cooría est, nata est. u 

v. 479. Tempestas, quae semper pestilentiam facit. Autumni in- 
canduit aestu , exarsit prima parte autumni. 

v. 481. Corrupitque lacus et reliqua. Ordinem non secutus est, 
quia aqua post pabula esset corrupta. Tabo, pestilentia. Infecit pubula. 
Non quasi corruptis pabulis usa pecora intellegore debemus, sed quorum 
morbus pabula ipsa corrupit. 

v. 482. Nec uia mortis erat simplex. | Nec moriebatur ex usu, 
idest per naturalem ordinem, non tantum fuga animae, sed etiam corporis 
resolutione; ab eo quod praecedit, id quod sequitur, ostendit. Ignea, 
feruidus calor. 

v. 483. Acta, pro adacta. 

v. 484. Fluuidus liquor, umor aquae. In se, contra se. 

v. 485. Ossa, quorum humor sordidus; hyperbolice totum hominem 
uel pecus significat. 

v. 486. In honore, ad sacrificium, ut (Aen. I 335): “Haud equidem 
tali me dignor honore. Zostia, uictiina ouis. 

v. 487. Lanca , uitta. 

v. 489. Aut siquam ferro et reliqua. Eius scilicet mortem prae- 
ueniens. 

v. 490. Inde neque et reliqua, quia ualitudine corporis et conta- 
gione tenebatur atque indigna sacrificiis erat. Inde neque et reliqua. 
Plinius Secundus ait: *morbida caro non coquitur. 

v. 491. Nec responsa et reliqua. Colligi enin nisi ex sana uictitna 
futura non possunt. 

v. 492. Sanguinc, quia sanguis gelidus erat. Suppositi cultri, quia 
in VI (v. 248): *Supponunt alii cultros?, idest ingulant hostias. licendo 
*suppositi? feriendi genus ostendit. 

v. 493. Summaque iciuna et reliqua. Signatis usus. est uerbis 
nimisque libratis. Jeiuna sanic , sterili et uitioso sanguine. 

v. 494. Vulgo, ubique. Lactis in herbis. Ne cos fame perisse pu- 
tareinus. 


— — 


ab excerptore uitiose tradita sunt. Gaudentius certe “Iapydis, lapydio 
(siue mauis: Iapudis Iapudio) seripsit, cf. Seru. et praef. p. 708 | 
v. 476 Postanto B || 478 Cohorta B || 481 esset] malim est || non qua cor- 
ruptis C | sed quorum scripsi | sed corum 1| sed eorum M || eorrupit € ἃ 
corrumpit B || 483 Acta pro adacta 1 | Acta peracta M || 485 humor sordibus 
C || hyperbolieB | hiperbolie C || humor sordidus hyperbolice M [| 486 de dig- 
nor Mi 487 Lanea uitta M | Lanea uictima B || 489 mortem € | morte B || 
uniens C || 490 ualitudine 1 [| corporis scripsi | partis I || Inde neque (sic) 
T plenius secundus B | quoquitur B || 491 non nisi 1 || 492 quia scripsi | 
quidam 1|| Suppisiti B [| quia in VI B (sic) || supponunt (sic) B || Dicendo 
M | dicendus B || subpositi B || 493 Signatis ex Sern. add. M || libratis M ; 
liberatusB | liberatusestC || stereliB 494 Pulgo, ubique om. M periisse M, 


952 11. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 496. Hinc canibus blandis, etiam blandis accidit. Zt quatit, 
proprie dicit; nam tussis corpus commouel. 

v. 497. Angil, corripit stringit. “Angit’ bene ait; nam “angina’ 
dicitur porcorum morbus, quae occupat fauces. Plautus dicit (Most. 1 3, 
61): “Vellem me in anginam uerli, ut huic aniculae praeoccuparem fau- 
ces.” Gaudentius dicit. 4ngit, ab angendo, hoc est stringendo, ut ibi 
(Aen. VIII 260): *Corripit in nodum conplexus et angit inhaerens. Vnde 
et "angina? uitium uocatur, quod strangulat, unde et *anguis? dicitur. 
Iunilius dieit. Obesis, pressis clausis. 

v. 498. Studiorum , certaminum. 

v. 499. Victor equus, aut nobilis aut multarum palmarum. 

v. 500. Crebra, nomen pro aduerbio. Crebra ferit. Metonymia 
figura utitur. Zncertus, inrationalis sine labore, cuius causa non apparet. 

v. 501. Ille, sudor. 

v. 502. Tractanti, curanti tangenti. Dura, rigida, metaforicos. 

v. 504. Sin in processu οἱ reliqua. Scilicet in deteriora procedat. 
Crudescere , ualidior esse, ut (Aen. XI 833): *Crudescit pugna Camilla.’ 

v. 507. Tendunt, pro tenduntur. 

v. 508. Aspera, nimia siccitate. Obsessas , clausas. 

v. 009. Profuit. Quomodo profuit, si et ipsum obest? Sed aspe- 
ritati morbi hanc solam dicit prodesse medicinam. Profuit, non semper 
sed aliquando ; nam hoc solum est, quod aut morbo liberat aut commouet 
furorein. 

v. 511. Mox erat hoc ipsum exitio. Quod salutis esse putabatur, 
ut paulo post (v. 549): “Quaesitaeque nocent artes?  Furiisque refecti, 
quia languentia corpora in uires quodammodo excitat furor et facit ea in 
exitium conualescere. 

v. 013. Dii et reliqua. Parenthesis, in execrationem hostium hanc 
relorquel insanien. — Erroremque , furorem. Junilius dicit. Hostibus, 
ut illi similiter se dentibus lacerent. 

v. 015. Fumans sub uomere. Per hoc ostendit etiam fortes tau- 


ros repente morbo concidere; nemo enim pestilentem ad aratra ducit 
iuuencum. 


v. 497 Angit corripit 1 | Tussis corripit M || morbos 1|| quae 1 | qui 
M || uelle mo 1 || huie caniculae 1 || faWces C | Haec sic apud Plautum: 
‘In anginam ego nunc me uclim uorti ut uencficae illi | Faucis prehen- 
dam? || Vnde et angina uitium uocatur]. Haec sic sunt dicta ut nesciam 
an non in Suetoni libro do uitiis corporalibus olim locum obtinuerint, sint- 
que post fr. 173 Reiff. p. 273 inscrenda || 500 Metonymia scripsi | et onima 
] | et omina M || euius non 1 ! causa add. M || 502 tangenti M | tangendi B ' 
504 processus 1|| deteriora 1| deteriorem M || esse post ualidior addidi ıl 
509 si et ipsum scripsi cum C | sie et ipsum B || asperitati M | asperita- 
tem D | aspertatem € || proesse C | Post *medicinam? quae in libris se- 
euntur *erroremque furorem lIunilius dicit? ad v. 513 retrusi || morbo M ' 
morbum B || 511 quaesitaeque (sic) 1 | 513 ii idest tribuant uel date C .. 
Erroremque — dicit cf. ad v. 509 | *Errorem hic pro furore posuit? Phi- 
larg. || 515 per hoc ostendit M | perhostendit B || fortes tauros ex Seru. 
add. M, sed post 'reyeute? (ducit scripsi | reducit B || 


A. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 993 


v. 516. Mutauit genus ut execrabiliorem faceret nouitatem. 

v. 517. Ciet, dat. 

v. 518. Fraterna morte iuuencum. | Consortis interitu , quia con- 
stant aratra duobus, uel ex affectu rustici dictum est. Gaudentius dicit. 
Fraterna morle, mire, ut par labor parem etiam consanguinitatem face- 
rel et caritatem. Zunilius dicit. 

v. 019. Atque opere in medio et reliqua. Duplex damnum, amissi 
pecoris et intermissi laboris. 

v. 021. Prata mouere animum , inlicere in suum desiderium. 

v. 522. Purior electro. Nam sicut electrum defecatius est omnibus 
metallis, ita currens aqua purior ceteris. /ma, occumbentem uentura 
mortis imago sollicitat. 

v. 024. Fluit, languente anima deficit corpus. Deuexo, inclinato. 

v. 525. Quid labor et reliqua. Si neutrum mortem repellit, nec 
corporis exercitium nec imenutis religio, et hoc dicit: Quid ei prodest labore 
suo aluisse mortales? 

v. 526. Massica. Massicus et Massica, ut “hoc? porrum et “hi? 
porri, et *hic? intubus et *haec? intuba. Junilius dicit. Massica, a Mas- 
sico monte Campaniae; per transitum tangit Galliam. Gaudentius dicit. 

v. 527. Epulae, aut habundantes aut uariae herbae. Repostae, pro 
repositae. 

v. 530. Nec somnos abrumpit cura. Ex cura enim nimia uigiliae 
fiunt. 

v. 532. Quaesitas ad sacra et reliqua. Sacerdotes lunonis idest 
Cleobis et Biton currus sollemnibus sacris deducere solebant, uerum deti- 
cientibus bobus etiam collo sacra portasse dicuntur. lunonis sacris ani- 
malia defecerant, idest, aut Romanorum expleta sunt funera, quos illa 
persecuta est, aut restituta sunt sacra, quae infesta lunone defecerant. 
Vris, bobus, uel *uri? boues agrestes cornibus insignes, aut quorum 
mentionem ideo facit poeta, ut ostendat, pestilentiam etiam fuisse tantam, 
ut ipsorum penuria fuerit. Haec Junslius Flagrius dicit. 

v. 533. Alta ad donaria , templa. 

v. 534. Rimantur, fodiunt, in rimas agunt, aperiunt. 


v. 516 execrabiliorem 1 | exseeratiorem M || 518 iuuentum 1 || Consor- 
tis interitu ex Seruio addidi || quia constant aratra duobus scripsi | con- 
stat quia armenta ||| affecta, corr. -tu B || dictum C | ditum B || 519 amisi 
B || 522 defaecatius M ex Seru. | electrum desicatum 1 || eurrens scripsi | 
concurrens | || /ma, occumbentem scripsi | Ian occumbentem B | In oc- 
cumbentem C | Iam occumbentem M || 525 repellit post “mortem’ ex Ser- 
uio suppleui | religio [pellit] M || qd ei prodes 1 |l aluisse M | auolasse 
1|| 626 hi C | hii B || tangit Galliam] Quae si cum Seruio conferas: “οἱ 
per transitum tangit illa quae dicunt physici morbos uenire? etc., in- 
tellegis, excerptorem oscitanter excerpendo olim scripsisse 'tangit illa?, 
quod quia sensu carebat, postea in * Galliam? (tangit illum) abiit. || 527 
abundantes B || 532 Cleobis M | leobois 1 || et Hiton scripsi | ut ian 1 ' 
ut iam M || portasse scripsi | portare 1|| defecera"t € || *idest? addidi |: 

ersecuta scripsi | prosecuta 1|| sacra scripsi | facta l|| infesta scripsi | 
infecta 1|| defecer 1 | defecerant M[| tantum B || flagius B || 


954 IL Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica οἱ Georgica. 


v. 530. Et ipsis unguibus. Hyperbole, pro manibus. Fruges 
plantas. 
v: 538. Nocturnus, custos, pulchre pro noctis tempore. Obambu- 
lat, circumit. 

v. 539. Cura domat, Wimor pestlentiae. Timidi dammae. Mu- 
tauil genus, ut uitaret homoeoteleuton; dicit autem dammas et ceruos 
errare cum canibus. Duo hic ostendit, hos timoris, illos ferocitatis 
oblitos. | 

v. 543. Insolitae fugiunt in flumina, quasi timentes marinam pesti- 
lentiam. Phocae, uituli marini. 

v. 044. Interit et curuis et reliqua. Exemplum dirissimac pesti- 
lentiae. 

v. 045. Hydri, serpentes. 

v. 546. Ipsis est aer auibus et reliqua. Quomodo, quae alarum 
uelocitate supergredi aerem poterant pestilentem ? 

v. 048. Refert, melius est. 

v. 049. Magisiri, medici, studiosi huius rei. 

v. 000. Phillyrides Chiron. Chiron Centaurus, Phillyrae filius et 
Salurni, inuentor medicinae. 4mythaonius. Amylhaonis filius, idest eius- 
dem matris Melampus purgator; nam Proetidas purgauit lustrationibus 
quas inuenerat; tamen hoc, conualescente morbo nec medicinam prodesse 
nec religionem. 

v. 551. Síygiis. Styx apud inferos dicta. 

v. 552. Tisiphone , Furia. 

v. 555. Arentesque sonant ripae. Vult elementa etiam pestilen- 
liam sentire, uf (Aen. Ill 142): “Arebant herbae et uictum seges aegra 
negabat? Supini, inaequales. 

v. 556. Dat, pestilentia. 

v. 558. Foueis, fossis. 

v. 059. Nam, quippe. Neque erat coriis usus, morbo putre- 
factis. 

v. 560. Aut undis et reliqua. Nec lauari nec coqui poterant. Caro 
cnim corrupta morbo quendam habet odorem , qui non potest ablui, quo- 


u ——— -———— 


v. 538 circumiit 1|] 539 Ti imdi damae B || genus mutauit M || omo- 


v 
teleoton B || dammas B || doo B || oblitos M | oblitus B [| 543 uituli (sic) 
B || Proluit idest porro lauit unda C || 546 Quomodo -— pestilentem? 
seripsi | quodammodo — pestilentem 1 M || 548 molius B || 549 rei M | 
regi B || 550 Phyllirides centaurus C | Phyllirides B || phyllirie 1 [| amy- 


thonius B || &nythonis B || purgator M | pugnator B || praetidas B || pur- 
gauit M | pugnauit B || lustrationibus quas scripsi ex Seruio | lustratris 
uel tribus quae B (patet olim scriptum fuisse lustratis pro lustrationi- 
bus, dein a correctore uel tionibus isti tis superpositum esse, quod ad 
postremum continuato errore in textum inrepsit) | lustratis ucl tribus 
quae M || innalescente M || post *tamen hoc? erit *dicit" inserendum |! 
regionem B || 552 Tisiphone Furia scripsi | aurora 1 || 555 sentire wt 
*Arebant etc. scripsi | sentire arebant | || haerbe C || uietum se esse 
uegabant 1] 560 neque lauari M || coroenim C || lauare scripsi | lauari B || 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica el Georgica. 955 


niam omne possidet corpus. .4bolere, lauare. Aut uincere flamma, 
superposita igni aut putrefit aut durescil, non coquitur. 

v. 564. Ardentes papulae, carnes idest carbunculi, morbus pedi- 
cularis. 

v. 566. Sacer ignis, genus morbi est et genus aegritudinis, quod 
*sacer ignis? uocatur feruore acriore inflammans quodque Graeci fzpev 
v060? uocant. 


GEORG. LIBER ΠῚ]. 


v. 1. Protinus, nunc ordinis. *Protinus? semper initio positum 
ostendit iam aliquid supradictum; nam est aduerbium ordinis uel tempo- 
ris. Protinus, deinceps exinde. Nunc dicit *floreum? agrum. Caelestia 
dona, deorum munus. Caelestia dona, ex caelo enim aer cadit, ex aere 
dona praestantur. Aerii, puri. Aerii mellis. Caelum rustici *melliginem? 
dicunt. Nolens Virgilius *caeleste* mel dicere *aerium" dixit. Caelestt« 
dona , ex rore colligitur mel, qui ex aere defluit; ante enim mel inuenie- 
batur in foliis, ut (Georg. I 131): *Mellaque decussit folii?, unde dicit 
*caelestia dona?, idest deorum munus. 


v. 2. Exsequar, ut exsequutus sum superiora. Maecenas, cui scri- 
bitur hoc. 


v. 3. Admiranda tibi. Audies ex rebus leuibus digna stupore esse 
in apibus, proceres et “tanta certamina? (v. 86). 

v. 4. Magnanimos , partitores. 

v. 5. Mores et reliqua. ' Mores? castitatem, ut (v. 205); * Tantus 
amor florum et generandi gloria mellis. Populos, ut (v. 95): * Vt hinae 
regum facies, ita corpora plebis. Praelia, ut (v. 78): *Erumpunt portis, 
concurritur aethere in alto.? 

v. 6. In tenui et reliqua. Magnis conparationis uerbis augens dedit 
carmina. Junilius dicit. In tenui et reliqua. Non tenuis conpensatio 
est laboris, quia magnam dat gloriam, si fuerit materia exilis ornata. 
Gaudentius dicit. 


utrefit] malim “putreseit’ || v. 564 pabulae 1 || peduclares 1 || pupulae 
pabule) idest huital uel uerruce C [866 acriore B | aerio M || inflam- 
mans scripsi | inflammatus B || ζερὰν νόσον M | pannocon B || 


Georg. tıB. IIII. v. 1 Nunc dicit floreum agrum scripsi | nunc de- 
floreum agrum 1 | nunc floreum agrum exsequar ut exsecutus sum supe- 
riora. Caelestia etc, M || Verba *exsequar — superiora? in libris post 
*dona praestantur’ posita ad v. 2 retrusi || melligenem B || qui ex aere 
B | quod ex aére M||2 exsecutus C || mecenas C | mecáenas (sic) B || 5 


amor laudum B || gloria om. B || Populos ut binae B |] Prelia ut (sic) 
erumpunt B | Proelia erumpunt M || concorritur B || 6 magnis M | magni 
1 || In tenuit B || Non tenuis scripsi | tenuis B || est compensatio M || quia 
magnam (sic) B || fuerit M | fuerint B || ) 


9560 N. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 7. Laeua, prospera. Numina laeua. Secundum haruspicinam 
dixit sinistrum? prosperum, ut in secundo (Aen. Il v. 693): *Intonuit 
- laeuum?, quia sinistra nostra dextera sunt ei, et dextera nostra sinistra 
sunt ei, ut Ennius ait: *Ab laeua rite probatum.? Vocatus Apollo, quo- 
niam deus morborum est. Auditque uocatus Apollo, aut quasi “pasto- 
ralem? nominat, aut quia morborum deus est. 


v. 8. Principio sedes et reliqua. Vbi aluearia sunt ponenda; in 
qua re satis peritiae, et ea quae abesse debent, ne noceant apibus, nosse, 
el ea quae adesse uf prodesse possint, et ideo commemorat, quia supra 
dixit *magnanimos duces?. ideoque modo intulit: *sedes statioque’. Se- 
des apibus statioque. Translationem diligenter seruat. Statioque pe- 
tenda , ne nociua fiant apibus. Statio, producta o littera legere debemus 
*statio?, uL (Aen. I 1): *Arma uirumque cano?. 


v. 10. Petulci. Graece dixit, idest *salitores?, uel petulantes exul- 
latione, — Tunilius dieit. Petulci, a petendo dicti, unde et meretrices 
*petulcas? dicimus. Gaudentius dicit. 


v. 13. Squalentia terga, habentes. Zacerti, canes iunci T. 


v. 14. Pinguibus, plenis. A stabulis, alueariis. Meropes. 'Gal- 
beoli?, ut putat Tranquillus. lae genitores suos recondunt iam senes et 
alere dicuntur in similitudinem 'ripariae? auis, quae in specu ripae nidi- 
ficat, ut in libro X ostenditur. Meropes. 'Haec? merops. Merops rex, 
qui oh scelera ira deorum in auem sui nominis conuersus est. Meropes, 
uirides et uocantur 'apiastrae? qui comedunt apes. Gaudentius dicit. 


v. 15. Procne, hirundo. Virgilius non errauit dicendo Procnen 
*cruentam?, quoniam Procne iam filiorum sanguine fuerat maculata. Haec 
in lusciniam est conuersa, Philomela in hirundinem et Procnen pro hirun- 
dine more suo posuit, idest sororem pro sorore. Junilius dicit. 

v. 16. Ipsas, apes. 

v. 17. Nidis inmitibus, crudelibus pullis, quia apium morte nu- 
triuntur. 


— — ——— 


v. 7 Leua, sic semper, 1|| numina laeua om. M || aruspicinam 1 || ut 
inmus ait 1] Ennio uersum uindicaui in Annal. philol. 1865 p. 503. Ce- 
terum in eod. Bern. 165 quem nuper inspexi dilucide legitur *Ennius? || 
quoniam deus scripsi | quoniam dominus 1 [ aut quasi scripsi | aut quia 
I5 || deus M | dominus B || 8 satis peritie D | peritie C | perite M |] eaque 
B | eaque C[| ne noceant apibus scripsi | ne noceant quibus 1 [| adesse, 
ut prodesse possint scripsi || adesse prodesse possunt (posS) l | ea quae 
abesse debent, ne noceant, quibus nosse, et ea quae adesse prodesse 
possunt M [| magnam mos 1 || diligenter seruat scripsi | diligenter reser- 
uat B [|| ne nociua fiant scripsi | nemo ciua fiant B | diligenter reseruat, 
statioque petenda nemo cui a fiunt apibus M || 10 salitores 1 | salta- 
tores M || et petulantes M || exultatione 1 || pe'*uleas B || Petulcus 
luxuriosus eo quod petat coitum (cogitum) B m. II || 13 Zacerti 
eanes iunci T] Fortasse * angues nociui? || 14 Meropes etc.] cf. Reiffer- 
scheid Suet. rell. p. 257 || hae C | heae B || quae in specu M | qui in 
specu 1| in specu nidificat ut in X ostenditur cod, 165 || apiastrae Serm. | 
apistrae B | apistri M || 15 Progne hyrundo C || macula C || hyrundi- 
nem, hyrundine C || 17 quia apium scripsi | qui*pium B || 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 957 


v. 18. Musco, genus herbae mollissimae. 

v. 19. Fugiens, currens. 

v. 22. Vere suo, quasi suo tempore quo nalae sunt. Hoc ex poste- 
rioribus intellegi potest, cum dicit: “ludetque fauis emissa iuuentus." 
Vete suo, quo operantur, sibi grato"et apto. Fuuis, 'hic? fauus. 

v. 23. Ripa. “Ripam’ umbram arboris dixit. Calori, ut aestus 
aquarum uicinitate uitáret. 

v. 26. In medium et reliqua. Tropus hyperbaton est, nam soloe- 
cismos; sed purgatur per syllepsin, “in medium? de nominatiuo accusati- 
uus. In medium et reliqua. Ordo est: in medium transuersas salices et 
grandia saxa pontibus. 

v. 26. Conice. In Ebrii *coice'. 

v. 27. Pontibus. Pontes? lapides dixit qui sunt in aqua. 

v. 28. Pandere, deest ‘ibi’. Morantes, apes tarde remeantes de 
pascuis. 

v. 29. Neptuno. Pro aquis posuit. Eurus, uentus. 

v. 30. Casiae, herbae. *Casia? herba quae unguentis miscetur. 

v. 31. Serpylla, herbae. Grauiter, hene et multum significat. Co- 
pia, habundantia. TÀymbrae, genus herbae in Phrygia habundans. 

v. 32. Floreat, uigeat. Inriguum , perpetuum qui currit el rigat. 
Violaria, loca herbosa. Violaria, idest florum copia, uel wiolaria, ubi 
uiolae nascuntur , ut rosaria. 

v. 33. Ipsa, examina. Suta, conposita. 

v. 34. Teata , textilia. 

v. 36. Cogit, cohibet uel operit. Aemittit, dissoluit. 

v. 94. Virague uis, caloris et frigoris; utraque iniuria apibus me- 
luenda frigoris scilicet et caloris, 

v. 98. Nequiquam , frustra. 

v. 39. Spiramenta, exitus foramina. Fuco. Herba unde uestis tin- 
guitur, uel *fucus? genus cerae, quo pro glutine utuntur, quae nigra est 
ut fucus, qui mel persequitur. Oras, spiramina. 


v. A1. Visco, pice. Et uisco seruant et reliqua. Ordo est: ser- 
uant gluten, quod est lentius uisco et Phrygiae pice. Seruant, mire ait ; 
nam pilas quasdam in aluearibus faciunt, de quibus postea cerea conpo- 
nunt tecla. Lentius , pinguius uel mollius. 


v. 22 posteriorebus, corr. -ibus B||intelligi B || iuuentas M |] sibi 
grato om. M||et apto. Fauis, hic fauus scripsi | et apto fauis hic fauis 
B | et apto fauis M || 25 hyberbaton B || nam soloecismos] nam solicis- 
mos | | nam salicis mos M || per sinlimpsin 1 || 26 in ebrii (sic) B, cf. 

raef. p. 730 sq. | inebrii M, semper || 28 deest ibi scripsi | deest uel 
C | deest uel B || 30 unguentis scripsi | unguentibus 1|| misceatur C || 31 
Serphylla C || abundantia 1|| abundans B |; Thymbrae — habundans, bis, 
B [| 32 iugeat B || forum copia scripsi | foliorum copiam B || 36 uel operit 
scripsi | uel aperit 1 || resoluit M || 37 coloris M || 39 uestis tinguitur 
scripsi | uesti funguntur = funguitur B | uestes tinguntur M || caerae quo 
pro glutino cod. 165 || 41 seruant glutent C || et frigie 1 || cerea scripsi 
cum Seruio | creata B || 


958  H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 42. Si uera est fama , apes terram fodere posse. 

v. 43. Larem, domum. 

v. 44. Pumicibusque cauis. Saxis, quae foramina habent. Zxe- 
saeque arboris antro, quod nimio dabore perficiunt. —— 

v. 45. Rimosa , perforata. 

v. 46. Vngue , ne uel humus crescat, uel cauernae a sole penetreu- 
tur ucl frigore. 

v. 47. Neu propius lectis (axum sine. Taxus uenenata arbor, ut 
in Bucolicis (Ecl. VIIII 30): “Sic tua Gryneas fugiant examina taxos. Mel 
enim ex ea pessimum gignitur. Sine, imperatiuus modus. Tectis, 'tecta' 
nunc apium aluearia uocat. Aubentes, 'rubentes? cancros; odore enim 
ipso pereunt. Aubentes, cum uruntur, non quod per naturam sunt huius 
coloris. 

v. 48. Neu crede paludi , ne facile mergantur. 

v. 00. Offensa resultat, resonat echo percussa. Imago, quam 
Graeci echon uocant, et quam apes uehementer horrere manifestum est. 

v. 51. Quod superest. Antique dixit, idest quod sequitur. Pulsam 
hiemem. Nunc secundum physicos dicit, qui dicunt, quo tempore hiemps 
hic est, aestatem esse sub terris et uersa uice, ul Lucretius (VI 840 seq.) 
ostendit, putealem aquam aestate frigidissimam, hieme uero tepidiorem. 
Hoc Suetonius et Junilius dicit. 

v. 02. Sub terras , mire dixit. Reclusit, aperuit. 

v. 54. Metunt, secant carpunt. Metunt flores, unde et *messores? 
dicti sunt. Flores, ex quibus primo mel, mox pullos efficiunt. Zibant, 
leuiter tangunt. 

v. 55. Leues, uolantes. Zinc, dehinc. Qua, qua arcana ratione 
naturae. 

v. 56. Progeniem nidosque fouent , audenter dixit. 

v. 57. Mella tenacia. Quia cum ad inferiora dependent faui, mel 
tamen inde non funditur, unde ait *tenacia?, quae in resupinatis fauis 
cohaerent. 

v. 58. Caueis , alueariis. 

v. 09. Nare, transnare, in altum uolare. Liguidam, serenam puram. 

e 


v. 44 Exaesaeque C || 46 Vnge 1|| ne uel humus crescat ] | ne uel 
linus crepet Seruius | fortasse “ne uel muscus crescat.’ || In uersu *fo- 
uens? (sic; ad 'frondes? perperam oculos deflexit M) in marg. *fores? || 
47 Gryneas B | grineas C | Cyrneas M || textis M || ipso] post ipso apes 
intercidisse potest |] 50 echon] quae Graece εἰκών, Latine imago dicitur 
Philargyrius || 61 idest quod sequitur dicam C || phisicos B || hiemps hic 
est scripsi | hiemps hic B || esee om. M || uice uersa M [| tepidiorem B | 
tepediorem M || hoc sentit et iunilius dicit B] Suetonii nomen latere 
nuerissime coni, Reifferscheid Suet. rell. p. 445 et p. 247. Contra Momm- 
sen mus, Rh. XVI p. 447 de Gaudentio cogitauit, cf. praef. p. 706 || 64 
Metunt (sic) 1|| carpent 1 || 56 Qua qua arcana C | qua qua arjar cana 
B (ut saepius in uersuum finibus) | Qua, arcana M || 57 tenatia B || de- 
pendent] dependunt B | dependant M || non funditur scripsi | non infun- 
ditur B | non effunditur coni. M S ates B || coherent B || In uersu 
*excudunt?, in marg. *excludunt | 69 transnare 1 | trans mare M [| 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 959 


v. 60. Mirabere , miraberis. 

v, 61. Contemplator. Futuri imperatiuus, idest obseruato aspicito. 
Aquas, quia aquas petunt. Aquas dulces, ideo praedixit (v. 19): *Tenuis 
fugiens per gramina riuus.? 

v. 63. Phylla, quae a Graecis μελέφυλλον. quia melli amica est. 
Varro (de re rustica IIl 16) hanc herbam *'apiastrun? dixit, quia haec 
herba apibus cara. Cerinthae, haec herba melli amica et apibus cara Ce- 
rintha appellata ab urbeCerintho Euboiae. 7gnobile, uile, ubique nascens. 

. V. 64. Quate, sona. Matris, pro “matris magnae’. Iluic simile est 
(Aen. X 450): *Sorti pater aequos? Matris cymbala, quia in eius tutella 
sunt, idest co, quod similia sunt hemicyclis, quibus cingitur Terra, quae 
est mater deorum. 

v. 66. More suo, naturali ratione, cuius causa non redditur. 

v. 68. Incessit, ingruit inuasit, ut alibi (Aen. XII 596): “Incessi 
muros’. 

v. 69. Trepidantia, alacritate pugnandi, non timore. 

v. 70. Morantes, tarde incedentes. 

v. 72. Inde Ennius in VIII ait: * Tibia Musarum pangit melos.? 
Fractos , consonos. 

v. %3. Trepidae , festinantes. Inter se, in aluearibus. Pinnisque 
coruscant , quemadmodum milites scuta commouent. Coeunt, festinant. 

v. (4. Aptantque lácertos , uenuste et ludens dixit. 

v. 76. Vocant, prouocant. 

v. 77. Nactae. In Ebrii “nanctae?, non *nactae?.. Sudum, liqui- 
dum , non proprie epitheton; nam alibi ait (Georg. 1 313) 'imbriferum*; 
serenum tamen post pluuias, quod neque sudum est neque siccum, ut in 
VII (v. 529): “Per sudum rutilare uident.? 

v. (8. Aethere in alto, puro, non nubibus concluso. 

v. 79. Fit sonitus, more bellantum. 7» orbem, ad peritiam retulit, 
non ad multitudinem, ut *in orbem milites pugnare? dicunt. 

v. 80. Praecipitesque cadunt. In aliis enim bellis uicti pereunt, 
in certamine uero apium etiam uictores pereunt; nam dicturus est: “ani- 
mas in uulnere ponunt? (v. 238). 


-- .---΄--..-...... -- 


v. 60 mirabiris B || 61 aspieito contempleris C || .4quas quia aquas 
petunt scripsi | Aquas quiaquas petunt B | Aquas, quia petunt aquas 
dulces etc. M || 63 quac a grecis 1| quae Graecis M Ϊ μελίφυλλον scripsi ; 
melliphilon 1 | melisphyllon M | Sed uidetur noster μελέφιλον, falso hoc 

uidem, scripsisse, cf. *quia melli amica est? || apistrum 1|] cara M | ara 
L || cerinthas B || euboiae B || Ignobolie B || 64 Ouate sona, Cie idest uoca 
C || huic simile est sorti pater aequos M [| equos B || tutella B || hemicy- 
clis] emycyeli B | hemicycliis M || quibus cingitur M | qui ingingitur 
B || terra M || 72 tibi a musarum B || consonos B | collisos Seruius |; 
73 festinantes inter se in aluearibus M || 77 Nacte, bis B | Ergo nactae 
in ebrii na®ctae. non inuenerunt nacte Paris. 1750, cf. G. Thilo mus, 
Rhen. XIII p. 540 || propriae 1 || imbriferum scripsi | umbriferum 1 | 
rutulare | || 78 Erumpunt idest alüca C, quod fortasse nil est nisi *al- 
uearia? || nubibus M | nimbibus B || 79 bellantium C | bellantum B [| dicunt] 
malim 'dicuntar || 


960 I. Hagen:.scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


y. 81. Glandis, nominatiuus hic est. 

v. 82. Ipsi, apium reges. 

v. 83. Ingentes animos et reliqua. Statius (Theb. I, v. 417): 
*Maior in exiguo regnabat corpore uirtus.? 

v. 84. Vsque adeo, pro usque eo. 

v. 87. Pulueris et reliqua. Quia cum uiderint puluerem, sperant 
teinpestatem futuram quae eis plurimum nocet. In Corneliani “quiescunt’, 
non “quiescent’. 

v. 88. Ambos. *Ambo? iuxta Ebrium. 

v. 89. Deterior qui uisus. Non dicit, quem putabis, aut qui uide- 
bitur, sed quem uideris, idest quem aspicies deteriorem. Ex uisu enim 
intellegitur. Junilius dicit. Prodigus, qui sua consumit. 'Prodigi? enim 
dieuntur qui sua consumunt, quasi “porro agunt? Junilius dicit. De- 
terior, deterior meliore, quia peior a malo, deterior a meliore dicitur. 
Gaudentius dicit. Prodigus, non mella conficiens sed consumens. Gau- 
dentius dicit. 

v. 90. Dede, da. Neci. Ideo autem regem solum praecipit occi- 
dendum, quia eo amisso suus dissipatur exercitus, nam (v. 95): *Vt 
hinae regum facies, ila corpora plebis. Yacua, idest ceteris, uel uacua, 
ab altero non tacta. Quid enim proderat, si solus sine ceteris apibus 
esset, uel certe tale est, quale illud (Aen. IV 82): *Sola domo moeret 
uacua’, nam unam refert. 

v. 91. Alter erit, generosus. Maculis auro squalentibus ardens. 
Quotienscumque Virgilius rem pulchram uult ostendere, *ardentem? dicit, 
ut (Aen. IV 262): 'Tyrioque ardebat murice laena?, horribilem uero 
*squalenten?, ut (Aen. 11 277): *Gerens squalentem barbam. Squalen- 
libus, nolabilibus, asperis, splendentibus. 

v. 92. Nam duo sunt genera, regum dicit differentiam. 

. 93. Horridus, leterrimus. 

'. 94. Inglorius , otiosus. 

. 95. Binae, duae. 

. 96. Turpes, qualis uiator, talis et apis. 

v. 98. Et fulgore coruscant. Similia corpora auro distincta 
habentes. 

v. 99. Lila, oblita inlita, idest intincta. Guttis, notis. 


^24 





v. 83 Statius M | satius 1 || 87 sperant tempestatem M | sperantem 
pestem 1 || futuram om. M || quae eis praeuident | | quae eis plurimum 
nocet ex Seruio M || incorniliani D || quiescunt non quiescent B | quies- 
cent non quiescunt M || 88 iuxta ebrium M, et inebrii semper || 89 aspi- 
cies 1 || ex usu cod. 165 || prodigui enim 1 || consument l1 || qui quasi cod. 165, 
peior a malo, deterior a meliore dicitur scripsi, cf. Seruius: *Peior a 
malo dicitur, deterior a meliore? | pecora mala deteriora dicuntar 1 | 
idem, sed: Deterior idest meliore Q pecora etc. Paris. || 90 Dede, da 
neci M [| amisso 1 | omisso M || idest sine ceteris cod. 165 || sola in domo 
B || 91 ardentem dr (dicitur) C || lena 1 || 98 corpora auro distincta scripsi | 
corpora indistincta l| Videtur autem id scholium ad v. 99 (paribus lita 
corpora guttis) pertinere, unde post lemma: ‘Et fulgore coruscant? la- 
cunam statuerim [| fulgora 1 (| 





H. Hagen: scholla Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 961 


v. 100. Haec potior soboles, ad mella procreanda. Tempore certo, 
cum oriuntur Pleiades et cum occidunt, idest uerno et autumno. Gau- 
dentius dicit. Caeli tempore certo, sicut horas et menses, ita tempora 
caeli dixit *certa?. Junilius dicit. 

v. 101. Dulcia mella, non est superfluum epitheton, quia sunt et 
amara, ul Corsicana, sicut in Bucolicis dicimus (Ecl. VIIII 30). 

v. 102. Liquida, defecata, siue sordibus. Domitura, quia maiores 
asperrima uina inellis dulcedine temperabant. 

v. 103. Caelo, pro aere. 

v. 104. Frigida tecta et reliqua, quae non foneant. E contrario 
(v. 169): “Feruet opus.’ Salustius: * frigida nocte?, idest pro tempore. 
Terentius (Eun. IV 5, 6): *Sine Cerere et Libero friget Venus.’ Junilius 
dicit. Frigida, uacua melle, inoperata. Gaudentius dicit. 

v. 105. Instabiles, incertos. Inslabiles, suadentes inanem uagandi 
licentiam. 

v. 107. Quisquam, idest * militum? subaudis uel * de exercitu.? Al- 
tum, uolare aut in bella procedere. 

v. 108. Vellere signa , ut ibi (Aen. XI 19. 20): “Cum primum uel- 
lere signa adnuerint superi? Mos enim fuerat bellantum μέ signa figerent 
eaque mouerent profecturi; si facile uellentium manus sequerentur, pro- 
" Spera pugna ostendebatur, si cum conatu, certum exitium significabant, 
ut in historia: "Sertorius effodit signa, pugnauit et uictus est; uix ipse 
ut euaderet Rhodanum transnatauit.’ 

v. 109. Croceis. 'Hic? crocus et “hoc? crocum fit, odoris et coloris 
optimi. 

v. 110. Saligna, de salice facta, quasi simulacro ligneo. 

v. 111. Hellespontiaci Priapi. Quia in Hellesponto maxime coli- 
tur; nam ciuilas *Priapus? uocatur; similiter et Lampsaci colitur. Credi- 
tur enim omnibus magicis artibus officere. Iunilius dicit. Tutela Priupi. 
Non dicit Priapum illic esse debere sed praecipit tales esse liortos, quales 


v. 100 pliades l1|| horas M | oras D || tempora dixit, om. caeli M | unde 
superuacanea Thilonis coniectura caeli pro certa scribi iubentis mus. Rh. 
XV p. 137 || 101 epitehon C [| sunt et amara scripsi | sunt amara 1 || 102 
defecta C || sine sordibus idest pura C || temperabant M | tamperabam 
B [| 104 seruet opus 1|| idest pro tempore] Cum exemplis adpositis no- 
tionem *nil agendi? uerbis “frigere’, *frigidus? etc, inesse ostendatur, 
legendum *perdito? uel *trito? tempore || terrentius 1|| sine cere C || mel- 
lae Β [107 uolare in bella, om. aut M I 108 bellantum B | bellantium 
Mommsen mus. Rh. XVI p. 451 || «t signa Mommsen | signa B || figere coni. 
M || eaque Mommsen | ea quae B [| mouerent Mommsen | mouerint B || pro- 
fecturi scripsi | profectum B | omisit Mommsen || uellentium M | uelleran- 
tium (sic) B || sequerentur M | sequeretur B || 8i eum conatu certum 
scripsi | si cum conaturis tum B | si cum conatu tum Mommsen || signifi- 
cabat Mommsen || euaderet εἰ Rhodanum, uel uictus [est] coni. Wolfflin 
Philol. XVII p. 541 sq. Ex Sallustii Hist. 1. I desuinptum esse hunc locum 

robabile fecit idem, cf. Plut. Sert. 3 et praef. p.725 || 111 Hellespotiaci D || 
ampsaci M | lansaci l||colitur; creditur enim scripsi | colitur enim 1 j 
unde 'similiter et Lampsaci; colitur enim? M || Post “officere’ quae in 
libris secuntur “inriget imbres? ad v. 116 pertinere certum est et pro 


Jahrb. f, class, Philol, Suppl. Bd, IV ΠΩ. 5. 62 





962  H. Hagen: scholla Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


qui habuere deum custodem. Priapus deus est, qui apud ciuitatem Hel- 
lesponti colitur, de qua pulsus est propter uirilis membri magnitudinem; 
postea in numerum deorum receptus est. Gaudentius dicit. 

v. 112. Ipse thymum, diligens rusticus et cultor hortorum. 

v. 113. Cui talia curae, ad quem hominem pertinet huiusmodi 
necessitas. 

v. 114. Ipse, cultor hortorum. Tenaces, iuuenales; tenaces, alii 
*feraces? idest fertiles. 

v. 115. Amicos, hortis. Imbres, aquas. Inriget, in iuueniles 
plantas. 

v. 117. Vela traham. Vtrum nauem an aliud significat? Juntlius 
dicit. Vela traham, nunc allegorice dicit, qua in primo (Georg. Il, v. 44) 
usus est, ut: *Ades et primi lege litoris oram, et (v. 41): 'Pelagoque 
uolans da uela patenti. Gaudentius dicit. 

v. 118. Pingues, feraces fecundos. 

v. 119. Ornaret, inlustraret. Biferi, bis ferentis. Biferi Paesti. 
Paestus oppidum Lucauiae, ubi rosa in anno bis nascitur. 

v. 120. Potis gauderent, si hauriant aquam, gaudent. Alii “riuis?, 
alii *fibris?. 7ntyba in Ebrii, “intuba? in Corneliani. Intuba, quod intus 
caua sint, quasi tuba. 

v. 121. Tortus, per flexuosos anfractus. 

v. 122. In uentrem, utrum in suum, an in hominis, uel in uentrem 
in curuaturam. In uentrem, quod aut tumidum facit cucumis, ul ratio 
demonstrat, aul quod in medio latescit. Cucumis. Haec *cucumis? no- 
minatiuus, huius “cucuminis’, sed hoc maluit poeta quod eufoniam sequi- 
tur. Junilius dicit. Et huius * cucumeris? dicitur ut Gaudentius dicit. 
Sera, aut tarde aut in serum. Sera comantem, tarde uenientem et diu- 
tine permanentem , sero flores habentem. 

v. 124. Pallentes hederas. Mictum a poeta, quia pallido ore solent 
scribere. Zi amantis litora myrtlos, subaudis tacuissem. 

v. 125. Oebaliae, Laconicae Tarentinae. 'Turres? autem ait, quas 
condiderunt hi qui de Oebalia uenerunt, unde de Castore et Polluce ait 
Statius (Silu. III 2, 10): “Oebalii fratres." 


— A —À 





lemmate habenda cuius expositio intercidit || hortos M | ortus B || apud 
ciuitates M || 

v. 113 at quem C || 114 tenaces alii feraces scripsi | tenues alii fera- 
ces B || in uersu “feracis’, in marg. *tenaces? || 115 in iuuenilis ] || 117 
an aliud scripsi | an aliquid B | in aliquid C || Vela tra C || alligorice 
B || in primo] Sine dubio per librarium ex hoc: *in II? corruptum est 
cf. Seru. || g in primo Paris. || ades primi B || 119 inlustret 1|] bis feren- 
tes, corr. -is B | pesti pestus B || 120 intyba B | intiba C Paris. || corni- 
liani 1 (semper) || 121 flexuosos (sic) B || 122 latescit scripsi, cf. Colum. 
II 10, 24 napi non in uentrem latescunt | latuit 1 | patuit coni. M || mal- 
luit B | Sero comantem M |] diutine scripsi | diuine B || fero flores B || 124 
Pallente B | Pellente C || pallido ore scripsi | pallidora 1 | pallida ora M || 
littora myrtus, corr. -o8 B || 125 Laconicae M | laconiae 1 || carentine C || 
"Turres? autem ait scripsi | terrentius ait 1, cf. praef. p. 724 || ait Sta- 
tius M | ait satiuo oebaliae fratres 1 || hii qui 1 || Oebaliae M || Nam 
oebalie laconiae tarentine | quas condederunt hi qui de oebalia uene- 








H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 968 


v, 126. Pneclat, inrigat, Flauentia uiridantia. Galaesus , fluuius 
Tarentinus, uel fluuius Calabriae, qui est iuxta Tarentum , in qua hortos 
optimos uidisse se commemorat. 


v. 127. Corycium. Corycos ciuitas Ciliciae, in qua antrum illud 
famosum est paene ab omnibus celebratum, quod stadia XX circiter non 
longe a mari et mirabili natura fertilissimum est, rupibus circumdatum 
altissimis inriguisque fontibus habundans. Et per transitum tangit histo- 
riam a Suetonio memoratam. Pompeius enim uictis partim in Cilicia 
partim in Graecia partim in Calabria agros dedit. Corycium alii patrem 
Virgilii, alii Ciliciae montem Corycum ubi erocum nascitur. Memini me 
uidisse. Dicimus autem * memini me uidere? auctoritate Terentii et reli- 
corum grammaticorum. Aelicti, dimissi a patre, ucl deserti atque con- 
tempti idest quem nemo colere uoluerit. Quis enim agrum non sperneret 
nulli rei aptum, non uilibus uel frumentis uel pascuis? Sed tamen illius 
beneficio factus est fertilis. 

v. 128. Nec fertilis illa iuuencis. Non erant apta bobus. 

v. 129. Nec pecori oportuna. Non poterant ibi pecora pasci. Se- 
ges pro terra uel parte posuit. Nec commoda Baccho, non erant uinaria. 


v. 130. Hic, senex. In dumis , ubi quondam dumi fuerant. 

v. 131. Lilia uerbenasque, propria nomina holerum. Premens, 
terram. Vescum, in Ebrii “seram’.  Vescum minutum, uel “ uescum 
papauer? idest uescendo saturum, hoc est quo uescimur; aliud est enim 
lethaeum quo non utimur. *Vescum? dicitur quicquid sine coctura man- 
ducatur; alii ve et esca, quia ue ualde significat idest * multa esca.' 
Gaudentius et Iunilius dicit. 


runt trentius ait unde et de castore et pulluce dicit ide satiuo ocbaliae 
fratres Paris. || 


.  v.190 Vmectat B | Humectat C || 127 Coricium C || cyliciae C || famo- 
sum pene, om. est M || caelebratum ! || quod M | quae 1 N stadia (sic) 1 || 
eirciter habet Paris. || habundans C | abundans B || Corycium — habun- 
dans.] Hoc ex Sallustii Hist. I desumptum esse probabiliter coniecit 
E. Wolffüin Philol. XVII 541 sqy., praesertim cum, quod ex Nonio p. 202 
Merc. Sallustii de Coryco urbe nouimus fragmentum (Hist. I 80 Dietsch): 
eIter uortit ad Corycum urbem inclutam specu atque nemore, in quo 
erocum gignitur! plane congruat cum iis quae in eo scholio infra legun- 
tur: *Ciliciae montem Corycum, ubi crocum nascitur. Accedit quod locus 
Nonianus ex parte laudatur a nostro v. 182 || a Suetonio] a stanio 1 cf. 
Reiff. Suet. rell. p. 355 || cylicia 11 Coricium C [| Ciliciae M | cilicii 1 |] 
montem coricum 1 || Corycum om. M [| crocum scripsi | cros 1 | crox Paris., 
unde 'crocus? uerisimilior poterat uideri sanatio, sed cf. supra et No- 
nium p. 202 Merc. || terrentii et relicorum B cf. praof. p. 726 || 129 opor- 
tuna B || poterant scripsi | poterunt B | potuerunt M || ue! parte] An: uel 
*pastione?? || 130 Hie senex corritius C || 131 holerum 1 || seram in ras. B || 
Vescum in Ebrii *seram.'] Hoc ad v. 132 pertinere et ‘sera, in Ebrii 
seram? legendum uidetur et profecto apud Ribb. in app. crit. habes: 
sera in ras. b sera .. . y, cf. Ribbeck proll. p. 176 || inebrii serü Par. || 
aliud est enim scripsi, cf. Seru. || alii id est enim B [|| letheum B || quia 

. ue ualde significat idest multa esca scripsi, cf. praef, p. 705 | quia ue 
multa significat idest ualde B || 

ὌΝ 


964. , 1l. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 182. Regum aequabat opes, quia regum more cibis non compa- 
ralis utebatur. nimis. Putabat se regem esse. Reuertens rediens. 

v. 133. Inemptis, aut non caris, uilibus, aut certe “non emptis ;᾽ 
dicit non emptas, sed quas fecit de holeribus. 

v. 134. Carpere,carpebat. Infinitiuo enim inperfecta tempora signi- 
ficat more ueterum ut Probus ait. 

v. 136. Ft glacie cursus frenaret aquarum. Mira uarietas; nam 
supra ait (Georg. III 360): *Concrescunt subitae currenti in flumine crus- 
tae.” Frenaret adstringeret. 

v. 138. Aestatem increpitans seram, tarde uenientem, cum iam 
eius carperet fruclus. Zephyrosque morantes, ut ostenderet primi tem- 
poris initium, Zephvrum dicit. 

v. 139. Ergo apibus , ne hortos sine causa scripsisse uideatur. 

v. 140. Primus, praecipue. Habundare, pro habundabat. Cogere 
colligere. 

v. 141. Illic uel illi idest Corycio. Tiliae, arhores. V berrima 
pinus. Pinus nullum fructum fert, sed multa semina habet. Hic ergo 
pro *multa? et *copiosa? accipienda est. 

v. 143. Totidem autumno matura tenebat, non perdebat poma 
quia bene colebantur. 

v. 144. Seras, serotinas. Distulit pro transtulit. In uersum, in 
ordinem. *Versus? a uersura dictus, quae arando et uertendo terram fit; 
binos enim sulcos rustici uocant *uersus? uel “bisulcios’. 

v. 145. Ecduram, ualde duram idest ualidam. Spinos. llic *spi- 
nus? prunorum arbor dicitur. 

v. 146. Platanum, platanus umbra sua terram mitiorem facit. 

v. 147. Spaliis temporibus. Iniquis, angustis ut ibi (Aen. XI 531): 
*Arripuitque locum et siluis insedit iniquis. 

v. 148. liis. Gargilium Martialem significat. 

v. 149. Nunc age, o Maecenas. Naturas, pro mores. Apibus. Ordo 
est: expediam naturas apium. Nunc age. Cum louem Saturno perse- 
quente apes educasse uideantur, quoniam naturas luppiter instituit ; 
uerum Virgilius moderate dicit *addidi?, quasi non totum, sed aliut ad- 
iunxeril. 








v. 132 in uersu fseraque! in marg. *multaque? || potabat C || rediens 
M | repediens B || 133 aut non caris, uilibus scripsi | aut non uisis B 
iussis coni. M || dicit scripsi | idest B [| holeribus DB || 134 Infinitiuo M 
infinitiua 1 || significant cod. 165 om. *more ueterum" || ut Probus ait] ef. 
Diomed. p. 841, 4 K. et praef. p. 727. Vtri Probo adscriberet commen- 
tatorino an grammatico ambigebat A. Riese de comm. Vergil. qui M. 
Val. Probi dieitur p. 30 not. || 138 sertam C || hostenderet C || 140 abun- 
dare pro abundabat 1|| 144 bisulcos cod, 165 ἢ 145 Et duram 1 || uelde 
duram C || 146 mitius faeit B [| 147 sedit iniquis B || 148 martilem 1 || 149 
Nunc age, Maecenas M || natura apium C [| Verba “cum Iouem — Iuppi- 
ter institui? foede corrupta hunc fortasse in modum erunt restitnenda: 
*Quomodo Iouem Satarno persequente apes educasse uideantur, quarum 
naturas Iuppiter instituit? Verum Virgilius etc.’ || instituit M | institui 
B [| moderate scripsi | modere B | modeste M || addidit om. M || quasi ad- 
didi |] aliut scripsi | aliter B || 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 965 


v. 150. Addidit. Necesse est ante eas habuisse mores proprios, 
dum dixit *addidi, uel *addidit? pro dedit, compositum pro simplici. 
Pro qua idest gratia. 

v. 151. Curetum. Nutrices dicit illas apes. Corybantia. Coryban- 
tas ex Saturno natos et Ope in insulam Cretam ad educandum Iouem mis- 
sos dicunt, quorum nomina IIvperochon, Enceladon , Crantora , Patrocto- 
non; et horum sorores Cybelen, Dianam, Asiam, Europam , Phaenareten, 
Eudercen; et ob hoc Corybantas uocatos, quod galeas primi sicut *conos? 
habuerint militares, quae adhuc κόρυμβοι uocentur. Secutae, imitatae. 
— Alii opinantur Corybantas Apollinis filios fuisse IIl numero et horum 
nomina Carmanora Anaxanora Eleutheron Crantora. Alii II dicunt Cory- 
bantas fuisse et horum nomina Mothon Calum hosque ex lacrimis Iouis 
procreatos el ideo Corybantas dictos; quas nos pupillas in oculis dicimus, 
κόρην Graeci appellant. Alii Corylas dictos eo quod armis fuerint tecli; 
alii Corybantas et Corytas dictos putant, quod fuerint κόρειοε idest pri- 
mae aetatis; quos alii nutritores alii ministros Iouis appellant. In Glosse- 
malibus haec inuenimus. 

v. 152. Dictaeo Cretico. Dicta mons in Ida Cretae est. Opis enim 
uxor Saturni Iouem Curetibus et Idaeis Dactylis custodiendum dedit in 
monte Cretae Dictaeo , ne eum Saturnus consumeret. 

v. 154. Vrbis, loci. Magnis, aeternis. Agitant sub legibus aeuum, 
quia aeternas leges habent; nec enim saepe cas, ut liomines inutant. 

,V. 155. Et certos penates, quo debeant redire. Nouere, carissima 
habent, ut (Ecl. 152): *Hic inter flumina nota?, idest cara. 

v. 157. In medium, in commune, ut ibi (Georg. 1 127): *In me- ... 


dium quaerebant? 
v. 158. Victu, pro uictui. Inuigilant, figurate. 


v. 100 ante habuisse 1 | eas addidi || nel addidit B | addidit C | aut 
addidit M || 151 in uersu “crepitantia’, in marg. ‘corybantia’ || coribantas 





C [|| ex Saturno scripsi cf. v. 152 | extimo 1|| natos M | natas 1 || insolam 
B || educendum 1 || Hyperochon Enceladon scripsi | hypero perochen ce- 
la 


on 1 | Hypero, ;Perochenceladon M | cramora C || Patroctonon scripsi | 
patrocona i | Cybelen] cibylen B | cibilen C | Cybilen M || Phaenarcten 
Iudercen scripsi | fennirineuderchen B | fenirineudercen C | forniri 
neaderchen Par. | Fenniri, Neuderchen M || corybantos B | coribantos 
C || galeas (sic) 1| galeros M [| conos scripsi | canos 1 || adhuc κόρυμ- 
Bor scripsi | adhuc urbes 1 | adhuc curbes M || Secutae imitatae scripsi ! 
Secute (seute C) imitate 1| Secutae, imitate M || corybantes B || Car- 
'manora scripsi | carmonara B | Carmanara M || anaxanara B || Eleu- 
theron Crantora scripsi | eleutherant (sic) B || Quarti nomen desidera- 
batur | Eleutheron M || Mothon scripsi | montho B || corybanta B || quas 
M | quos B || κόρην] chorum B | χόραν M || greci B || coritas B || ar- 
mis M | amis B || xogecot scripsi | corei B | κόροι M || in glosomatibus 
B || 152 Dictheo C || mens 1] datylis B | datilis C || ditaeo 1 || 154 quia 
aeternas leges habent scripsi | quia et duces habent B || eas scripsi | 
eos B cf. Seru. || 156 quo debeant redire Paris. | quo debeant 1 [| caris- 
sima habent 1| carissima habere M || 157 quaerebat B || 





966 Η. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 160. Narcissi lacrimas. Adlusit ad fabulam de puero, ut dixi- 
mus, qui in florem Narcissi conuersus est. 

v. 161. Ponunt idest locant, idest duriorem ceram, quae ferro uix 
potest frangi, quam de summis arborum ramis colligunt. Tenacis, mella 
retinentes. 

v. 163. Educunt adultos fetus, educendo adultos faciunt. 

v. 164. Liquido nectare, melle. 

v. 165. Sunt quibus ad portas et reliqua. Metafora a tutamine 
ciuitatis. 

v. 168. Fucos. Genus apium sine aculeis, quod post fetus pro- 
creari dicitur in fauis ad coquendum mel et ad fetus procreandos; multi- 
tudine enim sua el maiore corpore praebent calorem. Nam quo maior 
eorum numerus fuerit, multo hoc maior examinum aduentus et mellis 
copia erit. Quos fucos, cum mella coeperint maturescere, primo uere 
abigunt et trucidant. 7gnauum pecus, quod hoc neque adiuuat et alie- 
num consumit laborem. Varro ait: *pecus a pascendo ueteres omne ani- 
mal dixerunt. 

v. 169. Feruet. In Ebrii 'feruit’. 

v. 170. 4c ueluti Cyclopes et reliqua. Cyclopum comparatio ad 
festinationem pertinens solam. 

v. 171. Cum properant, nondum completo opere. 

v. 172. Stridenlia tingunt. Anceps sensus, idest stridere faciunt, 
ul (Aen. HI 237): “Scuta latentia condunt?, idest condunt et latentia 
faciunt. 

v. 173. Lacu, aqua. Gemit, sonat. etna, mons. 

v. 174. Illi, pro alii. Tollunt, alii “iactant’. 

v. 175. In numerum, ordine uel quasi in sonum consonum. *For- 
cipe? in Ebrii et *forfice? in Corneliani. Forceps dictus a * forno? idest 
calido, quod calori proximus ferrum uersat. 

v. 171. Cecropias, siue quod Athenis apes ortae sint, siue quod 
ibi sit mel nobile. Innatus, insitus. Vrget , premit. 


v. 178. Quamque, apem. Grandaeuis oppida curae.  Apibus 
maioribus uel senioribus, sicut: 'Senes muros tueantur et non in bella 
prorumpant.’ 


v. 160 adlusit fabulam 1| ad add. M||ut diximus] Ecl. II 48 || 161 
locant duriorem M || retinentes M | retinestes B || 164 in uersu *liquidi’, 
in marg. *dulci? || 165 tutamine B || 168 post foetus B | per fectus C || 
procreari M | procreare 1 || procreare dicuntur Paris, || foetus B | fetus 
C || multitudine C | multitudiné, corr. -dine B || et maiora 1 [|| corpore C | 
corporae B || calorem, quo M om. nam [| numeros M || quos fucos M | quo 
fucos 1 | quos cum mel ceperit maturascere cod. 165 || hoc scripsi | hic 
B || adiuuat M | adiuuet B || alienum M | alienam B || Varro uero ait pe- 
cus a pascendo omne animal dixisse cod. 165 || ueteres oms animal Par. || 
169 feruit, corr. feruet C || feruit C | feruit: uit in ras. B [| seruet, corr. 


-uit Paris. || 170 ciclopes C || ciclopum C || 172 condänt B || 173 Aethna 
B || 176 Forcipe, inebrii et forfice, in Corniliani forceps etc. M || corni- 
liani B.|| 177 siu* quod ibi C || 178 idest senioribus M || tueantur B | tuen- 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 967 


v. 179. Daedala, ingeniosa, idest uaria ut (Aen. VII 282): *Daedala 
Circe." 

v. 180. Minores, iuniores. 

v. 181. Passim, alii *circum?. 

v. 182. Crocumque rubentem. | Salustius neutro genere "crocum? 
dixit, ut: “In qua crocum gignitur." 

v. 183. Ferrugineos. Ferrugo nigri coloris. Zyacinthos. Suh- 
audis “pascuntur. 

v. 184. Omnibus una quies el reliqua, Aequaliter laborant, aequa- 
liter feriantur. 

v. 185. Mane , matutino. 

v. 186. Decedere, a pastu. 

v. 187. Tum corpora curant, cibo reficiunt. Si de hominibus, ad 
: cibum lauacrumque pertinet, si de apibus, ad cibum tantum. 

v. 188. Mussant. Mic proprie *mussan? pro murmurant. Murmur 
enim solum quod apes retundunt. Zimina, alii *litora?. 

v. 189. Thalamis. Audaciter *thalamis? dixit. 

v. 190. Sopor suus, quasi propria quies. 

v. 193. 4quantur, aquam bibunt. 

v. 195. Cymbae, nauiculae. Saburram, harenam. Saburra dicitur 
qua naues onerantur ad aequum pondus, quo fortius ferant tempestatem. 

v. 197. Mirabere, miraberis. 

v. 198: Concubitu, pro concubitui. 

v. 199. Nixibus, pro partubus. *Nixus? idest parlus, quos Graeci 
ὠδῖνας uocant. 

v. 201. Quirites, reclos. Legunt, elegunt. 

v. 202. Aulas. In metafora perseuerauit, ut quoniam ‘regem’ dixit, 
ita et *aulam". Aefigunt, idest figunt. 

v. 203. In cotibus. Onera uocat “cotes’. 

v. 204. V ltroque animam sub fasce dedere. Portant tantum, ut 
morerentur, dummodo mella faciant. Fasces, pondere. 

v. 206. 4ngusti terminus aeui, non excedant septennium. 

v. 208. At genus inmorlale manet, idest per successionem. 

v. 209. Domus, familiae. 


tur M || prorumpant scripsi | prorumpunt B | Citari locum ostendunt iam 
illa: *in bella prorumpant? cf. praef. p. 722 || 

v. 181 Passim, alii *circum? scripsi | Passim ad circum B || 182 Sa- 
lustius] cf. ad v. 127 || 184 qualiter laborant C || 186 a pastu scripsi 
a ceptui B | a coeptu coni. M || 187 lauacrumque M | laciacrumque B : 
si de apibus scripsi| se de apibus B | sed de apibus M || ad cibum M 
cibo B || 188 murmurant C | murimurant B || retundunt 1 | redundunt 
Paris. | refundunt M || 195 Suburram arenam suburra B || morantur facta 
ad &equum cod, 165 || 197 mirabiris 1|| 198 pro concubitui M | pro con- 
cubitu B || 199 greci odinas B || 200 in uersu 'ipse foliis natos et suaui- 
bus?, in marg. ipse e foliis natos et suauibus? Ϊ 201 Rectos scripsi cum 
Paris. | rectores B Legunt elegunt om. M || 202 Aulas metafora B | Mulas 
metafora C | ín add. M || quoniam regem 1 | quomodo regem M || 204 suf- 
fasce C || faciunt 1 || 206 excedant B | excedunt M Paris. || septennnio B | 





968 II. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 211. Medus. De Mediae gentibus Salustius dicit: “Adeo illis in- 
genita est sanelitas regii nominis. Quas tamen apes dicit superare, quia 
el circa regem amant mori. Aydaspes, fluuius Indiae. Orosius tamen 
dicit de Media: *in medio sui IIydaspen et Arben habet.? 

v. 212. Obseruant, colunt honorificant. 

v. 217. Et saepe attollunt umeris, scilicet aetate fessum. Zi cor- 
pora bello obiectant, pro Imperatore. 

v. 218. Pulchram mortem, gloriosam quae pro rege suscipitur. 

v. 219. Haec exempla. luxta opinionem Stoicorum dicit, qui diui- 
num spiritum in omnia diffusum esse dicunt. 

v. 220. Partem diuinae mentis. | Traxit hoc de Celtiberorum more] 
quod partem diuinae mentis habeant; nam ex {ΠΠ] elementis et diuino spi- 
ritu constat, a terra carnem, ab aqua humorem, ab aere halitum, ab igni 
calorem, a diuino spiritu ingenium, quod est et in hominibus et apibus. 
Namque metuunt cupiunt, dolent gaudent. Ilaec probantur ex his quae 
faciunt. Dimicant enim, colligunt flores, praeuident pluuiam. Zaustus, 
spiritus. 

v. 221. Aetherios diuinos. Deum, utrum *deum? diuinum spiritum, 
an naturam rerum, idest primam mundi potestatem? Deum, animam ex 
deo. Deum namque ire per omnes. Lucanus ait (VIII 580): "Iuppiter 
est quodcumque uides quodcumque moueris.? 

v. 222. Terrasque et reliqua. Siue latitudinem siue longitudinem 
dicit terrae et maris. llaec plenius in VI (v. 724— 738) prosequitur. 

v. 224. Arcessere, ducere. Vitas, animam. 

v. 220. Huc reddi, rursus in originem suam. 

v. 226. Morti, perditioni. Sed uiua uolare, quia ad sidera migrat 
anima. 

v. 227. Sideris, pro siderum. 

v. 228. Augustam idest sanctam, proprie cum augurio consecratam 
uel exploratam, abusiue nobile. 

v. 229. Relines, aperies, quia prius limo propter hiemem, ac glu- 
lino clauduntur. Sparsus, participium praeteriti temporis. 

v. 230. Ore foue, ipsos haustus, uel ore faue, idest cum silentio 
accede, el omnia bona tecum habe, ut in Pontificalibus: *Fauete linguis. 
Sequaces, uolatiles, quia omnia penetrant. 


v. 211 Salustius] cf. Hist. fragm. 1l. V 1 Dietsch || sanctitas religio- 
nis Philargyrius || est scithas 1|| superare add. M || quia scripsi | qui 1 | 
quae M || Orosius] I 2: ‘in medio nutem sui flumina praecipua Hydas- 
pen et Arbin || 217 sessum | || 218 susciptur B [| 220 celtiberorum more 
D (sic) | Celtiberorum [doctrina] M |] Verba “Traxit hoc de Celtiberorum 
more* ad v. 218 pertinent cf. Seru. || constat B | constant M | Non ausus 
sum locum misere ex Seruio excerptum coniciendo temptare || a terra 
canem B [| alitum B [| copiunt B [| 221 diuinos diuinos 1|| ex dó — ex deo 


1||222 plenus B | plinius C || 228 angurio B || 229 glutino B | glotino € | 
glutine M || 280 Ore foue scripsi cum Ribbeckio proll. p. 197 (ita et 
Paris.) | Ore faue 1|| haustus M | hustus B | ustus C || accede M | accide 
1 J| linguis B [] 


II. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica el Georgica. 969 


v. 231. Pis, gemina est fecunditas mellis. Duo tempora, apium. 
Messis, fructus. Abusiue uero *messes? dicuntur. 

v. 232. Taygete, in Graecia. Taygete. Mira uarielas: nunc una so- 
rore omnes sorores uult intellegi, nunc una Pleiade matre. Sunt Atlantis 
enim et Pleiadis filiae numero VII, quas scripsit ratus. Harum nomina: 
Merope Sterope Alcyone Electra Maia Celaeno Taygete. In Glossematibus 
haec nomina inueni. Ostendit, idest oritur. 

v. 233. Pleias, sidus quod decimo mense oritur. Aetulit, oritur, 
alii *reppulit". 

v. 234. Eadem, stella. Fugiens, alii *surgens?. Vbi piscis aquosi. 
Nouembri mense; quo tempore Pleiades occidunt, tunc Piscis oritur. 

v. 235. Tristior, propter occasum, uel propinquante hiemis asperi- 
tale. Hibernas caelo descendit in undas, hiemis tempore occidit. 

v. 236. Illis, apibus. Ira modum supra est. Ira supra modum est. 

v. 237. Morsibus inspirant. Tanta enim est illis animositas. Cae- 
ca, breuia, quae possunt latere. 

v. 238. Adfixae, apes. In uulnere, non suo sed a se inlato. In 
uulnere ponunt. Asper dicit:...... . “in carcerem mitto, sed quando 
bonae partis, in ablatiuo ponitur ...... Ponit posuit positurus est nul- 
lum motum habent. Nam legimus: “Animasque in uulnere ponunt ; non 
dixit “in uulnus? aut “in uulnera; quamlibet de morte dixit, bene tamen 
usus est." 

v. 239. Parces, consules. Futuro. Vtrum *' tempori? an * melli?? 

v. 240. Et res miserabere, ne pereant cibi inopia. Fractas, ad- 
flictas. 

v. 241. Suffire, fumigare, ut inimica animalia fugiant. Inanes, 
sine melle. 

v. 242. Ignotus, ignobilis; alii *ignotos? idest occultos. dedit, 
consumit. 

v. 243. Stellio, auis. Blattis, uermibus per noctem uagantibus. 

v. 244. Inmunis, expers laboris. 


v. 231 Abusiue uero messes dicuntur scripsi | iuuenabus, corr. iuue- 
nalis uere messes dr B | unde: Iuuenalis uero messes dicit M cf, ad 
G. II 410 || 232 Targeta mira C || nunc una Pleiade matre. Sunt Atlan- 
tis enim etc. scripsi | nun a pliade matres athlantis enim 1] nominatas 
a Pliade matre. Atlantis enim M ||taigeta una sorore oms sorores uult 
intellegi nö aplyadae. matres. athlates enim Paris. || pliadis 1 || baratus 
C | Aratus] v. 262 || nomina M | non mina 1 || merope asterope B | meropet 
asterope C || celeno 1|| glosomatibus 1/|| 233 in uersu “reppulit’, in marg. 
trettulit? | repulit oritur aHi retulit Paris. || Plias 1|] 234 pliades B || 235 
uel propinquitate C [| 237 Tanta scripsi | tacta 1]| 238 asper dicit in car- 
cerem mitto sed quoniam bone partis in ablatiuo ponitur ponit posuit 
positurus est nullum motum habent nam legimus etc. D | Asper dicit: 
in carcerem mitto, sed quoniam bonae partis in ablatiuo ponitur, ponit 
posuit positurus est nullum modum hahent, nam legimus etc. M | De 
meis emendandi rationibus cf. praef. X 94 p. 727 sq. || 239 consulis B 1} 
utrium B || 240 cibi B | tibi coni. M | 242 idest occultos scripsi | idest 
oculis 1 [| 243 Stelo B || Stellio auis uel uermis C || 244 Immunis C || ex- 
pers laboris idest otiosus C || 


970 Η. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 245. Crabro, qui possit illas ui, non animositate superare. Im- 
paribus armis, inaequali consilio. Armis, consiliis, ut (Aen. Il 99): 
*Quaerere conscius arma?, idest consilia. 

v. 247. Aranea casses. Aranea puella lanificii perita nimia exul- 
tatione improba opus suum Mineruae praetulit, Hanc dea in araneam 
uertit deditque ei, ut opere, quo gaudebat, non desineret fatigari. Haec 
laqueo uitam finiuit; inde casses in alto suspendit. Et notandum aranea- 
rum lexla *casses? dicta, cum * casses? proprie dicantur quidam sinus ex 
modico reti facti, qui in uicem laqueorum fera decipiunt, ut ibi (Georg. 
ΠῚ 371): *Non cassibus ullis.? 

v. 250. Foros, aluearia dicit, cum proprie "fori? nauium sint. 

v. 254. Alius color, pallidus. Vultum, alii * uultu? idest pro cor- 
pore, hoc est pro habitudine. 

v. 255. Luce, uita. Luce carentum, mortuorum. 

v. 256. Zxportant, efferunt. Zi tristia funera, cum exsequiali 
pompa. Ducunt. 'Ducere? proprie funerum est. 

v. 257. Pedibus conexae, pedibus inuicem se tenent. 

v. 260. Tractim, per ordinem, idest sine intermissione , iugiter. 

v. 261. Frigidus ut quondam et reliqua usque ignis. Tres com- 
parationes in singulis impletae uersibus de Zomero translatae sunt, quas 
ille binis uersibus posuit. 

v. 262. Sollicitum, turbatum iactatum a loco. Stridit, proprie ma- 
ris dicimus. 

v. 263. Ignis, deest: si coeperit languere. 

v. 264. Galbaneos. Galba ciuitas. Odores, quibus delectantur apes. 

v. 266; Vocantem , inuitantem. 

v. 267. Proderit, mellis infusio. Tunsum, minutum. Gallae, ge- 
nus herbae. Saporem, cuius dulcedine apes delectantur. 

v. 268. Arentes, siccas. 

v. 269. Psithia passos, passum facere de uite. Psithia, pro quo- 
libet passo dixit, usus specie pro genere. Passos, siccos. 

v. 270. Cecropium, Graecum. Graue, grauiter. 

v. 271. Flos, quem Graeci μελέφυλλον uocant. Amello, herba, siue 
silua, quae iuxta Mincium nascitur. 


v. 245 quere conscius C || 247 lanifici C || exultatione 1 || deditque 
eius C || ut opere M | ut cipere 1|| finiunt C |] sinus M | finus 1 | laqueati 
cod. 165 || 254 hoc est habitudine M [|256 offerunt C || 257 connexae M || 
260 iugiter uel paulatim C || 261 implete 1 | completae M || de Homero] cf. 
" 398: Οὔτ᾽ ἄνεμος τόσσον ye ποτὶ δρυσὶν ὑψικόμοισιν Ἤπύει, ὅστε μά- 
Aure μέγα βρέμεται χαλεπαίνων. ibid.v.394: Οὔτε θαλάσσης κῦμα τόσον 
βοάᾳ ποτὶ χέρσον Πόντοϑεν ὀρνύμενον πνοιῇ Βορέω ἀλεγεινῇ. ibid. v.396: 
Οὔτε πυρὸς τόσσος γε πέλει βρόμος αἰθομένοιο Οὔρεος ἐν βήσσῃς, ὅτε τ᾽ 
ὥρετο καιέμεν ὕλην || 262 Stridi B || maris scripsi | matris B | matres M |j 
263 si coeperit scripsi | sic coeperit B || 264 ciuitas est M || 267 Tunsum 
minutum scripsi | tonsam manui 1| 7unsam, manui M || 269 Psithiae pos- 


sos B | Psithie passos C || quolibet (sic) 1 || 270 Cycropeum C || grecom 
B || 271 μελέφυλλον scripsi | mellisphilon B || 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 971 


v. 272. Facilis, cito inuenitur. Quaerentibus , herbariis. 

v. 273. Ingentem. Ingentem siluam huius herbae, quam “amellum’ 
uocat. Haec ex gentili notitia nouit; plura enim iuxta Mincium nascuntur. 
De cespite, de stirpe. 

v. 275. Violae sublucet purpura. Ostendit purpurei coloris folia 
quodam nitore esse perfusa. Sublucet idest foliis. Nigrae. Sunt enim 
nigrae et candidae uiolae. 

v. 276. Torquibus, de coronis flexuosis. 

v. 271. Tonsis, depastis. Vel fonsis, messis, compositis, directis, 
non siluosis. 

v. 278. Amellae. Ciuitas uel fluuius Campaniae, uel 4mellae, flu- 
: men uicinum Brixiae. Junilius dixit. Amellae. Amella ut alii, fluuius 
Galliae, unde et Amella, ut Alemanni a Lemanno. Gaudentius dicit. 

. 279. Baccho, uetustissimo uino, non quod alii, holeri. 

. 280. Pabula, alimenta. 

. 281. Sed siquem , idest proderit. 

. 282. Nec. Non potest implere. 

. 283. Arcadii. Aristaei Apollinis et Cyrenes filii. Hic enim iuxta 
fabulam quam Zronto poeta describsit, originem gignendarum apium pri- 
mus inuenit. Junilius dicit. Arcadii magistri, Aristaei. Aristaeus filius 
Apollinis et Cyrenes Nymphae , maritus Autonoes, pater Áctaeonis. Gau- 
dentius dicit. 

v. 284. Pandere, ostendere, Caesis, *caedi? occidi uerberari. 

v. 285. Insincerus, inmundus corruptus uitiatus, uel insincerus, 
ualde sincerus. Tulerit, creauerit. 

v. 287. Pellaei Canopi. Canopus ciuitas in Aegypto iuxta Alexan- 
driam dieta quasi Canobos a Menelai gubernatore illic sepulto; ac locus 
ex eo cognominatur “Pellaeus Canopos’. Canopi, urbs in Aegypto, uel 
Canopos ciuitas Boeotiae patria Philippi patris Alexandri. 

v. 288. Nilum. Nilus quasi νέα /Avg, idest nouus limus; hoc est 
Nilus trahendo limum dicitur, qui ante Indus, Latine *Melo? dicebatur. 

v. 289. Phaselis, genus nauium pictarum, sicut *phaselus ille’, 
quem ait Catullus *auctorem esse nauium celerrimarum?, quem habuit 


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v. 275 quodam nitore M | quodam uirore 1 || esset 1 | sublacet B | 
idest foliis scripsi | idem aliis B | cf. ad Georg. II 131 || 278 dixit 1 
dicit M || unde et Amella ut Alemanni a Lemanno scripsi, cf. Seru. 
“sicut etiam populi habitantes iuxta Lemannum fluuium Alemanni dicun- 
tur? | unde et amella et melli ut in annidem anno B || 281 Sed siquidem 
C || idest proderit] Videtur ea potius nocabuli "Tempus? v. 283 interpre- 
tatio esse, unde post: ‘sed si quom? lacunam statuas || Proles idest apum 
C || 282 Nec. Non potest implere scripsi | Nec enim potest implere B | 
enim potes M || In uersu “reuocetur’, in marg. 'renouetur? || 283 Archadii 
C || aristei 1 || cyrenis, semper, B | carenis C |; describsit B | descripsit 
C || gigiendarum C || nimphae B || aeteonis B || 287 egipto C || canobos 1 | 
C&nobus M || ibi sepulto M || Pellaeus Canopos, scripsi | pellaei canopos 
1 || Canopus M | boetie B || 288 ἑλύς M | NEAAY B | νέα (Avg scripsi et 
*nouus? addidi || 289 pictarum scripsi cum Paris. | picturam 1] | picturata- 
rum M || sicus phasillus ille quem agiunt auctorem esse nauium cálae- 








972 Il. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica el Georgica. 


hospes Serenus. Junilius dicit. PhAaselis, breuibus nauiculis, quibus 
utuntur circa Nili stagna. Gaudentius dicit. 
. 290. Persidis, regio est Persarum. Vrget, idest urget Persis. 

v. 201. Zi uiridem Aegyptum nigra fecundal harena, quia fecun- 
dat terram. 

v. 203. Psque ab Indis. llli ablatiuo casui iungebant, quod nos 
tantum accusatiuo iungimus. Coloratis, nigris. Deuexus, pro deorsum 
currens. Nilum enim ex Aethiopia oriri dicunt. 

v. 204. Omnis in hac certam et reliqua. Sciendum est, ut Plinius 
dicit, quod ex iuuencis apes, ex equis crabrones, a mulis fuci, de asinis 
uespae procreari ab hominibus possunt. Salutem , apium reparandarum. 

v. 295. Exiguus, ad sustinendum cadauer bouis. 

v. 296. Imbrice, fenestra. Angusti imbrice. Licet *hic? imbrex 
dicamus, tamen quidam ait: *fregisti imbrices meas.’ *Imbrices? fenestrae, 
quae ex obliquo lumen effundunt, ut in horreis fiunt. 

v. 207. Premunt, coloni. ;írtis , angustis. 

v. 299. Bima, duorum annorum , uel tropice dicit. 

v. 901. Multa, nomen pro aduerbio. Obsuilur, circumcluditur, 
truditur, alii *obstruitur?, idest farcitur. 

v. 302. Figurate loquitur. 

v. 303. In clauso, loco clauso. Ramea, facta de ramis. 

v. 304. Recentes slatim carptas. 

v. 305. Zephyris primum et reliqua. Veris tempore. 

v. 307. Tignis trabibus. 

v. 309. Modis animalia miris. Miris modis, quod ex cadauere ani- 
malia nascantur et quod apes ex uermibus procreentur. 

v. 310. Trunca pedum , sine pedibus. Primo, bene dicit *primo*. 

v. 313. Sagiltae. Parthi prae omnibus armis sagittas liabent. 

v. 314. Leues, ueloces. Leues, idest leuis armaturae. sagittarii 
enim sunt Parthi. 


tarum (celaturum C)1 | *phaselus ille?, quem ait Catullus auctorem esse 
nauium celerrimarum scripsi | sicut Phaselus ille, quem aiunt, auctorem 
esse nauium celatarum M cf. Catull. IIII et praef. p. 729 || 

v. 291 harena 1|| quia scripsi | qui 1 [| fecundat M | fecunda 1 || 298 
Ili] scilicet antiqui || casui B | casu C || quod ] (sic) || in nos C || iungi- 
mur C | cod. 165: Notandum quod usque ablatiuo iunxit, Olim enim 
ueteres ablatiuo dabant hane praepositionem, quam nos tantum accu- 
satiuo iungimus || 294 ut plinius C | ut plenius B || dicitur 1 cf. H. N. XI 
20, 70 Sill. *in totum uero amissas reparari uentribus bubulis recenti. 
bus cum fimo obrutis Vergilius, iuuencorum corpore exanimato, sicut 
equorum uespas atque crabrones, sicut asinorum scarabaeos, mutante 
natura ex aliis quaedam in alia? || a nulis fucos de asinis uespas 1 || Za- 
cit idest credit inponit C || 296 in uersu “in usus’, in marg. ‘ad usus? 
296 quidam] Plautus Mil. glor. II 6, 24: *meas confregisti imbrices? | 
effundunt] Malim “infundunt’ || 297 augustis 1 || 301 farcitur scripsi | spar- 
gitur B || 308 incluso C || facta scripsi | fracta B || 306 tempore M | tem- 
pora B || 309 nascantur B | nascuntur M |] procreentur] procreantur B || 
313 Parchi B || 314 leuis armaturae scripsi | leues as maturae | | leues 
ac matureM|] - 





H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Ducolica et Georgica. 9179 


v. 315. Exludit. Extundit, studiose reperit. Alii *extulit. 
v. 316. Vnde noua ingressus , *hos? ingressus, idest exordium ex- 
perientiae nullo docente. Experientia, idest industria el uitae ratio. 


v. 317. Pastor Aristaeus ei reliqua. Aristaeus filius Apollinis et 
Cyrenes Nymphae filiae Penei fluminis Thessaliae. Qui cum Eurydicen 
Nympham uiolaret uxorem Orphei, uiolari nolens illa fugiens a serpente 
percussa est. Inde iratis Nymphis auxilium matris exquisiuit. Peneia, 
Thessaliae montes. Tempe, nominatiuus pluralis. Tempe, loca uolup- 
taria. 

v. 319. Extremi, summi. Sacrum. 'Sacrum? amnem religiose di- 
xit, cuius filiam deus amauit. 


v. 320. Parentem , matrem. 

v. 321. Gurgitis , Penei fluminis. 

v. 322. Ima, fundamenta. .Tenes, possides. 

v. 323. Si modo, idest tantum. Pater est, mihi. 

v. 324. Inuisum fatis , inimicissimum, cuius exitium fata peragunt. 
Aut quo tibi nostri et reliqua. Inuidiam facit, ut misericordiam consequi 
mereatur. 

v. 327. Quem mihi uix frugum et reliqua. Bene arare el bene 
pascere pecora; nam ingenti honore fuit rusticitas. 


v. 328. Te matre , inuidiose, propter te perdidi. Relinguo, cumu- 
lat questus ut magis flectat. 

v. 929. Felices, fertiles. 

v. 330. Fer, infer. Interfice. Noue dixit *interfice?, quod signi- 
ficat: fac interire messes; non proprie dixit. Iunilius dicit. Interfice 
messes, quasi messis anima sit, u( hominum, uel [animam habere] secun- 
dum Pythagoram, qui omnia crescentia animam habere.dicit. Gauden- 
tius dicit. 


v. 315 *extulit? uarians scriptura est | Extudit, extundit studiose 
reperit, Alii 'extulit? scripsi | Extudit extulit studiose reperit alii ex- 
tundit B || 316 ingresso C uitae ratio scripsi | uere ratio B | uera ratio 


M || 317 aristheus 1, bis || cyrenis 1 | thesaliae 1 || earidicen 1 || uiolaret 
M | uolaret 1] [| uxorem orphei uolare nolens illa fugiens 1 | uxorem 
Orphei, uiolari nolens illa fugiens scripsi | uiolaret et uxorem habere 
uellet illa fugiens, om. Orphei M || thesaliae B || Tempe nominatiuus - 
pluralis scripsi cum Paris. | Tempe mofite plur. B | omisit M | cod. 
165: Tempe loca amoena et est nominatiuus pluralis || uoluptaria B | 
uoluptuaria M || 319 emném B | aemnem C || religisse corr. religiose 
(religiffe) B | religi sed se (f, fe) C | unde adparet in archetypo iam 
illud uitium fuisse ita correctum, ut cod. C scriptor o ex f correctum 
pro f, posset accipere | religi, sed se M || 320 in uersu *adfatis", corr. 
taffatis’, in marg. 'adfatus' | 924 inimieissimum (sic) | || exitum, corr. 
exitium B | exitu C | exitum M || facit] An “ingit?? || 327 frigum 1 || rusti- 
citas scripsi | rusticatas 1| rusticatus M || In uersu *peeudum?, in marg. 
‘pecorum’ || 328 questus ut M | quaestas in B || 330 significat: fac scripsi | 
significat 1 | significat interire messes [fac] M || messis B | messi M i 
sit ut hominum scripsi | sit hominum B || [animam habere] uerba ex se- 
quentibus perperam antecapta uncis inclusi || phitagoram B || 


974 NH. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 331. Taedia. “Taedium? est angor mentis , et animi, non corpo- 
ris ualitudo. Laudis, laudationis. 

v. 334. Milesia, pretiosa, quasi Milesia lana mollior sit. 

v. 335. Hyali saturo. Hyali uitreo albo rubenti. Duo purpurae 
genera, una caerulea quae et ferruginea dicitur, altera rubea, quae pre- 
tiosa est. Ergo *hyali? uitro albo. Saturo, rubeo. Saturo, largo habun- 
danti uel certe a Satureio oppido , quod est iuxta Tarentum. 

v. 336. Drymoque Xanthoque et reliqua. Nomina Nympharum. 
Mae sunt de quibus Iuno ait (Aen. 1 71): “Sunt mihi bis septem praestanti 
corpore Nymphae, uel magis conficta nomina poetice de officiis; in aliis 
uirginitas, in aliis pulchritudo formae et reliqua uaria commemorantur. 
Drymoque Xanthoque et reliqua. Non ut alii nomina herbarum, quibus 
lana fucatur; uel conficta nomina poetice, ne procrearet fastidium homi- 
num in eis, haec accipiemus. 

v. 339. Cydippe, Nympha. Zycorias, Nympha. 

v. 340. Lucinae , idest Mineruae. 

v. 341. Clio, Nympha. Beroe , Nympha. 

v. 942. Incinctae pellibus , uenatricum habitus. 

v. 343. Opis, Nympha. Asia Deiopeia, Nympha. Ephyre, Nympha. 

v. 944. Arelhusa, una de Nymphis, comes Dianae, sagittarum pe- 
rila et uenationis; ideo *uelox? dicitur; at ubi Alphei fluuii amore uitiata 
est, reiecta a Diana ad elementum , unde nata est, redit. 

v. 345. Inter quas curam , definitio amoris. Clymene, Nympha. 
Curam narrabat inanem. Quidam distingunt *Vulcani curam inanem’. 
Morem zelotypi intellegamus. 

v. 346. Vulcani Martisque dolos οἱ dulcia furta. Dolos ad Vul- 
canum, furta dulcia ad Martem referenda, quod Sole indicante Mars cum 
Venere per artem Vulcani religatus est catenis. Dulcia furta, quia amor 
dulcedinem maiorem adulteri quam mariti habet. 

v. 347. Vel Chao, ab initio. Chao, quae amabat Apollinem, ex 
quo susceperat filium Aristaeum; et deorum amores narrabat. 


— —MM— M — 


v. 331 augur mortis, corr, angor mentis m. II C | augur mortis B | 
unde augurium mortis M || ualitudine, corr. -tudo m. II C | eod. 165: 
Taedium est angor animi, non ualitudo corporis l| landationis scripsi 
dictionis B || 384 praetiosa B || 335 satura M || Hyalis C || rubea 1 
rubra M || abundanti B | sbundante M || a Satureio] astar so B | a 8a- 
tureo M || 336 hae sunt 1 | nomina nympharum haec sunt M || uaria 1 | 
uarie M || fucatur scripsi | fuscatur B || hominum in eis. Haec accipie- 
mus M cf. ad G. III 175 not. || 339 Lycorias nymen B || 340 Minerua 
M |] 341 Clionym B | Clyonim C || Beroe nym (sic semper) B || 342 habi- 
tum M || 343 deiopeia (sic) B || Ephyre nymen om. M |] 344 Aretusa C || 
at ubi Alphei fluuii amore M | et ubi albei flauia more 1 | cod. 165: quae 
ubi albe fluuii amore — elementum — rediit || elimentum 1 |] redit 1 | re- 
diit M || 345 climene B || Morem zelotypi scripsi | maiorem zelotipi B 
maiorem zelotypiam M | Fortasse etiam “ut? ante * morem"? intercidit | 
346 indicante scripsi | iudicante 1 | indicente M [| cum Venere per artem 
Scripsi | per uenerem et artem 1|| religatis C || 347 que amabat (sic) B || 
susciperat B | suscepit M || 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 975 


v. 348. Carmine, amatorio. Captae, Nymphae. Fusis, furcatis T. 
Pensa , opera. 

v. 949. Deuoluunt , rotant , nent. 

v. 351. Sed ante alias, quasi *uelox? (v. 344). Arethusa, de Lydia. 

v. 363. Ef procul, ait. “Procul’ duo significat, idest *prope? et 
"longe. Frusira, nequiquam. 

v. 951. Cyrene, de Thessalia. Soror, honorifice dicit propter 
similem potentiam. Tua maxima cura, quem plurimum diligis. 

v. 355. Tristis Aristaeus. Bene dixit “tristem’, ut magis matrem 
sollicitam reddat. Genitoris. Tunilius dicit: non sui genitoris, sed ma- 
tris; non Aristaei, sed Cyrenes. Penei, proprio pro appellatiuo utitur, 
dicens “Penei’. 

v. 356. Et te crudelem. Tardum misericordiae genus est, eo tem- 
pore subuenire, quo crudelis coeperis accusari. Nomine dicit , appellat. 

v. 997. Huic, Aristaco uel Arethusae. Noua, magna, ut (Ecl. IIl 86): 
*Pollio et ipse facit noua carmina.? 

v. 358. Diuum , idest deorum, unde natus est. 

v. 360. Flumina, quae illum non paterentur, nisi illa uoluisset. 4t 
uel ‘ad’. Illum, Aristaeum. 

v. 361. Hunc uersum ex Hesiodi γυναικῶν catalogo transtulit. 

v. 964. Lacus. 'Lacus? sunt fontium et fluuiorum receptacula. 

v. 366. Omnia et reliqua. Intulit poeta quae naturalia sunt mira- 
cula, ut ostendat in inferioribus omnia structiora esse. Haec non licentia 
poetica dicta suut, sed ex Aegyptiis tracta. Terra, ripa. 

v. 367. Phasim, flumen Scythiae idest Colchidis. Zycum, fluuius 
Arcadiae uel Asiae. 

v. 968. Erumpit, tollit Enipeus, fluuius Thessaliae. 

v. 369. Tiberinus, fluuius Italiae. Aniena fluenta, Anio Italiae 
fluuius. 

v. 370. Hypanis, fluuius, forsan ltaliae. Mysus, fluuius Moesiae. 


v. 848 Fusis furcatis 1 | fucatis M || 349 Deuolünt C || 351 In uersu 
tobstipuere?, in marg. *exsiluere? || 353 prope et longe, frustra nequic- 
quam M || 354 Cynore B | Cynere C || thesalia 1 [[ plurimam, corr. -um B | 
355 non sui genitoris sed matris; non Aristaei sed Cyrenes scripsi 
non sui genitoris matris non aristaei (aristei C) sed cyrenis (cirenis C) 
1|Penei genitoris proprio pro appellatiuo utitur iunilius dicit non sui 
genitoris sed genitoris matris idest cyrenis Paris. | non sui genitoris sed 
matris Cyrenes M || proprie M || appellatiuo M | appellatiue B [| 356 coe- 
peris scripsi | coeperit B || audiri M || 357 aretusae C || 358 deorum scripsi ! 
eorum B || 360 illum scripsi | illi 1|| paterentur B | patrentur C | paterent 
M || 4: uel ad illum, Aristaeum M || 361 Hure B || ex Hesiodi γυναικῶν 
καταλόγῳ M | ex hesiodi ginecon, corr. gyneon B | gynekeon cod. 165 | 
Curuata hic uersus Hesiodi Paris. | Est uersus Hom, Odyss. XI v. 243: 
Πορφύρεον δ᾽ ἄρα κῦμα περιστάϑη οὔρει ἶσον | κυρτωϑέν in mulierum 
catalogi initio | Fragmentis Hesiod. 140 Marckscheffel. adiciendum sta- 
tuit M | Praeclare nuper de hoc loco disputauit /M. Z/aupt, Hermes 1I 1 
p. 3. Equidem totum Homeri catalogum siue ab Hesiodo siue ab Hesiodeo 
confectum esse dixerim || 366 licentia (sic) 1|| poeta C || dicta addidi [| 367 


u 
scithiae 1 | licum B || 368 thesaliae || 370 fluuis C || 


976 I. Hagen: scholia Pernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 371. Et gemina, deest unde. 

v. 972. Eridanus et reliqua. Eridanus qui et Padus, ideo sic lau- 
datur, seu quod fluuiorum ltaliae sit maximus, seu quod receptus sil in 
caelo. 

v. 373. In mare, in Adriaticum mare iuxta Rauennam fluit. Purpu- 
reum, epitheton Graecum est. Purpureum , nigrum quia *purpureum? 
nigrum est. 

v. 374. Pumice, lapide. 

v. 375. Nati, Aristaei. Inanes, nunc leues et qui matri inputari 
non possunt. 

v. 976. Manibus et reliqua. Rite secundum morem epularum. 

v. 377. Germanae, sorores. 

v. 378. Reponunt, saepe offerunt uel proponunt. *Reponere? ite- 
rum ponere aut recoudere, sicut in consuetudine dicimus. 


v. 979. Panchaeis, Arabicis, turariis, ut ibi (Georg. II 139): *Tota- 
que turiferis Panchaia pinguis harenis." 

v. 380. Carchesia , genus poculorum , uel *Carchesus? regio est, in 
qua uinum optimum fil. Maeonii, Graeci idest Lydi. Bacchi. Iunilius 
dicit: “Bacchi?, potest distingui. 

v. 381. Libemus, idest diis sacrificemus. 

v. 382. Óceanumque patrem rerum. Nam ipse paler omnium; ut 
multi philosophi dicunt ex aqua existere, alii ex igni. 

v. 383. Centum, finitum pro infinito dixit. Seruant, pro colunt, 

v. 384. Liquido, puro. Nectare, uino. Vestam, ignem. 

v. 385. Ter flamma. Magis flamma conualuit, quod bonum erat 
omen. Hoc et Ciceroni dicitur factum. 

v. 386. Firmans, stabiliens. 

v. 387. In Carpathio. Carpatlıos insula iuxta Aegyptum, ad quam 
uicinum pelagus Carpathium dicitur. Hic aliquando regnauit Proteus re- 
licta Pallene, ciuitate Thessaliae, ad quam reuersus est postea. 

v. 388. Proteus , Callietis + puer. 

v. 390. Hic, pro ‘is’. Emathiae portus. Thessalicos, idest Mace- 
doniae. Patriamque reuisit. Bene propiorem deum et lentiorem facit. 

v. 991. Pallenen , insula iuxta Athon , uel locus in Macedonia. 


v. 373 iuxta rauenna C |] 377 Germanae sorores idest Clio et Beroe 
C[|[378 Reponere M | proponere B || 379 turariis scripsi | ture tonatis ! , 
ture conatis M || ut ibi C | ut ἠδὲ B (| arenis 1 || 380 carthesus 1 [| regio, 
om. est M || fit M | sit 1| ludi B | Lydii M || dicit bacchi B | dicit Lane 
Bacchi M || 282 exsistere B | existere C |] 384 nectarae B || 885 Ciceroni 
cf. ad Ecl, VIII 103 || 386 stabilitans B || 387 in uersu *carphacio?, in 
marg. *alii in carpathie? [| carpatio C [| carpathos 1 | carpathus M |] insula 
est iuxta C || aegiptum C || at quam C || carpatium C || protheus 1 || thesa- 
liae 1|| 889 Pipedum idest duorum pedum, quia animalia marina habent 
duos pedes ut phocae C || Callietis 7] An Callirrhoes? cf. Apoll. II 5, 
10 H. || 890 Hic pro his, corr. pro is B | #ic prolis M || thesalicos B ' 
propiorem deum et \ontiorem facit scripsi | propriorem deum extentiorem 
facit B || 391 machedonia CY 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Pucolica et Georgica. 977 


v. 392. Nereus, deus maris. Nouit, idest Proteus. 

v. 393. Ventura, futura. 

v. 394. Neptuno. Homerice dixit, qui Neptuno beneficia caelestia 
distribuit. Neptunus, deus maris. Visum placitum. * Visum est? de 
magnis potestatibus dicimus. 

v. 395. Turpes, grandes. Phocas, delphines, uel quaedam animalia 
marina, quae dicuntur uituli maris, uel boues maris. 

v. 396. Hic, Proteus. Hoc totum Zomerice dixit. 

v. 397. Expediat morbi causam et reliqua. Duo in morbis requi- 
renda, causa et remedium. 

v. 399. Pim duram , dum non flectes orando. 

v. 400. Doli inanes, idest formarum uarietas. Demum frangentur, 
idest nouissime desinent doli. 

v. 401. Cum sol. Fere enim tunc numina uidentur. Lucanus ait: 
"Medio cum Phoebus in axe, sacerdos accessum dominumque timet de- 
prendere.? 

v. 403. Senis. Fere omnes dii maris senes sunt. Albent enim eo- 
rum capita spumis. 

v. 404. Adgrediare, adgrediaris. Κλ somno. Bene deum capere 
uolens tempus elegit. 

v. 406. Species, facies. 

v. 407. Tigris , bestia saeua. 

v. 408. Flammae sonitum , “Nagor? incendium, *fragor? sonitus. 

v. 412. Tantum. Alii dicunt 'tantum', alii *tanto magis". Junilius 
dicit: *quanto? legitur et “Lanto’. 

v. 413. Mutato, eo scilicet, in quod se transfigurauerat. 

v. 415. Haec ait, Cyrene. Amlrosiae. Ambrosia cibus est deorum. 
Odorem , diuinum odorem. 

v. 416. Perduzit, perunxit, ut possel olentem odorem perferre et 
quo posset uidendi numinis capax esse. 

v. 418. Specus. 'Hic? specus et *hoc? specus dicitur. 

v. 420. Scindit , effundit. Reductos, longos. 

v. 421. Deprensis, periclitantibus. Olim, pro aliquando. *Olim? 
tria tempora continet. 


v. 894 distribuit] attribuit coni. M || Homerice] cf. Il. O, v. 187 sq. || 
396 Homerice] cf. Od. δ, v. 384 sq. || 401 Lucanus] cf. III 423: *medio 
cum Phoebus in axe est | Aut caelum nox atra tenet pauet ipse sacer- 
dos | Accessus dominumque timet deprendere luci’ || 403 omnis ] || capita 
M | caprea, corr. capita m. 1I C | caprea B|| 412 Tantum alii dicun B | 
Tanto alii dicunt C || quanto legitur et tanto] Malim: *quia quanto legi- 
tur, et tanto (legendum) | alii *tanto magis". Iunilius dicit. *quanto? le- 
gitur ut *tanto? coni. Ribbeck proll. p. 197. Quod idem Philargyrium 
hoc loco *tam tu’ repperisse in suo libro contendit p. 180 uerba scilicet 
Iunilius dicit ad superiora referens, id ne sic quidem colligi posse uide- 
tur || In uersu *tanto?, in marg. *tantum? || 415 Cynere 1 || 416 ut possit 
oliuetum 1| olentem coni. M || quo posset B | quo possit C || perduxit 
perunxit] Inde corrigendus Philargyrius: *perduxit prius unzit? || 418 hic 
pecus B || 420 Scidit B || 421 pereclitantibus 1 || 


Jahrb. f. class. Philol. Suppl. Bd. IV. Hft. 5. 63 


978 . H.Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 422. Obice , obiectione. 

v. 423. Iuuenem, Aristaeum. Hic iuuenem in latebris et reliqua. 
Quomodo Proteus aliis praedicit futura, cum sua praesentia ignorat? Stoici 
dicunt, quod non licet diis sua ante scire. Auersum lumine , paulum 
obliquum a lumine. 

v. 425. Torrens, conburens. Indos, populos subsolanos. Sirius, 
stella una est, quia si plures, *sidus? dicitur. Saturnus “stella’ quia una 
est, Iuppiter *stella?, quia una est, Hyades *sidus? quia multae sunt. Si- 
rius stella est in ore canis per quam: nimios aestus accipimus. 

v. 427. Hauserat, tenuerat acceperat, ut (Aen. I 738): “116 im- 
piger hausit spumantem pateram. Caua, alta ut Lucanus (1 396): *De- 
seruere cauo lentoria.’ 

v. 429. Consueta, hic a passiuo, ut Salustius in Iugurtha (XV 3): 
* Animum a consueta libidine continuit." 

v. 433. Olim, uel praeteriti uel medii temporis est. 

v. 439. Cum clamore ruit magno et reliqua. Hic inpatientes ho- 
minum mentes poeta docet. 

v. 440. Suae artis, suarum praestigiarum. 

. 443. Pellacia, astutia. 

. 444. Hominis ore loquutus, humana uoce. 

. 445. Namquis, pro quisnam, admiratiue dicit. 

. 446. At ille, dicit. 

. 447. Scis, tu scis omnia et aduentus mei causam. Proteu, uoca- 
tiuus Graecus. Alii *quicquam? legunt. 

v. 448. Deum praecepla secuti, matris scilicet; bene ad preces 
redit, nec auctoritatem uiolentiae suae fecit. Velle, iocari. 

v. 449. Venimus, pro matre. Quaesitum , gerendi uerbum. 

v. 450. Fi, necessitate. 

v. 451. Ardentes. *ArdeU plura significat, "flagrat, ut (Aen. X 
270): *Ardet apex capiti? ; *festinaU, ut (Aen. I[ 281): *Ardet abire fuga." 
Hic tamen ira et indignatione accensos oculos uult significare. 

v. 452. Ora resoluit. Licet rogatus, inuitus tamen loqui coepit. 

v. 453. Nullius, alicuius, Numinis irae, non alicuius numinis irae, 
sed peccatum tuum. 

v. 454. Magna lues. Non lues commissa, sed crimen, quod ne- 
cesse est maxima lue expiari. Miserabilis, qui miseratione dignus sit. 


4 c € « 


— e - ——À — —M 


v. 423 ignorat | | ignoret M || 425 Syrius C, bis [| quia si plures] 
quando plures Paris. || per quem C ! per quem, corr. quam B || 426 acci- 
perat l || patertem 1 || caua B Ϊ Lucanus] *deseruere cauo tentoria fixa 
Lemanno? || 429 ut salustius in gargitha anima consueta libidinem con- 
tinuit B | unde: ut Salustius: *in Gargitha anima consueta? etc. M | ‘in 
Iugurtha? restitui|| 431 Rorem asperginem maris B m. II || 439 in uersu 
“uinclis’, in marg. *alii manicis? || 433 in uersu *pellacia?, suprascr. f f 
== ‘uel fallacia? || 445 admirstiue dicit | | admiratione dixit M || 447 
omnia om. M || 448 Velle iocari om. M || 449 In uersu “quaesitum’, in 
marg. *alquesituri? || 451 flagrat om. M || adire fugam 1 ἢ accenso C || 
453 nominis B || 454 necesse est cod. 165 | necesse sit Al 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 979 


v. 455. Haud, ne. Haud quaquam. Non sine causa. Haud qua- 
quam ob meritum. d est non tales, quales mereris; nam eius uxori causa 
mortis fuisti. N: fata resistant, iuferret digna supplicia, nisi fata pro- 
hiberent. 

v. 456. Rapta, quantum ad tuum conatum, *rapta?. 

v. 458. Moritura, post morsum. Hydrum, fluuium Thraciae, uel 
uerius serpentem. Puella, tenera delicata misera. 

v. 459. Seruantem , custodientem tenentem. 

v. 460. At chorus aequalis, chorus aequalium. Dryadum, Nym- 
pharum. Supremos, excelsos. 

v. 461. Rhodopeiae arces, mons Thraciae. 

v. 462. Pangaea , loca Thraciae. Mauortia tellus, loca in Thracia. 
Et Rhesi, prolepsis ex persona poetae; quo enim tempore Orpheus fuit, 
necdum Rhesus regnabat in Thracia. 


v. 463. Getae, Thraces. Hebrus, pater Orphei, uel Hebrus, flu- 
uius Thraciae gelidissimus. Actias Orithyia , Atheniensis Nymplia , quam 
Boreas in suum matrimonium rapuit. 

v. 164. Ipse, Orpheus. Caua testudine, perifrasis citharae, cuius 
usus repertus est hoc modo. Regrediens Nilus in suos meatus animalia 
multa reliquit, quae cum putrefacta fuissent et nerui in eis remansissent, 
percussi a Mercurio sonitum dabant, et ad eius imitationem cithara est 
composita. Aegrum amorem, maestum atque deceptum.  Testudine, lyra 
scilicet. 

v. 465. Solo, deserto, 

v. 466. Veniente die, mane. Decedente, sero. Canebat, Orpheus. 

v. 467. Taenareas, infernas, uel promuntorium Laconiae, et est 
insula unde animae dicuntur ad inferos descendere. Ditis, inferni. 


v. 468. Caligantem, obscurum. Zucum, propter Gallum *Luciscum? 
poetam, qui nouis studere uolens ab Augusto occisus est. 


v. 469. Ingressus οἱ reliqua. Haec omnia ad laudem citharae per- 
tinent... Tremendum , timendum horrendum. 


v. 410. Nesciaque el reliqua. Ad exitum futurae rei respicit. 

v. 471. Erebi, inferni. Imis, de interioribus tenebris inferni. 

v. 472. Vmbrae ibant et reliqua. Non animalia, sed animae sense- 
runt dulcedinem cantus. Zuce, uita. 


v. 455 Haud nec haud quaquam, non sine causa M || 458 trachiae 
B || dilicata B || 461 mons trachie B | *montes duo? in textu, in marg. fort. 
*mons Thraciae? M || 462 Pangea loca trachiae 1 (| in tbrachia B | in 
trachia C || hresi B || prolempsis B || nondum M || trachia B || 463 thaces 
1 || Auuius trachiae B | fluuius in trachie C[|gelidissimus. Et pro habi- 
tatoribus (abitatoribus) ponitur C || Nympha om. M || 464 sonitum 1 | so- 
num M || mestum B lira B [| 467 promontorium 1|| laconiae et est ] | 
Laconiae est; est M || ad infernas Paris. || discendere 1 || 468 poetam 
scripsi | poeta B || studere uolens] Malim *'studens rebus? || 469 citare C || 
470 Nesciaque 1 | Nescia M || 471 Eribi B [| 472 Philosophi dicunt, om- 
nium rerum imagines esse apud inferos B m. II || tantus C |} 


Q»* 


980 1. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 473. Quam mulla, tam mulla simulacra, quam multa folia. Ir 
foliis , alii legunt in *fluuiis?. 

v. 474. Agit , cogit. 

v. 476. Magnanimum, magnanimorum. 

v. 418. Harundo , palus. 

v. 479. Cocyti , inferni. Tarda, pigra. 

v. 480. Nouies, aduerbium numeri. δίψα, palus seu infernus. 


Coercet, separat. 

v. 481. Leti, mortis. 

v. 482. Caeruleos, nigros. Inpexcue, ornatae. 

v. 483. Eumenides , Nymphae seu coiugales. Cerberus, canis Orci 
regis Molossus. 

v. 484. Ixionii, profundi T. Ixion rex Lapitharum socerum suum 
interfecit et ab loue in caelum receptus funonem stuprare coepit et con- 
pellare, et ob hoc in terram reiectus reuoluere coepit ideoque ad rotam 
ligatus in inferno uoluitur. Constitit orbis , causa uolubilitatis quieuil. 

v. 487. Pone, iuxta. 

v. 488. Incautum, non cogitantem rei euentum. Dementia cepit 
amantem , epitheton est amantis. 

v. 489. Ignoscenda, indulgenda, quia amoris causa hoc fecit. Ignos- 
cenda , participium siue uerbi origine. Janes, dii. 

v. 490. Luce sub ipsa, prope lucem. 

v. 491. Fictusque animi, ut (Aen. XII 19): *Praestans animi?, idest 
amore. Respexit, Orpheus. PFiclus, amore. Aespezit, omisit legem. 

v. 492. Effusus labor, idest tacendi. 

v. 493. Foedera, pactio uel praeceptum. Dicta enim fuerat lex, ne 
post se respiceret. Fabula talis est.  Aristaeus cupidus pastor, filius 
Apollinis et Cyrenes, persecutus est Eurvdicen in prato flores legentem 
intermixtamque Nymphis uolens eam stuprare; illaque fugiens conculituin 
serpentem non deuilauit, et ei causa mortis fuit. Deinde Orpheus, coactus 
desiderio coniugis descendit in infernum, lenire Diteın et Proserpinam, ut 


v. 413 Quam mulia, tam multa simulacra quam multa folia scripsi : 
Quam (quem C) multa simulacra quia multa folia 1 || legunt om. M || 
479 Cocitus interpretatur luctus, stix tristitia B m. II || 480 palus M | 
plaus B | palus infernalis Paris. || 481 Loeti mortis (sic) B || 482 In uersu 
‘amplexe’, in marg. “innexae? || 483 molosus B || 484 profundi 1] Vide- 
tur ex uersu 481 (intima profunda?) huc inrepsisse || laphitarum I || in- 
terficit I || cepit 1|! cod. 165: 1xion rex Lapitharum socerum suum inter- 
fecit et ab Ioue in eaelum receptus Iunonem ex stupro coepit compel- 
lere, et ob hoc in terram eiectus religatus ad rotam in inferno uoluitur ': 
in terram reiectus scripsi | inter eiectus B | inter iectus C || reuolere 
coepit (sic) 1| reliolere coeuit M || quieuit (sie) B || 487 Pone iuxta om. 
M || 491 animi, ut *praestans? etc.] anim prestans B | anni prestans C 
animi, praestans M || omisit scripsi | commisit B || Inmemor idest legis 
praedictae C || 493 lex] a Proserpina add. Paris. || talis est ! | talis M 
aristeus | || cyrenis B | cirenis C || persecutus est cod. 165, est om. l[| in 
praeto 1 || discendit 1| De wis schulüi uerbis cf. praef. p. 709 || In 
uersu 'auditus auerni? in marg. "auditur auernie V 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. .981 


possit Eurydicen ad superos reducere, et hoc accepta lege impetrauit , si 
non ante respexissel, quam ad superos peruenisset, et inritum fecit suum 
laborem. Hoc per somnium tantum uisum est, ut puto; sed ridiculosa 
gentilitas fingit falsa. Gaudentius dicit. 

v. 494. Illa quis et reliqua. Dolor enim non potest contineri. 

v. 496. Natantia , morientia. 

v. 407. Ingenti, perpetua. 

v. 498. Non tua, praedixit enim (v. 490): *Eurydicenque suam." 

v. 499. Inualidas palmas , quae nihil ualuerint. 

v. 000. Diuersa, in diuersa loca. Diuersa, quam tenere non pote- 
rat; rupto enim foedere leges uicerat. 

v. 502. Portitor Orci, Cerberus. 

. 503. Obiectam , obpositam. 

. 504. Quid faceret. Subaudis "ignorabat. Terret, Orpheus. 
906. Stygia, inferna. Cymba , nauicula. 

. 508. Sirymonis , fluuius. 

. 510. 4gentem , uocantem. 

. 911. Philomela, cuius fabulam saepe scribsimus, et hic auis, οἱ 
speciem pro genere posuit. Maerens, lugens. Philomela, proprium no- 
men auis uel mulieris. 

v. 512. Durus , inmiserabilis, ut (Aen. ll 261): *Durus Vlixes.’ 

v. 514. Flet nociem, iugi nocte, continuo fletu. 

v. 515. Integrat , renouat. 

v. 516. Animum, Orphei. Hymenaei, concubitus. 

v. 517. Hyperboreas, loca frigida, quia uentus iste solet frigidior 
esse omnibus. Tanaim , fluuius Scythiae. 

v. 518. Rhipaeis pruinis, ut ibi (Georg. ΠΕ 382): *Rhipaeo tundi- 
tur Euro.’ 

v. 519. Inrila , minus rata uel turbata. Ditis , inferni. 

v. 520. Dona querens et reliqua. Haeret (v. 516): *Nulla Venus 
non ulli animum flexere hymenaei? Quo munere, quam ob causam, uelut 
Asper uult. Ciconum. Cicones autem Thraces. Maíres, idest mulieres 
nuptiales, quae ab Orpheo spretae eum carpsere per Liberi sacra simulata, 
et propter sui contemptum Threissae interfectum laniauerunt. Gauden- 
lius dicit. *Ciconun? feminae discerpserunt Orpheum, dum nullam ex his 
uellet uxorem. ZJunilius dicit. Numine , alii *munere?. 


= <ax << 


v. 499 Inualidas — ualuerint om. M || 500 in diuersa loca inferni 
C || quam tenere scripsi | quae tenere B | quae teneri M [| enim om. M || 
509 in uersu “sub antris", in marg. ‘al astris' || 511 Phylomela C || scrib- 
simus B || pro genere C | prognere B || merens B [| 514 iugi M | iuni 1 || 
515 in uersu 'implet, iu marg. *opplet? || 516 Hymenari concubitus om. 
M || 517 quia M | qui 1 || scithiae 1 518 Ripheis, ripheo B || euco B || 519 
rata M | reta R || 520 7Zaeret nulla Venus etc. M |] Quo munere, quam ob 
causam uelut Asper uult scripsi | hymenaei quam ob causam ueluti su- 
perbum |, cf. Phil.: Quo munere, Asper quo munere ob quam rem uult 
accipi || Matres idest mulieres transposui | mulieres idest matres ||| eum 
om. M || carpsere M | capsere 1|| 520 in uersu *munere', in marg. *numine' || 


982 H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 591. Deum, deorum. Nocturni Bacchi, Liberi patris. 

v. 523. Marmorea , pulchra. 

v. 524. Oeagrius Hebrus, Thracius, pater Orphei. Zebrus, fluuius. 

.v. 525. Eurydicen anima fugiente uocabat, Eurydicen toto et 
reliqua. Saepius repetendo nomen exaggerat dolorem. Vox ipsa, bene 
uox ipsa, idest sine homine. 

v. 527. Referebant , resonabant. 

v. 528. Haec Proteus , deest dixil. Proteus, uates. 

v. 529. Sub uertice, sub uertigine. Torsit, findit. 

v. 530. At non Cyrene , deest ‘terrila’, quod ex sequentibus intel- 
legi datur. 

v. 532. Haec omnis morbi causa, pro ex hac causa. Miserabile, 
dignum miseratione. 

v. 533. Illa, Eurydice. 

v. 534. Exitium , miserabile. 

v. 535. Tende, pro offer. Pacem, ueniam. Faciles, exorabiles 
mutabiles laetas hilares et ad ignoscendum paratas. Napaeas, Nymphas, 
quae et Dryades. 

v. 539. Lycaei, mons uel campus. 

v. 040. Delige, separa. Hic sacrificium animale faciendum prae- 
cipit, in quo tantum occiduntur hostiae. Intactas , indomitas. 

v. 545. Orphei, in Ebrii *Orph??, alii genetiuo, alii datiuo, sed 
Graeco legunt. Lethaea papauera mitles, ut iras uel furores obliuis- 
calur. 

v. 047. Placatam Eurydicen uenerabere. Hypallage est pro *ue- 
neratam placabis’. 

v. 048. Matris, Cyrenes. Capessit, Aristaeus; alii legunt *facessiU, 
frequentatiua pro perfecta. 

v. 549. Excitat, iguibus. 

v. 552. Nona Aurora. Nouemdialis dicitur, qui pertinet ad infe- 
ros. Induxerit, ostenderit. 

v. 554. Monstrum, res enim ex inprouiso uenit, idest apes de bobus. 

v. 006. Stridere , uolare. 

v. 558. Vuam demittere, in morem uuae confluere. 

v. 999. Haec super aruorum et reliqua. Timet nequis sibi inuolet 


v. 521 Orgia sunt officia Liberi patris sacra C || Dum B || 524 
trachius C | thrachius B || Oeagrius fluuius pater Orphei de quo et 
Hebrus nascitur C || Zebrus fluuius] add. m. II Thraciae gelidissimus 
B [| 525 Erudicen C || 529 Tarsit B || 530 intellegi datur] intelle- 
gitur Paris. || 533 In uersu *lucis?, in marg. *iugis? | 585 para- 
tas scripsi | parate B || napeias B || 545 Orphei in ebrii orphi B | 
Orfei in ebrii orphi C | legunt C | dicunt, corr. legunt B || lethea B |! 
547 ypalage | \ 648 cyrenis B [| frequentatiuo, corr. -tiua B | frequenta- 
tiuum pro perfecto Paris. | *frequentati uti? in textu, in marg. *frequen- 
tatiuo usi pro perfecto? coni. M | cod. 165: facessit, facit, frequentati- 
uum pro principali, siue ideo facessit quia plures hostias immolauit || 
649 Excitat, ignibus om. M || 558 Uunam C || Confluere idest confluebant, 
demittere (dim,) idest demittebant (dim.) C || 559 timetne quis sibi 





H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 983 


opus suum et signet. „iruorum, per hoc significal primum librum, per 
fpecora? autem tertium et quartum, quia el apes pecora sunt; per “arbo- 
res? secundum librum significat. 

v. 560. Caesar dum el reliqua. Constat Georgica eo tempore 
scripta, quo Caesar Augustus gessit bella ciuilia. 

v. 061. Pictorque uolentes, nomen uirtutis et iustitiae hic; nam 
*uincere uirtutis est, *uoluntas? uero iustitiae est. Fulminat, fortiter 
pugnat. Eufraten, fluuius orientis. 

v. 062. Per populos dat iura. Pluraliter “populos? dicit, ut osten- 
deret illius felicitatem; uult Partlıos dicere. Viam. Viam ad se facit, 
uel ascendere cupit ad caelum. 

v. 564. Parthenope, in Ebrii *Parthinope', quae nunc Neapolis, in 
qua scripsit Virgilius. Suetonius Tranquillus dicit Parthenopen Sirenem 
sepultam in Campaniae litore, a cuius noınine Neapolis Parthinope uoci- 
tata aestimatur. Jgnobilis otii, ingloriae quietis. Vel ignobilis otii, non 
conuenienlis, uel arlis poeticae otium ignobile appellauit, ne quid de se 
uideretur adrogans dicere. 

v. 565. Carmina, Bucolica. Zusi. Poetae dicuntur *ludere?, quando 
scribunt. Auxi, alii legunt “audax’. A4uxique iuuenta. Iuniltus dicit: 
"uult se iuuenem intellegi Bucolica scribsisse. Carmina et reliqua. Bene 
el breuiter hunc titulum de scriptis suis confecit. Auxi, prima aetate, 
ferox. Nam XXVIII anno scripsit Bucolica. Gaudentius dicit. 

v. 066. Cecini, lusi. 


scripsi | timetne (timet et ne C) quis ili 1 | ne quis illi M [| signet 1 | 
insignet M || 

v. 560 Caedar B [| 561 uoluntas] Malim *uolentes? || Fluminat 1 | 
562 Perpolos C || Pluraliter *populos? dicit scripsi | hortari populos (po- 
pulo C) dicit 1|| ostenderet et illius M || partos C || 564 Parthenope. in- 
ebrii. parthinope 1, sic et Paris. | Parthenope, inebrii; Parthenope M j 
*Partenope' Ebrium legisse suspicatur Buecheler apud Ribb. proll. p. 
176 [| neapolis C | necapolis B || Suetonius Tranquillus emend. M. Hertz: 
*Ein philol. clin. Streifzug? p. 29 | sitonius crancillus 1 cf. Reifferscheid 
Suet. rell. p. 350 || parte"open C || sirinen B | sirien C || ac euius C || 
parthinope 1 || /gnobilis, ingloriae M || 565 poetae M | poeta 1|| alii legunt 
1 | alii scribunt M || scribsisse B | scripsisse C || conficit B || Conlato Ser- 
uio: *Carmina qui lusi pastorum. Qui etiam Bucolica scripsi. Audarque 
íuuenta. Aetate iuuenili: nam ut diximus supra uiginti octo annorum. 
Et bene breuiter a se scriptarum rerum exsecutus est titulum' -- inde a 
*Bucolica scribsisse? haud dubie legendum: Carmina οἱ reliqua. Qui 
scripsi etiam Bucolica. Audaz (auxi librarii uitio ex praecedentibus 
inrepsit), prima aetate ferox, nam XXVIII annorum. Et bene breuiter 
— confecit. Gaudentius dicit. 


APPENDIX I. 


— 


FIGVRAE GRAECORV M. 


1. Epexegesis est exaggeratio rei, ut (G. I 3): “Quae cura boum 
qui eultus habendo sit pecori. Vnam enim rem bis dixit. 

2. Hypallage est permutatio casuum, ut (G. I 59): *Epirus mittit 
palmas Eliadum equarum?, hoc est Epirus creat equas quae apud Elidem 
dant suis sessoribus palmas. 

3. Litotes est, quando duo negatiua unum faciunt adfirmatiuum, et 
minus dicens plus significat, ut est (G. I 83): *Nec nulla est gratia?, sed 
aliqua et multa. — (Aen. VII 261): *Munera nec sperno?, sed libenter ac- 
cipio. — (G. I 96): *Nec spectat illum nequiquam Ceres’, sed utiliter. 

4. Hysteroproteron est ordo mutatus, ut est (G. 1178): “Area cum 
primis ingenli aequanda cylindro et uertenda manu. Prius enim manu 
uersatur huc illuc terra et sic demum aequatur cylindro. Est etiam hyste- 
roproteron in sensu, ut Aeolus ad lunonem (Aen. I 78): *louemque con- 
cilias mihi. Non enim louis reconciliatur Aeolo sed Aeolus Ioui, quasi 
superiori. Minores enim reconciliantur maiorihus. 

5. Hendiadyoin est quando una res diuiditur in duo interposita 
coniunctione et tamen ad unum resoluuntur dempta coniunctione, ut illud 
(G. 11.192): *Pateris libamus et auro?, pro pateris aureis, et (Aen. Ill 467 
uel V 259): *'Hamis el auro?, idest hamis aureis. 


—— ——M— —À 


Ex codice Bern. 172, in quo bis extant, prius f. 3b post Vergilii 
uitam, manu aliena, sed saeculi X, deinde f. 24° manu a priori di- 
uersa sed eadem illa, quam in ipsis scholiis manum ‘secundam’ appel- 
labam, saec, X—XI. Pro scripturae discrepantiis usus sum his ut 
duobus codicibus litterisque A. B. signaui. Extat praeterea hic tracta- 
tus in eod. Bern. 184 saec. X — XI f. 1b sed ita putredine deletus ut 
demum inde ab illis: *Synizesis est cum uocales colliduntur? etc. legi 
possit. (C) ef, praef, p. 733 FIGVRAE GRECOR AC | deest titulus in B, ubi 
ante 'Epexegesis' haec leguntur: *Aposiopesis (Aposioposis) est figura qua 
id quod dicturi uidebamur silentio intercludimus? || 1 Efexegesis fl ha- 
bendus B || peccori B || unam enim rem om. B || 2 Ypallage A | Ypa'lage 
B || epyrus l|| heliadum B [| epyrus A | epirus B || helidem 1 || 3 Lytotes 
1 adfirmatiuum B | affirmatiuum A [| gratia om. B || prospectat A || 4 cum 
primum 1 || chylindro A | chylindo B || sic demum A | demum sic B || his- 
teroproteron B || superiori B | superi AC || 5 Endiadin A | Endyadin B | 


resoluentur B || "àmis B || 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 985 


6. Catatosiopomenon est, quando per taciturnitatem ea intellegun- 
tur, quae non commemorantur , ut illud (G. I 14): “Et cultor nemorum 
cui pinguia dumeta Ceae tondent Lercentum niuei iuuenci.? Per taciturni- 
tatem enim uoluit intellegi Aristaeum. 

7. Morion est particula ex aliqua parte orationis. 

8. Emfasis est conceptio sententiae, cum uno uerbo uel sententia 
aliquid magnum intellegitur, ul ibi (Aen. II 374): *Alii rapiunt incensa 
feruntque Pergama. 

9. Horos biaeos est, quando re non existente conicimus quid fieri 
non posse. 

10. Isosyllabus est par syllabis. lsosyllabum est metrum in omni- 
bus uersibus pares habens syllabas, et omnis datiuus singularis isosylla- 
bus debet esse a genetiuo singulari, hoc est pares syllabas habere, ut 
*docti docto?. 

11. Topothesia, ficta sententia et figurat:, ut in primo Aeneidum 
habetur ubi narrat poeta, Aeneam post tempestatem inmissam a Iunone 
uenisse ad portum tranquillissimum; tamen ille talis locus nusquam est 
in Africa. Ita enim dicit (v. 159): *Est in secessu longo locus; insula 
portum efficit." 

12. Soloecofanes , inanis dictio. 

13. Parelcon , adiectiua particula, ut *egomet ; ut illud (G. I 454): 
‘Sin maculae incipient rutilo inmiscerier igni”, pro inmisceri. 

14. Synizesis est cum uocales conliduntur, ut ibi (Ecl. I 33): *Nec 
spes libertatis erat nec cura peculii." 

15. Diasyrlica oratio est, qua et sensum suum quis, ut est, expri- 
mit et auditorem suum aliter intellegere facit, ut illud Sinonis in libro 
secundo Aeneidum (v. 79): “Hoc primum; nec si miserum fortuna Sino- 
nem finxit.” Nam et negotium exprimit et Troianorum insultat stultitiae. 

16. Tonmeson est figura, quando quid ad multos adlinet, ut *ars?, 
et ‘medium uerbum?, ut (G. ΠΠ 31): *Grauiter spirantis?, et (Aen. I 4): 
‘Ob memorem iram saeuae lunonis). *Saeuae” namque posuit ibi pro 
magnae, alias uero pro crudeli saepe ponitur. 


— 


6 intelleguntur B, semper | intelliguntur A, semper || c*ae B |] ni- 
uei om. B || 7 Enfasis ι super *aliquid? manu II scriptum ‘per quam? 
A || 9 Orosbieos 1, cf. Walz. Rhett. Graecc. IV, p. 653. 840 || quasi re 1 || 
10 Ysosyllabus 1|| pars syllabis B || datiuus singularis B | datiuus A || ut 


Tt 
docti docto B | ut doctus docti A || 11 Topotesia (suprascr. m. II) A ! 
ot 
Topesia B[|et figurata ut in A | et figura in B || primo libro B || poaeta 


is 
A || talis locus B | tami A || affrica A [| efficit om. B || 12 Solico fanis A | 
solifico B || 13 Parelicon 1||ut illud B | et illud A [| 14 Sinezesis B | Si- 


r A 
nezesis A | Sineresis C || uolcales B | colliduntur A [| erit C || 15 Diasir- 
tica B || sensum suum AC | sensum B || synonis 1|| in libro AC | libro B || 
synonem BC | syronem A || 16 quando quid ad multos scripsi | quod ad 
multos À | quod a multos B || quod attinet, om. ad multos C || adtinet 


fbi 
B || spirans 1||irum om. B || posuit pro B [| saepe om. B || 





O86 Η. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


17. Anacoluthon est figura, quando oratio defectiue ponitur, uerbi 
gralia cum praecedit * quot? et non sequitur *tot?, ut ibi (Aen. Il 330): 
“Insultans: portis alii bipatentibus adsunt, milia quot magnis umquam 
uenere Mycenis. Dixit et posuit *quot?, cum non praemiserit neque sub- 
iunxeril “tot”. 

18. Toprepon est quando conuenienli personae honor tribuitur. 

19. Ecbasis est longior excursus, quando ex eo quod uicinum est, 
adicimus hoc quod non pertinet, ueluti in comparatione dicuntur super- 
flua, ut est illo in loco, ubi loquitur de tempestatibus (G. I 322): *Saepe 
etiam inmensum caelo uenit agmen aquarum? et cetera. 

20. Catexochen est, quando maior res distinguitur a minore, licet 
quandam uicinitatem inter se habeant, ut ibi potest esse (G. 1 3): *Quae 
cura boum, qui cultus habendo sit pecori?, ut per boues maiora animalia, 
per pecora minora intellegantur. 

21. Polysemus sermo est uarias significationes habens, ut cano 
*Jaudo?, cano “diuino’, cano “canto’, ut: *Arma uirumque cano.? Simi- 
liter in nominibus ut *aries?. 

22. Antiptosis est quando casus pro casu ponitur, ut ibi (G. II 160): 
‘An memorem fremilu adsurgens Benace marino. Nam “adsurgens?’ dixit 
pro “adsurgentem’, uocatiuum pro accusatiuo. 

23. Antistoechon uel antistichon est commutatio litterarum in uno 
uerbo ut ibi (G. 1 186): *Populatque ingentem farris aceruurm curculio.? 
*Curculio* enim dicitur pro *gurgulio', c pro g, sicut sella? pro *sedda?, 
| pro d. 

24. Prooeconomia est dispensatio carminis, ul illud (Aen. I 226): 
*ConstitiL et Libyae defixit lumina regnis." 

25. Ellipsis est quando penitus uerbum deest, ut (Aen. I 37): 
*Haec secum.? Deest enim 'loquebatur?. 

26. Cateufemismon est per contrarietatem aliquid dici, ut Eume- 
nides. Licet enim *eu? bonum dicatur, non ideo *Eumenides? Furiae bo- 
nae sunt. 

27. Dicticos est quando a praecedentibus consequentia manifestan- 
tur et nihil discrepaus nec in praecedentibus nec in consequentibus in- 
uenitur. 

28. Eratosiopomenos + est modus uel figura, quo ea intelleguntur, 
quae dicuntur, color, figura uel modus dicendi. 

29. Oeconomia est dispensatio carminis. 


. 17 Anacoluton AC | anacoliton B || alibi patentibus 1 || quod mag- 
nis B || micaenis B || 18 est f. (figura) quando B || 19 excursus AC | cur- 
sus B [| 20 est f. quando B || inter se abitant B || maiora animalia C | 


maiora armenta AB || Hic desinit B || 91 Polissemus 1 |] canta A [| in no- 
minibus C | in "omibus A || 22 nam surgens ||| assurgentem 1 || 23 uel 
antiscon ||| comutatio 1|| ut ibi cureulio populatque etc. 1, cf. ad Georg. 
I 186 || 24 Proechonomia 1||lybiae 1 || reg?is A |] 25 Ellypsis 1 [| 26 Cateu- 
femi*mon C || 27 Dicticos C | Dictycos A || 28 Eratosiopomenos 1] an 
Ehetosiopomenos? || 9 Economia 1| 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 987 


30. Monadicon est singularis dictio. 

91. Epilogus est secundum quosdam praecipua res, unde liber in- 
signitur; ponitur et pro deploratione. 

32. Eufemismos + dicitur figura qua cognata sibi uerba per signi- 
ficationem pro inuicem ponuntur, ut “mactat? et *immolat’. 

33. Climax uocatur figura, quae continuato schemate gradatim per- 
git ut illud: *Patientia operatur probationem.’ 


APPENDIX II. 


SCHOLIA EX CODICE BERNENSI 165 EXCERPTA. 





Eoraca I. 


v. 1. Meliboeus dicitur amator boum ex Graeco et Latino compo- 
situm de Meliboea ciuitate. Tityrus Siculorum lingua hircus dicitur, uel 
Tityrus lingua Laconica uillosus aries appellatur qui ante gregem graditur. 
Sub nomine Tityri allegorice Virgilius intellegitur. Melihoeus uero in 
persona alicuius Mantuani ponitur, cui agri sublati sunt. *'Recubans? 


. . Ὺ . Φο * 
quietum (quietem) ostendit ab exilio. Hoc autem allegorice umbraculo 
Augusti Caesaris protectum non inconuenienter intellegitur. 


v. 13. Turbatur. Inpersonaliter dictum et est sensus: tanta est 
turbatio per agros ut compellar facere quod sequitur, hoc est aeger ipse 
capellas protenus agere, uel etiam intellegendum: tanta est turbatio agro- 
rum ut mirer magis quam inuideam quod tanta quiete solus fruaris in 
tanta calamitate ciuium. 

v. 43. Juuenem. Notant critici hunc locum quare Virgilius “iuue- 
nem? dixerit de Imperatore, cum leues et instabiles iuuenes (leues cod.) 
uocentur; sed *iuuenem? dixit respiciens ad longam uitam eius. Quinqua- 


— —À MÀ —— 


30 Modiacon, in marg. m. II aliter monadicon A | Modiacon, in 
marg. manu eadem aliter monadicon C || 31 Epylogus 1 || 32 Eufemismos, 
in marg. m. II aliter eufismos A | idem C, sed manu eadem. Videtur 
Eufemismi explicatio intercidisse et lemma Synonymia supplendum esse || 
83 Clemax 1 || continuatio 1[| pacientia 1|| Post *probationem? in A m. II 
(in C manu eadem) insuper leguntur: *Parelcon (parelicon) est adiectiua 
particula ut *egomet^. Archaismos (arcaismos) est casus'pro casu? | In 
A solo man. III, sed saec. X —XI etiam haec extant: Climax (clemax) 
VIRG (Aen. III 376): *Sortitur uoluitque uices, ia (his) uertitur ordo?, 
definitio (diffinitio) fati est secundum Tullium, qui ait: ‘Fatum est co- 
nexio rerum per aeternitatem se inuicem tenens, quae suo ordine ac 
lege uariatur ita tamen, ut ipsa uarietas habeat aeternitatem,? cf. Seru, 
Aen. III 376. || 


O88 NH. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


ginta enim οἱ sex annis imperauit uel quia obtabal eum semper uirere 
(uere cod.) et iuuenem fore. 

v. 67. Diuisos Britannos. A toto orbe dicit, quia sicut Solinus 
ait, finis esset orbis ora Gallici litoris nisi Britannia sua magnitudine 
alium repraesentaret orbem. 


Ecroca II. 


v. 24. Actaeo, idest littorali. “Acta” enim dicuntur litoralia loca 
iuxta mare et uoluptuosa remota a concursu hominum. 

v. 55. Sic positae. actenus per energian locutus. Energia est 
figura in arte rhetorica quae res uere gestas aut ueluti gestas sub oculis 
audientis uel legentis adducit. 


Ecroca III. 


v. 45. Acantho. Genus herbae uel arbusculi (arbusculi {{Π||{||| cod.) 
uirentis spinis plenae flexibili uirgulto, ex quo etiam arbusculo uestis 
fiebat quae *acanthina? dicta est.) 

v. 77. Faciam uitula. 'Facere? significat exhibere religionibus rem 
diuinam, *Vitulatio? est uocis exultatio. 'Vitulari? est enim uoce gau- 
dere.?) Est enim genus sacrificii aput antiquos quod uitulatio dicebatur; 
et si dicis “uitulam?, uitulationem intellege, idest illud sacrificii genus. 
Si autem per ablatiuum legendum, ut quidam uolunt, debemus ita intel- 
legere: cum fecero sacrificium pro frugibus non ex oue, non de capra sed 
ex uitula. 

v. 105. Caeli spatium. Quidam intellegunt, quod et Seruius, puteum 
in Syene factum a philosophis; alii sepulcrum Caelii, quod et Seruius 
dici. Alii clipeum Aiacis dicunt trium ulnarum in quo expressa caeli 
forma fuerit. [tem: specum significari in Sicilia angusto ore, idest trium 
ulnarum profunda altitudine, per quem rapta sil Proserpina a Dite patre. 


EcLoaa IIII. 


v. 19. Cum baccare. Vt quidam dicunt herba est miri odoris, sed 
Seruius aliter dicit. 

v. 46. Currite. Quidam uolunt 'curritas? dici uidentes deas quae 
suis fusis idest dispositionibus omnia ordinent et definiant et futura prae- 
dicant et esse Graecum nominatiuum 'currite? ideoque corripi. Sed hoc 
friuolum uidetur. Melius est ut intellegatur (tellaegatur) imperatiuus esse 
ut sit sensus: concordes Parcae dixerunt suis fusis idest ordinationibus: 
*currite?, idest reuoluite talia saecula.?) 


1) cf. Isidori Origg. XVII 9, 20. 21. 2) cf. Nonius p. 14. 3) 
cf. Reginens. nr. 1495. mus. Rhen. XIV p. 544: *'Talia -fusis] Quidam 
uolunt curritas dici uates deas quae suis furis idest uaticinationibus 
ordinent omnia et praedicant futura et esse Graecum nominatiuum cur- 
rite ideoque corripi. Meus tamen est currite imperatiuum esse modum 
ut sit sensus: dixerunt Parcae concotáes euis fusis idest uaticinationi- 


i 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 989 


EocrocA VII. 


v. 42. Rusco. Quidam spinam longam intellegunt, quidam her- 
bam spinis plenam. 


EcrocA VIII. 


v. 17. Lucifer almum. Tribus modis accipitur *almus?. Aut enim 
splendidum, ut hic, aut fertilem , ut (G. II 330): *Almus ager?, aut sanc- 
tum, quod in nostris litteris inuenitur. . 


v. 29. For dicilur quasi unxor quia prima limina ostiorum oleo 
perfundebant primo factae nuptae. 


v. 65. Verbenae. Verlena species herbae ex loco sacro sumptae, 
dicla quasi pura a Graecis appellata ἑερὰ βοτάνη (gerobotane) quod qui- 
busdam ligamentis hominum et purificationibus sacerdotum apta proba- 
retur. Inde uocata *sagmen? quasi *sancimen?. Generaliler autem omnes 
frondes sacrae *uerbenae dicuntur. *) 

Adole in hoc loco ‘auge? et *cumula? significat. Est autem proprie 
uerbum sacra reddentium quibusdam scilicel uotis et precibus (praecibus) 
auctius numen facere. Inde et *adulti? a uerbo *adoleo? quasi aucti aetate. 
Alii incende? accipiunt et *uerbenas? carnes pingues el recentes, quamuis 
et omnes res uirides possint *uerbenae? dici. 


v. 87. In ulua. Species pro genere. Herba quae et alga dicitur. 
Vlua autem proprie ab uligine terrae appellatur, quam uidemus in fonta- 
neis locis nasci. 


EcrocA VIIII. 


v. 34. Vatem. *Vates? dicuntur, sicut Varro ait, a ui mentis, idest 
ab instinctu mentis, siue a uiendis et modulandis carminibus, siquidem 


- uiere (uire) significat uincire connectere, unde *uimen? et *uiminea uasa 
dicuntur ἢ) 

v. 95. Cinna optimus fuit poeta nec non historiarum (hyst-) scrip- 
tor. Nam ipse composuit librum Smyrnam quam per decem annos eli- 
mauit. 

v. 43. Insani. Quidam intellegunt non indocii *insani? : insaniam 
patientes quià nulli reuerentiam dant Lumentes fluctus. 


GEORG. LIBER I. 


v. 1. Segeles. Seges dicitur a semine uel a sectione; sed hic pro 
terra ponitur. Aliquando simpliciter pro terra, aliquando pro terra ara- 
bili, aliquando pro fructu ipsius frumenti. 


— - 


bus: currite talia saecula hoc est ordine et euentu uestro estote. Haud 
dubie uerum uidit Thilo mus. Rhen. XV p. 142 qui scholii auctorem de 
uoce quadam κουρίτης cogitasse coniecit, legendumque inde pro uiden- 
tes uidetur tondentes, pro currite κουρέται. 


4) cf. Isidor. Origg. XVII 9, 56. 5) cf. Isidor. Origg. VIII 7, 3. 


990  H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 19. Secundum quosdam propter ea dicitur reticuisse nomen quia 
non putabatur a quolibet ignorari. 

v. 20. Siluane. Siluanus deus funebrium credebatur. ldeo fingitur 
ferre cupressum, quia cupressus cum semel incisa fuerit uel transplantata, 
nequaquam ultra pullulat, sed ilico arescit. lta mortales cum semel mor- 
tui fuerint, nequaquam reuiuiscunt (reualescunt). 

v. 98. Elysios. Elysii dicuntur quasi sole perpetuo illustrati. 


v. 66. Maiuris. Proprium epitheton aestatis, ut matura dicatur 
dies idest plena et legitima uel metonymicos intellegendum.) 


v. 68. Arciurum. Booten intellegendum, quae est in praecordiis 
ursae quae naturaliter exoritur XII Kal. Octobris. 

v. 73. Far a frangendo (fragendo) dicitur. 

v. 74. Legumen a legendo; quicquid enim manu legitur, legumen 
dicitur. 

v. 140. Funda (man. Il. Funda genus est retis rotundi ad simili- 
tudinem pene... ... ... quod rustici *alodarium? uocant, traclam de aui- 
bus, quas alaudas nominant, liabet autem per circuitum oris funes cum 
massis plumbi quorum funiculorum capita piscator in manibus retinet. 
Quod rete cum proicitur in amnem, os eius profunda aequoris petit pre- 
mente plumbo; reliqua uero pars a uento et commotione aquarum infla- 
tur et in mediis fluminibus consistit quamdiu piscator traxerit illud per 
flumen. Cum autem uno in loco steterit et capita funiculorum ad se 
retraxerit, conuoluitur et constringitur simul os eius quod antea apertum 
trahebatur et quicquid intus fuerit, comprehensum sursum adtrahitur seu 
piscis seu aliquid tale quod in fluminibus capitur. 

v. 151. Rubigo. Genus est uitii quo culmi pereunt; *aurugo? ab 
aureo colore. 

v. 157. Falce. Falx dicitur quod inde solebant milites filicem in- 
cidere. ") 

v. 194. Nitro. Nitrum a loco sumpsit uocabulum. Nascitur enim 
in oppido Aegypti nomine Nitria. Ex quo et medicinae fiunt.) Huius 
natura non multum distat a sale; quo utuntur aliquando pro lomento, 
uel est herba lauatoria uel liquor in cryptis (criptis) Nitriae in similitu- 
dinem salis pinguedinem stringens. 

v. 201. Lembum idest carabbum et phaselum (man. II). 

v. 261. Maturare. Bene et eleganter iste (ista) haec duo uerba 
diuisiL, “maturare’ scilicel et *properare?. Namque in praeparatu rei 
rusticae per tempestates et pluuias quando (qm) ex necessitate otium est, 
maturari potest; per serenitates (serenas) uero, quando (qm) tempestas 
(tempus) instat, properari necesse est. Maturare enim est: cum quadam 
diligentia praeparare quod nec citius nec serius sed medium quiddam et 
temperatum est. Nam in frugibus et pomis *malura* dicuntur, quae ne- 


6) ut matura dícatur dies] Legendum uidetur: ut (Aen. X 25°): 
*Matura íam luce dies.’ 7) cf. Isidor. Origg. XX 14, 4. 8) cf. 
Isidor. Origg. XVI 2, 7. 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 991 


que cruda uel inmitia sunt neque caduca et nimium cocta (coacta) sed 
tempore suo temperate adulta. 

v. 271. Vepres. Omnem arborem spinosam appellabant ueteres 
*ueprem?. Dictae autem uepres eo quod ui prendant.?) 

v. 278. Eumenides bonae et piae dicuntur per contrarietatem, idest 
a meliore parte quod Graece κατ᾽ εὐφημισμόν dicitur, cum sint impiissi- 
mae. Apfellantur enim ita per quoddam lenocinium. Dicuntur autem ita 
a meliore parte, ut est: *bene dic deo et morere.’ 

v. 304. Coronas. Aul (au) reuera coronas, aut spiras funium in- 
tellegimus. Dicitur etiam spira unius tori (sic corr.; fuit foro) basis co- 
lumnae crassitudo uel duorum. 

v. 317. Culmo. Culmus est proprie ipse (ipsa) calamus, stipula 
autem folia quae circa calamum sunt. 

v. 339. Operatus. “Operari? dicebant ueteres deos colere, litare et 
sacrificare eis et conuiuari. 

v. 344. Dilue idest dissolue uel liba. Et hoc quod dicit: 'miti 
Baccho dilue fauos?, quidam mulsum magis uolunt intellegi, ut intelle- 
gamus 'dilue fauos?, dissolue, idest fac mulsum miscendo Baccho. '?) 

v. 913. Inprudentibus (m. ID). Quidam hic *in? augentis uolunt esse, 
idest ualde prudentibus. Quod uerius est: inprudentes posuit pro insciis 
et indoctis et dicit, quod tam aperta sunt signa quae solent praecedere 
tempestatem, ut non solum prudentes, sed etiam ipsi indocli possint 
(possunt) uitare pericula. 

v. 415. Prudentia. Prudentia dicitur, quod porro ab rebus infimis 
conslituta quasi ab excelso rerum cacumine cuncta prospiciat. Est enim 
prouidentia illa diuina ratio, in summo omnium principe constituta, quae 
cuncta disponit, Fatum uero inhaerens rebus mobilibus dispositio, per 
quam prouidentia suis quaeque ordinibus nectit (necat). Prouidentia nam- 
que cuncta pariter quamuis diuersa, quamuis infinita complectitur. Fatum 
uero singula digerit inmotum locis formis ac temporibus distributa, ut 
haec temporalis ordinis explicatio in diuinae mentis adunata prospectum 
prouideutia sit, eadem uero adunata adque explicata temporibus fatum 
uocetur. 

v. 484. Fibrae. Fibrae extremae partes iecinoris (iocineris) a fibris 
uestimentorum, sicut et extremae partes (parte) foliorum in intubis. Di- 
cuntur autem fibrae quia in Phoebi aras ferebantur ab ariolis, quibus suc- 
censis responsa acciperent.!!) 

v. 498. Vestaque. Hoc de intimis quaestionibus Virgilianis est, 
cum dicit Vestam palatium et Tiberim seruare, cum urbs Roma, sicut 
quibusdam uidetur, in tutela Martis sit. Quod ideo dicitur subtractum 
nomen a Virgilio ne hostes cognoscentes propterea bellum contra Roma- 
nos susciperent. Perite autem Virgilius el nimium erudite praesidem Ti- 








9) cf. Isidor. Origg. XVII 7, 60. 10) Quorum interpretum in 
numero Pettius Agorius Praetextatus est apud Macrobium, Bat. III 11 
extrem. Sed caue ne ad pleniorem quendam Seruium hoc scholium 
referas, cf. Ribbeck proll. p. 105. 106. 11) cf. Isidor. Origg. XI 
1, 126. 


992  H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


beris (tiberim) Vestam dicit. Hanc enim physici (phisici) putant terram. 
*Tuscum? autem, quia apud Tusciam fluit.'*) 

v. 511. Mars. Ita saeuit Mars impius toto orbe, quemadmodum 
addunt se in spatia equi, cum sese profuderint e carceribus, et *fertur 
auriga equis frustra tendens retinacula neque audit currus habenas." 


GEORG. LIBER II. 


v. 30. Caudicibus. Caudices dicuntur inferiores partes stipitis dic- 
tae ad similitudinem caudarum. 

v. 69. Arbutus horridu. Quidam dicunt quod pro acudente po- 
suerit illud Virgilius quae est hispida (ispida) et spinosa, sicut et rumex, 
ut sit sensus: inseritur uero arbutus horrida siue acudens. 

v. 84. Lotoque. Genus arboris. Ex huius materia frequenter tibiae 
fiebant , cuius bacis quondam pasti Lotofagi dicti sunt. 

v. 99. Argitisque. Argitis est graecula uilis albi floris uastam ha- 
bens materiam, breuia et lata folia.!?) 

v. 101. Mensis secundis. Prima mensa erat apud Romanos car- 
nium, secunda pomorum. 

v. 115. Arabum. Arabia iuxla proprietatem suae gentis dicitur 
sacra quod ibi nascatur tus quod in sacris ponitur, quam Graeci eudae- 
mona (eudemonam), Latini beatam uocant. 4) 

v. 116. Patriae idest regiones. Dicuntur autem a regendo; partes 
ipsius regionis territoria. Patria quasi pacis atria. 

v. 147. Flumine pro fluento. Flumen est proprie ipsa aqua, flu- 
uius est qui decurrit. ^) 

v. 157. Subterlabentia. Gaudebant antiqui nominibus auferre prae- 
positiones el addere uerbis. 

v. 158. An mare quod supra (m. Il). In modum deltae litterae est 
Italia; nam ex una parte Alpihus, ex alia uero, uidelicet superiori, Ha- 
driatico mari (mare), ex tertia Tyrrheno cingitur mari (mare). Hadria- 
ticum enim mare dicitur uel ab Hadra ciuitate quam alluit uel ab hadra 
idest petra. Tyrrhenum a Tyrrhena patria. 

v. 160. Fremitu. Fremere est magnum aliquid sonare; frendere 
alicubi cum gemitu uel ira miserum aut minax sonare. 

v. 164. Auernis. Auernus dictus est quod odor eius infestus sit 
auibus. Ὁ) 

v. 165. Riuos. Riuos dicit uel quia cum funditur imitatur fluentes 


12) Haec parum accurate minusque emendate sic exhibebantur a 
Burmanni G: Item haec quaestionibus Virgilianis est, cur dicit a Vesta 
palatium et Tiberim seruata, cum urbs Roma sicut multis uidetur, in 
tutela sit Martis. seu idcirco dicitur subtractum esse proprium nomen 
^ Virgilio ne scirent hostes cui deo contra Romanos uota susciperent: 
quamquam erudite Virgilius nimium praesidem "Tiberis Vestam dixit: 
hane physici putant terram. 13) cf. Isidor. Origg. XVII 5, 23. 14) 
cf. Isidor. Origg. XIIII 3, 16. 15) cf. Isidor. Origg. XIII 21,1. 16) 
cf. Isidor. Origg. XIII 19, 8. 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 993 


riuos aut quia in harenosis fluminibus inuenilur interdum uena argenti 
aerisque. 

v. 166. Penis. Venae dicuntur ipsa materia unde excoquitur me- 
tallum, quae rustice *mina? dicitur. 

v. 169. Extulit. Ecferre (sic) est edere prouelıere. 

v. 170. Scipiadas. Scipio baculus dicitur. llic habuerat patrem 
quem in senatum (senatu) ducere solebat, et quia officium exequebatur 
baculi, dictus est Scipio.'”) 

v. 175. Recludere. Reserare aperire, scientiam scilicet colendae 
telluris. Nymphae idest Musae praesunt fontibus, quos ideo se dicit 
recludere, idest aperire quia ipse primus aput Latinos de agricultura 
cecinit auxilio Musarum. 

v. 177. Ingeniis. Ingenium ueteres dixerunt el sua sponte uel 
natura. 

v. 294. Per annos. Quotiens per accusatiuum dies uel annos loqui- 
mur, iuges annos uel dies significamus , quotiens per datiuum, per inter- 
uallum interiectis aliquibus annis ue] diebus. Itaque qui oplantes *multis 
annis? dicunt, *multos annos? melius dixerint. 
| v. 328. Auia, deuia secreta et rem dicit naturalem, quia uere so- 
lent aues amplius cantus edere tam ex serenitate temporis quam ex her- 
barum frondiumque innouatione et naturali uoluntatis delectatione; quippe 
Lunc incipiunt nidos facere et pullos gignere. '5) 

v. 451. Torrentem. Torrens est proprie aqua cum impetu fluens. 
Dicitur autem torrens, quod torrescit idest siccatur aestate. 9) 

v. 471. Lustra. Proprie lustra abdita et occulta loca dicebantur, 
in quibus discedebant ueteres luxuriandi potandique gratia. 

v. 487. Bacchata. Bacchare ueteres non solum Bacchi nomine fu- 
rere dici uoluerunt, uerum et loca in quibus sit debacchatum (dib. —) 
*bacchata? dixerunt. 

v. 497. Dacus (m. Il). Dacus regio est Scythiae, a qua populi Daci 
uel Dani, et sunt inter Septentrionalem plagam et Orientalem. ldem etiam 
populi ... ... uidentur esse illi qui et Nortmanni. 


GEORG. LIBER III. 


v. 24. Scaena. Scaeha est camera hinc inde composita quae adum- 
brat locum in theatro, in quo ludi aguntur. Item arborum incumbentium 
(incubentium) quasi camerata densatio, ut supterpositos tegere possit. 
Item compositio alicuius carminis quae digna sit agi in theatro explana- 
tionibus tragicis (traicis). Alii tria genera ostendunt, ita ut una cum fo- 
lis fieret, altera uelis, tertia aedificiis idest tabulatis, et una Tragicorum 
erat, altera Comicorum, tertia Satyricorum. 

v. 95. Assaraci. Dardanus ex loue et Electra filia Atlantis fuit ex 
quo Erichthonius, unde (ude) natus est Tros, a quo Troia, qui duos filios 
procreauit, Illum et Assaracum. Ab llo Ilium (ilum) dictum, qui genuit 


17) cf. Isidor. Origg. XVIII 2, 6. 18) cf. Seruius. 19) cf. Isi- 
dor. Origg. XIII 21, 2. 


Jahrb. f. class, Philo. Suppl, Bd. IV Hft. 5. QA 


994 ἢ. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


Laomedontem patrem Priami.  Assaracus paler Capyis (capis) et Capys 
pater Anchisae, Anchises pater Aeneae. 

v. 138. Rursus. Rursus quidam intellegunt in hoc loco ‘retro’, 
quidam 'iterum denuo?, sed rectius est intellegere *retro*, ἢ) 

v. 362. Hospita. Hospes dicitur ab hostio et pede. Nam consue- 
tudo erat, ut hostem recipientes pedem in limite tenerent et manu dex- 
lera ... ... 

v. 377. Totas. Totum et omne ita discernuntur. *Totum? corporis 
totius plenitudinem significat, ut puta: "totum auditorium habet scholasti- 
cos? hoc est totum auditorium plenum est scholasticis. *Omne? autem de 
uniuersis dicitur, ut si dicas: *omne auditorium repletum est scholasticis?, 
idest omnia auditoria. ltem *totum?, quod plus putatur significare quam 
*omne?, est quando alio intellectu accipitur, ut in hoc uersu Virgilii: 
*Totasque aduoluere focis ulmos.? Hoc enim totas ulmos intellegi uoluit 
“integras’, non omnes quae in mundo sunt.?') 

v. 383. Velantur. Aut passiuum posuit pro actiuo, aut sic acci- 
piendum: corpora Scytharum fuluis saetis uelantur, aut sicut supra dixi- 
mus, ips! Scythae fuluis saetis uelant sua corpora. 

v. 454. Viceris. Vlcus est quod est obclusum et intra se habet 
pestem. Vulnus est quod apertum et patens est. Rursus 'ulcus?, quod 
per se nascitur, *uulnus? autem quod infligitur ab alio. 

v. 458. Febris. Seruius a feruore dictam docet.**) Sed alii non 
minoris auctoritatis a feritate dictam uolunt. 

v. 474. Alpes lingua Gallica montes alti. **) 

v. 498. Herbae. *Herbam? ueteres palmam uel uictoriam dici 
uolunt. 


GEORG. LIBER IIII. 


v. 1. Caelestia dona. ldeo caelestia dona dicit, uel quia munus est 
deorum, uel quia caelum interdum pro aere accipitur et ex aere mel 
defluit. 

v. 4. Laeua, a leuando scilicet quia ubi uires nostrae deficiunt, nu- 
minum auxilio leuantur. 

v. 17. Nidis. Mac auctoritate non solum domicilia auium sed etiam 
ipsos foetus possumus nidos appellare per id quod continet id quod con- 
unetur intellegentes. 

v. 63. Melisphylla. Varro apiastrum dicit quam nos “piam men- 
tham? (mentam). 

v. 64. Maíris. Cybele mater louis siue ut quidam affirmant, Rhea 


20) v. 147 Asilo (m. II). Sic enim dicimus: est mihi nomen Bernoni, 
est mihi nomen Bernonis, est mihi nomen Berno. v. 192. Sínuetque 
(m. II), idest faciat tornationes ut Guasco. 91) Haec non ex com- 
mentario Vergilii perpetuo, sed aliunde esse petita, probat ipsum Ver- 
gilii testimonium adlatum. Ad eundem uersum m. II haec insuper ad- 
scripta sunt: 7otasque. Marius Plocius per se uult hoc uitium esse metri 
sed melius est ut hypermeter (ypermetur) accipiatur, cf. p. 2628 P. 
22) Seruius: *'licet a feruore dicte e^ 28) c£. Philargyrius 1. 1. 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 995 


uxor Saturni, dum ipsum louem peperit, abscondidit (abscondit) in specu 
in Dictaeo monte ubi aluerunt eum apes, pro quo inuolutum lapidem glut- 
tiendum Saturno dedit, qui ceteros solebat deuorare. Inde iratus cum 
fraude cognita amplius quaereret, ne uagitus infantis audiretur, iussit 
Curetes et Corybantes (choribantes) populos Cretae cymbalis personare. 

v. 115. Imbris, aquas. Imbres consuetudo quorundam uult accipi 
agmen caelestium aquarum et pluuiarum. Sed Virgilius omnium aquarum 
intellegi posse ostendit, ut in hoc loco. 

v. 140. Pressis. Hoc loco premere significat inniti cum pondere. 

v. 161. Tenacis. Propolis est cera durissima quae euacuata melle 
solet diu seruari. 

v. 168. Praesepibus. Praesepia non tantum, quibus aut cantheria 
aut iumenta celera aut uetera animalia pabulantur, sed et omnia loca 
clausa et tuta dicuntur praesepia, ut hoc loco comprobatur. 

v. 211. Lydia. Lydia est prouincia in Asia, sed antiqua regum 
(regnorum), quam Pactoli fluuii extulit unda in diuitias (diuitiis) torren- 
tibus aureis. Quae primo Maeonia dicta, cum pro breuitate sui duos fra- 
tres ferre non posset (potest) Lydum et Tyrrhenum, exortis inimicitiis 
Tyrrhenus profectus partem [taliae occupauit. Tyrrheniamque uocauit. 
Lydia autem a fratre qui in prouincia remanserat cognominala est. Ὁ) 

v. 232. Simul. Quidam accipiunt *simuP? pro statim. 

v. 233. Pleias, patronomicum uel a matre uel a fratre qui dictus 
est Pleion. 

v. 296. Imbrice. Quidam intellegunt. tholum (tolum) tecti; qui- 
dam canalem; imbrex tamen dicitur, quod arceat imbres. 

v. 926. Honorem. Quidam intellegunt substantiam delectationem 
praesentis uilae. 

7 v. 327. Pecorum. Non solum quadrupes animal, sed etiam cuius- 
cumque generis animalia debemus hoc loco accipere. 

v. 346. Furta. Quicquid occulte geritur, potest furtum appellari, 
sicut hoc loco. 

v. 380. Carchesia. Carchesium est poculum proprie procerum et 
circa mediam partem compressum, ansatum mediocriter ansis a summo 
ad infimum pertingentibus. 

v. 406. Tum variae. lic aliquid constat allegoricum. — Proteus 
(prometheus cod.) quemlibet significat sapientem uel prophetam. Bestiae 
uero illae in quarum multiplices species uertebatur uitia diuersa desig- 
nant. Nam per suem luxuria, per leonem uero ligridem draconem et 
leaenam ferocitas uel iracundia animi ostenditur, per ignem cupiditatis 
amor; per aquam denique (namque) instabilitatis leuitas nihilominus de- 
notatur. Dum ergo Proteus (prometheus) ligatur, in diuersas ferarum 
formas conuertitur et tamen non diuinat quousque in humanam speciem 
reuertatur, quia donec quilibet sapiens in se uitia constringat el corrigat 
ac deposita bestiarum forma in hominis figuram reuertatur, non potest 
prophetare nec futura praedicere. 


24) cf. Isidor. Origg. XIIII 3, 48. 
QA* 


996 ἢ Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 466. Te ueniente. Tota die, el est pathos ex repelilione, quae 
Graece dicitur epanaphora. 

v. 467. Taenareas (m. Il). Taenarus promunturium (promunctu- 
rium) est Laconiae, ubi est descensus ad inferos. Ali legunt *Trenareae 
fauces’, idest lamentabiles, quia 'trene? dicuntur lamentationes unde et 
*trenicon? lamentable. 

v. 488. Inhians. WMiatus. dicitur omnis oris apertio nimia trans- 
Jatum a feris quarum omnis auiditas hiatu, idest oris apertione monstra- 
tur. Inde inhiare idest alicui rei acriter et ueliementer incumbere. 

v. 510. Mulcentem. Ferunt istum Orpheum fuisse theologum qui- 
que per philosophiam et rhetoricam facundiam homines ex fera et agresti 
uita ad communem et ciuilem habitationem perduxit. Inde fictum est, 
quod tigrides (trigrides) mulceret , ul se sequerentur et quercus. 

v. 538. Eximios. Non est (Tum est cod.) poeticum epitheton, sed 
sacerdotale nomen. Hostiae namque dicuntur “eximiae’, quae ad sacri- 
ficium destinalae eximuntur ex grege, uel quod eximia specie quasi nu- 
minibus offerendae eligantur et hoc loco Virgilius dicendo *eximiae? quod 
eximantur et quod eligantur praestanti corpore id demonstrauit. 


APPENDIX III. 


EX CODICE BERNENSI 167. 


INCIPIT ARGVMENTVM IN VIÉ. 


Locus et tempus et persona his Virgilianis artibus ita ab authenticis 
auctoribus indicata (nacta) sunt quod prima earum pars idest Bucolica et 
Georgica in Partlienope quae et Cuma et Neapolis dicitur, scripta est, 
sicut ipse in fine Georgicorum dicit (IV 563): 

lllo Virgilium me tempore dulcis alebat 

Parthenope studiis florentem ignobilis otii , 

Carmina qui lusi pastorum audaxque iuuenta 

Tityre, te patulae cecini suh tegmine fagi. 
Aeneidorum uero libros XII heroici carminis Romae scripsisse putatur 
postquam amicitiam Caesaris adeptus est. Alii uero potius in Mantua eos 
scripsisse autumant, ut ex uerbis eius in principio tertii libri georgici 
carminis declaratur ita dicentis (dicens): 

Primus ego in patriam mecum , modo uila supersit , 

Aonio rediens deducam uertice Musas 

Primus Idumeas referam tibi Mantua palmas 

Et uiridi in campo templum de marmore ponam. 
Sane sciendum est Virgilium XXIIII annorum fuisse quando Bucolica scrip- 
sit, unde in fine Georgicon ait: *Audaxque iuuenta? et rel., quod Buco- 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 997 


licum triennio perfecit et emendauit. Item proposuit Maecenas ei ut 
Georgica scriberet quod et fecit annis VII et emendauit. Deinde ab 
Augusto postulatus scripsit Aeneidorum libros annis XI quos nec emen- 
dauit nec edidit (cecidit) unde iam moriens eos praecepit incendi. Augustus 
uero iussit Vario (uaro) et Tuccae, ut eosdem corrigerent hac lege ul 
superflua demerent et nihil adderent, unde et semiplenos eius uersiculos 
inuenimus, ut illud: *hic currus fui? (conf. Aen. 1 534 Huc cursus fuit) 
el aliquos detractos ut in principio. Nam non ab armis coeperat, sed sic: 

Ille ego qui quondam gracili modulatus auena 

Carmen et egressus siluis uicina coegi 

Vt quamuis auido parerent arua colono 

Gratum opus agricolis, at nunc horrentia Martis 

Arma uirumque cano Troiae qui primus aboris. 


Hos uersus constat esse detractos. Tempus uero Caesaris Augusti his libris 
ascribitur qui LVI anuis et mensibus VI regnauit, ul Eusebius refert (chron. 
lib. 1I p. 363), a quo omnes Imperatores (deest in cod.) Augusti apud Ro- 
manos dicti sunt. Persona quoque Virgilii hisdem deputatur. Idem igitur 
praefatus Virgilius tribus speciebus propriis praenotatur idest praenomine 
cognomine agnomine, ut Puplius Virgilius Mars, et de certis causis has 
easdem accepit. Puplius enim siue a puplite grandi dictus est, seu quod 
puplicis idest manifestis atque regalibus rebus narrandis dignus sit. Vir- 
gilius a uirga laurea quam mater eius per somnium se peperisse uiderat 
uocatus esL siue ut alii uolunt, ut a uere Vergilius quasi uere gliscens 
idest crescens sit nominatus. Erat enim magiae philosophiae praeclaris- 
simus praeceptor et multiplex, sicuti uernalia incrementa. Porro Maro a 
colore dicitur; interpretatur enim niger siue ut alii uolunt eloquens siue 
ut plurimi putant, paler eius nominatus est Maro. Hic idem tempore 
consulum Pompeii et Crassi in pago qui Andes dicitur haut procul a Man- 
tua nascitur. Septimus tuuc annus Ptolemaei (ptolomei) in Aegypto fuit. 
XVI"* autem ante incarnationem Domini nostri lesu Christi anno Brundisi 
moritur XI Kal. Octobris in XXX”° VI" anno Octauiani. Sed Cn. Sentio 
Saturnino et Lucretio Cinna (sed consentientibus saturnino et lucretio 
cynna) consulibus ossa eius Parthenope quae nuuc Neapolis dicitur trans- 
lata sunt et in secundo ab urbe miliario sepulta sunt, epitaphio huius- 
modi desuper inscripto, quod uiuens sibi composuit ipse: 
Mantua me genuit, Calabri rapuere, tenet nunc 
Parthenope; cecini pascua rura duces. 
Virgilius in operibus suis diuersos secutus est poetas idest Theocritum 
Syracusanum in Bucolicis qui fuit in Syracusa (siracussa) ciuitate Siciliae 
praeceptor et non longe ante Virgilium erat; Hesiodum Ascraeum in 
Georgicis qui de Ascrea insula Ascraeus uocatus est, qui ad fratrem 
suum Persen librum composuit, quem appellauit ἔργα xal ἡμέρας, idest 
opera et dies; Homero uero in Aeneidis, qui excidium Troiae graece com- 
posuit et longo interuallo ante Virgilium fuit. llle in laudem Graecorum, 
hic autem (hic hoc autem) in gloriam Romanorum conscripsit. Homerus 
4 XXIIII 
in XLVIII (in XLIIII) libris stilum elicuit, Virgilius uero quasi breuiando 


908  H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


(quas inbreuiando) in XII perstrinxit. Item Theocritus VII eclogas scripsit 
ut Virgilius dicit in secunda ecloga (v. 36): 

Est mihi disparibus septem compacta cicutis 

Fistula Damoetas dono mihi quam dedit olim, 

Et dixit moriens: te nunc habet ista secundum. 
Virgilius uero X eclogas scripsit ut ipse in tertia testatur (v. 70): 

Quod potui, puero siluestri ex arbore lecta 

Aurea mala decem misi, cras altera mittam. 
ltem llesiodum Ascraeum, ut diximus, imitatus est in Georgicis, sicut 
ipse allegorice in VI ecloga ait (v. 69): 

Dixerit: hos tibi dant calamos, en accipe, Musae 

Ascraeo quos ante seni , quibus ille solebat 

Cantando rigidas deducere montibus ornos. 
Et in II libro Georgici carminis ait (v. 176): 

Ascraeumque cano Romana per oppida carmen. 
Qui Hesiodus de agricultura fecit librum idest de seminalione farris et de 
plantatione uitis et arborum et de pastu et cura pecorum. Scripsit autem 
haec eadem Georgica in honorem Maecenatis qui unus ex amicis eius erat. 
Nam amici Virgilii hi fuisse dicuntur, idest Aemilius Macer, Quintilius (gen- 
tilius) Varus, Maecenas , Cornelius Gallus, Asinius Pollio. Aemuli autem 
eius hi fuerant: Cornificius Gallus qui pessimus poeta fuit, quein allego- 
rice in his eclogis subsannat, sicut est in VII"*, quando eum Codrum 
uocat (v. 25): 

Pastores hedera crescentem ornate poetam 

Arcades , inuidia rumpantur ut ilia Codro et rel. 
Bauius (uauius) quoque et Maeuius , quos in tertia uituperat (v. 90): 

Qui Bauium non odit, amet tua carmina Maeui 

Alque idem iungat uulpes et mulgeat hircos. 
Istos praefatos allegorizando saepe subsannat. 


EPIMETRVM. 


Quod in praefatione p. 696 de codice Leidensi Vossiano F 79 dixi, 
aliquantulum certe fructum habiturum esse eum qui ceteras quoque par- 
les omissas olim a Suringaro accuratius inspexisset, id nuper optime con- 
firmatum est, postquam Georgius Thilo quae ex isto codice suum in usum 
excerpserat mira usus liberalitate mihi trausmisit. Etenim, quamquam in 
uniuersum non poterat negari, Leidensem codicem lectionum praestantia 
alque integritate Bernensibus multo esse inferiorem, tamen iis partibus 
quae in codd. Bernn. uel carie uel alio casu deperlerant, certum inde 
auxilium aduenturum erat. lam ea commentarii pars (ecl. I v. 1—49) 
quam, cum in cod. 172 deesset, ex cod. 167 refeci, non totam illam qui- 
dem sed dimidiam fere, ut p. 689 demonstraui, non paucis scholiis nouis 
locupletatur his: 


Argumentum primae eclogae. In hac prima ecloga gratiarum actio 
indicatur in qua sibi personam Tityri et Meliboei induit quorum alter 
erat in prosperis alter in miseriis profugusque, hoc est Tityrus in pros- 
peris, Meliboeus in miseriis, qui admirans omnia bona quae tribuit Caesar 
Virgilio et suam infelicitatem respiciens dixit: *Tityre tu patulae recubans 
sub tegmine fagi." 

v. 1. Sub nomine Tityri allegorice Virgilius intellegitur, Meliboeus 
uero in persona alicuius Mantuani ponitur, cui agri sublati sunt. Recu- 
bans , quietum ostendit ab exilio. Hoc autem totum allegorice umbraculo 
potestatis Augusti protectum intellegitur. *Fagum" allegorice Caesarem 
dicit sub cuius tutela latueras. 

v. 2. Meditaris, laudes imitaris uel cantas uel melitaris. Siluesirem 
Musam. Hoc dicendo tropice exilia carmina intellegi uoluit. Auena, 
carmine. 

v. 9. Nos patriae fines. Voce Mantuanorum utitur qui expelleban- 
tur suis possessionibus. Dulcia linguimus, omnes res quae delectant. 

v. 4. In umbra, in protectione Caesaris. 


Argumentum prime eglogae. In ac || indicat || éaduit addidi || tyrus || 

bonaque tribuit cessar || suam felicitatem || tytire || v. 1 tytyri alligo- 
rice || meleboeus || alis mantuani || alligoricae || aHi cessarem dt sub ο{|} 
tute lalatueras || 2 exili carminae || auena carrinae N uoces mantuano- 
rum ufitiis 4 expellabantur suis posi dulcia alin {{{Π|Π|{{}{{{Π oms resq; di- 
lectant || 4 in protectio cesaris || 


1000  H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


v. 5. Formosam resonare doces Amaryllida. Accusatiuus graecus. 
Tropice ad Maronem hoc dicitur docentem in Roma artem poeticam. Ama- 
ryllis Romam allegorice significat uel ut quibusdum uidetur duarum ami- 
carum nomina Amaryllis et Galatea. 

v. 6. Deus. Augustus uel lollas. Deus nobis haec otia fecit, id 
est Augustus nobis hanc securitatem tribuit. 

v. 8. dram. rae mortuis, altaria diis consecrantur. Agnus, non 
ouis quod plus sanguinis quam lactis habet. 

v. 10. Calamo, auena uel culmo idest carmine agresti pastorali. 
Tropice significatur libere eum qualia uellet carmina texere. 

v. 11. Miror magis , idest unde tibi tanta securitas aduenit. Vndi- 
que tolis et reliqua, idest a totis agris turbati expellimur exclusi ut ego 
non sinar requiescere, usque adeo turbamur. 

v. 13. Aeger, anxius. go, pasco. Hanc, uxorem uel uitam uel 
spem. 

v. 14. Densas, opacas. Corylos , arbor nucis auellanae. 

v. 15. Silice in nuda, infertili terra. Contra, enixa uel partu li- 
berata. 

v. 16. Saepe malum et reliqua, idest saepe haec nobis percussae 
fulmine significarunt sed nos mente auersa non intelleximus. 

v. 19. Da, dic sicut e contrario *audi? accipe. Sermo redit ad illud 
(v. 6): Deus nobis haec otia fecit. 

v. 20. Vrbem quam dicunt Romam. Roma ante Romulum fuit et 
ab ea sibi nomen Romulus adquisiuit, sed flaua et candida Roma Aesco- 
lapi filia nouum nomen Latio facit; tamen conditoris ucl conditricis no- 
mine omnes Romam uocant. 

v. 22. Fetus, agnos uel haedos, Ilic perifrasis est breuitatem 
splendide producens. 

v. 26. Viburna, humilia arbusta semper uirentia uineis commodata 
et genere et forma a cupresso remota. 
| v. 28. Sera, tarda. Libertas et reliqua. Hic uult se Virgilius sub 
persona Tityri intellegi iuuenis fuisse Bucolica scribens. Quae sera ta- 
men respexit inertem, idest quamuis tarda respexit me infirmum uel sine 
arte , nam constat Virgilium ingenuum ex ingenuis esse. 

v. 91. Postquam nos Amaryllis. Galatea quam habuit primum 
Tityrus, Amaryllis quam postea quae fuerunt amicae illius; allegorice 
per Amaryllida Romam, per Galateam uult Mantuam intellegi quod uide- 
licet Romam diligens Mantuam neglexit. Galatea sane Mantua ideo dicitur 
quod Galli Senones in ea habitatione fuerunt. 


-— 


v. b yop pm || a&s gre||| tropice || poetica amarillis |] noa amarillis || 
6 ocia ||8 are [| agnus nouuis || 10 carminae || 11 excku [| 13 eger || 14 co- 
ri||lus || abellanae ἡ, 16 Sepe || percusse f|jumine I 19 sermo redit aliud 
ds || 20 et ab eo sibi n romulus adque siuit sed de flaua et candida 
romes colapi filia nouü ἢ latio facit | omnes romani uocant | cf. de his 
Philargyrium || 22 hedos |] breuita ||| splendite producens || 26 a cupressu 
28 bocolica || que saratum respexit || 31 amarillis || tytirus amarillis | 
questué amice illius alligoricae |] sanae || 








I]. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 1001 


v. 32. Namque fatebor, idest dum me Mantua tenebat. nec. spes 
mihi libertatis erat nec cura substantiae. 

v. 33. Nec spes libertatis. *Peculi? pro peculii per apocopam dici- 
tur. Peculium proprie dicitur facultas. 

v. 34. Quamuis multa et reliqua, idest quamuis et uictimas pecu- 
dum et caseum ad Mantuam deferrem ex meis ouilibus, nulla exinde mu- 
nera reportabam. 

v. 35. Ingratae urbi, idest Mantuae quae gratias non referebat. 

v. 36. Non umquam grauis, non umquam numquam. Grauis, pon- 
derosa. dere, tributo censu. 

v. 97. Mirabar quid et reliqua. Meliboeus dicit ad amicam Ti- 
Lyri ac si diceret: o Amarylli, mirabar ego quam ob causam tu tristis 
deos inuocares, sed conperi hanc causam fuisse quod Tityrus praesens 
non eral. Allegorice autem ad Romam, quam sub nomine Amaryllidis 
uult intellegi, dicit: Hoc enim ideo fecisti quia Virgilius a te aberat. 

v. 41. Neque, interrogatiue. 

v. 42. Nec fam praesentis. Praesentis firmos. Nec (am praesen- 
les alibi, quam Romae. Cognoscere diuos. Praesentis dicit quod Augus- 
tus adhuc in corpore adorabatur. 

v. 43. Quotannis, per singulos annos Augustum Romae uidisse 
se dicit. 

v. 44. Bis senos cui nostra dies, idest cui singulis annis per bis 
senos [duum dies singulorum mensium sacrificia offero. Octauiano enim 
uiuenti sacrificium offerebatur. Bis senos cui nosira dies, dies menses; 
cetera ul supra. 

v. 45. Hic mihi responsum, idest quod rogaueram concessit mihi 
petenti. 

v. 46. Pascite ul ante. Pascite uox est Tityri idest Virgilii ad eos 
qui agros ab Octauiano receperunt. Pueri. Pueros appellat more fami- 
liari dominantium.  Summittite tauros idest sub iugo, uel sobolem 
exercete. 

v. 47. Fortunate senex. Rustici fortunati dicuntur uel] quibus for- 
tuna fuerit. 'Senex? non ad aetatem refertur sed ad fortunam. Ergo, 
ideo quod dixit: *Pascite ut ante". 

v. 48. Magna, perpetua. Satis, res idest magna res est te omnia 
habere. Quamuis lapis nudus, hoc est quamuis mons sit et lacus tua 
possessio. Nam a monte usque ad lacum ei illa terra data fuerat. 

v. 49. Obducal, tegat. 


v. 34 peccudum [| ad ma || obilibus I 35 ingrate urbi id mantuae || 
36 N||onumquam [| 37 tytyri [| amarilli || quam sub nomine amarilli ut 
ili intellegi | a te halierat [| 42 presentis firmos [|| quam roma || 48 rome 
uidisse, om. se dicit || 44 bisenos || cuis angulis, corr. ingulis || singuli 
mensium || uiuenti offerebatur || Verba cetera ut supra excerptoris sunt |; 
46 reciperunt[| 47 Furtunate senex u rustici furtunati || furtuna |] fur- 
tunam || ergo de aeo quod || 48 posesio | 


1002 H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


Inter cetera a Thilone excerpta haec digna uidebantur quae hic 
locum obtinerent : 

v. 56. Susurro, sonus apium , si audieris, ad soinnum inlicieris. 

v. 60. Virgilius sub specie Tityri dicit de Octauiano. 

v. 67. Diuisos, quia olim Britannia orbi terrarum fuit iuncta uel 
quod mare diuidit illos. 

v. 71. Impius miles, Augustus qui bellauit contra Antonium bella- 
que ciuilia desiderat. Ilic ueritatem secutus est Virgilius. 

v. 77. Procul, longe et prope significat. 


Eocrocaa II. 


v. 1. In hac ecloga poeta solus loquitur de amore pueri. Carydon 
fictum nomen de nomine auis quae corydalis dicitur quae canit dulce. 

v. 5. Inani, quod ad absentem loquebatur. 

v. 15. Menalcan, pastoris nomen, allegorice ut quidam putant Vir- 
gilius de Antonio dicit. 

v. 17. O formose puer, allegorice ad Caesarem dicit: non te ele- 
uet etc. 

v. 24. In Actaeo Araciniho, mons est Boeotiae uel Arcadiae, quare 
mirum est cur eum Actaeum dixerit cum in Attica non sit. 

Amphion Dircaeus. Antiopa Nyctei Thebani filia ab Ioue conpressa 
patris iram timuit, in Cithaeronem montem Boeotiae confugit quam Epops 
rex Sicyoniae adamauit. llle Epopem interfecit , Sicyoniam euertit, Antio- 
pam captiuam auexit quae iterum in solitudinem Cithaeronis montis fugit 
filiosque duos de quodam pastore habuit quos collectos pastor edocuit 
unumque Amphionem alterum Zethum nominauit quorum Amphion stu- 
dium lyrae habuit et sic citharizasse dicitur ut montes et saxa aduocaret 
quae saxa lapidesque Zethus frater eius qui agricola erat ad muros The- 
banorum conposuisse dicitur. Dircaeus a Dirce fonte appellatus quod 
mater eius in fontem iactata est Dircam nomine qui est Thebis ortus san- 
guine eius. ) 

v. 31. Pan natus est Mercurio in arietem conuerso et Penelope uxore 
Vlixis; adamauit uero Syringa Nympham filiam Terrae quae fugiens eius 
informitatem in calamum conuersa est unde Graece fistula syrinx dicitur. 
Cum non posset pro fluuii magnitudine transnatare fusis precibus meruit 
in calamum transfigurari ex quo ille fistulam fecit et amorem cantu de- 
lectabat quoniam amori suo aliter satisfacere non poterat. Pana. Pan 
uero deus pastorum. 


v. 56 inliceris [| Ecr. II 1 egloga || coridon fictum non de no* || co- 
ridalis || 24 arachintho || boetiae || mirum 86 cum eum actaeum dixerit 
cum inactia non sit || dirceus || nictei tebani filia ibi ioue ©presa || in 
doronem mortem boetiae confuit || oppopeus rex siconiae || opeum inter- 
ficit siconiam || euexit || in solitudi citharonis || studium lire lirae || citha- 
rizare [| tebanorum conposuisse dirceus a dircae ||in fontem teiotata est 
dirca nomine qui est tebis || 31 Dicitur enim pan siri pan natus est || 
siringam nimpham || quem fugiens [| siringam dicitur | cf. scholl. Bernn. ii 
ex co ille || dilectabat | poterat pana uero di pastorum || 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 1003 


v. 54. Et uos lauri. Laurus et myrtus iocundi coloris sunt; nam 
laurus Apollini myrtus Veneri dicata est. 

v. 62. Ipsa colant , ut supra. 

v. 64. Cytisum , herba apta pasto. 

v. 72, Detexere , contexere. 


EcLoca III. 


v. 105. Caeli spatium. Alii specum in Sicilia angusto ore profunda 
altitudine per quam rapta est Proserpina a Dite patre et aliter uerius est. 
Caelius quidam Mantuanus fuit qui consumpsit omnes facultates nihil 
sibi relinquens nisi locum trium ulnarum ad sepulturam et Caeli pro 
Caelii dixit. 

Ecroca IIII. 

v. 34. Alter, alter allegorice Antonius. Alter erit Tifus. Pelias 
rex Peloponnensium habuit filium qui nominabatur lason et filium eius 
lasonem nomine timuitque Pelias lasonem filium lasonis ne iaceret se de 
regno. Deinde eum misit ad Colchos ut detulisset croceum aureum ut 
quod putauit Pelias causa eius esset mortis. Et fecit nauem quam dixit 
Argo et Tiphus nomen gubernatoris erat, et Argonautae nominabantur 
nautae qui in naui fuerunt. Et antequam exirent ad Colchos, peruenerunt 
ad Troiam et non reliquid eos Laomedon rex Troiae ire per bosporum. 
Deinde reuersi sunt iterum et dixerunt ea quae fecit Laomedon sibi et 
exiuit Pelias et Hercules ad Troiam et expugnauerunt Troiam et Laome- 
don occisus est, et de croceo aureo hic tacetur quasi dixisset Virgilius: 
etsi exiit gubernator et quamuis fortes uiri perrexerunt ad pugnandam 
Troiam cum Pelia, sic exibit tecum ad illius constructionem quod quando 
obiit Iulius Caesar mandauit Augusto Octauijano ut construeret Troiam. 


EcLocA VI. 


Hac in ecloga Quintilius Varus rogauit Virgilium ut sibi narraret 
quomodo rogauerunt duo iuuenes idest Chromis et Mnasylus pastores 
Silenum poetam senem discipulum Phoebi qui audierat omnia uerba quae 
locutus est Apollo de constitutione mundi et de aliis quam plurimis. In 
hac ecloga solus poeta loquitur. Tria genera pastorum in [talia fuisse 
dicuntur antiquitus, Fauni a Fauno pastore uel a fando dicti Sileni a 
Sileno poeta Satyri a Satyro pastore lisque omnibus haec ecloga modu- 


v. 54 mirtus iocundi colorum || mirtus || 64 opta pasto || Ecr. IIII 34 
tifus peleus rex pelopensium || iason noe |] pelleus || ne ieceret || deinde se 
misit ad cholcos || aureü qg putauit peleus || et fecit argos naiton q dt 
argo et tiphus non gubernatoris erat et argonauta nó ä naute || exhirent || 
lamedon || irae biportum | eaque fecit lamedon sibi et exhibit peleus et 
heroulis || Iamedon || etsi exit || cum pelea sic exhibuit || mandauit aug 
octauianum. Foedam latinitatem temptare non licuit. || Ecr. VI. Hac 
in egloga gentilinus || iu**nes idé cromis et masyllus || poetam senam 
phebi [| uerbaq; || de constitucio mundi et dea alis |] fani | satiri a satiro 








m 


Ἡ 11. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


lis est quod de mirabilibus diuersorum deorum ac dearum sacramentis 
uitur. 
EcrocaA VIII. 

v. 47. Distingendum ut sit argumentur non ralio. Pelias rex Thes- 
ae adhuc paruum sed iam seni T lasonis fratris sui filium lasonem 
:nae indolis et uirtutis eximiae timens pellem auream ut peteret ad 
chos misit cui nauem dedit quam Argo ab Argis nominauit. Ille con- 
alis amicis plurimis cum his nauigauit unde Argonautae dicti. 


Supplentur practerea codicis Leidensis ope hae lacunae: 


EcroaA II. 
v. 92. Pan primus cera , quia perforationes cera replentur. 
v. 33. Instituit; Pan curat, sanat de morbis. Magistros, arietes 
pastores; putabatur enim deus esse pastorum. 
v. 35. Amyntas, allegorice Cornificium dicit poetam inimicum suum 
alum esse carmen rusticum scribere. 


Ecroca III. 

v. 7. Tamen, quamuis dicis obicienda consideranda. 

v. 8. Nouimus et qui te. Nouimus, non ignorat populus quod sci- 
s te ea passum quae uiris inhonesta sunt. Haec ad Cornificium dicit. 
ınsuersa. De turpitudine dicit eius idest retro conuersa quasi trans 
sa uel] trans angulos oculorum aspicientes fornicatorem, uerecunde 
prum transuersis oculis uel humillimis intueri idest tuentibus pro in- 
ntibus. Zircis, capris. 

v. 105. sub finem: noluit Virgilius Oclauianum uidere in paruo 
liac loco. 


Denique scripturae discrepantias uel uariationes textui emendando 
rdum ualde idoneas excerpsi has: 

Ecl. I, v. 1. Fagus arbor cuius (deest in cod.) fructum mandebant 
iqui. — v. 2. Musa greiilio musitando uel personando dicitur. — v. 8. 
t nouo sacrificio dedicala. — v. 10. uellem pro uelim (uelem cod.). 
v. 26. fle.vibilia uel non spinosa. — v. 38. inuiolata seruare. — 
L1. quid facerem. Aoc ferocitatem (ferotitatem) Antonii uel pauorem 
justi. significat. — v. 43. Respondet ad illud quod dixit: Da Tityre 
19). — ibid. puerum dixiset. — v. 58. Raucae dicuntur quod rauce 


:c eglo modolabilis est q de mirabilibus diuü suorum ac dearü | cf. 
oll. Bernn. et praef. p. 714 || 


8 
Ecr. VIII 47. thesaliae || magne indolis et uirtutib; || ut periret i| 
onaute [| 

EcL. II 32 pan primus caera p ἢ fora quia porforati n' cera reple- 
tur | 33 ariaetes Ἰ 35 amintas || 

Ecr. III 8 quod sinus tae ea || trasuersa || angulos odorum || uere- 
de ]] uel humillis, corr. humillimis || 





' 
N, 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. "m 


clude j 
sonant, — v. 73. produxit produxit porro duxit. — v. 74. expellebatur. 1 

Ecl. Il Argum. cum uidisset in ministerio eum nimium pulcherrimum. | 
— v. 18. Vaccinia (uacinia) nigra, uiolae purpureae (purpuriae) quae! 
demum nigrescunt. — v. 26. Hic totum pro parte posuit mare pro qua- ; 
libet aqua. — v. 30. conpellere ad pastum minare (ut' pudeat me inui- 
tare coniecisse, Festi s. v. Agasones p. 25 inmemorem). — v. 43. quasi 
rogaret Virgilium ut ei fecisset uersus. — v. 44. Sordent sordida sunt. 
— v. 48. Olentis odorantes. — v. 51 de lanugine herbae suae. — v. 52.: 
quae duram testam habent, quae autem mollem corticem cerea mala di- 
cuntur. — Amaryllis amica sua idest Roma sed pro Octauiano dicit. — 
v. 55. quoniam passiua participia frequenter agunt cp (idest: apud? poe-, 
tas. — v. 58. flores dissipat calor uel humiditas. Hoc uel ad puerum! 
Alexin uel ad Caesarem dolens sua munera despici. — v. 60. Habitarunt! 
quasi dixisset non sit tibi uile; hoc ad Caesarem dicit uultque intellegi 
quia etc. — v. 61. cognosceretur. *) 

Ecl. Illi. v. 4 fin. in quo praedixit futura tempora meliora. — v. 6. 
Virgo. lustitia fugisse mores hominum nıalos fertur et nunc uenisse uel 
secundum nos Maria. — v. 45. unde et sandentes uel sandaces uestes di- 
cuntur. — v. 63. ut suos parentes ostenderet. — matrem agnouit non 
enim illi iupiter adrisil cum natus esset neque ad epulas eum accepit 
neque minerue matrimonio copulatus est nec herculis ad mensam suam 
eum recepit , cf. v. 62. 

Ecl. V. v. 30. idest mulieres debacchantes. — postquam bibebat. — 
v. 39. idest Flacci ue] Iulii, omnia etc. — v. 43. quia deus futurus puta- 
batur. — v. 64. hic quaestio ab imperitis fit cur hic confundantur (con- 
funduntur) personae, — unde cum Mopsum dicere debuit sententia Me- 
nalca suum nomen dixit elc. A 

Ecl. Vl. v. 41. Lapides quos Deucalion iactauil in masculos uersf, 
sunt, ossa uero matris Pyrrhae in feminas uersae sunt, hinc genus me 
num. — v. 62. in alnos (halnos) dicuntur esse mutatae. | 

Ecl. Vi. v. 37. Nerine Galatea et reliqua. Gaudentius dicit: ami- | 
cum suam uocat (uocant), — quo quidem scholii habitu egregie firmatur | 
mea sententia quam de commutatis eo loco ab epitomatore lunilii et Gau- 
dentii nominibus dixi in praef. p. 702. | 


m 


Superest ut ex ea codicis Leidensis parte quae hodie extat in cod. ! 
Parisino 1750 comprehenditque scholia ad Georg. IIH, inde a v. 69 usque 
ad finem Thilonis collationem secutus notatu digna expromam: 

v. 77. Sudum liquidum clarum non proprie etc. — v. 90. Vacua- 
sine regnet in aula sine altero rege alter erit generosus. — v. 100. Caeli 
tempore certo sicut horas et menses -i- e. cum oriuntur Pliades (plyades 
el cum occidunt hoc est uerno et autumno. (Gaudentius dicit. — v. 108. 
lre. uellere signa mouere signa regia uel bellica (belliaa). — v. 122. 


*) Monendum, Thilonem codicis Leidensis non nisi eclogas II prio- 
res totas contulisse, de ceteris hic illie nonnulla excerpsisse. 


\ 


scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


of his cucumis et his cucumeris dicitur ut Gaudentius 
Relicti demissi (demisi) contempti, sed eius beneficio 
— v. 131. idest ualde, lunilius et Gaudentius dicunt 
Aestatem increpitans properans uel sonum serum tar- 
- v. 141. uberrima copiosissima. — v. 149. cum ill 
ie apibus educatus uideatur. — v. 152. pauere nutri 
Lidia hydaspes. fluuius indiae alii mediae ut orosius. 
e mentis. secundum stoicos dicit qui diuinum spiritum 
1 (difusum) esse dicunt; nam et quatuor elementis et 
stant, a terra (tera) carnem ab aqua humorem etc. — 
glosomatibus, neque aliter ad v. 159. — v. 235. uel 
nis. — v. 247. aranea araneus masculino genere. — 
tonsum; galle genus herbae etc. — v. 271 seq. Est 
ve siue silua qui est iuxta mincium. nam de cispite. de 
erbae quam amellum uocant funduntur uiole nigre sunt 
— v. 283. Arcadei Aristaei Apollinis et 
originem gignendarum apium primus inuenit ut fabulae 
Ll. Caesis occisis uerberatis. — v. 294. iacel ponit. — 
uas significationes liabet. hoc est prope etc. — v. 400. 
v. 451. hoc (corr. hic) tamen iras (scilicet : 
i corda (conda). — v. 488. pone se- 
--ν. 558. lentis densis. — v. 560. quo Caesar (cesa) 
9. ad delubra excitat ignibus. —- 
virtnte uolentes antem ex iustitia illius. — v. 564. a 
lenope Neapolis Parthenope uocata est. — Ignobilis 
16] non conueni uel ignobilis otii quod de pasto- 
; et uilibus (uilis) rehus lusit. — v. 565. poetae dicun- 
uando nersifi Auxi alii audax. Auxique iwuenta 
se iuuenem fuisse Bucolica scribens. 

















































nique Philargyrii ad Bucolica commentarios, quales in 
10 atque Parisino leguntur, id quod conpluries in prae- 
rmultum lu hisce scholiis adlaturos esse. Quos 
' accurate d ptos liberalissime mihi ut ederem nu- 
n eupientem me huie scholiorum Bernensium editioni 
us et ualitudinis iniquitas destituerit, breui temporis 
typis describendos curabo una cum scholiis illorum 
va pertinentibus et hucusque ineditis, quae Theodori 
2 erga ignotum beniuolentiae debeo. Errores typicos 
elictos lecturorum clementia facile tollet: in Vergilii 
49) post librarium inseras etiam et libertum; praef. 
3 numerus 7960 delendus scribendumque Parisinus 
"ab enim duplex eiusdem codicis numeratio diuersa. 


















rnae mense Martio a. CIJIJCCCLXVII. 


* 


- 7S. 








INDEX I. 


NOMINA AVCTORVM. 


I 602. 

facer G. II 160. 

G. I 482. 

uide Petronius. 

Ecl. V 80. 

. ΠῚ 89. 

scriptor ignotus E, IV 81. 
18. 


1340, 369. 428. II 474. 


65. 192. II 50. 
?edianus E. ΠῚ 105. 
ΠΙ 414. 
IV. 238, 620. 
historiarum G. II 197. 
I 125. II 94. 
{Π| 311. 

96. 
i, IV 289. 
3. I 83. 36. 138. 
G. I 482. 
ames. G. 1 4. 1128. 167. 
G. II 124. 


s E. ΠῚ 21. G. I 215. II 
311. 
s G. II 389 ()). IV 87. 


(Cornutus) E. III 106. 
I 482, 


.IL4; in arte II Q, 167. 
IV 26. 77. 88. 120. 131. 
545. 564. 

I 67. 612. II 43; in an- 

G. IE 384. ΠῚ 76. IV 7; 

G. IV 72 

ἘΠ 941. 

:s (?) qui Alexandri Macc- 

: gestas scripsit G. II 137. 
1 508. 

7. III 90. V praef. X praef. 
Ὁ). 


Flaccus E. VI 61. cf. Verrius. 

Flauianus E. VI 62. 

Fronto poeta Q. IV 283. 

Gallus G. I 2 (G). 3. 8 (6). 13 (D. 
25. 28 (D). 31 (I). 40. 54 (I). 81. 
149 (D. 


Gaudentius (locis natorico notatis 
cum Iunilio consociatus) E. I 66*. 
Ὑ 80. VI 41 48. 70. VIL 3. ὅτὲ 

bis. VIII 31". Georg. I 2. 5°. 8. 

229" 246, 959. 5185. 577. 384, S14; 
324. 337. 850. 8185". Bi4. Q. II 
160*. 542*. Q. III 4*. 105*. 118". 
3885. 339. 8495. 380*. 392”. 461*. 
4145. 475°. 491", 618". 526°. G. 
IV 6*. 10%. 14. 89 bis", 1005. 104*. 
1115. 117°. 1995, 181%. 278*. 283*. 
289*. 330*. 493. 620*. 565". 

Glossemate G. 1.300. IV 161. 292. 

Gnifo annalium X Q. II 119. 

Grammatici G. IV 197. 

Haterianus (?) E. ΠῚ 90. 

Hellanicns in chorogra&a E. VIII 44. 

Hesiodus O, I 14. 976. 299. II 341 
(γυναικῶν catal IV 361. 

Homerus E. VI 18 (?). 58. VIII 30 (2). 
G. 118 (?); in Odyssia 38. 332. 
IT 48. 528. IV 201. 394, 396. 

Horatius E. 1 6, VII 29. 6. I 24. 
287. 602. II 40. 

Indigitamenta G. I 21. 

Ion G. I 482. 

Iunilius (locis asterisco notatis cum 
Gaudontio coniunctus) E. I 6. 31. 
ὅδ", 69. V 4. 7. 10. 11. 17. 20 bis. 
92. 28. 30. 39. 43. 64. 68. 72. 79. 
81. 90. E. VI 3 (Innilins Flagrius). 
5. 18. 39. 48*. 74. VII 15. 21. 39. 
31*. AU. 45. VIII praef. bis, 6. H 
17. 18. 19. 21*. 16. 37. 47. 
66. 76. 85. 91. 109. IX pi 


























1008 


Ill. Hagen: scholia Bernensia 


21. 
66. 
10. 


24. 30. X praef. 12. 19. 57. 

Georg. I praef. bis. 1. 6*. 7. 

13 bis. 18. 26. 27. 28. 31. 32. 
38. 39. 42. 45. 54. 58. 59 ter. 78. 
93. 96 bis. 119. 125. 126. 132. 133. 
134. 138. 143. 149. 157. 163. 174. 
176. 182. 208. 212. 218. 221. 2225. 
229. 235. 237. 238. 240. 261. 262. 
265. 266. 270. 275*. 276. 279. 286. 
287. 293. 295. 297, 302. 808. 313. 
332. 335. 341. 345, 378*. 380. 383. 
884. 395. 396 bis. 397. 431 ter. 
448. G. 1I 127. 143. 158. 160*. 197. 
325. 467. 487. 542*. G. III 2. 835. 
5. 6. 68. 105 *. 118, 265. 264. 275. 
280. 291. 338 *. 347. 349*. 351. 380*. 
382. 391. 392*. 398. 408. 425. 461*. 
474*. 475*. 497 *. 513. 618*. 626*. 
532 (Iunilius Flagrius). G. IV 6*. 
10*. 15. 51. 89 bis*. 100*. 104*. 
111*. 117 *. 122*, 181*. 278*. 283*, 
289*. 330*. 355. 380. 412. 520*. 
565*. 

Isidorus E. I 63 not. III 8 not. 111. 
IX 29. G. I 50. 88. 

Leonymus, eo libro quo de mirabi- 
libus diuersorum deorum ac dea- 
rum sacramentis loquitur E. VI 
praef. 

Lucanus E. II 63 not. IV 47. G. I 
489. II 50. 479. G. III 204. IV 221. 
401. 426. 

Lucretius G. I 46. 301. 375. 477. 
II 336. IV 51. 

Lyrici cuiusdam fragmentum E. VIII 
53. 

Modestus G. I 378. 

Musaeus G. I 138. 

Nicander G. II 216. 

Nigidius G. I 174. 218; de uentis IIII 

. I 428. 498. II 168. III 147. 


ad Vergili Buco 


Orosius G. IV 21 
Ouidius E. X 62. 

III 431. 
Ouidius Naso (?) E. us 
Petronius in satira G. 
Persius G. I 145. 


Philochorus G. I 19. 

Philostephanus E. I 66. 

Philosophi E. VI 31. G. I 247. 
484. IV 382. 472. IV 51 

Physiei G. I 498, TI Want, . 

Physiologi liber G. -ς 

Pindarus G. I 17. 

Plautus E. I 59. G. 
dam IV 296. 

Plinius G. I 148. 392. 

490. IV 294. 

In Pontificalibus G. 1V 

Probus G. I 403. IV 13. 

Pythagorici G. I 107. I^ 

Regum Leges G. III 385 

Salustius G. I 287. 463. 1 
III 13. 341. 383. 434. 

IV 104. 182. 211. In 
IV 429. 

Solinus G. II 215. 

Statius G. IV 83. 126. 

Stoici G. I 7. II 490. IV 2* 

Suetonius Tranquillus G. T 
IV 10. 51. 127. 564. 

Terentius E, VIII 65. G. IV 104. 127. 

Tragici (?) incerti fragmentum G. 
II 194. 

Theocritus G. III 280. 

Varro Rerum Rusticarım primo G. 
I 1. 10. 151. 186. 208. 211. In 
libro diuinarum 315. 448. II 97. 
825. 404. III 1. 273. 446 not, IV 
63. 168. 

Verrius (?) Ecl. VI 18. VIII 30. G 
I 18. cf. Flaccus. 








INDEX 1l. 
INDEX MYTHOLOGICVS. 


I 9. 

IV 283. 
111 2. 
306. 
VII 47. 
AI. 35. 
107. 

"11 61. 


ı Atheniensium G. II 87. 


11. 

1 221. 
, I 309. 
[ 230. 

II 25. 
E. III 12. 

4, VI A48, G, 
. IV 151. 

I 66. 

III 35. 

ὡς VI τί. G. 


399. IV 232. 


III 550. 


I 401. 


. 1437. 
66. III 12. VI 67. 72. 
1. G. I 8, G. III 2. 36. 


V 7. 101. 
ichne? G, 
, IV 344. 

31. 


283. 317. 
IV 217. 


347. 


E. VI 4 
: 222. 

VIII 56. 

Neptuni G. D 13. G. IH 
. I8. 14. IV 287. 317. 
Ill 35. 

151. 
5 11Π 35. 

] 221. IV 233. 

V] 61. 

I 437. 


' 2333. 
288. 

IV 2833. * 

II 488. 


49. G. II 140. 


Baechus E. V 30. G. IL 2. 380 con 
Liber. 

Bianor E. IX 60. 

Biton G. III 532. 

Boreas G. IV 403. 

Busiris G. III 5. 

Caedina Nympha E. V 20. 

Callisto G. I 138. 

Calus G. IV 151. 

Canobos G. IV 287. 

Capys G. III 35. 

Carmanor G. 1V 151. 

Castalis G. TII 993, 

Castor Gi. III 80. 

Castores (t, III 89. 

Celaeno G. I 221. IV 232, 

Celeus G. I 19. 163, 165. 

Centauri G. II 455. III 38. 115. 

Cephalus G. I 288. 

Cerberus G. III 459. 

Ceres E. III 97. €. 
1603. 219. 378. G. 

Coyx G. I 399. 

Chao G, IV 347. 

Chaonia G. II 1165. 

Chiron G. III 92. 93, 115. 

Chrysippe E. VI 48. 

Cicones G. IV 520. 

Circe E. VI 74. 77. E. 

Cleobis G. III 532. 

Clymene E. VI 62. 

Codrus E. V 11. 

Consentes dii G. I 498, 

Corybantes 4. IV 151. 

Corytes G. IV 151. 

Crantor G. IV 151. 

Cratacis E. VI 74. 77. 

Curetes (t. IV 151. 

Cybele G. IV 151. 

Cygnus E. VI 62. 

Cyllarus G. III 89. 

Cymaea Sibylla E. IV 4 

Cynthius, rex Troiae G. III 36. 

Cyparissus G. I 20. II 84. 

Cyrene G. I 8. IV 283, 317. 


240 m 


I 5. 6, 19. 78, 
II 380. III 7. 


950. 


VIII 70. 


1010 Il. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


Dactyli G. IV 152, 

Daedalus E. VI 46. G. I 14. 143. 

Daphnis E. II 26. III 12. V 20. 
VII 1. VIII 82. 

Dardanus G. III 865. 

Delfus G. III 293. 

Demofon E. V 10. 

Deucalion E. VI 41. G. I 62. 111 268. 

Diana E. IV 10. VI 74. G. III 332. 
IV 151. 

Diomedes G. III 268. 

Dione E. IX 47. 

Dionysia G. II 380. 

Dis G. IV 493. 

Dodonaea quercus E. I 17. IX 13. 
G. II 16. 

Doris E. X 6. 

Electra G. I 221. 492. III 35. IV 232. 

Eleusis G. I 163. 

Eleutberos G. IV 151. 

Elysii campi G. I 38. 

Emathion G. I 492. 

Encelados G. IV 151. 

Endymion G. III 392. 

Eous G. I 288. 

Epimetheus E. VI 41. 

Epinoe E. VI 48. 

Erichthonius G. III 35. 113. 

Erigone G. I 33. Litis filia G. II 389. 

Erysichthon E. X 62. 

Euboea Glauci mater G. I 437. 

Euderce G. IV 151. 

Eumenides G. I 278. 

Europa G. IV 151. 

Eurydice G. IV 317. 493. conf. Aris- 
taeus, Orpheus. 

Euryleon Οὐ. III 365. 

Eurystheus G. III 4. 

Fauni E. VI praef. 

Faunus E. VI praef. G. I 10. 

Galatea E. IX 39. 

Ganymedes G. III 35. 304. 

Gelonus G. II 115. 

Glaucus E. VI 74. 77. G. 1437. III 
268. 

Hamadryades E. X 62. 

Hebrus G. IV 462. 

Hercules E. VI 48. VII 61. G. IL 115. 
197. G. III 4. 5. 

Hero G. III 258. 

Hesiodus E. VI 65. 

Hesperides E. VI 61. 

Hesperus E. VI 61. 

Hippocentauri G. I 13. 

Hippocrene G. I 13. 

Hippodame G. III 7. 

Hippomenes E. VI 61. 

Hyacinthus E. III 63. 

Hyades G. I 138. 


Hyas G. I 138. 

Hylas E. VI 43. G. III 6. 

Hyperochos G. IV 151. 

Iason E. VIII 47. 49. G. II 140. 

Icarus Erigones pater G. I 33. II 389. 

Idaei Dactyli G. IV 169. 

Ilus G. III 35. 

Inachus G. III 153. 

Indigetes dii G. I 498. 

Ino G. I 437. 

Io G. III 153. 

Iphianassa E. VI 48. 

Iphinoe E. VI 48. 

Iris G. I 381. 

Itas E. VI 78. 

Iulius G. III 35. 

Iuno E. VI 48. VIII 30. G. I 945. 
III 4. 6. 38. 89. 532. G. IV 481. 

Iuppiter E. VI 46. 55. G. 1 4. 78. 
245. G. II 381. III 35. 419. 153. 
332. IV 151. 

Iustitia uirgo E. IV 6. 

Ixion G. III 88. IV 484. 

Lamia E. VI 77. 

Laomedon G. I 502. III 35. 

Lapithae G. II 455. III 38. 115. 

Lapithes Apollinis filius G. III 115. 

Lares G. I 498. 

Latinus rex G. II 389. 

Latona G. I 378. III 6. 

Leander G. UI 258. 

Lenaea G. II 381. 

Lenaeus G. II 4. 

Leosthenes E. VI 48. 

Leucothea G. I 437. 

Lycurgus E. V 10. 

Liberalia G. II 380. 

Liber pater G. 15. 6. 138. 166. 933, 
G. II 2. 4. 380, 389. 455. 488. III 
204. 

Libethrides Nymphae E. VII 21. 

Linus E. IV 56. VI 65. 67. 

Loto Nympha G. II 84. 

Luna G. III 391. 392, 

Lycaon G. I 138. 

Lycii pastores in ranas conuersi G. 
I 378. 

Lysippe E. VI 48, 

Maia G. I 225. IV 232, 

Mantua uirgo G. II 198. 

Mars G. I 498. IV 346. 


- Mater deorum G. IV 641. 


Mater Matuta G. I 437, 

Medea E. VIII 47. 49. G. II 140. 

Megareus E. VI 61. 

Melampus E. VI 48. G. III 550. 

Melicertes G. I 431, 

Mercurius E. VII 1. G. I 18. 337. 
G. IV 464. 


Il. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


Merope G. I 221. IV 232. 

Merops G. IV 14. 

Minerua E. IV 62. G. I 18. 277. II 
181. III 113. IV 247. 

Minos E. VI 46. 74. G. I 401. 

Minotaurus E. VI 46. 

Molorchus G. III 19. 

Molossus G. III 4065. 

Mothos G. IV 151. 

Myrtilus G. III 7. 

Naiades E. VI 20. 

Narcissus E. II 48. G. IV 160. 

Neptunus E. VI 46. 61. G. I 13. II 
197. DI 5. 89. 122. 293. 

Nereus E. VI 78. 79. G. I 437. 

Nisus E. VI 74. G. I 404. 


Noctua uirgo G. I 408. 
Numa E. 11 70. 
Oaxes E, I 66. 
Oceanus G. I 13, 248. 
Oeneus G. I 9. 


Oenomaus G. III 7. 

Olympiacum stadium G. III 202, 

Ops G. I 13. III 93. IV 151. 152. 

Orithyia G. IV 463. 

Orpheus E. IV 55. VIII 55. G. IV 
493. 520. 

Oscilla G. II 389. 

Osiris G. I 19. 147. 

Palaemon G. I 437. 

Pales G. III 1. 

Palilia G. III 1. 

Pallas E. II 61, cf. Minerua. 

Pan E. II 31. VII 4. VIII 21. 69, 
G. I 17. 18. III 2. 391. 392. 

Pandion E, VI 78. 

Panopea G. I 437. 

Paris E. II 61. 

Parthenii E. X 57. 

Parthenope Siren G. IV 561. 

Pasiphae E. VI 46. 

Patroctonos G. IV 151. 

Pogasus G. I 13. III 122. 

Pelops G. III 7. 

Penates G. I 498. 

Peneios G, IV 317. 

Penelopa G. I 18. 

Perdix Daedali discipulus G. I 143. 

Perseus G. III 4. 405. 

Phaenarete G. IV 161, 

Phaethon E. VI 62. 

Phaethontiades E. VI 62. 

Philomela E. VI 78. 79. α΄, IV 15. 

Philura G. III 92. 93. 

Phorcus E. VI 74. 77. 

Phyllis E, V 10. 

Pierides E. VI 13. 

Pleias G, IV 232. 


1011 


Pleiades G, I 138. 221. IV 232. 

Pluton G. II 380. 

Polluces G. III 89. 

Pollux G. III 89. 

Polybus G. I 437. 

Polyphemus E. IX 39. 

Portunus G. I 437. 

Potniades G. III 268. 

Priamus G. III 35. 

Priapus E. VII 33. G II 84. IV 111. 

Proetides E. VI 48. G. III 550. 

Progne E. VI 78. 79. VIII 47, G. 
IV 15. 

Prometheus E. VI 42. 

Proserpina G.I 19. 78. 378. IV 498. 

Proteus G. IV 387. 

Psamathe E. II 26, IV 56. VI 67. 

Pyrrha E, VI 41. G. I 62. 

Python G. III 6. 

Rhesus G. IV 4623. 

Rhodope Nympha G. III 351. 

Romulus G. II 384. 

Satura puella G. II 197, 

Saturnus G. I 13. III 93. IV 151. 

Satyri E. VI praef. 

Schoeneus E. VI 61. 

Scylla Nisi filia E. VI 74. G. I 404. 

Scylla Phorci filia E. VI 74. 77. 

Sileni E. VI praef. 

Silenus E. VI 14. 

Siluanus G. I 20. II 84. 

Sithon E. V 10. 

Sol E. VI 02. 74. G. IV 316. 

Sthenoboea E. VI 48. 

Sybilla E. IV 4. 

Syrinx E. II 31. 

Tanais Nympha G. III 349. 

Tantalus G. III 7. 

Taygete G. I 221. IV 232. 

Tennes E. VI 74. 

Tereus E. VI 78. 79. 

Terra E. VI 41. G. II 325. III 113. 

Tethys G. I 31. 245. 

Thetis G. I 399. 

Tiberis G. II 198. 

Tiphys E. IV 34. 

Titan G. III 48. 

Tithonus G. III 48. 

Triptolemus G. I 19. 117. 

Tros G. III 35. 

Venus E. VI 61. G. I 288. III 268, 
IV 346. 

Vesta G. I 267. 498, 

Vlixes E. VI 76. 77. 

Vulcanus E. IV 62. 63. G. I 222, 
III 113. IV 346. 

Xanthus G. III 89. 


eS 


INDEX III. 
NOMINA VIRORVM LOCORVM ET GENTIVM. 


Abema G. II 479. 

Abydos G. I 207. 

Acalanthis mons G. III 338. 
Acerrae G. II 226. 
Adriaticum mare G. II 158. 
Afri E. I 68. 

Agrippa G. II 497. 

Alburnus G. III 147. 
Alexander Macedo G. II 138. 
Alexandria G. I 228. 


Alpes marinae G. II 168. III 474. 


Alpheus G. III 180. 
Amella G. IV 278. 
Ameria G. I 265. 
Amphrysus G. III 2. 
Aminei G. II 97. 
Amycla G. III 89. 345. 
Anio G. IV 369. 

Aones montes E. VI 65. 
Aracynthus E. II 21. 
Arar E. I 68. 

Araris E. I 63. 

Arcades G. II 324. 
Arcadia G. III 280. 
Ariusia E. V 71. 

Ascra E. VI 70. G. II 176. 
Asia prata G. I 283. 
Asinius Pollio E. IlI 88. 
Attus E. VI 43. 

Auernus G. II 161. 164. 
Augusti portus G. II 164. 
Augustus E. IV 36. 
Bactra G. H 138. 
Baianus sinus G. II 161. 
Baleares G. I 309. 
Bauius E. III 90. 

Belgi G. III 204. 
Benacus G. II 160. 
Bisaltae G. III 461. 
Britanni G. III 25. 
Brixia G. II 160. 


Caelius Mantuanus E. 111 105. 


Caesar E. IV 36. 
Caicus flumen E. VI 43. 
Calabria G. III 425. 





Calpe G. II 479. 

Camilli G. II 169. 

Canopus G. IV 287. 
Carchesus G. IV 380. 
Carpathus G. IV 387. 
Castalia G. III 293, 
Caucasus E. IV 42. 

Cayster G. I 383. 

Cea G. I 14. 

Celtiberi G. IV 220. 
Cerasus G. II 18. 

Cercina G. II 119. 
Cerinthos G. IV 63. 

Ceteus flumen E. VI 43. 
Chalcis E. X 50. 

Chalybes G. I 58. 

Chaonia E. IX 13. G. I 8. 149. 
Cicones G. IV 520, 

Cilicia G, IV 127. 
Cinuphius fluuius G. III 312. 
Cithaeron E. VI 65. G. III 291. 
Clanius G. II 925. 

Cleopatra E. VIII 66. 


". Clitumnus G. II 146. 


Colchis G. II 140. 

Comum G. II 159. 

Conon Samius genere, mathematicus 
E. III 40. 

Corinthus G. II 464. 

Corycos G. IV 127. 

Creta E. I 66. G. IV 152. 

Crustumium G. II 88. 

Cydonia spicula E. X 59. 

Cyllenius mons G. I 337. 

Cynthus E. VI 3. 

Cytisa E. I 79. 

Cytorus G. II 437. 

Cytos G. II 431. 

Decii G. II 169. 

Delos G. III 6. 

Dicta G. II 536. IV 152. 

Dictaeus mons E. VI 56. 

Dodona G. I 149. 

Eleusina G. I 163. 

Elis G. I 59. III 202. 


H. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


Emathia G. I 492. 

Enipeus G. IV 368. 

Ephyra G. II 464. 

Epirus G. III 121. 

Eridanus E, VI 62, G. I 482. IV 372. 

Etruria G. II 533. 

Etrusci G. II 533. 

Euforio E. X 50. 

Eurotas E. III 63. VI 82. 83. 

Falernum G. II 143. 

Falernus G. II 96. 

Galaesus G. IV 126. 

Gallus E. VI 64. 

Gangarides G. III 27. 

Ganges G. II 137. III 27. 

Garamantes E. VIII 44. G. III 312. 

Gargara G. I 103. III 269. 

Gargilius Martialis G. IV 148. 

Geloni G. II 115. III 461. 

Getae G. III 461. 

Gortyna E. VI 60. 

Gryneum nemus E. VI 72. 

Hebrus G. IV 463. 

Helicon E. VI 65. G. III 291. 

Hellespontus G. IV 111. 

Hermus G."II 137. 

Hesiodus E. VI 65. 

Hiberus G. III 408. 

Hieria E. VI 17. 

Hispania G. III 273. 275. 

Hister G. II 497. III 350. 

Hybla E. I 55. VII 37. 

Hydaspes G. IV 211. 

Hypanis G. IV 370. 

Hyperborei montes E. VIII 27, G.III 
196. 

Iapugia G. III 475. 

Ida G. III 450. 

Idumaei G. III 12. 

Indi G. II 172. 

Indus G. II 172. 

Ionium mare G. II 108. 

Ismarus E. VI 30. G. II 38. 

Ithaca E. VI 76. 

Ityra G. II 448. 

Iudaei G. I 336. 

Iulia unda G. II 161. 

Iuuencus fluuius E. VII 11. 

Lampsacus G. IV 111. 

Larius lacus G. II 159. 

Lesbos G. II 90. 

Libanus G. II 448. 

Libethrus E. VII 21, 

Ligures G. II 168. 

Lucrinus G. II 161. 

Lycaeus mons G. I 16. III 2. 

Lycta E. V 72. 

Lycus G. IV 367. 

Maecenas G. I 2. 


1013 


Maenalus E. VIII 21. X 55. G. I 18. 
Maeotis G. III 349. 

Maeuius 4. III 90. 

Marii G. II 169. 

Massicus G. II 143. III 526. 
Medi G. II 127. 

Media G. IV 211. 

Methymna G. II 90. 
Meuania G. II 146. 

Miletus G. III 806. 

Mincius E. VII 183. 

Moesia G. I 102. 

Molossus G. III 406. 

Mysus G. IV 370. 

Neapolis G. IV 564. 

Nilus G. I 228. IV 288. 464. 
Niphates G. III 30. 

Noreia G. III 474. 

Nysa E. VIII 26. 

Oaxes E. I 66. 

Octauianus E. IV 36. 
Oebalia G. IV 1926. 

Oeta E. VIII 30. 

Olympia G. III 49. 

Olympus G. III 223. 
Pactolus G. II 137. 

Padus E. VI 62. G. II 452. 
Paestus G. IV 119. 

Pallene G. IV 387. 391. 
Panchaia G. II 139. 
Pannonia G. III 141. 
Parnasus E. VI 29. G. II 18. 
Parthenope G. IV 564. 
Parthi G. II 172. 
Pelethronion G. III 115. 
Pelusium G. I 228, 
Permessus E. VI 64. 
Phanaeus G. II 98. 

Phasis G. IV 867. 

Philippi G. I 490. 

Philippus Alexandri pater G. IV 287. 
Phrygia G. IV 31. 

Pisa G. III 49. 180, 
Pompeius G. I 490. 

Potniae G. III 268. 
Puteolana ciuitas G. II 161. 
Pyrrhus E. IV 36. 

Rhipaei montes E, VIII 6. G. III 352. 
Rhodope E. VI30. VIII 44, G. III 351. 
Rubi G. I 266. 

Sabaei G. I 57. 

Sallentini G. III 1. 

Sardonia herba E. VII 41. 
Sarra G. II 506. 

Saturum G. II 197. IV 335. 
Scipiones G. II 170. 

Septem montes Romae G. II 535. 
Sertorius G. IV 108. 

Sertos G. I 207. 





ΝΗ un 4t 


1014 NH. Hagen: scholia Bernensia ad Vergili Bucolica et Georgica. 


Sicyon G. II 519. Tempe G. II 469. IV 317. 
Silarus G, III 146. Thasos G. II 91. 

Sithon E. X 66. . Thessalia G. I 13. 

Sparta G. III 405. Thyle G. I 30. 

Spercheus G. II 487. Tmaros E. VIII 44. 
Strymon G. I 120. Tmolus G. I 56. II 98, 
Syracusae E. VI 1. s Tusci G. U 193. 
Taburnum G. II 38. Tyrrhenum mare G. II 158. 
Taenaron G. IV 467. Tyrrbenus G. II 193. 
Tanagros G. III 151. Tyrus G. II 506. 
Taygeta G. II 488. III 44. Verona G. II 160. 
Tarentus G. II 197. Veseuus G. II 224. 
Tegeum G. I 18. Vmbria G. II 146. 


PRAEFATIONIS ARGVMENTA. 


—— — € 


Cap. I. De Donatianae Vergilii uitae codicibus p. 676—683. 

Cap. II. De Donatiana Vergilii uita emendanda p. 683—689. 

Cap. III. De scholiorum Bernensium codicibus p. 689-—696. 

Cap. IIII, Do scholiorum Bernensium auctoribus p. 696—697. 

Cap. V. De Tito Gallo Vergilii commentatore p. 698—699. 

Cap. VI. De Gaudentio Vergilii commentatore p. 699—703. 

Cap. VII. De Iunilio Flagrio Vergilii commentatore p. 703—704. 

Cap. VIII. De locis quibus Iunilii et Gaudentii nomina coniuncta legun- 
tur p. 704—708. 

Cap. VIIII. De scholiis adespotis p. 708—711. 

Cap. X. De quibusdam scholiorum Bernensium locis emendandis quaes- 
tiones criticae XXIIII p. 711—729. 

Cap. XI. Incertorum auctorum fragmenta quaedam recensentur p. 729 
—130. 

Cap. XII. De Corneliano atque Ebrio Vergilii editoribus p. 730—733. 





B. G. Teubner's 


gaben griechischer und lateinischer Classiker 
mit deutschen erklärenden Anmerkungen. 

'o die Einführung eines Bándchens dieser Sammlung beab- 

, liefere ich dem betr. Herrn Lehrer gern ein Freiexemplar. 


sind bis jetzt (Mai 1867): 
memnon Von Rob. Enger. . . . . ee... s. "ied 


Von W. S, Teuffel, . . 10 
griechischen Lyrikern. Von Dr. E. Buchhols. L Bändchen, 

und lambographen enthaltend . . . 10 > 
Bändchen: Die Melischen und Chorischen Dichter und "die 
thaltend. . 15 > 
ntarli de bello Gallioo. Von A. "Doberenz. Mit Karte. 8. Aufl. 20 > 
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Aelis libri tres. Von J. von Gruber. 2. Aufl... . . . . 12 > 
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y. Von G. Lahmeyer. 2. Aufl. "m . ὃ» 
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) elaris oratoribus. Von K. W. Piderit. 0.55.2. 99» 
ite Briefe. Von Jos. Frey. . . . . . 22 . . - . 18» 
s. Von J. Siebelis. 5. Aufl, . . 575275 12929 9» 


usgewühlto Reden. Von C. Rehdants. L Theil. 

—III: OlynthischeReden, IV: Erste Redegegen Philippos. 2.Aul,. 9 > 

V.: Rede über den Frieden. VI.: Zweite Rede gegen Philippos. 

VIII: Rede über die Angelegenheiten im Cherrones. IX.: Dritte 

lede gegen Philippos. Indices. 2.AÀufl.. . . . . . . . 12.» 

aflage. 

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ipp's. Kritische Anmerkungen. Indices. . Th» 

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ber den Dialect. e 9 ^*^ ».» 0 e 9 c5 e 29 9$! 8$ $$ 9? 97 
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Buch Vu. VI. . . 2 2 2 2 2 ... .. .. . 15 
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Band. IL Heft, Gesang VO— XII. 8. Aufl. . . . . . . 12 

Band. I. Heft, Gesang XIII—XVIII. 8. Aufl, . . . . . 12 

Band. Il. Heft, Gesang XIX—XXIV. 2. Aufl... . . . . 12 

ıhang. 1. und 2. Heft à 6 Ngr., 3. Heft 9 Ngr. 

nd Epoden. Von C. W. Nauck. 5. Aufl. . . . . . . 18 

nd Episteln. Von G. T. A. Krüger. 5. Aufl. . . 24 

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reopagiticus. . e| 2.07027557 55. 9 

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irbe condita liber I, Von Joseph Frey. . . . . . .. 9 

rl. Von Joseph Frey. . . . . . 2 2 0000. 


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Prometheus. Charon. 

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Sokrates. Kriton. Von Chr. Cron. 8. Auflage. . . . .. 

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—— ——— III. Bändchen: Laches. Von Chr. τοῦ. . . . . . . ὁ 

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Geschichte. I. Heft. Von ΝΡ. Herbst und A. Baumeister, . 
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M. Fabii Quintiliani institutionis oratoriae liber decimus. Von Dr. ‘6. T. A. 
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Gymnasialclassen. Von C. A. J. Hoffmann , . .. 

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Theokrit's Idyllen. Von A. T. H. Fritzsche. . 

Thukydides. Von G. Bóhme. I. Bd, 2. Aufl. I. Heft. Buch I u Il, II. Heft. 
Buch III u. IV. . . à 

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Xenophon's Anabasis. Von F. Vollbrecht. I. Bdchn. Buch I—IlI, Mit Holz- 
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—— Griechische Geschichte. Von B. Büchsenschütz, I, Heft. Buch I—IV. 
2. Auflage. . . . . 

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Ausser den ferneren Bänden der oben angezeigten und noch nicht vollendeten Aus 


gaben werden demnächst erscheinen: 


Cicero's Reden. Auswahl von Dr. Koch in Brandenburg, Dr. Linker in Lemberg 


Dr. Richter in Rastenburg und Dr. Sorof in Potsdam. 
Euripides. Auswahl von Dr. A. Nauck in St, Petersburg. 
Homer’s Ilias. Von Dr. K. F. Ameis in Mühlhausen. 
Justin. Von Dr. Lothholz in Wernigerode, 

Ovid’s Fasten. Von Dr. Binsfeld in Bonn. 

Plutareh. Fernere Auswahl von Dr. Doehner in Meissen. 
Terentius. Auswahl von Dr. Klette in Bonn. 

Vergilius. Von Dr. C. W. Nauck in Königsberg i. d. N, 


-- Henn - 











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