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Full text of "Jahrbücher für Philologie und Paedagogik"

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JAHRBÜCHER 

FÜR 

PHILOLOGIE  UND  P.EDAGOGIK. 


Eine   kritische    Zeitschrift 

'in  Verbindung  mit  einem  Verein  von  Gelehrten 

herausgegeben 

von  • 

M.  Joh,  Christ,  Jahn. 


Erster   Jahrgong. 


Erster    Rand.      Erstes    Heft. 


Leipzig, 

Druck   und  Verlag   von   B.    G.   Teubner. 


18     2     6. 


finmt^'airvcy^..  -       0 


.  GT^i^ 


Einleitung. 


JUas  Hervortreten  einer  neuen  kritischen  Zeitschrift  nehen  einer 
bedeutenden  Anzalil  bereits  vorhandener,  durch  Alter  und  innerii 
Werth  enipl'olener,  wird  jrleichwolil  hey  denen  nicht  erst  einer 
Rechtfcrtiijung  hedürien,  die  mit  uns  der  Ueberzeugung  sind, 
dass  der  ölfentliclien  Meinung  nie  zuviel  Organe  gegeben  werden 
können,  und  dass  insbesondre  durch  Vermehrfachung  der  litte- 
rarisclien  Gerichtshöfe  das  all'gemeine  Urtheii  über  den  Stand 
der  Wissenschaften  und  die  einzehien  Erscheinungen  auf  dem 
Gebiete  derselben  unfelilbar  an  Freiheit,  Unbefangenheit,  Griind- 
lichkeit  und  Vielseitigkeit  gewinnen,  verde.  Wohl  aber  scheint 
CS  angemessen  zu  seyn ,  den  Zweck  und  den  Umfang  des  neuen 
Instituts  gleicli  zu  Anfang  y'enigstens  andeutungsweis  zu  bezeich- 
nen, und  dadurch  den  Erwartungen,  die,  davon  gehegt ,  denAn- 
foderungen,  die  daran  geniaclit  werden  dürfen,  im  Voraus  festere 
Anlialtungspuncte  darzubieten. 

Auf  Allgemeinheit  Verzf  14h  t.  leistend,  ans  dem  sich  mit  jedem 
Jahre  erweiternden  Reiche  des  Wi!«rsens  und  Forschens  eine  ein- 
zelne Provinz  abzugrenzen,  und  auf  diese  allein  unser  Urtheii 
zu  richten,  haben  uns  zwey  Ilauptrücksichten  bewogen.  Zuerst 
dünkte  uns  nur  so  die  Vollständigkeit  der  Uebersicht  erreiclibar, 
zu  der  bis  jetzt  noch  kein  Blatt  von  umfassenderer  Bestimmung 
beym  bessten  Willen  der  Besorger  hat  hindurchdringen  können, 
wenn  es  nicht  auf  zwey  wesentliche  Leistungen  sofort  zu  Acr- 
zichten  bereit  war,  auf  erschöpfende  Ausführlichkeit  der  Bericht- 
erstattungen und  auf  gehörige  Begriindung  der  ausgesprochnen 
Lrtheile.  Wir  sind  übrigens  weit  entfernt,  hiermit  einen  Tadel 
solcher  Verfahrungsweise  verbinden  zu  wollen :  vielmelir  müssen 
w  ir  sie  als  Product  der  INothwendigkeit  bey  der  ungeheuren 
Masse  des  vorhandenen  Stoffes  anerkennend  billigen.  —  Dann 
aber  glaubten  wir  auch,  dem  hochachtbaren  und  zahlreichen, 
mit  zeitliclien  Gütern  jedocli  noch  keineswegs  nach  Gebiiiir  und 
Verdienst  gesegneten  Stande  der  gelehrten  Schulmäimer,  denen 
diese  Jahrbücher  zunächst  gewidmet  sind,  MÜrde  ein  litterari- 
scher Mittelpiinct  erwünscht  seyn,  in  welchem  —  mit  Ausschlies- 
sung alles  Fremdartigen  —  dasjenige  zusammengestellt  uiul  ge- 
prüft m  erden  soll,  was  den  Kreis  ihres  Forschens  und  Wirkens 
unmittelbar   berührt,    sodass  sich  wissenschaftliche  Ergrüudung 

Jahrb.  d.  Phil.  u.  Pädag.  Jahrg.  I.  Heft.  1 .  1 


2  Einleitung. 

und  vvcrlithätige  Ausübung  wechselseitig  fördernd  in  Eintracht 
die  Iläiule  reiclicn.  Dem  gemäss  kündigt  der  Titel  dieser  Zeit- 
sclirift  Philologie  luid  Pädagogik  als  die  Gebiete  "an,  auf  welche 
sicli  die  zu  diesem  Unternehmen  verbundenen  Gelehrten  be- 
schränken wollen. 

Diese  Zusammenstellung  zweyer  an  sich  ziemlicli  verschie- 
denartiger Fächer  kann  dennoch  allein  für  denjenigen  etwas  Be- 
fremdliches haben,  der  sich  nicht  zu  überzeugen  vermag,  dass 
das  gelehrte  Schulwesen  in  gründlichster  Erlernung  der  beyden 
classischeu  Sprachen  des  Alterthums  seine  einzig  sichere  Begrün- 
dung findet.  Diese  Ueberzeugung  war  besonders  durch  Friedrick 
Alf  gast  Jf  olfs  erweckliche,  an  den  trefflichsten  Andeutungen 
reiche  Lehrvorträge  seit  etwa  drey  Jahrzehenden  so  allgemein 
verbreitet,  und  schien  so  tiefe  Wurzeln  geschlagen  zu  haben, 
dass  anjetzt,  zumal  seitdem  Niethoimnei'  den  stattlichsten  Grab- 
stein auf  das  widerstrebende  Princip  gelegt  liat,  eigentlich  jedes 
fernere  Wort  über  diesen  Gegenstand  i'iberflüssig  geworden  seyn 
sollte.  Allein  es  gehört  zu  den  auffallenden  Eigenthümlichkei- 
ten  unsrer  Zeit,  dass  überall  den  edelsten  imd  fruchtbarsten  Be- 
strebungen zur  Förderung  des  Wahren  und  Guten  hemmende 
Gewalten  in  den  Weg  treten,  und  ihnen  den  oft  schon  seit  Jahr- 
hunderten gewonnenen  Boden  —  hie  und  da  nicht  ohne  augen- 
blickliche Erfolge  —  aufs  Neue  streitig  zu  machen  suchen.  Auch 
darin  wird  indess  das  Auge,  das  sich  gewöhnt  hat  in  jedem  Er- 
eignisse das  Walten  der  höchsten  Liebe  und  Weisheit  zu  erken- 
nen, ohne  Schwierigkeit  überwiegende  Vortheile  für  das  Ganze 
wahrnehmen.  Langer,"  ungestörter  Besitzstand  entartet  nur  all- 
zu leicht  in  die  bequem  hindämmernde  Bewnisstlosigkeit  eines 
verjährten  Herkommens,  und  verführt  luimerklich  zu  argloser 
Sicherheit,  während  jedes  Entgegenstreben,  wie  übelgemeint  und 
verwerflich  an  sich  es  auch  seyn  mag,  zu  dienlicher  Wachsam- 
keit, Besonnenheit  und  Umsichtigkeit  aufruft. 

So  hat  sich  denn  dieser  verneinende  Geist,  hald  in  dun- 
keln Umtrieben  geschäftig,  bald  mit  dreister  Entäusserung  aller 
Scheu  hervortretend,  auch  gegen  die  alten  Sprachen  als  vorzüg- 
lichstes Bildungsmittel  lüisrer  Jugend,  mit  merklichstem  Uebel- 
wollen  jedoch  ^e^^^w  die  Griechische  aufzulehnen  nicht  erman- 
gelt, und  hierin  wenigstens  das  sehr  richtige  Gefülü  an  den  Tag 
gelegt,  dass  mit  dieser  auch  die  Lateinische  und  sonach  das  ge- 
samrate  Alterthumsstudium  stehe  oder  falle.  Und  da  dem  unleug- 
bar zu  höhern  Ansichten  herangereiften  Volksgeiste  nicht  mehr 
so  leicht  wie  sonst  vermittelst  des  abgebrauchten  Nützlichkeits- 
Evangeliums  beyzukommen  war,  so  versuchte  man  arglistiger  die 
heiligsten  Interessen  des  Menschen,  Sicherheit  der  Religion  und 
der  bürgerlichen  Ordnung,  mit  in  das  unlautere  Spiel  zu  zielin, 
und  sie  als  gefährdet  darzustellen  durch  die  Beschäftigung  mit 
Sprachen,  denen  aus  den  Jaluhunderten  ilirer  Entwicklung  das 


Einleitung.  8 

zwiefache  Gift  des  Heidenthums  und  des  Demokratisnms  unsicht- 
bar anliafte,  wie  der  Feststoff  Levantischen  Waarcnballen  *). 

Kein  Wunder  denn,  -wenn  eben  diese  Verleug'ner  des  einge- 
borenen Menschenadels ,  denen  Klarheit  der  Erkenntniss  und 
Kraft  des  sittlichen  AVillens  als  gefahrdrohende  ScJireckbilder  gel- 
ten, in  dem  erliabcnen  Kampfe,  den  das  erwachte  Grieclienland 
mehr  mit  der  sogenannten  CJiristenheit  und  der  sogenannten 
Europäisclien  Sittigung  als  mit  der  Asiatisclien  Thicrheit  seiner 
entmenschten  Zwingherren  um  die  ersten,  allgemeinsten  Mensch- 
heitsrechte kämpft,  wenn  sie  in  dieser  phönixgleichen  Verjiin- 
gung,  in  diesem  glon-eichen  Wiedererstarken  eines  seit  Jahr- 
hunderten in  den  Staub  getretenen  Volkes  nur  frevelhafte  Em- 
pörung gegen  ein  rechtmässiges  Oberhaupt  gewahren  wollen,  und 
daraus  neuen  Verdacht  gegen  die  Sprache  herleiten,  die  von  den 
Almherren  dieser  Helden  geredet  ward. 

Es  ist  hier  nicht  die  Stelle,  eine  Streitfrage  ausführlicher 
zu  erörtern ,  über  die  sich  schon  die  beredtesten  Männer  Frank- 
reichs und  Englands,  Männer  wie  Chateaubriand  und  Erskine^ 
an  öffentlicher  State  wiirdig  ausgesprochen  haben,  imd  über 
deren  Entscheidung  vielleicht  die  Politik,  aber  kein  edles  Herz 
in  Zweifel  seyn  kann.  Wohl  aber  ist  im  Allgemeinen  zu  bemer- 
ken, dass  die  Sprache,  zufolge  ihrer  geistigen  Natur,  nur  den 
Innern  Bildungsgang  eines  Volkes ,  die  eigenthümlichen  Formen 
seines  Empfindens,  Denkens  luid  Wollens  aus  sich  zurück  zu 
spiegeln  vermag,  keineswegs  aber  die  äussern  Umgestaltimgen 
und  Wechsel  seines  geschichtlichen  Lebens ;  wesshalb  ihr  Er- 
lernen zwar  zu  unberechenbarem  Gewinn  ausschlagen  muss, 
wenn  das  Volk  in  seinem  Empfinden  naturgemäss,  in  seinem 
Denken  hell  und  folgerecht,  in  seinem  Wollen  tüchtig  war, 
dass  aber  sittlicher  Verderb  nie  daraus  ei'wachsen  kann ,  w  enn 
nicht  durch  leicht  zu  verhütende  L^nterschiebung  fremdarti- 
ger Zwecke  ein  IVIisbrauch  getrieben  wird,  der  ausser  allem 
Zusammenhang  mit  der  Sache  steht,  und  dem  überall  das 
Heiligste,  Ehrwürdigste  und  Reinste  am  meisten  ausgesetzt  ist. 
Die  Schriftwerke  aber,  zu  deren  Verständniss  die  alten  Sprachen 
den  Zugang  eröfinen,  stehn  vor  dem  ungetinibten  Sinne  in  so 
makelloser  Herrlichkeit  da,  dass  es  Ent\AÜrdigung  wäre,  sie 
gegen  Verunglimpfungen  in  Schutz  zu  nehmen,  die  von  ihnen 
abgleiten,  wie  des  Sterblichen  ohnmächtig -frecher  Pfeil  von  der 
Aegis  der  Pallas  Athene. 

Ohne  also  länger  hierbey  zu  verweilen ,  wird  es  zur  Ver- 
ständigung über  die  Richtung  dieser  Jahrbücher  genügen,  dass 


*)  „Heuchler  der  Fi/rc/jt"  kann   man   eolche  mit  dem  treffenden 
AuBdruckc  bcy  Tliiersch,  über  gelehrte  Schulen,  Abtb.  I.  S.  23.  nennen. 

1  * 


4  Einleitung. 

die  Mitarbeiter  alle,  iin«5eres  tlienern  Glaubenshelden  Martin 
Luthers  lind  seiner  gleich^jesinnten  Mitkämpfer  um  Licht  und 
Wahrheit,  Melanchthons^  Bi/^^enhagens^  HiUlens^  Ciuncrarius^ 
Trotzeudorfs  und  anderer  Elirenmänner  Avoldbegründete  Ue- 
berzeuguui^  auch  hierin  ^  on  ganzem  Herzen  theilend ,  in  dem 
Studium  der  alten  Sprachen  die  edelste  und  kräftigste  Nahrung 
fiir  den  zu  klarer  Erkenntniss  bestimmten  jugendlichen  Geist 
erkennen,  und  daher  im  hohem  Schulunterricht  ihnen  den  ersten 
und  bedeutendsten  Platz  zusprechen  *). 

Die  ^vissenschaftliclle  Stellung  des  Lehrers  der  alteöi  Spra- 
chen auf  einem  Gymnasium  zu  seinem  Fache  ist  aber  wesentlich 
verschieden  von  derjenigen,  in  welcher  sich  die  Lelirer  der  iibri- . 
gen  Unterrichtsgegenstände  zu  diesen  befinden.  In  der  Ge- 
schichte, der  Mathematik,  der  Physik  ist  das,  was  für  den  ge- 
lehrten Forscher  Werth  imd  Bedeutung  hat,  mit  sorgfältiger 
Prüfung  von  demjenigen  zu  unterscheiden,  Movon  für  den  Jugend- 
unterricht  fruchtbarer  Gebrauch  gemacht  werden  kann,  und 
nicht  bloss  in  Bezug  auf  den  mündlichen  Vortrag  in  der  Schid- 
classe,  sondern  auf  AVissen  und  Studium  überhaupt.  Der  umfas- 
sendste und  gründlichste  Geschichtskenner,  der  tiefste  und 
scharfsinnigste  Mathematiker,  der  genialste  Naturforscher  kann 
grade  durch  die  Eigenschaften,  die  die  Höhe  seines  wissen- 
schaftlichen Standpunctes  bezeichnen  und  dadurch  seinen  Beruf 
zum  akademischen  Lehrer  bekunden,  am  allermeisten  gehindert 
seyn  dem  frühern  Jugendunterricht  mit  Erfolg  vorzustehn,  weil 
das  in  diesen  Gebieten  Wichtige  keineswegs  auch  immer  für  den 
besondern  pädagogischen  Zweck  erspriesslich  ist ,  und  daher  von 
diesem  mit  Bestimmtheit  fern  gehalten  werden  muss. 

Ganz  anders  verhält  es  sich  mit  dem  philologischen  Unter- 
richt ,  der  aber  keineswegs  auf  die  beyden  classischen  Sprachen 
beschränkt  bleiben  darf,  sondern  auch  die  Geschichte,  die  Litte- 
ratur  xmd  die  Kunst  des  Alterthums  mit  in  sich  aufnelmien 
muss  **).  Weil  dieser  in  ununterbrochner  Stufenfolge  von  den 
ersten  Anfängen  der  Spracltlelire  ausgeht,  und  auch  in  seinem 


*)  Der  Verfasser  dieser  Einleitung  kann  es  sich  nicht  versagen, 
nach  so  manchem  schon  früher  gesprochenen  trefflichen  Worte  hier 
auf  zwey  neuerdings  in  der  Schweiz  erschienene,  diesen  Gegenstand 
mit  soviel  Klarheit,  Einsicht  und  wohlthuender  Wärme  behandelnde 
kleine  Schriften  hinzuweisen ,  dass  ilinen  auch  diessseits  des  Rheins 
die  allgemeinste  Vei'breitung  und  Beachtung  zu  wünschen  ist ,  auf 
Geiiachs  Abhandlung  über  das  Verhältniss  des  Sprachunterrichts  zu  den 
übrigen  Lehrgegenständen ,  Basel ,  1825.  und  auf  Rud.  Rauchensteins 
Bemerkungen  über  den  Werth  der  Alterthurasstudien  auf  Gymnasien 
und  höhern  Schulanstalten,  Aarau,   1825, 

**)  S.  Fricdr,  Aug.  JFolfs  Darstellung  der  Alterthumswissenschaft. 


K  i  II 1  c  i  t  u  n  g.  5 

weitern  Fortschreiten  alle  Thcile  so  genau  in  einander  Reifen 
und  sicli  wechselseitig  bedingen,  dass  die  Versäuiiiung  ancli  des 
sclieinbar  geringlVigigsten  derselben  der  Ciriindlirhkeit  des  ge- 
sammten  Linterriclits  unmittelbaren  JNachtiieil  bringt,  ja  die  An- 
schauung der  alten  Welt  überhaupt  fälscht  und  triibt,  sodass  das 
der  Jugend  aufzustellende  IJild  jener  Zeitalter  Aon  Grund  aus 
verkehrt  werden  kann ,  darum  ist  nicht  bloss  dem  eigentlich  ge- 
lehrten Philologen,  sondern  auch  demjenigen  schon,  der  nur  die 
Anfangsgriinde  der  alten  Sj)rachen  auf  die  rechte  Art  und  mit 
dem  rechten  Sinne  lehren  will,  aou  dem  vollständig  umfassenden 
und  dann  wieder  bis  ins  liesondere  der  versclüedenartigsten  Un- 
tersuchungen eindringenden  Ueberblick  über  sein  Gebiet  nichts 
zu  erlassen,  da  ja  in  diesem  aus  so  Aielen  Einzelheiten  synthe- 
tisch gebildeten  Ganzen  ein  jeder  Theil  wieder  nur  in  sehiem 
wahren  Verhältnisse  zu  allen  übrigen  richtig  und  gründlich  ge- 
würdigt werden  kann.  So  ungebührlich  und  übermässig  nun  auch 
schon  diese  Zumuthung  \iclen  erscheinen  mag,  so  können  wir 
es  doch  bey  dieser  Foderung  der  vollständigsten  geschichtlichen 
üebersicht  noch  nicht  eimnal  bew  enden  lassen.  Denn  da  das  ge- 
samrate  philologische  Studium  auf  allseitiger  Kritik  berulit  und 
ohne  diese  überall  nicht  denkbar  ist,  so  muss  sie  auch  zu  jenem 
bloss  liistorischen  Wissen  stets  belebend  und  befestigend  hinzu- 
treten, und  demselben  dadurch  erst  sehie  wahre  Bedeutung 
geben.  Auch  ist  es  nur  so  dem  Schulmanne  möglich,  bey  dem 
unvermeidlich  W  iederkehrendcn  imd  dadurch  Ermüdenden,  dem 
sein  Geschäft  sich  nie  entziehn  kann,  jeden  Ueberdruss  von  sich 
abzuwehren,  seinem  Geiste  die  Frischheit  zu  erhalten,  ohne  die 
keine  belebende  Einwirkung  auf  jugendliche  Gemüther  denkbar 
ist,  und  selbst  den  Mechanismus  des  Elementarunterrichts  nicht 
zu  scheuen,  da  ihm  ja  das  höhere  Ziel  deutlich  vor  Augen  steht, 
zu  dem  nur  auf  diesem  Wege  empor  zu  klimmen  ist. 

In  gradem  Gegensatz  also  mit  denen,  die  das  Heil  des  Schul- 
Mcsens  in  gewissen  Formen  des  Unterrichts  oder  in  eigends  aus- 
zubildenden und  anzidei'uenden  Lehrmethoden  gefunden  zu 
liaben  meinen,  erlaxiben  wir  uns  die  Behauptung,  dass  beym  Un- 
terricht in  den  Alterthumskenntnissen  gründliclie  Vollständigkeit 
des  Wissens  und  unabhängig  prüfende  Durchdringung  des  Ge- 
wussten  die  ersten  Bedingungen  alles  höheren  Gelingens  sind : 
mit  andern  Worten,  der  Lehrer  in  den  alten  Sprachen  muss  in 
seinem  Gebiete  als  selbständiger  Gelehrter  dastehn,  und  in  je 
umfassenderm  Sinne  er  dieses  ist,  desto  fruchtbarer  und  segen- 
voller wird  auch  seine  Lehrthätigkeit  sejn.  MLsdeute  man  nicht, 
als  wähnten  wir,  mit  der  Gelehrsamkeit  sey  nun  auch  alles  ge- 
than:  freilich  wird  dem  Lehrer,  der  der  höhern  religiös- sittli- 
chen Weihung  ermangelt,  sein  Wissen  wenig  fronnnen ,  und 
selbst  der  glücklichste  Verein  sittlicher  und  wissenschaftlicher 
TreflUchkeit  kann  beyra    Wirken  nacli   aussen  liin  nur  gar  zn 


6  Einleitung. 

leicht  durch  zufällige,  umveseutliche,  oft  bloss  körperliche  Hem- 
raungen  völlig  paralysirt  werden,  ohne  dass  des  Mannes  wahrer, 
innerer  Werth  dadurch  gemindert  wird.  Nur  daran  glauben  wir 
festhalten  zu  miissen,  dass  des  philologischen  Lclirers  Vibrige 
Tiichtigkeit  durch  das  Mehr  oder  Minder  seiner  eigentlich  ge- 
lehrten Ausbildung  modificirt  Avird,  und  dass  daher  auch  ihm  vor- 
zugsweis  die  Verpflichtung  obliegt,  —  wie  niedrig  immer  die  ün- 
terrichtsstufe  seyn  mag,  auf  die  ihn  seine  amtliche  Stellung  zu- 
nächst hinweist  —  durch  ein  entschieden  Anssenschaftliches 
Bestreben,  soweit  ihm  diess  irgend  durch  die  äussern  Bedingun- 
gen seiner  Lage  gestattet  ist,  imd  durch  frische  Lebendigkeit 
des  Geistes  sich  des  höchsten  Lehrstulils  fähig  und  würdig  zu 
machen. 

Anfoderungen  dieser  Art ,  im  Allgemeinen  hingestellt,  pfle- 
gen zwar  immer  Vi  bertrieben,  auch  wohl  unbillig  und  selbst 
lächerlich  zu  erscheinen,  weil  sie  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung 
nie  befriedigt  werden  können.  Dennoch  müssen  sie  in  ungemil- 
derter  Strenge  ausgesprochen  werden,  weil  die  Wirklichkeit  ohne- 
hin nicht  unterlassen  wird  sie  zu  beschränken  und  herunter  zu 
stimmen.  Wer  aber  überhaupt  ihre  Gültigkeit  bestreitet,  der 
wird  imfehlbar  auch  noch  unter  der  Stufe  bleiben,  auf  die  er 
sich  selbstbeliebig  beschränkt  hat. 

Für  den  vorliegenden  besondern  Fall  dürfte  indess  die  auf- 
gestellte Behauptung  nicht  so  gar  vielem  Widerspruch  ausgesetzt 
seyn,  da  wir  bereits  die  Erfahrung  einiger  Jahrhunderte  auf 
unsrer  Seite  haben.  Denn  M'iewohl  es  unsern  gelehrten  Schulen 
auch  an  Historikern,  Mathematikern  und  Naturkimdigen  nicht 
gefehlt  hat ,  die  Ihre  Wirksamkeit  weit  über  den  ihnen  zunächst 
vorgezeichneten  Kreis  hinaus  erstreckt  haben,  so  können  diese 
doch  in  keiner  Hinsicht  mit  den  wahrhaft  grossen  Alterthumsfor- 
schern  verglichen  werden,  die,  der  hohen  Würde  ihres  Berufes 
eingedenk,  von  den  Zeiten  der  Kirchenverbesserung  an  bis  auf 
unsre  Tage,  zumal  in  Sachsen,  dieser  Wiege  Deutscher  Geistes- 
freyheit  und  Bildung,  die  wahre  Stütze  und  Zierde  unsrer  Gymna- 
sien gewesen  sind.  Eben  daraus  aber  erklärt  es  sich  auch,  dass 
mit  seltnen  Ausnahmen  fast  nur  solche  Gelehrte  auf  den  Deut- 
schen Hochschulen  wirksame  Förderer  der  Alterthumsstudien 
geworden  sind,  die  sich  zuvor  als  Lehrer  an  Gymnasien  Ver- 
dienst, Achtimg  imd  Namen  erworben  hatten.  Wer  sich  aber  am 
liebsten  durch  ein  sprechendes  Beyspiel  überzeugen  lässt,  wie  der 
Lehrer  einzugreifen  vermag,  der  zugleich  ein  ächter  Gelehrter 
ist,  und  wie  diess  kraftvolle  Ein>virken  gerade  dadurch  erst 
möglich  wird,  dass  er  sich  auch  als  Gelehrter  zu  ausgezeich- 
neter Höhe  erhoben  hat ,  den  verweisen  wir  —  um  manches  ver- 
ehrten Mitlebenden  und  noch  rüstig  Fortwirkenden  zu  geschwei- 
gen  —  auf  den  unvergesslichen  Georg  Ludwig  Spalding  als 
ein  würdiges  Vorbild,    wie  praktische   Lehrthätigkeit  mit  um- 


Einleitung;.  7 

fassender,  weit  i'ibcr  das  iiäclisle  Schulbcdürfnlss  hinaus  srlirei- 
teiider  Gelehrsamkeit  zu  vcrbhukn  iist,  und  was  eiu  solcher  Verein 
vermag  *). 

Es  war  nothwendi^,  liicrüljcr  uusre  vielleicht  nicht  AouJe- 
derinann  getheilte  Ansicht  mit  IJestinnntheit  auszusprechen,  weil 
die  innere  Anordnung  unsrcr  Jahrbücher  luHiplsächlich  auf  der- 
selben beruht,  und  n\n-  von  diesem  Standpnin;t  aus  \erstanden 
und  gewiirdigt  werden  kam).  So  nämlidi  wird  es  unsern  Lesern 
sofort  klar  seyn,  was  uns  bewoiren  hat  die tPliilologie  sclion  auf 
dem  Titeiblatte  vorauzuslellen,  und  wesslialb  wir  ihr  hinfort  den 
meisten  Kaum,  die  häufigsten  Ueriicksichtigiuigen  und  die  aus- 
fiihrlichsten  Beiu'theilungen  zuzuwenden  beabsichtigen.  PJbenso 
wird  es  auch  sein  Auffallendes  verlieren,  Meini  wir  sogleich  er- 
klären, dass  wir  in  diesem  Gebiete  nach  seiner  ganzen,  oben  an- 
gedeuteten Ausdehnung  (aber  auch  nur  in  diesem  Einem)  eine 
soviel  in  unsern  Kräften  ist  vollständige  üebersicht  über  alle  lit- 
terarisclieu  Erscheinungen,  auch  iiber  die  des  Auslandes,  zu  be- 
werkstelligen wünschen ,  und  daher,  keine  Beschränkung  auf  den 
gemeinen  Schulgebrauch  anerkennend,  nur  das  unleugbar  Ge- 
haltlose, Leere  und  ]\ichtige  aus  unserm  Kreise  ausschliessen 
werden  **). 

Ganz  anders  verliält  es  sich  nach  unsrer  Ueberzeugung  mit 
allen  übrigen  Lehrgegenständen,  deren  streng  wissenschaftliche 
Behandlung  wir  von  ilirer  besondern  Verwendung  ziun  Behuf  der 
Jugendbildung  auf  das  Schärfste  abscheiden  zu  müssen  glauben, 
imd  die  Mir  in  der  letztern  Beziehung  unter  dem  Worte  Päda- 
gogik zusammengefasst  haben,  um  sofort  den  Zweck  kennbar  zu 
machen,  dem  untergeordnet  sie  hier  betrachtet  werden  sollen. 
In  dem  ganzen  Gebiete ,  das  man  nicht  bedeutungslos  unter  der 
Bezeichnung  der  Ilumanitätsstiidien  begriffen  hat,  lässt  sich  kein 
w  esentliches  Moment  nachweisen ,  das  nicht  entweder  durcli  sich 
selbst  oder  durch  seinen  Zusammenhang  mit  den  übrigen  Thei- 
len  ebensowolü  seine  pädagogische  wie  seine  wissenschaftliche 
Seite  hätte;  wesshalb  sich  auf  diesem  Felde  die  Behandlung  für 
die  Schule  von  der  für  die  Universität  nur  nach  Maassgabe  des 


*)  Vergl.  Georg.  Ludw.  Walchs  Memoria  SpaltUngü,  Bcrl.  1821. 
besonders  von  S.  17.  an. 

♦♦)  Doch  soll  gänzliches  Ausschliessen  nur  dann  eintreten ,  wenn 
eine  S«;hrift  schon  durch  ihren  Titel  und  ilir  äusseres  Gepräge  sich 
als  gehaltlos  und  nichtig  darstellt.  Ist  diess  nicht  der  Fall,  oder  ver- 
hcisst  sie  woiil  gar  auf  den  erstem  Anschein  das  (Jegeiillieil,  so  wer- 
den wir  mit  möglichster  Sorgfalt  uns  bemühen,  durch  kurze  Anzei- 
gen diejenigen,  denen  die  Umstände  eigene  Trüfung  nicht  erlauben; 
auf  Uiren  wahren  Wcrth  aufmerksam  zu  machen. 

Jalin. 


8  Einleitung. 

Umfangs  und  der  Tiefe  unterscheiden  wird:  die  Thätigkeit  des 
Lehrers  kann  hier  also  nur  dem  Grade  nach  eine  andre  seyn.  In 
den  iibrigen  Fächern  dagegen  wird  nicht  selten  dasjenige  dem 
allgemeinen  Bildungszweck  widerstreben,  was  die  Wissenschaft 
selbst  bereicliert  und  erweitert.  Wie  daher  der  in  die  Tiefen 
seiner  Wissenschaft  eingeweihtere  Theolog  als  solcher  auch  für 
die  Schule  der  geeignetere  lleligionslehrer  seyn  sollte,  oder  der 
gelehrtere,  schärfere  Geschichtsforscher  als  solcher  der  wirksa- 
mere Geschichtslelirer ,  das  können  wir  eben  so  wenig  einsehn, 
als  dass  dem  physikalischen  oder  mathematischen  Schulunterricht 
ein  besondi-es  Heil  daraus  erwachsen  sollte,  wenn  der  Lehrer, 
der  ihn  ertheilt,  neue  Gesetze  fiir  den  Elektromagnetismus  ermit- 
telt oder  der  Analysis  des  Unendlichen  neue  eigenthümliche  Bah- 
nen gebrochen  hätte.  Hier  fällt  nur  das  der  Scluile  anheira, 
wodurch  Klarlieit  und  Gründlichkeit  der  Methode  gelordert  wird. 

Diesem  Grundsätze  gemäss  werden  wir  alle  Erscheinungen 
auf  dem  Gebiete  der  Theologie,  der  Geschichte,  der  Mathe- 
matik und  der  Naturkunde,  deren  Charakter  ein  rein  wissen- 
schaftlicher ist,  solchen  kritischen  Blättern  überlassen,  deren 
Bestimmung  entweder  eine  ganz  allgemeine  ist,  oder  die  einzel- 
nen dieser  Wissenschaften  gewidmet  sind.  Uns  dagegen  eignen 
wir  alles  dasjenige  an,  was  theils  für  den  unmittelbaren  Zweck 
und  Gebrauch  der  Schule  gearbeitet  ist,  theils  durch  lehrreiche 
Eigenthümlichkeiten  in  der  Behandlung  oder  im  Inhalt  die  vor- 
zugsweise Aufmerksamkeit  des  gelehrten  Schiümannes  in  An- 
spruch nehmen  zu  dürfen  scheint:  wobey  sich  abermals  ohne 
Weiteres  versteht,  dass  solche  Schriften,  die  sich  begnügen 
zehnmal  Gesagtes  zum  eilftenmal  zu  sagen,  und  weder  füi  die 
Forschung  noch  für  die  Methode  etwas  Neues  und  Eignes  dar- 
bieten, ohne  Rücksicht  auf  Bogen-  oder  Bändezahl,  entweder 
mit  einer  kurzen  Warmmgsanzeige  zu  entlassen,  oder  mit  einem 
zur  Genüge  bezeichuenden  Stillschweigen  zu  übergehn  sind. 

Ganz  dieselben  Hegeln  gedenken  wir  in  Bezug  auf  die  He- 
bräische und  auf  die  neuern  lebenden  Sprachen  zu  befolgen. 
Doch  Averden  wir  mit  den  letztern  unsre  edle  Muttersprache  kei- 
neswegs in  Eine  Linie  stellen,  sondern  den  hohen  Werth,  den 
wir  auf  sie  auch  als  Bildungsmittel  legen,  durch  vorzugsweise 
Beaclitung  der  sie  und  ihre  Geschichte  betreffenden  Werke  zu 
erkennen  geben. 

Was  die  philosophischen  Vorträge  über  Logik,  Psychologie, 
Rhetorik,  Aesthetik,  Geschichte  der  Philosophie  u.  s.  w.  anlangt, 
sind  zwar  auch  wir,  um  uns  der  Worte  eines  vielerfahrnen  ge- 
lehrten  SchiUmannes  zu  bedienen*),    der  Meinung,   dass  eine 


*)  Joh.  Casp.  Friedr.  Manso  im  Progr.  des  Bresl.  Magdal.  Gymn. 
zu  Ostern  1826.  S.  49. 


Einleitung.  9 

grüiulUclie  Erklärung  der  alten  Scliriftstcller,  ein  ernstes  Stu- 
dium der  Mathematik  und  die  Ei'örterung  rhetorischer  und  ästhe- 
tischer Be^riiFe,  die  bey  der  Lesunjf  der  deutsclien  Classiker  und 
bey  der  V  erbesserung;  der  schriftlichen  Ausarbeitungen  auf  keine 
Weise  fehlen  kann  und  darf,  die  besste  Vorbereitung  auf  Denken 
und  DenkVibung  ist,  und  dass  folglich  der  Wagen  der  Philosophie, 
der  sich  ohnehin  schon  so  vieles  Uallastes  entledigt  hat  und  noch 
gar  manches  iiber  Bord  werfen  kann,  keines  Gymnasial -Vor- 
spannes bedarf,  sondern  von  den  Lelirern  der  Universitäten  allein 
in  Bewegung  gesetzt  und  zum  erwünschten  Ziele  gebracht  wer- 
den kann.  —  Indess  da  es  an  vielen  und  achtbaren  Andersmei- 
neiiden  niclit  felüt,  auch  in  mehrern  deutschen  Ländern  die  Phi- 
losophie unter  die  ausdrVicklich  gebotenen  Gegenstände  des 
Sclmlunterrichts  gehört,  scheint  es  Pflicht  zu  seyn,  sie  auch  in 
unsern  Jahrbüchern  hisoweit  zu  berücksichtigen,  als  sie  es  nicht 
verschmähn  wird  sich  zu  den  Bedürfnissen  der  Schule  her- 
abzulassen. 

Dass  encyklopädische  Wei'ke,  die  den  ganzen  Kreis  der 
Wissenschaften  befassen,  sowie  litterarische  von  bedeutenderm 
Umfange,  mit  stetem  Hinblick  auf  unsern  nächsten  Zweck  Ge- 
genstände unserer  prüfenden  Beachtung  seyn  werden,  bedarf 
keiner  Bevorwortung. 

Endlich  aber  wird  eine  besondre  Rücksicht  auf  solche  Schrif- 
ten genommen  werden  müssen,  die  sich  mit  dem  öffentlichen 
gelehrten  Schidwesen  im  Allgemeinen  beschäftigen,  mit  Zweck 
und  Bestimmung  der  Gymnasien,  mit  ihrer  äussern  und  Innern 
Organisation,  mit  den  einzelnen  Gegenständen  des  Unterrichts, 
■woran  sicli  die  Methodik  und  Didaktik  ansciüiesst ,  mit  dem  Ver- 
hältnisse der  gelehrten  Schule  zur  Kirclie,  zum  Staate  und  zu 
andern  Lehranstalten,  mit  der  Schulzucht  u.  s.  w.  Ebenso  soll 
nichts  unbeachtet  bleiben,  was  zur  Geschichte  des  gelehrten 
Schulwesens  überhaupt  und  zur  Charakteristik  einzelner  bedeu- 
tender Lehranstalten  oder  zur  Schilderung  denkwürdiger  Schul- 
männer insbesondere  erwünschte  Beyträge  liefert. 

Ausgeschlossen  dagegen  bleibt  Ein  für  alleraal,  was  durch 
den  eleraentarischen  Bedarf  des  Bürger-  und  Landschullehrers 
hervorgerufen  ist,  was  lediglich  der  häuslichen  Erziehung  und 
dem  Pri\  atunteiTicht  angehört,  was  endlich  specielien  Berufs - 
oder  Standesschulen  gewidmet  ist,  ebenso  das  ganze  unabsehbare 
Gefolg  sogenannter  Kinder-  und  Jugendschriften,  es  müssten 
deiui  in  seltnen  Fällen  Gründe  eintreten  eine  Ausnahme  zu 
machen,  wozu  wir  uns  das  Hecht  wie  billig  vorbehalten. 

Neben  diesen  aus  der  Sache  selbst  hervorgegangenen  Be- 
schränkungen der  zu  beurtheilenden  Werke  wird  eine  andre  durch 
die  Zeit  auferlegt,  durch  das  Jahr  der  Erscheinung.  Als  ange- 
messenster Zeitpunct  von  wo  an  stellte  sich  im  Durchschmtte  das 
Jahr  1825  dar ,  und  nui*  für  Schriften  des  Auslandes  ist  er  bis 


10  Einleitung. 

zum  Jahre  1824  oder  1823  hinausgcriickt  *).  Ausnahmen  von 
dieser  Festsetzung  sollen  zwar  nicht  ganz  unzulässig  seyn,  doch 
soUen  sie  in  der  Regel  nur  bey  Fortsetzungen  bändereicher 
Werke  und  bey  den  bald  nälier  zn  besprechenden  CollectivTecen- 
sionen  eintreten,  bey  denen  es  daranf  ankommt  ein  ganzes  Ge- 
biet auf  Einmal  zu  umfassen,  und  sich  also  nicht  selten  die  Noth- 
wendigkeit  zeigen  dürfte,  bey  ehiera  noch  frühern  Zeitpunct  an- 
zuknüpfen. 

Hiedurch  wäre  denn  der  Kreis  beschrieben ,  den  der  kriti- 
sche Theil  unsrer  Jahrbücher  auszufüllen  sich  angelegen  seyn 
lassen  wird.  Trotz  aller  Beschränkungen,  die  die  Sache  irgend 
gestatten  wollte,  ist  er  immer  noch  weit  genug  geblieben,  um 
der  entsprechenden  Ausführung  des  dargelegten  Plans  bedeu- 
tende Schwierigkeiten  entgegenzustellen.  Am  erfolgreichsten 
wird  ihnen  durch  gedrängte  Kürze  des  Ausdrucks  und  durch  ein 
richtiges  Vcrhältniss  des  Umfangs  der  Beurtheilung  zu  dem  be- 
urtheilten  Werke  begegnet  werden. 

Ausserdem  aber  glauben  wir  zur  Annäherung  an  dieses  Ziel 
dadurch  mit  hinwirken  zu  können,  dass  wir  Schriften  über  den- 
selben Gegenstand  oder  doch  a  on  uahverwaudtem  Inhalte  soviel 


*)  Diese  weitere  Ausdehnung  des  Zeitpunctes  von  wo  an  schien 
uns  bey  Schriften  des  Auslandes  desshalb  nöthig,  weil  sie  nicht  selten 
erst  spät  zu  uns  g-elang-en  und  durch  den  Buchhandel  zugänglich  wer- 
den. So  sind  z.  B.  die  Selecta  oimscula  academica  von  Matthias  Norberg 
(Lund,  1817  —  19.)  und  die  von  Arvcdson  gesammelten  Fragmente  des 
Pytheas  (Upsala,  1824.)  erst  im  Leipziger  Messkatalog  von  182().  als  in 
Deutschen  Buchhandlungen  vorhanden  angekündigt.  Aelmliche  Ver- 
zögerung des  Bekanntwerdens  tritt  oft  bey  Schulprogrammen  und  Ge- 
legenheitsschriften ein,  die  wir  desshalb  mit  den  Schriften  des  Auslan- 
des in  gleiche  Kategorie  gestellt  haben.  Solche  Schulschriften  aber 
wünschen  wir  in  unsern  Jahrbüchern  besonders  und  zwar  desswegen 
zu  berücksichtigen,  weil  sie  in  der  Regel,  von  Schulen  ausgehend, 
für  Schulen  bestimmt  sind  ,  nicht  selten  die  gediegensten  Monogra- 
phien über  Gegenstände  des  Schullebens  genannt  werden  müssen  und 
meistens  doch  nur  in  Weniger  Hände  kommen.  Um  also  ihr  allge- 
meineres Bekanntwerden  nach  Kräften  zu  fördern ,  sollen  von  ihnen 
soviel  als  möglich  zweckmässige  Auszüge  und  Inhaltsanzeigen  geliefert 
werden.  Freylich  bedürfen  wir  zur  Erreichung  dieses  ZAveckes  die 
wohlwollende  Unterstützung  der  Verfasser  derselben  und  der  Vorste- 
her gelehrter  Anstalten ,  Avelche  wir  daher  höflichst  ersuchen ,  uns 
dergleichen  neuerschienene  Schriftchen ,  wof«'rn  sie  nidit  blosse  Loca- 
litäten  und  Gegenstände  ohne  allgemeines  Interesse  enthalten,  mög- 
lichst bald  und  au^  mindest  kostspieligem  Wege  zuzusenden. 

Jahn. 


Einleitung.  11 

wie  möglich  in  Collectivrecensionen  zusammenzufassen  suchen, 
Z.B.Ausgaben  oder  Uebersetzungen  Eliies  und  desselben  Schrift- 
stellers, Spracldchren  oder  Wörterbiicher  Piiner  und  derselben 
Sprache,  Hand-  oder  Lehrbücher  Einer  und  derselben  Wissen- 
schaft. Manche  allgemeine  Uemerkiuig  oder  Anfoderung,  man- 
ches allgemeingVdtigc  Urtheil,  das  bey  mehrern  Werken  immer 
M  iederholt  auszusprechen  gewesen  wäre,  braucht  so  nur  Einmal 
durchgreifender  vorgetragen  und  sofort  auf  eine  ganze  Classe 
von  Schriften  bezogen  zu  werden ;  auch  wird  das  Charakteri- 
stische der  einzelnen  ins  hellste  Licht  treten,  wenn  sie  nicht 
bloss  in  Bezug  auf  ihre  Wissenscliaft,  sondern  auch  nach  ilirem 
Verhältm'ss  zu  einander  gewVu-digt  werden.  —  ]\icht  ganz  grund- 
los wiirde  zwar  der  Einwurf  seyn,  dass"  auf  diese  Weise  leicht 
eine  gewisse  Einseitigkeit  desUrtheils  über  ganze  Zweige  derLit- 
teratur  sich  verbreiten  und  die  Stimmung  befangen  könne,  wel- 
che Gefahr  wegfiele,  sobald  die  einzelnen  Schriftwerke,  anstatt 
sie  unter  Einem  üeberblick  zusammenzufassen,  unter  ver- 
schiedne  Gelehrte  vertheilt  würden.  Aber  auch  abgesehn  davon, 
dass  die  gefürchtete  Einseitigkeit  sich  in  Gesaramtbeurtheilungen 
viel  leichter  verrathen,  und  dadurch  ihren  scliädlichen  Einfluss 
verlieren  >vürde,  wird  sich  jeder  Besorgniss  dieser  Art  im  Vor- 
aus dadurch  begegnen  lassen,  dass  wir  sogleich  unsre  Bereitwil- 
ligkeit erklären,  von  vorzüglich  beachtenswerthen  Schriften, 
wenn  sie  auch  schon  als  Glied  einer  längern  Kette  mit  andern 
zugleich  beurtheilt  seyn  sollten ,  doch  noch  besondre  Recensio- 
nen  aufzunehmen,  insofern  sich  diese  durch  Aufstellung  eines 
eigenthümlichen  Gesichtspunctes  empfelilen  werden. 

Auch  ist  dieses  Verfahren  längst  kein  neues  mehr.  Fast  alle 
unsre  bessern  kritischen  Blätter  haben  manches  Schätzbare  und 
Lehrreiche  dieser  Art  geliefert,  und  in  neuester  Zeit  hat  nament- 
lich der  Hermes  sich  durch  gehaltv  olle  Collecti\Tecensionen  aufs 
vortheiUiafteste  ausgezeichnet,  obgleich  gi'ade  die  philologische 
und  pädagogische  Litteratur  in  ihm  sich  am  seltensten  der  Beach- 
tung zu  erfreuen  gehabt  hat.  Um  so  lieber  treten  von  dieser  Seite 
unsre  Jahrbücher  ergänzend  ein,  xnul  es  ist  sogleich  in  den  ersten 
Heften  der  Anfang  damit  gemacht  worden. 

Endlich  ist  zur  Erreichung  möglicher  Vollständigkeit  auch 
die  Einrichtung  getroffen  Avorden ,  dass  sich  jedesmal  den  aus- 
führlichen Beurtheilungen  in  einer  besondern  Abtheilung  kürzere 
Anzeigen  anschliessen  sollen.  Wir  linden  dieselbe  Anordnung 
in  der  ohnlängst  in  Leyden  begonnenen  Bibliolheca  critica  nova^ 
und  können  nicht  umhin  dasjenige  zum  Theii  auf  uns  anzuwen- 
den, was  dort  Bake  in  der  Vorrede  sagt:  Bibliothecae  nostrae 
bipartita  dlstribtitio.  Mam  priora  cujusque  Voluminis  destinamus 
Censuris,  in  quibus  accurate,  quantum  fieri  et  potest  et  oportet, 
libri  explorabuntur ,  plenisslmeque  referetur  si  qiud  in  iis  vel 
laudanduni  vel  secus  erit.     lieliqua  tribuentur  llclationibus  Bre- 


12  Einleitung. 

vioribus ,  quae  generalera  vel  commeiidatiouem  vel  animadversio- 
iiem  contiiiebimt,  cxposito  quam  bre>issinic  ciijiisque  operis  argu- 
niento :  multi  quippe  eriint  libri  qni  diligentiorcm  illarii  cxplora- 
tionem  noii  requirant,  pliires  etiam  de  quibus,  ut^iote  receutissi- 
mis,  primura  isto  modo  cohimemorare  ac  muiciare  pracstabit, 
quam  diu  negligere,  postea,  si  otium  dabitur,  aliquanto  majori 
cum  cura  retractandis  et  excutiendis.  —  Doch  werden  wiv  darin 
von  den  gelehrten  Ilolländei-n  abweiclien,  dass  diese  kürzern 
Anzeigen  bey  uns  nie  ein  blosser  Neüigkeitsbericht  werden  sol- 
len, wofiir  sich  eine  andre  passliche  Steile  finden  wird:  vielmehr 
sind  sie  für  solche  Schriften  bestimmt,  von  denen  ausser  ihrem 
Vorhandenseyn  nicht  eben  viel  zu  sagen  ist,  jebenso  für  wenig 
veränderte  neue  Auflagen  und  für  Bücher,  die  sich  ihrer  Beschaf- 
fenheit nach  nur  für  gedrängte  Auszüge  und  Inhaltsangaben 
eignen. 

Um  aber  die  bequeme  Uebersiclit  über  die  gesammte  philo- 
logische und  pädagogische  Litteratur  auf  alle  Weise  zu  erleich- 
tern, wird  dem  letzten  Heft  eines  jeden  Jahrganges  ein  soa  iel  es 
irgend  zu  bewerkstelligen  ist  vollständiges  und  nacli  den  Wissen- 
schaften geordnetes  Verzeichniss  aller  im  Laufe  des  Jahres  wirk- 
lich erschienenen  philologischen  und  pädagogischen  Schriften 
nebst  Angabe  des  Verlagsortes,  des  Umfangs,  des  Formats  und 
des  Preises  beygefügt  werden. 

üeber  Form,  Ton  und  Art  der  Beurtheilungen  irgend  etwas 
im  Voraus  willkührlicli  festsetzen  zu  wollen,  würde  eine  unge- 
ziemende Anmaassung  seyn.  Dass  von  der  äusserlichen  Anlage 
wie  von  dem  innern  Gehalte,  von  den  benutzten  Hülfsmitteln 
und  von  allem  was  sonst  wesentlich  zur  Gescliichte  eines  Buches 
gehört,  da  wo  es  nöthig  scheinen  kann,  treuer  Bericht  erstattet 
und  kein  Urtheil  ohne  Beweis  gefällt  werde,  sind  so  billige  und 
natürliche  Anfoderungen  an  jedes  kritische  Institut,  dass  ihrer 
liier  nicht  erst  gedaclit  zu  werden  braucht.  Als  erste  und  höchste 
Tugend  des  öffentlichen  Beurtheilers  jjflegt  man  vor  allem  Hiana- 
nität  zu  begehren,  und  gewiss  mit  Recht,  wenn  man  dem  schö- 
nen Worte  nur  niclit  so  oft  eine  ganz  falsche  Bedeutung  imter- 
legte.  Denn  gar  zu  gern  versteht  man  darunter  die  liöfliche 
Halbheit,  die,  rechts  und  links  persönliche  Rücksichten  nehmend 
und  es  mit  keinem  zu  verderben  bemüht,  einem  jeden  sein  Recht 
vorenthält,  imd  sich  freventlicli  vei'letzt  wähnt,  sobald  ein  Kriti- 
ker sein  Urtheil  mit  rücksichtsloser  Bestimjntheit  aulSspricht. 
Die  Humanität,  der  sich  die  Jahrbücher  befleissigen  a\ erden, 
kami  nie  eine  andre  seyn  als  die  der  Gründlichkeit^  der  //  (ihr- 
heilsliebe^  der  Gerechtigkeit.  In  wie  fern  diese  aber  mit  vor- 
herrschender Milde  oder  Strenge  zu  vereinigen  seyn  dürfte,  darü- 
ber wird  in  allen  einzelnen  Fällen  lediglich  das  eigne  Ei-mcssen 
der  Mitarbeiter  zu  entscheiden  haben.  Der  Herausgeber  glaubt 
seiner  Pflicht  dadurcli  genügt  zu  haben,  dass  er  nur  solche  Ge- 


E  i  n  1  <■  1 1 11  n  i;-.  13 

k'lirte  zur  Mitwirkung?  eingeladen  hat,  für  die  schon  iJire  Namen 
jede  Gewälir  leisten.  Da  ein  jeder  Mitarbeiter  sein  Urtheil  nöthi- 
genlalls  sellist  Aerlreten  wird,  hat  er  luich  wohlbeginindeten  An- 
spruch auf  unveränderten  Abdruck  seiner  IJeyträge,  und  diese 
geziemende  Achtung  vor  der  litterarischen  Selbständigkeit  jedes 
einzelnen  soll  sich  bis  auf  die  Kigcntliiimlichkeiten  der  Recht- 
schreibung ausdehnen,  wo  nicht  ausdrücklich  darauf  Verzicht 
geleistet  ist. 

Sich  übrigens  um  die  freundlichen  oder  unfreundlichen 
Verhältnisse  zu  kümmern,  die  etwa  zwischen  dem  Beurthciler 
und  dem  Verfasse;  oder  gar  dem  Verleger  der  zu  beurtheilenden 
Schrift  obwalten  dürften,  sollte  dem  liesorger  einer  kritischen 
Zeitschrift,  der  in  höherer  Hinsicht  seinen  Verpflichtungen  zu 
genügen  wünscht ,  niemals  angemuthet  werden.  W  äre  es  ihm 
auch  möglich,  was  es  nicht  ist,  so  wäre  es  doch  gewiss  seiner 
unwürdig,  A\eil  es  ein  förmlich  ausgebildetes  System  litt«rari- 
scher  Späherey,  Zuträgerey  und  Klätscherey  voraussetzen  würde, 
um  hierin  mit  einiger  Consequenz  verfahren  zu  können.  Daher 
ist  es  anständiger  und  angemessncr,  zu  einem  jeden  Mitarbeiter, 
den  man  eingeladen  hat,  auch  das  redliche  Vertrauen  zu  hegen, 
dass  er  kein  Buch  zu  beurtheilen  übernehmen  werde,  an  dessen 
unbefangner  Würdigung  ihn  irgend  ein  persönliches  Verhältniss 
hindern  könnte  *).  Wer  ein  solches  Vertrauen  misbrauchen 
mögte,  thäte  es  immer  nur  auf  Kosten  seines  eignen  Werthes 
und  seines  guten  Namens,  ohne  sonderliche  Fährdung  eines  Drit- 
ten oder  der  Littcratur  Viberhaupt.  Ja  selbst,  wenn  zwischen 
zwey  Schriftstelleni  ehie  offenkundige  wissenschaftliche  Freund- 


• 
*)  Dergleichen  Privatrerhältnisse  werden  auch  nie  die  Aufnahme 
einer  Recension  bedingen.  Ausgeschlossen  bleiben  nur  Beurtheilun- 
gen  von  Verlagsartikeln  des  A  erlegers  dieser  Zeitschrift  oder  von 
Schriften  des  Iledacteurs,  weil  hey  ihnen  der  Scliein  der  Parteylich- 
keit  sich  scliM'cr  vermeiden  lassen  Avürde.  Jedes  Loh  und  jeder  Tadel 
nehmllch  vürdo  seihst  dem  unbefangenen  und  besonnenen  Leser  sehr 
leicht  als  durch  die  bestehenden  Verhältnisse  bedingt,  und  modificirt, 
folglich  als  parteyisch  erscheinen,  und  es  wäre  k<iuin  zu  vermeiden, 
dass  er  das  Loh  für  zu  übertrieben  und  den  Tadel  für  zu  sehr  gemildert 
hielte.  Um  aber  jede  Gelegenheit  zum  Mistrauen  zu  entfernen,  sollen 
von  diesen  Werken  nicht  eigentliche  Recensionen,  sondern  blosse  In- 
haltsanzeigen anfgenoninien  Mcrden  .  aus  denen  sich  der  Leser  dann 
seihst  ein  Urtheil  ülter  den  Werth  des  Riichs  abstrahireii  wird.  Dahey 
bleibt  CS  dem  Referenten  unverwehrt,  in  streitigen  Fällen  seine  An- 
sicht der  des  Verfassers  entgegen  zu  stellen ,  nur  soll  er  sich  jedes 
durch  seine  subjective  Ansicht  bedingten  Lobes  und  Tadels  enthalten. 

Jahn. 


14  Einleitung;. 

Schaft  oder  Fehde  statt  fände,  wäre  diess  nocli  immer  kein  hin- 
reichender Grund,  den  Einen  von  der  Beintheilnng  des  andern 
zurückzuweisen,  vorausgesetzt  dass  die  Befreundeten  oder  Strei- 
tenden als  Männer  bekannt  wären ,  denen  es  um  Wahrlieit  und 
nur  um  Wahrheit  zu  thun  ist:  sonst  aber  wären  sie  iiberali  nicht 
zur  Tlieiluahme  an  den  Jahrbiichern  zuzidassen.  Und  Viberliaupt, 
wer  bringt  es  so  leicht  zu  einer  solchen  Stoischen  Apathie,  dass 
ihn  niclit  Ton  und  Inhalt  einer  jeden  Schrift,  die  er  mit  Aufmerk- 
samkeit zu  lesen  anfängt,  alsbald  mit  einer  günstigen  oder  un- 
günstigen Stimmung  erfüllen  sollten,  die  von  dem  Buche  auf  den 
Verfasser  selbst  als  litterarische  Person  übei'gcht,  und  der  Be- 
urtheilung  unvermeidlich  ihre  besondre  Färbung  mittheilt*?  Ja, 
grade  solchen  Zuneigungen  und  Abneigungen  mögte  man  wohl 
in  der  Regel  die  gründlichsten,  die  selbständigsten  xmd  ein- 
dringendsten Kritiken  zu  verdanken  haben:  wem  sollte  nicht 
seine  Lesung  gelehrter  Blätter  die  Belege  für  diese  auf  den  ersten 
Blick  vielleicht  paradox  erscheinende  Behauptung  an  die  Iland 
geben*?  Schliche  sich  nun  aber  auch  wirklich,  wider  des  Beur- 
theilers  Wissen  imd  Willen,  einige  Ungerechtigkeit  mit  ein,  so 
glauben  wir  im  Ganzen  in  dem  Kreise,  der  kritische  Blätter  liest, 
soviel  richtigen  Tact  xnid  Prüfungsgeist  voraussetzen  zu  dürfen, 
dass  er  dergleichen  persönliche  Beymisclnnigen  unschwer  zu 
erkennen  und  nach  Gebiihr  zu  würdigen  nicht  ermangeln  würde. 
Auch  glauben  wir  zur  Ehre  der  öffentlichen  Meinung  behaupten 
zu  dürfen,  dass  es  noch  nie  einer  litterarischen  Cabale  durch 
lügenhafte  Kritik  gelungen  ist,  weder  ein  schlechtes  Erzeugniss 
zu  Ansehn  und  Ehren  zu  bringen,  noch  auch  einem  mit  Gründ- 
lichkeit, Geist  und  Fleiss  geschriebenen  Werke  auf  die  Dauer 
die  ihm  gebührende  Achtung  luid  Aneikennung  zu  entziehn. 
Damit  sind  wir  aber  keineswe^  gemeint,  durch  solcherley  pi- 
kante Reizmittel  die  Kritik  in  den  Jahrbüchern  geflissentlich  zu 
schärfen :  vielmehr  wird  keine  geziemende  Fürsorge  aus  der  Acht 
gelassen  und  ganz  besonders  dahin  gesehn  werden,  dass  es  nie 
der  zunftmässigen  Einseitigkeit  irgend  einer  Schule  gelinge,  das 
neue  Institut  für  ihre  Zwecke  in  Beschlag  zu  nehmen. 

Ueberdiess  verschwinden  diese  wie  manche  gegründetere 
Bedenklichkeiten,  die  die  bisher  üblich  gewesenen  Formen  des 
öffentlichen  litterarischen  Urtheils  im  Ganzen  treffen,  sobald  die 
anjetzt  noch  immer  vorwaltend  gebräuchliche  Anonymität  oder 
Pseudonymität  der  Beurtheiler  aufgehoben  tvird.  Um  also  auch 
von  dieser  Seite  nichts  zu  versäumen,  was  im  Voraus  als  Ge- 
währleistung für  das  allein  auf  Ermittelung  der  Wahrheit  gerich- 
tete Bestreben  der  Jahrbücher  gelten  kann,  ist  es  mit  den  Mit- 
arbeitern verabredet  und  als  unverletzliche  Regel  festgestellt 
worden,  dass  eijie  jede  Recension  mit  dem  Namen  ihres  Ver- 
fassers unterzeichnet  werden  soll:  ein  Verfahren,  das  durch 
den  jetzigen  Zustand  des  Recensirwesens,  sowie  durch  die  An- 


Einleitung.  15 

sprüclie  der  bessern ,  tl.  i.  der  die  IJeiirtlieilniii^en  wieder  beur- 
theileiideii  Leser  ^eiii'iirend  vorl)ereitct  zu  sevii  scheint. 

Zwar  bedienten  sich  ans  Gründen,  die  im  Geiste  jener  Zeit 
lairen,  sowolil  die  jlvta  ennlitornm  als  sj)äterliin  die  trerilicliei» 
IjillcriilKibricfe^  die  ollgcmcinc Deutsi^he  Bibiiotlick  der  .schönen 
//  issenschaftc}!  und  die  ältere  Jenaer  Litter uturzeit nn^  dnrch- 
^äniriirer  \  erschwei^ung  der  IN  amen.  Aber  schon  in  Wyttenbachs 
Bibliotheca  critica  (seit  1177.)  und  dann  in  der  Göttinger  Biblio- 
thek Ja  r  alte  I Alter alnr  nnd  Kunst  (seit  178(>.)  wurden  bey  meh- 
rern freymi'itliiiren  philoloirisclien  liccensioiien  mit  i;utem  Krfolg 
Ausnahmen  von  der  last  iierrscliend  ^ewordnen  Sitte  gemaclit. 
Das  krältiire  Einfi;reifcn  der  Eriider  Schlegel  in  einzelne  Zweige 
der  Kritik  trug  gleichfalls  das  Scinige  dazu  bey,  ein  völlig  offnes 
Hervortreten  zu  empfehlen ,  und  die  Erfurtischen  Nachrichten 
von  gelehrten  Sachen  (von  1797  an.)  schritten  bereits  som  eit  vor, 
dass  sie  iVennung  der  Mamen  zur  unerlassliclien  Bedingung  mach- 
ten. Freylich  fand  diese  Zeitschrift  wenig  Ueyfall,  und  erfreute 
sich  keines  langen  Bestehns :  allein  davon  lag  der  Grund  nicht 
in  der  aufgehobenen  Anonymität,  wenn  diese  auch  dazu  beytra- 
gcn  mogte,  die  tiefer  liegenden  Schwächen  schneller  ans  Licht 
zu  bringen  *).  Als  sich  aber  die  Jenaer  Litteratnrzeitung  im 
Jahre  1804  vcrjiingte,  Avurde  es  als  einer  der  wesentlichsten  Vor- 
züge des  erneuten  Instituts  betrachtet,  dass  es  jedem  Mitarbeiter 
gestattet  Avar,  sich  so  kenntlich  zu  machen  wie  es  ihm  gut  dünkte, 
imd  dass  ^iele  der  trefflichsten  Männer  unsres  Volkes,  Johannes 
Müller^  Reinhold.,  J.  G.  Schneider.^  Göthe^  Toss,  Jacobs.,  Aug. 
IVilh.  Schlegel.,  Schleiermacher  u.  a.  theils  mit  i]iren  Namen, 
theils  in  so  leichter  Undiüllung  auftraten,  dass  sie  von  keinem 
Aufmerksamen  verkannt  Averden  konnten.  Wie  zeitgemäss  diese 
Einrichtung  war,  hat  sich  unter  andern  auch  dadurch  bewährt, 
dass  alle  seitdem  neu  begründeten  kritischen  Tribunale,  in  Hei- 
delberg, Leipzig,  Wien,  Plildesheim  und  sonst,  hierin  denselben 
Grundsätzen  gefolgt  sind,  und  dass  diesen  seit  dem  Jahre  1825, 
nach  vierzigjähriger  Geheunlialtung  der  Namen  ihrer  Mitarbeiter, 
selbst  die  alte,  nach  Halle  verpflanzte  Litteraturzeitung  zu  hul- 
digen begonnen  liat. 

Da  jedoch  diess  Verfahren  anjetzt  noch  auf  einer  halben 
Maassregel  beruht  und  ein  nur  geduldetes  ist,  da  sonach  neben 
den  Vortheilen  der  Nennung  alle  Nachtheile  der  Verschweigung 
der  Namen  fortbestehn,  und  man  überdies«  besonders  bey  Jün- 
gern Gelehrten  sehr  geneigt  ist,  das  offne  Auftreten  auf  dem 
Kampfplatze  als  ein  Zeichen  sonderlingshafter  Anmaassung  oder 
trotzig  herausfodernder  Streitlust  mit  ungünstigen  Augen  anzu- 


♦)  Was   im    ScJdcgclschen  Athenäum ,    Bd.  2.  S.  338.,  darüber    ge- 
sagt ißt,  ist  bitter,  aber  wahr. 


16  Einleitung. 

sehn ,  so  ist  nach  dem  Vorgange  der  achtbaren  Herausgeber  der 
Bibliotheca  critica  nova  auch  in  unsern  Jahrbüchern  die  Nen- 
nung der  Mitarbeiter  ohne  Ausnahme  und  dadurch  die  gleiche 
Stellung  aller  vorgezogen  worden.  Da  die  Sache  nicht  unwichtig 
ist,  wir  aber  noch  bey  weitem  nicht  auf  Uebereinstiramung  in 
Beurtheihnig  derselben  reclinen  können,  wird  es  nicht  unzweck- 
mässig seyn,  zu  weiterer  Prüfung  hier  anzudeuten,  was  nach 
reiflicher  Erwägung  und  Berathung  mit  mehrern  Gelehrten  den 
Ausschlag  dafür  gegeben  hat. 

Unser  ganzes  heutiges  Schriftwesen  hat  insofern  einen 
öffentlichen,  aufrichtigen  und  ehrlichen  Charakter,  als  unsre 
guten  Schriftsteller  selbst  kleinern  und  minder  bedeutenden  Ar- 
beiten ihren  Namen  beyzufügen  gewohnt  sind.  Wer  ohne  seinen 
Namen  oder  unter  falschem  Namen  schreibt,  thut  es  im  guten 
Sinne  entweder  mit  einiger  durch  Verdienst  erworbner  Vornehm-, 
heit,  weil  er  weiss,  dass  er  doch  gekannt  ist,  sodass  er  die 
Midie  sparen  kann,  seinen  Namen  noch  besonders  lunzuzusetzen, 
wie  Hippel  in  seinen  spätem  Schriften  luid  Knebel^  oder  weil 
ilmi  ein  Incognito,  das  in  der  That  keines  ist,  durch  irgend  eine 
geschichtliche  Beziehung  zu  lieb  gew orden  ist,  um  es  wieder  auf- 
zugeben, und  der  falsche  Name  in  der  Welt  der  Gelehrten 
selbst  die  Natur  des  wahren  angenommen  hat,  wie  bey  Jean  Paul. 
Leider  viel  häufiger  aber  ist  ein  solches  Versteck  durch  klein- 
liche oder  unlautere  Nebenrücksichten  veranlasst,  dient  zu  heim- 
licher Förderung  lichtscheuer  Zwecke,  gleichviel  ob  sie  eine 
Sache  oder  eine  Person  betreffen,  oder  doch  zur  Verhüllung  der 
Seichtigkeit,  der  Eilfertigkeit,  der  unberufnen  Einrede,  die  sich 
ihrer  faulen  Sache  wohl  bewusst  ist,  und  stellt  sich  so  diu'ch- 
gängig  als  selbstverrätherisches  Zeichen  eines  schlechten  Gewis- 
sens dar.  Allerdings  giebt  es  bey  wahrp",  tiefer  Anonymität 
ehrenhafte  Ausnahmen :  aber  sie  finden  sich  selten ,  und  wo  sie 
sich  finden ,  sind  sie  meistens  schw  ere  Anklagen  gegen  die  Zeit 
und  die  Verhältnisse ,  unter  deren  Einwirkung  sie  erschienen. 
Daher  haben  anonyme  oder  psendonyme  Schriften  in  der  Regel 
und  mit  Recht  die  öffentliche  Meinung  gegen  sich.  Der  Leser 
will  wissen,  w  er  zu  ihm  redet,  nicht  aus  Neugier,  nicht  um  durch 
die  Person  des  Verfassers  seine  Aufmerksamkeit  entscheiden, 
seine  Beystimmung  'erschleichen,  sein  Urtheil  gängeln  und  befan- 
gen zu  lassen,  sondern  weil  der  Schriftsteller  wie  der  Künstler 
seiner  Natur  nach  eine  öffentliche  Person  ist,  womit  ein  solcher 
Hinterhalt  in  grellem  Widerspruch  steht.  Lässt  sich  nun  leider 
auch  keineswegs  behaupten,  dass  die  Nennung  des  Namens  jedes- 
mal den  bessern  Zweck  der  Druckschrift  verbürge,  so  kann  doch 
als  ziemlich  ausgemacht  betrachtet  werden,  dass  da,  wo  eine 
würdige.,  gesetzmässige  OeffeJitlichJceit  besteht.,  derjenige,  ^er 
auf   dem  Wege  durch   die  Druckerpresse  etwas  ganz  Sclüecli- 


Einleitung'.  17 

tes  durclizufi'ilircn  beabsiclitigt,  sicli  gewiss  der  Verborgenlieit 
befleissii^eii  m iid ,  soviel  und  so  lan^e  er  kann. 

Wenn  nun  abei*  aus  ricIitigemG'efiihi  bey  selbständigen  Wer- 
ken ein  offnes  \  isir  erw  artet  und  gelodert  wird,  so  ist  schon  an 
sich  gar  niclit  wohl  ein/usehn,  warum  es  doch  bey  der  öffent- 
lichen Benrtbeilung  solcher  Werke  anders  gehalten  werden  solle, 
gleich\iel  ob  das  ürlheil  giiiistig  oder  ungiinstig  ausfalle.  Ja, 
der  ^  erfasser  dieser  Zeilen  will  nicht  leugnen,  dass  selbst  das 
verdienteste  Lob  immer  noch  einen  Zweifel  in  ihm  zuriickgelas- 
scn,  und  dass  ebenso  der  gerechteste  TadelViber  ein  sclileclites 
Buch  den  widrigen  Eindruck  einer  meuchlerischen  Handlung  auf 
ihn_  hervorgebracht  hat,  so  oft  jenes  Lob  oder  dieser  Tadel  aus 
sicherer  A  crborgenheit  hervorhallte:  mid  sowie  es  ein  grosser 
Vorschritt  in  der  Ver>  oUkommnung  der  bürgerlichen  Gesellschaft 
w^ar,  als  die  heimliche,  wenn  auch  wahrscheinlich  in  sehr  vielen 
Fällen  durchaus  gerechte  Vchnie  einer  zwar  dem  Misbrauch  nicht 
nnnder  unterworfnen,  aber  doch  offnen  Rechtspflege  weichen 
musste,  so  würde  es  gewiss  als  ein  erfreulicher  Vorschritt  in  der 
litterarischen  Rechtlichkeit  gelten  können,  wenn  niemand  mehr 
ajionym  rccensiren  wollte. 

Dazu  kommt  ein  zweyter,  sehr  gewichtiger  Grund.  Es  ist 
nämlich  ganz  unmöglich,  dass  ein  jeder  Leser  ein  jedes  beurtheil- 
tes  Ruch  schon  selbst  gelesen  oder  doch  beym  Lesen  der  Beur- 
theilung  zu  prüfender  Vergleichuug  zur  Hand  haben  kann;  auch 
Verden  die  meisten  sich  bescheiden,  keineswegs  in  allen  Fächern 
ein  gleich  siclieres  eignes  Ürtheil  mit  liinzuzubringen ,  wodurch 
sie  >on  den  Ürtheilen  andrer  bis  auf  einen  gewissen  Grad  abhän- 
gig werden.  Ja,  viele  lesen  grade  darum  kritische  Blätter,  um 
durch  sie  den  Mangel  an  einem  «eignen  Urtheil  zu  ersetzen,  sey 
es  nun,  dass  es  ihnen  an  Zeit  oder  Gelegenheit  oder  aucli  an 
innerer  Befähigung  gebricht,  um  selbst  zu  sehn  und  selbst  zu 
prüfen.  Immer  bleibt  zn  wünschen,  dass  ein  jeder  vor  Täu- 
schung möglichst  bewahrt  bleibe.  Wo  nun  freylich  ein  unge- 
nannter Beurtheiler  gleich  in  die  Sprache  ungemässigter  Schmei- 
cheley  oder  leidenschaftlicher  Gehässigkeit  verfälU,  da  weiss  der 
verständige  Leser  sofort,  was  von  dergleichen  Kritik  zu  halten 
ist.  Allein  diese  Kxtreme  werden  meistens  vermieden  :  und  daher 
sind  die  Beurtheilungen  —  gleichviel  ob  sie  ein  unverdientes  Her- 
vorheben oder  ein  ungerechtes  Herabsetzen  beabsichtigen  — 
der  AVahrlieit  ungleich  nachtheiliger,  die,  einen  massigen,  ruhi- 
gen Ton  erhcucjiclnd,  ihrem  Zweck  auf  leisern  Wegen  nach- 
gehn,  und  durch  gleissnerische  Künste  eine  gewisse  Glaubhaftig- 
keit erschleichen,  während  es  nur  des  Namens  des  Verfassers 
als  unfehlbaren  Schlüssels  hinzubedürfte,  um  Lob  und  Tadel  ins 
wahre  Licht  zu  stellen ,  und  den  arglistig  gespomicnen  Trug  zu 
vernichten.  Endlich  aber  kann  der  Beurtheiler  zwar  ein  höchst 
rechtschaffner,  von  aller  verwerflicheu  PersönliclUieit  und  sonsti- 

Jalirb.  d.  FUü.  u.  Fädas.  Jahrg.  1.  Heft  1.  2 


18  Einleitung. 

gen  Nebenabsichten  freyer,  aber  in  gewissen  Ansichten  so  ver- 
strickter und  befangner  Mann  seyn,  dass  es  ilim  beym  reinsten 
Willen  nicht  gelingt,  einen  unabhängigen  Standpunkt  zu  gewin- 
nen, und  er  also  durcli  eine  innere  Nöthigung  gezAningen  ist, 
das  zu  beurtheilende  Buch  weit  über  oder  weit  unter  seinem 
AVerthe  zu  schätzen.  Ist  er  nun  dabey  ein  Mann  von  Geist  und 
Einsicht,  so  kann  es  ihm  gar  wold  gelingen,  dass  er  seine  einsei- 
tigen Ansichten,  ja  seine  Irrtliümer  auch  andern  annelnnlich 
macht,  und  dass  er  so,  bey  der  unverfängliclisten  Absicht,  den- 
nocli  durch  sein  Lob  oder  seinen  Tadel  andre, zu  den  ungerech- 
testen Urtheilen  verführt.  Das  wäre  unmöglich ,  sobald  sein 
Name  ausgesprochen  und  damit  zugleich  sein  individueller  wis- 
senschaftlicher Standpunkt  bezeichnet  wäre.  So  könnte  ein  jeder, 
der  nur  mit  dem  Geschichtlichen  des  Gegenstandes  bekannt  ist, 
das  ausgesprochne  Urtheil  der  Billigkeit  gemäss  modificiren.  — 
Alle  diese  Gefalu'en  der  Anonymität  aber,  sowie  die  oben  ange- 
deuteten Misbräuche  derselben,  würden  zum  grössten  Gewinn 
aller  dabey  Betheiligter  mit  der  Anonymität  selbst  verschwinden. 

Dabey  ist  nun  noch  der  Erwägung  werth,  dass  das  Banner 
der  Oeffentlichkeit  bereits  von  zu  vielen  und  ausgezeichneten 
Männern  erhoben  ist,  mn  die  Sache  wieder  rückgängig  machen  zu 
können.  Wo  also  über  irgend  einer  auffallenden  Kritik  anjetzt 
nocli  eine  verhüllende  Wolke  ruht,  wird  auch  ohne  Weiteres 
eine  lichtscheue  Absicht  der  Verheimlichung  vorausgesetzt,  sey 
es  ungeziemende  Menschenfurcht,  sey  es  das  stille  Bewusstseyn 
niclit  dmchaus  griindlicher  Arbeit,  sey  es  etwas  noch  Schlijnme- 
res ;  ja  man  glaubt  sich  (vielleicht  nicht  ganz  mit  Unrecht)  be- 
fugt, auf  Lösung  des  hingeworfnen  Räthsels  bedacht  zu  seyn. 
Welch'  ein  Getriebe  niedriger  Späherey  und  Zuträgerey,  weibi- 
scher Neugier  und  kleinlichen  Ilerumrathens,  oft  auch  grundlo- 
sen Argwohns  und  unausgesprochner  Verfeindung  davon  schon 
die  Folge  gewesen  ist,  das  kann  keinem  unbemerkt  geblieben 
seyn,  der  auf  den  Zustand  unsres  Schrift>vesens  zu  achten  sich 
die  Mühe  genommen  hat:  und  wie  leicht  wäre  es,  allen  diesen 
Unwürdigkeite»  auf  Einmal  ein  Ende  zu  machen ! 

Auf  demselben  Wege  aber  würde  noch  ein  Vortheil  von 
nicht  geringerer  Bedeutung  erreiclit  werden.  Bey  gar  mancher 
anonymen  Recension  nämlich  drängt  sich  unwillkührlich  der  Ge- 
danke auf,  welclies  Resiütat  sich  wolü  ergeben  Avürde,  wenn  die- 
ses und  jenes  kritisclie  Institut  nicht  umhin  könnte,  die  Liste 
seiner  Mitarbeiter  öffentlich  darzulegen,  und  ob  nicht  viele  Na- 
men erst  durch  ihre  Nennung  recht  namenlos  zu  werden  anfan- 
gen dürften.  Dagegen  lässt  sicli  holFen ,  dass ,  sobald  Namhaf- 
tigkeit  im  äusserlichen  Sinne  herkömmlich  wäre,  sie  auch  im 
andern,  höheren  nicht  ausbleiben  würde.  Denn  ein  Jeder,  der 
seinem  Blatte  Achtung  und  Dauer  zu  bewahren  wimschte, 
würde  genöthigt  seyn,  vor  allem  fVir  solche  Mitarbeiter  zu  sor- 


Einleitung.  19 

gen,  die  ohne  Weiteres  ein  günstiges  Vonirtheil  erwecken,  und 
an  (leren  JNamen  sicli  sofort  Erinncningcn  au  litterarlsclie  Lei- 
stungen ankuiipffu,  Modiircli  aber  kciuesAvegs  jüngere  Gelehrte 
ausiresrhlosscu  Nverdcn  sollen,  die  durcli  INennuug  ihres  Namens 
liürgsc  liai't  für  ein  tüclitii^es  Streben  zu  leisten  bereit  sind. 

Ob  es  auch  Kecenseuteu  giebt,  die  ilir  Geschäft  leichter 
betreiben,  mg  die  Nebelkappe  der  Anonymität  sie  umhüllt,  wollen 
Mir  daliingestellt  sejn  lassen.  Viele  behaupten  es  aber,  und  so 
würde  denn  also  die  Nennung  der  Namen  auch  auf  die  Gründ- 
lichkeit, Besonnenheit  und  Gediegenheit  der  Urtheile  wolilthätig 
einzuwirken  nicht  ermangeln. 

Nim  ist  uns  allerdings  von  achtbaren  Vertheidigern  der  Ano- 
nymität eingewendet  worden,  dass  es  ja  bey  litterarischen  Beur- 
theilnugen  einzig  und  allein  auf  die  Sache  ankomme,  sodass 
durch  Einmischmig  der  Personen  nicht  nur  nichts  gewonnen, 
sondern  auch  mehrialtisje  Befangenheit  im  Urlheil  i'iber  das  vor- 
liegende Buch  beym  -Beurtheiler  xmd  wieder  über  die  Beurthei- 
lung  beym  Leser  derselben  erzeugt  werde:  deim  mancher,  mit 
seinem  Namen  hervorzug^chn  ^enöthigt,  werde  nun  den  Tadel, 
den  er  als  Anonymus  ohne  Kückhalt  auszusprechen  kein  Beden- 
ken getragen  hätte,  unangenehmer  Folgen  wegen  entweder  ganz 
unterdrücken  oder  ihn  doch  so  ermässigen,  dass  er  seine  Kraft 
und  Bedeutung  verliere,  der  Leser  also  statt  einer  anonymen, 
aber  Mahrhaften,  eine  zwar  namhafte,  aber  die  herbe  VVahr- 
heit  klüglich  umgehende  Kritik  hinnehmen  müsse,  Avogegen 
andre  sich  das  persönli(;he  Auftreten  eben  so  bereitwillig  zu  Nutze 
machen  Avürden ,  um  ihren  Begünstigern  und  Begünstigten,  Par- 
tisanen und  guten  Freunden  zu  nicht  geringerer  Beeinträchtigung 
der  Wahrheit  durch  nan^>liaf(e  Höflichkeiten  zu  huldigen,  und  sie 
zu  entsprechenden  Gegendiensten  aufzubieten:  der  Leser  aber 
verde  mm  immer  zuerst  nach  dem  imterzeichneten  Namen  sehn, 
und  durch  diesen  bestochen,  schon  im  Voraus  bey  sich  über  die 
Glaubliaftigkeit  des  Ürtheils  absprechen,  ohne  diesem  selbst  die 
gebührende  vorurtheilsfreye  und  selbstprüfende  Aufmerksamkeit 
zu  schenken. 

In  Bezug  auf  den  ersten  Theil  dieser  Einrede  müssen  Mir 
bekennen,  dass  er  uns  wie  alle  jene  Gemeinplätze  anmuthen  MiU, 
die  an  sich  eben  so  Aiel  Bichtiges  als  Unrichtiges  enthalten,  bey 
ilirer  Aum  enduug  auf  einen  bestinunten  Fall  aber  sofort  in  Nichts 
zergehn.  Sobald  unser  SchriftMesen  den  hohen,  von  aller  per- 
sönllcben  Zutliat  gereinigten  Standpunkt  erreicht  hat,  dass  sich 
kein  Schriftsteller  mehr  nennt,  sondern  ein  jeder  di»Sache  allein 
sprcclien  lässt.  Mird  die  Kritik  allerdings  mit  Bccht  und  Anstand 
denselben  (.'liarakter  annehmen.  Bis  dabin  aber  —  und  diese 
Zeit  litterariscber  Fntköi-j)ennig,  mcuu  sie  jemals  MÜnschens- 
werth  ist,  dürfte  doch  noch  in  unabselibarer  Ferne  liegen  — 
schliesst  jene  vorgebliche  Repräsentation  der  Sache  durcli  die 

2  * 


20  Einleitung- 

Anonymität  eine  Anmaassung  in  sich,  die  uns  um  so  widerwärti- 
ger erscheint,  je  leiser  sie  auftritt.  Denn  so  wenig  wir  gesonnen 
sind,  das  Vorhandenseyn  objectiver  Wahrheit  überhaupt  abzu- 
leugnen, so  glauben  wir  doch,  dass  es  den  Wenigsten  vergönnt 
ist,  ihrer  theilhaft  zu  werden,  und  dass  diejenigeH,  die  sie 
zu  besitzen  am  lautesten  behaupten,  grade  am  allerweitesten  von 
ilir  entfernt  sind.  Sowie  wir  daher  in  der  Nennung  des  Schrift- 
stellers auf  dem  Titel  seines  Werkes  das  olfne  Eingeständniss 
seiner  endlichen,  allen  Mängeln  und  Täuschungen  der  Realität 
unterworfnen  subjectiven  Natur  erblicken ,  so  scheint  uns  insbe- 
sondre der  Kritiker,  der  seine  ürtheile  ohne  Nennung  seines 
Namens,  also  nicht  in  eigner  Person,  sondern  als  Organ  der  Wis- 
senschaft oder  der  Wahrheit  zu  fällen  unternimmt,  sich  eine 
objective  Untrüglichkeit  anzueignen,  die  ilim  niemand  zugestehn 
kann,  wogegen  der  namentlich  Unterzeichnete  durch  diese  Ent- 
hüllung seiner  Subjectivität  dem  kundigen  Leser  mit  gebühren- 
der Bescheidenheit  den  Maassstab  an  die  Hand  giebt,  nach  wel- 
chem er  über  das  ausgesprochne  Urtheil  sein  eignes  wie  in  höhe- 
rer Instanz  ergehn  lassen  kann:  wobey  wir  voraussetzen,  dasg 
ein  kritisches  Institut  das  öffentliche  Urtheil  nicht  abschneiden 
oder  beengen,  sondern  durch  dargelegte  Thatsachen  begründen, 
anregen  und  beleben  will. 

Kein  grösseres  Gewicht  können  wir  der  Besorgniss  zuerken- 
nen ,  dass  die  Nennung  der  Namen  der  Offenheit  und  Freymü- 
thigkeit  der  Kritik  Eintrag  thun  werde.  Knechtische  und  um 
dienstfreundliche  Erwiederung  bettelnde  Lobhudeleyen  hangen 
so  wenig  von  der  Verschweigung  wie  von  der  Unterzeichnung 
des  Namens  ab,  sondern  einzig  von  der  Gemeinlieit  dessen,  der 
sich  solcher  Künste  befleissigen  mag :  denn  auch  der  Ungenannte 
hat  ja  Mittel  genug  in  Händen,  demjenigen  sein  Antlitz  nnver- 
larvt  zu  zeigen,  dem  seine  WeUirauchspenden  gewidmet  sind. 
Der  Untersclded  liegt  bloss  darin,  dass  der  Ungenannte  solchen 
Unfug  mit  mehr  Sicherheit,  mit  minderer  Gefahr  entdeckt  zu 
werden  und  dadurch  seines  ganzen  Zweckes  zu  verfelden,  ver- 
üben kann,  dass  aber  der  Namhaftgemachte  gleich  beym  ersten 
erklecklichen  Versuche  sich  selbst  zusammt  seinem  Helden  dahin 
stellen  wiirde,  wohin  er  gehört;  sodass  diesen  Umtrieben  gar 
nicht  wirksamer  wiirde  gesteuert  werden  können  als  durch  Ab- 
schaffung aller  Anonymität. 

Ungefähr  dieselbe  Bewandtniss  hat  es  mit  der  kräftigen 
Rücksichtslosigkeit  im  Tadeln.  Nicht  selten  liegt  diese  einem 
grossen  Thgile  nach  in  der  unumwunden  derben  Art  des  Aus- 
druckes ;  und  w  enn  die  Beseitigung  der  Namenlosigkeit  dahin 
wirken  könnte,  dass  die  Kritik  sich  bey  gleich  strengem  Verfah- 
ren im  Wesentlichen,  in  unbefangner  Gradheit  des  Sachurtheils, 
mehr  als  bisher  oft  geschehen  ist,  milder  und  schonender  For- 
men beflisse,    so  würde  daran  wolü  eben  so  wenig  der  unbe- 


Einleitung.  21 

theiligte  Leser  als  tier  bciirtlieiUe  Schriftsteller  etwas  auszu- 
setzen liaben:  vielmehr  wiirtle  eine  Menge  kleinlicher  Fehden 
wes^fallen  und  der  allgemeine  litterarische  Anstand  auch  b«;y  uns 
gewinnen,  der  z.  B.  das  Pariser  Journal  des  savans^  in  wel- 
chem gleichfalls  kein  Verschweigen  der  Namen  gestattet  Avird, 
bey  ungemeiner  Gründlichkeit  der  Krilikeu  aufs  ehrenvollste 
auszeichnet. 

Denjenigen  hingegen,  der,  mo  er  sich  zu  nennen  nicht 
umhin  kann,  aus  Furcht  vor  aufgebrachten  Verfassern,  vor  erbit- 
terten Verlegern  oder  vor  aufgestörten  Wespennestern  ganzer  in 
Ehler  Person  beleidigter  Parteyen  und  Zusammenrottungen,  vor 
Antikritiken  und  den  Repressalien  liämischer  Gegenbeurtheihm- 
gen  seiner  eignen  Schriften,  der  gebührenden  Schärfe  eines  reif- 
lich erwogenen  Saclmrtheils  auch  nur  ein  Jota  zu  entziehn  im 
Stande  wäre,  einen  solchen  würden  wir  nicht  bloss  für  alle  Kri- 
tik verdorben  achten,  sondern  wir  würden  uns  überhaupt  von 
ilun  nie  etwas  für  die  Wissenschaft  wahrhaft  Erspriessliches  ver- 
heissen  können.  In  den  philologischen  Studien  wenigstens ,  in 
denen  kein  Schritt  ohne  rüstige  Ausübung  kräftiger  Kritik  gethan 
werden  kann,  wo  man  jeden  Augenblick  darauf  gefasst  seyn 
rauss,  andern  Gelehrten  mit  Bestimmtheit  entgegen  zu  treten, 
und  was  sie  gemeint  haben  zu  verwerfen,  wlirde  dieser  Behut- 
same es  vor  lauter  ungehörigen  Rücksichten  niemals  zu  etwas 
Tüchtigem  bringen,  und  in  andern  Gebieten  des  Wissens  wird 
sichs  unstreitig  ebenso  verhalten.  Wer  also  nur  in  anonymen 
Recensionen  den  Muth  zu  liaben  glaubt,  gerechten  Tadel  unge- 
scheut  auszusprechen,  der  bleibe  lieber  ganz  davon.  Diese  Be- 
klommenheit, die  die  wahre  schlechte  Persönlichkeit  und  der 
Tod  aller  Wahrheit  ist,  würde  auch  in  seinem  Versteck  nicht  von 
ihm  weichen,  und  seine  Worte  hemmen.  Denn  wer  sagt  ihm 
gut  dafür,  dass  er  nicht  unter  der  schlausten  Verlarvung  dennoch 
heraus  erkannt  wird*?  imd  Aviihnt  er  es  dann  besser  zu  haben, 
als  wenn  er  gleich  anfangs  offen  zu  Wei'ke  ging?  Ueberdiess, 
wer  kann  wegen  der  Folgen  einer  Recension  besorgt  seyn ,  wenn 
er  sich  selbst  das  Zeugniss  geben  darf,  mit  ridiiger  Umsicht  und 
Parteylosigkeit  geurtheilt  zu  haben'?  Wer  sich  nicht  über  An- 
feindungen zu  erheben  Aveiss ,  in  die  er  mit  Ehren  gerathen  ist, 
der  bleibe  ja  von  allem  öffentlichen  Leben  und  Wirken  fern:  wer 
keinen  Tadel,  nicht  einmal  unverdienten,  ertragen  kann,  ist  auch 
des  Lobes  nicht  Averth. 

üeber  die  AVirkung  namhafter  Kritik  auf  den  Leser  haben 
wir  nur  weniges  zn  bemerken,  Ist  er  einmal  gewohnt,  das  eigne 
ürtheil  zu  snspendiren,  so  findet  die  Nennung  der  Namen  an 
ihm  nichts  mehr  zu  vertlerben :  indess  ist  es  immer  noch  besser, 
einem  gekannten,  als  einem  nicht  gekannten  Führer  nachzutreten. 
Wer  aber  sonst  selbst  prüft,  Avird  es  nur  desto  gründlicher  und 
schärfer  Ihun,  Avenn  der  Name  des  Recensenteu  ilmi  dabey  de« 


22  Einleitung. 

Staiulpuiikt  2eigt,  von  dem  eüie  solche  Metakritik  am  scliicklich- 
steil  ausgeht. 

Lassen  Avir  mm  auch  hier  die  Erfahrung  der  letzten  Jahr- 
zehende mitsprechen,  so  wird  sie  zu  dem  Eugebniss  fuhren,  dass 
grade  von  den  kräftigsten,  durclulachtesten  und  eingreifendsten 
ßeurtlieiiungen  pliilologischer  Werke  die  Urlieber  sicli  entweder 
sofort  selbst  kund  gegeben  oder  doch  diess  nur  darum  unterlassen 
haben,  weil  sie  mit  Recht  voi-aussetzen  konnten,  dass  sie  ohne- 
hin einem  jeden  auch  ohne  Namensnennung  kenntlich  seyn  wiir- 
den,  w  elches  letztere  insbesondere  auf  Hermanns  Kritiken  in  der 
Leipziger  Litteratnrzeitimg  bezogen  Averden  mag. 

Darf  der  Verfasser  dieser  Zeilen  bey  diesem  Anlass  auf  die 
zwanzig  Jahre  zurücksehn,  während  welchen  er  sich  auf  dem 
Felde  der  litterarischen  Kritik  mit  gänzlicher  Entäusserung  aller 
persönlicher  NebenrVicksichten  und  mit  wenig,  hier  und  da  viel- 
leicht mit  zu  wenig  Aengstlichkeit  in  der  Wahl  der  Ausdrücke, 
wenn  sie  nur  seiner  Ueberzeugung  entsprachen,  versucht  hat, 
so  muss  er  auch  jetzt  noch  in  reiferm  Alter  bekennen,  dass 
es  ilm  noch  nie  gereut  hat,  stets  der  Ansicht  gefolgt  zu  seyn, 
die  er  hier  zu  entwickeln  und  zu  rechtfertigen  versucht 
hat  *).  Allerdings  hat  er  sich  dadurch  den  wie  es  scheint  un- 
sterblichen Ilass  von  zwey  bis  drey  Schriftstellern  zugezo- 
gen, denen  unangenehme  Wahrlieiten  grad  heraus  zu  sagen 
er  keinen  Anstand  genommen  hatte ,  und  diese  haben  nicht  er- 
mangelt, in  leidenschaftlichen  Schmähungen,  ja  in  gemeinen 
Schimpfereyen  dafür  eine  ihrer  würdige  Rache  zu  nehmen  *♦). 
Aber  auch  abgesehn  davon,  dass  dergleichen  Paroxysmen  den 
unwiderleglichsten  Beweis  führten,  wie  richtig  der  eigentlich 
faule  Fleck  getroffen  sey,  waren  denn  doch  der  angenehmen 
Erfahrungen  bey  weitem  mehrere ;  auch  hat  der  Verfasser  nicht 
eben  bemerkt,  dass  jene  Ausbrüche  sonst  wem  Unehre  gebracht 
hätten  als  iliren  Verfassern,  oder  dass  durch  sie  die  öffentliche 
Meinung  gegen  die  Wahrhaftigkeit  seines  Urtheils  eingenommen 
woi'den  wäre.  Man  Avusste  ja,  woher  diese  Thränen !  Und  über- 
haupt ist  gar  nicht  zu  zweifeln,  dass  die  Achtung  und  Anerken- 
nung solcher  Männer,  deren  Beyfall  wahrliaft  ehrt,  mit  der 
Offenlieit,  Gründliclikeit  und  Gerechtigkeit  des  Urtheils  immer 


*)  Nur  mit  einigen  Ausnahmen  von  mehr  schönwissenscliaftlicher 
als  wissenschaftlicher  Art ,  die  auch  alle  ohne  weitere  Beachtung  gc- 
hliehen  sind. 

**)  Als  Beweis  des  Gesagten  gnügt  der  Huschkcschc  Tibull,  zusam- 
men gehalten  mit  meiner  Recension  in  der  Jenaer  Litt.  Ztg.  1815 
Nr.  203,  204,  in  welcher  Eins  und  das  Andre  über  den  Geist  oder  Nicht- 
geist  der  Husclikeschen  Kritik  zuerst  geurtheilt  ist,  was  seitdem  meh- 
rere geurtheilt  haben. 


E  i  n  1  e  1 1  u  n  {j^.  23 

und  überall  gleichen  Schritt  halten  Mird.  Die  beiden  letzten  Tu- 
genden aber  lieben  die  erste,  >veil  sie  sie  nicht  zu  scheuen 
brauchen.  — 

SoA  iel  über  die  grössere ,  eigentlich  kritische  Hälfte  unsrer 
Jahrbücher. 

Für  die  andere,  kleinere  Abtheilung  sind  theils  Nach- 
richten aus  der  gelelirten  A\eU,  über  Lehranstalten  und  Ge- 
lela-te,  theils  Abhundlnn^cn  ))hilologischen  und  pädagogischen 
Inhalts  bestimmt.  Ueber  jene  ist  hier  nur  zu  sagen,  dass  sie  bey 
weitem  nicht  so  sehr  auf  Vollständigkeit,  als  auf  Avirkliches  In- 
teresse lur  den  wissenschaftlich  gebildeten  Leser  berechnet 
sind.  Die  Gegenstände  der  Abhaudliuigen  shid  hinreicliend  be- 
zeichnet durch  dasjenige,  was  bereits  über  die  Natur  der  zur 
Beurtheilung  zuzulassenden  Schriften  angedeutet  ist.  Es  geht 
daraus  hervor,  dass  ihnen  zwar  das  ganze  Gebiet  des  gelehrten 
Schulwesens  offen  steht,  dass  aber  auch  hier  die  höhere  pliilo- 
logische  llichtung  durchaus  die  vorwaltende  seyn  und  bleiben 
soll.  Da  jedoch,  auch  so  noch  ein  inicrmesslich  weiter  Spielraum 
übrig  bleibt,  scheint  es  nöthig,  hier  gleich  vornweg  zu  erklären, 
dass  in  der  Ausw  ähl  der  Abhandlungen ,  die  eben  sowohl  Latei- 
nisch als  Deutsch  geschrieben  seyn  dürfen,  die  grösste  Strenge 
wird  beobachtet  w erden  müssen,  und  dass  daher  nur  solche  Bey- 
Iräge  Aufnahme  finden  können,  die  bey  einleuchtender  Wichtig- 
keit des  Gegenstandes  sich  durch  Form  und  Inhalt  gleich  vortheil- 
haft  auszeichnen.  Es  würde  sonst  leicht  der  Fall  eintreten  kön- 
nen, dass  der  kritische  Theil,  der  stets  als  der  Ilaupttheil  be- 
trachtet werden  wird,  durch  eine  ungebührliche  Beschränkung 
des  Raumes  seiner  Bestimmung  gänzlich  verfehlte:  überdies» 
wünschen  wir  auch  den  Schein  zu  vermeiden,  als  w ollten  wir  in 
den  Plan  und  gleichsam  in  die  Gerechtsame  schon  bestehender 
nützlicher  Institute  eingreifen.  Wir  wollen  daher  auch  sogleich 
bemerken,  dass  unveränderte  Wiederholungen  schon  einmal  ge- 
druckter Sachen  *) ,  Vergleichungen  von  Handschriften ,  Nach- 
träge zu  Griechischen  luid  Lateinischen  Wörterbüchern,  insofern 
sie  blosse  Wörterlesen  sind,  Griechische  und  Latfciuisclie  Verse, 
wenn  sie  nicht  iui  Ijöhern  Sinne  Gedichte  zu  heissen  verdienen, 
ferner  ausführliche  Schiilnachrichten,  die  nur  das  geben,  was 
so  ziemlich  alle  Schulen  jnit  einander  geniein  liaben,  pädago- 
gische Projecte  und  AniVagen  über  Methoilcn,  zu  deren  Beant- 
wortung kein  Kaum  vorhanden  ist,  in  der  Regel  ausgeschlossen 
bleiben.  — 


*)  J]s  mütJ.-le  (Icmi  seyn ,  das«  sie  bey  ihrem  ersten  Erscheinen 
weni^  oder  nicht  allgemein  bekannt  worden  sind,  dieses  Bekanntwer- 
den aber  ilures  zcit^üiuääeiün  lulialta  oder  allg;cinchien  Interesses  wegen 
verdienen.  Ja/tn. 


24  Eiuleitung. 

Zweck,  Gegenstand,  Umfang  nnd  Charakter  dieser  Jahrbü- 
cher, so  wie  sie  sich  beym  ersten  Entwürfe  des  Plans  mehreren 
darüber  zu  Ratlie  gezogenen  Gelehrten  dargestellt  liaben,  wer- 
den durch  das  Gesagte  zur  Genüge  bezeiclmet  seyn.  Es  sind 
damit  zugleich  die  Ilauptmomente  angedeutet,  in  denen  die  neue 
Zeitschrift  sich  von  andern  verwandter  Art  unterscheiden  wird. 

Doch  bemerkt  der  Unterzeichnete  ausdrücklich ,  dass  er, 
zur  Abfassung  dieser  Einleitung  aufgefodert,  siclis  zwar  hat 
angelegen  seyn  lassen,  die  Ansicliten  seiner  Freunde  in  mög- 
lichster Reinheit  wiederzugeben,  dass  er  aber  weit  davon  entfernt 
ist,  dadurcli  irgend  einem  Mitarbeiter  vorgreifen  oder  gar  allen 
eine  Norm  aufstellen  zu  wollen,  ob  es  ihn  gleich  freuen  wird,  wenn 
recht  Viele  in  vielen  und  den  wesentlichsten  Dingen  mit  ihm 
übereinstimmen  sollten. 

Dass  die  Ausfühnmg  dem  Entwürfe  nach  Möglichkeit  ent- 
spreche, liegt  nun  freylich  nicht  mehr  in  den  Händen  weder  des 
Verlegers,  noch  des  Herausgebers :  es  hangt  von  dem  wohlwol- 
lenden thätigen  Zusammenwirken  der  Mitarbeiter  ab,  das  hiemit 
zutrauensvoll  in  Anspruch  genommen  eey. 

Breslau  im  März  1826. 

Franz  Passow. 


Oriccliische  Litteratur. 


1)  UavCavlov  'EXXadog  JJsQiij'y^öig.  Des  cription 
de  la  Grece  de  Paus anias.  Traduction  nouvcUe  avec 
le  texte  grec  collationne  sur  les  manuscrits  de  la  hibliotheque  du 
roi,  par  M.  C/auicr,  membre  de  l'institut  et  professeur  an  College 
royal  de  France,  dedie  au  Roi.  T.  J.  Paris  1814.  8.  XV  und  599  S. 
T.  U.  1817.  497  S.  T.  III.  1820.  VII  und  429  S.  T.  IV.  1820.  585 
und  VI  S.  T.  V.  1821.  449  S.  T.  AI.  1821.  S.  450—551  und  XXUI, 
nebst  258  S.  Register.  Preis  jedes  Bandes  10  Frauken  für  die  Sub- 
ecribenten,  für  die  Andern  15  Fr. 

2)  Uavöaviov  'EXlädog  ÜSQLi^'yrjöLg.  Description 
de  la  Grece  de  Pausa?lias.  Traduction  nouvelle  avec  le 
texte  grec  etc.  par  M.  Ciavier.  Supplement.    Paris  1823.  246  S.  8. 

Jeder  Band  von  N.  1  enthält  zwey  Bücher  des  Pausanias,  der 
sechste  den  Rest  des  zehnten  mit  den  Registern :  den  Inhalt  des 
Supplementes  maclicn  Anmerknngen  von  Ciavier  aus.  Ktienne 
Ciavier  frülier  Conseiller  au  Chätelet  de  Paris  et  Juge  eii  laCour 
de  Justice  Criminelle  seant  a  P«/7sbe\viess  schon  durch  seine  mit 
Anmerkungen  ausgestattete  Ausgabe  des  Apollodoros  y\\e  durch 
seine  Histoire  des  premiers  tems  de  la  Grece  die  Möglichkeit  ei- 
ner engern  Verbindung  der  juiistischen  Beschäftigungen  mit  dem 
Studium  der  classischen  Litteratur.  Als  Ludwig  dem  Throne 
Heinrichs  wiedergegeben  war,  w^rde  Ciavier  Mitglied  des  Insti- 
tutes und  Professor  au  College  Royal  de  France,  und  nun  Hess  er 
diese  Ausgabe  des  Pausanias  hervoitreten ,  wovon  er  aber  nur  die 
beyden  ersten  Bände  im  Druck  vollendet  sah ,  denn  er  starb  im 
November  1817.  In  der  Vorrede  des  3ten  Bds.  zeigten  A.  Bohee 
(Buchdrucker)  und  /.  her  amber  t.^  die  sich  nun  Herausgeber 
nannten,  an :  „  MM.  Daunon.,  Cordt  et  Courier  contiiment  ä  don- 
ner  leurs  soins  a  notrc  edition.  —  Nous  avons  suivi  scrupuleuse- 
ment  le  manuscrit  que  M.  Ciavier  a  fait  copier  et  qu'U  a  corrigd 
de  sa  main. '-''  Von  Daunon  und  Courier  findet  man  nichts  unter 
iliren  Namen  in  dieser  Ausgabe,  obgleich  auch  in  Deutschland 
Courier  als' Fortsetzer  derselben  angekündigt  worden  war:  von 
Coray  wird  nacliher  gesprochen  werden.  Ciavier  hatte  diese 
Ausgabe  des  Pausanias  schon  ün  Januar  1808  durch  eine  Probe 


26  Grleciiische    Littcratur. 

unter  tlem  Titel  angekündigt :  Description  de  la  Grece^ 
par  Pausanias.  Nouvelle  edilion^  revue  et  corrigce  sur  fes 
vittuuscrits  de  la  hibliütheque  Imperude.  Avec  iine  tradnction 
f/anqaise  et  des  notes  pur  E.  V In  vier.  T.  I.,  >vovoii  sogleich 
im  Magasin  encydopsdiqne  T.  II  Mars  1808  p.  184  mit  folgen- 
den Worten  dem  Publicum  Nachricht  gegeben  wurde:  „Le  l'ro- 
spectus  d'une  nomelie  edition  de  Pausanias  Aient  de  paroitre  sous 
le  nom  de  M.  Ciavier.  II  doit  y  joindre  une  traduction  et  des  no- 
tes ,  et  paroit  n'avoir  rien  neglige  pour  obtenir  un  texte  pur  et 
correct.  Au  prospectus  sont  jointes  pour  modele  une  page  de 
grec,  une  page  de  traduction  et  une  page  de  notes. '•'•  Mit 
dieser  Probe  Avar  auch  verbunden  eine  j!7^o>c7/'|0u|t g  in  neu- 
griechischer Sprache  auf  4  Octavseiten.  Hier  wird  erstlich 
über  die  frühern  Herausgeber  des  Pausanias  bemerkt:  „%a- 
vsls  djid  tovg  laöotag  Öav  zvtvxv^öe  va  TtaQaßah]  dmiyga- 
<pa.  Kai  avTog  6  0d%iog — dlv  lötdd'r]  avtoTttrjg  zcov  dvTiyQcc- 
fpav  to  onolov  sivai,  [xsya  dtvxrj^ia ,  IjiELÖrj  xd  ofifidzia  xov 
iüdotov  Bivau  noXv  o^vtSQcc,  tcuqu  tov  dnläg  dvxLyQdcpovtog 
zdg  dLaq)6Q0vg  yQucpdg.'^  leider  nur  zu  wahr!  Dann  spricht 
Clavier  \on  sich:  .,^T6  jcqcoxov  eQyov ,  slg  xd  bnolov  tTCQhne  vd 
ccöxolrjd'ä ,  löxdQ'r}  r]  dtoQd'coöLg  xov  kbl^bvov  ,  did  xrjv  oTiolav 
IgEvvrjöa  xsööaQaxrjg  y^vxoxQaxoQLxijg  ßißho9^X7]g  dvxtyQacpa. 
(von  welchen  er  wieder  in  der  Vorrede  des  Istenlids.  seiner  Aus- 
gabe spricht.)  —  "E^a  xovxcov  EQevvrjöa  ola  xcov  HQixcKcov  xd 
övyygdii^axa,  %al  aövvdd'QOiöa  ö^ag  xdg  oTicogÖtjotoxs  Tttd'avdg 
ÖLOQd^cjöeLg'  (nur  nehme  man  das  ola  nicht  im  strengern  Sinne) 
^kaßa  xal  xivdg  dno  (piX6Xoyov"EXXY]va  ,'  xov  KoQafjv."'  Hier- 
auf erwähnt  er  seine  zehnjährige  Beschäftigung  mit  dem  Pausa- 
nias und  sein  Studium  der  alten  Geschichte  und  Mythologie,  und 
dann  setzt  er  hinzu:  „z/ta  xavxa  IkTclt^Gi  ort  7]  txdoöLg  xov  hsl- 
[isvov  %kXEi  elö&ai  noXv  OQ&axBga  nagd  xdg  ^i%gL  t-^g  Gr'j^E- 
QOV  drj^oöuv&ELöag  EzdoöEf^g.'"''  Weil  aber  Pausanias  ein  classi- 
scher  Schriftsteller  für  die  Künstler  sey,  da  er  die  Denkmäler  der 
Kunst  jeder  Gattung  ausführlicher  beschrieben  habe,  so  habe  er 
die  grösste  Sorgfalt  bey  seiner  Uebersetzung  darauf  ^  erwendet, 
dass  Pausanias  in  der  Uebersetzung  nichts  anders  sey,  als  im 
Texte.  Die  Noten,  welche  er  hinzufügen  wollte,  sollten  sich  theils 
auf  den  Text  selbst,  theils  auf  die  Gegenstände,  wovon  Pausa- 
nias redet,  beziehen.  In  den  erstem  wollte  Clarler  1)  Rechen- 
schaft von  seinen  Text^eränderungen  geben;  2)  die  Veränderun- 
genanzeigen, die  nach  seiner  Meinung  noch  zu  machen  wären ;  3)  <Iie 
Ursachen  andeuten,  warum  er  in  manclien  Stellen  von  andern  In- 
terpreten abgewichen  sey.  Die  andere.  Classe  von  Anmerkungen 
sollte  Erläuterungen  der  Geschichte,  Geographie  und  Kunst,  und 
zwar  eigene  und  von  Andern  gegebne  onthalten,  die  er  durch  die 
von  Visconti  versprochenen  zu  vermehren  gedachte.  Die  durch 
den  Krieg  herbeygeführten  Umstände  vereitelten  diesen  schönen 


P  a  u  s  a  n  i  a  s    V  0  n    C 1  a  V  i  e  r.        '  27 

Plan;    deswefi:en  sasjt  Ciavier  in  der  Vorrede  zum  IstenUde.: 
„il  a  falUi  se  conronnev  au  Icmps,  cu  rctraucliant  tont  ce  qiii  u'c- 
toit  pas  triinc  iK-cessiti'  iiulispcnsable.'-'-     Was  wir  noch  von  Aii- 
merkuiiffon  erliallen  liabtMi,  i^«t  in  dem  Supplement  entliaUen,  \vo- 
^o\\  nariiher.    Ausserdem  »ollte  Ciavier  seiner  UeJierselzung  noch 
anhänireii  eine  auf  ein  neues  SnsU'ui  gebaute  Chronologie  der  Hel- 
lenischen Geschichte  von  den  ältesten  Zeiten  an,  und  ein  lün fla- 
ches Register  1)  derKVmstler  mit  ihrer  Biographie,  2)  der  Kunst- 
werke, die  Paus,  erwähnt,  3)  der  Schriftsteller,  die  Paus,  citirt, 
mit  ihrer  IJiographie  nnd   der  Geschichte  ihrer  Schriften,  4)  ein 
geograpliisches,     5)  ein  allgemeines.      Ein  Griechisches   Wort- 
register Avui'de  nicht  für   nöthig  gehalten :    die  Deutschen  den- 
ken hieriiher  anders.     Die  dieser  UgoKr^Qv^jg  heygefiigte  Probe 
des  Textes  und  der  Uebersetzung  giebt  den  Anfang  des  IstenCa- 
pitels  der  Attika;  ilir  Druck  aber,  der  kleiner  und  enger  als  in 
der  Ausgabe  selbst  ist,   weicht  auch  darin  von  ihr  ab,  dass  bey 
den  'l^extesw  orten,  über  die  etwas  angemerkt  werden  sollte,  nach 
alter  übler  Gewohnheit  Zahlen  stehen,  die  auf  die  Noten  verwei- 
sen.    Diese  Zahlen  sind  nun  zwar  in  den  beyden  ersten  Bänden 
der  Ausgabe  weggelassen,  weil  ihr  die  Anmerkungen  fehlen,  da- 
für stehen  aber  in  dem  Texte  der  Ausgabe ,    nicht  weniger  miss- 
fällig für  das  Auge,     bey  den  verändeiten  Lesarten  Lateinische 
Buchstaben  (von  dem  StenBde.  an  wieder  Zahlen),  die  auf  dennn- 
tern  Band  der  Seite  verweisen,   wo  unter  denselben  Buchstaben 
(nacldier  Zahlen)  die  alten  Lesarten,  d.h.  der  Ausgabe  \on  Facius^ 
angegeben  sind.    Ciavier  hat  also  seinen  Plan  so  abgeändert,  dass 
er  zuerst  nur  den  Text ,    ihm  zur  Seite  die  Französische  Ueber- 
setzung, und  unter  ihm  die  herausgeworfenen  Lesarten  nebst  Nacli- 
weisungen  der  Homerischen  Stellen,  die  Pausan.  anführt,  abdruk- 
ken  liess ,    die  Anmerkungen  aber  besonders  nachliefern  wollte. 
In  der  Probe  ist  z.B.  folgende  Stelle  so  gedruckt:  ^^XaQa-na  Ißd- 
Xero  TIoctQO/iXos,  ög  tQLTjQrjöiv  ininX^L  (1)  vavaQioq  Alyvnxi- 
aig,    cis  nvokeiiccLog  6  [Ilrolsnaiov]  (2)  rov  Adyov  TL^aQBtv 
^ötsiksv  'A^Yivaloig.''^  Die  dazu  gehörenden  Noten,  die  wir  eben- 
falls als  Probe  mittheilen,  sind:    „(1)  J'ai  niis,  d'apres  le  manu- 
ecrit  de  \  ienne,  i%inku  au  lieu  de  vninXu  que  portoient  toutes 
les  e'ditions  pre'cedentes,  et  qui  ne  peut  pas  con\enir  ici  puisqne 
Patrocle  commandoit  en  chef.''  Diesen  Grund  hatten  wir  nicht  er- 
wartet. „(2)  J'ai  ajoute  entre  deux  crochets  [Ut olBiicdov]^  nons 
Terrons  en  elf  et  ei -apres  (Chap.  MI.)  que  ce  fut  Ptoleme'e  Phlla- 
delphe,  lils  de  Ptole'me'e  lils  de  Lagus,  qui  envoya  Patrocle  au  sc- 
cours  des  Atheniens. "     Hierüber  weiter  unten.      In  der  Ausgabe 
selbst  steht  nur  zwischen  rQDjQrjöb  und  ijiinKu  das  a  und  am 
Kaude:  a  'TTCtnln. 

In  Frankreich  eilte  man  sclion^von  dem  ersten  Bande  dieser 
neuen  Ausgabe  desPausanias  das  Publicum  inlveimtniss  zu  setzen, 
und  es  erscliieu  bald  zu  London  eine  aus^führliclie,  sehr  lobende 


28  Griechische   Littcratur. 

Recension  in  Französischer  Sprache  unter  der  Aufschrift :  Ana- 
lyse du  premier  volume'  du  Pausanias  de  M.  Ciavier  par  A.  Le- 
tronne  im  Classic.  Journal  No.  XXVI  forlune  181ß  pag.  316  — 
331.  Denn,  sagt  Letronne:  „il  vaut  niieux  donncr  des  ä  present 
au  public  une  ide'e  de  la  maniere  dont  tont  l'ouvrage  sera  traite, 
als  den  2ten  oder  gar  letzten  Band  abzuwarten. '-*■  Da,  so  viel 
wir  wissen ,  von  dieser  Ausgabe  des  Pausanias  öffentliche  Blätter 
in  Deutschland  sehr  wenig-  gesprochen  haben,  so  dürfte  wohl  diese 
unsere  Anzeige  für  manchen  nicht  zu  spät  kommen.  Dass  aber 
die  gelehrten  Schulmänner  unsers  Vaterlandes  auch  von  den  neue- 
sten Ausgaben  des  Pausanias  Kenntniss  zu  nehmen  wünschten, 
war  an  und  für  sich  vorauszusetzen,  wenn  auch  nicht  einige  Le- 
sebücher, z.  B.  die  Hellefiica  und  Poppos  Chrestomatlde^  Stellen 
aus  diesem  Schriftsteller  enthielten.  Denn  man  AVeissja,  wie 
M  ichiig  er  für  Geographie ,  Geschichte ,  Archäologie  und  selbst 
fiir  die  Sprache  ist,  da  er  die  Besseren  nachzuahmen  sich  be- 
mülite,  und  wie  viel  die  Ausgabe  von  Facius  zu  wünschen  übrig 
liess. 

Für  wen  Ciavier  diese  seine  Ausgabe  des  Pausanias  be- 
stimmte, deuten  diese  Worte  seiner  J7(00Jcr}pv|tS  hinlänglich  an: 
„  niötBva  ort  acpslä  o%i  (lovovg  tovg  ts%VLTag,  Öicc  rovg  oTtoi- 
ovg  o  IJavöavtag  üvai  ßißXlov  'ulaöGiKOV ,  aKlci  y.ul  tovg  cpi- 
AoAdyofg  %al  tovg  6o(povg ,  7iQog(pEQCov  vaav  xal  ^stäcpQaöiv 
xal  SKÖGöLV  tov  XEL^svov  Tov  Ilavöaviov.'^  INach  imserm  Ur- 
theil  Avird  diese  Ausgabe  nicht  so  leicht  Schidmänner  an  Deutschen 
Gelehrten-Schiden  als  die  Classen  des  Französischen  Publicums, 
welchen  Clav,  durch  diese  Arbeit  nützen  wollte,  befriedigen :  den 
schön  gedruckten  Griechischen  Text  begleitet  eine  neue  mit  Sorg- 
falt gearbeitete  Französische  üebersetzung,  aber  die  Constitui- 
rung  des  Textes  selbst  ist  nicht  mit  der  strengen  Genaxiigkeit 
und  Behutsamkeit  durchgeführt  worden,  die  von  einem  Deutschen 
Herausgeber  gefodert  wird.  Clav,  hat  die  Ausgabe  von  Facins 
zur  Basis  der  seinigen  gemacht,  und  die  Lesarten  der  erstem, 
von  welchen  er  abweicht,  auf  dem  untern  Rande  der  Seiten  an- 
gegeben. In  der  Vorrede  zum  Isten  Bde.  nennt  er  die  Ilülfsmit- 
tel,  die  er  zur  Berichtigung  des  Textes  gebraucht  habe :  es  sind 
1)  ausser  den  Lesarten,  die  Facins  aus  seinen  Handschriften  an- 
geführt hat,  vier  Pariser  Codices  NN.  1399,  1400,  1410,  1411, 
und  der  des  Phralites ;  2)  die  üebersetzungen  von  Amasius  und 
Lösche?'^  aber,  was  zu  bedauern,  nicht  die  von  Gohlhagen.,  weil 
er  das  Deutsche  nicht  verstand.  Wo  nun  aber  bey  einem  offen- 
bar verdorbenen  Texte  diese  Hülfsmittel  keine  Hülfe  gewähr- 
ten, da,  sagt  er,  „je  me  suis  permis  de  le  corriger  par  des  con- 
jectures ; "  denn,  fährt  er  fort,  „  si  j'avois  eu  ä  traduire  Pausa- 
nias en  latin,  je  rae  serois  tire  d'affaire  en  rendant  mot  pour  mot 
ce  que  je  n'aurois  pas  compris.  Mais  il  n'en  est  pas  de  meme  en 
franyois ,  11  faut  offrir  au  lecteur  un  seus  laisoiiuable ,  et  lorsque 


P  a  u  s  a  n  i  a  B   V  0  n  C 1  a  V  i  c  r.  29 

Ic  texte  nen  est  susceptiblc,  on  se  voit  bien  clans  la  nccessite  de 
le  corriger.  '■''  Eine  vor  l*'ranzö.sisclica  Tribiiiialeii  vielleicht  gül- 
tige Entschuldigung.  IJeber  die  Lücken  im  Texte  erklärt  er  sich 
also:  „J'ai  renipli  Ics  lacunes  par  des  mots  places  entrc  des  cro- 
chets  (movou  in  der  Folge)  ou  je  les  ai  indiquees  par  des  asteri- 
ques.  (  Dies  ist  nicht  gescliehen,  z.  B.  in  Eliac.  prior.  Cap.  XIV,5. 
Aber  hier  ist  in  der  L'ebersetzung  die  Lücke  auszufüllen  versucht 
worden.  Eben  dasselbe  ist  zu  sagen  vonArcad.21,2.)  Elles>ien- 
nent,  pour  la  plupart,  de  ce  que  les  manuscrits  que  nous  avons, 
ont  tous  cte  copies  d'apres  un  ancien  exemplaire  tellement  altere 
par  les  injurcs  du  tonips,  que  piusieurs  niols,  et  quelquefois  me- 
me  des  plirases  enlieres  ne  pouvoicnt  plus  s'y  lire. '•^  Uebrigens 
meint  er,  dass  sie  zwar  zalüreich  seyen  diese  Lücken,  (wieMohi 
nach  unsrer  tk'berzeugung  man  öfter  glaubte  im  Pausan.  Lücken 
zu  finden  wo  keine  sind)  aber  im  Allgemeinen  nicht  von  Bedeu- 
tung, und  dass  es  gewöhnlich  ziemlich  leicht  sey  ('?)  das  Fehlende 
zu  suppliren.  Da  bey  uns  Deutschen  vorzüglich  nur  das  in  Frage 
kommen  kann,  w  elcher  kritische  Werth  dieser  Ausgabe,  die  bloss 
den  Text  mit  Uebersetzung  enthält,  zugeschrieben  werden  müsse, 
so  glauben  wir  auch  unsre  Anzeige  ^ornemlich  auf  die  Beantwor- 
tung dieser  Frage  einschränken  zu  müssen.  Bey  dem  Tadel,  den 
wir  dem  Lobe  beyzumischen  uns  genöthiget  sahen,  vergassen  wir 
doch  nicht  der  jVJilde,  aufweiche  der  Todte  Anspruch  hat,  der 
sich  nicht  mehr  vertheidigen  kami. 

Wir  leugnen  nicht,  ja  Avir  erkennen  es  freudig  an,  dass  Cia- 
vier in  \  ielen  Stellen  einen  richtigem,  hin  und  w  ieder  einen  voll- 
ständigem Text  gegeben  liat  als  Focius^  müssen  aber  auf  der  an- 
dern Seite  hekeuuen ,  dass  im  Ganzen  genommen  der  Text  in 
Cluviers  Ausgabe  hoch  keineswcges  so  gereinigt  und  verbessert 
erscheint ,  dass  er  den  auch  unter  uns  gespannten  Erwartungen 
entspräche.  Was  wir  diesem  Herausgeber  des  Pausanias  beson- 
ders zum  \orwurf  machen  müssen,  ist,  1)  dass  er  so  manche  ver- 
dorbene Les-  und  Schreibart  nicht  verbessert,  2)  dass  er  den  Text 
durch  viele  willkührliche  Einschaltungen  sogar  verschlimmert  hat, 
3)  dass  er  zu  geneigt  gewesen  ist,  Conjccturen  in  den  Text  auf- 
zunehmen. Hinreichende  Belege  für  diese  drey fache  Beschuldi- 
gung, die  wohl  selbst  der  w  ackere  Letronne  nicht  ungerecht  nen- 
nen wird,  bieten  die  beyden  ersten  Bücher  des  Pausanias  dar. 

] .  \  crdoi'bene  Les  -  und  Schreibarten,  die  Clavier^  wie  er  sie 
fand,  stehen  gelassen  hat,  sind  im  ersten  Buche  Cap.  11,2  itQos 
Kviöov.  §  5  xriv  ccqx^JV  tov  KeagoTtog-  HI,  5  QvyatiQas  rov 
'W.iov.  \,  1  'Hgoäütcp  xavru  sötiv  UQYiy^iva.  Yl,  7  (xqx^v  dia- 
Gaödfiivog.  MI,  3 /TroAfittfaog,  cog  ical  TtQOXEQOV  ÜQ-qxai  ^oi, 
vavziHov  l'örfiAe,*  obgleich  hier  drey  Pariser  Codices  das  Richtige 
geben.  XI,  1  vitöxaxog  6  THgya^og.  XIV,  4  TtQo  'jIqxb^ioCov, 
obschon  Codices  dagegen  zeugten;  XVII,  2  UxoU^ialov  —  xa- 
?,ov^ävo3.   XV  111,7  xtfiavog  t?}y  tnlxlrjöLV  'OXv^nlag,  was  sclion 


so  Griechische   Littoratur. 

Lelronne  verworfen  Iiat.  XXVII,  9  Ig  y^vniQLipai^  ohne  dass  iler 
Wiener  Codex  inid  das  Gesetz  der  Sprache  beaclitct  Murde. 
XXVIII  a.  E.  fvcovai  oTfoG^g  iiktiöxi  67tovdf]g  dg  xa  diKaövt]- 
QLa,  da  doch  die  Emendation  von  Canicrnrius  und  Kuhn  in  Fa- 
cius  Ausgabe  ani?ezei^t  und  gebilligt  Avorden  war,  luul  diese  Cia- 
vier in  dem  Pariser  Codex  14-10  bestätigt  finden  konnte.  XXXI 
a.  E.  xrivdi'  'Inniav.  XXXVII,  3  £7cev(pi]^7j6av^  ohne  Riicksicht 
auf  die  bekannte  Emendation.  Ebend.  §  4  öwE^E^ovra,  eine 
xon  Xylauder  eingeführte  Neuerung,  wodurch  die  ächte  Lesart 
beynah  auf  immer  verdrängt  worden  wäre.  XXXIX,  5  Mö«  y,a- 
lov^iv]}.  XL,  4  üQaxriöavxag  8&  Tcolsiic)^  wo  y.QaxYi6avxig  er- 
fordert wird,  was  auch  die  Moscaner  Handschrift  bietet,  die 
freylich  Facüis  hier  niclit  erwähnt  hat.  XLI,  5  IIivöaQog  — 
ßovlöiiBvog  —  6v{.inQci^avxcc,  wo  auch  keine  Liicke  ist.  XLIV,  7 
VTCskiTtExo  statt  vjcbIbltisxo  ,  was  Facins  aus  dem  Moscaner  Co- 
dex angeführt  hatte.  Im  zweyten  Buche  Cap.  I,  5  ov  7tQOB%c6- 
QTjöev  EQyov ,  da  docli  der  Codex  Phralitae  das  Richtigere  gab. 
§  8  xa  ÖS  alla  äyal^a  statt  dyä^naxa ,  was  vergebens  zwey 
Handschriften  darboten,  und  ohne  nach  aXka  zu  interpnngiren. 
II,  3  slvai  aal  UeiQi^vrjV^  wo  Facius  freylich  wiederum  die  3Ios- 
cauer  Lesart  anzuführen  imterlassen  liat.  §  4  Mskavldog  und 
Aatdog  q)apihvcov  ^vfjfia  üvai  statt  tpä^Evov  ,  tvelches  sagt  es 
sey.  III,  5  Kgoxaig.  §  7  Tcegag  statt  jisga^  ohne  Beachtung  der 
Ruhnschen  auch  von  Facius  vernachlässigten  Berichtigung.  V,4 
£g  X7]v  87tl  Uinvcöva  lovöL ,  WO  Bg  zu  tilgen  war.  X,  4  Ttag'  av- 
8q\  cpoixr^Gai  statt  ävÖQa.  XII,  1  BTtl  xa  kocpcp ,  wo  die  Mos- 
cauer  Handschrift  t«  weglässt,  was  Facius  wieder  übergangen 
hat.  XV,  5  AkyBxai  8b  ;f«fc  d>8B  loyog.  (Cap.  XIII,  8  hatte  (Jla- 
vier  richtig  o8b  fiir  a8s  gesclirieben.)  XVIII,  7  'Al%iiaiovi8äv. 
XIX,  1  /Iriicpövxr}  toi)  'Av^i^diov.  §  2  f  g  BXä%i6xov  TtQogr^ya- 
yov.  (Wie  hier  so  entging  das  Uechte  auch  Cap.  XX,  1,  wo  Ttgot]- 
yov^Bvov  ÖS  d^cpoxBQOig  ig  äxQOV  xov  ^löovg  beybehalten  wor- 
den ist.  Dasselbe  gilt  von  Cap.  XXXIII,  3.)  XX,  5  TOt;TO  Bgyov^ 
^QS^n  das  Zeugniss  der  Handschriften.  §  7  avt7]  8b  Bg  xpa'vog 
OQa.  XXI,  10  TtBQLysvBöQ'aL  ^6v}]V —  TtsQiyBVBöö'at  8s,  wo  die 
Verbesserung  so  leicht  war.  XXII,  Q"AyaXaa  8s  avxoi  xs  ital  ot 
staldsg  bIölv,  wo  Ciavier  die  falsche  Lesart  nicht  bemerkend  sich 
unter  äyaXfia  eine  Gruppe  von  Statuen  gedacht  hat:  aber  die 
Gruppe  enthält  dyäX^axa,  ist  nicht  ayaX^a.  XXVII,  4  6  ös  a- 
yav  slsvd'BQC}  ^sv  TtQogsxsiXO  ovSbvI  ,  obgleich  schon  Si/lbtirg 
die  wahre  Verbesserung  angezeigt  hatte.  XXX,  1  Naol  —  av- 
rcp  6  XQiXog,  avo  dieÄ^erbesserung'so  leicht  gefunden  werden 
konnte,  Mcnn  auch  die  Heransgeber  und  Handschriften  schwei- 
gen. §  5  B&vöd  öcpLöL  xaxd  xd  avxd  aa^d  7]8f]  aal  'EXbvöIvl 
Q'VBiv  vo^rc,ov6iV.  Was  hier  verbessert  worden  ist,  gab  der  Wie- 
ner Codex  an  die  Hand,  was  aber  kehi  Codex  berichtigte,  ist  un- 
verbessert  geblieben,  obgleich  aus  andern  Stellen  des  Pausauias 


Pau  San ias    V  on  C  lavier.  31 

die  Kineiulation  zu  srliöpfcn  war.  XXXIT,  5  ovdQuta,  a  up-v 
(UiOLV  Xiiiov  TCiiöavrog  Ud-ijvaiovg  öl  ^idXiötcc.  Zwar  licss 
sich  Clor.  Jiicr  iiiclit  aoii  Fncff/s  zu  clor  Corruption  hx£V  lg  axE- 
6lv  vcriuhrou,  aber  den  Felilcr ,  Ai/fov  üess  er  unangetastet. 
XXXIII,  3  £g  r  clv  lg  ägav  7rQogt?i&)j ,  äluilich  dem,  was  in 
Cap.  XX  zu  tadeln  war.  \\\\\  4:  Ko^oöchdakov ,  was  schon 
von  Andern  verbessert  worden  war:  und  ebendas.  rore  aXXo 
ütQogxHTca  —  &av^c(,  Wiederholung  des  Fehlers  in  Facms 
Ausgabe. 

llterzu  rechnen  Avir,  dass  in  iSvv  Acce72tnation  und  Int er- 
■punclion  manches  nicht  berichtiget  worden  ist,  z.  B.  in  Attic. 
Cap.  1\,  10  hgli^cii.  XXXl,  3  KoXcavog.  XXXV,  4  ois^davdv 
jiov  TL  ÖOKOvvxeg.  In  Corinth.  I,  3  ^auw.  V,  2  "IviOTtov.  §  5 
KoQOVog,  KoQCOvov.  XI,  8  'Olv^TtiüCi  und  so  immer  das  Ad- 
jerbium.  XYI,  2  MlSuav.  XYIII,  5  Kivca^äv  ( aber  Cap.  IIl 
Kivcd'i^av).  §  0  xanccöi.  XXIV,  0  Tlysav  (so  gewöhnlich).  §  8 
'Töiag.  XXVIII,  3  Kstöog.  XXXVI,  1  "JXlx)]?.  Lacon.  13,  2 
Kqlov,  Kqlov.  Eliac.  I  Cap.  4,  1  zJly^iEVog.  Falsch  interpun- 
girtist  Attic.  XX,  2  Tavxa  Ö)]  y^yga^^dva  slöl,  ocal.  Ebend. 
I  1  wird  unter  N.  2  berührt.  Corinth.  XI,  7  OTioöci  Öh  tcöv 
Qvo^dvcov  Kccxfayllovöiv.  XVII,  2  hat  die  unrichtige  Abtheilung 
6vonc'<.t,ov6i'  "Acd  —  ravxiiv  rfj"HQCi  aal  avtrjv  tplgovöt  zu  ei- 
•ner  unnöthigen  Conjectur  Veranlassung  gegeben.  XXXVII  im 
Auf.  sollte  nach  l'ön  bl  ^lovvöov  abgetheilt  seyn.  X,  4  ist  die 
alte  fehlerhafte  Abtheilung '^g)()0Öi'Tj;ig  lörlv  isgov  lölaöL  zu- 
rückgerufen worden.  Cap.  I,  8  haben  wir  schon  im  Vorhergehen- 
den berührt. 

Die  Ursache  aber,  dass  in  dem  Texte  dieser  Ansgabe  man- 
che Les-  und  Schreibart  nicht  verbessert  worden  ist,  die  der 
Verbesserung  bedurfte,  liegt  mit  darin,  dass  Ciavier  weder  die 
liandschriftliclien  Lesarten,  die  ihm  zu  Dienste  standen,  hinläng- 
lich benutzt,  noch  Sylburgs  Emendationen,  die  giösstentheils 
so  treffend  sind,  überall  zu  Käthe  gezogen  hat.  Beyspiele  die- 
ser doppelten  Vernachlässigung  hat  das  Vorhergehende  schon 
gegeben.  Zu  der  ersten  Art  füge  mau  noch  hinzu  Buch  I  Cap. 
i),  4,  wo  nolcc/JaL  die  Pariser  Handschriften  mit  der  Moscauer 
vergebens  darboten.  Buch  V  Cap.  IJ),  2  ist  auch  nicht  einmal 
in  dem  Supplement  die  wichtige  Lesart  des  Pariser  Codex  1399 
erwähnt  a\  orden.  A>  as  am  zireyten  Puncte  ausgestellt  Avurde,  davon 
trägt,  zum  Theil  wenigstens,  Faciiis  mit  die  Schuld.  Da  neralich 
C'lar/er  den  Text  von  Facius  zum  Grimdc  legte,  und  sicli  daher 
an  dessen  Ausgabe  hielt,  Facius  aber  lediglich  und  allein  an  die 
R'uhnsche^  so  ist  auch  manche  S/jlbi/rgsc/tc  Verbesserung,  die, 
weil  sie  Kuhn  übergangen  hatte,  auch  Facius  nicht  angeführt 
hat,  von  Ciavier  nicht  berücksichtiget  worden.  Ausserdem  be- 
reits Erwähnten  bemerken  wir  Aehnliches  Attic.  28,  8,  wo  Si/l- 
iAr^s  Verbesserung  to  ^Iv  ovv  xßAouftsvovder  VaticanischeCo- 


32  Griechische    Litteratur. 

dex  bestätiget.  Arcadic.  49,  2,  wo  noch  ^T^gia  —  rd  ccyQia  llal- 
QHV  gelesen  wird,  obschon  Sylbnrg  und  Valckenär  dieses  ver- 
bessert hatten.  Vgl.  unter  N.  2  die  Stelle  aus  Achaic.  11,  2. 
Eine  Folge  davon  ist,  dass  man  auch  ans  Claclers  Ausgabe  nicht 
erfährt,  wie  Kuhn  mit  Sylburgs  Anmerkuugen  verfahren  ist. 

2.  WilUviihrlichc  Eiuschaltungeu,  die  bloss  durch  Klammern 
angedeutet  worden,  imd  die  im  Missverstaiid  und  Missdeutung 
theils  des  Herausgebers  theils  Anderer,  welchen  er  folgte ,  ihren 
Grund  haben,  sind  im  ersten  Buche  Cap.  1, 1  IlrolE^aiog  6  [TLto- 
Kz^ialov^  xov  Aayov^  nach  Ruhns  Erklärung  und  Faciiis  #^  ermu- 
thung.  (Auf  ciuen  ähnlichen  Einfall  wird  man  in  Corinth.  29,  3 
stossen,  wo  Clav,  kühn  genug  inl  ö\  tov  <Pc6xov  rov  Aia-Aov 
staLölv e'^evUjjöbv ,  äöTB  Mivvaig  tb  blölv  zu  lesen  vorschlägt.) 
Ebend.  §  4  a.  E.  to  da  ayaX^ia  tö  vvv  dij,  [si,]  aad'd  XiyovöLV 
'Akaa^Evovg  löxlv  sQyov '  ov%  av  xovtö  ys  6  Mtjdog  sYrj  AeAco- 
ßij^EVog^  nach  Camer arius  Yermuthung,  und  darnacli  liat  Clav. 
auch  übersetzt.  Da  Hr.  Prof.  O.  Müller  in  Göttingen  übersetzt: 
„dann  kann  der  Meder  wolil  an  dessen  Verstümmelung  nicht 
Schuld  seyn ,  '■'•  so  scheint  auch  er  im  Vorlicrgehenden  el  zu  sup- 
pliren.  Allein  so  wird  das ,  was  man  gewöhnlich  erzählte,  Pau- 
sanias  aber  als  unmöglich  verwarf,  als  möglich  angenommen,  dass 
hier  in  diesem  von  den  3Iedern  durch  Feuer  zerstörten  Tempel 
noch  zur  Zeit  des  Pausanias  ein  Werk  des  Alkamenes  gestanden 
habe,  was  durchaus  unglaublich  ist,  weil  sich  nicht  denken  lässt, 
dass  die  Athener  in  den  Ruinen  eines  durcll  die  Meder  in  Brand 
gesteckten  Tempels  ohne  Dach  luul  Thüren  eine  Bildsäule  von 
der  Hand  des  Alkamenes  verfertiget  aufgestellt  haben  sollten. 
Man  vergleiche  was  Pausanias  in  Corinth.  12,  1  von  einem  ähn- 
lichen Tempel  der  Hera  erzählt.  Cap.  III,  1  ot  Ttatda  yEVEG%aL 
0ai&ovta,  [ov]  zal  (pvXaxa  etcoltjöe  tov  vaov.,  nach  Ilartungs 
und  Wolfs  Vermuthung.  (Eben  so  wollte  Clav,  in  Corinth.  17, 2 
T^v  vor  'AötEQicova  eingesclioben  wissen ,  und  so  hat  er  in  Phocic. 
31,2  xa&£^o/i£vog  [ög]  stillschweigend  und  doch  unrichtig  ge- 
schrieben. Aehnliches  wird  über  Cap.  14,  2  imter  N.  3  noch 
zu  bemerken  seyn.)  Cap.  XIV,  2  ojtoöa  [  £g  ]  E^)]yr]6LV  lyEi  xo 
isQOV  und  XXI,  2  ot  x6  ovccq  [sg]  2Jo(poxXEa  zcd  rtjv  ZlocpoxlE^ 
oug  noCrjöLV  Eq)aLVEto  e^elv.,  nach  Kuhns  und  Facius  Vorschlage. 
XX,  1  vaol  &Ec3v  ES  xovto  [  ov  ]  fiEydloi.,  wo  auch  die  Interpun- 
ction  zu  corrigiren  war.  XXX,  2  Tcal  evöov  [xov  ^ev]  'Ad'rjvägy 
TOV  ds  "ÜQaKkEovg  ETiOLrjdav ,  welches  verwerfliche  Einschiebsel 
in  dieser  Ausgabe  den  Text  des  Pausanias,  der  nicht  selten  den 
Artikel  mit  ^tv,  wenn  er  vor  dem  andern  mit  81  verbundenen 
stehen  sollte ,  weglässt ,  öfter  entstellt.  (  So  Corinth.  2,  5  [xov 
tiEv]  AvöLov,  xov  ÖE  Bd'/,%EiOV.)  XXXy,  4  nQC3toq)dvr]g  [  Big] 
räv  döxäv.  Dieser  unglückliche  INothbehelf  ist  bereits  zu  Cap. 
34,  3,  wo  er  doch  nur  als  Conjectur  erschemt,  von  Letronne 
mit  Recht  zurückgewiesen  worden.      Zu  ilim  hat   Chw.  wieder 


Paus anias  von  Cla vier.  33 

seine  Zuflucht  (genommen  Acliaic.  23,  2 ,  und  Arcad.  38,  4  hat 
er  soirar  ohne  Klammern  ßud-QCOV  tvl  V:/öTva7'a'/rog  geschrieben. 
Aehnlicher  Art  ist  Aeliaic.  ]  !,  2  räv  cpQovgäv  [xLveg]  dÖLXOv- 
6iv  avÖQa^^  wo  Stj/önr^s  llmendation  zu  benutzen  war.  ('ap. 
\\\I\,  5  dcpLy.iöQca  [övv]  örganä.  (Mit  demselJjen  Ueber- 
fluss  sind  Corinth.  8,  2  Aehaie.  24,  2  bereichert  worden.)  Im 
siceyten  Buche  Cap.  VI,  2  Kai  tTt)]  [t;rt]  touto  nE7t()tr]XEV ,  vo 
>vir  uns  über  Lctronncs  Bejslinunung  wundern.  Warum  blieb 
man  doeh  niclit  bey  Si/lbur^s  Verbesserung:!  Traurig,  dass  auch 
in  diesen  Studien  oft  das  Piinfaclien;  dem  Kinistiieliern,  das  Täu- 
scliende  dem  A>  aliren  uaclijiesclzt  ^ird.  Aeluilichc  Kiinsteley  ist 
zu  bemerken  Cap.  X,  ■iyiVTi6:t}jv  TtQogyKELv  Gfpiüi  [^fpccöi].  \X,  1 
uiagivTL  de  Kgivya  r)]v  eb'.öi'cc  di'öfjog  tcvxxov,  xQÖitaiov  ItiI 
KoQiv&ioig  ui'aöraQlv,  [xcd]  äyaluä  aözt  xaxf^atvov ^Log,  nach 
Rulins  31utlimassung,  weh;lier  Facius  ohne  Girund  JJeyiail  gab, 
da  Ae/Ä«  zwar  richtig  bemerkte,  dass  xca  hier  ausgefallen  sey, 
aber  es  am  unrechten  Orte  einschaltete,  und  dadurch  die  Grenze 
des  A  Order-  und  Aaclisatzes  verrückte.  AMr  m ollen  aus  dem  3tea 
Buche  noch  liinzusetzen  Cap.  ]{>,  10,  wo  die  Yulgata  Mar  ini- 
Tti^i'Cii  Ofc  lovuiV]]  d'SQCiTCccLvag  'Eqlvvvölv  töKEvaö^ävag,  und 
CloLie?-  ^SQKTtaivag  [cog]  'EgLvyvg  iöy,svri6(.ievag  geschrieben  hat. 
Diese  A  eränderung  ist  in  dem  Supplement  mit  Stillscliweigen 
übergangen  worden,  und  mit  Hecht,  da  niclits  für  sie  zu  sagen 
war.  So  wie  Eg,  övv^  etiI,  so  wird  auch  Arcad.  6,  2  [xccra]  ein- 
gesclnvärzt. 

3.  üass  Ciavier  zu  geneigt  geAvesen  ist,  Conjecturen,  eigene 
und  fremde,  in  den  Text  zu  setzen,  zeigen  folgende  Stellen:  Im 
ersten  Buche  Cap.  VIII,  3  Illovzov  statt  Tllovrava.  IX,  3 
ovx  uvät,itt  für  ovx  ut,itt.  Ueber  §  4  ist  oben  schon  gesprochen 
worden.  X,  4  x)]v  —  tE^EVttjV  %cd£7tiog  cpegcov.  XIV,  2  dcöga 
a  Ttagu  %ec5v  (pa6Li>  Eyuv.  So  hatte  freylich  sclion  Facius  durch 
Einschwärzung  des  Pronomen  a  den  Text  corrumpirt.  Ihn  nach- 
ahmend hat  Clavier^  wie  wir  gesellen  Iiaben,  eben  dieses  Prono- 
men in  mehrere  Stellen  ohne  liinlänglichen  Grund  eingelülirt. 
Hier  aber  kann  es  bey  Ciavier  ohne  Klammern  geschrieben  leicht 
täuschen.  XV,  4  t6  öe  t^co  rijg  (.läxrjg ,  was  auf  unrichtiger  Vor- 
stellung der  Sache  beruht.  §  5  xal  log  für  xmI  ööa,  nach  Facius 
Vorschlage;  doch  erwartete  dieser  wohl  nicht,  dass  er  so  ge- 
schwind ohne  weitere  Bestätigung  in  den  Text  gerückt  werden 
würde.  XVII, G  oi  Quvatov  iTiEßovXEvöEV  bloss  nach  Kuhns  von 
Facius  gebiüigter  Vermuthung,  da  docli  ^ccvccrov  ßovlEVEiv  tivl 
nicht  nur  bey  demPausanias  öfter  vorkommt,  sondern  auch  So- 
phokies  im  Ajax  1044  (10.>(>  oder  1028)  sagt  ogtLg  örgata 
ßov?,Ev6ag  (povnv  voy.rcog  IzEörgcctEvöEV.  XXI,  8  OTtoöoig  rv- 
XOLEV  aal,  nacli  /'V/<7V/.s  Verbesserung,  welche  der  Stelle  nicht  auf- 
hilft. XXVI  a.  Fl.  y.axdtE%voVy  aus  Vitruvius,  wodurch  der  Kno- 
ten zerhauen,  nicht  gelost,  und  demPausanias  etwas  fremdes  uu- 

Jahrb.  d.  Phil.  u.  Püdag.  Jahrg.  I.  //<-/«  1 .  3 


84  Griechigcho   LItteratur. 

tergesclioben  wird.  Dazu  kommt,  dass  nicht  ein  Codex  des  Pau- 
San.  diese  Lesart  darbielcl.  XXVIII,  8  täv  ^Iv  ovv  oiaXov^EVcov, 
wie  Facius  vorgeschlagen.  XXXII,  3  chnjzoc)  ds  ovn  '/.ai  aXXag 
Cv^ßoivTL,  was  den  Sinn  enthalten  soll  „ceu.vqui  —  passent  lä 
par  hasartl ; ""  ganz  gegen  den  Sprachgebrauch.  XLI,  5  wg  '^qpt- 
övav  (statt  'Jd^i'jvag)  ekouv,  ohne  hinreichenden  Grund.  XLIII,  6 
ei  drj  ÖiäfpoQd  fort  jcaratavTcc  rolg  ovofiaöL  kol  tä  sgya  <5(piöif 
nach  Löschers  Yermuthnng ;  die  Uebersetzung  „  si  toute  -  fois  ce 
n'est  pas  la  meme  divinite  sous  trois  noras  difterents"  ist  viel- 
leicht gnt  Französisch,  aber  nicht  dem  Griechischen  und  dem  Ge- 
danken des  Pausanias  angemessen.  §  T  yM^rjv  BVtavd'cc  omtöSy 
nach  Facius  Gutdünken,  Im  zweyten  Buche  Cap.  I,  7  Jjcotoi, 
nach  Canters  von  Facius  Viberschätztera  Vorschlage;  hätte  doch 
lieber  Facius  die  richtige  Lesart  aus  dem  Moscauer  Codex  ange- 
führt! XX,  3  ö  öj]  naXap)'jd}]g  rovg  avßovg  svqcov  dviO'rjiCSV 
ag  tovtov  rov  vabv ,  wo,  da  auch  in  dem  Supplement  gar  nichts 
darüber  gesagt  wird  als  „Je  ci-ois  qu'il  faut  lire",  man  gar  nicht 
versteht  was  ö  seyn  soll ,  wenn  man  nicht  annimmt ,  es  soll  als 
Artikel  zu  Ilalaii/jdrjg  gezogen  werden.  Ebend.  §  8  bItb  alXfäg 
BLta  xal  övvslg,  was  „soit  que  le  sens  lui  en  füt  connu,  soit 
qu'il  Tait  ignore  '■'  übersetzt  wird.  Diese  Corruption  konnte  ver- 
mieden werden,  wenn  cog,  was  Clav,  herausgestosseii  hat,  rich- 
tiger geschrieben  wurde. 

Bey  dieser  Gelegenheit  gedenken  wir  der  andern  Conjectu- 
ren,  die  Ciavier  ohne  Nennung  ihrer  Urheber  auf  dem  imtern 
Rande  der  Seiten  unter  einem  t'öwg,  also  mit  einiger  Billigiuig, 
angeführt  hat,  und  geben  auch  von  diesen,  dass  man  ihren  Gc- 
haKjjCinigermassen  kennen  lerne,  einige  Proben  aus  dem  ersten 
Buche.  Cap.  IV,  2  Cvv  rolg  td'elovöi  (statt  aXd'ovöi)  täv'EkXri- 
vcoVy  was  auch  Lobeck  wollte  und  Letroniie  vertheidigte.  Dass 
Ciavier  dieser  Conjectur,  da  sie  durch  keine  Handschrift  em- 
pfohlen wird,  die  Aufnahme,  die  der  Sinn  nicht  nothwendig 
macht,  versagte,  rauss  gebilligt  werden.  VI,  1  ag  ^livBiv  bti  tijV 
gjijutj^v,  widerstreitet  ganz  dem  Sinne  der  Stelle.  X,  4  ag  UtolB- 
^alov  xata(pBvyov6i,  wäre  an  und  für  sich  annehmlich,  wenn  nur 
dadurch  die  ganze  Stelle,  deren  Lesart  unsicher  ist,  Festigkeit 
gewönne.  XIV,  2  q)ccöl  st.  XöaöL^  entspricht  der  Zuvci'lässigkeit 
nicht,  mit  welcher  die  Athener  dieses  behaupteten.  XVIII,  a.  B. 
y.axä'ABixat  öb  Bvrav^a  ( st.  lg  avto )  ßcßkia ,  missbilligte  schon 
Letronne.  XIX,  2  xav  ^A\frivy]6iv  bv  oXlyoig  &Bag  at,iov.  Diese 
Kuhnsche^  von  Facius  ingeniös  genannte,  Conjectur  ist  doch 
mehr  scheinbar  als  wahr;  und  die  Verbindung  des  Genitivus  mit 
dem  Positivus  findet  man  ja  auch  bey  andern  Schriftstellern. 
Ebend.  §  5  ^grjö&ijvai  ds  avxä  — XBlavtäv,  ist  ganz  überfliis- 
sig.  XX,  1  Z!äxvQog  bxl  Ttalg  ötdaöiv  BKJia^a  hätte  allerdings 
Paus,  schreiben  können,  aber  der  Zweifel  ob  er  wirklich  so  ge- 
schrieben habe  lässt  sich  nicht  unterdrücken.    XXIII,  6  £i  rives 


PausaniasvonClavicr.  85 

(st.  omrf  p)  e'öh',  hat  r/r/r.  auch  in  tlcrllcbcrsctzunjj  ausn:c(lrückt. 
Allein  nicht  so  uolil  über  die  Existenz  als  über  die  iSatur  und  das 
AVesen  der  Satvre  wünschte  sicli  Pausanias  nähere  yluskunft.  §  7 
nciJiVQOVu:  statt  aal  ttvqqovc;.  Ks  müsste  wohl  xcmnvQovg  hels- 
sen  ;  ob  aber  dieses  ^>  ort  vorlianden  war,  ist  zweifelhalt.  X\\,  4 
?.iyov6i  d'  o^icog  v.cä  iiovGi  \]cou6v ,  bezeufijt  Verkennun^  derlle- 
rodotiselien  Kedeweise.  \L1,  5  ov'/,  iico  öf ,  önag  6v^iq)£QC0^aL 
(st.  svQcouca)  Ttdvra  öcplöiv ,  ist  aus  ^iditbeachtung  der  Con- 
stniction  geflossen,  ^^ elcher  Felder  ümAi,  Porsoii  zum  emcndiren 
verleitete.  Wir  konnten  also  in  Jjetrouncs  Lol),  dass  der  von 
Clav,  gegebene  Text  «les  Paus,  sey  ,,  d'unc  perlection  Ires  re- 
niarquable  und  destine  ä  faire  loi,  jusqu'a  (^e  qu'oa  decouvre  d'au- 
tres  nianuscrits  du  Pausan.'-  nicht  einstijnnien.  Er  sagt  ja  selbst: 
..les  ('(litcn-s  futurs  tron\eront  encore  ä  ghiner  apres  tous.'-' 

Der  dritte  i'and  hat  am  untern  Rande  auch  Conjecturen  von 
Coray^  die  durch  ein  Sternchen  von  den  andern  imtersehiedea 
sind.  Ueberhaupt  nahm  sich  nach  Ciavier s  Tode  dieser  verwais- 
ten Ausgabe  des  Pau^^an.  Curaij  riihmlich  an,  und  es  sind  schon 
dem  4ten  Bde.  Amnerkungen  von  ihm  über  diesen  lid.  angehängt. 
Im  (Jten  Bde.  aber  am  Schlüsse  des  lOten  Buches  finden  sich 
Obscrcotions  de  M.  Coray ^  die  sich  über  alle  10  Bücher  des 
Paiisan.  erstrecken.  Diese  Anmerkungen  sind  bloss  kritisch,  aber 
um  so  schätzbarer,  da  sie  theils  manche  von  Viavier  gemaclite 
Textveränderung  berichtigen,  theils  auf  Fehler  des  Textes,  die 
Clav,  übersehen  hatte ,  aufmerksam  machen  oder  sie  verbessern. 
Es  hat  sich  also  Coray  um  die  Textkritik  dieses  Schriftstellers 
wirklich  verdient  gemacht ;  nur  nehme  man  bey  der  Würdigung 
dieses  Verdienstes  auf  die  Jahre  des  ehrwürdigen  Greises  billige 
Rücksicht.  YVüs  ihm  bcym  Lesen  als  unrichtig  auffiel,  (  wobey 
frcyiich  w(dil  bisweilen  ein  Fehler  übersehen  wei'den  konnte,  wie 
in  Arcad.  50,  1  (pooovvxig)  nur  dieses  merkte  er  an,  ohne  sicli 
in  tiefere  Lntersuchmigen  einzulassen,  wie  über  Phocic.  31,  2, 
wo  über  die  alte  Aon  Clav,  beybehaltene  Lesart  in  der  Stelle  vom 
Phrynichos  Coray  nichts  angemerkt  hat. 

Hoffentlich  wird  JViemand  glauben,  dass  wir  durch  die  obi- 
gen Ausstellungen,  die  sich  leicht  hätten  vermehren  lassen,  Cla- 
riers  Verdienst  um  den  Pausauias  haben  in  Schatten  stellen  wol- 
len: wir  haben  die  auch  von  Lctroyine  anerkannte  Sorgfalt  sei- 
ner Uebersetzung  gelo!)t,  die  freylich  dem  Geschmacke  derer, 
uir  welche  sie  zmiächst  bestimmt  war,  entsprechen  sollte.  Einen 
nihmlichen  Beweiss  genauer  Lebersetzung  liefert  die  von  meh- 
rern selbst  berühmten  iMännern  gemissdeutete  Stelle,  Boeotic. 
5,  5,  wo  Clav,  richtig  übersetzt:  „mais  les  dieux  di\ulguerent 
cela  snr  le  cliamp.  Comment  les  dieux  auroient  iis  divulgue  ce- 
la  sur  Ic  champ,  si '■'■  etc.  Wir  haben  es  als  C/c/r/crs  Verdienst 
irerübint,  d;iss  diircli  ihn  der  Tevt  des  Pausan.  in  vielen  Stellen 
> erbessert,  {J^ei rönne  will  in   dem  ersten  Buche  mehr   als   150 


S6  Griccitigchc    Littcratur. 

gute  von  Clav,  aufi^cnommciic  Lesarten  gezälilt  haben)  und  man- 
clic  Lücke,  die  bisher  den  Text  entstellte,  ausgei'iillt  worden  ist : 
wir  fiihren  auch  hiervon  einige  Ilcyspielc  an.  Attic.  XIX,  7  hat 
Clav,  die  durch  Fuciits  verdrängte  richtige  Vulgata  OQog.,  die 
auch  durch  die  Pariser  Ilandsclu-iften  bestätiget  wird,  wiederlier- 
gestellt.  Corinth.  XII,  5  örrj^at  nsQLqjSQslg  aus  zwey  Hand- 
schriften für  6t.  7C£Qiq)avBLg  auigenomnien.  XXXI,  12  hat  er  6 
^öyog  sg  avzrjv  [ou]  öiaqpo'^ojg  tü5v  (wold  besser  mit  Schäfer 
TOÜ)  i3otC3Tc5v  6;^£t  geschi'icben,  wo  ov  der  Klammern  nicht  be- 
durfte. jNicht  weniger  wahrscheinlicli  ist  Claviers  Vermuthung, 
dass  cbcnd.  Cap.  IV,  6  ov  vor  tcüqqco  ausgefallen  scj',  da  in  ei- 
ner ganz  ähnlichen  Stelle  ebend.  Cap.  XXXI,  5  der  Wiener  Co- 
dex die  INegation,  die  aucli  Sylbiwg  vermisste,  uns  erhalten  hat. 
Ebend.  XXXVII,  5 ist  verbessert  Avorden  övvcctpag  äXXriXoLg,  anag- 
Ti]6ag  ds  %al  [.lohßdov  aii  avtäv.  Lacon.  H,  (>  steht  nun  richtig 
tv  roj  To'rs  loyov.  Handschriftliche  Ergäiizunijen  lückenliafter 
Stellen  finden  sich  iuArcad.  Cap.XJ,  2,  x'XXI,  1,\U,  4,XLV,  1, 
XLIX,  1,  Phocic.  cap.  VIII,  3,  X,  1,  XlII,  3.  Indessen  müssen  wir 
doch ,  da  Mir  bey  dieser  unsrer  Anzeige  nicht  das  Französische 
sondern  das  Deutsche  Publicum  vor  Augen  zu  haben ,  imd  diesem 
Vlber  Claviers  Ausgabe  des  Pausanias  Uericlit  zu  erstatten  ver- 
bunden sind,  was  wir  bey  andrer  Gelegenlicit  schon  geäussert 
haben,  hier  Aviederholen ,  dass,  wenn  einer  in  Deutschland  hätte 
den  Text  dieser  Ausgabe,  so  wie  er  ist,  wollen  abdrucken  lassen, 
er  das  Interesse  seiner  Landsicute,  die  auf  dieser  Bahn  doch 
weiter  vorgerückt  sind,  nicht  befriediget  haben  MÜrde. 

Den  Rest  des  6ten  Bds.  füllt  ein  dreyfaches  Register,  der 
Materien  und  der  von  Pausanias  angeführten  Schriftsteller  und 
Künstler.  Wir  merken  noch  an ,  dass  im  Texte  dieser  Ausgabe 
die  Ueberschriften  der  Kapitel  und  ihre  Inhaltsanzeigen  Grie- 
chisch äbgefasst,  (gleichwohl  Lateinische  Buchstaben  statt  der 
Ziffern  in  den  Text  der  beyden  ersten  Bände  gesetzt)  aber  die 
kleinern  Abtheilungen  der  Kapitel,  wie  sie  Facius  eingeführt  hat, 
weggelassen  sind,  Avodurch  das  Aufsuchen  etwas  erschwert  wird. 
Und  wie  soll  man  ein  Citat  nach  der  Seitenzahl  der  Kulmschen 
Ausgabe  hier  finden  1 

Es  ist  noch  übrig,  einiges  über  das  oben  imter  N.  2  ange- 
zeigte Supplement  dieser  Ausgabe  des  Pausanias  zu  sagen,  das 
A.  Bobe'e.,  imprimeur  diS  la  sociele  royale  academique  des  scien- 
ces ,  sechs  Jahr  nach  Claviers  Tode  aus  des  Verstorbenen  Col- 
lectaneen  herausgegeben  liat.  Stiefmütterlich  ist  dieses  Werk- 
chen ausgestattet:  wie  wenig  giebt  es  in  Vergleich  des  vielen, 
das,  wie  angeführt  worden  ist,  Ciavier  in  seinen  Noten  geben 
wollte,  und  dieses  wenige  wie  flüchtig  oft  hingeworfen !  Es  ent- 
hält nämlich  dieses  Supplement  -  Bändchen  Noten  über  die  acht 
ersten  Bücher  des  Pausanias,  die  Anfangs  etwas  vollständiger 
sind,  aber  in  der  Folge  diirftigcr  werden.     Diese  Noten  sind  aus 


P  ii  II  8  a  n  i  u  s   Tun    Cl  a  T  i  e  r.  57 

ChiiHcrs  Iiintcrlasscncii  Papieren  gczoijcn,  und  man  erfährt  niclit 
einmal,  von  vem,  da  keine  Vorrede,  kein  Vorwort  daniber  cini- 
i;en  Aufschluss  giebt.  Aui"  der  ersten  Seite  liest  man  zu  Cla- 
ricrs  ISotc  über  seine  l  ebersetzunc:  des  Wortes  örjaog  durch 
Deme  den  Zusatz  von  I.  Bobcc:  „Cette  note  prouve  que  M. da- 
tier a  change  d'idee  apres  limpression  du  premier  vol.  on  y  lit 
bourg.  "•  woraus  zu  Aennuthen,  dass  llr.  yl.  Bobdc  selbst  diese 
Arbeit  übernommen ,  oder  sie  einem  Anonymos  übe'rtra£:eu  hat. 
Ob  nun  Clarier  nieht  mehreres  schriftlich  hinterlassen  liat  als 
was  in  diesem  Supplement  milirelheilt  wird  («as  nicht  wahrschein- 
lich ist,)  oder  ob  manches,  was  uideserlich  hi'seiner  Handschrift 
Mar,  wegjielassen  werden  musste ,  oder  ob  man  es  für  i::ut  hielt 
die  kritisclien  ?solen  ins  Elise  zu  zielien  und  die,  welche  Gram- 
matik und  Worterkläi-uiii!:  betrafen,  (wenn  dergleichen  da  waren) 
zu  unterdrücken,  endlich  in  w  elcheni  Zustande  sich  Claviers  Iiin- 
terlassene  CoUectanecn  zu  dem  Pausan.  befunden  liaben,  das  wis- 
sen wir  niclit,  aucli  nicht,  ob  entweder  der  selbst,  der  die  Her- 
ausgabe dieses  Supplementes  besorgte,  anderwärts,  oder  irgend 
ein  Journalist  etwas  darüber  bekannt  gemacht  liat.  Aus  der  Un- 
terschrift beym  Schlüsse  des  8ten  Buches  „La  suite  manque" 
möchte  man  vermuthen,  dass/7/f/tverÄ  scJiriftlicIier  Naclilass  nicht 
über  das  Ste  Buch  hinausgegangen  sey;  gleichwolil  ist  es  nicht 
wahrscheinlich,  dass  nicht  wenigstens  die  Varianten  der  Pariser 
Handschriften  aus  dem  9ten  und  lOten  Buclie  des  Pausanias,  so 
viel  derselben  Clacier  für  nöthig  gehalten  haben  mochte  sich  aus- 
zuzeichnen, unter  seinen  Papieren  gewesen  seyn  sollten.  Und 
wenn  sonst  nichts  in  denselben  über  diese  beyden  letzten  Bücher 
vorhanden  war,  warum  liat  doch  der  Verfertiger  dieses  Supple- 
mentes niclit  die  handschrifllichen  Lesarten  über  diese  Bücher 
mitgetheilt'i  Da  also  noch  ein  unerfreuliches  Dunkel  über  diesen 
Punkten  liegt,  so  können  wir  bloss  über  das,  was  sich  in  diesen 
IVoten  findet,  unsern  Lesern  Bericht  erstatten. 

Sie  sind  Französisch  geschrieben,  diese  Noten,  und  also  wohl 
nur  für  das  Französische  Publicum  und  für  Französisch-Gebildete 
berechnet;  daher  auch  selbst  Stellen  aus  Lateinisclien  ('lassikerii 
mit  einer  Französischen  Uebersetzung  begleilet  werden.  \ on 
doppelter  Avt  aber  sind  diese  .Noten,  einige  k/ilLsrh^  andre  I/i- 
slon'sch.  Die  kritischen  handeln  von  den  Corruptioneu  und  Lük- 
ken  des  Textes ,  von  den  Verbesserungen  und  Ergänzungen  der- 
selben, sowohl  denen  die  bereits  gefunden  sind  oder  gefunden  zu 
seyn  scheinen,  als  auch  denen  die  man  noch  zu  suchen  hat,  und 
endlich  \on  den  Quellen  und  Gründen  der  gemachten  oder  zu 
machenden  'JYxtveränderungen.  Diese  Classe  >on  Anmerkungen 
ist  in  doppelter  Hinsicht  wichtig,  1)  weil  man  nun  erst  dadurch 
erfahrt,  was  Clar.  nach  Manuscri|)len,  was  er  nach  ('onjectnren 
geändert  hat;  2)  weil  man  dadurch  nähere  Kenntniss  ^on  den  Pa- 
riser Haiidschrirten  erhält,    aus  weichen  ehi  Theil  dieser  Aende- 


38  Griechische  Litteriitur. 

ningen  geflossen  ist.  Leider  aber  sind  die  Lesarten  dieser  Hand- 
schriften nicht  vollständig  nütgclheilt,  sondern  gewöhnlich  nnr 
die,  welrlic  Ciavier  entweder  in  den  Text  anlgenommen  hat, 
oder  die  ihm  \eranlassung  znr  Aendernng  des  Textes  gegeben 
haben.  Znr  Uegriindung  oder  Emplchlnng  der  in  den  Text  ein- 
getragenen oder  nur  vorgeschlagenen  Conjectnren  steht  oft  wei- 
ter nichts  da  als:  „il  fant  lire,  je  crois  qu'il  fant  lire,  j'ai  mis, 
j'ai  adoptc  la  conjecture  de  Facins,  Kuhnins'-''  u.  d.  gl.,  Mas  Deut- 
schen Gelehrten  nicht  genVigen  kaini.  Doch  bisweilen  wird  auch 
ausführlicher  über  eine  Lesart  gesprochen :  wir  m  oilcn  das  Bey- 
spiel,  dessen  wir  oben  unter  N.  3  gedacht  haben,  noch  einmal 
gebraaclien.  In  Attic.  Cap.  XXVI,  a.  E.  wird  uacli  Anführung 
der  Varianten  aus  Aew  Pariser  Handschriften  bemerkt,  dass  die 
andern  Schriftsteller  nicht  übereinstimmen  weder  über  den  Zu- 
namen des  Kallimachos,  noch  iiber  die  Ursache,  warum  man  ihm 
denselben  bev gelegt  habe;  dann  dass  nach  Vitrnvius  und  Diony- 
sios  aus  Ilalikarnass,  deren  Stellen  bey geschrieben  sind,  derUey- 
name  Catatechnos,  den  Vitrnvius  anfülire,  ein  Lob  gewesen  sey, 
hingegen  Plinins,  dessen  Worte  ebenfalls  beygefügt  sind,  und 
die  Schriftsteller,  denen  er  folgte,  dem  Kallimachos  das  zum 
Vorwurf  gemacht  haben,  was  Ande»e  an  ihm  lobten,  und  dass  er 
also  zwey  Zunamen  geführt  habe,  den  einen  von  den  Feinden, 
den  andern  von  seinen  Bewunderern  gegeben.  Nun  aber  beweise 
alles,  w  as  Tansanias  sage,  dass  der  letztere  in  den  Text  des  Paus, 
gesetzt  werden  müsse ,  und  darum  habe  er  Tiaratiivov  geschrie- 
ben. Die  Uebereilung  in  diesem  Schlüsse  wird  jedem,  der  die 
Worte  ovo^a  t^Eto  i]  d-eaevcjv  allav  KatiöiTjösv  cqp'  avtcp  ru- 
hig erwogen  hat,  einleucliten. 

Die  historischen  Anmerkungen  umfassen  das  Mythologische 
(ohne  Deutung)  und  Gescliichtliche  in  einer  uns  bisweilen  unnö- 
thig  sclieinenden  W  eitläuftigkeit.  Dagegen  ist  das  Geographische 
und  Archäologische  zu  wenig  oder  fast  gar  nicht  berücksichtiget. 
Am  meisten  aber  wird  der  Deutsche  Gelehrte  Wort  -  und  Sprach- 
erklärungen vermissen,  mit  Uccht  ge^  öhnt ,  von  diesen  bey  aller 
Erklärung  auszugelien  und  sie  zur  Basis  aller  Interpretation  zu 
machen.  Denn  theils  ist  es  an  und  für  sich  klar,  dass  nur  eine 
auf  eine  solche  Grundlage  gebaute  Interpretationsmethode  die 
einzig  richtige  sey,  und  zu  einer  Gewissheit  führe,  die  beynahe 
der  mathematischen  gleichkommt,  theils'  zeigen  Beyspiele,  wie 
sehr  Uebersetzer ,  Mythen  ~  Geschichts  -  Alterthumsforscher ,  Ar- 
chäologen imd  selbst  Kritiker  ihren  Arbeiten  schaden ,  und  das8 
sie  auf  Sand  bauen,  wenn  sie  die  wahren  Bedeutungen  der  Worte 
und  die  Regeln  des  Sprachgebrauchs  weniger  zu  bcacliten  sich 
erlauben,  und  sich  bey  ihren  Sacherklärungen  mit  Wortkram,  wie 
man  es  nennt,  nicht  befassen  wollen.  Hier  nun  liätten  doch  we- 
nigstens die  Textveränderungen  und  vorgeschlagenen  Conjectn- 
ren ,   wo  es  uöthig  w  ar ,   durch  Spracligrüude  seilen  unterstützt 


Puiisauius   von    Cluvicr.  39 

\verden.  Wie  sehr  sidi  aucli  in  der  Kritik  die  Veriiacii'assi4,'ung 
des  Spraclistudiums  räche,  zeii^t  unter  andern  die  Stelle  Kliac.  II 
Cap.  23,  2,  >vo  zu  den  Worten  at  yvvcdxig  ccl  'Hlsiai  tiXXu  ts 
Tov 'uT^xMEog  ÖQÜOiv  i:g  ri{u]v,  xul  xoTCZEöd^cct  vo(.U^ov(}Lv  av- 
TÜ7'' die  Anmerkinii^  iiesetzt  ist:  .,il  nie  i)aro)t  evident  qu'il  laut 
avtdg,''''  nämlich  statt  «uTüi-!  wohey  noch  zu  bemerken,  dasa 
diese  Conjectur  am  llandc  der  Ausgrabe  nicht  ani^egeben  ist.  Auch 
>vas  die  Sprache  des  Pausanias  und  ihre  Efgenheiten  betrifft,  so 
ist  für  ihre  Erlänterniiir  in  tliesem Supplemente  nichts  gethan  'wor- 
den. Dass  hier  kein  iudex  g/uecilatis  Pausaniae  zu  suchen  scy, 
durfte  wohl  kaum  noch  erinnert  werden;  und  doch  Avar  er  bey 
einer  neuen  irrossen  Ausc:abe  dieses  verkannten  und  vernachläs- 
sifften  Schriftstellers  in  mehr  als  einer  Hinsicht  so  nöthig.  Hätte 
sich  Ciavier  mit  der  Sprache  desselben  genauer  bekannt  gemacht, 
so  vviirdc  er  in  Eliac.  I  Cap.  4,  1  nicht  ziicp  re  ccTiivEiue  ysQu 
aus  dem  Grunde  corrigirt  liabtm:  ^^yaQa  ne  sc  prend  guere  pour 
les  honneurs  qu'on  rend  aux  dieux !  -'•  Auf  solchem  Grunde  ruht 
auch  seine  \  ermuthung,  dass  ebend.  Cap.  6,  1  in  dem  ihm  unver- 
ständlichen dytVBicov  vei'steckt  liege  'lö^iiiav.  Die  gerügte  Eil- 
fertigkeit, mit  der  fremde  Hände  dieses  Supplement  verfertiget 
haben,  thut  sich  auch  dadurch  kund,  dass  liier  öfter  steht  j'ai 
mis,  oder  ähnliches,  aber  die  dabey  angeführte  Lesart  sich  iu 
der  Ausgabe  selbst  nicht  findet,  z.  B.  Buch  4  Cap.  7,  2;  11,  2; 
12,5;  14,  4;  22,  3.  Woher  nun  dieses  komme,  auch  darüber  ist 
man  dem  Leser  Aufschluss  zu  geben  schuldig  geblieben.  Zu 
Eliac.  II  Cap.  20  ist  angemerkt:  „Je  crois  devoir  donner  ici  la 
ligure  de  Tiiplie'sis  d'Olympie  teile  que  l'a  imaginee  M.  \  isconti ; 
eile  est  la  seul  qui  pulste  bien  expliquer  cc  passage. '•''  gleichwohl 
fehlt  diese  Zeichnung,    ohne  dass  man  erfährt,  warum. 

Siebeiis. 


Römische  Litteratiir. 


M.  T.  Cicero7iis  Orutt.  Philipplcae  in  M.  Anto- 
nium.  textum  ad  fidciii  codiciä  Vaticani  castigfavit  ot  potiore  le- 
clionuni  Aarietute  bubiiotata  in  usjuni  8cholarunt  edidit  GV.  Ootll. 
Weriiadorf.   Lipslue  ap.  llaiüuunn.  1825.  XM  u.  211)8.  gc.  8.  1  Tlilr. 

Herr  Professor  JFernsdorf  war  es  sich,  wie  dem  Publicum  schiJ- 
dig,  dem  so  treffliclien  Codex  \aticanus  von  diesen  Reden ,  auf 
dessen  Werth  endlieh  die  allgemeine  Aufmerksamkeit  hingelenkt 
war,  durch  eine  zweite  Ausgabe  dieser  Reden  vollere  Gerechtig- 
keit angedeihen  zu  lassen.    Wir  wollen  es  nicht  tadeln,  dass  dies 


40  llömische    Littcratnr. 

nicht  schon  in  der  ersten  grossem  Ausgabe  gescliali;  Garatonh 
Eiiiüuss  auf  dieselbe  entscliuhligt  Vieles:  obgleich  aucli  dieses 
-wahrhaft  besonnenen  Kritikers  Entscheidungen,  Andenlungen, 
Winken  nicht  immer  die  nöthige  Berücksichtigung  zuTheil  wurde. 
Referent  war  selbst  unter  denen,  welclie  Hrn.  W.  zu  solchen  cu- 
ris  secundis  aufforderten.  Freilich  hatte  dieser  eine  ganz  antlrc 
Art  der  Behandlung  dabei  im  Sinn,  als  die  welche  der  Beurtlui- 
huig  vorliegt.  Er  sah  es  nehmlich  immer  mit  einer  Art  Eifersucht 
an,  dass  um  diese  so  herrlichen  letzten  Reden  des  ersten  und 
für  uns  einzigen  Muster -Redners  der  Riimer,  für  welche  der 
Kritik  und  Interpretation  sich  noch  ein  reiclies  Feld  zur  Bearbeitung 
darbeut,  nur  Italiener  wahres  Verdienst  haben  sollten.  Doch  da 
dies  einmal  eine  Schulausgabe,  und  gerade  eine  solche  seyn 
sollte,  so  will  er  auch  hierüber  nicht  rechten.  Alles  kommt  dar- 
auf an,  ob,  und  in  wiefern  der  Vaticanischen  Handscluift  volle 
Genüge  geschah :  liierüber  fühlt  m'  sich  berufen  sein  Ürtheil  un- 
parteiisch abzugeben,  um  daraus  die  Folge  ziehu  zu  können,  was 
von  dieser  Seite  noch  zu  leisten  Viberblieb. 

Was  Hr.  W.  bei  dieser  Ausgabe  leisten  wollte,  ^darüber  hat 
er  sich  in  der  Vorrede  bestimmt  geäussert.  Seit  dass  der  Text 
dieser  Reden  in  der  grössern  Ausgabe,  der  Vaticanischen  Hand- 
schrift gemäss,  geordnet,  diesen  eine  gewissermassen  so  neue 
Gestalt  gegeben  habe,  dass  sich  in  ihnen  kaum  ein  Capitel  finde, 
worin  nicht  melirere  Verbesserungen  aus  ihm  hervorgegangen: 
sei  schon  desshalb  eine  Schul -Ausgabe  für  sie  nöthig  geworden. 
Ueberdies  liätten  noch  andere  Stellen  mehr  aus  dem  Vat.  der 
Verbesserung  bedurft,  die  zwar  in  den  Anmerkungen  begünstigt, 
doch  nicht  selbst  geändert  worden:  noch  andre  endlich  hätten 
verbessert  zu  werden  verdient,  welche  ganz  unberücksichtigt  ge- 
blieben. Da  er  nun  eine  Ausgabe  beabsichtigt,  die  einen  von 
Fehlern  möglichst  freien  Text  liefern  sollte,  so  habe  er  geglaubt, 
in  den  Anmerkungen  nicht  bloss  die  Verschiedenheit  seines  Tex- 
tes A  on  dem  Emestischeii^  Schützeschen^  oder  auch  Gräveschen 
angeben  zu  müssen ,  sondern  auch  für  nützlich  erachtet  die  Ab- 
weichungen der  Schützeschen  Lesart  selbst  da  anzuzeigen,  wo 
das  Rechte  bereits  von  Em.  und  Seh.  hergestellt  war,  um  hier- 
durch dem  Lehrer  Gelegenheit  zu  geben,  vermittelst  dieser  Ver- 
Bchiedeidieit  der  Lesart,  das  Talent  seiner  Schüler  zu  üben.  Aus 
gleicliem  Grunde  habe  er  die  bedeutendem  Abweiclnmgen  der 
Gräv..,  Ern..,  Garat.  und  eigens  benutzten  Handschriften,  selbst 
der  Oxfordschen,  anzuführen  nicht  luiterlassen.  Zuletzt  seien 
auch  die  kurzen  Schützeschen  Bemerkungen  benutzt  worden, 
wenn  sie  dem  Wort-  und  Sachsinn  einiges  Licht  gaben.  Eigne 
Erläuterungen  dieser  Art  beizufügen  habe  es  an  Müsse  gefehlt. 
Das  Uebrige  der  Vorrede  gehört  für  Begründung  des  Sinns  eini- 
ger einzelnen  Stellen,  gegen  den  Äecews.  der  Leipz.  Litt.  Zei- 
tung von  1822  Nb.  55  u.  56. 


Cicer.  Oratf.  Philipp,   cd.  Wernsdorf.  41 

Doch  wir  eilen  zu  tlcm  nach  diesem  etwas  bequemen  Plane 
Geleisteten  selbst.  Hier  sind  nun  wirklich  eine  bedeutende  Zahl 
der  Lesarten  der  \  at.  Handschrift  neuerdings  mit  Uccht  in  den 
Text  genommen,  doch  grossen  Tlieiis  die,  worauf  ^  orhergehende 
Recensionen,  besonders  die  in  der  Neiien  Kr  it.  Bibl.  f.  d.  Schul- 
7ind  Uiitenichtwesen  t.  Y  n.  1  p.  33  — 41  bereits  aufmerksam 
machten.  Da  ihrer  A\ifnahme  selten  innere  Gründe  beigefüfffe 
sind,  so  halten  wir  uns  mit  der  Aufziililung  derselben  nicht  auf, 
sondern  a:ehn  zur  l'ri'ifunij  selbst  fort. 

Die  erste  Aumcrkuiip:  endiält  einen  Irrthura.  Im  Texte  ist 
erat  ?/sa  inngestellt,  inid  unten  lieisst  es,  Sic  Vat.  Allein  die- 
ser liest  ja  nsa  erat ;  welches  nicht  nur  «lie  hier  einzig  richtige 
Stellung  ist;  sondern  so  nur  lässt  sich  auch  begreifen,  wie  we- 
gen der  voi-hergehenden  "^A  ortendung  das  abgekürzte  usa  bei  an- 
dern Handschriften  herausfallen,  bei  andern  in  usurparat  ver- 
wandelt werden  konnte.  Zu  den  kurz  darauf  folgenden  Worten 
ad  hiinc  ordinem  res  optimas  d  efer  chat^  Hess  sich  die  Erne- 
stische  Conjectur  referebat^  durch  den  siipplirenden  Deisatz,  nt 
eas  ad  eum  refcrret^  genügend  zurückweisen.  Ohne  Streit  Avälilte 
Cic.  das  Wort  absichtlich ,  lun  es  mit  den  nächstvorhergehendeu 
verbunden  zu  wissen,  so  dass  man  noch  dazu  zu  denken  liat,  de- 
Uberatas  cum  principibus  civitatis.  Gleich  nachher  ist  die  Con- 
struction  schwerlich  richtig  nach  dem  Vat.  geändert,  nil/il  tmn^ 
7iisi  qjiod  erat  omnibiis  nolum  in  Caesaris  commenfariis  repe- 
ricbatar.  Denn  so  schleppt  die  Stelle  nicht  bloss,  da  schon  dem 
Lateinischdenken  gemäss  die  Worte,  in  Caesaris  commentariis^ 
sich  an  nihil  tum  eng  anscliliessen,  sondern  selbst  die  Umstellung 
Omnibus  votum  ist  nicht  Ciceronisch ,  weil  dieser  in  der  Regel 
schreibt,  haec  quae  nota  sunt  omnibus.  Mil.  28, 76  nisi  rem  tarn 
notam  esse  omiiibus  —  videres.  III  Yerr.  58,  IS-l  quae  passeri- 
bus  nota  est  omnibus.  II  Fin.  23,  70.  Sieht  man  überhaupt  die 
Steile  mit  ihren  Lesarten  genauer  an,  so  ergiebt  sich ,  dass  schon 
früh  die  A>  orte,  nisi  quod  erat  noium  omnibus  herausgefallen, 
und  am  Kand  dei*  Handschrift ,  wie  das  bei  mchrern  Auslassun- 
gen der  Fall  ist,  gesetzt  waren,  ohne  dass  die  3Iarque  da ,  w  ohin 
tjie  gehörten,  im  Texte  angegeben  war.  Darum  Hessen  mehrere 
Abschreiber  sie  ganz  Aveg,  andere  stellten  nach  ihrem  Erachten 
sie  so,  andre  so  ein.  So  lässt  sich  alles  überzeugend  erklaren. 
Kef.  behält  demnach  mit  völliger  üeberzeugung  die  \  ulgata  bei: 
denn  selbst  die  Stellung  erat  notuni  ist  absichtlich;  man  über- 
setze, ausser  ivas  wirldich  jedermann  kund  tvar. 

ISoch  ist  ausserdem  für  das  erste  Cap.  etv>as  über  die  Inter- 
pimction  zu  bemerken,  das  nicht  wenig  Stellen  der  Ausgabe,  und 
insbesondere  die  durch  Vorder-  und  Machsatz  innig  verbundenen 
\ollsätze  angeht.  So  sind  die  folgenden  Worte,  Malta  praeter- 
eo,  eaqne  praeclara.  ^-Id  singulare  enim  M.  j-lntonii  factum 
festinat  oratio  .y  uimatüriicli  von  einander  getreiuit,  mid  es  sollte 


42  Ruiuiäcbe  Litte  rat  iir, 

nach  dem  mit  praeclara  schliessendcn  Vordersätze  nothweudi;; 
ein  Colon,  kein  \ollj)iinct  stclni.  J)asselbe  gilt  auch  von  den  mei- 
sten Nachsätzen,  wo  we-a'n  Vorsetzung  des  Gewichtsworts  eniin^ 
oder  autem^  ausgelassen  ist;  auf  Avelche  iibcrhaupt  noch  die  Her- 
ausgeber Ciccros  zn  wenig  acliteten.  Daher  ist  gleich  darauf  zu 
interpungiren.  De  qiia  ne  sententias  quidem  dixlmus:  scripluni 
setiatus  consultinn.,  quod  fieri  vellet^  atlulit.  Eben  daher  rauss 
im  folgenden  Cap.  vor  uncus  iinpactus  kein  Comma,  sondern  Co- 
lon stehn.  Ueber  auteni^  so  weggelassen,  hat  schon  Ochsner  zu 
Oliveis  Eclogeii  gute  Bemerkungen.  Doch  diess  im  Yoriiber- 
gehn,  und  das  nur  darum,  weil  fiir  Schul- Ausgaben  riclitige  In- 
terpunction  vor  Anderni  wichtig  ist. 

Im  2ten  Cap.  war  gleich  in  den  ersten  Worten  Lux  -  ohlata 
die  Krnestische  Conjectur  oborta  kurz  dadurch  zuriickzuweisen, 
dass  Lux  liier  so  viel  als  spes  salutis^  nicht  wie  Abrami  will,  Sa- 
lus selbst  bedeute,  vergl.  X  Phil,  ö  Alter  eani  sibi  legem  sta- 
tuerat ^  ut^  quo  veuissct  ^  lux  veiiisse  quaedum  et  spes  salutis 
videretur :  denn  et  ist  hier  rein  erklärend.  Spes  oblata  steht 
aber  bei  Cic.  oft,  z.B.  XIII,  3.  Auch  kann  das  Wort  noch  durch 
die  Neigimg  Ciceros  zu  gleiclien  Anklängen  vindicirt  werden,  ob- 
lata-sublato.  Etwas  tiefer  ist  nun  richtig  der  Plural  edixeraiit^ 
als  auf  beide  Consuln  Bezug  habend ,  und  so  auch  appellabantur 
aus  dem  Yat.  aufgenommen.  Warum  aber  nicht  auch  kurz  \ot 
letzterm  ut  mihi  miruni  videatur  mit  demVat.und  allenlland- 
schriften  Ferraris  umgestellt'?  da  diese  Structur  Cicero  öfter 
hat — C.  Rabir.  9^2^Itaque  mihi  mir  um  videtur :  sogar  I  Orat. 
49,  214  Per  mihi  mirum  visum  est  — ;  so  dass  sich  das  Gewicht 
auf  rnirum  verstärkt.  Auf  ähnliclie  Art  war  im  3ten  Cap.  quae 
mihi  ita  placuit  innzustellen :  wo  selbst  dann,  wenn  der  Yat. 
die  gemeine  Lesart  begiinstigen  sollte,  was  zu  bemerken  iibersehn 
wurde,  die  angezeigte  Stellung  die  bessre  bleibt.  Yergl.  II  Yerr. 
6  nee  recuso^  quin  me  ita  audiatis^  ut  etc.  Y  Divv.  ep.  9 
Quod  ego  ita  libenter  accipio ^  ut  etc.  Doch  wir  übergehn 
minder  Wichtiges,  und  merken  bloss  beim  Anfange  des  4tenCap., 
wo  richtig  Tum  vero^  statt  Hie  vero^  aufgenommen  ist,  an,  dass 
tum  durch  die  vorgehende  Sylbe  riun^  wie  oft,  verdrängt,  den 
Abschreibern  Anlass  gab,  nach  dem  Contexte  nicht  übel,  Hie  ein- 
zuschalten. In  diesem  Cap.  war  indess  Exque  eo  aus  dem  \at., 
für  Ex  quo^  zu  bessern,  wie  man  eben  so  richtig  II  OIF.  23,  80 
that,  da  das  Gewicht  auf  der  Präposition,  nicht  auf  dem  llelali? 
rulit.  Eben  so  war  aus  demselben  tiefer,  statt  des  doppelten  ne- 
que  an  zweiter  Stelle  wec  zn  schreiben:  denn  so  legt  sich,  der 
Saclie  gemäss,  auf  den  vordem  Negativ- Satz  mehr  Gewicht, 
inid  in  7/ec  liegt  der  Begriff'  nee  ^  si  sperurem.  Uebrigcns  ist 
gleich  darauf  aus  ihm«  richtig  videntur^  statt  ridebanlur^  und 
dann  tarnen^  im  Sinne  des  sattem^  anerkannt:  mag  sich  auch  im- 
mer Matthiae  zu  Catil.  111,5, 10  ohiierachtet  derNähe  der  BegriÜe, 


CIccr.  Oratt.  Philipp,  ed.  Wernsdorf.  43 

in  welcher  diese  zu  eiuaiuler  steliii,  von  dieser  Bedeutring  der 
Partikel  nicht  Viberzeiijren  können.  Cap.  5  lallt  aul",  dass  auch 
in  dieser  Ausgabe  Annibal  blieb,  da  doch  der  \at.  die  Aspiration 
hat,  und  Cicero  nie  anders  schreibt:  selbst  in  diesen  Heden  X, 
9,  10,  >vo  es  allein  5  mal  vorkommt.  AVeilcr  imten  weiss  Ref. 
niclit,  ob  er  das  Aurffenoinmene  ei  diccret  billigen  soll,  da  ent- 
scliieden  cdicerci  lur  diceret  bei  Cicero  vorkommt.  J*ll)en  so 
möclite  er  zweil'eln,  ob  \w\  toiiUi  isia  pucnia  richtig  aus  d.  \at. 
tanta  beigelugt  sei,  da  ista  sclion  i'iir  sicii  selbst  diesen  Nach- 
druck hat ,  nnd  die  Abschreiber  nur  zu  gern  durcli  solche  Bei- 
sätze nachliallcn,  wo^on  der  Vat.  nicht  frei  ist:  auch  hess  sich 
wohl  glau])en,  dass  C.  in  dieser  Verbindung  eher  isla  tanta  ge- 
schrieben haben  wiirde.  Im  6ten  Cap.  war  mit  dem  \at.  domi- 
natu  regio  umzustellen,  wie  II  Phil.  34,  XI  Divv.  ep.  5,  II  Orat. 
55,  mul  in  den  folgenden  Worten  iani  prope  in  quingeidesimum 
a/tnuni  ist  Cicero  sicher  ein  Fehler  aufgebürdet:  denn  dieser 
schrieb  nie  iam  prope^  sondern  stets  prope  iani.  lam  ist  sichre 
Glosse;  wahr.'^cheiulich  auch  in  erst  nach  quingentesimum  zu 
stellen,  weil  der  Context  auf  das  Zahlwort  das  Gewicht  fordert, 
und  es  da  auch  eher  herausfallen  konnte:  wiewohl  (Me  Lesart  al- 
ter Ausgaben  in  prope  quing.  ebenfalls  zu  beachten  ist,  ob  ihr 
gleich  Belege  abgelm.  Tiefer  unten  ist  in  Quae  {jnalinn)  est 
ista  vohüitaria  severitas  ?  das  lebendigere  Quae  für  Quaenam 
mit  Grunde  berücksichtigt;  nur  behagen  die  Parenthesen-Zeichen 
zu  mahim  nicht,  mit  denen  überhaupt  die  Herausgeber  zu  frei- 
gebig sind.  Eben  so  richtig  ist  Cap.  7  ipse  (er  für  seine  Person) 
aufgenommen :  nur  dass  nothwendig  facere  ipse  nach  guter  Au- 
torität umzustellen  war.  Gleich  richtig  ist  die  doppelte  Umstel- 
lung, benigne  ine  tarnen^  nt  adhuc  fecistis^  audiatis^ 
dem  Vat.  entlehnt:  doch  musste  aus  diesem  auch  im  Folgenden 
pacis  atque  ofii^  für  et^  wie  I  Rull.  8,  schon  um  den  Adonicus 
am  Schlüsse  des  Gedankens  zu  meiden,  geschrieben  werden. 
Auch  ist //c///V ,  iitnit  licebot ^  gehörig  beherzigt,  das  selbst  die 
übrigen  guten  Codices  begünstigen.  Bei  multis  ?n/dta  proniissa 
fecit  war  indess  die  Stellung  zu  schützen,  da  bekanntlicli  die  Re- 
gel gilt,  dass  bei  der  Structur  solcher  doppelten  Adjectiven  der 
oblique  Casus  nachstehen  müsse.  Diese  selbst. steht  fest,  weil 
auf  dem  casus  rectus  gewöhnlich  das  Gewicht  der  Rede  ruht,  und 
so  heisst  es  auch  II  Olf.  18  ninlta  multis  de  iure  conceden- 
teni:  nur  rauss  zugleich  die  seltnere  Ausnahme  mit  bemerkt  wer- 
den, wenn,  wie  hier,  -auf  den  obliquen  Casus  der  iVaclidruck  fällt, 
z.  B.  I  \  eri*.  41)  quid  est  aliud  ^  ovinibiis  omnia  peccafa  et 
inaleficia  concedcre  — ?  Dann  darf  auch  aliis  aliud  Brut. 
22,  87  u.  I  Rep.  32  nicht  auffallen.  Für  solclie  Ausnahme  Miisste 
sicliRecens. ,  bei  übrigens  bestimmter  Aufstellung  der  Regel,  zu 
de  Legg.  I,  IJ),  52  selbst  nicht  zu  helfen.  In  vorliegemler  Stelle 
iüt  noch  überdies  muUis  nmlta  so  gestellt,    damit  es  dem  Vor- 


44  Rumiächc  Litter a tu r. 

hcrgelieiulen  ctii  quid  entspreche.  la  den  kurz  darauf  folgenden 
Worten,  Pecunia  utlnum  ad  Opis  nifüieret !  crucnla  Uta  quidem^ 
sed  his  temporibas^  qniim  üsquorumest^  non  reddHiii\  iw- 
cessaria^  Imlte  qiioniam^  statt  qunm^  in  dem  Sinne ,  loeil  es  min 
einmal^  aus  dem  Yat.  den  Vorzug  verdient.  Die  etwas  weiter  un- 
ten folgenden  Worte  niussten  wohl  so  interpungirt  werden :  Qune- 
re  acta  Gracchi^  le^cs  Semproniae  proferentur :  quaere  Sullae^ 
Corneliae.  Doch  wir  Vibergehn  das  in  den  folgenden  Capiteln  zu 
bemerkende  minder  Wichtige ,  da  die  bessern  Lesarten  des  Vat. 
meist  richtig  benutzt  sind :  ausser  dass  in  Cap.  10  in  den  Worten, 
quiilla  numquam  prohavi.,  tarnen  ita  conservanda  arbitratiis  suni^ 
das  in  der  grössern  Ausgabe  aus  dem  \at.  aufgenommene  tarnen 
ohne  alle  Eeraei'kung  wieder  gestrichen  ist,  ohngcachtet  es  sicher 
nicht  auf  die  Rechnung  der  Abschreiber  zu  setzen,  sondern  ganz 
Ciceros  Farbe  trägt:  auch  ist  ja  tarnen  nach  qui^  wenn  dies  für 
quamquam  ego^  tu^  in  steht,  nicht  selten.  Wir  fügen  für  C.  12 
nur  noch  bei ,  dass  mit  dem  Yat.  luid  den  meisten  Andern  nobi- 
les  homines  umgestellt  werden  musste:  denn  liier  ist  nobiles  mar- 
qidrt,  wie  I  Divv.  ep.  9,  53  Corte,  qiioniam  qiddam  7iobiles  ho~ 
mines^  et  de  ine  optinie  meriti^  niniis  amarent  inimicum  meiim. 
Dagegen  würden  wir  anstehn  C.  13  zwischen  {cihsentem  appello) 
enim  aus  dem  \at.  einzusetzen,  wie  der  Herausgeber  in  den  Er- 
ratis  p.  XVI.  fordert.  Denn  mag  diese  Partikel  in  den  Parenthe- 
sen bei  Cicero  noch  so  häufig  vorkommen,  so  ist  es  ebenfalls  nicht 
selten  der  Abschreiber  Art  sie  beizusetzen :  auch  spricht  Cicero 
ebenso  abrupt  III,  11  [adolescefitem  appello.)  Hierzu  kommt, 
dass  der  Redner  schon  oben  C.  7  des  Antonius  Abwesenheit  mit 
beissender  Parallele  rügte;  woher  hier  e?iim  wirklich  ein  er- 
scldaffender  Beisatz  scheint.  Genauere  Berücksichtigung  ver- 
I  diente  tiefer  in  demselben  Capitel  die  Stelle:  Aum  huinsce.,  quam 
pj'o  Salute  reip.  tanta  gessisses.,  fortunae  ^e,  iiutn  a/iiplitudinis^ 
num  claritatis ,  num  gloriae  poenitcbat  ?  In  ])eiden  AusgaJ)en 
wurde  hier  die  Vulgata  beibehalten,  troz  der  Warnungen  der 
bessern  Handschriften.  Dies  fühlte  der  Herausgeber  noch  nach 
dem  Abdrucke  der  kleinern,  verlangt  daher  in  den  Erratis  S.  WI 
so  umzuändern :  Num  ife,  quuni  haec  pro  saliite^ic..,\\\\^\\V\ 
dann  te  nach  fortunae  gestrichen  wissen.  Bevor  wir  hierüber 
«rtheilen,  müssen  die  Handschriften  befragt  werden.  Die  Vat. 
liest,  Num  te^  qiium  huec  p.  s.  etc.  und  nach /o/"/////r/e,  für 
i^e,  tuae.  Statt  dessen  hat  die  dieser  zunäciist  stehende  Cöln- 
gehe,  Num  haec  te.,  cum  etc.  und  mit  dieser  stimmt  die  Gro- 
novsche.  Die  Franzische  liest,  iN«?«  A « e c  tecum.,  indess  hat 
bei  iiir  eine  spätere  Hand  tecum  haec  umgesielU.  Nehmen  wir 
diese  Abweiclumgen  genauer  in  Obacht,  so  scheint  die  erste  Ver- 
schlimmerung des  Grundtextes  dadurcli  entstanden  zu  seyn,  dass 
haecce  in  haec  ie  verdorben  wurde,  was  nur  zu  liäuiig  vor- 
kommt.    Denn  dass  eluuals  ce  gelesen  w  urde ,  zeigt  der  Vulgata 


Ciccr.  Oratt.  Philipp,  cd.  Wernsdorf.  45 

ihr  hiiiiisce^  deren  T^r]»c])cr  haecce  a\i^  jwcnl lehnt  bezo2f,  iiiul  da- 
her es  aus  freier  Hiiiul  änderte.  Die  Vat.  MoUte  auf  anderm 
Wege  helfen,  und  stellte  das  verdorbnc  hacc  tc  um.  Lesen  wir 
nun,  Nuin  hacccc  (ptum^  so  haben  ^^ir  die  Cölnsehe,  Gronovsche 
und  Franzische  Handschrift  auf  unsrer  Seite.  Aber  was  soll  das 
ti((w  der  Vadcanischen?  Ks  verräth  selbst  beim  Fehler  ihr  Al- 
terdnnu  und  ihre  Giite.  31an  lese  nehmlich  und  interpnngire  die 
Stelle  so :  Ninn ,  liaccce  (juinii  pro  salutc  rc-ipubUcae  taiita  ges- 
si'sscs.  fortunoc  te  iiiae^  itum  atiipUludiiiis^  mim  clarifalis^  iium 
gloi iae pociiitcbat?  Es  licss  der  Abschreiber  dieser  Handschrift 
tc  \ov  tiiae  sicher  deswegen  weg,  weil  er  es  nach  JStiin  schon 
gesetzt  hatte:  aucli  ist  es  mehr  als  gewöhnliche  Vernuitlmng, 
«lass  liier  wirklich  Cicero  te  tiioe  setzte,  sobald  man  seinen  Sprach- 
gebrauch hc\ poe/iitei  kennt.  Vergl.  I  l)i\v.  ep.  7  vi  e  meae  for- 
tiinae  ne  nimis  poeniter et ^  tun  virtute pcrfccium  est.  Eben- 
das.  MI  ep.  3  Cnins  vie  mei  facil  p  oeiiituit.  Auch  stellt 
ja  (^icero  Viberhaupt  gern  diese  Pronomina  zusammen,  wie  das 
sich  durch  viele  Stellen  bclt^en  liess,  von  denen  wir  nur  einige 
frülier  verdorbncn  anführen:  III  Yerr.  31,  100  (juos  tu  tut 
quaestus  cinisaecocasti.,  wo  tu  er&t  aus  dem  Nannischen  Codex 
zugesetzt -wurde.  II  Rull.  20,  53  quos  tu  tuo  labore  cepisti^ 
ego  mca  lege  vendam.,  wo  das  tu  erst  durch  Weislces  Conjectur 
richtig  hijizukara.  Auch  muss  Parad.  II,  l  nach  guten  von  Ref. 
verglichnen  Handschriften  nicht  tuae  Ubidines  te  torquent^ 
sondern  te  tuae  llbid.  torq.  gelesen  werden. 

Man  verzeihe  das  längre  Verweilen  bey  einer  Stelle,  bei 
welcher  sich  die  Art,  wie  sie  verdorben  wurde,  imd  der  Weg,  wie 
sie  zu  bessern,  bestimmt  nachweisen  liess.  Wir  wollen  das 
Uebrige  um  so  kVirzer  berücksichtigen,  und  fügen  mit  den  nächst- 
folgenden Worten  gleich  die  richtigere  Interpunction  bei:  Non 
2)ossum  oddiici  ut  s/ispiccr ,  te  peainia  captum :  licet  quod  cui- 
que  libcl  toqualiir ,  credere  non  est  nccesse.  Denn  durch  die 
zwei  \ollpnncte  wird  der  enge  ZusainmenliEtiig  Aviderlich  gespal- 
ten. Dei //ce/ ist  aber,  vermöge  obiger  Remerknng,  enini^  wie 
nach  dem  gleicli  scharf  vorgestellten  credere ,  tarnen  weggelas- 
sen :  „  Ich  kann  micii  nun  einmal  nicht  zu  der  Vermuthung  bewe- 
gen lassen,  du  seiest  durch  Geld  gewonnen:  mag  gleich  jeder 
sprechen,  was  ihm  beliebt,  deswegen  braucht  man  es  ja  doch 
nicht  zu  glauben." —  Dei  Cap.  1-1  ist  die  Wiederaufstellung  der 
\ulgate,  Quod  videnius^  etiam  infabuUs^  ipsis  illis^  qui 
oderint  dum  metuunt.,  d  ix  er  int.,  perniciosum  fttisse .,  durch- 
aus nicht  zu  billigen.  Schon  das  Ohr  ist  damit  unzufrieden.  Dass 
ferner  der  Redner  mehr  Mie  Einen  verstanden  wissen  will,  (ei- 
nen infabidis.,  den  andern  extra  fabtilas^)  ergiebt  sich  durch  den 
Beisatz,  etiam  infalndis.,  von  selbst;  zu  eben  diesem  ßeisatze 
passt  aber  auch  der  Plin-ai  ipsis  Ulis  nicht,  will  man  nicht  zu  an- 
dern gehaltlosen  Vermulhungen  flüchten.       Uebrigens  ist   klar 


46  Rümische  Litteratnr. 

dass,  andrer  Seits,  der  Absclireiber  des  Vat.  ans  Unkunde, 
dass  der  collective  Ausdruck,  etiam  infahilis^  gleicli  dem  ge- 
wöhnlichem, ut  est  infahidis^  auch  für  den  einzelnen  Fall  ge- 
braucht werde,  gleich  Andern,  fabula  ändern  zu  miissen  glaubte. 
Daher  ist  siclier,  etiam  in  fabiilis^  ipsi  illi^  qui  —  dixerit^  zu  le- 
sen. Gleich  darauf  war  das  gewisse  und  zugleich  fade  Glossera 
habendoriim^  zwisclien  annorum  liceiitiam^  mit  Schütz,  wie  in 
der  grossen  Ausgabe,  zustreiclicn:  denn  wem  ist  nicht  das  öf- 
ter, xmd  immer  ohne  Eeisatz  wiederkehrende  giadiorum  licentia 
II  Divv.  ep.  0  uihI  impiaiitas  gladionim  I,  31  und  X,  2  bekannt'? 
und  wo  giebt  sich  nicht  bei  solchen  abgekürzten  Ausdrücken  der 
Absclireiber  glossirende  Hand  kund!  ja  hier  verräth  sie  sich  noch 
deutlicher  durch  das  Doppel -Glossem  metuendorum.  Zu  Cap. 
li  wollen  \\\y  bloss  die  nothwendige  Umstellung.,  Satis  erit  enirn^ 
wie  sie  der  Vat.  fordert,  rügen.  Es  wurde  mit  dieser  Wortstel- 
lung in  neuster  Zeit  viel  Unwesen  getrieben.  Seit  dass  Scliae- 
fer  bei  den  Briefen  desPlinius  zuerst  auf  sie  aufmerksam  machte, 
will  man  sie  Cicero  überall  aufdringen,  ohne  ihre  im  Sprachgeiste 
selbst  begründete  Eigenthümlichkeit  aufzusuchen.  Geschah  dies, 
so  würde  man  bald  auch  die  Unentbehrlichkeit  der  andern  Con- 
struction  anerkennen.  Hier  ists  genug  zu  bemerken,  dass  die 
stärkere  Assevcration  diese  Umstellung  fordert,  wie  bei  Mil.  12 
satis  est  quidem  —  docere.  III  Leg.  5  satis  esse  autem  argii- 
vienti  videtur.  Ueberdiess  steht  noch  sati^  erat  hier  für  siiffi- 
ciehat^  welches  Verbum  bekanntlich  Cicero  in  diesem  Sinne  nicht 
braucht. 

Wie  die  angeführten  Bemerkungen  zur  Isten  dieser  Beden, 
so  lassen  sich  zur  2ten  an  1(H)  andre  für  Wortkritik,  Wortstellung 
und  Interpunction  von  gleichem  Gehalte  macheu,  und  so  fort  bei 
den  übrigen  Reden,  welche  dieser  schätzbare  Codex:  enthält: 
denn  er  reicht  nur  bis  zum  Di'ittheil  des  TitenCap.  der  loten  Bede, 
üeber  den  Werth  dieser  Bemerkungen  liat  lief,  keine  Stimme: 
fordern  sie  indess  Berücksichtigung,  dann  ist  auch  sein  Urtheil 
anerkannt:  dass  bei  allem  zeither  Geleisteten  derselbe  gleich- 
wohl noch  nicht  so  benutzt  ist,  wie  er  sollte,  und  es  verdiente. 
Eben  daher  glaubt  er  sich  auch  berechtigt,  zunäclist  Herrn  Pr. 
Wernsdorf  zw  neuer  Bearbeitung  dieser  Reden  aufzufordern;  und 
sollte  demselben  die  nöthige  Müsse  dazu  abgehn ,  dann  wäre  es 
iur  angehende  Philologen  ein  eben  so  würdiges  als  ehrendes  Ge- 
schäft, an  iJinen  ihre  wachsenden  Kräfte  erstarken  zu  lassen.  Ne- 
ben genauem  Studium  dieses  Geschichts- Abschnitts,  (von  wel- 
cher Seite  diesen  Reden  noch  manches  leicht  zu  gewiimeude 
Licht  abgeht,)  würde  dann  sorglichere  Rücksicht  auf  des  Autors 
Sprachgebrauch,  vorzüglich  aber  auf  streng  prüfendes  Studium 
der  Vat.  Handschrift  selbst  zu  nehmen  seyn,  an  welcher  sich 
nicht  gar  selten  die  supplirende  Hand  verrätli.  Hierdurch  würde 
man  den  letzten  Geistes -Producten  dieses  immer  neu  sich  dar- 


Wüstcnianne  Deuts  ch  -  Lat.  llaudw  ürterbn  eh.        47 

stellenden  Römischen  Kedners  his  zn  dem  Grade  die  Feile 
geben,  in  welcliem  so  viele  andre  Werke  desselben  sie  noch  gar 
sehr  vermissen. 

Ueber  die  Orthoffrapliie  in  beurthcilter  Ansgabe  fiigt  Ref. 
mir  noch  hinzu,  dass  er  die  Aenderung  des  cum  in  qiium  bei  ihr, 
als  die  richtigere  Sclneibarl  bei  Cicero,  durchaus  billigen  muss. 
\So  könnte,  andre  Gründe  gar  nicht  zu  berühren,  anders  die 
häufige  V  erwechslung  des  tjuiiin  mit  y?/?*,  (juo^  quod^  quc^  qjiam^ 
quatulo^  quouiam^  quamquam^  noit  qiiuni  mit  minquam^  etc. 
herzuleiten  seyul 

G  0  er  en':^. 


Lexicog^raphie. 


Deutsch  -  Lat.  H  an  dw  ort  ei' buch  von  Ernst  JFüstemann, 
Doctor  der  Pliihtsopliic  und  Pr(»l"e>.>()r  am  Gymnasium  zu  Gotha. 
Er-*tcr  Tlicil.  Gotha,  IIcnning;sschc  Buclihandlung.  1826.  XXIV  u. 
570  S.  gr.  8.  Subscriptionsi)!-.  für  beide  Thle,  2  Thlr.  Ladenpr.  3  Thlr. 

J^o  raangelliaft  anch  lange  unsre  Deutsch -Lateinischen  Lexica 
waren,  so  schnell  folgten  in  der  letzten  Zeit  mehrere  \ ersuche 
aui"  einander,  um  diesem  Mangel  mehr  oder  weniger  befriedigend 
abzuhelfen.  Und  wenn  schon  das  Banersc/ie  nicht  ohne  manch- 
fache  Verdienste  ist,  so  iiat  nachher  Kraft  mit  Kenntniss  und 
Fleiss  dahin  gestrebt,  den  ganzen,  durch  ilni  selbst  bedeutend 
vermelirten  Vorrath  der  Spraclie  gemässer  zti  ordnen.  Li'me- 
maiiji  hätte  zur  nämlichen  Zeit  das  dem  ScJiellerschen  Handwör- 
terbuch beigegebene  ebenfalls  einer  neuen  Revision  unterworfen 
(die  Fortsetzung  seines  eigenen,  grössern  Werkes  scheint  zu  ini- 
terbleiljen,)  und  der  Verfasser  gegenwärtiger  Recension  eins  in 
einem  geringern  Umfange  für  Schulen  bearbeitet,  wobei  die 
llauptabsicht  war,  beim  Gebrauche  so  viel  als  möglich  vor  Missgrif- 
fen zu  schützen.  Später  erschien  die  zweite  Auflage  von  Krafts 
Werke  und  bald  darauf  der  erste  Theil  seines  Schulwörterbuches, 
^on  ihm  und  M.  Farbiger.  A>  enn  nun  auch  in  den  Kraftschen 
Wörterbüchern  Vieles  noch  logischer  behandelt  und  klarer  ge- 
stellt seyn  könnte,  so  war  doch  vorerst  das  llaupthedürfniss  ge- 
liobcn;  Scliüler  so\>ohl  als  Lehrer  hatten  einen  grösstentheils  si- 
chern Leitfaden.  Sollte  noch  etwas  weiter  geschehen,  so  musste 
dadurch  di(i  ^^ issenschaft  wirklich  gewinnen,  so  mussten  Resul- 
tate geliefert  scyn,  die  von  kritischer  Benutzung  des  bisJier  Gege- 
benen, von  eignen  gediegenen  Kenntnissen  zeugten.  Diess  war 
nach  dem  jetzigen  Stande  der  J)inge  so  gar  schwer  nicht.  Daher 
durfte  man  erwarten,   dass,   wenn  zu  dem  bisher  Erschienenen 


48  Römischo  Litteratur, 

sich  noch  ein  neues  Biicli  gesellte,  dasselbe  auch  etwas  enthielte, 
wodurch  es  sich  vortheillial't  vor  deu  Irüliern  auszeichnete. 

Auch  der. Herausgeber  desjenigen,  welches  hier  gewürdigt 
M  erden  soll ,  scheint  es  so  verstanden  zu  haben ,  nach  den  gros- 
sen, pomphaften  Versprechungen,  die  er  uns  in  seiner  vor  etwa 
16  —  18  Monaten  erschieneneu  Auzclge  gemacht  liat.  *)  Doch, 
man  musste  warten,  ob  er  seine  Worte  durch  seine  Thaten  aus- 
gleichen würde.  Es  konnte  ^iel  versprochen,  aber  auch  viel  ge- 
halten werden;  ob  uns  gleich  damals  schon  nicht  gefallen  wollte, 
dass  der  Ankündiger  eine  unverkennbare  Geringschätzung  gegen 
alles  Bisherige ,  also  auch  gegen  den  sehr  verdieuten  Kraft  blicken 
Hess.  Der  unparteiische,  loyale  Mann  achtet  das  Verdienst, 
selbst  wenn  es  Mängel  haben  sollte:  und  wo  ganz  Deutschland 
schon  so  günstig  geurtheilt  hat,  da  durfte  ein  —  Mie  ich  aus 
Mehrerem  schliesse  —  junger  Professor  in  Gotlia  desselben  m  old. 
auch  ehrend  erwähnen  ;  besonders  da ,  nach  Allem  zu  urtheilen, 
ohne  ein  Kraftsches  wohl  nie  ein  Wüstemannsches  Werk  dieser  Art 
erschienen  wäre.  Doch,  Bescheidenheit  ist  nicht  Jedermanns  Sa- 
che; und  wir  dachten  uns  den  möglichen  Fall,  dass  man  sich 
stark  an  ihr  versündigen,  aber  immer  noch  ein  ausgezeichneter 
Lexicograph  seyn  köime. 

Allein  dem  ist  keineswegs  also ;  und  trotz  der  XXIV  Seiten 
langen  Prunk-  und  Vorrede  des  Wüstemannschen  Werkes  bitte 
ich  vorerst  meine  geehrten  Leser,  mir  aufs  Wort  zu  glauben,  — 
ich  werde  es  aber  weiter  unten  auch  beweisen  —  dass  es  dem 
Verfasser  dieses  Buches  an  dem  ersten  und  hauptsächlichsten  Er- 
fordernisse eines  Lexicographen ,  an  grüniUicher  Kenntniss  sowohl 
der  fremden,  Lateinischen,  als  auch  der  eigenen  Muttersprache 
fehlt;  dass  einigermassen  gute  Artikel  verschwinden  imter  der 
Unzahl  solcher,  die  chaotisch  unter  einander  gewirrt  sind,  die 
von  Halbheiten  und  Irrthümern  entstellt,  zugleich  noch  den  Schein 
von  Originalität  und  tiefer  Gelehrsamkeit  an  sich  tragen  sollen; 
dass  er  nicht  im  Stande  war,  die  in  der  Vorrede  grösstentheils 
gut  entwickelten  Grundsätze  fest  zu  verfolgen ;  dass  er  in  die  an 
Andern  von  ihm  so  scharf  und  Iiöhnisch  gerügten  Fehler  häufig 
selbst  verfällt;  kurz  dass  er,  statt  wirklich  weiter  zu  schreiten, 
in  den  Hauptsachen  zurückbleibt  und  an  Gediegenheit  dem  von 
ihm  misshandelten  Kraft,  aufs  allergelindestc  gesagt,  Avenigstens 


*)  Er  sagt  darin,  dass  in  allen  bis  jetzt  erschienenen  Deutsch- 
Lateinischen  Wörterbüchern  haum  (?)  der  Grundstein  zur  Anfführnng 
eines  tauglichen  Gebäudes  (" —  ich  bitte  diesen  Ausdruck  wohl  zu  behal- 
ten — )  gelegt  sei ;  dass  ihn  diess  gewogen  habe ,  selbst  Hand  anzule- 
gen, um  ein,  bloss  für  das  Bcdürfniss  gelehrter  (?)  Schulen  berechne- 
tes. Deutsch  -  Lateinisches  AVörterbuch  zu  liefern. 


Wüstemanns  D  c  u  tscli  -  Lat.  Handwörterbuch.        49 

nicht  vorzusetzen  ist,  an  Bcsclieidenlieit  aber  und  Anspruclilosig- 
keit  ihm  weit  nachstellt. 

Diess  ist  meine  Ansiclit,  nachdem  ich  den  grösstcn  Tlieii  des 
Werkes ,  mehr  oder  minder  fifenau ,  dnrchgegani^en  und  mit  dem 
Kraftschen  (2ter  Aufläiie)  verirliclien  liabe.  Der  g^eelirte  Leser 
möi-e  mir  also  dinch  die  Vorrede,  und  sodann  durcJi  einen  Theil 
des  Werkes  selbst  ^ei'LÜliirst  lolffen;  wo  es  ihm  ja  dann  immer 
noch  freisteht,  meinen  obiiieri  IJehauplüiigen  beizustinmien  oder 
dem  Herrn  W.  zu  jjlauben ,  der  Seite  IV  der  \  orrede  iiiichyt  be- 
scheiden versich(n-t.  sein  Wörterbuch  sei  weitaus  das  beste. 

Herr  W.  spricht  zuerst  aou  seinem  Plane,  von  dem  StofTe 
und  der  demselben  srcprebenen  Form.  W'w  rüijen  hier  zweierlei; 
cinmahl,  dass  er  Iiöchst  Bekanntes  als  das  Seiniiie  sibt;  zweitens, 
dass  er  gleicli  liier  seiner  WillkVihrlichkcit  Thür  und  Thor  öffnet, 
indem  er  Seite  IV  unten  sa^t,  er  hätte  das  If  ichtigsle  und  Gc- 
zvöhnlichste  aus  Philosophie,  Theoloiiie  und  Jurisprudenz  aufg'e- 
nommen.  Das  heisst  doch  wohl  d;isjeiii,Q:e,  was  ihm  so  erschien; 
denn,  mas:  er  auj-h  PJiilosoph  und  Tiieolo^  seyn ,  Jurist  ist  er 
doch  wahrscheinlich  nicht.  Er  hätte  also  alles  dieses  weslasseii 
oder  möglichst  voUstaiulig  ^eben  sollen.  Aber  ihn  verfi'ilirte  zu 
dieser  Inconsequenz  walirsclieinlicli  der  miffeschickte  Titel  Ilaud- 
bricht  den  er  seinem  ^'^  erke  gab,  oder  eigentlich  die  S.  IV  der 
Vorrede,  seiner  in  der  Irühern  Anzeige  gegebenen  Versicherung 
geradezu  widersprechende,  Demerkung,  dass  sein  Buch  aucli  für 
das  spätere  Leben  ausreiclien  soll ;  nun  muss  er  auf  der  einen 
Seite  auch  dem  iSichtschViler  etwas  geben;  auf  der  andern  aber, 
aus  llücksleht  fiir  die  Schule^  nicht  zu  ^icl.  Also  laviert  er  so 
durch ,  und  gibt  ohue  festen.  Plan.  AVenn  ausserdem  beliauptet 
wird ,  aus  der  Aatmgeschichle  seien  die  Benennungen  ziemlich 
vollständig  anfgefidirt;  so  ist  diess  nicht  wahr,  wie  jeder,  der 
nur  z.  B.  die  Botanik  etwas  kennt,  auf  den  ersten  Blick  ersehen 
kann.  Leuiigens  ^iderspriclit  der  Plan,  solche  Kunstwörter  auf- 
zunelimen.  insofern  kein  dassisches  Latein  daiVir  existiert ,  gera- 
dezu seinem  oder  übei-hanpt  jedem  Plane  für  ein  eingcscliränkte- 
res  Wörterbuch;  sonst  muss  er  uns  ohne  Gnade  z.  B.  den  ganzen 
Linne,  AMldcnow  etc.  geben.  Oder  Mas  liat  bei  Herrn  W.  die 
Hiindshamille  vor  dem  guten  Heinrich  voraus,  als  das,  dass  er 
das  eine  kannte,  das  andre  aber  nicht"?  Wie  es  also  in  diesem 
Puncte  mit  unscrm  neuen  Le\icograplien  stellt,  sehen  wir  unge- 
fähr; kann  jeder  an  '[{){)  älinlichen  AVörtern  sehen,  wenn  er  sich 
die  31üJie  neluucn  will  zu  vergleichen;  wird  weiter  unten  noch 
deutlicher  gezeigt  Merden. 

Jlören  wir  ihn  weitei*.  Seite  V  oben  sagt  er:  „gänzlich  aus- 
gcsdilossen  sei  das,  was  in  die  Sprache  des  Pöbels  gehöre.  Es 
sei  zu  verwundern,  dass  nocli  in  den  neuesten  Wörterbücliern 
(d.  h.  in  denen  von  Kraft)  solclicr  Unralh  sich  hi  3Ienge  finde. 
In  ein,  für  den  gebildeten  Theil  des\ülke.s  bestimmtes,  Wörter- 

iahrb.  d.  l'hU.  u.  Vutla^.  Jährt;.  I.  Ihft.  1.  4 


ÖO  RümiscUe    Litterutur, 

buch  gehörten  gemeine  Schimpfwörter  und  pöbelhafte  Redensar- 
ten nicht. '•'•  Gut  gesagt,  Iiätte  er  es  nur  selbst  auch  gehalten! 
Gehören  denn  (s.S.  502)  Ausdrücke  wie:  geK  zum  Henker^  pack' 
dich  zum  Henker ,  er  mag  zum  Henker  gehen ,  hole  dich  der 
Henker^  zum  Henker^  in  den  Mund  eines  Gebildeten*?  Oder  ge- 
hören unter  den  von  ihm  aufgeführten  22  Compositis  von  Hure 
nur  zwei,  nur  eins  hielier?  Oder  wird  Herr  AV.,  unzufrieden 
mit  einer  vielleicht  etwas  derben  Kritik,  seinen  Recensenten, 
statt  einen  groben,  einen  Bengel  {s.  diess  Wort)  von  Recensenten 
nennen?  Obwohl  er  nicht  so  ganz  Unreclit  hätte,  wenn  er  das 
Wort  in  seiner  eigentlichen  Bedeutung  nähme,  die  er  nicht  ge- 
kannt, also  auch  nicht  hingesetzt  hat,  wornach  Bengel  so  viel 
heisst  als  Prügel  (s.  Campe's  Wörterbuch.)  Oder  wird  Herr  W., 
wenn  ihm  ein  guter  Freund,  selbst  nur  unter  vier  Augen,  zur 
Beendigung  seiner  so  mühseligen  (man  sehe  die  Vorrede)  Arbeit 
Glück  wünscht,  etwa  aus  Bescheidenheit  sagen:  o  das  ist  ein 
wahrer  Dreck  (s.  diess  Wort,)  statt:  eine  wahre  Kleinigkeit  *)? 

Seite  V  unten  bekömmt  unser  armer  Kraft  wieder  Eines  ab, 
weil  er  sich  beigelien  Hess,  in  seinem  Wörterbuclie  dem  Schüler 
zu  sagen,  er  solle  die  Subst.  auf  ting^  wo  kein  Lat.  Subst.  exi- 
stiert ,  durch  Verba  umschreiben.  Herr  W.  geht  hier  zum  Theil 
seinen  eigenen  Weg,  man  sehe  z.  B.  in  der  speciellen  Recension 
die  Artikel  Abbildung^  Abdecken^  das;  zum  Theil  thut  er  ge- 
rade auch,  was  er  an  Kraft  tadelt  (ein  Unglück,  das  ihm  gar  oft 
widerfährt,)  ^.Abreibung. 

Seite  VI  stossen  wir  auf  das  Lieblingsthema  beinahe  aller 
Lexicographen ,  auf  die  Vervollständigung  des  Buches  durch  neue 
Artikel.  **)  Vorerst  begreife  ich  nicht ,  w  ie  man  sich  überhaupt 
darauf  etwas  zu  Gute  thun  kann.  Eher,  meine  ich,  sollte  man 
sich  desswegen  entschuldigen.  Was  für  Wörter  finden  wir  nun 
aber  hier  neu  aufgenommen?  —  Manche  allerdings,  und  diess 
ist  zu  loben,  die  es  verdienen,  z.  B.  AUgemeingiltig,  ***)  Auf- 
schreien, Ausscliluss,  Aussenhandel,  Beaufsichtigen,  Bewahr- 
heiten, Bildungstrieb  u.  m.  a. ;  allein  dann  auch  wieder,  und  we- 
nigstens die  Hälfte  der  angegebenen,  sehr  sterile  und  weder  für 
Schüler  noch  für  Niclitschüler  brauchbare.  Herr  W.  werfe  übri- 
gens nur  einen  Blick  in  Campe's  Wörterbuch,   um  zu  begreifen, 


*)  Herr  W.  wird  sich  wohl  nicht  damit  entschuldig'en  wollen ,  er 
hätte  diese  Wörter  desswegen  gesetzt ,  weil  sie  z.  B.  bei  den  Lat.  Ko- 
mikern gefunden  würden?  Ei'stens  wäre  diess  nur  zum  Theil  wahr, 
zweitens  hat  Kraft,  aus  dem  nämlichen  Grunde,  eben  einige  Wörter 
aufgenommen ,  die  Herr  W.  verschmäht  hat. 

**)  Bei  Herrn  W.  um  so  axiflfallender ,  da  er  weniger  Artikel  geben 
wollte,  als  sein  vei-schmähtcr  Kraft. 

***)  Wo  jedoch  das  Beispiel  durch  Druckfehler  entstellt  ist. 


"Wüstomtinns  Deutsch- La t.  IIan(l\rr»rtcrbuch.        51 

wie  schnell  solche  Vermehrungen  zii  machen  sind,  nnd  zwarVer- 
mehruiiii^en  ganz  andrer  Art  —  aus  unsern  besten  Dichtern,  z.B. 
Klopsto('k,  Schiüer,  (jölhe,  Bairgesen  und  einer  3Jeiiire  andrer, 
die  mit  canz  anderni  Reclite  in  den  Kreis  der  Jui;endbii<lun;2^  lal- 
len, als  Schrirtstelier  oder  Schriften,  in  denen  Aon  bctheeren^ , 
\om  lief  { übe/ z//g^  \o\\  der  B/c^za/i^e  und  Aqv  Blut  rühr  die  lledc 
ist.  Aber  ich  weiss  wolil,  was  Herr  W.  sagen  wird,  das  Buch 
ist  nicht  bloss  IVir  Schuler.  iVun  dann  sage  er  nur,  für  wen  es 
noch  ist,  damit  wir  ihm  seine  Fehler  Aveiter  aufdecken. 

Seine  zweite  grosse  Miihe  (immer  mühsam  und  Mühe !^ 
war  nun.  eine  solche  Masse  zu  ordnen  imd  zum  bequemen  und. 
verständigen  (Jebrajiche  eipizurichten. 

Sollte  man,  darnach  zu  urtheilen,  nicht  meinen,  Herr  W. 
hätte  Alles  erst  selbst  zusammensuchen  imd  auiliauen  müssen"? 
Wer  sich  dazu  geneigt  fühlt,  vergleiche  nur  Herrn  W.'s.  Buch  mit 
dem  Kraftschen,  in  welchem  letztern  das  Gute,  welches  Herr  W. 
hat,  allemahl.  —  mit  Ausnahme  weniger  Artikel  —  auch  zu  fin- 
den ist;  das  Schlechte  aber,  welches  uns  Herr  W.  giebt,  zwar 
zum  Theilc  auch,  doch  häufig  nicht.  Man  vergleiche  in  meiner 
Becension  die  Artikel :  _76,  Abarbeiten^  Abärgern^  Abbuchen^ 
Abberufen,  Abbestellen,  Abbetteln,,  als  Zeitw.  imd  llauptw., 
Abbild ,  Abbilden.  Da  Herr  W.  aber,  wie  wir  weiter  unten  hö- 
ren werden,  Herrn  llost  Aiel  verdankt,  so  verdankt  er  ihm  viel- 
leicht auch  den  obigen  Gedanken,  man  s.  Bosts  Deutsch-Griech. 
AVörterl)uch,  Vorrede  XII,  Zeile  11,  in  der  2ten  Ausgabe;  in 
Herrn  Rosts  Verhältnissen  eben  so  passend,  als  in  den  Wüste- 
maimschen  unpassend. 

Er  fährt  fort:  ,, Leider  waren  liier  die  \orarbeiten  in  den 
Lateinischen  A\  örterl)iichern  *)  von  wenigerm  Nutzen,  da  in  den 
meisten  eine  logi--ch  richtige  Anordnung  gänzlich  vermisst  wird.'-^ 

A\enn  hier  Herr  W.  bei  uns  Uebrigen  nicht  für  einen  leeren 
Plirasenmann  und  literarischen  AVindbeutel  gehalten  seyn  will, 
so  mache  er  uns  doch  diese  meisten  namhaft.  Ist  Herr  Kraft 
unter  denselben  oder  nicht'?  Herr  W.  kann  doch  nur  entweder 
mit  nein  oder  mit  ja  antworten.  Im  ersten  i''alle,  warum  nennt 
ihn  Herr  \\ .  nicht  eben  so  gut,  als  er  Lüuemaun  und  Kost  nennt? 
Im  andern  Falle,  wenn  Herr  \V.  es  sich  [leifallcn  lassen  sollte, 
den  Herrn  Kraft  mit  seinem  /«  zu  verunglimpfen,  wollen  wir  ihm 
in  ('iner  2ten  Becension  zeigen,  dass  er  denselben  noch  gar  nicht 
beurtheilen  kann.,  da  er  ihn  so  stümperhaft  benutzt  hat.  Docli 
wird  es,  hoif  ich,  schon  aus  gegenwärtiger  ziemlich  klar  werden. 

Herr  W.  sagt  uns  ferner  Seite  MI,  dass  er  Bosts  Wörter- 
buch in  der  Anordnung  der  Artikel  benutzt,  aber,  nacli  dem  dort 


*)    Wflrlic  mf'int   or?    Die   Dciit^rb  -  LaloIni«chpn    oder  dlo  Latei- 
nisch-De  utsclicn?    \arh  dem  Folgenden  z«i  schliessen,   crsterc  allein. 

4* 


52  Bümischo   Littcratur. 

befoliiteii  Grundsätze,  auch  mehr  die  Bequemlichkeit  des  Ge- 
brauches berücksichtig:t  habe,  als  die  strenge  StiitViiiblge  in  der 
Entwickelung  der  abgeleiteten  Bedeutungen  von  der  Grundbedeu- 
tung. Wir  wollen  es  voierst  Herrn  W.  iiberlassen ,  diesen  Grund- 
satz (der  Bcquemliclikeit)  in  Einklang  zu  bringen  mit  seiner  Seite 
VII  oben  gemacliten  Aeusserung  von  einer  streng  logischen  An- 
ordnung der  Begrille.  Sodann  mag  er  es  vor  dem  Richterstuhle 
der  gesunden  Vernunft  verantworten,  dass  er  ein  Buch  benutzt, 
worin  mit  grosser  Mühe  erst  ein  Gebäude  aufgeführt  wird,  statt 
dass  er,  nach  Krafts  Leistungen,  das  seine  Aufgabe  hätte  seyii 
lassen  sollen,  das  dort  bereits  aufgeführte  und  eingetheilte  Ge- 
bäude von  etwaigen  Fehlern  zu  befreien ,  und  so  seiner  Wissen- 
schaft wirklich  zu  nutzen.  Oder  sollte  Herr  W.  Mirklich  meinen, 
dass,  wenn  einmal  die  Materialien  zu  einem  Deutsch-Griech.  Wör- 
terbuche eben  so  bedeutend  geworden  siiul,  als  sie  es  jetzt 
zu  einem  Deutsch -Lateinischen  sind,  Herr  Rost  noch  dieselbe 
Anordnung  wie  jetzt,  beibehalten,  dass  er  nicht  streben  wird, 
der  Idee  eines  tüchtigen  Le.vicons  mid  dem  Genius  der  Deutschen 
Sprache,  oder  überhaupt  der  Sprache  mehr  zu  Imldigen?  Wir 
wenigstens  haben  einen  ganz  andern  Begriff  von  seines  Freimdes 
wissenschaftliclier  Thätigkeit.  Und  wenn  nach  etwa  10  —  20  Jah- 
ren Rost  sein  Deutsch-Griech.  Lexicon  zu  demselben  Umfange 
gebracht  hat,  wie  jetzt  Kraft  das  seinige;  wenn  er  es,  wie  Kraft, 
nach  bestem  Wissen  imd  Gewissen,  dem  Geiste  seiner  Sprache 
gemäss  geordnet  hat;  und  es  fällt  einem  andern  Gelehrten  ein, 
Herrn  Rost  auszuschreiben  ohne  ihn  zu  nennen ,  wird  dieser  Aus- 
schreiber —  wenn  er  anders  einen  gesunden  Begriff  von  seinem 
Geschäfte  hat  —  sich  dann  nach  dem  magern  Plane  etwa  eines 
Deutsch -Arabischen  Lexicons  richten,  das  bis  dorthin  vielleicht 
erschienen  ist,  und  nacli  seiner  Art  recht  vorzüglich  seyn  kami? 
Kaum  zu  glauben. 

Aber  Herr  W.  verwickelt  sich  immer  mehr  in  seiner  Inconse- 
quenz;  er  sagt  S.  VII  unten:  „er  bitte  zu  berücksichtigen,  dass 
aus  dem  Streben  nach  Kürze  die  Folgerichtigkeit  mehr  angedeutet 
als  ausgeführt  sei  —  wird  dem  Scliüler  nicht  viel  helfen  —  und 
dass  überliaupt  dieser  Tlieil  des  Lexicons  —  des  seinigen ^  ja! 
übrigens  soll  es  wahrscheinlich  statt  Lexicon^  Lexicographie 
heissen  —  gar  sehr  von  subjectiven  ('?)  Ansichten  abhänge,  die 
nie  zu  vereinigen  seyn  möchten.'"'' 

Hier  zieht  Herr  W.,  um  mich  eines  etwas  gemeinen,  aber 
passenden  Bildds  zu  bedienen,  die  Ilörner,  die  er  oben  S.  VII  et- 
was zu  weit  herausgestreckt,  sodami  Zeile  19  schon  sehr  verkürzt 
hat,  —  hier  zieht  er  sie  vollends  ehi,  und  ist  nun  mit  diesem  aes 
triplex  von  Versprechungen ,  Einschränkungen  und  W illkülulich- 
keiten  gegen  jeden  Recensentensturm  gewappnet! 

Aber  in  dem  Organischen,  was  der  Mensch  im  Reiche  des 
Geistigen  besitzt,   in  dem  Gebiete  der  Sprache,    sollte  diesem 


Wüsteniar«  ns  Deutsch- Lat.  Hand  w  ö  rtcrlj  ucli.        53 

Organismus  iiiul  seinen  Gesetzen  nicht  nac]igesj)ürt,  sollte  von 
einem  enipfänirliclien  Sinne  das  scliöne,  re^relniiisisig^e  Entfalten 
des  ?,6yog  nicht  nachjewiesen  und  dargelcirt  werden  können'? 
Wahrlich,  Avenn  Herr  AV.  nur  einen  Augenblick  daran  gez-Meifelt 
hat,  so  verdient  er  unser  Bedauern,  als  ein  Ilandlanger,  der  am 
Ende  seines  miihevoUen  —  Herrn  W.'s  Leihwort  —  Tacewer- 
kes  Gott  danken  muss,  dass  er  es  Vlberstanden  hat;  so  ist  sein 
Uuch  ein  Unding  und  er  selbst  auf  jeden  Fall  der  liescheidenlieit 
schwere  Rechenschart  schuldig,  dass  er  da,  wo  Alles  von  subjc- 
Gtiven  Ansicliten  abliangen  soll,  Vd)er  Andere,  die  ein  anderes 
Prinzip  kaiuiten  als  AVilikiilirlichkeit,  den  Stab  bricht  luid  sein 
Ich  auf  den  Thron  setzt.  Doch,  es  imiss  wieder  herunter,  denn 
auf  jenen  Thron  gehört  bloss  die  gesunde  Verinnift,  anderer 
eich  in  sehicm  IJuchc  nur  zu  oft  gröblich  versündigt  hat. 

A  on  Seite  VII  unten  bis  Seite  XX  erfahren  wir,  welclic 
Grundsätze  er  im  Beisetzen  der  Lateinischen  Ausdrücke  zu  den 
Deutschen,  im  Aufnehmen  der  Lateinischen  Wörter  überhaupt, 
und  im  Citieren  der  beheffenden  Autoren  aufstellt.  Alles  recht 
gut,  bis  auf  die  luiwürdigen  Ausfälle  auf  Kraft  —  der  freilich 
liie  und  da  zu  viel  that  — ;  inn  so  unwürdiger,  da  tlie  Seite  IX 
als  Versehen  aufgeführten  Citatc  nicht  sehr  zahlreich  und  immer 
leichter  zu  entsclmldigen  sind,  als  selbstgemaclites  und  auch  zum 
TJieil  sclileclitgcmachtes  Latein,  als  Missgrilfe  aller  Art  in  den 
beigesetzten  Lateinischen  Ausdrücken.  Zum  Belege  des  eben 
Behaupteten  erlaube  ich  mir  überhaupt  auf  die  nachfolgende  spe- 
zielle Kritik  einzelner  Artikel  zu  verweisen,  und  hier  nur  eine 
kleine  Probe  von  der  geriihraten  Gewissenhaftigkeit  des  HeiTU  W. 
zu  geben.  Wenn  derselbe  S.  IX  Z.  12  sagt:  sollte  man  nicht 
glauben  ansa  sei  dichterisch,  weil  Virg.  (bei  Kraft)  dabei  citiert 
i!>t,  so  kommen  uns  bei  seinem  Buche  ähnliche  Gedanken  an.  Man 
vergleiche  in  meiner  llecension  nur  abkürzen^  abfascni.  Man 
vergleiche  ferner,  um  von  der  Vorsicht  des  Herrn  W'.  einen  an- 
schaulichen Begritf  zu  erhalten,  seinen  Artikel  Degen ^  wo  er 
sagt  eiisls  sei  fast  nur  dichterisch!  Hätte  er  nur  den  Thesaurus 
von  Gesner,  das  Forcellini'sche  Lexicon  (weldies  er,  trotz  der 
vornelmien  Aeusserung  S.X  unten,  nicht,  wenigstens  innen  nicht 
kennt)  angeselien,  von  speziellen  Forschungen  gar  nicht  zu  re- 
den, so  hätte  er  sagen  müssen,  ensis  sei  wirklich  Wos.s  dichte- 
risch. Aber  er,  der  Krafts  Wörterbuch  aussciircibt,,  konnte  nicht 
anders  reden,  da  Kraft  sub  \.  Degen  ebenfalls  sagt,  cnsis  komme 
mehr  bei  Dichtern  vor.  Dieses  Wörtlein  mehr  wiuxle  von  Herrn 
W.,  der  Alles  besser  maclit,  in  fast  nur  verwandelt.  Ex  unguc 
leonem!  —  i'nd  so  verletzt  Herr  W.  in  seinem  Buche  bei  Jedem 
Schritte  die  Grundsätze  selbst,  die  er  als  die  ehizig  richtigea 
aufstellt. 

Seite  XIV  thut  Herr  W^.,  als  hätte  er  den  Vitruv.  für  die 
Kunstausdrücke,   w'w  wollen  nicht  sagen  gelesen^   demi  das  wird 


54  Römische    Litteratur. 

ihm  kein  Billfger  zumuthen^  aber  doch,  so  weit  er  durch  die 
neuesten  Ausleger  zugänglich  ist,  benutzt,  —  NicJit  daran  zu  ge- 
denken! Ich  erlaube  mir  nur  Weniges  als -Beweis  auzuiuhren.  Es 
lehlt  bei  Herrn  W.  Abbildung^  =  Riss,  Grundriss,  deformatio^ 
forma ^  ßgtira  (die  Citate  soll  Herr  W.  nachgeliefert  erhalten, 
Aveim  er  etwa  au  der  Kichtigkeit  der  Angabe  zweifeln  sollte;)  es 
fehlt  bei  abreiben^  fricare.  \^^  ialxM  Abreibung ^  =  Art  etwas 
abzureiben,  fricatiira.  Abicühlungsziimner ^  frigidarlum.  AuJ- 
tcärtslreiben  ^  das  JJ  asser  ^  expriino^  nebst  dem  Subst.  e.rpres- 
sio.  Es  fehlt  bei  befestigen ,  destinare ,  was  aber  auch  Caesar 
hat.  I;!]s  iith.\i  Balkonfenster  ^  fenestrai'um  lumina  valruta.  Bei 
Bauherr  fehlt  dominus^  paterfaniilias ^  locator.  Bei  Bauriss 
feldt  species.  Es  fehlt  bergabwärtsgehende  Jf'asserleilung ,  de- 
cursus  (  vielleicht  kommt  es  nach.)  Es  fehlt :  die  Binden ,  cor- 
sae.  Blätter^  =  Blätterwerk,  Art  wie  sie  gebildet  sind,  folia- 
iura.  \  ergessen  ist  bei  Boden  ^  contignatio.  Breit köpfige  Aä- 
gel^  muscarii  clavi.  Doppelschlusssteine .,  inibrices.  Bei  Defi- 
nitiou  fehlt  ßnitio  ( doch  das  ist  wahrscheinlich  verdächtig  La- 
tein.) Bei  Estrich  fehlt  rudus  ^  rüder are ;  und  rudcratio  als 
Verfertigung  desselben.  Bei  Futtermauern ,  wo  Herr  W.  hat : 
parietes  intergerini  aus  Plin.,  sollte  es  lieissen //ow/es ;  denn 
jenes  sind  die  Zwischenwände,  d.  li.  die  zwischen  den  äussern 
befindlichen  Wände.  Vergessen  ist :  Fliessen^  opus  ßglinum.  Bei 
Flur  sollte  es,  statt:  etwa  atrium^  heissen,  fauces.  Bei  Gehänge 
ist  \eri^essen  foramen^  das  Gehänge  einer  Flasche.  Bei  Grube^ 
im  Bergbaue,  ist  7netallum\ ergessen.  Bei  Hofthiire  (soll  heissen: 
Thür,  von  Thor,)  wo  er  den  bei  Kraft  ohne  Autorität  befindli- 
chen Ausdruck  hat,  sollte  es  heissen  janua  interior.,  was  zugleich 
auch  die  Hinterthiir  lieisst.  Bei  Ilausthür  fehlt  ostium.  —  Möge 
sich  Herr  W.  durch  diese  wenigen  Beispiele  iiberzeugen,  dass  er 
den  \itruv.  nicht  benutzt  hat.  Sollte  er  jedoch  daran  noch  zwei- 
feln, so  kann  ihm  wohl  jeder  andre  Zuuftmässige  eben  so  gut  als 
ich  beweisen,  dass  das  Obige  nicht  der  zwanzigste  Theil  alles 
desjenigen  ist,  was  in  diesem  ersten  Bande  seines  Lexicons  ver- 
misst  wird.  Gerade  so  verhält  es  sich  mit  der  Benutzung  der 
Schriftst.  iiber  Aen  Landbau.  Der  Beweis  soll,  wenn  es  Herr  W. 
verlangt,  folgen. 

Herr  W.,  der  S.  XVII  —  XIX  uns  über  Manches  belehrt, 
hätte,  da  er  die  Vorrede  für  Männer  vom  Fache  schrieb,  diess 
nur  ganz  kurz  anzudeuten  brauchen.  Uebrigens  werden  wir  Alle 
mit  Begierde  der  tiefen  Erörterung  gewärtig  scyn,  die  er  uns  über 
die  Substantive  zu  geben  verspricht ,  w  eiche  bloss  noch  die  Form 
auf  um  und  u  haben,  imd  Avelche  nach  ihm  keine  Substantive, 
sondern  blosse  Supina  sind.  Ich  wenigstens  bin  um  so  begieriger 
darauf,  da  icli  bisher  in  dem  Wahne  stand,  dass  die  beiden  Su- 
pina eben  vomParticip  entstandene  Substantiv  formen  wären  (ohne- 
hin Ihut  hier  der  Name  nicht  viel,)  da  ich  ferner  noch  einen  an- 


W  ü  s  t  e  in  a  11 II  s   D  c  u  t  s  c  Ii  -  L  »i  t.   H  a  n  il  w  ö  r  t  c  r  b  u  c  ü.        55 

dem  Casus  ausser  doii  btiileu  von  iliin  ani5ei;clK'm'ii  dnria  zu  liii- 
deu  vermeinte ,  näiulidi  einen  Dativ ,  der  bekannllieli  oft  aus  ui 
in  u  zusanimengezoijen  wird;  *)  weil  ich  mir  ohne  diese  Aimah- 
nie  durchaus  nic!it  erklären  kann,  was  z.B.  optinwm facta.,  turpe 
diclti .,  facäc  inventu  etc.  heissen  soll,  wenn  es  nicht  lieisst:  das 
Beste  dem  T/iiin^  i.  e. //>'/■  das  'rh/tu.,  =  zu  tluin;  schimpflich 
dem  Sagen.,  i.  c.f/ir  das  Sagen  etc.;  leicht  der  Ki find  ang.,  i.  e. 
////•  die  Erfindung  etc.  Oiler  hat  Aielleicht  der  Zulall  solche  Wör- 
ter zusanuuengeresselt'?  —  W\\\  Herr  W.  uns  darüber  beleliren; 
so  bitte  ich,  besonders  l'lin's  JNatiirgescIiiclite  genau  zu  beriick- 
siclitigen,  wo  die  meisten  dieser  A>  örter  vorkommen.  Uebrigens 
miissen  seine  Griinde  sehr  stark  seyu,  wenn  wir  glauben  sollen, 
dass  z.B.  nicht  nurjassu.,  sondern  sogar  injiissu  ein  Ablativ  nicht 
eines  Substanti\s,  sondern  eines  Supinums  sei.  lIolFentlich  wird 
er  uns  dabei  nicht  die  Construction  des  Supinums  auf  um  entge- 
gen lialten,  da  diese  auf  ganz  andern  Griinden  beruht. 

Seite  XX  und  XXI  sagt  uns  Herr  W.,  Avelch  grossen  Fleiss 
er  auf  die  Synonymik  der  Lateinischen  Sprache  verwandt  habe, 
wie  höclist  mühsam  (!)  aus  einer  grossen  Anzalil  von  Beispiele« 
ehi  sicheres  Resultat  gefunden  werden  musste,  bittet  hierauf  der 
etwaigen  Irrthiiraer  wegen  um  Verzeihung,  und  blamiert  in  dieser 
Hinsicht  zmu  Schlüsse  Ernesti's  Synonymik,  (die  er  gar  nicht 
studiert  hat ,  s.  z.  B.  Abbild^  und  das  Ki'aftsche  Lexicon. 

Aber  keine  Spur  im  Buclie  selbst  von  tieferm  Studium.  Aus- 
ser einigen  Dutzenden  guten  Beispielen  imd  Bemerkungen  finden 
wir  eine  3Ienge  Halbheiten  und  Scheingelehrsamkeit,  aber  auch 
so  grobe  Schnitzer,  dass  wohl  jeder  Lehrer,  der  es  mit  seinen 
Schillern  besser  meint,  als  mit  Herrn  W.'s  Verleger,  sich  sehr 
hüten  wird,  ihnen  dieses  Buch  in  die  Hand  zu  geben.  Gleiclie 
Be^aiullniss  hat  es  mit  der  S.  XXI  gerülimten  Genauigkeit  in  der 
Angabe  der  Construction.  Man  sehe  z.  B.  abbetteln.,  abbeugen., 
abbilden.,  abborgen.,  abbrechen  I,  2,  b  u.  II,  2,  abdrucken.,  ab- 
helfen., abschajfen.,  abschneiden.  Welch  unwürdiges  Spiel  mit 
der  lieiligen  Sache  j^r  Wissenschaft,  namentlich  in  Bezug  auf 
Jugendbildung! 

Angenommen  nun ,  es  hätte  ein  in  seinen  Aeusserungen  bc- 
sclieidener  Mann,  dem  es  wirklich  Ernst  um  seine  Sache  gewe- 
sen wäre,  vorliegendes  Buch  gesclirieben,  so  hätte  man  ihn  scho- 
nend auf  die  vielfältigen  Mängel  desselben  aufmerksam  machen, 
man  liätte  ihm  sagen  müssen,  da.ss  durch  die  darin  Jierrschende 
Nerwirrung,  durch  die  Inconsequenz  im  Festhalten  des  Planes, 
durch  den  den  Anforderungen  jetziger  Zeit  ^iel  zu  niedrigen 
Standpunct,    auf  dem  er  sich  befinde,  das  hie  und  da  gegebene 


*)    Ed   ist  mir  unlicjH^eiflich ,    das8  Rainshorn  davon  n;ar  nichtet  er- 
•wähiit.     »  hatte  ijeMibS  seine  Gründe.      Vk  soUtea  wir  liürtin. 


56  Römische    L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

Bessere  verloren  gehe;  man  hätte  ihn  zu  einer  rollstiiiuligen  Um- 
arbdlung  des  Ganzen  aulTordcrn  können,  wo  es  sodann  gewiss 
seinen  Kreis  fände,  in  dem  es  mit  Nutzen  wirken  würde. 

Wenn  aber,  wie  hier,  ein  iiber  sein  Wissen  nnd  seine  Kräfte 
in  der  liÖchsten  Selbsttäuschung  befangener  Mann,  in  dein  Au- 
genblicke, wo  ein;  ohne  allen  AMderspruch  vielfach  gediegenes 
Werk  von  seinen  Zeitgenossen  freudig  aufgenommen  >vird,  auf- 
tritt und  uns  in  einer  24  Seiten  langen  Vorrede  deutlich  zu  ver- 
stehen gibt,  dass  jenes  \^  erk  nichts  tauge,  dass  es  für  iim  gar 
nicht  vorhanden  sei;  wenn  er  ims  zu  verstellen  gibt,  dass  die 
Lexicogi'aphie  durch  ilui  erst  aus  dem  bisherigen  Chaos  heraus- 
gehoben, die  wichtigsten  llesidtate  durch  ihn  erst  geliefert,  durch 
ihn  erst  Alles  frisch  uiul  symmetriscli  aufgebaut  und  liier  etwas, 
in  Vergleich  mit  allem  Frühern,  weni'gste?is  weit  Vorzüglicheres 
geleistet  worden  sef;  wenn  alle  diese  Behauptungen  mit  unwür- 
digen Ausfällen  auf  verdiente  Blänner  verwebt  sind ;  wenn  sodann 
eine,  durch  dieses  Selbstlob  schon  misstrauisch  gemachte,  strenge 
Kritik  augenscheinlich  darthut,  dass  von  allem  diesem  nicht  Eines, 
ich  will  nicht  sagen  relativ  vollständig,  sondern  nur  halb  geleistet 
worden  ist;  wenn  es  sich  ergibt,  dass  es  dem  Versprecher  nicht 
nur  an  Ausdauer  und  an  dem  steten  Blicke  auf  den  gesteckten 
Plan,  sondern  auch  an  der  gediegenem  Kemitniss  in  beiden  Spra- 
chen fehlt;  so  ist  es  für  den  Beurtheiler  nicht  immer  leicht,  sich 
in  den  Schranken  des  gemässigten  Ausdrucks  zu  hallen. 

Uebrigens  Iiat  Recensent  die  aufgeführten  Beispiele  nicht 
etwa  sorgfältig  zusammengesucht,  sondern  die  ersten  besten  ge- 
nommen, und  er  versichert,  dass  auch  das  Uebrige  dem  hier 
Gewürdigten  mehr  oder  weniger  gleicht,  wovon  sich  die  Beweise 
leicht  geben  liessen.  '  Wir  gehen  nun  zur  Kritik  der  einzelnen  Ar- 
tikel über,  die  fortlaufend  ungefähr  die  4  ersten  Spalten  des  Bu- 
ches ,  und  einiges  Andre  als  Zugabe  umfasst. 

A^  der  Buchstabe,  fehlt  bei  Herrn  W. ;  warum*?  sind  die 
Phrasen:  er  ist  das  A  und  das  O,  oder  iver  A  sagt^  tmiss 
auch  B  sagen ^  nicht  gut'?  Konnte  er  ^e,  nicht  eben  so  gut 
selbst  übersetzen,  als  er  z.B.  Abdecker  auch  übersetzt  hat'?  — 
Sein  Grund'?  Denn  Gründe  hat  er  doch  wohl  bei  Allem  gehabt, 
was  er  setzte  und  was  er  wegliess. 

Aal.  In  der  Hauptsache  ganz  wie  Kraft.  Letzterer  hat  aber 
auch  den  Linneischen  Namen,  der  bei  W.  fehlt.  Aber  hei  Hecht 
hat  ihn  Herr  W.  auch!  Was  hat  ilin  zu  dieser  Inconsequenz  be- 
stimmt*? Hätte  er  die  Lhineischen  Namen  doch  nur  überall  weg- 
gelassen. 

Aalhälter.,  bei  K.  wie  bei  W.  ohne  classische  Autorität.  Aber 
Aalhaut.,  anguillarum  (oder,  hätte  Herr  W.  noch  sagen  können, 
anguillac)  tergus  aus  Plin.  hat  Herr  W.  nicht.    Warum'? 

Aüsgeruch.,  bei  K.  und  W.  odor  cadaverimis.,  ohne  Auto- 
rität.  Daher  dürfen  wir  belE. ,  nach  dessen  Grundsätzen,  an 


WiUtcmtinns  Deutsch -Lat.  Ilan  ilwörtcrbu  eh.        57 

der  Classiciiät  dieses  Ausdrucks  zweifdii,  bei  Ileirn  W.  aber 
nicht,  s.  S.  Vlll  Vi.  1.  Darnach  zu  sciiliesseu  ist  cadaverinus 
aus  dem  golduen  Zeitalter  der  rem.  Literatur.  Allein  das  Wort 
ist  erst  von  Tcrinlh'aii. 

Ab.  Bei  Israit  rieht iif.  Bei  W.  in  der  ^rössten  Unordnung. 
Oder  geliört  unter  j\o.  1)  =  hinab.,  dieFbrase:  mij  vnd  ab 
gellen  (z.  B.  im  Zimmer)'?  CJeliort  ab  und  zu  gehen  zu  hinab'? 
Oder  ist  es  eine  ^iiance  von  hinab?  —  Auf  und  ab  (bei  un- 
gefähren Zahlbestimmunjcn)  ist  l'alscli;  es  muss  lieissen  auf 
oder  ab ,  =  mehr  oder  Avcniger.  Herr  W.  hat  es  aus  Kraft 
abiresclirieben. 

Abasscn.,  mit  zwei  s — ,  Avelchc  Schreibuna: !  Nach  gedehn- 
tem Laute  folgt  immer  nur  ein  (^onsonant.  Herr  W.  schreibt 
auch  heissen;  aber  dann  Mieder  beizen.  Ist  es  die  Schuld  dfcs 
Setzers*?  Herr  Kraft  hat  Alles  riclitig  geschrieben.  Uebrigens 
ist  Abafsen  ein  Jägerausdriick,  s.  Heinsius.  Diese  aber  hat 
Herr  W.  an  andern  Orten  nicht,  s.  z.  B.  bohnen. 

Abackern.  Herr  K.  sagt:  furto  tncini  caespitem  suo  solo 
affodere,  Plin.  —  Herr  W.  verbessert  diesen  Ausdruck,  indem 
er  furto  einklammert,  statt  vicini  aber  alieni  setzt.  Heisst  das 
eine  Autorität  achten'?  INaraentlicli  wenn  mann  es  schlechter 
macht.  Oder  ist  alieni  liier  gut  gesagt '?  —  Herr  W.  schein 
sein  Lateinisches  Wörterbuch.  Hier  zudem  war  es  tim  den  Be- 
grilf  des  Nachbars  zu  thun.  Endlich  druckt  die  Lat.  Phrase 
Abackern  sehr  ungenau  aus. 

Abünderlich.  Bei  K.  und  W.  mutabilis;  bei  letzterra  der 
einzige  Ausdruck,  hei  K.  noch  ein  andrer,  und  zw ar  eiji  rich- 
tiger. 3Iutabilis  heisst  nicht  abänderlich.  Diess  ist  doch  wolil 
so  viel  als  /z'ßs  abgeändert  werden  kann?  —  Mutabilis  aber 
lieisst:  was  sich  (leicht  oder  öfter)  verändert,  ist  also  =  ver- 
änderlich..  z.  B.  Körper,  Gesinnung,  Mensch  in  seinen  Gesin- 
nungen. Oder  übersetzt  Herr  W.  nxor  mutabilis  vielleicht  eine 
abänderliche  Frau?  Walirlich,  manchein  Ehejuanne  wäre  mit 
einer  «iänderlichen  elier  gedient ,  als  mit  einer  re/änderiicheiw 

Abändern.  Hier  liat  Herr  W.  ein  Wort,  Avelches  K.  nicht 
hat;  er  sagt  in^erterc,  gänzlich  urtändeiii,  meistens  mit  dem 
TSebenbegrilfe  des  Yerschlechterns,  Dann  hätte  er  aber  auch 
sagen  sollen,  dass  es  gewöhnlich  vom  Character  gebraucht 
wird,  s.  Horat.  Sat.  1,3,  5C».  Aber  gerade  in  diesem  Sinne 
sagt  niemand  abändern.,  ^omlvrii  ändern.  Besser  liätte  Herr 
W.  also,  Mie  K.  that,  darauf  verwiesen.  Und  warum  ver- 
schmäht Herr  W.  die  Bedeutung  von  abändern  im  grnmmat. 
Sinne?  Warum  hat  er  wenigstens  nicht  auf  abwandeln  ver- 
wiesen *? 

Abänderung.  Hier  sagt  Herr  K.  facere  alicMJus  rei  nmtatio- 
iiem.  Aber  HeiT  W.  mutalionem  rei  {Genitiü  od.  JJaliv?  fragt 
der  klehic  Quartaner  )  facere. 


58  H  ö  m  i  ä  c  li  e    L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

Abarbeiten.  Hier  ist  ein  Zusatz,  der  allerdings  sehr  zu  lo- 
ben ist:  labore  {^oder  ein  a?tderes.,  in  den  Zusa/nnwnhang 
passendes  Wort)  tollere.  Aber  warum  sagt  Herr  \\ .  labore 
und  nicht  laborando'?  Etwa  weil  Kraft  sagt  secando?  Und  ver- 
IVdu't  er  seinen  Schüler  nicht  zu  einem  Irrthume,  da  dieser  nun 
überall  auch  ein  Substantiv  setzen  Avird'?  Bei  der  2ten  Bedeu- 
tung von  abarbeiten ,  hätte  vorerst  recht  gut  auf  abverdicnen 
verwiesen  werden  können.  Ferner  hat  Herr  W.  hier  versucht, 
selbst  eine  Phrase  zu  bilden,  nämlich  labore  compensare,*) 
mid  hat  damit  bewiesen,  dass  er  nicht  versteht  w  as  labor  heisst. 
Es  heisst  eine  Anstrengimg.,  angestrengte  Thätigkeit .,  selbst 
durch  alle  dichterische  Schattirungen,  s.  z.  B.  \irg.  Aen.  I, 
455;  hier  aber  ist  x\rbeit  so  viel  als  geleistete  Dienste.  Dess- 
M'egen  hat  Kraft,  nach  Cic,  opera  gesetzt.  Unter  No.  3)  = 
sich  abarbeiten  hat  er  etwas  vergessen  (Kraft  hat  es  auch  ver- 
gessen) ,  dass  abarbeiten  vorerst  trausit.  ist  und  heisst:  durch. 
Arbeit  abmatten.  Also  z.  B.  ein  abgearbeitetes  Pferd.  Erst 
dann  ist  es  reflexiv.  Aber  wo  ist  denn  ferner  die  Bedeutung 
geblieben:  abarbeiten.,  =  zur  echt  (glatt,  eben  etc.)  arbeiten., 
.%.  B.  ein  Brett .,  eine  Säule?  (man  vergleiche  z.  B.  abstossen.) 
Herr  W.  hat  es  vergessen.  Wir  wollen  ihm  auch  sagen  warum. 
Weil  Herr  Kraft  es  (freilich  fehlerhaft)  am  Ende  von  No.  1 
gesetzt  hat,  wohin  der  eiliertige  Herr  W.  mit  seinen  Blicken 
nicht  gelangte.  Aber  vielleicht  sagt  er,  diese  Bedeutung  sei 
überflüssig'?  Warum  hat  er  deim  unter  abstossen  (dort  freilich 
ganz  unlogisch  gestellt)  den  Ausdruck:  ein  Brett  abstossen'/ 
Und  was  soll  dann  bei  dem  Ilauptworte  .,.,Abarbcitung^''  die  Ue- 
bersetzung:  laevigatio'?  Antwort:  Herr  W.  hat  es  bei Kiaft  ge- 
funden! —  Welche  Beweise  von  Giündlichkeit,  von  eigenen 
Forschungen,  von  Kenntniss  seiner  Muttersprache!  —  Herr 
W.  war  aber,  imi  Herrn  Kraft  zu  übertreff'en,  denn  das  sagt  er 
ja  (s.  Yorr.  S.  IV  Z.  12)  nicht  mit  diesem  Worte  allein  zufrieden, 
er  giebt  ims  ein  Synonym,  dcjatigatio  {^Ermiidung.)  Allein 
^  erstens  hätte  es  heissen  sollen  Erniiidung  durch  aiiholte7ides 
"  Arbeiten.,  zweitens  gehört  dieser,  aus  keinem  Scluiftsteller 
genommene ,  ganz  imgewöhnliche  Ausdruck  gar  nicht  hierher. 

Abärgern.  Warum  hat  hier  Herr  W.  nicht  das  transit.  auch 
aufgenommen*?  Kraft  hat  es.  Vielleicht  ist  diess  der  Grund, 
warum  W.  es  nicht  hat.  Aber  K.  hat  kein  so  schleclit  selbstge- 
machtes Latein  wie  Herr  W. ,  Avelcher  sagt:  iracundia  et  sto- 
macho  confici.  Zudem  bemerke  man  deu  innern  Zusammen- 
liang  in  diesem  neuen  Werke;  Herr  VV.  hat  tmter  Aerger  das 
Wort  iracundia  nicht.     Ganz  richtig  — ,  allein  unt^r  abärgern 


*)    Bei  abverdienen  lilngej2:en   hat   er  eine  von  K.  unter  aharheitcn 
angeführte,  die  ganz  richtig  i»t.      Was  soll  cliess  beständige  Aciren? 


Wüstemanns  Deutsch  -  Lat.  Ilaudw  ör terbucb.        59 

sollte  es  auch  nicht  stehen.     So  was  nennen  wh- Andern,   die 
M  ir  ircilicJi  bloss  numerus  sumus ,  plu/unässig  arbeiten. 

Jbäsfcn^  ramos  arboris  anijiutare.  Warum  liat  Herr  W.  hier 
nicht  auch  noch,  >vie  Kraft  das  Wort  f/ond es?  Er  glaubt  doch 
nicht  etwa,  IVons  hiesse  bloss  das  Laub?  lleiT  \V.  liat  ferner, 
niebt  ^^  ie  Kraft,  bloss  gesact :  ramos  amputare,  sondern  er  hat 
arboris  dazu  gesetzt.  Ilöcbst  inconsequenter  Weise,  da  er 
gleich  darauf  bei  Abbläüvru  bloss  sagt  folia  aAcUere,  stringerc. 

Abart.  Hier  liat  unser  Lexicograph  das  let~Äe  Wort  in 
Krafts  x\rtikel  genommen;  manchmal  nimmt  er  auch  das  erste^ 
s.  Aasgcritch.  Aber  so  allein  kann  das  \N  ort  bloss  im  Zusam- 
menliange  stehen.  Warum  es  hier  also  nicht  bemerkt'!  Plinius 
sagt  eimnal:  varietas  generis  selbst  im  Zusammenhange. 

Abarten.,  recederc  a  natura  gemiina.  —  desciscere  ab  ali- 
quo.  —  in  pejus  mutari.  —  degenerare.  Wie  viel  besser  bei 
Kraft,  der  auch  auf  ausarten  verweisst.  Fiir  >ven  schreibt  denn 
Herr  W.'?  Doch  hauptsächlich  für  den  Schüler"?  Wie  soll  die- 
ser wissen,  welchen  Ausdruck  Aon  den  Vieren  er  zu  nehmen 
hat,  wemi  von  Pflanzen,  Thieren  oder  von  3Ienschen  und  ilirem 
Charakter  die  Rede  ist'?  Merkt  er  es  vielleicht  an  den  von 
Herrn  W.  gegebenen  Querstrichen'?  Auch  erlaube  er  uns,  so 
lange  an  der  Uichtigheit  der  ersten  Phrase  zu  zweifeln,  bis  er 
uns  sagt,  MO  er  sie  gefunden  liat.  Was  ist  eine  natura  genui- 
ua"?     INatura  ist  ja  gerade  das  Genuinum. 

Abartig.  Gehört  diess  in  ein  Schullexicon  *?  W^er  sagt  eine 
abartige  Pflanze  ?  (zudem  wäre  diess  eine,  die  gern  ausartet.) 
Wer  sagt:  einsehr  abartiger  Sohn?  Entwischt  ist  unserm 
neuen  SVörterbuchschreiber,  dass  degener  mit  dem  gen.  im 
goldenen  Zeitalter  bloss  poetisch  ist,  xmd  erst  später  z.  B.  von 
Piin.  dem  Aeltern,  der  diess  auch  sonst  thut ,  in  der  Prosa  an- 
gewendet wird.  Herr  K.  hat  den  gen.  liier  nicht ,  weil  er  na- 
türlich in  keinem  Falle  hierher  gehört ,  sondern  bei  ausgear- 
tet^ weil  ich  bei  diesem  Worte  fragen  kann:  in  was? 

Abbacken^  int r ans.  das  Brod  ist  ab.  .^^panis  dehiscit'"': 
Wabrscheinlich  hat  Herr  W .  diesen  Ausdruck  zum  Behufe  der 
Bäckermeister  aus  Kraft  abgeschrieben,  denn  wann  kommt  wolü 
ein  Schüler  in  den  Fall  ihn  zu  brauchen '?  Und  was  hat  dieses 
intrunsit.  für  \  orzüge  vor  dem  bei  Kraft  befindlichen  transit.? 
Ich  erlaube  mir  im  (stillen)  Sinne  des  Jlerrn  W.  zu  antworten: 
v\eil  iiiwit  flüchtige  (s.  Yorr.  S.  IV  Z.  JO.)  Vergleichung  glau- 
ben machen  kann,  Herr  W.  hätte  etwas  Eigenes.  Ja,  wenn 
man  freilich  eben  so  flüchtig  vergleicht,  als  Herr  W.  gearbei- 
tet liat. 

Abbalgen.  Glubere,  deglubere  pecus.  Das  erste  Wort  hat 
Kraft  niclit,  desswegen  liat  es  Herr  W.  schnell  gesetzt  und 
freilich  einen  Schnitzer  gemacht.  Glubere  kommt  in  diesem 
Sinne  bloss  bei  Festua  vor,  das  hätte  dem  Herrn  W.  sein  For- 


CO  Römische    Lifteratur. 

cclHni,  sein  Gesner  sagen  können,  die  ihm  ja  so  bekannt  sind, 
dass  sie  ihm  häufig  niclit  ausreichen  (s.  Yorr,  S.  X  Z.  11.  von 
unten.)  Wii-  werden  noch  mcl^r  Fälle  seilen,  wo  sie  ihm  Iiät- 
ten  ausreiclien  können.  Ehe  Ilerr  W.  sich  auf  eine  Ausflucht 
besinnt,  studiere  er  seine  Vorrede  von  S.  YIII  an ,  und  sehe, 
was  er  z.  U.  auf  der  ersten  Zeile  dieser  Seite  sagt.  Sodann 
suclie  er  in  seinem  Scheller-Liineraann,  der  ilim  freilicli  auch 
nicht  genügt,  was  gliihere  eigentlich  heisst;  sodann  vergleiche 
er  seinen  Artikel  Abschälen ;  worauf  wir  es  ihm  freistellen, 
sich  seiner  toeit  vortrefflichem  Arbeit  noch  zu  rühmen.  Auch 
degluhere  heisst  nicht  abbalgen.  Dejin  bei  Sueton.  Tib.  32 
wird  es  Herr  W.  doch  nicht  durch  abbalgen  übersetzen  1  Seine 
Schüler  würden  ihm  walu'scheinlich  sagen,  dass  man  CS  hier 
schinden  iihcrsetzt.  Hat  aber  Herr  W.  gewusst,  dass  es  bei 
]Non.  in  einem  fragm.  des  \arro  vorkommt  und  geschlossen, 
also  war  das  ^\ort  im  gewöhnlichen  Gebrauche,  so  mag  er  es 
thun,  uns  dann  aber  sein  Lexicon  nicht  als  ein  aus  classischera 
Latein  herausgebildetes  aufhängen;  übrigens  lese  er  noch  sei- 
nen Gesner  unter  dem  Artikel  üeglubo  nach.  Die  deglupta  niae- 
nas  bei  Piautus  wird  mir  Herr  W.  wohl  schw erlich  entgcgen- 
Iialten. 

Abbeissen.  Alles  wieder  >vie  bei  Kraft.  Neu  von  Herrn 
W.  ist  zugethan:  praemordere,  vorne  (soll  heissen  vorn^  —  es 
ist  kein  Druckfehler ,  denn  es  kommt  mehrmals  so  —  )  abbeis- 
sen. Ein  guter  Zusatz,  weil  der  Schüler  diess  entweder  unter 
vorn  oder  unter  abbeissen  finden  muss.  Aber  Herr  W.  darf 
sich  demungeachtet  darauf  nichts  zu  Gute  thun ,  denn  solche 
'  Synonymen  hat  sehi  so  hart  getadelter  Ernesti  (s.  p.  XX  der 
Vorr.)  zu  hundcrten.  Auch  das  beigegebene  delibare  wäre  ein 
guter  Zusatz,  wenn  es  nicht  eigentlich  liiesse :  davon  kosten, 
und  eben  so  gut  und  ursprünglich  zuerst  von  Getränken  — 
/lEt'/3to,  libo — (oder  leitet  es  Herr  W.  von  liöiifn  ab'?)  gebraucht 
würde.  Also  w  ariim  nicht  auf  kosten  verwiesen,  um  den  Schü- 
ler nicht  irre  zu  führen  ? 

Abberiffen.  Hier  hat  Herr  W.  in  der  bei  K.  befindlichen 
Phrase:  aliquem  e  legatione  revocare  inv  gut  geftmden,  das 
e  in  ein  a  zu  verwandeln.  Kleinigkeit  würden  wir  Alle  sa- 
^en,  —  Zufall,  —  wenn  Herr  W.  nicht  Alles  mit  reiflicher 
Ueberlegung  gethan  hätte.  Er  sage  ujis  liier  seinen  Grund  der 
Aenderung,  bis  dahin  erlaube  er  uns  zu  glauben,  dass  sein  a 
nicht  besser  ist,  als  Krai'ts  e.  Er  erlaube  uns  auch,  uusern 
Grund  anzugeben.  E  legatione  zeigt  mehr  an ,  das  Abberufen 
mitten  aus  einem  Zustande,  a  laeJir  den  Ort  von  wo  weg; 
z.  B.  ab  exsilio,  ab  opere,  (freilich  auch  a  hello.)  Hätte  nun 
Herr  W.  nur  seine  verschiedenen  Hülfsmittei  genau  gekannt, 


Wüstemanns  Deutsch -La  t.  Handwörterbuch.       Cl 

so  hätte  er  schon  aus  Tiirscll.  siib  v.  A  *)  und  dort  ans  der 
Stelle  Cic.  Caec.  30,  so  liätte  er  auch  aus  Kainsh.  S.  283  wis- 
sen können ,  dass  das  von  ilnn  exilierte  e  hier  fi;anz  an  seinem 
Platze  gewesen  wäre,  tnd  warum  setzt  Herr  W.  bloss:  einen' 
Gesaudteu  abberufen  1  Kann  ich  denn  sonst  niemand  abbe- 
rulVn  'i 

Abberufung.  Ohne  alle  Erklärung.  Da  also  der  SchVder 
vielleirl'.t  vorsichtig  genug  ist,  aul"  Abberufen  zu  seilen,  so  ver- 
fällt er  auis  neue  in  den  eben  gerVigtcn  irrthimi. 

Abbestellen.,  renuntiarc  alicui  aliquid,  Cic.  liier  hätte  Herr 
Vi.  sagen  können,  dass  diess  A> ort  eigentlich  rw/sr/^e«  oder 
aufkündigen  bedeute  und  dann  wäre  sein  Artikel  besser  gewe- 
sen als  der  bei  Kraft. 

Abbetteln.^  emendicare.  —  Ein  kleiner  Beweis ,  mIc  gewis- 
senhaft Herr  W.  seine  Zusage  (s.  S.  XXI)  wegen  genauer  An- 
gabe der  Construction  gehalten  hat.  Wie  wird  nun  der  Schü- 
ler die  Phrase  einem  etwas  abbetteln  construiren'?  INatiirlich 
alicui  aliquid!  —  Kraft  hat  Alles  gut  erklärt.  In  der  bei  Kraft 
befindlichen  Phrase :  singula  verba  ex  aliquo  elicere.,  die  Herr 
W.  von  ilmi  genonnnen  hat,  hat  er  das  Wort  verba  hinter  ali- 
quo gesetzt.  —  Welche  Verbesserung ! 

Abbetteln.^  das,  mendicatio.  Herr  W.  vergleiche  die  Stelle 
bei  Sen.,  wo  das  W  ort,  so  viel  ich  weiss,  allein  vorkommt  (also 
ein  aTCci,  kiyöuEVOV.,  —  wie  sich  Herr  W.  sonst  preciös  aus- 
druckt — ,)  um  zu  hegreilen ,  dass  es,  so  kahl  gestellt,  aufs 
gelindeste  gesagt,  sehr  gewagt  ist.  —  Kraft  hat  es  freilich  ge- 
rade auch  wie  Herr  W.  —  Sonderbar ;  wir  sind  jetzt  mit  der 
llecension  am  Ende  der  2ten  Spalte  und  haben  noch  nicht  ei- 
nen., ich  will  nicht  sagen  Ariilcel.i  ja  nur  Ausdruck  erspähen 
können,  den  Herr  W.  besser  liätte  ,  wohl  aber  schon  mehrere, 
die  er  viel  schlechter  hat  als  Kraft  ( man  vergl.  Yoit.  S.  IV 
Z.  ]().)  Doch  vielleicht  Maren  Herrn  W.  die  bisherigen  Arti- 
kel zu  mibedeutend,  um  seine  Gelehrsamkeit  zu  verschwen- 
den'^ Leider  kann  ich  dem  Leser  auch  für  die  nächste  Seite 
nicht  viel  Besseres  versprechen. 

Abbeugen.,  dellectere,  detorquere.  Das  ist  Alles.  Kraft, 
der  sich  alle  Augenblicke  von  Herrn  W.  hudeln  lassen  muss, 
liat  diesen  Artikel  schon  wieder  besser.  Ist  denn,  fragt  der 
Schüler,  diess  Wort  iransil.  oder  intransitiv?  Ist  in  Herrn 
W.'s  Augen  der  Ausdruck :  einen  Ast  abbeugen  besser  und  ge- 
wöhnlicher als  der:  vom  Wege  abbeugen?  Ist  das  Intransitiv 
von  Abbeugen  nicht  ^iel  gewöhnlicher  als  das  z.  B.  von  Ab- 
glühen., welches  Herr  W.  auiTührt,  der  Schüler  aber  wahi*- 
scheinlich  nie  sucht,  weil  ers  nie   braucht.      Zudem  war  beim 


*)  Trotz  der  weiter  unten  folgenden  Einschränkung'. 


62  Römische    Lltteratur. 

intrans.  von  Ahbeztgen  classisclics,  bei  dem  von  Abglühen  bloss 
selbstgemachtes  Latein  zu  geben.  — .  Heisst  (Hess  planmässig 
arbeiten,  oder  nicJit  vielmehr  mit  einem  eines  Gelehrten ,  na- 
mentlich eines  so  absprechenden ,  unverantwortlichen  Leicht- 
sinne ? 

Abbild^  imago  (eigentl.  nnd  bildl.)  —  effigies  (bildlich.)  — 
pictin-a  (ein  gemahUes,)  —  simulacrum  (aus  Stein.)  So  unser 
Lexicograph.  Es  ist  gut,  dass  Cicero  und  Yirgil  etc.  schon 
seit  einiger  Zeit  todt  sind;  wie  würden  diese  sich  sonst  ihrer 
Schnitzer  schämen,  wenn  sie  die  neue  Weisheit  hörten !  Denn 
Cicero  spricht  in  seiner  Einfalt  von  einem  effigies  siimdacrum-- 
que  Mit/i/idat/s,  Verr.  IV,  65,  cf.  Virg.  Acn.  II,  167.  Der  thö- 
richte  Zeuxis  will  nach  Cic.  luv.  II,  1  ein  simulacrum  mahle?!. 
Ein  simulacrmn  aus  Stein  mahlen,  ruft  Herr  W.  aus !  Lucrez 
spricht  ^  on  goldnen  simulacris,  II,  24,  Juvenal  von  wächsernen., 
XII,  88,  Ovid.  Met.  X,  694  von  hölzernen.  Und  woher  hat 
Herr  W.  denn  erfahren,  dass  die  bei  Tacit.  Ann.  II,  41  im  Tri- 
umphe aufgeführten  simulacra  montium,  fluminum,  proeliorum 
von  Stein  waren*?  War's  vielleicht  biscuit?  —  Hätte  Herr  W. 
auch  nur  die  leiseste  Ahiumg  von  dem ,  was  Synonymen  sind, 
er  hätte  hier  solch  lose  Waare  nicht  zu  Markte  bringen  kön- 
nen; zumal  da  der  von  ihm  (S.  XX  der  Vorr.)  blamierte,  aber 
nicht  gelesene  Ernesti  gerade  diese  Ausdriicke  sehr  gut  behan- 
delt, Bd.  3  p.  237  unter  simulacrum.  —  Es  war  freilich  leich- 
ter zu  sagen,  er  tauge  nichts,  als  ilm  zu  studieren. 

Abbilden.  Nach  Kraft,  aber  verschlechtbessert.  Herr  W. 
gibt  für  abbilden  imter  andern  auch  kurzweg  exprimere.  Ganz 
falsch.  Herr  Kraft,  der  freilich  sein  Latein  nicht  selbst,  oder 
doch  der  Sprache  und  ihrem  Geiste  gemäss  maclit,  sagt  rich- 
tig: exprimere  imaginem  (wo  genauer  noch  f/Z/Vv/ms  Jiingehört.) 
Ich  erlaube  mir  unserm  neuen  Lexicographen  noch  einige  andre 
Stellen  zu  citircn,  expressi  cera  vultus,  Piin.  II.  M.  XXXV,  2 ;  iraa- 
go  in  cera  expressa,  Plaut.Pseud.  I,  ],54.  Deorum  simulacra  ex 
auro  expressa,  Curt.  III,  3;  cf.  Horat.Epp.  11,1,  248.  —  IlerrW. 
muss  doch  Avisscn,  dass  exprimere  allein,  natürlich  nichts  heis- 
sen  kann  als  ausdrucken  (nicht  aM^drilcken.,  wie  Herr  W.  im- 
ter diesem  Worte  sub  No.  2  schi-eibt,  s.  Campe's  Wörter'iuch.) 
Da  ich  nun  aber  nicht  einen  oder  etums^  nicht  die  Person  oder 
das  Ding  selbst,  sondern  bloss  dessen  Bild  ausdrucke,  so  ha- 
ben die  Lateiner  einfältiglich  diess  Wort  auch  jedesmal  dazu 
gesetzt.  Wo  ich  aber  einen.,  d.  h.  sein  Wesen,  sein  Thun 
durch  meine  Handlungen  z.  B.  in  meinem  Style  ausdrucke, 
gleichsam  wiedergebe,  da  haben  sie  eben  so  natürlich  bloss 
das  Objekt  ohne  Weiteres  genannt  oder  doch  nennen  können, 
wenn  sie  m  ollten ;  wo  dann  freilich  das  Wort  abbilden  nicht  im- 
mer passt. 

Wo  ist  aber  die  Bedeutung  von  abbilden.,  enlicerfen.,  ahrei- 


Wü  s  t  cm  an  n  s   D  c  u  ts  cli- 1/ ii  t.   Hau  d  w  ö  r  t  crli  uch.       63 

fscn  (in  der  Baukunst)  a^ebliebcn?  Dioss  ist  doch  auf  keinen 
l'';ill  die  c'/s/c,  oder  soll  sie  essejn,  so  luuss  sie  erklärt  wer- 
den; und  gerade  liier  brauclit  \itruv.  deformare,  detbrmatio; 
er  brauclit  aber  auch  dcsignarc,  designatio,  uoa  on  bei  W.  kein 
AVort  steht. 

Abbildung.  "Wieder  dieselbe  Halbheit  und  Unordnung.  De- 
scriplio  z.  U.  sagt  hier  W.  sei  das  Abinahlen;  er  vergleiche 
doch  gcllÜligst  \  ilr.  J,  (J,  >vo  es  heisst  Ahriss  (und  dort  spe- 
ziell Gn/iulriss.')  Inf  er  No.  2  von  Ahbildung  sagt  er  ^^i'iber 
den  i  iiicrschicd  der  hier  aiif^efnin  ten  Idlciin'schen  ff  örter 
rcr^'^Ieic/fc  man  Abbild^  Abbilden.  Aun,  Mir  lia))en  dort  ge- 
sehen, was  an  der  Sache  ist ! 

Abbinden.  Herr  W.  sagt:  1)  das  Band  lösen ;  2)  durch 
Binden  absondern ;  unter  dieser  zweiten  Jiedeutung  hat  er 
sodann,  (nach  K.'s  Beispiel,)  diePlu*ase:  ein  Äalb  abbinden. 
Alles  wieder  entweder  nur  halb  wahr,  oder  ganz  falsch.  Was 
soll  vorerst  die  Erklärung:  das  Band  lösen?  Ks  hätte  ganz 
einfach  heissen  können:  etwas  Angebundenes  losbinden.  Das 
Band  lösen  aber  ist  zweitens  =  einem  Intransitiv,  weil  es  für 
sich  ehien  vollständigen  Begriff  bildet,  wie  wenn  ich  z.  B. 
sagte :  sterben,  =  den  Geist  aufgeben ;  folglich  ist  es  an  und  fVir 
sich  falsch.  Erkläre  doch  Herr  W.  mit  seiner  Definition  die 
Phrase:  ein  Pferd  abbinden.  Wo  will  er  denn  mit  seinem 
Bande  hin'?  Erkläre  er  es  mit  der  ihm  liier  gegebenen;  es 
geht.  —  Oder  sollte  Hei7'  W.  nicht  wissen,  dass  jede  Erklä- 
rung genau  in  die  Stelle  des  erklärten  Wortes  passen  muss'? 
Freilich  kann  der  Fall  eintreten,  dass  z.  B.  ein  verb.  transiti- 
vum  nicht  gerade  m  ieder  durch  eine  Definition  erklärt  werden 
kann,  worin  das  Zeitwort  ebenfalls  einen  accus,  zu  sich  nimmt ; 
dann  setzt  man  den  in  der  Definition  nöthigen  Casus  dazu. 
Wie  wenn  ich  z.  B,  sagte  Abdecken  (sc.  etwas,)  so  miisste  ich 
dann,  nicht  ( wie  Herr  W.  erklärt)  sagen:  die  Decke  abneh- 
men^ aus  dem  oben  angegebenen  Grunde;  sondern:  die  Decke 
von  etwas  abnehmen.  INun  passt  wieder  Alles:  ein  Dach  ab- 
decken, =  die  Decke  von  ihm  abnehmen. 

Unter  iNo.  2)  durch  Binden  trennen.,  (recht  erklärt  nach 
Kraft.)  hätte  er  etwas  misstrauischer  im  Abschreiben  scyn 
sollen;  denn  die  Phrase:  ein  Kalb  abbinden.,  die  er  aus  Kraft 
noch  naclibringt,  gehört  gar  nicht  hierher.  Beweis:  durch 
Binden  trennen  ist  so  \iel  als:  absondern  durch  Binden.,  =z 
unterbinden.,  z.  B.  eine  AVarze.  Nun  hiesse  darnach  ein  Kalb 
abbinden  so  viel  als:  e.?,  unterbindend  dasjenige .,  woran  es 
nocli  z.  B.  mit  seiner  Mutter  zu  sammenge  UHichsen  ist.,  ablö- 
sen. So  meint  es  aber  Varro  nicht,  wenn  er  sagt:  vitulum  a 
raatre  depellere.  Diess  ist  eine  reinbiWIiche  Phrase  von 
No.  1,  was  angebunden  ist  losbinden.  J)enn  derjenige,  wel- 
cher ein  Kalb  von  deriMutter  abbindet,  kami  es  eben  so  gut 


Ö4  Römische    Lltteratur. 

ziim  Stalle  hinausjagen,  als  in  demselben  anderswo  wieder  an- 
binden. Den  Herrn  Kraft,  der  eine  grosse  3Iasse  erst  zu  ord- 
nen hatte,  hat  das  Wort  i rennen  irregcliihrt ;  den  Herrn  W. 
Herr  Krai't,  der  von  ihm  über  die  Aclisel  angesehene.  Aller- 
dings, wer  einen  so  in  den  April  schickt,  verdient,  dass  man 
ilmi  etwas  böse  ist. 

Abbille.  Zum  Theil  wieder  sehr  oberflächlich.  Doch  man 
sehe  abbitten. 

Abbitten.  Da  Herr  Kraft  in  der  AulTVihrung  der  Bedeutun- 
gen dieses  Woi'tes  unvollstähdig  ist,  so  ist  es  natürlich  auch 
Herr  W.  —  Wenn  wir  auch  niclit  verlangen  m ollen,  dass  der 
Begriff  ^  on  abbitten,  =  durch  dringendes  Bitten  etirc/s  voji  ei- 
nem erludten.,  hier  aufgenommen  seyu  soll,  ungeachtet  nicht 
einzusehen  ist,  Marnni  diese  Erklärung  niclit  eben  so  gut  her- 
gchi^rt,  als  z.  B.  unter  abblasen.,  das  Abblasen  der  Stunden 
durffli  den  Naclitwächter;  so  hätte  doch  Herr  W.  nicht  überse- 
hen sollen,  dass  abbitten  nicht  bloss  intransitiv,  sondern  auch 
transitiv  ist,  und  dann  bedeutet:  1)  sich  durch  Bitten  von  et- 
was befreien;  wie  z.  B.  Quintil.  11,  12,  12  sagt  deprecari  mu- 
nus;  2)  tmi  Verzeihung  wegen  etwas  bitten.,  z.  B.  ein  Unreclit 
abbitten ,  wollte  Herr  W.  den  Platz  sparen ,  so  war  auf  verbit- 
ten (sicli  etwas)  zu  verweisen. 

Ferner  gibt  Herr  W.  bei  abbitteo,  das  IVort  deprecari  ganz 
kahl.  Also,  da  nach  S.  XXI  der  Vorrede  die  Vei-schiedenheit 
beider  Sprachen  genau  bemerklich  gemacht  ist,  übersetzt, 
diesem  Worte  trauend,  unser  armer  Schüler:  «//tv// deprecari. 
Oder  z.  B.  folgende  Phrase:  er  hat  Avegen  des  früher  Gesche- 
henen abgebeten,  jirojiter  anteacta  deprecatus  est.  Ferner 
bringt  HerrW.,  der  das  Kraftsclie  Lexicon,  Avie  wir  bisher  sa- 
hen, öfter  abschreibt,  liier  eine  bei  Krai't  ohne  Autorität  gege- 
bene Phrase:  orarc  aliquem ,  vA  factum  oder  delictum  (^tves- 
sew?)  ignoscat.  Man  bemerke  vorläufige  dass  das  Wort  fa- 
ctum ein  Zusatz  von  Herrn  \Y.  ist ,  da  Kraft  walirscheinlich 
desswegen  bloss  delictum  gesetzt  hat,  weil  man  in  der  Regel 
nur  dann  abbittet,  wenn  man  ein  Yerschen  begangen  liat  (si 
deliqueris.)  Allein  delictum  kann  nicht  so  allein  ges<ellt  seyn, 
da  es  keinen  nothivcndigen  Bezug  auf  das  Subject  oder  Object 
hat,  s.  Ramsh.  §  148,  4.  Hier  also ,  wo  ich  aucli  für  einen 
Andern  deprecari  kann,  muss  das  Pronomen  poss.  oder  pers. 
dabei  stehen,  so  dass  es  liätte  heissen  sollen,  entweder:  oro 
aliquem  ut  delictum  meum,  oder,  da  das  prou.  poss.  hier  sel- 
ten ist,  ut  mihi  delictum,  oder  delicto  meo  ignoscat. 

Abblassen.,  Abbleichen.,  hätte,  als  nirgends  Aorkomraend, 
um  so  eher  Aveggclassen  und  auf  verblassen  oder  abschiesseii 
verAviesen  werden  können ,  um  den  lur  Besseres  so  nöthigen 
Raum  zu  schonen.  Aber  Herr  W.  wt)Ute  hier  em  neues  Wort 
liefern. 


Wüstemanns  Deutsch-Lat.  Handwörterbuch.      65 

Abblühen^  ganz  wie  Kraft. 

Abborken.  Gut  bei  Kraft,  schlecht  bei  W.,  der,  ans  der 
bei  Kraft  hefindlielieii  IMirasc  „  oinuia  a  philosophis  pctorc''*" 
bloss  das  Wort  petere  ^il)t;  A^tw  Schüler  also  eiiiiiialil  d:niil)er 
z\vt'il(.'lJial't  lässt,  ob  es  eiireutl.  oder  bildlieli  ist,  sodann  zu  dem 
Irrdiiini  verlVihrt,  als  niiisse  man  sagen:  alicui  aliquid  petere; 
K.  abbctleln^  abbrechen  etc. 

Abbraten^  assare,  inassarc.  Lauter  AusdrVickc  aus  dem 
goldnen  Zeitalter'?  jMan  sollte  es  beinahe  vermuthen  nach 
Seile  \  III  ik'r  \  orrede.  Oder  doch  aus  Sueton,  Tacitus,  Vel- 
lejus  l'aterculus"?  s.  ^  orr.  \lll  unten.  Di'un  \o\\  einem  Spä- 
ter// kann  es  (nach  S.  W  Z.  J)  mhx  unten)  nlclit  seyn,  da  Herr 
A>  .,  A\ie  er  versichert,  dann  immer  den  Zusatz  .,  «S);r'/Ve/e  "  hat. 
P>in  Beweis,  wie  sicher  man  sieh  auf  ihn  verlassen  darf.  Ge- 
hört denn  Apicius^  gehört  Appulejus  unter  die  im  vveitern 
Sinne  von  ihm  vso  genannten  Klassiker'?  Kraft  mag  es  bei  Herrn 
AV.  verantworten,  dass  er  ihm  so  oft  nicht  citiert,  wo  es  so 
höchst  nöthig  gewesen  m  äre.  Und  was  sagt  Herr  W.  denn  zu 
seinem  (ebenfalls  genau  geprüften '?)  inassare'?  Hätte  er  doch 
nur  seine  getadelten  Lexica,  z.  U.  Forcelliui,  Gesner  aufge- 
8chlajren,  oder,  da  er  doch  A  ieles  aus  den  Quellen  *)  selbst 
schöpft  (s.  A  orr.  S.  \  Z.  8  >on  unten),  hätte  er  doch  seinen 
Plinius  besser  benutzt,  so  hätte  er  uns  vielleicht  gesagt,  dass 
diess  \^  ort  bloss  bei  diesem ,  und  dass  es  ( selbst  in  der  bei 
Kraft  citiertenStellc)  bloss  im  part.  perf.pass.  vorkommt.  Wenn 
Herr  W.  aber  sich  die  kleine  Freiheit  nehmen  wollte  Wörter 
zu  mnvlien^  so  hätte  er  uns  wenigstens  einen  AVhik  davon  in 
der  A  orrede  geben  sollen. 

Abbremsen.  Hier  hat  W.  zum  ersten  Mahle  ein  gutes  AVort, 
welches  Kraft  nicht  hat,  nämlich  defervere.  Suum  cuique. 
Aber  was  soll  das  bildliehe  abbrausen*?  Sagt  man;  der  Sturm, 
seine  Leidenschaft  hat  abgebraust'?  Hier  war  auf  ausbrause/i., 
verbronsen  zu  verweisen.  Das  Verweisen ,  so  liöchst  zw  eck- 
niässig,  und  aIcI  besser  als  selbstgemachte  Synonyme,  hat 
Herr  \\.  üherhaupt  sehr  a  ernacldässigt. 


♦)  S.  z.  B.  j^as^eruch  m  molner  Recpnslon ;  e.  ferner  bei  Herrn 
W. ,  unter  abnehmen  1,  a ,  die  Phrase:  Früchte  abnehmen  mit  dem 
Obetbrecher,  digitabulo  legere.  Diess  Wort  aber  ist  1)  in  keinem  uns- 
rer  gewöhnlichen  Lexica  befiudlich,  mit  Unrecht  vielleicht,  dii  Scaliger 
nach  den  .M.inn-'Criiiten  es  bei  Aarr.  Jl.  K.  I,  55  statt  digitalibus  aufge- 
nommen hat ;  2j  ist  es  ein  oLTtu'%  XtyöiiBvov,  was  Herr  W.  sonst  so  gern 
licnierkt;  3)  luisst  es  gar  niclit  06sY6rccAcr,  sondvrn  Handschuh ,  wie 
Herr  \N .  deutli<h  halte  »eben  können,  wenn  er  die  SteUe  nachgchsen 
Lalle  (s.  \orr.  \M  Z.  13),  weil  dort  vom  Ablesen  der  O/jt'en  mit  der 
Hand  die  Uede  ist. 

Jahrb.  d.  FhU.  u.  Füdag.  Jahrg.  I.  lieft  1.  5 


60  Römische  Litt era  tu r. 

AbbrecheJi.  Hier  war  für  die  logische  Ordnung  (s.  Vorr. 
S.  VII  Z.  5)  \is-ä-vis  von  Kralt  immer  nocli  Einiges  besser  zu 
maclien.  Also  zuerst  davon.  Von  den  beigefügten  Lateinischen 
Ausdrücken  nacliher.  Herr  W.  sagt:  „I.  transitiv:  '{^eigent- 
lich (ist  das  eine  Definition'?  ist  sie  liier  weniger  nöthig  als 
z.  B.  bei  abbinden?).' —  2)  bildlich:  a)  plötzlich  hemmen,  b) 
entziehen  (welche  scharte  Bestimmtheit!).  IL  intransitiv: 
1)  eigentlich.  —  2)  bildlich.  '-'•  Hier  war  vorerst  ganz  zu  tren- 
nen, wie  auch  Krait  gethan  hat,  das  Abbrechen,  d.  h.  durch 
Brechen  absondern,  von  dem  Abbrechen  =  niederbrechen  oder 
nieder-,  einreissen.  Letztern  Begriff  hat  Herr  W.  in  seiner 
neuen  Manier  unter  abbrechen  1)  ans  Ende  geschoben ,  wahr- 
scheinlich der  beliebten  Synonymenmacherei  wegen.  Oder 
V,  ar  sein  Grundsatz  das  Platzsparen  ?  So  unhaltbar  dieser 
wäre,  so  wollen  wir  ihm  zeigen,  dass  er  diesen  hätte  erreichen 
und  doch  vernünftig  ordnen  können;  nämlich  so:  ])  abbre- 
che?i  (^mit  der  Erklärung:)  vorn  abbrechen^  praefringere., 
Blumen.,  Früchte.,  carpere ,  decerpere  /  s.  abpflücken ,  pflük- 
ken.)  auseinanderreissen  .f  losreissen^  wegreissen.  2)  abbre- 
chen., =  ausei?iander brechen:  eine  Brücke.,  ein  Haus  etc., 
und  dabei  diejedesmahl  passenden  Lateinischen  Ausdriicke.  Ne- 
benbei sei  hier  bemerkt,  dass  Herr  W.  das  Wort  auseinajider- 
reisseJi  vergessen  hat.  Es  is  gut  und  wird  oft  gebraucht,  Avie 
ja  hier  z.  B.  von  Herrn  W.  selbst.  Nach  welchem  Grundsatze 
ist  es  exiliert*? 

Doch  zu  abbrechen  zurVick.  Das  figürliche  plötzlich  hemmen 
gehört  nun  zu  dem  von  ihm  zu  einer  blossen  Nuance  degradier- 
ten abbrechen.,  =  niederreissen ;  das  nachfolgende  entziehen 
als  figihlich  zu  No.  1.  —  Das  unter  dem  intrans.  aufgeführte 
bildliche,  wo  wieder  keine  Definition  gegeben  ist,  gehört, 
streng  genommen,  als  bloss  zufälliges  Intransitiv  figürlich 
ebenfalls  zu  No.  1  abbrechen;  weil  der  Sinn  der  Phrase:  von 
seinem  Gespräche  abbrechen ,  so  viel  ist  als  einen  Theil  davon 
abbrechen  (gerade  wie  ich  sage :  ich  breche  eine  Blume  —  ei- 
nen Theil —  ab  sc.  vom  Stengel,  vom  Ganzen);  ich  breche  da- 
von  ab.,  so  \1el  als  ich  verschweige  einen  Theil  dessen,  was 
ich  sagen  wollte ;  weil  in  allen  diesen  Ausdrücken  immer  noch 
das  Subject  handelnd  in  Bezug  auf  ehien  Gegenstand  (activ) 
gedacht  wird.  Etwas  Andres  ist  es  mit  abbrechen  =  in  seinen 
Theilen  gewaltsam  getre7i?it  werden.  Also  raiisste  der  ganze 
Artikel  so  geordnet  seyn :  Abbrechen :  I.  transit.  brechend  los- 
machen  einen  Theil  von  seinem  Ganzen ,  z.  B.  eine  Blume,  ei- 
nen Ast,    Früchte  vom  Baume.  *)  tp.    a)  einem  etwas  abbre- 


*)  Genau  genommen  gehört  also  von  den  bei  Herrn  W.  genann- 
ten Synonymen  nicht  hierlier:  vorn  abbrechen,  und  auscinanderrcissen 
man  sehe  die  gleichfolgende  Nummer  2. 


Wüstemanns  Dcutsch-Lat.  Ilandwörtcrliiicli.     67 

clicn,  =  seinem  Gchrauclic,  Gcnusse  entziehen,  z,  B.  Nalininc:, 
einen  Tlieil  einer  zn  zalilenden  Summe,  h)  als  inlrnns.  von  et-« 
was  abbreelien,  (sc.  einen 'l'lieil,  der  eiirendicli  noch  zum  («au- 
zen  gehörte,)  z.  B.  a  on  seiner  Müsse  abbrechen ;  daA  on  ab!)re- 
chen  =  jücht  weiter  davon  solireiben  oder  sprechen.  2)  ein 
Ganzes  aus  einander  brechen,  brechend  trennen  in  seinen 
Tlieilen ,  z.  B.  Lanze,  Scliwert  («as  l)ei  K,  und  AV.  ifanz  ver- 
gessen ist),  ein  Gebäude,  eine  Hiiicke,  (hierher  geliört  das  bei 
Herrn  AV.  unter  1  befind  liebe  vorn  abbrechen  und  mmclnan- 
flerrcisscn)  ;  t[>.  etwas  abbreclien,  =  plötzlich  aufhören  ma- 
chen z.  B.  Friede'nsuuierbandluugen,  Gespriicli,  gutes  Verneh- 
men. II.  infransit.  abbrechen=  sicJi  durch  einen  Brucli  ablö- 
sen, z.  B.  Blume,  Speer  etc. 

Wir  gellen  ntm  zu  dem  in  diesem  Artil^el  gegebenen  Latein 
über.  Hier  gie!)t  uns  Herr  W.  unter  INo.  1  wieder  Svnonyinen, 
deren  Passlichkeit  v\ir  oben  schon  etwas  näher  gewVirdigt  lia- 
bcn.  Darunter  ist  aucii  avellere^  ire^rcissen.  Diess  ist  gerade 
eben  so  waln-,  als  es  nicht  Avahr  ist.  Jiichtiger  wäi'c  auljedcn 
Fall  losrcissen^  selbst  im  bildlichen  Sinne;  allein  urspriinglich 
lieisst  es  gar  niclits  als  wegzuplcn  (>ello,  r/AAto)  und  daher 
sagt  Cic.  r/ avellerc  poma,  mit  Gewalt  wegzuplen,  diese  2 
V  örter  zusammen  sind  nun  freilich  =  losreissen  oder  abreis- 
sen.  T  nter  JNo.  2  bildlich  stossen  wir  unverhoirt  auf  ein  Ad- 
verbium, mit  den  2  Ausdriicken :  abrupte,  carptim.  Ein  neuer 
Beweis,  dass  Herr  AV.  weder  seinen  Plan  fesTzuhalteu  weiss, 
noch  sein  Latein  verstellt.  Denn  ungeachtet  Herr  W.  in  sei- 
ner ^  orrede  nichts  von  dieser  vorzViglichen  Manier  sagt,  das 
Adv.  so  mitten  hinein  in  ein  Yerburazu  pflanzen,  so  könnte  man 
doch  annehmen,  dass  der  Scliüler ,  wenn  er  oft  genug  verge- 
bens nach  solchen  Adverbien  gesuclit  hat,  endlicli  auf  den  Ge- 
danken gerathen  könnte,  es  Averde  vielleicht  unter  dem  Zeit- 
worte stehen.  Kr  sclilägt  also  z.  B.  statt  abgesondert^  das 
\efl)um  nach  und  fiiulet  richtig  das  Vdverbium  nicht  nur,  son- 
dern —  neue  Kutdeckuiig  —  auch  das  Adjecliv.  j\un  ist  er 
vollständig  an  iait.  Kr  sucht  also  das  Adv.  oder  Adj.  r/6^e- 
svliieden^  z.  B.  leben  ^  unter  abschenlen^  und  findet  mchts. 
iSun,  denkt  er,  Herr  A\'.  hat  diessmal  vorgezogen  es  als  beson- 
dern Artikel  herauszustellen ,  A^ie  er  es  z.  B,  bei  abwechselnd 
und  besonnen  gethan  liat.  —  Der  naseweise  Scliüler  meint  nacJi- 
gerade.  Hen*  A\ .  liätte  doch  etwas  consequenter  seyn  können, 
»iiiclit  aber  doch  ernsi-rüch  sein  Wörtleiii  ab^esrh/'edenimd  fin- 
det —  nuhf.s  (bei  Kraft  ist  Alles  liier  in  der  besten  Ordnung  )  ; 
aber  .-ibjiresrhiedenhe/'t  findet  er!  AVelch  musterhafte  Genau- 
igkeit! Welch  lobenswerthe  Planmässigkeit!  Der  arme  Schil- 
ler sucht  ferner  absprechend  als  Adj.  und  Adv.  (  z.  B.  i'rtheil^ 
iir(heilen).  und  findet  das  Adj.  zwar,  aber  vom  Adverbiuni  — 
?ikli(s.     Er  Bucht  ferner  ab/reichend  Adj.  und  Adv.,   unter  ab- 

5* 


68  Römisch  cliitteratur. 

uiekhen^  und  findet  —  nichts.  Er  suclit  auffallend  und  findet 
das  Adj.  zwar,  aber  als  besondern  Artikel,  aber  vom  Adv.  — 
nichts.     W  ill  Herr  W.  noch  mehr"? 

Aber  die  unter  abkür'zcn  für  das  Adv.  ( das  Adj.  felilt  auch 
hier)  gegebenen  Ausdrücke  abrupte  und  rfz/yj^/y«  heissen  gar 
nicht  abgekürzt.  Sagt  z.  B.  der  Lehrer  der  Rhetorik ,  es  sei 
manchmahl  von  grosser  Wirkung,  abgekürzt  zu  schreiben  oder 
zu  sprechen,  so  erkläre  mir  doch  Herr  W. ,  was  diess  heisscu 
soll*?  Sagt  er  aber  Lateinisch  abrupte  dtcere.,  so  wirds  der  von 
Herrn  W.  belehrte  Schüler  gerade  mit  abgekürzt  übersetzen. 
Und  findet  der  gelehrige  Lelirling  nun  gar  abrupte  agere.,  lu- 
stin. II,  15,  so  übersetzt  er  fiugs,  abgekürzt  handeln.  Hätte 
Herr  W,  Quintilian  (s.  Vorr.  S.  XIV  Z.  3)  studiert,  so  hätte  er 
gewusst,  dass  abrupte  bei  ihm  heisst :  ohne  Einleitung.  Hätte 
er  Sallnst  gekannt,  so  hätte  er  gewusst,  dass  carptim  heisst: 
stückweise  (rupfweise  sagen  die  Schwaben ;  carpo  =  rupfen) ; 
hätte  er  seinen  Gesner  benutzt ,  so  Iiätte  ihm  dieser  noch  ein 
halbes  Dutzend  Phrasen  gegeben ,  aus  denen  ihm  ohne  Miihe 
(s.  Vorr.  S.  XXI  Z.  5)  die  wahre  Bedeutung  von  carptim  klar 
geworden  wäre,  — 

Wir  gellen  weiter.  Unter  2,  b  entziehen  finden  wir  vor- 
angestellt: curtare.,  decurtare .,  von  Herrn  W.  hinzugethan. 
Herr  Kraft  hat  sie  —  wahrscheinlich  Meil  er  beide  Wörter  und 
ihre  Bedeutung  kannte  —  nicht.  Ihm  hätte  Hr.  W.  folgen  sol- 
len. Curtare  ist  zunächst  nichts  als:  kurz  oder  kürzer  ma- 
chen, Mas  lang  Mar,  und  kömrat  in  diesem  Sinne  bei  Horaz  und 
Celsns  vor.  Aber  Herr  W.  braucht  es  hier  für :  einem  etwas 
abbrechen  oder  entziehen.  Aber  so  kommt  Curto  gar  nicht 
vor,  denn  weder  beiHorat.  Sat.II,3, 124  noch  beiPersius  VI,  33 
wird  Herr  W.  selbst  es  so  übersetzen.  Sollte  er  aber  auch  die 
erste  der  beiden  Stellen  so  übersetzen,  so  hätte  er  voi'erst  an- 
geben sollen ,  dass  das  Wort  dichterisch  ist  ( s.  S.  XV  Z.  19 
der  Vorr.),  zweitens,  dass  man  nicht  sagen  kann  curtare  alicui 
aliquid  (s.  S.  XXI  Z.  18),  mIc  doch  jetzt  der  Schüler  sagen 
wird  und  nach  der  eben  citierten  Stelle  der  Vorrede  sagen  darf. 
Und  was  soll  decurto  ?  Wo  steht  diese  Präsensform  *?  Nir- 
gends (s.  abbratenm  der  Recension).  Und  wo  heisst  das  al- 
lein vorkommende  part.  passivi  entzogenl  Auch  hier  darf  der 
Schüler  nach  Herrn  W.'s  aufgestellten  Grundsätzen  sagen:  er 
hat  ihm  etwas  an  der  Nahrung  abgebrochen,  decurtavit  ei  non- 
niliil  de  victu.  Welches  Latein!  Herr  W.  fährt  fort:  sich  et- 
was abbrechen,  circumcidere  aliquid,  aus  Celsus.  Warum  nicht 
eine  andre  Phrase,  aus  Livius  (  —  deini  dessen  circumcidere 
sumtiim  passt  hier  nicht),  aus  Terenz,  Horaz?  —  Antwort: 
Herr  W.  m  ollte  hier  selir  von  Kraft  abM  eichen.  —  Nun ,  es  ist 
Ulm  auch  gelungen. 

Unter  dem  intrans.  von  abbrechen  heisst  es  bei  der  2ten 


Wüs  temunns  Deutsch -Lii  f.    lliinil  w  «"t  r  t  c  rb  uc  Ji.      69 

Nummer  —  bei  der  ersten  ist  bloss  der  Proviiicialismus 
\on\e  zu  rügen  —  also:  absvindcie ^  incidcre ^  praechlere. 
Alles  wieder  aus  eigenem  S(lia(/e  und  höchst  sdileolit.  Ist 
deim  eines  der  3  elien  angeirehenen  Jiateinischen Wörter  ein  lu- 
transitiAum'^  —  Ist  ein  Mann,  der  nicht  einmal  diess  zu  unter- 
scheiden versteht,  lahi"-  lur  die  Jugend  und  iViclitjugend  (s. 
Vorr.  S.  IV  Z.  19),  et^a  gar  IVir  CJelehrle  ein  IJucli  zu  schrei- 
|)en'?  —  INach  Herrn  MS.  darf  sein  auf  die  Universität  abge- 
Iiender  rrimaner  in  seiner  Ahscliiedsrede  sagen:  docli  icll 
breche  ab  (sc.  die  Uede),  scd  abscindo.,  statt  absnindo  ora- 
tionem,  \vie  er  freilicli  auch  uiclit  sagen  soll. 

Der  Verfasser  gegenwärtiger  Recension  will  liier  ebenfalls 
al)brechen  (abscindere?)  mit  der  genauem  IJecension  der  auf 
einander  folgenden  Artikel,  und  n\ir  noch  stiickweise  {carptiin; 
nach  Herrn  W.  abgekürzt^  Einiges  beriiliren. 

tnter  abbrennen  setzt  Herr  W.  der  Aielbeliebten  Kiirze  we- 
gen, fortlaufend  mit  den  Wörtern  urere,  combureie  etc.,  die 
IMnase :  eine  Kanone  abbrennen.  Das  heisst  bei  ihm  in  der 
logischen  Eintheilung  Aiel  strenger  seyn,  als  Andre!  Herr  K. 
hat  es  getrennt.  Ferner  sagt  Herr  W.  bei  No.  2  a)  von  Sa- 
flien,  wenn  das  Fener  abaicIilUch  angelegt  vmr.  Welch 
ein  Zusatz !  W  ie  beweist  dieser  aufs  neue,  dass  Herr  W.  zum 
S_\iionymiker  weder  berufen  noch  auserwählt  ist.  Also  wenn 
der  Blitz  zufälliger,  wenn  das  Kind  unvorsichtiger  Weise  ein 
Haus  anziindet,  so  darf  ich  fiir  «/»/»rewwew  deflagrare ,  conila- 
giare  nicht  brauchen'?  Hätte  Herr  W.  von  seinem  so  gering- 
schätzig behandelten  Ernesti  doch  wenigstens  auf  den  in  ü^ix 
Praepp.  de.  con  liegenden  Begrilf  achten  lernen.  Und  wie  lo- 
gisch ist  hier  A  erfahren:  abbrennen  a)  von  Sachen.,  b)  ran  Per- 
sonen. Kein  Fingerzeig  für  meinen  armen  Quintaner,  was  denn 
dasLetztei-e  auch  heissen  soll.  l*Veilich  wenn  er  sein  Latein  gut 
versteht  — ;  aber  Herr  W.  wird  ihm  dicss  billiger  W  eise  wohl 
nicht  znmuthen. 

ylbbrennen.,  das,  Abbrennnng.,  die;  In'er  weiss  der  Schüler 
wieder  nicht,  ob  diese  Ausdrücke  actiAisch  oder  passivisch 
sind.  Aber  die  bei  Abbrenniing  gegebenen  W  <»rter  iiieeiisio 
und  ustio'?  Heisst  iucensio  eigentlich  Abbrennung'J  UirLchii- 
gen,  die  in  der  Lateinischen  Synonymik  freilich  die  kleine  Vor- 
sicht brauchen,  sie  nicijt  a  notre  fantaisie  machen  zu  wollen, 
werden  sagen,  incensio  kann  doch  vorerst  nicht  heissen  Ab- 
brennnng.,  denn  in  derPraepos.  in  liegt  kein  r/6,  sondern  ein 
hinein.,  also  ist  es  =  An-Aindung^  und  so  übersetzt  es  auch 
Scheller.  Dass  freilich  eine  Anzündung  \:^\\\\i  ylbbrvnnung  wqt- 
den/.rt///i,  ist  klar.  Aber  letzteres  verhält  si<di  zum  erstem 
vie  Folge  uiul  (irund.  L^nd  nstioY  wo  läge  denn  hier  das  ab? 
Lrere  heisst  brennen.,  anbrennen  und  seilen  ve  r  brennen.  Im 
letztem  Shiiic  braucht  Cato  das  Subst.  ustio.     Sonst  heisst  es 


TO  R  0  m  i  s  c  ii  c    L  i  1 1  e  r  ii  t  u  r, 

eine  Brandwunde,  ein  Brandnialil  (welchen  Begrift"  Herr  W.  un- 
ter dem  letztem  Worte  gar  niclit  kennt  —  Brandwunde  hat  er 
gar  niclit,  bloss  B/andscha(le?i). 

.  Unter  Abbreviatur  finden  wir  sigla  ohne  Autorität,  also  clas- 
sisch*?  —  Herr  W.  sehe  nach,  wo  diess  Wort  vorkonirat;  — 
Mas  er  vor  der  Herausgabe  seines  Wörterbuches  hätte  thun 
sollen.  Warum  hat  er  nicht  wenigstens  aus  Gellius  den  Aus- 
druck literae  singulariae  gegeben'?  Das  war  ihm  wahrscheinlich 
nicht  classisch  genug.  Da  hätte  er  nur  nicht  überselien  sollen, 
dass  sein  erster  bei  Abbre^iatur  gegebener  Ausdruck,  scripta- 
rae  compandium^  auch  aus  Gellius  ist.  Hat  er  es  -aber  gewusst 
und  seinen  Gewährsmann  doch  nicht  citiert,  so  hat  er  gegen 
seinen  Plan  gesimdigt,  nach  welchem  er  ihn  doch  unter  «6- 
dampfeii  citiert  liat.  Die  Bemerkimg  bei  abkürzen^  dass  Cicero 
sagt :  öi«  örj^BLOv  scribere ,  ist  weder  hierher  passend ,  noch 
von  W.  kommend,  s.  Kraft  sub  h.  v.  —  Aber  unter  Abkürzung 
ist  ihm  ein  hässlicher  Uiischick  wideriahren.  Ist  praecisio  = 
scriptio  öiä  örj^stcov'l  —  JNach  Herrn  W.  ja.  Aus  dem  Auct. 
ad  Her.  konnte  er  erfahren,  dass  diess  Wort,  so  viel  ist  als  apo- 
siopesis.  Endlich  bemerke  man,  dass  Herr  W.  den  Ausdruck 
sci'iptio  did  6)]^b[cov  selbst  gebildet  hat. 

Unter  abdanken  heisst  es :  abire  oder  abscedere  raunere  (aus 
einer  Provinz).  Glaub'  es  doch  niemand !  Gerade  diese  bei- 
den Wörter,  wenn  wir  gleich  zugeben,  dass  sie  natürlich 
auch  das  Abgehen  vom  Amte  in  einer  Provinz  anzeigen  könn- 
ten^ zeigen  es,  —  wäre  ich  so  arrogant  wie  Herr  W.,  ich  würde 
sagen  nirgends^  so  aber  will  icli  bloss  sagen  —  nirgends  so  viel 
mir  bekannt  ist,  an.  Hier  die  Beweise:  Cic.  Fam.  V,  2,  4: 
sagt,  abeuntem  (me)  magistratu  (vom  Consulate)  concionis  lia- 
bendae  potestate  privavit;  Sueton,  Aug.  26  sagt,  honore  abiit 
(in  Rom ,  wie  es  die  Stelle  deutl:»  h  besagt) ;  Liv.  III,  51  am 
Ende,  iusignia  magistratus  ejus,  quo  anno  jam  abissent.  Das 
Wort  abscedere  ist  in  gleichem  Sinne  seltener;  mir  ist  bloss  be- 
kannt Liv.  IX,  3  non  militaribus  sohun,  sedcivilibus  quoque  mu- 
neribus  abscesserat.  Dem  Herrn  W.  scliwcbtc  hier  etwas  dun- 
kel, wie  wir  sehen ,  vor  den  Gedanken,  nämhch  der  Ausdruck 
decedere.  Er,  der  nacli  p.  XXII  dpr  Vorr.  Z.  4  Brcmi,  Hein- 
dorf, Held,  Herzog  und  Andre*)  liäiifig  benutzte,  hat  z.  B, 
vom  ersten  nicht  einmahl  dessen  llcgister  zu  seinen  Aiunerkun- 
gen,  weder  zum  Nepos,  noch  zum  Sueton,  er  hat  nicht  seinen 
ihm  liänfig  nicht  ausreichenden  Gesner  und  Forcellini  vergli- 
chen, die  ihm  alle  gesagt  hätten,  dass  decedere,  und  zwar  ab- 
solut schon,  das  bedeutet,    was  er  abirc  und  abscedere  heissen 


*)   Nach  uiisci-cni  Dafürlrdlteii  sind  weder   die   genannten   noch    die 
tücht<rcnannlen  Gelehrten  benutzt  worden. 


Wiistcmanas  De  u  ts  cli  -  Lat.  lland>v  ort  c  i' buch.        71 

lassen  will.  Und  welche  Erkliiruiiir  bei  Abdankung,  wo  es  bei 
]\o,  2  beisst,  {[er  Abgang  ^  schlechtweg ,  st.  Abgang  von  ei- 
nem Amte. 

Abbringen.  Bei  welcliem  Prosaiker  heisst  denn  deverterc 
\\di  vom  Jfege  abbringen?  Was  sollen  die  einzeln  stehenden, 
freilich  dnrch  Bequenilichkeitsstriclie  getrennten  Wörter:  avo- 
care — ,  defleetere'^  iNamentlich  letzteres 'f  Herr  W.  mag  sich 
nach  dem  bisher  Gesagten  selbst  die  nöthigen  Bemerkungen 
darüber  machen.  Wie  schlecht  lerner  ist  das  Subst.  von  Ab- 
bringen behandelt.  Also  abolitio  oder  abrogatio  legis  lieisst 
schlechthin  die  Abbringung?  L'nd  avocatio  a  re  Mird  der  Schü- 
ler, schehit  es,  ohne  Herrn  W. 's  Erklärung  verstehen'*  Wir 
erlauben  uns,  nach  allem  Bisherigen  zu  zweifeln,  ob  es  Herr 
W.  selbst  > erstanden  hat,  namentlich  da  es  in  Krafts  Lexicon 
undeutlich  erklärt  ist,  als  woher  Hert  W.  den  grössten  Theil 
seiner  Weisheit  geschöpft  hat. 

Abdecken.  Hier  heisst  es:  1)  die  Decke  abnehmeTr,  eine 
eben  so  gute  Definition  als  wie  bei  abbinden;  ])  das  Band  lö- 
sen! Ks  hätte  heissen  sollen:  die  Decke  von  etwas  abnehmen. 
Unter  jNo.  2)  sollte  die  Definition,  statt  „f//e  Haut  abziehen'-'' 
(z.  B.  eines  geschossenen  Hasen '? ) ,  heissen :  ein  Thier  abdek- 
ken^  =  ihm,  wenn  es  gefallen  (verreckt)  ist,  die  Haut  abzie- 
hen, s.  Abdecker.  Aber  gehören  solche  Wörter  in  ein  Schul- 
oder Handwörterbuch'? 

Abdecken^  das,  eines  Hauses,  nudatio.  W^ir  kennen  Herrn 
W .  als  W  örtermaclier.  Hier  begegnen  wir  ihm  wieder  l)ei  die- 
sem Geschäfte.  Er  entblödet  sich  nicht,  uns  weiss  zu  machen, 
nudatio  heisse  das  Abdecken  eines  Hauses.  Plinius,  wo  diess 
W  ort  allein  (und  zwar  nur  einmalil,  so  viel  mir  liekanntj  vor- 
kommt, braucht  es  für  Entblössung,  Nacktheit  (nudite). — 
Hier  wäre  doch  wohl  besser  gcMesen,  HerrW.  hätte  gesagt: 
durch  verba  muschrieben,  wie  z,  B.  bei  Abreiben^  das. 

Abdrechstln.  Warum  liier  nicht  au«h:  durch  Drechseln 
trennen.^  wie  bei  abbinden.,  durch  Binden  trennen?  Ist  er- 
steres  schlechter  gesagt'?  Wie  linkisch  ist  der  bildliche  Be- 
grilf:  seine  }f  orte  abwägen.,  erklärt!  AVarum  nid'.i  so:  seine 
Worte  abdrechseln,  =  sie  genau  abwägen'?  ISach  Herrn  W.s 
Erklärimg  scheint  abdrechsclu  hier  ein  inlransidv.  Lud  dar- 
nach dürfte  ich  also  sagen:  er  hat  in  seiner  Rede  sehr  abge- 
drechselt !  — 

Abdreschen.  Unter  der  Erklärung :  fertig  werden  mit  Dre- 
schen., steht  auch  das  transitive:  abgedroschenes  Stroh.  Die 
hübsche  logi^-che  Ordimng!  Es  liätte  so  Jieissen  sollen:  2)  leer 
dreschen.,  z.B.  Stroh;  und  dazu  als  bildlich :  abgedroschene 
Sache.  Ist  das  vielleicht  einer  derjenigen  Artikel,  dessen  An- 
ordnung bloss  von  Subjekt  Iren  Ansichten  abhangt.,  die  nie  zu 
vereinigen  seyn  möchten  ?  (s.  \orr.  \11  Z.  7  von  unten.) 


72  Hü  mische  Littcriitur. 

Abdruck.  Unter  b)  steht:  IlaiitUung  des  Abdrückens  statt 
des  Abschiessens.  Aber  Mer  sagt :  der  Abdruck  eines  Pfeils *? 
der  Abdruck  einer  Münze  etc.,  ectypum.  Wo  t  Herr  W.  ver- 
gleiche die  betreffenden  Stellen  und  sage  dann  anders.  Und 
warum  hat  er  bei  No.  3)  =  Ebenbild.,  nicht  gesagt  bildlich? 
Es  ist  aber  als  bildlich  unter  INo.  2  zu  stellen. 

Abdrucken.  Unter  der  zweiten  Bedeutung:  die  Farbe  fah- 
ren lassen ,  hat  Herr  W.  sein  Deutsches  Intransitiv  durch  ein 
Lateinisches  Transitiv  erklärt,  nämlich  durch  commaculare. 
Also:  die  Buchstaben  drucken  ab,  literae  commacidant? 

Abfahren.  Unter  No.  2)  =  abgleiten  (ipse  fecit),  sagt  Herr 
W.  eiabi,  excidere,  avolare,  evolare.  Wer  sagt  dem  Schiller, 
M'o  er  jedes  dieser  Wörter  brauchen  soll?  Er  kann  also  sa- 
gen, der  Fuss  fuhr  iJim  vom  Seile  ab  ,  ei  excidit,  avolavitü 

Abfasern.,  fdatini  distralii.  Diess  filatim  ist  dichterisch ,  es 
war  also  nach  Herrn  W.'s  Grundsätzen,  s.  Vorr.  p.  XV  Z.  15 
von  unten ,  hier  ein  Citat  nöthig.  Er  hat  aber  hier  seinen  ihn 
oft  irreführenden  Kraft  blindlings  benutzt.  Man  sehe  den  un- 
wiirdigen  Ausfall  gegen  Kraft,  Yorr.  IX  Z.  19:— 26. 

Abfertige7i.  l)=:das  Geschäft  m//ye//ia?«rf  beendigen.  Hier 
scheint  abfertigen  wieder  intransitiv  zu  seyn.  Also:  ich  fer- 
tige ab  ?  Und  was  soll  das  ungeschickte  mit  jemand  ?  Es 
hätte  heissen  sollen  1)  fertig  machen,  beendigen,  z.B.  eine 
Arbeit,  s.  Heinsius. 

Abfeuern.,  das  Gescliütz,  torraenta  mittere.  IIcit  Vf.  hätte 
wissen,  oder,  wenn  er  es  weiss,  sagen  sollen,  dass  tormentura 
als  Geschoss,  d.h.  als  dasjenige  welches  fortgeschossen  wird, 
selir  selten  ist,  ungeachtet  es  Caesar  hat.  In  solchen  Fällen 
sehen  wir  freilich  Herrn  W.  stumm,  und  das  Ding  scheint  Al- 
les ganz  in  der  Ordnung. 

Abfeueruug.  Unter  Abfeiierung  der  Kanonen,  inter  soni- 
tum  tormentorum.  Herr  W.  hat  die  bessern  Ausdriicke  fra- 
gor,  strepitus  (obwohl  letzteres  vor  fragor  stehen  sollte)  bei 
Kraft  verschmäht  und  das  Getöse  der  Kanonen  in  ein  Getön 
verwandelt,  wahrscheinlich  um  die  zarten  Nerven  junger  Schü- 
ler zu  schonen. 

Abführen.  In  gewaltiger  Unordnung.  Herr  W.  sagt:  1) 
wegführen.  2)  ableiten.  3)  ärztlich.  Wo  hat  denn  Herr  W. 
seine  Logik  her  ?  —  Diess  ärztlich  ist  gar  naiv.  Er  hätte  sa- 
gen sollen :  Abfuhren ,  =  führeiid  von  einem  Orte  ivegbrin- 
gen :  a)  vermittelst  eines  Fuhriverkes.  b)  leitend ,  z.  B.  Per- 
sonen, Thiere,  Dinge,  wie  Wasser  etc.,  kranke  Säfte  aus  dem 
Körper  (durch  Arzneimittel).  — Bei  Herrn  W.  ist  die  4te  Num- 
mer erklärt  durch:  abfertigen.,  confutare.  Allein  abfertigen 
hat  3  Bedeutungen  bei  ihm;  welche  ist  hier  gemeint'?  Der 
ScIiiUer  muss  aus  dem  beigesetzten  Latein  enathen,  dass  es 


Wüsteinanns    Doutsch-Lat.  IlandAv  ü  r  t  er  bii  cli.      "JS 

die  dritte  ist.     Auf  jeden  Fall  müsste  es  Iieisscii:  mit  schnö- 
den Jt  orten  eJitlassen  oder  abjerti^en. 

Ferner  wirft  Herr  W.  die  bililliclie  Phrase  ^^einen  durch 
Lt'ittiiig  oder  Vorstell//nß  ahfiilrrcn'-'-  unter  ]\o.  1  statt  unter 
]No.  2  und  bringt  den  eigentlichen  Ausdruck  ^^euien  ins  Ge- 
fängniss  abfuhren''-  erst  nach.  Auch  verstellt  Herr  W. ,  w'w, 
%vir  noch  weiter  sehen  werden,  nidit  immer  Deutsch  zu  schrei- 
ben. Denn  statt  .^ etwas  abzuführen  einnehmen'-''  liätte  es 
lieissen  sollen  etivas  zum  Abführen.  Diess  gehört  also  hier 
weg  unter  das  Substantiv. 

Abgehen.  ])  iui  eigentlichen  Sinne  ireggehen.  2)  sich 
von  etwas  entfernen  (ist  diess  nicht  gerade  so  ^iel  als  wegge- 
hen ?  und  wenn  es  bildlich  gesagt  ist,  w  arum  bemerkt  es  Herr 
W.  nicht,  wie  z.  B.  bei  abgeben? ).  3)  mit  Tode  abgehen  (ge- 
liört  als  bihüich  zu  Xo.  1).  4)  von  Waaren  (welche  Definition! 
s.  abführend.  5)  sich  absondern  (wer'?  \oi\  was'?  das  bleibt  ein 
Gehehnniss).  O)  f^er mindert  werden.,  Abzug  leiden;  was  soll 
Ini^Y  Abzug  leiden?  —  Ferner  bemerke  man,  dass  unter  dem 
bildlichen  INo.  2  aufgeführt  ist  (und  zwar  ganz  am  Ende  des 
Artikels):  es  geJit  etwas  ab  aus  dem  Körper.  —  Ferner  die 
in  einem  Schuliexicoii  höchst  auffallende  Phrase:  die  Leihes- 
frucht ist  ihr  abgegangen.  Warum  hat  denn  Herr  W.  liier 
nicht  auch  wieder  die  Nummer:  ärztlich.,  wie  in  abführen? 
Er  liat  beim  Excerpieren  aus  Kraft  w  ahrscheinlich  dessen,  frei- 
lich aucli  nicht  sehr  logisch  geordnete,  üiiterabtheilungeii 
übersehen. 

Abgehen.,  das.  Hier  heisst  es:  das  Abgelien  vom  Wege, 
deverticulum.  Wenn  Herr  W.  denn  seines  Freundes  Rams- 
liorns  Grammatik  so  sehr  studiert  hat,  warum  hat^er  §82,  2 
ISot.  4  übersehen*?  Oder  warum  hat  er  nicht  auch  ohne  dieses 
gewusst,  dass  Substantive  auf  culum  in  der  Kegel  nicht  eine 
blosse  Handlung  anzeigen'?  Dass  deverticulum  also  wohl  etwas 
Andres  heissen  muss'?  Freilich  bedeutet  es  bildlich  eine  Di- 
gression,  einen  Abschweif  in  einer  llede ,  aber  natürlich  nicht 
als  Handlung. 

Abgesandtin  (warum  nicht  zwei  n1).  Ein  neuer  Beweis, 
dass  Herr  ^^ .  auch  im^tudium  der  Deutschen  Grammatik  noch 
jManches  thun  kann.  A\  er  sagt  Abgesandtinn  ?  Antwort : 
Herr  Kraft  und  ihm  nach  Herr  W.  —  Sagt  Herr  W.  denn  auch 
ein  Grosser,  eine  Grossinn,  ein  Gefangener,  eine  Gefange- 
ninn^  A\  ahrscheinlich,  da  er  so  sehr  consecpient  ist.  Doch 
nein,  er  siist  ^\  irklich  z.  B.  eine  Bekannte  (das  Fem.  (»efangene 
und  Gelehrte  ,  so  wie  das  Subst.  («rosser  und  Grosse  hat  er 
vergessen).  Aber  eine  andie  Kleinigkeit  ist  hier  beiläufig  zu 
bemerken.  Herr  AV.  sagt  unter  Gesandlin.,  uxor  legati;  unter 
Abgesandlin  übcv:    1)  interpres.    2)  uxor  legati.     Kann  aber 


^'^       ^  11  ö  ra  i  s  c  h  c  L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

eine  Gesandte  nicht  eben  so  gut  gesendet  sejn  als  eine  Abge- 
sandte  'i     Es  ist  aus  Kraft  abgeschrieben. 

Abgrämen^  das,  nioeror.  Warum  niclit  mfle?ror,  welclies 
der  Verwandtschaft  mit  marceo  wegen  richtiger  ist.  Vielleicht, 
weil  Kraft  auch  so  schreibt'? 

Abgrasen^  depascerc  herbas ,  ist  falsch,  ich  mag  es  neh- 
men, wie  ich  Avill.  Selie  Herr  W.  auf  sein  Grasen^  m  elclies  ein 
Intransitiv  ist ,  so  erklärt  er  dort  gerade ,  wie  er  hier  über- 
setzt. Aber  abgrasen  ist  ein  Transitiv.  Es  hätte  heissen  sol- 
len: Abgrasen,  z.  B.  eine  Wiese,  (von  Thieren)  herbas  prato- 
rum  depascere,  oder  prata  depascere.  Und  warum  hat  er  bei 
Grasen  eine  2te  nnd  ganz  richtige  Bedeutung,  nämlich  das 
Gras  abschneiden^  wovon  wir  hier  nichts  erfahren'?  Antwort: 
Kiaft  hat  es  auch  so. 

Abgnrgeln.  Ist  diess  prosaisch,  poetisch  oder  burlesk? 
Herr  K.  hat  diess  Wort  nicht.  Wenn  heute  der  Schüler  diess 
Wort  liest,  er  merkt  es  sich  seiner  Sonderbarkeit  wegen  ge- 
wiss, luid  übersetzt  m  ^rgen  sus  jugulatur,  die  Sau  wird  abge- 
g:ui'gelt,  was  will  Herr  W.  sagen'?  Etwa  „sage  nicht  so,  son- 
dern gestochen^  abgethau'-'' ;  so  hätte  er  auch  hier  so  sagen 
sollen. 

Abhängen^  intrans.  Ist  unrichtig ,  es  muss  abhangen  heis- 
sen (namentlich  in  einem  Schulwörterbuche ,  damit  der  Schü- 
ler auch  für  seine  Muttersprache  einen  sichern  Leitfaden  liat). 
So  sagt  der  Grieche  xpg/^iai't'üftt,  XQb^afiat,  hängen,  hangen; 
der  Lateiner  z.  B.  cado ,  caedo ,  fallen ,  fällen.  Die  Sprachen 
liaben  so  manche  hübsche  Aehnlichkeit ,  wenn  man  darauf  ach- 
ten will. 

Abhelfen.  Hier  ist  vergessen :  einer  Sache.  Sodann  folgt : 
mederi  ilicui  rei,  remedium  adhibere ,  afi'erre,  ohne  Angabe 
der  Construction ,  s.  Vorr.  XXI  Z.  13  ^on  unten;  doch  der 
Schüler  wird  es  sich  vielleicht  aus  dem  Vorhergehenden  sup- 
plieren.  Hierauf  folgt  corrigere,  also,  nach  der  oben  citicrten 
Stelle  der  V  orr.,  richtig  aliquid.  Hierauf  folgen  subvenire,  oc- 
cmrere,  prospicere,  ohne  Construction,  folglich,  nach  der  eben 
citierten  Stelle,  mit  aUquid? !  Vielleicht  soll  es  gegen  Herrn 
W.'s  eigenen  Plan  der  Schüler  hier  auch  juerken.  L^nd  ))eini 
darauf  folgenden"  le^  are  merkt  er  sich.dann  vielleicht  den  Dativ 
noch  einmahr?  — Welche  Genauigkeit! 

Abhub,  reliquiae.  analecta.  Letzteres  also,  nach  der  Vorr. 
S.  XV  Z.  12  von  unten,  auch  in  IVosa'?  So  sehe  Herr  W. 
doch  in  sehie  Lexica. 

Abnehmen.  Unter  1  a.  Alles  wieder  in  gänzlicher  Unord- 
nung, Eigentliches  zwischen  Uneigentlichem.  Ganz  wie  Kraft 
(sub  n.  2),  der  übrigens  immer  noch  weit  deutlicher  ist. 

Abreissen.  Ganz  dieselbe  lose  Ordnung  wie  in  Abbrechen, 
unter  l\o.  2)  =  durch  den  Gebrauch  abnutzen,  steht  auch  (wie 


Wüste  man  HS  Deutsch -Lat.  Handwörterbuch.     75 

bei  HeiT  K.)  tlic  Phrase:  ein  abg;erissener  Mensch;  also,  nach 
tler  ^ei^ebeneu  Definition,  ein  durch  den  Gebrauch  al)iieiuitz- 
1er  iMensch!  Diese  oluiehiii  selir  proAinzielle  l'Jirase  ^eliört, 
als  besondre  Bedeutung,  in  der  Participiallbrm  unter  das  In- 
transitiv um. 

Absvhät:.cn.  ali(|uid  in  aestinialioneni  accipere  Iieisst  nicht: 
etNvas  nach  dem  Al)sch:i(/en  kaufen^  sondern  etwiis  z.  U.  ein 
Landiiut  nach  der  irerichllicheu  Abschätzung  an  Zahlungsstatt 
annehmen.  Herr  AV.  sehe  darüber  in  Caes.  B.  Civ.  und  Cic. 
Brieten  an  den  Paetus  nach. 

Abschaben.  AVie  soll  man  denn  obrogarc  construieren? 

Abschicken,  amandare.  Also,  er  schickte  einige  Soldaten  ab, 
aniandavit'?  Ks  heisst  wegschicken  einen,  den  man  nicht  mag, 
daher  auch,  z,  B.  bei  Tacitus,  verbannen. 

Abschildenmg.  Schlecht.  Man  sehe  Abbildung. 

Abschneiden.  Die  2teJNi.  imer  heisst:  entzielien.,  praecidere 
(alicui  aliquid,  richtig);  pri>are,  auch  alicui  aliquid'?  —  Hier- 
auf lesen  uir  „r/e^;  Feind  abschneiden'-''.,  nach  Herrn  A¥.'s  Er- 
klärung =  den  Feind  entziehen!  Ferner  nach  der  Phrase 
„  dem  Feinde  die  Zufuhr  abschneiden  '•"  folgt  die  sehr  eigent- 
liche: dem  Feinde  das  Jf  asser  abschneiden.  Alles  höchst 
klar  imd  bestimmt  geordnet !  Alles,  bis  auf  zwei  Wörter,  aus 
Kraft  lierausgelesen,  mit  Zuziehung  von  dessen  Artikel  Be?ieh- 
vien  und  Hoffnung.,  was  um  so  inconsequenter  ist,  da  Herr  W. 
unter  den  eben  genannten  Artikeln  Alles  wiedergibt.  Sein  Ab- 
schneideii  hätte  iibrigensso  geordnet  seyn  sollen:  1)  etwas 
schneidend  von  seinem  Ganzen  trennen,  z.  B,  Kopf,  Haare, 
Bart,  jNägel.  2)  etwas  schneidend  (also  ■a\h:A\  grabend)  in  sei- 
nem Laufe  hemmen,  z.  B.  das  Wasser,  tp.  a)  überhaupt  etwas 
in  seiner  Bewegung  hemmen,  z.  B,  den  Feind,  die  Zufuhr,  b) 
(von  Zuständen)  sie  hemmen,  unterbrechen,  z.  B.  den  Rück- 
zug, die  Hoilnung,  die  Gelegenheit. 

Abstofsen.  Hier  liegen  die  verschiedenen  Begriffe  von 
wegstofsen.,  stofsend  abbrechen.,  und  st of send  (^hobelnd)  glät- 
ten chaotisch  untereinander  luid  Herr  VV.  steht  über  ihnen, 
wie  bei  de  la  lAlotte  Fouciue  der  gewaltige  Uittersmann  über 
den  Zauberern,  sie  niederzwängend  mit  deniFusse,  gleichsam 
sprechend:  quosego! 

Ablhun.  ]\o.  3  =  tödten  (einen  IMenschen),  ist  das  edler 
Stil.  Sodann  ist  es  nicht  überhaupt  tödten,  sondern  lunrich- 
ten  (vom  Henker).  Sodann  ist  es  ganz  falsch,  dass  mactare 
und  jugulare  bloss  von  Thieren  gesagt  Mird. 

Affe.  Jlier  finden  w'w  einen  Pseudodamasippus,  ich  vermu- 
the  aus  Cic.  IJrieiV  an  Av^w  I<al).  Galliis.  Kben  desswegen  er- 
laube ich  mir  auch  zu  vermuthen ,  dass  Herr  W.  jenen  Brief 
nicht  gelesen  hat,  sonst  hätte  er  so  nicht  übersetzen  können. 

Also.,  itaque,  ergo,  igitur,  hinc,  iiide,  unde.    Bloss  bei  dem 


76  RüiuischcLittcratur. 

letzten  Worte  steht  die  Anmerkung,  die  Bröder  §  fJßO  recht 
deutlich  gibt,  >variim  also  nicht  auf  ihn  verwiesen'?  besonders 
da  er  auch,  so  wie  Kraft,  die  hei  Herrn  W.  gleich  folgende 
7  Zeilen  lange  Anmerivung  in  3  Zeilen  genügend  abthut.  Aber 
Herr  W.,  der  schon  lange  nicht  mehr  an  der  Hand  des  guten 
Bröder  *)  einherwandelt  (s.  Vorr.  XXII  oben),  scheint,  trotz 
seiner  ausdrücklichen  Erklärung  S.  XXI  der  Vorr.  Z.  0  \o\i  un- 
ten, das  vortreffliche  Buch  seines  Freundes  Ranishorn  noch 
sehr  stückweise  (carptim)  studiert  zu  haben.  Ausser  einem  sehr 
starken  Beweise,  den  ich  miter  dem  nachfolgenden  Wörtchen 
dafs  geben  will,  hier  ein  fast  nicht  minder  auffallender.  Herr 
W.,  der  z.  B.  unter  dafs  höchst  breit  erklärt,  was  jeder  Quin- 
taner schon  weiss,  wo  er  also  bloss  auf  Rarnshorn  oder 
Zumpt  hätte  verweisen  dürfen,  er,  der  hei  nnde  eine  zwar 
richtige,  aber  keineswegs  neue  oder  nur  bedeutende  Erklärung 
gibt  — ,  sagt  uns  nichts  bei  ergL\  igitur  mid  itaqne.  illso  hat 
er  weder  aus  eigenem  Nachdenken  etwas  geben  können;  noch 
gekaiuit,  was  eben  Kamshorn  §  187,  II,  1  darüber  gesagt  hat. 

Dafs.  Ein,  wie  oben  schon  bemerkt,  —  ohne  Noth  höchst 
langer  Artikel ,  der  ausser  ein  Paar  Beispielen  und  einigen  Ci- 
taten  aus  Zumpt  und  Ramshorn  (die  hier  natürlich  leicht  zu 
geben  w  aren)  nichts  Eigenes  enthält.  Die  nämliche  Breite  fin- 
den wir  auch  in  andern  Artikeln,  wie.  z.B.  bei  Hellen.  Unter 
diesem  dass  spricht  Herr  W.  auch  von  der  Construclion  bei  du- 
bito  und  non  dubito  imd  lässt  sich  miter  e)  folgendermassen 
darüber  aus:  der  accus,  cum  infin.  wird  nach  dubito  nur  dann 
gesetzt,  wenn  eine  Negation  dabei  (d.  h.  natürlich  bei  dubito) 
steht;  sonst  folgt  quin  oder  utrum  (nicht  aucli  an  und  num'?). 
Hierbei  sind  Bremi  zu  Com.  Nep.  praef.  und  Ramsh.  §  185 
Not.  3  citiert.  Wir  werden  weiter  unten  sehen,  wie  unser  Ci- 
tatemnann  (s.  Vorr.  S.IX  Z.  10  von  unten)  hier  hanthieret  hat. — 
Ein  Paar  Zeilen  weiter  unten  fährt  Herr  W.  fort:  „ist  mit  dem 
Verbuin  (sollte  heissen  Worte)  des  Zweifeins  schon  ('?)  eine 
Negation  verbmiden,  wie  non  dubium  est,  non  dubito  etc.,  oder 
wird  eine  Frage  (sollte  heissen  der  yiusdruck  oder  Satz)  so  ge- 
stellt, dass  man  eine  verneinende  Antwort  erwartet  (sollte  heis- 
sen: dass  man  daraus  erkennt .^  der  Bedende  meine.,  es  sei 
an  der  Sache  nicht  c;m  z/reifeln).,  so  steht  gewöhnlich  statt  des 
acc.  cum  infin.  (juin  für  dass.'-'- 

Was  hat  Herr  W.  gedacht,  als  er  dieses  Dutzend  Zeilen  liiii- 


*)    Wie   veräclitllch  gesprochen   von    fineiii  Manne ,    clor   so  l.inj>«5 
und  so   viel  Gutes  gestiftet  hat;     von  tleni   Herr  W. ,    Menn  er  iiin  ge 
uau  studiert  hätte ,  gewiss  noch  Manches  hätte  lernen  können.      Wahr- 
lich,   ilerr  W.  kann   durch  solclie  Acusserungen  in   den  Augen   aller 
Billigen  nicht  sehr  gewinnen. 


Wüstcraanns  Dcutsch-Lat.  Ilandwortcrbucli.        77 

schrieb?  Man  sehe  doch;  oben  soll  dubito  mit  einer  Ncj::ation 
(also  z.  B.  non  tlubito^  .mir  ciiicji  accus,  cum  iiifiu.  nach  sich 
haben.  Scclis  ZimUmi  weiter  unten  soll  iion  diibilo.,  nemo  du- 
bitat  (das  heisst  «loch  wohl:  dubilo  mit  einer  jNeffation'?)  gc- 
iröliulich  quill  nach  sich  liabcn,  statt  des  accus,  ciuu  infin.  — 
»So  Ibrscht  Herr  W. !  So  a erdreht  er,  Avas  Ai^re  Gutes  liaben, 
so  schwört  er  auf  der  andern  Seite  blindlinj:s*n  verba  niaiiistri 
(hier  in  die  Aon  Ih-enii).  —  AVir  Mollen  Herrn  \V.  auf  einen 
Aujienl)lick  A erlassen  und  sehen,  Avas  Ilainshorn  §185,  3  sagt; 
er  sajrt:  .,nac]i  wo//  dubito.,  ick  zweifle  nicht  und  ich  trage  kein 
Bedcuken  ^  könne.  Avie  de  rc  und  rem,  so  auch  der  accus,  cum 
inlin.  oder  quin  stehen.  Der  iniin.  aber  drucke  <len  uid)eding- 
ten  Gegenstand  desA\illens  und  der  Wahrnehmung  aus;  das, 
IJedenklichkeit  bezeichnende,  quin  hingegen  deute  an,  dass 
man,  aller  Aorhandenen  Gegengründe  ungeachtet,  sich  den- 
noch für  eine  Handlung  bestimme  oder  einer  Meinung  bei- 
pflichte. Dieser  Unterschied  bleibe  auch  da  noch  merklich, 
Avo  quin  statt  des  Infinitivs  zu  stehen  schehie.'-''  Ilecensent  avüI 
versuchen,  den  Grund  dieser  Hegel  anzugeben.  Dnbito  ist, 
•wie  ignoro  etc.,  ein  verbum  sentieudi;  es  kann  nach  der  ge- 
Avöhidichen  Construction  dabei  Aveder  ut  noch  ne,  also  auch 
nicht  quin  stehen.  jNun  aber  finden  Avir  bei  non  dubito,  non 
ignoro,  auch  nach  dici  non  potest,  die  Partikel  quin^^  =  ut 
non.  Bei  non  dubito  etc.  liegt  nämlich  eine  Vergleichung  zum 
Grunde,  die  nicht  ausgedruckt,  aber  docli  gedacht  und  Avobei 
eben  so  construiert  Avird ,  als  stände  jene  Vergleichung  Avirklicli 
da.  *)  Wenn  ich  also  z.  B.  sage,  non  dubito  quin  venturus  sit, 
so  sollte  diess  eigentlich  heisseh:  non  dubito  ita  ut  non  opiner 
eum  yenturum  esse,  oder  ut  opiner  euni  non  esse  venturum. 
Oder  Avenn  Cic.  sagt :  quasi  vero  dubium  sit ,  quin  tota  lex  de 
pecuniis  repetundis  sociorum  causa  constituta  sit,  so  sollte 
diess  eigentlich  heissen:  quasi  Aero  e;V/s/«or// oder //ß  sit  du- 
bium ,  tit  quisquam  existimare  possit  non  totam  legem  etc. 

Wie  Aväre  es  aber  möglich  geAvcsen,  dass  HerrW. ,  Avenn  er 
seinen  Uamshorn  nidit  bloss  citiert.,  sondei'n  auch  ^e/esc/?  hätte, 
erstens  die  Bremische  Amnerkung  dazusetzte,  die  nach  dieser 
Ramshornschen,  natürlichen  Kegel  der  Berichtigung  sehr  be- 
darf. Wie  Avar  es  ferner  möglich,  dass  dann  Herr  AV.  über- 
haupt das  AVidersprecheudste  in  ein  Paar  Zeilen  nach  einander 
behauj)ten  konnte'?  —  Dinge,  die  sein  von  ihm  so  feindselig 
getadelter  Kraft  ihm  ganz  anders  sagen  konnte  (s.  dessen  Arti- 
kel dass.,  jNo.  9,  a,  amPlnde),  AAcnii  er  ihn,  wie  es  seine 
Pflicht  Avar,  genau  gelesen  liätte. 

Doch  ich  breclic  vorerst  hier  ab,  indem  des  Gegebenen  oh- 


♦)  Man  denke  an  die  rihnllche  Construction  bei  timco  etc. 


78  Römlsclio  Lltteratur. 

nehin  schon  beinahe  zu  viel  ist;  und  überlasse  es  den  Lesern,  dar- 
aus abzunehmen,  ob  ich  Herrn  AV.  vielleicht  liie  und  da  zu  nahe 
trat,  oder  ob  meine  oben  geäusserte  Ansicht  gegriuulet  sei,  dass 
Herr  W.  in  keiner  Hinsicht  Herrn  Kraft,  gegen  den  er  hauptsäch- 
lich operiert,  übertroflen;  dass  er  häufig,  wo  Kraft  etwas  Gutes 
gab,  denselben iplileclit  benutzt,  häufig,  wo  Kraft  Unrichtigkei- 
ten hat,  diese "hne  Weiteres  ihm  nachschreibt;  dass  es  ihm 
theils  an  gediegenen  Kenntnissen  im  Lateinischen  und  Deutschen, 
theils  an  der  für  einen  Lexicographen  unerlässlichen,  wenn  gleich 
manchmahl  ans  Pedantische  gränzcnden ,  Pünktlichkeit  in  Benuz- 
zung  Andrer  fehlt;  dass  er  also  vorerst  zum  Lexicographen  um  so 
mehr  verdorben  ist,  da  ihn  über  den  wahren  Stand  seiner  Kennt- 
nisse eine  unverkennbare  Süffisance  täuscht ,  die  der  Tod  jeder 
Wissenschaft  ist.  Die  Avahre  Wissenschaft  führt  nothwendig  zur 
Demuth,  d.  h.  zur  klaren  PJinsicht  des  Missverhältnisses  zwischen 
der  imgeheuren  Masse  dessen ,  was  erlernt  und  gewnsst  werden 
soll,  und  dem  Wenigen,  was  auch  der  grösste  Kopf,  das  glän- 
zendste Genie  im  glücklichsten  Falle  sich  davon  zu  eigen  machen 
kann.  Kaum  kann  ich  es  daher  mir  verzeihen ,  dass  ich,  selbst 
nur  in  dieser  llecension,  in  einem  Falle,  wo  ich  glaubte,  Still- 
schweigen wäre  Sünde  an  der  Sache  selbst,  wo  es  überhaupt 
schwer  war,  satiram  non  scribere,  manchmahl  vielleicht  in  einen 
Ton  verfallen  bin ,  der  dem  Besonnenem  nicht  immer ,  oder  viel- 
leicht gar  nicht  passend  erscheinen  möchte;  wegen  dessen  ich 
also  selbst  getadelt  werden  könnte,  indem  ich  als  Tadelnder  auf- 
trete. Diess  fühle  ich  wohl  imd  bitte  desswegen  meine  verehrten 
Leser,  mich,  wo  es  nötliig  seyn  möchte,  zu  entschuldigen.  — 

Uebrigens  galt  es  hier  etwas  mehr  als  eine  blosse  Recension. 
Es  galt  einerseits,  eine  nicht  geringe  Anmassung  gehörig  zu  be- 
leuchten, die,  an  und  für  sich  überall  unerträglich,  es  im  Felde 
der  Wissenschaft  auch  dann  bleibt,  wenn  der  davon  Besessene 
allgemein  anerkannt  ist  als  Meister  irgend  eines  Faches;  die  dop- 
pelt widert,  wo  zugleich  ehrenwerthe  Männer,  denen  es  Ernst 
ist,  das  Gute  und  Nützliclie  zu  fördern,  leiclitsinnig  angetastet, 
und  verächtlich  auf  die  Seite  geschoben  werden ;  die  unverant- 
wortlich für  das  eigene  Gewissen  des  Höhnenden  bleiben  muss, 
wenn  er  nicht  umhin  kann,  sich  ganz  im  Stillen  zu  gesteben,  mIc 
viel  er  einem  dieser  Männer  zu  danken  hat,  Avie  viel  mehr  er  ihm 
hätte  zu  danken  haben  können,  wenn  er  ihn  gründlich  benutzt, 
seine  Felller,  die  jetzt  natürlich,  und  gewiss  auch  ihm  selbst, 
deutlicher  ins  Auge  springen,  sorgfältig  vermieden,  und  initcr- 
stützt  von  trefflichen  Gelehrten,  wie  er  es  war,  für  einen  be- 
stimmten Ki'eis  etwas  Tüchtiges  geleistet  hätte.  Es  galt  ferner 
zu  zeigen,  dass  die  Lexicographie ,  durch  Leichtsnmige  oder  Un- 
wissende in  Andrer  Augen  mehr  oder  weniger  herabgewürdigt, 
werth  ist,  sich  ihr,  ein  ganzes  Leben  durcli  sogar,  mit  sicts  ge- 
steigertem Eifer  zu  widmen;  dass  es  so  gar  leicht  nicht  sei,  hier 


Münnich  de  Ciccr.   librls  de  Rei>ubl.  79 

die  Palme  ^leiclisam  im  Fliiire  zu  haschen;  dass  selbst  nacli  wie- 
derholten Versuchen  das  Ideal  einer  solchen  Arbeit,  das  man  sich 
allmiUdii?  davon  gebildet  hat,  nie  so  rein  und  ffanz,  auch  beim 
redlichsten  AVillen,  wicderireireben  werden  könne,  als  man  es  in 
sich  U'\\s;i.  AVer  aber  nicht  bcireislert  von  seiner,  allerdings 
miiliseligen,  Arbeit  —  so  fielen  (Jenuss  sie  im  Allgemeinen  ge- 
währt —  die  Feder  ergreilt ,  wen  andre  Rücksichten  leiten,  als 
die,  der  AVissenschaft  zu  nutzen,  der  hoffe  doch  nicht,  liier  — 
wie  iiberhanpt  überall  —   etwas  leisten  zu  können. 

Glaube  Herr  AV.  ja  nicht,  dass  mich  andre  Rücksichten,  als 
die  oben  angegebenen  zur  Abfassung  diej^er  Kritik  >eraulassten; 
dass  ich  ihn  etwa  desswegen  angegriffen  liätte ,  um  ihn,  da  er 
ebenfalls  ein  Lateinisch -Deutsches  AVörterbuch  schreiben  will, 
als  einen  Unberui'enen  darzustellen,  und  sjjäter  inu  so  leichter 
über  üui  zu  siegen.  Allein  ich  konnte  es  mir  niclit  versagen,  für 
mein  Lieblingsstudium  hier  in  die  Schranken  zu  treten,  um  bei 
dieser  Gelegenheit  dem  gelehrten  Publicum  mittelbar  die  Grund- 
sätze darzulegen,  denen  gemäss,  meiner  Einsicht  nach,  allein 
dem  Ziele  nähergerückt  werden  kann.  Ohne  alles  Uebeh\olleQ 
reiche  ich  Herrn  AA.  die  Hand  zur  Versöhnung,  wenn  eine  nöthig 
seyn  sollte,  und  muntere  ihn  hei  einer  2ten  Auflage  zu  einer 
^ri'indlichern  Umarbeitung  auf.  Ein  verfehltes  Streben  kann,  wo 
tüchtiger  AA  ille  ist ,  bald  luid  rühmlich  ins  Gegentheil  umgewan- 
delt werden.     Möge  Herr  AV.  diess  au  sich  selbst  erproben. 

Carlsruhe  im  Nov.  1825. 

E.  Kaercher. 


Litterar  -  Geschichte. 


AI.  Tüll II  Cicero 71  is  Ubri  de  re  publica ,  notitia  codicis  Sarraatici 
facta  illustrati  quantumque  fieri  potiiit  restituti  a  D.  Gutlielmo 
Münnich  Professore  Cracovicnsi.  Goettin<nae ,  apud  Carolum 
tduarduiu  llo>-cnbuscb,  MDCCCXXV.  XIV  u.  245  1'.  in  8vo.  1  ThL-. 
8  Gr. 

riat  denn  der  Rec.,  wird  wohl  ]>Lincher  fragen,  nicht  besser 
tla^sificiren,  einrangiren  und  rubriciren  gelernt,  dass  er  eine 
(Gott  Lob  !  )  endlich  einmahl  möglichst  vollstündiße  Ausgabe  des 
f^onzeii  t'ic.  ff  crkes  de  re  pnbUca^  nach  welchem  die  längst 
lichterloh  lodernde  Sehnsucht  neulich  durch  das  von  yl.  Mai  ge- 
lieferte Stückwerk  etwas  abir<'kühlt  worden  war,  in  das  Fach  der 
Lillerar  -  Gcschiclite  einstellt?  In  «Üe  Litterar- Geschichte  gehört 
freilich  die  Meldung  von  jedem  bcdeutendeu  Ruche;    aber . 


80  Römische   Litt  erat  ur. 

Um  die  geehrten  Leser  in  möglichster  Kürze  über  Hrn.  Münmch, 
magno  promissorcm  hiatu,  zu  verständigen ,  findet  Unterzeiclme- 
ter  CS  am  zweckmässigsten,  vor  dem  grössern  Publico  Jiier  das 
zu  wiederliolen,  was  er  im  Vorworte  zu  seiner  im  vorigen  Jahr 
ausgegebenen  PJinladungssdirif't,  worin  er  eine  öfrentliclie  Rede 
de  Ciceronis  in  dialogis  de  re  publica  componendis  perspicua  arte 
et  sollertia  ankündigte,  gesagt  Iiat: 

„Tullianorum  dialogorum  de  re  publica  uno  illo  codice  Sar- 
matico ,  cuius  sub  finem  adhuc  saecuii  XYI  possessor  fuit  Woi- 
nusky  VoUiyniensis ,  usnm  esse  Laurentinm  Grimalium  Gosliciura 
(^Goslicki)^  post  obitas  legationes  Germanicam,  Sueticam,  Tran- 
syivanicam,  EorussicamEpiscopum  primum  Camenecensem,  deinde 
Chelmensem,  postea  Posnoniensem ,  in  conscribendis  iliis,  quos, 
cum  FataAÜ  versaretur,  edidit  de  optimo  Senator e  libros 
duos^  in  quibus  Magistratuum  officia^  ciiium  vita  beata^  re- 
rum  publicarum  foelicitas  explicantur.  Opus  plane  aureum 
summorum  Philosophorum  et  Legislatoruin  doctrina  refertum^ 
Omnibus  respublicas  rite  adniinistrare  cupientibus  non  modo 
utile  sed  apprime  necessarium.  Accessit  locuples  rerum  toto 
opere  memorabilium  index.  Cum  Privilegium  Venetiis  ap.  lor- 
da7ium  Zilettum  1568,  recus.  Basileae  1593  apud  Leonardum 
Osten ,  impensis  Rober ti  Cambiers.  8,  idque  opus  plagii  dissimu- 
landi  gratia  sie  insciiptum  esse  [parum]  probabiliter  disputatur  in 
M.  Tu  im  Ciceronis  libris  de  Republica  etc.  aD.  G.  Mihi- 
flieh  — :  quae  libri  II  dispntatio  ut  eo  probabiiior  videretur,  lit- 
terator  Cracoviensis  non  solam  ipse  titulo  l'efeilit  lectores,  qui 
editionem  ipsins  Ciceronis  librorum  venditare  videbatur,  rerura 
etiam  (quod  in  docto  viro  vix  probandum)  nobis  clanculum  suble- 
git  summam  eorura ,  quae  toto  libro  I  de  cod.  libb.  Cic.  de  rep. 
Sarmatico  usque  ad  p.  143  fusius  exponuntur  descriptis  deinceps 
libris,  quos  ipsi  numeris  tantum  indicaveramus  in  editionis  princi- 
pis  ab  Ang.  Maio  curatae  censura  illa  inserta  Diariis  litt.  Lipss. 
\Leipz.  Jjiteratur- Zeitung)  a.  1824  fasc.  lau.  n.  5  p.  38  seqq. 
nieraorato  etiam  Schmaussii  commentai'iolo  in  Hannover,  gelehr- 
ten Anzeigen  auf  d.  J.  1750  n,  19,  quod  rogatu  nostro  exscripse- 
rat  Dr.  Adolplius  Ebertus,  antiquus  amicus  nobis  et  studiorum  so- 
cius,  qui  \ir  Celeb.  Dresdae  tunc  llegiae  bibliothecae  pubiicae 
curam  gercbat,  ad  quam  nimium  diu  desideratus  bona  a^i  rediit. 
Polonorum  autem  civis  ille  a  nostris  vestigiis  latum  unguem  non 
discessit,  nisi  quod  p.  140  s.  haec  scripsit:  .,.,Quemadmodum  S. 
Hahriemannus  üntiquissimum  Pomponii  Melae  codicem  in  Tran- 
sylvania  inventum  edidit ,  ita  fortasse  etiam  ille  codex  Cicero- 
nianus  alicubi  tatet.''''  Enge!  Hoc  ipso  soricinio  satis  ridiculo 
plagium  impudenter  factum  imprudcnter  prodit.  Numquam  enim, 
numquam  lllustr.  atque  Exper.  medicus  Hahnemannus  Pomponiura 
Melara  edidit:  numquam;  sed  varietatem  lectionis  codiris  Cibi- 
niensis  a  se  excerptaju  magistro  quondara  suo  lo.  Aug.  MüUero, 


Münnich  tic  Cicer.  libris  ilc  Rcpubl.  81 

ill.Äfranei  Rectori,  miserat  isque  animadversionum  inPomp.Me- 
lam  cum  varietate  illa  cdiilit  Specinüim  XIX  totidem  proiusioni- 
biis  scholasticisMiscnae  a.  ]78ü  —  !)3.  4.  idque  a  nobis  1.  c.  signi- 
ficatum  fuerat.  JNostra  repctiit  ctiain  TuUianoruni  dialogoruiu  in- 
terpres  Fridericiis  de  Kobhe  in  iiitrodiictioiic  versioni  suae  prae- 
missa,  sed  aluiuaiito  verccuiidior  non  dissünulavit  unde  hauserit.'-^ 
Und  gleichwohl  hatte  IIi*.  M/i/i/n'ch  S.  75,  wo  er  das  vom  Kec. 
aufgedeckte  Quid  pro  quo  in  dem  Aon  einem  Chroniken-Schreiber 
begangenen  Plagio  noch  einmahi  aufdeckt  nnd  riigt,  den  Mnth  zu 
schreiben:  ., Ilaec  mihi  Micliaelis  ab  Isseit  (wir  möchten  parodi- 
reii  Mü/i/iichii)  verba  perlegcnti  mirai-i  snbit,  quousque  impuden- 
tia  procedat  et  le^itas  liumana.'-''  Was  er  zu  IMarkte  gebracht, 
mag  er  selbst  bericiiten  S.  4  f.  „IIoc  mihi  maxime  erat  proposi- 
tum,  7/t  guaecf/nque  de  codice  illo  Sormalico  hinc  ilUnc prodita 
leguntur^  ea  od  ipsos  deiiuim  fontes  sie  revoca/em^  ut ^  ntrum 
vere  ille  cxstiterit  necne ,  (jua  praeter ca  ratione  Hiatus  videatnr 
in  illas  regioncs  ^  quo  modo  habitus  et  custoditus  fuerit ^  quo 
iure  inscriptus  dicatiir  ^Jtlico^  an  eins  recaperandi  nUa  ?wbis 
spes  super sit  ^  es  instituto  locorum^  hominnm^  temporum  et 
teslimoniorum  examine  düudicarem.  Itaque  ipsos,  quos  ille  ru- 
mor habuerit,  fontes  adii,  et  quomodo  singuli  inde  flnxerint  ri- 
vuli,  probare  conatus  snm  ;  quid  deinde  ab  interpolatoribus,  epi- 
tomatoribus  ac  parum  fidis  hominibus  peccatnm  sit  in  eo  genere, 
aut  praepostere  additum  aut  prorsus  commutatum ,  sie  lectornm 
snbniisi  iudicio,  ut  ipsa  singulorum  scriptorum,  qui  ad  partes  vo- 
candi  erant,  verba  citarem  caque  ad  leges  artis  criticae  diligenter 
examinareni,  jie  quid  in  ca  parte  laboris,  quae  fide  et  diligentia 
constat,  dubii  sive  erroris  videatur  relictum.  Ilis  iam  expositis, 
quum  tribus  omnino  modis  codex  ille  pervenire  potuerit  in  Polo- 
iiiam:  1)  sie  ut  aliqnis  Polonorum  doctorum  esltalia^  Gallia  sive 
Germania  eum  aß'erret  in  patriam ;  2)  ut  Constantinopöli  a?iti- 
quilus  servatus  in  Moldaviam  deinde  et  Valachiam  migraret ; 
3)  ut  inde  ab  ipsis  Romanorum  iemporibus  latuerit  in  Transyl- 
vania^  JJacia^  Dalmalia^  Pannonia  sive  finilima  quudam  re- 
gione:  necessario  faciendum  puta^i,  ut  ])rimo,  qualis  ex'-'- [ea^ 
^^aetate  lilerarum  fuerit  in  Polonia  slatus ,  quinam  potissinmnt 
viri  et  quäle s  ^  ingenii  et  doctrinae  laude  conspicui^  profecti 
sint  in  Italiam^  Germanium  et  Ga'.liam^  ibique  per  lotigum  tem- 
poris  spatium  commorati;  quales  ibi  occasiones  habuerint  recon- 
dilos  lilerarum  thesauros  iuspiciendi^  et  quae  alia  ha?icce  quae- 
stionem  altingant.  perlustrata  bonarum  artium  apud  Polonos 
historia  indagarem;  deinde  pluribus  agerem  de  libro  similis  ar- 
gumeuti^  qui  teste  Pliotio  servabalur  in  urbe  Constanlinopoleos; 
denique  unirersam  illam  de  codice ,  in  aliqua  forsan  proiincin 
llomana  servato  ^  opinionem  sie  examinarem^  ut  praecipuas 
temporum  illorum  vicissiludines^  qualenus  huic  sententiae  t'el 
convenire  rel  refragari  videantur  ^   ad  partes  vocatas  ex  ipsis 

Jahrb.  d.  Phil.  u.  Püila^.  Jahrfr.  I.  Ilift  I.  (j 


82  R  ö  in  i  ö  c  Ii  c  L  i  1 1  e  r  ii  t  u  1'. 

fontibus  düudicarcm.  Ilinc  deiiule  lacile  intelligetnr,  iitrum  spes 
nobis  relicta  sit  illius  codicis  rcciipevaiuli,  et  in  qiiibiis  potissimum 
re^ioiübus  ille  debeat  iincs(i£:ari.  Ilaec  aiitem  oninia ,  quae  eit- 
posita  a  nie  siiiit,  prinio  ab!<olvuntur  lihro.  Secnndo  vero  com- 
imralionem  inslitui  iiiter  Cicerom's  libros  de  re  publica  et  GosU- 
cii  Poloni  opus  de  perfecto  Senator e ,  eo  qiiidem  fiiie ,  ut  proba- 
rein,  GosUcium^  qiii  eodem  tempore  iu  iisdem  proviuciis,  quibus 
latcbat  codex  illc  Sarniaticus,  diu  coinmorabatur,  mimerc  quodaiii 
siipremo  fimctus ,  liljvos  illos  Ciceronis  de  republica  habuissc  ob 
ociiios  et  imitando  expressisse,  iit  adeo,  quae  plurimae  in  iis  i'e- 
periuiitur,  lacuiiae,  magaam  partem  Imius  opcris  auxilio  expleri 
possint. 

Es  wird  also  im  iranzen  ersten  TJnclic  mit  möglichst  weit  ab- 
und  aussclnveii'ender  kriegs-  und  vülkergescliichtliclier  Umstand- 
liciikeit  gegrübelt,  herumgeratlien  und  vermuthet,  wie  der  von 
Laurentius  Miiller  mit  eigenen  Augen  1581  gesehene  Codex  des 
Cicero  de  re  publica,  welchen  Woinusky  (dessen  Name  wolü 
richtiger  Jf  oynuslii  geschrieben  würde  von  woyna^  d.  i.  Kriege 
mit  der  Eigennamenendung  auf  Ä/,  nicht  Av/)  nach  der  Moldau 
Eroberung  durch  den  Weywoda  von'Syratz,  Albert  Laski^  aus 
der  Bibliothek  des  Türkischen  Statthalters  Alexander  erhalten 
hatte  (wie  in  L.  Müller' s  SeptentrioiiaUscheit  Historien  S.  TS 
f.  gemeldet  wird),  nach  der  Moldau  liabe  gelangen  können.  Das 
Alles  aber  wird  mit  einer  Zuverlässigkeit  vorgetragen,  als  ob  der 
Verbürger  selbst  darüber  Brief  und  Siegel  hätte:  z.  B.  S.  86: 
Urbs  autem  Yalachiae  sive  potius  Moldaviae  capitalis,  iitqua  bi- 
bliotheca  illa  cum  Ciceronis  de  republica  libris  servabatur,  appel- 
lata  est  Zoczowa.  Gleich  als  ob  es  nicht  auch  hätte  Cottanar 
seyn  können,  wo  loannes  Heraklides  eine  gelehrte  Sclude  an- 
legte, wie  Herr  von  Kobbe  a.  a.  0.  S.  IX  erinnert,  der  jedoch 
einen  Anachronisra  begeht,  wenn  er  eine  von  diesem  Despoten, 
der  ja  selbst  ebendamahls  (1561)  von  Laski  erst  eingesetzt  wurde, 
gestiftete  Bibliothek  versteht.  S.  80  bei  Erwähnung  der  Nach- 
richt über  das  von  jenem  Woynuski  nachgewiesne  Grabmahl  Ovids 
iniweit  KyofF  entging  unserm  kritischen  Litterator,  dass  das  dort 
gelesne  Epitaphium  längst  für  unecht  erklärt  ist.  Nach  einer  an- 
dern Nacliricht  wurde  es  zu  Stein  in  Ungarn  aufgefunden.  S.  Bur- 
manni  Secundi  antholog.  lat.  Lib.  II  epigr.  CCXXVII  T.  I  p.  416. 
Die  Lesart  patria  (wofür  L.  Miiller  mit  seinen  Reisegefährten 
falsch  patrio  las,  und  eben  so  schnitzerhaft  Latio  emendirte) 
..hurno  im  2ten  Verse  hat  schon  Gasp.  Brusch^  nach  dessen 
Zeugnisse  jene  beiden  Distichen  schon  im  J.  1508  bekannt  waren. 
Stephan  Zamoyski  in  seinen  Analeciis  Daciae  antiquitatum 
Cap.  IV  verliert  kein  Wort  darüber.  Im  zweiten  Buche  macht  Hr. 
Münnich  einen  verscliwenderischen  Aufwand  von  biograpliisch- 
chrouologischer  und  geographischer  Gelehrsamkeit,   um  zuvor- 


Münnich  de  Cicer.   librls  de  Republ.  83 

derst  nur  die  Mögliclikeit  darziithun,  dass  Goslicki  von  jenem 
Sarmatischen  Codex  habe  etwas  wissen  können.  Hr.  M. ,  w  elcher 
in  der  Pohlischen  Litterär-Gcschiclite,  so  selir  er  aucli  damit 
flunkert,  eben  kein  Girolamo  Tiraboschi  zn  seyn  scheint,  liat 
seine  INachricIitcn  über  die  Lebensimistände  Gosliclcis  bloss  von 
Einem  vorzüglichen  Gewährsmaniie ,  nämlicli  von  dem  S.  149  f. 
genannten  Przemisler  liischoft'e  Paul  Piasecki  in  dessen  Chroiiicis; 
JaiiDenu'triiisSulikowski  wird  bloss  beiläufig S.  147  erwähnt  als  ein 
Liii^ersitätslieund  Goslicki's,  dessen  jener  noch  in  seinem  Testa- 
mente dankbar  sich  erinnere ;  und  docii  hat  auch  dieser  in  seinem 
Commentario  rerum  Polonicarum  (welchen  Siarowolski  in  der  sxa- 
TOVTCig  scriptorum  Polonicorum  n.  V  bei  Aul'/ählung  seiner  Schrif- 
ten ganz  übergeht)  eben  so  wie  Piasecki  von  dem  Leben  seines 
vertrauten  Freundes  die  glaubwürdigsten  JNachrichten  hinterlassen, 
die  licrnach  von  Andern  mit  ungleicher  Wald  zusammengelesen 
imd  in  keiner  guten  Verbindung  vorgetragen  worden  sind.  Die 
S.  151,  l.jO  f.  Hrn.  M.  bloss  aus  unbestimmten  Anführungen  be- 
kannte llede  Goslicki' s  p?o  stalu  saie/dololt  odtr pro  ordine 
ecclesiustico  ^  von  ihm  als  Plozkoischcm  Dechanten  vor  der  ge- 
sammten  Republik  gehalleii,  handelte  aou  der  Wiederherstellung 
des  Zehenden  für  die  Geistlichkeit  in  Polen ,  und  ist  mit  aufge- 
nommen von  Jakob  Brzeznickim  die  Postulat a  Ordinis  eccle- 
siastici  Inicersi  in  Regno  Poloniae  (Posnaniae  MDLXXXV.  4).  S. 
J a/iozki' s  Nachricht  von  den  in  der  Hochgräfl.  Zaluskischen 
Bibliothek  sich  beßjidenden  raren  j)oln.  Bücherii  I  Theil  (Dresd. 
1747  b.  ffalther)  n.  Xill  S.  3»  f.,  auf  welches  Werk  Rec.  von 
Hrn.  Hofrath  Ebert  zu  Dresden  aufmerksam  gemacht  worden  ist. 
Das  liöchste  Staunen  aber  erregt  der  von  Hrn.  M.  S.  159  sich  zu 
Schulden  gebrachte Anachronism:,,Goslicius  creatus  est  episcopus  ' 
Camenecensis  anno  1586,  ut  mirum  adeo  fuisset,  ni  talis  vir,  a 
literis  bene  instructus,  tam  rarum  codicem  in  ^icinia  latentem  in- 
gpexisset.'-*"  Wenn  gleich  zur  Verhüllung  der  Ungereimtheit  liin- 
zugesetzt  ist:  „Haud  dubie  vere"  [^ero]  „iam  ante,  quam  ipse 
MüUerus  inspexerat  illium"'"  [illum]  „codicem,  saepius  commora- 
tus  est  Goslicius  in  illis  pro\inciis,  et  codicem  illum  seduio  tra- 
ctaverat  eo  ipso  tempore.^'-  ['?'?]  ..quo  Aaria  ibi  obiit  muncra  eccle- 
siastica:^*-  so  vermag  ihn  doch  dieser  Uchelf  nicht  aus  der  \  crle- 
geifheit  zu  ziehen.  Denn  Goslicki  verfasste  die  beiden  Büclier  de 
optima  senatore^  in  welchen  er  den  Cicero  de  rep.  vor  Augen  ge- 
habt haben  soll,  schon  zu  Padua  (wie  selbst  in  dem  von  Staro- 
wolski  a.  0.  n,  VHI  S.  24  beigfebrachten  Epigramme  des  Jac.  Vi- 
tellius  auf  ihn  angedeutet  ist)  und  erst  nach  seiner  Rückkehr  von 
dort  erhielt  er  eine  Krakauer  Prälatur,  dann  nach  einander  die 
Risthümer  Kamienieck,  Chelm,  Przemisl  und  die  Cistercienser 
Abtey  von  Clara  Tumba,  und  zuletzt  das  liislhiim  von  Posen:  Avie 
denn  aucfi  Hr.  M.  selbst  S.  148  aus  Treteri  vita  JfJpiscoporuni 
Posn.  abgeschrieben,   dass  G.  eben  durch  jene  Bücher  sich  den 

.6  ♦ 


84  Römische   L 1 1 1  e  r  a  t  xi  r. 

Weff  zu  Aemteni  und  Wiirdcu  eröffnet.  S.  151  ist  aus  Staro- 
nwlski's  elogio.,  wie  Aiuleics,  so  auch  fol£:eudcr  IiTtluun  heim- 
lich al)gesclmel)cu:  „  GosUcius  scripsit  et  alium  libelluin  de  opti- 
7710  cii'e.'-''  Allein  dieses  ist  ein  taid  dasselbe  Werk  mit  jenen  bei- 
den Biichcrn.  S.  Jaiio%1d  a.  a,  ().  III  Theil  (Breslau  b.Korn)  n.  XIX 
S.  92.  Doch  wenden  wir  uns  ab  von  dem  Litterarischen  und  des 
Verfassers  endlosem  Citaten-Train,  bei  dessen  Anblick  ihm  selbst 
zuletzt  unwirrscli  zu  Muthe  geworden  seyn  mag,  da  er  S.  239 
(vergl.  S.  4)  entschuldigend  sagt :  „Ceterum  philologorum  potissi- 
mum,  antiquitatis  studiosorum  et  eorum  omnino  in  usum,  qui  in- 
genii  humani  progressus  attentis  oculis  perlustrant,  disquisitiones 
istas  institui.  Veniani  ah  illis  peto  multorura  locorum  a  mc  cita- 
iorum,  condonabunt  hoc  aequi  iudices  neccssitati  rei  novae  illu- 
strandae  et  ab  omni  parte  demonstrandae. "  Älanclic  Auswüchse 
waren  unstreitig  überflüssig;  indess  hätfe  deren  Abkürzung  oder 
Ausscheidung  eine  neue  Ueberarbeitung  eifordert  xnul  durcli 
Schmälerung  des  Ilonorai's  den  emsigen  Schriftsteller  der  Aus- 
beute seiner  vergeblich  aufgewendeten  3Iühe  beraubt.  Komjnen 
wir  also  lieber  sogleich  zur  Hauptsache,  zur  Vergleiclnmg  mit 
dem  Werke  Gosli'cJifs ,  von  welcliem  der  Venetianische  Druck  auf 
93  Blatt  in  4to  der  schönste ,  der  Basler  aber  auf  20|  Bogen  in 
8vo  der  richtigste  ist.  Offenbar  reicht  zum  Beweise,  dass  darin 
Cicero' s  Werk  nachgeahmt  worden,  nicht  hin  eine  allgemeine 
Aehidichkeit  in  den  nachgewiesnen  Stellen  über  den  Ursprung  der 
bürgerliclicn  Gesellschaft  und  über  die  beste  Staatsverfassung. 
Denn  über  erstem  hat  sich  Cicero  auch  in  andern  Werken  auf 
dieselbe  Weise,  d.  i.  Stoisch,  ausgesprochen.  S.  de  offic.  I,  16, 
5«  ff.  17,  54  f.  und  die  daselbst  verglichenen  Stellen  S.121, 129  f. 
ferner  c.  44  §  157 ,  wo  die  richtige  Lesart  der  Handschriften  lio- 
mines ..  natura  congregati  adhibent  agendi  congregandique  soler- 
tiara  von  einem  durch  den  27  und  39  goldnen  Spruch  der  Pytha- 
goräer  ungewarntenEpimetheus,  Hrn.  Olshansen^  durch  die  still- 
schweigend mitergeschobne  ConjecturManuzzi's,  cogita?idi^  wie- 
derum verdrängt  und  der  Sinn  verkehrt  Morden  ist.  Die  Ideen 
über  den  letztern  Punkt  aber  lagen  dem  Polnischen  Schriftsteller 
nahe  genug  in  der  Verfassung  Polens ,  auf  welche  Alles  zurückge- 
führt ist.  Dass  Goslicki  die  Bücher  de  re  publica  sehr  frei  be- 
nutzt haben  sollte,  ist  lun  so  weniger  voraus  zu  setzen,  d?i  er 
selbst  von  solchen  Stellen  jenes  Werkes,  die  gei'ade  am  meisten 
zur  Benutzung  einladen  konnten,  keinen  Gebrauch  gemacht  hat; 
dagegen  unzählige  Stellen  aus  aiulern  allgemein  bekannten  Wer- 
ken Cicero's,  besonders  aus  Aqw  M\ic\\Gn\  de  legibus  ^  de  offic iis^ 
de  oratore  und  aus  mehrern  Heden  in  seine  Darstellung  verwebt 
hat,  und  zwar  so  wenig  abgeändert,  dass  llec.  sie  augenblicklich 
wiedererkannte.  Hr.  Mümiich  hat  davon  eine  einzige  aus  dem 
orator  entlehnte  Stelle  erkamit  S.  234  f.  Weil  derselbe  so  wenig 
in  den  Gedankengang  des  Cicero  eingedrungen,   dass  er  S.  174 


M  ü  n  u  i  c  h  de  C  i  c  c  r.   1  i  b  r  i  g    «1  c   U  c  p  ii  b  I.  85 

nicht  t'iiiinalil  einsk-Iit,  >vic  im  Istcn  Uiiclic,  naclidoiii  im  SSsiieu 
Kap.  einseitig  die  Vorziiijc  derUemoIvralie  hervorgehoben  Morden, 
nun  dafür  im  34sten  Kap.  die  der  Aristokratie  bemerklich  ge- 
macht werden  sollen:  will  er  S.  192  die  Lücke  zwischen  beiden 
Kapiteln  durch  folgende  ganz  unpassende  Stelle  Gosl/'cki\s  p.  US 
ausfüllen:  Kegem  (piideni  ut  legil).  aslrictns  et  alligatus  sit,  id- 
que  quod  jionestum  est  faeiat,  Senatns  consiliis  pareat,  talem  esse 
cupunus.  l^eY  eniin  in  omni  liepiili.  summa  ratio  est,  cui  qui  ob- 
temperat,  Deo  paret.  qiii  summa  ilidem  est  ratio  u.  s.  w.  Allein 
sollte  liier  nicht  an  die  Stelle  aus  denr  Isten  Jhiche  (h  Ic/a^^-.  c.  7 
§  2JJ  gedacht  seyn'?  Das  ('itat  S.  Ilj8  aus  Gosl.  p.  HO  über  Cato 
ilcn  altern:  Dlcitur  etiam  liistoriam  sua  manu  grandioribus  litcris 
conscripsisse,  ut  filius  domi  haberet,  uiulc  maiorum  res  gestas,  et 
Keipnb.  regendae  scientiam  perdiscei'et  ist  aus  des  von  Gosllcki 
zn  wiederJioIten  iMahlen  (  z.  B.  S.  58,  1  Iß,  237,  238,  2(>4  f ,  27«) 
ausdrücklich  und  namentlich  cllirten  Pliitarch's  Lebensbeschrei- 
bung desselben  um  die  Mitte  des  20sten  Kap.  wörtlich  übersetzt: 
so  >\ie  aus  dessen  l7iit)]8.  Aay..  §  XXX  p.  239  A  die  aus  liosl. 
p.  254  angeführte  Stelle  S.  223:  Lacedaemonii  seiTos  temnlentos 
pneris  obiiciebant,  utillorumgestibus  ac  turpitudine  deterriti  nien- 
tcs  ab  ebrietate  alienas  haberent.  Die  S.  199  aus  Gosl.  p.  153 
citirten  Worte,  Tiillins,  avaritiam,  inquit,  si  tollere  Aultis,  mater 
eins  est  tollenda  luxuries,  beziehen  sich  auf  U  de  orat.  40,  171- 
Die  p.  154  folgende,  am  Schlüsse  ein  Anakolnthon  enthaltende 
Stelle,  aufweiche  sich  Ih'.  Miiiinich  am  meisten  verlässt,  Tum 
Kem|)ub.  omnem  ita  complectatur  animo,  nt  sciat  ins  omne  popu- 
li,  libertatem,  leges,  et  nt  (Jicero  sapienter  instituit,  quitlRes- 
pub.  praesidii,  quid  militum  liabeal,  quid  valeat  aerario,  qnos  so- 
cios  habeat,  qnos  amicos,  quos  stipendiarios,  qua  quisque  illornni 
sitlege,  conditione, /oerfe/e.*  tenere  consuetndinem  decernendi, 
nosse  evempla  maiornm,  ist  mit  Ausnahme  jenes  xuigeschickten 
Anakoliiths  \\örtlich  abgesclnieben  ausCic. ^/e  legibAW.,  18,41.  1» 
der  S.  215  f  aus  Gosl.  p.  211  vergliclienen  Stelle  sind  die  Worte: 
Clementiae  obsenatio  propi'ia  est  eorum,  qui  sunt  in  magistratu 
constituti:  per  lianc  enhn  animos  in  poenis  constituendis  placabi- 
liores  retinent.  üpponitur  el  crudelitas  et  qnaedam  in  exigendis 
poenis  atrocitas,  entlehnt  aus  des  S.  108  namentlich  citirten  Se~ 
Jieca  ANerkc  de  clemenliu  c.3  uiul  4  zu  Anfang;  die  nächsten, 
Draco  tarn  crudelis  erat,  ut  aeque  otiosos  ac  parricidas  morte  pu- 
niendos  Aoluerit,  interrogatus((ue  cur  magnis  et  minimis  sceleri- 
bus  aequalera  vitae  poenam  constituisset:  par\as,  respondit,  sc 
culys  ea  poena  dignas  existimassc,  magnis  Acro  quam  maiorem 
decerneret,  invcnhc  haud  potuisse  sind  üebersetzung  aus  Plu- 
tarch's  Soloii  c.  17.  Ita  autem  rethiendam  clcmentiam  et  placa- 
bilitati'in  censeo,  ut  non  negligatur  Ueipub.  causa  severitas ,  sine 
qua  niilhi  Uespub.  recte  a«lministrari  potent,  ist  offenbar  entlehnt 
aus  C'/c.  de  ofjic.   l,  25,  88    zu  Ende;    die   fulgendcü  Worte 


86  Römische    Lltteratur. 

p.  21 2,  Subest  huic  misericordia ,  id  est  ae^itudo  ex  alterius  re- 
bus adversis  concepta,  quam  Stoici  a  sapieute  prorsus  removent, 
diceiites  eain  Vitium  esse  pusilli  animi,  ad  specicm  alicnorum  ma- 
lorum  concidentis,  et  propterca  pessimo  cuique  familiärem,  iit 
midlerculis,  quae  latroues  ex  carcere  cupiunt  lachrymis  eripere, 
wiederum  aus  Seneca  de  dementia^  zu  Aul",  des  5ten  Kap. 
Die  S,  219  aus  Gosl.  p.  249  ausgeliobene  Stelle:  Temperantiae 
beneficio  efficimur  raodesti,  verecundi,  honesti,  contineutes ;  qui- 
bus  >irtutibus  ornatur,  augetur,  cumulatur  liomiuum  ^ita  beata. 
Modestia  virtus  est,  uti  Stoici  dicunt,  quae  scieutiam  habet  earuni 
rermn,  quae  aguntiir  ^t  dicuutur,  loco  suo  collocandarum.  Decet 
euira  in  rebus  omnibus,  qiias  dicturi,  facturive  sumus,  servare 
DOS  modum,  ne  plus  se  effundat  quam  necesse  sit,  nostra  omnis 
actio  et  oratio ,  ist  zusammengezogen  aus  Stellen  des  Iten  Buclis 
de  ofßc.  c.  27  zu  Auf.  c.  40  §142,  c.  39  §  141.  Ingleichen 
S.  220  (Gosl.  250):  Observandum  est  igitur  in  omni  actione  et 
oratione  decorum ,  vultus,  oculi,  gestus,  motus,  corpus  denique 
totum  ad  modestiara  coraponendum;  und,  Quemadmodum  iiistitia 
imperat  ne  quenquam  violemus,  sie  verecundia  ne  ofFendamus, 
ist  entlehnt  eben  dorther  35,  128  am  Ende  und  28,  99.; 
die  dazwischen  stehende  Erklärung  aber  verecundia,  ciistos  ho- 
nestae  vitae:  dedecus  in  agendo  fugiens,  et  turpitudinem ,  aus 
orott.  parlitt.  23,  79.  Ferner  die  S.  221  ausgeschriebne  Stelle 
Gosl.  p.  251,  Hoc  ubi  nos  diligenti  et  acri  mente  cognoverimus, 
et  qui  sit  modus,  qui  in  rebus  omnibus  ordo,  quae  dignitas  ani- 
madverterimus ,  eamque  pulchritudinem ,  concinnitateni ,  et  ordi- 
nem  in  dictis  et  lactis  obser\  averimus  :  tum  praeterea  caverimus, 
ne  quid  indecore,  effoeminate,  libidinose  faciamus  cogitemusve, 
tum  hoc  pacto  modesti,  honestique  fuerimus ,  wiederum  aus  I  de 
ofßc.  4,  14.  Die  bald  folgenden  Beispiele  {Gosl.  p.  252),  Lau- 
datur  propter  id  Paulus  Aemilius ,  quod  ex  thesauris  e  Macedo- 
nia  Hispaniaque  advectis ,  nihil  prorsus  ad  suos  usus  convei'tisset, 
sed  omnes  in  publicum  aerarium  retulisset,  et  maluit  abstinens  et 
pauper,  quam  dives  depeculator  vocari,  ex  eins  facultatibus  post 
mortem  sub  hasta  venditis,  vix  redactmn  est  unde  dos  uxori 
solueretur.  Adrairabilis  continentiae  exr  nplum  Scipio  Africanus 
exhibuit,  qui  .vicesimnm  annuri  agens,  Carthagine  nova  deleta, 
cum  eximiae  inter  multas  formae  virginem  captivam  haberet,  illius 
virginitati  non  solum  pepercit,  verum  etiam  sponso,  cui  despon- 
sata  erat,  eam  tradidit,  adiuncto  dotis  nomine  auro,  quod  pro  ea 
redimenda  obtulerant  amici.  —  Quare  nostrum  quoque  Senatorem 
contisientem  esse  volumus  iiludque  imitai'i  dictum  Periclis^qui 
cum  Sophoclem  collegara  in  Praetura  haberet,  isque  publico  of- 
ficio praesidens,  egregiam  formam  cuiusdam  forte  ^isam  laudas- 
set,  eius  hicontincntiam  notantem  Periclera ,  dixisse  aiunt :  Non 
solum  manus  a  turpi  lucro  praetorem  ,  sed  etiam  oculos  ab  aspe- 
ctu  inverecundo,  decet  habere  coutuientes  — ,    sind  entnommen 


Münnich   de   Ciccr.    libris   de    Rcpubl.  87 

aus  II  tle  off.  22  tinJ  Valer.  3Iax.  IV,  3,  8  (vcr^il.  c.4,  n.  !))  n.  1 
und  cstcrn.  1;  ck^gk-ichou  die  näclisd'ii,  Sapicutcr  iirilur  fecissc 
Calo  putandus  est,  qui  Censor  L.  Quinodiiiii  Flatnin/Vnn'-'-  [so] 
„propter  nimiam  libidinoni  8enatu  eiet  it ;  liic  enim  cum  esset  coii- 
sul  in  Galiia,  evoratiis  est  iu  coinivio  a  scorto,  ut  securi  peicutc- 
vet  aliquem  ev  Iiis,  qui  in  cairere  poeiui  capitali  darnuati  detinc- 
leutur:  3Janilius  etiam  senatu  inotus  l'uit,  quod  is  praescnte  ülia 
uxoreni  esset  osculatus,  aus  Cicero  in  Cat.  mai.  am  Ende  des 
12teu  Kap.  und  a\is  Pinta rch  in  Cato  vioi.  c.  17,  18.  Jenes 
S,  22-1  [Gosl.  p.  205),  Quis  non  Aelieineuter  laudandum  putabit 
i>lan.  Curi(uu  Senatorem  liomanum,  quem  Samnituni  legati  assi- 
dentem  loco,  ac  in  vase  ligneo  cocnantcm  repererunt,  aurumque 
illoium  respuentem  dixisse:  Malo  locuplctiluis  iiiiperaie,  quam 
locuples  esse'?  Taceo  Fabricios ,  'l'uberones,  Fabios,  Catones, 
Scipiones  etc.,  ius^leiclien  das  Folgende  p.256,  Cum  Pyrrlii  rJegis 
Epirotarum  dona  pei*  urbem  circumfciTcntur ,  quibus  ille  beilo 
iam  iulVactus  et  debilitatus,  populi  benevolentiam  captare  consli- 
tuei'at,  nemo  dicitur  inventus  esse,  qui  manum  ad  eas  capiendas 
porrexisse  videretur:  sie  ille  non  raag:is  armis  llomae,  quam  niori- 
bus  >ictus  fuicatusque  est  — ,  spendete  Valer.  Max.  I\,3, 5fl"., 
der  es  Aielleiclit  selbst  nicht  ans  Cicer.  de  seil.  16,  3,  sondern, 
Mie  ^ieles  Andere,  aus  den  Bi'ichern  de  rc  publica  jjescliöpft  ha- 
ben mag,  \on  ihm  VI,  2  extern.  1  ist  auch  die  Anekdote  S.  225 
(Co*/,  p.  257)  entlehnt:  Philippus  Macedoniac  Re\  ebrius  ali- 
quando,  mulierem  indicta  causa  damna\it,  illa  anteni  provocante, 
cum  ad  quem  pi-o\ocaret  interrogaretur,  ad  Philippmn  sobrium 
respondit.  Die  Stelle  S.  226  (Cr.  p.  258),  Fugienda  est  privata 
luxuria,  publica  magnificentia  retinenda,  profusae  epulae  vitan- 
dae ,  sordes  et  inliospitaiitas  multo  magis ,  immoderati  sumptus 
nocent,  necessarii  honestique  iuvant.  Quare  observanda  est  ratio 
loci,  tcmporis,  personarum ,  pondcrandaque  officia  tani  privatac, 
quam  publicae  honestatis,  dignitatis,  utilitatis,  non  abiicienda  >i- 
cis5>ituil()  laboruni  et  voluptatum  lionestar  •  n.  Q.  Tubcro  quod  in 
epulo  publito  hoedinis  peilibns  Icctos  stravisset,  dignitatis  et  ho- 
nestatis publicae  stultus  aestimator  habitus,  praetura  deiectus  est, 
linden  \vir  last  Wort  rür  A>  ort  in  der  Rede  pro  Mureiia  36,  75. 
76.  Das  Cilat  S.  228  {G.  p.  261),  Valetudo,  nti  Cicero  pru- 
dentcr  instituit,  sustentatur  notilia  sui  corporis  et  observatione 
earinn  rennu,  qnae  res  aut  prodessc  solent,  aut  obessc,  et  conti- 
nentia  in  >ictu.  omnique  cultu  corporis  tuendi  causa,  et  praeter- 
mittendis  Aoluptatibus ,  bezielit  sich  auf  lib.  If  de  ojfic.  24,  86. 
Der  ANiriwarr  S.  233  {G.  p.  MM\  f.)  ,.Silenus  Poela\\\) .,  captus 
a  jn-aedonibus,  ac  ad  Midam  Regem  addnctus,  cinn  ad  se  redi- 
inendum  pecunia  carcret,  a  Rege  petiit,  ut  sc  liberum  faceret, 
dalurum  se  munus  illi  cupiens,  omni  auro  et  argcnto  carius.  Hoc 
auleni  duobus  Aersiculis,  non  magis  veie,  quam  resli\e  expressit, 
maximuiu  raunus  inqniens  hoinini  a  Deo,  non  iiasci,  proximiun, 


8S  I^ü mische   Litteratur. 

citomori:  qiiod  ubi  multis  argiimentis  comprobassct,  Rex  eura 
liberum  dimisit,  simulque  douavit,'"''  rührt  aus  coufuser  Eriuuerung 
aa  die  Stelle  im  Isteu  ß.  der  Ti/scuL  zu  Anfang  des  48sten  Kap. 
und  aus  Avahrscheinllcher  Yerweclisiung  des  Silcuus  mit  dem 
schiffbriichigen  Sinionides  lier. 

Nach  einem  so  ganz  verkehrten  Verfaliren  in  der  Verglei- 
chung  und  nach  so  vielen  groben  Fehlgriffen  der  Wolkenuniar- 
mung  spricht  Hr.  MünnichS.'I'Sli  f.  iiber  dieErweisbarkcit  seiner 
Entdeckung  ein  gar  ungünstiges  omen  aus:  „Hacc  autem,  quae 
a  me  disputata  sunt,  satis  ['(]  demonstrant,  quae  et  quauta  huic 
operi  cum  Ciceroniano  intcrcedat  similitudo,  et  quae  Cicero  hisce 
ultimis  libris  ^ideatur  tractasse.  Possem  idem  etiam  demonstrare, 
comparatione  cum  iis,  quae  ceteris  libris  exposita  leguntur,  ac- 
cui*ate  instituta,  ut  adeo  sie  variae,  quae  in  illis  deprehenduntur, 
iacunae  probabiliter  suppleri  possinf-*-  [ey!  viel  Glück  dazu!]; 
„sed  vereor  ne  lectoris  abutar  patientia;  et  si  quisfuerit,  quemea, 
quae  a  rae  allata  sunt,  haud  moveant,  in  ceteris  me  frustra  labo- 
raturum  existimo.'-^  Hierzukommt,  dass  ein  Hauptumstand,  auf 
welchen  Hr.  Muniiich  vorzügliches  Gewicht  legt,  bei  näherer 
Beti-achtung  ganz  anders  befunden  wird,  nämlich  der  gegen  Gos- 
lickl  erregte  Verdacht,  derselbe  habe,  sich  mit  fremden  dem  Ci- 
cero ausgerupften  Federn  schmückend,  den  Diebstahl  absichtlich 
verheimliclit ,  S.  IGl :  „  Liber  de  perfecto  senatore  non  in  Polo- 
nia,  verum  in  Italia  est  editus.  Namque  sie  Goslicius  melius,  luule 
sua.  hattserit ^  celare  poterat.'-''  Und  doch  erwarb  ihm  dasselbe 
in  Polen ^  dessen  Könige  Sieges numd  es  zugeeignet  ist,  anstatt 
eine  Stelle  am  Galgen,  nach  S,  148  alsbald  die  Senatorwürde '? 
Gleich  darauf  heisst  es:  „videtur  titulo  paullulum  absono  ?^sz/s 
esse,  ut  melius,  unde  hauserit  sua,  celaret>^  Sowohl  hier  als  vor- 
hin erforderte  wohl  die  Consecutio  temporum  entweder  hausit 
oder  hausisset.  Vergl.  S.  238 :  „ Monendum  est  hoc  loco,  haud 
dubie  rumorem  illum,  qui  et  in  Germania,  maxime  autem  prope 
arcem  Ilittershusii  ortu,-f  erat  de  repcrtis  Ciceronis  libris ,  haud 
dubie  ('?'?)  ab  ipso  Goslicio  origiucui  sumsisse.  Namque  ille 
tunc  temporis  ibi  legationes  adibat,  uti  pluribus  in  eins  vita  ex- 
posuim US. . . .  Va Ide  igitur  veiosimile  ( *? )  est ,  ipsum  Gosli- 
cium  in  ea  regione ,  in  qua  nihil  erat  iimendum ,  ne  res  depre- 
henderetur^  nonnuUos  de  illo  tlvesauro  invento  rumores  sparsisse ; 
hi  autem  rumores,  uti  fit,  successu  temporis  adaucti  sunt  et  varie 
commutati.'"''  So*?  Was  soll  man  aber  zu  folgendem  Haud  dubie 
sagen  S.  234*?  ^^Haud  dubie  Goslicius  ea  solummodo  missa 
fecit,  quae  ad  Dialogum  et  virorum  inter  se  colloquentium  mores 
spectarent,  cetera  fere  omnia  sua  fecit,  iis  exceptis,  quae  iara 
tum  e  Ciceronis  opere  innotuerant."  Wäre  nicht  Hrn.  Milnnich^ 
wie  Cicero  s  Schriften  überhaupt,  so  auch  das  Werk  de  re  publica 
ein  so  ganz  unbekanntes  Land ,  dass  er  sich  w  eder  rechts  noch 
links,  weder  vorwärts  noch  rückwärts,  weder  bergauf,  noch  berg- 


Münnlch  de  CIcev.  llbris  de  Republ.  89 

ab  einen  Scliritt  darin  zureclit  finden  kann:  so  würde  er  niclit  mit 
sehenden  Augen  blind  gewesen  seyn  in  der  S.  100  ans  Goslickl 
p.  32  mit  ausgehobenen  Stelle:  Sicut  enim  in  fidibus  concentns 
ex  dissimilium  vocum  moderatione,  Concors  efficitur:  sie  e  sum- 
mi.s,  infimis  et  mediis  ordinibus,  uti  Cicero  dicit,  tamquam  so- 
iiis ,  Tibi  Iiarmonia  est  eiiecla ,  arctissimnm  atqne  Optimum  est  in 
llepub.  Ainculum,  omnium  incoliunitatis.  Denn  diese  Stelle  stimmt 
wörtlich  überein  mit  Cicero  de  re  pitbl.  II,  42-  Allein  die  Stelle 
war  längst  vollständig  aus  Augicst inus  de  civit.Dei  II,  2t  be- 
kannt. Von  diesem  und  Lactantius  aber  sagt  Ilr.  Münnich  S. 
196:  „Quorum  opera  cum  omnibus  nota  essent,  nonuxülis  prae- 
terea  Ciceroniani  libri  reliquiis  referta,  nu^quam  memoraatm'  apud 
Goslioium. '■'" 

Ebenso  unachtsam  übersah  Hr.  Münnich  völlig  zwei  andere 
Stellen  des  Guslicki^  üb.  I  S.  56f. :  Praeclarc  Scipio  apud 
Cic  er  0716711^  worauf  wörtlich  dasselbe  Citat  folgt,  welches  Ci~ 
c er  o  selbst  ad  Att.  YIII,  11  aniuhrt:  Nam  sie  quinto,  ut  opi- 
iior,  hl  libro  loquitur  Scipio :  nur  dass  die  Ausgaben  des  Cicero  in 
jenem  Bruchstücke  (bei  Mai\.  Y  c.  ß)  sit  haben,  Goslicki  aber 
esse  possit  las ;  und  den  Scliluss  des  Werkes  p.  288  f. :  Quodsi 
Senator  haec  gloriae  monimenta  nominisque  perpetiio  duraturi  fa- 
mam  minorem  virtute  et  dignitate  sua  ducit,  maiora  sibi  a  Deo 
munera,  felicitatis  aeternae  parata  esse  sciat:  quae  sane  omnem 
splendorum,  claritatum,  amplitudinum  acAitatem  et  perpetmtatera 
supe'rant.  Yivet  igitm-  non  modo  in  terris  cum  civibus  suis  ,  ^  e  - 
rura  etiam  cum  Deo  immortali  in  altissimo  coeli  domicilio,  in 
praestantissima  caelitum  Corona  fclix ,  lionoratus ,  gloriosus :  qua 
gloria  quid  potest  aut  dici  aut  excogitari  gloriosius  'i  Illudque  sibi 
-ifr  i  c  a  7i  i  dictum  usurpabit : 

Si  fas  cedendo  caelestia  scandere  cuique  est^ 
Mi  soll  caeli  maxima  porta  patet. 
Diese  schon  von  Andreas  Putr  iciiis  [lecdrzi  Patrzicli  Ai- 
dec/ci)  unter  die  Bruchstücke  aufgenommene  Stelle  des  Emüus 
über  den  altern  Africanus  wird  aus  Cicero  de  re  publica  citirt 
von  Lactantius  i/isll.  I  c.  18  §  11,  welcher  ebenfalls  schon 
die  falsche  Lesart  caedeiido  caelestia  scandere  hat  und  sogar 
commentirt:  vofür  die  Ausgaben  des  Seneca  epist.  CYIII 
(bei  Mai  in  testiinoniis  veter.  operis  Tulliu/ii  n.  29  p.  LIII 
jiracjat.)  das  nichtige,  e/ido  pkifs^as  coelentnni  escende/-e  cui- 
yuam.,  geben.  Offenbar  ist  die  Slelic  aus  dem  Ylten  ]5iiche  des 
Cicero.,  wo  des  Helden  h^iikel  er/ählt,  dass  Jeuer  ibm  im  Traume 
erschienen  und  eben  dieses  (ieheimniss  «ler  Ewigkeit  ihm  offen- 
bart Jiabe.  AVi(!  grell  sticht  hiergegen  ab,  was  Ilr.  Münnich 
S.  234  Silin-  und  Gedankeidos  huiscluieb!  „Somnium,  quod  di- 
citur,  Scipionis  frustra  qiiaeras  jipud  Cosliciiim,  (juamquam  illius 
commemoratio  primario  lini  satis  fuisset  coiisciitanea;  uam  Pa- 
Iricius  fragmeuta  librorutn  de  republica  cdideraU'-*    Vergl.  S.  23(i. 


90  R  ö  m  i  s  c  h  e    L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

Hieraus  ergiebt  sich  zugleich ,  welch  eiue  aufmerksame  Verglei- 
clmiig  und  gründliche  Prüfung  auch  der  Ilector  in  Harburg  Ilr. 
D.  ISöldeTie  angestellt  Iiabeii  müsse,  Melcher  in  Hrn.  See- 
bode's  Ä'n't.  Bibliothek  1^2h  N.  8  S.  913  f.  Herrn  MännicJis 
Beweis  deswegen  für  verfehlt  erklärt,  weil  „es  doch  ein  schänd- 
licher Betrug  wäre,  der  mit  dem  Charakter  des  sonst  so  frommen 
Gosliclii  nicht  harraonirtc,  dessen  er  sich  schuldig  gemacht  hätte, 
wenn  er  fremdes  Gut  für  das  seinige  ausgegeben  hätte ;  dazu  eine 
übelberechuete  Eigenliebe,  wenn  er  den  INaraen  des  grossen  Ci- 
cero^ dessen  Werke  immer  mit  Enthusiasmus  studirt  wurden, 
einem  Geistesprodukte  entzogen  liätte ,  das ,  durcli  seine  Bemü- 
hung aus  Licht  gezogen,  gewiss  eben  so  viel  Rulim  ihm  geschafft 
hätte,  als  der  Glaube,  dass  er  Verfasser  dieser  Hede  sey  !'•'•  Herr 
JVöldeke  verwandele  nach  Belieben  die  Ubros  diios  in  eine  von 
GosUcJd  gehaltene  Rede^  luid  maclie  noch  sonst  manclies  A^für 
m  Dem  Bec.  liegt  es  ob,  nachdem  er  die  dem  unschuldigen 
Polen  gemachte  Beschuldigung  schlauer  Verheimlichung  durch 
urkundliche  Belege  des  Gegeutheils  entkräftet,  noch  ein  kaum 
glaubliches  Versehen,  um  nicht  zu  sagen  einen  unerhört  groben 
Betrug  des  Hrn.  Münnich  zu  rügen:  uiul  zwar  wegen  der  in  dem 
neusten  Programme  des  Gymnasii  Carolini  zu  Zürich  gestellten 
IVten  Aufgabe:  „ Nuperrime  quum  Gtilielm^is  Münnich 
Professor  Cracoviensis  omni  asseveratione  contenderit,  in  Lau- 
renlii  Gos lici i  \ihro  de  bouo  senatore  latere  fragmenta  Tul- 
lianorum  de  Re  publica  librorura  fraudulenter  surrepta,  operae 
pretium  eiuu  facturum  esse  ceusemus,  qui  istam  opinionem,  q7ia- 
tenus  vel  ex  ipso  Münnichii  scripto  fieri  potesl^ 
diligentius  excusserit  ac  diiudicarit.  "  Denn  diese  Aufgabe  muss 
hei  gelingender  Auflösung  zu  einem  ganz  verkehrten  Ergebnisse 
führen :  wovon  freilich  die  arglosen  Brabeuten,  unbeschadet  ihres 
Scharfsinnes,  keine  Ahnung  liaben  konnten.  Rec.  selbst  näm- 
lich, welcher  erst  kürzlich  den  Basler  Abdruck  des  seltnen  Wer- 
kes von  Goslicki  aus  der  Göttinger  Universitätsbibliothek  (auf 
welcher  auch  eine  Englische  Ucbersetzung  dieses  Werkes  sich 
findet)  durch  die  freundschaftliche  Verwendung  des  durch  seine 
Verdienste  um  Philosophie,  Mathematik  und  Sprachforschung 
berühmten  Hrn.  Dr.  K.  F.  Chr.  Krause  und  durch  die  bereitwil- 
lige Güte  des  Avürdigen  Hrn.  Oberbibliothekars  Hofrath  Benss  er- 
hielt, glaubte  anfangs  die  wichtige  Entdeckung,  dass  Goslicki 
von  Cicero's  ungedrucktem  Werke  wirkl.  Kennlniss  genommen, 
schon,  so  zu  sagen,  an  allen  vier  Zipfeln  zu  halten,  als  er  bei 
Hrn.  Münnich  S.  200  folgendes  las :  „Eadem  ratione,  qua  Ci- 
cero, Gosliclus  omiiia  ad  populi  libertatem  refert,  INam  Cicero 
dicit  111,1:  iu  quo  (hominc)  inest  tauquam  o])rutus  quidam  dlvi- 
mis  ignis  ingcuii  et  mentis,  atque  hinc  ille  liominis  dignitatem  rc- 
petit  et  libertatem.  Simili  modo  dicit  Goslicius  p.  Ifi:  J>ulhi  in 
alia  civitate,  nisi  in  qua  popidi  potestas  simima  est,  uUum  domici- 


Münnich  de  Ciccr.  libris  de  IlcpuM.  91 

lium  Überlas  habet. 'V  Die  letztere,  verkelirter  Weise  mit  Cic. 
de  rcp.  III,  1  verirlicheue  Stelle  ist  Avortlich  aiisjreschriebcn  ans 
Cic.  tle  rep.  1,  31.  Uec,  welcher  aus  Berufs -Pilicht  Hrn.  Miiu- 
nich's  theuer  ))ezaliltes  Sammelsurium  mit  uuermüdliclier  Geduld 
aulinerK«am  durcbireleseu  ha't,  Hess  es  sich  uoeli  ausserdem  den 
wnersetzlicheu  Zeit\erUist  kosten,  das  Werk  Goslickia.,  dessen 
Grundsätzen  eine  solche  auch  von  ('ioero  nicht  gebilligte  demo- 
kratische Behauptung  gänzlich  uiderstreitet,  aou  der  ersten  bis 
zur  letzten  Zeile  (Ireimahl  auszustöbern,  um  die  falsch  citirtc, 
dem  Goslicki  untergescliobne  Stelle  zu  erwischen;  aber  Alles 
vergeblich!  Ilr.  Miinuich  blieb  ipevdoaccQtVQ ,  der  das  durch 
solchen  Unfug  verscherzte  Recht,  über  gelehrte  Dinge  mit  zu 
spreclien,  kaum  je  wieder  a erdienen  kann.  Um  die  Gerechtig- 
keit seines  Urtheils  zu  bestätigen,  will  llec.  noch  darthun,  dass 
er  Gofilic/irs  >>  erke  um  etwas  aufmerksamer  mit  Cicero  vergli- 
chen, als  Hr.  Miinuich.  Einiger  31afseu  könnte  einen  selbst  be- 
dächtigen Leser  irre  machen  folgende  Stelle  aus  GosZ/cAe  S.  253 f. 
bei  Hrn.  Münnich  S.  222  f.:  Sardanapalus  totes  in  Gynaeceo  dies 
consumebat,  nullumque  imquam  tempus  libidiuis  exercendae  hi- 
termittebat.  Hie  vivus  adhuc  in  sepulcro  suo  tale  Epitapliiimi  in- 
scribi  iussit: 

—  Ede.,  bibe.,   lüde.,  et 
Cum  te  mortalem  noris.,  praesentibus  esple 
Deliciis  animmn.,  post  mortem  nulla  volnptas. 
Natnqiie  ego  siim  jndvis.^  qui  iiuper  tanta  tenebam.^ 
Hoc  (so)  habeo  quae  edi.,  quaeque  exaturata  libido 
Uausit.,  at  illa  manent  mvlta  et  praeclara  relicta., 
Hoc  sapiens  vilae  mortcdibiis  est  docnmentum. 
In  hoc  cum  aliquando  Aristoteles  incidisset,    substilit,  primaque 
parte  Epitaphii  lecta,  subrisit  dicens:    Ecquid  aliud  in  bovis,  non 
in  regis  sepulcro  legisses'?   posterioribus  ^ero  tribus  lectis  versi- 
bus,  addidit:  Hie  ea  se  mortuum  habuisse  dicit,    quae  ne  ^ivus 
quidem  habuit,  nisi  quam  diu  vorabat — ,  verglichen  mit  dem,  was 
über  Sardanaj)al  der  Scholiast  des  Juvenalis  zu  Sat.  X,  3(f2  aus 
dem  Illten  Buche  de  re  publica  und  dem  ganzen  Zusammenliaiigc 
nach  eben  daraus  mit  ausdrücklicher  Beziehung  auf  jene  Grab- 
schrift der  schon  \o\\  Mai  S.  2(58  verglichene  ^Ingus  tinus   de 
("/r.  ^/e/ üb.  II  am  Ende  des  20slen  Kapitels  anführt:    Quis   haue 
rem  publicam   (niinilich,    in   welcher  jede   Ueppigkeit  herrscht) 
sanus  non  dicam  Homano  imperio,  sed  domui  SardanapaUi  com- 
paraverif?    qui   quondam  rex  ita  fuit  voluptatibus  deditus,  tit  in 
sepulcro  suo  scriJii  fecerit , '  ea  sola  se  habere  mortuum ,    quae 
libido  eius.,  eliam  cum  vireret .,  hauriendo  coiisumserut :   worauf 
er  zu  Anfang  des  21sten  Kap.  fortfälirt:  Sed,  si  conteinuitm-,    qiii 
Konianam  rem  publicam  j)essiniam  ac  flagitiosissimam  di\it ,    uec 
curaut  isti,     quauta  monim   pessimorum  ac  llagitiosorum  labe  ac 
dedccorc   impleatur,      sed  tautummodo  ut  consistat  et  maueat; 


92  Hu  mische   Litteratiir. 

audiant  eam — ,  sicut  Cicero  disputat,  iam  tuuc  prorsus  per- 
isse,  et  niiilam  oiniüno  remanssisse  rem  publicam.  Inducit  enim 
Sc ip ione m ,  eum  ipsiim,  qui  Carthas^iueni  exstiiixerat ,  de  re 
publica  disptitantein  etc.,  was  sich  jedoch  schon,  wie  das 
Folgende  lehrt,  auf  die  Einleitung:  zum  Vten  Buche  bezieht, 
üeberdiess  ist  es  offenbar,  dass  GosUcki  das  Urtheil  des  Aristo- 
teles iiber  obige  Grabschrift  aus  Cicer.  Tuscul.  V  c.  35  §  101 
entnommen,  die  > ollständige  metrische  Uebersetziuig  des  Epi- 
grammes  aber  (nach  dem  Griechischen  des  Choerilos)  eben 
so,  v,ie  Natalis  de  Comitibiis  p.  137  seiner  löSCJ  (  Vene- 
tiis  ap.  Andrcam  Airiiiabenura,  und  Basil.  per  Ilenr.  Petri)  heraus- 
gegebenen Lat.  Uebersetzung  des  Athenaeos  \III,  4,  aus  der 
schon  1472  zu  Venedig  per  Yindelin.  Spira  in  Folio  gedruckten 
Uebersetzung  des  6rr  e^on  von  Tifernate  von  den  sieben  letz- 
ten Biicherji  Straboii's,  und  zwar  im  XIVten  Buche  Fol.  CXXIII  * 
ed.  (ab  Ant.  Mancinello)  loann.  Vescellensis  impensa  a.  MCCCC- 
LXXXXIIII.  Denn  abgesehen  davon,  dass  im  4ten  Yerse  dort 
richtig //ß(?c  steht,  wofür  bei  Goslicki  Hoc  verdruckt  ist,  hat 
Gregorius  im  5ten  Verse  dieselbe  Lesart,  wie  Goslicki,  vianent^ 
statt  der  vorzüglichem  iacent  bei  Cicero  in  den  Tuscul.  1.  c.  Fer- 
ner folgt  er  eben  so  der  gewöhnlichen  Lesart  des  Strabo ,  und 
vermengt,  vi'i^  GosUcki  und  sogar  schon  alte  Schriftsteller  die  von. 
Choerilos  aus  dem  Chaldäischen  übersetzte  Grabschrift  auf  dem 
Denkmahl  vor  ISiniAC,  mit  einer  andern  Inschrift  in  Syrischen 
oder  Chaldäisclien  Versen  nahe  bei  Anchiale,  welche  keine  Grab- 
schrift, sondern  eine  Denkschrift  auf  den  damalds  noch  lebenden 
Städte -Erbauer  seyn  sollte;  hidem  er  beide  durch  et  verbindet, 
dafür  aber  fehlerhaft  alles  das  auslässt,  was  hier  nach  Casaubon. 
in  der  Pariser  Ausg.  S.  672  von  Andern  anders  dazwischen  ein- 
gefügt wird,  in  d.  Ausg.  v.  Almelov.  S.  988  f.  v.  Tzschucke  Bd.  V 
S.  693  f.  Mit  der  gründlichsten  Gelehrsamkeit  sind  beide  Epi- 
gramme behandelt  worden  von  Hrn.  Prof.  Naeke  in  Bonn.  S. 
Choerili  Samii  quae  super  sunt  coUegit  et  illustravil  etc. 
Aug.  Ferd.  Naekius.  Inest  de  Sardanapali  Epigrajnmatis 
disputatio  (Lips.  1817)  p.  196 — 256  nebst  den  Addendis.  Rich- 
tig ist  von  ihm  nach  des  Rec.  üeberzeugung  in  der  Aiichialei- 
schen  Inschrift  der  erste  Vers  wiederhergestellt  worden,  die 
übrigen  von  Hrn.  Prof.  Hermanniix  der  Leip.  Llt.  Zeitung 
1817  n.  280  S.  2230  folgender  Gestalt: 

'O  HagdavänaXog  io  ^azwöagd^EO 

TaQööv  T£  ■aayiiciJ-ov  iön^i   ev  ri^hoi^ 

Mi]}'  (5v  ö'  föoJ'E,  Ttlv  ,  o%Bv.  coa^taXla  ys 

TdvttQcoTCiv  aövlv  ovöi  Tourot»  y  ä^ia. 
Ausserdem  hat  Rec,  dem  sein  Gedächtniss  wenigstens  nicht  alle 
zum  Vergleichen  nöthigenlleminiscenzen  versagt,  wie  Hrn.  M  ii  n- 
nich  das  seinige,  welclies  schier  wüst  und  leer  zu  seyu  scheint, 
nur  folgende  Steilen  bei  Goslicki  aufspüren  können ,  die  mit  Ci- 


Münnich  ilc  Ciccr.  libris  de  Rcpubl.  93 

cero  de  rep.  eine  entfernte  Aelinlichkeit  liabcii.  S.  2  der  Zueig- 
iiuiiff:  „iNcque  cnim  aliiiiule  Keipiiblicae  Uegniqiic  nostri  Uriuam 
f(iiii'(ein,  ac  l)cati(ii(HiRMn  proficisci  arbitror,  (|iiain  qiiod  tantus 
csl  i'irl Iltis  ac  sapiciitiae  tuae  spicndor  ^  ut  oinuiiim  iii  sc  ciciuin 
popiiloniiiKiiK' couM'rtat  oiMilos,  ac  piilchra  siii  /niilat/one  accvn- 
dal:  Ci\es(pic'  liii  co  stiidinin  simin  oiniie  ac  diliiientiam  conic- 
raiit,  iit  tc  in  primis,  luidiinqiic  voio  aiiffiistissitnum  tuiim  intiie- 
antiir. "  A  ciirl.  Cic.  11,42  zu  Auf.  und  23  zu  Knde.  —  Gosl. 
p.  201 :  .,  luU'iest  ctiam  llcip.  ut  principcs,  et  illi,  qui  sciscenda- 
niin  loiTMin  polestateui  hal)i'ut,  peracquc /p^es  a  se  f actus  ohser- 
vciit  ^  (itquv  roliiitt  ab  aliis  eas  obsercari.  ISiliil  cnim  populus 
uiairis  inhu'tiir  quam  priiici|)es,  coniinque  vilam  pro  Ic^c  liabeL 
ac  obscrrat.'*  A  crirl.  Cic.  1,  34  p.  88  i".  —  Gast.  p.  3.  „lleipub. 
Ibrniain  oiuuium  iustis^^iiuajn  et  comniunissimaui  dcscri|)siniu.s,  in 
<|\ia  lU'iris  autoritateni,  et  Populi  polcstateni,  Seuatoris  j)rudeutia 
consiliunique  moderatur.  IJude  pi'imum  de  llerumpub.  ionnis, 
fi^ueribus,  felicitate,  de  civium  vita  beata,  de  Seuatoris  educa- 
tioue,  discipliiiaque  nobis  diccudum  puta^iraus :  iiti  Senator  hoc 
pacto  Uem|)ub.  quam  piberuaturus  est  coc^noseat,  liabeatquc  vir- 
lulum  praecepta,  quibus  iustructus ,  et  houeste  vivere  et  ad  tarn 
amplae  di^nitatis  fastigium  asceudere  queat,  stimmt  (wie  auch 
Hr.  M.  S.  UM  nicht  uid)emerkt  gelassen)  so  ziemlicli  mit  dem 
Plane  des  Ciceronischeu  AVerkes  übereiu.  —  Gosl.  S.  17:  „y^e.r 
si  privatae  iitilitatis  causam  agat  ac  erg^a  cives  suos  impius  sit, 
leges  contemuat,  turpiter  vivat,  Begis  prorsus  amisso  Jioinine., 
Tyrannus  a  ocari  solet.^"-  Yergl.  Cic.  1,  42  nach  d.  Aul".  II,  27  zxi 
Auf.  —  God.  p.  234 :  (Rex)  „  imperare  debet  etiara  populis.,  iioii 
tanqnam  dominus  servis.,  sed  velut  pater  liberis.  —  Sic  Regem 
erga  subditos  se  cxhibere  decet ,  ut  nou  magis  Reip.  quam  popidi 
conservandi  causa  aliqiiando  sevcrum ,  non  nunquam  mitcni  pla- 
cabilenuiue  se  praestet,  comnvinemque  omniuni  utilitatem^  tun- 
(juani  Jilioruin.  patcr.,  ///e«////- et  amplificet.  Haec  est  inte r  He- 
gern et  Tijrannum  differenlia.,  quod  iile  publicae,  hie  privatae  uti- 
litalis  curam  habet. '•^  Vergl.  Cic.  II,  26  zu  Aul'.  —  Gosl.  S.  lü 
(bei  Hrn.  Mün.  S.  181.):  ,,Aliquando  Respub.  licet  opthnc  sint 
constitutae  malos  taiuen  rectores  adeptae  acI  evertuntur  vel  ex 
uiio  in  aliud  Keip.  ge}ms  conintutantur.  Vnde  ex  Rcgibus  Ty- 
raiiiii,  er  optiinaluni  impcrio  paiici  potentes,  ex  populari  Repub. 
turbac  et  plebis  licentia  Tyraunisque  nascitur,  itemque  aliae  ex 
aliis.  ^-  \ergl.  Cic.  1,  45  zu  E.  20  zu  Aul'.  Die  S.  20  (bei  Hrn. 
M.  S.  182)  lolgeuden Worte:  ,,quarum  quidem  optima  quae  sit  — 
haud  lacile  iiidicari  polest,"-  ähneln  den  Worten  Cic.  l  am  Ende 
des  3.')sten  Kap.;  ingleichen  jenen  des  34sten  Kap.  j).  88  dem 
Gedanken  nach  die  S.  1(>7  ans  Goslicki  p.  Ol  beigebrachten:  „In 
Oligarchia,  quod  (//r?V/r//7/m  potissimnm  habetur  ratio,  soll,  qui 
di\itiis  excellinit,  ci\('s  dici  et  haberi  >oluut,  quod  genus  ci\ium 
%ile  iudicaiidum  est:  his  ii.  \irtus  pai*>ae  curae  est,  iiilülque  magis 


94  Römische    LItteratur. 

Student,  quam  ut  se  divites  quoquo  modo  faciant,  atque  dignitates 
honoresqiieReipu.  non  boui  et  prudentes,  scd  divites  obtiiieaut ;  ^' 
so  auch  dem  Inhalte  des  32steu  Kap.  am  Ende  die  Stelle  p.  60: 
„In  llepu.  populari,  cives  solent  dici  communitei-  omnes  illi,  qui 
chitatera  incolunt:  nee  refert  pauperes  an  ditiites,  boni  an  niali, 
docti  an  sapientes,  seni  modo  non  i'uerint:  omnibus  aequeadUem- 
pub.  patet  aditus,  aeqnules  n.  sunt  imritar  omnes.'-'-  Ilr.  Miin- 
nich  aber  sclieint  den  Zusatz  servi  modo  non  faerint  '\\\  dieser 
Stelle  ganz  übersehen  zu  haben,  indem  er  S.  168  aus  derselben 
die  mit  Cicero  einstimmige  Ansicht  Goslick'is  als  eine  der  Ansicht 
des  Aristoteles  ganz  entgegengesetzte  beweisen  will.  —  Gosl. 
p.  54:  „Necesse  luit  regibus,  socios  sibi  ad  imperanduin  asci- 
scere.^  ut  communi  consilio  prudentiaque  cum  Iiis  liempnb.  nie- 
lius  ^uhernarent.  Id  llomulum  fecisse  legimus ,  qui  tinius  ini- 
•periiua  aut  odiosjjpi,  aut  periculosum,  aut  iusto  impeiio ,  mdio 
modo  dignum  existimans,  centum  patres  legit  eosqiie  tam  ab  ae- 
tate,  quam  sapientia,  Senatores^j«^/esy//e  Aoca\it."-''  Vergl.  C/c»II 
c.  8.  9  zu  Auf.  —  Gosl.  p.  101 :  „Multi  inveniuntnr,  qui  sapien- 
tiae  possessionem  et  Reipiih.  adniinistrandae  scientiam  nacti  sunt, 
non  ex  philosophorum  libris  ullis ,  sed  ex  institutis  muioriim.,  e\- 
emplis,  consuetudine,  experientia,  paterna  domesticaque  disci- 
plina.,  legib.  moribus,  et  ex  quadam  natiirae  sagacitate,  quam 
parumper  exornarunt  honesta  liberalique  educatione.^"-  Vergl.  CYc. 
III,  3  u.  4,  I,  22  am  Ende. —  Gosl.  p.l02:  „Neque  antiqui  Ro- 
mani  iustam  iilam  et  pulchram  Reip.  l'ormam  e  philosophorum  li- 
bris magis,  quam  e  suo  ingenio  depromptam,  posteris  relique- 
riint.'-'-  Vergl.  CVc.  I,  21  p.  63,  c.  46,  II,  15  am  Ende.  —  GosL 
p.  169:  „\is  autem  tota  consultationis  versatur  in  his^  quae  ad 
communem  vitam  Iiominum,  et  Rempub.  conservandam  pertinent. 
Proinde  consultai'e  ac  deliberare  non  debet  de  his,  quae  sunt 
aeterna  et  coelestia:  ut  de  mundo,  aut  quae  evenire  non  possunt, 
quaeve  natura ,  casu,  fortuna  eueniunt.  —  Deliberandum  autem 
et  consultandum  est  de  futuris,  et  de  liis  quae  aliter  atque  aliter 
euenire  possunt:  quorumque  ratio  ad  utilitatem  hominum  spe- 
ctare  videtur.'-''  Vergl.  Cic.  I,  19  p.  60.  —  Gosl.  p.  248:  ...Jnex- 
plebilis  res  est  cupiditas  in  hominibus,  quae  nisi  legibus  tanquara 
frenis  cohibetur,  omnes  civium  animos  ad  res  malas  appetendas 
atque  demum  ad  reip.  eversionem  concitat.'*'*  Vergl.  aus  Cic.  VI 
c.  1  das  letzte  Bruchstück  bei  Nonius  unter  dem  W.  e.vpleri.  — 
So  ohngefähr  hätte  Ilr.  Miinnich ,  um  zu  seinem  Zwecke  zu  ge- 
langen, die  Vergleichung  anstellen  und  durchführen  müssen. 
Aber  so  frei  sollte  Goslicki  ein  ihm  allein  bekanntes  Werk  benutzt 
haben,  er,'  der  aus  bekannten  AVerken  Cicero's  und  anderer 
Schriftsteller  so  Vieles  MÖrtlich  sicli  zugeeignet  hat*?  INimmer- 
mehr !  Mit  w  ie  viel  scheinbarerm  Verdachte  liesse  sich  die  ße- 
hauptung  aufstutzen,  Cicero  de  re  publica  sey  benutzt  worden 
von  Coutarenus  in  dem  Werke  de  re  publica  lenetorum!  z. 


M.  ü  u  n  i  c  Ii  de   C  i  c  c  r.   1  i  b  f  v  de   U  e  p  u  b  1.  05 

B.  lih.  I  c.  2:  (cd.  II  Lii£:tl.  B.  1C28.  12.  p.83  f.)  „Nulla  uiiquam 
gfutiiiiu  civitas  exlitit,  (juae  tarn  opporluno^  tarn  Xwio  . . .  sitit 
coiidita  fuerif-"  (Ver^l.  Cic.  H,  S  zu  Auf.).  „Plerique  in  condeiula 
eivitate  snlis  se  fecissc  arbitiati  sunt,  si  locitm  dele^isse/it^  ad 
quem  dilficilis  et  incommodiis  liostibus  accessus  esset  ad  invaden- 
dam  ohsidcndaniqiie  urborn.  iade  evenk,  nt  comphires  ci\itates 
conditae  siut,  aut  in  nioiiliuin  salebris,  a^pcro  diificiliquc  accessu, 
aut  ioiis  palustilbus.  di\crsa  nuadani  rationo  nonnulli  nihil  praefe- 
renduni  censncre  co/nmoclo  opportiiiioquc  sitiii  ad  iinporlaiida  cs- 
portandaque  oiiinia^  sine  quibus  sul'ficerc  civitas  sibi  nequeat 
tum  ad  neccssitatein^  tum  ad  nioUioiem  qucndam  \itae  In.itan.'''' 
(  V  er^l.  Cic.  U  c.  4  p.  K50,  JS2  f.). . .  „At  Venctiarum  situs  di- 
vi'no  potius  (jitodam  coiisillo^  quam  huniana  industria  praeter  fi- 
dem  eorum  oiunium,  qui  eaiu  civitatem  noa  videre,  et  ab  omni 
impetu  terra  mariquc  tulissimus  est,  nee  noii  ctiam  aptissimus 
omnium,  ad  ciiiusque  rei  copiam,  sire  es  ?nari^  sive  ea^onti- 
netite  clcibus  siiggcrciidani^  atque  ad  conunercia  omnis  generis 
mercium,  cum  omnibus  pene  nationibns  habenda.'"'"  (\  ergl.  CVc.  II, 
5  und  das  Folgende,  vie  \enedig  jedem  Sturm  der  Zeiten  Trotz 
geboten,  mit  cap,  6,  Avie  Rom  die  drohendsten  Gefahren  iiberstan- 
den.)  S.  HT:  „Quo  fit,  ut  non  male  sentire  existimera  eos,  qui 
Ulla  hdc  ratione  Venetias  caetens  civitatibiis  praeslare  ccnsuere'-'- 
(vergl.  Cic.  II,  1  p.  123).  „Verum  aliud  quiddani  est 'in  liac  ci- 
yitate ,  quod  longc  omnium  praestantissimum  censuerim  ego  me- 
ciuuque  omnes,  qiii  ciritateiii  non  tantum  moenia  ac  dornos  esse 
putant,  sed  existiinant  ciciton  conventumac  ordinem  potissimum 
hoc  sibi  nomen  vendicare,  reipublicae  scilicet  ratio  et  forma:  ex 
qua  beatavita  hominibus  contingit.^'- (Vergl.  Cic.  III,  31,  32.)  — 
Coutar.  p.  SS :  ,.,Nidla  resp.  institutione  ac  legibus  ad  bene  bea- 
teque  vi\eiidum  idoneis  cum  hac  noslra  conferri potest ;'-^  (vergl. 
Cic.  I,  -Iß  p.  115)  —  ,.quo  eilectum  esse  perspicimus ,  ut  neque 
adex>  diulurna  vlla  uinjuam  perstitt^it.  Quam  rem  cum  mecuni 
ipse  considcro,  niagnopere  mirari  soleo  viaioriim  nostrorum  sa- 
pienliam.,  iiidustriam,  cxcellentem  animi  virtutem,  atque  adeo 
incredibilem  erga  patriam  cliaritatem.  Fuere  Alhejiis .,  Lacedae- 
mone  ac  Ilomae  nonnulli  cives,  vhae  probitate  atque  in  rempubli- 
cam  insigiies  pietate  viri:  sed  adeo  pauci ,  ut  multitudiiw  obruti 
non  inuUum  rei  patriae  pro fueriiit.  Ai  inaioi es  iwsl/i.,  a  quibus 
tarn  praeclaram  rempubl.  accepimus.,  omnes  ad  unnm  conseiisere 
in  studio  patriae  rei  Ibrmaiidae  et  ampliücandae.'''"  (Vergl.  Cic.  II, 
1  p.  123  111,  4.)  —  Contar.  p.  100:  „Enini  vero  hac  in  ic  tem- 
pericm  adhibuere,  earnque  jnixtio7iem  omnium  statumn.,  qui  re- 
cti  sunt,  ut  liacc  una  respublica,  et  regium  principatum  et  opti- 
matium  gubernationeni  et  ci>ile  item  regimen  referat:  adeo  ut 
omnium  l'ormas  ;;«/•«  qnodam  libramento  commiscuisse  videantur.'-'* 
Vergl.  Cic.  I,  45.  l)ic  Aehnlichkeit  Hesse  sich  noch  weiter  ver- 
folgen; iudess  wcmi  \\x.  Münnich  lieber  darauf  aus  ist,  Goslickis 


96  Römische    LItteratur. 

corpus  delicti  ans  Licht  zu  ziehen :  so  bemühe  er  sich  nach  PIoz- 
ko ;  denn  nur  seine  eigenhändigen  Handschriften  hat  Goslicld  sei- 
nem Freunde  PaulPiasechi  als  damahligem Posener Stiftsdomherrn 
vermacht ,  von  dessen  Erben  sie  in  die  Zaluskische  Bibliothek  ge- 
kommen (vergl.  Hr.  Mihmich  S.  157  f.);  aber  seine  ausserdem 
gesammelte  zahlreiche  Bibliothek  hat  er  an  die  Dominikaner  zu 
Plozko  verschenkt:  was  wir  von  Niesiecki  bezeugt  finden  im  Uten 
Bande  seines  Polnisclien  Wappeiihuches  S.  277. 

Endlich  ist  noch  anzumerken,  dass  das,  yvdi%\\r.  Münnick 
bunt  durcheinander,  ohne  irgend  einen  Ruhepunkt  dem  Leser  zu 
gönnen,  zusammengeschrieben,  durch  zahllose  Druckfehler  ent- 
stellt ist,  deren  kein  einziger  angezeigt  ist:  z.B.  S.  ]5S  ausser 
dem  bloss  Orthographischen  in  der  Angabe  eines  politischen  Wer- 
kes von  GoslichiZ.  ]()  Brandenburg/oe  st.  Brandeid)urg«,  u.  Z.  11 
Co«s///ariis  st.  Comw/ssariis.  Hiernach  mag  Jeder  selbst  die  übri- 
gen Ibg^echncn. 

K.  Beicr  in  Leipzig. 


Lateinische  Dichter. 


Puhlius   Virgili7lS  Maro.     Rcccnsnit  et  emcmlavit  F.  G.  Pot- 
tler. Paris  J)ey  Malepej^Tc.  1823.  Vol.  I.  XVI  u.  303  Vol.  II.  312  S.  8. 

Virgil  ist  der  dritte  Lat.  Auetor,  welcher  in  der  bey  dem  Bucli- 
händler  Malepeyre  zu  Paris  herauskommenden  Sammlung  (Colle- 
ction  des  Auteurs  Latins,  publie's  et  collationne's  sur  les  raanuscrits 
de  la  Bibliotheque  du  Koi,  par  F.  G.  Pottier.)  erschienen  ist. 
Vorausgegangen  ist  ihm  Horaz  und  Salin  st ;  ausserdem  wird  die 
Sammlung  noch  enthalten:  Catullus.,  Caesar^  Cicero.,  Cornel. 
Nepos.,  Florus.,  Gallus.,  Juvetial.,  Lucan^  Ovid.,  Persius.,  Plioe- 
dnis.,  Plmius  hin..,  Propertiiis^  (luintilian.,  Seneca^  Tacilus., 
Terentius .,  Tibull  und  Licius.  llcc.  hat  bis  jetzt  nur  den  YirgU 
gesehen ,  und  muss  daher  sein  Urtlieil  auf  diesen  beschränken. 

Die  von  Hrn.  Pottier  besorgte  Ausgabe  des  Virgil  enthält 
eine  Französisch  geschriebene  Vorrede  luul  ein  in  derselben  Spra- 
che abgefasstes  Leben  Virgils,  (zusammen  XVI  S.)  ausser  Virgils 
ächten  Werken  den  Culex,  Ciris,  Copa,  Moretiun  und  die  ver- 
schiedenen versificirten  Argumenta.  Hierauf  folgen  im  zweyten 
Bande  von  S.  259 — 312  die  Collationen  des  Cod.  Mediceus,  der 
bekannten  alten  Handschriften  [der  \aticanbibliothek  No.  3225, 
1631  u.  3865  und  Varianten  aus  15  Codd.  der  Königl.  Bibliothek 
zu  Paris,  worunter  der  Angabe  nach  (eine  nähere  Beschreibung 
ist  bey  keinem  beygefügt)  eine  aus  dem  9ten,  fünf  aus  dem  lOten, 


Virgillus.     Ed.  Potticr.  Olf 

zwey  aus  dem  Uten,  zwey  aus  dem  12ten,  vier  aus  dem  ISlen, 
iiiul  eine  ans  dem  14teu  Jalirliuudert.  —  Gehen  wir  zu  dem  Eiii- 
zeliR'H  über ! 

Der  ewi^e  Couflict  des  Tadels  mit  dem  Bestehenden  und  Ge- 
leisteten hat  von  jeher  einen  grossen,  heilsamen  Eintluss  wie  auf 
Anderes,  so  namentlich  auch  auf  die  Wissenschaften  geäussert. 
Freilich  hat  immer  neben  der  sgig  clya^})  auch  eine  egig  aaxrj 
hestanden!  Doch  wie  nur  das  laiidari  a  landatis  einen  Werth  hat, 
so  ist  auch  mir  auf  das  rej)rehendi  a  landatis  atque  idoneis  Etwas 
zu  geben.  Das  Tadelgeschrey  aber,  welches  der  kleine  3Iann 
gegen  den  grossen  erhebt,  findet  oft  die  beste  Antwort  in  dem 
bekannten  Sprüclnvorte ! 

Dem  Anfange  der  \  orrede  des  Ilrn.  Puttier  zufolge  geht  es 
öfters  in  der  litterarischen  A\elt,  Mie  in  der  politischen:  „3Iän- 
ner,  begabt  mit  einer  gewissen  Feinheit  und  Characterstärke, 
stellen  sich  unter  dem  Schutze  glücklicher  Umstände  an  die  Spitze 
der  Schriftsteller"''  etc.  (?Snn  so  behüte  uns  Gott  wenigstens  vor 
einem  litterarischen  Uobespierre !)  Ein  solcher  Usurpator,  Em- 
porkömmling, oder  wie  man  ihn  sonst  nennen  mag,  Ui  Ileyne^ 
dem  es,  nach  Hrn.  Po^//er,  so  ziemlich  an  Allem  abgeht,  was 
man  von  einem  Herausgeber  des  \irgil  verlangt,  an  Klarheit,  an 
Kenntniss  der  Sprache,  an  tieferem  Eindringen  in  den  Schrift- 
steller, an  poetischem  Sinne,  an  AVärme  des  Gefühles  imd  an 
Geschmack.  (Versteht  unter  Letzterem  l\r. Pott/er  etwa  jene  be- 
kaimte  geckenhafte  Süsslichkeit  und  Empfmdeley,  die  an  einem 
schönen  Ausdrucke,  wie  das  Kind  am  Flitterstaate  seiner  Puppe, 
sich  ergötzt'?)  .,Docli  freilich  dieExcurse,  die  sind  sehr  gelehrt!'-'' 
(Hat  sie  JIr.  Potticr  etwa  nicht  gelesen"?  Ja,  ja,  so  ist's!  man 
liöre  das  uai\e  Geständniss  pag.  Y:  „aufrichtig  gesagt,  wie  viele 
liaben  wohl  den  3Iuth  gehabt,  diese  Excurse  ganz  zu  lesen'?'-'') 
,,  >och  JNiemand,'"'  sagt  llr.  Pottier  in  Bezug  auf  dieExcurse, 
„hat  eine  so  tiefe  Kenntniss  des  Griedt.  und  Köm.  Alterthums  ge- 
habt.'-^ ist  deini  Hr.  /V//cv  nicht  bisweilen  bey  der  Leetüre  des 
Heyn.  Mrgils  auf  die  jNamen  von  31ännern,  wie  eines  Lipsius^ 
Just.  Svdli^cr.,  Sdlinasius .,  Jo.  Fr.  Grouov  gestossen"?  J\ eue- 
rer nicht  zu  gedenken.  Aber  wie  kann  man  sich  eine  so  gründ- 
liche Einsicht,  wie  hier  JIr.  Pottier  an  Heyne  n  rühmt,  erwerben, 
ohne  bedeutende  Sprachkenntnisse,  ohne  jenes  genaue  Erfassen 
aller  Eigenthümlichkeiten,  welches  namentlich  den  Geschmack 
bedingt,  welchen  er //e^?^e'w  abspricht'?  „Doch,'-''  fährt  Hr.  Po^- 
tier  fort,  „diese  immense  Gelehrsamkeit  ist  sie  Jemandem  nütz- 
lich, als  einer  kleinen  Anzahl  >on  Gelehrten'?"''  Ei,  da  hätte  Hr. 
Pottier  an  die  Aensserung  des  Dichters  Antimachus  »lenken  sol- 
len, dem  Ein  Plato  so  ^iel  werth  war,  als  ^iele  'J'ausende  Zuhö- 
rer; aber  Hr.  Po///V-/-  will  lieber  ug  dito  räv  TtoD.ihv  seyn.  „Vlr- 
gil  und  Uacine  sind  nah  verwandte  Seelen;'-''  sagt  llr.  Pottier  wei- 
ter; ^..welcher  gebildete  Mann  in  Frankreich  würde 

Jahrb  il.I'liil.u.J'äflng.  Jahr;,'.},  /l'ft.l.  ^ 


98  Römische    L 1 1 1  e  r  a  t  u  r. 

sich  wohl  entschfiess e/i^  etfien  äh7ilichen  Comnien- 
iar  zu  Racine  zu  schreiben.,  wie  llcyne's  Kscurse 
zu 711  Virgil?'-'-  Wiv  cuis;epwn^  >\ie  billig:  Welcher  gesclieidte 
Mann  in  der  ganzen  AVeit  kaiui  eine  so  abg^eschmackte  Verglci- 
chung  anstellen'?  Aber  Hrn.  Poltier  geht  ja  die  Bedingung  alles 
Geschmackes ,  ja  vielleicht  aller  Befähigung  zu  gelelirter  Schrift- 
stellerey  ab;  denn  er  vermag  ISiclits  gehörig  zu  unterscheiden. 
Das  haben  wir  bey  seiner  verunglückten  Zusammenstellung  politi- 
scher und  litterarischer  Tonangeber  gesehen;  das  zeigt  sich  in 
der  Versicherung,  Heyne  habe  seinen  Vorgänger  Heinsins  durch 
seine  Ausgabe  in  Vergessenheit  gebracht;  das  erhellt  aus  dem 
Urtheile,  die  Burmaniische  Atisgabc  scheine  mehr  zum  Ver- 
ständnisse des  Textes  behiilllich  zu  seyn,  als  die  Heyne" sehe  ;  das 
leuclitet  aus  dem  so  kurzen,  und  doch  so  schlecht  geschriebenen 
Leben  Virgils  hervor;  das  spricht  sich  pag.  XIV  in  dem  Bedauern 
aus ,  dass  Virgil  zu  Anlange  der  Georgica  beym  Lobe  des  Augu- 
stus  den  Mund  so  voll  genommen  habe;  freilich  musste  eine  sol- 
clie  heidnische  Vergötterung  gegen  den  guten  Französisclien  Ge- 
schmack des  christlichen Ilrn.Pof/ «er  sehr  Verstössen!  Dass  übri- 
gens die  Ausgabe  des  Franzosen  Ruaeus  in  vorzüglichem  Sinne 
classisch  ist,  versteht  sicli  von  selbst. 

„Aber,'*-  fragt  man,  „Hr.  Pottier  wird  wohl  durch  eigne 
Proben  von  Gelehrsamkeit  seine  Befähigung  zu  so  strengem  Ur- 
theile  beurkundet  haben*? '•'•  Das  hat  Hr.  Pottier  fein  bleiben  las-' 
sen.  Indess  erfaln-en  wir  v  on  ihm ,  dass  der  ältere  Burmann  der 
Vater ,  der  jüngere  der  Sohn  ist ,  und  dass  Wernsdorf  s  Poctae 
Lat.  min.  zu  Augsburg  herausgekommen  sind;  eine  Stadt,  welche 
freilich  öfter  in  den  Französ.  Bulletins  vorkam,  als  Altenburg. 

Der  Text  ist  im  Ganzen  nach  Heyne  abgedruckt,  jedoch  mit 
Vermeidung  der  von  Heinsins  eingeführten  altern  Schreibart.  Hr. 
Pottier  sagt,  Heyne  habe  nicht  den  Muth  gehabt.,  sie  zu 
verlassen;  Hr.  Pottier  hatte  die  Courage,  diesen  grossen  Schritt 
zu  wagen!  Rec.  hat  nicht  das  Geringste  dagegen;  nur  fordert  er 
strenge  Consequenz ;  dann  ist  aber  seiner  Ueberzeugung  nach  das 
Eine  so  schwer,  als  das  Andre;  und  so  finden  wir  Hrn.  Po^f /er 
nur  in  der  leichtesten  Sache  consequent,  indem  er  die  ältere 
Form  des  Accus.  III  declinat.  stets  in  —  es  verwandelt.  Doch  hat 
er  öfters  auch  den  Text  nach  eigner  Wahl  verändert,  und  diese 
Aenderimgen  in  dem  am  Ende  des  2tenBds.  beygeiugten  Varian- 
tenverzeichnisse durch,  freilich  nicht  immer  leuchtende ,  Sterne 
ausgezeichnet.  Gründe  für  diese  Abweichungen  sind  nicht  ange- 
führt: avtog  e<pa. 

Nun  aber  die  Collationen!  Wir  fangen  mit  den  Pariser  Codd. 
an;  hier  das  Resultat,  welches  sich  aus  den  Vergleiclmngen  zu 
den  Bucolicis ,  den  Georgicis  und  den  ersten  6  Büchern  der  Ae- 
neis  ergiebt:  Georg.!,  174:  curs?fs.,  (2,3,  wobey  zu  bemer- 
ken,  dass  die  Bezeichnung  durch  Zahlen  nach  dem  angeblichen 


Virgiliufl.      Ed.  Pottier.  99 

Alter  der  Codd.  sich  richtet;  der  älteste  ist  mit  No.l,  der  jüng- 
ste mit  INo.  15  bezeichnet)  wie  ein  Gelehrter  bey  Murtyn  ver- 
muthete.  Statt  currua.  II,  219:  viridis^  (3)  wie  Faber 
wollte.  Statt  r //•/(//.  111,  3(i7:  iiingil  (]])  St.  ninguit; 
jene  Form  steht  ohne  ZweilVl  auch  in  andern  Codd. ,  ist  aber,  als 
zu  unbedeutend,  wahrscheinlich  nicht  bemerkt  Morden;  da  aber 
llv.PoUier  selbst  Michtiiiere  Abweichungen  dieser  Art  sonst  nicht 
anluhrt,  so  muss  man  annehmen,  er  sey  diess  3Ial  durch  das 
miiigit  des  Cod.  Franc,  dazu  veranlasst  worden.  Acn.  I,  030: 
diei\^^  4)  St.  die  oder  dii\  iVblerbal't;  die  Lesarten  der  ein- 
zelnen ('odd.  sind  beyy/(///A'/V/6iiiclitanirei;eben.  11,24::  lilorc  (2) 
St.  in  liture.  IV,  04:  impciiso  (I,  S)  St.  i nceiisiim;  wenn 
es  nicht  Druckfehler  ist  und  impciisc  heissen  soll,  was  bey  Ser- 
vius  steht,  ib.  Vi'i:  soluin  (2,  8)  eine  lehlerhafte,  auch  schon 
aus  31acrobius  bekannte  Lesart,  ib.  230:  Lavinia  (],  2,  3,  4) 
Statt  des  richtigen  et  Lavinia.  ib.  312:  set  Troia  (1)  St. 
et  Troia.  ib,^443 :  alt  am  (1)  fehlerhaft  Statt  fl/i!eoder«/- 
tae.  ib.  094:  ?// ce;ir///e  (1  )  fehlerhaft  Statt  impellite.  ib. 
680:  tenebat  {1)  St.  fo  ve  bat.  V,  38:  C/imis  o  {10)  Statt 
des  Aon  Hrn.  Puttier  aufgenommenen  Criniso.  ib.  1]0:  Pri- 
strim  (1,7,10)  St.  Pristim.  VI,  120:  Avernis  (11,12)  St. 
Averno.  ib.  209:  do?nns  (3,  8)  St.  do?nos;  bisher  das  ein- 
zige Mal ,  wo  IIi*.  Pottier  ohne  besondre  Veranlassung  nachgese- 
hen zu  haben  scheint,  ib.  840:  Achillis  (.2)  St.  Achilii.  — 
Der  ganze  Gewinn,  welchen  Ilec.  aus  diesen  Vergleichungen  zog, 
bescluänkt  sich  fast  einzig  auf  die  Befestigung  seiner  längst  ge- 
liegten  Ueberzeugung,  dass  \o\\  Collationen  noch  unverglichener 
Handschriften  äusserst  wenig  Ausbeute  mehr  fiir  die  Verbesse- 
rung der  Gedichte  Virgils  zu  erwarten  sey.  Wie  bereits  angedeu- 
tet, so  hat  Uv.  Pottier  last  niemals  die  Handschriften  verglichen, 
als  wenn  er  durch  die  in  den  Ausgaben  verzeichneten  Varianten 
darauf  geführt  M^ude.  3Ian  findet  aber  häufig  Stellen  von  30, 
40,  50  und  00  Versen,  wo  keine  einzige  Variante  aus  ehiem  Pa- 
riser Codex  angeführt  ist.  Wie  kann  also  Hr.  Pottier  sagen,  er 
habe  sie  mit  Sorgfalt  verglichen!  seine  Arbeit  ist  ja  ganz  ver- 
geblich! 

Die  Collation  der  oben  genannten  Italiänischen  Handschrif- 
ten ist  eine  Abschrift  des  bereits  Bekannten.  Wir  nehmen  den 
\oi\  Fogf^ini  besorgten  Abdruck  des  JMediceus  zur  Hand,  um  auch 
hier,  und  zwar  am  3tcn  liuche  der  Aeneide,  die  Sorgfalt  des 
Hrn.  Pottier  zu  prüfen.  1)  Auslassungen:  vs.  5:  divum  und  öf- 
ter. 27:  arbo.s.  120:  Donysam.  258:  pinnis  und  öfter. 
335:  whd  ImMedic.  das  f/7ie  an  Chaoniamque  Aon  der  zwey- 
tenHand  als  unächt  bezeichnet.  303:  religio.,  ab  alt.  m.  relii- 
§io.  400:  Saleiitinos.  534:  aspurgine.  530:  «  a  m.  pr. 
«6  a  sec.  059:  manu  a  pi'.  m.  manum  a  sec.  003:  fluin- 
du?n.  C(i5:  fluctu  a  m.  sec.  070:  dextrum^  a  m.  sec.  dex- 

7* 


100  R  ii  m  i  s  c  h  e    L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

tra.  TOI:  Camerinn.  Doch  hätte,  wollte  Rec.  es  strenger 
nehmen ,  noch  nianclies  liinziigelVigt  Averden  können.  2)  Falsche 
Angaben:  vs.  75:  arquilcncns^  juclit  arguitenens.  76: 
Myconoe^  nicht  Myconae.  105:  Oenotriy^  a  m.  sec.  Oe- 
notrii^  nicht  Aenolrii.  2C«J:  et  patei\,  am.  sec.  at  pa- 
ter.  341:  et  qua.,  nicht  ecqua.  435:  proque.^  \\\c\it  prae- 
qiie.  530:  crebrescunt.,  nicht  er ebescutit.  503:  i'emis 
ventis  qii  e  a.  m.  sec.  000:  spe?abile.,  wo  aher  Fogg.  aus- 
drücklich die  Aenderung  von  e  in  /bemerkt.  627:  tepidi  a  ra. 
sec.  632:  hat  auch  Medic. //WÄ^r«.  701:  ä/c,  nicht  ä/wc. 

Gerade  da,  wo  man  es  vorziiglich  gewünscht  hätte,  zu  den 
imächten  Gedichten,  welche  Hr.  Pottler  aufgenommen,  hat  es 
ihm  nicht  gefallen,  die  Pariser  Codd.  zu  benutzen.  ludess  auch 
das  haben  uir  nicht  zu  beklagen,  da  Ilr.  Dr.  Sillig  sie  vergli- 
chen hat. 

Schlüsslich  aber  darf  Reo.  dem  Verleger  das  wolil  verdiente 
Lob  rücksichtlich  der  P^leganz,  mit  welcher  diese  Ausgabe  ge- 
druckt ist,  und  des  verhältnissmässig  äusserst  billigen  Preises, 
nicht  vorenthalten.  Der  herrliche  Didot'sche  Druck  nimmt  sich 
auf  dem  schönen  Velin  vortrefflich  aus ;  und  der  Nettopreis ,  wo- 
für das  Buch  an  Ort  und  Stelle  für  den  Rec.  gekauft  wurde ,  be- 
trug 3  Thlr.  3  Gr.  Preussisch. 

Philipp  Wagner, 


1)  P.  Ovidii  Nasonis  Opera  Om?iia  e  recenslone  F.  Bur- 
manni  curavit  indicesque  reriim  et  verl)oriira  philologicos  adjecit 
Chr.  Gull.  MltschcrUch.  YA'it.  2.  Göttingen  bey  Dietrich.  1819.  II 
Tomi.  XVI,  56«  und  548  S.  8.  2  Thh-.  16  Gr. 

2)  P.  Ovidii  JVasonis  quae  stiper sunt.  Ad  optlmorum 
libroruni  fidein  accurate  cdita.  Ciiravlt  Ant.  Richter.  Editio  stereo- 
tjpa.  Leipzig  bey  Tauchnitz.  1825.  III  Tomi.  338,  360  und  396  S. 
12.  ITlür.  12  Gr. 

▼  ▼  ir  verbinden  hier  die  Beurtheilung  zweier  Ausgaben  des  Ond, 
von  denen  die  erstgenannte  allerdings  schon  vor  längerer  Zeit  er- 
schienen und  so  bekannt  ist,  dass  sie  einer  Anzeige  in  diesen  Blät- 
tern nicht  mehr  bedarf.  Auch  wollen  wir  uns  nicht  damit  ent- 
schuldigen, dass  diese  Ausgabe,  soviel  wir  wissen,  noch  in  kei- 
ner kritischen  Zeitschrift  ausführlich  beurtheilt  worden  ist.  Aber 
sie  ist  die  Mutter  einiger  andern  Ausgaben  des  Dichters  gewor- 
den, deren  Text  man  nicht  beurtheilcn  kann,  ohne  zugleich  Hrn. 
Mitscherlicli  s  Textesrecension  zu  bcurtheilen.  Diess  ist  auch  bei 
der  genannten  Ausgabe  \o\\ Richter  der  Fall,  die  fast  ohne  die 
geringste  Aenderung  aus  jeuer  geflossen  ist,    luid  bei  der  man 


Ovidius.      Kdil.   M  i  ts  i  h  er  ü  «;h  et   Kiohtcr.  101 

umvillkViliilicli  an  tlle  Woi(e  des  Iloraz  denkt:  latidatnr  siinili 
piole  piierpera.  Vin  mm  dem  Kinde  die  ilun  anliangendeii  Mut- 
ternialdc  nicht  mit  ünreclit  znm  Vorwurf  zu  maclien,  oder  es 
dnrch  unverdientes  Loh  der  durch  die  Gehurt  iiherkommenen  Tu- 
genden zum  Errötlieu  zu  l)riniren,  landen  wir  für  ^ut,  zunächst 
die  Tugenden  und  Fehler  der  Mutler  aufzuzählen,  weil  sich  dann 
am  hesslen  ergehen  wird,  was  der  Tocliter  mit  Recht  zum  Lohe 
oder  Tadel  gereicht. 

Die  Ausgahe  >on  Mitsdicrlich  crsclücn  zuerst,  chenfalis  in 
zwei  Bänden,  Göttingen  179(5  und  1708,  und  sollte  weiter  nichts 
als  eine  hecjueme  llundausgahe  se>n,  „quae  (wie  es  in  der  Vor- 
rede S.  IX  heisst)  optimc  huic  responderet  consilio,  quo  et  tiro- 
nes  quoddam  uanciscerentur  adjumentum,  et  provecliorum,  qui 
proprio  Marie  legendum  poetam  aggrederenlur,  desideriis  pro- 
spiceretur,  omniiio  aulem  curti  studiosorum  ])eculii  ratio  liabe- 
relur.'"^  Sie  gab  zwar,  wie  die  zweite  AuHage,  ausser  einer  Vor- 
rede luid  einigen  Testimoniis  velerum  de  0\idio  bloss  den  Text 
des  Dichters  ohne  alle  Noten;  allein  dieser  Text  zeichnete  sich 
durch  guten  und  reinen  Druck  und  durch  selir  lobenswerthe  Cor- 
rectheit  aus.  Druckfehler  fanden  sich  nur  wenige  und  waren 
aucli  meistens  selir  unbedeutend.  Einer  der  bedeutendsten  ist 
Ileroid.  VllI,  39  j)cnniltit^  den  desslialb  aucli  Werfer  fiir  eine 
verschiedene  Lesart  ansah.  Dire  besondere  Ausstattung  sollte  sie 
durcli  einen  hinzukommenden  ddtten  IJand  erhallen,  in  welcliera 
Ilr.  M.  als  adjumentum  lironum  die  Indices  rerum  et  verboruni 
d.  h.  eine  nach  Art  der  Ernesti  sehen  Clavis  Ciceroniana  einge- 
richtete Claris  ()\idiana  geben  wollte.  Leider  aber  ist  diese  Aus- 
stallung  bis  jetzt  nocli  nicht  fertig  geworden,  und  man  muss  sich 
immer  noch  in  Hinsicht  der  Worterklärung  mit  Gottlob.  Bened. 
Ä(7///Y/r//\sCla\is  0^idiana  sive  Index  philologico-crilicus  in  üvi- 
dinm  (Halle,  ]7()9.  8)  und  für  mythologische,  geograpliisclie  und 
historische  Krläuterungen  ausser  der  Clavis  von  Peter  Miller  au 
seiner  Ausgabe  des  Ovid  (Berlin,  ViTil.  8)  mit  Dorn-Sciffcns 
Onomasticon  poeticum,  inprimis  Virgilii,  Horalii  et  OAidii  (Ut- 
recht, 1808.8)  begnügen.  In  der  zweiten  Auflage  sagt  jedoch 
Ilr.  Jf.  am  l'Iiide  der  Vorrede:  „Caelenun,  quos  jam  priore  edi- 
tione  promisciamus  rerum  ac  verborum  indices,  elocutionis  poe- 
ticae  et  mylhologiae  iuterpreles  haud  longo  hos  inlervallo  (sieben 
Jahre  sind  freilich  scliou  seil  der  Zeit  vei-slrichen)  snbsequuluros 
bona  fide  s|)ondemus."-  Die  beiden  erscliienenen  Bände  tles  Buchs 
sind  in  Hinsicht  des  Umfangs  und  der  Seitenzalilen  in  beiden 
Auflagen  einander  ganz  gleich.  Auch  trat  schon  die  erste  mit 
dem  bescheidenen  Titel  he^^or:  ex  recensione  P.  Bunnannk 
Um  so  angenehmer  fand  nian  sicli  überrascht,  wenn  man  ans  der 
Vorrede  ersähe,  dass  Hr.  M.  auch  für  eine  sorgfältige  und  nach 
bestimmten  Regeln  durchgeführte  Inlerpunction  gesorgt  zu  haben 
versicherte,   und  dass  er  aucli  im  Texte  mehrmals  von  Burmaim 


102  Römische  Littcratur. 

abgewichen  war.  Ueber  den  letztern  Gegenstand  bemerkt  er  fol- 
gendes: „Describendum  operi  [operis'?]  exemphnn  dediinns,  ad 
Burmanni  editionem  accurate  emendatum  castigatumqiie,  neque 
quidquam  in  textn  mutare  snstinuimns,  nisi  ubi  ffravissiniae  caus- 
sae  intercedeixMit,  quae  receptam  a  Bnrmanno  lectioiiem  imnui- 
tandam  snaderent,  elflagitarentqne.  Substitit  tarnen  haec  oinnis 
opera  in  reducenda  antiqna,  quae  Codd.  auctoritate  suffulciretur, 
lectione,  ablleinsio,  cujus  tuniultuariain  lere  omnem,  quan^0^i- 
dio  caeterisque  poetis  iinpendit,  opcram  fuisse  constat,  aut  a 
Burmanno  vel  satis  levi  vel  sola  hac  interdum  de  caussa  expxmcta, 
iit  commentis  suis,    quibus  poetam  comtiorem  redderent  scilicet, 

lociira  facerent Neque  aliorum  Virorum  doctorum  conje- 

cturas  admittendas  censuimus ,  etsi  quaedam  in  iis  sint ,  quae  jn- 
stam  satis  probabilitatis  prae  se  ferant  speciem.''-  Fand  man  auch 
im  Texte  diese  angegebenen  Grundsätze  nicht  ganz  consequent 
durchgeführt  (  denn  es  sind  noch  jetzt  gar  viele  comnienta  Ilcinsil 
et  Burmanni  in  demselben  befindlich),  so  waren  doch,  besonders 
in  den  Ileroiden,  eine  Menge  von  Stellen  geändert,  und  man  Mar 
damit  um  so  eher  zufrieden ,  da  der  Titel  ja  gar  nichts  der  Art 
versprach  und  man  aucli  den  meisten  von  Hrn.  M.  gemachten 
Aenderungen  sehie  Zustimmung  nicht  versagen  koimte.  Das  Buch 
war  unbedingt  dicbesste  Handausgabe  der  gesammten  Werke  des 
Dichters.  Daher  war  es  kein  Wunder,  dass  mehrere  Schulaus- 
gaben Mit  sehe  rlk'lis  Text  zur  Grundlage  des  ihrigen  machten. 
Besonders  Mar  diess  bei  den  Tanchnltzer  Stereoivpausgaben 
(Leipzig,  1812,  1815  und  1820)  der  Fall,  die,  obgleich  wört- 
lich ans  jener  abgedruckt,  doch  ilire  Abstammung  sorgfältig  zu 
verbergen  suchten.  Desshalb  Hessen  sie  nicht  nur  die  Vorrede 
und  die  Testimonia  vcterum  weg,  sondern  führten  auch  auf  dem 
Titel  die  sehr  vornehm  klingende  Firma :  Ad  optimorum  libro- 
riim  fidem  accurate  edita.  Am  meisten  ist  der  dritten  Ausgabe 
(1820)  dieses  Verbergen  der  Abstammung  dadurch  geglückt,  dass 
sie  den  Mit  scher  lidischen  Text  durch  eine  recht  zahlreiclie 
Menge  von  Druckfehlern  verdeckte.  Wir  bemerken  bloss ,  dass 
in  den  Metamorpliosen  nach  oberflächliclier  Zählung  das  erste 
Buch  11,  das  zweite  14,  das  dritte  13,  das  vierte  ebensoviel 
bedeutende  Druckfehler  hat ;  dass  im  zweiten  Buch  der  Tristieii 
der  Vers  282  ganz  fehlt,  und  dass  Heroid.  III,  21  die  Bwseis  in 
Bezug  auf  ihre  Ueberliefernng  an  den  Agamemnon,  statt  data 
sim^  qiiia  danda  fiii^  zum  Achilles  sagt:  data  sim^  quia  bland a 
fni.  Auch  ist  diese  Ausgabe  nur  im  ersten  Bande  aus  der  ersten 
Auflage  von  Mitscherlich  geflossen,  und  der  zweite  und  dritte 
Band  sind  aus  der  zweiten  abgedruckt. 

In  dieser  zweiten  Auflage  hat  Hr.  Mitsch.  seine  Regeln  der 
Textesbehandlung  etwas  abgeändert,  und  über  sein  Verfahren 
folgendes  bemerkt:  „Inprimis  id  egimus,  ut,  quas  plurimorum 
Codd.  auctoritate    suffnltas   >ideremus  lectiones,   cas  aliis,    etsi 


O  vidi  US.      Kdtl.    >Ii  t  seh  t-r  lieh    et   Richter.  lOS 

paiillo  qiiacsitioribus,  scd  iiuiiis  laiitiiin  al(oriii!«i\e  Codicis  fide  sta- 
bililis,  praelerrcmus,  cum  (|uod  paiiiin  proljabilc  Aldfrctiir,  poe- 
tarn  ([iiac'sitiorcs  l'orinulas  kxjiR-iuli  s(  mpur  a((|iK;  fliain  ihi  sfqiiu- 
liiin,  iil)i  ma^is  propriis  a(qiic  iiionialis  deriing;!  deerbat;  tum 
(|uod  nova  liac  excmplarium  discrcpautia  taedii  molfstiae(|ut!  |)lus 
quam  utilitatis  poetac  Icctioni  uiltTrclur.  In  locis  aulem  \cl  plane 
luendosis,  vel  s:ra\i  lucudi  suspicioiic  laboraiitibus.  si  «|uac  ma^na 
^cri  specie  blaudientia  {/ics :  blaudieutia]  a  V  \.  DI),  allata  depre- 
hondcrcmus,  in  coiitcxtiim  illa  Jiaud  cniictaiiter  rccepimus;  rcli- 
iiiosius  contra  vcrs^ti  in  lis,  quac  ni'cdum  ocrtam  ac  fidain  jnedc- 
lam  cxpcrti  essent ;  in  quibus  satius  Iiabuinuis,  Codd.  lectionem, 
»lUinuiue  d('pra>atani,  repracscntave,  quam  inu'hendis  temerarüs 
opinationibus  veritati  omncm  adituju  pi-aecludcre.  —  —  Multo 
limidiores  fuimus  iii  vcrsibus  climinandi^i.,  qui  meminissemus,  rem 
admodum  lubricam  esse  ac  fallacom  in  eo  pocta,  qui,  judicii  seve- 
rioris  subinde  impatiens,  ingenii  sui  evuberantiac  niniis  obsequa- 
tur,  ac  [sie!]  iit  Seauii  apud  Senccam  verbis  utar,  dcsinere  ne- 
seiat*^  etc.  Dieser  Abänderung  seiner  Grundsätze  scliieiben  wir 
es  zu,  dass  er  in  dieser  Aufla£:e  eine  bedeutende  Zahl  der  IViilier 
in  den  Text  genommenen  Aenderungen  wieder  verwarf,  und  die 
Burmann  sehe  oder  eine  andere  Lesart  dafiir  aufnahm.  Dagegen 
änderte  er  in  >ielen  andern,  friiher  unberiiiirten  Stellen  den 
ßunnanu' sehen  Text,  so  dass  die  zweite  Aullage  sieh  sehr  we- 
sentlich ^on  der  ersten  unterscheidet.  Am  meisten  ist  in  den 
Herolden  gethan  worden.  Diese  hatte  Hr.  M.  schon  in  der  ersten 
Aullage  vorzugsweise  behandelt,  und  in  der  zweiten  hat  er  da- 
bei die  treffliche  Ausgabe  derselben  aou  i'un  Lcnnep  (Amster- 
dam, 1809  u.  1812-  8.  \ev^l.Hand  in  der  Jenaischen  Liter.Zeii. 
]814  St.  15  ff.)  benutzt.  Melirere  Stellen  derselben  sind  auch, 
obgleich  der  Ilr.  Ilerausg.  darüber  schweigt,  aus  ff  erfers  Lecti- 
onibus  in  Ovidii  Ileroidas  (in  den  Actt.  iMonac.  I,  4  S.  195  ff.)  ge- 
ändert und  verbessert  worden. 

Um  eine  Üebersiclit  des  in  diesen  Briefen  Geleisteten  zu  ge- 
ben, \\ ollen  wiv  hier  die  in  beiden  Auflagen  gemachten  Aenderun- 
gen,  wo  nicht  alle  doch  die  meisten,  auilTihren  und  kurz  be- 
leuchten. Der  Kiirze  wegen  soll  dabei  die  erste  Auflage  durch  I, 
die  zweite  durch  II,  beide  durch  I,  II  bezeichnet  werden.    Epist. 

I,  83  ist  in  II  mit  Recht  auf  Lenneps  Veranlassung  nach  oportet 
das  Colon  gesetzt,  das  in  I  nach  Pc//e'/o;;e  steht.  Kpist.  II,  »J  und  5 
geben  I,  II  aus  den  llandschrr.  richtig  seinel  und  folo  statt  (jiuiler 
und  pleno ^    was  Burnmnn  aus  spitzfüudigen  Grinulen   aufnahm. 

II,  J7  hat  I  ul  ta^  scelerale ^  vuleres ^  sunt  prece  etc.,  was  <lie 
meisten  und  bessten  llandschrr.  bestätigen,  ßiuntann,  der  nicht 
daran  dachte,  dass  der  Ablativ  j'ocis  zur  ()rlsl)ezeiclmung  diene, 
nahm  an  der  Formel /^/-ece  devcncruri  focis  Anstoss,  und  schrieb 
prote^  scelerale^  rof^avi^  Cum  j)rece  nie.  Ihm  folgte  ive//«e/>, 
und  desshalb  stellte  autli  Mltsch.  in  11  diese  Lesart  wieder  lier. 


104  Romischo    Littcratur. 

Epist.  II,  56liatI^oc,  II  haec.  Beides  ist  Lateinisch  und  die 
Auctorität  derHandsclirr.  stellt  ziemlich  gleich.  Das  Letztere  ver- 
theidigt  JVerfer  S.  504.  *)  Das  Ersterc  aber  scheint  schwerere 
Lesart  zu  seyn  und  dem  Sprachgebrauche  des  Dichters  mehr  zu 
entsprechen.  AVoUte  aber  Hr.  M.  einmal  haec  vorziehen,  so 
musste  er  derConsequenz  wegen  auch  III,  8  haec  schreiben,  und 
vielleicht  auch  I,  48,  Rem.  Am.  10  und  84  nebst  andern  Stellen 
ändern.  DerHandsclirr.  wegen  hätten  wir  auch Epist.  II,  S2ferar 
beibehalten.  Allein  Hr.  iU.  schrieb  in  U  feror  auf/fer/er's  (8.534) 
Veranlassung.  Epist.  II,  148  geben  I,  li  ipsa^  was  allerdings 
einen  schärfern  Gegensatz  als  i'lla  bildet.  Jedoch  hat  iUa  die  kri- 
tische Auctorität  für  sich ,  und  üle  —  ille  ist  in  der  Bedeutung 
der  eine  —  der  andere  bey  Ovid  sehr  häufig.  Epist.  III ,  25  ist 
I,  II  Nee  statt  Non  aus  wenig  Handschr.  aufgenommen,  was  wir 
in  jener  Stelle  fiir  sehr  anstössig  halten.  Dagegen  ist  III,  40  in 
I,  II  negas  st.  neges  gewiss  richtig.  Auch  wollen  wir  nicht  wi- 
derstreiten, wenn  III,  47  und  49  in  I,  II  ego  nach  F?W/ gestri- 
chen ist,  da  nur  2  Ilandschrr.  dasselbe  bieten.  Die  Lesart  erit 
aber  Epist.  III,  18  in  I,  II  ist  nur  Verbesserung  des  Druckfeh- 
lers erat  hei  Bur mann.  Epist.  III,  llß  empfiehlt  sich  Jioxfjue 
in  I,  II  statt  voa:que  durch  Sinn  und  Ilandschrr.  als  das  Bessere. 
Eben  so  III,  149  At.,  welches  II  (statt  Ah)  mit  Len7iep  giebt. 
Richtig  ist  geAviss  auch  in  I ,  II  Epist.  IV ,  176  et  statt  der  Con- 
jectur  ß^,  V,  41  paratast.  peracta.,  VI,  4Sfurti/n  st. ßirfo  iiml 
Vlo  Legat  OS  st.  Legatis.,  VII,  ICH)  damni  si.  damnis .,  XV,  89 
conspiciat  und  conspicit  st.  conspicias  und  conspicis .,  XVIII,  151 
Andromeden  st.  Andromedan  und  190  tum  st.  tunc ,  XIX ,  81 
sonaiites  st.  tonantes  und  183  mergiintur  st.  vincunlur  und  XX, 
19  erat  statt  erant  aufgenommen.  Richtig  steht  gewiss  auch 
X\III,  135  in  I,  II  aus  einer  Handschr.  iter ^  ante.,  da  iterare 
ohne  Sinn  ist.  Eher  würden  wir  XXI,  134  gegen  deam  in  I,  II 
streiten,  wenn  wir  nur  wüssten,  ob  Burmaniis  deum  nicht  blosse 
Conjcctur  sey.  Dass  XII,  144  vox  haec  statt  vox  est  in  I,  II  ge- 
schrieben ist ,  wollen  wir  nicht  verdammen ,  da  zwei  der  bessten 
Codd.  für  dieses  haec  stimmen.  Indess  fragt  es  sich,  ob  es  nicht 
aus  dem  folgenden  hoc  entstanden  ist.  Die  XIII ,  CO  aber  mit 
Heinsius  I,  II  aufgenommene  Lesart  quotaciinque  ist  im  Cod. 
Putean.  bloss  als  Variante  angeführt,  und  Burmann  behielt  ge- 
wiss mit  Recht  quotaquaeque  als  Lesart  aller  Handschriften  bei. 
IV,  37  steht  in  I  mutor  aus  4,  in  II  nitor  aus  2  Handschriften. 
Das  Richtige  ist  auf  jeden  Fall  mittor  .^  acpis^aL,   was  Baumgar- 


♦)  Wir  übergehen  hier  mit  Fleiss  andere  Gelehrte ,  die  auch  für 
die  eine  oder  andere  Lesart  stimmten,  und  führen  nur  diejenigen  an, 
Mclohe  llr.  Milsch.  berücksichtigt  hat.  Sonst  müssten  z.  B.  auch  Fr. 
Ilcusingcr  und  Hand  al«  Vcrtheidiger  der  Lesart  haec  genannt  werden. 


Oviclius.      Edd.  Mi  t  s  chcrlic  h   et  Richter,  105 

ten-Crusiiis  gut  vertheidiiil  hat.  IV,  4(5  s\vhi  II  mitUccIit  nach 
Lenueps  ^oiit  fit^acis  st.  sequacis.  I\iclit  niiiiilcr  billigen  w'iv  in 
derselbeu  \I,  51  mea  nach  Werfer  S.  54(>  st.  7nala^  und  140 
qnaeUbet  iiacli  Leu.  st.  qnmnUbct^  IX,  10  taiüa  nacli  Jj.  st.  /«////, 
20  vcn'uint  nadi  //'.  S.  5:J4  st.  veniant^  5S  referatiir  nacl»  /F.  S. 
550  st.  praefcrtnr  und  111  ro.s//.s  nacli  />.  und  f'/.  S.  544  st.  co- 
i/r/s,  \hiVt  froiidibus  nach  //".  '^Si^yA:  ^i.  frtigibns^  XII,  53  /v/«o 
nach  //'.  S.  557  st.  //////r  (was  aber  keineswegs,  wie  Jf'erfer  meint, 
dem  Sinne  widerstreitet),  und  XX,  183  patiiintiir  nach  Jv.und  W. 
S.  510  st.  patiaiitur.  Viel  Walirscheinliclikeit  haben  auch  für 
sich  die  in  II  gemacliten  Aenderungen  Kpist.  XIII,  83  Furtius  üle 
po/est  muJto^  quam  pugnat^  Omare  [die  > on  Werfer  S.  510  und 
LeiuK'p  gebilligte  Lesart  der  Puteanischen  Handschrift]  statt  y;©^- 
c\s/,  miiUo  cum  piignat  amore\\\\  odiiv polest  mullo^  cum  pugnat 
umore  Wy  ßurmann;  X\  I,  W  oportuil  [M/cijirs  Aon  f^erfer 
S.  500  gebilligte  Conjectur]  st.  oporteat  und  XX,  36  Teqne^  peti 
caveas  tu  licet ^  zisque petom  [eine  >on //e/;«/«s  vorgeschlagene 
Aenderung,  welche  Werfer  S.  504  fiir  richtig  erklärte]  st,  Teque 
j)eta?n,  caveas  tu  licet  ipsa  peti.  Am  meisten  Zweifel  erregt 
noch  die  letzte  Stelle,  wo  die  meisten  Handschrr.  am  Ende  des 
Verses  ipse  petam  geben.  Daher  las  Fr.  Heusinger :  Teque  pe- 
tam.  Caveas  tu.  licet:  ipse  petam  was  wir  fiir  richtiger  halten, 
ausser  dass  wir  für  ipse  aus  zwei  Handschrr.  iisque  schreiben 
möchten.  Dagegen  steht  Epist,  IV,  122  in  1  mit  Kecht  ein  Frag- 
zeichen nach  nothus.,  und  wir  seilen  nicht  ab ,  warum  II  mit  Len- 
nep  ein  Punctum  giebt.  Auch  können  wir  uns  nicht  ganz  mit  der 
IV,  150  in  11  nach  Werfer  S.  520  aufgenommenen  DrakeiiborcK- 
scheii  Interpunction  —  Hen !  nbi  mmcfastus  altaque  verba'^  ja- 
cent.  —  befreunden.  Sie  giebt  der  Stelle  zu  sehr  ein  rheto- 
risches Gepräge,  und  die  Vulgate  —  Heu  nbi  minc,  jastus  altaque 
verbajacent'i  —  ist  so  einfach  und  ansprechend,  dass  wir  sie  auch 
ohne  7vc/?//ey>'s  Vertheidigung  vorgezogen  hätten.  J>lit  Kecht  auch 
schrieb  Hr.  M.  in  I  Kpist.  V,  05  suadeat  aus  den  meisten  und  V, 
147  medendi  aus  allen  Handschriften.  Aulfallend  ist  es  daher, 
dass  in  II  nach  Burmann  wieder  censeat  ui\A  medenti  steht,  Dass 
Epist.  V,  152  die  I  enostro  die  II  a  nostro  bietet,  lässt  sich  durch 
das  Schwanken  der  Handschrr.  cntsclndiligcn,  aber  si(;lierer  würde 
die  Entscheidung  ausgefallen  seyn,  wenn  Stellen  wie  X,  10,  wo 
I.  II  c  somno  haben,  beachtet  worden  wären.  Epist.  VI,  3  nahm 
ßurmann  nach  J)ouzds  Conjectur  und  aus  der  Leiiluer  Haudschr. 
ipsum  auf.  Hr.  M.,  dem  wahrscheinlich  der  Accusaliv  hoc  ipsum 
bey  certior  esse  anstössig  war,  schrieb  in  I,  II  nach  Heinsius  Acn- 
derung  ipsa.,  worin  wir  keinen  recht  passenden  Sinn  linden.  War- 
um nahm  er  nit:lit  die  Vulgate  ipso  auf,  auf  welche  schon  ^?/r- 
inann  aufmerksam  ma<hle,  nur  dass  er  i.W\\.  Ablativ  koc  ipso  mit- 
telst einer  Ellipse  erklären  wollte'?  Kben  so  wenig  kaim  Kecens. 
\  11,  21  die  ia  11  sich  findende  Conjectur  Lenueps.,  di  st.  te.,  bil- 


106  Römische  LIttcrntur. 

li^en.  Auffalleiul  ist  freilich  die  Formel  vota  aliquem  morantur^ 
aber  in  solern  richtig,  in  wiefern  man  hei  diesen  votis  an  die  ver- 
zöiicrte  Erfnihnig  der  Wünsche  zu  denken  hat.  So  i'asste  sie 
schon  Cr /'s  pirms  auf  ^  welcher  die  Stelle  so  umschreibt :  Quam- 
quam  iiuila  sit  mora^  quin  omnia^  quae  optaceris^  eveniant. 
Sind  aber  diese  AVorte  demungeachtet  noch  manchem  anstössig, 
so  diirfte  rathsamer  seyn,  te  tuafata  viorentur  zu  schreiben,  was 
die  erste  Gothaische  und  vierte  Wolfenbüttler  Handschr.  geben 
und  worauf  die  Variante /«c^ß  fiihrt.  Mit  Recht  aber  hat  der  Hr. 
Ilcrausg.  VII,  33  in  II  auf  Lenneps  Veranlassung  die  in  I  befind- 
liche Conjectur  i??f;•ma«/^'s ,  Atque  statt  Aut .,  wieder  verbannt. 
Das  Aut  ist  allerdings  nicht  ohne  Schwierigkeiten,  allein  schon 
Heinsius  Jiattc  den  Zusaramenliang  der  Stelle  angedeutet,  und 
Eichhojf  hat  sie  richtig  Vlbersetzt  und  erklärt.  Dagegen  ist  von 
Hrn.  M.  die  in  I  gebilligte  Lesart  in  andexn  Stellen  mit  Unrecht 
wieder  ver\\ orfen  worden.  Dahin  gehöx't  VII,  40 ,  wo  I  mit  fast 
allen  Ilandschrr.  Q,uo^  II  aus  der  interpolirten  Hdschr.  desStrozza 
quod  mit  Burmann  giebt ,  w as  keineswegs  eleganter  ist.  \ H,  54 
liat  II  nach  Burmann  aus  2  Hdschrr.  quaui  male^  I  mit  den  übri- 
gen tam  male.  IX,  18  hatfulsit  in  I  die  Handschrr.  für  sich,  und 
der  Zusammenhang  verlangt  das  Perfectum.  Demungeachtet 
ist  II  mit  Burmann  fulcit  geschrieben.  Dieselbe  Ausgabe  bietet 
nach  Burmann  VIII,  33  promiserit  aus  einer ,  IX,  83  Eximias 
pompas  aus  einer,  X,  120  digitus  aus  zwei,  XI,  125  vulnera  aus 
zwei,  mid  XI\ ,  42  dederant  aus  wenigen  Handschrr.,  obgleich  in 
1  mit  Fug  und  Wo^chi  promherat  ^  EsimUs  pompis^  digitis^  vul- 
nere  und  dederam  hergestellt  worden  waren.  Durcli  Heinsius 
liess  sich  der  Hr.  Hei-ausg.  verführen  X,  96  rahidis  und  XIII,  43 
Dyspari  in  II  zu  schreiben,  wo  1  rapidis  und  Dtfx  Pari  mit  Bur- 
manti  giebt.  Nach  jenem  hatte  er  auch  XIV,  22  in  I  Ultima  pars 
noctis  primaque  lucis  erat  vorgezogen,  aber  in  II  ist  Burmatins 
Lesart  —  Ultima  pars  lucis  primaque  noctis  erat  —  wieder  auf- 
genommen. Rückkehr  zu  Burmann  findet  sich  in  II  nach  Len- 
neps  und  Werfer'' s  (S.  547)  Vorschrift  auch  VII,  85  Haec  mihi 
narraras :  nee  me  mot^ere :  merentem  nre.  In  I  stand :  at  ine 
movere  Tnerentem.  lila  etc.,  was  allerdings  die  Vulgate  ist,  aber 
keinen  Sinn  giebt.  Das  naclilässige  Aufzälden  der  Varianten  bei 
Heinsius  macht  die  Entsclieidung  der  Stelle  ungewiss.  Irren  w  ir 
aber  nicht,  so  liaben  alle  Handschrr.  at  (wenigstens  steht  diess  in 
allen  von  Heusinger ^  Kuinöl^  Wiedeburg  luid  von  uns  vergliche- 
nen) und  nee  hat  wenig  oder  keine  Auctorität  für  sich.  Für  lila 
bieten  andere  Handschriften  Inde^  Unde^  T  ive^  Jure ;  die  Pu- 
teanische  Ure.     Daher  schreiben  wir  die  Stelle  so: 

Haec  mihi  narraras.     At  me  movere?  —  Merentem 
Ure  :  minor  culpa  poena  fatura  mea  est. 
Eben  so  verbesserte  die  Stelle  schon  Fr.  Heusinger  .^  ausser  dass 
er  a)t  statt  at  schrieb.    Epist.  Vll,  Wi  giebt  II  mit  Burmann 


O  V  i  (1  i  u  3.     Edd.  M  i  t  s  c  Ii  c  r  1  i  c  h   et  Richter.  107 

jjraehchiinvs  ultra.  Die  erste  Iiat  iiiistreitiir  richtiger  deöebimus 
nitro.  Den  Haudsclirr.  nach  sclieint  mit  A\eri'er  S.  510  tlebebi- 
mus  ultra  ^esclniehen  >veitk'ii  zu  miisscn.  Praebebiinns  steht 
bloss  in  der  werthhVsen  Ilandschr.  des  Douza^  und  sclieint  eine 
Krklärmis:  des  dcbcbimus  zu  sevn.  Von  Burmann  Mich  I  ab 
Epist.  VII,  1.'j2  Inline  locn  rv^is  sccptra  surr  ata  tene  ^  uofiir  II 
auf  /Aer/V'/Ä  (S.  öOO)  \eranlassuii!r  mit  jenem  lies't:  Hanvqne., 
locnni  re^ni.  sccptraque  sacra  tene.  Der  Ilandschrr.  wegen  müs- 
sen wir  uns  auch  liier  für  die  erstere  Lesart  entscheiden,  wiewolil 
Mir  nicht  bergen  dass  sccptraque  sacra  in  sehr  Aieien  Ilandschrr. 
steht,  und  dass  In  loco  regis  \ms  auch  nicht  sonderlich  gefallen 
\nll.  ]Vnr  kommt  uns  hancque  noch  anstössiger  vor  und  regni 
ist  reine  Conjectnr.  Soll  etAvas  geändert  werden,  so  dürfte  ein- 
facher sevn:  Hirqne  locuni  rcgis  sceplraque  sacra  tcne.  Locuni 
bieten  die  üarberinische,  \  ossischc  und  dritte  Wollenbüttler 
Ilaiulsehr.  und  Hicqiie  hat  die  erste  Gothaer.  Dass  Kpist.  I\,  1, 
in  II  mit  Rnrm.  nostris  geschrieben  ist,  Mofür  I  mit  Heinsiiis  das 
kritisch  nicht  genug  begründete  vcstris  gab,  ist  sehr  zu  billigen. 
DasNehmliche  gilt  XY,  213,  mo  I  aus  Menig  Ilandschrr.  ^j/Y/es^e/, 
aber  II  mit  Burmann  Mieder  praestat  giebt.  S.  Werfer  S.  506. 
Mcht  so  Epist.  IX,  20,  wo  fast  alle  Ilandschrr.  Si  cunmlas  stu- 
pri  facta  prior a  nota  geben,  Mas  Mir  für  die  Mahre  Lesart  hal- 
ten, ob  Mir  gleich  wissen,  dass  Fr.  Heusinger  sagt:  „Vocabulo 
st u pr i  iwiWus  hie  est  locus.  iVon  enim  stupratam  Jolen,  sedjugi 
ab  Jole  accepti  longe  foedius  crimen  Ilerculi  Deianira  cxprobrat.*"^ 
Dass  ehelige  Untreue  für  die  Deianira  eine  Hauptsache  Mar  und 
dass  sie  dieselbe  stnpruni  neimen  konnte ,  ist  Mohl  keinem  Zwei- 
fel unterM  orfen ;  imd  der  vorhergehende  Yers  —  (^uid  nisi  ?ioti- 
tia  est  misero  qiiaesita  pudori?  — zeigt  deutlich,  dass  überhaupt 
\o\\  eiuer  That  die  Kede  sey,  durch  Melche  die  früheren  Thateu 
geschändet  Miirden.  Für  die  Fi-au  aber  ist  es  sehr  angemessen, 
dass  sie  nicht  bloss  das  jugum  Joles  Mieder  aufnimmt,  soiulern 
einen  nach  ihrer  Ansicht  noch  erhöhten  Grad  der  Schandthat  er- 
Mähnt.  Daher  bemerkt  llurmanu  richtig:  „infamia  et  deformia 
reddis  egregie  ante  acta,  hac  nova  stupri  senilis  nota.'"'-  Das 
Verbum  cumulas  aber  ist  selir  gew  ählt,  und  nu/culas^  was  andere 
Hdschrr.  geben,  ein  offenbares  Glossem.  Diess  ist  unsere  An- 
sticht von  der  Stelle.  Ur.  M.  schrieb  in  I  mit  Ifeinsins :  Si  cu- 
vmlas  tnrpi  facta  priora  nota.  In  II  scheint  ihn  ff  crf er  S.  iiGO 
fiberredet  zu  haben,  Burmann  s  Si  macula  stiipri  f.  p.  notas  Mie- 
der aufzunehmen,  fferfer  (S.  5.j2  )  verleitete  ihn  auch  I\,  52 
in  II  aus  Menig  Ilandschrr.  est  am  Ende  des  Aerses  aufzuneh- 
men, und  IX,  120  aus  einer  Ilandschr.  (S.  538)  Ft  venit  statt 
JUn  veuit  zu  schreiben.  ]\ach  demselben  ist  in  II  Epist.  XI,  Ol 
aus  M'enig  Ilandschrr.  germano  (S.  553)  st.  fratri  nani  uud  \II, 
91  aus  einem  Cod.;K//.v  et  fraudis  (S.  ,5.")!))  st.  est  fraudis  gege- 
ben.   Dieses  et  liisst  sich  allerdings  durch  III,  4  sed  tarnen  et  lu~ 


108  Römische   Litteratur. 

crlmae  pondera  vocis  Äa^ew^  vertlieidia^cii ;  indess  finden  wir  in 
der  Yu^ata  est  keinen  Anstoss.  Aucli  beliiclt  llr.  M.  Epist. 
XVIII,  55  dieses  est  bei ,  obgleich  Werfer  dort  ebenfalls  et  vor- 
schlug. INothwendig  aber  hätte  er,  nacli  unserer  Ucberzeugung, 
Met.  IV,  273  est  statt  et  lierstellen  sollen.  Ob  Epist.  YII,  92  in 
II  desselben  (S.  547)  Conjectur  —  Nee  mihi  concubüu  fama 
sepiilta  foret  —  mit  llecht  aufgenommen  sey,  wagen  wir  nicht 
bestimmt  zu  verneinen.  Soviel  ist  richtig ,  dass  die  Vulgate  ei- 
nen selir  schiefen  Sinn  giebt.  Gewiss  ist  es  aber,  dass  Hr.  M. 
keinen  hinreichenden  Grund  hatte,  Epist.  XII  das  sechste  Disti- 
clion  mit  Werfer  S.  555  ff.  dem  siebenden  naclizusetzen.  Zwar 
ist  es  nicht  zu  läugnen,  dass  diese  Umstellung  einen  passenden 
Sinn  giebt;  aber  wir  sehen  die  Nothwendigkeit  derselben  nicht 
ein.  Die  Stelle  ist  ohne  allen  Anstoss,  ausser  dass  man  «^,  was 
ohnediess  fast  alle  Ilandschrr.  darbieten,  statt  aiit  schreiben  muss. 
jMedea  beklagt  sich  über  das  Unglück,  dass  die  Argo  nach  €ol- 
chis  gekommen  sey  nnd  dass  sie  sich  durch  Jasons  Schönheit  habe 
blenden  lassen,  ihm  beizustehen.  Sie  konnte  nun  nach  den  Wor- 
ten Cur  mihi  plus  aequo — fictatuae  fortfahren:  Cur  nonpassa 
sum  Aesonidem  non praem.edicatum  ire^  oder:  JJtinam  Aesotn- 
des  non  praem.  isset  etc.  Dafür  aber  ändert  sie  den  Gang  der 
Rede  ab,  macht  durch  At  einen  scharfen  Gegensatz  zudem  Vor- 
hergehenden, und  ei-zählt  w  as  hätte  geschehen  sollen,  da  das  Schiff 
nun  einmal  nach  Colchis  gekommen  war.  Eichhoß'h^t  die  Stelle 
ganz  richtig  übersetzt,  nnd  Hr.  M.  wird  gewiss  keine  Schwierig- 
keiten in  ihr  finden,  sobald  er  sie  etwas  genauer  ansieht.  So  wie 
nun  hier  die  I  über  II  steht,  so  ist  diess  auch  der  Fall  XIII,  15, 
wo  jene  mit  den  bessern  Ilandschrr.  abreptaque  hat,  Avas  dem 
ganzen  Zusammenhange  trefflich  entspricht.  Werfer  S.  559  ver- 
stand das  abrepta  ganz  falsch ;  Avar  aber  doch  die  Veranlassung, 
dass  in  II  Avieder  arreptaque  nach  Burmann  steht.  Mit  llecht 
aber  hat  sich  der  Hr.  Ilerausg.  XV,  103  von  Werfer  S.  504  be- 
stimmen lassen  in  II  Burmmi/ishcsnrt — nectu^  Admoneat  quod 
te^  pigfius  —  herzustellen,  da  er  in  I  ?iec  te  Admouuit^  quod  tu 
pignus^  was  keinen  passenden  Sinn  giebt,  aufgenommen  hatte. 
Richtiger  ist  es  avoM  auch,  dass  er  XV,  83  in  II  mit  Jf'erfer  S. 
504  und  Lenfiep  die  Conjectur  des  Heinsius^  artisque  mngistra^ 
vorzog,  als  dass  er  in  I,  nach  einer  andern  Conjectur  vonZ/e/z/Avy/s, 
artesque  magistrae  gegeben  hatte,  Avas,  so  lange  mau  im  82sten 
\s.  mit,  demselben  Nee  schreibt,  sehr  anstössig  ist.  Das  freilich 
fragt  sich,  ob  die  ganze  Stelle  ricbtig  ist;  nnd  diess  glaubt  Re- 
censent  verneinen  zu  müssen.  Alle  Handschriften  nehmlich,  in 
denen  dieser  Brief  sich  befindet ,  sind  auf  eine  auffallende  Weise 
interpolirt,  und  eine  Vergleichung  der  einzelnen  Stellen ,  beson- 
ders der  Verse  15—20,  33,  49,  57,  113,  134,  102,  109  und 
201,  lehrt,  dass  von  den  jetzt  bekannten  Handschriften  bloss  die 
von  JNaugcrius  in  der  Aldina  von  1515  benutzte  von  solchen  Intcipo- 


Ovidiiis.      Eild.   Mits  clicrll  ch   et   Richter.  109 

InlioiKMi  rein  gebliehen  zu  seyn  sclicint.  Die  weitere  Auseinaii- 
tleisct/unj?  dieses  (Jo^reiisfamles  muss  Ueceiis.  für  einen  andern 
Ort  versparen;  hier  l)cnierkt  er  bloss  noch,  dass  nach  dieser  \or- 
aussetznnff  die  iranze  Stelle  so  ffesclu*iel)en  \\erden  mnss : 

SiL'e  ila  iiasccnli  lcf;ein  dixere  Sororcs; 
Hnec  data  sunt  litoe ßla  scvera  sitae: 

S/re  abeunt  stndia  in  mores  artesqne  viagistrae ; 
Ingenium  iiubis  inolle  Thalia  facit. 
Zwar  ist  maxist rae  blosse  Aenderunj^-  von  Jleinsius^  aher  die  Les- 
art der  Hantlschrr.,  a/trs(/i/e  tna^istras^  ist  so  sinnlos,  «lass  über 
dir  Uiclitiffktit  der  Aendernn^  kaum  ein  Zweiiel  obwalten  kann. 
Auf  diese  Weise  besteht  jedes  Distichon  aus  einem  \order-  und 
jSachsatz,  und  Sappho  stellt  zwei  Vermuthuni^en  auf,  warum  ihr 
Jlerz  so  weich  und  reizbar  sey,  und  behauptet,  dass  nach  bei»len 
Voraussetziniiren  die  Sache  nicht  anders  seyn  könne.  Der  Sinn 
ist  Vibriirens  ganz  einlach,  und  wir  bemerken  nur  noch,  dass  im 
SJsten  Verse  die  Construciion  ist:  Sive  studio  et  artes  niagi- 
strae  (ß.  h.  artes  quae  moruni  ?nagistrae  sunt)  abeunt  in  mores^ 
und  dass  wir  nicht  recht  einsehen,  warum  Jjennep  die  Formel 
artes  in  mores  abeunt  hart  imd  anstössig  fand.  Beiläufig  erwäh- 
nen wir,  dass  nach  der  erwähnten  Ilandschr.  des  JNaugerius  Ys. 
I(i9  gesclirieben  werden  muss : 

JSec  mora:  versus  amor  fugit  lentissima  viersi 
Pectora;  Deucalion  igne  levatus  erat. 
wodurch  zugleich  die  von  keinem  Schriftsteller  erwähnte  Fabel, 
welche  nach  der  aufgenommenen  Lesart  —  versus  amor  tetigit 
lentissima  Pyrrhae  pectora  —  vonO^id  erzählt  werden  soll,  wie- 
der verschwindet.  —  Dinxh  Lennep  hat  sich  Herr  M.  bewegen 
lassen,  in  II  mehrere  Conjecturen  in  den  Text  zu  setzen.  Dahin 
gehören  VllI,  48  NodeWs  medios  [statt  inelius.,  was  Jferfer  S.  533 
mit  Recht  vorzieht  und  Epist.  II,  7  damit  vergleicht],  VIII,  65 
dural  [eine  Conjectur  von  Heinsius^  »Coen  welche  Werfer  S.  50S 
aufgetreten  ist.  Die  Vulgate  errat  ist  wohl  mit  Recht  von  Hand 
in  der  .Tenaischen  Lit.  Zeit.  1814.Nr.  IG  S.  122  vertheidigt  wor- 
den], IX,  15  desselben  Heinsius  tuta  [was  auch  JFcrfer  8.549 
nebst  vielen  Andern  billigt.  Rec.  meint,  dass  tota  nicht  angeta- 
stet werden  dürfe,  und  dass  man  nur  den  Zusammenhang  gehörig 
zu  berücksichtigen  und  se  debere  richtig  zu  erklären  brauche,  um 
jeden  Anstoss  vei'schwinden  zusehen],  IX,  120  Lennejis  Vor- 
schlag, fortunam  vultu  fassa  decente  suam  st./,  vultus  f.  tegen- 
do  suos  [\  ergl.  Krit.  Riblioth.  1824,  VllI  S.  884  und  jferfer  S. 
529  f.  Soll  einmal  das  verkürzte  Gerundinm  tegendo  im  Ovid 
nicht  geduldet  ^^el•dcn,  so  dürfte  allerdings  //c/zz/ey/s  Conjectur 
die  vorzüglichste  seyn.  Ihr  zunächst  empfiehlt  sich  >ielleicht  noch 
Heusinger'' s  Aenderung  cidtii  f.  dec.ente\  XV III,  2  Äes// [Aendc- 
rung  von //ei'««?'?/«]  st.  Sesta^  XIX,  195  sub  uuroram  [von  dem- 
selben; Mas  gar  nicht  nüthigist,  da  die  Lesart  aller  ilandschrr. 


110  Rumisch c  Littcratur. 

snh  aurora  eben  so  wenig  anstössig  ist,  als  wenn  wir  im  Deut- 
schen tun  die  Morgenzeit  statt  gegen  Morgen  sagen],  XXI,  2Ü 
^no  [von  tlemsclhen ;  obgleich  qua  seil,  litera  ohne  allen  Anstoss 
ist,«sobald  man  den  vorhergehenden  Vers  —  Qf/ant/ts  sit  nobis\ 
adspi'cis  ipse^  labor  —  mehr  parenthetisch  hinzugelVigt  denkt], 
XXI,  105  sua  deduclas  \Fran%e*s  Conjectur,  die  auch  Herfer 
S.  547  A  orschlug]  st.  siias  deducta^  XXI,  214  digna  [  Leiineps 
Aenderung]  st.  bina  und  XXI,  230  -^4n  [nach  demselben]  statt  At ; 
wo  aber  daini  das  Fragzeichen  am  Ende  des  Verses  nicht  fehlen 
durfte.  Ausserdem  ist  Kpist.  XX,  204  auch  ein  Druckfehler  der 
hennep sehen  Ausgabe,  facit  statt  facis^  aufgenommen  worden. 
Was  nun  ausser  diesen  behandelten  Stellen  die  nnächten  Verse 
anlangt,  so  hatte  Hr.  M.  in  I  alle  die  Stellen  in  []  eingesclilossen, 
welche  auch  in  Burnianns  Ausgabe  auf  diese  Weise  als  unächt 
bezeichnet  Morden  Maren.  Dagegen  waren  alle  die  Verse  unbe- 
zeichnet,  die  Heinsiiis  oder  Bnnnann  bloss  in  den  JNoten  fiir  un- 
ächt erklärt  hatten.  Solche  sind  z.  ß.  Epist.  IV,  103 — 100,  X, 
95,  90,  XIV,  109,  110,  XV,  219,  220,  XX,  93,  94,  XXI,  209, 
210  u.  a.  In  der  zweiten  Auflage  sind  Epist.  XII,  41,  42,  XIV, 
47,  48  und  XX,  101,  102  die  Klammern  weggelassen  Morden  imd 
nur  VIII,  1,  2  imd  XI,  127, 128  als  unäclvt  eingeschlossen  geblie- 
ben. Dabei  ist  zu  loben ,  dass  dieser  Theil  der  Kritik  besonders 
in  den  Metamorphosen  in  AuMendung  gebraclit  und  viele  Verse 
von  den  Zeichen  der  ünächtheit  befreit  Morden  sind.  Freilich 
müssen  wir  gestehen ,  dass  gerade  in  diesem  Falle  mit  dem  blos- 
sen Weglassen  der  [  ]  nicht  viel  gewonnen  ist.  Die  Griinde  aber 
für  die  Aechtheit  konnte  Ilr.  M.  natürlich  nicht  entwickeln,  da 
er  keine  Anmerkungen  geben  M^oUte.  Indess  halten  atich  Mir  fast 
alle  die  Verse  für  acht ,  bei  denen  Milsch.  die  Zeichen  der  Ün- 
ächtheit getilgt  hat.  Weniger  sind  Mir  bei  den  für  imächt  ge- 
haltenen immer  seiner  Meinung  und  möchten  noch  mehrere  von 
den  Klammei-n  befreit  wissen.  Andere  mussten  vielleicht  mit  sol- 
chen Haken  versehen  Merden.  Dahin 'gehören ,  inn  nur  ein  Bei- 
spiel anzuführen,  offenbar  Epist.  V,  25,  20,  m eiche  offenbar  aus 
dem  folgenden  Distichon  gebildet  sind,  in  den  Handschriften  ei- 
nen sehr  unsichern  Platz  haben  und  in  der  ersten  AVolfenbüttler 
ganz  fehlen.  Besonders  aber  koimte  sich  der  Hr.  Herausgeber 
in  diesem  Theile  der  im  Ovid  so  grundlos  und  unvorsichtig  an- 
gewandten Kritik  verdient  machen,  Menn  er  mehrere  von  Hein- 
sius  mit  Unrecht  in  die  Noten  verwiesene  A'erse  Mieder  in  Aci\ 
Text  setzte.  Ein  paar  solche  Stellen  aus  den  Metamorphosen 
sollen  weiter  unten  erwähnt  Merden.  In  den  Heroiden  wollen 
wir  nicht  rügen,  dass  er  Epist.  XVI  nach  Vs.  90  die  beiden 
Verse 

Quas  super  Oenonem  facies  mutarer  in  orbem. 
Nee  Priamo  est  ad  te  dignior  idla  nurns. 
nicht  m  den  Text  nahm ,   obgleich  Epist.  XVII,  195  ihre  Aeclit- 


Ovidiiis.      Ed«l.   Mi  tsoli  crlicli   et  Riclitor.  111 

Ix'it  zu  bcslättisreii  scheint:  tlcnn  sie  sind  so  verdorben,  dass  sie 
üliiic  tollIvViline  Aendeniiiii  keinen  passenden  Sinn  j2:eben  und  auf 
den  Zusamnienhaui;  uiclir  stineud  einwiirkeu.  Desslialb  und  wi'il 
iiherliiiupt  in  tliesem  TJieile  des  Biieis  Aveijen  iManirel  au  llüUs- 
nii((elu  die  Kritik  selir  sebwaukend  ist,  können  wir  das  \V  einlas- 
sen derselben  in  einer  Seliulausirabe  nicht  geradezu  verwerfen. 
Aliein  anders  miisscn  wir  Kpist.  XX,  Jl,  12  iirtlieilen,  wo  da- 
durcli,  dass  Hr.  M.  mit  Lcniiep  und  fferfcr  S.  5ß3  das  Comma 
iineb  opto  weffliess,  die  Stelle  nocli  lauirc  niclit  gelieilt  war.  Diess 
sebeinl  ff  crfcr  irefiddt  zu  haben,  der  desswegen  S.  548  au  dem 
i'//t/(l  (  ^  s.  io  )  Anstoss  nahm  imd  aus  der  jMiinchuer  Handschr. 
/j/it  sebreiben  wollte.  IMebr  hätte  er  an  dem  ideni  anstossen  sol- 
len, das  bei  der  jetziijcn  Gestaltuuii  des  Tevtcs  g^anz  sinnlos  ist, 
und  wenigstens  durch  ivf^^/^f/JA' Anmerkung  [ulem  tiineo^  nempe, 
quod  timebam  ante  spem  a  te  miJii  datam,  ne  tu  amori  meo  non 
respondeas,  ne  repulsani  a«te  patiar]  nicht  verthcidigt  werden 
kann.  Diellandüclirr.  geben  freilich  keine  Ausbeute;  allein  An- 
tü/ihis  Vuhvtis  bemerkt,  dass  er  in  einem  alten  Blanuscripte  [in 
i'etusto  et  carie  coiisumto  codice]  nach  11  folgende  zwei  Verse 
gefunden  habe: 

i\ 7  tibi  cum  verhis  excidit  illa  fides. 

Id  mc tili  HG  divae  diffusa  est  ira:  decebat 
So  stehen  uelimlich  die  Verse  in  demCommentar  der  Ausgabe  des 
Ovid  zu  Venedig  1481  fol.  In  der  Ausgabe  1487  findet  sichi\/7  für 
Ai  und  ut  für  ?ie.  Dass  aber  ein  Codex,  der  schon  um  1480  alt 
und  zerfressen  Avar,  in  den  letzten  Uriefen  des  Ovid,  wo  uns  die 
Handschriften  so  oft  verlassen,  gültige  Auctorität  haben  müsse, 
wird  wohl  niemand  bezweifeln.  Daher  ist  jene  Stelle  auf  jeden 
Fall  so  zu  schreiben: 

Invenies  illic\  id  te  spondcre^  quod  opto  ; 
Ni  tibi  cuui  verbis  excidit  illcißdes. 

Id  metui^  ut  divae  diffusa  est  ira:  decebat 
Te  potius^  virgo^  quam  ?uemiuisse  deam. 

ISunc  quoque  idem  timeo  etc. 
Doch  vielleicht  hat  Hr.  M.  aus  uns  unbekannten  Griinden  sich 
gegen  die  Aechtheit  solcher  Verse  entschieden.  Aus  den  ange- 
führten Beispielen  aber  ergiebt  es  sich,  dass  er  im  Ganzen  nicht 
wenig  für  die  Hei'oiden  getJian  habe.  JNiir  müssen  Avir  hier  die 
Ungleichheit  mit  der  Uehaiidluug  der  übrigen  Schriften  des  Dicli- 
ters  erwähnen.  Lange  nicht  so  viel  ist  in  den  Metamorphosen 
und  Fasten  und  noch  weit  weniger  in  denAmoren,  derArsAman- 
di.  i\v\i  Kemediis,  Tristien  und  Kriefen  aus  Pontus,  fast  gar 
nichts  in  den  kleinem  Gedichten  ( Halieuticon,  Ibis  u.  s.  w".)  ge- 
ändert und  verbessert  worden.  Der  Verfasser  deutet  diess  selbst 
Inder  \orre(lean,  und  als  Ueleg  führen  wir  bloss  die  Abwei- 
chungen vom  Burmanu  scheu  Text  aus  dem  4teu  Uucli  der  Me- 
tamorphosen und  dem  ersten  der  Aiuorea  aii.     Metam.  IV,  61 


9 

112  Römische  Littcra  tiir. 

hat  Ilr.  M.  iiiterpungirt :  Sed  vetnere  patres.  Qnod  non  potuere 
veture^  Ex  aequo  etc.  Biirinann:  Sed,  vetuere  patres^  qnod  non 
potuere  vetare.  Ex  aequo  etc.  Vs.  Tß  ist  der  Druckfehler  simus 
in  sumus  verbessert.  Vs.  150  Mitsch.  serns  amor  aus  einer 
Ildschr.  Burmanu  ijab  mit  den  übrigen  certus  amor ^  was  einen 
passenden  Sinn  giebt.  V.  211  Mitsch.  vicit.  Burm.  viiicit  ^  -was 
die  bessei'n  llandsclirr.  für  sich  hat.  Vs.  220  Mitsch.  ad  limviiK 
Burm.  ad  lumina.  Ueber  die  llandsclirr.  lässt  uns  Hcinsius  iu 
Zweifel.  Die  ältesten  Ausgaben  und  die  Berliner  und  zwei  Leip- 
ziger llandsclirr.  geben  lumina.  Vs.  224  Mitsch.  Eripile.  Burm. 
Arripite.  Die  bessten  Ilandschrr.  scheinen  für  abripite  zu  stim- 
men. Vs.  243  Mitsch.  tum^  was  wahrscheinlich  Druckfehler  ist. 
Burmann  hat  tu  ohne  Variante.  Vs.  290  giebt  Mitsch.  nach 
iunci  ein  Punct,  Burmann  ein  Semicolon,  Ganz  falsch  aber  steht 
Vs.  303  nach  cursii  ein  Colon  und  Vs.  3<)4  nach  Dianae  ein 
Comma,  wo  Burmann  richtig  erst  «ein  Semicolon  und  dann  ein 
Punct  giebt.  Vs.  387  Mitsch.  verba  nach  den  meisten  lland- 
sclirr. Burmann  vota.  Vs.  597  Mitsch.  at  illa  Lubrica  jicrmulcet 
cristati  colla  draco?its^  was  der  Sinn  verlangt.  Burm.  at  illos  L. 
permulcent  c.  c.  dracones.  Die  iibrigen  in  diesem  Buche  vorkom- 
menden Abweichungen  sind  bloss  anders  gewählte  Interpunctions- 
zeichen,  z.  B.  Semicolon  statt  Colon  und  umgekehrt,  und  ver- 
schiedene Schreibart  einzelner  Wörter.  Im  ersten  Buch  der 
Amoren  aber  schrieb  Ilr.  M.  Eleg.  6,  39  falsch  ein  Comma  nach 
Timeat  statt  eines  Fragzeichens ;  8,  13  versam  statt  vivam;  8, 
80  tuo  st.  suo;  8,  37  spectabis  st.  der  Conjectur  spectan's;  8, 
68  dat  st.  det  [Heinsius  hat  keine  Variante,  und  allcCodd.  schei- 
nen für  det  zu  stimmen.] ;  9,  31  vocabit  st.  vocavit ;  X,  5  agris 
st.  der  Conjectur -^y-g^/s;  11,  28  chi  Semicolon  statt  Punct  nach 
dedicat;  12,  3  Omnia  nach  den  meisten  Ilandschrr.  statt  Omina., 
was  der  Sinn  fordert  und  die  erste  Auflage  richtig  darbietet;  13, 
41  Cur  ego  plectar  amans ,  Si  vir  tibi  marcet  ab  annis  ?  etc. 
st.  Cur  ego  plectar  amans?  Si  vir  tibi  marcet  ab  annis ;  etc. 
Dass  die  Zahl  dieser  Aenderungen  in  keinem  Verhältnisse  zu 
den  der  Herolden  stehe,  springt  in  die  Augen.  Die  TJngleich- 
mässigkeit  ist  aber  besonders  durch  die  zweite  Auflage  entstan- 
den, in  der  die  iibrigen  Schriften  Ovids  nicht  so  genau  beliandelt 
sind,  als  die  Heioiden.  Jedoch  entschuldigt  sich  der  Ilr.  Iler- 
ausg.  in  der  Vorrede,  indem  er  sagt:  „Paullo  plus  nobis  indiilsi- 
mus  in  doctis  Ileroidum  epistolis,  multo  miserius  quam  reliqua 
omnia  Ovidii,  a  librariis  liabitis,  tantoque  felicius  nobis  in  iis  re- 
fingendis  versari  licuit,  quo  praestantiorem,  quem  sequeremur, 
diicem  nacti  essemus.  Tam  felicem  enim  Lennepii  V.  Cl.  operam 
illae  expertae  sunt,  ut  pauca  adhuc  siipersint,  qiiae,  quum  omnem 
tactum  reformident,  a  Codd.  tantum  salutem  suam  exspectant. '•'• 
Dieser  Grund  lässt  sich  hören ,  und  w  ir  m  ürden  uns  gern  damit 
beguVigeu,'   wenn  wir  nicht  glaubten,    dass  der  Ilerausg.  hier  in 


Ovidius.     Edd.  Mitscherllch  et  Richter.  113 

einem  Irrthmn  befanden  sey,  den  wir  der  Sache  scHist  wea^cni 
nicht  unberührt  lassen  können.  Wenn  er  meint,  dass  die  Ileroi- 
den  vorzugsweise  von  den  Ahsclireibern  verdorben  worden  seyen, 
so  können  wir  das  liöchstens  von  den  letzten  sieben  üriefen  zn^e- 
stelien  (die  aber  nidit  einmal  so  sorgfältig  beliandelt  sind,  als  die 
vierzehn  vorhergehenden);  wiewohl  wir  anch  hier  glauben,  dass 
sie,  den  ITjten  Uriel'  etwa  ausgenommen  ,  nicht  melir  gelitten  ha- 
ben ,  als  die  Metamorphosen,  Tristien  und  Uriele  aus  Pont\is. 
A>()hl  aber  hat  Ale.  Ilcinsius  in  dem  ersten  Uande  des  O^id  (He- 
rolden, Amoren,  Ars  AmandF,  Kemedia  Amoris  etc. )  noch  nach- 
lässiger die  \  arianten  der  Ilandschrirten  aufgezählt,  als  in  den 
iibrigen  zwei  IJänden;  und  hierin  scheint  vielmehr  der  Grund 
der  schwierigen  Beliandhnig  zu  liegen.  Doch  sollte  auch  der  von 
Hr.  M.  angegebene  Grund  wahr  seyn,  so  liess  sich  diese  Schwie- 
rigkeit nach  unserer  Ansicht  am  bcssten  dadurch  heben,  dass  er 
sich  für  die  Behandhmg  des  Textes  noch  mehr  kritische  Iliilfs- 
niittel  zu  a erschallen  suchte,  als  Heinsius  und  Burmann  gaben. 
Wollte  er  auch  nicht  selbst  neue  Codices  oder  wenigstens  die  al- 
ten Ausgaben  vergleichen,  so  hätte  er  doch  nicht  die  von  Fr. 
Hciisiiiger.,  If  icdcbnrg  und  Ruinöl  lierausgegebenen  Yarianten- 
sammlungen  unbenutzt  lassen  sollen.  Er  würde  dadurch  zu  der 
Leberzeugung  gekommen  seyn,  dass  noch  weit  mehr  Stellen  ge- 
ändert werden  müssen,  als  er  wirklich  geändert  hat.  \ielleicht 
hätte  er  dann  z.  B.  II,  liT  falsus  (S.  Kuinoel) ,  II,  73  il/os  (kuin- 
oel),  II,  90  Fessaque  (Burm,  in  addendis),  II,  148  necis  ( Ileu- 
singer),  III,  19  nocte  (Conr.  Heusinger),  III,  55  repellar.,  III,  56 
dantui\  IV,  21  corpes  u,  s.  w.  geschrieben,  und  wenigstens  IV, 
127,157,  VI,  19,  \III,  136  und  anderswo  nicht  blosse  Conje- 
cturen  in  dem  Texte  stehen  lassen.  Auf  jeden  Fall  ward  er 
durch  Fr.  Heiiswger  aufmerksam,  dass  V,  24  recta  ein  Fehler 
sey  und  rite  wiederhergestellt  werden  müsse.  Derselbe  hätte  ihn 
gelehrt,  dass  VII,  53  nescieris  ^(t^^w  die  Grammatik  sey,  und 
dass  man  X,  31  wahrscheinlich  Ul  vidi  ant  etiani  verbessern 
muss,  da  aut  vidi  wegen  des  folgenden  cum  anstössig  ist.  Anch 
wäre  dann  gewiss  XV,  4  movetiir  statt  veniret  gegeben  worden 
und  XVI,  50  die  Lücke  nicht  unbemerkt  geblieben.  Andere 
Stellen  übergehen  wir.  Aber  selbst  Leiinep  und  ff'erfer  schei- 
nen nicht  gehörig  benutzt  worden  zu  seyn.  Wenigstens  macht 
Ersterer  daranf  anfmerksam,  dass  die  IX,  129iinTe"vt  befindliche 
Lesart,  snb  Ilercule.,  sinnlos  sey.  Daher  mnsste  wenigstens  sal>- 
limis  ab  Ilerctde  geschrieben  werden ,  w  enn  nicht  vielmehr  nach 
deji  bessern  Handschriften 

J)at  Valium  popnlo  sublimis ,  iit  Ilcrculc  victo 
Oerhulifim  vivo  slare  parente  pules. 
geändert  werd(!n  sollte.     Derselbe  bemerkt  richtig,    dass  XII,  65 
fiabebat  statt  des  unpassenden  hubcbit  vorziiziilien  sey.       Werfer 
aber  konnte  ihn  anfmerksam  machen,    dass  I\,  175  precibus  la- 

Jafirb.  il.  J^/iü.  u.  fadag.  Jahrg.  1.  Heft  1.  8 


114  Rö  mische    Litteratur. 

crimas  quoque  richtige  Lesart  scy ;  obgleicli  derselbe  das  gram- 
matisch talsclie  lacrimas  precibns  quoque  zu  vertlieidigen  sucht. 
Aus  Beider  Bcmerkungeu  aber  und  aus  dem,  was  Hand  in  den 
Jenaischeu  Litcraturzeitiiuge»  1814  JNr.  15  sagt,  hätte  sich  viel- 
leicht ergeben,  dass  I,  2  zu  schreiben  sey: 

Nil  mihi  resci  ibas  ;  at tarnen  ipse  rem. 
da  alfame?i^  tit  tarnen  u.  a.  uicht  am  Ende  des  Satzes  stehen, 
und  der  Sinn  — •  JSichts  schreib  drauf  mir  zurück  ;  aber  du  sel- 
ber doch  komm  —  sehr  passend  und  dem  Zusammenhange  ent- 
sprecliend  ist.  Aus  den  angeführten  Stellen  aber,  die  sich  leicht 
noch  vermehren  Hessen,  wird  sich  ergeben,  dass  es  mit  dem  kri- 
tisch berichtigten  Tevtc  der  Herolden  noch  gar  nicht  so  sicher 
steht,  und  dass  sich  noch  viele  Stellen  selbst  ohne  Benutzung 
neuer  Handschriften  verbessern  lassen.  Auch  ist  Hr.  M.  seineu 
oben  angeführten  Grundsätzen  in  Bezug  auf  Textesbehandluug 
nicht  immer  treu  geblieben,  und  liat  bei  weitem  nicht  alle  Com- 
menta  Ileinsü  aus  dem  Texte  verbannt,  oder  sich  überall  für  die 
Lesart  der  bessern  Handschriften  entschieden.  \)gi\\\  ob  er  gleich 
Metam.  V,  115  den  bei  Heinsius  so  beliebten  Imperativ  i  aus 
dem  Texte  verbannte  und  richtig  irridens  st.  i  ridens  sclmeb,  so 
ist  doch  Trist.  I,  1,  57  I  tarnen  i  stehen  geblieben.  Auch  musste 
die  Lieblingsformel  nisi  si  Herold.  IV,  111,  Trist.  IV,  3,  53,  V, 
9,  35  u.  a.  a.  O.  weggeschafft  werden.  Hierlier  rechnen  wir  auch 
ausser  manchem  Andern  das  bei  Heinsius  oft  vorkommende  Stre- 
ben, den  Conjunctiv  dem  Indicativo  vorzuziehen,  wie  z.  B.  Me- 
tam. IV,  187  optet  st.  optat  und  248  tentet  st.  tentat.  Sollte  aber 
das  Ansehen  der  Handschrr.  gelten,  so  dui'fte  z.B.  Herold.  VI,  10 
Marti  aus  einer,  VI,  129  laniata^  was  vielleicht  in  keiner  steht, 
VI,  154  sanciat  aus  zwei,  VII,  2-kfo,cis  aus  zwei,  VII,  59  Amo- 
ris  aus  vier,  und  VII,  64:  ferare  aus  zwei  Handschrr.  nicht  bei- 
behalten werden.  Vergl.  VIII,  72,  73,  99,  103,  IX,  38,  66,  86, 
149,  X,  53,  85,  129,  150,  XI,  119,  XII,  39,  68,  170  etc.,  wo  die 
Handschrr.  überall  für  andere  Lesarten  stimmen.  Das  Nehmliche 
ist  auch  in  den  übrigen  Schriften  des  Dichters  der  Fall,  wovon 
jedoch  Belege  zu  geben  uns  zu  weit  führen  würde.  In  den  Tri- 
stien  und  Briefen  aus  Pontus  wird  Herr  M.  deren  sehr  viele  fin- 
den, wenn  er  nur  seinen  Text  mit  dem  Oberlin  sehen  vergleichen 
will.  Ueberhaupt  hätten  dessen  Aenderungen  wenn  auch  nicht 
alle  aufgenommen ,  aber  doch  beachtet  und  geprüft  werden  sol- 
len. Ob  bei  der  zweiten  Auflage  in  den  Metamorphosen  und 
Fasten  Gierig  s  Ausgaben  nicht  noch  besser  benutzt  werden  konn- 
ten, wollen  wir  daliin  gestellt  seyn  lassen.  Doch  kommt  es  uns 
vor,  dass  Gierige  selbst  wo  er  das  Richtige  nicht  traf,  doch  zur 
genauem  Prüfung  und  zum  Auffinden  des  Richtigen  Gelegenheit 
geben  konnte.  So  macht  derselbe  z.  B.  Metam.  IV,  336  richtig 
darauf  aufmerksam,  dass  Desinis  ?  an  fugio  etc.  nicht  passend 
sey.     Kein  Mensch  wird  nun  zwar  mit  ilim  schreiben  wollen  De- 


0  vidi  US.      Edd.   M  it  s  cherl  ich   et  Richter.  115 

si/ie ,  oht  fngio  ;  aber  zur  Prüfung  der  Stelle  giebt  er  Veranlas- 
sung, und  leicht  er^iebt  es  sich,  dass  nach  den  llandschrr.  zu 
vei-bessern  ist :  Dcsiiiis  ?  Aut  fugio  etc.  Vielleicht  konnte  er 
auch  I,  r>  durch  seine  Zweifel  zu  dem  Resultate  fidiren,  dass  die 
Lesart  IcUiis  ireradezu  dem  Sinne  zuwider  ist.  Auf  andere  Stel- 
len hat  üaiimgartcn-  Cntsiiis  in  seiner  Ausgrabe  des  0^id  auf- 
merksam gemacht.  Ausser  Gierig  konnte  vielleicht  auch  Gcse- 
7iiuH  in  den  Fasten  angesehen  werden.  Kr  stellt  z.  IJ.  nach  un- 
serm  IkMlünkon  Fast.  I\  ,  (»27  Svilicct^  (J28  pcrculit  und  73(>  Unda 
inil  Kecht  her.  Durchaus  aber  durften  für  die  ^letamorphoseii 
Botlies  \  iiuliciae  ()\idianae  nicht  \il)ersehen  werden.  AVir  wol- 
len nicht  erinnern,  dass  aus  ihnen  Metam.  1,  JJOä  das  grannna- 
tisch  falsclie  ^oä67'/«,  II,  132  das  sinnstörende  effiigito^  IX,  508 
das  ungewöhnliche jJ«r?V/ .'-■/«  und  andere  Stellen  verbessert  wer- 
den konnten;  obwohl  auch  solche  Aenderun^en  der  Miihe  wcrth 
sind.  Allein  sie  wiirden  Ilrn.  M.  bei  der  Verdamminig  ganzer 
Verse  behutsamer  gemacht  haben,  und  er  hätte  auf  keinen  Fall 
soviel  []  stehen  lassen.  Die  Andeutungen  und  Bemerkungen  von 
7  üss  mal  Bothc  konnten  ihm  zeigen ,  dass  Metam.  III,  251,  252 
und  I\ ,  ICu  schon  des  Zusammenhangs  wegen  nicht  gut  für  un- 
ächt  gehalten  werden  können,  dass  ^  I,  4J)8,  IX,  111  und  XI, 
2ü3  doch  wohl  acht  sind,  uiul  dass  bei  III,  400,  401,  VI,  281, 
2J>4.  532,  VII,  3J)7,  Vlll,  fiO«),  610  und  XV,  502  die  Sache  doch 
noch  zu  migcwiss  ist,  als  dass  man  sich  ohne  weiteres  für  die  Un- 
ächtheit  entscheiden  könne.  Auch  zweifeln  wir  nicht,  dass  er 
dann  nach  Bothc  s  Vorgange  Metam.  IV,  440,  VIII,  525  und  IX, 
415  die  von  Heinsius  mit  Unrecht  aus  dem  Texte  geworfenen 
[von  uns  in  der  3ten  Auflage  der  Metamorphosen  von  Gierig  zu- 
rückgerufenen] Verse  wieder  aufgenommen  hätte. 

Doch  wir  brechen  ab  mit  unsern  Bemerkungen,  durch  die 
wir  nicht  etwa  Hrn.  M.'s  Verdienste  um  den  Ovid  verkleinern, 
sondern  nur  auf  einige  Mängel  aufmerksam  machen  wollten,  die 
in  einer  neuen  Auflage  zu  berichtigen  wären.  AVir  wiederholen, 
dass  (las  Buch  als  Handausgabe  der  gesammten  Gedichte  sehr 
brauchbar,  ja  sogar  das  Jn-auchbarste  von  allen  jetzt  vorhandenen 
ist;  dass  der  Ilerausg.  für  den  Dichter  weit  mehr  als  viele  An- 
dere gethan  hat ,  und  dass  man  in  den  gemachten  Aenderungeii 
den  besonnenen,  erfahrenen  und  scharfsinnigen  Kritiker  nicht 
verkennen  kann.  Die  Bescheidenheit,  mit  der  er  auftritt ,  macht 
seine  ACrdienste  noch  schätzbarer.  Allein  der  Sache  selbst  we- 
gen tiurften  \\ir  nicht  bergen,  dass  erden  in  der  Vorrede  ausge- 
sprocheiun  (jinindsätzen  nicht  überall  nachgekommen  ist,  mui 
dass  er  bei  dt.-r  Behandlung  mehr  Fleiss  und  Sorgfalt  hätte  an- 
wenden sollen.  Dieser  war  besonders  in  oflenbar  verdorbenen 
oder  zweifelhaften  Stellen  nöthig,  weil  ja  in  einer  Ausgabe  ohne 
Noten  der  Leser  gar  keinen  Ilaltungspunct  hat,  wenn  der  gege- 
bene Text  falstJi  ist.     Desshalb  ist  Uecensent  gewohnt,   an  dcr- 

8  * 


116  '       Rü mische  LItteratur. 

gleichen  Ausgaben  die  strengsten  Fordernngen  zu  machen,  und 
er  würde  es  in  solchen  sogar  vorziehen,  in  Stellen,  wo  die  Hand- 
schriften zur  Berichtigung  des  Textes  nicht  ausreichen,  lieber 
eine  kühne  Conjectnr  aufzunehmen,  als  offenbare  Fehler  stehen 
zu  lassen.  Doch  dürfte  dieser  Ausweg  im  Ovid  nur  selten  nöthig 
seyn.  Aus  obigem  Grunde  verlangt  er  in  einer  solchen  Ausgabe 
auch  die  grösste  Correctheit,  >velche  in  Hrn.  M.'s  Buche,  zwar 
ziemlich  gut,  aber  doch  nicht  ganz  ohne  Mängel  ist.  Ueberhaupt 
scheint  die  erste  Auflage  hierin  besser  zu  seyn ,  als  die  zweite, 
in  der  wir  weit  mehr  und  bedeutendere  Fehler  gefunden  haben 
als  in  jener.  Besonders  sind  sie  in  den  Metamorphosen  häufig. 
Diess  ist  um  so  mehr  zu  bedauern,  da  das  Buch  vorzugsweise  eine 
Schulausgabe  seyn  soll.  Mag  auch  der  Schüler  einsehen ,  dass 
es  Heroid.  IV,  114  In  statt  7/«,  XVIII,  149  qua  st.  qjia^  XX,  TO 
Vtraqiie  st.  IJtraqne^  XXI,  228  membra  st.  menhra^  Metam.  IV, 
405  Fiimida  st.  Fnmida^  506  in  st.  m,  752  tribus  st.  tribns  heis- 
sen  und  III,  6  und  Epist.  XIX,  1  ein  Comma  statt  des  Punctes 
nach  pererrat o  und  twrbis  stehen  muss,  so  wird  es  ihm  doch 
schon  schwerer  werden,  zu  bemeiken,  dass  Ileroid,  XV,  103  ein 
Comma  nach  tu  fehlt,  und  dass  Metam.  IV,  381  Semimarem  st. 
Seniinarem  und  393  Tinnulaque  st.  Tinniitaqiie  stehen  sollte. 
Noch  weniger  wird  er  errathen,  dass  man  Heroid.  XX,  99  Omina 
stOmnia,  W,  20i  facis  st.  facit ,  Metam.  lY ,  2iZ  tu  st.  tum 
und  Epist.  ex  Pont.  IV,  3,  52  metues  st.  metuens  schreiben  muss. 
Desshalb  wünschen  wir,  dass  die  Verlagshandlung  bei  einer  künf- 
tigen neuen  Auflage  noch  mehr  Sorgfalt  als  in  den  beiden  ersten 
auf  Correctheit  verwenden  lasse.  Den  Hrn.  Herausg.  aber  bitten 
wir,  dann  für  eine  zweckmässigere  Interpunction  zu  sorgen,  als 
bis  jetzt  geschehen  ist.  Zwar  weicht  er  darin  sehr  häufig  von 
Burmann  ab ;  allein  wir  wissen  nicht,  ob  damit  viel  gewonnen  ist, 
dass  er  z.  B.  in  den  ersten  hundert  und  fünfzig  Versen  des  vier- 
ten Buchs  der  Metamorphosen  Vs.  17,  51,  54,  63,  74,  110,  143 
und  144  ein  Colon  statt  des  Punctes,  Vs.  36  und  60  ein  Colon 
statt  des  Corama's,  Vs.  71,  85  und  111  ein  Colon  st.  des  Semico- 
lon's ,  \  s.  53  ein  Semicolon  statt  des  Colon's ,  Vs.  78  ein  Comma 
8t.  des  Semicolon  s,  Vs.  119,  134,  140  ein  Semicolon  statt  des 
Comma's  und  Vs.  109  ein  Punct  statt  des  Semicolon's  setzt ,  und 
hinter  jedes  O,  Heu.,  En.,  Ecce  ein  Ausrufungszeichen  stellt.  Das 
Anstössige  liegt  darin,  dass  z.  B.  das  Colon  bald  als  Anführungs- 
zeichen vor  der  Oratio  directa  steht,  bald  einem  Erklärungssatze 
vorausgeht,  bald  den  Vorder-  und  Nachsatz  trennt,  bald  endlich 
statt  des  einfachen  Comma's  gesetzt  ist.  Die  nehmliche  Ungleich- 
heit findet  sich  beim  Gebrauch  des  Punctes  und  Semicolon's. 
Freilich  hat  Hr.  Mitscherl.  diesen  Fehler  mit  selir  Vielen  gemein, 
und  Mir  kennen  wenig  Ausgaben,  die  eine  consequente  Interpun- 
ction hätten;  allein  eben  desswegen  halten  wir  es  für  nöthig,  dar- 
auf aufmerksam  zu  machen,  weil  dieser  Umstand  für  Schulausga- 


Ovidius.      Edd.   Mit  scher  lieh   et  Richter.  117 

hcn  vorziig^licli  iiaclinieili^  ist.  \^'iv  mehieii  liier  niclit  solche 
StelU'ii,  wo  (He  ^ers<'!iio(k'iK'  liilcrpunction  auf  einer  vcrsc^liiedcn- 
arliireii  Erklänins;  ])enili(;  oh^leiili  uir  aueli  hier  zu  heiiierkeii 
liätteii,  dassuelleieht  Kpist.  1,  44,  V,  12JI,  \I,  144  ein  Frag- 
zeieheii  statt  des  Piuictes  zu  setzen  sey,  und  dass  in  folgenden 
Stellen  nach  unserer  Ansicht  vielmehr  so  uuterpungirt  werden 
niiisse:  . 

Epist.  VlI,  41 

Quo  fiigis^  obstat  hiems;  luemis  mihi  gratia  prosit:  etc. 

Amor.  I,  1,  15 

An^  quod  ubique  tutim^  iiia  sunt  Heliconia  Tetiipe? 

Epist.  II,  121 

Moesta  iamen  scopulos  friiticosaque  litora  calco  ; 

Qitaqiio  potent  oculis  aeq?iora  [scribe  litora]  lata  meis^ 
Sive  die  laxaltir  humus  sen  frigida  lucenl 

Sidcra\  prospicio^  quis  freta  ventus  agat ; 
Et  quaecunque  etc. 

Epist.  V,  69 

Non  satis  id  fiierat?  Quid  enim  furiosa  morabar? 

Auch  möchte  es  hingehen,  dass  Epist.  \1,  98 
Quaqne  fcros  angues^  te  quoque  ntulcet^  ope. 

mid  Epist.  XVI,  32 

—  quas  habeo ,  di  tueantur  opes 

nach  verschiedenen  Grundsätzen  interpungirt  sind.     Aber  die  In- 

consequenz  der  luterpuuction  wird  sicJi  aus  folgenden  Beispielen 

ergeben : 

Epist.  IV,  175 

Addimus  his  lacrimas precibus  quoque:  verba precantis 
Perlegis^  et  lacrimas  finge  videre  meas. 
Epist.  XVllI,  45 

Farce  ^  precor  ;  facilemque  move  moderantius  auram. 

Lnperct  Hippotades  sie  tibi  triste  nihil. 
Vana  peto.,  precibusque  meis  obmurmurat  ipse: 
Quasque  quatit^  nuUa  parte  coercet  aquas. 
Epist.  XIX,  145 

Turpe  ])eo  pelagi.,  jnvcnem  terrere  natantem: 

Gloriaque  est  stagno  quolibct  isla  minor. 
Nobilis  nie  quidem  est ,  et  clarus  origine :  sed  non 
A  tibi  suspecto  ducit  Ulixe  genus. 
Epist.  XX,  157 

Haec  mihi  se  pcpigit:  puter  hanc  tibi.,  primus  ab  illa: 
Sed  propior  certe^  quam  patcr.,  ipsa  sibi  est. 
Amor.  1 ,  7 ,  33 

Sed  minus  ille  nocens:  mihi  qtiam,  proßtebar  amari^ 
Laesa  est :  Tydides  saevus  in  hoste  fuit. 


1 18  R  ü  ni  i  8  c  li  c  li  i  1 1  c  r  ii  t  u  r. 

/  nunc ,  7nagnificos  victor  molire  t/mmphos, 

Cinge  comam  lauro;  votaque  redde  Jovi: 
Quaeqiie  etc. 
Recensent  muss  gestelien,  dass  er  nicht  einsieht ,  nach  welchen 
Gesetzen  in  diesen  Stellen  der  Gebrauch  des  Conima's,   Scmico- 
lon's   und  Colon's   bestimmt  ist.      Audi  hat    er  diese  Beispiele 
nicht  etwa  sorgfältig  aiifgesueht;    denn  ähnliche  finden  sich  über- 
all. 3Ian  vergleiche  unter  andern  nur  den  Anfang  des  dritten  Buchs 
der  3Ietamorpliosen,  der  etwa  so  interpungirt  werden  luuss: 
Jamque  deits  posita  fallacis  iniagine  tauri 
Se  confessus  erat.,  Dlctaeaqtie  rura  tenebat; 
Cum  pater  ignarus  Cad/no perqtwere  raptain  , 
Imperat  ^    et  poenam^    si  non  invenerit^  addit 
J^.vsilium ,  facto  piius  et  sceleratiis  eodem. 
Orbe  pererrato  (  quis  enim  deprendere  possit 
Furta  Jovis?^  projiigus  patriamqiie  iramque  parentis 
fitat  Agenorides^   Phoebiqiie  oraciilo  supplex 
Considit,    et  quae  sit  telliis  habitanda  requirit. 
^^Bos  tibi'-''  Pliocbus  ait  ^^solis  occurret  in  arvis 
^^]\'tillum  passajugmn  curvique  imtmmis  aratri: 
^Jlac  duce  carpe  vias ,  et ,  qua  requieverit  herba^ 
^^Moenia  fac  condas  Boeotiaque  illa  vocato.'-'- 
Recensent  will  hier  noch  gar  nicht  die  von  Buttmann  in  seiner 
Griech.  Grammatik  und  Andei-n  aufgestellten  Grundsätze  geltend 
machen,   nach  welchen  sich  die  Interpunction  noch  mehr  verein- 
fachen lässt;    denn  er  weiss,    dass  zu  grosse  \ereinfachung  na- 
mentlich fiir  den  Schiller  leicht  Dunkelheit  verursacht.  Aber  auch 
zu  häufige  Interpunction  schadet  und  hat  besonders  den  Nach- 
theil,   dass   die    gewöhnlichen  Zeichen   dafür   nicht   auslangen. 
Wenn  man  z.  B.  Metam.  IV,  9  interpungirt: 
Parent  matresque  nurusque  ; 
Telasque  ^  calathosque^   iiifectaque  pensa  reponunt : 
Turaque  dant:  Bacchumque  vocant^  Bromiumque^  Lyaeum- 

que^ 
Ignigenamque  ^  satumque  iterum^  solumque  bimatrem. 
so  kommt  man  freilich  mit  dem  Gebrauch  des  Comma's  in  Ver- 
legenheit, weil  es  nun  bei  einer  etwas  grosseren  Unterscheidung 
nicht  mehr  ausreichen  will.  Desshalb  muss  man  die  Zeichen  spa- 
ren, so  viel  man  kann;  aber  freilich  auch  des  leichtern  Verste- 
hens  wegen  nicht  zu  sparsam  seyn.  Daher  ist  auch  das  Interpun- 
giren,  wenn  es  richtig  und  consequent  seyn  soll,  gar  keine  so 
leichte  Sache,  und  man  möchte  wohl  wünschen,  dass  wir  noch 
ein  paar  Zeichen  mehr  hätten  und  namentlich  eins,  das  zwischen 
dem  Comma  und  Semicolon  mitten  inne  stände.  Um  so  weniger 
können  w  ir  aber  billigen ,  dass  Hr.  Mitsch.  die  vorhandenen  Zei- 
chen noch  beschränkte,  imd  namentlich  das  in  den  alten  Schrift- 
stellern zur  klaren  üebersicht  oft  so  nöthige  Parenthesenzeicheii 


Ovidius.      Edd.   Mi  l  «c  h  er  li  cli   et   Rirhter.  119 

in  den  meisten  Stellen  verdränj^te.     Dass  tladnreh  mehr  gescha- 
det als  genützt  se}  ,  jjrgiebt  sich  aus  rollenden  Stellen: 

Epist.  Y,  135 

Me  Sntyri  celeres ,  sili'is  ef^o  tecta  latebam., 
QuoesieniiU  rapido^  lurba  proterva^  pede. 

Epist.  VII,  33 

ylut^  e^o  quem  coept\  uequc  C7iim  dedtgnor  ^  amare^ 
Materiam  curat'  pracbeat  ille  meae. 
Epist.  XII ,  89 

Hac'C  animuin^  et  quota pars  haec  sunt?   movere ptieüae 
Simplicis  ;  et  dextrae  dextera  juncta  meae. 

Epist.  XIX,  151 

Sternuit  et  lumen:  posito  Jia/n  scribimus  illo. 
Sternuit^  et  nobis  prospera  signa  dedit. 
Amor.  I,  7,  63 

At  tu  ne  diibita.,  minuet  vindicta  dolorem^ 
Protinus  in  vultus  unguibus  ire  meos. 
Wir  gestehen  gern  zu,  dass  diese  Parenthesenzeicheu  und  über- 
haupt die  ganze  jetzt  gewöhnliche  Interpunction  bei  den  Griechen 
luid  Römern  wohl  schwerlich  im  Gebraucli  waren;  allein  Klarheit 
stellen  wir  liier  gern  über  antike  Form.  Mag  man  daher  auch  in 
Ausgaben,  die  für  Gelehrte  bestimmt  sind,  die  alte  Interpun- 
ctionsart  lierzustellen  suchen;  in  Schulausgaben  führt  sie  zu  kei- 
nem entsprechenden  Zwecke,  imd  davon  werden  wir  uns  nicht 
leicht  überzeugen,  dass  z.  B.  Ileroid.  VII,  157 

Tu  viodo^  per  matreni.,  fraternaque  tela.,  sagittas^ 

Perque  fugae  comites^  Dardana  sacra^  Deos: 
Sic  superent ,    quoscunque  tua  de  gente  reportas^ 

Mars  ferus  et  damni  sit  77iodus  ille  tui ; 
Ascauiusque  suos  feliciter  impleat  annos^ 

Et  senis  Anchisae  inolliter  ossa  cubent : 
Parce  precor  domui  etc. 
der  Schüler  ohne  weiteres  einsehen  werde,  dass  Tu  modo  mit 
Parce  zu  verbinden  sey.  —  Doch  genug  von  dieser  Angelegenheit. 
Da  in  unsern  Tagen  eine  solche  xMenge  von  Schulausgaben  er- 
scheint, so  schien  es  uns  um  so  nöthiger,  die  Sache  zur  Sprache 
zu  bringen,  \\i\A  sie  geht  ausser  gegenwärtiger  Ausgabe  noch  gar 
vielen  an.  Von  Ilrn.  M.  wünschen  wir  nur  nocli,  dass  er  in  einer 
neuen  Auflage  statt  der  Testimonia  veterum  de  Ovidio  lieber  eine 
gedrängte  \  ita  Ovidii  aufnehmen  mag, 

Dass  die  Ausgabe  ^o.  2  aus  der  zweiten  Mit  scherlich' sehen 
Auflage  abijedruckt  sey,  ist  schon  ohen  erinnert  worden.  Sie 
lässt  natürlich  Mit  scherlich' s  Vorrede  und  die  Testimonia  veterum 
weg,  und  giebt  dafür  im  ersten  Bande  eine  zwei  Seiten  lange 
Vorrede  des  Herausgebers,  und  im  zweiten  als  Anhang  die  von 
Wilh.  Canter  verfassten  Argumente  der  fünfzehn  Bücher  der  Me- 


]  20  R  ö  lu  i  s  c  h  e    L  i  1 1  c  r  a  t  u  r. 

taiTiori)lioseii  aus  Burmanris  Ausgabe.  Sie  empfiehlt  sich  durch 
iliren  billigen  Preis,  ihr  gutes  und  weisses  Papier,  und  einen 
scharfen  und  schönen  Druck,  der  grösser  als  in  den  friiheru 
Tauchnitzer  Stereotypausgaben  ist  und  recht  gut  in  die  Augen 
fällt.  In  Hinsicht  der  Correctheit  liat  sie  zwar  noch  manche  Män- 
gel, allein  demungeachtet  ist  sie  auch  von  dieser  Seite  enipfeh- 
lenswerth,  und  wenn  man  die  zeitherigen  Schulausgaben  dersel- 
ben Officin  seit  1812  damit  vergleicht,  so  ist  sie  ausgezeichnet. 
Dalier  ist  das  Verdienst  des  Verlegers  gewiss  zu  loben  und  ge- 
bührend anzuerkennen.  Auch  kann  man  Schillern  das  Buch  als 
brauchbar  empfehlen,  und,  wenn  Ilr.  Mltscherlich  den  dritten 
Band  seiner  Ausgabe  nicht  liefern  sollte,  so  wiirde  sein  Besitz 
sogar  die  Originalausgabe  selbst  entbehrlich  machen.  Nicht  so 
können  wir  mit  dem  Hrn.  Herausgeber  [der,  wie  wir  hören,  schon 
durch  die  Herausgabe  des  bei  Tauchnitz  erschienenen  Taschen- 
wörterbuclis  der  Latein.  Sprache  als  Schriftsteller  aufgetreten  ist] 
zufrieden  seyn ,  da  er  weiter  nichts  als  Corrector  der  Druckbogen 
gewesen  ist,  imd  sich  gar  nicht  als  Editor  hätte  nennen  sollen. 
Doch  er  Iiat  hierin  die  Sitte  unserer  Zeit  mitgemacht,  in  welcher 
allerdings  mehrere  Gelehrte  als  Editores  alter  Schriftsteller  sich 
genaiuit  haben,  ob  sie  gleich  in  der  Regel  weiter  nichts  thaten, 
als  dass  sie  eine  frühere  Ausgabe  abdrucken  Hessen,  die  Drucke- 
reisiinden  corrigirten  und  in  ein  paar  Stellen  die  Schreibart  der 
Wörter  und  die  Interpunctionszeichen  änderten.  Indess  scheint 
CS  ihm  in  der  Vorrede  wieder  leid  geworden  zu  seyn,  dass  er  auf 
dem  Titel  curavit  Ant.  Richter  geschrieben  hat,  und  er  rühmt  in 
derselben  bloss  die  Eleganz  der  vom  Verleger  gewählten  Typen 
und  die  grosse  Sorgfalt,  weicherer  selbst  auf  die  Correctur  der 
Druckbogen  verwendet  habe.  Zwar  sagt  er  unter  andern  auch: 
Tro  fundamento  subjecta  est ,  q?iae  probatissitna  videbatur  edi- 
tioniim  recentiorum ;  sed^  ne  residerent  spholmata^  qiiae^  quia 
sensiim  verborum  non  prorsus  evertunt^  legentes  fere  f allere 
solent^  adhibitae  sunt  in  siibsidium  opes  a  Petro  Burmanno  con- 
gestae.  Nee  poenituit  instituti:  non  pauci  hac  ratione  naevi 
sublati  sunt.  Indess  will  er  damit  nicht  andeuten,  dass  er  die 
opes  Burmafmi  zur  Verbesserung  des  Textes  gebraucht  habe  *), 


*)  So  scheint  es  jedoch  der  Recensent  dieser  Ausgabe  in  dem  Lite- 
raturblatt z.  Schulzeit.  1826  Abth.  2  Nr.  14  verstanden  zu  haben,  da  er 
Aufnahme  der  bewährtesten  Lesarten  und  sorgfältige  Interpunction 
rühmt.  Wahrscheinlich  ist  Ihm  die  Ausgabe  von  Mitscherlich  nicht  zur 
Hand  gewesen ;  alle  Beispiele  wenigstens ,  die  er  anführt ,  finden  sich 
auch  bei  diesem.  Nur  eine  Stelle  Ist  uns  aufgefallen ,  nehmlich  Me- 
tam.  MI ,  35)9  justissima  Phineu,  wo  auf  jeden  Fall  ein  Druckfehler  ob- 
walten uvuss.  Ref.  findet  bei  Mltscherlich  und  in  beiden  Tauchnltzi- 
Bchen  Ausgaben  (1820  und  1825)  iustissima  Phini.     Auch  die  dort  er- 


Ovidius.      Edd.  Mi  tschcrlich    et  Richter.  121 

sondern  dass  durcli  ihre  Benutzung  einige  Druckfeliler  der  Mit- 
scherücli  scheu  Aus£:al)e  Megi^cscliail't  worden  sind.     \^  enigstena 
können  wir  keine  andere  Spnr  der  lienutziuig  der  Jiiirmaim  scheu 
Scliälze  aulfinden,    es  müsste  denn  dieselbe  von  solchen  Stellen, 
wie  Metani.  IV,  54,  verstanden  werden  sollen,  wo  am  Ende  des 
Verses  mit  Bunnaim  ein  Punctum  *:tatt  des  Colon's  gesetzt  wor- 
den ist.     Zwar  können  wir  nicht  bergen,    dass  die  Ausgabe  in 
einigen  wenigen  Stellen  von  der  Mitsch.  abweicht.     So  steht  z.  B. 
Ileroid.  II,  82  fe/or  st.fc/-o/\  M,  140  Qz/ainf/bet  i^t  Qunelibet^ 
\I1,  53  ui/fic  St.  tnuc^  und  XII,  41,  42  sind  als  unächt  mit  Klam- 
mern  eingeschlossen.     Allein    da  diese  Abweichungen  alle  auch 
in  der  ersten  Auflage  von  Mitsch.  stehen ,  so  liaben  wir  iibcr  ihre 
Kntstehung  eine  besondere  Vermuthnug.     Es  ist  bereits  erinnert 
worden,   dass  die  Tauchnitzer  Stereotypausgabe  von  1820  im  er- 
sten Bande  aus  der  ersten,    im  zweiten  und  dritten  aus  der  zwei- 
ten Ausgabe  des  Ovid  von  Mitschcrlich  abgedruckt  worden  ist. 
Irren  Mir  nun  nicht,    so  hat  Hr.  Richter  diese  Ausgabe  von  1820 
zum  Grunde  gelegt;    aber  dieselbe  nach  der  neuesten  Mitscher- 
lich" scheu  Textesrevision  durchcorrigirt ,    und  aus  Versehen  oder 
Absicht  jene  Stellen  unverändert   gelassen.     Eine  einzige  Stelle 
ist  uns  bekannt  geworden;    welche  sich  durch  diese  Annahme 
niclit  erklären  lässt.     Epist.  VII,   74  nehmlich  steht  ?/>s«,   wäh- 
rend Mitsch.  in  beiden  Auflagen  ipse  hat.     Jedoch  ist  dasselbe 
niclit  aw^Biirmanu  geflossen,  sondern  durch  Conjectur  vom  Her- 
ausgeber in  den  Text  gebracht  worden.     Er  fand  nehmlich  bei 
Mitscherlich  durch  einen  Druckfehler  Nee  fe,    si  cupies.,   ipse 
7nanere  siuam  [statt  iVec  ie,  si  ctipies  ipse.,  mauere  siuani]  und 
machte  daraus  Nee  te ,  si  cupies ,  ipsa  mauere  sinam.  Im  Uebri- 
gen  ist  Mit  sc  her  lieh's  Text  so  treu  wiedergegeben,   dass  selbst 
viele  Druckfehler  mit  aufgenommen  Avorden  sind.     So  sind  von 
den  oben  aus  jener  Ausgabe  angeführten  Fehlern  zwar  Heroid. 
IV,  114,    XViil,  149,   XIX,  1,  XX,  70,  XXI,  228,  Metam. 
IV,  381,  393,  405,  506,  752  und  Epist.  ex  Ponto  IV,  3,  52 
verbessert  worden;   aber  gerade  die  siunstörenden,  Ileroid,  XV, 
103,  XX,  99  und  204,   und  Metam.  IV,   243,   sind  stehen  ge- 
blieben.   Eben  so  ist,  um  Anderes  zu  iibergehen,  Amor.  I,  8,  31 
ein  blosses  Comma  hinter  udspice  und  in  den  Briefen  des  Sabinus 
I,  50,  II,  92  und  95  heu  mihi  statt  hei  mihi  beibehalten.     Dage- 
gen Hess  sich  Hr.  Ä.  Heroid.  XV,  123  durch  das  undeutliche  Com- 
ma nacli  cura  verführen,    ein  Punct  dafür  zu  setzen.    Umgekehrt 
hat  er  ebenda  Vs.  177  ein  Comma  aus  dem  Puncte  hinter  erit  ge- 
macht. \  on  neulmizugekommeiieu  Fehlern  suul  uns  ausserdem  nur 


wähnte  Vertauschunp^  des  Bogen  F  im  dritten  mit  dem  Bogen  F  im 
zweiten  Bunde  findet  sirli  in  unserem  Evemplure  nicht.  Doch  machen 
wir  die  Bc&itzcr  der  Auägubc  darauf  aufmcrkäum. 


1 22  Rü  mische    Litte  i-utur. 

M eilige  und  unbedeutende  aufgestossen,  und  wir  glauben  es  Hrn. 
11.  gern,  wenn  er  sagt:  „acerrime  et  indefesso  studio  in^igilatum 
est  speciminum  lypograpliicorum  einendationi/*"  IJebertrieben 
aber  ist  die  Behauptung:  ,,Ita  effectum  est,  ut  a  sphalmatis  typo- 
graphicis  tarn  pura  redderetur  liaec  editio,  quam  paucissiniae, 
puto,  recentiorum,  imo  omniuiu  ad  Iioc  usque  tcuipus  divulgato- 
rum."  Wenn  inan  auch  niclit  die  Zweibn/cker  Ausgabe  erwäli- 
iien  will ,  so  ist  die  a  on  Mit  scherlich  wenigstens  eben  so  correet, 
inid  von  den  Ausgaben  einzelner  Schriften  des  Dichters  sind  die 
von  Leimep.^  Amcu\  Barby  u.  A.  wo  nicht  besser  doch  gewiss 
auch  nicht  schlechter.  Zuletzt  niuss  llec.  auf  dem  Titel  den  bei- 
behaltenen Zusatz  ad  optimornm  librorum  fidem  accitrate  edita 
rügen.  Soll  man  nehmlicli  unter  den  optiniis  libris  Ausgaben  ver- 
stehen, so  ist  diess  unwahr,  da  nur  eine  einzige  benutzt  woi'den 
ist.  Sind  Handschriften  damit  gemeint,  so  maasst  sich  der  Hr. 
Herausgeber  ein  Verdienst  an,  dass  dem  gehört,  dessen  Ausgabe 
er  abdrucken  liess. 

Es  tlnit  uns  leid,  dass  wir  WcTYn  Richter  nicht  mehr  Lob  er- 
theilen  können ;  aber  er  ist  selbst  Schuld  daian.  Hätte  er  sich 
bloss  als  Corrector  genannt,  so  würden  wir  sehr  gern  seine  Be- 
strebungen gebührend  gerühmt  haben.  Doch  da  er  als  Heraus- 
geber auftritt,  so  müssen  wir  auch  unsere  Forderungen  höher 
stellen.  Auch  waren  wir  auf  jeden  Fall  dem  philologischen  Publi- 
cum schuldig,  aufrichtig  darzulegen,  vas  es  von  der  beurtheilten 
Ausgabe  des  Ovid  zu  erwarten  habe. 

Ja  h  n. 


Lateinische  Prosaiker. 


1.  C.  Cor Jl ein  Taciti  Opera.  Ad  optimarum  editionum  fi- 
dem scholarum  in  usiim  ciiravit  G.  H.  Lünemann ,  Philos.  D.  uc 
Gymnasii  Gottingensis  Rector.  Hamiover,  Hahn.  1825.  P.  I.  315  S. 
Pars  II.  320  S.   8.      20  Gr. 

2.  C  Cornelii  Taciti  Opera.  Ex  recensione  Ernestiana  rc- 
cQ^nn\\t  Immanuel  Bekkerus.  In  iisura  scholarum.  Berlin,  Reimer. 
1825.    VI  u.  758  S.    8.     1  TWr.  8  Gr. 

3.  C.  Cornelii  Taciti  Opera.  Cum  indice  rerum.  Ad  opti- 
morum  lihrorum  fidem  adcuravit  C.  H.  IVcise.  Editi»  Stereotyp». 
Leipzig ,  Tauchuitz.  1825.  Tom.  I.  II  u.  30f)  S.  Tom  IL  309  S.  8. 
geh.  1  Thlr. 

JJie  nicht  unbedeutende  Anzahl  von  Schulausgaben,    die  in  dem 
laufenden  Jahrhunderte  von  des  grossen  Römers  Geschichtswerkeii 


T  a  c  i  t  i   0  p  e  r  a.     Edd.   L  ü  n  c  m  a  n  n  ,  B  c  k  k  c  r ,  Weise.   123 

ei'scluencn  sind,  ist  ein  dciitlicher  Beweis,  dass  Tacitus  im  Uii- 
terriclite  liäufiif  frt'inaucht  werde.  Und  diess  mit  vollem  Rcclite. 
Es  ^eliört  hier  iiiclit  her,  die  jäjei^en  das  Lesen  des  Tacitus  mit 
jungen  Leuten  ijemachten  Einwiirfe  zu  widerlegen.  Die  besle  Wi- 
derk'gunfr  ist  diese,  dass  der  grosse  llömer  in  unsern  Gelelirten- 
schulen  ileissig  gelesen  wird.  Was  die  sogenannten  Ausgaben 
in  ns//m  schulannn  hetriin .  so  machen  diese  in  der  Kegel  keine 
Ansprüche  auf  hohen  krilisclien  AVerth.  Das  liegt  in  der  jNatur 
der  Sache.  Wenn  ihnen  nur  eine  von  den  hesseren  Textrecensio- 
nen  zum  Grunde  liegt,  dabei  lur  ganz  korrekten,  säubern  und 
deutlichen  Druck,  wie  auch  iur  weisses,  festes  Papier  gesorgt, 
und  ausserdem  ein  billiger  Preis  gestellt  wird,  lieber  jeden  die- 
ser Punkte  wollen  wir  in  Bezug  auf  vorliegende  Ausgaben  das 
Notlüge  beibringen. 

A>  as  den  ersten  Punkt  anlangt,  sind  die  beiden  erstem  Aus- 
gaben der  letztern  vorzuziehen.  Ein  grosser  Uebelstand  ist  es, 
dass  die  beiden  letztern  Herausgeber  die  \  arietas  Lectionis  nicht 
liinzugefiigt  haben,  llecens.  hat  seiner  Pilicht  gemäss  sich  die 
Mühe  nicht  verdriessen  lassen,  von  den  beiden  letztern  Ausgaben 
die  2  ersten  Bücber  der  Annal. ,  das  erste  Buch  der  Hist.  und 
den  Agricola  mit  Oberlin's  grosser  Ausgabe  und  mit  Lünemann's 
angegebener  \  arietas  Lectionis  genau  zu  vergleichen ,  und  es  hat 
sich  dabei  ergeben,  dass  Lünemann  imd  Bekker  für  die  Revision 
des  Textes  bei  weitem  mehr  als  Weise  gethan  haben,  Kecens. 
will  die  bei  Lünemann  befindliche  Yarietas  Lectionis  hersetzen 
imd  über  einzelne  Lesarten  in  Bezugnahme  auf  Bekker  und  W  eise 
sein  L'rtheil  abgeben.  Da  Recens.  Gelegenheit  haben  wird ,  über 
Tacitus  noch  Manches  mitzutheilen,  so  unterlässt  er  bei  dieser 
Anzeige,  überall  die  Gründe  näher  zu  bezeichnen,  warum  er  ge- 
rade so  und  nicht  anders  urtheilt.  Lünemann  hat  den  Oberlin'- 
scheii  Text  zum  Grunde  gelegt,  Bekker  hat  sich  jnehr  an  JOrne- 
sti  gehalten,  und  weiter  unten  wird  sich  ergeben,  dass  Weise 
von  Oberlin  fast  gar  niclit  abgewichen  ist.  Zu  bemerken  ist,  dass 
*  bedeutet,  dass  Bekker  mit  Lünemann,  und  **,  dass  Bekker 
und  A\  eise  mit  Lünemann  übereinstimmen. 

Annal.  III,  34  divellebaiit.  Diese  Lesart  aller  Bücher  scliützt 
Ruperti  hinlänglich  gegen  Ernesti's  Aenderung  in  deveUebajit. 
Von  Bekker  und  Weise  mit  Unrecht  beibehalten.  IV,  2(»  7iec 
ciilpae  iiescia.  Der  Zusammenhang  erfordert  diese  von  Ryckius 
Iierrührende  Verbesserung,  der  auch  Strombeck  folgt.  Ebend.  47 
qmim  Pompouius  Laben  —  vcncre.  Diese  von  CroUius  vorge- 
schlagene. Aon  Buperti  imd  Lünemann  aufgenommene  und  von 
Strombeck  ausgedrückte  Lesart  ist  vorzuziehen,  weil  donec  — 
rondiiceret  und  dum  venirel  der  Stelle  die  Konzinnität  nehmen. 
Ebend.52  *  (juani  monitn  famafnit.  forma  ein  aus  Gronov's  Atis- 
gabe  fortgepflanzter  Druckfehler.  Yihem\.  "^-^  dif^rcssi  sunt.  Wir 
stimmen  der  Bemerkung  des  Ilerausjgebcrs  vollkommen  bei:    di- 


124  Römische    Litteratur.  , 

gredinon  semper  in  diversa  abire^  d e g r e d i  autem ple- 
rwnqne  ex  loco  snpe riori  descendere  vcl  loco  dece- 
dere sigjtiflcat.  \ergl.  Oberlin  in  den  Addendis  ad  li.  1,  p.  X\', 
wo  er  digressi  in  Schutz  nimmt.  V,  10  velut  agintnm.  Uup.  (e  cod. 
Mirand. )  Die  Vulg.  agnitus  lässt  sich  ans  dem  Taciteisclicn 
Spx-acligebrauchc  immer  nocli  vertheidigen.  VI,  1  in  propf'/njfia 
digressus.  llnp.  Man  vergleiche  das  zu  IV,  li  Bemerkte.  XI,  1 
non  extimnisse  in  concione  popidi  Roniani  fateri^  gloriamqne 
facinoris  idtro  petere.  Ern.,  llup.  Bereits  von  Ruperti  gut  ver- 
theidigt.  Ebend.  10  *  stihjectis  intolerantior.  Wir  halten  diess 
dem  Taciteischen  Spracligebrauche  für  entsprechender  als  intole- 
ratior.  Ebend.  23  iirce  Itomana.  Diese  Lesart  passt  offenbar  bes- 
ser zu  Capitolio.  Ebend.  30  Cincios^  Vectios^  Plautios.  Rup. 
Das  Richtige  möchte  liier  schwer  zu  ti-elFen  seyn.  XII,  35  con- 
ferio  gradu.  Ern. ,  Bip.  Wird  von  PJrnesti  hinlänglich  in  Schutz 
genommen.  Ebend,  50  perpellunt.  Ern.,  Rup.  percellnnt  wird 
durch  die  3ISS.  geschützt,  perpellunt  ist  hier  dem  Zusammen- 
hange angemessener.  Ebend.  G3  vis  piscium  innumera  Pontiim 
erumpens.  Ern.,  Bip.,  Rup.  Diese  Emendation  des  Lipsius  ver- 
dient vollkommen  ihre  Stelle  im  Texte.  XIII,  5  iit  astaret  ahdi- 
tis  a  tergo  foribus ,  velo  discreta.  Die  mit  Ern.  und  Rup.  auf- 
genommene Vulg.  erklärt  der  Herausgeber  also :  Agrippina  astn- 
bat  abditis  (/.  e.  occnltis)  a  tergo  (^ Patrum)  foribus^  velo  dis- 
creta etc.  Das  obditis  des  Lipsius  ist  nicht  nöthig.  Ebend.  13 
seque  Senecae  permitteret.  Ern. ,  Rup.  Gibt  einen  ungesuchten, 
passenden  Sinn.  Ebend.  16  prima  ab  infantia.  Bip. ,  Rup.  Der 
Sinn  erfordert  diess.  Ebend.  36  ne  pugnam  priores  auderent. 
Bip.,  Rup.  Unstreitig  dem  adirent  vorzuziehen.  XIV,  21  con- 
surgeret  ac  destrueretur.  Diese,  auch  schon  \on  Strombeck  be- 
folgte ,  Lesart  scheint  allein  richtig  zu  seyn ,  Aveil  strueretur  ein 
unleidlicher  Pleonasmus  seyn  würde.  Ebend.  28  *  cujus  ^ic.  Ern., 
Bip.,  Rup.  Älit  Reclit  in  den  Text  aufgenommen.  Ebend.  29 
vada  secuti.  Diese  Emendation  Gronov's ,  der  aucli  Ernesti  bei- 
stimmt, verdient  volle  Berücksichtigung.  Ebend.  60  His  motus 
Nero ,  tanquam  etc.  Rup.  Eine  sehr  verderbte  Stelle.  Der  Ober- 
lin'sche  Text  sagt  dem  Recens.  immer  noch  am  meisten  zu.  XV, 
62  bonam  qrium  arlium  famam^  tum  constantis  amiciliae  latu- 
ros.  Rup.  Eine  sehr  zu  billigende  Emendation  Ruperti's.  Ebend. 
QZ*adversiispraesentemformtdinemmolitus.  Ern.,  Rup.  Auch 
von  Strombeck  befolgt.  Bekker  lies't  mit  Lipsius  ?nollitus.  Ebend. 
7-4  verum  tainen  ad  oniina  propinqui  exitus  vertebatur.  Rup. 
Der  Oberlin'sche  Text  quorundam  dolo  möchte  in  diesem  Zu- 
sammenhange der  Freisinnigkeit  des  Tacitus  scliwei'lich  ange- 
messen seyn.  Ruperti's  Emendation  empfiehlt  sich  in  dieser  Be- 
ziehung mehr  als  die  übrigen  Versuche.  XVI,  5  sevcraque  ad- 
huc  et  autiqui  moris  retinente  Italia.  Rup.  Von  Ruperti  gut  ver- 
Uieidigt.    Höhend.  W 2'recibus  et  invidiae  juxta.  Eni.,  Rup.    Mit 


Taciti  opera.     Eilil.  Lünemann,  Bckkcr,  Weise.    125 

Recht  wird  liier  die  c(Ti>ula  et  eingeschoben.  Dass  /?/j:/ß  adverhia- 
liter  hier  richtiger  mit  dem  Dativ  siehe,  Mie  Oberlin  aus  Liv. 
XXIV,  19  zu  beweisen  sucht,  möchte  immer  noch  Widerspruch 
finden.  ' 

riist.  I,  8  belli  r/ie.rperii/s.  Bip.  So  auch  Gutmann.  {J)cs 
L.  Conieliiis  Tarif  t/s  Gescliiclitbiichcr.  Ziirich,  1824.  8.75.) 
Ebeiid.  3S  advcrsaiitcs.  IJip.  Lnstreitig  die  richtige  Lesart.  (Vgl. 
In  aliquot  Taciti  Historianim  loca  Obscrvalionniii  specinicn. 
yiucto/e  Seebodio.  1S12.  p.  12  sq.)  VAiQixA.  AH  stiiprum  passa. 
Ui|).  Diese  Lesart  ziehen  \\'\y  mit  Gutraanii  der  andern  unsa  vor. 
Ebend.  51  *  et  publice  donatos.  Ern.  Diess  ist  dem  damnalos 
der  Dip.  weit  vorzuziehen,  nur  vermisst  man  zu  donatos  das  Sub- 
jekt, daberGutmaim  et  in  .se  a erwandelt,  Mas  wir  billigen.  Ebend. 
70  alani  Silianani  und  gleich  Siliani.  Bip.  Die  richtige  Schreibart 
möchte  schwer  auszumitteln  seyn.  II,  26  *  atque  itineris.  Ern., 
Bip.  (Leber  ac  vor  einem  Vokal  ist  zu  vergleichen:  Hess  zur 
Germania.  41,  2  und  die  daselbst  angefiihrten  Schriftsteller  und 
Stallbauni  ad  Ruddiinanni  Inst.  Gram.  Lat.  Lipsiae,  1823.  P.  II 
p.  343.  Dagegen  Ramshorn  Lat.  Gram.  1824.  §  179  S.  315  fF.) 
Ebend.  31  sibi  ipsi  hostis.  Ern.  ipst  ist  allein  richtig  im  Gegen- 
satze von  reipublicae  exitiosior.  (lieber  die  Verbindung  des  Pron. 
ipse  mit  dem  Pron.  pers.  ist  zu  vergleichen:  Seebode  I.  c.  p.  26, 
Ciceronis  Eclo^ae  von  Olivet.  Zweite  Ausg.  von  Ochsner.  1820. 
S.331F.,  Creuzer,  teutsche  Chrestomathie.  Von  Dr.  Hess.  Dritte 
Aufl.  1825.  S.  62,  Archiv  für  Philologie  und  Pädagogik.  Von 
Seebode.  Jahrg.  I  Heft  4.  1824.  S.  648  if. ,  Uebungsschule  für 
den  Lat.  Styl.  Von  Weber.  Erste  Abth.  Frankfurt  a.  M.,  1824. 
S.  75  iVnmerk.  75,  Ramshorn  a.  a.  0.  §  158,  I,  2,  d)  S.  335, 
Krebs  Lat.  Gram.  2te  Aufl.  1824.  §403  S.  273,  Zumpt  Lat. 
Gram.  4te  Aufl.  1824.  §84S.482ft'.,  Ruddimanni  List.  Gram. 
Lat.  Ed.  Stallb.  P.  II  p.  ü6.  )  Ebend.  40  ad  debellandum.  Bip. 
ad  bellandum  trefflich  von  Gutmann  gegen  die  Bip.  vertheidigt. 
Ebend.  74  esse  privali-i  cogitali'onibus  regresstim.  Ern.  progres- 
sum  zielien  wir  als  die  Lesart  der  Handschriften  vor,  und  sie  gibt 
auch  einen  guten  Sinn.  Ebend.  88  vernacula ,  ut  rebantur ,  ur- 
banitate.  Ern.  Ist  dem  Sinne  der  Stelle  sehr  angemessen,  wie 
auch  Strombeck  iibersetzt.  III,  3  *  tracturus  interpretatione. 
Bip.  Ist  mit  Recht  aufgenommen.  Ebend.  6  secretis  apud  Nero- 
nem  sermonibns.  Ern,,  Bip.  Recens.  schwankt  zwischen  sermo- 
nibus  und  rumoribus.  Ebend.  13  *  Quas  enim  —  donum  daren- 
tur.  Ern.  IMit  Recht  sind  die Einklammcrungszeichen  getilgt.  Vor 
armatorum  hat  der  Herausg, /o/  wieder  eingeschoben,  was  Bek- 
ker  nicht  gethan  hat.  Ebend.  28  *  Hormine  id  ingenium.  Ern. 
Allein  richtig.  Eben  so  Strombeck  und  Gutmann.  Ebend.  54  ser- 
mones  —  vulgaverant.  Der  Ileraiisg.  liest  und  iuterpungirt:  pro- 
hibiti  per  civilatem  sermoues^  eocpie  plures:  ac,  si  liceret.,  rera 
7iarraticri.,  quia  vetabanlur  .^  atrociora  vulgaverant.   IV,  12  in- 


126  Römische    Litteratur. 

sulam^  Batavam  a  se  dictam.  Bip.  llecens,  zielit  noch  immer 
die  Lesart  vor:  insulam^  inter  viula  sitatn.  Ebenil.  *  opibus  Ro~ 
manis.  Em.  Romaiiis^  was  Oberlin  strich,  ist  mit  Recht  herge- 
stellt. Ebend.  2()  exjjonereiit.  Em.,  Bip.  Der  Streit  um  expo7ie~ 
reut  und  exponeret  möchte  wol  nutzlos  seyn.  Ebend.  25  cirmari. 
Bip.  Ist  der  Lat.  Satzverbindung  angemessener.  Ebend.  pace  su- 
specta.  Ujis  scheint  das  in  vor  pace  rnit  Reclit  gestrichen  zu 
seyn.  Hätten  doch  Muretus  und  Acidalius  für  die  Beibehaltung 
des  771  die  nöthigen  Beweise  aufgestellt.  V,  1  *  pricatis  utrius- 
qite  rebus.  Ern.  Allein  richtig.  Tr^-lllich  von  Gutmann  verthci- 
digt.  Ebend.  8  ex  primis  mimimehlis  lubis.  Kyck.  Eine  niclit  zu 
verwertende  Lesart. 

German:  3  baritiim.  Diese  Schreibart  des  Puteol.  liält  auch 
Passow,  dem  Hess  und  Günther  beistimmen,  für  die  richtigere, 
Dilthey  hingegen  entscheidet  sich  für  banitits.  Ebend.  Nee  tarn 
vocesillae.,  quam  virtutis  concentus  videlur.  JVach  Passow.  Nur 
dass  dieser  videntur  statt  videtur  lies't.  10  *  consulatur.  Bip. 
Z,u  dieser  Stelle  bemerkt  der  Herausgeber:  consuletur .,  quod 
Stare  non potest ^  restUuit  Em..,  eumque  secutus  Ober!.  Voci- 
bus  si  —  s/w  priori  loco  vis  inest  geminatae  particidae  sive^ 
u/ide  Subjunctivo  opus  esse  facile  intelligitur.  Nicht  zu  überse- 
hen ist  das ,  was  Passow  dagegen  erinnert.  Mit  ihm  liaben  Hess 
und  Günther  consuletur  beibehalten.  20  pares  validique.  Lips. 
Diese  Lesart  verdient  Berücksichtigung,  insofern  das  masc.  Brä»i- 
tigam  imd  Braut  bezeichnet.  21  Victus  inter  hospites  comis. 
Diese  Worte  sind  mit  Unrecht  in  Klammern  eingeschlossen.  Man 
vergleiche  zu  dieser  Stelle  Passow,  Orelli  und  Hess.  Dilthey  da- 
gegen ist  Lünemann's  Meiimng.  iä  läuc  iisque^  tit  faina.,  vera 
tantuin  natura.  Eine  viel  besprochene  Stelle.  Dilthey's  einfache 
Erklärung  derselben  verdient  Beifall.  Eben  so  sieht  Strombeck 
die  Sache  an.  46  Id  beatins.  Bip.  Passow  bemerkt  zu  dieser 
Stelle,  dass  nichts  gewöhnlicher  als  die  Auslassung  des  Pron.  sey. 
Ebend.  opus  sit.  Bip.  nach  Pichena.  Es  kommt  hier  bloss  dar- 
auf an,  ob  man  die  Sache  als  Ereigniss  der  Vergangenlieit  oder 
als  Erscheinung  der  Gegenwart  ansieht.     Vergl.  Dilthey  z.  d.  St. 

Agric.  4  ultraque  quam.  Bip.  nach  Lipsius.  Recens.  zieht 
mit  Jacobs  (Ä7/o  der  Römer.  Jena,  1825.  S.  238)  ultra  quam. 
vor.  11  vivinam  insulam.  Dronke  (e  codd.  Vatic).  Diese  Lesart 
billigt  aucli  der  Recens.  des  Dronke'schen  Agricola  im  Pädago- 
gisch-Philologischen Literaturblatte.  1825  Num. 42S.  345.  Ja- 
cobs liat  a.  a.  O.  viciimm  solum  beibehalten.  25  oppugnare  ultra 
castella  adorsi.  Bip.  nach  dem  cod.  ürsini.  Unstreitig  eine  sehr 
gute  Verbindung.  34  robore.  Ern.  Recens.  zieht  contra  ruere 
vor,  was  er  in  seiner  neuen  Ausg.  des  Agricola  nälier  angeben 
wird.  38  omnis  redierat.  Ern.  nach  Pichena.  Die  Vulg.  omni  re- 
dierat.,  welche  auch  Dronke  beibehalten  hat,  gibt  ebenfalls  einen 
passenden  Sinn.  4:'^  ex  more  principis.  Bip.  nach  ürsimis,  Mure- 


Taciti  opera.      Edd.  Lünemann,    Bckkcr,   Weise.    121 

tiis  und  Acidalius.  Recens.  findet  ruitDronke  die  Lesart  pnncipa- 
tf/.s  iiocl»  passender.  4ii  fornia/nque.  Bip.  nacli  Acid.  fotnio/tique^ 
Mas  aucli  Dronke  und  Jacobs  aurgenonunen  Jiabcn,  überwiegt  bei 
weitem  die  hc^arifamh/iifjt/e. 

Dhl.-i  fitqf/e  assidua.  Vergl.IIist.il,  26.  Bekker  liätte  hier 
wie  an  jener  Stelle  atgue  aui'nelinien  sollen.  9  aut  ad  te^  Mater- 
nc'^  j/o/i  (jnia  etc.  Krn.^  Bip.  Diess  erfordert  der  Zusammenhang. 
15  vont cutis.  Eni.  Dem  Sinne  angemessener.  32  Ä/*',  ut  opiiior., 
rebus.  Immi.,  Bip.  Das /y/e//  ist  mit  Beeilt  gestriehen.  39**/^«- 
troiiKs  indhit.  Ern.,  Bip.  Allein  rirlitig.  Ebend.  utque  alter. 
\ergl.  Ilisl.  II,  2«,  Dial.  4.  M)  aut  iillius  ^entis.  Gut.  41*//« 
clieiitctam.  Bip.  Diess  erfordert  der  Sinn  diireliaus.  Eigene,  in 
den  'i'evt  aufgenommene,  Emendalionen  und  Konjekturen  finden 
tiicli  bloss  iblgeiide.  Annal.  \I\  ,  58  effiigeret  segnein  mortem: 
otii  s//ß'//gi//m  et  mngni  noniinis  miserationem:  reperturum  etc. 
Otii  s//ß'/fgium  hat  das  Ms.  Agric.  Die  Stelle  erläutert  der  ller- 
ausg.  also:  ejfi/geret  segnein  {imiltani)  mortem:  otii  (i.  e.  homi- 
num  in  otio  vicentium.,  s.  procul  a  repuhlica  gerenda  habitorum ; 
opponitiir  enim  iis.,  qni  cum  imperio  sunt)  suffugiiim  et  {etiam) 
magni  nominis  miserationem  [esse):  repertun/?n  etc.  Dial.  26 
plus  viri  habeat  quam  sanguinis,  [viri  ist  nämlich  der  Genitiv 
von  virus.) 

Die  übrigen  Abweicliungen  von  dem  Oberlin'schen  Texte  in 
der  Bekker'schen  und  AVeise'schen  Ausgabe  sind  folgende.  Um 
jedoch  diese  Anzeige  niclit  zu  weit  auszudehnen,  wollen  wir  sie 
hier  mittheilen,  ohne  unser  Ürtlieil  näher  anzugeben.  Bekker. 
Annal.  I.  17  **  acceperint.  [Ist  bei  Lünemann  in  der  Varietas 
Lectionis  nicht  angegeben.  ]  II,  76  *  prompta  Uli  legionum  stu- 
dio. [Ist  ebenfalls  in  der  Var.  Lect.  niclit  bemerkt.]  Hist.  I,  8 
Germanis  exercitibus  und  Germani  exercitus.  Ebeiid.  7()  alam 
Sullanam  u\n\Sulla?ii.  }^\n^i\d.7oom?iibus  invicem  gnaris.  Ebend. 
7J)  ex  Jerocia  et  successu.  Ebend.  85  J^t  oratio.  Ebend.  89  ad- 
versa  reipublicae  pertimuere.  Agric.  10  dispecta  est  et  Thule.^ 
quam  liactenus  ?iix  et  hiems  abdebat.  21  in  bellci  faciles.  22  ac 
fugti-  25  amplas  ciritates.  31  nonne  ostendamus.  32  nostris  Uli 
dissensiojiibus.  34  deprehensi  sunt  novissimi.,  et  extremo.  38  se- 
creti  colles.  45  Rusticique  visus.  Ferner  sind  folgende  Stellen 
als  luiächt  bezeiclinet.  Annal.  M,  24  *  *  [alienationem  mentis 
simulans].  XII,  13  [et  ArbeUi].  Ebend.  14  vnum  [erat']  reliquum. 
Ebend.  31  [ad]  Aufonam.  Ebend.  33  astu  [tum]  locorum.  Ebend. 
38  [e]  vicis.  Ebend.  65  **  [si  Aero  impcrilarct.  Britannico  suc- 
cessore.,  nulluni  principi  meritum.,  ac].  Woltmann  gibt  sich  be- 
kanntlich viele  Mühe,  diese  Worte  zn  retten.  JVerke  von  Taci- 
tus.  B.  6  S.  LXXXIX  fr.  XIV,  30  Furiarum  [quae]  veste  ferali. 
Mit  der  I.'iterpunktion:  crinibus  dejectis :  faces  praeferebant. 
Ebend.  53  7nu7ii/icentiae  [tuac]  adhibere.  XV ,  49  [consulem  de- 
sig?iatum].    Ebend.  53  *  *  [in  Elruriu],   Ilist.  I,  70  *  *  [urbis] 


128  Römische  Litteratur. 

prociiratorem.  IV,  46  [sed  immensa  pecimia  dicehatur^  qua 
tanta  vis  hominum  retinenda  erat].  Weise.  Annal.  1 ,  26  7iisi  ad 
se  statt  ad  se  Jiisi.  Ebeiul.  28  et  st  qui  alii  st.  et  si  alii.  Gleich 
nachlier :  hi  vigiliis  st.  ü  vigiliis. 

Alien  drei  Ausgaben  sind  Indices  liistorici  beigefügt.  Nnn 
noch  ein  Wort  über  die  Orthographie.  Bekker  schreibt  z.  B. 
lettuUt.,  quattuo?'.,  coiidicio ^  caelum^  caussa.  Grotefend  er- 
klärt sich  in  seiner  Lat.  Grammatik  gegen  diese  Schreibart, 
Ramshorn  gegen  caelum^  rettulit  ^  qualtuor  ^  aher  Tür  condicio^ 
Ztmipt  fiir  quattuo?'^  Krebs  gegen  caelum.,  quatluor^  caussa. 
Ueber  die  von  Bekker  und  Weise  beibehaltene  Schreibart  inrüuSy 
coidapstis.,  inmemor  ff",  vergleiche  man  Baumgarten- Crusius  in 
der  Vorrede  zum  Livius.  Leipzig,  bei  Teubner,  1825.  p.  IV. 
Lindemann  in  der  Vorrede  zu  dem  Buclie :  Selecta  e  poetis  La- 
tin, carmina.  p.  V.  Diese  Sache  verdient  gewiss  die  grösste  Auf- 
merksamkeit der  Gelelirten.  Älöchte  doch  ein  zweiter  Celiarius 
darüber  eine  neue  gründliche  Untersuchung  anstellen!  K.  L. 
Schneider' s  Elementarlehre  der  Lateinischen  Sprache.,  Erster 
Band,  Berlin,  1819,  enthält  trefTliche  Vorarbeiten  dazu.  Auch 
in  diesem  Buclie  ist  gegen  die  von  Bekker  und  Weise  zum  Theil 
beobachtete  Schreibart  in  der  Regel  entschieden. 

Aus  dem  bisher  Beigebrachten  ergibt  sich  deutlich,  was  je- 
der der  Herausgeber  für  die  Revision  des  Textes  geleistet  liat. 
Dass  Weise  sich  so  streng  an  Oberlin  gehalten  hat,  das  hat  uns 
allerdings  etwas  Wunder  genommen,  da  es  ja  heut  zu  Tage  keine 
Frage  mehr  seyn  kann,  dass  Oberlin  nicht  immer  die  besten  Les- 
arten befolgt  hat.  Lünemann's  und  Bekkcr's  Ausgaben  haben  un- 
streitig einen  solchen  Werth,  dass  sie  ein  neuer  Bearbeiter  des 
Tacitus  nicht  unbenutzt  lassen  darf.  Die  Freunde  des  grossen 
Geschichtsschreibers  dürfen  sich  sehr  viel  von  der  neuen  Bear- 
beitung desselben  durch  HeiTu  Professor  Kiessling  zu  Zeitz  ver- 
sprechen. Möge  der  \erdienstvoIIe  Schulmann  uns  seine  Ausgabe 
nur  nicht  zu  lange  vorenthalten ! 

Was  den  zweiten  Punkt,  den  korrekten,  säubern  und  deut- 
lichen Druck,  wie  auch  die  Weisse  und  Güte  des  Papiers  anlangt, 
so  verdienen  die  Ausgaben  von  Weise  undLünemann  vor  derBek- 
ker'schen  bei  weitem  den  Vorzug.  Die  Schwärze  ist  in  diesem 
Buche  ganz  schlecht,  das  Papier  grau  und  dünn,  so  dass  nicht 
nur  viele  einzelne  Buchstaben,  sondern  ganze  Wörter  in  einander 
geflossen  sind  und  dadurch  die  Schrift  an  vielen  Stellen  ganz  un- 
leserlich ist.  Bekker's  Ausgabe  ist  daher  Lernenden  in  dieser 
Beziehung  eigentlich  gar  nicht  in  die  Hände  zu  geben.  Auch  ist 
sie  bei  weitem  nicht  so  frei  von  Druckfehlern  wie  die  beiden  an- 
dern Ausgaben.  So  steht  z.  B.  Annal,  I,  5  reprererit  st.  repere- 
Tit.,  II,  G placidior  adfluens  st.  placidior  et  adflneiis .,  Hist.  I,  3 
fehlen  nach  virorum  die  Worte :  necessitates :  ipsa.  Bei  Weise 
ist  uns  aufgestossen  Annal.  XII,   35  conterto  gradu.  (Soll  diess 


Gellii  Noctes  Attic.  Ed.  Lion.  129 

nun  conferto  oder  conserto  gradu  heissen?),  Ilist.  I,  41  qui  tnali 
st.  quid  inali. 

In  Hinsicht  des  dritten  Punktes ,  des  Preises,  ist  zu  bemer- 
ken, dass  derselbe  von  den  drei  Verlegern  dieser  Bücher  billig 
gestellt  ist. 

J.  G.  A.  Steuber. 


Auli  Gellii  Noctes  Atticae.  Collatls  Mscpt.  Gnclferb.  et 
t'dd.  vctt.  recensuit,  aiiiiotatiouibiis  criticis  etc.  (^sict)  illui^travi^ 
indicibusquc  ropiosissiinirs  instruxit  Albertus  Lion ,  Phil.  Dr.  in  Aca- 
deniia  Georgia  Aiijjusta  privatim  docens.  Gottiiigae  apud  Vanden- 
hoeck  et  Ruprecht.  1824.  Vol.  I.  XXXVI  u.  642  S.  Vol.  U.  714  S. 
inSvo.  öThlr. 

Wie  vollständige  Erklärung  der  Attischen  Nächte  des  Gellius 
würde  einen  zweiten  Salmasif/s  erfordern,  dem  allumfassende 
Gelehrsamkeit  imd  iMufse  zu  Tlieil  uürde,  um  alles  dasjenige, 
>vas  Gellius  sagt,  durch  Erläuterung  und  Berichtigung  in  das 
hellste  Licht  zu  setzen ,  und  die  von  ihm  kurz  berührte«  Gegen- 
stände zu  entwickehi  und  durclizufüliren.  Es  ist  aber  überhaupt 
die  Frage,  ob  Schriftsteller  so  weitschichtigen  Innhalts,  >vie  z.  B. 
Gellius,  Macrobius  und  andere  sind,  sich  bei  dem  jetzigen  Stand- 
punkte der  Philologie  zu  einer  eigentlichen  Interpretation  eignen, 
oder  ob  nicht  vielmehr  ein  Herausgeber  solcher  üeberreste  des 
Alterthums  sich  damit  zu  begnügen  hat,  den  Text  seines  Schrift- 
stellers nach  allen  kritischen,  grammatischen  und  historischen 
Gründen  so  fehlerfrei  als  möglich  zu  geben,  Interpretation  aber 
nur  in  so  weit  liinzuzulugen,  als  sie  mit  der  Kritik  zusammen- 
hängt, oder  durch  sie  bedingt  Avird,  und,  lun  den  Lesern  das 
Urtheil  über  seine  Fähigkeit  als  Interpret  freizustellen,  einzelne 
Gegenstände,  die  zu  dem  Autor  in  Beziehung  stehen,  in  Exkur- 
n  oder  besondern  Werken  zu  beliandeln.  Herr  Dr.  Lion^  der 
kurzer  Zeit  dem  philolog.  Publikum  eine  bedeutende  Anzahl 
von  Schriften  des  veischiedenartigsten  Innhalts  dargeboten,  und 
dadurch  seinen  Beruf  zur  Herausgabe  des  Gellius,  eines  sehr  ge- 
lehrten und  gelehrter  Hand  bedürftigen  Mannes,  bewährt  liat, 
hat  der  Meinung  den  Vorzug  gegeben,  welche  wir  zuletzt  auf- 
stellten, ohne  doch  für  nöthig  zu  finden,  diese  oder  jene  von 
den  vielen  historisclien,  grammatischen  und  andern  Untersuchun- 
gen ^  zu  denen  Gellius  so  Aielfache  Gelegenheit  giebt,  durchzu- 
führen; sondern  er  sollte  sich  begnügen,  den  'J'e.vt,  der  in  den 
Buchhandlungen  vergebens  gesucht  wurde,  mit  einer  vollständi- 
gen Sammlung  von  \  ariantea  herauszugeben,  und  so  denen,  die 
8ich  mit  Gellius  vorzugsweise  oder  zum  Behufe  anderer  Gegen- 
stände beschäftigen,  brauchbare  Materialien  zu  sammeln.     Darü- 

Jahrh.  d.  Phil.  v.  Pädafr.  JaUr^.  1.  //r/rl.  !) 


130  Römische    L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

her  mit  Herrn  Lion  zu  rechten,  wäre  unbillig;  niclit  iiber  das, 
was  imtte  geschelin  können,  wollen  wir  sprechen,  sondern  wie 
das,  was  er  hat  i\\m\  wollen,  aus^^eluhrt  worden  ist.  Und  liier 
mVisscn  wir  deini  gleich  zum  Anlange  unserer  Beurtheilung  frei 
aussprechen,  dass  uns  seilen  ein  philolog.  Buch  vor  die  Augen 
gekommen  ist,  dessen  Verfasser  Unwissenheit,  Nachlässigkeit, 
Anniassung  und  Ujjverschämtheit  in  so  hohem  Grade  rereinigt 
hat,  als  wir  es  hier  finden.  Der  Vorwurf  klingt  hart,  und  man- 
cher, der  sich  der  sanft  einherwandelnden  Kritik  freut,  wie  sie 
noch  Aor  wenigen  Jahren  grösstentheils  sich  dai'stellte,  und  der 
in  ihr  das  Zeichen  einer  allgemeinen  Bildung  fand,  wird  uns 
dünkelhaft  und  grob  schellen.  —  Wir  wollen  und  können  es  nicht 
wehien  ;  wir  wollten  uns  aber  wenigstens  gegen  den  ^orwurl'  der 
hinterlistigen  Ileimtiicke  schirmen,  die  mit  derselben  Iland  Lieb- 
kosungen TUid  Dolchstiche  austheilt ,  und  iibernehmen  dalier  die 
Anzeige  des  Buchs  in  einer  Zeitschrift,  wo  Anonymität  nicht  ge- 
stattet ist.  Dass  wir  aber  so  umerhüllt  die  Wahrheit  ausspre- 
chen ,  hat  seinen  Grund  vorzViglich  in  der  Beschuldigung ,  die 
wir  dem  Herausgeber  zuletzt  gemacht  haben,  der  der  Unver- 
schämtheit. 

Wean  die  Herausgabe  irgend  eines,  auch  des  kleinsten 
Schriftstellers  des  Alterthuras  ein  Geschäft  ist,  das  man  nie  ge- 
wissenlos übernehmen  sollte,  so  wird  die  Verantwortung  desto 
grösser,  wenn  man  bei  dem  Buche  als  Nachfolger  eines  Mannes 
auftritt,  dem  man  in  jeder  Hinsicht  viel  verdankt,  und  der  sich 
grosse  Verdienste  um  seinen  Schriftsteller  erworben  hat.  In  die- 
sem Fall  war  Herr  Dr.  Lio?i.  Mit  Ausnahme  Conradis ,  der  doch 
nicht  viel  mehr  als  einen  blossen  Abdruck  liefern  wollte,  war 
Gronov  der  letzte  bedeutende  Herausgeber  des  Gellius,  und  den 
W  eg  von  neuem  zu  betreten ,  den  ein  solcher  Mann  zurückgelegt 
hatte ,  niusste  die  Schwierigkeit  des  Unternehmens  gar  sehr  er- 
höhn! Wenigstens  musste  es  die  unerlässliche  Pflicht  des  neuen 
Herausgebers  sein,  die  Verdienste  des  Vorgängers  noch  einmal 
kurz  zusammenzufassen,  der  Dankbarkeit,  die  einem  solchen^ 
Manne  gebührt,  den  gehörigen  Zoll  zu  bringen,  um  sich  so  der 
Ehre  >vürdig  zu  machen,  Gronors  Nachfolger  zu  heissen,  der 
in  der  altern  philolog.  Schule  Hollands  nach  unserm  Dafürhalten 
den  ersten  Rang  einnimmt.  Diese  Dankbarkeit  aber,  die  jedem 
Guten  nicht  nur  heilige  Pflicht,  sondern  auch  walires  Bedürfnis« 
des  Herzens  ist,  hat  HerrL.  nicht  nur  nicht  beobachtet,  sondern 
sich  auch  der  grössten  Undankbarkeit  schuldig  gemacht,  die  in 
unserer  Wissenschaft  begangen  werden  kann.  Ein  Plagiat  von  so 
grossem  Umfange,  Avie  des  Herrn  Lions  in  diesem  Buche  wird 
selten  vorkommen,  und  deswegen  glaubten  wir  ohne  Helil  spre- 
chen zu  müssen ,  nicht  nur  um  Herrn  L.  selbst  die  Lust  zu  ähnli- 
chem Schleichhandel  zu  benehmen,  der  Avohl  gar  bessern  Unter- 
nehmmigen  in  dem  Wege  stände,  sondern  aucli,  um  zu  verhüten, 


Gellii  Noctcs  Attic.  Ed.  Llon.  131 

dass  nicht  die  Pliiloloiren  Hollands,  die  vor  kurzem  ein  neues  kri- 
tisches Tribunal  erriclitct  haben,  mit  Reclit  eifersüclitisf  auf  die 
Ehre  ihrer  g^rossen  Vorlaliren  zuerst  die  Sünde  in  ihrer  ganzen 
Ilasslichkeit  aufdeckten.  Kine  \  erlieimlichiuig  könnte  hier  leiclit 
für  Billijrunjr  freiten!  Dazu  kommt,  dass  auf  diese  Art  der  wohl- 
erworbene Ruhm  deutscher  Gründlichkeit  verlohren  geht,  und 
wir  am  Ende  in  die  Kategorie  eines  Leinaire  und  anderer  gesetzt 
M  erden.  Schon  einmal  ist  Herr  Liou  bei  Gelegenheit  seiner  Aus- 
gabe Aon  Xenoplions  Anabasis  von  dem  gelehrten  llecensenten  in 
der  Leipziger  Lilteraturzeitnng  (1825  St.  28  IF.)  und  auch,  Menn 
wir  niclit  irren,  \o\\  andern  Seiten  her,  derselben  Umerschämt- 
heit  beschuldigt  worden ,  in  der  er  sich  also  reclit  zu  gefallen 
scheint,  ganz  wie  Jener  bei  Iloraz,  der,  um  die  Stimme  des 
Volks  unbekümmert,  spricht: 

Populus  me  sibilat,  at  mihi  plaudo 

Ipse  domi,   simul  ac  immmos  contemplor  in  arca. 

Es  steht  bei  Herrn  Lion ,  ob  er  in  dieser  Weise  auch  bei  den 
übrigen  Sclirift stellern  des  sogenannten  silbernen  und  ehernen 
Zeitalters  der  Komischen  Litteratur  fortfahren  will,  deren  Bear- 
beitung er  in  der  Vorrede  zum  Gellius  S.  VI  angekiindigt,  und 
schon  mit  unglaublicher  Schnelligkeit  durch  die  Ausgabe  des  Ser- 
rius  begonnen  hat,  dem  >vahrscheinlich  auch  des  altern  Plinius 
Naturgeschichte  bald  folgen  wird,  wo  Recensent,  der  sich  auch 
mit  diesem  Schriftsteller  beschäftigt,  Belehrung  über  so  man- 
chen ilim  und  gewiss  auch  andern  aufgestiegenen  Zweifel  zu  er- 
halten hofft.  Doch  wir  sind  nun  sclnüdig,  unsern  Lesern  einige 
Beweise  von  Herrn  L.'s  Plagiat  zu  geben,  und  wir  wählen  dazu, 
so  wie  zu  allen  andern  Bemerkungen  über  den  Geist  dieser  Aus- 
gabe die  ersten  4  Capitel  des  ersten  Buchs,  in  der  Ueberzeu- 
gung,  dass  den  Lesern  damit  hinlänglich  gedient  sein  wird.  Wo 
Herr  L.  etwas  gutes  beigebracht  hat,  werden  wir  es  nicht  ver- 
scliweigen. 

ZuA orderst  mnss  gerügt  werden,  dass  Herr  L.,  der  in  der 
Vorrede  S.  XXXII  der  beiden  G/oJiove  Verdienst  sehr  vornehm 
abfertigt,  und  diejenigen  niclit  loben  kann,  welche  den  vollstän- 
digen Abdruck  der  Gronovischen  Ausgabe  wünschen  (Auszüge 
sind  freilich  besser!),  nur  manchmal  zu  den  einzelnen  Anmer- 
kungen den  Namen  Gronovs  lilnzusetzt,  und  auf  diese  Art  den 
Lesern  begreiflich  machen  will,  dass  er  nur  das  von  ihm  als 
brauchbar  erfundene  aufgenommen,  das  übrige  aber  verschmäht 
habe  (s.  S.  .V>,  50,  03,  (50,  (58),  da  er  ja  den  alten  Plunder 
nicht  brauchte,  sondern  aus  eigner  Gelehrsamkeit  genug  bei- 
steuern konnte.  Aber  indem  er  so  Groiiuvs  Verdiensten  schein- 
bar Gerechtigkeit  wiederfahren  lässt,  giebt  er  doch  weit  häufiger 
dessen  Bemerkungen  unter  seinem  eigenen  Namen.  Wir  führen 
bloss  folgende  Beispiele  wichtigerer  Plagiate  an :    1,1,2  hat  !zu 

9  * 


132  Rü mische    Litterat iir. 

den  Worten  des  Gellius  Hercnlcm  pedibus  s?its  nietatinn  Gronov 
Folgendes  bemerkt:  „Pausanias  scribit,  Ilerculcm  fiiisse  quatuor 
cubitis  et  pede  Jongura.''"  Herr  L.  sclireibt  so:  „Herciilem  fuisse 
qiiattuor  cubitos  et  pedem  longiiin  scribit  Paus.'-''  Das  klingt  ge- 
lehrt! Hätte  es  doch  Herrn  Lwn  gefallen,  die  Stelle  des  Pausa- 
nias genauer  anzugeben.  Wir  liaben  sie  trotz  vielem  Suchen  nicht 
finden  köinien,  und  2l\\c\v  Heyne  ^  der  zum  Apollodor  IV,  4,  9 
die  übrigen  Gewährsmänner  für  diese  Nachricht  erwähnt,  kennt 
Pausanias  nicht.  Wie  erklärt  sich  dies  Räthsel?  Gronov  hatte 
einen  Gedächtnissfehler  begangen,  und  Herr  L.  ist  gutmüthig 
genug,  nachzuschreiben,  dass  Pausanias  davon  gemeldet  habe, 
bei  dem  sich  dariiber  kein  Wort  findet.  Gleich  darauf  sind  zu 
den  Worten  terra  Graecia  die  Bew  eisstellen  aus  Plautus  xuid  Cato 
aus  Gronov  abgeschrieben ,  ohne'  dass  sich  Herr  L.  die  Mühe 
nahm,  die  genaue  Anführung  hinzuzufügen.  Ganz  auf  dieselbe 
Art  ist  noch  einmal  in  diesem  Capilel  bei  den  Worten  anhni  cor- 
"porisqve  ingenio  alles  aus  Gronov  abgeschrieben.  Ferner  1 ,  2, 
2  mollibus.  Dazu  aus  Gronov  die  Stelle  des  Plinius  und  die  Er- 
klärung durch  jucunda^  placida^  cimoena.  —  I,  2,  4  togatain: 
„Romanam;  toga  enim  Romanorum  propria;  pallium  Graecorum.''^ 
So  Gronov  und  Lion.  Ein  besondres  Unglück  ist  Herrn  L.  in 
demselben  Paragraphen  bei  den  Worten  ofßciaque  earum  aut 
contraria  begegnet.  Hier  lies't  man  die  bestechende  Note:  „ede- 
batur:  officiaque  eai'um  confinia  aut  contra";  man  schlägt  bei 
Gronov  nach,  und  findet  schon  da  ganz  dieselbe  Lesart,  die  eben- 
falls Herr  L.  aufgenommen  hat.  Warum  denn  das  prächtig  klin- 
gende: edebatur?  Dies  Wort,  hier  ganz  inigei'eimt,  gehört,  so 
wie  das  übrige,  Gronov  zu,  der  es  ganz  richtig  in  Bezug  auf 
die  frühern  Ausgaben  setzen  musste,  während  es  in  Herrn  L.'s 
Munde  lächerlich  wird.  Uebrigens  ist  auch  die  gute  Erklärung 
des  sogleich  darauf  folgenden //-«e^rfes  fremdes  Eigenthuni.  Zu  I, 
2,  5  obnubilari  ist  Seneca  Ep.  59  schon  bei  Gronov  zu  finden; 
und  wir  können  nun  wohl  versichern,  dass  wir  die  Fortsetzung 
des  Sündenregisters  nur  deswegen  unterlassen  haben,  damit  wir 
die  Geduld  unserer  Leser,  dft  wir  ausserdem  noch  stark  in  An- 
spruch nelimen  müssen,  nicht  sogleich  bei  dem  ersten  Abschnitt 
der  Recension  ermüden ,  den  wir  am  besten  mit  den  herrlichen 
Worten  Xenophons  (Cyrop.  I,  2,  7)  beschliessen  zu  können  glau- 
ben: f^TEöO'at  b\  bov.il  ^ahöra  ty  aiccQiörla  (v.  supra)  tJ  ävai- 
GyvvTia.  %ca  yuQ  avTf]  ^Byiötf}  doxei  slvac  &zl  tcccvtu  tu  al6%QK 
iiyB[i(6v.  — 

Wir  gehn  jetzt  mit  einstweiliger  Uebergehung  der  Anmas- 
sung^  die  zum  Schluss  mit  Herr  L.'s  eignen  Worten  prangen 
wird,  zu  der  Nachlässigheit  über,  mit  der  diese  Ausgabe  veran- 
staltet worden  ist ,  und  beti'achten  diese  zur  Bequemlichkeit  un- 
serer Leser  aus  zwei  Gesichtspunkten,  dem  formellen  und  juate- 
riellen.     Für  jenen  nun,    der  sich  mit  dem  überhaupt  sehr  ab- 


Gellli  Noctcs  Attic.   Ed.  Liuii.  133 

niptoii  Sty!  nnd  der  Austlrucksweise  des  Herrn  Herausgebers  be- 

scl)äfti^t,  dürfte  etwa  folcendes  firemigeu.  Was  soll  denn  das 
oben  schon  ^on  uns  ausiiezeichnete  etc.  auf  dem  Titel  bedeuten*? 
Vielleicht  et  ceterls  ?  dann  also  aiiiiototionibiis  crUicis  et  reteris 
illnslrnvit.  Eben  so  wnnderlich  ist  die  Ueberschril't  der  Vorre- 
de :  Lcctori  beiievolo  atque  erndito.  S.  P.  D.  Das  Funktuni 
nach  erudito  zeis:t  an,  dass  der  Dativ  von  dem  darauf  folgenden 
D.  nicht  abhängig  sein  kann;  und  gesetzt,  die  Ijitcrpimktion  fiele 
weg,  wie  glaubt  denn  Herr  L.  sein  absolut  gesetztes  D.  zu  erklä- 
ren'? ^^  as  in  aller  Welt  mag  er  sich  denn  bei  den  ihm  zum  Vor- 
bilde dienenden  Ueberschriften  der  IJojnischen  liriefe  denken? 
l*.  V  doctriiioe  copias  alicui  navare.  P.  V I  esse  in  Ulis., '  quae  eo- 
Tiirn  lectiuneni  nobis  magiiopere  commendent  ^  quae  sunt  praeci- 
pue.,  ut  paucis  dicam.,  haecfere.  V.  \I1I  In  locis  difßcilioribus 
Te  {lectoreni)  non  plane  reliqui.,  vgl.  pag.  XV  saepe  relinquimur.^ 
si  de  leclione  illoruni  codd.  ce/tiores  esse  volumus.  V.  XV  Per- 
viidli  exstant  ubique  codd.  GeUii.,  qtiamquam  non  admodum  an- 
tiqni.  Atque  tonten  male  sunt  colluti.,  quod  ex  conferendo  (^lie» 
collato)  cod.  Guelf.  lucidenter  .  intellexisse  mihi  videor.  P. 
XXXlll  s?/perest.,  nt  de  translationibus  Geliii  aliisque  (?)  VV. 
DD..,  qui  de  Gellio  meriti  szmt.,  dicani.  Hierlier  gehört  auch  der 
durch  das  ganze  Buch  falsche  Gebrauch  von  deinceps  für  deinde. 
Was  nun  die  ?naten'ellen  Nachlässigkeiten  betrifft,  so  wollte  Herr 
L.  nach  Vorrede  p.  VII  sqq.  einen  vollständigen  kritischen  Appa- 
rat liefern,  so  dass  nun  der  Leser  einen  Gellius  habe ,  quem  le- 
gere possit .,  instructissimujn.,  instructiorem^  ut  ita  dicani  ('?-), 
Omnibus.,  quae  hactenus  (^huctisque)  fuerunt  ^par atae 
sunt)^  editionibus.  An  der  Erfüllung  dieser  glänzenden  und 
trostreichen  Verheissung  fehlt  sehr  vieles.  Allerdings  hat  Herr 
L.  die  in  Gronovs  Ausgabe  bereits  verzeichneten  Varianten  in  die 
seinige  übergetragen,  die  von  Ebert  im  Bibliograplvischen  Lexicon 
erwähnten  kritischen  Beiträge  späterer  Zeit  benutzt;  allein  sehr 
ungern  Aermisst  jeder,  der  sich  mit  Gellius  beschäftigen  will, 
eine  vollständige  Sammlung  der  verschiedenen  Conjekturen ,  die 
die  Gelehrten,  vorzüglich  der  früliern  Zeit  in  den  Ausgaben  an- 
derer Schriftsteller  belgebraclit  haben ,  die  sehr  oft,  wenn  auch 
nicht  immer  die  Schwierigkeit  heben,  sie  doch  zeigen,  und  den 
aufmerksamen  Herausgeber  auf  den  rechten  Weg  leiten ;  so  dass 
daduirh  die  Ausgabe,  wenn  sie  aucli  sonst  nicht  eben  bedeuten- 
den \\  ertli  hat,  an  Brauchbarkeit  sehr  gewinnt.  Eine  treffliche 
Würdigung  solcher  Sammlungen  giebt  Ilofmnnn  Peerlkamp  in 
der  Bihliotbeca  Critica  JNova.  Vol.  1  p.  121.  Dies  war  freilich 
nicht  das  Werk  weniger  Tage,  sondern  mühevoller  und  höchst 
langweiliger  Arbeit,  aber  der  Lohn  wäre  nicht  ausgeblieben,  und 
selbst  die  Bogenzahl  wäre  etwas  grösser  geworden,  während  jetzt 
Herrn  L.'s  Ausgabe  durch  die  näclistfolgende,  deren  Bearbeiter 
mit  Genauigkeit  verfährt,  eutbehrlidi  gemacht  wird,  was  recht 


134  Römische  Litter  atur. 

bald  gcschelm  möge !  Aber  nicht  einmal  in  der  Aufzählnng  der 
bei  Gronov  erwähnten  Varianten  ist  Herr  L.  genau.  So  sagt  er 
zu  dem  Worte  I,  2,  (>  defatigati:  „  quidam  codd.  et  Stepli.  defeti- 
gati'-\  während  es  nur  optimae  membranae  Carrionis  und  Stepha- 
mis  haben.  Als  eigne  Vennehrung  des  vorJiandenen  kritischen 
Apparats  lugte  Herr  L.  die  vollständige  Vcrgleichung  einer  AVol- 
fenbüttler  Ilandsclirirt  bei,  die  freilich  von  nicht  erheblichem 
Werthe  ist  und  ziemlich  grosse  Lücken  hat  Die  Vergleichimg 
einer  andern  selir  neuen  Wolfenbüttler  Handschrift  unterliess 
Herr  L.  mit  Hecht,  da  sie  mit  der  editio  Komana  übei'einstimmt, 
und  wahrscheinlich  aus  dieser  mit  riickwärts  geänderter  Jalires- 
zalil  abgeschrieben  ist.  Von  Kritik  der  verschiedenen  Handschrif- 
ten ist  iibrigens  keine  Spur,  obgleich  jeder  leicht  bemerkt,  dass 
der  Buslid.,  Reg.,  Rottendorf,  diejenigen  sind,  denen  man  vorziig- 
lich  folgen  muss,  was  sich  hinsichtlich  der  beiden  letzten  schon 
daher  erweist,  dass  sie  die  Vorrede,  die  in  den  gewöhnt.  Codd. 
am  Schlüsse  des  Werkes  steht,  an  der  gehörigen  Stelle  haben. 
Nur  durch  strenge  Scheidung  der  Handschriften  -  Familien  kann 
man  endlich,  gerade  bei  solchen  Schiiftstellern,  wieGellius,  wo 
sich  die  Interpolation  bisweilen  sehr  verführerisch  zeigt,  zu  ge- 
wissen Ergebnissen  kommen.  Noch  ist  zu  sagen,  dass  wir  in  dem 
Buclie  vergebens  eine  Erwähnung  des  in  Herkulanum  angeblicli 
gefundenen  Gellhis  gesucht  haben,  was  einem  Herausgeber  dieses 
Schriftstellers  niclit  unbekannt  bleiben  durfte.  Von  alten  Ausga- 
ben konnte  Herr  L.  vieles  benutzen,  was  ihm  die  Bibliothek  der 
Georgia  Augusta  darbot ;  jedoch  er  tliat  es  nur  so ,  dass  er  edd. 
vett.  anführt,  nie  aber  oder  nur  höchst  selten  die  einzelnen  Aus- 
gaben angiebt,  und,  wie  wir  sogleich  sehen  werden,  aus  ilineu 
gewöhnlicJi  nur  die  sclilechtern  Lesarten,  namentlich  längst  ver- 
worfene Glosseme  in  seinen  Text  aufnimmt.  — 

Docli  wir  wenden  uns  jetzt  mit  Erwälinung  der  zuerst  ge- 
machten Beschuldigung  zu  der  Beurtheilung  des  eigentlich  kriti- 
schen TJieils  der  Ausgabe,  um  zu  sehn,  wie  Herr  L.  einzelne 
Stellen  behandelt,  und  mit  welchem  Glück  er  früheres  verwirft 
oder  vertheidigt ,  und  seine  eignen  Muthraassungen  rechtfertigt. 
Wir  wollen,  ohne  im  Voraus  ein  allgemeines  Urtheil  darüber  zu 
lallen,  nach  der  Folge  der  Paragraphen  der  ersten  Cap.  alle  Stel- 
len, wo  Herr  L.  von  Gronov  abweicht,  durchgehn,  und  ünpar- 
theiisch  angeben,  wo  er  auf  das  rechte  gekommen  ist,  oder  sich 
in  der  Wahl  vergriffen  liat. 

Der  Anfang  des  ersten  Kapitels  ist  manchen  Schw  ierigkeiten 
unterworfen,  indem  nämlicli  die  alten  Ausgaben  den  Titel  der 
Plutarchischen  von  Gellins  angeführten  Schrift  Griechisch  geben, 
was  Herr  L.  statt  der  Lateinischen  Uebersetzimg,  die  in  sümmt- 
lichen  Handschriften  herrscht ,  aufgenommen  hat.  Schon  diese 
L^'bereinsthnmung  sollte  Herrn  L.  vorsichtig  maclien,  der  folgende 
Gründe  für  sehie  Meinung  anfiilirt:  „Gellius  ipse  titulos  libro- 


Gellii  Nocteu   Attic.   Ed.   Lion.  J3Ö 

inm  Graecos  transferre  non  solet. "  üaircfifon  \s;].  I,  ;»,  10  TJieo- 
plirastus  de  ^//«/c/V/V/,  1,2,  (>  Kpick'ti  ilinserlutiones  {wo  Salina- 
sius  iiachzusehn  ist),  1,  11,  17  ArislolcU's  in  libris  problemaluin. 
Der  2te  Grund  ist:  „Latiiia  lacile  iiitnidi  potiieniiit,  qminiGraeca 
omissa  essent  a  librftriis;  (beiläiifiic  könnte  man  liier  IVai^en,  ob 
nicht  dem  \^  orte  librariiis  in  einem  Latein.  Lexieon  die  JJedcu- 
tunij  Btichmachcr  ijegebcn  Verden  kann)  qnod  saepe  faetnm  est.'^ 
iSuu  irajren  wir  aber ,  ob  die  Lesart  der  beiden  Carrionischen 
Handschriften:  de  Ilercalis  ^  (iirali.  int  er  homines  fueiit  aninii 
cui porisipie  in^e?iio^  die  Grouov  mit  IJeeht  aiirgenonmien  hat, 
und  mit  der  die  übriiren  llandsehiirten  mehr  oder  wenijrer  über- 
einstimmen, wie  Abschrtiber -Latein  aussieht?  Der  ILuiptbe- 
weis  aber  ge^en  Herrn  L.  liegt  in  den  folgenden  Worten ,  wo  es 
lieisst:  i7i  reperienda  modnlandaqne  slalus  longiLiidinisque 
ejus  praestantia.  Herr  L.  weiss  natürlich  nicht,  was  er  mit  die- 
sem ejus  machen  soll,  und  meint  eiitMeder,  dass  das  Subjekt  Her- 
cules  aus  der  l  eberschrift  des  Capiteis  zu  vcrstelm  sei,  oder  dass 
man  geradezu  He/culis  lesen  müsse.  Ein  unglückseliger  Einfall ! 
Dies  ejus  bezieht  sich  ganz  ehifach  auf  den  in  dem  Latein.  Titel 
der  Plutarchischen  Schrift  erwähnten  Herkules.  Ferner  rathen 
wir  Herrn  Lion  freundscliaftlich,  w  enii  zu  seinen  Erklärungen  die 
Latein.  Sprache  nicht  hinreicht,  und  er  deswegen  zur  Grieclii- 
sclien  seine  Zuflucht  nehmen  muss,  auf  die  Grammatik  besser  zu 
achten,  damit  ihm  nicht  Sachen,  wie  intellige :  in  libro  %eq\ 
ÖLCicpo  Qug,  onoöri  sYrjy  entschlüpfen.  Für  einen  Herausge- 
ber der  Anabasis  und  des  Ktesias  sehr  sclilimm !  I,  1,  2  tarnen 
[esse]  cdiquantulum  breviora^  mit  der  Note:  „Edd.  vett.  tarnen 
esse  aliq.  V.  (vocem)  esse  om.  Steph.  cum  codd.  fort.  '■'•  Allein 
auch  Gronov  hat  das  Yerbum  stillschweigend  und  daher  gewiss 
mit  den  codd.  weggelassen,  üebrigens  sieht  man  nicht  ein,  war- 
um so  offenbare  Glosseme  auf  die  Autorität  einiger  interpolirten 
Ausgaben  mit  den  entstellenden  Sperrliaken  von  neuem  einge- 
sch\>ärzt  werden.  I,  1,  3  ist  coUegit  richtig  geschrieben  für  das 
GronoAsche  coUigit.,  was  freilich  nichts  weiter  zu  sein  scheint, 
als  ein  durch  mehrere  Ausgaben  fortgepflanzter  Druckfehler.  I,  2 
in  lemmate :  quibus  festiviter  a  vero  Stoico  seiunxit  vtdgus  lo- 
quacium  nebulonum ,  qui  se  Stoicos  nuncupa/ent.  Die  ältesten 
Ausgaben  haben  fl  se  t'ero;  ohne  darüber  zu  streiten,  welche 
Lesart  die  richtige  sei,  wird  doch  jeder  cingestehn,  dass  Herrn 
L.'s  Conjektur  scvcro  höchst  abgeschmackt  ist,  1,  2,  1  accc/sc- 
bat  statt  des  Groiiovschen  arcesscbal^  mit  Ijcrufung  auf  Schnei- 
ders Grammatik  I,  2  S.  .')14,  wofür  ^iel  zweckmässiger  I,  1  S. 257 
angeführt  werden  musstc.  Sclineider  giebt  keine  Gründe  an,  und 
die  Sache  war  genauer  zu  untersuchen,  ^^obei  die  Collektaneen 
in  Gesners  'J'hesaurus  zu  benutzen  waren.  I,  2,  2  ist  aus  (?odd. 
aediitm  posilu  refrigeranti  richtig  aufgenommen  statt  des  ge- 
wöhnlichen :    uediuni  posticunt  refrigerunlibu^:.      J,  2,  4  ist  ge- 


136  Rümischo    Litteratur. 

schrieben  ceteros  omnis.  Warum  denn  nun  sogleich  darauf  ina- 
nes  glorias^  wo  selbst  Gronov  inaneis  obgleich  mit  Unrecht  hat? 
Ebendas.  sagt  Herr  L.  zu  den  Worten  kv Qisv  ovx ag  ,  riGv- 
Xat,ovt aq  %a\  öojqblt ag,  „pro  tcccI  possis  et  legere.'"'' 
Wozu  dieser  Unrath*?  Viel  besser  Mar  es ,  die  Conjunktion  ganz 
w  egzulassen ,  da  sich  dafür  keine  Spur  im  Codex  Vaticanus  fin- 
det, der,  obgleich  corrumpirt  doch  allein  zur  Wahrheit  leitet. 
Uebrigeus  sind  auch  hier  wieder  die  Stellen  der  Klassiker  durch- 
gängig aus  Gronov  abgeschrieben.  JEbe?idas.  stehn  zuletzt  die  Worte 
bei  Gronov:  7iuUi  esse  magis  ea  omnia  esplorata^  comperta^ 
meditataque.,  quam  sibi.  Herr  L.  hat  sie  eben  so  wiedergege- 
ben, und  nur  die  beiden  letzten  Worte'als  in  den  alten  Ausgaben 
fehlend  in  Klammern  eingeschlossen  mit  der  sonderbaren  Bemer- 
kung: „et  possint  facile  abesse.  •■*•  Allein  hier  musste  auf  jeden 
Fall  die  Lesart  der  Handschriften  inid  alten  Ausgaben  nuUi  esse 
ulli  inagis  ea  omnia  etc.  mehr  berVicksichtigt  werden ,  als  es  a  on 
Herrn  L.  geschehn  ist.  Schon  Gesner  in  seinem  Thesaurus  (s.  v. 
malus)  hat  den  Pleonasmus  Aon  malus  idlus  durch  nemo  homo 
gerechtfertigt,  und  Vechner  in  seinem  vortrefflichen  und  den  la- 
teinischen Sprachgebrauch  in  vielen  Punkten  genau  darstellenden 
und  tiichtig  erklärenden  Buche  Äe&wo/ej:.  (p.  ITA  edit.Heus.)  hat 
viele  ähnliche  Beispiele  gesammelt ,  zu  denen  später  ein  neuerer 
Herausgeber  eine  grosse  Menge  aus  Gellius  hinzufügte,  die  deut- 
lich beweisen,  dass  Gellius  die  Zusammenstellung  von  zwei  Pro- 
nominibus, von  denen  das  eine  pleonastisch  ist,  ja  manchmal  mit 
dem  eigentl.  Sprachgebrauche  streitet,  vorzüglich  liebt.  Herr  L. 
sollte  um  so  aufmerksamer  auf  diese  Variante  werden ,  da  Vif, 
C,  2  in  Aqw  Worten:  nullum  autem  gigni  animal  Aristoteles  di- 
cif.,  quod  aut  gustus  sensu  careat  aut  tactus ,  worauf  er  an  inise- 
rer  Stelle  wegen  einer  untauglichen  Conjektur  die  Leser  verweist, 
die  Codd.  Mieder  haben  nullum  autem  ullum.,  Mas  doch  ganz 
unwiderlegbar  den  von  uns  oben  bemerkten  Sprachgebrauch  des 
Gellius  bestätigt,  von  dem  freilich  sein  Herausgeber  durchaus 
gar  nichts  versteht.  An  beiden  Steilen  ist  also  diese  Lesart  von 
einem  künftigen  Herausgeber,  der  dem  wichtigen  Buche  nicht 
fehlen  wird,  in  den  Text  aufzunehmen,  und  somit  fällt  Herrn 
L.'s  Conjektur  non  alii  esse  ulli.,  unbeachtet  ihrer  eignen  Ver- 
werflichkeit ,  von  selbst.  Die  Anmerkung  zu  I,  2,  6  quotiiajti  re- 
spondere  nos  tibi.,  quos  idiotas  et  rüdes  vocas ,  non  quinius  ist 
ganz  unverständlich.  Man  sieht  nicht,  warum  denn  im  Text  die 
bessere  Gronovsche  oder  vielmehr  Carrionische  Lesart  in  die 
schlechtere  einiger  alten  Ausgaben  umgewandelt  Morden  ist.  I,  3, 
8  steht  praestabilis  homo  sapientia;  dies  seltene  Wort  hat  Gro- 
nov durch  Cic.  Orat.  II,  85  gut  vertheidigt.  Herr  L.  aber  meint 
etwas  besseres  zu  thun,  indem  er  praestabilis  homo  sapientiae 
vorschlägt,  Mie  in  einigen  alten  Ausgaben  gelesen  Merde,  und 
führt  dazu  einige  Stellen  an,   mo  der  Genitiv  der  Eigenschaft  bei 


GclUi  Xoctes  Attic,  Ed.  Lion.  137 

homo^  vir^  n.  s.  w.  verkömmt.  Als  wenn  dies  so  unbekannt  wäre! 
Hätte  er  lieber  bewiesen,  dass  praestabüis  im  alljjemeinen  fVir 
egreghis  stehn  kann.  Tns  seheint  dies  Wort  nur  mit  dem  Abla- 
tiv der  Sache  verbunden  werden  zu  können,  in  der  sich  jemand 
hervorthut.  I,  3,  11  hat  Cod.  Kegius,  eine  der  besten  Hand- 
schriften, od  jtivaiidiini ;  und  'v\enn  gleich  Jacob  Grovov  es  in  den 
Corrigendis  missbilligt ,  und  ad  adjuvondum  beibehalten  wisse« 
wollte,  so  niusste  doch  Herr  L.  aui'  die  Autorität  einer  so  guten 
Handschrift  mehr  geben,  der  er  an  andern  Stellen  mit  Recht  ge- 
folgt ist.  S.  §  20  dejiuarct.  I,  3,  21  ist  die  Lesart  des  Cod. 
Kottendorf.  in  co,  quo  dixi  libro  durch  \IX,  1  gnt  vertheidigt. 
I,  3,  23  hat  Herr  L.  die  Lesart  des  Cod.  Buslid.  und  Reg.  decli- 
natae  mit  Unreclit  verworfen.  Ebendas.  erklärt  ei-,  ohne  Gronov 
nur  einer  Erwähnung  zu  würdigen,  mit  dessen  eigenen  Worten 
7nii7nnieiitis  durch  impefisis^  qiiibus  solidontur  et  ninnianüir  viae. 
Allein  es  ist  sehr  zu  bezweifeln,  ob  rniinimentum  fiir  inipcnsum^ 
pecuiiia  immieiidae  viae  apla  gesetzt  werden  könne ,  luul  es  ist 
vielmehr  zu  erklären,  Mie  es  Tacit.  Annal.  I,  3  brauclit:  quo  plu- 
ribus  miuiimentis  insisteret.  I,  3,  20  steht  bei  Gronov  folgen- 
der extemporirter  Vers  des  Perikles  : 

8ü  ^8  öv^nQCiXTuv  Totg  cpü.oig,  a^Xa  [isxQi  &£cjv, 
wozu  Gronov  mit  einem  für  die  damalige  Zeit  wohl  zu  entschul- 
digenden Fehler  bemerkt :  „  Fidv.  et  Reg.  justum  faciunt  tro- 
chaicinn:  /Jü  [i\v  öv^TcgccTteLV  TOtg  cpiXotg ,  aXKä  ^8%ql  rc5v 
Qtäv. "  Herr  L.  hat  diese  Lesart  in  seinen  Text  aufgenommen 
niit  der  selbstgefälligen  und  dem  grossen  Gronov  fast  wörtlich  ab- 
geborgten Aeusserung:  .,^just7im  trochaiciim  versimi  recepi  ex 
Fulv.  Reg.  et  Sciopp.'-''  Der  Versuch  ist  stark  verunglückt,  und 
wir  wollen  Heirn  Lion  das  Schema  eines  solchen  Verses  hersetzen: 


Vielleicht  überzeugt  er  sich  nun,  dass  sein  trochaicns  doch  nicht 
so  ganz  jiistus  ist,  und  dass  er  wohl  justior  geworden  wäre,  wenn 
er  geschrieben  liätte : 

z/ft  (U£   ÖVUTIQCCTTELV  (plXOLÖiV,    alld  flBXQt^  tiOV  %E(üV. 

I,  3,  29  qiiod  duas  ferocissimas  affectiones  amoris  atque  odii  in- 
tra  inodvm  tanlnm  coercuit.  Die  raembrana  Schelferi  hat  für 
tontitm^  was  durchaus  unpassend  ist,  tarnen.,  das  einzig  richtige, 
was  um  so  mehr  aufziniehmen  war,  je  liäufiger  tantnm  xuid  la- 
vxen  in  den  Codd.  verwechselt  werden.  I,  3,  31  \yerbis\;  warum 
dies  Glossi'UJ  als  solclies  von  Herrn  L.  aus  frühern  schlechten 
A\isgaben  auch  in  die  seinige  aufgenommen  worden  ist,  sehen 
■wir  nicht  ein.  Ebendos.  war  das  nach  Gronovs  ('ollation  im  Cod. 
Reg.  fast  buclistäblich  erhaltene  ovvs^nkEXEö^at,  in  den  Text 
aufzunehmen.  I,  4,  3  de  quibus  Judicium  ob  eo  factum  est.,  so 
Herr  L.  nach  allen  Ausgaben.  Gronov  hat:  ab  eo  iudicium.  1,4, 
1  scd  id  verbum  habet  cum  proposiia  compuratione ,    so  Herr  L. 


138  Griechische  Li  ttcrciturgcschich  tc. 

richtig  mit  aiulern  Herausgebern^  da  Groiiov  das  Wort  habet  weg- 
gelassen hatte. 

Dies  gcnVige,  sich  ein  Urtheil  über  diese  Ausgabe  zu  bilde», 
neben  der  Herr  L.  noch  eine  kleinere  hat  erscheinen  lassen  ,  und 
ein  jeder  wird  leicht  begi-eifen,  mit  wie  grossejn  Rechte  Herr  li, 
(  Vorrede  S.  MI )  unter  den  mancherlei  Ursachen ,  die  frühevc 
Gelehrte  von  der  Beschäftigung  mit  Gcllius  abschreckten,  auch 
folgende  anführt :  Porro  nbniam  doctrinain  et  diligentiam  dtssi- 
derare  Gellius  videtur^  quod  sane  absterruit  midtos. 

Julius    Sillig. 


Ueber   die  neuesten  Bearbeitungen   der  Grie- 
chischen Litte  raturgeschichte. 


Erster  Artikel. 

Äo  reich  die  philologische  Litteratur  imsercs  Vaterlands  in  den 
letzten  Jahrzehenden  mit  einzelnen  imschätzbaren  Keyträgen  zur 
griindlichern  Kenntniss  des  Griechischen  Schriftwesens  ausgestat- 
tet ist,  so  auflallend  ai'in  ist  Deutschland  an  solchen  W  erkcn  ge- 
blieben, die  jenes  Gebiet  nicht  nur  mit  ausfülirl  icher  Vollstän- 
digkeit, sondern  auch  mit  gehöriger  Kenntniss  des  Alterthums, 
mit  achtem  philologisch -historischen  Sinn  imd  mit  durchgreifen- 
der Kritik  im  Ganzen  behandelt  haben.  Die  Lehrbücher  von 
Itienäcker  (1802),  von  Sachse  (1810),  von  Aug.  Matlhiä  (1815 
und  1822),  an  die  Rec.  seine  Grundzüge  der  Griech.  und  Rom. 
Litt.  Gesch.  (1816)  anreihen  zu  dürfen  glaubt,  mussten  ihrer  Be- 
stimmiuig  gemäss  nicht  bloss  auf  alle  eigne  Forschung,  sondern 
auch  auf  jede  genauere  Entwicklung  der  Ansichten  \  erziclit  lei- 
sten, inid  in  ihrer  Methode  ihr  Hauptverdienst  suchen:  Eschen- 
bwg.,  Schaoff  und  Ast  konnten  das  Griechische  Schriftwesen  nur 
in  der  Unterordnung  eines  Theiles  unter  das  Ganze  auffassen, 
xmd  mussten  sich  darum  noch  melir  beschränken :  dasselbe  gilt 
von  Jy achler  (Handb.  der  Gesch.  der  Litt.  1822  fgg.  Tli,  I  S. 
82 — 174,  Th.  2  S.  63 — 83),  obgleich  niclit  zu  >erkennen  ist,  dass 
aiich  so  das  von  ihm  Gegebene  die  Leistungen  aller  seiner  Vor- 
gänger weit  hinter  sich  znrück  lässt :  Mokmcke  aber  wurde  dm'ch 
veränderte  Richtung  seiner  Studien  von  der  (1813)  mit  Glück  und 
Einsicht  betretenen  Bahn  gleich  nach  ilen  ersten  Einschritten  wie- 
der abgerufen ,  und  seinen  zu  den  scViönsten  Hoffnungen  berech- 
tigenden Nachfolger,  Jf  ilhelm  Schneider .,  unter  dessen  Händen 
das  Werk  noch  an  eigentlich  philologischem  Sinne  gewonnen  ha- 
ben \^ürde,    entriss  uns  ein  früher  Tod,    noch  clie  «r  sich  über 


Groddeck  lüst.  Graec.  litter.  u.  Schocll  lüst.  de  la  litt.  Gr.  prof.  ISl) 

seinen  Beruf  öffentlich  liatte  ausweisen  können  *).  So  ist  es  denn 
iiiclit  zu  vcnnuidern,  dass  die  bcy  weitem  melir  miilisanien ,  als 
virkiicli  üeissiccn  und  2:eiiaueii  Arbeiten  des  unkritisolien  Jlajlcs 
auf  diesem  Gebiete  lange  Zeit  hindurch  eine  Art  aou  Uuentbelir- 
lichkeit  behauptet  haben,  die  mit  dem  wahren  A>erthe  derselben 
nicht  in  cleichem  Verliältniss  steht  **). 

^  on  der  jNoihwendifikeil ,  zu  Ilülfsbiichern  zu  greifen,  die 
dem  gegenwärtigen  Standpunkte  der  AMsseuschaft keineswegs  eiit- 
spreclien,  haben  uns  nunmehr  zwey  ]>länner  beireyet,  die,  ob- 
gleich in  mehrfacher  Hinsicht  unsern  östlicJien  und  wcstlichi'n 
Maclibarn  angehörend,  ihrem  INamen,  ilirem  gründlich  forschen- 
den Gleiste  und  dem  Charakter  ihrer  Studien  nach  mit  Stolz  ;«u 
den  unsrigen  gezählt  werden  dVirien ,  deren  Einen  übcrdiess  sein' 
Geburtsort,  den  andern  ein  mehrjähriger  bedeutender  Staatsdienst 
noch  besonders  au  Deutschland  kniipfi,  —  der  llussische  Staats- 
rath  und  Professor  Groddeck  (geb.  1763  in  Danzig,  gest.  1825  in 
>\ilna)  und  der  Preussische  Geh.  Legationsrath  Schoell  (geb. 
1706).     liier  zuerst  die  Titel  ihrer  AVerke: 

1.  Iiiilki  historiae  Grascoriwi  litter ariae.  Secunduni 
edidit  Godofr.  Em.  Groddeck-.  Vilnae,  Jos.  Zawadzki.  P.  I, 
1821,  MU  und  226  S.  P.  11, 1823,  VHI  und  266  S.  (nicht, 
wie  die  letzte  Seite  angiebt,  278.)  8.  2  Thlr. 

2.  Histoire  de  la  litter utiire  Grecqiie  profane.,  depui's 
son  origine  jusqu'ä  la  prise  de  Constantinople  par  les  Turcs; 
sui\ie  dun  piecis  de  fhistoire  de  la  transplantation  de  la  lit- 
terature  Grecque  en  Occident.  Seconde  edition,  entierement 
refondue  sur  un  nouveau  plan,  et  enrichie  de  la  partie  bi- 
bliographique.  Par  M.  (Maxim.  Samson  Fred.)  ÄcAoe/^,  Pa- 
ris ,  Gide  fils.  T.  1,  1823,  XC\  111  und  303  S.  T.  II,  1824, 
IV  imd  435  S.  T.  111,  1824,  \1I1  und  478  S.  T.  IV,  1824, 
344  S.  T.V,1824,  381  S.  T.Vl,  1824,  442  S.  T.  Yll,  1825, 
457  S.  T.  MU,  1825,  XX  und  510  S.  gr.  8.  (mit  demlitho- 
graphirten  Bildnisse  des  Verf.)  24  Thlr. 

Beyde  Biicher  kiindigen  sich  auf  dem  Titel  zwar  als  zweyte  Auf- 
lagen an, —  das  erste  erschien  1811  in  Einem,  das  andre  1813 
in  zwey  massigen  Octa\  bänden,  —  aber  sie  sind  ihrem  Dmfange 
nach  so  erweitert ,  das  Eine  uui  die  Hälfte  ,  das  andre  uius  \  ier- 


*)  In  der  Handsclirlft  vollendet  ist  die  Litteratur  der  altern  Griech. 
Gesdilclitschreiher  hl»  Xcnoplion,  und  die  Hekanntniachun«^  dieses  treff- 
lich gelungenen  liruchslückeä  >väre,  nach  des  Rec,  EracJiten,  auch 
jetzt  noch  wünschenswerth. 

**)  Der  elenden  Fuhrmann' sehen  Compilationen,  in  denen  Arroganz 
und  Ign(»runz  mit  einander  m  etteifern ,  liuhcit  wir  natürlich  iiu  Texte 
par  nicht  erst  gedenken  mögen:  t.ie  sind  hereits  so  verrufen,  dass  es 
Hucli  hier  in  der  Anmerkun":  {rar  keuier  WurnunKstulcl  mehr  bedarf. 


1-40  Gricchißchc  Lltteratnrges  chl  chte. 

faclie ,  ihrem  Inhalt  nach  so  vielfach  verbessert  und  bereichert, 
dass  sie  gegriindeten  Anspruch  haben ,  als  ganz  neue  Werke  be- 
trachtet zu  werden.  Obgleich  sie  also  schon  in  ihrer  ersten,  viel 
unvollkommnern  Gestalt  zu  den  sehr  beachtenswerthen  gehör- 
ten ♦) ,  so  enthalten  wir  uns  doch  hier  einer  jeden  ins  Einzelne 
gehenden  Vergleichung  ihrer  Auflagen,  und  berichten  iiber  sie, 
wie  sie  uns  jetzt  vorliegen.  Wir  glauben  auf  diese  Weise  den 
geistreichen  Fleiss,  den  beyde  Gelehrte  auf  die  Yervollkonunnung 
ilirer  Arbeit  gewandt  haben,  aufs  wiirdigste  anzuerkennen  und 
zu  ehren. 

ünsre  Beurtheilung  wird  sich  auf  zwey  Hauptmomente  zu 
richten  haben,  auf  die  Anlage  beyder  Werke  im  Ganzen  und  auf 
ilire  Ausfiihrung  im  Einzelnen.  Wie  grosses  Lob  eine  litterarhi- 
storische  Arbeit  in  Einer  dieser  Hinsichten,  wie  strengen  Tadel 
dieselbe  in  der  andern  verdienen  kann,  braucht  kaum  erst  auBey- 
spielen  gezeigt  zu  werden.  Man  denke  nur  an  Fabricius.  Welch' 
ein  Schatz  von  ächter  Belesenheit,  gediegner  Sorgfalt  und  ge- 
sundem Urtheile  in  allem  Bibliographischen,  und  daneben  welch' 
eine  planlose  VerM orrenheit  iu  der  Anlage!  Umgekehrt  bey 
fiachse  die  trefflichsten  Blicke  und  Andeutungen  in  den  allgemei- 
nen Betrachtungen,  aber  im  Einzelnen  überall  Lücken,  31ängel 
imd  thatsächliche  Irrthümer.  Wie  billig,  beginnen  wir  mit  der 
Anlage,  und  behalten  die  Ausführung  einem  zweyten  Artikel  vor, 
der  diesem  ersten  in  Kurzem  folgen  soll. 

In  der  Behandlung  der  Litteraturgeschichte  haben  sich  neu- 
erdings zwey  auf  ganz  verschiedenartigen  Grundsätzen  ruliende 
Behandlungsweisen  gegen  einander  geltend  zu  machen  gesucht, 
die  chronologische,  die  sich  einfach  an  der  Zeitfolge  hält,  und 
die  wissenschaftliche,  Melche  die  Schriftsteller  nach  den  Fächern 
aufführt ,  die  sie  bearbeitet  liaben.  Wir  können  die  erste  auch 
die  ältere  nennen :  sie  scheint  besonders  durch  Saxes  o?iomastl- 
coii  litter arium  zu  grossem  Ansehn  gekommen  zu  seyn:  auch 
Hartes  ist  ihr  gefolgt.  Ihren  gewichtvollsten  Anhänger  imd  uach- 
drücklichsten  Yertheidiger  aber  hat  sie  in  Aug.  Matthiä  gefun- 
den, der  sie  nicht  bloss  in  seinem  schon  erwähnten  Lehrbuchc 
der  Griech.  und  Rom.  Litteraturgeschichte  zum  Grunde  gelegt, 
sondern  ihr  auch  noch  ausserdem  in  näherer  Entwicklung  seiner 
Ansicht  wiederholt  das  Wort  geredet  hat,  theils  in  der  Jen.  All. 
Litt.  Ztg.  1816  Jul.  ]Nr.  133,  theils  in  einer  Schulschrift: 

3.     Uebcr  die  Behandlung  der  Literar  -  Geschichte.    Al- 
tenburg, 1816.  4.  S.6— 10. 


*)  Der  Rec.  rechnet  es  sich  zum  hesondern  Verdienst,  der  erütc 
gewesen  zu  seyn,  der  in  Deutschland  auf  das  Groddeck'sche  Werk  in 
der  altern  Ausgabe  aufmerksam  gemacht  hat ,  s.  Jen.  Allg.  Litt.  Ztg. 
1816  Jan.  Kr,  14,  15. 


Groddeck  Iiist.  Graec.  litter.  u.  Sclioell  List,  de  la  litt,  Gr.  prof.  141 

au  beydeii  Orten  mit  besondrer  Bezugnahme  auf  des  Rec.  Grund- 
'/ünft'  der  Griecli.  uud  Rom.  Litteratiirgescliiclite,  in  denen  das 
eutgejrcngesetztc  \  erfalireu  beobachtet  ist. 

Die  Misseuscliaftiiehe  Anordnung  liat  am  kräftigssten  Friedr. 
^i/g.  ff  olf  emj)foIileu:  in  der  Vorrede  zu  seiner  Geschichte  der 
Rom.  Litteratur.  Halle,  1787,  S.  H  sa^t  er:  „Bey  dieser  Methode 
,,  Mird  man  in  Stand  gesetzt,,  die  Bemiihuu^en  uud  Verdienste  ei- 
„ner>atiou  in  jedem  Faclie  im  Ganzen  zu  überschauen,  Origi- 
,,  nale  mit  nadialimcnden  und  einander  ergänzenden  Schriftstei- 
„  lern  in  Aerhindung  kennen  zulernen,  endlich  erhält  man  da- 
„  durch  eine  Geleirenheit,  die  Theorie  der  verschiedenen  Gattun- 
„  gen  der  poetischen  und  prosaischen  Schreibart  nach  den  Ideen 
„  und  3histern  der  Alten  selbst  zu  erläutern:" —  Griinde,  die 
sicJi  durcli  andre  stärkere  noch  vermehren  lassen  dürften.  In- 
dess  sind  fast  alle  neuere  Arbeiter  auf  diesem  Felde,  namentlich 
Moh nicke  und  ff'achler  ^  dem  von  /ro//*  gezeigten  Wege  gefolgt, 
und  Rec.  kann  nacli  seiner  Ansicht  nicht  anders  als  es  höclilich 
billigen,  dass  auch  Groddeck  sowolü  als  Scholl  ihn  dem  chrono- 
logischen vorgezogen  haben. 

Die  von  ff  olf  geltend  gemachten  Vortheile  ^ichiMatthiä  zwar 
im  Ganzen  zu,  leugnet, aber,  dass  eine  solche  Anordnung  e//ie6re- 
schichte  genaimt  werden  könne.  Eine  Litterargeschichte  im  rech- 
ten Sinne,  d.  h.  eine  Darstellung,  Avelche  die  allmälige  Ausbil- 
dung der  Litteratur  eines  Volkes  aus  ihren  Ursachen  entwickelt, 
mütise  nothwendig  auch  die  Würdigung  der  litterarischen  Werke 
in  sich  begreifen ,  und  da  auf  den  Geist  und  den  schriftstelleri- 
schen Charakter  der  Einzelnen  meistentheils  ihre  Lebensverhält- 
nisse und  Umgebungen  den  entscheidensten  Einfluss  haben,  sey 
davon  wieder  die  Angabe  der  Lebensumstände  der  Schriftsteller 
unzertrennlich  :  auf  eine  solche  Darstellung  des  Ganges  einer  Lit- 
teratur müsse  ein  blosses  Fachwerk  um  so  mehr  Verzicht  leisten, 
als  auch  die  einzelnen  Gattungen  der  prosaischen  und  poetischen 
Schreibart  in  ilirer  Fortbildung  sehr  oft  durch  äussere ,  in  ande- 
ren Gattungen  der  Rede  liegende  Ursachen  bestimmt  werden: 
dergleichen  PJinwirkungen  verschiedner  Red^attuugen  auf  ein- 
ander-lassen  sich  freylich  auch  bey  den  einzelnen  Schriftstellerni 
angeben,  allein  es  sey  etwas  ganz  anderes,  ob  die  Ursachen  dei* 
mannifffachen  Erscheinungen  in  einem  räsonnirenden  Vortrage 
mit  Hülfe  einer  alles  zerlegenden  Abstraction  bey  jeder  Erschei- 
nung auseinander  gesetzt  werden  oder  in  einer  historischen  Dar- 
stellung aus  allen  gleichzeitigen,  sich  Mechselsweise  bedingenden. 
Umständen  aus  dem  Geiste  der  Zeit  von  selbst  hervortreten:  al- 
lein nicht  bloss  die  Gattungen  selbst  werden  in  jenen  Fachwer- 
ken aus  ihrem  Zusammenhange  gerissen,  auch  Ein  uud  derselbe 
Schriftsteller  werde  oft  auf  eine  jämmerliche  Weise  zerstückelt, 
Mie  denn  z.  B.  Ilesiodos  in  >ier,  Sappho  in  neun,  Cicero  gar  in 
zwölf  Fächern  aui'geiidirt  ^\ erde:  daraus  erhelle,  dass  die  wissen- 


142  Griechische  Litteratur  g^eschichte. 

schafüiclie  Darstellung  der  Litlerahirgeschichte  recht  brauchbar 
seya  könne  zur  Anla£:c  eines  Uücherverzeichnisses  oder  zur  An- 
ordnung einer  BibiiotJiek,  dass  sie  aber  keinen  Anspruch  darauf 
maclien  diirfe,  den  Gang  der  Litteratur  zu  bezeichnen  und  eine 
anschauliche,  deutliche  Vorstellung  von  demselben  beizubringen: 
sie  stelle  das  geschlossne  Ganze  als  eine  todte  Masse  hin,  wäh- 
rend eine  Geschichte  sie  in  ilirera  lebendigen  Wirken  und  lort- 
schreiten  auffasst. 

Rec.  zweifelt,  dass  diese  Ansichten,  die  er  soviel  ^vie  mög- 
lich mit  ihres  Urhebers  eignen  Worten  wiederholt  hat,  sich  der 
Bcystimmung  vieler  Urtheilsfähigen  erfreuen  werden,  xmd  er  hat 
dabey  wenigstens  vorläufig  die  Erfahrung  der  letztverflossnen  zehn 
Jahi-e  auf  seiner  Seite:  ja  es  will  ihm  bedi\nken,  als  ob  mehrere 
der  härtesten  Vorwiirfe ,  die  Matthiä  der  wissenschaftlichen  Au- 
ordnimg  macht i  nicht  diese,  sondern  xnngekehrt  die  chronologi- 
sche treffen.  Indess  ist  die  Sache  von  solcher  Wiclitigkeit,  dass 
wir  Viberzeugt  sind,  unsre  Leser  werden  uns  eher  einiges  Verwei- 
len bey  derselben,  als  ein  eilfertiges  Drüberhingehu  zu  Gute 
halten. 

Zuerst  ist  zu  bemerken,  dass  die  Anhänger  der  wissenschaft- 
lichen Anordnung  keineswegs  gesonnen  siijd ,  die  Würdigung  der 
einzelnen  Schriftwerke  und  die  biographische  Darstellung  der 
Scliriftsteller  selbst  auszuschliessen,  und  dass  die  Beachtung  oder 
Nichtbeachtung  dieser  wesentlichen  Anfoderungen  überhaupt  kei- 
ner von  beyden  Methoden  als  eigenthümlich  nachgerühmt  oder 
vorgeworfen  werden  können :  chronologisch  genug  ist  z.  B.  Saxe 
zu  Werke  gegangen,  aber  dass  er  in  das  innere  Leben  der  bey 
ihm  wirklich  als  todte  Masse  daliegenden  Griech.  Litteratur  ein- 
führe, wird  niemand  zu  behaupten  wagen.  Wir  geben  daher  auch 
gern  und  mit  voller  üebcrzeugung  zu,  dass  dasselbe  Gesetz  der 
Darstellung  fiir  die  politische  Geschichte  wie  für  die  der  Littera- 
tur gelte,  und  dass  die  Schriftsteller  xmd  ihre  Werke  in  der  Lit- 
teraturgeschichte  so  ziemlich  dasjenige  sind,  was  in  der  politi- 
schen die  einzelnen  Personen  und  ihre  Handlungen,  sehn  aber 
nicht  ein,  waS  fürilnsre  Sache  weiter  daraus  folgt,  ausser  etwa 
das  Gegentheil  von  dem,  m  as  Matthiä  bezweckt. 

Versteht  Rec.  ilm  anders  recht,  so  stellt  er  auch  für  die  po- 
litische Geschichte  die  streng  beobachtete  Zeitfolge  als  Princip 
der  Anordnxuig  fest ;  aber  auch  darin  müssen  wir  ihm  ganz  xmbe- 
dingt  widersprechen.  Das  leichtere  Verfahren  ist  es  unstreitig, 
von  Monat  zu  Monat ,  von  Jahr  zu  Jahr  sich  vom  Strome  der  Zeit 
dahin  tragen  zu  lassen,  xmd  die  Geschichtschreibung  der  meisten 
altern  und  neuern  Völker  geht  daher  von  blossen  Jahrbüchern  aus. 
Allein  grade  diess  Verfahren  können  wir  nicht  Gcschichtschrei-- 
bung ,  sondern  nur  AnnaUstilc  nennen.  Es  wird  dadurch  dem 
zarten  Innern,  oft  schwer  zu  findenden  Faden ,  der  die  geschicht- 
lichen Momente  verknüpft ,   ein  derbes  Band  von  aussen  her  sub- 


Groddeck  hist.  Graee.  Htter.  u.  Schoell  hist.  de  la  litt.  Gr.  prof.   143 

stitnirt,  das  aber  ancli  nur  mecliamsch  ziisaramenhält,  und  aller 
liistoviscJieii  Composhioii  ein  Knde  jnacht.  Kec.  Avill  sich  liier 
nicht  auf  llerodot  benilen,  -vveil  man  vielleicht  *)  antworten  wür- 
de, dieser  sey  noch  viel  zu  sehr  Anlaiiiier  in  der  wahren  (üc- 
schichtschreilnniff,  um  als  Auctorität  angerührt  werden  zu  können, 
auch  nicht  auf  andre  Gewährsmänner,  sondern  einzig  auf  die  JNa- 
lur  der  Sache. 

A>  o  aus  Kiiiem  nrsprimgliclien  Motiv  eine  Reihe  auf  einan- 
der folgender  liegebenheiten  iu  ungestörtem  Zusammenhange  her- 
vorgeht, da  giebt  sich  die  Darstellung  nach  der  Zeitfolge  von 
sell)>;t.  weil  die  iiuiern  Triebfedern  mit  ihrer  äusserlichen  Be- 
tlingung  in  Kins  zusammenfallen.  Je  vielgestaltiger  sich  aber  ein 
Leben  entfaltet,  desto  sorgfältiger  muss  sein  Geschichtschreibcr 
auf  der  Iluth  seyn,  dass  er,  das  wesentlich  Zusammengehörende 
herausfindend  und  zu  grössern,  vvohl  geordneten  Massen  verbin- 
dend, dem  Zuge  der  Zeit  nicht  zur  Unzeit  nachgebe. 

Nichts  aber  kann  an  Vielgestaltigkeit  mit  der  dichterischen 
und  wissenschaftlichen  Entwicklung  eines  unter  günstigen  Ein- 
wirkungen empor  blühenden  Volkes  vei'glichen  werden.  Denn 
hier  wetteifert  die  eigne  Genialität  des  Individuums  mit  den  Be- 
günstigungen durch  \olksthümlichkeit,  örtliche  Verhältnisse  und 
Zeitumstände :  diess  aber  legt  dem  Littei'arhistoriker  die  dop- 
j)elte  Verpflichtung  auf,  sowohl  dasjenige,  was  der  freyen  Schö- 
pfungskraft des  Schriftstellers  angehört,  als  das  was  durch  äus- 
sere Bedingungen,  dem  Künstler  selbst  imbewusst,  erwirkt  wor- 
den ist,  aufzufassen  und  soweit  inisre  Mittel  reichen  zu  unter- 
scheiden. Es  versteht  sich  also  von  selbst,  dass  vor  allem  Ilaupt- 
epochen  in  der  Bildungsgescliichte  des  Volkes  zu  ermitteln  sind, 
dessen  Schriftwesen  geschichtlich  gewürdigt  werden  soll:  sie 
Merden  bey  jedem  Volke,  das  sich  eines  öffentlichen,  giossarti- 
gcn  Staatslebens  erfreut,  mit  den  Hauptmomenten  der  politischen 
Geschichte  zusammentreffen  oder  ihnen  wenigstens  in  geringen 
Zwischenräumen  folgen.  Eben  so  wenig  kann  darüber  Streit 
seyn ,  dass  jede  dieser  Epochen  mit  einem  kurzen  Ueberbllck 
über  ihre  politische  Geschichte  — •  mit  besondrer  Hervorhebung 
der  Thatsachen,  die  für  die  Litteratur  von  Bedeutung  sind  —  zu 
eröffnen  ist,  wobey  sofort  die  Zeiten  angedeutet  werden  müssen, 
die  durch  das  Aufkeimen  einer  neuen  Stylgattung  oder  durch  das 
Hervortreten  eines  für  die  gesammte  Litteratur  bedeutenden  Na- 
mens bezeichnet  sind. 

Nun  ist  es  Zeit,  die  einzelnen  Gattungen  der  poetischen  und 


*)  mit  llerodots  Landsmanne  Dionyslos  von  HallkarnassoR,  rfe  TIiu- 
<yd.  liist.  judic.  0,  dem  t-elbst  der  gründliche  Po/)y)o,  Prole«:^.  ad  Thucyd. 
V.  I  Vol.  I  p.  Iß  fgg.  Gehör  gegeben  hat;  8.  dagegen  Dahlmanns  llero- 
dot,  S.  137  fgg. 


144  Griechische  LitteratürgcBchichte. 

prosaischen  Schreibart  näher  ins  Aus^e  zu  fassen ,  die  dem  zur 
Genüge  charakterisirlen  Zeitabschnitt  ilire  Beginne  oder  ihre  wei- 
tere Ausbildung  verdanken ,  sowie  die  Einwirkungen  nachzuwei- 
sen ,  die  sie  auf  einander  ausüben.  Da  aber  die  verscliiedenen 
Gattungen  nur  aus  den  Werken  zu  erkennen  sind,  die  einer  jeden 
derselben  angehören,  so  scheint  aus  dem  Gesagten  nothweudig 
zu  folgen ,  dass  eine  solclie  Darstellung  dami  erst  eine  wahrhaft 
zusammenhangende  und  belebte,  acht  geschichtliche  werden  wird, 
wenn  sicli  der  allgemeinen  Betrachtung  sofort  die  einzelnen  Er- 
scheinungen und  diese  allerdings  soviel  möglich  nach  der  Zeit- 
folge anschliessen.  Der  Gefahr  einer  alles  zerlegenden  Abstra- 
ction  wild  man  unschwer  entrinnen,  wenn  man  bey  der  wissen- 
echaftlichen  Gliederung  nicht  nach  selbstgeschaffnen  oder  andern 
modernen  Theorien  verfährt,  sondern  die  innere  Natur  der  Schrift- 
werke und  die  Grundsätze  des  Alterthuras  selbst  zur  Richtschnur 
nimmt.  Denn  dass  die  einsichts>  ollsten  Litteratoren  Griechen- 
lands und  Roms  gleichfalls  der  wissenschaftlichen  Anordnung  den 
Vorzug  gaben  und  ihr  eine  höhere  Anwendbarkeit  zuerkannten 
als  zu  Bücherverzeichnissen  imd  Bibliotheksaufstellungen,  lehrt 
zur  Genüge  der  Kanon  der  grossen  Alexandrinischen  Kritiker  und 
der  Gebrauch,  den  noch  der  treffliche  Quinctilian  von  demselben 
macht.  Wenn  sich  aber  auch  der  Rec.  in  seinen  Grundzügen  der 
Griech.  und  Rom.  Litt.  Geschichte  wirklich  unstatthafte  Zer- 
stücklungen hat  zu  Schulden  kommen  lassen,  so  hat  dafür  nur  Er 
Tadel  verdient,  und  es  ist  ein  starker  Fehlschluss,  wenn  man 
durch  Misgriffe  Eines  Bearbeiters  sich  berechtigt  glaubt,  die 
ganze  Sache  zu  verwerfen. 

Prüfen  wir  nun  aber  das  chronologische  Verfahren  in  seiner 
besondern  Anwendung  auf  das  Griechische  Schriftwesen,  so  tre- 
ten uns  noch  Bedenklichkeiteii  andrer  Art  entgegen.  \'on  einer 
ganz  bedeutenden  Reihe  schriftlicher  Denkmaale  ist  uns  das  Zeit- 
alter entweder  völlig  unbekannt  oder  die  Vermuthungen  schwan- 
ken in  dem  Raum  mehrerer  Jahrhunderte  hin  und  her:  man  denke 
nuranSkylax,  an  den  Periegeten  Dionysios,  an  Stephanos  von 
Byzant :  diese  Schriftsteller  finden  in  einer  chi'onologischen  An- 
ordnung gar  keinen  Platz.  Aber  auch  bey  denen,  deren  Zeitalter 
wir  gar  wohl  kennen ,  vermissen  Mir  ein  sicheres  Princip.  SoU 
das  Jahr  ihrer  Geburt  die  Aufeinanderfolge  bestimmen'?  Das 
rischeint  unpassend,  m  eil  die  Geburt  sie  noch  nicht  zu  litterarhisto- 
sehen  Personen  machte :  oder  das  Jahr  ihres  ersten  schriftstelle- 
rischen Ilervortretens  1  Das  w  issen  wir  in  den  wenigsten  Fällen 
und  ausserdem  beginnt  die  Epoche  der  Wirksamkeit  eines  Schrift- 
stellers nicht  leicht  mit  seinen  ersten  Anfängen:  es  bleibt  also 
nur  die  Zeit  seiner  Blüthe  übrig :  hier  tritt  uns  aber  gleich  der 
Uebelstand  entgegen,  dass  das  eben  eine  Zeit,  kein  Jahr  ist,  wo- 
durch der  Willkühr  freyes  Spiel  gegeben  wird,  und  dann  muss 
man  ja  auch  gestehn,  dass  nicht  wenig  Schriftsteller  in  der  Griech. 


Groddeck  hist.  Gruec.  litter.  u.  SchocU  hi^t.  de  l<i  litt.  Gr.  prof.    145 

Litteratnrj^eschichte  zu  verzeichnen  sind,  von  denen  es  sehr  zwei- 
felhaft bleibt,  ob  sie  jemals  eine  Blüthc  gehabt  liaben,  wäljrend 
diese  bey  andern  —  und  nicht  gerade  bey  den  schlechtesten  — • 
vielleiclit  erst  Jahrhunderte  nacli  ihrem  'J'ode  anzunehmen  seyn 
dürfte.  Wende  man  nicht  ein ,  dass  wir  alle  diese  Schwieriirkei- 
ten  auch  bey  der  wissenschaftlichen  Methode  empfinden,  da  — 
>ne  wir  selbst  zus^circben  liaben  —  wenififstens  in  den  einzelnen 
Fächern  die  Aufstellunjj  nach  der  Zeitfblire  eintreten  mVisse:  frey  - 
lich einptiiiden  wir  sie,  wie  manche  andre  nicJit  ^crini^ere,  aber 
sie  sind  iiiiwcseiitlich,  weil  sie  die  wahre  (Grundlage  derBehand- 
luii<r  iinaüironihrt  lassen. 

])en  Ilaupteinwand  gegen  die  clironologisclie  Anordnung  ge- 
ben aber  die  nach  derselben  eingerichteten  Lebrl>iicher  selbst. 
Wir  schlagen  Matthias  Grundriss  auf:  bis  zum  Eumelos  geht  al- 
les Mie  es  sich  geliört:  es  folgt  Archilochos,  dann  'lyrtäos,  Alk- 
nian,  Terpaiidros,  Lesches,  Peisandros  u.  s.  m.  liier  ist  nun  der 
geschichtliche  Faden  schon  vierlach  verwirrt  oder  zerrissen! 
Demi  als  ein  durchaus  unhistorisches  Verfahren  miissen  wir  es  in 
Anspruch  nehmen,  dass  ein  iambischer,  ein  elegischer  und  zwey 
lyrische  Dichter  mitten  liineingeworfen  sind  zwischen  die  Dichter 
des  Epischen  Kyklos,  bloss  weil  die  Jahreszahl  es  gebot.  So  we- 
nig als  Lesches  und  Peisandros  vom  Eumelos ,  durften  Archilo- 
chos vom  Amorgischen  Simonides,  Tyrtaos  vom  Kallinos ,  (der 
freylich  ganz  fehlt,  aber  nach  der  Chronologie  nicht  beym  Tyr- 
taos stchn  konnte,)  Alkman  und  Terpandros  Aon  den  iibrigen  Ly- 
rikern getrennt  werden,  MO  es  eine  Geschichte  der  Griech.  Lit- 
teratur,  nicht  eine  chronologische  Nomenclatnr  der  beriihmtesten 
Griech.  Schriftsteller  galt.  Zu  solchen  Betraclitungen  giebt  aber 
jede  Seite  des  Buches  reichen  Stotf :  was  soll  man  z.  B.  S.  47  fg. 
zu  dieser  Ueihe  sagen:  Piaton,  Antimachos,  Philoxenos,  Chion, 
Erinna,  Isäos,  Eudoxos,  Lykurgos  u.  s.w.  — ?  Wer  kann  darin 
geschichtlichen  Zusammenhang  entdecken?  Gleichwohl  ist  die 
Chronologie  in  dieser  buntscheckigen  Gesellschaft  von  Philoso- 
phen,  Epikern.  Elegikern,  Dithyrambikern ,  Tyrannenmördern, 
Dichterinnen  ,  Kednern  und  Mathematikern  vollkommen  richtig  : 
die  Schuld  liegt  also  nicht  an  dem,  der  so  verscliiedenartige  Gei- 
ster aus  den  verschiedensten  Gegenden  Griechenlands  in  Eine 
Reihe  stellte,  sondern  an  der  Methode,  die  ihn  dazu  zwang. 

Auf  dasselbe  P>gebniss  kommen  wir,  Menn  wir  statt  dieses 
analytischen  A  erl'ahrens  ein  s^nlhetisches  eintreten  lassen.  Wer 
vermag  sich  z.  B.  den  Bildimgsgang  der  Attischen  Tragödie  klar 
zumachen,  \\enn  zwischen  Thespis,  Phrynichos ,  Aeschylos,  So- 
phokles niul  Eurij)ides  nicht  weniger  als  siebenzehn  andre  Schrift- 
steller von  «len  u-rsehiedenartigsten  Richtungen  aufgeführt  wer- 
den*? Dass  aber  derjenige,  der  das  organische  Leben  derAitl- 
schen  Tragödie  nicht  begreifen  gelernt  hat,  weder  rom  Sat>T- 
drama,  noch  von  der  Sicilischen,  noch  von  der  Attischen  Komödie 

Jaltrb  d.  I'hü.  u.  Püdag.  Jahrg.  }.  lieft.  1  10 


146  Griechische    L  i  1 1  c  i*a  t  u  r  ge  schieb  te. 

eine  richtige  Vorstellung  bekommen  kann,  das  dürfte  wohl  keines 
Beweises  bediirfen.  Lim  nichts  besser  ergeht  es  uns  mit  der  Ele- 
gie, wenn  wir  zwisclien  Tyrtäos  und  Solon  mit  sieben,  zwischen 
Mimnermos  und  Tlieognis  mit  fünf,  zwischen  l'heognis  und  Xeno- 
phanes  mit  sechs  andern  Sclirii'tstellern  Bekanntschaft  zu  machen 
genöthigt  werden ;  um  nichts  besser  mit  der  Geschichtschreibung, 
wenn  Ilerodot  nicht  nur  durcli  einen  Zeitabschnitt,  sondern  aucJi 
noch  durch  aclitzehn  Poeten  und  Prosaiker  von  den  ältesten  Lo- 
gographen, und  durch  einundzwanzig  Schriftsteller  aller  Classen 
vom  Thuk^dides,  dieser  aber  w ieder  durch  sechs  dergleichen  vom 
Xenophon  getrennt  wird,  und  wo  möglich  noch  etwas  schlechter 
mit  der  Akademischen  Philosophcnschule,  Mcnn  zwischen  Piaion 
und  seinem  Nachfolger  Speusippos  erst  sechszehn  andre  Namen 
an  uns  vorübergelin ,  unter  diesen  die  meisten  Attischen  Redner, 
B]udoxos,  Aristoteles,  ein  Paar  Historiker  aus  Isokrates  Schule, 
ein  Taktiker  und  etliche  Poeten!  Wer  in  so  heterogene  Indivi- 
dualitäten ,  wie  genau  sie  auch  an  der  Schnur  der  Olympiaden- 
rechnung aufgereiht  seyn  mögen ,  Zusammenhang  und  geschiclit- 
liches  Leben  zu  bringen  vermag,  der  soll  uns  ein  grosser  Apollo 
seyn. 

Doch  fi'ir  jetzt  genug  davon!  Rec.  hat  es  für  unerlasslich 
gehalten,  bey  diesem  Gegenstande  etwas  länger  zu  verweilen,  da 
die  ganze  Form  der  litterarhistorischen  Darstellung  von  ihm  ab- 
hangt, und  derjenige,  der  sich  nach  oft  erneuter  Prüfung  als 
Matthiä's  Gegner  kundgiebt,  seinen  Lesern  allerdings  Rechen- 
schaft von  den  Gründen  seines  Widerspruchs  schuldig  zu  seyn 
scheint. 

Hat  also  Rec.  von  seinem  Standpunkt  aus  die  Beobachtung 
der  wissenschaftlichen  Methode  den  Weiken  von  G/oddeck  und 
Scholl  als  wahres  Verdienst  anrechnen  müssen:  so  bleibt  nun 
noch  die  höchst  wichtige  Frage  zu  beantworten,  ob  diese  Gelehr- 
ten in  der  Bestimmung  der  litterarhistorischen  Hauptepochen 
und  in  der  angenommenen  Abclassung  der  einzelnen  Redegattun- 
gen eben  so  sehr  befriedigen ,  wie  in  der  von  ihnen  im  Allgemei- 
nen getroffnen  Anordnung.  Wenn  Rec.  im  Voraus  bekennt ,  von 
dieser  Seite  vielfachen  Stoff  zu  Einwendungen  gefunden  zu  ha- 
ben, so  bescheidet  er  sicli  doch  gern,  dass  in  dieser  Hinsicht  die 
Schwierigkeiten  bey  weitem  die  grössten  mid  zahlreichsten  sind, 
und  dass  noch  gar  manche  abweichende  Meinung  aufzustellen  und 
zu  beseitigen  seyn  wird,  bevor  es  gelingt,  zu  etwas  Allgemeingül- 
tigem zu  gelangen.  So  mag  denn  das  Folgende,  wenn  auch  nicht 
billigende  Beystimmung,  doch  als  vielfach  erwogene  individuelle 
Ansicht  geneigte  Aufnahme  finden. 

In  Festsetzung  der  litterarhistorischen  Hauptepochen  hat 
Groddeck  sich  seinen  eignen  Weg  gewählt.  Ausgehend  von  ei- 
ner ungeschichtlichen  Vorzeit  theilt  er  den  Raum  von  Homer  bis 
Constautin  dem  Grossen ,  der  ihm  als  das  eigentliche  Feld  der 


Groddeck  hist,  Gi-aeo.  littcr.  u.  ScIioeU  Inst,  de  la  litt.  Gr.  prof.    147 

Griecli.  Litt erahirgesclnchtc  gilt ,  in  drcy  Abschnitte:  der  erste 
reicht  von  Homer  bis  Pindav,  JM)0  —  400  vor  Chr.;  er  lasst  die 
epische,  IjTische  und  didaktische  Poesie  in  sich,  und  hat  Klein- 
Asien,  Gross -Griechenland  und  Sicilien  zum  Schauplatz:  der 
zweyte  von  490 — 324  vor  ('hr.  beffinnt  mit  Sokrates  und  schliesst 
mitüemosthenes:  die  Vollendung  der  Geschichtschreibung,  der 
Philosophie,  der  dramatischen  Poesie  '  und  der  Bercdtsamkeit, 
ül)erhaupt  die  höchste  Bliithe  allseitiger  Geistesentwicklung  in 
Athen  darzustellen,  ist  seine  Aufgabe:  die  dritte  Epoche  von 
Alexander  dem  Grossen  bis  Conslantin  dem  Grossen,  324  vor 
Chr.  — 323  nach  Chr.,  enthält  die  Schicksale  des  Griech.  Schrift- 
Wesens  unter  den  Ptok  mäern  und  der  Uömischen  Herrschaft,  inul 
schildert  die  gelehrte  Kichlung,  die  dasselbe  in  Alexandria  und 
Rom  nahm.  Den  IJeschliiss  macht  eine  nach  den  Fächern  geord- 
nete L'cbersiclit  der  Griech.  Schriftsteller,  die  von  Constantin  bis 
znm  t  iitergange  des  liyzantiniscljen  Kayserreiclies  gelebt  haben. 
—  Allgemeine  Lfeberblicke  oder  Zusammenstellungen  mit  der  po- 
litisclicn  Geschichte  sind  diesen  Zeitabschnitten  nicht  vorange- 
schickt. 

Scholl  dagegen  ist  der  eigentlicli  von  Friedr.  Aug.  Wolf 
ausgehenden,  auch  von  Mohnike,  S.  <)(>,  gebilligten  und  vom  Rec. 
in  seinen  Grumlzügen  als  Basis  angenommenen  Eintheilung  ge- 
folgt, nach  welcher  der  ganze  Zeitraum  von  den  ersten  Anfängen 
der  Griech.  Geschichte  bis  zur  Eroberung  Aon  Constantinopel  in 
seclis  Abschnitte  von  ungleicher  Länge  zerfällt:  L  Von  der  friihe- 
sten  mythischen  Urzeit  an  bis  zur  Zerstörung  von  Ilios,  die  Schall 
niclit  Avie  gev.ölinlich  nach  Eratosthenes  und  Dionysios  von  Hali- 
karnassos  1184,  sondern  nach  llerodot  1270  Jahre  vor  Chr.  setzt. 
II.  Bis  auf  Solons  Gesetzgebung,  1270  —  594  vor  Chr.  III.  Bis 
zur  Regierung  Alexanders  des  Grossen,  594  —  336  vor  Chr.  IV. 
Bis  zur  Zerstörung  von  Korintji,  336 — 146  vor  Chr.  V.  Bis  zur 
Regierung  ('onstantins  des  Grossen,  146  vor  Chr.  —  306  nach 
Chr.  VI.  Bis  zur  Einnaluue  Cbnstantinopels  durch  die  Tiirken, 
306  — 1453.  —  Dem  gemäss  ist  das  Schöllsche  Werk  in  sechs 
Bücher  (natürlich  auch  diese  von  selir  ungleichem  Umfange)  ge- 
theilt.  die  wieder  103  Capitel  na('h  uniniterbrochen  fortlaufender 
Zähliiiig  unter  sich  begreifen.  Einem  jeden  Buche  ist  in  seinem 
ersten  ('apitel  eine  gedrängte Uebersicht  des  bürgerlichen  und  po- 
litischen Zustandes  von  Griechenland,  eine  Gescliichte  der  Spra- 
che, der  Mundarten  und  der  Buchstabenschrift,  endlich  eine  be- 
urtheilende  Zusammenstellung  der  aus  jedem  Zeitalter  in  Inschrif- 
ten auf  uns  gekommenen  urkundliclien  Sprachdenkmaalc  >orange- 
stellt.  Allerdings  fehlt  es  hiebey  im  Einzelnen  nicht  an  Veran- 
lassung, von  den  Ansichten  des  \  erf.  abzuweichen,  wie  z.  B.  Th. 
1  S.  6  der  Vermuthung.  die  Pelasger  seyen  Autochtbonen  gewe- 
seji,  gegen  Herbert  Marsch  ein  un\ erdicntes  («ewiclit  gegeben, 
besonders  aber  S.21  fg.  der  abenteuerlichen  Hypothese  des  sonst 

10* 


148  Griechische    L  i  1 1  e  r  a  t  u  r  g  e  ä  c  h  i  c  h  t  e. 

Ko  behutsamen  Mannert  von  einer  dieyfachen  Urbevölkerung  Grie- 
chenlands dui'ch  Gräken  ,  späterhin  Hellenen  genannt ,  durch  Le- 
leger  und  Kureten  und  durch  Pelasger,  ein  so  unbedingter  Vor- 
zug vor  allen  iibrigen  Systemen  zuerkannt  Mird,  dass  Rec.  gewiss 
nicht  der  einzige  ist,  der  darüber  erstaunt.  Wie  dem  aber  auch 
sey,  im  Ganzen  miissen  wir  nicht  bloss  die  diesen  Einleitungen 
zum  Grunde  liegende  Idee  eine  acht  litterarhistorische,  sondern 
auch  die  gediegene  Kürze  und  die  geistreiche  Klarheit  der  Aus- 
führung preiswürdig  und  musterhaft  nennen.  Endlich  aber  ist 
der  geschichtliche  Ueberblick  durch  eine  ungemein  sorgfältige 
und  ausführliche  chronologische  Zusaminensteliung  erleichtert, 
die  fast  den  ganzen  achten  Band  füllt.  Es  ist  dabey  die  höchst 
zweckmässige  Einrichtung  getroffen,  dass  die  Thatsachen  der 
politisclien  und  der  Litteratur  -  Gescliichte  nicht  unter  einander 
geworfen ,  sondern  jene  für  sich  auf  der  linken  Seite  verzeichnet, 
und  diese  ihnen  auf  der  rechten  gegenüber  gestellt  sind.  Nur 
ist  der  Columnentitel  für  diese  zweyte  Abtheilung  —  Ecrivains  — 
viel  zu  eng  gewählt,  da  sie  sich  keineswegs  auf  die  Schriftsteller 
beschränkt,  sondern  mit  Hecht  alle  Ilauptmomente  der  Griech. 
Culturgeschichte  in  sich  aufgenommen  hat.  Zu  bedauern  ist 
übrigens,  dass  die  vortrefflichen,  unmittelbar  aus  den  Quellen  ge- 
schöpften Fasti  Helleuid  von  Clinton^  Oxford,  1824,  die  hof- 
fentlich bald  durch  eine  neue  Bearbeitung  von  C.  W.  Krüger 
bey  uns  eingebürgert  seyn  w  erden ,  bey  diesen  parallelen  Zeitta- 
feln noch  nicht  haben  benutzt  werden  können.  Es  würde  daraus 
besonders  für  die  richtigere  Angabe  der  Jahre ,  in  denen  einzelne 
Dramen  zum  erstenmal  auf  die  Bühne  gebracht  und  einzelne  Re- 
den gehalten  worden  sind,  —  denn  selbst  bis  in  solche  Details 
erstrecken  die  Schöllschen  Tafeln  sich  —  gar  manches  zu  gewin- 
nen gewesen  seyn. 

Was  nun  aber  die  zwischen  beyden  Gelehrten  bemerklich 
gemachten  Abweichungen  bey  Abgrenzung  der  Zeiträume  an- 
langt, so  ist  bey  Groddcch  die  Yermengung  der  Kriterien,  die  er 
bald  aus  der  politischen,  bald  aus  der  Litteratur-Geschichte  selbst 
entlehnt  hat,  keineswegs  gutzuheissen:  dieser  Rahmen  muss  im- 
mer aus  der  politischen  Gescliichte  entnommen  werden ,  wie  diess 
bey  Scholl  folgerecht  geschehn  ist.  Indess  ist  s,c^e\i  die  von 
diesem  vorgezogene  Eintheilung  schon  früher  von  Matthiä  (Jen. 
AUg.  Litt.  Ztg.  1816  Jul.  Nr.  133  S.  123)  und  wohl  mit  gutem 
Grunde  erinnert  worden,  nicht  mit  der  Eroberung  von  Troja, 
sondern  80  Jahre  später ,  mit  der  Rückkehr  der  Ilerakliden ,  die 
durch  jene  Eroberung  nur  vorbereitet  wurde,  beginne  eine  neue 
Gestaltung  der  Dinge,  die  als  Epoche  machend  zu  betrachten 
sey:  ebenso  könne  Solons  Gesetzgebung  allenfalls  in  einer  Spe- 
cialgeschichte von  Athen  einen  Abschnitt  begründen,  in  einer  all- 
gemeinen Griech.  Bildungsgeschichte  eigne  sich  der  Atifang  der 
Perserkriege  besser  dazu :    endlich  trete  nicht  mit  Piülippos  von 


Grodilcck  hist.  Gnicc.  littrr.  «.  Siiiocll  hisl.  de  l<i  lilt.  Gr.  prüf.    14J) 

Makedonien  Tode,     sondern  mit  der  Schlacht  bey  Chäroneia  ein 
neuer  Zeitabschnitt  iVir  Grieclicnland  ein:    lJemerkuii2;en  von  s<» 
einleuchtender  Wahrheit,  dass  wohl  kein  Einwand  dagegen  erho 
ben  werden  kann. 

Dass  aber  sowohl  von  Groddeclc^  als  von  Scholl  bey  Befol- 
gung der  von  ihnen  angenommenen  chronologischen  Eintheilun- 
gen  ein  nicht  unbedeutender  Zwang  empfunden  worden  ist,  des- 
sen sie  nicht  ganz  haben  Meister  werden  können,  das  scheint  die 
Vertheilung  des  litterarhistorischen  Stoflcs  in  diese  Fachwerke 
darzutlmn.  Jener  Zwang  giebt  siel»  aber  in  zwey  ganz  entgegen- 
gesetzten Erscheinungen  kund.  Denn  bald  sehn  nnsre  Verfasser 
sich  geuöthigt ,  iln-en  Epochen  zu  Liebe  Schriftsteller  durch  die 
Kluft  vieler  bedruckter  Seiten  ans  einander  zu  reissen ,  die  das 
innere  Geistesleben  unauflöslich  verknVipft  hält,  bald  können  sie 
nicht  umhin ,  die  von  ihnen  nur  eben  gezogenen  Grenzlinien  zu 
nberschreiten ,  lun  das  wesentlich  Verbundene  verbunden  lassen 
zu  können.  Im  ersten  Falle  bewegen  sie  sich  unfrey  in  selbstge- 
schmiedeten Fesseln ,  und  lassen  sich  durch  dieselben  von  dem 
vielleicht  w  olil  erkannten  richtigen  Wege  abziehn :  im  andern  ver- 
nichten sie  das  Gesetz  der  Zeit ,  das  sie  sich  selbst  geschrieben 
hatten,  und  diess  Uebel  ist  unstreitig  unter  beyden  das  geringere, 
weil  dabey  docli  der  wahre  gescliichtliche  Zusammenhang  geret- 
tet wird. 

Einem  solchen  Hinübergreifen  aus  Einem  Zeitraum  in  den 
andern  begegnen  wir  besonders  häufig  bey  Groddeck.  Seine 
erste  Epoche  reicht,  ^^ie  erwähnt  ist,  bis  4Ö0  vor  Chr.  Gleich- 
wohl führt  er  die  Geschichte  des  Epos  Viber  diese  Grenzen  hin- 
aus nicht  bloss  bis  zum  Ilerodoros  dem  Pontier  und  dem  Samier 
Choirilos,  sondern  selbst  bis  zum  Antimaclios  von  Kolophon.  also 
bis  400  vor  Chr.  hinab.  Ebenso  beschliesst  Antimaclios  die  lleihe 
der  p]legiker  in  diesem  Zeiträume ,  so  dass  man  wirklich  nicht 
einsieht,  warum  nicht  auch  Philetas,  Hermesianax,  Phanokles 
und  Kalliniachos  gleich  hier  angereiht  sind.  Auch  unter  den  Ly 
rikern  gehört  IJaki  hylides  der  Jahreszahl  nach  eigentlich  schon 
der  folgenden  Periode  an,  was  im  noch  höhern  Grade  vom  Me 
lanippides,  von  derPraxilla,  dem  Kinesias  und  den  Th.  !  S.  W 
aufgeführten  Dithyrambikern  gilt.  Nicht  minder  unerwartet  sind 
hier  Parmenides  und  Empedokles,  die  nicht  bloss  der  Zeitrechr 
nung,  sondern  auch  dem  Gegenstand  ihrer  Lehrgedichte  nach  ei- 
nen schicklichem  Platz  zwischen  Pythagoras  und  Herakleitos  ge- 
funden haben  würden:  wäre  ihnen  diese  Stelle  angewiesen  wor- 
den, so  würde  dadurch  zugleich  die  lästige  Wiederholung,  Th.  ! 
S.  75  fg.  und  102  fg.,  vermieden  worden  seyn.  —  Wenn  Giod 
deck  so  in  der  ersten  Epoche  sich  selbst  wiederholt  vorgreift,  und 
dadurch  die  gewählte  Zeitbegreuzung  factisch  aufhebt,  so  neh 
men  wir  gleicli  zu  Anfang  der  zweyten  Epoche  das  Gegentlieil. 
ein  Zurückgreifen  iu  den  vorhergegangenen  Zeitraum  wahr.  ?Sii(h( 


150  Griechisclie  Litleruturgcäcliichte. 

genug,  tlass  wir  S.  86  bis  zum  Kadmos  von  Milet,  also  bis  min- 
destens 525  vor  Chr.  zurückgerülirt  Averden,  S.  100  fg.  müssen 
wir  gar  wieder  bis  Thaies,  Solon,  Zaieukos,  Lykurgos,  und  S. 
145  bis  Tliespis,  ja  bis  zum  lialbmythischen  Epigcnes  liinaulstei- 
gen,  u.  s.  w. 

Diesen  auffallenden  Widerspruch  mit  sich  selbst  hat  Scholl 
allerdings  zu  a  ermeiden  gesucht ,  imd  daher  stellt  bey  ihm  ge- 
wöhnlich in  jedem  Zeitabschnitte,  was  der  Jahreszahl  nachhin- 
ein gehört.  Allein  die  behutsame  Vermeidung  dieses  Uebelstan- 
des  hat  den  trefflichen  Mann  nur  allzuhäufig  in  den  andern  von 
uns  bezeichneten  gerathen  lassen :  mn  mit  seinen  chronologisclien 
Abmarkungen  in  Uebereinstimmung  zu  bleiben,  hat  er  sich  oft 
genug  entschliessen  mVissen ,  den  litterarhistoriscluen  Faden  uner- 
wartet  abzureissen  und  immer  neu  wieder  anzuknVipfen ,  wo  die 
Geschichte  selbst  den  schönsten,  lebendigsten  Zusammenhang 
darstellt,  der  auch  gewiss  dem  geübten  Blicke  des  Verf.  keines- 
wegs entgangen  ist.  Um  auch  davon  einige  Ueyspiele  hervorzu- 
heben, so  sind  Th.  1  S.  197  die  Anfange  der  Griechischen  Lyrik 
nur  kurz  angedeutet  und  nähere  Nachrichten  über  Thaletas ,  Ar- 
chilochos,  Alkman,  Alkäos,  Sappho  und  Simonides  von  Amorgos 
gegeben,  nachdem  schon  vorher,  S.  11)1  fg.,  ausführlich  über  ei- 
nen einzelnen  Zweig  oder  eine  Nebenform  der  lyrischen  Poesie, 
das  Skolion,  gesprochen  worden  ist:  dagegen  finden  wir  erst 
Th.  1  S.  200  die  vollständigere  Einleitung  in  diese  Dichtungsart, 
weil  sie  in  dieser  Periode  (594 — 336  vor  Chr.)  zu  ihrem  höchsten 
Glänze  gelangt  sey,  und  es  folgen  nun  die  Nachricliten  über  Ste- 
sichoros ,  Anakreon ,  Pindaros ,  Bakchylides  u.  s.  w.  Dass  erst  in 
diess  Zeitalter  die  eigentliche  BlüJhe  der  Lyrik  zu  setzen  sey, 
können  wir  nach  Alkman ,  Alkäos  nud  Sappho  schon  nicht  so  im- 
bedingt zugeben:  dass  aber  von  den  eben  genannten  ilire  grossen 
Nachfolger  von  Stesichoros  an  olme  allen  Innern  Grund  gesondert 
sind,  wird  niemand  billigen;  und  grade  dasjenige,  was  wenig- 
stens eine  bedeutende  neue  Bildungsstufe  bezeichnen  würde ,  der 
Uebergang  der  kürzern,  einfach  sich  selbst  wiederholenden  Aeo- 
lischen  Strophe  in  die  grossartigere  antistrophische  und  epodisclie 
Dorische,  ist  so  durchaus  mit  Stillschweigen  übergangen,  dass  der 
letztern  nur  S.  280  ganz  kurz  und  in  specieller  Beziehung  auf 
den  einzigen  Pindar  gedacht  ist.  Nachdem  ferner  die  Uebersicht 
iiber  die  Lyriker  bis  hinab  zum  Timotheos ,  TeFestes  und  Philo- 
xenos  gegeben  ist,  wird  S.  292  der  Faden  aufs  Neue  angespon- 
nen ,  und  wir  erhalten  eine  chronologische  Aufzäldung  der  LjTi- 
schen  Dichteriimeu  \o\\  der  Erinna  an  bis  zur  Telesilla  und  Pra- 
xilla.  Rec.  sieht  nicht  ein,  wie  der  Gesclilechtsunterscliied  hier 
eine  neue  Reihenfolge  begründen  konnte:  wir  wenigstens  sind 
bey  dem  Wenigen,  was  wir  über  diese  Dichterinnen  wissen,  durch- 
aus niclit  berechtigt,  danach  eine  Llnterabtheilung  in  der  Littera- 
turgescliichte  vorzunelimen :  einigen  Anstoss  muss  auch  der  Um- 


Groddeck  lüst.  Graec.  liUer.  u.  Schueil  liist.  de  la  litt.  Gr.  iirot'.   151 

stand  errej^en,  dass  Eiiiina  S.  292  als  Zeitgeiiossimi  und  Frenii- 
diiin  der  Sapplio  bezeichnet  >\ird,  und  dass  sie  ffleichwohl  durch 
einen  Zeitabschnitt  aou  der  Lesbischen  Sängerin»  getrennt  er- 
scheint :  worauf  anders  kann  diese  Scheidung  beruhn  als  auf  ei- 
ner uillkiiliriichen  Annahme,  deren  Lnzidässigkeit  grade  dadnrch 
eiideuclitcnd  wii-d  — 'l  Hey  weitem  nicht  hinlänglicli  gewiirdigt 
ist  die  letzte  und  Iiöchste  Kntwickhing  des  lyrischen  Gedichts  im 
Ditli;>Tambos ,  dessen  zwar  wiederholt,  Th.  1  S.  20S,  201,  275, 
Meldung  gethan  Mird,  jedoch  keineswegs  so,  dass  wir  dadurch 
zu  einer  Geschiclite  oder  einer  einigermaassen  voUstäntligeu 
Kenntniss  dieser  merkwiirdigen  Dichtuugsart  gelangen,  obgleicli 
es  weder  an  Stoff,  nocli  an  Vorarbeiten  dazu  fehlte:  Aiel  reichhal- 
tiger ist  Mer  Grod({ec/i\  TJi.  1  S.CiHfg.  Eudlich  miissen  wir  es  rii- 
gen ,  dass  unter  den  Lyrikern  Simonides  von  Keos  felilt ,  der 
nur  unter  den  Elegikern,  Th.  1  S.  242,  und  unter  den  Epigram- 
matikern, Th. 2  S.  129,  aufgefülirt  ist,  aber  auch  an  diesen  bey- 
den  Stellen  durchaus  ohne  Erwähniuig  des  liohen  ßiüimes ,  der 
ilira  als  lyrischem  Dichter  zu  Theil  geworden  m  ar.  Wir  miisseii 
uns  darViber  lun  so  melir  wundern,  da'^wir  nicht  nur  anjetzt  noch 
IjTische  BruchstVicke  von  ihm  besitzei»,  die  zu  den  köstlichsten 
Üeberresten  aus  dem  classischen  Alterthura  gehören ,  z.  B.  der 
Monolog  der  Danae  und  die  Seligpreisinig  der  bey  Thermopylä 
Gefallenen,  sondern  — was  fast  noch  richtiger  ist  —  auch  die 
bewährtesten  alten  Kritiker  ihn  vorzugsweis  als  Lyriker  auszeich- 
nen, wovon  der  Alexandrinische  Kaiu)u,  den  Scholl  selbst,  Th.  3 
S.  1H6,  mittheilt,  und  dem  Quinctil.  hist.  X,  1,  64  gefolgt  ist,  den 
schlagendsten  Beweis  enthält,  da  er  den  Simonides  keineswegs 
unter  die  Elegiker,  sondern  nur  unter  die  Lyriker  aufgenommen 
hat.  Schon  aus  diesem  Einen  Grimde  sind  auch  Avir  verpflichtet, 
ilira  in  uusern  Litteraturgeschichten  seinen  Ilauptplatz  unter  den 
Lyrikern  anzuweisen.  —  Auffallend  war  es  uns  aucli,  Th.  1  S, 
203  und  selbst  in  der  Ueberschrift  des  fünften  Capitels  eine  Ero- 
tische Poesie  als  besondern  Zweig  der  Lyiik  genannt  zu  finden, 
der  in  der  zweyten  Periode  mit  glänzendem  Erfolg  gepflegt  sey : 
als  Bearbeiter  dieser  Gattung  sclieinen  Alkman,  Alkäos,  Sappho 
gelten  zu  sollen:  wenigstens  "wird  der  erste  als  Yater  derselben 
angesjirochen,  mit  demBeyiVigen,  S.2<)ä,  er  habe  Parthenia  oder 
Loblieder  auf  Mädchen  gediclitet,  und  sein  ganzes  Leben  zwi- 
schen den  Freuden  des  Maliles  und  nler  Liebe  getheilt.  Was 
aber  die  Parthenia  anlangt,  so  weiss  unser  Verf.  S.  2()0  gar  wohl, 
dass  diese  Gattung  ihn'ii  JVamen  nicht  den  Jiingfranen  verdankte, 
die  darin  gepriesen  worden  Mären,  sondern  iWw  JungiVaiienchö- 
ren,  von  denen  die  Parthenia  gesungen  wurden,  wie  diess  aucli 
bereits  Groddeck,  Th.  l  S.  5'i,  57,  richtig  angiebt ,  und  ßöcich  zu 
den  Pindarischen  Fragm.,  Tli.  2,  2  S.  590,  mit  Avn  erforderlichen 
Zeugnissen  belegt.  Worauf  sich  die  Na<hricht  gründet,  dass  Alk 
maus  Leben  zwischen  den  Freuden  des  Tisches  und  der  Liebe  ge- 


152i  Griechitichc  Litteraturgescliichle. 

Uieilt  gewesen  sey ,  bekennt  Recens.  nicht  zu  wissen :  aber  dass 
ts  damit  nicht  so  gar  arg  gewesen  seyn  kann,  scheint  schon  aus 
der  -Vnerkennung  hervorzugehn,  die  seinen  Gesängen  in  Sparta 
zu  Theil  geworden  ist:  auch  lehrt  manches  von  ihm  erhaltene 
Bruchstück,  dass  er  des  erhabensten  Hymnen-  und  Päanentones 
geiibter  Meister  war.  Schliesslich  werde  hier  noch  bemerkt,  dass 
wir  unter  den  Lyrikern  des  dritten  Zeitraums  —  ein  sonst  bey 
ÄcÄö// äusserst  seltner  Fall!  —  den  gar  nicht  unbedeutenden  Li- 
kyinnios  von  Chios  ganz  a  ermisst  haben :  schon  das  vortreffliche 
üruchstiick  auf  die  Gesundheit  bey  Sevtus  Empir.  adv.  mathem. 
11,  49  wiirde  ihn  der  Anführung  würdig  gemacht  haben:  auch  hat 
Groddeck  seiner  wenigstens  unter  den  Sophisten,  Th.  1  S.  179, 
gedacht,  wiewold  mehrere  Kritiker,  z.  B.  Heindorf  zu  Plat. 
Phaedr.  S.319  und  wie  es  scheint  Gee/,  hist.  crit.  Sophist.  S.179, 
den  Sophisten  Likymnios  von  dem  LjTiker  unterscheiden,  wozu 
aber  nicht  mehr  Grund  vorhanden  ist  als  bey  Euenos. 

Es  würde  uns  zu  w  eit  von  unserm  Zw  eck  ablenken ,  wemi 
wir  mit  gleicher  Ausführlidikeit  bey  andern  Beyspielen  ähnlicher 
Trennung  des  Zusammengehörenden  verweilen  wollten.  Genüge 
daher  auch  dieser  weitläultigen  Auseinandersetzung  die  kurze  An- 
deutung, dass  die  Trennung  des  Theognis  und  Siraonides,  Th.  1 
S. 242,  von  den  friihernElegikern,  S.  187  fg.,  der  spätem  Kykli- 
ker,  Th.  2  S.  119,  von  den  älteren,  Th.  1  S.  166,  der  neuen  Ko- 
mödie, Th.  3  S.  76,  von  der  mittlem,  Th.  2  S.  107 fg.,  des  Her- 
niesianax,  Th.  1  S.240,  von  den  Alexandrinischen  Elegikern,  Th.  3 
S.  95,  zu  denen  er  eben  so  gut  gehört  wie  sein  Freund  Philetas 
und  der  erst  Th.  7  S.  444  nachgetragene  Phanokles,  und  viele 
ähnliche  demselben  Tadel  anheimfallen,  während  umgekehrt  Th.  2 
S.  129  Homer  in  der  dritten  Epoche  an  der  Spitze  der  Epigram- 
matiker und  Th.  1  S.  250  Hesiod  in  demselben  Zeitraum  als  älte- 
ster Fabeldichter  wieder  erscheint. 

Sehr  natürlicli  ist  mm  allerdings  die  Frage,  wie  es  denn 
möglich  sey,  beyde  Uebelstände  zugleich  zu  vermeiden,  da  es 
hier  scheinen  könnte,  als  wäre  es  durchaus  nothwendig,  entwe- 
der in  die  Skylla  oder  in  die  Charybdis  zu  gerathcn.  Auch  ge- 
steht Recens.,  dass  er  keinen  andern  Ausweg  weiss,  als  sich  von 
den  Jahreszahlen  der  einzelnen  Zeitabschnitte  nicht  so  gar  abhän- 
gig zu  machen,  sondern  für  jede  besondre  Stylgattung  eigene 
Bildungsstufen  anzunehmen,  wie  sichs  ja  auch  in  der  Wirklich- 
keit verliielt  und  Aerhält.  Werden  also  die  unerlasslichen  ge- 
schichtlichen Ueberblicke  in  der  gehörigen  Allgemeinheit  gehal- 
ten, so  kann  jedem  Theil  sein  Recht  widerfahren.  Gioddeck 
war  darum ,  nach  des  Recens.  Ansicht ,  in  dieser  Hinsicht  dem 
richtigen  Verfaliren  ganz  nahe ,  und  sein  Fehler  liegt  nur  darin, 
dass  er  wenigstens  den  Schein  streng  durchgeführter  Zeitab- 
§chuitte  sicli  zu  erhalten  suclite ,   anstatt  sofort  und  ausdrücklich 


Groddeck  bist.  Graec.  litter.  u.  Schoell  bist,  de  lu  litt.  Gr.  prof.    153 

eine  Form  anfzui^ebe»,   die  sich  gar  nicht  ohne  Machtheil  für  die 
Sache  behaupten  liess. 

Wir  gehn  Aon  der  Priilnn^  der  chronolojjischen  Anordnung 
zu  dem  wissenscliai't liehen  Eiilwurf  xiber,  nach  welchem  die  litte- 
rarischen Erscheinungen  jedes  Zeitalters  zusammen  gestellt  sind. 
Vieles  versteht  sich  dabey  zwar  von  selbst:  docli  bleibt  nicht  we- 
niges übrig,  vveldies  einer  gänzlichen  Verschiedenheit  der  An- 
sichten Kaum  lässt. 

Mach  den  ersten  Eiideitungen  imd  Uemerkimgen  Viber  die 
ältesten,  rein  mythischen  Sänger  vor  Homer  heben  natValich 
beyde  Gelehrten  mit  dem  Jonischen  Epos  an,  und  lassen  darauf 
zunächst  die  Elegie  folgen.  So  richtig,  ja  notlnvendig  diess  Ver- 
fahren ist,  so  glauben  wir  doch,  dass  Ilesiod  keineswegs  so  gra- 
dehin  und  ohne  Weiteres  mit  in  dii'  Ueihe  der  Jonischeii  Helden- 
sänger zu  stellen  war.  .Dem  lleCfensenten  wenigstens  scheint 
Thiersch  das  Vorhandenseyn  einer  uralten  Boeotischen  Sänger- 
schule von  mehr  ethischem  als  epischem  Charakter ,  zu  der  sich 
Hesiod  verhält  wie  Homer  zur  Jonischen,  so  gut  wie  erwiesen  zu 
haben.  W  enn  nun  aucli  die  beyden ,  selbst  zu  prüfen  gewohnten 
und  befugten  Verf.  nicht  ebenso  iiberzeugt  waren,  so  sind  doch 
die  von  Thiersch  ausgesprochnen  Ideen  mit  soviel  Geist  und  Ge- 
lehrsamkeit durchgeführt ,  dass  sie  w  ohl  Anspruch  darauf  machen 
konnten,  wenigstens  einer  geschichtlichen  Berichterstattung  ge- 
würdigt zu  werden.  Aber  G^/or/(/ecÄ- begnügt  sich,  S. 30,  den  Ti- 
tel von  Thierschs  Schrift  ohne  Andeutung  ihres  Inhalts  zu  geben, 
und  bei  Scholl  haben  wir  auch  diese  bibliographische  Notiz  ver- 
gebens gesucht. 

In  der  Darstellung  der  Elegie  zeigt  sich  die  erste  bedeutende 
Abweichung  zwischen  den  beyden  Verf.,  indem  Scholl  von  der 
FJlegie  die  gnomische  Poesie,  Th.  1  S.  237,  ausdrücklich  ausschei- 
det, und  die  letztere  für  sich  behandelt,  Groddeck  aber  nacli 
Conr.  Schneiders  Vorgange  zwischen  der  politischen  und  eroti- 
schen Elegie  eine  gnomische,  S.  45,  in  die  Mitte  stellt:  und  diess 
ist  keine  bloss  in  der  Benennung  liegende  Abweichung.  Denn 
während  Groddeck  als  Dichter  der  gnomischen  Elegie  den  Theo- 
gnis,  Phokyüdes,  Xenophanes,  Jon,  Euenos  und  Kritias  aufführt, 
erscheinen  bey  Scholl  als  gnomische  Dichter  Solon,  Theognis, 
Phokylides,  Xenophanes  und  Pythagoras,  letzterer  wegen  der 
sogenannten  goldnen  Sprüche,  die  wir  freylich,  nebst  dem  Lehr- 
gedicht des  falschen  Pliokylides,  lieber  zu  demNaumachios,  Th.  (J 
S.  Ki,  verwiesen  geseJui  hätten.  Aber  wir  müssen  uns  überhaupt 
aufs  bestimmteste  gegen  die  ganze  gnomische  Gattung  erklären, 
\on  der  weniffsteiis  kein  alter  Schriftsteller  etwas  weiss,  und  die 
daher  einer  Geschiclite  der  (iriech.  Litteratur  nicht  hätte  aufge 
drungen  werden  sollen,  (inomisch  ist  ja^ieIes  im  Homer,  noch 
mehreres  in  den  Trajrikern  und  in  Hesiods  Tagen  uiul  W^erken 
bo  ziemlich  alles :    es  bindet  sich  diess  allgemeine  poetische  Be- 


154  Griechiöclie  Li  l  lernt urgesehi  olitc. 

staiidtlieil  an  keine  Form,  an  keine  Mnndart,  und  kann  daher 
nimmermelir  Kriterion  für  eine  eigne  Gattung  werden.  Selui  wir 
nun  was  Scholl  unter  dieser  Benennung  znsammenfasst,  so  wird 
es  sogleich  klar,  dass  er  ziemlich  Verschiedenartiges  mischt,  nnd 
dass  das  Meiste  davon  der  Elegie,  das  Uebrige  dem  ethisclien 
Lehrgedicht  einer  sehr  späten  Christlichen  Zeit  angehört,  eine 
Durcheinanderstellung,  von  der  schon  dieDistichentbrm  der  einen 
und  die  hexametrische  der  andern  hieher  gezogenen  Werke  hätte 
abmahnen  sollen.  Bey  einer  dem  antiken  Begriffe  mehr  entspre- 
chenden Auffassung  der  Elegie  würde  dieser  Felilgriff  gewiss 
vermieden  worden  seyn. 

Auch  darin  müssen  wir  der  Anordmmg  bey  Groddeck  xor  der 
bey  Scholl  einen  unverkennbaren  Vorzug  zusprechen ,  dass  jener 
das  Jambische  Gedicht,  von  der  allerdings  mit  einigen  Jambi- 
schen Bildungen  zunächst  ver^vandten  Lyiik,  Th.  1  S.  51  fg.,  ge- 
trennt, dieser  dagegen  Jambisches  und  Lyrisches  Gedicht,  Th.  1 
S.  199,  209,  272  fg. ,  zusammen  genommen  und  unter  einander 
geworfen  hat.  ]Nur  in  Bezug  auf  das  Epodische  Gedicht  des  Ar- 
chilochos  würden  wir  das  gelten  lassen  können,  aber  Aveder  die 
Trimeter  des  Amorgisclien  Simonides,  noch  die  Skazonten  des 
Hipponax  können  in  irgend  einer  Hinsicht  als  lyriscli  gelten,  wo- 
zu denn  nun  überdiess  noch  das  Zeugniss  der  Alexandrinischen 
Kritiker  kommt,  die  in  ihrem  Kanon  die  drey  genannten  Dichter 
von  den  Lyrikern  trennen,  und  sie  als  eine  eigne  Classe  aufstel- 
len. Das  Ansehn  dieser  Kritiker  mnss  aber  auch  für  uns  noch 
seine  ganze  Kraft  behalten,  da  bey  ihnen  alles  aus  den  lebendi- 
gen Ansichten  des  Griech.  Volkes  geflossen  ist,  und  sie  auch  nur 
dadurch  das  Gewicht  erlangen  konnten ,  das  ihnen  die  einsichts- 
vollsten Männer  des  Alterthums  zuerkannt  haben. 

ISicht  minder  beyfallswürdig  finden  wir  bey  Groddeck^  Th.l 
S.51: — 73,  die  einfache  Darstellung  der  Lyrischen  Poesie  in  Einer 
Hauptmasse,  aus  der  sodann  als  besonders  wichtige  Nebengat- 
tungen Dithyrambos  und  Skolion  hervorgehoben  werden.  Scholl 
dagegen  beginnt,  Th.  1  S.  191,  nachdem  er  von  der  P]legie  ge- 
sprochen hat,  mit  dem  Skolion,  als  einer  aus  derselben  Zeit  her- 
vorgegangnen  Dichtungsart,  handelt  dann  S.  197  sehr  kurz  von 
der  Lyrischen  und  S.  203  a  on  der  Erotischen  Poesie ,  und  kehrt 
endlich  S.  260  ausführlicher  zur  Lyrischen  Poesie  zurück.  Wir 
glauben  nicht  ungerecht  zu  erscheinen,  wenn  wir  in  diesem  Gange 
alle  Ordnung  vermissen. 

Dass  die  Aesopische  lsabel  von  beyden  Verf.  unmittelbar  an 
das  Lehrgedicht  angeknüpft  ist,  finden  wir  z\\ eckmässig.  Min- 
der zweckmässig  dürfte  es  \ielen  bedünken,  dass  Scholl  das  Ly- 
rische Gediclit  diesen  beyden  Galtungen  naclistellt.  Groddeck 
hat  es  vorangescliickt,  mid  lässt  die  Aesopische  Fabel  den  Ueber- 
gang  zur  Prosa  machen,  welclies  sich  auf  den  ersten  Bück  zwar 
empfieit,   aber  docii  den  überwiegenden  Missstaud  herbey führt, 


Groddeck  hist.  Graec.  Uttcr.  u.  SchocU  liist.  de  la  litt.  Gr.  prof.    155 

dass  mm  nicht  bloss  die  Gescliiclitsclireibimg"  bis  zum  Philistos, 
Theopompos  und  Ephoros  herab,  sondern  aucli  die  ganze  philo- 
sophische Litteratiir  bis  zu  den  Akademikern,  Peripatelikern,  Ky- 
nikern,  Stoikern,  Ejjikureern  und  Skeptikern  der  drcyiachen  Ent- 
wicklung des  Attischen  Drama  vorauffclit,  gewiss  einer  der  gröss- 
ten  Fehlgi-iüe ,  der  liier  getban  werden  konnte.  Scholl  hat  ihn 
in  dem  Viberhaupt  Aorzüglich  gut  angeordneten  zweyten  Uande 
seines  Werkes  durch  schieklichere  Stellung  der  Abschnitte  ver- 
mieden. Zwey  der  wesentiichstenxVorzVige,  die  er  hier  \or  Grod- 
deck \  oraus  liat ,  liegen  in  der  Anordnung  des  Dramatischen  Ge- 
dichts und  in  der  EinreDmng  der  Attischen  Beredtsamkeit  zwi- 
schen den  iibrigen  Stylgattungen.  In  der  Geschichte  des  Atti- 
schen Drama  nämlich  hat  Groddeck  das  Satyrspiel  ganz  unbe- 
greillicher  Weise  duixh  Zwisclienscliiebung  der  Komödie  von  der 
Tragödie  getrennt,  aus  der  es  doch  unmittelbar  herzuleiten  und 
zu  erklären  war,  so  dass  Pratinas  nach  Menandros  und  Philemou 
erscheint ;  das  ganze  dramatische  Gebiet  steht  aber  isolirt  zwi- 
schen der  Philosophie  und  Beredtsamkeit  da,  ohne  dass  diessllin- 
und  Ilerspringen  zw  ischen  Prosa  und  Poesie  gehörig  motivirt  wird, 
was  auch  wohl  mmiöglich  gewesen  seyn  würde.  Scholl  hingegen 
hat  nicht  bloss  das  Satyrdrama  sofort,  wiösichs  gehört,  an  die 
Tragödie  gekniipft  und  dann  erst  die  Komödie  folgen  lassen,  son- 
dern überhaupt  Poesie  und  Prosa  als  zwey  Hauptmassen,  von -de- 
nen der  erstem  der  Vortritt  vor  der  letztern  zukommt ,  durchaus 
von  einander  geschieden  gehalten ,  sondern  auch  die  Attische  Be- 
redtsamkeit sogleich  nach  der  Geschichte  imd  dann  erst  die  Aus- 
bildung der  Philosophie  behandelt.  Ebenso  zweckmässig  dünkt 
es  uns,  dass  bey  Scholl  die  älteste  geographische  Litteratur  von 
Ilekatäos  bis  Pytheas  der  lüstorischen ,  Th.  2  S.  18S,  als  Neben- 
zweig untergeordnet  ist:  Groddeck  hat  sie  in  die  Reihe  der 
strengeren  Wissenschaften  gebracht,  Th.  1  S.  214,  aber  das  ist 
ganz  falsch:  denn  zur  Wissenschaft  wurde  die  Geographie  erst 
durch  Eratosthenes  \on  Kyrene.  Ungern  vermisst  haben  wir  je- 
doch grade  an  diesem  Orte  bey  Scholl  die  Erwähnung  der  ersten 
Landcharten  des  Anaximandros,  deren  erst  späterhin,  wo  es  min- 
der an  der  rechten  Stelle  ist,  Tli.  2  S.  292  und  Th.  3  S.  3,  Mel- 
dung geschieht,  und  zwar  mit  einigem  Widerspruch  in  den  An- 
gaben, indem  die  Erfindung  das  Einemal  dem  Anaximandros 
selbst,  das  andremal  seinen  Schülern  zugeschrieben  »ird:  die 
erste  Angabe  ist  nach  dem  vollgültigen  Zeugniss  des  Strabon,  1 
S.  17  Siebenk. ,  die  richtige,  vergl  Creuzer  iVagm.  hist.  Graec. 
p.  1)  und  Fricdemuuu  Comment.  in  Strab.  T.  1  p.  20(».  Audi 
wäre  nicht  zu  übersehn  gewesen,  dass  nach  Ilerodot.  5,  49  schon 
der  Tyraim  Aristagoras  \on  Milet  (etwa  30  Jahre  nach  Anaximan- 
dros Tode)  eine  in  Kupfer  gegrabene  Landcharte  auf  seiner  Heise 
zum  Kleomenes  von  Sparta  mit  sich  IVibrte,  woraus  man  folgern 
mögte,  die  Sache  sey  bereits  \or  Anaximandros  und  wahrscliehi- 


156  Aegyp  tiii  eil  c    L  i  1 1  erUt  ii  r. 

lieh  durch  Phöaicische  Seefalirer  unter  den  Griechen  bekannt  ge 
worden:    scheint  doch  schon  im  Buche  Josua,  18,  6,  von  nichts 
anderm  die  Rede  zu  seyn. 

Wir  hoffen ,  das  Gesagte  wird  hinreichen ,  um  unser  allge 
meines  Urtlieil  zu  rechtfertigen,  dass  beyde  Gelehrten  zwar  im 
Ganzen  ihre  Werke  zweckmässig  angeordnet  haben,  dass  aber  in 
den  Tiieilcn ,  und  zwar  ebensowohl  in  der  chronologischen  Grund- 
legung, wie  in  der  wissenschaftlichen  Disposition,  gar  manches 
anders  und  zweckmässiger  hätte  eingerichtet  werden  können. 

Unsre  Bemerkungen  über  das  Einzelne  behalten  wir,  um 
nicht  zu  ermüden,  einem  der  nächstfolgenden  Hefte  vor,  werden 
aber  zu  diesem  Theile  imserer  Beurtheilung  um  so  lieber  zurück- 
kehren, als  die  Behandlung  des  Biographischen  xmd  Bibliographi- 
schen in  beyden  Werken  durchgängig  vorzugsweis  gelungen  ist, 
und  die  höchste  Anerkennung  verdient. 

Franz  Passow. 


Aegyptische  Litteratur. 


Frid.  Aug.  Gtiil.  Spohn  Litt,  Graec.  et  Lat.  quondam  prof.  p.  o.  in  acad. 
Lips.  De  lingua  et  literis  veterum  Ae gyptior um 
cum  permultis  tabulis  lithographicis  literas  Aeg-yptioruui  tuiu  vul- 
gari  tum  sacerdotali  ratione  gcriptas  explicantibus  atque  interpreta- 
tionem  Rosettanae  aliarumque  inscriptlonum  et  aliquot  voluminum 
papjTaceorum  in  sepulcris  repertorum  exhibentibus.  Accedunt 
granimatica  atque  Glossarium  Aegyptiacum.  Edidlt  et  absolvit 
Gast.  SeyfFartli  in  Acad.  Lips.  prof.  d.  Pars  I.  cum  imagine  vitaque 
Spohnii.  Lips.  llbrar.  Weidmann.  G.  Reimer.  1825.  56  (V'ita  Spoh- 
nii)  XVI  (praefatio)  und  54  S.  4.  2Thlr.  16  Gr. 

Gxist.  Seyffarthi  prof.  Lips.  Rudinienta  hier o gl yp hice s.  Ac- 
cedunt  explicationes  speciminum  hieroglyphicorum ,  glossariiim  at- 
que alphabeta  cum  XXXVI  tabulls  lithographicis.  Lips.  Barth.  1826. 
97  S.  (ausser  6  S.  Vorrde  und  2  S.  Argumentum.)  gr.  4.  lOThlr. 
12  Gr.   oder  auf  geglättet  Schweizer- Velin  ISThlr.  12  Gr. 

B eytr äge  zur  A'ennt?iiss  der  Literatur^  Kuitst, 
Mythologie  und  Geschichte  des  alten  Aegyp- 
ten  von  G.  Seyffarth.  Erstes  Heft  mit  4  lithogr.  Tafeln.  Leipzig, 
Barth.  1826.  X  n.  42  S.  4.   ITlilr.  8  Gr.  —  1  Tlilr.  16  Gr. 

Eis  kann  nicht  unsere  Absicht  seyn,  von  den  drei  genannten  Wer- 
ken eine  ausführliche,  kritisch  -  prüfende  und  berichtigende  Re- 


Spohn  11.   Scyffarth  üb.  Aiegypt.   Sprache  ii.   Schrift.  157 

cension  in  diese«  Blättern  zu  liefern:  denn  theils  würde  diess.bei 
diesen  Forsclniuffen  über  eine  Sprache,  die  nieJit  bloss  seit  Jahr- 
hunderten sondern  seit  Jahrtausenden  unbekannt  ist  und  erst 
jetzt  Mieder  zu'iänsrlieh  gemacht  Avird,  und  wo  die  nöthigen 
Hülfsmittel  nocli  nicht  vollständig  vorliegen,  an  und  für  sich 
nicht  möglich  seyn;  theils  gehört  auch  eine  solche  Beurtheilung 
nicht  in  den  Bereich  dieser  Jahrbücher.  Dass  wir  aber  eine  aus 
fülu-lichere Anzeige  davon  hier  geben,  dazu  bestimmten  uns  meh- 
rere Gründe.  Es  kann  für  den  wahren  Philologen  nicht  ausrei- 
chen, bloss  >>'erke  über  Griechische  und  Lateinische  Literatur, 
Kunst  und  Geschichte  keimen  zu  lernen ;  sondern  es  muss  ihm 
daran  gelegen  seyn,  von  dem  Gesammtgebiet  der  Sprachfor- 
schung wenigstens  eine  Lebersicht  zu  liabeu  und  die  vorzüglich- 
sten >\  erke  zu  kennen.  Besonders  aber  muss  diess  gelten  von 
Forschungen  über  Sprachen  der  Völker,  deren  Literatur  und 
Kunst  auf  das  classische  Alterthum  von  so  grossem  Einfluss  war, 
wie  die  Aegyptische  gewesen  ist  oder  doch  gewesen  seyn  soll. 
Phönicien,  Indien  und  Aegypten  sind  ja  die  verschlossenen  Quel- 
len ,  aus  denen  das  alte  Griechenland  so  Vieles  geschöpft  haben 
soll,  und  woher  namentlich  die  Griechische  Mythologie  so  viel- 
fache Aufklärung  hoffen  zu  dürfen  meint.  Daher  ist  es  wohl  be- 
merkenswerth ,  dass  endlich  der  Schlüssel  zu  den  so  lange  ver- 
schlossenen Ileiligthümern  Aegyptens  gefunden  zu  seyn  scheint  — 
oder,  nach  imserer  Ueberzeugung,  in  der  That  gefunden  ist. 
ISicht  minder  wichtig  ist  es,  dass  ein  Deutscher  denselben  fand, 
nachdem  Franzosen ,  Engländer,  Dänen  u.  A.  ihn  so  lange  ver- 
geblich gesucht  hatten.  Zwar  hat  in  unsern  Tagen  der  Franzose 
ChampolUon  als  Forscher  in  der  Aegyptischen  Sprache  einen  sol- 
chen jSimbus  um  sich  zu  verbi-eiten  gewusst,  dass  auch  achtbare 
Gelelirte  unseres  Volks  beliaupteten ,  er  habe  die  Hieroglyphen- 
schrift der  Aegypter  zuerst  wieder  zugänglich  gemacht.  Für  die 
Dauer  war  dieser  Glaube  allerdings  nicht  zu  fürchten,  und  v^eii 
Hr.  VroLPfajf's  Kritik  der  hieroglyphisch -alphabetischen  Unter- 
suchungen (,'hampollion's  {^Die  Weisheit  der  Aegypter  und  die 
Gelehrsamkeit  der  Frattzosen.  Nürnberg,  Campe.  1825.  8.) 
noch  nicht  vom  Gegentheil  überzeugt  haben  sollte,  der  wird  nach 
Hr.  Prof.  SeyffartKs  Bemerkungen  (vergl.  namentlich  die  Sehr. 
Nr.  2  S.  ()3,  04)  nicht  viel  Gründe  für  seinen  Glauben  iibrig  be- 
Iialten.  Die  Wiederauffindung  der  Kenntniss  der  Aegyptischen 
Sprache  aber  ist  gewiss  wichtig  genug,  dass  sie  eine  Ehrensache 
imseres  \  aterlandes  werden  darf,  und  wenn  wir  unserm  Fr.  Aug. 
jyHh.  Spohn  kein  Denkmal  von  Erz  und  Marmor  setzen,  so  ver- 
dient er  docli  ge\\iss,  dass  er  als  repertor  et  instaurator  litera- 
rum  et  Linguae  Aegyptiacae  so  schnell  als  möglich  allgemein  er- 
kannt werde.  Leider  aber  sind  seine  Verdienste  so  vielfach,  öf- 
fentlicli  und  privatim,  herabgesetzt  oder  doch  falsch  verstanden 
worden ,  dass  lleferent  es  nicht  für  unzweckmässig  hält,  in  einer 


158  Aegyptisclie   Lit t era tiir. 

kurze»  Uebersiclit  zu  zeigen ,  was  Spohn  eigentlidi  leistete  und 
wie  weit  der  Fortsetzer  seiner  Forscliungen ,  Ilr.  Prof.  SeyfFartli, 
die  Sache  bis  jetzt  gebraclit  hat.  Nach  diesem  Grundsatz  wird 
auch  gegenwärtii^e  Anzeige  sicli  raodificiren ,  dnrch  die  nicht  so- 
wohl der  vollständige  Inhalt  obiger  drei  Schriften  dargelegt,  als 
vielmehr  das  allgemeine  bis  jetzt  gewonnene  llesultat  dargestellt 
werden  soll.  IJnser  Bericht  soll  also  nur  fiir  den  gelten ,  welcher 
nicht  sowohl  eigene  Forschungen  in  der  Sache  anstellen  als  ^iel- 
raehr  wissen  will,  wie  es  überlianpt  um  dieselbe  steht,  und  wel- 
che Ausbeute  sich  erwarten  lässt. 

Da  SS  die  alten  Aegypter  eine  doppelte  Schrift,  eine  Volks- 
schrift und  eine  Priesterschrift ,  hatten ,  berichtet  schon  Ilerodot. 
Letztere  war  schon  in  früher  Zeit  dunkel  und  Wenigen  bekannt; 
aber  als  seit  Alexander  des  Grossen  Zeit  Griechische  Schrift  in 
Aegypten  gewöhnlich  zu  werden,  und  die  demotische  oderVolks- 
Sclmft  allmählig  ausser  Gebrauch  zu  kommen  anfing,  da  ging 
mit  dem  Vergessen  dieser  Schriftziige  auch  dcrSchliissel  zur  hei- 
ligen und  hieroglyphischen  Schrift  verlohren.  S.  Seyffarth  in  Nr.  3 
S.  30.  Daher  ist  es  leicht  erklärlich,  dass  bereits  Horus  Apollo^ 
Clemens  Alex andrinus^  Plutarchns^  Hermupionvi.\.  nichts  Be- 
stimmtes über  die  Hieroglyphen  zu  berichten  wussten,  sondern 
nur  Vermuthungen  über  die  Bedeutung  derselben  äusserten.  Zwar 
hielten  sie  dieselben  für  Scliriftzeichen ,  aber  unbekannt  blieb  ih- 
nen, wie  man  sie  lesen  müsse.  S.  Seyff.  Nr.  2  S.  2.  Ebenso  ging 
es  den  Gelehrten  späterer  Zeit,  und  Zoega,  Ätrcher^  Jublonski^ 
Caylus^  Quatremaire  ^  de  Ilosst\  Beno/i.,  Palin^  Yoimg^  Cham- 
pollion^  Sickler  u.A.  stellten  Vermuthungen  genug  auf;  aber  den 
Probierstein  der  Kritik  hielt  keine  aus.  Daher  war  es  kein  Wun- 
der, dass  der  üebersetzer  von  Denon's  Voyage  de  Naples  etc. 
S.  lOT  mit  Vielen  behauptete:  „Wir  besitzen  keinen  Schlüssel 
über  die  ältere  und  neuere  symbolische  Schreibkunst  der  Aegy- 
pter. Sie  veränderte  sich  unzählige  3Iale  und  mit  ihr  der  Sinn  der 
Figuren.  Als  die  Gewohnheit  Griechisch  zu  schreiben  aufkam, 
geriethen  die  Hieroglyphen  in  Vergessenheit.  Die  Schwierigkeit 
sie  zu  verstehen,  welche  schon  damals  sehr  gross  war,  vermehrte 
sich  nun  dadurch,  dass  man  sich  nicht  mehr  bemühte,  sie  zu  stu- 
diren.  Daher  das  gegenwärtige  Unerklärbare  auf  den  Grabmä- 
lern,  Obelisken  und  Gefässen  der  Alten.  Selbst  Priester  und 
Gelehrte  Aegyptens  konnten  sie  nicht  mehr  lesen ,  wie  sollte  man 
es  heutzutage  vermögen'?  Es  wäre  lächerlich,  sich  deswegen  be- 
mülien  zu  wollen."  Dabei  darf  man  freilich  nicht  übersehen,  dass 
den  Forschern  seit  Kircher  und  Zoegn  besonders  zwei  Hinder- 
nisse im  Wege  standen.  Einmahl  nehmlich  fehlte  es  an  gehörigem 
Apparat,  imd  erst  die  neueste  Zeit  hat  aus  Aegypten  eine  grössere 
Menge  demotischer,  hieratischer  und  hieroglyphischer  Inschriften 
und  Papyrusrollen  nacli  Europa  gebracht;  obgleich  auch  jetzt 
noch  die  meisten  ungedruckt  und  bloss  in  den  Bibliotheken  zu 


Spolin  u.   SeylTarth  üb,  Acgfj'nt.   Spraclie  u.   Schrift.         150 

Paris,  Londoii,  Turin,  Berlin  u.  s.w.  *)  znsammenf^eliänft  sind. 
Dann  aber  fingen  diese  Forscher  ihre  Yersiielie  gleich  mit  den 
Hieroglyphen  an,  und  begingen  dadurch  einen  Irrthuni,  der  frei- 
lich erst  oflVnbar  uerden  konnte,  als  sich  durch  Spohn's  und 
Seyftarth's  Resultate  ergeben  Jiatte,  dass  man  erst  die  demoti- 
sche und  hieratische  Schrift  entziti'ert  halien  mnss,  bevor  an 
einen  Schliissel  zu  i\en  Hieroglyphen  zu  denken  ist.  Der  erste 
wesentliclie  Schritt  zum  Licht  >\ar  gethan,  als  die  Steininschrift 
zu  Kosette  gefunden  und  bekannt  gemadit  ^^orden  Mar;  denn  sie 
bot  den  nehnilichen  Inhalt  in  drei  verschiedenen  Schriftziigen  und 
Sprachen,  in  der  Griechischen,  Aeg}ptisch- demotischen  und  Ae- 
gyplisch-hlerogly])hischen,  dar.  Wenn  man  also  nach  dieser  Be- 
kanntmachung die  Hieroglyphenschrift  immer  noch  für  eine  sym- 
bolische und  jedes  Hieroglyphenzeichen  fiir  ein  gairzes  Wort  liieit, 
so  bot  die  Inschrift  von  Kosette  eigentlich  allemahl  die  AViderle- 
gung  dar;  da  man  ja  nur  die  hieroglyphischen  Zeichen  zu  zählen 
brauclite,  imi  zu  sehen,  dass  in  diesem  Falle  zwischen  der  Grie- 
chischen und  liieroglyphisclien  Inschrift  gar  kein  Verhältniss  seyn 
wiirde  Auch  gab  diese  Inschrift  den  offenbarsten  Probierstein 
für  jeden  neuen  Entzifferungsversuch,  weil  seine  Richtigkeit  oder 
Falscldieit  sich  jedesmahl  an  ihr  erweisen  musste.  Daher  waren 
Aeusserungen,  wie  die,  dass  man  jede  Hieroglyphen -Inschrift, 
aber  imr  nicht  die  Rosettische,  lesen  könne,  auch  schon  das  To- 
desnrtlieil  für  die  neuaufgestellte  Idee.  Von  ihr  galt  der  be- 
kannte Ausspruch :  Hie  Rhodus  ^  hie  sali a!  Diess  sah  Prof.  Spohn 
wohl  ein ,  imd  begann  daher  1819  seine  Forschungen  ausschlies- 
send  mit  dem  zwiefachen  Londner  und  Münchner  Abdruck  dieser 
Inschrift  **).  Obgleich  die  ersten  Versuche  vergeblich  ausfielen, 
so  ermüdete  er  doch  nicht,  und  gewann  das  von  ihm  selbst  schon 
1819  niedergeschriebene  Resultat  (bei  Seyff.  Vita  Spohn.  S.  22): 
„\ergeblich  ist  es  die  Hieroglyphen  der  Inschrift  von  Rosette  ent- 
ziffern zu  wollen ,  so  lange  man  die  Koptische  —  denn  dafür  hielt 
er  damahls  den  demotischen  Text  —  nicht  dechiffrirt  hat.'-'-  Auch 
bemerkte  er,  dass  die  Hieroglyphenzeicheu  den  demotischen 
ihrer  Zahl  nach  ziemlich  genau  entsprachen ,  und  dass  sie  also 
nicht  Begn'jfszeichen  sondern  einzelne  Buchstobe7i  seyn  mussten. 
Emsiges  Studium  und  ein  nebenbei  eintretender  glücklicher  Zu- 


*)  Kürzlicfi  hat  auch  die  Akademie  der  Wissenschaften  zu  Peters- 
burg eine  bedeutende  Sammlung  Aegyptischer  Alterthümer  von  dem 
Mailänder  von  Castiglione  an  sicJi  gekauft. 

**)  Anfangs  besass  er  bloss  den  Münchner  Abdruck,  bei  dem  er 
aber  bald  bemerkte ,  dass  er  nicht  ganz  treu  und  felilerfrci  sey.  Andere 
Ilülf»mittel,  ausser  diesen  beiden  Abdrücken,  besass  er  damalils  gar 
nicht,  ausser  ein  paar  Al)schriftcn  der  Description  de  TEgypte,  die  er 
im  Herbst  181Ü  bei  seiner  Anwesenheit  in  Dresden  eich. gemacht  hatte. 


160  Acgyptische    Littcratur. 

fall  *)  Hessen  ihn  endlicli  den  Srhlüsscl  zur  demotischen  Schrift 
in  dem  nehmlichen  Jahre  1810  finden,  mid  er  sprach  diess  auch 
zu  Anfang  1820  in  Böttiger's  Ainalthea  Bd.  1  öffentlich  aus  in  dem 
Aufsätze:  Mrstcs  Fragment  über  Hieroglyphen^  ihre  Deutung 
und  die  Sprache  der  allen  Aegypter  ^  in  welchem  er  Sichler  s 
V^ersuche ,  die  Hieroglyphen  durch  Paronomasie  aus  den  Semiti- 
schen Sprachstämmen  zu  erklären,  zuriickwiess  **).  Die  Schwie- 
rigkeiten ,  die  Spohn  aber  zu  beseitigen  hatte ,  waren  sehr  gross. 
Er  musste  sich  das  Alphabet  erst  schaffen,  aus  den  einzelnen 
enträthselten  Wörtern  die  Sprache  erratlien,  und  dann  sich  erst 
eine  Grammatik  und  ein  l^exicon  bilden.  Dazu  kam  ,  dass  Spohn 
nicht  etwa  durch  eine  grosse  Kenntniss  der  Orientalischen  Spra- 
chen unterstützt  ward.  Zwar  hatte  er  auf  der  Schule  und  in  sei- 
nen ersten  Universitätsjahren  mehrere  der  Orientalischen  Spra- 
chen erlernt,  allein  dieses  Studium  iiachher  gänzlich  bei  Seite 
gelegt,  und  verstand  sie  daher  nicht  vollständig.  S.  Vit.  Sp.  S.S9. 
Dazu  kam  endlich  noch  der  Mangel  an  yVegyptischen  Inschriften. 
Hr.  Prof.  Seytfarth  hat  bemerkt,  dass  die  25  Aegyptischen  Buch- 
staben so  verschiedenartig  geschrieben  worden  sind,  dass  er  nur 
aus  den  ihm  bis  jetzt  bekannt  gcM  ordenen  Inschriften  in  der  de- 
motischen Schrift  800 ,  in  der  hieroglyphischen  fJOO0 1  in  der  liie- 
ratischen  ziemlich  eben  soviel  verschiedene  Buchstabenzeichen 
zählte.  S.  Vita  Sp.  S.2'r,  Nr.  2  8.14  u.  18  und  Nr. 3  S.13.  Viele 
von  diesen  Zeichen  sind  aber  so  beschaffen ,  dass  sie  5  u.  6  ver- 
schiedene Buchstaben  bezeichen  können.  Irrthum  ist  hier  kaiun 
von  dem  zu  vermeiden,  der  die  gesammte  Paläographie  der  Ae- 
gypter  iiberschaut  mid  den  Bau  der  Sprache  schon  genau  kennt. 


*)  Spohn  suchte  nehmlich  beim  Beginn  seiner  Untersnchung'cn  zu- 
nächst in  der  deraotischen  Inschrift  die  Nomina  propria  aufzufinden  und 
aus  ihnen  die  Bedeutung  der  einzelnen  Buchstaben  zu  ahstraliiren. 
Lange  blieben  die  Versuche  vergeblich.  Einst ,  als  er  gerade  sich  da- 
mit beschäftigt  hatte,  wollte  er  weggehen.  Beim  Aufstehen  fiel  die 
Inschriftrolle  herab  und  brach  sich  so,  d.iss  auf  der  Kante  in  verschie- 
denen Zeilen  ein  und  das  nehmliche  Zeichen  —  Ref.  mcIss  nicht  ge- 
wiss, ob  ein  ganzes  Wort  oder  ein  einzelner  Buchstabe  —  so  hervor- 
trat ,  dass  es  einmahl  halb ,  das  zweiftmahl  ganz  siclitbar  Avar.  Dieser 
Zufall  brachte  für  Spohn  den  Schlüssel  zur  Schrift.  S.  Seyff.  Vita 
Spohnii  S.  23. 

♦+)  Falsch  scheint  die  Behauptung  bei  SeyflF,  in  Vita  Sp.  S.  22  zu 
seyn ,  dass  Spohn  anfangs  selbst  Paronomasic  angenommen  habe.  Er 
entst;hied  damahls  gar  nichts  über  die  Hieroglyphen ,  behauptete  aber, 
dass,  wenn  ja  Paronomasie  gebraucht  werden  solle,  sie  wenigstens 
von  der  Art  seyn  müsse ,  wie  das  dort  angeführte  Beispiel  zeigt.  Da- 
hin ist  also  diese  von  Hrn.  Seyff.  gegebene  Notiz ,  die  ilini  vom  Refe- 
renten selbst  mitgetbeilt  worden  ist,  zu  berichtigen. 


Spohn  u.  Scjflai-th  üb.   Aegypt.   Sprache   u.   Schrift.  161 

Wieviel  schwerer  also  war  es  für  Spohii ,  sich  vor  Irrthum  zu  hü- 
lhen ,  da  er  sich  die  Sprache  erst  schallen  miisste ,  und  da  er  zur 
Verjjleichung  der  einzelnen  Buchstabenzeichen  fast  nichts  als  die 
Inschrift  von  Rosette  besass  *).  Vergl.  SeylT.  in  Vit.  Sp.  S.  2(»,  27 
u,  in  JNr.  2  S.  2.  ]\iir  seine  Fertigkeit  im  Dechiffriren  (S.  Vita  Sp. 
S.  22)  und  seine  unermüdliche  Sorjjlalt  und  Genauigkeit  machten 
es  möglich,  dass  er  hn  Anfang  des  Jahres  1820  öifentlich  erklä- 
ren konnte,  die  Aegyptische  (demotische)  Inschrift  des  Raschidi- 
schen Steins  sey  grösstentheils  entzillert.  S.  Vit.  Sp.  S.  24.  Ent- 
zifferungen anderer  demotischen  Inschriften  scheinen  damahls 
nicht  geiuacht  worden  zu  seyn;  wenigstens  sind  die  in  INr  1  als 
Spec.  II  —  A  jnitgetheillen  aus  späterer  Zeit.  Ob  aber  Ilr.  Seyff. 
in  Alt.  Sp.  S.  24  richtig  verrauthet,  dass  Spohn  schon  1819  einige 
hieratische  Inschriften  theilwcise  entziffert  habe,  kann  Ref.  we- 
der bejahen  noch  verneinen.  Von  Bedeutung  können  diese  Ent- 
zilferuiigen  nicht  gewesen  seyn,  und  die  in  Vit.  Sp.  S.  28  u.  33 
mitgetheilten  Fragmente  zweier  Briefe  scheinen  das  Gegentheil 
zu  beweisen.  Richtiger  ist  es,  da^s  Spohn  nebenan  wiedcrhohlte 
Versuche  mit  der  liieroglyphischen  Inschrift  des  Raschidischen 
Steins  anstellte  und  einzelne  Bemerkungen  darüber  sammelte, 
einige  AVörter  abtheilte,  auch  bereits  die  Bedeutung  einzelner 
Buchstaben  vermuthete.  S.  die  Sehr.  \r.  1  Spec.  VI  S.  46  Not.  8. 
Bedeutend  konnten  die  Resultate  niclit  seyn,  da  ihm  noch  das 
JMittelglied  zwischen  der  demotischen  und  hieroglyphischen 
Schrift,  das  hieratische  Alphabet,  fehlte.  PlötzlicJi  aber  wurden 
alle  diese  Untersuchungen  durch  eine  heftige  Krankheit  vom  Juli 
182(f  bis  Ostern  1821  unterbrochen,  und  nach  seiner  Genesung 
blieben  sie,  wegen  3Iangel  an  llülfsjnitteln  und  weil  diese  Be- 
schäftigung für  Spohn's  damahligen  Zustand  zu  anstrengend  war, 
eine  Zeitlang  ausgesetzt  **).  iSeuen  Sch>^'ung  erhielten  dieselben 
in  der  ZAveiten  Hälfte  des  Jahres  1822,  als  der  General  von  Mi- 
nutoli  eine  bedeutende  Sammlung  von  Papyrusrollen  nach  Berlin 
gebracht  hatte.  Spohn  reis'te  desshalb  im  Herbst  dieses  Jahres 
selbst  dahin,  fand  aber  die  meisten  Rollen  noch  niclit  aufgewik- 
kelt.  Indess  l)ekam  er  bald  darauf  einige  zur  Benutzung  nach 
Leipzig  geschickt  (in  Nr.  1  Spec.  II,  HI  u.  a. ),   so  v,ie  er  auch 


*)  Dipss  ist  besonders  dessM-ejren  zu  bemerken,  weil  die  vorhan- 
dene Spohn'sclic  Eiitzifl'erung  der  Inschrift  von  Roseitc  grösstenthciU 
aus  jener  Zeit  herrührt,  und  ueil  daher  die  vielen  abweichenden  Er- 
klärung-en  und  l)eutun<ren  entstanden  sind  ,  die  Hr.  Sevfl'.  als  Varianten 
unter  der  in  >r.  1  mitgetheilten  Entziflerung  der  Inschrift  von  Rosette 
bemerkt  hat. 

*■*)  Im  Jahr  1821  nchmruh  hescliiiftigte  sich  Spithn  nicht  sowohl  mit 
dem  Aeg-yptischen  ,  als  mit  Forschungen  über  lloraz  und  über  die  Li- 
teraturf^eschichte  der  Augusteischen  Zeit. 

JahrO.  d.  Phil.  u.  Päda/r.  Jalirf;.  I.  li^ft  1.  1  l 


162  Aegyptiaclic    Iiitte  rnt  ur. 

aus  Paris  eine  Abschrift  einer  Papyrusrolle  (Spec.  IV)  erhielt. 
Diese  und  Anderes ,  auch  liieratische  Inschriften,  wurden  entzif- 
fert, und  die  Sache  kam  dahin,  dass  Spohn  1823  einem  Freunde 
schreiben  konnte :  „Meine  Sache  über  Tibull  muss  noch  liegen 
bleiben ,  da  ich  nunmehr  dem  Geheimniss  auf  die  Spur  gekom- 
men bin ,  die  hieratischen  Charactere  auf  den  Mumienrollen  mit 
Gewissheit  und  mathematischer  Demoustrabilität  entziffern  zu 
köiuien.  Ich  werde  nun  von  allen  Seiten  gedrängt ,  es  bekannt 
zii  machen ,  und  muss  nun  auch  es  endlich.  Zwei  Mumienrolle» 
und  sechs  Inschriften  habe  ich  bereits  im  vollen  gleichraässigen 
Zusammenliange  entziffert."  Desshalb  kündigte  er  auch  sein 
Werk  de  lingua  et  literis  veterum  Aegyptiormn  an  (S.  Vit.  Sp. 
S.  32) ,  imd  liess  mit  der  grössten  Genauigkeit  (S.  Vit.  Sp.  S.  51) 
den  Text  der  demotischen  Inschrift  von  Rosette ,  und  mehrerer 
von  Berlin  erhaltenen  Papyrusrollen  lithographiren.  Diesen  litho- 
graphischen Tafeln  sollten  dann  andere  folgen,  welche  zwischen 
dem  Aegyptischen  Texte  die  Latein.  Interlinearversion  enthalten 
sollten.  (S.  Vit.  Sp.  S.  35.)  Allein  ehe  er  bis  dahin  gelangte ,  ehe 
er  die  vollendete  Lateinische  üebersetzung  so ,  wie  er  sie  in  der 
letzten  Zeit  gestaltet  haben  wiirde,  niederschrieb,  ehe  er  die 
Grammatik,  das  Glossarium  und  die  Erläuterungen  der  Inschrif- 
ten verfasste,  ehe  er  überhaupt  seine  neuesten  Resultate  zu  Pa- 
pier brachte ,  übereilte  ihn  der  Tod  den  ITten  Januar  1824  *). 
Das  Endresultat  seiner  Forschungen  iiber  das  Aegyptische  also, 
wie  er  es  in  der  beabsichtigten  Schrift  darüber  gegeben  hätte, 
war  gar  nicht  vorhanden ,  luul  die  hintei'lasseuen  Papiere  waren 
äusserst  mangelhaft  und  unvollständig.  S.  Vit.  Sp.  S.  35.  Ueber- 
haupt  pflegte  Spohn  von  seinen  Forschungen  nur  sehr  wenig,  und 
dieses  Wenige  oft  auch  so  niederzuschreiben,  dass  es  niemand 
als  er  selbst  verstehen  konnte  **).     Hierzu  kam,    dass  er  in 


*)  In  SeyfTarth's  Vita  Spohnli  steht  zweimahl  durch  einen  Druckfeh- 
ler 1823. 

*+)  So  machte  es  z.  B.  bei  ihm  einen  Unterschied,  oh  eine  Notiz 
auf  der  rechten  oder  linken  Hälfte  des  beschriebenen  Blattes  stand ,  ob 
sie  gerade  oder  schief  (auf-  und  abwärts)  geschrieben  war.  Anderes 
pflegte  er  durch  verschiedene  Tinten  oder  durch  allerlei  Avillkührliche 
Zeichen  anzudeuten.  (S.  Vit.  Sp.  S.  44.)  Desshalb  sind  seine  hinterlasse- 
nen  Manuscripte  nicht  so  zu  brauchen,  als  man  erwarten  sollte,  ob- 
gleich er  mehrere  derselben  für  fertig  imd  vollendet  erklärte.  Befer. 
kann  aber  diese  Notiz  über  Spohn's  Papiere  um  so  bestimmter  geben, 
da  er  schon  bei  dessen  Lebzeiten  viele  derselben  auf  kürzere  oder  län- 
gere Zeit  zxmi  Gebrauch  erhielt,  da  er  nach  seinem  Tode  sie  alle  durch- 
sah und  ordnete,  und  da  er  noch  jetzt  mehrere  davon  in  den  Händen 
hat.  In  den  Papieren  zum  Aegji»tischen  indess  finden  sich  nicht  so 
viele  der  oben  erwähnten  Abkürzungszeichen;  dagegen  aber  ist  überhaupt 


Spohn  u.  SeylTarth  üb.  Acgypt.  Sprache  u.  Schrift.         1G3 

flen  Papieren  über  das  Ae«ryptisclie  vorzugsweise  wenig  und  in 
der  letzten  Zeit  fast  gar  niclits  niedergeschrieben  hatte ,  weil  un- 
berufene INeugier  nicht  selten  auf  alle  Weise  den  Schliissel  seiner 
Forschungen  ihm  abzulauschen,  auch  wohl  auf  ziemlich  inhu- 
mane Weise  seine  Papiere  darüber  zu  sehen  suchte  und  verlang- 
te *).  Zum  Alphabet,  zur  Grammatik,  zum  Glossarium  waren 
nur  wenige  Notizen  a  orhanden.  S.  Seyif.  Vorrede  zu  Nr.  1  S.  VI  ff. 
Das  Wichtigste  waren  die  mit  Lateinischen  und  Griecliischen 
Buchstaben  niedergeschriebenen  Entzifferungen  einiger  Inschrif- 
ten imd  iMumicnroUen ,  denen  die  Lateinische  üebersetzung  bei- 
gelugt war.  Allein  abgerechnet,  dass  in  diesen  Entzifferungen 
inid  Liebersetzungen  eine  Menge  Lücken  sich  fanden,  so  rührten 
sie  überhaupt  nicht  aus  der  Zeit  her,  wo  Spohn's  Resultate  ihre 
höchste  Bestimmtheit  erhalten  hatten ,  sondern  waren  grössten- 
theils  die  ersten  Entzifferungsversuche  der  einzelnen  Inschriften. 
Diess  zeigten  schon  die  vielfachen  Aenderungen  und  Varianten, 
die  oft  mit  (>  oder  7  verschiedenen  Tinten  und  Schriftzügen  über 
den  Text  geschrieben  waren.  Dabei  konnte  man  nicht  einmahl  be- 
haupten ,  dass  diese  Varianten  die  richtigere  Lesart  enthielten ; 
denn  oft  waren  es  blosse  für  den  Augenblick  hingeworfene  Ver- 
raulhnngen.  Vergl.  Vit.  Sp.  S.  34,  35.  Soviel  ergab  sich,  dass  es 
unmöglich  sey,  aus  diesen  Papieren  das  versprochene  Werk  so 
herauszugeben,  dass  es  auch  nur  approximativ  dem  gliche,  wel- 
ches Spohn  selbst  geliefert  hätte.  S.  die  Vorrede  zu  Nr.  1  S.  XV. 
Doch  diese  Papiere  waren  auch  in  ilirem  rohen  Zustande  zu  wich- 


wenig^  gejj^eben,  und  dieses  Wenige,  namentlich  in  den  Entzifferungen, 
oft  so  unbestimmt  liingestellt,  dass  man  nicht  sieht,  in  wie  weit  Spohn 
CS  für  richtig  gelten  lassen  wollte. 

*)  Diese  Verbuche  waren  In  einigen  Fällen  höchst  auffallend  und 
zndringlich,  und  ninssten  natürlich  Spohn's  Misstrauen  reizen.  Da  er 
nun  eine  grosse  Schwäche  Im  Abschlagen  eines  Verlangens  liatte,  so 
war  es  kein  Wunder,  dass  er  niancbniahl,  wenn  man  seine  Gefälligkeit 
«u  sehr  mi?!>brauihtc ,  In  das  entgegengesetzte  Extrem  verfiel.  Dahin 
gehört  der  Fall,  den  Hr.  Seyff.  in  A  ita  S.  48  erzählt,  wo  Referent  der 
allein  Ausgenommene  war.  Aebnlicb  bei  dem  Aegyptlschen ,  wo  seine 
Verschlossenheit  in  der  letzten  Zeit  so  weit  ging,  dass  selbst  seine  ver- 
trautesten Freunde  wenig  oder  nichts  erfuhren.  S.  Vit.  Sp.  S.  25.  Sein 
Misstranen  war  durch  Veranla^sungen  erregt,  die  gcM'Iss  einen  Andern 
noch  weiter  geführt  hätten.  Linbillig  ist  es  daher,  m  egen  der  damahli- 
gen  Versehliissenheit  einen  Tadel  auf  ibn  werfen  zu  wollen,  sonderbar 
aber,  dass  gerade  die,  welche  in  jener  Zeit  am  tingestüinsten  in  sein 
A  ertrauen  sich  zu  drängen  snchten  und  zunächst  diese  Verschlossenheit 
herbeifälirtcn,  jetzt  seinen  Werth  als  Mensch  und  (ielehrten  hcrabsez- 
zen.  DIess  kann  wenigstens  kein  Bcwcid  scyn ,  dass  ihre  Absichten 
damiUils  redlich  waren. 

11    * 


1(54  Aegyp  tische    liitteriitur. 

dg,  als  dass  sie  liätten  vertilgt  werden  dürfen.  Sollte  das  neu  ge- 
wonnene Licht  nicht  wieder  verlöschen ,  so  miissten  sie  ancli  in 
diesem  Zustande  einem  Gelehrten  zur  Fortsetzung  und  Heraus- 
gabe überlassen  werden.  Diesem  Geschäft  unterzog  sich  Herr 
Prof.  Seyffarth^  dem  man  es  daher  Mohl  glauben  darf,  dass  er 
die  ganze  Untersuchung  so  gut  als  von  Vorne  machen  rausste  und 
mit  unsäglichen  Schwierigkeiten  zu  kämpfen  hatte.  S.  Vorrede  S. 
XI,  XII.  Bei  der  Bearbeitung  blieb  ihm  nur  ein  doppelter  Weg. 
Entweder  musste  er  aus  diesen  Papieren  nur  das  allgemeine  Ke- 
sultat  für  sich  ausziehen  und  sie  dann  bei  Seite  werfen ;  oder  er 
musste  sie  in  ihrer  rohen  Gestalt  gleich  einem  unvollendeten  Tor- 
so der  gelehrten  Welt  zum  weiteren  Studium  vorlegen.  Bedenk- 
lich war  Beides,  das  PJrstcre  mehr  als  das  Letztere.  Daher  müs- 
sen wir  ganz  seine  Ansicht  theilen,  wenn  er  das  Letztere  wählte, 
und  in  der  Vorrede  zu  Nr.  3  S.  VII  f.  sagt :  „  Sollte  das  uner- 
wartet angezündete  Licht  gerettet  werden ,  sollte  das  Andenken 
so  grosser  Aufopferung ,  und  des  schmerzvoll  errungenen  Sieges, 
der  vielleicht  einst  in  der  Geschichte  der  Literatur  eine  Epoche 
darbieten  wird,  sich  dankbar  erhalten;  so  musste  Spohns  Werk 
im  Geiste  des  Urhebers  durch  eine  sorgsame  Hand  der  Vollen- 
dung näher  gebracht  werden.  Darum  schien  es  nothwendig,  zu- 
erst das  kostbare  Gewebe,  das  Spohn  vielleicht  aus  seinen  eige- 
nen Lebensfäden  dem  Seidenwurme  ähnlich  sich  spann,  den 
Freunden  der  Wissenschaft  vorzulegen.  Möge  diese  nochmalige 
Erklärung  mich  etwas  entschiddigen ,  wenn  ich  Spohn's  Aegypti- 
sche  Advcrsai'ia  diplomatisch  behandelt  der  Gefahr  aussetzte, 
vielleicht  eine  zu  geringe  Meiniuig  von  dem,  was  Spohn  geleistet, 
zu  verbreiten.  Wir  könnten,  wälirend  uns  die  Einsicht  in  das 
Ganze  und  die  gehörige  Uebung  noch  mangelt,  sehr  leicht  den 
schweigenden  Manen  Spohn's  ein  bitteres  Unrecht  zufügen ,  das 
wir  nicht  sogleich  wieder  gut  zu  machen  im  Stande  sind.^'-  Wie 
Hr.  Seyff.  übrigens  verfaliren  sey,  erzählt  er  selbst  in  der  Vorrede 
S.  XIII:  „Pergendum  mihi  erat  in  via,  quam  Spohnius  ingressus 
est.  Inscriptiones,  quae  supercrant,  nunc  in  iapidibus  exstaut 
summa  fide  redditae  atque  cum  aliis,  difficile  opus,  a  me  reco- 
gnitae.  Interpretationes  Spohnü  retractavi  et  subegi,  neglecta  ad- 
jeci  atque  reliqua  Aegyptiaca,  impletis  lacnuis,  ex'plicui,  quate- 
nus  licuit,  omnia.  Confeci  commeutaria  et  introductiones,  paravi 
tabulas  illustrautes,  expendi  liuguae  debita  officiis  scripturae,  ab- 
solvi  Graramaticam  et  Glossarium  atque  dissertationem  pnmariam 
adumbravi.  JNon  ineptum  videbatur,  haec  omnia  unius  volumi- 
nis  corpore  comprehendere  et  edere,  ita  ut  Spohnü  scripta  singu- 
lis  in  locis  a  raeis  distincta  praemittercntur  et  injicerentur,  quod 
consilium,  initio  a  me  captum,  nunc  satius  mutare.  Admodura 
cnim  creverunt  schedae  meae  nee  longius  Spohnü  inventa  jure  re- 
tineri  posse  judicandum  est.  Prodeat  itaque  opus  tripartitum,  cu- 
jus primum  volumen  amplectatur,  quaecunque  Spohnius  explanata 


Spohn  u.  Sevffartli  üb.  Aegypt.  Sprache  ii.  Schrift.  1C5 

reli([uit;  secmuluin  habeat  pcrfeclas  iiiscriptioiuini  explicatiouejn 
cum  commentariis  et  iiitrodiictionibiis  atqiie  tabnlis  lithoi-raplii- 
eis;  tertio  deiitur  dissertatio,  quae  clavcm  ssacrarü  Ae^yptiaci  du- 
iliim  (luacsitam  illam  tradet .  («rammalica  ao  deuique  Glossarium. 
Quod  itaque  l'rodromuin  hunc  attinct,  onuics  oü'ert  etiam  levio- 
res  Spoliini  iuterprctationes,  exceptis  hieroijlypliicis ,  quae  qui- 
dera  siiisrulari  in  tabula  descripfac  ad  volumeii  secundum  acce- 
dant.  In  Ins  proponendis  sie  cipiidcm  offi.  Permulta  sunt  verba 
Aes:}i)tiaca.  ((uae  dupjicem,  tri|)liccin  vcl  multiplicem  cum  Icctio- 
nem ,  tum  iuieiprctalioucm  admisciiat,  qua  in  re,  uti  diximus, 
8])ohuius  ita  vt-rsatus  est,  ut  iiteras  ambi^uas  versibus  imponcret, 
sensum  Aariautem  infra  notaret.  Quae  mediis  in  versibus  essent, 
ea  quidem  sivi  in  versibus  esse ;  quae  supra  infra((ue  leg^erentur, 
subter  textum  locavi,  ita  ut  ambigua  vocabula,  addito  Vel^  pleue 
scriberem  atque  toties  repeterem ,  quoties  litera  vel  literae  ambi- 
^uac  elocutionem  variare  possent.  Plerisquc  a  versibus  et  com- 
mentariis iutegris  Spohnii  absuut  numeri,  quibus  singula  vocabula 
inter  se  distinguantur;  quos  quidem  id)lque  iuscripsi.  Ubicunque 
in  mss.  Spohnii  deficeret  aliquid  aut  supervacaneum  esset,  quod 
in  textu  Aeg^-ptiaco  exstaret  aut  desideraretur,  iiotaAi  illud  pun- 
ctis  ....  vcl  ::::,  hoc  verbis  inter  notas.  INonnuUa  emendavi,  ita 
ut,  ubicunque  meae  manus  vestigium  esset,  adderem  [Sh.].  Nihil 
omisi,  nihil  suppressi  nee  quidquam  adjoci,  quod  ad  ambiguita- 
tem  tollcndani,  aut  perspicuitatem  augendam  necessarium  iion  vi- 
sura  esset.  (Diese  kleinen  Abänderungen  werden  dann  einzeln 
aufgefiihrt. )  Pleraquc  intacta  sivi,  quo  minus  gemiina  harum 
schedarum  ratio  et  antiqua  fides  perirent.'*''  Ref.  hat  diese  etwas 
längere  Stelle  ganz  ausgeschrieben,  weil  sie  die  Anlage  des  Werks 
am  bessten  erläutert  und  zugleich  ein  Beispiel  von  der  Latinität 
des  Hrn.  Herausgebers  giebt.  Das  Werk  enthält  demnach  weiter 
nichts  als  die  von  Spohn  hinterlassenen  mehr  oder  weniger  frag- 
mentarischen PJntzifferungen  von  15  Inschriften  nebst  der  Latei- 
nischen Interlinearversion,  unter  denen  dann  in  besondern  Noten 
die  abweichenden  Entzilferungen  und  Erklärungen  Spohn's  ste- 
hen.    Als  Beispiel  diene  Folgendes : 

1                2                :{                 4  5  n  1 

escheie  ösjersch     chme  nnu^hle  ösjersch  chme  teho 

hnoca      Osiri-  Aegypt.  cum  vera  Ösiri-  ....  adora 

dem  elatione  dem 

Die  lithographirlen  Originaltexte  felilen  natiirlich ,  so  wie  auch 
alle  Notizen,  woher  diese  Inschriften  genommen  sind,  ausser  dasn 
bei  Spec.  IV  bemerkt  ist:  Pap.  Paris.  Cazal.  FJs  erffiebt  sich  je- 
doch, dass  Spec.  1  die  demolische  Inschrift  von  Koselte  und  Spec. 
H,  111,  V  demoti.sche  Papyrus  aus  Berlin  sind.  Die  Specc.  \  III — 
XV  sind  Entziireruugen  hieratischer  Inschriften,  von  denen  aber 
Spec.  VIII  —  XIV  sehr  unvollständig  sind.       In  der  Vorrede  S. 


166  Acgyptiechc  Li  ttc  ratur. 

VI  —  XI  werden  alle  von  Spolin  zum  Aegyptischen  Iiinterlassene 
Papiere  aufgezälilt,  die  nach  Herausgabe  des  Werks  auf  der  Leip- 
ziger üniversitätsbibliotliek  niedergelegt  werden  sollen.  Voraus- 
gescliickt  ist  die  von  Spohn  in  demotisclier  Schrift  und  Sprache 
abgefasste,  von  SeyfTarth  auf  eine  unvoUendjjte  Pyramide  einge- 
grabene Dedication  an  den  König  von  Sachsen,  deren  Latein, 
üebersetzung  (von  Spohn  gemacht )  in  der  Vorrede  S.  XI  mitge- 
theilt  ist.  Das  vorangestellte  Brustbild  Spohn's  ist  nach  einer  vom 
Todten  genommenen  Zeichnung,  sonst  aber  gi'össtentheils  nach 
dem  Gedächtniss  gezeichnet,  stellt  jedoch  im  Ganzen  seine  Züge 
ziemlich  treu  dar ,  abgerechnet ,  dass  er  um  den  Mund  etwas  zu 
voll  gezeichnet  ist.  S.  Vit.  Sp.  S.  50.  Ueberdiess  hat  Hr.  Prof. 
Seyff  eine  sehr  ausführliche  Lebensbeschreibung  Spohn's  beige- 
fügt, welche  unter  dem  Titel  Memoria  Fr.  A.  Gull.  Spohnii  scr. 
G.  Seyffarth  auch  einzeln  verkauft  wü'd.  üeber  dieselbe  sich 
ausfülirlicher  zu  erklären  hält  Ref.  für  unnöthig,  da  das  Meriier 
Gehörige  bereits  im  Vorhergehenden  angegeben  ist,  und  da  er 
sein  Urtlieil  darüber  schon   früher  in  Seebode's  Krit.  I3iblioth. 

1825  Hft.  5  S.  582 — 591  ausgesprochen  hat.  Vergl.  Passow  in 
d.  HaU.  Lit.  Zeit.  1825  Nr.  269  und  Eggert  in  Seebod.  Krit.  Bibl. 

1826  Hft.  3  S.  193—220  *).  Auch  hoflft  Ref  mit  der  Zeit  noch 
eine  besondere  Charactei-istik  von  Spohns  literarischem  Würkeu 
zu  liefern.  Zu  bedauern  ist,  dass  Hrn.  SeyflF.'s  Vita  von  einer 
grossen  Menge  sinnstörender  Druckfehler  entstellt  ist,  welche 
fürchten  lassen ,  dass  auch  die  Spohn'schen  EntzifFerujigen  nicht 
rein  von  Druckfehlern  sind.  Auch  bestätigt  sich  leider  diese 
Furcht  auf  eine  aulTallende  Weise  dadurch,  dass  Hr.  SeyfF.  von 
der  Spohn'schen  Entzifferung  der  deraotischen  Inschrift  von  Ro- 
sette Lin.  XXIX,  25  — XXX,  23  und  XXXII,  2—28  in  der  Schrift 
Mr.  2  wieder  abdrucken  liess,  wo  man  in  den  wenigen  Zeilen  fol- 
gende Abweichungen  findet:  S.  15Lin.XXIX,35beiSp.  wwfl,  beiSf. 
im  a  ;  S.  16  Lin.XXX,  T  huehe.,  b.  Sf.  ?mehe^  gleich  darauf  li  bei  Bei- 
den htiehe;  S.  IT  Lin.  XXXII,  10  meihnenuo.,  b.  Sf.  methnenue; 
12  methmnenoee .,  b.  Sf.  methöinenöee ;  16  etie^  b.  Sf.  tie  a;  18 
btie^  b.  Sf.  neh',  19  hrpirjei]^  b.  Sf.  hrpeee ;  20  gne  b.  Sf.  fie  g. 
Diese  Beispiele  scheinen  nicht  eben  die  diplomatische  Treue  des 
Abdrucks  zu  beweisen. 

Fragt  man  nun,  was  Spohn  durch  sehie  Forscliungen  im 
Aegyptischen  geleistet  habe,  so  ergiebt  sich  aus  dem  oben  Er- 
innerten,    dass    man   aus  seinen   hinterlassenen  Papieren   über- 


*)  Beiläufig  wird  bloss  bemerkt ,  dass  Herr  Dr.  Eggerl  den  S.  48 
erwähnten  literarischen  Diebstahl  mit  Unrecht  für  eine  iingcgiilndete 
licbchiildigung  eines  achtbaren  Gelehi-ten  hält.  Die  Sache  ist  gegrün- 
det ,  und  in  einem  der  nächsten  Hefte  dieser  Jahrbücher  sollen  auch  die 
Belege  dazu  gegeben  m  erden. 


Spohn  u.  Scjffiirth  üb.  Acgj[)t.  Spradic  u,  Sclirilt.  lOK 

liaiipl  nicht  ganz  erfahren  kann,  nie  weit  er  eigentlich  voi'ge- 
drungen  war.  Dann  ist  von  diesen  Papieren  bis  jetzt  nocli  nicht 
so>iel  initgetheiit,  dass  man  das  darin  Geleistete  iiberscliauen 
könnte.  Ja  für  die  Melirzahl  der  Geielirten  sind  die  gegebenen 
Entzifferiuigen  nicht  einnialil  brauclibar,  da  die  Originaltexte  noch 
fehlen.  Sodann  können  wir  niclit  bergen ,  dass  der  Abdrnck  die- 
ser Entzilferungen  nicht  einmalil  diplomatisch  genau  genug  ist.  Hr. 
Sf.  erwähnt  selbst,  dass  Spohn  diese  Entzifferungen  zu  verscliie- 
dener  Zeit  und  mit  sehr  verschiedenen  Tinten  niedergeschrieben 
habe.  Uei  einem  diplomatiscJien  Abdruck  aber  mussten  diese 
Verschiedenlieiten  genau  bemerkt  werden ,  weil  sich  aus  ihnen 
bestimmter  ergeben  würde ,  was  von  dem  Vorhandenen  frühere 
oder  spätere  Ansicht  des  Verfassers  war.  Auch  wäre  es  gut  ge- 
wesen ,  wenn  Hr.  Sf.  bemerkt  liätte ,  zu  welcher  Zeit  wohl  die 
einzelnen  Entzifferungen  gemacht  sind.  Konnte  er  auch  nicht 
nachweisen,  welche  in  die  Jahre  1819  und  1820  gehören;  so 
liess  sich  doch  bestimmen ,  welche  vor  1822  nicht  gemacht  seyn 
können.  Bei  den  Berlüier Papyrusrollen  wenigstens  liess  sich  die 
Zeit  berechnen,  wo  sie  in  Spohn's  Hände  gekommen  waren.  Auch 
konnte  bemerkt  werden,  was  in  diesen  Eiitzifferungen  wirklich* 
falsch  ist,  oder  was  Sp.  nicht  als  sicheres  Resultat  sondern  als 
blosse  Mathraaassung  hingestellt  hatte.  Ueberhaupt  dui'fte  sich 
Hr.  Sf.  gar  nicht  scheuen ,  noch  weit  offenbarer  und  bestimmter, 
als  er  gcthan  hat,  zu  erklären,  dass  diese  Papiere  keineswegs  so 
beschaffen  sind ,  als  man  von  Spohn  wohl  erwarten  sollte.  Gab 
er  dabei  die  Gründe  und  Ursachen  dieser  Mängel  an,  so  konnte 
eine  solche  Erklärung  für  Spohn's  Ruhm  keineswegs  nachtheilig 
seyn,  musstc  aber  zu  einer  sicherern  Würdigung  desselben  füh- 
ren. Doch  Ref.  weiss  wohl,  wie  sehr  Hr.  Sf.  zur  Beschleinigung 
der  Herausgabe  dieser  Papiere  gedrängt  und  getrieben  ward,  und 
würde  daher  diese  Mängel  gern  ganz  unerwähnt  gelassen  haben, 
wenn  sie  nicht  auf  die  Beurtheilung  der  Verdienste  Spohn's  einen 
so  nachtheiligen  Einüuss  hätten.  Daher  wünscht  er,  dass  sie  we- 
nigstens im  zweiten  Heft  nach  Möglichkeit  verbessert  werden 
mögen.  Auch  ist  dann  ein  genaues  Verzeichniss  der  Druckfehler 
beizufügen,  die  sich  in  diese  Entzifferungen  eingeschlichen 
haben.  üebrigens  ist  es  falsch  aus  diesen  Entzifferungen 
Spolm's  Verdienst  würdigen  zu  wollen,  und  wir  können  da- 
her die  vom  Hrn.  Prof.  Kosegarlen  in  der  Hall.  Lit.  Zeit.  1825 
iNr.  159 — 101  gegebene  Beiu-theilung  nicht  für  richtig  halten, 
weil  sie,  der  Abirrungen  und  unrichtigen  Schlüsse  nicht  zu  geden- 
ken*),  von  dem  Prmcip  ausgelit,    das  Gegebene  als  Maassstab 


*)  Wir  erwähnen  nur  das  scheinbar  M'icliti;j;ste  der  gegen  Spohn 
vorgehnichtcn  Argumente,  die  Identität  eines  Berliner  I'apyrus  mit  ei- 
nem Griechischen  in  England.  Dagegen  bemerkt  Hr.  Sf.  in  der  Schrift 
Nr.  3  S.  32:  „  Voung  theilt    den  Text  eines  Grieihisdicn  Papyrus  des 


1C8  AegjptidclieLitteratur. 

des  Urtheils  anzunelimen.  Sehr  richtig  bemerkt  Ilr.  Sf.  in  Nr.  2 
S.  3:  „Non  decet  Criticum  Spohnii  merita  sigillatim  censere,  sed 
summatiin.  At  qiiae  apud  Spohniiim  huraanae  debilitatis  spe- 
ciem  prae  se  feriiiit,  non  ranlto  majori«  pendenda  mihi  qnidem 
videntnr,  qnam  soissurac  in  obeliscis  et  pyramidibus  aeternis,  vel 
quam  naevnli  in  picturis  Raphaelicis  divinis ,  in  quibus  plcbecida 
aut  invidiosi  haerent. "  Jetzt,  da  der  Verstorbene  das  angefan- 
gene Werk  nidit  selbst  vollenden  konnte,  darf  man  nicht  fragen: 
ist  das  Einzelne  richtig,  sondern,  sind  seine  Principien  richtig, 
und  hat  er,  selbst  wenn  die  Entzifferungen  grösstentheils  falsch 
sind,  doch  den  Schlüssel  zum  Aegyptischen  gefunden'?  Ob  er 
ihn  fand  ,  wird  der  Erfolg  bald  lehren.  Seyffarth's  Forschungen 
miissen  fallen  oder  stehen,  je  naclidem  Spohn's  Schlüssel  der  rich- 
tige oder  falsche  ist.  Doch  die  beiden  neuen  Schriften  Seyf- 
farth's scheinen  die  Richtigkeit  bereits  bestätigt  zu  haben.  Aus 
ihnen  ergiebt  sich  auch ,  dass  das  Resultat  der  Spohn'schen  Be- 
strebungen das  ist ,  dass  er  zuerst  bestimmt  nachgewiesen  liat, 
dass  die  Aegjqitische  Schrift  nicht  eine  symbolische  sondern  eine 
Buchstabenschrift  ist;  dass  er  die^e  Buchstaben  wenigstens  in 
zwei  Schriftarten  wenn  nicht  vollständig  zusammenstellte ,  doch 
so  darlegte,  dass  der  Fortsetzer  sie  wiedererkennen  und  nach 
seinem  System  fortbauen  konnte ;  dass  er  demotische  und  hiera- 
tische Inschriften  und  andere  Monumente  entwickelte,  und  an- 
gab, in  welcher  Sprache  sie  geschrieben  sind,  dass  er  endlich 
auch  andeutete ,  die  Ilieroglyphenschrift  müsse  auf  jeden  Fall 
eine  Buchstabensclirift  seyn  *).     Solches  hat  keiner  vor  ilim  ge- 


Ritters G.  Grey  mit,  welcher  mit  Papyrus  Nr.  36  zu  Berlui  und  seinem 
Diipücate  zu  Paris  der  Form  und  dem  Inhalte  nach  sehr  übereinstimmt, 
in  vielen  Puncten  jedoch  sehr  von  ihnen  ahweicht. " 

*)  Hr  Prof.  Sf.  sagt  in  Nr.  2  S.  3  sehr  wahr :  „  Quinque  vel  sex 
potissimum  egregie  promeruit  Spohnius.  Primo  eam  viam  ingressus 
est,  qua  ad  obscuritatera  Aegyptiacam  dilucidandam  procedatur.  Et- 
enim  iter  est  a  demotica  scriptura  ad  hieraticam,  liinc  ad  hieroglyphi- 
cara.  Qui  contra  agunt,  ii  statim  in  vestibulo  sacrarü  ita  impediuntur, 
ut,  quae  ultra  sint,  videre  nequeant ,  aut  conjicerc  tantumraodo  pos- 
eint. Porro  integras  inscriptiones  demoticas  primus  interpretatus  est, 
quo  duo  cvencrunt  gravisi?ima ,  cognitio  linguae ,  quae  scriptis  Aegy- 
Vtiornra  demoticis  subest ,  atque  ratio  scripturae  vulgaris.  Quam  bene 
autera  versatus  fuerit,  id  nunc  novo  arguraento,  scilicet  interpretatione 
int<criptionis  Itosettanae  hieroglyphicae  probabitur.  Deinde  Integra  quo- 
que  hicratica  scripta  illnstravit.  Ex  bis  denuo  primum  fipparnit ,  scri- 
ptuvum,  quae  a  sacerdotihus  nomen  acceperit,  constare  literis,  appariiit, 
%  quales  sint  litcrae,  quomodo  differant  a  vulgaribus.  Sic  docuit  ctiam, 
linguam ,  quae  in  demoticis  inscriptionibus  invenitur  ,  eandem  legi  in 
eacerdotalibus.      Atqne  Spohnius,    cum  clavem  scripturae  hicraticae  et- 


Spolin  u.  Sejffai'th  üb.  Acgj-])!.  Sprache  u.  Schrift.  Ki!) 

leistet  und  wenn  der  und  jener,  wie  ja  auch  Youna:  und  Champol- 
lion,  in  einer  der  drei  Aeirj^tischen  Schriftarien  Buchstaheu- 
sclirift  erkennen  wollte,  so  Mar  diess  bloss  ein  blindes  Katlien, 
das  die  aufgestellte  Meinung  nicht  beweisen  konnte.  Man  las  In- 
scliriften;  verlangte  aber,  der  Hörer  solle  aufs  Wort  glauben, 
dass  man  richtig  gelesen  liabe.  iVicht  soSpohn.  Er  giebt  jedem  die 
Mittel  in  die  Hand,  mit  eigener  Ansiclit  naclizusehen,  ob  sein  Sy- 
stem ricbtig  sey,  und  sein  Probierstein  ist  der  Kaschidische  Stein, 
den  keiner  ^or  ihm  zu  lesen  ^ei-moclite.  Daher  ist  es  wolii  kei- 
nem Zweifel  unterworfen,  dass  Spolin  den  ^^  eg  zur  Erkenntniss 
ziterst  uns  geöffnet  und  seine  Uiclitimg  so  gezeigt  hat,  dass  man 
nicht  leicht  wieder  davon  abirren  kann.  Doch  diesen  Weg  selbst 
weiter  zn  balinen  verbot  ihm  des  Scliicksals  Hand.  Grosses  ist 
mit  ihm  zu  Grabe  gegangen,  aber  das  Grösste,  der  Grundriss  zum 
Ijau,  ist  gerettet  worden. 

Dass  Hr.  Prof.  Seyffartli  auf  dem  von  Spohn  betretenen  Wege 
eifrig  fortgearbeitet  habe  ,  ergiebt  sicli  sclion  aus  dem ,  w  as  w  ir 
oben  iiber  die  Verarbeitung  der  Spolm'schen  Papiere  aus  der  Vor- 
rede zu  iSr.  1  angefiilirt  haben.  Auch  gewann  er  durch  anlialten- 
des  Studium  immer  melir  Einsicht  in  die  Sache,  und  er  sagt  dar- 
über in  der  VoiTede  zu  ]Vr.  2  "•  ,i  Quum  scripta  demotica  inter  sc 
compararem  atque  accuratius  et  loca  et  verba  paria  deliberarem; 
contigit  mihi,  ut  non  solum  genuinas  Aegyptiorum  literas ,  sed  le- 
ges  quoque  regnantes  in  scriptura  demotica  rcperirem.  Eadem 
arte  in  scriptis  hieraticis  adliibita ,  etiam  hieraticae  scripturae  in- 
teriora,  quorum  prima  cognitio  non  minus  cum  Spohnio  interiisse 
videtui',  assequi  ac  libare  credidi. '■''  Hierbei  waltete  der  glück- 
liche Umstand  ob,  dass  er  weit  mehr  Aegyptische  Inschriften  imd 
Papyrusrollen,  als  Spohn,  benutzen  konnte,  und  dass  diese  auf 
eine  unerwartete  Weise  seine  Forschungen  förderten  und  unter- 
stützten. ., Während  der  Bearbeitung  des  Spolm'schen  Werkes, 
sagt  er  in  der  V  orrede  zu  Nr.  3  S.  VIII. ,  fand  ich  unter  andern 
für  nöthig,  die  von  Spohn  besorgten,  noch  nicht  revidirten  Co- 
pien  Acgyptischer  Handschriften  mit  den  Originalen,  so  weit  es 
möglich  war,  namentlich  mit  denen  zu  lierlin  zu  vergleichen.  Bei 
dieser  Gelegenheit  wurde  ich  durch  die  Güte  der  Herrn  Biblio- 
thekare in  den  Stand  gesetzt,   sämmtliche  Aegyptische  Papyrus 


iam  nactus  e^set,  pcrsuasisslmnm  sibi  habchat,  omnia  facUiiis  ab  aliiü 
rcpcrliim  Iri,  qiium  haec.  Qua  in  rc  constantor,  seil  inoilestiüsiine  con- 
tendit,  fec  aut  nullo!;  aut  serös  aeinulatorcs  hahituniin  esse.     Ipsara  vero 

fcripturam  etiam  hitroglyphicam ,   qiiod  buinmiiiu  est ,    attijfit. 

Stiebat,  neinincni  debere  de  hieioglyphica  scriptura  in  luiivcrsum  dis- 
putarc  nl»!  cum,  qui  inäcriptiunem  Kuseltanam,  quam  comitctur  trans- 
latio  Graeca  vciut  iudex  bcverus,  cum  aliis  scriptis  sana  ratioiie  cxpli- 
ruerit." 


m 


170  Aegyptisclic  Littcratur. 

auf  der  dasigen  köiiigl.  Bibliothek  einer  Prüfung  zu  unterwerfen. " 
Die  Resultate  dieser  Prüfung  werden  in  der  Scliriit  Nr.  3  mitge- 
theilt,  die  dalier  auch  den  speciellen  Titel  führt :  Bemerkungen 
über  die  Aegyptischen  Papyrus  auf  der  königlichen  Bibliothek 
zu  Berlin.  Zwar  hat  Hr.  Sf.  liier  nur  Bemerkungen  über  das 
Allgemeine  gegeben ,  den  Inhalt  und  das  Zeitalter  der  Papyrus 
angedeutet,  und  die  Personen  genannt,  von  denen  sie  zunächst 
handehi ;  allein  man  sieht  docli  daraus ,  was  man  ohngefähr  von 
dieser  Aegyptischen  Bibliothek  zu  erwarten  hat.  Auch  werden 
gelegentlich  über  andere  Aegyptische  Sammlungen  interessante 
Notizen  gegeben  und  eine  Menge  guter  Bemerkungen  mitgetheilt. 
Das  Wichtigste  aber,  was  für  die  gegenwärtigen  Umstände  gefun- 
den werden  konnte,  ist  die  auffallende  innere  Aehnlichkeit  dieser 
Papyi'usroUen ,  wodurch  das  Erkennen  der  verscliiedenen  gleich- 
bedeutenden Schriftzeichen  ausserordentlich  erleichtert  wird. 
Refer.  theilt  aus  der  Schrift  selbst  Folgendes  mit : 

Es  finden  sich  auf  der  Bibliothek  überhaupt  57  Papyrusrol- 
len, die  in  drei  Classen,  liieroglyphische,  hieratische  luicl  demo- 
tische, zerfallen  mid  meistens  sehr  gut  erhalten  und  von  bedeu- 
tendem Umfange  sind.  Nicht  wenige  davon  sind  1 — 2  Fuss  hoch 
und  10 — 30  Fuss  lang.  Dabei  sind  sie  mit  wenig  Ausnahmen  sehr 
enge  beschrieben,  und  überhaupt  lassen  sich  mittelst  der  Aegy- 
ptischen Schrift  auf  einem  kleinen  Räume  viel  Worte  und  Ideen 
zusammendrängen.  S.  1.  Zu  Spohn's  Zeit  lagen  sie  meist  noch 
unaufgewickelt ;  jetzt  sind  sie  aufgespannte  Leinwand  unter  Glas 
aufgezogen,  oder,  wenn  sie  auf  beiden  Seiten  beschrieben  waren, 
zwischen  zwei  Glasscheiben  gespannt,  tmd  werden  in  Avoldver- 
schlossenen  Schränken  aufbewahrt,  dass  die  Schrift  durch  die 
Einwirkung  des  Lichtes  nicht  von  ilirer  Deutlichkeit  verliere.  Eine 
einzige  Rolle ,  der  hieratische  Papyrus  Nr.  21 ,  welche  noch  dazu 
in  Hinsicht  des  Papiers ,  der  Schrift  \jiid  der  bloss  mit  der  Feder 
ausgeführten  Gemähide  eine  der  prachtvollsten  gewesen  ist ,  ist 
in  so  schlechtem  Zustande ,  dass  sie  auf  Pappe  gebracht  luid  mit 
Spirituslack  übergangen  werden  musste  *).  S.  5  und  11.  Die  Farbe 


*)  Anwendung  eines  FIrniss  von  Copallak  oder  einer  farbenlosen 
Bernsteinauflösung  ist,  wie  S.  2  bemerkt  wird,  gnt,  undeutliche  Züge 
augenblicklich  sichtbar  zu  machen,  und  die  Handschrift  hesser  vor  Zer- 
störung zu  sichern.  Allein  diese  Firnisse  verlieren  mit  der  Zeit  ilire 
Durchsichtigkeit  und  können  ohne  Gefahr  der  Handschrift  nicht  wieder 
weggenommen  werden.  Reagentien,  wie  Gallussäure  u.  s.  w. ,  lassen 
eich  hei  verblichener  Schrift  der  Papyrusrollen  nicht  anwenden.  Lm 
aber  dunkle  Stellen  zu  verdeutlichen,  reicht  oft  das  einfache  Mittel  — 
auch  hei  andern  Handschriften  —  hin ,  die  einfallenden  Lichtstralden 
durch  einen  vorgehaltenen  niedern  Gegenstand  zu  vermindern  und 
abzuleiten.      Das  Auge  sieht  schärfer,  wenn  der  Reflexionswinkel  des 


* 


Spohn  u.  Seyffarth  üb.  Acgjpt.  Sprache  u.  Schrift.  171 

des  Papyrus  ist  gelblich-weiss  oder  bräunlich-gelb  mit  verscliie- 
deuen  Abstufiuigen.  Die  Feinlieit  und  Glätte  ist  verschieden  und 
hängt  \on  dem  gewählten  Stoffe  ab  *).  Melirere  dieser  Rollen, 
besonders  Iiieratische ,  sind  theihveise  durch  Asphalt  gescliuärzt, 
vas  entweder  durch  eine  besondere  Einbalsamirung  derselben 
oder  durch  ihre  nähere  Beriihrung  mit  den  Mumien  entstanden  zu 
seyn  scheint.  S.  2,  3.    Die  Thite  oder  Aielmelir  Tusche  ist  meist 


aiiiTullcndcn  Strahles  verklemert  ■wird  und  der  zu  betrachtende  Gegen- 
stand in  den  Schatten  tritt. 

*)  Ücber  die  Bereitung  des  Papyrus  werden  S.  3 — 5  einige  Bemer- 
kungen mitgetlieilt  und  zugleich  Plinius  H.  N.  XIII,  21  erläutert.  Man 
iiahni  die  bis  zwei  Ellen  hohen  Stauden  des  Papyrusscliilfcs ,  entfernte 
-die  Wurzelstöcke  und  Blätter  und  behielt  bloss  den  Schaft  von  1 — 'i 
Fuss  Länge  und  1 — 2  Zoll  Dicke.  Dieser  Mard  dann  diu-ch  einen  Schnitt 
in  der  Richtung  der  Axe  sogleich  in  viele  Streifen  zerlegt,  welche  von 
verscliiedener  Breite  und  Stärke,  aber  von  gleicher  Länge  waren.  Für 
die  Schrift  wiu-den  zunächst  nur  die  innern  Blätter  bestimmt,  welche 
weich,  ohne  starke  Riefen  und  fast  fleischicht  waren,  wesshalb  das  In- 
nere der  Staude  auch  zur  Speise  diente.  Die  gewonnenen  Streifen 
Murden  zunächst  genau  parallel  zugeschnitten.  Dann  wurden  die  zar- 
tem (innern)  auf  einer  mit  jNilwasser  benetzten  Tafel  der  Reihe  nach 
ausgebreitet  und  durch  ein  Bindungsmittel,  vielleicht  den  zwischen  den 
Blättern  sich  befindenden  Pflanzenschleim  der  Papyrusstaude  selbst 
(wenigstens  braucht  der  turbidus  liquor  nicht  nothwendig  durch  Nilwas- 
eer  erzeugter  Leim  zu  seyn)  ,  mit  einander  verbunden.  Diess  war  die 
innere  Seite  des  Blattes.  Zur  Rückseite  nahm  man  rauhere  und  mehr 
fascrichte ,  vom  Aeussern  des  Schaftes  genommene  Streifen ,  die  man 
nicht  transversal ,  sondern  von  oben  nach  unten  so  legte,  dass  jeder 
Streif  zur  Linken  von  seinem  nächsten  zur  Rechten  etwas  bedeckt  wird. 
Das  Bindungsmittel  (der  Leim)  ist  das  nehmliche,  und  diese  zum  ersten 
(innern)  Gefüge  hinzukommende ,  entgegengesetzt  laufende  Lage  gab 
demselben  eine  grössere  Haltbarkeit.  Beide  Lagen  verbunden  >vurden 
dann  gepresst  und  getrocknet,  und  das  Blatt  w  ar  zum  Schreiben  fertig. 
Wollte  man  längere  Rollen  machen ,  so  setzte  man  mehrere  Blätter 
von  der  angegebenen  Länge  zusammen.  Das  erste  Blatt  zur  rechten 
Hand  bedet^kt  dann  etwa  um  i  Zoll  mit  seinen  zartem  Streifen  die 
obere,  mit  seinen  rauliern  die  Rückseite  des  zweiten  Blattes.  Von  die- 
ser BeschafTenlieit  sind  alle  Pap^Tus  zu  Berlin,  und  andere  Zubereitung 
würde  auf  ein  anderes  Zeitalter  oder  auf  eine  andere  Fabrik  führen. 
Uebrigens  Mar  dieses  Schreibmaterial  vollkommen  der  Acgj-jitischen 
Schreibart  von  der  Rechten  zu  der  Linken  angemessen.  Die  Lage  der 
Streifen  aber  und  der  Riefen  des  Papyrus  bestimmte  die  Züge  der  Fe- 
der und  wirkte  wesentlich  auf  den  Charakter  aller  drei  Aegyptischen 
Schriftarten  ein.  Desshaib  gingen  mehrere  ursprüngliclie  Formen  der 
Buchstaben  verloren,  und  zahlreiche  neue  Geetalten  <-ntstanden. 


172  Acgyp  tische  Littcratur. 

vollkommen  schwarz  und  nur  an  manchen  Stellen  verblichen.  S.  1. 
Nach  Berlin  wurden  diese  ganzen  Rollen,  wie  bekannt,  dnrcli  den 
General  von  Minutoli  J2;cbracht;  ihr  Fundort  in  Aegypten  ist  un- 
gewiss. Doch  lässt  sich  aus  ihrem  Zusammenhange  mit  den  Pa- 
pyrusinschriften zu  Paris,  Turin  und  London  und  aus  einigen  an- 
dern Umständen  vermutlien,  dass  sie  in  einer  Catacombe'1'hebens 
gefunden  seyn  worden  mögen.  S.  33.  Von  den  vorhandenen  57 
Papyrusrollcn  sind  26  mit  demotischer  Scln-ift  beschrieben.  Eine 
einzige  davon  (Pap.  54)  ist  nicht  vollständig,  indem  der  Anfang 
fehlt.  S.  37.  Dreiundzwanzig  dieser  Urkunden  sind  eine  Art  ge- 
richtlicher Quittungen  auf  bestimmte  Personen  gestellt.  Die  übrigen 
3  (Pap.  49, 50, 55)  scheinen  besondere  Beilagen  dazu  zu  seyn.  S.  26. 
Jene  23  stimmen  in  ihrer  Anlage  völlig  mitehianderiiberein,  fangen 
mit  deuj^elben  Worten  an,  und  schliessen  auf  ähnliche  Weise  — 
ein  selir  wichtiger  Punct  für  Bestimmung  der  verschiedenartig  ge- 
schriebenen aber  gleichbedeutenden  Buchstaben.  Sie  sind  in 
abgemessener  Kürze,  schwerfälligem  Kanzleistyl  imd  fliichtiger 
Sclireibart  abgefasst.  in  jedem  kommen  zwei  Personen,  der  Aus- 
steller und  der  Empfänger  vor,  deren  Namen  durch  Dehnung  des 
Anfangsbuchstabens  eines  der  zunäclist  vorhergehenden  Wörter 
oder  durch  einen  kleinen  Zwisclienraum  zum  leichtern  Auffinden 
hervorgehoben  wird.  Da  allemahl  wenigstens  zwei  Betheiligte  wa- 
ren, so  finden  sich  auch  mehrere  Duplicate  (Pap.  37  a.  b.,  38  a. 
b.,  43  a.  b.,  44  a.  b.) ,  die  mit  Ausnahme  unbedeutender  Weglas- 
sungen oder  Einschaltungen  wörtlich  und  buchstäblich  überein- 
stimmen *).  S.  27.  Sie  begiimen  allemahl  mit  dem  Regierungs- 
jahre des  jedesmahligen  Königs ,  dem  3Ionate  und  Tage  der  Aus- 
stellung; dann  folgt  der  Name  des  Königs  und  seiner  ganzen  Vor- 
fahren, die  als  Götter  aufgefiihrt  werden.  S.  15.  Entziiferun- 
gen  solcher  Inschriften  stehen  in  Nr.  1  Spec.  II — V.  Durch  die  bei- 
gefügten Namen  und  Zalilen  der  Tage ,  Monate  und  Jahre  lässt 
sich  das  Alter  dieser  Papyrus  genau  bestinunen ,  und  es  ergiebt 
sich,  dass  sie  alle  aus  der  Zeit  der  Ptolemäer  stammen.  Der  äl- 
teste ist  unter  Ptolemäus  Soter  I  den  ISten  April  299  v.  Chr.,  der 
jüngste  unter  Alexander  I  den  21sten  Dec.  89  ausgestellt  **).  Sie 


*)  So  ist  auch  der  bei  Spohn  Spec.  IV  entzifferte  Pariser  Papyrus 
das  Duplicat  zu  Pap.  Beiol.  36,  s.  SeyfT.  S.  32. 

*♦)  Die  ausfiilirlichci'ii  Data  der  einzelnen  dieser  Inschriften  und 
die  Berechnung  derselben  auf  Jahre  vor  Christus  tlieilt  Hr.  Prof.  SejfT. 
S.  17 — 26  und  S.  34 — 40  mit.  Auszüge  daraus  zu  geben,  würde  zu  Aveit 
fuhren.  Die  Berechnungen  sind  meist  nach  Champollion- Figcac  (An- 
nales des  Lagides.  Paris,  1819)  und  Ä.  Quintino  (Saggio  sopra  iL  systema 
de  uumeri  presse  gli  antichi  Egiziani.  Turin,  1825)  gemacht.  Doch 
bleibt  ihm  auch  vieles  eigenthümlich.  Besonders  ist  die  chronologi- 
6chc  AufzäMung  der  verschiedenen  Ptoleitiäer  und  noch  mehr  die  auf- 


• 


Spohn  u.  Seyffarth  üb.  Acgrypt.  Sprache  u.  Schrift.  173 

umfassen  sonach  einen  Zoifraum  von  200Jaliren,  gehören  aber 
alle  in  die  Priesterlamilie  O/-.  deren  einzelne  Familienväter  sich 
dnrcli  die  Namen  ihrer  Weiher  unterscheiden.  Der  Name  des 
Vaters  erbte  also  wahrsoheinlicli  auf  den  Erstgebornen  fort. 
Neben  diesen  deniotischcn  Inschriften  sind  auf  Pajmnis  30  —  41 
Beischriften  in  Griechisclier  Cursive  *)  hinzugelTigt,  von  denen  Bntt- 
niann  eineErUarniiir  der  Einen  schon  iViiher  herausgegeben  hat.  S. 
30.  Ausserdem  scheinen  alle  bis  jetzt  nacli  Europa  gebrachten  demo- 
tlsehen  Papyrusrollen  mehr  oder  weniger  mit  einander  in  Zusam- 
menhange zu  stehen.  Wenigstens  stimmen  die  bis  jetzt  bekannt 
gemacliten  auftallend  mit  denen  zu  Berlin  überein.  S.  32.  Die 
übrigen  31  Papyrusrollen  enthalten  theils  hieratische,  tlieils  hie- 
roglyphischc  Inscliriften.  Beide  zerfallen  in  zMci  Classen.  Die 
eine  (Masse  nehmlich  enthält  eigentlich  symbolische  oder  allego- 
rische Bilder,  d.  h.  bildlicJie  Darstellungen  der  Götter,  des  Acker- 
baues, des  Todtengerichtes  und  anderer  heiligen  Handlungen. 
Diese  Bilder  sind  bald  in  blossen  l^mrissen,  bald  mit  Farben  aus- 
gemahlt,  wo  vorzüglich  roth,  gelb,  grün  und  weiss  vorkommen. 
Das  Blau  scheint  zu  felilen,  Menn  es  nicht  vielleicht  in  ein  dun- 
kles Blaugrün,  das  sich  bisweilen  findet,  iibergegangen  ist.  S.  6, 
7,  11.  Neben  diesen  allegorisclien  Bildern  stehen  oft  kurze  Ge- 
bete und  Hymnen,  wie  z.  B.  neben  einer  Darstellung  des  Acker- 
baues auf  Papyrus  8:  ,.  Gott,  Aegyptens  grosser  Ernährer  immer- 
dar; Gott,  Aegyptens  Schirm  immerdar,  erfülle  mit  Glanz  alles 
u.  s.  w. ^'^  Die  zweite  Classe  entliält  eigentliche  Schrift,  obgleich 
über  derselben  oft  auch  Bilder  von  Göttern  gezeichnet  sind.  Sie 
entliält  sowohl  in  den  hieroglyphisclien  als  hieratischen  Inschrif- 
ten kürzere  oder  längere  Hymnen,  Gebete  und  fromme  Wünsche 
an  die  Götter  oder  ältesten  Könige  Aegyjitens.  Diese  Hymnen 
zeichnen  sicli  durch  einen  hohen  Schwinig  und  eine  reiche ,  wie- 
wohl nur  in  einem  eniren  Kreise  sich  bewegende,  Phantasie  aus. 
Gewöhnlich  sind  auf  einem  Papyrus  melirere  Hymnen  zusammen- 
geschrieben ,  wo  dann  der  Anfang  des  neuen  durch  rothe  Schrift 
angedeutet  ist.  Auffallend  ist  die  grosse  Einförmigkeit  imd  öf- 
tere Wiederhohlung  derselben  Gedanken ,  so  Avie  dass  verschie- 
dene, hiei'atische  und  hieroglyphisclie,  Papyrus  in  derselben  Ord- 
nung, denselben  Ausdrücken,  denselben  Worten,  denselben  Zei- 
chen auffa^nd  übereinstimmen.  Manche  Hymnen  sind  mit  un- 
bedeutende Veränderungen  5  und  meJirmahl  vorhanden,  so  wie 


gestellte  Vermuthunj»  über  die  Entwickclunf?  der  Schwierigkeiten,  wel- 
che in  der  Reirierungszeit;  des  Ptolemäus  IMiilometor  und  Ptolemäufl 
Physcon  ob\v.iIt«;ii,   bcachtcnswerth. 

*)  Dalic;r  ist  Giiichische  Cursivschrift  nirbt  erst  im  lOtcn  bis  loten 
Jahrb.  n.  Chr.  aiifgekommen.  Walirpcheinlicli  enttstand  sie  in  Acgy- 
ptcn  uchon  seit  der  Zeit  Alexanders  des  Grossen.   S.  30. 


^ 


114  Aegyptischc  Litteratur. 

eich  hieroglyphisclie  und  liieralische  Duplicate  cler«?elben  Inschrift 
finden  *).  Die  einzelnen  Hymnen  sind  manclimahl  in  besondere 
Felder  eingeschlossen.  Füllt  der  Hymnus  diesen  Raum  nicht,  so 
werden  nicht  etwa  neue  Gedanken  angefügt,  sondern  der  Hymnus 
beginnt  von  vorne  und  schliesst  dann  oft  mitten  in  der  Rede. 
Daraus  ergiebt  sich,  dass  diese  Hymnen  feststehende  Iieilige  Ge- 
sänge waren,  imd  Hr.  Sf.  vermuthet,  dass  es  vielleicht  Ucber- 
bleibsel  aus  den  heiligen  Büchern  des  Hermes  oder  Thouth  sind. 
S.  10,  13  und  Nr.  2  S.  47.  Vergl.  Clement.  Alex.  Strom.  IV,  4. 
Die  hieratischeJi  PapyTus  sind  zahlreicher  und  von  grösserem  Um- 
fange als  die  hieroglyphischen.  Auf  einigen  derselben  finden 
sich  Hymnen,  die  rhythmisch  geschrieben  sind,  und  wo  die  ein- 
zelnen Zeilen  mit  einem  und  dem  nehmlichen  Worte  anfangen, 
noch  öfterer  aber  auf  einen  und  den  nehmlichen  Buchstaben  en- 
digen. Es  findet  sich  in  diesen  Zeilen  nicht  bloss  eine  Aehnlich- 
keit  mit  dem  Parallelismus  der  Hebräer ,  sondern  eine  noch  weit 
grössere  mit  unsern  Reimversen,  obgleich  die  meisten  dieser  vor- 
handenen Reime  bloss  für  kunstlose  Homöoteleuta  gelten  können. 
Auffallend  ist  es,  dass  auch  ein  Wechsel  dieser  Reime  statt  findet. 
Hr.  Sf.  bemerkt  also  S.  15:  ^Die  Araber  sollen  die  Reijuverse, 
wie  oft  behauptet  worden  ist,  erfunden  haben  zu  der  Zeit,  wo 
ihre  Herrschaft  am  grössten ,  ihre  Literatur  am  blühendsten  wa- 
ren. Diess  widerlegt  schon  ein  Coptisches  Reimgedicht  im  Mu- 
seum des  Cardinal  Borgia,  das  Zoega  zum  Theil  bekannt  gemacht 
hat.  Es  enthält  ebenfalls  nicht  männliche  und  weibliche  Reime, 
sondern  Homöoteleuta,  indem  abwechselnd  je  2  Zeilen  mit  weni- 
gen Ausnahmen  auf  gleiche  Buchstaben ,  selten  auf  wirkliche  An- 
klänge ausgehen.  Wahrscheinlich  sind  daher  diese  Coptischen  Ge- 
sänge Nachklänge  von  der  Lyi'a  des  alten  Aegypten.  Sind  ^aber  jene 
Homöoteleuta  der  Aegyi>tischen  Papyrus  ebenfalls  Hermetisch  (d. 
h.  aus  den  Büchern  des  Hermes  stammend);  so  ist  der  Ursprung 
des  Reimes  in  dem  höchsten  Alterthume,  vielleicht  in  Aegypten 
selbst  zu  suclien.  ^  Was  das  Alter  dieser  hieratischen  und  hie- 
roglyphischen Rollen  anlangt,  so  scheinen  sie  den  Schriftzügen, 
den  Verzierungen  und  der  Tinte  nach  mit  den  demotischen  in 
Eine  Zeit  zu  fallen.  S.  30.  Nur  einige,  wie  Nr.  8  und  23,  haben 
rohere  Zeichnung  und  verblichenere  Schrift,  und  können  viel- 
leicht aus  dem  4ten  oder  5ten  Jahrh.  vor  Chr.  seyiu^  Auch  sie 
scheinen  ein  Eigenthura  der  Priesterfamilie  des  Or  gewesen  zu 
seyn  (S.  33),  und  wurden  vielleicht  zugleich  mit  den  demotischen 
zu  Theben  in  unterirdische  Gewölbe  verborgen,  als  dasselbe  von 
Lathurus  belagert  und  nach  dreijährigem  Widerstände  erstürmt 
und  grösstentheils  zerstört  .ward.  —  Die  der  Schrift  angehängten 


♦)  Diess  Ist  für  das  Kennenlernen  der  verschiedenartig  geschriebe- 
nen Buchstaben  höchst  wichtig. 


Spolin  u.  ScyfTiiitli  üb.  Acgypt.  Sprache  ii.  Scluitt.  175 

vier  liUio^rapIiisclien  Tafeln  enthalten  Proben  von  tlemotlsohcn, 
hieratischen  und  hiero^lyphisclien  Inschriften,  deren  Entziffe- 
rung zum  Tlieil  S.  8 — 15  ffe2:el)en  wird.  Dabei  ist  zu  bemerken, 
dass  llr.  Sf.  in  diesen  Entzifferungen,  sowold  hier  als  in  der 
Sclirift  IVr,  2,  der  Hebräischen  Ihiclistaben  sich  bedient  hat, 
weil  das  Aegyptische  Alpliabet,  ausser  den  3  \on  Isir/'s  (Enseb. 
Praep.  Evang.  9, 10)  erfundenen  Buchstaben,  ganz  dem  Hebräi- 
schen und  Phönicischen  entspriclit.  S.  Vorr,  S.  IX. 

Wie  sehr  Hrn.  Prof.  Sf.'s  Forschungen  durch  die  Gleichför- 
migkeit der  Schrift  und  des  Inhalts  in  fielen  Berliner  Papyrus- 
rollen gefördert  werden  miissten,  sieht  jeder  leiclit  ein.  Er  sagt 
selbst  S.  13:  „Judem  man  verschieden  geschriebene  Worte  glei- 
clier  Tevle  mit  einander  vergleicht;  zeigen  sich  die  verscliiede- 
nen  und  doch  gleichlautenden  Buchstaben  von  selbst,  von  denen 
die  leichteren  und  einfacheren  die  Laute  der  ungewöhnlichen  und 
schwierigen  mit  Sicherheit  bestimmen."  Ja  diess  ging  noch  wei- 
ter. Die  \ergleichung  derPapyTusrollen  führte  ilm  unter  andern 
auf  zwei ,  eine  hieratische  und  eine  demotische ,  die  sich  durch 
eine  auffallende  Gleichförmigkeit  der  Zeilen,  durch  gleichartige 
Anfänge  derselben,  durcli  ziemlich  gleiche  Zahl  der  Zeichen  und 
durch  in  die  Augen  fallende  Aehnlichkeit  von  mehrern  derselben 
auszeichneten*).  Nähere  Vergleichung  lehrte,  dass  beide  Rol- 
len einen  und  denselben  Hymnus  mit  gleichen  Worten  und  in 
gleicher  Sprache,  aber  nur  mit  verschiedenen  Schriftzeichen,  ent- 
hielten. —  So  ward  der  Schliissel  zu  den  Hieroglyphen  gefunden ! 
Von  jetzt  an  konnten  seine  Untersuchungen  erst  recht  im  harmo- 
nischen Einklang  mit  einander  fortgehen,  und  was  er  bis  jetzt 
über  die  Hieroglj^jhenschrift  fand,  theilt  er  in  der  Schrift  Nr.  2 
mit,  die  zugleich  vielen  Aufschluss  über  die  demotische  und  hie- 
ratische Schrift  giebt  und  das  Werk  Nr.  l  erst  brauchbar  macht. 
Es  ergiebt  sich  aber  nun ,  dass  alle  bis  jetzt  über  die  hierogly- 
phische  Sclirift  und  Sprache  aufgestellte  Meinungen ,  welche  Hr. 
Sf.  in  der  Einleit.  S.  1  — 11  zusammengestellt  und  zurückge^vie- 
sen  hat,  mehr  oder  weniger  falsch  sind,  und  keine  einzige,  selbst 
w  enn  sie  in  einzelnen  Puncten  richtig  ist ,  zur  wahren  Erkennt- 
niss  der  Hieroglyphen  führt.  Zwar  Iiaben  schon  ChampoUion, 
Youngu.  A.  Buchstabenin  denselben  gesucht,  allein  die  Bedeu- 
tung dieser  Buchstaben  vermochten  sie  nicht  zu  errathen,  und 
^^ie  falsch  sie  gelesen  haben,  wird  sich  weiter  unten  aus  einem 
Beispiel  ergeben.  Noch  weniger  Iiaben  die  Reclit,  welche  die 
Hieroglyphen  für  mimetisch  (d.  h.  für  Zeichen,  welche  die  Sache 
ausdrücken,  deren  Bild  sie  enthalten)  oder  für  symbolisch  (für 
willkülirlich  gewählte  Zeichen  zur  Darstellung  eines  Begriffs )  er- 


*)  Beide  Inschriften  sind  in  der  Schrift  Nr.  2  Tab.  XXXVl  Sect.  DI 
raitgcthcilt. 


• 


176  Aegyptische    Littcratur. 

klären.  Eben  so  wenig  ist  die  Sprache  symbolisch  oder  gar  durch 
Paronomasie  zu  erklären.  Die  Hierogly|)]iciisprache  ist  nach  S. 
12  die  hQK  dicil^yitog  der  Aegypter  (Manctho  bei  Georg  Synceli. 
p.  10 )  d.  h.  tue  alte  Sprache ,  m  eiche  weder  die  ge«  öluiliche 
Volkssprache  noch  auch  von  derselben  eine  gänzlich  verschiedene 
war.  ,,  Di ffert  a  Coptica  partim  elementis  s.  verbis,  partim  legi- 
bus grammaticis. '•'•  S.  13.  „Inter  dialectum  sacram  atque  profa- 
nam  vetcrcm  Aegypti  omnia  intersunt,  quibus  differt  recentior 
oratio  a  veteri  nationis  cujusque  magis  subinde  artium  et  litera- 
rarum  humanitate  eruditae.  "■'  S.  14.  ^Yenn  daher  die  demotische 
Schrift  vielleicht  der  Merophitische  Dialect  ist,  so  gleicht  die  hie- 
ratische und  hieroglyphische  mehr  dem  älteren  Sahidischen  Dia- 
lecte  und  scheint  die  Ursprache  zu  seyii^  wesshalb  Ilr.  Sf.  sie  die 
Chaniische  nennen  VUl.  S.  13.  Weil  in  ihr  die  lleligionsbiicher 
geschrieben  waren  und  sie  von  den  UQoyQa^^arBtg  erhalten  ward, 
darum  hiess  sie  der  heilige  Dialect.  S.  15.  Doch  waid  sie  nicht 
bloss  in  eigentlichen  Religionssacheu  gebraucht,  Mas  scl.ion  die 
hieroglyphische  Inschrift  von  Rosette  beweiset.  S.  4.  Die  Hiero- 
glypheuzeichen  aber  sind  nicht  sowohl  yga^f^iccTcc.  als  yQafin,drcov 
övfißoka  (S.  12  nach  Cosmas  p.  161),  und  sind  durch  Kalligra- 
phie entstanden.  S.  15.  „  Figurae  hicroglyphicae  rectius  et  accu- 
rativis  dicuntur  partim  literarum  demoticarum,  partim  hieratica- 
rura,  partim  denique  rursus  suorum  characterum  signa  sive  syra- 
bola."  S.  16.  Die  Grundschrift  nehmlich  ist  die  demotische,  und 
diese  ist  Avahrsclieinlich  unter  der  ^  on  Thouth  oder  Hermes  nach 
Aegypten  gebrachten  gemeint.  S,  Diodor.  Sic.  V,  57.  Plutarch. 
de'ls.  et  Osir.  2.  Euseb.  Praep.  Ev.  I,  9,  10.  Cic.  de  N.  D.  II,  22. 
Plato  Phaed.  etc^  Das  demotische  Alphabet  aber  stammt  von  dem 
Phönicischen  und  daher  stimmen  die  Buchstaben  beider  Alpha- 
bete sogar  noch  in  der  Form  Viberein.  S.  Yorr.  S.  3  und  Tab. 
XXXYI.  Aus  den  demotischen  Buchstaben  entstand  durch  Ver- 
zierung die  hieratische  Schrift,  und  aus  dieser  durch  neues  Aus- 
mahlen die  hieroglyphische  -*).  S.  Apulej.  Metam.  II  p.  386.  Cle- 
ment. Alex.  Strom.  V,  4.  Seyff.  S.  1 1  und  16.  Daher  hat  Clemens 
von  Alexandrien  ganz  recht ,  wenn  er  die  Hieroglyphen  elemeiita- 
risch-hyriologische  Schriftzciche?i  nennt**).  Jede  Hieroglyphe 
besteht  aus  drei  Theilen,  aus  den  urspriinglichen  Linien  des  hie- 
ratischen Buchstabens,  aus  den  weitem ,   welche  das  Bild  ausma- 


*)  Die  Hieroglyphensdirift  ist  sonach  die  jüngste.  Ob  man  aber 
aus  Herodot  II,  36  sdiliessen  darf,  dass  sie  daiucahls  noch  nicht  von  der 
hieratischen  sich  auffallend  unterschied  ,  bedarf  doch  >vohl  noch  weite- 
rer Bestätigung,  als  die  S.  16  gegebene  ist. 

**)  Eine  ausführliche  Erläuterung  der  angeführten  Stelle  des  Cle- 
mens hat  Hr.  Prof.  Weiske  als  Anhang  zu  Hrn.  Sf.'s  Schrift  S.  43—46 
gegeben. 


Spohn  u.  Seyffarth  üb.  Acgj-pt.  Sprache  u.  Schrift,  177 

clicn  und  aus  andern ,  m  eiche  bloss  zur  Verzierung  dienen.  Oft 
sind  zwar  nicht  alle  drei  Arten  von  Linien  gebraucht ,  aber  dann 
ist  durch  die  verschiedene  Zusaniiuenstellung,  Biegung  und  Ver- 
bindung der  Grund liuien  Verschiedenartigkeit  der  Bilder  erreiclit 
worden.  S.  19,  20.  Oft  ist  auch  der  urspriiugliche  Buchstabe  in 
mehrere  Zeichen  zertheilt  worden,  und  mehrere  Hieroglyphen 
zusammen  bilden  erst  einen  Buchstaben.  S.  33  IF.  Rechnet  man 
dazu ,  dass  Viberdiess  diese  Zeichen  verschieden  gestellt  werden, 
dassTlieile  des  Buchslaben  und  Wortes  zu  andern  Wörtern  gesetzt 
oder  auch  ganz  weggelassen  sind ,  dass  man  die  Bilder  auf  alle 
Weise  verschiedenartig  machte;  so  Mird  es  sich  leicht  ergeben, 
wie  mehr  als  ({(M)0  hicroglyphische  Zeichen  aus  25  Buchstaben 
entstehen  konnten,  und  wie  diese  Zeichen  sich  oft  unter  einander 
so  ähulicli  und  gleich  sind,  dass  ein  Zeichen  mauchmahl  5  bis  6 
Buchstaben  bezeichnet.  S.  23  ff.  Die  weitere  Auseinandersetzung 
muss  man  im  Buche  selbst  nachlesen.  Vieles  klingt  allerdings 
w  underbar.  Dazu  kommt,  dass  Hrn.Seyflarlh's  Darstellung  oft  sehr 
dinikel  ist,  was  theils  aus  der  aphoristischen  Schreibart,  theils 
aus  der  etwas  sonderbaren  Latiuität  entsteht,  welche  sich  in  der 
Wahl  von  oft  luilateiuischeu  W  örtern  oder  Bedeutungen  derselben 
und  in  der  Einmischung  einer  Menge  mathematischer,  physiolo- 
gisclier  und  anderer  KunstausdrVicke  gefällt.  Sie  beweisen ,  dass 
Hr.  Seyff.  auch  in  diesen  Wissenschaften  erfahren  ist,  erschwe- 
ren aber  das  \  erstehen  des  Buches  und  sind,  wie  es  uns  vor- 
kommt, noch  dazu  nicht  allemahl  richtig  gebraucht.  Allein  diese 
Schwierigkeiten  werden  wieder  erleichtert  durch  die  beigelugten 
lithogiaphischen  Tafeln,  welche  (Taf.  1  —  4  und  13  —  36)  nicht 
nur  die  einzelnen  Buchstaben  (Phöuicisch,  demotisch,  hieratisch, 
liierogK^hisch)  in  ihren  verschiedenen  Schreibarten,  sondern 
auch  gleichlautende  demotische ,  hieratische  und  hieroglyphische 
W  örtcr  uud  endlich  gleichlautende  Fragmente  ganzer  Inschriften 
neben  eiuamler  gestellt  enthalten.  Daraus  sieht  man  deutlich, 
wie  eine  Schreibart  aus  der  andern  entstand,  und  wie  die  ver- 
schiedenartigsten Zeichen  dochfjiuenBiichstaben  bezeichnen  kön- 
nen. Auch  sind  S.  H-j — Ü2  Viber  diese  Alphabete  noch  besondere 
Bemcrktuigen  mitgethcilt.  W  as  den  Ge!»raiich  dieser  Hierogly- 
phen anlaugt,  so  sclireiben  die  Aegypter  bald  von  der  Rechten 
zur  Linken,  bald  umsiekehri  von  der  Linken  zur  Rcchtcii.  Kigent- 
liche  Biistrophedouscliritl  findet  sich  nicht,  ol)wohl  maucluuahl 
die  Zeilen,  welche  Anfangs  von  derRecliten  zur  ]ji:)ken  gingen, 
plötzlich  von  der  Linken  zur  Rechten  zu  laufen  anfangen.  Die 
Zeilen  sind  oft  sehr  kurz,  dass  jede  nur  aus  Einem  A^'ort  besteht. 
Daher  stehen  die  W  orte  über  oder  unter  einander.  Auch  dicss 
wird  durch  die  lilliograpii.  'I'afcln,  uamcntlich  durch  die  Taf. 
5 — 12  niitgf.'theilten  Aollstäiidigern  Inschriften,  deiilüch  gemacht. 
Ausser  diesen  elenientariscli- t.yriologlsclien  Hieroglyphen  giebt 
es  auch  symbolische  (Clemens  a.  a.  O.)  und  allegorische,   welche 

Juhrb.  (1.  Phil.  u.  Pädag.  Jahrg.  I.  IJeft  1.  12 


178  Acgyp  tische    L  ittcra  tur. 

durch  das  reine  Bild  einen  Begriff  bezeichnen,  aber  nicht  Buch- 
staben sondern  eigentliche  Gemählde  sind,  welche  schwerlich 
zum  Schieibea  von  Biichern  angewendet  wiirden.  S.38ff.  Zu  die- 
sen symbolischen  (mimetischen)  Hieroglyphen  gehören  die  Bilder 
von  Göttern  mit  ihren  Insigaien  und  die  bildlichen  Darstellungen 
heiliger  Handlungen,  der  Todtengerichte ,  des  Ackerbaues  u.  s.  w. 
Beschreibungen  solcher  Darstellungen  giebt  Hr.  Seyff.  in  Nr.  3 
S.  7  ff.,  bemerkt  aber  S.  8:  „Erklärungen  von  einzelnen  Bildern 
und  Bildergruppen  der  Götter  oder  heüigeji  Thiere ,  die  auf  den 
raehrsten  Papyrus  angetroffen  werden,  wage  ich  nicht  hinzuzu- 
fügen. Die  Erfahrung  hat  gelehrt ,  wie  unsicher  und  schwankend 
dergleichen  Deutungen  sind  ohne  genaue  Berücksichtigung  des 
beigefügten  Textes.  Die  höhere  Hieroglyphik  wird  sich  nach  mei- 
ner Ansicht  von  selbst  geben,  sobald  wir  mit  der  niedern  voll- 
kommen zu  Stande  sind.  '•'•  Zu  den  Allcgoi'ischen  Zeichen  kann 
mau  das  Bild  des  Phallus  rechnen,  weiches  eigentlich  der  Bucli- 
stabe  »  ist,  aber  bisweilen  für  den  Begriff  o»,  ge?ierator^  steht; 
obwohl  diess  auch  ein  blosses  Compendium  scribendi  seyn  könnte. 
Aehnliche  allegorische  Zeichen  kommen  auch  bei  andemi  Völ- 
kern vor,  wie  z.  B.  auf  Griech.  Münzen  der  »Blitz,  als  eine  Hiu- 
deutung  auf  Jupiter. 

Den  Beschluss  des  Werks  machen  18  Specimina  von  Erklä- 
rungen der  Taf.  5 — 12  raitgetheilten  Inschriften  (S.  4T — 112)  und 
ein  Glossarium  Aegyptiacum  S.  ^3 — 84.  Auch  ein  Index  rerum 
praecipuarum  et  scriptorum  memoratorum  ist  S.  93  —  96  beige- 
fügt. Der  Beleg  für  die  Richtigkeit  dieser  Forschungen  wird  Spec. 
XVII  u.  XVIII  durch  die  Entzifferung  von  zwei  Zeilen  der  hiero- 
glyphischen Inschrift  voti  Rosette  gegeben.  Wir  theilen  die  erste 
(Zeile  XII  der  Inschrift)  mit ,  die  Hr.  Seyff.  so  übersetzt : 

12  3  4  5^ 

Ptolemaei.   tov  Phtha.   semper  viventis.   dilecti.   dei.   consti- 

6  7  8         9         10  n  12  13  14 

tuti.   anni.   dvTog.   I.  ovTfc.   I.   diebus.    quinque.  cum.  reliquis. 

15  IG  17     ^  18  19  20  ai^ 

diis.    agere.    sacrificia.    libationes.    adderc.    constituta.    omiiia. 

22  23  24  25  26 

simul.:     sacerdotes.    sacerdotnm.    sacerdotura.    in  templorum 

2T  28  29  30  31  32 

templis.  ovöt.  Aegyptiacis.   sint.   ad  rehquos.  deo.  constituto. 

33  34  35  30  37  38 

evsQysrr].    ut.    sacerdotes.   ad  reliqua.   ducaut 

Spohn  hat  die  nehmliche  Stelle  aus  der  demotischen  Insclirift 
(ZeUe  29,  25  —  30,  23  S.  15  f.)  so  übersetzt: 

1  2  4  5 

Ptolemaeo.   probato.  reo  (p^a,  deo.  statuto.  splendido  splen- 

6  7  '       b         9.  10         11        12 

dido.    benefico.    anni.   a.   Imo.    Irai.   dies.   V.   ovTEg  coronati. 

16  17  18  19  22  20  23 

ducentes.  precationes.  libationes.  et.  omnia.  statuta.:   sacerdo- 

26  28  35 

tes.  templorum,  Aegypti.  statuti.  (ut).  (ut).  dicantur.  sacerdo- 


Spohn  u.   Sej-ffai-th  üb.  Aegypt.  Sprache  u.   Sclirlft.  179 

31  32  33  36 

(es.  dei.  stahiti.  valde  spicndidi.  beiieflci.  ad  caetera,  nomiiia. 

3T  3ö 

Sacra,    (ut).    eant.  *) 
Die  Griechische  Inschrift  (Zeile  49,  9  —  51,   16)  lautet: 

13  3  2  2         2  1 

Tca  aicjvoßico  nal  ijyamj^ivco  vTto  tov  g?0^a  ßaöiXsl  jzzcoXe- 

'  4  '  5       '         7  li 

y,alco,  &Bä  eTtLwccvEb ,  tv^cioLöta  xar'  [avtov]  hfl  [xatäriiv 

'  '  7  8  9  10 

TS  ava  xat  xiiv  xata]  ^coQav  uno  rijs  voviisvELCcg  tov  ^covd' 

11  12  _  lü 

Icp  {jfisgag  tcevts  ,  Iv  aig  xal  6rEcpavTj(poQi]öov6LV  övvtsIovv- 

17  18  19  21  20 

Tsg  ^vöiag  xcd  öTtovddg  aal  zuXXcc  v.a^r'y/.ovta'  %Qo6ayoQ&\v 
HV  Ö£  xolg  LBQOig  TOV  T£  aloivoßlov]  xal  rov  Qbov  tTiiqxx- 

23  ^  31 

vovg  evxaQiötov  tsQSig  TCQog  rolg  aXXoig  ovo^aGi  räv  &EaVy 
cov  lEQarevovöL,   aal  aaraxaQ^öca  elg  nävtag  tovg  xqtj^k- 

ZLÖflOVS. 

Den  Beleg,  wie  sehr  Hr.  SeyfF.  von  seinen  Vorgängern  ab- 
weicht, gehen  Spec.  YIII  —  XVI.  In  dem  ersten  nehmlich  wird 
eine  kleine  Inschrift**)  bei  Kircher  Obelisc. Pamphil.  p. 507  ent- 
ziffert. Sie  besteht  aus  folgenden  unter  einander  stehenden  Zei- 
elien:  einem  Ai-m,  einer  Linse,  einer  Schlange,  die  mit  der 
Mitte  des  Körpers  auf  einer  Kugel  ruht,  einer  Sphynx  und  einer 
mehrmahls  gebrochenen  Linie.  Kircher  symbolisirte  daraus :  „Be- 
neficentia  supcrna  (|  et  coelesti  |]  omnia  anibientis  et  vivificantis 
numinis  ^i  |j  Mophtha  INiloticus  |t  aequali  proportione  incrementum 
humidi  dispensat.'*  Seyffarth  lies't:  nS  n»  •'J  und  erklärt:  „ve- 
nias  dilecte  juvenis.''-  Spec.  IK  —  XVI  geben  den  gleicldauten- 
den  Anfang  von  K  Hymnen  bei  Champollion  Pre'cis  du  Systeme 
Hierogl.  p.  138  Tab.  VIII,  die  dieser  so  erklärt:  „Soutien  ||  de 
l'Egypte  II  dien  fils  d'un  dien  ||  soutien  jj  de  l'Egypte  ||  Ilorus  ma- 
nifeste ou  engendre  [j  par  ou  de  Osiris  ||  engendre  j|  de  Isis  deesse. 
Seyffarth  übersetzt:  Age  ||  venias  ||  Isis:  ||  age  ||  venias  ||  deus 
(oder  nach  der  andern  Lesart:  generator)  [j  in  Aegj^tum  ||  gene- 
rator  ||  Aegyptiorum  (oder  Aegypti). 

In  Spec.  I  —  VI  hat  Ilr.  Seyft".  0  grössere  Ilj'mnen  entziffert 
(Spec.  VII  enthält  die  ICntzifferinig  eines  Scarabäus),  und  auch 
in  der  Schrift  ?Sr.  3  S.  9  n.  12  hat  er  den  Anfang  mehrerer  Hym- 
nen übersetzt.    Ihre  Einförmigkeit,  AbgemessenJieit  der  Formen, 


♦)  lliciaiis  ori^iebt  sich  ztif^leirh ,  wie  die  demotiscÄe  und  hiero- 
glypliische  Inschrift  von  einander  abMcicIien.  Die  in  der  Si>uhn'!;chen 
Kntziffcrnng  mit  ()  eingeschlossenen  Deutungen  seheinen  falsch  oder 
doch  nicht  sicher  zu  seyn. 

♦♦)  Wahrscheinlich  eine  Votivtafel,  wie  Ilr.  Prof.  Seyffarth  in  den 
Sammlungen  zu  München  deren  mehrere  fand. 

12* 


ISO  Ägyptische    Littcratur. 

Häufung  der  Beiwörter  u.  s.  w,  erinnert  unwillkjihrlich  an  die  alten 
Hymnen  der  Griechen,  Römer  und  Hebräer,  obgleich  eine  auf- 
fallende Aehnlichkeit  sicli  nicht  entdecken  lässt.  Zur  Probe  thei- 
len  wir  Einiges  mit.  S.  47 — 52  steht  die  üeberseiznng  eines  zu 
Tlieben  gefundenen  PapjTus ,  den  Cadet  1805  herausgab  und  der 
auch  in  der  Descript.  de  l'Egjpte  Liv.  CXXXVI  S.  Vi  Col.  120 
stellt : 

Age  veni,  o  Osiris,  in  Aegj-ptum.  dUecte  juvenis  o  Osiris  in 
Aegyptum.  6v  *)  magnificans  Aegyptum.  o  Osiris,  ad  festa  ca- 
pieuda  Aegj^ti.  Osiris  dilecte  juvenis,  veni  Osiris  inAeg\-ptum. 
dilecie  juvenis,    deus  sublimis,   invise  quotidie.   invlse  Aegy- 
ptum ,  deus  sublimis.  —  Invise  **)  Schui  ***)  Aegyptum  simi- 
liter  veniens,  pulcher,  gcrmini  similis,  venicns  aedificatio  splen- 
dens,  pracbens  splendorem  agricolis.    O  dilecte  juvenis ,  simi- 
lis veniens  messi  virenti,    dilecie  juvenis  6v,  laudate  perpetuo, 
deus  sublimis,    invise  Schiü  Aegvptum.   —   \eni  seminator. 
Veni  bone.  \enipraebens  splendorem  agricolis.  Juvenis,  mes- 
sis  virens,  pascuum,   dilecte  juvenis,   perpetuo  advenias,  ha- 
bens  genei-ationem  dilectum  Iloruni ! 
Ein  zweiter  Hymnus  ist  aus  Pap.  Berol.  16  und  Iieisst  S.  52 — 54: 
Age  veni  Osiris  Aegyptum.  dilecte  juvenis,  Osiris,  Aegj"[)tum. 
Salus  oV,  dilecte  juvenis.    \'eni  Osiris  Aegyptum,  dilecte  juve- 
nis, deus  sublimis.  —  Invise  Satis  y)  similiter  veniendo.    Te- 
gumen  nostrum,    «u/laAog  juveuca,    laudata,   sublimis,   valde 
dilecta,  fac,  age,  Satis,  in  Aegyptum  veni.    Aegyptum  veni. 
.  0  Isis ,  veni. 
Aus  demselben  Papyrus  Berolin.  stammen   auch   folgende  zwei 
Hymnen : 

Age  veni  Osiris  Aegyptum.  dilecte  juvenis,  Osiris,  Aegyptum* 
liberator  OV ,  dilecte  juvenis.  veni  Osiris  Aegyptum,  dilecte  ju- 
venis, 6v  deus  sublimis.  Invise  Onnuphi  -|-j)  similiter  veniens, 
piüchra  quidem  statura  surculus,  o  Onuuphis,  6v  deus  subli- 
mis. invise  Onnuphi.  age ,  veni.  invise  Onnuphi.  accede.  veni, 
deus  sublimis,  duceus  bona.    Similiter  veniens  piüchra  quidem 


*)  Es  muss  heiäscn  av.  Warum  schrieb  Hr.  SejfiF.  in  diesem  und 
ähnlichen  Fällen  allemalil  das  Neutrum  6v? 

**)  Hier  beginnt  ein  neuer  Hjmnus ;  vielleicht  nur  ein  neuer  Vers 
des  längeren  Liedes. 

***)  Diess  "Wort  hält  Hr.  Sej-ff.  für  ein  Beiwort  des  Osiris. 

-J-)  Diessttst  ein  Beinahme  der  Isis. 

•j-j)  Onuuphis  soll  wieder  ein  Beiwort  des  Osiris  scyn ,  nicht  aber 
den  Gott  Onuphis  bezeichnen.  Ref.  möchte  diesen  und  den  Schni  für 
vom  Otiirlä  verschiedene  Gottheiten  halten,  mag  aber  nicht  bestimmt 
entscheiden.  Die  Sache  wird  sich  aufklären,  sobald  noch  mehr  Hym- 
nen, als  jetzt,  entzifTert  sind. 


Spulin  u.   Sevffaclh   üb.  Aegjpt.   Sprache   u.   Schrift.  181 

statuta  surciilus ,  Oimuphi  Ouciisis,  veniAcjrypimn,  similitudo 
Aeirypti  mitiss. 

As^e  veiii  Os^iris  Aegyptiim ,  dilecte  juvenis.  Osiris  Aegyptum, 
sospilator  dv,  dilecte  juvcuis.  Yeiii  0$irLs  Ae^yptuiii ,  dilecte 
juvenis,  6v  deus  subliiuis.  luvise  Mao  beneplacitum  Sesotis, 
similiter  veniens ,  Mao  beneplacitum  Sesotis.  veni  Aeiiypti  tu- 
tela,  o  Isis,  veniendo  veni  praebens  liabitationem ,  diiecta  ju- 
venis, dilecta,  diligens  llorum,  ülium  Solis  Horum,  qui  re- 
laxationem  posuit,  dilectum  1  forum  muUa  nobilitate.  Veni 
venerabilis;  accede  similitudo  iilii;  veni  ducens  Ilorum  dile- 
ctum, deliciae  Sesotis. 

Melir  oder  minder  älinlich  sind  auch  die  Vibriirt'u  liierogly- 
phischen  Hymnen,  so  wie  die  Anlange  der  hieratischen,  welche 
in  Nr.  3  S.  12  mitgetheilt  sind.  Mehr  abweichend  scheint  der  von 
Spolin  in  Ni*.  1  Spec.  W  mitgelheilte  zu  seyn,  der  aber  nicht 
vollständig  entziffert  und  übersetzt  ist.  Für  die  Geschichte  und 
Älythologie  Aegyptens  lässt  sich  aus  dem  Gegebenen  iVeilich  noch 
nicht  so  gar  viel  ersehen ;  allein  da  man  nun  docli  die  Sprache  le- 
sen und  verstehen  kann,  so  werden  solche  Resultate  von  selbst 
nachkommen.  Vom  Hrn.  Prof.  Seylfartli  selbst  diirfen  wir  noch 
ehie  bedeutende  Bereicherung  der  Aegyptischen  Literatur  erwar- 
ten, da  er  nicht  nur  xlbschrilten  von  den  Berliner  Papyrusrollen 
besitzt,  sondern  auch  Anfang  Aprils  zur  Erlangung  und  Benutzung 
noch  mehrerer  Urkunden  eine  gelehrte  Reise  nach  Turin ,  Rom, 
Paris  u.  s.  w.  angetreten  hat  *) ,  w  ozu  die  liberale  Sächsische  Re- 
gierung ilmi  nicht  nur  Urlaub  auf  unbestimmte  Zeit  und  das  Be- 


♦)  Die  ersten  Resultate  dieser  Reise  hat  er  in  der  Leipz.  Lit.  Zeit. 
1826  Nr.  140  über  die  Aegyptischen  Sammlungen  zu  München  raitge- 
thcilt,  woniuä  Ref.  nur  folgende  z\yci  Stellen  mittheilt:  —  „Die  Mu- 
mien bind ,  wie  gewöhnlich ,  in  schön  verzierte  Kisten  gelegt  luid  die 
geMÖhnliclien  Legenden  finden  sich  auch  hier.  Einige  sind  besonders 
wichtig.  So  finden  sich  am  Fussstücke  der  einen  zwei  Gefangene  in 
Banden,  die  jeder  sogleich  für  Juden  erkennt.  Prof.  Wagen  hielt ,  so 
viel  ich  weiss ,  dieselben  für  unächt ;  allein  sie  sind  es  nnstreilig  nicht, 
eben  wegen  der  beigefügten  Inschriften,  die  damahls  noch  niemand 
le.-:en  konnte,  und  wegen  der  Aechtheit  des  darunter  befindlichen  Zeu- 
ges. Auf  den  Brustbinden  von  zweien  stehen  ihre  Kamen  demotisch 
geschrieb«'n,  INanien  von  bekannten  Priestern  au«  den  Zeiten  der  Pto- 
lomäer.  Vielleicht  sind  diess  die  ersten  Mujnien,  von  denen  nun  mit 
Cewissheit  gesagt  m erden  kann,    wenn  sie  entstanden  sind,  imd  diess 

ist  für  die  Archäologie  in  dieser  Rücksicht  vom  hohen  Werthc." 

„Man  glaubt ,  der  Alcxandrinische  lii.-choü'  N.  N.  im  2icn  Säculo  nach 
Christus  habe  die  Interpunction  erfunden.  Hier  [ auf  Papyrusrollen  in 
München]  findet  sich  schon  auf  wenigstens  3000  Jalire  alten  Monumen- 
ten eine  ziemlich  voUkoimuene  Interpunction." 


182  D  i  ä  p  u  t  a  t  i  0  n  e  n  u.  Programme. 

ziehen  seines  vollen  Gelialtes,  sondern  auch  ein  Reisegeld  Ton 
400  Thlr.  bewilligte.  Nach  seiner  Rückkelir  dürfen  wir  hoffen, 
dass  er  zunächst  das  angefangene  Spohn'sche  Werk  vollenden 
werde. 

Zuletzt  ist  noch  zu  erwähnen,  dass  alle  drei  oben  genannte 
Werke  durch  Druck  und  Papier  sich  vortheilhaft  auszeichnen, 
wiewolil  die  letztern  beiden  das  erstere  an  prachtvoller  Ausstat- 
tung noch  übertreffen.  In  diesen  beiden  heirscht  auch  grössere 
Correctheit  als  dort,  obgleich  auch  sie  mehr  Druckfehler  haben, 
als  man  in  solchen  Werken  erwarten  sollte.  Aus  der  übrigen  Aus- 
stattung lässt  sich  aber  schliessen,  dass  diess  wohl  nicht  der  Ver- 
leger Schuld  ist.  Die  Preise  dieser  Schriften  wird  man  billig  ge- 
nug finden,  wenn  man  bedenkt,  dass  bei  dem  bedeutenden  Auf- 
wände doch  nur  auf  wenig  Absatz  zu  rechnen  ist. 

Jahn. 


Disputationen  und  Programme. 


Disputatio  andquario - historlca  inaiiguralis  de  cens  orum  ap u d 
Romanos  auctoritate  et  existimatione  ex  vetemm 
rerurapublicarum  conditione  expUcanda  ,  quam  —  esamini  submittit 
Jacobus  Adolphus  Carolus  Rovers.  Trajecti  ad  Rlienum  ap.  Altheer. 
»IDCCCXXIV.  XVI  II.  130  S.  gr.  8.  18  Gr.  netto. 

In  dieser  kleinen  Schrift,  dem  Erstlinge  eines  jungen,  wie  es 
scheint,  nicht  talentlosen  Mannes,  ist,  wie  sich  das  an  so  man- 
chen grössern  und  kleinern  Werken  der  neuern  ( mit  unter  auch 
wohl  der  altern)  FloUändischen  Pliilologen  findet,  weit  mehr 
Sorgfalt  auf  den  Stil ,  als  auf  die  Sache  gewendet  worden.  Na- 
mentlich scheint  dem  Verf.  die  Literatur  des  behandelten  Gegen- 
stands, besonders  das,  was  die  Deutschen  geliefert  haben,  völ- 
lig fremd  geblieben  zu  seyn ,  und  nicht  nur  sind  ihm  die  eigens 
über  die  Censoren  geschriebenen  Abhandlungen ,  z.  B.  Joh.  Mich. 
Dillher  de  Censoribus  ( .Jenae ,  1638. ) ,  Christ.  Donatiis  de  Cen- 
soribus  llomanorum  (Vitebergae,  loio.),  Christ.  LocJcervitzius 
Disp.  de  Censorum  .officio  (Gryphisw. ,  1681.),  Curlius  Frogr.  l 
et  II  de  Censura  Komana  (Marburg),  Nie.  Hier.  Gundling  Von 
den  Römischen  Schatz-  und  Zuchtmeistern  oder  Censoribus,  in 
den  Gundlingianis  Stück  16Abhaudl.  1,  u.  a.  m.  (Jrt/-/ie's  Vers  ach 
einer  Darstellung  des  Censorischen  Strafrechts  der  Römer ,  wel- 
che Schrift  mit  Hrn.  R.'s  Abliandluug  ungefähr  gleichzeitig  er- 
schien, nicht  einmal  zu  gedenken)  unbekannt;  sondern  er  hat 
auch  von  grössern,    die  Römische  Geschichte  und  AUerthums- 


Uovcrti:     De    ccnsoriiui    ii|i.    U  o  lu.    uuituril.  183 

kiiiule  behandelnden  Werken,  welche  die  Verhäilniss«;  der  Cen- 
sorcn  in  den  Kreis  ihrer  L'iitersuchinijcen  aul'^enoiunieu  haben, 
(z.  B.  llüllinanns  Staatsrecht  des  Alterthinns  S,  22(>,  iSieöuhrs 
Römische  Geschiclite  Th.  I ,  S.  3S6  und  II ,  S.  IUI  ft'. )  entwe- 
der keine  INotiz  genommen ,  oder  keine  gehabt.  Selbst  seine 
Landsleute,  unter  ihnvn  Jacob  Perizonhis  (de  Censoribus  populi 
Romani.  Lugduni  IJatav.  HJOl.)  sind  ungenannt  geblieben,  und 
nur  drei  Schriftsteller,  Sigoiiius^  Pitisciis  inid  Beaufort^  ganz 
vorzüglich  der  Letztere,  haben  At^w  Stoff  zu  diesem  Werke  gelie- 
fert; denn  die  Lebrigen,  die,  obwohl  sparsam,  citirt  sind,  Ver- 
den grosstentheils  bloss  bei  iN ebendingen  angeiuhrt,  z.  B.  He- 
gewisch  V.  ü.  d.  R.  Finanzen,  Bach  llistoria  Juris  u.  s.  m'.  Im 
wie  weit  die  Quellen  selbst  benutzt  worden  sind,  wird  sich  bei 
der  Retraclitung  des  Einzelnen  ergeben.  —  Herr  II.  macht  drei 
Hauptabschnitte,  und  spricht  im  Ersten  von  dem  Amte  der  Cen- 
soren,  im  Zweiten  von  dem  amtlichen  und  persönlichen  Ansehen 
derselben,  im  Dritten  von  den  Ursachen  dieses  hohen  Ansehens. 
Im  ersten  Abschnitte  (Kapitel)  —  offenbar,  der  Sache  nach,  dem 
Haupttheile  des  Ganzen  —  Iiandelt  er,  nach  Vorausschickung  des 
bekanntesten  Geschichtlichen,  lon  der  doppelten  Function  der 
Censoren,  als  Polizey- und  Finanzbeamte  und  als  Sittenrichter. 
(S.o.)  Richtiger  wäre  wohl  die  Eintheilung,  wenn  er  sie  alsVer- 
waltimgsbehörde  im  engern  Sinne  xmd  als  Polizeyhearate  betrach- 
tet hätte,  nur,  dass  von  ilirer  Wirksamkeit  in  der  letztern  Hin- 
gicht die  Sicherlieitspolizey  als  ausgeschlossen ,  die  Sittenpolizey 
aber  als  Hauptzweig  bemerklich  zu  machen  gewesen  wäre.  Die 
einzelnen  Geschäfte  derselben  sind,  mit  einiger  Ergänzung  aus 
Pitiscus ,  nach  Beaufort  aufgezählt ,  Manclies  bleibt  hier  zu  >™n- 
gchen  übrig,  z.B.  eine  Untersuchung  über  ihr  Yerhältniss  zu  den 
Aedilen,  deren  Geschäftskreis  mehrere  Gegenstände  umliisste, 
die,  laut  der  Zeugnisse  der  Alten,  zuweilen  aucli  von  den  Cen- 
soren besorgt  wurden.  Dir  Hauptgeschäft,  der  Census,  ist  sehr 
kurz  weggekommen.  Von  einer  hier  doch  gewiss  nicht  überflüssi- 
gen Erörterung ,  wie  wesentlich  der  ursprüngliche  Character  die- 
ses Instituts ,  und  mit  ihm  zugleich  die  politische  Bedeutung  des 
Censoramts  sich  in  der  spätem  Zeit  geändert  habe ,  findet  siel« 
keine  Spur.  —  S.l  heisst  es  von  den  Legibus  censoriis  kurz  weg: 
hierunter  wären  die  Edicte  der  Censoren  zu  verstehen,  von  wel- 
chen ein  Fragment  in  L.  203  D.  de  verb.  signif.  (50,  1(>)  enthal- 
ten sey.  Dies«  ist  ungenau  und  zum  Tlieil  unrichtig.  Es  ist 
allerdings,  wenn  aucli  nicht  >öllig  widerlegt,  doch  nicht  wahr- 
bcheinlich,  class  die  Censoren  selbst  Gesetze  in  den  ('omitien  in 
Vorschlag  bringen  konnten,  und  die  Hauptstelie,  welche  für  die 
bejahende  Meinung  angeführt  werden  könnte,  aiis  Plin.  H.  N. 
XXXV,  17  (57)  beweist  so  gut  als  gar  niclits.  (s.  Heineccii  synt. 
iint.  Rom.  L.  l  Tit.  II  §  J  und  daselbst  Haubolds  Note.)  Indessen 
heisbt  darum  Lex  ccnsoria  noch  nicht  überall  soviel ,  als :  „Edict 


184  Disputationen  u.   Programme. 

der  Ceiisoren;"  sondern  sehr  häufig  —  z.  B.  Cic.  De  provmc. 
cons.  cap.  5,  so  auch  in  der  erwälinten  L.  203  D.  de  verb.  signif., 
desgleichen  in  L.  15  J).  de  publ.  et  vect.  (3{>,  4),  wenn  anders  hier 
die  Lesart:  Censor ^  der  gewöhnlichen :  Caesar^  vorzuzielien  ist, 
(Forner.  Sei.  I,  25.)  —  so  viel,  als:  der  Pachtcontract ,  mittelst 
dessen  die  Censoren  den  Finanzpächtern  die  öffentlichen  Zölle, 
Forslnutzungen  u.  s.  w.  überliessen,  so  auch  (Cic.  Verr.  II,  55) 
der  Vertrag,  welchen  sie  mit  den  Uebernehmern  der  öffentlichen 
Bauten  schlössen.  Doch  ist  auch  da,  wo  lex  censoria  in  Beziehung 
auf  diese  Gegenstände  vorkojnmt,  oft  das  Edict  zu  verstehen, 
weil  in  diesem  die  Bedingungen  der  Staatspachte  oft  bekannt  ge- 
macht wurden.  —  Vom  Sittenrichteramle.  Die  Verscliiedenheit 
der  censorischen  Note ,  ihre  Ursache  und  Wirkung  wird  betrach- 
tet. Der  Verf.  zählt  die  gewölinlich  angegebenen  Vier  Arten  cen- 
sorischer  Strafen  auf,  —  Ausstossen  aus  dem  Senate,  Ausstos- 
sung  aus  dem  Kittei'stande ,  Herabsetzung  aus  einer  angesehenem 
Tribus  in  eine  niedrige,  Versetzung  unter  die  Aerarier,  —  und 
beruhigt  sich  bei  den  schon  oben  angegebenen  Autoritäten  und 
den  von  ihnen  citirten  Stellen  alter  Autoren.  Was  nun  die  Aus- 
stossuug  aus  dem  Senate  und  Ritterstande  betrifft :  so  unterliegen 
diese  beiden  Strafmittel,  abgesehen  von  dem  noch  nirgends  ge- 
nügend erläuterten  Unterschiede  zwischen  equus  pubiicus  und 
privatus  (Liv.  XXVIl,  11.  s.  jedoch  Jarke's  oben  angeführte  Schrift 
S.67ff.),  hinsichtlich  der  PJrklärung  keiner  weitern  Schwierigkeit. 
Nicht  so  leicht  kommt  man  jedoch  von  der  Sache  hinsichtlich  der 
Versetzung  aus  einer  Tribus  in  die  andere,  imd  der  llerabsez- 
zung  unter  die  Aerarier.  Was  die  Vertauschung  der  Tribus  als 
Strafe  anlangt,  so  hält  sie  Hr.  R.  auf  Treu  und  Glauben  für  aiis- 
gemaclit.  Diess  ist  sie  jedoch  keineswegs.  Denn  nimmt  man  an, 
dass  ein  Bürger  von  den  Censoren  aus  einer  tribus  rustica  in  eine 
urbana  zur  Strafe  versetzt  worden ,  so  steht  entgegen ,  dass  vor 
der  Censur  des  Q.  Fabius  Maximus ,  der  die  Freigelassenen  erst 
in  die  vier  städtischen  Tribus  zusammenwarf  (im  I.  R.  451),  die 
städtischen  Tribus  eben  so  ehrenvoll  waren,  als  die  ländlichen, 
und  dass  dennoch  auch  schon  vor  diesem  Zeitpuncte  das  tribu 
moveri  als  Ehrenstrafe  galt.  Billigt  man  dagegen  die  Hypothese 
Niebuhrs  (Römische  Gesch.  Th.  I,  S.  381),  nach  welcher  eine 
Herabsetzung  aus  einer  vornehmern  Tribus  in  eine  geringere  gar 
nicht  statt  fand,  vielmehr  die  Entfernung  aus  der  Tribus  stets 
mit  der  Versetzung  unter  die  Aerarier  (oder,  was  wohl  gleiclibe- 
deutend  ist,  in  tabulas  Caeritum),  mit  dieser  aber  der  gänzliche 
Verlust  des  Stimmrechts  (Gell.  N.  A.  XVI,  13,  Jarke  S.  85)  ver- 
bunden war,  so  lässt  sich  diess  schwer  mit  manchen  Stellen  in 
den  Alten  vereinigen ,  nach  denen  die  Versetzung  luiter  die  Aera- 
rier von  dem  „tribu  moveri"'  wesentlich  verschieden,  der  gänzli- 
che Verlust  des  suffragii  aber  selir  zweifelhaft  scheint.  So  sagt 
Claudius  bei  Liv.  XXXXV,   15  ausdrücklich:  tribu  movere  nihil 


Uovcrs:    Do  ccnsoruni   ap.   Iloui.   niictorit.  185 

esse  aliud ^   quam  inuiare  iuhere  trihiim^  und  setzt  hinzu:   Aus 
allen  35  Tribu.s  könne  der  ('ensor  Miemandcn  ansstosseu,   Nie- 
manden iitjussu  popali  des  Hechts  der  Stimmengebung  berauben. 
In  demselben  Kapitel  heisst  es :  onmcs  iidem  ab  utroque  c  t  tribu 
remoti  et  aerarü  facti.     AucJi  Cicero  sa2:t :    (Cluent.  43)  ^///er 
(censor)  in  aera/ios  referri^  aut  tribit  movcri  iubet.,  alter  vetat 
Vielleicht  \d^i  sich  der  anscheinende  Widerspruch,    wenn   man 
sich  die  Sache  so  vor^itcUt,   dass  zwar  in  der  spätem  Zeit  (nach 
dem  Jahr  451)  Versetzung  aus  einer  tribus  rustica  in  eine  urbana 
vorgekommen  seyn  köinie,    dass  aber  schon  derjenige  als  tribu 
motus  angesehen  Morden,   der  nicht  in  den  ersten  fünf  Klassen 
mitstimmen  durfte,  sondern  in  die  Letzte,  nur  eine  einzige  Cen- 
turie  bildende  und  die  Ilrfe  aller  35  Trihus  ohne  Unterschied 
enthaltende  Classe  verwiesen  wurde.     Denn  hier  liattc  er  zwar 
wohl  noch  das  Recht  zu  Stimmen,    es  liaif  ihm  aber  nichts,   weil 
sich  last  kein  Beispiel  findet,    dass  die  sechste  Klasse  zum  Ab- 
stimmen gerufen  worden  wäre,    weslialb  viele  Schriftsteller  auch 
nur  fünf  Klassen  erwähnen.    Dass  übrigens  hei  der  Eintheilung  in 
Tribus  die  anderweitc  Eintheilung  in  Centurien,  mithin  auch  die 
Klasseneintheilung  iimig  verbunden  war,  beweist  Btirchardi  (Be- 
merkungen über  den  Census  der  Römer.     Kiel,   1824.  S.  54  ff. 
Vergl.  auch:    Savigny  in  Hugo's  civil.  Mag.  B.  3  n.  10).     Auch 
Asconius  deutet,   indem  er  von  der  Ausstossung  aus  der  Tribus 
spricht  (in  Dh  in.),  ausdrücklich  darauf  hin ,  dass  ein  solcher  Aus- 
gestossener  iiicJit  melir  in  alba  centuriae  sitae  gestanden  hätte. 
Der  tribu  niotiis  konnte  aucli  in  Caerituni  tabulas  relatus  heissen, 
obwohl  uneigentlich.     Die  Cäriten  hatten  nämlich  gar  kein  Recht 
zu  stimmen;   der  tribu  motus  hatte  ein  solches,    nur  dass  er  fast 
nie  Gebrauch  davon  machen  konnte;   beide  waren  also  nur  inso- 
fern einander  gleich,   als  beide  in  den  Volksversammlungen  Nul- 
len waren.     Indessen  waren  die  tribu  moti  nocli  nicht  eben  noth- 
wendig  Aerarier.    Diess  wurden  sie  erst,  Avenn  sie  statt  des  Cen- 
sus Kopfsteuer  geben  mussten,  was  freilich  wohl  sehr  häufig  der 
Fall  gewesen  seyn  mag,   denn  sonst  hätten  sie  aus  ihrer  Herab- 
setzung noch  einen  öconomischenVortlieil  gezogen.   Das  war  aber 
gar  nicht  die  31einung  derCensoren,   vielmehr  betrug  die  Kopf- 
steuer des  Aerariers  in | der  Regel  mehr,    als  sein  Census,    z.  B. 
beim  Mamercus  (L.  IV  cap.  24)  das  Aclitfache.  —  Richtig  be- 
merkt der  Verf.  S.  24,    dass  die  Censorische  Note  nur  m  irksam 
war,    wenn  beide  Censoren  in  ihrem  Urtheilc  übereinstimmten. 
Man  sieht  jedoch  nicht  ganz  deutlich,  ob  er  einen  ausdrücklichen 
Widerspruch  des  einen  Ccnsors  gegen  den  Aussprucl»  des  andern 
für  nothwendig  acjitet,    oder  ob  er  die  einseitige  Note  für  ipso 
jure  null  und  unwirksam  liält;    doch  scheint  er  si(;h  zu  der  Letz- 
tern, oHeiibar  ri.;litigi'ni,  Ansicht  hinzuneigen,  ausweicherauch 
einzig  die  Stolle  Li\.  WIX,  .'iV  erklärbar  A\ird,  wo  die  Censoren 
gegenseitig  von  einander ,    und  \  on  dein  Einen  noch  dazu  ganze 


186  Disputati  oucn  u.  Programme. 

34  Tribus  mit  der  Note  belejjt  wurden ,  oliiie  dass  die  Sache  wei- 
ter den  j^eringsten Erfolg  hatte,  niclit  einmal  den  eines  ausdriick- 
lichen  Widerspruclis  des  andern  Censors,  noch  'weniger  einer 
Aufhebung  der  JNotc  etwa  durch  einen  Ueschluss  des  Senats  oder 
Volks. 

Kürzer  können  wir  bei  Beurtheilung  des  zweiten  und  dritten 
Kapitels  seyn.  Hier  betrachtet  der  Verf.  das  Ansehen ,  in  wel- 
chem die  Censoren  Amts  halber  gestanden,  die  Achtung,  welche 
sie  deshalb  persönlich  genossen,  und  die  Ursachen,  welche  die- 
sem Staatsamte  solche  Verehrung  verschafften.  Ihr  Amt  war  sehr 
einflussreich ,  liauptsächlich  wegen  des  Census  und  der  Censori- 
schen  Note ,  und  die  ihnen  hierinnen  verliehene  Gewalt  machte, 
dass  sie  mit  ehrerbietiger  Scheu  betrachtet  wurden.  Sie  waren 
die  Wächter  der  Sitten ,  und  auf  der  Achtung  der  Sitte  beruhete 
alle  Stärke  der  alten  Staaten,  sowohl  bei  den  Griechen,  (daher 
z.B.  das  hohe  Ansehen,  in  welchem  der  Areopag  stand)  als  auch, 
und  zwar  ganz  besonders,  bei  den  Römern,  was  mit  zahlreichen 
Beispielen  belegt  wird,  unter  denen  sich  vorziigüch  eine  Sclülde- 
rung  des  M.  Porcius  Cato  als  Censor  auszeichnet.  Diess  ist  frei- 
lich Alles  wahr  und  grösstentheils  so  wahr,  dass  der  Verf.  viel- 
leicht besser  gethan  hätte ,  einige  Bogen  seiner  Schrift  diesem 
zweiten  mid  dritten  Abschnitte  zu  entziehen  und  sie  dem  Ersten 
für  eine  gründlichere  Untersuchung  der  Amtsverrichtungen  der 
Censoren  und  ilirer  Stellung  zu  den  übrigen  Staatsbeamten  zuzu- 
wenden. Indessen  ist  es  doch  nichts  desto  weniger  mangelhaft, 
weil  das  religiöse  Element ,  das  in  dem  Institute  der  Censur  liegt, 
gänzlich  übergangen  ist,  ob  es  gleich  ohne  Zweifel  eine  von  den 
Hauptursachen  ausmacht ,  welche  dem  Amte  der  Censoren  jene 
Verehrung  verschafften  und  sicherten,  deren  dasselbe  bis  zum 
Untergänge  der  Republik  genoss.  (Vergl.  Hüllmann,  Staatsrecht 
des  Alterthums  S.  2ii7  und  Jarke  S.  10. )  —  Das  Aeussere  des 
Buchs  ist  schön,  der  Druck  aber  weit  weniger  correct,  als  man 
sonst  bei  Iiolländischen  Drucken  gewohnt  ist. 

D.  Karl  Friedrich  Günther. 


Antiquitatis  Graecae  et  Romanae  loca  quaedam 
e  Rosso7uinlingua  et  usihus  illustrala^  atictorc 
Frederico  Grucfio.  Particula  I.  Petropoli ,  typis  academicis.  1825. 
48  S.  4. 

IJ er  Herr  Verf.  sagt  in  diesem  gutgeschriebenen  akademischen 
Programm,  dass  die  Aehnlichkeit  zwischen  den  Griechen  und 
Russen  betrachtet  werden  kann  nach  dem  Lande ,  welches  beide 
Völker  nacheinander  bewohnten,   nach  Sitten  und  Gebräuchen 


Gracfc :   Antiquit.  Gr.  et  Roui.  e  llossor.  Hng.  et  ubu  ilUuli-.    187 

und  nach  der  Spraclie.  Vorliegendes  erstes  Heft  beschäftigt  sich 
nur  mit  Homerischen  Altertliiiraern ,  und  zwar  zuerst  S.  7 — 15 
mit  den  Sortibiis  signo  notatis^  mit  vorzViglicher  Beziehung  auf 
II.  5',  168  ff.  vergl.  17(»  ff.  und  ?;',  175  ff.  KliJQog  ist  in  diesen 
Stellen  ein  kleines  Sieinchen  mit  einem  uillkührlichen  Zeiclien, 
das  nur  dem  erkennbar  ist,  der  es  darauf  gemacht  hat.  Herr 
Gräfe  macht  dann  auf  die  Veränderung  im  Sprachgebrauch  bei 
den  Lateinischen  Diclitern  aufmerksam  (  ducere  sortes  für  ino- 
vetido  eiicere)^  und  erwähnt  dann  eine  ähnliche  Sitte  bei  den 
Russen,  die,  wenn  sie  augenblicklicli  durclis  Loos  iiber  etwas  ent- 
scheiden wollen,  eine  kupferne  Münze  schnell  mit  einem  will- 
külu-lichcn  Merkmal  bezeichnen,  und  jeder  die  seinige  in  eine 
Mütze  wirft.  Diese  wird  hin  und  her  geschüttelt,  und  die  Münze 
des  einen  sprhigt  heraus ,  wozu  sich  bald  der  Eigenthümer  fin- 
det. —  S.  15 — 48  handelt  von  dem  titnos  Jtijyus  i"  H-  t?  123 
tf.  265ff. ;  das,  wie  überhaupt  das  Wort  ntjyog^  zweideutig 
ist.  Die  alten  Erklärer  haben  es  bei  den  Pferden  entweder  durch 
wohlgenährt  oder  schwär:^  oder  loeiss  übersetzt.  Der  \erf.  ver- 
wirft zuerst  mit  guten  Gründen  die  erste  Erklärung,  und  sucht 
nun  die  seinige  in  der  Russischen  Spraclie,  wo  ein  ganz  gleichlau- 
tendes Wort  {pegü)  dem  Deutschen  Worte  Schecke  entspricht, 
handelt  von  der  grossen  Vorliebe,  die  einige  neuere  Asiatische 
Völker  für  so  gezeichnete  Pferde  haben ,  und  geht  dann  mehrere 
Beinamen  der  Pferde  bei  Homer  durch;  vor  allen  uTtnog  no- 
öagyog.  "Agyog  wird  nun  zuerst  vom  Licht ,  dann  von  der 
weissen  Farbe  gebraucht.  \  om  Licht  stammt  dann  die  Bedeu- 
tung blitzschnell  ah ^  welche  bei  Gegenständen  vorkommt,  denen 
Schnelligkeit  eigen  ist.  So  die  Harpyie  JJoÖä  Qyri;  doch  ist 
bei  den  Pferden  im  Homer  die  von  der  weissen  Farbe  hergenom- 
mene Bedeutung  vorzuziehen  *).  — "In nog  ßaliog  von  /3aAAc3, 
theils  ein  gnt  ausgreifendesVicrd  (6  w  nQoßalkav  tovg  TtöÖag)^ 
theils,  gleichsam  ßEßh]fiivog,  geßecht.  —  ^t'oAog,  wo  Herr  Gr.  Od. 
V,  27  alölka^  voh  o,  verlo,  als  nicht  hierher  gehörig  verwirft,  und 


*)  Leber  dieses  TiöbuQyoq  hat  kurz  vorher  auch  Hr.  Prof.  Weichert 
in  dem  Progranmi  De  Medca  Oestro  j)eicUa  ad  iUuslrandam  imagincm 
vasculi  propc  Cannas  in  Italia  reperti  (Griinae  1824)  S.  12  ff.  gesprochen, 
der  es  von  schnellen  Pferden  (s.  II.  16,  150)  verslanden  wissen  -will,  ob 
er  gleich  die  Hvvag  UQyovs,  11.  1,  50,  wie  die  agylitoöttg  xgtovg  hei  So- 
l)hocl.  Aj.  233,  für  weisse  und  folglich  schwächliche  nimmt,  weil  die  Al- 
ten mit  der  weissen  —  albus,  nicht  candidus  welche»  die^e  ]\el)enbedeu~ 
tuiig  nicht  hat  —  Farbe  der  Thiere  zugleich  den  liegriH"  der  Ivraftlo- 
bigkeit  verbunden  Jiätten.  Ev  vergleicht  dabei  Ann  Wort  agysorijs,  wel- 
ches bei  Aeschyl.  sept.  c.  Theb.  iiO  weiss,  aber  in  den  Kamen.  115  schnell 
bedeute,  und  vom  Winde  genommen  ('yloyiaTTjs )  nicht  rapidus  sondern 
sertnans  heiseu.  Auui.  d.   Ued. 


188  Disputationen  u.  Programme. 

zuaeXla,  der  Wirbelwind^  iibergeht,  die  Ilarpyie '^fAAoi  damit 
vergleicht,  und  ltctcol  äskldÖBS  oder  aeAAojroöeg  daraus  erläutert. 
Mit  diesem  Worte  sind  verwandt  aolXco ,  uolUoy  dolU^a,  aoX- 
kiqg  (hier  ist  der  Verf.  sehr  dunkel  und  unklar  geAvordeii),  und 
OJtoAog,  von  cil6?2a  oder  iAt'ööoj,  ist  das,  was  sich  leicht  Menden 
imd  drehen  lässt  (volubile,  tortiun),  oder,  von  aloXlslv  {jtoiKil- 
KsLv),  so  viel  als  noixikog.  Oft  kann  Beides  verstanden  werden. 
So  M  ie  aloXod'coQTj^  und  ccioko^iltQfjg  von  dem  gesagt  wird ,  der 
einen  aus  verschiednen  Metallen  zusammengesetzten  Panzer  und 
eine  bunte  Bhide  trägt,  so  können  aucli  atoAoÄwAot  ^QvyF.g  (11. 
y',  185 )  die  sein ,  die  sich  gefleckter  Pferde  bedienen.  So  wird 
^dv&og  cäolog  TtoSag  (II.  z,  404)  das  Pferd  sein,  dessen  Fiisse 
entweder  von  verscliiedenen  Farben  gegen  den  Körper  oder  unter 
sich  sind.  Zuletzt  behauptet  Herr  Gr.,  dass  Tl^yccöog  ebenfalls 
eine  Scliecke  gewesen  sei,  was  schon  die  Etymologie  von  n}]'y6g 
zeige,  und  erläutert  durch  die  Bedeutung  bicolor  auch  Ilom.  Od. 
8,  388,  ij/,  235,  Calllm.  Ilymu.  Dian.  ÖO,  Lycophr.  330. 

Julius    Sillig. 


Ad  memoriam  Illustris  Gymnasii  Gothani    ante  trecentos  annos   —  — 

conditi  —  —  celehrandam invitat  Fr.  Cuil.  Doering,  Gymn. 

Goth.  Director.  Gothae.  1824.  19  S.  4. 

Jclr.  Kirchenrath  Döring  behandelt  in  diesem  Programme  meh- 
rere Stellen  aus  den  Eclogen  Yirgils.  Ecl.  I,  13  erklärt  er  in 
Voss's  Sinne  das  Wort  aeger  durch  sollicitus ,  aeger  curis ,  und 
erläutert  diesen  Gebrauch  durch  passende  Beyspiele.  —  Ecl.  I, 
54  —  50  will  Hr.  K.  D.  so  gelesen  inid  interpungirt  wissen:  Hie 
(Statt  hinc)  tibi  quae  s tip er  at^  (i.  e.  superest.,  tua  ?nanel.,  coli. 
vs.  47  und  IX,  21)  vicino  ab  limite  suepes^  llyblaeis  —  sciUcti^ 
Saepe  tibi  etc.  Referent  kann  sich  noch  nicht  von  der  Nothwen- 
digkeit  einer  Aenderung  Viberzeugeu;  auch  dünkt  ihm  ein  Bey- 
Satz,  wie  dieser:  quae  tibi  super at .,  an  dieser  Stelle  matt  und 
überfliissig.  Härten ,  wie :  quae  —  depnsta ,  mit  ausgelassenem 
esi,  kommen  auch  anderwärts  bey  Yirgil  vor,  wie  Aen.  V,  192; 
promite  —  JSmic  ani/nos.,  qtäbus  in  Gaetulis  Syrtibus  ttsi 
(^estis);  ibid.C87:  Jupiler  omnipotens.,  si nofidum  esosus  (es) 
ad  imum  Troianos .,  si —  respicit  etc.;  IX,  075:  Portam^  quae 
ducis  imperio  {^ipsis  est)  commissa .,  recludtint',  1,234  sqq. : 

Certe  —  Hinc  fore  ductores^ PoUicilus  {es).     Auch  vS. 

r>7  kann  lief,  in  die  Verwandlung  von  hie  in  hinc  nicht  einstim- 
men. —  Hierauf  wird  Ecl.  III,  38  sq.  erläutert.  Ebendaselbst  vs. 
108 —  110  stellt  Hr.  K.  D.  den  ingeniösen  Vorschlag  auf,  zu  le- 
sen: Ita  quisquis  amores  Aut  metuat  dulces.,  mit  espe^i- 


Groebel:  ObscrTatt.  ipecc.  Ml  et  VOl.  189 

atjir  amaros;  und  fiiirt  die  Erklärung  hinzu:  „Vos  ambo  digni 
estis  posito  pignore;  utinam  ita  (eadcni  suavitate)  qiihis  alias 
aut  raetum  et  soilicitudinem  in  amorc  fclice  (cf.  vs.  74),  ant  ania- 
ritiem  et  curas  in  aiuorc  infeiice  (cf. -vs.  80)  canendo  expriinat!  "■ 
Docli  ist  Ref.  überzeugt,  dass  auch  liiermit  der  Stelle  noch  nicht 
aufgeliolfen  sey.  —  Es  folgs  eine  Erklärung  von  Ecl. IV,  1 — Sund 
Vl^  1(,\  —  Ecl.  VI,  74  ruft  Hr.  K.  I).  die  von  Ileinsius  verdrängte 
Lesart  zuriick  und  schreibt:  vt  Scyllom  Ais/\  aut  quam  foma 
secuta  est.  —  Ecl.  VllI,  0  —  8  Avird  die  Verbindung  der  AVorte 
erläutert.  —  ibid.  107  interpungirt  und  erklärt  Hr.  K.  D.  so :  Ne- 
scio  quid  ?  —  (Aposiopesis)  Gerte  est^  (gewiss  er  ist's)  et  Ihjlax 
in  liuiite  latrat. 

Ph i l ipp   JVa gner. 


Ad  Examen  publicum  die  XXI  Mart.  —  a.  3IDCCCXXV  in  schola,  quae 
Drosdae  est  ad  aedcm  Crucis,  concelebrandura  —  iiivitat  Cftr.  Ern.  Aug. 
Groebel y  Rector.  Praemissum  est  Obser vationum 
in  scriptores  Ro7nanorum  classicos  specirnen 
VII.  Dresdae  typis  Gaerlneri.  24  S.   4. 

Ad  Examen  publicum  d.  XIII  3Iart.  IHDCCCXM  —  invitat  C.  JE.  A. 
Groebel.  Praemissum  est  Obss.  iti  scriptt.  liorn. 
classicos  spec.    VIII.     Ibidem.  27  S.  4. 

Hr.  Rector  Grobe!.,  der  in  den  friihcrn  sechs  Speciminibus  Ob- 
ser^att.  (Dresden  1819 — 1824.  4.)  Stellen  aus  dem  Horaz  behan- 
delt hat,  giebt  in  den  beiden  genannten  Bemerkungen  über  zwei 
Stellen  aus  den  Reden  des  Cicero.  Alle  diese  Programme  zeichnen 
sich  durch  sorgfältige  Schreibart  und  ausführliche  Behandlung 
aus.  In  der  Regel  behandelt  jedes  einzelne  nur  eine  Stelle,  aber 
man  findet  bei  ihr  wenn  nicht  alle,  doch  die  vorzüglichsten  An- 
sichten anderer  Erklärer  benutzt,  dargelegt  imd  geprüft,  imd 
dann  die  eigene  Ansicht  des  Verfassers  ausführlich  entwickelt 
und  begründet.  *  Mau  könnte  diese  Ausführlichkeit  für  zu  weit- 
läufig erklären,  wenn  sie  nicht  durch  das  Streben  nach  Erschö- 
pfung der  Materie  sich  hinlänglich  entschuldigte,  und  wenn  man 
nicht  an  dergleichen  Schulschriften,  die  wo  nicht  ausschliessend 
doch  zunäclist  für  die  Fassungskraft  der  Schüler  eingerichtet  seyn 
müssen,  einen  ganz  andern  Maassstab  zu  legen  hätte,  als  an  an- 
dere Werke.  Daher  finden  wir  es  löblich ,  dass  Hr.  Gr.  in  die- 
sen Programmen  Gelegcnlieit  nimmt,  schwierige  Stellen  der  Al- 
ten in  extenso  zu  behandeln,  und  allerlei  schätzbare  Bemerkun- 
gen gelegentlich  anzuknüpfen.  Das  erste  der  beiden  genannten 
Programme  ist  überschrieben:  Schola  Cruciana  eaque 
critica  de  emendando  Cicero7iis  loco.,  qui  in  ora- 


190  Disputationen  u.  Programme. 

lio7ie  pro  Archia  poeta  legitur^  und  behandelt  bis  S. 
13  den  Anfang  des  vierten  Capitels  dieser  Rede ,  wo  die  Worte 
Data  est  ehntas  Silvaiii  lege  et,  Carbonis  nnd  Si  nihil  aliud  nisi 
de  civitate  ac  lege  dicimus  mit  Andern  für  verdorben  gelialten 
worden.  Zuerst  wird,  S.  5,  bemerkt,  dass  man  nicht  einsehe, 
welche  civitas  zu  verstehen  sey.  Der  Zusammenhang  der  Rede 
verlange  Hcracleensis^  das  hinzugefügte  Stlvani  lege  et 
Carbonis  aber  Romana.  Dann  frage  es  sich,  wera  das  Bürger- 
recht gegeben  worden  sey.  Wolle  man  mit  Döring  alle ,  welche 
sich  nach  dem  genannten  Gesetz  darum  bewerben  durften  und 
wirklich  bewarben,  verstehen,  so  fehle  die  Verbindung  der  Sätze, 
und  man  erwarte  vor  data  est  eine  Partikel,  wie  interim.,  paiillo 
post^  postea^  und  ausserdem  den  Dativ  jieregrinis.  Hierauf  wer- 
den die  Erklärungsversuche  von  Weiske  und  Möbius,  so  wie,  S. 
6  und  7,  die  Yermuthung  eines  Recensenten  in  den  Ergänzungs- 
blättern der  Hall.  Lit.  Zeit.  Jahr^.  III  S.  142,  welcher  den  Satz 
Cum  hie  domicilium  Roinae  —  fainiliarissimum  sumn  vor  data 
est  stellte  und  im  Folgenden  tiisi  de  civitate  Heracleae  dici- 
mus änderte,  zurückgewiesen.  Auch  die  X'onjecturen  von  Fr.  C. 
Wolf,  Jiic  data  est.,  und  von  Wiss ,  His  data  est ,  werden ,  S.  8, 
verworfen.  Hr.  Gr.  selbst  will  nun,  S.  9,  die  Schwierigkeiten 
dadurch  heben ,  dass  er  Ita  data  est  schreibt.  Abschreiber  hät- 
ten dieses  ita  entweder  des  Uebelklanges  ita  data  wegen  oder 
durch  Abirren  des  Auges  zum  nächsten  Worte  *)  weggelassen. 
Auch  könne  man  zwischen  data  est  noch  ei  einschieben,  wiewolii 
sich  diess  auch  leicht  hinzudenken  lasse,  lieber  den  Zusammen- 
hang spricht  sich  Hr.  Gr.  so  aus :  „  Ac  primura  quidera  totius  ar- 
gumentationis  summa  ac  veluti  fundamentum  in  eo  haud  dubie 
positum  fuit,  ut  intelligeretur,  Archiara  fuisse  civitati  Heracleensi 
adscriptura.  Id  enim  si  evictum  erat,  illud  etiam  facile  seqneba- 
tur,  eum  ex  lege  Plautia  Papiria,  cujus  omnibus  conditionibus  sa- 
tisfecisset,  civem  Romanum  jure  raeritoque  habendum  esse.  Huic 
igitur  exprimendae  consequentiae  nulla  particula  adhiberi  potuit 
aptior,  quam  quae  proposita  a  nobis  est:  ita.  Scilicet  Archias 
voluit  in  civitatem  Heracleensem  recipi  idque  impctravit  Luculli 
auctoritate.  Ita  i.  e.  hac  via  ac  ratione  data  (ei)  est  ciutas  (Ro- 
mana) Silvani  lege  et  Carbonis,  quippe  cujus  omnibus  conditioni- 
bus satisfecerit.  '•''  In  den  folgenden  Worten , '  Si  nihil  aliud  nisi 
de  civitate  ac  lege  dicimus.,  versteht  Hr.  Gröbel  mit  Beck  civi- 
tas von  der  Civitas  Romana.,  beweis't  aber  gegen  denselben  mit 


')  Das  Letztere  dürfte  wahrscheinlicher  sejTi,  als  das  Erstere.  Die 
Abschreiber  kümmerten  sich  wohl  kaum  um  solche  Kakophonien,  und 
erst  die  neuere  Zeit  hat  an  solchen  Dingen  Anstoss  genommen.  Den 
Römern  selbst  waren  sie,  wie  Hr.  Gröbel  richtig  bemerkt ,  schwerlich 
anätössig. 


Groebel:  Obscrvatt.   epecc.   VII  et  VIII.  191 

büiuliffcni  Gruiulc,  tlass  die  Wörter  ac  lege  nicht  für  uiiächt  er- 
klärt wertlen  dürren.  Die  Erwähnung  des  Gesetzes  sey  nothwen- 
diif,  da  es  sieh  ja  darum  streite,  oh  Arcliias  gesetzmässig  das 
Höni.  Bürgerrecht  erlangt  !iai)e.  Sodann  will  er,  S.  12,  die 
Worte  de  ci  vi  täte  ac  lege  entweder  diircJi  ein  Hendiadys  [de  v/vi- 
tate  ex  lege  Plaut  ia  accepfa)  erklären  oder  vielmehr  de  elvi  täte 
ex  kac  lege  diciimis  geschrieben  wissen.  Die  Formel  selbst  wird 
so  vertlieidigt,  dass,  so  wie  man  dlcere  de  aliqita  re  statt  defen- 
dere  aliqnam  rem  riclitig  sage,  eben  so  dt'cere  de  civitale  ex  le- 
ge statt  chitatem  dcfcudere  ex  lege  unanstössig  seyn  müsse. 

Soll  Referent  seine  3Ieinung  über  die  Stelle  hinzufügen,  so 
muss  er  bekennen,  dass  durch  Ilrn.  Grobel's  üa  der  Satz  data 
est  zwar  betjucm  mit  dem  Vorhergehenden  verbunden  wird,  dass 
aber  durch  die  Erklärung  von  data  est  e  i  d,  h.  Archiae  eine  neue 
Schwierigkeit  entsteht,  indem  auf  diese  Weise  das  folgende  si 
qui  und  besonders  das  Pronomen  Ä/o  höchst  anstössig  wird,  üeber- 
liaupt  hält  er  die  ganze  Stelle  für  fehlerfrei.  Arclüas  war  ange- 
klagt, dass  er  Römischer  Biirger  geworden  sey,  ohne  die  Bedin- 
gungen der  Lex  Plantia  Papiria  erfüllt  zu  liaben.  Cicero  beginnt 
nun  damit,  dass  er  zunächst  die  Lebensschicksale  des  Archias  bis 
zu  der  Zeit  erzählt,  wo  jener  Bürger  zu  Heraclea  geworden  Avar. 
Da  aber  durch  dieses  erlangte  Bürgerrecht  bereits  eine  Bedingung 
jenes  Gesetzes  erfüllt  war,  so  sucht  er  die  ganze  Anklage  durch 
eine  Art  von  Schluss  zu  widerlegen.  Dalier  fährt  er  nach  den 
Worten  gratia  IjuciiIU  ab  iieracleensibus  impetravit  so  fort: 
vErtheilt  ward  das  Bürgerrecht  (zu  Rom)  nach  dem  Gesetze  des 
Silvanus  imd  Carbo  in  dem  Falle,  wenn  man  [si  qui)  schon  in  ei- 
nem Bundesstaate  Bürger  geworden ,  wenn  man  zur  Zeit  der  Be- 
kanntmachung des  Gesetzes  in  Italien  wohnhaft  gewesen  war,  imd 
wenn  man  sich  innerhalb  60  Tagen  bei  einem  Prätor  gemeldet 
hatte.  Da  nun  dieser  hier  schon  viele  Jahre  zu  Rom  wohnhaft 
war,  so  meldete  er  sich  bei  dem  Prätor  Q.  Metellus.  Wenn  es 
sich  daher  um  nichts  anderes  als  um  das  Bürgerrecht  und  um  das 
Gesetz  streitet,  so  habe  ich  nichts  weiter  zu  erinnern,  und  die 
Sache  ist  abgeinacht. "  Dass  Cicero  dabei  in  der  Propositio  mi- 
nor, wie  wir  hier  den  Satz  Cum  hie  etc.  nennen  wollen,  die  erste 
Bedingung  des  Gesetzes  nicht  mit  aufnimmt,  wird  niemand  an- 
stössig  linden,  da  sie  gleich  im  Vorhergehenden  als  erfüllt  ange- 
geben ist.  YjY  beschränkt  liier  das  Gesetz  gewissermaassen  auf 
die  beiden  letzten  Puncte,  und  desshalb  stellt  er  in  der  Conclusio 
cicitas  und  lex  zusammen.  Dass  man  aber  bei  dieser  Erklärung 
im  letzten  Satze  civitas  nicht  a  om  Jtömischen  Bürgerrechte  ver- 
stehen dürfe,  ergiebt  sich  von  selbst.  Fasst  man  die  Stelle  so 
auf,  so  scheint  vor  den  Worten  Data  est  eine  Uebergangs-  oder 
Verbindungspartikel  kaum  stehen  zu  können.  Vielmehr  glaubt 
Ref.,  dass  der  Redner  hier  eine  Art  von  Pause  machte  und  den 
üebergang  zum  Folgenden  nur  durcli  den  Ton  und  Vortrag  an- 


192  Disputationen  u.  Programme. 

gab.  Elier  könnte  man  an  der  doppellen  Bedeutung  des  ohne 
Beiwort  liingestellten  civitas ,  das  im  ersten  Satze  fiir  civitas  lio- 
laana^  im  letzten  für  civitas^  qnae  Archiaa  a  focderata  chntate 
data  est^  genommen  werden  soll,  anstossen,  wenn  sich  nicht  ver- 
muthen  Hesse ,  dass  fiir  den  Römer ,  der  die  Rede  mit  anhörte 
lind  vom  Zusammenhang  der  Sache  genau  unteraclitet  war,  die 
Bedeutung  des  Wortes  in  beiden  Fällen  des  Zusaiumenhanges 
und  der  übrigen  hinzugefügten  AVorte  wegen  nicht  zweifelliaft 
bleiben  konnte.  Sonst  liesse  sich  auch  leicht  annehmen,  dass  im 
ersten  Satze  ein  •  R  •  oder  '  Ro  •  =  Romana  ausgefallen  sey. 

Bas  zweite  Programm  ist  überschrieben  Schola  Cruciana 
eaquG  critica  de  emend.  Cic.  loco^  qui  in  oral,  pro 
Ligar.  c.  VII  legitur^  und  beti-ifit  die  Worte  T«6erc;i/s  sor« 
conjecta  est  es  Senatiis  considto  —  Cessit  auctoritaii  amjjlissi- 
mi  vifi^  rel  poii'us paniit.  Zuerst  wird,  S.  5,  beiläufig  in  einer 
Mote  die  alte  Lesart  statuerat  se  excusare  (seil,  quod  provin- 
ciani  accipere  nollet)  hergestellt,  weil  dieYugate  statiierat  excu- 
sare seil,  morbum  einen  falschen  Sinn  giebt ,  wie  sclion  Schelle 
und  Wernsdorf  (  Quaestion.  er  it.  in  Cic.  oratt.  pro  Ligar. ,  pro 
rege  Dejot.  et  Roscio  Am.  Naumburg,  1823.  4.)  bemerkt  haben. 
In  einer  zw  eiten  Note  wird  bemerkt ,  dass  im  Folgenden  propter 
omiies  necessitudines  zu  lesen  sey,  was  auch  durch  Cic.  Epist. 
ad  Div.  XIII,  1,  omnia  mihi  sunt  cum  Patrone^  bestätigt  werde. 
Der  übrige  Theil  der  Schrift  von  S.  ö — 15  handelt  von  den  Wor- 
ten sed  ita  quidam  a gebot  oder  aiebat.,  welches  beides  in 
den  Ilandscliriften  steht.  Zuerst  wird  mit  Wernsdorf  u.  A.  die 
Lesart  ajebat  verworfen,  da  die  Bedeutung  disserere  cum  aliquo 
de  aliqua  re  nicht  in  dem  Worte  liegen  kann.  Von  agebat  Avird, 
S.  0,  bemerkt,  dass  es  nicht  heissen  kömie  in  Senat a  cum  Tu- 
berone agebat.,  weil  Tubero  nicht  im  Senat  war.  Auch  sey  es 
zweifelliaft,  ob  agere  allein  (ohne  den  Ablativ  mit  cum)  soviel 
als  colloqui  cum  aliquo  seyn  könne.  Zum  Wenigsten  lasse  sich 
diess  nicht  aus  Cornel.  Nep.  Dio  2,  ne  agendi  esset  Dioni  pote- 
stas.,  folgern,  da  man  dort  agere  in  seiner  eigentliclien  Bedeu- 
tung nehmen  könne.  Daher  ist  nach  S.  7  auch  die  Erklärung 
cor  am  coUoquchatur  cum  Tuberone  nicht  anwendbar.  Auch  darf 
man  (S.  8)  agere  nicht  in  seiner  eigentlichen  Bedeutimg  nehmen. 
„Nam  uti  omnis  actio  h.  L  in  verbis  consistit,  ita  pluraiis  numerus 
verborum  ipsorum.,  quorum  pondus  non  sustinuit  Tubero,  non 
agendi ,  sed  sermocinandi  seu  poüus  persuadendi  verbum  requi- 
rit.'*"  Ueberhaupt  sey  agebat  im  Verliältniss  zum  Folgenden  zu 
schwach  und  anstössig.  „Quis  est,  quem  non  offendat,  eum,  qui 
modo  cum  aliquo  egerit,  vehementissimo  animi  praeter  opinionem 
abreptura  impetu  statim  sanctissimum  reipublicae  nomen  oppo- 
suisse ']'■''  [Referent  wenigstens  nimmt  an  dieser  Verbindung  kei- 
nen Anstoss,  ob  er  gleich  unentschieden  läs^t,  ob  man  nicht  agere 
hier  in  der  Bedeutung  von  thätig  seyn  oder  betreiben  aufzufassen 


Isciin:     Das  alte  Rom.  193 

habe]  S.  9  wird  Lambiii's  Conjectiir  tugehat  [urgebant?]  abge- 
wiesen, lind  vorfi:cschIaffeii,   aus  alebat  zu  ändern  ambiebat  [wel- 

clics  abgekürzt  niebat  gescluieben  worden  seynsoU]  d.  Ii.  magno 
stmJio  cwpetcbat^  welche  Bedeutung  S.  10  und  11  durcli  Bei- 
spiele erwiesen  wird.  Zuletzt  wird  noch,  S.  12 — 15,  aus  dem 
Genitiv  anip/issini?  r/V/  erwiesen,  dass  der  Plural  «^e6««^  luul 
oppouebaid ..  den  einige  llandschrr.  geben,  falsch  scy,  und  dass 
wenigstens  die  dafür  vorgebrachten  Griinde  ITir  nnzulänglich  ge- 
halten werden  müssen.  \  on  S.  1(» — 27  folgen,  wie  in  der  er- 
sten Schrift  von  S.  14 — 21,  Schulnachrichten  (  nebst  einem  Na- 
niemerzeieliniss  sänimtllcher  Schüler),  aus  denen  das  Wesent- 
liche w  eiter  unten  raitgetheilt  worden  ist. 

Ja  h  77. 


Kürzere   Anzeigen. 


Das  alte  Ro7n  oder  Schilderung  der  bürgerlichen^ 
'religiös  eJi  und  militärischen  Verfassung^  des 
h  änsli  che  n  Lebens^  der  Sitten^  Gebrüucheund 
Mcimtngen  der  llömer.  Mit  einer  vorausgeschickten  kur- 
zen Gesicliichte  des  röiiiiscfien  Staates.  Ein  unterlialtendes  nützli- 
ches Lesebuch  für  Jünglinge  auf  Schulen  von  Dr.  L.  K.  Isciin. 
jMit  14  Kupfern.  NürnJierg  bei  Bauer  und  Raspe.  1825.  XIV  und 
3o8  S.  gr.  8.  1  Thlr.  12  Gr. 

In  zwölf  Abtheilungen  giebt  der  Vf.,  der  sein  Werk,  laut  der 
Vorrede,  für  Knaben  und  Jünglinge  von  12  bis  16  Jahren,  be- 
stimmt }»at,  zm orderst  eine  kurze  Geschichte  des  Kömischen 
Staats,  dann  eine  Beschreibung  der  Stadt  Rom,  ferner  eine  ge- 
dräuiilc  Darstellung  des  Wis^enswürdigsten  von  der  llömischen 
Staatseinrichtung,  den  verschiedenen  Klassen  der  Bürger,  ihrem 
Anthcile  an  der  Staatsverwaltung ,  und  ihren  Hechten  als  Staats- 
bürger, von  der  A  erfassung  inul  dem  Wirkungskreise  des  Senats 
und  der  obrigkeitlichen  Aemter,  vom  Kriegswesen,  den  Land- 
strassen, Wasserleifinsirfn,  Gewerben,  Münzen,  Maassen,  Ge- 
wichte, der  Ilandhmg  und  Schiffarth,  dem  Finanzwesen  und  der 
Rechtspflege,  der  Religion  luid  den  3teligionsgebräuchen,  dem 
Privatrechte,  den  Sitten,  dem  häiL«liehen  Leben  und  der  wissen- 
schaftlichen (yiiUiir  der  Rö/ner.  Es  ist  allerdings  keine  leichte 
Aufgabe,  gegenwärtig  über  diese  Gegenstände,  für  Leser,  wie 
sie  der  Vf.  sich  denkt,  etwgs  Brauchbares  zu.  schreiben.  Denn 
so  ^ieles,  was  Jalirhuiulerle  lang  in  den  liehrbiVchern  der  Römi- 
schen Geschieht«;  und  Altcrlhüjner  als  ausgemachte  Wahrheit  ge- 

Jahrü.d.l'Inl.u.Füflag    Jahrg.  \.  llrfiA.  »  |3 


194  Kürzere  Anzeigen. 

gölten  hat,  ist  durch  neuere  Untersuchungen  theils  verdächtig 
gemacht,  theils  geradezu  als  irrig  nachgewiesen  Morden.  Des- 
sen ungeachtet  sind  auch  die  Forschungen  der  neuesten  Zeit  in 
vielen  und  wesentlichen  Puncten  noch  bei  weitem  nicht  abge- 
sclilossen ;  es  ist  auch  natürlich,  dass  Zweifel  erst  erhoben  wer- 
den müssen,  ehe  sie  erledigt  werden.  Kann  sich  indessen  derje- 
nige ,  welcher  für  Schüler  schreibt ,  nicht  auf  weitläufige  Unter- 
suchungen über  Gegenstände,  die  unter  den  Gelehrten  selbst 
noch  streitig  sind,  einlassen ,  so  wird  doch  billig  von  ihm  gefor- 
dert, dass  er  das,  was  bej-eits  sicher  ermittelt  ist,  kennt  und 
zweckmässig  zusammenstellt,  das  Uebrige,  insofern  Zweifel  da- 
bei obwalten,  als  zweifelhaft  bezeichnet,  endlich  und  hauptsäch- 
lich, dass  er  sich  hütet  schlechterdings  Falsches  zu  lehren.  Doch 
solchen  Anforderungen  ist  in  der  vorliegenden  Schrift  keineswegs 
allenthalben  genügt  worden.  Gleich  die  ersten  Worte  der  ersten 
Abtheilung  beweisen  diess.  Dort  hcisst  es:  „Italien  führte  zu 
verschiedenen  Zeiten  verschiedene  Namen,  erst  hiess  es  Ausonia, 
dann  Oenotria,  Saturnia,  Hespei'ia. ''■  Ueberhaupt  ist  diese  erste 
geschichtliche  Abtheilung,  besonders  soweit  sie  die  ältere  Ge- 
schichte darstellt,  sehr  schwach,  und  der  Vf.  hat  keine  der  ^inf- 
deckungen,  die  wir  Niebuhrs  Scharfblicke  verdanken,  benutzt. 
Auch  die  Erzählung  der  Ereignisse  aus  der  historischen  Zeit  ent- 
hält manches  Seltsame.  Woher  weiss  z.  B.  der  Hr.  Vf. 5  dass 
Brutus  vom  Cäsar  adoptirt  worden?  (S.  45. )  Es  wäre  leicht 
mehreres  Aehiüiche  nachzuweisen.  Dass  die  Kaiserzeit  kurz  be- 
handelt ist,  wird  durch  den  Zweck  des  Vfs.  allerdings  gerecht- 
fertigt; aber  sollten  zwei  Seiten  für  die  Zeit  vom  Tode  Augusts 
bis  zum  Untergange,  nicht  nur  des  abendländischen,  sondern 
auch  des  morgenländischen  Kaiserthums,  nicht  gar  zu  kurz  sein, 
da  der  frühern  Periode  50  Seiten  gewidmet  worden  waren?  In 
den  folgenden  eilf,  die  eigentlichen  Alterthümer  enthaltenden 
Abtheilungen  fiuden  sich  ebenfalls  Ungenauigkeiten,  Irrthümer, 
selbst  offenbare  Widersprüche  in  nicht  geringer  Zalü.  Da  Re- 
censent  nicht  gesonnen  ist  hier  ins  Einzelne  zu  gehen,  so  will  er 
nur  einige  Beispiele ,  wie  sie  ihm  bei  Wiederdurchsicht  des  Buchs 
eben  in  die  Hände  fallen,  als  Belege  für  seine  Behauptung  an- 
füliren :  S.  55  kann  man  das  Capitoliura  nicht  anders  ersteigen, 
als  auf  Treppen ,  luid  dennoch  reiten  S.  82  sämmtliche  Bitter 
bei  der  feierlichen  Transvection  hinauf.  S.  300  geniessen  die  ' 
öffentlichen  Sclaven  einer  grössern  Freilieit  und  eines  erträgliche- 
ren Zustands,  als  andere  Leibeigne ,  nach  S.  129»  werden  sie  zu 
den  niedrigsten  Diensten  gebraucht,  z.  B.  die  Cloaken  auszuräu- 
men: es  ist  freilich  Beides  wahr,  aber  in  einem,  für  den  Jugend- 
unterricht bestimmten  Buche ,  sollte  doch  gewiss  die  Saclie  deut- 
licher auseinander  gesetzt  sein.  Laut  S.  131  soll  eine  Legion  aus 
10000  Maun  bestanden  haben;  nach  S.  137  ist  sie  von  4000 
Mann  bis  4666  gewachsen ,   und  gleich  darauf,  S.  138,  machen 


Iselin:    Das  alte  Rom.  195 

wieder  „  zwei  Lea^ioncn  ( ungefähr  20000  Mann)  mit  den  IFülfs- 
völkeni  ein  consulaiisclies  Heer  ans."  Wie  soll  nnn,  nur  die 
letzte  Stelle  betrachtet,  der  Leser  wissen,  ob  bei  den  JOOOO 
Mann  die  Iliill's^ölker  niitfi^ezählt  worden  sind  oder  nicht'?  S. 
151  wird  die  liömische  iMeile  zn  tausend  Scliritten  ani^e^eben, 
es  wird  aber  nicht  bemerkt,  dass  passns  einen  Doppelschritt  be- 
deutet, und  ein  Lernender  miiss  also  iijlanben,  eine  Strecke  von 
tausend  Schritt,  nach  unserer  Art  zureden,  sei  eine  Kömische 
Äleile,  bis  er  endlich,  S.  187,  bei  einer  ganz  andern  Gelecfen- 
heit  erfährt,  dass  ein  solcher  Passus  5  Fuss  gjehalten.  S.  166 
lauten  des  Vfs.  Worte  buchstäblich  folgendergestalt :  „Wer  ei- 
nem römischen  Binder  im  Gefecht  das  Leben  gerettet,  oder  sich 
sonst  um  das  \  aterland  verdient  gemaclit,  wer  den  feindlichen 
Wall,  die  Mauer  einer  feindlichen  Stadt  zuerst  erstiegen,  oder 
durch  seine  Tapferkeit  ein  eingeschlossenes  römisches  Heer  oder 
eine  römische  Stadt  befreit  hatte  etc.  etc.,  erliiclt  eine  Biirgerkrone 
zur  lielohnung.  Die  iJürgerkrone  {Coroiia  cicica)  war  von  Eichen- 
laub ujul  halte  die  Inschrift  Ob  civeni  servafu/n.'-'-  JNiemaiul 
kann  und  wird  diess  anders  verstehen,  als:  die  Jliirgerkrone  sei 
wegen  Ersteigung  eines  feindlichen  Walls  etc.  ebensowohl  als 
wegen  der  Rettung  «des  Lebens  eines  Biirgers  gegeben  worden. 
Nichts  desto  weniger  zeigt  die  danebenstehende  Kupfertafel  die 
Coronas  murales^  castreiises  n.  s.  w.  —  Die  Zahl  der  Tempel 
in  Uom  ist,  S.  54,  anf  200  angegeben;  Rec.  weiss  nicht  nach  wel- 
clier  Autorität,  denn  gewöhnlich  nimmt  man  424  an.  Die  Equi- 
tcs  wurden  zum  Keichsstand  erhoben,  nicht  im  Jahr  112  v.  Ch., 
>vie  S.  81,  doch  vielleicht  durch  einen  Druckfehler,  zu  lesen  ist, 
sondern  im  Jahr  122  \.  Ch. ,  nämlich  im  Jahre  R.  631  durch  das 
Sempronische  Gesetz.  S.  84  erfahren  wir,  dass  es  städtische, 
Torstädtischc  und  ländliche  Tribiis  gegeben  habe.  Die  vorstäd- 
tischen aber,  snburbanoe^  liat  man  zu  Rom  nie  gekannt  und  si{; 
haben  ihre  PJntstehung  wahrscheinlich  nur  einem  Missverständ- 
nisse des  Vfs. ,  oder  einem  Druckfehler  in  einem  seiner  literari- 
schen Iliilfsmittel  zu  danken,  wo  die 'eine  der  vier  alten  Tribus 
statt  suburana^  vermuthlicli  suburbana  gelesen  worden  oder  ge- 
druckt gewesen  ist.  Dass,  S.  87  und  88,  mit  der  grössten  Be- 
stimmtheit von  einem  doppelten  römischen  Biirgerrechte  dem 
jnre  (luirUuun  unddemjV/e  civUnüs  gesprochen  wird,  gleichsam 
als  ob  diess  eine  ganz  ausgemachte  SacJie  wäre,  wollen  wir,  da 
liier  der  M".  doch  wenig!>tens  Autoritäten  fiir  sich  hat,  nicht  rü- 
gen, sondern  Acrweisen  nur  auf  Franz  Karl  Conradi's  Disserta- 
tion de  jiirc  Quiiitiiim  a  dititale  Romana  non  dlucrso.  Ilelm- 
städt  1742.  >ach  S:  !)4  werden  die  Consuln  bisweilen  durch  die 
coraitia  centuriata  erzählt,  indessen  lieisst  es  S.  104  ohne  Wei- 
teres: „ihre  (der  Consiilu)  Wahl  gescliah  durch  die  Yersamm- 
liiiig  der  Ceutuiicn.'-  S.  HKJ  lehrt  der  Vf.:  ^^i/iimer  traten  die 
obrigkeitlichen  Personen  iiirc  Aemter  erst  nach   einiger  Zeit  der 

13* 


196  Kürzere   Anzeigen. 

Erwählung  au/'  Darauf  werden  denn  die  Consuln,  Prätoren, 
Censoren,  Aedilen  u.  s.  w.  durchgegangen,  oline  zu  erwälinen, 
dass  bei  den  Censoren  der  Antritt  ihres  Amts  sogleicli  auf  die 
Wahl  folgte.  S.  112  sollen  die  Curidis'chen  Aedilen  hlos  aus  deli 
Patriciern  gewählt  worden  seyn.  Es  wurde  aber  bereits  im  J.  R. 
389,  also  ein  Jahr  nach  Einführung  der  Curulischen  Aedilen,  be- 
schlossen, dass  ihre  Stellen  ein  Jahr  ums  andere  aus  den  Ple- 
bejern besetzt  werden  sollten.  Dass  später  Patricier  und  Plebe- 
jer ohne  unterschied  zu  dieser  Würde  gelangten,  ist  eine  allbe- 
kannte Sache ,  und  der  Vf.  selbst  sagt  S.  102,  dass  die  Plebejer 
alle  Staatsämter  hätten  bekleiden  können,  nur  das  des  Literres 
nicht.  —  Diess  mag  genügen,  als  Deleg  zu  dem  oben  ausgespro- 
chenen Urtheile,  nicht  aber  etwa  als  Bericlitigung  aller  oder 
auch  nur  der  meisten,  selbst  auffall cuderpji  Unrichtigkeiten  und 
Irrthümer,  die  sich  in  den  hier  llüchtig  durcligegangeuen  Kapi- 
teln des  Werkes  finden.  Ja  in  den  spätem  Abtheilungen  sind  die 
Verstösse  eher  noch  zahlreicher,  besonders  in  den  Kapiteln,  die 
von  den  rechtlichen  Verhältnissen  handeln.  So  ist  z.  B.  S.  192 
der  ältere  Justinianische  Codex  erwähnt;  aber  nicht  der  neue. 
Advocati  ist  durch  Anwälde  übersetzt,  was  die  Advocati,  wenig- 
stens zu  Cicero's  Zeiten ,  ganz  und  gar  nicht  waren.  Unter  den 
Privatrechten  des  römischen  Bürgers,  S.  257,  fehlt  sogar  das  Jus 
dominii  legitimi. 

Die  Darstellung  ist  übrigens  nicht  unangenehm  und  für  den, 
der  sich  eine  ungefähre  Vorstellung  von  dem  römischen  Alter- 
thum  verschaffen  will,  ohne  dabei  die  Absicht  zu  haben,  eine  ge- 
lehrte Kenntniss  dieses  Gegenstands  zu  begründen,  kann  Herrn 
I.'s  Werk  wohl  brauchbar  sein.  Schülern  aber  möchte  es  kaum 
empfolden  werden  dürfen.  Der  Druck  ist  übrigens  bei  weitem 
nicht  so  correct,  wie  er  in  einem  solchen  Buche  billig  sein  sollte, 
und  manche  Sünden  des  Setzers  nötliigen  dem  Leser  ein  Lächeln 
ab,  z.  B.  S.  32  der  übermüthige  Num«///7er  Jugurtha ,  S.  109  der 
curilisclie  Stuli}  der  Censoren.  —  Die  Kupfer  sind  durchgängig 
gut,  zum  Tlieil  sogar  schön. 

Dr.  Karl  Günther. 


P.  Vir^ilii  Mar.  Opera.  Ad  optimarum  editionum  fidera  scho- 
larum  in  usum  curavit  H.  L,  J.  Billcr'beck,  Philos.  Dr.  Gymnasü 
Andreani  Rcgii  olim  Director.  Hannover  in  der  Hahn'schen  Hof- 
buchliandlung-.  1825.  324  S.  8.  10  Gr. 

i^iese  recht  gut  gedruckte  und  woldfeilc  Schulausgabe  des  Vir- 
gil  enthält  einen  ziemlich  treuen  Abdruck  des  Ileyne'schen  Tex- 
tes; in  dem  angehängten  Verzeichnisse  von  Scluilbüchern,  welche 
in  derselben  Verlagshandlung  erschienen  sind,  befindet  sich  aus- 


Kür  eher:     Leber  La  lein.   Lcxi  co  gr  ap  hie.  197 

ilrücklich  der  Zusatz :  ex  rccensionc  llcynü.  In  der  Schreibart 
tiiid  luterpunction,  iiameiitlicli  in  Ictztci'cr,  wciclit  sie  noch  am 
häuüfifsteu  von  der  lleyne'sclien  ab.  Doch  l)leibt  sicli  die  Schreib- 
art nicht  <lnrcligäng:ig  gleich;  auch  in  der  Interpunction  wird  man 
nicht  immer  mit  Hr.  B.  einverstanden  seyn.  Die  übrigen,  selte- 
nen Abweichungen  vom  Ileyne'schen  Texte  sind  im  Ganzen  un- 
erheblicli,  zum  Thcile  vielleicht  auch  nur  zufällig,  oder  gar 
Druckfelüer.  *  Hr.  B.  hätte  doch,  da  er  einmal  seinen  IVamen  auf 
dem  Titel  nannte,  in  einer,  weiui  auch  noch  so  kurzen,  Vorrede 
sich  über  den  Plan  seiner  Arbeit  erklären  sollen !  Wie  die  Sache 
liegt,  so  möclite  man  fast  glauben,  Ilr.  B.  liabc  irgend  ehie  Aus- 
gabe zur  Hand  genommen ,  und  diese  nach  der  Ileyne'schen  cor- 
rigirt,  dabey  aber  Älanches,  wissentlich  oder  unwissentlich,  ste- 
hen gelassen,  wo  bey  Heyne  anders  gelesen  wird.  Die  Abwei- 
chungen ziuu  Tlieilc  für  Dnicki'eliler  zu  erklären,  könnte  man  sich 
leicht  dadurch  bereclitigt  glauben,  dass  es  überhaupt  daran  nicht 
felilt;  ein  grosser  Uebelstand  für  eine  Sclmlausgabe!  Rec.  hat 
die  Bucolica,  das  2te  Bucli  der  Georgica  und  das  2te  Buch  der 
Aeueide  genauer  verglichen,  und  dabey  folgende  angemerkt: 
Eck  1,54:  qita  Statt  quae;  ( wenigstens  wäre  qua^  als  Con- 
jeclur,  uunötliig,  auch  kaum  ^idässig. )  II,  6:  Crudelis  gross 
gedruckt.  111,26:  To7i  St.  N on.  ib.  29:  nee  St.  ne;  (als 
Lesart  wäre  nee  durchaus  verwerflicli.)  IV, 21 :  C ape  IIa  e  gvoas 
gedruckt.  VII,  5:  lesponderes  St.  respondere.  VIII,  84: 
Daphni  St.  Daphnin.  IX,  24:  at  St.  et.,  (wenigstens  wäre 
et  als  Lesart  weit  vorzuziehen,)  und  nach  Tityre  fehlt  die  In- 
terpuuction,  am  Ende  des  Verses  sollte  sie  dagegen  wegfallen.  — 
Ge.  II, 50:  at  St.  azit;  (vielleicht  nacli  Voss.)  133: /o//o  St. 
folia.  143:  Sod  St.  Sed.  339:  parcebat  St.  parce- 
hant.  375:  Inludant  St.  Inludunt. —  Aen.  II,  27  fehlt 
et.  'ili'nsque  St.  usquam.  174  fehlt  die  luterpunction 
nach  solo.  1H2:  omnia  St.  omina;  wenigstens  ist  jenes  die 
sclUechtere,  längst  verworfene  ,  Lesart.  297:  off  er  t  St.  ef- 
fert.    312:  late  St.  lata.    710:   Uns  St.  Viia. 

Philipp   Wagner. 


Abhandlungen. 


Bemerkungen  über  einen  Vorschlag  von  Herrn  Prof.  Oertel  und 
Proben  eines  grossem  Lateinischen  Lexikons. 

Herr  Prof.  Ocrtcl  In  Ansbach  Iiat  uns  im  Archive  für  PhUo].  unil  Pä- 
dagogik, Jalirg.  2  Heft  1  S.i52  u.  153,  bcinc  Aiisichlen  über  die  ßciu- 


198  Abhandlungen. 

beitung  eines  grössern  Lateinischen  Lexikons  mitgethellt,  veranlasst 
durch  den  von  Lüncmann  in  diesem  Archive  früher  eingerückten  Artikel 
ago.  Er  will  nämlich  die  Suche  so  behandelt  -wissen ,  dass  die  säinmt- 
lichen  Bedeutungen  eines  Wortes  jedesmuhl  gleich  vorangestellt,  und 
die  Aveiteren  Verbindungen  mit  Adverbien,  Adjektiven,  Substantiven, 
Praepositionen ,  in  besondern  Rubriken  nachgebracht  werden  solleii. 
Er  gibt  uns  hierauf  die  Skizze  von  dem  also  behandelten  verb.  ago  und 
srf^t  sodann,  auf  diese  Weise  würde  erst  recht  sichtbar  und  gewiss, 
was  jedes  Nomen  etc.  für  lieisätze  bekommen  dürfe.  Der  Verf.  gegen- 
wärtiger Zeilen,  der  die  Lat.  Lexikographie  zu  seinem  ausschliesslichen 
Nebenstudium  gemacht  hat,  den  also  Alles  interessiert,  was  auf  diesen 
Gegenstand  Bezug  hat,  erlaubt  sicli,  hier  einige  Bemerkungen  über 
die  von  Herrn  Oertel  geäusserte  Ansicht  niederzulegen,  und  sodann 
einige  Proben  aus  seinem  später  erscheinenden  grösseru  Lat.  Wörter- 
buche anzuschliessen. 

Wenn  ein  neues  Wörterbuch  irgend  einer  Art  bearbeitet  werden 
soll,  80  scheint  viir  die  erste  Bedingung  die  zu  seyn ,  dass  demjenigen, 
für  den  es  bestimmt  ist,  eine  vollständige  logische  EntwickelUng  jedes 
Wortes  gegeben,  dass  Haupt-  und  NeljcnbegrifTe  gehörig  bemerkt  und 
das  Eigentliche  und  Bildliche  scharf  geschieden  werde.  Allerdings  eine 
schwere  Aufgabe ,  da  in  unsern  grössern  AVerken  eines  Gessner ,  Faber, 
Forcellini ,  die  ihren  Blick  mehr  darauf  richteten ,  das  Wichtigste  des 
Lat.  Sprachschatzes  vorerst  zu  sammeln,  gerade  die  oben  genannte  Be- 
dingung mehr  oder  weniger  unberücksichtigt  blieb;  da  auch  Schel- 
ler')  in  dieser  Hinsicht  (man  vergl.  statt  aller  Beispiele  nur  Teheo  in 
seinem  grössern  Lexikon)  die  Sache  nicht  viel  weiter  gefördert  hat.  Wie 
sehr  auch  seit  längerer  Zeit  Lünemann  hierin  nachgebessert  hat ,  und 
wie  dankbar  wir  diess  auch  anerkennen ,  so  wenig  ist  zu  läugnen ,  dass 
immer  noch  Vieles  zu  thun  übrig  ist,  ja  dass  Avohl  die  Hauptsache, 
nämlich  die  logische  Vereinfachung  in  Entwickelung  der  Wörter  eine, 
bis  jetzt  nicht  gelöste  Aufgabe  ist.  Mit  Begierde  wird  daher  jeder, 
den  dieses  Feld  der  Lateinischen  Literatur  interessiert,  das  von  Lüne- 
mann angekündigte,  vollständig  umgearbeitete  Lexikon  von  Scheller 
erwarten. 

Wenn  also  der  Bearbeiter  eines  solchen  Werkes  sich  es  zur  ersten 
Pflicht  machen  muss,  die  Begriffe  jedes  Wortes  logisch  zu  entwickeln 
und  zu  stellen ,  oder  mit  andern  Worten,  wenn  seine  Arbelt  keine  bloss 
todte  und  träge  Wörterraasse  liefern,  sondern  ein  anschauliches  Bild 
geben  soll  von  der  Sprache  und  deren  Gang,  so  müssen  wir  abstrahie- 
ren von  allem  Aeusserllchen  und  Zufälligen,  und  eben  desswegen  dürfte 
die  von  Herrn  Oertel  vorgeschlagene  Art  der  Behandlung  nicht  passend 
seyn.     Die  Form   nämlich ,    die   er  ihr  geben  •wiU ,  ist  rein  gramma- 


*)  RuLnkcii's  Wörterbuch  Ist  (mit  Auslasaung  einiger  unclassischcr  Autoren)  ein 
blosser  Abdruck  vom  grossen  Sclicller'sclieu ,  mit  allen  Fcblein  desselben.  ScheUcr 
selbst  üueserto  sein  Erstaunen  darüber ,  dass  Ruhnkcn  es  so  drucken  Hess. 


Kirch  er:     Leber   Liiteui.   Lexicograpliie,  199 

tisch ,  folglich  der  log^ischen  an  eich  schon  untergeordnet  und  dienend. 
Sie  ist  aber  ferner  aiuli  einer  3Icngc  von  Zufälligkeiten  und  Uebelstän- 
den  unterworfen,  die  kaum  zu  beseitigen  seyn  dürften;  vir  rechnen 
Iiieher  hauplbächlieli  die  unAeriueidliehe  Wiederholung  einer  Masse  von 
Wörtern,  oder  eine  solche  Menge  von  A  crM' eisungen ,  die  dem  Lexi- 
kon beinahe  alle  lJrau<;hbarkeit  rauben  mnss;  wir  rechnen  ferner  hiehcr 
das  Aufführen  blosser  frürtei  zur  Erklärung  des  Lateinischen.  So  gibt 
z.  B.  Herr  Oertel  unter  ago  Ausdrücke  Avie  folgende:  ausmachen,  be- 
handeln. Ganz  gut,  >venn  vorher  der  einzelne  Ausdruck  definiert  ist. 
So  aber  unterliegt  der  Lngeübtcre,  und  für  diesen  ist  doch  jedes  Lexi- 
kon mehr  oder  weniger  berechnet ,  jeden  Augenblick  der  Möglichkeit 
fehl  zu  greifen ,  und  bildet  vielleicht ,  mit  den  oben  angegebenen  Wör- 
tern, Phrasen  wie  folgende:  das  macht  nichts  aus,  hoc  nihil  agit;  Er 
hat  mich  gelinde  behandelt:  Icniter  me  cgit.  Denn  es  wird  demjenigen, 
der  die  Lat.  Sprache  nicht  kennt,  durchaus  nichts  nutzen,  dass  er  unter 
der  JVummer  ,, cum  praepp. "  findet:  cum,  wenn  er  nicht  gerade  fort- 
liest bis  an  das  Wort  verfahren.  Oder  es  will  z.  B.  jemand,  der  einen 
Latemischen  Aufsatz  sclu'cibt,  nachsehen,  ob  die  Phrase:  praeclare 
agcre  cum  aliquo,  der  er  sich  zu  entsinnen  vermeint,  gut  Latein  sei. 
Da  es  nun  unmöglich  ist ,  alle ,  in  allen  Lat.  Autoren  befindliche ,  Ver- 
bindungen aufzunehmen,  da  also  die  Vollständigkeit  immer  nur  relativ 
seyn  kann,  so  wäre  es  z.B.  möglich,  dass  bei  ago,  unter  der Niunmer 
,,cum  adverbüs"  diess  Wort  praeclare  fehlte.  Der  Ungeübte  also,  weil 
er  es  nicht  findet ,  w  ird  schliessen  ,  dass  er  es  nicht  brauchen  darf.  So 
w  ird  er  aber  nicht  schliessen ,  Avenn  er  in  einem  logisch  geordneten 
Wörterbuche  findet:  „agere  cum  aliquo ,"  verfahx'en  mit  jemand,  z.B. 
bene,  male,  optime.  Hier  hat  er  einen  Fingerzeig  (und  dieser  reicht 
hin)  ,  w  ie  er  sagen  kann.  Ob  er  so  sagen  darf,  das  musä  er  in  Fällen, 
wie  der  vorliegende  ist,  nicht  gerade  aus  dem  Wörterbuche  ersehen, 
das  muss  ihm,  wenn  er  nachdenkt,  wenn  er  den  Begriff  seiner  Wörter 
genau  im  Kopfe  hat ,  die  gesunde  A  ernunft  sagen,  dafür  muss  sein  W^ör- 
terbuch  durch  genaue  Erklärungen,  SynpnjTuen  etc.  überhaupt  sorgen  *)- 


*)  Ais  gegenwärtige  Abliandluiig  bereits  in  unsern  Händen  war,  hat  auch  Ilr. 
Rcctor  Lünemauu  iu  Sccbodc's  Archiv  für  l'Jiil.  u.  Pädag.  sicli  gcgcu  die  üer- 
ter»che  Ansicht  ausgCfiprochcn ,  utid  eiiic  streng  hintori^chc  Anordnung  der  Wort 
bedeutuugeu,  nach  dem  Zeitalter  der  einzelnen  Schriftsteller,  vorgeschlagen.  Ue- 
ber  diese  Meinung  thcilcu  wir  aus  einem  IJriel'e  des  Hrn.  Prof.  Kiirchcr  Folgen- 
des mit:  ,,  Ich  Onde  gie  um  desswilleu  nicht  ganz  passend,  weil  der  l,exikogr.iph 
nicht  bloss'  ein  indes  sejn  soll,  gleichsam  ciu^iisturitcher  Wegweiser  durch  dan 
Gebiet  der  Sprache.  Seine  Ansicht  ist  für  die  Wissenschaft  buchst  unfruchtbar, 
weil  sie  aller  Philosophie  entbehrt.  Gesetzt  den  Fall,  Eunius  brauchte  irgend 
ein  Wort,  2.  U.  sp  ärgere ,  bildlich,  wie  ruuioreni,  und  erst  Virgiloder 
Ovid  im  eigeniliclien  Sinne,  z.  1).  folia  spargcre,  wird  nun  Hr.  Lüucniann 
alsdann  die  bildiiclie  Ucdentung  voraussetzen'}  War  denn,  ehe  irgend  ein  Latei- 
ner oder  Grieche  oder  Deutsclier  schrieb,  keine  Sprache V  HatEnuius,  Pacu- 
viu8  etc.  das  Wort  er.-t  gemacht,  oder  nicht  ein  schuu  vorhandenes  gebraucht? 
l!nd  haben  diese  von  dioen  Autoren  gebrauchteu  Wörter  nicht  ihren  etymologi- 
Echen  üruttd  und  Stamm,   aus  dem  heiau»  zu  erklären  ist.      Die  Sprache  ist  durch- 


200  A  b  li  a  n.  (1   1   u  n  g  c  n. 

Ein  Werk  übrigens,  wie  Herr  Ocrtel ,  von  seinem  speziellen  Plane 
abgesehen,  es  -wünscht,  d.  b.  eine  Art  thesaurus  ling.  lat. ,  ist  seit  län- 
gerer Zeit  eine  Lieblingsidee  des  Unterzeichneten,  zn  deren  Realisie- 
rung vorläufig  auch  schon  einige  ScJuitte  von  mir  getlian  worden  sind, 
indem  ich  ZMei  Ilolländisclien  Gelehrten,  Herrn  Bosdia  in  Haag  und 
Bergman  in  Leyden ,  den  Vorschlag-  zur  gemeinschafllichen  Ausarbei- 
tung eines  solchen  Werkes  in  möglichster  G(^lrängtheit  gemaclit  habe. 

Vorerst  aber  wird  ein  minder  umfassendes  Lateinisch -Devitsches 
Wörterbuch  von  mir  erscheinen ,  über  dessen  Forin  und  Ausdehnung 
demnächst  eine  spezielle  Anzeige  das  JVähere  besagen  wird,  und  Avovon 
ich  mir  hier  einige  Artikel  anzuschliesscn  erlaube ;  mir  vorbehaltend, 
mich  über  die  dabei  beobachteten  Grundsätze  anderswo  zu  erklären. 
Eine  Vergleichung  mit  andern  Werken  ähnliclier  Art  wird  übrigens  un- 
gefähr aeigen,  welches  der  Weg  ist,  den  ich  mir  zu  gehen  vorgesetzt 
habe.  Möchten  competente  Beurtheiler  mir  privatim  oder  in' einer  öf- 
fentlichen Zeitschrift  ihre  Ansicht  darüber  mittheilen. 

Carlsruhe  den  24(:cu  Dez.  1825. 

M  KaercJier. 

Adeo,  adv.  *)  (es  steht  statt  crf  trf_)  in  diesem  Worte  liegt  eine 
dreifache  Beziehung ^  indem  es  anzeigt:  1)  zu  dem  Ende, 
d.  h.  in  der  Absicht;  2)  bis  wohin,  bis  zu  welchem  Punkte  eine  Hand- 
lung geht;  3)  was  zu  einem  Umstände  noch  hinzukommt. 

1)  zu  dem  Ende,  in  der  Absicht,  desswegen  ;  z.  B.  id  adeo  te  oratum 
advenio  ut  ignoscas  mihi,  Plaut.,    dessAvegen  komme  ich  zu  dir  etc. 

2)  bis  zu  diesem  Punkte  (der  Umstünde  oder  der  Zeit),  bis  dahin, 
z.  B.  adeon'  rem  redisse,  Terent.,  is-t  es  bis  dahin,  d.  h.  so  weit  mit 
der  Sache  gekommen;  aut,  si  adeo  (sc.  ut  molestae  sint  nupiiae), 
id. ,  oder  wenn  es  auch  bis  zu  diesem  Punkte  käme ,  =  oder  wenn 
auch;  rempublicam  funditus  amisimus ,  adeo  ut  Cato  vix  vivus  effu- 
geret,  Cic. ,  d.  h.  bis  zu  diesem  Pimkte  oder  so  sehr,  so  gänzlich; 
adeo  mihi  invisus  est,  utqtc. ,  id.,  er  ist  mir  bis  zu  dem  Punkte, 
d.h.  so  scÄr  verhasst ;  adeo  in  teneris  consuescere  multum  est,  Virg., 
so  viel  gilt  zarter  Jugend  Gewöhnung;  vix  adeo  agnovit  pavitantem, 
kaum  erkennt  er  den  Bebenden  noch  (eigentlich  bis  zu  dem  Punkte 
kaum);  adeo  omnia  majoribus  curae  erant,  Plin. ,  bis  zu  diesem 
Punkte  oder  so  sehr  lag  den  Vorfaliren  Alles  aiU  Herzen ;  adeo  sum- 


ans  nicht  bloss  historisch;  sie  Acht  hiiher,  sie  ist  etwas  GüttlicUea,  wenn  auch 
nicht  in  ihren  Bezeichnungen ,  doch  iu  ilircn  Ideen ,  und  inuss  alsio  in  Darlegung 
derselben,  in  Lexicis,  höher  gefasst  Verden  als  bloss  davon,  dass  ein  Dichter  oder 
Prosaiker  sie  so  oder  anders  gebraucht  hat.  Der  Lexikograph  inuss  vor  allen  Din- 
gen den  frischen ,  kräftigen  Gang  des  Menschengeistes  beobachten ,  der  in  dei' 
scheinbar  ungeheuersten  Vielfachheit  evrig  einer  und  einfach  bleibt:  die  Anordnung 
iin  Lexikon  muss  sich  nach  solchen  Beobachtungen  inodillcircu  und  philosophisch  be- 
gründet seyn."  Aum.  d.  Kedact. 

)    Scheller -Liinem.  hat  bei  diesem  Worte  sieben,    Ruhukcii  acht,   Forcelliai 
mehr  als  zuülf  Ablheilu.igcn. 


Kärcher:     ücbcr  Latein.  L  c  xico  grap  lilc.  201 

iiiii  oi-at  obscrvatio  in  licUo  gcrcndo,  Cic,  bis  zu  diesem  Funkte  ging 
die  luirlistc  l'iimktliilikeit,  d.  h.  eine  so  ausserordeutli«lie  l'ünkÜich- 
keit  Mar  ete. ;  adeo,  qiuinto  rerum  iniaus,  tanto  niiiiiiä  cupiditatis 
erat,  Liv. ,  bis  zu  dem  Punkte  =:  so  sehr  war  etc.;  gaudcre  adeo 
coepit  quasi  qui  cupinnt  nuptias ,  Tercnt. ,  er  gcrietli  in  eine  so  gro- 
f»e  Fronde,  vie  diejenigen  velehc  etc.;  conjngem  Aiexandri  adeo 
nun  >iolavit,  ut  suunnam  adltiluieiit  cnfam,  Cnrt. ,  bis  zu  dem 
l'nnktc  nicht,  d.  h.  so  ßar  nicht,  so  wfiiii^ ;  fiaec  dicta  adeo  nihil 
nioverunt  ((ncuiquani,  ut  Icgati  jnopc  viohiti  sint,  Liv.,  =  sowe- 
nig; ne*  vidi  quidem  adeo  aülicti  erant,  utnon,  Suet. ,  sie  waren 
nicht  bis  zu  dem  Grade,  nicht  so  sehr  gcdemüthigt;  adeo  dum,  quae 
tum  habere t ,  pcpcrisset  bona,  Plaut.,  bis  zu  dem  Punkte  bis,  d.  h. 
so  laiigc  bis  er  das  erAvorben  hätte;  ibi  (sc.  ruri)  vivere,  adeo  dum 
illins  le  cupiditas  missum  facit,  /(/. ,  bi»  du  die  Sehnsucht  nach  ihm 
verlierst. 

ö)  an  zuzeigen,  dass  etwas  noch  zu  einem  Umstände 
hinzukommt ,  es  schlicsst  sich  allemahl  an  etivas  Vor- 
hergehendes an  und.  entspricht  uns  er  7n  zudem  *)^  z.  B.  at- 
quc  adeo  autem  cur  non  egomet  iiitro  eo?  Terent. ,  und  zudem  wa- 
rum etc.j  id  adeo  ex  Senatus  consulto  cognoscite,  CIc. ,  diess  ver- 
nelmiet  zudem  noch  aus  etc.;  atque  hoc  adeo  milii  concedendum  est 
magis,  id.,  und  diess  ist  mii*  um  so  mehr  zuzugeben;  adeo  quod 
Inlimelii  in  arniis  sunt,  id.,  zudem  da  etc.;  magis  adeo  id  facilitate 
raca  contigit,  it/.,  zudem  ht  daran  mehr  meine  jNacligiebigkeit  Schuld; 
id  adeo  mature  posse  evenirc ,  si  ipsc  missus  foret,  Sallust. ,  die&s 
könne  zudem  bald  geschehen,  wenn  etc.;  hinc  adeo  media  est  via 
nobis,  Virg. ,  von  hier  aus  haben  wir  zudem  die  Ilältte  Weges;  tu- 
que  adeo  *'}  Caesar  (sc.  adsis),  id.,  dann  (d.  h.  aj/sscr  den  An- 
dern) axuh  du,  o  Cäsar  (^sc.kommc)  ;  posco  atque  adeo  flagito,  Cic., 
ja  icli  begehre  es  sogar;  de  foro  atque  adeo  de  civitate  est  sublatus 
praetor  ille,  id.,  ja  sogar  aus  der  Stadt?  et  adeo  usque  ad'sordida 
descendit,  Senec. ,  und  gerietJi  sogar  bis  etc.;  id  adeo  non  plebis, 
quam  patrum  culpa  accidere,  Jjiv. ,  diess  sei  ziulem  nicht  soMohl  des 
\olkes,  als  des  Senats  Schuld.  Oder  es  zeigt  eine  Steige- 
rung an,  =  noch  viel  mehr;  z.  B.  aequaliiun  quoque,  adeo  supe- 
riorum  intolorabilis ,  Tacit. ,  er  konnte  auch  seines  Gleichen,  noch 
viel  mehr  Höhere  nicht  leiden,  oder:  er  konnte  nicht  einmahl  sei- 
nes Gleichen,  gescJiweige  Höhere  leiden ;  so  auch:  nullius  repen- 
lini  honoris,  adeo  nan  principatus  appetens,  Tacit. 
Admudiim,  adv.  die  wörtliche  und  eigentliche  Bedeutung 
dieser   Partikel  ist:     bis   zum  Mafsc    oder  bis  zum  recjilen  Mafse 


')  Forcelliiii  t-iib  li.  v.  sagt  Lei  dieser  Abtliciliiug ,  vidctur  aliquando  parlicula 
(Uiuba  eaac.  Gleii;li  iia<'liLer  ^ajil  er  bei  ciucr  ucucu,  aber  uocli  Lichur  gcliorij^cu 
Rubrik,  \ideliir  ctiani  jioui  pro  vcro. 

")  Bei  dieser  Sicllc  sagt  Forccllini:  Scrviiis  hoc  loco  pi;lat  u&urpaii  pvo  prac- 
cipuc  ,'alii  rtdiiiidarc.     Ei  seibot  aber  gibt  kviacii  Ausschlag'. 


202  Aliliandlungcn. 

oder  so  viel  als  tlas  rechte  Mafs  desjenigen  Gegenstandes  fordert,  von 
dem  man  spricht  (es  versteht  sich,  dass,  je  nach  dem  Sinne 
der  Phrase,  im  Deutschen  das  JFort  anders  üb  er  setzt 
werden  kanii),  z.  B.  plane  quideiu  peri'ectuin  oratorem,  et  cui 
nihil  adniodum  desit,  Demostlieneni  dixeris ,  Cic. ,  dem  zuiu  rechten 
Mafse  eines  Redners  nichts  fehlt ,  ulso  dem  gar  nichts  dazu  fehlt ; 
Curio  literarnm  adraodum  nihil  sciehat,.  id.,  Curio  wusste  nichts  von 
Gelehrsamkeit  nach  dem  richtigen  Mafse  derselben,  z=z  eigentlich  gar 
jiichts ;  alter  niliil  udraodiim  scripti  relicjuit,  id. ,  hat  eigentlich  nichts 
hinterlassen,  (d.  h.  wenn  gleich  etwas,  doch  nichts,  was 
ihn  desNajnens  eines  g  clehrten  Redners  würdig  mach- 
te); erat  admodum  aniphuu  et  excelsum  signiira  cum  stola,  id., 
nach  dem  geAV«)hnlichen  oder  angenommenen  Blafse  war  die  Bild- 
säule gross  etc.,  d.  h.  also:  entweder  ziemlich  oder  sehr  gross;  haec 
inter  nos  miper  notitia  admodum  est,  Terent. ,  diese  Bekanntschaft 
zwischen  uns  ist  neu,  nach  der  Zeit  gerechnet,  die  zu  einer  Bekannt- 
schaft gehört,  also  =  ziemlich  oder  sehr  neu;  ratio  admodum  pau- 
cis  salutaris ,  Cic,  wenigen,  in  Beziehung  auf  die  Vielen,  denen  sie 
nützlich  seyn  sollte,  =  nur  ivcnigcn;  iihi  satis  admodum  suorura 
animos  expertus  eBt ,  Liv. ,  als  er  hinlänglich ,  nach  dem  Mafse ,  wie 
er  es  wollte  (:=i  so  ziemlich  genau),  die  Gesinnungen  der  Seinigen 
hatte  kennen  lernen;  armorum  magnam  A'im  ti-anstulit,  nuUam  pe- 
cuniam  admodum  ,  id. ,  d.  h.  kein  Geld  in  Vergleich  mit  den  Waffen, 
also  =  nur  sehr  wenig;  praetextatus  admodum  filius,  Flor.,  sein 
Sohn  war,  was  das  Mafs  seines  Alters  betrifft,  also  =  erst  mit  der 
Prätexta  bekleidet;  adhuc  admodum  adolescens,  Vellej.,  noch  ziem- 
lichjung; auctis  admodum  copiis  regem  adortus,  id.,  nachdem  er 
die  Truppen  nach  dem  gehöiügen  Mafse  also  =  sehr  vermehrt  hatte ; 
admodum  quam  saevus,  Plaut.,,  wie  sehr  übersteigt  seine  Wildheit 
das  Mafs ;  so  auch :  voce  admodum  quam  suavi ,  Gell. ,  mit  welch 
ungewöhnlich  lieblicher  Stimme.  Bei  Zahlen  ist  es  dem  Sinne 
nach  =  ungefähr;  z.B.  secuti  sunt  eum  admodum  quingenti,  Liv., 
an  das  Mafs  gegen  500  hin  sind  ihm  gefolgt ,  =  ungefähr  500  (  e  <- 
was  mehr  oder  weniger) ;  so  auch  mille  admodum  capiuntur, 
id.,  ungefähr  1000;  post  menscs  admodum  Septem  occiditur,  Justin., 
schon  nach  sieben  Monaten  ,  (Justin  hatte  nämlich  vo r  h  e  r 
gesagt,  Seleucus  hätte  nicht  gewusst,  dass  er  eben- 
falls bald  einen  Beleg  zur  menschlichen  Hinfälligkeit 
geben  tvürde).  Bei  U  eb  er  gangen  in  Gesprächen  =  so 
weit ,  genug  davon  (d.  h.  zum  rechten  Mafse  ist  es  genug) ,  cf.  €ic. 
Leg.  3,  2.  In  Antw  orten  (bei  den  Komikern)  heisst  es 
ioie der  wörtlich:  angemessen  dem  icas  du  sagst ,  =  tvic  du  sagst, 
so  ist  es;  advenis  modo?  admodum,  Terent.,  kommst  du  eben?  ja 
PO  ist's    (freilich  oder  eben) ;    numquidnaiu   ad  filium  haec  aegritudo 

^    attinet?  admodum,  Plaut.,  allerdings   freilich;  cf.  llud.  4,  4,  37. 

Ago,   egi,  actum,  3  (äyw)  I,  transit.  überh.  treiben. 

1)    eine«  Gegenstand  in  Bewegung   setzen,    hin  und  her, treiben; 


Kiirchcr:     üebcr  Lutcin.  Lcxico5;'rai)liic.  20S 

z.  H.  niiiro  renio ,  Val.  Fl.,  das  Meer  mit  dem  Riidor;  fiindam  cir- 
cum  Caput,  Vir«:^. ,  scIim Ingen;  ventiis  imläla  agit,  id.,  treibt  sie, 
jag;t  sie;  agi  aus^tri»,  O^uL;  acta  borcä  piims ,  id.,  liin  und  licr  ge- 
jagt; ccr^imi  agcre,  Mrg.,  eineu  lliiich  jagen;  palantes  Traas,  id., 
die  zerstreuton  'J'roer  jagen;  aniiuam  agere,  Coel.  in  Cic.  I'-i'.,  cig. 
den  Athem  heftig  liin  und  her  treiben ,  =  in  den  letzten  Zügen  lie- 
gen (wenn  es  nicht  eher  so  viel  ist  als:  den  Athcm  oder  die  Seele 
aus  sich  hinaus  treiben) ;   cf.  Martial.  1 ,  80, 

tp.  a)  etwas  treiben  oder  verrichten,  sich  mit  etwas  beschäftigen; 
z.  B.  nihil  agere,  Cic.,  nichts  thun  oder  (reiben,  =  imthätig  seyn; 
cuncta  siniul ,  Sallust.,  Alles  zu  gleidier  Zeit  betreiben;  quid  agis? 
Cic,  was  treibst  du,  machst  du?  (Avie  befindest  du  dich);  quid  agi- 
tur'?  Terent. ,  wie  geht  es,  wie  steht  es?  gratias  agere,  Terent., 
Cic,  Sallust. ,  Ovid.,  Plin.  Pan.,  Danksagen;  poenitentiam,  Curt., 
s=3  2^oenitere;  sua  vota,  Ovi^,,  seine  Wünsche  vortragen;  ora- 
tionem,  Cic,  eine  Rede  halten,  gehörig  vortragen ;  jjartes,  Terent. 
(und  bildl.  Cic),  eine  Rolle  spielen;  canticum,  Liv.,  versum,  Cic, 
ein  Lied ,  einen  Vers  v  ortrageii  oder  singen,  cf.  ^  al.  Flacc  1 ,  783. 
4,  87;  fabulam ,  Terent.,  ein  Schauspiel  aufführen;  so  auch  cho- 
ros ,  Virg.  Cir. ;  joca,  Sallust.,  Scherz  treiben;  curas,  silentia, 
Ovid.,  in  Sorgen  se^^n,  still  schweigen;  forum,  trimuphum,  Cic, 
einen  Gerichtstag,  einen  Triumph  halten ;  festum ,  Ovid,,  ein  Fest 
lialten  oder  feiern;  causam  alicujus,  Nep,,  Cic,  jemands  Sache  od. 
Angelegenheit  führen  (gerichtli ch  oder  nicht);  quum  proxime 
res  agentur,  Plin.,  wenn  demnäclist  die  Gerichte  anfangen;  proe- 
lium  agere,  Liv.,  ein  Treffen  liefern;  bellum,  Nep. ,  Caee. ,  einen 
Krieg  f ülu'en ;  cf.  Oberlin  ad  Caes.  B.  Gall.  3,  28;  censuram,  Ovid., 
das  Censoramt  verwalten ;  fiseum ,  Suet. ,  die  kaiserliche  Kasse  ver- 
walten; rempublicam,  Pandect. ;  Tros  Tyriusve  mihi  nullo  discri- 
mine  agetur,  Virg.,  d.  h,  er  werde  von  mir  ohne  Unterschied  be- 
handelt, agere  se ,  sich  benehmen ,  betragen ;  se  pro  equite  ,  Suet. ; 
66  per  moUitiem ,  Sallust. ,  üppig  leben ,  sich  pflegen,  res  agilur 
oder  de  re  agitur,  es  handelt  sich  um  etM äs ,  betrifft  etwas;  z.  B. 
res  mea  agitur  ,  IVep. ,  mein  A  ortheil ,  meine  Elue  kommt  dabei  ins 
Spiel;  aguntur  vectigalia,  Cic;  cf.  Verr.  0,  51,  llorat.  Epp,  ],  18, 
48;  agitur  de  pecunia ,   Terent.,   de  poena,   Liv.;   cf.  Cic.  Manil.  3. 

b)  et>^a8  in  Gedanken  betreiben  (seine  vorzügliche  Auf- 
merksamkeit darauf  richten)  ;  z.  liL  agetis  ea  attentius,  Cic, 
ihr  werdet  diess  noch  genauer  überlegen ;  id  ago  od.  istud  ago,  Te- 
rent. ,  c=  ich  bin  mit  meinen  Gedanken  bei  dem  Gegenstande  ,  den 
CS  betrifft,  also  =  ich  hihc  darauf,  ich  denke  daran;  lioccine  agis, 
'J'erent. ,  hörst  du  denn  darauf?  hocagam,  id.,  ich  will  aufpassen 
(was  z.  B.  ein  CT  thul);  Imc  agc !  Suet.,  aufgepasst !  Acht  ge- 
geben! cf.  Terent.  Eun,  1,  2,  50;  aliud  agere,  Cic.  oder  alias  res 
ugerc ,  id.,  Suet.,  an  etwas  Anderes  denken,  =  seine  Aufmerksam- 
keit niclit  auf  da»  richten,  worauf  man  eigentlich  sollte;  it.  etwas 
ganz  Anderes   iui  Sinne  hüben ;    cf.  Cic  Cluent.  (>4 ;    id  ago  ut  etc.. 


204  Abhandlungen. 

CIc. ,   ich  gelie  damit  um ,    suche  diess  zu  bezwecken ,   richte  mein 
Augenmerk  darauf;  cf.  Farn.  4,  7.  Att.  8;  11. 

,  c)  treiben,  =  ztibringen  (^ die  Zeit);  z.  B.  aetatem,  Cic. ,  vItara, 
Liv. ,  Terent. ,  annos  ,  aevum  ,  O^id. ,  sein  Leben  ;  cum  uno  viro 
aetatem  agere,  Terent.,  mit  emcni  Manne  leben;  octogesimum  an- 
num,  Cic,  im  SOsten  Jahre  stehen ;  agere  hiberna  in  oppidi»,  tempora  in 
vcnando ,  Sallust.,  zubringen;  mensis  agitur  septimus ,  Terent.,  = 
es  ist  der  7te  Monat ;  principium  anni  agebatur ,  Liv. ,  man  stand  im 
Anfange  des  Jalu-es.   cf,  Ovid.  Met.  7 ,  700. 

d)  durch  seine  Handlung  eine  Person  oder  iliren  Charakter  dar- 
stellen ,  =  sie  vorstellen ;  z.  B.  Ballionem ,  Chaeream ,  Cic. ,  flen 
Ballio,  den  Chärea  (auf  dem  Theater)  vorstellen  oder  spielen; 
agere  uobilem,  Coel.  ad  Cic,  den  Adeligen  spielen;  bonum  consu- 
lem,  Piin.I'an. ,  ein  guter  Consul  sevn ;  agere  amicum,  Tacit.,  den 
Freund  machen ,  freundschaftlich  handeln ;  cf.  Suet.  Tib.  13  u.  dort 
Bremi. 

e)  etwas  ans  Ende  treiben,  =  es  vollenden,  beendigen;  z.  B.  acta 
nox,  O^id. ;  acto  honore,  Liv.,  nach  Endigung  seiner  Würde  (des 
Proconsulates) ;*r7c  s^/ji6oh's  quid  actum  est?  Terent.,  wie  steht  es  mit 
dem  (gemeinschaftlichen)  Essen?  nihil  agere,  Cic,  nichts  ausrichten; 
non  multum  ,  nicht  viel  ausrichten ,  keinen  Vortheil  haben ;  nihil 
agitur  blanditiis,  Oviil. ,  er  richtet  durch  seine  Schmeicheleien  nichts 
aus;  actum  est  (als  klagender  Ausruf),  es  ist  aus,  es  ist  vor- 
bei (=  es  ist  Alles  verloren)!  cf.  !Eun.  1,  1,  9;  actum  est  de  me, 
Plaut.,  es  ist  um  mich  geschehen ;  so  auch :  de  isto ,  Cic. ,  de  exer- 
citu,  Liv.;  acta  est  res,  Terent.,  es  ist  aus  damit;  actum  agere, 
Terent. ,  oder  acta  agere ,  Cic. ,  was  gethan  ist  noch  einmahl  thuu, 
=  etwas  Unnöthiges  thun  (vulg.  leeres  Stroh  dreschen);  actum  ha- 
bere,  Cic,  für  gethan  ansehen  (::=:  damit  zufrieden  seyn). 

2)  einen  Gegenstand  treiben , .  =  ihm  eine  gewisse  Richtung  geben ; 
z.  B.  asellum,  Cic;  elephantos ,  Curt. ;  caballum,  Horat. ;  praeci- 
pitem  agi,  Cic,  von  einer  Höhe  Iieruntergestofscn  werden;  aliquem 
vinctum  ante  se  agere*  Nep.,  vor  sich  her  treiben ;  cquum  in  hostem, 
Curt.,  =  auf  den  Feind  lossprengen;  capellas  per  rura,  Ovid.,  die 
Ziegen  über  das  Feld  treiben;'  rates  per  fiumina,  id.,  durch  die 
Flüfse;  fluctus  agunt  corpora  ante  alicujus  oculos ,  id.,  treiben  die 
Leichname ;  cf.  Virg.  G.  1 ,  352 ;  agi  per  auras,  id. ,  durch  die  Lüfte 
getrieben  werden;  quis  furor  lias  egit  in  oras?  Val.  FL,  welche 
Wuth  hat  sie  zu  diesen  Küsten  geführt?  agere  capellas  potum,  bo- 
ves  ad  fiumina ,  Vii-g. ,  .ziu-  Tranke ,  an  den  Flnss  führen  ;  Proteus 
pecus  cgit  altos  visere  montcs ,  Horat. ,  Proteus  trieb  sein  Vieh  zu 
sehen  der  Berge  Spitzen;  has  agimus  famulas  tibi  praAnia  belli, 
V'al.  Fl, ,  wir  brüigen  sie  dir;  is  «[ul  jumenta  agebat,  Liv.,  =  der 
Fuhrmann;  agere  currum,  Ovid.,  navem,  Horat.,  classem ,  Cur!., 
leiten,  lenken;  agraen ,  Vii-g. ,  Liv.,  einen  Zug,  ein  Heer  führen; 
agmenraptim,  Curt.;  vineas  ad  oppidum  agere,  Caes. ,  die  Schutz- 
dächer näher  zur  Stadt  hin  treiben  oder  bringen ;    hostem  in  fugam 


Kiirchcr:     lieber  Latein.  Lcxicographic,  205 

ag;orc,  Justin.,  den  Feind  in  die  Flucht  jagen;  cf.  Suet.  Claud.  1; 
ajjerc  pisces  in  ]i<imo» ,  Ovid.,  treilten;  praedas  agere,  Sallust. , 
Liv. ,  Vieh  als  Beule  mit  fortnehmen  oder  üherh.  Beute  machen ;  cf. 
Plaut.  Aul.  4,  2,  3;  agere  et  ferrc,  Liv.  (aysiv  kccl  (ptQfiv),  (Alles) 
ausplündern,  und  Avcgschleppen ;  (davon  bildlich  Dial.  de  Or.  8, 
Alles  mit  fortreissen ,  nach  seinem  "Willen  lenken).  Bei  Plin.  33 ,  21 
steht  es  für  u'iif^en  oder  u'ief>cn  so  viid  so  viel  (also  eigentl.  durch 
seine  Sclnvere  ein  gewisses  GeMiclit  hinauftreiben  oder  drücken),  sc 
agerc,  sich  in  Bewegung  setzen,,  =  gehen;  cf.  Virg.  Aen.  8,  4Ö5; 
unde  agis  tc?  Plaut.,  Avoher  kömmst  du?  ([no  hinc  te  agis?  wo 
gehst  du  von  hier  aus  hin?  agi ,  Terent. ,  Liv.,  =  ire ;  cf.  Plaut. 
Bacch.  5,  1,  20;  agitur  Humen  majori  impetu,  Curt. ,  der  Flusa 
flicsst  reissender;  duplex  agitur  per  lumbos  spira,  Virg,,  idoppelt 
läuft  durch  die  Lenden  der  Rückgrat  hin ;  agit  se  palmes  ad  auras, 
Virg.,  CS  treibt  sich  der  Schoss  in  die  Lüfte;  actae  ad  sidera  pinus, 
id.,  die  bis  an  die  Sterne  reichen.  Sodann  ist  agere  überli.  mit 
einer  gewissen  körperlichen  Anstrengung  (stofsend,  werfend  etc.) 
wohin  bringen;  z.  B.  telum  costis  fugieutis,  Sil.,  in  die  Rippen 
stofsen;  hasta  alicui  per  armos  acta,  Virg.;  cf.  Ovid.  3Iet.  5,  153; 
6 ,  258 ;  8 ,  532 ;  pinus  ah  alto  ad  terras  agere ,  Ovid. ,  die  Fichten 
von  oben  bis  auf  den  Boden  biegen ;  agi  in  crucera,  Cic. ,  ans  Kreuz 
geschlagen  werden;  actus  in  crucem  ,  Suet.;  Im  eng  er  n  Sinne 
ist  es  =  veranlassen ,  dass  einer  oder  etwas  von  wo  iveg  oder  wohin 
gehen  muss ;  z.  B.  egit  extorres  oppido ,  Suet.,  aus  der  Stadt;  ve- 
nenum  membris  agere,  Virg.,  statt  c  jncTnön's,"  aliquera  in  exilium, 
Liv.',  einen  ins  Exil  jagen,  verbannen;  orco,  Horat.,  statt  i;i  orc«?n  ; 
aliquem  reum,  Curt.,  Aellej.,  einen  als  Schuldigen  vor  Gericht  zie- 
hen, =  ihn  verklagen.  Aiich  bedeutet  es:  etwas  aus  sich  hervor 
oder  heraustreibe  (NB.  diese  Bedeutung  könnte  vielleicht  die  vtt- 
sprüngliche  von  ago  seyn ,  wenn  wir  annehmen  dürfen ,  dass  ayoi 
verwandt  ist  mit  yäoj  =  yi:vväco.  cf.  augco),  z.  B.  radices.  Van*., 
cf.  Ovid.  Met. ,  4,  254;  2,  583;  frondem,  Plin.;  radices  in  profun- 
dum,  Plin.,  Wurzeln  in  die  Tiefe  treiben;  ossaque  robur  agunt, 
Ovid.  Met.  10,  492,  =  die  Gebeine  werden  zu  hartem  Holze;  ri- 
nias  agere,  Cic,  Ovid.,  Risse  bekommen,  zerlechzen.  Dann  über- 
haupt: aiis  sich  heraustreiben  oder  zum  Vorscheine  bringen;  z.  B. 
gcintillas,  Lucret.,  Funken  sprühen;  ore  cruorem,  Lucan. ;  cum 
f  pumas  ageret  in  ore ,  Cic. ,  als  sein  Mund  schäumte  ;  cf.  Virg.  Aen. 
6,  844.  Endlich  bedeutet  es  auch:  etwas  machen  oder  zu 
Stande  bringen  (immer  mit  dem  Begriffe  des  vorMÜrts  Treibens),  z. 
B.  agere  cuniculos,  Curt.,  Erdgänge  maclien;  cf.  Cic.  Off.  3,  23; 
molem  inari ,  Curt. ,  einen  Damm  ins  Meer  hineinbauen.  Die  Phra- 
eis:  agere  Her,  vias  etc.  ist  bloss  poetisch,  z.  B.  agere  itcr,  Ovid., 
seinen  Weg  wohin  lenken;  vias  agerc  subter  mare,  Virg.,  sich  einen 
Weg  unter  dem  3Ieerc  bahnen  (einFluss);  grcssus  od.  gradus  agere, 
Val.  Fl. ,  =  gehen;  ferro  latum  limitem  agere  ( st. /ocoe) ,  Virg., 
sich  mit  dem  Scfiwerte  einen  breiten  Weg  bahnen;   cf.  Aen.  10,  513. 


206  Abhandlungen. 

tp.  a)  etwas  od.  einen  treiben,  =  lenken,  leiten ;  z.  B.  animus  cun- 
cta  agit,  Sallust. ;  actus  cupidine  ,  Ovid ;  transvorsum  ag-ere,  Sal- 
lust. ,  auf  Alnvege  bringen;  Fama  cunctos  agit,  Aal.  Fl.,  die  Göttin 
Fama  setzt  Alle  in  Bewegung;  agunt  eum  praecipitem  poenae  ci- 
vium  roraanorum ,  Cic. ,  ihn  treiben  die  Martern ,  die  er  römischen 
Bürgern  anthun  licss,  zum  Wahnsinne,  b)  etwas  vorwärts  treiben  = 
vermehren;  z.  B.  bonitas  alicujus  nnllis  casibus  agitur,  Nep.  Att.  9. 
c)  gleichsam  in  die  Höhe  treiben  ,  erheben ,  =  2""C'se>i ;  illum  aget 
penna  metuente  solvi  Fama  supeiTstes ,  Horat. ,  ihn  erhebt  auf  stets 
ungelöstem  Fittig  Fama  zur  Nachwelt,  d)  einen  zu  etwas  z.B.  in  den 
Besitz  einer  Sache  bringen,  Horat.  Sat.  2,  7,  24.  e)  poet.  (acUgere) 
treiben  =  zwingen ,  nöthigen ;  z.  B.  diversas  quaerere  terras  augu- 
i'iis  agimur  divum,  Virg. ,  wir  werden  getrieben ,  genöthigt;  sed 
agit  misei'andä  potestas  invigilare  malis,  Stat. ;  cf.  Theb.3,  625; 
agi  ad  furores  cxtremos,  Val.  Fl.,  zur  äussersten  Wutli  gebracht 
werden,  f)  eintreiben  (Abgaben  etc.);  cf.  Suet.  Vesp.  1 ,  Dom.  12. 
g)  poet.  herleiten  (sein  Geschlecht) ;  z.  B.  per  regcsque  actum  genus 
omnes  Latinos ,  Virg.,  sein  Geschlecht,  das  durch  alle  Lateinische 
Könige  durchging. 

II.  intr.  überhaupt  seine  Thätigkeit  äussern:  1)  ivie  wir  sa- 
gen: sich  herum  treiben ,  =  leben ,  seyn  (ab  er  immer  in  Bezug 
auf  das  H andeln  dabei):  z.  B.  incultius,  Sallust.,  roh,  ohne 
Bildung ;  multum  et  familiariter  cum  aliquo  ,  id. ,  viel  und  vertraut 
mit  einem  umgehen;  agere  inter  horaines  desinci'e ,  Tacit. ,  aufhö- 
ren zu  seyn ,  =  sterben ;  civitas  laeta  agere,  Sallust. ,  war  fröhlich, 
überliess  sich  der  Freude.  2)  handeln  (dem  Unlhätigseyn  ent- 
gegen); vigilando,  agendo,  omnia  prospcre  cedunt,  Sallust.;  aliud 
tempus  agendi,  aliud  quiescendi,  Cic.,  cf.  Colum.  11,  1.  In  der 
Opfer  spräche :  machen,  =  das  Opferthicr  stechen  od.  nieder- 
ßchlagen;  cf.  Ovid.  Fast.  1,  321;  Varr.  1.  1.  4 ,  22.  Im  Kriegs- 
wesen: handeln,  operieren,  agieren;  z.  B.  diversi  agebant,  Sallust.; 
Man  vergleiche  auch  ^ge.  3)  auf  eine  gewisse  Weise  handeln,  sich 
benehmen;  z.  B.  pro  victoribus,  Sallust.,  sich  als  Sieger  benehmen; 
lenius  agere,  id.,  langsamer  zu  Werke  gehen  (im  Angriffe,  in 
der  Vertheidigung)  ;  cf.  Jug.  60;  studio  et  irä  agere,  Cnrt. ; 
praeclare  agere,  Cic;  bene  cum  aliquo,  id. ,  gut  mit  einem  verfah- 
ren; bene  dicat  secum  esse  actum,  Terent. ,  er  soll  sagen,  es  sei 
ihm  gut  gegangen ,  er  soll  die  Behandlung ,  die  man  ihm  angedei- 
hen  lässt,  rühmen;  praeclare,  optime  mecura  agitur,  Cic,  es  geht 
mir  vortrefflich,  es  steht  sehr  gut  um  mich;  pessime ,  id.,  es  steht 
sehr  übel  um  mich.  cf.  Suet.  Ner.  28.  4)  sprechend  handeln  von  oder 
über  etivae ;  z.B.  linguä  graecä,  Cnrt.,-  in  Griechischer  Sprache; 
egit  cum  Cimone  ut  etc. ,  Nep. ,  er  benahm  sich  mit  dem  Cimon 
darüber ,  er  schlug  Uim  vor ;  cf,  Dion.  2,  5 ;  ut  ad  te  scriberem  me- 
cum  egerunt ,  Cic  ,  sie  benahmen  sich  mit  mir  darüber ,  machten 
mir  das  Ansinnen ,  den  Vorschlag ;  prccibus  tecum  fraternis  ago,  id., 
ich  bitte  dich  brüderlich;  agere  cum  populOf  sich  mit  dem  Volke  be- 


Kärcber:     Ueber  Latein.  Lexicographie.  207 

nehmen,  =  eine  Rede  an  das  Volk  halten;  cf.  Verr.  1,  12;  Gell. 
13,  15;  agere,  Tlin.  Epp.  9,  40,  =  causas  agci-e,  Prozesse  füh- 
ren (als  Sa  chiv  alter)  ;  lege  agere,  Terent. ,  Cic. ,  oder  bloss 
og:cre,  Quintil. ,  gei-ichtruh  verfahren,  s=  klagen^  agere  in  here- 
ditateni ,  Clc. ,  auf  eine  Erbschaft  klagen;  cum  ali<]uo  lege  agere, 
id.,  einen  verklagen;  agere  furti,  id.;  inj uriaruni ,.  Quintil. ,  wegen 
Diebstahls,  wegen  Beleidigung  etc.  klagen,  cf.  Cic.  Caecin.  12;  3Iur. 
17;  Fani.  7,  22.  Agcrc  (Rhetorik),  seine  Rede  vortragen;  z.B. 
agere  cum  dignitatc  et  \cuustate ,  Cic. ,  seine  Rede  mit  Würde  und 
Anstand  vortnigen ;  cf.  Orat.  2,  1!);  ageus,  Quintil.,  der  Redner  (d. 
b.  derjenige,   der  gerade  eine  Rede  hält);   cf.  6,  1,  48;   10,  7,  3. 

Sjn.  Agere  bezeichnet  mehr  das  Handeln  im  Allgemeinen ,  das 
Aeussern  seiner  Thätigkeit,  Facere  mehr  die  Richtung  der  Thätig- 
keit  auf  einen  bestimmten  Gegenstand;  agit  is ,  cujus  ppst  actionem 
opus  non  exstat;  facit  is,  cujus  opus  remanet;  cf.  Quintil.  2,  18 
(al.  1}));    Varr.  L.  L.  5,  8;  Cic.  Phil.  3,  13. 

Annulus  od.  ämdus.  i,  m.  (scheint  das  Demin.  von  annus,  und  dieses  also 
ursprüngl.  einen  Ring  od.  Kreis  bedeutet  zu  haben, )  1)  überli.  ein 
ringförmiges  Ding,  ein  Ring  zu  irgend,  od.  aus  irgend  etwas;  z.B. 
anuli  virgei,  Plin. ,  Ringe  aus  Weiden;  annuli  velares,  id.,  13,  18, 
Ringe  (von  Holz)  an  den  Segeln.  Auch  die  Ringe  (Gleiche)  an  einer 
Kette ,  Martial.  3 ,  29 ;  Plin.  34 ,  43.  •  Oder  die  ringförmige  Fessel 
am  Fufse  selbst,  Martial.  11,  38;  cf.  Plin.  33,  4.  Auch  eine  ring- 
förmige Haarlocke,  Martial.  2,  (iß.  In  der  Baukunst,  das  unter  der 
Platte  und  dem  Wulste  des  Kapitals  liegende  Plättchen  ,  =  der  Ring, 
Mtr.  4,  3.  2)  ein  Fingerring,  Siegelring,  Ring;  inducre  anulura 
pollici,  Plin.,  einen  Ring  an  den  Dautnen  stecken;  sumere  anulos 
ferreos  ,  Suet. ,  tragen ,  anziehen  ;  tabulas  anulo  obsignare  ,  Plaut., 
ein  Testament  versiegeln;  epistola  anuli  sigillo  impressa ,  Curt.,  auf 
dem  das  Siegel  des  Ringes  aufgedrückt,  der  damit  gesiegelt  ist; 
anuli  curam  habere,  Justin.,  Siegelbewahrer  (des  Fürsten)  seyn. 
Da  es  ein  be  sonder  es  Vorrecht  der  Ritter  war,  gol- 
dene Ringe  zu  tragen,  so  sagt  man  nun  tp.  aliquem  anu- 
lis  donare  od.  honorare,  Tacit. ,  einen  in  den  Ritterstand  erheben; 
jus  anulorum ,   Suet. ,  die  Ritterwürde. 

Apellätio,  önis,  f.  (appcllo)  die  Handlung,  da  ich  einen  anrede  oder 
anspreche,  also  z.  B.  die  Auflorderung  etwas  zu  thun,  cf.  Caes.  B. 
Civ.  2  ,  28.  tp.  die  gerichtliche  Appellation  (wenn  man  von  einer  ge- 
ricJitl.  Stelle  weg  bei  einer  andern  und  höhern  Hilfe  sucht);  z.B. 
appellatio  ad  populum,  Plift. ;  a  judicibns  ad  Senatum,  Suet.;  tri- 
bunorum ,  Cic. ,  an  die  Tribunen ;  cf.  Suet.  Cal.  16.  2)  die  Benen- 
nung od.  der  Titel,  den  mau  einem  gewöhnlich  gibt;  z.  B.  regum 
appcllationes  venales  sunt,  Cic,  der  Königstitel  ist  feil;  appella- 
tionc  dclnta  fraudarc  aures  alicujus,  Curt.,  einem  den  gehörigen 
Titel  nicht  geben;  appellatio  iiianis,  Cic,  ein  leerer  Titel;  salutare 
aliquem  appelbitione  jiatn's,  Plin.,  einen  mit  dem  Namen  Vater  grü- 
fsen;    cf.  Suet.  Caes.  77;  Tatit.  Ann.  3,  5b;    appellationc  ipsa,    id.. 


208  Abhandlungen. 

selbst  der  Benennung  nacb ;  neque  nomhuim  ullorum  inter  eof?  apel- 
latio  est,  id.,  und  sie  henennen  sich  einander  durchaus  nach  keinem 
unterscheidenden  Namen.  3)  die  Art  etAvas  auszusprechen ,  =  die 
Aussprache,  ;z.  B.  literarum,  Quintil.  4)  (in  der  Gramm.)  a)  das 
llauptAvort  od.  Substantiv,  Qnintii,  9,  3,  9.  b)  der  Gattungsname 
(das  nora.  appellativum ,  Avhe  z.  B.  Mensch ,  Thier),  Quintil.  1,  4,  19. 


Quntenus  scholae  saeculo  cedere  debea?it.     Disqiü- 
sitio  Joa.  Nicolai  Nickis,   a  IT'JO  scripta. 

vtuum  Tibi ,  Jahni  honoratissime  ,  novos  annales  litcrarios  auspicanti, 
et  rei  scholasticac  humanissime  consulenti,  etiam  veicra  cxqnisitiora 
scripta  non  displicitura  videantur;  e  rcTua  futurum  exisiimo ,  si  magni 
■philologi  Niclasii  *),  scholae Michai-litanae Lunaeburgensis  (a.  17C9-r- 
1808)  rectoris  olim  raeritissimi,  proo-ramma  Tecum  communicavero. 
Pauca  hie  vir  exe.  scripta  edidit;  sed  hacc  pauca  multis  allorura  scriptis 
longe  praestantiora !  Amicitiae  intimae,  qua  me,  iuniorem  multo  a  irura, 
senex  illc  dignatus  est,  dandum  puto,  nc  committam  ut  hiiius  cgregii 
viri  memoria  iusto  ^citius  diläbatur,  "nedura  hoc  seculo  evanescat.  Ama 
igitur  mecum  hunc  virum,  et  locura  huic  libello  in  annallbus  Tuis  con- 
cede !  **)  —  Dabam  Osterodac ,  ad  radices  Ilercyniae ;  nonis  Janua- 
xü  1826. 

D.  Pride?'.  Hülsemann. 

Quam,  quae  sub  luna  sunt,  orania  patiuntur  inconstaniiam  et  mu- 
tahilitatem ,  ab  ea  neque  sunt  seiunctae  res  praestantissiniae  omnium  ac 
diviniäsimae ,  doctrinarum  stiidia.  Non  enim  modo,  pro  aetatis  cuius- 
que  gcnio ,  artes  et  disciplinae  aliae  aliis  coluntur  impensius  studiosius- 
que;  sed  subinde  etiam  earum  conimutationes  ßunt  maximae,  ac  ferc 
incredibiles..  Hac  mutationis  lege  nullam  arteni  scientlamve  ,  ne  thco- 
logorum  quidem  disciplinam  solutam  esse ,  facile  esset  demonstratu ,  si 
hoc  nunc  ageretur.  {v.  Jo.  Matth.  Gcsneri  diss.  de  vi  consuetudinis  in 
stud.  litter.  —  in  opusc.  min.  To.  I  pr.  ]  Si  quis  tarnen  sit ,  qui  velit 
tanquam  in  rem  praesentera  venire,  cognoscat  ille,  quae  de  medicae 
artis  inconstantia ,  et  crebris  commutationibus ,  iam  conquestus  est  Pli- 
nitis  [h.  n.  29 ,  1.] :  et  quae  philosophiac  jacciderint ,  ipsc  secum  reputet. 


*)  V.  Wolfs  liter.  Anal.  To.l  P.  2  p.  39G — 402,  et  Seebodü  misc.  critt,  T.  II  P. 
3  a  pr.  —  Adde  Lyringi  biogr.  Gotting.  To.  III.  p.  34f). 

**)  Da  dieses  seltene  Program  so  viel  Bctrachtiingswerthcs  darbietet,  was  auf 
unsere  zur  Schulreforraation  so  geneigte  Zeit  mehrfache  Anwendung  findet ,  so  ha- 
ben wir  ihm  hier  gern  einen  Platz  gegönnt;  im  Allgemeinen  aber  liegt  es  von  dem 
Zwecke  dieser  Zeitschrift  fern,  bereits  gedruckte  Sachen  aufznnehmcn. 

Anra.  d.  Redact. 


NIclas :  quatenus  scliolao  sacculo  cedere  dcbeant.  209 

Qiiarum  \icissitudinuin  caussa  non  una  est.  Ncque  enini  deside- 
rlnm  modo  Inrinituiu  illiid ,  qiiod  natura  animis  nostii!»  in<;eiuiit ,  de 
qtio  j)liilo>o|)1ioruin  s.(lioliic  praciipiiinl;  iicquo  lo^Itaü  tantinii  illa,  ac 
luiilahilitas  Iioiniiiiini ,  ([iiac  hoc  Ll'fnit,  ut  vaiietate  illis  iiiliil  AicUatur 
iiuiuuliuti ,  cogit  nos  qiiii:<i ,  uti  vt-sticndi ,  itii  aLliiiin  qiioqiie  tractaiulii- 
rnm  nioreiu  idc-iitideiu  luiitaic,  ac  tanqiiaiu  dilTiiigerc;  (quo  taincn 
Aitio  quIEuropani  iiicoliiiit  popiili ,  quoniain  coriiin  mores  volatica  Gal- 
loriim  gens  re-jit,  magis  laboraitt,  quam  orientcm  versus  siti,  qui  an- 
tiqui  moris  ^iint  tenaris^iiui:)  sed  inulta  ctiam  sunt  alia,  qua«  muta- 
tioni  ianiiam  patct'aciant.  —  Priino  quidtaii ,  cum  et  imperia,  resque 
pul)licae  »ua?;  habeatit  aetates;  [v.  Flori  prolo^uui]  velut  Ja  Iiomhiihus, 
ita  liic  qnoque,  fjuriinlibct  actulcm  ani  coiiiilari  solciit  niorca  ;  siia  stiidia. 
Certe  nia^'inini  illud  ^ciciitiae  Iinmanae  luiiicn ,  Fraiiciscus  Jiaco  [ser- 
niou.  fidel.  3(>  fincj  cum  aliis  ita  statuit:  „In  reipublicae  alicuui!*  adole- 
scentia  arma  florcnt ;  aetate  media  Utlerae ;  ac  deinceps,  ad  moraiu  ali- 
quam ,  duo  illa  simul  llorere  soleut.  Devexa  aiitcm  aetate,  artes  me- 
clianicac  et  mcrcatura.''^  Haec  alio  loco  [de  augmentiü  scicntlar.  IV,  2 
fin.]  üic  repetuntur:  „üpthite  sanc  a  quihusdain  aunotatum  e.^t ,  nascen- 
tibus  et  crescentibus  rebut^publicis ,  artes  militurcs  ilorere :  in  statu  et 
culuiine  po?itis,  liberales;  at ,  ad  declinationem  et  decasum  vergenti- 
bus ,  vohipiarias.^^  —  Porro  ,  ratio  teniporum ,  et  oppovtunitas  quanto 
opere  iiiiniutent  Utterarum  stiidia,  quio  est  qui  ignoret'^  Si  qua  ante 
alia  cnltorlbus  suis  vel  divitias,  vel  honores,  vel  utrnraque  promittant; 
fervebunt  haec ,  frigebunt  reliqua.  A  quo  tempore  maihematiconim, 
physicorunique  diligentiani  inpriniis  foverunt  principcs,  huic  scientiae 
increliienta  allata  sunt ,  et  afieruntar  quotidie,  immcnsa.  Opporiuuilas 
vero,  quam  di.vi ,  quautum  valeat,  testis  sit  Italia.  Ilaeo  cum  cultac 
antiquitati»  nu)numeiita  servarit  plurima;  in  illis  illustiandi»  seinpcr 
plurimum  occu|)ati  fiieruiit,  quos  illa  tulit,  homines  eruditi.  Et  cum 
aliquiimdiu  fervor  remisisse  videretur;  nostra  aetate  llerculaneum,  quod 
tut  saeculis  sepultum  fucrat,  datum  in  lucem  conspectumque  hominum, 
de  integro  illum  exs«scitavit.  Multa  etiam  pendent  ex  lililms,  oppres- 
sionibus ,  ntraque  fortuna,  belli»,  pace ,  et  reltus  aliis  Infinitls.  Inpri- 
mls  rerum  eonver.-iones  publicaruin  lilterarum  quoquc  statiim  convel- 
lunt.  Sublata  libertate,  Honiae  obniiitnit  eloquentia,  et  locum  cessit 
phildsopliiae ,  alii>qiie  iitteris  umbraticis.  Paulo  vero  post,  quum  ty- 
ranni  et  huius  fances  premerent ,  iit  quae  sentiret  haud  liceret  dieere; 
ctiam  haec  exulavit,  solumquc  vertit.  Uli  etiam,  qui  profitentur  artes, 
nimis  saepe  lucri  cupiditatc ,  aut  vanitatis  insolentiaeque  impulsi  stimu- 
lis,  ea  quoque  quae  benc  erant  constituta,  sollicitant,  resque  studiose 
novant.  tbi  non  rare  novatores  contraria  secjuuntur,  quae  iis,  quae 
ante  fuerunt  in  usu ,  ex  diametro  sunt  opposita.  Velut  Chaimin  medi- 
cus,  dainnatis  Uoniae  l)aline!s .  frh/ulii  lavari  persuasit ,  mersitque  ac- 
groB  in  lacus.  [L'lin.  h.  n.  3f>,  1  §.  T).]  Dcinde ,  quemadmodum  studia 
artium  in  mores  transeunt;  ita  vici»sim  mores  saenili  per.nanant  ad  stu- 
<ha;  et  est  eorum  In  haec  amplisbima  potestas.  Quauidiu  mores  graves 
sunt,  etseveri,  iMusac  eandem  prae  sc  ferent  severitateni  gravitatem- 
Juhrh.d.  Phil.v.  fudag.  Julir^A.  U<fl  1.  14 


210  A  b  h  a  n  d  1  i)  n  g  c  D. 

que.  Contra  niorum  dissolutio,  voluptas  ac  molUitcs  saeculi,  eadem  ti 
morl)I  replctas  Mu&as  sccura  traUent;  et  referentur  omiiia  ad  volupta- 
tem,  ludos,  segiiiticni,  lasclviara.  Uno  verbo,  latente  disciplina, 
desident  pi-imo  litterae;  et  ni»i  in  tempore  fnlciantur,  mag-is  magisque 
labcntur,  donec  tandem  eant  praecipites.  Deniquc  quis  est  aut  acumino 
et  ingenio  tarn  paratus ,  ut  possit  caiissas,  unde  lUtcris  ab  allo  in  aliud 
vicissitudo  ac  mutatiu  oriatur,  pervidere  et  investigare  omnes;  aut  lin- 
gua  facundiaque  tarn  promtus ,  qui  queat  illas  enumerare  ? 

Quac  itaque  cum  sie  se  habeant;  cum  saeculuvi  sit,  doctrlnae  partes 
nunc  has ,  nunc  alias  ornare  studiosius :  cum  vis  saeculi  saepe  raptim 
artium  mutationem  faclat,  et  interdum  in  contrariura;  merito  qnaeri- 
tur :  An  dcbcat  genius  sacaili  etiam  scholis  impcrare?  et,  liceatne  bis  ei 
indulgcre,  an  potius  deceat  eas  cum  co  bdligcrare? 

Ad  banc  quacstloncm  non  potest  sirapliciter  rcsponderi!  Sed  debet 
dividi.  Primo  quidem,  quoties  accidit,  ut  fundus  litterarum  fructuo- 
sior  fiat ,  et  res  litteraria  tota  ti-ansducatur  in  melius ;  sine  dubio  scho- 
lae  etiam  paratae,  intentacque  esse  debent  ad  impcria  saeculi  accipienda. 
Sic,  cum  caeca  barbaries  omnia  longe  lateque  diu  tenuisset,  et  subito 
nova  litterarum  luce  discuteretur  ista  caligo;  si  divinae  hulc  luci  adi- 
tum  claudere  scholae  voluissent:  quis  est,  quin  eas  aeternis  tcnebria 
fuisse  iudicet  dignissimas  ?  Pari  modo ,  si  quando  fiat  artis  alicuius  in- 
signis  vel  accessio  vel  emendatio ;  hanc  etiam  scholas  admittere  ins  et 
Sas  est.  Si,  ut  boc  utar,  Musac  in  scholis  Iiodie  mallent  canere  potius 
nd  loannis  Saxii  modnm ,  quam  cum  Hallero^  esset  hoc,  frumento  in- 
vento  ,  redire  in  silvas ,  et  vesci  glandibus ! 

Sed  liaec  est  rarissima  felicitas.  Nam  plerlque  novatores  non  tam 
id  agunt,  vel  agere  possunt,  ut  vitium  aliqnoA  virtuie  corrigant;  quam, 
ut  ne  artem  formam  antiquam  relinere  patiantur!  Igitur  satis  habent, 
quaedam  transßgurasse !  Hanc  novam  formam,  si  omnes  dii  adiuvent, 
quam,  diu  vivunt  tuentur ;  simul  ac  vero  banc  scenam,  ubi  aliquamdiu 
egerunt  partes  suas ,  reliquerunt,  tina  cum  üs  corruunt,  quae  architecti 
isti  magno  conatu  struxerant.  Hie  vero  scholis  illos  duces  non  temere 
sequi  licet ;  sed  in  via  potius ,  quae  Ulis  a  maioribus  nostris  designata 
est,  debent  mauere. 

Scilicet  sunt  scholae  tanquam  seminaria ,  ubi  scruntur  arbores^ 
quae  alteri  saeculo  prosint.  Quanta  vero  esset  dementia,  adolesccntu- 
los,  qui  futuro  saeCulo  formantur,  quod  et  ipsum  suos  sibi  mores  habe- 
bit,  qui  vero,  quales  futuri  sint,  ignorantur,  quoniam  adhuc  sunt  iv 
TW  ccSrj,  saeculi  indole  pi-aesentis  ita  assuefacere,  ut  suac  actati  parum 
sint  habiles  ?  Est  igitur  haec  magna  profecto ,  et  adrairanda  maiorum 
nostrorum  sapientia ,  quae  iuventuti  in  scholis  non  tam  formam  discipli- 
narum ,  quam  maicriam  et  tanquam  scmina  tradenda  praecepit.  Et  ciuu 
maxima  pars  vitae  ac  muneris  eorum,  qui  subliniioribus ,  quas  vulgo 
vocant,  disciplinis  sc  tradiderunt,  in  sensibus,  vel  dei,  vel  legislatoris, 
vel  aliorum  denique  quorumlibet,  recfe  interpreiandis ,  versetur;  divino 
profecto  consilio  hoc  constitutum  est,  omncm  fcrc  iuvcnlutem  inter- 
pretanda occuparc.     Qui  igitur  6ene  interpretanäi  artem  ot  subsidia. 


NIcIas:  quatenus  scliolac  sacculo  cetlere  dcbcant.  211 

qwne  in  scliolis  accopit,  transfAt  ad  scientiam  sanctam  ,  ant  logitlmam; 
is,  si  rdiqiia  accedant,  boims  crif  thoologns,  ot  praeilaviis  iiircconsnl- 
tus ,  quiinirunqnr  /oiTnam  liis  disciiiliiiis  sacculum  dcdcrit!  Accedit  et 
hoc,  quod  eadcm  ratione  non  fimdamcnta  tantuni  disciplinariim  humm- 
tiir  idonea  et  firnia,  sed  disciplinac  ipsae  niaj^na  ex  parte  sinnil  tradun- 
tur.  Nosse,  ut  hoc  iitai",  Ronianae  roipuMicae  statiini,  cum  piiscum 
lUiira ,  tum  voro  iinniutatuni ;  coüiiitain  liabcrc  iudiciorum,  qiiao  Ilo- 
mae  hahiLa  sunt,  formam  ;  rilits ,  formulas  in  iisdein  usitatas*,  ita  tc- 
nerc,  ut  di^^itos  tuo;*;  pars  est  iiirispriuloiitiac  profccto  non  conte- 
ninenda.  Hamm  aiiteni  rcriini  cof^^nilio  unde  melius  petitur,  quam  ex 
lihris  iisdem ,  quornra  Icctio  scholis  bcnc  constitittis  pracscripta  est? 
Quidni  et  hoc  addam,  esse  ibidem  lej^nni  ma^nam  ubcrtatcm?  Naturae 
autem  ac  f^entium  ins,  qnantum  quantnm  iUud  est,  profecto  non  aliunde 
rectius  hauritr.r,  quam  ex  bis  fontibus,  Porro,  nc  alia,  quae  hinc  ad 
theologorum  scientiam  redundant ,  enumerem  eraolnmenta;  cum,  quid 
de  deo,  de  aniiiuimm  statu  ftituro,  aliisque  rebus,  de  quibus  ipse  prac- 
cipit,  gentibsis  a  vera  relij-^ione  reniotis  innotuerit,  scire,  maxime  inter- 
sit  theoloni;  hanc  scieiitiiun  non  ab  aliquo ,  qui  inter  cbristianos  philo- 
sopliatus  est ,  si  rcctani  vult  instare  viam  ,  sed  ab  bis  qui  caruerunt  di- 
vina  institutioue,  consequi  studebi^.  Huius  igitur  cognitionis  multnm 
quoque  vi  propinat  mos  maiornm,  qui  in  scholis  salubriter  obtinet.  lam, 
cum,  quania  sit  saectdi  i^is,  in  nulla  doctrinae  parte  tarn  sit  manifestum, 
quam  in  philosophia,  utpote  quae,  tanquam  si  chamaelcon  esset,  ita 
saepissime  mutat  colorcni;  qualis  haec  in  scholis  esse  dcbeat,  merito 
potcst  disputari.  Hie  rero  illam  philosophandl  i-ationcm ,  quae  adole- 
scentes  unum  allquem  ducem  sequi  assuefacit,  a  scholis  quam  longis- 
sime  arcendam  cum  aliis  egregie  cordatis  viris  censeo.  [v.  Ccsncn/s  in 
disp.  „de  philosopliia  in  scholis  rite  tractanda."  —  Inprimis  lac.  Faccio- 
lati  or.  IV.  nullam  esse  adolescentibus  tradendam  philosopliiam  ,  nisi 
historicam.]  \am  qui  praeoccnpat  animos  adolescentulornm  fornndn  phi- 
losopliaudi  qnacunqjie ,  anterjuam,  qnid  aera  distent  lupinis,  ips^i  poa- 
sunt  hidicnrc,  is  aditnm  ad  verum  philosophiam  illis  non  tarn  patefacit, 
qnam  obsepit  atque  intercludit.  Itaqne  lue  omninm  mininie  obtenipe- 
rare  licet  sacculo,  Sed  si  qua  ratio  v^t,  qua  ad  aanam  philosophiam  per- 
Teniatur,  illa  est  profecto,  qpiae  ante  de  materia  prospidenda,  quam 
de  adhibenda  fabro ,  moneat.  Uno  rerbo ,  philosophia  in  scholis  tra- 
derda  debet  esse  hixiorica!  —  Cognoscant  ergo  iuvenes  praecipua  pla- 
cita  eorum ,  qui  a  Thalete  inde  ad  nostram  aetatem  philosophiam  sunt 
professi;  hoc  quid^-m  consilio  propositoque,  \it  inde  sauissima  quacque 
eligentes  sil)i  vhidicent,  adeo(|ue  ipsl  sibi  fonnent  tanquam  corpuscidnm 
philosophiac,  pulrbrum  exquisitnmque ,  cuins  inembra  undiqnc  conqui- 
eita,  apfe  di^po^^ta,  firmiterqne  intcr  se  conncxa ,  formam  habeant 
dignisSimani. 

Erit  itaquc  talis  p/xVoso;)/»'«  Ilelenac  glmilllma,  cuins  imaginem 
summns  artifex  Zcuxis  ex  pluribus  virginibus  quae  venustatis  laude  ex- 
ccllebant,  snmmo  effiiixit  artifirio.  Ad  talem  autem  nunquara  adspiraro 
poterit  ia,    qui  inagistro   sc   uni  addj\It,    et  pars  est  aücuius  familiae, 

14  * 


212  Abhandlungen. 

quam  ducJt  umis  aliquis ,  quantumvis  lifcet  ingenlo  excellat  doctrlnaqiie. 
Kam  omnia  ei  disipIiceLunt,  qiiaecunque  non  cum  herois  sni  statutis  con- 
eentiant,  a  quibus  discedore,  quasi  sacramenti  i'cligione  obstrictus  esset, 
non  audebit.  Huic  itaquc  libcrc  rciicicndi ,  lihcrcque  probandi  Ubcrtas 
onnis  est  ademta;  quae  tarnen  anima  est  philosophiae.  Est  vero  liaec, 
quam  dixi ,  plülosopTiia  historlca  in  scholarum  clientelam  etiam  alio  no- 
mine coninicndanda.  Nimirum  sine  eins  ope  optirai  Graeciae  Latüque 
scriptorcs  nunquam  patebunt  intelleetui  eorura ,  qui  iis  Icgendis  opcrara 
dant.  IVcque  yero  satis  est,  quid  uni  alterique  haeresi,  vel  sectac, 
praecipue  placuerit,  habere  perspectum.  ]\am  cum  liic  huius  sectac 
nomine  censeatur;  ille  vero  alterius:  imo  vero,  cum  in  nno  sacpe  libro, 
aut  carraine  adeo ,  complura  philosophiae  genera  inter  se  nunc  compa- 
renlur,  nunc  copulentur,  nunc  sibi  opponantur;  quam  accurata  omnis 
philosophiae  antiquae  scientia  in  eo  esse  debeat ,  qui  eorum ,  quae  Ic- 
git,  verum  pervidere  vult  sensum ,  nnusquisque  facile  intelliget.  Con- 
tra detur  mihi  aliquis  antiquorum  interpres  ex  schola  quacunque  philoso- 
pJiorum,  qui  hoc  saecnlo  vel  familiam  duxerunt,  vel  adhuc  ducunt; 
haerebit  in  singulis  paene  verbis ,  et  tnm  maxime  caecutiet ,  cum  plu- 
rimum  videre  sibi  persuaserit;  ubi  nempe  verba  utrique  scholae  sunt 
comraunia,  in  intellectu  vero  et  vi  eorundem  maxima  est  distantia  diffe- 
ritasque.  Ilistorica  itaque  philosopJiia ,  prout  classicis  scriptoribus  est 
accommodatissima ;  ita  vicissim  lii  illi  operam  tradunt  mutuam,  et  alunt 
eam  ornantque  lautissime.  Nam  ipsos  fontes  recludunt,  unde  illa  pu- 
rissime  et  maxima  cum  suavitate  liauriatur.  Eademque  opera  volenti- 
hus  apte  of nateque  loquendi  conciliant  facultatem ,  magnum  sane  cora- 
modum.  Quae  cum  ita  se  habeant ;  cum  historica  phtlosophia  multipli- 
cem  ph'dosophandi  materiam  suppeditet;  cum  tardius  assentiri  assuefaciat 
adolescentes;  cum,  quae  dicuntur ,  severius  exarainandi  faciat  potcsta- 
tem;  cum  deniquc,  si  non  tantum  ex  corapendio  aliquo ,  sed  ex  aucto- 
ribus  vetustis  usu  ipso  addiscatur,  simul  cogitandi  illam  dicendique  no- 
bilitatem  concedat:  quis  est,  quL  eam  philosophiae  seculari ,  quae  bis 
plerumque  contraria  efficit,  longe  esse  praeferendara  neget,  dubitetve? 
Sed  non  tantum  sacculum  est,  varie  transfigurare  doctrinae  partes; 
sed  saeculum  etiam  est,  reliquis  tantum  non  neglectis,  nunc  has,  nunc 
alias  ornare  impensius ,  maiorique  colei;e  studio.  Quin  videmus  eius- 
dem  disciplinae ,  vel  artis  ,  partes  quasdam  saepe  accuratissima  tractari 
diligentia,  dum  caeterae  interim  velut  abiectae  iaceant.  —  Qnaeris 
exemplum?  —  Historia ,  cuius^  utilitas  latissime  patet,  raro  universa 
aequo  ardore  est  tractata.  Sed  qui  eam  curarunt  versati  sunt  nunc  po- 
lissimum  in  sacra;  nunc  in  civili ;  nunc  in  arttiqua ;  nimc  in  reccntiori ; 
nunc  in  ea ,  quae  medii  aevi  rebus  obscuris  lucem  afferre  studet ;  nunc 
in  litteraria;  nunc  in  naturall;  nunc  in  alia  quacunque.  Tulit  ea  con- 
suetudo  in  f  undo  litterario  hunc  fructum ,  sane  qnam  eximium ,  tit  sin- 
gulae  partes  excultae  sint  tanto  exquisitius.  —  Sed-quacritur  an  eadem 
in  scholis  sit  admlttenda?  Etiam  hie  cavebimus,  ne  praecipitetur  respon- 
8um  ,  sed  reddatur  circumspecte  ,  distincteque.  Ante  omnia  igitui*  hoc 
generatim  pronuntiari  recte  posse ,  vcrissimeque  arbitror,  illud  his,  qui 


Niclas:  quatenus  bcholac  saeculo   cedere  deLcant.  213 

regant  scliolas ,  inprimis  magnoperc  cordi  esse  debcre ,  ut  ne  circulus 
iüe  Utterariim,  quem  Graeci,  quihus  Miisu  ctiain  hie  ore  loqui  rotundo 
dedit,  iyy.v>ilonai6£iav  vocaiit,    ullo  modo  dlriniiitur. 

Est  cniiu  doctrina  umim  quoddaiii ,  quod  non  debet  divelli ;  et 
sunt  liberales  tliscipliuac  quadam  quasi  coutiiiuatione  inter  se  iunctac 
omnes,  sibique  iunexae  implicitaeque  vinculo  indissolubili ,  adeo  ut, 
qui  solvcre  aut  runipere  hoc  viucuhim  audcat,  litteri^j  inferre  cahiraita- 
tem  maximam  aniaieque  pestem  putaudus  sit.  Ad  haue  gravissimam 
caussam,  acccdit  alia  haud  sant;  le\ior,  haec  scilicet:  Cum  ing-cniorura 
maxinia  sit  divei?Itas ,  aliudquu  ad  alias  disciplinas  magiü  a  natura  sit 
inclinatum;  pro^idcri  omni  modo  in  sdiolis  debet,  ut,  quantum  fieri 
possit ,  disciplinarum,  quae  quidrm  ad  iclicitatem ,  vel  publicam ,  vel 
privatam,  aliquod  momentum  habcant ,  cognoscendarum  omnium  detur 
copia.  INequc  vero  hoc  solui^;  sed  opera  ctiam  adlüheatur  nccesse  est, 
ut  unusquisque  ex  omnibus,  quae  traduutur ,  tantum  accipiat,  quantum 
ad  iihim  discipUnam ,  quam  sibi  unus  allquiä  clccturus  sit ,  cui  peculia- 
rem  impcndat  opcram,  cum  inielUgcndam ,  tum  vero  etiam  ornßnrfanj, 
opus  sit.  l£is  itaque  universim  sie  constitutis,  negari  non  potest ,  esse 
quandam  in  his  qiioque  litteris ,  quibus  iuvenilem  aetatem  innutrire  so- 
Icmus,  quae  adolescentibus  ob  animovum  angustiara  non  ad  plenura. 
hauätum  possint  propinari ,  sed  ubi  sali»  sit ,  gustum  iis  dedisse.  Sic, 
ut  hoc  utar ,  in  philosophia  multi  loci  sunt,  quorum  dlfTusa  tractatio  re- 
ctius  dilTeratur  in  maiorem  aetatis  ingeniique  maturitatem;  et  ubi  re- 
ctius  breviter  defungatur  magister,  contentusqne  sit  data  occasione  tan- 
timi  dixisse,  quantum  apus  sit  ad  intcUigendum  auctorem,  qui  philoso- 
phcn;nta  huiuscemodi  forte  attigit.  ka ,  de  qua  ante  commeraoravi,  ad 
historiam  ut  redeam,  illius  institutio  neque  adstringi  ad  unam  aliquam 
eiusdcm  formam ,  seu,  ut  vulgo  dicere  amant,  speciem,  debet;  neque 
vero  in  illo  immenso  mari  tanquam  plcnis  velis  vchi:  sed  debeut  vasta 
illa  spatia ,  ad  quae  emetienda  vix  vita  hominis  sufficit,  ante  omnia  ac- 
curate  describi;  debent  epochae  tanquam  diversoria  constitui,  ubi  pe- 
regrinantes  interiungant;  debet  vniversa  hisloria ,  ||uam  late  illa  patet, 
coniici  quasi  in  locos  geographicos  chionologicosque  niemoriae  firmiter 
iniprimendos,  Verbo,  non  licet  ita  rem  gerere,  quasi  splendidum  illud 
domicilium  ,  in  quo  habitarc  aliquando  hi^toricus  vult,  statim  oxaedifi- 
cari  debeat:  verum  ab  initio  tantum /i/Ju/«f/JCHfa ,  sei  ßrmisshna,  po- 
nenda  sunt,  quibus  omne  genus  historiac ,  prout  cuique  commodum  vi- 
deatur,  queat  imponi.   —  llactenus  haec! 

lam  cum  in  scholis  non  ingcnium  modo  iuventutis  alcndum ,  et  cru~ 
dilionis  fundamenia  solida  agenda  sint ;  sed  quod  summum  bona  in  edu- 
catione  est,  cum  aninius  ad  omnem  virtutcm  conformari  assuefierique 
debeat;  nova  de  jnoribus  publir.is  exi?tit  quaestio.  Sed  haec,  ut  est  gra- 
vissima,  ita  bre^issime  polest  finiri.  ]\imirum  si  m^ircs  sacculi  vitiis  con- 
taniinati  sjnt,  summa  vi  niti  debent,  quibus  institutio  publica  manAdld, 
est,  ut  revoccntur  ad  meliora  fulei  suae  credili  adolcscentes.  Hie,  quan- 
tam  opportuniLatem  praebeat  lectio  auctorum,  qni  ob  praestantiam  suara 
classici  vocantur ,    quia  inter  ecriptores ,    poeit  sacros ,  principcra  locum 


214  A  b  h  {i  11   d   1  u  n  g   c   n. 

merlto  obtinent,  dici  tIx  potcst.  INtiiu  cum  nuda  juacccpla  segiiiiis  irri- 
tent  animos;  excmplu  contra  in  iitraiuque  partem  IIlos  veheiuenti*!«ime 
iinpellant ;  (|uantuiu  illa  antiquitatis  oh  luormii  inpriiuis  sanctitatem 
eumiuo  venerandac  opcre  monuincnta  ad  corrigaida  sacculi  vilia  va- 
leant;  qulscst,  qnin  per  sc  perspiciat'^  Anmius  iliemaj^nus,  yui  sü- 
lam  miruiur  virtutcm,  et  culpam  solam  timct;  divitiarum,  honoruiii,  vo- 
luptatum ,  inlmicitiarum ,  laborum  ,  perlculormu ,  et  mortis  deuique 
contemtor  ille  animus ,  quem  pepcrit  iiutrivitquc  saiictii>sima  illa  omuiä 
virtutis  raatcr  et  nntsix ,  fnigalitas ;  ille  igitur  ercctus  qiiondam  animus, 
undc ,  secnndinn  illam  historiae  sucrae  parteni ,  quae  Martyrum  heroica 
facta  exequitur ,  quam  liinc,   certius  poterit  resuscitari? 

llunc  ßiiem  ouiies  qui  in  schuUs  docent  sibi  liabeant  propositum. 


Jurispiiidentla  in  Ciceronis  oratione  jfj/'o  Tull'io  accuratius 
exponitur  interprete  Carolo  Beiero. 


x^ies  diem  docet,  Sed  si  quam  aliam,  vel  maxurae  (»i  vera  faterl  vo- 
lumus)  vita  communis  comproTjat  illam  sapientissumillomeri  sententiam 
U.  K.  224. 

2!vv  TS  8v'  iQxofitvco.  aal  te  tzqo   6  rov  ivSrjasv, 

OuTtCOS     K£q80S     iT]. 

Ea  de  causa  veteres  scriptoresiucubrationes  suas,  antequam  in  Miedio 
proponcrent,  doctis  atque  iutelligcntibus  arbitiis  recitarc  soltbant,  iit, 
quae  Iii  notassent,  retractarent.  Quod  cum  nobis,  Tuilianarum  oratio- 
nuin  fragmenta  ab  Amedeo  Pcyrone  in  lucem  protracta  commcntanti- 
bus  non  licuisset,  factum  est,  iit  pi-aesertim  de  rebus  quibusdam  foreu- 
eibus  in  oratione  illa  j^ro  Tullio  disceptati»  aliorum  W.  DD.  aucto- 
ritate  atque  aliqua  s^ecie  veri  de  recta  via  avocati  quosdain  erraremus 
errores,  a  quibus  primus  coraiter,  ut  solet,  literis  hmuauissumis  ac  iu- 
cundissumis  ad  nos  datis ,  rcvocavit  nos  Frid.  Haenelius,  qui  Vir  lUu- 
etris  dudum  Academiam  nostram  eximie  ornarat,  nunc  potentissumo  Sa- 
xonum  Regi  a  consiliis  est  in  consistorio  suprerao.  Ego  Aero  pri- 
mum  diligentiam  adhibendam  arbitror,  ut  errores,  quoad  ficri  possit, 
evitemus ;  deinde  severitatem,  ut  errorum,  a  quibus  cavere  uon  satis 
potuerimus,  faciles  redargui  nos  patiamur  eosque  liaud  cunctanter  con- 
fiteamur.  Itaque  liac,  quae  primum  datnr,  utemur  opportunitate  ex- 
promendi  ea ,  quae  nos  elegantissumus  ille  iuris  civilis  auctor  docuerit 
de  fundamcnto  actionis  a  M.  Tullio  institutae.  Controversia  fuerat  inter 
hunc  et  P.  Fabium  dj  centuria  quadam  agri,  quam  prior  TuUii  vicinus 
Claudius  Senator,  cui  semel  §  14  C.  ;  M.  autem  praenomcn  tcr  §  29 
ascribitur,  cum  P.  Fabio  vendidisset  agrum  finitumum,in  finibus  demon- 
strandis  auctor  non  tradiderat  vacuam,  li.  e.  itd,  ut  nemo  allus  eam  pos- 
eessionem  iure  avocaret,  e.  g.  conductor  possessionis  sibi   locatae,  aut 


Beier:  de  iurisprudcntia  «in  CIc.   orat.   pro  Tiilllo.    215 

heres,  aut  crcditor,  interprete  Haenelio ,  qui  comparat  D.  XIX,  1  de 
aciiojiibits  cmpti  et  vauiiti  fr.  2  §  1  fr.  3  pr.  §  1.  Adde  lih.  IV^  ad  He- 
rcnn. 2«),  40,  Hb.  III  in  Tai:  28,  ()9  fiii.,29,  70  pr.  et,  uLi  liaec  forniula 
in  allusione  usiirpatur,  111  de  vr.  ol,  122.  T'acua  igltiir  possessio  dicitur 
ca,  fiiius  traditionem  nemo  adest  qui  inipediat,  ut  hie  ricinus,  domi- 
nus illius  centuriae.  Cf.  Brissoniuni  v.  vacuus  et  Savinii,  \iri  Gen., 
librum,  das  Ihclit  des  Btsitzcs  §  11  ad  fin.  A  enditor  ille  dicitur  auctor 
ut  pro  Caec:  10,  27,  quia  praestare  debebat  fundi  venditi  evictionem  et 
carere,  ne  ricinus  in  cmptorL»  fraudem  sui  agri  lines  proferret.  Cete- 
runi  tisum  co  si^nificatu,  quo,  ut  l'hcursu  II  exposuimus,  in  XII  tabu- 
lis  oj)ponitur  auctoritati,  ita  tarnen,  ut  ex  tuo  rei  tisti  tibi  acccdat  deni- 
que  per  itsucapioncvi  aucloriias ,  quae  piioris  domini  amtoritutcm  eie- 
ret ac  tollat,  subtiliter  Ilaenelius  distiiiguit  ab  nsu  vel  itsii  fructu,  qui 
rocatur  apud  posteriores  iuris  auctores  ,  rerbi  gratia  1.  26  D.  de  usu 
et  vsu  frudu  Icgat.  et  /.'35  de  bon.  Ubert.  llis  eniiu  sie  dicitur  ins  in 
re  aliena  utendi  fruendi  fundatiuii  fere  pacto  conrento  rel  testamento, 
qnod  multos  per  annos  exerceri  potest  salva  proprietate  alius  cuiuspiam, 
ad  quem  recidat  obitu  usuarii  rel  fructuarii:  tum  rero  proprletas,  quae 
deducto  usu  fructu  dicebatur  nuda,  fit  solida.  Contra,  cum  fructuarius 
ad  usum  acquirit  etiam  doiuinium ,  haec  dicitur  cpnsolidatio.  INcc 
tarnen  demonstrationem  finium  pertinuisse  ad  acquisitionem  dominii  ne- 
que  semper  cum  traditione  fundi  coniunctam  fuisse,  sedrel  ante  relpost 
fieri  potuisse  ericit  idem  V.  D.  laudato  Cerridio  Scaerola  in  D.  XIX, 
1  de  act.  emt.  et  vend.  l.  48.  Sed  cum  Fabius  iam  ante  fines  demon- 
sti'atos,  cum  emytionis  eum  paeuiteret,  maiorem  agri  modum  proscri- 
peisset,  quam  ipsi  tradi  posset  ab  auctore,  eins  socius  Acerronius  pro- 
pterea  Romae  a  TuUio  appellatus  confidenter  potuit,  quod  commodum 
fuit  (nenipe  ad  se  et  socium  excusandura,  Tullio  autera  appellanti  silen- 
lium  imponendum,)  respondere,  nondiim  audorem  fines  demonstrasse. 

Qua  in  controrersia  ut  possent  ins  suum  experiri:  constitutum 
fuerat,  ut  ficret  deductto  moribits ;  sed,  antequam  liaec  fieret,  eruperat 
ris  atrox  et  dolo  malo  familiae  P.  Fabii  ri  hominibus  armatis  coactis- 
que  damnum  datum  fuerat  M.  TmHIo.  Dcductio  modbus  dicebatur  item 
vis  ex  convcntu,  quia  inter  partes  de  'ea  conrenisset ;  erat  igitur  iraagi- 
naria  et  dirersa  ab  deicctionc.  quae  facta  esset  ri  atroci  et  solida,  h.  e. 
ncccssitate  imposila  coniraria  voluntati,  ut  interpreteni  adliibearaus  Ulpia- 
num  in  D.  quod  metus  causa  fr.  1.  De  intern  eniente  post  deiectionera 
interdicto  illo'),  quod  a  priniis  rerbis  nomine  sollemni  usurpatur 
L.\DE  J  I,  consenseram  equidem  cum  Sarinio,  Viro  Perill. ;  errare- 
ram  tanien  in  eo,  quod  deductionis  moribus  factae  cundeni  atque  deie- 
ctionis  erentum  fuisse  rcbar.  Crcdideram  ctenim  Cramero,  IncUito  iuris 


*)  Inintcrdicti  vocaljulo  praepositicmia  vim  Haenelii  aeumen  non  refert  ad 
partes  litigantct-,  t^cd  cum  Gaio  1\',  110  ad  id,  quod  jirüliibcrclur:  uiide  vocabulum 
tralatum  bit  ad  id,  quod  lieri  iubcretur,  ncuipc  postquaiii  aliquid  factum  cssfct  contra 
bonos  morca,  qund  prohibciuhim  fucral.  Et  baue  bic  dicitur  i  u  t  e  r  fari, 
iutcrloqui,    iotcrpellare,    iutvr  venire. 


21G  A  b  h  a  n  d  l  11  n  g-  e  n. 

Antecessori,  eiusqiie  tiiiic  teniporis  collegae,  Ilcinrldiio  ,  ad  §  18  — 
20  p.  251  ed.  nostnie  ceii'sciitibiis  dcductionein  luoi-iliiis  co  tuntiim  con- 
silio  factani,  quo  statim  possct  ad  inttrdlcta  veiiiri  fiiis#cqiie  quai»! 
praeparatoriaiu  iiitcrdicti  de  vi  qiiotiiliaiia.  Atquo  liaec  «iiiiiia  luce  cla- 
riiis  patere  apiul  Ciccronein  affiniiantes  tarn  gravcs  diiiuuvu-i  auctori- 
tatc  siia  et  confulciitia  nos  äubtiinidosi  Itoniines  et  nobisniet  dilTidentcs 
totos  sibi  niaiulpaveraiit  et  in  ipsoriim  patrocliiiu  acquiescere  coegcrant. 
Sed  iam  plenissume  mihi  persuasit  Haeiielius;,  Savinianae  seiiteiitiae 
vindex ,  iiicrcdibile  esse  quemquam  possessorem  hoc  gratificatui'uin 
fuisse  adversario,  iit  vis  ex  coiiventii  fieret:  qua  facta  alter  iuterdicto 
posset  cum  ipso  experiri,  praescrtiiu  qui  numquam  possedisset :  qua  in 
re  ipse  etiam  Fabii  postulatiouciu  miratus  fueram  p.  2(»2,  cum  £acile 
praeviderera  adversum  ei  litis  exitum.  Itaque  relinquitur  hoc,  ut  Savi- 
nius,  cui  assentiri  videtur  b.  llauboldus  in  epiciisi  ad  Ilehiectii  antiqq. 
Roman,  iurispritdentiam  illustrantinm  syntagma  IV,  6  §  24,  25  p.  950,  recte 
censuisse  videatur  deductionem  moribus  factam  pertinuisse  ad  praepa- 
randam  vindicationera  ex  iure  Quiritium.  Hoc  tarnen  in  ambiguo  reli- 
qult  Air  Perill. ,  queniadmodum  ea  cum  ritu  vindiciarum  snmcndarum 
coniuncta  fuerit  et  quo  consilio,  Suspicor  equidem  eam  institutara 
esse  ad  definiendum,  uter  foret  petitor,  cui  res  esset  vindicanda,  uter  pro 
possessore,  cui  illius  auctoritas  vindicandi  esset  infirmanda.  |taque 
coniuncta  esse  poterat  cum  vocatione  in  ins  et  cum  vadinionii  promis- 
sione.  In  lito  vindiciarum  autem  ipse  petitor  poterat  constitui  intei'im 
possessor :   id  quod  colligimus  e  Gaii  institt.  IV,  16. 

Magis*  etiam  paenitet,  me  credidisse  Amedeo  Peyroni ,  qui  ad  § 
7  ed.  nostrae  p.  235  iudiciiim  de  damno  vi  coactis  armatisve  honünir- 
btis  dato  repetit  ex  intcrdicto  quodam,  fantum  non  eodem  atque  illo 
de  vi  armata.  Iluius  erroris  quasi  quadam  contagione  infectus  occu- 
pato  iudlcio  non  satis  attendi  ad  verissumam  Savinii  sent<!ntiam  eaiu- 
que  meis  verbis  intcrpretando  in  partes  trahere  insciens  conatus 
sum ;  sed ,  quod  mihi  accidlsse  magis  etiam ,  quam  f ortasse  ipse  Vir 
Perillustris ,  aegre  fero ,  sie  de  eius  veritate  detraxi.  Et  sane  quo- 
niimis  ab  hoc  errore  caverem,  in  causa  fult  illud ,  quod,  si  villa 
tantum  M.  Tullii  incensa  disturbritaque  fnisset  nee  vei'o  homines  pes- 
sura  dati,  postulari  potuit  interdictum  QUOD  fl  AUT  CLAM.  Vide, 
sis,  liuius  erat.  §  53,  ubi  ad  verba:  si  hodie  postulcm  \ntell\gei  inter- 
dictum, ut  restituas  etc.  INunc  vero  tota  familia -ingulata  cum  unus 
Philinus  graviter  saucius  e  caede  effugisset  rei  tam  atrocis  nun- 
cius  (§  22):  poterat  sane  M.  Tullius  videri  quasi  deicctus  de  centu- 
ria  controversa  postulasse  interdictum  de  honiinibus  armatis, 
quo  intcrdicto  simul  rcstitueretur  DAMNUM  DOLO  MALO  DATUM. 
Etenim  interdictum  illnd  DE  VI  ideoque  multo  magis  hoc  d  e 
armatiä  hominibus,  quippe  vi  atrociore,  non  solum  rcstitnere 
iubebat,  unde  aliquis  deiectus  esset,  verum  etiam,  quae  tunc  ibi  hahcict: 
ut  ait  ipse  Praetor  apud  Ulpianura  in  D.  hoc  tit.  (XLllI,  16)  ir.  1  pr. 
Itaque  fundo,  a  quo  vi  expulsus  essem,  restituto ,  ceteris  vero  rebus, 
quae  ibi  tunc  habueram,  non  restitutis,  si  vi  bonorum  raptorum 


Beler:    de  inrisprud  cn tia  in  Cic.  orat.  pro  Tiillio.    217 

(vel,  qubd  perinde  est,  ilainui  dolo  iiialo  dati)  de  Imiiisniodi  rebus  vel- 
leiu  cxperiri,  potcram  hoc  nico  arl)itrio  habere,  ^t'A  tntcidiclum  nihilo 
viiniis  ti'iicbat :  secundum  eius^d.  leg'.  §  32  adeoque,  ctiam  si  homines 
vd  pccora  ihnwrtua  csscnt  poH  dcicclioiicm,  iutcnUvlo  loctim  fuisse  scri- 
ptum Ic'iimus  ib.  §  34.  Dadi^HC  sciibit  Juliamts  cum  qui  vi  dciecit 
ex  eo  praedio,  in  quo  li  mincs  fucrant,  jyropius  esse,  ut 
etiain  sine  cidpa  eins  mortuis  h  m  inibus  aest  i mationcm  eo r u m 
per  I  nt  e  r  d  i  c  t  u  m  r  e  st  i  t  u  c  r  e  de  beut.  §  35.  Ilitic  conseqiicns  esse 
ait,  «t  rlllae  qiioquc  et  acdium  incendio  c  onsnmptarum  prc- 
tium  restilucre  logalur.  Quid  igitur  ccnseiuus  si  ipsius  dolo  malo  per- 
ieriiit  lioniiiies  inceusaeve  aedes  fuerint?  Cf.  Savinii ,  Viri  Perill., 
additamentuui  ad  g  40  ed.  IV.  lihri  pereruditi,  das  Jieclit  des  Besitzes  p. 
414  sq.  l'iaeterea  illud  lue  fefellit,  quod  in  luic  ips:a  orationc  f>ro  Tul- 
lio  §2!),  30,  44,  45  exponitur  aiitiqiiius ,  illud  iuterdietum  de  Vi 
eiquc  opponitur  aliud  quoddam  recentius,  ut  videtur  ideni,  quod  in  or. 
pro  Cäcina  11,  32  seqq.  c.  19,  55  seqq.  benc  exponitur,  de  li  o  in  i - 
nibus  ariuatis  §  46.  jige  illud  alt  er  um  inter  dictum  con- 
sidercmus,  quod  item  nunc  est  constitutum  propter  e  an  dem  iniqui- 
tatem  ic7nporum.  Ego  voculis  item  nunc  respici  putabam  non  iiisi  ad 
prius  illud  iiiterdictuni,  et  rtescio  an  recte.  Sed  proxuma  verba  pro- 
pter ean-dcm  iniquitatcm  ianporum  nimiamquc  hominuin  [licentiam] 
rcspiiiunt  satis  auerte  ad  superiora  §  8  hoc  iudicium  j^aucis  hisce  annis 
propter  ho  min  um  malam  consucludinem  nimiamque  licentiam 
constitutum  est  .  .  .  M.  Lucullus  primus  hoc  iudicium  composuit,  iieiupe 
de  vi  Coactis  armatisque  homi nibus  (§  J)).  Ei-go  ab  hoc 
haud  arabigue  distinguitur  utrunique  illud  interdictuni,  non  nisi  tum 
gimilitudinis  tum  dissimilltudini»  causa  comparatum  indice  et  teste  For- 
lunatiauo  iu  lihctoric.  Hb.  II  (p.  17  ed.  Capper.)  voluntas  legis  .  ,  .  con- 
sideratur  .  .  .  cum  c x cm plo  multarum  le gum  probamus ,  pr ae- 
sentem  quoque  legem  ita  sentire ,  nt  nos  dcfcndimus :  siciiti  M. 
Tullius  fccit  pro  M.  TuUio.  Eadem  de  causa  ruiltus  fuit  iu  coniparanda 
lege  Aquilia^  quae  puniebat  damnum  iniurid  (v.  Ernesti  ad  Cic.  pro 
Roscio  com.  c.  11  adnot.  25)  vel  damnum  iniüriae :  quae  est  lectio  Flo- 
rentina  in  D.  XLI,  1  de  acquir.  rer.  dorn.  1.  54  §  2.  item  IX,  2  fr.  33 
pr,  in  Gaii  institt.  Veron.  III,  210.  IV,  0,  37,  76  et  in  Justlniani  instt. 
IV,  8,  4.  Ea  si  vera  sit,  equideni  agnoverim  Genitivum  originis,  ut 
feit  damium  ab  iniuria  factum,  per  iniuriam  dalum  (ut  p.  24!)  explicuimus 
usus  uuctoritatem,  usus  capiuncm),  vel  etiam  Genilivuni  effectus,  ut  sit 
damnum,  in  quo  inferendo  fit  iniuria.  Gcrli.  Noodt.  Üb.  sing,  ad  legem 
Aquiliam  (in  0]>p.  Lugd.  Bat.  1724  p.  135)  laudatur  Ilaenelio,  qui  ipse 
damnum  iniuria  datum  persecutus  est  in  libro  egifgio  Versuch  einer 
kurzen  und  fasslichen  Darstellung  der  Lehre  vom  Schadenersatze.  Lipsiao 
1823.  8.  §  34  —  36.  Videtur  autcui  iudicium  de  vi  coactis  arma- 
tisque hominibus  M.  Luculli  l*i'a(;toris  edicto  constitutum  fuisse 
diversura  pro  re  nata ,  modo  vi  armatis  li  um  inibus  damui 
dati  (§27)  modo  vi  bonorum  ra  p  to  r  u  m,  modo  utriusque  liuius 
delicti,  ut    in  hac  ipsa  causu   §  42.      la  hoc  iudicio   videlis  agi  de  vi; 


218  Abhandlungen.       , 

videtis  agi  de  hominibus  armatis ;  videtis  acilißciorum  expugnationes, 
agri  vastationes,  hoviinum  tr'ucidationcs  ,  incendia, 
rapinas,  sanguinem  in  iiidicitim  venire:  qiü  locus  cgrcgio  convenit 
cum  ipsis  Praetoris  vcrbis  in  D.  XLVII,  S  l.  2  pr.  Si  cui  dolo  mulo 
hominibus  coactis  damni  quid  factum  esse  dlcetur,  sive  cuiusbona 
rapta  esse  dicentur  .  .  .  iudicium  dabo.  Comprobat  liaeiielius  §7 
receptani  a  iiobis  Icctionem  damniim  datnm,  quippc  in  formula,  cum  sol- 
leraniter  sie  dicatur  respectu  eius,  qui  fecisse  dicitur;  contraque  da- 
mntim  factum ,  ut  Peyron  ediderat,  et  rarius  et  respectu  eius,  cui  illa- 
tum  est.  Itaque  fortasse  etiam  §  32,  ubi  in  cod.  legitur :  si  ita  iudi- 
cium datum  esset,  QUJNTAE  PECUNIAE  PAKET  A  FAMILIA 
P.  FABI  HOMINIBTS  ARMATIS  DAMNTM  M.  TVLLIO  .  .  .  TUM, 
rectius  supplcbitur  DATUM.  Kescio  autem  an  ibi  in  ea  formula  con- 
eecutio  temporura  poscat  luiius  gerainationem  syllabae,  si  pareret,  ut 
in  divin.  in  Caecil.  17,  56.  Et  actioneni  quideiii  vi  bonorum  rapto- 
rum  Luculli  edicto  constitutam  probe  ab  interdicto  de  vi  armata  seiun- 
xerant  removerantque  duumviri  cati  et  Cramerus  et  Savinius  in  Jano 
6UO  iuris  perito  (Zeitschrift  für  geschichtliche  Rechtswissenschaft)  vol. 
III  t.  3  p.  433.  Ergo  quod  apud  Ulpianura  in  Digcstt.  XLVII,  8  fr.  2 
§  18  scriptum  extat:  Si  quis  suam  rem  rapuit,  vi  quidcm  bonorum 
T apiorum  non  tenebitur,  sed  alitcr  mullabitur,  id  commodissumc  ex- 
plicare  videtur  Haenelius,  äpposite  laudata  lege  Iidia  de  vi  privala 
ibid.  §  1  et  od  leg.  lul.  de  vi  priv.  (IIL,  7)  fr.  5  vel  etiam  decreto  Di- 
vi  Marci  in  D.  (IV,  2)  Quod  vietus  causa  gcstum  erit,  1.  13,  nisi  forte 
locus  ille  adiectis  verbis  sed  aliter  •multabitur  interpolatus  fuerit  a  Tri- 
boniano,  respiciente  ad  constitutionem  Imppp.  Valentiniani,  Theodos'ii 
et  Arcadii  in  Cod.  Justin.  VIII,  4  nnde  vi  1.  7  id  quod  acutissunio  iuris 
interpreti  probabilius  fit  eo,  quod  idem  Tribonianus  in  Justiniani  in- 
stitt.  IV,  2  §  1  in  ipsa  expositione  rfe  vi  bonorum  raptorum  laiidat  Di- 
vales constitutiones,  quibus  pro  hac  parte  prospectum  est ,  wt  nemini  liceat 
vi  rapere  vcl  rem  mobilem  vsl  se  moventem,  licet  suam  eandcm  rem  existi- 
met:  sed  si  quis  contra  statuta  Principtan  fecerit,  rei  quidem  suae  dominio 
cadere:  sin  autem  aliena  sit,  post  rcstitutionem  eius,  etiam  aestimationcm 
eiusdem  rei  praestare.  Praetcrea  Haenelius ,  Vir  111. ,  adraonet  haue 
actionem  distingui  etiam  ab  actione  damni  in  t  u  r  b  a  facti 
item  poenali,  sed  in  duplum,  in  D.  IIIL,  8  (vi  hon.  rapt.)  fr.  4.  Actio- 
nes  ex  interdictis  rcstitutoriis  erant  in  simplum,  nimirum  ut  actor  recu- 
peraret  amissam  posscssioncm ;  nuUam  liabebant  poenae  adlectionem, 
nisi  facta  esset  sponsio ;  nam  tum  quidcm  poenae  nomine  accedebat 
sponsionis  et  restipnlatlonis  atquc  interdum  etiam  fructus  licitationis 
summa,  ut  expo&uimus  Excursu  IV,  p,  2f)l>  seq.  Contra  nostra  liaec- 
actio  erat  in  quadruplum  idque  sine  ulla  sponsione:  id  quod  arguit  for- 
nmla  §  7  proposita  cum  taxatione  damni  facti.  Hoc  vocabulum  anti- 
quiores  scriptores  usurpant  de  petitore  (\ide  Gaii  locos  a  nobis  p.  2fiG 
laiidatos);  sequiores  fcre  de  ipso  arbitro ,  ut  illi,  quos  Haenelius  lau- 
dat,  Paulus  in  D.  IV,  3  de  dolo  mala  fr.  18  pr.  atqiie  Ulpianus  D.  \l, 
1   de  rei  vindicat.  fr.  C8  et  XII,  3  de  in  Ut.  iur.  fr.  4   §  2.      Ncscio  an 


Bcier:  de  iiirlsp  r  u  il  on  t  i  a  in   Cic.   orat.   pro   Tullio.    219 

usus  loqueiuli  sie  inutiitus  fiieilt  co,  quod  ad  taxalioncm  ab  iict(trc  posi- 
tain  aibittr  aestunuUioiiem  Ulis  accoiuniodiii-e  debebat  ita,  ut  Jie  pluriä 
Cüiulciunaret  reiiiii,  quam  taxatttni  esset.  Acstumallonan  siniul  coiu- 
prehcndcre  videtur  ap.  Senccam  IJontrov.  IV,  27  p.  Bip.  -5)7  taxationc 
defunoi  damnatum  aiit  iniuriarum  pocna.  Rulia  igitur  sponsione  l'actii 
a  Tullio :  tanion  in  priore  actione  testes  intcrrofj^ati  fucrant.  Eo  spe- 
ctat ipsniu  oi'aliouis  pihuipiuiu ,  iibi  evanidac  literae  y/»»^»  •S^^,,» 
ü./  lacilhuue  sie  suppieri  posse  videntur:  Anica  sie  hanc  causam 
cGGREiSUS  Eio^I  (vel  FLEr«^l)  lltciperaforcs,  ut  nunquam  diea/ros 
advcisarios  aibilrarcr  ete.  Stquitur  eniiu :  Itiiquc  animo  soluto  a  cura 
et  a  cogHaLiuiic  vener  am  etc.  Siiuilitei*  Antonius  de  sc  ap.  Cieer.  da 
or.  II,  44,  18()  cum  aggrcdior  äncipitcm  causam.  Abruptiuu  rei 
ati'ocis  narrationein  §22  sie  satis  coinmode  suppleveris :  „Cinu  am /et 
in  comm"  une  consnluisscnt:  placuit  prius  congressu  et  constituto  de 
tantis  iuiuriis  experiri:  h.  e.  die  Güte  zu  pflegen.  Vid.  I.  Klerk  de  Cice- 
ronis  or.  pro  Coelio  (L.  B.  18-5.  8.)  ad  c.  A III  p.  75  seqq.  Item  §  36 
iam  sie  snppleverbn  post  vv.  non  id  solum  agitur  —  lüanteiu  lacunaiu  — 
„  in  fioe  iudieio ,  Rcciperatoies,  ut  IM.  Tullius  per  sententias  vestras 
buuni  ius  teneat".  Actioni  TuUü  advcrsarius  exeeptioiicm  opposuerat 
Lanc,  ut  dolo  malo  se  fecisse  infitias  iret.  Cicero  autciu  §  29  hanc  stran- 
gulat  replicatione,  ia  vi  dolum  mulum  inesse :  de  qua  al)  iui-econsultia 
recepta  scntentia  Haenelius,  eruditissimius  explanator,  comparat  ülpiani 
verl)a  in  fr.  2  §  S.  D.  vi  hon.  rupt.  (HIL,  8)  qui  vini  facit,  dolo  malo 
facit :  idemque  elficit  coUigens  summam  sententiarum  inter  se  couipa- 
ratarum  in  D.  IV,  2  (quod  mcius  causa  gestum  erit)  fr.  1  quodciimque 
vi  atroci  fit,  id  m  etu  quoque  fieri  videtur,  et  fr.  14  §  13.  cum,  qui 
metum  fecit ,  et  de  d  o  l o  icneri  certum  est.  AHae  adversarü  exee- 
ptiunes  niemorantur  Iiae  §  54.  At  servus  mens  non  comparet,  qui  visus 
est  cum  tuis;  at  casa  mea  est  incensa  a  tuis.  Respondet  Cicero:  Quid 
postea  ?  Hoc  sequitur ,  ut  familia  M.  Tulli  eoncidi  oportuerit  ?  vix  (me 
llercide!)  ut  corium  pcti,  h.  e.  ad  dominum  aeccdere  te  pctcntera, 
ut  noxios  servos  verberibus  castigari  iuberet.  Sic  Seneea  de  constan- 
tia  sap.  V.  14.  Ille  pusilli  animi  est,  qui  sibi  placet,  quod  ostiario  libere 
respoudit,  quod  virgam  cius  fregit :  quod  ad  dominum  accessit  et 
petiit  corium:  ubi  Murctus :  i.  e.  petüt,  ut  osliarius  vapulet.et  sibi 
de  corio  eins  satisfiat.  Rectius  hie,  quam  Lipsius  in  n.  127.  „Phrasim 
quis  e  Latio  milii  pracstat ?  Ego  olira  voh'bam  petiit  loru m."  Prae- 
stat  h.  1.  Tullius,  et  Plautus,  apud  quem  in  Mostell.  V,  I,  19  ipse  do- 
minus serio.  suo  iratus  sie  loquitur  :  Cuius  ego  hie  ludificabo  co- 
rium, si  vivo,  probe.  I'crgit  Cicero  de  hae  re :  yigi  quidcm  usilalo 
iure  et  colidiana  actione  potuit.  l'robata  interpretatione  nostra  de  fugi- 
tivo  in  saltus  adujisso  Haenelius  suppeditat  actioncm  de  servo  rorrupto 
noxalem  in  dnpium  e  IJ.  \I,  3  (de  servo  corrupio)  fr.  1  pr.  Ait  Prae- 
tor: 'Qu/  serium,  sercum,  alienum,  alienam  rccepissc,  j^crsuasisscve  quid 
ei  dicctur  dolo  malo,  quo  cum,  cam  dctcriorem  facerel,  in  cum,  quanti  ea 
res  erit,  in  duplum  iudicium  dabo :  coli.  ibid.  §  2  et  Cod.  Ixistin.  IX,  20 
ad  leg.  Fab.  de  plagiur.  l.  2.      Hanc  ipsam  legem  n  nobis  agnilum  apud 


220  Abhandlungen. 

Ulpianum  in  D.  XI,  4  (de  fugilio.)  fr.  1  §  2  li.  1.  indlcari  putaraus 
verbis  usitato  iure :  erat  eiilm  Tullio  •  iintiquior.  V.  Hofnuiunl  historiae 
Iuris  Rom.  lustin.  Vol.  I  P.  I  p.  117  et  Christ.  Erdiu.  Deylliig  (praes. 
Car.  Ott.  Recbenberg)  diss.  ad  l.  Fabiam  de  plaglarüs.  Lips.  1745.  4. 
Ea  lege  cavetur,  ut  über  .  .  ,  qui  servo  alicno  scrvaevc  pcrsuaserit,  ut  a 
domino  dominave  fugiat,  vel  eum  eamvc  iiivito  vel  inscienie  domino  domi- 
navc  cclaverit,  invinctum  Jiabuerit  sciens  dolo  mcdo,  quive  in  ca  rc  socius 
erit,  cius  poena  [pccuiiiaria,  v.  D.  tit.  statira  cit.  §  7]  teneatur,  teste 
Callistrato  in  D.  IIL,  15  fr.  6  §  2,  ubi  in  ipso  titulo  inscripto  secun- 
dum  lectionem  et  Florentlnara  et  Noricam  habetur  lex  Fayia.  De  per- 
mutatione  harum  literarum  b  et  v  dixi  ad  §  21  n.  1  p.  263.  Sic  habe 
pro  ave  in  notis  Tironianis  et  berber  pro  fcrvere  in  carmine  fratrum  ar- 
valiuni.  V.  Grotefendi  lateinische  Grammatik  vol.  II  §.  190,  195  pr. 
251.  Illam  orthographiam  cottidiann  et  coiiidie  HaencKus,  eriidltlssumus 
iurisconsultus,  repperit  ctiam  in  Digestorum  lib.  XLITI.  tit.  20  de  aqua 
cottidiana*ct  aestiva  et  apiid  Ülpianiim  tit.  eod.  fr.  1.;  hanc  autem 
volgareni  quotidie  et  quotidiana  iam  apud  antiquiorcs  iuris  auctores  Sal- 
vium  lulianum  et  Neratium  Priscnm  ibid.  fr.  5  et  6  biinilltertiue  apud 
Varron.  de  re  rust.  11,  10  §  4,  quem  locum  tractavit  in  dissertatione 
pereleganti  de  acquir.  rerum  dominio  p.  20  not.  3  cui  pro  IVominativo 
qiii,  quem  reponi  nialuerat  Gesnerus,  Ne  hnc  referas  locum  Cic.  lib» 
I  de  rcpubl.  I,  4  §  4.  Is  enim  fueram ,  cui  cum  Heer  et  ..  maiores  ex 
otio  fructus  capere,  quam  ceteris,  .  .  .  non  dubitaverim  .  .  . 
meis  .  .  propriis  jjecicwh's  parere  commune  reliquis  otium;  nevo  ibi  cum 
Frid.  Car.  Wolffio  ,  ludi  Flenopolitani  Rectore  diguissumo ,  (in  docto 
progr.  a.  1824  edito)  reponas  qui,  animadverte  ad  attractioncra  modi, 
qualis  est  in  Bruti  epistula  ad  Cic.  16  lib.  I.  ad  Brut.  p.  675  Cicer.  ed. 
Orellianae :  Octavius  is  est,  qui  quid  de  nobis  iudicet,  e  x  p  c  ctet  po- 
•pulus  Romanus?  Sed  illuc  re\ertamur,  unde  exorsi  sumus.  Ilis  ita 
retractatis,  quae  in  commentariis  nostris  ad  antiquum  ins  civile  spe- 
ctant,  si  qui  alii  levioris  raoraenti  relicti  fuerint  errores ,  aut  sponte 
cotruent,  si  quis  ad  haec  attenderit,  quae  ex  Haenelii  penn  doctriuae 
liberalissume  suppeditata  sunt,  aut  ab  aliis  W.  DD.  et  de  Tullio  et 
de  eins  interprete  atque  adniiratore  bene  meritui'is  corrigentur.  Vale, 
Lector,   et  fave;   et,   si  quid  novisti  rectius  istis, 

Candidas  imperti,  si  non,  bis  utcre  mecum. 


M   i   s   c   e   1   1   c   11. 


tiine  sehr  ausführliche  Beurtheilung  der  neuesten  metrischen  Ueber- 
sctzungsversuche  des  Homer  von  JFolf  [in  den  literarischen  Analekten  1 
S.  219  u.  III  S.  137],  Konr.  Schwenck  [Zehnter  Gesang  d  er  Ody  s- 
see.    Bonn,   1822.    8.],    K.  L.  Kannegiesser   [Das   erste   Ruch   der 


M  i  s  c  c  1  1  c  n.  221 

Odyssee.  Leipzig-,  1822.  8.],  und  der  Abhandlung  lieber  den  He- 
xameter und  die  Lebe  rset  zun  <ren  in  diesem  Sylbcnmafs 
von  Falbe  [in  SccLodc's  xXrchiv  für  IMiilologic  und  Piidagoj^ik.  1824.] 
etcht  in  der  Jenaischeu  Lit.  Zcitunc:.  182(),  Ar.  45  —  49.  Der  Ueccnsent 
spridit  sich  darin  mit  vieler  L  ni-^ieht  über  die  pro:5odi»chen  und  rhyth- 
uiischen  Gesetze  heim  Hau  de»  Deutscheu  Ilexiimeterei  aus ,  tadelt  vie- 
les an  den  genannten  Uehersetzungen,  und  gieht  eigene  Frohen  einer 
Üehersetzung  des  Homer,  ^lit  Recht  vei'virlt  er  auch  ausser  Kanne- 
giesscrs  grundlosem  tinmischeu  des  Keims  in  den  Homerischen  Hexa- 
meter die  AVülfisclie  Spielerei,  die  einzelnen  l'üsse  de»  Griechischen 
Verses  getreu  v  iedeizngehen  ,  >veil  mau  aul"  diese  "Weise  der  Deutschen 
Sprache  zuviel  Gewalt  anthun  müsse.  Daher  zieht  er  In  Hinsicht  dc8 
^  ersbaues  und  der  AVahl  des  Ausdrucks  die  Vossisc.he  Üebersetzung  vor. 
Seine  Aussteilnngen  sind  sehr  gegründet;  nur  dürfte  noch  zu  erinnern 
seyn,  dass  es  nicht  hinreicht,  den  Sinn  des  einzelnen  Verses  getreu 
•wieder  zu  geben,  den  Hexameter  prosodisch  und  rhythmisch  möglichst 
vollkommen  zu  bilden  und  eine  Sprache  zu  Mahlen,  die  der  Homeri- 
schen an  Einfachheit  und  Kindlichkeit  so  nahe  als  möglich  steht.  .  Die 
Hauptsache  ist,  den  Geist  und  Ton  des  ganzen  Gedichts  aufzufassen 
und  Aviederzugeben,  und  zugleich  der  Sprache  keine  Gewalt  anzuthun 
oder  sie  durch  Einmischung  Griechischer  Wortstellung  zu  entstellen. 
Diese  beiden  Puncte  scheint  auch  A  ofs  nicht  gehörig  beachtet  zu  haben, 
und  besonders  findet  man  sie  in  der  zweifen  und  den  folgenden  Aufla- 
gen seiner  Üebersetzung  vernachlässigt.  Die  erste*  Ausgabe  halten  da- 
her A  iele  für  seine  treueste  und  gelungenste  .Üebersetzung,  obgleich 
der  Vers  prosodisch  und  rhythmisch  noch  nicht  so  gerundet  imd  voll- 
endet ist,  als  in  den  folgenden. 


Die  Erfindung  der  Lancastcr'scÄ  cn  Unterrichtsmethode, 
welche  jetzt  in  America,  namentlich  in  Columbien,  soviel  Beifall  fin- 
det, wird  ilirem  Erfinder  streitig  gemacht.  Der  Russische  Staatsrath 
SZoL'fsoJ'' (Slowzow),  Inspector  des  Schulwesens  in  Sibirien,  fand  nehm- 
lich  im  vorigen  Jahre  bei  dem  Stamme  der  Buräten  (Borriaten)  am  Bai- 
kalsee, dass  die  Lamas  beim  Unterricht  im  Rechnen  und  Schreiben 
sich  dieser  3Iethode  bedienten  f  namentlich  mit  Sand  bestreute  Tafeln 
anwendeten),  und  hörte  von  ihnen,  dass  sie  dieses  Verfahren  von  den 
Thibetancrn  gelernt  hätten,  Avelche  sich  desselben  seit  undenklichen 
Zeiten  bedienten.  In  Indien  aber  fand  Pctcr  della  Jolle  schon  am  Ende 
des  Ifiten  Jahrhunderts  diese»  Schreiben  in  Sand  und  ein  ähnliches  Ver- 
fahren beim  Erlernen  der  Arithmetik.  S.  Abendzeitung  182(»  Nr.  96 
S.  383.  Lancasler,  der  sich  lange  in  Indien  aufhielt  und  dort  seine 
Methode  erfunden  haben  soll,  erlernte  sie  also  walirscheinlich  von  den 
dortigen  Priestern.  —  In  wie  weit  sie  auf  Schulen  anzuwenden  sey, 
hat  zuletzt  untersucht  G'.  F.  Schumacher,  Prof.  und  Rector  der  Dom- 
schule zu  SchlesM  ig:  Einifre  Jf^ortc  über  die  Hell-  Lancaster''- 
»che  Methode.     Einludungsschr.  zum  Schulexamen.  1825.  23  S.   4. 


222  M  i  s  c  e  1  1'  e  n. 

In  Genf  hat  vergangnen  Winter  Hr.  Dr.  Clirist.  Müller  durch  Vor- 
lesungen über  Deuts^che  Literatur  den  ersten  Versuch  gemacht,  die  dor- 
tigen Franzosen  mit  dem,  was  Deutschland  in  den  Wissenschaften,  zu- 
mahl  in  der  Poesie,  seit  den  Minnesängern  bis  auf  luiscre  Zeit  geleistet 
hat,  bekannt  zu  machen.  Sein  Erfolg  soll  glänzend  und  der  Beifall 
ausserordentlich  gewcseu  seyn.  Unter  andern  gefiel  die  Vorlesung  über 
Götlie  so  sehr ,  dass  Müller  einige  Tage  nachher  ein  kleines  Paquet  mit 
der  Anfsdirift :  A  Mr.  Muller ,  Souvenir  de  ses  auditeiirs ,  erhielt  imd 
darin  die  schöne  von  Bovy  in  Genf  zu  Göthe's  Jubiläum  gearbeitete 
Medaille  fand,  auf  der  Göthe  sehr  treu  dargestellt  ist.  Zwei  seiner 
Vorlesungen  (die  Einleitung  und  die  Bemerkungen  über  die  classische 
und  romantische  Dichtung)  hat  er  unter  dem  Titel:  De  la  littera- 
tiire  all  cm  and c  *)  zu  Genf  bei  Pachoud  herausgegeben  und  sie  sol- 
len jetzt  in  Paris  grosses  Aufsehen  machen. 


Mehrere  bisher  unbekannte  Bruchstücke  des  Florus  hat  der  ge- 
lehrte Italiener  Michael  Pansrini  in  einem  Kloster  zu  Verona  entdeckt. 


Die  ausgezeichnete  Sammlung  Aegyptischcr  AltertTiümer, 
welclie  Salt  nach  Livorno  gebracht  hatte,  hat  der  König  von  Frankreich 
für  250000  Fr.  aus  der  Civilliste  kaufen  lassen.  Ausser  mehrern  Sphin- 
xen ,  einem  königl.  Sarkophage  und  117  Kisten  mit  kleinern  Gegenstän- 
den enthält  sie  80  3Ianuscripte  auf  Papyrus,  die  ganze  ein  Basrelief  bil- 
dende Mauer  des  Pallastes  Karnac,  mehrere  Figuren  in  Gold  und  Edel- 
steinen, mehrere  ächte  Griech.  Gemähide  auf  Holz  und  Eins  auf  Lein- 
wand u.  s.w.  Zu  Paris  soll  sie,  in  einer  besondern  Abtheilung  für 
Orientalische  Denkmäler,  in  dem  königl.  Museum  (im  Louvre)  aufge- 
stellt, und  unter  die  Aufsicht  Chämpollion''s  d.  Jung:  gesetzt  Averden, 
der  dann  in  den  Sälen,  avo  diese  Monumente  stehen,  Vorlesungen  über 
Aegyptische  Altertliümer  halten  wird. 


Die  bedeutende ,  besonders  im  Fache  des  Griechischen,  Römischen 
nnd  Sächsischen  Rechtes  sehr  vollständige ,  und  in  den  Antiquitäten  und 
der  alten  Literatur  der  Griechen  und  Römer  reichhaltige,  gegen  10000 
Bände  starke  Bibliothek  des  verstorbenen  Domherrns  u.  Prof.  Dr.  Ilait- 
bold  zu^Leipzig  hat  der  Russische  Kaiser  Nicolaus  I.  für  die  Universi- 
tät zu  Abo  um  17000  Silberrubel  kaufen  lassen.  Sie  wird  daselbst  als 
BibliotJieca  Hauholdiana,  mit  der  Büste  und  dem  Portrait  des  verstorbe- 
nen Besitzers  aufffestellt  werden. 


In  Ostindien  soll  der  Lieutenant  Poivles  Bourlton,    von  der  Benga- 


*)  Der  volle  Titel  ist:  De  la  littcrature  Allemamle.  i>eux  fragmens 
da  cours  de  littcrature  Allemaiide  donnc  k  Geneve  par  Mr.  Chretien  Muller, 
doctcur  de  luniversitö  d'Jena  etc.  Geneve ,  I.  I.  Pachoud.  Paris ,  ruc  de  Seine 
Nr.  48.  1826.  &3  S.  8.  Eine  ausführliche  Anzeige  davon  steht  im  Tübinger  Litera- 
tur -  Blatt  1826  Nr.  28. 


Todcefälle.  223 

lischen  Arlillcrle  in  Assara ,  die  Quelle  clca  Bnramputcr  (der  Bramapiilra) 
unter  28°  X.  B.  113°  44'  O.  L.  (96°  lO'  v.  GieenM. )  In  einer  Selinec- 
p^ebirg^rciiie  entdeckt  haben.  Sic  liegt  1000  Engl.  Meil.  (200  geogr.  M.) 
von  dein  Orte  entfernt,  avo  man  sie  veruiutlicte.  Nach  Hamilton'^ 
Cliarte  von  Vorderindien  cntjjiringt  der  Fluss  aus  dem  See  Soinchi  unter 
31°  27'  N.  Br.  u.  101°  15'  O.  L. 


Den  IGten  März  gelangte  der  Naturforscher  Ilr.  Dr.  Reni^ger  der 
Jiing.  naeli  vieljähriger  Abwescnlieit  und  langer  Gefangenschaft  in  Pa- 
raguay glücltlich  in  seiner  Vaterstadt  Aarau  wieder  an.  Er  liat  über 
nieluere  Zweige  der  Naturgeschichte  in  Amerika  viele  neue  Bemerkun- 
gen mitgebracht. 


Den  22sten  3Iärz  kam  Ilr.  Dr.  Ehrenberg  von  seiner  belnalie  Gjährl- 
gcn  Reise  durch  Aegyptcn ,  Nublen,  Abcssinicn,  Arabien  und  Syrien 
V  ieder  in  Berlin  an.  Drei  Wochen  vorher  war  sein  Begleiter  Hr.  Fal- 
Jicnstcin  daselbst  eingetroffen. 


Die  vor  drei  Jaliren  auf  Entdcckxmgen  ausgesandte,  vom  Kapitain 
von  Kotzcbuc  geführte  kaiserlich  Russische  Corvette,  die  Unterneh- 
viung,  traf  den  ISten  Juni  wieder  in  Portsmouth  ein,  und  wollte  von 
da  den  25tcn  oder  26ten  Juni  nach  Petersburg  absegeln. 

Herr  Dr.  Fr.  ScJiulz,  ausserord.  Professor  der  Philosophie  an  der 
Universität  Giefsen ,  welcher  seit  3  Jahren ,  mit  Erlaubniss  und  Unter- 
etützimg  seiner  Behörde,  zu  Paris  dem  Studium  der  Orientalischen 
Sprachen  oblag ,  hat  von  der  grossherzoglichen  Regierung  Urlaub  auf 
unbestimmte  Zeit  erhalten ,  um  auf  Kosten  der  Französischen  Regie- 
rung eine  Reise  nach  Persien  zu  machen. 


Todesfälle. 


Afen  3ten  Januar  starb  zu  Ilomel  in  der  Ukräne  der  Russlächc  Reichs- 
canzier, Graf  A7co/aws  Romanzoff,  ein  ausgezeichneter  Gönner  und  Be- 
förderer der  Wissenschaften,  im  73sten  Lebensjalu'e.  Von  seinen  Ver- 
diensten um  die  Wissenschaften  erwähnen  wir  nur,  dass  er  seit  1813 
den  Russischen  Codex  diplomaticus  herausgab ,  auf  seine  Kosten  eine 
Entdeckungsreise  um  die  Erde  machen  liess,  und  noch  kurz  vor  seinem 
Tode  den  cvangelisclicn  Prediger  Mrongovius  zu  Danzig  veranlasste, 
auf  seine,  des  Canzlers ,  Kosten  die  Gegenden  der  Kaschubcn  in  Pom- 
mern zu  bereisen  und  Ihre  Volkssagcn  undUeberlleferungen ,  sowie  ein 
W  ürterbuch  ilirer  aussterbenden  Sprache  zu  sammeln. 

Den  4ten  Januar  zu  Petersburg,    bevor  er  den   7ten  Januar  sein 


224  Todesfälle. 

öOjiihriges  AmtsjnLlläum  feiern  konnte ,  der  Akademiker  und  wirkliche 
Staatsrat!!  iSkol.  Wufs  (geboren  zu  Basel  den  23ten  Jan.  1755),  Ritter 
des  St.  Annenordens  zweiter  und  des  Wladimirordens  dritter  Classe  und 
Mitglied  vieler  gelehrten  Gesellschaften,  Er  >var  früher  der  Gehülfe 
Euler's  und  später  der  Gatte  einer  Enkelin  desselben,  und  hat  sich  als 
Mathematiker  rühmlicli  ausgezeichnet.  Sein  Gehalt,  den  er  als  Aka- 
demiker bezog  —  7300  Rubel  jährlich  —  ist  seinen  Kindern  als  Leib- 
rente verliehen  worden.  Vergl.  Schulzeitung  1826  Abth.  2  St.  20.  Hall. 
Lit.  Zeitung  Nr.  104. 

In  der  Mitte  des  Januars  zu  Upsala  der  berühmte  Orientalist  und  chc- 
niahlige  Professor  an  der  Universität  zuLund,  zuletzt  Canzleirath,  Mt-f A. 
l^oroerg,  im  7ysten  Lebensjahre,  nachdem  er  kurz  vorher  das  Verzeich- 
niss  derauf  der  Bibliothek  zu  Upsala  befindlichenPersischen,  Syrischen 
und  Arabischen  Manuscripte  vollendet  hatte. 

Den  20sten  Januar  zu  Herrnluit  der  Graf  Ileinr.  Lcpcl  (geboren  zu 
Nassenheyde  in  Pommern  den  2ten  Mai  1755) ,  Mitglied  der  Akademien 
zu  Berlin  unch  Rom  und  Inhaber  des  Preuss.  rothen  Adlerordens  zwei- 
ter Classe,  ein  achtbarer  Kunstkenner,  Numismatik  er  und  Theolog. 
Er  hat  geschrieben:  Oeuvre  de  Claude  Gelee,  Dresden  180<>, 
Catalo  gue  des  estamp  e  s  d^aprcs  Rafael  par  Taurisciis 
Euboeiis,  Frankf.  a.  M.  1819 ,  u.  Verzeichniss  der  Gcmähldc 
Raphaels,  Nassenheyde  1825.  Er  hinterlässt  im  Manuscript  ein 
Werk  über  die  alte  Numismatik  und  ein  noch  ausführlicheres 
über  die  A  p  okalypse.  Seine  bedeutende  theologische  Bibliothek 
hat  er  dem  Pfarrer  zu  Nassenheyde ,  seinen  übrigen  sehr  reichen  Bü- 
cherschatz ,  sow^c  seine  unvergleichlichen  Sammlungen  von  Kupfersti- 
chen alter  und  neuer  Meister,  Münzen,  Büsten  und  Gypsabgüssen  der 
Akademie  zu  Berlin  vermaclit.  Vergl,  Hall.  Lit.  Zeit.  Nr.  80  S.  650. 
Morgenbl.  Nr.  80  S.  320.  * 

Den  29ten  Januar  zu  Berlin  der  Director  des  loachimsthal'schen 
Gymnasiums,  Karl  Heim:  Zimmermann,  68  Jahr  alt. 

Den  ölsten  Januar  in  seiner  A  aterstadt  Marseille  E.  F.  de  Lautier, 
Verfasser  der  Reise  Antenor^s  durch  Griechenland  und  Asien, 
über  80  Jahr  alt. 

Den.  4ten  Feljruar  zu  Halberstadt  der  zweite  Collaborator  am  Dom- 
gymnasium, Dr.  Constantin  Schmidt,  im  25sten  Lebensjahre. 

Den  14ten  Febr.  zu  Weimar  nach  melu-raonatlichen  Leiden  der 
Legationsrath  Johannes  Falk,  geboren  zu  Danzig  1770.  Als  Dichter 
und  belletristischer  Schriftsteller  berülimt,  hat  er  sich  mehr  noch  aus- 
gezeichnet durch  die  zu  Weimar  errichtete  Anstalt  zur  Bildung  verwil- 
derter Kinder  zu  nützlichen  Gliedern  der  menschlichen  Gesellschaft. 
Tochter  dieser  Anstalt  sind  die  ähnlichen  Institute  zu  Berlin,  Spandau, 
Erfurt ,  Düsselthal ,  Ascherleben  u.  a.  Vergl.  Nationalz.  d.  Deutschen 
1826  Nr.  9.  Weimar.  Journal  für  Literat.  Nr.  115  u.  Schulzeit.  Abth.  1 
Kr.  16. 

Den  16ten  Febr.  bei  York  der  berühmte  Sprachforscher  Lindlay 
Murray  (in  Pensylvanien  geboren),  81  Jahr  alt. 


Todesfälle.  225 

Den  17tcn  Febr.  zu  Jena  der  «»^elieline  Klrclienrath  und  Professor 
Primarius  der  tlieolou;.  Faeiilt.,  Dr.  Gabler  (geboren  zu  Frankf.  a.  >I. 
1733),  Ritter  des  -weissen  Falkcnordcns.  Am  berühmtesten  als  Theo- 
log und  akademischer  Lehrer  hat  er  doch  aucli  von  1783 — 1785  als 
Prof.  am  Archigymnasiiim  und  Director  des  Niederh'indischen  Gynmas. 
zu  Dortmund  im  Schulfach  gearbeitet.  S.  Nationalzeit.  d.  Deutschen 
1826  Nr.  9  u.  Klrchenzeit.  Nr.  32. 

Den  Gten  März  zu  IJcrIin  der  Dr.  der  Theologie  und  emerlt.  Ar- 
cliidiaconus  der  St.  Nicolaikirche,  Gcor^  Gottlicb  Pappvlbmtm ,  Ritter 
des  Preuss.  rothen  Adlerordens  dritter  Classe ,  im  Slsten  Jahre.  Er 
hat  sich  als  Schriftsteller  durch  seine  Forschungen  über  die  Rauische 
Griecl».  Handschrift  des  Neuen  Testaments  bekannt  gemacht,  übrigens 
aber  sein  Privatstiidiiim  besonders  der  classischen  Philologie  gewidmet, 
und  liinterlässt  eine  auserlesene  Bibliothek  classischcr  Autoren,  besonders 
eine  sehr  vollständige  Sammlung  von  Ausgaben   [gegen  400]    des  Horaz. 

Den  7ten  März  zu  Aurich  in  Ostfriesland  der  Landsyndicus  und 
Ilofrath,  Ritter  des  Guelphenordens,  Dr.  Tilcmann  Dothias  JViarda 
(geboren  174(5),  als  Gcschichts  -  u.  Sprachforscher  berühmt ,  und  der 
philolog.  Welt  besonders  durch  seine  Schriften  über  die  Altfriesische 
und  Säch^ischc  Sprache  bekannt. 

Den  lOten  März  zu  Paris  ^er  Schottische  Polygraph,  JoÄn  P/«7.C)fon, 
geboren  zu  Fdinburg  den  17ten  Febr.  17.}8.  Er  hat  viele  Wei-ke  über 
Minci'alogie ,   Geschichte,  Erdkunde   und  Literatur  geschrieben. 

Den  loten  3Iärz  zu  London  Dr.  Georg  Ihinr.  Nöhdcn  ,  (^geboren  zu 
Göttingen  den  23sten  Jan.  1770),  3IItglicd  mehrerer  gelehrten  Gesell- 
schaften, Secretair  der  Royal  Asiatic  Society,  Aufseher  am  Brittischen 
Museum  und  Präsident  des  zu  London  den  Isten  Febr.  1825  gestifteten 
Deutschen  Vereins,  als  Philolog  und  Archäolog  berühmt.  Zu  Göttingen 
schrieb  er  zuerst  über  die  Schollen  des  Porphyrlos  zum  Ho- 
mer und  gab  dann  1793  in  der  von  Campe  veranstalteten  Schulencyclo- 
pädie  die  ersten  beiden  Bünde  des  f'lrgil  —  den  dritten  besorgte  der 
jetzige  Prof.  Heinrich  in  Bonn  —  heraus.  Von  17!)4  an  lebte  er  in  Eng- 
land und  schrieb  seine  Elements  of  German  G  rnmmar,  seine 
C  er  711  an  Gram  mar  und  Exerclces  for  writing  German 
grammatlcaUy  —  Schriften,  die  noch  jetzt  in  England  in  grossem 
Ansehn  stehen  und  viel  zur  Kenntniss  der  Deutschen  Sprache  beigetra- 
gen haben — ,  arbeitete  Hub  cnh  or  si^  s  Deutsch  -  Engl,  und  Engl. 
Deutsch.  If'ürt  crbuch  um,  und  übersetzte  mehreres  von  Schiller's 
Trauersj)ielen  ins  Engli>che.  Ausser  einem  Aufsatze  über  Alante g na 
in  Göthe's  Jonrnal  für  Kunst  und  Alterthum  und  einigen  Beiträgen  zu 
Böttiger's  Amultliea,  sclirieb  er  noch  0  6scr  n  a</ons  on  Leonardo 
da  VincVs  last  Souppcr,  London  1821.  4,  und  eine  Abhand- 
lungüfter  den  Indianischen  Fe  /  g- c  n  &  a  um  im  ersten  Bande  der 
Tratisactions  der  Royal  Asiatic  Society  (1824)  und  setzte  die  von  Lord 
ISorthu'ick  begonnene  Sclectlon  of  anclent  colns  chicfly  of 
Magna  Grecla  and  Sicily,  ein  numismatisches  Werk ,  fort,  de- 

Ja/irb.  (l.  Phil.  u.  J'ädag.  Jahrg.  I.  lieft.  1.  15 


22C^  T  o  d  e  s  f  fi  1  i  e. 

reu  viertes  Heft  wenig  Tage  vor  seinem  Tode  fertig  ward.     Vcrgl. 
Schulzeit.  1826  Abtli.  2  Nr.  33. 

Den  I5ten  März  zu  Halle  der  Professor  der  Theologie  und  Ritter 
des  Wladirairordcns,  Dr.  Joh.  Scvcrin  Vater  (geboren  zu  Altenburg  den 
27sten  Mai  1771) ,  ein  achtbarer  Theolog  und  noch  berühmterer  Sprach- 
forscher.     Vcrgl".  Hall.  Lit.  Zeit.  1826  Nr.  91  und  Kirchenzeit.  Nr.  59. 

Den  17ten  März  zu  Annaberg  Christ.  Gottfr.  Fritzsche ,  dritter  Leh- 
rer am  Lyceura  ,   44  Jahr  alt. 

Den  24sten  März  zu  Rom,  77  Jahr  alt,  der  eheraahlige  erste  Cu- 
ßtos  der  Vaticanischen  Bibliothek,  Francesco  Antonio  Baldi  aus  Bologna, 
einer  der  gelehrtesten  Philologen  Italiens,  dem  Papst  PiusVU  dieHaus- 
prälatur  übertragen  hatte. 

Den  29sten  3Iärz  zu  Heidelberg  Jo/jann  Heinrich  f'ofs,  geboren  zu 
Somracrsdorf  bei  Waaren  im  3Iecklcnl)urg  -  SchAverinschcn  am  20sten 
Febr.  1751.  Dem  Licht  und  der  Wahrheit,  für  die  er,  ein  zweiter 
Luther,  unablässig  gekämpft,  erblühe  ein  neuer  Frühling  aus  der  hei- 
ligen Asche  !  —  Eine  Würdigung  dessen,  was  das  Altcrthum  und  das 
Schulwesen  ihm  verdankt ,  behalten  die  Jahrbücher  sich  vor.  Vergl. 
Kritische  Biblioth.  1826  Nr.  5  S.  539  u.  553,  Allgem.  Zeit.  Beilage  zu 
145,  Hall.  Lit.  Zeit.  Nr.  100,  Jen.  Lit.  Zt.  Inteliig.  Bl.  31,  Leipz.  Mo- 
dezeit.  Nr.  54,  Kirchenzeit.  Nr.  59,  Schulzeit.  Abth.  2  Nr.  37  und  Le- 
hens- und  Todeskunden  über  Joh.  Heim:  Vofs.  Am  Begräbnisstage  ge- 
sammelt von   Dr.  H.  E.  G.  Paulus.      Heidelberg  1826.   gr.  8.  (16  Gr.) 

Den  öten  April  zu  Bremen  der  dasige  erste  Dompastor  und  Dr.  der 
Theologie,  J.  D.  Nicolai,  im  85sten  Jahre.  Er  war  früher  Rector  der 
dortigen  hohen  Domschule  [des  Athenäums]  und  ist  besonders  durch 
seine  damahlige  Bearbeitung  des  Netten  Te  stament  es  bekannt.  In 
der  letzten  Zeit  trat  er  als  Gegner  der  evangcl.  Union  auf. 

Den  9ten  April  zu  Fruchtwangen  der  Subrector  an  der  Studien- 
schule ,  Sie^mund  Martin  Friedrich  von  Endter,    32  Jahr  alt. 

Den  18ten  April  der  Pfarrer  zu  Weldemar  bei  Delitzsch ,  Christian 
Salomo  Pollmächer ,  Verfasser  mehrerer  historischen  und  geographischen 
Schriften,  z.B.  des  Versuchs  einer  historischen  Geographie 
Kursachsens  und  seiner  Beilande,  Dresden  1788.  89,  der  Ge- 
schichte König  Heinrich''  s  I  und  Kaiser  Otto''s  d.  Gr.  nach 
den  Annalen   IVittekinds  von  Corvey,  Leipz.  1790,  u.a. 

Den  19ten  April  zu  Dessau  der  Rector  der  dasigen  Gelehrtenschulc 
Georg  Feldhann,  geboren  zu  Zehden  in  der  Neuraark  den  I5ten  April 
1755.  Er  war  früher  Inspector  an  der  Waisenhansschule  zu  Halle ,  wo 
er  den  Herodian  herausgab,  und  ward  1785,  bei  der  neuen  Organi- 
pirung  der  Hauptschule  zu  Dessau ,  Conrector ,  1800  aber  Rector  an 
derselben. 

Den  20sten  April  zu  Melssen  der  5te  Professor  und  Matheraaticus 
an  der  dasigen  Fürstenschule  St.  Afra,  M.  Christian  Gottlob  Otto.  Er 
wurde  1763  am  16ten  December  zu  Höllenstein  in  der  Grafschaft  Schön- 
hnrg  geboren,  wo  sein  Vater,  Johann  Michael  Otto,  ein  Zeugmacher 
war;    besuchte  die  Schule  in  Chemnitz  von  1779  — 1785  unter  Rothe 


T  0  d  e  B  f  Ti  1  1  e.  227 

und  Leasing,    worfinf  er  von  1785  — 1791  in  Leipzig-  unter  der  Leitung 
von  Morus,    Cäf^ar,  Pliitner,   Sammet,  Bur^clior,  Wenk,  Beck,  Eck, 
Reiz,   Diitlie ,  hesonders  aber,    da  er  zur  Mathematik  und  Phyi^ik  vor- 
zügliche Neigung  liatte,    von  llindenhurg  stiulirte.      Er  Avurde  1791  in 
Leipzig  Magister,  um  sieli  daselbst  nach  llindenhurg's  Wunsche  zu  ha- 
l)ilitiren,   erhielt  aher  einen  Antrag  in  das  Hans  des  Pohlnischen  Gene- 
ralfeldzengmeisters  Gral'en  von  Uni  hl  zu  Pl'örten  ,   vo  er  bis  1793  blieb. 
Von  da   an   privatisirte   er   in  Dresden  und  ertheiltc  in  vielen  angesehe- 
nen Familien  Unterricht;  1799  Avnrdc  er  als  Subrector  vic  auch  Matlie- 
maticus  an  das  Gymnasium  zu  liiidissin  berufen,  wo  ihn  1804  die  Ober- 
lau^itzer  Gesellschaft  der  AVi^senschaften  zum  Mitgliede  aufnahm.    Nach 
dem  Tode  llartung's  erhielt  er  1807  die  Stelle  des  Conrcctors  am'Bautz- 
ner  Gymnasium,     die   er  bis  zum  November   des  Jahres  1820,   in  Avel- 
cher  Zeit   er  als  Professor   und  3Iatheniaticns    an  die  Fiirstenschulc  zu 
St.  Afra  bei  Meisseu  abging ,  a  erwaltete.    Im  Drucke  sind  von  ihm  nur 
ersdiienen 
Ein  Schulprogramm  beim  Antritte  seines  Lehramtes  in  Budissin  unter 
dem   Titel:     Gedanken  über  die  reine  Mathematik,    als 
ein  vorzügliches  Millcl    in  der  Jugend  den   Verstand 
im   Denken   itnd    Urth eilen  zu   üben,    Budissin  1799,  und 
Eine  Rede,  gehalten  am  Abend  vor  dem  Nenjahr  1804  im Hmnauitäts- 
vereine  zu  Budissin;   —  in  der  Laus.  M.  S.  1804,   I,  65  f. 
Einige  vollsßndigere    Nachrichten    über   das   Leben   des   Verstorbenen, 
wie  auch  Einiges  aus  dessen  literarischem  Nachlasse  gedenkt  sein  älte- 
ster Sohn,  Hr.  Dr.  C.  E.  O. ,  Professor  der  Rechte  in  Leipzig,  für  die 
vielen  Freunde  und  Srluiler  des  Verewigten  nächstens  durch  den  Druck 
bekannt  zu  machen.      Vergl.  Schulzeit.  1826  Abth.  2  Nr.  44. 

Den  21sten  April  zu  Qnerfart  der  Conrector  der  Stadtschule,  M, 
Haubold. 

Den  23sten  April  zu  Nörtm  der  Canoiücus  des  dortigen  Collegiat- 
etiftes,  Joh.  Jf'vlf,  geboren  zu  Kreuzeber  im  Eichsfelde  den  16ten  Juni 
1734,  als  Geschichtschreiber  des  Eichsfeldes  bekannt.  Er  war  Jesuit 
und  früher  Professor  in  Heiligenstadt,  seit  1785  aber  Canonicus  zu  Nörten. 
Den  1  Mai  zu  Gera  der  Subconrector  am  Rutheneum,  M.  Bcrnh. 
IJieronymus]  Böhme,  an  einem  Nervenschlage.  Er  war  geboren  zu 
Weimar  den  Slsten  Dec.  1794,  stndirte  zu  Gera  und  Jena  und  ward 
1818  an  der  genannten  Landesschiile  angestellt.  Geschrieben  hat  er: 
Schule  und  Zeitgeist,  einBeitr'ag  zu  r  Päda  g  o  g  ik  für 
Gel  ehrten  schulen,  Neustadt  a*.  d.O.-  1824,  und  Historische 
Chrestomathie  aus  Latein  i  sehe  n  Schriftstellern,  für 
Gymnasien,  Leipzig  1826.  8.  Seine  letzte  literarische  Arbeit  war  wohl 
die  Beurtlieihing  der  ersten  Abtheilung  von  Tliicrsch  Schrift  über  ge- 
lehrte Schulen  in  Seebode's  Krit.  Biblioth;  1826  Hft.  5  S.  457  —  470. 
Den  9ten  Mai  zu  Breslau  nach  langen  und  schweren  Leiden  an 
gänzlicher  Entkräftuiig  d'-r  Dr.  ph.  Jultrivu  Caspar  rricdrich  Manso, 
Re<(or  und  Professor  am  Marien-Magdalenengymnasinm  und  Ritter  des 
rothen  Alerordens,   geb.   zu  Blasicnzell  am  26Bten  März  1759.      Er  be- 

3o* 


228  Schul-  und  Universitätenachrichten, 

hielt  pelne  ganze  Krankheit  hindurch  hei  .der  grössten  körperlichen 
Schwäche  doch  stets  seine  rege  geistige  Thätigkeit,  wovon  mehrere, 
in  seine  letzten  Zeiten  fallende ,  sehr  gelungene  kleine  Deutsche  und 
Lateinische  Gedichte  zeugen.  Als  einer  unserer  correctesten  und 
gefeiltesten  Prosaiker  wird  er  auch  in  der  Deutschen  Nationalliteratur 
einen  ehrenvollen  Platz  hehaupten.  Sein  gelehrter  Beruf  war  nicht 
sowohl  der  des  Philologen,  als  der  des  Historikers.  Seine  gediegend- 
eten  und  reifsten  Werke  in  diesem  Zweige  sind  die  Geschichte 
Preussens  seit  dem  siebenjährigen  Kriege,  das  Leben 
Constant  in^s  des  Grossen,  und  die  G  eschicht  e  der  Ost- 
gothen,  die  alle  drei  seinen  letzten  zehn  Jahren  angehören.  Das 
grösste  Verdienst  aher  hat  er  sich  als  gründlicher  und  trefflich  anre- 
gender Lehrer  und  Director  eines  Gymnasiums  erwoi'ben,  das  unter 
ihm  eins  der  hlühendsten  in  allen  Preussischen  Ländern  war.  Eine 
kurze  Lehensbeschreibung  des  auch  im  geselligen  Umgange  sehr  lie- 
benswürdigen Mannes  Avird  Hr.  Prof.  Passow  in  seinem  nächsten  Uni- 
versitätsprogramme liefern.  Die  besste  Charakteristik  desselben  würde 
Bein  Landsmann  und  von  Jugend  auf  treu  verbundener  Freund,  Hr. 
Hofrath  Jacobs  in  Gotha,  liefern  können. 

Den  23sten  Mai  zu  Berlin  der  Oberlehrer  an  der  Kon.  Realschule, 
Joh.  Friedr.  Hensel,    im  62  J. 

Den  3ten  Juni  zu  Petersburg  der  berühmte  Russische  Historio- 
graph  und  Staatsrath  von  Karamsin,  59  Jahr  alt.  Sein  Geschichts- 
werk ist  in  11  Bänden  bis  auf  Ivan  Wasiliewitsch  vollendet. 

Den  15ten  Juni  zu  Zittau  der  emeritirte  Director  des  Gymnasiums, 
M.  Aug.  Friedr.  JVilh.  Rudolph,  in  einem  Alter  von  55  Jahren. 


Schul-  und  Universitätsnaclirichten,   Beförderungen   und 
Ehrenbezeigungen. 


Aaratj.  Auf  der  dasigen  Kantonssclmle  ist  bei  den  vorjährigen  Herbst- 
prüfungen die  seit  mehrern  Jahren  untei-brochene  Sitte,  zu  derselben 
durch  ein  Programm  einzuladen,  wieder  erneuert  worden ,  und  Herr 
Prof.  Rud.  Rauchenstein ,  d.  Z.  Rector ,  hat  Bemerkung  en  über 
den  We  rth  der  Altert  hu  msstudien  a  uf  Gymnasien  und 
höhern  Schulanst'alten,  46  S.  8,  geschrieben,  Lehrer  der  An- 
stalt sind:  Schulrath  Feer  (für  reform.  Religionsunterricht,  Geogra- 
pliie,  Geschichte  und  Italienische  Sprache),  Prof.  Pfeiffer  und  Prof. 
Rauchenstein  (für  Lateinische  und  Griechische^,  Prof.  Troxlcr  (für  Deut- 
sche) ,  Prof.  leaurenaud  (für  Französ.  Sprache) ,  Prof.  Bronner  (für 
Mathematik)  und  Prof.  Meyer  (für  Physik,  Mineralogie,  Botanik  und 
Technologie). 


Beförderungen  und  E  h  ren  bezeig  ung-en.     229 

Altexbitic.  Der  Dircctor  dos  Gyinnasuims ,  Herr  Ivirelien-  und 
Scliuhath  Dr.  MalUiiac,  gab  als  Kiiiladungsscluift  zur  ölTentlidicn  I'rü- 
l'ung  der  Scliüler  den  ISten  ^lärz  fl".  182(i  die  neunz4;Iinte  IVaehricht  von 
dem  G vinnasium  auf  das  Seluiljalir  üslern  1825  Ins  dahin  1820  (IG  S.  4), 
Avoriu  er  die  wäluend  dt-s  Jahres  ahgchandelten  Lehrgegenstände  auffülirt 
und  ein  \  erzeiehniss  tänuiitliclier  Schüler  g^ieht.  Lehrer  sind  Dr.  Mal- 
thiä,  Director,  Prof.  Ramshorii,  Prof.  Messcrschmid,  Prof.  Meyner,  Prof. 
Schneider,  Prof.  Jf'aä^ncr,  Collaliorator  Ocrtcl  und  Französ.  Sprachmei- 
ster  Ilempel.  Die  Zahl  der  Schüler  betrug  289  (Ostern  1825  nur  276), 
26  in  SelecLa ,  76  in  Prima,  7o  in  Ober-,  77  in  Mittel-,  37  in  Unter- 
secunda.  Zum  Jahrstage  der  Schule,  dem  3ten  Febr.,  liatte  Herr  Prof. 
Ludw.  Ramsitoin  durch  ein  Programm  :  J  ind icatur  lo  cor.  quorun- 
dam  Ciccr  Ollis,  Caesaris,  Taciti  integritas,  nonnulla 
Cic.   atquc  II c  v od  oti  illustr  antu  r ,  12  S.  4,  eingeladen. 

At  RicH.  Am  Lyceum  hat  Herr  P.  G.  F.  Höischer  die  vierte  Lehr- 
stelle erhalten. 

Baierx.  Die  Universität  zu  Landshit,  welche  zuletzt  943  Stu- 
dirende  zählte,  wird  im  Herbst  d.  J.  nach  München  verlegt.  Sie  wan- 
dert sonach  bereits  zum  zweiten  Mahl  aus,  indem  sie  1472  zu  Ingol- 
stadt begründet  und  1810  nach  Landshut  verlegt  ward.  —  Zu  Bam- 
berg soll  vermöge  eines  königlichen  Befehls  das  eingegangene  von 
Aufsccs'sclie  Seminar  wieder  hergestellt  werden.  In  demselben  sollen 
der  Stiftung  nach  36  dürftige  junge  Leute,  die  sich  den  AVissenschaften 
widmen  m  ollen,  vom  lOten  Jahre  an  bis  zur  Beendigung  des  philoso- 
pliischcn  Cursus  [absoluta  philosophia,  heisst  es  in  der  Stiftungsiu-kunde] 
unentgeldlich  luiterrichtet  und  verpflegt  Merden.  Das  frühere  Local 
desselben  ist  zu  einem  Krankenhause  für  Unheilbare  benutzt  worden, 
und ,  wie  es  heisst ,  soll  das  Seminar  nach  einem  bereits  entworfenen 
Plane  den  Platz  des  aufgehobenen  Capuzinerklosters  zum  Aufführen 
eines  neuen  Schulgebäudes  erhalten;  auch  solfc  die  Zahl  der  Zöglinge 
auf  70  erhöht  Averden.  Vergl.  AHgem.  Anzeig.  d.  Deutsch.  1826  Nr. 
100  und  136.  —  Zu  Aicsbirg  soll  nach  einer  Entscheidung  des  Kö- 
nigs vom  7ten  Mai  mit  dem  Studienjahre  1826  —  27  das  seit  1807  einge- 
gangene Studentenseminar  zum  heil.  Joseph  wieder  hergestellt  M'erden. 
Da  das  Serainargebände  Aor  einigen  Jahren  eingerissen  worden  ist,  so 
hat  der  vormahlige  Pfarrer  zu  St.  Stephan  und  geistliche  Rath  ,  Herr 
Dodcll,  aus  seinen  .Mitteln  ein  passendes  Gebäude  gekauft  und  der  Se- 
minarstiftung ein  Geschenk  damit  gemacht.  —  Auf  allen  Land«sgyni- 
nasien  ist  bereits  im  vorigen  Jahre  durch  allerhöchste  Verordnung 
(s.  Scliulzeit.  1826  Abth.  2  Nr.  19  und  26)  die  In  INorddeutschland 
fcchon  längst  herrftchende  Sitte  eingeführt  worden,  den  Jahresberichten 
derselben  gelehrte  Abhamllnngen  beizufügen,  luu  so  dic-rcn  Progam- 
men  auch  bei  dem  grössern  Publicum  einen  bleibenden  AVtrth  zu  ver- 
schaffen. Für  das  Jahr  1825  haben  bloss  die  Studlenanstalten  zu  Ans- 
MACH  und  Mü.NCHE!«  ihren  Jahresberichten  dergleichen  Abhandlungen 
uiclit  beigefügt;  von  den  übrigen  sind  erschienen ;  zuEßtASGUs:   Com- 


230  Schul-   und  Univcrsitütd  nach  rieh  teil, 

mentatio  de  vocabulo  trjXvyEtos,  auctorc  D.  Lud.  Doc- 
derlcin,  Prof.  et  Rect.;  —  zu  Kkgensbikg  :  De  anno  Attico 
scripsit  I.  B.  Wteigl,  liector  Lycei  et  Professor;  —  zu 
Neitburg:  die  auf  uns  gekommenen  Tr  a  gü  di  en 'des  Sopho- 
kles können  überarbeitet  scyn,  ein  Programm  von  G.  A. 
II  ei  gl.;  —  zu  L.vxdüuut:  Ueber  die  erste  olynthische  Rede 
des  Demostkenes,  von  dem  Rect.  und  Prof.  J.  B.  Rap- 
pel; —  zu  Nürnberg:  Commentatio,  qua  C.  Cornelii  'l'ucili 
aliquot  per  figuram  'EN  ^lA  JTOIN  dicta  compura- 
tis  all  omni  sc  riptorum  nonnulli  s  colliguntu  r  et  dige- 
runtur,  auct.  Car.  Lud.  Rothj  Rect.  et  Prof.;  —  zu  Kkm- 
PTLX:  Jf^as  kann  eine  äff  entliche  Studienanstalt  leisten? 
von  dem  Rect.  und  Ly  c  ealprof.  M.  L.  Böhm;  —  zu  Strau- 
bing: Von  dem  Doppelzwecke  des  Gymnasialunterrichts, 
ein  Progr amm  von  dem  Rect.  Hölzl.;  —  zuDilixgen:  Fra- 
ge: In  welche  Jahre  des  j  ug  endlichen  Alters  sollen  die 
Gymnasial  Studien  fallen?  Psychologisch  und  pädago- 
gisch gewürdigt  von  dein  Rect.  u.  Prof.  A.  Schrott;  — 
zu  Amberg:  Von  den  JViss  cnschaften  und  ihrer  Lehrweise, 
ein  Auszug  aus  Fr anz  Bacon^svon  Verulam  Büchern 
vom  IVachsthume  der  Wiss  enschaften,  und  neuem  Orga- 
«071,  vom  Prof.  Rixner ;  —  zu  AiCbBtiiG:  lieber  das  ge- 
genseitige Verhält niss,  in  welchem  die  Religio 71  und 
die  übrigen  Elemente  der  Gymnasialbildung  ihrer  Na- 
tur gemäss  zu  einander  stehen,  und  wie  das  Resultat 
einer  harmonischen  G  esammtbildung  herbei  g  c  führt  wer- 
den könne,  von  demConrect.  und  Ly ccalpr o'f.  Jos.  Jlast- 
T eiter ;  —  zu  Zweibrücken :  De  studiorum  humanit  atia 
cum  theologia  c  onj  uncti  one ,  auctore  I.  II.  Hertel,  Rect. 
et  Prof.  —  zu  Speier;  De  mature  pr  aepar  and  0  eloquen- 
tiae  studio  ejusqu^  cum  philosophia  conj unctione ,  auct. 
Car.  Schuelein,  Prof.;  —  zu  Passau:  Ueber  den  Geist  und 
die  Tendenz  des  philo sophi sehen  Studiums,  mit  Rück- 
sicht auf  die  B  estimmung  der  Ly  cealclass  en.,  vom  Prof. 
M.  I.  B.  Aymold;  —  zu  Hof:  Fiinige  Bemerkungen  über 
den  Unterricht  in  der  Geographie,  vom  Prof.  Dr.  II.  Chr. 
Fr.  Gebhardt;  —  zu  Aschavfemjurg  :  Ueber  N  a  t  u  r  er  sc  h  e  i  - 
nung en,  N atur gesetz e  und  ihre  Frklärungswc  isen,  vom 
Director  I.  I.  I.  Ho  ff  mann;  —  zu  Würzburg:  Möglichst 
einfache  Entwickelung  des  Gau  ssisch  en  Theorems,  die 
The  ilung  des  Kreises  betreffend,  vom  M.  K.  G.  Chr.  von 
St  au  dt,  Prof.;  —  zu  Baireutii  :  Erklärung  einer  Aufgabe 
aus  der  staatswirthschaft liehen  Rechenkunst,  von  dem 
Lyccalprofessor  Andr.  Neubig;  —  zu  Bamberg:  yibhund- 
lung  über  den  Eid  in  exeg  ctisch-morali  sch-pr  ak  tischer 
Beziehung ,  von  dem  Ly  c  eal  -  Pr  pf.  M.  Rieglcr.  —  Ein 
anderes  Königliches  Rescript  verordnet,    dass  die  hisher  aus  dem  Stu- 


Beförderungen   und   Ehrenbezeigungen.  231 

dienplane  der  Gymnasien  verlninnte   Taterländisiclic  Geschichte   Mieder 
gclclirt  werden  soll. 

B.U'ZES.  Am  Gymnaäium  soll  aus.«er  den  vorhandenen  Lehrern  — 
Rector  31.  Siehelis",  Conreclor  31.  Fritsche  (geb.  zu  Dresden  171)9), 
Subr.  3IiiLler,  Cantor  Lösclike ,  College  Bröer  und  Coli.  Gebauer  — 
noch  ein  Adjunctu»  mit  200  lllhlr.  jälulicliem  Gehalt  angestellt  m  erden. 
Die  Schülerzahl  betrug  bei  der  üsterprüliiiig  Ann  STsten  Febr.  11".  — 
■wozu  Herr  llect.  ijc6c//i>- durch  das  Programm:  JS'onnulli  veterum 
scriptorum  loci  traclaiitur  adjniictu  narratione,  qui 
hoc  p  roxi  mo  anno  rcruin  st  atiis  f  u  erit  f^y  m  nasii  Jiud  i  s- 
sini,  13  und  7  S.  4,  eiuhul  —  in  4  Classen  270  [beim  lierbstexamcu 
1825  aber  275],  nehmlieh  97  in  IMma,  51  in  Secunda,  ()7  in  Tertia 
und  55  in  Quarta.  Seit  Ostern  1825  bis  dahin  182()  hatten -47  Schü- 
ler das  Gymnasium  verlassen —  52  waren  neu  aufgenommen  Avorden  — 
wovon  21  die  Llli^ersität  bezogen  haben.  Nach  Ostern  d,  J.  sind  noch 
15  andere  zur  Universität  abgegangen. 

Berhv.  Der  geheune  Ober-Regierungsrath  Herr  Dr.  /.  Schulze 
ist  durch  eine  Cabinetsordre  vom  15ten  3Iai  zum  Mitgliede  der  köiiigl. 
3Iilitair-Studien-Conimission,  der  obersten  Behörde  für  alle  Anstalten 
des  3Iilitair-l  nterrichts,  ernannt.  —  Am  loachimsthal  sehen  Gjiunasium 
war  der  Director,  Hr.  Dr.  Snctlage,  im  Juni  vorigen  Jahres  mit  einem  Gna- 
dengehalt von  2000  Rtlilr.  jährlich  in  den  Ruhestand  versetzt  worden. 
Das  Directorat  ist  vor  kurzem  Herrn  Dr.  ylug.  Meineke,  zeitherigem 
Director  des  Gymnasiums  zu  Danzig,  übertragen  worden,  nachdem  der- 
selbe vorher  einen  Ruf  als  Director  nach  Altona  abgelehnt  hatte.  Herr 
Professor  Zvmpt  hat  einen  Ruf  an  die  Universität  zu  Kiel  erhalten,  und 
wird  demselben  walu'scheinlich  folgen.  —  Das  Cöllnische  G;yiunasium, 
Avelches  seit  1707  mit  dem  Berlinischen  vereinigt  war,  ist  zufolge  einec 
Nachricht  des  Gymnasiartihen  vom  21sten  Fepr.  d.  J.  wieder  als  selbst- 
fctändig  hergestellt  und  zu  einer  jRcßianstfi^t  eingerichtet  worden.  Zu  den 
bisherigen  drei  Sehulclussen  ist  für  jetzt  Tertia  als  erste  Gymnasial- 
classe  gekommen ,  die  beiden  höhern  aber  sollen  späterhin  organi»irt 
werden.  Director  und  erster  Professor  ist  Klüden,  zweiter  Professor 
Dr.  Schmidt  gv^tTorden.  Ausserdem  sind  noch  10  Lehrer  angestellt. 
Unterfichtsgegeiislände  sind  au^er  Religion  besonders  3Iathematik, 
Physik,  Chemie,  'J'echnologie,  Naturgeschichte,  Geograpliie,  Ge- 
schichte, Zeichnen,  Gesang,  Uebung  im  Brief-  und  Seschüftstyl  und 
Lateinische,  Deutsehe,  Französische  und  Englische  Sprache.  Vrgl. 
Allgem.  Aazeig.  d.  Deutscli.  182rj  Nr.  99.  —  An  der  Akademie  der 
Künste  hat  Herr  Ilampe  das  l'rädicat  eines  Professorä  erlialten.  — 
Herr  Joh.  Jhinr.  Grollte,  Lelirer  an  der  Blindenanstalt,  ist  am  Isten 
Januar  von  der  philosopli.  Facullät  zu  Jena  zum  Doctor  ernannt  wor- 
den und  hat  dazu  eine  Dissertatiiui  de  Jientlej  i  adno  l  at  t.  nd  II  o- 
rat.  Od.  XXX  F  Hb.  I  gcclirieben.  —  Herr  Pn»f.  lladhf  Iiut 
%oui  König  von  Preu»seu  für  die  Zueignung  seiner  Bildungsgcrschichte 
der  Germanen  eine  «loldcue  Dooe  und  ein  sehr  frnüdifres  Hundschrcibcu 


232  Schul-  und  Univcraitütsnac]! richten, 

erhalten.  Auf  hesontlern  Antrag  des  hohen  l\Iinisterlums  ist  Ihm  auch 
ein  ausserordentlicher  Jiihrgclialt  zur  Ausarhoitunf^  einer  vollständigen 
kritischen  Grammatik  der  Deutschen  Sprache  hcMÜligt  und  die  Erlauh- 
niss ,  das  Werk  in  Halle  \olIendeu  zu  dürl'en,  gegeijen  worden.  — 
Herr  Prof.  Vhilipp  Jiultmanu  ist  von  der  Acadcnile  der  Wissenschaften 
zu  Turin  zum  corrcspondirenden  Mitgliede  ernannt. 

BiiAu\*cHWEiG.  Das  Catharinenm  ist  seit  Anfang  dieses  Jahres  von 
fünf  auf  sechs  Classen  erweitert  worden,  und  die  desslial!)  iieugegrün- 
dete  ausserordentliche  Iliilfslehrerstelle  für  die  luitern  Cl.isscn  hat,  auf 
Antrag  des  Herrn  Dircctors  Yiv.Fricdemaiin,  Herr  G.  //.  JMorich ,  aus 
Gevenslehen  im  Braunschweigischeii,  erhalten.  Am  Ende  des  vorigen 
Jahres  zählte  das  Gymnasiinu  273  Stliüler,  als  20  in  Ober-  und  35  in 
Unterprima,  39  in  Secunda,  55  in  Tertia,  58  in  Quarta  und  (iii  in  Quinta. 
Unterrichtsgegenstände  sind:  Religion,  Geschichte,  Geographie,  Deut- 
sche luid  Latelnlsclie  Sprache  in  fi.  Französisch  und  Griechisch  In  5,  Ma- 
thematik in  4,  Hehräisch  in  2  Classen.  In  den  3  ohern  Classen  werden 
auch  Latein,  und  Griech.  metrische  Uehungen  angestellt.  Halbjährig 
ertheilt  das  Lehrercolleginm  Censurcn ,  Avorin  über  Kenntniss  Inder 
Religion,  den  betriebenen  SprachMlssen«chaften,  der  Geschichte,  Geogra- 
phie ,  Arithmetik ,  Geometrie ,  ül)er  versäumte  Lehrstunden  mit  und 
ohne  Entschuldigung  und  über  Fleiss  und  Betragen  ein  LTrtheil  abge- 
geben'wird.  Diese  Censur  hat  5  Grade.  Die  ersten  beiden  bedeuten 
Lob,  die  3te  mehr  Lob ,  die  4te  und  5te  mehr  Tadel.  Das  Schulgeld 
beträgt  alljährlich  13  Rthr.  8  gr.  in  I,  10  Ilthlr.  in  II,  8  Rthlr.  16  gr. 
in  III,  7  Rthlr.  In  IV^  und  6  Rthlr.  In  V.  Ausserordentliche  Ausgaben 
finden  nicht  Statt.  Die  zur  Universität  abgehenden  Schüler  haben  sich 
einem  3Iaturitätsexamen  zu  unterwerfen,  das  unter  beständiger  Aufsicht 
eines  Lehrers  6  Tage  dauert,  Censnren  sind  I  a,  h  =  vorzüglich; 
II  a,  h  =  gut ;  lU  a,  h  =  genügend.  Ausser  dem  mündlichen  Exa- 
men, das  in  Erklärung  Lhteln.,  Griech.,  Hebr.  und  Franz.  Schriften 
in  Latein,  und  Franz.  Sprache  nebst  eingestreuten  Fragen  über  Geo- 
graphie und  Geschichte  besteht,  Avex-dcn  von  den  Abiturienten  folgende 
fecliriftllchc  Aufsätze  verlangt :  ein  Deutscher  und  Lateinischer  (Gram- 
matische Fehler  schllessen  von  I  und  II  aus)  ,  ein  Griechlsclier  und 
Fi-anzöslscher  (blosse  Uebersetzung  aus  dem  Deutschen  giebt  nicht  I), 
eine  Deutsche  metrische  Uebersetzung  nebst  Latein.  Erklärung  einer 
vorher  nicht  gelesenen  Stelle  eines  Griech.  Tragikers ,  eine  kurze 
eigene  metrische  Lateinische  Composition  (l)losse  Uc])ersetzung  ausdem 
Deutschen  scliliesst  von  I  aus) ,  eine  metrische  Griechische  Uebersez- 
zung  einer  Deutschen  Aufgabe,  Lösung  von  arithmetischen  und  geo- 
metrischen Aufgaben  und  bei  Theologen  eine  Hebräische  Uebersetzung 
aus  dem  Deutschen.     Vergl.  Schulzcltnng  1826  Abthl.  2  Nr.  29. 

Breslau.  Zur  Ankündigung  der  Vorlesungen  auf  der  Universität 
im  Sommerhalbjahr  1826  schrieb  Hr.  Prof.  Passow  Epiphyllides  Aristo- 
phaneae.  8  S.  4.  —  Das  Magdalcnengjmnasium  hat  seit  dem  vorigen 
Jalire  zu  den  bestehenden  7  Claesen  noch  eine  8te  oder  Deutsche  Ele- 


Beförderungen  und  Ehrenbezeigungen.  233 

mentarelasse  erhalten.  Auch  ii^t  die  lühliche,  von  Aug.  Herrn. Franke 
Lc»onderä  empfohlene  und  auf  uuiiielieii  Schulen,  Avie  auf  den  Sächsi- 
schen Fürstenschulen,  schon  seit  >ielen  Jahren  ))esteliende  Finiichtung 
getrofleu  worden,  die  Schüler  nicht  bloss  nach  ihren  Kenntnissen  in 
dem  Lateinischen ,  sondern  nach  ihren  Fortschritten  in  den  einzelnen 
Unterrichtsgegenständen  in  Classen  zu  ordnen,  so  dass  der  Einzelne  im 
Lateinischen,  Griechischen,  Franz.,  Hehr.,  mathematischen  u.  a.  Lehr- 
stnnden  in  verschiedenen  Classen  sitzen  kann.  Bereits  Michaelis  1825 
Mard  durch  Eiiisdiallung  einer  neuen  nrithmetischt^n,  dem  Herrn  Col- 
labor.  John  zugetheilten  Classc  dieses  (yla^sensystem  eingeleitet,  da3 
Ostern  dieses  Jahres  vollends  durchgeführt  Avorden  ist.  Auf  Verord- 
nung des  ^Ministeriums  sollen  von  dieser  Zeit  an  zu  den  bestehenden 
Lnterrichtsgegenständen  noch  pliilosophische  Vorträge  über  Logik  u. 
6.  w.  kommen.  Zu  den  Osterprüfjingen  hat  der  seitdem  verstorbene 
Rector  Manso  durch  ein  Programm  —  Chronicorum  Pr  o  spcr  i 
Aquitanici,  Itlaiii  et  aliorum  Part.  II  —  eingeladen,  worin 
er  zugleich  in  einem  Anhange  über  das  neue  Classensystcm, 
über  philosophische  J  ortrüge  und  über  Ji  efür  derun  g 
des  Privatfleisscs  der  Schüler  sich  ausspricht.  Den  ersten 
l'nnct  billigt  er  durdiaus  und  Aveis't  die  zurück,  Avelche  durch  dieses 
System  die  Erhaltung  der  Zucht  und  Ordnung  gefälirdet  glauben. 
Leber  philosophischen  Lnterricht  in  Schulen  sagt  er  aussei  dem,  Avas 
in  der  Einleitung  dieser  Jahrb.  S.  11  bereits  angeführt  ist,  noch: 
„Was  ich  bey  diesem  Unterrichte  recht  sehr  bedauere,  ist,  das»  die 
Stunden,  die  der  Philosophie  zufallen,  entAveder  den  alten  Sprachen, 
oder  der  3Iathematik,  oder  der  Geschiclite,  Disciplinen,  denen  allen 
die  Zeit  nur  kärglich  zugemessen  ist,  entzogen  Averden  müssen.  Wie 
sehr  Aväre  doch  zu  Avünschen  ,  dass  durch  Anhäufung  von  Lehrgegen- 
ständen die  Kräfte  der  Jugend  nicht  noch  mehr  versplittert  und  die 
Zerstreuung ,  der  man  eben  entgegen  wirken  sollte ,  nicht  befördert 
Averden  möchte."  Die  Erklärung  über  den  dritten  Gegenstand  bezieht 
sich  auf  einen  vom  Gjinna>ium  zu  Danzig  veranlassten  und  A'om  ^Fuii- 
sterium  den  übrigen  Prenssischen  Schulen  gemachten  Vorschlag,  dass 
die  Schüler  der  drei  obcrn  Classen  neben  den  Classikern,  die  öfl'ent- 
lich  in  der  Schule  gelesen  Averden,  nocli  die  vorzüglichsten,  die  nicht 
gelesen  werden,  oder  doch  die  Avichtigstcn  Stücke  derselben  zu  Hause 
für  sich  lesen  und  ihre  Beuierkungen  in  Adversarien  eintragen ,  der 
jedesmahlige  Ordinarius  dei-Classe  al>er  jeden  Monat  oder  jedes  Viertel- 
jahr Nachfrage   über  das  Gelesene   anstellen,')    und  Avas  dem  Schüler 


*)  Diese  EinricLtuiig  besteLt  auf  den  Sächsischen  Fürstenschulcn  in  allen  A'ier 
Classen  seit  langen  Jahren,  ist  aber  hier  freilich  auch  dnrrh  das  Beisanunenwoh- 
ncn  der  fcämuitlichcn  Sfcliiilcr  und  durch  die  von  den  Schülern  der  obcrn  ('lassen 
über  die  der  untern  {refulirte  Aul'hii-ht  und  durch  die  mit  deuscüien  (5  Stundeu 
vücbciulifh )  von  jenen  an{;estelltc  I*ri\atleclure  passender  Schriftsteller  bedingt, 
lu  Scbulpforta  hat  man  zum  lichul  dieser  Lnterricht!--  oder  Lesestnudeu  der  obera 
Schuler  mit  den  untern  eine  besondere  Sammlung  (Cruslnla.  Iipz.  Vogel.  Ib2(j. 
gr.  Vi.  geh.  9  gr. )  von  ausgeHÜhlteu  Stelleu  aua  Cicero,  Cäbar,  Phacdrus,  Ü\idiu8 
herausgegeben. 


234  Schul-  und  Vniversi  tätsnachri'chten, 

sprachlich  oder  sachlich  unverständlich  geblieben  ist,  lösen  und  auf- 
klären soll.  Hr.Prof.  Manso  billigt  diess,  meint  aber,  dass  es  sowohl 
dem  Schüler  als  noch  mehr  dem  Lehrer  dazu  au  Zeit  fehlen  werde, 
und  bemerkt  ausserdem:  „Endlich,  warum  sollen  die  jungen  Leute 
gerade  Autoren  lesen,  die  sie  noch  ganz  und  gar  nicht  kennen?  Ist  es 
denn  nicht  weit  natürlicher,  sie  zur  Lesung  solcher  Aytoren  anzuhalten 
welche  in  den  Schulen  binnen  einer  zweijährigen  Frist  in  der  Regel 
nicht  ganz  gelesen  werden  können  ?  Wer  drei  oder  vier  Bücher  der 
Aeneide,  wer  eben  so  viele  des  Livius,  oder  einen  Theil  der  llorazi- 
schen  Oden  gelesen  hat,  werde  angehalten,  das  Ganze  zu  vollenden. 
Er  hat  wenigstens  den  V  ortheil,  auf  bekanntem  Boden  zu  wandeln  und 
mit  leichterer  Mühe  vorzuschreiten.  Ueberhaupt  ist  kein  Zweifel, 
dass  eine  frühzeitige  bunte  und  mannigfaltige  Leetüre  dem  Jüngling 
weit  weniger  frommt,  als  eine  einfache,  stetig<,'  und  wiederholte.  Mcr 
treffliche  Schriftsteller ,  etwa  im  Lateinischen  Livius ,  Cicero  ,  Virgil 
und  Horaz ,  gelesen  und  m  ieder  gelesen ,  schärfen  gewiss  das  Urtheil, 
begründen  eine  feste  Latinität  und  sind  die  beste  Vorbereitung  zur  cur- 
sorisclien  Leetüre  der  übrigen  in  reiferen  Jahren. "  Vrgl.  Leipz.  Lit. 
Ztg.  1826  Nr.  134.  Ueber  die  Einführung  dieser  Privatlectüre  der 
Schüler  hat  sich  auch  Hr.  Gust.  Müller  in  dem  Anhange  zum  Osterpro- 
gramm  des  Gymnasiums  zu  Stendal  —  Ueber  die  analytischen  Wieder- 
holungen fuathematischer  Lehrabschnitte.  1826.  12  S.  4.  —  aus- 
gesprochen. 

BßOMiiERG.  Hr.  Regierungs-  und  Schulrath  Reichhclm  hat  bei  der 
Feier  des  Preuss.  Kronungs-  und  Ordensfestes  (den  22sten  Januar)  den 
rothen  Adlerorden  dritter  Classe  erhalten.  Derselbe  ist  von  der  Stadt- 
verordneten-Versammlung zum  Stadt-  und  SchuU-ath  gewählt  und  vom 
Ministerium  bestätigt  worden. 

Celle.  Das  durch  den  Abgang  des  Hrn.  Dr.  Fr.  G.  Klopfer  erle- 
digte Dü'ectorat  des  Gymnasiums  ist  Herrn  Lndw.  Phil.  Hüpcden,  zeit- 
herigem  Lehrer  an  der  gelehrten  Schule  zu  Bremen,  übertragen  worden. 

CuARLOTTEViLLE  lu  Vlrginicu.  Die  dortige  neuerrichtetc  Univer- 
sität Virginia,  welche  zunächst  durch  den  vormahligen  Präsident  Jcjfcr- 
son  gegründet  ward,  fängt  an  in  Wirklichkeit  zu  treten.  Schon  sind 
mehrere  Professoren  ernannt  und  eiiie  Menge  prachtvoller  Llniversi- 
tätsgebäude  aufgeführt.  Jeder  Professor  erhält  ausser  freier  Wolinung 
jährlich  1500  Dollar  (gegen  1900  Rthlr.) ,  welclier  Gehalt  verdoppelt 
werden  soll ,  wenn  die  Zahl  der  Studirenden  den  Erwartungen  ent- 
spricht. Alle  Zweige  der  Wissenschaften,  avisser  der  Theologie,  wer- 
den gelehrt.  S.  Dresdner  Wegweiser  im  Geb.  d.  Künste  1826  Nr.  19, 
Hall.  L.  Z.  N.  145. 

Cleve.  Im  Decembcr  vor.  J.  ist  der  Schulamtscandidat  Hr.  Dr. 
Carl  .'lug.  Mor.  Axt,  aus  Naderkau  bei  Wittenberg,  als  Iter  Lehrer  am 
Gymnasium  eingetreten. 


Beförderungen  und  Elirenbczcigung-cn.  235 

CoBLK\z.  Hr.  Dr.  Ernst  Dronkc,  Lrlircr  und  liil)lIothckar  am 
Gymnusiuni,  ist  zum   Oberlehrer  ernunut  >vordcn.  A  rgl.  Cölx. 

CobVrg.  Der  Prof.  der  MiUliemutilc  am  GjTunasumi,  Ilr.  JoJt. 
Clirlsdan  inih.  Kuldcr,  ist  zum  Pfarrer  in  Exdorf  befördert  A^orden. 
Die  erledif-le  Lehrstelle  erhielt  der  lierzo<;^liehe  Kammei-seeretair,  Ilr. 
l)uv.  IVUli.  Göbil,  mit  lieibeliiiltun«;,-  seiner  Seeretairiats-Funetion.  Au 
derüelbeu  Anstalt  Avard  der  bisherige  Collaborator,  lir.  Eduard  Fvrbcr<^, 
zum  ausserordentliehen  Professor,  Hr.  Ernst  TromphcUcr  aus  Gotha 
aber  zum  Collaborator  ernannt. 

CÖLX  am  Rhein.  Das  köngl.  Preussisehe  Consistorium  ist  aufge- 
hoben, und  seine  Geschäfte  siird  dem  Provinzial-Scliul-Collegio  zu 
Coblenz  übertragen  worden.  Der  Consistorialrath  Dr.  Augmii, 
Prof.  zu  Bonn,  ist  unter  Beibehaltung  seiner  Professur,  als  Obercon- 
sistorialratli  naeh  Coblenz  versetzt.  Am  Carmelitergyninasium  ist  zu 
Ostern  d.J.  der  zeitherige  Adjunctus  zu  Sehulpforte,  Hr.  Dr.  Cari  Georg 
Jacob,  als  Professor  eingetreten. 

Da\zig.  Ausser  dass  das  Gj-mnasium  seinen  Director,  Hrn.  Dr. 
Meiiiekc,  verloren  hat  (S.  Berli>),  ist  aueli  der  bisherige  Professorder 
alten  Sprachen  und  lleligionsleluer,  Hr.  Dr.  Thcod.  Fried.  Kniewell, 
von  der  dortigen  Gemeinde  der  Oberpfankirche  zu  St.  Marien  zuilu'cui 
dritten  Prediger  crMÜhlt  und  von  den  Behörden  bestätigt  Avorden.  Am 
Gymnasium  versieht  er  bloss  vorläufig  noch  den  llcligionsunterricht. 

Drksdex.  Der  bei  der  öffentlichen  Bibliothek  mit  dem  Prädicate 
eines  Bibliothekars  angestellte  erste  Secretair,  Hr.  Friedrich  Adolph 
Ebcrt ,  ist  m  irklicher  Bibliothekar  und  Hofrath  der  vierten  Classe  ge- 
worden. —  Die  Krcuzscluilc  zählte  zu  Ostern  d.  J.  413  Schüler  in  5 
Classen ,  nelunlich  95  in  I,  79  in  II,  94  in  III,  84  in  IV  und  ()5  in  V 
(zu  Michaelis  1825  aber  414).  Zu  3Iidiaclis  sind  18,  zu  Ostern  29  auf 
die  Universität  abgegangen.  Lehrer  sind  der  Rector  Grübel.  Conrector 
Baumgurten-Crusius ,  31.  Ilcydfr  (giebt  Avegen  AlterseliAväche  nur  noch 
wenig  Stunden) ,  31.  Wagner,  31.  Liebet  und  3Iatheniaticus  Hermsdorf. 
Dazu  kommen  als  Hülfslehrer :  M.  Bültcher,  31.  Sillig,  AI.  Müller,  M. 
Slimmel  und  31.  Schier.  Letzterer  ist  erst  vor  Kurzem  angestellt  Avor- 
den,  da  der  erste  Collaborator,  31.  Iflelisch,  zum  PäStor  zu  Cotta  be- 
fördert Avorden  Avar.  Das  Scluilgeld  beträgt  jährlicli  in  Prima  und 
Sccunda  24,  in  Terlia  20,  in  Quarta  18,  in '  Quinta  Ki  Rtlilr.  Sächsisch. 

DrisBrRG.  Das  dortige  Gymnasium  liat  erst  seit  1822  Avieder  auf- 
zublühen angefangen,  da  es  kurz  vorlier  seinem  Ersterben  nahe  Avar. 
Von  179()  an  hatte  es  der  Dr.  Joh.  GollJ'r.  tlirislian  jSonne  geleitet,  der 
den  18ten  Juni  1821  im  73;ten  Leix  iisjahre  starb.  IN  ach  ibm  übernalim 
zwar  im  Herbst  1821  der  damahligc  reform.  Prediger  und  jetzige 
Superintendent,  Hr.  Joh.  Peter  Adolph  Sehriever,  die  Direetion  und  hielt 
auch  einige  Lehrstunden;  allein  es  fehlte  der  Anstalt  an  hinlänglichen 
Lthreru,   zumahl  da  der  seit  1180  als  Collaborator,   seit  1791  aber  als 


2S6  Schul-  und  Universitätsnachrichten  , 

Conrector  (oder  Lehrer  in  Secunda)  angestellte  Ilr.  Heinr.  JFilh. 
Cramcr  immer  kriuiklich  war  und  dcsshalb  auch  den  2-1  Nov.  1821  sein 
Amt  niederlegte.  Es  blichen  nur  noch  Hr.  Fried.-.  IVilli.  DaMlioff  (geh. 
den  5ten  April  1771  zu  Vechta  im  Teclclenhurgschcn)  als  Lehrer  der 
dritten  (seit  1797)  und  Hr.  Joh.  Dav.  Klcinstcuhcr  (geh.  den  Uten 
Octoh.  1757  zu  Farrenroda  hei  Eisenach,  am  Gymnasium  zu  Duisburg 
angestellt  seit  1797)  als  Lehrer  der  vierten  Classe.  An  Cramer's  Stelle 
(d.  h.  als  Lehrer  der  zweiten  Classe;  denn  das  Conrectorat  erhielt  Hr. 
Dahlhojf)  trat  jedoch  im  November  Hr.  Dr.  Joh.  Christ.  JFilh.  Aug. 
Ilopfcnsack,  geh.  den  Isten  Octoh.  1801  zu  Viypacli  im  Weimarsch^n, 
und  jetzt  ward  es  erst  wieder  möglich  drei  Classen,  die  zweite,  dritte 
und  vierte ,  einzurichten.  Die  Zahl  der  Schüler  betrug  35,  nchmlich 
6  in  II,  11  in  III  und  18  in  IV.  Den  25sten  August  1822  übernahm  Hr. 
Dr.  Joh.  Daniel  Schulze,  vorher  Rector  des  Gymnasiums  zu  Luckau  in  d. 
Niederl.,  das  Directoi'at,  und  bald  darauf  Avard  auch  eine  Prima  einge- 
richtet. Herr  Superintendent  ScÄriCi;er  behielt  den  Unterricht  in  der  Reli- 
gion in  I,  II,  III,  im  Hebräischen  in  I  und  II  und  eine  philologische  Le- 
ction  (Erklärung  der  Oden  des  Horaz)  in  I.  Die  Zahl  der  Schüler  war 
51.  Als  Schulgesetze  wurden  die  zu  Düsseldorf  und  Cöln  bestehenden, 
welche  Hr.  Consistorial-  und  Schulrath  C,  JV.  C.  Kortüm  entM'orfen 
und  in  einem  Programm  zu  Düsseldorf  1821,  39  S.  gr.  8,  bekannt  ge- 
macht hat,  eingeführt.  Den  20stcn  August  1823  ward  Hr.  Dr.  Ernst 
Goitl.  Ferd.  Engel  (geh.  den  olsten  Oct.  1785  zu  Oels  in  Schlesien)  als  Leh- 
rer der  Mathematik  und  Physik  und  Hr.  Conrad  Feldmann  (geb.  zu  Crefeld, 
den  26sten  Januar  1803)  als  Hülfslehrer  für  den  Unterricht  im  Zeichnen 
»nd  Schreiben  angestellt.  [Letzterer  fing  jedoch  erst  den  5ten  Aug.  1824 
seine  Lehrstunden  an.]  Zum  Herbstexamen  desselben  Jahres  schrieb 
Hr.  Dr.  Schulze  als  Programm :  Antholo  giae  Graecac  epigr  am- 
tnata  quaedam  in  Hom.,  Sappho  et  Erinnam  tum  variaia 
interpretationc  metr  ica ,  tum  aliorum  suisque  notis  il- 
lustrata.  24  S.  4,  nebst  IV  S.  Schulnachrichten.  Schüler  waren  4  in 
I,  17  in  II,  16  in  III  und  35  in  IV.  Aon  Michaelis  dieses  Jahres  wurden 
6  Classen  eingerichtet.  Das  Schulgeld  beträgt  15  Rthlr.  Preussisch  in 
der  Iten,  12  Rthlr.  in  der  2ten,  10  Rthlr.  in  der  3ten  und  4ten  und 
9  Rthlr.  in  der  5ten  und  fiten  Classe.  Zu  derselben  Zelt  übernahm  Hr. 
Friedr.  Mohn,  Prediger  der  kleinem  evangel.  Gemeinde,  den  Religions- 
unterricht in  der  comblnirten  3ten  und  4ten  Classe  und  llv.  Siip.  Schricver 
behielt  ihn  nur  in  der  Itcn  und  2ten  hei.  Den  21teaJuU  1824  ward  der 
Organist  der  kielnern  evang.  Gemeinde ,  Ilr.  Peter  Friedr.  Engulfcld 
(geh.  zu  Hcllgenhaus  bei  Velbert,  den  Cten  Jun.  1793)  als  Gesanglehrer 
angestellt.  Der  Französische  Unterricht  rausste  aus  den  öffentlichen  Vor- 
trägen wegfallen,  um  nicht  Lehrer  und  Schüler  mit  Unterrichte  zu  sehr 
zu  überhäufen.  Hr.  Dr.  Hopfensack  erhielt  eine  Gratification  und  die 
Herrn  Schulze,  Dahlhoff  und  Kleinstcubcr  Gehaltszulagen.  Im  Herbst 
1824  Murden  zuerst  5  Schüler  zur  Universität  entlassen.  Zu  dieser 
Feierlichkeit  so  wie  zu  den  öflentlicheii  Prüfungen  gab  Hr.  Dir.  Schulze 
als  Programm  die»  Schulrcdcn  (24   S.   4,  von  S.  17  —  24  Schul- 


Befurderungen  und  Ehrenbezeigungen.  237 

naclirichten )  heraus.  Die  Zahl  der  Schüler  war  10  In  I,  17  in  II,  15 
in  111,  18  in  IV,  21  In  V  und  13  in  VI.  Im  Schuljalir  Michaelis  1824 
bis  dahin  1825  ühernahni  Hr.  I'red.  Mtihn  statt  des  {^anz  ahj^etrctcnen 
Herrn  Sup.  ScJnicvcr  den  Itcliniousunterricht  und  der  Director  das 
Hcbrüisclie  in  den  beiden  obern  Classen.  Zum  Religionsichrer  der  3ten 
und  4ten  Classe  ward  Hr.  Candid.  Jus;.  Hermann  ernannt,  der  aber  im 
Sommer  1824  diesen  l  nterriclit  wieder  aufgab,  Avorauf  der  Director 
denselben  übernahm.  Hr.  Dr.  Ilopfcnsack  gal>  Privatunterricht  im  Fran- 
zösischen. Die  luathcmati^^cbcn  und  iihysikalischen  »Stunden  wurden 
durch  eine  schwere  Kranklieit  des  Hrn.  Dr.  Engel  vielfach  gestört  und 
unterbroclien.   Das  Einladnngsjirogramni  zur  Herbstprüfung  1825,  20  S. 

4,  liefert  S.  1  — 10  eine  Abhandlung  von  Dr.  Hopfensack,  De  Roma- 
norum vinnicipiis   et  coloniis   comment.   antiquaria,    und 

5.  11 — 2(»  Scluilnaclirichten.  Die  Zahl  der  Schüler  war  89.  Auf  die 
Universität  m  aren  zu  Ostern  5  abgegangen. 

Erfitit.  Das  Gymnasium  zählt  jetzt  211  Schüler,  nehmllch  14  In 
Prima,  18  in  Secunda,  45  in  Tertia,  39  in  Quarta,  45  in  Quinta,  50 
in  Sexta.  Bei  der  Aufnahme  neuer  Schüler  hat  man  den  lobenswerthen 
Grundsatz  festgestellt ,  dass  kein  Schüler  angenommen  werden  darf, 
dem  die  gehörigen  A  orkenntnisse  fehlen,  der  von  gewissen  Lehrstunden 
dispensirt  seyn  will,  oder  der  keine  vollgültigen  Zeugnisse  von  früher 
besuchten  Anstalten  beibringen  kann.  Auch  wird  der  Abgang  solcher 
Schüler  aus  den  untern  und  mittlem  Classen,  welche  wegen  Mangel 
an  Fähigkeiten  und  Fleiss,  nachdem  sie  zwei  Jahr  in  einer  Classe  ge- 
sessen, in  eine  höhere  noch  nicht  versetzt  werden  können,  möglichst 
befördert.  S.  Schulzeit.  1826  Abth.  2  Nr.  43. 

Flensbirg.  Hr.  Joh.  Sigism.  Strodtmann ,  bisher  Collaborator  an 
der  Gelelirtenschule  zu  Husum,  ist  Subrectoram  Gymnasium  geworden. 

Fbaxkfitit  a.  M.  Als  katholischer  Religionsichrer  in  den  vier  obern 
Classen  des  GjTunasiums  ist  eingetreten  Herr  Joseph  Fell  ( geb.  zu 
Mainz  1791),  bereits  Cooperator  an  der  St.  Leonhardskirche,  und  In- 
spector  und  Religionslehrcr  der  kathol.  Knabenschule  im  Dominikaner- 
kloster. 

Fraust.vdt.  Zu  der  ölTentUchen  Prüfung  der  Schüler  in  der  königl. 
Kreisschule  am  28  —  30  Juli  1825  hat  der  Rector,  Hr.  Fechner,  mit 
einem  Progamni  eingeladen,  welches  die  Geschichte  der  Schule  enthält. 
Diese  wurde  Aon  den  Jesuiten  1719  gegründet  und  besass  einen 
Fond  von  954090  polniscJien  Gulden.  Aach  der  Aufhebung  der  Jesuiten 
fiel  sie  den  Cisterciensern  anheim ,  aber  seit  1793  wurde  sie  allmählig 
von  allen  Lebrern  verlassen.  Im  J.  1807  wurde  sie  als  Kreisschule  zum 
3ten  Mahl  begründet,  und  mit  edlem  Gemeinsinn  hat  die  hohe  Landes- 
bchürdc  sich  hinlängli<h  darüber  ausgesprochen ,  dass  diese  Schulan- 
stalt nach  M'Ie  vor  unabänderlicli  in  diesem  Orte  verbleiben  solle.  Herr 
Radojewski  wurde  als  Lehrer  der  Französischen  und  Polnischen  Sprache 
angestellt.  Die  Anzahl  der  Schüler  betrug  123. 


2S8 


Schul-  und  UniversitiltsnachrlcJbten, 


Freiberc.  Die  dortige  Stadtschule  Ist  zugleich  Gymnasium,  Schul- 
lehrerscuilnarium  und  Bürgerschule,  und  hesteht  sonach  aus  drei  Ab- 
theilungen: für  künftige  Gelehrte,  Schullelirer  und  Bürger.  Durch  eine 
Königl.  Verordnung  vom  12ten  Sept.  1825  jedocli  hat  das  Schullehrer- 
tseminar  eine  gelbstständigere  Stellung  helcoiunien  und  wird ,  ob  es 
gleich  mit  der  Schulanstalt  verbnnden  bleibt,  eine  eigene  Verfassung 
erhalten.  Die  übrigen  beiden  Theile  bleiben  in  engerer  Verbindung 
lind  stehen  unter  gleicher  Direction ;  jedoch  sind  die  Grunzen  dersel- 
ben mehr  aus  einander  gerückt  Avorden  und  von  den  liestehendenS  Clas- 
«sen  gehören  die  vier  untersten  der  eigentlichen  Bürgerschule  zu,  Mäh- 
rend die  vier  obersten  das  Gymnasium  bilden.  Für  letzteres  ist  im 
Jahr  1824  von  den  Landständen  die  Anstellung  eines  llülfslchrers  mit 
200  Rthlr.  jährlicher  Besoldung  genehmigt  Avorden.  Diese  Stelle  erhielt 
den  17ten  August  1825  Hr.  M.  Chiisiian  Gottlob  Andreas,  und  als  der- 
selbe ,  nach  dem  am  26sten  Dec.  1825  erfolgten  Ableben  des  5ten  Leh- 
rers, Carl  Friedrich  Hellbauer^s ,  den  30steu  Januar  1826  dessen  Steile 
erhielt,  so  ward  Hr.  Joh.  Carl  GotlUcb  Zimmer  als  Collaborator  ange- 
stellt. Den  Lehrplan  der  Anstalt  hat  der  Rector ,  Hr.  M.  Carl  An^. 
Rüdiger,  in  einem  Trogramm,  Avomit  er  zur  Feier  des  J.  Chr.  Ricliter'- 
schen  und  des  Eckhard- Richter'schen  Gestütes  den  14tcn  April  1826 
(16  S.  4)  einlud,  bekannt  gemacht,  und  darin  zugleich  die  ZAveck- 
mässigkeit  der  Vei-bindung  der  gelehrten  und  Bürgerschule  zu  erAveisen 
und  gegen  gemachte  Einwürfe  zu  schützen  gesucht.  Für  auswärtige 
Schüler  der  Anstalt  ist  seit  dem  Iten  Api-il  dieses  Jahres  ein  Alumneum 
eingerichtet,  durch  Avelches  eine  sichere  Leitung  ihrer  Studien  und 
gehörige  Fürsorge  für  alles  das ,  was  dem  Geist  und  Körper  dienlich 
ist ,  erreicht  werden  soll.  Die  Alumnen  Avohnen  alle  in  einem  Hause 
beisammen,  können  entAveder  in  der  Anstalt  selbst  oder  ausserhalb 
derselben  essen ,  sind  aber  im  Uebrigen  alle  auf  gleiche  Weise  an  die 
bestehende  Ordnung  und  Gesetze  gebunden.  Die  unmittelbare  Aufsicht 
über  sie  hat  Hr.  Collaborator  Zimmer  übernommen. 

Friedland  in  Mecklenburg.  Das  erledigte  Prorectorat  des  Gatu- 
nasiums  ist  seit  Ostern  dieses  Jahres  durcl»  den  Schulamtscandidaten 
Herrn  Ernst  Glaseivald  (Verfasser  der  Gratulationsschrift  Coniecta- 
nea  in  Quinti  Smyrnaci  Po  sthomcrica.  Wittenb.  1817.  18  S. 
8),  aus  Straach  bei  Wittenberg,  Avieder  besetzt. 

In  Gali,izie:[v  sind  ausser  den  9  seit  1817  bestehenden  Gymnasien  noch 
4,  zu  Saindec  ,  BociiiviA ,  Tarnopoi.  und  ein  zAveites  zu  Lemlerg,  er- 
richtet AVorden.  Auch  sind  ausser  der  seit  1817  zu  Czerxoavitz  beste- 
henden philosophischen  Lehranstalt  noch  ZAvei  neue,  zu  Przeaiysi.  und 
Tarnopoi.  ,  eingerichtet.  Nicht  minder  ist  auf  der  ebenfalls  1817  Avie- 
derhergestellten  Universität  zu  Lemberg  der  philosophische  Lehrstuhl 
wegen  zu  grosser  Zahl  der  Zuhörer ,  die  in  den  ansehnlichen  Hör- 
sälen nicht  Platz  hatten,  doppelt  besetzt  AVOrden. 

GIESSEN.  Hr.  Ed.  Geist  aus  Nidda  ist  6ter  Lehrer  am  Pädagogium 
geworden. 


Beförderungen  und  Ehreubezcigungen.    239 

GtEiwiTZ.  Das  Gj-mnasuiin,wclrlips  die  eigenthüinliclic  Einrichtung 
hat,  dass  alle  Schüler  der  heidon  ol)ci'n  Classen  ohne  Ausnahme  die 
Hebräische  Sprache  erlernen  niiissen,  zäliUe  im  Schuljahr  1825  in  6 
Classen  352  Schüler.  \  on  den  Lehrern  erliielt  Herr  JiiJbcl  das  Prädicat 
als  Oberlehrer  imd  der  interimistisch  angestellte  Herr  lircUncr  vard 
definitiv  als  7ter  Lehrer  angestellt.  Herr  Prof.  Jos.  Hclmhrod  schrieb 
als  Programm:  Disiiuiaiio  de  So})hoclis  Ajace.  Vratisl.  1825. 
1«  S.  4. 

Gmi"  \D.  Hr.  Weiss  hat  an  der  Lateinischen  Lehranstalt  das  erle- 
digte Oberpräeeptorat ,  dessen  Verweser  er  bisher  war,  erhalten. 

Grimma.  An  der  königl.  Landesschule  hat  der  erste  Adjunct,  Hr. 
M.  Eduard.  Jfiindcr  (geboren  zu  Wittenberg  1799,  an  der  Schule  ange- 
stellt seit  Ostern  1823),  wegen  seiner  Verdienste  den  Titel  eines  ausser- 
ordentlichen Professors  erhalten  und  die  unter  den  6  ordentlichen  Pro- 
fessoren wechselnde  Wocheninspcction  über  das  Alumneum  für  den 
betagten  Prof.  der  Mathematik,  Herrn  M.  Tupf  er ,  gegvn  eine  ange- 
messene Entschädigung  übernommen.  Ende  Novembers  vorigen  Jahres 
legte  der  zweite  Adjunct,  Hr.  M.  Joh.  Christian  Jahn  (^geboren  zu 
StolzenhajTibelGrosscnhayn  1797),  sein  Amt  freiwillig  nieder,  um  nach 
Leipzig  an  die  Universität  sich  zu  begeben.  Seine  Stelle  ei'hlelt  der 
dritte  Adjunct,  Hr.  31.  Friedr.  Jf'ilh.  Jloffmann  (geb.  zu  Thum  im  Erz- 
gebürge  1797,  angestellt  seit  A'ov.  1823).  Die  dritte  Adjunctur  ward 
dem  Hrn.  M.  Jf'ilh.  Ferdinand  Aor?»,  geb.  zu  Annaberg  1801,  übertra- 
gen. Zu  Ostern  dieses  Jahres  schrieb  der  Rector ,  Hr.  Prof.  M.  Aug. 
^fetcÄcrt,  das  Progi'amm :  Pro  lusio  prima  deQ.Horatii  Flacci 
epistolis,  35  S.  4,  Avodnreh  er  die  öffentliche  Entlassung  mehrerer 
Schüler  zur  Universität  ankündigte. 

Gl  MMF.nsKAcu  in  Uhelnpreusscn.  An  der  höhern  Lehranstalt  hat 
Hr.  Rector  Jioiicn:arn  als  Einladung  zu  den  Osterprüfungen  dieses  Jah- 
res einen  Versuch  eines  Organisationsplanes  dieser  höhern  Lehranstalt 
auf  28  S.  In  8  herausgegeben.  Dieselbe  soll  zugleich  Bürgerschule 
und  Progyninaslum  seyn,  und  es  wird  desshalb  auf  ihr  in  vier  nach  den 
vier  Classen  eingerichteten  Cnrsen  eben  so  Griechisch  und  Lateinisch, 
als  Mineralogie,  Botanik,  Physik,  Chemie,  Technologie,  Mechanik 
u.    a.  vorgetragen. 

Halkerstadt.  Die  durch  den  Tod  des  Dr.  ph.  Const.  Schmidt  er- 
ledigte Collaboratur  am  Doragymnasium  hat  zu  Ostern  dieses  Jahres 
der  zeltlierige  Hülfslehrcr  am  Pädagogium  zu  Halle,  Hr.  Dr.  pli.  C. 
yalop  aus  llornburg,  erhalten. 

Hallk.  Hr.,  Prof.  und  Inspector  des  Pädagogiums  Jacobs  ist  nach 
dem  "Wunsche  seines  Schwiegervaters,  Hrn.  Canzler  Dr.  Niemeyer'' s, 
Condlrector  der  Franke"»chen  Stiftungen  geworden.  Letzterer  aber  hat 
den  22sten  Januar  den  rothcn  Adicrorden  2ter  Classe  mit  Eichenlaub 
erhalten. 


4 
240  Schul-    und  Universitätsnachrichten. 

Ha!too>ter.  lieber  das  Lyceura  hat  der  Director,  Hr.  Dr.  Grotefend, 
zu  Ostern  d.  J.  die  7te  Nacliriclit  geliefert.  Die  Zahl  der  Schüler  be- 
trug 418  in  11  Classen,  von  denen  84  Ausländer  waren.  Aus  den  Schü- 
lern ist  ein  Kü-chenchor  zum  Gesang  gebildet  Morden,  und  die  Sing- 
schule des  Lyceums  liat  besondere  Gesetze  erhalten.  In  der  ersten 
Classe  Avurden  besondere  Stunden  zum  Unterrichte  in  der  Physik  fest- 
gesetzt und  ein  physikalischer  Apparat  angesdiafft.  Für  JNichtstndi- 
rende  Avard  ein  vollständiger  Realunterricht  in  den  Real-  und  Eleinen- 
tarclassen  des  Gymnasiums  begründet.  Im  Lehrerpersonale  traten  an 
die  Stelle  der  abgegangenen  Hrn.  Freitag  und  S^hwietcring  die  Hrn. 
Evers  und  Lehners.  Hrn.  Dr.  Tctzner  ward  der  Unterricht  im  Buchfüh- 
ren übertragen. 

Jever.  Zum  Rector  des  Gymnasiums  ist  Ilr.  Dr.  J.  G.  Seebicht, 
bisherigen  Oberlehrer  am  Pädagogium  zu  ZüUichau,  berufen  worden. 

ItFKLD.  Am  Pädagogium  hat  Hr.  Conrector  KöJiler  seinen  Abschied 
mit  Beibehaltung  seines  vollen  Gehalts  erhalten.  In  seine  Stelle  rückte 
Hr.  Grotefend,  zeitheriger  Subconrector.  Ebenda  ist  Ilr.  Dr.  Klippel, 
zeitheriger  erster  Collabtorator  der  Latein.  Stadtschule  zu  Minden, 
zweiter  Collaborator  geworden. 

IissBRUCK.  Das  Lyceum  ist  vom  Kaiser  zur  Universität  mit  der  Be- 
fugniss,  Doctoren  der  Philosophie  und  Jurisprudenz  zu  creiren,  erho- 
ben oder  eigentlich  zum  zweiten  Mahle  restaurirt  Morden.  Diese  Re- 
stauration ward  den  SOsten  April  durch  einen  solennen  Act  gefeiert. 

Kü\iGSBERG.  Am  Stadtgymnasinm,  Mclches  zugleich  Bürgerschule 
und  gelehrte  Schule  ist,  hat  der  Director  in  dem  zum  vorigen  Herbst- 
examen gelieferten  Programme  (40  S.  4)  die  Geschichte  der  Anstalt 
von  Michaelis  1824  bis  dahin  1825  nebst  vorausgeschickten  statistischen 
Bemerkungen  vom  Jahr  1814  an  gegeben.  Die  meisten  Schüler  wer- 
den daselbst  nicht  für  die  Universität,  sondern  fürs  bürgerliche  Leben 
gebildet,  und  von  15  aufgenommenen  kommen  im  Durchschnitt  nur  2 
bis  Prima.  Zu  Michaelis  1825  betrug  ihre  Zahl  338.  An  der  ^hule 
arbeiten  der  Director  Dr.  Struvc  tmd  Prorector  Graboivski,  die  Ober- 
lehrer Dr.  Legiehn,  Stiemer,  und  Dr.  Ellendt,  die  Lehrer  Krieger, 
Dr.  Lucas,  Dr.  Ilamann  und  Mütlrich,  der  Cantor  JFitt,  der  Schrcibleh- 
rer  Möllhausen  und  die  Ilülfslehrer  Nittka ,  Wendung  luid  Baltrusch. 
Hr.  Müttrich  ist  erst  im  vorigen  Jahre  daselbst  angestellt  Avorden,  da 
sein  Vorgänger  von  Freymann  an  das  Gymnasium  zu  Riga  berufen 
worden  war.  Herr  Dr.  Ellendt  aber  hat,  mit  Beibehaltung  seinea 
Schulamtes,  eine  ausserordentliche  Professur  an  der  Universität  erhalten. 

LiNGEW.  Am  Gymnasium  rückte  in  die  erste  Coyaboratur,  an  die 
Stelle  des  als  Pfarrer  nach  Oldendorf  beförderten  Gollab.  Strick,  der 
zeitherige  zweite  Collaborator  Hiilster  ein,  dessen  Stelle  aber  erhielt 
der  Candidat  Krümberg.  Zum  Lelu-er  der  Französ.  Sprache  ward  der 
Lieutenant  Koch  ernannt.      Zu  den  Osterprüfungen  lud  der  Conrector, 


Beförderungen  und    Elircnbczeigungcn.         241 

Hr.  Dr.  U'olpcr,  dnrcli  das  Programm  ein:  lieber  Her ück sieht i - 
gun^  des  Ehr  tri  eh  CS  bei  Strafen  in  den  obcrn  C  lassen 
von  gelehrten  Schulen,  20  S.  4.  Die  Scliiilcrzalil  Avar  ()9  In  5 
Classen.  Im  verllossenen  Jahre  vcrliessen  die  Anstalt  34  Schüler,  von 
denen  9  die  Universität  hezogen. 

LrcKvr.  Das  Gymnasium  zählte  am  Ende  des  Schuljahrs,  von 
Ostern  1825  his  dahin  182(),  338  Scliiiler  in  7  Classcn  (nchmlich  28  in 
I,  43  in  II,  21  in  III,  46  in  l\,  59  in  V,  55  in  VI  und  86  in  VII),  von 
denen  jedoch  nur  die'  4  obcrn  Classen  das  eigentliche  Gymnasium  bil- 
den. Zur  Universität  wurden  zu  ]Michaclis  1825  zwei,  zu  Ostern  d. 
J.  7  Schüler  entlassen.  Die  Unteriichtsg(g(>nstände  sind:  Lateinisch 
in'fi.  Griechisch  in  4,  IlcbräiscJi  in  2,  Dciitfch  in  7,  Französisch  in  3, 
Religion  ,  ]>Iatheniatik ,  Xaturlchre  und  Gesang  in  7,  alte  Geographie 
in  2,  neue  Geographie  in  den  5  untern,  Geschichte  in  6,  Kalligraphie 
in  den  5  untern  nnd  Zeichnen  in  den  2  letzten  Classen.  Von  Seiten 
der  Behörden  beabsichtigt  man  ein  neues  Schulgebäude  zu  bauen  und 
einen  neuen  Lelirer  für  die  obern  Classen  anzustellen.  Die  zeitheri- 
gen  Lehrer  sind  der  Rector  31.  Lehmann  für  I,  Conrector  M.  Thieme 
für  II,  Snbrector  M.  ff'cickert  für  III,  31.  Jetter  für  IV,  Cantor  Gra- 
ser für  V,  If'enzd  für  M,  Auditor  J'ogt  für  MI.  Zu  den  Osterprü- 
fungen  (d.  15  März)  sduieb  Ilr.  31.  Job.  Gottl.  AVeickert  Explica- 
t  ion  es  lo  cor  ii  jn  aliquot  D  e  vinst  h  e  n  i  s  alio  r  umquc  scr  i~ 
ptorum,  28  S.   (von  S.  16  —  28  Scbulnachrichten)  4. 

Ltk.  Ueber  das  dortige  Gymnasium  ertheilt  ausführliche  Nach- 
richt der  Director,  Hr.  Dr./.  Ä'.  lioscnhcyn,  in  der  Einladungsschrift  zum 
Herbstexamen  1825  (Gumbinnae,  typis  Meltzeri,  47  S.  4.),  in  Avelchcr 
zuerst  S.  3  —  IT  ein  brevis  commentariolus  particulae  non 
vwdo  pro  non  modo  nonpositae  vorausgeschickt  und  S.  18  —  47Schul- 
uachricliten  angehängt  sind.  Das  Gymnasium  verdankt  seine  Begründung 
und  sein  Aul'biühn  zunächst  mit  dem  rasthtsen  nnd  einsichtsvollen  3\irkeii 
des  den  16ten  Sept.  1823  gestorbenen  Directors  Johann  Friedrich  Jf^oUncr, 
dessen  \  erdienste  um  die  Anstalt  Ilr.  Dir.  liosenheyn  S.  31  —  38  kurz, 
aber  würdig  und  mit  Achtung  scliildert.  3Vollner  war  geboren  zu 
Königsberg  den  21  Jnni  1710  und  trat  zuerst  im  Schuileben  vom  2  31ai 
1791  an  erst  als  llüUs-  dann  als  ordentlicher  Lehrer  am  Colle^inm 
Fridericiannm  zu  Königsberg  auf.  Von  da  ward  er  1795  als  Rector  an 
die  Vrovincialschulc  zu  Lyk  versetzt  und  den  IStcn  IVov.  daselbst  ein- 
geführt. Er  fand  eine  Schule  von  etwa  50  Schülern,  aber  die  äussern 
und  innerii  Verliältuisse  dersell)en  in  der  grösstcn  Aerwirrung,  dass  er 
nur  mit  \ichr  Anstrengung  und  unter  Aielcn  Kämpfen  Ordnung  herbei- 
zuführen vermochte.  Seine  \  (üdicnste  Avurd(^n  zuerst  bemerkt  bei  einer 
Schuli-evision  im  Jahr  1802  durch  den  Oberconsistorialratli  Zöllner  aus 
Berlin,  der  auch  die  Bemerkung  machte,  dass  die  Lyk'sche  Provinzial- 
ecluile  ein  3Iittelding  zwischen  ein<-r  Gelehrten-  und  31ittelschulc  sey, 
zur  erstem  aber  weder  das  erforderliche  Local  noch  die  nöthige Lehrer- 
zahl liabe.  Eine  des&balb  niedergesetzte  Cominisbion  schlug  daher 
Jahrb.  tl.  l'hil.u.  I'üddg.  Julirg.  I.  Nrfl  1.  10 


242  Schul-   u  n  «l  U  n  i  V  e  r  3  i  tu  t  s  n  II  c  h  r  i  c h  t  e  n  , 

schon  im  Angnst  1803  vor,  »lie  Schulein  ein  Gymnasium  7m  xervriin- 
dcln  ,  allein  erst  «len  3ten  IVov.  1812  -ward  sie  dazu  erliohen  und  den 
3ten  Aug-.  1813  IVierlicli  eingeweiht.  WoUner  ward  (1812)  zum  Dire- 
ctor  ernannt.  Erster  Oberlehrer  ward  Hr.  Dr.  Ileinr.  Georg  Justtis 
Cludius  aus  Hildeslicim,  zweiter  Hr.  Prorector  Fföss ,  dritter  ordentli- 
cher Lehrer  Hr.  Michael  Chrzescienskl  aus  Slahowa  hei  llhcin,  und 
interimistisch  blieb  Hr.  I.  M.  Ksionzck  aus  Passenheim  angestellt.  Alle 
fliese  Gelehrte  waren  erst  1812,  liurz  Aor  Verwandlung  der  Schule  in 
ein  Gymnasium,  als  Lehrer  der  Provinzialschule  eingetreten.  Die  Schii- 
lerzahl  vermehrte  sich  jälu-lich  und  war  Anfang  1815  auf  1)0  G^iuna- 
siasten  gewachsen.  Schon  1812  hatte  der  König  zur  Erhaltung  der 
Anstalt  einen  jährlichen  Zuschuss  von  1000  Ilthlrn.  beMilligt;  den  7tcn 
Febr.  1815 ward  er  durch  neue  alljährige  1500  Rthh*.  vermehrt,  denen 
1820  noch  700  Rthlr.  zugelegt  wurden.  So  ward  es  möglich  1815  Hrn. 
Chrzescienskl  zum  Oberlehrer  zu  befördern,  und  ausserdem  Hrn.  Dr. 
Carl  IVilh.  Keferstcin  aus  Halle  als  4ten ,  Hrn.  Julius  Theodor  Wilberg 
aus  Halle  als  5ten,  Hrn.  Beruh.  JFilh.  Taiirek  aus  Königsberg  als  6ten 
ordentl.  Lehrer  und  Hrn.  Fried.  Act.  Lunge  aus  dem  Altenburgischen 
als  HülfslehrCr  anzustellen,  von  denen  aber  mehrere  bald  anderweit 
versorgt  und  durch  neue  Lehrer  ersetzt  wurden.  In  den  Jahren  1820  — 
22  ward  es  durch  Beiträge  der  Stadt  und  ein  Gnadengeschenk  des  Kö- 
nigs möglich  das  Schulgebäude  zu  erhöhen  und  das  Local  zu  erwei- 
tern. Im  Jahr  1810  hatte  Wollner  eine  Schulcasse  angelegt,  die  er  so 
sparsam  verwaltete,  dass  er  bis  1822  ein  Capital  derselben  von  1600 
Ilthlrn.  auf  Zinsen  ausleihen  konnte.  Die  Schülerzahl  war  1822  bis  auf 
105  gestiegen ;  bei  WoUner's  Tode  betrug  sie  104.  „ümi,  sagt  Hr.  Ro- 
eenheyn,  bleibt  der  Rulun,  in  jeder  Hinsicht  ein  ausgezeichneter  Mann 
gewesen  zu  seyn.  Was  er  als  Director  und  Lehrer  geleistet,  muss  um 
6o  bedeutender  erscheinen,  je  mehr  man  erwägt,  dass  zu  seiner  Zeit  es 
weniger  Gelcgenlieit  gab,  sich  auf  der  Universität  Königsberg  [wo  er 
1787  u.  IF.  JJ.  studirte]  zum  Schulmanne  eigens  auszubilden,  dass  er 
so  jung  an  einen  von  allem  literarischen  Verkehre  so  entfernten  Ort 
kam,  da'  bei  vieler  Arbeit,  unter  unsäglichen  ScliAvierigkeiten  und  bei 
so  geringen  Hülfsmitteln  so  lange  blieb  und  nicht  Gelegenheit  hatte. 
Bedeutendes  im  Schulwesen  zu  sehen."  —  „Seine  treuen  Dienste  und 
seinen  auch  in  sehr  dürftigen  Umständen  nicht  erloschnen  Eifer  belohnte 
die  Gnade  des  besten  Königs  an  seinen  Hinterbliebenen.  Durch  eine 
Cabinetsordre  wurde  der  Wittwe  des  Verstorbenen  eine  jährliche  Pen- 
sion von  150  Rthlrn  ,  25  Rthlr.  jährliches  Erziehungsgeld  für  jeden 
ihrer  beiden  Söhne  bis  zum  vollendeten-  17ten  Lebensjahre  und  eine 
jährliche  Unterstützung  von  60  Rthlrn.  für  eine  Tochter  zugesichert." 
Sein  Tod  war  für  das  Gymnasium  auch  desshalb  empfindlich,  weil 
bereits  eine  Lehrerstelle  [durch  den  Abgang  des  Hrn.  Dr.  Beruh.  Ileinr. 
Thiersch  nach  Halberstadt,  Ende  1822]  unbesetzt  und  der  Oberlehrer  Phi- 
lipp [der  Anfang  1825  die  Anstalt  ganz  verliess]  Krankheit«  halber  auf 
längere  Zeit  beurlaubt  war,  ausserdem  auch  Ostern  1824  der  Hülfsleh- 
rer  Maletius  die   Anstalt  verUess.      Es  waren  sonach  nur  übrig:  Hr. 


Beförderungen   und  Ehrenbezeigungen.  24S 

Dr,  Chtdius  als  ei-ster  Obcrlclircr  und  Dircctoratsvcnvescr,  Hr.  Chrze- 
scicnski  als  2ter  Oberlehrer  und  Ordinarius  in  Sccunda  und  Hr.  Raphacl 
als  5ter  ordcntl.  Lehrer  und  Ordinarius  in  Tertia.  Dazu  kam  jedoch 
1823  Hr.  Oppcrmann  als  4ter  ordentlicher  Lehrer  und  Ordinarius  in 
Quarta.  Anl'ang  1824  Mard  Hr.  Joh.  Golthold  Dietrich  aus  Boragk  bei 
Torgau  als  interimistischer  oter  Olterlehrer  (an  riiiliijp's  Stelle)  und 
Ordinarius  in  l'rima  und  Hr.  Carl  Fcrd.  Marcus  aus  Lahna  bei  ^eI(^en- 
burg  als  interimistischer  (Jter  ordentlicher  Lehrer  und  Ordinarius  in 
Quinta  angestellt.  Letzterer  ist  in  dieser  Stelle  den  8  Sept.  1824  förm- 
lich bestallt  worden.  Das  Directorat  ward  den  2  Juni  1824  durch  Hrn. 
Dr.  1.  S.  Roscnhcyn  besetzt,  der  bald  nacliher  seine  Geschäfte  antrat, 
aber  erst  den  2Gsten  Jan.  J825  öffentlich  iustallirt  ward.  Er  ist  1777 
zu  Billeroda  in  Thüringen  geboren,  und  ward  Kuerst  1805  am  Gym- 
nasium zu  MarieuAverder  angestellt.  1810  ward  er  als  erster  Oberlehrer 
an  das  Eriedriehscollegiuui  zu  Königsberg  berufen,  und  von  da  ging 
er  1813  als  üirector  der  höhern  Stadts(;liule  und  luspector  des  gesamm- 
ten  Scluihvesens  nach  Memel.  Von  Meniel  kam  mit  ihm  zugleich 
der  Eleuientarlehrer  loh.  Friedr.  Lcop.  Gcrdicn  aus  Königsberg  als 
Hiilfslelu-er  nach  L\k,  der  den  15ten*JuIi  1824  sein  Amt  antrat,  aber  im 
Juni  des  folg.  Jahres  es  wieder  niederlegte.  An  seine  Stelle  kam  den 
18ten  Juli  1825  Hr.  tnih.  Menzel  aus  Olitta  in  Polen.  Zu  gleicher 
Zeit  übernahm  der  Actuarius,  Hr.  loh.  ff'ilh.  lulius  JJallinis,  den  Zeiclien- 
unterricbt  an  der  Schule,  und  Hr.  Dr.  Chidiiis  für  den  Director  die  A  er- 
valtung  der  Gymnasiencasse.  Hr.  Dir.  llosenheyn  hat  ausser  dem 
oberwälinten  Programm  in  Lyk  als  Schulschrift  nur  noch  ein(^ 
kleine  Einladungsschrift  zu  der  öffentlichen  Prüfung  und  Eiitlas- 
bung  im  Octob.  1824  geschrieben,  worin  er  einige  Wünsche  in  IJezug 
auf  Zucht  und  Ordnung  des  Gymnasiums  anspricht.  —  Die  Zahl  der 
Schüler  betrug  1824  im  Herbst  121  und  1825  zur  selben  Zeit  124  in  ß 
Classen  [8  in  I,  20  in  H,  25  in  HI,  28  in  IV,  27  in  V,  16  in  VI].  Ln- 
terrichtsgegenstände  sind  ausser  Religion  und  Griecli.,  Latein.,  Deut- 
scher, Französischer  (erst  seit  Ostern  1824)  und  Hebräischer  Sprache 
noch  alte  Literatur,  Geschichte  (alte,  mittlere  luul  neuere),  Geogra- 
pliie,  Mathematik,  ]\aturlehre,  Prosodik ,  Zeichnen,  Schreiben  und 
Gesang.  Zur  Förderung  des  Privatlleisscs  werden  den  Schülern  der 
drei  obern  T^lassen  von  Zeit  zu  Zeit  Werke  der  Griech.  u.  Latein.  Li- 
teratur zur  häuslichen  Lesung  aufgegeben,  welche  I{e?,chäftigung  der 
Hauptlehrer  jeder  Classe  haltet.  S.  BuESLAr.  lieber  Fleiss  und  Ver- 
halten der  Schüler  werden  unter  Redaction  des  .Directors  vierteljäh- 
rige Zeugnisse  jn  5  Abstufungen  ausgestellt.  Die  neugegebenen  Schul- 
gesetze sind  den  12tcn  Apr.  1823  dem  Ministerium  zur  Genehmigung 
vorgelegt  worden. 

Mkissev.  An  der  königlichen  Landesschule  ist  Hr.  Professor  M. 
Andreas  Carl  7io/serwegen  fortdauernder  Geisteskrankheit  mit  ÖOORthlm. 
Wartegeld  seiner  Stello  enthoben  worden.  Die  dadurch  erledigte  3te 
Pntfessur  liat  der  Prof.  IV,  Hr.  M.  Friedr.  Auf^.  Iloritcinaiiu ,  die  4te 
der  Prof.  VI,  Hr.  M.  Frinür.  Max.   Derlei  (geb.  zu  Seyda  bei  W'ittcn- 

lö  * 


244  Schul-  und  Univcräitdts  nach  richten, 

bcrg  1796),  die  6te  Hr.  M.  Ilclnr.  Moritz  Clialyhüns  (gehör,  zu  Pfaff- 
rode  bei  Freiberg  179fi),  seitheriger  Vicariiis  der  dritten  Professur  und 
frülier  Colial)ürator  an  der  Kreuzschule  zu  Dresden,  crlialten.  Die  5te 
Professu»  (der  Mathematik)  ist  am  SOsten  April  durch  den  Tod  des 
M.  Otto  erledigt  Avorden. 

Mi'uLUArsEN.  Hr.  Dr.  Graefcnhan,  zeitheriger  Subconrector  am 
Gymnasium  zu  Eisleben ,  iät  alä  Frorector  an  das  dortige  Gymnasium 
gekommen. 

NEiiBRAivnEisEmG.  Hr.  Dr.  Joli.  Ileinr.  Walther,  Prof.  und  Rector 
am  Gymnasium ,  ist  im  Februar  l)ci  seinem  50jährigen  Amtsjubiläura 
vom  Grossherzog  zum  ^chulratli,  von  der  Universität  zu  Rostock 
zum  Doctor  der  Theologie  ernannt  worden. 

NoRDHArsE\.  Am  Gymnasium  hat  Hr.  Director  Kraft  wegen  Ab- 
lehung  eines  Rufs  nach  Helmstädt  eine  Gehaltszulage  erhalten.  Hr. 
CoUaborator  SUkrodt  ist  Prediger  bei  der  Alteudörfer  Gemeinde 
geworden. 

NijR^'BERG.  Den  23sten  Mai  1826  feierte  das  Gymnasium  sein 
300jähriges  Stiftungsfest.  An  diesem  Tage  war  es  nehmlich  1526  von 
Philipp  Melanchthon  durch  eine  Rede  eröffnet  worden.  Er  selbst,  so 
wie  Camerarius,  Eoban  Hess,  Roting[tis,  Podenstcin,  Schoner,  waren 
die  ersten  Lehrer  desselben.  Es  blühte  anfangs  erfreulich  auf,  ver- 
sank aber  bald  so,  dass  es  1575  nach  Altorf  verlegt,  und  dort, 
1579  durch  Rudolph  11  zur  Acaderaie  erhoben,  oder  vielmehr  als 
Gymnasium  einer  neubegründeten  Academie  untergeordnet  ward.  Die 
Academie  ward  endlich  diu'ch  Ferdinand  II  zur  Universität  erhoben.  In 
Nürnberg  fing  man  unterdess  an,  Privatschulen  einzurichten,  die  end- 
lich mit  einander  vereinigt  im  Jahr  1633  den  Namen  eines  GjTunasiumS 
von  Altorf  zurück  erliielten.  Diese  neue  Anstalt  blühte  unter  Dill- 
herrii's  Leitung  bald  herrlich  auf,  und  hat  seitdem  ununterbrochen  bis 
jetzt  bestanden.  Zur  Feier  des  jetzigen  Jubiläums  liess  der  Magistrat 
das  Gymnasialgebäude  renoviren,  von  Burgschmidt  das  Bildniss  Me- 
lanchthon's  aus  Stein  fertigen ,  und  eine  silberne  Gedächtnissmünze 
prägen.  Mit  Gottesdienst  und  Schulfeierlichkeiten  ward  der  Tag  selbst 
begangen.  Die  im  Gymnasium  aufgestellte  Statue  Melanchthon's  ward 
dabei  enthüllt  und  der  erste  Bürgermeister  Binder,  der  Rector  Roth, 
und  der  erste  Prof.  Dr.  Baibach  hielten  Reden.  Angekündigt  ward,  das 
Fest  durch  ein  Lateinisches  Programm  vom  Prof.  Dr.  fabri.  Zugleich 
erschien  eine  Geschichte  des  Gymnasiums  vom  Prof.  Dr.  Fickenscher 
(  Nürnberg.  Fr.  Campe.  4  ).  Ausserdem  schrieb  Prof.  -Daumer  eine  Ab- 
handlung: Uebcr  den  Gang  und  die  Fortschritte  unserer 
geistigen  Entwickelung  seit  der  Reformati  an  und 
über  ihren  St  andpunkt  in  der  gegenwärtigen  Zeit 
(Nürnb.  Riegel  und  Wiessner.  4),  und  der  \"orbereitungslelirer  Phi- 
lipp Mayer  eine  Deutsclie  Ode  im  Alcäischen  Versmaasse  (Ebenda  4). 
Von  auswärts  sandte  der  Ministerialrath  Fr.  Roth  zu  München  eine 


Befördern  11  geil  und  Ehrenbezeigungen.  2-15 

saiiplilsclic  Gr.itulutlonsodo ,  und  der  Rector  des  Gymnasiums  zu 
Biiireuth,  Prof.  Gabler,  ein  Latein.  Gliu;!iwiinscliung:<schrcilion,  Zuletxt 
sind  noch  gedruckt  erscliieucn :  die  dabei  gehaltene  Canzeh-ede  des 
Stadtpfarrers  Dr.  ph.  Seidel  (\üriib.  Riegel  und  Wiessner.  4)  und 
eine  Geschichte  des  Jubelfestes  (Ebendas.  4),  welche  zugleich  die 
Reden  von  iiindcr ,  Rolh  und  />'a/fc«c/t  enthält.  Vergl.  Literar.  Conver- 
sationsblatt  1820  ^r.  ISl). 

Pauchim.  Das  durch  Ji\-lincrl's  Tod  erledigte  Rectorat  der  Schule 
hat  llr.  Chiiaioph  Fricdi:  Mcncr,  zeilheriger  Hector  zu  Ludwigslust, 
erhallen. 

Paris.  Herr  Bibliothekar  und  Prof.  Ilasc  hat  vom  Könige  von 
Preussen  den  rothen  Adlerorden  otcr  Classe  erhalten. 

Post.x,  Seit  Jühannis  1825  ist  am  Gymnasium  als  Prof.  angestellt 
Hr.  Dr.  Georg  Miillcr  aus  GüstroM,  der  früher  als  Privatgelehrter  zu 
Berlin  lebte  und  durch  seine  Uehersetzung  von  Seneca's  Troerinnen  der 
gelehrten  Welt  bekannt  ist. 

ScHLEisixGEV.  Hr.  Rector  Dölekc  hat  das  Prädicat  eines  Directors 
erhalten,  und  zur  Osterprül'ung  Ob  s  crvatl  oncs  g  r  ammalicas , 
34  S.  4,  herausgegeben.  Die  Zahl  der  Schüler  in  den  5  Gyninasial- 
classen  war  120,  in  den  2  Eleiuentarclassen  158.  Von  Seiten  der  Behör- 
den ist  im  vorigen  Schuljahr  verordnet  Avorden,  dass  der  zu  grossen  Fre- 
quenz der  Classen  durch  strengere  wissenschaftliche  Prüfungen  vor- 
gebeugt, die  öflentlichen  Aufzüge  der  Schüler  bei  feierlichen  Gelegen- 
heiten und  das  Schulgcldeinnehiiien  durch  die  Lelu'er  abgestellt,  in 
den  Gyninasialclassen  ausser  den  vorhandenen  Lehrgegcnständen  noch 
•  philosophische  Grammatilv ,  Deutsche  Literaturgeschichte,  Logik  und 
Psychologie  vorgetragen  und  in  die  drei  bbern  Classen  die  Privat- 
lectüre  Griechischer  und  Lateinischer  Classiker  eingeführt  werde. 

ScÄ"LPFOKTE.  Der  Rector  der  Landesschule ,  Hr.  Consistorialrath 
Dr.  Ilgen,  ei'hielt  bei  der  Feier  des  Königl.  Preuss.  Krönungs  -  und 
Ordenpfestes  den  rothen  Adlerorden  Ster  Classe.  Die  durch  die  Ver- 
setzung des  Herrn  Dr.  Jacob  nach  Colin  erledigte  Adjunctur  ist  dem 
Hi-n.  Dr.  Jfex  (  A  erfasser  der  C  o  m  mcnt.  de  lo  co  niath  c  m  a  t.  i  n 
Plat.  Menone.  Halle,  1825.  8)   übertragen  worden. 

Stettin.  Beim  Consistorio  und  Provincial- Schulcollegio  ist  der 
zeitherige  Assessor,  Hr.  Grafsmann,  zum  Schulrath  ernannt,  am  Gymna- 
sinni  aber  der  Oberlehrer,  Hr.  GiesebreclU  (Lebersetzer  der  Jsländischen 
Joinsvikinga  Saga  und  iMitherausgeber  der  Pommerschen  Provinzial- 
hlütter),  Aon  der  Koppenhageuer  Gesellschaft  für  nordische  Alterthums- 
Iiunde  zum  ordentlichen  auswärtigen  Mitgliede  enväldt  worden. 

Ukbino.  Den  12ten  Febr.  ward  von  der  Studiencongregation  die 
Wiederherstellung  der  dortigen  Universität  uecretirt,  und  den  4tcn 
März  vom  dortigen  ErzbischoiT  das  üecret  bekannt  gemacht  und  ilire 
Einweilinng  gefeiert. 

Weimau.  Am  Gymnasium  ist  der  Improvisator ,  Hr.  Dr.  Wolf  aus 
Homburg,  als  Professor  der  neuem  Ijitcratur  angestellt  worden. 


246  Schul-   und  U  ni  ve  i-s  I  tä  tsnaclir  icht  e  n, 

Wertheim.  Am  Gymnasium  lud  zu  den  öffcntllclien  Schulprüfun- 
gen, den  29 — olsten  März  d.  J.,  Hr.  Direct.  Dr.  Föhlisch  ein  durch  dag 
Programm:  Ueber  Form,  Inhalt  und  Zwecke  der  öffent- 
lichen Prüfunf^en  in  Mittelschulen.  Zweite  Abth.  58  S.  8. 
Die  Zahl  der  Schüler  war  157  in  4  Classen.  Im  Laufe  des  Schuljahres 
waren  7  mit  dem  Zeugnisse  der  Reife  auf  die  Universität  abgegangen. 
Im  April  1825  ward  der  seit  1821  als  Callaborator  angestellt  gewesene 
Herr  Christ.  Friedr.  Platz  aus  Wertlieim  zum  2ten  Hauptlehrer  «ml 
Prof.  am  Gymnasium,  und  Michaelis  desselben  Jahres  der  seit  Mich. 
1824  provisorisch  angestellte  Lehrer,  Hr.  Carl  Friedr.  Jlertlcin  aus 
Wcrtheim,  zum  3ten  llauptlehrer  ei'nannt.  Ostern  1825  verliess  Herr 
Joh.  Mich.  Iteheyse,  Px'ivatlehrer  des  Franz.,  das  Gjmnasium;  an  sei- 
ne Stelle  trat  Hr.  Seb.  Gigandet.  Ostern  1826  ward  der  Candidafc 
Lud.  Kahl  aus  Wertheim  als  4ter  Hauptlchrer  angestellt. 

Wismar.  Die  grosse  Stadtschule  hat  Anfang  dieses  Jahres  eine 
zeitgemäss  veränderte  Einrichtung  erhalten.  Im  Dec.  vor.  J.  war  der 
Conrector ,  Hr.  Joachim  Ileinr.  Grievank,  als  Prediger  nach  Conow  bei 
Ludwigslust  abgegangen.  Seine  Stelle  erhielt  den  5ten  Jan.  Hr.  Dr. 
Heinr.  Franke ,  geboren  zu  Boitin  in  Meclilenburg ,  der  früher  am 
Friedrich's-GjTnnasinm  zu  Berlin  und  dann  an  zwei  Erziehungsanstalten 
(zuletzt  an  der  Fellenberg'schen)   in  der  Schweiz  angestellt  war. 

WiTTEMJEBG,  Zu  den  diessjährigen  Frühlingsprüfungen  im  Gj-mna- 
giura  schrieb  Hr.  Subrector  Jfundcr:  Ueber  Kombinationen  des 
zweiten  Grades  oder  Kombinati  onen  von  Kombinatio- 
nen, woran  Hr.  Rector  und  Prof.  Spitzner  Schulnachrichten  anhing. 
Den  8ten  April  1825  ward  der  Candidat  Herrmann  Schmidt  aus  Stewen- 
liagen  in  Mecklenburg  als  CoUaboi-ator  interimistisch  angestellt,  und 
nach  erfolgter  Bestätigung  den  19ten  November  feierlich  eingeführt. 
Die  Anstalt  zählte  im  Sommer  1825  95,  ini  Winter  101  Schüler.  Zur 
Lniversität  wurden  zu  Ostern  d.  J.  12  entlassen. 

Zeitz.  Im  Schuljahr  1825  (Ostern)  bis  1826  der  dortigen  Stiffs- 
schule  erhielt  Hr.  Rector  Kiessling  das  Prädicat  eines  Professors  und 
Hr.  Tertius  M.  Dohne  eine  Gratification.  An  die  Stelle  des  emcritirten 
Ordinarius  der  6ten  Classe,  Hrn.  M.  J.  Ch.  Feige,  kam  Hr.  Hornikel, 
die  beiden  CoUaboraturen  aber  wurden  durch  die  Hrn.  Milo  und  Phi~ 
lipp  besetzt,  von  denen  der  letztere  schon  seit  Anfang  des  Septembers 
1824  interimistisch  angestellt  war.  Die  jetzigen  Lehrer  sind  also:  M. 
Kiessling  Rector  und  Ordinarius  in  I ,  M.  K.  F.  JFclter  Conrect.  und 
Ord.  in  II,  M.  K.  F.  Junge  Lehrer  der  Mathematik  und  Physik,  M.  J. 
Ch.  Dähne  Ord.  in  III ,  M.  Ch.  G.  Jiebs  Cantor  und  Ordinarius  in  IV, 
6r.  Landmann  Ord.  in  \ ,  Hornikel  Ord.  in  VI,  und  die  erwähnten  «wei 
Collaboratorcn.  Zur  Gründung  einer  Lesebibliothek  für  die  Schüler, 
•welche  die  classischen  Schriftsteller  der  Deutschen  enthalten  soll,  wur- 
den von  der  Stadt  und  Umgegend  200  Rthlr.  geschenkt.  Zu  den  Osterprü- 
fungen  dieses  Jahres  schrieb  Hr.  M.  Junge  eine  Abhan«Uung  über  die 
Spirale  des  Archimedes  in  analjtisch-geomctrlscher  Darstellung.  14  S.  4. 

Zittau.    Das  Gymnasium   steht  seit  Ende  1823  unter  der  Leitung 


Beförderungen   und    K  Ii  r  c  n  b  c  z  e  i  g  ii  u  gen.  241 

des  Hrn.  M.  Friedrich  Liiuhmann,  vehlier,  früher  ideellster  Professor 
an  der  Liindes-  oder  Fiu^tcnsclinle  zu  .MeisiSt^n,  den  ITlen  I)eo.  des 
gcnunnteu  Jahres  statt  des  in  lluhe^itand  versetzten  Üireetors,  llrn  M. 
Aug.  Fricdr.  Willi.  Rudolph  ,  das  Uirectorat  üfternahni.  In  seinem 
neuen  Aiutc  schrieb  er  zuerst,  Ostern  1824,  das  Progamm  De  A  d- 
vcrbio  Latiiio  Spee.  I,  22  S.  4,  Modurch  er  die  Entlassung  mehre- 
rer Schüler  zur  L'ni>  crsität ,  a  on  denen  fünf  durch  öfffentlichc  Reden 
>on  der  Schule  Abschied  nahmen.  anJ»iindigte.  Nachrichten  über  die 
Schule  giebt  das  Prograjum  zur  Osteri)rüfung  1825,  De  Advcrbiu 
Laiino  spec.  II,  49  S.  4.  [von  S.  23  —  4ü  Schulnachrichten.]  Die 
Schülerzahl  betrug  125  in  4  Classen  ,  Aon  denen  11  zur  Universität 
(7  durch  öfTentliche  Abschiedsreden)  abgingen.  Die  Lnterrichtsgegen- 
btäudc  sind  Religion  und  Erklärung  des  J\.  T.  (letzteres  nur  in  der 
ersten  Classe),  Gescliichte,  Geographie,  Matliematik  (bestand  damahls 
bloss  im  Vortrag  der  Arithmetik  in  den  beiden  untern  Classen,  und 
ist  erst  sejt  -Michaeli»  1825  in  den  obern  Classen  nieder  eingeführt  und 
Hrn.  Subr.  Rückert  übertragen  worden),  Deutsche  Sprache  und  Deut- 
scher Stvl,  Griechische,  Lateinische  (beide  verbunden  mit  praktischen 
Lebungen  in  prosaischen  und  metrischen  Uebersetzungen),  Französi- 
sche und  Hebräische  Sprache,  3Iusik,  Zeichnen  und  Tanzen.  Die  Dis- 
eiplin  wird  oluic  schriftliche. Gesetze  dur.cli  den  lichrerverein  in  seiner 
tJesanuntlieit  (in  wöchentlichen,  erst  vom  Hrn.  Dir.  Lindemann  einge- 
führten Conferenzen)  gehandhabt.  Die  ölTt^ntlichen  Prüfungen  wer- 
den alljährlich  zu  Ostern  gehalten  und  uebst  dem  ebenfalls  öffentlichen 
Entlassungsacte  durch  ein  Programm  angekündigt.  Die  Aufnahme 
neuer  Schüler  findet  alleuiahl  in  den  nächsten  Wochen  nach  Ostern  u. 
Mi<haclis  statt.  Von  den  Lehrern  müssen  jährlich  5  Gedächtnisöreden 
gehalten  werden,  von  denen  eine  der  Director  allein  hält,  während  die 
übrigen  unter  den  drei  obern  Lehrern  Avechseln.  Die  meisten  werrffen 
durch  LateinischeProgramme  angekündigt  und  diuxh  Lateinische  Reden 
gefeiert.  Auf  diese  Weise  erschienen  vom  Director  1825  die  Program- 
mala  De  Stroj)haAlcaica  8  S.  4,  und  D  e  h  iutu  in  v  e  r  sibus  Ho  - 
ralii  ly  r  i  c  i  s,  (i  S.  4,  182fi  und  D  e  fo  rmul  is  usu  venire  et  us  u 
cv  cnirc,  8  S.  4. ;  vom  Conrector  M.  Juh.  GoUfr.  Kneschke  1824  De  rcli- 
gi  o  nc  ehr  i  sii  ana  a  sex  u  in  u  lieb  r  i  p  er  co  n  n  ii  b  i  a  p  r  opu- 
gata  spec.  IX,  X,  \I;.vom  Subrector  M.  Ferd.  Ileinr.  LuiJmiunn  1824 
und  1825  H istorica  [et  philo sophica]  virtutisexplicatio, 
P.  XX\T1I  — XXX  (jede  8  S.  4).  Den  20sten  Mai  1825  starb  der  Conrector 
M.  I.  G.  Kneschke,  geboren  zu  Zittau  den  2ten  Dec.  17fi6,  und  am  Gymua- 
bium  zuerst  als  Subrector  dann  als  Conrector  angestellt  seit  dcmlteuMai 
1792,  Pibliothekar  der  Ralhsbibliothek  seitl802.  Zu  seinem  licgräbniss- 
lage  schriel)  ilr.  Dir.  Lindcnumn :  hu  rze  A  «  c  h  r  ichl  ü  h  er  d  us  h  e- 
ben  des  1  erslo  rbencn  8  S.  fol., worin  ei  auch  die  zahlreichen  Schrif- 
ten (meist  Programme)  drssillMMi  aufl'ührt.  Seinf  Stelle  erhielt  Ilr.  Snb- 
rect.  Lar7(ma/u(,  und  da»  erledigte  Subrectorat  der  zeitlierigeDiaconus  zu 
Grosshenncrsdorf,  Hr.  Lcop.  Immun.  Uückerl,  ^ühur.  'i.u  Grosshennersdorf 
d.  Iten  Febr.  1797  und  durch  die  Schriften :  L  eber  Co  nfi  rmatiu  n  u  n  d 


Erklärung 

Confirmanden-  Unterricht  1S19,  Derationc  tractandac 
theologia  e  dogmaticac,  1821 ,  Der  aka  d  e  mische  L  c  h  rer, 
sein  Ztvcck  und  Wirken  1824,  und  Christliche  Philosophie 
oder  Philosophie,  G  e  schichte  undBih  et  n  u  c  h  i  hr  en  lo  ah- 
ren  Beziehungen  zu  einander  dargestellt  1S24,  Aer  gelehr- 
ten Welt  iH'kannt.  Zur  Einweihung'  heider  Lehrer  (den  20=iten  Sept.  1825) 
ßchrieh der  Director  Fahularum  tr  a g icarum  initia,  quae  apxtd 
Ho merum  l  eguntur,  dialo go  Graece  scripta  exjiosiia,  i2S. 
4.  Ende  Septemhers  desselhcn  Jalires  legte  der  Colhihorator,  Ilr.  Carl 
Eduard  Kneschke  (Sohn  des  verstorhcnen  Conrectors,  gehör.  d.27»tenOct. 
1794)  sein  Amt  freiwillig  nieder,  Avelches,  nehst  der  Aufsiicht  üher  die  Raths- 
hihliothek,  den  21sten  Oct.  Hrn.  Carl  Ernst  Lauge  (geh.  zu  Zittau  den  12ten 
Sept.  179!))  ühcrtragen  -ward.  Zur  Osterprüfung  1826  schrieh  der  Director 
De  Adverhio  Latino,  Spec.  III,  21  S,  (von  S.14  —  21  Schulnach- 
richten)  4, 

Erklärung-  über*  eine  in  der  Hildesheim  er  hri tischen 
Bibliothek  1826  No.  3  S.  224  ff.  entlialtene  Anzeige 
meines  Akademischen  Progr.  M.  Tiilli  Ciceronis  in 
P.  (niclitj  wie  dort  steht,  G.)  Clodium  et  Ciirioneiii 
fragmenta    concinnavit  C.  B. 


iflit  der  schuldigsten  Dankbarkeit  elire  ich  des  Hrn.  Rector  N' ai- 
de ke  ia  Harburg  gimstiges  Zutrauen,  „dass  ich  di«  WahrJieit, 
die  ich  selbst,  wie  es  sicli  ziemt,  frei  bekenne,  aueii  gerne  Jiö- 
ren  würde.'-'-  Ey!  wie  dürft'  ich  anders*?  Wie  sollt'  ich  nicht  jede 
Belehrung  dankbar  annehmen,  die  mich  mit  Wahrheit  bereichert, 
einem  weit  köstlichem,  werthvoUern  Gewinne,  als  vieles  Gold  ist? 

Des  Wissens  Dominat  gehict'risch  affectiren, 

Heisst :  Denkfreiheit  in  Ketten  führen. 
Dergleichen  kami  dem  im  Gelühl  der  eignen  Scliwäche  und 
Mangelhaftigkeit  lernbegierig  Wahrheit  Suchenden,  ja  nach  ihr 
Dürstenden  nie  einfallen.  Ob  ich  des  Kunstrichters  Bemei'kungen 
und  ausgesprochene  Urtheile  für  Wahrheit  halte :  das  wäre  frei- 
lich eine  andere  Frage,  nach  deren  Ucjahung  oder  Verneinung 
indess  Aveder  Er ,  noch  sonst  Jemand ,  der  sich  auf  sein  eigenes. 
Ihm  selbst  ^^mehr  als  wahrscheuiliches'-'-  Urtheil  zu  verlassen  ge- 
wohnt ist,  neugierig  seyn  wird.  Sollte  diess  dennoch  der  Fall 
seyn:  so  muss  ich  zur  Steuer  der  Walnheit  meinem  Beiirtlieiler 
einen  und  den  andern  Trnmpf,  micli  a])zustechen,  treuherzig 
selbst  in  die  Hand  geben.  Wenn»  nämlich  ans  der  von  Ihm,  Wel- 
cher, anstatt  den  spätem  Scholiasten  in  Ansehung  des  von  ihnen 
vorgesetzten  Titels  ängstlich  Glauben  beizumessen,  lieber  „den 
hdialt  des  Werkes  genau  studiren  wollte,'-'-  S.  22.5  angefüJnten 
Stelle  der  Rede  ^^ojfenbar  wird,   dass  die  Konjektur,  als  sey 


gegen  Hrn.  R  c  c  t  o  r  N  ö  1  d  e  k  c.  249 

der  jinis:e  Ciirh  dort  gemeint,  niistalthaft  ist:"  so  niuss  unser 
anrinerksainer  und  genauer  Prüfer  der  Geister  luu  so  mehr  ge- 
»oimenes  Spiel  liaben,  da  die  ganze  Stelle  nicht  etwa  ein  echt- 
Ciceronisches  IJiiielistück,  sondern  (wie  die  Kinklammcrung  der 
absteclienden  Cursiv- Schritt,  dem  aiilVichligen  \  orworte  zu  Fol- 
ge, anzeigt)  nichts  weiter  als  eine  \o\\  mir  selber  versuchte  Er- 
gänzung ist,  lediglich  hl  der  \  oraiissetzung  erdichtet,  dass  die 
schon  ^ou  Qiiinctiliiinus,  nicht  erst  \on  Julius  Rufinianus  und  No- 
iiius,  miter  dem  Titel  in  P.  L'ludiuin  ei  Ciirionctn  citirte  Rede 
aucli  wirklich,  Mie  das  Argumentum  des  Ambrosiaiusclien  Sclio- 
liasten  besagt,  gegen  denClodius  und  Ciirio  (ob  V^ater  oder  Sohn, 
liess  ich  in  Ennau<relung  bestimmter  Zeugnisse  unentschieden) 
gerichtet  gewest-n  sey,  >vas  aber  Hr.  JSöldekc  leugnet,  welclier 
das  .\rgumentum  dem  Verfasser  der  demselben  nachfolgenden 
und  von  derselben  Hand  geschriebenen  Scholien  abspricht:  eine 
Entdeckung,  welche  eben  so  feine  Aufmerksamkeit  und  einen  eben 
so  vervollkoumineten  Beobachtimgssinn  Aoraxissetzt,  als  dazu  ge- 
Imrtc,  den  ersten  Takten  des  Aufpfiffs  tonkundig  abzidauscheii, 
ob  zur  Komödie  oder  zum  Satyr-Spiel  vorgespielt  Averde.  Die  von 
der  bereits  geschehenen  LossprecJumg  des  Clodius  handelnde 
Rede  lässt  unser  liistorisch- chronologischer  Kunstrichter  noch 
vor  dem  Vorschlage  des  Hortensius  wegen  der  Jenem,  als  Beklag- 
ten?, erst  noch  zu  bestellenden  Richter  gehalten  -werden.  Von 
dieser  gliieklichen  Auflösung  aller  Statt  findenden  und  nicht  Statt 
(indeiulen  Schwierigkeiten  gestehe  ich  um  so  weiter  entfernt  ge- 
blieben zu  seyn,  da  ich  vor  lauter  Missverstand  im  Ißten  Briefe 
des  ersten  Buches  an  Atticus ,  wo  Cicero  die  Lossprechung  fiir 
den  endlichen  Erfolg  von  dem  ausgeführten  Vorschlage  des  Hor- 
tensius erklärt,  §-4  Postea  vcro  quam  Hortensius  excogita- 
Ait  etc.  nicht  fiir  Ante  vero  qua?n.,  und  §  5  tit  iam  jrpog  To 
TCQOTBQOV  revcrtar  nicht  für  nt  iam  iiqoc,  xo  vözsqov  progrediar 
genommen  habe :  auf  welche  W eise  allein  es  möglich  gewesen 
Märe  zu  einem  so  wichtigen  Aufschlüsse  zu  gelangen.  Indess 
erhebt  mich  von  der  Scham  über  diese  meine  Verkehn|:heit  Avie- 
«1er  ein  mächtiger  Trost.  Denn  wäre  ich  eitel  genug:  so  könnte 
ich  mir  schon  etwas  darauf  einbilden,  dass  ein  so  scharfsinniger 
Kuiistrichter  den  von  mir  bloss  zum  Verstreichen  des  Stück- 
werks angewendeten  Mörtel  für  eine  an  Glaubwürdigkeit  das 
Argumentum  Anonymi  bei  Weitem  überwiegende  Reliquie  des 
alt-heili-ren  Tullius  hinnehmen  konnte,  die  ungeachtet  meiner 
authenlisclien  Erklärung  nicht  <^/ew.  angehen  soll,  aufweichen 
ich  (der  sicli  übrigens  nicht  einfallen  liess.  Jemanden  mystiiici- 
ren  zu  wollen)  jene  Invective  gemünzt  halte.  Zweitens  mnss  der 
Herausgeber  selbst  die  von  Hrn.  Aöldclie  S.  227  f.  erfundne  Er- 
klärnng  einer  .^von  jclier  falsch  gedeuteten  Stelle'-'"  der  zweiten 
(Jalilinarischen  Rede  c.  2  §  4  dadnrtli  bestätigen,  dass  diesellie 
schon  von  weiland    Mag.  ALberL  Lenicer  gegeben  war.      Denn 


250  Erklärung 

liegt  niclit  seiner  Erklärung :  cui  libido  iiocendi  et  decipiendi  a 
pueritia  adfuit^  ofienbar  eine  Prosopopöie  der  Calumnia  zum 
Grunde'?  Die  wir  dieses  nachzuM eisen  im  Stande  sind,  also  we- 
nigstens nicht  zu  denen  gehören  können,  die  „alle  durchaus 
den  Kasus  des  Wortes  calumnia  nicht  erkannt  haben,'''  wir  wis- 
sen nur  nicht,  wer  denn  der  Hcrrmann  ist,  welcher  die  Gottlo- 
sigkeit begangen  haben  soll ,  die  Göttin  Calumnia  vom  Thron  zu 
stossen.  Unter  den  Herausgebern  und  Bearbeitern  jener  Catili- 
iiarischen  Rede  ist  uns  nicht  einmahl  ein  Quidam  jenes  Namens 
bekannt;  um  so  weniger  können  wir  an  einen  xar'  iißyriv  so  Be- 
nannten, odei;  gar  an  Gottfried  Hermann  denken.  Dennoch 
aber  muss  mau  unwillkürlich  an  einen  itfe/z/Aer  wenigstens  insofern 
denken,  als  die  Hrn.  Nöldeke  ganz  eigentlmmliche  (originell - 
geniale)  Entdeckung  eines  Tetrameters  in  der  Stelle, 

nie,   quem  in  prac\lexta   aniare  ||   coepcrat  Ca\lnmnia , 
um  so  ge\^isser  ist ,  weil  die  kritischen  Orakel  -  Worte ,  in  de- 
nen Er  auf  heiligem  Dreiliiss,    von  Apollo  gerafft,    dieses   Ge- 
heimniss  kVmdlich  gross  macht,   sich  noch  leichter  in  tetrametros 
trochaicos  catalecticos  zim'ickbringen  lassen : 

„So  den  Vers  res tituir'  ich;     j|   da  ist  ein  Tetrameter. 

In  der  Mitte  ist  die  Theiliing.   ([  Dranf  beginnt  das  andre  Glied. 

Schiller  auch  gehraucht  diess  Metrum  ,   ||  in  zwei  Reihen  abge- 

theiit  etc." 
S.  226  schreibt  mir,  um  mich  „als  Interpreten  näher  kennen  zu 
lehren,^''  Hr.  JV.  folgende  Erklärung  der  Worte  tribtmi  non  tum 
aerati^  quam^  ut  appellantur^  ß  er  a/z«  im  vorhin  angeführten 
Briefe  an  Atticus  §  8  zu:  „nicht  so  (?)  reich,  als  \ielmehr 
Vertheiler  des  Geldes.'-''  Sollte  auch  eine  solche  von'  Hrn.  iV. 
bestrittene  Erklärung  irgend  Jemandem  einen  passenden  Sinn  zu 
geben  scheinen :  so  muss  ich  doch  auf  die  Ehre ,  dergleichen 
crgrübelt  zu  haben,  gänzlich  verzichten.  Die  tribunos  aerarios^ 
wie  Sueton  im  Jul.  Caesar  c.  41  sie  schnitzerhaft  flectirt,  weil 
er  vom  Hrn.  Rector  in  Harburg  noch  nicht  unterrichtet  war,  dass 
aerarii  j^jeim  Nominativ  tribuni  kein  Adjectiv,  sondern  der  Genitiv 
von  aerarium  ist,  uelmie  ich  zwar,  wegen  des  Beisatzes  2il  ap- 
pellantw\,  in  der  solennen  Bedeutung  nach  Varro  und  Festus  für 
Zahlmeister .,  als  Richter  aus  dem  dritten  Stande  nach  dem  Au- 
relischen  Gesetze,  aber  ich  setze  ja  hinzu:  „qui  hie  alio  sensu 
uotantur  ut  aerarii,  quasi  infimae  centuriae  et  nummarii,  ut  § 
21  propter  inopiam ,  quae  facei-et,  ut  nimimulis  corrumpi  pos- 
sent.'-'^  Ist  das  nicht  eine  von  der  obigen  wesentlich  verschiedue 
Erklärung? 

Culautica  leite  ich  (zu  V,  3)  keinesweges  „gegen  alle  Ana- 
logie von  v.aXvTCxco'-''  ab,  wie  S.  227  vermeldet  wird,  sondern 
.,,ab  inusit  ato  etymo  verbi  aaXvTirco^  a  quo  forma  tum  est 
etiaui  3<«Au§,'"'  also  von  der  veraltete?i  Wurzel  der  noch  sehr  ge- 
brüucldichen,  verlängerten  Form  xaAuÄtw ,  und  \ou  „«vg,  av- 


gegen  Hrn.  Rector  Nöldeke.  251 

Tog,  forma  Cretica  pro  V0I2:.  oug,  ovrog,  aiiris^'-'-  ein  tlie  Ohren 
iiüt  bedecl-cnder  Sclileier,  der  bis  über  die  Sclmiterii  licraMiing. 
Demiillii^licli  bitte  idi  noch  um  Piiitscliuldigiuijs: ,  dass  ieli  eine 
ungeschickte  Erkläriins,-  ircireben  habe,  von  welclier  Hr.  A.  S. 
22(»  safft:  ..besser  hätte  icii  sie  irnnz  weggelassen,  da  bei  schwie- 
rigen Steilen  sie  oft  vermisst  wird."     Sehr  weise! 

Denn  dicss  und  da»  liisst  wohl   sich  dcprecireu ; 

Es  macht  uns  nur  für  hessre  Tafel  satt, 

Wenn  man  den  Appetit  ni(;ht  gnug  geschonet  hat ; 

Und  /rc/s/jc/t  ist's,  manch  Ding  c»  ign  oriren. 
Indess  getroste  ich  mich,  um  so  eher  Gnade  und  Nachsiclii  zu 
finden,  da  Wr.  Nöldcke  glaubt,  die  Anfaiigsworte  des  oben  ge- 
dacliten  Briefes ,  Qiiaeris  ex  me ,  quid  accidcrit  d  e  judicio^ 
(jiiod  tarn  praeter  opinionevi  factum  sit  ^  die  icli-  in  meiner 
Einfalt  für  gleiclibedeutend  mit  der  §  (>  folgenden  Wiederhohmg 
nahm^  Judicium  quaeris  quäle  fue r  il :  incredibili  exilu^ 
mVissten  a  n  der  s  interpretirt  werden ,  und  zwar  so  :  „ quo  casu 
fertiiito"  [fortuito?  ^;der  soll  es  vielleicht  (versteht  sich,  nach 
aller  Analogie)  von /e/r/,  sich  zutragen^  abgeleitet  seyn*?]  ,,judi- 
cium  praeter  opinionem  omnium  factuju  sit.'-'"  illso  muss  die  Stelle 
doch  wolil  einige  Schwierigkeit  liaben,  denn  von  mehrern  abweichen- 
den Interpretationen  kann  höchstens  nur  eine  die  richtige  seyn. 
Die  in  jenen  von  mir  herausgegebenen  Bruchsti'icken  auffal- 
lende Orthographie,  „ iiber  welche  der  Herausgeber,  da  er  (?) 
von  der  gewöhnlichen  Methode  des  Schreibens  abgeht,  Iiätte 
Griinde  hhiznfiigen  raiissen,''  veranlasst  mich  zu  der  Erklärung, 
dass  die  oratio  in  P.  Clodium  einzeln  gar  lucht  dem  gi'össeru 
Publico  Vlbergeben  ist,  sondern  deren  Ausgabe  bloss  eine  akade- 
mische Einladungsschsrift  seyn  sollte.  Dalier  fehlt  bei  ihr  die  in 
den  Vorreden  der  vollständigem  Ausgabe  jener  und  anderer 
Bruchstiicke  enthaltene  Rechtfertigung,  sowold  manches  Einzel- 
nen (wie  epistula  S.  XLIY  n.  47),  als  auch  meines  Verfahrens 
überhaupt,  dass  ich  näm'ich,  ungcaclitet  ich  Sinn- entstellende 
Sprachfehler  corrigirte,  docli  die  Inconsequenz  in  der  blossen 
Schreibart,  wie  sie  den  Urkunden  eigen  ist,  mit  diplomati- 
scher Treue  beibehalten  Iiabe:  was  nach  Hrn.  Nöldekens  ei- 
genem Urthcil  ..jedem  Gelehrten  angenehm  se^n  wird,  weil  er 
nun  über  das  Zeitalter  und  den  Abschreiber  uitheilen  kann."* 
Selbst  die  S.  228.  229  gerügte  Schreibart  laevare  (für  Icvare^ 
glätten)  ist  nicht  eigenmächtig  von  mir  corrigirt  c.  VI  §  1  S. 
H).>  der  vollständigen  Ausgabe,  sondern  aus  dem  Taurin.  cod. 
paiimpsesto,  in  Ermangelung  anderer  iJrknnden,  zurückgeführt. 
Dass  Cicero  apu  d  gesciirieben."  darüber  ist  Hr.  A.  mit  uns  ein- 
verstanden; dem  spätem  Scholiasten  "glaubte  ich  die  spätere 
Schreibart  apu  t  nicIiL  gewaltsam  enlziclicn  zu  tlürfen.  Zu  der 
Consecpienz ,  nach  dergleichen  Kigeiiheiten  der  copirten  Hand- 
schriften meine  eigene  Orthographie  in  deii  untergesetzten  Au- 


252  Erklärung  gegen  Ilrn.  Rector  Nöldeke. 

merkimgeii  sicli  richten  zu  lassen,  glaubt'  ich  mich  nicht  rer- 
pflichtet,  da  ich  nicht  gesonnen  Avar,  die  Grundsätze  der  Ortho- 
graphie im  Allgemeinen  darnach  zu  bestimmen,  einzelne  Fälle 
ausgenommen ,  wo  diess  ausdrücklich  mit  Darlegimg  der  Gründe 
geschehen,  wie  z.  B.  über  ^/-«ehcndere  schon  früher  ad  ojfic.  T. 
II  p.  386  f.  Man  versuche  es  doch ,  vor  allen  Dingen  erst  jene 
Gründe  zu  entkräften!  Dann  schreib'  ich  gehorsamst  anders. 
Die  Wahrheit  der  Anzeige  aber  vermisse  ich  gänzlich  S.  229  in 
dem  Berichte ,  dass  ich  ftlippicis  p.  17  (S.  sV  no.  10)  für  phi- 
lippicis  rechtfertige  und  zwar  mit  Worten,  unter  denen  gro'ss 
der  Name  31 A  I  gedruckt  steht.  Ferner  S.  228  sagt  der 
ti-eue  Berichten  „Für  copüalis  hat  p.  18  der  Codex  xairtTaAig." 
Aber  MAI  sagt  nur  S.  88  no.  14  meiner  Ausgabe  „  Ita  cod.  lit- 
tera  giaeca  Icajntalis:'-'  was  sich  doch  wohl  nur  auf  k  für  c 
bezieht,  wie  in  den  verglichenen  Worten  kaleudae^  k(dinunia 
etc.  Uebrigens  erlaube  ich  mir  ^e^^ew  Hrn.  llector  Nöldeke  we- 
der als  Interpreten,  noch  als  Kiitiker,  noch  als  Ortliographen  die 
mindeste  Einrede,  geschweige  denn,  dass  ich  in  seiner  nacli 
der  bei  ihm  so  allgemeinen  Weise  so  geschriebenen  Kecension, 
„dass  sie  zehn  Titel  haben  könnte,  die  nöthige  Präcision  und 
bestimmtes  Urtheil  vermissen '-'•  sollte:  obgleich  das  von  Umi 
angezogene  Spriichlein  des  Lucilius, 

Neniinis  ing;enio  quemqiiam  confidere  oportet, 
mir  diese  Erlaubniss  zu  geben  scheinen  könnte.   Doch  nein! 
Mein'thalbeii  leb'  im  iinverwelkten  •  Ruhme 
Des  Wolilgeruclis  von  alles  Wissens  Blume ! 

Ich  möchte  nicht  gern,  wie  Catilina's  Liebling  Tongilius 
für  einen  ^^Cahimnianteii'-''  gehalten  werden,  der,  seine  Ver- 
messenheit bereuend,  mit  oder  ohne  Bild  den  Sinn  der  von  Hrn. 
Nöldeke  zum  Belege  des  von  ihm  entdeckten  tetrametri  trochai- 
ci  catalectici  recitirten  Worte  Schillers  auf  seinen  friedlichen 
Schreibgriffel  anwenden  müsste : 

„Frommer  Stab !    O  liätt'  ich   nimmer 
Mit  dem  Schwerdte  dicli  vertauscht !  " 

Aber  ich  wünschte  doch  auch,  dass  Leser,  denen  meine  Ans- 
gabe  nicht  zur  Yergleichung  vorliegt,  nicht  glauben  möchten, 
ich  hätte  anders  erklärt  oder  etwas  Anderes  corrigirt,  als  wie 
ich  erklärt  und  was  ich  corrigirt  habe.  Denn  bei  Unbekannten, 
welche,  um  „den  Interpreten,  den  Kritiker  und  den  Ortliogra- 
phen näher  kennen  zu  lernen,'-'  wenn  sie  klug  sind,  mehr  auf 
Auszüge,  als  auf  Lobhudelei  oder  auf  Tadel  sehen,  kaim  man 
auf  solche  Weise  gar  zvi  leicht  in  den  schmäldichen  Verdaclit 
der  Verrücktheit  fallen ,  wie  der  arme  Sokrates  (in  des  Aiisto- 
phanes  Wolken  V.  235) ,  dem  der  plumpe  Sinnverdreher  Strepsi- 
ades  in  die  Rede  fällt :     „Was   sagst  du'? 

lu  die  Kresse  ziehii  die  Feuchtigkeit  die  Studien  *?  '•'• 

Karl  Beier. 


Inhalt 

des      ersten      Hefts. 

Allgemeine  Einleitung  2U  den  Jahrbüchern.  —  Vom  Professur  Pasaoiv  in 

Breslau 1—24 

Description  de  la  Grece  de  Pausanias.     Traduction  nourelle   avee  le 

texte  etc.  par  M.  C/av/er.  —  Vom  Rector  M.  Siebelü  in  Bautzen.  25  —  39 
Cicerouig  orationes  Philippicae.     In  us.  schol.  ed.  Wernsdorf.  —  Vom 

überschulrath  und  Director  Dr.  Goercns  in  Schwerin.  39  —     §7 

Deutsch-Lateinisches  Handwörterbuch  von  Wüstemann.   Erster  Theil. 

Vom  Professor  Kaercher  in  Carlsruhe 41—79 

C'iceronis  libri  de  republica,  notitia  cod.  Sarmatici  facta  illustrata  etc. 

a  D.  Männich.  —  Vom  Professor  ßcjer  in  Leipzig.        .  79  —    96 

V.  Virgilius  Marc.  Recensuit  Po«/er.  —  VonM.  Wagner  in  Dresden.         96  —  100 

Üvidü  opera  omnia,  curavit3/tf$cAer/(cA. )  ,  

,,  .,  •  *  .  D-  i^        l  Vom  M.  JcÄnin  Leipzig.         100  —  123 

Ovidii  quae  supersunt,  curavit  Richter.    )  '^    * 

Taciti  opera,  curavit  Lünemann.\  ,      , 

_.  ...  -^  T,  11      i  Vom  PforectorDr.  Äteuocr  inDorf- 

Taciti  opera,  recoguovit  ßcfcfcer.  J 

Taciti  opera,  adcuravlt  Weise.    )  """"  '         •         •         •  1—  —  129 

Gellii  noctes  Atticae.  Ed.  Lion.  —  Vom  Collaborator  M.  SilUg  in  Dresden.     129  —  138 
Leber  die  neuesten  Bearbeitungen  derGriech.  Litteraturgeschichfe.  Er- 
ster Artikel, —  Vom  Professor  Pcssouj  in  Breslau.         .  138  —  156 
Spohn:   Delinguaetliteris  veterum  Aegyptiorura.Ed.  .$ev^ar(A.\  Vom 

*cj(/r«rtAj  Rudrraenta  hieroglyphices.  iM.Jahn  |c«  ..q« 

Beiträge  zur  Kenntniss  der  Litteratur  etc.  des  alten  Aegypten nn  Leip- 

von  Seyffarth.  I     zig. 

Rovers :  De  Censorum  ap.  Romanos  auctoritate.  —  Vom  Dr.  jur.  Karl  ' 

Friedrich  Günther,  Beisitzer  der  Juristenfacultät  in  Leipzig,  182  —  186 
Cracfe :  Antiquitatis  Graecae  et  Rom.  loca  quaedam  etc.  —  Vom  M. 

Sillig  in  Dresden 186  —  188 

Ad  memoriamillustr.  gymnasii  Gothani  ante  trecentos  anni  conditi. . . 

celebrandam . . .  invitat  Doen'ng'.  —  Vom  M.  JFiBguer  in  Dresden.         188  —  189 
Croebel:  Observationumin  scriptt.  Rom.  classicos  •pec.  VIIetVIIL  — 

Vom  M.  Jahn 189—193 

Isclin :  Das  alte  Rom.  —  Vom  Dr.  Jur,  K.  Fr.  Günther  in  Leipzig.  193  —  196 

Virgilii  opera,  schol.  in  us.  curavit  ßiUerbcc^'. —    Vom  M.  Wagner 

in  Dresden 198  —  197 

Bemerkungen  über  einen  Vorschlag  von  Herrn  Prof.  Oertcl  und  Proben 

eines  grossem  Lat.  Lexikons.  —  Vom  Prof. /fiircÄ er  in  Carlsi^he.  197  —  208 
yiclas:  Quatenus  scholae  saecnlo  cedere  debeaut.   —  Mitgetheilt  vom 

Dir.  Dr.  Ilülsemann  in  Osterode. 2t)8  —  214 

Jurisprudentia  in  Ciceronis  orat.  pro  Tullio  aceuratius  exponitur  inter- 

prete  Car.  Rciero 214  —  220 

.■Misecllen.         .  . 220  —  223 

Todesfälle.  223  —  228 

Sihul-  und  l^niversitätsnachrichlen,  Beförderungen  und  EhrenbeBei- 

Kuungen 228  —  248 

Krklärung  gegen  Hrn.  Rector  IVöUcAü  in  Harburg.  —  Vom  Prof.  üeicr.'  248  —  2^3 


iiiiJiiiiijiiiiiiiuii 


f^^mmmMmm^^mM^^^^u'^s'^'^^^m^^mm^mmmmmmmmm^ 


JAHRBUCHER 

FÜR 

PHILOLOGIE  UND  PÄDAGOGIK. 


Eine   kritische   Zeitschrift 

in  Verbindung  mit  einem  Verein  von  Gelehrten 

herausgegeben 

von 

M.  Joh*  Christ,  Jahn» 


Erster  Jahrgang. 


Erster    Band.     Zweites   lieft. 


Leipzig, 

Drnck  und  Verlag  von  B.   G.  Teubner. 
18     2     6. 


Griechische  Litteratur. 


Demosthcnis  qiiae  super  sunt  e  bonis  librls  a  se  emcndata 
edldil  JoaiiiR'!;  Jiuobiis  Uiiskc.  Editio  correctior  curante  Godofrcdo 
Ilcurico  Scliaefi'io.  Lundiiii  apud  IJlark,  Yomi':;  et  Yoiin«^-.  [Leipz.  I). 
lleil)i.,r.]  gr.  8.  Toiu.  I.  1822.  XCIV  ii.  012  S.  T.  II.  1822.  (ilü  S. 
5  Thlr. 

D c in osthenis  qii ae  s up e r sunt  op e r  a.  Latinc  vertit  Iliero- 
nyraus  AVolliiis!.  Editio  correctior  curante  God.  II.  Schaefero.  Ibid. 
182(».  701  S.  2  Thlr.  ii  Gr. 

I  n  (I  i  c  c  s  op  c  r  n  in  1)  cmost  h  e  n  is.  Confccit  Jo.  Jac  Rciske.  Edi- 
tio correctior  curante  God.  IL  Schaefero.  Ibidem  1823.  iioS  S.  gr. 
8.  2  Thlr.  12  Gr. 

Apparat  ?is  C ri ticns  et  exe geticii s  a d D e m o st h e n e m 
Vinc.  Obsopoei,  Hier.  Wolfii ,  Jo.  Taylor!  et  Jo.  Jac.  Reiskli  anno- 
tationes  tenens.  Comraodiimin  ordinein  digestum  aliorumqne  et  suis 
aunotationibus  auctuni  edidit  God.  II.  Schaefer.  Ibid.  T.  I.  1824. 
888  S.   T.  II.  1825.  T02  S.  T.  III.  182«.  554  S.  gr.  8.  9  Tblr. 

Icli  will  den  Text  desDemosthenes  und  den  Apparatus  von  einan- 
der sondern  und  von  jedem  insbesondere  i'eden.  Es  timt  mir  leid, 
dass  auch  Scliäl'er  angefangen  liat,  allzu  Mortkarg  zu  seyn,  und 
nicht  einmahl  in  einem  Vorworte  von  der  Veranlassung  zum  Gan- 
zen, von  dem  Zwecke  und  von  den  Griinden,  warum  die  Sache 
so  und  nicht  anders  gegeben  wurde,  einigen  Aui'schluss  hat  ge- 
benmögen. Jetzt  müssen  die  Titel  zeigen,  was  man  zu  erwar- 
ten hat;  luid  in  dem  Apparatns sieht  man  hin  mid  wieder  aus  den 
Anmerkungen,  was  die  Absicht  war  und  was  geleistet  wurde.  Ich 
habe  mir  Aorgenommcn,  nichts  als  den  so  viel  möglich  getreuen 
Ileierenten  zu  nuK-lien  und  meine  Ansicht  unbefangen  über  das 
Wesentliche  beizufügen. 

1)   Text,   Uchersetzung  und  In  die  es. 

Als  mir  im  Jalir  1823  der  Schäfersclic  Abdruck  zur  Einsicht  von 
der  Buchhandlung  übersandt  wurde,uud  ich  denlheuren  I'i-eis  sah, 
sandte  ich  denselben  zurück,  weil  ich  be}in  llüchtlgen  Durcliblättern 
fand,  wer  die  Ueiskesche  Ausgabe  besitze,  bedürfe  dieser  verbesser- 
ten Ausga1)e  nicht.  Erst  als  ich  mich  zur  gegenwärtigen  Anzeige 
des  Buches  entschloss,  schaute  ich  mir  tlcn  Te.vt  an,  um  nach  ge- 

lahrb.  </.  P/ii/.  u.  J'adag.  Jahrg.  I.  /lift  2.  17 


254  Griechifchc    Lltteratur. 

nauercr  Einsicht  micli  zu  überzeugen,  Mie  es  sich  mit  demselben 
verlmlte.     Ich  gestelie  zwar,  für  einmahl  nur  parthienweise  ilni 
genau  verglichen  zu  haben.     Das  Resultat  aber  ist:  Der  Reiske- 
schc  Text  ist  getreu  wieder  gegeben ,  mit  Verbesserung  der  ent- 
schiedenen Druckfehler  und  besonnener,  seltener  Aenderung  der 
Interpunction.     Sonst  ist  der  Text,  ich  möchte  sagen  mit  Aengst- 
liclikeit  beybehalten,  sogar  bis  auf  die  Accente,  selbst  da,  wo 
mau  seit  Reiske  zuverlässig  auf  bessere  Einsicht  gekommen  ist. 
Um  aufrichtig  zu  seyn ,  Schäfer  hätte  sich  nicht  sollen  dazu  ge- 
brauchen lassen,  den  Reiskeschen  Text  nude  cinule  zu  wiederhoh- 
len, und  ihn,  wenn  auch,  wie  ich  hoffe  nicht  in  Deutschland,  doclj 
in  andern  Gegenden  aufs  neue  fortzupflanzen.     Denn,   wenn  es 
auch  Schäfer  nicht  so  finden  sollte,  ich  liabe  micli  von  der  Wahr- 
heit des  Wolfischen  Urtheils  in  der  Epistola  ad  Reizium  p.  VII  ff", 
durcli  eigenes  Studium  überzeugt.     Ich  will  die  ganze  Stelle  lier- 
setzen,  weil  hier  ein  grosser  31ann  von  einem  grossen  Manne  bil- 
liger urtheilt,  alsesbey  einzelnen  Stellen  des  Commentares  die  Le- 
bendigkeit und  übergrosse  Reizbarkeit  Fr.  A.  Wolfens  gestattete. 
Satis  tu  nosti  civis  olim  Tuinaturam  et  viorem  singularem.  Eru- 
ditionis^  quae  in  eo  erat  sumnia^  apparaimn  nimio  plus  in  edito- 
re  spernebat^  critici  acuminis  laudem  sibi  gratiorein  esse  semper 
prqfessus ;  ideinque  commisit  infinitis  in  locis^  ut  qui  imdto  mi- 
nus valerent  et  ingenio  et  doctri7ia^  acmne?i  et  eruditione?n  in  eo 
requirere  possent.    Qtiod  qutim  saepius  doctihomines  in  cdiis  scri- 
ptoribus  conqtiesti  sint ,  si  id  minus  adhuc  animadversuin  est  in 
oratoribus  ^  ea  fortasse  caussa  est^  quod  Uli  a  paucioribus  evolci 
solent.    Attamen  ne  sie  quidem  esset^  cur  quisquam  viro  succen- 
seret  propterea^  quod  in  annotationibus  tot  res  effudit  parum  co- 
gitatas^  quippe  qui  ubique  tarn  verecunde  de  opera  sua  judicarit^ 
qui  insuper  gravem  imbecillitutem  corporis  et  aJiimi  potuerit  es- 
cusare^  qui  denique  in  Praejatione  primi  voluminis  (^quam  quum 
lego^  auctor  >simplex^  ingenuus^  nihil  reconditi  habens^  tamquam 
mihiipse corani  adest)  criticamtemei'itatem sibi dicat  innatani  at- 
que  intimis  ßbris  infixani :  nemini^  inquam ,  aequo  hie  talis  vir 
propter  temer  aria  et  falsa  quamlibet  multa  gravius  videretur  no- 
tandus ,  modo  commentis  et  conjecturis  suis  alibi^  quam  in  tex- 
tu^  locum  fecisset^  nee  sua  labe  opiimum  scriptorem  contaminas- 
set.     Nunc  illud  accidit^  ut  ei^  qui  aliquando  Demosthenemde- 
niio  edere  aggredietur^  prope  plus  ?nolestiae  devorandum  super- 
sit  in  decessoris  hujus  co?/jecturis  tollendis^  quam  in  aliaidla  par- 
te i?ite?pretatio7iis.    Quid  ?  quod  recipio  spondeoque ,  facile  me 
victu7'um^  in  Wolfiano  exemplo^  universe  posito^  man  um  aucto- 
ris nobis  fidelius  expressayn  dari^  quam  in  hoc  novo^  tot  melio- 
ribus  adjume?it?s  castigato.     Mit  Benutzung  der  Ilülfsmittel  nun, 
w  eiche  seit  Reiske  neu  hinzugekommen  sind,  sollte  nun  der  Reis- 
kesche  Text  gänzlich  ausser  Curs  gesetzt  Averdeu.     Denn  allen  Re- 
spect  vor  der  Person  und  den  Verdiensten  des  wackeru  Reiske,  sein 


Dcmosthencs.     Ed.  Schacfcr.  255 

Text  der  Griechisclien  Redner  ist  der  Wissenschaft  nacTitheilia;; 
und  AVer  noch  so  miihsame  L'ntcrsnchnn^ennach  diesem  Texte  an- 
gestellt liat  inul  vermeint,  anf  sichere  Resultate  in  dieser  oder  je- 
ner Ilinsiclit  gekommen  z>i  sevii,  sieht  vieles  beym  Gebrauche  der 
neuen  Iliilfsmittel  wie  ein  Karlenhaus  dahin  sinken.  Wenn  z.B. 
jemand  den  Text  des  Demosthenes  nach  dem  Apparatus,  wie  er  in 
der  Schäferschen  Aus^a])e  vor  uns  liejrt,  eonslltuiren  will,  so  wird 
er  einen  von  dem  lleiskeschen  himmelweit  verschiedenen  Text  er- 
halten, und  diesen,  wVinsditeich,  liätteuns  Schäfer  gegeben;  dann 
hätte  er  sich  um  die  Wissenschaft  und  um  Demosthenes  hoch  ver- 
dient gemacht.  —  Scliäfer  liat  sich  als  Corrector  um  die  alte  Lit- 
tcratin*  ungemeuie  Verdienste  erworlien,  und  man  kann  mit  Wahr- 
heit sagen,  die  w leidigsten  neuem  Werke  Deutschlands  in  diesem 
FacJic  haben  sehr  viel  seiner  Uemiihung  zu  verdanken,  und  ich 
möchte  auf  ihn  anwenden,  was  ich  einst  den  Fr.  A.  Wolf  von  lieizen 
sagen  hörte:  Er  hat  nicht  nur  die  Druckfehler,  sondern  aucli  in 
aller  Stille  die  Versehen  und  Irrthiimer  der  Verfasser  corrigirt. 
Daher  wii'd  es  niemanden  befremden ,  w  enn  icli  bezeuge,  dass  die 
Ausgabe  correct  ist.  Wer  auch  selbst  corrigirt  liat,  wii-d  zurUe- 
berzeuguug  gekommen  seyu,  dass  aller  Mühe  und  Sorgfalt  unge- 
achtet immer  einige  Fehler  stehen  bleiben,  wohl  auch  während  des 
Abdruckes  sich  neue  einschleichen.  Bey  der  gereizten  Stimmung, 
die  vielfach  in  den  Schäfcrschen  INoten  waltet,  ist  er  imgemein  är- 
gerlich über  sich  selbst,  dass  ein  unschuldiges  yav  statt  yccQ  p.  472 
1.2  stehen  blieb.  Tuedet pigetque^  ruft  er  Apparat  T.  III  p.  141, 
tulium  ritioruni^  qiiae  non  socnrdia  corngeiitis  typogiaphica 
specim'um  neglesit ^  sed  infeliciter praeter vecta  est  caligo  oculo- 

riim. 

Dass  im  dritten  Tlieile  die  Uebersetzung  von  II.  Wolf  zuge- 
geben ist,  wird  mancliem  willkommen  seyn.  Denn,  wie  ich  merke, 
finden  noch  viele  Leute  in  der  Lateinischen  Uebersetzung  ein  Iliilfs- 
mittel; doch  wer  das  Griechische  nicht  zu  fassen  vermag,  wird 
auch  durch  das  Lateinische  nicht  besonders  klug  werden.  Einzig 
ist  bey  wirklich  schweren,  unverständlichen  Stellen  eine  Ueberset- 
zung gut,  um  sie  zu  Käthe  zu  ziehen.  Denn  der  Erklärer  kann  über 
das,  was  er  nicht  versteht,  schweigen,  und  schweigt,  wie  man  den- 
ken muss,  oft;  der  Uebersetzerist  geuöthiget,  etwas  hinzusetzen, 
oder  muss  durch  eine  Lückeden  Mangel  an  Kinsichtkund thuu. — 
Die  Indices  werden  denen,  Vielehe  die  Reiskesche  Ausga3)e  nicht 
besitzen,  willkommen  seyn.  J\jir  bedaure  ich,  dass  Schäfer,  der 
im  Falle  war,  sie  wichtig  zu  vermehren,  es  aus  Achtung  des  ilcis- 
keschen  Nahmens  nicht  gethan  zu  liaben  scheint. 

2)     A  p  p  a  r  u  l  u  s. 

An  und  für  sich  bleibt  der  Apparatus,  wie  ihn  die  Reiskesche 
Ausgabe  liat,  ein  uiu'iitl)flirlicli<:s  Mülfsuiittcl  lur  den  Liebhaber 
und  Freund  des  Demosthenes;  aber  wer  ihn  selbst  mit  Fleiss  zu 

17* 


256  Griechische    Litteratur. 

benutzen  gesucht  hat,  wird  kaum  sich  bereden,  dass  es  ihm  Viber- 
ali  gehingen  sey,  den  Gebrauch  davon  zu  machen,  welchen  er 
wölke  und  sollte.  Mcht  nur  muss  man  Viberall  an  drey  Orten  nach- 
schlagen, sondern  man  stösst  unvermerkt  auf  etwas,  wo  man  es 
gar  nicht  suchte.  Es  ist  daher  schon  ein  grosses  Verdienst,  dass 
Scliäler  die  zerstreute  und  verworfene  Masse  regelmässig  an  jede 
Stelle  geordnet  hat:  eine  allerdings  ungemeine  Miihe,  wie  es  Schä- 
fer auch  hin  und  wieder  nicht  verhehlt.  T.  II  p,  489  not.  *  :  Ad~ 
versantur  haec  siiperioribus.  Videlicct  haec  scripsit  Reiskius  in. 
annotat ionibii s  ^  iUa  in  varietate  lectionis.  p.  180  not.  *:  Hucus- 
que  lleiskias  in  varietate  lectionis.  Qiiae  seqtiimtur.,  scripsit  in 
annotationibns.  .  Pervellem  a  viro  eaimio.,  quac  ad  eandeni  rem 
pertinent.,  non  discerpta  esse.  Inde  flatus  mihi  est  labor  satis 
aerumnabilis  conciliandi .,  qiiae  passini  minus  apte  coirent.  Ni~ 
mirum  lectorum  comnioditati.,  quam.  Iteiskiana  editio  saepissime 
fruslratnr ,  omm  modo  prospiciendum  fuit.  p.  459 :  Inter  Tay- 
lorum  Reiskiumque  haud  lente  festinuntem  dissensiones  passini 
occurrunt.  In  der  That  muss  man  der  W  ahrheit  das  Zeugniss  ge- 
ben, dass  Schäfer  in  dieser  Beziehung  das  Unmögliche  geleistet  hat. 
Aber  noch  mehr :  Schäfer  hat,  was  seit  lleiske  für  üemosthenes 
versucht  oder  geleistet  worden  ist,  sorgfältig  gesammelt  und  zum 
Theil  mit  den  Worten  der  Verfasser  selbst  w  ieder  gegeben  und  mit 
eigenen  Anmerkungen  begleitet,  so  dass  man  sagen  kann,  man  ha- 
be hier  beysammen ,  was  bis  auf  die  neuesten  Zeiten  für  Demo- 
sthenes  gethan  wurde. 

Die  Schäfersche  Arbeit  hat  neben  diesem  den  Hauptzweck, 
die  Reiskeschc  Ehre  gegen  Verunglimpfungen  aller  Art  zu  ret- 
ten. Schon  die  Holländer  wareit  ungerecht  gegen  ihn ;  doch  He- 
ssen sie  auch  seinen  Vorziigen  Gerechtigkeit  widerfahren.  So  sagt 
z.  B.  Valckenaer  zu  Ilerodot  IV ,  68 :  JReiskii  est  sincera  incru- 
standi  voluptas.  Nonnumqnam  tarnen  conjecturas proposiiit.,  qui- 
bus  multa  redimit  incogitanter  et  ita  scripta.,  ut  doctorum  homi- 
num  non  satis  illum  reverentem  fuisse  appareat.  Die  Deutsche, 
nahmentlich  die  Klotzisclie  Derbheit  spielte  dem  wackern  Ehren- 
manne auf  eine  bübische  und  ekelliafte  Weise  mit;  Er  aber  schüt- 
telte mit  ruhiger  Kraft  den  Unrath,  mit  dem  man  ihn  zu  übcrgie- 
ssen  wähnte,  von  sich  ab ;  und  je  genauer  nahmentlich  das  Studium 
grammatischer  Dinge  wurde,  desto  mehr  vergass  sich  der  Dünkel, 
den  Mann ,  der  das  Grosse  und  Ganze  im  Auge  hatte  imd  freyen 
Sinnes  war,  zu  höhnen,  und  kleine  Härchen,  die  der  Biedermann 
auf  seinem  Kleide  nicht  achtete,  als  gewaltige  Risse  darzustellen 
und  den  Rock  mit  den  Härchen  als  veralteten  Plunder  auf  den  Mist 
zuwerfen.  Jetzt  endlich  hat  Er  jemanden  gefunden,  der  seine 
Ehre  rettet,  und  zwar  ohne  Ansehen  der  Person  jedem,  von  dem 
er  jenen  gekränkt  glaubt ,  seine  offene  Rechnung  macht.  Nur 
Schade,  dass  imser  lieber  Scliäfer,  der  selbst  einen  unschuldigen 
Witz  kamn  ungeahndet  hingelien  lässt,  es  einem  nicht  verargen 


Dem  0  8  tli  cn  es.     Ed.  Schacfer,  257 

dürfte,  wenn  man  ilnn  seihst  bittern  Spott  über  andere  ebenfalls 
hotli> erdiente  Mäinier  Schuld  irebeii  wiirde!  IcJi  bin  zwar  ganz  der 
Meiniuiff,  dass  man  mit  Ernst  und  AVürde  dem  raiilicn  Absprechen 
und  dem  weswerfenden  Tone,  der  die  höliere  Weislieit  beurkun- 
den und  am  Knde  zur  Desj)otie  führen  soll,  keck  unter  die  Ausren 
trete,  und  «lieht  ruhe,  bis  ein  humaner  Ton,  der,  wie  die  Ver- 
dienste anderer  anerkennt,  so  mit  Schonung;  die  Fehler  und  Irr- 
thümer  zurecht  weis't,  und  nicht  veriiisst  auch  selbst  irren  zu  kön- 
nen, herrschend  geworden  ist.  Allein  man  darf  niclit  veriressen, 
dass  es  c^ewisse  Temperamente  gibt,  die  mit  einer  seltenen  Ehr- 
lichkeit alles  mit  den  eiirenthümlichen  Nahmen  benennen,  und  de- 
nen man  diese  Ehrlichkeit  ja  nicht  missdeuten  darf.  Unter  diese 
Temperamente  gehörte  z.  B.  F.  A.  Wolf.  Ich  habe  daher  ab- 
{«ichtlich  oben  jene  Stelle  aus  der  Zueignuugs- Epistel  an  lleiz  in 
extenso  angeführt,  weil  er  hier  an  einen  Mann  schrieb,  vor  dem 
er  am  meisten  pjhrfurcht  hatte,  den  er  als  höchst  human  und  mil- 
de kannte  und  verehrte,  und  vor  dem  er  kein  Wort  weder  zu  viel 
noch  zu  wenig  sagen  wollte.  Diess  war  das  Resultat,  das  in  sei- 
nem Imicrn  waltete  und  aus  seinem  Innern  hervorging.  Hingegen 
in  jedem  einzelnen  Falle,  den  die  Anmerkungen  des  Commenta- 
res  berühren,  da  sprach  er  ehrlich  den  momentanen  Eindruck  aus, 
den  der  Fall  auf  ihn  machte;  aber  wer  ihn  persönlich  kannte  und 
indjefangen*l)eobachtete,  der  weiss  es,  dass  die  Worte  mehr  zu 
gagen  schienen,  als  sie  sagen  wollten;  und  dai'auf  hätte  ich  ge- 
wünscht, dass  Schäfer  liätte  Bedacht  nehmen  mögen;  dann  hätte 
er  wohl  die  spöttischen  Worte  Haien sis  editor,  Halensis 
iste  Ueiskiani  nominis  obtrectator  u.  s,  w.  xmterdrückt. 
Uebrigens  gestehe  icli  selbst,  dass  es  an  Wolfen  vorzüglicher  ge- 
wesen wäre,  er  hätte  das  Aussprechen  des  momentanen  Eindruk- 
kes  zu  hinterlialten  gesucht  und  die  Witzworte  gespart;  aber  dann 
wäre  er  nicht  F.  A.  ^NVolf  gewesen.  Doch  um  Schäfern  zu  zeigen, 
dass  ich  auch  gesfen  die  Gebrechen  meines  mir  unvergesslichen 
Lehrers  nicht  blind  bin,  so  wünschte  ich,  dass  Wolf  selbst  folgen- 
de Worte  hätte  lesen  können  T.  111  p.  177:  (Inod  si  Anglns  fa- 
isset  (^lieishius^ ,  niinirzim  ff  olfiifs  ejus  la/tdcs ,  ut  nonmiUoniin 
de  Ula  f^enle^  cclebraturns  erat.  Gennuimni  Germanus.,  quod  est 
inceteratum  nostrae  ^enlls  cacoelhes.,  hiftjnisshne  vexacit.  JNuu 
•will  icJi,  was  im  allgemeinen  zu  Beiskes  Ehrenrettung  zerstreut 
ist,  so  gut  ich  kami,  zusammenstellen,  um  auch  meinerseits  mich 
selbst  und  andere  in  der  Hochachtung  eines  wackern,  auch  unter 
vielem  Druck  und  Widerwärtigkeiten  nicht  erliegenden,  für  seine 
Zeit  ausgezei<;hneten  iMannes  zu  stärken.  —  llelske  ist  selbst  so 
chrlicli,  seine  Schwachheiten  und  Fehler  frey  zu  gestehen  und  an- 
zuerkennen, ganz  gegen  die  Manier  der  lieutigen  Zeit.  So  lesen 
wir  T.  II  p.  4HS:  In  tan/a  fesiinatt'one.,  tj/ta  l/ntr  ferebar  incita- 
///.s,  in  Itaud  paiica  halucinatns  «////«,  te/iierans  sana.,  et  intavta 
praelermül&ns  vitiosa :  quonini  de  nlroqiie  ^enere  nonnuUa  ml- 


258  Griechische    Littcratur. 

hi  nunc  secunäis  curis  editionein  meani  reiractauH  se  ingerunt. 
Hierzu  bemerkt  Scliäfer  not.  * :  Haec  aliaque  siniilia^  quae  Reis- 
kius  de  se  ideiitideni  professns  est^  lege?ites^  si  de  meliori  snnt 
luto^  inimortalis  viri  et  candorem  amubiint  et  caliimuiatores  de- 
testabuutur  ovx,  ovtag  aE,Lovg  Iva  Xvöoaöiv  avrov  roVLfxdvTarov 
vnoöijuatog.  Sed  hoc  est  de  vitiis  humanae  nalnrae :  bonis^  quae 
tute  (wrutnnabili  labore  paraveris^  versuli  cupide  ntuntur  ;  secus 
udministrata.,  ut  nihil  tibi  debeie  videanlnr  ^  inaligno  deute  ar- 
rodunt.  T.  II  p.  292  not.  *  :  Quo  ?nagis^  si  jwssini^prohrisinces- 
sentium  viruni  imniortulem  os  obturem^  iiddam^  quae  Coraes^ 
venerandus  senex\  de  lieiskio  scripsit  praefat.  ad  Plularch.  öeA. 
od :  KaryjyoQBLtai  KOivcog  6  'Patömog,  ag  rol^irjgog  dg  rag  öloq- 
%aö£Lg  rov  dneßaka  %'  iyco  TioXXdg  li,  avtcov  dito  riqv  iKdoölv 
liov  cjg  e6q)ak{i8vag.  ^AkX'  oybcog  tcqotl^cj  xijv  yovi^ov  to/I^j^v 
tov^Phöxlov  dno  nokXav  dXlcav  Ixöotäv  xr^v Cxilgav  tvläßuav. 
Cf.  Schneiderus  praefat.  ad  ylristotelis  Polit.  p.  XXXIII  s.  et 
Niebuhrius  in  egregio  libelLo.,  quem  com?nentis  Steinackerianis 
opposuit.,  p.  14.  T.  1  p.  186  P.  f )  10  v.  4 :  Omnino  Reiskium  au- 
res  habuisse  satis  teretes.,  vel  hinc  discas.,  quod  passim  in  sce- 
nicis  poetis  instinctu  quodam  naturali  (?iam  fuit  metrorum  et  im- 
peritissimus  et  incuriosissinms )  inelricis  mirantibus  felicissime 
restituit,  Cf.  Porson.  ad  Eaiip.  Orest.  412.  —  Dennocli  kann 
man  nicht  sagen,  dass  Schäfer  blind  sey  für  lleiskes  Bfeliler ;  frey- 
lich  weis't  er  sie' meistens,  wie  es  sich  gebiüirt,  milde  znreclit, 
z.  B.  T.  I  p.  182  P.  9  V.  1  CO  ävÖQsg'Ad'rjvaLOL  macht  lleiske 
folgende  Bemerkung :  ai'ÖQeg  ab  a.  e.  &■  abest.  In  enotandis  his- 
ce  niinutiis  aliqua  sum  usus.,  non  acerrinia  tarnen.,  diligentia  cir- 
ca August,  prinium.,  circa  cacteros  nulla.  K.  c.  nusquam  anno- 
tavi.,  in  August,  quinto  semper  legi  w  ^A%i]valoi,  sine  avdgsg. 
Inutilis  et  molesta  et  putida  est  diligentia ,  quae  in  hujusmodi 
nugis  ponatur.,  melius  ad  res  rnajoris  momenti  conferenda.  Hier- 
zu macht  Schäfer  folgende  Bemerkung :  At ,  o  boni.,  si  talia  su- 
perciliose  contenmimus ,  quid  de  tota  Critica  fiat  ?  Sint  nugae.^ 
non  repugno  ;  sed  hae  nugae.,  si  quis  iis  callide  utatw\  haud  ra- 
ro  ad  seria  ducunt.  Doch  bisweilen  ist  die  Zurechtweisung  schär- 
fer. Wenn  z.  B.  T.  II  p.  319  Keiske  sagt,  er  habe  P.  308  v.  1  aus 
mehrern  Handschriften  geschrieben BTtEiöav  ob  tsXbvx^jöblb 
für  das  gewöhnliche  BTtBid'^.,  so  sagt  Schäfer:  haec  vero  non 
correctio  est.,  sed  depravatio ;  und  wenn  T.  II  p.  62  Reiske  beim 
Wort  ^ör}  die  Bemerkung  macht :  Possit  tarnen  hoc,  quod  ununt 
est  vocabidiim^  in  tria  dissecari  tJ  3'  ij  hoc  est  'ijxBXxaQCcgij  niv- 
T£,  so  sagt  Schäfer  in  der  Note  *  :  Isla  conjectura  tarn  inepta  est., 
ut  nemo  non  niiretur ,  viro  cor  dato  tale  quid  in  mentem  venire 
potuisse.    Wolil  w  ürde  er  es  hart  finden ,  wenn  ein  Anderer  sich 


i)  Gross  P.  bezeichnet  pagina  im  Griechischen  Texte  von  Reiske. 


Demosthcnce.     Ed.  Schaefcr.  259 

solclicr  Aeusseruiiffcn  bedient  liätte.  Denn  au  andern  kann  er 
diucliaus  nichts  erlrai^cn.  JSalnnentlicli  miissen  es  Weiske  und 
Wunderlich,  die  nach  dem  lierrschenden  Tone  den  verstorbe- 
neu Keiske  >veniger  sclionteu,  als  sie  einen  augeselieuen ,  leben- 
den 3Iann  geschont  liätteu ,  so  entgelten ,  dass  man  fragen  darf, 
ob  Schäfer  seiner  Humanität  nicht  zu  nahe  getreten  sey.  Wennz. 
B.A\eiske  dellyperb.  l  p.23  sich  allerdings  etwas  hart  so  äussert: 
Qiiare  et  Reiskius  benc  fecit ,  (/uod  hi/nc  certc  locmn  co/fjecfu- 
*-n's  suis  noii  mociilavil ;  so  können  wir  es  kaum  der  rednerischen 
Parisose  zu  gute  halten,  wenn  Schäfer  1\  II  p.  254  not.  *  sich  al- 
so ausgiesst:  Itane  Weiskios  scribere  ausos  esse  de  Reis- 
kiis?  Ich  wollte  lieber,  er  liätte  sich  selbst  gesagt  seyn  lassen, 
Avas  er  mir  als  Vorschrift  für  andere  aus  dem  Herzen  schreibt  T. 
II  p.  291 :  Tuthis  est  abstiiiere  facetiis ,  quas  cavlllator  in  alte- 
'/nun  seiisiim  detorqnere  possit.  Und  zwar  sagt  er  diess  bcy  einer 
Gelegenheit,  wo  er  wirklich  den  Witz,  den  ich  AVeisken  gern  ge- 
schenkt hätte,  nicht  hätte  geneigt  scheinen  sollen  verdrehen  zu 
wollen.  Da  nähmlich  lleiske  TtiQi  ■JiaQaitQ.  P.  3J)7  1.28  auf  eige- 
ne Faust  ncjQia  statt  der  gewöhnlichen  Lesart  ^ivgla  in  den 
Text  setzte,  und  Weiske  dellyperb.  III  p.  11  die  Lesart  der  Hand- 
schriften vertheidigt,  fugt  er  hinzu:  ^agiav  siiam  sibi  habeat 
Reiskius ;  Schäfer  aber  redet  noch,  als  ob  er  zweifle,  wie  die 
AVitzworte  gemeint  seyn.  Sed  JVeiskiiis  ^  opitior^  sagt  er  endlich, 
de  sola  Reiskii  co7ijectura  loquitur  ^  quam  sibi  illum  habe?e  se- 
pulcroqve  mandure  jubet:  nam  ^cöqCuv  heroi  exprobrare  deceat 
aut  hoininein  Reiskiani  iiigenü  prorsus  ignarum  ant  os  impuris- 
simiim.  Den  Witz  kaiui  Schäfer  auch  anderswo  nicht  lassen.  T. 
11  p.  308:  Jam  audiamus  Weisktum^  ad  hunc  ctiam  locum  de 
llijperbole  II p.  45  s.  (pvöävra,  ö^iKQotg  ft£V  avUöxoiöt  ^  cpoQ- 

|3£täg  ö'  är£Q .     Ut  igilur  Reiskius  abusns  sit  interpun- 

clione  ^  tarnen  to  £^>;s  infelle.vit  optinie^  Weiskias  pessiine.  — 
Wunderlich  ist  zwar  todt,  und  billig  soll  man  die  Todten  ruhen 
lassen.  y\ber  wenn  mau  bedenkt,  wie  er  in  den  Aeschyleis 
den  greisen  Schütz  und  den  wackern  Schneider  behandelt  hat,  so 
mag  man  ihn  noch  eine  Lection  nach  dem  Tode  zu  Händen  derer 
gönnen,  die  nur  zu  gern  in  seine  FusslaplVn  treten.  T.  II  p.  243 
P.  285  V.  16  macht  Ueiske  die  IJemerkung:  Ilaec  tarn  minuta  in 
posterum  annolure  oiniltaiu^  uuiverse  adiiiouens^  ubicunque  aut 
in  dialeclis  aliquid  mulaveio^  aut  pro  i/äegris  decurtata  cum 
aposlroplio  dedero^  aut  in  sindlibus  minuliis  a  vulgata  discesse- 
To^  non  nieu  id  me  auclorilale^  sed  bonorum  codicuni  fecisse: 
und  Schäfer  fügt  be^  :  Non  oniisisset  ^  opinor^  tarn  uiinula  an- 
nolure^ si  praetidissel  propterea  se  vupulaUiruin  esse  ab  homi- 
liibus  doctis  illis  qnidein  ncc  male  merilis  de  oralore^  sed  paulo 
iranmdioribus.  l  clui  Ji  underlickio  quas  dedit  poenas  ob  capi- 
tale  scilicet  facinus  aposlrophi  tolies  posiiae  !  Qui  si  hanc  Reis- 
kii unnolationem  habuisset  cogtiitani^  niininun  insuUare  summt 


200  Griechische    Littcratur. 

ViriManibus  reltgioni  habittirus  erat.  —  T.  II  p.  250,  woReiske 
daran  Aiistoss  nalim,  dassnach  sldag  eine  doppelte Constriiction 
folgt,  zuerst  mit  ort  und  dem  modus  finitus,  dann  einfach  mit, 
dem  modus  infinitus,  sagt  Schäfer:  Qumn  anomalium  syn- 
tacticam  e  tot  exempUs  satia  cognitam  ojfensioui  fiiisse  Beiskio 
partim  iniror  {iiam  talia  vir  siiinns  curae  non  habebat) :  multain 
miror^  Jf'iinderlichio  fuisse.  V.  Matthiae  Grammat.  Gr.  §  538,1 
p.  774.  T.  II  p.  324  P".  309  v.  26  sagt  Wimderlich  von  Markland, 
da  er  nach  einem  besondern  Lieblingsirrthum  lesen  wollte  ■9'  av-* 
[laöTov  av  rjvi  tiirpiter  aberravit.  Schäfer  erwiedert:  Si 
quid  in  talibus  turpitudinis  est.^  vere  dicas^  WunderlicMiim  tur- 
piter  aberravisse  sensu.  Diese  Stelle  mag  schicklich  den  IJeber- 
gangzu  Zureclitweisungen  machen,  die  Schäfer  andern,  nahment- 
lich  jVingern  Gelehrten,  maclit,  die  zwar  grosse  Iloflnungen  ge- 
ben, von  denen  es  aber  doch  zu  wünschen  ist,  dass  sie  Beschei- 
denheit mid  Achtung  älterer  Personen  als  die  Krone  ihrer  Ver- 
dienste erkennen  und  ehren.  Sie  können  es  nur  zu  schnell  dahin 
bringen,  dass  ältere  Männer  sich  zurVick  ziehen.  Erfahrung  und 
Einsicht  lässt  sich  in  keinen  Kampf  mit  hochtrabender  Selbstge- 
iiiigsamkeit  imd  vorsclineller  Absprecherey  ein.  Aber  glaiibe  die 
Jugend  ja  nicht,  dass  ihre  Bliithe,  wenn  sie  eine  solche  ist,  Frucht 
tragen  werde!  Sie  muss  verdorren,  weil  sie  von  unreinen  Säften 
hervorgetrieben  wird;  und  die  Wissenschaft,  der  sie  ich  weiss 
nicht  welchen  Dienst  zu  thun  glauben,  wird  sie  als  unechte  Kin- 
der verwerfen.  Doch  Schäfer  wcis't  auch  impartheyisch  ältere  Leu- 
te zu  recht.  Als  z.  B.  T  ay  l  o  r  bei  einer  lateinischen  Erklärung  von 
Larabinus  sich  äusserte  T.  II  p.  301  P.  303  v.  5:  Vides  hominem 
ijysum  sibi  fere  displicere.,  so  sagt  Schäfer  in  der  Note  *  :  Hoc 
vero  est  cavillari.  Taylortnn.,  si  quem  alium ,  decebaL  de  Lam- 
bino ,  primaria  Latinae  orationis  magistro ,  loqui  verecuudissi- 
me.  Von  O  s  a  n  n  heisst  es  T.  I  p.  216  P.  15  v,  21 :  Humanior 
quid  dicet  de  Osanno.,  qui  JFunderlichium  propter  illapauUo  cali- 
dius  sc7'ipta  stuporis  insimulaverit?  Lege  et  mirare.,  quae 
vir  doctus  et  ingeiiiostis ,  sed  iiiterdum.,  ut  mihi  videtur.,  vsavi- 
evö^BVOS  in  Inscript.  III p.  128  disputavit.  Pergat.,  plaudentibus 
nobis.,  de  bonis  Utteris  bene  mereri.,  sed  talg  MovGaiq  ragXäQL-' 
rccs  övyxata^Lyvvg^  ^iaXXiöxTqv  öv^vyiav.  T.  I  p.  297  P.  34  v. 
13  steht  über  Rüdiger  undPoppo:  Regulas  syntavticas per- 
vellem  Rüdigerus  co?nbibisset ,  antequam  de  Jf  olfiis  super bius 
loqueretur.  Popponis  autem  in  castigando  amico  lenitatem  amo.^ 
quam  si  me  audiet.,  in  postertim  etiam  Schneidero.,  de  nostris  Ut- 
teris immortaliter  merito.,  nee,  quae  summi  viri  egregia  laus  est., 
em  ^ovois  rolg  ovo^aöi  öTiovdaöavTL  praestabit.  Mit  Liebe 
nimmt  er  sich  besonders  auch  des  ausharrenden  imd  kindlich  lie- 
bens>\ ürdigen  Ilieronymus  Wolf  an.  Bei  Gelcji^enheit  eines 
Irrthums  sagt  Schäfer  T.  I  p.  183  P.  9  v.  10 :  FuÜilur  vir  exi- 
mius.)  cujus  notas  in  summa  brevitate  utilissimas.,  quod  Rüdige- 


Demosthenes.     Ed,   Schacfer.  261 

riis  co7itenJnit^  videat^  ne  in  tole/n  heroe/n.,  quem  per paiici  no- 
stronim  hominiim  safis  iiorunt^  rontameliosior  habcalirr.  'W  I  p. 
224,  wo  H.  Wolf  meint,  man  könne,  um  den  Gledankea  vollstän- 
dig zu  liaben,  hinzudenken  näg  clv  tijv'Aztiii'rjV  (pvkä^aöi,  At- 
ticam  (/HO  pac  t  o  ti/eöu /i  l  nr?  bemerkt  Schaler:  Soloeci- 
simnn  viro  oplinio  facilc  cuiidonabimns.  Amplius  ducenli  cumipost 
illitm  ej'ßiixi'nint  ^  priiisqiram  modonim  discrimen  usnsqiic  par- 
ticuloe  äv  aliquanluliim  patcret.  Ncqiie  nunc  oninia  hac  in  re 
patent^  posterique  cliain  nostri  hahebunt^   quod  nobis  condonent. 

INun  will  ich  noch  eine  Reihe  Bemerkuniien  von  Schäfern  hey- 
füifen,  um  die  Fremide  grVmdlicher  Sprachkenntniss  mid  Erklä- 
rung: zu  übcrzeuiren,  dass  sich  aus  der  neuen  Ausffabc  des  Appa- 
ratus  über  MichtiiTe  Ansichten  imd  Puncto'  Aielerley  Belehrungen 
zielien  lassen.  A>  er  gern  eine  Authorität  hat,  dem  Avili  ich  Her- 
manns AVorte  geben,  der  in  dem  Programme  de  emendationibus 
per  transpositionem  verborum  p.  ]5  sagt:  exiniiam  se  volvpta- 
tem  percepisse  ex  Ulis  Schaeferi  ad  Demosthencm  annntationibiis^ 
qidbiis^  fährt  er  fort,  jriihi  omnia^  qiiaeumquam  scripsit^vwltiini 
superasse  videtnr.  Ich  wünschte  einzig,  Hermann  hätte  die  Worte 
p.  16  V.  7 — 9  weggelassen.  Es  waltet  nähmlich  zwischen  beyden 
Männern  ein31issverständniss,  aus  welchem  ich  glaube,  dass  man- 
che gereizte  Aeusserung  in  den  Scliäferschen  JNoten  geflossen  sey. 

T.  III  p.  103  P.  487  V.  22 :  Hand  raro  viri  docti  dicimt  At- 
iicismos^  quae  sunt  idiomata  Graecae  lingnae;  opinoi\  quod  ce- 
tera? u?n  scripta  dialectorum  ininus  triverunt.  p.  ]  04  P.  487  v.  25, 
wo  Wolf  bemerkt,  wenn  ^ovXiq  den  Rath  der  Fünflumdert  bezeich- 
ne, so  fordere  die  consuetudo  Attica  den  Artikel  iq  ßovhj  ^  sagt 
Scliäfer  not.*:  ?ion  attica^  sed  graeca^  nee  consuetudo 
sed  necessitas.  T.  III  p.  75  P.  438  v.  23  sagt  Fr.  A.  Wolf: 
Atticorum  est  pervulgatus  mos  ^  iisurpare  imperfecia  sxQrjv, 
ytgosijy'BV,  slxog  r^v^  ubi  alii praesentia^  ut  itidein  Latini  debe- 
bat^  oportebat^  decebat.  Schäfer  bemerkt:  Non  Attico- 
rum iste  mos  est  ^  sed  omnium  Graecorum  scriptorum^  imperje- 
ctis  Ulis  titenlium^  ubi  imperfecli  temporis  locus  est^  praesenti- 
bus^  ubi  praesentis  :  nee  cogitandum  de  enallage  temporum^  ri- 
diculo  sibilisque  cxplodendo  commento  Grammalicorum.  T.  II 
p.  300  P.  302  V.  20:  Pronomina  ourog,  l^nvog  lectores^  nisiat- 
icndant^  facile  fallentia  non  fefcllerunt  auditores^  quod  orantis 
digilus  omnem  dubitationem  toUeret.  T.  III  p.  172  P.  480  v.  7: 
Taylor  US  interpretatur  pronomen  ÖHjiTi"/.ag  tisurpatum  :  ut  ora~ 
tor  di^itum  intenderit  ad  ÜQcct^ug  XaßQLOv,  h.  e.  ad  librum  me- 
jnojialem  in  media  jacenlem  et  ?twx  recilaiidum^  qui  Chabriae 
res  gestas  harumque  insnlarum  nomina  et  memoriam  complecte- 
retur.  Ilanc  quidcniÖHtLV  non  m<(gis  probo^  quam  If  olf'nis ;  sed 
videndum^  ne  Demostheues  liaec  direus  digitiim  intenderit  ver- 
sus Aegueum  mare ^  qua  ötihi  orationem  f actum  esf-e  hvuQyB- 
6TtQav  nemo  facile  ncgaverit.    T.  111  p.  167  P.  4'J1>  v.  17:    ^ix 


262  Griechische  Litterat ur. 

erres^  si  suspiceris  reapse  non  aliud  consiliwnfuisse^  quam  ut 
orator  patrocinaretur  nepoii  perditissinio.  Adeo  Demostheiies 
h.  l.  omnes  nervös  intendU^  adeo  latis  lateribus  laccrtisque  lucta- 
tur.  Nee  mirum.  Caussa  enhn  agebatur  non  optima :  tuendus 
erat  ganeo  profligatissimus  uöoaxiag  aal  aivaidiag.  Quod  ipsum 
videtur  perpulisse  oratorem ,  ut  adversarium  solito  lenius  tr.a- 
ctaret.  T.  1  p.  196  P.  11  v.  14 :  IlaQiöcoöBig  Dernosthenes  num~ 
quam ,  opinor ,  quaesivit ,  quemadmodum  Isoer atem  quaesivisse 
constat ;  sponte  oblatas  non  repudiavit,  T.  II  p.  297  P.  301  v.  8 : 
^ägav.  Mss.  viidti  üqav.  Schaeferus^  inutato  spiritu^  inquit^ 
scribo  cigav.,  cur  am.  cjQa  iit  sit  reconditior  vox  colorisque  poe- 
tici^  tamen  non  dedecet  oraiorcm.,  qui  supra  p.  300,  26  tisur- 
pavit  dvsfisvatvav.  Omnino  quaudo  Demosthenis  oratio  assur- 
git.,  ut  toto  hoc  loco.1  quid  mirum.,  consectari  eam  etiam poeta- 
rum  sciiamenta  ?  T.  I  p.  003  P.  128  v.  21 :  Da  Reiske  yccQ  als 
Verbind mii^spartikel  aus  einigen  Hanclscliriiteu  bey gefügt  Iiatte, 
macht  Schäler  folgende  Bemerkung :  FaQ  omisit  etiam  Tiberius 
recteque  delevit  Bekkerus.  Nam  x6  aövvd^Tov  hitjus  loci.,  quem 
ut  illius  figurae  eooemplujuTechnici ponunt.,  in  hoc  ipso  cernitur^ 
quod  sine  particula  vinciente.,  qualis  est  yäg.,  a?itegressis  adhae- 
ret.  Quod  quum  ?ion  atteiidisset  doctissimus  Tiberii  editor.,  haec 
passus  est  sibi  excidere :  Ut  in  allaiis  verbis  inveniatur  ro  dövv- 
ÖETOVf  forte  legendum  iQiq  Tavtijv,  ocvßsgvr^zrjv^  Ttävra  ävögcc. 
T.  II  p.  332  P.  313  V.  1  vTCo  rcov  äXKav  ''Ekhjvav]  vTt  aXkcov 
EKKi^vcov  TtoKXav.,  Bekkerus  ßdejussore  lib?;o  optimae  notae. 
JSgregie  et  sie ,  ut  pudori  oratoris  parcatur.  Vulgata  enim  tarn, 
absurda  est.,  ut  ne  superlationis  quidem  excusationem  admittat. 
T.  II  p.  341  P.  314  V.  5  Imidi]  d'  ovv  ivsyQacpTig.  Mallem  hoc 
comma  omissum:  pauciora  enim  interjecta  sunt.,  quam  ut  perio- 
dus  redif^tegranda  fuisse  videatur.  Sin  orator  addidit ,  vox 
ejus  oportet  post  tovto  ys  diutius  solito  substiterit :  fortasse  quo 
plus  otii  haberent  auditores  attendendi  ad  invidiosum  illud  onaq- 
örjTCOtE.  T.  II  p.  296  P.  301  v.  12  tTtepilfi]  "EnmiCEv  Bekkerus  e 
libro  optimo.  Sig?iißcantius  est  imperfectum  :  indicat  enimplu- 
res  deinceps  epistolas  missas  esse.  T.  I  p.  247  P.  20  v.  27  avE- 
%aitLöE  xal  diekvöEv]  Vertit  Vigerus  V.,  3,  11:  saepe  retro 
flectere  solet  atque  dissolcer e.  Ad  sensum  non  male : 
nee  pejus  plurimis  aliis  loeis  sensum  reddunt  utentes  verbo  s  o- 
lere  ad  interpretandos  aoristos.  Sed  Omnibus  his  locis  aoristi 
vi  sua  nativa  haudquaquam  exuuntur.,  quippe  ubique  indicantes 
rem  factam  idque  toties  adeo  legitime.,  ut  in  üsdem  TtEQtöxäßEöi 
rursus  futuram  certissime  praevideamus.  Plane  sie  vcrnacula 
lingua  aoristis  suis  utitur.,  in  talibus  verbo  saepe  adjungeJis  wohl 
eher.  T.  I  p.  251  P.  21  v.  17  EQOVöt]  Hoc  etiam  in  Bararico 
est.,  sed  a  Script o  super  diphthongo.  JißiSK.  Hoc  animadrer- 
sione  inprimis  dignum.  Apparel  enim  ex  hoc  exemplo.,  librarios 
particulae  Ö7C(OQCumco7ijmictiüo  construendae  tarn  assuetos  fnis- 


Plutarclü  Phllopoeinen.    Flamiainus.  Pyrrlius.    Ed.  Bachr.     263 

se,  zit  constrnctionis  sibi  (lilectissimae  {^ratia  nou  üiibitarenl  vel 
barbara  confingere.  Qiioiies  igilur  probobile  est  eos  //idicalivunt 
com/pisse  in  coujiinctivnin.  si  per  li/tg?iae  Icffes  liceret!  Sciiae^ 
FER.  T.  U  p.  355  P.  310  V.  (J  i^\  avtov]  <SVc  Bekkerus^  (jumn 
Reiskius  scripscrat  e  diiobiis  libris  l^uivröv.  Per  alteriim  oppo- 
sitionis  ratio  iioninhil  iiiteinlilur.  T.  II  p.  359  P.  320  v.  2(5  öe] 
Bekkerus  „ö'  2;'.""  (^nod  si  mireris  cnotatmn^  noii  item  receptum 
esse  ^  jiimirinn  ea  vis  hie  est  xov  OQQ'OTOVov^tvov ,  tit  satius  sit 
admitti  hiatiim ,  quam  illam  vel  taulnluin  obscurari  per  elisio- 
nem  vocalis.  T.  11  p.  423  not.  **:  Geiiitivi  notio  dici  vis  potest 
quam  late  pateat :  iit  tales  locutiones  oporteat  intelligi  nunc  de 
parentibus^  nunc  de  über is^  nunc  de  discipulis^  nunc  de  viini- 
stris  cet.  non  quod  alibi  aliud  nomen  subaudiendum  sit^  sed  quin 
generalis  notio  genitivi  quoque  loco  ex  rerum  circumstuntia  sit 
specialis.  —  Doch  das  wird  mehr  als  genug  scyii,  um  in  jedem 
gründllcli  Süidireuden  die  Begierde  zu  wecken,  diesen  Appara- 
tus,  Avenn  er  iJin  aucli  niclit  zu  kaufen  vermag,  möglichst  beym 
Lesen  des  Demosthenes  benutzen  zu  können. 

Der  Unterzeichnete  ist  noch  im  Fall ,  Schäfern  seinen  herz- 
lichen Dank  abzustatten  für  die  Humanität  und  Nachsiclit,  mit  der 
so  wohl  seine  Person  als  seine  Anmerkimgen  zu  Demosthenes 
behandelt  worden  sind.  Für  manclie  Zureclitw  eisung  ist  er  auf- 
ricljtig  verpHichtet;  anderes  hat  in  ihm  Stoff  zu  weiteren  Nach- 
denken erregt  und  wird  zu  neuen  Untersuchungen  Gelegenheit 
geben;  über  ehiiges  glaubt  er,  man  könne  ohne  Bedenken  unglei- 
cher Meinung  seyn  und  allenfalls  bleiben. 

Zürich,  im  August  1826. 

J.  H.  Bremi. 


Plutarchi  Philopoemen.  Flamininus.  PyrrJius.  Tex- 
tura c  Coild.  rccof^iiovit,  perpetiiaannotatione  instruxit,  di^scrtationea 
de  l'tuitibus  Jiaruui  viturum  praenii^it  Jo.  Cliristianus  Felix  Bachr, 
Pli.  Dr.  Professor  Ileidelbergensis.  Lipsiae  in  Uibliopoiio  Ilahniauo. 
1826.  XIV,  78  [Text]  u.  261  [Noten  u.  Index]  S.  «^r.  8.  1  Thlr. 
Auch  werden  Text  und  Anmerkungen  eni/eln,  erstcrer  für  6  Gr., 
letzterer  für  18  Gr.  verkauft. 


Hc 


LeiT  Prof.  Bahr  in  Heidelberg  hat  sich  schon  durch  mehrere 
Schriften,  namentlich  Abhandlungen  inCreuzer's  Meletematis 
und  durch  die  Ausgabe  >on  Plutarch's  Alcibiades])ekannt  gemacht. 
Ich  bemerke  aber  ausdrücklicJi,  dass  ich  des  Hrn.  \fs. Leistungen 
n\u-  nachdem,  was  mir  jetzt  vorliegt,  bcurtheile,  weil  seine  frü- 
hem Arbeiten ,  unter  denen  sicJi  wenigstens  der  Alcibiades  einer 
sehr  günstigen  Aufnalmu'  erfreut  hat,  mir  niciU  in  die  Hände  ge- 
kommen sind.  —  In  der  V  orrede  erfahren  w  ir  unter  andern,  dass 


204  Griechische    LItteratur. 

sich  der  Herausgeber  fast  aller  Conjectureu  enthalten  und  so  ziem- 
lich nur  an  einer  Stelle  die  eigne  Yermutliung  aufgenommen  habe. 
Und  S.  97  heisst  es :  Mihi  haue  legem  scripsi^  iit  Plutarchum^ 
qualem  libri  vetusti  repraesentant^  exhiberem.  Diess  fuhrt  nun 
freilich  bei  jeder  neuen  Bearbeitung  irgend  eines  Schriftstellers, 
und  wäre  er  auch  nicht  so  verdorben ,  wie  es  Plutarch  denn  doch 
ist,  auf  verschiedene  Betrachtungen.  Rec.  Avill  aber  den  Leser« 
iiiclit  vorgreifen,  sondern  sie  vielmehr  durch  Bemerkungen  zu  den 
im  Buche  gegebenen  Erklärungen  in  den  Stand  setzen,  das  Ver- 
dienstliche dieses  Werkes  gehörig  zu  wVirdigen.  Er  übergeht  die 
nützlichen  Vorerinnerungen  über  die  offenbaren  oder  muthmass- 
lichen  Quellen ,  -aus  denen  Plutarch  in  diesen  3  Lebensbeschrei- 
bungen geschöpft  habe  und  fängt  mit  den  Noten  zum  Philopömen 
an.  Cap.  2  bezieht  Hr.  B.  die  Worte:  xaxag  ojpsag  ölx)]v  öt'öto/xt, 
auf  die  Ilässlichkeit  des  Philopömen.  Aber  erstens  läugnet  ja  Plut- 
arch, dass  jener  hässlich  gewesen,  und  wie  zweitens  das  angedeu- 
tete Missverständniss  aus  der  schlechten  Kleidung  des  Feldherrn 
hervorgegangen  sey,  das  erhellt  ganz  deutlich  aus  den  Worten: 
ÖL  evkoXlccv  TLvd  xkI  cc(päl£Lav  avTov,  und  weiter  imten:  ^ka^v- 
öiov  EurfAfg  s^ovrog.  Gleich  darauf  werden  die  Worte:  olo^e- 
Vf]  xiva  rav  VTtrjQsräv  uvau  xal  TtQoÖQoaov,  erklärt:  ^j?^/ß//s  eum 
zmum  esse  e  ministris  et  qii  ide ni  praeciirsorem..  Freilich  wohl 
musste  die  Frau  ihn  für  einen  Vor-  und  nicht  Nach-Läufcr  ansehn, 
aber  dieser  Umstand  konnte  hier  nicht  so  herausgelioben  w  erden. 
Allein Ä^oö^o'^cov zu  schreiben  ist  unnütz:  indem  sie  glaubte 
es  sey  einer  von  denDienern  und  einVorläufer.  Dann 
musste  6  Ö£  ^fvog  InBigBl^cov  gegen  dg^l^äv  so  geschützt 
werden ?  dass  auf  das  frühere  top  ^Lkonoi^uvos  BlgeX^övrog 
aufmerksam  gemacht  wurde.  Höchst  imgenügend  ist  über  die  \  er-' 
wechselung  von  GThväthQog  und  GnvötiQog  gesprochen.  Ein 
paar  Stellen,  >vo  sich  in  den  Varianten  beides  findet,  beweisen 
nichts,  als  dass,  wie  bekannt,  a  und  o  fort  und  fort  vermischt 
werden.  Mehr  war  es  einer  Erwähnung  werth,  dass  man  friüier 
in  der  Meinung  gestanden  hat ,  als  formire  asvog  und  6T£v6g  ge- 
gen alle  Analogie  im  Comparativ  und  Superlativ  o,  nicht  w.  Cap.  3 
findet  sich  die  Stelle:  Kai  yccQ  ex  Ttatdai'  BvQvg  i]v  cpcloötga- 
tiarrjg  %cd  tolg  ngog  roiJro  ^Qi^öi^oig  ^a&tjfiaötv  vTir'jKovs  TtQO- 
&v^cog,  OTiXonaxdv  xcd  LTtTtBVEtv.  Gegen  lleiske's  v7Cy'jKOVS,7tQ6- 
&viiog  bnX.  war  zu  erinnern,  dass  sich  t;;r?^'xou£  'n.QO^v^ag  hier 
eben  so  wenig  trennen  lasse,  als  Pyrrh.  c.  2(>  jrpo&y^ag  vtd^kov- 
öE,  Philopoem.  c.  9  di£7i6v£L  xalg  ZLvtjösöi  Tcoo&vacog  vTtaxovov- 
Tag  y.al  (piXoxljiag,  Pyrrh.  c.  22  %al  naQElxov  al  TioXEig  iavtäg 
TCQO^viiag ,  und  anderwärts.  Hr.  B.  supplirt  vor  den  luliuitiven 
oj'grg;  aber  diese  Panace  hilft  leider  der  grossen  Härte  der  Uede 
durchaus  nicht  auf.  Mir  scheint  der  Satz  %cd  —  7tQod^v(.ici)g  für 
sich  ölcc  fiEöov  zu  stehen  und  zusammenzuhängen  ijv  (pikoötQCC- 
tL(6ti]g 6nko(iccxELV  xal ijtjievELV,  er  war  ein  Freund  des  Sol- 


Pliitarchi  Philopocmcn.   Flaraininus.    Pyrrhus.    Ed,  Baelir.    265 

tlatcn  Wesens,  Waffenübuns^cn  zu  halten  und  zu  rei- 
ten. Vgl. unter  andern Luciaii.  Abdieat  c.24:  aal  ö/xag  avrijV  fts- 
[.iK&tjxa  öoi,  xcd  JtQoSrog  avrrjg  djtolsXavxag,  ovdlv  Ttagä  6ov 
^Qog  To  ^a^slv  tx  «  v.  Damit,  dass  p.  j  3  Klage  geführt  wird,  Coraes 
niidScbaerer  liättcn  oft  aus  demlniperi'ectumden  Aorist  und  umge- 
kehrt gemacht,  ist  in  der  'J'hat  nichts  gesagt.  Es  kommt  ja  auf  die 
Beschaffenheit  jeder  einzehien  Stelle  selbstan,  wennPlutarch  Viber- 
liaupt  —  und  wer  wollte  diess  läugnen"?  —  den  Unterschied  bei- 
der Tempora  gewnsst  hat.  In  der  bezeiclineten  Stelle  wird  Tcä- 
Cav  a^h]6LV  s^EßcdXsv  durch  das  dabeistehende  CtQaTrjyäv 
gerechtfertigt.  Zu  Cap.  4  ^qcoX  öe  avaörag  %al  6vvt(pai\>cinz- 
vog  tgyov  tolg  ä^mlovQyovöLV  rj  ßoi]kazov6iv  av&Lg  slg  ■ko'^ 
}.iv  aTii'/Et  lesen  wir  p.  14:  ccvQ'ig  ltu\  credo,  accipiendtun  est: 
2)osthac^  postea^  eodem  inodo^  quo  iTCura,  uxa,  alia  id 
ge/ii/s^  apodosi/i  c.voidiens^  praemisso  participio.  Dieser  Ge- 
brauch von  avd'ig  ist  unerhört,  die  Vergleichung  von  uxa,  xccza 
inul  dgl.  aber  ganz  verfeldt.  Der  Sinn  ist:  Abends  ging  PJii- 
iop.  auf  sein  Landgut  und  seit  lief  dort.  Früh  arbei- 
tete er  einige  Zeit  in  der  Wirthschaft  und  ging 
dann  ivieder  in  die  Stadt.  Gleich  darauf:  Tov  ö'  oixov  cctco 
rfjg  yicoQyiag civ^iiv  eTteLQÜto  dixccLOxccxco  xäv  XQ'y]naxL6^äv^ 
war  gegen  die  Besserung  d  L'Kaiorcixov  einzuwenden,  dass  ver- 
möge einer  variatio  structurae  der  Dativ  gesetzt  sey,  als  stände 
vorher  x]]  yscogyla.  S.  21  ff.  hätte  es  keiner  Beispiele  bedurft,  ura 
zu  beweisen,  dass  üxQig  av,  iii%Qig  av  mit  dem  Conjunctiv  von 
Plutarcli  verbunden  werde,  und  dass  ferner  äxQig,  ^sxQig,  ecog, 
cixQig  GV  u.  s.  f.  (jiatiirlicli  ohne  av)  den  Indicativ  nach  sich  ha- 
ben. In  welchen  Fällen  aber  auf  jene  Conjunctionen  (nach  Be- 
schaffenheit des  Gedankens  mit  oder  oline  äv)  der  Optativ  folge, 
scheint  llr.  B.  nicht  zu  wissen.  Sonst  hätte  er  schwerlich  ange- 
führt Themist.  c.  25  oder  Artaxerx.  c.  14,  vvo  die  oratio  obliqua 
{0ov}ivdlö)]g  di  (pyjCL  —  und  exbXevös  — ),  eben  so  wenig  Cat. 
Älin.  c.  5  und  Marcellus  c.  15,  wo  die  Erwähnung  einer  sich  wie- 
derholenden Sache  den  Optativ  ganz  nothwendig  machte.  Dass 
aber  Stellen,  wo  jene  Conjunctionen  oline  av  mit  dem  Conjunctiv 
stehn,  aus  Plutarch  gesammelt  sind,  gewälirt  den  INutzen,  dass 
man  allgemach  da^on  zurück  kommen  wird,  in  diesem  Falle  spä- 
tem Schriftstellern  das  av  aufzubürden.  Ob  indessen  durcli  Weg- 
lassung des  UV  nicht  der  Gedanke  anders  sich  gestalte,  ist  eine 
grosse,  von  Hrn.  B.  leider  übergangene  Frage.  S.  24  wird  TtQog 
XCöQia  6y.ohu  —  uynXkio^tvog  und  '^uilläxo  Jtgog  xov  Aoqpov 
falsch  übersetzt :  C7i7n  locis  asper isuiul  cum  colle  luctans.  Hier 
heisst  ja  TCgög  bey.  Cap.  7  oxb  övfißaivoi  x co  öTQUxEia.  So 
Ileiske  statt  övfxßaivoLXO.  Da  mm  aber  die  vomlleraiisgeber  be- 
nutzten Codices  6v[xßaivoih^han^  so  ist  diess  das  Uichtige  und 
TCO  wieder  zu  tilgen.  AMe  komite  der  Vf.  Cap.  8  darüber,  dass 
dg  ci^ia^u  xul  dvvafiiv  rJQSv  tx  taneivov  xal  diegQL^ifiBvov  y.a~ 


266  Griechische  Litteratur. 

T«  TtoXsig  ziisammengeliören,  auch  nur  ein  Wort  verlieren?  Es 
folgt:  "Enuta^  agnsQ  iv  xoig  vdaöiv,  KQ^a^ievcov  oliycov  v(pi- 
draöd'ai  aal  [iLKgäv  6c3[.idrav  atL  Mali/n  —  meint  Ilr.  B.  — 
sci'ibere  oXiyov.  ^^quando  pauluUim  siibsidere  coeperunt  vel 
•pusilla  Corpora.'-^  Pliitarcli  will  sagen:  wie  in  dem  Was- 
ser anfänglich  wenige  und  kleineKörper  sitzen  blei- 
ben,  dann  aber  m  e  h  r  e  s  dazu  kommt  und  Stärke  und 
Festigkeit  bewirkt:  so  machten  die Achaeer,indera 
sie  immer  mehr  einzelne  Staaten  m i t  s i c h  verban- 
den, aus  dem  früher  getrennten  und  schwachen 
Griechenlande  ein  einiges  und  starkes.  Man  setze 
nun  dafür:  wie  in  dem  Wasser  anfangs  sogar  kleineKörper 
ein  wenig  sitzen  bleiben  —  und  sehe,  wie  durch  obige  wun- 
derliche Conjectur  der  Sinn  so  ganz  entstellt  ist.  Ferner  nehmen 
wir  die  Lesart  auf :  iTtavöavto  xqco^bvol  nQOötccöiaig  BTtSig- 
ccKToig.  So  ist  der  Ausdruck  weit  gewälüter,  als  bei  dem  ge- 
wöhnlichen TtQOötcctaig.  Cap.  9  ist  die  Yermuthung  Eidog  ds 
rä^Bcog  xal  6%ij[ia  (statt  6%/] ^arog)  slg  öTtBtgav  ovx  rjv övvrj- 
&Bg  zwar  nicht  gegen  den  Sinn  der  Stelle ,  aber  sonst  lumütz.  S. 
40  lässt  sich  ein  arger  grammatischer  Schnitzer  blicken :  cd  dv- 
vccfiELg  TtoXiXiKai,  welchen  man  unmöglich  dem  Setzer  beimessen 
kann,  sobald  man  dazu  nimmt  S.  162  6  ßt'og  aöxBlog  aal  yXacpv- 
Qog  —  Tj;  diaiTYi  dyQOixozBQa,  und  S.  238  td  iBQa  ä?,oßa.  Cap» 
13  belüelt  Hr.  B.  aus  alter,  nur  zu  oft  sich  zeigender  Anhänglich- 
keit die  Vulgatabei:  ag  nal  ro  tcbqI  ITToXBp.aiov  tiotb  pr;^£V 
xov  ßaöcXBcog  d7tBÖr]Xa6BV.  Und  doch  steht  in  2  Ilandschrr.  rd 
—  ^'}]&BV  Tt,  was  nichts  anderes  ist,  als  tc5  —  Q}]&£vrL.  Diese 
Art  zu  reden  ist  bestimmter  und  diesem  Zusammenhange  weit  an- 
gemessner.  S.  51  liest  man :  ra%v  Tialdag  aTCBÖBi^BV  — ]  J)e 
usu  verhi  dno^Biavvvai  erregte  dhseruit  JJ  yttenbachms  etc. 
Allein  in  dieser  Formel  gehört  jcaldag  dTtoÖBLXVvvac  wesent- 
lich zusammen  und  es  kann  nicht  mit  dem  Nomen  gewechselt  Aver- 
den,  wohl  aber  mit  dem  Verbum.  So  sagt  Lucian  nalöag  ano- 
rpaivBLV  (Hipp.  c.  3,  De  Morte  Peregr.  c.  11,  Pseudolog.  c.  2), 
Ttatda  donBiv  Ttgög  ttva- {Alexami.  c.  4),  Ttalddg  tivag  oXB6\fai 
ag  UQog  nva  (Hermot.  c.  13),  und  nicht  dTtodBtKVVvaL.  Und 
dennoch  sagt  eben  dieser  Schriftsteller  Necyomant.  c.  4  ägt  B^oi 
rdiiGtcc  XQVöovv  dTtidsi^av  ovtoi  xov  xäv  Idiaxcov  ßlov.  vgl. 
dort  Flemsterh.,  der  sich  aber  durchaus  irrt,  wenn  er  iqvöovv  in 
XQVöov  verändern  will.  Cap.  14  zu  Anfange  spricht  Hr.  ß.  iiber 
die  mit  ihren  Adverbiis  oft  verwechselten  Adjectiven  und  da  heisst 
es  unter  andern:  Philopoem.  c.  15  Bv^a  dij  %al  diBcpdvyj,  %a- 
^ccQog  BXBiVog  6  dvijQ,  ubi perperam  dedit  Reiskius  et  qui  eum 
seqmiti:  xaO'aQiäg.  Jeder,  der  nicht  selbst  nachsclüägt,  muss 
sich  über  die  Albernheit  einer  solchen  Aenderung  verwundern, 
welche  aber  der  für  evident  halten  muss ,  welcher  das  folgende 
ov  doxäv  fidvov,  dXXä  xal  cSv  ägiöxog,  wo  die  Participia  von 


Plutarchi  Philopoemen.    Flaniliünus.    Pyrrhus.    Ed.  Haclir.   267 

Sitcpavr]  abhängen,  goliörifif  beachtet.  In  dei*  Stelle  desselben  Cap. 
x6  xov  'Ena^ivcövSov  na^iiv  tdo^s  TtoXv  T)~jg  tceqI  avtov  dgs- 
rijg  zal  rijq  ö6b]g  cccpaLQS^elg  tv  rij  dTcXäcötj  aäxiov  dycovi- 
ö«j(/fi'og  zAveiile  idi  keinen  Augenblick,  das  interpolirte  fjqpaipg- 
%^[g  mit  einigen  Codd.  wegznlassen.  Es  scliwächt  nnd  hindert  die 
Kede,  uäJirend  ^dmov  tyjg  negl  avTOV  aQEtyjg  echt  griechisch 
und  gut  gesagt  ist.  So  Pliit.  Flamin,  c.  6  TOiJ  ytjQcog  7tQo9v^6r£- 
Qov:  aber  mozu  hier  Parallelen*?  Länger  verweilen  Mir  bei  dem. 
bald  daranf  loigcnden  (pL?.o7toi{^u]V  dh  —  k'yvco  f)]V  döK7]öLV,  'rjXi- 
v.ov  ^lEQog  toxi  xfjg  ccQBxijg  aal  Tiuötjv  Im  Tidvxa  xolg  a&iö&Elöi 
övi'Ci^iLV  TCQogrid'tjöiV,  niid  liören  ^orerst  den  Vf.:  Pro  iöxl  in 
Aid.  Jtrnt.  Monac.  et  Paris,  legilur  btcL  Quod  nun  e  sequenti 
inl  hie  [liiic?^  transferri  potiierit.,  suspicio  7iiihi  oritnr.,  ejecta 
prorsus  isla  voaila.,  scribendiun  esse:  ijkixov  (isQog  xrjg  dQExrjg 
xcd  7i6ö)]v  ETilTtävxaoixX.  i.e.  qiKmtumvirtutis  momentum  qiam- 
tiimque  rohur  iis  addat  esercilatio ,  qni  jcan  ad  omnia  sunt  ad~ 
stieti  atqiie  exercitati.  Also  verbindet  er  fjUxov  fiBQog  TtQogxi- 
&}](jiv,  Avas  schwerlich  giiechisch  und  jedenfalls  gegen  den  wah- 
ren Sinn  ist,  da  die  t'ebnng  nicht  ein  grosses  Stück  der  Tapfer- 
keit einem  hinzusetzt,  sondern  selbst  ein  wichtiger  Bcstandtheil 
der  Tapferkeit  ist.  Könnte  eötC  überhaupt  fehlen ,  so  müsste  es 
wenigstens  nach  [lEQog  supplirt  werden,  was  hier  hart  wäre,  weil 
xal  mit  seinem  I  n  d  i  c  a  t  i  v  gleich  hinterdrein  kommt.  Einen 
Fehler  in  der  Uebersetzung  mnss  ich  noch  besonders  rügen ;  da 
gesagt  wird :  qnijam  ad  omnia  snnt  adsueti.,  so  ist  augenschein- 
lich hin  Ttdvxcc  xoTg  1&lC9bl(jl,  was  sich  wohl  Dichter  erlauben,  fiir 
TOig  iJil  Tidvxa  eO:  genommen;  auf  diese  Weise  wird  aber  auch 
der  ganze  Gedanke  verkehrt.  'Etil  Tidvxa  gehört  zu  tioöt^v  :  PJii- 
lopöraen  erfuhr,  wie  viel  Kraft  für  alle  Fälle  (od.  in  jeder 
Hinsicht)  die  Uebung  den  an  etwas  Gewöhnten  gibt.  Sehr  ähn- 
lich ist  unten  Cap.  17  tJ  ö'  löxvg  Inl  ndvxn  %oXX^  ^Exd  xov 
öaii-iovog  BjcoQEL,  woReiske's  Einfälle  von  Hrn.  Bahr  mit  Recht 
verworfen  w  erden.  Bald  nachher  ist  Toi'g  mXiovxag  anstatt  xovs 
Tiolixag  richtig  aufgenonuuen.  Cap.  15  TtQogijydyaxo  aal  ^bxsko- 
öi.n]öEv  slg  xovg  'A%aiovg  X7]V  TiöXiv  wird  ^sxsx.  —  t?;v  tioXlv 
erklärt:  rei  puhlivac  forma.,  qualis  antea  fuit.,  mntotä  Achaeo- 
Tum  foederi  urbem  adjecit.  IjQogt^ydyBxo  slg  xovg  ^/Ixaiovg  X7]V 
tioXlv  gehört  ja  grammatiscii  zusammen.  Ferner  TiQOEßdXovxo  an 
der  Stelle  von  TiQoeßdXlovxo  scheiirt  nur  durch  einen  l)ruckfeliler 
in  einige  der  neusten  Ausgaben  gekommen  zu  seyn.  Zu  Ende  des 
Capitels  xovg  novriQovg  kuI  xi]v  nökiv  iv  xa  övvsdQLCo  xaza- 
öxaGid^ovrag  steht:  Pro  ocal  x)}v  TtöXiv  Vulcob.  %axd  xr}V7i6- 
Ätv.  Kquidem  siispiccr:  aal  ro-ug  X7]V  noXiv.  W.is  mag  sich 
Hr.  Bälir  bei  Anfertigung  dieser  Conjcctur  gedacht  haben  1  Die  Spra- 
che bedarf  des  aus  xovg  tcov.  leicht  zu  ergänzenden  Artickels  nicijt 
im  gerhigsten,  und  paläograpbisch  berechtigt  das,  wie  tausend  mahl, 
in  y.uxd  verdorbene  xai  wahrlich  nicht,  ein  xovg  einzuschwärzen. 


268  Griechische  Litteratur. 

Cap.  17  oQCov  6s  tbv^Avtloiov  o:t;r6i;  Iv  Xalv,l8i  icad^^^BVOV  — 
tovg  ÖS  UvQovg  — .  Hinter  avxöv  ist,  glaube  icli,  ft£v  ausgefal- 
len. Wer  das  läugnet,  der  widerlege  mich  durch  Stellen,  wo 
das  Allgemeine  mit  avrog  und  einem  Angehörigen,  wie  hier,  zer- 
gliedert wird.  Etwas  Neues ,  aher  nichts  Gutes  erfahren  wir  S. 
64:  Partkulam  %al  Mg  verterim:  Itaqtie^  Indeque.  Also 
%ai  bedeutet  auch  d  e  s  s  h  a  1  b ,  d  a  h  e  r.  Ausser  der  vorliegenden 
Stelle,  wo  %at  ja  sichtlich  und  heisst,  besprechen  wir  nur  noch 
die  auch  angeliikrte  Plut.  Pyrrh.  c.  20  Kai  djtSTie^q^&rjöav  ftar« 
T^v  ioQvr'jV.  Und  (lat.  Ac)  sie  wurden  zurückgeschickt. 
^^Iteiskio  addendum  videbatur  ys.  At  v.ai  hoc  loco  est  itaqueJ"^ 
Kai  U7tsne[i(pd'r]6av  ys  wäre  dem  Zusammenhange  aucli  angemes- 
sen. S.  69  steht:  Li  Schaeferi  editiotie^  quae  apud  Tauchnitz. 
1S12  prodlit^  legitur :  ov  [isv  dlka.  Reposui:  ov  ^rjv'dXXd. 
Diese  Woi'te  sind  wahrscheinlich  gegen  den  Setzer  des  Tauchnitzer 
Plutarch's  gerichtet'?  S.  TO  ziehn  wir  folgendes  aus:  Qui  ante  ol- 
%r]t7ig  [so]  dicitur^  hie  est  dv&QConog.  Qtiod  siinile  [1.  Qiwd 
idem  oder  Quod  simUiter~\  inveniri  in  Coriolan.  24  notavi  ad  Al~ 
cibiad.  p.  68.  Ist  denn  etwa  ein  Sclav  kehi  Mensch,  dass  der  vor- 
her Sclav  genannte  nicht  hernach  durch  :  jener  Mensch,  bezeich- 
net Averden  dürfte ,  oder  m  arum  ist  nicht  Flamin,  c.  18  tov  dv~ 
Jö'pföTrou  hinter  f'ra  Tc3v  xarcötjccji' auch  beleuchtet  worden*?  Cap. 
21  billige  ich  rjvzivaovv  der  Münchner  Handschrift  (nicht  tJvtlv- 
ovv)^  da  in  diesem  Pronomen  der  Hiatus  gewöhnlicher  ist.  Wei- 
ter in  den  W. :  oöotg  ^ev  dvslsLV,  sdo^s  ^iXoTtol^eva —  oöot 
8s  xalßaöavLöca,  halte  ich  fiir  minöthig,  oöo ig  ds  zu  verbes- 
sern. Die  Griechen  fahren  nach  öoksl  xivi  oft  mit  dem  Nomina- 
tiv fort,  als  ginge  riyov^ai  vorher,  und  Sallust  hat  diess  nachge- 
ahmt. Die  folgende  geschichtliche  Note  gegen  Coraes  ist  unum- 
stösslich  wahr.  Aber  was  soll  man  zu  einer  andern  ganz  in  der 
Nähe  sagen*?  sxö^ii^sv  8'  6  tov  örQarrjyov  tav  A%aLcöv  nalg^ 
Reduxi  veter em  lectioneni ,  libris  coniprobatam ,  quam  prinms 
mutaverat  H.  Stephamis  ejiciendo  particulam  8'  et  loci  inter- 
punctionem  invertendo.  Nani  optinie  se  habet  vidgata^  modo  ac- 
cusativum:  avtijv  8strjv  vöglav — oQCO^ivriv  jimgas  cumpi'ae- 
gressis  referasque  ad  i^v  i8slv;  ita  iit  majus  incisum  ponatur 
post  OQCJ^svrjv  ^  a  Stephaiio  perperani  illud  quidem  immiitatum. 
Jam  nova  dein  incipit  sententia:  sv,Ö}xlC,s  8'  (^avti]V  sc.)  6  tov 
CtQatrjyov  tcov 'Axaiäv  naig.  Q,nani  pronominis  omissionem  haud 
infrequentem  esse  — .  Ei  ja  das  wissen  wir.  Es  ist  sehr  zu  be- 
klagen, dass  diese  und  mehrere  andere  Bemerkmigen  ziemlich 
wortreich  ausgefallen  sind.  In  den  Worten:  'Hv  nsv  ydg  s6tsq)a-- 
vcap,svovgl8sLV —  avtr]V  8s  trjv  vÖQiav  vtco  nh'j&ovg  taivicov  te 
Kai  ötscpdvav  fto'Aig  öqco^sv)]V'  fxo^t^sv  d'  6  tov  ötgatrjyov 
tav  Axcciav  Ttalg,  läge  nur  folgender  Gedanke:  Denn  man 
konnte  sehn  Bekränzte  —  die  Urne  selbst  aher^ 
welche   man  vor  den  vielen  Bändern   und  Kränzen 


Plutarclü  PliUopocmcn.    Flamhiinus.    Pyrrluis.    Ed.  Riiclir.     2C9 

kaum  sehn  konnte:  es  trug  sie  aber — .  Abgesclin  da- 
von, dass  die  Verhiiuluiigsart  sehr  matt  und  schleppcad  Ist,  so 
taugt  der  ganze  Gedanke  niclits.  Ilr.  Eiilir  übcrsali  in  seinem  Ei- 
fer, dass  er  wenigstens  £x6;u.f^£  ö'  niclit  iKÖint,iV  ö'  selireüien 
mijsse,  mciui  er  das  Unheil  bringende  ö'  nun  einmahl  uiit  aller 
Gewalt  sicJi  niclit  nehmen  liess.  S.  73:  Nisi  forsit an  placet 
tLficcC  hoc  loco  latius  accipere  de  qiiovis  hoJionim  ^cnere^  quos  vi- 
ro  ■praeclaro  murtiio  iirbes  decrevei'unt.  Diess  ist  ohne  Zweifel 
die  einzig  i'ichtige  Erklärung.  S.  74:  Monac.  liber  ovd''  ot  Ttgsg- 
ßsig  pro  vul^.  oura  ot  7iQegßsi.g,  cid  leclioni  favet  praegressiun 
0V&'  6  Mö^iliiog.  Ilr,  Biihr  wird  mich  recht  verstelin,  wenn  ich 
Page,  dass  ovts  6  kaum  zu  dulden  sey,  dagegen  ovts  ol  nichts 
auirälligcs  habe,  "Wir  gehn  auf  den  Flamininus  iiber.  Cap,  1  ov 
fi})v  o^oicog'  c(XX  IXafpQog  ix\v  h>  reo  HoXä^siv  a.  t.  A,]  o^toiojg 
post  H.  Stcpluiniim  cdidit  ßciskius  cum  Anon.  pro  eo  (juod  in 
reliquis  legitiir  c\uoioj,  quod  vel  minus  huc  quadrare  est  mani- 
festum. In  d  e  [,'  /]  sifspicor ,  justum  verborum  ordinem  nonni- 
hil  fuisse  turbatiim  scriptumque  a  Plutarclio :  t6  ö'  ij^og  6t,vg 
Kiytxai  yivio'dca  6[iOLag  aal  Ttgog  6Qy))v  aal  jtQog  iÜqlv'  ov 
(xyv  c'AA'  tkccq)Q6g  ^levctc.  "Welche  Kritik!  Aus  dem  Umstände, 
dass  onoLog  statt  ouolcog  (o  statt  «)  gewöhnlich  falsch  steht,  wird 
geschlossen,  dass  das  richtige  o^iOLOjg  urspriinglich  eine  Zeile  wei- 
ter oben  gestanden  habe!  Ov  pijv  aXlcc  ist  fiir  diesen  Zusammen- 
hang zu  stark;  auch  könnte  dam»  hinten  das  Yerbum  nicht  fehlen. 
Einige  Sätze  später  >ermuthe  ich: *cog  ad^Xcötov  ov  (für  xdX- 
Kiöta)  räv  üTtjuccTCOv  xtL  Cap,  4,  '0  Ös  Tltog  rovtovg  dnoGrü' 
Kag.xdg  utv  akkag  ij^itgag  öica'iJtavE  tov  öXQatov,  o  6 a.  p,i]  tcs.- 
QLönäv  Tolg  dy.Qoßo)u6ixoLg  toi)s  noke^lovg ,  lautet  die  Uel)er- 
setzung  fälschlich  so:  e.vercitum  qm'escere  jussit.,  quatenus 
certe  non  opus  esset  illo  ad  hostes  velitatiouibns  lacessen- 
dos  [?].  Es  sollte  heissen:  ausser  dass  (oößft/;)  er  durch 
AVerfen  aus  der  Ferne  die  Feinde  an  sich  lockte. 
MissA erstanden  ist  auch  Pyrrh.  c.  17  —  Ttgoril^tv ,  o6ov  /i  jj 
Ttkäov  GtaÖicov  XQLaxoöicoi'  cctioöihv  xijg  'Pc6}xr]g.  (Dort  sagt  er: 
J^e  oöov  fi7J  scque/iti  iiijhdlii'o  egi/nus  ad  Flamin.  11  ,)  INiclit 
oöov  ^)j ,  sondern  ücJoy  dTcoöxsiV  (so  dass  er  entfernt  Mar)  und 
ft>}  TiXiov  (nicht  weiter)  hätten  AX-rbunden  werden  sollen.  Cap.  ♦> 
—  ügxs  —  xov  t7a^)'jviov  Gixov  ^rj  fxt^exQrjtxtvoug  ovÖ^  bvjio- 
Qovvxag  ayogäg  ccTie^sö&ai  —  m  ar  aus  dem  Miinchner  Cod.  p,  r]  ö' 
evTiOQ.  aufzunelunen.  Eben  derselbe  hat  ebenfalls  riclitig  weiter 
unten:  nal  rag  ^ro'Aatg  btclovt ag  (  gewöhnlich  a:r(o'z/Tfg)  Ive- 
TtiUTclaöav  evvoiug  xijg  ngog  avxov  cet.  ('ap.  S:  ^idxovro  Tiegl 
rag  y.ukovaivag  Kvvog  xerpuXäg,  a'i  —  öi  onou)X)]xa  xov  öyj'j- 
fiarog  ot'TWg  covopdöifijöav.  f  oct/lam  oi'rcjg  oiiiittit  Mona- 
censis.  Kst  aiilem  hie  elegans  quaedum  particulae  abundantia 
post  verba  diceftdi.,  vocatidi .,  appetland i.     Wie  hier  Hr. 

Jahrb.  d.  Phil.  u.  Fädag.  Jahrg.  1. 1hfl  2.  18 


270  Griechische  Lttteratur. 

Bahr  ilas  Verschiedenartigste  in  eine  Klasse  geworfen  hat!  Die 
angeführten  Geleinten  hehandcln  den  bekannten  Fall,  dass  ovta 
mitdem  Nomen  zusammen  gesetzt  >vird,  wo  es  eigentlich  auch 
nicht  ahundirt,  sondern  den  Namen  selbst  hervorhebt  (otJtojs  covo- 
[la^ov  Movöag,  man  nannte  sie  also,  Musen,  tJv  aaXovöLV  ov- 
rag  ayogciv,  welchem  man  den  Namen  giebt,  Marktplatz)  ;  aber 
in  der  obigen  Stelle  fehlt  ja  der  Name :  Kynoskephalä ,  welches 
aus  dem  und  dem  Grunde  so  ist  genannt  worden.  Gleiche  Be- 
M  andniss  hat  es  mit  den  auch  zur  Unzeit  citirten  2  Stellen  aus  Plut- 
archs  Ronuilus.  Wir  gehn  auf  den  Satz  über:  7i:Q0sißa?.s  totg 
Mnxsdööi,  övörijvaL  ^sv  slg  cpäXayya  aal  nvxväöai  trjv  tÜIlv  ug 
ßä^og  —  Tiolvo^kvotg  8ia  XTqv  avcoiiaXiav  aal  XQayvxyixa  xav 
j(^aQLav,  TiQog  Ös  x6  %ax  avÖQCf  öviiTtksxEö&at  zal  ßagal  aal  dvg- 
tQycp  XQCof^isvoig  onXiOaa,  Wie  störend  das  %al  vor  ßagsl  ist, 
wird  jeder  Unbefangene  fühlen ;  da  es  nun  in  einem  Codex  nicht 
steht,  so  ist  es  jedenfalls  zu  tilgen.  In  der  weitschweifigen  Note 
zu  der  Stelle:  ort  %avxog  öXov  xolg  TtaQaXlrjloig  iieqeöi,  näX- 
Aov  rl  di  -avxov  löyvu,  wird  richtig  e-jcaöxog  als  Subject  aus  dem 
Vorigen  gezogen ;  aber  dadurch  wird  noch  Tiavxog  okov  nicht  er- 
klärt, das  nichts  Meniger,  als  7i?iife/si  ilh'iis  bedeutet.  Passend 
wärer  öco^axog  ökov.  Cap.  !):  Oi  ö'  7JiQ'ovxo  %al  TCgogÖB^cc- 
fievov  Xöyovg  avxov  aal  TtQegßslav  etiI  öv^ßuösöL  naga  xov  Ma- 
Ktdövog  rovx'  aaelvoL,  TcegüovxEg  Ttsgl  xdg  alXag  TtöXug 
ißöcov,  ncoXslö&ai  xiqv  elgjjvtjv  ^iXiTtTico  cet.  Ita  libri  et  editt 
et  manu  scn'pti\  nisi  qtiod  hi  habeiit  xovro.  Reish'us  tentavit 
Tovx  suSLVO^  parum  felicüer.  Quo  mullo  magis  arridet  Bryani 
suspicio.,  legendwn  hie  esse  xoxe  fXEtfOi,  quod  etiam  habet 
Amyotus.  Malim  tarnen ,  si  ita  scribendum ,  x  6x  £  8i]  hycEivo. 
Nunc  tarnen  in  Ubrorum  lectiotie  ocquiesco.  W  ollte  man  die  Les- 
art der  MSS.  beibehalten,  so  müsste  nicht  nur  die  Stellung  beider 
Pronomina  heftig  auffallen,  sondern  auch  die  Verbindung  rotJr' 
Ißöciv,  noXslö&ai^  wo  kein  Nachdruck  in  xovxo  liegen  kann,  slait 
des  weit  einfachem  Ißocov  TtojXelöd'ai.  Was  soll  man  aber  zu  der 
Conjectur  von  Hrn.  Bahr  sagen?  Erstens  ist  sie  paläographisch 
scldecht;  xoxe  und  xovxo  werden  wohl  oft  verwechselt,  aber  was 
berechtigt  zu  dem  zwar  dem  Sprachgebrauche  angemessnen,  aber 
unnöthigen  öjf ,  des  auch  veränderten  ekelvol  nicht  zu  gedenken? 
Und  dann  zweitens  macht  sie  den  Gedanken,  wo  möglich,  noch  ver- 
kehrter wegen  des  ekelvo  —  Eßocov ,  was  viel  zu  stark  wäre  und 
auch  nicht  so  getrennt  stehn  könnte.  Der  erste  Ueberblick  dieser 
Stelle  lehrte  mich,  dass  Plutarch  xovx'  exelvo  geschrieben  liabe, 
was  ich  nachher  von  dem  trefflichen,  aber  oft  verkannten  Reiske  mir 
genommen  sah.  Die  Formel  xovx  ekelvo  wird  verschiedentlich  ge- 
braucht; gerade  wie  hier ,  bei  Bestätigung  eines  Argwohns,  steht 
sie  hl  Demosth.  Midian.  215,  6  Bekk.  —  kßoäxE  (irj  dcpEivai  xal 
xgogEk&ovxog  (iol  BksTtalov  xov  xganE^ixov  xjjXlüovx'  dvExgd- 
yhtb  cos  xovx'  Büslvo  xQWCi''^^  f'ou  7\.rii)o^ivov.,  ägzB  xxX.  Am 


Plntarclü  Plülopoemon.    Flaraininiis.    Pvirlius.    Ed.  Riichr.    271 

^eAvöIinlicIistcn  ist  sie  lici  oft  ^^ie(lerk{'lll•elu^('n  Diii£;on,  z.  B.  bei 
Ainveiiiluiiir  ^oii  Spriiclmörtcni,  Liu-iaii.  Piscalores  c.  $>  rovro  ixsi- 
vo,  Ig  TCiÖiov  tbv  'innov.  De  Mcrceil.  Coiul.  c.  VI  xovx  IxelvOy 
iX  rcöv  ziLog  Öilrcov  6  [.iccQtvg,  und  noch  bestimmter  Dial.  Mort. 
8, 1  rovro  exslvo  ro  r ij  g  Ttagot^ilag,  6  reßgog  rovkiovra. 
MeJii- lüeriiber  siehe  bei  Ueisiir,  Conjectan.  p.  2'J9 ;  Ehnsley  ziir 
Medea  v.  97  und  iMattliiae  zu  Eur.  Orest.  \.  l{)\rovr  exEivo  nräöQ^ 
traiQOx^g.  Cap.  10,  TrXrj&og  ^ilv  dv&QCOTCcoi'  Iv  ra  GxaÖUp  xa^fj- 
6x0  xov  yv^vL'/.ov  aycova  d'ecjfisvov,  lies  mit  dem  iMiinehucr 
('ode\  Q^sco  1.1  Evav.  Ü.  Porsou.  zu  Kiirip,  llecul).  v.  21)7.  In 
demselhen  Ca|).  Jieisst  es:  KoQaaeg  ycfQ  7C8Qt,7CBr6fisvoi  oca- 
xa  xvyjt]V  iithGov  elg  ro  öxäÖLOV.  Man  liat  olme  Widerrede  mit 
llviskc  vTisQTiExö^BVOi  zusebreiben.  Die  Haben  konnten  niclit über- 
all lierumllieiren ,  sondern  mussten  g:erade  überfliegen,  um  durch 
das  G'esebrey  Iierunterireworien  zu  werden.  Eben  dieses  Verbura 
findet  sich  aueli  in  der  äbniichen  Erzäblunif  Pliitarcb.  Pompe),  c. 
25.  Cap.  13:  Iv  xo)  xbXa  Öuipivöaxo  xäg  xijg'ElläÖog  ikiiiöag 
iküv  7ta  Q  aöyov  oux  l%s.h]6ag  — .  7iaoa6i6v  ex  Aldina  reti- 
iiui.  J  Kid.  et  l  ulc..,  addicciite  Parisiiio  et  Palatino:  TiaQCiöiäv; 
yl)i(tn.  iioqÖv.  Dass  \\x.  I}äbr  7ia^a6%öv  nicht  Verstössen  hat,  ist 
allerdin;2^s  sehr  löblich;  allein  ich  vvünsclite  nur,  es  Märe  ander- 
wärts vieles,  seJir  vieles  Tri\iellc  nicht  diircli  Citate  ei'härtet  und 
liier  etwas  mclir  ^esa^t.  IlaQaöyöv  lieisst:  qunm  liceret.  Die 
Stelleu  des  Thucydides  Jiat  schon  Lennep  beiirebi*aclit  zu  Plialar. 
Eplst.  p.  öfj  ed.  Scliaeier.  —  Unsers  Hrn.  Vis.  lateinischer  Aus- 
druck ist  im  (tanzen  antik  und  gut;  aber  S.  11-1:  taugt  weder  pe- 
liodus  iiimis  lo//fiw/\  noch,  was  öfters  voikommt,  structura  ora- 
tioiiis  iiüiuiihil  iinpcditior  etwas.  Eben  so  wenig  sollte  man  S.  1 17 
lesen:  satis  notum,  <///«/«  ^i-zoi^/pluribus  illustrari  debeat.  Cap.  17: 
"jCLHQog  ^iv  ovv  ovÖEvl  TioXkolg  Ö^  otvg  eöoxst  aal  iiovq)og  elvul 
rr^v  cfvöLV.  Eqiiidcm.,  si  quid  omnino  mntandmi^  malini  ejice- 
re  oüi',  qrn'ppe  ortum  ex  vocula  seqiienti.  Ovv  iierauswerfeu 
heisst  den  Zusammenhang,  mit  dem  Vorigen  ganz  und  gar  zerstö- 
ren; wäre  jedocli  ovv  falsch,  so  würde  nicht  auf  das  folgende  ov- 
dsvi  die  SchuUl  zu  bringen  seyn,  wohl  aber  auf  das  vorige  [xiv,  da 
(.UV  und  ^£1^  ovv  ungemein  oft  sind  vertauscht  worden.  S.  ];J0 
steht  1^'olgendes :  P/aeterea  hie  notandus  plusqiiamperfecti  itsiis 
qnidain  in  enunliatis  .,  nti  qjunt  ^  hypotketicis  paruni  ille  adliuc 
cognit?(s ,  nbi  aoristum  vel  [?]  imperfectian  viilgo  ponunt.  Tu 
coiif.  C  G.  Jacobs  [Jacob  Iieisst  der  Mann]  ad  Toxar.  p.  105, 
100.  Hr.  Jacob  spricht  dort  von  etwas  ganz  heterogenem,  über 
die  For/nel  y.al  iiyt  iii]  bei  Lucian,  welche  er  fal.-;ch  mit  w?s«/o;- 
/e  übersetzt  \n\i\  überhaupt  nicht  verstanden  hat.  Dass  aber  das 
Pliis(juajn|)erfectiim  in  gewissen  Conditionalsätzen  gebräuchlich  ist, 
weiss  Jedermann,  und  nur  IJnkunde  vermag  auch  in  diesem  Falle 
diesem  Tempus  und  dem  Imperfectum  gleichen  Siiu»  unterzulegen. 
Bald  drauf  mag  ich  w  eder  von  der  mag  n  a  n  im  it  u  s  Scipionis.,  noch 

IS^ 


272  Griechische  Littcratur, 

von  A^rpji  s  illanim it  a s  Flainimm  etwas  wissen.  Cap. 21 :  Ourwg 
ovdsv  ovtB  ^LKQüV  ovT£  ^tycc  räv  jtaQovtav  Ttgog  to  ^iKlov  lörh, 
aXXa  ^la  tov  (lErccßdkkscv  telEvri]  [rj]  xal  xov  elvai.  Des  von 
Reiske  liinzngefügten  iq  bedarf  es  nicht,  sobald  man  ^ia  mit  7J  av- 
tY}  für  gleichbedeutend  hält.  AbCr  ein  wenig  Aveiter  oben  ist,  wie 
mich  dünkt,  zu  lesen:  t o6ovt(ov  (nicht  xoöovrov)  öln^QOV 
6tQat£V{iciTcov  xal  GtQCCtrj'yäv.  UvyxQiöig  c.  1:  7iQdg"E?Lhivag 
6  JToAf^og.  Hier  stimmt  die  Note  nicht  mit  dem  Texte  überein, 
was  ich  um  desswillen  anmerke,  weil  diese  Nachlässigkeit  in  die- 
sem Buche  gar  nicht  selten  ist.  Ebendaselbst:  TJlEv^eQOV  xai,  r« 
aO'vi]  nal  nöliig  änaöag.  Vi.v  me  coniinui^  ut  [  quin  muss  es 
heissen],  qiiod  Rcisldus  est  suspicahis  ^  in  textum  reciperein  vel 
invilis  libris:  xal  rag  Tiölug.  Aber  theils  kann  der  Artikel  tag 
ans  dem  vorigen  t  ä  b%vi]  be<iuem  supplirt  werden,  theils  hat  ge- 
rade das  Substantivum:n;oA(S  mit  j^j},  dvy'jQ-,  av^Qconog,  yvvriwwA 
einigen  andern  nicht  immer,  wo  es  nöthig  scheint,  den  Artikel 
(aus  diesem  Grunde  ist  Philoj)oem.  c.  4  £tg  utökiv  difi'i^i  nicht 
zu  bekritteln) ,  und  endlich  fehlt  der  Artikel  oft,  wenn  aTtag  hin- 
terdrein folgt,  z.  B.  Lucian.  Dial.  Mort.  14,  5  v-ura  vofiov  öco^d- 
rcov  uTtccvtav ,  ibid.  15,  1  tov  q^Llo^urdwötatov  tJqojcjv  ccTtäv- 
tcov,  und  oft.  Cap.  2  erkläre  ich  Kai  ^ijv  t  6  ys  —  nnbedenk- 
licli  für  das  Wahre.  Cap.  3:  UtQatrjyog  ^8V  yaQ  av  —  idia- 
trig  ÖS  — .  Warum  dem  Plntarch  so  leicht  hin. auf biirden,  er  ha- 
be sich  geirrt,  da  die  Lesart  Id idt7]g  fiev  ydg  mv  hinlängliche 
Autorität  hat  und  6tQaTi]y6g  eine  Verschlechterung  dessen  zu  seyn 
scheint,  welchem  löivjtrjg  ^lEV —  ldi,(6t)]g  ös  missfiel'?  S.  194  sind 
die  Worte  6  d'  tjv  Inl  yva^rjg  durchaus  nicht  gerettet.  DicPhra- 
sis  ELvaLSTiC  tivog  yva^urjght  gut  griechisch,  heisst  aber  ^;^  aliqua 
sententia  esse ^  nicht,  was  sie  hier  müsste,  im  Nachdenken 
worüber  begriffen  seyn,  also  övvvovv  uvai,  Itii  övvvoiag 
il/vai.  S.  151  ist  das  Imperfectum  abriperetur  nach  dem  Präsens 
ungiammatisch.  Pyrrhus  Cap.  4:  Kai  Jltolipalto  p\v  —  itaQÜ- 
%£,  triv  de  B£QEVLK7]v —  sQ'SQdTcevs  ^dXiöza.  Bryanus  maviilt 
t}]v  X£.  Diese  Ansicht  hätte  durchaus  nicht  erwähnt  werden  sol- 
len. S.  165  wird  über  den  sehr  gewöhnlichen  Ausdruck :  näg  ydg 
ov  fiskXco;  gesprochen;  wie  konnte  aber  der  Verf.  Pompej.  c.  15: 
ncog  ydg  ot};;^l  yiwala  xavta  — ,•  dort  anführen'?  Cap.  10  lasse 
ich  %ai  vor  7iQ0gri%B^i.vav  mitllandschrr.  aus  imd  fange  den  neuen 
Satz  schon  bei  Uollav  Ö£  —  an.  S.  166  m  ar  dem  Herrn  Held  das 
grammatische  Versehn  tovrco  tQoncp  zu  verweisen.  Ebenda  durfte 
Wyttenbachen  durchaus  nicht  nachgesprochen  werden,  dass  ovtag 
auch  mit  opcog  gleichbedeutend  sey.  Steht  ovtog  nach  Partici- 
pien,  so  weist  es  auf  jene  zurück  und  hebt  sie  ebendadurch  her- 
vor. In  demselben  Cap.:  dvvdpBvog  MauEÖoviag  sxßakslv 
avxov  izoXXd  TCQaxtovxa  aal  taQatxöpevov  exdsxstai,  cet, 
Bryanus  maluit  xaQaxxovxa^  quo  certe  non  opus.  Ich  lialte  ta-. 
QttTtovTu  liier  für  das  einzig  Walire.    Plut.  Pyrrh.  c.  30 :  tov 


Plutarclii  Plülopoeincn,  Flaniininus  et  Pprluis.    Ed.  Baehr.  213 

taQCittBöd-r.i,  Xßl  ragccTTSiv.  VAuo  ^olchrlc;  Note  lucnibcr  liat, 
wie  i('Ii  111  ieli  erinnere,  Toiip.  l'Iriieiul.  in  Siiidani,  welclies  Werk  mir 
»ielit  zur  Hand  ist.  Cap.  I  I  :  .hi  cundcm  Alexamirum  spcctant 
eliani  verba:  avxov  ö\  tol^i)](5uvro<i  Ütihv.  Das  o:i;ros  ijelit 
ganz  bestimmt  auf  den  l'yrrlius.  Uald  darauf:  Priores  male 
CTQCitEiag^  assentientc  codice  Palatino.  IVacIi  dieser  Ueltttioii 
sclieint  es,  als  sey  öTQCCTiäq  Conjectur  von  Ilrn.Biihr;  allein  dem 
ist  nicht  so.  Ca p.  1-1:  llv  öh  rig  Kivtag.,  ©EööaAog  avrjQ ,  tw 
^ilv  q^Qovelv  doxcov  ixccvog  tivai,  zJij^wöQ'evovg  dl  rov  Q}jro- 
Qog  ciXi]xoc6g  eöoKSL  —  ävccai(iV)](}X£iv  zovg  uxovovtag.  llr. 
IJälir  liat  iiber  diesen  Satz  p.  H!)  ^iele  Worte  gemacht,  alier  das 
cliarakteristisclie  desselben  in  Hinsicht  der  syntactisclien  Verbin- 
dung nicht  durchschaut.  Siehe  i'iber  den  L'ebei-sprung  ans  dem 
Participio  in's  Verbum  finitum  nur  Schäfer  zu  Demosth.  T.  II  p. 
75.  In  demselben  Capitel:  I^räöug  yclg,  cd  Ktvea  ^  nävta  vvv 
Exslva  xal  avuQiia  Tiökecov  Kcd  Öij^ayayäv  6^vzr]g ,  ^Aya^o- 
v.Xkovg  IxlekoLTtörog.  i.  e.  nam  sedil  ionibus  nunc  omnia 
illic  flagrant  liceut  ia  que  ci  vit  a  l  u  m  (ubi  mdlius  valel 
Imperium  nee  ullae  leges)  acferocitate  dcmagogorum.  Conf.  iit- 
fra  cap.  XXllI.  —  Dicendi  ge/ius  satis  illuslrant^  quae  colle- 
git  Matthiae  grammat.  Graec.  §  438  \^.  (501).  Wirklich'?  Das 
letztere  ('itat  berührt  weder  Iliriimel,  noch  Erde^  so  wenig  gehört 
es  lilerlier.  Und  c.  23,  ^AnoöTccöug  ö'  oQav  ccTCavta  xcd  veco- 
tBQLö^ovgxcd  övöraöLV  Idxvgäv  en  avrov  tdet,ato  xts..,  hat  kaum 
entfernte  Aehnlichkeit ,  da  sidi  dort  anavxa  ohne  Ixuva  findet, 
und  zu  beweisen  war,  dass  Ttdvrcc  Ixelva  so  viel  sage,  als  ndvTcc 
XU  BKsl.  Das  läugnete  ein  Ilemsterhuis.  Aber  vgl.  Luc.  JVecyom. 
c.  10  Ev^vg  ovv  Ttüvxa  I'ablvk  söcdsveto.  De  Merc.  Cond. c. 
IHivx]]  de  öBLöucp  öv^möHV  ixilv a  Tittvxa.,  De  Ilistor.  Con- 
scrib.  c.  22  xat  oxxoßog  ■^v  xcct  xoxxaßog  änavxa  sasivccy 
Asinus  c.  42  xcd  nävxa  exelva  jweöt«  7]v  dksvQav.  Ausser- 
dem habe  icli  (C^uaest.  Luc.  p.  69)  angefiilirt  Aristoph;  Aves  v. 
1154  xcd  1/vv  aTtavx'  exelva  Tnxcvkcorai  Tivlaig  xal  ßeßalcc- 
vcoxai — .  S.  l!)4  scheint  nt  millus  aim  dubius  ebenso  nnla- 
teinisch,  als  ebenda:  Ilaee  est  vetas  lectio^  qnaleni  [statt 
quani]  mei  quoque  libri  rcpracsentant.  Cap.  17:  Kgätiöxot  8^ 
7j6av  ovxoL  xcd  xcöv  cpllcov  6  II V  (5  (5  0  g  xcd  xäv  6xQax}]yäv  olg 
lic'ikiGxa  xQ^y-^'^'og  biexelu  xal  niGrevcov  äneßakev.  So  stellte 
llr.  B.  die  Worte  6  IIvQQog  nach  einigen  Siibsidien;  gewöhnlicli 
stehn  sie  nach  olg,  in  einem  (.'odex  hinter  jCLörevcov.  An  diesen 
Ort  passten  sie  noch  am  bestttn,  und  kein  Mensch  wird  sie  mit  Ilrn. 
B. zwisclien  xcöv  cpllcov  xcdxiöv  öT0f<T>;j'ü3i' einklemmen.  Aber  ich 
erkläre  sie  unifedenklich  für  eine  Uandglosse,  besonders  da  sie 
aucli  in  2  Codicibus  fehlen.  Cap.  21:  'ü  ^i'cvxoi  zJLOvvCiog  ovxe 
ovo  neQV'JöyJ.ov  ni'i%ag  ovre  o^okoyov^iivtp'  ijxxav  löxoqeI  ye- 
viö&ai  'Pco^ccicoVf  ccTia^  Öl  pi'c%Qi  öf  öftwj/  yliuo  ^cc%e6ciiiivovg  (uo- 
Kig  UTCakkayijvuij  tüv  IIvoqou  xqui^'cVXus  vOdo)  xuv  ßgayjova 


274  G  r  i  e  c  li  i  ä  c  h  e  L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

xai  trjv  aTtoöKEvijv  cc^a  Eavvixäv  8 lagnaöävt av.  Hier 
ffibt's  nichts  zu  ändern.  Blan  denke  nur  zu  ÖtaQTt.  als  Subject  tcöv 
'Pa^aicöv  hinzu,  was  auch  der  Sian  erfordert.  Cap.  22:  'Ev  xoi- 
avrcag  d'  av  anoQtaig  slg  iXiiiÖag  av  näliv  üEvdg  BVETteös  aal 
iitgayfiaza  Öiioöraöiav  tiovra  Ttjgyväi-njg.  "j^ia.  yciQ,  ijkov  cet. 
Phitarch  Iiatte  hier  g;anz  gewiss  naiv  dg  i?esagt.  iNicht  war  es 
dem  Pyrrliiis  eiijen,  sich  leeren,  .eitelii  Iloffntuigen  liinzug^eben 
(was  er  holFte,  war  stets  wolil  berechnet),  sondern  er  pilej^te  nur 
schon  die  neue  IIoiFnung  zu  verlolgen,  bevor  das  frühere 
ganz  b  e  e  n  d  i  g  t  w  a  r.  Und  ob  er  gleicli  Siciüen  sich  am  Ende 
nicht  unterwarf,  so  sind  doch  die  ersten  ekTtidsg  nicht  nevai  zu 
nennen;  im  Gegentheil  heisst  esgleidi  nacliher:  '^ifja^iva  d'  av- 
tgJ  Eiazliag  d  ^idv  ^^IntGsv,  iv%vg  dnrjvta  ßißccicx.  Wie 
tretteud  ist  dagen  aatvagl  Er  war  nocli  nicht  mit  den  Römern 
fertig  und  schon  verfiel  er  wiederum  in  neue  Iloifnungen.  Aehn- 
licli  Cap.  20  OvTico  Ö£  rav  ngay^drav  avrcö  ßsßaiozijta  aal  öv- 
ötaöLV  £;|^oVtcov  [loin^ov  ijagBito  rrj  yvco^u]  ndkiv  TCQog  ixEgag 
ikTiidag,  und  Cap.  30  'O  Ö'  iXitidag  f^  llTciÖcovdBl  xvUvdcov — . 
Wirklich  geben  auch  2  Pariser  Ilandsclniften  x^tvag :  doch  hier 
bedurfte  es  niclit  einmal  dieser  Bestätigung.  Cap.  23 :  dTcexgiva- 
xo  tcIblovcjv  Bq)L£^£vog  ^dav  sivai  didXvöiv — si —  xgävxo. 
Die  Lesart  ygävxai  ist  in  den  Text  zu  setzen.  Cap.  24:  Tovxo 
xovgßagßdgovg  STt'cöxe  xov  Ttgoöco  xagslv  ä  g  xcva  x  c5v  xgsvx- 
X  ovav  ^avfidöavxag  nal  xaraTiXayävxag  xöv  Uvggov  wird  über- 
setzt: admirnntes  Pyrrhuin  et  quasi  stupentes  utpotc  vir  um 
ipsis  (s.  reliquis  hominibiis)  major  em.  Der  flr.  Vf.  verfehlte 
den  Sinn  einer  bekannten  Redeweise.  Der  Satz  will  so  genommen 
seyn:  da  sie  den  Pyrrhus  wie  eins  der  überirdi- 
schen Wesen  (oder  einen  der  Götter)  bewunderten. 
Luc.  Demonax  c.  11  v:iBg(pvag  axfav^a^ov  avxov  aal  ÖLEreJ.ovv 
wg  XLva  xc5v  %g£t,xx6vcjv  Tigogß^.iTCovreg ,  Comiviumc.  7 
v7iBt,avi6xavxo  Tcdvxsg  avxcß  xal  Ide^iovvxo  agxivaxcavügsLX- 
rovav.  S.  Schäfer  Mel.  Grit.  p.  31.  S.  222  kommt  vor:  coege- 
runt  bestias^  ut  r everterent  [.'].  Cap.  20:  KaxBivog ^Iv  vito- 
cpsvycovy  dfia  xcov  TCagaliav  xivdg  7t6).Bcov  xaxeöxBV.  i.  e.  Ille 
quidemfugiens  tarnen  simul  —  quasdam  retiniiit  urbcs  mariti- 
vias.  IN  ein ;  sondern  der  Sprachgebrauch  verlangt  schlecliterdings, 
dass  vno(pBvyo3v  d^a  eng  verbunden  werde.  In  demselben  Cap.: 
Eq)ri  ydg  ilBv^'Bgcööcov  xdg  vit  ^Avxiyöva  nolBLg  drplx^ai  %al  vi] 
/dia  xovg  vBtoxigovg  nalöag  Big  Zlndgxriv,  bI  ^u]  xi  aaXvBi)  tcb^- 
ipcov  Bvxgacp}]6o[iBvovg  xolg  ylaxaviKolg  eO'Eötv,  cog  xovxcp 
tcXbov  B%OiBV  7J8r]  xcov  ndvxav  ßaöLXiav.  Fiir  xovxa  gibt  ein 
Codex  TOÜTO,  und  diess  scheint  Plutarchs  Hand  zu  seyn.  Zu  dem 
bald  folgenden  ovdlv  ^rj  ndO'co^BV  wird  nichts  gesagt,  als:  Anon. 
et  Muret.  ov  ÖBog  fir)  nd^^co^BV,  qnod  probat  Bryanus.  Entwe- 
der war  dieser  Irrthum  ganz  zu  übergelni,  oder  auch  zu  widerle- 
gen.    Wir  gehn  nun  fort  zu  Cap.  '11 :  Avxol  TB  ydg  ijöav  oUyoi 


Plutarclii  PliUopoemcn.    Flaiuiiiiiui».    l'vnhiis.    Ed.  Baelir.     275 

xcd  uTcagdijxevoi,  Öuc zu  cdcpvi^LOV  6  de  "Ag^vq  ov'n  hvyxavs Ttag- 
(6v  dkl'  iv  KQ)]t]}  roQzvvioig  Ttoleaov^ävoLg  lioijd'cov  iiiul  der 
iNote  Jiicrzii  S.  22;):  "0  ts  '"Jijivg  dcdit  Jicis/,it/s^  cum  vul^o  es- 
Ä(V  6  t)£,  (///od  iiici  iiuoqno  U'ori  liicntar.  JSec  tarnen  prace  a 
Bciskio  esse  ctneiidatum^  nKUtstrabaut  ea^  (juue  de  junctura  par- 
ticiiUtrain  t£  —  x\  siipra  vwnni  ad  ccp.  l  IL  llr.  Uälir,  wclclicr 
so  maiichex'  schönen  Conjectur  die  wohlverdiente  Aulnahine  ver- 
Aveiiierle  lind  ausserdem  dem  genialen  lleiske  oft  schlecht  mitge- 
spielt hat,  Hess  sich  hier  hei  der  JNase  herum  iVihren.  Tk  und  öe 
entsprechen  sich  oi't,  darn  nehmlich,  wenn  das  Letztere  einen 
tle:rensa(z  hildet  und  ^om  h'rslern  verschieden  ist.  Ich  übcr£;ehe 
iiatiirlicii  das  schon  von  manchen  Andern  und  von  meinem  Eruder 
in  >Mner's  kritischem  Journale  J3.  V  St.  I  j).  11,  12,  so  wie  von 
mir  selbst  Quaest.  Luc.  p.  2(JH,  2()ü  IJei^jebrachte  und  setze  Jier 
Aeschin.  adv.  Timarch.  45,  7  Bekk. :  c.vto  ^Iv  yug  xovvo^a  tov 
igyov  0  tTTgazTE  :zQ6g  zovzüv  ovx  syyQacpa  ovo'  dXlo  yiyQacpcc 
ovÖlv  o  i:7iL^}]UL6v  lözLV  ty.  rav  vö^utoi'zco  zcdrj&tj  (lUQzvQi'jöav- 
TL,  d  ÖS  iöziv  vfiLV  ts  d/.ovovöL yvtJQiLia,  dxLVÖvvcc  ötrrö  ficcg- 
TvgovvTL  y.al  [i))  cd6%gd^zavTU  yäygucpu.  A\  arum  steht  dort  die 
AVolfische  Conjectur  vaiv  ßiv  noch  hnmer  im  Tcvte"?  Luc.lup. 
Trai^oed.  c.  4{>:  zd  Tcgogi'jKovza  dnLvBiiuv  dv ,  yägav  ZE  tijV 
diuirco  zolg  ducivoöt  Tiag  aviov  dva,  r)]v  y.uzco  Ö£  zolg  %sigo- 
6t  cet.  Xenoph.  liellenic.  VII,  1,24:  (6g  7t gor sgov  rs  Accxs- 
ÖUL^ovioig  dy.olov^^ovvzEg  ly.dvovg  rjvtii'jöazB,  vvv  ös  dv  Qi}- 
ßccloig  ELxi]  dKO?^ov&f]z8  y.al  (xt)  yazd  [itgog  dt,LC0ZE  TJysiöQ'aL,  Yöcog 
rdya  zovzovg  akXo\)g  yiay,tÖcaiiOviovg  Evgr'jöerE.  Eurip.  Andro- 
niacha  v.  IKJl:  ovzög  r'  d^'  cog  tK  zcovÖ'  triauv'  dv ,  ykgov , 
Qaviov  t6  öov  6'  d]v  toö'  dv  avzvxiözEgov.  Die  zwei  letzten 
Stellen  zu  iiudern  hätte  niemandem  einlallen  sollen.  Doch  unser 
llr.  \  i".  beruft  sich  auf  das  iiber  xl  ■ —  XE  oben  zu  Cap.7  von  ihm 
Gesagte,  und  ich  kann  in  der  That  nicht  umhin,  jene  Anmerkung 
recht  genau  naclizuselm.  Junctura  particularunizE  —  XE  —  spricht 
er  dort  —  apud  poelas  frerptentio/.,  in  sohitae  orationis  scripta- 
ribu&rarior.  Ks  Plntarcho  tanxeu  quaedain  adjicere  juvat  [Stel- 
len]. Dass  XE  —  Xc  aucli  in  Prosa  sowohl  —  als  auch  bed^eu- 
tet,  ist  eine  allbekannte  Sache;  doch  lassen  wir's  uns  allenfalls 
noch  gefallen,  dass  Hr.  IJiihr,  der  mm  einmahl  gern  citirt ,  Stel- 
len zum  Beweise  hinschrie!).  Hingegen  ist  es  auf  keine  Weife  zu 
entschuldigen,  wenn  Hr.  Eäl»r  gleich  daraiif  {Atque  etiani  sintpli- 
ci  utilur  particula  xs  Ptutarchus  cet.)  die  Gräcitäl  des  xe  allein 
(que)  durch  Stellen  erhärtet,  so  dass  ausser  dem  Plutarcfi  auch 
der  arme  Pluto  lierhalten  muss.  Cap.  2!):  'EÖoxEi  ßdViSOd^ac 
y.Eguvvolg  vtc  avtov  xtjv  yluy.EÖai^ova  %aX  tpJ.tyEöd^ai.  näöav 
avxog  de  yjdgEw:  Pro  avxog  öl  xaigSLU  Paltiliuus  perperaiu 
e.ihibet  avxov  ÖE%.  Lingriechisch  wäre  iwzöv  geradehin  nicht 
(\gl.  meine  Quaest.  p.  102  sq.)  und  es  musste  hier  der  wichtige 
Gegenstand  ausführlich  behandelt  werden.     Aber  llr,  IJähr  hat 


21f6  Griechisclic  Littcratur. 

sich  auch  bei  folgenden  Stellen  passiv  rerhaltcn:  Flamin,  c.  3: 
ovx  äito  öslv  agnsQ  exelvoi  —  ovtcj  tcoI  avtoq — EntnEQdä- 
vcci.  Flamin,  c.  17  —  avzov  öe  }i6vov  — .  Pyrrli.  c.  5:  avzoi 
^EV  —  EXELV  ovg  ÖS.  Warum  hat  der  lierausireber  €ap.  23  eine 
blosse  Vermuthun;2:au%'enonimen  und  die  ganz  uiitadeliche Schreib- 
art der  Pariser  3ISS.  Ugos  öh  t^v  oi'LV  6  IlvQQog  afia  aal  to 
^rjdlv  nQO%coQEiv  d)v  iqlTtit^EV  d&viiav  dvaözQEcpELV  duvoElto  gar 
nicht  beaclitef?  Cap.  34:  EVEßXEi^E  dsivov ,  agzE  rov  ZomvQov 
—  ft?^  :caz'  oQ&ov  dXXä  Ijtaod  zö  6z6{.ta  zal  rö  yivEiov  dTtoxi- 
Hvovxa  ß^aÖEcog  xal  ^oXig  ditoöTidöcci  ti^v  iiEcpa^7]V.  Lies 
mit  einer  Pariser  Hdschr.  xEiivovxa  für  aTtoxifivovza.  Hier  und 
da  haben  wir  eine  Bemerkung  ungern  vermisst,  z.B.  zuPhilopoem. 
c.  15:  ovyttQrjv^iXQov,  'A%aLag [.legog  yEvsöQ'ai  xrjv  HjidQ- 
xr}V.  Diess  scheint  eine  stehende  Formel  gewesen  zu  seyn,  ähn- 
lich dem  deutschen:  es  ist  nichts  kleines  — .  Wir  haben 
sie  oft  gefunden,  z.  B.  Luc.  Scytha  c.  8:  ov  ydg  ulkqov  »Jv 
Zlokcov  tnatvcov  — .  Ehen  so  ist  nichts  gesagt  zu  Flamin,  c.  T : 
jtaQExdkEt,  tovg  GxgaxLcozag  avÖQag  dyaO'ovg  yEVEö&ai  aal 
ngod'v^aovg ,  wo  dvrjg  dya&og  vir  fortis  bedeutet,  was  die  Ge- 
lehrten nicht  immer  bedacht  haben.  In  demselben  Capitel:  tav 
ovofta  —  dXxrjg  zat  dvvd^ecog,  und  Cap.  15:  do^av  avzov 
x^g  dvvdfiEag,  konnte  das  auch  oft  verkannte  Verhältniss  des  dop- 
pelten Genitivs  berührt  werden.  Im  PjTrhus  Cap.  11:  t'jöav  Ös 
xiVEg^  ovg  avzög  6  Uv^gog  EyKa&tEi,  nQognoiov^kvov g  Eivai 
MaKEÖov  a  g  aal  ksyovx  a  g  ^  ort  cet. ,  verdiente  die  syntaktische 
Verbindung  eine  Erläuterung.  Und  so  ist  noch  öfter  das  mid  je- 
nes nicht  Unwichtige  vernachlässigt  m  orden.  Doch  wir  wollten  ja 
Hrn.  Bahr  hier  jiach  dem,  was  er  gegeben  hat  und  nicht,  was  er 
nicht  gegeben,  beurtheilen.  Wohl  haben  wir  noch  so  manches 
auf  dem  Herzen,  was  sich  auf  Begründung  oder  Berichtigung  des 
im  Buche  Gesagten  beziehn  dürfte;  aber  wir  brechen  jetzt  ab. 
Denn  wir  glauben  unsere  Absicht  erreicht  und  bewiesen  zu  ha- 
ben: da  SS  Hr.  Bahr  nicht  nur  mit  grossem  Eifer  und 
wahrem  Interesse  sein  Werk  bearbeitet,  sondern 
auch  den  unverkennbarsten  Sammlerfleiss  ange- 
wendet und  vorzüglich  aus  seinem  Plutarch  vieles 
zusaraengetragen  hat;  dass  aber  im  Gegentheil  sei- 
ne Verdienste  um  die  Kritik  des  Textes  im  Gan- 
zen d o c Ii  gering  sind  und  dass  er  beim  Sammeln 
nicht  immer  wichtige  Gegenstände  sich  angemerkt 
hat.  Bevor  wir  von  dem  verdienstvollen  Manne  scheiden,  müs- 
sen wir  noch  seine  liebenswürdige  Bescheidenheit  rühmlich  er- 
wähnen. Denn  obgleich  namentlich  in  den  philologischen  Studien 
sehr  vieles  gar  noch  nicht  ausgemacht  ist  und  so  manches  viel- 
leiclit  nie  wird  aufs  Reine  gebi-acht  werden ,  so  dass  wir  uns  des 
ETtE%(o  zal  diaöKEnzofiaL  gar  oft  bedienen  sollten:  so  scheint 
es  docli  heut  zu  Tage  zum  guten  Tone  zu  gehören ,  über  die  un- 


Descrizionc  dclla  Graccia  ili  Pnusania  tradotta  da  JMbiby,      2'7'7 

gewissesten  Diii£:e  anmaassciul  alizuspreclieu  und  sich  auf  Kosten 
Anderer,  oft  der  trefflichsten  Männer,  stolz  zu  erheben.  *) 

Franz  Volhmar  Fritzsche. 


Descrizionc  de  IIa  Grecia  di  Paris  ania  nnovamento 
dal  testt»  {/i^rtco  tradotta  da  ((jiüonio)  ?^ibbij.  Roma  presso  ^incento 
Poggioli  Slampatorc  della  U.  C.  A.  Vol.  I,  II,  III.  1817.  Vol.  IV. 
1818.  gr.  8,  8  Thlr.  16  Gr. 

Uie  Aufmerksamkeit  der  Gelehrten  und  des  gebildeten  Publl- 
cums  Avird  jetzt  immer  mehr  des  P  a  u s  a n  i a  s  Beschreibung 
von  Griechenland  zugewendet,  da  seit  1814  drcy  neue 
Üebersetzungen  derselben  erscldenen  sind,  eine  französische 
von  CM  a  V i  e r ,  von  welcher  wir  im  ersten  Hefte  dieser  Jahrbii- 
clier  gesprochen  haben,  eine  deutsche  von  Hrn.  Wiedasch, 
von  welcher  diese  Jahrbiicher  hofi'entlich  bald  eine  Beurtheilung 
liefern  werflen ,  und  diese  italienische  von  Hrn.  Nibby, 
von  welcher  wir  jetzt  ISachricht  geben  wollen.  Denn  eine  solche 
Erscheinung,  wie  diese  in  Frankreich,  Italien  und  Deutschland, 
kann  ein  kritisches  Blatt,  dessen  lledaction  den  Vortheil  der  Le- 


*)  Wir  fiif^^en  dieser  Beurtheilung  des  Bälir'schen  Plutarch's  noch 
Lei,  dass  die  \ erlagshandlung  denselben  auf  eine  sehr  würdige  Weise 
ausgestattet  hat.  Der  schöne  und  sdiarfe  Druck  mit  Wallbanm'schen 
Lettern ,  aus  der  Tcnbner'schen  Officiu  hervorgegangen ,  nimmt  sich 
auf  dem  weissen  Papiere  trefflich  aus.  Dabei  ist  er  gedrängt  und 
der  Raum  möglichst  gespart,  aber  doch  so,  dass  das  Auge  da- 
durdi  nicht  angegriffen  wird.  Die  SchMÜrze  ist  gut  und  das  Pa- 
pier stark  genug,  um  die  Lettern  der  Kehrseite  nicht  durchscheinen 
zu  lassen.  Der  Preis  «ist  verhältnissniässig  gering.  Für  das  Bedarf- 
niss  der  Sclmlen  al)er  ist  zweckmässig  genug  dadurch  gesoi'gt,  dass 
der  (iiicchische  Text  um  einen  sehr  billigen  Preis  auch  einzeln  abge- 
lassen wird.  In  Bezug  auf  Corrcctheit  Ut  möglichste  Sorgfalt  ange- 
wendet, und  es  iniden  sich  nur  Avenige  Druckfehler.  Diese  Bestrebim- 
gen  der  Hahn'schen  Buchhandlung  sind  aber  um  so  mehr  zn  rühmen, 
weil  sie  sich  auch  in  allen  übrigen  zalilreichen  neuen  Verlagsartikeln 
derselben  wiederfinden,  welche  von  dieser  Seite  durchaus  Empfelihnig  ver- 
dienen. Auf  das  Wesen  der  Wissenschaft  haben  diese  Leistungen  al- 
lerdings keinen  tinfluss,  aber  für  den  Gebrauch  der  Scluiften  !«ind  sie 
von  desto  grösserm  Wertlic ,  und  es  ist  ein  erfreuliches  Zeichen  un- 
serer Zeit,  dass  mehrere  Deutsche  Buchliandlungen  darin  den  Eng- 
ländern und  l'riinzosen  nacheifern.  Freiliih  finden  sich  auch  noch 
viele  und  auffallende  Beweise  für  das'Gegentlieil ;  aber  eben  desshalb 
halten  vir  ca  um  so  mclir  für  unsere  Pflicht ,  das  Gute  zu  rühmen, 
MO  CS  eich  findet.  •  Anm.  d.  Redact. 


2'T8  Griechlsclic    Litte  rat  ur. 

ger  zu  seinem  ersten  Zwecke  maclit,  nicht  stillschweigend  über- 
gehen, als  ob  sie  niclit  da  oder  dem  Gebiete  der  Litteratm-  fremd 
wäre.  Was  liefet  aber  diesem  näher  als  das  alte  Hellas'?  llr. 
Nibby,  als  Komischer  Antiquar  bekannt,  wollte  durch  tliese 
üeberselzung  tlieils  um  das  Werk  des  Pausanias,  das  man,  wie 
er  meint,  mit  Recht  nennen  könnte  Storia  Geogralica,  Politica, 
Morale,  e  Autiquai'ia  della  Grecia  si  pel  tempo  della  sua  inian- 
zia,  che  per  l'epoca  della  sua  lloridezza,  e  decadenza,  theils  um 
seine  Landsleute  sich  einiges  Verdienst  erwerben,  da  nur  eine, 
und  zwar  alte  und  Avenig  genaue  italienische  Uebersetzung  des- 
selben vorhanden  Avar ,  die  von  Alfonso  Buonacciuoli, 
JMantua  1597,  4,  diuin  ohne  Veränderung  wieder  gedruckt  zu 
Verona  imd  Koni.  Hr.  N.  widerspricht  der  gemeinen  Mehuuig, 
dass  diese  Uebersetzung  genauer  als  die  beyden  lateinisclien,  und 
nach  dem  griechischen  Texte  verfertiget  sey,  denn  es  scheine 
ausser  Zweifel,  dass  der  Verfasser  das  Griechische  nicht  ver- 
standen habe.  Ciampi,  Professor  zu  Pisa,  versprach  zwar 
ehie  neue  mit  gelehrten  Anmerkungen  bereicherte  italienische 
Uebersetzung,  aber  es  ist  bisher  nur  ein  Versuch-  erschienen, 
der  sich  auf  die  Uebersetzung  der  Stelle  des  5ten  Buches  ein- 
schränkt, Avo  der  Kasten  des  Kypselos  beschrieben  Avird.  Es  war 
also ,  sagt  Hr.  N,,  in  Italien ,  dem  centro  delle  Arti ,  eine  neue 
Uebersetzung  nöthig,  da  zu  denen,  Avelchen  das  Werk  des  Pau- 
sanias niitzlicli  sey,  vor  allen  andern  die  Kiinstler  gezählt  Averdeii 
müssten.  Hr.  N.  liat  seiner  Uebersetzung  nach  der  Dedication 
an  den  Sig.  Conte  di  S.  Leu  eine  Vorrede  litterargeschichtlichen 
Inhalts  S.  VII — XXIII  vorausgeschickt,  Avorin  von  den  verschie- 
denen Männern,  Avelche  den  Namen  Pausanias  führten,  von  Pau- 
sanias dem  Verfasser  der  Beschreibung  Griechenlandes ,  seinem 
Vaterlande  und  Zeitalter,  seinen  Keisen,  seinem  Lehrer,  der 
Zeit  Avo  er  dieses  Werk  abfasste ,  von  seinem  Style ,  von  seinen 
andern  Werken,  von  den  Manuscripten  der-Periegesis,  den  Aus- 
gaben und  ücbersetzungen  derselben  bis  auf  die  von  Ciavier  her- 
ab, von  der  jedoch  nur  erst  ein  Band  erschienen  Avar,  zum  Tiieil 
wenig  befriedigend  gehandelt  Avird.  Die  englische  Uebersetzung 
von  Taylor,  London  l'ilJ),  sagt  Hr.  N.,  habe  er  nicht  zu  Ge- 
sicht bekommen  können,  aber  nach  den  Kelaliouen  von  ihr  scheine 
sie  weder  in  England  grosses  Ansehen  zu  haben  noch  sehr  getreu 
zu  seyn.  (Nach  Claviers  Urtheil,  Vorr.  S.VIII,  eile  ne  jouit  d'au- 
cune  reputation.)  Mangel  an  Treue  Avirft  Hr.  N.  auch  der  G  o  1  d  - 
hagenschen  Uebersetzung  Aor,  die  er  mit  dem  griecliischen 
Texte  verglichen  zu  haben  versichert :  die  2te  Ausgabe ,  Berliii 
1798,  müsse  sogar  Avegen  ihrer  vielen  Druckfehler  der  erstem, 
Leipz.  1708 ,  nachgesetzt  Averden.  Bey  seiner  eigenen  Ueber- 
setzung liatte  sich  Hr.  N.  vorgesetzt  di  osservare  ima  esattezza 
sempulosa,  c  sagrificare  a  questa  ima  raaggiore  eleganza.  In  ei- 
nigen Stelleu  benutzte  er  Verbesserungen  von  Kuhn,  F a c i u s 


Dcscrlzionc  ilella  Grc(l;i  di  Pausanui  tmdotta  da  Klbby.        2*^9 

«lul  Ciavier,  xiiul  nahm  auch  seuie  eigenen  auf.  Von  ilieseii 
Yeilintk'runirfii  AvolUe  er  in  den  Aninerkinii;en  Ueehenschal't  ab- 
lehren, die  er  nach  derUekainitinachmiij  seiner  Uehersetzung  her- 
ansznjreben  AViilens  war.  Es  MJrd  Aielleicht  Manchem  angeneinn 
seyn  zn  hören,  welchen  IMan  Hr.  IN.  dazn  entworfen  hatte.  \or- 
an^rehen  sollte  eine  allsenieiiie  lieschreibunij  des  physischen,  po- 
litisclien  und  moralischen  Znstaiules  von  Griechenland,  und  je- 
dem Buche  eine  kurze,  jedoch  die  alte,  mittlere  und  neue  Zeit 
innfassende,  ja  ans  den  Orii;inal(|uellen  geschöpfte  Geschichte 
der  vornelimsten  Städte,  von  welchen  in  demselben  gehandelt 
w  ird ,  dass  man  so  eine  zusammenhängende  und  \  ollständige  Ge- 
schichte von  Athen,  Älegara,  Korinth,  Sikyon,  Argos,  kurz  allen 
den  Städten,  welche  Pansanias  in  seinen  10  liiichern  durchwan- 
derte, erhalten  sollte.  Dann  wollte  er  auch  die  a  om  Pansanias 
nicht  beriihrten  Länder,  Thessalien,  Kj)irus,  Macedonien,  Thra- 
cien,  die  Inseln,  Troas,  Aeolis,  lonien  und  Doris  in  Klein -Asien 
nach  der  iManier  und  dem  Muster  des  Pansanias  aus  den  Origi- 
nal-Schriftstellern  beschreiben:  doch  das  Letzte  Avahrscheinlicli 
abgesondert  von  dem  Commentar  über  den  Pausanias.  Schade, 
dass  dieser  so  reiche  Sachcommentar  des  Hrn.  IN.  noch  nicht  er- 
schienen ist!  Vielleicht  trägt  bloss  die  iibergrosse  Bedenklich- 
keit der  Verleger  die  Schuld.  Denn  da  es  hier  weniger  darum 
zn  thun  war,  jedesmal  genau  zu  bestimmen  oder  zu  untersuchen, 
was  Pausanias  denn  eigentlich  gesagt  habe  oder  habe  sagen  wol- 
len, als  die  Sachen  zu  besprechen  oder  mehr  auszufiihren ,  die 
Pausanias  beriihrt,  so  konnte  die  Anfertigung  eines  solchen  Com- 
nientars  keinen  allzugrossen  Zeitaufwand  fodern.  Da  nun  aber 
Hr.  jN.  seinen  Commentar  noch  nicht  hat  ans  Licht  treten  lassen, 
so  kann  \md  soll  unsre  Anzeige  von  seiner  aller  Anmerkungen 
entbehrenden  üebersetzuug  ganz  kuiz  seyn,  da  sie  doch  für  uns 
Deutsche  nicht  zunächst  und  im  Allgemeinen  bestimmt  ist,  und 
das  Gute,  das  sie  etwa  enthält,  Hr.  Wicdasch  gewiss  in  die 
seinige  aufnehmen  wird. 

Uebcr  die  Sprache  in  dieser  italienischen  Uebersetzung  er- 
lauben wir  uns  natürlich  kein  Urtheil,  im  Allgemeinen  aber 
scheint  diese  Uebertragung  das  Lob  des  Fleisses,  der  Treue  und 
Deutlichkeit  zu  verdienen.  Gehen  wir  ins  Einzelne,  so  finden 
Mir  Stellen,  die  man  theils  loben  oder  billigen ,  theils  nicht  ta- 
deln kann,  aber  auch  Stellen,  wo  einiges  zu  billigen,  anderes  zu 
missbilligen  ist,  und  endlich  Stellen,  mit  denen  man  nicht  zufrie- 
den seyn  kann.  Einige  wollen  wir  durchlaufen:  dass  wir  aber 
nicht  durch  Absclu'eiben  des  Griechisclien  zn  ^iel  Raum  wegneh- 
men, bitten  wir  misere  Leser  es  selbst  zu  vergleichen.  Buch  II 
•Kap.  3  §  ;i  wird  tüi/  KoQt'i'^LOv  ya?.x6v  %xX.  gut  übersetzt:  af- 
fcrmano^  che  U  b/ouzo  delto  Co/inlio^  mciUrc  c  infiiocato  e  ccd- 
do^  riceva  da  quesf  acqna  ü  colore.  Impcr  clor  che  i  Coriutj 
nun  haiino  bronze.     \,  15,  3    ^  om  Anfange :    GU  Ateniesi  de- 


280  Griechische  Littcratur. 

dicarono  la  palma  tU  bronzo  con  ima  slatiia  dorota  di  Minerva 
sopra^  ist  richtiger  als  die  Uebersetzung  von  Ciavier,  soii§  ce 
palmc^  und  Goldhagen,  hey  d  em  Baume.  II,  20  gleich  v. 
Anf. :  0?nitte?ido  la  immagine  di  Creuga  pugile  ed  iL  trofeo 
erctto  sopra  i  Corintj^  havvi  la  slatua  assisadi  Giove ;  wo  N. 
jfdt  und  besser  als  Ciavier  den  Sinn  und  Zusammenhang  aulge- 
fasst,  und  die  Glieder  der  Periode  unterschieden  hat.  III,  8,  5 
a.  E.  loben  wir  es ,  dass  Hr.  N.  nach  der  gewöhnlichen  Lesart 
treu  iibersetzt  hat :  e  ne  fu  causa  a  mio  parere  Lisamiro  — 
studiandosi per  ogni parte ^  che  il  regno  venisse  a  liii;  da,  wer 
aufmerksam  liest  und  mit  der  Geschichte  bekannt  ist ,  leicht  be- 
merkt, dass  das  griechische  ol  auf  den  Agesila^s  bezogen  werden 
muss.  Claviers  Lesart  t^v  ßccödsiav  ['AyijaiXcccp]  ysvsßd'ccL 
rechne  man  zu  den  Fehlern,  die  in  der  Anzeige  von  Claviers 
Ausgabe  in  diesen  J.  Biich.  Hft.  I  S.  32  f.  geriigt  worden  sind. 
Dass  VIII,  21,  2  m  eder  eine  AnsiVdlung  noch  ehie  Verbesserung 
gewagt,  und  nur  die  Liicke  angedeutet  worden  ist,  ninss  gebil- 
liget werden.  I,  4,  2  ist  die  Conjectur  B^^sXovöL,  die  zwar  einen 
Grad  von  Wahrscheinlichkeit  aber  noch  kein  volles  Recht  zur 
Aufnahme  hat,  der  gemeinen  Lesart  akd^ovöL  vorgezogen  worden: 
dies  wollen  wir  an  einer  Uebersetzung  eben  so  wenig  tadeln,  als 
mit  ihr  dariiber  rechten,  dass  sie  die  Stelle  IX,  12, 1  so  aus- 
driickend  7iel'  viaggio  pe  Focesi  sich  an  Valckenärs  Vermu- 
thung  hielt,  oder  dass  sie  V,  23,  6  im  letzten  Verse  des  Epi- 
grammes  Kuhns  Verbesserungsversucli  aufnahm.  In  der  verdorb- 
nen  Stelle  I,  4,  5  hat  sich  Hr.  N.  damit  geholfen ,  dass  er  die 
Worte  fg  ravxrjv,  welche  gerade  die  Schwierigkeit  machen,  ganz 
wegliess,  was  einem  Uebersetzer  nachgeselien  werden  kann.  Auf 
gleiche  Nachsicht  macht  Anspruch  die  Auslassung  des  xdx  im 
ersten  Verse  des  Epigramraes  anf  Apollo  und  die  Musen  V,  18, 
1  S.  423.  Weniger  wird  man  es  zu  verzeihen  geneigt  seyn,  dass 
I,  30  a.  E.  das  bedeutende  Xiyovöt  d'  ovv  ganz  übergangen  wor- 
den ist.  Wemi  I,  27,  5  dtsörcjtEg  ag  ^dxi]V  Vlbersetzt  durch  in 
atto  di  combattere  seyn  soll,  im  Begriff  mit  einander 
zu  kämpfen,  so  ists  richtiger  als  was  Ciavier  hat ,  qui  coni- 
lattent  ensefnble.  Dass  aber  ebend.  sv^qls  TtQSößvng  gegeben 
wird  statua  portatile  di  ima  vecchia ,  kann  nicht  gebilliget  wer- 
den. II,  32,  5  verdient  die  Uebersetzung  sogni^  i  qiiali  conte- 
nevano  la  liberazione  dalla  fame  nur  in  ihrem  ersten  Theile 
Lob:  denn  die  gemeine  aber  gewiss  vervverfliclie  Lesart  Xl{iov 
sollte  nicht  beybehalten,  sondern  mit  der  nothwendigen  Verbes- 
serung Xocßov,  auf  die  ja  Sylbnrg  schon  hingedeutet  hatte,  ver- 
tauscht werden.  I,  3,  1  hat  Hr.  N.  Kiduis  unstatthafte  Conjectur 
che  clla  fere  custode  del  cielo  ausgedriickt.  Eben  so  hat  er 
sich  I,  15,  4  durch  Löschers  Veimuthung  teuschen  lassen,  zu 
übersetzen:  Nel  ceutro  della  pittura  poi  veggonsi  i  barbari^ 
che  fuggono.     Die  Uebersetzung  X,  2,  4  una  imitazione  di  an- 


Dcscrizionc  dclla  Grecia  di  Pausania  Iradotta  da  Nibby.       281 

tico  hronzo  dl  iino  cui  ili  giä  cransi  consinite  le  carni  ist  ge- 
wiss uiiiiclitisr,  >vt'il  ikXkov  xQoviareQOV  sprachwidrig  erklärt 
und  Svlbiirijs  Verbcsscriiiii?  xcdKOVV  niclit  beachtet  Morden  ist. 
\,  4,  i  dnrl'teii  ötsyai  "Aollca  niclit  tugnrj  roiundi\  und  1,  1,  2 
iTilveiov  nicht  arscnale  übersetzt  werden;  mau  miisste  denn 
im  Italienischen  kein  anderes  »ort  ITir  unser  Ilal'enstadt  lia- 
ben.  Die  liekannte  Stelle  IX,  5,  5,  über  welche  selbst  einige  der 
Koryphäen  nicht  oline  Anstoss  hinweggekommen  sind,  ist  auch 
Hrn.  iS.  ein  ])()ser  Stein  des  Anstosses  geworden.  Da  er  dem  letz- 
ten von  den  daselbst  angelülirten  liomerisclien  Versen  den  unricli- 
ligen  Sinn  untergelegt  liattc  ma  inaudilo  cd  iinproviso  mostrar 
•portcnto  alV  nom  mortale  i  j\ii/in\  so  musste  er  luin  die  näcli- 
sten  Worte  des  Pausanias  eben  so  unrichtig  übertragen:  Cofiie 
adimqne  fccero  %in  inaudilo  ed  i/np/oriso  portento ,  se  Kdipo 
ebbe  da  Giocasta  i  quält/ o  ßgH-,  che  avea  avuti  da  Kurigama 
di  Ipcifante '/  I,  26  a.  E.  übersetzte  Hr.  N.  a  tutti  perh  fu 
cosi  fiuperiore  in  acutezza  di  spirito  {Gocpici?)^  che  egli  fu  il 
jrrimo  a  traforarc  marmi^  ed  il  ?ionie  si  pose  di  critico  delV 
arle^  o  poslo  a  lui  da  ollri  appropriosselo\  Hier  weiss  man 
nicht,  welche  der  beyden  Lesarten  ■)ia'Kit,6xi%vov  oder  natäts- 
^vov  er  habe  ausdrücken  w  ollen  ;  nach  unsrer  Meinung  ent- 
spricht seine  Uebersetzung  keiner  ^on  beyden.  X,  Sl,  J:  giebt  die 
Uebersetzung  imtiecchio  ed  un  garzone^  e  parecchie  donue 
assise  sopra  il  sasso  weder  den  Sinn  der  Worte  3tQ86ßvti]g 
ÖS  —  TtizQa  riclitig  an  iiocli  zu  erkennen,  wie  Hr.  N.  diese  Stelle 
gelesen  habe.  Den  Beschluss  mache  I,  1,  4  a.  E.,  wo  die  Ueber- 
setzung 11  siniulacro pe7u^  che  oggi  vi  esiste^  e,  come  dicoiio^ 
opera  di  Alcaniene^  e  percio  il  Medo  nol  pole  guastare  schwer- 
lich befriedigen  wird. 

L'eber  jedem  Kapitel  steht  eine  kurze  Inhaltsanzeige.  Ausser 
einem  Sach-  und  Namen -Uegister  ist  eine  willkommene  Zugabe 
dieser  Uebersetzung  die  Carta  della  Grecia  antica  secondo  le 
osservazioni  di  Sir  Williani  Gell  per  servire  ulla  traduzione  di 
Fausania  di  1.  Nibby.  In  dieser  schönen  Carte  sind  bisweilen 
die  alten  und  neuen  JNamen  gesetzt,  und  die  neuern  unterlinirt, 
z.  D.  Arasso  Pr.  og.  Capo  Papa^  oder  wo  der  alte  Name  lehlt, 
steht  der  ?same  des  neuen  Ortes  unterstrichen,  wie  Conupel^  uiii 
so  die  neuern  Namen  Aon  den  alten  zu  unterscheiden.  Die  Na- 
men sind  italienisch  aber  sehr  deutlich  geschrieben.  Das  hier 
dargestellte  Griechenland  gelit  von  den  Echinaden  und  der  wcst- 
liclien  Sjjitze  der  Landschalt  Elis  bis  zu  der  Südspitze  von  Euböa, 
und  von  Kytliera  bis  zum  Olhrys.  Druck  und  Papier  sind  im  Ver- 
gleich mit  den  meisten  in  Deutschland  gedruckten  Schriften 
schön  zu  nennen. 

Siehelis. 


282  Griechische  Litteratur. 

LQANNOr  TOT  TZETZOT  BIBJION  TKS  /HA  STI- 
XSIN  nOAITIK^N  AA^A  AE  KAAOTMENSIN.  — 
lounnis  Tzetzae  historiartnn  variartim  Chi- 
li ad  es.  Graece.  Tcxtnm  ad  lldem  duoriiin  codicumMonacensiiim 
recognovit,  brevi  adnotationc  et  iiulicibiis  iiiütriixit  ThcojjJiilus Kiess- 
Unguis ,  Pli.  D.  Rector  et  Prof.  GjTnn.  Cizensis ,  'etc.  Lipsiae,  F. 
Chr.  W.  Vogel.  1820.  XXIV  und  5ß8  S.  gr.  8.  (3  Tlür.  12  Gr. 
Schrbp.  4  Thlr.  13  Gr.  A^cliap.  5  Thlr.  8  Gr.) 

Llie  weitläuftige,  nicht  weniger  als  12665  Verse  *)  in  sich  be- 
greifende Sanimhnig  mannigfaltiger  Erzählungen  und  Notizen 
des  Johann  Tzetzes,  die  anjetzt  nach  der  von  ihrem  ersten 
Herausgeber  ziemlich  willkührlich  eiugefülirten  Verszählung  ge- 
wöhnlicher unter  dem  Titel  der  Chiliaden  angefülu't  wird,  er- 
schien zum  erstenmal  zu  Lasel  im  Jahre  1546  in  Folio  hinter  dem 
Lykophron  des  Arnold  Antonius  Peraxylus.  Diese  Aus- 
gabe hatte  Micolaus  Ger  bei  besorgt,  aber  ausser  einer  auch 
in  gegenwärtiger  neuen  Ausgabe  wiederholten  Vorrede  über 
Johann  Tzetzes  imd  über  den  Werth  der  Sammlung,  den 
er  viel  zu  hoch  anschlägt,  ist  nichts  von  ihm  hiuzugethan:  deim 
die  meistens  wörtlich  treue,  von  Hrn.  Kiessling  mit  Uecht 
weggelassne  lateinische  Uebersetzung  hat  den  Paul  Lacisius 
aus  Verona  zum  Verfasser.  So  werden  denn  nicht  nur  die  grade 
bey  eiuera  solchen  Werke  unerlassliclien  IVacliweisungen  der 
Quellen,  aus  denen  der  Schriftsteller  gescliöpft  hat,  sondern 
auch  die  Sachregister  vermisst ,  durch  die  allein  einige  Lk'ber- 
sichtlichkeit  in  die  durchaus  planlos  verworrene  Masse  gebracht 
werden  kann:  dazu  gesellt  sich  noch  eine  unglaubliche  IncoiTect- 
heit  des  Druckes,  die  den  Gebrauch  dieser  Ausgabe  bey  ihrem 
ohnehin  nicht  sehr  gefälligen  Aeussern  doppelt  imbequem  inul 
widerwärtig  macht.  Der  Abdruck  des  Jacob  Lectlus  im 
zweyten  Bande  **)  der  Poetae  Groeci  vett.  t/agici.,  co?7u'cf\  lyri- 
cz  etc.  Colon.  AUobr.  1614  ist  eben  nichts  als  ein  Abdruck,  der 
alle  Fehler  der  Editio  princeps  getreulich  wiederholt.  Seitdem 
hat  niemand  wieder  an  Herausgabe  und  Bearbeitung  des  verwahr- 
loseten  Buches  gedacht,  das  so  beynah  zur  litterarischen  Selten- 
heit geworden  war,  und  kaum  noch  auf  öffentlichen  Bibliotheken 
gefunden  wurde. 

Wenn  sich  mm  auch  allerdings  in  den  oft  barbarisclien 
Sprachformen,  in  dem  bald  platten  und  gemeinen,  bald  mierträg- 
lich  verkünstelten  und  gefschraubten  Ausdrucke  der  Charakter  des 


*)  ursprünglich  waren  es  12759,  von  denen  aher  94  verloren  ge- 
gangen sind,   s.    Scholl  hist.  de  la  litt.  Gr.   T.  VI  p.  125. 

'*)  nicht  im  dritten,  wie  Hr.  Kiessling  angieht,  wahrscheinlich 
weil  er  die  beyden  Sammlungen  des  Lcctius  als  Eine  betrachtet. 


T  z c t  z a  c  c h i  1  i a il  c s.  Ed.  K I c s  s  1  i n g.  288 

zwölften  Jalirlmiulerts  chen  so  weni^  verleugnet,  Mie  die  unlie- 
benswürdiire  Persönlichkeit  des  Verfassers  in  der  iiberall  störend 
lier\  orbreelienden  p]itelkeil ,  Aninaassung  und  Verkleinerungs- 
wuth  fje£,en  andre,  ans  denen  das  >\'e.<en  des  Tzetzes  znsam- 
men£:ese(zt  >var,  ja  wenn  seihst  die  ijeschiclitlichc  Glanhwiirdig- 
keit  der  Angaben  nur  eine  sehr  beschränkte  ist,  und  ni(;hts  dar- 
aus sich  ohne  sorgfältige  Prüfung  annehmen  lässt,  so  giebt  dem 
Buche  doch  die  grosse  Fiillc  anderweitig  nicht  vorkommender 
Beyträge  zur  speeiellen  Kenntniss  des  Griecliischen  und  Ilömi- 
schen  Altertlnuns  ans  allen  Zeiten,  besonders  die  zahlreichen 
rSolizen  über  3hthol()gic,  ül)er  Völker-,  Knust-  und  Litteratur- 
geschichte,  ja  selbst  über  Sprai'he,  Sprichwörter,  Redensarten 
udgl,  eine  dauernde  Wichtigkeit,  imd  das  Uedürfniss  einer  neuen, 
zweckmässiger  angeordneten  Ausgabe  ist  daher  ein  längst  em- 
pfundenes. 

Was  wir  von  einer  solclien  Ausgabe  fodern,  ist  bereits  in 
dem  ausgesprochen,  was  wir  an  der  Editio  princeps  vermisst  ha- 
l)en,  und  wir  freuen  uns  hinzufügen  zu  können ,  dass  durch  Hrn. 
Kiessling  im  Ganzen  auf  die  erfreulichste  Weise  geleistet  ist, 
Mas  wir  zu  wünschen  berechtigt  waren. 

Die  erste  und  grösste  Aufmerksamkeit  des  Ilerausg.  war  na- 
türlich auf  Herstellung  des  sehr  verdorbnen  Textes  gerichtet. 
Allerdings  konnte  ein  grosser  Theil  der  vorhanduen  Corruptelen, 
der  in  gewöhnlichen  Uruckfehlern  bestand,  leicht  und  ohne  be- 
sondre kritische  Hülfsmittel  beseitigt  werden.  Damit  wäre  aber 
nicht  mehr  geleistet  worden,  als  was  jeder  Gelehrte  selbst  in  sei- 
nem Handexemplare  thun  konnte.  Eine  nicht  gerhigere  Anzahl 
mid  grade  die  schlimmsten  Verdorbenheiten  waren  älter  als  die 
Ausgaben,  mid  konnten  nur  aus  Handschriften  oder  durch  Con- 
jectiiralkritik  berichtigt  werden.  Von  beyden  Hülfsmitteln  ist 
vielfacher  und  glücklicher  Gebrauch  gemacht. 

Handschriften  sind  zwey  benutzt  worden,  beyde  auf  der 
Königl.  Bibliothek  in  3Iünchen  von  einem  dortigen  jungen  Gelehr- 
ten, Franz  Höger,  mit  grosser  Sorgfalt  Aerglidien.  Die 
eine,  (A.)  die  das  ganze  Werk  enthält,  ist  unverkennbar  die- 
selbe, aus  der  die  erste  Ausgabe  geflossen  ist:  sie  war  früher  Ei- 
genthnm  des  Peraxylus,  wie  dieser  mit  eigner  Hand  darin 
bemerkt  hat,  und  ist  von  ihm  an  Gerbel  znm  Abdrucke  niit- 
getheilt.  Sie  ist  daher  kaum  als  eigne  Handschrift  zu  betrach- 
ten und  fast  mir  zu  urkundlicher  Beiichtigung  gröberer  Druck- 
fehler brauchbar.  Desto  nichtiger  ist  die  zweyte,  (B. )  sonst  in 
Augsburg:  leider  enthält  sie  aber  nur  den  ersten  Abschnitt  des 
AVerkes  bis  zum  Briefe  an  den  Lachanas,  die  drey  ersten  Chilia- 
dcn  und  400  Verse  von  der  ^ierten,  also  ungefähr  ein  Viertel 
des  Ganzen.  Aus  ihr  sind  eine  Menge  zinn  Theil  sehr  verdorb- 
ner  Stellen  aufs  glücklichste  verbessert,  wofür  wirkeine  einzel- 
nen Beweise  liervorzulieben  brauchen,  da  —  soweit  sie  reicht  — 


284  Grlechiachc  Llttcratur. 

fast  jede  Seite  davon  Zciigniss  giebt.  Sowie  wir  nun  vollständige 
Aufzeichunng  aller  Lesarten,  auch  der  fehlerhaften,  selbst  beym 
Tzetzes  billigen,  so  müssen  wir  es  um  so  mehr  tadeln,  dass 
hie  und  da,  mo  die  Verbesserung  aus  den  Handschriften  sogleich 
im  Texte  den  ihr  zukommenden  Platz  gefunden  hat,  die  gewöhn- 
liche Lesart  in  der  Anmerkimg  anzugeben  ganz  versäumt  ist, 
z.  B.  III,  655,  69],  804;  IV,  26  (wo  sie  sicli  errathcn  lässt),  286; 
VI,  115;  VII,  532,  764  (wo  in  der  Anm.  794  gedruckt  ist)  imd 
sonst.  PJs  A\iirde  dankcnswerth  seyn,  wenn  der  Ileraiisg.  auf  ei- 
nem Octavblatte,  welches  diese  Auslassungen  fassen  winde,  nach- 
tragen wollte,  was  so  zur  vollständigen  Uebcrsicht  des  kritischen 
Thatbestandes  bey  der  Selteiilieit  der  edit.  princ.  anjetzt  noch 
vermisst  wird. 

Wo  die  Codices  nicht  hinreicliten ,  den  Text  herzustellen, 
da  ist  Hr.  Kiessling  theils  den  gelegentlichen  Vermuthungen 
früherer  Kritiker,  theils  seinen  eignen,  theils  von  Hrn.  Höger 
ihm  mitgetheilten  gefolgt,  und  hier  gebührt  der  Besonnenheit, 
mit  der  er  den  urkundlichen  Text  mir  in  dringenden  Fällen  aul- 
giebt,  ebensoviel  Ajierkennung  wie  der  Scharfsinn,  den  wir  in 
vielen  seiner  Verbesserungen  wahrnehmen,  ein  Lob,  das  auch 
den  meisten  Bemerkungen  des  Hrn.  Höger  gebülirt. 

Ohne  uns  aber  hier  bey  Stellen  aufzuhalten,  deren  einsichts- 
volle Behandlung  sich  durch  sich  selbst  empflelt,  wollen  wir  lie- 
ber bey  einigen  andern  verweilen ,  wo  uns  das  Gegebene  nicht 
zu  genügen  scheint.     So  bedünkt  uns  V,  813 

xa  d'  aXXa  xa  ezKaidexa,  ^nq  Q'dtpcj  ös  %a\  Tt,8r^rjVf 

ov  Uala^i^dijg  svQr]KBv  — 
die  gleich  in  den  Text  genommene  Aendenmg  agvipa  unnöthig. 
Zu  IV,  96  urtheilt  Hr.  Kiessling  ganz  richtig:  ^^inepte  dicta 
in  Tzetsa  sunt  toleranda^'-'-  luid  hier  mögten  wir  die  etwas  starke 
Uebertragung  des  Begriffes  gar  nicht  einmal  inept  nennen,  da  sie 
theils  in  hqvtctco,  aaXvTttco  und  oiBvO^cj  eine  Art  von  Analogie 
findet,  theils  durch  den  ganz  gewöhnlichen  tropischen  Gebrauch 
von  se;je///e  vertheidigt  werden  kann:  deim  dassTzetz.es  bey 
den  unbedeutendsten  Dingen  grade  die  hochtrabendsten  Aus- 
drücke braucht^  darf  gar  nicht  erst  erinnert  Averden.  —  An  an- 
dern Stellen  hat  der  Herausg.  die  Nothwendigkeit  der  Aende- 
rung  richtig  erkannt,  ohne  doch  eine  sichere  Verbesserung  zu 
ermitteln.  Ziemlich  nahe  liegt  dieselbe  in  der  Ucbersclmft  zur 
132sten  Erzählung,  S,  251,  IleQl  2J£QßL?A(J0V  xal  Uccqcjv,  avozu 
Hr.  Kiessling  bemerkt :  ^^Quid  sibi  velit  Uocqcov,  ignoro'"':  Der 
erste  Vers  der  Erzählung  selbst, 

I^SQßlXiog  i^v  vitaxog  aal  KalöaQ  xäv  Tco^aiav, 
lehrt,  was  die  ganze  Erzählung  bestätigt,  dass  wir  bloss  aus  zwey 
Wörtern  Eins  zu  machen    und  IIbqI  UsQ'ßiUcov  KaiöccQcav  zu 
schreiben  brauchen.    Derselbe  Fall  tritt  VII,  70T  ein.    Hier  wird 


Tzctzac  cliil indes.   Ed.   Kics&ling.  2H5 

aus  Siinmias  von  den  Tloinikyiien  oder  Kynokeplialen  {sjcmchletT 
dass  ihre  Stinuiie  ein  llundeijebell  sey:  Simniias  JVii^t  hinzu, 

ulXco^'  dyvcoööovöL  ßfjoicov  ovo^ia  xIvtov,  ccvöyv. 
Wie  unpassend  liier  (h'eZusanunenstelhnji;"  des  JN'aniens  und  der 
Sprache  andrer  Sterbiielien ,  wie  ^anz  widersinnig  das  Asymle- 
ton  ovo ixci  xAt'tüi',  avd)']i' ,  ^<-'yi  vveU;hes  liier  uie  eine  Apposi- 
tion ersclieinen  ■wi'irde,  lallt  in  die  Au^cn:  dem  allen  ist  aliire- 
hoUen,  wenn  wir  ohne  Aenderung  eines  Ihichstahen  sehreihen: 

ß'AAcov  dyvcjööovöL  ßgorav  öiofinaPiVvoi'  avÖr'ji'.  — 
Auch  in  der  Leberschril't  zur  22Ssten  Krzähhini;  erkennt  der 
Heraus^,  eine  Verdorbenheit,  ohne  sie  hellen  zn  können.  Dort 
heisst  CS  anjctzt:  Tlegltov,  (x/jTcag,  xaifc'c  q.r]öL  TllvÖagog ,  y,a- 
rd  2^i^ucovlö}jv  t)}v Movötcv  ciQyvQUca'  7ioi}]6cau.tv  ktL  Dass  die 
Movöcc  aQyvQSia  hier  dasselbe  sey,  was  cpavt)  vnc'cfjyvgog  bey 
Pindar.  Pyth.  \l,  (55  (42  151i.)  leuchtet  ein:  dass  dieser  Vorworl" 
nicht  ijanz  ohne  Beziiplichkeit  aul' iSinionides  war,  und  dass  zwi- 
schen ihm  und  Pindar  es  nicht  an  eilersiichtig'en  lleibuu'ren  ga- 
fehlt  liat,  wobey  Siinonides  käuriiche  Muse  leicht  zur  Spi-a- 
che  gekommen  seyn  kann,  ist  aus  fielen  alten  Schriftstellern  be- 
kannt, s.  z.U.  Böckh  cjpL  ad  Pind.  Oltjiiip.  11, !)j  ;  Pyth.  I,  2J); 
11,81.  Ueber  den  Sinn  der  Stelle  im  alli,'emeinen  kann  also  ei- 
gentlich ^ar  kein  Zweifel  obwalten  :  er  entwickelt  sich  aber  auch 
klar  und  einfach  aus  den  Worten,  sobald  wir  das  Konnna  nach 
UivdciQog  streichen  und  es  nach  Z^c^avLÖtjv  setzen,  sodass  also 
auch  die  sich  sonst  leicht  darbietende  Llnistellun";",  IJeQt  tou, 
^/jTtag  rt)v  Movöav  aQyvQuav  TCOLT^öai^BV,  xa^d  cp-qöi  UtvÖa- 
Qog  xaxd  2Ji^avLdr]v ,  überllüssig'  wäre.  INur  die  folgenden 
Worte,  ovxirt  TCQOxvii^nj  Tolg  Ttbvtjdv,  scheinen  hier  fremdartig 
und  anderswoher  eingeschwärzt  zu  seyn.  Zu  solchen  uiul  ähn- 
lichen Nachträgen  ist  allerdings  noch  Aielfache  Veranlassung: 
aber  bey  einem  Gedichte  aou  diesem  llinfang  und  so  wenig  in- 
nerra  Wertli  wollen  wir  es  dem  Ilerausg.  nicht  zum  Vorwurl"  ma- 
chen, dass  er  nicht  alles  zu  erschöpfen  gesucht  liat,  vieln^ehr 
das  sehr  schätzbare  Gegebene  mit  Dank  hinnehmen. 

Uesomire  Sorgfalt  linden  wir  mit  Reciit  auf  die  IlerslcHung 
des  politischen  Verses  ^erwandt,  für  dessen  \ollständige  lu'unt- 
niss  unsrc  Chiliaden  die  llauplquelle  sind,  der  aber  an  unzähli- 
gen Stellen  der  IJaseler  Ausgabe  bald  an  einem  ZuAiel,  bald  an 
einem  Zuwenig  leidet,  und  statt  der  erforderlichen  15  Selben 
bald  13,  bald  14,  bald  10,  bald  17  zählt.  Sehr  Jiäulig  hat^iuch 
in  dieser  Minsicht  die  llandschr.  ß  geholfen:  indess  ist  auch  so 
dem  Ilerausg.  noch  ^iel  zn  thnn  übrig  geblieben,  uiul  sowohl  \on 
ihm  selbst,  als  ^on  l!rn.  llöger  manche  gliickliche  Iferslellung 
der  Uh_)thmen  \orgenomnien.  Oft  haben  diese  sofort  ihren  Platz 
im  Tevte  gefmiden,  z.  U.  1,  000;  11,717;  IV,  124,  ISS,  870;  V, 
8!J,  (»07,  85(»,  8(;7;  \  1,  443,  572;  Ml,  144,  40(>,  5i)7,  8(;4;  Vlll, 
4(i4;  IX,  25,  115,  502,  (>({7,  (i8(i,  724,794,815;  \,  15, 194,  377, 

JalirO.  d.  Phil.  u.  tädag.  Jahrg.  1.  Hvfl  2.  19 


286  Griechische  Littcratur. 

574,  000;  XI,  21,  55,  03,  053;  XII,  10, 400,  455,  493,  695,  878; 
XIII,  38,  57,  530,  009,  zuweilcii  sind  sie  nur  in  den  Anmerkun- 
gen angedeutet  wie  1,720;  ¥1,829,905;  VII,  158;  \ III, 350;  IX, 
1 18, 458, 732 ;  X,  325, 373 ;  XI,  325 ;  XII,  15, 421,  479, 880,  984. 

Viele  dieser  Vorschläge  sind  von  einleuchtender  Richtigkeit:  wo  ein 
Schwanken  zwisclicn  mehrern  Möglichkeiten  unvermeidlich  war, 
konnte  i'reyiich  nur  nach  Wahrscheinlichkeit  gestrebt  werden. 
Nur  weniges  miissen  wir  bestimmt  bestreiten.  Dahin  gehört  z.  B. 
VII,  957  die  von  Ilrn.  Ilöger  vorgeschlagne,  vom  Ilerausg. 
gebilligte  Einschaltung  des  o^rog  vor  ovtibq, 

naig  i^v'HQaKXetdäg  ovtog,  ovtibq  jcat  Quivagkrt^s  — , 
wo  vielmehr  nach  deniTactgesetz  des  politischen  Verses,  um  den 
Ton  fVir  die  achte  Sylbe  zu  gewinnen, 

Tcalg  ovrog  rjv  'HganKEidäs 
wie  v.  959  zu  schreiben  gewesen  a^  äre.  — 

Auch  können  wir  uns  nicht  überzeugen,  dass  XIII,  530, 
av  xöitcp  tQiaKOöioötcp  IvsvrjxoöroTiQarcp, 
des  Verses  wegen  die  Präposition  av  mit  Recht  getilgt  sey :  uns 
scheint  es  viel  wahrscheinlicher,  dass  ta  in  XQLaxoöioörä  zu  Einer 
Sylbe  zusammenschmolz.  Zwar  scheint  Hr.  Kiessling  diese 
Synekphonesis  beym  Tzetzes  überall  nicht  gelten  lassen  zu  wol- 
len: doch  ist  im  allgemeinen  dagegen  zubemei-ken,  dass  sie  ja 
den  alten  Dichtern  keineswegs  fremd  Avar,  und  dass  sie  in  der 
Neugriechischen  Poesie  so  durchherrschend  geworden  ist,  dasg 
mau  sich  wundern  müsste,  wenn  bey  einem  solchen  Spätling, 
der  in  mehrer  Hinsicht  zwischen  dem  Alten  und  Neuen  in  der 
Mitte  steht,  sich  gar  keine  Spur  davon  fände.  Auch  glauben 
wir  deren  in  der  That  hie  und  da  wahrgenommen  zuhaben,  wo 
der  Ilerausg.  sie  nach  seiner  vorgefassten  Meinung*  verkannt  hat, 
was  nicht  ohne  Eialluss  auf  den  Text  geblieben  ist.  So  dürfte 
z.  B.  I,  814  die  fehlerhafte  Lesart  der  Ilandschr.  ^aida  nicht  in 
^c5a,  sondern  in  das  zweysylbig  zu  sprechende  ^codia  zu  veovan- 
deln  seyn,  und  XII,  814  lallt  die  Annahme  Einer  Sylbe  zuviel 
weg,  sobald  wir  uns  ent«chliessen  ßaGnavtav  dreysylbig  zu  le- 
sen :  wollen  wir  das  nicht,  so  müssen  wir  diesen  Vers,  so  gesund 
er  übrigens  aussieht,  gi'adezu  für  einen  imheilbaren  erklären.  Ja, 
Hr.  Kiessling  selbst  hat  IX,  237, 

agyaksov  da  ^loi  fort  &a6v  cog  ndvx  ayogavCai, 
durch  sein  Stillschweigen  die  sültnere  Synizesis  in  Q^aov  —  und 
ohne  Zweifel  mit  Recht  —  anerkannt.  Wir  rufen  also  XIII,  530 
die  ausgestossne  Präposition  unbedenklich  zurück,  und  bemerken 
noch  über  denselben  Vers ,  dass  wir  —  bey  allem  Respect  vor 
den  Barbarismen  des  Tzetzes  —  ihm  doch  keine  Form  wie 
Ivavri'/.oöTonQcoTog  zutrauen  können,  w esshalb  wir  avEvrjxoötcß 
stQcaTcp  als  zwey  Wörter  zu  schreiben  rathen. 

Ällzimachsichtig  gegen  eine  unverkennbare  Verslücke  war 
dagegen  der  Herausg.  VIII,  373, 


Tzetzae  cliiliadcs.  Ed.  Iiiessling.  287 

ßovg  dcciACihg  xaXyS]  xat  rovg  naötovg  öTtaQyaöa^ 
wozu  er  bemerkt:  ^^videtur  nihil  excidisse^  versus  autem  e  ge- 
liere dacii/lico  esse.'"''  Aber  wo  bedient  sich  Tz  et  z  es,  wenn 
er  —  Avie  Jiier —  selbst  reft^-irt,  jemals  eines  andern  Verses  als 
des  jjoiitisclien?  wie  ist  es  denkbar,  dass  mitten  in  einem  Ocean 
politischer  Verse  ein  einzi<rer  daktylischer,  wie  er  im  ganzen 
Werke  nicht  weiter  gefunden  ^^ird,  hernmscliwimmen  sollte'? 
und  endlich,  >ver  ^erm!^g  in  dieser  Anhäufuns:  langer  Sylben  ei- 
nen wirklichen  daktylischen  Uliytlimus  zu  entdecken'?  Wir  wür- 
den entweder 

via  ßovs  dc(ua?.Lg  la^-y-rj  ncd  r.  (i.  67t. 
wie  viog  Cxv^uvog,  viov  ßQScpog  udgl.,  s.  m.  Vorr.  zum  Longos, 
S.  XLI,  oder 

ßovg  ddna?us  xaXxykarog  xai  r.  ^i.  ön. 
zu  lesen  vorschlagen. 

Wir  wollen  nun  noch  über  einige  iniverkenubar  zerrüttete 
Verse,  die  Hr.  Kiessling  ganz  unberührt  gelassen  hat,  unsre 
Vermuthungen  mittheilen.  —  I,  221 

t,cÖGag  TtOQVixcöxatov  aal  toV  ßXay.codrj  ßiov. 
Hier  ist  ohne  allen  Zweifel  der  Artikel  xov  vor  TtoQVfucotatov 
lierzüstellen,  sowie  denn  überhaupt  eine  bedeutende  Anzahl  von 
Stellen  bey  Tzetze.s  auf  diese  Weise  und  zum  Theil  nach  An- 
leitung: der  Handschriften  berichtigt  ist ,  s.  z.  B.  I,  129,  267;  II, 
2r>4,5"iT,7n;  111,55,824;  V,805,  8öC;  VI,  443;  VII,  144,251, 
733;  VIII,  153,  464,708;  IX,  115,  724,  794;  XI,  653;  XII,  16, 
878 ;  XIII,  58,609  und  sonst.  *)  —  I,  223 

Ttsvla  övvstxBto,  Xificp  XE  TtaXa^vcdcc. 
■Auch  hier  können  wir  ohne  Bedenken  amiehraen,  dass  die  Parti- 
kel T£  nach  ■jnvia  ausgefallen  ist,    gleichfalls  eine  in  den  Chilia- 
den öfter  vorkommende  Corruptel,    z.  B.  IV,  188;  X,  574.  — 
III,  209 

öv^rp^eiQOuivovg  taig  cdöxQcäg,  ägnsg  rrj  yayyQaivr], 
entweder  cogti  tibq  ryj  y.  oder  ägnsQ  aal  xy  y. :   demi   auch  '/,al 
gehört  zu  den  sehr  häufig  ausgelassenen  Wörtern,    z.  B.  II,  640, 
705;  VI,  127;  VII,  196;  VIIiri81 ;  XI,  55.  —  V,  456 

TiQiv  TJaP.uvg  ßa6L?.ivg  6  övfinag  exalslxo, 
vielleicht  durch  PJinschaltung  von  «utcüt  nach  ßaöLXsvg  herzu- 
stellen. —  M,  347  steht  eine  Sylbe  zu  >iel  i/n  Verse,   die  am 
leichtesten  durch  Tilgung  des  Ttag  beseitigt  wird.  —  VI,  788 

zal  7i(3g  Öü  ^fXsxäv  tyMöxüv  jTuvxov  xovxav. 
Das  felilende  Syl!)enpaar  Mird   am  leichtesten    durch  XLVa  nach 
Tiäg  ergänzt  werden.  —  IX,  677 


')  So  ebf'n  sehn  wir,  das»  schon  die  ßaselcr  Aus«^.  den  vcrmissten 
Artikel  hat:  hier  hat  sich  also  der  Herausg'.  eine  kleine  Lngenauig- 
keit  zu  Schulden  kümmen  lasgen. 

19  * 


288  Griechische  Littcratur. 

xat  to  oval  Cot,  <u  BittccXocpSf  ort  ov  iiXiclösig. 
Vcrg;lelcht  mau  diesen  um  zwey  Sylbeu  zu  laugcu  Vers  mit  v. 
C5n,  6(il,  070,  so  (Iräug^t  sich  vou  selbst  dieVennutliims:  auf,  dass 
die  Wörter  yial  x6  liier  nicht  au  ihrem  Orte  siiul,  mit  dereu  Aus- 
märzung  zugleich  dem  l{h;)(huius  des  Verses  voUkommea  gehol- 
fen ist.  —  XI,  303,  304 

xavra  ÖLÖd^ag  sX'}]^sv  6  'EQ^oysvrjs  ygacpcov^ 
ital  öv^iTtBQatVBt^Öh  tijv  xkivriv  täv  QijtoQcav. 
Der  zweyte  Vers  wird  die  ihm  zukomuiende  Sylbeuzalil  am  na- 
tiirliclisten  durch  Wiederholuug  des  ygäcpav  vor  Gv^nsQaivBi 
zurückerhalten.  —  XII,  031  sq.  etymologisirt  Tzetzes  auf 
seme  Art  (sie  erinnert  stark  an  die  gewisser  Zeitgenossen ,  die 
erst  neulich  wieder  vou  Jo,  Fricdr.  Ebert,  (jiiaest.  Sicul.  \ 
p.  41,  mit  scharfer  Lauge  gewaschen  ist.)  iiber  oQQCOÖslVy  und 
schliesst  an  mehrere  friihere  Albernlieiten  die  folgeiule  au: 

7]  BX  TOV  ÖqO),    Tu   OQfia,    ÜOL  ÖSCO,    TO  ÖlÖ^CO  ÖS 

{täv  TCtoovyikvcov  i]  OQ^y)  ÖBixca  yccg  Kai  ÖBö^sltat) 

Sit    OVV  £X  XOV  6qq5,    x6  ßliTCCO,    Xal  XOV   ÖECO  • 

(öeöfietTttt  yaQ  xal  x6  ögäv  xoig  (p6ßa  HQaxov^isvoig.) 
Von  diesen  ^ier  \erseu  isl  der  erste  zu  Ende  offenbar  sinnlos, 
der  dritte  aber  hat  ein  Sylbeupaar  zu  wenig.     Von  jenem  scheint 
die  letzte  Hälfte  aus  der  ersten  so  hergestellt  werden  zu  miisseu : 

7]  Ik  XOV  OQC),  x6  Öq[xc5,  %al  xov  ÖBCO,  x6  öeöJtüJ. 
Dagegen  ist  im  dritten  Verse  der  Fehler  nothwendig  in  der  ersten 
Hälfte  zu  suchen ,  und  da  der  Sinn  ^  ollkommen  dasteht ,  ist  viel- 
leicht nur  tiXbov  wie  v.  029  nach  bXx  ovv  einzuschalten.  —  End- 
lich XIII,  551 

;fat  äXXa  ds  TtoXXd,  xlg  dv  bqel  xd  ndvxa; 
Auch  hier  fehlen  zwey  Sylben  imd  zwar  unverkennbar  aus  der  er- 
sten Hälfte :  es  scheint  uns  ganz  der  Älauier  des  Tzetzes  gemäss, 
w  enn  w  ii-,  itolXd  verdoppelnd,  sclireiben : 

%al  dXXa  8b  %oXXd,  noXld-  xlg  dv  bqsl  xd  ndvxa; 
Ganz  elienso  finden  wir  IV,  003  avtcov,  avxcov,  V,  850  avxov, 
avxovj  und  VII,  332  Big,  Big,  mit  Nachdruck  wiederholt.  — 
Ueber  so  verzweifelte  Stelleu  wie  VI,  TD9;  X,  7,  424;  XI,  218 
wagen  wir  für  jetzt  kein  ürtheil :  nur  soviel  scheint  gewiss,  dass 
X,  7  nicht  mit  nhjv,  sondern  mit  aTchJv  anfing. 

Wii*  sind  wie  billig  über  die  kritischen  Leistungen  des  Her- 
ausgebers, denen  auch  der  bey  weitem  grösste  Theil  der  mit 
musterhafter  Kürze  abgefassteu  Anmerkungen  gewidmet  ist,  am 
ausführlichsten  gewesen.  Wir  verdanken  demselben  einen  durch- 
gängig kritisch  begründeten  und  zugleich  im  Ganzen  reinen ,  be- 
quemen, lesbaren  Text,  wenn  er  auch,  wie  gezeigt  ist,  fernerer 
IN  achhülfe  im  Einzelnen  noch  fähig  ist. 

Nächst  den  kritischen  Anmerkungen  beschäftigen  die  mei- 
sten sich  mit  Nachweisung  der  Auetoren,  aus  denen  Tzetzes 
bald  mit,  bald  ohne  ihre  Nennung  seine  Notizeu  entnommen  hat 


Tzptzac   chiliadcä.   Ed.   Kicssling^.  289 

Es  ist  (Ifess  ein  wescnlliclier  und  sehr  scli:itzl)arer  Tlieil  der  Bc- 
ar])ei(nii^,  der  mit  irrosser  äJelcseiiheit  <liireli^e(uhrt  ist,  und  die 
^elelir(e  IJenutziniij  der  Cliiiiaden  sehr  erleu:litert.  INiir  sollteM 
die  Citale  stets  auf  soUIie  Aussahen  hinweisen,  der^leiclien  in 
den  Iliinden  der  Gelehrten  zu  seyn  pHeiren, Und  nicht  auf  werth- 
lose  Abdrücke,  die  ninn  seihst  in  den  Händen  der  ScliiUer  nur 
uns;ern  sielit.  Diess  i;;ilt  ffanz  l)esonders  \on  dem  elenden  Tauch- 
nitzischen  Abdruck  der  (j'riechischen  Anlliolojyie,  der  als  warnen- 
des IJeyspiel  g'elten  kann,  wie  alte  ScJn-iftsteller  nicht  ahsjedruckt 
werden  sollen.  *)  VV  enn  daher  auch  S.  230  und  2(>r>  das  Tauch 
nitzisclie  CItat  neben  dem  Jacobsischen  nach  der  Anthol.  Palat. 
nur  ViberlUissig  ist,  weil  das  letztere  auch  auf  jenen  Abdruck 
passt,  so  müssen  w  ir  es  bestimmt  rÜ2:<'n ,  dass  S.  59  und  29(>  nur 
die  Tauchnilzische  Band-  luid  Seitenzahl  aui^eg'eben  ist,  nach  der 
Rieh  der  Besitzer  der  Talatinischen  Antlioloi^ie  nicht  zurechtfin- 
den kann.  Auch  wäre  es  wohl  besser  gew esen,  den  Ktesias  niclit 
nach  Lion,  sondern  nacli  der  wackern  Bearbeitung  von  Baehr, 
oder  diese  doch  mindestens  neben  jener  anzuführen. 

Die  übrigen  Anmerkimgen  enthalten  theils  mythologische 
oder  geschichtliche  INachweisnngen,  aucli  nicht  selten  Ilindeu- 
limgeu  auf  Fehler  und  Irrthümer,  die  sich  Tzetzes  hat  zu 
Schulden  kommen  lassen,  z.B.  111,201,431,521;  IV,363;  VIII, 
7,  235,  325;  X,  671,  .093;  XI,  852  (auch  X,835  mögte  Rec.  lie- 
ber unter  dieFehlgi-ilfe,  als  unter  die  Corruptelen  rechnen),  tlicils 
Aiuleutungen  spracldicfier  Eigenthümlichkeiten  des  Tzetzes, 
z.  B.  111,343,935;  IV,  295, 502, 721;  ¥,710,750;  VI,  888;  VII, 
Ö04,  theils  kurze  Erläuterungen  dunkler  Ausdrücke  und  schwie- 
riger Wortfügungen,  wie  I,  314;  111,  209,  402,  831 ;  IV,  851;  V, 
188,  514,  002,  ^407,  781 ;  VI,  141;  \  III,  897  und  sonst. 

Den  Beschluss  macht  ein  dreyfacher  Index,  einer  über  den 
Sachinhalt  der  Chiliiulen,  einer  über  die  in  demselben  angeführ- 
ten Schriftsteller,  wobey  der  des  Fabricius  als  Grundlage  ge- 
dient hat,  einer  endlich  über  die  bemerkenswerthesten  Wörter, 
die  meist  der  spätem  Gräcität  angehören  und  daher  (unstreitig 
mit  Recht)  in  unsern  Wörter])üchern  fehlen.  Dieser  letztere 
emplielt  sich  eben  so  sehr  durch  zweckmässige  Auswahl,  wie  die 
beydeu  ersten  durch  \  oUständigkeit  und  Genauigkeit  der  An- 
gaben. 


*)  Damit  man  sicli  die  Mühe  spare ,  auch  diese  Acussernng  auf 
Rcrluninf^  meiner  HOfjeniinntcn  Inbnmanilät  zu  sdireilxMi ,  verAvcise  icli 
lieber  frlcich  auf  das  Lrtlu^il  i'vs  einsichtsvoJIsten  und  im  edelsten  Sinne 
liumansten  Uichters,  auf  Friedr.  J  a  e  o  li  n  in  der  Vnir.  zu  dem  elxsn 
ersrliienenen  treJ'iri«Ii(!n  Dilcvtus  cplgr.  Gruccor.  \>.\W\,  von  dem  näeh- 
sfi'HS  ein  mclireres.  Dort* kann  man  erfahren,  mit  mIc  grenzenlo.ser 
Kaeliläbsigkeit  der  Abdrnek  der  Tauchnit/.isehen  AnÜiolo^ic  besorgt  ist. 


290  Grie  cliis  che  Llttcratur. 

Es  ist  nun  noch  zu  bemerken,  tlass  —  was  der  Titel  des  Bu- 
ches nicht  angieht  —  den  Chiliaden  aus  der  Handschrift  A  und 
der  Baseler  Ausgabe  noch  des  Tzetzes  Lelirgedicht  tieqI  nai- 
dcov  aycoyi^g  in  343  iambisclien  Ti'imetern  und  17  Hexametern 
nebst  vier  in  Prosa  abgefassten  Briefen  angehängt  ist.  Wollen 
wir  es  aucli  dem  Ilerausg.  eben  nicht  vcr\\bein ,  dass  er  den  aller- 
dings gehaltlosen  Trimetern  geringere  Aufmerksamkeit  gesclienkt 
hat,  so  raiissen  wir  doch  einige  Aenderungen  zurückweisen,  durch 
die  dem  Tzetzes  offenbares  Unrecht  geschieht.  V.  15  näm- 
lich und  V.  109  wird  durch  Umwandlung  von  /li£  in  ^ot  und  von 
%OQOig  in  j(^oiQOig  dem  vierten  Fusse  ein  Spondeus  aufgedrungen, 
der  selbst  dem  Trimeter  des  Tzetzes  fremd  ist.  Denn  V. 
174  ist  durchaus  corrupt,  V.  235  und  251  kann  darum  nicht  an- 
geführt werden,  weil  bey  diesen  Spätlingen  ^  ohnehhi  seine  pro- 
ducirende  Kraft  als  Doppelconsonant  längst  verloren  hatte,  s. 
Dorviil.  zum  Charit,  p. (570  und  Herrn,  Orph.  p. 761, und 
dass  V.  182  ^vüQÖg  ebenso  gemessen  ist  wie  V.  131  inrtJt^og,  dür- 
fen wir  dem  Tzetzes  nicht  so  gar  sehr  zur  Last  legen ,  da  es  ja 
heut  zu  Tage  auch  dieser  imd  jener,  der  über  prosodische  Dinge 
mitreden  will ,  nicht  anders  weiss.  So  unwissend  aber  zeigt  er 
sich  nirgends,  dass  man  ihm  zutrauen  könnte,  er  hätte  einen 
Diphthongen  für  eine  Kiirze  oder  einen  Spondeus  im  vierten  Fusse 
für  zulässig  gehalten.  Der  Fehler  in  V.  15  steckt  vielmehr  im 
Dativ  xolg  cpvroöTCogOLg ,  und  ist  die  Stelle  so  zu  lesen: 

ßAA'  axdidaxTEOV  ^8  tovg  cpvroöTtogovg. 
V.  109  dagegen  Iiaben-  wir  gar  keinen  Aenderungsgrund  entdek- 
ken  können,  ja  wir  gestehn,  in  die  Conjectur  des  Herausg.  nicht 
einmal  einen  erträglichen  Sinn  bringen  zu  können.  Besondei's 
aber  haben  wir  inis  gewundert,  wie  es  V.  352  möglich  war,  aus 
der  Baseler  Ausg.  den  von  Seiten  des  Sinnes  und  des  Metrums 
gleich  arg  verstümmelten  Vers 

Xßv  7C0T,  avÖQEg,  «Vöpa  &av^cc6aL^  eti 
ohne  Weiteres  beizubehalten,  da  doch  der  erste  Blick  lehrt,  dass 
die  wahre  Lesart  ovk  äv  tiov  ävdgeg  sey,  und  der  Vers  ja  ohne- 
hin, was  auch  der  Herausg.  sehr  wolil  weiss ,   ein  bekannter  So- 
phokleischer  ist,   Aj.  1082. 

Ueberliaupt,  sosehr  wir  im  Ganzen  mit  der  Riclitigkeit  des 
Druckes  zufrieden  zu  seyn  Ursach  haben ,  —  die  Correctur  ist 
zum  Theil  von  Hrn.  Frotscher  *),  zum  Theil  vom  Herausg. 
selbst  besorgt,  —  so  leidet  diess  Lob  docli  für  die  Trimeter  ei- 
nige Ermässigung,  wie  denn  z.  B.  V.  131  anjetzt  dvö^ogiag  ge- 
lesen wird,  obgleich  die  Baseler  Ausg.  richtig  dvö^oiQcccs  hat, 
um  einiges  andre  unerwähnt  zu  lassen. 


*)  Von  diesem  Gelehrten  finden  w  ir  auch  zu  V,  40  ein  Paar  scharf- 
sinnige Verbcsäerungsvorgchlägc  zu  einer  in  derThat  schwierigen  Stelle. 


Tzctzae   cliiliudce«.   Ed.   Ivic:<sliuy.  21)1 

Indem  wlv  nun  mit  crneulcr  uinl  venuclirkr  Aclitim^  von 
tlctn  MM-diciilea  llorausjj.  sclioidfii,  j^laubeii  Mir  auch  dem  Verle- 
iier  die  Aiierkeiimme;  scluddii«'  /n  sejii,  dass  er,  auch  in  den  ge- 
wöhnlichen Exemplaren,  durch  ^Veis^^e  des  Papiers  und  prunk- 
lose  Eleganz  des  Dipickes  jeder  hilligeii  Fodernng  Genüj^e  gelei- 
stet Jiat.  Zwar  uird  das  Aeussere  der  Biicher  unter  die  unwe- 
sentlicheu  Dinge  gezählt;  aber  <la  es  Verleger  zu  gehen  scheint, 
die  sicli  recht  eigentlich  darauf  legen,  den  IVeis  ihrer  \  erlags- 
artikel  in  das  umgekehrte  Verliältniss  zur  t^  pographischeri  Aus- 
stattung derselben  z\i  bringen,  und  diejenigen,  die  ihnen  darüber 
die  Wahrheit  sagen,  mit  unanständigen  WalFen  zu  befehden,  ja 
da  sich  sogar  kritische  Zeitschriften  hndcn ,  die  solclien  Unfug 
tliätig  begiinstigen,  und  kein  entgegenwirkendes  bürgerliches 
Rechtsmittel  vorhanden  ist,  so  wird  es  Pllicht  aller  wahrheitlie- 
benden littcrarischen  Tribunale,  aucli  auf  diese  sogenannten 
Aeusserlichkeiten  ein  wachsames  Auge  zu  richten,  und  neben  den 
Leistungen  der  Schriftsteller  aucli  die  der  Verleger  einer  rück- 
fcichtlos  strengen  Prüfung  zu  unterzielm,  bis  Wirkung  erfolgt. 

Franz  Passow. 


Römische   Littcratur. 

M.  T.  -Cicer 07iis  Laelius  sive  de  amicitia  dialogus. 

Reccnäuit  et  scholiis  .Tucobi  Facciolati  suisque  auiinadversionibus  in- 

etruxit  Aug.  Gotth.  Gcrnhard.  Pliil.  D.  aa.  11.  in.  Maguiduc.  Sax.  Viraa- 

rlensi  consistorio  a  consiliis,   ili.  Gymnasii  Guilieliuo-Ernestini  Dl- 

rector,  societiitis   latinae  Jenensis  sodali»;.    Lipsiac  ap.  Gerh.  Flei- 

eclierum.   1825.   LA  I  «.  280  S.  gr.   8.   1  Thlr.  12  Gr. 

[Vergl.  Beck's  Repert.  1826,  II,  6  S.  458  f. ;    Schulzeit.  1826  Lit.  Rl. 

II  Nr.   19;    Hall.    Lit.   Zeit.  1826   Nr.  196   u.  197;  Sccbod.  Krit. 

Bibl.  1826  St.  VI  S.  592  ff.] 

Jjie  kTitische  Beurtheilung  der  kleinern  pliilosopliischen  Schrif- 
ten Ciceros  hat  ihre  eigenen  Schwierigkeiten.  Denn  ausser  dass 
sie  dtirch  die  in  der  Frühzeit  so  Iiäufig  genommenen  Abschriften, 
gleich  den  Büchern  deOfüciis,  >iellach  verdorben  wurden,  die 
WortsteUung  besonders  so  ungewiss  und  unsicher  wurde,  dass 
nur  durch  Ariadues  Faden,  welchen  einzig  das  tiefere  Studium 
des  Ciceronischen  Sprachgebraucljs  auffinden  lässt ,  aus  diesem 
LabjTinth  sichrer  Ausgang  zu  suchen  ist:  sind  letztre  dennoch 
leichter  zu  behanileln,  weil  der  Gudianus  II  besonders,  nicht  sel- 
ten a\ich  der  111,  dem  kritischen  Steurer  die  Bichtung,  welche  er 
zunehmen  hat,  dann  häufig  angiebt,  wenn  sein  (vomj)ass  durch 
die  ganze  A>  iudrose  umirrt ;  w  älircnd  crstrc  dieses  Vortheils  eut- 


202  ß  ö  m  t  ä  c  h  c   L  i  1 1  c  r  a  t  u  r. 

hehren,  da  kein  vorzücflich  hervorragender  Codex  des  Verbessrers 
UrtJicil  bei  ihnen  regelt.  Wie  viel  aber  dem  Kritiker  ein  ausge- 
zeichnet guter  Codex  sein  Geschält  crleicht(?rn  knnn,  lässt  sich 
am  Codex  regins  bei  den  Tnsculanen,  an  dem  ]Naniiianus  bei  den 
Veniiiischen,  an  dem  Yaticanns  bei  den  Klillippischen  Reden 
leicht  erproben.  Gewöhnlicli  giebt  es  da  niclits  weiter  zu  thun, 
als  die  Aeclitheit  der  Lesart  durch  Beispiele  zu  begrVmden.  Bei 
diesen  kleinern  Schriften  ist  ferner  die  nachbessernde  Hand  häu- 
figer, auch  schwieriger  erkennbar,  weil  sie  wegen  ihres  gerin- 
gern LI  m  längs,  von  den  friihsten  Zeiten  an,  ungleich  mehr  noch 
wie  die  Oflicia ,  als  stehende  Muf^terschriften  zum  Spracliunter- 
richte  dienten;  und  so  jeder  Lelirer  von  einiger  Auszeichnung 
das  Recht  zu  haben  glaubte,  seine  Sprachkenntniss- Resultate 
tiarin  absetzen  zu  können,  das  ist,  da  nachzuhelfen  wo  seinRich- 
ligkeits- Gefühl  anstiess.  Auch  war  das  wohl  auch  der  Haupt- 
grund, dass  sie,  in  neurer  Zeit,  so  lange  ohne  kritische  Bear- 
beitung blieben,  da  man  doch,  wegen  ihres  so  häufigen  imd  be- 
quemen Gebrauchs  auf  Scliulen,  gerade  ihnen  die  sorglichste 
Naclihülfe  hätte  widmen  sollen. 

Herr  G  er  n  li  ar  d  hat  daher  durch  seine  mit  deraLaelius  be- 
endete Ausgabe  derselben  entschiedenes  Verdienst,  sollten  auch 
nicht  gei-ade  alle  Forderungen,  die  man  an  den  Herausgeber  der- 
selben zu  machen  berechtigt  ist,  in  dem  Maasse  erfiillt  seyn, 
wie  w  olü  zu  wünschen  w  äre :  genug  dass  an  vielen  Stellen  der 
Text  gereinigt,  die  Interpunction  verbessert,  der  Sinn  aufgeheilt, 
imd  noch  eine  bedeutende  Zahl  guter  Sj)rachbemerkungen  oben 
ein  gegeben  sind.  Wir  erkennen  somit  den  Werth  der  Leistun- 
gen des  Herausgebers  unpartheiisch  an,  miissen  aber,  diesem 
Character  treu ,  zugleich  ofl'enherzig  gestehen ,  dass  wir  den  so 
nöthigen  Ciceronischen  Sprachgebrauch,  besonders  für  die  Wort- 
stellung, allzusehr  vei'missen,  und  dass  gerade  auf  diesen  Punct 
hin  die  meisten  Ausstellungen  fallen,  die  der  Ausgabe,  besonders 
des  Laelius,  zu  machen  sind.  Zu  diesem  brachte  freilich  der  H. 
eine  Anzahl  handschriftlicher  Vergleiclnnigen,  welche  diuxhaus 
selbstsländiges,  vom  Sprachgebrauche  fast  allein  abhängiges  Ur- 
iheil  fordern,  wo  gemeinphilosophische  Ansichten  und  Griinde 
(die  nur  zu  oft  gebraucht  werden)  eher  irre  führen,  als  Beihülfe 
leisten.  Doch  wir  wollen  die  Beispiele  selbst  sprechen  lassen; 
der  Leser  urtheile  daim  nach  eignem  Ermessen. 

Bevor  wir  indess  zum  Einzelnen  im  ürtheil  kommen,  liegt 
uns  noch  ob  iiber  das  Ganze  der  Ausgabe  des  Laelius  zu  berich- 
ten. Diess  geschieht,  im  Betreff"  des  kritischen  Apparats ,  in  der 
Vorrede  vom  H.  selbst,  die  über  die  8  Handschriften  Kunde  giebt, 
welche  dieser  Recension  zum  Grunde  liegen,  unter  denen  die 
beiden  Golhaer  und  die  Weimarische  einen,  jedoch  nicht  beson- 
ders bedeutenden  Vorzug  zu  haben  scheinen;  ob  sie  gleich  in  ei- 
nigen Stellen  die  wahre  Lesart  vor  andern  begünstigen.  Nur  weiss 


Ciccroniji  Lad  ins.   E  d,    Gcvnliard.  203 

Referent  nicht,  wie  er  mehrere  Abweiclnniiren  der  letzten  von 
seiner  CoUation,  die  er  eiirenliändi^,  und  nicJit  ol)enliin  maclite, 
erklären  soll:  nimmt  aber  so  lanjre  die  Sdmid  auf  sicli,  bis  er  ei- 
nes IJessern  belelirt  ist.  Darum  getraut  er  sicli  auchniclit.,  in 
der  Folffe,  die  Uebergeluinj;  einiirer  guten  Lesarten  zu  rVigen. 
Unter  die  gebrauoliten  alten  Ausgaben  gehört,  ausser  einer  Leip- 
ziger ohne  Werth  von  1483,  dieVenediger  von  1487  und  die 
Ascensiaua  secunda,  welche  bekanntlich  K  r  n  e  s  t  i  selbst  nicht  be- 
^ass:  Kef.  kennt  sie  als  von  keinem  sonderlichen  Werthe  aus  lan- 
ger Erfaln-ung.  Sie  liegt  selbst  vor  ihm,  und  er  kann  von  einem 
doppelten  Irrtinmi  Rechenschaft  geben.  Des  erstem  zeiht  sich 
der  Herausgeber  selbst,  welcher  beim  Cato  Major  das  Jahr  1520 
als  Druckjalir  genannt  hatte;  der  letztre  liegt  in  seiner  Verbes- 
serung, indem  er  das  Jalir  1512  angiebt,  statt  dass  es  1511  hei- 
ssen  sollte :  denn  dieses  Jahr  steht  auf  der  Kehrseite  des  Titel- 
blatts des  Isten,  des  3ten  (in  welchem  sich  der  Lälius  findet) 
und  am  Schhisse  des  2ten  Dandes;  sonderbar  nennt  aber  der 
Schluss  des  Isten  und  Sten  das  Jahr  1521,  der  des  4ten  1522. 
AVir  können  uns  »dies  durch  nichts,  als  von  einem  wiederholten 
Abdrucke  erklären  (da  die  Auflagen  der  alten  Ihichdrucker  sich 
gewöhnlich  auf  eine  geringe  Zahl  Exemplare  beschränkten):  bei 
welchem  vorn  die  alte  Jahrszahl  beibehalten  wurde.  Wer  indess 
die  Ausgaben  des  15  und  angehenden  Iß  Jahrhunderts  kennt, 
muss  ähnliche  Beispiele,  die  nicht  selten  sind,  beobachtet  haben. 
Panzers  Annalen  sind  uns  jetzt  nicht  zur  Hand ,  um  aus  diesen 
Auskunft  geben  zu  können.  —  Zwei  Hiilfsmittel,  welche  dem  H. 
leicht  zu  Gebote  standen ,  vermissten  wir  ungern:  eine  Verglei- 
chung  der  Tannerschen  Ausgabe,  und  besonders  die  derExcerpte 
aus  dem  Laelius  in  Eybs  Margarita.  Auch  konnte  eine  Verglei- 
chung  der  Cratandrischcn  und  Ilervagischen  Ausgaben,  Avelche 
zu  den  besten  alten  gehören ,  und  die  ebenfalls  noch  nicht  ver- 
glichen sind,  nicht  schwer  fallen.  L  e  n  z  hat  gerade  die  minder 
bedeutenden  verglichen. 

In  den  Prolegomenen  wird  unter  2  Abschnitten  von  der 
Disposition  des  Dialogs  über  die  Freundschaft,  und  von  der 
kunstgemässen  Genauigkeit  (de  arte  et  elegantia)  in  des  Lälius 
Gesprächs -Vortrage  gehandelt.  Hier  findet  sich  manches  gut 
Bemerkte  über  die  innere  Scenik  des  Dialogs :  doch  dieses  würde 
sich  noch  mehr  herausheben ,  w  enn  eine  schärfere  geistige  Cha- 
rakteristik des  Laelius  aus  den  Büchern  de  Republica  gegeben 
worden  wäre,  wo  die  Eigenthümllchkeit  desselben,  im  Contraste 
mit  der  dtts  Scipio,  so  meisterhaft  uiul  schön  sich  entwickelt.  Die 
aussre  Scenik  des  Dialogs ,  welclie  nicht  m eniger  künstliche  An- 
lage hat,  sollte  jedoch  auch  mehr  berücksichtigt  seyn.  Eins  aber 
vorzüglich  wünschten  wir  nicht  unberücksichtigt  gelassen.  Es 
sind  nämlich  zu  viele  Spuren  vorhanden,  dass  Cicero  die  3  Bü- 
cher Theophrasts  %BQi  (piUuii  bei  diesem  Dialog  benutzte,  als 


294  Römische    Litte ratur. 

dass  ein  Herausgeber  desselben  nicht  fragen  sollte,  in  wie 
fern  er  diese  nutzte.  Es  findet  sich  nicht  nur  zulallig  beiPlut- 
arcli  eine  aus  dieser  Theophrastischen  Schrift  erhaltne  Stelle 
von  Cicero  gradezu  übersetzt,  welche  c.  22,  85  der  Herausgeber 
selbst  mit  den  griechischen  Worten  verglichen  liat ;  auf  w  eiche 
auch  Seneca  im  Sten  Briefe  Bezug  nimmt :  sondern  aus  dem  Ur- 
theil  einer  andern  in  dem  Leben  Catos  des  Jiingern,  bei  dem- 
selben Plutarch  p.  77T  B  özi  ZLvdvvevEc  ro  Xiav  cpilüv,  cculov 
xov  (iLöSLV  ylyvEö&aL,  scheinen  auch  die  3  falschen  Maximen 
hervorgegangen  zu  seyn,  die  Cicero  c.  16  widerlegt,  üeberdies 
sagt  ja  Gellius  N.  A.  I,  3  mit  dVirren  Worten :  Eum  {Theophrasti) 
librum  M.  Cicero  videtur  legisse ,  qiium  ipse  quoque  librum  de 
amicitia  componeret.  Dass  aber  dies  nicht  blosse  Verrauthung 
von  Gellius  war,  lehren  die  gleich  darauf  folgenden  AV orte,  Et 
cetera  quidem^  quae  sunienda  a  Theophrasto  cxistimavit  ^  ut 
ingeniumfacundiaque  ejus  fuit^  sumsit  et  iransposiiit  commo- 
dissime  aptissimeque.  Genug  das  ganze  Capitel  ist  bei  Gellius» 
für  gerügten  Zweck  sorglich  nachzulesen.  Auch  fand  sich  in 
dem  verloren  gegangnen  8  Buche  6Cap.  des  gena^inten  Werks  von 
Gellius  eine  Vergleichung  Theophrasts  mit  Cicero,  quid  i^uter- 
que)  de  amore  amiciliae  senserit  u.  s.  \v.  Hierbei  sehe  man 
noch  Gronovs  Citate  nach.  Wollte  nun  auch  der  Herausgeber 
in  dies  Alles  durch  Vermuthimg  nicht  tiefer  eingehen,  so  durften 
wir  ihn  doch  der  Verpflichtung,  dessen  wenigstens  in  den  Prole- 
gomenen  genauer  zu  erwähnen,  nicht  entbinden.  — 

Indem  wir  nun  zur  Beurtheilung  einzelner  Stellen  überge- 
hen, wollen  wir  bloss  solche  ausheben,  welche  unsre  Behauptun- 
gen ohne  tief  eingehende  Untersuchung  erörtern  lassen.  Dabei 
werden  wir  nnsre  eignen  Collationen  mu'  soweit  benutzen,  als 
sie  zur  Bestätigung  unsrer  Ausstellungen  dienen  können ;  auch 
bei  Lieferung  der  Belege  nur  das  Nöthige  berühren:  dagegen 
das  Bedeutendste,  was  unter  angegebnen  Bedingungen  zu  erin- 
nern seyn  wird,  durch  den  ganzen  Dialog  zu  umfassen  suchen. 
Wir  wählen  auch  hier  die  gemeine  Ordnung  nach  den  Capitelii, 
weil  ihr  der  Leser,  mit  der  Ausgabe  in  der  Hand,  bequem  folgen 
kann.  Die  Behandlungsweise  des  Herausgebers  ist  bereits  be- 
kannt; die  Erörterung  ist  beim  Laelius  etwas  ausführlicher,  doch 
in  demselben  Tacte:  nichts  also  davon.  Auch  wollen  wir  nicht 
die  gemachten  Verbesserungen  einzeln  aufzählen,  sondern  da 
nur ,  wo  wir  anstiessen ,  unsre  Ansichten  offen  und  begründet 
darlegen. 

So  war  "wohl  Cap.  1  Seite  4  in  den  Worten  multa  ah  eo  pni- 
denter  disputata^  multa  etiani  breviter  et  conwiode  dicta^  mit 
3  Handschr.  bei  Aldus,  zu  denen  2  von  uns  treten,  während  eine 
dritte  etiamniulta  wm^ieWi^  etiam  als  Glossem  zu  streichen,  des- 
sen lalime  Einflickung  sich  schon  dadurch  kennbar  macht,  dass 
es  das  Gewicht   dej  wiederholten  multa  schwächt.  —  Seite  7 


Ciccronis  Laclius.    Ed.   Gcrnhnrd.  295 

liegt  in  den  Worten  quanta  homimwi  esset  vel  admiratio  vel 
qnerela  tlas  Gewiclit  des  Satzes  auf  quanta:  daraiii'  kann  es 
aber  dann  nur  bleiben,  wenn  esset  ihm  folirt,  Mie  irute  Jland- 
scliiiiten  lesen.  IN  ach  der  ge^^öh^licllen  AVortordnung  gellt  es 
unnatiirlich  auf  fio?/u'nf/m  Viber.  Ein  Andres  ists,  wenn  man  mit 
einem  Codex  nicht  iibel,  doch  ohne  iSoth,  om;«'?f;n  lesen  wollte. — 
Seite  8  musste  urbitratn  meo  mit  den  meisten  Ilandschr.  umge- 
stellt werden,  und  zwar  nach  der  Regel,  dass  Cic.  allemal  in 
der  Clausul  so  schreibt,  wenn  das  Gewicht  auf  dem  Pronomen 
ruht,  und  er  dieses  von  seinem  Subst.  nicht  trennen  will,  vergl. 
IV  Fin.  1  responde  arbitratn  meo  ;  \II  l)i\T.  ep.  1 ;  V  Fin.  30, 
SJ).  Sonst  trennt  er  das  Pron.  mit  gleichem  Erfolge,  I  Fin.  8, 
28  Tu  o  id  quidem^  inqtianu  arbitratu  ;  Rose.  Am.  I,  2  tuo  vero 
arbitratu.  In  völlig  gleichem  Verhältnisse  muss  eben  so  S.  9 
rogatu  tuo  umgestellt  werden,  wie  Eyb  und  unsre  Codd.  for- 
dern. —  S.  10  winden  Mir  von  den  Worten  sed  iit  tum  ad  se- 
7iem  seiws  de  senectute^  sie  hoc  libro  ad  amicum  amicissimtis 
de  amicitia  scripsi^  das  letzte  zur  Glosse  rechnen.  Theils 
dessen  Uiustellung  in  andern  Handschriften,  theils  seine  Um- 
wandlung in  scn'psil ;  hauptsächlich  aber  die  völlige  Ausglei- 
chung der  beiden  Sätze,  so  bald  dies  Verbum  ausfällt,  und  folg- 
lich der  Mangel  an  JNachdruck,  den  durch  dessen  Zusatz  die 
A\  orte  de  amicitia  leiden,  geben  dieser  Vermuthung  nicht  wenig 
inncrn  Gehalt.  Dabei  vergesse  man  nicht,  wie  oft  dies  Wort 
als  unnütze  Glosse  sich  eindrang.  So  streiche  man  es  mit  einer 
guten  ^on  uns  verglichnen  Handschrift  I  Off.  2  in.  Sed  quum 
statuissem  scribere  ad  te  aliquid  hoc  tempore^  multa  post- 
hac^  und  vergleiche,  ausser  der  so  unsichern  Stellung  des  Worts, 
1\  Di^v.  ep.  8  Sed  plura^  quam  statueram^  sc.  scripsi^  und 
XM  Att.  ep.  10  Statueram  enim  recta  Appia  Romam^  sc.  pro- 
ficisci.  —  Seite  11  möchten  wir  in  der  Stelle,  quo  erat  nemo  fe~ 
re  senior  temporibus  Ulis ,  wemo  pr?/de?itior ,  erat  und  fere  als 
eingeschoben  ansehen;  denn, ihre  Beweglichkeit  in  den  Hand- 
schriften, und  das  runde  Zusammentreten  des  Ganzen  bei  ihrer 
Weglassung,  rechtfertigen  diese  Vermuthung.  Auch  schleppt 
erat^  da  genug  Asse\eration  in  den  marquirten  Comparativen 
liest,  uuüfere  macht  Cic.  hier,  bei  dem  84jährigen  Greise,  fast 
gar  zu  gewissenhaft.  Cap.  2  S.  15  müssen  wohl  die  Worte ,  mul- 
ta ejus —  ferebantur.,  in  Parenthese  stehen:  ausserdem  würde 
Cic.  Huius  tnulta^i  oder  ähnlich,  geschrieben  haben.  —  S.  17 
gi'eift  aber  die  Parenthese  zu  weit  aus,  \venn  sie  hin  judicatum 
gezogen  wird.  Der  Sinn  läuft.  Dich  nennt  man,  nicht 
nach  des  Pöbels,  sondern  der  Gebildeten  Urtheil 
den  Weisen,  wie  wir  in  ganz  Griechenland  nicht 
einen  kennen:  (denn — )  zu  Athen  bloss  einen,  und 
den  selbst  IL  s.  w.  So  liängt  auch  natürlicher  qnalem  —  ne- 
minem von  accepimus  ab.     Uebrigens  falle  das  tola  nicht  auf, 


290  Römische  Littcratur. 

es  stellt  wie  quanta  quanta  est :  (daher  scliiieh  man  eben,  weil 
man  dies  nicht  hegrifF,  religua:)  Aann  umim  stellt  wie  ?mo  ex- 
cepto.  S.  1 D  hätten  wir  U  r  s  i  n  u  s  mit  Weglassiuig  des  nostro  nicht 
zuviel  getraut,  welcher  dafür  bekannt  ist,  dass  er  ziivveiien,  sei- 
nen Zwecken  gemäss,  Lesarten  erdichtete,  hier  aber  gerade  a  iel- 
leiclit  seine  BemerkJing,  dass  adessc  in  coUegio  als  abgekiirzte 
Formel  gebraucht  werde,  ins  Publicum  bringen  wollte.  Auch 
kennen  wir  bei  C.  keine  ähnliche  Stelle,  sondern  es  wird  Aiel- 
melir  überall  zu  collegmm  so  nostrum  beigesetzt,  z.  B.  Cat  Maj. 
18,64  mulla  in  nostro  collegio  praeclara  puta;  X  Divv. 
ep.  12  idqiie  in  nostro  collegio  comprobaLum  est;  Brut. 
1,  1  interitu  talis  augu r i s  digniiatem  nostr i  collegii 
demimitam  dolebam.  Ueberdies  gab  es  in  Rom  der  coUegia  so 
viele,  und  so  vielartige,  dass  sich  der  Römer  vielleicht  deswegen 
schon  bestimmter  ausdriickte.  In  den  Inscrijitionen  aber  geht  in 
der  Regel  die  Titulatur  vorher,  dann  kann  leicht  der  Ausdruck 
adesse  in  collegio  formularisch  folgen.  Venissemus  ist  übrigens 
zu  weit  entlernt,  dass  wir  deshalb  nostro^  welches  auch  luisre 
Handschriften  alle  schützen,  für  überflüssig  achten  sollten. 
Gleich  darauf  möchten  wir  das  aus  wenigen  Ilandschriftcn  wie- 
der aufgenommene  invaletiidinem  nicht  schützen.  Yiehnehr  war 
Facciolati  zu  widerlegen,  der  dies  bloss  2  mal  in  den  Briefen 
vorkommende  Wort,  statt  des  hundertmal  in  diesem  Sinne  ge- 
brauchten valetudo^  ex  niore  Tulliano  gesetzt  wissen  will ! 
Kehie  imsrer  Handschriften  kennt  es:  überdies  steht  ralctudo 
hier  ja  in  einem  Zusammenhange,  wo  der  Sinn  desselben  so  we- 
nig täuscht.  Bei  Cat.  Maj.  11,  35  dachte  der.  LI.  anders.  —  Seite 
21  folg.  lesen  wir,  sed  hi  non  in  piieris^  Cato  in  pcrfeclo  et 
spectato  viro?  Die  Handschriften  bestehen  zu  sehr  auf  der  Ne- 
gativ-Partikel, und  zwar  da,  wo  die  Abschreiber  nichts  mit  ihr 
anzufangen  wissen;  denn  wie  oft  fiel  sie  nicht  in  der  Frage  aus*? 
Auch  zeigt  schon  das  vorhergehende  Quomodo  —  tulit  ?  den  le- 
bendigen Vortrag.  Ueberdies  ist,die  Frage  hier  ganz  in  Ciceros 
Geiste:  Arch.  P.  8,  18  Nunc  non  egodiligcün?  (sie)  III  Ca-, 
til.  9  extr.  Id  non  divinitus  factum  esse  piitatis ?  III  Olf.  19, 
77  Haec  non  turpe  est  duhitare  pkilosophos?  —  Cap.  3  S. 
23  muss  interpungirt  werden,  JSgo  si  Scipionis  desiderio  nie  mo 
veri  negem^  {quam  id  rede  faciam^  videriiit  sapientcs^)  sed 
certe  menliar.  Denn  es  darf  weder  nach  Ego  ein  Komma  stehn, 
weil  Kgo  nur  scharf  vorgestellt  ist ,  noch  kann  die  Parenthese 
entbehrt  werden ;  denn  ohne  sie  müsste  sapicntes  viderint  um- 
gestellt seyn.  Man  vergleiche  I  Divv.  ep.  !)  (Mart.  10),  wo  ni«;ht 
weit  vom  Anfang  Mar  ty  ni  vor  sed  certe  zweimal  ricJitig  die  Par- 
enthese zurückgerufen  hat. —  S.  2^^  Nisi  enim^  quod  ille  mi- 
nime  putabat.  Dies  ?7/e,  welches  die  Handschriften  4fach  a er- 
setzen, muss  Verdacht  erregen,  besonders  da  der  nächstvorlier- 
gehendc  kurze  Satz  Cum  illo  anhebt.     Setzen  wir  hinzu,   dass 


Ciocronis  Lacliue.    Ed.  Gcrnhanl.  297 

efiic  nnsrov  Ilaiidscliriften  os  iiiclit  kennt,  so  wird  man  es  In  die- 
Hciii  Ziis:unnit'iihani;^e  irern  iVir  («Mosse  erkennen.  —  S.  28  hoc  La- 
VH'/i  vere  licet  dicere.  Die  Aularti^e  Ujnstellun^  und.  Ver- 
wandlung des  vere  in  den  llandselaiften  niadit  es  hier  zur  si- 
chern Glosse,  weil  Cicero  eher  certe  geschrieben  haben  würde, 
da  das  vorhergehende  difßcile  mehr  die  Verlegenheit  des  Lälius 
bezeiclmet,  uehen  Car])o  die  Sempronia  der  mittelbaren  Theil- 
nalimc  am  IMordc  des  Gatten  zu  zeihen.  Llebrigens  durfte  die 
Vermuthung  des  gewaltsamen  Erstickens  ,  oder  Erdrosseins,  als 
wahrscheinlicher,  nicht  iibergangen  werben:  Menigstens  sagt 
A  eile].  11,  4:  nuiiie  iiilccttilo  reperliis  est  mo/tims^  ita  ut  qiiae- 
dam  elisanun  fmiciuni  in  cervice  repcrirentnr  notae.  Seite  29 
ist  die  Lesart  de  m  den  Worten  e.vcessit  e  vita  merkwürdig, 
welche  auch  3  unsrer  Codices  stützen ,  w älirend  ein  4ter  exisset 
de  liest.  Eben  so  lesen  2  der  besten  111  Fin.  18,  60  de  vita  ex- 
ccdere.  Die  Berufung  auf  Garatoni  zu  11  Phil.  6  Avegeu  Vertau- 
scliuug  dieser  Präpos.  sagt  nichts,  da  C.  so  oft  de  für  e  setzt,  wo 
dies  die  Abschreiber  einschwärzen.  Ja  Garatonis  Bemerkung 
selbst  ist  am  unrechten  Orte:  denn  qui  duo  de  coiisularium 
nuntero  reliqui  sunt^  wie  der  Vat.  dort  für  e  liest,  ist  sicher  die 
ächte  Lesart,  vgl.  XIII  Divv.  ep.  16  de  minier  o  esse  Caspii 
aniiconim;  XI  Phil.  10  ^4t  viitlent  aliquem  de  suo  numero. 
Wollte  man,  ängstlich  genug,  glauben,  de  werde  nicht  zu  re/«- 
qinis  gesetzt,  so  schlage  man  das  3te  Fragment  der  2teu  Rede 
für  C.  Cornelius  bei  Asconius  nach,  reliqui  sunt  de  considari- 
bus.  Dennoch  bleibt  es  gewiss,  dass  es  keine  entscheidende 
Stelle  für  escedere  de  vita  gicbt,  obgleich  C.  decedere  und  es- 
ire  de  vita  sagt :  Uab.  Perd.  r.  11  in. ;  LaeL  4,  15.  Auch  kennen 
wir  bei  keinem  andern  guten  Schriftsteller  ein  Beispiel  dieser 
Uedeform.  —  Cap.  4  S.  33  ist  richtig  ut  plerique^  statt  7it  inple- 
risque^  gesetzt,  wie  auch  unsre  Handschriften  bekräftigen.  Al- 
lein es  miisste  auch  das  folgende  dicebat^  das  so  viele  gute  Hand- 
schriften nicht  anerkennen,  das  C.  so  gern  weglässt,  und  die 
Abschreiber  so  gern  ihm  aufbürden,  gestrichen  werden.  AVer  es 
aber  hier  für  unentbehrlich  halten  kann,  kennt  Cicero  sicher 
nicht.  —  PJbendaselbst  ist  Quod  ideni  Scipiuni  videbatur  cor- 
rigirt,  wo  die  \  ulg.  item  liest.  Doch  wir  zweifeln  sehr  ob  rich- 
tig; wenigstens  können  wir  des  11.  Gründe  nicht  anerkennen. 
Allerdings  werden  zwar  beide  Partikeln  häufig  verwechselt,  doch 
daraus  lässt  sich  für  idem  nichts  folgern.  Auch  wurde  richtig 
IV  Fin.  6  Quod  idem  geändert;  doch  unter  andern  Verhältnis- 
sen: so  haben  auch  die  andern  angeführten  Stellen  ihre  llichtig- 
keit.  Warum  indess  Quod  und  videbatur  zu  item  nicht  passen 
sollen,  begreifen  wir  nicht,  da  1  Orat.  39,  177  Quid?  q?/od 
item  in  centumvirati  iudicio  certatum  esse  accepimus ^  doch 
sicher  richtig  nach  allen  Handschriften  gelesen  wird,  und  das 
Verbum  durchaus  nichts  hat,   was  item  ausschlöss.     Fügen  wir 


298  Römische    Litteratur. 

noch  III  OfF.  3,  15  bei ,  wo  der  IL  selbst  Qiiod  item  anerkennt, 
so  möchte  wohl  die  Vnl^ate  entschieden  den  Vorzug  verdienen, 
zumal  da  leichter  xiiul  häufifrer  die  Abschreiber  item  in  ideni  ver- 
wandeln, als  ges^eiiseits ,  und  folglich,  bei  gutem  Sinn,  erstres 
durchaus  zu  schützen  ist.  Man  übersetze  daher:  Dieses  nun 
fand  ebenfalls  Scipio  so.  —  S.  35  Mar  bei  den  Worten 
e  custodia  vinculisque  corporis  die  Lesart  vinclisque  ^  die  auch 
2  der  unsrigen  begünstigen ,  zu  bemerken,  die 'allein  die  ächte 
ist.  Dagegen  wird  nach  der  alten  falschen  Lesart  aus  I  Tusc.  31 
es  his  vinculis  emi&si  citirt,  olmerachtet  schon  Wolf  viridis 
Miederherstellte,  vgl.  I  Tusc.  49  evdtti  iios  e  custodia  et  levari 
vinclis  arbitremur.  Zwar  steht  noch  VI  Ilep.  11:  ed.  Maj. 
qui  ex  corporimi  vinculis  tamquam  e  carcere  evolaveruut:  doch 
dort  steht  ja  auch  ex  falsch!  —  S.  39  nahm  es  ims  Wmider,  bei 
den  Worten  Idque  mihi  eo  magis  est  cordi  nichts  als  die 
Lesarten  angeführt  zu  finden,  da  es->bereits  bekannt  ist,  dass  Ci- 
cero in  dieser  Formel  id  oder  hoc  mit  eo  nicht  zugleich  setzt, 
sondern  bloss  das  eine  von  beiden.  Dasselbe  gilt  aucli  bei  idque 
oder  eoque  minus ^  und  so  häufig  immer  die  Beispiele  sind,  ken- 
nen wir  doch  keines  weiter  vom  Gegentheile,  als,  neben  dem  Ge- 
genwärtigen, JI  Rep.  12  Atque  hoc  eo  magis  est  in  Roinulo  ad- 
tnirandum.  Hier  ist  sicher  nacli  dem  2ten  Gothanus ,  der  eo 
nicht  hat,  und  einem  von  uns ,  während  die  andern  alle  es  ver- 
schieden umstellen ,  zu  corrigiren.  Doch  darf  man  das  nicht  auf 
Quod  eo  magis  ausdehnen,  Avelches  bei  C.  öftrer  vorkommt,  z.  B. 
III  OIF.  2,  8,  ob  dieser  gleich  auch  da  lieber  Quod  etiam  inagis 
und  Quod  magis  etiam  schreibt.  —  S.  41  möchten  am  Schlüsse 
des  Capitels  die  Worte  quamobrem  utrique  nostrum  gratum  ad- 
modiimfeceris  mit  der  Uebersetzuiig  so  wirst  du  also  uns 
beiden  Freude  in  hohem  M  a  a s  s  e  machen  nicht  son- 
derlich zufrieden  seyn :  vielmehr  glauben  wir  sie  erschöpft  durch 
II n d  somit  würdest  du  uns  einen  b e s o n d e r n  Ge- 
fallen erzeigen  wiedergegeben.  Ob  ferner  gerade  Schütz 
recht  handelte ,  wenn  er  IV  Heremi.  12  bei  maxime  admodum^ 
maxime  strich,  steht  noch  in  Frage,  wenn  man  an  das  näw 
yB  öcpoÖQa  der  Griechen  denkt.  Indess  da  es  wirklich  keiu  Bei- 
spiel giebt,  das  entschieden  admodutn  zum  Superlativ  setzt,  so 
möchten  wir  das  Wort  nicht  sowohl  herauswerfen ,  als  vielinelir 
es  getrennt  ad  modum  schreiben,  wie  aucli  wirklich  der  alte  Tu- 
riner Codex  liest ;  da  mehrere  Codices  oratoris  bieten.  Ks  sclieint 
sich  nämlich  der  Verfasser  in  gleichen  Ankläugen  der  Wörter  zu 
gefallen,  elocutio  commoda  —  maxime  ad  modu m  oratoris 
accomrnodata  est;  und  so  würden  wir  dort  übersetzen :  was 
Alles  ein  gemässer  uiid  vollendeter  Vortrag  ent- 
halten müsse.  Der  aber,  welcher  dem  Maassstabe 
des  Redners  angeme sseit  ist,  muss  dreierlei  ent- 
halten u.  s.  w.  —  Cap.  5  Seite  43  ist  in  den  Worten  nihil  est 


Clccronls  Lad  Ins.  Ed.  Gernhard.  299 

enim  tamnatiirae  aptum^  ciiini^  welclies  auch  melirern  imsrer 
Ilandscliv.  iflill,  «loinioch  mit  lleclit  lestgelialten,  vgl.  Ligar.  12 
Nihil  est  eil  im  tarn  populäre;  1  Le2;g.  10  JSikil  est  enim  unuvi 
vni  tom  siinile  tarn  par  etc.  Ausserdem  würden  wir  lieber  hier 
est  ^  als  eiiini  entlernt  sehen.  Urut.  5ö  idliil  enim  tani  simile^ 
quam  Cotta  Sulpicio.  —  S.  45  quos  sapieiftes  noslri  majo- 
res iudicabant.  In  diesen  Worten  fehlt  maiores  in  der  Weima- 
risclien  llaudschr.  wie  in  einer  andern  von  uns  verglichnen ;  eine 
dritte  giel)t  dafür  patres  ?iostri.  Wie  Menn  wegen  der  letzten 
conipendiarisch  gcscliriebnen  Sylben  \on  saptes^  patres  wirklich 
aiisge fallen  wäre'?  In  dieser  Ordnung  schreibt  es  wenigstens  Ci- 
cero überall.  Wofür  ferner  maiores^  da  genannte  Männer  schwer- 
licli  bei  Lebzeiten  Weise  genannt  wurden'?  Endlich  werden, 
und  das  scheint  entscheidend,  aus  ganz  gleicher  Zeit  c.  11  S.  86 
Vapus  Aeniilius  und  C.  Luscinus  angeführt,  mit  dem  Beisatz,  sie 
u  patribus  accepimus.  Ueberdies  hat  das  dem /««/o/^es  vor- 
gestellte iiostri  unnötliig  verbrauchtes  Gewiclit.  Dabei  vergesse 
man  nicht,  dass  der  kaum  ein  Jahrhundert  ältre  Laelius  spricht. 
—  Ebendaselbst  mussten  die  AVorte  piiigui  Minerva^  iit  ajunt^ 
strenger  erwogen  werden :  denn  I  Acadd.  5  beweist  für  die  Stel- 
lung nichts ,  da  wegen  des  Contrastes  absichtlich  sns  Minervam 
zusammengestellt  ist:  wie  sich  auch  I  Off.  44  virgtda  divina^  ut 
ajunt  ^  nicht  trennen  liess.  Ausserdem  schiebt  C.  gewöhnlich 
sein,  iit  ojunt ^  ein.  III  Pbil.  11  O  praeclarum.  custodem^  ut 
ajunt^  lupiim  ;  XV  Di^ A .  ep.  ]  5  ud  pacem  ciirrentem ,  ut  ajunt^ 
incitarem.  (Diese  sprüchwörtliche  Redensart,  cur r eilte m  iiici- 
tare^  die  C.  so  gern  braucht,  kommt,  so  viel  wir  wissen,  nir- 
gends anders,  als  mit  dazwischen  gesetzten,  tit  aiunt^  vor.)  Selbst 
1  Divv.  ep.  G  « /e//e/7Ä,  ut  Graeci  dicunt  ^  uuguiculis.  Diesem 
gemäss  ist  »vohl  kein  Zweifel,  dass  mit  3  Ilandschr.  des  II.,  fer- 
ner mit  E\b,  der  ebenfalls  so  liest,  und  andern  bei  uns,  pingui^ 
ut  ojunt^  Minerva^  gelesen  werden  muss.  —  S.  46  muss  zußdes^ 
integritas^  uequitas^  II  Fin.  18,  59  uisi  aequitas^fides^ 
iustitia  proJiciscuiUur  a  natura^  verglichen  werden;  ausserdem 
möchte  man,  wegen  II  Orat.  85,  aequabilitus  vorziehn  wollen,  das 
so  häufig  in  aequalilus  verdorben  wurde.  Kurz  darauf  ist  die 
Stellung  in  modo  quos  nominavi  mit  Recht  beibebalten,  und 
drückt  das  ganz  kurz  Yorherberaerkte  aus,  wie  II  Orat.  12  modo 
enim  haec  isla  sunt  importata;  wo  aus  gleichem  Grunde  ?nodo 
scliarf  vorgestellt  ist.  An  Vermeidung  des  Doppelsinnes  dachte 
hier  wohl  Cicero  nicht.  Kurz  hernach  würden  wir  in  jedem  Falle 
sequantur ^  der  meisten  Handschriften  Lesart,  festgehalten  ha- 
ben: denn  die  folgenden  AVorte,  naturam^  optimam  bene  viven- 
di ducem^  sind  olme  Streit  von  den  Philosoplien  entlehnt,  nur 
durch  den  Beisatz,  quiintum  homines  possunl ,  gemildert.  Dass 
aber  hier  Laelius  nicht  seine,  sondern  fremde  Worte  braucbe, 
will  er  durch  den  Conj.  sagen.     Durch  den  Indicativ  geht  dies 


SOO  Roiui'schc   Litteratur. 

Alles  verloren.  Beispiele  zu  tlicsem  GeLrauche  des  Coiij.  bei  Ci- 
cero fliideu  sich  iiberall.  —  S.  49  ex  hoc  inlcüigi  maxime  pol- 
est^ quod  etc.  Bei  diesen  Worten  wird  ri(;htig  bemerkt,  dass 
maxime  intelligi  falsche  Stellung  seyn  würde.  Wahrscheinlich 
ist  'aber  auch  der  Vulgate  Wortordnung  nicht  acht;  denn  zwei 
unsrer  besten  Ilandscliriften  stellen,  mit  Eyb  ,  intelligi potest 
maxime  um,  was  der  Hand  Ciceros  gefüger  ist,  der  maxime  am 
Ende  des  Satzes  besonders  liebt,  vgl.  II  Legg.  20,  (»G.  Dabei 
vergleiche  man  noch  I  Off.  in.  ab  eo  ordi/i  volui  maxime ,  quod 
etc.,  wo  7naxime  ebenfalls  unrecht  in  den  Handschr.  verstellt 
wird:  denn  den  Abschreibern  liel  diese  Stellung  auf.  —  Cap.  0 
S.  52  7iec  —  esse  ullo  pacto  potest.  Diese  Worte  werden  in  de« 
Handschriften  5fach  umgestellt.  Am  ärgsten  treibt  es  unsre  be- 
ste, potest  ullo  pacto  esse.  Dennoch  ist  die  Vulgate  richtig.  V 
Divv.  ep.  IT  nee  praestare  ullo  pacto  potest.  Ucbrigens  ist  dies 
die  Construction,  wo  der  Ilauptbegriff  sich  doppelt  denken  lässt, 
nee  —  amicitia  esse  zillo  pacto  amicitia  potest;  eigentlich  be- 
deutet aber  esse  so  viel  hier  als  locam  habere.  —  S.  53  ist  bei 
Quid  dulcius .,  quam.,  wo  mehrere  Handschriften,  auch  bei  uns, 
enim  und  enim  e^t  (einsetzen,  die  Abfertigung  mit  Neutro  opus 
est  wohl  zu  kurz  gegeben:  denn  in  der  Regel  wird  bei  dieser 
Construction  eine  Partikel  (oder  doch  ein  Pronomen)  zugesetzt, 
Z.  B.  Quid  enim.,  oder  vero.,  oder  autem  stultius.,  Cato  Maj.  19, 
68;  Lael.  15,  55;  III  Off.  13,  55;  und  so  mit  andern  Compara- 
tiven.  Wir  wenigstens  kennen  das  einzige  Beispiel  II  Fin.  15, 
50  Quid  tur pius .,  quam  sapieiitis  vitam  ex  iusipientiiim  ser- 
mone pender e. —  Cap.  7  S.  56  enthalten  die  Worte  Verum 
etiam  amicum  qui  intuetur.,  wenn  wir  nicht  sclir  irren ,  eine  un- 
glückliche von  Facciolati  sprachwidrig  eingeführte  Correctur. 
Wo  kommt  je  Verum  etiam  so  vor,  dass  es  zu  Anfange  des  Vollsatzes 
den  Sinn  steigerte 'J !  Dies  Üvnivero  etiam  (ja  selbst)  nachge- 
stellt. I  Off.  32,  132  Domi  vero  etiam  coutumelias  servo- 
rum  aiicillarumque  pertulit  (  Vlixes )  .•  denn  das  seit  Heusinger 
herausgeworfne  vero  muss  C.  wiedergegeben  werden.  XIV  Divv. 
ep.  1  si  vero  etiam  Pompeium  et  Caesarem.,  non  est  de- 
sperandum.  Corn.  Nep.  15,  1  Seimus  musicen  ?iostris  moribus 
abesse  a  principis  persona.,  saltare  vero  etiam  in  vitiis 
poni.  Man  übersetze,  Ja  zu  Hause  ertrug  er  selbst  u. 
s.  w.  Verum  etiam  dagegen  gehört  in  der  Steigerung  bloss  dem 
Nachsatze  an.  Man  beging  aber  hier  den  nicht  kleinen  Fehler, 
das  Adjectiv  als  Conjunction  zu  behandeln.  Verum  amicum  steht 
aber  eben  so  acht,  als  veros  amicos  15,  54,  und  verus  amicus 
21,  80.  Nun  stelle  man  das  ächte  enim  wieder  her ,  und  über- 
setze. Wer  nämlich  einen  ächten  Freund  anschaut^ 
der  schaut  in  ihm  gleichsam  das  Abbild  seiner 
selbst.  Dieser  Felder. ist  bereits  in  die  Grammatiken  gedrun- 
gen, sieh  Ramshorn  §  181,  II,  2.  —  Seite  51  luidet  sich  eine 


Ciccronlä  Laclius.  Ed.  Gcrnliard.  301 

ei^nc Spraclibcmcrkuiiir,  die  Mir  ffcnaucr  behandeln  müssen.  Sic 
betriüt  die  Worte,  Q/iocirca  et  abseutcs  adsiint,  et  eget/tes  ab- 
2iml(Hit^  et  imbe eitles  volenti  et  qtiod  dirtu  difßciliiis  est, 
viorttii  invunt.  Wir  liabeu  die  Stelle  absicbtlicl»  voll  wiederge- 
pel)en,  um  desto  sichrer  iiher  iinbecUles^  statt  dessen  eineÄJenge 
Codices ///jÄec/V/nesen,  urtlieiieii  zu  können.  \on  diesem  sagt 
der  IL:  sevuiidiie  decl.  fonnani  etsi  ad  Cat.  Moj.  11,  35  et  Fa- 
rad. /,  1,  7  /estit/d,  noii  tanwti^  ut  ibt\  suavitas  hoc  l.  aiit  am- 
bigfu'tas  moiiet.  Herr  Genihard  nimmt  also  die  doppelte  End- 
form dieses  Adjectivs  bei  (/icero  an,  nnd  lässt  das  Ohr  imd  die 
Klarlieit  des  Simis  entscheiden,  wenn  die  eine  oder  die  andre  den 
Vorzua:  Ilaben  soll.  A\  as  hier  das  Olir  soll,  beg'reifen  Avir  wohl,  w  eil 
nämlich  abse/ites^  ereiltes  vorheriring,  soll  des  W  ohlklanj^s  wegen 
imbevilles  iolgen.  üeher  die  ambiguitas  w  i'irden  wir  aber  in  Verlegen- 
heit seyn,  wenn  derselbe  nicht  unten  zu  c.  17,  ((3  sich  genauer  bei 
imbecilla  est  eniiii  natura  erkliirt  liätte.  Da  \>  ird  nämlicii  die  Uegel 
aufgestellt,  dass  da,  wo  dieses  Adj.  substantivisch  stehe,  die  Endung 
der  oten  üedination  vorzuziehen  sey,  und  das  ex  more  Ciceronis. 
Gesetzt  wir  befolgten  diese  Kegel,  dann  miisste  gegen  die  besten 
Codices  1  Invent.  24  Valens.,  an  inibecillis .,  und  oJme  alle  Codd.  I 
Kep.  3ü  igiiavis  et  imbevillibns  zu  corrigiren  seyn :  dabei  wiirde  sicJi 
aber  immer  noch  mit  Hecht  \1  Divv.  ep.  2  Ern.,  Martyni  und 
Matthiä  (nicht  Uenedict)  tadeln  lassen,  dass  sie  die  Gronovsche 
Aenderuug  aiiiimnn  —  iinbecillem  aufnahmen  ,  da  doch  iinbecü- 
lian  die  \ulgate  und  später  verglichne  llandschr.  schlitzen.  Wel- 
ches Lrtheil  ist  hierbei  zu  fällen'?  Dieses,  dass  Cicero  die  Form 
iinbecillis  mit  allen  Lateinern  vor  ilun  und  aus  gleicher  Zeit 
gar  nicht  kennt,  sondern  dass  sie  spätem  Gebrauchs  ist :  dass  es 
auch,  seit  dass  nun  Lael.  13,  47  richtig  geändert  ist,  keine  Stelle 
mehr  in  Ciceros  Werken  giebt,  wo  noch  die  Form  der  3ten  De- 
clin.  sich  lande ,  die  geriigte  ausgenommen.  Dies  behaupten  wir 
mit  fester  Ueberzeugung,  ohngeachtet  es  uns  nicht  imbekannt 
blieb,  dass  C.  wirklich  andere  Adjeclive  doppelt  llectirt,  Mie  hi- 
lartis.,  inerinus  ^  und,  nach  Charisius ,  vielleicht  auch //«Äe/Ä«s. 
In  allen  den  ohngellilir  30  Stellen,  wo  sich  die  Form  der  2ten  Deck 
bei  C.  findet,  beruht  sie  auf  handschr.  Lesarten,  ohngeachtet  sie 
kaum  die  alten  Grammatiker  kennen,  geschweige  dass  die  Ab- 
schreiber mit  dieser  Form  vertraut  gewesen  seyn  sollten,  da  sie 
schon  früher  aus  dem  Gebrauche  verschwunden  war.  Was  für 
einen  Grund  sollte  es  aber  wohl  geben,  dass  dies  Adj.,  substan- 
ti\isch  gestellt,  der  dritten  Flevion  zugehören  soll'?  Vermei- 
dung undeutliclien  Sinns"?  Wie  kann  die  I^Jndung  is  dies  vor  der 
Endung  as  voraus  haben'?  Oder  nach  welcher  INorm  soll  sie  das, 
da  die  genaimten  doppelgeformten  Adjecti\e  keine  solche  anerken- 
nen'? Demi  C.  schreibt  eben  so  s^ui  hiluri  voltu  ('liient,  20;  1  Tusc. 
42;  als  liilara  vila  V  Fiii.  30:  eben  so  gut  isle  rester  inerniis 
et  nudus  I  Fin.  7,  22;  als  X  Din.  ep.  34  Jlubebat  niagua/n  inul- 

Jtihrb.  d.  Fhil.  u.  J''u(lag.  Julira.  l.  Jhfl  i.  20 


S02  Romische  Litteratur. 

tiludinem^  sed  inerinornm.  Wir  müssen  daher  diesen  behaupte- 
ten Untei'schied  für  nichtig  erklären,  und  für  C.  die  Form  imba- 
cillus  ausscldiessend  vindiciren. —  Cap.7  Seite  61  fügt  der  II.  zu 
den  Text- Worten  quid  arbitranmr  in  ve?'a  fuisse  facturos?  über 
die  Lesart  von  5  seiner  Handschriften  die  Bemerkung  bei,  Verba 
fu is s e  fa cturos  male  transponunt —  quasi incerlum  sit^  quid 
sit  arbitrandum.  Allein  so  konstruirt  ja  in  dieser  Gedanken-Form 
Cicero  in  der  Regel !  II  Div.  0,  23  Q,uid  vero  Caesar  ein  putamus 
—  /  quo  cruciatu  vitam  aclii  ru  m  fu  is  s  e  ?  I  Fin.  8,  28  an  nie 
censes  —  haec  dicturum  fu  is  se?  I  Phil.  6  in.  An  nie  cense- 
tis  —  decreturmn  fuisse?  1  N.  D.  27  extr.  Quid  censes  — 
tributuras  fuisse?  Und  wollten  wir  hier  wolü  lieber,  was 
meinen  wir,  dass  sie  b ei  wirklicher  Thatsache  2^?Vr- 
den  gethan  haben'}  als,  —  gethan  haben  würden^ 
übersetzen'?  ohngeachtet  dass  bei  unsrerAccent-Sprache  weit  we- 
niger auftauen  kann ,  als  bei  des  Lateiners  Sonus-Sprache.  Cicero 
schrieb  sicher  hier  entweder  so,  Avie  auch  die  meisten  Codd.  bei 
uns  lesen,  oder  liess,  wollte  er  die  Asseverative  nicht,  fuisse  weg: 
II  Divv.  ep.  17  conimoraturum  me  nusquatn  arbitror  ^  und  unten 
17,  61  ttis  igitur  ßnibus  utendtan  arbilror :  doch  gewiss  hier  lie- 
ber ersteres,  als  letztres.  —  Am  Ende  des  §  taugen  die  Parentlie- 
sen-Zeichen  zu  c7edo  autem  esse  inuUa  nicht \  denn  diesen  Wor- 
ten fehlt  die  innre  Natur  der  Parenthese,  das  Vollende.  —  S.  62 
rauss  wohl  richtiger  so  interpungirt  werden :  Nos  autem  a  te  po- 
tius:  quamquam  etiam  ab  istis  quaesivi;  et  audivi  non  incitus 
equidem^  das  halbe  Kolon  nicht  nach  et  audivi  sondern  vorgesetzt; 
denn  ei  ist  hier,  wie  so  oft,  et  sane^  und  über  equideni  am  Schlüs- 
se des  Satzes  sehe  man  das  zu  Seite  203  zu  Bemerkende.  —  Cap.8 
S. 65  wird  zu  prificeps  est  ad  benevoleittiani  conjnngendam  be- 
merkt, pro  gignit  benevolentiam.  Rariorem  hunc  v.  prin- 
ceps  usum  comp,  cum  Orat.  II.,  87,  356.  Allein  diese  Stelle  ge- 
hört nicht  hierher,  da  es  sich  um  princeps  ad  handelt  Auch 
lässt  sich  p?inceps  nicht  rein  durch  qui  gignit  erläutern ,  son- 
dern gilt  hier  für  primaria  causa.,  erster  Anlas s.,  Haupt- 
anlass:  noch  ist  sein  Gebrauch  so  selten;  denn  beim  ersten  Su- 
chen fallen  uns  folgende  Stellen  in  die  Hände :  Arch.  P.  1  htmc 
Video  mihiprincipem  et  ad  suscipiendam  et  ad ingrediendam 
rationem  horum  studiorum  fuisse ',  X  Phil.  11  princeps  fiiit 
ad  conutum  exercitus  comparandi',  X  Divv. ep.  Vi  ad  omniape^ 
ricula  princeps  esse  non  recusabat\  Sulla  3,  9  neque  enim 
princeps  tunc  ad  salutem  esse potuissetn.  üebrigens  scheint 
diesem  Ausdrucke  das  Griechische  ngcoTEvcov  ia  zum  Grunde  zu 
liegen,  und  ad  für  quoad  zu  gelten.  —  S.  66  ist  das  Urtheil  über 
die  Worte  causa  temporis  gewiss  falsch:  Nostri  codd.  omnes^ 
excepto  —  iustum  horum  vv.  ordinem  pervertunt.,  temporis 
causa.,  quasi  media  enunciatione  legantur.  Dies  ergiebt  sich 
schon  aus  der  einzigeo  Stelle  VI  Diw.  ep.  12  sed  nihil  est  a  me 


Ciceronis  LaeliuB.     Ed.  Gcrnhard.  SOS 

inservitum  temporis  causa.  Auch  leidet  es  keiaen  Zweifel, 
ilass  dies,  nicht  die  Yulgate,  die  wahre  Lesart  ist.  Temporis  be- 
liält  dess  ohii^eachtet  sein  (Gewicht,  so  wie  der  Genitiv  \ot  ergo. 
—  Unmittelbar  darauf  stehen  als  Nachsatz  die  Worte  in  amici- 
tia  untern  nihil  fi  et  um.,  nihil  simulutum;  et  quidquid  in  ea  est., 
id  et  vej'uni  et  coluntarium.  Hier  ist  richtiji;'  id  et  aus  id  est 
corrigirt,  denn  C.  lässt  im  I  Untersatze  c^ern  est  gleichfalls  weg,  so 
bald  es  im  Vordersatze  bei  marquirten  Adjectiven  und  Partici- 
pien  wegfiel :  allein  es  sollte  auch  in  ea  gestrichen  seyn,  welches 
so  viele  Handschriften  nicht  anerkennen,  während  andre  in  anii- 
citia  lesen.  In  amicitia  aiitem  steht  vorausgehend  darum  so  scharf 
vor,  um  dergleichen  Beisatz  unten  entbehren  zu  können.  JNoch 
bemerke  man,  dass  et  hier,  vor  quidquid .,  für  serf,  sed  potius 
steht:  auch  falle  das  so  etwas  vag  stehende  quidquid  in  diesem 
scharfen  Zusammenhange  niclit  auf,  da  es  sich  sonst  weit  vager 
gesetzt  findet.  —  S.  (58  liaben  unsre  Codd.  alle,  nebst  Eyb,  ISi- 
hil  est  enini  vir  tute  u  m  abiliu  s,  statt  dass  die  Vulgate  die  letz- 
ten Worte um!«tellt.  Sonderbar,  dass  des  H.  Codd.  nichts  ändern: 
deini  die  Oxfordcr  Collationen  sind  wegen  ihrer  Ungenauigkeit,  i« 
Betreif  der  WortL^tellung,  kaum  zu  erwähnen.  Dass  aber  die  be- 
zeichnete Wortordnung  die  ächte  ist,  lässt  I  N.  1).  44,  121  glau- 
ben, wo  ganz  dieselben  Worte  in  derselben  Folge  stehen. —  Cap. 
ö  S.  70  ist  in  den  Worten  i7i  hoste  etiani  diligamus  sehr  wahr- 
scheinlicli  etiani .,  das  auch  2  von  unsern  Handschr.  verschieden 
umsteilen,  und  eine  Ste  nicht  anerkennt,  blosse  Glosse.  Man  be- 
tone nur  hoste  scharf:  deiui  auch  Menn  diese  Partikel  \[q\\  stär- 
kern iNachdruck,  für  «r/eo,  trägt,  gehört  sie  nicht  selten  den  Ab- 
schreibern, da  das  auch  der  neuern  Sprachen  häufig  ebenfalls 
mit  Gewicht  gebraucht  wird.  —  S.  12  sind  die  Worte  Quidenim? 
richtig  durch  Frage  von  den  folgenden,  Africanus  ind/gens  mei? 
getrennt.  Doch  wenn  die  sogleich  darauf  stehenden  Minime.,her- 
de!  ac  auch  Gellius  nicht  hat,  so  möchten  wir  sie  gleichwohl 
nicht  missen:  demi,  ausserdem,  dass  durch  sie  die  Rede  an  inn- 
rer Lebhaftigkeit  gewinnt,  tragen  sie  auch  ganz  Ciceros  (ifeist, 
der  sich  gern  so  antwortet,  z.  B.  Ligar.  7,  20  lleprehendo  igilur? 
Mininie  vero.  Ac  aber  bezeichnet  vorwe  ego^-  tu.,  is  quidemindev 
Uegel  unser  ja,  ja  selbst.  —  S.  73  stinnnen  wir  in  so  weit  mit 
der  von  Facciolati  angenommenen  Lesart  r^^  ii — dissenliunt^  statt 
Ab  iis  —  dissentimus.,  dass  zugleich  auch  aus  mehrern  Handschrif- 
ten hi  für  ii  gesetzt  werde,  <la  //  an  der  Stelle  zu  schlaH"  ist.  —  Bei 
den  Worten  apjdicant  sese  klagt  S.  74  der  H.,  dass  es  sich  schwer 
bestimmen  las^e,  quam  legem  in  hoc  pronomine  repetendo  Cicero 
secutus  sit.  \ erstehen  wir  ihn  gehörig,  so  meint  er,  es  lasse 
sich  nicht  leicht  eine  Uegel  aufstellen,  wenn  se  oder  sese  bei  C 
steht.  W  ir  halten  uns  überzeugt,  dass  das  Doj)pelwort  bloss  dem 
Pronomen  dann  INachdruck  geben  soll,  wenn<\s  ihinon  seiner  Stel- 
lung nicht  haben  kann;  wie  auch  der  Fall  bei  tele  ist:  dass  aber 

20  *■ 


304  Römische  Litterat ur. 

se  in  ifewiclitiger  Stelluni^,  >vio  aucli  die  übrii^eii  Pronomen,  ein- 
i'acli  oTt  überaus  starken  JNaclulruck  liabe,  z.  li.  1  Yen'.  25  ne  quid 
in  ipso  se  offenderit .,  wo  sese  tlie  Stelle  nur  sclivvächen  würde, 
etc.  etc.  Dalier  kommt,  wie  richtig  bemerkt  wird,  sese  ipse  nicht 
vor,  (denn  dass  der  sonst  so  umsichtige  Wolf  I  Tusc.  27,  6T  nt 
sese  ipse  videat  schrieb,  möchten  wir  nicht  vertreten;)  da  das 
natürliche  Gewicht  vor  ipse  auf  se  ruht,  es  also  keines  künstlichen 
bedarf :  soll  es  jedoch  auf  besonderra  Wege  noch  verstärkt  wer- 
den, dami  semet  ipse  gesetzt  wird.  Dagegen  braucht  man  nur 
eine  Präposition  vorzusetzen ,  w  ie  III  N.  D.  14,  36  quod  si  ignis 
ex  sese  ipse  animal  est^  sogleich  ändert  sich  der  Fall;  oder  das 
lleciprocum  nach  ipse  zu  stellen,  dann  ist  sese^  besonders  ipse 
yer  sese^  sehr  gewöhnlich.  Würde  nun  an  unsrer  Stelle  se  ap~ 
plicant  gelesen,  wie  wirklich  einige  Codices  bieten,  so  stände  das 
einfachere  eben  so  richtig \or,  als  jetzt  sese  richtig  nachgesetzt  ist. 
Hieraus  erklärt  sich  die  angefVihrte  Stelle  aus  Y  Fin.  11,  30  von 
selbst;  demi  se  kann  dort  nur  durch  die  Verdoppelung  beide  Male 
den  nöthigen  Nachdruck  erhalten.  Eben  daher  können  wir  auch 
das  aufgenommene  sese,  z.  B.  II  Orat.  I,  1  quainqiiatn  non  ita  se- 
s  e  rem  habere  arbitrarentur  nicht  billigen ;  wie  es  überhaupt  in 
der  Formel  Üa  {sie)  se  res  habet  keine  Stelle  findet.  Dass  es 
aber  nicht  selten  den  Abschreibern  gehört,  ergiebt  sich  unter  An- 
dern aus  III  Orat.  39,  102,  wo  es  richtig  gesti'ichen  ist.  —  Cap. 
10  S.  77  Mutari  eiiini  7nores  saepe  dicebat.  Hier  Avird  das  wie- 
derholt gesetzte  saepe  der  nicht  streng  über  den  Ausdruck  >va- 
chenden  freundschaftlichen  Gespiächs  -  Form  zugeschrieben.  Al- 
lein-wer  wih'de  mit  Gruter  gern  den  so  specieller  gewordnen  Satz 
hier  in  einen  breiten  locus  communis  umgetauft  wissen  wollen '? 
Wetz  eis  Hülfe  aber  durch  Yorrückung  des  Komma  nach  saepe 
entsprang  aus  der  Unkunde  der  Ciceronischen  Sitte,  die  gern  sae- 
j)e  vor  das  Yerbum  stellt;  das  übrigens  gar  häutig  wiederholt  steht. 
—  S.  79  scheint,  genau  erwogen,  unter  den  Worten  pestem 
eiiiin  majorem  esse  niillam  amiciliis  das  letzte  der  Glosse  an- 
zugehören. Denn,  ausser  dass  die  meisten  Handschriften  nocli  in 
beilugen,  verliert  nnllam  sein  wegen  seiner  übrigen  Stellung  nöthi- 
ges  Gewicht ;  der  Satz  wird  olnie  Noth  speciell ,  da  er  besser  all- 
gemein gestellt  wäre.  Ueberdies  ging  in  amicitia  gleich  vorher, 
und  im  Nachsatze  folgt  wieder  amicitias.  —  S.  81  stellen  aucli 
zwei  unsrer  Codd.  sed  odia  etiam  um :  wir  würden  etiam  grade  zu 
streichen,  da  es  nach  non  modo  so  häutig  dem  sed  angeflickt  wii'd, 
die  Stelle  dadurch  dem  Ohre  weit  empfehlbarer  wird,  aucli  über- 
dies der  Abschreiber  supplirende  Hand  in  dem  eingeschobnen  ma- 
xima  atque  sich  thätig  bewies.  Hierzu  kommt,  dass  der  Nach- 
satz sich  jetzt  auf  dieselbe  Weise  zu  monoton  construirt.  Sed  odia 
etiam  würde  etwas  Schleppendes  haben.  —  Cap.  11  S.  84  ist  zu 
den  Worten  Nulla  est  igitur  in  der  Note  nichts  weiter  als  Vim. 
gesetzt,  das  üebrige  ausgefallen,  ohne  dass  in  den  Äddeudis  et- 


CIccronis  Laclius.     Eil.  Gcrnlianl.  305 

was  bemerkt  wird.  3Iaii  snpplire,  est  i^)iorat:  denn  dieser 
('ode\  kennt  das  Verhiini  subst.  nicht.  —  S.  87  miisstc  wohl  das 
so  irappant  mit  der  Parentliesc  einsprinirendc  sie  bedaubiijt  wer- 
den. Leiser  tritt  es  oben  1,  5  ein:  veiirl.  Orat.  5,  IS;  l  Tuso.  7, 
14.  —  S.  Hü  ist  mit  Tnreclit  naili  Facciolalis  IJeispiel,  und  anf 
Krnestis  Zweifel,  der  bei  c/  ^hiiiht,  Aaü  mhiiim\  ace/rime  \c>ic\i 
zu  müssen,  dieses  et^  ^or  jiüiiiine  liiiic  (jiiidemf rater  ejus^  geireu 
alle  bekaimten  Codices  gestrichen.  Kt  hat  nämlich,  auch  ohne 
>orhergehende  INegation,  nicht  seilen  die  leisere  Adversative  un- 
seres doch,  vgl.  11  Fin.  3,  J),  und  muss  mit  (piideyn  verbunden  ge- 
dacht werden,  welches,  um  ttiiic  zu  heben,  diesem  hier  nachge- 
setzt ist.  Sonst  kommt  et  viiniine  (/ttidem^  doch  nichts  we- 
niger als  das,  häuiig  vor.  —  S.  J)l  nmsste  in  den  Worten 
liimc  eliain  post  mortem  seculi  amici  et  propiiiqiii  quid  in  P. 
Scipionem  effecerint^  sine  lacrimis  non  queo  dicere  die  Les- 
art in  F.  Scipione  als  die  allein  richtige  anerkannt  und  be- 
nutzt werden ,  die  auch  zwei  der  besten  Codd.  bei  uns  sichern. 
Man  A ergleiche  nur  XIY  Phil.  3  Befiigit  aiiimns^  eoqiie  dicere  re- 
formidat^  quae  L.  Antonius  inParmensiian  liberis  et  coiiiu- 
gibus  effe  cerit.  Diese  Stelle  beseitigt  alle  weiteren  Zweifel. 
Kfßcere  in  aliquo  steht  hier  für  committere ,  imd  entspricht  un- 
serm  Ausdrucke,  an  einem  verüben.  —  Kurz  darauf  war 
nothwendig  mit  3  Handschriften  des  II.  und  andern  bei  uns  de 
C.  autem  Gracchi  tribunutu  umzustellen,  da  bekanntlich  Cicero 
die  Partikeln  zwischen  die  Nahmen  ein ,  diesen  nicht  nach  setzt. 
Dies  ist  so  sichre  Regel,  dass  wir  bei  ihm  keine  Aivsnahme  weiter 
keimen.  —  S.  92.  Auch  unsre  Handschriften  erkennen  qrte  bei 
7m/lt  ilndinisqne  nicht  an^  währendes  andre  in  e^  verwandeln.  Wir 
haben  schon  oben  von  der  Liebe  des  Laelins  zu  den  Asyndctis  ge- 
sprochen; man  entferne  auch  hier  die  Partikel.  Hierzu  kommt, 
dass  in  dem  angefülirten  Beispiel  aus  Caecil.  I4ft  45  ebenfalls  von 
■videre  videor  zwei  Sätze  ohne  IJindung  abhängen,  wenn  mau  es 
bei  Cicero  selbst  vergleicht.  Gleich  darauf  würde  vor  Plures  enim 
besser  ein  Kolon  slehii.  —  S.  95  müssten  wir  bei  den  Woiten  in 
exsiliinn  expnlsns  esset  sehr  irren,  wenn  oxptihus  zusammt  den 
Varianten  pnlsus  und  missus  nicht  supplirende  Glosse  ist,  die  dann 
beigelugt  wurde,  nachdem  isset  in  esset  a  erdorben  war,  wie  schon 
Lange  zu  ändern  rielh  ;  welclier  jedoch  die  gute  S;u:hc  damit  wie- 
der zur  schlechten  machte,  indem  er  zugleich  pnlsus  isset  em- 
pfahl, wie  C.  in  diesem  Zusammenhange  gewiss  nicht  geschrieben 
haben  würde.  —  Auch  möchte  kurz  vorher  nach  liberassct  wohl 
et  aus  dem  Texte  gefallen  seyn ;  wir  wenigstens  fnulen  ohne  das- 
selbe die  Stelle  un!)eholfen.  Denn  wenn  auch  nach  (jf'y/ ein  Kom- 
ma gesetzt  v\ird,  es  wird  ihr  das  (.'ezwunffne  «loch  nicht  benom^ 
men.  —  S.  !Mi  möchte  wohl  über  tue  ans  III  Legg.  10,  24,  I^wn 
islo  modo  rcl  ronsu/ul/is  ritupcrdb/lis  r.s7 ,  angeführte  Stelle  das 
L'rtheil  zu  schnell  gelullt  scyu!  Denn  erwägt  der  IL,  dass  so  esl 


306  Römische  Llttcratur. 

unnütz  wird,  da  es  der  Nachdruck  auf  dem  Adjectiv  ersetzt;  (zum 
Herauswerfen  giebt  es  kein  Hecht;)  berücksichtigt  er  zugleich, 
dass  die  bequemste  Lesart  darum  noch  nicht  die  richtigste  ist; 
fügt  er  liinzu,.  dass  vituperabiUs^  ein  Liebiingswort  der  Abschrei- 
ber, schwerlich  so  verdorben  wurde:  dann  sind  noch  immer  die 
Gründe  nicht  gehoben,  die  vihiyeretur  vor  den  andern  drei  Les- 
arten empfehlbar  machen.  Selbst  vel  springt  dadmch,  dem  Zu- 
sammenhange gemäss,  schärfer  Iienor.  —  Cap.  12  zu  Ende  und 
Anf.  13  S.  97  verdient  die  Stelle  genaure  Berücksichtigung,  Mihi 
autem  non  minori  curne  est^  qnaiis  respublica  jiost  mortein  meam 
futiira  sit^  quam  qnaiis  hodie  sit.  Haec  igitur  prima  lex  amici- 
tiae^  iit  etc.  Betrachtet  man  diese  Worte  genau,  so  vermisst  man 
zu  dem  letzten  Satze  das  \  erbum  substantinmi,  während  dass  sit 
nach  Äorfee  unangenehm  nacldiinkt,  und  doch  bei  seinem  Satze  nicht 
gut  entbehrt  werden  kann,  um  es  lierüber  zu  zielm:  denn  Sit  haec 
igilu?mxiss  sehr  wahrscheinlich  gelesen  werden.  Es  sey  fol- 
gendes somit  das  erste  Gesetz  bei  der  Fr.  Nun  schreibt 
Eyb  sit  hodie^  und  so  scheint  die  reine  Lesart  zusammenzutreten. 
Manschreibe:  quam  qualis  sit  hodie.  Sit  haec  igitur  etc. 
Das  in  drei  Worten  zweimal  wiederkehrende,  und  kurz  zuvor  ste- 
hende sit  setzte  die  Abschreiber  in  Verlegenheit.  Hodie  am  En- 
de des  Satzes  ist  nicht  sogar  selten,  z.  B.  X  Divv.  ep.  24  quod  vivit 
Antonius  hodie.  —  S.  98  hätten  wir  in  den  Worten  consilium 
vero  dare  gaudeamus  libere  das  mit  Recht  vorgezogne  audea- 
mus  sicher  aufgenommen ;  m  enn  auch  ans  keinem  andern  Grunde, 
so  doch  um  C.  von  einem  Ausdrucke  zu  befreien ,  den  in  der  Pro- 
sa zu  brauchen  ihm  nicht  in  den  Sinn  kam.  Dagegen  kann  man 
beim  wagen  ängstlich  und  befangen seyn ;  dies  will  C. durch  das 
beigefügte  Z/Äere  entfernt  wissen,  und  darum  setzt  er  auch  sonst  au- 
dacter  und  libere  verbunden.  Wie  schlecht  passt  dagegen  dieses 
libere  hier  zu  gdkdea7mis  !  —  S.  99  musste  der  Grund  des  Geni- 
tivs  bei  satis  superque  esse  sjiarum  cuique  rerum  angegeben  wer- 
den; denn  eben  die  Unkunde  desselben  schob  curani  ein;  auch 
kehrt  bei  C.  diese  Structur,  so  viel  wir  wissen,  nirgends  wieder. 
Livius  25,  32  hat  sie,  Spes  erat  satis  super que  ad  id  viri- 
um  esse.  Dieser  Casus  hängt  nämlich  von  dem  scharf  betonten 
satis  ab.  Super  que  ist  so  nachgesetzt,  w  ie  niulto  bei  post  multo., 
post  paullo ,  post  aliquanto  etc.,  und  steht  für  super  quam  satis 
est.  —  S.  102  halte  man  die  Construction,  Neque  enim  est  con- 
sentaneum.,  nicht  für  fehlerhaft,  verleitet  durch  andre,  aber  scharf 
geschiedene, z.B.  I  Off.  20,  68  No7t  est  autem  consentaneum.  Die 
asseverative  Partikeln  -  Junctur  Neque  enim  fordert  sie,  wie  bei 
I  Orat.  50,  215  Neque  enim  est  interdictum ;  II,  28,  124  Neque 
enim  est  boni  neque  überaus  parentis.  Eben  daher  ist  S.  105  bei 
Neque  enim  sunt  isti  audiendi .,  sunt  festzuhalten,  ob  es  gleich 
auch  eine  unsrer  Handschriften  nicht  kennt,  cf.  I  Orat.  29 ,  133 
neque  enim  sumus  nimis  avidi;  48,  208  neque  enim  sum  de  arte 


Ciceronis  Laclius.     EJ.   Gernluird.  307 

dictiirus.  —  S.  103  sind  die  Worte  qvi  [et  is)  profeclo  —  arhi- 
Irnnuir  ohne  INotli  in  AoUe  raroiitlu-seijezoijen.  Llebrisfcnsniusste 
die  (Jonsli-uotion  «les  foljreiulcii  qiiae  vousa  est .,  cur  — ?  (vstatt 
tlesseii  C.  liäufiiier  quid  vaiisae  e.s/ ,  cur  schreibt)  mit  dem  vor- 
herffehenden  si  in  Vcrbiiulnnjr  behandelt  m  erden.  Man  Acr£:lei- 
clie  die  äluiliche  Stelle  1  Inv.  3!>,  70  Qtwdsi  ros,  hidices^  legibus 
obtcmpcrare  debetis ,  —  quid  cnu.sae  eat ,  quin  istum  contra  le- 
gem feciase  iudicetis?  —  Cap.  14  S.  lOS  mnss  Quod  si  illud 
et  in  m  addimus  mit  mehrern  Codd.,  auch  den  unsern,  gelesen  wer- 
den,  statt  etiam  illud:  deini  in  der  gemeinen  Stellnng  hing 
etiom  mit  Quodsi^  das  keine,  ausser  höchstens  adversative  Par- 
tikeln, duldet,  zusammen,  und  mi'isstc  dann  für  Glosse  gelten; 
vgl.  zu  111  Fin.  15,  50.  Ausserdem  sehe  man  V  Divv.  ep.  2  /4d- 
fluni  illud  etiom.  —  S.  109  verlangen  die  Worte  tarn  olliciat  et 
iani  attrahot  anspielenden  Bezug  auf  den  Magnet,  I  Div.  39,  86 
Ut  si  mogneteni  lopidem  esse  dicam.,  qui  ferruni  alliciat  et  at- 
trahat.  —  S.  111  scheint  der  erste  Gothaer  die  wahre  Lesart  an- 
zugeben, Atque  videnlur  mihi  quid eni.,  ja  es  scheint  mir  wenig- 
stens als  ob  die^  welche  :  denn  in  der  Yulgate ,  Atque  etia?n  ini~ 
hi  quidcm  videntvr ,  ist  wenigstens  etiarn  falsch ,  das  mit  Atque 
verbunden  stets  intensiven  Sinn  hat  und  unsrem  j  a  sogar  gleicht. 
Gleich  darauf  wäre  richtiger  ntilitatum.,  a\s  utilitatis .,  geschrie- 
ben worden.  So  kommt  es  nämlich  nicht  bloss  8,  20  vor,  sondern 
auch  9,  32 ;  20,  75.  Auch  sehen  wir  nicht  den  geringsten  Grund, 
warum  es  hier  nicht  eben  so  stehen  soll.  Es  gilt  für  commodoruni 
oder  opportunitatum.,  wie  aucli  beide  Substantive  damit  vereint 
gesetzt  werden  I  Fin.  10,  34;  II  N.  D.  22,  58.  —  S.  112  nihil 
umquarn  omnino  deesse  amicis.  In  diesen  Worten  erkennen  auch 
zwei  unsrer  Handschr.  omnino  nicht  an,  und  auch  wir  glauben  es 
nicht  an  rechter  Stelle :  wenigstens  steht  Balb.  14,  33  Nihil  om- 
nino  umquam  passender.  Seine  vielfaclie  Umstellung  lässt  es  iiber- 
dies  hier  als  Liickenbiisser  nicht  verkennen.  Man  übersetze  die 
ganze  Stelle:  Ja  ich  weiss  nicht  ob  es  selbst  gut  seyn 
würde,  dass  Freunden  nie  etwas  abgehe,  und  ac- 
centuire  n  i  e.  Der  griechische  Sinn  des  vorhergehenden  opzis 
sit  hätte  nichtsollen  übergangen  werden.  — •  Cap.  15  S.lV^Haec 
est  enini  iyrannorum  rita.  So  wurde  mit  dem  2ten  Gothaer  ge- 
lesen, und,  wie  wir  glauben,  mit  Kecht:  denn  in  der  Stelle  liegt 
Asseveration ,  und  unser  bester  stimmt  ebenfalls  dafür.  Man  ülier- 
setze:  Das  ist  nämlich  der  Tyrannen  Leb  ensweise. 
Die  Vulgate  Haec  cnim  est  ist  indess  auch  nicht  geradezu  zu  ver- 
werfen :  Ein  solches  Leben,  wie  dieses,  ist  das  bei  Ty- 
rannen. —  S.  !]5  tum.,  e.rsulantem  se  vidisse  —  quum  iam. 
Zu  dieser  richtig  anerkannten  Construction  und  ächten  IlandC-s, 
welche  mit  unserm  dann  erst  —  als  bereits  zusammen- 
fällt, vergleiche  man  \II  Att.  ep.  11  ctii  tum.,  quum  iam  in 
urmis  essemus.,  consulatus  ultcr  —  deferebatur.  —  S.  118  war 


Römische  Littcratur. 

wohl  bei  spernique  die  Copnla,  welche  so  viele  Co<kl.,  auch  3  der 
unsri^eii,  niclit  keimen,  zu  streichen.  Wir  hal)eii  wiederholt  schon 
der  Neigung  zu  den  As^ndetis  im  Style  des  Läiius  Erwähmmj?  ^e- 
tlian.  S.  119  ist  es  dcju  Zusammeiihaupe  uacli  uiigewiss,  oh  die 
Wortstelluni^  ejus  csl  eiiiin  istoruin  quidqtie^  qni  vinclt  viribus^ 
bei  est  eniin  wirklich  von  Ciceros  Hand  ist:,  denn  das  Gewicht 
kann  auch  aid ejus  hier  ruhen,  und  dann  wVirde  enim  est^  die  Vul- 
gate,  vorzuziehen  seyn :  dem  uämlicli  geliört  jedes  von 
diesen  Dingen  an,  der  an  Kräften  überlegen  ist. 
Doch  ist  die  aufgenommene  Stellung  lebendiger,  dem  gehört 
j  a  j  e  d  e  s  von  diesen  D  i  n  g  e  n  a  n  u.  s.  w.,  auch  w  ird  sie  von 
unserm  besten  Codex  bestätigt.  —  Cap.  16.  S.  120  Co7istihiendi 
sunt  aiitein^  qni  sint  in  amicitia  fines  et  qjiasi  tennini  diligendi. 
Statt  des  mit  Cod.  A  umgestellten  sunt  mitem  würden  wir  lieber 
sunt  ganz  streichen;  denn  es  ist  keine  sonderlich  fürs  Ohr  em- 
pfehlbare Schreibweise  S7int  autem^  qui  sint:  auch  rundet  sich 
mit  Entfernung  des  sunt  die  ganze  Stelle  freundlich  ab :  siehe  un- 
ten 21 ,  18  Cavendum  vero ,  w^o  richtig  est  gestrichen  ist.  —  S. 
122  muss  wohl  vor  vehementius  ein  Semikolon,  und  vor  nndtaque 
bloss  ein  Kolon  stehen,  da  que  colligirenden  Sinnes  ist.  S.  123 
Hoc  quidein  est  exigue  et  exiliter  ad  colculos  vocore  ojnicitiam. 
Die  Yulgate  hat  mit  den  meisten  Handschriften ,  und  allen  alten 
Drucken,  nimis  exigue^  und  bloss  ein  paar  Codd.  bei  Manutius 
lesen,  in  sehr  gewöhnlicher  Verwechselung,  minus:  aucli  zwei- 
feln wir  gar  sehr,  dass  der  H.  Recht  that  niniis  zu  streichen,  mit 
dem  vielmehr  Ciceros  Eigenthümlichkeit  verwischt  zu  seyn  scheint : 
denn  dieser  liebt  das  Wort,  und  setzt  es  häufig  zu  Substantiven, 
Adjecti^en,  Verben,  und,  wie  hier,  zu  Adverbien.  So  schreibt 
er  niniis  cito  II  Divv.  ep.  16 ;  7iiniis  stulte  und  jiiniis  impudenter 
ebendaselbst  \II  ep.  17;  ?iimis  verecunde  \III  ep.  2.  Wem  sollte 
da  noch  niniis  exigue  etc.  mit  Recht  aulFallen  dürfen*?  W-ir  neh- 
men daher  neuerdings  dieses  nicht  nur  hierin  Schutz,  sondern 
auch  das  ohne  Noth  getadelte  niinis  — pudet  zu  I  Legg.  19,  das 
mit  gleichem  Rechte  steht,  wie  II  Phil.  41  nimis  —  constat^  und 
berufen  uns  zugleich  auf  Garatoni,  welcher  an  angeführter  Stelle 
bereits  Jiiniis  nicht  nur  als  Verstärkungs-Wort  richtig  anerkannte, 
sondern  auch  dasselbe,  gleich  uns,  von  den  Absclireibern  oft  ver- 
nachlässiget fand,  siehe  zu  I  Fin.  18,  57. —  Gleich  daraufhätten 
wir  auf  gleiche  Weise,  wie  der  II.  Parad.  VI,  3,  50,  divitior  statt 
ditior  geschrieben,  welches  auch  3  Codd.  von  uns  begünstigen, 
und  was  auch  zweimal  I  Rep.  17  und  32  vorkommt.  Schon  die 
magis  prisca  latinitas  Laelii  forderte  dieses  ungekiirzte  Wort, 
dessen  Superlativ  auch  sich  II  Off.  17  in.  findet.  —  Auf  gleicher 
Seite  noch  Miirde  die  Stelle  neque  enim  verenduin  est ,  ne  quid 
excidat^  aut  ne  quid  in  terram  defluat  missverstanden.  Fac- 
ciolati  erklärt  in  terram  defluat  durch  sine  gratia  sit.  Gruter 
wollte  die  Worte  ne  quid  in  terram  defluat  herauswerfen ;  Schütz 


Ciccronid  Laelius.     Eil.  Gernhard.  309 

hat  im  Gejrentlieil  Lust,  den  Worten  ne  quid  c.rr/'dai  out  ^loirlies 
Ciesrhick  aiiziithuii.  Der  II.  niinint  sie  in  Schutz,  luul  bemerkt 
Folgemles:  -ll  e.v  cid  it nt  res  de  mniitbus  Improriso^  cum  teue- 
re velles:  de  flu  mit  prae  abintdaiüla  qnne  contineie  nun  pos- 
s/s,  fd  liücluvo^  (tut  prae  laiii^nore  uc  moUilie ^  iit  XII  Phd.  3, 
8.  /  Cm.  (>  e.vtr.  IIa  qiiae  oratori  voncedenda  s?int  non  mirabe- 
ris^  nbi  esilis  iila  acquaUlatis  cura  in  reddciidis  benejiciis  yer- 
st/ingitf(r.  Armer  Cicero!  was  soll  aus  dir  werden,  wenn  eine 
solclie  Tetras  virorum  DD.  so  mit  dir  Aerlaliren  will!  Cicero  will 
eaffen,  Aon  cnini  in  fneliendis  amicifiae  officiis  ac  benejiciis  jfor 
ratio  est  c n ui  ni e nsji r is  aridor u m  fl n i d o  r u viqne .,  e 
qiiibvs  siipra  7nodiim  con^esta  e.iridant  atqiie  dejlunnt.  Auf  die- 
sen üoppehergleidi  kam  er  durch  das  Streben  nach  g^leichen  Ke- 
den:liedern.  Er  hatte  oben  offivia  und  vuluntalos  verhunden;  jjeht 
darum  exigue  et  esiliter  —  acceptontm  et  dafor?an  —  divitior  et 
affluentior  fort,  und  koinrat  so  g^anz  natiiriich  auf  escidat  ant  de- 
ßuat. —  Das  unmittelbar  folgende  out.,  in  den  Worten  «?//  ne  plus 
aequo  quid  in  amicitiam  congeratnr.,  steht  für  aut  omnino.,  und 
das  %om  II.  mit  dem  zweiten  Goth.  g'cstricline  quid  möcliten  wir 
in  diesem  Zusammenhange  durchaus  nicht  missen.  —  S.  ]24 
quanti  quisque  se  ipse  faciat.  Aus  diesen  Worten  keimen  3 
llandschriften  bei  Mannt,  und  2  von  uns  ipse  nicht,  andre  beim  IT. 
und  bei  uns  stellen  es  um.  Wirspraclien  oben  von  der  Schärfe  des 
einfachen  se  an  rechter  Stelle,  und  so  kehrt  es  auf  derselben  Seite, 
qualis  ille  in  se  est^  mit  INachdruck  wieder.  Hier  maclit  es  der 
Acceut,  der  durcli  die  Opposition  auf  dasselbe  nocli  Viberdies  fällt, 
für  sich  allein  stellend  stärker,  als  mit  ipse  verbunden.  —  Zu  dein 
tiefer  fol^renden  eniti et  efficere  musste  IV  Pliil.  ß  quantum  eni- 
ti  atque  cffic er  e  potero.,  und  XIII  Divv.  ep.2J)  enitare.,  con- 
tendas^f  efjicias.,  verglichen  werden.  —  S.  127  war  bei  tam- 
qnain  ansas  ad  reprehendenduni  zu  bemerken,  dass  i).  um 
deswillen  tamquam  zu  ansas.,  g^g^'i  seine  sonstige  Gewohnlieit, 
(Caecin.  0,  17;  Plane.  34,  H4;  Sext.  10,  22)  anfügte,  um  /e- 
prehendere  im  eigentlichen  Sinne  gefasst,  und  so  in  schärfere  Tro- 
pe gesetzt  zu  wissen. 

Doch  wir  würden  unsre  Bemerkungen  selbst  zu  einem  13uclie 
anwachsen  lassen,  wenn  wir  mit  gleicher  Genauigkeit,  wie  zuletzt, 
das  Einzelne  berücksichtigen  wollten:  wir  gehen  zu  Cap.  17  Seite 
133  vor,  wo  in  den  Worten  iudicare  difficile  est  sane.,  7iisi  ex- 
pertuin.,  mit  der  Asc.  2  und  der  Leidner  Ausgabe  est  gestrichen  ist. 
JNun  ist  nicht  zu  leugnen,  dass  besonders  in  Epiphonemen,  wie 
hier,  C.  heifari/is  und  difficilis  das  Verb,  subst.  weglässt,  I  Off. 
19,  64  scd  quo  dijjiri/ius.,  hoc  praeclarius  ;  auch  kehrt  in  3  Zei- 
len est  dreifach  w  iedir:  doch  ist  auch  die  dreifaclie  gleiche  Asse- 
>erative  nicht  abziiUMigncn ,  und,  in  diesem  Falle  ist  die  öftere 
AN  iedtrholung  des  est  nicht  selten.  Es  findet  sicli  selbst  die  gan- 
ze Construction  11  l'hil.  24  difficilis  est  sane  reprehcnsio et 


310  Römische   Litteratur. 

lubrica^  uiul  sonst  auch,  wieder.  Wir  können  dalier  dieses  Her- 
auswerfen ohne  alle  Handschriften  hier  nicht  büliiicn.  IJcberhaupt 
darf  das  mehrfach  gesetzte  est  dann  niclit  anfiallen,  wenn  es  sich, 
wie  liier  zweimal,  in  der  Aussprache  mit  seinem  Worte  gleichsam 
amalgamirt.  —  S.  ]35  musste  eine  völlig  unlateinische  Partikel- 
Verbindung  in  den  Worten  Sin  vero  eriint  ciliqui  repe/li  kor- 
rigirt  werden,  die  sich  auch  der  Grammatiken  bemächtigt  hat,  vgl. 
Znnipt.  2(54,  3te  Ausg.  (Ramshoi-n  ist  vorsichtiger  p.59«.)  Sin  ve- 
ro nämlich  ist,  bei  Cicero  Menigstens,  niigends  zu  finden,  auch 
wohl  sonst  bei  keinem  guten  Lateiner.  Turs ellin.  Partt.  p.  707 
führt  Columella  an ,  doch  kennen  wir  auch  bei  diesem  das  einzi- 
ge angezogne  Beispiel.  Genug,  wass  soll  liier  Siii^  da  kein  si  a  or- 
her  ging,  auch  sich  nicht  suppliren  lässt*?  Facciolati,  welcher  Si 
liest,  hätte  den  H.  leicht  warnen  können.  —  Cap.  18  S.  140  muss- 
ten  vorerst  die  Worte  Nihil  eiiim  stabile  est^  (juod  infiduni  est^ 
nicht  als  Vollsatz  sondern  als  Nachsatz  interpungirt  Averden  :  dann 
war  das  doppelte  est  bei  ihnen  zu  streichen,  I  Off.  14, 44  nihil  enim 
liberale^  quod  non  idem  iustum^  vgl.  Beier  zu  der  Stelle.  Denn 
das  vordere  kennen,  nebst  Eyb,  die  besten  Handschr.  nicht,  an- 
dre aber  stellen  es  melft*artig  um :  letzteres,  zugleich  mit  jenem, 
erkennt  unsre  voi'ziiglichste  Jiicht  an.  —  Auf  derselben  Seite  ha- 
ben alle  unsre  Handschriften,  nebst  Eyb,  eisdem  rebus  move- 
tur^  natura  que  consentit.  Auch  sollte  gleich  darauf  das  doppelte 
mit  festgehalten  seyn.  Denn  wenn  auch  zum  eilen  einmal  mit  von 
Abschreibern  so  eingesetzt  wird,  so  thun  sie  dies  doch  selten,  und 
schwerlich  in  Stellen  wie  hier,  und  I  Acadd.  11,  39  nee  vcro 
aut  quod  efficeret  aliquid^  aut  quod  efficeretur^  posse  esse  fion 
corpus;  V  Fin.  21,57wec  vero  iniermittuiit  aut  ndmiratio- 
nem  aut  investigationem  rerum  iiovaruin.  —  C  19  S.  145  JStec 
modo  in  hoc ,  —  sed  —  consuetudo  valet.  Die  meisten  Hand- 
schriften lesen  statt  modo^  vero:  diese  Lesart  musste  anerkannt 
werden,  denn  sie  ist  die  ächte.  Nicht  selten  geht  nämlich  ('.mit 
Nee  vero  über,  und  ?nodo  wird  dabei,  wenn  sed  folgt,  gedacht. 
II  N.D.  29,  74  Ne  c  vero  hoc  in  te  unum  convenit  — .•  sed  etc.; 
ibid.  (>4, 1(>2  Nee  vero  strpra  terram^  sed  etiam  in  intimis  ejus  . 
tenebris  etc. ;  I  Off.  8,  25  u.  s.  w.  Im  näclisten  Puncte  vorher  ist 
aus  dem  einzigen  Pithoeanus  die  Lesart  Quin  ipso  equo,  statt  ^^il- 
que  in  ipso  equo^  aufgenommen,  und  wir  glauben  mit  Hecht:  denn 
dieses  Quin  vexirt  die  Abscln-eiber  nicJit  wenig.  Z.  B.  II  Flui.  29 
extr..  Quin  his  ipsis  tejnpnribus,  ist  es  allein  aus  dem  Vat.  rich- 
tig anerkannt ;  alle  andre  Handschriften  haben  Quippe  in  his 
etc.  —  Cap.  20  S.  147  setzen  viele  Handschriften  (dieunsrigen 
alle)  zwischen  imperliant  suis^  ea  ein,  welches  auch  Eni.,  mit 
allen  seinen  Nachtretern,  aufnahm.  Es  ist  von  ('iceros  Hand,  und 
ihm  nicht  mit  Hecht  vom  H.  wieder  entzogen.  Denn  diese  Neu- 
tra, die  das  vorhergehende  Einzelne  in  einen  ('ollectiv  -  Begriff 
sammeln,  sind  bei  C.  gewöhnlich,  und  gehören  den  Abschreibern 


Cicer  onis  L  aclius.     Ed.  Gcrnliard.  311 

sicher  nlclit  zu.  Beispiele  dieses  Gebraticlis  finden  sich  von  al- 
len Dcinonstrativ-rronoruen  in  jMenj5;e.  —  S.  14!>.  \  on  den  Worten 
mvUo  profecto  ma^is  ven's  in  patribus  kennen  profecto  2  misrer 
Handschriften  nicht,  andre  stellen  es  um.  ISicht  zu  läugnen  ist 
es  überdies,  dass  wirklich  C  in  solcher  Verbindung  eigentlich 
imilto  eliam  ma^h  schreibt.  Endlich  ist  yvq/er/o  in  dieser  Stcl 
Inng  sehr  entbehrlich,  da  das  Gewicht  nicht  in  mogis^  sondern 
in  veris  ruht.  —  Cap.  20  S.  150  ist  in  der  Stelle  quod  ofßciose 
et  amice  et  cum  h/bore  wohl  ohne  allen  Streit,  wie  bereits  schon 
Grnter  vermuthete,  cl  amice  durch  Glosse,  zu  ofßciose  gehörig, 
entstanden,  mul  daher  zu  streichen.  Schon  treten  an  sich  diese 
"Worte  sehr  lahm  zwischen  ein:  dann  wird  durch  sie  die  Gleich- 
lieit  der  Glieder,  ein  wichtiger  Puiict  bei  Ciceros  kritischer Beur- 
theilung',  g:estört,  da,  ohne  sie,  qiierunlur  und  ofßciose^  expro- 
hrant  und  cum  labore  ^  sich  entsprechen.  —  S.  ]r>4  i'olg.  ist  die 
KUipse  bei  quinegligendi  quidem  non  sunt.,  sed  olio  quod  am  ino- 
do  etwas  hart,  durch  die  curandi  hinzuzudenken  nöthig  wird  :  doch 
ähnliches  Verhältniss  ist,  w  enn  nach  7^e^fl/•e,rf^cere  verstanden  wer- 
den muss  u.  s.  Av.,  siehe  Beier  zu  III  Off.  2,  9.  —  Cap.  21  S,  158 
Tales  igitur  amiciliae  sunt  remissione  ?/s?is  eluendae.  Nicht  übel 
wäre  dilueudae^  wenn  es  die  Codd.  so  wie  Lambin  begünstif^ten: 
dann  hätte  hierbei  Cicero  Catos  folgende  Aeusseiung  bereits  be- 
rücksichtigt. Docli  auch  eluendae  hat  seinen  Werth.  XII  Phil.  6 
L't  centurionum  legionis  Martiae  Brundisii  profusus  sangttis 
eluutur^  num  elui  ejus praedicatio  crudelitatis  poterit'f  So 
wurde  jüngst  richtig  aus  dem  Vat.  gelesen;  nur  durfte  e/z/s  dabei 
niclit  w  egfallen.  S.  101  w  ar  die  Aenderung  des  e  in  ex ,  in  den 
W  orten  e  quibus  jurgia  —  gignuntur ,  nicht,  glücklich ;  denn  zu 
gigvi  wird  nie  ex ^  sondern  stets  e  gesetzt,  z.  B.  II  N.  D.  11,  29; 
12.  33 ;  19,  50;  47,  120.  Gleicher  Fall  ist  mit  7insci,  oriri  e,  und 
ähnlichen.  A\  enn  aber  der  H.  Ern.,  dass  er  e  schrieb,  und  Schütz, 
dass  er  Folge  leistete,  mit  den  Worten  tadelt  quasi  sigjiificet  se- 
cundu  m  quae:  so  fügen  wir  hier  nichts  bei,  als  dass  derselbe  mit 
dieser  Präposition  sehr  in  Irrthum  ist!  —  S.  162?^^  is  in  culpa  sit^ 
quifaciat^  non  qui  paliatur  iniuriam.  Wie  Cic.  et  is  —  et  is^  nee  is 
—  7iec  ^s,  ?ion  is  —  sed  /'s,  mit  wiederholtem  Pronomen,  sehr  gern 
schreibt,  so  ebenfalls  ntis  —  ?ionis^  z.B.  I  Off.  25,  87:  daher  war 
letzteres  auch,  von  den  meisten  Handschriften  bestätigt,  als  acht 
anzuerkennen. —  Gleich  darauf  muss  wohl  0  7nnium^  in  den  Wor- 
ten Omnino  omniuju  horum  vitioruni  alque  incommodorum  una 
caulio  est^  mit  mehrern  Handschriften,  während  andre  es  umstel- 
len, gestrichen  werden.  Die  Abschreiber  sind  an  das  abrupt  ge- 
setzte Omnino^  das  doch  liei  C.  so  häufig  ist,  nicht  gewöhnt,  und 
bessern  vielfacl»,  ihrem  Gefühl  gemäss,  na(-h,  Omnino  omniuni 
ist,  wcjin  wir  nicht  ganz  Irren,  zu  Anfang  des  Vollsatzes  ohne  Bei- 
spiel. —  S.  103  sind  mit  Hecht  die  Worte,  et  quidem  omuiaprae- 
cUira  rara  ;  ausser  der  Parenthese  gestellt ;  denn  Garatuiii  bemerkt 


312  Kümischc    Littcratur. 

zu  Plane.  13  p.  T9  Orell.  sehr  riclitig,  Et  qtiidcmisi  coiißtejitis 
in  responsione  ^  sie  nt  obiccüonein  in  suam  rem.  trahat.  Kben 
darum  musste  ahcr  aucli  hier  vor  Et  aoII  iiiferj)uiii:;irt  werden. — 
S.  Ifiö  verinudieu  wir,  dass  in  den  Worten  Quod  nisi  ideni  in  ami- 
citiam  transferatur^  verns  amiciis  nutnqiuun  reperic'liu\  die 
Lesarten  der  Codd.  von  den  Interpreten  nicht  genau  angegeben 
wurden :  denn  2  unsrer  besten  bieten  tranfei  etur^  während  2  an- 
dere tranferretiü\  aus  jenem  verdorben,  lesen.  Dieses  Fut.  ist 
wegen  des  folgenden  reperietur  vorzuziehn,  da  C.  zwei  soldie  Fn- 
tura  gern  aufeinander  folgen  lässt,  die  häufig  von  Abschreibern, 
wie  Interpreten,  in  Anspruch  genommen  und  verwahi-lost  werden. 
So  musste  z.  B.  1  Legg.  14,  41  faciet  et  metietur  ^  statt  facit  et 
inetitur^  verbessert  werden,  so  III  Off.  4,  19  sequeniur  —  rece- 
demus^  wo  andere  Codd.  ebenfalls  sequamur  uiul  sequeremur  le- 
sen; ibid.  5,  T^parebant  —  volenti  wo  Hr.  Gernhard  das  falsclie 
volunt  selbst  corrigirte.  Gleiches  hätte  Cat.  Maj.  11,  38  bei  quod 
qui  sequi tur  corpore  senex  esse polerit^  aninio  mimquam  erit 
gesclichen  sollen,  wie  wir  wenigstens,  durch  Mandschriften  und 
durch  Eyb  ermächtigt,  zu  I  Legg.  14,  41  und  1  Acadd.  7,  2(>  for- 
derten u.  s.  w.  Die  Zahl  der  durch  alle  Handschriften  bestätig- 
ten Stellen  selbst  ist  sehr  gross.  Wir  haben  absichtlich  diesen 
Gegenstand  hier  wieder  behandelt,  weil  wir  ihn  bei  Ciceros  Kri- 
tik immer  noch  nicht  gehörig  beherzigt  finden.  Seh  ii  t  z  hat  eine 
Menge  solcher  Stellen  wieder  hergestellt,  findet  aber  bei  Schiicli- 
ternen,  wegen  seines  sonstigen  kühnen  Verfahrens,  hierin  zu  we- 
nig Zutraun.  —  Cap.  22  S.  167  ist  unstreitig  in  den  Worten  anii- 
cnni  habere  talem  volunt^  habere  als  Glosse  zu  betrachten,  und 
die  vielartige  Umstellung  derselben  verräth  zugleich,  dass  Eyb  die 
ächte  Lesart  bewahrte, /ß/em  amicit m  volunt ;  denn  so  liest  dieser. 
Man  vergleiche  II  Off.  22,  75  Q,iii  vero  se  populäres  volunt;  II 
Orat.  60,240  qui  se  volt  dicacem;  Fin.  V,  5,  13  Strato  physicum 
se  völuit.  Audi  bei  der  vorliegenden  Stelle  ist,  wie  bei  den  an- 
gefiilirten,  esse  besser  zu  denken,  als  das  hier  gleichsam  aus  ach- 
tem Gemein -Deutsch  iibersetzte  habere.  Daher  musste  auch  zu 
lY  Phil.  3  legiones  —  quae  essent ,  si  te  consuleui  quam  hosleni 
7ualuisses^  tuae  in  neuster  Ausg.  nicht  haberi.,  sondern  esse  sup- 
plirt  werden :  ?iam  multi  fa Is  o  habe?itur.,  qua/es  non  sunt.  Ta- 
lern te  volo  endlich  ist  bekannt.  Wir  haben  die  Stellen  absicht- 
lich gehäuft,  um  zugleich  zu  bemerken,  dass  in  allen  andern  Fäl- 
len deiHioch  die  von  Fr.  lleusinger  aufgestellte  Kegel  fest  steht, 
dass  C  zu  velle  und  malle.,  esse  setzt:  nämlich  —  wenn  er  dem 
Satze  Asse^erative  geben  will,  was  er,  ausser  den  angefnlirkMi 
Deispielen,  gern  thut.  —  Cap.  22  S.  170  war  zu  ///,  cuui  haer. 
udsint.,  beata  vita  sit.,  et  sine  'lis  etc.  nach  ut  ein  zweites  et^  mit 
einer  grossen  Anzahl  Handschriften,  zu  welchen  die  unsrigen  alle 
gehören,  einzusetzen.  Der  II.  achtete  niu-  hier  nicht  daran!",  was 
er  zu  1  011".  2,  4  richtig  lehrte ,  dass  durch  et  —  et  Cicero  gern 


Ciccronls   Laclius.    E«l.  Gcrnhard.  313 

Gcircnsätze  znsamnicnslcllc,  was  liier  ja  der  Fall  ist.  —  Am  En- 
tlf  (lieser  Text -Seite  hätte  wieder  mit  einer  Menge  Codd.  und  3 
der  unsera  nee  amicitiunu  neque  iillam  ram^  dem  oben  Bemerk- 
ten £:emäss,  statt  des  doppelten  riecjiie  ^  ges^clirieben  werden  sol- 
len. —  Cap.  23  S.  ^T^  ut  nihil  iiKiiiiiis^  nihil  levius  esse  exisli- 
vwnt !  Die  Lmsteliunii:  esse  levius  !»eirünsti?en  in  diesen  Worten 
80  ^iele  Ilandschr.,  anch  die  imsrigen,  nebst  Eyb;  selbst  die  As- 
geveration  erhält  dadurch  ein  jiberaiis  passendes  Gewicht,  und  das 
Ohr  ist  mit  ihr  so  >\ohl  zufrieden,  dass  sie  der  gewöhnlichen  Ord- 
nung? vorgezogen  zu  werden  verdiente.  —  S.  170  folg.  (^uis  tarn 
esset  ferreus^  qni  eani  vittini  fcrre  passet  ^  cnique  non  aiiferret 
fnn-tuni  vuluptulnni  sulilmlo.  \\\  dieser  Stelle  wird  niique  durch 
rel  itii  erklärt,  mit  llinweisungauf  10(1".  32e\tr.  Alii  multitiidiiiis 
jiulicio  fentntiu\  quaeque  majori porti pnlcheninia  videntiu\  ea 
viaxime  Optant ^  und  dabei  die  liemerkung  gemacht,  dass  C.  qni~ 
qne  in  allen  seinen  Casibus  selten  für  et  qivi  setze.  Wir  fürchten, 
nichts  von  alledem  billigen  zu  diirfen:  denn  wir  zweifeln  sehr, 
dass,  schon  dem  Sprachgeiste  gemäss ,  qidque  für  vel  qui  stehen 
könne;  ausser  in  der  Steigerung,  die  Iiierher  nicht  passt.  Dann 
beM  eist  das  die  angezogene  Stelle  sicher  nicht :  denn  da  ist  qidque 
einfach  erklärend ,  und ,  will  man  ein  Uebriges  thun ,  so  erläutre 
Juan  es  durch  et  quae  sic^  hoc  modo^  und  was  somit.  Auch 
ist  quique  nach  qui^  Avie  hier,  nichts  weniger  als  selten.  Wir 
wählen  die  ersten  in  die  Hände  lallenden  Beispiele.  I  Divv.  ep.  0 
§  08  Cort.  accepisli  quibus  rebus  adduvlus  qua m que  rem  cau- 
samqne  def ender  im  ^  quique  mens  in  rep.  sit  —  Status^  d.  i. 
et  quam  —  et  qui;  I  Orat.  25, 119  Mihi^  etiam  qidoptime  dicunt^ 
quique  id  facillime  —  fucere  possunt.  Kurz,  vom  Nominativ 
qui  —  quique  enthalten  flüchtig  durchgeselm  die  2  ersten  Bücher 
deiN.D.  allein  4  Stellen,  I,  19,  50;  33,92;  II,  10,  26;  33,  84.  Ge- 
gründet ist  es  indesss,  dass  auf  y?//,  cidusque  und  cuique  seltner 
folgt ;  doch  daraus  gewinnt  des  IL  Verfahren  nichts :  denn  auch 
so  kommt  es  vor,  z.  B.  Orat.  1  hi.  q  u  em  unice  diligercm^  cuique 
nie  carissimum  esse  sentirem.  Quique  ohne  vorhergehendes  qni 
endlich  steht  meistens  so,  dass  es  für  ^?/;t"2/;/r/?/e  genommen  wer- 
denkann, oder  sich  ihmder  Begrilf  ferner  iniFortgange  derlle- 
de  ansclüiesst.  Zuletzt  möchten  wir  selbst  nicht  schlechthin  be- 
Iiaiipten,  dass  in  solchen  Fällen  C.  das  Relativ  einfach  wiederhole. 
Ja  wenn  er  es  mehr  als  zweimal  setzt:  bei  einfacher  Wiederholung 
giebt  er  ihm  in  der  Regel  eine  Partikel-Begleitung,  wie  er  liier  wahr- 
scheinlich eine  asseverirende  beigefügt  haben  würde.  —  S.  178 
miLss  in  der  Gradation  vetit^  anquirat  ac  desideret^  das  unnatür- 
lich eingestellte  oc,  welches  neben  mehrern  Handschriften  4  der 
unsern  nicht  kennen,  entfernt  werden.  Dann  muss  auch  unmittel- 
bar darauf  mit  nicht  wenigem  tamen  obsurdescimus  umgestellt 
werden,  weil  tarnen^  so  dem  quum  (fürZ/ce/)  nachgesetzt,  in  der 
Kegel  den  ersten  Platz  im  Folgesatze  (  besonders  Menn  sogleich 


314  Römische   Lfttcratur. 

das  Verbum  ihm  folgt)  mit  Naclidruck  behauptet,  z.  B.  I  Din-.  ep. 
2  etil  quum  Cato  et  Caninius  Interessent ,  tarnen  est  perscripta 
Senalus  auctoritas.   Hat  dieses  tarnen  keinen  IN  achdruck,  so  lässt 
es  C.  Jiäufig  weg:  II  Olf.  14,  49;  15,  54.  —   Cap.  24  S.  181  hat 
die  Bedenkliclikeit  des  H.  bei  primmn  ut  —  deinde  ut  um  des- 
willen das  zweite  tit  nicht  anzuerkennen,  weil  das  Verbum  fiir 
beide  Sätze  gemeinsam,  und  dem  zweiten  Satze  erst  beigefügt  sey, 
unsrer  Seits  nichts  was  dem  doppelten  ut  nachtlieilig  seyn  könnte. 
Dass  es  wirklich  so  gesetzt  wird,  zeigt  III  Divv.  ep.  5  primum 
ut  ipse  tu.,  tuiqiie  omnes^  deinde  ut  etiani  reliqui scire  pos~ 
s  int.  —  Auf  nächster  Seite  möchte  in  den  Worten  Cuius  autem 
aures  veritati  ita  clausue  sunt.,  ut  ab  amico  vertun  aiidire  nequeut^ 
wegen  der  vielartigen  Stellung,  veritati  mit  Reclit  der  Glosse  an- 
heimfallen.    Wer  wollte  es  aucli  mit  Grunde  hier  vermissen'?  — 
S.  18S  muss  Atque  illud  absurdum ,  quod  hi  gebessert  werden : 
denn  est  haben  neben  anderen  Handschr.  beim  H.  auch  2  von  uns 
nicht,  und  so  schreibt  Cicero  oben  14,  49  Q,uid  enim  tarn  absur- 
dti?n^  quam  etc. ;  III  Off.  13,  56  Quid  autem  tarn  absurdum.    Hi 
aber  haben,  statt  des  so  matten  ii^  auch  unsre  besten  Codd.  — 
Cap.  25  S.  185  Cum  autem  omnium  rerum  simulatio  est  vitio- 
s  a  ( — )  tian  etc.  Die  falsclie  Stellung  der  beiden  vorletzten  W  orte 
rauss  jedem  mit  Ciceros  Wortstellung  Vertrautern  augenblicks  ein-« 
leuchten,  auch  haben  Eyb  und  2  unsrer  Codd.  richtig  vitiosaest; 
denn  der  Sinn  fordert  die  Asseveration.  —  S.  187  fällt  uns  quod 
amici  genus  nicht  auf,  und  wir  halten  das  eingeklammerte  amici 
für  acht,  das  auf  den  einzelnen  Gnatlio  Bezug  nimmt.   Aniicorum 
und  amicitiae  hätte  den  Sinn  anders  modificirt.     Dass  aber  andre 
Handschr.  so  haben,  kam  daher,  weil  amici  den  Absclu-eibern,  gleich 
den  Interpreten,  auffiel :  quod  genus  aber  würde,  ohne  dasselbe,  hier 
zu  vag  gesetzt  seyn.  —  S.  189  ist  richtig  in  den  Worten  Quanta 
illa  — fuit  gravitas^  quanta  in  oratione  majestas.,  illa  beibehal- 
ten, nur  bedarf  es  bessrer  Sclmtzgründe.     Es  steht  für  Uli  tum., 
weil  es  sich  auf  den  besondern  Fall  bezieht.     Hier  wird  nämlich 
das  würdevolle  Benehmen  des  Scipio  mit  Carbos  niedrer  Volks- 
Schmeiclielei  bei  des  letztern  Gesetzes- Vorschlage  contrastirt.  — 
—  Gleich  vorher  war  auch  nach  richtigerer  Interpunction  Dissua- 
simus  fios :  sed  nihil  de  me .,  de  Scipione  dicam  libentius.,  zu 
schreiben.  —    Gleich  nachher  sind  in  der  Stelle  ut  facile  du- 
cem.  P.  Ä. ,  7ion  comitem.,  diceres  die  Worte  non  comitem^  aber 
nicht    glücklich,    gestiichen.     Denn  es  liebt  C.  den  Gegensatz 
von  duj;  und  comes.,  wenn  letztres  socium  sortis  alicuius  atque 
conditionis  bezeichnet:  so  oben  11,  37;  so  Marceil.  4,  11,  wel- 
che Stelle  der  H.  selbst  anführt.     Man  füge  bei  VI  Divv.  ep.  6 
Commemorarem  non  solum  veterum.,  sed  horum  etiam  recentio- 
rum  vel  du  cum  vel  co?iiitum  tuorum   gravissimos  casus; 
ibid.  X  ep.  3  Omnia  summa  es  consecutus  virtute  duce.,  com i- 
tefortuna;  VII  Phil.  8  Itaque  quod  erat  optabile  ante,  ut  P.R. 


Ciceroniä  Lsclius.     Ed.  Gcrnhard.  315 

CO  mit  ein  habcreiniis^  minc  habcmus  ducem.  Auch  ist  ilerBe- 
s,v\\\  (los  cojiies  in  der  zu  schützcndcu  Stelle  nicht  schwer  zu  ent- 
\uckeln,  !S0  Aveuia:  sie  Graevius  hejjreil'en  Avollte,  uud  Schlitz  sie 
liiisch  beiirifi':  cumes  heisst  hier  Scipio,  weil  er  in  keiner  Mai^i- 
strats-AMirde,  wo  er  dtix  P.  R.  gewesen  seyn  wiirde,  sondern  als 
blosser  Privatmann,  ipse  de  poptdo  ho/no^  diese  That  vollbrachte. 
Man  iibersetze:  So  dos s  mon  ihn  leicht  für  den  Volks- 
führ  er  (^co/isttl)^  nicht  für  dessen  Mitge7iossen  {civis 
prirotfis)  hätte  halten  kö?i?ien.  Viceres  denke  man  sich  mit 
cpcdijg  conlbrni.  —  Cap.  2(1  S.  1$)0  qiunnvis  blanda  —  valeat^  — : 
lunien  etc.  In  dieser  Stelle  liaben  auch  unsre  Ilandschr.  alle, 
nebst  Eyb,  quamqnmn  redet:  doch  man  lasse  sich  nicht  irren, 
qnamcis  mit  dem  Positiv  des  Adjectivs  steht  für  quamqiiam  vel 
niaxime^  und  iibersetze:  Ob  schon  eine  solclie  eitlelluhm- 
rederei,  wie  diese,  ganz  besonders  schmeichelnd 
a u i"  die  einwirkt,  —  so  müssen  g  1  e i c h  w o h  1  a u c h  u. 
s.  w.  \I  Phil.  9  qiiamvis  inteiitus  aninms  tuus  sit — .•  ta- 
rnen rerum  natura  cogit  etc.  —  S.  198  Quod  7ie  accidat.  Das  7it 
Aor  ne  musste  berücksichtigt  werden,  welches  neben  4  Handschr. 
des  H.  auch  3  von  uns  festhalten,  und  das  sicher  den  Abschrei- 
bern nicht  gehört,  die  es  vielmehr  nach  Quod  herauswerfen,  wie 
z.  U.  1  Div.  25,  52  Qiiod  ut  est  dictum^  wo  es  in  den  meisten 
Codd.  fehlt.  Hierzu  kommt,  dass  es  Unkunde  auch  zu  ne  häufig 
ausfallen  Hess.  Uebrigens  liegt  eine  Art  Sinnes-Steigerung  im  Ge- 
brauche des  ne^  titne  und  ut — we,  die  wir  durch  dass  nicht, 
dass  nicht  etwa,  dass  nicht  selbst,  ausgedrückt  wissen 
mochten.  —  Noch  rügen  wir  eine  zu  Cap.  21  S.  203  aus  falscher  In- 
terpunction  entstandene  Correctur,  7^/Ä//aMf/«r/ ea^-  ipso^  quodnol- 
lem.  ^lan  schrtiihe  71  ihil  audivi es  eo^  ipse  quod  nolle/n^  das 
Komma  vor,  niclit  nach  ipse  gesetzt,  wie  z.  B.  II  Legg.  7,  16  hoc 
eniin  prii7iuni  iiiinuit  co7is7dare  ius^  quod  exstitit ^  ipse  qui  eo 
non  te7ieretur. 

Hiermit  liätten  wir  das  Wiclitigste  von  dem,  w as  wir  erinnern 
zu  müssen  glaubten,  bei  Weglassung  des,  was  tiefres  Eingehen 
fordert,  berücksiclitigt :  sollte,  auch  selbst  bei  dieser  Oberfläche, 
sich  dennoch  manche  Bemerkung,  als  dem  Sprachgeiste  näher 
führend,  erproben,  so  wäre  unser  Zweck  erreicht.  Denn  wir  lial- 
ten  es  für  ein  sehr  nnglückUches  Geschäft  zu  tadeln,  wenn  der 
Tadel  nicht  bessre  Residtate  hervorgehen  heisst:  zumal  da,  wo 
zugleich  eine  Menge  Stoff  zum  Lobe  sich  findet.  Wir  dürfen 
nämlich  nicht  vergessen ,  dass  neben  dem  Erinnerten  eine  Menge 
Stellen  richtig  verbessert,  eine  bedeutende  Anzahl  guter  Sprach- 
bemerkungen beigefügt  sind,  die,  wenn  sie  auch  zum  grossen 
Theil  für  noch  nicht  abgeschlossen  zu  achten  sind,  dennoch  ihren 
W  erth  behalten,  und  Aielleicht  die  Untersuchungs  Scheu unsrer  an- 
gehenden Philologen  besiegen  können ,  welche  nur  zu  leicht  über 
Dinge  absprechen,  die  sie  nicht  durchblickten.  Itcferent  sieht  eine 


316  RumlscIieLitteratur. 

Menge  von  ihm  aufgezeichneter  Sprachhemeikungen,  Ton  iiberall 
her  gesammelt,  >or  sich,  die  die  Probe  nicht  liallen;  jede  Messe 
melirt  diese,  olnie  dass  die  KritiJi  sie  auf  die  siclitendc  Wiirfel 
uiramt.  Hat  der  Nähme  des,  der  sie  bot,  genug  Anselien  gewon- 
nen, so  laufen  sie  als  baare  Münze  Decennien  durcli,  ehe  sie  ähn- 
liclien,  nur  schehibarern ,  Platz  machen.  Nichts  als  durchaus 
wahre,  scharfbegränzte  luid  abgeschlossne  S|)rachbemerkinigeu 
liefern  zu  woUeji ,  ist  keine  Sache  des  Geschäftslebens.  Genug 
wenn  sie  echten  Kern  enthalten:  die  Schale,  in  welcher  die  Aus- 
nahmen luul  ihre  strengere  Bestimmmig  liegen ,  wird  diesen  die 
Folgezeit  anbilden.  Aber  dipser  Kern  darf  ihnen  nirgends  fehlen, 
wenn  sie  nicht  unseelige  Ausgeburten  gemissbrauchter  Abstractioa 
seyn  sollen :  aucli  müssen  sie  aus  dem  Sprachgeiste  hervorgegan- 
gen seyn,  und  sich  nieht  gegen  diesen  auflehnen  wollen.  Dieser 
aber  liegt  nicht  in  dem  allgemeinen  Gebiete  philosophischer  Ab- 
straction,  sondern  schliesst  sich  in  viel  engre  Grenzen;  umfasst 
nicht  einmal  das  bei  einer  todten  Sprache,  was  sich  aus  ihrer  Na- 
tur mit  Consequenz  ableiten  lässt,  sondern  ist  zugleich  an  einen 
strengen  Zwingherrn,  den  aus  den  besten  Schreibmustern  ächter 
Zeit  vorsichtig  geschöpften  Sprachgebrauch,  gebunden,  penes 
quem  arbitrium  est  et  ius  et  norma  loquendi.  Wir  liaben,  auf  je- 
nen Abweg  verirrt,  ebenfalls  Sünden  auf  unserm  Gewissen,  wor- 
unter besonders  das  usu  evenire  gehört,  und  sind  nie  lebhafter 
von  unserm  Irrthnme  überzeugt  worden,  als  da  wir  ihn  neuerdings 
eigens  in  Schutz  genommen  sahen.  Doch  dahin  rechne  man  nicht 
uusre  Behauptung  das  futurum  exactum  betrettend ,  welche  wir 
zur  passenden  Zeit  zu  vindiciren  wissen  werden. 

Diese  Betrachtungen  erwuchsen  luis  bei  Beurtheilung  ange- 
zeigter Ausgabe,  welcher  es  übrigens  auch  an  den  äussern  Vorzü- 
gen des  guten  Papiers  und  Drucks  nicht  fehlt.  Zwar  sind  in  den 
Corrigendis  p.  274  folgg.  ausser  den  gelegentlich  bemerkten  noch 
einige  nicht  unbedeutende  Fehler  zu  rügen,  wie  pag.  5  not.  b.  1. 
23,  wo  für  Tusc.  Qiiaest.^  pro  Cluent.  zu  setzen,  (Wir  vermuthen 
indess,  dass  hier  Einiges  ausgefallen  ist.  Vielleicht  wurde  noch 
auf  Tusc.  I,  11  in.  Iiingewiesen ,  wo  nach  feie  von  den  Abschrei- 
bern omnium  eingeschoben  wird.)  p.  138  1. 1,  wo  Q,7iid  ?  statt  ohne 
Fragzeichen,  p.  191  1.8,  wovideri  statt  videre  zu  lesen  ist,u.  s.  w. : 
indem  übrigen  Drucke  jedoch  herrscht  Sorgfalt;  wenn  wir  anders 
nicht  die  dem  Texte  oft  zu  weit  nachziehenden  Noten  tadeln  wol- 
len. Indess  wir  wissen  aus  eigner  Erfahrung,  dass,  bei  aller  ge- 
nommenen Rücksiclit,  dieses  Uebel,  bei  gleichmässig  auf  der  Dop- 
pelseite fortlaufenden  Texte ,  am  entfernten  Druckorte  kaum  zu 
vermeiden  ist.  Der  Ausgabe  sind,  wie  bei  den  frühern  Bänden, 
die  Lesarten  der  Oxforder  Ausgabe,  und  hinter  diesen  2Excurse 
beigegeben,  deren  erster  De fortnula  ae quius  fiierat  et  hidc 
simüibus  zu  c.  4,  15  handelt,  während  der  andre  in  drittmaliger 
üeberarbeitung  deformula  nescio  an  vel  haud  scio  anzM 


CIc.  orat.  pro  Planclo.  —  pro  Mllone.    Ed.  Orplliiis.  31 7 

cap.  (>,  20  mit  aller  l^msicht  seinen  Gejrenstaiul  zu  umfassen  sucht. 
Da  wir  im  (jJaiizen  vollkommen  üliereinstimmen,  iiiul  im  l'linzelneii 
nur  durch  >erschiedne  Ansichten  abweichen,  so  bleibt  uns  nichts 
übriir,  als  diese,  wie  die  Ausgabe  selbst  zu  sorglicher  Eenutzung 
den  Lesern  zu  empl'ehlen. 

Gocrenz. 


M.  T.  Cicer Ollis  Oratio  pro  Cn.  Plancio  ex  optlmonim 
coilicum  fiil«'  fmeiidata.  Ciun  iiitejrro  coninu'iitario  Gasp.  Gara- 
tonii  !«tltMtit.quc  scholiastae  Aiiibrosiani  rcliquoruiiKiuc  iiitcriirctum 
adiiotatioiiibus,  qiiibiis  .-^iias  addiilit  Jo.  Canp.  Otilliiis  prol.  Tiir.  LI- 
psiae  ap.  Ger.  Flci?«lieruiii.  1825.  WI  u.  324  S.  gv.  8.  2  Tlilr. 
[Vergl.  Schulzeit.  1825  Lit.  Bl.  .\r.-l8;  Beck's  Uepert.  182ß,I,l  S.  45.] 

M.  T.  Ciceronis  Oratio  pro  T.  Annio  Milone  redinte- 
grata  et  ad  optiniorum  codiruiu  fidem  eniendata.  Cum  iiitegro  cora- 
nientario  Gasp.  Gaiatoiiii  selt-ctisque  Ferratü ,  Peyronü  et  alioriim 
adiu)tati()nilnis ,  quihiis  suas  addidit  io.  Casp.  OrclUus  prof.  Turic. 
Lipsiae  ap.  Ger.  Flei;>eheriira.  1826.  VI  u.  340  S.  (Davon  S.  1  —  33 
PejTon  de  lacunis  erat,  pro  Milone.)  gr.  8.  2  Thir. 
[Vergl.  Beck's  Uepert.  1826,  1,5  S.  357  f.;  Jen.  Lit.  Zeit.  1826  Nr.  34.] 

T  T  ie  Ref.  das  Urtheil  über  diese  zwei  Ausgaben  Ciceronischer  Re- 
den von  Garatoni  übertragen  wurde,  Avar  es  ihm,  als  Ic^e  man 
die  Todtenfeier  eines  in  seinem  Facho  ausgezeichneten  Mamies 
pdichtgemäss  ihm  ans  Ilerz.  Reachlet  man  die  Schwierigkeiten, 
mit  welchen  ein  Garatoni  heim  Studium  des  Cicero  zu  seiner 
Zeit  zu  kämpfen  halte,  sieht  man  auf  die  vereitelten  Mühen,  die 
dasselbe  fast  ein  halbes  Jahrhundert  durch  hemmten,  berechnet 
man  die  Pläne,  welche  ihm  wiederholt  scheiterten,  imd  sieht  doch 
gleichwohl  den  jMann  rüstig  sein  Ziel  und  unverdrossen  verfolgen: 
so  kann  es  nicht  fehlen ,  dass  dies  ihm  die  allgemeine  Achtung 
gewinnen  muss,  die  Leistungen  selbst  unberechnet,  die  durch  das- 
selbe sich  kimilgaben.  Wer  wird  aber  nicht  dankl)ar  Garatoni's 
Verdienste,  namentlich  um  Cicero's  Reden,  eingestehn,  sobald 
er  sich  mit  dem  Werthc  derselben  nur  etwas  näher  bekannt  ge- 
macht hat?  Sey  es  auch,  dass  seine  ersten  Arbeiten  minderen  Ge- 
lialtes  sind.  iMag  selbst  eine  Ausgabe  ctirn  notis  vurioruin  ^  wie 
die  seinige,  welche  den  ganzen  Cicero  umfassen  sollte,  immer  et- 
was Liibeliüllliches  bleiben,  wofern  die  Anmerkungen  der  frühern 
Commentatoren  nicht  abgesondert  gegeben  w  erden,  was  G  a  r  a  t  o  n  i 
nicht  that;  ja  selbst  das  Lrilieil  des  Herausgebers,  wie  des  Le- 
sers, sich  dabei  zu  sehr  zerstreuen;  überdem  der  Mittelweg  zwi- 
schen dem  Zu\iel  und  zu  Wenig  in  der  Auswahl  des  Frühern  bei 
Garatoni's  E\cerpten  nicht  genau  l»efolgt  seyn:  so  wurden 
doch  Avenigstens  Cicero's  Reden  mit  einer  Menge  iur  Sprachge- 

Jakrb.  d.  l'inl.  u.  I'aäag.  Jahrg.  I.  //t/f  2.  21 


S18  Rümieclie  Litteratur. 

brauch,  für  Geschichte,  für  Alterthümer,  für  Kritik  wichtiger  Be- 
merkungen ausgestattet.  Kurz  der  Werth  seiner  Leistungen  er- 
hob ilin  ein  Bedeutendes  über  alles  Aehnliche,  das  die  Literatur 
jener  Periode  von  seinen  Italischen  Zeitgenossen  aufweist.  INoch 
tadelt  man  an  ilim  zu  auslaufende  Wortfülle  bei  seinen  Untersu- 
cliungen,  und  das,  trotz  aller  dabei  verwandten  Gelclirsamkeit, 
Mohl  nicht  mit  Unrecht:  ein  jedoch  für  Hin, bei  so  sichtbarem  Stre- 
ben möglichst  genauer  EntM  icklung  des  zu  Prüfenden ,  sehr  ver- 
zeihlicher Fehler ,  in  welclien  nur  zu  leicht  der  verfällt,  der  mit 
dem  Zwecke  griindlicher  Deutlichkeit  zugleich  den  eleganter 
Schreibart  verbindet.  Steht  nicht  hier  mit  Garatoni  auch  der 
sonst  so  gediegne  Wyttenbach  unter  andern  Yergleichungs- 
Puncten  zu  gleicher  Verantwortung*?  Uebrigens  bleibt  Garato- 
ni's  Verdienst  wohl  bei  historischen  und  antiquarischen  Ausmit- 
telungen am  anerkanntesten ,  und  es  ist  liierbei  nur  zu  bedauern, 
dass  ihn  nicht  ein  noch  sorglicheres  Studium,  wie  der  Antique  über- 
haupt, so  besonders  der  alten  Münzkunde  unterstützte.  Nächst- 
dem  sind  seine  Sprachforschungen  gründlich  und  fast  immer  aus 
eigner  Beobachtung  und  Prüfung  hervorgehend,  auch  gewohnlich 
mit  der  so  nöthigen  Rulie  und  Umsicht  begleitet.  Sein  kritisches 
Urtheil  verräth  zwar  nicht  das  Blitzartige  des  Genies,  sondern  lie- 
fert mehr  Residtate  sorglicher  Intuition :  daher  fallen  auch  die  Feh- 
ler des  Zuviel  meist  auf  letztre  Seite.  Eben  darum  fordern  ge- 
wöhnlich seine  Vermuthungen  handschriftlichen  Anlass ,  und  sind 
selten  auf  freiem  Wege  mit  Glück  begleitet:  dennocli  finden  sich 
auch  hier  rühmliche  Ausnahmen.  Das  Mittel  durcli  CombinatioH 
da  zu  helfen,  wo  die  Handschriften  durch  verschiedne  Lesarten 
auseinander  treten,  welches  so  oft  zu  glücklichen  Resultaten  führt, 
versuclit  er  selten.  Hätte  sein  feinfühlender  kritischer  Scharfsinn 
die  Richtung  dahin  genommen,  er  würde  bei  seinem  Ausdauern  im 
Forschen,  bei  so  viel  Vor-  und  Umsicht  manchen  glücklichen  Fund 
mehr  auf  seiner  Rechnung  sehn.  Ref.  hat  hier  besonders  die  Phi- 
lippischen Reden  im  Sinn ;  bei  welchen  auch  noch  das  minder  ge- 
naue Studium  der  Vaticanischen  von  Garatoni  neu  verglichnen 
Handschrift  von  Seiten  ihres  durchgreifenden  Werthes  und  ihrer 
Fehler  (so  sehr  jener  Werth  auch  im  Allgemeinen  von  ihm  aner- 
kannt war)  seinen  kritischen  Erfolgen  nicht  wenig  Eintrag  that. 
Garatoni's  vollendetestes  Werk  ist  seine  zweimal  neu  überar- 
beitete Ausgabe  der  Rede  pro  Plancio :  in  ihr  spiegelt  sich  sein 
Werth,  wie  (wenn  wir  streng  urtheilen  wollen)  sehie  Schwächen, 
hell  ab ;  sie  lässt  sich  eigentlich  als  Probirstein  für  unsre  BeJiaup- 
tungen  ansehn.  Erfreulich  ist  es  bei  ihr  zu  bemerken,  wie  viel  der 
Verfasser  in  der  Zwischenzeit  an  Schärfe  und  Sicherheit  des  Ur- 
theils  gewann;  wie  oft  er  daher  seine  frühei-n  Entscheidungen 
gänzlich  reformirt.  Garatoni's  letzte  Arbeit  endlich ,  die  Re- 
de für  den  Milo^  steht  scheinbar  tiefer  im  Hintergrunde,  als 
sie  verdient,  da  seitdem,  besonders  durch  Peyron,  so  viel  neue 


Cic.  orat.  pro  Pliinclo.  —  pro  Milonc.    Ed.  Orelllug.  319 

Ilnlfsniittcl,  soirar  Textes -Erpinziiniron  den  kritischen  Appara!; 
verstärkten,  und  Garat  bei  ihr  minder  Anlass  zu  frescliichtli- 
clien  und  altertliümlicheii  lJntersncluin':;en  nahm:  enthält  dennoch 
aber  manche  irut  durchiretVihrteSach-  wie  Spraclibemerkung,  maii- 
clie  irlückliclie  Tevtberiehtiiinnij, 

31  it  diesem  ^orausirehenden,  wie  Mir  lioffen,  eben  so  billigen 
als  irerechten  LVtheile  über  diesen  IVir  sein  Fach  allj^cmein  verdien- 
ten Mann  glaubt  Ref.  sicli  das  Recht  erworben  zu  liabcn ,  seine 
Aufmerksamkeit  meJir  auf  die  Leistungen  Hrn.  Orelli'!*,  als  neu- 
sten Herausgebers,  zu  concentriren:  besonders  da  in  ihm,  aufs» 
gli'icklich  gewähltem  Wege,  bei  so  guten  und  niclit  durch  gewöhn- 
liche Büttel  erworbnen  Vorkenntnissei),  bei  dieser  zeither  eut«ik- 
kelten  Energie,  für  l'hilologie  und  Kritik  ein  Mann  er\>ächst,  yon. 
•welchem  sicli  die  Folgezeit  immer  wichtigere  und  reifere  Leistun- 
gen siciier  versprechen  darf.  Die  Absiclit,  Avelclie  Ilr.  Orelli 
bei  der  Ausgabe  der  Rede  für  Plancius  Jiattc,  angehenden  Philo- 
logen und  Kritikern  ein  Werk  in  die  Hände  zu  geben,  aus  dem 
diese  die  Anfangsgründe  der  Kritik  uiul  die  riclitige  Renutzung  Rö- 
mischer Alterthumskunde  für  Interpretation  an  einem  ausgezeichne- 
ten Cluster  Studiren  könnten,  ist  gewiss  keine  verfehlte:  denn, 
leider,  liefert  unsre  Literatur  noch  wenig  solcher  iMuster.  Wei- 
sen wir  gleich  für  die  ersten  Versuche  unsre  Jünglinge  lieber  auf 
die  Ausgabe  der  Officiu  Cicero  s  durch  die  Heu  sing  er  an,  um 
sie  gleich  Anfangs  nicht  zu  obruiren ,  und  durch  zu  frühe  Metho- 
dik zu  verleiten;  dem  freiem  llrtheile  auch  freieres  Spiel  zu  las- 
sen: so  fehlte  eszeither  doch  wirklic^li  an  einem  Muster,  bei  wel- 
chem sich  der  AVeg  ruhiger,  eindringender  Untersuchung,  gleich- 
sam das  Graljen  nacli  festem  Grunde,  so  sichtbar  machte,  als  bei 
Garatoui's  Lessingartiger  Prüfung.  Diese  weiss  Hr.  Orelli 
auch  überall  günstig  hervorzuheben  und  zu  unterstützen,  indem 
er  bald  auf  sie  liinweist,  bald  sie  vom  verfehlten  W^ege  zurückruft, 
bald  ihr  das  Richtigere  mit  edler  Achtung  zur  Seite  stellt;  und 
sich  also  von  dem  Fehler  unsrer  jungen  Reformers,  die  Verstösse 
ihrer  Vorgänger  hohnneckend  zu  rügen,  völlig  frei  hält.  Fs  fiel 
daher  auch  von  dieser  Seite  diese  Ausgabe  in  würdige  Hände. 

Die  Einrichtung  derAusgalie  selbst  i- 1  nicht  weniger  empfeh- 
lungswerth.  Der  S  c  h  ü  t  z  i  s  c  h  e  Text  liegt  ihr  zum  Grunde  (wie 
von  Schütz  auch  die  lidialtsanzeige  der  Rede  entlehnt  ist),  die 
Abweichungen  sind  unter  dem  Texte,  ISt)  an  der  Zahl,  sorglich 
notirt,  und  dabei  andre  werthlialtige  Lesarten  durch  verschiedne 
Schrift  mit  eignen,  ilireu  AN  erth  mar((uirenden,  aus  Griesbachs 
Ausgabe  des  neuen  'l'estaments  entlehnten  Zeichen  angegeben. 
Neuekritiscbe  llülfsmittel  kamen  zwar,  ausser  der  Ju  ntinischen 
Ausgabe,  welclie  mehrere  gute  licsarten  lieferte,  nicht  hinzu;  doch 
gehaltvolle  Ijenierkiingen  von  l^lrich  wurden  neben  iWi\  andern 
Interpreten  benutzt.  In  den  Anmerkungen  unter  dem  Texte  sind 
die  3  verschieduen  Bearbeitungen  Garatoui's  scharf  geschie- 

21* 


820  ßumlsclie  LUtcratur. 

ilen,  "svelclieii  dann  tlcr  II.  II.  seine  eignen  tlieils  bestätigenden, 
llieils  bericlitigenden  Bemerkungen  anlugt,  seltner  ganz  eigne  ein- 
legt. Hinter  dem  Texte  folgen  22  Excurse  von  Garatoni,  die 
sich  aui'  einzelne  Stellen  der  Rede  bezielin,  xuiter  denen  sicli  eine 
Diatribe  de  C.  Ma?ii  31  o/iu7nento  hiiR\idet.  (Bei  dieser 
bemerkt  Ref.,  dass  die  von  Sclineider  zum  Vitriiv^  von  Gara- 
toni liier,  und  von  Sachse  in  der  Geschieht e  Monis  aufge- 
stellte Meinung,  dass  der  Tempel  des  Ho/tos  und  der  J  irtus  auf 
demselben  Platze  zu  suchen  sei,  avo  vordem  der  Doppel -Tempel 
des  Marcellus  stand,  eine  völlige  genaure  Revision  verdiene.)  Der 
23ste  Evcurs  bezieht  sich  awiBulb.  22.  Zuletzt  fiigte  der  II.  IL  noch 
in  fortlaufender  Zählung  zwei  andere  von  sich  bei.  De  usu  c  r  i- 
tico  S ch  olias t ae  Ambr o siani  in  reli quis  Cic.  ora- 
tionibus ^  und  Variae  lectiones  Orationis  yr  o  Flac- 
co  es  e ditione  J untina. 

Die  den  Text  beliandelnden  An-  xuid  Bemerkungen  wollen 
wir  jetzt  dui'cli  einige  Capitel  mit  den  iinsrigen  begleiten,  im  Falle, 
dass  unter,  letztem  einiges  zu  genam-er  Revision  und  Berichtigung 
Brauchbares  sich  finden  sollte ;  ohne  in  die  im  Allgemeinen  schon 
genug  bezeichnete  Beliandlnngs  -  Methode  weiter  einzugehn.  So 
verdient  gleich  auf  erster  Seite  c.  1  p.  i>  bei  audirem  — essefmi- 
toresdie  Lesart  der  alten  Ausgaben /ot/^?//cs  in  keiner  Rlicksicht 
weitere  Beachtung,  da  nicht  von  der  Zukunft,  sondern  von  dem, 
was  eben  statt  hat,  die  Rede  ist;  aucli  esse  fautores  für  das  ein- 
fache favere  gesetzt  ist.  Pag.  10  ist  riclitig  mit  dem  Erfurter 
Qtod.  cujus  71011  exstet  in  me  summum  meiitum^  nach  Garato- 
ni's  Billigung,  aufgenommen.  Denn  suum  hätte  Cic.  entweder 
vor //e  me ^  oder  wenigstens  nacli  merituni  gestellt,  wie  II  Orat. 
51  nihil  omnino  fecisse  causa  sua.  Doch  liess  sich  noch  fragen, 
ob  nicht  etwa  die  doppelte  Lesart  zu  verehiigen  Aväre,  summiwi 
suuin  ineritum:  Avahrscheinlich  liättc  aber  dann  Cic.  summum 
suum  in  me  meritum  umgestellt.  Suum  und  sum^num  findet  sich 
indess  nicht  selten  verwechselt,  z.  B.  I  Tusc.  45,  109.  Zu  Ende  der 
Seite  wurde  mit  Garatoni  qui  me  ipsi  maxime  salvum  videre 
voluerunl  geschrieben.  Allein  die  \ulgate  ipsum  ist  wohl  we- 
gen des  Gegensatzes  apud  eos  vorzuziehn,  z'/js?  dagegen  kaum 
zu  deuten.  Wegen  der  Stellung  des  maxime^  das  zu  voluerutd 
gehört,  inid  vor  salvum  etwas  auffallend  einspringt,  wäre  iiber- 
dies  vielleicht  Frage  nöthig.  Des  blossen  Nachdrucks  lialber  stän- 
de es  eher,  Avie  oft,  am  ScJiIusse  des  Satzes.  Vielleicht  sollte  es 
durcli  seine  Einstellung  zw  isclien  ipsum  salvum  das  Monotone  ent- 
fernen. Man  übersetze ,  die  mich  gerade  am  liebsten  ge- 
b  o  r  g  e  n  s  e  h  n  w  0 1 1 1  e  n.  Es  w  ird  nur  zu  oft  mit  dem  Nomina- 
tiv des  ipse  Missbrauch  getrieben.  S.  11  scheint  mit  der  Aufnah- 
me der  Lesart  der  Erf.  Ilandsclir.  studiosissiimün  et  dignitatis  et 
salutis  meae  der  Stelle  noch  nicht  Genüge  geschehnzu  seyn.  Nach 
den  Handschriften,  w  elcJic  statt  dignitatis ,  diligcntissimum  bie- 


CIc.  orat.  pro  Planclo.  —  pro  Milone.    Ed.  Orcllius.  321 

tcn,  sollte  man  g^laiil)cn,  dass  beide  Lesarten  zu  vereinisfen  Maren, 
und  dass  s//nliot</ssiiii//m  et  dili^ciilisshniiin  (li^iiilatis  et  salnlis 
lucoc  i^elcsen  uerden  müsse;  so  dass  durch  die  Abkürzung  dT^iis 
das  eine  Wort  ausgeiallcn.  Hierzu  kommt,  dass  Cic.  irern  slu- 
diosnsmnl  di/if[ens  j)aart,  vergl.  11  Acadd.  31,  !)S;  Xlll  üiw.  ep. 
0  extr. ;  XV 1  Att.  cp.  KJ  (am  VauIc  des  eingelegten  Briefes  au  Plau- 
ens) :  gerade  so  wie  er  d/^/zifas  inul  salf/s  gern  verbindet.  Auch 
erhalt  durch  Einsatz  des  zweiten  Superlati\s  die  Stelle  nun  erst 
ihre  Rundung.  Dilifieiitissinuis  mit  dem  Cenit,  ist  bei  Cic.  auch 
sonst  gebraucht,  Cael.  Zi)omiiis  ofjicii  diligenlissiinus. —  Hei  Ge- 
legenheit der  Erwähnung  einer  Ilandschrirt  des  Arusianus  Mes- 
si//ff  zuXeapel  in  Hrn.  OreUi's  Anmerkung  zu  dieser  Stelle  tritt 
bei  lief,  das  Andenken  des  trefflichen  jMartyni  Laguna  leb- 
haft vor  die  Seele.  Dieser  besass  durch  van  Sauten  ein  Exem- 
plar von  diesem  Grammatiker,  welches  weit  vollständiger  ist,  als 
alle  zeitherigen,  imd  das,  nacli  dessen  Versicherungen,  allein  10 
Iiistorisch  wichtige  noch  imbekannte  Stellen  aus  S(dlusts  Geschich- 
te enthält.  Van  Sa  ntens  Bearbeitung,  verbunden  mit  der  Marty- 
ni's,  ^erheisst  Vorzügliches:  auch  hatte  letztrer  die  Ueberar- 
beitung  in  den  letzten  Jahren  ernstlich  wieder  Aorgenommen.  Mö- 
ge diese  so  vielversprechende  Arbeit,  nebst  andern,  noch  im  Ma- 
iiuscript  ruhenden  aou  diesem  Gusgczeichneten  Manne,  nicht  dem 
Zufalle  Preis  stehn!  —  S.  12  musste  in  jedem  Falle  consecutum 
corrigirt  werden :  denn  coiiseaitiinnn  ist  so  unstatthaft,  w  ie  oben 
fauturos.  Noch  bemerken  Avir  in  dieser  Stelle  die  Construct.  des 
(^uainquam  — .*  Jiisi^  wo  Ictztres  für  iino  poti'us^  nisi  steht;  wie 
in  der  von  Garat.  aus  3///.  2  untergelegten,  bei  deren  Citatioii 
fehlerhaft  der  Nachsatz  mit  nisi  auslieh  —  Bei  c.  2  p.  13  wun- 
dern wir  uns,  dass  in  den  Worten  itt  id  SGiinictum  sit  bei  der  Les- 
art vieler  Handschriften  dicttmi^  mit  welchen  auch  eine  von  uns 
verglichne  stimmt,  Garatoni  nicht  an  das  hier  Avahrscheinlich 
durch  Abkürzung  xcrdorhuc  dii/(//cti/m  dachte,  welches  Cicero  so 
gern  setzt ,  mid  das  hier  wohl  als  die  ächte  Lesart  zu  w  ürdigen 
seyn  möchte.  Zwar  liess  sich  auch  an  dciunctum  denken,  das 
liäufig  mit  diiiinctus  in  den  Mspten  vertauscht  wird,  vergl.  1  N. 
D.  Lj,  Jrl,  allein  Kef.  kann  sich  aou  der  wirklichen  Existenz  die- 
ses \ erbums  noch  nicht  völlig  überzeugen,  obgleich  Martyni 
lÜivv.  cp.!)  §(i7  Beued.  wirklich  so  corrigirte,  und  La  mi>iu  frü- 
her ein  gleiches  bei  Horat.  I  ep.  14,  2H  that.  Die  Slamrastelle 
scheint  Plaut.  Asiu.  111,  3, 75z»iseyji,  wo  aber  ^////^//jij-e  besser  steht. 
G  e  s  s  u  e  r  führt  noch  im  'I'hes.  Tim.  5  a/i,  aber  hier  haben  des  lief. 
Ilandsdiriften  diiuucta^  imdals  \  ariante  diminuta.  Dass  diiini^ere 
imd  diniun':^ere  initerschieden  werden  müssen,  leidet  keinen  Zweifel 
mehr.  In  derscll)eii  Stelle  muss  lief,  zu  (liiauKiuain  —  coiUiirbaty  wo 
andre  Ilandschrirten  mit  der  \  nigate  coidu/bcL  lesen,  einen  leb- 
haft geführten  Streit  berühren,  von  welchem  er  grossentlu  ils  die 
Lrsachc  ist.    Als  er  indess  111  Legg.  8  zu  (jua/nquam  —  vidcalin\ 


822  Römische    Litteratur. 

was  alle  von  ihm  benutzten  Handschriften  sclmtzen,  ^egen  Spal- 
ding  zu  Quintil.  Oratt.  Instt.  I  prooeui.  p.  18  bemerkte,  dass  bei 
Clc.  nicht  selten  zu  qiiamquam  der  Coiijunctiv  c^esetzt  werde,  fiel 
es  ilim  nicht  ein,  diesen  von  der  Partikel  abhäuirig  machen  zu  wol- 
len, so  wenig  wie,  wenn  er  bei  e/s«  steht;  ja  selbst  bei  qiiia.,  quo- 
niam^  wie  oft  der  Fall  ist.  •  Vielmehr  war  und  ist  er  der  le])endi- 
^M\\  Ueberzeugung,  dass  dieser  jedesmal  von  dem  Contexte  ab- 
hängig ,  und  nur  in  diesem  seine  Stiitze  suchen  darf.  Die  Sache 
greift  zu  tief  ein,  um  hier  auf  kurzem  Wege  Entscheidendes  be- 
merken zu  können:  ja  oft  sind  die  Fülle  so  schwierig,  dass  sie 
beinahe  allein  vom  Gefühle  des  Lesers  abhängig  werden.  Für  ge- 
genwärtigen Fall  möge  sich  der  Leser  mit  der  blossen  üeberset- 
zung  der  in  Frage  stehenden  Stelle  begnügen,  und  dann  selbst 
entscheiden,  ob  ihm  der  Conj.  hier  besser  dünke,  oder  der  von 
G  a  r  a  t  o  n  i  und  dem  Hrn.  IL  vorgezogene  Indicativ.  „  I  n  d  e  s  s 
sollte  mich  das,  Richter,  sobald  man  wirklich  an 
mir  selbst  etwas  nur  in  so  weit  aussetzte,  dass  es 
ohne  weitere  Beziehung  mit  diesem  hier  stand, nicht 
sonderlich  beunruhigen:  denn  ich  befürchte  nicht, 
dass  um  deswillen,  weil  sich  so  sehr  selten  dank- 
bare Menschen  finden,  es  mir  z,ura  Vorwurf  gerei- 
chen könne,  wenn  jene  belianpten  wollen,  ich  sei 
zu  sehr  dankbai*.  Die  Stelle  so  gefasst  ist  der  Conj.  so  un- 
abhängig, wie  er  es  mir  sonst  bei  quoniam  seyn  kann.  Aehnli- 
cher  Art  ist  die  Stelle  c.  3:  Daher,  ob  ich  schon  nicht  zu 
d e r  T h ü r e ,  durch  die  ich  wollte,  in  die  Sache  ein- 
gegangen seyn  mag  etc.,  so  auch  die  c.  14  und  24.  Gleicher 
Beschaflenheit  ebenfalls  die  aus  de  Legg.,  von  welcher  der  Streit 
ausging;  deren  Uebersetzung  gleichfalls  hier  stehn  mag.  Doch 
diese  Art  von  Gesandtschaf ts  -  Erlaubniss  hätte 
ich,  wie  ich  Consul  war,  ohngeachtet  sie  als  zu  den 
Vorrechten  des  Senats  gehörig  a  n  g  e  s  e  h  n  werden 
kann^  gleichwohl  mit  Billigung  des  gerade  sehr 
zahlreichen  Senats  abgeschafft, wenn  nicht  ein  luf- 
tiger Volkstribun  damals  Einspruch  gethan  hätte. 
Diese  Uebersetzungen ,  die  absichtlich  streng  dem  Original  ange- 
passt  sind,  setzen,  kurz  bemerkt,  den  Streitpunct  dahin  fest,  dass 
keine  Frage  davon  seyn  kann,  ob  der  Conj.  von  quamqiiam  abhän- 
gig ;  sondern  dass  ausgemittelt  werde,  wenn  und  m ie  derselbe  je- 
desmal in  solcher  Verbindung  stehn  könne:  ob  er  dann  nur  zulä- 
ssig, wenn  tarnen  folgt,  imd  Avie  man  überhaupt,  und  ohne  die 
Ilandscliriften  zu  zälilen,  sich  bei  der  Beurtheilung  zu  nehmen  ha- 
be. Dies  wird  nur  dann  völlig  klarwerden,  wenn  alle  Stellen  sorg- 
lich gesammelt  (  ausser  denen  von  E 1 1  e  n  d  t  zu  Brutus  30  p.  86 
f.  verehiten  finden  sich  noch  mehrere)  und  geprüft  sind,  llefer. 
w  ollte  an  jener  Stelle  durch  seme  Bemerkung  nur  aufmerksam  ma- 
chen ;  er  nahm  daher  die  Stellen  wie  er  sie  fand.  Mit  dieser  vor- 


CIc.  orat.  pro  Planclo.  —  pro  Mllone.    Etl.  Orellius.  S23 

läufigen  Bemerkuiiif  glauben  wir  uusern  Weg  weiter  verfolgen  zu 
können.  —  S.  14  gilt  Garal.  \  ermuthung,  dass  zu  yuum  respon- 
dcru  criminibus  mit  dem  Krf.  onuübus  beizufiigen  sey,  aus  dem 
Grunde  nicht,  weil  sieher  der  Schreiber  dieses  Codev  durch  die 
Abkiirzung  Aon  cri/innibiis  sieh  zu  diesem  Omnibus  verleiten  Hess. 
In  den  S.  15  tiefer  folgenden  AVorten  Milnautemiiou  /f/ (wie  rich- 
tig auch  des  lief.  Cod.  liest)  est  in  hnc re  niolestissinriinuco/itra 
illuni  dicere^  finden  wir  die  letzten  drei  als  sehr  magres  Glos- 
sem, da  sogleich  die  nächstfolgenden  scd  multo  illinl  niof^is^  qiiod 
in  ca  causa  conlradicendum  est  etc.  sich  so  deutlich  wie  möglich 
aussprechen.  Hierzu  konnnt,  dass  durch  diesen  Anhang /«oZes//ssi- 
mum  sein  GeNvicht,  welches  seine  Stellung  fordert,  ganz  verliert, 
f  eberdies  knüpfen  die  Wörter  in  hac  re  genugsam  an  das  Yor- 
hergegangne  an:  aucli  ist  der  Zwischensatz,  über  den  das  Ange- 
führte sich  liinausbezieht,  nur  kurz,  und  dies  schliesst  sich  beim 
Sprechen  (für  welches  es  berechnet  ist)  weit  enger  und  lebendi- 
ger, als  beim  Lesen,  zusammen.  Kndlich  stehn  diese  Worte  selbst 
so  starr  und  ungefüg  da,  dass  sie  schon  um  deswillen  dem  Redner 
nicht  zuzugehören  scheinen.  Dagegen  ist  sicher  c.  S  p.  18  die 
riclitige  Lesart  aufgenommen.  Quid?  tu  di^nitotis  iudicem  putas 
esse  populuniy  olmgeachtet  sonst  Cic.  Quid  ais?  tu  zu  schreiben 
pflegt.  Man  vergl.  xMilo  13  Quid'}  tu  me  iralum^  Sexte ^  putas 
tibi  — '}  S.  19  honus  paritur  kürzt  des  Ref.  Codex  jy?V"  ab: 
daher  die  >erschiediien  Lesarten  ^jrt//^?/y  wwA  parat jtr.  S.  21  wird 
zwar  richtig  gesclmeben,  aber  minder  richtig  interpungirt.  Man 
distinguire,  i  el  quod  eiiam  minus  est:  tum  enim  etc.,  da  Vel 
quod  (Ja  w  as)  aufs  Folgende  geht,  vgl.  Tursell.  p.  900.  Ein  andrer 
Fall  Märe  ohne  den  Nachsatz  tumenim^  wie  XVIDivv.  ep.  16  extr. 
amo  te  omnibus  equidem  inaximis  de  causis ,  verum  etiam  pro- 
pter  hanc:  rel  quod^  nt  debuisti^  nuntiasti.  Ebendaselbst  wünsch- 
ten wir  die  Gründe  der  Lesart  afuturus  (wie  c.  7  p.  4ö)  angege- 
ben, da  Krn.  an  beiden  Stellen  abf.  schreibt:  denn  hierbei  muss 
AMIikühr  fern  bleiben.  Cap.  4  p.  25  verstehen  wir  IL  Orelli 
nichtgehörig,  Sunt^  qui  doceant^particulae  sin  anteire  semper 
debere  alteram  s  i.  ANir  wenigstens  sind  fest  überzeugt,  dass  dem 
sin  entweder  stets  ein  si  vorausgehn,  oder  dies  doch  im  Vorher- 
gehenden gedacht  werden  mu.ss.  Der  erstre  Fall  findet  ja  bei  Sin 
aulemmavis  statt,  dem  in  den  p.  22  vorhergeheiiden  AVorten  J)e- 
nique  si  iudicata  si  Aorausgeht:  so  wie  sich  auch  in  der  aus  Cap. 
(i  citirten  Stelle  sin  auf  das  vorausgehende  Nam  si  bezieht.  Zu 
letztem!  Falle  rechnet  sich  die  aus  Caesar  1  B.  G.  32  angeführte 
Stelle,  Pro  quibus  rebus  oral  atque  postulat^  rem  publiram  sus~ 
cipiant  ^  atque  una  secum  administrent.  sin  timore  defu^iant 
etc.  Denn  zu  suscipiant  lässl  sich  si  velint  denken,  da  sin  timo- 
re  defufi;ianl  das  si  nolint  timore  praepcditi  enthält,  ('ap.  5  p. 
20  raaclit  in  den  Worten  Venio  iam  ad  ipsius  populi  partes  die 
Doppel-Lesart  ium  und  nujic  beide  Partikeln  streicheusw  erth,  da  mit 


324  Römische    Litte ratur. 

diesem  Verbum  Cic.  ancli  oline  Partikel  häufig  übergelit,  Sext.  54 
Feniamns  ad  ludos ;  Y  Pliil.  Iß  Veido  ad  Caesarem.  Zwar  fin- 
det/am  Stütze  in  c.  24  Scd  venia  iayii  ad  L.  Cassium;  allein  Avir 
kennen  sonst  keine  einzige  Stelle,  avo  nach  diesem  Veiiio ^  iam 
sich  fand:  desto  häufiger  aber  w?//?c.  Eben  so  wird  zu  8ed  venio 
anderwärts  keine  Partikel  gesetzt,  cf.  Cato.  Maj.  10;  \  Fin.  30. 
Ein  andrer  Fall  ist  unten  c.  15  Sed  aliquando  veniaimis  ad  cau- 
sam. Gleich  darauf  p.  27  ist  moIiI  die  bessre,  auch  von  imserni 
Cod.  anerkannte  Wortstellung  una  loqui  voce  possit.,  haecdicat; 
denn  es  ist  so  dasselbe,  als  Avenn  Cic.  sonst  lieber  schreibt  una 
omnium  voce.,  lIDivv.  ep.5.  UebcrdemAvundert  uns,  dassGarat. 
hier  auf  die  oITenbare  ]\achahmung  Plato's,  ähnlich  der  I  Catil. 
7,  nicJit  aufmerksam  machte ;  denn  nur  unter  a  erschiedncn  Nahmen 
wird  hier  das  Volk,  dort  das  Vaterland,  und  im  Crito  das  holvov 
rijS  Ttokeag  sprechend  eingefiihrt;  ja  es  war  selbst  Pfliclit  auf  die 
fast  gleiche  Farbengebung  dabei  aufmerksam  zu  machen,  durch  Avel- 
che  diese  Nachahmung  absichtlich  Avird ,  und  sich  sprechend  her- 
vorhebt. S.  28  musste  nach  siipplicari  a\\\  Yollpunkt  stehn:  die 
Wortstellung  erliält  dadurch  erst  ihren  Werth.  Dicet  lautet  durch 
sich  selbst  lieriiber.  Was  übrigens  die  ganze  des  Catulus  Consu- 
lat  betreflfende  Stelle,  die  folgt,  anlangt,  so  fegt  auch  G ara to- 
ll i  das  Spinngewebe  der  von  Ferrati  aufgestellten  Gründe  nicht 
rein.  Man  halte  die  beiden  Endpuncte  fest,  dass  Catulus  645 
praetor  und  C52  constil  war.  Dabei  bemerke  man,  dass  Serranus 
C48,  Mallius  (>49,  Fimbria  650  Consiiln  Avaren.  Catulus  über- 
schlug also  ein  Jahr  in  seiner  BeAverbung.  Die  S.  31  gleich  dar- 
auf folgende  Stelle  liest  Ref.  so:  Desiderarunt  te .,  inquit.,  oculi 
mei.,  quiim  tu  esses  Cyrenis:  nie  eniin.,  quam  socios^  tua  frai 
virtute  malebam.  Et  cur.,  quo  plus  intererat .,  eo  plus  aberas 
a  ine?  certe  te  non  videbam.  Die  bessre  Interpunction  ist  ein- 
leuchtend, und  durch  die  eingestellte  Frage  fällt  alle  Lückenspur 
weg.  Nach  certe  konnte  leicht  te  herausfallen.  So  bildet  sich  am 
Ende  der  Stelle  eine  Art  gefälligen  Gedanken-Ritornells  mit  dem 
Anfange  derselben.  Man  übersetze :  E  s  v  e  r  m  1  s  s  t  e  d  i  c  h  m  e i  ii 
Auge  zu  der  Zeit:  Avie  du  zu  Cyr  ene  Avarst:  ich  nehm- 
lich  Avollte  selbst  lieber  dieFrüchte  deines Werthcs 
geniessen,  als  dass  es  die  Bundesgenossen  sollten. 
Und  Av i e  kam  es,  dass  du,  je  mehr  mir  daran  lag,  de- 
sto entfernter  von  mir  Avarst'?  So  viel  ist  geAviss, 
ich  sah  dich  nicht.  —  Wenige  Worte  daraufscheint,  Avie 
vorher  te  nach  certe ,  so  in  den  Worten  quae  istam  eloquentiam 
et  virtuteni  requirebant  nach  istam.,  tu  am  ausgefallen  zu  seyn. 
Istam  steht  sonst  offenbar  hier  zu  vag,  so  elliptisch  scharf  auch 
sonst  dieses  Pronomen  gesetzt  zu  Avcrden  pflegt.  Beide  Pronn.  Aver- 
den  nicht  selten  in  den  Handschriften  vermisst.  So  setzte  rich- 
tig Mar  tyni  II  Divv.  cp.VSte  nach  dubltare  ein:  so  kam,  gleich 
riclitig,  11  Pldl.  44  nach  caritale  durch  den  Vat.  te  lünzu.     Tua 


CIc.  orat.  pro  Planclo.  —  pro  Milonc.    Ed.  Orellluä.  325 

aber  sollte  wolil  Muren.  IS,  37  nicht  fehlen:  denn  ni  den  Worte» 
ihine  res  in  praetnra  ilcsidcratae  snitt^  quac  ambac  in  considatit 
Mnrenac  profticnint  ist  kaum  zu  lieirreiren,  >\ie  es  die  Herausge- 
ber, bei  diesem  scharfen  Geirensatze ,  nacli  praetnra  nicht  ver- 
missten.  Am  Ende  »es  Cap.  S.  I>4  nmss  z\i  reddani.,  si  demio  ani- 
bieris  ijedacht  werden,  sed  daijeiren  den  ISachsatz  fuhren,  und 
nicht  durcli  den  \ollpiiiict  getrennt  seyn:  aber  lerne  erst, 
r a t h e  ich,  um  die  gewichtigsten  E  li r  e n ä  in  t  c  r ,  d  e i- 
n  e m  W e  r  t h e  gemäss  (i.  c.  prima  statini  ambilione)  ,  z  n  er- 
langen, mir  ein  wenig  sorgfältiger  den  Hof  zu  ma- 
clien.  S.  37  und  folg.  sind  richtig  nach  Vorgang  Garat.  und 
durch  noch  schärfere  IJeurtheilimg  des  II.  die  A\  orte  snppUcatio 
■magistrahiuni  und  suß'ra-iiorum  als  nichtige  Glosscme  geklammert: 
ilocli  rausste  auch  \oy  Jlic  Jamilia  consulari  voll  interpungirt  wer- 
den. Bei  Cap.  0  p.  41  musste  unstreitig  cnr  iii^  id  in  iudicio  iit 
fiat^  expriniis^  qiiod  nonjitin  campo?  statt  cur  tu  id  in  iudicio^ 
[utßat,]  espr.  unterschieden  Merden.  Diese  Strnctur  des  nach- 
gesetzten tä  kelirt  oft  wieder,  z.B.  11  OfF.  23  extr.  eani  tutit  ha- 
beus.  So  werden  die  Klammern  bei  tit  fiat  unuötliig,  was  iiber- 
dies  der  ('ontext  für  den  Gegensatz  fordert.  Gleich  daraufist  S. 
42  nach  dignior  wohl  das  Fragzeichen  gemässer,  als  das  Colon, 
M  ie  es  sofort  die  Uebersetzung  der  lebendigen  Stelle  lehrt.  Ist 
dieser  oder  jener  der  Würdigere  (6  a^twrg^og)  ?  Das 
lässt  sich  sehr  schwer  behaupten.  Wie  ists  nun  der 
Billigkeit  gemässer*?  Ich  glaube  so,  wie  es  eben 
verhandelt  wird  {quod  fiir  qnoad)  :  damit  n  e  h  m  1  i  c  h  (das 
zweite  quod  steht  für  iiani  hoc)  begnügt  sich  der  Ri chter: 
der,  und  kein  Andrer,  ist  es  geworden.  Warum  der 
gerade,  und  nicht  ich*?  Theils  weiss  ich  das  nicht, 
theils  sag'  ichs  nicht,  theils  endlich  würde  mir  es 
ß  e  h  r  s  0  h  w  e  r  a  n  k  o  m  ra  e  n,  w  e  n  n  i  c  h  s  a  g  e  n  w  o  1 1 1  e,  d  e  n- 
noch  gleichwohl  auch  nicht  ungestraft  sagen  dürf- 
te, es  sey  nicht  mit  Recht  geschehn.  S.  45  ist  völlig 
richtig  vestn/m  aufgenommen,  das  durch  die  Abkürzung  z/zv«,  die 
auch  des  Ref.  Codex  liat,  mit  res//-«;«  a erwechselt  wurde.  Eben 
dieser  Codex  bestätigt  auch  das  kurz  darauf  als  acht  anerkannte 
deducere;  sondern,  wvun  Q>i  für  ad  ducere  stellt^  3Iencken  in 
seinen  Obss.  Lat.  Ling.  h.  v.  die  Stellen  gesammelt  hat.  Die  schö- 
ne Stelle  S.  45 — 47,  in  welcher  das  Bild  des  Wettlanfs  das  liin- 
gen  nach  Stimmenmehrheit  der  Staatsamts-Bewerber  versinnlicht, 
hat  II.  Orelli  richtig  gefasst;  doch  nicht  scharf  genug,  um  auch 
das  richtigere  denioiil  beim  Ph-furter  Cod.  anzuerkennen.  Dieses 
ist  synonym  mit  dem  folgcnd(Mi  dep7ilsnm^  und  es  muss  c?irsu^c- 
dacht  werden,  um  die  \  orstellung  des>N  ettlaufs  im  Gedränge  fesl- 
ziihal'en.  Eben  so.  doch  in  anderm  Ucznge,  sind  die  beiden  Ver- 
ba  \erbunden  Caecin.  17,  4{)  dcniorcri  eni/n  et  depelti  de  loco 
uecease  est  euin^  qui  dciiciiur.     Mit  gleicher  Aehulichkeit  ver- 


326  Rumische   Litteratur. 

bindet  Cic.  auch  sonst  das  folgende  incumbere  mhtmpellere  Inder 
Trope,  cf.  II  Orat.  79^  324  tantiim  imiielli yrimo  iudicem  levi- 
ter^  iit  iam  indimüo  reliqua  inciimbat  oratio.  Am  Ende  des 
Cap.  S.  4{)  musste  wohl  nach  non  dubito  bloss  ein  Colon,  statt  des 
vollen  Puncts ,  und  darauf,  da  si  —  ament  \wx  Zwischensatz  ist, 
vor  num  ein  einfaches  Comma  stelin.  S.  55  sind  die  Worte  to~ 
ta  denique  nostrailla  aspera  et  montuosa —  regio  für  H 
Legfg.  1,  3  wohl  zu  merken,  -svo  sich  die  Stelle  nihil  euim  his  in 
locis  nisi  saxa  et  montes  cogitabam;  idque  iit  fucereni  et 
or  ationibus  iiiducebar  ttiis^  et  versibus  wörtlich  darauf  be- 
zieht. Es  reuet  Ref.  dort  diese  Stelle  übersehen  zu  haben  ;  er 
hätte  ausserdem  dem  treffliciien  Wyttenbach  die  sonderbare 
^eYmnÜwmg  iiarrationibus^  statt  orationibus .,  und  Mosern  die 
unzweckinässige  Erklärsmg  dieses  Wortes  selbst  erspart.  Cap.  8 
ebend.  tot  e  reliqiiis  rmmicipiis  omnibus  non  sunt.  Die  guten  Ilajul- 
schriften  haben  statt  e,  ex,  und  wirklich  liegt  auf  reliquis^  nicht 
auf  der  Präp.,  der  Nachdruck,  llelerent  darf  aber  auf  ^ielfiiche 
Beobachtung  sich  berufen,  dass  dann  zum  Consonantcn  beim  äch- 
ten Lateiner  nicht  e  stehn  darf,  wenn  das  Gewicht  ausser  der 
Präp.  liegt.  Allein  so  würde  in  3  Zeilen  ohne  Noth  ex  dreimal 
wiederkehren.  Daher  verdient  die  dritte  Lesart  a  um  so  mehr  Be- 
achtung, weil  dann  die  übrigen  der  Glosse  angehören  wiirden;  denn 
ß,  in  der  Bedeutung  von  Seiten,  wird  von  den  Abschreibern 
vielfach  in  Anspruch  genommen.  Uebersetzt  man  nun,  so  viel 
giebt  es  ihrer  von  Seiten  der  übrigen  Muni  cipien  (be- 
vorrechteten Städte)  zusammengenommen  nicht:  dann 
wird  es  glaubbar,  dass  hier  Cicero  die  Präposition  absichtlich  än- 
derte. Dies  wird  nocli  w ahrscheinlicher,  ja  selbst  zur  Gewisslieit, 
aus  Gap.  9  p.  59  lisdeni  nunc  a  municipüs  adsunt  eqidtes  Roma- 
ni publice ;  mo  eben  ^o  e  und  ex  schwankt.  Bei  Seite  50  müssen 
wir  etwas  länger  verweilen,  und  zwar  bei  den  Worten  numquuni 
intellexi  vehementius  [?iumicipuiii]  siionim  honore  lactari.  Dass 
municipum  als  imächt  eingeklammert  ist,  geschah  allerdings  mit 
Recht ;  allein  damit  Aviederiühr  der  Stelle  ihr  Recht  noch  nicht. 
Suormn  stand  hier  wegen  seines  gewöhnlich  zu  specifeUen  Ge- 
brauchs wahrsclieinlich  nicht  richtig  allein.  Unter  den  drei  be- 
rücksichtigungswerthern  Lesarten  kominu/n.,  hospitiiin.,  viunici- 
pufn^  ist  sicher  die  erste  die  ächte.  Es  ist  nehmlich  Cicero's  Wei- 
se zu  den  Pronomen  und  Adjectiven  ho?no  zu  setzen,  um  gleich  so 
den  allgemeinen  Begriff  zu  bezeichnen,  daher  so  oft  nostri  homi- 
nes.,  Romunus  ho/no.,  homo  iuuenis^  adolescens  etc.  Allein  müssle 
es  nicht  auch  hier  nostroriim  hominuni  heissen,  nach  Ilinw  eisung 
der  Baierschen  Handschr. ,  w  eiche  nostroruni  nuuncipuin  beut  'i 
Dainiber  kam  vielleicht  der  scharfsiimige  G  ar  a  t  o  ni  mit  sich  nicht 
aufs  Reine,  da  er  in  der  zweiten  Ausgabe  weit  unentsclilossner 
als  in  der  ersten  sich  ausspricht.  Eigentlich  schreibt  allerdings 
der  Lateiner  gewöhnlich  nostri  hotnines,  cf.  I Orat.  4;  6  j  11 ;  13; 


Cic,  orat.  pro  rianclo.  —  pro  Milonc.    Ed.  Orclllus.  327 

v'cil  er  in  der  Kecfd  das  Pronomen  dabei  niarqnirt:  doch  ist  das 
selbst  nicht  iiotliwendiiT,  ^erirl.  l  Orat.  44:,  l!)7  de  quo  nmlla  so- 
Ico  in  scnnotiibiis  quutiduiuis  d/cere^  qunni  ho/nhium  uoslro- 
nun  prude/itiani^  ceteris  oiniiibus^  et  viaxime  Graeci's,  anlepo- 
no.  Oelter  stellt  so  honw  Ronumus^  1  N.  1).  S3,  1)2;  Cato  Maj. 
4,  12  etc.  Gerade  so  ist  bei  Sencca  zu  lesen  Q.  jN.  IV,  6,  1  ISon 
tempero  ?nilu\  quo  minus  hominum  nostrorum  ineptias  pro- 
feram^  >vo  man  das  ehmaliire  oniniuni  unirliicklich  in  onines  ver- 
wandelt hat.  Dem  ireniäss  stimmen  uir  hier  f:iinzlich  mit  Em., 
welcher  hominum  aufnahm.  Zwar  stiitzt  sich  diese  Lesart  einzig 
auf  einen  Code\  bei  Ursini,  und  dieser  lieh,  wie  Hr.  Orelli 
nicht  ohne  Grund  bemerkt,  seinen  Handschriften  oft  seine  \er- 
muthun^en.  Allein  war  dies  auch  hier  der  Fall,  so  ist  diese \er- 
muthuuir  der  vollen  Anerkennung  werth.  Aus  hominum  entstand 
sicher  durch  falsches  Lesen  seiner  Abkürzung  hospitum^  und  mu~ 
■nicipuui  ist  seine  Glosse. 

Doch  wir  müssen  abbrechen,  um  unsre  Bemerkung  nicht  zu 
weit  auslaufen  zu  lassen,  und  bezeugen  nur  noch  aus  sichrer  Prü- 
fung, dass  des  \\.  IL  Bemerkungen  an  Richtigkeit  und  Sicherheit 
des  Lrtheils  wachsen.  Anfangs  liess  derselbe  sich  vielleicht  von 
Garatoni's  TSahmen  etwas  obruiren;  weiterhin  wurde  jeijcsj 
scharfsinnigen  Vermutliungen  auch  wohl  noch  zu  oft  Raum  gege- 
ben; was  alles  in  der  Ausgabe  der  zweiten  Rede  meist  glücklich 
vermieden  wurde. 

Bei  der  Rede  gegen  den  Milo  fand  die  nöthige  Abände- 
rung statt,  dass  Garatoni's  Anmerkungen  hintangefügt  wurden, 
unter  dem  Texte  aber  von  Hrn.  Orelli  eine  eigne  freie  Recen- 
sion  fortläuft,  mit  Benutzung  der  durch  Peyron  später  geliefer- 
ten ansehnlichen  kritischen  Hülfsmittel,  theils  aus  dem  reiclien 
Schatze  der  Lagomarsinischen  Collationen,  theils  in  einem 
Turiner  Palimpsest  bestehend,  welches  sogar  eine  vorher  nicht 
geaJinete  Lücke  c.  13  ausfüllt:  wegen  welcher,  und  einer  andern 
von  Peyron  entdeckten,  auch  dieses  Abhandlung  de  lucunis 
oratio  n  i  s  p  r  o  M  Hone  vorgedruckt  ist.  Am  Ende  wurde  noch 
Ferrati's  Excurs  zu  dieser  Rede,  und  Graefs  Verbesserungen 
auszugsweise  in  4  Blättern  von  Hrn.  Diak.  Bardili  beigegeben. 
Auch  hier  wollen  wir  ebenmässig  des  H.  IL  Urtheil  besonders  da 
begleiten,  wo  wir  etwas  bemerken  zu  müssen  glauben:  bei  allen 
übrigen  Bemerkungen  desselben  geben  wir  durch  unser  schweigen- 
des \orübergelm  unsre  Beistimmung,  oder  doch  so  viel,  dass  wir 
ebenfalls  nidit  bessren  Rath,  wenigstens  nicht  ohne  zu  umständ- 
liche Erörterungen,  wussten,  durch  die  Sache  selbst  zu  erkennen. 

Gleich  Anfangs  Cap.  1  S. 42  ist  mit  Garatoni  richtig  quo- 
cunque  inciderunt  statt  des  alten  incide/inl  geschrieben :  nur 
musste  wohl  der  Aoristische  Sinn  des  Perfects  zu  dieser  Partikel 
bemerkt  werden;  wohin  imni  er  der  B  1  ick  f  all  t.  Kurz  vor- 
her hätte  >or  tarnen  der  Nachsatz  duixh  ein  Colon  sollen  bemerkt 


S28  Römische   Littcratur. 

werden.  S.  43  ist  eben  so  richtig  Na?n  in  ?ion  verwandelt,  Iior- 
roris  gestrichen,  und  surnns  gegen  Em.  gescluitzt:  doch  inusste 
das  Gedrehte  der  ganzen  Stelle  aus  dem  pickirten  Gemüthe  Ci- 
cero's  erklärt  werden,  der  sich  des  minder  günstigen  Erfolgs  sei- 
ner gehaltenen  Rede  lebhaft  hier  bewusst  war,  und  doch  sich 
nicht  geiade  und  olfen  äussern  wollte.  S.  44  sind  wir  mit  der 
nach  dem  Urtheile  Garatoni's  geordneten  Construction  existi- 
marem  esse  oratori  locum  nicht  zufrieden;  weil  der  Gedanke  lahm 
auf  dem  lamben  ruht,  überdies  auch  der  Zusammenhang  die  As- 
severation  fordert,  die  durch  das  esse  der  Vulgate  am  Schlüsse 
richtig  Platz  findet.  Auch  verdankt  man  die  dreifache  Umstellung 
des  esselncY  sicher  nicht  der  aufgenommenen  Wortordnung;  Mohl 
aber  wird  es  häufig  aus  der  Clansul  verstellt.  Cap.  2  S.  45  billi- 
gen wir  in  clamores  maximos  pro  vesira  sahite  neglexit  das  auf- 
genommene pro  nicht,  sondern  halten  es  mit  Ulrichs  Urtheil 
«nd  mit  dem /;/ae  der  Vulgate,  cf.  XlVüivv.  ep.  4  qni pericnlam 
fortunarttm  et  capitis  sui pr  ae  rne a  s  alute  uegle xit.  Ja  \\\v 
halten  in  dieser  Form  xmd  Stellung  pro  kainn  für  Latein.  Ein 
andrer  Fall  tritt  ein  V  Divv.  ep.  9  ^n  i'ereca\  we,  qni  potentissi- 
morum  homiiium  conspiratioiiem  ne glexer  it  j)^ o  mea  sal u- 
te^  is^  qni  pro  hoiiore  meo  jnisillorum  ac  inalivolornin  obtrecta- 
tiones  atqne  invidias  non  prosfernat  atqne  obterat.  In  der  Stelle 
II  Verr.  Co  möchten  auch  wir  von  keiner  yVendrung  wissen.  Seite 
46  begünstigen  zu  de  bonis  et  forlibns  vir/s  sieben  Codd,  die  Wie- 
derholung der  Präposition.  Diese  waren  hier  wohl  deshalb  zu  be- 
rücksichtigen,  weil  Cic.  die,  bojios  und  fortes  riros  scharf  unter- 
schieden wissen  will ,  um  sie  den  be?ie  meritis  viribus  vereint  zu 
bezeichnen.  Uebrigens  ist  es  ja  auch  dieses  Gewohnheit,  ver- 
wandte Begriffe  auf  diese  Art  als  gesondert  denken  zu  lassen,  z.B. 
I  Off.  14,  42  de  beiieficentia  ac  de  liberalitate ^  und  eben  so  II, 
15,  52  etc.  Wie  oft  aber  die  Abschreiber  die  zweite  Prä]),  absicht- 
lich weglassen,  ist  bekannt.  S.  47  Qiiamquam  —  T.  Aunii  tribii- 
iiatii^  rebus  que  omnibus pro  salate reipublicae  gestis  —  jwn  abii- 
temur.  In  diesen  Worten  hätte  que ,  welches  die  meisten  Hand- 
schriften nicht  kennen,  gestriclien  werden  sollen,  da  sich  der  Satz 
durch  quuni  omnes  res  —  gestae  sint  auflöst ,  und  man  bei  que 
nicht  ohne  Grund  zu  rebusque  omnibus^  in  hoc  beigesetzt  wün- 
schen würde.  Cap.  3  p.  49  ist  in  propria  vestrae  quacstiunis^  ve- 
strae  eben  so  müssig,  als  das  frühere  fiostrac\  und  nimmt  über- 
dies das  nöthige  Gewicht  \on propria  hinweg:  daher  findet  es  in 
der  von  Garat.  aus  Cluent.  58  angefülirlen  Stelle  keine  Aveitere 
Stütze.  Gleich  darauf  ist  sicher  der  Stelle  quae  et  in  senatu.  ah 
iniinicis  saepe  iaclata  sunt^  et  in  concione  ab  improbis  noch  nicht 
Genüge  geschehn.  Sieht  man  diese  Worte  mit  ihrem  >V  irrwar  von 
Lesarten  genauer  an,  so  sollte  man  glauben,  in.  concione  sej  eh- 
mals  herausgefallen,  am  Bande  notirt,  und  an  falscher  Stelle  dann 
eingerückt  worden.     Man  lese  die  Stelle  so :  quae  et  in  senatu^ 


CIc.  orat,  pro  Planclo.  —  pro  Milone.    Ed.  Orellliiji.  329 

et  in  concionc  ah  oinivis  saepc  iactalo  sunt  ^  saepc  ah  iniprohis^ 
iiiul  man  \\  ird  mit  uns  i^lcich  tleiikcii :  ül)rii^ens  lassen  m  ir  die  Walir- 
scheinlielikeit  dieser  Umstelluiiij  iVir  sich  sell)st  spreclieii,  und  ver- 
langen nur,  dassniandas  Gewirr  der  \arianten  bei  P  ey  ro  n  selbst 
nachsehe.  Kurz  nacliher  stellt  esse  irewiss  lalsoli:  es  muss  cnt- 
Aveder  mit  einer  von  uns  verglichenen  Ilandsclirii't  qui  esse  a  se 
hominem  ocdssiini  fatealiir  s^nW'nc.ii^  oder,  was  hier  Mohl  richti- 
ger seyn  möchte,  esse  der  Glosse  anheim  lallen,  da  das  Gewicht 
der  A  ersicherun^  in  der  übrigen  \>  ortstellniii^  selbst  ruht,  und 
nicht  erst  so  marqiiirt  zu  werden  braucht.  Gleicher  Fall  ijilt  auch 
Mohl  bei  den  A\  orten  esse  iiderjeclam  fateatur.  Zu  der  ticlel' 
lolgenden  Stelle  iiber  Ai'rican,  da  er  von  Carbo  in  concione  se- 
il it  ios  e  inleno°^aretiii\  musste  II  Orat.  25, 100  verglichen  wer- 
den, wo  das  sediliüse  leiser  durch  alia  tum  mente  renipiiblicam  ca- 
pessenli  bezeichnet  wird.  Das  Seite  59  stehende  Neque  enim  er- 
hält schon  seine  volle  Rechtfertigung  damit,  dass  es  hier  eigent- 
lich, wie  oft,  durch  Beispiele  widerlegend  ist.  Sein  Unterschied 
von  jScqiic  vero  springt  durch  die  Uebersetzung  sogleich  hervor: 
Auch  k  ö  n  n  t  e  ja  —  nicht  anders;  w ährend  vero  durch 
wirklich  zu  übersetzen  seyn  würde.  Am  Ende  des  Cap.  S;  51 
ist  defenderit  einzig  zu  berücksichtigende  Lesart,  da  es  hier  auf 
Thatsachc  ankommt.  3Ian  übersetze:  im  Falle,  dass  er  sich 
habe  mit  e  i  n  e  ni  G  e  w  e  h  r  v  e  r  t  h  e  i  d  i  g  c  n  w  o  1 1  e  n.  S.  52 
sind  die  auf  C.  31arius  Bezug  habeiidea  Worte  Alque  ille  snm- 
Vius  vir  vollkommen  richtig  gestellt.  Auch  glaube  man  nicht, 
dass  siunmus  ille  vir  besser  wäre,  wie  Garatoni  lieber  lesen 
möchte.  Sein  Ohr  war  an  die  häufig  wiederkehrende  Stellung 
gewöhnt,  die  hier  niciits  weiter  als  der  bekannte  grosse 
M  a  n  n  ausdrückt :  die  Vulgatc  enthält  die  Umschreibung  ille 
vir ,  qui  summus  erat  ^  jener  grosse  Mann;  die  aufge- 
nommene Lesart»  hhigegen,  welche  ille^  qui  summus  vir  erat 
ausdrückt  (jener  so  grosse  Mann),  entspricht  dem  Lo- 
be am  besten,  das  Cicero  so  gern  diesen  seinem  nächsten Lands- 
manue  mit  vollem  Gewichte  zumisst.  Gleich  darauf  möchte 
aber  vor  Insidiatori  vero  kein  Yollpunct,  sondern  ein  Colon  zu 
setzen  sejn,  weil  die  vorweg  gehenden  Worte  bloss  den  Ueber- 
gaiig  bilden.  Cap.  4  S.  52  darf  die  Kritik  in  der  treflllichen  Stelle 
I^jsI  enini  liaec^  iudices ,  no7i  scripta ,  sed  nata  lex  etc.  nicht 
ändern,  da  bei  ihrer  Wiederholung  Orat.  41)  von  allen  Handschrif- 
ten, auch  zweien  des  Ref.,  e/^/m  anerkannt  wird:  indess  hierbleibt 
der  Partikeln-Tausch,  igitur ^  ergo ^  doch  immer  merkwürdig. 
Denn  es  könnte  das  einfache  As^  in  schärfrer  Versicherung  sfehn, 
wie  I  Div.  25,  52  Est  apiid  Plalonem  Socratcs  etc.  Dennoch 
neigte  sich  des  Ref.  Vermuthung  seil  lange  schon  zu  dem  dop- 
pelten est  hin  ;  wie  unten  ijl  j).  125  J'jS t^  est  jrrofcito  illu  vis ; 
Fontej.  T  Fuit^fuit  Ulis  iudicibus  divinum  et  singulare ^  iu- 
dices^ consilium;  I  Verr.  4  Non  cst^  non  est  in  hoc  liomi- 


330  Rümischc  Litte ratur. 

ne  cuiquam  peccandi  locns^  iudices.  Seite  55  war  senafui^  vor 
potestas  esset  erepta^  siclier  zu  strciclien,  das,  vieles  Andre  nicht 
zu  berücksichtigen,  noch  überdies  die  unrechte  StelUing  hat; 
uieMohl  seine  zweite  handscliriftliclie  Stclhing  ganz  unzuiassbar 
bleibt.  Audi  unsre  verglichne  Ilandscluift  kennt  es  iiiclit.  Sehr 
richtig  ist  aber  das  Gar  atonische  sibl^  ^tatt  senat/ii^  verwor- 
fen. Tiefer  war  ebendaselbst  wohl  mit  fast  allen,  selbst  den 
vorzüglichsten  Handschriften  die  Lesart  festzuhalten,  mit  quo 
arma  Saturniiii  opinessa  sunt ^  non^  etiainsl  e  republica  op- 
jyressa  sunt^  rempublicam  tarnen  tndnerarunt.  Das  non 
vor  ef /«ms/ gesetzt ,  darf  eben  so  wenig  auffallen ,  als  wenn  es 
gleich  scharf  vor  s«,  etsi^  qiiia^  quo^  vorausgeht.  Auch  erliält  so 
tarnen  vor  dem  Yerbum,  dem  Sinne  gemäss,  stärkern  Naclidruck. 
I  Att.  ep.  16  quum  illuni  [Clodius)  plumheo  glndio  vigidatiim  tri 
tarne n  diceret.  Das  zweite  opp r  e s s a  s u n t  giebt  der  Stelle 
erst  die  llundung;  weggelassen  M'ird  sie  gezwnngen  und  unnatür- 
lich. Und  Marum  will  man  sich  mit  Garatoui  so  selir  daran 
stossen?  Schreibt  nicht  Cic.  öfter  so,  dass  er  melirere  Bei- 
spiele vereint  setzt,  imd  an  das  letzte  wichtigere  die  Constru- 
ction  knüpft,  die  dann  erst  in  Gedanken  an  die  übingen  ange- 
passt  werden  muss  ?  Wir  diirfen  ims  über  äluiliche  Stellen  nicht 
ausbreiten :  bemerken  liier  nur,  dass  der  angedeutete  Erklärungs- 
imd  Behandlnngs- Weg  bei  der  Stelle  der  sicherste  ist.  Seite  56 
müssen  am  Schlüsse  des  Cap.  die  Worte  nihil  enim  necesse  esf^ 
omnium  7ne  flagilia  profcrre^  parenthesirt,  und  der  Vollsatz  darf 
nicht  widerlich  durch  zwei  Vollpunkte  zersclmittcn  werden.  Cap. 
6  zu  Anfang  heisst  es  von  dem  Gesetzes- Vorschlage  des  Pompe- 
jus,  Tidit  enim  de  caede^  quae  in  Appia  via  facta  esset ^  in  qua 
P.  Clodius  occisjis  esset;  wo  die  Debatten  über  das  letztre  esset 
noch  nicht  abgethan  sind.  Zwar  ist  kein  Zweifel ,  dass  est  und 
fuit  hier  in  keinen  Anspruch  kommen:  aber  sehwerlich  möchte 
sich  das  doppelte,  die  beiden  Sätze  so  monoton  schliessende  es- 
set  gehörig  schützen  lassen.  Stellte  eine  Handschrift  esset  occi- 
sus  um,  so  wäre  die  Sache  entschieden.  Gleichwohl  ist  nicht  zu 
leugnen,  dass  bei  Römischen  Gesetzes-Formeln  der  Hinblick  auf 
unverfängliche  Deutlichkeit  alle  andre  Sprach -Rücksichten  in 
den  Hintei'grnnd  stellt.  Seite  59  würde  Ref.  poeniendian^  das 
durch  so  gute  Handschriften  gestützt  ist,  beibehalten  haben.  Der 
Grund  der  Gleichmässigkeit  der  Schreibart,  welchen  der  H.  II. 
weiter  unten  anführt,  möchte  sich  schwerlich  bei  Cicero  mitCon- 
sequenz  durchführen  lassen,  da  vieles  Andre,  wie  domi  und  do~ 
mui^  perinde  und  proinde^  libens  und  lubens^  plebis  und  plebei 
etc.  dawider  protestiren  würde.  S.  61  war  vielleiclit  die  Wort- 
stellung sw/«///«  omnia  fnerunt  zu  vindiciren,  weil  Ernesti  zu 
III  Orat  4,  15  versichert,  dass  Cic.  nur  omnia  summa  schreibe, 
dies  auch  wirklich  sonst  überall  gilt ,  II  Orat.  20,  85 ;  X  Divv. 
ep.  3 ;  XV  Att.  ep.  13.  Allein  liier  hätte  w  ohl  Cicero  eigentlich 
• 


CIc.  orat.  pro  Planclo.  —  pro  MJlonc.    Ed.  Orelllug.         331 

summa  fiiernnt  omnia  sclircihon  sollen,  Iiätte  er  iiiclit  die  Assc- 
veratioii  Vorlieben  wollen.  IJald  daianf  ist  mit  Keeht  gegen  Ga- 
rat.  occidisset  festgehalten:  denn  trügt  nns  nicht  Alles,  so  würde 
Cic.  nach  cecidisset  im  näehsd'olgenden  onmes  una  concidissent 
geschrieben  haben.  Cap.  8  8.(52  glauben  Mir  bei  den  Worten  Non 
fuit  profecto^  ea  causa^  iiidiccs^  noii  fiiit  anf  die  ricliligere  In- 
terpnnction  aufmerksam  machen  zu  müssen.  Es  ist  nehmlich 
Cicero's,  schon  vom  Spr?icligeistc  gebilligte,  Gewohnheit,  bei 
"Wortwiederholungen  die  Asseveratit  e  dem  Nachsatze ,  nicht  dem 
Vordersatze,  beizufügen;  wogegen  die  Herausgeber  oft  Acrstie- 
ssen.  So  musste  in  der  von  Gar a ton i  p.  ISO  citirten  Stelle 
Fontej,  4  no7i  est  ^  sane  non  est  inqnirendi/m,  das  Comma  vor, 
nicht  nach  sa?ie  gesetzt  werden.  Eben  so  Rose.  Am.  49,  121 
JS'on  est  ita^  profecto^  iudices^  non  est  verishnile^  iit  etc.,  wo 
ebenfalls  das  Comma  vor  profecto  fehlt.  Man  vergleiche  nur 
Coel.  20  c/vV,  en't  illud  profecto  tempus;  II  Orat.  7  Audite^  au- 
d'de  vero ,  inquil ;  V  \ err.  50  molo ,  malo  mehercule.  Diesem 
gemäss  war  auch  hier  Non  fitU.,  profecto  ea  causa  ^  i.  n.  f.  zu 
distinguiren.  Kurz  darauf  glaubt  Kef.  müsse  p.  (»3  so  geschrie- 
ben werden:  sed  homo  sapieiis^  atque  alta  et  divina  quadam 
meide  praeditus ^  midta  vidit.  Vidit  fiiisse  sibi  illum  inimi- 
cum  etc.  Denn  mIc  gezwungen  lässt  sicli  vidit  zwFuisse  ans  dem 
vorhergehenden  Satze  suppliren!  und,  gesetzt  man  Hesse  sich 
dies  gefallen,  springt  dami  nicht  tiefer  das  mtüta  etiam  alia  vi- 
dit^  ohne  die  obige  Wiederholung,  widerlich  ein  ? !  Man  glaubt 
nicht,  wie  viele  Stellen  auf  dem  eingeschlagnen  Wege  bei  Cicero 
noch  leichter  Nachhülfe  entgegen  sehn.  Wir  wollen  hier  nur 
zwei  andere  aus  dieser  Rede  selbst  beifügen.  So  lieisst  es  c.  37 
p.  140  Me7ie  non  potuisse  Milonis  salutein  tueriper  eosdem^  per 
quos  nostram  ille  servasset.  Wir  müssten  uns  sehr  irren,  Avenn 
hier  Cic.  nicht  hätte  den  Gedanken  Mene  non  ptotuisse  Miloiiis 
salutem  tacri  evf^t  auf  sich  allein  bezogen  Avissen  wollen,  dann 
auf  die  jMittelspersonen.  Ist  das  der  Fall,  so  rauss  auch  hier 
/?/e;e  zweimal  slehn,  salutem  tueri^  tueri  per  eosdem  etc. 
So  möchte  auch  wohl  c.  33  p.  130  Oppressisset  omnia ,  posside- 
ret^  teneret^  omnia  zweimal  geschrieben  werden  müssen,  wenn 
die  Stelle  niclit  unerträglich  langweilen,  oder  andre  Hülfe  für  sie 
aufgesucht  werden  soll.  Seite  (14  ist  richtig  nostra  gegen  Ga- 
rat.  und  Moebius  vindicirt,  das  wegen  der  Opposition  des 
omnis  durchaus  stehn  muss.  Eben  so  richtig  auch  das  Urtlieil 
bei  et  dclecli  iudices^  isque:  denn  hier  muss  das  manjuirte  Wort 
das  «Versetzen.  Cap.  9  p.  00  würden  Avir  die  Verdoppeltmg  in 
sese  aus  Bav.  nicht  aufgenommen  haben,  weil  der  Absclireiber 
wahrscheinlich  zum  einsylbigen  Worte  que  niclit  s'ctzen  wollte, 
wie  dies  sooft,  und  gerade  bei  den  bessern  Handscliriften,  Irrun- 
gen macht.  Etwas  tiefer  möchten  Mir  nach  Occnrrebat  die  Va- 
rianten e?,  enim^  et^  von  dem  abgekürzt  gescliriebuen  etiam  ent- 


832  Römische  Littera tu r. 

standen  glauben :  diesem  wi'irde  dann  das  folgende  porro  besser 
entsprechen,  das  ausserdem  zn  verwaiset  steht.  Cap.  10  p.  71 
muss  m  p/ofect?is  est^  desideratus  est  ^  habita  est^  das  in  drei 
einander  folgenden  Sätzen  wiederholte  est^  wie  billig,  auffallen. 
Das  erste  est^  das  auch  des  Ref.  Codex  verwirlt,  ist  sicher  nicht 
von  Cic,  da  p/ofec/its  sich  an  das  schon  vorhergegangne  profe- 
chispridie  est  anlehnt.  Das  letzte  est  muss  mit  seinem  Satze  in 
Parenthese  gezogen  werden;  wenn  nicht  der  ganze  Satz  selbst, 
da  er  so  ärmlich  nachhinkt,  und  sich  von  seihst  versteht  (auch 
wurde  der  Sache  schon  oben  erwähnt),  fiir  ein  Randglossem,  zu 
concionem  gehörig,  noch  wahrscheinlicher  angesehen  werden 
soll.  Am  Ende  der  Seite  ist  die  schwierige  Stelle  paenulatus.^ 
viagno  impedimento^  ac  nmliebri  et  delicato  onviUaruni  puero- 
riimque  comüaiu  mit  Besonnenheit  behandelt.  Ref.  würde  bloss 
noch  et  nach  magno^  das  sich  auf  so  starke  Autorität  stützt,  ge- 
lassen haben,  so  dass  das  anacoluthisch  folgende  ac  für  et  insu- 
j!;e/' gelten  kann;  dann  würde  sich  magno  zugleich  mit  auf  co- 
mitatu  hcziahw.  Dass  i7//^z  gestrichen  ist,  geschah  mit  Recht: 
Aveil  sonst  Cic.  viagno  servorum  vidgi  imp.^  oder  ähnlich,  ge- 
schrieben haben  würde,  wenn  er  den  Sklaventross  hiermit  liätte 
bezeichnen  wollen.  Ob  aber  in  der  so  verbreiteten  Lesart  vul~ 
gtis  nicht  sonst  ein  anderes  Woi't  verdorben  ruhe,  wie  es  die 
Coraposition  der  ganzen  Stelle  wahrscheinlich  macht,  und  welches 
dies  gerade  sei ;  lässt  sich  schwer  entscheiden.  Soll  Ref.  mehr 
rathen,  als  urtheilen,  so  würde  er,  mit  Hinblick  auf  c.  20,  wo 
irretitus  imd  constrictns  auf  ähnliche  Art  Vereint  steht ,  involn- 
tus  vermuthen.  In  wie  vielartiger  Beziehung  Cic.  dieses  Wort 
setzt,  ist  bekannt.  Garatoni  hat  die  Stelle  rein  verdorben. 
Seite  72  wird  am  Ende  des  Cap.  nach  Garatoni's  Vorgange 
Milonem  occisuni  et  ex  ipso  Clodio  audirent^  et  re  vera  putarent^ 
weit  riclitiger  gelesen,  statt  dass  es  früher  Milonemque  —  etiain 
hiess.  Gleicher  Cur  aus  freier  Hand  bedarf  die  ähnliche  Stelle 
Brut.  42,  156  Ita  prorsus  et  anteu  putahani :  ( — )  et  nunc 
meuin  iudicium  midto  magis  confirmo  etc.  Aus  Nichtbeaclitung 
der  Parenthese  steht  auch  in  neuster  Ausgabe  noch  etiani 
antea.  S.  7-4  ist  die  anacoluthisclie  Stelle  Si  id  iure  non  passet^ 
nihil  liaheo^  quod  defendani  (welcher  sich  ausserdem  noch  ähn- 
liche mehrere  beifügen  Hessen)  glücklich  und  vollgenügend  ge- 
rechtfertigt. Cap.  11  S.  75  irrt  P  ey  r  o  n  bei  Sin  hoc^  wo  das  Tu- 
rinische Rescript  sie  hoc  liest,  wenn  er  sie  nicht  aus  sin  entstan- 
den glaubt.  Der  Abschreiber  las  nehmlich  die  Abkürzung  St 
falsch.  S.  78  möchte  wohl  in  den  Worten  speraret  se  elu- 
dere  das  se  dem  ausgeworfnen  rempubl.  nachzusenden  seyn, 
und  der  einzige  Bay.  zu  viel  Gewicht  in  die  Wagschale  legen,  w  en« 
mit  ihm  es  dem  posse  nachgestellt  werden  sollte;  auf  eine  Stelle 
besonders,  welche  es  so  oft  rechtlos  behauptet.  Cap.  13  p.  79 
möchte  vielleicht  librariolum  im  herabsetzenden  Ausdruck ,  nach 


Cle.  orat.  pro  Planclo.  —  pro  MUone.    Ed.  Orellius.         333 

I  Lege:.  2,7,  zu  lesen  seyri;  wenigstens  deutet  die  Lesart  lihera- 
lium  und  Ubellan'uin  darauf  liiii.  —  So  Mären  wir  zn  den  beiden 
Liieken  gekommen,  welelie  dieses  Capilel  Seite  79  folg.  und  82 
enthält,  durch  deren  Ausfüllung  diese  Rede  so  unerwarteten  Zu- 
wachs erliielt.  WegtMi  der  zweiten  findet  in  lli'icksicht  auf  die 
Aechtlieit  des  Einsatzes  kein  Zweifel  statt:  sie  ist  aus  dem  Pa- 
limpsest  selbst  entlehnt,  und  trägt  alle  Kennzeichen  innrer  Wahr- 
lieit  und  Vollständigkeit.  Bloss  der  Uebergang  zu  ihr  niusste  mit 
wenigen  Worten  ergänzt  werden.  Auch  ein  Theil  der  erstem 
Li'icken-AusiVdlung,  weldier  ilnrch  glVickliche  Combination  Quinti- 
lians  IX  Oratt.  Instt.  2,  54  mit  den  Ambrosianischen  Scholien  (die 
indessen  gerade  an  der  Stelle  leider  selbst  liickenliaft  sind)  durch 
Peyrons  Scharfsinn  gewonnen  wurde,  ist  sehr  wahrscheiulich 
äclit.  Denn  dass  die  Worte  An  huius  —  reprehensio  Quintiliau 
wirklicli  aus  der  von  Cicero  Iicrausgegebenen  Kcde  citirt,  ist  selbst 
daraus  klar,  weil  derselbe  kurz  darauf  §  50  auf  dieselbe  Art 
die  näclistfolgemlen  in  allen  Ausgaben  befindlichen  Worte  Et  aspe- 
xit  etc.  anführt.  Ob  aber  Peyron  zu  dieser  ihrem  Platze  von 
üun  wieder  gegebnen  Stelle  den  Siim  des  \  erlornen  in  dem  von 
ihm  Supplirlen  voll  und  riclitig  erfasst  hat,  ist  eine  andre  Frage. 
Zwar  glauben  wir  gern,  dass  in  ihr  das  Clodische  Project,  dieFrei- 
gelassnen  in  die  Landziinfte  zn  zielin ,  und  so  stimmfähig  zn  raa- 
cJien,  erwähnt  wurde,  da  auch  im  Verfolge  der  Rede  selbst  wie- 
derholt (c.  28  und  3S)  darauf  angespielt  wird,  und  sich  ausserdem 
nichts  Passenderes  ausfiudig  machen  lässt;  lialten  uns  aber  über- 
zeugt, dass  in  dem  i^Iangelnden  Aufschlüsse  zu  den  Worten  des 
ISeuausgemittelten,  (jua/n  Cloditis  a  se  inventam  ^loriatar ^  wie 
zu  den  der  frühern  Lücke  folgenden  Kt  aspexit  ine  Ulis  qiiidem 
oculis  etc.  zn  suchen  sind ,  weil  sie  ausserdem  zu  vag  und  bezug- 
los stehn  würden.  Ausserdem  müssen  wir  noch  bemerken,  dass 
in  den  von  uns  angefülirten  Worten  der  Nähme  Cludins^  auf  Ses- 
tiis  Clodius  bezogen ,  sicher  \  on  Cicero  so  einfach  nicht  gesetzt 
wurde;  der,  wo  er  immer  diesen  erwähnt,  ihn  entweder -mit  dem 
\ornahmen  zugleich,  oder  durch  diesen  allein  nennt.  Wir  glau- 
ben daher,  dass,  mitiMarque  des  Gegensatzes,  &  ^//«m  Clodius  ge- 
lesen werden  müsse ,  wo  wegen  des  nächstvorhergehenden  s  der 
Vorname,  leicht  ausiallen  konnte;  und  dass  in  dem~Verlorenge- 
gangnen  kurz  vorher  des  P.  Cfodius  ^nhme  mit  verloren  ging.  IJe- 
ber  die  AVorte  der  Peyronschen  Ergänzung  selbst  Hessen  sich 
wenigstens  4  bedeuteiule  Ausstellungen  machen,  wenn  uns  nicht 
Wichtigeres  überblieb.  —  Zur  zweiten  Lücke  sind  statt  der  Pey- 
ronschen \  orselzwortc  Aadislis^  iudiccs^  quantnm  Clodio  pro- 
fueril  die  von  Hei  er  zu  Orat.  in  Clod.  et  ('ur.  p.  20  vorgeschlag- 
nen Demonstravi^  iud.^  qiiantum  Clodii  iiäerfiieril  mit  Hecht  vor- 
gezogen. Ueberdies  musste  wohl  bei  den  \\orten  der  hinzuge- 
komninen  Stelle  l^idebat' apud  vos,  iudices^  (zu  welchen  sich  der 
lledner  durch  die  vorgehenden  mc  »ußragatore  den  Weg  bahnte) 

JakTb.  d.  I'/iil.  u.  J'adag.  Julir^;.  1.  Ihjt  2.  22 


834  Rümischc    Litteratur. 

auf  die  Anklage  desMilo  durcli  Clodiiis  hingewiesen  werden,  deren 
c.  10  p-  88  ausfVihrliclior  gedacht  wird,  in  welclier,  ausser  Pom- 
pejus,  auch  Cicero  für  3Iilo  sprach,  vgl.  XXXIX  Dio  Cass.  c.  18, 
die  ganz  eigentlich  als  von  Clodius  gebrauchtes  Desperations-Mit- 
tel  angesehn  werden  rauss,  um  Milo  in  deu  Bewerbung  ums  Con- 
sulat  zu  hindern. 

Hier  sollten  w  ir  vielleiclit  abbreclien :  indess  wollen  mir  noch 
einzelne  Bemerkungen  auswählen ,  um  den  II.  H.  zu  iiberzcugen, 
dass  wir  die  ganze  Rede  durchlasen.  Cap.  13  extr.  p.  8  muss  zwi- 
schen den  Worten  Ille^  erat^  nt  odisset^  das  Comma  nach  llle  ge- 
strichen werden,  da  es  hier  dieselbe  Constructiou  gilt  mit  dem  ge- 
wöhnlichem Is  sum^  ut.  Denn  sicher  darf  Garatoni  nicht  ge- 
hört werden,  der  diese  Worte  in  der  Synchyse  genommen  wissen 
will,  sodass  das  Pronomen,  scharf  vorgestellt,  eigentlich  nach  z^^ 
gehöre.  Vielmehr  muss  zu  llle  erut^  talis  oder  eßismodi^  wenn 
1/t^  und  causa  ^  wenn  nach  Uli  erat  ^  «erfolgt,  gedacht  werden. 
Ueber  is  sum^  nt  hat  bereits  der  gründliche  11  am  s  hörn  in  sei- 
ner Grammatik  §  184, 3  n.  2  fast  erscihöpfend  gehandelt.  Cap.  15  in. 
p.  8T  stimmen  wir  ganz  mit  der  Veränderung  At  quod  erat  tem- 
pus !,  ob  Avir  gleich  kein  einziges  Beispiel  kennen,  wo  zu  dieser 
Formel  das  Verbum  sich  beigesetzt  fände.  Allein  kurz  darauf  wür- 
den wir  in  patronus  illius  publici  coiisensiis ,  restittiior  salutis 
meae^  sicher  mit  dem  Bav.  illius  gestrichen  haben,  da  es  völlig  mii- 
ssig  und  störend,  auch  die  Gleichmässigkeit  der  Cola  hindernd, 
steht.  Wenigstens  durfte  die  Abwesenheit  des  Pron.  in  dieser  gu- 
ten Handschrift  nicht  unbemerkt  bleiben.  So  war  auch  w  olil  ge- 
genseits  p.  88  qui  —  ipse  cunctae  Italiae  cupienti  das  ipse  gegen 
E  r  n.  und  G  a  r  a  t.  zu  schützen  ,  das  gewichte  oll  von  qui  getrennt 
ist ;  daher  auch  nach  qui  das  Comma  nicht  fehlen  darf.  Am  En- 
de der  Seite  möchten  wir  zu  se  —  ^V^  scalarum  tenebras  abdidis- 
set  mit  Garat.  nicht  gern  behaupten,  dass  gleichmässig  auch  te- 
nebiis  stehe.  Allenfalls  Hess  sich  das  fürs  Particip  zugeben,  I  In- 
vent.  2  in  tectis  silvestribus  abditas^  und  Caes.  I  Bell.  Gall.  39  ab- 
diti  in  tabernaculis :  das  möchten  aber  auch  wohl  die  allein  haltba- 
ren Stellen  seyn.  Seite  90  lialten  wir  in  den  W orten  quod  caput 
est  audaciae  sicher  audaciae ,  wie  auch  schon  Garat.  ahnete, 
für  eingeschoben;  denn  nirgends ,  glauben  wir,  findet  sich,  trotz 
so  vieler  Stellen ,  ein  ähnlicher  Beis^atz  in  der  Formel  quod  caput 
est^  et  quod  cap.  e.,  id  quod  c.  e.,  bei  Cicero.  Cap.  18  S.  93  muss 
liberatur  als  Verbum  dicendi  genommen  werden,  Über  a  culpa  de- 
claratur.  Bei  Mencken  Obss.  L. L.  findet  man  eine 3Ienge Stel- 
len für  gleichen  Sinn  gesammelt.  So  ist  die  Construction  natürlich 
und  nach  der  Regel.  Nur  zu  oft  nehmen  die  Kritiker  bei  solchen  Sub- 
stituten der  Verba  dicendi  ein  Aergerniss !  Cap.  19  p.  97  rausste 
die  übrigens  richtig  corrigirte  Stelle  Quod  ut  sciret  Milo  etc.  Cur 
neque  zum  Nachsatze  erhalten.  Man  übersetze:  Gesetzt  auch 
Milo  konnte  das  wissen,  dass  jeuer  zu  Aricia  gewe- 


Cic'  orat.  pro  Plancio.  —  pro  Milone.    Ed.  Orelllus.  335 

sen,  Termiithen  durfte  er  doch,  er  werde,  im  Falle, 
d  a  s s  er  an  jenem  '1' a ^ e  nach  Rom  zurück  m' o  11  e ,  in 
seiner  Villa,  da  sie  gerade  am  Weg^e  lag,  abtreten: 
M  a r II m  kam  er  ihm  weder  zuvor,  so  d a s s  er  in  d e r  Y i  1- 
la  keinen  Aufenthalt  finden  konnte;  stellte  sich 
aucJi  nicht  an  so  einem  Ortein  Hin  tcrlia  U,  wo  er  hei 
INacht  passiren  musste'?  Qiiud  nt  findet  sich  niclit  bh)ss  bei 
Ph'nius ,  sondern  bei  Cicero  selbst  1  Tusc.  21,  49  Qu  od  nt  ita 
Sit  [n/'/iU  eniin  pi/^/to)^  quid  habet  isla  res  mit  laiidabUe^  aut 
gloriosiim? ^  und  tarnen^  so  nachgesetzt,  ist  ebenfalls  nicht  sehr 
selten,  z.  B.  Fat.  20,  48.  —  In  der  Stelle  Cap.  24  S.  108  folg. 
Quin  etiamoudiendus  fuerit  popa  etc.  sind  die  Worte  andiendiis 
fucrit^  theils  wegen  der  grossen  Abweichung  der  Handschriften, 
theils  wegen  der  Unbehülflichkeit  der  Stelle  selbst,  die  sie  ver- 
anlassen, lYir  sichres  Glossem  zu  achten.  Ueberdies  tragen  sie 
auch  noch  darin  den  wahren  Geist  des  Glossems  an  sich,  dass  sie 
aus  dem  NiichstAorhergeliciiden  erzeugt  sind:  denn  das  vorstehen- 
de andire  co^untur  gab  dazu  Anlass.  3Ian  lasse  sie  «eg,  und  in- 
'terpungire:  Quin  etiani  popa  Licinius^  ?iescio  qui  de  circo  tnaxi- 
ino^  se/vos  Milojiis^  apud  se  eb/ios  factos  —  ne  indicaret^- Poni- 
peio  in  ho/ tos  nuntiavit.  ylrcesso?-  etc.  Jeder  »ird  sogleich  selbst 
sehn ,  wie  rund  nun  die  Stelle  zusammenläuft.  Uebrigens  stosse 
man  sich  darauf  bei  rem  defert  an  das  so  häufig  absichtlich  weg- 
gelassne  is  nicht,  Mcnn   der  iSame  kurz  vorlierging.     Cap.  2r>  S. 

110  ist  insidiose  statt  inridiose  völlig  richtig  auf  Peyrons  Ur- 
theil  aufgenommen.  Eben  so  Acrbessre  man,  bei  gleicher  Dop- 
pellesart, I  Yerr.  15  vitam  j)ericulosa?n.,  insidiosam  infestamque 
reddemus.  Dass  es  nicht,  wie  Beck  will,  mit  invidinsaui  als  Glos- 
sem gelten  darf,  verbeut  die  Gleichheit  der  lledeglieder  in  dem 
gleich  folgenden  dreifachen  ?ft/lfa/n^  verhiiten  im  nächstfolgenden 
§  die  AVorte  JSullae  sunt  ocndliores  insidiae^  quam  etc.  S.  111 
musste  si  tibi  ita  peuitus  insedisset  isla  suspicio  statt  i n~ 
haesisset^  welches  seine  Glosse  ist,  gelesen  werden,  da  es 
nicht  bloss  das  gewähltere  Wort  ist,  sondern  Cicero  auch  eigens 
so  schreibt:  I  Att.  ep.  17;  II  IN  D.  27;  V  Divv.  ep.  i:j.  Insidere 
wird  übrigens  häufig  von  dem,  was  tief  in  den  Körper  eindrang,  z.B. 
einem  Dorne,  Geschwüren,  s.  w. gebraucht;  daher  durfte  M  ö  I)  i  us 
das  evellere  dabei  nicht  befremdend  finden.  Cap.  28  S.  110  ist 
hei  aequabditcr  zu  bemerken,  dass  es  oft  da  stellt,  wo  auch  ae- 
qualiter  stehn  könnte;  wie  auch  wir  die  Ausdrücke  auf  gleich- 
piässige  und  auf  gleiche  Weise  vertauschen.  Daher  «e- 
quabiliter  praedam  dispertiat  11  Off.  11,  41.     Und  so  mag  auch 

111  Verr.  70,  2:iS  B  die  Lesart  der  Huydecoperschen  Handschrift, 
welche  eine  andre  von  uns  verglichne  stützt,  aeqiiabiliter  distri- 
buerunt^  die  riclitigerc  seyn.  Nur  Acrmisclie  mau  die  Begriffe  bei- 
der Wörter  selbst  niclit.  (^ap.  21)  p.  121  in  den  Worten  jing^ite 
igitur  cogilatione  imaginem  hiiius  conditiouis  vieae  ^  si  possini 

22  * 


S36  Römische  LItteratur. 

> 
efficere  etc.  ist  conditio  weder  Lage,  noch  Bcclingiing,  son- 
tlern  Vorschlag,  Anerbieten.     Macht  euch  in  Gedan- 
ken eine  lebhafte  Vorstellung  von  dem  Vorschlage, 
den  ich  euch  thun  will:  gesetzt  ich  könnte  bewirken, 
d a  s  s  i  h  r  M  il  o  lossprächt,  doch  n  u  r  i  n  d e  ni  F a  1 1  e,  w  e  n  u 
C 1  o  d  i  u  s  V  o  r  h  e  r  wieder  i  n  s  L  c  b  e  n  z  u  r  ü  c  k  k  e  h  r  t  e.  Wir 
würden  auch  im  Texte  ein  Ausrufszcichen  gesetzt  haben :  denn 
der  zu  supplirende  Nachsatz  liegt  in  der  Aposiopese.   Die  vorher- 
gehenden Worte  Uberae  —  indenms ,  die  auch  wir  fiu'  acht  erken- 
nen, wiirden  wir  indess  in  Parenthese  gezogen  haben,  da  sie  ganz 
das  Rollende  derselben  an  sich  tragen.     Am  Ende  des  Capitels  S. 
12S  f  OS  —  tanti  sceleris  ul/'orefn^  non  modo  honoribns  niiUis  of- 
ficictis^  sed  etiuni  ad  suppUciiüii  rapi  patiemini.    In  diesen  Wor- 
ten kennt  des  lief.  Codex  eliam  nicht,  was  gewiss  Berücksichti- 
gung verdient,  da  so  auf  supplicium  scharfpassendes  GewicJit  fällt, 
vergl.  III  Legg.  11,  25.     Cap.  31  S.  124  ist  in  den  Worten  ?ud- 
tarn  mm  esse  ducit^  numenque  divinnm^  durchaus  kein  Anstoss  zu 
nehmen^  da  divinum  so  gut  zu  vim  gehört  als  zu  rinmen^  und  das 
gemeinsame  Adjectiv  absichtlicli,  wie  oft,  ans  Ende  des  Satze* 
gestellt  ist:  III  Divv.  ep.  10  quae  mihi —  7nerces  est  laborum 
et  vigiliarum  mearum.      Die  Abschreiber,  die  dies  nicht 
einsahn,  verfuhren  mit  dem  Texte  nachWillkühr.   S.  125  war  bei 
maiorum  nostrorum  mit  so  vielen  Handschriften  nostrorum  zu 
streichen,  vgl.  I  OfF.  32  omissa  imitatione  maioriim^  und  gleich 
darauf  obscuris  orti  ?nuioribus.     Hier  kommt  nocli  Iiinzu,  dass 
nobis,  suis  pösteris^  folgt,  was  einen  Hyperpleonasmus  geben  wür- 
de.    S.  127  gilt  es  nach  Nisi forte —  casu  factum  esse  dicemus^ 
ut  etc.  die  Doppellesart  acceperit  und  acciperet^  mit  dem  darauffol- 
genden obiret.     Der  H.  H.  zog  accipcret  vor,  weil  im  Imperfect 
die  Idee  göttlichen  Verhängnisses  ridie.     Allein  dies  spricht  sich 
ja  in  obiret  genugsam  aus,  und  die  doppelten  Perfecten,  an  wel- 
che sich  überall  Abschreiber ,  wie  Interpreten ,  stossen,  sind  hier 
ganz  in  der  Ordnung.     Die  einfache  Construction  iäuft:.i\7s//a- 
ctztm  esse  dicemzis^  tit  acceperit^  quo  obiret.  Nun  übersetze  man: 
Wir  müssten  denn  behaupten  wollen,  das  selbst  sey 
durch  Zufall,  dass  er  gerade  vor  der  Capelle  derBo- 
naDea,  die  auf  dem  Land  gute  des  —  steht,  unmit- 
telbar, sageicli,  vor  der  Dea  selbst,  nachgeliefer- 
tem Kampfe,  j  ene  erste  Wunde  erhielty  an  welcher 
er  eines  so  scheusliclien  Todes   sterben   sollte:  so 
dass  es    das  An  sehn   gewann,    als    sey   er    in  jener 
schimpflichen  Gerichtssitzung  nicht  wirklicJi  los- 
gesprochen, sondern  zu  dieser  Strafe  eigens  aufge- 
spart worden.     Jetzt  fiagen  wir,  ob  die  Leser  liebör  nach  H. 
O  r  c  1 1  i '  s  Weise  hier  übersetzen  möchten,  d  a  s  s  e  r — j  e  n'e  W  u  n- 
de  erlial ten  musste,  um  an  ihr  —  zu  sterben*?    Uebri- 
geiis  sind  diese  zweiten  Perfecte  auch  bei  Cicero  bereits  nach  ut^ 


CIc.  orat.  pro  Plancio.  —  pro  Mllone.    Eil.  Orclliiis.  337 

we,  quo^  quill  richtig;  anerkannt.  Wir  fiiiioii  nur  noch  zu  Cap.  3ß 
p.  138  bei,  dass  vir  niil  dem  ninsiiilitiiren  Ijreini  stiniiiien,  wel- 
cher statt  eripariSs,  eripiaiis  zu  lesen  \ erlangt.  ]\ur  müsste  es  eri- 
picre  heissen :  tlenn  diese  Duali'urm  ist  hei  Cicero  so  Hegel,  dass 
die  andere  als  Abschreiber-Fehler  zu  achten  ist.  Das  gleich  dar- 
auf statt  sullem  schlechthin  aiiigenominene  tarnen  beweist,  dass 
H.  Orelli  niclit  gleiche  Ueberzeuginigmit  3Iatthiä  zuIIICatil. 
5,  10  theilt.  Wir  selbst  gestelui in  sofern  den  Unterschied  die- 
ser Partikeln  in  dergleichen  Stellen  zu,  in  wie  fern  wir  ^«/«ew. stär- 
kern Sinnes  achten,  und  es  durch  d  o  c  h  w  e  n  i  g  s  t  e  n  s  aufgewogen 
glauben.  I-etztrer  würde  e!)enialls  auch  nicht  c.  oT  p.  14<)  Q?//V/? 
i'os,  iudices ^  quo  tamlcm  aiiiino  crt'/t'ti?  nach  Schlitzes  \or- 
gange  statt  der  \ulgate  ^//?V/ fcs, ///f//res5^  gulheisscn.  Dennoch 
halten  wir  uns  Viberzeugt,  dass,  wenn  Cicero  hier  Quid  vos?  in- 
dices^  hätte  schreiben  wollen,  derselbe,  wegen  Lebhaftigkeit  der 
Stelle,  vos  wiederholt  haben  wVirde,  quo  tci/idem  animo  vos  eri- 
tis ;  was  er  indes  nie  thut.  Kurz,  Avenn  Recens.  zu  II  Fin.  22, 
74  die  Regel  über  Quid?  zu  weit  stellte,  so  gab  ihr  sicher  jMat- 
thiä  zu  Rose.  Am.  33, 1)2  engre  Grenzen,  als  ihre  JNatur  fordert. 
Doch  es  kann  nur  <]urch  eine  Monographie  über  diesen  vielseiti- 
gen und  oft  schwierigen  Gegenstand,  der  eben  so  auch  für  das 
Griechische  tC  ö  £ ;  u.  s.  w.  noch  nicht  sicher  festgestellt  ist,  gründ- 
lich inid  vollgenügend  entschieden  werden  ;  darum  enthalten  wir 
«US  hier  aller  weitern  Bemerkungen. 

Alles  übrige  zu  Erinnernde  ziehn  wir  in  wenige  allgemeine  Re- 
sultate zusammen.  In  beiden  Ausgaben  raaclit  sich  rühmliche  X'or- 
uiul  Umsicht  überall  bemerkbar,  auch  ist  durchgeiiende  Prüfung 
nicht  zu  verkennen,  ohne  dass  diese  sich  immer  absichtlich  zu  Ta- 
ge legt.  Seihst  die  Rechtschreibung  zeugt  von  Ueberlegung.  So 
ist  richtig  etiam  si  getrennt,  iccirco  statt  idcirco  gewählt.  Wir 
würden  auch  quicquam^  quicquid^  und  istuc  statt  istud^  vor  qu^ 
nach  erlangter  bessrer  Einsicht ,  geschrieben  haben.  Die  Inter- 
punctiou  ist  nicht  selten  simizerschneidend.  Die  van  Schütz  an- 
genommene Capitel-Umstellung  wiegt  durch  ihren  \ortlKil»die  De- 
schwerdebeim  Nachschlagen  mehrerer  Ausgaben  nicht  auf:  wenig- 
stens sollte  dann  die  Paragraphirung  nicht  aufgehoben  seyn,  da  sie 
dasAullinden  so  erleichtert,  und  ohne  sie  melirere  andre  Werke, 
namentlich  desISizolius  Lex.  Cic.  und  Gesners  Thesaurus 
schwer  zu  luitzen  sind.  Rei  G  a  ra  t  oni'  s  angefügten  Anmerkungen 
zur  Mil.  ist  es  imangcnchm,  dass  oben  nicht  überall  die  Capitel  an- 
gegeben sind,  weil  dadurch  beim  ISachsc-hlagen  Zeit  versplittert 
wird.  Auch  sollte  bei  solchen  Ausgsiben  ein  genauer  Index  nie  feh- 
len. Uebrigeus-sind  Druck  und  Papier,  wie  diess  gewöhnlich  i)ei 
Verlagsartikela  dieser  Bucliliantilmig  der  Fall  ist,  gleicli  empfeh- 
lungswerlli. 

Goerenz. 


838  Römische  Litterat ur. 

Geschichte  der  Philosophie. 

M.  Tullii  Ciceronis  in  philosophiam  eiusque  par- 
tes merita  auctore  „[censore  oder  existmnatorc]"  Raphacle  Küh- 
ner Dr.  Sax.  Gothano.      Coniinentatio  re-j^Io  praemio  ornata.  Ham- 
burg b.  Perthes.   1825.  XIV  u.  288  S.  8.  1  Thlr.  8  Gr. 
[Vergl.  Beck's  Repert.  1825  B.  I  S.  88 ;  Leipz.  Lit.  Zeit.  1826  Nr.  236 
S.  1881  — 188Ö.] 

JtJekanntlich  werden  auf  der  Göttiiiger  Universität  durch  von  je- 
der Faciiltät  gestellte  Preisaufgaben ,  welche  in  alljährlichen  Pro- 
grammen bekannt  gemacht  werden,  die  in  den  Wissenscliaften  be- 
reits zu  einer  gewissen  Selbständigkeit  gelangten  Zöglinge  auf- 
gefordert, durch  unternommene  Lösung  einer  solchen  Aufgabe 
ihre  Mohlerworbenen  Kenntnisse  «nd  ihre  ausgebildete  Geistesge- 
wandtheit rühmlich  zu  bewähren;  luid  der  gelimgensten  Arbeit 
wird  durch  gerechten  Ausspruch  urtheilsfähiger  Preisrichter  öf- 
fentlicli  der  errungene  Vorzug  zuerkannt.  Diese  von  königlicher 
Freigebigkeit  und  Grossmuth  gestiftete  Krönungsfeier  litterari- 
rischer  Wettstreiter  ist  gewiss  das  weiseste  und  zweckraässigste, 
überall  nachahmungswerthe ,  Mittel  die  jugendlichen  Gemüther, 
denen  der  Trieb  zu  einem  höher  strebenden  Aufschwünge  inwohnt, 
durch  ernste  Beschäfftigungen  nicht  nur  ^on  jedem  Traumgedan- 
ken an  demagogische  Umtriebe  und  von  andern  verderblichen  Rich- 
tungen abzuziehen ,  sondern  auch  zu  einer  edlen,  begeisternden 
Ruhmbegier  zu  entflammen ,  und  zum  unablässigen  Trachten 

einem  Trachten,  welches  für  das  Vaterland  und  für  die  Wissen- 
schaften, wenn  gleich  unbemerkt  und  geräuschlos,  dennoch  in 
weit  grösserer  Ausdehnung  erspriesslich  ist,  als  durch  die  Erzeu- 
gung und  öffentliche  Verbreitung  gedruckter  Preisschriften,  de- 
ren schon  so  manche  vorzügliche  wir  jener  löblichen  Veranstal- 
tung verdanken:  z.  B.  die  1820  gekrönte  Schrift  des  Hrn.  Dr.  K. 
Dilthey  (jetzt  Prof,  zu  Darmstadt)  über  die  Echtheit  der  Piaton. 
Bücher  von  den  Gesetzen.  Vorliegende  Schrift  ist  ein  neues  Bei- 
spiel zur  Bestätigung  des  Ausspruches  von  Cicero :  Honos  alit  ar- 
tes  omnesque  incenduntur  ad  studki  gloriae. 

Ob  nun  gleich  Hr.  Dr.  Küliner  durcli  den  ihm  zuerkannten 
Preis  als  ein  fähiger  und  aller  Aufmimterung  würdiger  Candidat 
der  Gelehrten -Republik  der  Aufmerksamkeit  seiner  Mitbürger 
centuriatim  liinlänglich  von  den  besten  Suffragatoren  empfohlen 
ist:  so  haben  wir  doch  Folgendes  aus  dem  Buche  zu  berichten. 
Der  Gang  der  Untersuchung,  ob  und  in  wiefern  Cicero  sich  um 
die  Vernunftwissenschaft  und  deren  Theile  wohlverdient  gemacht, 
ist  in  dem  S.  VI  —  XIV  vorgesetzten  Argumento  vorgezeichnet. 
Hr.  K.  verfolgt  ihn  mit  bedächtigem  Schritte,  wenigstens  ohne 
allzuwcite  Abschweifung  auf  die  zwar  nalie ,  jedoch  ausser  de- 


Kühner:   C  i  c.  in  p  Iii  I  o  ä  o  plilam   mcrita.  339 

ren  Glänzen  gelegenen  Felder.  Einige  eben  niclit  lästige  Wie- 
derlioliiiigen  belracliten  wir  als  unvermeidliche  Folgen  der  getrol- 
l'enen  Anordnung,  nacli  welcher  der  Verf.  niehrniahls  auf  die  näm- 
lichen aus  verschiedenen  (ii'si('htspiinktcn  zu  betrachtenden  Ge- 
genstände zurückkommen  niusste.  Um  zu  zeigen,  welche  Fort- 
schritte durch  Cicero  die  Philosophie  bei  den  Römern  ge- 
wonnen, beleudilet  er  im  ersten  Haiiptstiicke  den  friihern  Zustand 
tlerselben  und  zuvörderst  der  wissenschaftlichen  Bildung  über- 
haupt zu  Rom.  Da  Hr.  K.  selbst  auf  ausführlichere  DarsteUungen 
dessen,  worüber  er  sich  kurz  fassen  musste,  liinzuweisen  pflegt: 
so  wird  es  vielleicht  nicht  überflüssig  scheinen,  wenn  wir  einiges 
Bemerkenswerthe,  was  sich  in  Tennemann's  Geschichte  d. 
Fhil.  Bd.  V  S.  400  entweder  gar  nicht,  oder  doch  nicht  so  ge- 
nau angegeben  lindet,  in  Frinneriing  [)ringen,  z.  U.  ausser  den 
in  der  Einleitung  zum  11  Buche' (/c  oj'jiciis  S.  2  *)  nachgewiesenen 
Schriften  ,  (y.  B  u  d d  e  r/  e  s  i  w  d,  Hb  e  r  al.  ap  tid  vett.Ru  m  a- 
nos^  VdM).  4.,  J.G.  Frickii  iuitia  erudit.ap.  Rom.^  ]'J28. 
4.,  Wal  eil  de  ?ncf^istris  vet.  Rom.^  1745.  4.,  G.  S.  Wie- 
sand de  r a t.  R o m.  litte r.  doce n d /,  1755. 4.,  Die t.  H e rm. 
11  e  g  e  w  i  s  c  h  aber  de  n  Zust  a  n  d  der  Wis  sen  sc  haften^ 
ins  b  es  ander  e  übe  r  die  Ent  s  l  ehunfi  des  Gelehrten- 
standes bey  den  Römern  {\\\  des  Vf.'s  kleinen  Schrif- 
ten S.  5 — 10()),  Christ.  Gottlob  Ileynii  origines^  ve- 
stigiaet  me moriae  urliuvi  et  litter ariini  in  Italia 
anliqna  per  te  mp  orasua  de  Script  ae^iix  seinen  opuscc. 
acadd.  t.  V  p.  392 — 456  und  t.  \1  p.  478  —  481,  besonders 
Jani  Theodori  Bergmann  commentat.  de  iiter arimi 
conditione  ap.  Rom..,  inde  a  hello  Punico  pritno  etc. 
in  certamine  liter.  civium  Academicorura  Belgicornm  a.  1817  — 
praemio  ornata,  L.B.  ap.  S.  et.  J.  Luchtmans  1818  in  4.,  in  der 
II  u.  111  Epoche ;  ferner  GratamaoA  de  sera.,  nee  mul~ 
tum.  provecta  Quiritiinn  hnminiit ate  de,  Ilarderov. 
1798.8.,  über  denselben  Gegenstand  llrn.llofr.  Bcck's  epicri- 
sis  qnaestionis  de  historiae  Rom.  antiquis siniae 
fontifbus  ei  v er i täte  p.  XV  Anm.  CO.  lieber  das  S.  7  f.  be- 
merkte Zurückbleiben  der  Uömer  hinter  ihren  Vorbildern,  den 
Griechen,  die  doch  anfangs  weit  ungebildeter  waren,  verdienen 
beachtet  zu  werden:  lo.  Aug.  Ernesti  acroasis  de  inge- 
iiior u m  Gr  aecor u m  e  t  Ro m u n o r u m  c o m parati o n e, 
in  dessen  opnscc.  orutorii s  p.  152  — 101,  und  die  Grie- 
chen und  Römer.,  eine  Par  allele  von  Prof.  Sehn  Ize  in 
Gotha  (in  Woltmann's  Geschichte  und  Politik  18(P2.  7 
St.  S.  272  —  2SS).  Zu  den  S.  8  angeführten  Stellen,  wo  Cicero 
nrtheilt,  dass  die  Uönier  alle  angenommenen  Eriindungen  der  Aus- 
lander erst  recht  vervollkommnet  hätten,  muss  noch  kommen  lib. 
II  de  re  publiru  r.  1(5.  L'eber  die  S.  9  11".  erwähnte  Ankunft 
dreier  riiüosopheu  als  Gesandter  zu  Uoin,  und  die  Lrsachen  der 


340  Römische  Litteratur.         * 

gegen  sie  ergangenen  Verfiiguiigen  lese  man  nach ,  Menn  es  be- 
liebt, Levezov  de  Carneade^  Diogene  et  Critolao^ 
et  de  causis  neglecti  s t u d ü p h 1 1 o s o j) hi ae  ap?id  anti- 
quiores  Roinauos^  Stettin  17{)5,  n.  Dan.  Uoethii  diss.  de 
philosophiae  nomine  aptid  veter  es  Romanos  inviso 
(üpsal.  1790.  4.) ;  sodann  über  die  friihci-e  Philosophie  bei  den  Rö- 
mern Gaudentii  Paganini  voliimen  de  p liilosophiae 
apud  Romanos  initio  et  progressu  (Pisis  1(>43.  8^) ,  bc- 
Bonders  c.  0,  42  nnd4S;  aucliinAör.  var.  Script,  collect. 
Hai.  1717  l'asc.  H  p.  81  ss.  fasc.  III  p.  1  ss.;  ingl.  Kinderva- 
ter's  Aninerkk.  ti.  Abhandlungen  über  Cicero' s  Bü- 
cher von  der  Natur  der  Götter  (Leipz.  1700)  zum  I  B. 
S  cap.  S.  59 — 134,  und  insbesondere  über  den  S.  12  f.  19  f.  be* 
rührten  PJinfluss  des  Uliodiers  Panaetios  auf  die  Missenschaftliche 
Bildung  der  Römer  (namentlich  des  jüngeren  Africanus,  des  Lae- 
lius,  des  Fnrius,  des  Tubero,  deren  bei  Cic.  de  rep.  I,  10;  III,  3 
gedacht  wird)  vergl.  ausser  Lynuen's  genannter  Preisschriit 
C a r.  G  ü n  t h.  L  u  d o v i  c i  p ;- o g^ /•.  quo  Pai^aetii  iun.  Stoi- 
ci  philosophi  vita  et  merita  in  Romanorum  quum 
philosophiani^  tum  iurisprudentiam  illustr antur., 
Lips.  1733.  4.,  und  Garnier  in  liist.  et  mem.  de  V  inst  it. 
Toy.  de  France  T.  II  p.  81 — 110  observations  sur  quel- 
ques ouvrages  du  StoicienPanetius.  Das  3teCap.  die- 
ses ersten  Ilauptstückes  handelt  de  singulis  philosophiae 
disciplinis.,  quae  Romae  floruerunt.  Was  die  Stoi- 
sche Lehre  (§  8)  anlangt:  so  ist  darüber  folgende Mono;?raphie  zu 
bemerken :  G.V.WoWeiih^x^  de  praecip  u  is  sto  ic  a  e  p  h  i- 
losophiae  doctoribus  et  patronis  apud  Romanos., 
Lips.  1793.  4.  Ueber  den  Einfluss  der  Stoischen  Philosophie  na- 
mentlich auf  die  Römische  Jurisprudenz,  welchen  der  Verf.  S.  19 
berührt,  findet  man  sieben  Monographien  verzeichnet  in  Krug's 
Geschichte  der  Phil,  alter  Zeit  §  150  b).  Im  zwei- 
ten Ilauptstücke  geht  H.  K.  zu  Cicero  selbst  über  und  fasst  die 
Hauptthatsachen  sehier  Bildungsj^eschichte  xmd  die  für  seine 
schriftstellerische  Thätigkeit  entscheidenden  Lebensumstände  des 
Mannes  kurz  zusammen.  Hierher  gehörige  Abhandlungen  sind 
verzeichnet  in  des  Hrn.  Hofr.  R e u s s  Repertorio  conimen- 
tationum  a  societatibus  literariis  editarum  t.  VIII 
p.  573  und  t.  IX  p.  92.  Sodaim  zählt  Hr.  K.  Cicerc/s  vernunft- 
wissenschaftliche Wei'ke  nach  der  angeblichen  Zeitfolge  auf. 
Gleich  beim  ersten  stösst  uns  ein  sonderbarer  Anachronismus  auf: 
.,.,Primu7n  philosophicum  scriptum.,  quod  edidit  adhuc  reipublicae 
gubernaculo  admotus  (625  u.  c. ) ,  sunt  sex  libri  de  repfiblica 
seu  de  optinio  statu  civitatis.'-''  Er  schrieb  sie  also  23  Jahr  vor 
seiner  Geburt?  Hr.  K.  verwechselt  die  zur  dichterischen  Sccnerie 
gehörige  Zeit  des  von  Rutilius  Rufus  dem  nachgelvornen  Cicero 
aus  alter  Erinnerung  wiedererzälilten  Dialogs,  das  Todesjahr  des 


Kühner:  Cic.  in  p  hllosoplilam  mcrlta.  341 

]iinfferii  Africanus,  mit  dem  Jahre  der  Ahfassuiiff ,  700  (fiüO  der 
JvapiJol.  Zehreclinuuir)  :  dalier  man  sich  noch  mehr  wundern  muss, 
vic  er  ans  dieser  Uebereilnnü  noeli  tieier  in  den  Irrnmm  hinein- 
^erathen  konnte,  also  lorti'alirend :  ^Jirevi  {?)  aide  iUiid  tem- 
ptis,  quo  hos  libros  Cicero  confevü^  P.  Com.  Sctpio  Acmilianus 
yjfn'ca/ius  minor  mar  11  occubiwrut ;  tum  vero  Cains  Gracchus 
pcric/zlosissimos  impetiis  optimati'-'-  [für  ad  optimatium 
d 0 m i n a t  u  m  c o m posit  o  oder  acco m inodat  o?]  .,^reipuhU- 
cne  statui  iiitendebat.'-^  Eine  ganz  neue  Chronologie,  nach  wel- 
clier  walusclieinlich  anch  S.  2ö  der  Fortschritt  der  Begebenhei- 
ten sicli  riclitet :  ^.Carthagiiic  deleta.  Macedoirla  c.rpii^nata.,  Achae- 
orinn  focdere  soli/io"-  etc.  Die  ol)igen  Worte  sind  zwar  Vibrigens 
treu  aus  den  Heidelberger  Jahrbü  ehern  der  Litt.  1823 
Heft  1  No.  4  S.  51  f.  übersetzt ;  aber  II.  K.  hat  nicht  recht  gcfasst, 
vas  dort  ganz  richtig  gesagt  ist:  ,,Es  ist  die  allererste  von 
a  1 1-e  n  p h  i  1 0  s  o p  h  i  s c h e  n  S  eil r  i f  t e n  dieses  Staatsman- 
nes —  und  Staatsmann  war  er  damals  noch  in  vollem  Sinne  des 
AVorts  —  und  die  Zeit  ging  mit  grossen  Ereignissen  schwanger, 
denn  nach  dem  in  demselben  Jahr  (700)  erfolgten  Tode  von  Cä- 
sars  Tochter  und  Pompeius  Gemahlin  Julia  war  die  durch  andere 
Lnistände  schon  vorbereitete  Trennung  dieser  beiden  Staatshäup- 
1er  dem  Bruche  noch  um  Vieles  näher  gebracht.  INicht  weniger 
verhängnissvoll  «ar  die  Zeit,  in  welche  der  Vf.  seinen  Dialog  ver- 
legte. Es  war  das  J.  625  u.  c,  es  waren  die  Tage,  da 
eben  der  jüngere  Gracchus  (C  a  i  u  s)  m  i  t  den  g  e  f  ä  h  r- 
1  i c h s t  e n  A n g r i f  f  e n  Roms  Aristokrat ie-'-  [deren  Ueber- 
setzung  Hrn.  K.  misslungen  ist]  „bedrohte;  kurz  vor  dem 
g  e  \\  a  1 1  s  a  m  e  n  o  U  e  r  d  o  c  h  r  ä  t  h  s  e  1  h  a  f  t  e  n  Tode  des  P. 
Com.  S  c  i  p  i  0  yV  e  m  i  1  i  a  n  u  s.t  Zn  derselben  Verwechslung  der 
Scenerie  mit  der  ganz  verschiednen  Zeit  der  schriftlichen  Abfas- 
sung hat  Hr.  K.  im  nächsten  §  de  libris  de  legibus  durch 
den  von  Tonrneboeuf  übel  berathenen  Rath  und  die  neuem 
Bearbeiter,  welche  die  von  dem  weit  schärfer  sehenden  wnd  i'ich- 
tiger  urtheilenden  Engländer  Chap  man  gezeigte  Spur  wieder  ver- 
loren liaben,  sich  verfi'rfiren  lassen,  S.  4!>,  wo  er  schreibt:  ■^.,Ad 
lempiis.,  quo  hi  libri  a  Cicerone  conscripti  sint.,  quod  atlinet^  ii 
in  annum  DCCl  u.c.  in  LV  Ciceronis  aetatis  incidcre  videntur', 
post  Ciüdii  igitur  interitum  et  quidem  ante  bellum  civile.,  DCCIV 
ortum.'-''  Die  neuerlich  für  diese  Annahme  vorgebrachten  Schein- 
gründe sind  ohne  alle  Schwierigkeit  aufzulösen.  Denn  wenn  sich 
aus  II  de  legg.  i;i,  32  ergeben  soll,  dass  diese  Bücher  bei  Leb- 
zeiten des  Augurs  Appius  Claudius  vcrfasst  seyen:  nun  so  ergiebt 
eich  in  Bezug  auf  die  Bücher  de  divin.  ein  Gleiches  aus  \de 
div.  10,  21)  u.;jO.  im  Widerspruche  freilich  mit  c.5S  zu  Anf.  Aber 
zerstört  der  handgieiiliche  V\  iderspruch  die  unläugbare  Analogie 
mit  jener  bündigen  Folgerung"?  Ebenso,  wemi  sicli  111  de 
leg.  1),  22  behutsame  Furcht  vor  dem  müchtigea  Pompeius  vcr- 


342  Bömisclic  LIttcratur. 

räth:  so  ist  diese  eben  so  offenbar  U  de  off.  It,  60 S.  119,  im  Wi- 
derspruclie  freilich  mit  c.ß  §2«  S  42.  Aber  liebt  dieser  die  Pari- 
tät mit  jener  bündigen  Folgerung  auf?    Auch  aus  lib.  I  c.  20  zu 
Anf.  kann  keineswegs  erwiesen  werden,  dass  jene  üiichcr  vor  de- 
nen de  fi?iibiis  bo noruni  et  inalorum  geschrieben  seyen. 
Denn  sonst  könnten  wir  mit  gleichem  Rechte  behaupten,  die  li- 
bri  Academici  wären  noch  bei  Lebzeiten  des  (nach  Cic.  ad 
Att.  II  ep.  20)  im  J.  694  verstorbenen  Stoikers  Diodotus  geschrie- 
ben, weil  Cicero  im  Luculhis  c. 'SQ  §  115  sagt,  dieser  wohne 
in  seinem  Hause;  und  mit  noch  grösserm  Rechte,  die  Bücher  de 
natura  deorum  seyen  nicht  bloss  bei  Lebzeiten  des  Schauspie- 
lers Roscius  (I,  28,  79),  also  vor  den  Büchern  de  legg.  ( s.  I,  4, 
11)  und  vorder  im  J.  692  gehaltenen  Rede  pro  Archia  (s.  c.8), 
sondern  sogar  unter  der  Dictatur  Sulla's  geschrieben,  weil  Cicero 
als  adulescens ,  der  vielleicht  noch  gar  nicht  öffentlicli  aufgetre- 
ten war,  dort  ebenso.  Wie  in  den  Bücliern  de  oratore^  mit 
elirbarer  Bescheidenlieit  die  stumme  Person  macht  und  sich  darin 
fast  noch  wie  einen  ileissigen  Schulknaben  behandeln  lässt  (I,  7, 
15  ff.);  da  ferner  jenes  Gespräch  am  Lateiner -Feste  (I,  6,  14) 
C.  Cotta,  der  als  Proconsul  starb ,  nicht  als  Consnl  führen  konnte 
im  J.  d.  St.  678,  wo  ancli  Cicero  als  Quaestor  in  Sicilien  war;  so 
wie  er  in  den  Jahren  674  u.  75  (in  welchem  letztern  Sulla  starb) 
ebenfalls  abwesend  in  Griechenland  imd  Asien  Avar;  da  endl.  l.ill 
c.  32  §  80  f.    C.  Marius ,  der  später  von  Cicero  immer  gepriesene 
und  in  einem  Heldengediclite  gefeierte  Ai-pinate ,  mit  Abscheu  o- 
vinium  perfidiosissimus  genannt  wird  und  sein  gräuelvolles  7tes 
Consulat  imd  die  später  unter  Carbo's  Consulate,  bevor  Sulla  als 
Rächer  erscheinen  konnte,  gescheliene  Ermordung  des  Oberprie- 
sters Q.  Mucius  Scaevula  als  Thatsachen,  die  gegen  eine  gerechte 
Weltregierung  zu  zeugen  scheinen,  angeführt  werden ;  dahinge- 
gen die  empörenden  Grausamkeiten  Sulla's  und  das  klägliche  PJn- 
de  so  vieler  Unschuldigen,  welche  der  Habsucht  seiner  Anhänger 
aufgeopfert  wurden,  mit  ängstlichem  oder  parteisüchtigem  Still- 
schweigen von  Cotta  übergangen  werden.     Aus  diesen  vergliche- 
nen Beispielen  erhellet  wohl  zur  Genüge,  dass  die  so  genannten  p  s  y- 
chologischen  Gründe  nichts  als  Irrlichter  sind ,  die  nur  vom 
rechten  Wege  abfiihren.   Dem  im  I  B.  de  ofßc.  22,  77  1".  über  die 
Angemessenheit  der  zu  spielenden  Rollen  (  nach  welchen  Hr.  K. 
selbst  S.  73  n.  4  sehr  richtig  die  eigentlichen  Ueberzeugungen 
des  Cicero  von  dem,  was  er  seine  Personen  sagen  lässt,  unterschei- 
det) sich  so  einsichtsvoll  aussprechenden  Verfasser  traut  man  kei- 
ne Kunst  der  Scenerie,  keine  gleichsam  histrionische  Schaustel- 
lung zeitgemässer  Affecte  zu?  Welche  Inkonsequenz!  Ist  es  nicht 
glaubliafter,  dass  Cicero  jene  frühere  Zeit  mit  allen  ihren  Ver- 
hältnissen, gleich  als  Avären  sie  gegenwärtig,  für  den  Dialug  wähl- 
te, um  nicht  auf  ein  Mahl  mitten  in  die  Sache  hinein  zu  geralhen; 
sondern  in  einem  gleichsam  dramatiücheu  Exordiu  das  Gespräch 


Kühner:  CIc.  in  philosophian)  mcrita.  3:13 

von  seihst  allijemacli  auf  den  hcahsichti^fften  Gei^enstand  kommen 
zu  lassen'?  Woher  deini  aher  die  last ^vol•tlicIle  L'ebereinstiinruiiiii^ 
Aieler  Stellen  mit  dem  von  ('icero  in  seinem  le  tz  t  en  Lebensjahre 
Geschriebenen'?  ^N  as  endlieh  soll  deim  wohl  das  0[nis'}lQCiK?.eL- 
Öiov  »vyn-,  welches  Cicero  (idAllic.  XV,  4;  27;  X\l,  2  erst  noch 
vertipricht'?  ISocIi  müssen  wir  aul"  einen  ebenfalls  von  JNiemandem 
bisher  beacliteten  Linstand  aufmerksam  machen,  üic  Biicher  il  e 
legibus ^  in  denen  Atticus  eine  mitsprechende  Person  ist,  sind 
ffleichsam  eine  Fortsetzung  der  Bi'icher  d  e  r  e  pub  l  ic  a :  wie  aucli 
Hr.  K.  S.  48  bemerkt,  welelier  jedocli  in  Bezug^  auf  diese Mai's 
ün^ew  issheit  theilend  S.  4()  f.  sajrt :  „«/«/eo  T.  Pompunh  Attico 
vcL  Q.  Cice/oul  Mai  ci  fr  citri  ....  cdponcnlemJ'^  llec.  liat  in 
der  L  e i  p  z  i  ir  e  r  L  i  t  e  r  a  t  u r- Z  e  i  t  u  n  £f  1824  J  a  n.  IN.  5  S.  40 
(Jarirethan,  dass  nur  Atticus  verstanden  werden  kann,  mittels  eines 
Beweises,  den  sich  Prof.  W.  Münnich  in  Krakan  in  seiner  im 
ersten  Heft  dieser  J  a  lir  b  ü  eh  e  r  angezeigten  Sclirift  S.  140  nebst 
Anderm  stillschweigend  zugeeignet.  Nun  aber  vergleicht  sich 
Cicero  im  IlIBtiche  ad  Qni/it.fralr.  ep.  5  u.  XIII  ad  Att.  10  als 
^  f .  jener  Dialoge  ebenfalls  mit  Heraclides  Ponticus ;  und  aus- 
driiekl.  bezieht  sich  Cicero  auf  jenes  ähnliche  Werk  zuriick 
od  Alt.W  ^  13:  ^Jum  probo' Hqu^Xh^iov^  praesertim  cum  tu 
tantopere  delectere.'  sed  quäle  velis^  velini  scire.  Quod 
ad  te  ^^ante a'-'-^  atque  adeo  ^.prius'"''  scripsi  {sie  enim  ma~ 
vis) :  a d  s  c r  i b  e  11  d icin  {tibi  itero  dicere)  fe cisti  me  acrio- 
rem  etc.  Cicero  änderte  in  den  Büchern  de  legg.  den  Plan  nur 
in  soweit  ab,  dass  er  nicht,  wie  Heraclides,  eine  stumme  Person 
im  Dialog  spielte.  Dass  die  stoischen  Paraf/oj«  von  Cicero 
mehr  zur  Uebung  als  im  Ernste  geschrieben  worden,  leugnet  Hr. 
K.  S.  60  n.  5  ^^^^i\  Brück  er.  Nun  zweifelt  zwar  auch  llec. 
nicht,  dass  Cicero  von  der  Gültigkeit  jener  Vernunftaussprüche, 
die  dem  geraeinen  Vorurtheile  der  Weltkinder  ein  Gräuel  xmd 
Aergerniss  sind,  überzeugt  war;  indess  geht  doch  sowolü  aus 
dem  Vorworte  als  aus  der  ganzen  Behandlung  hervor,  dass  Cicero 
als  deren  Vertheidiger  die  populäre  Beredsamkeit  in  TiradeTi 
wollte  erglänzen  lassen.  Hr.  K.  verweist  auf  Heumann  acit. 
(lies  actt.  d.  i.  acta  nnd  ebenda  S.  d-l  Z.  9  v.  u.  ^^verba'-'-  st. 
^^ver  bs'^)  phil.  T.  III  p.  C04  ff.  Wohl  zu  rasch  folgert  er  eben- 
da aus  Off.  I,  1  p.  7  (das  verraindernde/ere  htti  aequarunt  über- 
sehend).' ^,  praeter  ea  quae  nobis  supersuiit  philosophica  scripta 
multo  plura  Ciceronem  confecisse.'''' 

Besonders  reichhaltig  ist  das  dritte  Cap.,  welches  Cicero's 
Verfahrungsweise  in  der  Verimnftforschung  in  ein  helles  Licht 
setzt  u.  ein  vortrefflicher  Beitrag  zu  einer  richtigem  Würdigung 
derselben  ist.  Vergi.  noch  Joh.  Fr ied.  Herbart  über  die 
Philosophie  des  Cicero^  im  Kö7tig  s  berger  Archiv 
St.  I.  Das  \ierte  Cap.  handelt  von  Cicero's  Verdiensten  um  Bildung 
der  Lateinischen  Sprache  für  den  Vortrag  der  Vcniunftwissenschaft, 


341  Römische    Litteratur. 

worauf  tlas  fiiuftc  Cap.  die  von  Cicero  in  seinen  rermniftwissen- 
scliaftliclien  Schriften  benutzten  Griecluschen  Quellen  nacliweist. 
Hier  finden  wir  die  Uiicher  de  gloria  niclit  Mieder  erwäJuit. 
Ilec.  glaubt,  dass  Einiges  darin  aus  des  Theophrastos  Buche  Tis  p  t 
enaCvov  und  aus  Ariston's  von hilis  Werke  UbqI  asvodo^Cag 
geschöpft  Avorden,  «nd  verweist  desshalb  auf  die  Anmerkungen 
zum  II  U.  de  offic.  c.  9  zu  Auf.  S.  63  und  c.  16  §  56  S.  108. 

In  der  sich  hieran  anschliessenden  Prüfung  der  Genauigkeit 
u.  Treue,  womit  Cicero  die  Lehrsatzungen  Griechischer  Vernunft- 
forscher überliefert  habe,  unternimmt  es  Hr.  K.  §  41  S.  126  den 
Cicero  einiger  Irrthümer  zu  überführen ,  z.  B.  dass  er  Offic.  I,  5 
üie  forti(?(do  (Seelen grosse)  auch  in  Erwerbung  äusserlicher 
Glücksgüter  sich  hervorthun  lasse,  also  diesen  unstoisch  einen 
Werth  beilege ;  und  sich  selbst  widerstreite,  indem  er  hinzusetze, 
mehr  noch  äussere  sie  sich  in  Gleichgültigkeit  gegen  jene  soge- 
nannten Glücksgüter.  Allein  ist  denn  das  ein  Widerstreit'?  Die 
Seelengrösse  als  wirksame  Tugend  in  der  Anwendung  muss  auch 
auf  jene  Weise  sich  äussern,  nämlich  als  Schwesfer  der  geselli- 
gen Gerechtigkeit,  indem  sie  aus  Liebe  gegen  Alle,  deren  Versor- 
gung ihr  Pflicht  ist,  Meder  Drangsal  noch  Anstrengung  sclieut,  um 
die  nöthigeuBediinnisse  und  Alles,  wodurch  man  Andern  wohlthä- 
tig  werden  kann,  herbeizuschaffen,  (\ergl.  Off.  I,  4  §  12  zu  Ende.) 
Sie  verschmäht  aber  alles  dieses,  sobald  es  die  Umstände  erfor- 
dern, weil  sie  selbst  dessen  leicht  entrathen  kann  und  in  sich  Kraft 
fülilt,  es  durch  neue  Anstrengungen  zu  ersetzen.  Wo  ist  hier  von 
einem  unbedingten  Werthe  der  Dinge  die  Bede'?  S,  127  wird  Offic. 
I,  3  die  Definition  von  officiinn  medium  verworfen,  weil  sie  I,  29 
auch  auf  %at6Q%aiia  angewendet  werde.  Diess  möchte  Bec.  nicht 
zugeben.  Denn  in  letzterer  Stelle  steht  officium  (xaxtfj'/iov)  ini  en- 
gern Sinne,  wie  überall  in  jenen  Büchern,  gleichbedeutend  mit 
off.  medium.  Dagegen  ist  y,ca6Q%(oiia  nicht  das,  wovon y;;oÄa- 
bilis.,  sondern  wovon  iusta ,  Vera.,  necessoria  causa  reddi  potest. 
Hr.  K.  verfällt  dort  und  S.  234  f.  (obgleich  er  übrigens  richtig 
officium  und  jckO'^xoi'  in  Aveiterer  und  engerer  Bedeutung  unter- 
scheidet) selbst  in  den  entgegengesetzten  Irrthum,  dass  er  die  von 
den  Stoikern  gegebne  Erklärung  des  oß'icii  7nedii  auf  das  offi- 
cium im  weitesten  Sinne  überträgt,  und  er  giebt  folgende  schie- 
lende und  desshalb  gar  arger  Missdeutung  unterworfene  Bestim- 
mung: .^.,8  apie  ns  suas  actio  lies  cum  celerit  ate  quadam  et 
sine  labore  perficit ;  insipiens  vero  cum.  lahore  atque  conten- 
tiojie.''''  Nach  dieser  Bestimmung  aber  müsste  ein  Iciclitsinnig 
und  übereilt  Handelnder  KaroQxfä^axa  verrichten  und  ein  mit  sei- 
nen Schnellgeburten  die  Lesewelt  bestürmender  Schreibsüchtler 
und  ein  ohne  alles  Nachschlagen  mid  Vergleichen  von  Varianten 
anfsGerathevvohl  corrigirender  Kritiker  sapiens  seyn.  Dann  könn- 
ten wir  heut  zu  Tage  einen  ziemlich  frequenten  Senat  von  VY ei- 
sen versammeln,  ohne  Viatores  auszusenden.    Etwas  Walu-es 


Kühner:  Cie.  in  plill  o  sopliiam  nicrita.  345 

hat  jeilocli  Ilr.  K.  in  jenen  Worten  dunkel  ana^edeutet,  tlass 
•  iiänil.  der  Weise,  alle  Verhältnisse  augenbliekl,  durcliscliaiiend, 
ohne  Bedenken  luid  sonder  allen  Irrtiiuin'das  Wahre  und  einzig 
Hechte  {xcaoQvai.ici)  treue,  und  dass  ilun  aucli  der  Entschluss, 
seiner  UebcrzeuiTung  sQii  dein,  was  recht,  zu  folgen,  keine  Lleher- 
vindunir  koste.  '  \erd.  Off.  1,  5  §  ](J;  II  c.  H)  zu  l^lnde.  Ueber 
die  im  (>teu  Cap.  veiliandelte  Frai::e,  ob  Cicero  mit  Recht  für  ei- 
nen rhilosoj)hen  gelte,  ver^l.  die  Vorrede  zu  des  llec.  Ausg;.  von 
Cic.  or atio/itun  pro  Tiillio  q{c.  fragmciitis  p.  XVIII, 
Ste  Anmerkuijff.  Zuletzt  wird  noch  einigen  gegen  Cicero  geraach- 
ten Ausstellungen  begegnet.  Jenen  Tadleru  ist  beizufügen  So. 
Georg  Zierlein,  dessen  commentatio  de  philosophia 
Cic  er  Ollis  Halae  llteris  Bayerianis  3il)CCLXX.  4.  gedruckt  ist. 
Gegen  den  von  Tennemann  (Y  S.  11)0  1".)  und  Andern  dem  Ci- 
cero gemacliten  Vorwurf,  dass  er  die  Piiilosophie  weniger  aus  in- 
nerni  Bedürfnisse,  sondern  mehr  als  Ilülfsniittel  der  Beredsamkeit 
betrieben,  hätte  llr.  K.  ilin  nocli  vollstäiuliger  reclitfertigen  kön- 
nen durch  das  Zeugniss  Plutarcli's  in  der  Lebensbesclueibimg  c. 
4  bald  nach  Auf.  und  c.  5  zu  Auf.;  ausserdem  nicht  nur  durcli  die 
von  Cicero  oft  wiederholten  aufrichtigen  Geständnisse,  dass  Phi- 
losopliie  sein  einziger  Trost  in  den  ^\ iderwärtigkeiten  des  Le- 
bens sey,  und  besonders  durch  das,  was  er  Tu§c.  IV,  29  a.  Ende, 
II  de  divin.  1  über  die  aus  dem  Bedürfnisse  der  Beschäftigung  mit 
solchen  Gegenständen  liervorgegangene  Consolatio  sagt;  sondern 
aucli  durch  das,  m  as  er  einen  Scipio  und  Tubero  aus  seiner  eignen 
Seele  sprechen  lässt  I  de  rep.  o.  Vi  u.  33:  „-^c  ine  quidein.^  ut 
{llercule !)  oinnes  auidos  sapientiae.^  cognitio  ip  s  a  rerum  consi- 
deratioqne  delectaf,'-'- 

In  den  drei  übrigen  Ilauptthcilen  des  Werks  wird  Ciccro's 
Denkart  in  Anseliung  der  drei  Haupttheile  der  Vernunftwissen- 
scliaft  näher  betraciitet  luul  seine  Ansicht  von  jedem  einzelnen 
dargestellt,  n.  zwar  zuerst  P.  III  de  dialecti ca.  Zur  Vervoll- 
ständigung mag  dienen  Adaini  Bursii  dialectica  Cicero- 
nis.,  quae  d  isper  se  in  Script  is  r  eliquit.,  maxime  ex 
Stoicorum  s ententia.  Cum  c omnientariis.,  quibus 
ea  partim  siipplentur.,  par  tim  illusirantur.  Samoscii 
1()04.  4.  Besonders  anziehend  ist  die  sehr  gelungene  Ausführung 
des  I\  Ilauptstücks  de  physica.,  wozu  die  Lehre  von  der  Gott- 
heit, von  Religion,  Vorahnung,  Schicksal,  von  dem  Wesen  u.  der 
Unsterblichkeit  der  Seelen  gehört.  Den  liier  angemerkten  Schrif- 
ten, welclie  die  quaestio  de  natura  deorum  betreffen,  fügen  wir 
liinzu,  Cicero  l  heologiis  von  J.  D.  Bayer,  1700.  4.,  und  von 
J.  C.  Haf  eru  ngcn,  1701.  —  J.  J.  Zimmerm  an  ni  diss.  de 
ikeologia  M.  Tullii  Ciceronis  im  Mii  seo  Helvcti co 
P.  III  n.  2. —  Die  Gottlieit.  AVas  sagt  Cicero  in  sei- 
ner S  eil r  i  f  t  (1  a r  i I  b  (•  r  als  TI a i  d  e  und  P h i  1  o s  o  p  li ?  Von 
II  0 r s  t  i g  a u f  d e r  M ii d e  u  b  u r g.     Leipz.  iu  d.  Baumgärtner- 


346  Rümische  Litteratur. 

sehen  Buchli.  1823.  gr.  8.  Andere  liierher  gehörige  Schriften 
findet  man  verzeichnet  in  Mensel ii  biblioth.  hist.  Vol.  IV 
P. I  p.  293  nnd  vonllarless  in  seiner  intr  odiict.  in  lit.llom. 
cd.  II  t.  II  p.  160 — 162.  Wacker  vertheidigt  der  \f.  S.  207  den 
Cicero  gegen  das  Vorgeben,  als  liabe  er  seine  frVihcrhin  gläubige 
Ansicht  der  Divination  später  als  Freigeist  aufgegeben :  was  sein 
llecensent  in  A^w  Heidelber g er  Jahrbüchern  der  Li- 
teratur 1825  Sept.  S.  924  zu  behaupten  versucht  hat,  gleich 
als  MÜrde  sonst  dem  Cicero  wegen  der  Verschiedenheit  der  (aus 
ganz  verschiednen  Rücksichten  gefällten)  Urtlieile  „jene  ge- 
flissentliche Zweizüngigkeif  zur  Unehre  gereichen. 
—  Die  von  Hrn.  Ä.  vorgetragnen  Griinde  gewinnen  noch  mehr  au 
Stäx-ke,  wenn  dieBVicher  de  legibus  nicht,  wie  ermitRath  be- 
hauptet, acht  Jahre  vor  den  Büchern  de  divinatio7ie^sondcri\ 
(wie  wir  oben  dai'zuthun  versuchten)  später  als  diese  geschrieben 
sind.  Uebrigens  finden  wir  diese  und  die  folgenden  Darstellungen 
sehr  gelungen.  Der  5te  u.  letzte  Theil  endlich  von  der  Ethik  han- 
delt zuvörderst  von  der  Anlage  und  Bestimmung  zur  Sittlichkeit, 
der  sittlichen  Werthmessung,  der  Tugend,  den  Anfechtungen  und 
Versuchungen  und  andern  allgemeinen  Grundbegriffen  der  Sitt- 
lichkeit; das  2te  Capitel  von  den  Büchern  de  officiis  ihrem 
Gehalte  nach.  Zwar  hat  der  Hr.  Vf.  S.  236  f.  keine  Rücksicht  ge- 
nommen auf  A  n  g.  M  a  i '  s  Vermuthung  zu  I  de  re  j^^M.  24  S.  68 
und  in  den  Addend.  p.  336,  dass  I  de  off.  c,  2  eine  Lücke  sey, 
welche  mit  der  versprochenen,  aber  wahrscheinl.  ausgefallenen 
Definition  des  ofßcii  aus  Ambrosius  de  off.  I,  8  §  26  wieder  aus- 
zufüllen sey:  doch  nach  der  richtigen  Erklärung,  welche  wir  uns 
fi'euen  von  Hrn.  Kühner  angenommen  zu  sehen,  muss  jener  Fehl- 
gedanke von  selbst  verschwinden.  Im  3ten  Cap.  wird  noch  auf 
einige  dem  Cicero  eigenthümliche  Ansichten  sittlicher  Verhältnisse 
eingegangen,  z.  B.  des  Verhältnisses  des  Gewinn- Bringenden  zu 
dem  Sittlich  -  Guten,  und  des  Stoicismus  zur  alt  -  akademischen  und 
peripatetischen  Lehre.  Das  vierte  Capitel  betrifft  C.'s  sämmtli- 
clie  in  die  Politik  einschlagende  Grundsätze. 

Zuletzt  werden  in  einem  Epilog  die  Hauptergebnisse  der  ge- 
samraten  Untersuchung,  jedoch  mit  weniger  umfassender  Vollstän- 
digkeit, als  dieses  auf  eine  sehr  sorgfältige  und  bündige  Weise  von 
dem  Hallischen  Rec.  in  der  All  gem.  Liter  atur-Zeitung 
V.  J.  1823  n.  238,  Illr  B.  S.  233 — 237  geschehen  ist,  in  eine  kurze 
Uebersicht  zusammengedi-ängt ;  auch  Cicero's  Verdienste  über- 
haupt gewürdigt,  besonders  die,  welche  er  sich  um  die  positive 
Rechtsgelehrsamkeit  erworben.  Hier  sind  S.  286  n.  2  nachzutra- 
gen J.  C.  Hoffmann  de  Cicer one  iur.  civ.  teste  ac  in- 
terprete.,  1739.  4c.,  Jo.hiizac  ob  ss.no?i7iullae  apologe-' 
ticae  pro  Jur econsultis  ßo?nanis  (Lugd.  B.  1768.  4.) 
c.  3  §  1^ — 17  p.  46 — 49,  Jo.  Olivier  civilis  doctrinae 
analysis  philosopkica(Rom.l7n.4:.)  p.  97  — 126  diair. 


Kühner:   Cic.  in  philosophiam  mcrita.  347 

de  jnri sprv,de7itia  Ciccronis^  Jos.  Lud.  Ern.  Pütt- 
mann Miscell  c.  19  p.  14:?  — 103,  Jo.  Gotthelf  llorne- 
mann  {pracs.  Chr.  G.  Mvt.\iho\i\.o)  diss.  de  inr e  civili  a 
M.  Tullio  Cicerone  in  artein  redacto^  Lips.  1797.  4., 
Franc.  Go  d.  van  Lyn  den  diss.  exhibens  interpreta- 
tionem  i ii r  i s prv  d ent  i ae  TuUianae  in  Topicis  ex- 
p  osit  n  c,  Lup:d.  liat.  ]  8(^5.  K,  L  n  d.  C  a  s  p.  L  u  z  a  c  spe  c.  h  is  t. 
inrid.  d  e  Horte  nsio^  Ciceronis  aemulo^  Lugd.  Bat.  1810. 
4.,  Franc.  Ern.  Berg  disp.  de  Jurisco7isulto  e  sen- 
tentia  Ciceronis^  Amst.  1822.  Vergl.  Ergänzungshlät- 
ter  der  Hall.  Lit.  Zeitung  1825  i>o.  136  S.  1085.  —  „In 
wie  >veit  ist  nun  diese  Sclirüt  für  Sclnilniänner  oder  Scliüler 
brauchbar '?•'•  — Antwort:  Weiin  der  geelirte Leser  es  nicht  schon 
längst  selbst  gefunden  hat :  so  sey  es  „genau  und  bestimmt  ange- 
zeigt"-: ß/s  Einleitung /w  alle  philosophis  che  Schrif- 
tenCicer  o'  s  iiberha  npt  und  in  jede  einzelne^  die  den 
Leser  auf  den  rechten  Standpunkt  derBetraclitung  stellt,  um  jede 
zu  verstehen  und  gehörig  zu  beurtheilcn.  —  „Wodurch  unterschei- 
det sie  sich  von  andern  Werken  derselben  Gattung  ?'•'■  — Dadurch, 
dass  sie  kein  anderes  AVerk  ihres  Gleichen  hat  an  allumfassender 
Vollständigkeit  und  Reichhaltigkeit.  Sie  vereinigt  die  Ergebnisse 
der  gründlichsten  Untersuchungen  und  der  richtigsten  Ansichten, 
die  bisher  über  einzelne  Stücke  an-  und  aufgestellt  worden  wa- 
ren. Die  Schreibart  des  Yf.'s  zeigt  von  Aufmerksamkeit  beim  Le- 
sen Ciceronischer  Schriften,  von  eigener  üebung  und  Fleiss.  Als 
Muttermähler  werden  nur  bei  angewendetem  Vergrösserungsglase 
Sommersprossen,  wie  folgende,  erscheinen.  Auf  dem  Titel  ist 
au  et  ore  nur  dann  richtig  gesagt,  wenn  es  bedeuten  soll:  Hr.  K. 
sey  bereit  Cicero's  Verdienste  gegen  Jeden,  der  sie  nicht  aner- 
keiuicn  wolle,  in  Schutz  zu  nehmen  und  ihn  als  V er th eidiger 
zu  vertreten  :  denn  so,  als  ob  er  den  Cicero  aufgemuntert  und 
veranlas  s  t  habe,  sich  jene  Verdienste  zu  erwerben,  dürfen  wir 
es  schon  nicht  verstehen.  Also  bleibt  nacli  aller  Latinität  nichts 
übrig,  als  die  polemische  Bedeutung;  Hony  soit  gut  mal  y  pense! 
S.  23.  ..,Alii genus  hoc  scribcjidi.,  esti  sit^'-  (statt  esset)  „e/e- 
gans.,  personae  tarnen  et  dignilatis  esse  ne  gaban /.'•'■  Von  einem 
Praeterito  abhängig  steht  in  der  indirecten  Rede,  wo  die  Lebhaf- 
tigkeit keine  Eiiallage  veranlasst,  das  tempus  imperfectmn  optati- 
vi.  An  dem  'iv  öcd  övoiv  personae  et  dignitatis  nehmen  wir  we- 
niger Anstoss,  als  die  Heidelberger  u.  Darmslädler  Recensenten. 
S.  79.  ^.Quum'-''  [d.  i.  wenn  oder  so  oft]  ^.^Cicero  argumentum 
aliquod  omnibus  ex partibns  excusserit  atr/ue  ex aniinave- 
rit'-''  [warum  nicht  excussit  atque  e xaininavit?].,  ^.^tum., 
si  ex  allatis  a  sc  aliorttm  philosophorjim  sententiis ,  discrepanti- 
bus  inter  serjue  dissidentibus  aliijuid  veri.,  vel  certe  vero  simi- 
le'-^  [warum  nicht,  quod,  reri  siinile  essety]  ^^elici  posset.,  ..  . 
tentavit''''  woliir  auch  angemessener  sich  sagen  liess:  inqui- 


34S  Römische  Littcratur. 

si'vit^  qiiaerere  instihiit  ^  esploravit  oder  aninmm  advertit.  S. 
116  ärgert  uns  das  jetzt  leider  heillos  iiberliand  nelimeiule  kecke 
Voraiilaufen  der  enklitischen  pedisseqna  qiioque  \\.  8)  Z.  3.  ^^qui 
addit  quoque  Isocratis  jianeg.'-^  nämlich  ausser  zwei  Stellen 
Piaton' s  auch  noch  aus  Isokrates  eine.  Diesem  also  sollte 
quoque  die  Mantelschleppe  tragen.  Ebenda  Z.  2  v.  u.  steht  mo- 
net  mit  dem  Accus,  cum  inf.  für  docet  oder  animadvertit.  Uebri- 
gens  und  ausser  Einigem  von  dem,  was  der  IXqc.^q  m  dem  Pä- 
dagog.  -  Philologischen  Literhturhlatte  zur  allg. 
Schulzeitung  1826  Abth.  11  Nr.  39  S.  336  aus  den  Heidel- 
berger Jahrbüchern  a.  O.  S.  225  1".  armseliger  Weise,  sogar 
mit  Wiederholung  des  Schreib-  oder  Uruckl'ehlers  „dass  llr.'K. 
dignitatione  habe  schreiben  wollen'-'-,  wörtlich  abgeschrieben 
hat,  empfiehlt  sich  Hr.  K.  fast  durchgängig  dui-ch  die  Reinheit  sei- 
nes imgesuchten,  obwohl  gewählten  Ausdruckes.  Denn  zu  unge- 
recht wäre  es,  mit  dem  Heidelberger  Puristen  längst  recipirte 
Griecliische  Kunstausdrücke ,  w  ie  methodologia  ascetica^  auszu- 
märzen;  oder  gar  wegen  treuer  Wiederholung  fremder  Ausdrücke 
den  Verf.  zur  Rechenschaft  zu  ziehen  :  wieS.  50  „«  quodam  forte 
yatr e  s eu  ?nonach o.'-'-  Diess  hat  Hr.  H Vi  1  s e m a n n  zu  verant- 
worten, der  ausdrücklich  dort  angeführt  ist.  Doch  dergleichen  litte- 
rarische Taschenspielerei  erlaubt  sich  mancher  Ciceronisirende 
Recensent.  In  dem,  Mas  jener  Aristarch  ferner  tadelt,  „S.  113 
videri forte  in  aegritudine  sapientem'-'-^  MÜrde  er,  weniger  faul 
zur  Aufschlagung  der  Stelle  des  Cic.  Tusc.  III,  22,  einen  Druck- 
fehler/o/i'e  statt/ore  entdeckt  haben:  sowie  in  den  gleich  folgen- 
den Worten:  „g'Möe  Carneadis(si.  Carneade s)  contra  dixeritJ''' 

K.  Beier  in  Leipzig. 


L  e  X  i  c  0  g  r  a  p  li  i  e. 


Neues  deutsch-latei?iisches  Handtvörterhuck  nach 
F.  K.  Kraftij  g-rösserera  Werke  besonders  für  Gymnasien  bearbeitet 
von  Friedrich  Karl  Kraft,  Dir.  d.  Gymnas.  zu  •  Nordhansen  u.  d. 
Grossherzogl.  S.  Weim.  Lat.  Gesellschaft  zu  Jena  Ehrenraitgliede, 
und  M.  Albert  Farbiger,  ordentl.  Lehrer  an  dqr  Kikolaischule,  Pri- 
vatdocenten  an  der  Univers.  u.  Ehrenniitgl.  d.  K.  S.  philolog'.  Gesell- 
Bchaft  zu  Leipzig'.  Leipzig  in  Ernst  Klelns  litterai*.,  geogr.,  Kunst- und 
Comniissionscomptoir.  1826.  XU  u.  1412  S.  gr.  8.  2  Thlr.  18  Gr. 

Ungern  hat  Ref.  S.  V  der  Vorrede  die  Bemerkung  gefunden,  ein 
völlig  neues,  nach  gänzlich  veränd ertem  Plane  ver- 
fertigtes (sie),  biosaus  den  Quellen  selbst  geschöpf- 
tes Werk  zu  liefern,  habe  theils  die  Kürze  der  Zeit 


Deutsch -Lat.  IlandM'ürterLuch  von  Kraft  ii.  Forblger.         34:9 

nicht  erlaubt,  welche  den  Ilrrn.  Verff.  zu  dieser  Ar- 
beit V  e  r  ir  ö  u  n  t  ir  e  w  c  s  c  n,  t  li  e  i  1  s  hätten  sie  d  i  e  s  s  nicht 
einmal  für  nöthiir  ^eli  alten,  d  a  ein  zwe  ckmässig  um- 
gearbeiteter (?)  Auszug  aus  einem  Werke,  das  sich 
in  einem  s e h r  w e i t e n  Kreise  Anerkennung  u n d  B e i- 
fall  zu  erwerben  da^  Glück  gehabt,  dem  Bediiri- 
iiissc  zu  entsprechen  geschienen.  Denn  hier  entstellt 
zuerst  die  Frage,  wer  denn  nur  kurze  Zeit  vergönnte,  und  ob  eine 
längere  Frist  von  ihm  durcliaus  nicht  zu  erhalten  gewesen  wäre. 
]Vun  kann  diese  Person  der.iSache  nach  keine  andre  sein,  als  das 
Publikum.  Fs  ist  aber  gar  nicht  bekannt  ge\u)r(len,  dass  das  Pu- 
blikum hiebei  mit  so  dringendem  tlngestVim  verfahren  wäre.  Auch 
ist  es  sonst  sehr  gern  bereit,  Biicherver  fertigem  lange  Zeit 
zu  lassen,  wenn  sie  zuletzt  ihm  nur  piic  Ware  zum  Raufe  brin- 
gen. Wer  oder  Was  konnte  daher  die  Ilrrn.  \  erfl".  nöthigen,  ei- 
nen bessern  Plan  und  eine  bessre  Ausführung  auf  zu  geben  'l  Et- 
wa die  Besoigniss,  ein  Andrer  möchte  früher  bringen,  womit  sie 
noch  nicht  zu  Fnde  wären?  Aber  Mas  liegt  daran,  Aver  bringt*? 
Gesetzt  der  früliere  Bringer  I)rächte  das  Beeilte;  so  wäre  es  von 
Seiten  der  Ih-rn.  Verff".  nicht  nöthig:  oder  seine  Ware  vär'  als 
Werk  der  rebereilijng  schlecht j  so  bliebe  der  Markt  den  Ilrrn. 
A  erir.  immer  noch  offen.  Denn  das  Besste  findet  immer  die  mei- 
sten und  bessten  Käufer.  Befer.  findet  daher  durchaus  keinen  hin- 
reichenden Grund,  warum  die  Ilrrn.  Veril".  sich  so  sehr  beeilen  zu 
müssen  glaubten.  Ferner.  DasKraftsche  Wörterbuch  ist  allerdings 
mit  Beifall'  aufgenommen  worden.  Es  war  auch  sclilimm,  wenn  es  im 
Ganzen  nicht  besser  wäre,  als  seine  Vorläufer.  Wie  viel  die  Sucht 
nach  Neuem  daran  Tlieil  haben  könne,  mag  dahin  gestellt  bleiben. 
L'eberdem  schreitet  die  Be-,  noch  jv. ehr,  wie  billig,  die  Verur- 
theiluuff  solcher  Werke  nur  lanffsam  vor.  Aber  es  sind  auch  ge- 
gen  das  Kraftsche  Werk  bereits  bedeutender  Ausstellungen  genug 
gemacht  worden.  Befer.  selbst  hat  in  einem  andern  kritischen 
Blatte  gezeigt,  wie  ^iel  demselben  von  dem  noch  fehle,  was  man 
in  dieser  Zeit  erwarten  konnte.  Ein  Unbekannter  hat  noch  neuer- 
lich in  der  krit.  Bil)liotlHk  ({H2()  No.  5  S.440  —  4.')'?),  wenn  auch 
vielleicht  in  etwas  zu  starken  Ausdrücken  *) ,  doch  in  Beziehung 
auf  die  Sache  gewiss  nicht  ungerecht  31anclies  in  Erinnerung  ge- 
bracht, was  zum  Allerwenigsten  von  der  grössten  Uebereilung 
zeugt.    Wie  unter  solchen  Llmständen  den  Ilrrn.  Verff.  ein  Auszug 


•)  Dagcf^cn  ist  Ilr.  Conreotor  August  Grotefcnd  zu  Ilfeld  auf- 
getreten In  der  Seluilzeitung  d.  J.  AUth.  2  ^r.  70,  >velch<'r  das  Leiden- 
Bchiiftliclic  und  Ilüniisclic  jener  Reurthcilung  riip^t,  ohne  die  Fehler  selbst 
wegbringen  zu  können,  l'reilidi  Avärc  zu  wünsehen  gevesen,  Ilr.  Kraft 
hätte  langsamer  und  bedächtiger  gearbeitet;  dann  wären  gewiss  auch  die 
dort  gerügten  Ucbcreilungsfehler  vermieden  worden. 

Anm.  d.  Rcdact. 

Jahrb.  d.  Phil.  u.  Pädas.  Jahrg.  1.  Heft  2.  23 


S50  Römische    Litterat ur. 

aus  jenem  W  erke  dem  Bedürfnisse  zu  entspreclien  scheinen  konn- 
te, davon  lassen  die  Gründe  sich  eben  so  wenig  begreifen.  Ab- 
geselien  endlich  von  dorn  übel  gewählten  Ausdrucke  umgearbei- 
teter Auszug,  da  ja  noch  kein  Auszug  vorhanden  war,  wel- 
cher hätte  umgearbeitet  werden  können;  so  kündigt  sich  in  der  an- 
geführten Stelle  eine  gewisse  zaghafte  Unsicherheit  des  ürtheils 
und  Willens  oder,  wie  man  es  sonst  noch  nennen  möchte,  an,  wel- 
che ebenfalls  kein  gutes  Vorurtheil  gegen  das  Werk  erregen  kann. 
In  der  ersten  Hälfte  nämlicli  scheinen  die  IleiTen  Verff.  zugeben 
zu  wollen,  dass  es  besser  gewesen  wäre,  bei  Veränderung  des  Pla- 
nes ein  völlig  neues,  nur  aus  den  Quellen  selbst  gescliöpftes  Werk 
zu  liefern,  und  dass  sie  das  auch  wol  gethan  hätten,  wäre  nur  eine 
längere  Zeit  vergönnt  und  der  Ueifall  des  grössern  Werkes  nicht' 
dagegen  gewesen.  Darum  nehmen  sie  in  der  zweiten  Hälfte  einea 
Auszug  aus  diesem  als  hinreichend  an:  doch  soll  er,  um  jener  er- 
sten Hälfte  nicht  ganz  untreu  zu  werden,  ein  umgearbeite- 
ter sein,  indess  doch  auch  nicht  in  so  weit  umgearbeitet,  dass 
der  Plan  des  grössern  Werks  gänzlich  verändert  und  die  Phraseo- 
logie mehr  aus  den  Quellen  genommen  w  äre.  Was  bleibt  aber  dann 
noch  übrig,  das  Umarbeitung  genannt  zu  werden  verdienen  kann*? 
Das  heisst  kurz  wollen  und  nicht'wollen  und  es  zuletzt 
der  Kürze  wegen  beimNichtw  ollen  bewenden  lassen. 

Doch  es  wird  Zeit  sein,  an  das  Werk  selbst  zu  gehen.  Es 
wird  darauf  ankommen,  den  Zweck,  den  Plan  und  die  Einrich- 
tung, die  Vollständigkeit  der  Artikel,  den  Reichthum  und  die  Aecht- 
heit  der  Phraseologie  desselben,  sein  Verliältniss  zu  dem  grössern 
Werke  zu  prüfen  und  danach  seinen  W^erth  im  Allgemeinen  zu  be- 
stimmen. 

Was  nun  zuerst  den  Zweck  angeht;  so  ist  es  nach  S.  IV 
bestimmt  für  Schüler  der  mittleren  oder  bei  höher 
steh  enden  Lehranstalten  auch  der  unteren  Classen 
von  G e  1  e li r t e n s c h u  1  e n.  Da  es  indess  auch  in  den 
obern  Classen  der  Gymnasien  und  selbst  auf  Univer- 
sitäten noch  Manche  giebt,  die  einen  Lateinischen 
Aufsatz  nicht  ohne  alle  Hilfe  des  Lexikons  nieder-' 
schreiben  können,  und  darunter  sich  Unbemittelte 
befinden,  die  sich  dann  nach  einem  wohlfeilen 
Hilfsmittel  dieser  Art  ums  elien;  so  haben  dieHrrn. 
Verff.  sich  auch  erlau  bt,  bisw  eilen  von  jeneraZwek- 
k  e  ab  zu  w  eichen,  und  Manches  aufgenommen,  was 
nicht  blos  über  das  Bedürfniss  der  mittleren  Clas- 
sen, sondern  überhaupt  über  die' Schulbildung  liin- 
a  u  s  liegt.  Das  heisst  nichts  Anderes ,  als ,  die  Iln-n.  Verff.  ha- 
ben sich  bei  ilirer  Arbeit  einen  Zw  eck  gesetzt,  zugleich  aber  auch 
für  gut  gehalten,  ihm  niclit  treu  zu  bleiben.  Es  dürfte  wol  über- 
haupt schwer,  wo  nicht  unmöglich  sein,  in  dieser  Beziehung  das 
Bedürfniss  für  die  mittleren  Classen  ganz  genau  vest  zu  stellen. 


Deutsch -Lat  Handwörterbuch  von  Ki-aft  u.  Forhiger.         S51 

Eher  wäre  das  Ticlleicht  noch  für  die  gesammte  Gymnasialstufe 
jnöjrli«"h.  Aber  mit  Absiclit  iiiul  nacli  reifliclier  üeberlcgung  ein- 
mal aufgestellte  Zwecke  iniisscii  (iurchaiis  vest  gehalten  werden, 
■wenn  nicht  das  ohnehin  dürflige  menschliche  Wissen,  Wirken  und 
Leisten  der  Verwirrung,  Ilalblieit  und  JNichtigkeit  ganz  zum  Hau- 
be werden  soll. 

AVas  den  Plan  betrifft;  so  Iiaben  wir  nach  den  vorhin  ange- 
führten Worten  den  des  grossem  Werkes  um  Weniges  verändert 
zu  erwarten.  Da  die  etwauige  Veränderung  desselben  in  nnseru 
vorletzten  Abschnitt  gehört,  der  Plan  des  grössern  Werkes  aber 
als  bekannt  vorausgesetzt  werden  darf;  so  könnte  dieser  Abschnitt 
als  beendigt  angesehen  werden,  wäre  hier  nicht  ein  Mitarbeiter 
hinzugekommen,  welcher  die  Buchstal)en  A,  G,  K,  N,  T,  U  und  W 
bearbeitet  hat.  AVir  wollen  daher  ein  Paar  Proben  davon  aus  dem 
Buchstaben  T  geben,  aufweichen  wir  uns  Viberhaupt  ausschliess- 
lich beschränken.  Sonst  ist  gewöhnlich  das  Eigentliche  mid  Un- 
eigentliche der  Bedeutungen  durch  verschiedene  ]\oo.  angezeigt. 
Lnter  Tact  läuft  aber  das  tlneigenlliche  bei  JNo.  1  mit.  —  liei 
tagen  hätte  zur  Krsparung  des  llaumes  auf  Tag,  es  wird  T., 
verwiesen  werden  können.  —  Tändelei  soll  auch  heissen  C2in- 
ctatio:  in  dieser  Bedeutung  aber  kommt  es  nicht  vor. —  Bei  dem 
Worte  t  heu  er  finden  wir  folgende  Anordnung:  \)  Adi.  1)  in  ho- 
hem Grade  werlh  und  lieb,  2)  hoch  im  Preise,  3)  heilig,  feier- 
lich. 11)  Adv.  1)  hoch  im  Preise,  2)  heilig.  Schwerlich  siudhier 
die  Bedeutungen  richtig  angeordnet.  Wir  halten  No.  2  für  die 
Grundbedeutung,  No.  1  für  die  uneigentliche  und  jNo.  3,  wovon 
b  et  heuern  stammt,  fiir  einen  höhern  Grad  da\on.  Bei  No.  II 
mussten  die  Noo.  nicht  geändert,  sondei-n  wie  bei  I  gelassen  wer- 
den. Eben  so  ists  in  dem  grössern  Werke.  —  Unter  toll  folgen 
die  Bedeutungen  so  :  I)  Adi.  1)  ein  betäubendes  Geräusch  veriu*- 
sachend,  2)  ungestüm  tobend,  zornig,  3)  rasend,  4)  seltsam, 
wimderlich.  II)  Adv.  mit  denselljen  4  Noo.  Hier  ist  offenbar 
No.  3  die  Grundbedeutung,  die  übrigen  alle  sind  metajiliorischund 
durften  nicht  so  gehäuft  werden,  No.  1  ist  überflüssig  und  lallt 
theils  in  No.  2,  theils  in  No.  3:  denn  bei  toller  Lärm  oder  toll 
durch  einander  sehr  ein  lieirt  das  Geräusch  doch  gewiss 
nicht  in  toll,  sondern  in  Lärm  und  schrein.  {J;inz  nach  die- 
ser unsrer  Ansicht  sind  die  Bedeutungen  Aon  Tollheit  aufge- 
stellt. Wenn  die  unter  toll  getroH'ne  Anordnunir  die  rechte  war, 
80  musste  sie  auch  unter  Tollheit  bleiben,  liier  stimmt  Alles 
mit  dem  grössern  Werke  überein,  ausser  dass  dort  bei  No.  1  noch 
ohne  Noth,  bei  No.  2  aus  Zorn  und  Trunkenheit,  bei 
No.  3  aus  Beraubung  des  Verstandes  und  Bewusst- 
seins  steht.  —  l^nteüTon:  1)  Klan;r,  die  Töne  in  der  Musik, 
ein  lialber,  hoher,  liefer  Ton,  Ton  der  Stimme  \on  einem  Red- 
ner, 2)  in  der  Musik  statt  Tomirt,  3)  im  Sprechen  a)  eigentl., 
b)  uneiffcntl.,  4)  Acccnt,  5)  der  gute  Ton.    Hier  enthält  No.  1  zu 

23  * 


852  Römische    LIttcratur. 

nel  nnd  Ungleichartiges.  Die  Natur  der  Sache  verlangte  1)  Klang, 
im  Allgemeinen,  ein  ferner,  unbekannter  Ton  u.  drgl.,  2)  in  der 
Musik  a)  reiner,  hoher,  tiel'er,  halber,  ganzer  etc.  Ton,  b)  Grand- 
ton,  Tonart,  3)  im  Sprechen  a)  vlccent,  b)  der  Stimme,  4)  meta- 
phorisch von  3,  b  in  mehren  Fällen,  a)  der  Ton  einer  Rede,  ei- 
nes Briefes  etc.,  aus  einem  andern  Tone  sprechen ,  einen  hohen 
Ton  führen  etc.  b)  in  Beziehung  auf  gesellige  Yerliältnisse,  fehlt 
in  seiner  Allgemeiidieit  in  beiden  Werken,  ein  freundlicher,  stol- 
zer, rauher,  feiner,  guter  Ton,  den  Ton  angeben,  c)  mit  Bezie- 
hung auf  die  Farben  in  der  Malerei,  fehlt  in  beiden  Werken,  wel- 
che auch  übi'igens  übereinstimmen,  ganz.  —  Bei  Tonkiin stier 
ist  verwiesen  auf  Musikus,  bei  T  o  p  o  g  r  a  p  li  i  e  auf  Ortsbe- 
schreibung. Solche  tlngleichmäsigkeit  verdient  an  sich  Ta- 
del, besonders  aber  auch  desshalb ,  Aveil  man  so  niemals  wissen 
kann,  wo  man  nach  zu  schlagen  hat.  —  Tragen,  I)  v.  a.  1)  ei- 
gentlich, sustinere^  ferre^  geiere^  gestare^  'porture.^  zuletzt  Je- 
manden auf  den  Händen  tragen ,  das  Herz  auf  der  Zunge  tragen, 
auf  beiden  Achseln  tragen ,  man  trägt  sich  mit  einem  Geriichte. 
2)  uneigentlich  a)  hervorbringen,  erzeugen,  b)  etwas  an  sich  ha- 
ben, besonders  Waffen  und  Kleider,  c)  über  sich  nehmen,  erdul- 
den, d)  in  einer  gewissen  Richtung  halten,  e)  fiihren,  eines  Na- 
men ,  f )  haben ,  [hegen] ,  II)  v.  n.  reichen  a)  von  Schiessgeweh- 
ren,  b)  vom  Gesichte,  111)  v.  r.  1)  sich  kleiden,  2)  sich  gut  hal- 
ten, von  Zeugen,  3)  von  [der]  Haltmig  des' Körpers.  Hier  nüis- 
sen  No.  II  imd  in  üire  Stellen  wechseln:  denn  das  verbum  reci- 
procuni  als  eine  nur  beschränktere  Art  von  Activum  folgt  billig  so- 
gleich nach  dem  Activ.  Besser  ist  es  darum  unstreitig ,  wenn  in 
dem  grössern  Werke  das  v.  r.  zu  dem  v.  a.  gezogen  worden  und 
No.  III  ganz  ausgefallen  ist.  Bei  I,  1  eigentl.  musste  gesagt 
werden  a)  im  Zustande  der  Ruhe,  sustinere^  b)  der  Be- 
wegung,/er/e,  gercre^  gestare  ^  portare.  So  wäre  sogleich 
von  vorn  herein  der  Grund  gelegt  für  die  überall  viel  zu  wenig 
beachtete  Synonymik ,  für  welche  auch  ohne  viel  Raumverbrauch 
ein  guter  Wille  bei  guter  Kenntniss  gar  Vieles  thun  kann.  Auf- 
fallen muss  es,  dass  Ausdrücke,  wie  auf  den  Händen  tra- 
gen, das  Herz  auf  der  Zunge  tragen  u.  s.  w.  unter  No.  1 
aufgestellt  sind,  als  stände  da  tragen  in  eigentlicher  Bedeutung, 
dagegen  aber  Waffen  und  Kleider  tragen  unter  No.  2,  als 
wären  das  uneigentliche  Ausdrücke.  Eben  so  wenig  gehört  2,  d 
dahin :  denn  in  den  Kopf  schief  tragen  ist  tragen  doch 
wahrlicli  nicht  uneigentlich  zu  nehmen.  Bei  II  fehlt  in  beiden 
Werken  noch  vom  Sprachrohre.  Aehnliches  lässt  sich  bei 
allen  etwas  längeren  Artikeln ,  z.  B.  bei  taub,  treffen,  trei- 
ben, trennen,  treten,  treu,  t r o c kj^ n  und  andern  auf biin- 
gen :  docli  wird  das  Gesagte  als  Probe  fiir  diesen  Abschnitt  schon 
hinreichen. 

Als  fehlende  Artikel  in  beiden  Werken  bemerken  wir 


Deutsch -Lat,  IlanJwörlerbuch  von  Kraft  u.  ForMgcr.         353 

Tachyjjraphic,  Tafelaufsatz,  einer,  d  er  Talent  hat, 
Ta  uinel  lolcli,  Teinctüie,  Ter  mi  iiolo^  1  em  aclier  (fa- 
hr i  k  a  u  t ) ,  verbonim  opife.v^  ('io. ,  T  i  s  c  h  ij  c  n  o  s  s  e  ji  s  c  I»  a  f  t, 
T  o  n  s  p i"e  1 ,  T  r  a  g  k  ii  o  s  p  e ,  'I'  r  ö  d  e  I  iii  atz,  T  u g e  n  d  b  <>  1  il, 
Tyraimenver  t  rei  her,  Itj/aniii  c.rpiilsor^  INep.  In  dem  Jlaiul- 
wörterbuclie  allein  fehlen  Teint  (In  dem  grossem  Werke  ist  ver- 
wiesen auf  llantf  ar  he,  color  cutis.  Aber  das  cutis  wiirde  oft 
sehr  schwerfällig  mithnmpeln,  z.  B.  Tusc.  4,  13,  31  color is 
suaritas  und  Tusc.  5,  li?,  -Mi  color  snacis.) .,  Todes  he  eher, 
Trlnksncht,  Tros  t  sehr  i  1 1,  welches  durch  l'ros  tschr  ei- 
hen  nicht  ersetzt  werden  kann,  da  beide  verschieden  sind,  Trüf- 
felhund, Trii  ff  elj  agd,  Trii  f  f  e  Ijä  ger  und  wahrscheinlich 
noch  einige  andere.  Wenn  nun  au('li  etwa  Trinksucht  und 
Trüf  f  el  i  ä  ger  ei  nicht  auf  die  GNumasialstiife  gehören;  so  ist 
doch  bei  den  andern  kein  Grand  deslVlangels  ab  zusehen.  Älehr 
f  efilt  in  den  vorhandenen  Artikeln  Einzelnes.  Unter 
Tadelhaf  t  feldt  e  twas  T  ad  elhaf  tes  sein  oder  bedeu- 
ten, in  ritio  esse^  unter  Tag,  an  den  Tag  legen,  so  viel, 
als  Tag'  im  Jahre,  heller,  als  der  Tag,  unter  Taille 
dieliedeutnng,  wonach  es  die  bekannte  Stelle  amKiicken  bezeich- 
net, unter  tappen  (wo verA\ lesen  ist  auf  herum  tappen.  War- 
um nicht  lieber  u  m  h  e  r  t  a  p  p  e  n '?  Sollten  die  Hrrn.  YerfF.  solche 
Linterschiede  unbeachtet  gelassen  liaben '?) ,  in  Unwissenheit, 
errarc\  Tusc.  1,  48,  115.  Was  aber  in  aller  Welt  soll  unter  lier- 
um  tappen  in  dem  grössern  Werke  das  im  llandwörterbuche 
fehlende  ^e?« er e  errare '^  Unter  Tasche  fehlt  einem  alle 
'Vaschen  umkehren  ,  excutere ^  unter  taub,  für  oder  ge- 
gen etwas,  ad  philosopJiorinu  voces  aures  eins  clausae  sunt^ 
Tusc.  4,  1,  2,  und  surdum  esse  in  Graecosermojw^  Tusc.  5,  40, 
11  ß,  unter  Tauschhandel,  treiben,  res  mutare.,  Sali.  Jug. 
18,  unter  T hat,  böse,  maleßciuni^  facinus.,  eine  böse  That 
verrichten,  faciuus  committere.,  oft  committere  allein,  gute, 
benef actum.,  rulim volle,  laudes .,  unter  tliätig,  sein  über- 
liaupt,  besonders  geistig,  vigerc^  nioceri.,  ingenium  exei'cere^ 
etw  as  Thätiges,  fjniddam.,  (jikhI  vigeat.,  Cic.  pr.  Mil.  31,  84, 
unter  Thätigkeit,  was  geistige  Thätigkeit  fordert, 
st/idia  acut  ö,  Cic.  Cat.  mai.  14,  TiO.  Mehres  fehlt  nnter  T  heil, 
z.  B.  der  Theil  einer  gerichtlichen  Rede,  actio.,  auf 
meinen  Theil,  unter  Ther,  bei  Schiffen,  cera,  ()\i(J., 
iuiter  Thron,  v om  Thr.  ausscliliessen,  unter  thun,  ans 
Vorsicht,  cavere^  beim  Addiren,  esse.,  fieri.,  et^vas 
worein,  cum  cera  circvmjadeniid.,  INep.  17,  8,  7,  in  t^tsaßcti- 
tia  coniicere.,  ?Siep.  23,  10,  5,  etwas  zu  etwas,  ad  lungere  qd. 
ad  (jd.  u.  dergl.,  unter  Tod,  zu  Tode  ängstigen,  peitsclicn, 
prügeln  u.  dergl.  mehr,  unter  todt,  todt  ))eitschen,  sich 
t  o  d  t  lesen,  t  o  d  t  o  h  r  f  e i  g  e  n ,  der  t  o  d  t  e  15  u  c h  s  t  a  b  e  und 
Aehulichcs  mehr,  unter  tragen,  Abgaben,  loler.ure.,  welches- 


354:  Ru mische  Littcratur. 

auch  unter  Abgaben  fehlt,  Alles  in  sich  selbst,  ut  o- 
vinia  tua  ijt  te  posita  diicas^  Lael.2,5i  unter  treffen,  auf 
etwas,  plötzlicli  und  hart,  aber  ohne  dauernde  Folgen, 
percutere^  mit  dauernden  Folgen,  percellere^  niclit,  gar  nicht 
treffen,  a  siispicioiie  abesse  pliuimum^  unter  Trennung, 
geht  vor  sich,  findet  Statt,  discessus fit^  untertreten, 
a  u  s ,  z.  U.  a  u  s  d  e  m  II  a  u  s  e,  e  limine  pedem  efferve^  aus  dem 
Leben  de  vita  exire ,  unter  Truppen,  1  e i cli  t e  ,  schwer  e, 
welches  auch  unter  Armee,  Heer,  Soldat,  wohin  verwiesen 
wird,  nicht  steht.  Hei  Tyrann  hätte  auf  den  Unterschied  der 
antiken  und  modernen  Bedeutung  des  Worts  hinge\^iesen  werden 
sollen,  welches  aucli  in  dem  grösseiii  Werke  nicht  geschehen  ist. 
Für  jenen  Fall  ist  eine  Ilauptstclle  bei  Nep.  1,  8,  3. 

Wir  kommen  jetzt  zu  dem  R  e  i  c  h  t  h  u  m  e  und  der  A  e  c  h  t- 
li e i t  der  L a t i  n i  t ä t.  Unter  T a c t  fehlt  iu dici u m ,  z. B. Ion- 
^itudinum  et  brevitatum ^  Cic.  Oi\  51,  173.  Und  Ernesti  sagt 
in  den  Opp.  or.  p.  149  Celerilas  i/igenii^  usu  subacti^  qnodiii  re~ 
hus  gerendis  statim^  quid  in  rem  sit^  subiiciat.  Concentum 
servare  fiir  Tact  halten  diirite  bedenklich  sein,  da  coTzcew- 
tus  wol  mehr  sich  auf  die  Harmonie  bezieht.  Pulsu  regere 
cantum  für  den  Tact  schlagen  scheint  nicht  allgemein  ge- 
nug, Mcnn  man  cantus  blos  auf  Gesang  bezöge,  .ob  wol  die  Al- 
ten es  auch  ^on  Instrumenten  brauchen.  W  ir  Avürden  im  Allge- 
meinen sagen  niodos  {modoritm  mimer os)  pidsu  regere ,  von  Vo- 
calmusik  cantum  oder  cantus  numeros^  yow  Instrumentalmusik 
ßdes  oder ßdium  jnodos  ^  von  beiden  zugleich  cantum  et  jides^ 
auch  wol  symphoniae  viodos  et  mimeros  oder  symphoniacos. 
Warum  unter  Tadel  aus  dem  grössei'u  Werke  ««//««r/rc/s/o  nicht 
mit  übernommen  worden,  dürfte  zu  fragen  sein.  Aber  auch  iu 
diesem  fehlt  minima  read  repr eilende ndum  contenti^  Cic, 
und  noji  inquiro ^  quod  r epreheiidam^  Cic.  Unter  tadel- 
haft fehlt  in  beiden  Werken  sein,  in  culpa  esse^  Cic,  und  cri- 
minis  caussam  habere^  Cic,  unter  tadeln,  ebenfalls  in  beiden 
Werken,  cnlpare^  destringere^  castigare^  vexare^  monere^  eben 
so  unter  Tafel,  victus^  Cic  Tafelmusik,  symphonia  su- 
per coenam.  Das  ist  mm  und  nimmermehr  Latein.  Wir  haben 
schon  verschiedentlich ,  auch  in  unsern  Beurtheilungen  des  grö- 
ssern W^erkes,  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  die  Ilömer  es 
bis  auf  seltene  Fälle  vermeiden,  eine  Träpositloji  unmittelbar  von 
ein^m  Substantiv  abhängig  zu  machen.  Man  sehe  nur,  Avie  sie 
sich  dabei  benehmen,  ex  attritu  arborum^  Reiben  an  den  Bäu- 
men, Pün.  II.  N.  8,  32,  50 ;  cibaria  cocta  dierum  decem,  a  u  f  10 
Tage,  Nep.  18,  8,  T;  invidiae  crimen^  Anklage  aus  Neid,  JN'ep. 
7,  4,  1 ;  iiiterpres  corrumpendi  iudicii^  bei  Bestechung  etc.,  Cic. 
Verr.  1,  12,  36;  manupretium  machinae^  für,  Verr.  2,  1,  56, 
1-1:7;  defensio  criminis^  gegen,  Verr.  2,  3,  76,176;  necessita- 
tis  cxcmaiio^  Entschuldigung  mit  der  INothwcudigkeit,  Cic.  Ür. 


Deutsch -Lat.  IlandATÖrtcrljuch  von  Kraft  u.  Forblgcr.         355 

69,  230;  dcJcctalionis  auciipinm,  ITasclicn  nach  VergnVisjcn,  Or, 
25,  S4;  hcreditatis  coiitrorcrsia^  Streit  über,  Vt-rr,  2,  2,  18, 
40;  vila  nostnim  cuiffS(/>fc^  unter,  \err.  ],5S,  MH);  laboris 
ftigo^  Sehen  vor,  Or.  OS,  220;  pioocmiiiin  belli  Piniici^  Einlei- 
tung zu,  Or.  09,  230;  Iriian  rvgiiin  bellum^  zwisclien,  Liv, 
45,  14;  habeo^  quas  ad  einnleni  liUcras  misisti^  dein  Schrei- 
ben an  ihn,  Verr.  2,  1,  31, 18;  bellum^  quod  adver sus  Cadus- 
sos  ßessit.,  ISep.  14,  1,  4;  neg/ilndo  suscepta  prop/er  idi- 
qiiid^  Tuso.  4,  8,  17;  gcnlibns^  quae  eis  iberum  incolunt^ 
Liv.  28,  24,  5;  oditus,  qui  Viliriani  aperit^  JN'ep.  3,  4,  4;  bel- 
lum gest  um  opud  Mutinam.  JSej).  25,  9,  1 ;  XVI  Volumina  epi- 
siola/um  ad  Atlicum  missarum^  INep.  25,  10,  3;  Pugiia  Can- 
7ie//sis  i.  e.  ad  Cannas  commissa^  Liv.  23,  11  e\tr.  (Das  in  dem- 
selben Kap.  vorangellende  muitius  rirfo/iac  ad  Cannas  halten  wir 
für  unlateinisch  und  aus  einer  Glosse  über  CVm/iews/s  entstanden.)  ; 
Castra  naulica^  an  der  Küste,  Nep.  7,  8,  3;  consularis  metus^ 
vor  dem  Consul,  Yerr.  1,  10,  28;  quaestio/ies  naturales^  über, 
Quinctil.  1,4,38;  Scriptures  Graevi^  über  Gr.,  Tuso.  1,13,29. 
So  sagten  die  Alten,  und  ihre  grossen  INachahmer  in  neuerer  Zeit, 
J\l  u  r  e  t ,  L  a  m  b  i  n ,  Reiz,  E  r  n  e  s  t  i ,  II  u  h  n  k  e  n ,  Wolf  und 
Andere  machen  es  gerade  so  und  geben  dadurch  eben  die  Grösse 
ilirer  JNachaJnuung  kund.  Zwar  kommen  auch  bei  den  Alten  selbst 
hier  und  da  Beispiele  dieser  sonst  von  ihnen  sorgfältig  umgange- 
nen Abhängigkeit  vor,  wie  negoiiator  ex  Africa^  \err.  2,  1,  5, 
34;  timor  meus  de  vestrafide^  ib.  2,  1,  8,  23;  ist  ins  de  cokorle 
recuperatores^  2,  3,  12,  29;  discessus  animi  a  corpore^  Tusc.  1, 
9,  18;  in  IL  'ibro  de  republica^  Tusc.  1,  22,  53;  ynultos  inistum 
festes  deferruit^  Verr.  2,3,  .^i3,  122;  desertor  propter^  Cic.  ad 
fam.  3,  19:  aber  dann  hat  die  Sache  meistentheils  ihren  Grund  in 
der  Abstammung  (^on  einem  Yerbum)  ,  der  Bedeutung  des  Sub- 
stantivs oder  in  dessen  alterthümlicher  Construction  oder  in  un- 
berichtigter  Lesart,  und  es  bleibt  auf  jeden  Fall  sehr  gewagt,  sich 
liier  ohne  \  organg  der  Alten  etwas  zu  erlauben.  Es  wird  darin 
von  neuern  Lnteinschreibern  nur  all  zu  ^iel  gefehlt  und  auch  in 
diesem  Wörter!)uche  z.  B.  unter  Talent,  naturalis  i/igenii  ad 
aliquid  de.rteritas^  unter  Tanzsaal,  ronclave  malus  ad  s(dtan- 
dum^  unter  T  hör  w  a  c  h  e,  cxcubiae  a  d  partum^  T  h  o  r  s  c  h  r  e  i- 
ber,  scriba  ad  portani^  Tintenfleck,  macula  ex  atrameu- 
lo^  Tischgebet,  precatio  ad  coenatn^  Tischgespräch, 
sermo  i  n  t  c  r  coenandum ,  s  np  c  r  mensam ,  T  i  s  c  h  t  r  u  n  k ,  po- 
tus  ad  inensam^  Töne,  geschleilte, //c'.r/o//es  in  cantu^  'J'rink- 
schale,  scutclla  a  d  potanduui^  T  u  g  e  n  d  1  e  h  r  e ,  ductrina  de 
virlute.  Das  Alles  halten  wir  für  unlateinisch,  und  ist  dessen  für 
einen  an  sieh  magern  Buchstaben,  auch  wenn  wir  nichts  überse- 
hen hiitleii,  wo!  nur  fill  zu  >iel.  Wir  lassen  blos  insiitutio  in  ar- 
te saltandi  unter  T  a  n  z  s  t  n  n  d  e ,  nomcn  sine  honore  unter  T  i- 
tei  und  luctalio  cum  morle  unter  Todeskampf  gelten.     Die 


356  Römische  Littcratur. 

hier  in  Rede  stehenden  Verunstaltungen  der  Latinität  können  nur 
Ton  einem  hohen  Grade  von  Flüchtigkeit,  Unachtsamkeit  und  Klan- 
ge! an  Auffassung  hergeleitet  werden,  indem,  Avenn  z.  B.  Liv. 28, 
18  sagt  Tanta  inercit  comitas  Scipioni  atque  ad  omnia  naturalis 
mgenii  desteritas^  oder  Cic.  de  er.  3,  25,  08  Qua/ito  molliores 
sunt  et  delicatio/es in  cantuflexiones?  gar  nicht  in lliicksicht ge- 
zogen wird ,  wie  viel  dort  inerat  Theil  an  der  Uection  des  ad^ 
hier  das  molliores  sunt  an  dertles  in  habe,  unddass  man  um  die- 
ser beiden  Stellen  und  ähnlicher  willen  noch  nicht  sagen  kann 
dexteritas  ad  aliqiiid  oder  flesiones  in  cantu.  Bisw  eilen  mögen 
solche  Ungcliöi'igkeiten  auch  wol  aus  Sacliverzeichnissen  entsprin- 
gen. So  steht  z.  B.  in  dem  index  rerum  memorabiliura  in  der 
Krauseschen  Ausgabe  des  Vellei.  Paterc.  unter  Actium — proe- 
Uiini  apud  Actium  int  er  Oct avium  et  Anto7iiuni  2^  85.  Aber 
in  der  angeführten  Stelle  wird  nur  die  Sache  erzählt,  die  feliler- 
haite  Phrase  kommt  darin  nicht  vor.  Referent  holft,  diess  w  erde 
hinreichen,  diejenigen,  welclie  im  Lateinischen  unterrichten  oder 
selbst  in  dieser  Sprache  schreiben,  dahin  zu  bewegen,  dass  sie 
der  Sache  mehr  Aufmerksamkeit  schenken,  als  bisher  geschehn, 
selbst  wo  er  glaubte,  es  erwarten  zu  können.  —  Unter  Tag,  es 
liegt  am  T.,  fehlt  in  beiden  Werken  persiricuum  est^  elucet^ 
an  den  Tag  kommen,  illiistrantur ,  ernmjmnt  omnia ,  Cic, 
vor  Tage,  antelucana  industria^  es  wird  Tag,  lucet^ 
seine  Tage  besch Hessen,  finire^  worüber  R u h n k e n  zum 
Velleius  spriclit.  Älehr  aber,  als  diess  und  vitam  finire^  hätten 
wir  hier  nicht  beigebracht  und  lieber  auf  %t  erb  en  verwiesen,  wo 
weder  vitam  fmire^  noch  vita  e.rcerfe/e  angegeben  ist.  Unter 
Tagebucli  felilt  in  beiden  Werken  ea.'  ephemeride  scimus^ 
Nep.  25,  1 S,  6.  Was  soll  bei papilio^  T a g e f a  1 1 e r ,  diurnus? 
Tagelang  lieisst  w ol  nicht  eine n,  sondern  m ehre  Tage  lang, 
also  nicht  per  diein  diirans.  Unter  Tagelohn  fehlt  in  beiden 
Werken  manuum  merces^  Sali.,  unter  Tagelöhner  operae  mer- 
cenariae ^  Cic,  unter  Tagereise  via  diernm  erat  fere  decem^ 
Nep.  Taille,  2)  der  Schnitt  am  Kleide,  etwa^  forma  ve- 
stis.  Das  oft  so  hinter  etwa  vorkommende  Komma  ist  ganz  in- 
terpunctionswidrig.  Uebrigens  konnte  aus  Curt. ,  Avoher  habitus 
corporis  genommen  worden,  auch  habitus  vestis  genommen  wer- 
den. Dexteritas  ist  wol  nicht,  wie  unter  Talent  angege- 
ben ist,  jedes  natürliche  Talent,  sondern  immer  Talent  mit  Be- 
ziehung auf  Dinge,  wodurch  wir  andei'u  gefallen,  ingenium  et 
ars  ad promere?idam  onmiu?n  voluntatem^  wie  Ruhnken  in  der 
praef.  ad  Scliell.  Lexic.  sagt,  und  wie  es  aucli  in  der  vorhin  aus 
Liv.  an  geführten  Stelle  steht.  T  a  1  m  ii  d  i  s  t ,  Talmudis  interpre- 
tandi peritus.  Ernesti  sagt  opp.  or.  p.  299  sehr  kurz  imd  an- 
gemessen magislros  Judaicos  intelligere.  Unter  tändeln  fehlt 
das  Horazisclie  iuvenari  und  ludere^  mit  einem  Mädclien, 
BoU  heissen  alludere  ad  puellam :  aber  nach  der  Erklärung,  wel- 


Dcutscli   Lat.  Ilamlwörtcrbuch  von  Kraft  u.  FoiLiger.        o57 

che  Rulinken  zu  Tor.  Eun.  3,1,  34  von  aUiidcre  gicbt,  muss 
die  dadurch  bezcichuele  Tändelei  eine  ziemlieh  luuulfi;reilliclie  gc- 
veseu  ijeiu.  Auth  steht  dort  nicht  ad  pjicllam,  sondern  adscor- 
tum  dabei.  Warum  nidit  niigari^  ludere  cum  puella  ?  Der  ächte 
Ausdruck  sclieint  das  bei  Plaut,  oft  vorkommende  delkias  faccre 
zu  sein,  audi  \vol  das  dclicias  d teere  des  Catull.  Unter  Tapet 
felilt  in  beiden  A\  erken  mentioiiem  iniicere  und  das  blose  iiiiice- 
re.  Ein  T  a  s  c  h  e  n  b  u  c  li,  »las  man  immer  bei  sicli  trägt,  soll  hei- 
ssen  Über  familiär  is.  AVir  zweifeln  aber  an  der  Latinität  des 
familiär is  in  diesem  Sinne.  Unter  taub  feldt  in  beiden  Werken 
das  Varrouisclie  spicum  u  eqna  m.  Besonders  dürftig  ist  Tasche 
weggekommen,  da  fehlt  crumeiiam  es.  haurire .,  peeuniam  aver- 
iere^  domiim  s/ia/nferre^  dumum  suam  averlere  und  eonverlere^^ 
peeunia  luer  i  facta.,  das  Jemand  in  seine  Tasche  gesteckt  hat. 
Unter  Taube  fehlt  als  w i  1  d e  im Haiuhvörterb. /;«/MmÄes  und  in 
beiden  palumbus  und  pahimba.  Tauchen,  in  aquam  mergi. 
Aber  öfter,  als  das,  wird  gesagt  in  aqua  oder  blos  aqua.  Das 
Frequentativum  ynersare,  z.  U.  profnndo  bei  Plin.  mai.,  fehlt  in  bei- 
den Werken.  Bei  lindere  ist  an  beiden  Orten  keine  Coustructiou 
angegebon.  Auch  hier  kann  man  sagen  in  aquam.,  in  aqua  und 
aqua.  Vergl.  Seyferts  Lat.  Spraclil.  Tbl.  5  §  2051  Anmerk. 
Taufe  drückt  D  e  m  b  u  s  p.  405  recht  gut  ^o  aus :  in  i  n  i  tiando 
filio  suo.  Der  T  a  u  m  e  1  der  Freude  ist  w  ol  durcli  summa  laeti- 
tia  gar  niclit  ausgedrückt.  Wir  würden  sagen  ebrietas  laetitia 
exorta  oder  laetitia  e.vultans.  Oft  könnte  man  sich  behelfen  mit 
laetitia  plenus.,  Hör,,  und  laetitia.  ebrius.  Unter  Tauschen  fehlt 
um  etwas,  mutare  qd.  ye,  unter  täuschen  capere.,  illudere., 
in  errorem  inducere.,  unter  Tauschhandel  bei  permutatio 
noch  mercium.,  unter  T  äuschung  simulatio.,  sinudatum.,  dis- 
simulatio.  Temperament  drückt  llu linken  sehr  gut  aus 
durch  cum  corporis  tum  ingenii  temperatura  und  ein  heftiges 
durch  eeleres  ingenii  7notns.  Unter  Teppich  fehlt  stragulum 
aus  den  Tusc,  unter  Termin  dies  praestituta.,  dient  ci.  proro- 
gare.  Die  unter  Kunstsprache,  w  ohin  bei  Terminologie 
w erwiesen  wird,  aufgeführten  Ausdrücke,  usus  loquetiditeelini- 
CUS.I  oratio.,  vocabulu  teehniea.,  sind^iel  zu  schleppend  und  kom- 
men bei  den  Alten  selbst  gewiss  nicht  vor.  Wir  haben  schon  oben 
verbor um  opifex  gehabt.  Eben  so  sagt  Cic.  in  den  Tusc.  Inter 
!£enoneni  et  Peripateticos  nil praeter  verhorum  novit atem  in- 
terest.  Doch  es  wird  zu  w  cit  führen ,  den  ganzen  Buchstaben  so 
durch  zu  nehmen.  Wir  heben  daher  Jiur  noch  Einiges  besonders 
aus.  Unter  t h ä t  i g  und  in  T h ä  t  i g k e i  t  sein  feldt  agere  qd.., 
moveri.,  agitari.,  motu  suo  eieri.,  und  vor  Allem  das  auf  geistige 
Thätigkeit  sich  bezieh  ende  vigere.  T  h  e  a  t  e  r  s  t  ü  c  k,  fabula  s  c*3^ 
nica.  Das  scenieu  fehlt  bei  t\ii\\  Allen  immer,  so  bald  es  sich  ir- 
gend aus  dem  Zusainmeidiange  ergiebt.  Von  alle  iWn  unter  Theo- 
rie aufgestellten  Ausdrücken  k'aiui  man  keinen  gebrauchen,  wenn 


358  Rü mische  Litteratur. 

man  sagen  Ml  11,  das  und  das  istin  der  Theorie  recht  gut,  aber  in 
der  Praxis  nicht  aus  zu  führen.  Wie  schön  sagt  das  Cic. !  Chrysip- 
jn  consolatio  ad  veritate m  finnissiina  est ,  ml  leiiipus  aegri- 
tudinis  dljjicilis.  T h i e r i s c h e  Lüste,  Ubidines  belluiua e. 
Das  ist  doch  woi  zu  viel,  etwa  viehisch.  Tliierisch  kann  nur 
durch  corporis  gegeben  werden.  Unter  thun  steht  S.  1107 
Hoc  ip s i salutare erib und  iniuriain  ip s  i  nonfeci.  Warum  ip si? 
Todte  Sprache,  liiigua^  quae  ex  vita  et  consuetudine  commuui 
ahiit.  Wenn  aber  das  oft  hhiter  einander  vorkommt'?  Wiesclilep- 
pend  dann!  Cic.  sagt  Yerr.  2,5,  18,  45  leges  mortuae.  Also  auch 
lingua  morlua.  Memoria  defi/nctis  sacra  iintav  Tod  teuf  eier 
ist  ein  den  Todten  geweihetes  Andenken.  Wo  bleibt  aber  da  die 
Feier?  Wir  würden  sagen  solemnia  in  defunclorum  memoriam 
celebrata.  T  r  a  n  s  i  t  o  g  ü  t  e  r , '  ?nerces  per  aliquatn  terram  ve~ 
hendae.  Gut  ira  Allgemeinen :  Aveun  mich  aber  einer  fragt,  was 
ist  das'?  und  ich  will  ihm  sagen,,  et  sind  Transitogüter;  so  passt 
das  doch  nicht,  und  ich  müsste  etwa  sagen  merces  sunt  per  fi- 
nes  nostros  vchendae.  Traum gott,  der,  Morpheus,  Da 
fehlt  aber  die  Uebersetzung  des  Wortes  Traum  gott,  auf  die 
es  doch  im  Wörterbuche  vor  Allem  ankommt.  Im  grössern  Wer- 
ke ist  es  nicht  anders.  Treibeis,  glacies  rupta  fluitans  in 
aquis.  Das  rupta  ist  ganz  übrig:  denn  ist  die  glacies  schon  flui- 
tans ;  so  versteht  es  sich  von  selbst,  dass  das  ?timpi  schon  bei  ihr 
vorgekommen  sei.  Eben  so  wird  auch  in  den  meisten,  nämlich 
in  alle  den  Fällen,  wo  es  sicli  von  selbst  versteht,  in  aqvis  iiber- 
flüssig  sein.  Und  so  ist  überhaupt  bei  der  Phraseologie  dieser 
beiden  Werke  häufig  nicht  die  erforderliche  Rücksicht  genommen 
auf  das,  was  sich  von  selbst  verstellt.  Unter  treiben  fehlt  der 
wichtige  Fall ,  die  Sonne  treibt  die  Gewächse.  Unter  I, 
3  daselbst  ic\\\t  factiture  ^  z.  B.  medicinam^  Quinctil.,  exornare^ 
z.B.  pkilosophiani^  Tusc,  niinistrare  .,'llor.  Unter  II,  welches 
als  V.  n  angenommen  ist  und  doch  gemmas  \^radices^^  agere  und 
flores  expellere  mit  enthält,  felilt  herbes'cere .,  frondescere .,  pu- 
bescere ,  se  tollere ,  f andere ,  procreare. 

Ueber  das  Verhältniss  des  vorliegenden  Werks 
zudem  grössern  ist  in  dem  bisher  Gesagten  schon  Manches 
angedeutet.  Wir  wollen  eine  kurze  Verglcichung  beider  noch  her- 
beiführen ,  indem  w ir  zurückgehen  auf  ehiige  Ausstelliuigcn  unsrer 
letzten  Beurtheilung  des  grössern  Werks  in  No.  230  und  2ol  de»' 
Jen.  allg.  Lit.  Zeit,  vom  vor.  J.  und  der  schon  erwähnten  eines  Un- 
genannten hl  No.  5  der  krit.  Eiblioth.  v.  dies.  J.  E  n  t  s  p  r  i  e  s  s  e  n, 
2)  entstehen,  lierstammen,  da  doch  herstammen  =  entspros- 
sen sein.  Also  nichts  verbessert.  Erbse,  nur  pisum.  Also 
nichts  verbessert.  Unter  Erbverbrüderung  nichts  verbessert, 
dagegen  unter  E  rb vergleich.  In  Beziehung  auf  Erdball, 
Erde  ]\o.  3  und  das  fehlende  Erdenrund  nichts  verbessert. 
Unter  Erdeuleben  ist  aus  vita  hac  in  terra  geworden  vita  his 


Deutsch -Lat.  Handwürterbuch  von  Kraft  u.  Forbiger.        359 

in  icrn's^  eine  sclilimme  Verbesserung.  Unter  e  x  t  c  m  p  o  r  i  r  e  n 
sind  die  versus  es  tempore  weirirefallen.  Also  eine  nej^ative  Ver- 
besserung. Iliniasseu  und  hiareissen  sind  jetzt  jedes  als 
ein  AVort  gedruckt.  Dagegen  steht  noch  h  er  l  a  s  s  e  n,  li  er  1  e  i- 
ten,  liinein  tragen,  liin  sollen  und  eine  IMenge  Fälle  die- 
ser Art.  Also  im  Ganzen  nielits  verbessert,  \veil  die  Totaleinsiclit 
mangelt.  7?/V/e/e  ?*///<•  ist  nicht  mehr,  weil  hi  n  lach  en  ausge- 
lassen ist.  Dagegen  lindet  sich  unter  lü  n  l  a  s  s  e  n  noch  veniam 
dare  istuc  eundi^  unter  liinleuchteu  lampada  istuc  admo- 
i'ereund  Vieles  der  Art.  lilos  aus  itio  huc  ist  üio  ilhic^  also  aus 
Herreise  Hinreise  geworden.  Wenn  aber  das  Latein  ist;  so 
viirde  immer  noch  itio  istuc  fehlen.  Hei  hinab  ist  auch  hier 
noch  auf  li  er  ab  verwiesen,  und  ist  dazwischen  doch  ein  so  gro- 
sser Unterschied!  So  viel  aus  unsrer  eignen  lieurllieilung.  Jetzt 
zu  der  des  Unbekannten.  Graupe  heisst  immer  nodi  ptisojiu?n 
statt  ptisana-ae^  mein  schönes  Kind  noch  711  i  lepida^  Phy- 
siognomie noch  immer  =  Phy  sionomie,  ]No  tlis  tall  noch 
Lumer  vaccrrafnx  vacerrae^  Söller  solare  für  solarium^  Sechs- 
eck sexagonum  statt  hexogo/umi ^  liinausgehen,  im  Bieten, 
plus  Iheri  statt  jj/////*-  liccri^  Hohlkehle  colliqmae^  nälien 
tiere^  Schwimmhaut  cut  is  ad  natandum  data^  Schwung- 
feder peuiia  ad  volandum^  Lustw  äldclie  n  nemus  volu- 
ytarium  u.  31.  d.  A.  Verbessert  sind  die  gerügten  Fehler 
unter  Hansestadt,  lierumgreif en,  Kleinstädter,  nie- 
mals, nicht  zu  beurtheilen  bei  Hornkamni,  Hut,  Raufe, 
N  ä  d  e  1  c  h  e  n  ,  h  i n  w  e g  k  r  i  e  c h  e n  u.  einigen  A.,  weil  das  Deut- 
sche dazu  fehlt.  AVarum  aber  einen  II nt  tra  gen,  die  Rau- 
fe u.  dergl.  ausgelassen  worden,  das  wissen  wir  nicht.  Soll  es 
etwa  auf  Tertia  nicht  vorkommen *(  oder  auch  nicht  bei  unbemit- 
telten Primanern  und  Studenten'? 

Referent  glaubt  nun  durch  das  Dagewesene  einen  hinlängli- 
chen Grund  zu  seinem  Urtheile  gelegt  zuhaben,  welches  er  in 
folgender  Art  abgiebt.  Er  glaubt  nämlich,  dass  durch  das  vor- 
liegende Werk  dem  in  der  Sphäre  desselben  vorhandenen  ßedürf- 
iiisse  eben  so  wenig  abgeholfon  sei,  als  einem  andern  durch  das 
grössere  Werk.  Auch  glaubt  er,  dass  das  vorliegende  Handwörter- 
buch schwerlich  das  werden  wird,  was  das  liedürfuiss  fordert  und 
in  dieser  Zeit  geleistet  w  erden  kann  und  soll,  es  müsste  denn  nach 
einem  vester  gehaltnen  Zwecke,  und  nach  einem  ganz  andern  Pla- 
ne bearbeitet,  die  Pliraseologie  mehr  aus  den  (Quellen  gezogen 
werden  und  die  Hrrn.  Verff.  noch  gar  mancherlei  Sprachstudien 
treiben  und  Vieles  durchmaclien,  worüber  sie  ivoch  nicht  im  Kla- 
ren sind:  denn  ein  Levicograph  muss  alle  A>  iukel  de-  Sprachwis- 
senschaft im  Ganzen  und  Kiu/eluen  durchstöhert  haben.  Auf  die 
Zeit  des  Erscheinens  muss  es  ihnen  gar  nicht  ankommen.  Alle  zu 
früh  geborne  Kiiuler  iiM^ommodireu  viel  .Menschen,  leisten  selten 
Aiei  für  die  Weit  und  werden,  seilen  alt.    Wenn  Werke  dieser  Art 


360  Rümischc    Littcratur. 

erst  durch  Recensioneii  ^it  werden  sollen ;  ist  nicht  viel  zw  hof- 
fen. So  Mie  (las  Hand  Wörterbuch  jetzt  ist  und  wol  noch  lange, 
wo  nicht  immer ,  bleiben  wird,  ist  Referent  der  Meinunc:,  dass 
die  Bedüi'fenden  mit  Hauer  oder  dem  alten  ehrlichen  llede- 
ricli  ebeu  so  weit,  ja  noch  weiter  kommen. 

J.  S.  llosenhcjjn. 


Lateinische  Grammatik. 


Erster     Artikel. 

Uas  letzte  Quinquenniura  ist  für  lateinische  Grammatik  ergiebi- 
ger gewesen,  als  wohl  mancher  grössere  Abschnitt  früherer  Zeit, 
indem  im  Laufe  desselben  mehrere  neue  Lehrbücher  erschienen, 
andre  neue  Auflagen  erlebten ,  imd  eine  Menge  kleinerer  Schrif- 
ten ins  Publikum  kam ,  in  welchen  einzelne  Gegenstände  dieser 
Grammatik,  die  bisher  noch  im  Dunkel  lagen,  oder  nicht  genug 
beachtet  waren,  zur  Sprache  gebracJit  und,  w  enn  auch  nicht  ganz 
aufgehellt,  doch  dazu  Versuche  gemacht,  andre  aber  mit  desto 
glücklicherm  Erfolgbearbeitet  und  zur  klaren  Anschauuiig  gebracht 
wurden.     Hierauf  führte  ganz  natürlich  das  mit  der  Verbesserung 
der  Schulen  reger  gewordene  Studiiun  der  römischen  Klassiker, 
deren  ältere  mit  gelehrten  Commentaren  verseliene  Ausgaben  durch 
neue  Abdrücke  bekannter  und  zugänglicher  gemacht  wurden,  und 
deren  neuere  Herausgeber  theils  bei  den  Erklärungen,  theils  bei 
der  kritisclien  Bericlitigiing  des  Textes  ihres  Schriftstellers  die 
Grundsätze  der  Grammatik  oft  in  Anwendung  brachten.      Hier 
musste  man  auf  die  Fehler  und  Mängel  der  gangbaren  Lehrbücher 
über  Grammatik  aufmerksam  werden,  und  jeder  suchte  nun  auf 
seine  Weise  die  noch  dunkeln  und  schwierigen  Constructionen  zu 
erklären  und  das  Fehlende  zu  ergänzen.     Auch  das  Streben,  den 
echt  römischen  Ausdruck  treu  nachzuahmen  und  gut  Latein  zu 
schreiben,  trug  das  Sehiige  dazu  bei,  und  die  zu  diesem  Zweck 
gearbeiteten  Uebungsbücher  enthalten  manche  neue,  für  die  Gram- 
matik brauchbare  Idee.     Es  schien  nun  darauf  anzukommen,  die 
so  zerstreuten  Materialien  zu  einer  rei'besserten  und  vollständigem 
Grammatik  zu  sammeln  und  am  gehörigen  Ort  einzuschalteji ,  mn 
ein  Lehrbuch  zu  erhalten,  das  vor  den  bisher  gebrauchten  bedeu- 
tende Vorzüge  hätte.  ^  Und  doch  möchte  eine  solche  Grammatik, 
mit  denllesultaten  des  sorgfältigsten  Sammlungsfleisses  ausgestat- 
tet ,  den  Anforderungen,  die  man  an  ein  solches  Buch  macht,  bei 
weitem  nocli  nicht  gnügen.     Die  meisten  Interpreten  fassen  die 
Sprache  nur  nach  ihrer  Aussenseite  auf  und  häufen  Citate,  um 
ihre  Meinung  zu  rechtfertigen.    IS  ahme  uuii  auch  der  Grammati- 


Lateinische  Grammutik.  SOI 

kcr  unter  diesen  IMeinuniren  die  Malirschcinliclisle  auf,  so  hätte 
sein  IJuch  immer  nur  noch  historiscJieu  \Ver(h;  wissenschaftlichen 
keiuesweirs,  so  hiuire  er  Kein  festeres  Friucip  hat,  Avelches  er  im 
ganzen  IJiiche  durcliiVilirt  uml  nacJi  \vehlieni  er  auch  jencMeinun- 
{ren  priil't.  Fls  frafft  sich  nun,  -welches  ist  das  Princip,  uelches 
der  Grammatiker  hei  seiner  Arbeit  verfol£;en  muss,  und  das  den 
von  ihm  aufgestellten  Grundsätzen  das  Ansehu  von  Gesetzen  gibt, 
die  auch  der  Interpret  anerkennen  muss*? 

Seh  eil  er  und  Grotefend  nennen  die  lateiiiisclie  Gram- 
matik eine  Anweisung,  die  lateinische  Spraclie  richtig  zuverstehn, 
zu  reden  und  zu  sclireiben,  und  damit  stimmen  die  altern,  z.  B. 
die  Verfasser  der  märkisclien  Grammatik  Viberein,  nur  dass  sie  sie 
^ubjectiv  betrachtet  eine  Kunst  nennen.  Ist  demnacli  Richtigkeit 
des  Ausdrucks  der  lateinisclien  Sprache  der  Gegenstand,  den  die 
laleinisclie  Grammatik  behandelt,  so  kommen  bei  diesem  theils 
äussere  Eigenscliaften,  tlieils  innere  in  Betrachtung.  Die  erstem 
betreffen  die  Form  des  Stoffs  der  SpracJie,  das  ist,  die  Formen  der 
A^örter  und  deren  Verbindungsweisen,  die  dann  riclitig  sind,  wenn 
sie  nicht  nur  so  gebiklet  und  zusammengestellt,  sondern  auch  ge- 
nau in  der  Bedeutung  und  in  dem  Sinn  gebranclit  werden,  wie  sie 
die  Uömer  l)raucliten.  liierdurcli  scheidet  sich  sogleicli  die  Gram- 
matik vom  Lexikon ,  w  elclies  nur  den  Stoff  an  sicli ,  das  ist ,  den 
ganzen  Worterschatz  der  Spraclie  aufnimmt  und  bei  jedem  Worte 
die  jMerkmalc  angibt,  wodurch  es  sich  von  allen  übrigen  unter- 
scheidet, d.  i.  seine  grammatische  Grundform  und  seine  Bedeutun- 
gen nach  ilirer  Abstammung  und  Verw  andtschaft  geordnet ,  »w  äh- 
reiul  jene  die  Gestaltung  des  Wortkörpers  von  seinen  Elementen 
an  bis  zu  seiner  völligen  Ausbildung  zum  Redetheil  in  Sprache  und 
Schrift,  sodann  die  gemeinschaftlichen  Formen  der  Wörter,  so- 
wohl die  wandelbaren  (flexibeln),  als  die  bleibenden,  mit  ihren 
Bedeutungen,  endlich  die  Formen  des  einzelnen  Satzes  und  des 
verbundenen  bis  zur  Periode  verfolgt.  Es  ergibt  sicJi  hieraus, 
dass  in  einer  Grammatik  ein  besondrer  Abschnitt,  der  die  unver- 
änderlichen A\  ortfoi'men,  die  mehrern  Wörtern  gemeinschaftlich 
sind,  mit  iliren  Bedeutungen  aufstellt,  Hud  der,  wenn  man  con- 
sequent  seyn  will  und  diese  Formen,  die  in  den  Wörterbiichern 
nicht  einmal  immer  deutli«Ji  genug  dargestellt  w  erden  kömicn,  rich- 
tig gebraucht  m erden  sollen,  eben  so  nothwendig  ist,  als  der  über 
die  Declinationen  und  Cönjugationen.  Ausserdem  darf  Etymolo- 
gie liier  nur  bei  solchen  Wörtern  in  Anwendung  gebracht  werden, 
deren  verschiedne  Bedeutung  auf  Construction  Einfluss  Jiat,  wie 
dieses  bei  den  Priij)ositionen  und  Conjunctionen  der  P'all  ist;  sonst 
nicht.  W  enn  übrigens  auch  ein  alter  Scln-iftsteller  eiiunal  nah 
verwandte  Wörter  und  AVortfonnen  mit  einander  verwechselt,  was 
bei  den  correcten  gewiss  selten  vorkommt,  so  entbindet  docli  dies 
keineswegs  weder  tien  Granmiatiker  von  der  Pllicht,  ihren  wali- 
ren  Unterschied  aufs  schärfste  zu  bestimmen,  uocli  den  Latein- 


'362  Römische  Litteratur. 

Schreibenden  von  der  Notliwendigkeit,  diese  Unterschiede  sorg- 
fällig zu  beachten. 

Der  Zweck  der  Rede  ist,  einem  andern  seine  Empfindungen 
und  Gedanken  so  mitzutheiien,  dass  er  sie  verstelle;  die  erste  und 
vorzüglichste  innere  Eigenschaft  eines  richfigen  Ausdrucks.  Die 
Worte:  Kgo  illiid  sediilo  ne  gare  factum^  Ter.  Andr.  I,  J,  120, 
sind  in  Ansehung  ihrer  Form  untadelhart-,  und  dennoch  -vviirdc 
gelbst  der  llömer  so  ausser  dem  ZusammenJiange,  wie  sie  da  ste- 
hen, an  ihrer  Verständlichkeit  etwas  vermissen.  Auch  er  verlangt 
das  allgemeine  Denkgesetz,  welches  die  zu  einem  Urtheil  gehöri- 
gen Uegriffe  zur  Einheit,  die  Gedankenreilie  zu  einem  Ganzen  ver- 
bindet, hier  in  den  Formen  ausgeprägt.  3Iit  dieser  Eigenschaft 
hängt  eine  andre,  Deutlichkeit,  zusammen,  die  jede  Zweideutig- 
keit ausschliesst,  worauf  die  Grammatik  ebenfalls  Rücksicht  neh- 
men muss. 

Klima,  Boden,  Lebensweise  und  deren  Einfluss  auf  die  mensch- 
liche Organisation ,  auch  auf  die  Sprachorgane,  und  späterhin  die 
Vermischung  mehrerer  Völker  mit  einander  haben  die  verschiede- 
nen Sprachen  hervorgebracht  und  jeder  ihre  Eigenthümlichkeiten 
gegeben.  In  der  Folge  haben  auf  die  weitere  liildung  jeder  ein- 
zelnen Sprache  bürgerliche  und  heilige  Gebräuche,  Sitten,  ver- 
änderte politische  Lage,  steigende  und  abnehmende  Cultur  und 
der  Umgang  und  Verkehr  mit  fremden  Zungen  eingewirkt  und  ihre 
äussere  und  innere  Gestalt  geändert.  So  hat  auch  die  lateinische 
Sprache  einen  ursprünglichen  Charakter,  einen  nationeilen  Typus, 
den  sie  von  den  Ureinwohnern  Latiums  erhielt  und  der  in  allen  ih- 
ren Zeitaltern  durchtönt.  In  ihm  spricht  sich  die  eigentliche  Denk- 
und  Empfindungsweise  des  Römers  aus,  so  wie  sie  sich  in  s.einen 
Sitten ,  in  seinen  bürgerlichen  und  gottesdienstlichen  Anstalten, 
in  seinem  häuslichen  und  öffentlichen  Leben  und  in  seiner  Ge- 
schichte offenbart,  die  deshalb  der  Grammatiker  genau  studiren 
muss,  um  sich  in  jenem  Nationalcharaktcr  zu  orientiren  und  ihn 
in  der  S^wache  wieder  zu  finden.  Mit  diesem  Studium  muss  er 
anhaltendes  aufmerksames  Lesen  der  römischen  Schriftsteller, 
auch  der  altern  und  spätem,  luid  häufige  Uebungen  im  Schreiben 
so  lange  verbinden,  bis  er  selbst  im  Geiste  des  Römers  sich  aus- 
zudrücken im  Stande  ist  und  er  sich  jenes  Gefiihl  erworben  hat, 
das  bei  jedem  Barbarismus  und  Solöcismus  empfindlich  ist;  ein 
Gefülü ,  das  ihn  nicht  nur  gegen  Verstösse  in  seinen  grammati- 
schen Vorschriften  sichert,  sondern  auch  bei  seinen  Forschungen 
leiten  muss,  und  ohne  welches  er  nie  mit  Glück  Dunkelheiten  der 
Sprache  aufhellen,  grammatische  Schwierigkeiten  überwinden  und 
überhaupt  zur  klaren  Einsicht  der  Sprache  gelangen  wird.  —  Mit 
keiner  Sprache  kam  nun  die  lateinische  in  so  häufige  Berührung, 
als  mit  der  der  Griechen ,  deren  Colonien  mit  den  Ureinw  ohnern 
Latiums  verschmolzen,  imd  Latium  selbst  fast  von  allen  Seiten 
umgaben.   Die  lateinische  Sprache  nationalisirte  eine  Menge  grie- 


Lateinische  Grammatik.  oG'$ 

chisclicr  Wörter;  ihre  ersten  Dichter  macliteii  sie  nach  £:rieclii- 
sclicn  Clustern  bildsamer;  späterhin,  naclulem  Uoiu  den  Grund 
zu  iseinerWehherrscliaft  ^elejit  hatte,  beriernian  ^rituhiscJic  Leh- 
rer zum  l'nterriclit  der  Jii;Kend ;  Athen,  Illiodus,  yXpolionia  wur- 
den Iloclif^chulen  der  römisclien  Jüuiilinjre;  Dicliter,  Uedner  \md 
Philosophen  konnten  inu*  dann  auf  IJcÜall  recluien,  Menn  sie  fl^i'ie- 
chische  Kunst  und  Wissensehalt  in  ihre  füeisteser/eui^nissc  über- 
trugen. So  laiii^e  nun  den  Homer  als  Kepublikiiiier  noch  JXatio- 
nalirefühl  beseelte,  war  dieses  Sfreben  nach  ijriechisclier  Vortretf- 
lichkeit  seiner  Spraclie  vorllieilhait;  er  \eredelte  sie,  oJuie  ilireii 
eigenthinnlichen  Typus  zu  verwischen.  Erst  als  Tyrannei  den 
freien  llömerifeist  immer  mehr  unterdrückte,  erlosch  allmählig 
auch  die  Kraft,  den  vaterländischen  (Jlmrakter  der  Spraclie  gegen 
fremden  Eiuflnss  fest  zu  lialten,  daher  sie  jetzt  durch  ausländi- 
sche Worter  und  Constructionen,  durch  ungewöhnliche  ^Nortfor- 
men  und  Periodenbildungen  ein  ganz  fremdartiges  Anschn  erhielt. 
Dem  (Jrammatiker  liegt  es  ob,  jene  Reinheit  der  Sj)rache,  über 
welche  die  Uömer  des  golduea  Alters  mit  ängstlicher  Sorgfalt 
wachten ,  derch  sein  ganzes  Lehrbuch  hindurch  zu  berücksichti-, 
gen,  und,  hat  er  jenen  INationaltypus  wohl  gefasst,  so  wird  er  we- 
der Constructionen,  -«ie:  d elubri s  deorum  iniram  castainque 
vientcni  inferre^  Plin.  Pan.  3,  für  echt  römische  anerkennen, 
noch  selbst  Cicero,  weiui  er  gräcisirt,  jedesmal  unbedingten  liei- 
fall  geben.  So  ist  z.  B.  die  griechischartige  Construction:  Q,?iid 
spectans  deus  ipse  dicerct ^  Cic.  Fat.  14,  die  Cicero  und  Li- 
vius  etlichemal  brauchen,' schwerlich  dem  Charakter  der  lateini- 
schen Sprache  vollkommen  gemäss ;  Cäsar  wenigstens  und  Yarro, 
die  grössten  Sprachgelehrten  ihrer  Zeit,  brauchen  sie  nirgends. 

Ein  Gedanke  lässt  sich  oft  auf  >  erschiedne  Art  ausdrücken, 
bald  mit  veränderter  Construction,  bald  mit  ganz  andern  Worten, 
in  beiden  Fällen  aber  nicht  ohne  mehr  oder  weniger  Modification 
seines  Inhalts.  Demi  wenn  auch  Constructionen  m  egen  ihrer  na- 
hen \  erwandtschaft  für  einander  gebraucht  werden  können,  so 
geben  sie  doch  genau  genommen  nie  ganz  denselben  Sinn.  So  be- 
zeichnet in  der  Stelle:  Latiid  coronani  aiiream  Joci  doniim  in 
Capitoliuin  ?nittn7it  ^  Liv.,  do/iitm  das^  was  die  Krone  wirklich  ist, 
und  dieser  Ausdruck  war  der  schuldigen  Dankbarkeit  der  Lateiner 
angemessen;  dono  würde  die  Bestimmung  der  Krone,  und  damit 
den  freien  Entschluss  der  Gebenden  andeuten.  Auf  gleiclie  Wei- 
se ist  beiden  \erbis  der  Willensäusserung,  wie  rolo^  patior^  und 
bei  denen  derArtecten,  wie  gaudeo^  aegre  Jero^  der  Acc.  c.  Inf., 
der  hier  den  blossen  Gegenstand  des  Willens  oder  Affects  andeu- 
tet, sehr  verschieden  von  xtt^  welches  die  Erfüllung  des  Wunsches 
auf  den  Willen  des  Andern  ankommen  lässt,  und  von  qnod^  wel- 
ches den  Gegenstand  des  Affects  zugleich  als  UrsacJie  desselben 
angil)t,  wenngleich  in  beiden  Fällen  die  Ihnschri^ibnug  oft  auch 
der  Deutlichkeit  wegen  vorgezogen  werden  musa.  —  Für  die  zweite 


3G4  Römische   Littcratur. 

Art  gibt  die  bei  den  Römern  so  beliebte  negative  Ausdruclcsweisc 
statt  der  positiven  häufige  Beispiele,  die  man  nur  anseilen  darf, 
um  sogleich  den  Unterschied  zwisclien  beiden  zu  erkennen.  So 
will  Cicero  in  der  Stelle:  Ipsum  Scipionejn  accepimiis  non  in- 
fcnitemfuisse^  Brut.  20,  'S?,  den  Scipio  nicht  or ator  em  nen- 
nen, Aveil  er  niclit  dafür  galt,  ihm  aber  doch  neben  den  genann- 
ten eine  bedeutende  Stelle  einrämnen.  Dahin  gehören  auch  die 
Verbindungen  mit  non  niagis^  non  7nimis  —  quam^  z.  B.  Dimi- 
catiim  est  non  magis  cum  hostibvs^  quam^  qiiae  dlniicatioma- 
ior  atqne  periculosior  est^  cum  yroditione  ac  perßdia  sociorinn^ 
Liv.  1,  28,  wo  das  erste  Glied  znm  zweiten  im  Verhältniss  der  In- 
feriorität steht,  mid  deswegen  non  magis^  quam  durch  eben 
sosehr,  als,  oder  nicht  sowohl,  als  vielmehr  übersetzt 
werden  muss,  folglich  einen  von  w/we^s,  quam  sehr  verschie- 
denen Sinn  gibt.  Andre  Beispiele  geben  Aldi  3Ianntii  Ele- 
gantiae  und  ähnliche  Phrasenbücher  in  Menge.  Die  Wahl  nnter 
diesen  Ausdrucksweisen,  imd  selbst  unter  gleichbedeutenden  Wort- 
formen, in  so  fern  sie  alterthümlich,  oder  gewöhnlicher  sind,  be- 
stimmt für  den  jedesmaligen  Zweck  der  GeSchraack,  der  eben- 
falls allgemein  gültigen  Denkgesetzen  folgt,  auf  welchen  Schön- 
heit und  unbedingtes  Wohlgefallen  beruht,  die  aber  auch  sich  nach 
der  jedesmaligen  Denk-  und  Empfindungsweise  einer  Nation  mo- 
dificiren.  Der  Grammatiker  aber  muss  mit  diesen  Dingen  vertraut 
seyn  und,  in  so  fern  diese  Ausdrucksweisen  analog  gebildet  wer- 
den, den  wahren  Sinn  dieser  Analogien  genau  angeben  und  er- 
klären. 

Jede  Sprache  geht  mit  der  Cultur  ihres  Volks  gleichen  Schritt. 
Sie  erschehit  roh  und  unförmlich  in  der  Kindheit  desselben,  ge- 
schmeidiger in  seiner  Jugendperiode,  vollendeter  auf  seiner  höch- 
sten Bildungsstufe  und  hier  am  vollkommensten  in  den  Denkmä- 
lern der  besten  Schriftsteller,  die  mit  hoher  wissenschaftlicher  Bil- 
dung den  reinsten  Geschmack  verbanden  und  diesen  auf  ihre 
Schreibart  übertrugen.  So  hatte  auch  die  lateinische  Sprache  ihre 
Culminationsperiode ,  imd  aus  den  Schriften  der  besten  und  cor- 
rectesten  Schriftsteller  dieses  Zeitalters  (nicht  etwa  nur  aus  einem) 
abstrahirt  sich  der  Grammatiker  den  Geschmack  derselben,  prüft 
ihn  nach  den  allgemeinen  Geschmacksgesetzen  und  nach  seinen  na- 
tionellen  Modificationen,  und  bestimmt,  begründet  und  erläutert 
nun  hiernach  die  Regeln  für  die  Richtigkeit  des  lateinischen  Aus- 
drucks sowold  in  Ansehung  der  Wortformen,  als  der  Constructio- 
nen  und  des  Periodenbaues.  Die  Abweichungen  einzelner  Auto- 
ren oder  verscliiedner  Zeitalter  von  dieser  Norm  hat  er  nur  in  so 
fern  zu  erwähnen,  als  sie  zur  Geschichte  der  Sprache  gehören  und 
für  die  Leser  solcher  Schriftsteller  Interesse  haben,  biswdilen  auch 
wold  zur  Erklärung  einer  vorliegenden  Analogie  dienen  können. 

Dieses  ist  das  Princip ,  von  welchem  der  Grammatiker  sein 
ganzes  Lehrgebäude  hindurch  ausgehn  muss ,  wenn  seine  Regeln 


Lateinisclic  Grammatik.  3G5 

gründlich  soyn  und  das  Ansclui  von  Gesetzen  haben  sollen.  Sic 
müssen  es  Jiaheii,  dieses  Aiiselni,  weil  sie  im  Geiste  der  Sprache 
aiiTirefasstinui  aiil'alliremeiiiiiiiltiire  l)eiik£;esetze  ^eifi  ün<letsiiid.  Da 
aber  diese  Uegehi  unter  einander  in  einem  innigen  ZnsammenUan- 
ge  stehen  nnd  diesem  gemäss  geordnet  werden  miissen ,  wenn  ei- 
ne die  andre  erklären  und  unnötbige  Weitläufigkeit  a  ermieden  wer- 
den soll,  so  IVihrt  dieses  von  selbst  aul"  die  iVotlnvendigkeit  einer 
streng  systematischen  Anordiumg  eines  solchen  Ijehrgebäudes,  wo- 
durch die  Lebersicht  des  Ganzen  und  das  Auflassen  des  Einzelnen 
bedeutend  erleichtert  wird,  vorausgesetzt,  dass  die  Uegeln  mit 
binuligerKihze  nnd  Präfcision,  ohne  deswegen  undeutlich  zu  seyn, 
abgelasst  sind. 

Form  und  Umfang  eines  Lehrbuchs  i'iber  die  lateinische  Gram- 
matik bestimmt  ihr  Zweck  und  Gebrauch.  Ist  es  eine  Schulgram- 
matik,  so  niuss  sie  das  ausschliessen,  was  bloss  für  den  Kenfier 
Interesse  hat,  \>ie  weitlaulige  Erörterungen  über  einzelne  Gegen- 
stände, gehäufte  Citate  aus  römischen  .Schriftstellern,  oder  gar 
aus  gelehrten  Commentaren,  die  der  Anfänger  nii'ht  brauchen,  der 
vorgerückte  Schüler  selten  haben  kann,  und  die  selbst  diesem  nicht 
eben  grossen  iSutzen  schallen  bürden.  liier  kann  es  niu"  darum 
zu  thun  seyn,  dass  der  Schüler  jede  Hegel  in  möglichster  Kürze, 
genau  bestimmt  und  mit  ihren  Gründen  aulfasse,  so  dass  er  sie  in 
seinem  Auetor  wieder  finde  nnd  beim  Lateinschreiben  richtig  an- 
wende, weswegen  sie  in  einer  hinreichenden  AnzahlBeispiele  ihm 
anschaulich  gemacht  werden  muss,  die  jedoch  am  besten  aus  Au- 
etoren zu  nehmen  sind,  damit  er  sich  bei  der  todten  Sprache  in 
Zeiten  an  klassischen  Ausdruck  gewöhne.  Mehr  ztir  Erläuterung 
verlangt  er  nicht  und  mehr  braucht  er  nicht,  nnd  nur  so  wirf'  ihm 
Grammatik  eine  L'ebungsschnle  nicht  nur  seines  Verstandes, 
der  zum  Unterscheiden  und  zum  Vergleichen  des  fremden  Stofi's 
mit  seiner  Mutterspraclie  hingezogen  wird ,  sondern  auch  seines 
Gedächtnisses,  welches  durch  Assimilation  des  Unbekannten  mit 
dem  Bekaimten  jenes  weit  leichter  aulfasst,  als  bei  dem  gewöhn- 
lichen ermüdenden  A  erfahren  ,  welches  die  Kegeln  ohne  Gründe 
aiifdringt.  Als  Schulgrammatik  aber  sollte  sie  billig  so  eingerich- 
tet seyn,  dass  sie  für  alle  Klassen  passte,  und  der  Schüler  sie  nicht 
nur,  so  bald,  er  Sätze  zu  bilden  imd  zusammen  zu  setzen  lernt, 
brauchen  könnte,  sondern  auch  in  höhern  Ordnungen  über  alle  ihm 
vorkommende  Fälle  darin  Auskunft  und  Uelehrung  llinde.  Din-cli 
den  fortgesetzten  Gebrauch  desselben  Buchs  Acrschaflt  ersieh  leicht 
Localkenntniss  und  merkt  sich  iiachundnach  ohneMübe  das  Gan- 
ze, wogegen  beim  Wechsel  solcher  Lehrbücher  seine  Aufmerk- 
samkeit gestört  \\irH  und  er  weit  schwerer  zu  einer  festen  uiul  si- 
clu.'rn  Keinitniss  und  zu  einer  Uebersicht  des  («anzen  gelangt.  Das 
Leichtere  und  Tür  den  Anfänger  geeignete  lässtsich  von  dem  Sclnve- 
rern,  was  für  den  reifern  Schüler  bestimmt  ist,  leicht  dur(;h  den 
Druck  unterscheiden ,  und  di(^ser  wird  bei  der  ijnmer  wicderhol- 

Jahrb.  d.  l'Uil.  u.  l'adas-  Jalirg.  1.  Jhjt  i,  2i 


S66  Römische  Littcratur. 

ten  Ansicht  des  früher  ErU^rnten  dasselbe  niclit  so  leiclit  verges- 
sen, üadurchieuclitct  die  Nothwendigkcit,  eine. solche  Gramma- 
tik systematisch  anzxiordnen  und  sie  so  kurz  als  möijlich  zu  fas- 
sen ,  von  selbst  ein ;  die  weitere  Ausführung  und  Verdeutlichnng 
des  Einzelnen  bleibt  dem  Lehrer  iiberlassen. 

Ist  man  mit  diesen  Grundsätzen  einverstanden,  so  darfRe- 
censent,  der  selbst  dieses  Fach  bearbeitet  hat,  desto  eher  hof- 
fen, wenn  sein  Urlheil  nicht  ganz  der  günstigen  Aufnahme  des 
einen  oder  andern  der  vorliegenden  Lehrbücher,  die  sämmtlich 
für  den  Schnlgebrauch  bestimmt  sind,  entspiechen  sollte,  hier 
als  unparteiisch  betrachtet  zu  werden,  je  aufrichtiger  er  der  Wahr- 
heit huldigte,  und  je  mehr  er  eben  hierdurch  den  Herren  Verfas- 
sern derselben  seine  Achtung  zu  beweisen  glaubte,  die  auch  nach 
Kräften  das  Ihrige  zur  Förderung  des  Bessern  beigetragen  undilm 
zufti  Theil  durch  elirende  Aufnahme  des  von  ümi  Gefundenen  in 
üire  Lehrbücher  zur  Dankbarkeit  verpflichtet  haben. 

Grotefend's  grössere  lateiiiis  che  Grammatik^ 
deren  erster  Band  die  Formenlehre  und  Syntax  nebst  Vorerinne- 
rungen, der  zweite  die  Verslehre  und  Oithographie  nebst  Anhange 
enthält,  (Vierte  Auflage.  Frankf.  am  M.  b.  Varrentrapp.  1823  u. 
1824.  VI,  410  mid  356  S.  gr.  8.  jeder  Bd.  16  Gr.)  kündigt 
sich  gleich  von  vorn  herein  als  das  Werk  eines  geübten  Denkers 
an.  In  den  Vorerinnerungen  werden  Definition,  Inhalt  und  Plan 
der  Grammatik  kurz  und  bündig  angegeben  luid  das  Ganze  in 
systematischer  Ordnung  durchgefülirt.  Mit  derselben  Kürze  und 
Präcision  sind  auch  die  Regeln  der  Syntax  abgefasst ;  nur  ist  hier 
der  H.  Vf.  bei  dem  Streben  nach  Kürze  nicht  selten  dunkel  ge- 
worden, und  die  untergelegten  Anmerkungen  sind  zu  oft  theils 
nicht  erschöpfend,  theils  sind  darin  Dinge  neben  einander  gestellt, 
die  nicht  zusammen  gehörten,  während  andre'zusammen  gehörige 
an  verschiedenen  Stellen  aufgesuclit  werden  müssen.  Dieses 
letztere  mag  zumTlieil  an  der  ersten  Anlage  liegen,  die  niclit  ge- 
ändert werden  konnte  und  die  dem  Buche  bei  dem  Gebrauch 
nicht  wenig  schadet.  Jene  Dunkelheiten  und  zu  oft  vorkommen- 
de imbestimmte,  mangelhafte  oder  auch  fehlerliafte  Behauptungen 
und  Regeln  verrathen  nur  zu  deutlich,  dass  der  IL  Vf.  in  den  Geist 
der  Sprache  nicht  tief  genug  eingedrungen  sey,  woran  ihn  viel- 
leiclit  seine  Verhältnisse  und  andre  Studien  gehindert  haben. 
Denn  dass  er  mehr  hätte  leisten  können ,  beweisen  unter  andern 
§  166  und  198,  I,  wo  der  Unterschied  zwischen  den  Formeln  ado~ 
lescetis  botii  ingenii  nnä.  bono  ingeiiio ;  ßlhis  patris  similis  und 
patrt  srmih's ;  Über  Caio  est  und  Caii  est  sehr  gut  angegeben  ist; 
auch  beweiset  es  der  sehr  schätzbare  zweite  Theil  dieser  Gram- 
matik. 

S.  73,  4  heist  es:  „Cßw/s  an  sich  ist  männlich,  als  Jagdhnnd 
aber  weiblich.''-  So  lehrte  freilich  Konrad  Schneider  For- 
men!. S.  99 ,  wo  den  Crtaten  noch  Burm.  ad  Ovid.  Met.  3,  140  u. 


Grotcfend's  Latein.  Grammatik.  S67 

Ind.  Ovid.  r.  Cancs^  ad  Virg.  G.  1,  470  «.  Acn.  (J,  25T  hci^efügt 
Mcrden  konnten,  üass  aber  dieses  Genus  weder  immer  bei  ein- 
zelnen Jair«lbunden  ^el)ranclit  werde,  noch  von  einer  Meln-zahl, 
leint  für  Krsteres  der  Iliindekatalo^  bei  0\id.  I.  c. ,  Coiumell.  7, 
12,  8,  für  das  Zweite  Tic.  \  err.  4,  13  canes  venaticos  diceres^ 
Avo  Cicero  bei  der  Bestiniinuii!?  des  Genus  keinesweirs  auf  die 
l{anb£:enossen  des  Verres  Kiicksidit  zu  nehmen  brauchte.  Das 
Genus  feniiiiinum  ist  also  hier  im  All£:emeinen  mehr  poetisch,  in 
Prosa  aber  nur  irauz  speciell  zu  jrebrauehen.  —  Wie  der  II.  Vf. 
die  Conjuirationspäradiirmen  noch  mit  einem  Fuluro  periplirast. 
Prues.  Fract.  und  Fiititri  im  ^'icth-o  und  Passiro  und  den  Inf. 
Activi  mit  amntiiin  ire  hat  vermehren  können ,  will  Kec.  nicht 
cinleucliten.  —  §  93  bis  107  sind  die  Präterita  und  Supina  der 
Conju^ationen  nielir  nach  einem  willkürlichen,  als  der  j^atur  der 
Sache  auj^emessenen  Priiuip  geordnet.  §  102  Iieisst  es:  „Die  En- 
duniren der  dritten  Conjuiration  liäniren  grösstentheils  vom  letzten 
Mitlaute  der  Stammsylbe  ab,  welchen  man  als  den  Kennlaut 
zu  betrachten  hat,  wonach  hier  die  Verba  alphabetisch  geordnet 
werden.  Wie  nutzlos  diese  Ansicht  sey,  beweist  gleich  die  näch- 
ste llubrik:  \  erba  mit  dem  Kennlaute  b:  Bibo^  bibi^  bibihim; 
Cambio,  campst;  Ciimbo^  cubin\  ciibitiim;  Glubo^  glupsi.,gluptum; 
lubeo ^  iiissL  inssiim  etc.,  lauter  verschiedne  Perfectformen,  die 
der  Spracligebrauch  willkürlich  schuf  (S.  152,  3).  Nicht  doch! 
Das  Präteritum  erhielt  durchaus  i  als  charakteristische  Endung; 
da  diese  aber  noch  nicht  hinreichend  es  auszeichnete,  so  Murde 
noch  eine  Aenderung  am  Stammwort  vorgenommen,  entweder 
durch  Kediiplication,  oder  durch  Verlängerung  des  Stammvocals, 
oder  durch  FJinschiebung  eines  soder  v  vor  dem  2,  welches  wegen 
der  Aussprache  verschiedene  Modificationen  der  PJndsjiben  ver- 
anlasste. Alle  übrigen  \  erba ,  die  ihren  Stamm  nicht  verändern, 
sind  nur  abgeleitete,  die  sich  nach  ihren  verschiednen  Formen 
leicht  ordnen  lassen.  Auf  diese  Art  liess  sich  das  Ganze  nach  ei- 
nem festen  und  natürlichen  Princip  darstellen,  das  obendrein  noch 
mehr  Kürze  gestattete. 

§  lli)  —  123  sind  die  Adverbfa  in  Primitiva  und  Derivata^ 
die  letztern  wieder  in  substanlicalia^  adiecticalia^  zu  welchen  die 
steigerungsfähigen  gehören,  mimeralia m\dip/07iomi/ialia^  verbaUa 
imd  participialia^  praepositionalia  und  coniunctionalia  einge- 
theilt.  Die  beiden  lezten  Arten  sollten  den  II.  Vf.  erinnern,  dass 
diese  Eintlicihnig  nicht  die  rechte  sey.  Können  denn  die  hierzu 
gerechneten  Adserbien  tjls  von  Präpositionen  oder  Conjunctionen 
abgeleitete angesehn  werden?  Als  solche  scheint  er  sie  §  124  wirk- 
lich nicht  angesehn  za  haben,  wo  es  heisst:  „Präpositionen  und 
Conjunctionen  werden  zu  Adverbien,  so  bald  sie  allein  stehen, 
und  umgekehrt,  Ad\erbien  zu  Präjiositionen  und  Conjunctionen, 
sol)ald  sie  sich  auf  einen  IJegrilf  oder  Satz  beziehen.^*-  Der  II.  Vf. 
hat  sich  oüenbar  den  Begrilf  eines  Adverbii  nicht  deutlich  gedacht^ 

24* 


368  Rfimische    Littcratur. 

rechnet  er  dazu  doch  auch  nocte^  riire^  dornig  ferner  nt  volo 
nacli  Wunscli,  si  das  phicet  so  Gott  will,  'sidtis  für  si  vrdtis  etc. 
Eben  so  wenig  kann  Rcc.  mit  den  Definitionen  der  BegrilFe  Prä- 
position uiul  Conjnnction  zufrieden  seyn,  ol)gIeicli  die  Eintheilung 
der  Conjuncüonen  in  Bindewörter  und  Fügewörter  recht  gut  ist. 
Den  rräpositionen  inid  Conjtnictionen  sind  Anmerkungen  über  ih- 
ren Gehrauch  beigegeben,  in  weichen  sich  einzehie  gute  Bemer- 
kungen finden ,  nur  sind  sie  im  Ganzen  niclit  gründlicli ,  imd  in 
dieser  Form,  als  Räsonnements,  für  den  Schüler  nicht  fasslich  ge- 
nug. So  sind  «,  de  und  e ;  ante^  prae  und  pi'o;  ob  und  proptef\ 
sine  und  ahsqiie  sehr  gut  unterschieden ,  aber  ihre  verschiedenen 
Bedeutungen  nicht  nach  ihrer  Ableitung  dargestellt;  dagegen  heisst 
es  von  den  Copidativis :  Kt  verbindet  zwei  Dinge,  die  auch  ge- 
trennt sich  denken  lassen,  quc  zwei  Dinge,  die  man  sich  vereint 
als  ein  Ganzes  denkt,  ac  und  atqne  verknüpfen  durch  Gleich- 
stellung, und  stehen  daher  vorzüglicli  nach  Wörtern,  die  eine 
Gleichheit  oder  Verschiedenheit  bezeiclmen;  quoque  fügt  bloss 
noch  liinzu,  vel\_!~\  oder  etlain  steigert  zugleich;  inid  gleich 
darauf  werden  gar  ve  und  vej  als  gleichbedeutend  neben  einan- 
der gestellt. —  §  129  sind  deninterjectionen  auch  die  Schallnach- 
^hmimgen  beigefügt,  wie  Glut  gl ut  murmural  iinda.  Das  sind 
sie  aber  nicht;  denn  imterinterjection  versteht  man  nur  den  Aus- 
druck einer  Gemüthsbewegung  durch  ein  Wort,  welches  die  Stelle 
eines  vollständigen  Satzes  vertritt.  Auch  solche  Laute,  wie :  Ecce 
suiiin  t  ir  eli^  t  ir eli^  t ir  etirler  i  tractim  ca?idida  per  vernum 
laudat  alauda  polum ;  ferner:  Anser  et  ansendi  clamant  post 
pascha pipipi^  sind,  wie  die  Nachahmungen  des  Knalls  einer  Kano- 
ne, des  Trommelschlags,  des  Geprassels  eines  einstürzenden  Ge- 
bäudes ,  mit  den  durch  eine  Stimme  oder  ein  Instrument  liervor- 
gebrachten  Tönen  einer  Scala  auf  eine  Linie  zu  stellen  und  eben 
so  wenig  Interjectionen,  wie  in  dem  Vers  bei  Plautus:  Ce  'st 
principium  nomini^  die  Benennung  des  Buchstaben.  An  sich  sind 
sie  bloss  Laute,  nicht  einmal  Wörter;  in  der  Verbindung  mit  ei- 
nem Satze  aber  vertreten  sie  die  Stelle  indeclinabler  Substantive. 
§  136  smd  die  Regeln  über  sz// und  suus  sehr  unvollständig 
und  undeutlich  vorgetragen.  Bekaimtlich  erstreckt  sich  die  Be- 
ziehung dieser  Pronomina  nie  über  das  Gebiet  eines  Hauptsatzes 
hinaus.  Ist  mui  die  Bedeutung  derselben  gehörig  bestimmt,  so 
braucht  nur  ilir  Gebrauch  im  einfachen  Hauptsätze ,  dann  in  ab- 
hängigen Sätzen,  in  welchen  die  Rede,  öleinung  oder  Vorstellung 
des  im  vorliergehenden  Hauptsätze  genannten  Subjects  vorgetra- 
gen wird,  dargestellt  zu  werden ;  Abw  eichungen  sind  w  enig.  Hier 
ist  no.  3  in  den  Beispielen  (  wo  nisl  qiiod  placuit  sibi  statt  quid 
zu  lesen  ist)  Alles  unter  einander  geworfen,  und  die  no.  0  und  8 
angeführten  Constructionen  sollten  die  erst^  Stelle  eiiiuelmien. 
Falsch  ist,  dass  durch  ipse  in  Reden  und  Verordnungen  Zweideu- 
tigkeiten gehoben  w  erden ;  dieses  Pronomen  hat  eine  von  sui  und 


Grotcfend's  Latein.  Grammatik.  309 

ts  franz  vcrschiedne  Iknlcutmi^.  So  ist  aucl»  die  Beliauptunj»,  das« 
cepi  cohimbam  in  nhio  s  ff  o  und  c  i  fi  s  irlcicli  ricliti^  sey,  mir  auf 
Treu  und  («lauheu  auireuoiniueu.  llec.  liat  für  et'fts  bei  der  sorg- 
fälliiisten  Aufmerksamkeit  nocli  nicht  ein  Beispiel  bei  einem  rö- 
misclien  (^'lassiker  finden  können.  I*]bcn  so  mangelhaft  sind  die 
Bestimmungen  iiber  das  Cenus  desPriidicats  bei  melirern  Aerbun- 
denen  Subjeeten  §  J41.  (vergl.  §  104  Anm.  1),  wo  auch  no.  4  in 
der  Stelle:  Veiicrnnt  jSI.  ^Ipcr  et  littltts  Sccuiuhis^  quos  ego 
utrosque  studwse  cuidicbaiu^Axc,  bezeichneten  Worte  selten  für 
qffoiffm  utiftmqtfe  stehen  sollen.  JMan  vergleiche  aber  hierbei 
Cic.  Yerr.  4,14,  32;  Ligar.  12,  31»;  Tac.  15,  55  extr,;  IG,  7;  21; 
Plin.  II.  rS.  4,  11  pag.  2(M>  Ilard.;  ({,  2ö  pr.,  um  sich  zu  iiberzeu- 
geii,  dass  diese Construction  nicht  selten  mid  in  sich  wohl  begriui- 
aet  ist.  —  Die  Regeln  über  qffi  mit  einem  folgenden  Oppositions- 
iiomen  §  1 4(J  Anm.  stellen  es  dem  Schüler  frei,  ob  er  qiii  diesem, 
oder  dem  vorhergegangenen  Hauptwort  anpasse.  —  Dass  si  quis^ 
ctsi  qfffs  nicht  aou  dem  abgekürzten  aliqtds  komme,  wie  §  151 
imd  152,  4  gelehrt  wird,  sondern  quis  ein  eignes  Pronomen  in- 
definitum  sey,  hätte  doch  dem  II.  Vf.  laugst  bekannt  seyn  sollen. 
—  §  U»0  Anm.  3  Seite  2'u  heisst  es:  „So  wie  aber  Plautus  die 
A  erbalia  auf /o  behandelte,  so  verfuhr  Lucretius  mit  den  Gerun- 
diven, die  das  classische  Latein,  so  oft  sie  einen  Accusativ  regie- 
ren, mit  Participien  vertauscht,  z.  M.  A et ernas  poenas  in 
viorte  timcndttin'-'-  etc.  Das  ist  denn  so  viel  als  INichts  gesagt.  Eben 
so  ist  weiter  unten  bei  den  Gerundiis  §  225,  3  die  Construction: 
Fuit  c.v&mplorffiii  eligendi  pofestas^  ohne  alle  Erklärung  geblie- 
ben.—  §  100,  3  Seite  2(15  liest  man:  „Ungewöhnlicher  ist:  P/o- 
ximae  viciniae  habiträ .,  hciVlnxit^  Ca mpi  iacet  pecus  und 
sleniHftr  proiectus  terrae  bei  \irg."^  Die  zweite  Stelle  aber 
Iieisst  taiilftin  ca  nip  i  iacet ^  Virg.  G.  3,  343,  und  gehörte  gar  nicht 
In'erher,  indem  caaipi  \on  /a/if/f/«  abhängig  ist.  \oss  übersetzt 
sie:  so  endlos  streckt  das  Gefilde  sich.  Die  folgende 
Bemerkung:  „Verschieden  ist:  Tantus  erat  tu  iocando  lepos^  ut 
dies  int  er  eos  curiaeft/isse  videretur^  conriciatn  Tusculani^ 
Cic.  Or.  1,  7,''  war  doch  aucli  für  schwächere  Schüler  überflüssig, 
die  auf  den  ersten  Blick  sehn  mussten,  dass  liier  an  keinen  Genit. 
Loci  zu  denken  sey.  Dergleichen  ülierflüssige  Bemerkungen  aber 
kommen  öfter  vor,  wogegen  häufig  Erklärung  fehlt,  v\ie  §  172 
Anm.  2,  vgl.  §  210,  3,  über  habere  pro;  §  173,  3  über  licet  mit 
dem  Dati\o  imd  Acc.  c,  Inf.;  §  1S2  Anm.  1  über  die  Verwechs- 
lung des  (jlenit.  partit.  mit  den  Präpositionen  c.r,  f/e,  i?iter.  Die 
ebcndas.  Anm.  3  !)emerkte  (Construction:  „Sehr  oft  richtet  sich 
das  Adjectiv  nach  dem  Geschlechte  des  (j!eniti\s  z.  B.  Sancte 
deonun^  caniim  dcHnieres^ni'^rae  lattarfim^'  ist  poetisch  und  wird 
nur  von  Schriristellern  des  silbernen  Alters  z.  B.  Plinius  II.  Nat. 
öfter  gebraucht.  — Die  Adiecti\a,  bei  welchen  der  (Jenitivus  steht, 
§  184,  hätleu  ausdrücklich  angegeben  werden  sollen,  weil  sonst 


370  Römiäche    Litteratur. 

der  Schüler  verleitet  wird,  jedes  Adjectiviim,  welches  unter  die 
hier  angegebenen  Hubriken  gehört,  mit  dem  Genitiv  zu  verbinden, 
da  doch  bekanntlich  nur  wenige  im  goldnen  Alter  so  vorkommen. 
Auch  in  den  Anmerkungen  ist  nicht  nachgeholfen.  —  §  194  Anm. 
1  wird  inte/ est  icipiiblicae  noch  durch  est  inter  commoda  reip. 
und  tua  refert  durch  re  fert^  i.  q.  conjert^  esträgtbei,  ad  tua 
commoda  erklärt,  da  doch  schon  Priscian  sagt,  dass  7nea^  tua  hier 
Ablative  sind,  welche  bei  re  -fert  zu  re  gehören,  bei  interest  aber 
caiisd  zur  Ergänzung  fordern,  was  auch  durch  die  Quantität  die- 
ser Pronomina  bei  Dichtern  sich  rechtfertigt.  —  §  218,  2  heisst 
es:  „Auf  die  Fragen  wovon*?  wodurch'?  womit*?  steht  der 
blosse  Ablativ,  wenn  abstracte  oder  unpersönliche  Gegenstände 
als  Ursache,  Mittel  oder  Werkzeug  gedacht  werden,  a)  Bei  per- 
sönlichen Gegenständen  bezeichnet  die  Präposition  a  von  die  wir- 
kende Ursache ,  ^je/-  d  urch  die  vermittelnde  Person  und  cum  mit 
den  Theilnehraer  oder  Begleiter.'-''  Hier  fehlen  aber  die  Umschrei- 
bungen dieses  Ablativs  bei  persönlichen  Gegenständen  mit  opera^ 
beneficio^  studio  etc.,  die  auch  sonst  nirgends  erwähnt  sind.  — 
§  219  wird  der  Ablativus ,  der  beim  Comparativ  statt  quam  steht, 
durch  ein  ausgelassenes  prae  voraus  erklärt.  Diese  Erklärung 
konnte  nur  ein  mangelhafter  Begriff  vom  Ablativ  veranlassen. 
Von  dem  Gerundio  und  Supino  §  224  f.  hat  der  H.  Vf.  noch  die 
ganz  alte  Meinung ;  jenes  ist  ihm  ein  durch  alle  Casus  obliquos 
des  Singulars  declinirtes  Neutrum  des  Participii  futuri  pass. ;  die- 
ses ein  Substantivum  verbale  der  vierten  Dcclination.  Ucbrigens 
ist  hieriiber  luul  über  die  Participia  §  227  —  230  das  ganz  ge- 
wöhnliche, wie  in  den  altern  Ausgaben  der  Bröd ersehen 
Grammatik,  vorgetragen,  auch  §  227  Anm.  7  das  vonBröder 
fabricirte  Beispiel:  Legi  divinae  par ens  nunquam  committet 
etc.,  beibehalten,  wo  bei  Cicero,  der  sicli  nii'gends  so  ausdrückt, 
purere  qui  velit  steht.  Beispiele  vom  Partie,  in  rus^  wie  das 
weiter  unten  stehende:  Etfuturus  eloqueutissimus  edidit  ali- 
quando  vagitum^  aus  Quinctil.  1,  1,  21,  kommen  nur  bei  spätem 
Schriftstellern  vor ,  wie  die  Concessivpartikeln  etsi^  quamquam^ 
quamvis  vor  Participien,  §  228  Anm.  1;  bei  Cicero  nie.  So  ist 
auch  die  Lehre  vom  Conjunetiv  ganz  nach  alter  Weise  gegeben, 
d.  i.  sehr  mangelhaft,  auch  findet  man  manches  falsche.  So  z.  B. 
"wird  man  über  den  Gebrauch  der  Zeitpartikel  cum  (quum)  mit 
dem  Indicativ  und  Conjunetiv  vergebens  nur  einigermassen  aus- 
reichende Belehrung  suchen.  §  234 ,  4  A  Seite  366  werden  die 
Constructionen  laudo  quod  mit  dem  Conjunetiv;  est  quodagas; 
quod  sciam^  s  o  v i  e  11  ch  w e  i s  s,  zusammen  gestellt.  §  235  Anm. 
Seite  369  wird  gar  ta?itti?n  abest ^  ut  —  nt potius  \*i\i\nt\iS\gi^ 
wiewohl  mit  scidechten  Gründen,  und  §  238,  I  Seite  377  heisst 
es:  „Wo  dass  nicht  eine  AVirkung  oder  Absicht  bezeichnet,  muss 
ne  stehen.'''  Was  sich  der  IL  Vf.  unter  Wirkung  gedacht  hat,  wo 
/^edass  nicht  bedeuten  soll,  lehren  die  Beispiele,  wie:  Hoc  te 


Grotcfcnd's  Latein.  Grammatik.  371 

rogo^  ne  ilcmitlas  aiiiinumH  Anm.  3  Seite  379  wird  ntinam 
non  mit  ntiiuun  ue  lur  einerlei  ffelialteii,  und  letzteres  sey  spä- 
lerliiu  so  imi^e\\öhnlieli  i:;e\\oiden,  dass  es  Doiiat  zuni.  l'ereiiz  iiir 
eine  veterem  eloculionem  erkläre.  (In  seiner  kleinen  Grammatik 
sai^t  der  II.  Vf.  sog:ar  §  215  Anm.  3:  „Uei  Winisclieii  hat  Cicero 
zUinom  non  für  das  friiJier  iiblielie  ntinam  ne  cini^eriihrt."")  Ver- 
rauthlicli  ist  die  Stelle  Ter.  Thorm.  1,  3,  5  gemeint,  wo  Donatus 
sa^t:  Quod  ntinam  ne  Phoi  viioni —  Veliis  elocutio^ 
iitinam  ne.  Knniiis  in  Mcdea: 

Vtinam  nc  in  nenwre  Pelio  securibus 
Caesa  cecidissct  abie^na  ad  terram  trahes. 
Et  NK^  non  accipiendnvi.  Allein  weder  die  angefiilirte  Stelle: 
Haec  ad  te  die  natali  meo  scripsi;  quo  iitinani  susceptiis  n  on 
essem.,  ant  ne  quid  ex  eadcm  matre postea  natuni  esset!  Cic. 
Att.  XI,  9,  beweist,  dass  jene  beiden  Ansdriicke  \öllig  gleichbe- 
deutend, nocji  das  häufigere  Vorkommen  des  ulinam  non  in  spä- 
terer Zeit  mit  Doiiats  Bemerkung,  dass  ulinam  ne  ausser  Gebrauch 
gekommen  sey.  Ne  mit  dem  ('onjunctiv  drückt  den  Wunsch, 
dass  etwas  nicht  Statt  finden  möge,  oder,  wenn  es  Statt  findet, 
nicht  Statt  finden  möchte,  bedingt  aus;  7^ o /«  hingegen  nur  im 
Gegensatz  des  positiven  und  unbedingt;  mithin  ist  titinam 
susceptns  non  essem  weit  stärker  gesagt,  als  ntinam  ne.  Daher 
driickt  auch  non  beim  Conjunctiv  und  Imperativ  den  Befehl  oder 
das  Gebot  weit  stärker  aus,  als  we,  z.  B.  Caput  Imperii  —  ad  poe- 
nani  rocare  non  he r de  Uli ^  quos  cum  inaxinie  yUellius  in  nos 
ciet.,  Gennaui  and e ant.,  Tac.  H.  1,  84,  die  Germanen  sollen 
es  wahrlich  nicht  wagen,  wo  ne  neben  Äe^c/e  eben  so  we- 
nig stehen  komite,  wie :  Virgam  populi  in  manu  teneritibus  inter- 
trigo  non  vietuatur.,  Plin.  24,  8  s.  32,  wozu  die  Stelle:  i  ir~ 
gam  (  riticis  )  qni  in  manu  habeant ,  negantar  intertriginem  sen- 
tire.,  Ib.  9,  s.  38,  die  Erklärung  giebt:  j^Ian  darf  nicht  fürch- 
ten. Ferner %if  OS  quoque  non  caris  uures  onerate  lapillis^ 
—  N ec prodite  graves  insuto  vestibus  au/o  —  Mimditiis  ca- 
pimur:  non  sint  sine  lege  capiUi.,  ()\id.  Art. 3,  129  sqq.,  gerade 
wie:  Non  sint  ariis  isla.,  scd  hominum.,  Plin,  29,  1  s.  8  pag. 
497,  4,  wo  Ilardouin  die  Erklärung  beifügt:  Non  sint  sane  isla 
{venenorum  insidiae)  imputanda  arti.,  sed  iniprobilati  honiinum 
potius.  —  PJben  so  sehr  irrt  der  11.  Vf.,  wenn  er  behauptet,  dass 
nacli  den  lerbis  tinwndi  unter  gewissen  Bedingungen  ut  non 
stehen  müsse.  Er  sagt  §  238  Aimi.  4:  „Die  Wörter,  welche  eine 
B  e  s  0  r  g  n  i  s  s  ausdrücken,  lassen  eine  dreifache  Construction  zu, 
je  nachdem  die  Besorgnis«  als  eine  furchtvolle  Ansicht  des 
gehreckenden  Gegenstandes,  oder  als  eine  sorgsame  \  o  rsich  t 
zur  Verhütung  des  GeiVirchteten, oder  als  eine  bedenkliche llück- 
siclU  der  sorgenden  Seele  erscheint.  Wie  man  sagt  timere  aii- 
qnid.,  alicui  rei  und  de  aliqua  re.,  construirt  man  vereor 
u /,  oder  vereor  ne.,  oder  vereor  quo m odo  s itJ-''    Ucber  diese 


872  Römlsclic   Litte ratur. 

Distiiictlon  ist  mir  so  viel  zu  sa^en ,  dass  sie  der  Römer  nicht 
kennt,  also  aucli  nicht  befolgt,  nnd  über  die  Vergleichung  des  ti~ 
meo  aliq^dd  mit  vcreor  ut  etc. ,  dass  sie  nicht  passt  und  natürlich 
nicht  passen  kann;  auch  ist  niclit  einzusehen,  \vie  sie  durch  das 
citirte  Beispiel  Cic.  Fam.  8,  10  Ef^o  qiiidcni  praecipmim  metuin 
—  quam  tetigisse  te  lialiavi  audiero  gerechtfertigt  werden  könn- 
te. Es  folgt  nun  Anm.  5  nnd  6  dieConstruction  vereor  ne  dass 
oder  ob  nicht,  vereor  ne  non  dass  nicht  oder  ob,  vereor 
ut  o\>  oder  dass  nicht,  z.  13.  0  yuer^  ut  sis  vitulis^  inetuo^  et 
vimoriitn  ne  qids  amiciis  frigore  te  feriat^  Ilor.,  Mobei  freilich 
nicht  einleuchtet,  wie  sich  ut  von  ne  non  bei  gleicher  Bedeutung 
unterscheidet.  Dann  Anni.  7:  „Eine  andre  Construction  ist  die, 
welche  ganz  der  deutschen  Ausdrucksweise  entspricht,  die  den 
Gegenstand,  Avelclien  man  fVirchtet,  als  das  Object  einer  soi'gli- 
chen  Ansicht  betrachtet.  Nach  dieser  Construction  drückt  der 
Lateiner  dass  durch  ut^  dass  nicht  durch  utnom.x\%^  z.B. 
Ut  feridä  caedas  vieritum  maiora  snbire  verhera^  non  vereor 
(die  Besorgniss  habe  ich  nicht),  llor.  S.  1,3,  120;  Ve- 
reor ^ut  hoc  ^  quod  dicam^  nonferinde  intelli^i  audüii  possit^ 
atque  ego  ipse  cogitans  sentio^  Cic.  p.  Marc.  4.  Diese  Constru- 
ction lässt  sich  in  kurzen  Sätzen  auch  mit  dem  Infinitiv  vertauschen, 
z.  B.  Istos  veremur  off  ende  r  e^  Quint.  etc.'"''  Anm.  8:  „Ganz 
verwerflich  ist  bei  jener  Construction  die  Vertauschung  eines  ?it 
71  on  mit  7^e,  Meil  7ie  bei  Aeusserungen  der  Besorgniss  immer  so 
viel  als  ob  nicht  oder  dass  bedeutet,  nnd  daher  mit  einem 
zweiten  Satze  diuch  et  verbunden  werden  kann,  z.  B.  Ovid.  Her. 
16,  339  sq.  Man  hat  daher  Cic.  Fam.  ß,  1  die  gewöhnliche  Les- 
art Vereor^  ne  consolalio  ull a  jjossit  vera  reperiri  mit  Recht 
in  ne-nulla  abgeändert.  Wie  man  aber  anch  eben  so  gut  ut 
nulla  consolatio  wie  ut  ulla  cons.  schreiben  könnte j  so  fragt  es 
sich,  wie  es  gekommen,  dass  man  nach  Belieben  tit  und  ut  non 
setzen  darf.  Wenn  Caesar  B.  G.  5,  47  schreibt:  l^ritus  est^  ut 
hostiuin impetum  sustiuere  non pos  set^  so  heisst  zit  dass,  nnd 
der  ganze  Satz  vertritt  die  Stelle  eines  Accusativs ;  sagt  man  aber: 
Omiies lahores  te excipere video :  timeo,  ut  susti?ieas^so  heisst 
ut  ob ,  und  der  ganze  Satz  steht  für  tvneo  de  te^  quonVodo  susti- 
neas^  wie  metuo^  ne  dolorem  perferre  nonpossis^  für  fnetuo 
tibi,'-''  Wenn  nur  alle  die  hier  angeführten  Stellen,  dergleichen 
man  noch  mehr  beiSanctius  Min.  IV,  15  p.  511  Tom.  II  ed. 
Bauer  finden  kann,  richtig  wären,  wogegen  schon  Perizonius 
ad  h.  1.  not.  29  gegründete  Zweifel  erhoben  hat,  vcrgl.  O  u  d  e  n  d. 
zu  Caes.  5,  47.  Am  meisten  würde  die  Stelle  Ilor.  S.  1 ,  3,  120 
beweisend  seyn,  wenn  nicht  7ä  —  caedas  vor  7ion  vereor  voraus- 
ginge; denn  dadurch  bekommt  sie  ein  ganz  andres  Ansehn.  Schon 
Clarke  zu  Caes.  1.  c.  erklärt  sie:  Nam  ut  —  caedas.  id  equi- 
dein  non  vereor^  vel^  h  oc  7ie  fa  c  ia  s,  7ion  vereor.  II  e  i  n  d  o  r  f 
nimmt,  Mas  auf  dasselbe  hinausläuft,  eine  Auakolutliic  an.    Ho- 


Grotcfcnd's  Latein.  Grammatik.  373 

raz  •wollte  nach  21t  fortfalircn:  idfieri  possc  no?ipu{o^  oder  ve- 
risimile  nou  est;  dalTir  tritt,  als  gin^e  ne  vorliei*,  non  vereor  ein. 
In  der  zweiten  ans  der  llcdc  pro  Marcello  erkennt  Asconius 
zu  Cic,  l)i\in.  in  Caecü.  c.  (»  das  non  niclit  an,  worauf  aueli  das 
Sollwanken  der  Handschriften  hindeutet,  wliswe'ren  AVolf  mit 
Hecht  non  Avcirlässt.  In  der  dritten  ('ic.  Fani.  (},  1  ist  die  Lesart 
vereor^  ne —  ?///«  durch  alle  Handschriften  gesichert  und  an 
sich  selir  fl:ut  beffrinulet,  wie  wir  weiter  unten  sehen  werden. 
L  am  bin  undGrä^ius  behielten  daher  auch  nlla  bei;  Erne- 
sti  und  Martin y  Lajruna  ünderten  es  etwas  voreilig  in  niiUa. 
In  der  Stelle  bei  Caesar  endlich  U.  G.  5,  47  hat  ne  —  non  posset 
zuAiel  Auctoritälen  iur  sich,  und  ut  —  7io/i  posset  zu  viel  gegen 
sich  (^veritiis  si  —  vt  Iwsthim  —  non  posset  lesen  nur  ein  Cod. 
hei  Leniaire  und  die  edd.  Stradae  und  IJasil.) ,  als  dass  man  nicht 
mit  0  u  d  e  n  d  o  r  p  und  licw  neuesten  I  lerausgebcrn  bis  auf  I)  ä  h  n  e 
ohne  Anstand  ue  —  non  posset  für  die  echte  Lesart  anerkeiuien 
sollte.  Was  ist  nun  durch  die  lange  Demonstration  gewonnen*? 
Ein  Gliick,  dass  sie  auf  so  schwachen  Fiissen  steht,  sonst  würde 
CS  dem  Schüler  wohl  schwer  werden,  sie  beim  Lateinscfireiben 
anzuwenden.  Die  gewöhnliche  Regel  über  den  Gebrauch  dieser 
l'artikeln  bei  den  \  erbis  tiraendi  ist  kritisch  mid  logisch  hinläng- 
lich begründet  mid  lüsst  ut  und  ne  non  sehr  gut  unterscheiden. 
L  t  ?i  o/i  hingegen  ist  widersinnig,  da  dem  iit  ^  welches  in  dieser 
Copstruction  nur  eine  Absicht  ausdrückt,  durchaus  ne  folgen 
müsste,  und  nt  non  oder  tit  ne  hier  bedeuten  würde,  dass  ich  et- 
was wünsclie  und  zugleich  niclit  wünsche. 

\on  dieser  Grammatik  ist  ein  Auszug  erschienen  unter  dem 
Titel:  Kleine  lateinische  G r ammatih  für  Schnlen 
von  Georg  F  r  i  e  d  r.  G  r  o  t  e  f  e  n  d.  Zw  eite  vermehrte  und 
verbesserte  Aufl.  Frkf.  am  M.  1825.  VI  u.  314  S.  gr.  8  (14  Gr.), 
der  das  AVesentliche  der  grössern  nur  hier  imd  da  zu  kurz  und 
mit  Weglassung  des  zweiten  Theils  enthält.  Da  beide  Büclier  für 
Schulen  bestimmt  sind,  so  ist  auch  hierüber  noch  etwas  zu  sagen. 
Dass  der  Plan  fehlerhaft  ist,  gesteht  der  H.  Vf.  selbst ;  für  den  Schü- 
ler ist  diess  sehr  unbequem,  da  er  bei  Aielen  Hegeln  nicht  weiss, 
wo  er  sie  suchen  soll,  und  nicht  selten  dieselbe  Hegel  anverschied- 
ncn  Orten  suchen  muss.  Sodann  will  es  llec.  nicht  gefallen,  dass 
die  Regeln  über  die  Casusendungen,  besonders  der  dritten  Decli- 
nation,  und  die  über  die  Genera  nominum  bei  aller  Ausiulirlich- 
keit  doch  nicht  immer  die  gehörige  Vollständigkeit  haben;  es  ist 
zu  viel  Räsonnement  darin,  worüber  Wesentliches  versäumt  wor- 
den ist.  3Ian  vergleiche  nur  Gr.  Gramm.  S.  (iß  JSr.  7,  wo  es  Iieisst: 
„DiejNamen  der  Uäume  sind  zwar  grösstentheils  weiblich,  wie  selbst 
das  Wort  pomus  der  Obstbaum,  a!)er  Aiele  sind  männlichca 
oder  gemeinsames  und  siichliclies  Geschlechtes'-^  u.  s.  w.  Hierbei 
kein  einziges  IkispicI.  AiiHalleud  ist  auch  in  einer  Schulgramma- 
tik •(§  03) :  „Besiüudcrs  hüben  die  Lateiner  den  Sclaveu  und  Ilurcn, 


374  Römische   Litteratur. 

welche  sie  nicht  als  Menschen  ehren  wollten ,  unpersönliche  Na- 
men von  sächlichem  Geschlecht  beigelegt,  wie  servitium  das 
S  c  1  a  V  e  n  g  e  s  i  n  d  e  1,  —  scortum  ein  11  u  r  e  n  m  e  n  s  c  h ,  männ- 
lichen oder  weiblichen  Geschlechts,  prostibidum  für  prostibiila 
eine  Bordellhure. !!  In  der  kleinen  Grammatik  nun  (in  der 
grössern  weniger)  sind  diese  Regeln,  sowohl  mehrei-e  iiber  die 
abweiclienden  Casusendungen,  als  auch  die  über  die  Genera  in 
Hexameter  gebracht.     Man  höre  (Kl.  Gr.  S.  20) : 

Satur  satt  hat  ein  u;  doch  ein  i  hat  levir  ein  Schwager, 
Trevir  der  Trierer  auch,  so  wie  alles,  was  vir  ein  Mann  heisst. 
Liber  als  Bast   und  als  B  u  ch  verliert,  wie  die  meisten  der  Namen, 
Die  auf  er  ausgehn,  das  e,  wie  auch  Mulciber  oftnialds. 
Liber  als  Bacchus   jedoch  und  als  Freier  behalten  ein  kurz  c; 
So  auch  liberi  Kinder,  und  pueri  Knah  en  der  Schule  u.  s.  w. 
rernei  S.  50. 

Griechische  Wörter  auf  an,  en,  in,  ön,  yn  sind  an   sich  zwar 
Männlich,  doch  weiblich  auch  oft,  wie  halcyon  See-Eisvogel, 
Icon  einBildnis  s,  acdon  die  Nachtigall,  sindon  dieLeinwand; 
Namen  der  Inseln  und  Stiidte,  der  Pflanzen  und  Edelgesteine  u.  s.  w. 
Diese  einzige  Yersregel  über  die  auf  einen  Consonant  aus- 
gehenden Nomina  der  dritten  Decliiiation  nbnmt  in  kleinem  Druck 
über  drei  volle  Octavseiten  ein.    Glaubte  denn  der  H.  Vf.  wirklich, 
hierdurch  dem  Gedächtniss  des  Schülers  zu  Hülfe  zu  kommen? 
—  Auch  stösst  man  in  der  grössern  Gr.  auf  liel  Ueberflüssi jes, 
dessen  Raum  besser  für  Nothwendiges  hätte  verwendet  werden 
können.     Dahin  gehören  die  unter  jeder  Ilauptregel  zur  Uebung 
beigegebnen  Beispiele,  Mie  §  146,  §  183  am  Ende  und  öfter; 
ferner  die  zu  häufigen  Dichterstellen  und  seltnen  Constructionen 
aus  Dichtern,  wie  S,  212,  5,  S.  225  oben  und  Anm.  1,  selbst  aus 
Ulpian  und  Papinian  S.  278  oben ;  sogar  hier  ujid  da  Stellen  aus 
Fronto,  wie  S.  SOI,  S.  314,  6,  S.  344,  3.     Endlich  hat  der  H. 
Vf.  eine  grosse  Anzahl  selbstgemachter  Beispiele  mitgegeben,  was 
in  einer  Grammatik  einer  todten  Sprache  um  so  weniger  Statt  fin- 
den sollte,  da  hier  bis  auf  die  kleinste  Composition  nur  die  Au- 
ctorität  der  Alten  gilt,  wie  Bröder  ganz  richtig  sah. 

Ratnsho  r  n. 


Elementarbüclier  der  Lateinischen  Sprache. 

1.  Lateinische  s  Elementar  bu  ch  r\ac\\  einer  neuen  Methode 
und  mit  Rücksicht  auf  seine  kleinere  liiteinische  Grammatik  Itcar- 
heitet  von  Dr.  Ludw.  Ramshorn,  erstem  Prof.  am  Gymnaüiiira  zu 
Altenburg,  der  latein.  u.  mineralog.  Gesellschaft  zu  Jena  Ehrenmit- 
glied. Leipzig  h.  Vogel.  1825.  VI  u.  343  S.  gr.  8.  21  Gr. 
[Vergl.  Krit.  Biblioth.  1825  Hft.  12  S.  12«})  f. ;  Schulzeit.  1826  Abth. 
2  Liter.  BL  11  S.  89  —  95;  Jenaer  Lit.  Zeit.  1826  Nr.  80.] 


Bainsliorn's  Lat.  Elemfentarb.  u.  Cliaste'ä  tlieor.  pralct.Lat.  Grammat.    S'VS 

2.  The ore tisch  pr aktische  lateinische  G r amma- 
tik  von  Joh.  Fr.  Chastc.  Erster  Cursus.  Berlin  b.  Reimer.  1825. 
^J  u.  248  S.  gr.  8.  8  Gr. 

iJie  methodischen  Elcmcntarhiiclier  der  Lateinischen  Sprache  ha- 
ben sicli  besonders  in  den  letzten  15  Jahren  sehr  vermehrt.  Wenn 
nun  dadurcli  allerdings  die  Metliodc  im  Ganzen  weiter  gebracht 
Verden  kann ;  so  befinden  sich  docli  unter  den  zaliheiehen  Yer- 
suclien  dieser  Art  auch  nur  all  zu  viel  diirftige  und  ärmliche,  wel- 
che gleichwol  wenigstens  da,  wo  ihre  Verlasser  stehen  und  wir- 
ken, in  Gebrauch  kommen  und  besseren  den  Weg  versperren.  Um 
60  dringender  muss  die  Pflicht  der  Kritik  werden,  neue  Erscliei- 
nungen  dieser  Art  mit  aller  Strenge  zu  behandeln.  Wir  wollen 
uns  in  Beziehung  auf  die  beiden  genannten  Werke  dieser  Pflicht 
mit  derjenigen  Unparteilichkeit,  welche  die  Sache,  und  mit  der- 
jenigen Humanität,  welche  ein  Gelehrter  dem  andern  schuldig  ist, 
zu  entledigen  versuchen.  Beide  Werke  gehören  ihrem  Wesen  nach 
in  das  Gebiet  der  Methodik.  Von  dieser  Seite  werden  sie  also 
vorziiglich  ins  Auge  gefasst  werden  miissen. 

No.  1  besteht  aus  2  verschiednen  Abschnitten.  Der  erste 
vonS.  1 — 252  liel'ert  Uebungen  im  Gebiete  des  etymologischen 
und  syntaktischen  Theiles  der  Lateinischen  Grammatik,  wobei  je- 
doch der  etymologische Thcil  liei  Weitem  vorherrscht:  der  zweite 
von  S.  253  —  343  enthält  ein  Verzeichniss  der  im  ersten  vor- 
kommenden Wörter.  Dieser  liat  im  Besondei-en  folgende  Ein- 
richtung. Uebungen  der  ersten  D  e  c  1  i  n  a  t  i  o  n.  Dem  Wasr 
ßer,  aqi/a.,  wem*?  Des  Adlers,  aqt/ila^  wessen*?  Und  ausserdem 
noch  53  solche  Uebungen.  Hierauf  ßO  eben  solche  iiber  die  2te 
Decliiiation.  Dann  folgen  Substantiva  der  ersten  und  zweiten  De- 
clination,  verbunden  mit  Adjectiven  dreier  Endungen,  an  der  Spitze 
die  syntaktische  Kegel  für  diese  Verbindung:  Filia  generosa. 
Meiisayii  plenatn.  Silvae  densae  u.  drgl.  Hierauf  eben  solche 
Deutsche  Beispiele  zum  Uebersetzen  ins  Lateinische:  Der  breite 
Weg.  Die  reifen  Weintrauben  u.  drgl.  Jede  Art  der  Beispiele 
nimmt  etwas  über  1  Seite  ein.  Eben  so  sind  die  übrigen  Decli- 
nationen  behandelt.  Für  die  Geschleclitsregeln  wird  bei  jeder 
auf  die  im  Titel  genannte  Grammatik  verwiesen.  Nun  folgen 
eben  so  beschaftne  Lateinische  und  Deutsclie  Beispiele  Aon  Sub- 
stantiven aus  allen  Declinationen  mit  Adjectiven  im  Comparativ 
und  Su|)erlativ,  von  Numeralien,  verbunden  mit  andern  Adjectiven 
und  Substantiv  en,  und  v^)n  den  Fürwörtern.  Dann  folgen  unter 
dtjr  Ueberschrift  Sy  n  t  a  k  t  i  s  c li  e  ['?  ]  Uebungen  d  e  r  V  e r  b  a 
ganze,  zum  Tlieil  etwas  lange  Sätze  ausmachende  Beispiele  über 
s?//rt,  die  -i  Coiijngatlonen,  die  (Jonjugatio  periphrastica,  die  Verba 
anoniala,  delVcti\a  w.  inipersonalia,  über  die  Adverbia,  Präpositio- 
nen, Conjunctionen  und  deiiAccusativ  und  Nominativ  mit  dem  In- 
liuitiv.   Von  suiii  ab  hören  vor  den  Abüchnitlen  die  Verweisungen 


376  Rumischc  Litte ratur. 

auf  die  Grammatik  auf,  welche  nur  bisM-eilen  unter  den  auf  jeder 
Seite  unten  angegebenen  INoininihuspropriis  mit  vorkommen.  Hin- 
ter jedem  Lat.  oder  Deutschen  Worte  steht  eine  Zahl,  welclie  auf 
den  zweiten  Theii  Jiinweist,  der  aus  folgenden  0  grös;seren  Ab- 
schnitten besteht:  SnbstanUra^  ^djectica^  Nmneralia^  Pronomi- 
na^ Verbeiß  Iiiterjectiones^  Adcerbia^  Pracpositiones^  Coiijunclio- 
nes.     Jeder  dieser  Absclmitte  zerfällt  in  mehre  kleinere  alphabe- 
tische Wortverzeichnisse,    welche  nach  verscliiedenen  Zwecken 
angelegt  sind.     So  enthält  der  erste  Abschnitt  (Ä/zAs^ff/?///'«)  über 
jede  der  3  ersten  Declinationen  ein  eignes  Verzeichniss  aou  Wör- 
tern,  welche  nach  den  allgemeinen  Geschlechtsregeln  3Iascxüina 
sind.    Dann  folgen  eben  so  die  Feminina,  Communia,  Ausnahmen 
und  die  auf  die  Endungen  begründeten  Gcschleclitsregeln,  in  der 
3ten  Decliuation  z.  B.  ein  eigenes  Verzeichniss  von  Wörtern  auf 
o,  o/-,  OS,  e?\  w,  eins  von  denen  auf  as^  es,  ?s,  ans ^  ys^  x  und  s 
nach  einem  Consonanten,  die  Wörter  von  jeder  Endimg  unter  sich 
selbst  alphabetisch  geordnet.     Bei  jeder  Decliuation  gehen  die 
mit  besternten  Zahlen  ausgezeiclmeten  Geschlechtsregeln  voraus. 
Drei  alphabetische  Verzeichnisse  von  Adjcctiven  nach  ihren  En- 
dungen, durch  unbesternte  Zahlen  bezeichnet,  4  von  Verbis  nach 
den  4  Conjugationen.     In  diesen  Verzeichnissen  sind  die  Wörter 
nach  ihrer  Abstammung  aufgestellt ,  unter  honor  z.  B.  honorifi- 
cus^  honoro^  honestus^  —  e,  —  tim^  inhonestus.   Durch  alle  diese 
Verzeichnisse  läuft  eine  gemeinschaftliche  Zaiil  von  1  bis  1453 
fort,  welche  am  vorderen  Rande  immer  von  5  zu  5  Stämmen  an- 
gegeben ist,  wie  bei  den  Versen  der  Dicliter.     Auf  diese  weisen 
die  schon  oben  erwähnten,  hinter  jedem  Worte  im  Texte  des  er- 
sten Abschnitts  befindlichen  Zahlen  hin.     Wenn  hinter  der  Zahl 
im  ersten  Abschnitte,  z.  B.  hinter  der  bei  Früchte,  noch  ein  * 
steht;  so  deutet  dieses  Sternchen  an,  dass  von  den  vei-schicdenen 
W^örtern  dort  {fnix  w.fnictus)  das  mit  demselben  Sternchen  be- 
zeichnete das  gemeinte  sei.     Eine  besternte  Zahl  hinter  einem 
Worte  in  dem  Verzeichnisse  weist  auf  die  Geschlechtsregel  hin, 
unter  welche  das  Wort  zu  ziehen  ist.      Die  Absicht  des  Herrn 
Verf.  bei  diesem  Plane  ist  nach  der  Vorrede,  der  von  Speccius 
und  Esmarcli  vorgezeichneten  und  von  ihm  als  die  beste  aner- 
kannten Methode  mit  mehr  Rücksicht  auf  Zeitersparniss,  Erleich- 
terung der  Gedächtnissarbeit  und  Verstandesbildung  zu  folgen. 
Der  Schüler  soll  dadurch  ohne  f  r  emde  B  eihülf  e  die 
lat  ein.  Casus-  und  Verbal  formen,  so  wie  er  sie  in 
der  Grammatik  auswendig  gelernt    liat,    auAv enden 
und  einüben,  e i n e  h i  n r  e i c h e  n d e  A  n z  a h  1  Wörter,  an 
welchen  j  ene  Form  en   vorkommen,     mit   ihren   Be- 
deutungen,   Geschlechts-    und    a  ii d e r n   grammati- 
schen Bes  timmungen  kennen  und  zugleich   seinen 
Verstand  brauchen  lernen.     Von  diesem  Elementarbuche 
soll  der  Schüler  zur  Leetüre  Lateinischer  Classiker  übcrgelien  kön- 


Ramshorn'ö  Lat.  Elcracntarb.  u.  Cluiste's  theor.  prakt.  Lat.  Grammat.  3'J7 

iien.  Die  Latein.  Beispiele  sind  gröstentliciis  aus  llöiuisclien  Clas- 
sikern  entlehnt. 

No.  2  ist  der  etyraoloirisclic  Tlieil  einer  kurzen  Latein.  Gram- 
matik mit  Lateinischen  und  insLateinisclie  zuühertraijendcn  Deut- 
schen Beispielen,  den  nöthiiren  \ücabeln,  fielen  uielhodisclien 
Fincerzeisen,  etwa  in  loli,ender  Art.  Krstc  Declination.  Ge- 
schiechtsrejreln.  Verbessere  in  foliienden  Wörtern  die  Felder:  (!) 
Fonnica  scditla  ^  forma  bona^  iiaiita  piira^  aiila  rcgiiis  \\.  s.  w. 
Die  A  ocabehi  stellen  gleich  darunter.  Taradigmata.  Mur  im  Plu- 
ral gebräuchliche  Substantiva.  Wörter,  welche  im  Dat.  u.  Abi. 
plur.  nbiis  iur  is  haben.  Gieb  von  folgenden  Wörtern  den  Geni- 
tiv im  Plural  an :  (!)  ^fu/sca  die  Fliege  u.  s.  m  .,  von  folgenden  den 
Dat.  im  Sing,  und  Plur. !  regina  u.  s.  av.,  von  folgenden  den  Accus, 
im  Sing.  u.  Plur. !  von  folgenden  den  Abi.  des  Sing,  und  Plur!  von 
folgenden  den  Dat.  des  Sing.  u.  Plur.!  Welche  von  folgenden  Wör- 
tern stehen  1)  im  Genitiv,  2)  im  Dativ,  3)  im  Accusativ,  4)  im 
Ablativ'?  Sil  ras  Wald,  jjoet/arum  Strafe  u.  s.  w.  Paradigmata 
für  die  Griechischen  Wörter  auf  e,  es  und  as.  (12)  Beispiele  zur 
Uebung.  Anwendung  (in  Lat.  und  Deutschen  Beispielen) :  Pen- 
na  gaUinae.  Pennae  scribae  u.  s.  w.  Der  Käfig  der  Lerche  u.  s. 
w.  Tinea  nocet  lanae  u.  s.  w.  Der  Maulwurf  schadet  der  Pflanze 
u.  s.  w.,  immer  mit  nocet  und  schadet.  Piben  so  Beispiele  mit 
amal  und  liebt,  f?«  und  gieb,  zuerst  mit  blosem  Object,  dann 
mit  dem  Object  und  Dativ  zugleich,  mit  habitat  in  und  wohnt  in, 
alles  im  Sing. ,  dann  ähnliche  Üebungen  im  Plural.  Die  uöthigen 
Vocabeln  beschliesen  den  Abschnitt.  Eben  so  sind  die  übrigen 
Declinationen.  die  Adjectiva ,  Zahl  -  und  Pei'sonenw  örter  und  die 
Yerba  rcgularia ,  irregularia ,  defectiya  und  Impersonalia  behan- 
delt. Beim  Adverbium  sind  nur  Lateinische  Beispiele  gegeben, 
keine  Deutschen,  zur  Anwendung.  Beide  Arten  fehlen  bei  den 
Präpositionen,  Conjunctionen  und  Interjectioncn. 

Betrachten  w  ir  den  Plan  von  No.  1 ;  so  will  er  uns  nicht  so 
zweckmäsig  scheinen,  als  wir  glauben,  dass  er  bei  dieser  Metho- 
de hätte  angelegt  werden  können ,  besonders  da  dieses  Elemcn- 
tarbuch  unmittelbar  auf  die  Lateinischen  Classiker  vorbereiten  soll. 
Die  Aon  S.  25  bis  252  unter  der  Aufschrift  Syntaktische  üe- 
bungen aufgestellten  Beispiele  sind  treffliche  praktische  Beispie- 
le ,  aber  ohne  alle  theoretische  Grundlage.  Sie  sind  Beispiele,  in 
denen  eine  grosse  Menge  Verbalformen,  Adverbia,  Präpositionen 
und  Conjunctionen  vorkommen,  an  denen  aber  aus  dem  Buche 
selbst  der  Schüler  die  Kegeln  der  Wortfügung  nicht  lernen  kann. 
Die  von  sum  ab  gegebenen  Deutschen  Beispiele  werden,  weil  sie 
lauter,  zum  Theil  nicht  kleine  Sätze  enthalten,  nur  mechanisch, 
ohne  syntaktiscIiesBewusstsein  und  ohne  syntaktischen INutzen  ins 
Lateinisclie  übersetzt  werden.  Jeder  Sachverständige  wird  mit 
uns  der  Meinung  sein,  dass  ein  Schüler  in  diesem  Werke  Fertig- 


378  Römische  Litteratur. 

keit  und  Sicherheit  in  den  etyniolo;E^iscli  grammatischen  Forjnen 
gewinnen  und  viel  INützHches  und  Vorbereitendes  daraus  lernen, 
von  ihm  aber  zu  den  classisclien  Schriftstellern  die  erforderliche 
syntaktische  Vorbereitung  nicht  mitbringen  könne.  Ferner.  Wir 
gehören  nicht  zu  denen,  welche  der  Jugend  die  Wissenschaften 
auf  Zuckerbrod  beibringen  w ollen  :  doch  glauben  wir  auch ,  dass 
Mühseligkeiten,  Avelche  erspart  werden  können,  von  ihr  abgehal- 
ten werden  müssen.  Dieses  Elenientarbuch  muss  aber  den  klei- 
nen Lateinern,  welche  sich  seiner  bedienen  sollen,  mehr  Mühse- 
ligkeit bringen ,  als  nöthig  scheint.  Ausser  den  kleinen  Anmer- 
kungen unter  dem  Texte  müssen  sie  nach  der  bei  jedem  Worte  im 
Texte  gesetzten  Zahl  das  Wortverzeichniss  aufschlagen,  wo  in 
manchem  reicheren  Artikel,  wie /ac/o und  vilile  andere,  Tür  einen 
kleinen  Menschen  das ,  Avas  er  braucht ,  schw  er  genug  zu  finden 
ist.  Trifft  er  nun  da  auf  ein  Wort  mit  besternter  Zahl;  so  muss 
er  auch  noch  w eiter  nachschlagen.  ]Vun  wird  auch  hier  oder  doit 
die  kleinere  Grammatik  des  Herrn  Verf.  angefülirt,  welche  er 
dann  auch  nachsclilagen  muss.  Das  halten  w  ir  für  zu  ermüdend 
für  kleine  Knaben.  Auch  Averdcn  bei  dem  vielen  Nachschlagen 
manche  Fehler  aus  Uebereilnng,  Umorsichtigkeit  und  üeberse- 
hung  begangen.  Das  Wortverzeichniss  zerfällt  in  zu  viel  kleine 
Verzeichnisse  inid  verliert  dadurch  alle  die  Vortheile,  welche  ein 
alphabetisch  fortlaufendes  kleines  etymologisches  Wörterbuch  ge- 
währen kann.  Wir  glauben  daher  urtheilen  zu  müssen ,  .der  von 
uns  hoch  geachtete  Herr  Verf.  habe  zu  sehr  nach  Einfachheit  in 
seinem  Plane  gestrebt,  sich  aber  dadurch  in  manche  mühsame 
Künstelei  vei'wickelt  und  die  methodische  Haltung  darüber  etwas 
verloren.  Dass  kleine  Schüler  neben  ihrem  Elementarbuche,  wel- 
ches ungebunden  21  Gr.  kostet,  auch  noch  eine  Grammatik  kau- 
fen müssen,  aus  welcher  sie  wenig  zu  nehmen  haben,  die  sie  aber 
nebenbei  doch  mit  zerreissen,  ist  kein  geringer  ]\ achtheil,  wel- 
cher ebenfalls  aus  dem  Plane  des  Werks- hervorgeht.  Die,  noch 
obenein  ziemlich  grosen  Zahlen  im  Texte  dürften  leicht  den  vier- 
ten Theil  desselben,  wo  nicht  mehr,  ausmachen.  In  wie  fern  das 
Werk  nach  einer  neuen  Methode  und  zugleich  nach  der  des  Spec- 
cius  bearbeitet  sein  könne,  dabei  dürfen  wir  wol  ein  kleines  Miss- 
Terständniss  voraussetzen.  —  Bei  Weitem  zweckmäsiger  scheint 
uns  der  Plan  von  No.  2  in  den  nur  eben  berührten  Beziehungen, 
vorausgesetzt ,  dass  der  xms  noch  unbekannte  zweite  Cursus  für 
die  Syntax  bestimmt  und  für  diese  das  sein  wird,  was  dieser  er- 
ste für  die  Etymologie  ist. 

Was  mm  die  Ausführung  im  Einzelnen  betrifft;  so  geben  wir 
No.  1  um  Vieles  den  Vorzug.  Die  Beispiele  sind  reicher,  gewähl- 
ter und  in  jeder  Hinsicht  lehrreicher.  Sie  so  wol,  als  auch  das 
Wortverzeichniss  verrathen  einen  Mann,  welcher  sich  schon  durch 
sein  gröseres  grammatisches  Werk  die  Hochachtung  gelehrter 
Männer  erworben  hat.     Im  Besonderen  hätten  wir  auch  Manches 


Ramshorn's  Lat.  Elcmentarb.  lÄliaste's  theor.  prakt.  Lat.  Grammat.  379 

zu  bemerken.     Der  Raum  gestattet  nur  Folgendes  davon  hiermit 
zu  theilen. 

In  No.  1  Mird  S.l  nur  die  Frage  Avcm  als  Eikeunungszeiclien 
des  l)ati>s  angegeben.  Für  av  en  und  wozu  durl'ten  nach  ansrer 
Meiming  nicht  fehlen.  A\enn  oder  zu  welcher  Zeit  kaini  nur 
wann  lieisen.  Dienen  Beispielen  zu  den  J)eclinationcn  voran- 
gehenden Uebungen,  wovon  die  ersten  und  zweiten  allein  4f 
Seite  einnehmen,  scheinen  des  fielen  Raumes  nicht  werth.  Sie 
sollten  auf  eine  mehr  Raum  ersparende  Art  erscheinen.  In  Mil- 
iiadis  tropaeo  Themist oclein  a  somno  suscitabaiit  S.  31,  walir- 
schehilich  aus  Cic.  Tusc.  4,  IJ),  44  entlebnt,  steht  bei  Cic.  e  so- 
V1//0,  wie  auch  Plaut.,  (.'atull.  und  Aiulre  sagen.  S.  32  haben  wir 
bemerkt  peccavcntis  ^  wo  auch  das  Rürzenzeichen  nicht  fehlen 
sollte.  Den  ersten  Satz  S.  38  dürften  Knaben,  für  die  das  Buch 
bestijumt  ist,  wol  schwerlicJi  verstehen,  auch  ist  er  zu  lang  zum 
üebersetzen.  In  dem  2ten  Satze  S.  51  von  unten  fehlt  das  Volk, 
bei  welchem  der  beschriebene  Gebi-auch  Statt  fand.  Bedeutender 
ist,  was  wir  gegen  das  S.  192  iiber  die  Conjunctionen  Gesagte  be- 
merken zu  müssen  glauben,  dass  sie  die  Verhältnisse  ganzer  Sätze 
zu  einander  andeuten,  diese  mögen  einfach  oder  zusam- 
mengesetzt sein.  Conjunctionen  kommen  aber  doch  nur  in 
zusammengesetzten,  niclit  in  einfachen  Sätzen  vor.  Die  Schrif- 
ten C  ä  s  a  r  s  g  c  w  ä  li  r  e  n  U  n  t  e  r  li  a  1 1  u  n  g  können  wir  nicht  für 
einen  einfachen  Satz  anerkennen :  es  ist  ein  erweiterter.  Zusam- 
mengesetzte Sätze  sollen  die  sein,  in  w  eichen  mehrere  Sub- 
j  e c t e  zu  e in e m  P r ä d i c a t [e]  g e li ö r e u.  Allerdings  geliören 
diese  Sätze  in  die  Ciasse  der  zusammengesetzten,  doch  nicht  zu 
der  ersten  und  natürlichsten  Art  derselben,  wozu  zwei  durch  eine 
Conjunction  verbundue  vollständige,  einfache  so  wol,  als  erwei- 
terte Sätze  gehören.  Die  von  dem  Ihn.  \  erf.  allein  angeführten 
maclicn  die  2te  Art  aus  und  gehen  aus  einer  Abkürzung  der  ur- 
sprüufflichen  Form  liervor.  Desshalb  würden  wir  auch  gegen  § 
175  in  der  grösern  Lat.  Gram,  des  Herrn  Verf.  3Ianclies  zu  erin- 
nern haben.  Die  C  onditionaies,  heisst  es  S.  193,  bringen 
2  s  o  I  c  li  e  S  ä  t  z  e  i  n  V  e  r  b  i  n  d  u  n  g ,  d  e  r  c  n  e  i  n  e  r  e  i  n  e  B  c- 
d  i  n  g  u  n  g  a  n  g  i  e  b  t ,  u  n  t  e  r  w  e  1  c  h  e  r  e  t  w  a  s  S  t  a  1 1  finden 
oder  g  e  s  c  li  e  h  e  n  soll,  der  a  n  d  r  e  a  b  e  r  die  u  n  t  e  r  j  e  n  e  r 
Voraussetzung  n  o  t  h  w  e  n  d  i  g  e  Folge.  Kürzer  konnte  ge- 
sagt M erden :  die  C o n d i t i o n a  1  c s  v e r b i n d e n  2  S ä t z e,  de- 
ren einer  die  Bedingung  angicbt,  un  ter  w  elclier  der 
Inhalt  des  andern  eintreten  soll.  S.  253  halten  w ir  die 
L'eberscln'ift  V  e  r  z  e  i  c  li n  i  s  s  d  e  r  v  o  r  k  o m  m  e  n  d  e  n  W ö  r  t  e r 
für  fehleiliaft,  da  es  Verzeichnisse  sind.  Kbendas.  steht 
athcns^  Gottesläugiier.  Cic.  ])raucht  das  Wort  de  uat.  Deor.  1, 
23,  03  in  der  Griecb.  Form  und  urnsclireiht  es  pro  iMil.  30,  83  lie- 
ber. Die  Gescl»lec]itsregeln  der  3(en  Derlination  sind  von  S.270 
ab  ganz  nach  alter  Art  vorgetragen.     S.  272  steht  als  Druckfehler 


380  Rumische  Li flte r a t u r. 

analinus  f.  anaümis.  S.  297  ist  bei  iste  seine  Beziehimg  auf  die 
21e  Person  iiiclit  angedeutet,  d i  c  s  er  ( j  e n e r  )  dein.  Daher  ist 
auch  scliwerlieli  eil/ um  istam  S.  31)  unten  riclitig.  Sonderbar  ist 
die  Aufstellung  der  Verba  von  S.  298  ab  in  dieser  Form :  Aesti- 
7110  schätzen,  amo  lieben,  statt  ich  schätze,  ich  liebe.  Am  Deut- 
scheu ist  uns  blos  aurgefallen  S.  8  dem  Pflug,  S.  15  dem  Mit- 
tag, S.  18  dem  Schmuck,  S.  183  einem  Sturz  f.  dem 
Pfluge  u.  s.  w.  imd  S.  251  alle  alten  Schriftsteiler  f. 
alle  alte. 

Der  Herr  Verf.  von  No.  2  eifert  S.  V  u.  VI  der  Von-cde  wol 
mit  Unrecht  gegen  die  alphabetisdien  Wörterblicher,  welche,  so 
bald  Kinder  nur  die  allerersten  Schwierigkeiten  iiberwunden  ha- 
ben, gewiss  sehr  nützlich  sind,  und  schliesst  dieselbe  mit  etwas 
zu  viel  Begeisterung  für  sein  Werk.  Des  pädagogischen  Tactes 
darinn  ist  schon  er«  ahnt  worden :  doch  geht  der  Hr.  Verf.  unstrei- 
tig bisweilen  zu  weit,  und  lässt  es  auch  anderwärts  daran  fehlen. 
S.  5  u.  6  werden  die  Casus  erklärt  und  durch  Beispiele  erläutert. 
Wozu  wird  aber  dabei  die  Lat.  Uebersetzung  von  diesen  gegeben, 
da  hier  die  Kinder  noch  nicht  eui  Lat.  Wort  decliniren  können? 
Dabei  fehlt  die  nöthige  Quantität,  Avelclie  auch  gröstentheils  in  den 
Beispielen  auf  den  folgenden  Seiten  nicht  angegeben  ist,  z.B.  selbst 
bei  homicida  S.  81  nicht,  und  die  Fragen,  an  denen  man  die  Ca- 
sus erkennt,  sind  nicht  vollständig  genug  mitgetheilt.  S.  5  M'ird 
Gerechtigkeit  ist  1  ob ens würdig  übersetzt,  liest ili'a  est 
Inudanda  ('.'.).  In  dem  Wortverzeichnisse  S.  13  ic\\\t  auriga 
der  Fuhrmann,  rana  der  Frosch,  ciconia  der  Storch. 
Die  Geschlechtsregeln  sind  in  gereimte  Verse  gebracht,  die  bis- 
Aveilen  sehr  hölzern  sind,  z.  B.  Er^  ii\  w\,  us  s i  n  d  3/f/stv//«,  Um 
steht  als  ein  Neutrum  da.  —  Brauch'  männlich  o,  or, 
OS,  er  Und  es,  das  der  Sylben  mehr.  Bei  der  5ten  Declin. 
ist  nicht  bemerkt,  wo  das  e  im  Genitiv  lang,  wo  kurz  ist.  S.  97 
aerarium  die  Statskasse  der  Römer.  Warum  der  Rö- 
mer? S.  98  Futurum  II  oder  exactum.  Wenn  das  fut.  exact. 
sich  zu  dem  fut.  verhält,  wie  das  perf.  zum  praes.  und  wie  das 
plusq.  zum  imperf. ;  so  ist  der  Name  fut.  II  falsch,  oder  das  perf. 
müsste  auch  praes.  II  und  das  plusq.  auch  imperf.  II  heissen.  S. 
102  ist  der  Bildung  von  amem  aus  ainaam  nicht  erwähnt  worden. 
Die  Interpunction  ist  häufig  sehr  vernachlässigt,  z.  B.  S.  96  u.  211, 
wo  in  den  8  untersten  Zeilen  5  Comraata  felüen,  in  der  ersten  Zeile 
allein  2.  Caspula  S.  14,  facere  schweigen  S.  80  und  propmo  S. 
81  sind  Druckfehler. 

Ein  bedeutender  Verstoss  gegen  die  Methode  ist  es ,  dass  in 
beiden  Werken  die  regelmäsige  und  unregelmäsige  Comparation 
und  Conjugation  nicht  streng  genug  gesclüeden  sind.  Ilonoriß- 
centiori^  peiora^  minimae  u.  dergl.  stehen  in  No.  1  unter  den  re- 
gelmäsigen  Bildungen.  Eben  so  ist  es  in  No.  2,  mo  S.  80  u.  81 
tacere^  videre^  ridere^  cavere  als  Verba  der  2ten,  cado^  ludo^ 


Griccliisclie  LItteratur.  381 

fodio^  pJarigo^  frango^  ago  tlcr  Stcii  und  sc7itire^  sallre  \\.  inve- 
nire  der  4tcn  mit  AorKoniinoii.  INiclit  anders  auch  Jiicr  in  No.  1. 
Die  Conjuffatiou  ist  al)er  IVir  Kinder  keine  leiclite  Sache.  Hier 
durch  (irundle^uns:  des  streiiir  IJe^ehnäsigen  ihnen  Erleicliterung 
zu  scliaü'en,  ist  Püiclit  der  .Methode. 

Hiernach  scheint  uns  keins  \()n  diesen  beiden  Werken  dem 
Bcdürriiisse  noch  dem  icU-ale  zu  i^eniiiren.  Hätte  Ao.  1  die  nie- 
tliodisehe  Einriclitun^:,  >\ie  j\o.  2;  so  wiirdc  es  beiden  melir  ent- 
sprechen. Doch  zielien  Mir  es  immer  iSo.  2  vor  der  genauen  und 
soliden  Arbeit  wegen.  Aber  es  ist  im  Verhältnisse  zu  J\o.  2  et- 
M  as  thcuer. 

J.  S.  Ros  enh eyn. 


Griechische  Grammatik. 


1.  Griechische  Grammatik  vor zi'i glich  des  Homeri- 

schen Dialehtes  vqh  Friedrich  'J'liicrsch.  Dritte  vermehrte 
und  verbesserte  Auflage.  Leipzig  Lei  Gerli.  Fleisclier.  182().  XXXII, 
'  Vorreden  und  Iiihaltsverzeichniss ,  701  Seiten,  Text,  l)is  S.  715  Zu- 
i-iitze  und  Verbesserungen  ,  bis  S.  721  A  erzeichniss  der  kritisch  be- 
handehen  Stellen  grierbisilier  Autoren  ,  bis  S.  730  Verzeichniss  der 
M  iehtigsten  griecbiselien  Formen  und  lledensarten.    gr.  8.   2  Thlr. 

2.  Vollständige  11  ort  -  und  S  achr  e  gist  er  zu  Frie- 
drich Thiersch's  griechischer  Grammatik^  vor- 
züglich des  Homerischen  Dialekts  [d.  2ten  Ausg.  v.  Jahre  1818]  von 
M.  C.  E.  Richter,  Conrector  an  der  Schule  in  Zwickau  (jetzt  Dia- 
kntius  daselbst).  Nebst  einer  Vorrede  des  Verf.  der  Grafiiniiitik. 
l'.bendaselbst.  1823.  1<><)  S.  u.  2  S.  ]\aclitrag  zu  den  Druckfeblern 
der  Grammatik,   gr.  8.   12  Gr. 

Erster     Artikel. 

"ass  die  Anzeige  einer  neuen  Bearheitnng  der  grösseren  Gram- 
matik von  'l'hiersch  mit  der  Wiirdigung  der  vor  drei  Jahren  er- 
schienenen Register  zur  \origen  Aullage  verbunden  erscheint, 
glaubt  lief,  mit  der  Aeussernng  am  Schlüsse  der  V  orr.  von  ?so.  1 
S.  W  rechtlertigen  zu  kiinuen.  wo  es  heissl:  die  Anzahl  der  Pa- 
ragraj)hen  der  Cjirammalik  sei  nuAerändert  geblieben,  um  auch  die 
vollständigen  und  \o\\  ihr  unabhängigen  Register  des  H,  U  i  cht  er 
nicht  ausser  Ueziehuiig  und  Gebrauch  zu  setzen.  Indem  Hei',  näm- 
lich der  festen  Ueberzengung  ist,  und  dieselbe  zu  beweisen  ge- 
denkt, dass  diese  IViiher  ^iel^ach  angepriesenen  und  olt  unverlangt 
mit  derGranimalik  selbst  \ersaniiten  Register  \ollends  jetzt  durch- 
aus unbrauchbar  geworden  sind,  hält  er  es  liir  seine  Pllicht,  Schul- 
männer darauf  aulmeiksam  zu  machen,  v\eun  er  sie  Aon  dem  Ei- 

Jahi  h.  d.  l'hU.  u.  Fudus-  Jahrg.  1.  Jhß  2,  25 


S82  Griechische  LItteratur. 

gentliümlichcn  dieser  Steii  Aufl.  einer  Grammatik  in  Kenntiiiss  setzt, 
die,  weit  verbreitet,  >vie  sie  es  ist,  schon  vielen  Nutzen  gestiftet 
hat  und  noch  stiften  Avird,  abcA'  mit  einiger  Aufopferung'  von  Sei- 
ten des  Yerl\  und  Verleg,  dies  in  noch  viel  höherem  Grade  ver- 
möchte. —  Bekanntschaft  mit  der  2ten  Aufl.  der  Grammatik  wird 
wohl  nicht  mit  Unrecht  bei  allen  Lehrern  der  griechischen  Spra- 
clie,  welche  diese  Blätter  lesen,  vorausgesetzt;  der  Werth  des 
Buches  ist  vielfach,  auch  öffentlich,  anerkannt,  am  meisten  durch 
den  raschen  Absatz  der  starken  Auflage;  darum  sollen  die  nach- 
folgenden Bemerkungen  Aveniger  eine  jetzt  niclit  mehr  notliwen- 
dige  Wiirdigung  des  Werkes  im  Allgemeinen  geben,  sondern  liaupt- 
sächlich  die  einem  Buche  dieser  Art  so  nöthige  Correctheit  und 
Genauigkeit  im  Einzelnen  beriicksichtigen,  dann  die  in  der  drit- 
ten Auflage  neu  hinzugekommenen  Abschnitte,  so  wie  sonstige  be- 
deutende Aenderungen  derselben  charakterisiren ,  ynd  mit  einer 
Beurtheilnng  der  llichterschen  Register  schliessen.  Es  erscheint 
aber  passend,  besonders  um  den  Leser  nicht  durch  leider  noth- 
wendige  INachweisungen  von  Schreib-  und  Druck -Fehlern  aller 
Art  zu  ermüden,  wenigstens  die  beiden  ersten  der  genannten  Theile 
in  einander  zu  verschmelzen,  und  so  in  luiserm  Berichte,  wofern 
dies  nicht  zu  anmassend  erscheint,  das  Nützliche  mit  dem  Ange- 
nehmen zu  verbinden,  indem  wir  dem  Gange  des  Buches  folgen. 
—  Die  durch  mehrere  Druckfehler  entstellte  Vorrede  zur  dritten 
Auflage  der  Grammatik  ist  vom  22sten  Mai  1825 ;  das  Buch  ist  in 
Leipzig  ausgegeben,  so  viel  Ref.  weiss,  Ende  Februar  oder  An- 
fang März  1826.  Die  neue  Vorrede  enthält  zunächst  Bemerkun- 
gen über  die  Anordnung :  dass  z.  B.  der  Lehre  von  den  Buchsta- 
ben und  Sylben  etwas  über  Inschriften  und  diese  selbst  beigege- 
ben sind ,  Iiingegen  manches  früher  hier  vorkommende  Spccielle 
an  seine  Stelle  der  Formen  -  und  Dialekten -Lehre  verwiesen  ist; 
dass  in  der  Formen-Lehre  ein  gemeinsames  Schema  aller  Declina- 
tionen  vorangestellt  und  über  die  Zusammensetzung  der  Wörter 
nach  Lobeck's  Phrynichus  ausführlicher  gehandelt  ist;  dass  ne- 
ben Homer  die  attischen  Dichter  besonders  berücksichtigt  sind. 
Zugleich  wird  das  Verhältniss  dieser  Grammatik,  als  einer  allge- 
meinen griechischen,  in  welcher  eben  darum  das  Homerische  vor- 
herrschen müsse,  festgestellt,  um  dem  Vorurtheile zu  begegnen, 
sie  sei  eine  bloss  Homerische.  Im  Verfolgen  dieser  Ansicht  kommt 
der  Vf.  auf  die  Erwähnung  des  in  diese  Auflage  zuerst  aufgenom- 
menen und  eigens  benannten Theiles  der  Satzlehre,  Pjjrataxis, 
oder  Nacheinanderstellung  der  Sätze  in  der  Kindersprache,  ohne 
die  später  nothwendig  erscheinende  Beachtung  oder  Bezeichnung 
des  innern  Zusammenhanges  derselben,  im  Gegensatze  der  eigent- 
lichen Syntaxis  im  engeren  Sinne.  —  Gerühmt  Avird  am  Schlüsse 
die  Beihülfe  der  Freunde  des  Vf.,  der  bereits  verstorbenen,  auch 
in  den  frViheren  Auflagen  erwähnten  Benedict  Laroche  und 
Andr.  v.  Baranoff  (dem  letzteren  war  diese  Grammatik  schon 


J 


Griechische  Grammatik  v.  Thlerscli.  Register  zu  ders.  v,  Riclitcr,  383 

bei  ilirer  ersten  Ersclieimms^  gewidmet,  und  der  Vf.  nift  ilim  tief 
^efiililte  Worte  der  Anerkciintniss  nach,  die  mit  Virg.  Aen.  VI, 
884-  —  887  schiie>;sen) ;  Schulniiitiiu'r  nnd  Zuhörer  des  Vf.  sind 
ebenfalls  bei  dieser  iieiieii  Auiliiire  hehiilllicli  £;e\vcsen :  Held  in 
Baireuth,  Platz  in  Kötheii,  H  i  eli  te  r  in  Z\^  ickau  ;  v.  llefner 
in  Miniclien,  G.  Baiter  in  ZVirieli  (^on  dem  die  zu  Aniaiiir  ge- 
nannten \  erzeiclmissc  der  kritisch  hehamlelten  Steilen  griechi- 
scher Autoren,  und  der  wichtigsten  griecliischen  Formen  und  Re- 
densarten, am  Schlüsse  dieser  Aull.  ausgearbeitet  sind).  Sonder- 
bar genug  werden  dannauchdie  beiden  (.'orrectoren,  W.  Sclilut- 
tig  (damals  in  Leipzig,  jetzt  in  Paris)  und  K  i(;h  ter  in  Zwickau, 
geriilimt ,  besonders  was  die  Revision  der  (yitate  und  den  a  erhält- 
nissmässig  reinen  Druck  betreffe.  In  wiefern  der  diese  Gramma- 
tik Gebrauchende  in  ein  solches  Lob  einstimmen  könne ^  werden 
■wir  im  Folgenden  sehen. 

Aus  der  Vorrede  zur  zweiten  Andage,  die  niclit  einmal  ganz 
con-ect  abgedruckt  ist,  indem  z.  B.  S.  VII  Z.  12  v.  n.  hervorsu- 
chen, statt  hervor  zu  sii(;hen,  sprachuurichtig  stellt,  wird  der  Le- 
ser viellercht  ungern  di^n  Abschnitt  \erniissen,  welcher  warnt  vor 
dem  falschen  Gehrauche  dieser  Grammatik  diircl»  die,  die  sie  mir 
IVairnieiitarisch  kennen,  und  ihre  Aussprüche  tlieihveise  mit  denen 
anderer  Grammatiker  beim  Lnterrichte  vereinigen  wollen;  auch 
fehlt  die  Anweisung  zn  einem  zweckmässigen  Gebrauche  des  Bu-- 
ehes.  so  wie  die  iNotizen  iiber  die  von  Thiersch  damals  benutzten  und 
nicht  benutzten  Schriften  zur  Griecliischen  Grammatik,  imd  Viber 
das  Verhiiltniss  dieser  Grammatik  zur  kleineren  desselben  Vf.  — ■ 

Das  Iiilialtsverzeichniss  S.  WII  bis  XVXII  ist  eine  Bereiche- 
rung diesei- Aiidage.  Es  ist  ein  an  wenigStellcn  veränderter,  bc- 
lichligterund  vervollständigter  Abdruck  von  S.  ö  bis  14  der  Rich- 
terschen  Regi>ter,  womit  iihrigens  dem  Verdienstlichen  der  Zu- 
sammenstellung der  L^eljerschriften  derParagraphetmnd  Absclinit- 
te  nichts  von  seinem  Werthe  genommen  Averden  soll ;  wenn  nur 
die  dort  J>egangenen  Druckfehler  corrigirt  wären,  wie  z.B.  Ma  fs, 
(im  Texte  der  Grammatik:  Maas,  Maas  es;  wieSchoos, 
Schooses,  statt:  Schoofs  S.  !)5^.()  Z.4)  statt:  Maafs,  Maa- 
fses.  An  das  Durchgehen  dieses  Inhiiltsverzeichnisscs  möge  sich 
eine  Uebersieht  des  Meuen  dieser  dritten  Aufl.  anschlicssen.  Das 
erste  Buch  hat  jetzt  die  passendere  Leberschrift:  Wortbildung, 
öder  Formenlehre,  statt  des  letzteren  Namens  allein,  wie- 
Tt'ohi  die  neue  ZusammeiHtellung  ihrer  Form  nach  sich  wohl  nicht 
rechtfertizen  lassen  möchte;  es  mVisste  heissen:  Lehre  von  der 
\V  o  r  t  b  i  I  d  u  n  g.  o  d  e  r  F  o  r  m  e  n-L e  h  r  e.' —  §  G  i^t  die  C  h  a  r  a  k  t c- 
r  i  s  i  r  u  n  g  d  e  s  attischen  Dialekts  in  der  IJeberschrift,  §  1 2 
d  i  e  L  e  h  r  e  v  o  n  der  Ort  h  o  i:  r  a  p  h  i  e  auch  im  Texte  neu  hin- 
zugekommen. ^17  sollte  zu  üvn  Worten:  Fräs  mische  und 
Beuchl  inische  Aussjjrache,  die  Römisdie  Aussprache  als 
die  ote  hinzugelugt  sein,  wenn  einmal  der  Inhalt  näJier  angegeben 

25* 


381:  Griechische.  Littcratur. 

M  erden  sollte.  —  Die  Pliiralform:  Consonante«  §  20  erscheint 
richtiger  als  die  des  Textes :  Coiisonant  e.  —  §  24  ist  erweitert,  und 
richtiger  iibcrschrieben :  v  o  n  d  e  n  11  q  u  i  d  i  s.  —  §  35  ist  die  Auf- 
zählung der  einzehien  Verwandlungen  durch  Zusam- 
menstoss  der  \ocale  unpassend  und  leicht  Missverstand 
veraidassend,  da  hernach  die  besonderen  Abschnitte  folgen.  — 
INen  ist  §41)  von  den  Eigenthiim  lichkeit  en  des  N  o- 
mens;  bedeutend  geändert  §  50  Declinatiou  überhaupt, 
iindDeclinationdes  Artikels;  so  wie  schon  früher  §  39 — 
41 ,  die  Lehre  ü  b  e  r  E 1  i  s  i  o  n  u  n  d  A  p  o  s  t  r  o  p  h  und  d  i  e  I  n- 
schriften  enthaltend,  grossentheils  neu  erscheinen.  —  Inder 
Ueberschrift  von  §  4(>  stellt  jetzt  bezeichnender  und  genauer:  das 
vorangehende  Wort,  statt:  das  vorige,  Aufl.  2.  —  §  47 
ist  grossentheils  neu,  namentlich  in  dem  Geschichtlichen  und  in 
fler  Abhandlung  von  der  rhytlnnischen  Eigenschaft  der  Accente 
und  vom  Lesen  nach  denselben.  —  §  57,  Eigenheiten  der 
C  a  s  u  s  b  i  1  d  u  n  g ,  ist  theilweise  neu.  —  §  58  ist  der  Zusatz :  i  ii 
einigen  Nominibus  aufiy^,  unpassend;  denn  [ccqi^v)  dg- 
vog  ist  auch  Beispiel.  —  §  ßO  ist  die  Lehre  von  der  Beto- 
nung neu  hinzugekommen.  —  §  63  hat  in  dieser  Aufl.  eine  pas- 
sende Ueberschrift  erhalten.  —  §  TS  ist  die  Lehre  von  der 
Z  a  h  l  b  e  z  e  i  c  h  n  u  n  g  d  e  r  A  t  h  e  n  e  r  neu.  —  Die  Ueberschrift 
des  folgenden  Abschnitts  lautet  jetzt  richtiger:  Pronomina, 
statt  dass  sonst:  die  Pronomen,  im  Piuralis,  stand.  —  §83 
ist  die  Lehre  von  den  angehängten  S  y  1  b  e  n  neu  hinzuge- 
kommen. —  §  8ö,  104,  110  und  anderwärts  ist  die  deutsche  Plu- 
ralform: Mode,  Moden,  mit  der  allein  richtigen :  Modi  ver- 
tauscht; so  wie  §  119  und  anderwärts  richtig  Verbe  mit  Yer- 
bß  vertauscht,  aber  doch  der  Dativ  und  Genitiv:  Verben  bei- 
behalten erscheint.  —  §  89  hatte  sonst  eine  Tabelle  über  die  deut- 
schen Conjugationsformen,  die  (wohl  nicht  ohne  Grund,  aber  oh- 
ne alle  Anzeige)  weggeblieben  ist;  die  andern  Tabellen:  §  105, 
111, 114, 115, 119,  sind  jetzt  in  dem  Formate  des  Buches  gedruckt, 
was  viel  zweckmässiger  erscheint.  —  §  108  steht  durch  einen 
Druckfehler:  des  Indicatir,  statt:  des  Indicatiüs. —  §114 
u.  115  haben  passendere  Ueberschriften  erhalten,  so  wie  auch  § 
140  u.  141  der  2ten  Aufl.  recht  zweckmässig  hier  in  §  140,  von 
den  Zusammensetzungen  in  der  griechischen  Spra- 
che, vereinigt  erscheinen,  und  §  141,  Bedeutung  und  Pa- 
ragoge  der  zusammengesetzten  Wörter,  neu  liinzuge- 
kommen  ist.  —  In  dem  Folgenden  ist  das  Unterscheiden  des  Vf. 
zwischen  dem  Adjectiv:  homerisch  mit  kleinem  h,  imd  dem 
Substantive  gebrauchten:  das  Homerische,  auffallend,  und 
erstere  Schreibung  wohl  kaum  zu  rechtfertigen.  —  §  153  ist  pas- 
sender gefasst  worden:  Verzeichniss  der  Wörter,  wel- 
clie  mit  dem  Digamma  und  den  aus  ihm  entstande- 
nen  Lauten  beginnen.  —    §  156  u.  169  steht:  Abfall, 


Gricchlsclie  Grammatik  v.  Tlilcrscli.  Register  zu  ders.  v.  Ricliter.    385 

statt:  We£:fallcii,  durcliaus  unrirhti^.  —  Die  Ucbcrschrift 
vor  §  17({  u.  d.  i'olirs:. :  von  den  Homerischen  D  e  c  I  i  n  a- 
tioncn,  ist  neu  und  sehr  zweckmässig'  liinziigelVifft.  —  §  189 
steht  die  durcliaus  iindeutselie  l'orm ;  v  o  n  d  e  n  1*  n  r  a's,  statt:  v  oii 
den  Piiris.  —  §  11)({  ist  ein  böser  Oruckfehler:  co  g  —  oog 
statt:  cog  —  a  o  g.  —  §201  huitete  Aull.  2  ungenau:  Anzahl 
der  Enduuiien;  jetzt  bestimmter:  liilduni?  weibliclier 
Formen  —  der  Adjectiva.  —  §  202  handelt  nicht  ^on  den 
Yergleicliungen,  uie  es  hier  lieisst,  sondern  vonden  Ver- 
£:leich  un  gsgr  ad  en  der  Adjecli\a  und  Aiherbia.  —  §  211  ist 
die  liiiduiiff  der  P  r  ä  s  e  n  t  ia  (uidit :  V  r  ii  s  e  n  t  e),  §  213  die  der 
ersten  Fiitura  (niclit:  Futur  e)  neu  iiiuzugekommen. —  §237 
Märe  von  dem  specielien  InhaUe  mit  dciuselben  Rechte  wie:  Aut- 
li  e  b  u  n  jr  d  e  r  P  o  s  i  t  i  0  n ,  aucli :  G  e  b  r  a  u  c  h  d  e  r  v  o  n  ]N  a  t  u  r 
langen  S y  11) e n  als  kurze,  und :  li i  1  d u n g  d e s  Ili a t u s,  zu 
nennen  gewesen.  —  §  240  ist  der  Absclmitt  von  den  JNomi- 
nal- Formen  neu.  —  §  243,  vom  Attischen  Dialekt, 
ist  fast  ganz  neu;  mir  sollte  vor  demselben  ebenso,  Avie  ^or§233 
11.237,  eine  Haupt -Ueberschrilt  gesetzt  sein.  — 

Aul"  gleiche  Weise,  wie  die  Formenlelire,  ist  auch  das  jetzt 
folgende  zweite  Ihich,  die  VV  or  t  fii  g  iing  o  d  e  r  Sy  n  ta  \  ,  be- 
reichert. Gleich  §  24S  ist  die,  der  theilweise  neuen  Behandlung 
des  Genitiv-  und  Ablativ- Verhältnisses  im  vorhergellenden  §  ent- 
sprechende Auseinandersetzung  der  Verhältnisse  der  Gegenstände 
in  thätiger  ^  erbiuduug  passend  überschrieben:  vom  Dativ-  u. 
Accusativ- Verhält niss.  —  §251  ist  theilweise,  die  zwei 
folgenden  §§  aber,  vom  Genitive  der  inneren  Beschaf- 
fenheiten und  d  e  r  a  u  s  s  e  r  e  n  B  e  z  i  e  h  u  n  g ,  fast  ganz  neu 
lind  völlig  umgearbeitet;  sowie  iiberhaupt  die  Lehre  vom  Geni- 
tiv, namentlich  dem  örtlichen  und  ursächlichen  bis  §  256  die  be- 
deutendsten Bereicherungen  erhalten  hat,  deren  Inlialt  und  llm- 
fang  schon  aus  dem  hier  weitläufiger  werdenden  Inhaltsverzeich- 
nisse ersehen  werden  kann. —  §  258  ist  die  Ueberschrift :  Geni- 
tiA  i  CO  US  e  (j  u  en  t  i  ae,  passend  in  Klammern  gestellt,  und  die 
allgemeinere :  Genitive  mit  A  n  g a  I)  e  n  durch  P  a  r  t  i  c  i  p  i  a 
('riiiersch  sc-hreibt  Participe),  vorangestellt.  —  §202  stört 
der  deutsche  Dativ:  Gasen,  statt  des  nicht  zu  llectirenden:  ('a- 
s  u  s.  —  §  203  II.  2(i4 ,  V  0  in  G  e  b  r  a  u  c  h  e  des  Ablativs  u  n  d 
den  ihn  r  e  g i  e  r  e  n  d  e  n  P r  ä  p  o  s  i  t  i  o n  e n,  sind  theilweise  neu. 
—  §  2(i8  sollte  auch  im  luhalts\erzeichnisse  der  dieser  Aull.  ei- 
genthini)liche  neue  Abschnitt:  vom  Accusativ  bei  Verbis 
d  es  Bell  a  rrens,  iiicfit  fehlen.  —  §  270  ist  unverstäiullich,  we- 
nigstens uni'iklärt,  zu  diu  \N  orten:  V(;cusativ  mit  d«'ni  In- 
finitiv, hinziis<'rüst:  und  ohne  Beisatz.  —  §  274  sind  die 
Präpositionen  beim  Ac(usati\  passender  nach  «lem  Alphabet  geor«l- 
ne( ,  und  so  der  FchUr  der  2t<'n  Aull.,  dass  «ar«  wiederholt  an- 
geführt wurde,  Aon  tselbst  weggefallen.  —  Von  §  275  an  sollte» 


Griechische  Litte ratur. 

wieder  IIaiiptii]»erscliriften  sein;  tlass  die  liier  folg:eiuleii  Gegen- 
stände nicht  in  einem  Anhanire  stehen,  wie  Aufl.  2,  i^^t  recht;  aber 
sie  sollten  nur  nicht  l'älschlicli  der  Lehre  vom  Acciisativ  luiterge- 
ordnet  ersclieinen,  zumal  da  nach  der  Lehre  von  den  andern  Ca- 
sibus,  auch  Genus  und  Numerus  der  Substantiva,  und  die  andern 
Redetheile  bis  zum  \erbum  abgeliandelt  werden,  —  §  215  n.  277, 
vom  Dativ  und  Yocativ,  sind  fast  ganz  neu.  —  §  2TS  ist: 
Eigenlieiten  im  Gebrauch,  eine  passendere  Uel)crsclirii"t, 
als:  Gebrauch,  allein;  die  Idiotismen  in  der  Stellung 
der  Casus  sind  liier  ganz  neu.  —  §279,  Viber  die  Präpo- 
sitionen, ist  am  Schlüsse  vci'vollständigt;  §280,  Aom  Adje- 
ctiv,  fast  ganz,  §284,  i'ib er  die  Pronomina,  grossentheils 
neu.  —  Es  folgt  der  Abschnitt:  über  das  Verbura;  und  hier 
sind  die  %  orausgeschickten  allgemeinen  Bemerkungen  richtig  dem 
285sten  §  zugetheilt ,  da  sie  in  der  2ten  Aull.  nirgends  untei'ge- 
ordnet  waren.  Derselbe  §  ist  erweitert,  'indem  ein  Theil  des  fol- 
genden dazugezogen  ist.  —  §  289  ist  grossentheils  neu,  291  ver- 
ändert, und  im  Anfange  zusammengezogen.  - —  §  29(),  vom  In- 
finitiv, so  wie  der  ganze  Abschnitt:  über  die  Partikeln, 
§299  bis  303,  ist  theilweise  neu.  —  "y^v  und  nsv  aber  sind  nicht, 
wie  es  hier,  abweichend  vom  Texte  heisst,  zwei  verschiedene  Par- 
tikeln, sondern  nur  besondere  Dialektformen  einer  einzigen  Par- 
tikel, daher  in  der  üeberschrift  der  Singularis  stehen  nniss.  Wie 
oben  HSV  gedruckt  ist,  müsste  es  auch  ys  und  jTEp,  nicht  ys  und 
TIEQ,  heissen;  in  dieser  Hinsicht  jedoch  herrscht  die  grosseste  In- 
consequenz  in  der  Grammatik.  —  Indem  letzten  Abschnitte,  der 
Sprachlehre,  ist  in  der  ersten  Unterabtheilung,  von  den 
Sätzen  überhaupt,  §300  bedeutend  verändert,  §308  er- 
weitert, und  hat  so  die  Lehre  vom  Subject  und  Prädicat 
eine  neue  Gestalt  gewonnen.  —  §  312  ist  die  Üeberschrift  jetzt 
richtiger  gefasst:  über  die  Verbindung  der  einzelnen 
T heile  des  Satzes;  der  Inhalt  ist  grossentheils  neu.  —  Auch 
§313,  von  der  Ellipse,  ist  theilweise  umgearbeitet  und  ver- 
vollständigt. — ^  Die  Lehre  von  dem  Zusammenhange  de r 
Sätze  ist  schon  in  den  allgemeinen  Angaben  §  315  bedeutend  er- 
weitert, dann  aber  fast  ganz  neu  bearbeitet  in  §316  u.  317:  vom 
Aneinander  und  Ineinander  der  Sätze.  Um  aber  hier 
gleich  eine  allgemeine  Bemei'kung  vorauszuschicken,  so  ist  es  sehr 
auffallend,  dass  der  Vf.  wichtige  Erscheinungen  in  der  Literatur 
dieses  Gebietes  entweder  gar  nicht  kennen  gelernt,  oder  doch  kei- 
ner Beachtung,  weder  beistimmend  noch  widerlegend,  gewürdigt 
hat.  Bekanntlich  fiihrt  Thiersch  das  Verhältniss  der  Sätze  auf 
das  Casus -Verhältniss  der  Substantiva  zurück,  und  unterscheidet 
danach  dem  Ablativ-Verhältniss  entsprechende  relative  Sätze,  dem 
Genitiv-Verhältniss  entsprechende  Ergänzungs-Sätze,  dem  Accu- 
sativ- Verhältniss  entsprechende  transitive  (nicht  tranfitive,  wie 
TJUerscU  sclireibt)  Sätze.     Dem  entgegen  ist  nun  bereits  vor  fünf 


Griecliische  Grammatik  v.  Tliicrsch.  Rcglsitcr  zu  der»,  v.  Richter.  387 

Jahren  1821  durcli  Ilerling  in  Frankfurt  a.M.  in  seiner  Topik 
de?'  deutschen  Spruche  (  Vhhiindluu^cn  tles  Krankl'urtisclien 
Gelehrten-\  ereins  für  deutsclie  Sprache.  Stück  III)  und  z>\eiJa!ire 
später  in  seinen  G  r  u  ii  d ( c h r e  n  des  de  u  t  s c h e n S t  il s,  o  d e r 
d  e m  Pe r  io  d  e nb  ii u  d c r  d e  ii  t  s  c h e  ii  Sp r a  c h e,  eine  Theo- 
rie anfi^estellt  worden,  die,  ansijehend  ^on  ffesonderter  Betracli- 
tuni?  des  h)gisclien  mnl  ^raniniaiisclien  A  erJiältnisses  der  Sätze, 
das  letztere  als  dem  Verhältnisse  der  lledetheile  nntcr  einander 
entsprechend  darstellt.  Anjrewendet  erschien  das  liier  i^e^ebenc 
in  mehreren  craminalischen  ScliriTten  Grotefend's  nnd  lloth's, 
dnrchi^eiVihrt  in  Beziehnn^ani'  die  dentsche  Sprache Aon  S  chm  i ti- 
li e  n  n  e  r  in  seuier  J)  e  u  t  s  c  h  e  ii  S  p  r  ach  Lehr  e  f  ii  r  Gele  hr~ 
ienschulen^  nnd  in  seinem  Ele  ine  iit  arbuc  h  der  Deut- 
sche n  S  p  r  ache.  Fast  gleichzfitiiT  mit  Erscheinung  der  3teri 
Anfl.  von  Thiersch  Gr.  Gr.  wird  das  bisher  fast  nur  anf  den  en- 
gern Kreis  der  deutschen  Sprache  beschränkte  auf  das  Gebiet  der 
allgemeinen  Sprachlehre  übergetragen,  durchgeführt  nnd  begrün- 
det in  der,  nach  des  lief.  Ueberzeugung,  sehr  empfehlensM  ertheii 
klehien  Schrift  von  G.  T.  A.  Krüger  in  AVolfenbüttel:  Er  orte- 
ru/ig  der  grammatischen  Ei ntheilung  tmd  der 
grammatischen  k  erhältnisse  der  Sätze;  nebst  ei- 
ne r  B  e  n  r  t  h  e  i  1  u  n  g  d  e  r  v  o  n  U  e  r  n  h  a  r  d  i ,  Th  i c  r  s  c  h  und 
Schmitthenner  in  der  Lehre  von  der  Sa  tzfügu ng  be- 
folgte  n  Methode ;  ein  Beit  rag  zur  richtigem  Bell  an  d- 
lung  dieser  Lehre.  Frankfurt  a.  M.  182G  (12  Gr.).  Damit  der 
Leser  uuserer  Jahrbücher  wisse,  was  er  in  jenem  Büchlein  finden 
wird  in  Beziehung  auf  Thierse h,  soll  nur  mit  wenig  Worten  das 
nach  der  H  e  r  1  i  n  g  -  K  r  ü  g  e  r  s  c  h  e  n  Theorie  an  die  Stelle  des  ^  o» 
'J'hiersch  Gebotenen  Tretende  aufgezälilt  werden.  Thiersch 
liat  zwei  Abschnitte  der  Syntax:  Lehre  von  den  Redet  hei- 
len, und:  von  den  Sätzen;  die  neue  Theorie  Aier:  Lehre 
v  0  n  d  e  r  \\  o  r  t  f  ü  g  n  n  g,  S  a  t  z  f  ü  g  u  n  g,  Wortstellung  und 
S  a  t  z  s  t  e  1 1  u  n  g.  In  der  Satzfügungslehre  wird  von  llerling  und  Krii- 
gcr  das  logische  und  grammatische  Verhältniss  der  Sätze  abgeson- 
dert betrachtet,  und  eine  \erschiedene  Eintheilung  der  Sätze  dar- 
auf gegründet;  die  Kintheilung  derselben  bei  Thiersch  vermischt 
beides,  jetloch  so,  dass  das  aus  einem  verschiedenen,  unhaltba- 
ren Kiiitheilungsgrunde  hervorgehende  Ergelmiss  fast  dasselbe  ist: 
die  relativen  Sätze  entsprechen  nehmlicli  hier  den  adjectivischen 
INebensätzen,  die  Krgänzungs-Sälze  den  ad\(;rbialen  iSebensätzen, 
die  beide  in  grammatischer  Hinsicht  im  Iniiärenz-\  erhältnisse  zu 
dem  Hauptsätze  oder  einem Tlieile  desselben  stehen;  die  transiti- 
ven Sätze  hliiiregen  entsprechen  den  Substantiv ischeniSebeiisätzen, 
die  im  Dependeir/ -  Verhältnisse  stehen;  nin-  die  von  Tliiersch 
lalschlich  auch  hierher  irezogenen  Absichts-Sätze  sind  Substantiv  i 
sehe  JSebensätze,  vvelelK-  die  Stelle  von  Adverbial  -  Sätzen  vertre- 
ten. —   Bloss  die  nothwendige  Jlücksichl  auf  die  Grenzen  dieses 


388  Griechische    Littcratur. 

Berichtes  zwinirt  uns  hier  unserii  Auszug  al)zul)rec]ien  ,  ahcr  Mir 
bitten  unsere  sachkundigen  Aintsgenossen,  diese  und  die  anderen 
angelulirtcn  Schriften  ja  niciit  ungeiesen  zu  iassen,  und  ilincn  wo 
möglich  mit  liernhardi's  Werke  zur  Seite  zu  loigen»  —  Wir 
keliren  daher  zu  unserer  Grammatik  zurVick. 

Es  ist  oben  schon  angedeutet,  dass  in  den  jetzt  folgenden 
allgemeinen  §§315  —  317  zuerst  eine  bedeutende  Erweiterung, 
dann  eine  fast  ganz  neue  Bearbeitung  der  Lehre  von  der  Para- 
taxis  und  Syntaxis  gegeben  ist.  Was  das  Specielle  betrifft, 
so  ist  die  Lehre  vom  E  r  g  ä  n  z  u  n  g  s  s  a  t  z  e  den  wenigsten  Ver- 
änderungen unterworfen  gewesen ;  nur  §  3o()  ist  am  Schlnss  er- 
weitert, §  332  verändert,  und  von  dem  Ende  des  33-l:stcn  §  an 
bis  337  viel  Neues  hinzugefugt;  auch  §  338  —  342,  vom  trans- 
itiven Satze  und  insbesondere  von  den  Absicht- 
sätzen, enthalten  theilweise  viel  Neues ;  vornehmlich  aber  sind 
in  §  340  u.  341  die  Partikeln  in  viel  passenderer  Kcibenfolgc, 
als  früher,  abgehandelt.  Der  vorletzten  Unterabtheiluiig  ist  jetzt 
die  umfassendere  Ueberschrift  gegeben  :  von  der  11  e  1  a  t  i  o  u 
und  dem  relativen  Satze,  und  dem  gemäss  sind  nicht  allein 
die  allgemeinen  Angaben  §  343  erweitert,  sondern  auch  die  fol- 
genden §§  344  —  347  sind  bedeutend  verändert;  §  349  hat  eine 
passendere  Ueberschrift  bekommen :  besondere  Formen  des 
relativen  Satzes.  —  In  der  letzten  Abtheilung:  von  den 
Fragen,  sind  §  351,  353,354  erweitert,  und  der  erste  derselben 
grossentheils  neu;  in  der  Ueberschrift  von  §  353  fehlt  im  hi- 
haltsverzeichnisse  das  Wort:  und  er  n;  von  der  einem  a7i~ 
dem  Satze  naclistehenden  Frage.  — 

Zur  Einleitung  bis  S.  14  finden  Avir  vorläufig  weiter  nichts  zu 
bemerken,  als  dass  uns  S.  12  u.  f.  die  zweimal  vorkommende  fal- 
sche Foi-m:  genennt,  statt:  genannt,  unangenehm  aufgefallen 
ist,  und  dass  von  Thiersch  selbst  zu  diesen  14  Seiten  12  grobe 
Druckfehler  in  den  Verbesserungen  S.  707  angegeben,  aber  in  der 
Berichtigung  selbst  wieder  drei  neue  grobe  Druckfehler  begangen 
werden:  es  muss  nehmlich  in  der  Berichtigung  zu  S.  2,  §  2,  N.  1 
Z.  1  nicht  heissen :  1.  bemerkt  st.  unterscheidet,  sondern 
grade  umgekehrt:  1.  un tersch  ei  det  st.  bemerkt;  —  zu  S. 
9  N.  2  ist  in  der  Berichtigung  gedruckt:  spricht  st.  s/; rieht; 
—  zu  S.  9  §  C  üeberschr.  ist  berichtigt:  des  Jonischen 
Dialekts,  da  im  Texte  richtig  steht:  des  zonischen.  — 
Unverständlich,  wo  nicht  unrichtig,  ist  auch  §  2,  10  A.  3  der  Aus- 
druck: alle  ü  br  igen  Arten  vonWörtern  sind  </e;"  Spra- 
che zufällig,  wie  in  der  2ten  u.  Sten  Aufl.  zu  lesen  ist.  — 
S.  6  unt.  *)  muss  das  Citat  für  UsXaöyol  atyiaXesg  (richtiger  ^l- 
yiaUes)  heissen:  Herodot.  VII,  94,  nicht:  VUl,  94;  ein 
Fehler,  der  aus  der  2ten  Aufl.  in  diese  Vi  bergegangen  ist,  und 
gleich  zu  Anfange  in  einem  der  ersten  Citate  zeigt,  wie  wenig 
von  der  Versicherung  Vorr.  S.  XV  zu  halten  ist,  dass  die  Corre- 


Gricclilsclic  Grammatik  v.  Thlcrscli.  Register  zu  Acrs.  \.  Richter.  389 

ctorcii  sämmtliclie  ritate  einer  neuen Kevisiioii  unterworfen  liätten. 
—  Aul"  derselben  Seite  ist  in  dem  ('Itat  **)  ohne  alle  iNoth:  Ue- 
}M6yov' AQyBicüv  iÖog^  jjesetzt,  aus  demGedäclitniss,  wie'I'liiersch 
oft  citirt,  statt:  Jlilaöyov  fdog  'Agynav  vie  alle  Ausgaben  lia- 
ben.  —  Auf  derselben  Seite  in  dem  Citat  -f  7)  steht :  a  cpUöoiv^  statt : 
'i](pLS6av.  —  iSicht  einmal  nach  derselben  Ausspähe  sind  auf  eben 
dieser  Seite  dicCitate  aus  Strabo  unter  f)  und  ffff)  angeireben; 
sondern  das  erstere  nach  der  Aus^.  von  Casaubonus,  das  letztere 
nach  der  Almeloveenschen;  da  suclic  sich  daim  der  arme  Lehrer, 
der  kaum  eine  Ausgabe  des  Strabo  liat,  oder  gar  der  Schüler, 
fiir  den  dasBucli  docli  audi  bestimmt  ist,  zu  Tode,  Und  wie  zum 
Spass  wechselt  hier  Tliierscli  auf  den  folgenden  Seiten  ab,  indem 
er  S.  7  und  8  noch  die  AlmeloAeensche,  S.  9  aber  wieder  die  Ausg. 
von  Casanbonus  citirt,  und  dies  noch  dazu  in  einem  und  demselben 
Absclmitte  des  Strabo.  —  Falscli  ist  S.  7  das  Citat;  Ilerod.  VIII, 
05;  allenfalls  passt:  VII,  95;  und  ist  dies  wahrscheinlich  ge- 
meint. —  In  dem  nächsten  Citat  *)  ist  ein  Drackfeliler,  der  in  ei- 
nem Schulbuche  audi  nicht  vorkommen  darf:  es  ist  abgebrochen: 
IIbIuö -  yixov  ^  statt:  Ilü.tt-öyixov.  —  S.  8  Citat  *)  musste  aus 
demselben  Grunde  wie  ^(^aQaKtrjQeg  yXäoGrjq  aus  demselben  Ca- 
pitel  Ilerodot's  auch  xQonoL  nciQccycoyicav  als  Benennung  der  ver- 
schiedenen Mundarten  angeführt  werden.  —  S.  12,  4  Z.  3  inuss# 
der  Gemeine  seil.  Dialekt,  klein  geschrieben  werden.  — 

INachdera  wir  so  die  grosse  Incorrectheit  und  Nachlässigkeit 
des  Verfassers  wie  der  Correctoren,  welclie  letztere  doch  eigent- 
lich dem  Verleger  zur  Last  fällt,  hinlänglich  kennen  gelernt  ha- 
ben, sei  es  erlaubt,  nur  dann  und  wann  gelegentlich  wieder  eine 
dem  Leser  nützende  Berichtigung  aus  unserm  rciclien  Vorrathe 
initzutheilen,  indem  ein  fast  dtirchgängig  corrigirtes  PJxemplar  der 
zweiten  Aufl.,  aus  welcher  noch  selir  viele  Fehler  in  diese  über- 
gegangen sind,  dem  Ref.  zur  Hand  ist.  So  wie  er  früher  dem 
Verleger  diese  Berichtigungen,  jedoch  erfolglos,  angeboten  hat, 
ohne  irgend  eigennützige  Bedingungen  zu  machen,  so  ist  er  auch 
jetzt  zu  deren  Mittheilung,  sei  es  privatim  an  den  Verfasser,  oder 
ülfentlicli  an  das  philologische  Publicum,  sehr  gern  bereit.  Olin- 
geaclitet  des  beinalie  aclit  eng  gedruckte  Seiten  starken  Druck- 
fehler-Verzeichnisses (zu  S.  21  sind  allein  11,  schreibe  eilf 
Druckfehler  angezeigt)  sind  nehralicli  wenige  Bogen  zu  finden, 
die  nicht  ebenso  reiche,  aber  unerfreuliclie  Naclilese  gewährten, 
als  die  durchgegangenen  ersten  1-1  Seiten.  —  Es  sollen  nur  im 
Folgenden  bloss  die  wichtigeren  Pnncte,  namentlich  aus  den  laut 
oben  gegebener  Lebersiclit  neu  hinzugekommenen  Abschnitten, 
wo  Kef.  nicJit  mit  dem  \  erfasser  übereinstimmen  kann,  mitge- 
Iheilt  werden;  alle  nicht  besonders  nieder  erwähnten  Abschnitte 
gehören  also  im  Ganzen  zu  den  mit  Dank  ^om  Verfasser  ange- 
nommenen Gaben. 

S.  23  *)  Z.  11  ist  zu  lesen:   von  ancipitibus  könne 


S90  Griechische    Littcratur. 

vor  Erfindimg  der  Zeichen  für  die  lan2:en  E  u.  0 
n  i  c  li  t  d  i  e  K  e  d  e  sein;  womit  W  o  11"  s  Aeiisserun^s:  Präf.  iiov. 
ed.  IL  S.  LXL\  widersprochen  werden  soll.  Wenn  Ref.  AVolfs 
Meinung  recht  versteht,  so  kann  grade  zn  der  Zeit,  wo  die  iiiigua 
tenera  war,  mit  vollem  Rechte  von  ancipitibus  die  Rede  sein, 
indem  damals  noch  alle  Vocale  ancipites  waren ,  wie  z.  R.  im  La- 
teinisclien  imd  Deutschen  zu  allen  Zeiten.  —  S.  28  *)  ist  das 
Citat  aus  Callimachus  Epigr.  30,  6  nach  der  falschen  Lesart 
Bentley's  ii.  Brunck's:  code  öacpä^  abgedruckt;  Jacobs 
Antli.  Gr.  XII,  4S  liest :  Tovto  öacpag.  —  §  18  erwartet  man  in 
der  Ueberschrilt  die  IlinzuiViguug  des  lateinischen  grannnatischen 
Axisdrucks:  spiiitus^  wie  dies  anderwärts,  z.  R,  §24,  geschehen, 
hier  aber  unterlassen  ist. —  §  21,  7Amn.  2  sollte  zn  der  Ausnah- 
me axBXELQia^  auch  noch  a^nhico  und  die  davon  liergeleitetea 
Wörter  hinzugefügt  sein  ;  wozu  Acw  Verfasser  schon  die  Recen- 
sion  der  zweiten  Ausgabe  der  griechisclien  Grammatik  für  Anfän- 
ger, Leipz.  Lit.  Zeit.  1821  Nr.  163,  liätte  veranlassen  können.  — 
§  25  muss,  Avenn  Zeile  5  xBZQlcp^av  steht,  aucIiZ.  3  u.  4  rirglß- 
6&cci  u.  TBTQißd-aL  gelesen  werden,  nicht  tETQißöQ-ai,  n.  TEXQiß^ca^ 
denn  das  Iota  ist  von  Natur  lang.  —  Die  Tafel  §  37  über  die  ira 
geraeinen  Dialekt  gebräuchlichen  Zusammenziehnngen  ist  viel  pas- 
Ipender  eingerichtet,  als  friiher;  nur  ist  ein  böser  Druckfehler  ste- 
hen geblieben:  aij  in«,  statt:  in  «;  die  nicht  hierhergehörenden 
C3V  aus  gjt)",  imd  vi,  aus  vi  sind  richtig  weggelassen.  —  S.  50  Z. 
JO  ist  angeführt,  dass  aus  ocal  äv&r]  jetzt  bei  den  Neugriechen 
niav^iq  w  erde ;  dagegen  ist  zu  bemerken,  dass  dieses  im  Neugrie- 
chischen nicht  ein  Wort  ist,  sondern  zwei :  gewöhnlicli  wird  es 
fehlerhaft  geschrieben :  xt'  äv&rj^  aber  richtiger  ist  zu  sclireiben  : 
^läv&r]^  da  durch  Synizesis  dami  >ct,  die  verkürzte  neugriechische 
Form  von  aal^  mit  dem  folgenden  a  zu  einer  Sylbe  in  der  Volks- 
sprache verschmilzt.  —  §  40  folgen  die  neu  hinzugefügten  In- 
schriften von  Melos  und  Elis,  §  41  die  von  Sigeum  und  Polidäa. 
S.  52  Z.  1  steht  hier  durch  einen  Druckfehler:  wg,  statt:  ag.  Nur 
die  zwei  Sigeischen  Inschriften  Mollen  v> ir  vergleichen  und  finden 
in  der  ersteren  Z.  5  den  ersten  Buchstaben  rechter  Hand  K  statt 
jj ;  in  der  kleineren  Z.  8  den  ersten  Buchstaben  rechter  Hand  ^J 
statt -^,  den  vierten  O  statt  0;  minder  >viclitiger  Aenderungen 
in  den  Zeichen  selbst,  oder  wirklicher  Varianten  nicht  zu  geden- 
ken. —  In  dem  nächsten  Abschnitte :  von  der  R et o n u n g  der 
Wörter,  ist  §  4(5,  7  Anm.  die  mitrennbare  Enclitica — ös  nur 
unvollständig  erwähnt,  allein  als  die  Demonstrativa  verstärkend; 
an  die  Bildung  der  Adverbia  auf  die  Frage  Mohin  durch  die  An- 
hängung derselben  an  den  Accusativ  der  Substantiva  ist  hier  nicht 
einmal  durch  ein  Beispiel  der  Art  gedacht,  welches  mn  so  nolh- 
wendiger  war,  da  §  177,  21  und  198,  5,  wo  dieselbe  wieder  vor- 
kommt, der  £yx/ltötg  nicht  gedacht  ist.  Wenigstens  mussteThiersch, 
wenn  er  dieses — ös  nicht  als  enclilicon  betrachtet,  in  ehier  aus- 


Griecluschc  Graminatlk  v.  Thlcrscli.  Rcgiüter  zu  dcrs.  v.  Richter.  301 

fiilirliclicrcii  Grammatik,  wie  diese  ist,  es  anzeiiren,  dass  und  wa- 
rum er  hierin  von  andern  (»ramniatikern  abweiche.  Die  Schrei- 
bung o^xorÖE  jedoch,  §  ]S1,  4Ö  Z.  1  v.  u.,  spricht  niclit  für  letz- 
tere Annahme.  —  §  47  S.  (55  unten  £:lauben  wir  der  Aeussernng 
widersprechen  zu  müssen,  dass  die  Aussprache  der  jetzigen  Grie- 
clien ,  welche  z.  U.  in  dem  kränzen  Gebiete  der  Eiiklisis  den  fein- 
sten Gesetzen  der  Alten  treu  geblieben  sei,  oder  vielmehr  der  Be- 
toiuing,  aus  der  sie  geschöpft  wurden,  auch  in  den  übrigen  Thei- 
len  der  Betonung  das  Walire,  wenigstens  im  AVesentliclien,  erhal- 
ten habe,  und  nur  darin  fehlerhaft  sei,  dass  sie  die  Länge  der  Sil- 
ben neben  dem  Acutus  nicht  einhalte.  A  ieles ,  was  Ref.  aus  der 
neugriechischen  Literatur  in  Prosa  und  Aersen  kernt,  lässt  sich 
damk  nicht  a ereinigen:  z.  B.  der  acutus  auf  der  drittletzten,  bei 
langer  letzter  Sylbe ;  der  acutus  auf  der  viertletzten,  wemi  zwei 
der  drei  letzten  Sylben  durch  Synizesis  zusammengezogen  sind ; 
das  Kücken  des  Accentes  nach  dein  Bedürfuiss,  des  \  erses  von 
einer  Sylbe  auf  die  andere,  welches  in  den  neugriechischen  Yolks- 
gesängen  selir  häufig  ist;  die  Unterlassung  der  Enklisis  überall, 
wo  das  sonst  enklitische  Pronomen  nicht  hinter  seinem  llegens 
stellt,  wie:  vd  öäg  rd  dcoöco,  nie:  vd  ödg  xu  dcoöco,  dass  ich 
sie  euch  gebe;  ohne  dass  die  Pronomina  hier  besonderen  jNach- 
druck  hätten.  Leicht  Hesse  sich  noch  mehr  der  Art  anführen, 
und  wird  Herrn  Thiersch ,  der  das  JNeugriechische  nicht  bloss 
kennt,  sondern  auch  schreibt,  nicht  unl)ekannt  sein.  — ■ 

In  der  Lehre  von  der  Declination  fällt  es  auf,  dass  § 
49  der  iSominativ  ohne  weitere  Erklärung  zu  denCasibus  gerech- 
net M'ird,  da  dies  wenigstens  im  Singularis  nur  uneigentlich  ge- 
schehen kann,  denn  er  ist  kein  Beugefall,  sondern  die  ursprüng- 
liche Form  des  iNomens.  Der  gro])e  Schreib-  oder  Druck-Fehler 
§  49,  2  Z.  4  y,ki(5iq  für  TcrcoöLq  hätte  nicht  Vibersehen  werden  sol- 
len. —  Der  folgende  fünfzigste  Paragraph  ist  in  seiner  ersten 
grösseren  Hälfte:  von  de  r  D  ec  li  natio  n  überhaupt,  eine 
der  werth\ollsten  Bereicherungen  dieser  Aufl.,  und  steht,  so  weit 
lief,  mit  der  gramjuatischen  Literatur  bekannt  ist,  als  Beweis  um- 
fassender Gelehrsamkeit  und  genialer  Auflassung  wahrhaft  einzig 
da.  —  Bei  deriliinveisimg  auf  Buttmann's  Ausführl.  Gr.  Gr.,  wel- 
che S.  18  II.  79  Statt  findet,  sollte  doch  angedeutet  sein,  dass  der 
A  erfasser  hier  das  Gegentheil  \on  Buttmann's  Behauptungen  dar- 
tliut,  indem  der  weniger  kundige  Leser  sonst  verleitet  wird,  Butt- 
niann  für  einen  Gewährsmaim  der  Aussprüche  des  Verfassers  zu 
halten.  —  §  05,  2  Anm.  Z.  1  am  Ende,  muss  es  statt:  g^a/lay^tv, 
heissen :  (pakayyöiv ,  und  ausser  auf  §  25,  3  muss  in  der  näch- 
sten Zeile  auf  §  22,  2  u,  3  verwiesen  werden.  —  §  57,  5  ist  die 
Hegel,  dass  die  |)ura  auf  tg  das  t  des  iN'ominati\s  im  Accusativ  auf 
r  wieder  annehmen,  unvollständig;  sie  muss  heissen:  alle  diese 
l)ura  auf  tjj,  v£,  av^  und  ot>g  haben  den  einfachen  Vocal  oder  den 
Diphthong  des  iNomhiativs  auch  lor  dem  v  des  Accusativs.   In  der 


892  Gric  chis  che  Littcratur. 

Anmerkung  zu  diesem  Absatz,  welche  dieser  Aufl.  neu  ist,  und 
einem  wesentlichen  Mangel  abliill't,  sollte  die  Bemerkung,  dass 
die  Form  des  Acc.  auf  a  die  poetische  ist,  niclU  zu  dein  Worte 
stolvTiovs  allein,  sondern  zu  der  ganzen  Anmerkung  gehören.  — 
Auf  derselben  Seite:  6  Anm.  Z.  4,  ist ' AjtoXXov  ri(thtig  gelindert 
\i\"ATtolXov;  aber  es  müssen  auch  Z.  5   die  Worte:     Ueide 
letzteren,  nun  gestrichen  werden,  denn  nicht  bloss  IIoöELdov 
und  CcötSQ,  a\ich"j47to?.lov  zieht  immer  den  Accent  zurück,  z.  B. 
II.  /3,  371  und  häufig  hn  Homer.—  §  58  Z.  2  ist  der  Druckfehler 
Q  statt  Q  aus  der  2ten  iVufl,  in  diese  übergegangen.  —  S.  1)0  Z.  3 
V.  u.  muss  es  statt:  jkqlkI -  tea^  heissen :  UEoack-äe -a.  —  §  ßO, 
9  hat  Richter  schon   in  dem  Nachtrage  zu  Aq.\v  Druckfehlern  der 
2ten  Aufl.  hinter  seinen  Kegistern  die  Genitive  auf  eog  geändert 
in  £CJg,  luid  dies  ist  niclit  allein  hier  in  den  Text  unserer  Aufl. 
aufgenommen,  sondern  auch  unter  10  bei  sechs  Wörtern  dieser 
Attische   Genitiv  hinzugefügt;   nacli  des  Ref.  Meinung   gehörte 
das  nicht  hierher,  daThierscli  hier  überall  weder  contraliirte  noch 
Dialekt -Formen  Iiat,  auch  anderwärts,  z.  13.  12  bei  <x(5xv  die  un- 
attisclie  Form  aötsog  stehen  geblieben  ist,  zumal  unter  ]Nr.  10, 
wo  ausdrücklich  die  Wörter,  deren  Stamm  sich  auf  t  endigt,  an- 
gefiihrt  werden ,  der  Genitiv  auf  log,  den  der  Verfasser  meinte, 
also  von  selbst  klar  war,  und  nicht  hinzugefügt  zu  werden  brauch- 
te, dalüngegen  sie  nach  dem  jetzt  hierstehenden  auf  £a)g  in  eine 
ganz  andere  Classe  gehörten.     Druckfehler  ist  hier  auch  der  Ge- 
nitiv:  Atoj,  statt :  Atdg. —  InderBeliandlungder  Adjectiva  muss  es 
§  63,  4  Z.  2heissen:  ro'g,  T£og,  aog:  statt:  rog,  £og,  Kog;  und 
Z.  4:  po's,  vog,  Xög:  statt:  pog,  vog^  Aog.  —  §  (55  steht  in  der 
Ueberschrift  neu:  B  etonung;  im  §  selbst  ist  aber  weder  Altes 
noch  Neues  der  Art  aufzufinden,  was  die  Ueberschrift  rechtfer- 
tigte. —  §  66  S.  103  in  dem  Paradigma  ^älag  ist  der  Vocativus 
Singularis  richtig  geändert  in  ^eXav^  statt  des  ^sXag  der  2ten  Aufl. ; 
die  Aenderung  findet  sich  aber  auch  diesmal  erst  in  den  Berich- 
tigungen S.  710.  Ob  der  Voc.  (ie?,av  vorkommt,  ist  dem  Ref.  nicht 
im  Augenblicke  gegenwärtig,  aber  analog  ist  es  gebildet  der  si- 
chern Form  ß  xäiav.  Od.  18,  327;  19,  68;  Theokr.  Id.  1,  82. 
Auch  steht  c<3  (ieXciv  als  Paradigma  in  der  sogenannten  Märkischen 
Grammatik,  Berlin,  1730,  S.  320.  —  Ein  ähnlicher  Fehler  un- 
serer Aufl.  ist  aber  unberichtigt  geblieben;  es  fehlt  nehmlich  S. 
105  der  Voc.  Sing,  zu  ykvKvg;.  da  er  doch  beim  Dual  und  Plural 
mit  aufgeführt  ist.     Der  Voc.  Sing.  Fem.  yXvxBta^  wiewohl  apo- 
strophirt,  steht  Pind.  Ncm.  5,5,  der  Voc.  Masc.  und  neutr.  auf 
V  steht  auch  im  Paradigma  der  oben  angeführten  Mark.  Gramm. 
S.  276  •rjöv.     Denselben  Vocativ  hat  auchButtiuann  Ausf.  Gr.  Gr. 
Bd.  1  S.  178.     Diese  beiden  Autoritäten  werden  wohl  fürs   erste 
genügen,  wenn  dem  Ref.  nicht  gleich  eine  Stelle  eines  Classikers 
für  den  Voc.  Masc.  u.  Neutr.  zu  Gebote  steht,    besonders   da  der 
sonst  so  sorgsame  Fischer  ad  Wtilleri  Gi'.  Gr.  die  Form  nicht  zu 


Gricclilsclic  Grammatik  v.  Thicrsch.    Register  zu  ders.  v.  Richter.  393 

cnväliiicii  sclieint.  —  §  77,  5  Z.  5  hat  Riclitcr  sclion  zu  ilcr  2tcn 
Aiitl.  tlcu  deiitsclieu  Genitiv:  mein  ^ou  ich,  jinderii  wollen  in: 
meiner,  welclie  Form  p\r  nidit  die  allein  Aorkommcnde,  kaum 
die  liäufigere  ist;  Aufl.  3  ist  die  Aenderung  in  den  Text  aufge- 
nommen. — 

In  dem  zweiten  Abschnitte  des  ersten  Buches,  v  o  m  Z  e  i  t  w  o  r- 
te,  beireiTficn  wir  zuiiäclist  wieder  Herrn  Corrector  Richter  auf  ei- 
nem falschen  ^Veire,  \\enn  iileich  in  Kleiniiikeiten,  die  er  sehr  wich- 
tig behandelt.  Thierscli  liatte  §  {>2,  2  Anm.  3  geschrieben:  das 
(Augmentum)  temporale  statt  des  syllabischen  nehmen  so,  dass 
auch  der  Asper  vom  AVorte  darauf  zurückgeht,  ccUökco  ii.  s.  w. 
Richter  setzte  das  Komma  liinter:  so,  vor  dieses  Wörtchen,  und 
schaltete  Wichtiges  ein;  er  wollte  schreiben:  das  temp.  statt  des 
syllab.  nehmen,  so  dass  auch  der  Asper  und  Lenis  vom  Worte 
darauf  zurückgeht  ('?!).  Aufl.  3  seilen  wir  nun  beide  Commata 
vor  und  hinter  so,  aber  der  Zusatz  ist  docli,  als  sich  von  selbst 
verstehend,  gliicklich  weggeblieben.  —  Auf  derselben  Seite  133 
unten  stört  die  Accentuation  bei  dem  untrennbaren  dvg  statt  dvg 
Z.  11  u.  Z.  2  V.  u.  (§  110  Anm.  5  Z.  4  steht  richtig  övg),  so  wie 
die  ungleiche  Orthographie  in  övgcoTiiLV  mit  g,  Z.  1  v.  u. ,  und 
iduö  (ÖTCEov^  övöTvxBLv  mit  (7,  S.  134  Z.  1.  —  §  125,  24  Z.  5 
wird  zuerst  das  Verbum  oqpfAA«,  ich  s  oll,  mit  einem  vermeinten 
Futurum  6q:s?.7']öoi  erwähnt,  auf  welches  Zeitwort  der  Verfasser 
später  §  ]2J),  55,  so  wie  §  232,  112  Meitläuftiger  zu  sprechen 
kommt,  indem  zugleich  die  verwandten  Yerba  ocpüla  und  6(plc3 
besprochen  werden.  Ref.  setzt  voraus,  dass  wenigstens  die  2te 
Aufl.  dieser  Grammatik,  und  zwar  in  derselben  §  125,  24,  §  129, 
55,  §  232,  98  dem  Leser  vor  Augen  ist,  luid  wiederholt,  um  Ramn 
zu  sparen  nur  das  JNothwendigste  von  dem  dort  Gesagten,  tun  seine 
Bemerkungen  daran  zu  knüpfen.  Zunächst,  meint  er,  sollte  §125, 
24  gelesen  werden:  ofpkco ,  ich  bin  schuldig,  verpflich- 
tet; Fut.  ocphjöco ;  vielleicht  kömite  auch  der  Verfasser  im  Sinn 
gehabt  haben:  orpdla ,  ich  bin  sclnildig;  Fut.  ocpsiX^öco. 
Denn  ocphlXio  hat  im  Fut.  6q)S.X(a ,  und  heisst  im  gemein  Griechi- 
schen :  i  c  li  vermehre;  kommt  aber  bei  Homer  eiiiigemal  in  der 
Bedeutung  von  üq)Bi?.cö  vor,  jedoch  nur  im  Praes.  u.  Imperf. ,  hat 
also  in  dieser  Bedeutung  gar  kein  Futurum.  Sonst  heisst  6(pElXa 
auch  bei  Homer:  ich  mehre.  Ein  Futurum  orpelrjöco  giebt  es 
erstens  gar  nicht;  zweitens  wäre  es  auch  hier  nicht  den  andern 
Beispielen  analog  von  6(pil7.co  gebildet,  indem  nirgends  ein  Con- 
sonaut  ausgefallen  ist.  Damit  es  für  die  oben  aufgestellte  Ver- 
muthung  nicht  an  Belegen  fehle,  soll  für  6q)hjö03  nur  Demosth. 
ed.  Reiske  T.  II  p.  834  cxlr.  und  für  ocpSLXr'jöco  Xen.  Cyr.  MI,  2, 
28  angeführt  werden.  Mit  dem  hier  über  dqcfc/l.lw  Gesagten  ver- 
gleiche man  aber  auch  Buttmann  Ausf.  Gr.  (»'r.  Bd.  2  Abth.  1  S. 
203.  204,  wo  als  ursi)rüngllclie  l'orm,  jedoch,  den  Citaten  nach, 
auch  nur  im  Präs.  und  Imperf.,  für  Homer  6q)i?.kco  angenommen 


394  Griechische  Lltteratur. 

wird.  —  Wenn  wir  diesem  gemäss  die  zweite  Stelle  bei  ThierscTi 
§  129,  55  betracliten,  so  ersclieint  liier  die  Correctur  Richters  zu 
Aufl.  2  statt:  ocpAco,  zu  lesen:  ocpiXlco,  Mclches  Aufl.  3  zu  oq^la 
dazu  gesetzt  ist,  durchaus  un})assend;  denn  in  der  Bedeutung: 
schuldig  sein,  gehört  otpslXco  bloss  in  die  Homerische  Gram- 
matik, §232,  112,  hin,  wo  es  aber  in  dieser  Bedeutung  ganz  felüt. 
Was  aber  den  55sten  Artikel  des  129sten  §  selbst  anbetrilFt,  so 
ist  liier  zimächst  zu:  6(psX,  ocpX  n.  26  citirt,  da  allein  n.  26  Aura, 
passen  könnte,  wenn  von  ocpE^lo  ein  Futiirum  mit  Weglassung 
des  mittleren  £  gebildet  Miirde.  orpillco  geht  aber  regelmässig  als 
verbum  liquidum,  mit  alleiniger  Ausnahme  der  Homerischen  Form 
des  Optativi  Aoristi  1  6<fiXkuiv,  von  der  §  232, 112  die  Rede  ist. 
—  Dann  sollte  es  statt:  ocpil^  dqpAiöx  n.  47,  27,  heissen:  ocplSy 
6q)Xti  6g)Xiöx  n.  27,  47.  —  Von  einem  Manne,  der  so  stieng  ist 
in  Beurtheilung  der  vermeinten  Uiifornien  Anderer,  wie  der  Ver- 
fasser S.  707  II.  folg.,  sollte  man  wohl  grössere  Genauigkeit  er- 
wai'ten  können. —  In  der  nächstfolgenden  Abtlieihing  der  Formen- 
lehre: von  den  Partikeln,  wollen  wir  nur  den  gleich  vorn 
§  130,  2Z.  4  aui'stossenden Druckfehler:  övvQ'Eöiiol^  statt:  övv- 
ösöfioi  rügen.  —  In  dem  ganz  umgearbeiteten  140sten  §  ist  vie- 
les berichtigt,  umgestellt,  erweitert  und  weggelassen  ;  aber  jcav- 
6l%o).og  findet  sich  noch  S.  201  Z.  1 ,  m  enn  auch  mit  berichtigtem 
Accent  statt  des  7Cav6L%6Xog  der  2ten  Aufl.  Dem  Ref.  ist  jedoch 
keine  Autorität  eines  Classikcrs  für  dieses  Wort  bekannt,  aucli 
Stephanus  hat  es  nicht;  daher  wäre  es  gewiss  passender  gewesen 
eine  von  den  Jedermann  bekannten  Zusammensetzungen  Tiavöl- 
kvnoq^  TtavöLVOöog^  Ttavöijcovog  zu  nehmen.  — 

So  sind  w  ir  dem  Verfasser  bis  hierher  S.  1  bis  203  durch 
das  erste  kleinere  Drittheil  seines  Werkes  gefolgt.  Zwei  grösse- 
re Drittheile,  die  zweite  Hälfte  der  Formenlehre:  von  dem  Verse 
und  dem  Dialekt  des  Homer,  und  über  die  vorzüglichsten  Abwei- 
chungen der  Dialekte  von  dem  des  Homer,  S.204  —  432,  und  dann 
die  ganze  Syntax,  S.  433  —  701,  sind  noch  übrig.  Gern  wird  Ref. 
bei  erster  Gelegenheit  imd  Müsse  auch  durch  diese  den  geneigten 
Leser  zu  geleiten  versuchen ,  und  die  versprochene  Beurtheilung 
der  Richterschen  Register  anfügen. 

Liegnitz,  im  September  1826. 

Dr.  Fr.  Schnitze. 


Lesbiacorura  liber.      Coinpos,  PlcLn.  395 

Geschichte. 


Jjeshiacornm  über.  Composuit  S'.  L.  PlcJin  PIi.  Dr.  AocossU  ta- 
bula Geoj^raphica  aerl  incUa,  quae  Lesbi  insulae  exhibet  figuram. 
Berullni  iii  comuiis.  Fr.  Nicolai.  1820.  218  S.  8. 

K^ci((iciu  der  unlän£:st  verewigte  Miinso  in  seiner  Schrift  über 
Sparta  den  ersten  bedeutenden  Seliritt  gewagt  liat  zu  der  genaue- 
ren Krlorscliung  der  Hellenischen  Staaten,  ist  schon  nianclies 
gründlich  gearbeitete  Werk  ans  Tageslicht  gefördert  worden,  wo- 
rin gewisserinaassen  demjenigen  vorgearbeitet  ist,  welcher  der- 
einst eine  so  Aiel  als  möglich  vollständige  Geschichte  des  gesaram- 
ten  Hellenischen  Lebens  darzustellen  den  3Iuth  und  Eerut*  in  sich 
fühlen  wird  Ausser  K.  O.  ÄlüUers  geistreiclien  Schriiten  über 
die  31iiiyer  und  Dorier  sind  mehrere  3Ionogi-aphien  über  kleinere 
Staaten  und  Inseln  erschienen,  deren  Verfasser  grösstentheils  aus 
Uoecklis  Schule  hervorgegangen  sind.  Das  jüngste  Erzeugniss 
der  Art  ist  die  vorliegende  Abhandlung  des  Herrn  Dr.  Plehn  über 
Lesbos,  welche  alle  die  vortrefflichen  ^Eigenschaften  besitzt,  die 
den  Schüler  des  Lehrers  nicht  unA\ürdig  machen.  Besonnenheit 
und  Gründlichkeit  in  Dehandlung  des  Gegenstandes,  Reife  und 
Schärfe  des  Urtheils  in  Acrwickelten  Fragen,  Klarheit  und  Zwang- 
losigkeit  in  der  Darstellung  und  Einfachheit  in  Entwickelung  der 
Thatsachen,  alle  diese  Eigenschaften  und  ausserdem  noch  andere 
werden  jeden  unparteiischen  Leser  für  die  wohlgelungene  Schrift 
einnehmen.  Mehr  zum  Lobe  hier  beizubringen  würde  kaum  der 
jMühe  lohnen,  denn  das  Gute  bedarf  keines  Anpreisers.  Wir  wol- 
len demnächst  den  Spuren  des  Verfassers  nachfolgen,  und  da, 
wo  es  nöthig  zu  seyn  scheint,  unsre  Bemerkungen  beifügen. 

Die  ganze  Sclirift  zerfällt  in  seclis  Cajjitel,  deren  jedes  einen 
besonderen  die  Insel  Lesbos  betreffenden  Punkt  erörtert. 

Cap.  1  paff.  1 — 23.  Geographische  Schilderung  der 
Insel.  Zunächst  wird  gehandelt  über  die  Grenzen,  über  de» 
Flächeiu'nhalt ,  über  den  Ursprung  des  INamens,  über  das  Klima, 
über  die  Producte ,  unter  denen  nainentlich  der  Wein  sich  aus- 
zeichnet, über  die  Flüsse,  deren  es  sehr  wenige  und  sehr  unbe- 
deutende giebt,  über  die  Berge  und  Städte.  JMit  Recht  wird  nach 
der  Aiictorität  der  Münzen  die  Ortliographie  der  Hauptstadt  da* 
hin  entschieden,  dass  in  der  etsten  Sylbe  ein  v,  in  der  zweiten 
ein  i  geschrieben  wird,  also  MvrL?j']vr] ^  nicht,  wie  in  gedruck- 
ten Büchern  sonst  gewöhnlich,  MtTfij^vjy.  Alkinwenn  H.  Plchn 
S.  11  für  die  erstere  Schreibart  auch  den  Stephanos  ^on  BNzantion 
anfuhrt,  so  niuss  hinzugefügt  Verden,  dass  nach  den  bisher  er- 
schienenen Ausgaben  diese  Saclie  allerdings  richtig  ist,  keines- 
wegs aber  alle  Handschriflen  übereinstimmen.  Der  vortreffliche 
Codex  Rehdigeranus  in  Brej«Iau,  dessen  \ariantcn  Passow  in 


396  Grlechisclie  Geschichte, 

einem  Proii^ramm  (Vratisla^  iae  1824.  4)  lierausgeg'eben  hat,  bie- 
tet folgcmle  Lesarten  dar:  Alitvfi.^vrj  —  ccito  MLxvh'iVrig  xiiq 
MaiöaQog  rj  TliloTCog  ^vyaxQÖq'  ol  Ös,  ort  MiTvhjg  t^v  6  ol- 
ai0ri^g,  ot  de  aTio  Mvvcovog  xov  IIoOHdcövog  xal  MiTvXyjvrig, 
ÖQ^BV  Mvxavida  zaXsl  trjv  Asößov  KalU^axog  xrL  Audi  wei- 
ter unten  MttvXrivalog  statt  der  wiXs,: Mvxilrivalog.  Nun  stimmt 
zwar  die  Breslauer  Lesart  nicht  mit  der  alphabetischen  Ordnung 
überein;  allein  mehr  Consequenz  findet  sich  darin  ohne  Zweifel, 
man  darf  nur  die  Stelle  selber  genau  ansehen.  Wenigstens  wi- 
derspricht sich  die  Vulgata,  wenn  sie  anfangs  MTxIhjvr]  giebt, 
und  weiter  imtcn  IloöeLÖcovog  xcct  MlxTX)]vrjg.  Auch  die  mei- 
sten Stellen  bei  Herodotos  geben  MixvX.  Da  nun  ausserdem  das 
Marmor  Parium  und  andre  Inschriften  bei  Gruter  mit  der  gewöhn- 
lichen Orthographie  Vibereinstimmen,  so  geht  daraus  zur  Genüge 
hervor,  dass  die  Etymologie  des  Wortes  bei  den  Alten  selbst  un- 
bestimmt war.  Diejenigen,  welphe  nach  Stephanos  den  Namen 
von  des  Pelops  Tochter  MLXvXr^vr]  oder  vielmehr  von  dem  angeb- 
lichen Griinder  der  Stadt  Mixvkyjg  ableiten  wollten,  musstennoth- 
w endig  schreiben  MIxTXrjvr]^  die  andern  dagegen,  m eiche  auf 
Mvxav^  des  Poseidons  Sohn,  zurückgingen,  nach  dem  sogar  Kal- 
lunachos  die  ganze  Insel  Mvxcjvig  benannt  haben  soll,  müssen 
consequenter  Maassen  auch  MTxIXrjvr]  schreiben.  Obgleich  nun 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  diese  Genealogien  erst  später  gebil- 
det worden  sind,  nachdem  der  Name  der  Stadt  schon  lange  be- 
standen haben  mag;  so  rührt  doch  die  zwiefache  Ableitung  von 
den  Alten  selbst  her.  Da  aber  die  Münzen  die  von  dem  Volke 
selbst  gebrauchte  Orthographie  beuikundcn,  so  müssen  uns  diese 
zm*  Richtschnur  dienen. 

Cap.  II  pag.  24.  — r  P  o  11 1  i  s  c  h  e  G  e  s  c  li  i  c  li  t  e.  Zu  den  p. 
24  Not.  3  angeführten  Lesarten  kommt  aus  dem  Cod.  Rehd.  noch 
eine  vierte,  Maiöag^  hinzu.  Zuerst  wird  gehandelt  von  der  Pe- 
lasgischen  Ansiedelung  der  bis  dahin  wüsten  und  unbebaueten  In- 
sel und  damit  verbunden  eine  allgemeine  Ansicht  von  den  Pelas- 
gern  nach  den  Resiütaten  K.  O.  Müllers.  Vollen  Beifall  zollen 
wir  H.P.s  Erklärung,  dass  weder  \o\\ Mä/MQnödi  von  MuxccQSvg 
(wie  Diodoros  erzählt),  welche  nach  der  Deukalionischen  Fluth  Les- 
bos  beherrscht  haben  sollen,  der  Volksname  Maxagsg  herstam- 
me, sondern  dass  jene  Namen  ganz  denjenigen  Genealogien  zu 
vergleichen  seyen,  zufolge  deren  Ion  Stammvater  der  loner,  Do- 
ros  der  Dorier,  Achäos  der  Achäef  u.  s.  w.  genannt  w  erden.  Denn 
aus  Herodot  I,  171  ist  bekannt ,  dass  Karer  ursprünglich  raehi-ere 
Inseln  des  Aegäischen  Meeres  beherrscht  haben,  und  unter  diesen 
auchLesbos,  wie  andere  Stellen  zur  Genüge  beweisen.  Etymologi- 
sche Gründe  schon  führen  auf  die  Verwandtschaft  der  Namen  KäQsg 
und  Mdzagsg^  und  es  ist  daher  keinem  Zweifel  unterworfen,  dass 
man  nach  dem  Namen  des  Volkes  den  Stammherrscher  MduttQ 
oder  MaxaQBvg  gebildet  hat.     Wir  möchten  daher  ebenfalls  bei 


LesLiacorum  Über.     Compos.  Plelin.  397 

Ilomer  II.  cj,  5-14  der  f^clseitii^  bestätigten  Lesart  Maxagav  tSog 
den  Voi'ziii?  einräujuen,  statt  deren  Heyne  xiiid  Wolf  aufgenom- 
men liaben : 

öööov  yisößog  ävco ,  Maxagog  eSog,  ivrog  Uqysl. 
Mit  Iveclit  scheint  auch  die  zweite  Krkläruug  des  Diodoros,  als 
■würde  die  Insel  wegen  ihrer  ungemeinen  Fruditbarkeit  Manägav 
Vtjöog  genannt,  fi'ir  eine  untergescliobene  Deutung  späterer  Zeit 
gehalten  zu  werden.  —  Darauf  wird  Lesbos  nacli  Ilomeros  be- 
sclirieben,  Einiges  über  fremde  Einwanderungen  beigebracht,  nnd 
zuletzt  die  \  ernnithung  aufgestellt,  dass  hier,  wie  in  den  meisten 
Hellenischen  Staaten,  früherhin  Königslierrscliaft  stattfand.  Als 
in  der  Folge  unter  dem  gesannnten  \olke  das  politische  Leben  er- 
wachte, entstanden  auch  hier  Kämpfezwischen  der  ursprünglichen 
llegierungsform  und  der  allgemein  um  sich  greifenden  demokra- 
tischen \  erfassnng.  ^N  ir  machen  nur  aufmerksam  auf  die  berühm- 
testen jSamen  der  streitenden  Faclionen,  3Ielanchros,  Al- 
käos,  Pittakos.  Einen  voilkonnnnen  lieweis  für  das  tliätige 
Leben  dieses  InseUolkes  liefert  ilir  fortwälirejuler  Krieg  mit  den 
Athenäern  um  die  \  este  Sigeion,  worin  die  Lesbier  zuletzt  frei- 
lich dem  1'oIn  krates  unterliegen  mussten.  Die  Schicksale  der  Grie- 
chischen Inseln  unter  Persischer  Hoheit  sind  bekannt  Lesbos 
schloss  bald  nachher  ein  Bündniss  mit  Athen,  fiel  aber  endlich 
doch  wieder  ab,  wodurch  die  berüchtigten  Schreckensscencn  bei 
Gelegenheit  der  Zerstörung  Mytilenes  Aeranlasst  wurden.  So  wird 
die  Darstellung  des  Lesbischen  Gemeinwesens  unter  verschiede- 
nen Formen  fortgeführt,  bis  zuletzt  unter  Pompejus  dem  Grossen 
Theophanes  Wiederhersteller  der  vaterländischen  Freiheit  ward. 
ISachmals  machten  sich  Agrippa  und  Germanikus  nebst  seiner  Ge- 
mahlin um  die  Insel  verdient,  wie  aus  Inschriften  deutlich  hervor- 
geht. —  >N  ie  S.  83  aus  der  angeführten  Inschrift  geschlossen 
werden  darf,  dass  Vespasianus  den  Lesbiern  die  Freiheit  entris- 
sen, Hadrianus  aber  dieselbe  Miederhergestellt  habe,  davon  kön- 
nen wir  uns  durchaus  nicht  überzeugen :  tksvdtQLog  ist  ein  Epi- 
theton, das  dem  Hadrianus  ganz  füglich  beigelegt  werden  konnte, 
ohne  dass  er  gerade  die  Freiheit  der  Lesbier,  zu  deren  Verlust 
übrigens  auch  der  Beweis  fehlt,  wiederhergestellt  haben  mnsste; 
es  bezieht  sich  auf  die  IJegierungsweisc  «les  Hadrianus  überhaupt 
in  Vergleich  mit  den  meisten  seiner,  wenn  auch  nicht  nächsten, 
Vorgänger;  ist  also  weiter  nichts,  als  ein  Epitheton  ornans  nnd 
mochte  \iell»'i<'ht  s(;lbiger  Zeitllofstil  seyn.  —  So  geht  es  fort  bis 
zu  den  IJyzantinischen  Kaisern  nnd  endlich  zu  den  'i'ürken,  deren 
liarbarei,  sowie  der  Griechen  überhaupt,  also  auch  der  Lesbier 
politisches  Leben  zu  Grabe  trug. 

Cap.  111.  1 )  II  e  g  ierun  gs  iorm  nnd  öffentliche  An- 
stalten der  Lesbiscjien  Städte,  pag.  87  —  !)4.  2)  See- 
fahrten, Flotten,  Handel,  p.  04  — <)7.  Wir  finden  kei- 
nen hinreichenden  Griuul ,  warum  in  der  Stelle  des  Alevis  statt 

Jahrb.  d,  Fliil.  u.  Fadu;^ .  Jahrg.  I.  Heft  2.  20 


S98  Griechische   Geschichte. 

der  Viilg.  Asößtov  (sc.  oXvov)  des  Casainbonus  Conjectur  y/s- 
ößloig  vorgezogen  werden  soll.  Im  Gegeutlieil  verliert  dadurch 
die  ganze  Stelle  an  Wahrheit,  indem  nach  der  Lesart  der  Hand- 
scliriften  nicht  nur  L  e  s  h  i  s  c  li  e  Schiffer  (wie  S  c  h  w  e  i  g  h  ä  u  s  e  r 
richtig  henierkt) ,  sondern  auch  alle  ührigen  Schiffer  Lesbischen 
Wein  zollfrei  in  Athen  einführen  durften.  Es  muss  demnächst 
das  Comma  nach  jtoiav  gestrichen  werden.  Uebrigens  kommt  es 
ja  auch  überhaupt  nicht  darauf  an,  was  unser  einem  besser  dünkt, 
sondern  wir  müssen  die  Worte  der  Alten  aufnehmen  und  erklä- 
ren, Mie  sie  uns  überliefert  worden  sind,  und  dann  erst  auf  Ver- 
muthungen  eingehen,  sobald  der  Text  augenscheinlich  verdorben 
und  eine  vernünftige  Erläuterung  gar  nicht  herauszubringen  ist. 
—  3)  Münzen,  p.  98  — 114.  Die  Inschriften  der  Lesbischcu 
Münzen  sind  aus  Eckliel,  Mionnet  und  andern  zusammeu- 
gcstelit. 

Cap.  IV.  1)  Religion,  p.  115  — 120.  Durch  die  Kreter 
ward  Apollonischer  Cultus ,  sowie  überhaupt  auf  die  Inseln  der 
kleinasiatischen  Küste,  also  auch  nach  Lesbos  verpflanzt.  Ausser 
diesem  Gotte  wurden  nach  geschichtlichen  Nachrichten  noch  ver- 
ehrt seine  Schwester  Artemis,  Zivq  vTregds^Log^  Here,  in  deren 
Tempel  Urtheile  gefällt  wurden  über  die  Schönheit  der  Mädchen, 
UäKXag  VTiBQds^la^  Aphrodite,  Asklepios,  Poseidon,  Dionysos, 
Persephone.  2)  üeber  der  Lesbier  geistige  und  sittli- 
che Anlagen,  p.  120  — 126.  Obgleich  die  Lesbier  zum  Aeoli- 
schen  Stamme  gehören,  welclier  den  lonern  an  Lebendigkeit  imd 
Geistesstärke  bei  weitem  nachstand;  so  veränderten  doch  die  Les- 
bischen Aeolier  im  Verlaufe  der  Zeit  ihre  angebornen  Eigenschaf- 
ten in^bedeutendem  Grade,  ein  Umstand,  der  durch  die  Inselluft 
bewirkt  worden  zu  seyn  scheint.  Die,  wenn  auch  nicht  allgemeine, 
unkeusche  Lebensart  der  Lesbier  dürfte  als  ein  Erbtheil  der  Aeo- 
lier betrachtet  werden,  von  denen  diejenigen,  deren  Geist  für 
höheren  Genuss  unempfänglich  war ,  unter  dem  günstigeren  Him- 
melsstriche die  Stunden  ihrer  Müsse  in  Entartung  von  dem  Wege 
der  Natur  hinbrachten.  Hr.  P.  meint  zwar,  vor  der  Persischen 
Herrschaft  hätten  sich  die  Lesbier  von  dem  berüchtigten  Verbre- 
chen (  i/Tumare ,  jlsößicc^Eiv  *) )  rein  gehalten ;  allein  ohne  hi- 
storische Begi'ündung  darf  das  doch  nicht  so  schlechte  eg  hinge- 
stellt werden.  Dass  aber  selbst  in  späterer  Zeit  das  Laster  nicht 
so  allgemein  eingerissen  war ,  als  es  von  manchen  Schriftstellern 
geschildert  wird,  das  hat  We  Ick  er  in  seiner  Schrift  über  Sap- 
pho  bis  zu  absoluter  Evidenz  dargethan.  Die  Dichter  der  neue- 
ren Komödie,  denen  oft  das  Heiligste  Gegenstand  der  Persiflage 
geworden,  mögen  Manches  anders  dargestellt  haben,  als  es  in  der 


*)  So  muss  wohl  geschrieben  werden  mit  grossem  Anfangsbuchsta- 
ben.    S.  Wolf  Litt.  Analekteu  I  p.  514. 


Lesbiacorum  Über.     Compos.  Plehn,  399 

Wirklichkeit  rorhaiulcn  war,  mitunter  aber  mich  dasjenige,  wag 
hier  und  da  auf  Leshos  wie  sonstwo  vorgefallen  ist,  auf  die  ganze 
Insel  iihergctragen  haben.  —  3)  Mundart  der  Lesbier,  p. 
126  — 131.  Da  der  schriftlichen  Lieberreste  so  wenige  sind,  so 
mVissen  wir  hier  hauj)tsäclilich  die  Inschriften  zu  Käthe  ziehen: 
die  von  den  Auslegern  zum  Gregorius  ('orinthins  beigebrachten 
werden  von  Ilru.  P.  durch  andre  Acrniehrt,  zum  Theil  aus  bereits 
schon  edirten  AN  erkcn  ,  zum  'l'heil  aus  IJocckhs  Vorrath.  Die 
absonderlich  mcrk\>iirdigen  grammatischen  Formen  wei'den  ange- 
geben imd  erläutert. 

C ap.  V.  Leber  der  L  e  s  b  i  e  r  T  o  n  -  u  n  d  D  i  c  h  t  k  u  n  s  t. 
1)E  pische  Poesie,  p.  132  —  138.  L  es  dies,  von  den  Alten  un- 
ter die  kyklischen  Dichter  gezählt,  war  entweder  in  Mytilene  oder 
in  Pyrrha  geboren,  und  blühete  ungefähr  um  die  2^ste  Olympia- 
de. 3Iit  ruhiger  Fassung  un-terscheidet  Hr.  P.  gegen  Heynes  und 
Hermanns  Ansichten  zwei  epische  (jJedichte  des  Lesches,  die  so- 
genannte kleine  Ilias  und  die  'JXiov  TtEgötg^  «eiche  letztere 
als  Fortsetzung  der  ersteren  zu  betrachten,  aber  nicht  in  den 
epischen  K}klos  mit  aufgenommen  worden  ist,  sondern  statt  ih- 
rer die '/Äiou  :rt'^(?ig  des  Ar  k  tili  OS.  Kin  zweiter  epischer  Dich- 
ter scheint  TelesisAon  Methymna  gewesen  zu  seyn,  dessen  je- 
doch nur  auf  der  tabula  Iliaca  Erwähnung  geschieht,  und  zwar 
in  der  Art,  dass  er  entweder  eine  Tirocvo^aiia  oder  eine  Fiyav- 
rofj.cr/Ja  besungen  haben  mag.  —  2)  Musik  in  Verbindung 
mi  tPo  esie,  p.  138  — 161).  Terp  an  drosaus  Antissa  hat, wie  die 
Alten  sagen,  für  d^n  epischen  Gesang  zuerst  Weisen  {t'öfxov^) 
aufgestellt,  was  jedoch  dahin  zu  deuten  ist,  dass  er  fVir  die  Aus- 
bildung dieses  Zweiges  sehr  viel  beigetragen  hat:  darauf  ist  auch 
die  S.  14!)  ansfefiihrte  Emendation  des  Marmor  Parium  zu  bezie- 
lien:  TUN  EMnPOXQE  M0T2JIKHN  METEETHEEN, 
statt  der  Seldeiiischen  Lesart:  s^7tQ06&8  fiov  ^txrjv  zrA.  Eben- 
falls sjiricht  dafür  die  iSachricht,  l'erpaiidros  habe  die  bis  zu  sei- 
ner Zeit  Aiersaitige  Lyra  in  eine  siebensaitige  umgebildet.  S.  161 
wird  eine  geistreiche  und  treflende  Conjectur  Doeckhs  mitge- 
theilt,  den  Terpandros  betreifend  auf  dem  Mar.  Par. ,  wo  die 
Vorschläge  der  früheren  Editoren  schon  desshalb  als  aus  der  Luft 
gegrilfen  anzusehen  waren,  weil  sie  dem  Terpandros  voiwvg  avX- 
eoÖr/.ovg  aufbürdeten,  die  mit  ihm  gar  nichts  zu  schallen  haben: 
B.  also  hat  vorgeschlagen:  TtoTtavÖQog  —  rovgvo^ovg  tovg  tcov 
y.L&anadolv  tdida^tv,  oüg  y.rd  avh]XYig  Ovv)]v?.rj(iS..  Diese  Worte 
werden  folgendergestalt  erklärt :  Terpandcr  ad  chordaruni  so- 
num  cecinit  nonws  vitharoedicos  ^  quos  comUabaliir  iibia.  Als 
Beleg  dienen  die  avl.oi  XL^tcQtöt/jQLOt  hci  Pollux  X,  81.  —  Auf 
den  'I'erj)an(lros  folgten  mehrere  andre  Musiker,  die  uns  jedoch 
weniger  bekamit  sind  :  von  höhn- Bedeutung  aber  ist  Arion,  des- 
sen \  erdienste  um  Mu>ik  imd  Poesie  gleich  gross  waren.  Audi 
uns   schehit  Müllers   geistreiche   Deutung  ( Dorier  II  p.  369 ) 

2(i* 


400  G  r  I  e  c  h  i  ä  c  h  e  G  e  s  c  li  i  c  li  t  c. 

selir  walirschcinllch,  dass  Arions  Seefahrt  auf  dem  Rücken  eines  Del- 
phins ModiHcation  einer  äheren  Sage  sey,  der  zuiol£;e  Poseidons 
SohnTaras  auf  einem  Delphin  vom  Vorgebirge  Taenaros  nach 
Tarent  (Taras)  in  Italien  getragen  worden :  diese  Sage  ist  nun  abei'- 
nials  Allegorie  von  Kolonien ,  welche  mit  Poseidonischem  Cultus 
aus  den  südlichen  Gegenden  des  Peloponnesos  nach  Italien  gezo- 
gen sind;  sowie  Aeneas  aus  Kleinasien  gewandert  seyn  soll,  und 
daselbst  zuletzt  gar  als  Stammvater  der  Körner  genommen  worden 
ist,  wo  man  doch  nur  an  Kolonien  zn  denken  hat,  «eiche  die  Sibyllini- 
schen  Weissagungen  und  mit  diesen  Poseidonischen  Cultus  nach  Ita- 
lien verpflanzt  hatten. —  Dass Ilerodots  Erzählung,  Arionhabe  zu- 
erst einen  Ditliyrambos  gediclitet  und  benannt  und  gelehrt  (d.  h. 
aufgeführt,  öidäönsLV  wie  docere  fabulaiii)^  nicht  wörtlich  aufzu- 
fassen sey,  wird  Jedcrmaim  gern  zugestehen :  bescheiden  fügt  ja 
auch  Herodotos  hinzu:  rav  ri^ilg  X8}iiv.  Was  die  Alten  imter  dem 
Worte  i.vQi6%uv  verstanden,  wenn  sie  die  ersten  Keime  von  Kunst 
und  Wissenschaft  bezeichnen  wollten,  leuchtet  einem  jeden  alsbald 
ein,  wenn  er  nur  mehrere  Beispiele  genauer  betrachtet:  jedes 
Volk  oder  jedes  Individuum,  welches  irgend  einen  Zweig  der  Kunst 
bis  zu  einer  hohen  Stufe  von  Vollkommenheit  gebracht  hat,  wird 
Erfinder  genannt.  Daraus  erklärt  sich,  dass  Einem  Gegen- 
stande oft  mehrere  Erfinder  beigelegt  werden :  so  nennen  Einige 
die  Karer,  Andre  die  Tyrier  Erfinder  der  Lastschiff"e,  weil  sich 
beide  durch  grosse  Seefahrten  in  frühester  Zeit  ausgezeichnet  hat- 
ten; so  sollen  die  Attiker  die  Bearbeitung  der  thönernen  Gefässe 
zuerst  versucht  haben ,  während  doch  dieser  Kunstzweig  fast  al- 
len Hellenischen  Stämmen  gemeinsam  ist  und  schon  bei  Homeros 
erwähnt  wird.  Siehe  Kritias  bei  Athen.  1  p.  28  B.  —  3)  Lyri- 
sche  Poesie,  p.  169  — 198.  Die  höchste  Blüthe  der  lyrischen 
Poesie  überhaupt  und  somit  auch  die  der  Lesbischen  bildeten  A 1- 
k  ä  0  s  und  S  a  p  p  h  o.  Sowohl  ältere  als  neuere  Schriftsteller  unter- 
scheiden zwei  Lesbierinnen  unter  dem  Namen  Sappho ,  die  Dich- 
terin aus  Methymna  und  die  Hetäre  aus  Eresos.  Allein  Ilr.  P. 
stimmt  Welckers  geistreicher  Ansicht  bei,  dass  man,  weil  die 
Dichterin  Sappho  in  der  Attisclien  Komödie  so  häufig  gleichsam 
als  Repräsentantin  der  Lesbischen  Mädchenliebe  (so  wie  unter 
Männern  die  Päderastie)  aufgestellt  worden  sey,  in  späterer  Zeit 
nothgedrungen  zwei  Personen  jenes  Namens  untei'schieden  habe. 
—  Die  zu  Herodot  II,  135  S.  179  gegebene  Erkläi-ung,  dass  in 
dem  Satze :  iv  (islsC  I^ancpio  noXkd  xaxEXEQroi.i'rjös  ftn',  das  Pro- 
nomen (.itv  auf  den  vorhergehenden  Charaxos  sich  beziehe,  nicht 
auf  die  Hetäre  llhodopis,  entspricht  zwar  ganz  und  gar  logischen 
und  hermeneutischen  Grundsätzen,  imd  aucli  wir  würden  unbe- 
denklich beipflichten,  liesse  uns  nicht  lieber  Athenäos  (XIII  p.  596 
B)  auf  eine  dem  Herodotos  so  gcwölinliche  grata  negligentia  schlie- 
ssen:  Athenäos  berichtet  nämlich,  Sappho  habe  ihres  Bruders  Ge- 
liebte Doricha  (so  werde  sie  von  Sappho  selber  genannt,  fälsch- 


Lcäbiacorum  IIb  er.      C  o  in  p  o  s.  Plclin.  401 

lieh  von  Ilcroilotos  'Podcöjtig^  die  R  o  s  c  u  \v  a  n  ^  i  ^  e ;  also  weiter 
nichts  als  Epitheton  ornaiis)  in  ihren  Liedern  durchgezogen  cos 
noXlä  xov  XaQui,ov  vo(3cpL6cc^tv)]V.  II.  P.  glaubt  nun  zwar, 
sowohl  Cliaraxos  als  Doriclia  seven  Aon  Sappho  gesclunäht  wor- 
den ;  allein  dafür  miissten  historische  Belege  beigebracht  werden, 
da  sicli  bis  jetzt  die  llerodotische  Stelle  auf  beiderlei  Weise  aus- 
legen lässt,  und  die  kleine  jNächliissigkeit  um  so  weniger  eine  Rü- 
ge verdient,  als  die  Sapphischen  Lieder  in  Jedermanns  Munde 
lebten,  und  desshalb  an  eine  Zweideutigkeit  fiir  die  Zeitgenossen  des 
Geschichtsclireibers  gar  nicht  zu  denken  war.  Auch  rächt  sich 
weiblicher  Unmuth  lieber  an  seines  (ileichen,  als  an  jMännern,  die 
sie  als  ins  iNetz  gelockte  und  verstrickte  eher  bedauern  möchten, 
worauf  selbst  des  Atlienäos  oben  an^zogene  Worte  zu  fiihreii 
sclieinen.  —  Wie  leicht  man  verleitet  werden  kaiui,  die  Redeu- 
tung  einer  ganzen  Stelle  falsch  aufzufassen,  wenn  irgend  eine 
Lieblingsansicht  unsre  Aufmerksamkeit  in  Anspruch  nimmt,  da- 
von liefert  II.  P.  S.  186  einen  Rew  eis :  denn  des  Iloratius  W  orte 
(Lp.  I,  19,  28) 

Te/nperat  jlrchilochi  Mnsam  pede  masci/la  Sappho 
deutet  er  so,  als  nähme  der  Dichter  Rücksicht  auf  den  berüchtig- 
ten Sprung  der  Sappho  vom  Leukadischen  Felsen.  W  ie  ist  das 
möglich ■?  Mascula  lieisst  Sappho  aus  keinem  andern  Grunde,  als 
weil  sie  in  ihren  Poesien  nicht  weiblichen,  sondern  männli- 
clien  Geist  an  den  Tag  legt.  Sie  aber  wegen  ihres  3Iuthes  im 
Springen  mascula  zu  nennen,  wäre  schon  an  und  für  sich  unpas- 
send, mid  kann  von  einem  Dichter,  wie  Iloratius,  mm  und  nim- 
mermehr herrühren.  Der  grosse  Rentley  construirt  schon: 
Sappho  miisam  tempcrat  pede  AicMlocM^  und  erklärt:  Ne  nii- 
reris  unt  qneraiis^  quod  niimeros  ArchUochi  noii  mutttverim; 
scias  et  Sapphoneni  et,Alcacum  (^quos  poelas  !^  musa/n  suam  il- 
lius  pede  leinperare;  scias  ulriimque  Archilocheos  mimeros  suis 
lyricis  iinmiscere.  Auch  der  selige  Voss  übersetzt  ganz  rich- 
tig: Stimmt  nach  Archilochus  Fuss  doch  den  Ton 
auch  Saffo  die  Männin.  II.  P.  also,  der  in  Roeckhs  Schule 
nicht  einlegen,  sondern  auslegen  gelernt,  und  davon  fast 
überall  in  seiner  Schrift  die  erwiinschtesten  Proben  gegeben  liat, 
>\ird  sich  hoffentlich  von  seiner  Uebereilung  an  jener  üoratischen 
Stelle  überzeugen.  —  Unter  den  Kimstwerken,  welche  Sap|)hos 
Rilduiss  darstellten,  wird  S.  101  auch  eine  neuerlich  in  Si(;ilien 
aufgefundene  V  ase  erwähnt,  deren  Figuren  doch  genauer  hätten 
beschrieben  werden  sollen ;  denn  das  Gepräge  der  Gesichtsziige, 
die  Rekleiduuir  und  die  ganze  Haltung  des  Körpers,  worin  Sap- 
])ho  und  Alkäos  \mn  Künstler  dargestellt  sind,  liefern  einen  neuen 
Reweis,  dass  Sappho  nie  eine  gemeine  Hiihlerin  gewesen;  eher 
möchte  man  auf  jener  Vase  eine  Vestalische  .Jungfrau  zu  erblicken 
glauben,  als  ein  lüsternes  Weib,  dergleichen  man  auf  anderen 
\  aseu  und  Rasreliefs  zu  sehen  gewöhnt  ist.     W  eichen  glänzen- 


402  Griechische  Geschichte. 

dern  Triumph  könnte  Weicker  Vil)er  diejenigen  feiern,  die  sich 
etwa  noch  nicht  in  seine  Ansicht  fügen  Mollten,  als  auf  diese  Art 
die  Stimme  des  Aiterlhums  selbst  für  sicli  zu  gewinnen'?  Doch 
auch  Friedricli  Schlegel,  dieser  tiefe  Kenner  des  Helleni- 
schen Alterthums,  ist  in  der  Abhandlung  über  die  Diotima 
(Werke  Bd.  4  S.  123  Anm.  50)  VVelckers  Ansicht  unbedingt  bei- 
gepflichtet. —  Von  S.  lilö^an  werden  noch  einige  andere  weniger 
berühmte  Dichter  und  Musiker  angeführt. 

Cap.  Vf.  Wissenschaften,  p.  204  bis  Ende.  Unter  die- 
ser Aufschrift  werden  die  Lesbischen  Geschichtschreiber,  unter 
denenllellanikos  vonMytilene  der  berühmteste  war,  so  wie  die 
Philosophen  (Pittakos)  und  Rhetoren  aufgeführt. 

Die  beigegebene  Charte  von  der  Insel  Lesbos  nebst  ihren  Um- 
gebungen ist  nach  Choiseul  Gouffier  in  Kupfer  gestochen. 
Die  Schrift  selbst  hat  II.  P.  seinem  Lehrer  Boeckh  dedicirt  und 
dadurch  liinlänglich  zu  verstehen  gegeben,  dass  er  unter  die  Zahl 
derjenigen  Schüler  gehört,  welclie  den  trefflichen  Mann  nie  genug 
lieben  und  verehren  können. 

Was  die  Latinität  des  Verfassers  anlangt,  so  ist  sie  frei  von 
unbeholfenen  und  abnormen  Constructionen,  einfacli  und  fliessend. 
Wir  fanden  nur  Folgendes  zu  berichtigen.  S.  12,  21,  79,  129  fin- 
det sich  eine  poetische  Redeweise ,  videre  est.,  legere  est^  statt 
videre  licet  ^  videndum  est.  S.  28  dubitabit  —  persiiasum  ha- 
bet.^ statt  habuerü ;  denn  die  Ueberzeugung  muss  schon  da 
seyn,  bevor  das  nicht  —  zweifein  eintreten  kann.  S. 62  und 
64  steht  das  Adverbium  clanculwn ,  welches  nur  bei  Plautus  vor- 
kommt, statt  cla7ii.  S.  142  Ferisimüe  enim  est^  statt  verisiniile 
est  emm.  S.  182  viermal  die  Comparativ-Form  veterior .,  wel- 
che veraltet  und  poetisch  (Accius  und  Plautus)  ist  statt  vetnstior. 
s.  Zumpt  Lat.  Gram.  S.  111  ed.  noviss.  S.  183  Lin.  19  vhit  statt 
vixerit^  als  abhängig  von  igiioro.  Ausser  den  vom  Verf.  schon 
angegebenen  Druckfehlern  sind  uns  noch  folgende  aufgefallen. 
S.  6  L.  3  lies  "Eon  statt  'Eon.  S.  12  zu  Ende  ^v[iiid—  S.15  L. 
28  l,vvstgE7cUv6Bv.  S.  16  Not.  56  Ilorat.  Ep.  I,  11 ,  17.  S.  98 
L.  2  ist  es  vor  exstant  zu  tilgen.  S.  136  L.  20  Ulijsses  statt  Ulys- 
se.     S.  168  L.  17  ob  multas. 

Oppehi  im  August  1826. 

Dr.  N.  Bach. 


Programme.  403 

P  r  o  g  r  a  ni  lu  c. 


Proliisio^  animadver siu)ics  ad  locn  quaedaviDc- 
viosthejiis  c  oiit  i n  e iis  ^  <Hia  ad  aiuUcndas  in  schola  IVicoIai- 
tana  ad  d.  XXIV  Sept.  hör.  IX  aliquot  discipulorum  declaniationea 
patronos  et  fautorcs  sdiolae  human issiiue  invitat  M.  Thcopli.  Sam. 
Forbiger ,   Uector.      Lipsiac  3IDCCC\XII.   18  S.  4. 

£lis  sind  drei  Stellen  aus  Demostlicnes ,  die  hier  behandelt  wer- 
den. Der  sorgfältige  Schäfer  hat  in  der  neuen  Ausgabe  des 
Reiskesclion  Apparates  dieses  Programm  schon  beimtzt,  und  da- 
her kann  i(;h  mich  um  so  kürzer  lassen.  Ich  folge  der  Ordnung 
des  Programmes. 

Die  erste  Stelle  ist  Philipp.  I  p.  40  v.  24  f.  R.  Hier  wird  fürs 
erste  6  noksuog  vttbq  täv  'EX^rjviKcov  dixaicov  näher  in  seineu 
Hauptmomenten  bestimmt  und  dargestellt;  dann  wird  das  Adje- 
ct'i\vLm'EXX}]VLXcoi'  nach  seinem  liegritte  > ollkommen  gerechtfer- 
tiget. Ich  werde  bei  der  Anzeige  einer  andern  Gelegenheitsschrift 
noch  einmal  auf  diese  Stelle  zurückkommen,  rücksichtlich  deren 
ich  zugeben  muss,  dass  äussere  Authorität  das  Wort  verwirft. 
Aber  dass  der  Begriff  hier  vollkommen  passe,  hat  For biger 
löblich  gezeigt.  Die  zweytc  Stelle  ist  aus  Olynth.  II  p.  23  v.  11 
sqq.  Sie  betrifft  liauptsächlich  den  vielfach  besprochenen  Aus- 
druck lijöTug.  Ich  will  vor  allem  aus  einen  Canon  criticus  und 
exegeticus,  den  Forbiger  aufstellt,  hersetzen,  der  mir  ganz 
aus  dem  Herzen  geschrieben  ist,  p.  13:  Eqm'dem  a  studio^  vude 
affeclxi  scriptorum  loca^  etkimper  conjecturas^  eine?ida?idi\  adeo 
iion  abhorreo^  ut  valde  suspiciam  et  admirer  doctisslmorutn  ho- 
minuiii  Bvöxoilav  et  ayiivoiav  ^  qui  isto  studio  ducti  nudtis  in 
locis  emendatam  itobis  lectionem  dederunt;  at  ideni  ego  conten- 
do  ^  hoc  Studium  tum  dcmum  adhibeiidum  esse  ^  quum  vulgaia 
aut  omnium  out  praeslauliorum  librorum  Icctio  vel  grammaticis 
yraeceplis^  certis  Ulis  qiiideni  et  indubitatis  ^  adversetur  ^  vel^ 
ut  a  sensu,  itiente^  consilio^  dispulatiouc  auctoris  abhoneiis^  lo- 
gico/umjudicio  i epudictur ^  vel  historiae fide  et  auctoritate  re- 
fellatur^  vel  dcnique^  si  de  poctis  sermo  e.s/,  certis  et  veris^  von 
arbitriofictis^  metri  legibus  repugnet.  Diesem  Grmulsatze  ge- 
mäss, dem,  wie  gesagt,  auch  ich  mit  vollkommenster  Ueberzeu- 
gung  zugelhan  bin,  hat  denn  Forbiger  die  gewohnte  Lesart 
hjöxäg  glücklich  vertheidigct,  nach  meiner  Ansicht  muss  ich  sa- 
gen, weil  ich  immer  eine  älmliclie  hatte.  Ich  verglich  die  hjötal 
mit  den  Mcpliten  der  jNeugriechen  ;  Forbiger  vergleicht  sie  mit 
den  Giierilla's  der  Spanier  und  den  Brigands  der  Franzosen.  Kr 
erklärt  sie  viilites  leviler  armalos^  volurdarios  foi  lasse  ^  quibus 
minus  curae  erat  foilitcr  pugnare  ^  quam  populando  ^  praedan- 
do^  latrocinando  quaeslunifucere  et  upes  atque pecuniam  corra- 


40^  Programme. 

dere;  id  tum  Xy6tsv£LV  dicchatur.  Auch  Schäfer  ist  für 
die  Lesart  der  Ilaiidschriftcn.  —  Die  dritte  Stelle  ist  aus  Pliiiipp, 
I  p.  49  V.  2  s.  vnÜQiu  Ö'  v/xlv,  %uiiabicc)  ^Iv  XQr]6&ca  u.  s.  w. 
Ich  für  meine  Person  fand  die  Stelle  auch  immer  Terdorben;  aber 
ich  überiiess  die  Verbesserung  neu  zu  vers^leiclienden  Handschrif- 
ten ;  denn  auch  mir  sclieint  etwas  weggefallen ;  und  so  leicht  das 
Conjecturircnin  momentaner  Stimmung  seyn  mag,  so  gewagt  ist  es. 
Für  biger  ist  kecker  als  ich.  Erfindet,  der  Ausdruck  dvafie- 
VBiv  sey  der  einzige ,  den  man  nicht  missen  könne.  Icli  gestehe, 
dass  mir  immer  der  BegxifF  der  Art  der  Benutzung  der  Seemacht 
zum  Vortheil  des  Staates  der  vorziiglichste  schien.  Schäfer  nun 
findet  vollends  viros  doctissimos  nodtini  in  scirpo  quaesivisse.  Ne- 
que  enim  perspicio^  fälirt  er  fort,  quid  nos  impediat^  locum  sie 
intelligere^  quomodo  et  Wolßus  ait  se  principio  vertisse  et  liü- 
digenis  interpretatur.  Dabey  komme  ich  für  meüie  Person  mit 
dem  Griechischen  niclit  aus. 


Annotationum    ad  Demostheiiis   Philippicartitn  I 

■  spec  17116  71.    Praeceptorinn  collegü  nomine  scholae  litterarumque 

araantes  ad  examen  invitaturus  scripsit  C.  Giiil.  Krügerus,  Conrector. 

Bernburgi  [HaUe,    Hemmerde  u.  Schw.]  MDCCCXXVI.    2T  S.  4. 

geh,  4  Gr. 

Referent  liebt  aus  der  Einleitung  zuerst  folgende  Stelle  aus : 
S7i7it  hae  scriptio7ies  [j)7ogra/7i7nata)  7ne judice  quaeda7n  quasi 
ItclÖeC^sis-,  quibus  no7i  ta77i  docti  quam  doctoris  partes  si/it 
age7idae.  Haec  regrda  opti/ne  videtur  serva/i  posse^  si  ipso/'uiTi., 
quae  discipidis  tradideris.,  aliquant  paitein  in  7aedium  p/oferas. 
fis  scheint  allerdings  sehr  zweckmässig,  die  Programme  mit  ei- 
nem solchen  Stoffe  auszurüsten.  Der  Gedanke,  einst  eine  öffent- 
liche Probe  dessen ,  was,  imd  der  Art,  wie  man  gelehrt,  abzu- 
legen, ermuntert  den  Lehrer  zur  Pünctlichkeit  bey  der  Vorberei- 
tung; und  manche  Stunde,  die  sonst  der  Schule  entzogen  worden 
wäre,  wird  ihr  so  zugewandt.  Auch  die  Lehrer  anderer  Anstal- 
ten erfreuen  sich,  von  Zeit  zu  Zeit  Proben  zu  erhalten,  was  und 
wie  auf  ähnlichen  Instituten  docirt  wird ,  und  die  gewissenhaften 
werden  ermuntert,  nicht  zurück  zu  bleiben.  Den  Schülern  fer- 
ner ist  es  belehrend  und'erweckend,  wenn  sie  einen  Thcil  dessen, 
was  sie  in  der  Schule  gehört  und  exclpirt  haben ,  nun  gedruckt 
vor  sich  sehen.  Auch  werden  sie  durch  die  Art  des  Vortrags  auf 
eine  genaue  Art  des  Excipirens  geleitet  und  besonders  darauf  auf- 
merksam gemacht,  was  das  Wesentliche  in  der  Bemerkung  ist. 
Endlich  können  gewisse  Puncte,  die  in  der  Schule  nur  in  Kesul- 
tatcn  vorgetragen  wurden  imd  vorgetragen  werden  sollten,  hier 
näher  entwickelt,  in  ihrem  vollständigen  Gange  den  Schülern  vor 
die  Augen  gebracht  und  ihnen  ähnliche  Behandlungen  zur  Ausar- 


Krüger:  annotatt,  ad  Dcmostli.  Philipp.  I.        405 

bcitunsj  von  Privat -Arbeiten,  dorn  einzigen  Mittel  zu  festen  und 
^ründliclien  Forts<;luitten ,  voiiiesclilagen  werden.  Icli  billige  es 
daher  sehr,  dass  Herr  Kr  ü  i:  er  eine  solche  \Vahl  fretroiien  hat, 
und  niöehte  iiberall  ähnliehe  empfelden.  —  Weitei'hin  sagt  er: 
IliiJKS  aiitem  spccimiiiis  scito  te  allerani  editionevi  —  'prior  enim 
iionitisi  discipnlornm  in  capilibns  et  schcdis  c.vtat  —  miillis^  quae 
a  svhoUiniin  rulionc  (ibliurrccnit^  7(t  crilica  ptcrayiie^  aucioin  rer- 
sare.  AVieder  £:anz  zweckmässig!  So  werden  die  Schüler  zur  Ein- 
sicht gelangen,  dass  mit  dem,  was  ihnen  in  der  Schule  gesagt 
wurde,  lange  nicht  alles  ahgethan  sey,  soiulern  dass  ein  geschick- 
ter Lehrer  nur  stufenweise  fortschreite,  und  dass  die  gleichen 
Stücke  in  verschiedenen  Beziehungen  unter  einem  geschickten 
Lehrer  nicht  nur  nicht  auf  eine  unnütze  und  Zeit  todtende,  son- 
dern auf  eine  eben  so  interessante  als  förderiule  W  eise  von  be- 
scheidenen und  mit  reinem  Eifer  nach  Vervollkonnnnung  streben- 
den Schülern  wiederholt  gelesen  w'erden  können  und  sollen.  Da- 
durch dass  man  aus  guter  Absicht  den  Homer  angefangen  hat  mit 
Kindern  zu  lesen,  scheint  in  die  Jünglinge  der  Dämon  des  Dün- 
kels gefahren  zu  sevn,  es  sey  für  sie  eine  Schande,  weiui  man 
ihnen  ein  Collegiuju  über  den  Homer  anerhietlie;  undAverin  dem 
Jacobs'schenElementarbucli  einen  Dialog  des  Plato  mit  Knaben  ge- 
lesen hat,  wird  kaum  einen  zweyten  Yersuch  mit  demselben  ma- 
clien ,  weil  er  sich  überzeugt  hat,  dass,  Menn  auch  die  Worte  am 
Ende  durchgearbeitet  sind,  dennocli  weder  die  einzelnen  Gedan- 
ken, noch  der  Zusammenhang,  noch  die  Absicht  des  Ganzen  und 
der  einzelnen  Wendungen  von  den  Knaben  begriffen  werden.  Auch 
die  allerdings  leichten  und  wohlgewählten  Stücke  aus  den  lled- 
iiern  eignen  sich  mir  für  reifere  Jünglinge.  Es  ist  ein  Zeichen 
der  jugendliclien  Unschuld  und  Wahrheit,  dass  der  Knabe  von 
den  Künsten  der  Uedner  nichts  ahndet  und  dem  Lehrer  ordent- 
licli  bedenklich  ins  Auge  schaut,  wenn  dieser  ihm  etwas  davon 
zur  Einsicht  bringen  vül.  —  Ich  führe  noch  eine  Stelle  aus  der 
Einleitung  an,  deren  Wahrheit  auch  ich  ehre  und  befolge:  Ad- 
hiic  mihi  siifßcit  decalogiis  quidain^  qiii^  nisi  quam  plarima pec- 
cavero  mit  ccrle  peccata  vidcro^  non  spcroforc  tit  iimquam  in 
corpus  juris  paedagogici  excrescat.  Ein  nach  meiner  Lieberzeu- 
gung höchst  wichtiger  Grundsatz  guter  Schiildisciplin. .  Nur  we- 
nige Krai'lgesetze,  aber  diese  strenge  und  uuj)arteyiscli  gehand- 
liaht.  Haben  sie  sich  einmahl  fest  gesetzt,  so  erhen  sie  sich  fort; 
und  jede  Classe  setzt -ihre  Ehre  darin,  der  vorhergehenden  we- 
nigstens gleich  zu  kiunmen.  Aber  hat  man  eiumahl  eine  Classe 
die  Schranken  durrhhrechen  lassen ,  dann  l).edarf  es  eines  kräftig 
consequenten  und  psNchologisch  klugen  Mannes,  um  die  Schule 
w  ieder  ins  Geleis  zu  bringen.  \  iele  Directionen  glauben  mit  ei- 
nem stattlichen,  Iiübscli  logiscli  in  Ahschuitte,  Abtheilungen,  ün- 
teral)(!ieilungen  u.  s.  w.  g<-ordueteii  (iesctzl)uch  gciiolfen  inul  ih- 
rer Weisheit  ein  ehreu\ olles,  H^leibendes  Denkmahl  gestiftet  zu 


406  Programme, 

haben.  Allein  wer  die  Sache  handhabe,  das  kümmert  sie  wenig; 
und  ob  sie  überhaupt  geliandliabt  werden  könne,  darnacli  fragt 
niemand.  Genug,  dass  alles  auf  dein  Papier  steht.  3Ian  hat  ja 
gethan  was  man  konnte.  Die  Schuld  liegt  an  andern  Leuten.  31an 
soll  noch  dankbar  seyn,  wenn  man  bloss  andeutet,  an  wem. 

Was  nun  die  Arbeit  des  Herrn  Krügers  betrifft,  so  hat  er 
sich  in  seinen  bisherigen  Schriften  als  einen  homo  doctHs  et  in- 
geniosus ,  und  nahmentlich  in  der  Ausgabe  \on  Xcno])hons  Ana- 
basis *)  als  einen  wackern  doctor  oder  magister  gezeigt,  dessen 
sich  eine  Anstalt  zu  erfreuen  hat,  in  wie  fern  sie  den  jungen, 
kräftigen  und  thätigen  Mann  unter  altern  und  erfahrenen  Männern 
besitzt.  So  wie  er  selbst  nach  Gründlichkeit  strebt  und  den  rich- 
tigen Weg  einschlägt,  sie  zu  erlangen ,  so  zeigt  er  auch  eine  gute 
Methode,  ihm  anvertraute  Zöglinge  auf  den  Weg  der  Gründlich- 
keit zu  leiten,  imd  ich  zweifle  nicht,  er  werde  auch  durch  den 
mündlichen  Vortrag  und  sein  eigenes  geistiges  Leben  die  Schüler 
zu  int€ressiren  und  in  Athem  und  Eifer  zu  erhalten  vermögen. 
Wenn  sich  auch  hie  und  da  eine  zu  rasche  Lebhaftigkeit  und  ein 
wegwerfender  Ton,  der  sich  mit  echter  Humanität  nicht  verträgt, 
noch  einschleicht,  so  steht  mit  Sicherlieit  zu  erwarten,  der  brave 
Krüger  werde  über  diese  Unschicklichkeiten  Meister  m  erden,  da 
er  sie  anfängt,  einzusehen  und  zu  bedauern.  Er  sagt  z,  B.  in  der 
Vorrede  zur  Anabasis  pag.  XI  fin.  sq. :  stiltis  meus  pnihlo  acritior 
Qiec  hebetior  f actus  iis^  quas  jjussim  expertus  snm^  iniquitatibus^ 
7ne  invito  quoque  interdum^  quos  tangere  volui^  laedit^  quod  mi- 
hi in  Bornernanno  accidisse  siimmopere  doleo.  W  er  einmahl  auf 
dem  Punct  ist,  so  mit  Wahrheit  zu  reden,  von  dem  ist  Genesung 
vorauszusehen.  Im  Ganzen  herrscht  in  den  vor  uns  liegenden 
Blättern  ein  ruhiger  Ton;  und  je  mehr  die  Jal  ve  des  Verfassers 
zunehmen  werden,  um  so  viel  mehr  wird  er  sich  gewisser  For- 
meln ,  wie  inepte  —  ut  evni  inlssum  faciamus  —  non  inelioris 
notae  —  BexKSQiöiOL  und  ähnlicher  entschlagen.  Die  Wahrheit 
kann  verfocliten  werden ,  ohne  dass  der  Irrende  ein  hartes  oder 
neckendes  Wort  empfängt;  und  es  geliört  zu  einem  schlimmen 
Zeitgeiste,  der  von  den  Wahrheitsforschern  gebannt  werden  muss, 
wenn  man  durch  derbe  Worte  imponiren  und  dadurch  seine  Kraft 
und  Ueberlegenheit  beurkunden  will  und  dabey  mit  einem  Gorgo- 
Blicke  umher  schaut.  Doch  diesen  Vorwurf  hat  Krüger  nirgends 
verdient.  Natürlich  spricht  sich  Alter,  Temperament,  Lebens- 
schicksale imd  Lebenserfahrungen  verschieden  aus,  ohne  dass 
Eine  Art  einer  bösen  Absicht  beygemessen  werden  darf. 


*)  Diese  Ausgabe  gefüllt  mir  sehr  wolil  für  Jüng-linge.  Dies^e  Schrift 
von  Xeiioplion,  dessen  Schriften  für  das  junge  Alter  die  zweckmiissig- 
sten  sind,  so  Avenig  es  der  hochtrabende  Zeitgeist  finden  will,  ist  nach 
dem  gegenwärtigen  Standpunct  der  Griechischen  Sprachknnde  bearbei- 
tet und  wird  den  eifrig  studierenderf  Schüler  vorwärts  bringen. 


Krüger:  annotat t.  ad  Dcmosth.  Philipp.  I.        40'? 

Icli  trete  mm  näher  über  die  einzelnen  Stellen  ein.  §  1  p.  40 
R.  TtQOVtl^eto.  Kvücjer  pbt  der  Lesart  zweyer  unbedeutenden 
Ilandsclirit'leii  bey  U  e  i  s  k  e  TrQovKHto  den  Yorzusr.  Demi  wenn 
der  Redner  das  Verbiim  TiQOXL^ivca  bätte  ^ebrauclien  m ollen,  so 
liätte  er  nach  Kr  Visiers  Meinung:  nicht  das  Imperfectum  setzen 
können  ;  ilJenn  das  linperfectum  könne  nur  g:esetzt  werden,  si  de 
re  vel  diiraiite  ixi  repctita  scniio  sit.  Ich  finde  iur  meine  Person, 
dass  die  Sache  noch  als  daurend  gedaclit  werden  solle.  INach 
Deniostlienischcr  Manier  wird  das  Tigori^Eö^ai  erst  dann  als  voll- 
endet gedacht,  wenn  abgesprochen,  weim  das  t^'jy'qpiöjiiCi:  vom  He- 
rold ausgeruien,  und  die  Versammlung  entlassen  wird.  Der  ei- 
genthiunliche  Ausdruck  darf  also  nicht  an  das  im  Attischen  Recht 
ungewöhnliche  ttqovxeito  (ich  möchte  nicht  sagen  miims  noluni) 
vertauscht  werden.  Das  nQOvy.uro  ist  ganz  der  Ausdruck  des  ge- 
meinen Lebens ,  womit  die  Glossographen  die  technischen  erklä- 
ren.—  Bey  Hco^örav  wird  die  richtige  Bemerkung  gemacht,  dass 
Participia,  die  ursprünglich  noch  einen  Infinitiv  zum  vollständigen 
Begriffe  erforderten ,  durch  den  Sprachgebrauch  nach  und  nach 
absolut  mit  vollständigem  Begriffe  gesetzt  werden;  doch  ist  im 
Unterrichte  zweckmässig,  den  Satz  der  ursprünglich  vollständig 
gesetzt  wurde  und  gesetzt  m  erden  musste,  herzustellen.  iTCiö'icov 
(Iv  u.  s.  w.  Diese  Bemerkung  hat  Krüger  gewiss  nicht  in  der 
Sclitde  gemacht;  denq  leicht  hätte  er  die  Schüler  zum  Missver- 
ständniss  der  gerade  zu  behandelnden  Stelle  geführt  oder  ihnen 
wenigstens  das  richtige  Verständniss  erschwert.  — to't'  av  aütog 
InuQiöay^v  a  yLyväöyia  Ikyuv.  Krüger  missbilligt,  dass  Bek- 
k  e  r  das  von  R  e  i  s  k  e  nach  mehi-ern  Handschriften  aufgenommene 
•y.al  vor  avxog  wieder  durchgestrichen  hat,  wie  es  Schäfer  an 
Auger  missbilligte,  welcher  das  gleiche  that.  Allein  Bekker 
gab  dem  Ansehen  seiner  Zeugen  nach,  indem  ein  einziger  Codex, 
und  zwar  nicht  der  vorzüglichste,  dieses  jcct  darboth;  und  wenn 
Krüger  sagt,  suJiiin  avzoq  insignem  quamdam  arroga7itiain  pro- 
diderit^  so  sehe  ich  das  nicht ;  im  Gegentheil,  ich  finde  eine  dem 
Redner  geziemende  Bescheidenheit  darin,  da  es  dem  allgemeinen 
r^övyjccv  av  ijyov  gegenüber  steht  Erst,  wenn  ihm  das,  was  die 
gew  olmten  Sprecher  vorgetragen  hätten ,  nicht  gefallen  könnte, 
würde  Demosthenes  selbst,  persönlich  (avrog  nicht  iya) 
auftreten  und  würde  versichert  seyn ,  auch  w enn  er  der  erste  auf- 
getreten wäre,  ISaehsicht  zu  erhalten.  Dalier  muss  ich  '/.al  für 
den  Zusatz  eines  Grammatikers  halten,  dei-en  es  Viele  in  dem 
Codex  von  Bekker,  und  denen,  die  zu  der  gleichen  P'aniilie  geliö- 
ren,  gibt.  Das  folgende  övvtßovksvöav,  welches  die  w  ichtigsten 
Zeugen  für  sich  hat,  möchte  ich  besonders  wegen  der  Worte  sx 
tov  7CaQ£?,y]?yV\y6tog  XQovov  nicht  an  OvvsßüvkEvov  vertauschen, 
welches  dann  den  Vorzng  verdienen  würde ,  wemi  eine  die  Wie- 
derhohlung  bezeichnende  Partikel  itn  Satze  stände.  Nach  der 
Wendung  des  Satzes  aber  herrschte  oü'eubar  der  Begriff  des  irü- 


408  Programme. 

her  Vollendeten  in  dem  Gemütlie  des  Redners.  Die  Bedeutung 
des  Aorist!  hat  trefllich  entwickelt  Schaf  er  Apparatus  I  p.  247 
P.  20  V.  27.  —  §  3.  Wirklich  wird  jetzt  mit  Recht  in  der  Schule 
bemerkt,  dass  die  Griechen  häufig  eTtEtra,  kita  nach  ^qcötov  (liv 
setzen,  nicht  tVrftT«  dg.  Allein  wenn  Kr iig er  hinzu  setzt,  7no- 
nendum  est  Deinostheiieyn^  si/ecte  observavi\  STCBtraetLlta  sem- 
]}er  sine  particula  de  post  ngatov  ^h>  inferre^  so  sagt  er  wohl  zu 
viel.     Richtig  Schäfer  Apparatus  T.  II  p.  348:  Particula  8s 

facile  caremus. Hoc  syntaxis  Graecae  idioma  rix  credas 

quoties  viros  doctos  fefeüerit. In  contrariam  partem  pec- 

cavit  Reiskius  particulant  insontem  suspectans  in  Dionysio  Ilali- 
carnass.  T.  IV  p.  2322.  Ich  werde  an  einem  andern  Orte  die 
Stellen  sammeln,  in  denen  auch  nach  den  neust  verglichenen  Hand- 
schriften iTtuxa  8b  aus  Demosthenes  nicht  zu  verdrängen  ist.  — 
VTCBQ  tüv  ^ EXXr]viy,av  dixaicov.  Kriiger  verwirft  dixaLOiv :  ein 
Wort,  wovon  auch  in  Forbigers  Programm  die  Rede  Mar;  und 
an  dieser  Stelle  muss  ich  es  allei'dings,  mit  Riicksicht  auf  äussere 
Zeugen,  für  unecht  erklären.  Denn  es  steht  imr  in  einer  einzi- 
gen von  Bekkers  Handschriften,  die  vielfach  interpolirt  ist,  und 
eine  andere  sonst  vorzVigliche  Handschrift  hat  es  nur  am  Rande 
heygeschrieben.  Aber  eben  so  bin  ich  atich  der  gleichen  Meinung 
mit  Kriiger,  dass  Bekker  Ol.  II  §  24  p.  25  v.  2  II. 'EUr]VL- 
5(CöV  mit  Unrecht  als  verdächtig  eingeschlossen  hat.  Denn  derBe- 
griff  des  Wortes  ist  liinlänglich  gerechtfertiget;  dort  findet  es 
sich  in  allen  Handsclirifteu,  und  von  dorther  ist  es  wohl  in  Philipp. 
I  eingeschoben  worden.  Die  folgende  Bemerkiuig  über  lv  Bidf^rs 
acal  &Bd6r]öd^B  ist  trefflich,  und  zeugt  von  feiner  Kenntniss  sowolil 
der  Sprache  iiberhaupt  als  von  der  Manier  des  Demosthenes.  — • 
—  Wenn  nach  Krügers  Behauptung  ovrog  nur  addito  nomine 
cum  contemtu  soll  gesetzt  werden ,  so  ist  die  Beschränkung  wohl 
zu  enge.  In  dem  Pronomen  allein  liegt  ein  höherer  Grad  der  Ver- 
achtung oder  lieber  bitterer  Empfindung  gegen  eine  genannte  oder 
bekannte  Person.  —  §  4  T^g  vvv  vjtaQxovöTjg.  Bekker  hat 
vijv  auf  die  Authorität  der  besten  Handschriften  gestrichen,  was 
Krüger  missbilligt,  indem  er  glaubt,  Demosthenes  deute  damit 
an.,' antea  fuisse  dö&Bvrj  td  ^iXimiov  TiQäynara  jcal  xo^il8^ 
fiLüQCC.  Allein  es  sollen  zwey  Zustände  als  solche  einander 
entgegen  gesetzt  werden,  und  die  Zeit  wird  hinlänglich  durch  das 
Tempus  des  Verbi  bestimmt.  Wurde  noch  eine  Zeitpartikel  bey- 
gefügt,  so  wiirde  die  Zeit  als  das  Wichtigere  hervor  gehoben, 
und  der  Zustand  selbst  mehr  in  Schatten  gestellt.  Auch  der  Ge- 
gensatz hat  keine  Zeitpartikel:  rd  %coQia  ndvxa  aTioXakivai  xtj 
nolBL,  so  dass  ich  Bekkern  gänzlich  beypflichte,  wenn  er  dem 
Ansehen  der  besten,  wenn  auch  nicht  der  meisten  Handschriften 
gefolgt  ist.  —  §  6  a5g  av  tXäv  xtg  i%0L  tcoXbiic).  Krüger  ist  zu 
rasch,  wenn  er  die  Worte  rtg  £%ot  gegen  alle  Handschriften  als 
■unecht  verwirft,   sie  bescliuldigend  et  conci/mitatem  tu/bare  et 


Weickcrt:  cxplicatt.  locor.  aliquot  Demosth.     409 

per  se  frigida  esse  et  er  interpretamento  orta.  Solche  Worte 
liiiiigeii  \oii  der  augenhlirkliclit'ii  Stiinniung  di"«  Geniiillies  ab,  ob 
man  sie  liiiizu  setze  oder  «eglasse.  liier  sclieint  das  L'iiziiver- 
lässige  eines  solclieii  Besitzes  von  dem  Redner  durch  den  Oi)tativ 
i-^oi  bezeichnet  zu  -sverden.  —  §  ]().  Die  Frag:e  xl  \\\  einem  con- 
junctiven  Satze  ist,  wie  §  S  die  Verbinduniren  zwcyer  llelativcii 
in  Einem  Satze,  sehr  gut  erläutert  und  bedarf  der  Erläuterung  bcy 
jungen  Leuten  lüehr,  weil  diese  Constructiou  von  der  Deutschen 
Spraclie  abweiclit  und  man  dem  Gedanken  im  Deutschen  eine  ganz 
andere  AVendung  gibt.  Ueberliaupt  ist  alles  in  den  alten  Spra- 
chen den  Schidern  schwer  zu  lassen  und  anzuwenden,  was  sich  in 
der  Muttersprache  nicht  nachbilden  lässt,  sondern  durch  andere 
Wendungen  muss  ersetzt  werden. —  Wenn  Bekker  die  Worte 
v.caa  x)]v  C(.yoQav^\^  unecht  hi  Ilaken  eingeschlossen  hat,  so  dür- 
fen wir  nicht  vergessen,  dass  es  die  zwey  besten  Handschriften 
sind,  in  denen  sie  fehlen,  und  dass  schon  die  Stelle,  welche  sie 
einnehmen,  den  Verdaclit  erweckt,  sie  seyen  von  dem  Rande  in 
den  Text  gekommen.  Audi  könnte  ich  den  \or\vurf  auf  B  e  k- 
kern  nicht  erliegen  lassen,  sempcr  eum  ad  delenduin  pionuin 
esse.  ImGegentbeM,  ich  gestehe,  dass  ich  fiir  mich  manches 
streiche,  wo  Bekker,  nach  meiner  Ansicht  zu  ängstlich,  sich  mit 
Ilaken  begniigte. 


Ad  examen  vermim  in  Gyninasio  Luccaviensi  concelebrandum  et  audien- 
das  VII  adolescentium  publice  abiturorum  oratiunculas  obscrvan- 
ti^sime  invitant  rector  et  magistri  Gymnasü.  In  sunt  expllCü- 
tiones  locor  iirn  aliquot  I)  eniosthenis  aliorum- 
qne  S  er  ip  t  orum.,  auctore  lo.  Char'dh.  Jf'cickert,  Lips.  Ph.  D. 
AA.  M.  Subrect.  GjTnnasii.  Lubbenae.  182G.  28  S.  4. 

Auch  diese  Blätter  enthalten  das  Residtat  von  Bemerkungen, 
die  bevm  L'nterricht  im  Gymnasium  gemacht  w  urden  und  zeugen 
vom  Bestreben  gri'indlich  zu  unterrichten.  Die  erste  Stelle,  mit 
der  wir  uns  liauptsäclilich  beschäftigen,  ist  aus  der  Rede  des  De- 
mosthenes  gegen  den  iMidias  §  35  b.  Buttm.,  p.  555-  l.  10  R.  rov 

ö'  vßQiöat  xcd  rov  7C0L7J6avtag  ^j)  öovvat  ölxrjv —  iyyv- 

rcixoj.  Herr  AVeickert  nimmt  Anstoss  an  dem  Accusativ  Ttotij- 
Cavxag.,  indem  die  Attraction  schreiben  heisse  noLi^öuvxsg.  Zwar 
weiss  er  gar  w  ohi,  dass  die  Attraction  nicht  selten  ausser  Acht  ge- 
lassen wird ;  allein  er  glaubt  Viberall  eine  giiltige  Ursache  dieser 
Ausserachtlassung  bemerkt  zu  haben;  liier  findet  er  keine.  Allein 
sollte  dieses  Grund  genug  seyn,  den  Accusativus  zu  verdächtigen? 
Leitet  nicht  oft  in  ANendimgen,  welche  der  Sprachgebrauch,  der 
Autykrator,  gestattet,  ein  Tact,  dersich  wohl  empfinden  lässt,  aber 
verfliegt,  so  bald  man  ibn  in  AVortc  fassen  will'?  In  solchen  Fäl- 
len sind  wir  w ohl  erst  noch  aiif  dem  Punct,  unbefangen  nacli  den 


410  Programme. 

Lesarten  der  Handschriften  Beyspiele  zu  sammeln,  und  erst,  wenn 
alle  Eines  Schriftstellers  beysamnien  sind,  zu  sehen,  ob  sich  für 
den  einzehien  Schriftsteller  bestimmte  Grundsätze  auffinden  lassen, 
die  e  r  befolgt  habe ;  und  m  enn  Avir  bcy  unbefangener  Priifung 
zu  keinem  sichern  Resultate  kommen,  so  ist  es  gerathener,  die 
Sache  lur  cinraahl  ruhen  zu  lassen,  als  einer  Theorie  zu  Liebe 
rasch  gegen  die  Handschriften  an  Aenderung  zu  denken.  Nach 
und  nach  Averden  wir,  besonders  durch  zu  Ratheztehung  der  noch 
lange  nicht  genug  benutzten  Analogie  mit  ruhigem  Forschen  zu 
Resultaten  gelangen,  über  die  wir  erstaunen  diirften.  Vor  allem 
aus  aber  soll  unser  Bestreben  seyn,  den  Gedanken  bestimmt  und 
scharf  aufzufassen  und  von  diesem  auszugehen.  Geben  wir  nun 
an  luiserer  Stelle  auf  den  Gedanken  Acht,  so  ist  es  offenbar  aus 
dem  ganzen  Zusammenhang,  der  Sache  selbst,  und  dem  Verfolg 
der  Rede,  dass  das  vßQtöai,  noch  nähere  Bestimmungen  erlialten 
soll,  durch  welche  die  {;/3pig  dem,  der  sie  erdulden  inuss,  erst 
recht  unerträglich  und  schimpflich  wird.  Diess  liegt  offenbar  in 
den  Bcyfügungen  a)  noi-^öccvra  ßr]  öovrat  dlxrjv  wenn  man  für 
die  begangene  vßQig  nicht  büssen  muss:b)  dXXatovg  clvxLTCaQE- 
^ovtag  TtQCcyuara.  fiiö&döaö&ai  sondern,  Av«nn  man  Recht  sucht, 
der  vßQi6t7]g  noch  Mittel  genug  in  Händen  hat,  xnn  einem  Leute 
über  den  Hals  zu  schicken ,  die  neue  Plackereyen  über  uns  brin- 
gen. Was  hier  in  Einem  Sat^  ausgesprochen  wird,  wird  im  Fol- 
genden weiter  ausgefiihrt.  Nun  kann  ich  allerdings  einen  Grund 
angeben,  warum  die  Attraction  vermieden  sey :  u  m  d  c  m  G  e  d  a  n- 
ken  desto  mehr  Selbstständigkeit  zu  geben.  Man 
kann  auch  die  Analogie  zu  Hülfe  nehmen,  indem  der  Genitivus 
absolutus  participii  öfters  gesetzt  wird,  wo  ein  Participium  impli- 
catura  stehen  köinite :  in  wie  fern  man  dem  Begriffe  mehr  Unab- 
hängigkeit und  Selbstständigkeit  geben  will.  Doch,  um  hierüber 
genauer  einzutreten,  muss  man  alle  ähnlichen  Stellen  im  De- 
mosthenes  beysammen  haben  und  rubriciren:  wozu  sich  wohl 
eine  schickliche  Gelegenheit  zeigen  wird.  —  Nun  kommen  Be- 
merkungen über, Stellen  im  J  a  c  o  b  s '  s  c  h  e  n  Elementarbuch,  deren 
Würdigung  ich  am  liebsten  Herrn  Jacobs  bey  einer  neuen  Aus- 
gabe des  Elementarbuches  überlassen  will;  nur  bey  der  Stelle 
aus  Lysiae  orat.  fun.  p.  123  R.  gebe  ich  wohl  H.  W.  zu,  dass 
Tolg  AaxBdai(iovL(ji)v  Gv^^a^oig  vtceq  tfjg  skeIvcov  iXevdeQiag 
llid%ovTO  nicht  heisse  in  Gemeinschaft  der  Bundesge- 
nossen, gemeinschaftlich  mit  den  Bundesgenossen, 
aber  ich  zweifle,  ob  pugnahant  adversus  eos^  qui  nunc  erant  Lu- 
cedaemoniorian.  •  Ich  denke ,  es  ist  der  Dativus  commodi ,  z  u  ra 
Wohl,  zur  Befreyung  der  Lakedämonischen  Bundesgenossen. 
Dieser  Gedanke  ist  dem  ganzen  Zusammenhang  sehr  angemessen. 
Auch  diess  sey  der  Beurtheilung  von  Jacobs  anheim  gestellt. — 
Endlich  folgen  einige  Bemerkungen  über  einige  Noten  in  der 
Ausgabe  der  Philippischen  Reden  von  Rüdiger,  denen  ich  im 


Beck:  Observatt.  historicac  et  er  it.  Spcc,  IV.      411 

Wesentlichen  beystimme.     Der  Ausfall  p.  13  auf  Ileyse  sollte 
wcniirstens  nicht  so  leidenschaftlich  und  bitter  seyn. 
Zürich,  August. 

J.  H.  Bremi. 


Solerania  creatlonliä  et  remintiationis  doctorura  i'.Ilosopluae  cet.  rite  in- 
stituta  edixit  Christianus  Dunid  Beck.  O bs  er  V  (it  i 0  lie S  histo- 
ricae  et  criticiie.  IV.  de  etymologiae  vocabulo- 
r  um  et  iio  mi  U7iin  nsu  in  ea:  plicandis  liiiß^uarum^ 
VI ylliorii  ?//,  h is  t  o  r  i a  r  u  m  r a  i  io  n  ibu  s  7n  o  de  ran d o. 
Lipsiae,  littciis  Staritzii,  typogr.    univej-sit.  AIDCCCXXVI.  20  S.  4, 

JLIer  Hr.  Verfasser  beginnt  seine  gelialtvolle  und  höchst  be- 
achtungswerthe  Conimentation  mit  der  Bemerkung,  dass  wie  be- 
reits in  deiv  ältesten  Zeiten  mid  vorzugsweise  im  Oriente  das  Stu- 
dium der  Etymologie  besonders  in  Uenennung  und  Erklärung  von 
Eigennamen  herrschend  gewesen,  in  welcher  Hinsicht  auf  Genes. 
XVll,  5;  XXI,  6  coli.  XVII,  19;  XVIII,  12;  XXXII,  28  verwiesen 
w  ird ,  so  auch  im  Laufe  der  Zeit  viel  Fleiss  aufgewendet  worden 
sey,  Wörter,  IS  amen  und  Mythen  zu  erklären,  wie  das  Beispiel 
P 1  a  t  o  n '  s,  der  Stoiker,  Cicero's  und  Varro's  lehrt,  wel- 
chen die  spätem  Griecli.  und  Lat.  Grammatiker,  desgleichen  auch 
die  noch  spätem  Verfasser  des  Etymolog.  Magn.  imd  Gu- 
d  i  a  n .,  0  r  i o  n  und  I  s i  d o  r  u  s  gefolgt  sind,  obwol  nicht  ohne  man- 
cherlei, zum  Theil  arge  Misgritle,  inwiefern  sie  nämlich  nicht  vor- 
handene Wortstämme  bildeten  oder  zu  entfernte  suchten  oder  aus 
den  gefundenen  mehr  als  sie  sollten,  folgerten,  Fehler,  von  wel- 
chen sich  jedoch  auch  die  alten  Schriftsteller  nicht  immer  rein 
erhalten  haben.  JMit  dem  Wiederaufleben  der  Wissenschaften 
im  Mittelalter  wurden  aucli  die  etymologischen  Studien  vielfältig 
wieder  erweckt  und  betrieben  und,  vorzuglich  nach  B  ochart's 
Vorgange,  auf  Ermittelung  von  Namen  der  Stämme  und  Völker, 
ihrer  Urgeschichte,  Verwandschaften,  ANanderungen  u.  s.  f.  aus- 
gedehnt, NNobei  demi  unhaltbaren  Muthmassungen  und  nichtigen 
Combinationen  ein  grosses  Feld  eröflnet  ward,  dem  es  bis  auf 
den  heutigen  Tag  an  riistigen  Bearbeitern  nicht  gefehlt  hat,  von 
welchen  uns  freilich  \iele,  statt  bündiger  Beweisführung  und  Er- 
härtujig  des  Vorgetragenen,  allerlei  luftige  und  lustige  Ilypothe- 
senspielc  und  zum  Theil  geistreiche  Träumereien  anbieten.  Quod 
qriidem  neminem  fiiß^iet^  (heisst's  S.  4)  qni  recenliora  jüurinia 
scripta  de  mythologia  omni  eji/sque  explicafidae  principiis  ^  de 
Graecorum  et  Romanonim  historia  vetuslissima.,  de  singnlarwn 
Graecarum  gentium.,  civitatum.,  insutarum.,  originibus .,  fatis  et 
sacris ,  de  Germanorum  aliorunuiuc  populornm  rebus  antiquissi- 
mis  legerit.  Ohne  den  etymologischeu  Bestrebungen,  die  mit  Um- 


412  Programme. 

sieht  eingeleitet  und  Behutsamkeit  verfolgt,  für  Aufhellung  der 
Mythen  und  der  alten  Völkergeschichte  von  wesentlichem  Nutzen 
sind,  einen  Verniclitungskrieg  anzukVindigen ,  sah  sich  gleichwol 
der  Aviirdige  Hr.  Verf.  durch  die  Misgriffe  in  Vergleichung  der 
Sprachen  untereinander,  in  der  Erforschung  der  Abstammung  und 
Erklärung  einzelner  Ausdriicke,  wodurch  die  Gesichtspuncte  für 
Beurtheiliuig  und  Würdigung  vieler  andren  Erscheinungen  auf  dem 
Gebiete  des  AlterthuUis  verrückt  wurden,  aufgefordert,  in  aller 
Kürze  die  Bedingungen  aufzustellen,  initer  welchen  allein  die  zur 
Zeit  so  rüstig  verfolgten  etymologischen  Stxidien  wissenschaftli- 
chen Werth  und  lebendigen  Nutzen  haben  können.  Was  nun  den 
Ursprung  derjenigen  Sprachen  anlangt,  deren  sich  die  Völker  des 
Abendlandes  bedient  haben,  von  deren  religiösem  und  Avissenschaft- 
lichem  Leben  mid  Treiben  wir  imterrichtet  sind ,  so  finden  wir 
darüber  bei  den  Etymologen  eine  Doppclansicht.  Nach  Einigen 
nämlich  entstanden  und  bildeten  sich  diese  Sprachen  bei  den  Völ- 
kern selbst,  nach  Andern  stammen  sie  aus  dem  Oriente  her ;  die- 
ser Widerstreit  der  Meinungen  führt  nun  eine  grosse  Verschie- 
denheit bei  Feststellung  der  ursprünglichen  und  eigentlichen  Be- 
deutungen der  meisten  Wörter,  bei  Ei'kläru.ig  der  Namen  und 
Auslegung  der  Mythen  und  heiligen.  Gebräuche  lierbei.  Et  n 
quidem^  lalirt  der  Hr.  Verf.  fort,  qui  ex  Oriente  transiisse  in  Oc- 
cidentem  Ungiias  7Z?s/ [schreibe:  si  noii\  om/ies^  certe  plerasque^ 
existimarnnt^  in  larias  ipsi  abierunt  partes.  Die  Ansicht  derer, 
welche  alle  Bildung  des  menschlichen  Geschlechts  aus  Indien  her- 
leiten, wird  nur  im  Vorbeigehen  berührt  und  um  so  weniger  einer 
besondern  Erörterung  werth  befunden,  postquam  satis  demon- 
stratum  esse  videtur^i  tnonumenta  illa  Indien.,  sine  scripta  sive 
artificiosa.,  non  vetustissimae  esse.,  cui  adscribeba?itu7\  aetatis^ 
antiquis  multa  recens  esse  addita.  Nach  Anderen,  z.  B.  Sickier, 
sind  die  Griech.,  Lat,  Deutsclie  Sprache  aus  dem  Schoosse  der  Semi- 
tischen liervorgegangen ;  noch  Andere  suchten  die  Griech.  Namen 
der  Götter  atis  dem  Aegyptischen  herzuleiten,  wogegen  sich  je- 
doch bereits  Schwenck  *)  und  W  e  1  c k e r  erklärt  haben.  Zu- 


*)  S.  Conrad  Schwenck  Etymolo gisch  -  Mythologi- 
sche Andeutungen,  Elberfeltl  1823  in  8,  S.  8:  „Es  kann  da- 
her keine  Wahrscheinlichkeit  haben ,  wenn  man  die  Griechischen  Göt- 
ternamen in  das  Prokrustesbett  der  Orientalischen  Sprachen  einzwängt 
und  uns  neue  Bedeutungen  ausreckt  od^r  zuschneidet.  Für  besonnene 
ctyraiologische  Forschung  bat  Bentley  in  seinem  Briefe  an  Gottfried 
Richter  (vid.  Ejusd.  Specim.  Observatt.  critic.  Jenae  1713  S.  19,  (!oll. 
Wolf  Analekten  I  p.  90)  folgende  beachtungswerthe  Stelle  niederge- 
legt: si  in  ulla  eruditionis  parte,  in  hac  inaecipue  tcöv  szvfioXoytmv, 
opus  est  solido  et  subacto  judicio  :  quo  qui  desiituunüir,  turpissime  sc  dare 
solent  et  deridetrdos  propinare.    Ea  enim  est  indoles  linguarum  orientalium. 


Beck:  Observatt,  historicac  ctcrit,  Spcc.  IV.     4:13 

vörderst  ist  mm  klar,  dass  diejcniiren  Worte  und  Namen,  die  ent- 
Meder  aiiiicnsclicinlicli  von  ausliindisclien  \  ölkcrn  zu  aiulcrn  übcr- 
^eijauiren  und  von  diesen  aur^ononinien  sind,  o»ler  nach  ausdrück- 
lichen Zeuirnissen  der  ScJirirtsteiler  ans  der  Fremde  stammen, 
aus  den  Sprachen,  welchen  sie  zu^ehörten,  erklärt  werden  müssen, 
imd  wenn  schon  nicht  in  Abrede  gebracht  werden  kainj,  dass  Völ- 
ker des  Orients  zu  \erschiedenen  Zeiten  durch  Schilliahrt,  llan- 
delsverkelir ,  oft  aucli  im  Dranire  der  Notli  ins  Abendland  kamen 
und  demselben  ilire  Sprache,  Künste,  Keliffion  und  jMythen  mit- 
theihen,  so  darf  daraus  doch  nicht  ffefoii^ert  werden,  dass  die 
(iriecli.  ^  olker  die  Spraclie  des  Orients  und  den  iranzcn  Reich- 
thum  seiner  jMythen  und  Keh'iiionsiiebräuche  anl'^^enommen  haben, 
aucli"  lässt  sich  nicht  nachweisen,  dass  die  \ olker,  auf  deren  ver- 
schiedenen t  rsprunir  nocli  viele  und  deutliche  Spuren  hinleiten, 
allzinnal  aus  dem  Oriente  in  ihre  nachmalii;en  \\  ohnsitze  einge- 
wandert seven  und  von  dorther  iln-e  Sprache  und  ireistiire  Bilduu'j 
enipian^en  liaben.  Muss  jedoch  ihrlJrsjjruu^  wirklich  im  Oriente 
aui'iresuclit  werden,  so  dürften  sie  docii  erst  nach  Abiauf  vieler 
Jahrhunderte  in  die  Gegenden  gekommen  seyn,  in  welchen  sie  ru- 
hige Sitze  fanden,  und  sonach  muss  man  wolil  auf  der  Hut  seyn, 
alle  oder  d;e  meisten  derjenigen  Wörter  imd  JNamen,  welclie  sicli 
in  den  Spraclien  der  gebildeten  Abendländer  vorrinden,  ingleiclieii 
die  mit  ümen  Aerbimdenen  üegriile,  mit  Hülfe  der  Orientalischen 
Sprachen  zu  erklären,  was  lediglich  daim  nur  zugestanden  wer- 
den kami:  iibi  manifesla  est  convcnienlianon  vocabulornm  modo 
iitriiisquc  ^cncris  lingi/arum  sed  noliouinii  eliam^  quae  iis  ex- 
'primuuiui\  ncque  aliue  res  et  rationes  illi\  quam  repen'sse  iiulns 
visi  simus^  iiecessitudliii  obsUmt ;  iino  stirpes  vocabiUorum  et  no^ 
luinum  primiim  omiiium  in  eci  ipsu  liii^ua^  cujus  sunt^  qiiaerenda 
esse  ^  neque  tantum  in  una  atiqua  ejus  ratione  et  compositio7ie^ 
sed  in  variis  cliam  dialectis^  quanim  tdia  sacpe  magis^  quam(diae^ 
primae  stirpis  indicia  sercavit^  atque  liiuc  ctium^  coiiiparato  in- 
genio  et  cultu  pupuli ,  gentis  familiae  cujusque^  ejus  mijtläca  et 


ut  si,  pro  more  homtnum,  qtii  in  ea  re  hodie  Imiream  quaerunt ,  vocaUiim 
nulla  ratio  habcatur,  consonantium  autcm  permutntio  tarn  palicntcr  admitia- 
iur ,  quidvis  ex  quovis  potcrit  dcduci,  et  tola  verbonnn  Graecorum  sitpcUex 
ex  Oriente  dvportari.  Supcriore  saeculo  Goropitis  lievanns,  vir  alioqui 
doctus;  et  in^cnio  non  vidgari,  omnia  liugune  Kbraeuc  voeabula  ex  IJrabun- 
ticis  dediuerc  adgressus  est:  vix  magis  insonus ,  quam  qiii  liodic  oiunia 
nostra  ex  Ebraeis  peterc  conantur ,  febriculosis  coiijeciitris  et  inanibiis  suspi- 
cionibits  frcti.  Ilanc  tu  ut  inf^eniorum  pcstcm  fu^ias,  niictor  tibi  ero.  ISul- 
lus  eiiim  solidue  doctrinae  fruvtiis ,  nulla  apttd  cordatos  homiiics  gloria  hinc 
provenire  poterit.  cfr.  Georg  Zocga's  Abhandlnnfren,  hcraus- 
gofi^ebfii  und  mit  Zueützon  begleitet  von  F.  G.  Welckcr,  Göttingen 
1«17  in  8,  S,  TU. 

Jalirb.  d.  riiil.  u.  räilag.  Jchrs- 1.  Heft  2.  27 


4l4  Programme. 

hisloricavocahula  esse  eTplicanda  ;  in  Jjatina  lingtia^  praeter  äo- 
meslicus^  quaruni  servatae  sunt  reliquiae  ^  stirpes  spectandas 
esse  Jeolicae  Graeconim  dialecti  formas  et  roces^  nee  coiifugien- 
dum  esse  ad barbararum  Itiigiiaruniauxüia^  nisiubiidoneae  cau- 
sae  vel  cogant  vel  suadeant  (S.  6 — 7).  In  Ausmittelung  der 
Stammwörter  lassen  sich  nun  aber  einifi^e  Etymologen  auf  ent- 
schiedenen Abwegen  betreffen.  Da  wahrscheinliclier  Weise  die 
ersten  AVörter,  deren  sich  die  Mensclien  bedienten,  nur  aus  Einem 
Vokale  oder  Einer  Sylbe  bestanden,  so  ist  man  auch  bemühet  ge- 
>vesen  in  den  allmählig  ausgebildeten  Sprachen  ähnliche  Sprach- 
wurzeln  aufzusuchen,  ein  Verfahren,  das  besonnen  eingeleitet  und 
innerhalb  der  rechten  Gränzen  gehalten,  nicht  \ervverflich  ist, 
gleichwül,  eben  weil  man  es  nicht  verstand,  die  rechte  Linie  un- 
verrückt zu  beobachten,  zu  Aielerlei  eiteln  Spielereien  und  glei- 
ssenden Thorheiten  geführt  Jiat  (man  sehe  S.  7  —  8).  Im  Aus- 
lundigmachen  der  Stammwörter  empfiehlt  der  Ilr.  Verf.  die  grosse- 
ste Vorsicht  und  räth  dabei  vorzüglich  dahin  zu  sehen:  piiimim 
vt  stirpes  illae  certae  sint^  neqiie  confictae  ^  dein  ut  rere  insint 
rocubulis ,  tum  ut  derivatio  facile  inde  facta  sit ,  denique  vis  et 
significatio  vocabuli  appri/ne  stirpi  respondeat.  Quodsi  verho- 
rum  uut  nojuinum  nonnidloruin  stirpes  inveniri  nequeant^  prae- 
stat  ab  iis  indagaudis  abstinere^  quam  temere  ludere^  aut  viiruni 
in  modum  coacervare^  quae  ex  iis  derivata  dicuntur  (S.  8). 
Ob  nun  schon  hierbei  die  Buchstabenvertauschung  und  Umsetzung 
derselben  nicht  zu  übersehen  ist,  so  darf  man  doch  auf  dieselbe 
bei  Ableitung  der  Wörter  und  Namen  von  Einem  Stamme  nicht 
zu  viel  Gewicht  legen,  und  man  liat  nur  darauf  zu  sehen:  quae 
prima.,  h.  e.  primitus  usurpata  fuerit  vocabuli  forma.,  quae  dein- 
eeps  exstiterint.  Ueberhaupt  muss  man  sich  bei  Vergleicliung 
der  Wörter  unter  einander  und  dem  Uemühen,  sie  auf  ihren  Ur- 
sprung zurückzuführen,  hüten,  die  Aehnlichkeit  nur  in  wenigen 
Uuchstaben  oderSylben  ausscliliessend  zu  suchen.  Viele  Etymo- 
logen gingen  hieiin  über  die  Gebühr  Aveit  und  führten  Irrthümer 
lierbei ,  w  eiche  die  Geschichte  der  Völker  und  ihre  Mythologie 
vielfach  getrübt  haben,  wie  der  Ilr.  Verf.  in  den  S.  9  angeführten 
Beispielen  nachweiset.  Itaque.,  sagt  der  wiirdige  Hr.  Verf.  S.  0 
— 10,  tum  demum  probanda  crit  et  amplectenda  derivatio  voca- 
bulorum  a  communi  quadam  stirpe.,  quae  litterarum  nonnullariim 
mutatione  nititiu\  quando  nihil  admixtum  commissumve  est.,  quod 
probabilitati  argumentandi.,  linguae  ingetiio.,  dialectorum  rationi- 
bus.,  dicendi  nsui  repugnet.,  nihil  quod  lange  qtiaesituvi  contor- 
tumve  sit',  nihil praeterjuissum  est.,  quod propiorem  indicet  ori~ 
ginem;  quando  tandem  optime  ita  vis  et  potestäs  vocabulorum 
et  nominum  intelligitur  et  illustratur.  Nii'gends  zeigt  sich  der- 
malen das  Bemühen,  den  Etymologieen  auf  die  Spur  zu  kommen, 
Bo  sehr,  als  in  der  Mythologie  und  der  ältesten  Völkergeschichte. 
Mau  erläutert  die  Namen  der  Götter,  der  Helden,  der  Volker  und 


Bock:   Obscrvatt.hlstoricaectrrit.Spec.lv.     415 

Gcjrendcn,  (IcrYölkcrstämmo,  flcrKoloniccnanfi'iljror  uiuIStaaten- 
grüiuler,  ?//,  quid  iis  vc/e  sif^nificcttir^  qaae  nolio  et  quam  ainpla 
iis  stibjccta  m't  ^  qni  serisus  in  mythis  lateat^  quid  sibi  veiiut  et 
quo  spccteiit  nnrrationes  de  iis  qui  nominantur  ^  quue  senteutia 
rebus  eorutn  couimcnioiiitis  e.vprimalu/\  iitrum^  quae  de  singulis 
iraduntui\  proprie  siut  accipicnda  au  iuipropric  et  altegorice 
ila  ^  nt  universae  quaedmn  ideae  his  iiouiiiiibus  compreheiidi  ex- 
istimcntut\  vertu  iutcll/^atur.  liei  Erläuteruiii::  dci*  iNaint-n  der 
grossen  lind  kleinen  Gottlieiteii  nalim  man  entweder  seine  Zuüucht 
zn  den  ausländischen  Spraclien,  deren  schon  oben  Kr\väljnun^  ge- 
schah, oder  blieb  bei  der  Griechischen  stehen,  Mie  der  Ilr.  \erf. 
an  dem  jVamen  der  Kabiren  nachweiset,  den  man  tlieils  aus  dem 
Oriente  lierholt:  ci-aa  potentes ^  oder  wie  Seh  eil  in  g  (nicht 
Schlegel,  wie  die  Note  angiebt)  D^^ian  socii,  theils  aus  dem 
Griechischen  Aon  accen',  xat^LV,  KdsiQOi  oder  KäßsiQoi  ableitet, 
wie  Welcker  und  Scliwenck,  i^Ian  sieht,  dass  jenachdem 
der  Ursprung  des  Wortes  gel'asst  wird,  auch  die  Uedeutung  inul 
AuiFassung  der  mit  diesem  ISamen  verknüpilen  Erzählungen  sich 
verschieden  gestalten  muss.  AV  quum^  fährt  der  Ilr.  Verf.  S.  10 
fort,  deoru:n  dearunive^  interduni  etiani  herouni  et  licroinarum^ 
noinina  varia  et  res  ad  elenienta  prinia^  ad  sidera  et  corporacoe- 
lestia  et  terrestria^  ad  jihaenoniena  jiaturae  partesque  universi^ 
ad  eventa  qjiaedarn  nalurulia  singulis  locis  propria ,  vidcania  et 
inarina  ;  heroum  autevi  jjlcrornmque  nouiinaad  initia  cidturae  liUr- 
■niani  generis  ^  ad  agriculturani  ^  opificia^  navigationes  ^  commer- 
cium artes  et  quae  sunt  hujus  gener is  alia^  quorum  inventis  vita 
humana  auctaest^  referrentur  ;  ßeri  no7i  potuit^  quin  hujus  na- 
minum  propriorum  interprclalionis  2}raesidia  petereniur  ex  eo- 
rum  originibus^  in  hunc  tisum  dicinando  constitutis ;  quae  ratio 
7iiulta  pepe/it  et  diversa  et  viira  commenta.  Der  Ilr,  Verf.  lässt 
uns  auch  hier  nicht  in  Ungcvissheit  Viber  die  Rücksichten,  welche 
hier  zu  beobachten  sind.  Primuni^  heisst  es  S.  11,  oniniuni  in 
Teliquiis  historicorum  veterum^  ordine  et  chro/iologico  et  geo- 
graphica obseriafo^  quaercnduni  erit^  ubinam  et  a  quibns  ^  quo 
sensu,,  quo  consilio  primum  illa  noinina  juerint  usurpata  et 
quae  cum  Ulis  pritnitus  conjunctae  fuerint  narrationes.  J)einde 
propagatiu  hör  um  noniinjim  per  plures-  regioues  ^  populos,,  poetas^ 
et  mutationes  m  quae  in  eorum  iisn  et  sensu  faclae  sunt  ^  cogno- 
scendue  sunt  ex  iisdem  anliquis  fonlibus.  Tum  licebit  reclius 
judicurc^  quae  sit  eorum  nominum  origo^  et  unde^  speclata  ipso- 
rum  indole  et  linguarum  analogia^  ducenda^  quae  vis  eorum 
Sensim  amplijicala^  quae  viythorum  cttin  iis  conjunclorum  ratio. 
Vitandus  autem  erit  in  hoc  genere  promiscnus  quornmvis  scri- 
ptorum  cujusvis  aetatis  usus  m  quorum,-  qni  longissiine  absunt  ab 
anliquiori  aetale  et  dicendi  narrandique  genere  ^  et  qui  libenicr 
suas ,  antea  jant  concepfas  ant  ex  aliis  haustas  opiniones  confir- 
niare  novo  et  urgulo  modo  sludent^Jide  sunt  indigni  et  velj"rag- 

21  * 


416  Programme. 

menta  scriptorum  mdiquorinni,  qx  ae  in  suam  rem  et  sententiam 
affenint^  inlerdum  suspecla.  Miilto  eliani  ilüigeidiiis  carendiim 
est ,  ne  antiqniora  et  receidiora  nominuni  intet pretamenta^  com- 
menta  Oricntis  et  Occidentis  philosophorum,  sive  ad  granwiali- 
cam  sive  ad  mifthicamrationem pertineant^  commisceantur ^  ex 
qua  docta^  vt  multis  videtui\  conjiisione  rix  sanae  me?i/is  Judi- 
cium emerget.  Dasselbe  Vcrfaliren  liat  mau  auch  bei  Aufsuchung 
des  Ursprungs  und  der  Bedeutung  derjenigen  l^^igcnnamen  zu 
beobacliten ,  mit  welclien  Gegenden ,  Gebirge ,  Füisse ,  Insehi, 
Städte  bezeichnet  sind ,  bei  deren  Erklärung  mau  gleichermassen 
auf  grosse  Verschiedenheiten  stösst ,  Avie  der  Ilr.  Verf.  an  dem 
Beispiele  des  Namens  Asia  S.  12  nachweiset.  *) 

Bei  Erklärung  der  Yölkernameu  liat  man  zweierlei  in  Er- 
wägung zu  nehmen:  'prinium  ut  ve putenms  quaevis  nomina  si?i- 
gidas  gentcs  aiit  stirpes^  easqiie'  diversas  denotare.  Deinde  non 
onmia  nomina  toiidem  aut  populos  designarunt^  imo  saepe  unius 
ejusde7nque  gentis  plura  fuerunt  sive  nomina  sive  cognotnina 
jyetitaa  variis  ejus  virtutibus  ^  futis  ^  sedibus  (p.  13).  S.  14  sq. 
spricht  der  Ilr.  Verf.  über  die  Willkür  bei  Erklärung  der  Eigen- 
namen, wobei  M iederura  die  grosseste  Behutsamkeit  anemj)fohleii 
wird :  ne  omnes  Mstoriae  popidorum  antiquissimae  viros  et  du- 
ces  et  reges  adimamus  et  in  merus  eam  ideas  convertamus  (p. 
15).  Auch  bei  Erläuterung  der  Namen  ist  mit  Vorsicht  zu  ver- 
fahren, welche,  wie  der  Name  Cadmus,  nicht  einzelne  Menschen 
bezeichnen,  über  dessen  Herleitung  S.  1(5  gesprochen  wird.  Der 
Hr.  \erf.  beschliesst  seine  äusserst  lehrreiche  Abhandlung  mit 
den  Worten :  Omnino  autem  ut  non  una  fuit  ratio  antiquis  no- 
mina hujus  gencris  explicandi^  ita  nos  quoque  oportet  non  unum 
uhique  et  eiindem  semper  sequi  modmn  originis  et  signißcationis 
et  sensus  nominutn^  quae  tradita  nobis  sunt^  et  rerum  idearum- 
ve  cum  iis  conjunctarum  ^  sed  eum  sequi  ^  qui  et  simplicissimus 
Sit,  et  f adle  se  nobis  offer at^  et  non  multa  egeat  atque  subtili 


*)  Seine  eigene  Ansicht  üLer  den  in  Rede  stehenden  Namen  trägt 
er  daselbst  mit  folgenden  Worten  vor:  Et  mihi  quidem  Jßig  (s.  Aoia) 
yij  'primum  dida  videlur  pars  magis  edita  et  excclsa  ejus  regionis ,  quac 
nunc  minor  Asia  dicitnr  et  undc  plures  gentcs  in  dcclivia  et  lüana  loca  mi- 
grarunt.  Quodsi  PJioeniccs  auctorcs  fuerimt  nominis  Etiropae  (cprtc 
myihi  de  Europa,  a  Graecis  exornati,  videniur  auctorcs  cxstltisse),  in  corum 
lingua  hanc  occidentalis  regionis  dcnominationcm  fuisse  probabilc  est;  cciic 
non  signißcare  potuil  [sclireibe :  sign  if  icar  c  non  poluit]  terram  ul- 
borum  hominum,  si,  de  quo  paulo  post  dicciur,  Pclasgi  Acthiopibus  colorc 
similcs  fucrint.  Letzteres  heliauptet  nämlich  der  Jfir.  Pfarrer  E  i  s  s  n  c  r 
in  seiner  Sclirift:  Die  alten  Pelasg  er  und  ihre  Mysterien, 
Leipzig  1825,  von  dessen  Forsclumgen  und  Ansichten  Receus.  uiichsteus 
einige  Mitthcilun<ren  scheu  wird. 


Siebdrat:  De  studio  ctjmologiae  perverse  Instltuto.         417 

argtimentatio7ie^  vno  sun  sc  commendet  natura  et  consent mt  cum 
Ofntti  aiitiquitaiis  /'//ficjn'o  et  s///^//l/s  ejus  locis  et  rationibiis.  Re- 
cciiseiit  verbiiulet  niil  (iieser  Air/.ci^rc  die  ^on  dem  Schulproiframni 
des  Uli.  IM.  Carl  Wilhelm  Siebdrat,  llect.  des  Gyinaasiums 
zu  Eislcbeii: 

Ad  urnbr  ati  o  quae  s  t  ioiiis  de  studio  e  t  y  iiiol  o  giae 
amultis  perverse  et  ins tit uto  et  adhibito.  Ilalae, 
tj'pis  Gruncrti  patris  fiüique.   MUCCCWV.  13  S.  in  4. 

Naclidcm  der  Hr.  Verfasser  im  Eingänge  seiner  Sclmlschrift 
den  Eiit\>icklungsgang  der  etymologischen  Studien  namentlicli  bei 
Grieclicn  und  Römern  nacIiifeM  iesen  und  aul'dic  mandicriei  Mis- 
^YiiXc  und  Abwege  in  Betreibung  derselben  hingedeutet  hat,  wen- 
det er  sicli  S.  5  mit  den  Worten:  Juni  vero  ne forte  ma^na  illa 
et  egregia  co/nmoda,  quae  sane  ad  omnein  Ungvarum  discipli- 
nam  ex  etymologia  redundarunt^  si  von  tnrpiter  ignorare  ^  at 
ciipide  dcspicere^  atque  ijjsam  etymologiani  si  non  relegare  pro- 
tinus  ex  orbe  Utlerariun ,  at  tcinere  saspectani  reddere^  indear^ 
zur  Angabe  dessen,  was  er  sich  in  seiner  Ahhandhmg  kürzlich  zu 
zeigen  vorgesetzt  hat:  age^  denionstretur  brevissime ^  quo  rmdti 
modo  abusi  tinquani  sinC  hoc  in  genere  soUertia  sua;  ad  quas 
abier  int  ineptias  ;  quam  inutilibus  quaestionibus^  quas  ipsi  solrere 
oiequirent^  interpretationem  veteruni  auctorum  [ lies :  Script o- 
rum'\  inipediverint ;  quam  inconsiderate  arbitrio  suo  potius  ob- 
temper aver int ^  quam  justis  ralionibus  ;  quam  pracpostere  ex  in- 
firmis  suis  propositionibus  ad  rulionem  rerum  quarundam  con~ 
cluse rillt ;  quam  perverse  igitur  et  instituerint  ^  et  adhibuerint^ 
omne  illud  Studium.  Hierauf  folgen  S.  ß  — ^  T  einige  Bemerkun- 
gen über  das,  was  die  Alten  unter  dem  BegrilFe:  Ktymologie 
zusammenfassten,  welche  der  Hr.  Verf.  mit  den  Worten  beschliesst: 
JS  on  dijl'icile  est  inteUectu ,  etymologiam ,  proprie  sie  dictum^ 
[schreibe :  q?i  a m  pr  oprie  d  ic  i m  u  s]  p)liilosop}äae  potius par- 
iemfuisse.,  quam  grammaiicae^  pcrtinet  enim  ad  quaestionem  de 
natura  rerum ^  et  de  vi  menlis  humanae .,  qua  Jactum  esset  ^  ut 
quaeque  res  idoneo  et  convenieiüi  naturae  suac ,  non  arbitrario^t 
nomine  appellaretur.  W  ie  im  Fortgange  der  Zeit  das  Studium 
der  Etymologie  zu  den  Rlietoren  und  Grammatikern  gelangt  und 
von  diesen  mit  Elfer  getrieben  worden  sey,  wird  S.  T  —  8  berich- 
tet. Von  S.  8  an  werden  die  mancherlei  Verirrungen  der  Etymo- 
logen gerügt.  Et  priuium  quidem  omnino  reprehendendosjudico^ 
quicunque  de  elyniis  vocabulo  r  u  vi  t  al  iu  m  quaesirerunt.,  at- 
que etia/nuum  quaerunt.  quoru m  o r ig o,  v el  ob  eo r u m  s im- 
p l ic  i l  at  e m ,  v  el  q u  i a  n ullas  paene  de r  iv at  io n is  n o- 
t  as  impressas  habe  nt.,  ne  que  pat  efieri  im  quam  po  t- 
erit^  neque  patefacta  vim  eorum  et  ])otestate?n 
clarius  esset  monstratura.,  quam  haec  per  sejant 
appurct.     S.  l).  JSeque   minus  vituperandos  censeo.^ 


418  Programme. 

qui  nimis  contortas^  loiigius  arcesstt as^  interdtmi 
adeo  a  contrariis  tractas^  afferunt  derivatiojies 
et  concliisiunculas^  in  quibiis  saepo  vis  uiia  litte- 
ra  faveat  et  supersit.  Als  Beispiele  werden  S.  10  aufge- 
führt 9;^6i')^(jig  eigentlich:  (pOQäg  xal  qov  vu}]6ig  oder  (pogäg 
6vr]6Lg^  Diana  quod  iioctu  quasi  diem  cß'iceret^  lucus  x«r 
dvticpQaGtv ,  quia  p  ar  uin  luceat  cet.  S.  10.  Tn  j)rimis  aöu- 
tuntur  et yinologiae  studio ^  q^wruuiderivationes  contra- 
riae  sunt  aiialogiac  et  lingnae  indoh\\\asS.  11  mit  Bei- 
spielen belegt  uird.  S,  11  werden  die  getadelt,  die  ohne  JNotli  zu 
fremden  Sprachen  ilire  Zuflucht  nehmen ,  um  aus  ihnen ,  gegea 
alle  Gescliichte  und  Alterthumskunde,  die  Stämme  der  Wörter  lier- 
zuholen.  S.  12  werden  diejenigen  eines  grossen  Irrthums  beziich- 
tiget,  qiii  ex  sola  etymologia  vim  et  signißcationein  vcrborum  tibi- 
que  deßnire  et  co?islituere  veäefit^  usu  loquendi  neglecto^  inglei- 
chen :  qui  in  constitucnda  ortliographia  vocabulorwn  nimis  per- 
tinaciterurgent  et  ijmologiayn^  auch  die  trifft  gerechter  Tadel,  wel- 
che in  der  Geograpliie,  der  Geschichte  und  denAlterthü- 
m e ru  etwas  Zuverlässiges  einzig  uiid  allem  auf  dem  Wege  der 
Etymologie  gewinnen  wollen. 

Unter  dem  Texte  finden  sich  viele,  zum  Theil  recht  scliätz- 
bare  Anmerkungen  und  litterarische  Nachweisungen,  unter  wel- 
chen freilich  selir  viele  wichtige  ganz  und  gar  fehlen.  Das  Mei- 
ste schehit  der  Hr.  Vex'f.  aus  den  Berichten  der  Litteraturzeitun- 
gen,  auf  welche  fleissig  ^  erwiesen  w  ird ,  geschöpft  zu  haben.  Der 
lat.  Stil  ist  leicht,  fliessend  und  zeugt,  wie  mehre  friihere  Pro- 
gramme des  Hrn.  Verf.,  von  Fülle  des  Ausdrucks ;  auf  das  Lob  der 
Reinheit  kami  er  indessen  weniger  Anspruch  machen ,  unrichtig 
sind  wiederholt /iewjje,  iiimiruni  imd  scilicet  gebraucht.  Ange- 
schlossen sind  mit  einem  besondern  Titel:  Fortgesetzte 
Nachrichten  über  die  jetzige  Verfassung  desKö- 
n i g I.  Gymnasiums  in  E i s  1  e b  e n  von  M.Karl  W i l li.  S i e b- 
drat.  Halle  bei  Grunert,  14  S.  in  4.  Das  Gymnasium  befindet 
sich  in  einem  blühenden  Zustande  nnd  zaldte  Ostern  1825,  208 
Schüler,  welche  in  6  Klassen  vertJieilt  sind. 

Dr.  Eggcrt  iu  Halle. 


K  ü  r  z  c  r  c    A  n  z  c  i  g-  c  n.  419 

Kürzere  Anzeigen. 

Mythologie  und  Archacologic. 

Handzeichntingeil  von  Karl  Kürcher  zu  dessen  Mythologie  und 
Archaeologie  des  clas.-Irichen  Altertliuius.  Ciirlsruhc  bei  GottUcb 
Braun.    1825.   fol.    V  Hefte ,   enthaltend  (>2  Steindruektafeln. 

Kurzgefasstes  Handbuch  des  JFissenstvü r digsten 
aus  der  Mythologie  and  A rchae olo gie  de s  das- 
si  sehen  Altert  hu  ms  von  Karl  Kürcher,  besonders  zu  dessen 
Ilandzeichnungen.  Ebendaselbst.  1825.  230  S.  8.  Preis  des  ganzen 
Werkes  auf  Subscription  4  Thlr. ,  Ladenpreis  5  Thlr. 
[Vergl.  Hall.  Lit.  Zcif.  1826  Nr.  80  und  Schulzeit.  1826  Abth.SLit. 
Bi.  10.] 

infolge  der  auf  dem  ümsclilage  gegebenen  Ankündigung  Boll 
„das  Werk,  aus  den  Quellen  geschöpft,  die  ganze  Archaeoiogie,  mit 
Kiicksicht  auf  die  neuesten  Forschungen,  sowohl  systematiscli  als 
durch  gute  und  zuverlässige  Abbildungen  erläutei'u.  Bcy  den 
Zeichnungen  soll  immer  mit  aller  Gewissenhaftigkeit  verfahren 
werden ,  die  man  alten  Kunstwerken  schuldig  ist,  also  ohne  daran 
etwas  verscliönern  od^er  verbessern  zu  w  ollen,  was  oft  nicht  schwer 
gewesen  wäre.*-'  Eine  solche  Aukiindigung,  ein  so  wohlfeiler  Preis, 
bey  gutem  und  weissem  Papier  und  einer  gewissen  Reinlichkeit  in 
der  Ausführung ,  musste  allen ,  die  das  Bedürfniss  eines  Werkes 
dieser  Art  schon  längst  gefühlt  hatten,  sehr  willkommen  seyn,und 
das  zahlreiche  Verzeichniss  der  Sul>scribenten  beweist,  dass  die 
Unternehmung  in  merkantilischer  Ilhisiclit  gelungen  ist,  so  dass 
ein  gewissenhafter  Leurtheiler  um  so  weniger  Bedenken  tragen 
darf,  ein  fre^müthiges  Zeugniss  von  dem  Werke  zu  geben. 

Aus  den  beyden  oben  angeführten  Titeln  kann  man  nicht  er- 
rathen,  ob  die  Zeichnungen  zu  dem  Ilandbuclie  oder  das  Hand- 
buch zu  den  Zeichnungen  gemacht  worden,  und  die  nähere  Be- 
trachtung der  beiden  Werke  selbst  vermag  nicht  darüber  Auf- 
schluss  zu  geben:  deiui  wenn  die  Zeichnungen  nur  Zugabe  zu  dem 
Buche  wären,  so  Hesse  sich  ihre  Mangelhaftigkeit  wohl  begreifen, 
wenn  auch  nicltt  entschuldigen;  das  Buch  für  sich  aber  müsste 
neue  Ansichten  und  Aufschlüsse  enthalten,  oder  doch  vollständi- 
ger, besser  geordnet  und  in  einem  Tone  geschrieben  seyn,  der 
die  Achtung  für  die  Hoheit  des  Geistes  und  der  Bildung  des  clas- 
sischen  Alterthmns  beurkundete,  welche  hi  den  Zeichnungen  nir- 
gends zu  linden  ist.  Demi  mit  Ausnahme  derjenigen  Vorstellun- 
gen, die  aus  S  c  h  1  i  cli  t  e  g  r  o  1 1  s  Stoschischer  Dakthy  liothek,  Z  o  e- 
ga's  Bassivili\i,  Horners  Bil<lern  des  griechischen  Alterthums 
und  vielleicht  nocii  eiiiis^en  andern  geradezu  bloss  durchgezeich- 
net wurden,  bind  die  üLrigeu  \oii  einer  solchen  BeschatTenheil, 


420  Kürzere    Anzeigen. 

dass  es  besser  wäre  davon  zu  schweifen.  Wollte  mati  aber  an- 
nehmen, die  Zeirluiiiniren  seyen  die  Ilauptsaclie,  und  das  Buch 
nur  zur  Erläuterung  bevirelegt,  so  enthält  es  dann,  statt  einfa- 
cher Erklärung  der  Vorstellungen,  eine  Menge  von  Dingen,  die 
gar  nicht  zu  jenen  gehören.  Freylicli  sind  auch  zu  den  Bildern 
gelbst  Erläuterungen  gegeben;  aber  zum  Thcil  solche,  die  für 
die  Käufer  des  Werks  eben  nicht  sehr  erfreulich  scyn  dürften ; 
denn  über  die  versproclienen  guten  und  zuverlässigen  Abbildungen 
berichtet  uns  die  Vorrede  S.  IX  imd  X,  „dass  manche  Vorstellun- 
iiicht  antik  seyen;  es  liege  nur  den  Gelehrten  und  Künstlern  an 
dem  acht  Antiken,  das  sey  aber  bey  den  Solüilern  nicht  der  Fall 
('?),'•'  verspricht  dann  die  nicht  antiken  V^orstcllungen  gewissen- 
liaft  anzugeben  und  nennt  13  derselben  mit  dem  Zusätze:  „diess 
ist  alles ,'■'■  fährt  dann  aber  fort:  ,,der  'i'exl  lehrt,  warum  noch  ei- 
nige andere  nicht  antike  hinzugekommen  sind,''-  "imd  weiterhin: 
„Soll  ich  nun  noch  in  den  übrigen  Abschnitten  das  Nichtantike 
angeben;  es  ist  wieder  wenig;  ichwills  also  diessniahl nicht thun.''- 
Das  ist  Avirklich  eine  ganz  neue  Art  von  Zuverlässigkeit!  Die  ge- 
wissenhafte Angabe  hnt  noch  dazu  den  Zeus  und  Gcmymedes 
von  M  e  u  g  s  Tab.  I  lig.  9  und  die  Themis  mit  Schirert  und 
JVage  T.  VllI  flg.  13  vergessen  und  dagegen  die  wahrhaft  anti- 
ken MiiseJi  T.  VIII  flg.  1  —  1)  aus  dem  Museo  Clementino  für 
nicht  antik  erklärt.  Das  sind  sie  zwar  allerdings  nicht,  so  ver- 
kümmert und  entstellt,  wie  sie  hier  gegeben  werden,  und  dies 
führt  uns  noch  auf  die  versprochene  Gewissenhaftigkeit,  die  nicbt 
verschönei-n  noch  verbessern  will,  „was  oft  nicht  schwer  gewesen 
wäre.'*'  Man  könnte  dieses  für  unverständige  Anmassung  halten, 
wenn  man  nicht  bedächte,  dass  der  Verfasser  nur  die  Antiken 
meint,  wie  sie  in  den  deutschen  Bildermythologien  von  Hirt, 
Rani  1er,  Moritz,  Pitiscus  u.  s.  w.  vorkommen,  und  frey- 
lich der  Verbesserung  sehr  bedürftig  seyn  möchten. 

Wenn  man  nun  mit  schwachen  Kräften  und  dergleichen  un- 
zulänglichen Hülfsmitteln  versehen  nur  auf  das  sogenannte  Ge- 
meinnützliche mid  Wohlfeile  ausgeht;  so  kann  man  wohl  vieler- 
ley  Material  zusammenhänfen;  aber  man  wird  damit  nur  von  der 
wahren  Erkenntniss  des  Alterthums  abführen,  und  der  Jugend 
durch  solche  Armseligkeiten  allen  Sinn  und  Geschmack  verder- 
ben. Man  werfe  nur  einen  Blick  auf  die  unterste  Reihe  der  er- 
sten Tafeln  der  Mythologie ,  auf  den  V^atikanischen  Apollo  Ta- 
fel II,  Amor  und  Psyche  Taf.  IV,  den  Nil  Taf.  V  und  die  Na- 
Jade  No.  9  ebendaselbst,  und  entscheide  dann,  ob  unser  üi'theil 
zu  hart  sey.  Wir  übergehn  die  andern  Abtheilungen  des  Werks, 
z.  B.  den  ganzen  Plunder  vom  Kriegswesen  mit  grÖsstentheils ima- 
ginären Vorstellungen  nach  alten  Ausgaben  von  Caesar  und  Vi- 
truAius,  um  noch  ein  Wort  von  der  Baukunst  zu  sprechen.  Hier 
ist  wieder  der  durchaus  imagiaäre  Palast  des  Odj/sseus  aus  dem 
Yossisclien  Homer  mit  einigen  Erweiterungen  als  Beyspiel  ei- 


1 


Kürcliers  Handzeiclinungcn  u.  Ilandl).  dcrMythol.  u.  Arcliaeologlc,  421 

iier  antiken  Privatwolunmg  im  Cnindriss  gegeben,  statt  eine  sol- 
che aus  den  Uebcrrcstcii  von  Pompeji  zw  wählen,  wo  ihrer  viele 
noch  so  zu  ga"£:en  voUstäiidiz  erhalten  sind.  Die  Tempel  sind,  mit 
wenigen  Ansnalmien,  aus  Ilirts  Geschichte  der  Baukunst  ent- ' 
lehnt,  luid  eben  so  roh  und  uniormlich  £:elassen,  wie  sie  dort  Aor- 
Ivominen ,  mo  keine  Säule  caiu^lirt  ist  und  iibcrüll  die  Einschnitte 
in  den  Triglyjilieu  l'ehlen.  Eben  weil  das  Werk  iur  Schüler  be- 
stimmt ist,  diirlen  nicht  solche  hieroglvphische  Abkiirzungenuud 
blosse  Andeuiuuiren  darin  Aorkommen,  wie  sie  allenfalls  dein  Ar- 
chitekten irenüiren ,  der  schon  weiss,  w  ie  die  Saclie  aussehen  soll- 
te. DaiTCireu  ist  das  Doikmahl  des  Choregen  Ijijsihates  durch 
einen  falsch  aufgesetzten üreyfuss  (ebenfalls  nach  llirts  Vorgan- 
ge) verunstaltet.  Auch  ist  nicht  abzusehen,  warum  von  demC/ß6- 
viahl  des  Mausohis  iAw  gedoppelter  Entwurf  nach  Weinbrcn- 
ners  und  nach  Ilirts  Idee  gegeben  ist,  da  dergleichen  Uebmigs- 
stücke  wohl  fiir  Architekten  aber  weder  für  Schüler  noch  Lehrer 
des  classischen  Alterlhnms  von  besonderm  Nutzen  seyn  können. 
Die  Beschreil)ung  des  Theaters  kommt  nicht  bey  dem  Bauwesen, 
sondern  bey  den  Spielen  vor,  und  ist  ein  Meisterstück  von  Confu- 
siou.  Ueberhaupt  wenn  Herr  Kärcher,  seiner  Ankündigung  ge- 
mäss ,  die  ganze  Archacologic  erläutern  will,  so  weiss  er  offenbar 
nicht,  was  alles  hierzu  gehört,  sonst  würde  es  ihm  nicht  einfal- 
len, diese  Wissenschaft,  auch  imr  oberflächlich,  auf  230  Octav- 
Seiten  vortragen  zu  wollen.  Seine  Aufgabe  war,  sicli  auf  dasje- 
nige zu  beschränken,  was  durch  Nachahmung  wirklich  Aorhandc- 
ner  Ueberreste  ans  dem  Alterthum  in  Bildern  klar  gemacht  wer- 
den kaim,  und  dann  wären  die  Abschnitte;  von  Werbung  und  Sold 
der  Truppen,  von  Eintheilung  der  Armee  und  des  Volks ,  seinen 
^  ersammlungen  und  den  obrigkeitlichen  Aemtern  von  selbst  Aveg- 
gefallen.  Am  Avunderlichsten  erscheint  zuletzt  noch  das  Verzeich- 
niss  der  vorzüglichsten  griechischen  und  römischen  Schriftsteller, 
von  denen,  mit  Ausnahme  des  Orpheus  von  Bode,  sonst  nirgend 
auch  nur  eine  einzige  Ausgabe  augeiuhrt  Avird.  Von  der  Rück- 
sicht auf  die  neuesten  Forschungen  gesteht  die  Vorrede,  dass  die- 
se bey  der  3Iythologie  nicht  thunlich  gewesen  sey,  Avas  Avir  gerne 
glauben  und  sogar  höchlich  billigen,  Aveil  jene  neuplatonischen 
Träumereyen  mit  den  bildlichen,  so  Avie  mit  den  schriftlichen  I)o- 
cumeuten  ans  der  classischen  Zeit  im  \\  iderspruche  stehen.  Was 
von  der  Aersprochenen  systematischen  Anordnung  zu  halten  sey, 
kami  man  aus  der  beständigen  Durcheinandermeiigung  der  grie- 
chischen und  römischen  Gottheiten  in  der  Mythologie  imd  der 
gänzlichen  \  eniachlässignng  jeder  Zeitangabe  für  die  verschiede- 
neu Vorstellnngsartcu  abneluaen. 

J.  Homer. 


422  Kürzere  Anzeigen. 

Götter  und  Heroen  der  Grie chen  und  Römer.  Nach 
alten  Denkraälern  bildlich  darg-estellt  auf  XLVII  Tafeln,  nebst  deren 
Erklärung.    Berlin ,  Itücker.   182«.   63  S.   gr.  4.  geh.  4  Thlr. 

lii  Vergleichung  mit  dem  Kär  eher  sc  heu  Werke  sind  hier  alle 
Figuren  besser  gezeichnet ;  die  PJrklärungeu  enthalten  in  der  zweck- 
raässigsten  Kiirze  nur  das  zu  den  Uildern  Gehörige ;  nicht  antike 
Vorstellungen  sind  gänzlich  ausgeschlossen,  und  es  ist  in  415  IN um- 
mern  so  ziemlich  alles  beygebracht,  was  mau  von  ehiera  mytholo- 
gischen Uilderbuche  gewöhnlich  erwartet.  Aber  dagegen  darf  mau 
wolil  fragen,  wozu  das  Werk  eigentlich  dienen  soll"*  31it  31  il- 
11ns  auch  ins  Deutsche  übersetzter  Galerie  Mythologique 
kann  es  die  Vergleichung  nicht  aushalten,  weder  in  der3Iannig- 
faltigkeit  der  Uilder,  noch  in  der  Nettigkeit  und  kiinstlerischen  Si- 
cherheit der  Zeichnungen;  auch  erscheint  der  erklärende  Text  gar 
zu  aphoristisch  und  weiset  nirgends  seine  Quellen  nach.  Wäre  das 
Buch  aber  noch  besser  und  reicher  ausgestattet  als  das  von  Mil- 
iin, so  mVisste  man  es  doch  für  ein  überflüssiges  Unternehmen 
erklären:  denn  an  die  schon  längst  von  Heyne  gewünschte  und 
von  Voss  noch  dringender  geforderte  Unterscheidung  des  Zeit- 
alters der  verschiedenen  Vorsteilungsarten  ist  gar  nicht  gedaclit 
worden.  So  z.  B.  kommt  uns  in  der  ersten  Nummer  die  abscheu- 
liche neuplatonische  Fratze  des  yleon  entgegen,  der  dann  auf  der 
zweyten  Tafel  die  zwölf  Gottheiten  im  ältesten  Styl  nach  dem  Bas- 
relief des  KaUlmachos  und  andern  folgen,  an  die  sich  wieder  Wer- 
ke aus  den  Zeiten  der  höchsten  Entwicklung  der  Kunst  unmittel- 
bar anschliessen.  Statuen,  Basreliefs,  Gemmen,  Vasen  und  Wand- 
gemälde, Mosaiken,  eingestochene  Pateren  und  Mignaturen  aus 
Handschriften  haben  zu  dem  Gemengsei  beytragen  müssen,  das 
weder  die  Wissenschaft  noch  die  Kunst  föidern  kann;  denn  au 
die  von  Winkel  mann,  wie  es  scheint,  umsonst  den  Deutsclieu 
verkündete  Hoheit  und  Vortrefflichkeit  der  alten  Kunst,  an  Un- 
terscheidung des  Styls  u.  s.  w.  ist  bey  solchen  kleinen  Umrissbild- 
chen gar  nicht  zu  denken.  Das  Beste  an  diesem  Werke  sind  Pa- 
pier und  Druck ,  die  beyde  sehr  gelobt  werden  müssen. 

J.  Homer. 


Lateinische  Dichter. 


C.  Valerius  Catulliis.  llecensuit  et  emendavit  F.  G.  Potticr. 
Parisiis,  apud  Malepeyre,  Bibliopolaiu.  1825.  —  Albius  Ti- 
b  II II US.  Kccensuit  et  eiuendavit  F.  G.  Potticr.  Parisüs,  ibid.  eod,  a. 
Zusammen  XX  u.  215  S.   8. 

▼  ▼  ir  würden  diess  von  Firmm  Didot  auf  dem  schönsten  Papier 
gedruckte  Buch    einer  Erwähnung   in    chiem    kritischen   Blatte 


Catullus  et  Tibullus.     EJ.  Pottlcr.  423 

Deutschlands  nicht  gewürdiijt  liaben ,  wenn  niclit  eine  Grossspre- 
clieici,  die  Herr  P  o  1 1  i  e  r,  dessen  phiiologisclieii  Charakter  scliou 
ein  andrer  jMitarl)eiter  der  Jahrbücher  deutlich  genti^  bezeichne- 
te, sich  aui'  dem  'l'itel  erlaubt  hat,  eine  Wariuiug^  nöthii;  machte, 
damit  nicht  unsre  Landsleute,  denen  die  Ansiclit  des  Euclies  nicht 
verstattet  ist,  durch  das  Lockende  der  AnkVuulii^mig  zum  Ankaut' 
sich  verführen  lassen.  Der  äussere  Titel  des  Diiches  lautet  näm- 
lich so:  Collection  des  auteurs  Latins^  p^iblies  et 
c  o  IIa  tioii  lies  sur  les  mauuscrits  de  la  hibliothe  que 
du  Itoi;  und  \\enn  nlan  nun  damit  das  recensiiit  et  emendavit 
auf  dem  ei2:entlichcn  Titel  des  liuchcs  veriileicht,  so  dürfte  sich 
leicht  der  Schluss  bilden,  dass  Herr  P  o  t  ti  er  zu  seinem  Catull  die 
Königl.  Französischen  Handschriften  benutzt  habe.  In  diesem 
>Vahn  ging  ich  an  dieses  Buch,  und  war  um  so  mehr  auf  Herrn 
Pottiers  Entdeckungen  begierig,  da  ich  selbst  bei  meiner  An- 
Mesenheit  in  Paris  die  dort  befindlichen  Handschriften  des  Dich- 
ters (mit  einziger  Ausnahme  des  dem  ]5  Jahrhundert  angehören- 
den codex  Baluzianus  nr.  84o8,  der  damals  gerade  von  der  Bi- 
bliothek verliehen  war) ,  so  wie  auch  die  beiden  ersten  Ausgaben 
verglichen  hatte,  wobei  ich  bemerken  muss,  dass  eine  editio  llo- 
niana  Aon  1474,  die  Santenius  kennen  wollte,  nicht  existirt, 
wie  mir  Herr  Yanpraet  versicherte,  dem  man  gewiss  glauben 
wird.  iSun  sagt  auch  allerdings  Herr  Pottier  in  seiner  Franzö- 
sisch geschriebenen  Vorrede,  von  der  dem  Catull  S.  1 — 4  uiul 
1)  — 14  gewidmet  sind,  während  sicli  der  Rest  mit  Tibull  beschäf- 
tigt, dass  die  Königl.  Bibliothek  nur  8  —  1)  Handschriften  aus  dem 
15  JahrJiundert  besiizt ;  er  hätte  sich  aber,  da  sie  so  gar  neu  seien, 
sie  selbst  eben  nichts  neues  darböten,  mit  ihnen  nichts  zu  schaf- 
fen machen  wollen.  Ohne  mich  um  den  zweiten  Grund  von  Herrn 
Pottiers  iSachläf^sigkeit  zu  bekümmern,  will  ich  nur  einige  Wor- 
te über  den  ersten  liinzufügen.  Dieser  klingt  recht  schön,  ist  aber 
nicht  wahr.  Denn  Cod.  85)71,  der  freilich  nur  das  Epithalamium 
LXll  enthält,  gehört  dem  10  Jahrhundert  an,  und  ist  derselbe, 
den  Isaak  Vossius  unter  der  Benennung  chartae  Thuaneae  mit 
Recht  sehr  hochstellt,  und  aus  dem  auch  Herr  Boisso  nade 
an  A  erschiedenen  Orten  mehreres  mitgethcilt  Jiat.  Er  ist  nament- 
lich für  die  Beurtheilung  der  Geschichte  des  Textes  nicht  ohne 
Wichtigkeit.  Dazu  kommt  aber  noch  codex  Sancto-Germanensis 
(raanuscrils  des  petits  convents,  nr.  11(55),  der  vom  19  October 
11375  datirt  ist,  und  der  ebenfalls,  Memi  er  auch  selbst  an  ein- 
zelnen Stellen  nicht  sehr  bedeutendes  darbietet,  doch  im  Allge- 
niehien  manches  aufklärt,  \\as  früher  dunkel  war.  Warum  nun 
hat  Herr  Pottier  diese  beiden  Hülfsmittel  ganz  übergangen'? 
warum  hat  er  überhaupt  über  alte  andere  Handschriften  und  über 
die  l'idit.  priiiceps  ein  so  wegwerfendes  ürtheil  gefällt,  als  wie 
namentlich  von  dieser  mit  folgenden  \> orten  zu  lesen:  Son  teaUo 
est  en  geiuiralpeu  currect^  et  ne  peut  elre  d'  un  grand  secours. 


424:  Kürzere    Anzeij^en. 

Wanim'?  Aveil  er  von  allen  diesen  Sachen  niclits  anjresehen  Jiat, 
sondern  in  seiner  glückliclien  Unbefangenheit  die  Urtheiie  ande- 
rer zn  den  seinigen  macht,  mid  seine  Leser  damit  blenden  will. 
Herr  Pottier  gicbt  nnn  folgendes  zn  hören:  Prifd  de  In  res- 
source  des  monuscrits  j '  cd  du  recourir  aas  edüiojis.  Celle  de 
Docnng  et  une  cuicienne  des  Aldes  garnie  de  noles  maitusvrits^ 
?«'  OJit  ete  les  jjIus  utiles.    Doerhig  afaü  sur  Catidle  uti  tracail 

'precieux  jiour  La  literature  Latine. Je  n^  ai  cm  poiwoir 

mieiix  faire  que  de  le  jn'eiidre  potir  goidde  dans  inoji  travuil^  et 
de  dornte r  le  teste  de  Catulle  tcl  ä  peu  pres  qua  Vaüait  etabli 
lui -meine.  Je  dis  ä  ji^u  pres.,  car  je  ne  me  s?ds  pas  astreint  ä 
le  copier  litteralement .,  et  je  me  suis  permis  d'  y  faire  quelqne 
chajigements.  Je  ?ne  borner'ai  ü  en  citer  dcux  fies  plus  impor- 
tttiites. 

Was  nun  zuerst  jene  Versidierung  anlangt,  dass  der  TTr.TIeraus- 
geber  sich  von  Dörings  Text  einige  Abweichungen  erlaubt  liabe,  so 
sind  uns  allerdings  dergleichen  vorgekommen.  Niemand  aber  wird 
eine  durchgehende  Angabe  derselben  verlangen,  indem  es  sich 
wahrlich  nicht  der  Miihe  verlohnen  würde,  Herrn  Pottiers  Ca- 
tuU  mit  dem  seines  Vorgängers  in  keiner  andern  Absicht  zu  ver- 
gleichen, als  um  nachzusehen,  wo  jener  sich  eine  Aviilkülirliche 
und  unbewiesnc  Aendenmg  nach  Lesarten  der  liandschril'ten  oder 
Vermuthungen  anderer  Herausgeber  gestattet  hat;  denn  dass  Herr 
Pottier  eigne  Muthmassungen  in  den  Dichter  hineingetragen 
habe,  wollen  wir  nicht  hoffen.  Wir  haben  in  jener  Absicht  nur 
Carra.  63,  65,  66  nach  beiden  Ausgaben  verglichen ,  mid  folgen- 
des Ergebnis«  gewonnen.  Im  63stcn  Gedicht  hat  Hr.  Pottier 
nichts  geändert,  als  dass  er  an  drei  Stellen  (Vs.  9,  20,  35)  das 
dem  Sprachgebrauch  freilich  widerstrebende  Cybelle  in  das  lui- 
inetrische  Cybele  veränderte.  Carm.  65  Vers  16  ist  statt  espres- 
sa  die  unrichtige  Lesart  escerpta  aufgenommen;  66,  18  ist  ge- 
schrieben iuverint.,  wo  es  des  Metrums  wegen  durcliaus  iuerint 
heissen  muss,  wie  schon  Hr.  Döring  richtig  hat ;  Vs.  45  liest  Hr.  P  o  t- 
t  i  e  r  proper are  statt  j^ejoe/'ere  bei  Döring,  was  wenigstens  besser  als 
jenes  ist ,  und  Vs.  Ol  verhis  statt  votis  bei  seinem  Vorgänger.  Da- 
zu kommen  noch  einige  orthographische  Aenderungen  ^  on  weniger 
Bedeutung,  und  der  Leser  kann  sich  nun  selbst  sein  Urtheil  über 
Herrn  Pottiers  Verdienst  imi  seinen  Dichter  bilden. 

Wir  gehen  jetzt  zu  jenen  zwei  in  der  Vorrede  besonders  aus- 
gezeiclnieten  Stellen  über,  beide  aus  dem  67  (bei  Hrn.  Pottier 
durch  einen  Druckfehler  T6)  Gedicht,  wo  er  Vs.  21  liest:  an  tu 
non  orbum  lusti  desertacubile.,  mit  der  Bemerkung,  dass  die  Edit. 
princ.  so  lese,  was  nicht  wahr  ist.  Gesetzt  aber  auch,  viele  Hand- 
schriften und  alte  Ausgaben  vertheidigten  diese  Lesart,  so  köinite 
sie  doch  nicht  angenommen  m erden,  weil  sie  gegen  den  Zusam- 
menhang streitet ,  wie  das  gleich  darauf  folgende  sed  aufs  deut- 
lichste zeigt,  wofür  Hr.  Pottier  das  schlechtere  et  vorzieht. 


Catullus  et  TibuUus.     Ed.  Potticr.  425 

Den  cinzijs;  richtigen  Sinn  giebt  die  von  nns  Lereils  anfgcnommcnc 
Lesart,  wolclie  auch  diinh  säinmllichellandsehrirten  von  Wollen- 
biittel  und  Paris  bestätigt  wWil.  —  Die  zweite  Stelle  ist  Yeis  77, 
MO  llr.  Pottier  das  iianz  lalsclic  exspersa  in  den  Text  auT^e- 
uoninien  liat.  Denn  ausserdem,  dass  <Ke  AVorte  nur  eine  sehr 
seinvere  und  gczwunirene  irrammatiselie  l^jrkliiruiii?  zulassen,  so 
eiithalten  sie  ausserdem  eine  nnertriigliilie  Taiitoloirie.  Das  Ver- 
dienst, die  Stelle  zuerst  verstanden  zu  haben,  gebiilirt  Herrn 
F  u  s  s  in  seiner  jfc'y;  i st  ola  ad  L y  c  o v r i l  i c u iii  p.  48,  der  oli- 
ne  alle  Aeränderunj;  sie  so  erklärt:  quicum  ego^  omiiibus  (sc.  nunc, 
in  coelo  posita)  expcrs  viiguentls^  dum  virgo  qnoiidanifuit^  una 
millia  miilta  bibi.  Wir  geben  gern  alle  l'riiliern  \erbesserungs- 
inid  Krkläruugsversurlie  dafür  hin,  und  bedauern  nur,  dass  Mir 
in  unsrer  Ausgabe  keinen  (iebraucli  davon  Jiaben  machen  können. 

Ausserdem  erMälmt  Ilr.  Potticr  (um  nichts  von  ihm  zu  über- 
gehen) die  drei  Priapejischen  Gedichte  JH,  19,  20,  die  sicli  in  an- 
dern Ausgaben  nicht  landen,  und  die  Ilr.  Döring  dem  Dichter 
wiederhergestellt  liabe  (!),  und  liat  endlicli  die  S calig crs che 
Verbindung  von  Carm.  75  und  87  als  die  einzig  richtige  em- 
piolilen. 

S.  IX  —  XIV  der  Vorrede  enthält  ein  Leben  des  Catull,  wo 
nur  das  Bekannte  wiederholt  und  mit  einigen  zierlichen  Französi- 
sclieu  liedcusarten  verbrämt  ist. 

Julius  Sillig. 


Schulausgaben  Römischer  Ciassüier. 


D 


,Classical  leaming  —  is  yct  oiie  of  the  niost  spleiuHd  ,  and  bcauti- 
fnl  i)ro\hKcs  of  literatiirc;  and  t!ie  cultivatioa  of  it  is  highly  cre- 
ditablu  to  any  aga,  oi*  any  coiintry." 

Q  IL  a r  L  erlij  Re  c  i e  w  1821  Nr.  50  p.  529. 

as  Ti  e  d  Vi  r  f  n  i  s  s  guter  S  c  h  u  1  a  n  s  g  a  b  e  n  ist  seit  v  ierzig  .Tali- 
reu  in  Deutschland  recht  le])haft  empi'imden  worden,  sei(dera 
die  Gymnasien  anlingen  die  Alterthumsstudien  wieder,  im  Shine 
iMelanchthons  und  Erasmns,  zur  IIant)tsache  des  bildenden  Ge- 
lehrlenuiilerrichls  zu  machen,  und  die  allseitige  \  eredUmg  des 
Geistes  und  Herzens  auzuerkemien,  welche  an  die  grinidliche 
Interpretation  der  Autoren  des  Alterthums  gebunden  ist.  ]\ur 
schwache  Stimmen  haben  sicli  gegen  den  Vorzug  der  liuma- 
uistischcn  Studien  erhoben  (z.  B.  Ilesperus  (825  jNr.  148, 
7oG; —  Allg.  Anz.  der  Deutsch.  1826  iSr.  51),  die  zxnn  wenig- 
sten d^n  recliten  Ges!clilspun<;t  verieldten.  Healstudien  al- 
lein können  keinen  Gelehrten  bilden ;  f^o  wenig  aly  b  1  o  s  s  e  K  e  n  n  t- 


420  Kürzere    Anzeigen. 

niss  alter  Spraclien;  aber  der  Geist  und  die  Methode 
der  Altertliumswisiseiiscliaft  (im  Sinne  Wolfs  und  Hermanns) 
bleiben  fih*  Gymnasien  das  Ilauptmittcl  den  denkenden  Geist  auf- 
zuregen, zu  riihrcn,  und  ihm  die  Gabe  schöner  Darstel- 
lung anzueignen.  Schärfang  der  Aufmerksamkeit  und  Urtheils- 
kraft  wird  z\var  auch  durch  mathematische  Studien  erlangt;  aber 
doch  am  meisten  im  Vei'ein  mit  humanistischen  Kenntnissen.  G  u- 
ter  Geschmack,  und  Klarheit  der  13 e griffe  werden  am 
sichersten  aus  den  Quellen  des  Schönen,  den  treuen  Schilderun- 
gen der  Natur  in  den  alten  Classikern,  gewonnen.  Ohne  griind- 
liche  p  li  i  1 0 1  o  g  i  s  c  h  e  Kenntnisse  >\  iirde  der  T  h  e  o  1  o  g  und  J  u- 
rist  bald  zum  seichten  Schwätzer  herabsinken ;  und  der  Lehr- 
et a  n  d  kann  sie  gar  nicht  entbehren. 

Um  das  Studium  der  alten  Classikerzu  erleichtern 
und  zu  heben,  entstand  im  J.  1779  die  Zwey brück  er 
Sammlung  römischer,  und  nachher  auch  griechischer  Classi- 
ker,  die  viel  zur  Verbreitung  classischer  Gelehi-samkeit  beitrug. 
Daneben  wetteiferte  die  M  annheimer  Sammlung,  die  aber 
in  jeder  Hinsicht  der  Zweybrikker  nachstand.  Die  Nürnber- 
ger, H  a  1 1  i  s  c  h  e  n ,  W  ü  r  z  b  u  r  g  e  r  u.  a.  Schulausgaben  waren 
blosse  Abdrücke,  und  für  die  ärmsten  Schüler  berechnet.  In 
neuester  Zeit  haben  die  II  a  1 1  i  s  c  h  e  n  Abdrücke  Vorzüge  erhal- 
ten. Aber  seit  1809  fing  von  Leipzig  aus  eine  neue  Samm- 
lung lateinischer  und  griechischer  Classiker  an  sich  zu  verbreiten, 
unter  der  Leitung  und  aus  der  Presse  des  verdienstvollen  Taucli- 
nitz,  die  viel  Nutzen  stiftete,  weil  man  nun  die  Classiker  sehr 
wohlfeil  und  in  sehr  bequemen  Formaten  haben  konnte ;  selbst 
eelu' selten  gewordene  (z.  B.  Dio  Cassius)  erhielt  man.  Wie  es 
aber  in  der  gelehrten  Welt  geht;  diese  Sammlung  Murde  von  an- 
dern überboten,  und  an  Genauigkeit  übertroßen.  Man  kann  nicht 
leugnen,  dass  die  We  ige  Ische  Sammlung  weit  sorgfältiger  ge- 
druckt und  corrigirt  ist.  Einen  besonderen  Vorzug  hat  die  Teub- 
n  er  i  sc  he  Sammlung  durch  die,  den  Prüfungsgeist  erregenden, 
beigefügten  kurzen  De  merkungen,  und  die  ungemeine 
Sorgfalt  der  Herausgeber. 

Mit  Ehre  muss  aber  auch  die  Lünemannsche  Samm- 
lung römischer  Classiker  genannt  werden ,  die  ausser  ei- 
nem guten  Drucke  das  Verdienst  grosser  Genauigkeit  und  kriti- 
scher Varianten  hat.  Sie  erschien  zuerst  im  D  e  u  e  r  1  i c h  s c h  c  n 
Verlage  in  Göttingen,  von  1818 — 1823;  aber  seit  1824  beiHahn 
hl  Hannover.  —  Von  diesen  Lüneniannschen  Schulaus- 
gaben reden  wir  jetzt  insbesondere,  und  bezeichnen  das  Eigen- 
tliümliclie  einer  jeden  derselben. 

1)  Deuerlichscher  Verlag  in  Göttingen. 

Bibliotheca  Itoinana  clas.sica;  pr  obatissimos  ufri- 
usque  oratiojiis  sciiptores  latiiios  exhibens.  Ad 


Bibliotli.  Rom.   class.     Ailorn.   Lüncmann.        427 

optlinonim   oditionnni   fldcin ,    scliolarnm   in   nsniii,  ndornavit  Geo, 

Jhnr.  Lünematm,  Vh.  Pr.  «rynin.   Gottin«;-,   llcctor.    Vol.  I  —  X.   8. 

[\ii-I.  IJcrk's  Ucpert.  1824,  III  S.  122  und  1825,  I  S.  fi7;  Krit.Ri- 

Mloth.  1821,  1  S.  20  u.  1821 ,  5  S.  557;  Göttin^.  Anz.  1824  St. 

159;   Lcipz.  Lit.  Zeit.  182fi  Nr.  154  u.  155;  Schulzeit.  182()  Abtii. 

2  Nr.  45;  Jal.rM).  Ilft  1  S.  122.] 

To.  1.  Jloratii  opera.  Cottiiiirae  1818.  XIV  u.  262  S- 
(S  Gr.)  mit  a  I  lirein  c  in  em  und  besondren  Titel.  —  Die 
Vorrede  ^ieht  den  IMan  dieser  Sammlung  an.  Ks  soll  ein  cor- 
recter 'i'e\t  nach  den  besten  Ilau])(aiisgabcn  geliefert  werden. 
Der  Druck  ist  rein,  und  deiitlieh.  Die  Acrsmaasse  sind  Viber  den 
Oden  angegeben.  Das  lieben  llorazcns  \q\\  Suetonius  ist  Aorans- 
geschiekt ;  besser  >värc  ein  neuausgeail)eiletes  gewesen.  Die  Aus- 
graben Aon  J  an  i,  Mit  seile  rl  ich,  A  anderb  ourg,  Bentley, 
Fea,  Ileindorf,  Schelle  sind  verglichen.  Wir  müssen  im 
Allgemeinen  bemerken,  dass  Ilr.  Dr.  Lünem.  mit  Kaltblütigkeit, 
Umsicht,  und  Desclieidenheit  verfährt;  er  lässt  jedem  sein  Ver- 
dienst, und  geht  steinen  Weg  ruhig  Aorwärts!  In  den  Oden  stellt 
L.  11,20,7:  ego^quem  vocas  dilecte,  iliflec.  etc.  Daaberlloraz 
Kpod.  3,  20  iocose  Macc.  sagt,  und  auch  sonst  seine  Vertrau- 
lielikeit  äussert,  so  ziehen  A\ir  dilecte  Maeceiias  vor,  und  neh- 
men vocas  (wofern  es  nicht  rctas  heissen  muss)  für:  ladest  zu 
dir  freundlich  ein.  —  Sat.  I,  ]0  sind  die  absurden  Vss,  1 — 
8  mit  Kecht  als  Flicken  abgesondert;  denn,  wer  Dichtcrgefülil 
liat.  schreibt  nicht  so!  lief,  begreift  nicht,  wie  manjene  Verse  ver- 
theidigen  kann!  Aber  so  müsste  auch  die  lächerliche  Stelle  Od. 
1\,  4,  18  —  22  längst  vertilgt  seyn.  Das  gesunde  Gefühl,  der 
richtige  Geschmack,  geht  über  alle  Handschriften.  VMr  können 
den  Kritikern,  welche  die  iSatur  der  Sache  Aertheidigten,  es  nicht 
geinig  Dank  Avissen.  Hier  gelten  keine  Autoritäten,  sondern  ge- 
sunder V  erstand!  Aber  manche  Herausgeber  sind  zu  furchtsam. 

To. II.  VirgiliiMaro7iis  opera.  1818.  385  Seiten.  (10 
Gr.)  —  Die  AbAveichungen  vom  HeA  nischen  Texte  sind  ange- 
geben. Sehr  löblich  ist  aber  auch  der  lirunc  k  is  che  Text  und 
der  Aon  Voss  a  erglichen.  Hr.  Dr.  Lü  n  e  m.  sieht  überall  auf  den 
Grund,  und  ist  ein  feiner  Kenner  echter  Latinität.  Wir  haben  die 
Ausw  ahl  der  Lesarten  meistens  trelTeud,  der  INatur  der  Sache  an- 
gemessen ,  gefunden. 

'J'o.  111.  C.  Plinii  Caecil.  See.  epistolar.  libri  X, 
1810.  VI  u.  3(52  Seiten  (10  Gr.)  Der  lehrreiche  Inhalt  dieser 
Briefe  eignet  sie  recht  sehr  zu  einem  Schulhiiche.  Der  gereinigte 
Text  und  A\ohlfeile  Preis  ist  löblich.  Die  ^  arianten  von  der  Gie- 
rigschen  Ausgabe  siml  angegel)en.  So  linden  Lehrer  und  Schü- 
ler bey  der  Prüfung  dieser  Lesarten  Gelegenheit  ihren  Scharfsinn 
zu  üben. 

To.  IV,  V,  VI,  VU.  M.  Tnll.  Cice?  onis  epistolao  ad 


428  Kürzere  Anzeigen. 

Atticum^  Q^n.  fr.^  ad  famil.  temporis  orähie  dispositae. 
1820  11.  1821.  (1  Tlilr.  22  Gr.)  —  To.  I.  YllI  u.  375  S.  — 
To.  IL  41(>8.  —  To.  III.  322  S.  —  To.  IV.  2J]6S.,  und  Iiulices 
297  —  321.  Es  ^iiid  im  Ganzen  862  Uiiefc  aufgcnoninien.  Die 
clirouologisclie  Ordnung  ist  nichts  neues,  da  schon  Theodor 
S  i  b  e  r  sie  1(;36  einführte,  vergl.  auch  die  ed.  Oliveti  in  4  To.  VII, 
Patavii  1753,  p.  003  —  657,  den  comnientar.  Ilagazoni,  oder 
riclitiger  Car.  Sigonii.  —  Die  Abweichung  in  der  chronol. 
Ordnung  in  edd.  Siberi,  Sigonii,  Schiitz,  Wieland  ist  sehr  begreif- 
lich, da  sie  nicht  ganz  sicher  ausgeniittelt  werden  kann.  —  Diese 
Llinem.  Ausg.  hat  mit  Recht  vielen  Abgang  gefunden ,  und  wird 
bald  neu  aufgelegt  werden !  Die  Yarianten  vom  Schiitzischen  Tex- 
te luid  dieüebers.  der  griech.  Ausdriicke  stehen  unter  dem  Texte. 
—  To.  IV  p.  301  ist  die  Ordnung  der  Cic.  Driefe  in  den  gewöhnl. 
Ausgaben  mit  der  chronol.  Ordnung  sehr  zweckmässig  zusam- 
raengestellt.  —  p.  315  sind  die  ]Samen  derer  aufgezählt,  welche 
diese  Briefe  erhielten ,  oder  sie  sclirieben.  —  In  der  neuen  Ausg. 
wünschten  wir  ein  vorausgeschicktes  Leben  Cic.'s  chronol.  aufge- 
stellt, mn  Alles  übersehen  zu  können.  Auf  diese  Art  (und  wenn 
die  griech.  Ausdrücke  in  einem  Register  erblickt  Averden)  wii'd  die 
Ausg.  sehr  an  Brauchbarkeit  gewinnen. 

To.  VIII.  Phaedri^  Aug.  lib.^  fahulae  Aesopiae. 
Accedunt  Ju l. Ph aedr /,  et  Aviani  Ja hulae\  P.  Sy  ri  se n- 
tentiae;  et  Dioiiys.  Catonis  disticha.  1823.  VIII  u. 
177  S.  6  Gr.  Ungeachtet  Phaedrus  schwerlich  ein  alter  Classi- 
ker  ist,  sondern  diese  F'abehi  dem  Perott us  angehören  mögen, 
so  ist  er  doch  ein  sehr  brauchbares  Schulbuch,  voll  Lebensweis- 
heit. Au  der  Form  hat  Logik  und  Aesthetik  viel  auszusetzen.  — 
Hr.  D.  Lünem.  hat  die  neueste  ScliAvabesche  Ausg.  (I80ß) 
zum  Grunde  gelegt.  Ferner  sind  die  Ausg.  von  Casitti,  1811 
fol. ,  und  von  Bothe,  1822,  der  Avian  von  Nodell,  1787,  8, 
und  Cannegieter  1731,  gr.  8,  der  P.  Syrus  v.  Orelli  1822, 
der  Cato  von  Tzschucke  verglichen.  Die  bey  Vandenh.  1807  er- 
schienene J  artet,  cod.  Haiiensis  Aviani  ist  vergessen  worden. 
Auch  hier  bietet  sich  in  dieser  Ausg.  ein  gereinigter  Text ,  guter 
Druck  und  belehrende  Varianten  dar. 

To.  IX.  Valerii  Flaccii  Sestini  B alhi.,  A7' gonaiir- 
ticonlibriVni.  1823.  IV  u.  101  S.  1)  Gr.  Unter  Virgils 
Nachahmern  verdiente  der  hoclipoetische  Flaccus  vorzügliche 
llücksicht.  Der  Merseburger  Conr.  Wagner  hatte  1805  hi  der 
Dietrichschen  Sammlung  (die  bald  erloscli)  eine  sehr  gute  Schul- 
ausgabe geliefert,  welche  nebst  der  von  Burm,,  1724,  und  La- 
malle,  Paris  1811,  soMiedie  Ep.  Grit,  von  Weichert,  1812,  benutzt 
ist.  —  Ilr.  D.  Lünem.  hat  hier  keine  neue  llecension,  aucli  kei- 
ne llecognition,  sondern  eine  recht  lesbare  Sclmlausgabe  liefern 
wollen.  Er  wollte  die  Einführung  dieses  herrlichen  Dichters  in 
den  Gymnasien  erieicliteru ,  und  macht  auf  den  "VVertli  der  Wag- 


Biblloth.  Rom.  class.     Adorn.  Lüncmann.  429 

nersclien  und  Weicliertsclicii  Obss.  aiifmeilcsam ,  wodurcli  auch 
die  Lectiire  dieser  trefllicheii  Arbeiten  verbreite!  Avird.  —  L.  I, 
19  ist  qniim  in  s.  iL  —  sen  Sidou  etc.  nach  aiu'i'rn  rielitijjaur^e- 
nomnieu  worden.  —  I,  74  stellt  naeli  f/ueal  ein  FragezeicJien,  um 
die  \  erbindunir  mit  dem  Yorlierirelienden  zu  lieben.  —  11,  2r>i) 
vird  /Äo///s  Ijelesen,  nach  der  Matur  der  Sache.  —  \,  84  wird 
der  Vers  verMorfen. 

To.  X.  C.  Silii  Italici  Pitnicor.  libri  XVIL  1823. 
400  S.  16  Gr.  Auch  liier  kam  es  Herrn.  1).  Lünein.blos  auf  einen  les- 
baren Text  fiir  Gymnasien  an.  Der  Editor  sieht  iiberall  aufrichti- 
ge Intcrpunction,  auf  ijenaue  Correctur,  und  auf  Lesarten,  die  der 
Natur  des  beschriebenen  Gegenstandes  auiremesscii  sind.  Daher 
pind  die  xVusjT.  von  Drakenb.,  lluperti  und  Lefebre  ^enau 
veri^lichen  und  verbessert.  So  ist  z.  B.  I,  104  torretur  aufge- 
nommen, mit  der  Bemerkung:  tor (jueri  rede  quidem  tota  ter- 
;■«,  iion  i'eni  pars  oröis  terrannn  dicihir.  II,  30  u.  40  sind  nach 
Ileinsius  umgestellt;  YIII,  388  ist  Ilupertis  Lesart  aufgenom- 
men und  W  II,  17  mit  demselben  der  Vers  herausgeworfen.  \  I, 
(,'40  ist  nach  agros  ein  Comma  gesetzt  und  Picenum  und  dives  als 
Apposition  genommen. 

II)     Verlag    der    Ilahn sehen    Ilofbuclihandlung    in 

Hannover. 

Ä  ova  h  ibliothe  ca  Romana  classica^probatissimos 

titriusque  or ationis  Script or es  latinos  exhibens. 

Ad    optimarum  editionum    fidem ,    schularum   in   usum,   adornavtt 

Gco.  Ilcnr.  Lüncmann.  gr.  8. 
To.  I.  C.  Suetonii  T r anquillt  vitae  XII  Impera- 
tor um.  Ad  optimar.  etid.  fidera  etc.  Hannover ae  1824.  VI 
u.  254  S.  10  Gr.  Schon  die  zehn  Bände  des  Deiierlichschen 
\erlags  waren  gut  gedruckt;  aber  diese  neue  Sammlung  VibertrilFt 
an  Papier,  Druck  und  Format  jene  bey  weitem.  —  Der  neu  be- 
lebte pjifer  des  Editors  bot  Alles  auf,  um  diese  gemeinnützige 
Sammlung  guter  und  wohlfeiler  Schulausgaben  der  Vollkommen- 
heit in  ihrer  Art  immer  näher  zu  bringen.  Der  Suetonius  eig- 
net sich  blos  für  die  oberen  Classen  und  zum  Privatiniterri(;hte; 
besonders  der  röm.  Altcrthiim.  wegen.  Hier  ist  die  Erucsti-Wol- 
fische  Ausg.  zum  Grunde  gelegt;  die  Abweichungen  (nach  Sprach - 
gebraucli  und  exegetischem  Geluhle)  sind  p.  251  —  254  angege- 
ben. Auch  die  iibrigen  Ausg.  sind  verglichen.  Jul.  Caes.  c.  32 
fin.  ist  inquit  mit  Recht  gestrichen.  —  Octavian.  c.  70  not.  14 
ist  et  a  memuria  cius  aufgenommen;  denn  Lipsius  traf  hier 
das  Rechte. —  Tiber,  c.  72  not.  23  isi  serpens  als  Glosseiu  ver- 
worfen, vgl.  die  ähnliche  SlelleOctav.  c.  10.  Puj)ier  und  Druck  sind 
vortrefllich ;   der  Druckfehler  sind  unbedeutend  wenige. 

To,  II.  C.  C'rispi  SaUust/i  bell.  Calil.  et  luß. 
1825.   VI  u.  100  S.  4  Gr.     Der  noch  immer  sehr  corrupte  Text 

iaUrb.  d.  Fhil.  u.  Püdag.  JahrS- 1.  Uijt  i.  2S 


430  Kürzere  Anzeigen. 

dieses  geistreichen  Ilistorikcrs  ist  nach  der  dritten  Zweibr.  Ausg. 
besorj?t;  doch  hat  Ilr,  I).  Lünern.  neue  Paragraphen  gemacht,  und 
sowohl  die  Ortho;; raphie  als  Interpunction  verbessert.  —  Catil. 
8,  2  ist  eam  gesclirieben,  in  Beziehung  auf's  vorhei'gehende  t(m~ 
ta  virtus.  —  I  u  g  ii  r  t  h.  100 ,  1  ist  pariter  atque  echtröraiscli 
hergestellt.     Schon  Havercanip  änderte  ac. 

To.  Hin.  lY.  C.  Com.  Taciti  opera.  1825.  Pars  I. 
315Seiten.  {A?i7iales.)  —  Pars  IL  200  S.  {Histor.  etc.)  20 
Gr.  Vom  Tacitus  war  eine  gute  Sclmlaiisgabc  selir  wünscliens- 
werth.  Zwar  hat  sich  Gronov  und  PJrnesti  ausserordentlich  um 
diesen  Historiker  verdient  gemacht;  aber  Oberlin  hatte  manches 
wieder  verdorben,  weil  er  iUichtig  arbeitete,  und  jenen  Editoren 
an  feiner  Kenntniss  der  Latinität  sehrnaclistand.  —  Mit  der  ruhi- 
gen Besonnenheit  des  grossen  Ernesti  sucht  hier  D.  Lünem.  einen 
recht  lesbaren  Text  aufzustellen ,  imd  giebt  To.  II  p.  254 — 260 
seine  \arianten  gewissenhaft  an;  auch  das  O berlinische 
Sachregister  ist  beigefügt.  —  Annal.  IV,  52  §  4  fama 
fuit.  —  Das  unpassende /o/7«a  hatte  sich  in  die  Gronovsche 
Ausg.  eingeschlichen ,  unjl  Ernesti  und  Oberlin  Hessen  es 
stehen. —  Dem  richtigen  Gefiihle  llupertis  und  Lünemanns 
entging  aber  das  Unpassende  niclit.  Trefflich  bemerkt  L  ii  n  e  m. 
Simili  modo  in  Quintiliano  (ed.  Gesn.)  /X,  3,  49  prava  scriptiaa 
(lelata{j)ro  deleto)pcrmansit ;  qutim  meliorem  velletGesne- 
rus;  atque  inde [per  neglfgeJifiamed/loruifi]  ineditt.Spald.  et 
Wulff..,  quasi  per  ifsucapioiiein.,  immigravit.  —  Annal.  XIII,  5, 
2  abditis  a  tergo.  —  So  nahm  Lünem.  richtig  auf.  *  Er  erklärt 
so :  Agrippina  astabat  abdit  is  {li.  e  occultis)  a  tergo  [patruni) 
foribus.,  velo  discr.  etc.  — :  Annal.  XIV,  58,  3  liest  Lünem.  auf 
eigene  Gefahr:  effugeret  segnem  mortem:  o^ii  suffiigium., 
et  VI.  nom.  miserationem:  reperturum  etc.  —  Nämlich:  effu- 
geret segnem  {h.  e.  in?ätam)  ?nortem:  otii  (Ji.e.  hominum  in  otio 
viventiiim.,  a  rep.  ger.  alicnor.^  siijfugium  et  {h.  e.  etiam)  m.  nom. 
niis.  {sc.  esse):  reperturum  etc.  —  In  der  Germania  ist  rich- 
tig Cattorum  geschrieben;  denn  Chattorum  ist  und  bleibt  Schreib- 
art des  Mittelalters.  Und  so  wird  denn  diese  gemeinnützige  Lü- 
nem. Sammlung,  neben  ähnlichen  sehr  vortrefflichen  der  neue- 
sten Zeit ,  ihren  Werth  behaupten  können. 

Dir.  D.  Hülsemann. 


M.  Tfillii  Cicero?iis  oratiomnn  Verrinarurn  liher 
quar  tus  de  sigiiis.  Cum  sclecta  divcrsarum  lectionum  no- 
tationc  in  usura  scholaruni.  >  Curavit  Nicol.  Godofr.  Eichhoff,  l'hilo- 
sophiae  Doctor,  Graecar.  et  Latinar.  litterar.  Professor  in  gymnasio 
Wcilburgensi.  Gicssae,  ex  ofTic.  Heyeri.  MDCCCXXV.  80  S.  8.  6  Gr. 

ine  halbe  Seite  Vorrede  spricht  von  der  Veranstaltung  einer 
besondern  Ausgabe  dieser  einzelen  Rede  mit  ganz  kurzer  Anmer- 


E 


Cicer.  oratt.  Verrin.  lib.  IV.  Ed.  Eichhoff.  431 

Imns;  der  crliebliclistcn  Abweiclmni^  in  der  Leseart.  Ilr.  Ilofr. 
Schütz  ist  imsres  Ilerausijebers  Gewälirsmaiiii  mit  Ausnahme 
Behr  weniiijer  Stellen ,  „^/^  quibiis  Beckianae  recentiojiis^''  [^o'\ 
^^ratio  potior  videretitr.'''-  Gewiss  dachte  Hr.  E.  mit  Cicero  I  Aca- 
dem.  4,  13  ^^Ce/te  enim  recentissimu  qnaeque  sunt  correcta  et 
emendata  ina.riine.^''  Unsres  Erachlens  ersetzt  die  Beck'sche 
Aus£:abe  den  jMana^el  des  Verdiensk's,  niclit  die  neuste  geblie- 
hen zu  seyn,  eben  durcli  ihre  Vorliebe  IVir  die  älteste  Lesart  des 
Cicero,  die  mit  so  umsichtiger  Besonnenheit  und  mit  so  aufmerk- 
samer Prüfung  aller  Entscheidmigsgründe  ausgemittelt  ist,  dass 
schwerlich  zum  eigenen  \  ortheil  jene  neuere  Ausgabe  sich  mit 
dieser  altern  vergleichen  möchte,  ^^paucissimis  locis  esceptis'"'' : 
daher  es  vielleicht  gerathener  gewesen  wäre,  den  Leisten  umzu- 
kehren. So  z.  B.  \  III,  ]  7  (21)  a.  E.  behält  zwar  Seh  ü  t  z  mit  Recht 
de  OS  l)ei:  deos  peiiales  a  te  putrios  reposcit ;  aber  die  von 
Hrn.  Ilofr.  Beck  mit  mehrern llandschril'ten  ausgelassene  Präpo- 
sitio  a  ist  olFenbar  von  einem  ängstlichen  Erklärer  zu  Vermei- 
dung der  schon  dnrcli  die  Wortstellung  gehobenen  Zweideutigkeit 
eingeschaltet.  Dagegen  liest  Hr.  E.  1 ,  1  am  Ende  mit  Grnter, 
G  a  r  a  1 0  n i  inid  E  r  n  e  s  t  i :  iicqne  in  iabtila  iteqiie  t  ext  il i.  Die- 
se Auslassung  des  Vorwortes  an  zweiter  Stelle  nach  ehiem  Hel- 
lenismus ist  eine  so  eclit  Lateinische  und  so  gewählte  Sjllepsis, 
dass  dieselbe  leicht  zu  der  von  Hrn.  Prof.  Orelli,  dessen  selir 
vorzügliclie  Ausgabe  des  Cicero  seitdem  zum  Theil  ans  Licht 
getreten,  aufgenommenen  Lesart  neqiie  in  t.  neque  textilem 
Anlass  geben  konnte.  Vergleichen  lässt  sich  I  de  y^^^.  8,  25  vir- 
tiis  eadeni  in  homine  ac  deo  est  neque  alio  nllo  ingenio  prne- 
terea.  Zu  den  letzten  Worten  des  III  Cap.  nulluni ^  inquani^  ho- 
runi  reliquit^  neque  aliud  vUuni  t  a  ni  e  ;z,  praeter  un.^ni  pervetus 
ligneum  hat  Hr.  E.  angemerkt:  ^^Taine n  post  ulluni  mit  est 
corrigentis  se.  mit  ^  de  Schützii  sententia^  trmisponendum.,  ita: 
ne  que  aliud  ul lum^  praeter  u n  u  ni  tarne n  jjervet u s 
etc.'-''  Mit  Recht  hat  Hr.  Prof.  Orelli  dieser  Versetzungs- Sen- 
tenz das  Zeichen  der  Unzulässigkeit  vorgesteckt.  Und  Hr.  Prof. 
Buttjna  nn  in  jSov.  actt.  soc.  lat.  Jenens.  1  p.  r>2  f.  bringt  aus  der 
handschriftlichen  Wortstellung  denselben  Sinn  heraus,  anmerkend: 
^^l\'enipe  ad  ridiculam  cvccptionein  properantis  mens  anleverte- 
rat  irrisoriuni  hoc  tarnen^  quasi  dicturus:  tarnen  e  ceteris 
7(num  pervetus  ligneum  reliquit.'-'-  Vgl.  eine  ähnliche  Syiichysis 
im  Brutus  S!),  300.  Ohne  alle  Anmerkung  liest  Hr.  E.  XV,  33 
(43)  --//  ita  Studiosus  est  huius  praeclarae  cxistimationis^  nt  pu- 
tetur  in  hisce  rebus  intelligens  esse^  u  l  nuper  ....  quum  cssent 
iriclinia  straf a  argeiituiiique  expositum  in  aedibus — ,  accesse- 
rit  ad  urgent  um  ^  contcmplari  unumquodque  oliose  et  conside- 
rare  c  oeper  it.  Es  ist  dieses  die  Lesart  Kratander's.  Al- 
lein in  den  allermeisten  Handschriften  steht  der  Indicat.  accessit 
—  cocpit.     Zwar  will  Ilr.  Orelli  hier  so  wenig  als  11  or.  (i,  23 

28* 


432  Kürzere  Anzeigen. 

den  vermciiitliclieu  ^^Soloen'smus'-''  dulden.  Indess  da  wir  cinmalil 
in  einem  Zeitalter  revolutionärer  Insurrectionen  leben :  so  wi'irde 
llec.  weniger  Aufhebens  dariiber  machen,  wenn  Cicero  durch  eine 
Anakolutliie  gegen  die  leges  sacratas  der  Grammatisten  frevelte : 
wie  I  de  or.  40,  183  Qnid^  quod  usu^  memoria  patrum^  venit^  u  t 
— ,  wo  ebenfalls  nichts  von  jit  Abhängiges  folgt :  und  pro  domo 
57 ,  144  f.,  wo  Ilr.  O.  selbst  die  Versuche  entweder  ut  zu  tilgen 
oder  das  zuletzt  nachfolgende  piitabo  in  putem  zu  verwandeln 
missbiliigt;  und  das  von  Miner>en  und  Rechts  wegen!  Tuscnl.  V, 
29 1  82  a  te  impetrarim  libetder ^  ut  —  qtiod  paulo  ante  Peripa- 
teticos  veteremqiie  Academiam  hortari  videhare^  ut  sine  retra- 
ctaiione  libere  dicere  auderent^  sapieutes  esse  sempe?'  beatissimos^ 
id  velim  audire^  quemadmodum  his putes  co/ise/itaneum  esse 
id  dicere.  C.  XXIII,  51  (75)  ist  mit  beibehaltner  gemeiner  Lesart: 
ipse  in  oppidum  acc e  de re  noluit.,  quod  erat  difficili ads  censtt 
atqiie  ardiio .,  angemerkt:  ^.,accedere  i.e.  ascendere;  hoc 
praetulil  Lambinus .,'•'•  imd  wohl  mit  Hecht:  obgleich  die  Vulgate 
PareuS  vertheidigt  im  Lex.  crit.  p.  16.  Die  falsche  Sinnabthei- 
lung LYII,  126  (190)  Nostrum  enim  iinusquisque .,  qui  tarn  beati., 
quam  iste  est .,  ?ion  sunms.,  tam  delicati  esse  non  possumiis  :  si 
quando  aliquid  eiusmodi  videre  volet.,  eat  ad  aedem  Felicilatis 
etc.  zeigt,  dass  Hr.  E.  eben  so  irrig,  wie  andere  Herausgeber,  die 
Glieder  auf  einander  bezieht.  Richtig  theilt  Hr.  Buttraann  a. 
a.  0.  p.  57,  statt  durch  Kolon,  bloss  durch  Komma  vor  si  quando 
ab.  Denn  es  ist  zu  verbinden  Nostrum  enim  quisqiie.,  si  quando 
—  volet.,  eat  etc.  Das  Glied  tam  delicati  esse  uon  possumus  bil- 
det aber  keinen  Nachsatz,  sondern  hängt  von  qui  ab,  welches  um 
der  Anapher  tam  willen  nicht  wiederholt  wird.  Bald  nachher 
(§  191)  sind  die  Fragen  beibehalten:  Verres  haec  habeat  domi? 
Ferres  ornamentis  fanorum  atque  oppidorum  plenam  habeat  do- 
7num.,  villas  refertas'}  Aber  sehr  richtig  hatte  Hr.  Buttmann 
bemerkt ,  dass  mit  weit  bittererer  Ironie  hier  permissive  afFirmirt 
werde.  Auch  Garatoni  und  Herel  sahen  ein,  dass  die  Frag- 
zeichen wegfallen  müssten.  Doch  genug  der  Kritik  Viber  Einzel- 
heiten bei  Gelegenheit  eines  fast  blossen  Textabdruckes,  der 
übrigens  nVitzlich  werden  kann,  um  in  Schillern  der  ersten  Classe 
oder  in  Zuhörern  akademischer  Vorlesungen  über  diese  Rede  die 
Lust  zur  alten  Kunstgeschichte  oder  Archäologie  anzuregen  und 
einige  Vorkenntnisse  derselben  zu  gewähren.  Zuletzt  sind  13  arge 
Druckfehler  angegeben. 

fi.  Bei  er. 


Carmina  latina  auct.  Conrad.  433 

Nene  Latcinisclie  Gedichte. 


C  ar  mina  Jjalina  aurtore  Jid.  Conrad.      Ejiisdem  sumtibiis  od'ita. 
Lip^iae  in  coinmiss.  llartinanni.   182(i.    VI  n.  G3  S.   8.'  geh.  10  Ur. 
[Vrgl.  Beck's  Repert.  182Ü,  II  S,  210  f.] 

Tf  ir  machen  liier  auf  die  ersten  poetischen  Versuche  eines  jun- 
gen 3Iannes  [Studiosus  thooioir.  auf  der  Universität  zu  Leipzig] 
aufmerksam,  der  mit  der  Zeit  in  der  Lateinischen  Poesie  etwas 
Vorzügliches  zu  leisten  Acrspriclit  und  sclu)n  jetzt  viele  in  diesem 
Fache  zu  unserer  Zeit  gemachten  Versuche  weit  hinter  sich  zmnick- 
lässt.  Die  voi-liegende  Sammlung  liefert  19,  theils  klirzere,  theils 
längere  Gediclite,  die,  ausser  zweien,  alle  im  elegischen  \  ersmaas 
geschrieben  sind  und  sich  durch  einen  leichten  und  gefälligen  Vers- 
hau und  durch  ein  im  Ganzen  poetisches  Colorit  auszeichnen. 
Der  Hr.  Verf.  sclieint  besonders  (h  id  sich  zum  3luster  genommen 
zu  haben,  und  kommt  ihm  in  manchen  Stellen  in  der  Gewandheit 
des  Verses  ziemlich  nahe.  Die  Diction  ist  meist  rein  von  unlatei- 
nischen  Wörtern  und  Wendungen,  uiul  die  Wahl  der  Bilder  zeigt, 
dass  der  Verf.  in  der  Dichtersprache  der  Römer  nicht  gemeine 
Kenntniss  und  Belesenheit  hat.  Die  meisten  dieser  Gedichte  hat 
Hr.  Conr.  noch  als  Schüler  [auf  der  Landesschule  zu  Meissen] 
gemacht.  Daher  vermisst  man  auch  bisweilen  die  gehörige  Reife 
des  Urtheils,  indem  manchmahl  eine  Idee  zu  weit  ausgesponnen, 
anderswo  nicht  gehörig  ausgefülut  ist.  Das  Letztere  ist  beson- 
ders der  Fall  in  dem  übrigens  sehr  gelungenen  Briefe  des  LUixes 
an  die  Penelope,  aus  dem  wir  folgende  Stelle  [Vs.  13  —  26]  mit- 
theilen: 

Qtfifnif^  ad  jmtn'am  tmis  ille  redlhit  Uli.res^ 
>  Atque  siniitl  meviim  priscaßdes  et  amor. 

Fidiis  amor  soUius  iteruni  nos  jungat  ad  aras^ 

Dum  referam  lapsi  teinporis.  acta  tibi. 
Alisa  vieosquc  canam  per  damna  necesque  labores^ 

Kt  belli  et  loiif^ae  per  duo  liistra  riae. 
Trifitia  Sitho/iii  refcreiitnr  funera  Jfhesi.,  , 

Mulaque  noctaruo  facta  rapina  dolo. 
Narrabo ßammus  iirbis  caedesqne  cruentas., 

Troirafiilali  diruta  templa  manu. 
Troja  quidem  [?]  ciuis  est.,  jacet  Ilector  et  altus  Achilles^ 

Atque  jacent  magni.,  piilcis  et  rimbra.,  viri; 
Ille  turnen.,  laetare.,  tuus  tibi  vivit  LIlixes., 
Kt  vivit  7iullo  tempore  laesus  amor. 
Aus  dieser  Stelle  wird  man  liinläiiglich   ersehen,  wie  sich   der 
A  erf.  in  der  Lateinischen  Dichtkunst  liewegt.     Die  meisten  dieser 
Gedichte  sind  Gelegenheitsgedichte  oder  haben  eine  specielle  Be- 


434  Kürzere  Anzeigen. 

Ziehung,  wesshalb  auch  ein  paar  Stellen  manchem  Leser  dunkel 
bleiben  dVirflen  ( an  zwei  Stellen  hat  Ilr.  C.  durch  beigegebene 
Noten  diese  Dunkelheit  aufzuhellen  gesucht).  Anderes  aber,  wie 
die  schon  erwähnte  Ileroide,  die  üescriptio  terapestatis  qua  olira 
in  pago  Weinboehla  prope  Misenani  tres  una  homines  ictu  fulminis 
tacti  perierunt,  die  Elegie  in  Obituni  b.  Spoliuii,  die  Mors  virginis 
prope  Megalohaynamviolenta  manu  nuper  trucidatae  u.  s.  w.,  wird 
gewiss  allgemeines  Intert;sse  erregen; 

Ref.  schliesst  mit  dem  Wunsche,  dass  der  Hr.  Verf.  fortfali- 
ren  möge,  sich  in  der  Lateinischen  Poesie  zu  versuchen,  und  hegt 
die  Ueberzeugung,  dass  derselbe  dann  und  bei  fortgesetztem  Stu- 
dium der  alten  Römischen  Muster  mit  der  Zeit  einen  vorzüglichen 
Platz  unter  den  neuern  Latein.  Dichtern  einnehmen  werde. 

Jahn. 


Schulrede. 


I^iner  der  wichtigsten  Puncte  im  Schidieben  ist  gewiss  die  Ent- 
lassung von  Jünglingen  auf  die  Universität,  und  es  kommt  viel 
darauf  an ,  wie  sie  entlassen  w  erden.  Ein  kräftiges  und  nach- 
drückliches Wort,  in  solchen  Augenblicken  gesprochen,  kann  auf 
das  ganze  akademische  Leben  Einfluss  haben.  Eine  gediegene 
Probe  dessen,  was  sich  dabei  sagen  lässt,  hat  Hr.  Schulrath  D  i  n- 
t  e  r  geliefert  in  einer  kleinen  Schrift : 

Der  Geist  der  Religion  toeihe  Dich  heute  am  .Al- 
täre de  s  Her  rn  für  s  acad  emische  Leben.     Rede 
eines  Vaters  an  seinen  Sühn.  Neustadt  a.  d.  Orla  b.  Wagner.  1826. 
24  S.  8.  3  Gr. 
Diese  Weihe  sucht  der  Redner  darin,  dass  der  Geist  der  Re- 
ligion den  Jüngling  erfülle  mit  inniger  Dankbarkeit  beim  Blick  auf 
das  Vollendete ,  sein  Nachdenken  über  den  Ernst  seiner  Bestim- 
mung erwecke ;  ihm  die  Freuden  des  akademischen  Lebens  weise 
geniesseii  lehre  und  so  zum  Siege  iiber  die  Versuchungen  dessel- 
ben rüste.  Es  bedarf  hier  keiner  weitem  Ausehiandersetzung  des 
Einzelnen ,  welches  auch  durchaus  so  in  einander  verwebt  ist,  dass 
das  Ganze  in  einem  vollkommenen  Gusse  sich  darstellt.  Kräftig  und 
eindringend  ist  die  ganze  Rede,  erschütternd  besonders  die  War- 
nungen vor  Unzucht  und  vor  dem  Duell.  Der  Gegenstand  ist  übri- 
gens von  zu  lioher  Wichtigkeit,  und  das ,  was  ein  Dinter  schreibt, 
zu  sehr  als  gediegen  bekannt,  als  dass  es  einer  besondern  Em- 
pfehlung dieser  Schrift  noch  bedürfte.     Hier  reichte  es  liin,  an- 
zuzeigen, dass  sie  ersciüenen  ist. 

Jahn. 


T  li  i  c  r  s  c  h :   über  II  u  in  c  r  s  E  n  r  o  p  ii  i  s  c  Ii  c  ii  U  r  s  p  r  ii  ii  g.    435 

A  b  Ii  a  u  d  1  II  11  2'  (5  II. 


Homci  s  Enr  opäis  c  her  Urspriin^^  oder  Mcifeie  Bc- 
griiiiclun«:^  der  Ansicht  über  diis  Zeitalter  und  Vaterland  des  Homer, 
vou  Dr.  Ucnilundt  Thicisch,  Oberlehrfer  am  Ivönigl.  Dom-Gymna- 
sio  zu  llulberstadt. 

"Ogco  TcXiOv  (gtI  t6  cpiXoTtiLov  Tifpi  TU  tvSo^u  üül  TrXfi'oi's  ol  XciXrjdavTFg 
Ti  nsQi  avxwv,  zoacjiäe  (iti^cov  6  tksyxo^,  idv  {irj  K^ar/;  zig  rrjg  lavoglag. 

S  t  r  a  b  o. 

»»  ie  es  bei  der  Entdeckung  neuer  Wahrheiten  zu  g'chen  pflegt,  das3 
man  erst  durch  Kinzelnheiten  aufmerksam  gemacht  m  ird,  hernach  tbeil- 
weise  Zveil'ehi  Kaum  gicbt ,  aber  erst  nach  und  nach  von  dem  Alten 
eich  lossagt;  so  habe  ich  auch  von  dem  Glauben,  dass  Homer  ans 
Asien  stamme,  micli  keineswegs  gewaltsam  losgerissern,  sondern  nur 
allmählig  und  nicht  ohne  inneres  A^  iderstreben  getrennt.  Aber  so  na- 
türlich mir  auch  die  Ansicht  vom  Europäischen  Ursprünge  des  Homer 
zu  seyu  schien,  so  leicht  sich  auch  der  Zeitraum ,  m  elcher  ZAvischen 
der  Eroberung  Troja's  und  dem  Einfalle  der  Herakliden  liegt  ,  und 
der  Peloponnes,  welcher  die  von  Troja  zurückkehrenden  Griechen 
aufnahm,  jener  als  Periode  und  dieser  als  Wiege  des  Dichters  darbie- 
ten; so  ist  mir  doch  niemals  eingefallen,  dass  sie,  von  den  bisheri- 
gen Ansichten  so  selir  abw  eichend ,  einer  kampflosen  Aufnahme  sich 
erfreuen,  oder  wider  alle  Erfahrung  von  tliörigter  iinA  engherziger 
Intoleranz  unvcrketzert  bleiben  könnte;  nur  die  Art  des  Streitens  hat 
mir  zuweilen  als  unvereinbar  mit  dem  Geiste  und  der  Kultur  unscrä 
Zeitalters  vorkommen  und  fast  die  Erinnerung  an  La  Peyrerc  oder 
Andre  erwecken  wollen.  Solche  Beurtheilungen  meiner  Ansicht,  wel- 
che gänzliche  Unbekanntschaft  mit  dem  Standpunkte  der  Untersuchun- 
gen über  Homer  an  den  Tag  legten ,  siiul  nun  zwar  böse  Zeichen ,  da 
unsre  Zeit,  die  mit  so  vielen  Schriften  überschüttet  wird,  gar  nicht 
Zeit  hat,  Alles  sellist  zu  prüfen,  sondern  die  Schreihseligkeit  d(!r  Mit- 
welt nach  dem  Urtheil  der  Zeitschriften  zu  messen  pflegt;  mir  seihst 
aber  müssen  sie  nur  gleichgültig  seyn.  Denn  was  könnte  mir  w«>hl 
daran  liegen,  ob  man  den  Homer  für  einen  Trojaner,  Telemachiden, 
Asiatischen  oder  Pelop«mnesischen  Inner,  oder  sonst  für  einen  Lands- 
mann lialten  willY  Das  aher  sollte  ich  wohl  verlangen  können,  dass 
fcieh  derjenige,  der  meine  Ansiciit  beurtheilen  will,  die  Mühe  gebe, 
eie  zu  verstehen.  Doch  wie  will  ich  das'?  INun  so  muss  es  denn  bleiben, 
wie  bisher.  Gamaliels  Glaube ,  o])gleich  nicht  immer  förderlich, 
scheint  doch  noch  der  beste;  denn  einen  Anonymus  von  Irrthümern  . 
befreien  wollen,  hiessc  in  des  Tliat  Ai^iona  Ofi^yeiv. 

Da  es  mir  gleichwohl  um  der  Sache  willen  nicht  angemessen 
scheint,  wegen  nnerfreiiLicIier  Streitigkeiten  die  angefangene  Unter- 
suchung aufzugehen  und  auf  halbem  \\  ege  stehen  zu  bleiben;  so  will 
ich,  mich  mit  dem  Schicksale  Andrer  tröstend,  welche  zu  neuen  Wahr- 


436  Abhandlungen. 

Iiciten  den  Weg  bahnten ,  hier  tlieils  die  von  mu-  ausgeführten  Ideen 
tiefer  und  fester  begriuulen ,  theils  das  Wenige ,  was  gegen  meine  An- 
sicht gesagt  Avorden  ist,  -widerlegen.  „Ueber  einen  Allen  so  nahe  lie- 
genden Gegenstand ,  sagt  einer  der  geistreichsten  Männer  unsrer  Zeit, 
als  Homer  jedem  klassisch  Gebildeten  ist,  lieset  man  immer  gern  et- 
was Neues  ,  es  sey ,  dass  man  sich  zur  Einstimmung ,  oder  zum  Wi- 
derspruch aufgeregt  fühle ,  und  dankt  dem  Schriftsteller ,  der  aufs 
neue  in  jene  Welt  einführt  und  Ucbersehenes  vor  das  Auge  bringt." 

Einige  Recensenten  meiner  Schrift  sprechen  von  Asien  als  dem 
Vaterlande  des  Homer ,  wie  von  einer  ausgemachten  Sache ,  und  schei- 
nen nicht  zu  wissen,  dass  bis  jetzt  noch  gar  nicht  erwiesen  war,  aus 
velchem  Lande  Homer  stamme  ^).  Die  Gi-iechen ,  welche  die  Home- 
rischen Gedichte  aus  Asien  erliielten ,  nahmen  sie  natürlicher  Weise  für 
Asiatische  Pi-odukte.  Denn  sie  meinten,  dass  «in  Werk  dem  Lande 
angehören  müsse ,  aus  welchem  man  es  erhalte.  Dass  die  Homeri- 
schen Gesänge  mit  den  lonern  schon  aus  Europa  nach  Asien  gewan- 
dert seyen ,  darauf  konnten  die  spätem  Europäischen  Griechen  nicht 
kommen,  weil  sie  nicht  mehr  aus  den  Stämmen  bestanden,  welche 
vor  der  Ionischen  Wandrung  dort  wohnten,  sondern  aus  dem  Norden 
Griechenlands  hinabgezogene  Völker  waren ,  w  eiche  die  Eingebornen 
oder  damals  vorgefundenen  BeAvohncr  unterdrückt,  vertrieben  und  de- 
ren Cultur  durch  das  herbeigeführte  Zeitalter  der  Verwirrung  vernich- 
tet hatten. 

Die  Geschichte  jener  Zeit  ist  wenig  aufgeklärt  und  keineswegs  so 
bekannt,  als  ich  vorausgesetzt  habe.  Da  sie  gleichwohl  zur  Begrün- 
dung meiner  Ansicht  vom  Europäischen  Ursprünge  des  Homer  selir 
M'ichtig  ist  und  diese  aus  ihr  als  natürlich  sich  von  selbst  ergiebt ;  so 
ist  es  nothwcndig,  dass  ich  zunächst  genauer  in  jene  Periode  einführe. 

Die  spätem  für  Griechen  allgemeinen  Namen  kennt  Homer  nicht, 
eondern,  wie  nach  Strabo  ^)  der  ganze  Peloponnes  in  jener  Zeit  Ar- 
gos  hicss ,  ein  gemeinsamer  Name  vom  Hauptstaate  hergenommen, 
60  nennt  auch  Homer  den  Peloponnes  zuweilen  Argos  und  die  Ge- 
sammtgriechen  nach  den  ,  zur  Trojanischen  und  vorheraklidischen  Zeit 
bei'ühmten ,  Stämmen;  Avas  schon  die  Alten  bemerkten  ^),  ohne  dar- 
auf die  historische  Deduktion  zu  gründen,  dass  der  Dichter  älter  seyn 
müsse,  als  jene  von  ilini  nicht  gebrauchten  Namen.  Dass  der  drei- 
fache Name,  mit  Avelchem  Homer  die  Griechen  bezeichnet,  Argeier, 
Achäer  und  Danaer  (abgeleitet  von  Stammhäuptern  Danaus  und  Achäus, 
oder  vom  Lande  Argos),  dessen  mehrfache  Einigung  sich  sinnig  deuten 
lässt  ^) ,  nur  vom  vorherrschenden  Volke  hergenommen  ist  und  die 
untergeordneten  Stämme  mit  befasst ,  gilt  als  unbezAveifelt.  Die  be- 
kannte  Stelle  Herodots   Vll,  94    scheint  sich  übrigens  gegen  den  Vor- 


1)  Fast  witzig  heisgt  es  Procl.  Chrestom. :  xaQ-olov  nSßa  Ttohg  ccVTinoist^ 
rat  rov  'O(iVQ0v,  o&ev  ainoTcog  uv  KOOfiOTCoUrrjg  Xtyoizo.  2)  Strabo  VIII 
c.   5  §  5.         3)  Strabo  ibid.  4)  K.  0.  Müller  Gesch.   Hellen.  Stämme.     I   Th. 

S.  109  — 13. 


Tliiersch:  über  Homers  Europäischen  Ursprung.  437 

Wurf  eines  chronologischen  Widerspruchs  rechtfertigen  zu  lassen.  Er 
Siigt  nchmlich.  vor  des  Ion  und  Diinans  Ankunl't  hätten  die  loncr  Th- 
Xccoyol  A^yialteg  gchcissen,  INininit  man  noch  Ilerodot  1,  5fJ  und  l'au- 
eanias  VII,  1  dazu,  so  lä>st  sich  dies  wohl  vereinigen.  Vorher  nchiu- 
lidi  in  Plithiotis,  dem  ersten  Sitze  der,  nacli  Deukalions  Xaclikommen 
später  benannten,  Stämme,  Iiiesscn,  sie  l'elasgisch,  und  naiimen 
diese  Bezeichnung  in  ihre  neuen  Sitze  mit  hinüber.  Die  nun  ihren 
Sifz  im  Peloponnes  am  Gestade  {atyialos^  nahmen  '),  bekamen  also 
mit  Tollem  Hechte  den  ISamcn  UeXaoyol  cciytaXEie ,  d.  h.  Uferpelas- 
ger,  so  wie  sie  auch' Ufer  io  ncr  ®)  hernach  genannt  Avurden.  Ue- 
berhaupt  aber  muss  man  bedenken ,  dass  der  Name  eines  t&vos  noXv- 
TildvTjTov ,  um  mit  Ilerodot  zu  reden,  ebenfalls  wandelbar  ist  und  in 
der  Urzeit  nicht  sowolil  vom  eignen  Volke,  als  von  Nachbarvölkern 
gegeben  vird,  wenn  man  nicht  mit  Hüllmann  '')  annehmen  will,  dass 
sie  von  den,  durch  sie  dort  besiegten  Pelasgern ,  deren  Sitze  sie  ein- 
nahmen, so  genannt  m  orden  m  ären.  Möglicli  wäre  dies  Letztere  wohl, 
jedoch  weniger  wahrscheinlicli ,  indem  eher  der  Name  der  Besiegten 
dem  der  Sieger  weicht;  Avobei  icli  an  die  Volker  der  Völkerwandrung 
erinnere.      Indessen  geht  hier  die  Vorgeschichte  uns  nicht  Aveiter  an. 

Als  die  Griechischen  A  ölker  unter  den  gemeinsamen  Namen 
Achäer,  Argeier  und  Danacr  gegen  Troja  zogen,  wohnten  die  loncr 
in  dem  Landstriche  des  Peloponnes ,  Avelcher  nach  dem  Einbruch  der 
Herakliden  von  den  die  loner  vordrängenden  Achäern  den  Namen 
Achaia  bekam,  und  erscheinen  als  Nachbarn  der  AcJiäer,  welche  von 
ihnen  östlich  Avolintcn  und  gleiches  Stammes  waren  ^).  Z^var  be- 
schränkte sicli  der  Sitz  des  ganzen  Stammes  der  loner  nicht  blos  auf 
jenen  Theil  des  Peloponnes ;  er  erstreckte  sich  vielmehr  von  Attika 
und  3Iegaris  aus  über  den  Isthmus  hin  in  den  Peloponnes  hinein,  imd 
die  Peloponnesischen  loner  Avaren  eine  Kolonie  der  Athenischen ;  aber 
gleicIiAvohl  sahen  sie  sich  als  vom  Mutterstaate  getrennt  an ,  Avie  man 
aus  der  Grenzsäule  am  Isthmus  schliessen  kann  ^) ,  Avelche  an  der 
nördlichen  Seite  die  Aufschrift  hatte :  ,,  Von  hier  an  ist  nicht  Pelopon- 
nes, sondern  lonia, "  an  der  südlichen  aber:  „Von  hier  an  ist  Pelo- 
ponnes, nicht  lonia."  Freilich  ist  dabei  nicht  ausgemacht,  welcher 
Periodp  jener  Markstein  eigentlicli  angehörte. 

Da  sich  kein  Stamm  im  Peloponnes  vom  Zuge  gegen  Troja  aus- 
Echloss,  so  mussten  auch  die  loner  mit  zielien  undAvurden,  Avie  die 
andern,  unter  den  allgemeinen  Namen  mit  begrifFen.  Wenn  wir  das 
Keirh  des  Agamemnon  aus  dem  Schiffskataloge  zusammensetzen,  so 
findet  sich ,  dass  die  Peloponnesischen  loner  zu  seinen  Völkern  gehör- 
ten *  °).    Dean  die   Hälfte  der  Städte  aus  Agamcmnons  Herrschaft  gc- 


5)  Pau§.  VII,  1    leitet  den  Namen  auf  diese  Art  ab :  s/cJ   Sl   o"  cpaCiv  ano 
T?;S  Zwpas,  fivcn  yuQ  7io}.lu  avtr^g  uiyudov.  C)   Paus.  ibid.    Aiyialslq 

yuQ    iy.uXovVTO  "jcavtg.  7)  Hüllmanu,  Anfänge   der   GriccL.    Gesch.    S.   119. 

b)   Beide  vom  Stamme  des  Xuthus.  !l)   Strabo   IX  c.   1    «SJ  G.  10)   Ob  alle 

jene  Städte  echou  wirkliche   Städte  warcu,  was    Strabo  VllI,  337    leugnet,  oder 


438  Abhandlungen. 

hören  z«  der  Landschaft ,  in  welcher  damals  die  loner  wohnten ,  als 
Aegion  (Iloin.  11.  ß,  574),  HelUie  (ebend.  5T5),  Avelches  von  Ion  seihst 
erhaut  worden  scjtii  soll  ^^),  Pellenc  (ehend.  574j,  Koruith  (eheiid. 
570),  Sicyon  (ebend.  272)  *^).  Dass  aber  mit  jenen  Gef> enden  Wohn- 
sitze der  loner  gemeint  seyen,  ist,  wie  man  aus  Pausanias  '^^  ei'se- 
heii  kann,  eine  alte  3Ieinung.  Homer  soll  nehmrK-li  (II.  ß,  575)  un- 
ter AiyiaXov  r'  ava  Ttuvra  nicht  etwa  hlos  schlechtweg  am  Ufer  des 
Meeres  verstanden,  sondern  den  Sitz  der  loner  bezeichnet  haben, 
was  theils  der  Zusatz  vonHelike,  theils  die  alten  JVainen  UiXaeyol  Jlyicc- 
lelg  und  JiyiaXils  'Icoviq  bestätigen  ^  *).  Sonach  würden  ZAvar  die 
loner  vom  Homer  nicht  namentlich,  aber  wohl,  was  eben  so  gut  ist, 
mit  dem  IN  amen  ihres  Landes  angeführt.  Ofi^gat  yovv  iv  KatccX6ya> 
räv  [lETU  'jyafisfivovog  i^rj^yiSGS  t6  aQX<^^ov  drjXäauL  r^g  yjjs  bvofia ' 
AtyiaXöv  z  ava  itävxa  v.a\  afiq)'  'EXUtjv  svQflav  ^  ^). 
Dagegen  werden  Städte  aus  dem  spätem  Argolis  nicht  unter  Aga- 
mcmnons  Herrschaft  genannt.  Ob  diese  Unbegrenztheit  der  Gebiete 
mit  Recht  eine  Verwirrung  genannt  werden  könne ,  welche  durch  die 
Dorische  Wandrung  entstanden  sei,  wie  Müller  "  ^)  behaujitet,  wird 
sich  wohl  leicht  beanlAvorten  lassen.  Denn  dass  die  Dorische  Wandrung 
ßchon  die  Gebiete  der  Griechen  zur  Zeit  des  Trojanischen  Kriegs  ver- 
rückt haben  sollte,  wäre  ein  gar  arger  Anachronismus,  welchen  wir 
dem  sonst  genauen  Chronologen  nicht  beimessen  mögen ;  dass  aber 
Homer  euie  spätere  VerAvirrung  auf  die  Trojanische  Zeit  übergetragen 
habe,  lässt  sich  noch  weniger  denken,  oder  alle  historische  Basis  im 
Homer  hat  aufgehört ;  abgesehen  davon ,  dass  erst  ausgemacht  Merden 
müsste ,  ob  Homer  nach  jener  Wandrung  gelebt  habe.  Ist  auch  der 
Schiffskatalog  nicht  Homerisch,  wie  angegeben  Avorden  (S.  48  ff.); 
60  ist  er  doch  ein  altehrwürdiges  Document,  für  dessen  unverfälsehte 
Erhaltung  selbst  die  Griechischen  Staaten  durch  Gesetze  sorgten.  Da- 
her ziehe  ich  Strabo's  *'^)  Ansicht  vor,  zumal  da  es,  Avie  ebender- 
selbe *  ^)  bemerkt ,  mit  den  Angaben  andrer  Gebiete  ein  ähnlicher 
Fall  ist,  als  des  der  Pylier  ,  in  welchem  Arkadische  Orte  aufgeführt 
werden;  xä  JzXsioza  xwv  nvXiKwv  iv  KaxaXöyo)  q)Qa^ofi8vcov  xcagimv 
'AQ-AaSi'Aa  ELvai  do^H.  Hieraus  ergiebt  sich  nun ,  dass  die  loner ,  Avel- 
clie  damals  am  Eingange  des  Peloponnes  Avohnten,  an  dem  liLanipfe 
vor  Ilios  Antheil  hatten ,  Avas  ich  von  Müller  verleitet  früher  (S.  52) 
leuffnete  und  hiemit  zurücknehme. 


nur  Dorfschaften ,  geht  dieser  Untersuchung  wenig  an.  Aber  darin  sliniint  S<rabo 
mit  obiger  Ansicht  überein  ,  dass  er  den  Agamemnon  zum  Herrn  der  Ioiht  macht 
(Strab.  VIII  c.  6  §  10):  MvKi^vag  aal  rd  i-ttXQi  KoqIv&ov  xal  2iKvdJvog 
aal  TA~s  'icövcov  (i£v  Tovs  Kai  AiyiaXicov  xa?.oviiivrjg ,  'Axctuov  S  van-Qnv, 
'AyaßSfivcov  TtaQsXaßsv.  11)  Pausan.  VII,   1.  12)  Vgl.  llcrod.   I,  H.'i.    14G. 

13)   Pausan.  VII,  1.  14)  Vgl.   Schol.    major,   z.  Hom.   II.   ß,  575  u.   Strabo  VI» 

c.  7  §.  1  taulElzo  ÖS  xo  TcaXaiov ,  AlyiäXsLa'  v.al  ol  evoinovvTeg,  AtyLa- 
iBig,  15)  Pausan.  a.  a.  O.  l(i)  K.   O.  Müller  a.  a.  0.  S.  3G7.  17)  Strab. 

VllI    c,  3   §  3.  18)    Strab.  VIII    c.  3   §  32. 


Thiersch:  über  Homers  E  uro  päisch  en  Ursprung.  439 

Der  Umstand ,  dass  die  loncr  vom  Homer  niemals  namentlich  an- 
gcfülirt  werden,  Avürde  allerdings  gegen  ilu'e  Theilnalinu;  an  den»  Tro- 
janischen Kriege  sprechen,  wenn  wir  nicht  anch  anderwärts  fäiulcii, 
dass  in  der  Geschichte  noch  nicht  organisirter  Völker  gewöhnlich  der 
Äaiue  des  herrschenden  Stammes  vor^^alte  und,  wie  in  der  Zeit  der 
^  ölkcrwandrung,  untergeordnete  Völker  in  sich  hegreife.  "Wer  die 
Theilnahme  des  Ionischen  Stammes  am  Trojanischen  kriege  leugnen 
wollte,  der  mnsste  zeigen,  wie  es  möglich  seyn  konnte,  dass  ein  so 
ausgebreiteter,  berühmter  und  den  Adiäern  verwandter  Stamm  sich 
nicht  vom  allgemeinen  Unthusiasmus  hinreissen  liess ,  und  da  doch 
alle  Stämme  mit  zu  Fehle  zogen  ,  allein  zu  Hause  blieb ;  ferner ,  wel- 
che Ursachen  ihn  vom  Zuge  abhielten,  und  Marum  der  Schande,  die 
iliu  deshalb  trellcn  musste  ,  nicht  gedacht  m  erde.  Dass  die  Peloponne- 
feischen  loner  zu  Agamemnons  Völkern  gehörten,  gellt  vicllcidit  auch 
noch  aus  der  spätem  historischen  Angabe  hervor,  welche  ihnen  l)el 
ihrer  A  ertreibung  aus  dem  Peloponnes  einen  Führer  aus  Agamemnons 
Geschlecht  giebt. 

Was  die  andern  loner  hetrifft,  welche  damals  ihren  Sitz  in  At- 
tika  und  Megaris  hatten ,  so  behauptet  sclion  Striibo  *  ^),  dass  sie  un- 
ter dem  Namen  Athener  im  Homer  (11.  ß,  54())  gemeint,  und  dass  die 
loner  (Hom.  II.  r,  ()85  luovs,^  die  Athenischen  wären,  worin  die 
Grammatiker  ^°)  mit  ilim  einig  sind.  Payne  Knigth  hält  zwar  letz- 
tere Stelle  für  interpolirt,  aber  da  sein  Grund,  dass  die  Namen  Dorer, 
loner  und  Aoler  jünger  wären,  als  Homer,  nicht  passt,  insofern  der 
Name  Iccovig  in  der  angeführten  Stelle  nicht  ein  allgemeiner,  sondern 
nur  ein  partieller  Name  für  die  Athenischen  loner  ist,  so  durfte  jene 
Stelle  als  acht  fortbestehen. 

Fine  andre  Michtige  Frage,  seit  Avelclier  Zeit  der  Name  Helle- 
nen für  alle  Griechen  gewöhnlich  werde ,  darf  hier  nicht  übergangen 
M erden.  Nach  Hüllmann  ^^),  dessen  eben  so  gründliche  als  scharf- 
sinnige Behandlung  einiger  Punkte  jener  Zeit  nicht  verkannt  Averden 
kann ,  kam  der  Gesammtname  llellenea  erst  durch  die  Dorer  auf, 
w  eiche  als  Hellenisch  noch  den  Attischen  lonern  entgegengesetzt  wer- 
den "^).  Nachdem  sie  in  den  Peloponnes  gekommen  Avaren  und  dort 
wichtige  Staaten  gestiftet  hatten,  wurde  der  Name  Hellenen,  als 
Name  der  Sieger ,  ein  Fhrennarae  und  als  solcher  hernach  von  den 
andern  Stämmen  gesucht.  Allgemein  galt  er  schon ,  Avie  sich  die  lo- 
ner in  Asien  niedergelassen  hatten.  Hätte  nun  Homer  damals  erst  in 
Asien  unter  den  lonern  gelebt,  so  musste  ihm  der  Gesammtname 
Hellenen  bekannt  seyn  und  er  konnte  ihn  nicht  verschmähen.  Ein 
Umstand ,  Avelcher  auf  ein  Aveit  höheres  Alter  des  Homer  führt.  Je 
mehr  man  die  Geschichte  jener  Zeit  erforschen  Avird ,  desto  mehr  Aver- 
den  eich  Andeutungen  derselben  Sache  fuiden. 


19)  Strabo  IX  c.   1  S  5.  20)   Apoll,    Soph.    p.  357 ,    Schul,  raaj.    z.  Hom. 

11.    V,   Ü85,    Eustatli.  cbcnd.  21)  HüUmaun,    Anf.  «1.   Griech.   Gcscli.  S.    117. 

22)  Hcrod.  I,  5G. 


440  Abhandlungen. 

Kehren  wir  nun  zu  iler  illtern  Geschichte  und  zu  den  loncrn  zu- 
rück ,  Avelclie  wir  als  Theihiehmer  ara  Trojanischen  Kampfe  verüesseii. 

Während  des  Trojanischen  Krieges  und  achtzig  Jahre  nachher 
wechselt  kein  Volk  des  Peloponnes  seinen  Sitz. 

Wenn  die  gewöhnlichen  Handhücher  der  Griechischen  Geschichte 
die,  auf  die  Eroberung  Troja's  folgende,  Zeit  mit  Kriegen  und  Ver- 
wirrung füllen,  so  machen  sie  einen  gewaltigen  Sprung,  vielleicht 
Weil  sie  nicht  wissen,  Avie  sie  drei  Menschenalter  anfüllen  sollen,  von 
welchen  die  Geschichte  keine  ausführlichen  Data  aufweist.  Denn  die 
Kriege  und  UraMÜlzungen  im  Peloponnes  erfolgen  nach  einstimmiger 
Angabe  der  Alten ,  unter  welchen  Thucydides  obenan  steht,  erst  80 
Jahre  nach  der  Rückkehr  der  Helden  ,  oder  mit  dem  Einbruch  der 
Dorer.  Selbst  Schubarth  in  seinen  schwerverständlichen  Ideen  über 
Homer  ^3)  fängt  die  historische  Deduction  mit  der  Periode  nach  der 
Einwandrung   der  Herakliden  an. 

Es  ist  demnach  keine  unM'ichtige  Frage,  welche  zugleich  meine 
Ansicht  über  Homer  aufhellen  wird,  wie  die  innere  Gestal- 
tung des  Peloponnes  in  den  achtzig  Jahren  war,  die 
zwischen  der  Eroberung  Troja's  und  dem  Einfalle 
der  Herakliden  verflossen. 

Die  Geschichte  des  ersten  Decennium  nach  der  Eroberung  Troja's 
bis  zur  Rückkehr  des  Odysseus  ist  in  der  Odyssee  enthalten,  welche 
uns  die  innere  Lage  der  Reiche  des  Nestor,  des  Mcnelaus  ,  des  Aga- 
memnon ,  des  Odysseus  und  beiläufig  auch  andrer  Könige   schildert. 

Nestors  Reich ,  das  Land  der  Pylier ,  war  an  der  Mcstlichen 
Küste  des  südlichen  Peloponnes;  wenn  man  es  auf  die  spätem  Länder- 
namen zurückführen  Avill,  so  lunfasste  es  Theile  von  Elis  und  Messe- 
nieu  längs  der  Küste  hin  vom  rechten  Ufer  des  Alpheos  an  bis  an  die 
Grenze  von  Lakedämon ,  wenn  Diokles  zu  Pherä ,  bei  welchem  Tele- 
machus  auf  seiner  Reise  von  Pylos  nach  Sparta  übernachtet  ^^),  wirk- 
lich ein  Vasall  des  Menelaus  war  ^^);  sonst  würde  Pherä  mit  kleinem 
Gebiete  zwischeninne  liegen.  Nestors  Königssitz  war  Pylos,  ob  das 
Triphylische,  oder  das  Elische,  oder  das  Messenische,  darüber  kön- 
nen sich  weder  die  alten  noch  neuen  Historiker  einigen ;  denn  alle  drei 
Städte  streiten  um  die  Ehre  mit  geographischen  Gründen.  Die  neuern 
Untersuchungen  schwanken  zwischen  dem  Triphylischen  und  Messeni- 
schen Pylos;  jenes  nimmt  Müller  ^^),  dieses  Nitzsch  ^'')  in  Schutz. 
Indessen  kommt  hier  bei  der  Untersuchung  über  das  Land  der  Pylier 


2S)   SchuLartli,  Ideen  über  Homer.    S.  34  ff.  24)    K.   O.   Müller   a.  a.  O. 

S.  187.  Kurzer  Umriss  b.  Strabo  Vlil  c.  3.  25)    Odyss.    y,  488.  2«)   h.  O. 

Müller  a.  a.  O.  S.  303  —  67.  vgl.  Heyne  z.  Uias  T.  V  S.  105,  Strabo  VIH  c. 
3  §  11  und  14,  vorzüglich  §  26  u.  27,  28,  29,  wo  das  Elische  und  Messenische 
verworfen  werden.  Paus.  VI,  22  entscheidet  sich  für  das  Eleische.  Diod.  Sic.  14, 
17    S.  652,  27)  Nitzsch,    Erklär.  Anm.  z.    Odyss.  S.   134  — 3G.    ITnwillkiihrlich 

erwacht  bei  dem  Streite  die  Erinnerung  an  den  alten  Vers  Strabo  \  111  c.  3  §  7: 
"EoTi  T1vXg<s  TtQoTlvloLO-  IJvlos  yE [iiv  ißzi  v.al  «Hos. 


Thierse li:  über  Homers  Europäischen  Ursprung.  441 

nnd  ihren  Zustand  nichts  darauf  an ,  oh  das  Messenische  oder  Triphy- 
liochc  l'yU)s  für  das  lloiueri:?che  und  IVestors  Stadt  gehalten  werde,  du, 
das  Land  Nestors  beide  Städte  entlüelt. 

In  diesem  Küstenhmdc  fülirt  uns  die  Odyssee  den  Nestor  auf, 
wie  er  friedlich  und  ungestört  nach  den  iMühcn  des  Troischen  Krieges 
regiert.  Das»  aucli  die  Nachbarn  mit  ilnu  in  Frieden  leben,  wissen 
wir  aus  dem  freundschaftlichen  A  erhältnisse,  in  Meldiem  er  fortMÜh- 
reiul  mit  3fenelaus  stand.  Von  einer  andern  Seite  grenzten  die  Kau- 
konen an  sein  Gebiet,  welche,  wie  man  aus  llom.  Od.  y,  Sfifi  schlie- 
ssen  kann ,  ebenfalls  friedliche  Gesinnnngen  hegten.  Athene  sagt 
nehiulich,  sie  MoUe  zu  den  Kaukonen  gehen,  um  mit  ihnen  etwas 
auszugleichen.  Diese  Peloponncsischen  Kaukonen  ,  welche  ihren  Sitz 
in  Triphylien  ^  ^)  hatten ,  Avaren  ein  Pelasgisches  Volk.  Ihr  Name 
kommt  auch  unter  den  Asiatischen  llülfsvolkeru  der  Troer  vor  ^^), 
wo  sie  für  Stammverwandte  und  Abkömmlinge  der  Peloponncsischen 
Kaukonen  gelialten  Averden.  Das  Geschäft,  Meldies  Athene  mit  den 
Kaukonen  vorgeblich  abmachen  MÜl,  Avird  zMar  nicht  ganz  deutlich 
bezeichnet  '  °) ;  aber  es  handelte  sich  dabei ,  worauf  es  uns  hier  an- 
kommt, um  eine  Ausgleichung,  welche  ein  einzelner  3Iensch  mit  ei- 
nem ganzen  Volksstamme  versuchen  wellte.  Bei  innern  Unruhen  imd 
in  kriegerischer  Zeit  hätte  man  an  dergleichen  nicht  denken  können. 

So  unternimmt  auch  ohne  alle  A  orbereitung  zur  Abwendung  von 
Gefahren  Telcmachos  mit  einem  Nestoriden  den  Besuch  bei  3Ienelaus, 
welcher  zwei  gute  Tagereisen  von  Pylos  entfernt  wohnte.  Man  reist 
aus  einem  Lande  des  Friedens  und  Wohlstandes  in  das  andre. 

In  gleichem  Genüsse  glücklicher  Ruhe ,  in  welcher  Telemachus 
den  Nestor  zu  Pylos  traf,  findet  er  den  Menelaus  in  Lakedämon.  Er 
feiert,  wenn  anders  der  Anfang  des  vierten  Buches  der  Odyssee  acht 
i»t,  mit  seinen  Freunden  das  Fest  der  Vermählung  seiner  Tochter  Her- 
mione  mit  dem  Neoptolemus  oder  doch  wenigstens  eine  Nachfeier  der- 
selben,  Avie  Nitzsch  verlangt,  zu  dessen  Verlierrlichung  sich  Gesang 
und  Tanz  gesellt,  und  lebt  imgestört  an  der  Seite  der  nach  vielen  Be- 
schwerden Mieder  erworbenen  Helena. 

So  friedlich  war  die  Läse  der  Reiche   länffs  der  westlichen   und 


29)  fiitci^v  TTJg'H?.siag  y.at  IJvXov  ol  KavKcovsg  oUovaiv  Iv  trj  TQicpv- 
Xta.  eio'i  dt  y.cu  aV.ot.  tv  Uucplayovicf,  ol  roig  TqcügI  GVfi^ccxiccv  nL-fiipav- 
Zig.  Schol.  Aiiibroa.  z.  Od.  y,  'MX.  IVacü  Strabo  war  ihr  Pelopomiesischer  Sitz 
nicht  gcimu  zu  bestimmen.  Strabo  VIII  c.  3  §  11.  Er  nimmt  daber  zwei  Stäm- 
ine  Kaukonen  an  und  liisat  den  andern  in  Elis  iiohncn  §,  17.  Die  Stelle  Strabo's 
ist    sehr  lirbte  und    gut   begründet.  2'J)    rwv   iv  TJcloTtQvvrjOoi    Kavuövcov 

unoLV.oi.  Schol.  maj.  z.  II.  x,  429,  Eustatb.  p.  Ii72,  32,  Heyne  z.  Hom.  11.  y.,  429, 
Mannert  Geogr.    8   S.    3j2.  30)    Wenn  auch  kein   auf  Zinsen    geliehenes  Geld, 

woran  Mcmaud  gedacht  hat;  so  ist  doch  kein  solcher  Ersatz  uothweudig,  wie  ihn 
Mlzsch  fordert  z.  Odjs-s.  S.  211.  Die  Schol.  z.  II.  l,  üH5  meinen  eine  VViederfor- 
derung  aufgefangener  Hcerdeu  ,  wo  Hejne  richtig  bemerkt,  XQ^^S  '^^  öc'cveiov 
detoignat  h.  1.  ca ,  quac  \i  capta  et  abducta  bunt ,  quaerjuc  idcu  aut  reddi  aut  pre- 
tiu  aequo  rcdimi  debent.   Res  repctcndac  8.  rcpetitae. 


442  Abhandlungen, 

östliclicn  Küste  des  Peloponnes  im  ersten  Decennio  nach  dem  Trojani- 
eclicn  Kriege. 

Wäre  der  Zustand  kriegerisch  und  unruhig  gewesen,  der  Dichter 
hätte  dies  nicht  unbenutzt  gelassen.  Weit  mehr  -wäre  das  Interesse  für 
den  Odysseus  und  die  Erwartung  wegen  Endigung  seiner  vSchicksale 
geweckt  worden,  wenn  er  unter  kriegerischen  Bewegungen  im  In- 
nern seines  Landes  zurückgekehrt  wäre;  weit  lebhaft^  hätte  die 
Reise  des  Telemachus  angesprochen,  wenn  er  im  Ejeloponnes  Gefalu:en 
des  Kriegs   zu  befürchten  gehabt  hätte. 

Des  Agamemnon  und  seines  Landes  Argos  wird  oft  gedacht. 
Die  Frevelthat  des  Acgisthos  -wurde  keineswegs  Ursache  eines  Kriegs. 
Der  romantische  Rittergeist  der  Adiäisthen  Helden ,  Avelclier  vor  dem 
Kriege  gegen  Troja  die  Beleidigung  eines  Einzelnen  zur  allgemeinen 
Sache  machte ,  schien  sich  abgekühlt  zu  haben.  Es  findet  sich  keine 
Spur,  dass  einer  der  Fürsten,  welche  der  Raub  einer  Frau  zu  einem 
Rachezuge  in  ein  fern  entlegenes  Land  anfeuerte,  durch  die  Ermor- 
dung des  Agamemnon  aufgereizt  Avorden  sey ,  Rache  am  Mörder  zu 
nehmen.  Orestes  ist  sich  ganz  allein  überlassen.  Aegisthos  regiert 
ohne  Störung  sieben  Jahre  ,  und  Orestes  tritt ,  nach  vollzogener  Rache, 
ohne  Fehde  die  Herrschaft  von*Argos  an  (Ilom.  Od.  y,  300  —  310). 

Wo  uns  auch  der  Homerische  Gesang  in  der  Odyssee  hinführt, 
länger  oder  kürzer  verweilend,  ausführlich  oder  beiläufig  erzählend, 
überall  finden  Avir  Frieden  und  Ruhe.  Die  rücksichtslose  Unverschämt- 
heit der  Ithakesischen  Fi-cier ,  welche  nicht  fähig,  Gegenliebe  zu  er- 
wecken, sie  mit  Gewalt  ertrotzen  wollen,  ohne  jedoch  Gewalt  zu 
brauchen ;  das  Unglück  welches  der  glücklichere  BeAverber  der  Kly- 
tämnestra  über  die  Familie  des  Agamemnon  bringt,  dies  und  ähnliches 
verursacht  freilich  Unannehmlichkeiten  und  schlimme  häusliche  Lage; 
aber  die  Ruhe  des  Landes  Avird  dadurch  nicht  gestört.  Man  erzählt 
sich  davon  zAvar  mit  Theilnahme  und  bedauert  die ,  Avelche  es  angeht ; 
aber  grössere  Folgen  finden  sich  nicht. 

Aber  nicht  nur  das  Leben,  welches  in  der  Odyssee  dargestellt 
wird,  ist  friedlich;  sondern  auch  die  Sprache ,  welche  der  Dichter  sei- 
nen Helden  in  den  Mund  legt ,  trägt  das  Gepräge  des  Friedens.  Dies 
geht  selbst  auf  unbedeutende  Dinge  über  und  spiegelt  sich  als  charak- 
teristischer Zug   sogar  in  den  Gleichnissen  ab   (Od.  x,  216  etc.). 

Demnächst  ist  jener  Zeit,  die  auf  den  Trojanischen  Krieg  folgte, 
eigcnthümlich  der  Sinn  für  Gesang  überhaupt ,  aber  Aorzüglich  für 
Heldengesang  (vergl.  8.22  fF.  und  Urgest.  d.  Odyss.  §  1).  Versetzt 
mau  sich  mit  den  Homerischen  Schilderungen  recht  lebhaft  in  die  Zeit, 
in  Avelche  die  Handlung  der  Odyssee  fällt ,  luul  in  die  Lage  der  heim- 
gekehrten Helden,  Avelche  die  Mühen  und  Gefahren  hinter  sich,  Glück 
und  Frieden  um  sich  haben ;  so  erwartet  num ,  das  Andenken  an  den 
beendigten  Krieg  als  das  zu  finden ,  lun  Avelches  sich  alles  bewege,  und 
durch  Avelches  alles  belebt  Averde.  So  finden  Avir  es  nun  auch  im  Ho- 
mer. Telemach  ist  nicht  lange  in  Pylos  und  hat  kaum  das  Gespräch 
angesponnen  (Od.    y),    so  tritt  die  Erinnerung  an    die  Begebenheiten 


Thiersch:  über  Homers  Europäischen  Ursprung.  4143 

vor  Ilios  ein;  und  aliormals  ist  es  der  Kreis  der  Illsclicn  Tliaten ,  in 
veldion  Telciuach  durrli  die  Erzählung  des  3Icnehiiis  und  der  llehma 
gefülu-t  Avii-d  (Od.  ö) ,  als  er  aus  Pyh)S  nach  Lakedämon  kommt.  In 
Ithiika  singt  IMieniids  den  Freiern  zur  Freude  und  der  Penchipe  zum 
Schmerz  die  Uückkrhr  der  Ifjldcn.  Wenn  Penelope  dem  Sänger  den 
Gesang  unterlagt  (Od,  o-,  338) ,  so  ist  es  nicht  Mangel  an  Sinn  für 
Ileldengesang;  denn  sie  verbietet  nur  den  Gesang,  welcher  das  Ab- 
irren des  üdysseus  entlüelt,  und  a erlangt  vom  Sänger,  dass  er  ein 
eigentliches  Heldenlied  ari!>tininie  (l'Qyce  dvÖQciäv  xh  üicov  tf).  Odysseus 
kommt  zu  den  Phäaken  und  der  Sänger,  welcher  die  dortigen  Könige 
unterhält,  singt  hauptsächlich  von  den  Helden  des  Trojanischen  Kriegs 
(Od.  &).  Kurz  überall  lebt  die  Erinnerung  an  dieselben  Begeben- 
heiten und  belebt  das  Geuiüth  derer,  denen  sie  unmittelbar  oder  mit- 
telbar angehören.  Wenn  aber  das,  was  uns  im  Homer  vom  Ilelden- 
gesange  anfgefübrt  wird,  nicht  das  Bild  des  Homerischen  Heldenge- 
sangs selbst  ist;  so  weiss  ich  nicht,  was  man  ausserdem  noch  dafür 
lialt(;n  müI;  oder  ich  niüsstc  an  das  berühmte  Räthscl  von  dem  Ivrcbse 
und  der  Krebsin  denken. 

Dies  ist  der  Abriss  des  Zustandcs  der  Griechen  im  ersten  Decennio 
nach   Troja's   Eroberung. 

Jetzt  treten  wir  nun  in  einen  Zeitraum,  wo  uns  auf  einmal  alle 
Nachrichten  abgehen.  3Ierkwürdig  hat  es  mir  immer  geschienen, 
wenn  die  Darsteller  jener  Zeiten  nach  Troja's  Eroberung  unmittelbar 
Krieg  und  VerAvirrnng  im  Innern  von  Hellas  folgen  lassen,  um  so 
mehr,  da  sie  nur  unter  dem  Kriege  und  der  Verwirrung  den  Einfall 
der  Herakliden  und  dessen  Folgen  verstehen,  welcher  erst  drei  Men- 
schenaltcr  nach  der  Trojanischen  Zeit  erfolgt.  Die  Schuld  liegt  schon 
an  den  Alten. 

Bei  allen ,  welche  über  jene  Zeit  geschrieben  haben ,  findet  sich 
in  der  Geschichte  des  Peloponnes ,  von  welchem  ich  hier  rede,  der 
Sprung  von  1184  — 1100 ,  oder  von  der  Eroberung  Troja's  bis  zum 
Einbruch   der  Dorer. 

So  überschreitet  Strabo  jenes  Zeitaller,  als  er  von  den  Elccrn 
erzählt  ^^);  eben  so  dort,  als  er  von  den  Olympischen  Spielen  redet; 
ebenso  springt  er  \om  Tode  des  Meiielaus  auf  die  Zeit  des  Einfalls  der 
Herakliden  ^  ^)  und  noch  zweimal  auf  ähnliche  AVeise  '^);  ebenso 
scheint  er  den  ZMischenraum ,  welcher  nach  Troja's  Füll  bis  auf  die 
Ankunft  der  Herakliden  folgte ,  in  der  Geschichte  von  Argos  zu  über- 
gehen ''*),  und  erwähnt  nirgends  Begebenheiten ,  jene  Epoche  aus- 
zulüllen. 

Ganz   60  Mie    Strabo  verfährt  auch  Fausanias,      Er  berichtet  ge- 


31)  Strabo  VIII  c.  3    R   30,  32)  VIIF  c.    4    g    1.  33)  VIII  c.  4  §  3, 

g  5.  34j  VIII  c.  C  §  10  fiBzcc  TU  TQonKÜ  TTJg  'j1yci(ih(ivovos  ccqx^IS  ''''^- 
TuJ.v&slarjg  -auI  fiüXiatu  fitvcc  rrjv  zwv'  II(}ay.leiÖcov  ^d^oÖov  Gvvt^ri  Mv- 
xrjvas  TanHVco&TJvai. 


444  Abhandlungen. 

nan  über  die  Stammsagen  der  Griechischen  Stämme  bis  auf  den  Troja- 
nischen Krieg;  aber  bei  dem  Eintritt  in  die  darauf  folgende  Zeit  geht 
er  sogleich  auf  die  Dorische  Einwandrung  über  ^  *).  Kein  Wunder, 
da  keiner  der  altern  ihnen  etwas  darüber  darbot. 

Ich  erinnere  mich  keiner  einzigen  umfassendem  Thatsache,  wel- 
che aus  jener  Zeit  aus  dem  Peloponnes  angeführt  werde,  als  des  Um- 
etandes,  dass  nach  des  Menelaus  Tode  die  IVeliden  Messenien  einge- 
nommen haben  ^  ^).  Da  Menelaus  keine  legitim^  männliche  Nachkom- 
menschaft hinterliess ,  so  musste  wohl  sein  Reich  an  Andre  kommen. 
Denn  Megapenthes ,  Avelchen  Homer  erwähnt  (Od.  ö),  und  jVikostratos, 
der  bei  spätem  Schriftstellern  vorkommt,  Avurden  vielleicht,  wenn 
anders  etwas  an  der  Sage  ist ,  wegen  ihres  harten  Verfahrens  gegen 
die  Helena ,  zur  Aergeltung ,  wie  billig ,  verdrängt.  Ein  Theil  von 
Messenien  gehörte  schon  zum  Reiche  der  Neliden ,  daher  Avohl  der 
nächste  Nachbar  bei  der  Erledigung  der  Herrschaft  nicht  übergangen 
werden  konnte.  Lakonika  selbst,  welches  das  Ilauptland  des  3Iene- 
laus  war ,  ging  nicht  auf  die  Neliden ,  sondern  auf  seine  nächsten  Ver- 
wandten in  Argos  über.  Die  Art  und  Weise,  wie  diese  Theilung  zu 
Stande  gekommen' sey,  ist  nicht  angegeben;  da  auch  Orestes  durch 
Verheirathung  nach  der  Sage  dem  Gcschlechte  Nestors  vei-wandt  wur- 
de ,  so  lässt  sich  bei  der  friedlichen  Stimmung,  m  eiche  unter  den  \  ä- 
tern  geherrscht,  mit  vieler  Wahrscheinlichkeit  auf  eine  friedlicbe 
Ausgleichung  schllessen.  Das  Fortbestehen  de^  Friedens  imter  den 
Sühnen  der  Trojanischen  Helden  beweist  mir  unter  andern  auch  die 
Todesart  derselben.  Keiner  von  ihnen  bleibt  im  Kriege.  Neoptolemua 
stirbt  durch  den  Priester  Machärcus  (Find.  Nem.  VII,  58),  Orestes  am 
Biss   einer  Schlange. 

Wenn  wir  nun  einen  Zeitraum  finden,  welcher,  ich  will  nicht 
sagen  arm  ,  sondern  ganz  leer  an  Begebenheiten  ist,  wie  sollen  wir 
ilin  ausfüllen  ?  Mit  Kriegen  und  VerM'irrung ?  Nirgends  erscheint  die 
Geschichte  arm  ,  wo  Krieg  und  UmMÜlzung  zu  beschreiben  ist.  Das 
scheint  ihr  Schicksal  zu  seyn ,  das  Unglück  der  Staaten  und  Völker 
beredt  und  ausführlich  darzustellen ,  hingegen  bei  dem  Glücke  und 
Wohlstande  ein  bedeutsames  Schweigen  zu  beobachten.  Während  sie 
den  Regierungen  der  Nerone  blätterreiche  Bücher  weiht ,  fertigt  sie 
die  glückliche  Periode  der  Antonine  mit  wenigen  Zeilen  ab.  Es  er- 
weckt demnach  der  Älangel  an  auffallenden  Begebenheiten  eben  kein 
ungünstiges  Vorurtheil  für  eine  Epoche.  Kriege  dahin  zu  setzen ,  wo 
sie  die  Geschichte  nicht  kennt,  wäre  ganz  verkehrt;  denn  sie  gerade 
sind  es,    welche,    wenn  auch  der    Zeitgenosse   nicht  schreiben  kann, 


35)  Paasan.  VII  c.   1  §  2.    Die   ganze  Zeit  ist  dort  mit  den  wenigen  Worten 
abgemacht:   ol  dl  aTToyovoi  rov   Icovog  rd  'icovcov  icxov  K^ärog ,    ig  o  vre 
AxciLÜv   i^tiTfaov    aal    ccvrol    y.cd    u    Sii^og.  36)    Strabo    VIII  c.  4    §  1 

(liTU  T^v  Tov  Msvilöcov  TiXivzr/V,  i^cca&BVT^aävrcov  rcov  öiaöa^afiivcov  z^v 
AuTicoviKr^v ,  OL  Nr]ltlöai  Tijg  Meaarjviccg  tTr^pjjjov. 


Thiersch:  über  Homers  Europäischen  Ursprung.  4il5 

von  Munde  zu  Munde  fortf;^opflan?.t  werden  und  den  Ilaltpunitt  in  der 
Vcrgaiif^enhfit  für  das  Gedäclitniss  bilden. 

Wo  wir  nun  so  von  der  Gescbichte  verlassen  werden ,  wie  in  der 
Periode  von  der  Rückkehr  der  Trojanischen  Helden  bis  zur  lleraklidi- 
seilen  Jiückliehr  in  den  l'elopouiies,  da  <;ilt  es,  aus  der  ^ orlierg^ehen- 
den  und  der,  sie  am  andern  l^nde  bcf^rcnzendeu,  Zeit  auf  sie  zu 
seliliessen,  oder  aus  dem  einen  die  Folgen  und  aus  den  Folgen  die 
Ürsaelien  zu  enUvickeln. 

AVie  wir  oben  das  Verhältniss  der  l'eloponnesiselien  Reiche  zu 
einander  kennen  gelernt  haben,  lässt  sich  znnäclist  annehmen,  dasa 
bei  Lebzeiten  der  damaligen  Regenten  es  niclit  g^cstört  worden  sey. 
Nehmen  wir  diesen  Zeitpunkt  bis  IKiO  oder  50  an ;  so  bleiben  noch 
bis  zum  Einfall  der  Heraklidcn  zwei  Menschenaltcr,  wie  sie  Herodot 
annimmt,   oder  60  Jahre. 

Wenn  nach  des  Jlenelaus  Tode  sich  die  NeÜden  und  Atriden  in 
sein  Reich  theiiten  ;  so  haben  sie  nachher  ohne  Störung  regiert;  denn 
Mir  finden  bei  dem  Euifall  der  llcrakliden  beide  Geschlechter  im  Be- 
sitz der  gedachten  Länder.  So  wie  sicli  nach  der  Sitte  jener  Zeit 
die  Gastfreundschaft  der  Väter  auf  die  Sohne  vererbte  und  diesen  ge- 
bot ,  sich  unter  einander  als  Freunde  anzusehen  und  zu  schützen ;  so 
ging  auch  die  freundschaftliche  Stimmung  der  Trojanischen  Helden  auf 
ilirc  Nachkommen  über.  Uass  die  A  ölker  auch  geistig  Mciter  kamen, 
lässt  sich  aus  der  ruhigen  Lntwickeluiig  in  den  ersten  Deccnnien  fol- 
gern. Man  erwäge,  wie  gross  die  Folgen  des  Trojanischen  Krieges 
seyn  mussten.  Die  reiche  Beute ,  der  durch  sie  geweckte  W^ohlstand, 
die  durch  Berührung  mit  vielen  vorher  unbekannten  Völkern  erwor- 
benen Kenntnisse  und  neu  erregten  Ideen ,  die»  alles  musste  dem 
Geiste  der  damaligen  Menschen  einen  Schwung  und  neues  Leben 
geben. 

Da  wir  ntm  im  Peloponnes  80  Jahre  lang  von  dem  Trojanischen 
Kriege  bis  zur  Einwandrung  der  Dorer  Ruhe  und  Wohlstand ,  poeti- 
sche Stimmung  und  Begeisterung  für  die  Helden  des  Trojanischen 
Kriegs  und  Ihre  Schicksale  finden  ;  haben  v  ir  da  nidit  zugleicli  alles 
gefunden  ,  Mas  zur  Entstehung  der  Homerisclien  Gesänge  nöthig  war? 
Warum  wollen  wir  aus  der  Zeit,  In  welcher  Homer  entstehen  konnte 
und  natürlicher  Weise  entstehen  musste ,  In  eine  weit  fernei-e  und  weit 
weniger  geeignete  gehen?  AVarum  aus  dem  Lande,  welches  der  Natur 
der  Sache  nach  als  das  näcliste  den  Homc^r  hervorbringen  nmsste ,  In 
das  Ausland'?  AVarum  endlich  den  Entliusiasmus  für  Heldengesang  und 
die  poetische  Stimmung  einem  Zeitalter,  welches  beides  historisch 
hatte,  ableugnen,  und  einem  andern,  von  welchem  die  Geschichte 
echwelgt ,   andichten? 

Von  der  Zeit  des  Einfalls  der  Herakllden  an  wird  die  Geschichte 
wieder  heller  und,  obgleich  nur  stückweise,  von  allen  Schriftstellern 
doch  in  den  Hauptsaclien  einstimmig  vorgetragen.  Wir  können  die 
loner  vor  Ihrer  Ansiedelung  in  Asien  nicht  verlassen ,  nm  diese  Pe- 
riode mit  der  vorhergehenden  zu  verglcichtju  und  dab«i  zu  sehen 
Jahrb.d.  riiil.u.Fädag.  Jahrg.  l.  lief  12.  -  29 


446  Abhandlungen. 

dass    eie  bei  weitem   nicht  so  geeignet  war,     den  Homer  hervorzu- 
bringen. 

Die  Ileraliliden  vcrbuiulen  mit  den  Dorern ,  an  welche  sich  auf 
«lern  Zuge  eine  Schaar  Aetoler  unter  Oxyliis  ansrhloissen  ^  7^  ^  zogen 
aus  "dem  Norden  Griechenland»  in  den  Peloponnes.  Alle  Völker  des 
Peloponnes  werden  aus  ihren  Sitzen  verdrängt  oder  müssen  sich  den 
Siegern  unterwerfen.  Daaials  lierrschte  in  Pylos  Pisistratos,  der  Solm 
des  Pisistratos  ,  Sohnes  des  Nestor ;  in  Jlessenien  Melanthos  gleichfalls 
ein  Nelide  ^  ^) ,  welche  beide  sich  dnrch  die  Flucht  vor  den  Ileralili- 
den nach  Athen  retteten.  Ueber  Mykene  oder  über  Argos  und  Lake- 
dämoii  war  Tisanienos,  Sohn  des  Orestes  und  der  Ilerniione,  Gebieter. 
Die  Achüer  von  den  Herakliden  verdrängt  Averfen  sich  auf  ilire  Nach- 
bai'u,  die  loner.  Im  Kampfe  ZAvischen  beiden  fällt  Tisamenos ;  die 
Achäer  siegen  und  v.Mingen  die  loner  ihren  Sitz  zu  verlassen.  Die 
loner  ziehen  sich  über  den  Isthmus  nacli  Attika,  "wo  sie  von  ihren 
Stammgenossen  den  Athenischen  lonern  aufgenommen  Averden ;  der 
Landstrich  aber,  den  sie  im  Peloponnes  inne  hatten,  bekommt  von 
nun  an  den  Namen  des  neuen  Volkes,  Achaia.  So  ungefähr  stellen  lle- 
rodot,  Strabo  und  Pausanias  die  Rückkehr  der  loner  aus  dem  Pelo- 
ponnes nach  Attika  dar  '^). 


37)  Des  Oxjlus  Gcsclilecht  war,  wie  das  der  Herakliden,  aus  dem  Peloponnes 
vertrieben.  Um  die  väterliclie  Herrschdft  in  Elia  wieder  zu  erwerben,  verband  sich 
Oxylus  mit  dem  Herakliden  Tcmenos ,  wurde  Fülirer  auf  dem  Wege  dahin  und 
leitete  auch  im  Peloponnes  die  weitem  Unternehmungen.  Er  erhielt  Elis  Mieder. 
So  erzählt  Strabo  VIII  c.  3  §  33  nach  Ephorus.  Düppelsage  und  in  einigen 
Nebenumständei!  abweichend  b.  Pausan.   V  c.    3    u.    4.  3b)  Strabo  ^lll«c.   4 

§  1.  39)  Die  Uebersirht  am  kurzesicn  bei  Strabo  VIII  c.  7  §  1  ovtoj  Ttolvav- 
dQrjaai  tj]v  x^Öqkv  {'AtriKriv)  awinBOs  rött,  «ara  xat  ccnoi^iav  tcov'Ioj- 
vcov  iGTiÜMV  ti<i  IJtloTTovvriaov  'A&rjvaloi,  Kai  rrjv  xwQctv ,  r/V  y.azicxov, 
inavv/iov  i-ciVTdjv  inoirjoav,  'laviav  avz'  Aiytaliiccg  v.l>]&Hcav ,  ql  zu 
avÖQig  avzl  Jiyialicüv"lcovis  nQoorjyoQBv&rjßav ,  f/g  öojöiy.cc  nvXtiq  iiiQi- 
G&ivzeg.  fiszd  ös  zrjv  H^cckIfiÖwv  y.(i&oöov ,  vn'  'Ax<xicov  i^fXa&ivztg, 
ijzav^X&ov  näliv  tig  A^rjvag,  —  ol  8'  'Axcaol  (I>&iü)zcii  fitv  i]aav  zu  .yi- 
vog,  oiurjaoiv  ÖS  iv  Aa-/.irSaifiovt.  zcov  öh  'llQciKlsiÖcov  iTCf>iQazrjauvzwv, 
KvaXri(p%tvzi-g  vno  Tiaafxcvov  zoiJ  Ogsarov  Tiaiöog ,  Toig"lo)6iv  tniO'ivzo, 
Kdi  yivöfisvoi  ■üQSiTovg  zovg  [xiv  i^tßalov,  avzoi  öl  v.aziG%ov  zrjV  yfjv,  xai 
SticpvXcc^av  ZOP  avtov  zijg  yrjg  fitgtofiöv,  ovntQ  Y,al  Ttagt'Xaßov.  ovzco  8s 
i'axvGcitv ,  coavs,  zt]v  aXlrjv  ntXonowrjaov  txövzoav  zcov  'Ilgccalsibüiv ,  cov 
aniGTrjGcxv,  avzHxov  of-img  TtQog  cinavzag,  Axaiciv  ovo/J-ÜGavzsg  zrjV  x^Q<^v. 
Pausan.  Vll ,  1  §  3  zörs  öl  (.'/^;j;ortoi)  vno  dmgiiwv  ikiti7tzw/.6zsg  f^c  zs 
'Agyovg  nal  tx  Aay.FSc.t[iovog,  tni-ariQvy.ivovzo"l:oGLV  avzoi  zs  Kalo  ßaot- 
Isvg  TiGai-iivdg  6  'ÜQhGrov  ytvsa&at  gvvoihoi  GcpiGiv  avsv  noXifiov.  zdSv 
ÖS  'Icovav  zovg  ßaaiX^ag  VTtf/f-t  Öiog  ,  firj  'A%aiwv  dvafiix&ivzcov  avzolg 
TiGafisvov  iv  yoivco  ßaocXsa  iiavzac ,  nazu  zs  ävögayaO-iav  kkI  yivovg 
öo^av.  'icovcov  Ö£  ov  tiQoais^ivo^v  zovg  'Axaicov  loyovg ,  dllci  iTis^tl^ov- 
rcov  Gvv  OTtXoigy  TiGaßfvog  filv  fnsGfv  iv  z'^'fiaxrj.  —  "Icovag  ös  dcpinons- 
vovs  ig  rrjv  'AzzfKrjv  'A&rjvaloi  y.cu  6  ßaaiXtvg  avzcov  Milav&og  'Avögo- 
Ttöfinov  GvvoLTiovg  iöi^avzo,  "Icovog  zs  Örj  svixa  kuI  SQycov,  cc  inQC(i,£  no- 
2.£{iaQXCöv  'A^rjvaioLg.  (Er  hatte  nehmlich  die  Durger  von  Attika  in  Klassen  ge- 
thcilt,  ysaqyql,  ör]^LovQyo\,  IsqojioioI  (pvXaKSg.  Strabo  VIII  c.  7.  Vgl.  das  we- 
nige und  nur  allgemein  gesagte  bei  Herod.  I,  113  —  47.) 


Thierse li:  über  Homers  Europäischen  Ursprung'.  447 

In  Attilia  nahm  man  die  Inner  p;crn  auf;  sie  vart-ii  Ahkömmlln"-c 
der  AtheniMhcu  lonir ,  und  Ion,  von  Avelchein  sie  den  Namen  trn"-en, 
stand  in  Athen  als  erster  Ordner  des  dortigen  Lebens  in  gutem  An- 
denken. 

liier  In  Attika  wolmlen  nun  bis  nach  dem  Tode  des  Kodrus  die 
loner  neben  Athenern  und  Flüebtlingen,  Mclche  vor  den  Dorern  aus 
dem  Peloponnes  eltcnfnlls  dahin  gekommen  waren.  Es  lässt  sich  leicht 
denken,  dass  Attika  durcli  die  vielen  und  verscliiedenartigen  Ankömm- 
linge einen  zu  grossen  Zum  aclis  erhielt ,  dessen  es  sich  bald  Avieder 
entledigen  musste.  Denn  nacli  der  Theiiung  des  Pclopc-nes  unter  die 
siegenden  Ilerakliden  wurde  Attika  der  erste  iiubepunkt  der  Peloponne- 
slschen  Flüchtlinge  '*°),  und  Mcnn  auch  die  mei:^teu  l)ahl  Aveiter  zo- 
gen, so  nennt  doch  die  Gesciilchte  ausser  den  "Innern  noch  die  Messe- 
nier  unter  ."Melunthns,  welcher  letztere  sogar  König  und  Stammvater 
eines  ruhmvollen  Hauses  In  Athen  wurde.  Die  Gesciilchte  weist  kein 
Beispiel  vnn  dauerndem  jNeben  -  und  Ineinanderbestehen  verschiedener 
\  ölker  auf.  EntAveder  vermischen  sie  sich  zu  einem ,  oder  das  eine 
wird  vom  andern  ^jnz  unterdrückt,  oder  es  wandert  endlich  das 
eine   aus. 

iVach  mehrern  Jahren,  wie  Pausanlas  **)  sagt,  oder,  wie  er 
bestimmter  hinzusetzt,  nach  des  Kndrus  Tode  c.  1030  *^)  stritten 
sich  die  beiden  ältesten  Söhne  um  die  Herrsdiaft;  der  jüngere  Neletis 
M'oUte  dem  altern  31edon ,  weil  er  körperlich  gebrechlich  war ,  nicht 
unterthänig  seyn.  Nach  Klitophon's  * 3)  Nachricht  war  der  Streit 
durch  einen  Orakelausspruch  so  ausgegliclien  Avorden ,  dass  Medon  die 
väterliche  Herrschaft  behalten ,  die  andern  Brüder  Kolonien  ausführen 
sollten. 

Die  Söhne  des  Kndrus  führten  nun  die  Inner  nach  Asien  hinüber. 
Al)er  keiucsAvegs  bestand  diese  Ansiedelung  blos  aus  lonern,  sie  sdiel- 
nen  nur  der  llaupttheil  der  ausA^  ändernden  Völkermasse  gcAvesen  zu 
seyn;  denn  es  nahmen  mehrere  andre  Stämme  an  der  AusAvandrung 
Tliell ,  als  Tliebäer ,  Orchomenische  .Vllnyer ,  Phocenser  und  Abanter 
aus  Euböa  '*'*).  Lnter  verschiedenen  Führern  setzten  sie  sich  an  ver- 
schiedenen Orten  an  der  Asiatisdien  Küste  fest. 

]Mit  wenigen  Ausnahmen  stimmen  In  der  Angalte  Ann  der  Ansie- 
delung jener  Kolonisten  Strabo  und  Pausanlas  überein  ^^). 


40)  Strabo  IX  c.  1  §  7  ivavdQOvGTjg  Ss  trjg  'JrTiy.TJg  Stu  rovg  cpvyuSas  ol 
'Hga/J.ildra  rpoßrjd-hvrfg  iGtQccrsvGuv  tnl  rt)v  'Attihi^v.  riTTr,%ivTbg  Öl  fidxj] 
K.X.  41)  l»au8.  VII  c.  2  §  1,  2  iztai  öl  ov  TioV.olg  vGziQov  Miöcov  aal  Nr]- 
Xtvg  TtQiaßvzazoi  zcöv  KoÖqov  naiÖcav  tazaciaoav  vntQ  ZTJg  aQxrjs 
X.  X.  42)   \acli   Eratostli.  140  Jahre    nach    der    Eroberung  Troja's ,    also    1040. 

43)  Schnl.  major,  z.  Hmn  II.  v,  401.  Die  dort  genannte  Kolonie  aiis  Helike  8oll  doch 
ATohl  loner  in  Attika  bezeichnen,  v. eiche  aus  llelike,  wo  sie  zuletzt  von  den 
Achäern  belagert  wurden,  nach  Attika  gekommen  waren.  Auch  Pau.nan.  VII,  2,  1 
erwähnt  das  Orakel.  44)  Ilerodot.  I,  Hü  nennt  ausserdem  noch  Dr^oper,   IMolos- 

ser ,  Arkadi!>che  Pclasgcr  und  Dorcr  aus  Epidduros.  \gl.  I'ausan.  VII  c.  2  §  2. 
43}  Strabo   XIV    c.    I   §   3  S.  ü-Ti  nennt  alle  der  Reihe  uach ;    iu  andrer  Ordnung 

29  * 


448  Abhandlungen. 

Nach  Straho  war  das  Haupt  der  Ionischen  Auswandrung  aus 
Attika  nach  Kleinasicn  ,  Avie  er  aus  l'hcrelijdes  berichtet,  Andro- 
k  1  o  s,  der  Sohn  des  Kodrus  ,  welcher  sich  ,  worhi  ihm  Fausanias 
gleich  berichtet,  mit  loncrn  in  Ephesus  niederliess.  INeleus,  wel- 
cher von  Strabo  *^)    ein  Pylier  genannt  Avivl,  besetzte  Miletos. 

Kyaretos,  nach  Strabo  Kydrelosund  ein  natürlicher  Sohn 
des  Kodrus,  nahm  Myus  ein.  In  Priene  setzten  sich  Fhi Iotas  aus 
Theben   und   Aepytos  ^'^),   des  Neleus   Sohn. 

Nach  Kolophon  Avandten  sich  die  Söhne  des  Kodrus  D  am  asi- 
c  h  t  h  o  n  und  P  r  o  m  e  t  h  o  s,  v  ie  Tansanias  angiebt,  aber  A  n  d  r  tä  m  o  n, 
welcher  mit  lonern  Lebedos  eingenommen  haben  soll,  war  nach  Strabo 
Stifter  der  Kolonie  von  Kolophon,  der  von  Lebedos  hingegen  Andro- 
pompos.  Bei  dieser  NamenvrrM  (u-hslung ,  wo  Strabo's  Angabe  in 
unserm  Texte  noch  dazu  schwankt  ^^),  wird  man  wohl  sicherer  dem 
Fausanias   folgen. 

Nach  Teos  kamen  hinter  einander  Athamas  mit  Orchomenl- 
schen  3Iinyern ,  dann  Dam  asos  und  Nauklos,  Söhne  des  Kodrus 
mit  Athenern,    zuletzt  Geres    mit  Böotern  ^^). 

Ei'ythrä  erhielt  als  ersten  Ansiedler  einen  Sohn  des  Kodrus,  wel- 
chen Fausanias  K 1  e  o  p  o  s  ,   Strabo  K  n  o  p  o  s  nennt.  ^  ^ 

Auf  Samos  setzte  sich  ein  Urenkel  des  Ion,  F  r  o  k  1  e  s  mit  Epidau- 
rlern,  nachdem,  wie  Strabo  hinzufügt,  vorher  schon  Tembrion  dort 
Fuss  gefasst  hatte ;  auf  Cliios  aber  nach  Fausanias  A  m  p  h  i  k  1  o  s  aus 
Histiäa  in  Euböa,  nach  Strabo  Egertios  mit  einem  gemischten 
Haufen, 

An  der  Grenze  gegen  Aeolis  Hessen  sich  Fhocenser  unter  der 
Anführung  der  Atheniensischen  Brüder  Philo  ge  n  es  und  Dämon 
nieder. 

Klazomenä  endlich  scheint  ein  Ionischer  Haufen  unter  Farpho- 
r  0  s  besetzt  zu  haben  '  °). 

Die  Kiederlassung  der  loner  in  Asien  ging  nicht  ohne  Kampf  vor 
sich.  Sie  mussten  dort  mit  den  Karern,  Lydern,  Lelegern  und  an- 
dern um  den  Besitz  einen  Kampf  kämpfen,  der  hier  und  da  mit  der 
Ausrottung  oder  Vertreibung  der  Einwohner  endigte  ^  *).  Und  nicht 
Mos  mit  den  dortigen  Völkern,  auch  unter  einander  führten  sie  Fehden 


und  von  Zwischenerzählungen  unterbrochen  stehen  sie  bei  Fausanias  VII  cap.  2  § 
2  bis  cap.  4    §  7.  46)  Neleus  war  ein  Sohn    des  Kodrus ,   Kodrus    des    Melan- 

thos,  Melanthos  ein  Nelide  oder  Nachkomme  des  Nestor  aus  Pjlos.  Daher  heissen 
bei  Strabo  mehrere  jener  Ionischen  Führer  Pylier.  47)  Pausan.  VII  c.  2  §  7 

nennt  ihn  Al'yvTtzos-  48)  Die  Lesart  schwankt  AvSQÖnofmoq ,  AfSgönodog, 
'jvÖQOTiOXOg.  49)  Bei   Strabo  ist   die  Ordnung  I)  Athamas,  2)   Nauklos  natürl. 

Sohn  des  Kodrus,  3)  Apökos  und  Damasos  aus  Athen,  4)   Geres  aus  Büotien.  50) 

Strabo  a.  a.  0.  sagt  ganz  kurz  viXa^O^ivccq  8e  UccQCiXos  (■nazeXceßsv).  Dieser 
Faralos  scheint  mit  dem  Parphuros  des  Fausanias  (VII  c.  3  §  5)  eine  Person 
zu  scyn,  wiewohl  auch  Fausanias  schnell  von  ihm  abspringt  und  das  übrige  den 
Stämmen    beilegt.  51)  Herod.   I,  140  Fausan.  VII  c.  2§3   von  der  Vernich- 

tung der  Milesicr  durch  die   loner. 


T  h  i  e  r  s  c  h :  über  Homers  E  u  r  o  p  "i  I  s  c  h  c  n  U  r  s  p  r  u  n  g.  .449 

und  harte  Krieg'c.  Dass  sie  nicht  genicinstun  handelten  siclit  man  schon 
aus  den  i-olirtcn  Niederlassungen.  Zvar  treten  sie  später  iinPaninnion 
xusannnen;  aber  gleic  Involü  sah  sieh  jede  Stadt  mit  ibreui  Gebiete 
für  ein  besonderes  Volk  an.  Um  nur  ein  Beispiel  von  den  auf  die  An- 
fiedehing  in  A.»ieu  folg-enden  Unruhen  anzuführen,  gedenke  ich  des 
Schicksals  von  Saraos.  Kaum  hat  sieh  Androklos  in  Ephesns  nieder- 
gelassen ,  so  strebt  er  seinen  Besitz  durch  Samos  zu  erweitern.  Er 
überfällt  mit  seinen  Epln-s-iern  die  Insel  und  vertreibt  den  Lcorgos, 
des  Prokies  Sohn,  mit  den  Sanüern.  Die  Samier  sind  gezMungen  in 
Tlirake  (Samotbrakf-)  sieh  einen  neuen  Wohnplatz  zu  suchen;  aber  sie 
vergessen  der  von  den  Epliesiern  erlittenen  Unbill  nicht ,  sie  überfallen 
später  die  Ephesier  und  verjagen  sie  Mieder  ans  Samos  '^). 

Ehe  sich  in  Asien  die  Gemütlier  beruhigen ,  die  Städte  im  Innern 
ordnen  und  von  Aussen  sichern  konnten ;  ehe  Wohlstand ,  ein  gemein- 
earaer  Geist  und  jNationalsinn  erMcckt  >vurden,  musste  eine  geraume 
Zeit  vergehen.  Aber  wie  ist  ohne  dies  alles  eine  Entste- 
hung des  Homer,  der  das  reine  Gepräge  der  Nationa- 
lität an   sich   trägt,    nur    denkbar? 

Nicht  ohne  gute  Abficht  habe  ich  die  Griechische  Geschichte  von 
der  Zerstörung  Trojn's  an  bis  nach  der  Niederlassung  der  Inner  in 
Asien  näher  beleuchtet,  und  lege  nun  nochmals  jedem  unpartlieiischen 
Ueurtheiler,  der  von  keinem  Vorurtheile  sich  blenden  lässt,  die  Frage 
vor:  Wenn  er  nicht  wüsste,  zu  welcher  Zeit  die  Ho- 
merischen Gesänge  entstanden  seyen,  welche  Periode 
der  vorgelegten  Geschichte  er  für  ihre  Entstehung 
am  geeignetsten    halte? 

Erst  dort  in  Asien  und  unter  solchen  Umständen  soll  Homer  er- 
standen seyn?  ,>Ian  wäre  vielleicht  noch  weiter  heraufgegangen,  wenn 
man  nicht  gefürchtet  hätte,  dass  in  noch  jüngerer  Zeit  jedem  die  Sage 
als  ganz  ermattet  und  verdunkelt  erscheinen  müsste.  Was  spricht 
denn  aber  für  lonien?  Die  Zeit  durchaus  nicht;  sie  ist  vielmehr  da- 
gegen. Das  Land  und  die  Nähe  des  Trojanischen  Gebiets  sind  zwar 
der  alten  Sage  nicht  entgegen;  aber  die  3Iöglichkeit,  wie  man  des 
Stoffes  liabe  habhaft  werden  können,  und  wie  der  Sinn  und  die  leben- 
dige Tlicilnahnie  geweckt  Avorden  sei,  ist  nicht  zu  erMeisen.  Der 
Homer,  Mie  er  ist,  konnte  als  National  werk  nur  un- 
ter den  nächsten  Kindern  und  Kindeskindern  der  vor 
Troja  gestandenen  Helden  hervorgehen  und  in  dem 
Lande,  welches  die  Heimkehrenden  aufnahm  und  ih- 
ren   Ruhm    verherrlichte. 

Werfen  wir  nun,  ehe  wir  zu  etwas  Anderm  übergehen,  noch 
einen  Blick  auf  den  l'eloponnes ,  den  wir  zur  Zeit  des  Einbruchs  der 
Herakliden  verliessen. 

Auf  den  Trümmern  der  frühern  Reiche  des  Peloponnes,  welche 


52)  Pausan.  VII  c.  4  §  3. 


450  Abhandlungen. 

eich  unter  der  Herrschaft  der  Helden  des  Trojanischen  Krieges  und 
ihrer  Äachkonmien  in  HOj.ihrigcr  lluhe  und  glücklichem  Wohlstande 
geistig  gehoben  hatten ,  erricJitcten  nun  die  rohem  Stamme  neue  iiei- 
clie  und  die  frühere  Kultur  ging  unter ;  gerade  so  wie  an  der  Scheide 
der  alten  Gescliiclite  auf  dem  Boden  des  Weströmischen  Reichs  die 
Kultur  der  Besiegten  der  Unkultur  der  Besieger  »ich.  Nun  erst  tritt 
das  Zeitalter  der  Befehdungen  ein  ,  nun  erst  entsteht  im  Peloponnes 
ein  endloser  Krieg ,  der  nicht  eher  aufhört ,  als  bis  sich  die  harten 
Zöglinge  Lykurgs  zu  Herren  über  Krieg  und  Frieden  machen.  Was 
also  unter  den  Zurückbleibenden  im  Peloponnes  von  Gebräuchen,  Sitten 
und  Bildung  war,  das  ging  in  der  allgemeinen  Vernichtung  zu  Grunde. 
Dass  sich  in  diesem  Kriege  Aller  gegen  Alle  und  in  so  lange  Zeit  an- 
haltender \  erM  irrung  die  Spuren  des,  mit  der  AusAvanderung  der  loner 
in  Europa  verklungenen,  Homerischen  Gesangs  dort  verlieren  mussten, 
ist  wohl  leicht  begreiflich.  Wie  sich  die  nordischen  A'ölker  nicht  um 
Literatur  und  geistreiche  Produkte  der  Römer ,  sondern  um  ihre  ein- 
träglichen Besitzungen  und  um  nützliche  Uienstbarkeit  kümmerten,  so 
lag  auch  den  Herakliden  und  Dorern  nichts  am  Vortrag  Homerischer 
Gesänge,  welche  das  Lob  der  Helden  feierten,  die  ihnen  niclits  an- 
gingen, und  den  Avenigen  von  den  zurückgebliebenen  Peloponncsern, 
w  eiche  Avohl  noch  hätten  singen  können ,  luusste  bei  ihrem  traurigen 
Loose  unter  der  harten  Herrschaft  ihrer  Besieger  Avohl  die  Lust  schwin- 
den. Die  A  ergangenheit  scliied  dort  eine  scharfe  Grenze ,  neue  Völker 
mit  ihren  eignen  Stammsagen ,  neue  Reiciie  und  neue ,  aber  langsam 
erfolgende  ,  EntAvickelung  des   Geistes  trat   hervor. 

Ausser  der  bisher  dargelegten  historischen  Entwickelung  mögen 
noch  andre  Umstände,  welche  für  die  Entstchungsperiode  des  Homer 
vor  dem  Einbruch  der  Dorer  und  für  den  Peloponnes  als  das  Vater- 
land desselben  sprechen ,  hier  ihren  Platz  finden. 

Zunächst  eine  Aveitere  Ausführung  des  sehr  Avichtigen  Grundes, 
Avelchcr  S.  30  aufgestellt  wurde,  ohne  jedoch  Berücksichtigung  zu 
finden. 

Homer  ist  bei  der  Schilderung  des  Trojanischen  Kriegs  und  der 
Irrfahrten  der  Helden  keinesAvegs  blos  auf  die  Avenigen  Jaliv^p  be- 
schränkt, Avelche  jene  Begebenheiten  umfassen;  sondern  die  Erinne- 
rung des  Dicliters  umfasst  auch  die  Vergangenheit,  so  Aveit  die  Sage 
zurückreichte.  Die  vortrojanische ,  in  der  Ilias  und  Odyssee  enthal- 
tene ,  Geschichte  gelit  fünf  Älenschenalter  hinauf  und  umschliesst  das 
Zeitalter  der  Ai-g^onauten ,  des  Thebanischen  Kriegs,  des  Herakles,  des 
Amphitruo  ,  des  Perseus  und  Pelops. 

Hieraus  ersieht  man  ,  dass  es  keineswegs  in  der  Natur  der  Home- 
rischen Poesie  liegt ,  sich  blos  auf  die  vorliegende  Handlung  einzu- 
schränken; dass  sie  dem  Dichter  vielmehr  erlaubt,  sich  über  die  ganze 
Vergangenheit  beiläufig  zu  verbreiten.  Nun  ist  es  ja  aber  gar  nicht 
erklärbar,  Avie  es  gekommen  sey,  dass  die  Erinnerung  des  Homer  fünf 
Menschenalter  über  Troja  hinaus  geht  und  mit  dem  Ende  des  Troja- 
nischcu  Kampfes  abbricht ,  ohne  aus  der  Zeit  von  ZAvei  Jahrhunderten, 


T  h  i  e  r  s  c  h :   ü  b  c  r  II  o  m  c  r  3  10  u  r  o  p  ü  i  s  c  li  c  n  L  r  s  p  r  u  n  g.  4J|1 

welche  er  nach  Trojii's  Eroberunj^  fjolebt  haben  soll ,  ohvas  einfliesscn 
zu  liisjcn,  Wenn  er  unter  den  loiiern  in  Aüien  er^r^t  lebte,  so  müifsten 
si('h  der  Analof^ie  nach  aucli  Ueiiiiuiscenzen  aus  der  für  die  loner  so 
Mlchti^en  Periode  ^on  1184  bis  1000  finden,  üa  sich  nun  aber  derfilei- 
chen  niclit  (ludet,  so  ist  der  Scliluss,  dass  lloiuer  vor  dem  Kinfall 
der  Ilerakliden  gelebt  habe ,  Avohl  zu  reclitlerti^en.  Die  llias  geht 
bis  zur  Eroberung  Troja"»,  indem  sie  dieselbe  prophetisch  enthält;  die 
Odyssee  bis  zur  Kückkebr  des  Odysseus^  erwähnt  Tr(»ja's  Vernichtung 
als  geschehen,  kennt  den  Tod  des  AehilUund  Againeumon.  Vom  Tode 
des  Odysseus  aber  findet  sich  nichts ,  als  die  ^Vei^sagung  des  Tiresias, 
dass  er  ruliig  und  im  Frieden  erfolgen  Merde,  zu  welcher  Vorlier- 
verkündigung  bei  damaliger  Hube  uiul  nach  gliuk lieher  Ueberwindung 
der  Freier  eben  kein  Thebanisclier  Seher  erforderlich  Mar  *  '). 

Wenn  auch  nur  auf  ähnliche  prophetische  Weise ,  so  hätte  doch 
über  das  spätere  Schicksal  der  Ilomerischeu  Personen  etwas  dem  Sän- 
ger entschlüpfen  müssen.  Ich  gedenke  hier  nur  des  traurigen  Endes 
deV  Helena  auf  Uliodos  *'*);  des  Kelches  des  Helenus  in  Epirus  *^); 
des  Reiches  des  Antenor  am  Adriatischen  3Ieero  ^^);  der  INiederlas- 
gung  des  Idomeneus  in  der  regio  Salentina  *'');  des  Philoktet  in  Lu- 
kanien  ^^);  des  Diomedes  in  Arpi  ^5);  der  Gründung  von  Megapon- 
tnm  durch  ^letabus  aus  Nestors  Gefolge  ^°);  der  Erbauung  von  Sa- 
lamis nova  auf  Cypern  und  weitere  Wanderung  nach  llispanien  ^^); 
oder,Mcnn  dies  ausser  der  Sphäre  des  Dichters  lag,  der  endlichen  Schick- 
bale  seiner  llaupthelden   und  der  Thaten  ihrer  Nachkommen. 

In  eben  dem  Grade,  in  welchem  das  Schweigen  über  die  Bege- 
benheiten, welche  ZMischen  die  Rückkehr  der  Helden  und  die  Ioni- 
sche Niederlassung  in  Asien  fallen ,  darauf  hindeutet ,  dass  die  Ilome- 
ricben  Gesänge  schon  im  Peloponncs  entstanden  seyen ,  beweisen  auch 
die  in  der  llias  niedergelegten  Erinnerungen  aus  der  vortrojanischen 
Geschichte  und  die  Lokalität  dieser  Begebenheiten ,  dass  nur  das  Eu- 
ropäische Griechenland  des  Homer  Vaterland  seyn  könne. 

Aus  der  rein  Asiatischen  vortrojanischen  Geschichte  findet  man  nur 
wenige  sehr  kurze  Andeutungen ,  als  der  fabelhaften  Abstammung  der 
Pferde  des  Aeneas  (II.  s,  2()5)  ,  und  des  Kampfes  mit  den  Amazonen 
(II.  7,  184) ;  aber  alle  Hauptbegebenheiten ,  m  eiche  über  die  Zeit  des 
Zuges  gegen  Troja  hinausliegen,  haben  ihren  Schauplatz  im  Europäi- 
schen   Griechenland. 

Am  reichsten  ist  die  Geschichte  der  Pylicr  ausgestattet.  So  er- 
zählt Nestor  ^^)  aus  seiner  Jugend  den  Streit  zwischen  den  Pyliern 
und  Eleern  in  der  Veranlassung  und  Ausführung  mit  allen  Umständen 


5^  l'cbcr  die  vortrojanisicLen  De^ebenhcitea  vcrgl.  Ileync's  Excars.  IV  z.  Hnm. 
II.  to  T.  \"11I  S.  W)  ile  rebus  inemuratis  ab  Hoinero  ex  aiinis  aute  llindciii 
ctr.  54)   Uajlc  Diel.  Artikel  Heleic.  53)  Virgil.  Acii.  III,  295.        .'W)   Strabo 

1,  83;Xni,  905.  57;   Mrg.   Aeu.lII,  400.         .W)   Virg.  IV,   lOJ  ;    Strabo  VI,   390. 

59)  Strabo  VI,  434.  bO;   Vellej.  Pat.  I,  1,  (il)  Strabo  XIV,  1001;  llorat.  Od. 

1,  7,  21  u.  über  Hlsp.  SU.  Ital.  111,  3CU.  Ci)  Hoin.   II.  l,  G70  ff. 


452  Allhandlungen. 

lind  der  Lokalität  entsprechend;  so  gedenkt  er  ^')  des  Streites  der 
Pylier  mit  den  Arkadern  bei  Plieä  und  seines  Kampfes  mit  dem  Ereu- 
thalion ,  wobei  noch  Nachrichten  aus  der  frühern  Gescliichte  der 
Arkader  eingemischt  werden;  so  berichtet  er  ^^},  wie  er  bei  der  Lei- 
chenfeier des  Epeer  Amarynkeus  zuBuprasion  den  Preis  davon  getragen, 
und  gegen  welche  Helden  er  im  Faustkampfe,  im  Ringen,  im  Laufen 
und  mit  der  Lanze  den  Sieg  davon  getragen  liabe ;  so  endlich  erwähnt 
er  ^^)  seine  Theilnahme  am  Kampfe  der  Kentauren  und  Lapithen  in 
Thessalien,  oder,  wenn  die  Verse  jener  Stelle,  welche  von  den  Ken- 
tauren und  Lapithen  handeln,  nicht  acht  sind  ^^),  doch  wenigstens 
die  Theilnahme  an  einem  Kriege  im  nordlichen  Griechenlande,  wel- 
cher der  Trojanischen  Expedition  lange  voraus  ging. 

Mit  der  unterhaltenden  Redseligkeit  eines  Nestor  lässt  der  Dich- 
ter auch  den  Phönix  '^'^)  theils  seine  eignen  frühern  Schicksale,  theils 
und  mit  vorzüglicher  Genauigkeit  ^  ^)  den  Kampf  zwischen  den  Acto- 
lern  und  Kureten  bei  Kalydon  darstellen. 

Als  Diomedes  ^^)  dem,  ihm  entgegen  stehenden.  Glaukos  unter 
andern  sagt,  dass  er  mit  ihm,  wenn  er  kein  Sterblicher  sey,  nicht 
etreiten  wolle ,  um  die  Rache  der  Götter  zu  vermeiden,  lässt  ihn  der 
Dichter  sein  Beispiel  aus  der  voi'gricchischen  Geschichte  nehmen ,  und 
Glaukos,  der  einzige  aus  dem  Trojanischen  Heere,  welcher  aus  der 
Vorzeit  Mehreres  berichtet,  ist  zwar  ein  Lykier,  aber  seine  Erzäh- 
lung bewegt  sich  hauptsächlich  um  seinen  Grossvater,  den  durch  sein 
wunderbares  Schicksal  bekannten  Bellerophon ,  welcher  aus  dem  Pe- 
loponnes  stammte  und  ein  Gastfreund  von  Diomedes  Vater  geAvesen  Mar. 

Vorzüglich  merkwürdig  ist  mir  die  geläuterte  Darstellung  der 
Geschichte  des  Herakles  im  Homer  erschienen.  Schon  die  Alten  '°) 
nahmen  mehr  als  einen  Herakles  an ,  wahrscheinlich  um  die  verschie- 
denen Schauplätze  seiner  Thaten  und  die,  viele  Menschenalter  aus- 
einanderliegende ,  Zeit  derselben  erklärlich  zu  linden ,  indem  sie  den 
Herakles  dem  Lande  und  der  Zeit  nach  unterschieden ,  oder ,  wie 
Herodot,  einen  Herakles  als  Gott,  und  einen  andern  weit  Jüngern  als 
Heros  annahmen.  Wollen  wir  auch  nicht  der  glücklichen  Hypothese 
Hüllmanns  ''*)  huldigen,  welcher  den  Herakles  als  eine  Kollektivper- 
son ansieht,  imter  welcher  die  Begebenheiten,  Niederlassungen  und 
Kultureinrichtungen  Phönizischer  Kolonien  zu  verstehen  seyen,  und 
nach  den  Ländern  jener  Niederlassungen  drei  verschiedene  Herakles, 
den  Aegyptischen,  Kretischeu  und  Griechischen  unterscheidet ;  so  kön- 
nen wir  doch  die  vielen  Wiedersprüche  in  der  Sage  vom  Herakles 
nicht  verkennen  und  müssen  die  einfachen  Angaben  Homers ,  welche 
nur  kühne ,  die  liraft  der  Griechischen  Helden  vor  Troja  nicht  über- 


63)  Hom.  11.  77,  130  ff.  G4)  Ilom.  11.  ip,  629  ff.  65)  Hom.    II.   fi:,    260 

ff.  66)    Vgl.  Pajne  Knight    z.  Hom.   11.  a,  265.  67)   Hom.  IX,  »7  ff. 

68)  ebcnd.  525  ff.  60)   Hom.    II.  ^,  123  ff.  70)  Herodot.  II,  43  —  45;  Dio- 

dor.  III,  74   uud  aa  mehr.  Stell.  71)  Hüllmann,  Anfänge  der  Griech.  Gesch. 

S.  9—30. 


Tliierscli:   über  II  oraers  Europäische  n  Ursprung.  453 

eteigende  und  siinimtllch  in  Bezug  auf  den  Peloponnes  stehende, 
Thaten  des  Jleraliles  Leilchtcn,  als  Zeichen  eines  höhern  Altcrtluuns, 
als  das  der,  durch  Geselnvätzigkeit  und  Wundersucht  verbildeten,  Sage 
ist,  gelten  lassen.  Im  llüuier  findet  sich  nichts  von  der  liesiegung 
des  Aegyptischeu  Antiios ,  nocli  davon ,  dass  Herakles  eine  Zeit  lang 
statt  des  Atlas  den  llinnuel  getragen,  oder  die  Aepfel  aus  den  Gärten 
der  Hesperlden  geholt  lialjc;  eben  so  wenig  ist  der  Abführung  der 
Rinder  des  Geryon   aus  Spanien   oder  einer  Expedition  dahin   gedacht. 

Selbst  die  Thaten  des  Griediischen  Herakles,  velchen  Homer 
allein  kennt,  sind  keine  m  underhuften.  Zunächst  wird  sein  Kampf  ge- 
gen den  Pylischen  Helens  erwähnt  ''^),  der  ihn,  als  er  sich  nach  der 
Ermordung  des  Ipliitos  zu  ihm  flüchten  wollte ,  abgewiesen  hatte  ,  und 
erzählt,  wie  er  in  jenem  Kampfe  die  Hera  und  den  Hades,  die  dem 
Keleus  beistanden ,  verwundet  habe ;  dann  wie  er  als  ein  kühner  und 
löwenmuthiger  Held  ,  um  mich  der  Worte  des  Dichters  zu  bedienen, 
mit  sechs  SchifTcu  und  wenigen  Gehülfen  zur  EroJ)ernng  Ilinms  ge- 
kommen '^^)  und  auf  seiner  Rückfahrt  von  dort  durch  Hera  so  ver- 
folgt worden  sei  '^^),  dass  ihm  nur  durch  Athenes  Schutz  die  Rück- 
kehr nach  Argos  gelang. 

Eine  so  genaue  Kenntniss  der  Oerllichkeiten  des  Peloponnes  und 
der  dortigen  frühern  Begebenheiten,  welche  vorzüglich  in  den  ange- 
führten Erzählungen  des  Nestor  so  ausführlich  und  ])estimmt  dargelegt 
werden ,  und  m  eiche  nicht  nur  der  Ionischen  Wandrung  nach  Asien, 
sondern  selbst  der  Rückkehr  der  loner  aus  dem  Peloponnes  nach  At- 
lika  und  dem  Trojanischen  Kriege  lauge  vorausgingen,  war  den  Asia- 
tischen lonern   gar   nicht  möglich. 

Der  Europäische  Ursprung  des   Homer    spiegelt   sich    ausserdem 


72)  Hom.  II.  £,  392  ff.  Dass  dort  nicht  ein  Kampf  mit  Hades  an  den  Pforten 
der  Unterwelt ,  sondernder  Kampf  vor  P^  los  zu  verstehen  8ey ,  hat  schon  Heyne 
bewiesen  z.  Hom.  l\.  s,  39tj  Tom.  V,  2tj!l.  Xcstor  scheint  Hom.  11.  X,  Cfi!)  ff.  don- 
Belben  Kampf  zu  meinen.  Wie  man  iv  Ilv).cp  für  tv  Tivlaig  "Jidov  hat  nehmen 
können,  ist  fast  unbegreiflich.  l'ebrigens^st  die  A  erwundiiiig  der  Hera  und  des 
Hades  durch  Herakles  nicht  wundersamer ,  als  die  Aerwundiiiig  der  Aphrodite  und 
des  Ares  durch  üiurncdes  Hom.  H.  e.  Darum  dürfte  auch  Payne  Koiglit  Recht 
bähen,  wenn  er  l\.  &,  3(j2  —  lO  mit  mehreru  umstehenden  Versen  verwirft;  denn 
es  wird  dort  der  vom  Erechthrus  dem  Herakles  auferlegten  Arbeilen  und  seines 
Ganpes  nach  der  l'nterwelt  gedacht.  Gewiss  wurde  bei  der  öftern  Erwiihnung  des 
Herakles  im  Homer  jener  Arbeiten  specieller  gedacht  worden  »sejn,  wenn  sie  dem 
Dichter  bekannt  waren ,  so  aber  kommen  sie  nur  mit  dem  einen  iVameu  EvQV- 
cQ'r^og  UiQ'/.oi,  vor,  keiner  besonders  genannt.  Vgl.  z.  II.  ^)^ ,  3(JIJ  noch  die  aus 
vielen  Gründen  von  Heyne  uuJ  Knight  bezwtil'eitc  andre  Stelle  H.  r,  133,  welche 
mit  dem  Ganzen  von  H7  —  I3Ü  von  letzterm  au^gcstosscn  wird.  Für  die  gegenwär- 
tige Untersuchung  ist  die  Sa'-he  von  keinem  Eiufluss-,  da  jene  Arbeiten  ancli  Ver- 
richtungen des  Gricchi;<chen  llerakles  waren.  Aber  die  Erlegung  des  JNenieischen 
Löwen  und  Erytnanthisrhen  Ebers,  die  Vertilgung  der  Slymphalischcn  Vögel,  der 
Krieg  mit  den  Kentauren  ti.  s.  w.  ,  dies  alles  waren  doch  der  Erinnerung  wohl 
würdige  Thaten,  welche  Homer  mit  mehr  als  zMt:i  Worten  beehrt  haben  würde. 
73j  Hom.  11.  £,  638  ff. ;  ^,  200  ff.  71)  Hom.  11.  o,  21  ff. 


454  Abhandlungen. 

in  vielen  Ideinern ,  aber  nicht  unbedeutenden  Umstfinden  ab.  Bei 
Gleichnissen  haben  gewölinlich  PelopounesIscheOertlichkcitfn  den  Vor- 
rang; wie  in  der  lieblichen  Dichtung  von  der  Kausiliaa  '^^),  wo  die 
mit  ilir  verglichene  Artemis  auf  dem  Taygetos  und  Eryuiauthos  ge- 
dacht wird.  Warum  denn  gerade  ein  Lakedämonischer  und  Arkadi- 
scher Berg?  Konnte  dies  von  einem  Ionischen  Dichter  ausgehen? 
Hatte  ja  der  Ionische  Dichter  in  seinem  eignen  Lande,  Avelches  durch 
die  Fracht  des  Tempels  der  Artemis  berühmt  ist,  selbst  Gebirge,  die 
der  Göttin  heilig  waren,  als  den  durch  Artemis  Liebling  Endymion  "^ '■) 
berühmt  gewordenen  Latmos,  und  ist  ja  der  natürliche  Simger  wohl 
von  Natur  sclion  geneigt,  in  seiner  lleimath  zu  denken.  Wenn  Virgil 
ein  Gleiclies  thut,  so  ist  dies  etwas  ganz  andres.  Virgil  ist  Nachah- 
mer, wagt  sein  Vorbild  nicht  zu  verlassen  und  liält  es  für  nötliig,  seine 
Götter  aus  Griechenland  zu  nehmen.  Wenn  daher  in  seinem  Gedichte 
Diana  tanzend  aufgeführt  wird,  so  tanzt  sie  ihm  an  den  Ufern  des 
Eurotas.  Dem  Nachahmer  ist  dies  natürlich,  dem  Originaldichter 
unnatürlich. 

Die  zufällige  Zusammenstellung  des  VIrglls  mit  Homer  führt 
mich  auf  eine  andre  Verglelchung  beider ,  aus  Avelcher  die  genaue  Be- 
kanntschaft Homers  mit  dem  Europäischen  Griechenland  und  die  aus 
ihr  schon  früher  von  mir  gezogene  Folgerung  noch  mehr  einleuch- 
ten wird.  Ich  meine  die  Verglelchung  zwischen  Hom.  Od.  A,  314  xmd 
Georg.  I,  281 ,  welche  schon  von  Wood  "^  '^)  angestellt  wird  und  sich 
bei  Mad.  Dacier  '^''^  findet.  Homer  lässt  in  der  angeführten  Stelle 
die  Giganten  Thessalische  Gebirge  in  dieser  Ordnung  aufeinander 
setzen : 

"OsGuv  in'  OvXv/iTtov  fib^aeccv  Q'l^sv ,    ttVTUQ  In'  "Oggt] 
IJqXiOV   ftvoGicpvXXov ,    i'v    ovQavog  a/ußaros  ^i'^j. 
Der  Olympus  als  der  grösste  macht  die  Basis ,   auf  den  Olympus  >vlrd 
seiner  Grösse   nach  als   der  zweite   der  Ossa  gesetzt,  so  dass  der  noch 
kleinere  Pelion  zuletzt  auf  dem   Ossa  zu  liegen  kommt.      So  entsteht 
eine  naturgeraässe  Aufeinanderfolge  und  die  Berge  erscheinen  so  über- 
einander gcihürmt,    dass   sie   eine  gewaltige  Pyramide  bilden.     Leicht 
hätte  sich  aber  der  Dichter  verirrdh  können,  wenn  er  jene  Berge  nicht 
mit  eignen  Augen  sah.    Hätte  er  die  Berge  so  folgen  lassen ,  dass  etwa 
Pelion   zwischen  Ossa   und   Olympus,   oder  gar  der   Olympus   oben  zu 
liegen   gekommen  wäre ;    so  erschiene  die  dichterische  Fiktion  lächer- 
lich.     GleicliMohl  ist   die  verkehrte  Folge  bei  Virgil: 
Ter  sunt  ciuiati  imponere  Pello  Ossam 
Scilicet  atque  Ossae  frondosum  involvere  Olympum. 
Hier  wird  der  Pelion  als   der  kleinste  zur  Grundlage  gemacht,  auf  ilm 
der  grössere   Ossa  gesetzt  und   der  Olympus   als    der  grösste  auf  den 
Ossa ;  eine  umgekehrte  Pyramide,  welche  iu  sich  gelbst  zusammenstür- 


75)  Strabo    XIV    c.   1  §  8    (p.    G3ti).  16)  Wood   a.   a.    O.   S.   Iü7. 

77)  L'OdysBcü  d'ilomere  par   Mad.    Dacier.  Tom.  II  p.   13S. 


T  h  i  c  r  s  c  h :  über  1[  o  lu  c  r  s  Europäischen  Ursprung.  455 

zcn  uiusste.  Vir£>il ,  der  jene  Berge  nicht  sah,  konnte  verzeihlicher 
AVeise  so  sclireihen ;  aber  ISonicr,  der  sie  gerade  so  nnd  nicht  anders 
folgen  l^is^t,  iicss  sie  so  folgen,  ueil  er  sie  aus  eigner  Anschauung 
Kannte.  Aacl»  IJonicr  hihlen  sie  Stufen,  damit  der  llininicl  ersteigbar 
w  iirde  {Tv  ovQKvöi  a/ißaTog  ii'i/) ;  denn  audi  bei  der  Fabel  nnd  in 
Fiktionen  beobachtet  der  Dichter  die  allgemeinen  Regeln  der  Möglich- 
keit und  der  innern  Wahrscheinlichkeit.  Aach  Virgil  aber  erscheinen 
sie  in  umgekehrter  Ordnung  so ,  dass  der  liölier  liegende  Berg  über 
den  unter  ihm  liegenden  herüberhängt  und  ein  Hinauj'steigen  gerade 
unmöglicli  luaclit.  Dies  meint  auch  3lad.  Dacier,  von  welcher  Wood 
glaubt,  dass  sie  Strabo  nicht  verstanden  habe  ^^),  Avehher  selbst  an 
der  Stelle  dunkel  sei.  Homer,  sagt  sie,  habe  diese  Folge  der  Berge 
gewählt,  parce  qne  de  ccs  trois  montagnes  l'Olympe  est  la  plus  grandc, 
rOssa  plus  grand  que  le  Feiion,  et  le  Pelion  la  plus  petite  ,  aiusi  hi 
plus  grande  est  la  base,  comme  la  raison  Ic  veut;  sur  cette  base  on 
doit  mettre  la  plus  grande  en  suitc,  et  la  plus  petite  doit  etre  sur  les 
deux  comme  la  pynimide.  So  hatte  schon  Ca»aul)onns  "^  ^)  den  SU'abo 
verstanden,  v eichen  die  Uacicr  wahrscheinlich  vor  Augen  hatte. 

^^  ie  leicht  eine  vorgctasste  Meinung  verführe ,  dazu  giebt  vor- 
nehmlich Wood  ^°)  häuGg  ein  Beispiel.  Mit  dem  Glauben,  dass  Ho- 
mer nirgeiuls  als  in  Asien  geboren  seyn  könne  ,  sieht  er  alles,  Avas  ihm 
die  Reise  nach  Asien  bot,  an,  und  wendet  und  dreht  es  für  seine  An- 
sicht. Fr  giebt  zu,  dass  die  Scene  der  Homerischen  Götter  in  Grie- 
chenland liege.  Die  nächste  Folge  musste  also  doch  seyn ,  dass  sie 
auch  da  entstanden  sey.  So  folgert  er  aber  nicht,  sondern  sagt ,  „  die 
obige  Scene  aus  der  Homerischen  Mythologie  zeige  sich  aus  keinem 
Gesichtspunkte  vortheilliafter ,  als  eben  aus  lonien."  Als  ob  es  mög- 
lidi  w  äro  ,  aus  lonien  herüber  den  Unterschied  der  Gebirge  Thessa- 
liens   zu  beurthellen! 

Für  den  Feloponnes  als  Vaterland  des  Homer  würde  noch  ein  Um- 
stand sprechen,  den  ich  hier  anfülire,  weil  Englische  Gelehrte  gerade 
das  Gegenthell  daraus  gefolgert  haben.  Aus  liom.  II.  S,  50  —  5(>  geht 
wohl  als  das  Natürlicliste  hervor  ,  dass  die  dort  genannten  Peloponne- 
sischen   Städte  noch  nicht  von  den  Doreru  zerstört  seyn  konnten,  alä 


78)  Wood  a.  a.  O.  irrt  sich  in  Bezog  auf  die  Dacier,  sie  hatte  nicht  Strabo 
in  der  Beschreibung  von  Theiiisalicn  vor  Augen  IX,  430,  wie  tr  citirt ,  «nudera 
die  Stelle  Strabo's  I,  27,  wo  er  die  GenauigUeit  Homers  in  der  örtlichen  Bezeich- 
nung rühmt:  oTtov  yecQ  XQ^^^^  Ta^fw^  cov  (.Li-^vifrai  zunav,  (pvlärTii  (  Ofir]- 
Qog)  TiTjV  tÜ^iv,  öfioiwg  fitv  räv  ' E).lrjvixciJv ,  ofiofois  öl  rcöv  unojQ'SV  "Oß- 
Cav  in    OvXvuTiov  fi^fiaaav  9tfitv  x.  X.  79)  Vgl.    Casaubou.  comnient.   ia 

Strab.  I,  27,  b.   Tzecbucke  T.  \  II  S.  2b9.  FO)  Unter   andern    gesteht  er   (a.  a. 

O.  S.  CO)  ganz  arglos,  daüs  er  Chios  lieber  als  Smyrna  für  Homers  Geburtsort 
halte,  weil  er  (Woodj  sich  am  liingsten  in  Chios  aufgehalten  habe.  !!  Ein  andermal 
sieht  er  das  Kriin^cln  und  Zunehmen  der  V>  ogeu  bciiii  ^Vcstwinile  für  etwas  Ioni- 
sches an.  Dats  dies  eine  allgenieiiic  Erscheinung  bei  ileni  Eutstthcu  des  Windes 
auf  dem  IMcerc  ist,  und  bei  dem  Westwind  an  allen  husten,  die  er  wie  die  loui- 
Bchca  berührt,  eich  liudet,  küuute  der  Vielgereiste  wühl  wiuscu. 


456  Abhandlungen. 

der  Dichter  lehte,  Hera  sagt  nclimlich  zum  Zeus:  „Ich  habe  drei  sehr 
liebe  Städte,  Argos,  Sparta  und  Mjkcne.  Zerstöre  sie,  wenn  du  ge- 
gen sie  erbittert  bist ;  ich  will  nicht  dagegen  streiten  nodi  dir  es  Meh- 
ren."  Dies  konnte  c.  1000  v.  Ch.  G.  kein  Asiatischer  Dichter  die  Hera 
sagen  lassen,  ohne  lächei-lich  zu  werden.  Denn  damals  Maren  jene 
Städte  schon  von  den  Dorern  zerstört.  Gleichwohl  haben  Andre  ,  m  ie 
man  bei  Wood  sehen  kann  ^*),  in  dieser  Stelle  sogar  eine  Anspielung 
auf  die  Zerstörung  jener  Städte  linden  wollen,  ohne  zu  bedenken,  dass 
ein  ernster  Dichter  nicht  auf  den  sonderbaren  Einfall  kommen  könne, 
die  Zerstörung  von  Städten ,  die  zu  seiner  Zeit  schon  zerstört  waren, 
zu  erlauben.      Er  hätte  dafür  andre  damals  blühende  Städte  geM'ählt. 

Das  ungründliche  Verfahren  der  meisten  Beurtheiler  meiner  An- 
sicht und  die  lächerlicJie  Ignoranz  des  einen ,  auf  welchen  ich  viel- 
leicht weiter  unten,  wenn  es  nöthig  seyn  sollte,  zurückkommen  werde, 
veranlassen  mich,  noch  ehe  ich  zur  Berücksichtigung  einiger  von  ih- 
nen angeregten  Umstände  übergehe,  abermals,  vic  oben  S.  31  ff., 
den  »Weg  zu  bezeichnen,  auf  welchen  sie  gegen  mich  auftreten  müss- 
ten.  Als  Beispiel  stelle  ich  ihnen  zuvörderst  Strabo  auf  lib.  VllI  c.  7 
§  2,  obgleich  er  sich  bald  darauf  selbst  widerlegt;  aber  er  führt 
doch  Gründe  an.  Homer,  meint  er,  müsse  nach  der  Niederlassung 
der  loner  in  Asien  gelebt  haben ,  Aveil  er  des  Panionischen  Opfers  ge- 
denke ,  welches  die  Asiatischen  loner  dem  Poseidon  Ileliko- 
nios    ^^)  zu  bringen  pflegten. 

Von  einem  Panionischen  Opfer  der  Asiatischen  loner  steht  nun 
freilich  ZAvar  nichts  im  Homer;  aber  er  meint,  das  Opfer  des  Poseidon 
Helikonios  Hom.  IL  XX,  404  sei  das  Panionische  aus  Asien.  JVir  Avol- 
len die  Sache  näher  ansehen.  In  der  bezeichneten  Stelle  vird  der 
Schrei  des  fallenden  Hipp  o  dam  os  mit  dem  Gebrüll  eines  Stiers  ver- 
glichen, welchen  Jünglinge  ztim  Opfer  des  Poseidon  Helikonios  führen. 
Die  Asiatischen  loner  hielten  allerdings  ein  solches  Opfer ,  welches 
Strabo,  weil  es  gemeinschaftlich  gebracht  wurde,  ein  Panionisches 
nennt,  auf  dem  Gebiet  der  Stadt  Priene ,  in  der  Nähe  des  Vorgebir- 
ges Mykale  und  Posidion  *'),  Avo  der  Tempel  des  Poseidon  Heliko- 
nios stand  und  sich  die  Ionischen  Städte  versammelten  ^^).  Dies 
musste  wohl  den  Strabo  auf  jene  Meinung  bringen,  zu  deren  Wider- 
legung hier  Folgende^  stehe. 

Helike  in  Achaia ,  welches  zur  Trojanischen  Zeit  den  Aeglalischen 
lonern  gehörte ,  war  nebst  Aegä  dem  Poseidon  heilig.      So  sagt  Hera 


81)  Wooil  a.  a.   0.  Zusätze  S.  38.  82)  Ob  von  Helike  in  Achafa,  ■n-ogcgen 

die  Etymologie  streitet ,  oder  vom  Helikon  in  Böoticn,  welches  Land  dem  Poseidon 
geheiligt  war  ,  ist  ungewiss   und  hier  gleichgültig.  83)  Nach  dem   dritten  Scho- 

lion  z.  Hom.  II.  v,  404  b.  Bekk.  war  der  Tempel  bei  Milct;  also  weiter  süd- 
lich au  der  Küste  hinab.  8i)  Strabo  XIV,  639  (530  Tz.)  TtQWtOV  ö'  tarlv  tV 
rij  ■KKQCiXin  t6  TJavicovtov ,  tqicI  ßtadloig  VTiSQ-nsififvov  ttjs  d'ciläaarjg, 
önov  TU  Uavicovia,  kolviq  navr'iyvQig  rwv  'lojvcov,  cvvtsXslTCCi.  tm  'EXlkcci- 
vicp  IloaeiScSvt  kccI  &vGia '  lEQcHvzai  8s  IlQirjvsls. 


Thicrsch:   über  11  o  nie  rs  E  ur  opäis  clicn  Ur  sp  rung,  457 

unwillig-  zum  Poseidon  (Iloni.  II.  9;  202),  er  solle  sich  der  Danacr 
eibarmen ,  >vekhe  ihm  nach  Ilclikc  und  Acgii  0[)Uv  brächten.  Das 
Opfer  des  Poseidon  bestand,  >vie  Mir  aus  Ifonier  wissen  ^^),  in  Stie- 
ren, vornehmlich  in  schMar/.en  Stieren.  Da  nun  in  jener  iloiiierischen 
Stelle  von  einem  Panionischen  Opfer  sich  kein  AVort  findet,  sondern 
nur  ein  Stieropfer  crMähnt  wird,  welclies  man  dem  Poseidon  brinf;e; 
60  hat  er  auch  an  m  eiter  niciits  gedacht,  als  eben  au  ein  solches  Stier- 
opfer, vie  CS  im  Peloponnes  zu  lielike,  Aegii  und  Pylos  gelialten 
vnrde.  Was  dies  noch  vahrscheinlicher  maelit,  ist  Strabo's  eii;;-ne 
Eizälilung.  Er  sagt  nehnilich,  dass  die  Asiatischen  loner  später  eine 
Gesandtscbaft  nacli  Helike  in  Adiaia  gesandt  hätten,  diese  Stadt  um 
ein  IJildniss  des  Poseidon,  oder  um  die  Aufstellung  eines  andern  nach 
ibreni  \  orbihle  zu  bitten.  Dass  die  Iteükeer  nicht  darauf  eingingen, 
und  Mas  weiter  geschah,  gehört  nicht  hierher;  aber  dies  wird  man 
daraus  ersehen,  dass  die  Asiatischen  loner  ihre  Gewohnheit,  dem  Po- 
seidon Stiere  zu  opfern,  aus  Aegialea  über  Attika  mit  nach  Asien 
liiuübcrgenommen   hatten  luid   sie  eigentlich  llelikeisch  Avar. 

Eben  so  steht  es  mit  einem  andern,  von  Wood  ^^)  ans  einer 
Stelle  der  Odyssee  genommenen,  Be\»eise  für  das  Asiatische  Vaterland 
Homers,  wie  ich  hier  nachträglich  zeigen  will.  Eumäus  ^'^)  setzt  die 
Insel  ZvQiT]  über  Ortygia  hinaus  {'OQrvyirjs  ku&vtisq&sv).  Aun  meint 
AVüod  2^vQiT]  wäre  S^ros  eine  der  Cjkladen,  welche  von  Ithaka  aus 
gerechnet  niiht  über  Ortj gia  hinauslicgen ;  denn  Ortygia  sei  Delos, 
welches  in  der  ältesten  Zeit  so  geheissen  haben  soll.  Dieser  Beweis 
beruht  auf  lauter  Hypothesen.  Dazu  kommt,  dass  wörtlich  genommen 
die  Lage  richtig  seyn  kann,  indem  nicht  sowohl  die  Bezeichnung  der 
Lage  durcli  y.a&vnsQ&sv,  als  die  ZQoncxt  i^iXioio  die  Kritiker  in  A  erle- 
genheit  setzen.  Jedoch  verAvechselt  Wood  fürs  Erste ,  mit  der  falschen 
Annahme  des  Xamens  Ortygia  für  Delos,  diese  Insel  mit  der,  welclie 
Homer  verstanden  haben  will,  und  Avelche  nach  der  wahrscheinlichsten 
Berechnung  bei  Sicilien  lag.  Dahin  muss  das  A  aterland  des  Eumäus 
versetzt  werden,  wie  auch  Voss  gethan ,  der  Syria  und  Ortygia  auf 
seiner  Homerischen  AVelttafel  an  die  östliche  Küste  Thrinakias  verlegt. 
Wie  hätte  auch  Homer  die  zQonal  r/iXioto  auf  eine  der  Cyk laden  ver- 
setzen können?  Alan  mag  darunter  verstehen,  was  man  wolle.  Was 
Wood  über  den  Sinn  der  rgonai  rjtlioio  sagt,  scheint  mir  gar  zu  hand- 
greiflich. Er  meint  nehmlidi  einigen  Asiaten  wäre  die  Sonne  hinter 
Syros  untergegangen.  Welche  Vorstellung!  Welchen  Asiaten?  Und 
zu  welcher  Jahrszeit?  Konnten  die  Asiaten  wolil  Syros  so  deutlich  se- 
hen, dass  sie  den  Sonnenuntergang  darnach  bestimmten?  Den  Ein- 
Avohncrn  von  Chics ,    wohin  AVood  des  Homer  A'atcrland  am  liebsten 


85)  Hom.  Od.  y,  6  ravQovg  nafifitXavag  'Evocix^ovi  ^t^ov.  vgl.  178; 
Odyss.  A,  130;  v,  lt"l  ;  Ilias  /.  ,  727,  wo  Athene  ein  Rind,  Puscidou  einen  Slicr 
erhalt.  So  wird  auch  Od.  y,  430  ff.  der  Athene  <-in  Kind  geupfort,  nachdem  am 
Abende  vorher  dem   Poseidon   ein  Stier   dargcljraciit   worden  war.  8li)   VVuod, 

Ürigiiialgcnic  des  Ilom.   S.  35  ff.  87)  lloui.   Od.  o,  402. 


458  Abhandlungen. 

verlegt,  musste  ja  die  zwar  kleinere,  aber  viel  näher  liegende  Insel 
Ipsara  die  Insel  Syros  decken.  Und  wenn  alle  diese  Fragen  befriedigt 
würden,  was  hülfe  es,  da  hier  nicht  von  Syros,  sondern  Syria  die 
Rede  ist.  Unter  den  TQonalg  ■^tXioio  versteht  man  entweder  schlecht- 
hin den  Untergang  der  Sonne,  oder  das  Uunvenden  derselben  beim  Un- 
tergange. Der  Dichter  habe  nun  das  eine,  oder  das  andre  darunter 
verstanden,  so  liisst  sich  doch  in  beiden  Fällen  mit  GeM'isüheit  schlie- 
eseii,  dass  Ortygia  und  Syria  nicht  unter  den  Cykladen  gesucht  werden 
können,  sondern  mit  Voss  Aveit  Avestlich  nach  Sikanien  hin  versetzt 
werden  müssen.  So  M'ill  es  Homer.  Was  die  Kritiker  ^  ^)  vom  Ile- 
liotropium  des  Pherekydes  sagen,  ist  zwar  gelehrt  gesagt,  aber,  wenn 
es  dem  Homer  imputirt  wird ,  ungereimt  und  gehört  nicht  zur  Sache. 

Aus  dem  bisher  gesagten  wird  man  wenigstens  so  viel  zugeben, 
dass  der  Homer  im  Europäischen  Griechenland,  wenn 
nicht  entstehen  musste,  doch  entstehen  konnte,  und 
zwar  natürlicher  Weise  eher  entstehen  konnte,  als 
in  Asien.  Danun  noch  gar  nicht  bisher  erwiesen  wor- 
den ist,  wo  das  Vaterland  des  Homer  zu  suchen  sey, 
so  wird  man  dasjenige  Land  so  lange  dafür  halten 
müssen,  für  welches  die  meisten  und  wichtigsten 
Umstände  sprechen,    dies  ist  der   Peloponnes. 

Gern  gebe  ich  zu ,  dass  der  %\ne  und  andre  BcAveisgrund  Avider- 
legt  Averden  könne;  aber  damit  ist 'das  Ganze  nicht  geschlagen.  Die 
Recensenten  haben  nur  an  einigen  gleichgültigeu  Kleinigkeiten  gerüt- 
telt; aber  die  Hauptsachen  zu  Aviderlegen,  hat  sich  keiner  berufen 
gefühlt. 

Den  Jenaischen  Recensenten  habe  ich  durch  eine  Antikritik  so  in 
Harnisch  gesetzt,  dass  er  in  allen  Winkeln  mit  leidenschaftliclier  Bit- 
terkeit gegen  mich  eifert ,  um  den  Schein  zu  erAvecken ,  als  ob  seine 
Stimme  die  Stimme  Vieler  sey;  indessen  Avill  ich  mit  ihm  nicht  eher 
etAvas  zu  schaffen  haben ,  als  bis  er  Griechisch  gelernt  und  den  Homer 
gelesen  hat.  Dass  er  Griechisch  nicht  versteht  ,  habe  ich  ihm  schon 
anderwärts  gezeigt ;  dass  er  auch  den  Homer  nicht  gelesen  hat ,  Avird 
sich  bei  Gelegenheit  ergeben. 

Der  Hallesche  Recensent  (Allgem.  Lit.  Zeit.  1824  Nr.  2fi9,  270) 
hat  sich  die  Mühe  nicht  verdriessen  lassen.  Einiges  gegen  meine  Be- 
weise aufzustellen,  und  ob  ich  gleich  Aon  ihm  einen  andern  Ton  er- 
wartet hätte ;  so  soll  mich  das  doch  nicht  irre  machen ,  seine  Gründe 
ruhig  zu  prüfen. 

Den  Grundsatz:  „dass  wir  ausser  den  Homerischen  Gesängen 
selbst  keine  historische  Quelle  weiter  über  sie  gelten  lassen  können," 
will  der  Hall. Rec.  (a.  a.  O.  S.  482)  nicht  anerkennen;  meint  vielmehr, 
man  müsse  die  Sage  nur  vorsichtig  benutzen;  ganz  zu  verAverfen  Avä- 
ren  nur  die  Fabeln,  welche  offenbar  das  Gepräge  späterer  Erdicbtung 
an  sich  trüs-en. 


Vgl.  Mad.  Dacier  und  Pope  z.    Od.  o ,  402. 


Thiersch:  über  Homers  Europriigchen  Urs  prung.  459 

Im  Allgemeinen  grlioint  dieser  Einwurf  allerdinp^s  Lerückslchtl- 
gnngsMcrth;  aber  auf  den  Homer  ist  er  nicbt  anAvendhar.  D«'iin  (i^e- 
rade  alles ,  vas  über  den  Homer  aus  der  Tradition  in  lliiisiclit  seines 
Zeitalters  und  Vaterlandes  an<>-enonimen  v  nide  ,  träfet  das  Gcpräj^e  der 
Fabel.  Die  Forselinngen  über  Homer  entstanden  zu  «iner  Zeit,  wo 
man  niebts  inebr  erfabren  konnte.  Daber  saf^t  Payne  Ivnigbt  in  der, 
■von  mir  dort  (S.  7)  anp:efiibrten  JStelle  ganz  ricbtig:  „l>e  carminibus 
Tel  corum  anctoribus  ncquc  quidquam  scimus,  ncque  srirc  possumus, 
praeter  ea ,  quae  in  carminibus  tradita  sunt :  unira  enim  antiquissimo- 
rnm  temponim  uu»niimcnta  n(»bi»  restant ;  ncque  de  iis  judicaturo 
aliunde,  quam  ex  ip?is  judiciuiii  iiisliuc  iidnui  est."  jVocb  bestimmter 
drückt  er  dasselbe  in  einer  andern  .Stelle  aus,  die  icb  bier  binzufü- 
ge^^):  ,,Ue  ipsornni  autemcarminum  amtore  \vl  anctoribus  nibil  onmi- 
no  scimus  nee  scire  pussumns :  neqne  enim  ipsi  (»raeci ,  qui ,  poesi 
resurgcnte  sexceutis  circiter  annis  post  Doruni  irrnptionem,  de  ejusmodl 
rebns  inquirere  coeperunt,  uUara  eertara  aut  probabilem  notitiam  de 
patria,   aetate,  vel   nomine  poetac  obtinere  potuerunt." 

Da  es  scbeint,  als  ob  man  glaube,  icb  babe-iuit  diesem  Grund- 
satze etwas  unerbörtcs  aufgestellt,  so  bemerke  icb,  dass  er  so  alt, 
als  die  genauere  Lntersucbung  über  Homer  ist.  Ihm  folgte  Wood  ^°), 
webber  Alles  aus  Homer,  oder  der  Combination  seiner  Aeusserungen  mit 
der  Lokalität  berleitet.  „Dies  ist  aber  nocb  das  Beste,  sagt  er,  Aras 
icli  zur  Lebensgescbicbte  des  Dicbters  selbst  in  seinen  Scbriften  linden 
kann ;  und  dies  sind  auch  die  einzigenNacliriciiten;  denn 
die  Gescbichte  lässt  uns  ganz  im  Dunkel  n."  Eben  so  nabm 
liryant  denselben  Grundsatz  an  und  sagt^''):  „Es  fehlt  uns  in  der  That 
an  dem  nöthigen  Lichte,  welches  uns  leiten,  oder  an  historischen  No- 
tizen, die  uns  GeMissbeit  gewähren  könnten.  Die  Hauptquelle,  zuAvel- 
clier  Avir  uns  Avendcn  müssen  ,  besteht  in  des  Dichters  eignen  Schriften  : 
und  es  a  erdient  vielleicht  untersucht  zu  m  erden  ,  ob  sich  nicht  einige 
Spuren  über  ihn  und  über  das  Land,  Avelche^  ihm  Avahrscheinlicb  das 
Daseyn  gab,  darin  finden."  Uebrigens  sprechen  nicbt  blos  Englische 
Gelehrte  den  Erzählungen  über  Homer  die  Glaulnvürdigkeit  ab; 
sondern  auch  die  Gelehrten  unsers  Volkes  ,  Avcicbe  eine  Untersuchung 
über  Homer  und  sein  Zeitalter  unternahmen.  So  sagt  der  besonnene 
Heyne  ^^):  „Cum  nibil  certa  fide  de  Homero  Homericisque  carminibus 
traditum  constet:  nemini  invidia  moveri  potest ,  qui  ex  rationibus  pro- 
babilibus  baec  constitnenda  esse  exi^timet.  Fidem  autem  historicam 
ümnin(»  nos  habere  nullam ,  patct  ex  ipsis  narrationihus ,  quae  ad  nos 
pervenere ;  fundus  enim  eorum  est  partim  fama  antiqua  incerta  et  pa- 
rum  definita ,  partim  romraenta  ingeniosa ,  partim  fabulae  anniles  ,  ex 
grammaticorum  et  sophisturum  scboliä.''   Noch  strenger  lässt  sich  Schu- 


89)  Payne  Knipht.   Carinin.   Hom.  prolegom.   <?  3.  30)   Wood  a.  a.   O.    Zu- 

sätze S.  49.  91)  Brjaiit,  über  den  Troj.  Krieg.   Deutsche  l'cbers.   §  3ü  S.  19H. 

92)  llejne  z.  Hom.  11.  w  Tum.  VIU  S.  fHi. 


4C0  Abhandlungen, 

Larth  ^')  über  jene  Nachrichten  aus.  Ich  sehe  auch  gar  nicht  ein,  ule 
niiin  andrer  Meinung  scyn  und  den  obersten  Grundsatz  anders  stellen 
könnte.  Es  giebt  durchaus  keine  andre  Quelle  einer  mög- 
lichen Untersuchung  ü  b  e  r  II  o  ni  e  r,  als  den  Homer  selbst. 

Was  von  demselben  Reccnsenten  gegen  einzelne  Beweise  meiner 
Untersuchung  gesagt  worden  ist,  besteht  in  Folgendem. 

Zunächst  sagt  er:  „wenn  die  Homerischen  Gesängo  aus  Europa 
nach  Asien  hinüber  gekommen  wären ;  so  hätte  eine  Spur ,  ein  Wie- 
derklang derselben  in  dem  Europäischen  Griechenland  zurückbleiben 
müssen." 

Wie  jede  Spur  der  Homerischen  Gesänge  im  Europäischen  Grie- 
chenlande verschwinden  musste ,  wird  die  oben  vorangeschickte  histori- 
sche Auseinandersetzung  wohl  anschaulich  gemacht  haben  ,  und  ich  bin 
überzeugt,  Recensent  würde  bei  genauerer  Untersuchung  jener  Zeit  dies 
Bedenken  nicht  aufgesclirieben  haben.  Denn  die  alten  EinMohner,  nn- 
ter  welchen  Homer  auftrat,  wurden  verdrängt;  die  M'enigen  aber,  welche 
zurückblieben,  mussten  sich  den  neuen  Herren  unterwerfen  und  verloren 
sich  unter  derNoth  des  Lebens,  und  ihre  Nationalität  in  der  neuen  Ver- 
wilderung. Ueber  zwei  Jalirhunderte  nach  der  Heraklidischen  Wande- 
rung herrscht  in  Griechenland  die  grösste  Verwirrung;  ganze  Völker- 
schaften wurden  ausgerottet;  eine  Stammeswanderung  veranlasst  die  an- 
dre 5  ganz  Griechenland  ist  wie  in  einem  Aufstande. 

Bei  Gelegenheit  der  Schubarthschen  Mtiuung,  dass  Homer  ein 
Trojaner  und  Ilofpoet  der  Aeneaden  gewesen  sey,  muss  ich  auf  einen 
Widerspruch  aufmerksam  machen,  in  welchen  der  Jenaische  und  Hal- 
lischc  Rec.  gerathen;  nicht  etwa  als  hielte  ich  es  für  etwas  verdäch- 
tiges, dass  sich  beide  widersprechen,  das  Ürtheil  muss  ja  fx'ei  seyn  ; 
Bondern  weil  sich  andre  Dinge  daraus  ergeben.  Der  Hall.  Recens.  ver- 
wirft mit  mir  die  Schubarthsche  Idee  und  stimmt  der  Widerlegung  bei 
mit  dem  Zusätze,  dass  jene  Hypothese  nicht  einmal  der  Berücksichti- 
gung werth  wäre.  Andrer  Meinung  ist  der  berühmte  Jen.  Recens.  zwei 
Monate  später  1825  Nr.  4,  wo  er  sagt:  „ein  Troischer  Homer  ist  wahr- 
scheinlich gemacht  worden  durch  Beweise ,  die  noch  nicht  widerlegt 
sind."  Wo  sich  aber  eigentlich  jene  Beweise  verbergen,  hat  er  nicht 
gesagt.  Dass  das  Wenige ,  was  Schubarth  in  schwülstiger,  mystischer 
und  geschraubter  Sprache  zur  Begründung  seiner  Hypothese  sagt,  in 
meiner  Schrift  widerlegt  war  (S.  40  —  44),  hätte  er  Avohl  wissen  kön- 
nen und  sogar  sollen,  da  er  sie  recensirt  hat;  aber  leider  steht  diese 
Widerlegung  im  zweiten  Abschnitte,  den  er  gar  nicht  kennt.  In  der- 
selben Recension  ^^)  hat  sich  auch  endlich  der  Jen.  Recens.  entschlos- 
sen ,  die  ausser  von  ihm  und  Schubarth  noch  von  Niemanden  geglaubte 
höhere  Bildung  der  Trojaner  zu  beweisen.  Der  Umstand  ist  wichtig 
und  liegt  als  ein  Hauptsatz  der  Schubarthschen  Hypothese  zum  Grunde; 


93)  Schubarth,  a.  a.  O.  S.  14, 

94)  Es  ist  nehmlicü  die  Ileceusion  der  Antisjmbolik  von  J.  H.  Voss  Jen.  Lit. 
Zeit.  1825  Nr.  4. 


Thiersch:  über  H  oiners  Euroiiiiischcn  Ursprung.  461 

daher  darf  ich  ihn  hier  nicht  unhcriihrt  lassen.  Zunächst  mnss  es  uns 
Wunder  nehmen,  dii?s  die  Trojaner,  die  Mir  unter  dem  INamen  der  PJiry- 
gcr  als  die  Sclnvaben  ^  ^)  der  Alten  kennen  ,  i\a^  geltildetste  Volk  des 
Allcrthums  in  der  Vorzeit  weit  übertroflcn  haben  sollen.  Die  Beweis- 
gründe für  die  überMiegende  Cultur  der  Trojaner  und  den  niedernCul- 
turzustand  der  damaligen  Griechen  lauten  dort  also  (a.  a.  O.  S.  27,  2H): 
„Die  Scene  /.«ischen  llektor  und  Andromache.  Die  Klagen  der  llltera 
und  der  Gattin  um  den  gefallenen  Sohn  und  Gatten.  Pen.elope  i»t  im 
Vergleich  mit  Andromac'he  nichts.  Die  Trojaner  Aerveigern  die  Aus- 
lieferung der  Helena  au»  .Sch(iuluit>gefülil.  Helena's  Heize  Avirken  selbst 
auf  die  Trojanischen  Greise.  Aphrodite  hält  es  mit  den  Troern.  Eos 
wählt  den  Tithonos  zum  Gcmalil.  Ganjmed  wird  zu  den  Göttern  er- 
hoben. Die  drei  Göttinnen  wählen  den  Paris  zum  Schiedsrichter."  Fast 
ebenso  kurz  und  fragmeiitasisch  ist  dies  in  der  Itecension  zu  lesen. 
Alles  aber,  einen  ein/.ig«Mil  m.>tand  ausgenommen,  b<;weist  weiter  nichts, 
als  dass  es  auch  unti-r  «len  'J'rojanern  sduluc  Leutt;  gal),  unddass  sie  sol- 
che gern  hatten.  Also  ilirer  Scliönheit  Avegen  waren  sie  gebildeter,  als 
die  Griechen.  j\un  ja;  dann  stehen  Avir  gebildeten  Europäer  in  unsrer 
Bildung  doch  Aveit  unter  den  Cirkassiern!  Und  Avas  soll  der  Satz: 
„Aphrodite  hält  es  mit  den  Trojanern ;  folglich  müssen  sie  gebildeter 
seyn."  Man  hätte  Avohl  eher  die  Athene  erAvarten  sollen;  Avch-he  aber 
gerade  für  die  Griechen  ist.  Doch  Avas  aa  äre  dadurch  gcAFonnen  *?  Aus 
der  >iasonischen  Zusammenstellung  ^®)  hätte  Ilecens.  schon  abneJuuen 
können,  dass  darauf  nichts  ankomme,  und  dass  dieGriecJien  auch  ihre 
Götter  haben,  Avelche  den  Trojanisch  gesinnten  nichts  nachgeben: 

Saepe  premente  Deo  fert  Dens  alter  opem: 
Mulciber  in  Trojam,  pro  Troja  stabut  Apollo  5 

Aequa  Venus  Teucris,  Pallas  iniqua  fuit. 
Und  Avenn  Rccens.  dort  glaubte,  dass -der  Dichter  durch  die  Wir- 
kung der  Reize  Helena's  auf  die  Trojanischen  Greise  die  Trojaner  habe 
gebildeter  darstellen  Avollen,  als  die  Griechen;  so  giebt  er  einen  spre- 
chenden HeAveis  aou  unrichtiger  Auffassung  des  epischen  Sängers.  Der 
Sänger  Avollte  damit  die  Gewalt  der  Schönheit  au>drücken.  Denn  der 
epische  Dichter  kann  die  Grösse  und  den  Grad  nicht  ZAveckmässiger,  als 
durch  die  Wirkung  bezeichnen.  So  überall  Homer.  Dem  Erschrockenen 
fällt  etwas  aus  der  Hand;  dIePhäaken  l)üeken  sich,  als  der  Diskus  fern 
durch  die  Luft  sausst;  die  Götter  stehen  auf,  als  Apoll  in  ihre  Mitte 
tritt  u.  s.  Av,  Wenn  also  Helena's  Reize  selbst  auf  Greise  Avirkcn,  so 
mussten  sie  ungeAvöIinlich  seyn.  Weiter  Avollte  dirr  Dichter  nichts^'^). 
Lel)erdies  \r*t  die  BeMunde:  ung  nicht  einmal  ganz  rciin  ;  denn  die  Greise 
setzen  hinzu:  „so  schön  über  auch  liclcna Aväre,  möchte  sie  doch  lieber 


95)  Phrj-fca  sero  snpiiint.  flG)  Ovid.  IVas,  Trist.  I,  2.  97)  Eben  so  ver- 

lehrt, wie  der  Jtnacr  Hecens.,  Lat  auih  Tryphiodor  den  Homer  verstauden,  wenn 
er  ihn  nachahmend  die  cinhertretcudu  Hclcua  ganz  unpsycliulogiBCÜ  a'ou  Wcibcia 
bewundert  werden  läsHt   ltj5, 

JahrO.  d.  ridl.  u.  fädug.  Jahrg.  I.  Ikjt  2.  30 


462  Abhanillungcn. 

zu   den  Griechen  zurück  gehen ,  damit  ilirc  Kinder  vom  Unheil  erlöst 
würden ! "  Die  Stelle  ist  Iloin.  IL  y,  155. 

Doch  genug  hicvon.  Denn  es  ist  noch  eine  Widerlegung  des 
Voss'sclien  Beweises  für  die  Rohheit  der  Trojaner  von  demselben  Recens, 
(  a.  a.  0.  )  zu  l)clcuclitcn  ,  weil  sie  auch  meine  Ansicht  angeht.  Auch 
J.  H.  Voss  erwähnt  in  der  Antisymbolik  das  wilde  Anschwärmen  der 
Trojaner  zur  Schlacht  als  ein  Zeichen  ilirer  Rohheit,  und  stimmt  damit 
mir  hei.  In  der  Widerlegung  dieser  Angabe  beweist  der  Jenaische  Re- 
censcnt,  wie  gewöhnlich,  seine  Unbekanntschaft  mit  dem  Homer.  Er 
sagt  nehmlich,  die  einzige  Stelle,  welche  Voss  im  Sinne  gehabt  zu 
haben  scheine,  II.  VIII,  58  könne  er  nicht  als  Beweis  annehmen.  Darauf 
spricht  er  gegen  diese  Stelle  mit  vieler  Selbstgefälligkeit,  die  man  nicht 
genug  bewundern  kann.  Als  ob  Voss  an  diese  Stelle  gedacht  habe, 
oder  nur  habe  denken  können!  Jeder,  welcher  den  Homer  gelesen  hat, 
und  für  solche  schrieb  Voss ,  wird  leicht  wissen ,  dass  er  II.  y,  1  ff. 
meinte.  Darauf  konnte  den  Recens.  freilich  kein  Wörterbuch  führen. 
Dort  wird  nehmlich  das  Ausrücken  der  Troer  mit  dem  der  Achäer  ver- 
glichen und  es  heisst :  „Die  Troer  rückten  an  mit  Gekreisch  und  Ge- 
schrei, wie  die  Kraniche;  die  Achäer  dagegen  mit  Schweigen  (ffty^) 
und  Muth  atlimend."  Dies  gilt  mit  Recht  als  ein  Beweis  für  die  Roh- 
heit der  Trojaner,  und  Aveii  der  Jenaer  Recensent  keinem  3Ianne  etwas 
gljiuben  will ,  so  soll  ihn  eine  Dame  belehren.  „Homere  fait  honneur 
auxGrecs,"  sagt  Mad.  Dacier  zu  dieser  Stelle,  „en  opposant  leur  raaniere 
d'  aller  au  combat  a  celle  des  Barbares.  Ceux  cy  marchent  avec  un 
bruit  confus ,  et  les  Grecs  dans  un  profond  silence ,  pour  bien  entendre 
les  ordres  de  leurs  Generaux.  Ce  que  nous  connoissons  des  peuples 
Barbares  prouve  encore  ce  qu'  Homere  dit  icy  des  Troyens. 

Endlich  beweist  der  Jen.  Recens. ,  dass  die  Troer  epische  Dichter 
hatten.  Wie  ist  ihm  das  gelungen  ?  Man  höre :  „II.  XXIV ,  120  wird  ein 
Trauergesang  erwähnt.  Das  komme  daher,  weil  der  epische  Gesang 
nicht  für  die  kriegerische,  sondern  für  die  friedliche  Zeit  passe.  Hätte 
Homer  nur  ahnden  können,  dass  jemand  den  Troern  epische  Poesie 
absprechen  wei-de ;  so  hätte  er  ihn  gewiss  genannt."  Ist  es  nicht  fast 
so  ,  als  ob  man  einen  Bekannten  und  Jugendgespielen  des  Homer  spre- 
chen höre?  „Die  Stelle  II.  X,  12,  fährt  er  fort,  welche  gegen  die  Exi- 
stenz der  Poesie  unter  den  Troern  angeführt  wird  ,  beweist  nichts.  II. 
III,  393  wird  Reigentanz  erwähnt,  und  Hektor  sagt  II.  III,  54  zum  Paris 
OVK  UV  zoi  XQaiGfiTi  Ki&aQie.  Folglich  musste  Musik  und  zwar  epischer 
Gesang  unter  den  Troern  seyn.  Denn  nur  epische  Lieder  werden  zur 
liitharis  gesungen." 

So  quält  sich  der  Recens. ,  die  Möglichkeit  zu  erweisen ,  dass  bei 
den  Troern  epischer  Gesang  hätte  seyn  können;  aber  dass  er  war,  hat 
er  nicht  bewiesen.  Uebrigens  ist  die  Meinung  von  der  Kitharis  falsch. 
Hektor  wirft  ja  dem  Paris  in  der  angeführten  Stelle  die  Kitharis  als  ein 
Instrument  vor,  auf  welchem  er  Licbeslieder  sang.  Das  Instrument,  zu 
welchem  Heldenlieder  gesungen  wurden ,  heisst  cpoQfiiyi.  So  wird  das 
Instrument  des  Aclülles  genannt  II.  IX,  186,  auf  welchem  er  Helden- 


Thierech:  übcrlloniere  E  uro  päiscli  cn  Urspru  ng.  4(53 

thaten  Lcsang^  (eTjcnd.  v.  189  afiSs  8'  ccqcc  kXek  avSgäv}^  und  so  liclfisjt 
das  Instriuncnt  (Od.  &,  '254),  zu  Mclcliem  »euiodokiis  (Od.  &,  500  11".  ) 
eine  llihlcntliiit  vortrn«:;-;  so  licisst  aucli  des  Pliciiiios  Iiistrnniciit,  a\(;1- 
flu'S  iliui  zur  IJt'pIcihni«:^  licroisclicr  Cirsiiiij^'c  diente  ^**). 

Das  im  Vorlier{:;eliendeii  f::ef::en  den  Jenaer  Keeensenton  von  mir 
no(li<;<'diiinj;eu  ge#af;te  vird  Iiinreielien  um  zu  zeigen,  dass  er  unfähi'^ 
ist,  sieh  in  einem  geielirten  Streite  über  Homer  zu  beliaupten,  und  eine 
Berücksiebligun;;  uitbl  verdient. 

Docb  elie  icli  das  Tliema  von  der  gerinji^ern  Cnltur  der  Troer  ver- 
lasse,  -«111  ich  noch  einen  neuen  Grund  fiir  die  liölierc  Bihlun«^  der 
Acbäer  nacbtrag^cn  aus  Iloni.  II.  J,  242 — 50,  >vo  der  l'alast  des  Priamus 
{geschildert  Mird.  >  erj^fh-ichen  vir  den  Palast  Av^  Priamns  mit  den 
\\  (>hiMin<;-en  der  Köniu;e  in  Griechenhuid  ;  so  linden  Avir,  dass  er  In  ar- 
chitektonischer llinsiclit  Veit  hinter  diesen  zurücksteht  und  namentlich 
die,  an  diesen  p;eM()hnliilien,  Siiulen  nicht  Iiat. 

Icli  wende  mich  wieder  zum  Hall.  Itccensenten,  Unter  andern  Avar 
von  mir  auch  die  l'nbeltanntschaft  Homers  mit  Asien  und  seine  js^enaue 
Rekanntschaft  mit  dem  Enropäischen  Griechenland  und  namentlich  mit 
lonien  als  Heweis  für  Kuropiüsc-hen  ITrsprun^  desselben  auffjestcUt  v  or- 
den.  Diesen  HcAveis  stellt  der  Hall.  Ilec.  oben  an  (a.  a.  O.  S.  482)  und 
sa^t :  „dajj^<'j>en  sju-eclu;  die  von  neuern  Heisenden,  l)esonders  seit  Wood, 
nachgewiesene  Treue  uiul  Pünktlichkeit  der  Homerischen  Schilderun- 
gen des  Trojanischen  Gebiets,  nicht  nur  in  geographischer  und  topogra- 
phischer Hinsicht,  sondern  auch  in  dem  klimatischen  Kolorit  und  der 
natürlichen  Gestaltung  der  Gegenstände  und  Erscheinimgen  des  Landes, 
des  3Ieeres  und  der  Luft."  Nun  ist  ZAvar  wahr,  dass  Wood  überall, 
von  dem  Vorurtheil,  dass  Homer  ans  Asien  sey,  befangen,  Spuren  seiner 
Meiiinng  abnet  und  witterf,  sie  auch  mit  geistreichen  Wendungen  vor- 
führt; indessen  wie  glücklich  oder  unglücklich,  ist  schon  bei  Gelegen- 
heit gezeigt  Morden,  und  dürfte  sich  auch  hier  wieder  zeigen.  W^enn 
nehmlich  Kecensent,  wie  ich  glaube,  jene  lleisebeschreibungen  gelesen 
hat,  so  musste  er  von  einer  Troas  hodlerna  und  llomerica  und  von  den 
grossen  Seh«  ierigkeiten  wissen,  die  nonierischen  Schilderungen  mit  der 
jetzigen  Umgegend  von  Ilios  zu  vereinigen.  Man  hat  noch  nicht  einmal 
die  Lage  der  alten  liios  ausmitteln  können;  selbst  di(!  llauptflüsse,  Si- 
mois  und  Skamander,  haben  einen  andern  Lauf.  Wie  da  die  Reisen- 
den und  selbst  Wood  händge  Erdbeben  als  Ursache  der  Verschiedenheit 
annehmen,  kann  dem  Hecens.  nicht  luibekannt  seyn.  Er  vergleiche  nur 
die  to|)ogriipbi»che  Karte  hi  Woods  Werke  mit  den  l)eiden  Karten  vor 
dem  Kniglit'sc^lien  Homer  und  mit  Uryant's  Karte;  so  wird  er  einsehen, 
was  von  Wood's  Konjekturen  zu  halten  sey.  Man  glaubt  in  der  That, 
wenn  man  jene  Karten  neben  einander  hält,  ganz  andre  Länder  zu  se- 
hen. Wollte  nnn  gar  jemand  den  Versuch  machen ,  die  genaue  Vor- 
zeichnung der  Umgegend  von  Ilios,   Avic  sie  Spohn^^)  genau  aus  llo- 

'Jh)  Der  Aamc  Otl.  q,  'iü2,  270.  D.i8§  Phcmloe  auch  Hcldcntliaten  sang,  beweist 
Od.  «,  3W.         9Uj  Spoliii,  de  agro  Trojauo. 

CO  * 


464  Abhandlungen. 

mers  Angaben  entnommen  hat,  auf  eine  der  genannten  Karten  überzu- 
tragen; so  würde  er  die  Trüglichkeit  jener  Meinungen  erst  recht  ge- 
wahr werden.  Doch  müI  ich  damit  nicht  behaupten,  dass  Homer  mit 
der  Umgegend  >  o  n  1 1  i  o  s  n  i  c  h  t  b  e  k  a  n  n  t  gewesen  s  e  y ;  im 
Gegentheil  gestehe  ich  ihm  diese  Bekanntschaft  zu,  nur  aus  den  neuern 
Reisen  liisst  sie  sich  nicht  erweisen.  Aber  Asien  und  das  Land  Asiens, 
in  M'clchem  er  geboren  seyn  soll,  kennt  er  nicht;  seine  Kenntniss 
schränkt  sich  blos  auf  die  Gegend  ein,  wo  der  Schauplatz  oder  die 
Nähe  desselben  war.  Wenn  sich  der  Dichter  über  Phrygien .  hinaus 
wagt;  so  ist  er  äusserst  karg  und  man  sieht  es  den  dürftigen  Angaben 
an ,  dass  er  von  unbekannten  Gegenden  redet.  Wird  ein  Ort  von  ihm 
aus  jenen  Gegenden  genannt,  wie  das  bei  der  AulTülirung  der  Trojani- 
schen Hülfsvölker  der  Fall  ist,  so  geschieht  es  kurz;  hingegen  in  der 
Angabe  der  Oerter  und  Gegenden  Griechenlands  ist  er  ausführlich  und 
genau ;  wir  erfahren  nicht  blos  die  Lage,  sor.dcrn  selbst  die  Geschichte 
und  die  Erzeugnisse  der  dortigen  Natur.  Oft  gicbt  ein  einziges  Bei- 
wort einer  Stadt  des  Europäischen  Griechenlands  den  Augenzeugen  zu 
erkennen,  als  Onchestos  mit  dem  Tempel  und  heiligen 
Haine  des  Poseidon,  die  felsige  Au lis,  die  reiche  Ko- 
r  i  n  th  o  s  und  viele  andre.  Iliebei  darf  ich  auf  Bryant  ^  o°)  verweisen, 
wo  er  die  Ansicht  vom  Asiatisch -Ionischen  Homer  bestreitet:  „Die  Nach- 
richten von  den  Asiatischen  Gegenden  sind  Aveit  kürzer,  und  ausser  den, 
am  Ilellespont  gelegenen ,  Städten ,  sind  wenige  Oerter  im  Verhält- 
niss  zu  der  grossen  Strecke  Landes,  welche  der  Dichter  umfasst,  er- 
wähnt ^°^).  Er  gedenkt  ZAvar  der  Maulthiere  der  Heneter  und  der 
Silbergruben  der  Alyber;  doch  scheint  er  sich  in  Hinsicht  der  letztern 
geirrt  zu  haben.  Denn  wenn  die  Alyber  mit  den  Chalybern  einei-lei 
sind,  wie  uns  Strabo  (XII,  826)  versichert,  so  waren  sie  nicht  durch 
ihr  Silber,  sondern  durch  ihr  Eisen  berühmt  (Stepli.  Byz.  sn  rr^g  Xa- 
lvßr}s  Xfj^Qccs  GLÖTjQog}.  Aus  der  südlichen  Gegend  führt  er  blos  My- 
kale ,  die  Berge  Tmolus  und  Phtheirä  an ,  obgleich  andre  sehr  merk- 
würdige und  alte  Oerter  da  waren ,  die  seine  Aufmerksamkeit  verdien- 
ten. Er  beobachtet  gleichfalls  Stillschweigen  in  Ansehung  vieler  Oer- 
ter in  der  Nähe  von  Troja.  Von  der  Art  war  Sniyrna,  Sardis  ,  Ephe- 
sus,  Merläa,  Themiscyra,  €uma,  Pergamus  :  ferner  Priene  ,  Colophon, 
Magnesia  und  der  Berg  Calänä,  nebst  den  Flüssen  Cibotus ,  Caikus  und 
Pactolus.  Alle  diese  waren,  den  besten  Nachrichten  zufolge,  vor  den 
Griechischen  Wanderungen  und  der  angenommenen  Epoche  von  Troja 
bekannt,  und  viele  alte  Geschichten  davon  vorhanden.  Indessen  über- 
geht sie  Homer  mit  Stillschweigen ,  ob  ei-  gleich  in  seiner  Nachricht 
von  Griechenland  so  genau  ist.  Wenn  er  ein  Klein -Asiate  gewesen 
wäre,  wie  kann  man  es  sich  denken,  dass  er  so  unwissend  oder  nach- 
lässig in  Ansehung  der  Gegenstände ,  mit  welchen  er  am  bekanntesten 


100)  a.  a.  O.  S.  194  ff.  101)  Die,  welche  angeführt  werden,  liegen  inner- 

halb eiiiea  Bezirks  von  zehn  bis  zwölf  Engl.  Meilen. 


Thicrsch:  über  Ilo'mers  fluropäis  clicn  Ursprung.   465 

Feyn  musstc ,  und  so  umstänillich  und  genau  l)ci  denjenigen  ,  Mclclie 
iJim  fiTHid  waren,  geAvescn  seyn  sollte'?  Hellas  Mar  das  Land,  Av«lclu!ä 
er  am  hcstcn  kannte,  wie  schon  Eratosthenes  und  Apollodor  bi-inerk- 
tcn  '°^).  Dalier  scheint  es  soiiderl)ar,  dass  ,  wenn  er,  der  soavoIiI  Gc- 
scliichtsForscher  als  Dichter  Mar,  und  sich  um  alte  Sagengeschichte 
eifrig  hcniühti^,  irgend^  o  in  Asien  Märe  geltoren  Morden,  er  am  Me- 
nigsten  von  den  Gegenständen  sagen  sollte,  m eiche  er  am  besten  kann- 
te, und  sich  Meitläulig  über  solche  auslassen,  von  denen  er  eine  gerin- 
gere Kenntniss  hatte." 

Dies  alles  wird  genug  verdeutliclit  haben,  Mas  es  lieissen  solle, 
wenn  gesagt  Mird,  Homer  könne  nicht  ans  Asien  gebürtig  seyn,  weil  er 
es  im  \erglcich  mit  Griechenland  nnr  ol)erflächlich  kenne,  und  müsse 
aus  d  e  m  E  u  r  0  p  ä  i  s  c  h  e  n  G  r  i  e  c  h  e  n  1  a  n  d  s  t  a  m  ui  e  n  ,  weil  er 
hier,  so  c  M  s  a  g  c  71,  recht  ci  gcntl  i  ch  zu  Hause  s  cy. 

Hierher  geluirt  aber  noch,  Mas  derselbe  Hall.  Kecens.  S.  483  ge- 
gen meine  IJcliaujitung  sagt,  dass  man  die  Reisen  des  Homer  erst  iin- 
girt  habe,  um  die  genaue  geographische  Kenntniss  desselben  von  Europa 
erklären  zu  können.  Er  meint  nehmlich  dort,  dass  man  ebenso  eine 
Heise  nach  Troas  und  Ithaka  m  nrde  fmgiren  müssen,  um  gleiche  Kennt- 
niss in  Bezug  auf  Kleinasien  und  die  Insel  des  Odysseus  bei  ihm  er- 
klärlich zu  finden.  Allein  Menn  Homer  bald  nach  dem  Trojanischen 
Kriege  sang,  so  Mar  eine  Reise  nach  Asien  nicht  nöthig,  Meil  dieznrüek- 
kehrenden  Helden  durch  die  Erzälilnng  ihrer  Thaten  mit  der  Umge- 
gend von  Hios ,  auf  Avclche  sich  lloiuers  Kenntniss  vornehmlich  be- 
schränkt, bekannt  maclien  mussten.  Man  denke  sich  doch  ein  Heer,  Mel- 
ches  nach  zehn  Jahren  und  nach  rühmlich  geendigtera  Kriege  aus  der 
Fremde  zurückkehrt.  Wird  es  m  ohi  eine  Familie  oder  einen  geselligen 
Kreis  geben,  mo  nicht  jene  Begebenlieiten  die  geMÖhnliche  Unterhal- 
tnng  ausmachen '(  Die  Heimgekehrten  erzählten  geM'iss  eben  so  gern 
davon  ,  als  die  Daheinigebüebenen  gern  davon  vernahmen.  Um  nicht 
blos  aus  der  Vergangenheit  zu  reden,  sey  es  mir  erlaubt,  die  Gegenwart 
zum  Beispiel  zu  nehmen.  Haben  uns  nicht  die  Erzählungen  der  Frei- 
Milligen,  Melche  noch  keineswegs  aufhören,  von  manchem  berühmten 
Wahlplat'/.e  des  Auslandes  ein  so  lebendiges  Bild  entworfen,  dass  man 
die  Hauptstellen  der  Aktion  ohne  Führer  zu  finilen  im  Stande  Miire? 
l  nd  Mas  i>t  der  Auf»n(halt  Meniger  Tage  gegen  ein  zelmjäliriges  Ver- 
M eilen'?  Demnach  Märe  c;ine  Reise  nach  Tr«»ja  nicht  nöthig  zu  fingi- 
ren  ^'^').      Aach  Ithaka  aber,  welches  so  nachbarlich  lag,  konutc  in 


102)  Sirab.  VIT  p.  457  OfiTjQov  y.al  uXlovg  rovg  nciXcaovq  tu  filv'EXlr]- 
vr/.cc  ilbivai,  ro)v  öt  tioQqü)  noXXriV  t^nv  uTtii()lav  amiQovg  filv  fiuyiQtav 
OÖcöv  ovrccg ,  uni-iQOvg  dl   vavTi?.?.tai)ui..  W-i)  Es  k(iiiiini:ii  in    der  lliailc   so 

prcnaue  Bcschrciliini^cn  der  WalFcn  und  so  elufach  natiirliclic  Ijur^tclliiiijicii  der 
huiipt,  »ic  zu  gebraiK-licn,  vor,  dass  es  mir  oft  hat  diiiikcii  «ollcii,  was  scbon  Alle 
glauldcn  (vcrgl.  ol)eii  !?.  17  und  l'rocl.  Cürent.  b.  JJckkcr),  lloiiitr  habe  selbst  die 
Wairen  geführt  und  am  Kriege  Theil  guiiomincn.  Dieser  Meinung  i>t ,  uiau  Bollte 
es  kauin  glaubea,  eelbat  Wood  (a.  a.  O.  S.  'itö)  zugetliau.     „Dea  Dichters  persün 


•166  ALhandlungen. 

jener  ruhigen  Zeit,  die  auf  den  Trojanischen  Krieg  folgte,  eine  Reise 
eben  nichts  ungewöhnliches  seyn.  Der  Uecensent  vergibst  gänzlich,  dass 
eine  Heise  aus  Asien  nach  dem  Feloponnes  um  das  Jahr  1000  v.  Ch.  G. 
ganz  und  gar  unmöglich  war.  Denn  da  herrschte  schon  allgemeine 
kriegerische  Verwirrung,  welche  wisshegierigen  Reisenden  oder  Dicli- 
tern,  die  sich  Ortskenntnisse  für  ihre  poetischen  Schilderungen  einsam- 
meln wollten,  wohl  die  Lust  hätten  henehnien  müssen.  Dagegen  waren 
vor,  zu  und  gleich  nach  der  Zeit  des  Trojanischen  Krieges  die  Reisen 
im  Europäischen  Griechenland  recht  gewöhnlich  und  die  Communikation 
eelir  lebhaft.  Des  Odysseus  Vater  Laertes  hatte  seine  Frau  von  der  Ge- 
gend des  Parnass  her ;  Odysseus  selbst  besucht  in  seiner  Jugend  seinen 
Grossvater  Autolykus  am  Parnass,  wo  er  auf  der  Eberjagd  jene  be- 
rühmte Wunde  erhielt;  Autolykus  besucht  nach  des  Odysseus  Geburt 
seinen  Schwiegersohn;  Odysseus  erwirbt  sich  seine  Gemahlin  im  Pe- 
loponnes;  Telemach  reist  ohne  grosse  Vorbereitung  nach  dem  Pelo- 
ponnes  und  dort  herum ,  um  sich  nach  seinem  Vater  zu  erkundigen. 
Wenn  also  der  Verfasser  der  Odyssee  in  der  oben  geschilderten  Zeit 
von  1184  — 1120  im  Peloponnes  lebte,  so  konnte  er  sich  sehr  leicht  mit 
dem  Schauplatze  seines  Gedichtes  bekannt  machen;  von  Asien  her  aber 
war  es  weit  schwerer  und  um  die  gewöhnlich  angenommene  Zeit  nicht 
denkbar,  noch  gut  möglicli. 

Doch  kann  ich  diese  Abhandlung  nicht  schliessen,  ohne  der  Er- 
echeinung  einer  wunderliclien  Recension  meiner  Untersuchungen  über 
den  Homer  in  der  Kritisch.  Biblioth.  1826  Nr.  1  zu  gedenken.  Unbe- 
greiflich schien  mir  nicht  nur  der  leidenschaftliche  Ton ,  welcher  sich 
in  einer  Menge  von  Persönlichkeiten  verliert,  sondern  auch  die  dünkel- 
hafte Ignoranz  und  schamlose  Dreistigkeit ,  mir  Gedanken  anzudichten^ 
die  weder  mir  noch  irgend  einem  vernünftigen  Menschen  zu  Sinne  kom- 
men können.  Aber  so  geht  es,  wenn  man  nicht  recht  hinsielit.  Ich 
sah  nach,  wie  es  sich  mit  dem  verhalte ,  was  mir  der  Recensent  schuld 
giebt,  und  siehe  da,  ich  fand  das  Gegentheil,  oder  hätte  müssen  auf  eine 
Verdrehung  meiner  Angaben  schliessen ;  bis  mir  endlich  einfiel,  dass  hier 
eine  Verwechselung  vorgegangen  seyn  könne  und  der  Recensent  nicht 
meine  Bücher ,  sondern  höchst  wahrscheinlich  die  Jenaische  Recension 
vor  Augen  hatte.  Freilich  fiel  mir  bei  diesem  Quidproquo  manches 
Bedenken  ein,  denn  auf  der  anilern  Seite  wollte  es  mir  wieder  scheinen, 
als  ob  zwischen  dem  kritischbibliothekarischen  und  Jenaischen  Recen- 
eenten  eine  grosse  geistige  Verwandtschaft  statt  finde.  Da  helfe  sich 
nim  jemand!  Die  Sache  mag  auf  sich  beruhen. 

Aus  der  Widerlegung  des  wenigen,  Avas  gegen  meine  Ansicht  ge- 
eagt  worden  ist ,   und  aus  den  neuen  Beweisen ,  welche  in  dieser  nach- 


Hche  Gemälde,  sagt  er,  haben  sehr  daa  Anschn,  als  sey  er  oelbst  gegenwärtig 
gewesen,  oder  habe  wenigstens  seine  Nachrichten  von  Augenzeugen  bekouimen." 
Kur  lüsst  sich  diese  Annahme  bei  Wood  gar  nicht  erklären,  da  nach  ihm  Homer 
erst  unter  den  lonern  in  Asien  auftritt ,  ulüo  zum  Wenigsten  sechs  Meascheualler 
aacb  dem  Trojauischcu  Kriege, 


Thiersch:   über  Homers  Europäls  clien  Ur  sprung-,  407 

trägliclien  Abliandlung  hinzuf^elcomnicn  sind,  wird,  wie  ich  hoffe,  die 
StrcitlVaf^c  über  ilas  Zeitalter  und  Vaterland  des  Homer  ihrer  Entschei- 
dung näher  gebracht  Morden  seyn.  Uat^s  eine  solche  Untersuchung 
grössten  Theils  auf  abgelauscbfen  Aeuss<rungen  oder  zufülligcn  Andeu- 
tungen beruht,  Melclieer^t  durcli  Aullläiung  der  Geschichte  IJedeutung 
erhalten,  -wird  Keinen  Wunder  nelinien  ;  da  die  Natur  des  epischen  Ge- 
eanges  die  Persönlichkeit  des  Dichters  uusschliesst  und  diesem  nur  sel- 
ten erhmbt ,  in  eigner  Person  zu  erzählen.  Man  halte  sich  also  nicht 
an  einige  Einzelnheiten,  sondern  stelle  Alles  zusammen,  Avas  nun  bereits 
von  mir  für  Europäischen  Ursprung  des  Homer  gesagt  worden  ist,  und 
wenn  nach  einer  Vergleichung  meiner  Gründe  mit  denen,  die  man  für 
Asiatische  Entstehung  der  llomerischeu  Gedichte  aufgestellt  hat,  dieselben 
einem  unpartheiischen  Richter  nicht  genügen,  so  sey  ihm  sein  Glaube 
iinbeneidet.  Sollte  aber  noch  «ine  Fortsetzung  dieser  Abhandlung  nö- 
thig  werden;  eo  wünschte  ich  das  schon  oft  gesagte  dann  beseitigt ; 

txd^iiov  8s  [ioL  iativ, 
avzis  ccQt^i^Xcog  £tQr,(iiva  (ivd'okoys'Viiv. 


Nachschrift. 


Gewohnt,  mich  mit  allem ,  was  in  Bezug  auf  Homer  erscheint ,  bc- 
Iiannt  zu  machen,  habe  icli  noch,  als  diese  Abhandlung  schon  niederge- 
fcchrieben  war,  das  eben  erschienene  Werk  von  W^eisse')  verglichen, 
um  hier  nichts  fehlen  zu  lassen,  was  man  etwa  vermissen  könnte.  Ob 
gleich  dies  Werk  zu  den  philosophisch -poetischen  lläsonnements  ge- 
hört, welche  in  halbmystischen  Plirasen  aus  hingeworfenen  Ideen  neue 
hilden ,  bis  sie  das  phantastische  Ganze  schaflVn,  welches  inducirt  Aver- 
den  soll,  und  soMohl  historische  als  philologische  Basis  verschmähen, 
oder  nur  uberllächlich  benutzen,  so  ist  es  doch  in  einigen  Theilen  ver- 
Btändlicher,  als  Acr^andte  \  ersuclie,  und  enthält  hie  und  da,  Avenn  auch 
nur  Avenige  ,  bestimmte  Angaben  von  Umständen,  Avelche  die  Untersu- 
chung über  den  Ursprung  Homers  betreffen. 

Ganz  kurz  und  ohne  alle  nähere  Ausführung  Avird  der  oben  hin- 
länglich Aviderlegte  Grund  berührt,  ai eichen  mau  aus  Hom.  11.  d,  50  — 
5(i  für  Ionischen  Ursprung  entnouuuen  hatte,  der  aber,  Avie  gezeigt 
worden  ist,  gerade  eine  Aveit  frühere  Entstehung  des  Homer  bcAVoist. 

Nur  einen  einzigen,  mir  Avenigstens  neuen,  Grund  für  lonisthc  Ent- 
etehnng  des  Homer  stellt  gedachtes  Werk  auf,  und  findet  ihn  in  der 
Ausz«ichnung,  mit  Avelcher  Homer  den  Nestor  feiert.  Dies  scheine,  wie 
behauptet  A»ird,  i\vn  Zweck  gehabt  zu  habt-n  ,  die  Söhn«;  des  Kodrus 
und  dessen  .Niichkoniuien ,  unter  deren  Anfiilirung  liie  loner  ihre  Sitze 
in   Klein -Asien   einnahmen   und   die   aus  Pyliscliem  Königsgesehlcehtc 


*)  Christ.  Herrn.  WoiHsc ,  über  üau  Studium  des  Homer  luid  seine  Bedeutung 
für  imser  Zeilalter.  Lcipz.  1H2G. 


468  Abhandlungen. 

abstammten ,  zu  ehren.  Nestor  erscheine  überall  als  der  weiseste  Be- 
rather und  die  treucste  Stütze  der  Achäer,  Wenn  man  aber ,  abgese- 
hen von  der  geringen  Thatkraft  des,  melir  in  derErianrung  vergangner 
Zeiten  lebenden,  ISestor,  in  der  Auszeichnung  eines  einzelnen  Helden 
einen  Grund  für  das  Vaterland  des  Dichters  finden  will,  dann  würden 
ihn  die  meisten  Hauptstaaten  der  heroischen  Zeit  in  Anspruch  nehmen, 
und  offenbar  hätte  Ithaka ,  wegen  des  Odysseus,  Thessalien ,  wegen  des 
Achilles,  Salamis  Avegen  des  stärksten  aller  Homerischen  Helden,  und 
des,  selbst  gegen  Götter  siegreichen,  Diomedes  Vaterland,  Avenn  nicht 
höhere,  doch  gewiss  eben  so  wichtige  Rechte  auf  Homer. 

Die  Homerische  Poesie,  wie  S.  154  geschieht,  gar  zu  einem  Er- 
zeugniss  jener  grossen  Völkerwanderung  GriechiscJier  Stämme  zu  ma- 
chen ,  welche  an  die  Rückkehr  der  Hcrukliden  sich  anreihten ,  ist  aber 
wohl  das  Unnatürlichste  von  Allen.  Wenn  nehmlich  die  Homerischen 
Gedichte  ein  Erzeugniss  von  Begebenheiten  waren,  das  soll  heissen,  Mcnn 
sie  in  Folge  gewisser  Begebenheiten  entstanden ,  so  konnte  dies  nur  in 
Folge  derjenigen  Begebenheiten  geschehen,  welche  den  Stoff  der  Ge- 
sänge selbst  ausmachten  ,  aber  nicht  ganz  fremdartiger ,  die  nicht  die 
entfernteste  Verwandtschaft  mit  dem  Gegenstande  der  Gedichte  hatten, 
noch  in  letztern  einer  Erwähnung  gewürdigt  werden. 

Andre  Sätze  ,  wie  S.  202 :  „In  de  r  Dichtung  des  Homeros 
fasste  der  Wcitgeist  noch  einmal  alles  zusammen,  was 
er  bisher  in  derB reite  der  Besonderheit  auseinander- 
gelegt hatte;  so  erst  ward  jeneAusb  reitung  zur  wah- 
ren Offenbarung,  und  gewann  unsterbliches  Leben  für 
alle  folgende  Geschlechter.  Die  Charaktere  der  He- 
roenwelt sind  die  gewaltigen  aber  trüben  Kräfte  des 
Urgrundes,  welche  durch  den  Verstand  der  Weltge- 
schichte geschieden  werden  mussten,  damit  die  Seele 
der  Allgemeinheit,  „der  im  Dunkeln  der  Tiefe  leuch- 
tende Lebensblick"  in  der  Schöpfung  des  Dichters  an 
das  Tageslicht  hervortreten  konnte  u.  s.  w." ,  solche  Sätze 
bekenne  ich  gern  nicht  würdigen  zu  können.  „Ein  Weltgeist  fasst  in 
der  Dichtung  des  Homeros  zusammen  , "  „Eine  Ausbreitung  zur  Offen- 
barung ,  "  „Gewaltige  aber  trübe  Kräfte  des  Urgrundes  ,  "  „Eine  Brei- 
te der  Besonderheit,"  „Ein  unsterbliches  Leben  für  folgende  Geschlech- 
ter" u.  s.  w.  sind  Ausdrücke,  bei  Avelchcn  ich  mir  nichts  bestimmtes 
denken  kann.  Solchen  Mystifikationen  bin  ich  nun  einmal  feind ,  imd 
glaube  auch  mit  der  historisch -philologischen  Behandlung  des  Gegen- 
standes, im  Gegensatz  zu  jenen  nebelnden  Philosophemen,  in  den  Augen 
noch  eines  grossen  Theils  unsrer  Gelehrten  kein  unnützes  Geschäft 
übernommen  zu  haben. 


M  i  s  c  c  1  1  c  n.  469 

IM  i   s    c   e   1   1   c   n. 


mJ'ic   allp^cracine  Thcilnalimc ,  Avclche  für  die  schwer  gedruckten   iinil 
liurt  lunlriiiiirtcii  (irieclicn  l)«i  dem  <^c<:^eii\v;irtif?('ii  Kaiin»fe  mit  ihren  iin- 
iiienschlichen /Avinj^lu  rrn  rege  geworden  ist,   hat  angefangen  sich  durch 
die  That  zu  heMcisen.      Nicht  nur  in  Frankreich  und  England  ,  sondern 
auch  in  Deutschhmd  ,  besonders  in  der  Sch>veitz ,  in  Prcussen ,  Sach- 
sen und  Uaiern,   haben  sich  eine  Menge  llülfsvereine  zur  Unterstützung 
derselben  gebildet ,  und  nanihafle  Summen  sind  bereits  nach  Griechen- 
land gewandert ,  bedeutende  werden   noch  nachfolgen.      Das  dankbare 
Knropa  meint  richtig,   auf  diese  Weise  einen  Theil  der  grossen  Schuld 
abtragen  zu  können,   die  wir  jenem  Volke  für  die  von  seinen  Vorfahren 
zu  uns  gekoninienen  Wissenschaften  und   Künste  schuldig  sind.      Es  ist 
ein  erfreuliches  Zeichen  unsrer  Zeit,  dass  man  in  gegenwärtiger  IN oth 
diesen  Unglücklichen   in  Bezug  axif  ihr  physisches   Wohl   beizustehen 
sucht.      Aber  nicht  minder  ist  es  zu  rühmen ,  dass  man  auch  angefan- 
gen hat,  für   ihre  geistige   Bildung  Sorge   zu  ti-agen.      Dieser  Anfang 
aber  ist  zunächst  dadurch  gemacht,  dass  »ich  auf  den  Hochschulen  zu 
Leipzig  und  Jena  Vnterstütznngsvereine  für  junge  studirende  Griechen 
gebildet  und  ölVcntllch  zu  Beiträgen  für  einen  desshalb  zu  begründenden 
Lnterstützungsfond  aufgefordert  haben.      Wir  theilen  hier  die  Bekannt- 
machung mit,  welche  in  Bezug  darauf  der  Leipziger  Verein  ergehen  Hess  : 
Der   heutige  Kampf  zwischen  den   Griechen  und  den  Türken  hat 
nicht  nur  die  Griechischen  Bildungsanstalten,  sondern  auch  den  Grie- 
chischen Wohlstand  dergestalt  vernichtet,  dass,  selbst  nach  einem  glück- 
lichen Ausgange  jenes  Kampfes,  die  Griechen  lange  Zeit  nicht  im  Stan- 
de seyn  werden ,   an  Errichtung  neuer  Bildungsanstalten  für  die  Ju- 
gend zu  denken.      Diese  wird   also   genöthigt    seyn,    noch  mehr   als 
bisher  auswärtige  Bildungsanstalten  zu  besuchen.    Leipzig  hat  immer 
junge  Griechen    in  seinen  Mauern  gesehen  ,  welche  nicht  bloss    des 
Handels,  sondern  auch  der  Bildung   wegen  hieher  kamen.      Künftig 
dürfte  das  noch  häufiger  der  Fall  seyn.      AVir  Untei'zeichuete  haben 
daher  den  Gedanken  gefasst ,  einen 

Unterstützungsfond 
für  junge  in  Leipzig  studirende  Griechen 
zu  begründen,  da  vorauszusehen  ist ,   dass  nicht  Alle  mit  den  nöthi- 
gcn  Mitteln  dazu  versehen  seyn  möchten.      Wir  laden  desshalb  unsrc 
verehrten  Mitbürger  und  andre  Griechenfreunde  in  der  jVähe  und  Fer- 
ne ein,  durch  frciA\illige  an  uns  einzusendende  Beiträge  diese  wohl- 
thätige  Anstalt  bilden  zu  helfen.      Ueber  die  eingegangenen  Beiträge 
sowohl  als  deren  weitere  Anlegung  und  Verwendung  werden  wir  künf- 
tig dem  Publikum  Uechenschaft geben.    Leipzig,  d.  10  Juny  182ö. 
Verein  zur  Stiftung  eines  Griechischen 
Unters tützungs  l'oud^'. 
Anger.    Goldhont.    Ilärtel.    Hermann.   Mahlniunn.  Plos!}.  Seyffcrlh. 
Tzscbirncr.    —     Ä'ug"}  einstweiliger  Scliriftführcr  dca  Vereins. 


470  M  i  s  c  c  1  1  c  n. 

Die  christliche  MUdthällglielt  M'iril  sicli  bei  diesen  Aufforderungen  nicht 
durch  die  einzelnen  Stimmen  ahschrecken  liisscn ,  die  sich  gegen  diese 
Sammlungen  hin  und  wieder  erhoben  haben.  Dass  ein  Thcil  der  jetzi- 
gen Griechen  im  gegenwärtigen  Kriege  sicli  mancherlei  Verbreclien  zu 
Schulden  kommen  lässt,  darf  uns  niciit  abhalten  dem  ganzen  Volke  Un- 
terstützung aiigedeihen  zu  lassen ,  das  durch  seine  A  orl'ahren  unsern 
Dank,  in  seiner  jetzigen  Lage  aber  unser  Mitleiden  in  Anspruch  nimmt. 
Die  lange  Knechtschaft  und  der  jetzige  mehrjährige  Kampf  haben  das 
Volk  sehr  verwildert,  aber  seine  grosse  Bildsauikeit  läs«;t  baldige  Rück- 
kehr zum  Bessern  hoffen,  und  die  Bildung  desselben  zu  befördern,  da- 
zu dürften  die  genannten  Leipziger  und  Jenaer  Vereine  bei  glückli- 
chem Erfolge  ihres  Unternelimens  besonders  beitragen  könneu. 


Bei  der  königlichen  Akademie  der  Wissenschaften  zu  Berlin  war  als 
Beantwortung  der  im  vorigen  Jahre  von  der  historisch  -  philologischen 
Classe  aufgegebenen  Preisfrage  —  das   JFesen   und  die  Bildung 
des  Etruskischcn  Volkes  aus  den  Quellen  kritisch  zu  erör- 
tern und   darzustellen  —    nur   eine   einzige  Schrift  eingegangen, 
welcher  am  dritten  Juli   der  Preis    [von  50  Ducaten]  zuerkannt  wiud. 
Der  Verfasser  war  Hr.  Prof.  C.  0.   Müller  in  Göttingen ,  Correspondcnt 
der  Akademie.    Als  neue  Preisaufgabe  ward  von  dieser  Classe  gegeben: 
Eine,  neben  der  Benutzung  der  G  e  schickt  sehr  eib  er  und 
Geographen,  besonder s  auf  Sj) räch-  Ku nst  -  und  andc- 
r  e  Denkmahle  gegründet  e  Musterung  der  j  etztlebenden 
Europäischen  Gcbirgsvölker,  von  der  ober n  IFolga,  Da- 
na, Dnepr  an,   zwischen  dem  schivar zcn  und  dem  Balti- 
schen Meere,  g e gen  Südwest  bis  zum  Adriatischen,  und 
von   diesem  längs   des    nördlichen    Po-  Uf  er  s ,    zu    den 
Ostufern   der  Rhone   und   des  Mittelrheins;  zum  Behuf 
einer  Ethnographie  und  Sp rachenkarte  von  Europa. 
Der  Einsendungstermin  ist  der  Slste  März  1828.    Vergl.  Hall.  Lit.  Zeit. 
Nr.  182  S.  631  f. 


Die  historische  Classe  der  königl.  Böhmischen  Gesellschaft  der  Wis- 
senschaften zu  Prag  hat  folgende  Preisaufgabe  bekannt  gemacht : 

Ausführliche  JFürdigung  der  Böhmischen  G  eschi  cht- 
schr eiber  vom  ersten  derselben  bis  zur  Hagekischcn 
Chronik  herab. 
Sie  verlangt  dabei:  1)  eine  genaue  Zusammenstellung  alles  dessen,  Avas 
in  Bezug  auf  diese  Schriftsteller  in  Balbin's  Bohoemia  docta,  in  Knoll's 
Mittelpuncten  der  Geschichtsforschung  und  Geschichtsschreibung  in  Böh- 
men und  Mähren,  in  Meinert's  Aufsätzen  über  die  Böhmischen  Geschicht- 
echreiher  des  ersten  Zeitraumes  (Wiener  Jalirbb.  d.  Liter.  Bd.  XV  u. 
XVI)  und  in  andern  Quellen  sich  findet;  2)  eine  genaue  Prüfung  der 
Ausgaben  der  Gcschlclitschreiber  mit  Rücksicht  auf  den  Wert!»  der 
Handschriften ,  aus  denen  sie  geflossen ,  und  Angabe  anderer  noch  un- 
benutzter llandechrr. ,  aus  denen  sich  der  Text  verbessern  Hesse ;  3) 


Mleccllen.  471 

eine  auf  den  ganzen  Inhalt  und  Ton  der  Erzählunf^,  auf  den  Zweck  des 
Srhriftstellcrs  und  das  V(•^•llältni^!!  seiner  Lage  gegründete  Ik-urtheihing 
seiner  Glauliwürdigkeit  und  Treue  in  IJenutzung  früherer  Quellen. 

Die  IJeantM  Ortungen  der  Aul'gahe  müssen  in  Deutsclier  Sprache  ah- 
gofasst  und ,  von  fremder  Hand  abgeschrieben ,  nebst  einem  Motto  und 
dem  in  einem  l)esonders  versiegelten  Zettel  enthaltenen  jVanien  des  Ver- 
fassers vor  Ende  des  Uecembers  1827  au  den  Secrctair  der  Gesellschaft, 
Hrn.  Prof.  David  in  l'rag  ,  eingesendet  werden.  Der  l'reis  für  die  besste 
Bearbeitung  ist  30  kaiserl.  Ducaten  in  Gold  und  250  Freiexemplare  der 
auf  Kosten  der  Gesellschaft  gedruckten  l'reisschrift.  Die  versiegelten 
Zettel  der  Concurrcnten ,  w  eiche  den  Preis  nicht  erhalten,  werden  ver- 
brannt, und  die  Handschrift  wird  auf  Verlangen  dem  Einsender  nach 
dem  31otto  zurückgestellt. 


Die  Obcrlaiisitzische  Gesellschaft  der  J Wissenschaften  zn  Görlitz  verlangt 
bei  der  neuen  für  das  Jahr  182(i  aufgestellten  I'reisaufgabe  eine  Aufhel- 
lung der  historischen  Dunkelheit  über  den  Zeitpiinct  und  Kechtsgrund, 
unter  welchem  die  Oberlausitz  im  ISlen  Jahrhunderte  an  das  Haus  Bran- 
denburg kam  und  eine  Erörterung  von  dem  Zustande  des  Landes  unter 
diesem  Uegentenhause.      Sie  stellt  daher  die  Frage  auf: . 

Jfa  nn  und  aus  welchem  Rechts  gründe  kam  die  Ober  lau- 
sits  im  ISten  Jahrh.  an  das  Haus  Brandenburg?  welche 
T'erdienste   erwarb    sich    dasselbe    um    diese    Provinz? 
welches  war   der   Zustand   des  L  arid  es  unter    desselben 
Hoheit? 
Die  AntM'orten  müssen  nach  der  gewöhnlichen  Form  his  zum  30  April 
1827  unter    der  Adresse  :   „An  die   Obctiausitzischc  Gesellschaft  der  Wis- 
senschaften''^  eingesendet  werden.      Der  Preis   für  die  besste  Schrift  ist 
50  Thlr.  in  Gold.  * 

Auf  die  im  Jahre  1824  mit  3fachem  Preise  von  150  Thlr.  in  Gold 
gegehene  Preisaufgabe  —  eine  mit  Zeichnung  en  v  er  sehene  ge- 
naue Beschreibung  der  in  den  ü  b  r  i  g  e  n  S  e  c  h  s  s  t  ä  dt  en,  ausser 
Görlitz,  b efindlichcn  D cnkmülcr  der  Baukunst  und  bil- 
denden Künste  aus  dem  l'iten  J ahrh.  und  den  frühern  Zei- 
ten, nebst  Beurth eilung  derselben  in  Rücksicht  der  Kunst 
und  Ang  ab  e  der  wichtigsten  dura  uf  Bezug  habend  en  Mo- 
numente —  war  nur  eine  Bewerbungsschrift  eingegangen,  die  bei  der 
Hauptversammlung  der  Gesellschaft,  den  5  Juli  d.  J. ,  den  Preis  nicht 
erhielt.  Doch  wünscht  die  Gesellschaft  das  Eigenthumsrecht  dieser 
Schrift  zu  erhalten ,  und  hat  daher  den  unbekannten  A  erfasser  aufge- 
fordert ,  eich  ilir  zu  nennen ,  imi  mit  ihm  desshaib  in  Unterhandlung  ZU 
treten. 

Die  Pariser  Akademie  der  Inschriften  und  schönen  Jfisscnschaftcn  hat 
am  28  Juli  d.  J.  folgende  Preisaufgabe  für  das  Jahr  1827  aufgestellt: 
Recher  eher  quel  fut  Vetat  politiqitc  des  cites  Grcc- 
ques    de   ( '  Zf  u r o /> c ,     des   iles  de   V  A sie- Mincurc,    depuis 


4T2  M  i  s  c  c  1  1  c  n, 

le  commcnccmcnt  du  deuxieme  si eclc  av ant  notrc  vre, 
jusqu''  u  l^etablissement  de  V emjyir e  de  Constantinoplc. 
Vrgl.  Scluilzcit.  1826,  11  Nr.  T4.  Für  das  Jahr  1828  (dea  Isten  April) 
hat  die  neJmiliclie  Akademie  aufg-egeben :  Tracer  le  table  au  des 
rclations  commercialcsdc  la  France  et  fies  divers  clats 
deVEurope  mcridionale  avec  laSyric  et  VEgypte,  de- 
puis  la  de  cadence  de  la  puis  saiice  des  Fr  an  es  da  ns  la  Pa- 
laestuic,  jusqu'' au  Iße  siede  ;  determiner  la  nature  et  V  cten- 
due  de  ces  relations  ;  fixer  la  date  de  V  ctabliss  ement  des 
Consulats  en  Egypte  et  en  Syrie,  indiquer  les  effets  que 
produisirent  sur  le  commerce  de  la  France  et  de  V  Eur  ope 
mcridionale  av  ec  le  L  evant,  la  decouv  erte  du  passag  c 
par  le  cap  de  Bonne- Esper ance  et  V ctablissement  des 
Portugais  dans  rinde.  Die  Adliandlung-en  müssen  Französisch 
oder  Lateiniscli  abgefasst  seyn.  Der  Preis  ist  eine  goldene  Medaille 
von  1500  Franken. 

Der  Hr.  StaatsminJster  und  Ohorpräsident  Ingcrslcbcn  zu  Coblenz 
hat  einen  Preis  von  100  Tlilrn.  für  den  ausgesetzt,  welclier  den  Ort,  avo 
eich  das  im  Revolutionskriege  ahlianden  gekommene  Urkundenarchiv  der 
vormaligen  Abtei  St.  Maximin  hei  Trier  jetzt  befindet,  so  weit  nachwei- 
sen kann ,  dass  man  dessen  Wiedererlangung  hoffen  darf. 


Die  Gesellschaft  für  Nassauische  Älterthumskunde  und  Geschicht- 
forschung zu  Wiesbaden  \\ie\i  am  29  Mai  ihre  4te  jährliche  Versanmi- 
lung.  Ausser  den  gewöhnli(;hen  Verhandlungen  und  Berichten  über  Zu- 
stand und  Fortgang  des  Instituts  spracli  der  inländische  Dircctor ,  Herr 
Generaldomainendirector  von  Röster  über  die  nöthige  31inisterialver- 
ordnung  wider  das  AVcgbringen  ausgegrabener  Alterthümer,  und  der 
ausländische  Director,  Herr  geheimer  llath  von  Gerning  über  die  kürz- 
lich bei  Hädernheim  entdeckten  z>vei  Mithrastempel  und  über  die  Grün- 
dung ,  Erweiterung  und  Zerstörung  der  dortigen  Römerstadt,  so  wie 
vom  DrusHscastell  auf  der  Saalburg  bei  Homburg,  gleich  dem  Eulba- 
cher bei  Erbach.  Herr  Habet  von  Schierstein,  Mitglied  des  Vorstandes, 
legte  seine  Zeichnungen  von  den  verschiedenen  in  beiden  Mithräen  ge- 
fundenen Altären ,  Bildwerken  und  Inschriften  vor  und  gab  eine  Be- 
schreibung derselben  nebst  einer  Erklärung  ihrer  embleniatischen  V(;r- 
zierungen.  Eine  A.Miandlung  des  verstorbenen  Inspectors  Kraus,  über 
die  Wohnsitze  der  Catten  und  Mattlaken  und  Cäsars  Rheinübergiinge, 
ward  vom  Secretair,  Herrn  Pfarrer  Luja  vorgelesen.  Der  inländische 
Director  und  die  6  Vorstände  wurden  aufs  neue  gewählt. 

Die  Londcner  Literaturgcsellschafi  zeigt  ein  reges  wissenschaftli- 
ches Streben,  und  es  sind  iji  derselben  hinnen  Jahresfrist  neun  intercs- 
&antc  und  gediegene  Denkschriften  gelesen  worden.  Pliilologisch  wi(^h- 
tig  sind  besondci's  eine  Vorlesung  von  Falcr,über  Ursprung  und 
Itcligion  der  Mcxicancr,  und  drei  Abhandlungen  \on  Tiller,  über 


M  i  s  c  c  1  l  e  n.  473 

die  Fl  in  f  Uhr  uns;  der  Griechischen  Literatur  in  F.np^land 
zu  J-jiule  lies  31itt('Iahers ,  über  des  JI  oraz  Ep  ist  cl  an  Torqua- 
tus  1111(1  über  dessen  HSste  Ode  des  ersten  Jiuchs,  Aon  welcher 
er  zu  erweisen  suelite ,  dass  sie  zur  Feier  eines  Festes  wegen  des  714 
von  Octavius  und  Antonius  zu  lirundiisiuiu  geschlossenen  Friedens  ge- 
dichtet sey.  • 


Die  Mitjjliedcr  der  Akademie  in  iS'eapel  heschüftiffen  sich  eifrig  mit 
den  II  c  rc  u  I  an  i  s  c  h  e  n  /I  an  d  sehr  iflcn.  Zum  Druck  fertig  sind 
zwei  Tractate  über  die  Iledekiinst  und  ein  Werk  über  die  Moral  von 
Pliilodeimts  ,  zm  ei  Bücher  über  die  jYatHr  von  Epikur,  ein  Werk  über  die 
f  orsehung  von  Chrysippus,  und  3  Tractate  \on  Karnisciis,  Polystratus  und 
Epikur.  Das  Werk  i/7»cr  die  Politik,  welches  man  jetzt  dem  Aristoteles 
beilegt,  wird  von  l'hilodeinus  dem  Thcophrust  zugeschrieben. 


Bei  der  vom  18  —  23  Septemb.  d.  J.  zu  Dresden  gehaltenen  fünf- 
ten Versammlung  Deutscher  Naturforscher  wurde  unter  Andern  auch  der 
Plan  gcfasst,  eine  neue  Jusgabc  fler  Nattir g cschichte  des 
PI  in  ins  sowohl  in  Lateinischer  als  in  Deutscher  Sprache  zu  veranstal- 
ten. Diess  soll  so  geschehen,  dass  überall  die  bedeutenden  Männer  je- 
des specielleren  Fa(;hes  der  IVaturM  issenschaft  die  Bücher  der  einzelnen 
Disciplinea  zur  schärfsten  Verständigung  vorerst  über  die  Ansichten  des 
alten  trefllichen  Polyhistors  von  der  Höhe  der  jetzigen  Wissenschaft  aus 
in  Uebersetzung  und  Anmerkungen  bearbeiten ,  die  eingeschlichenen 
Missverständnisse  berichtigen,  durch  erweiterte  Sachkenntuiss  und  alle 
nur  Irgend  zu  Gebote  stehende  kritische  Hülf»mittel  den  Text  verbes- 
sern und  dem  allso  ermittelten  Standpuncte  der  alten  Griecliisch  -  Rö- 
mischen Naturkunde  gegenüber  die  Resultate  unserer  Zeit  aufstellen. 
iSamhafte  Gelehrte  erklärten  sich  bereits  bereitwillig,  dem  grossen 
Werke  hinsichtlich  ilirer  Liebiingsbranchen  beizutreten.  Noch  andere 
sollen  eiiigeladcn  und  der  Concurs  übrigens  so  viel  als  möglich  zugäng- 
lich und  bekannt  gemacht  werden.  Die  Einrichtung  und  Leitung  des 
Ganzen  hat  Hr.  Hofrath  Böttiger  übernommen,  von  dem  auch  Idee  und 
Plan  zuerst  ausgingen,    S.  Abendzeitg.  182ö,  Einheimisches  Nr.  19  S.  74. 


Der  arme  Vater  Homer,  der  sich  in  ixnscrn  Tagen  so  vieles  ge- 
fallen lassen  muss,  hat  unter  andern  auch  das  Unglück  gehabt,  dass 
seine  Odyssee  in  klingelnde  Reinitrochäen  übersetzt  und  nach  der  Art 
unser(;r  Romane  moderni»irt  worden  ist.  Frau  Hedwig  Hülle,  geborne 
Hoffmeier,  hat  nehmlich  herausgegeben :  1  r  rfa  h  rten  de  s  Ody  sseu  s, 
i  n  V  i  e  r  ii  nd  zwanzig  Gcs  ü  n  g  e  n.  Freie  Aaehbilduiig  in  gereimten 
Strophen  nach  Homer.  Bremen,  lleyse.  1826.  2  Bde.  VI  und  716  S. 
gr.  8.  2  Tlilr,  16  Gr.  Der  üd^sseus  ersclieint  darin  als  ein  ächter  Ro- 
manenheld ,  der  z.  B.  „mit  schmeiclielnd  süssem  Flehen ,  wie  ein  Lie- 
bender wohl  pflegt ,"  aus  dem  Dickicht  der  edlen  Jungfrau  Nausikaa 
sich  nullt  und  nach  Art  eines  reclitcii  Zierbcngelä  die  Cour  macht.     Das 


474  M  I  8  c  e  1  1  e  n. 

Rcsstc  In  dem  Buche  ist  noch  eine  Abhandlung  vom  Hrn.  Dr.  Ikcn  über 
gereimte  Üebcrsctzungen  antiker  Poesie. 

AKX'  sts  oinov  tovGDc  xa  ckvttjs  sgya  Jto/tt^s, 
larov  r  ^^.ayiütrjv  zs,  Kai  d^cpiTtöXotaL  ^iXfvs 
"Eqyov  inoixso&ccf  [ivd'og  d'  avÖQsaat  ixtlTJati. 


Die  Scriptornm  v  et  er  um  nova  collectio  e  Vatican'is 
CO  (Id.  eilita  ab  Ang.  Majo  ,  Bibl.  A'at.  praefecto ,  ad  Leonem  XII 
pontif.  Max.  ( Roniae ,  Burlie.  1825.  4.)  enthält  folgende  Schriften: 
Eusebii  Caesareensis  [XX]  Quaestioncs  evangcUcae  ;  Photii  Quacstioncs  Am- 
philochianae  [wovon  einige  schon  früher  gedruckt  sind]  nebst  einigen  andern 
Kleinigkeiten  vonPhotius;  einen  von  einem  Unbekannten  geraachten  y/iM- 
zvgmts  der  Chronik  des  Eusebius  nebst  Fortsetzung  derselben  bis  zura9ten 
Jahrhundert;  des  Tlieodonis  Erklürunoen  über  Daniel  von  seinem  Bruder 
Polyclu'onius  ;  einige  Fragmente  des  Bischoffs  Hippolytus;  des  Acliiis  Ari- 
slides  Oratio  contra  Dcmosthenem  de  immnnitate  nebst  A  arianten  zu  desselben 
Hede  gegen  den  Leptines.  Beigegeben  sind  Prolegomena  und  paläo- 
graphische  Tafeln,  nebst  Abbildungen  der  Statuen  des  Aelius  Aristides  und 
des  Hippolytus  in  der  Vaticanbibliothek,  —  Nach  der  Bibliotheca  Italia- 
na  hat  Angclo  Mai  vor  kurzem  in  der  Vaticanbibliothek  Mieder  einige 
noch  unbekannte  Reden  des  Aristides  gefunden. 


Auf  dem  Bei'ge  Libanon  hat  man  In  einem  Ilieronymitenkloster 
eine  Abschrift  der  allgemeinen  Geschichte  des  Orosius  mit  No- 
ten von  der  Hand  des  heiligen  Augustinus  gefunden  und  das  Manuscript 
nach  Rom  geschickt. 


Nach  dem  Journal  Asiat.  1826  Nr.  47  hat  man  auf  der  königl.  Bi- 
bliothek zu  Paris  in  Orientalischen  Handschriften  mehrere  Werke 
des  Philo  gefunden,  von  denen  der  Griechische  Originaltext  verloren  ist. 


Das  Studium  der  Deutschen  Sprache  und  Literatur  kommt  in 
Frankreich  sehr  in  Aufnahme  und  M'ird  noch  dadurch  mehr  Eingang  ge- 
winnen, dass  der  junge  Herzog  von  Bordeaux  in  der  Deutschen  Spra- 
che unterrichtet  wird.  Die  Französischen  Blätter  machen  Aiel  Rühmens, 
dass  er  bereits  anfange  Deutsch  zu  lesen  und  etwas  Deutsch  zu  spre- 
chen. —  Seit  1825  erscheint  zu  Strasburg  eine  B  ibli oth  eque  Al- 
lemand  c ,  Journal  de  litter atur e ,  und  seit  diesem  Jahre  zu  Paris  eine 
Deutsche  Zeitung.  Schon  1825  gab  Lortct  eine  Französische  Üe- 
hersetzung  von  Jahi's  D  eutschem  V  olksthum  heraus  und  vor  kur- 
zem erschien:  Mwsaeus:  Contes,  precedes  d^une  noticc  par  Paul  de 
Kock  (Paris  1826.  5  vols.  in  18.  Leipz.  bei  Voss  6  Thlr.  6  Gr.).  Mu- 
säus  heisst  in  den  Französischen  Journalen  Vauteur  favori  des  Allemands. 
Proben  einer  Französischen  Uebersetzung  des  Niebelungenliedcs  hat  der 
Globe  mitgetheilt.  Auch  wird  jetzt  an  einer  Uebersetzung  von //ofZer's 
Ideen  zur  Geschichte  der  Philosophie  der  Menschheit 
und  von  mehrern  Schriften  Luther'' s  gearbeitet.  Golbcry  liefert  eine 


M  i  s  c  e  1  1  c  n.  475 

UcLcrsct/.nn«^  von  Schlosser' s  U  n  i  v  c  r  s  a  Ih  i  s  t  o  r  i  s  ch  c  r  lieber  sieht 
der  Geschichte  der  alten  ll'ell  und  ihrer  CuUur.  [S.  Ueiilelb.  Jiihi-bli.  182G 
Hft.  8  S.  757  —  775.]  Von  ^icbuhr's  U  um  i  scher  Geschichte,  mc\- 
clic  jetzt  neu  Iicrauskoiiimt,  Mirclzuf^leich  uiit  eine  Französificlic  LcLcr- 
setzunji^  erseheinen»  Von  Jnnius  Faber  erscheint  zu  Paris:  Syiijr las- 
se oder  G  rnndsätzc  der  Sprachforschtuif^,  Movon  der  erste 
Abschnitt, über  das  Wesen  und  die  Anwendung  der  Synglosse  bereits  vor 
uns  liegt.  Die  von  Lcmaire  lierausgcgebene  li  i  bliot  h  e  que  classi- 
qnc  hat  ine  enthält  fast  ausschliessend  Abdrtirke  von  Ausgaben  Deut- 
scher Philologen.  Von  dieser  Sammlung  sind  bisjetzt  78  Bände  fertig. 
Die  neusten  sind:  C  f  aler.Flacci  Setini  lialbi  Argonauti- 
con  libri  J  111,  veteri  novaque  lectionum  varietate,  commentariis ,  ex- 
citrsibns ,  tcstimoniis ,  Argonautanan  catalogo ,  indicc  nominum  ,  verum  et 
verborum  universo  instructos  ac  diligcnter  rccognitos  edidit  j\ic.  Kligidius 
Lemaire  (Paris  1824  u.  25  II  vols.  8.  Leipz.  b.  Aoss  lOThlr.);  Poctac 
Latin  i  minores,  quos  notis  vett.  et  novis  illustravit  A.  E,  Lemaire: 
vol.  \  tum :  Huf  i  Fe  st  i  A  v  i  eni  d  escript  i  o  or  bis  terrae,  ora 
maritima  et  carmina  min  ora;  ejusdem  phacn  omena  et 
prognostica  (1820.  Leipz.  b.  Voss  6  Thlr.  12  Gr.);  libulli  quae 
s  upcrsunt  0  mnia  opcra  ex  recensionc  Golbery  (^IH'Ki.  7  Thlr.)  und 
Phaedr  i  fabularum  Aesopiarum  libri  V  etc.  cum  notulis  vario- 
rum  et  suis  cdid.  J.  B.  Gail  [nach  der  Ausgabe  von  Schwabe],  Vol.  I. 
1820.  7  Thlr.  —  Mit  welcher  Genauigkeit  indess  die  Franzosen  bisw  ei- 
len die  Schriften  Deutscher  Gelehrten  ansehen,  davon  giebt  das  Bulletin 
des  scienccs  historiqucs ,  antiquites ,  philologie,  sous  la  direction  de  M. 
Ic  B.  de  Fonissac  folgende  Proben.  In  ]\o.  9  Septcmbre  1825  S.  171 
wird  angeführt:  Stir  Ics  lois  du  Ilhythme  par  M.  Lebrecht  mim.  rf' 
Origin.  Damit  soll  bezeichnet  seyn  der  Entwurf  der  reinen  Rhythmik 
von  M.  Lebrecht  Immanuel  Döring.  Bei  der  Anzeige  von  JVeicherVs  An- 
thologia  Graeca  in  jNr.  8  Aoiit  1825  wird  S.  1)9  gesagt:  Le  texte  est  en- 
riclil  des  notes  ducs  ä  M.  Jl'ander. 


Ausser  der  Lemaire"schen  Sammlung  Lateinischer  Autoren  erscheint 
zu  Paris  noch  folgende  neue  Sammlung:  Auteurs  classiques  L  a- 
tins,  avec  des  commentaires  anciens  et  nouvcaux ,  et  des  index  complets ; 
publies  par  des  professeurs  de  lacademie  de  Paris  et  de  Vancienne  univer- 
site.  Format  in  12  et  formal  in  8.  Paris,  Ic  libriiires-editeurs,  Char- 
les Gosselin  ,  Manie  et  Dclaunay-Vallee,  AI.  Eyinery.  Der  Preis  jedes 
Bandes  in  12  ist  5  Franken,  in  8  auf  Papier  grand  -  raisin  velin  d'An- 
noiiay  22  Fr.  50  C.  und  auf  gewöhn lii^hem  feinem  Papier  12  Fr.  Von 
den  bereits  erschienenen  Werken  sind  uns  bekannt  geworden:  Q.  II o- 
ratius  Flaccus  ex  recens.  et  cum  notis  Pctri  Duviquct,  Tom.  I  (1825. 
Berlin  b.    Schlesinger  1  Thlr.  22  Gr.  oder  ü  Thlr.  18  Gr.  *)    Die  gc- 


')  In  Leipzig  bei  Bo§Bange8,  frt^res,  kostet  jeilesBändchcn  in  12  nur  1  Thlr.  12  Gr. 
Uebcrhaupt  variirt  bei  auxliinditichcn  Werken  in  Deutschen  Buchhandlungen  der  Preis 
oft  bedeutend.  So  kostet  der  Tircntiauim  Maurun  von  van  Lcnnep  ia  Leipzig 
bei  VVcigel  Ü  Thlr.,  bei  Fr.  FleiBchcr  aber  ü  Thlr.  l(j  Gr. 


476  M  i  6  c  c  1  1  e  n, 

sammten  Werke  des  Dichters  werden  4  Bände  füllen ) ;  P.  Ovidius 
Na  so.  CoUatis  editt.  optimis  cum  suis  et  aliorum  nolis  tcrtio  cdidit  Joh. 
Aug.  Amar,  Vol.  I  et  II  (1825.  3  Thlr.  20  Gr.  oder  7  Thlr.  12  Gr.  Im 
Ganzen  5  Bünde);  C.  Cr.  Sallustius,  ex  Bournouf ,  Potticr  et  alio- 
rum editt.  reccnsittis,  cum  selectt.  varior.  iuterpp.  iiotis  acnovisetiam  additis; 
itcmque  Julius  Exsuperantius;  curantc  J.  Planche,  Tom .  I  et  II  (1825. 
3  Thlr.  20  Gr.  oder  7  Thlr.  12  Gr.)  und  Cornelius  N  cp  o  s,  ex  opti- 
marum  editt.  reccnsione  et  cum  seleclis  variorum  interpretum  notis ,  cuiantc 
P.  F.  de  Calonne  (1S2G).  Auch  vom  T'irgil  (p\ols.)  und  Tac/(us  (5  vols.) 
&ollen  bereits  einige  Bände  fertig  seyn. 


Zu  Paris  hei  Pancouckc  erscheint :  ßibliotheqticLatincFran- 
gaise f  ou  tr aduction  des  classiques  latins  avec  l€ texte  en  re- 
gard,  par  M.  Jides  Pierrot,  professeur  de  rhetorique  au  College  royal 
de  Louis  le  Grand  et  prof.  suppleant  d'eloqucnce  fran^aise  a  la  facultc 
des  lettres  de  l'academie,  in  8.  Von  (J  zu  6  Wochen  sollen  2  Bände 
erscheinen,  deren  jeder  im  Suhscriptionspreis  T  Franken  kostet.  Die 
ganze  Sammlung  Avird  120 — 130  Bände  füllen.  Von  den  fertigen  Bän- 
den sind  uns  hekannt  worden:  Juv  enalis  satirae  [tradtiitcs  par  J. 
Dusaulx.  Nouvelle  edit.  revue  et  corrigee  par  J.  Pierroi]  ,  Tom.  1 ,  1825 ; 
V  eile  jus  Pater  culus  ühersetzfc  von  DesprezvLuA  Plinii  Epi- 
stolae  übersetzt  von  Sacy,  Vol.  I. 


Von  Malte  -  Bruvi' s  Prccis  de  la  Geographie  universelle 
ist  der  6te  Theil  erschienen ,  welcher  die  allgemeine  Einleitung  in  die 
Erdbeschreibung  von  Europa  und  die  spec-elle  Beschreibung  der  östli- 
chen Hälfte  dieses  Welttheils  enthält.  Der  ganze  Welttheil  wird  in  17 
physische  Regionen  getheilt,  die  verschiednen  Nationen ,  die  alten  und 
neuen  Sprachen  classificirt  und  eine  neue  Theorie  der  verschiedenen 
Klimate  gegeben.  Die  specielle  Beschreibung  der  Türkei ,  Ungarns, 
Galliziens,  Polens  und  Russlands,  oder  der  Länder  der  Griechischen, 
Albanesischen,  Slavischen  und  Finnischen  Race  enthält  auch  geschicht- 
liche Nachweisungen  der  Sitten,  Sprachen,  Glauhenslehreu  und  Ver- 
fassungen dieser  Völker. 


Das  Conseil  der  Universität  zu  Paris  hat  Lefranc's  Grammatiken 
der  Französischen  und  Lateinischen  Sprache  für  den  Un- 
terricht des  Herzogs  von  Bordeaux  bestimmt  und  für  classisch  erklärt. 
Die  Lateinische  Grammatik  soll  sich  vorzüglich  durch  Methodik  aus- 
zeichnen ,  so  dass  sie  die  altern  Grammatiken  von  Lhomond  und  Que- 
roult  verdrängen  werde.  Ausserdem  sind  die  Lateinischen  JFör- 
terbücher  y/on  iVoeZ  und  P/a/icAc  und  die  Griechische  Gramma- 
tik von  Bournouf  als  die  bessten  Schulbücher  empfolilcu. 


In  England  ist  erschienen:  A  New  Greek  and  English  Lc- 
xicon,  principally  lipon  the  Plan  of  the  Grcck  and  German  Lcxicon  of 
Schneider.  By  James  Donnegan.  (London.  182G.  8.  1  Pf.  11  Seh.  6  D.)  — 


M  i  s   c  e  1  1  c  n.  4'7Tf 

Rams7iorn''s  Lai  ein  ische  Grammatik  wird  jetzt  ins  Englisclie  über- 
setzt; so  wie  Jf'altcr  Scott  eine  Lebersetziing  von  Güflic's  Götz  von 
Berliching  en  geliefert  hat.  Früher  erschien:  yt  Copious  Latin 
G  ramm  ar  by  I,  L  G.  ScIicUcr.  Translatcd  from  thc  German,  witk 
yiltcrations,  Notes  et  Additions,  by  George  ff\ilker.  London.  1825.  2  vols, 

8.  1  rr.  10  Sch. 


In  Schweden  pah  ./.  G.  Locnbom  iin  Aorlg'en  Jahre  ein  Ilandbnck 
der  Griechischen  J I  teri  h  Um  e  r  lieraus.  S.  Convcrsationsbhitt 
1826  >ir.  117  S.  -HHi.  Tallhcrg  hat  ein  sehr  kurz  und  gedrängt  gcar- 
heitetes  H  c  br  ä  i  sch  -  Sc  hw  e  d  is  c  hcs  Wörter  buch  für  Sclmlen 
und  Gymnasien  geliefert,  das  erste,  welches  in  Schwed isolier  Sprache  exi- 
stirt.  Ihdtmanns  G  riech.  Schulgrammatik  ist  ins  ScliMedische 
übersetzt  Morden. 

* 

In  den  Staatsarchiven  zu  LonrZon  hat  man  eine  vollständige  lieber- 
Setzung  des  Ji  oclh  ins  und  eine  Lebe  r  s  e  i  z  u  n  g  des  II  o  r  a  z  in 
Versen  von  der  Königin  Elisabeth  gefunden.  Die  Handschrift  des  Iloraz 
und  der  poetische  Theil  des  Uoethius  ist  von  ihr  selbst,  der  prosaische 
aber  von  ihrem  Secretair  geschrieben.  Dass  Elisabeth  den  Buetlüus 
übersetzt  habe  ,  darauf  hatte  schon  AValpole  in  Iloyal  and  noble  authors 
aufuierlt^aui  gemacht,  dass  aber  die  aufgefundene  Uebersetzung  von  der 
llaitd  der  Königin  sey ,  thnn  zngleicli  mit  aufgefundene  Briefe  von  ihr 
unvidersprerhlich  dar.  A  rgl.  Blätter  für  liter.  l'nterhalt.  Ar.  59  S.  23(i. 
Zu  \ork  beßndct  sich  in  Manuscript  eine  Sanimlnng  historisch- 
jiolitischer  D  enkwür  d  i  gkeiten  aus  der  Regierungszeit 
der  Königin  Eli  s  abeth  und  Jacobs  I,  worin  unter  Andern 
auch  eine  Apologie  der  Keuschheit  der  Königin  Elisabeth  steht. 

Für  die  al  t  e  N  o  rd  i  s  eh  e  Po  e  s  i  e  ist  von  dem  vor  kurzem  ver- 
storbenen Josias  Conybeare  [Professor  der  Angelsächsichen  Poesie 
zu  Oxford]  ein  wichtiges  A\  erk ,  Illustration  of  anglo-saxon 
poetry  (London  182())  erscliienen  ,  das  nach  dessen  Tode  sein  Bruder 
herausgegel)en  hat.  Der  \erf.  liat  fast  alles  benutzt,  was  über  die  An- 
gelsächsische Poesie  da  ist,  und  gefunden,  dass  diese  Gedichte  durch 
Alliteration  und  Reim  ganz  den  Kddaliedern  verwandt  sind.  Viele  dieser 
Gedichte  übertreffen  jedoch  an  Kün»tlichkeit  der  Assonanz  und  des  Reims 
alles,  was  aus  dieser  Art  bekannt  ist,  selbst  die  Poesien  der  Proven^a- 
len.  Die  drei  grössern  Gediclite  der  herausgegebenen  Sammlung  sind 
die  Geschichte  BeoMulfs  in  4i»  (»esängen,  ein  Fragnsent  auf  die  Schlacht 
von  Finsborough  und  ein  Fragment  auf  den  Tod  BeorhtnotKs  ,  Grafen 
von  Nordhumbria.      Vrgl.  Blätter  für  Uterar.  Unterhalt.   Ar.  100. 


Die  königl.  Baier'üche  Regierung  hat  dem  königl.  Preussischen  MI- 
nlsterio  der  Unterrichtsangelegenheiten  für  den  Professor  von  der  Ilagen 
Behufs  der  von  iiim   l)eal)>i(hligten   ILransgabe  eines   Ergänzungs- 
bandes der  M  an  e  s  s  i  s  c  li  e  n  S  u  m  ?Jt  l  u  n  g   d  c  r  M  i  nn  es  ü  n  g  e  r  den 
Jährt),  d.  ruil.  u.  l'üdag.  Jahra.  I.  Ihjt  'i.  gl 


478  M  !  s  c  c  1  1  e  n. 

sogenannten  Wurzlmrger  Codex ,  der  sich  gegenwärtig  in  München  be- 
findet, auf  ein  halbes  Jahr  geliehen.  Aus  der  Heidelberger  Bibliothek 
erhielt  derselbe  Gelehrte  zu  gleichem  Zwe«;ke  durch  Vcrmittelung  des 
küuigl.  Ministerii  die  Handschriften  350  und  357  der  Minnelieder. 


Im  20sten  Bande  der  Schriften  der  Gesellschaft  für  Skandinavische 
Literatur  hat  vor  kurzem  Hr.  Dr.  Bredsdorff  die  verschiedenen  Meinun- 
gen alter  und  neuer  Geographen  über  die  Lage  der  Insel  Thulc 
einer  kritischen  Prüfung  unterworfen  ,  und  angenommen,  dass  die  Al- 
ten darunter  den  südlichen  Theil  von  Norwegen  oder  die  dort  liegende 
Insel  Tiloe  verstanden  hätten ,  auf  der  sich  vielleicht  eine  Phöuizischc 
Handelsniederlassung  befand. 


Für  die  Nordische  G  e  s  ch  ichte  des  Mittelalters  ist  zu 
Kopenhagen  am  Ende  des, Vorigen  Jahres  folgende  wichtige  Schrift  er- 
schienen: De  Arahum  Pers  artimque  c  omntercio  cum  Russia 
et  Scandinavia  mcdio  aevo,  proludendo  scripsit  Dr.  Janits  Las- 
sen Rasmussen ,  CO  S.  in  4.  Derselbe  hat  bereits  1814  herausgegeben : 
Om  Arabernes  o  g  P  e  r  s  e  r  n  e  s  H  an  d  e  l  o  g  Bekiendtskab  med 
Rusland  og  Skandinavien  i  Mi  ddelald  er  en,  wovon  eine 
Französische  Uebersetzung  nebst  erläuternden  Anmerkungen  in  dem 
Journal  Asiatique  1824  u.  1825  Cahicr  XXVIII— XXXIl  steht. 

/ 

Der  berühmte  Reisende  und  Sprachgelehrte  Rask  in  Kopenhagen, 
der  von  seinen  mehrjährigen  Reisen  durch  den  Kaukasus ,  Persien  und 
Indien  einen  reichen  Handschriftenschatz  mitgebracht  hat ,  legte  vor 
kurzem  der  Skandinavischen  Gesellschaft  der  Literatur  die  Hauptresultate 
seiner  Forschungen  über  die  Zcjidsprache  und  den  Zend-  A  v  e- 
sta  vor.  Er  bewies  aus  sprachlichen  und  historischen  Gründen,  dasa 
die  Zendsprache  und  die  in  ihr  geschriebenen  Religionsschriften  nicht 
minder  alt ,  als  die  Sanskritsprache  ,  der  Zend  -  Avesta  aber  weder  ein 
untergeschobenes  noch  ein  aus  Traditionen  verfasstes  oder  gar  aus  dem 
Sanskrit  entlehntes  Machwerk  sey.  Die  Zendsprache  sey  der  Schlüssel 
zur  Keilschrift  und  ein  höchst  wichtiges  Mittelglied  zu  der  Deutschen 
Sprache.  Vrgl.  R.  Rask :  lieber  das  Alter  und  die  Echtheit 
der  Zend  -  Sprache  und  des  Zend  -  Avesta  und  Herstel- 
lung  des  Zend  -  Alphabet  s;  übersetzt  von  F.  IL  von  der  Hagen. 
Berlin ,  Duncker  u.  Humblot  1826.  VIU  u.  80  S.  8.  10  Gr. 


Für  vaterländische  Geschichte,  Altcrthumskunde, 
Geographie,  Statistik  und  Top  o  graphic  giebt  Hr.  Dr.  Joseph 
Schneider  in  Fulda  eine  neue  Zeitschrift  unter  dem  Titel  Buchonia  her- 
aus ,  wovon  das  erste  Heft  (Fulda  bei  Müller.  180  S.  8.)  vor  kurzem 
erschienen  ist  und  folgende  Abhandlungen  enthält :  Geschichte  des  Bii- 
chenlandes,  vom  Herausgeber;  Siegbert's  Ermordung  im Buchcnwalde, 
vom  Prof.  Schmitt;  des  vormaligen  Hochstiftes  Fulda  Münzen  und  Me- 
daillen aus  dem  Mittelalter  und  der  Jüngern  Zeit,  von  einem  Fuldaer; 


M  i  s  c  c  1  1  e  n.  4t9 

nlier  clnip:e  mcrkvrürdig'C  Fultlaisclie  Münzen  aus  dem  Mittelalter,  vom 
liej^ieninf^^sdireetor  Ilcrquet  [zu  beiden  Al)liiindliiiij2;en  ist  eine  Tafel 
mit  Miin/.abdrüekeu  j^ejjelten] ;  Gesehiclite  und  Topo';ra|)hie  des  Frauen- 
berges bei  Fulda,  vom  Prof.  Schmitt.  —  Der  Säcksischc  f  crcin  zur  Er- 
forschunp^  vaterländischer  AUerthümcr  zu  Leipzig  hat  den  ersten  Hand 
Beitrüge  zur  vaterlünd.  Jlterthumskunde  [  Leipz.  b.  Vo<^c.l 
lOi  ügn.  uebst  7  litlioj^ruiiliirten  Tafeln,  j^r.  8.  21  Gr.]  erseheinen  lassen. 


Der  Preis  von  Fr.  Crcuzcrs  Symbolik  und  Mythologie  der 
alten  f'ölkcr,  besonders  der  Griechen,  (zweite  völli«;-  umj^c- 
arbeitete  Auflage)  nebst  der  Fortsetzung  von  Fr.  Jos.  Moiic  unil  dem 
Kupferatlas,  ist  bis  zur  Leipziger  Ostermessc  1827  von  23  Tlilr.  18  Gr. 
auf  12  Thlr.  horal)g('setzt.  Der  vom  Dr.  Moser  daraus  besorgte  Aus- 
zug Mird  Aviihrend  der  neliiuliiJien  Zeit  für  2  Tlilr.,  die  Hälfte  des  La- 
denpreises ,  verkauft. 


Die  von  Ülto  Schulz  herausgngebene  ausführliche  Lateini- 
sche Graniviatik  (Halle  1825  in  8)  i»t  nebst  der  kleinem  desselben 
Aerf.  von  dem  königl.  Preussisehen  Ministerium  der  l  nterrieJitsangele- 
genlieiten  den  Preus!«iselien  Gynmasien  zum  Gel)rnueh  enipf(tlilen  Mor- 
den. Auch  hat  sicli  über  die  au>rülirlirhe  Grauunatik  ein  heftiger  Streit 
«'rlioben.  Ein  Heecnsent  <lersell)en  in  »ler  Jenaer  liiteratur- Zeitung  d. 
J.  >ir.  132  —  13-1  hat  neluiilicli  die  IJebaupluiig  aufgestellt,  dass  der 
grösste  Theil  dieser  Grammatik  mit  unixdeiitenden  Veränderungen  aus 
Hamshorn's  Lateinischer  Grammatik  (Leipzig  1824  in  8)  abge- 
sehrieben sey,  Mas  sich  besonders  aus  g§  35  —  3!),  43,  48  und  (»2  und 
in  der  Syntaxis  ergebe.  Dagegen  hat  Hr.  Schulratli  SchiUz  eine;  Erklä- 
rung (Berlin  bei  üieteriei,  auf  seine  Kosten,  11  S.  in  8)  drucken  las- 
sen, Morin  er  aufmerksam  macht,  dass  er  die  erMÜhnten  Paragraphen 
schon  früher  in  seiner  kleinern  Grammatik,  die  181.5  erschien,  fast 
M ortlich  so  gegeben  habe,  mIc  sie  jetzt  in  dem  grössern  Werke  siiili  be- 
fänden, dass  also  von  einem  Entnehmen  ans  Hamsliorn's  Grammatik 
nicht  die  Kode  seyn  könne;  auch  lasse  sich  in  den  erM ahnten  Abschnit- 
ten überhaupt  nicht  eine  soldie  Aehnlichkeit  ZMischen  beiden  S<"hriften 
aufflnden  ,  aus  Melcher  man  auf  gegenseitige  Benutzung  sehliessen  kön- 
ne. AVie  der  Kecensent  gegen  diese  EinMcndungen  seine  Behauptung 
schützen  M^erde ,  steht  noch  zu  erwarten,  nur  ist  zu  wünschen,  dass 
er  den  Streit  mit  weniger  Heftigkeit  und  mit  mehr  Ausschliessung  des 
Persönlichen  fortführe,  als  derselbe  jetzt  begonnen  hat. 


Die  vom  Prof.  Zttmpt  besorgte  Ausgabe  des  Q.  Curtius  Uufiin 
ist  den  sämmtlichcn  PTeussitichcu  Gymnasien  zum  Gebrauch  cnipfuh- 
Icn  worden. 


Der  Oberst  Caaado  -  Giraldea ,  Portugiesischer  Consul  zu  Ilavrö 
de  Grace  giebt  ein  Werk  untere  dem  Titel:  Tratado  com pleto  tlc 
cosmogruphia   et  g  c  o  gra  phia  h  islur  ica  ,    phy  s  ica  e  com- 

Ol 


480  M  i  s  c  e  1  1  c  n. 

tner cial,  antig a  e  moderna,  heraus,  das  auf  6  Bande  be- 
rechnet und  wovon  der  erste  Band  hercitsi  erschienen  ist.  Das  Werk 
beginnt  mit  einem  allgemeinen  Urariss  der  Geographie  als  Wissen- 
schaft ,  einer  Uebersicht  der  5  Welttheile  und  einem  geographisch- 
etatistischen  Gemälde  von  Portugal  und  Brasilien  und  geht  dann  zur 
alten  Geographie,  zur  Kosmographie  und  zu  den  wichtigsten  Ereignis- 
sen der  Geschichte  fort.  In  Portugal  hat  es  vielen  Beifall  gefunden, 
und  der  König  selbst  und  die  Prinzen  und  Prinzessinnen  des  königl, 
Hauses  befinden  sich  unter  den  zahlreichen  Subscribentcn.  Vrgl.  Blät- 
ter für  lit.  Unterhalt.  1826  Nr.  41  S.  164. 


Die  zu  Mailand  erscheinende  ß  ibliotheca  Itali  ana^  deren 
Redaction  Herr  Joseph  Acerhi  wegen  seiner  Ernennung  zum  k.  k.  Ge- 
neral-Consul  in  Aegypten  am  Ende  des  vorigen  Jahres  aufgeben  musite, 
wird  durch  die  Herrn  Gironi ,  Bibliotheliar  an  der  Brera  und  Herausge- 
ber des  Tasso,  Carlini,  Astronom  und  Ritter,  und  Funagclli,  Professor 
und  Vicesecretair  der  Kunstakademie  zu  Mailand ,  fortgesetzt. 


Ueber  die  Römischen  Alterthilmer  in  S avoyen  und  Pie- 
mont  hat  der  kunstiiebende  Hr.  Baron  von  Malzen  vor  kurzem  eine 
kleine  Schrift  —  Monumens  d^  aniiquite  r  omaine  dans  les 
etats  deSardaigne  cn  terre  forme.  Turin  1826.  gr.  fol.  — 
herausgegeben,  welche  bloss  an  Freunde  vertheüt  wird,  und  ausser  56 
Seiten  Text  eine  Carte  antique  des  etats  de  Sardaigne  und  13  Steindruck- 
tafeln enthält,  auf  denen  sich  folgende  von  einem  geschickten  Künstler 
genommene  Zeichnungen  befinden  :  Trophe  d'  Auguste  presia  Turbie; 
Ponte  Lugo  pres  d'Albenga;  Restes  d'un  aqueduc  ä  Aqui;  Are  d'Au- 
guste  ä  Suze;  Pont  de  St.  Martin;  Porte  taille  dans  le  roc  ä  Donas; 
Pont  de  St.  Vincent;  Are  de  triomphe  d' Auguste  ä  Aoste;  Porte  prc- 
torienne  de  la  cite  d' Aoste;  Edifice  roniain  ä  Aoste;  Aqueduc  d'Aima- 
nille;  Are  Campanus  ä  Aix  und  Temple  de  Diane  ä  Aix. 


Zu  Neufchatel  bei  Wollrath  ist  erschienen  :  Cata logue  des  me~ 
dailles  trouvees  dans  le  m,ois  de  Septembre  lS2i-  ä  Dom- 
br  esson ,  ausgeai'beitet  von  den  Geistlichen  Ladame  zu  Dombresson 
und  Morthier  zu  St.  Martin.  Er  enthält  ein  Verzeichniss  silberner  Con- 
sular  -  und  Kaisermünzeu  bis  auf  Nero  und  einer  ffoldenen  von  Tiberius. 


Eine  sorgfältig  gearbeitete  Schrift  von  Briganti  beschreibt  den 
Triumphbog en  von  Rimini;  die  Alter thümcr  von  Civitä 
Castellana  aber  eine  Sclirift  vom  Canonicus  Morelli,  D issert. . . 
che  Civitä  Castellana  e  Vantico  Veio.  Tomi.  1825.  288  S. 
8.  Vom  Niccolinischen  Museo  Burbonico  ist  das  ZAvelte  —  der  Ue- 
berschrift  nach  das  fünfte  —  Heft  erschienen,  welclies  ausser  andern  schon 
bekannten  Werken  des  Museums  die  Diana  von  Portici  und  den 
vor  zwei  Jahren  zu  Pompeji  gefundenen  Goldsch7mick  beschreibt. 
S.  Tübing.  Kunstbl.  41  S.  164.  Belehrende  Nachrichten  über  die  Her- 


M  i  s  c  c  i  1  c  n.  481 

culanisch  CTZ  Papyrusrollen  giebt  «üno  Sclirlft  des  Ciinonlcns  Jo- 
rio,  Officina  de"  Papiri,  Nup!.  1H25.  8.  Dersclhe  hat  cbciifalU 
zu  Neapel  1824  licr<ins!jo(i;cbcn  Mctodo  per  iiivcnire  e  fru- 
gare  i  scpolcri  degli  antichi,  182  S.  8,  mit  8  Steindrucken, 
woraus  ein  Auszug  im  Tübinger  Kunstbl.  1826  Nr.  40  bis  52.  steht. 
Vrgl.  Tübing.  Kunstbl.  182(i  ISr.  45  S.  180.  D.  Domen.  Rosctti  dl  Scan- 
dcr  hat  drucken  lassen :  Musaico  antico  scoperto  nelV  Aprilc 
dcl  18  25.  in  Trieste,  in  4.      S.  Ilespcrus  Nr.  152  S.  60G. 


Die  ZATei  im  Museum  7ai  Neapel  befindlichen  J  »In ^  h";i  i^'e  von  Erz 
in  vorwärtsgebogener  Stellung,  welche  man  anfangs  für  Athleten,  dann 
für  Diskus-lf'crfer  hielt,  sollen  nach  einer  neuen  Untersuchung  im  Tü- 
bing.  Kunstblatt  1826  Nr.  45  u.  46  Läufer  seyn  :  der  eine  3Ij'ron's  Läu- 
fer Ladas,  der  andere  entweder  eine  Copie  davon  oder  der  besiegte 
Läufer  Thi/mos. 


Im  Frühjahr  1825  hat  zu  Rom  der  Banquier  TorZon/ß,  Duca  d'iBrac- 
ciana  unter  Aufsicht  des  Professor  Aibby  in  den  zwei  Müllen  von  der 
Porta  Capena  an  der  linken  Seite  der  Appischen  Strasse  gelegenen 
Trümmern  eines  Römischen  Cireiis  die  S pina  aufdecken  und 
von  Schutt  räumen  lassen.  Die  Uesultate  dieser  Ausgrabungen  hat  Hr. 
ISibby  in  einer  besondern,  nicht  in  den  Buchhandel  gekommenen  Schrift 
—  Del  Circo  volgamente  detto  di  Caracalla.  Roma.  1825. 
46  S.  4;  —  bekannt  gemacht,  welcher  der  Architect,  Ilr  A.  de  Ro~ 
manis  einen  Plan  des  Circus  beigefügt  hat ,  und  woraus  ein  gnügender 
Auszug  in  dem  Tübinger  Kunstblatt  1820  Nr.  69  —  71  gegeben  ist.  Nach 
den  bisherigen  -Meinungen  war  dieser  Circus  entweder  von  Iladrianus, 
oder  von  Caracalla,  oder  von  Alexander  Severus ,  oder  von  Gallienus 
erbaut.  Hr.  NiJiby  schreibt  ihn  dem  Maxentius  zu,  und  schliesst  diess 
aus  Inschriftfragmenten,  die  man  am  westlichen  Ende  der  Spina  bei  der 
sogenannten  Porta  triiiinphalis  fand.  Ancli  werden  über  die  Eigenhei- 
ten des  Circus,  nanu-ntiich  über  die  Carceres ,  die  Spina  und  die  ^  er- 
zierimgen  ausführliche  Nachrichten  gegeben,  welche  um  so  wi<;htigcr 
sind,  weil  dieser  Circus  der  einiigc  ist,  indem  sich  die  Spina  erhalten  hat. 


Durch  die  Ausgrabungen ,  welche  die  Gebrüder  CIntoni  zu  Ostia 
machen  lassen,  ist  zn letzt  ein  wohlerhaltener  Sarkophas;  von  ge- 
wöhnlicher Arbeit  gefunden  worden,  dessen  llanptseite  die  Ge*cliichle 
der  Alcestis  in  einer  vorzüglichen  Darste^ung  enlliält.  Drei  Ilanptmo- 
mente  sind  durch  erliabene  Bildwerke  dargestellt,  dei»  Sciueckon  in  Ad- 
metus  Hause,  der  Tod  der  Alcestis  statt  ihres  Gemahls  und  ihre  Befrei- 
ung aus  dem  Hades  durch  Hercules.  Die  uähere  Beschreibung  steht 
im  Tübing.  Kunstblatt   Nr.  5*J. 


Bei  den  Ausgrabungen  zu  Pompeji  hat  man  in  den  letzten  Tagen 
des  Mai  einige  Skelette,  7  Ringe,  viele  Gold-,  Silber-. und  Kupfermün- 
zen und  andere  kleine  Sachen  von  Silber,  mehrere  kleine  silberne  Löl- 


482  M  i  s  c  c  1  1  e  n. 

fei,  von  deren  einem  der  Ilandf^^rilT  einen  Zieg-enfuss  vorteilt,  mehrere 
Gefässe  von  Erz  und  Ton,  Lampen,  Gewichte  und  andere  Geräth- 
echaften  gefunden.  • 


Zu  Brescia  in  Oheritalien  hat  man  diesen  Sommer  einen  se  Ar  gro- 
ssen Tempel  ausg^egrahen.  Schon  seit  undenklichen  Zeiten  nehm- 
lich  ragte  aus  einem  Hügel  bei  der  Stadt  eine  marmorne*  Säule  hervor, 
und  einer  Sage  nach  hatte  dort  ein  Herculestenipel  gestanden.  Vor  zwei 
Jahren  fing  man  an  nachzugraben  und  fand  auch  von  Zeit  zu  Zeit  Rö- 
mische Inschriften  und  andere  alte  Monumente.  Diesen  Sommer  end- 
lich wurden  <Ue  Funtlamente  eines  sehr  bedeutenden  Tempels  aufgedeckt 
und  man  fand  mehrere  Eingänge  zu  verschiedenen  bedeckten  Gängen. 
In  einem  derselben  stiessen  die  Arbeiter  den  21  Juli  auf  vier  vermauerte 
Kischen.  Bei  dem  Erbrechen  derselben  fand  man  in  der  ersten  eine 
kolossale  geflügelte  Victoria  aus  Bronze ,  deren  Augen  aus  Onjxsteinen 
bestehen ,  so  wie  sie  überhaupt  von  prächtiger  Arbeit  ist.  Um  sie  be- 
quemer einmauern  zu  können,  waren  Flügel  und  Arme  abgenommen 
und  lagen  zu  den  Füssen  der  Statue.  In  der  zAveiten  fand  man  einen 
reich  verzierten  Brustharnisch  eines  Pferdes  und  6  grosse  Büsten,  wovon 
eine  die  Faustina,  Gemahlin  des  Marc  Aurel,  darstellt.  In  der  dritten 
und  vierten  Nische  befanden  sich  eine  i^  Schuh  hohe  bronzene  und  schw  er 
vergoldete  Statue  eines  gefangenen  Königs  mit  Onyxaugen ,  und  ein  ko- 
lossaler bronzener  Arm,  beides  von  schöner  Arbeit.  Im  Gebäude  selbst 
entdeckte  man  mehrere  Inschriften,  deren  eine  von  der  Brixia  Ro- 
mana handelt.  Alle  diese  Schutze  sind  auf  das  Stadthaus  zu  Brescia 
gebracht  worden.  Die  Nachgrabungen  werden  eifrig  fortgesetzt ,  imd 
man  hofft  noch  viel  zu  finden ,  zumahl  da  die  Victoria  und  der  gebun- 
dene König  auf  einen  Triumph  hindeuten,  und  vielleicht  auch  noch  der 
triumphirende  Imperator  nebst  seiner  Biga  oder  Quadriga  dort  verbor- 
gen liegt, 


Bei  den  Ausgrabungen,  welche  der  Ritter  Biondi  mit  Genehmi- 
gung des  Königs  von  Sardinien  zu  Tusculiim  anstellen  lässt,  hat  man 
wieder  2i  Statuen,  aber  ohne  Köpfe  gefunden.  Der  Grundplan  der 
alten  Stadt  ist  noch  nicht  ans  Tageslicht  gebracht,  weil  der  Unterneh- 
|upr  zu  wenig  Arbeiter  verwendet. 


Das  Campanische  Amphitheater  zu  Neapel  ist  auf  Befehl 
des  Königs  mit  einem  Graben  »umzogen  worden,  wobei  man  viele  Säu- 
len und  Verzierungen  gefunden  hat.  Nächstens  will  man  auch  die  Pflan- 
zung von  Bäumen  und  die  lebendigen  Hecken  wegschaffen  und  es  vom 
Schutt  reinigen. 


Zu  Osterburken  in  Baden  etiess  man  den  15  Juli  in  dem  ehemahli- 
pen  Kurmainzischen  Kellereigebäude  beim  Graben  eines  Brunnens  in  ei- 
ner Tiefe  von  fi  Schuhen  auf  ein  Gemäuer,  dessen  SeitenAvand  mit  Gyps 
iiljer(,üncht  unt}  marmorartig  gefärbt,  der  Buden  aber  mit  hartgebrann- 


M  i  8  c  e  I  1  c  n.  483 

ton  roÜion  Thonpliittcn  belegt  Mar.       Die  letzteren  sind  raeiätens  1^ 
Schuh  lang,   1  Schuh  breit  und  1^  Zoll  dick  und  fast  alle  mit 

LEG.  XXII. 

PUr.  P.  F. 
bezeichnet.  Unter  diesen  Platten  befand  sich  ein  mit  zcrstossenen  Stei- 
nen veriuischter  G^jiüboden,  der  ungefähr  1  Schuh  tief  >var,  und  dar- 
unter Avaren  ebenfalls  gebrannte  Steine  gelegt.  Auch  fand  man  einige 
zerbrochene  llühren  aus  gebranntem  Thon  und  mehrere  sehr  lange  ei- 
eernn  ISägel.  Wahrscheinlich  allso  befand  sich  dort  vor  Zeiten  ein 
Schii'itzbad  der  2'lstcn  Römischen  Legion,  velchc  die  Eh- 
rennamen Primigcnia ,  Pia,  Felix  führte. 


Auf  deifl  Schonberg  im  Breisgau  hat  man  kürzlich  einen  grossen 
licgrübnissplatz  gefunden ,  auf  dem  mau  137  mit  Steinplatten  ausgelegte 
Gräber  bereits  geöffnet  hat.  Alle  diese  Gräber  sind  nach  Morgen  ge- 
richtet. Man  fand  in  ihnen  Pfeile ,  Spiesse  und  Welngeliängc  von  Ei- 
sen, Dolche  vom  feinsten  Stahl,  velcher  der  Feile  widersteht,  ScIiM'er- 
ter  halb  von  Eisen  und  halb  von  Stahl,  rothc  und  purpurne  Korallen, 
grosse  Stücke  Bernstein,  gefärbtes  Glas,  häufig  mit  Silber  eingefasst, 
vorzüglich  ein  himmelblaues  ,  das  man  bis  jetzt  noch  nicht  kannte.  Hr. 
Gymnasialpräfect  üchreibcr  in  Freiburg  wird  eine  Schrift  darüber  her- 
ausgeben. 


In  Ostfricsland  hat  man  in  der  Tiefe  eines  Torfmoores  einen  gut 
erhaltenen  me7iscft/ je  Acri  Leichnam  gefunden,  dessen  Tracht  auf 
uralte  Zeit  liinMeis't.  Er  trug  einen  Wamms  mit  weiten  Aermeln,  ohne 
Knopf  und  Knopflöcher,  weite  Hosen  nur  mit  ledernen  Riemen  zusam- 
mengezogen, Schuhe  aus  ungegerbtem  Leder,  ohne  Naht  und  Solen, 
aus  einem  Stück  gemacht  und  über  dem  Fusse  mit  einem  Riemen  zu- 
eummengebunden.    Diese  Kleidungsstücke  werden  in  Awich  aufbewalirt. 


Zu  Ilavre  ist  auf  derGabarre  Durance  eine  prachtvolle  Sammlung 
yt  e gy  ptischer  Denkmühler  angekommen,  m eiche  für  das  Orienta- 
lische Museum  im  Louvre  zu  Paris  bestimmt  ist.  Sie  macht  die  ganze 
Ladung  des  Schiffes  aus  und  ist,  die  grossen  Denkmähler  der  Bildhaue- 
rei,  von  denen  mehrere  ein  GcMicht  von  14  —  1800  (lentnern  haben, 
abgerccluiet,  in  mehr  als  100  Kisten  verpackt.  Die  dabei  befindlichen 
US  Manuscripte  auf  Papyrus  oiler  Lein\tiind ,  deren  melircre  15  —  20 
FusB,  eins  sogar  40  Fuss  lang  ist,  sind  alle  sehr  gut  erhalten.  Viele 
davon  sind  Griechisch.  Zwei  dieser  Griecliischen  Papyrus  sind  astro- 
logischen Inhalts ,  ein  anderes  Blatt  enthält  ein  Stück  eines  Griechisch- 
Lat<inischen  Wörterbuchs.  Ausserdem  fand  Chumpollion  d.  Jung,  dar- 
unter mehrere  schöne  li  rnchs  tue  k  c  der  lliits,  wcdche  mit  der  Pa- 
pyrusrolle  zusiinuuenliäiigen  sollten,  die  \or  einiger  Zeit  aus  A«'gypten 
nach  Cambridge  gritommen  ist  tind  ebenfalls  Stücke  der  Ilias  enthält. 
Leber  letztere  vird,  Mie  verlautet,  ein  gelehrter  Engländer  bald  ge- 
nauere Auekunft  crtlieilen ;   über  erstore  m  erden  die  Franzosen  liulVent- 


484  M  i  6  c  c  1  1  e  n. 

lieh  die  gelehrte  Welt  nicht  lange  in  Ungewisshcit  lassen.  Von  den 
übrigen  in  dieser  Siimmlung  befindlichen  Stücken  sind  besonders  zu 
bemerken :  ein  bronzener  Osiris  2  Fuss  7  Zoll  hoch  und  tine  gleiche 
weibliche  Statue  3  Fuss  hoch,  mehrere  bronzene  Rauchfüsscr  und  Spie- 
gel ,  eine  3  Fuss  8  Zoll  hohe  Harfe  noch  theihveise  mit  Diirmsuiten 
versehen,  deren  Kasten  mit  grünem  Saffian  überzogen  ist ,  eine  Trom- 
mel ganz  den  unsern  gleichend ,  mehrere  kleine  Figuren  ganz  von  Sil- 
ber und  Gold  und  sehr  schön  gearbeitet,  viele  Luxusartikel,  wie  Ohrge- 
hänge ,  Halsbänder ,  von  Gold  und  Silber ,  gegen  1000  Scarabäen ,  eine 
zierlich  geformte  Glasplatte  von  IG  — 18  Zoll  im  Durchmesser,  11  Mu- 
mien und  6  auf  Leinwand  gemalte  und  auf  Holz  aufgetragene  Por- 
traits  aus  der  Griechisch -Aegyptischen  Epoche.  —  Vrgl.  Bulletin  uui- 
versel  des  sciences  historiques,  1828,  septieme  section  Nr.  5  p.  377. 


Herr  Professor  Ludwig  Bachmann ,  welcher  1824  seine  Lehrstelle 
am  Gymnasium  zu  Wertheim  aufgab ,  um  eine  literarische  Reise  nach 
Italien  zu  machen ,  ist  vor  kurzem  von  derselben  zurückgekehrt.  Er 
hat  die  Bibliotheken  zu  Wien,  Venedig,  Rom,  Neapel,  Padua,  Bologna, 
Florenz,  der  Abtei  La  Cava,  besucht,  und  besonders  die  Handschriften 
über  alte  Lateinische  Gr  ammatiker  benutzt.  Für  diesen  Zw  eck 
fand  er  besonders  viel  auf  der  Bibliothek  zu  Neapel ,  von  der  j^zt  der 
Bibliothekar' JancZii  einen  sehr  genauen  Manuscriptencatalog  fertigt,  an 
dem  bereits  gedruckt  wird,  obschon  er  schwerlich  in  den  Buchhandel 
kommen  dürfte,  Herr  Prof.  Bachmann  hat  daraus  eine  genaue  Beschrei- 
bung der  dort  befindlichen  34  Handschriften  alter  Lat.  Grammatiker,  die 
manches  Ineditum  enthalten,  in  der  Schulzeitung  1826  Abth.  2  Nr.  78  be- 
kannt gemacht.  HaU.  Lit.  Zeit.  1826  Nr.  232. 


Herr  Raoul  -  Rochettc  aus  Paris  hat  eine  Reise,  nach  Italien  ange- 
treten ,  um  die  Alterthümer  und  Sammlungen  dieses  Landes  zu  erfor- 
schen und  kennen  zu  lernen. 


Hr.  Prof.  Schulz  aus  Giessen  hat  den  21  August  seine  Reise  nach 
Persien  angetreten  [s.  Hftl  S.  223],  und  ist  an  diesem  Tage  von  Toulon 
nach  Constantinopel  abgesegelt,  wo  er  sich  den  Herbst  über  aufhalten  will. 


Der  Missionär  Carl  Gülzlaff  aus  Pommern  tritt  binnen  kurzem  sei- 
ne Mission  nach  Java  und  Sumatra  an.  Er  hat  von  Sr.  Majestät  dem 
Könige  von  Preussen  ein  Geschenk  von  200  Thlrn.  erhalten,  um  dafür 
der  königl.  Bibliothek  zu  Berlin  im  Fache  der  Orientalischen  Literatur 
nützlich  zu  werden. 


Der  kühne  Reisende  Räppcl  aus  Frankfurt  am  Main  befindet  sich 
nach  den  neuesten  Nachrichten  in  der  Nähe  von  Mecca,  und  will  nach 
einem  längern  Verweilen  in  Arabien  zum  Persischen  Meerbusen  vordrin- 
gen und  von  da  in  sein  Vaterland  zurückkehren.  Die  naturforschendc 
Gcsclluchaft  zu  Franhfurt  gicbt  jetzt  auf  ihre  Kosten  einen  Atlas  der 


Miscellcn.  483 

Reisen  Ruppcls  im  nördlichen  Africa  heraus.      Vrgl.  Schul- 
zeit. 182«,  II  I^r.  73  S.  579  ff. 


Der  Eni^lischc  Ciipitiiin"  C/flrp;H-i<on,  M'clchcr  jetzt  in  Africa  reiü't, 
ging-  im  Anfiuij^  des  Deceiuber  vor.  Jahrs  durch  llio  (  Yariha  der  Ara- 
her)  und  erreichte  in  iler  Mitte  des  Aldnatü  Jennah,  eine  hedeulendc 
Stadt  des  Landes,  die  von  Katunj^a,  der  Ilaul)i^tadt  Hio's,  noch  30  Ta- 
f^ereisen  entfernt  ist.-  Aon  Katunga  ])is  ziini  Algier  (koMora)  sind  noch 
3  Tagereisen.  Clapperton  und  sein  IJedienter  liatten  bei  Uehersteignng 
des  Kong  sehr  an  dem  in  diesem  Lande  herrschenden  Fieber  gelitten, 
erholten  sich  jedoch,  nachdem  der  Kong  passirt  var,  in  dem  gesun- 
dern klima  von  Jennah.  Nach  den  letzten  Nachrichten  liatten  sie  die 
Hälfte  des  AVeg»  uach  Katunga  zurücligclegt  und  Maren  8°,  23',  30" 
ungefähr  2.500  Fuss  über  dem  Meere.  Dr.  Morison  und  sein  Bedienter 
kehrten  von  hier  Krankheit»  wegen  nach  Jennah  zurück  und  fielen  dort 
als  Opfer  des  Klimas.  Die  ZMeitc  Abtheilung  der  Reisenden  erreichte 
Dahomey ,  von  wo  Hr.  James  des  ungesunden  Klimas  Mcgen  an  die 
Küste  zurückreiste.  Herr  Dickson,  der  dort  von  dem  in  dieser  Jahres- 
zeit herrschenden  Fieber  hefallen  ward,  genas  wieder  und  zog  dann 
17  Tagereisen  nordwärts  nach  Shar,  südwestlich  von  Yaury.  —  Laut 
ISaclirichten  vom  Englischen  Consul  aus  Tripolis  vom  18  Juni  ist  der 
Englische  Major  Laing  in  Timbuctoo  glücklich  angekommen. 


Nach  dem  Monthly  3Iagazin  hat  Hr.  Dr.  GranviUe  in  England  die 
Mittel  entdeckt,  deren  sich  die  Aegypter  zur  Erhaltung  ihrer  Mu- 
mien bedienten.  Als  Bewahrungsmittel  giebt  er  das  Wichs  an,  ohne 
welches  alle  andere  Ingredienzien  unnütz  seyen.  Er  hat  mehrere  3Iu- 
mien  bereitet,  die  den  Aegyptischen  vollkommen  ähnlich  sind  und  al- 
len Aeränderungen  dÄ  Witterung  und  des  Klimas  widerstehen.  Ob  je- 
doch so  die  ganze  Kunst  der  alten  Aegypter  in  der  Mumisirung  des  Kör- 
pers aufgefunden  sey ,  steht  zu  hezM  eiieln ,  da  schon  Herodot  einen 
dreifachen  Unterschied  der  Mumien  erwähnt.  Vrgl.  lielzoni  f'oyage 
cn  Egypte  et  Nubie,  trad.  par  Depping  (Paris  1821)  T.  I 
p.  262  und  Waagen  über  die  in  den  Sammlun  g  cn  der  kün. 
Acad.  d.  JVissen^ch.  su  München  befindlichen  Mumien 
(in  den  Denkschriften  der  Münchner  Akademie)   S.  11. 


Hr.  Bcbian,  vieljährigcr  Lehrer  am  Pariser  Taubstummeninstitut, 
hat  eine  C  c6  e  rrf  cjis  c/t  r//(  oder  Mimographic  [ecritiue  niimi- 
que]  für  Taubstumme  erfunden,  welche  überall  verständlich  seyn  soll,  wo 
es  Taub^tumme  giebt.  Er  hat  desshalb  vor  kurzem  Grundlinien  zu 
einer  Theorie  dieses  mim  o  graphischen  Systems  (Paris  hei 
Colas)  mit  drei  Kupfertafeln  herausgegeben,  und  meint,  dass  der  Un- 
terricht der  Taiibj^tummen  nur  dann  erst  vollkommen  werden  könne, 
wenn  ein  mimisclies  Wörterbuch  abgefa-it  sey,  das  in  allen  Füllen  für 
die  Geberdensprachc  ale  Uichtschnur  dienen  könne. 


486  Todesfälle. 

Zu  Lötvcn  in  den  Niederlanden  hat  ein  Herr  lacotot  aus  Dijon  eine 
neue  Unterrichtsmethode  eingeführt ,  die  er  Altgemeinen  Unter- 
richt nennt.  Die  llegierung  hat  Hrn.  Kinker  als  Saihvfu-eitiindigen 
dahin  gesandt,  um  die  neue  Lehrart  zu  prüfen,  und  auszumitteln ,  für 
welche  Lehrfächer  sie  anwendbar  scyn  dürfte. 


Todesfälle. 


Jua  Anfang  dieses  Jahrea  starb  zu  Kasan  der  bereits  vor  mehrern 
Jahren  auf  Pension  gesetzte  Professor  der  Griech.  Sprache  Joh.  Ehrich, 
aus  Erfurt  gebürtig. 

Den  4  Januar  der  Veteran  der  Polnischen  Literatur  Simon  Bielsky, 
81  J.  alt. 

Deu  25  Januar  zu  Baumgarten  in  Mecklenb.  -  Schwerin  der  dorti- 
ge Prediger  Christian  Gottlob  Thube,  im  84sten  Jahre.  Er  war  frülier 
Rector  der  Schule  zu  Bützow,  und  hat  mehrere  theolog.  Schriften 
herausgegeben. 

Deu  13  Februar  zu  Mailand  der  Priester  Otiavio  Morali,  einer  der 
Bibliothekare  an  der  Brera  [des  dortigen  Kunstmuseums ,  welches  die 
Gemäldegallerie ,  die  Sammlung  der  Abgüsse  und  die  Kunstschulen 
in  sich  schliesst] ,  im  63  Lebensjalire.  Er  war  einer  der  ausgezeich- 
netsten Spracligelehrten  Italiens ,  der  besonders  ^urch  seine  Bear- 
beitung von  Ariost^s  Orlando  Furioso,  von  dem  er  die  cörreote- 
ete  und  schätzbarste  aller  Ausgaben  lieferte,  sich  grossen  Beifall  erwarb 
und  desshalb  auch  unter  die  ordentlichen  IVIitglieder  der  Academic  della 
Crusca  aufgenommen  ward.  In  seinen  letzten  Lebensjahren  arbeitete  er 
besonders  an  einem  Griechisch  -  Italienischen  Wörterbuche  für  Gymna- 
sien ,  das  er  fast  vollendet  hatte.  Eben  so  besi||iäftigten  ihn  Arbeiten 
über  mehrere  Italienische  Classiker,  namentl.  über  Galileo.  Vrgl.  Tü- 
bing.  Liter.  Bl.  59  S.  236. 

Den  5  März  zu  Warschau  der  Abbe  Anton  Dabrowski,  Professor 
der  höhern  Matliematik  an  der  Universität. 

Den  12  März  zu  Heldrnngen  der  Decan  Carl  Friedr.  JVilh.  Kadisch, 
gebor,  zu  Donndorf  bei  Sangerhausen  im  J.  1753  und  als  Verfasser  mehrerer 
grammatischen  Schriften  bekannt.  Er  kam  1781  als  Cantor  nach  Lützen, 
1782  als  dritter  SchulcoUege  nach  Sangerhausen  und  17yinach  lleldrungen. 

Den  29  März  zu  Oels  der  Director  des  dortigen  Gymnasiums  Gün- 
ther ,  auch  als  Schriftsteller  bekannt. 

Den  8  April  zu  Rom  der  Baron  van  der  J'ivcrc  aus  Gent,  66  Jahr 
alt.  Die  Manuscripte  seiner  histoi'ischen  und  philolog.  Foi'schungeu 
hat  er  der  Bibliothek  der  Jesuiten  vermacht. 

Den  11  April  zu  Lemgo  auf  einer  Geschäftsreise  Friedrich  Adolph 
Drösle,  Ilofprediger  der  Lutherischen  Gemeinde  zu  Detmold  und  Secre- 
tair  der  dortigen  Bibelgesellschaft,  Er  Avurde  geboren  zu  Lemgo  am 
IKov.  1755,  kam  1779  als  Conrector  au  das  dasige  Gymnasium,  und 
wurde  1791  Prediger  [mit  dem  Prädicat  Hüfprcdiger]  an  der  Luther. 


Todesfälle.  487 

KIrdie  zn  Detmold.  Als  Schriftsteller  hat  er  sich  iliirch  einige  Predig- 
ten bekannt  gemacht. 

Den  öOten  Ai)ril  zn  München  der  Ohcrstudienrath  Carl  Iloffmann. 

Den  2ten  Juni  zu  Wien  der  Professor  der  höhern  Matlienuitik  am 
polytechnischen  Institute  Joscpli  Ilantsclil,  gehören  zu  Zwickau  in  Böh- 
men 17(i!).      S.  AViener  priviieg.  Zeit.  iNr.  184. 

Den  5  Juni  zu  Oschatz  in  Sachsen  der  dortige  Archidiakonus  I\L 
Carl  Samuel  Uojfniann  (gebor,  «ihend.  d,  20  IVov.  l^JW),  durch  mehrere 
kleine  historische  Schril'ten  bekannt. 

Den  11  Juni  der  Griceh.  Metropolit  und  Bischof  von  Patras  Gcr- 
manos ,  Melcher  1821  das  Signal  zum  Aufstände  der  Griechen  gab. 

Den  16  Juni  zu  Tlsarand  bei  Dresden  der  Lehrer  der  Deutschen 
Sprache  an  der  dasigen  Forstakademie  F»iCf/J•/c/tC/t»•lst^a7^  iSc/ticnfccrt  (geb. 
zu  Dresden  am  8  Febr.  1157),  als  Belletrist  und  Historiker  bekannt.  S. 
Hall.  Lit.  Zeit.  Nr.  199  S.  7()7. 

Den  23  Juni  zu  ^lünchen  an  einem  Schleiraschlagc  der  geheime 
Rath  und  Generalsecretair  der  königl.  Baier.  Akademie  der  Wissenschaf- 
ten Dr.  Kajctan  von  Ji\'illcr,  Ritter  des  Civil-\  erdienst-Ordens  der  Baier. 
Krone  und  mehrerer  gelehrten  Gesellschaften  Mitglied,  (gebor,  zu  Mün- 
chen den  2  Ang.  17G2)  Professor  der  Philosophie  und  ehemahliger  Di- 
rector  der  dortigen  Studienanstalt.  Er  Mar  ausgezeichnet  als  Schrift- 
steller im  Fach  der  Philosophie  und  Pädagogik.  Vrgl.  Allg.  Anzeig.  d. 
Deutschen  1826  ^r.  192,  Schulztg.  Abtli.  2  Kr.  56  u.  63,  Kat.  Zeit, 
d.  Deutsch.  29,   Leip.  Lit.  Zeit.  Nr.  232. 

In  den  ersten  Tagen  des  Juli  zu  Warschau  der  Archäolog  Chri- 
stoph JFiesiolotvski ,  Mitglied  der  Gesellschaft  der  Freunde  der  W^isscn- 
schaften ,  im  84n  Jahre.  Er  hat  viele  Jahre  seines  Lebens  hindurch  in 
verschiedenen  Ländern  Europas  und  auf  den  Asiatischen  und  Africani- 
schen  Küsten  aus  den  Zeiten  des  alten  Griechenlands ,  Roms ,  Aeg^^j)- 
tens  und  Arabiens  die  seltensten  Münzen,  geschnittene  Steine  u.  s.  av. 
gesammelt,  m eiche  über  20000  Ducaicu  geschätzte  Sammlung  jetzt 
üflentlich  verkauft  m  erden  soll. 

Den  2  Juli  zu  Grimma  ^I.  Johann  GoUlob  Lunze,  emcritirtcr  Con- 
rector  der  Kicolai»chule  und  Lnterl)iblit)thekar  der  Rathsbibliothek  zu 
Leipzig.  Er  Mar  geboren  1753  zu  Süptitz  bei  Torgau,  und  >vard  1785 
Tertius ,  1795  Conrcctor  der  Leipziger  jMcolaischule  und  1820  in  den 
Ruhestand  versetzt.  Seine  Schriften,  von  denen  die  A  cad  emia  f  c- 
ncta  und  A'ic  Monimcntorum  typographicoruvi  decas  und 
tridccas  tVic.  vlclitigsten  sind,  und  sein  Leben  sind  zuletzt  beschrie- 
ben von  .///>.  Farbiger  in  den  Beiträgen  zur  Gcächichte  der  IN icolaischulc, 
Abth.  1  S.  81  f. 

Den  5  Juli  zu  London  Stamford  Rajflcs,  der  berühmte  Gründer 
von  Sincaporc  und  Gouverneur  und  Geschichtschreibcr  von  Java. 

Den  9  Juli  zu  ChmleloM  ka  in  Poh^n ,  m  älirend  einer  Ferienreise 
vom  Blitz  gctödtet,  der  Oberlelirer  am  l''rledrii;li»gjninashim  zu  Gum- 
I)iiinen  Ihrmann  Schupis ,  der  sich  ald  Lehrer  der  Muthemullk  rühm- 
lich auszeichnete. 


48S  T  o  il  c  s  f  fi  1  1  c. 

Den  10  Juli  zu  Nürnberg-  der  dortige  Gymnasialproressor  M.  Chri- 
stian Carl  Baibach.  Er  m ar  geboren  zu  INürnberg  17!)8 ,  stndirte  erst 
auf  dem  dortigen  Gymnasium  und  von  ISKi. — 1820  auf  den  Universitä- 
ten zu  Erlangen ,  Heidelberg  und  Leipzig.  Vrgl.  Hermann  de  Aescliyli 
Danaidibus  S.  XX^lII.  Als  Scliriftstellcr  hat  er  sich  durch  eine  Ab- 
handlung über  Plautus  und  eine  den  23  Mai  d.  J.  beim  Stiftungsfest  des 
Gymnas.  gehaltene  Rede  [S.  244]  bekannt  gemacht. 

Den  22  Juli  zu  Neapel  der  Dii-ector  der  Sternwarten  zu  Neapel 
und  Palermo  Pater  Piazzi  aus  dem  Theatinerorden,  in  seinem  81  Jahre, 
als  Astronom  und  Entdecker  der  Ceres  bekannt.  Vrgl.  Hall.  Lit.  Zeit. 
Nr.  238  S.  247  f. 

Den  10  Aug.  zu  Zwickau  der  Buchhändler  August  Schumann,  geboren 
zuEmbschütz  im  Weimar'schcn  am  2  März  1773,  als  Schriftsteller  beson- 
ders durch  sein  V  oll  stund  i  g  es  Staats-  Post-  %ind  Zeitungs- 
Lexiconvon  Sachsen  berühmt.   A'rgl.  Hall.  Lit.  Zt.  Nr.  255    S.  383. 

Den  15  August  ^u  Zeitz  der  Collaborator  Philipp  an  der  dortigen 
Stiftsschule,  der  erst  seit  zwei  Jahren  als  Lehrer  angestellt  war.  Vrgl. 
S.  246. 

'  Den  24  August  zu   Schneeberg  der  vierte  Lehrer  am  Lyceum  M. 

Johann  Andreas  Jage  im  65n  Jahre. 

Den  28sten  August  in  München  auf  einer  Erholungsreise  plötz- 
lich an  einem  Schlagflusse  der  Hofrath  Dr.  Ludwig  Heller,  Professor 
der  alten  Literatur  und  Beredtsamkeit  und  Director  des  philolog.  Semi- 
nars auf  der  Universität  zu  Erlangen. 

Den  30  August  zu  Paris  der  Akademiker  Noel  Gabriel  Luc.  Villars, 
78  Jahr  alt,  durch  seine  metrische  Uebersetzung  des  ersten  Buchs  der 
Illade  bekannt. 

Den  19  Sept.  zu  Schwetzingen  während  eines  Besuchs  bei  einem 
Freunde  nach  kurzem  Krankenlager  der  Prälat  Dr.  J.  P.  Hebel,  geb.  zu 
Basel  17C0,  besonders  durch  seine  Allemannischen  Gedichte  bekannt. 

Den  21  Sept.  zu  Jena  der  Professor  der  Philosophie  und  Biblio- 
thekar der  Universitätsbibliothek  Dr.  Georg  Gottlieb  Güldenapfel  im 
Slsten  Jahre.      S.  Hall.  Lit.  Zeit.  Nr.  207  S.  479. 

In  der  Nacht  vom  21  —  22  Sept.  zu  Breslau  der  Regierungsrath 
und  Ritter  des  rothen  Adlerordens  Carl  Conrad  Streit,  geb.  zu  Gross- 
Glogau  am  2  März  1747.  Literarisch  hat  er  sich  besonders  durch  die 
Begründung  und  Herausgabe  der  Schlesischen  Proviazialblätter  um 
Sclüesien  verdient  gemacht. 

Den  23  September  der  Hülfslehrer  Stoecker  am  Gymnasium  in  Hamm. 

Den  2  Octob.  zu  Berlin  der  Dr.  Abekc,  Professor  am  Joachimsthar- 
echen  Gymnasium  ,  in  einem  Alter  von  32  Jahren.  Er  liatte  in  den 
Feldzügen  von  1813  bis  1815  erst  als  FreiM'illiger  beim  Lützow'schen 
Corps  und  später  als  Officier  gedient. 

Den  2  Octob.  zu  Griessbach  bei  Augsburg  der  zweite  Redacteur 
der  allgemeinen  Zeitung  und  Secretair  des  polytechnischen  A  ereins  in 
Augsburg  Dr.  Wiedcmann,  48  J.  alt. 

Den  3  Octob.  zu  Hamburg  der  Dänische  Dichter  Eaggcsen  auf  der 


Schul-  und  Universi  t  ii  1 9  naclir  Icht  cn.  489 

Rückreise  nach  Kopenhaum ,  nachdem  er  sic^h  G  Jaliro  In  Franlirelch 
aufgehalten  liatte.  Er  liinteiläsisit  hu  31anusciii)t  ehi  voHenik-tes  epi- 
sches Gediclit,   yidam   und   Eva. 

Den  25  Octoh.  zu  Ziirich  der  Chorlierr  und  Pfarrer  an  der  heil. 
Geistkirche  Cunrad  von  Orvlli ,  als  lleraiisgeher  mehrerer  Griech.  und 
Uöm.  Schriftsteller  hekannt. 

N  acht  rag  zum  Istcn  Heft.  Der  den  29  Jan.  verstorhcne 
K.  IL  Zimmermann  ( S.  224)  war  Canzleidirector  zu  Berlin,  nicht  üi- 
rector  des  Joachimsth.  Gyulna^itl^^s.  —  Eine  an^führlichc  Lchenshc- 
schreibuiip:  des  verstdrh,  Jo/i.  Falk  (S.  224)  stellt  in  den  Zcitiic  nas- 
sen, INeue  Ueihe  lid.  5  ]\r.  20  S.  1  —  (il  ,  andere  iNachrichten  in  der 
Liter.  Zeit.  f.  Deut>chl.  Volksschullehrer  •lb2()  llft.  3  S.  Uiü  — 198.  — 
l  eher  Joh.  Ilcinr.  J  oss  (S.  22())  rrgl.  Neues  Archiv  f.  riiilolof,«-.  u.  Pii- 
dagr-  Jahrg.  1  llft.  1  u.  2  S.  123  — 132.  Ein  sprechend  ähnliches  Bild 
desselben,  von  ^^'.  Unger  nach  W.  Tischhein  j^ezeichnet,  ist  zu  Ham- 
hur«!^  bei  Conimeter  erschienen.  —  Ausführlichere  Nachrichten  über 
Feldliami  (S.  226)  fiiulen  sich  in  der  Krit.  Biblioth.  llft.  7  S.750;  über 
Böhme  (S.  227)  in  der  Schulzeit.  Abtli.  2  Nr.  (»3  S.  500  f.;  über  von  Ku- 
ramsin  (S.  228)  in  der  Nordischen  Biene  und  daraus  in  der  Schulz,  a.  a.  O. 
S.  41)9  f. ;  über  Rudolph  (S.  228)  in  der  Hall.  Lit.  Zeit.  Ar.  1«J9  S.  767. 


Scliul-  und  Uni versitätsnacliri eilten ,    Belorderungen   und 
Eluenbezeig  ungen. 


Aecypte^.  Der  Vicekönig'  lässt  zu  Boi-lah  im  Pallaste  seines  Sohnes 
eine  ülTentlichc  Unterrichtsanstalt  einrichten,  in  >velchcr  Griechisch,  La- 
teinisch, Araliisch,  Türkisch  und  Persisch  gelehrt  M erden  soll.  Zu  Caiuo 
wird  ein  botanischer  Garten  angelegt,  und  es  erscheint  eine  nach  dem  Clu- 
ster des  Französ.  Monileur  eingerichtete,  halb  Arabisch,  halb  Italienisch 
geschriebene  Zeitung.  Zu  Ale\'a\drie>  soll  ein  Komödienhaus  gebaut 
Verden.  ZMischen  ALEXA^DRIE^  und  Cairo  Avird  von  dem  Armenier 
Peter  Ahro  eine  Telegraphcnlinic  eingerichtet,  die  sich  nach  und  nach 
über  das  ganze  Land  verbreiten  soll. 

Baizlv.  Die  nengestiftete  Adjunctur  am  G ymnasinni  (  s.  S.  231), 
welche  niclit  mit  200,  sondern  mit  300  Thlrn.  fundirtist,  hat  Hr.  M. 
h'retschmar,  bisher  Privatlehrer  in  Dresden,  erhalten.   Vrgi.  Goerlitz. 

Beblix.  Das  zu  einer  Realanstalt  umgebildete  Cöllnische  Gymna- 
sinm  hat  den  Namen  Cöllnisches  Jicalirymnasium  erhalten.  Die  S.  231 
davon  gegebenen  Nachrichten  sind  dahin  zu  berichtigen,  dass  Ilr.  hlö- 
dcn,  frülier  Director  des  Schullehrerseminars  zu  Potsdam,  eigentlich 
Director  der  neuerricliteten  Gev.erbsschule  ist  und  nur  interimistisch  die 
Direction  des  Cöllnischen  Realgymnasiums  verwaltet.  Hr.  Dr.  Schmidt 
ist  -Mitdirector  der  Anstalt.  Lebrigens  hat  keiner  der  dort  angestellten 
Lciucr  den  Titel  Professor,  ausser  Hrn.  Üchmidt,  welcher  denselben  als 


490  Schul-  und  Univcrsitätsnaclirichten, 

besondere  Auszeichnung  vor  vielen  Jahren  erhalten  hat.  Eine  Geschich- 
te des  Cüllnisclien  Gymnasiums  findet  sich  in  folgenden  zwei  Schul- 
schriften :  1)  Die  ältere  Geschichte  des  Köllni  sehen  Gymna- 
siums bis  zu  seiner  Fereinigung  mit  dem  Berlinischen 
Gymnasium,  nebst  einigen  Worten  über  dessen  jetzige 
B  est  immun  g.  Womit  zur  öffentlichen  Prüfung  den  2S.  März  (1825) 
einladen  die  Directoren  der  Jnstalt  K.F.  Kl  öden  und  W.  H.Schmidt, 
Berlin  gedr.  b.  Dieterici,  44  S.  8.  2)  Die  G-eschichtc  des  Köll- 
ni sehen  Gymnasiums,  während  seiner  V  er  eini  gung  mit 
dem  Berl.  Gymnas.  Womit  zur  öffentlichen  Prüfung  den  20  März 
1826  —  einladen  die  Directoren  der  Jnstalt  u.  s.  w.  Ebenda  80  S.  8. 
Erster  Director  der  vereinigten  Lehranstalt  (1767)  war  Anton  Friedrich 
Büsching,  dessen,  so  wie  seiner  CoUegen  und  NacJifolger  Leben  und  Wir- 
ken kurz  beschrieben  wird,  —  Eine  Geschiclite  des  Berlinischen  Gym- 
nasiums zum  grauen  Kloster  (gegründet  1574  )  mit  seinen  alten  Denk- 
mälern als  Franciscanerkloster  und  Gymnasium  hat  Ilr.  Dr.  J.  J,  Bel- 
lermann in  vier  Programmen  geliefert ,  1824  — 1826  ,  70,  77 ,  84  und.  61 
S.  in  8.  Die  beiden  letzten  sind  zu  Berlin  bei  Nicolai  für  12  Gr.  zu 
haben.  Vrgl.  Beck's  Repert.  1826,  II,  4  S.  302  —  304  und  Schulzeit. 
Nr.  79  S.  631.  —  Im  JoachimsthaV sehen  Gymnasium  Avardllr.  Dr.  Mei- 
neke  den  10  Juli  als  Director  durch  den  Hrn.  Obcrconsistorialrath  Nolte 
feierlich  eingeführt.  Er  hatte  dazu  als  Programm  Quacsti  onum 
scenicarum  spec.  I  (Berlin  gedr.  b.  Spener.  5i)  S.  4)  geschrieben 
und  hielt  eine  Lateinische  Rede  de  praecipuis  quibus d am  scho- 
lasticae  disciplinaepraesidiis  et  ad  j  umentis.  S.  Hall.  Lit. 
Zeit.  Nr.  203  S.  7y9.  Hr.  Prof.  Zumpt  hat  den  Ruf  nach  Kiel  abge- 
lehnt, seine  Stelle  am  Gj-mnasium  verlassen  und  die  historische  Profes- 
sur an  der  Kriegsschule,  zu  welcher  er  schon  seit  längerer  Zeit  als  Mit- 
glied der  Militärstudiencommission  in  Verhältnissen  stand,  übernommen. 
Dagegen  ist  an  dem  Gymnasium  der  Schulamtscandidat  Dr.  Conrad  als 
Oberlehrer  wirklich  und  der  Prediger  Reuscher  (unter  dem  7ten  Octob.) 
als  Lehrer  der  Französ.  Sprache  vorläufig  angestellt  worden.  Eben  so 
sind  dem  Dr.  Constantin  Ilgen  aus  Schulpforta  (der  vor  kurzem  zur  Er- 
langung der  Philosoph.  Doctorwürde  geschrieben  hat:  D  is  quisitio- 
nis  de  tribubus  Atticis  earumque  partibus  specimen,  Scri- 
psit  et  ampl.  philosoph.  ordinis  Berolinensis  auctor.  —  d.  Till.  Jid.  1826 
publice  def endet  etc.  Lipsiae  typis  Vogelii.  79  S.  in  8. )  gegen  eine  an- 
gemessene Remuneration  Lectionen  an  dieser  Anstalt  bis  zur  Wiederbe- 
setzung der  durch  Abekens  Tod  (s.  S.  488)  erledigten  Stelle  vorläufig 
übertragen  worden.  —  Am  Französischen  Gymnasium  ward  dem  Ober- 
lehrer Saunier  unter  dem  11.  Sept.  das  Prädicat  Professor  beigelogt.  — 
Im  Oberconsistoriura  und  Schulcollegium  der  Provinz  Brandenburg  er- 
hielt Hr.  Oberconsistorialrath  Nolte  das  Prädicat  eines  Avirklichen  Ober- 
consistoriah-athes  und  Hr.  Otto  Schulz ,  zeitheriger  Prof.  am  Berlini- 
schen Gymnasium,  Avard  zum  Schulrath  ernannt.  —  Herr  Dr.  Ehren- 
herg  hat  bei  der  Rückkehr  von  seiner  Africanischen  Reise  (s.  S.  223) 
den  rothen  Adlerorden  3r  Classc,  ein  Geschenk  von  1000  Tlilrn.,  und 


Beförderungen  und  Ehrenbezeigungen.  491 

einen  Jahrgelialt  von  1000  Tlilrn.  l)is  zu  seiner  Anstellung  erhalten. 
Derselbe  Mird  nun  zunächst  eine  nusfiilirlichc  Heschroibung  bciner  Ucise 
herausgeben.  —  Die  iihilologiscli  -  historische  Classe  der  Akademie 
der  Wissenschafton  hat  am  on  Juli  Hrn.  Prof.  Gcscnius  in  Halle,  und 
Hrn.  Dr.  Jacob  Grimm,  kurfiir>tru;lien  IJibliothekar  in  Casscl,  zu  corre- 
spondirenden  ^litgliedern  erMÜhlt.  —  Hei  der  l  iiiversität  sind  vom  1. 
Jan.  bis  zum  letzten  Juni  d.  J.  312  Inländer  und  9!)  Ausländer,  neiiuillch 
105  bei  der  tbeologisclien ,  1!)2  bei  der  juristischen ,  57  Itei  der  niedici- 
nischen  und  57  bei  der  pIiilosophiscIuMi  Facultät  immatriculirt  worden. 
Von  den  Inländern  bracliten  70  dasSchul/.eugnIss  der  unbedingten  (Nr.  I), 
194  das  der  bedingten  Tinhtigkeit (Nr.  II)  und  42  das  der Lntiichtigkcit 
CNr.  III)  mit.  Das  philologische  Seminar,  m  elches  unter  der  einsichtsvollen 
Leitung  des  Hrn.  Prof.  Bocckli  aufs  glucklichste  gedeiht,  liattc  Mährend 
des  allgelaufenen  Studienjahrs  folgende  ordentliche  Mitglieder:  Jdd- 
bcrt  Ziiglcr  aus  Posen.  Friedrich  Cramer  aus  Erfurt,  Anton  Pelliier  aus 
Cöln,  Ludwig  Paid  aus  Schwedt,  Carl  irinkclmann  aus  dem  Herzogthum 
Sachsen,  Adolph  Trendderburg  aus  Holstein,  Heinrich  Stieglitz  ausAroI- 
sen,  Constantin  Ilgcn  aus  Schulpforta,  ifilhelm  Jieuter  aus  Hildesheim, 
Carl  Schmid  aus  AVittcnberg,  Rudolph  Klausen  aus  Holstein,  y/i/o'i/st/yutt- 
Tnanre  aus  Berlin ,  Gustav  Simon  ans  Posen ,  Rudolph  Lorenz  aus  Berlin 
und  Carl  Lehmann  aus  Eisleben.  Ausserdem  besuchten  im  AVintcr  33, 
im  Sommer  2(»  ausserordentliche  ]>Iitglieder  das  Seminar.  Das  A  er- 
zeichniss  der  Vorlesungen  für  das  Winterhalbjahr  182()  (Berol.  typis 
academicis,  23  S.  in  4)  enthält  S.  3  —  9  eine  Abhandlung  des  Hrn.  Prof. 
Boeckh  de  A  r  eop  a  g  o.  Der  geheime  Uath  und  Prof.  von  Savigny 
geht  auf  15  Monate  nach  Italien,  theils  seiner  Gesundheit  wegen,  theils 
nm  die  dortigen  Bibliotheken  für  seine*  Forschungen  über  das  Römische 
Recht  zu  benutzen  und  namentli<'h  Materialien  für  die  Rechtsgeschichte 
des  Mittelalters  zu  sammeln.  Der  ausserordentliche  Prof.  Dr.  Leo  ist 
zweiter  Collaborator  bei  der  königl.  Bibliothek  mit  einem  Jahrgehalt 
■von  400  Tlilrn.,  der  Privatdocent  Dr.  Sluhr  luitcr  dem  7.  Octob.  ausser- 
ordentlicher Professor  bei  der  philosoph.  Facultät  geworden.  Vrgl. 
PuEissKN.  —  Der  im  vorigen  Jahre  verstorbene  Knnstgärtner  Matthias 
Kinn  in  Philadelpliia  hat  in  seinem  Testament  seine  botanischen  Samm- 
lungen Nordaraericanischer  Pflanzen,  die  Früchte  eines  dreissigjährigen 
Fleisses,  dem  bereits  verstorbenen  Staatsminister  von  Struensec  vermacht, 
dessen  Erben  diese  Sammlnng  dem  königl.  Herbarium  in  Keischok- 
nEBERG  bei  Berlin  zum  Geschenk  gemacht  haben. 

Bow.  Zur  Feier  des  Geburtstags  Sr.  .Majestät  des  Königs  schrieb 
Hr.  Prof.  Gieselcr:  Symbolae  ad  historiam  monastcrii  Lacensis  er  codd. 
lionnens.  dcpromptae.  36  S.  in  4.  Bei  der  katholisch -theologischen 
Facultät  ist  der  Priester  und  bisherige  Prof.  der  Theologie  am  Lycenm 
zu  Braunsberg  Dr.  Achtcrfeld  ordentlicher,  bei  der  philosophischen  der 
Privatdocent  Dr.  Pelcr  Joseph  Elvenich  unter  dem  7ten  Octob.  ausseror- 
dentlicher Professor  geworden.  Vrgl.  PKTEnsnriic.  Seit  dem  Novem- 
ber 1825  ist  auf  der  Universität  für  die  gesaminten  NatnrMissenschaften 
ein  Seminarium  gegründet,  dessen  Hauptzweck  ibt,  einerseits  Lehrer  für 


492  Schul-  und  Univcrsltätsnachrichtcn, 

die  Natunvis&enschaften  an  liölicrn.  Untcrrlchtsanstaltcn  und  vorzüglich 
an  Gymnasien  und  Bürgerschulen  zu  bilden,  und  andererseits  die  natur- 
■w  issenschal'tlichen  Studien  überhaupt  noch  mehr  zu  befördern  und  ihnen 
ilire  Würde  und  den  gebührenden  Antheil  an  der  ailgemeinwissen- 
schaftlichen  Bildung  der  Studirenden  zu  sichern.  Die  Vorsteher  des 
Seminars  sind  die  jedesinahligen  ordentlichen  Professoren  der  PJijsik, 
Chemie,  Zoologie,  Botanik  und  Mineralogie,  jetzt  die  Ilrrn,  von  Mun- 
chow,  Bischoff  d.  Jung.,  Goldfuss,  Necs  von  Esenbeck  d.  Jelt.  und  jVö»-gc- 
raih.  J3irector  desselben  ist  bis  auf  Aveitere  Bestimmung  der  Prof.  Dr. 
]\'ces  von  Escnbeek  d.  Aclt.  Die  Anzahl  der  wirklichau  Mitglieder  ist  vor- 
läufig auf  15  —  20  hestimmt.  —  Die  von  Erlangen  nach  Bonn  ver- 
pflanzte Leopohlinisch- Carolinische  Akademie  der  Naturforscher  ist  durch 
die  Bemühungen  ihres  gegenwärtigen  Präsidenten  Aees  von  Esenbeck  zu 
neuer  rühmlichen  Thätigkeit  belebt  Morden,  Sr.  3Iajestät  der  König 
von  Preussen  haben  mittelst  Cabinetsordre  vom  7  August  d.  J,  auf  An- 
trag des  k.  Ministeriums  der  Untcrrichtsangelcgenheiten  dieser  Gesell- 
echaft,  nachdem  ihr  schon  unter  dem  19  Aug.  1822  zur  Beförderung  ih- 
rer wissenschaftlichen  Zwecke  jährlich  eine  Summe  von  500  —  GOOTlilrn. 
zugesichert  und  zeitlier  ausgezahlt  worden  war ,  eine  Aveitere  Unter- 
stützung von  600  Tislrn.  vorläufig  auf  drei  Jahr  unter  der  Bedingung 
bewilligt,  dass  die  Akademie  bis  dahin  ihren  Sitz  in  den  Preussischen 
Staaten  behalte  und  fortdauernd  für  die  Wissenschaften  beifallswürdige 
Leistungen  liefere.  Die  sämmtlichcn  Attribute  der  Akademie ,  welche 
in  einer  ansehnlichen  Bibliothek  von  natnrhistorischen ,  medicinischen 
und  anatomischen  Werken,  und  aus  einer  Menge  von  natürlichen  und 
Kunstseltenheiten  hestehen,  sind  in  einem  schönen  und  geräumigen  Saale 
des  Schlosses  zu  Pezzelsdorf ,  welcher  der  Akademie  unentgeltlich  em- 
geräumt  worden  ist,  aufs  zweckmässigste  aufgestellt. 

Breslau,  Zu  Anfange  dieses  Jahres  betrug  die  Schülerzahl  auf 
dem  Maria -Magdalenengymnasium  415  in  7,  auf  dem  Elisabethgymna- 
eium  409  in  6  und  auf  dem  Friedrichsgymnasium  201  in  6  Classen.  Zur 
Universität  wurden  im  vorigen  Schuljahre  von  dem  ersten  22,  von  dem 
zweiten  20,  von  dem  dritten  6  Schüler  entlassen.  Auf  dem  Elisabeth- 
gymnas.  niusste  im  vergang.  J.  wegen  Mangel  an  Raum  gegen  60 
Schülern  die  Aufnahme  verweigert  Averden.  Als  Programm  erschien 
zu  den  diessjähr.  Frühlingsprüfungen:  De  ratione  tradendorum 
mathematum  in  g-y  mnasiis  adhib  enda  commentaiio,  qua  ad  exa- 
meu  —  invitat  S.  G.  Reiche,  rector  et  professor.  Vratislav.  1820,  28  S. 
in 4.  Am  Fridericianum  ersclüen  zu  gleicher  Zeit :  D  e  P etr  o  Esch  en- 
loero  antiqui  s  simo  r  c  runi  V  r  atislav  i  cnsium  scriptore 
ejusque  commentariis  scripsit  Dr.  Joa.  Thcoph.  Klinisch.  Ad  exa- 
men  —  invitat  Dr.  Car.  Ludov.  Kannegicsser.  24  S.  in  4.  Herr  Kunisch 
kündigt  durch  dieses  Programm  zugleich  eine  Ausgabe  der  Commenta- 
rien  oder  Memoiren  von  Eschenlör  an,  die  auf  Subscription  in  zwei 
starken  Bänden  [jeder  gegen  40  Bogen]  bei  Max  und  Comp,  in  8  er- 
scheinen und  nur  2  Thlr.  kosten  soll.  Vrgl.  Dakzig.  In  dem  Magda- 
leneum  ward  am  28  Juni  früli  lun  11  Uhr  eine  Gedächtnissfeier  des  den 


Bof  o  rilcrungcn  und  Ehrcnbezeig'ungcn.  493 

9  Juni  [  nit  lit  9  Mai ,  wie  falsch  S.  227  Lcrichtct  worden  ]  verstorLcncn 
Manso  |;{'l'iifrt.  Die  ülicratis  ähnliche  lJÜ!«te  des  Verewigten,  welche 
auf  Veranhis-iiin'::  des  voilelzten  llcrzoj^s  \ou  Gotha  der  Itildliaucr  Un- 
«jer  yerfertip:t  liat,  Miirde  dabei  vor  dem  Lehrstuhl  aiifj^^estellt.  Hr. 
Proreetor  Dr.  Glockcr  hielt  die  Gedäehtnissrede  und  entwarf  in  kurzen 
Züj^eu  das  IJild  des  \  olleiideten.  Das  erletli^t(^  Ueetorat,  wehhen  llr. 
Dr.  Glockcr  y  weil  er  seine  Aerhältiiisse  zur  lniversität  nicht  aufjn^eheD 
wollte,  zu  überiielunen  nicht  geneigt  Mar,  ist  Hrn.  Dr.  Kltigc ,  zeitheri- 
gem  Professor  am  tlisahethannni.  (  Herausgeber  von  Aristoteles  de  po~ 
litia  Curthagiiiicusium,  Breslau  1824  in  H)  ül)ertragcn  worden,  nachdem 
vorher  Hr.  Director  Dr.  Voppo  in  Frankfurt  einen  desshalh  an  ihn  er- 
gangenen llnf  ahgeleluit  hatte,  ohsehon  um  seinetwillen  der  Gehalt  der 
Stelle  um  200  Thlr.  erhölit  worden  Avar.  —  Bei  dem  Seminar  für  ge- 
lehrte Scivnlen  i?t  die  vormalige  Anzahl  von  ()  Seminaristen,  deren  je- 
der ein  jährliches  Stipendium  von  125  Thlrn.  erhält,  wieder  hergestellt 
worden.  Die  eine  Hälfte  der  Stellen  ist  für  katholische,  die  andere  für 
evangelische  Schnlamtscandidaten  hestimmt.  —  An  der  Universität  ist 
Hr.  Dr.  Otto  als  Lector  der  Englischen  und  Spanischen  Sprache  ange- 
stellt worden.  Zur  Gehurtstagsfeier  Sr.  3Iajcstät  des  Königs  lud  Hr. 
VvoL  PassoiD  ein  mit  Xar  ratio  de  Jo.tCasp.  Mansone.  Accessit 
imago  Mansouis  lapidi  liiscriptu.  30  S.  in  4.  Hr.  Prof.  Schneider  hielt 
die  Festrede  de  li  b  c  r  al  i  in  g  en  i  o  rum  cuitu,  prociamirte  die  j\a- 
nien  der  A Crfasser  der  durch  die  FacnUäten  gekrönten  Preisschriften 
und  machte  die  Preisaurgal)en  für  das  folgende  Jahr  hekannt. 

BniEG.  Unter  dem  16  Sept.  ist  der  Candidat  Carl  Friedrich  Holz- 
Jieimer  als  Elemcntarlehrer  am  Gymnasium  angestellt  worden. 

Büdingen.  Hr.  Candidat  Georg  Ferdinand  Rettig  aus  Gicssen  ist 
den  3  Juli  als  Ltihrer  am  dortigen  Landesgymnasium  eingeführt  wor- 
den. Hr.  Kirchenrath  Keller  ward  für  die  diessjähr.  landständischen 
Versammlungen  zum  Deputirtcn  gewählt  und  Hr.  Prof.  Iladcrmann  be- 
sorgt unterdessen  die  Directorat^geschäfte. 

DA^ZIG.  Den  3  Aug.  feierte  dort  die  FriedensgescUschaft  von  TJ^cst^ 
preussen,  welche  mit  unermüdlichem  Eifer  für  Unterstützung  und  Auf- 
hülfe des  Talents ,  für  Wissenscliaft  und  Kunst  Avirkt,  J'.um  eilftenmahle 
ihren  Stiftungstag.  Im  vergangenen  Jahre  waren  3  ihrer  Stipendiaten 
ins  praktipche  Lel)en  getreten,  5  stndirten  in  Königsberg,  1  in  Halle,  1 
in  Berlin,  5  auf  dem  Danziger,  1  auf  dem  Elbinger,  1  auf  dem  Thor- 
ner und  1  auf  dem  Hromberger  (Jymnas-Inm.  Auf  ihre  Kosten  lebt  ein 
junger  Künstler  in  Kom ,  ein  anderer  hat  seine  Studien  auf  der  Kunst- 
schule zu  Danzig  begonnen,  und  eine  junge  Sängerin  erhält  Unter- 
stützung zu  ihrer  Ausbildung  in  Berlin.  —  Das  dortige  Consistorium 
bat  unter  dem  17  Juli  eine  neue  Organisation  erhalten  und  zerfällt  in 
zwei  Ahtlieilungen  ,  das  eigentliclie  Con>i»torium  ,  Mclches  die  evange- 
lisch-gei>tliihen  Sachen,  und  das  ProAinzialschnhuillegium ,  welches 
die  Unterrichtsangelegeniieiten  besorgt.  —  Das  Directorat  des  Gymna- 
biums  hat  Hr.  Schaub,  zeitfier  erster  Prof.  am  Fridericianum  in  Breslau,' 
Jahrb.  d.rhil.u.  ratlag.  Jahrg.  \.  lieft. '1.  '  g^ 


491  Schul-  und  Univereitätsnachrichten, 

daa  der  Biir{j;crscliulc  (Schule  zu  St.  Petri  und  Pauli)  Hr.  Frledr.  Hopf- 
ner,  zcither  Prof.  zu  Elbing-,  crlialten. 

ÜESsAr.  Das  erledigte  Bectorat  hat  Hr.  Conrector  Richter  (^YerL 
der  Phantasien  des  Alterthums^,  das  Conrcctorat  Hr.  Subrector 
Brummer  erhalten.  Ersterer  ist  zugleich  Mitglied  der  Schulprüfungs- 
coniniisslon  geworden. 

DuESDEX.  Hr.  f/etnricft  Hase,  Inspector  der  Antikengallerie  und  des 
Münzcahinets,  ist  königl.  Sachs.  Hofrath  vierter  Classe  geworden. 

Di'ssELDORF.  Am  Gymnasium  ist  Hr.  ßrnnolo/t  als  Lehrer  derFran- 
ZüS.  Sprache  mit  einem  Jahrgelialt  von  300  Thlrn.  angestellt  worden. 

EisiiEBEiV.  Die  Frequenz  des  Gymnasiums  ist  so  gross ,  dass  da3 
Schulgehäude  bedeutend  erweitert  werden  muss.  An  die  Stelle  des  zu 
Anfang  d.  J.  abgegangenen  Subconrectors  Dr,  Grüfcnhan  (s.  S.  244) 
ward  am  10  Febr.  Hr.  Dr.  Kretschmar,  aus  dem  Anhaltischen,  als  Ober- 
lehrer öffentlich  eingeführt. 

Elberfeld.  Am  1  Juni  feierte  das  Gymnasium  ausser  dem  Stif- 
tungstage des  vor  5  Jahren  eingeweiheten  neuen  GjTnnasialgebäudes  die 
Einführung  zweier  fest  angestellter  Lehrer,  nelmilich  des  Hrn.  J.  IL  IV. 
Langensiepen  (geb.  d.  10  Nov.  1190,  provisorisch  angestellt  seit  1820) 
als  ersten,  und  des  Hrn.  F.  K.  Förstcmann(gch.  zuNordhauseu  d.  4  Jan. 
1798,  seit  1824  provisorischer  Lehrer  der  Physik)  als  zweiten  Collabo- 
rators ,  welche  Feier  durch  ein  heiteres  Fest  aller  Schüler  im  Freien, 
in  der  Nähe  der  Stadt,  begangen  ward.  In  der  Elberfeld.  Zeit.  Nr.  153 
steht  darauf  folgendes  Epigramm : 

Gymnasü,  hone,  quae  fuerint  Sollerania,  scisne?  — 
Gymnasii  Lustrum:  Muneris  auspicia. 

Freiberg.  In  der  Relation  meines  Programmes  S.  238  heisst  es 
unter  andern,  „dass  ich  in  demselben  zugleich  die  Zweckmässigkeit  der 
\  erbindung  der  gelehrten  und  Bürgerschule  zu  erweisen  und  gegen  ge- 
machte Einwürfe  zu  schützen  gesucht  habe."  Diese  Worte  könnten 
allerdings  den  Schein  geben,  als  wenn  diese  Behauptung  im  MI  gerne  inen 
von  mir  aufgestellt  worden  wäre ;  allein  um  Älissverständnissen  vorzu- 
beugen, sehe  ich  mich  zu  der  Erklärung  veranlasst,  dass  ich  die  Tren- 
nung der  gelehrten  und  Büi-gerschule  für  wohlthätig  und  zweckmässig 
halte ,  sofern  die  örtlichen  Verhältnisse  eine  solche  erlauben.  Wenn 
aber  diese,  auch  bei  dem  bessten  Willen  der  Behörden,  solch  ein  Unter- 
nehmen nicht,  oder  wenigstens  zur  Zeit  nicht  zulassen,  so  fragt  sich, 
wie  kann  eine  gelehrte  und  eine  Bürgerschule  so  nebeneinander  stehen, 
dass  keine  von  beiden  Anstalten  dadurch  zu  sehr  beeinträchtiget  wird. 
Diese  Aufgabe  sucht  unsre  Anstalt  zu  lösen,  und  wie  sie  es  sucht,  sollte 
die  kleine  Schulschrift  darlegen,  aus  deren  Eingange  einleuchten  dürfte, 
dass  man  bemüht  gewesen  ist,  die  Anstalten  soviel  als  möglich  von  ein- 
ander zu  rücken.  Indem  ich  nun  darthuen  wollte,  welchen  Nutzen  beide 
Anstalten  aus  einander  ziehen  können ,  so  konnte  es  wohl  scheinen ,  als 
wenn  ich  die  absolute  Zweckmässigkeit  der  Verbindung  der  Anstalten 
hätte  zeigen  wollen.  —  Uebrigens  bemerke  ich  noch,  dasa  das  in  jener 


Beförderungen  unil   EJirenbezcJgungen.  495 

Relation  erwähnte  //hnnncum ,  >velclies  Mos  für   die  Gelehrten  -  Schule 
bcstiainit  ist,  einen  gedeihlichen  Fortgang  bis  jetzt  gewonnen  Iiat. 

lli'uiGKn. 

Gleiatitz.  Am  kathnlidelicn  Gymnabium  ist  der  Schuiamtseandl- 
dat  JJ'olff  vMui  Lehrer  ernannt  worden. 

Gkosü  -(«i.oG.vi.  Uer  Schulauitscandidat //iint  ist  achter  Lehrer  am 
kathol.  Gynina^inin  geworden. 

GcEKLiTZ.  Die  OI)erlansitzische  Gesellschaft  der  Wissenschaften 
hat  am  5  Juli  unter  andern  Ihn.  Kector  M.  Sicbclis  in  Bauzen  zum  in- 
ländischen, Hrn.  Ivirchenrath  Dr.  I'iiri  in  Fulda  und  Hrn.  Director  Dr. 
lictisclicr  in  Cottbus  zu  au.-l.indisclien  ^Mitgliedern  erwählt.  \ Vgl.  Lkipzig. 

Gkkifswal».  Der  l'rofessor  luid  I  nterbibliolhekar  Dr.  Scliümunn 
ist  zum  zw  eiten  Dibliotliekar  bei  der  Fniversitätsbibliothek  ernannt. 

Gl  DE\.  Die  Schülerzahl  des  Gymnasiums  beträgt  1!)3  in  5  Classen. 
Unter  dem  5  Octob.  ward  Hr.  Dr.  Schünborn  ( >  erf.  der  Schrift;  De 
authentia  declamationum,  quae  G  or  gi  a  e  Leontini  nomi- 
ne ex  staut,  dissert.  Vratislav.  typis  Kupfer.  1826.  40  S.  4.)  alsl'ro- 
rcctor  angestellt. 

Hamm.  Den  17  — 19  Mai  wurde  dort  unter  dem  Vorsitze  des  Hrn. 
Consistorial  -  und  Schulraths  Dr.  holtlniusck  aus  Munster  die  dritte  C»m- 
ferenz  der  (ivinnaj^ialdirectorcn  der  Provinz  Westphalen  gehalten.  — 
Am  Gymnasium  i<t  Hr.  Dr.  Gerhard  Ilcrlcn  als  Hülfslelirer  vorläuflg 
angenommen  worden. 

Hblmstaedt.  Als  Director  des  Gymnasiums  ist  Hr.  Prof.  Dr.  Hess 
aus  Hanau  berufen  worden. 

Lkipzic,  Bei  der  l  niversität  sind  im  Laufe  dieses  Jahres  folgende 
philologische  Programme  erB<-,hienen  :  Zu  Anfange  d.  J.  schrieb  Hr.  Prof. 
Hermann  als  Panegyriens  zu  der  vorjährigen  Magister«  ahl :  D  c  A  e- 
schyli  Philocteta  d  isscrtat  i  o  scripta  creationi  X\f  III  philos. 
doctorum  etc.  d.  Xf  II  Febr.  n.  MDCCCXXf.  Lipsiae,  literis  Staritzii.  24  S. 
[  S.  17 —  24  die  Vitae  magistrorum  ]  4.  Die  wenigen  Fragmente  wer- 
den zusammengestellt,  mit  Zuziehung  der  Fragmente,  welche  von  des 
Attius  Lateinischer  Uebersetzung  dieser  Tragödie  übrig  sind,  in  Ordnung 
gebracht  und  der  Gang  des  Stückes  angegeben.  Von  deujselben  er- 
ecbien :  Mcmoriam  Jo.  Aii":.  Erncstii  d.  XIII  Sept.  hora  IX  soltmni  ora- 
tione  —  cckbrandam  indkit  God.  Ilermannus,  ord.  philos.  h.  t.  dccanus. 
De  Acschyli  11  cliadi  bus.  Lip?.  [  182().  ]  1(>  S.  4.  Die  Fragmente 
werden  auf  gleiche  Weise,  wie  in  der  vorigen  Schrift  zusannuenge- 
«tcllt.  Zur  diessjährigen  Magisterwahl  schrieb  Hr.  llofr.  und  Pr(»f. 
Beck :  Observationesh  i$t  or  i  c  ac  et  criticae,  spec.  IV.  20  S.  4. 
Vrgl.  oben  S.  411  ff.  Vom  llrn.  Prof.  Dr. /Cü/m  erschienen  zu  verschie- 
denen medi(-inischen  Doclorprouuttionen  :  Specimcn  tcrtinm  anim- 
advcrsionuvi  Ottonis  Spcriinfrii  in  Scr  iboninm  Larp  um, 
12  S.  4  [s.  Beck'ri  llcpert.  II  ,  3  S.  230  ],  De  med  i  c  inac  mi  l  itari  s 
apud  V  der  c  s  G  rae  cos  H  oman  o  sque  c  ondit  i  on  e.  Spec.  I\  . 
12  S.  [g.  Becks  Uep.  1.  c.  S.  231.],  Spec.  V.  18  S.  [s.  Beck's  Uep.  S. 
232.],  Spec.  M.  12  S.  4.   [Spec.  I  —  111  waren  1825  erschienen.     Vrgl. 

32  * 


496  Schul-  und  Un  ivcrsitätsnachr  ichtcn, 

Scliulzcit.  1825  Lit.  BL  4  und  1826,  II  Lit.  BI.  8  und  30]  nni  Jd  dt  ta- 
rn enta  ad  elcnchum  medicorum  V  ctcrum,  a.  Jo.  A.  Fahricio 
in  biblioth.  Graec.  vol.  X 1 1 1  p.  17  —  456  cxhibitum.  Spec.  I. 
12  S.,  Spec.  II.  12  S.,  Spec.  III.  16  S.,  Spec.  IV .  12  S.,  Spec.  V.  12  S.  4. 
Philologische  Habilitationsschriften  wurden  drei  «iffeiitlich  -vertlieidio-t, 
1)  vom  Hrn.  M.  Fr.  Volkm.  FrHzsche  [CoUaborator  an  der  Thomasschule] : 
Quaestioncs  Lucianeac,  67  S.  8,  welche  wieder  als  Anhan<>- zu 
einer  Ausgabe  von  Luciati's  Alexander ,  Demonax ,  Galliis ,  Icaromcnippus, 
Philopseudes,  ad  Hesiodum  et  Naviglum  erscheinen  werden ;  2)  vom  Hrn. 
M.  Johann  Christian  Jahn:  De  P.  Ovidii  Nasonis  et  A.  Sabini 
Epistolis  disputatio.  Pars  I,  50  S.  8 ,  Mdche  als  Anhang  zu  ei- 
ner Ausgabe  von  Sabini  epistolis  nächstens  wieder  gedruckt  und  fortge- 
setzt werden  wird  ;  3)  vom  Hrn.  M.  Carl  Heinrich  Frotscher  [drittem  Leh- 
rer an  der  Nicolaischule  und  Unterbibliothekar  der  Rathsbibliothek  ]  : 
Observationes  criticae  in  qtio  sd  am  lo  c  o  s  M.  Fabii  Quinti- 
liani,  40  S.  8,  aus  denen  die  Hauptsache  in  dem  seitdem  von  ihm 
herausgegebenen  10?i  Buche  der  InsÜliitt.  orator.  dieses  Schriftstellers  wie- 
dergegeben ist,  Vrgl.  Beck's  Rupert.  1 ,  4  S,  280  u.  5  S.  394  f.  Hr. 
Prof.  Friedrich  Wilhelm  Lindner  [  ordentliclier  Lehrer  an  der  Bürger- 
schule] schrieb  zum  Antritt  einer  ausserordentlichen  Professur  derliat- 
echetik  und  Pädagogik:  De  finibus  et  praesidiis  artis  paeda- 
gogicae  secundum  principia  doctrinae  christianae  dis- 
sertatio  theologico-paedagogica,  35  S.  8,  und  lilelt  eine  Rede: 
De  Socratica,  quam  di cunt,  methodo ,  si  non  e  reliquis  dis~ 
ciplinis,  tarnen  ex  inst  i  tut  ione  c  atecheti  ca  eliminanda. 
Demselben  hat  auf  sein  Ansuchen  die  theologische  Facultät  zu  Königs- 
berg die  theologische  Doctorwürde  ertheilt.  Den  4  October  feierte  Hr. 
Hofrath  und  Prof.  Ernst  Carl  Wieland  sein  50j ähriges  Amtsjubiläum, 
wobei  ihn  Se.  Majestät  der  König  mit  einem  Brillantring  beehrte  und 
die  Universität  durch  eine  vom  Hrn.  Prof.  Hermann  gedichtete  Lateini- 
sche Ode  Glück  wünschte.  Von  Ostern  bis  Michaelis  sind  304  neue  Stu- 
dircnde  immatriculirt  worden.  —  An  der  Thomasschule  ward  zur  Feier 
des  Jahreswechsels  eingeladen  durch  Plautino  rum  cupediorum 
fer  culum  d  ecimum  qtiar  tum.  Ad  oralionem  Latinam  in  schola  Tlio- 
mana  prid.  Calcnd.  lan.  a.  Chr.  MDCCCXXFI  hora  V  vespertina  audien- 
dam  summa  cum  observantia  invitatFrid.  Guil.Ehrenfr.Rostius, 
Rector.  27  S.  4.  Zur  öffentlichen  Entlassung  einiger  Schüler  auf  die 
Universität  den  13  April  d.  J.  lud  derselbe  durch  das  Programm  ein : 
Der  K  auf  mann,  ein  Lustspi  et  des  Plaut  us  in  alten  Sylben- 
m aussen  verdeutscht.  Leipz.  gedr.  Hei  Staritz.  54  S.  in  8.  (S.  51 
—  54  Schulnachrichten.)  Auf  gleiche  Weise  hat  Hi*.  Prof.  Rost  schon 
drei  andere  Lustspiele  des  Plautus  in  alten  Sylbcnmaassen  verdeutscht 
herausgegeben ,  nehmlich  den  Ep  i  d  iktis  zur  öffentlichen  Entlassung 
am  25  April  1822  (Ebenda,  36  S.  8),  den  Pseudolus  zur  öffentl.Ent- 
lass.  am  17 April  1823  (Ebenda,  60  S.  8)  und  die  Mostellaria  oder 
das  G  espenst  zur  Anhörung  der  Festrede  am  Jahresschlüsse  den  31 
Dec.  1824  (52  S.  8).     Diese  Uebersctzungen ,   welche  sich  durch  llie- 


Bc  f  unlerun  gc  n  und  Ehrenbezeigungen.  497 

sscnde  Sprache  und  Treue ,  hrsoiulcra  ahcr  durch  riclitige  AufTiissung 
des  (icistes  des  l'lautus  aii»'/,('i<  liiieu,  «(»Ilcn  eine  Foitselzuiig  der  Kiiji- 
ke'sclien  Ueber:set7,ung  seyii,  und  werden,  Mic  verhintet,  hinnen  Kurzem 
in  den  IJuchluindel  kommen;  so  wie  bereits  die  Cupcdia  Plantina 
nehi^t  den  übrigen  Rostischeu  Programmen  über  Phiutus  in  eine  Samm- 
lung vereiuigt  gedruckt  werden.  Die  Scliiiicrzahl  betrug  zu  Ostern  173 
in  den  vier  obern Gj ninaslalchissen  und  hl  in  den  beiden  Vorbereitungs- 
chissen.  Lehrer  sind  die  Hrn.  M.  Host,  llector  und  Ordinarius  in  I 
und  Professor  extraord.  an  der  Universität  (der  auch  am  5  Juli  zum 
aushlndijchen  31itglicde  der  Oberlausitzer  Gesellscliaft  der  "Wissenschaf- 
ten gewälilt  worden  ist) ;  Christian  Theodor  Wcinlich ,  Cantor;  M.  JoÄ. 
Friedrich  Jacob  licichcnbach ,  Conrector  und  Ordin.  in  II;  .^1.  Gottfried 
Staübaiim,  Ordin.  in  111;  M.  Heinrich  Ferdinand  Richter,  Ordin.  in  IV  und 
Prof.  extraordin.  an  der  Universität ;  M.  Georg  Friedrich  Baumgärtelf 
Ordin.  in  V ;  M.  Carl  Friedrich  Gottlob  Steinhünser,  Ordin.  in  VI ;  M.  Frans 
J  olkmar  Fritzschc ,  ordentlicher  Collaborator  und  Privatdocent  an  der 
Univers.;  M.  Gustav  Adolph  Schumann ,  erster,  jS icolaus  Matthias  Pctcr~ 
scn,  zweiter,  und  M.  Carl  Heinrich  Adelbert  Lipsius,  dritter  ausserordent- 
licher (>ollaborator,  Franz  loscph  f'alentin  Dominicus  Maurer,  Lehrer  deä 
Hebräischen;  M.  JoJiann  Christoph  Hohlfeld,  Mathematikus;  Jean  Domi- 
nique J  itale,  Lehrer  de^  Italienischen ;  31.  Gottfried  Günther ,  Lelircr  de3 
Französischen ;  Johann  Friedrich  Kunze ,  Schreib  -  und  Rechnenlehrer. 
Eine  Geschichte  dieser  schon  1221  zugleich  mit  dem  Thomaskloster  (das 
1539  aufgehoben  ward)  gegründeten  Anstalt  gicbt  es  nicht.  Beitrüge 
dazu  gab  in  zwei  Lieferungen  ( Leipzig  1820  und  1821 ,  24  und  24  S. 
in  4.)  Hr.  RectorRost,  worin  er  besonders  über  die  Reetoren  und 
Conrectorcn  der  Anstalt  von  153!)  bis  1()04  die  ihm  bekannt  gCMordenen 
Data  zusammengestellt  liat.  —  Zu  einer  Geschichte  der  zweiten  gelehr- 
ten Anstalt,  der  >icolaischule,  liefert  jetzt  Hr.  M.  Albert  Forbiger  Bei- 
träge, deren  erste  Lieferung,  welche  kurze  Biographien  der  Lehrer 
von  Gründung  der  Schule  bis  auf  gegenAvärtige  Zeiten  nebst  möglichst 
voll?tändiger  Angabe  ihrer  Schriften  enthält,  in  2  Abtheilungen,  Leipzig 
in  Commiss.  bei  Reclam  (1826.  XII,  84  u.  78  S.  in  8)  bereits  erschie- 
nen ish  Dieses  Lyceum ,  welches  wahrscheinlich  im  J.  1515  als  ge- 
lehrte Schule  eingerichtet  w  ard ,  nachdem  es  schon  vorher  als  Trivial- 
schule bestanden  hatte,  zählt  jetzt  1()4  Schüler  in  GClassen,  welche  von 
folgenden  Lehrern  unterrichtet  werden:  M.  Gilieb.  Sam.  Forbiger ,  f;e- 
hor.  1751,  ward  den  10  Sept.  1776  Substitut  des  Conrector  Adami,  1777 
wirklicher  Conrector  und  179.5  Rector  der  Anstalt;  M.  Carl  Friedr.  Aug. 
Nobbe,  geb.  1791,  seit  1816  Tertius  und  seit  1820  Conrector;  M.  Carl 
Heinr.  Frotscher,  geb.  179(),  seit  1820  Tertius;  M.  Carl  Aug.  Küchlety 
geb.  1796,  ward  den  29  Mai  1820  Collal)orator,  den  ?  Octob.  1820  Sex- 
tus  und  den  4  Oct.  1824  Quartus;  M.  Fricdr.  H'ilh.  Hempel ,  geb.  1775, 
seit  1805  Sextus  und  seil  1820  Qninfus;  M.  Alhcrt  Forbiger,  f^tih.  1798, 
der  1824  Sextus  ward,  aber.wegen  Iiränkli<:hkeit  des  Qiiintus  eigentlich 
Lehrer  der  5tcn  Claesc  Ist.  Lehrer  der  6ten  Classc  ist  der  Collabora- 
tor M.  Benjamin  Aug.  Bernh.  Oltc,  geb.  1784,  angestellt  seit  1821.  Dazu 


498  Schul-  und  Universitätsnachrichten, 

kommen  noch  als  ausserordentliche  Lelirer  ein  Mathematikus  [M.  C  G. 
Martin^,  ein  Lehrer  des  Französischen  [X  D.  Titale^,  des  Gcsan<^es 
[C.  C.  IL  Goticr],  der  Kalligraphie  [  G.  Schulz]  und  ein  rrivatlelircr 
dea  Zeichnens  [  C.  F.  Wiese  ].  Seit  1820  hat  die  Anstalt  eine  neue  Or- 
ganisation und  einen  sehr  \erändcrtcn  und  erweiterten  Lehrplan  erhal- 
ten. Am  9  und  lOten  Septenib.  d.  J.  feierte  sie  das  50jährige  Amtfju- 
hiläum  ihres  ersten  Lehrers.  Dazu  erschien  als  Einladungsschrift:  Fro- 
gramma  quo  sacra  schol.  Nie.  Lips.  in  qua  qui  rcctoris  iiunc  munere  fungi- 
tur  vir  s.  ven.  Th.  S.  Forbiger  —  ante  hos  L  annos  Conrectoris  munus  sus- 
cepit  in  ejua  rei  mcmoriam  —  pie  celebr.  indicit  C.  F.  A.  Nobbe.  In  sunt 
Lectiones  Ciceroni  anae.  Lips,  litt.  Staritzli.  18  S.  in  4.  Den 
9ten  September  früh  feierte  zunächst  die  Schule  selbst  durch  einen  be- 
eondern  Schulactus  im  Beiseyn  der  Schulinspcction  und  sämmtlicher 
Lehrer  dieses  Fest.  Hr.  M.  Nobbe  übex-reichte  dem  Jubelgreise  im  Na- 
men der  Lehrer  eine  von  ihm  verfasste  Lateinische  Ode,  Hr.  M.  Forbi- 
ger (Sohn  des  Rectors)  seine  Beiträge  zur  Geschichte  der  Nicolaischule. 
Die  Schüler  brachten  dem  theuern  Lehrer  eine  Lateinische  und  eine 
Deutsche  Ode,  einen  Lorbeerkranz  und  4  silberne  Armleuchter.  Die  frü- 
heren ,  jetzt  auf  der  Universität  studirenden,  Kicolaitaner  überreichten 
2  alabasterne  Larapen.  Den  folgenden  Tag  ward  das  Fest  ein  öffent- 
liches. Privatpersonen  und  Deputationen  der  übrigen  3  öffentlichen 
Schulen  und  der  Geistlichkeit  brachten  ihre  Glückwünsche  und  Gratu- 
lationsgedichte dar ,  eine  Deputation  des  Stadtmagistrats  neben  der  Ver- 
sicherung seiner  Zufriedenheit  eine  jährliche  Gehaltszulage  von  200  Thlrn, 
Um  11  Uhr  Vormittags  hielt  der  Jubelgreis  auf  Veranlassung  ehemahli- 
ger,  jetzt  in  und  bei  Leipzig  angestellter,  jNicolaitaner  vor  etwa  90  der- 
selben eine  A^orlesung  über  eine  Stelle  aus  Virgils  Aeneis,  wozu  ihm  ei- 
ner seiner  ehemahligen  Schüler  (Hr.  M.  Sommer}  die  1800  zu  London  er- 
schienene Prachtausgabe  des  Virgilius  auf  die  Katheder  gelegt  und  ver- 
ehrt hatte.  Im  Auditorium  fand  er  ausserdem  eine  [vor  der  Hand  blos 
hölzerne,  später  in  Gusseisen  auszuführende]  Gcdächtnisstafel  mit  fol- 
gender [vom  Hrn.  Dr.  jur.  Carl  Günther  verfassten]  Inschrift: 

G.  S.  Forbi g er 0 

Seni  T'enerabili 

Discipulorum  pietas. 

Uno  diacipulus  lustro,  per  dena  magister, 

Exemplum  atque  decus  tempus  in  omne  scholae. 

A.  d.  IF  Mus  Septembr.  a.  MDCCCXXVI. 

Dieser  Vorlesung  folgte  ein  feierliches  Mittagsmaiil ,  hei  welchem  der 
Hr.  Oberhofrichter  und  Consistorial-  und  Polizei -Präsident  von  Ende 
dem  Greise  von  Sr,  Majestät  dem  Könige  und  im  Namen  desselben  einen 
Brillantring  nebst  einem  Reseript  des  hohen  Oberconsistoriums  über- 
reichte. So  feierte  der  Greis  sein  zweite?,  Jubelfest,  nachdem  er  schon 
zwei  Jahre  zuvor  ebenfalls  mit  grosser  J<"eierlichkeit  sein  Magisterjubi- 
läum begangen  hatte.  (Eine  ausführliche  Beschreibung  des  Festes  hat 
Hr.  M.  Nobbe  im  Leipzig.  Tageblatt  Nr.  77  u.  19  geliefert.)     Von  den 


Beförderungen  und  Ehrenbezeigungen.  491) 

zahlroichcn  dabei  üborrcicliten  Gedichten  Üiellcn  vir  nur  folgende  ZM'ei 
mit:   von  Hrn.  llolnith  Heck: 

Quiie  denis  histris  bis  nie  non  sivit  Ifygcia 

Intcr  gratantes  dieere  verba  j»ia, 
Haec  Tibi  ebarta  ferat,  qiiinis  modo  condita  verbis: 
Vive  diu,  uieritiä  exhiiaratc  Tuis  ! 
von  Hrn.  Prof.  jrdske : 

KaXov  i&iani^sv  ro  Sov  ovvofia,  ^ogßiyiQ,  olov 
'Avt   UQSTTjg  atirpavov  rrifiaQ  ifisUeg  tx^iv. 
*II  yi  Q  ag  aq)d'c(QTOvl   (pog^rj  tpvxalat  noXizcäv 
nivr'  iticov  öiKuSag  Zrjg  ^hv  ivcpQoiÖlrjg. 
Auch  Chronostieha  Ichlteu  niilit ,  indem  Hr.  31.  Starke,  Superintendent 
inDelit^cli,  folgende  2  niittbeiite: 

Tli.  S.  Forb/ger  6    navv  S.    H.   Forb/gcr 

toLLegf/  N7CoLa/tan/  SClioLae  AiCoLa/tanae 

L/ps/ens/s  L/ps/cnsis 

per  L  annos  DeCJ's,  ReCtor  pracCeL/yens, 

Cf  nCtIä  Ciivl^,  per  L  aiinos  In  ca  professor, 

raro,  qf  7  ILLI  nJ  \\C  est,  a  Xestore  SaAon/ac  argTsto, 

/7gore  et  c  Yoptata  fvUCIlaiti  p/o,  If  >to, 

Tsq/  c  Laet/'s  annTLo  raro  oi'natr»  ; 

Kestoreos  s/peret  annos!  a  senat/'-patrono, 

CoLLeg/s,  DhCliiFLIs, 
Cf'Lturlhrs  honorat/  s 
Nestoreos  bene  et  beato 
att/ngat  annos ! 
Die    jüngste     Sehulsclirlffc     des    Jubelgreises    ist    das    Einladungspro- 
granini   zu  dem  Herbstexauien  1825:   Prolusio   an  ima  dv  er  si  oncs 
ad  qua  cd  am  Licii  loca  co  ntincns,  24  S.  in  8.    Die  diessjülirigen 
Einliidungsprogramme   schrieb  Hr.    Conrector   ]\obbe.      Das    erste  zum 
Ostercxamen  enthält:   Commentat.  1  de   lectionihus  quibusdam 
X enopkonteae  Cyri   anabaseos,  in  8,   und  giebt  S.  3  — 14  Be- 
merkungen zu   der  Aon  ihm  bei  Tauehnitz  herauszugebenden  Anabasis 
und  S.  14 — 2,0  Schulnacluichten.      Im  zweiten,  zum  Herbstexamen,  in- 
sunt  Herum    lect  i  on  es  C  iccr  oni  aitae  (^S  S.  in   4),  welche  sich 
nebst  den  frühern  auf  eine  bald  erscheinende  Ausgabe  Cicero'»  beziehen. 
Uebrigens   lierrscht  auf  dieser  AustiiU  die  Einricbtung ,   dass  zu  Ostern 
die  4  obcrn ,  zu  Michaelis  die   2  untern  Classen  öflentlich  geprüft  wer- 
den.     Zur  Universität  wurden  zu  Ostern  (»,  zu  Mic.haell>  2  Schüler  ent- 
lassen. 

liiEG^viTZ.  Anfangs  Octohcr  ward  an  der  Rittcrakadcralc  als  liülfs- 
lehrer  angestellt  Herr  Dr.  Theodor  Eduard  Wühler  aus  Ehrcufriedersdorf 
im  Erzgebirge,  der  1815  bis  1820  auf  der  nehmlichen  Anstalt  gebililet 
ward    und  seit  1S20  in  L<iiizi<r  gtudirte. 

Mkissk>.  Die  dnrcli  Otto's  Tod  [s.  S.  22fi  und  244]  erledigte  Professur 
der  Mathematik  an  der  Eürstenscliule  i>t  Hrn.  M.  Carl  Gustav  IVunder, 
bisherig£m  Subrector  um  Lyceum  zu  Wittenberg,   übertragen  worden. 


500'  Scliul-  und   Uuiversitätsuachriclitcu, 

Mersebukg.  Der  bislierige  Matheinatlkus  am  Gymnasiuiu,  Hr.  Dö- 
ring, ist  Pfarrer  g-owordcn.  Vrg-1.  Nordhaisen.  Hr.  Conrector  Land- 
voigt hat  das  Prüdicat  eines  Professors  erlialtcn. 

MüiyiciiE.v.  Auf  der  voa  Landslmt  hierher  verle<'ton  LudAvif^-Ma- 
jdmilians- Universität  Averden  die  öflentlichen  Vorlesungen ,  welche  zu 
Landshut  den  ID  August  geschlossen  wurden ,  den  15  November  ihren 
Anfang  nehmen.  Durch  königliche  Verordnung  vom  3  Octoh.  eind  die 
Professoren  der  neuen  Hochschule  ernannt,  und  neben  andern  Bestim- 
mungen ist  auch  festgesetzt  worden,  dass  die  Anstalt  vor  der  Hand  noch 
die  Statuten  der  Universität  zu  Landshut  vom  6  März  1814  beibehalten 
6oll.  [Vrgl.  Schulzeit.  Abth.  2  Sr.  82  u.  Hall.  Lit.  Zeit.  Nr.  263.]  Als 
Local  ist  iJir  der  Theil  des  Wilhelmischen  Gebäudes  eingeräumt  wor- 
den, den  bis  jetzt  das  Cadettenhaus,  das  nach  Landshut  verlegt  wird, 
einnahm.  Dieses  Local  ist  gross  genug,  um,  ausser  den  nöthigen  Hör- 
sälen und  andern  Localitäten ,  im  obern  Stock  auch  die  Universitätsbi- 
bliothek aufzunehmen ,  welche  von  der  grossen  öffentlichen  Bibliothek 
getrennt  bleibt.  Das  nehmliche  Gebäude  umfasst  in  seinem  grossen 
Räume  bereits  die  Akademie  der  Wissenschaften  und  Künste  mit  ihren 
reichen  Sammlungen,  die  grosse  öffentliche  Bibliothek,  das  Kupferstich- 
cabinet  und  das  Reichsarchiv.  Eine  Commissiun  ans  Mitgliedern  der 
Akademie  hat  aus  Landshut  die  Sammlungen  für  Zoologie,  Botanik,  Mi- 
neralogie, Chemie  u.  s.  w.  abgeholt.  Diese  Sammlungen  werden  im- 
ter  die  Aufsicht  der  Akademie  gestellt ,  welche  dieselben ,  so  wie  die 
Sternwarte,  das  anatomische  Theater,  das  chemische  Laboratorium,  den 
Lotanischen  Garten  und  die  Cabinete  für  Physik ,  Polytechnik ,  Münz- 
und  Alterthumskunde  auf  ihre  Kosten  unterhalten  und  vermehren,  aber 
der  Universität  zum  freien  Gebrauch  überlassen  muss.  Alle  Avissen- 
scliaftliche  Staatssammlungen  können  von  ihr  ebensogut  als  von  der 
Akademie  zu  "wissenschaftlichen  ZAve«;ken  benutzt  werden.  Ueber  ihr 
Verhältniss  zur  Akademie  soll  eine  nähere  Bestimmung  erst  noch  erfol- 
gen. Mehrere  Akademiker,  wie  Hr.  geheim.  Hofrath  von  Sckelling,  Hr. 
Hofrath  Thiersch,  die  Hrn.  Professoren  Sieber,  Späth,  Buchner  U.  s.  w., 
sind  Professoren  der  Universität  geworden ,  dagegen  sind  mehrere  frü- 
here Universitäts  -  Lehrer  in  Landshut  zurückgeblieben  und  sollen  eine 
anderweitige  Bestimmung  erhalten.  —  Die  Akademie  der  Wissenschaf- 
ten und  Künste  hat  seit  Ende  Septemb.  eine  der  Zeit  und  den  Wissen- 
schaften angemessene  neue  Organisation  erhalten.  Hr.  von  Schrank 
hat  sich  Altersschwäche  wegen  von  allen  Geschäften  zurückgezogen, 
und  Hr.  geheim.  Hofr.  und  Prof.  von  Schclling  ist  Director  geMorden. 

Münster.  Bei  der  philosophischen  Facultät  der  Akademie  [s.  Rheiiv- 
PREUssEiv]  ist  als  Lehrer  der  Mathematik  Hr.  Dr.  Baumann  aus  Bonn  mit 
einem  Gehalt  von  400  Tlürn.  vorläufig  angenommen  worden. 

Neisse.  Hr.  Carl  Ernst  Schober ,  A  erf.  der  Sehr,  über  die  Atel~ 
lanischen  Schauspiele  der  Römer,  ist  Oberlehrer  am  Gym- 
nasium gewoi'den, 

NoBDHAiJSEis.  Der  Mathematikus  am  Gymnasium,  Hr.  Tenncr,  ging 
Aufaoga   September  in   gleicher  Eigenschaft  nach  Mebsebubg.     Seine 


.Beförderungen  und  Ehrenbezeigungen,        501 

Stelle  erhielt  Ilr.  Dr.  Carl  Friedrich  Schuhe  aus  iriiUe,  Verf.  einer  raa- 
theniatisi'hon  Prclstfchrift.  Der  Colhihorator  und  Jubelgreis  Wolfram 
Mard  ptnsionii-t  und  siint;  Lehrstelle  dem  bisherigen CoUaborutor  Aug. 
Dcckcrt  in  Sehlousingcn  übertragen. 

Okls.  Am  Gymnasium  ist  unter  dem  14  Octob.  d,  J.  Ilr.  Jf'iccke, 
LIslieriger  lliiifslehrer  am  evangelischen  Gymnasium  in  Glugau ,  vier- 
ter College  geMorden. 

Officnbikg  in  Baden.  An  die  Stelle  des  verstorbenen  Gymnasial- 
präfceten  und  Professor  Schüfer  ist  der  Herr  Caplan  Koch  zum  proviso- 
rischen Direetor  und  Professor  erwählt  Morden,  ob  er  gleich  noch  nicht 
volle  vier  Jahr  Prediger  und  nie  Lehrer  an  einer  gelehrten  Schule  M'ar. 
Hr.  Prof.  Scharf,  erster  und  ältester  Lehrer  des  Gymnasiums,  soll 
desshalb  nicht  (»ymnasiiildirector  gcM  orden  seyn,  weil  er  weltlich  ist. 

Oppkl\.  Das  königl.  katholische  Gymnasium  besteht  aus  3  Stufen, 
von  welchen  jede  wieder  in  2  Classen  zerfällt.  In  jeder  Classe  der  obern 
Stufe  sitzen  die  Schüler,  deren  Fortschritte  befriedigen,  in  der  Regel 
2  Jahre,  in  jeder  der  beiden  untern  aber  nur  ein  Jahr  Die  Schüler- 
zahl betrug  Weiluiachten  1825  25(>,  im  Sept.  dieses  Jahres  214.  Den 
öfTentUchcn  Unterricht  ertheilen  8  ordentliche  und  3  Ilülfslehrer.  Die- 
ses Lehrerpersonal  Mar  seit  Octob.  1823  unvollständig ,  ward  aber  am 
24  Oct.  1824  durch  interimistische  Anstellung  des  Schulamtscandidaten, 
Hrn.  Clemens  Jt 'icher  aus  Rosenberg  in  Oberschlesien  ergänzt.  Dersel- 
be musste  jedoch  in  Folge  einer  Verfügung  des  Ministeriums  vor  Weih- 
nachten M  leder  austreten ,  und  sein^  Stelle  erhielt  Ilr.  Dr.  ISicolaiis  Bach, 
geb.  zu  Montabaur  im  jNassauischen  am  4  Aug.  1802.  Er  studirte  von 
1818  an  auf  dem  Gymnasium  zu  Weilburg ,  von  1821  auf  der  Universi- 
tät zu  Bonn  (avo  er  1825  durch  Bearbeitung  der  Solonischen  Poesien  die 
philosophische  DoctorMÜrde  sich  erwarb)  und  von  Ostern  1825  an  durch 
Unterstützung  des  königl.  Preuss.  31inistcriums  auf  der  Univers,  zu  Ber- 
lin. Im  Sommer  desselben  Jahres  vom  königl.  Cousistorium  zu  Cöln 
als  Gymnasiallehrer  für  das  Gyninas.  zu  Bonn  vorgeschlagen ,  ward  er 
jedoch  am  Ende  desselben  in  Oppeln  angestellt.  Er  hat  ausser  den 
Fragmenten  des  Solon  auch  dit;  des  MImaerraos  bearbeitet,  eine  Ab- 
handlung über  die  Philosophie  des  M.  Aur.  Antonimis  geschrieben  und 
zuletzt  als  Progr.  herausgegeben:  De  Critiae  tyranni  pol  Ulis 
de  g  i  aci  s  commcntatio,  qua  examen.  publ.  in  Gymn.  Oppol.  — 
1826  —  indicit.  24  S.  u.  8  S.  Schulnachrichten  in  8. 

Paderborn.  Die  Procuratur  des  Studienfonds  des  Gymnasiums  ist 
dem  Lehrer  Carpe  mit  einem  Jahrgehalt  von  200  Thlrn.  vorläufig 
übertragen  worden. 

Pakchim.  Die  S.  245  gegebene  Nachricht  ist  falsch. 

Pakis.  Herr  Professor  JSicol.  Eligius  Lemaire,  der  bekannte  Heraus- 
geber der  Bibliotheca  classica  Latina,  ist  au  der  Stelle  des  verstorl)enen 
J)u  Boccagc  Decan  der  Facnität  der  Wissenschaften,  Hr.  Ilorace  f  cnict 
an  Ic  Jiarbicr's  Stelle  Mitglied  der  Akademie  der  schönen  Künste  und 
Hr.  Quatrcmcrc  de  Qincy  für  den  verstorbenen  Maler  David  auswärtiges 
Mitglied  des  Niederländischen  Instituts  gcM'orden. 


502  Schul-  und  Uni ver sl tat snachricht cn, 

Pavia.  Hr.  Jloys  Lanfranchi,  Professor  der  politischen WIs- 
eenschaften ,  ist  vom  Kaiser  vom  In  Juni  an  zum  Uibliothekar  der  Uni- 
versitätsbibliothek mit  ciaer  Personalzulage  von  lOüO  Gulden  ernannt 
worden. 

Petersbutig.  Der  Akademiker  und  Statistiker  Hcrrmann  ist  wirkli- 
cher Staatsrat!!  geworden.  Der  Capitain-Commodore  von  Krusenstem, 
jetziger  Rector  der  Universität  zu  üorpat ,  ist  ^  icedirector  der  wissen- 
schaftlichen Studienleitung  des  Marinecorps  geworden  und  liat  we«^en 
vieljähriger  Dienste  und  Anstrengung  hei  Ausarbeitung  und  Erläuterung 
des  Atlas  der  Südsee  den  St.  Wladimirorden  2ter  Classe  erhalten.  Der 
Anfangs  Juli  von  seiner  auf  dem  Schiff  Unternehmung  gemachten,  3jäh- 
rigen  Entdeckungsreise  zurückgekehrte  Capitain-Lieutenant  von  Koizcbue 
ist  Flottencapitain  vom  2ten  Range  und  Ritter  des  St.  Annenordens  2ter 
Classe  geworden.  Von  seinen  Bogleitern  erhielten  die  Doctorcn  Esch- 
holz und  Siwold,  der  Astronom  Preis,  der  Mineralog //q/Tmcm«  und  der 
Naturforscher  Lenz  den  Wiadimirorden  4r  Classe.  Der  Dr.  Eschholz 
hefindet  sich  gegenwärtig  in  London,  und  will  dort  eine  Besdircihung 
der  Reise  in  zwei  Bänden  mit  Kupfern  und  Charten  und  ausserdem  ciu 
hesonderes  Werk  über  seine  naturwissenschaftlichen  Beobachtungen  her- 
ausgeben. —  Das  kaiserl.  Russische  Staatsministevium  hat  nocli  meh- 
rere Ehrenzeichen  ausgethcilt,  welche  der  hochselige  Kaiser  Alexander 
zu  vertheilen  heschlossen  hatte,  aher  durch  den  Tod  daran  gehindert 
worden  war.  Unter  andern  erhielten  kostbare  Brillantringe  llr.  Dr. 
Dorow  in  Bonu  als  Zeichen  des  Wohlgefallens  an  der  Herausgabe  der 
Denkmähler  Germanisch  -  Römischer  Zeit  in  den  Rlieinisch  -  Westphäli- 
schen  Provinzen ,  Hr.  Gail  d.  Jung,  zu  Paris  für  die  überreichte  Schrift 
Recke  rches  sur  la  naiurc  du  culte  de  Bacchus,  und  der  Hr. 
geheime  Legationsrath  und  Bnchliändler  Hennings  in  Gotlia  als  Beweis, 
dass  der  verewigte  Monarch  das  Untei-nehmen  des  Deutschen  Ehrentem- 
pels mit  hesonderem  Wohlgefallen  aufgenommen  habe. 

Pisa.  Aul  der  dortigen  Universität  ist  eine  eigene  Professur  für 
die  Sprache  und  Alterthumskunde  Aegyptens  errichtet  und  dem  Hrn.  Prof. 
Rozellini  übertragen  worden. 

PoRTUGALt.  Nach  einem  Decret  der  Staatsbehörde  ist  den  Mitglie- 
dern der  Congregationcn  und  religiösen  Orden  gestattet ,  in  den  Elemen- 
tarschulen Unterricht  zu  crtheilen.  Lehrstellen  für  Grammatik ,  La- 
teinisch,  Griechisch,  Philosophie  und  Rhetorik  können  durch  Kloster- 
geistliche besetzt  werden,  wofern  dieselben  nicht  solchen  Orden  ange- 
hören, welchen  ihre  Statuten  Zurückziehung  von  der  Welt,  Gebet, 
bloss  beschauliches  Leben  oder  Krankenpflege  auflegen.  Die  Kloster- 
geistlichen  bleiben  als  Lehrer  in  dem  Kloster  und  dürfen  nidit  aiisser- 
halb  desselben  Avohnen.  Sie  müssen  sich  vor  der  Ertbeilung  einer  Ijchr- 
stelle  bei  der  allgemeinen  Junta  für  die  Leitung  der  Studien  einer  Prü- 
fung unterwerfen ,  unterliegen  in  Allem ,  was.  den  öfftMitlicIien  Unter- 
richt angeht,  den  Verfügungen  derselben  und  sind  ihr  für  üire  L«  Iir\()r- 
träge  verantwortlich,  dürfen  aber  von  ihren  Klosterobern  in  ihrer  liclir- 
weisc  nicht  beschränkt  werden.     Ausser  ilirem  Kiosteruntcrhalt  erlial~ 


Beförderungen  und  Ehrenbezeigungen.  503 

ten  sie  noch  einen  Theil  dos  Gehaltes  der  Lehrer  aus  dem  weltlichen 
Stande.  Alle  Lehrer  geistlichen  und  weltiirhen  Standes  aber  erhalten 
nach  tünfund/.Man7.igjährig(  in  Dienste  zAvei  Drittheile,  nach  dreissigjäh- 
rigem  ihren  ganzen  (iihalt  als  Pension.  Die  Professoren  der Lniversi- 
tät  CüiMBRA  dürfen  erst  nach  vierzigjährigc-m  Dienste  auf  .'i'ensionirnng 
mit  vollem  Gehalte  Anspruch  machen.   S.  Lissaboncr  Zeit,  vom  2(>  Juni. 

Potsdam.  Am  Gymnasinm  ist  Ilr.  Subrector  Schmidt  zum  Conre- 
ctorat,  llr.  Oberlelirer  lldmholz  zum  Snbrectorat  befördert,  und  der 
Schnlamtscandidat  Ilr.  Fricdr.  U'ilh.  Ucimnltz  als  jüngster  Überlehrer 
provisorisch  angestellt  Morden. 

Pbetssev.  Für  das  Gedeihen  der  Wissenscliaften  und  für  das  im- 
mer grössere  Aufblühen  des  Schul-  und  UnterrichtsM  es«ns  in  denPrenssi- 
echen Staaten  wird  auf  eine  sehr  erfieuliche  Weise  geborgt.  Se.  Majestät 
der  König  liaben  auf  25  Exemplare  der  vom  Professor  Dr.  Frcijta^  in 
Bonn  herausgegebenen  Ilamasa  mit  375  Thlrn.  pränunieriren  und  auf 
3  Exemplare  des  grossen  Werks  der  Akademiker  von  Martins  und  von 
Spix  über  ihre  Reise  nach  Brasilien  subscribiren,  so  Mie  auch  5  Exem- 
plare des  7ten  Bandes  des  grossen  von  dem  Ivammerherrn  Alexander  von 
Humbold  herausgegebenen  Werks:  nova  ^cncra  plantaruvi  ötc., 
ankaui'eu  lassen.  Ilr,  Major  von  Düring  (Flüf^jeladjutant  des  regieren- 
den Fürsten  von  Schaumburg  Lippe)  erhielt  vom  Könige  als  Zeichen 
des  Beifalls  über  die  Sclu'ift:  IV o  schlug  II ermann  den  Varus? 
(Quedlinburg'  1825  in  8)  ,  die  goldene  Verdienstmedaille  und  ein  aller- 
gnädigstes  Handschreiben.  Dem  Hrn.  Coavector  Loycck  in  Königsberg 
ward  unter  dem  22  August  die  Summe  von  400  Thlrn.  als  Unterstützung 
Behufs  des  von  ihm  herauszugebenden  Kupferwerks  der  säramtlichen 
inPrenssen  wild  wachsenden  Pflanzen  bewilligt.  Vrgl.  Box\  und  S.  484. 
Für  die  Verbessernng  des  Volksschulwesens  werden  in  allen  Provinzen 
grosse  Summen  verwendet.  ]\icht  minder  wird  für  Gymnasien  und  Uni- 
versitäten gesorgt.  Vrgl.  Rheixpbeusse\,  Von  Seiten  des  königl.  Mi- 
nisteriums der  Unterriehtsangelegenheiten  wurden  seit  dem  Septemb.  d. 
J.  ausserordentliche  Remunerationen  bewilligt  am  Gymnasium  zu 
Aachex  (unter  dem  9  Sept.)  den  Lehrern  Körten,  Savels,  Menge 
und  Klapper ;  zu  Ckeizxach  dem  Prediger  und  Religionslehrer  Pfor- 
rius  und  dem  Lehrer  licrnhardi ;  zu  Mixsteueyffel  den  Lehrern  Hack, 
Neues,  Schcben,  Kulzfus  und  Hohn;  zu  Neu -Stettin  (unter  dem  14 
Octob.)  dem  Lehrer  lleyer  (70  Thlr.);  zu  Soest  dem  Conrector  From- 
me ;  zu  SoRAU  (am  (i  Sept.)  dem  Conrector  Scharbe  und  Subrector  Lenn 
nitts ;  zu  Zeitz  dem  dritten  Lehrer  M.  Daehne ;  an  der  Universität  zu 
Berlix  den  Professoren  Dr.  hopp  (120  Thlr.)  und  Jarckc  (100  Tblr.); 
zu  Halle  dem  Dr.  Schott;  zu  Gkeifswald  dem  Prof.  Dr.  Hünvfeld 
100  Thlr.  als  Entschädigung  für  die  Auslagen ,  welche  ihm  seine  Vor- 
lesungen über  Chemie  während  des  letzten  Sommersemesters  vernr- 
Eaclit  haben.  Argl.  Wetzlak.  Gehaltzulagen  erhielten  am  Gym- 
nasium zu  Trier  die  Lehrer  Leloup  (m elcher  auch  zugleich  zumübtv- 
lehrer  befördert  ward)  100  Tlilr. ,  und  Schneemann  150  Thlr,  Der 
Gymnasiallehrer    liudc  zu  Paueuboux  hat  eine  Unterstützung  von  350 


50-1  Schul-  und  Univcrsi  t  ü  tsna  clirichtcn, 

Tlilrn.  erhalten ,  um  seine  Studien  auf  der  Universität  zu  Berlin  noch 
während  des  näclisten  Jahres  fortzusetzen.  Ausserordentliche  Zuschüsse 
erhielten  die  Gyuuiasicn  zu  CoEsiiiv  114  Thir.  zur  Vermehriuif;^  der  Bi- 
hliothck;  zu  L\ck  200  ThIr.  zu  gleichem  ZAvedce;  zu  Mii\dkx150  Thlr. 
zur  Anschaffung  eines  Positivs  oder  Flügels  für  den  Gesangunterricht; 
zu  MüxsTEKE\FFEii  200  Tlilr.  für  die  Bibliothek  und  343  Thir.  zur  An- 
schaffung eines  vom  Mechanikus  Müller  in  Berlin  verfertigten  mathema- 
tisch-physikalischen Apparats;  zu  Soest  120  Thlr,  zum  Aulkauf  von 
Hülfsmittela  fiu-  den  naturhistorischen  Unterricht;  zu  Neu -Stettin 
435  Thlr.,  um  Lehrmittel  und  grössere  Werke,  deren  die  Lehrer  hei 
ihren  Studien  bedürfen,  anzukaufen.  Büchergeschenke  erhielten  die 
Gjuinasien  zu  Bielefeld  (Thucydid.  v,  Bekker,  Jul.  Caesar  v.  Oudcn- 
dorp,  Corn.  Nepos  v.  Staveren,  Quintilian.  v.  Spalding),  Cueuzivach 
(Plato  V.  Bekker)  luid  Neu- Stettin  (Xenophon  v.  Schneider,  Poctae 
gnomici  v.  Brunck,  Theocrit.  v.  Valckenaer,  Tacitus  von  Oberlin,  Sue- 
ton.  V.  Wolf).  Von  dem  Mechanikus  Kummer  in  Berlin  wurden  16  Re- 
lief-Globen gekauft,  um  sie  an  die  Gymnasien  in  Bielefeld  und  Hamm 
und  an  andere  höhere  Unterrichtsanstalten  zu  vertheilen.  Von  dersel- 
ben Behörde  sind  unter  andern  folgende  wichtige  Verordnungen  erlas- 
sen worden:  den  21  Aug.  vor.  Jahres:  Damit  diejenigen  inländischen 
Studirenden,  welche  sich  dem  gelehrten  Schulfache  an  evangelischen 
Gymnasien  widmen  wollen ,  sich  schon  auf  der  Universität  diejenigen 
Kenntnisse  in  der  Theologie  aneignen,  Avelche  zur  Ertheilung  eines 
gründlichen  und  zweckmässigen  evangcl.  Religionsunterriclits  in  cvangel. 
Gymnasien  erforderlich  sind,  und  von  jedem  Gymnasiallehrer,  auch 
wenn  er  sich  nicht  für  den  Religionsunterricht  bestimmen  Avill,  mit  Grund 
gefordert  werden  können,  soll  jeder  Schulamtscandidat  evang.  Confes- 
sion,  M  elcher  eine  Anstellung  als  Lehrer  an  einem  Gymnasium  sucht, 
nicht  nur  hinsichtlich  seiner  philosophischen,  philologischen,  histori- 
schen und  mathematischen  Kenntnisse  und  in  Betreff  seiner  Lehrgeschick- 
lichkeit, sondern  auch  in  Bezug  auf  seine  Kenntnisse  in  der  christlichen 
Glaubens-  und  Sittenlehre,  in  der  Exegese  des  alten  und  neuen  Testa- 
ments und  in  der  Kirchengeschichte  geprüft  werden.  —  Den  15  Aug. 
vor.  J, :  Von  Ostern  182(>  an  werden  zu  den  Prüfungen  zur  Erlangung 
der  medicinischen  Doctorwürde ,  so  wie  zur  Nostrificatiou  bei  einer  in- 
ländischen Universität  nur  diejenigen  Inländer  zugelassen,  welclie  mit 
dem  Schulzeugniss  der  Keife  Nr.  1  u.  2  versehen  sind.  —  Den  20  Nov. 
vor.  J.:  Den  Studirenden  der  Arzenciwissenschaftenwird  zur  Pflicht  ge- 
macht, dass  sie  vier  volle  Jahre  die  Heilwissenschaft  und  die  damit  ver- 
bundenen Grund-  und  Hülfswissenschaften  auf  einer  L'^niversität  studirt 
und  das  vierte  Jahr  zum  Besuche  der  praktischen  Institute  benutzt  ha- 
ben ,  bevor  sie  zu  dem  Doctorcxamen  der  Facultät  und  zu  den  raedici- 
uisclien  Staatsprüfungen  zugelassen  Avcrdcn  können.  —  Den  3  Slärz  d. 
J. :  Kein  Schüler  eines  andern  Gymnasiums  darf  in  eine  Schule  aufge- 
nommen werden,  wenn  er  nicht  von  Seiten  der  üircctoren  der  bis  da- 
liin von  ihm  besuchten  Schule  das  erforderliche  Zeugniss  beibringt,  da- 
mit er  in  der  neuen  Anstalt  nicht  in  eine  höhere  Classo  als  in  der  vu-r 


Beförderungen  unil  Ehrenbezeigungen.         505 

rigcn  gcsot/.t  werde.  —  Im  Septem!),  d.  J. :  Alle  von  jetzt  an  von  den 
wisseiischaltl.  Pnifungscoumiist^ioncii  pro  fiicultatc  docniili  ^cpiüflrn  und 
mit  oiiiom  desslallrsigou  Zeugnisse  vrischenen  gekJirtcu  Scluilaiiitscan- 
didaten  sollen  Avcnigstens  ein  Jahr  lang  hei  ohiem  Gvninas,  oder  ouior 
höheren  Biirgcrsehule  sich  im  Unterrichte  praktisch  ül)en  und  hierin 
ihre  Befähigung  mittelst  eines  Zeugnisses  des  Directors  der  Anstalt,  an 
welcher  sie  unterrichtet  hahen,  nachweisen,  bevor  sie  zu  einer  fixen 
Anstellung  im  gelehrten  Scliiilfache  zugelassen  Mcrden  können.  —  Für 
das  höhere  Schulwesen  bestelu-n  in  Preussen  sechs  wissenschaftliche 
Prüfungscommissionen  zu  Bkiilix,  lJKi:sr,Ar,  Haue,  Ii(EMGSBEiir.,  Bo\x, 
und  3U'\STEn  ,  welche  die  Bestinnuung  haben,  die  allgemeinen  Prüfun- 
gen der  gelehrten  S<;hulamtscandidaten ,  die  Prüfungen  pro  loco  und 
die  Ascensionsprüfuugcn  zu  verrichten ,  die  A'erhandlungen  der  Abitu- 
rientenprüfungen bei  den  Gymnasien  in  den  betreffenden  Provinzen  zu 
revidiren,  und  diejenigen  jungen  Leute,  welche  die  Abiturientenprü- 
fung bei  den  Gynuiasien  nicht  abgehalten  haben  ,  pro  immatriculatione 
zu  prüfen.  Jede  Prüfungscommission  besteht  in  der  liegel  aus  fünf 
IMitgliedern ,  für  das  philosophische  und  allgemein  pädagogische,  das 
philologische,  das  historisch -geographische,  das  mathematische  und 
naturwissenschaftliche  und  das  theologische  Fach.  Die  Mitglieder  m  er- 
den von  dem  Ministerium  der  Unterrichtsangelegenheiten  immer  auf  ein 
Jahr  ernannt,  Avelches  auch  zugleich  die  Leitung  der  Geschäfte  in  je- 
der Commissioii  einem  dieser  Mitglieder  überträgt.  Sämmtliche  Mit- 
glieder erhalten  für  ihre  Bemühung  eine  angemessene  Entschädigung  aus 
dem  Staatsfond.  Für  das  Jahr  1827  sind  zu  Uirectoren  und  -Mitgliedern 
dieser  Conimissionen  ernannt:  in  Berlin  der  Prof. /Cö^)tc  d.  Adt. ,  der 
Schulrath  OUo  Schulz  und  die  Professoren  Marhcinecke ,  Lachmann  und 
Ritter  d.  J.;  in  Halee  die  Professoren  Jacobs,  Reisige  Voigtcl,  Scherk 
und  Thilo;  in  Breslau  die  Consistorial-  und  Schulräthe  Skcyde  imd 
Menzel  und  die  Professoren  Schneider,  Jungnitz  und  Middeldorpf ;  in 
K(EMGSBERG  die  Profcssorcu  Lobeck,  Ressel,  Drumann  imd  Olshauscn 
imd  der  Director  Dieckmann ;  in  Bo^^  die  Professoren  Rrandis,  Jf 'in- 
dischmann ,  Diestcru'cg ,  ]\äcke  und  Augnsti,  und  in  Mi'nster  die  Con- 
pistorialräthe  Kohlrausch  und  Müller,  der  Director  ISadcrmartn  und  der 
Prof.  Uoddc.  —  Das  mittelst  Cabinetsordre  vom  21  "Mai  1824  erlassene 
Verbot  des  Besuchs  der  Uriivcrsität  TiiiixcE.v  durch  Preussische  Unter- 
thanen  ist  unter  dem  11  Octob.  d.  J.  zurückgenommen  worden. 

RuEi\PRErssE:«.  Für  den  Unterricht  bestehen  jetzt  —  zum  Thcil 
erst  von  dem  jetzt  aufgehobenen  Cölncr  Consistorium  eingerichtet  — 
in  den  Regierungsbezirken  von  Disseldouf  und  Ccelx  eine  Universität 
zuBow,  gestiftet  1818,  jetzt  mit  945  Studirenden;  eine  theologische 
und  pliilosophische  Facnltät  zu  MTaster,  die  den  24  Nov.  1825  ihren 
ersten  llector  wählte  und  jetzt  400  Studirendc  zählt;  10  Gymnasien,  zu 
DfssELDonr,  Ca:E\  (zwei  Gymnasien,  von  denen  das  zweite,  das  Car- 
melitercollegium  erst  1824  dazu  erlioben  ward),  Bonn,  MCnstereiffel 
(hat  erst  1825  die  Prima  Gymnasii  crluilten),  Wesei,,  Diisbitic,  Clbve 
("1817  ganz  neu  errichtet,  da  es  vorher  eingegangen  war) ,  Essex  und 


506  Schul-  und  Unlversitütsnaclirichten, 

EtBEBFELP  (beule  erst  vor  wenig  Jahren  zu  Gymnasien  erhohen);  5 
Proj?ymnasien  und  3  Siluillelirerseminare.  Die  10  Gymnasien  Iiatten 
im  Anfang'  dieses  Jahres  78  ordentliche  und  39  ausserordentliche  Leh- 
rer und  2025  Schüler  in  57  Classcn,  Die  5  Progymnasien  zählten  328 
Schüler.  Doch  ist  zu  bemerken ,  dass  diese  Anstalten  wegen  Mangel 
an  liinrelchenden  hühern  Bürgerschulen  von  vielen  Schülern  besucht 
werden  ,  m  eiche  nicht  für  höhere  Studien  bestimmt  sind.  Vrgl.  Leipz. 
Lit.  Zeit.  Nr.  232. 

Rom.  Die  neuerrichtete  philologische  Anstalt,  welche  in  die  andern 
Collegien  der  beiden  grossen  Universitäten  zu  Rom  und  Bologna  ein- 
gereiht ist,  hat  folgende  Mitglieder  erhalten  :  den  Prinz  Jiigustin  Chigiy 
Präsident;  Angela  Mai;  Prinz  Odescakhi ;  Ritter  S.  G.  de  Jlossi ;  Abbe 
Saniucci ;  S.  A.  Guattani ,  beständigen  Secretair  der  Akademie  von  S. 
Lucca;  Baron  J'mi  de  Vivers;  Advocat  Franz  Guadagni;  Pater  Joh. 
Bapt.  Piccadori;  Abbe  Amati,  Scriptor  der  Griech.  Spraclie  an  der  Va- 
ticanbibliothek;  Anton  Nibby,  dessgleichen  und  Professor  der  Archäologie 
am  Rom.  Gymnasium;  Abbe  Marquis  Molza,  Scriptor  der  Lateinischen 
und  Hebräischen  und  Professor  der  Morgenländischen  Sprachen.  — 
Die  Erziehungsanstalt  zu  St.  Michele  a  ripa  hat  ein  Privilegium  zu  aus- 
Bchlicsslichem  Verkaufe  aller  Schulbücher  erhalten.  Zu  diesen  sind 
auch  die  bessten  Lateinischen  Schriftsteller,  Cicero,  Cäsar,  Sallustius, 
Tacitus  u.  s.  M% ,  gerechnet.  —  Die  Druckerei  des  Vaticans  soll  wieder 
hergestellt  und  reichlich  mit  schönen  Lettern  und  guten  Arbeitern  ver- 
sehen werden.  —  Das  Deutsche,  von  den  Jesuiten  geleitete  Collegiura 
befindet  sich  vorläufig  noch  in  einem  Flügel  des  Professhauses  al  Gesü, 
und  hat  sein  früheres  Local  in  St.  Apollinare  noch  nicht  zurück  erhal- 
ten. Es  zählt  bereits  gegen  30  Alumnen ,  welche  meistens  Schweizer 
Beyn  sollen ,  und  wegen  ihrer  rothen  Talare  Gambari  colli  [  gekochte 
Krebse  ]  genannt  werden. 

Neu-Ruppiat,  Der  gelehrte  Schulamtscandidat  Ferdinand  Krause 
ward  unter  dem  14  Octob.  d.  J.  als  Unterlehrer  am  Gymnasium  an- 
gestellt. 

Stralsund.  Hr.  Prorector  Dr.  Nizze  und  Hr.  Oberlehrer  Dr.  Blu~ 
me  sind  zu  Professoren  ernannt  worden. 

Strassburg.  Hr.  Prof.  Schiveighäuser  hat  von  der  königl.  Gesell- 
echaft  für  Literatur  in  London  eine  goldne  Denkmünze  erhalten. 

Triext.  Auf  der  dortigen  für  das  Italienische  Tyrol  bestimmten 
Lehranstalt  soll  von  jetzt  an  auch  allgemeiner  und  vollständiger  Un- 
terricht in  der  Deutschen  Sprache  und  Literatur  ertheilt  \verden. 

TüBiivGEiv.  Die  Universität  wird ,  der  Sage  nach ,  von  hier  nach 
Stuttgart  verlegt  Averden,  jedoch  so ,  dass  die  theologische  und  philoso- 
phische Facultät  zu  Tübingen  verbleiben  soll. 

Warschau.  Für  Jüdische  Glaubensgenossen  wird  dort  eine  beson- 
dere Schule  errichtet,  in  welcher  diejenigen  als  Zöglinge  aufgenommen 
werden  sollen ,  welche  sich  zu  Rabbinern  bilden  wollen.  Sie  erhalten 
darin  Unterricht  hl  der  Mathematik,   Geographie,  Geschichte   und  in 


Beförderungen  und  Ehrenbezeigungen.       507 

Sprachen,  und  es  kann  liünftig  niemand  Ilaltbinor  oder  auch  nur  Untcr- 
rubbiner  werden,  der  nicht  in  dieser  Scluilc  unterrichtet  -worden  ist. 

^Vktzlak.  Dem  dasigen  (ifviunusiuiu ,  weh-lies  vor  einiger  Zeit  bei 
den  holien  und  hödisteii  Ik-liördeii  Avegen  mclircrcr  Lchrvorträgc  in 
Verdacht  gekoiunien  var  und  sidi  Megen  mehrerer  Anlilagoi)  unkte  recht- 
fertigen mufis^te,  haben  mit  dem  Heginn  diet^es  Jalircs  die  Hehörden  ihre 
Zufriedenheit  dadurch  zu  erkennen  gegeben,  dabs  dem  interüni^itischen 
Directur,  Hrn.  Prof.  Jlcrbftt ,  eine  Gratification  von  100,  und  jedem  an- 
dern Lehrer  eine  dessgleichen  von  50  1  lilrn.  au^gezaJiit  ward.  Bahl 
darauf  ward  der  Prof.  Herbst  als  wirklicher  Direclor  bestätigt  und  die 
drei  zuletzt  angestellten  Oberlehrer  Lambert,  Sicher  und  Dr.  Schirlitz 
erliielten  eine  Gehaltszulage  von  50  Tlilrn.  Nächstens  soll  auch  noch 
ein  Collaborator  mit  300  Tliirn.  Gehalt  angestellt  werden.  —  Das  vor- 
jährige Herbstprogramm  lieferte  der  Oherh-lirer  JUcdusch ,  und  gab 
darin  aus  seiner  Uebersctzung  des  Pausanias,  deren  erster  Band  seitdem 
(Münclien  bei  Fleischmanu)  erschienen  ist,  die  Beschreibung  des  Tem- 
pels Olympia. 

WiE\.  Durch  einen  kaiserlichen  Cabinetsbefehl  ist  (im  Octob.  d,  J.) 
bekannt  gemacht  Morden ,  dass  alle  Lehrer  und  Professoren ,  die  bei 
den  Unterrichtsanstalten  der  Oestreich'schen  Monarcliie  angestellt  wer- 
den ,  für  drei  Jalire  nur  als  provisorisch  angestellt  zu  betrachten  sind. 
Sie  sollen  zwar  Mährend  dieser  Zeit  den  vollen  Gehalt  und  alle  mit  ih- 
rer Stelle  verbundenen  Emoliuncntc  beziehen ;  wenn  sie  aber  binnen 
dieser  Zeit  Anlass  zu  Klagen  über  ihr  Betragen  oder  ihre  Amtsführung 
geben,  oder  den  von  ihnen  gehegten  KrMartungen  nicht  entsprechen, 
60  können  sie  ohne  weiteres  entlassen  Averden ,  ohne  das  Recht  zu  ha- 
ben,  Pension  oder  Entschädigung  zu  verlangen.  Erst  wenn  sie  o  Jahre 
lang  ihr  Amt  ohne  Tadel  verwaltet  haben ,  Avird  ihre  Anstellung  für 
fest  und  beständig  erklärt;  die  drei  provisorischen  Jahre  Averden  jedoch 
ihrer  Dienstzeit  zugerechnet.  —  Herr  Simon  Stumpfer  ,  bisheriger  Pro- 
fessor der  reinen  Elementarraatheniatik  am  Lyceum  zu  Salzburg,  ist 
Professor  der  praktischen  Geometrie  am  polytechnischen  Institute  gc- 
Avorden.  Herr  Graf  Moritz  von  Dielrichstein  ist  zum  kaiserl,  königl. 
Hof-Bibliotliek-Präfccten  ernannt  Avorden.  Der  Oestreich'sche  llisto- 
riograph,  Herr  von  Hormaier  hat  einen  Ruf  an  die  Universität  zu  Mün- 
chen erhalten,  aber  nicht  angenommen.  —  Hr.  HofdoUmetscher  Hofr. 
und  Ritter  Jos.  von  Hummer  hat  von  der  Erzherz,  und  Herzogin  von 
Parma  das  Cüuuuandcurkrenz  des  Constantin.  St.  Georgenordens  er- 
halten. 


Erklärung. 

V  Ott  F.  L.  H.  Kruse  s  Hellas  oder  geograph.  -  antiquarischer 
Darstellung  des  allen  Griechenlands  etc.  hat  der  ^  erleirt'r  des 
Ai>erks  eine  Beurtheiiiiiig  in  den  Jahrbiichern  sich  Aerbeten  oder 
Aveuigstens  die  Ahlieieniiii^  eines  desslialh  bestellten  Kxemplars 
mit  der  Erklärung  a erweigert,  dass  er  das  Uucii  nicht  recensirea 


508  Erklärung. 

lasse.  Lieferten  die  Jahrbücher  bloss  der  Verleger  wegen  Recen- 
sionen,  so  könnten  wh-  diesem  Verlangen  gern  wllUahren,  da 
wir  ohnehin  eher  eine  Verringerung  als  Vergrösseruiig  des  zn  be- 
handehulen  Stoffes  wVinschen  mVissten.  Aber  die  Tendenz  unse- 
rer Zeitschrift  ist  Schulen  und  Philologen  über  neuerschienene 
Werke  Auskunft  zu  geben.  Desshalb ,  und  weil  ^^  ir  ein  von  den 
Buchhandlungen  zum  Verkauf  ausgebotenes  Buch  eben  so  anse- 
hen ,  wie  jede  andere  feilgebotene  Waare ,  über  die  sich  der  Kau- 
fende ein  ürtheil  erlauben  darf,  können  wir  ein  in  das  Gebiet 
der  höhern  Schidbildung  einschlagendes  neuerschienenes  Werk 
nur  dann  absichtlich  von  Beurtheilnng  in  den  Jahrbüchern  aus- 
schliessen,  wenn  es  unter  die  in  der  Einleitung  (Hft.  1  S.  7)  ange- 
gebene Ausnahme  gehört.  Auf  jeden  Fall  aber  können  wir  uns 
in  Bezug  auf  Beurtheilnng  eines  Werks  von  dem  Verleger  dessel- 
ben eben  so  wenig  bestimmen  lassen,  als  wir  unsrerseits  ihm  vor- 
schreiben wollen,  ob  er  uns  ein  zur  llecension  verlangtes  Werk 
ausliefern  soll  oder  nicht.  Nur  des  Verlegers  der  Jahrbücher 
wegen  müssen  wir  noch  erklären,  dass  derselbe  bei  Bestellung 
eines  zu  recensirenden  Werks  von  der  Verlagsbuchhandlung  kei- 
ne andern,  als  die  im  Buchhandel  gewöhnlichen,  Begünstigungen 
verlangt,  und  bloss  noch  die  billige  Forderung  macht,  dass  ihm 
ein  solches  Werk  auf  ein  Jahr  ä  Condition  überlassen  werde,  wor- 
auf er  dasselbe  entweder  unbeschädigt  zurückgiebt  oder  bezahlt. 

Die  Redaction  der  Jahrbücher. 


Trotz  aller  Sorgfalt  haben  sich  in  dem  ersten  Bande  der  Jalir- 
bücher  doch  einige  Druckfehler  eingeschlichen,  die  zwar  im  Gan- 
zen unbedeutend,  aber  uns  doch,  vielleicht  weit  mehr  als  dem 
Leser  selbst,  unangenehm  sind,  da  wir  wünschen,  dass  das  Werk 
so  correct  als  möglich  erscheine.  Im  ersten  und  zweiten  Hefte 
bitten  wir  folgendes  zn  berichtigen :  S.  33  Z.  10  lies :  d  e  m  T  ä  u- 
sehenden  d  a  s  W  a  h  r  e.  S.  SO  Z.  2T :  verum  etiam.  S.  92  Z. 
16:  Vercellensis.  S.  215  Z.  9:  cavere.  S.  217  Z.  14  ist  das 
Comma  nach  antiquis^  S.  206  Z.  6  v,  u.  nach  disq)dvr]^  S.  268 
Z.  25  nach  aveXslv  und  S.  27-1  Z.  5  nach  yäg  zu  streichen.  S. 
268  Z.  3  v.  u.  1.:  nun.  S.  274  Z.  11:  dagegen.  S.  275  Z. 
C^  particularum.  S.  276  Z.  11  v.  u. :  zusammengetragen. 
S.  278  Z.  2  V.  u. :  scnipulosa.  S.  279  Z.  2  v.  u. :  Imperioccfie. 
S.  338  Z.  11  v.  u. :  gloria.  S.  339  Z.  21  v.  u. :  Bergman.  S. 
346  Z.  9  V.  u.:  1825.  Bei  der  S.  484  erwähnten  Sammlung 
Aegyptischer  Denkmähler  war  zu  erinnern,  dass  sie  die  Heft  1  S. 
222  erwähnte  Sal tische  ist,  und  dass  eine  ausführlichere  Be- 
schreibung derselben  im  Morgenblatt  Nr.  260  ff.  steht.  Von  dem 
in  einem  Alter  von  56  Jahren  verstorbenen  Conr.  von  OreUi 
(S.  489  )  steht  ein  ausführlicherer  Nekrolog  in  der  neuen  Zürcher 
Zeitmig  vom  28u  Octobr. 


Inhalt 
des     zweiten     Hefts. 

Demosllienis  opera  ed.  Reiskc  cum  vers.  Lat.  H.  Wolfii.  Edit.  cor- 

rectior  cur.  Scharfer.  —   Vom  Chorlienii  und  Prof.  Bremi  in 

Zürich.. S.253-2fiS 

riutarclii  Fliilopoemen,  Flamin,  et  Pyrrlius.    Edid.  liaehr.     —     Vom 

1\I.  Fr.  f  olhnar  Fritzschc  U\  Leipzig;.        .         .         •  •  .     2G3  —   271 

Descrizione  della   Graecia  di  Pausania  traduda   da  A't6ii/.     —     Vom 

Rector  M.  Sicbclis  in  Hauzen.  ......     271  —  281 

loannis  Tzetzae  cliiiiades.  Edid.  JiicssUn''.  —  Vom  Professor  Passow 

in  Breslau ...         .         •         .282-291 

Ciceronis  Laelius,     Recens.   Gcmhard.   —    Vom  Oberschulrath  und 

Direclor  Gocrcnz  in  Schwerin.  ......     291  —  317 

Ciceronid  Urafio  pro  Piancio.  Cum  comnientar.  Garatonii   \       y 

etc.  3did. /.  Cas/,.  OreWiMS.  ..   (  demsel-        317-337 

Ciceronis  Oratio    pro  Milone.    Cum  corament.  Garatonii  i       . 

etc.  edid.  idem.  ) 

Kühner:  Ciceronis  in  philosopliiam  eiusque  partes  merita.   —    Vom 

Professor  licicr  in  Leipzig.       .......     338  —  3J8 

Kraft  und  Forbi^cr:   Neues  Deutsch  -Latein.  Wörterbuch.    —   Vom 

Director  Itoscnhcyn  in  Lyck.    . 318  —  360 

lieber  Lateinische  Grammatik.    Erster  Artikel.    [Grotefcnd's  grössere 

und  kleinere  Lat.  Grammat.J  —    Vom  Professor  Ramshorn  in 

Altenburg 360  —  374 

Itamshorn :  Latein.  Elementarbuch.  )   Vom  Director  Ro~       o^i  ogi 

Chaste :    Theoret.  -  praktische  Lat.  Grammatik  J    scnhcyn  in  Lyck. 

Thiersch:    Griechische  Grammatik.  Aufl.  3.  J  Erster  Artikel.  Vom 

Richter:     Wort-  und  Sachregister    zu  Thiersch's/ Prof.    Dr.    Schultzc  381  —  394 

Grammatik.  )        in  Liegnitz. 

Plchn:  Lesbiacorum  über.  —  Vom  Oberlehrer  Dr.  Bach  in  Oppeln.    .     395  —  402 
Farbiger:  Prolusio  aniuiadvv.  ad  loca  (juaedam  Demo-  \  Vom 

sthenis  continens.  i   Cborberrnund  mm  aii 

Krüger:  Annotatt.  ad  Demosth.  Philipp.  I  specimen.      1   Prof.  ßrcmtin 
Jf'cickcrt:  Explicatt.  locoruni  aliquot  Demosthenis.         '  Zürich. 

Beck:  Observalt.  bistoricae  et criticae.  Spec.  IV.  —    Vom  Dr.Eggcrt 

in  Halle 411  —  417 

Siebdrat:  De  studio  etymologiae  perverse  institnto.  —  Von  demselben.     417  —  418 
Kärcher:  Handzeichnungen  zu  dessen  Mythologie  und  Ar- \        Vom 

chäologie  des  class.  Alterthnms.  f   Professor     .-.^  -,| 

Kärcher:   Handbuch  des  Wissenswürdigsten  aus  der  My- i  Homer  In  " 

thologie  und  Archäologie.  '     Zürich. 

Götter   und  Heroen  der  Griechen  und  Römer.  —  Von  demselben.        .     422 

Catullus.   Recensuit  et  emendavit  PottJcr.  i   Von  M.  Sillig      ,94,  «,- 

Tibullus.    Recens.  et  emend.  Pottier.  )      in  Dresden. 

Lüncmann:  Bibliotheca  Rom.  classica.  T.  I  —  X.   \   Vom  Director 

Lünemann:    Nova  biblioth.  Rom.  classica.  Tom.  [  Ilülucmann  in  425  —  430 

I  —  IV.  )        Osterode. 

Ciceronis  oratt.  Verrin.  über  IV.  Curav.  Eichhoff.  —    Vom  Professor 

Bcicr  in  Leipzig 430  —  432 

Conrad:    Carniina  Latina.  —    Vom  M.  Jahn  in  Leipzig.      .  .     433  —  434 

Dinier:  Religiöse  Weihe  zum  academischen  Leben.  —   \'on  dem.selbeii.     431 
Homers  Europäischer   Ursprung,    nachgewiesen   vom    Oberlehrer  Dr. 

Thicrach  in  Halberstadt 4G5  —  468 

Miscellen. 4«!>  —  486 

Todesfälle 486  —  489 

Schul-  und  Universitätsnachricbten ,  Befördcruimcn  und  Ehrenbezei- 
gungen  "       .  .     48»  -  507 

Erklärung 5U7  —  508 


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PA       Jahrbucher  Tiir  Philologie  und 

3  Paedagogik 

N64. 

Bd.l 


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