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■1^
JAHRBÜCHER
FÜR
PHILOLOGIE UND P.EDAGOGIK.
Eine kritische Zeitschrift
'in Verbindung mit einem Verein von Gelehrten
herausgegeben
von •
M. Joh, Christ, Jahn.
Erster Jahrgong.
Erster Rand. Erstes Heft.
Leipzig,
Druck und Verlag von B. G. Teubner.
18 2 6.
finmt^'airvcy^.. - 0
. GT^i^
Einleitung.
JUas Hervortreten einer neuen kritischen Zeitschrift nehen einer
bedeutenden Anzalil bereits vorhandener, durch Alter und innerii
Werth enipl'olener, wird jrleichwolil hey denen nicht erst einer
Rechtfcrtiijung hedürien, die mit uns der Ueberzeugung sind,
dass der ölfentliclien Meinung nie zuviel Organe gegeben werden
können, und dass insbesondre durch Vermehrfachung der litte-
rarisclien Gerichtshöfe das all'gemeine Urtheii über den Stand
der Wissenschaften und die einzehien Erscheinungen auf dem
Gebiete derselben unfelilbar an Freiheit, Unbefangenheit, Griind-
lichkeit und Vielseitigkeit gewinnen, verde. Wohl aber scheint
CS angemessen zu seyn , den Zweck und den Umfang des neuen
Instituts gleicli zu Anfang y'enigstens andeutungsweis zu bezeich-
nen, und dadurch den Erwartungen, die, davon gehegt , denAn-
foderungen, die daran geniaclit werden dürfen, im Voraus festere
Anlialtungspuncte darzubieten.
Auf Allgemeinheit Verzf 14h t. leistend, ans dem sich mit jedem
Jahre erweiternden Reiche des Wi!«rsens und Forschens eine ein-
zelne Provinz abzugrenzen, und auf diese allein unser Urtheii
zu richten, haben uns zwey Ilauptrücksichten bewogen. Zuerst
dünkte uns nur so die Vollständigkeit der Uebersicht erreiclibar,
zu der bis jetzt noch kein Blatt von umfassenderer Bestimmung
beym bessten Willen der Besorger hat hindurchdringen können,
wenn es nicht auf zwey wesentliche Leistungen sofort zu Acr-
zichten bereit war, auf erschöpfende Ausführlichkeit der Bericht-
erstattungen und auf gehörige Begriindung der ausgesprochnen
Lrtheile. Wir sind übrigens weit entfernt, hiermit einen Tadel
solcher Verfahrungsweise verbinden zu wollen : vielmelir müssen
w ir sie als Product der INothwendigkeit bey der ungeheuren
Masse des vorhandenen Stoffes anerkennend billigen. — Dann
aber glaubten wir auch, dem hochachtbaren und zahlreichen,
mit zeitliclien Gütern jedocli noch keineswegs nach Gebiiiir und
Verdienst gesegneten Stande der gelehrten Schulmäimer, denen
diese Jahrbücher zunächst gewidmet sind, MÜrde ein litterari-
scher Mittelpiinct erwünscht seyn, in welchem — mit Ausschlies-
sung alles Fremdartigen — dasjenige zusammengestellt uiul ge-
prüft m erden soll, was den Kreis ihres Forschens und Wirkens
unmittelbar berührt, sodass sich wissenschaftliche Ergrüudung
Jahrb. d. Phil. u. Pädag. Jahrg. I. Heft. 1 . 1
2 Einleitung.
und vvcrlithätige Ausübung wechselseitig fördernd in Eintracht
die Iläiule reiclicn. Dem gemäss kündigt der Titel dieser Zeit-
sclirift Philologie luid Pädagogik als die Gebiete "an, auf welche
sicli die zu diesem Unternehmen verbundenen Gelehrten be-
schränken wollen.
Diese Zusammenstellung zweyer an sich ziemlicli verschie-
denartiger Fächer kann dennoch allein für denjenigen etwas Be-
fremdliches haben, der sich nicht zu überzeugen vermag, dass
das gelehrte Schulwesen in gründlichster Erlernung der beyden
classischeu Sprachen des Alterthums seine einzig sichere Begrün-
dung findet. Diese Ueberzeugung war besonders durch Friedrick
Alf gast Jf olfs erweckliche, an den trefflichsten Andeutungen
reiche Lehrvorträge seit etwa drey Jahrzehenden so allgemein
verbreitet, und schien so tiefe Wurzeln geschlagen zu haben,
dass anjetzt, zumal seitdem Niethoimnei' den stattlichsten Grab-
stein auf das widerstrebende Princip gelegt liat, eigentlich jedes
fernere Wort über diesen Gegenstand i'iberflüssig geworden seyn
sollte. Allein es gehört zu den auffallenden Eigenthümlichkei-
ten unsrer Zeit, dass überall den edelsten imd fruchtbarsten Be-
strebungen zur Förderung des Wahren und Guten hemmende
Gewalten in den Weg treten, und ihnen den oft schon seit Jahr-
hunderten gewonnenen Boden — hie und da nicht ohne augen-
blickliche Erfolge — aufs Neue streitig zu machen suchen. Auch
darin wird indess das Auge, das sich gewöhnt hat in jedem Er-
eignisse das Walten der höchsten Liebe und Weisheit zu erken-
nen, ohne Schwierigkeit überwiegende Vortheile für das Ganze
wahrnehmen. Langer," ungestörter Besitzstand entartet nur all-
zu leicht in die bequem hindämmernde Bewnisstlosigkeit eines
verjährten Herkommens, und verführt luimerklich zu argloser
Sicherheit, während jedes Entgegenstreben, wie übelgemeint und
verwerflich an sich es auch seyn mag, zu dienlicher Wachsam-
keit, Besonnenheit und Umsichtigkeit aufruft.
So hat sich denn dieser verneinende Geist, hald in dun-
keln Umtrieben geschäftig, bald mit dreister Entäusserung aller
Scheu hervortretend, auch gegen die alten Sprachen als vorzüg-
lichstes Bildungsmittel lüisrer Jugend, mit merklichstem Uebel-
wollen jedoch ^e^^^w die Griechische aufzulehnen nicht erman-
gelt, und hierin wenigstens das sehr richtige Gefülü an den Tag
gelegt, dass mit dieser auch die Lateinische und sonach das ge-
samrate Alterthumsstudium stehe oder falle. Und da dem unleug-
bar zu höhern Ansichten herangereiften Volksgeiste nicht mehr
so leicht wie sonst vermittelst des abgebrauchten Nützlichkeits-
Evangeliums beyzukommen war, so versuchte man arglistiger die
heiligsten Interessen des Menschen, Sicherheit der Religion und
der bürgerlichen Ordnung, mit in das unlautere Spiel zu zielin,
und sie als gefährdet darzustellen durch die Beschäftigung mit
Sprachen, denen aus den Jaluhunderten ilirer Entwicklung das
Einleitung. 8
zwiefache Gift des Heidenthums und des Demokratisnms unsicht-
bar anliafte, wie der Feststoff Levantischen Waarcnballen *).
Kein Wunder denn, -wenn eben diese Verleug'ner des einge-
borenen Menschenadels , denen Klarheit der Erkenntniss und
Kraft des sittlichen AVillens als gefahrdrohende ScJireckbilder gel-
ten, in dem erliabcnen Kampfe, den das erwachte Grieclienland
mehr mit der sogenannten CJiristenheit und der sogenannten
Europäisclien Sittigung als mit der Asiatisclien Thicrheit seiner
entmenschten Zwingherren um die ersten, allgemeinsten Mensch-
heitsrechte kämpft, wenn sie in dieser phönixgleichen Verjiin-
gung, in diesem glon-eichen Wiedererstarken eines seit Jahr-
hunderten in den Staub getretenen Volkes nur frevelhafte Em-
pörung gegen ein rechtmässiges Oberhaupt gewahren wollen, und
daraus neuen Verdacht gegen die Sprache herleiten, die von den
Almherren dieser Helden geredet ward.
Es ist hier nicht die Stelle, eine Streitfrage ausführlicher
zu erörtern , über die sich schon die beredtesten Männer Frank-
reichs und Englands, Männer wie Chateaubriand und Erskine^
an öffentlicher State wiirdig ausgesprochen haben, imd über
deren Entscheidung vielleicht die Politik, aber kein edles Herz
in Zweifel seyn kann. Wohl aber ist im Allgemeinen zu bemer-
ken, dass die Sprache, zufolge ihrer geistigen Natur, nur den
Innern Bildungsgang eines Volkes , die eigenthümlichen Formen
seines Empfindens, Denkens luid Wollens aus sich zurück zu
spiegeln vermag, keineswegs aber die äussern Umgestaltimgen
und Wechsel seines geschichtlichen Lebens ; wesshalb ihr Er-
lernen zwar zu unberechenbarem Gewinn ausschlagen muss,
wenn das Volk in seinem Empfinden naturgemäss, in seinem
Denken hell und folgerecht, in seinem Wollen tüchtig war,
dass aber sittlicher Verderb nie daraus ei'wachsen kann , w enn
nicht durch leicht zu verhütende L^nterschiebung fremdarti-
ger Zwecke ein IVIisbrauch getrieben wird, der ausser allem
Zusammenhang mit der Sache steht, und dem überall das
Heiligste, Ehrwürdigste und Reinste am meisten ausgesetzt ist.
Die Schriftwerke aber, zu deren Verständniss die alten Sprachen
den Zugang eröfinen, stehn vor dem ungetinibten Sinne in so
makelloser Herrlichkeit da, dass es Ent\AÜrdigung wäre, sie
gegen Verunglimpfungen in Schutz zu nehmen, die von ihnen
abgleiten, wie des Sterblichen ohnmächtig -frecher Pfeil von der
Aegis der Pallas Athene.
Ohne also länger hierbey zu verweilen , wird es zur Ver-
ständigung über die Richtung dieser Jahrbücher genügen, dass
*) „Heuchler der Fi/rc/jt" kann man eolche mit dem treffenden
AuBdruckc bcy Tliiersch, über gelehrte Schulen, Abtb. I. S. 23. nennen.
1 *
4 Einleitung.
die Mitarbeiter alle, iin«5eres tlienern Glaubenshelden Martin
Luthers lind seiner gleich^jesinnten Mitkämpfer um Licht und
Wahrheit, Melanchthons^ Bi/^^enhagens^ HiUlens^ Ciuncrarius^
Trotzeudorfs und anderer Elirenmänner Avoldbegründete Ue-
berzeuguui^ auch hierin ^ on ganzem Herzen theilend , in dem
Studium der alten Sprachen die edelste und kräftigste Nahrung
fiir den zu klarer Erkenntniss bestimmten jugendlichen Geist
erkennen, und daher im hohem Schulunterricht ihnen den ersten
und bedeutendsten Platz zusprechen *).
Die ^vissenschaftliclle Stellung des Lehrers der alteöi Spra-
chen auf einem Gymnasium zu seinem Fache ist aber wesentlich
verschieden von derjenigen, in welcher sich die Lelirer der iibri- .
gen Unterrichtsgegenstände zu diesen befinden. In der Ge-
schichte, der Mathematik, der Physik ist das, was für den ge-
lehrten Forscher Werth imd Bedeutung hat, mit sorgfältiger
Prüfung von demjenigen zu unterscheiden, Movon für den Jugend-
unterricht fruchtbarer Gebrauch gemacht werden kann, und
nicht bloss in Bezug auf den mündlichen Vortrag in der Schid-
classe, sondern auf AVissen und Studium überhaupt. Der umfas-
sendste und gründlichste Geschichtskenner, der tiefste und
scharfsinnigste Mathematiker, der genialste Naturforscher kann
grade durch die Eigenschaften, die die Höhe seines wissen-
schaftlichen Standpunctes bezeichnen und dadurch seinen Beruf
zum akademischen Lehrer bekunden, am allermeisten gehindert
seyn dem frühern Jugendunterricht mit Erfolg vorzustehn, weil
das in diesen Gebieten Wichtige keineswegs auch immer für den
besondern pädagogischen Zweck erspriesslich ist , und daher von
diesem mit Bestimmtheit fern gehalten werden muss.
Ganz anders verhält es sich mit dem philologischen Unter-
richt , der aber keineswegs auf die beyden classischen Sprachen
beschränkt bleiben darf, sondern auch die Geschichte, die Litte-
ratur xmd die Kunst des Alterthums mit in sich aufnelmien
muss **). Weil dieser in ununterbrochner Stufenfolge von den
ersten Anfängen der Spracltlelire ausgeht, und auch in seinem
*) Der Verfasser dieser Einleitung kann es sich nicht versagen,
nach so manchem schon früher gesprochenen trefflichen Worte hier
auf zwey neuerdings in der Schweiz erschienene, diesen Gegenstand
mit soviel Klarheit, Einsicht und wohlthuender Wärme behandelnde
kleine Schriften hinzuweisen , dass ilinen auch diessseits des Rheins
die allgemeinste Vei'breitung und Beachtung zu wünschen ist , auf
Geiiachs Abhandlung über das Verhältniss des Sprachunterrichts zu den
übrigen Lehrgegenständen , Basel , 1825. und auf Rud. Rauchensteins
Bemerkungen über den Werth der Alterthurasstudien auf Gymnasien
und höhern Schulanstalten, Aarau, 1825,
**) S. Fricdr, Aug. JFolfs Darstellung der Alterthumswissenschaft.
K i II 1 c i t u n g. 5
weitern Fortschreiten alle Thcile so genau in einander Reifen
und sicli wechselseitig bedingen, dass die Versäuiiiung ancli des
sclieinbar geringlVigigsten derselben der Ciriindlirhkeit des ge-
sammten Linterriclits unmittelbaren JNachtiieil bringt, ja die An-
schauung der alten Welt überhaupt fälscht und triibt, sodass das
der Jugend aufzustellende IJild jener Zeitalter Aon Grund aus
verkehrt werden kann , darum ist nicht bloss dem eigentlich ge-
lehrten Philologen, sondern auch demjenigen schon, der nur die
Anfangsgriinde der alten Sj)rachen auf die rechte Art und mit
dem rechten Sinne lehren will, aou dem vollständig umfassenden
und dann wieder bis ins liesondere der versclüedenartigsten Un-
tersuchungen eindringenden Ueberblick über sein Gebiet nichts
zu erlassen, da ja in diesem aus so Aielen Einzelheiten synthe-
tisch gebildeten Ganzen ein jeder Theil wieder nur in sehiem
wahren Verhältnisse zu allen übrigen richtig und gründlich ge-
würdigt werden kann. So ungebührlich und übermässig nun auch
schon diese Zumuthung \iclen erscheinen mag, so können wir
es doch bey dieser Foderung der vollständigsten geschichtlichen
üebersicht noch nicht eimnal bew enden lassen. Denn da das ge-
samrate philologische Studium auf allseitiger Kritik berulit und
ohne diese überall nicht denkbar ist, so muss sie auch zu jenem
bloss liistorischen Wissen stets belebend und befestigend hinzu-
treten, und demselben dadurch erst sehie wahre Bedeutung
geben. Auch ist es nur so dem Schulmanne möglich, bey dem
unvermeidlich W iederkehrendcn imd dadurch Ermüdenden, dem
sein Geschäft sich nie entziehn kann, jeden Ueberdruss von sich
abzuwehren, seinem Geiste die Frischheit zu erhalten, ohne die
keine belebende Einwirkung auf jugendliche Gemüther denkbar
ist, und selbst den Mechanismus des Elementarunterrichts nicht
zu scheuen, da ihm ja das höhere Ziel deutlich vor Augen steht,
zu dem nur auf diesem Wege empor zu klimmen ist.
In gradem Gegensatz also mit denen, die das Heil des Schul-
Mcsens in gewissen Formen des Unterrichts oder in eigends aus-
zubildenden und anzidei'uenden Lehrmethoden gefunden zu
liaben meinen, erlaxiben wir uns die Behauptung, dass beym Un-
terricht in den Alterthumskenntnissen gründliclie Vollständigkeit
des Wissens und unabhängig prüfende Durchdringung des Ge-
wussten die ersten Bedingungen alles höheren Gelingens sind :
mit andern Worten, der Lehrer in den alten Sprachen muss in
seinem Gebiete als selbständiger Gelehrter dastehn, und in je
umfassenderm Sinne er dieses ist, desto fruchtbarer und segen-
voller wird auch seine Lehrthätigkeit sejn. MLsdeute man nicht,
als wähnten wir, mit der Gelehrsamkeit sey nun auch alles ge-
than: freilich wird dem Lehrer, der der höhern religiös- sittli-
chen Weihung ermangelt, sein Wissen wenig fronnnen , und
selbst der glücklichste Verein sittlicher und wissenschaftlicher
TreflUchkeit kann beyra Wirken nacli aussen liin nur gar zn
6 Einleitung.
leicht durch zufällige, umveseutliche, oft bloss körperliche Hem-
raungen völlig paralysirt werden, ohne dass des Mannes wahrer,
innerer Werth dadurch gemindert wird. Nur daran glauben wir
festhalten zu miissen, dass des philologischen Lclirers Vibrige
Tiichtigkeit durch das Mehr oder Minder seiner eigentlich ge-
lehrten Ausbildung modificirt Avird, und dass daher auch ihm vor-
zugsweis die Verpflichtung obliegt, — wie niedrig immer die ün-
terrichtsstufe seyn mag, auf die ihn seine amtliche Stellung zu-
nächst hinweist — durch ein entschieden Anssenschaftliches
Bestreben, soweit ihm diess irgend durch die äussern Bedingun-
gen seiner Lage gestattet ist, imd durch frische Lebendigkeit
des Geistes sich des höchsten Lehrstulils fähig und würdig zu
machen.
Anfoderungen dieser Art , im Allgemeinen hingestellt, pfle-
gen zwar immer Vi bertrieben, auch wohl unbillig und selbst
lächerlich zu erscheinen, weil sie in ihrer ganzen Ausdehnung
nie befriedigt werden können. Dennoch müssen sie in ungemil-
derter Strenge ausgesprochen werden, weil die Wirklichkeit ohne-
hin nicht unterlassen wird sie zu beschränken und herunter zu
stimmen. Wer aber überhaupt ihre Gültigkeit bestreitet, der
wird imfehlbar auch noch unter der Stufe bleiben, auf die er
sich selbstbeliebig beschränkt hat.
Für den vorliegenden besondern Fall dürfte indess die auf-
gestellte Behauptung nicht so gar vielem Widerspruch ausgesetzt
seyn, da wir bereits die Erfahrung einiger Jahrhunderte auf
unsrer Seite haben. Denn M'iewohl es unsern gelehrten Schulen
auch an Historikern, Mathematikern und Naturkimdigen nicht
gefehlt hat , die Ihre Wirksamkeit weit über den ihnen zunächst
vorgezeichneten Kreis hinaus erstreckt haben, so können diese
doch in keiner Hinsicht mit den wahrhaft grossen Alterthumsfor-
schern verglichen werden, die, der hohen Würde ihres Berufes
eingedenk, von den Zeiten der Kirchenverbesserung an bis auf
unsre Tage, zumal in Sachsen, dieser Wiege Deutscher Geistes-
freyheit und Bildung, die wahre Stütze und Zierde unsrer Gymna-
sien gewesen sind. Eben daraus aber erklärt es sich auch, dass
mit seltnen Ausnahmen fast nur solche Gelehrte auf den Deut-
schen Hochschulen wirksame Förderer der Alterthumsstudien
geworden sind, die sich zuvor als Lehrer an Gymnasien Ver-
dienst, Achtimg imd Namen erworben hatten. Wer sich aber am
liebsten durch ein sprechendes Beyspiel überzeugen lässt, wie der
Lehrer einzugreifen vermag, der zugleich ein ächter Gelehrter
ist, und wie diess kraftvolle Ein>virken gerade dadurch erst
möglich wird, dass er sich auch als Gelehrter zu ausgezeich-
neter Höhe erhoben hat , den verweisen wir — um manches ver-
ehrten Mitlebenden und noch rüstig Fortwirkenden zu geschwei-
gen — auf den unvergesslichen Georg Ludwig Spalding als
ein würdiges Vorbild, wie praktische Lehrthätigkeit mit um-
Einleitung;. 7
fassender, weit i'ibcr das iiäclisle Schulbcdürfnlss hinaus srlirei-
teiider Gelehrsamkeit zu vcrbhukn iist, und was eiu solcher Verein
vermag *).
Es war nothwendi^, liicrüljcr uusre vielleicht nicht AouJe-
derinann getheilte Ansicht mit IJestinnntheit auszusprechen, weil
die innere Anordnung unsrcr Jahrbücher luHiplsächlich auf der-
selben beruht, und n\n- von diesem Standpnin;t aus \erstanden
und gewiirdigt werden kam). So nämlidi wird es unsern Lesern
sofort klar seyn, was uns bewoiren hat die tPliilologie sclion auf
dem Titeiblatte vorauzuslellen, und wesslialb wir ihr hinfort den
meisten Kaum, die häufigsten Ueriicksichtigiuigen und die aus-
fiihrlichsten Beiu'theilungen zuzuwenden beabsichtigen. PJbenso
wird es auch sein Auffallendes verlieren, Meini wir sogleich er-
klären, dass wir in diesem Gebiete nach seiner ganzen, oben an-
gedeuteten Ausdehnung (aber auch nur in diesem Einem) eine
soviel in unsern Kräften ist vollständige üebersicht über alle lit-
terarisclieu Erscheinungen, auch iiber die des Auslandes, zu be-
werkstelligen wünschen , und daher, keine Beschränkung auf den
gemeinen Schulgebrauch anerkennend, nur das unleugbar Ge-
haltlose, Leere und ]\ichtige aus unserm Kreise ausschliessen
werden **).
Ganz anders verliält es sich nach unsrer Ueberzeugung mit
allen übrigen Lehrgegenständen, deren streng wissenschaftliche
Behandlung wir von ilirer besondern Verwendung ziun Behuf der
Jugendbildung auf das Schärfste abscheiden zu müssen glauben,
imd die Mir in der letztern Beziehung unter dem Worte Päda-
gogik zusammengefasst haben, um sofort den Zweck kennbar zu
machen, dem untergeordnet sie hier betrachtet werden sollen.
In dem ganzen Gebiete , das man nicht bedeutungslos unter der
Bezeichnung der Ilumanitätsstiidien begriffen hat, lässt sich kein
w esentliches Moment nachweisen , das nicht entweder durcli sich
selbst oder durch seinen Zusammenhang mit den übrigen Thei-
len ebensowolü seine pädagogische wie seine wissenschaftliche
Seite hätte; wesshalb sich auf diesem Felde die Behandlung für
die Schule von der für die Universität nur nach Maassgabe des
*) Vergl. Georg. Ludw. Walchs Memoria SpaltUngü, Bcrl. 1821.
besonders von S. 17. an.
♦♦) Doch soll gänzliches Ausschliessen nur dann eintreten , wenn
eine S«;hrift schon durch ihren Titel und ilir äusseres Gepräge sich
als gehaltlos und nichtig darstellt. Ist diess nicht der Fall, oder ver-
hcisst sie woiil gar auf den erstem Anschein das (Jegeiillieil, so wer-
den wir mit möglichster Sorgfalt uns bemühen, durch kurze Anzei-
gen diejenigen, denen die Umstände eigene Trüfung nicht erlauben;
auf Uiren wahren Wcrth aufmerksam zu machen.
Jalin.
8 Einleitung.
Umfangs und der Tiefe unterscheiden wird: die Thätigkeit des
Lehrers kann hier also nur dem Grade nach eine andre seyn. In
den iibrigen Fächern dagegen wird nicht selten dasjenige dem
allgemeinen Bildungszweck widerstreben, was die Wissenschaft
selbst bereicliert und erweitert. Wie daher der in die Tiefen
seiner Wissenschaft eingeweihtere Theolog als solcher auch für
die Schule der geeignetere lleligionslehrer seyn sollte, oder der
gelehrtere, schärfere Geschichtsforscher als solcher der wirksa-
mere Geschichtslelirer , das können wir eben so wenig einsehn,
als dass dem physikalischen oder mathematischen Schulunterricht
ein besondi-es Heil daraus erwachsen sollte, wenn der Lehrer,
der ihn ertheilt, neue Gesetze fiir den Elektromagnetismus ermit-
telt oder der Analysis des Unendlichen neue eigenthümliche Bah-
nen gebrochen hätte. Hier fällt nur das der Scluile anheira,
wodurch Klarlieit und Gründlichkeit der Methode gelordert wird.
Diesem Grundsätze gemäss werden wir alle Erscheinungen
auf dem Gebiete der Theologie, der Geschichte, der Mathe-
matik und der Naturkunde, deren Charakter ein rein wissen-
schaftlicher ist, solchen kritischen Blättern überlassen, deren
Bestimmung entweder eine ganz allgemeine ist, oder die einzel-
nen dieser Wissenschaften gewidmet sind. Uns dagegen eignen
wir alles dasjenige an, was theils für den unmittelbaren Zweck
und Gebrauch der Schule gearbeitet ist, theils durch lehrreiche
Eigenthümlichkeiten in der Behandlung oder im Inhalt die vor-
zugsweise Aufmerksamkeit des gelehrten Schiümannes in An-
spruch nehmen zu dürfen scheint: wobey sich abermals ohne
Weiteres versteht, dass solche Schriften, die sich begnügen
zehnmal Gesagtes zum eilftenmal zu sagen, und weder füi die
Forschung noch für die Methode etwas Neues und Eignes dar-
bieten, ohne Rücksicht auf Bogen- oder Bändezahl, entweder
mit einer kurzen Warmmgsanzeige zu entlassen, oder mit einem
zur Genüge bezeichuenden Stillschweigen zu übergehn sind.
Ganz dieselben Hegeln gedenken wir in Bezug auf die He-
bräische und auf die neuern lebenden Sprachen zu befolgen.
Doch Averden wir mit den letztern unsre edle Muttersprache kei-
neswegs in Eine Linie stellen, sondern den hohen Werth, den
wir auf sie auch als Bildungsmittel legen, durch vorzugsweise
Beaclitung der sie und ihre Geschichte betreffenden Werke zu
erkennen geben.
Was die philosophischen Vorträge über Logik, Psychologie,
Rhetorik, Aesthetik, Geschichte der Philosophie u. s. w. anlangt,
sind zwar auch wir, um uns der Worte eines vielerfahrnen ge-
lehrten SchiUmannes zu bedienen*), der Meinung, dass eine
*) Joh. Casp. Friedr. Manso im Progr. des Bresl. Magdal. Gymn.
zu Ostern 1826. S. 49.
Einleitung. 9
grüiulUclie Erklärung der alten Scliriftstcller, ein ernstes Stu-
dium der Mathematik und die Ei'örterung rhetorischer und ästhe-
tischer Be^riiFe, die bey der Lesunjf der deutsclien Classiker und
bey der V erbesserung; der schriftlichen Ausarbeitungen auf keine
Weise fehlen kann und darf, die besste Vorbereitung auf Denken
und DenkVibung ist, und dass folglich der Wagen der Philosophie,
der sich ohnehin schon so vieles Uallastes entledigt hat und noch
gar manches iiber Bord werfen kann, keines Gymnasial -Vor-
spannes bedarf, sondern von den Lelirern der Universitäten allein
in Bewegung gesetzt und zum erwünschten Ziele gebracht wer-
den kann. — Indess da es an vielen und achtbaren Andersmei-
neiiden niclit felüt, auch in mehrern deutschen Ländern die Phi-
losophie unter die ausdrVicklich gebotenen Gegenstände des
Sclmlunterrichts gehört, scheint es Pflicht zu seyn, sie auch in
unsern Jahrbüchern hisoweit zu berücksichtigen, als sie es nicht
verschmähn wird sich zu den Bedürfnissen der Schule her-
abzulassen.
Dass encyklopädische Wei'ke, die den ganzen Kreis der
Wissenschaften befassen, sowie litterarische von bedeutenderm
Umfange, mit stetem Hinblick auf unsern nächsten Zweck Ge-
genstände unserer prüfenden Beachtung seyn werden, bedarf
keiner Bevorwortung.
Endlich aber wird eine besondre Rücksicht auf solche Schrif-
ten genommen werden müssen, die sich mit dem öffentlichen
gelehrten Schidwesen im Allgemeinen beschäftigen, mit Zweck
und Bestimmung der Gymnasien, mit ihrer äussern und Innern
Organisation, mit den einzelnen Gegenständen des Unterrichts,
■woran sicli die Methodik und Didaktik ansciüiesst , mit dem Ver-
hältnisse der gelehrten Schule zur Kirclie, zum Staate und zu
andern Lehranstalten, mit der Schulzucht u. s. w. Ebenso soll
nichts unbeachtet bleiben, was zur Geschichte des gelehrten
Schulwesens überhaupt und zur Charakteristik einzelner bedeu-
tender Lehranstalten oder zur Schilderung denkwürdiger Schul-
männer insbesondere erwünschte Beyträge liefert.
Ausgeschlossen dagegen bleibt Ein für alleraal, was durch
den eleraentarischen Bedarf des Bürger- und Landschullehrers
hervorgerufen ist, was lediglich der häuslichen Erziehung und
dem Pri\ atunteiTicht angehört, was endlich specielien Berufs -
oder Standesschulen gewidmet ist, ebenso das ganze unabsehbare
Gefolg sogenannter Kinder- und Jugendschriften, es müssten
deiui in seltnen Fällen Gründe eintreten eine Ausnahme zu
machen, wozu wir uns das Hecht wie billig vorbehalten.
Neben diesen aus der Sache selbst hervorgegangenen Be-
schränkungen der zu beurtheilenden Werke wird eine andre durch
die Zeit auferlegt, durch das Jahr der Erscheinung. Als ange-
messenster Zeitpunct von wo an stellte sich im Durchschmtte das
Jahr 1825 dar , und nui* für Schriften des Auslandes ist er bis
10 Einleitung.
zum Jahre 1824 oder 1823 hinausgcriickt *). Ausnahmen von
dieser Festsetzung sollen zwar nicht ganz unzulässig seyn, doch
soUen sie in der Regel nur bey Fortsetzungen bändereicher
Werke und bey den bald nälier zn besprechenden CollectivTecen-
sionen eintreten, bey denen es daranf ankommt ein ganzes Ge-
biet auf Einmal zu umfassen, und sich also nicht selten die Noth-
wendigkeit zeigen dürfte, bey ehiera noch frühern Zeitpunct an-
zuknüpfen.
Hiedurch wäre denn der Kreis beschrieben , den der kriti-
sche Theil unsrer Jahrbücher auszufüllen sich angelegen seyn
lassen wird. Trotz aller Beschränkungen, die die Sache irgend
gestatten wollte, ist er immer noch weit genug geblieben, um
der entsprechenden Ausführung des dargelegten Plans bedeu-
tende Schwierigkeiten entgegenzustellen. Am erfolgreichsten
wird ihnen durch gedrängte Kürze des Ausdrucks und durch ein
richtiges Vcrhältniss des Umfangs der Beurtheilung zu dem be-
urtheilten Werke begegnet werden.
Ausserdem aber glauben wir zur Annäherung an dieses Ziel
dadurch mit hinwirken zu können, dass wir Schriften über den-
selben Gegenstand oder doch a on uahverwaudtem Inhalte soviel
*) Diese weitere Ausdehnung des Zeitpunctes von wo an schien
uns bey Schriften des Auslandes desshalb nöthig, weil sie nicht selten
erst spät zu uns g-elang-en und durch den Buchhandel zugänglich wer-
den. So sind z. B. die Selecta oimscula academica von Matthias Norberg
(Lund, 1817 — 19.) und die von Arvcdson gesammelten Fragmente des
Pytheas (Upsala, 1824.) erst im Leipziger Messkatalog von 182(). als in
Deutschen Buchhandlungen vorhanden angekündigt. Aelmliche Ver-
zögerung des Bekanntwerdens tritt oft bey Schulprogrammen und Ge-
legenheitsschriften ein, die wir desshalb mit den Schriften des Auslan-
des in gleiche Kategorie gestellt haben. Solche Schulschriften aber
wünschen wir in unsern Jahrbüchern besonders und zwar desswegen
zu berücksichtigen, weil sie in der Regel, von Schulen ausgehend,
für Schulen bestimmt sind , nicht selten die gediegensten Monogra-
phien über Gegenstände des Schullebens genannt werden müssen und
meistens doch nur in Weniger Hände kommen. Um also ihr allge-
meineres Bekanntwerden nach Kräften zu fördern , sollen von ihnen
soviel als möglich zweckmässige Auszüge und Inhaltsanzeigen geliefert
werden. Freylich bedürfen wir zur Erreichung dieses ZAveckes die
wohlwollende Unterstützung der Verfasser derselben und der Vorste-
her gelehrter Anstalten , Avelche wir daher höflichst ersuchen , uns
dergleichen neuerschienene Schriftchen , wof«'rn sie nidit blosse Loca-
litäten und Gegenstände ohne allgemeines Interesse enthalten, mög-
lichst bald und au^ mindest kostspieligem Wege zuzusenden.
Jahn.
Einleitung. 11
wie möglich in Collectivrecensionen zusammenzufassen suchen,
Z.B.Ausgaben oder Uebersetzungen Eliies und desselben Schrift-
stellers, Spracldchren oder Wörterbiicher Piiner und derselben
Sprache, Hand- oder Lehrbücher Einer und derselben Wissen-
schaft. Manche allgemeine Uemerkiuig oder Anfoderung, man-
ches allgemeingVdtigc Urtheil, das bey mehrern Werken immer
M iederholt auszusprechen gewesen wäre, braucht so nur Einmal
durchgreifender vorgetragen und sofort auf eine ganze Classe
von Schriften bezogen zu werden ; auch wird das Charakteri-
stische der einzelnen ins hellste Licht treten, wenn sie nicht
bloss in Bezug auf ihre Wissenscliaft, sondern auch nach ilirem
Verhältm'ss zu einander gewVu-digt werden. — ]\icht ganz grund-
los wiirde zwar der Einwurf seyn, dass" auf diese Weise leicht
eine gewisse Einseitigkeit desUrtheils über ganze Zweige derLit-
teratur sich verbreiten und die Stimmung befangen könne, wel-
che Gefahr wegfiele, sobald die einzelnen Schriftwerke, anstatt
sie unter Einem üeberblick zusammenzufassen, unter ver-
schiedne Gelehrte vertheilt würden. Aber auch abgesehn davon,
dass die gefürchtete Einseitigkeit sich in Gesaramtbeurtheilungen
viel leichter verrathen, und dadurch ihren scliädlichen Einfluss
verlieren >vürde, wird sich jeder Besorgniss dieser Art im Vor-
aus dadurch begegnen lassen, dass wir sogleich unsre Bereitwil-
ligkeit erklären, von vorzüglich beachtenswerthen Schriften,
wenn sie auch schon als Glied einer längern Kette mit andern
zugleich beurtheilt seyn sollten , doch noch besondre Recensio-
nen aufzunehmen, insofern sich diese durch Aufstellung eines
eigenthümlichen Gesichtspunctes empfelilen werden.
Auch ist dieses Verfahren längst kein neues mehr. Fast alle
unsre bessern kritischen Blätter haben manches Schätzbare und
Lehrreiche dieser Art geliefert, und in neuester Zeit hat nament-
lich der Hermes sich durch gehaltv olle Collecti\Tecensionen aufs
vortheiUiafteste ausgezeichnet, obgleich gi'ade die philologische
und pädagogische Litteratur in ihm sich am seltensten der Beach-
tung zu erfreuen gehabt hat. Um so lieber treten von dieser Seite
unsre Jahrbücher ergänzend ein, xnul es ist sogleich in den ersten
Heften der Anfang damit gemacht worden.
Endlich ist zur Erreichung möglicher Vollständigkeit auch
die Einrichtung getroffen Avorden , dass sich jedesmal den aus-
führlichen Beurtheilungen in einer besondern Abtheilung kürzere
Anzeigen anschliessen sollen. Wir linden dieselbe Anordnung
in der ohnlängst in Leyden begonnenen Bibliolheca critica nova^
und können nicht umhin dasjenige zum Theii auf uns anzuwen-
den, was dort Bake in der Vorrede sagt: Bibliothecae nostrae
bipartita dlstribtitio. Mam priora cujusque Voluminis destinamus
Censuris, in quibus accurate, quantum fieri et potest et oportet,
libri explorabuntur , plenisslmeque referetur si qiud in iis vel
laudanduni vel secus erit. lieliqua tribuentur llclationibus Bre-
12 Einleitung.
vioribus , quae generalera vel commeiidatiouem vel animadversio-
iiem contiiiebimt, cxposito quam bre>issinic ciijiisque operis argu-
niento : multi quippe eriint libri qni diligentiorcm illarii cxplora-
tionem noii requirant, pliires etiam de quibus, ut^iote receutissi-
mis, primura isto modo cohimemorare ac muiciare pracstabit,
quam diu negligere, postea, si otium dabitur, aliquanto majori
cum cura retractandis et excutiendis. — Doch werden wiv darin
von den gelehrten Ilolländei-n abweiclien, dass diese kürzern
Anzeigen bey uns nie ein blosser Neüigkeitsbericht werden sol-
len, wofiir sich eine andre passliche Steile finden wird: vielmehr
sind sie für solche Schriften bestimmt, von denen ausser ihrem
Vorhandenseyn nicht eben viel zu sagen ist, jebenso für wenig
veränderte neue Auflagen und für Bücher, die sich ihrer Beschaf-
fenheit nach nur für gedrängte Auszüge und Inhaltsangaben
eignen.
Um aber die bequeme Uebersiclit über die gesammte philo-
logische und pädagogische Litteratur auf alle Weise zu erleich-
tern, wird dem letzten Heft eines jeden Jahrganges ein soa iel es
irgend zu bewerkstelligen ist vollständiges und nacli den Wissen-
schaften geordnetes Verzeichniss aller im Laufe des Jahres wirk-
lich erschienenen philologischen und pädagogischen Schriften
nebst Angabe des Verlagsortes, des Umfangs, des Formats und
des Preises beygefügt werden.
üeber Form, Ton und Art der Beurtheilungen irgend etwas
im Voraus willkührlicli festsetzen zu wollen, würde eine unge-
ziemende Anmaassung seyn. Dass von der äusserlichen Anlage
wie von dem innern Gehalte, von den benutzten Hülfsmitteln
und von allem was sonst wesentlich zur Gescliichte eines Buches
gehört, da wo es nöthig scheinen kann, treuer Bericht erstattet
und kein Urtheil ohne Beweis gefällt werde, sind so billige und
natürliche Anfoderungen an jedes kritische Institut, dass ihrer
liier nicht erst gedaclit zu werden braucht. Als erste und höchste
Tugend des öffentlichen Beurtheilers jjflegt man vor allem Hiana-
nität zu begehren, und gewiss mit Recht, wenn man dem schö-
nen Worte nur niclit so oft eine ganz falsche Bedeutung imter-
legte. Denn gar zu gern versteht man darunter die liöfliche
Halbheit, die, rechts und links persönliche Rücksichten nehmend
und es mit keinem zu verderben bemüht, einem jeden sein Recht
vorenthält, imd sich freventlicli vei'letzt wähnt, sobald ein Kriti-
ker sein Urtheil mit rücksichtsloser Bestimjntheit aulSspricht.
Die Humanität, der sich die Jahrbücher befleissigen a\ erden,
kami nie eine andre seyn als die der Gründlichkeit^ der // (ihr-
heilsliebe^ der Gerechtigkeit. In wie fern diese aber mit vor-
herrschender Milde oder Strenge zu vereinigen seyn dürfte, darü-
ber wird in allen einzelnen Fällen lediglich das eigne Ei-mcssen
der Mitarbeiter zu entscheiden haben. Der Herausgeber glaubt
seiner Pflicht dadurcli genügt zu haben, dass er nur solche Ge-
E i n 1 <■ 1 1 11 n i;-. 13
k'lirte zur Mitwirkung? eingeladen hat, für die schon iJire Namen
jede Gewälir leisten. Da ein jeder Mitarbeiter sein Urtheil nöthi-
genlalls sellist Aerlreten wird, hat er luich wohlbeginindeten An-
spruch auf unveränderten Abdruck seiner IJeyträge, und diese
geziemende Achtung vor der litterarischen Selbständigkeit jedes
einzelnen soll sich bis auf die Kigcntliiimlichkeiten der Recht-
schreibung ausdehnen, wo nicht ausdrücklich darauf Verzicht
geleistet ist.
Sich übrigens um die freundlichen oder unfreundlichen
Verhältnisse zu kümmern, die etwa zwischen dem Beurthciler
und dem Verfasse; oder gar dem Verleger der zu beurtheilenden
Schrift obwalten dürften, sollte dem liesorger einer kritischen
Zeitschrift, der in höherer Hinsicht seinen Verpflichtungen zu
genügen wünscht , niemals angemuthet werden. W äre es ihm
auch möglich, was es nicht ist, so wäre es doch gewiss seiner
unwürdig, A\eil es ein förmlich ausgebildetes System litt«rari-
scher Späherey, Zuträgerey und Klätscherey voraussetzen würde,
um hierin mit einiger Consequenz verfahren zu können. Daher
ist es anständiger und angemessncr, zu einem jeden Mitarbeiter,
den man eingeladen hat, auch das redliche Vertrauen zu hegen,
dass er kein Buch zu beurtheilen übernehmen werde, an dessen
unbefangner Würdigung ihn irgend ein persönliches Verhältniss
hindern könnte *). Wer ein solches Vertrauen misbrauchen
mögte, thäte es immer nur auf Kosten seines eignen Werthes
und seines guten Namens, ohne sonderliche Fährdung eines Drit-
ten oder der Littcratur Viberhaupt. Ja selbst, wenn zwischen
zwey Schriftstelleni ehie offenkundige wissenschaftliche Freund-
•
*) Dergleichen Privatrerhältnisse werden auch nie die Aufnahme
einer Recension bedingen. Ausgeschlossen bleiben nur Beurtheilun-
gen von Verlagsartikeln des A erlegers dieser Zeitschrift oder von
Schriften des Iledacteurs, weil hey ihnen der Scliein der Parteylich-
keit sich scliM'cr vermeiden lassen Avürde. Jedes Loh und jeder Tadel
nehmllch vürdo seihst dem unbefangenen und besonnenen Leser sehr
leicht als durch die bestehenden Verhältnisse bedingt, und modificirt,
folglich als parteyisch erscheinen, und es wäre k<iuin zu vermeiden,
dass er das Loh für zu übertrieben und den Tadel für zu sehr gemildert
hielte. Um aber jede Gelegenheit zum Mistrauen zu entfernen, sollen
von diesen Werken nicht eigentliche Recensionen, sondern blosse In-
haltsanzeigen anfgenoninien Mcrden . aus denen sich der Leser dann
seihst ein Urtheil ülter den Werth des Riichs abstrahireii wird. Dahey
bleibt CS dem Referenten unverwehrt, in streitigen Fällen seine An-
sicht der des Verfassers entgegen zu stellen , nur soll er sich jedes
durch seine subjective Ansicht bedingten Lobes und Tadels enthalten.
Jahn.
14 Einleitung;.
Schaft oder Fehde statt fände, wäre diess nocli immer kein hin-
reichender Grund, den Einen von der Beintheilnng des andern
zurückzuweisen, vorausgesetzt dass die Befreundeten oder Strei-
tenden als Männer bekannt wären , denen es um Wahrlieit und
nur um Wahrheit zu thun ist: sonst aber wären sie iiberali nicht
zur Tlieiluahme an den Jahrbiichern zuzidassen. Und Viberliaupt,
wer bringt es so leicht zu einer solchen Stoischen Apathie, dass
ihn niclit Ton und Inhalt einer jeden Schrift, die er mit Aufmerk-
samkeit zu lesen anfängt, alsbald mit einer günstigen oder un-
günstigen Stimmung erfüllen sollten, die von dem Buche auf den
Verfasser selbst als litterarische Person übei'gcht, und der Be-
urtheilung unvermeidlich ihre besondre Färbung mittheilt*? Ja,
grade solchen Zuneigungen und Abneigungen mögte man wohl
in der Regel die gründlichsten, die selbständigsten xmd ein-
dringendsten Kritiken zu verdanken haben: wem sollte nicht
seine Lesung gelehrter Blätter die Belege für diese auf den ersten
Blick vielleicht paradox erscheinende Behauptung an die Iland
geben*? Schliche sich nun aber auch wirklich, wider des Beur-
theilers Wissen imd Willen, einige Ungerechtigkeit mit ein, so
glauben wir im Ganzen in dem Kreise, der kritische Blätter liest,
soviel richtigen Tact xnid Prüfungsgeist voraussetzen zu dürfen,
dass er dergleichen persönliche Beymisclnnigen unschwer zu
erkennen und nach Gebiihr zu würdigen nicht ermangeln würde.
Auch glauben wir zur Ehre der öffentlichen Meinung behaupten
zu dürfen, dass es noch nie einer litterarischen Cabale durch
lügenhafte Kritik gelungen ist, weder ein schlechtes Erzeugniss
zu Ansehn und Ehren zu bringen, noch auch einem mit Gründ-
lichkeit, Geist und Fleiss geschriebenen Werke auf die Dauer
die ihm gebührende Achtung luid Aneikennung zu entziehn.
Damit sind wir aber keineswe^ gemeint, durch solcherley pi-
kante Reizmittel die Kritik in den Jahrbüchern geflissentlich zu
schärfen : vielmehr wird keine geziemende Fürsorge aus der Acht
gelassen und ganz besonders dahin gesehn werden, dass es nie
der zunftmässigen Einseitigkeit irgend einer Schule gelinge, das
neue Institut für ihre Zwecke in Beschlag zu nehmen.
Ueberdiess verschwinden diese wie manche gegründetere
Bedenklichkeiten, die die bisher üblich gewesenen Formen des
öffentlichen litterarischen Urtheils im Ganzen treffen, sobald die
anjetzt noch immer vorwaltend gebräuchliche Anonymität oder
Pseudonymität der Beurtheiler aufgehoben tvird. Um also auch
von dieser Seite nichts zu versäumen, was im Voraus als Ge-
währleistung für das allein auf Ermittelung der Wahrheit gerich-
tete Bestreben der Jahrbücher gelten kann, ist es mit den Mit-
arbeitern verabredet und als unverletzliche Regel festgestellt
worden, dass eijie jede Recension mit dem Namen ihres Ver-
fassers unterzeichnet werden soll: ein Verfahren, das durch
den jetzigen Zustand des Recensirwesens, sowie durch die An-
Einleitung. 15
sprüclie der bessern , tl. i. der die IJeiirtlieilniii^en wieder beur-
theileiideii Leser ^eiii'iirend vorl)ereitct zu sevii scheint.
Zwar bedienten sich ans Gründen, die im Geiste jener Zeit
lairen, sowolil die jlvta ennlitornm als sj)äterliin die trerilicliei»
IjillcriilKibricfe^ die ollgcmcinc Deutsi^he Bibiiotlick der .schönen
// issenschaftc}! und die ältere Jenaer Litter uturzeit nn^ dnrch-
^äniriirer \ erschwei^ung der IN amen. Aber schon in Wyttenbachs
Bibliotheca critica (seit 1177.) und dann in der Göttinger Biblio-
thek Ja r alte I Alter alnr nnd Kunst (seit 178(>.) wurden bey meh-
rern freymi'itliiiren philoloirisclien liccensioiien mit i;utem Krfolg
Ausnahmen von der last iierrscliend ^ewordnen Sitte gemaclit.
Das krältiire Einfi;reifcn der Eriider Schlegel in einzelne Zweige
der Kritik trug gleichfalls das Scinige dazu bey, ein völlig offnes
Hervortreten zu empfehlen , und die Erfurtischen Nachrichten
von gelehrten Sachen (von 1797 an.) schritten bereits som eit vor,
dass sie iVennung der Mamen zur unerlassliclien Bedingung mach-
ten. Freylich fand diese Zeitschrift wenig Ueyfall, und erfreute
sich keines langen Bestehns : allein davon lag der Grund nicht
in der aufgehobenen Anonymität, wenn diese auch dazu beytra-
gcn mogte, die tiefer liegenden Schwächen schneller ans Licht
zu bringen *). Als sich aber die Jenaer Litteratnrzeitung im
Jahre 1804 vcrjiingte, Avurde es als einer der wesentlichsten Vor-
züge des erneuten Instituts betrachtet, dass es jedem Mitarbeiter
gestattet Avar, sich so kenntlich zu machen wie es ihm gut dünkte,
imd dass ^iele der trefflichsten Männer unsres Volkes, Johannes
Müller^ Reinhold., J. G. Schneider.^ Göthe^ Toss, Jacobs., Aug.
IVilh. Schlegel., Schleiermacher u. a. theils mit i]iren Namen,
theils in so leichter Undiüllung auftraten, dass sie von keinem
Aufmerksamen verkannt Averden konnten. Wie zeitgemäss diese
Einrichtung war, hat sich unter andern auch dadurch bewährt,
dass alle seitdem neu begründeten kritischen Tribunale, in Hei-
delberg, Leipzig, Wien, Plildesheim und sonst, hierin denselben
Grundsätzen gefolgt sind, und dass diesen seit dem Jahre 1825,
nach vierzigjähriger Geheunlialtung der Namen ihrer Mitarbeiter,
selbst die alte, nach Halle verpflanzte Litteraturzeitung zu hul-
digen begonnen liat.
Da jedoch diess Verfahren anjetzt noch auf einer halben
Maassregel beruht und ein nur geduldetes ist, da sonach neben
den Vortheilen der Nennung alle Nachtheile der Verschweigung
der Namen fortbestehn, und man überdies« besonders bey Jün-
gern Gelehrten sehr geneigt ist, das offne Auftreten auf dem
Kampfplatze als ein Zeichen sonderlingshafter Anmaassung oder
trotzig herausfodernder Streitlust mit ungünstigen Augen anzu-
♦) Was im ScJdcgclschen Athenäum , Bd. 2. S. 338., darüber ge-
sagt ißt, ist bitter, aber wahr.
16 Einleitung.
sehn , so ist nach dem Vorgange der achtbaren Herausgeber der
Bibliotheca critica nova auch in unsern Jahrbüchern die Nen-
nung der Mitarbeiter ohne Ausnahme und dadurch die gleiche
Stellung aller vorgezogen worden. Da die Sache nicht unwichtig
ist, wir aber noch bey weitem nicht auf Uebereinstiramung in
Beurtheihnig derselben reclinen können, wird es nicht unzweck-
mässig seyn, zu weiterer Prüfung hier anzudeuten, was nach
reiflicher Erwägung und Berathung mit mehrern Gelehrten den
Ausschlag dafür gegeben hat.
Unser ganzes heutiges Schriftwesen hat insofern einen
öffentlichen, aufrichtigen und ehrlichen Charakter, als unsre
guten Schriftsteller selbst kleinern und minder bedeutenden Ar-
beiten ihren Namen beyzufügen gewohnt sind. Wer ohne seinen
Namen oder unter falschem Namen schreibt, thut es im guten
Sinne entweder mit einiger durch Verdienst erworbner Vornehm-,
heit, weil er weiss, dass er doch gekannt ist, sodass er die
Midie sparen kann, seinen Namen noch besonders lunzuzusetzen,
wie Hippel in seinen spätem Schriften luid Knebel^ oder weil
ilmi ein Incognito, das in der That keines ist, durch irgend eine
geschichtliche Beziehung zu lieb gew orden ist, um es wieder auf-
zugeben, und der falsche Name in der Welt der Gelehrten
selbst die Natur des wahren angenommen hat, wie bey Jean Paul.
Leider viel häufiger aber ist ein solches Versteck durch klein-
liche oder unlautere Nebenrücksichten veranlasst, dient zu heim-
licher Förderung lichtscheuer Zwecke, gleichviel ob sie eine
Sache oder eine Person betreffen, oder doch zur Verhüllung der
Seichtigkeit, der Eilfertigkeit, der unberufnen Einrede, die sich
ihrer faulen Sache wohl bewusst ist, und stellt sich so diu'ch-
gängig als selbstverrätherisches Zeichen eines schlechten Gewis-
sens dar. Allerdings giebt es bey wahrp", tiefer Anonymität
ehrenhafte Ausnahmen : aber sie finden sich selten , und wo sie
sich finden , sind sie meistens schw ere Anklagen gegen die Zeit
und die Verhältnisse , unter deren Einwirkung sie erschienen.
Daher haben anonyme oder psendonyme Schriften in der Regel
und mit Recht die öffentliche Meinung gegen sich. Der Leser
will wissen, w er zu ihm redet, nicht aus Neugier, nicht um durch
die Person des Verfassers seine Aufmerksamkeit entscheiden,
seine Beystimmung 'erschleichen, sein Urtheil gängeln und befan-
gen zu lassen, sondern weil der Schriftsteller wie der Künstler
seiner Natur nach eine öffentliche Person ist, womit ein solcher
Hinterhalt in grellem Widerspruch steht. Lässt sich nun leider
auch keineswegs behaupten, dass die Nennung des Namens jedes-
mal den bessern Zweck der Druckschrift verbürge, so kann doch
als ziemlich ausgemacht betrachtet werden, dass da, wo eine
würdige., gesetzmässige OeffeJitlichJceit besteht., derjenige, ^er
auf dem Wege durch die Druckerpresse etwas ganz Sclüecli-
Einleitung'. 17
tes durclizufi'ilircn beabsiclitigt, sicli gewiss der Verborgenlieit
befleissii^eii m iid , soviel und so lan^e er kann.
Wenn nun abei* aus ricIitigemG'efiihi bey selbständigen Wer-
ken ein offnes \ isir erw artet und gelodert wird, so ist schon an
sich gar niclit wohl ein/usehn, warum es doch bey der öffent-
lichen Benrtbeilung solcher Werke anders gehalten werden solle,
gleich\iel ob das ürlheil giiiistig oder ungiinstig ausfalle. Ja,
der ^ erfasser dieser Zeilen will nicht leugnen, dass selbst das
verdienteste Lob immer noch einen Zweifel in ihm zuriickgelas-
scn, und dass ebenso der gerechteste TadelViber ein sclileclites
Buch den widrigen Eindruck einer meuchlerischen Handlung auf
ihn_ hervorgebracht hat, so oft jenes Lob oder dieser Tadel aus
sicherer A crborgenheit hervorhallte: mid sowie es ein grosser
Vorschritt in der Ver> oUkommnung der bürgerlichen Gesellschaft
w^ar, als die heimliche, wenn auch wahrscheinlich in sehr vielen
Fällen durchaus gerechte Vchnie einer zwar dem Misbrauch nicht
nnnder unterworfnen, aber doch offnen Rechtspflege weichen
musste, so würde es gewiss als ein erfreulicher Vorschritt in der
litterarischen Rechtlichkeit gelten können, wenn niemand mehr
ajionym rccensiren wollte.
Dazu kommt ein zweyter, sehr gewichtiger Grund. Es ist
nämlich ganz unmöglich, dass ein jeder Leser ein jedes beurtheil-
tes Ruch schon selbst gelesen oder doch beym Lesen der Beur-
theilung zu prüfender Vergleichuug zur Hand haben kann; auch
Verden die meisten sich bescheiden, keineswegs in allen Fächern
ein gleich siclieres eignes Ürtheil mit liinzuzubringen , wodurch
sie >on den Ürtheilen andrer bis auf einen gewissen Grad abhän-
gig werden. Ja, viele lesen grade darum kritische Blätter, um
durch sie den Mangel an einem «eignen Urtheil zu ersetzen, sey
es nun, dass es ihnen an Zeit oder Gelegenheit oder aucli an
innerer Befähigung gebricht, um selbst zu sehn und selbst zu
prüfen. Immer bleibt zn wünschen, dass ein jeder vor Täu-
schung möglichst bewahrt bleibe. Wo nun freylich ein unge-
nannter Beurtheiler gleich in die Sprache ungemässigter Schmei-
cheley oder leidenschaftlicher Gehässigkeit verfälU, da weiss der
verständige Leser sofort, was von dergleichen Kritik zu halten
ist. Allein diese Kxtreme werden meistens vermieden : und daher
sind die Beurtheilungen — gleichviel ob sie ein unverdientes Her-
vorheben oder ein ungerechtes Herabsetzen beabsichtigen —
der AVahrlieit ungleich nachtheiliger, die, einen massigen, ruhi-
gen Ton erhcucjiclnd, ihrem Zweck auf leisern Wegen nach-
gehn, und durch gleissnerische Künste eine gewisse Glaubhaftig-
keit erschleichen, während es nur des Namens des Verfassers
als unfehlbaren Schlüssels hinzubedürfte, um Lob und Tadel ins
wahre Licht zu stellen , und den arglistig gespomicnen Trug zu
vernichten. Endlich aber kann der Beurtheiler zwar ein höchst
rechtschaffner, von aller verwerflicheu PersönliclUieit und sonsti-
Jalirb. d. FUü. u. Fädas. Jahrg. 1. Heft 1. 2
18 Einleitung.
gen Nebenabsichten freyer, aber in gewissen Ansichten so ver-
strickter und befangner Mann seyn, dass es ilim beym reinsten
Willen nicht gelingt, einen unabhängigen Standpunkt zu gewin-
nen, und er also durcli eine innere Nöthigung gezAningen ist,
das zu beurtheilende Buch weit über oder weit unter seinem
AVerthe zu schätzen. Ist er nun dabey ein Mann von Geist und
Einsicht, so kann es ihm gar wold gelingen, dass er seine einsei-
tigen Ansichten, ja seine Irrtliümer auch andern annelnnlich
macht, und dass er so, bey der unverfängliclisten Absicht, den-
nocli durch sein Lob oder seinen Tadel andre, zu den ungerech-
testen Urtheilen verführt. Das wäre unmöglich , sobald sein
Name ausgesprochen und damit zugleich sein individueller wis-
senschaftlicher Standpunkt bezeichnet wäre. So könnte ein jeder,
der nur mit dem Geschichtlichen des Gegenstandes bekannt ist,
das ausgesprochne Urtheil der Billigkeit gemäss modificiren. —
Alle diese Gefalu'en der Anonymität aber, sowie die oben ange-
deuteten Misbräuche derselben, würden zum grössten Gewinn
aller dabey Betheiligter mit der Anonymität selbst verschwinden.
Dabey ist nun noch der Erwägung werth, dass das Banner
der Oeffentlichkeit bereits von zu vielen und ausgezeichneten
Männern erhoben ist, mn die Sache wieder rückgängig machen zu
können. Wo also über irgend einer auffallenden Kritik anjetzt
nocli eine verhüllende Wolke ruht, wird auch ohne Weiteres
eine lichtscheue Absicht der Verheimlichung vorausgesetzt, sey
es ungeziemende Menschenfurcht, sey es das stille Bewusstseyn
niclit dmchaus griindlicher Arbeit, sey es etwas noch Schlijnme-
res ; ja man glaubt sich (vielleicht nicht ganz mit Unrecht) be-
fugt, auf Lösung des hingeworfnen Räthsels bedacht zu seyn.
Welch' ein Getriebe niedriger Späherey und Zuträgerey, weibi-
scher Neugier und kleinlichen Ilerumrathens, oft auch grundlo-
sen Argwohns und unausgesprochner Verfeindung davon schon
die Folge gewesen ist, das kann keinem unbemerkt geblieben
seyn, der auf den Zustand unsres Schrift>vesens zu achten sich
die Mühe genommen hat: und wie leicht wäre es, allen diesen
Unwürdigkeite» auf Einmal ein Ende zu machen !
Auf demselben Wege aber würde noch ein Vortheil von
nicht geringerer Bedeutung erreiclit werden. Bey gar mancher
anonymen Recension nämlich drängt sich unwillkührlich der Ge-
danke auf, welclies Resiütat sich wolü ergeben Avürde, wenn die-
ses und jenes kritisclie Institut nicht umhin könnte, die Liste
seiner Mitarbeiter öffentlich darzulegen, und ob nicht viele Na-
men erst durch ihre Nennung recht namenlos zu werden anfan-
gen dürften. Dagegen lässt sicli holFen , dass , sobald Namhaf-
tigkeit im äusserlichen Sinne herkömmlich wäre, sie auch im
andern, höheren nicht ausbleiben würde. Denn ein Jeder, der
seinem Blatte Achtung und Dauer zu bewahren wimschte,
würde genöthigt seyn, vor allem fVir solche Mitarbeiter zu sor-
Einleitung. 19
gen, die ohne Weiteres ein günstiges Vonirtheil erwecken, und
an (leren JNamen sicli sofort Erinncningcn au litterarlsclie Lei-
stungen ankuiipffu, Modiircli aber kciuesAvegs jüngere Gelehrte
ausiresrhlosscu Nverdcn sollen, die durcli INennuug ihres Namens
liürgsc liai't für ein tüclitii^es Streben zu leisten bereit sind.
Ob es auch Kecenseuteu giebt, die ilir Geschäft leichter
betreiben, mg die Nebelkappe der Anonymität sie umhüllt, wollen
Mir daliingestellt sejn lassen. Viele behaupten es aber, und so
würde denn also die Nennung der Namen auch auf die Gründ-
lichkeit, Besonnenheit und Gediegenheit der Urtheile wolilthätig
einzuwirken nicht ermangeln.
Nim ist uns allerdings von achtbaren Vertheidigern der Ano-
nymität eingewendet worden, dass es ja bey litterarischen Beur-
theilnugen einzig und allein auf die Sache ankomme, sodass
durch Einmischmig der Personen nicht nur nichts gewonnen,
sondern auch mehrialtisje Befangenheit im Urlheil i'iber das vor-
liegende Buch beym -Beurtheiler xmd wieder über die Beurthei-
lung beym Leser derselben erzeugt werde: deim mancher, mit
seinem Namen hervorzug^chn ^enöthigt, werde nun den Tadel,
den er als Anonymus ohne Kückhalt auszusprechen kein Beden-
ken getragen hätte, unangenehmer Folgen wegen entweder ganz
unterdrücken oder ihn doch so ermässigen, dass er seine Kraft
und Bedeutung verliere, der Leser also statt einer anonymen,
aber Mahrhaften, eine zwar namhafte, aber die herbe VVahr-
heit klüglich umgehende Kritik hinnehmen müsse, Avogegen
andre sich das persönli(;he Auftreten eben so bereitwillig zu Nutze
machen Avürden , um ihren Begünstigern und Begünstigten, Par-
tisanen und guten Freunden zu nicht geringerer Beeinträchtigung
der Wahrheit durch nan^>liaf(e Höflichkeiten zu huldigen, und sie
zu entsprechenden Gegendiensten aufzubieten: der Leser aber
verde mm immer zuerst nach dem imterzeichneten Namen sehn,
und durch diesen bestochen, schon im Voraus bey sich über die
Glaubliaftigkeit des Ürtheils absprechen, ohne diesem selbst die
gebührende vorurtheilsfreye und selbstprüfende Aufmerksamkeit
zu schenken.
In Bezug auf den ersten Theil dieser Einrede müssen Mir
bekennen, dass er uns wie alle jene Gemeinplätze anmuthen MiU,
die an sich eben so Aiel Bichtiges als Unrichtiges enthalten, bey
ilirer Aum enduug auf einen bestinunten Fall aber sofort in Nichts
zergehn. Sobald unser SchriftMesen den hohen, von aller per-
sönllcben Zutliat gereinigten Standpunkt erreicht hat, dass sich
kein Schriftsteller mehr nennt, sondern ein jeder di»Sache allein
sprcclien lässt. Mird die Kritik allerdings mit Bccht und Anstand
denselben (.'liarakter annehmen. Bis dabin aber — und diese
Zeit litterariscber Fntköi-j)ennig, mcuu sie jemals MÜnschens-
werth ist, dürfte doch noch in unabselibarer Ferne liegen —
schliesst jene vorgebliche Repräsentation der Sache durcli die
2 *
20 Einleitung-
Anonymität eine Anmaassung in sich, die uns um so widerwärti-
ger erscheint, je leiser sie auftritt. Denn so wenig wir gesonnen
sind, das Vorhandenseyn objectiver Wahrheit überhaupt abzu-
leugnen, so glauben wir doch, dass es den Wenigsten vergönnt
ist, ihrer theilhaft zu werden, und dass diejenigeH, die sie
zu besitzen am lautesten behaupten, grade am allerweitesten von
ilir entfernt sind. Sowie wir daher in der Nennung des Schrift-
stellers auf dem Titel seines Werkes das olfne Eingeständniss
seiner endlichen, allen Mängeln und Täuschungen der Realität
unterworfnen subjectiven Natur erblicken , so scheint uns insbe-
sondre der Kritiker, der seine ürtheile ohne Nennung seines
Namens, also nicht in eigner Person, sondern als Organ der Wis-
senschaft oder der Wahrheit zu fällen unternimmt, sich eine
objective Untrüglichkeit anzueignen, die ilim niemand zugestehn
kann, wogegen der namentlich Unterzeichnete durch diese Ent-
hüllung seiner Subjectivität dem kundigen Leser mit gebühren-
der Bescheidenheit den Maassstab an die Hand giebt, nach wel-
chem er über das ausgesprochne Urtheil sein eignes wie in höhe-
rer Instanz ergehn lassen kann: wobey wir voraussetzen, dasg
ein kritisches Institut das öffentliche Urtheil nicht abschneiden
oder beengen, sondern durch dargelegte Thatsachen begründen,
anregen und beleben will.
Kein grösseres Gewicht können wir der Besorgniss zuerken-
nen , dass die Nennung der Namen der Offenheit und Freymü-
thigkeit der Kritik Eintrag thun werde. Knechtische und um
dienstfreundliche Erwiederung bettelnde Lobhudeleyen hangen
so wenig von der Verschweigung wie von der Unterzeichnung
des Namens ab, sondern einzig von der Gemeinlieit dessen, der
sich solcher Künste befleissigen mag : denn auch der Ungenannte
hat ja Mittel genug in Händen, demjenigen sein Antlitz nnver-
larvt zu zeigen, dem seine WeUirauchspenden gewidmet sind.
Der Untersclded liegt bloss darin, dass der Ungenannte solchen
Unfug mit mehr Sicherheit, mit minderer Gefahr entdeckt zu
werden und dadurch seines ganzen Zweckes zu verfelden, ver-
üben kann, dass aber der Namhaftgemachte gleich beym ersten
erklecklichen Versuche sich selbst zusammt seinem Helden dahin
stellen wiirde, wohin er gehört; sodass diesen Umtrieben gar
nicht wirksamer wiirde gesteuert werden können als durch Ab-
schaffung aller Anonymität.
Ungefähr dieselbe Bewandtniss hat es mit der kräftigen
Rücksichtslosigkeit im Tadeln. Nicht selten liegt diese einem
grossen Thgile nach in der unumwunden derben Art des Aus-
druckes ; und w enn die Beseitigung der Namenlosigkeit dahin
wirken könnte, dass die Kritik sich bey gleich strengem Verfah-
ren im Wesentlichen, in unbefangner Gradheit des Sachurtheils,
mehr als bisher oft geschehen ist, milder und schonender For-
men beflisse, so würde daran wolü eben so wenig der unbe-
Einleitung. 21
theiligte Leser als tier bciirtlieiUe Schriftsteller etwas auszu-
setzen liaben: vielmehr wiirtle eine Menge kleinlicher Fehden
wes^fallen und der allgemeine litterarische Anstand auch b«;y uns
gewinnen, der z. B. das Pariser Journal des savans^ in wel-
chem gleichfalls kein Verschweigen der Namen gestattet Avird,
bey ungemeiner Gründlichkeit der Krilikeu aufs ehrenvollste
auszeichnet.
Denjenigen hingegen, der, mo er sich zu nennen nicht
umhin kann, aus Furcht vor aufgebrachten Verfassern, vor erbit-
terten Verlegern oder vor aufgestörten Wespennestern ganzer in
Ehler Person beleidigter Parteyen und Zusammenrottungen, vor
Antikritiken und den Repressalien liämischer Gegenbeurtheihm-
gen seiner eignen Schriften, der gebührenden Schärfe eines reif-
lich erwogenen Saclmrtheils auch nur ein Jota zu entziehn im
Stande wäre, einen solchen würden wir nicht bloss für alle Kri-
tik verdorben achten, sondern wir würden uns überhaupt von
ilun nie etwas für die Wissenschaft wahrhaft Erspriessliches ver-
heissen können. In den philologischen Studien wenigstens , in
denen kein Schritt ohne rüstige Ausübung kräftiger Kritik gethan
werden kann, wo man jeden Augenblick darauf gefasst seyn
rauss, andern Gelehrten mit Bestimmtheit entgegen zu treten,
und was sie gemeint haben zu verwerfen, wlirde dieser Behut-
same es vor lauter ungehörigen Rücksichten niemals zu etwas
Tüchtigem bringen, und in andern Gebieten des Wissens wird
sichs unstreitig ebenso verhalten. Wer also nur in anonymen
Recensionen den Muth zu liaben glaubt, gerechten Tadel unge-
scheut auszusprechen, der bleibe lieber ganz davon. Diese Be-
klommenheit, die die wahre schlechte Persönlichkeit und der
Tod aller Wahrheit ist, würde auch in seinem Versteck nicht von
ihm weichen, und seine Worte hemmen. Denn wer sagt ihm
gut dafür, dass er nicht unter der schlausten Verlarvung dennoch
heraus erkannt wird*? imd Aviihnt er es dann besser zu haben,
als wenn er gleich anfangs offen zu Wei'ke ging? Ueberdiess,
wer kann wegen der Folgen einer Recension besorgt seyn , wenn
er sich selbst das Zeugniss geben darf, mit ridiiger Umsicht und
Parteylosigkeit geurtheilt zu haben'? Wer sich nicht über An-
feindungen zu erheben Aveiss , in die er mit Ehren gerathen ist,
der bleibe ja von allem öffentlichen Leben und Wirken fern: wer
keinen Tadel, nicht einmal unverdienten, ertragen kann, ist auch
des Lobes nicht Averth.
üeber die AVirkung namhafter Kritik auf den Leser haben
wir nur weniges zn bemerken, Ist er einmal gewohnt, das eigne
ürtheil zu snspendiren, so findet die Nennung der Namen an
ihm nichts mehr zu vertlerben : indess ist es immer noch besser,
einem gekannten, als einem nicht gekannten Führer nachzutreten.
Wer aber sonst selbst prüft, Avird es nur desto gründlicher und
schärfer Ihun, Avenn der Name des Recensenteu ilmi dabey de«
22 Einleitung.
Staiulpuiikt 2eigt, von dem eüie solche Metakritik am scliicklich-
steil ausgeht.
Lassen Avir mm auch hier die Erfahrung der letzten Jahr-
zehende mitsprechen, so wird sie zu dem Eugebniss fuhren, dass
grade von den kräftigsten, durclulachtesten und eingreifendsten
ßeurtlieiiungen pliilologischer Werke die Urlieber sicli entweder
sofort selbst kund gegeben oder doch diess nur darum unterlassen
haben, weil sie mit Recht voi-aussetzen konnten, dass sie ohne-
hin einem jeden auch ohne Namensnennung kenntlich seyn wiir-
den, w elches letztere insbesondere auf Hermanns Kritiken in der
Leipziger Litteratnrzeitimg bezogen Averden mag.
Darf der Verfasser dieser Zeilen bey diesem Anlass auf die
zwanzig Jahre zurücksehn, während welchen er sich auf dem
Felde der litterarischen Kritik mit gänzlicher Entäusserung aller
persönlicher NebenrVicksichten und mit wenig, hier und da viel-
leicht mit zu wenig Aengstlichkeit in der Wahl der Ausdrücke,
wenn sie nur seiner Ueberzeugung entsprachen, versucht hat,
so muss er auch jetzt noch in reiferm Alter bekennen, dass
es ilm noch nie gereut hat, stets der Ansicht gefolgt zu seyn,
die er hier zu entwickeln und zu rechtfertigen versucht
hat *). Allerdings hat er sich dadurch den wie es scheint un-
sterblichen Ilass von zwey bis drey Schriftstellern zugezo-
gen, denen unangenehme Wahrlieiten grad heraus zu sagen
er keinen Anstand genommen hatte , und diese haben nicht er-
mangelt, in leidenschaftlichen Schmähungen, ja in gemeinen
Schimpfereyen dafür eine ihrer würdige Rache zu nehmen *♦).
Aber auch abgesehn davon, dass dergleichen Paroxysmen den
unwiderleglichsten Beweis führten, wie richtig der eigentlich
faule Fleck getroffen sey, waren denn doch der angenehmen
Erfahrungen bey weitem mehrere ; auch hat der Verfasser nicht
eben bemerkt, dass jene Ausbrüche sonst wem Unehre gebracht
hätten als iliren Verfassern, oder dass durch sie die öffentliche
Meinung gegen die Wahrhaftigkeit seines Urtheils eingenommen
woi'den wäre. Man Avusste ja, woher diese Thränen ! Und über-
haupt ist gar nicht zu zweifeln, dass die Achtung und Anerken-
nung solcher Männer, deren Beyfall wahrliaft ehrt, mit der
Offenlieit, Gründliclikeit und Gerechtigkeit des Urtheils immer
*) Nur mit einigen Ausnahmen von mehr schönwissenscliaftlicher
als wissenschaftlicher Art , die auch alle ohne weitere Beachtung gc-
hliehen sind.
**) Als Beweis des Gesagten gnügt der Huschkcschc Tibull, zusam-
men gehalten mit meiner Recension in der Jenaer Litt. Ztg. 1815
Nr. 203, 204, in welcher Eins und das Andre über den Geist oder Nicht-
geist der Husclikeschen Kritik zuerst geurtheilt ist, was seitdem meh-
rere geurtheilt haben.
E i n 1 e 1 1 u n {j^. 23
und überall gleichen Schritt halten Mird. Die beiden letzten Tu-
genden aber lieben die erste, >veil sie sie nicht zu scheuen
brauchen. —
SoA iel über die grössere , eigentlich kritische Hälfte unsrer
Jahrbücher.
Für die andere, kleinere Abtheilung sind theils Nach-
richten aus der gelelirten A\eU, über Lehranstalten und Ge-
lela-te, theils Abhundlnn^cn ))hilologischen und pädagogischen
Inhalts bestimmt. Ueber jene ist hier nur zu sagen, dass sie bey
weitem nicht so sehr auf Vollständigkeit, als auf Avirkliches In-
teresse lur den wissenschaftlich gebildeten Leser berechnet
sind. Die Gegenstände der Abhaudliuigen shid hinreicliend be-
zeichnet durch dasjenige, was bereits über die Natur der zur
Beurtheilung zuzulassenden Schriften angedeutet ist. Es geht
daraus hervor, dass ihnen zwar das ganze Gebiet des gelehrten
Schulwesens offen steht, dass aber auch hier die höhere pliilo-
logische llichtung durchaus die vorwaltende seyn und bleiben
soll. Da jedoch, auch so noch ein inicrmesslich weiter Spielraum
übrig bleibt, scheint es nöthig, hier gleich vornweg zu erklären,
dass in der Ausw ähl der Abhandlungen , die eben sowohl Latei-
nisch als Deutsch geschrieben seyn dürfen, die grösste Strenge
wird beobachtet w erden müssen, und dass daher nur solche Bey-
Iräge Aufnahme finden können, die bey einleuchtender Wichtig-
keit des Gegenstandes sich durch Form und Inhalt gleich vortheil-
haft auszeichnen. Es würde sonst leicht der Fall eintreten kön-
nen, dass der kritische Theil, der stets als der Ilaupttheil be-
trachtet werden wird, durch eine ungebührliche Beschränkung
des Raumes seiner Bestimmung gänzlich verfehlte: überdies»
wünschen wir auch den Schein zu vermeiden, als w ollten wir in
den Plan und gleichsam in die Gerechtsame schon bestehender
nützlicher Institute eingreifen. Wir wollen daher auch sogleich
bemerken, dass unveränderte Wiederholungen schon einmal ge-
druckter Sachen *) , Vergleichungen von Handschriften , Nach-
träge zu Griechischen luid Lateinischen Wörterbüchern, insofern
sie blosse Wörterlesen sind, Griechische und Latfciuisclie Verse,
wenn sie nicht iui Ijöhern Sinne Gedichte zu heissen verdienen,
ferner ausführliche Schiilnachrichten, die nur das geben, was
so ziemlich alle Schulen jnit einander geniein liaben, pädago-
gische Projecte und AniVagen über Methoilcn, zu deren Beant-
wortung kein Kaum vorhanden ist, in der Regel ausgeschlossen
bleiben. —
*) J]s mütJ.-le (Icmi seyn , das« sie bey ihrem ersten Erscheinen
weni^ oder nicht allgemein bekannt worden sind, dieses Bekanntwer-
den aber ilures zcit^üiuääeiün lulialta oder allg;cinchien Interesses wegen
verdienen. Ja/tn.
24 Eiuleitung.
Zweck, Gegenstand, Umfang nnd Charakter dieser Jahrbü-
cher, so wie sie sich beym ersten Entwürfe des Plans mehreren
darüber zu Ratlie gezogenen Gelehrten dargestellt liaben, wer-
den durch das Gesagte zur Genüge bezeiclmet seyn. Es sind
damit zugleich die Ilauptmomente angedeutet, in denen die neue
Zeitschrift sich von andern verwandter Art unterscheiden wird.
Doch bemerkt der Unterzeichnete ausdrücklich , dass er,
zur Abfassung dieser Einleitung aufgefodert, siclis zwar hat
angelegen seyn lassen, die Ansicliten seiner Freunde in mög-
lichster Reinheit wiederzugeben, dass er aber weit davon entfernt
ist, dadurcli irgend einem Mitarbeiter vorgreifen oder gar allen
eine Norm aufstellen zu wollen, ob es ihn gleich freuen wird, wenn
recht Viele in vielen und den wesentlichsten Dingen mit ihm
übereinstimmen sollten.
Dass die Ausfühnmg dem Entwürfe nach Möglichkeit ent-
spreche, liegt nun freylich nicht mehr in den Händen weder des
Verlegers, noch des Herausgebers : es hangt von dem wohlwol-
lenden thätigen Zusammenwirken der Mitarbeiter ab, das hiemit
zutrauensvoll in Anspruch genommen eey.
Breslau im März 1826.
Franz Passow.
Oriccliische Litteratur.
1) UavCavlov 'EXXadog JJsQiij'y^öig. Des cription
de la Grece de Paus anias. Traduction nouvcUe avec
le texte grec collationne sur les manuscrits de la hibliotheque du
roi, par M. C/auicr, membre de l'institut et professeur an College
royal de France, dedie au Roi. T. J. Paris 1814. 8. XV und 599 S.
T. U. 1817. 497 S. T. III. 1820. VII und 429 S. T. IV. 1820. 585
und VI S. T. V. 1821. 449 S. T. AI. 1821. S. 450—551 und XXUI,
nebst 258 S. Register. Preis jedes Bandes 10 Frauken für die Sub-
ecribenten, für die Andern 15 Fr.
2) Uavöaviov 'EXlädog ÜSQLi^'yrjöLg. Description
de la Grece de Pausa?lias. Traduction nouvelle avec le
texte grec etc. par M. Ciavier. Supplement. Paris 1823. 246 S. 8.
Jeder Band von N. 1 enthält zwey Bücher des Pausanias, der
sechste den Rest des zehnten mit den Registern : den Inhalt des
Supplementes maclicn Anmerknngen von Ciavier aus. Ktienne
Ciavier frülier Conseiller au Chätelet de Paris et Juge eii laCour
de Justice Criminelle seant a P«/7sbe\viess schon durch seine mit
Anmerkungen ausgestattete Ausgabe des Apollodoros y\\e durch
seine Histoire des premiers tems de la Grece die Möglichkeit ei-
ner engern Verbindung der juiistischen Beschäftigungen mit dem
Studium der classischen Litteratur. Als Ludwig dem Throne
Heinrichs wiedergegeben war, w^rde Ciavier Mitglied des Insti-
tutes und Professor au College Royal de France, und nun Hess er
diese Ausgabe des Pausanias hervoitreten , wovon er aber nur die
beyden ersten Bände im Druck vollendet sah , denn er starb im
November 1817. In der Vorrede des 3ten Bds. zeigten A. Bohee
(Buchdrucker) und /. her amber t.^ die sich nun Herausgeber
nannten, an : „ MM. Daunon., Cordt et Courier contiiment ä don-
ner leurs soins a notrc edition. — Nous avons suivi scrupuleuse-
ment le manuscrit que M. Ciavier a fait copier et qu'U a corrigd
de sa main. '-'' Von Daunon und Courier findet man nichts unter
iliren Namen in dieser Ausgabe, obgleich auch in Deutschland
Courier als' Fortsetzer derselben angekündigt worden war: von
Coray wird nacliher gesprochen werden. Ciavier hatte diese
Ausgabe des Pausanias schon ün Januar 1808 durch eine Probe
26 Grleciiische Littcratur.
unter tlem Titel angekündigt : Description de la Grece^
par Pausanias. Nouvelle edilion^ revue et corrigce sur fes
vittuuscrits de la hibliütheque Imperude. Avec iine tradnction
f/anqaise et des notes pur E. V In vier. T. I., >vovoii sogleich
im Magasin encydopsdiqne T. II Mars 1808 p. 184 mit folgen-
den Worten dem Publicum Nachricht gegeben wurde: „Le l'ro-
spectus d'une nomelie edition de Pausanias Aient de paroitre sous
le nom de M. Ciavier. II doit y joindre une traduction et des no-
tes , et paroit n'avoir rien neglige pour obtenir un texte pur et
correct. Au prospectus sont jointes pour modele une page de
grec, une page de traduction et une page de notes. '•'• Mit
dieser Probe Avar auch verbunden eine j!7^o>c7/'|0u|t g in neu-
griechischer Sprache auf 4 Octavseiten. Hier wird erstlich
über die frühern Herausgeber des Pausanias bemerkt: „%a-
vsls djid tovg laöotag Öav zvtvxv^öe va TtaQaßah] dmiyga-
<pa. Kai avTog 6 0d%iog — dlv lötdd'r] avtoTttrjg zcov dvTiyQcc-
fpav to onolov sivai, [xsya dtvxrj^ia , IjiELÖrj xd ofifidzia xov
iüdotov Bivau noXv o^vtSQcc, tcuqu tov dnläg dvxLyQdcpovtog
zdg dLaq)6Q0vg yQucpdg.'^ leider nur zu wahr! Dann spricht
Clavier \on sich: .,^T6 jcqcoxov eQyov , slg xd bnolov tTCQhne vd
ccöxolrjd'ä , löxdQ'r} r] dtoQd'coöLg xov kbl^bvov , did xrjv oTiolav
IgEvvrjöa xsööaQaxrjg y^vxoxQaxoQLxijg ßißho9^X7]g dvxtyQacpa.
(von welchen er wieder in der Vorrede des Istenlids. seiner Aus-
gabe spricht.) — "E^a xovxcov EQevvrjöa ola xcov HQixcKcov xd
övyygdii^axa, %al aövvdd'QOiöa ö^ag xdg oTicogÖtjotoxs Tttd'avdg
ÖLOQd^cjöeLg' (nur nehme man das ola nicht im strengern Sinne)
^kaßa xal xivdg dno (piX6Xoyov"EXXY]va ,' xov KoQafjv."' Hier-
auf erwähnt er seine zehnjährige Beschäftigung mit dem Pausa-
nias und sein Studium der alten Geschichte und Mythologie, und
dann setzt er hinzu: „z/ta xavxa IkTclt^Gi ort 7] txdoöLg xov hsl-
[isvov %kXEi elö&ai noXv OQ&axBga nagd xdg ^i%gL t-^g Gr'j^E-
QOV drj^oöuv&ELöag EzdoöEf^g.'"'' Weil aber Pausanias ein classi-
scher Schriftsteller für die Künstler sey, da er die Denkmäler der
Kunst jeder Gattung ausführlicher beschrieben habe, so habe er
die grösste Sorgfalt bey seiner Uebersetzung darauf ^ erwendet,
dass Pausanias in der Uebersetzung nichts anders sey, als im
Texte. Die Noten, welche er hinzufügen wollte, sollten sich theils
auf den Text selbst, theils auf die Gegenstände, wovon Pausa-
nias redet, beziehen. In den erstem wollte Clarler 1) Rechen-
schaft von seinen Text^eränderungen geben; 2) die Veränderun-
genanzeigen, die nach seiner Meinung noch zu machen wären ; 3) <Iie
Ursachen andeuten, warum er in manclien Stellen von andern In-
terpreten abgewichen sey. Die andere. Classe von Anmerkungen
sollte Erläuterungen der Geschichte, Geographie und Kunst, und
zwar eigene und von Andern gegebne onthalten, die er durch die
von Visconti versprochenen zu vermehren gedachte. Die durch
den Krieg herbeygeführten Umstände vereitelten diesen schönen
P a u s a n i a s V 0 n C 1 a V i e r. ' 27
Plan; deswefi:en sasjt Ciavier in der Vorrede zum IstenUde.:
„il a falUi se conronnev au Icmps, cu rctraucliant tont ce qiii u'c-
toit pas triinc iK-cessiti' iiulispcnsable.'-'- Was wir noch von Aii-
merkuiiffon erliallen liabtMi, i^«t in dem Supplement entliaUen, \vo-
^o\\ nariiher. Ausserdem »ollte Ciavier seiner UeJierselzung noch
anhänireii eine auf ein neues SnsU'ui gebaute Chronologie der Hel-
lenischen Geschichte von den ältesten Zeiten an, und ein lün fla-
ches Register 1) derKVmstler mit ihrer Biographie, 2) der Kunst-
werke, die Paus, erwähnt, 3) der Schriftsteller, die Paus, citirt,
mit ihrer IJiographie nnd der Geschichte ihrer Schriften, 4) ein
geograpliisches, 5) ein allgemeines. Ein Griechisches Wort-
register Avui'de nicht für nöthig gehalten : die Deutschen den-
ken hieriiher anders. Die dieser UgoKr^Qv^jg heygefiigte Probe
des Textes und der Uebersetzung giebt den Anfang des IstenCa-
pitels der Attika; ilir Druck aber, der kleiner und enger als in
der Ausgabe selbst ist, weicht auch darin von ihr ab, dass bey
den 'l^extesw orten, über die etwas angemerkt werden sollte, nach
alter übler Gewohnheit Zahlen stehen, die auf die Noten verwei-
sen. Diese Zahlen sind nun zwar in den beyden ersten Bänden
der Ausgabe weggelassen, weil ihr die Anmerkungen fehlen, da-
für stehen aber in dem Texte der Ausgabe , nicht weniger miss-
fällig für das Auge, bey den verändeiten Lesarten Lateinische
Buchstaben (von dem StenBde. an wieder Zahlen), die auf dennn-
tern Band der Seite verweisen, wo unter denselben Buchstaben
(nacldier Zahlen) die alten Lesarten, d.h. der Ausgabe \on Facius^
angegeben sind. Ciavier hat also seinen Plan so abgeändert, dass
er zuerst nur den Text , ihm zur Seite die Französische Ueber-
setzung, und unter ihm die herausgeworfenen Lesarten nebst Nacli-
weisungen der Homerischen Stellen, die Pausan. anführt, abdruk-
ken liess , die Anmerkungen aber besonders nachliefern wollte.
In der Probe ist z.B. folgende Stelle so gedruckt: ^^XaQa-na Ißd-
Xero TIoctQO/iXos, ög tQLTjQrjöiv ininX^L (1) vavaQioq Alyvnxi-
aig, cis nvokeiiccLog 6 [Ilrolsnaiov] (2) rov Adyov TL^aQBtv
^ötsiksv 'A^Yivaloig.''^ Die dazu gehörenden Noten, die wir eben-
falls als Probe mittheilen, sind: „(1) J'ai niis, d'apres le manu-
ecrit de \ ienne, i%inku au lieu de vninXu que portoient toutes
les e'ditions pre'cedentes, et qui ne peut pas con\enir ici puisqne
Patrocle commandoit en chef.'' Diesen Grund hatten wir nicht er-
wartet. „(2) J'ai ajoute entre deux crochets [Ut olBiicdov]^ nons
Terrons en elf et ei -apres (Chap. MI.) que ce fut Ptoleme'e Phlla-
delphe, lils de Ptole'me'e lils de Lagus, qui envoya Patrocle au sc-
cours des Atheniens. " Hierüber weiter unten. In der Ausgabe
selbst steht nur zwischen rQDjQrjöb und ijiinKu das a und am
Kaude: a 'TTCtnln.
In Frankreich eilte man sclion^von dem ersten Bande dieser
neuen Ausgabe desPausanias das Publicum inlveimtniss zu setzen,
und es erscliieu bald zu London eine aus^führliclie, sehr lobende
28 Griechische Littcratur.
Recension in Französischer Sprache unter der Aufschrift : Ana-
lyse du premier volume' du Pausanias de M. Ciavier par A. Le-
tronne im Classic. Journal No. XXVI forlune 181ß pag. 316 —
331. Denn, sagt Letronne: „il vaut niieux donncr des ä present
au public une ide'e de la maniere dont tont l'ouvrage sera traite,
als den 2ten oder gar letzten Band abzuwarten. '-*■ Da, so viel
wir wissen , von dieser Ausgabe des Pausanias öffentliche Blätter
in Deutschland sehr wenig- gesprochen haben, so dürfte wohl diese
unsere Anzeige für manchen nicht zu spät kommen. Dass aber
die gelehrten Schulmänner unsers Vaterlandes auch von den neue-
sten Ausgaben des Pausanias Kenntniss zu nehmen wünschten,
war an und für sich vorauszusetzen, wenn auch nicht einige Le-
sebücher, z. B. die Hellefiica und Poppos Chrestomatlde^ Stellen
aus diesem Schriftsteller enthielten. Denn man AVeissja, wie
M ichiig er für Geographie , Geschichte , Archäologie und selbst
fiir die Sprache ist, da er die Besseren nachzuahmen sich be-
mülite, und wie viel die Ausgabe von Facius zu wünschen übrig
liess.
Für wen Ciavier diese seine Ausgabe des Pausanias be-
stimmte, deuten diese Worte seiner J7(00Jcr}pv|tS hinlänglich an:
„ niötBva ort acpslä o%i (lovovg tovg ts%VLTag, Öicc rovg oTtoi-
ovg o IJavöavtag üvai ßißXlov 'ulaöGiKOV , aKlci y.ul tovg cpi-
AoAdyofg %al tovg 6o(povg , 7iQog(pEQCov vaav xal ^stäcpQaöiv
xal SKÖGöLV tov XEL^svov Tov Ilavöaviov.'^ INach imserm Ur-
theil Avird diese Ausgabe nicht so leicht Schidmänner an Deutschen
Gelehrten-Schiden als die Classen des Französischen Publicums,
welchen Clav, durch diese Arbeit nützen wollte, befriedigen : den
schön gedruckten Griechischen Text begleitet eine neue mit Sorg-
falt gearbeitete Französische üebersetzung, aber die Constitui-
rung des Textes selbst ist nicht mit der strengen Genaxiigkeit
und Behutsamkeit durchgeführt worden, die von einem Deutschen
Herausgeber gefodert wird. Clav, hat die Ausgabe von Facins
zur Basis der seinigen gemacht, und die Lesarten der erstem,
von welchen er abweicht, auf dem untern Rande der Seiten an-
gegeben. In der Vorrede zum Isten Bde. nennt er die Ilülfsmit-
tel, die er zur Berichtigung des Textes gebraucht habe : es sind
1) ausser den Lesarten, die Facins aus seinen Handschriften an-
geführt hat, vier Pariser Codices NN. 1399, 1400, 1410, 1411,
und der des Phralites ; 2) die üebersetzungen von Amasius und
Lösche?'^ aber, was zu bedauern, nicht die von Gohlhagen., weil
er das Deutsche nicht verstand. Wo nun aber bey einem offen-
bar verdorbenen Texte diese Hülfsmittel keine Hülfe gewähr-
ten, da, sagt er, „je me suis permis de le corriger par des con-
jectures ; " denn, fährt er fort, „ si j'avois eu ä traduire Pausa-
nias en latin, je rae serois tire d'affaire en rendant mot pour mot
ce que je n'aurois pas compris. Mais il n'en est pas de meme en
franyois , 11 faut offrir au lecteur un seus laisoiiuable , et lorsque
P a u s a n i a B V 0 n C 1 a V i c r. 29
Ic texte nen est susceptiblc, on se voit bien clans la nccessite de
le corriger. '■'' Eine vor l*'ranzö.sisclica Tribiiiialeii vielleicht gül-
tige Entschuldigung. IJeber die Lücken im Texte erklärt er sich
also: „J'ai renipli Ics lacunes par des mots places entrc des cro-
chets (movou in der Folge) ou je les ai indiquees par des asteri-
ques. ( Dies ist nicht gescliehen, z. B. in Eliac. prior. Cap. XIV,5.
Aber hier ist in der L'ebersetzung die Lücke auszufüllen versucht
worden. Eben dasselbe ist zu sagen vonArcad.21,2.) Elles>ien-
nent, pour la plupart, de ce que les manuscrits que nous avons,
ont tous cte copies d'apres un ancien exemplaire tellement altere
par les injurcs du tonips, que piusieurs niols, et quelquefois me-
me des plirases enlieres ne pouvoicnt plus s'y lire. '•^ Uebrigens
meint er, dass sie zwar zalüreich seyen diese Lücken, (wieMohi
nach unsrer tk'berzeugung man öfter glaubte im Pausan. Lücken
zu finden wo keine sind) aber im Allgemeinen nicht von Bedeu-
tung, und dass es gewöhnlich ziemlich leicht sey ('?) das Fehlende
zu suppliren. Da bey uns Deutschen vorzüglich nur das in Frage
kommen kann, w elcher kritische Werth dieser Ausgabe, die bloss
den Text mit Uebersetzung enthält, zugeschrieben werden müsse,
so glauben wir auch unsre Anzeige ^ornemlich auf die Beantwor-
tung dieser Frage einschränken zu müssen. Bey dem Tadel, den
wir dem Lobe beyzumischen uns genöthiget sahen, vergassen wir
doch nicht der jVJilde, aufweiche der Todte Anspruch hat, der
sich nicht mehr vertheidigen kami.
Wir leugnen nicht, ja Avir erkennen es freudig an, dass Cia-
vier in \ ielen Stellen einen richtigem, hin und w ieder einen voll-
ständigem Text gegeben liat als Focius^ müssen aber auf der an-
dern Seite hekeuuen , dass im Ganzen genommen der Text in
Cluviers Ausgabe hoch keineswcges so gereinigt und verbessert
erscheint , dass er den auch unter uns gespannten Erwartungen
entspräche. Was wir diesem Herausgeber des Pausanias beson-
ders zum \orwurf machen müssen, ist, 1) dass er so manche ver-
dorbene Les- und Schreibart nicht verbessert, 2) dass er den Text
durch viele willkührliche Einschaltungen sogar verschlimmert hat,
3) dass er zu geneigt gewesen ist, Conjccturen in den Text auf-
zunehmen. Hinreichende Belege für diese drey fache Beschuldi-
gung, die wohl selbst der w ackere Letronne nicht ungerecht nen-
nen wird, bieten die beyden ersten Bücher des Pausanias dar.
] . \ crdoi'bene Les - und Schreibarten, die Clavier^ wie er sie
fand, stehen gelassen hat, sind im ersten Buche Cap. 11,2 itQos
Kviöov. § 5 xriv ccqx^JV tov KeagoTtog- HI, 5 QvyatiQas rov
'W.iov. \, 1 'Hgoäütcp xavru sötiv UQYiy^iva. Yl, 7 (xqx^v dia-
Gaödfiivog. MI, 3 /TroAfittfaog, cog ical TtQOXEQOV ÜQ-qxai ^oi,
vavziHov l'örfiAe,* obgleich hier drey Pariser Codices das Richtige
geben. XI, 1 vitöxaxog 6 THgya^og. XIV, 4 TtQo 'jIqxb^ioCov,
obschon Codices dagegen zeugten; XVII, 2 UxoU^ialov — xa-
?,ov^ävo3. XV 111,7 xtfiavog t?}y tnlxlrjöLV 'OXv^nlag, was sclion
so Griechische Littoratur.
Lelronne verworfen Iiat. XXVII, 9 Ig y^vniQLipai^ ohne dass iler
Wiener Codex inid das Gesetz der Sprache beaclitct Murde.
XXVIII a. E. fvcovai oTfoG^g iiktiöxi 67tovdf]g dg xa diKaövt]-
QLa, da doch die Emendation von Canicrnrius und Kuhn in Fa-
cius Ausgabe ani?ezei^t und gebilligt Avorden war, luul diese Cia-
vier in dem Pariser Codex 14-10 bestätigt finden konnte. XXXI
a. E. xrivdi' 'Inniav. XXXVII, 3 £7cev(pi]^7j6av^ ohne Riicksicht
auf die bekannte Emendation. Ebend. § 4 öwE^E^ovra, eine
xon Xylauder eingeführte Neuerung, wodurch die ächte Lesart
beynah auf immer verdrängt worden wäre. XXXIX, 5 Mö« y,a-
lov^iv]}. XL, 4 üQaxriöavxag 8& Tcolsiic)^ wo y.QaxYi6avxig er-
fordert wird, was auch die Moscaner Handschrift bietet, die
freylich Facüis hier niclit erwähnt hat. XLI, 5 IIivöaQog —
ßovlöiiBvog — 6v{.inQci^avxcc, wo auch keine Liicke ist. XLIV, 7
VTCskiTtExo statt vjcbIbltisxo , was Facins aus dem Moscaner Co-
dex angeführt hatte. Im zweyten Buche Cap. I, 5 ov 7tQOB%c6-
QTjöev EQyov , da docli der Codex Phralitae das Richtigere gab.
§ 8 xa ÖS alla äyal^a statt dyä^naxa , was vergebens zwey
Handschriften darboten, und ohne nach aXka zu interpnngiren.
II, 3 slvai aal UeiQi^vrjV^ wo Facius freylich wiederum die 3Ios-
cauer Lesart anzuführen imterlassen liat. § 4 Mskavldog und
Aatdog q)apihvcov ^vfjfia üvai statt tpä^Evov , tvelches sagt es
sey. III, 5 Kgoxaig. § 7 Tcegag statt jisga^ ohne Beachtung der
Ruhnschen auch von Facius vernachlässigten Berichtigung. V,4
£g X7]v 87tl Uinvcöva lovöL , WO Bg zu tilgen war. X, 4 Ttag' av-
8q\ cpoixr^Gai statt ävÖQa. XII, 1 BTtl xa kocpcp , wo die Mos-
cauer Handschrift t« weglässt, was Facius wieder übergangen
hat. XV, 5 AkyBxai 8b ;f«fc d>8B loyog. (Cap. XIII, 8 hatte (Jla-
vier richtig o8b fiir a8s gesclirieben.) XVIII, 7 'Al%iiaiovi8äv.
XIX, 1 /Iriicpövxr} toi) 'Av^i^diov. § 2 f g BXä%i6xov TtQogr^ya-
yov. (Wie hier so entging das Uechte auch Cap. XX, 1, wo Ttgot]-
yov^Bvov ÖS d^cpoxBQOig ig äxQOV xov ^löovg beybehalten wor-
den ist. Dasselbe gilt von Cap. XXXIII, 3.) XX, 5 TOt;TO Bgyov^
^QS^n das Zeugniss der Handschriften. § 7 avt7] 8b Bg xpa'vog
OQa. XXI, 10 TtBQLysvBöQ'aL ^6v}]V — TtsQiyBVBöö'at 8s, wo die
Verbesserung so leicht war. XXII, Q"AyaXaa 8s avxoi xs ital ot
staldsg bIölv, wo Ciavier die falsche Lesart nicht bemerkend sich
unter äyaXfia eine Gruppe von Statuen gedacht hat: aber die
Gruppe enthält dyäX^axa, ist nicht ayaX^a. XXVII, 4 6 ös a-
yav slsvd'BQC} ^sv TtQogsxsiXO ovSbvI , obgleich schon Si/lbtirg
die wahre Verbesserung angezeigt hatte. XXX, 1 Naol — av-
rcp 6 XQiXog, avo dieÄ^erbesserung'so leicht gefunden werden
konnte, Mcnn auch die Heransgeber und Handschriften schwei-
gen. § 5 B&vöd öcpLöL xaxd xd avxd aa^d 7]8f] aal 'EXbvöIvl
Q'VBiv vo^rc,ov6iV. Was hier verbessert worden ist, gab der Wie-
ner Codex an die Hand, was aber kehi Codex berichtigte, ist un-
verbessert geblieben, obgleich aus andern Stellen des Pausauias
Pau San ias V on C lavier. 31
die Kineiulation zu srliöpfcn war. XXXIT, 5 ovdQuta, a up-v
(UiOLV Xiiiov TCiiöavrog Ud-ijvaiovg öl ^idXiötcc. Zwar licss
sich Clor. Jiicr iiiclit aoii Fncff/s zu clor Corruption hx£V lg axE-
6lv vcriuhrou, aber den Felilcr , Ai/fov üess er unangetastet.
XXXIII, 3 £g r clv lg ägav 7rQogt?i&)j , äluilich dem, was in
Cap. XX zu tadeln war. \\\\\ 4: Ko^oöchdakov , was schon
von Andern verbessert worden war: und ebendas. rore aXXo
ütQogxHTca — &av^c(, Wiederholung des Fehlers in Facms
Ausgabe.
llterzu rechnen Avir, dass in iSvv Acce72tnation und Int er-
■punclion manches nicht berichtiget worden ist, z. B. in Attic.
Cap. 1\, 10 hgli^cii. XXXl, 3 KoXcavog. XXXV, 4 ois^davdv
jiov TL ÖOKOvvxeg. In Corinth. I, 3 ^auw. V, 2 "IviOTtov. § 5
KoQOVog, KoQCOvov. XI, 8 'Olv^TtiüCi und so immer das Ad-
jerbium. XYI, 2 MlSuav. XYIII, 5 Kivca^äv ( aber Cap. IIl
Kivcd'i^av). § 0 xanccöi. XXIV, 0 Tlysav (so gewöhnlich). § 8
'Töiag. XXVIII, 3 Kstöog. XXXVI, 1 "JXlx)]?. Lacon. 13, 2
Kqlov, Kqlov. Eliac. I Cap. 4, 1 zJly^iEVog. Falsch interpun-
girtist Attic. XX, 2 Tavxa Ö)] y^yga^^dva slöl, ocal. Ebend.
I 1 wird unter N. 2 berührt. Corinth. XI, 7 OTioöci Öh tcöv
Qvo^dvcov Kccxfayllovöiv. XVII, 2 hat die unrichtige Abtheilung
6vonc'<.t,ov6i' "Acd — ravxiiv rfj"HQCi aal avtrjv tplgovöt zu ei-
•ner unnöthigen Conjectur Veranlassung gegeben. XXXVII im
Auf. sollte nach l'ön bl ^lovvöov abgetheilt seyn. X, 4 ist die
alte fehlerhafte Abtheilung '^g)()0Öi'Tj;ig lörlv isgov lölaöL zu-
rückgerufen worden. Cap. I, 8 haben wir schon im Vorhergehen-
den berührt.
Die Ursache aber, dass in dem Texte dieser Ansgabe man-
che Les- und Schreibart nicht verbessert worden ist, die der
Verbesserung bedurfte, liegt mit darin, dass Ciavier weder die
liandschriftliclien Lesarten, die ihm zu Dienste standen, hinläng-
lich benutzt, noch Sylburgs Emendationen, die giösstentheils
so treffend sind, überall zu Käthe gezogen hat. Beyspiele die-
ser doppelten Vernachlässigung hat das Vorhergehende schon
gegeben. Zu der ersten Art füge mau noch hinzu Buch I Cap.
i), 4, wo nolcc/JaL die Pariser Handschriften mit der Moscauer
vergebens darboten. Buch V Cap. IJ), 2 ist auch nicht einmal
in dem Supplement die wichtige Lesart des Pariser Codex 1399
erwähnt a\ orden. A> as am zireyten Puncte ausgestellt Avurde, davon
trägt, zum Theil wenigstens, Faciiis mit die Schuld. Da neralich
C'lar/er den Text von Facius zum Grimdc legte, und sicli daher
an dessen Ausgabe hielt, Facius aber lediglich und allein an die
R'uhnsche^ so ist auch manche S/jlbi/rgsc/tc Verbesserung, die,
weil sie Kuhn übergangen hatte, auch Facius nicht angeführt
hat, von Ciavier nicht berücksichtiget worden. Ausserdem be-
reits Erwähnten bemerken wir Aehnliches Attic. 28, 8, wo Si/l-
iAr^s Verbesserung to ^Iv ovv xßAouftsvovder VaticanischeCo-
32 Griechische Litteratur.
dex bestätiget. Arcadic. 49, 2, wo noch ^T^gia — rd ccyQia llal-
QHV gelesen wird, obschon Sylbnrg und Valckenär dieses ver-
bessert hatten. Vgl. unter N. 2 die Stelle aus Achaic. 11, 2.
Eine Folge davon ist, dass man auch ans Claclers Ausgabe nicht
erfährt, wie Kuhn mit Sylburgs Anmerkuugen verfahren ist.
2. WilUviihrlichc Eiuschaltungeu, die bloss durch Klammern
angedeutet worden, imd die im Missverstaiid und Missdeutung
theils des Herausgebers theils Anderer, welchen er folgte , ihren
Grund haben, sind im ersten Buche Cap. 1, 1 IlrolE^aiog 6 [TLto-
Kz^ialov^ xov Aayov^ nach Ruhns Erklärung und Faciiis #^ ermu-
thung. (Auf ciuen ähnlichen Einfall wird man in Corinth. 29, 3
stossen, wo Clav, kühn genug inl ö\ tov <Pc6xov rov Aia-Aov
staLölv e'^evUjjöbv , äöTB Mivvaig tb blölv zu lesen vorschlägt.)
Ebend. § 4 a. E. to da ayaX^ia tö vvv dij, [si,] aad'd XiyovöLV
'Akaa^Evovg löxlv sQyov ' ov% av xovtö ys 6 Mtjdog sYrj AeAco-
ßij^EVog^ nach Camer arius Yermuthung, und darnacli liat Clav.
auch übersetzt. Da Hr. Prof. O. Müller in Göttingen übersetzt:
„dann kann der Meder wolil an dessen Verstümmelung nicht
Schuld seyn , '■'• so scheint auch er im Vorlicrgehenden el zu sup-
pliren. Allein so wird das , was man gewöhnlich erzählte, Pau-
sanias aber als unmöglich verwarf, als möglich angenommen, dass
hier in diesem von den 3Iedern durch Feuer zerstörten Tempel
noch zur Zeit des Pausanias ein Werk des Alkamenes gestanden
habe, was durchaus unglaublich ist, weil sich nicht denken lässt,
dass die Athener in den Ruinen eines durcll die Meder in Brand
gesteckten Tempels ohne Dach luul Thüren eine Bildsäule von
der Hand des Alkamenes verfertiget aufgestellt haben sollten.
Man vergleiche was Pausanias in Corinth. 12, 1 von einem ähn-
lichen Tempel der Hera erzählt. Cap. III, 1 ot Ttatda yEVEG%aL
0ai&ovta, [ov] zal (pvXaxa etcoltjöe tov vaov., nach Ilartungs
und Wolfs Vermuthung. (Eben so wollte Clav, in Corinth. 17, 2
T^v vor 'AötEQicova eingesclioben wissen , und so hat er in Phocic.
31,2 xa&£^o/i£vog [ög] stillschweigend und doch unrichtig ge-
schrieben. Aehnliches wird über Cap. 14, 2 imter N. 3 noch
zu bemerken seyn.) Cap. XIV, 2 ojtoöa [ £g ] E^)]yr]6LV lyEi xo
isQOV und XXI, 2 ot x6 ovccq [sg] 2Jo(poxXEa zcd rtjv ZlocpoxlE^
oug noCrjöLV Eq)aLVEto e^elv., nach Kuhns und Facius Vorschlage.
XX, 1 vaol &Ec3v ES xovto [ ov ] fiEydloi., wo auch die Interpun-
ction zu corrigiren war. XXX, 2 Tcal evöov [xov ^ev] 'Ad'rjvägy
TOV ds "ÜQaKkEovg ETiOLrjdav , welches verwerfliche Einschiebsel
in dieser Ausgabe den Text des Pausanias, der nicht selten den
Artikel mit ^tv, wenn er vor dem andern mit 81 verbundenen
stehen sollte , weglässt , öfter entstellt. ( So Corinth. 2, 5 [xov
tiEv] AvöLov, xov ÖE Bd'/,%EiOV.) XXXy, 4 nQC3toq)dvr]g [ Big]
räv döxäv. Dieser unglückliche INothbehelf ist bereits zu Cap.
34, 3, wo er doch nur als Conjectur erschemt, von Letronne
mit Recht zurückgewiesen worden. Zu ilim hat Chw. wieder
Paus anias von Cla vier. 33
seine Zuflucht (genommen Acliaic. 23, 2 , und Arcad. 38, 4 hat
er soirar ohne Klammern ßud-QCOV tvl V:/öTva7'a'/rog geschrieben.
Aehnlicher Art ist Aeliaic. ] !, 2 räv cpQovgäv [xLveg] dÖLXOv-
6iv avÖQa^^ wo Stj/önr^s llmendation zu benutzen war. ('ap.
\\\I\, 5 dcpLy.iöQca [övv] örganä. (Mit demselJjen Ueber-
fluss sind Corinth. 8, 2 Aehaie. 24, 2 bereichert worden.) Im
siceyten Buche Cap. VI, 2 Kai tTt)] [t;rt] touto nE7t()tr]XEV , vo
>vir uns über Lctronncs Bejslinunung wundern. Warum blieb
man doeh niclit bey Si/lbur^s Verbesserung:! Traurig, dass auch
in diesen Studien oft das Piinfaclien; dem Kinistiieliern, das Täu-
scliende dem A> aliren uaclijiesclzt ^ird. Aeluilichc Kiinsteley ist
zu bemerken Cap. X, ■iyiVTi6:t}jv TtQogyKELv Gfpiüi [^fpccöi]. \X, 1
uiagivTL de Kgivya r)]v eb'.öi'cc di'öfjog tcvxxov, xQÖitaiov ItiI
KoQiv&ioig ui'aöraQlv, [xcd] äyaluä aözt xaxf^atvov ^Log, nach
Rulins 31utlimassung, weh;lier Facius ohne Girund JJeyiail gab,
da Ae/Ä« zwar richtig bemerkte, dass xca hier ausgefallen sey,
aber es am unrechten Orte einschaltete, und dadurch die Grenze
des A Order- und Aaclisatzes verrückte. AMr m ollen aus dem 3tea
Buche noch liinzusetzen Cap. ]{>, 10, wo die Yulgata Mar ini-
Tti^i'Cii Ofc lovuiV]] d'SQCiTCccLvag 'Eqlvvvölv töKEvaö^ävag, und
CloLie?- ^SQKTtaivag [cog] 'EgLvyvg iöy,svri6(.ievag geschrieben hat.
Diese A eränderung ist in dem Supplement mit Stillscliweigen
übergangen worden, und mit Hecht, da niclits für sie zu sagen
war. So wie Eg, övv^ etiI, so wird auch Arcad. 6, 2 [xccra] ein-
gesclnvärzt.
3. üass Ciavier zu geneigt geAvesen ist, Conjecturen, eigene
und fremde, in den Text zu setzen, zeigen folgende Stellen: Im
ersten Buche Cap. VIII, 3 Illovzov statt Tllovrava. IX, 3
ovx uvät,itt für ovx ut,itt. Ueber § 4 ist oben schon gesprochen
worden. X, 4 x)]v — tE^EVttjV %cd£7tiog cpegcov. XIV, 2 dcöga
a Ttagu %ec5v (pa6Li> Eyuv. So hatte freylich sclion Facius durch
Einschwärzung des Pronomen a den Text corrumpirt. Ihn nach-
ahmend hat Clavier^ wie wir gesellen Iiaben, eben dieses Prono-
men in mehrere Stellen ohne liinlänglichen Grund eingelülirt.
Hier aber kann es bey Ciavier ohne Klammern geschrieben leicht
täuschen. XV, 4 t6 öe t^co rijg (.läxrjg , was auf unrichtiger Vor-
stellung der Sache beruht. § 5 xal log für xmI ööa, nach Facius
Vorschlage; doch erwartete dieser wohl nicht, dass er so ge-
schwind ohne weitere Bestätigung in den Text gerückt werden
würde. XVII, G oi Quvatov iTiEßovXEvöEV bloss nach Kuhns von
Facius gebiüigter Vermuthung, da docli ^ccvccrov ßovlEVEiv tivl
nicht nur bey demPausanias öfter vorkommt, sondern auch So-
phokies im Ajax 1044 (10.>(> oder 1028) sagt ogtLg örgata
ßov?,Ev6ag (povnv voy.rcog IzEörgcctEvöEV. XXI, 8 OTtoöoig rv-
XOLEV aal, nacli /'V/<7V/.s Verbesserung, welche der Stelle nicht auf-
hilft. XXVI a. Fl. y.axdtE%voVy aus Vitruvius, wodurch der Kno-
ten zerhauen, nicht gelost, und demPausanias etwas fremdes uu-
Jahrb. d. Phil. u. Püdag. Jahrg. I. //<-/« 1 . 3
84 Griechigcho LItteratur.
tergesclioben wird. Dazu kommt, dass nicht ein Codex des Pau-
San. diese Lesart darbielcl. XXVIII, 8 täv ^Iv ovv oiaXov^EVcov,
wie Facius vorgeschlagen. XXXII, 3 chnjzoc) ds ovn '/.ai aXXag
Cv^ßoivTL, was den Sinn enthalten soll „ceu.vqui — passent lä
par hasartl ; "" ganz gegen den Sprachgebrauch. XLI, 5 wg '^qpt-
övav (statt 'Jd^i'jvag) ekouv, ohne hinreichenden Grund. XLIII, 6
ei drj ÖiäfpoQd fort jcaratavTcc rolg ovofiaöL kol tä sgya <5(piöif
nach Löschers Yermuthnng ; die Uebersetzung „ si toute - fois ce
n'est pas la meme divinite sous trois noras difterents" ist viel-
leicht gnt Französisch, aber nicht dem Griechischen und dem Ge-
danken des Pausanias angemessen. § T yM^rjv BVtavd'cc omtöSy
nach Facius Gutdünken, Im zweyten Buche Cap. I, 7 Jjcotoi,
nach Canters von Facius Viberschätztera Vorschlage; hätte doch
lieber Facius die richtige Lesart aus dem Moscauer Codex ange-
führt! XX, 3 ö öj] naXap)'jd}]g rovg avßovg svqcov dviO'rjiCSV
ag tovtov rov vabv , wo, da auch in dem Supplement gar nichts
darüber gesagt wird als „Je ci-ois qu'il faut lire", man gar nicht
versteht was ö seyn soll , wenn man nicht annimmt , es soll als
Artikel zu Ilalaii/jdrjg gezogen werden. Ebend. § 8 bItb alXfäg
BLta xal övvslg, was „soit que le sens lui en füt connu, soit
qu'il Tait ignore '■' übersetzt wird. Diese Corruption konnte ver-
mieden werden, wenn cog, was Clav, herausgestosseii hat, rich-
tiger geschrieben wurde.
Bey dieser Gelegenheit gedenken wir der andern Conjectu-
ren, die Ciavier ohne Nennung ihrer Urheber auf dem imtern
Rande der Seiten unter einem t'öwg, also mit einiger Billigiuig,
angeführt hat, und geben auch von diesen, dass man ihren Gc-
haKjjCinigermassen kennen lerne, einige Proben aus dem ersten
Buche. Cap. IV, 2 Cvv rolg td'elovöi (statt aXd'ovöi) täv'EkXri-
vcoVy was auch Lobeck wollte und Letroniie vertheidigte. Dass
Ciavier dieser Conjectur, da sie durch keine Handschrift em-
pfohlen wird, die Aufnahme, die der Sinn nicht nothwendig
macht, versagte, rauss gebilligt werden. VI, 1 ag ^livBiv bti tijV
gjijutj^v, widerstreitet ganz dem Sinne der Stelle. X, 4 ag UtolB-
^alov xata(pBvyov6i, wäre an und für sich annehmlich, wenn nur
dadurch die ganze Stelle, deren Lesart unsicher ist, Festigkeit
gewönne. XIV, 2 q)ccöl st. XöaöL^ entspricht der Zuvci'lässigkeit
nicht, mit welcher die Athener dieses behaupteten. XVIII, a. B.
y.axä'ABixat öb Bvrav^a ( st. lg avto ) ßcßkia , missbilligte schon
Letronne. XIX, 2 xav ^A\frivy]6iv bv oXlyoig &Bag at,iov. Diese
Kuhnsche^ von Facius ingeniös genannte, Conjectur ist doch
mehr scheinbar als wahr; und die Verbindung des Genitivus mit
dem Positivus findet man ja auch bey andern Schriftstellern.
Ebend. § 5 ^grjö&ijvai ds avxä — XBlavtäv, ist ganz überfliis-
sig. XX, 1 Z!äxvQog bxl Ttalg ötdaöiv BKJia^a hätte allerdings
Paus, schreiben können, aber der Zweifel ob er wirklich so ge-
schrieben habe lässt sich nicht unterdrücken. XXIII, 6 £i rives
PausaniasvonClavicr. 85
(st. omrf p) e'öh', hat r/r/r. auch in tlcrllcbcrsctzunjj ausn:c(lrückt.
Allein nicht so uolil über die Existenz als über die iSatur und das
AVesen der Satvre wünschte sicli Pausanias nähere yluskunft. § 7
nciJiVQOVu: statt aal ttvqqovc;. Ks müsste wohl xcmnvQovg hels-
sen ; ob aber dieses ^> ort vorlianden war, ist zweifelhalt. X\\, 4
?.iyov6i d' o^icog v.cä iiovGi \]cou6v , bezeufijt Verkennun^ derlle-
rodotiselien Kedeweise. \L1, 5 ov'/, iico öf , önag 6v^iq)£QC0^aL
(st. svQcouca) Ttdvra öcplöiv , ist aus ^iditbeachtung der Con-
stniction geflossen, ^^ elcher Felder ümAi, Porsoii zum emcndiren
verleitete. Wir konnten also in Jjetrouncs Lol), dass der von
Clav, gegebene Text «les Paus, sey ,, d'unc perlection Ires re-
niarquable und destine ä faire loi, jusqu'a (^e qu'oa decouvre d'au-
tres nianuscrits du Pausan.'- nicht einstijnnien. Er sagt ja selbst:
..les ('(litcn-s futurs tron\eront encore ä ghiner apres tous.'-'
Der dritte i'and hat am untern Rande auch Conjecturen von
Coray^ die durch ein Sternchen von den andern imtersehiedea
sind. Ueberhaupt nahm sich nach Ciavier s Tode dieser verwais-
ten Ausgabe des Pau^^an. Curaij riihmlich an, und es sind schon
dem 4ten Bde. Amnerkungen von ihm über diesen lid. angehängt.
Im (Jten Bde. aber am Schlüsse des lOten Buches finden sich
Obscrcotions de M. Coray ^ die sich über alle 10 Bücher des
Paiisan. erstrecken. Diese Anmerkungen sind bloss kritisch, aber
um so schätzbarer, da sie theils manche von Viavier gemaclite
Textveränderung berichtigen, theils auf Fehler des Textes, die
Clav, übersehen hatte , aufmerksam machen oder sie verbessern.
Es hat sich also Coray um die Textkritik dieses Schriftstellers
wirklich verdient gemacht ; nur nehme man bey der Würdigung
dieses Verdienstes auf die Jahre des ehrwürdigen Greises billige
Rücksicht. YVüs ihm bcym Lesen als unrichtig auffiel, ( wobey
frcyiich w(dil bisweilen ein Fehler übersehen wei'den konnte, wie
in Arcad. 50, 1 (pooovvxig) nur dieses merkte er an, ohne sicli
in tiefere Lntersuchmigen einzulassen, wie über Phocic. 31, 2,
wo über die alte Aon Clav, beybehaltene Lesart in der Stelle vom
Phrynichos Coray nichts angemerkt hat.
Hoffentlich wird JViemand glauben, dass wir durch die obi-
gen Ausstellungen, die sich leicht hätten vermehren lassen, Cla-
riers Verdienst um den Pausauias haben in Schatten stellen wol-
len: wir haben die auch von Lctroyine anerkannte Sorgfalt sei-
ner Uebersetzung gelo!)t, die freylich dem Geschmacke derer,
uir welche sie zmiächst bestimmt war, entsprechen sollte. Einen
nihmlichen Beweiss genauer Lebersetzung liefert die von meh-
rern selbst berühmten iMännern gemissdeutete Stelle, Boeotic.
5, 5, wo Clav, richtig übersetzt: „mais les dieux di\ulguerent
cela snr le cliamp. Comment les dieux auroient iis divulgue ce-
la sur Ic champ, si '■'■ etc. Wir haben es als C/c/r/crs Verdienst
irerübint, d;iss diircli ihn der Tevt des Pausan. in vielen Stellen
> erbessert, {J^ei rönne will in dem ersten Buche mehr als 150
S6 Griccitigchc Littcratur.
gute von Clav, aufi^cnommciic Lesarten gezälilt haben) und man-
clic Lücke, die bisher den Text entstellte, ausgei'iillt worden ist :
wir fiihren auch hiervon einige Ilcyspielc an. Attic. XIX, 7 hat
Clav, die durch Fuciits verdrängte richtige Vulgata OQog., die
auch durch die Pariser Ilandsclu-iften bestätiget wird, wiederlier-
gestellt. Corinth. XII, 5 örrj^at nsQLqjSQslg aus zwey Hand-
schriften für 6t. 7C£Qiq)avBLg auigenomnien. XXXI, 12 hat er 6
^öyog sg avzrjv [ou] öiaqpo'^ojg tü5v (wold besser mit Schäfer
TOÜ) i3otC3Tc5v 6;^£t geschi'icben, wo ov der Klammern nicht be-
durfte. jNicht weniger wahrscheinlicli ist Claviers Vermuthung,
dass cbcnd. Cap. IV, 6 ov vor tcüqqco ausgefallen scj', da in ei-
ner ganz ähnlichen Stelle ebend. Cap. XXXI, 5 der Wiener Co-
dex die INegation, die aucli Sylbiwg vermisste, uns erhalten hat.
Ebend. XXXVII, 5 ist verbessert Avorden övvcctpag äXXriXoLg, anag-
Ti]6ag ds %al [.lohßdov aii avtäv. Lacon. H, (> steht nun richtig
tv roj To'rs loyov. Handschriftliche Ergäiizunijen lückenliafter
Stellen finden sich iuArcad. Cap.XJ, 2, x'XXI, 1,\U, 4,XLV, 1,
XLIX, 1, Phocic. cap. VIII, 3, X, 1, XlII, 3. Indessen müssen wir
doch , da Mir bey dieser unsrer Anzeige nicht das Französische
sondern das Deutsche Publicum vor Augen zu haben , imd diesem
Vlber Claviers Ausgabe des Pausanias Uericlit zu erstatten ver-
bunden sind, was wir bey andrer Gelegenlicit schon geäussert
haben, hier Aviederholen , dass, wenn einer in Deutschland hätte
den Text dieser Ausgabe, so wie er ist, wollen abdrucken lassen,
er das Interesse seiner Landsicute, die auf dieser Bahn doch
weiter vorgerückt sind, nicht befriediget haben MÜrde.
Den Rest des 6ten Bds. füllt ein dreyfaches Register, der
Materien und der von Pausanias angeführten Schriftsteller und
Künstler. Wir merken noch an , dass im Texte dieser Ausgabe
die Ueberschriften der Kapitel und ihre Inhaltsanzeigen Grie-
chisch äbgefasst, (gleichwohl Lateinische Buchstaben statt der
Ziffern in den Text der beyden ersten Bände gesetzt) aber die
kleinern Abtheilungen der Kapitel, wie sie Facius eingeführt hat,
weggelassen sind, Avodurch das Aufsuchen etwas erschwert wird.
Und wie soll man ein Citat nach der Seitenzahl der Kulmschen
Ausgabe hier finden 1
Es ist noch übrig, einiges über das oben imter N. 2 ange-
zeigte Supplement dieser Ausgabe des Pausanias zu sagen, das
A. Bobe'e., imprimeur diS la sociele royale academique des scien-
ces , sechs Jahr nach Claviers Tode aus des Verstorbenen Col-
lectaneen herausgegeben liat. Stiefmütterlich ist dieses Werk-
chen ausgestattet: wie wenig giebt es in Vergleich des vielen,
das, wie angeführt worden ist, Ciavier in seinen Noten geben
wollte, und dieses wenige wie flüchtig oft hingeworfen ! Es ent-
hält nämlich dieses Supplement - Bändchen Noten über die acht
ersten Bücher des Pausanias, die Anfangs etwas vollständiger
sind, aber in der Folge diirftigcr werden. Diese Noten sind aus
P ii II 8 a n i u s Tun Cl a T i e r. 57
ChiiHcrs Iiintcrlasscncii Papieren gczoijcn, und man erfährt niclit
einmal, von vem, da keine Vorrede, kein Vorwort daniber cini-
i;en Aufschluss giebt. Aui" der ersten Seite liest man zu Cla-
ricrs ISotc über seine l ebersetzunc: des Wortes örjaog durch
Deme den Zusatz von I. Bobcc: „Cette note prouve que M. da-
tier a change d'idee apres limpression du premier vol. on y lit
bourg. "• woraus zu Aennuthen, dass llr. yl. Bobdc selbst diese
Arbeit übernommen , oder sie einem Anonymos übe'rtra£:eu hat.
Ob nun Clarier nieht mehreres schriftlich hinterlassen liat als
was in diesem Supplement milirelheilt wird («as nicht wahrschein-
lich ist,) oder ob manches, was uideserlich hi'seiner Handschrift
Mar, wegjielassen werden musste , oder ob man es für i::ut hielt
die kritisclien ?solen ins Elise zu zielien und die, welche Gram-
matik und Worterkläi-uiii!: betrafen, (wenn dergleichen da waren)
zu unterdrücken, endlich in w elcheni Zustande sich Claviers Iiin-
terlassene CoUectanecn zu dem Pausan. befunden liaben, das wis-
sen wir niclit, aucli nicht, ob entweder der selbst, der die Her-
ausgabe dieses Supplementes besorgte, anderwärts, oder irgend
ein Journalist etwas darüber bekannt gemacht liat. Aus der Un-
terschrift beym Schlüsse des 8ten Buches „La suite manque"
möchte man vermuthen, dass/7/f/tverÄ scJiriftlicIier Naclilass nicht
über das Ste Buch hinausgegangen sey; gleichwolil ist es nicht
wahrscheinlich, dass nicht wenigstens die Varianten der Pariser
Handschriften aus dem 9ten und lOten Buclie des Pausanias, so
viel derselben Clacier für nöthig gehalten haben mochte sich aus-
zuzeichnen, unter seinen Papieren gewesen seyn sollten. Und
wenn sonst nichts in denselben über diese beyden letzten Bücher
vorhanden war, warum liat doch der Verfertiger dieses Supple-
mentes niclit die handschrifllichen Lesarten über diese Bücher
mitgetheilt'i Da also noch ein unerfreuliches Dunkel über diesen
Punkten liegt, so können wir bloss über das, was sich in diesen
IVoten findet, unsern Lesern Bericht erstatten.
Sie sind Französisch geschrieben, diese Noten, und also wohl
nur für das Französische Publicum und für Französisch-Gebildete
berechnet; daher auch selbst Stellen aus Lateinisclien ('lassikerii
mit einer Französischen Uebersetzung begleilet werden. \ on
doppelter Avt aber sind diese .Noten, einige k/ilLsrh^ andre I/i-
slon'sch. Die kritischen handeln von den Corruptioneu und Lük-
ken des Textes , von den Verbesserungen und Ergänzungen der-
selben, sowohl denen die bereits gefunden sind oder gefunden zu
seyn scheinen, als auch denen die man noch zu suchen hat, und
endlich \on den Quellen und Gründen der gemachten oder zu
machenden 'JYxtveränderungen. Diese Classe >on Anmerkungen
ist in doppelter Hinsicht wichtig, 1) weil man nun erst dadurch
erfahrt, was Clar. nach Manuscri|)len, was er nach ('onjectnren
geändert hat; 2) weil man dadurch nähere Kenntniss ^on den Pa-
riser Haiidschrirten erhält, aus weichen ehi Theil dieser Aende-
38 Griechische Litteriitur.
ningen geflossen ist. Leider aber sind die Lesarten dieser Hand-
schriften nicht vollständig nütgclheilt, sondern gewöhnlich nnr
die, welrlic Ciavier entweder in den Text anlgenommen hat,
oder die ihm \eranlassung znr Aendernng des Textes gegeben
haben. Znr Uegriindung oder Emplchlnng der in den Text ein-
getragenen oder nur vorgeschlagenen Conjectnren steht oft wei-
ter nichts da als: „il fant lire, je crois qu'il fant lire, j'ai mis,
j'ai adoptc la conjecture de Facins, Kuhnins'-'' u. d. gl., Mas Deut-
schen Gelehrten nicht genVigen kaini. Doch bisweilen wird auch
ausführlicher über eine Lesart gesprochen : wir m oilcn das Bey-
spiel, dessen wir oben unter N. 3 gedacht haben, noch einmal
gebraaclien. In Attic. Cap. XXVI, a. E. wird uacli Anführung
der Varianten aus Aew Pariser Handschriften bemerkt, dass die
andern Schriftsteller nicht übereinstimmen weder über den Zu-
namen des Kallimachos, noch iiber die Ursache, warum man ihm
denselben bev gelegt habe; dann dass nach Vitrnvius und Diony-
sios aus Ilalikarnass, deren Stellen bey geschrieben sind, derUey-
name Catatechnos, den Vitrnvius anfülire, ein Lob gewesen sey,
hingegen Plinins, dessen Worte ebenfalls beygefügt sind, und
die Schriftsteller, denen er folgte, dem Kallimachos das zum
Vorwurf gemacht haben, was Ande»e an ihm lobten, und dass er
also zwey Zunamen geführt habe, den einen von den Feinden,
den andern von seinen Bewunderern gegeben. Nun aber beweise
alles, w as Tansanias sage, dass der letztere in den Text des Paus,
gesetzt werden müsse , und darum habe er Tiaratiivov geschrie-
ben. Die Uebereilung in diesem Schlüsse wird jedem, der die
Worte ovo^a t^Eto i] d-eaevcjv allav KatiöiTjösv cqp' avtcp ru-
hig erwogen hat, einleucliten.
Die historischen Anmerkungen umfassen das Mythologische
(ohne Deutung) und Gescliichtliche in einer uns bisweilen unnö-
thig sclieinenden W eitläuftigkeit. Dagegen ist das Geographische
und Archäologische zu wenig oder fast gar nicht berücksichtiget.
Am meisten aber wird der Deutsche Gelehrte Wort - und Sprach-
erklärungen vermissen, mit Uccht ge^ öhnt , von diesen bey aller
Erklärung auszugelien und sie zur Basis aller Interpretation zu
machen. Denn theils ist es an und für sich klar, dass nur eine
auf eine solche Grundlage gebaute Interpretationsmethode die
einzig richtige sey, und zu einer Gewissheit führe, die beynahe
der mathematischen gleichkommt, theils' zeigen Beyspiele, wie
sehr Uebersetzer , Mythen ~ Geschichts - Alterthumsforscher , Ar-
chäologen imd selbst Kritiker ihren Arbeiten schaden , und das8
sie auf Sand bauen, wenn sie die wahren Bedeutungen der Worte
und die Regeln des Sprachgebrauchs weniger zu bcacliten sich
erlauben, und sich bey ihren Sacherklärungen mit Wortkram, wie
man es nennt, nicht befassen wollen. Hier nun liätten doch we-
nigstens die Textveränderungen und vorgeschlagenen Conjectn-
ren , wo es uöthig w ar , durch Spracligrüude seilen unterstützt
Puiisauius von Cluvicr. 39
\verden. Wie sehr sidi aucli in der Kritik die Veriiacii'assi4,'ung
des Spraclistudiums räche, zeii^t unter andern die Stelle Kliac. II
Cap. 23, 2, >vo zu den Worten at yvvcdxig ccl 'Hlsiai tiXXu ts
Tov 'uT^xMEog ÖQÜOiv i:g ri{u]v, xul xoTCZEöd^cct vo(.U^ov(}Lv av-
TÜ7'' die Anmerkinii^ iiesetzt ist: .,il nie i)aro)t evident qu'il laut
avtdg,'''' nämlich statt «uTüi-! wohey noch zu bemerken, dasa
diese Conjectur am llandc der Ausgrabe nicht ani^egeben ist. Auch
>vas die Sprache des Pausanias und ihre Efgenheiten betrifft, so
ist für ihre Erlänterniiir in tliesem Supplemente nichts gethan 'wor-
den. Dass hier kein iudex g/uecilatis Pausaniae zu suchen scy,
durfte wohl kaum noch erinnert werden; und doch Avar er bey
einer neuen irrossen Ausc:abe dieses verkannten und vernachläs-
sifften Schriftstellers in mehr als einer Hinsicht so nöthig. Hätte
sich Ciavier mit der Sprache desselben genauer bekannt gemacht,
so vviirdc er in Eliac. I Cap. 4, 1 nicht ziicp re ccTiivEiue ysQu
aus dem Grunde corrigirt liabtm: ^^yaQa ne sc prend guere pour
les honneurs qu'on rend aux dieux ! -'• Auf solchem Grunde ruht
auch seine \ ermuthung, dass ebend. Cap. 6, 1 in dem ihm unver-
ständlichen dytVBicov vei'steckt liege 'lö^iiiav. Die gerügte Eil-
fertigkeit, mit der fremde Hände dieses Supplement verfertiget
haben, thut sich auch dadurch kund, dass liier öfter steht j'ai
mis, oder ähnliches, aber die dabey angeführte Lesart sich iu
der Ausgabe selbst nicht findet, z. B. Buch 4 Cap. 7, 2; 11, 2;
12,5; 14, 4; 22, 3. Woher nun dieses komme, auch darüber ist
man dem Leser Aufschluss zu geben schuldig geblieben. Zu
Eliac. II Cap. 20 ist angemerkt: „Je crois devoir donner ici la
ligure de Tiiplie'sis d'Olympie teile que l'a imaginee M. \ isconti ;
eile est la seul qui pulste bien expliquer cc passage. '•'' gleichwohl
fehlt diese Zeichnung, ohne dass man erfährt, warum.
Siebeiis.
Römische Litteratiir.
M. T. Cicero7iis Orutt. Philipplcae in M. Anto-
nium. textum ad fidciii codiciä Vaticani castigfavit ot potiore le-
clionuni Aarietute bubiiotata in usjuni 8cholarunt edidit GV. Ootll.
Weriiadorf. Lipslue ap. llaiüuunn. 1825. XM u. 211)8. gc. 8. 1 Tlilr.
Herr Professor JFernsdorf war es sich, wie dem Publicum schiJ-
dig, dem so treffliclien Codex \aticanus von diesen Reden , auf
dessen Werth endlieh die allgemeine Aufmerksamkeit hingelenkt
war, durch eine zweite Ausgabe dieser Reden vollere Gerechtig-
keit angedeihen zu lassen. Wir wollen es nicht tadeln, dass dies
40 llömische Littcratnr.
nicht schon in der ersten grossem Ausgabe gescliali; Garatonh
Eiiiüuss auf dieselbe entscliuhligt Vieles: obgleich aucli dieses
-wahrhaft besonnenen Kritikers Entscheidungen, Andenlungen,
Winken nicht immer die nöthige Berücksichtigung zuTheil wurde.
Referent war selbst unter denen, welclie Hrn. W. zu solchen cu-
ris secundis aufforderten. Freilich hatte dieser eine ganz antlrc
Art der Behandlung dabei im Sinn, als die welche der Beurtlui-
huig vorliegt. Er sah es nehmlich immer mit einer Art Eifersucht
an, dass um diese so herrlichen letzten Reden des ersten und
für uns einzigen Muster -Redners der Riimer, für welche der
Kritik und Interpretation sich noch ein reiclies Feld zur Bearbeitung
darbeut, nur Italiener wahres Verdienst haben sollten. Doch da
dies einmal eine Schulausgabe, und gerade eine solche seyn
sollte, so will er auch hierüber nicht rechten. Alles kommt dar-
auf an, ob, und in wiefern der Vaticanischen Handscluift volle
Genüge geschah : liierüber fühlt m' sich berufen sein Ürtheil un-
parteiisch abzugeben, um daraus die Folge ziehu zu können, was
von dieser Seite noch zu leisten Viberblieb.
Was Hr. W. bei dieser Ausgabe leisten wollte, ^darüber hat
er sich in der Vorrede bestimmt geäussert. Seit dass der Text
dieser Reden in der grössern Ausgabe, der Vaticanischen Hand-
schrift gemäss, geordnet, diesen eine gewissermassen so neue
Gestalt gegeben habe, dass sich in ihnen kaum ein Capitel finde,
worin nicht melirere Verbesserungen aus ihm hervorgegangen:
sei schon desshalb eine Schul -Ausgabe für sie nöthig geworden.
Ueberdies liätten noch andere Stellen mehr aus dem Vat. der
Verbesserung bedurft, die zwar in den Anmerkungen begünstigt,
doch nicht selbst geändert worden: noch andre endlich hätten
verbessert zu werden verdient, welche ganz unberücksichtigt ge-
blieben. Da er nun eine Ausgabe beabsichtigt, die einen von
Fehlern möglichst freien Text liefern sollte, so habe er geglaubt,
in den Anmerkungen nicht bloss die Verschiedenheit seines Tex-
tes A on dem Emestischeii^ Schützeschen^ oder auch Gräveschen
angeben zu müssen , sondern auch für nützlich erachtet die Ab-
weichungen der Schützeschen Lesart selbst da anzuzeigen, wo
das Rechte bereits von Em. und Seh. hergestellt war, um hier-
durch dem Lehrer Gelegenheit zu geben, vermittelst dieser Ver-
Bchiedeidieit der Lesart, das Talent seiner Schüler zu üben. Aus
gleicliem Grunde habe er die bedeutendem Abweiclnmgen der
Gräv.., Ern.., Garat. und eigens benutzten Handschriften, selbst
der Oxfordschen, anzuführen nicht luiterlassen. Zuletzt seien
auch die kurzen Schützeschen Bemerkungen benutzt worden,
wenn sie dem Wort- und Sachsinn einiges Licht gaben. Eigne
Erläuterungen dieser Art beizufügen habe es an Müsse gefehlt.
Das Uebrige der Vorrede gehört für Begründung des Sinns eini-
ger einzelnen Stellen, gegen den Äecews. der Leipz. Litt. Zei-
tung von 1822 Nb. 55 u. 56.
Cicer. Oratf. Philipp, cd. Wernsdorf. 41
Doch wir eilen zu tlcm nach diesem etwas bequemen Plane
Geleisteten selbst. Hier sind nun wirklich eine bedeutende Zahl
der Lesarten der \ at. Handschrift neuerdings mit Uccht in den
Text genommen, doch grossen Tlieiis die, worauf ^ orhergehende
Recensionen, besonders die in der Neiien Kr it. Bibl. f. d. Schul-
7ind Uiitenichtwesen t. Y n. 1 p. 33 — 41 bereits aufmerksam
machten. Da ihrer A\ifnahme selten innere Gründe beigefüfffe
sind, so halten wir uns mit der Aufziililung derselben nicht auf,
sondern a:ehn zur l'ri'ifunij selbst fort.
Die erste Aumcrkuiip: endiält einen Irrthura. Im Texte ist
erat ?/sa inngestellt, inid unten lieisst es, Sic Vat. Allein die-
ser liest ja nsa erat ; welches nicht nur «lie hier einzig richtige
Stellung ist; sondern so nur lässt sich auch begreifen, wie we-
gen der voi-hergehenden "^A ortendung das abgekürzte usa bei an-
dern Handschriften herausfallen, bei andern in usurparat ver-
wandelt werden konnte. Zu den kurz darauf folgenden Worten
ad hiinc ordinem res optimas d efer chat^ Hess sich die Erne-
stische Conjectur referebat^ durch den siipplirenden Deisatz, nt
eas ad eum refcrret^ genügend zurückweisen. Ohne Streit Avälilte
Cic. das Wort absichtlich , lun es mit den nächstvorhergehendeu
verbunden zu wissen, so dass man noch dazu zu denken liat, de-
Uberatas cum principibus civitatis. Gleich nachher ist die Con-
struction schwerlich richtig nach dem Vat. geändert, nil/il tmn^
7iisi qjiod erat omnibiis nolum in Caesaris commenfariis repe-
ricbatar. Denn so schleppt die Stelle nicht bloss, da schon dem
Lateinischdenken gemäss die Worte, in Caesaris commentariis^
sich an nihil tum eng anscliliessen, sondern selbst die Umstellung
Omnibus votum ist nicht Ciceronisch , weil dieser in der Regel
schreibt, haec quae nota sunt omnibus. Mil. 28, 76 nisi rem tarn
notam esse omiiibus — videres. III Yerr. 58, IS-l quae passeri-
bus nota est omnibus. II Fin. 23, 70. Sieht man überhaupt die
Steile mit ihren Lesarten genauer an, so ergiebt sich , dass schon
früh die A> orte, nisi quod erat noium omnibus herausgefallen,
und am Kand dei* Handschrift , wie das bei mchrern Auslassun-
gen der Fall ist, gesetzt waren, ohne dass die 3Iarque da , w ohin
tjie gehörten, im Texte angegeben war. Darum Hessen mehrere
Abschreiber sie ganz Aveg, andere stellten nach ihrem Erachten
sie so, andre so ein. So lässt sich alles überzeugend erklaren.
Kef. behält demnach mit völliger üeberzeugung die \ ulgata bei:
denn selbst die Stellung erat notuni ist absichtlich; man über-
setze, ausser ivas wirldich jedermann kund tvar.
ISoch ist ausserdem für das erste Cap. etv>as über die Inter-
pimction zu bemerken, das nicht wenig Stellen der Ausgabe, und
insbesondere die durch Vorder- und Machsatz innig verbundenen
\ollsätze angeht. So sind die folgenden Worte, Malta praeter-
eo, eaqne praeclara. ^-Id singulare enim M. j-lntonii factum
festinat oratio .y uimatüriicli von einander getreiuit, mid es sollte
42 Ruiuiäcbe Litte rat iir,
nach dem mit praeclara schliessendcn Vordersätze nothweudi;;
ein Colon, kein \ollj)iinct stclni. J)asselbe gilt auch von den mei-
sten Nachsätzen, wo we-a'n Vorsetzung des Gewichtsworts eniin^
oder autem^ ausgelassen ist; auf Avelche iibcrhaupt noch die Her-
ausgeber Ciccros zn wenig acliteten. Daher ist gleich darauf zu
interpungiren. De qiia ne sententias quidem dixlmus: scripluni
setiatus consultinn., quod fieri vellet^ atlulit. Eben daher rauss
im folgenden Cap. vor uncus iinpactus kein Comma, sondern Co-
lon stehn. Ueber auteni^ so weggelassen, hat schon Ochsner zu
Oliveis Eclogeii gute Bemerkungen. Doch diess im Yoriiber-
gehn, und das nur darum, weil fiir Schul- Ausgaben riclitige In-
terpunction vor Anderni wichtig ist.
Im 2ten Cap. war gleich in den ersten Worten Lux - ohlata
die Krnestische Conjectur oborta kurz dadurch zuriickzuweisen,
dass Lux liier so viel als spes salutis^ nicht wie Abrami will, Sa-
lus selbst bedeute, vergl. X Phil, ö Alter eani sibi legem sta-
tuerat ^ ut^ quo veuissct ^ lux veiiisse quaedum et spes salutis
videretur : denn et ist hier rein erklärend. Spes oblata steht
aber bei Cic. oft, z.B. XIII, 3. Auch kann das Wort noch durch
die Neigimg Ciceros zu gleiclien Anklängen vindicirt werden, ob-
lata-sublato. Etwas tiefer ist nun richtig der Plural edixeraiit^
als auf beide Consuln Bezug habend , und so auch appellabantur
aus dem Yat. aufgenommen. Warum aber nicht auch kurz \ot
letzterm ut mihi miruni videatur mit demVat.und allenlland-
schriften Ferraris umgestellt'? da diese Structur Cicero öfter
hat — C. Rabir. 9^2^Itaque mihi mir um videtur : sogar I Orat.
49, 214 Per mihi mirum visum est — ; so dass sich das Gewicht
auf rnirum verstärkt. Auf ähnliclie Art war im 3ten Cap. quae
mihi ita placuit innzustellen : wo selbst dann, wenn der Yat.
die gemeine Lesart begiinstigen sollte, was zu bemerken iibersehn
wurde, die angezeigte Stellung die bessre bleibt. Yergl. II Yerr.
6 nee recuso^ quin me ita audiatis^ ut etc. Y Divv. ep. 9
Quod ego ita libenter accipio ^ ut etc. Doch wir übergehn
minder Wichtiges, und merken bloss beim Anfange des 4tenCap.,
wo richtig Tum vero^ statt Hie vero^ aufgenommen ist, an, dass
tum durch die vorgehende Sylbe riun^ wie oft, verdrängt, den
Abschreibern Anlass gab, nach dem Contexte nicht übel, Hie ein-
zuschalten. In diesem Cap. war indess Exque eo aus dem \at.,
für Ex quo^ zu bessern, wie man eben so richtig II OIF. 23, 80
that, da das Gewicht auf der Präposition, nicht auf dem llelali?
rulit. Eben so war aus demselben tiefer, statt des doppelten ne-
que an zweiter Stelle wec zn schreiben: denn so legt sich, der
Saclie gemäss, auf den vordem Negativ- Satz mehr Gewicht,
inid in 7/ec liegt der Begriff' nee ^ si sperurem. Uebrigcns ist
gleich darauf aus ihm« richtig videntur^ statt ridebanlur^ und
dann tarnen^ im Sinne des sattem^ anerkannt: mag sich auch im-
mer Matthiae zu Catil. 111,5, 10 ohiierachtet derNähe der BegriÜe,
CIccr. Oratt. Philipp, ed. Wernsdorf. 43
in welcher diese zu eiuaiuler steliii, von dieser Bedeutring der
Partikel nicht Viberzeiijren können. Cap. 5 lallt aul", dass auch
in dieser Ausgabe Annibal blieb, da doch der \at. die Aspiration
hat, und Cicero nie anders schreibt: selbst in diesen Heden X,
9, 10, >vo es allein 5 mal vorkommt. AVeilcr imten weiss Ref.
niclit, ob er das Aurffenoinmene ei diccret billigen soll, da ent-
scliieden cdicerci lur diceret bei Cicero vorkommt. J*ll)en so
möclite er zweil'eln, ob \w\ toiiUi isia pucnia richtig aus d. \at.
tanta beigelugt sei, da ista sclion i'iir sicii selbst diesen Nach-
druck hat , nnd die Abschreiber nur zu gern durcli solche Bei-
sätze nachliallcn, wo^on der Vat. nicht frei ist: auch hess sich
wohl glau])en, dass C. in dieser Verbindung eher isla tanta ge-
schrieben haben wiirde. Im 6ten Cap. war mit dem \at. domi-
natu regio umzustellen, wie II Phil. 34, XI Divv. ep. 5, II Orat.
55, mul in den folgenden Worten iani prope in quingeidesimum
a/tnuni ist Cicero sicher ein Fehler aufgebürdet: denn dieser
schrieb nie iam prope^ sondern stets prope iani. lam ist sichre
Glosse; wahr.'^cheiulich auch in erst nach quingentesimum zu
stellen, weil der Context auf das Zahlwort das Gewicht fordert,
und es da auch eher herausfallen konnte: wiewohl (Me Lesart al-
ter Ausgaben in prope quing. ebenfalls zu beachten ist, ob ihr
gleich Belege abgelm. Tiefer unten ist in Quae {jnalinn) est
ista vohüitaria severitas ? das lebendigere Quae für Quaenam
mit Grunde berücksichtigt; nur behagen die Parenthesen-Zeichen
zu mahim nicht, mit denen überhaupt die Herausgeber zu frei-
gebig sind. Eben so richtig ist Cap. 7 ipse (er für seine Person)
aufgenommen : nur dass nothwendig facere ipse nach guter Au-
torität umzustellen war. Gleich richtig ist die doppelte Umstel-
lung, benigne ine tarnen^ nt adhuc fecistis^ audiatis^
dem Vat. entlehnt: doch musste aus diesem auch im Folgenden
pacis atque ofii^ für et^ wie I Rull. 8, schon um den Adonicus
am Schlüsse des Gedankens zu meiden, geschrieben werden.
Auch ist //c///V , iitnit licebot ^ gehörig beherzigt, das selbst die
übrigen guten Codices begünstigen. Bei multis ?n/dta proniissa
fecit war indess die Stellung zu schützen, da bekanntlicli die Re-
gel gilt, dass bei der Structur solcher doppelten Adjectiven der
oblique Casus nachstehen müsse. Diese selbst. steht fest, weil
auf dem casus rectus gewöhnlich das Gewicht der Rede ruht, und
so heisst es auch II Olf. 18 ninlta multis de iure conceden-
teni: nur rauss zugleich die seltnere Ausnahme mit bemerkt wer-
den, wenn, wie hier, -auf den obliquen Casus der iVaclidruck fällt,
z. B. I \ eri*. 41) quid est aliud ^ ovinibiis omnia peccafa et
inaleficia concedcre — ? Dann darf auch aliis aliud Brut.
22, 87 u. I Rep. 32 nicht auffallen. Für solclie Ausnahme Miisste
sicliRecens. , bei übrigens bestimmter Aufstellung der Regel, zu
de Legg. I, IJ), 52 selbst nicht zu helfen. In vorliegemler Stelle
iüt noch überdies muUis nmlta so gestellt, damit es dem Vor-
44 Rumiächc Litter a tu r.
hcrgelieiulen ctii quid entspreche. la den kurz darauf folgenden
Worten, Pecunia utlnum ad Opis nifüieret ! crucnla Uta quidem^
sed his temporibas^ qniim üsquorumest^ non reddHiii\ iw-
cessaria^ Imlte qiioniam^ statt qunm^ in dem Sinne , loeil es min
einmal^ aus dem Yat. den Vorzug verdient. Die etwas weiter un-
ten folgenden Worte niussten wohl so interpungirt werden : Qune-
re acta Gracchi^ le^cs Semproniae proferentur : quaere Sullae^
Corneliae. Doch wir Vibergehn das in den folgenden Capiteln zu
bemerkende minder Wichtige , da die bessern Lesarten des Vat.
meist richtig benutzt sind : ausser dass in Cap. 10 in den Worten,
quiilla numquam prohavi., tarnen ita conservanda arbitratiis suni^
das in der grössern Ausgabe aus dem \at. aufgenommene tarnen
ohne alle Eeraei'kung wieder gestrichen ist, ohngcachtet es sicher
nicht auf die Rechnung der Abschreiber zu setzen, sondern ganz
Ciceros Farbe trägt: auch ist ja tarnen nach qui^ wenn dies für
quamquam ego^ tu^ in steht, nicht selten. Wir fügen für C. 12
nur noch bei , dass mit dem Yat. luid den meisten Andern nobi-
les homines umgestellt werden musste: denn liier ist nobiles mar-
qidrt, wie I Divv. ep. 9, 53 Corte, qiioniam qiddam 7iobiles ho~
mines^ et de ine optinie meriti^ niniis amarent inimicum meiim.
Dagegen würden wir anstehn C. 13 zwischen {cihsentem appello)
enim aus dem \at. einzusetzen, wie der Herausgeber in den Er-
ratis p. XVI. fordert. Denn mag diese Partikel in den Parenthe-
sen bei Cicero noch so häufig vorkommen, so ist es ebenfalls nicht
selten der Abschreiber Art sie beizusetzen : auch spricht Cicero
ebenso abrupt III, 11 [adolescefitem appello.) Hierzu kommt,
dass der Redner schon oben C. 7 des Antonius Abwesenheit mit
beissender Parallele rügte; woher hier e?iim wirklich ein er-
scldaffender Beisatz scheint. Genauere Berücksichtigung ver-
I diente tiefer in demselben Capitel die Stelle: Aum huinsce., quam
pj'o Salute reip. tanta gessisses., fortunae ^e, iiutn a/iiplitudinis^
num claritatis , num gloriae poenitcbat ? In ])eiden AusgaJ)en
wurde hier die Vulgata beibehalten, troz der Warnungen der
bessern Handschriften. Dies fühlte der Herausgeber noch nach
dem Abdrucke der kleinern, verlangt daher in den Erratis S. WI
so umzuändern : Num ife, quuni haec pro saliite^ic..,\\\\^\\V\
dann te nach fortunae gestrichen wissen. Bevor wir hierüber
«rtheilen, müssen die Handschriften befragt werden. Die Vat.
liest, Num te^ qiium huec p. s. etc. und nach /o/"/////r/e, für
i^e, tuae. Statt dessen hat die dieser zunäciist stehende Cöln-
gehe, Num haec te., cum etc. und mit dieser stimmt die Gro-
novsche. Die Franzische liest, iN«?« A « e c tecum., indess hat
bei iiir eine spätere Hand tecum haec umgesielU. Nehmen wir
diese Abweiclumgen genauer in Obacht, so scheint die erste Ver-
schlimmerung des Grundtextes dadurcli entstanden zu seyn, dass
haecce in haec ie verdorben wurde, was nur zu liäuiig vor-
kommt. Denn dass eluuals ce gelesen w urde , zeigt der Vulgata
Ciccr. Oratt. Philipp, cd. Wernsdorf. 45
ihr hiiiiisce^ deren T^r]»c])cr haecce a\i^ jwcnl lehnt bezo2f, iiiul da-
her es aus freier Hiiiul änderte. Die Vat. MoUte auf anderm
Wege helfen, und stellte das verdorbnc hacc tc um. Lesen wir
nun, Nuin hacccc (ptum^ so haben ^^ir die Cölnsehe, Gronovsche
und Franzische Handschrift auf unsrer Seite. Aber was soll das
ti((w der Vadcanischen? Ks verräth selbst beim Fehler ihr Al-
terdnnu und ihre Giite. 31an lese nehmlich und interpnngire die
Stelle so : Ninn , liaccce (juinii pro salutc rc-ipubUcae taiita ges-
si'sscs. fortunoc te iiiae^ itum atiipUludiiiis^ mim clarifalis^ iium
gloi iae pociiitcbat? Es licss der Abschreiber dieser Handschrift
tc \ov tiiae sicher deswegen weg, weil er es nach JStiin schon
gesetzt hatte: aucli ist es mehr als gewöhnliche Vernuitlmng,
«lass liier wirklich Cicero te tiioe setzte, sobald man seinen Sprach-
gebrauch hc\ poe/iitei kennt. Vergl. I l)i\v. ep. 7 vi e meae for-
tiinae ne nimis poeniter et ^ tun virtute pcrfccium est. Eben-
das. MI ep. 3 Cnins vie mei facil p oeiiituit. Auch stellt
ja (^icero Viberhaupt gern diese Pronomina zusammen, wie das
sich durch viele Stellen bclt^en liess, von denen wir nur einige
frülier verdorbncn anführen: III Yerr. 31, 100 (juos tu tut
quaestus cinisaecocasti., wo tu er&t aus dem Nannischen Codex
zugesetzt -wurde. II Rull. 20, 53 quos tu tuo labore cepisti^
ego mca lege vendam., wo das tu erst durch Weislces Conjectur
richtig hijizukara. Auch muss Parad. II, l nach guten von Ref.
verglichnen Handschriften nicht tuae Ubidines te torquent^
sondern te tuae llbid. torq. gelesen werden.
Man verzeihe das längre Verweilen bey einer Stelle, bei
welcher sich die Art, wie sie verdorben wurde, imd der Weg, wie
sie zu bessern, bestimmt nachweisen liess. Wir wollen das
Uebrige um so kVirzer berücksichtigen, und fügen mit den nächst-
folgenden Worten gleich die richtigere Interpunction bei: Non
2)ossum oddiici ut s/ispiccr , te peainia captum : licet quod cui-
que libcl toqualiir , credere non est nccesse. Denn durch die
zwei \ollpnncte wird der enge ZusainmenliEtiig Aviderlich gespal-
ten. Dei //ce/ ist aber, vermöge obiger Remerknng, enini^ wie
nach dem gleicli scharf vorgestellten credere , tarnen weggelas-
sen : „ Ich kann micii nun einmal nicht zu der Vermuthung bewe-
gen lassen, du seiest durch Geld gewonnen: mag gleich jeder
sprechen, was ihm beliebt, deswegen braucht man es ja doch
nicht zu glauben." — Dei Cap. 1-1 ist die Wiederaufstellung der
\ulgate, Quod videnius^ etiam infabuUs^ ipsis illis^ qui
oderint dum metuunt., d ix er int., perniciosum fttisse ., durch-
aus nicht zu billigen. Schon das Ohr ist damit unzufrieden. Dass
ferner der Redner mehr Mie Einen verstanden wissen will, (ei-
nen infabidis., den andern extra fabtilas^) ergiebt sich durch den
Beisatz, etiam infalndis., von selbst; zu eben diesem ßeisatze
passt aber auch der Plin-ai ipsis Ulis nicht, will man nicht zu an-
dern gehaltlosen Vermulhungen flüchten. Uebrigens ist klar
46 Rümische Litteratnr.
dass, andrer Seits, der Absclireiber des Vat. ans Unkunde,
dass der collective Ausdruck, etiam infahilis^ gleicli dem ge-
wöhnlichem, ut est infahidis^ auch für den einzelnen Fall ge-
braucht werde, gleich Andern, fabula ändern zu miissen glaubte.
Daher ist siclier, etiam in fabiilis^ ipsi illi^ qui — dixerit^ zu le-
sen. Gleich darauf war das gewisse und zugleich fade Glossera
habendoriim^ zwisclien annorum liceiitiam^ mit Schütz, wie in
der grossen Ausgabe, zustreiclicn: denn wem ist nicht das öf-
ter, xmd immer ohne Eeisatz wiederkehrende giadiorum licentia
II Divv. ep. 0 uihI impiaiitas gladionim I, 31 und X, 2 bekannt'?
und wo giebt sich nicht bei solchen abgekürzten Ausdrücken der
Absclireiber glossirende Hand kund! ja hier verräth sie sich noch
deutlicher durch das Doppel -Glossem metuendorum. Zu Cap.
li wollen \\\y bloss die nothwendige Umstellung., Satis erit enirn^
wie sie der Vat. fordert, rügen. Es wurde mit dieser Wortstel-
lung in neuster Zeit viel Unwesen getrieben. Seit dass Scliae-
fer bei den Briefen desPlinius zuerst auf sie aufmerksam machte,
will man sie Cicero überall aufdringen, ohne ihre im Sprachgeiste
selbst begründete Eigenthümlichkeit aufzusuchen. Geschah dies,
so würde man bald auch die Unentbehrlichkeit der andern Con-
struction anerkennen. Hier ists genug zu bemerken, dass die
stärkere Assevcration diese Umstellung fordert, wie bei Mil. 12
satis est quidem — docere. III Leg. 5 satis esse autem argii-
vienti videtur. Ueberdiess steht noch sati^ erat hier für siiffi-
ciehat^ welches Verbum bekanntlich Cicero in diesem Sinne nicht
braucht.
Wie die angeführten Bemerkungen zur Isten dieser Beden,
so lassen sich zur 2ten an 1(H) andre für Wortkritik, Wortstellung
und Interpunction von gleichem Gehalte macheu, und so fort bei
den übrigen Reden, welche dieser schätzbare Codex: enthält:
denn er reicht nur bis zum Di'ittheil des TitenCap. der loten Bede,
üeber den Werth dieser Bemerkungen liat lief, keine Stimme:
fordern sie indess Berücksichtigung, dann ist auch sein Urtheil
anerkannt: dass bei allem zeither Geleisteten derselbe gleich-
wohl noch nicht so benutzt ist, wie er sollte, und es verdiente.
Eben daher glaubt er sich auch berechtigt, zunäclist Herrn Pr.
Wernsdorf zw neuer Bearbeitung dieser Reden aufzufordern; und
sollte demselben die nöthige Müsse dazu abgehn , dann wäre es
iur angehende Philologen ein eben so würdiges als ehrendes Ge-
schäft, an iJinen ihre wachsenden Kräfte erstarken zu lassen. Ne-
ben genauem Studium dieses Geschichts- Abschnitts, (von wel-
cher Seite diesen Reden noch manches leicht zu gewiimeude
Licht abgeht,) würde dann sorglichere Rücksicht auf des Autors
Sprachgebrauch, vorzüglich aber auf streng prüfendes Studium
der Vat. Handschrift selbst zu nehmen seyn, an welcher sich
nicht gar selten die supplirende Hand verrätli. Hierdurch würde
man den letzten Geistes -Producten dieses immer neu sich dar-
Wüstcnianne Deuts ch - Lat. llaudw ürterbn eh. 47
stellenden Römischen Kedners his zn dem Grade die Feile
geben, in welcliem so viele andre Werke desselben sie noch gar
sehr vermissen.
Ueber die Orthoffrapliie in beurthcilter Ansgabe fiigt Ref.
mir noch hinzu, dass er die Aenderung des cum in qiium bei ihr,
als die richtigere Sclneibarl bei Cicero, durchaus billigen muss.
\So könnte, andre Gründe gar nicht zu berühren, anders die
häufige V erwechslung des tjuiiin mit y?/?*, (juo^ quod^ quc^ qjiam^
quatulo^ quouiam^ quamquam^ noit qiiuni mit minquam^ etc.
herzuleiten seyul
G 0 er en':^.
Lexicog^raphie.
Deutsch - Lat. H an dw ort ei' buch von Ernst JFüstemann,
Doctor der Pliihtsopliic und Pr(»l"e>.>()r am Gymnasium zu Gotha.
Er-*tcr Tlicil. Gotha, IIcnning;sschc Buclihandlung. 1826. XXIV u.
570 S. gr. 8. Subscriptionsi)!-. für beide Thle, 2 Thlr. Ladenpr. 3 Thlr.
J^o raangelliaft anch lange unsre Deutsch -Lateinischen Lexica
waren, so schnell folgten in der letzten Zeit mehrere \ ersuche
aui" einander, um diesem Mangel mehr oder weniger befriedigend
abzuhelfen. Und wenn schon das Banersc/ie nicht ohne manch-
fache Verdienste ist, so iiat nachher Kraft mit Kenntniss und
Fleiss dahin gestrebt, den ganzen, durch ilni selbst bedeutend
vermelirten Vorrath der Spraclie gemässer zti ordnen. Li'me-
maiiji hätte zur nämlichen Zeit das dem ScJiellerschen Handwör-
terbuch beigegebene ebenfalls einer neuen Revision unterworfen
(die Fortsetzung seines eigenen, grössern Werkes scheint zu ini-
terbleiljen,) und der Verfasser gegenwärtiger Recension eins in
einem geringern Umfange für Schulen bearbeitet, wobei die
llauptabsicht war, beim Gebrauche so viel als möglich vor Missgrif-
fen zu schützen. Später erschien die zweite Auflage von Krafts
Werke und bald darauf der erste Theil seines Schulwörterbuches,
^on ihm und M. Farbiger. A> enn nun auch in den Kraftschen
Wörterbüchern Vieles noch logischer behandelt und klarer ge-
stellt seyn könnte, so war doch vorerst das llaupthedürfniss ge-
liobcn; Scliüler so\>ohl als Lehrer hatten einen grösstentheils si-
chern Leitfaden. Sollte noch etwas weiter geschehen, so musste
dadurch di(i ^^ issenschaft wirklich gewinnen, so mussten Resul-
tate geliefert scyn, die von kritischer Benutzung des bisJier Gege-
benen, von eignen gediegenen Kenntnissen zeugten. Diess war
nach dem jetzigen Stande der J)inge so gar schwer nicht. Daher
durfte man erwarten, dass, wenn zu dem bisher Erschienenen
48 Römischo Litteratur,
sich noch ein neues Biicli gesellte, dasselbe auch etwas enthielte,
wodurch es sich vortheillial't vor deu Irüliern auszeichnete.
Auch der. Herausgeber desjenigen, welches hier gewürdigt
M erden soll , scheint es so verstanden zu haben , nach den gros-
sen, pomphaften Versprechungen, die er uns in seiner vor etwa
16 — 18 Monaten erschieneneu Auzclge gemacht liat. *) Doch,
man musste warten, ob er seine Worte durch seine Thaten aus-
gleichen würde. Es konnte ^iel versprochen, aber auch viel ge-
halten werden; ob uns gleich damals schon nicht gefallen wollte,
dass der Ankündiger eine unverkennbare Geringschätzung gegen
alles Bisherige , also auch gegen den sehr verdieuten Kraft blicken
Hess. Der unparteiische, loyale Mann achtet das Verdienst,
selbst wenn es Mängel haben sollte: und wo ganz Deutschland
schon so günstig geurtheilt hat, da durfte ein — Mie ich aus
Mehrerem schliesse — junger Professor in Gotlia desselben m old.
auch ehrend erwähnen ; besonders da , nach Allem zu urtheilen,
ohne ein Kraftsches wohl nie ein Wüstemannsches Werk dieser Art
erschienen wäre. Doch, Bescheidenheit ist nicht Jedermanns Sa-
che; und wir dachten uns den möglichen Fall, dass man sich
stark an ihr versündigen, aber immer noch ein ausgezeichneter
Lexicograph seyn köime.
Allein dem ist keineswegs also ; und trotz der XXIV Seiten
langen Prunk- und Vorrede des Wüstemannschen Werkes bitte
ich vorerst meine geehrten Leser, mir aufs Wort zu glauben, —
ich werde es aber weiter unten auch beweisen — dass es dem
Verfasser dieses Buches an dem ersten und hauptsächlichsten Er-
fordernisse eines Lexicographen , an grüniUicher Kenntniss sowohl
der fremden, Lateinischen, als auch der eigenen Muttersprache
fehlt; dass einigermassen gute Artikel verschwinden imter der
Unzahl solcher, die chaotisch unter einander gewirrt sind, die
von Halbheiten und Irrthümern entstellt, zugleich noch den Schein
von Originalität und tiefer Gelehrsamkeit an sich tragen sollen;
dass er nicht im Stande war, die in der Vorrede grösstentheils
gut entwickelten Grundsätze fest zu verfolgen ; dass er in die an
Andern von ihm so scharf und Iiöhnisch gerügten Fehler häufig
selbst verfällt; kurz dass er, statt wirklich weiter zu schreiten,
in den Hauptsachen zurückbleibt und an Gediegenheit dem von
ihm misshandelten Kraft, aufs allergelindestc gesagt, Avenigstens
*) Er sagt darin, dass in allen bis jetzt erschienenen Deutsch-
Lateinischen Wörterbüchern haum (?) der Grundstein zur Anfführnng
eines tauglichen Gebäudes (" — ich bitte diesen Ausdruck wohl zu behal-
ten — ) gelegt sei ; dass ihn diess gewogen habe , selbst Hand anzule-
gen, um ein, bloss für das Bcdürfniss gelehrter (?) Schulen berechne-
tes. Deutsch - Lateinisches AVörterbuch zu liefern.
Wüstemanns D c u tscli - Lat. Handwörterbuch. 49
nicht vorzusetzen ist, an Bcsclieidenlieit aber und Anspruclilosig-
keit ihm weit nachstellt.
Diess ist meine Ansiclit, nachdem ich den grösstcn Tlieii des
Werkes , mehr oder minder fifenau , dnrchgegani^en und mit dem
Kraftschen (2ter Aufläiie) verirliclien liabe. Der g^eelirte Leser
möi-e mir also dinch die Vorrede, und sodann durcJi einen Theil
des Werkes selbst ^ei'LÜliirst lolffen; wo es ihm ja dann immer
noch freisteht, meinen obiiieri IJehauplüiigen beizustinmien oder
dem Herrn W. zu jjlauben , der Seite IV der \ orrede iiiichyt be-
scheiden versich(n-t. sein Wörterbuch sei weitaus das beste.
Herr W. spricht zuerst aou seinem Plane, von dem StofTe
und der demselben srcprebenen Form. W'w rüijen hier zweierlei;
cinmahl, dass er Iiöchst Bekanntes als das Seiniiie sibt; zweitens,
dass er gleicli liier seiner WillkVihrlichkcit Thür und Thor öffnet,
indem er Seite IV unten sa^t, er hätte das If ichtigsle und Gc-
zvöhnlichste aus Philosophie, Theoloiiie und Jurisprudenz aufg'e-
nommen. Das heisst doch wohl d;isjeiii,Q:e, was ihm so erschien;
denn, mas: er auj-h PJiilosoph und Tiieolo^ seyn , Jurist ist er
doch wahrscheinlich nicht. Er hätte also alles dieses weslasseii
oder möglichst voUstaiulig ^eben sollen. Aber ihn verfi'ilirte zu
dieser Inconsequenz walirsclieinlicli der miffeschickte Titel Ilaud-
bricht den er seinem ^'^ erke gab, oder eigentlich die S. IV der
Vorrede, seiner in der Irühern Anzeige gegebenen Versicherung
geradezu widersprechende, Demerkung, dass sein Buch aucli für
das spätere Leben ausreiclien soll ; nun muss er auf der einen
Seite auch dem iSichtschViler etwas geben; auf der andern aber,
aus llücksleht fiir die Schule^ nicht zu ^icl. Also laviert er so
durch , und gibt ohue festen. Plan. AVenn ausserdem beliauptet
wird , aus der Aatmgeschichle seien die Benennungen ziemlich
vollständig anfgefidirt; so ist diess nicht wahr, wie jeder, der
nur z. B. die Botanik etwas kennt, auf den ersten Blick ersehen
kann. Leuiigens ^iderspriclit der Plan, solche Kunstwörter auf-
zunelimen. insofern kein dassisches Latein daiVir existiert , gera-
dezu seinem oder übei-hanpt jedem Plane für ein eingcscliränkte-
res Wörterbuch; sonst muss er uns ohne Gnade z. B. den ganzen
Linne, AMldcnow etc. geben. Oder Mas liat bei Herrn W. die
Hiindshamille vor dem guten Heinrich voraus, als das, dass er
das eine kannte, das andre aber nicht"? Wie es also in diesem
Puncte mit unscrm neuen Le\icograplien stellt, sehen wir unge-
fähr; kann jeder an '[{){) älinlichen AVörtern sehen, wenn er sich
die 31üJie neluucn will zu vergleichen; wird weiter unten noch
deutlicher gezeigt Merden.
Jlören wir ihn weitei*. Seite V oben sagt er: „gänzlich aus-
gcsdilossen sei das, was in die Sprache des Pöbels gehöre. Es
sei zu verwundern, dass nocli in den neuesten Wörterbücliern
(d. h. in denen von Kraft) solclicr Unralh sich hi 3Ienge finde.
In ein, für den gebildeten Theil des\ülke.s bestimmtes, Wörter-
iahrb. d. l'hU. u. Vutla^. Jährt;. I. Ihft. 1. 4
ÖO RümiscUe Litterutur,
buch gehörten gemeine Schimpfwörter und pöbelhafte Redensar-
ten nicht. '•'• Gut gesagt, Iiätte er es nur selbst auch gehalten!
Gehören denn (s.S. 502) Ausdrücke wie: geK zum Henker^ pack'
dich zum Henker , er mag zum Henker gehen , hole dich der
Henker^ zum Henker^ in den Mund eines Gebildeten*? Oder ge-
hören unter den von ihm aufgeführten 22 Compositis von Hure
nur zwei, nur eins hielier? Oder wird Herr AV., unzufrieden
mit einer vielleicht etwas derben Kritik, seinen Recensenten,
statt einen groben, einen Bengel {s. diess Wort) von Recensenten
nennen? Obwohl er nicht so ganz Unreclit hätte, wenn er das
Wort in seiner eigentlichen Bedeutung nähme, die er nicht ge-
kannt, also auch nicht hingesetzt hat, wornach Bengel so viel
heisst als Prügel (s. Campe's Wörterbuch.) Oder wird Herr W.,
wenn ihm ein guter Freund, selbst nur unter vier Augen, zur
Beendigung seiner so mühseligen (man sehe die Vorrede) Arbeit
Glück wünscht, etwa aus Bescheidenheit sagen: o das ist ein
wahrer Dreck (s. diess Wort,) statt: eine wahre Kleinigkeit *)?
Seite V unten bekömmt unser armer Kraft wieder Eines ab,
weil er sich beigelien Hess, in seinem Wörterbuclie dem Schüler
zu sagen, er solle die Subst. auf ting^ wo kein Lat. Subst. exi-
stiert , durch Verba umschreiben. Herr W. geht hier zum Theil
seinen eigenen Weg, man sehe z. B. in der speciellen Recension
die Artikel Abbildung^ Abdecken^ das; zum Theil thut er ge-
rade auch, was er an Kraft tadelt (ein Unglück, das ihm gar oft
widerfährt,) ^.Abreibung.
Seite VI stossen wir auf das Lieblingsthema beinahe aller
Lexicographen , auf die Vervollständigung des Buches durch neue
Artikel. **) Vorerst begreife ich nicht , w ie man sich überhaupt
darauf etwas zu Gute thun kann. Eher, meine ich, sollte man
sich desswegen entschuldigen. Was für Wörter finden wir nun
aber hier neu aufgenommen? — Manche allerdings, und diess
ist zu loben, die es verdienen, z. B. AUgemeingiltig, ***) Auf-
schreien, Ausscliluss, Aussenhandel, Beaufsichtigen, Bewahr-
heiten, Bildungstrieb u. m. a. ; allein dann auch wieder, und we-
nigstens die Hälfte der angegebenen, sehr sterile und weder für
Schüler noch für Niclitschüler brauchbare. Herr W. werfe übri-
gens nur einen Blick in Campe's Wörterbuch, um zu begreifen,
*) Herr W. wird sich wohl nicht damit entschuldig'en wollen , er
hätte diese Wörter desswegen gesetzt , weil sie z. B. bei den Lat. Ko-
mikern gefunden würden? Ei'stens wäre diess nur zum Theil wahr,
zweitens hat Kraft, aus dem nämlichen Grunde, eben einige Wörter
aufgenommen , die Herr W. verschmäht hat.
**) Bei Herrn W. um so axiflfallender , da er weniger Artikel geben
wollte, als sein vei-schmähtcr Kraft.
***) Wo jedoch das Beispiel durch Druckfehler entstellt ist.
"Wüstomtinns Deutsch- La t. IIan(l\rr»rtcrbuch. 51
wie schnell solche Vermehrungen zii machen sind, nnd zwarVer-
mehruiiii^en ganz andrer Art — aus unsern besten Dichtern, z.B.
Klopsto('k, Schiüer, (jölhe, Bairgesen und einer 3Jeiiire andrer,
die mit canz anderni Reclite in den Kreis der Jui;endbii<lun;2^ lal-
len, als Schrirtstelier oder Schriften, in denen Aon bctheeren^ ,
\om lief { übe/ z//g^ \o\\ der B/c^za/i^e und Aqv Blut rühr die lledc
ist. Aber ich weiss wolil, was Herr W. sagen wird, das Buch
ist nicht bloss IVir Schuler. iVun dann sage er nur, für wen es
noch ist, damit wir ihm seine Fehler Aveiter aufdecken.
Seine zweite grosse Miihe (immer mühsam und Mühe !^
war nun. eine solche Masse zu ordnen imd zum bequemen und.
verständigen (Jebrajiche eipizurichten.
Sollte man, darnach zu urtheilen, nicht meinen, Herr W.
hätte Alles erst selbst zusammensuchen imd auiliauen müssen"?
Wer sich dazu geneigt fühlt, vergleiche nur Herrn W.'s. Buch mit
dem Kraftschen, in welchem letztern das Gute, welches Herr W.
hat, allemahl. — mit Ausnahme weniger Artikel — auch zu fin-
den ist; das Schlechte aber, welches uns Herr W. giebt, zwar
zum Theilc auch, doch häufig nicht. Man vergleiche in meiner
Becension die Artikel : _76, Abarbeiten^ Abärgern^ Abbuchen^
Abberufen, Abbestellen, Abbetteln,, als Zeitw. imd llauptw.,
Abbild , Abbilden. Da Herr W. aber, wie wir weiter unten hö-
ren werden, Herrn llost Aiel verdankt, so verdankt er ihm viel-
leicht auch den obigen Gedanken, man s. Bosts Deutsch-Griech.
AVörterl)uch, Vorrede XII, Zeile 11, in der 2ten Ausgabe; in
Herrn Rosts Verhältnissen eben so passend, als in den Wüste-
maimschen unpassend.
Er fährt fort: ,, Leider waren liier die \orarbeiten in den
Lateinischen A\ örterl)iichern *) von wenigerm Nutzen, da in den
meisten eine logi--ch richtige Anordnung gänzlich vermisst wird.'-^
A\enn hier Herr W. bei uns Uebrigen nicht für einen leeren
Plirasenmann und literarischen AVindbeutel gehalten seyn will,
so mache er uns doch diese meisten namhaft. Ist Herr Kraft
unter denselben oder nicht'? Herr W. kann doch nur entweder
mit nein oder mit ja antworten. Im ersten i''alle, warum nennt
ihn Herr \\ . nicht eben so gut, als er Lüuemaun und Kost nennt?
Im andern Falle, wenn Herr \V. es sich [leifallcn lassen sollte,
den Herrn Kraft mit seinem /« zu verunglimpfen, wollen wir ihm
in ('iner 2ten Becension zeigen, dass er denselben noch gar nicht
beurtheilen kann., da er ihn so stümperhaft benutzt hat. Docli
wird es, hoif ich, schon aus gegenwärtiger ziemlich klar werden.
Herr W. sagt uns ferner Seite MI, dass er Bosts Wörter-
buch in der Anordnung der Artikel benutzt, aber, nacli dem dort
*) Wflrlic mf'int or? Die Dciit^rb - LaloIni«chpn oder dlo Latei-
nisch-De utsclicn? \arh dem Folgenden z«i schliessen, crsterc allein.
4*
52 Bümischo Littcratur.
befoliiteii Grundsätze, auch mehr die Bequemlichkeit des Ge-
brauches berücksichtig:t habe, als die strenge StiitViiiblge in der
Entwickelung der abgeleiteten Bedeutungen von der Grundbedeu-
tung. Wir wollen es voierst Herrn W. iiberlassen , diesen Grund-
satz (der Bcquemliclikeit) in Einklang zu bringen mit seiner Seite
VII oben gemacliten Aeusserung von einer streng logischen An-
ordnung der Begrille. Sodann mag er es vor dem Richterstuhle
der gesunden Vernunft verantworten, dass er ein Buch benutzt,
worin mit grosser Mühe erst ein Gebäude aufgeführt wird, statt
dass er, nach Krafts Leistungen, das seine Aufgabe hätte seyii
lassen sollen, das dort bereits aufgeführte und eingetheilte Ge-
bäude von etwaigen Fehlern zu befreien , und so seiner Wissen-
schaft wirklich zu nutzen. Oder sollte Herr W. Mirklich meinen,
dass, wenn einmal die Materialien zu einem Deutsch-Griech. Wör-
terbuche eben so bedeutend geworden siiul, als sie es jetzt
zu einem Deutsch -Lateinischen sind, Herr Rost noch dieselbe
Anordnung wie jetzt, beibehalten, dass er nicht streben wird,
der Idee eines tüchtigen Le.vicons mid dem Genius der Deutschen
Sprache, oder überhaupt der Sprache mehr zu Imldigen? Wir
wenigstens haben einen ganz andern Begriff von seines Freimdes
wissenschaftliclier Thätigkeit. Und wenn nach etwa 10 — 20 Jah-
ren Rost sein Deutsch-Griech. Lexicon zu demselben Umfange
gebracht hat, wie jetzt Kraft das seinige; wenn er es, wie Kraft,
nach bestem Wissen imd Gewissen, dem Geiste seiner Sprache
gemäss geordnet hat; und es fällt einem andern Gelehrten ein,
Herrn Rost auszuschreiben ohne ihn zu nennen , wird dieser Aus-
schreiber — wenn er anders einen gesunden Begriff von seinem
Geschäfte hat — sich dann nach dem magern Plane etwa eines
Deutsch -Arabischen Lexicons richten, das bis dorthin vielleicht
erschienen ist, und nacli seiner Art recht vorzüglich seyn kami?
Kaum zu glauben.
Aber Herr W. verwickelt sich immer mehr in seiner Inconse-
quenz; er sagt S. VII unten: „er bitte zu berücksichtigen, dass
aus dem Streben nach Kürze die Folgerichtigkeit mehr angedeutet
als ausgeführt sei — wird dem Scliüler nicht viel helfen — und
dass überliaupt dieser Tlieil des Lexicons — des seinigen ^ ja!
übrigens soll es wahrscheinlich statt Lexicon^ Lexicographie
heissen — gar sehr von subjectiven ('?) Ansichten abhänge, die
nie zu vereinigen seyn möchten.'"''
Hier zieht Herr W., um mich eines etwas gemeinen, aber
passenden Bildds zu bedienen, die Ilörner, die er oben S. VII et-
was zu weit herausgestreckt, sodami Zeile 19 schon sehr verkürzt
hat, — hier zieht er sie vollends ehi, und ist nun mit diesem aes
triplex von Versprechungen , Einschränkungen und W illkülulich-
keiten gegen jeden Recensentensturm gewappnet!
Aber in dem Organischen, was der Mensch im Reiche des
Geistigen besitzt, in dem Gebiete der Sprache, sollte diesem
Wüsteniar« ns Deutsch- Lat. Hand w ö rtcrlj ucli. 53
Organismus iiiul seinen Gesetzen nicht nac]igesj)ürt, sollte von
einem enipfänirliclien Sinne das scliöne, re^relniiisisig^e Entfalten
des ?,6yog nicht nachjewiesen und dargelcirt werden können'?
Wahrlich, Avenn Herr AV. nur einen Augenblick daran gez-Meifelt
hat, so verdient er unser Bedauern, als ein Ilandlanger, der am
Ende seines miihevoUen — Herrn W.'s Leihwort — Tacewer-
kes Gott danken muss, dass er es Vlberstanden hat; so ist sein
Uuch ein Unding und er selbst auf jeden Fall der liescheidenlieit
schwere Rechenschart schuldig, dass er da, wo Alles von subjc-
Gtiven Ansicliten abliangen soll, Vd)er Andere, die ein anderes
Prinzip kaiuiten als AVilikiilirlichkeit, den Stab bricht luid sein
Ich auf den Thron setzt. Doch, es imiss wieder herunter, denn
auf jenen Thron gehört bloss die gesunde Verinnift, anderer
eich in sehicm IJuchc nur zu oft gröblich versündigt hat.
A on Seite VII unten bis Seite XX erfahren wir, welclic
Grundsätze er im Beisetzen der Lateinischen Ausdrücke zu den
Deutschen, im Aufnehmen der Lateinischen Wörter überhaupt,
und im Citieren der beheffenden Autoren aufstellt. Alles recht
gut, bis auf die luiwürdigen Ausfälle auf Kraft — der freilich
liie und da zu viel that — ; inn so unwürdiger, da tlie Seite IX
als Versehen aufgeführten Citatc nicht sehr zahlreich und immer
leichter zu entsclmldigen sind, als selbstgemaclites und auch zum
TJieil sclileclitgcmachtes Latein, als Missgrilfe aller Art in den
beigesetzten Lateinischen Ausdrücken. Zum Belege des eben
Behaupteten erlaube ich mir überhaupt auf die nachfolgende spe-
zielle Kritik einzelner Artikel zu verweisen, und hier nur eine
kleine Probe von der geriihraten Gewissenhaftigkeit des HeiTU W.
zu geben. Wenn derselbe S. IX Z. 12 sagt: sollte man nicht
glauben ansa sei dichterisch, weil Virg. (bei Kraft) dabei citiert
i!>t, so kommen uns bei seinem Buche ähnliche Gedanken an. Man
vergleiche in meiner llecension nur abkürzen^ abfascni. Man
vergleiche ferner, um von der Vorsicht des Herrn W'. einen an-
schaulichen Begritf zu erhalten, seinen Artikel Degen ^ wo er
sagt eiisls sei fast nur dichterisch! Hätte er nur den Thesaurus
von Gesner, das Forcellini'sche Lexicon (weldies er, trotz der
vornelmien Aeusserung S.X unten, nicht, wenigstens innen nicht
kennt) angeselien, von speziellen Forschungen gar nicht zu re-
den, so hätte er sagen müssen, ensis sei wirklich Wos.s dichte-
risch. Aber er, der Krafts Wörterbuch aussciircibt,, konnte nicht
anders reden, da Kraft sub \. Degen ebenfalls sagt, cnsis komme
mehr bei Dichtern vor. Dieses Wörtlein mehr wiuxle von Herrn
W., der Alles besser maclit, in fast nur verwandelt. Ex unguc
leonem! — i'nd so verletzt Herr W. in seinem Buche bei Jedem
Schritte die Grundsätze selbst, die er als die ehizig richtigea
aufstellt.
Seite XIV thut Herr W^., als hätte er den Vitruv. für die
Kunstausdrücke, w'w wollen nicht sagen gelesen^ demi das wird
54 Römische Litteratur.
ihm kein Billfger zumuthen^ aber doch, so weit er durch die
neuesten Ausleger zugänglich ist, benutzt, — NicJit daran zu ge-
denken! Ich erlaube mir nur Weniges als -Beweis auzuiuhren. Es
lehlt bei Herrn W. Abbildung^ = Riss, Grundriss, deformatio^
forma ^ ßgtira (die Citate soll Herr W. nachgeliefert erhalten,
Aveim er etwa au der Kichtigkeit der Angabe zweifeln sollte;) es
fehlt bei abreiben^ fricare. \^^ ialxM Abreibung ^ = Art etwas
abzureiben, fricatiira. Abicühlungsziimner ^ frigidarlum. AuJ-
tcärtslreiben ^ das JJ asser ^ expriino^ nebst dem Subst. e.rpres-
sio. Es fehlt bei befestigen , destinare , was aber auch Caesar
hat. I;!]s iith.\i Balkonfenster ^ fenestrai'um lumina valruta. Bei
Bauherr fehlt dominus^ paterfaniilias ^ locator. Bei Bauriss
feldt species. Es fehlt bergabwärtsgehende Jf'asserleilung , de-
cursus ( vielleicht kommt es nach.) Es fehlt : die Binden , cor-
sae. Blätter^ = Blätterwerk, Art wie sie gebildet sind, folia-
iura. \ ergessen ist bei Boden ^ contignatio. Breit köpfige Aä-
gel^ muscarii clavi. Doppelschlusssteine ., inibrices. Bei Defi-
nitiou fehlt ßnitio ( doch das ist wahrscheinlich verdächtig La-
tein.) Bei Estrich fehlt rudus ^ rüder are ; und rudcratio als
Verfertigung desselben. Bei Futtermauern , wo Herr W. hat :
parietes intergerini aus Plin., sollte es lieissen //ow/es ; denn
jenes sind die Zwischenwände, d. li. die zwischen den äussern
befindlichen Wände. Vergessen ist : Fliessen^ opus ßglinum. Bei
Flur sollte es, statt: etwa atrium^ heissen, fauces. Bei Gehänge
ist \eri^essen foramen^ das Gehänge einer Flasche. Bei Grube^
im Bergbaue, ist 7netallum\ ergessen. Bei Hofthiire (soll heissen:
Thür, von Thor,) wo er den bei Kraft ohne Autorität befindli-
chen Ausdruck hat, sollte es heissen janua interior., was zugleich
auch die Hinterthiir lieisst. Bei Ilausthür fehlt ostium. — Möge
sich Herr W. durch diese wenigen Beispiele iiberzeugen, dass er
den \itruv. nicht benutzt hat. Sollte er jedoch daran noch zwei-
feln, so kann ihm wohl jeder andre Zuuftmässige eben so gut als
ich beweisen, dass das Obige nicht der zwanzigste Theil alles
desjenigen ist, was in diesem ersten Bande seines Lexicons ver-
misst wird. Gerade so verhält es sich mit der Benutzung der
Schriftst. iiber Aen Landbau. Der Beweis soll, wenn es Herr W.
verlangt, folgen.
Herr W., der S. XVII — XIX uns über Manches belehrt,
hätte, da er die Vorrede für Männer vom Fache schrieb, diess
nur ganz kurz anzudeuten brauchen. Uebrigens werden wir Alle
mit Begierde der tiefen Erörterung gewärtig scyn, die er uns über
die Substantive zu geben verspricht , w eiche bloss noch die Form
auf um und u haben, imd Avelche nach ihm keine Substantive,
sondern blosse Supina sind. Ich wenigstens bin um so begieriger
darauf, da icli bisher in dem Wahne stand, dass die beiden Su-
pina eben vomParticip entstandene Substantiv formen wären (ohne-
hin Ihut hier der Name nicht viel,) da ich ferner noch einen an-
W ü s t e in a 11 II s D c u t s c Ii - L »i t. H a n il w ö r t c r b u c ü. 55
dem Casus ausser doii btiileu von iliin ani5ei;clK'm'ii dnria zu liii-
deu vermeinte , näiulidi einen Dativ , der bekannllieli oft aus ui
in u zusanimengezoijen wird; *) weil ich mir ohne diese Aimah-
nie durchaus nic!it erklären kann, was z.B. optinwm facta., turpe
diclti ., facäc inventu etc. heissen soll, wenn es nicht lieisst: das
Beste dem T/iiin^ i. e. //>'/■ das 'rh/tu., = zu tluin; schimpflich
dem Sagen., i. c.f/ir das Sagen etc.; leicht der Ki find ang., i. e.
////• die Erfindung etc. Oiler hat Aielleicht der Zulall solche Wör-
ter zusanuuengeresselt'? — W\\\ Herr W. uns darüber beleliren;
so bitte ich, besonders l'lin's JNatiirgescIiiclite genau zu beriick-
siclitigen, wo die meisten dieser A> örter vorkommen. Uebrigens
miissen seine Griinde sehr stark seyu, wenn wir glauben sollen,
dass z.B. nicht nurjassu., sondern sogar injiissu ein Ablativ nicht
eines Substanti\s, sondern eines Supinums sei. lIolFentlich wird
er uns dabei nicht die Construction des Supinums auf um entge-
gen lialten, da diese auf ganz andern Griinden beruht.
Seite XX und XXI sagt uns Herr W., Avelch grossen Fleiss
er auf die Synonymik der Lateinischen Sprache verwandt habe,
wie höclist mühsam (!) aus einer grossen Anzalil von Beispiele«
ehi sicheres Resultat gefunden werden musste, bittet hierauf der
etwaigen Irrthiiraer wegen um Verzeihung, und blamiert in dieser
Hinsicht zmu Schlüsse Ernesti's Synonymik, (die er gar nicht
studiert hat , s. z. B. Abbild^ und das Ki'aftsche Lexicon.
Aber keine Spur im Buclie selbst von tieferm Studium. Aus-
ser einigen Dutzenden guten Beispielen imd Bemerkungen finden
wir eine 3Ienge Halbheiten und Scheingelehrsamkeit, aber auch
so grobe Schnitzer, dass wohl jeder Lehrer, der es mit seinen
Schillern besser meint, als mit Herrn W.'s Verleger, sich sehr
hüten wird, ihnen dieses Buch in die Hand zu geben. Gleiclie
Be^aiullniss hat es mit der S. XXI gerülimten Genauigkeit in der
Angabe der Construction. Man sehe z. B. abbetteln., abbeugen.,
abbilden., abborgen., abbrechen I, 2, b u. II, 2, abdrucken., ab-
helfen., abschajfen., abschneiden. Welch unwürdiges Spiel mit
der lieiligen Sache j^r Wissenschaft, namentlich in Bezug auf
Jugendbildung!
Angenommen nun , es hätte ein in seinen Aeusserungen bc-
sclieidener Mann, dem es wirklich Ernst um seine Sache gewe-
sen wäre, vorliegendes Buch gesclirieben, so hätte man ihn scho-
nend auf die vielfältigen Mängel desselben aufmerksam machen,
man liätte ihm sagen müssen, da.ss durch die darin Jierrschende
Nerwirrung, durch die Inconsequenz im Festhalten des Planes,
durch den den Anforderungen jetziger Zeit ^iel zu niedrigen
Standpunct, auf dem er sich befinde, das hie und da gegebene
*) Ed ist mir unlicjH^eiflich , das8 Rainshorn davon n;ar nichtet er-
•wähiit. » hatte ijeMibS seine Gründe. Vk soUtea wir liürtin.
56 Römische L i 1 1 e r a t u r.
Bessere verloren gehe; man hätte ihn zu einer rollstiiiuligen Um-
arbdlung des Ganzen aulTordcrn können, wo es sodann gewiss
seinen Kreis fände, in dem es mit Nutzen wirken würde.
Wenn aber, wie hier, ein iiber sein Wissen nnd seine Kräfte
in der liÖchsten Selbsttäuschung befangener Mann, in dein Au-
genblicke, wo ein; ohne allen AMderspruch vielfach gediegenes
Werk von seinen Zeitgenossen freudig aufgenommen >vird, auf-
tritt und uns in einer 24 Seiten langen Vorrede deutlich zu ver-
stehen gibt, dass jenes \^ erk nichts tauge, dass es für iim gar
nicht vorhanden sei; wenn er ims zu verstellen gibt, dass die
Lexicogi'aphie durch ilui erst aus dem bisherigen Chaos heraus-
gehoben, die wichtigsten llesidtate durch ihn erst geliefert, durch
ihn erst Alles frisch uiul symmetriscli aufgebaut und liier etwas,
in Vergleich mit allem Frühern, weni'gste?is weit Vorzüglicheres
geleistet worden sef; wenn alle diese Behauptungen mit unwür-
digen Ausfällen auf verdiente Blänner verwebt sind ; wenn sodann
eine, durch dieses Selbstlob schon misstrauisch gemachte, strenge
Kritik augenscheinlich darthut, dass von allem diesem nicht Eines,
ich will nicht sagen relativ vollständig, sondern nur halb geleistet
worden ist; wenn es sich ergibt, dass es dem Versprecher nicht
nur an Ausdauer und an dem steten Blicke auf den gesteckten
Plan, sondern auch an der gediegenem Kemitniss in beiden Spra-
chen fehlt; so ist es für den Beurtheiler nicht immer leicht, sich
in den Schranken des gemässigten Ausdrucks zu hallen.
Uebrigens Iiat Recensent die aufgeführten Beispiele nicht
etwa sorgfältig zusammengesucht, sondern die ersten besten ge-
nommen, und er versichert, dass auch das Uebrige dem hier
Gewürdigten mehr oder weniger gleicht, wovon sich die Beweise
leicht geben liessen. ' Wir gehen nun zur Kritik der einzelnen Ar-
tikel über, die fortlaufend ungefähr die 4 ersten Spalten des Bu-
ches , und einiges Andre als Zugabe umfasst.
A^ der Buchstabe, fehlt bei Herrn W. ; warum*? sind die
Phrasen: er ist das A und das O, oder iver A sagt^ tmiss
auch B sagen ^ nicht gut'? Konnte er ^e, nicht eben so gut
selbst übersetzen, als er z.B. Abdecker auch übersetzt hat'? —
Sein Grund'? Denn Gründe hat er doch wohl bei Allem gehabt,
was er setzte und was er wegliess.
Aal. In der Hauptsache ganz wie Kraft. Letzterer hat aber
auch den Linneischen Namen, der bei W. fehlt. Aber hei Hecht
hat ihn Herr W. auch! Was hat ilin zu dieser Inconsequenz be-
stimmt*? Hätte er die Lhineischen Namen doch nur überall weg-
gelassen.
Aalhälter., bei K. wie bei W. ohne classische Autorität. Aber
Aalhaut., anguillarum (oder, hätte Herr W. noch sagen können,
anguillac) tergus aus Plin. hat Herr W. nicht. Warum'?
Aüsgeruch., bei K. und W. odor cadaverimis., ohne Auto-
rität. Daher dürfen wir belE. , nach dessen Grundsätzen, an
WiUtcmtinns Deutsch -Lat. Ilan ilwörtcrbu eh. 57
der Classiciiät dieses Ausdrucks zweifdii, bei Ileirn W. aber
nicht, s. S. Vlll Vi. 1. Darnach zu sciiliesseu ist cadaverinus
aus dem golduen Zeitalter der rem. Literatur. Allein das Wort
ist erst von Tcrinlh'aii.
Ab. Bei Israit rieht iif. Bei W. in der ^rössten Unordnung.
Oder geliört unter j\o. 1) = hinab., dieFbrase: mij vnd ab
gellen (z. B. im Zimmer)'? CJeliort ab und zu gehen zu hinab'?
Oder ist es eine ^iiance von hinab? — Auf und ab (bei un-
gefähren Zahlbestimmunjcn) ist l'alscli; es muss lieissen auf
oder ab , = mehr oder Avcniger. Herr W. hat es aus Kraft
abiresclirieben.
Abasscn., mit zwei s — , Avelchc Schreibuna: ! Nach gedehn-
tem Laute folgt immer nur ein (^onsonant. Herr W. schreibt
auch heissen; aber dann Mieder beizen. Ist es die Schuld dfcs
Setzers*? Herr Kraft hat Alles riclitig geschrieben. Uebrigens
ist Abafsen ein Jägerausdriick, s. Heinsius. Diese aber hat
Herr W. an andern Orten nicht, s. z. B. bohnen.
Abackern. Herr K. sagt: furto tncini caespitem suo solo
affodere, Plin. — Herr W. verbessert diesen Ausdruck, indem
er furto einklammert, statt vicini aber alieni setzt. Heisst das
eine Autorität achten'? INaraentlicli wenn mann es schlechter
macht. Oder ist alieni liier gut gesagt '? — Herr W. schein
sein Lateinisches Wörterbuch. Hier zudem war es tim den Be-
grilf des Nachbars zu thun. Endlich druckt die Lat. Phrase
Abackern sehr ungenau aus.
Abünderlich. Bei K. und W. mutabilis; bei letzterra der
einzige Ausdruck, hei K. noch ein andrer, und zw ar eiji rich-
tiger. 3Iutabilis heisst nicht abänderlich. Diess ist doch wolil
so viel als /z'ßs abgeändert werden kann? — Mutabilis aber
lieisst: was sich (leicht oder öfter) verändert, ist also = ver-
änderlich.. z. B. Körper, Gesinnung, Mensch in seinen Gesin-
nungen. Oder übersetzt Herr W. nxor mutabilis vielleicht eine
abänderliche Frau? Walirlich, manchein Ehejuanne wäre mit
einer «iänderlichen elier gedient , als mit einer re/änderiicheiw
Abändern. Hier liat Herr W. ein Wort, Avelches K. nicht
hat; er sagt in^erterc, gänzlich urtändeiii, meistens mit dem
TSebenbegrilfe des Yerschlechterns, Dann hätte er aber auch
sagen sollen, dass es gewöhnlich vom Character gebraucht
wird, s. Horat. Sat. 1,3, 5C». Aber gerade in diesem Sinne
sagt niemand abändern., ^omlvrii ändern. Besser liätte Herr
W. also, Mie K. that, darauf verwiesen. Und warum ver-
schmäht Herr W. die Bedeutung von abändern im grnmmat.
Sinne? Warum hat er wenigstens nicht auf abwandeln ver-
wiesen *?
Abänderung. Hier sagt Herr K. facere alicMJus rei nmtatio-
iiem. Aber HeiT W. mutalionem rei {Genitiü od. JJaliv? fragt
der klehic Quartaner ) facere.
58 H ö m i ä c li e L i 1 1 e r a t u r.
Abarbeiten. Hier ist ein Zusatz, der allerdings sehr zu lo-
ben ist: labore {^oder ein a?tderes., in den Zusa/nnwnhang
passendes Wort) tollere. Aber warum sagt Herr \\ . labore
und nicht laborando'? Etwa weil Kraft sagt secando? Und ver-
IVdu't er seinen Schüler nicht zu einem Irrthume, da dieser nun
überall auch ein Substantiv setzen Avird'? Bei der 2ten Bedeu-
tung von abarbeiten , hätte vorerst recht gut auf abverdicnen
verwiesen werden können. Ferner hat Herr W. hier versucht,
selbst eine Phrase zu bilden, nämlich labore compensare,*)
mid hat damit bewiesen, dass er nicht versteht w as labor heisst.
Es heisst eine Anstrengimg., angestrengte Thätigkeit ., selbst
durch alle dichterische Schattirungen, s. z. B. \irg. Aen. I,
455; hier aber ist x\rbeit so viel als geleistete Dienste. Dess-
M'egen hat Kraft, nach Cic, opera gesetzt. Unter No. 3) =
sich abarbeiten hat er etwas vergessen (Kraft hat es auch ver-
gessen) , dass abarbeiten vorerst trausit. ist und heisst: durch.
Arbeit abmatten. Also z. B. ein abgearbeitetes Pferd. Erst
dann ist es reflexiv. Aber wo ist denn ferner die Bedeutung
geblieben: abarbeiten., = zur echt (glatt, eben etc.) arbeiten.,
.%. B. ein Brett ., eine Säule? (man vergleiche z. B. abstossen.)
Herr W. hat es vergessen. Wir wollen ihm auch sagen warum.
Weil Herr Kraft es (freilich fehlerhaft) am Ende von No. 1
gesetzt hat, wohin der eiliertige Herr W. mit seinen Blicken
nicht gelangte. Aber vielleicht sagt er, diese Bedeutung sei
überflüssig'? Warum hat er deim unter abstossen (dort freilich
ganz unlogisch gestellt) den Ausdruck: ein Brett abstossen'/
Und was soll dann bei dem Ilauptworte .,.,Abarbcitung^'' die Ue-
bersetzung: laevigatio'? Antwort: Herr W. hat es bei Kiaft ge-
funden! — Welche Beweise von Giündlichkeit, von eigenen
Forschungen, von Kenntniss seiner Muttersprache! — Herr
W. war aber, imi Herrn Kraft zu übertreff'en, denn das sagt er
ja (s. Yorr. S. IV Z. 12) nicht mit diesem Worte allein zufrieden,
er giebt ims ein Synonym, dcjatigatio {^Ermiidung.) Allein
^ erstens hätte es heissen sollen Erniiidung durch aiiholte7ides
" Arbeiten., zweitens gehört dieser, aus keinem Scluiftsteller
genommene , ganz imgewöhnliche Ausdruck gar nicht hierher.
Abärgern. Warum hat hier Herr W. nicht das transit. auch
aufgenommen*? Kraft hat es. Vielleicht ist diess der Grund,
warum W. es nicht hat. Aber K. hat kein so schleclit selbstge-
machtes Latein wie Herr W. , Avelcher sagt: iracundia et sto-
macho confici. Zudem bemerke man deu innern Zusammen-
liang in diesem neuen Werke; Herr VV. hat tmter Aerger das
Wort iracundia nicht. Ganz richtig — , allein unt^r abärgern
*) Bei abverdienen lilngej2:en hat er eine von K. unter aharheitcn
angeführte, die ganz richtig i»t. Was soll cliess beständige Aciren?
Wüstemanns Deutsch - Lat. Ilaudw ör terbucb. 59
sollte es auch nicht stehen. So was nennen wh- Andern, die
M ir ircilicJi bloss numerus sumus , plu/unässig arbeiten.
Jbäsfcn^ ramos arboris anijiutare. Warum liat Herr W. hier
nicht auch noch, >vie Kraft das Wort f/ond es? Er glaubt doch
nicht etwa, IVons hiesse bloss das Laub? lleiT \V. liat ferner,
niebt ^^ ie Kraft, bloss gesact : ramos amputare, sondern er hat
arboris dazu gesetzt. Ilöcbst inconsequenter Weise, da er
gleich darauf bei Abbläüvru bloss sagt folia aAcUere, stringerc.
Abart. Hier liat unser Lexicograph das let~Äe Wort in
Krafts x\rtikel genommen; manchmal nimmt er auch das erste^
s. Aasgcritch. Aber so allein kann das \N ort bloss im Zusam-
menliange stehen. Warum es hier also nicht bemerkt'! Plinius
sagt eimnal: varietas generis selbst im Zusammenhange.
Abarten., recederc a natura gemiina. — desciscere ab ali-
quo. — in pejus mutari. — degenerare. Wie viel besser bei
Kraft, der auch auf ausarten verweisst. Fiir >ven schreibt denn
Herr W.'? Doch hauptsächlich für den Schüler"? Wie soll die-
ser wissen, welchen Ausdruck Aon den Vieren er zu nehmen
hat, wemi von Pflanzen, Thieren oder von 3Ienschen und ilirem
Charakter die Rede ist'? Merkt er es vielleicht an den von
Herrn W. gegebenen Querstrichen'? Auch erlaube er uns, so
lange an der Uichtigheit der ersten Phrase zu zweifeln, bis er
uns sagt, MO er sie gefunden liat. Was ist eine natura genui-
ua"? INatura ist ja gerade das Genuinum.
Abartig. Gehört diess in ein Schullexicon *? W^er sagt eine
abartige Pflanze ? (zudem wäre diess eine, die gern ausartet.)
Wer sagt: einsehr abartiger Sohn? Entwischt ist unserm
neuen SVörterbuchschreiber, dass degener mit dem gen. im
goldenen Zeitalter bloss poetisch ist, xmd erst später z. B. von
Piin. dem Aeltern, der diess auch sonst thut , in der Prosa an-
gewendet wird. Herr K. hat den gen. liier nicht , weil er na-
türlich in keinem Falle hierher gehört , sondern bei ausgear-
tet^ weil ich bei diesem Worte fragen kann: in was?
Abbacken^ int r ans. das Brod ist ab. .^^panis dehiscit'"':
Wabrscheinlich hat Herr W . diesen Ausdruck zum Behufe der
Bäckermeister aus Kraft abgeschrieben, denn wann kommt wolü
ein Schüler in den Fall ihn zu brauchen '? Und was hat dieses
intrunsit. für \ orzüge vor dem bei Kraft befindlichen transit.?
Ich erlaube mir im (stillen) Sinne des Jlerrn W. zu antworten:
v\eil iiiwit flüchtige (s. Yorr. S. IV Z. JO.) Vergleichung glau-
ben machen kann, Herr W. hätte etwas Eigenes. Ja, wenn
man freilich eben so flüchtig vergleicht, als Herr W. gearbei-
tet liat.
Abbalgen. Glubere, deglubere pecus. Das erste Wort hat
Kraft niclit, desswegen liat es Herr W. schnell gesetzt und
freilich einen Schnitzer gemacht. Glubere kommt in diesem
Sinne bloss bei Festua vor, das hätte dem Herrn W. sein For-
CO Römische Lifteratur.
cclHni, sein Gesner sagen können, die ihm ja so bekannt sind,
dass sie ihm häufig niclit ausreichen (s. Yorr, S. X Z. 11. von
unten.) Wii- werden noch mcl^r Fälle seilen, wo sie ihm Iiät-
ten ausreiclien können. Ehe Ilerr W. sich auf eine Ausflucht
besinnt, studiere er seine Vorrede von S. YIII an , und sehe,
was er z. U. auf der ersten Zeile dieser Seite sagt. Sodann
suclie er in seinem Scheller-Liineraann, der ilim freilicli auch
nicht genügt, was gliihere eigentlich heisst; sodann vergleiche
er seinen Artikel Abschälen ; worauf wir es ihm freistellen,
sich seiner toeit vortrefflichem Arbeit noch zu rühmen. Auch
degluhere heisst nicht abbalgen. Dejin bei Sueton. Tib. 32
wird es Herr W. doch nicht durch abbalgen übersetzen 1 Seine
Schüler würden ihm walu'scheinlich sagen, dass man CS hier
schinden iihcrsetzt. Hat aber Herr W. gewusst, dass es bei
]Non. in einem fragm. des \arro vorkommt und geschlossen,
also war das ^\ort im gewöhnlichen Gebrauche, so mag er es
thun, uns dann aber sein Lexicon nicht als ein aus classischera
Latein herausgebildetes aufhängen; übrigens lese er noch sei-
nen Gesner unter dem Artikel üeglubo nach. Die deglupta niae-
nas bei Piautus wird mir Herr W. wohl schw erlich entgcgen-
Iialten.
Abbeissen. Alles wieder >vie bei Kraft. Neu von Herrn
W. ist zugethan: praemordere, vorne (soll heissen vorn^ — es
ist kein Druckfehler , denn es kommt mehrmals so — ) abbeis-
sen. Ein guter Zusatz, weil der Schüler diess entweder unter
vorn oder unter abbeissen finden muss. Aber Herr W. darf
sich demungeachtet darauf nichts zu Gute thun , denn solche
' Synonymen hat sehi so hart getadelter Ernesti (s. p. XX der
Vorr.) zu hundcrten. Auch das beigegebene delibare wäre ein
guter Zusatz, wenn es nicht eigentlich liiesse : davon kosten,
und eben so gut und ursprünglich zuerst von Getränken —
/lEt'/3to, libo — (oder leitet es Herr W. von liöiifn ab'?) gebraucht
würde. Also w ariim nicht auf kosten verwiesen, um den Schü-
ler nicht irre zu führen ?
Abberiffen. Hier hat Herr W. in der bei K. befindlichen
Phrase: aliquem e legatione revocare inv gut geftmden, das
e in ein a zu verwandeln. Kleinigkeit würden wir Alle sa-
^en, — Zufall, — wenn Herr W. nicht Alles mit reiflicher
Ueberlegung gethan hätte. Er sage ujis liier seinen Grund der
Aenderung, bis dahin erlaube er uns zu glauben, dass sein a
nicht besser ist, als Krai'ts e. Er erlaube uns auch, uusern
Grund anzugeben. E legatione zeigt mehr an , das Abberufen
mitten aus einem Zustande, a laeJir den Ort von wo weg;
z. B. ab exsilio, ab opere, (freilich auch a hello.) Hätte nun
Herr W. nur seine verschiedenen Hülfsmittei genau gekannt,
Wüstemanns Deutsch -La t. Handwörterbuch. Cl
so hätte er schon aus Tiirscll. siib v. A *) und dort ans der
Stelle Cic. Caec. 30, so liätte er auch aus Kainsh. S. 283 wis-
sen können , dass das von ilnn exilierte e hier fi;anz an seinem
Platze gewesen wäre, tnd warum setzt Herr W. bloss: einen'
Gesaudteu abberufen 1 Kann ich denn sonst niemand abbe-
rulVn 'i
Abberufung. Ohne alle Erklärung. Da also der SchVder
vielleirl'.t vorsichtig genug ist, aul" Abberufen zu seilen, so ver-
fällt er auis neue in den eben gerVigtcn irrthimi.
Abbestellen., renuntiarc alicui aliquid, Cic. liier hätte Herr
Vi. sagen können, dass diess A> ort eigentlich rw/sr/^e« oder
aufkündigen bedeute und dann wäre sein Artikel besser gewe-
sen als der bei Kraft.
Abbetteln.^ emendicare. — Ein kleiner Beweis , mIc gewis-
senhaft Herr W. seine Zusage (s. S. XXI) wegen genauer An-
gabe der Construction gehalten hat. Wie wird nun der Schü-
ler die Phrase einem etwas abbetteln construiren'? INatiirlich
alicui aliquid! — Kraft hat Alles gut erklärt. In der bei Kraft
befindlichen Phrase : singula verba ex aliquo elicere., die Herr
W. von ilmi genonnnen hat, hat er das Wort verba hinter ali-
quo gesetzt. — Welche Verbesserung !
Abbetteln.^ das, mendicatio. Herr W. vergleiche die Stelle
bei Sen., wo das W ort, so viel ich weiss, allein vorkommt (also
ein aTCci, kiyöuEVOV., — wie sich Herr W. sonst preciös aus-
druckt — ,) um zu hegreilen , dass es, so kahl gestellt, aufs
gelindeste gesagt, sehr gewagt ist. — Kraft hat es freilich ge-
rade auch wie Herr W. — Sonderbar ; wir sind jetzt mit der
llecension am Ende der 2ten Spalte und haben noch nicht ei-
nen., ich will nicht sagen Ariilcel.i ja nur Ausdruck erspähen
können, den Herr W. besser liätte , wohl aber schon mehrere,
die er viel schlechter hat als Kraft ( man vergl. Yoit. S. IV
Z. ]().) Doch vielleicht Maren Herrn W. die bisherigen Arti-
kel zu mibedeutend, um seine Gelehrsamkeit zu verschwen-
den'^ Leider kann ich dem Leser auch für die nächste Seite
nicht viel Besseres versprechen.
Abbeugen., dellectere, detorquere. Das ist Alles. Kraft,
der sich alle Augenblicke von Herrn W. hudeln lassen muss,
liat diesen Artikel schon wieder besser. Ist denn, fragt der
Schüler, diess Wort iransil. oder intransitiv? Ist in Herrn
W.'s Augen der Ausdruck : einen Ast abbeugen besser und ge-
wöhnlicher als der: vom Wege abbeugen? Ist das Intransitiv
von Abbeugen nicht ^iel gewöhnlicher als das z. B. von Ab-
glühen., welches Herr W. auiTührt, der Schüler aber wahi*-
scheinlich nie sucht, weil ers nie braucht. Zudem war beim
*) Trotz der weiter unten folgenden Einschränkung'.
62 Römische Lltteratur.
intrans. von Ahbeztgen classisclics, bei dem von Abglühen bloss
selbstgemachtes Latein zu geben. — . Heisst (Hess planmässig
arbeiten, oder nicJit vielmehr mit einem eines Gelehrten , na-
mentlich eines so absprechenden , unverantwortlichen Leicht-
sinne ?
Abbild^ imago (eigentl. nnd bildl.) — effigies (bildlich.) —
pictin-a (ein gemahUes,) — simulacrum (aus Stein.) So unser
Lexicograph. Es ist gut, dass Cicero und Yirgil etc. schon
seit einiger Zeit todt sind; wie würden diese sich sonst ihrer
Schnitzer schämen, wenn sie die neue Weisheit hörten ! Denn
Cicero spricht in seiner Einfalt von einem effigies siimdacrum--
que Mit/i/idat/s, Verr. IV, 65, cf. Virg. Acn. II, 167. Der thö-
richte Zeuxis will nach Cic. luv. II, 1 ein simulacrum mahle?!.
Ein simulacrmn aus Stein mahlen, ruft Herr W. aus ! Lucrez
spricht ^ on goldnen simulacris, II, 24, Juvenal von wächsernen.,
XII, 88, Ovid. Met. X, 694 von hölzernen. Und woher hat
Herr W. denn erfahren, dass die bei Tacit. Ann. II, 41 im Tri-
umphe aufgeführten simulacra montium, fluminum, proeliorum
von Stein waren*? War's vielleicht biscuit? — Hätte Herr W.
auch nur die leiseste Ahiumg von dem , was Synonymen sind,
er hätte hier solch lose Waare nicht zu Markte bringen kön-
nen; zumal da der von ihm (S. XX der Vorr.) blamierte, aber
nicht gelesene Ernesti gerade diese Ausdriicke sehr gut behan-
delt, Bd. 3 p. 237 unter simulacrum. — Es war freilich leich-
ter zu sagen, er tauge nichts, als ilm zu studieren.
Abbilden. Nach Kraft, aber verschlechtbessert. Herr W.
gibt für abbilden imter andern auch kurzweg exprimere. Ganz
falsch. Herr Kraft, der freilich sein Latein nicht selbst, oder
doch der Sprache und ihrem Geiste gemäss maclit, sagt rich-
tig: exprimere imaginem (wo genauer noch f/Z/Vv/ms Jiingehört.)
Ich erlaube mir unserm neuen Lexicographen noch einige andre
Stellen zu citircn, expressi cera vultus, Piin. II. M. XXXV, 2 ; iraa-
go in cera expressa, Plaut.Pseud. I, ],54. Deorum simulacra ex
auro expressa, Curt. III, 3; cf. Horat.Epp. 11,1, 248. — IlerrW.
muss doch Avisscn, dass exprimere allein, natürlich nichts heis-
sen kann als ausdrucken (nicht aM^drilcken., wie Herr W. im-
ter diesem Worte sub No. 2 schi-eibt, s. Campe's Wörter'iuch.)
Da ich nun aber nicht einen oder etums^ nicht die Person oder
das Ding selbst, sondern bloss dessen Bild ausdrucke, so ha-
ben die Lateiner einfältiglich diess Wort auch jedesmal dazu
gesetzt. Wo ich aber einen., d. h. sein Wesen, sein Thun
durch meine Handlungen z. B. in meinem Style ausdrucke,
gleichsam wiedergebe, da haben sie eben so natürlich bloss
das Objekt ohne Weiteres genannt oder doch nennen können,
wenn sie m ollten ; wo dann freilich das Wort abbilden nicht im-
mer passt.
Wo ist aber die Bedeutung von abbilden., enlicerfen., ahrei-
Wü s t cm an n s D c u ts cli- 1/ ii t. Hau d w ö r t crli uch. 63
fscn (in der Baukunst) a^ebliebcn? Dioss ist doch auf keinen
l'';ill die c'/s/c, oder soll sie essejn, so luuss sie erklärt wer-
den; und gerade liier brauclit \itruv. deformare, detbrmatio;
er brauclit aber auch dcsignarc, designatio, uoa on bei W. kein
AVort steht.
Abbildung. "Wieder dieselbe Halbheit und Unordnung. De-
scriplio z. U. sagt hier W. sei das Abinahlen; er vergleiche
doch gcllÜligst \ ilr. J, (J, >vo es heisst Ahriss (und dort spe-
ziell Gn/iulriss.') Inf er No. 2 von Ahbildung sagt er ^^i'iber
den i iiicrschicd der hier aiif^efnin ten Idlciin'schen ff örter
rcr^'^Ieic/fc man Abbild^ Abbilden. Aun, Mir lia))en dort ge-
sehen, was an der Sache ist !
Abbinden. Herr W. sagt: 1) das Band lösen ; 2) durch
Binden absondern ; unter dieser zweiten Jiedeutung hat er
sodann, (nach K.'s Beispiel,) diePlu*ase: ein Äalb abbinden.
Alles wieder entweder nur halb wahr, oder ganz falsch. Was
soll vorerst die Erklärung: das Band lösen? Ks hätte ganz
einfach heissen können: etwas Angebundenes losbinden. Das
Band lösen aber ist zweitens = einem Intransitiv, weil es für
sich ehien vollständigen Begriff bildet, wie wenn ich z. B.
sagte : sterben, = den Geist aufgeben ; folglich ist es an und fVir
sich falsch. Erkläre doch Herr W. mit seiner Definition die
Phrase: ein Pferd abbinden. Wo will er denn mit seinem
Bande hin'? Erkläre er es mit der ihm liier gegebenen; es
geht. — Oder sollte Hei7' W. nicht wissen, dass jede Erklä-
rung genau in die Stelle des erklärten Wortes passen muss'?
Freilich kann der Fall eintreten, dass z. B. ein verb. transiti-
vum nicht gerade m ieder durch eine Definition erklärt werden
kann, worin das Zeitwort ebenfalls einen accus, zu sich nimmt ;
dann setzt man den in der Definition nöthigen Casus dazu.
Wie wenn ich z. B, sagte Abdecken (sc. etwas,) so miisste ich
dann, nicht ( wie Herr W. erklärt) sagen: die Decke abneh-
men^ aus dem oben angegebenen Grunde; sondern: die Decke
von etwas abnehmen. INun passt wieder Alles: ein Dach ab-
decken, = die Decke von ihm abnehmen.
Unter iNo. 2) durch Binden trennen., (recht erklärt nach
Kraft.) hätte er etwas misstrauischer im Abschreiben scyn
sollen; denn die Phrase: ein Kalb abbinden., die er aus Kraft
noch naclibringt, gehört gar nicht hierher. Beweis: durch
Binden trennen ist so \iel als: absondern durch Binden., =z
unterbinden., z. B. eine AVarze. Nun hiesse darnach ein Kalb
abbinden so viel als: e.?, unterbindend dasjenige ., woran es
nocli z. B. mit seiner Mutter zu sammenge UHichsen ist., ablö-
sen. So meint es aber Varro nicht, wenn er sagt: vitulum a
raatre depellere. Diess ist eine reinbiWIiche Phrase von
No. 1, was angebunden ist losbinden. J)enn derjenige, wel-
cher ein Kalb von deriMutter abbindet, kami es eben so gut
Ö4 Römische Lltteratur.
ziim Stalle hinausjagen, als in demselben anderswo wieder an-
binden. Den Herrn Kraft, der eine grosse 3Iasse erst zu ord-
nen hatte, hat das Wort i rennen irregcliihrt ; den Herrn W.
Herr Krai't, der von ihm über die Aclisel angesehene. Aller-
dings, wer einen so in den April schickt, verdient, dass man
ilmi etwas böse ist.
Abbille. Zum Theil wieder sehr oberflächlich. Doch man
sehe abbitten.
Abbitten. Da Herr Kraft in der AulTVihrung der Bedeutun-
gen dieses Woi'tes unvollstähdig ist, so ist es natürlich auch
Herr W. — Wenn wir auch niclit verlangen m ollen, dass der
Begriff ^ on abbitten, = durch dringendes Bitten etirc/s voji ei-
nem erludten., hier aufgenommen seyu soll, ungeachtet nicht
einzusehen ist, Marnni diese Erklärung niclit eben so gut her-
gchi^rt, als z. B. unter abblasen., das Abblasen der Stunden
durffli den Naclitwächter; so hätte doch Herr W. nicht überse-
hen sollen, dass abbitten nicht bloss intransitiv, sondern auch
transitiv ist, und dann bedeutet: 1) sich durch Bitten von et-
was befreien; wie z. B. Quintil. 11, 12, 12 sagt deprecari mu-
nus; 2) tmi Verzeihung wegen etwas bitten., z. B. ein Unreclit
abbitten , wollte Herr W. den Platz sparen , so war auf verbit-
ten (sicli etwas) zu verweisen.
Ferner gibt Herr W. bei abbitteo, das IVort deprecari ganz
kahl. Also, da nach S. XXI der Vorrede die Vei-schiedenheit
beider Sprachen genau bemerklich gemacht ist, übersetzt,
diesem Worte trauend, unser armer Schüler: «//tv// deprecari.
Oder z. B. folgende Phrase: er hat Avegen des früher Gesche-
henen abgebeten, jirojiter anteacta deprecatus est. Ferner
bringt HerrW., der das Kraftsclie Lexicon, Avie wir bisher sa-
hen, öfter abschreibt, liier eine bei Krai't ohne Autorität gege-
bene Phrase: orarc aliquem , vA factum oder delictum (^tves-
sew?) ignoscat. Man bemerke vorläufige dass das Wort fa-
ctum ein Zusatz von Herrn \Y. ist , da Kraft walirscheinlich
desswegen bloss delictum gesetzt hat, weil man in der Regel
nur dann abbittet, wenn man ein Yerschen begangen liat (si
deliqueris.) Allein delictum kann nicht so allein ges<ellt seyn,
da es keinen nothivcndigen Bezug auf das Subject oder Object
hat, s. Ramsh. § 148, 4. Hier also , wo ich aucli für einen
Andern deprecari kann, muss das Pronomen poss. oder pers.
dabei stehen, so dass es liätte heissen sollen, entweder: oro
aliquem ut delictum meum, oder, da das prou. poss. hier sel-
ten ist, ut mihi delictum, oder delicto meo ignoscat.
Abblassen., Abbleichen., hätte, als nirgends Aorkomraend,
um so eher Aveggclassen und auf verblassen oder abschiesseii
verAviesen werden können , um den lur Besseres so nöthigen
Raum zu schonen. Aber Herr W. wt)Ute hier em neues Wort
liefern.
Wüstemanns Deutsch-Lat. Handwörterbuch. 65
Abblühen^ ganz wie Kraft.
Abborken. Gut bei Kraft, schlecht bei W., der, ans der
bei Kraft hefindlielieii IMirasc „ oinuia a philosophis pctorc''*"
bloss das Wort petere ^il)t; A^tw Schüler also eiiiiiialil d:niil)er
z\vt'il(.'lJial't lässt, ob es eiireutl. oder bildlieli ist, sodann zu dem
Irrdiiini verlVihrt, als niiisse man sagen: alicui aliquid petere;
K. abbctleln^ abbrechen etc.
Abbraten^ assare, inassarc. Lauter AusdrVickc aus dem
goldnen Zeitalter'? jMan sollte es beinahe vermuthen nach
Seile \ III ik'r \ orrede. Oder doch aus Sueton, Tacitus, Vel-
lejus l'aterculus"? s. ^ orr. \lll unten. Di'un \o\\ einem Spä-
ter// kann es (nach S. W Z. J) mhx unten) nlclit seyn, da Herr
A> ., A\ie er versichert, dann immer den Zusatz ., «S);r'/Ve/e " hat.
P>in Beweis, wie sicher man sieh auf ihn verlassen darf. Ge-
hört denn Apicius^ gehört Appulejus unter die im vveitern
Sinne von ihm vso genannten Klassiker'? Kraft mag es bei Herrn
AV. verantworten, dass er ihm so oft nicht citiert, wo es so
höchst nöthig gewesen m äre. Und was sagt Herr W. denn zu
seinem (ebenfalls genau geprüften '?) inassare'? Hätte er doch
nur seine getadelten Lexica, z. U. Forcelliui, Gesner aufge-
8chlajren, oder, da er doch A ieles aus den Quellen *) selbst
schöpft (s. A orr. S. \ Z. 8 >on unten), hätte er doch seinen
Plinius besser benutzt, so hätte er uns vielleicht gesagt, dass
diess \^ ort bloss bei diesem , und dass es ( selbst in der bei
Kraft citiertenStellc) bloss im part. perf.pass. vorkommt. Wenn
Herr W. aber sich die kleine Freiheit nehmen wollte Wörter
zu mnvlien^ so hätte er uns wenigstens einen AVhik davon in
der A orrede geben sollen.
Abbremsen. Hier hat W. zum ersten Mahle ein gutes AVort,
welches Kraft nicht hat, nämlich defervere. Suum cuique.
Aber was soll das bildliehe abbrausen*? Sagt man; der Sturm,
seine Leidenschaft hat abgebraust'? Hier war auf ausbrause/i.,
verbronsen zu verweisen. Das Verweisen , so liöchst zw eck-
niässig, und aIcI besser als selbstgemachte Synonyme, hat
Herr \\. üherhaupt sehr a ernacldässigt.
♦) S. z. B. j^as^eruch m molner Recpnslon ; e. ferner bei Herrn
W. , unter abnehmen 1, a , die Phrase: Früchte abnehmen mit dem
Obetbrecher, digitabulo legere. Diess Wort aber ist 1) in keinem uns-
rer gewöhnlichen Lexica befiudlich, mit Unrecht vielleicht, dii Scaliger
nach den .M.inn-'Criiiten es bei Aarr. Jl. K. I, 55 statt digitalibus aufge-
nommen hat ; 2j ist es ein oLTtu'% XtyöiiBvov, was Herr W. sonst so gern
licnierkt; 3) luisst es gar niclit 06sY6rccAcr, sondvrn Handschuh , wie
Herr \N . deutli<h halte »eben können, wenn er die SteUe nachgchsen
Lalle (s. \orr. \M Z. 13), weil dort vom Ablesen der O/jt'en mit der
Hand die Uede ist.
Jahrb. d. FhU. u. Füdag. Jahrg. I. lieft 1. 5
60 Römische Litt era tu r.
AbbrecheJi. Hier war für die logische Ordnung (s. Vorr.
S. VII Z. 5) \is-ä-vis von Kralt immer nocli Einiges besser zu
maclien. Also zuerst davon. Von den beigefügten Lateinischen
Ausdrücken nacliher. Herr W. sagt: „I. transitiv: '{^eigent-
lich (ist das eine Definition'? ist sie liier weniger nöthig als
z. B. bei abbinden?).' — 2) bildlich: a) plötzlich hemmen, b)
entziehen (welche scharte Bestimmtheit!). IL intransitiv:
1) eigentlich. — 2) bildlich. '-'• Hier war vorerst ganz zu tren-
nen, wie auch Krait gethan hat, das Abbrechen, d. h. durch
Brechen absondern, von dem Abbrechen = niederbrechen oder
nieder-, einreissen. Letztern Begriff hat Herr W. in seiner
neuen Manier unter abbrechen 1) ans Ende geschoben , wahr-
scheinlich der beliebten Synonymenmacherei wegen. Oder
V, ar sein Grundsatz das Platzsparen ? So unhaltbar dieser
wäre, so wollen wir ihm zeigen, dass er diesen hätte erreichen
und doch vernünftig ordnen können; nämlich so: ]) abbre-
che?i (^mit der Erklärung:) vorn abbrechen^ praefringere.,
Blumen., Früchte., carpere , decerpere / s. abpflücken , pflük-
ken.) auseinanderreissen .f losreissen^ wegreissen. 2) abbre-
chen., = ausei?iander brechen: eine Brücke., ein Haus etc.,
und dabei diejedesmahl passenden Lateinischen Ausdriicke. Ne-
benbei sei hier bemerkt, dass Herr W. das Wort auseinajider-
reisseJi vergessen hat. Es is gut und wird oft gebraucht, Avie
ja hier z. B. von Herrn W. selbst. Nach welchem Grundsatze
ist es exiliert*?
Doch zu abbrechen zurVick. Das figürliche plötzlich hemmen
gehört nun zu dem von ihm zu einer blossen Nuance degradier-
ten abbrechen., = niederreissen ; das nachfolgende entziehen
als figihlich zu No. 1. — Das unter dem intrans. aufgeführte
bildliche, wo wieder keine Definition gegeben ist, gehört,
streng genommen, als bloss zufälliges Intransitiv figürlich
ebenfalls zu No. 1 abbrechen; weil der Sinn der Phrase: von
seinem Gespräche abbrechen , so viel ist als einen Theil davon
abbrechen (gerade wie ich sage : ich breche eine Blume — ei-
nen Theil — ab sc. vom Stengel, vom Ganzen); ich breche da-
von ab., so \1el als ich verschweige einen Theil dessen, was
ich sagen wollte ; weil in allen diesen Ausdrücken immer noch
das Subject handelnd in Bezug auf ehien Gegenstand (activ)
gedacht wird. Etwas Andres ist es mit abbrechen = in seinen
Theilen gewaltsam getre7i?it werden. Also raiisste der ganze
Artikel so geordnet seyn : Abbrechen : I. transit. brechend los-
machen einen Theil von seinem Ganzen , z. B. eine Blume, ei-
nen Ast, Früchte vom Baume. *) tp. a) einem etwas abbre-
*) Genau genommen gehört also von den bei Herrn W. genann-
ten Synonymen nicht hierlier: vorn abbrechen, und auscinanderrcissen
man sehe die gleichfolgende Nummer 2.
Wüstemanns Dcutsch-Lat. Ilandwörtcrliiicli. 67
clicn, = seinem Gchrauclic, Gcnusse entziehen, z, B. Nalininc:,
einen Tlieil einer zn zalilenden Summe, h) als inlrnns. von et-«
was abbreelien, (sc. einen 'l'lieil, der eiirendicli noch zum («au-
zen gehörte,) z. B. a on seiner Müsse abbrechen ; daA on ab!)re-
chen = jücht weiter davon solireiben oder sprechen. 2) ein
Ganzes aus einander brechen, brechend trennen in seinen
Tlieilen , z. B. Lanze, Scliwert («as l)ei K, und AV. ifanz ver-
gessen ist), ein Gebäude, eine Hiiicke, (hierher geliört das bei
Herrn AV. unter 1 befind liebe vorn abbrechen und mmclnan-
flerrcisscn) ; t[>. etwas abbreclien, = plötzlich aufhören ma-
chen z. B. Friede'nsuuierbandluugen, Gespriicli, gutes Verneh-
men. II. infransit. abbrechen= sicJi durch einen Brucli ablö-
sen, z. B. Blume, Speer etc.
Wir gellen ntm zu dem in diesem Artil^el gegebenen Latein
über. Hier gie!)t uns Herr W. unter INo. 1 wieder Svnonyinen,
deren Passlichkeit v\ir oben schon etwas näher gewVirdigt lia-
bcn. Darunter ist aucii avellere^ ire^rcissen. Diess ist gerade
eben so waln-, als es nicht Avahr ist. Jiichtiger wäi'c auljedcn
Fall losrcissen^ selbst im bildlichen Sinne; allein urspriinglich
lieisst es gar niclits als wegzuplcn (>ello, r/AAto) und daher
sagt Cic. r/ avellerc poma, mit Gewalt wegzuplen, diese 2
V örter zusammen sind nun freilich = losreissen oder abreis-
sen. T nter JNo. 2 bildlich stossen wir unverhoirt auf ein Ad-
verbium, mit den 2 Ausdriicken : abrupte, carptim. Ein neuer
Beweis, dass Herr AV. weder seinen Plan fesTzuhalteu weiss,
noch sein Latein verstellt. Denn ungeachtet Herr W. in sei-
ner ^ orrede nichts von dieser vorzViglichen Manier sagt, das
Adv. so mitten hinein in ein Yerburazu pflanzen, so könnte man
doch annehmen, dass der Scliüler , wenn er oft genug verge-
bens nach solchen Adverbien gesuclit hat, endlicli auf den Ge-
danken gerathen könnte, es Averde vielleicht unter dem Zeit-
worte stehen. Kr sclilägt also z. B. statt abgesondert^ das
\efl)um nach und fiiulet richtig das Vdverbium nicht nur, son-
dern — neue Kutdeckuiig — auch das Adjecliv. j\un ist er
vollständig an iait. Kr sucht also das Adv. oder Adj. r/6^e-
svliieden^ z. B. leben ^ unter abschenlen^ und findet mchts.
iSun, denkt er, Herr A\'. hat diessmal vorgezogen es als beson-
dern Artikel herauszustellen , A^ie er es z. B, bei abwechselnd
und besonnen gethan liat. — Der naseweise Scliüler meint nacJi-
gerade. Hen* A\ . liätte doch etwas consequenter seyn können,
»iiiclit aber doch ernsi-rüch sein Wörtleiii ab^esrh/'edenimd fin-
det — nuhf.s (bei Kraft ist Alles liier in der besten Ordnung ) ;
aber .-ibjiresrhiedenhe/'t findet er! AVelch musterhafte Genau-
igkeit! Welch lobenswerthe Planmässigkeit! Der arme Schil-
ler sucht ferner absprechend als Adj. und Adv. ( z. B. i'rtheil^
iir(heilen). und findet das Adj. zwar, aber vom Adverbiuni —
?ikli(s. Er Bucht ferner ab/reichend Adj. und Adv., unter ab-
5*
68 Römisch cliitteratur.
uiekhen^ und findet — nichts. Er suclit auffallend und findet
das Adj. zwar, aber als besondern Artikel, aber vom Adv. —
nichts. W ill Herr W. noch mehr"?
Aber die unter abkür'zcn für das Adv. ( das Adj. felilt auch
hier) gegebenen Ausdrücke abrupte und rfz/yj^/y« heissen gar
nicht abgekürzt. Sagt z. B. der Lehrer der Rhetorik , es sei
manchmahl von grosser Wirkung, abgekürzt zu schreiben oder
zu sprechen, so erkläre mir doch Herr W. , was diess heisscu
soll*? Sagt er aber Lateinisch abrupte dtcere., so wirds der von
Herrn W. belehrte Schüler gerade mit abgekürzt übersetzen.
Und findet der gelehrige Lelirling nun gar abrupte agere., lu-
stin. II, 15, so übersetzt er fiugs, abgekürzt handeln. Hätte
Herr W, Quintilian (s. Vorr. S. XIV Z. 3) studiert, so hätte er
gewusst, dass abrupte bei ihm heisst : ohne Einleitung. Hätte
er Sallnst gekannt, so hätte er gewusst, dass carptim heisst:
stückweise (rupfweise sagen die Schwaben ; carpo = rupfen) ;
hätte er seinen Gesner benutzt , so Iiätte ihm dieser noch ein
halbes Dutzend Phrasen gegeben , aus denen ihm ohne Miihe
(s. Vorr. S. XXI Z. 5) die wahre Bedeutung von carptim klar
geworden wäre, —
Wir gellen weiter. Unter 2, b entziehen finden wir vor-
angestellt: curtare., decurtare ., von Herrn W. hinzugethan.
Herr Kraft hat sie — wahrscheinlich Meil er beide Wörter und
ihre Bedeutung kannte — nicht. Ihm hätte Hr. W. folgen sol-
len. Curtare ist zunächst nichts als: kurz oder kürzer ma-
chen, Mas lang Mar, und kömrat in diesem Sinne bei Horaz und
Celsns vor. Aber Herr W. braucht es hier für : einem etwas
abbrechen oder entziehen. Aber so kommt Curto gar nicht
vor, denn weder beiHorat. Sat.II,3, 124 noch beiPersius VI, 33
wird Herr W. selbst es so übersetzen. Sollte er aber auch die
erste der beiden Stellen so übersetzen, so hätte er voi'erst an-
geben sollen , dass das Wort dichterisch ist ( s. S. XV Z. 19
der Vorr.), zweitens, dass man nicht sagen kann curtare alicui
aliquid (s. S. XXI Z. 18), mIc doch jetzt der Schüler sagen
wird und nach der eben citierten Stelle der Vorrede sagen darf.
Und was soll decurto ? Wo steht diese Präsensform *? Nir-
gends (s. abbratenm der Recension). Und wo heisst das al-
lein vorkommende part. passivi entzogenl Auch hier darf der
Schüler nach Herrn W.'s aufgestellten Grundsätzen sagen: er
hat ihm etwas an der Nahrung abgebrochen, decurtavit ei non-
niliil de victu. Welches Latein! Herr W. fährt fort: sich et-
was abbrechen, circumcidere aliquid, aus Celsus. Warum nicht
eine andre Phrase, aus Livius ( — deini dessen circumcidere
sumtiim passt hier nicht), aus Terenz, Horaz? — Antwort:
Herr W. m ollte hier selir von Kraft abM eichen. — Nun , es ist
Ulm auch gelungen.
Unter dem intrans. von abbrechen heisst es bei der 2ten
Wüs temunns Deutsch -Lii f. lliinil w «"t r t c rb uc Ji. 69
Nummer — bei der ersten ist bloss der Proviiicialismus
\on\e zu rügen — also: absvindcie ^ incidcre ^ praechlere.
Alles wieder aus eigenem S(lia(/e und höchst sdileolit. Ist
deim eines der 3 elien angeirehenen Jiateinischen Wörter ein lu-
transitiAum'^ — Ist ein Mann, der nicht einmal diess zu unter-
scheiden versteht, lahi"- lur die Jugend und iViclitjugend (s.
Vorr. S. IV Z. 19), et^a gar IVir CJelehrle ein IJucli zu schrei-
|)en'? — INach Herrn MS. darf sein auf die Universität abge-
Iiender rrimaner in seiner Ahscliiedsrede sagen: docli icll
breche ab (sc. die Uede), scd abscindo., statt absnindo ora-
tionem, \vie er freilicli auch uiclit sagen soll.
Der Verfasser gegenwärtiger Recension will liier ebenfalls
al)brechen (abscindere?) mit der genauem IJecension der auf
einander folgenden Artikel, und n\ir noch stiickweise {carptiin;
nach Herrn W. abgekürzt^ Einiges beriiliren.
tnter abbrennen setzt Herr W. der Aielbeliebten Kiirze we-
gen, fortlaufend mit den Wörtern urere, combureie etc., die
IMnase : eine Kanone abbrennen. Das heisst bei ihm in der
logischen Eintheilung Aiel strenger seyn, als Andre! Herr K.
hat es getrennt. Ferner sagt Herr W. bei No. 2 a) von Sa-
flien, wenn das Fener abaicIilUch angelegt vmr. Welch
ein Zusatz ! W ie beweist dieser aufs neue, dass Herr W. zum
S_\iionymiker weder berufen noch auserwählt ist. Also wenn
der Blitz zufälliger, wenn das Kind unvorsichtiger Weise ein
Haus anziindet, so darf ich fiir «/»/»rewwew deflagrare , conila-
giare nicht brauchen'? Hätte Herr W. von seinem so gering-
schätzig behandelten Ernesti doch wenigstens auf den in ü^ix
Praepp. de. con liegenden Begrilf achten lernen. Und wie lo-
gisch ist hier A erfahren: abbrennen a) von Sachen., b) ran Per-
sonen. Kein Fingerzeig für meinen armen Quintaner, was denn
dasLetztei-e auch heissen soll. l*Veilich wenn er sein Latein gut
versteht — ; aber Herr W. wird ihm dicss billiger W eise wohl
nicht znmuthen.
ylbbrennen., das, Abbrennnng., die; In'er weiss der Schüler
wieder nicht, ob diese Ausdrücke actiAisch oder passivisch
sind. Aber die bei Abbrenniing gegebenen W <»rter iiieeiisio
und ustio'? Heisst iucensio eigentlich Abbrennung'J UirLchii-
gen, die in der Lateinischen Synonymik freilich die kleine Vor-
sicht brauchen, sie nicijt a notre fantaisie machen zu wollen,
werden sagen, incensio kann doch vorerst nicht heissen Ab-
brennnng., denn in derPraepos. in liegt kein r/6, sondern ein
hinein., also ist es = An-Aindung^ und so übersetzt es auch
Scheller. Dass freilich eine Anzündung \:^\\\\i ylbbrvnnung wqt-
den/.rt///i, ist klar. Aber letzteres verhält si<di zum erstem
vie Folge uiul (irund. L^nd nstioY wo läge denn hier das ab?
Lrere heisst brennen., anbrennen und seilen ve r brennen. Im
letztem Shiiic braucht Cato das Subst. ustio. Sonst heisst es
TO R 0 m i s c ii c L i 1 1 e r ii t u r,
eine Brandwunde, ein Brandnialil (welchen Begrift" Herr W. un-
ter dem letztem Worte gar niclit kennt — Brandwunde hat er
gar niclit, bloss B/andscha(le?i).
. Unter Abbreviatur finden wir sigla ohne Autorität, also clas-
sisch*? — Herr W. sehe nach, wo diess Wort vorkonirat; —
Mas er vor der Herausgabe seines Wörterbuches hätte thun
sollen. Warum hat er nicht wenigstens aus Gellius den Aus-
druck literae singulariae gegeben'? Das war ihm wahrscheinlich
nicht classisch genug. Da hätte er nur nicht überselien sollen,
dass sein erster bei Abbre^iatur gegebener Ausdruck, scripta-
rae compandium^ auch aus Gellius ist. Hat er es -aber gewusst
und seinen Gewährsmann doch nicht citiert, so hat er gegen
seinen Plan gesimdigt, nach welchem er ihn doch unter «6-
dampfeii citiert liat. Die Bemerkimg bei abkürzen^ dass Cicero
sagt : öi« örj^BLOv scribere , ist weder hierher passend , noch
von W. kommend, s. Kraft sub h. v. — Aber unter Abkürzung
ist ihm ein hässlicher Uiischick wideriahren. Ist praecisio =
scriptio öiä örj^stcov'l — JNach Herrn W. ja. Aus dem Auct.
ad Her. konnte er erfahren, dass diess Wort, so viel ist als apo-
siopesis. Endlich bemerke man, dass Herr W. den Ausdruck
sci'iptio did 6)]^b[cov selbst gebildet hat.
Unter abdanken heisst es : abire oder abscedere raunere (aus
einer Provinz). Glaub' es doch niemand ! Gerade diese bei-
den Wörter, wenn wir gleich zugeben, dass sie natürlich
auch das Abgehen vom Amte in einer Provinz anzeigen könn-
ten^ zeigen es, — wäre ich so arrogant wie Herr W., ich würde
sagen nirgends^ so aber will icli bloss sagen — nirgends so viel
mir bekannt ist, an. Hier die Beweise: Cic. Fam. V, 2, 4:
sagt, abeuntem (me) magistratu (vom Consulate) concionis lia-
bendae potestate privavit; Sueton, Aug. 26 sagt, honore abiit
(in Rom , wie es die Stelle deutl:» h besagt) ; Liv. III, 51 am
Ende, iusignia magistratus ejus, quo anno jam abissent. Das
Wort abscedere ist in gleichem Sinne seltener; mir ist bloss be-
kannt Liv. IX, 3 non militaribus sohun, sedcivilibus quoque mu-
neribus abscesserat. Dem Herrn W. scliwcbtc hier etwas dun-
kel, wie wir sehen , vor den Gedanken, nämhch der Ausdruck
decedere. Er, der nacli p. XXII dpr Vorr. Z. 4 Brcmi, Hein-
dorf, Held, Herzog und Andre*) liäiifig benutzte, hat z. B,
vom ersten nicht einmahl dessen llcgister zu seinen Aiunerkun-
gen, weder zum Nepos, noch zum Sueton, er hat nicht seinen
ihm liänfig nicht ausreichenden Gesner und Forcellini vergli-
chen, die ihm alle gesagt hätten, dass decedere, und zwar ab-
solut schon, das bedeutet, was er abirc und abscedere heissen
*) Nach uiisci-cni Dafürlrdlteii sind weder die genannten noch die
tücht<rcnannlen Gelehrten benutzt worden.
Wiistcmanas De u ts cli - Lat. lland>v ort c i' buch. 71
lassen will. Und welche Erkliiruiiir bei Abdankung, wo es bei
]\o, 2 beisst, {[er Abgang ^ schlechtweg , st. Abgang von ei-
nem Amte.
Abbringen. Bei welcliem Prosaiker heisst denn deverterc
\\di vom Jfege abbringen? Was sollen die einzeln stehenden,
freilich dnrch Bequenilichkeitsstriclie getrennten Wörter: avo-
care — , defleetere'^ iNamentlich letzteres 'f Herr W. mag sich
nach dem bisher Gesagten selbst die nöthigen Bemerkungen
darüber machen. Wie schlecht lerner ist das Subst. von Ab-
bringen behandelt. Also abolitio oder abrogatio legis lieisst
schlechthin die Abbringung? L'nd avocatio a re Mird der Schü-
ler, schehit es, ohne Herrn W. 's Erklärung verstehen'* Wir
erlauben uns, nach allem Bisherigen zu zweifeln, ob es Herr
W. selbst > erstanden hat, namentlich da es in Krafts Lexicon
undeutlich erklärt ist, als woher Hert W. den grössten Theil
seiner Weisheit geschöpft hat.
Abdecken. Hier heisst es: 1) die Decke abnehmeTr, eine
eben so gute Definition als wie bei abbinden; ]) das Band lö-
sen! Ks hätte heissen sollen: die Decke von etwas abnehmen.
Unter jNo. 2) sollte die Definition, statt „f//e Haut abziehen'-''
(z. B. eines geschossenen Hasen '? ) , heissen : ein Thier abdek-
ken^ = ihm, wenn es gefallen (verreckt) ist, die Haut abzie-
hen, s. Abdecker. Aber gehören solche Wörter in ein Schul-
oder Handwörterbuch'?
Abdecken^ das, eines Hauses, nudatio. W^ir kennen Herrn
W . als W örtermaclier. Hier begegnen wir ihm wieder l)ei die-
sem Geschäfte. Er entblödet sich nicht, uns weiss zu machen,
nudatio heisse das Abdecken eines Hauses. Plinius, wo diess
W ort allein (und zwar nur einmalil, so viel mir liekanntj vor-
kommt, braucht es für Entblössung, Nacktheit (nudite). —
Hier wäre doch wohl besser gcMesen, HerrW. hätte gesagt:
durch verba muschrieben, wie z, B. bei Abreiben^ das.
Abdrechstln. Warum liier nicht au«h: durch Drechseln
trennen.^ wie bei abbinden., durch Binden trennen? Ist er-
steres schlechter gesagt'? Wie linkisch ist der bildliche Be-
grilf: seine }f orte abwägen., erklärt! AVarum nid'.i so: seine
Worte abdrechseln, = sie genau abwägen'? ISach Herrn W.s
Erklärimg scheint abdrechsclu hier ein inlransidv. Lud dar-
nach dürfte ich also sagen: er hat in seiner Rede sehr abge-
drechselt ! —
Abdreschen. Unter der Erklärung : fertig werden mit Dre-
schen., steht auch das transitive: abgedroschenes Stroh. Die
hübsche logi^-che Ordimng! Es liätte so Jieissen sollen: 2) leer
dreschen., z.B. Stroh; und dazu als bildlich : abgedroschene
Sache. Ist das vielleicht einer derjenigen Artikel, dessen An-
ordnung bloss von Subjekt Iren Ansichten abhangt., die nie zu
vereinigen seyn möchten ? (s. \orr. \11 Z. 7 von unten.)
72 Hü mische Littcriitur.
Abdruck. Unter b) steht: IlaiitUung des Abdrückens statt
des Abschiessens. Aber Mer sagt : der Abdruck eines Pfeils *?
der Abdruck einer Münze etc., ectypum. Wo t Herr W. ver-
gleiche die betreffenden Stellen und sage dann anders. Und
warum hat er bei No. 3) = Ebenbild., nicht gesagt bildlich?
Es ist aber als bildlich unter INo. 2 zu stellen.
Abdrucken. Unter der zweiten Bedeutung: die Farbe fah-
ren lassen , hat Herr W. sein Deutsches Intransitiv durch ein
Lateinisches Transitiv erklärt, nämlich durch commaculare.
Also: die Buchstaben drucken ab, literae commacidant?
Abfahren. Unter No. 2) = abgleiten (ipse fecit), sagt Herr
W. eiabi, excidere, avolare, evolare. Wer sagt dem Schiller,
M'o er jedes dieser Wörter brauchen soll? Er kann also sa-
gen, der Fuss fuhr iJim vom Seile ab , ei excidit, avolavitü
Abfasern., fdatini distralii. Diess filatim ist dichterisch , es
war also nach Herrn W.'s Grundsätzen, s. Vorr. p. XV Z. 15
von unten , hier ein Citat nöthig. Er hat aber hier seinen ihn
oft irreführenden Kraft blindlings benutzt. Man sehe den un-
wiirdigen Ausfall gegen Kraft, Yorr. IX Z. 19:— 26.
Abfertige7i. l)=:das Geschäft m//ye//ia?«rf beendigen. Hier
scheint abfertigen wieder intransitiv zu seyn. Also: ich fer-
tige ab ? Und was soll das ungeschickte mit jemand ? Es
hätte heissen sollen 1) fertig machen, beendigen, z.B. eine
Arbeit, s. Heinsius.
Abfeuern., das Gescliütz, torraenta mittere. IIcit Vf. hätte
wissen, oder, wenn er es weiss, sagen sollen, dass tormentura
als Geschoss, d.h. als dasjenige welches fortgeschossen wird,
selir selten ist, ungeachtet es Caesar hat. In solchen Fällen
sehen wir freilich Herrn W. stumm, und das Ding scheint Al-
les ganz in der Ordnung.
Abfeueruug. Unter Abfeiierung der Kanonen, inter soni-
tum tormentorum. Herr W. hat die bessern Ausdriicke fra-
gor, strepitus (obwohl letzteres vor fragor stehen sollte) bei
Kraft verschmäht und das Getöse der Kanonen in ein Getön
verwandelt, wahrscheinlich um die zarten Nerven junger Schü-
ler zu schonen.
Abführen. In gewaltiger Unordnung. Herr W. sagt: 1)
wegführen. 2) ableiten. 3) ärztlich. Wo hat denn Herr W.
seine Logik her ? — Diess ärztlich ist gar naiv. Er hätte sa-
gen sollen : Abfuhren , = führeiid von einem Orte ivegbrin-
gen : a) vermittelst eines Fuhriverkes. b) leitend , z. B. Per-
sonen, Thiere, Dinge, wie Wasser etc., kranke Säfte aus dem
Körper (durch Arzneimittel). — Bei Herrn W. ist die 4te Num-
mer erklärt durch: abfertigen., confutare. Allein abfertigen
hat 3 Bedeutungen bei ihm; welche ist hier gemeint'? Der
ScIiiUer muss aus dem beigesetzten Latein enathen, dass es
Wüsteinanns Doutsch-Lat. IlandAv ü r t er bii cli. "JS
die dritte ist. Auf jeden Fall müsste es Iieisscii: mit schnö-
den Jt orten eJitlassen oder abjerti^en.
Ferner wirft Herr W. die bililliclie Phrase ^^einen durch
Lt'ittiiig oder Vorstell//nß ahfiilrrcn'-'- unter ]\o. 1 statt unter
]No. 2 und bringt den eigentlichen Ausdruck ^^euien ins Ge-
fängniss abfuhren''- erst nach. Auch verstellt Herr W. , w'w,
%vir noch weiter sehen werden, nidit immer Deutsch zu schrei-
ben. Denn statt .^ etwas abzuführen einnehmen'-'' liätte es
lieissen sollen etivas zum Abführen. Diess gehört also hier
weg unter das Substantiv.
Abgehen. ]) iui eigentlichen Sinne ireggehen. 2) sich
von etwas entfernen (ist diess nicht gerade so ^iel als wegge-
hen ? und wenn es bildlich gesagt ist, w arum bemerkt es Herr
W. nicht, wie z. B. bei abgeben? ). 3) mit Tode abgehen (ge-
liört als bihüich zu Xo. 1). 4) von Waaren (welche Definition!
s. abführend. 5) sich absondern (wer'? \oi\ was'? das bleibt ein
Gehehnniss). O) f^er mindert werden., Abzug leiden; was soll
Ini^Y Abzug leiden? — Ferner bemerke man, dass unter dem
bildlichen INo. 2 aufgeführt ist (und zwar ganz am Ende des
Artikels): es geJit etwas ab aus dem Körper. — Ferner die
in einem Schuliexicoii höchst auffallende Phrase: die Leihes-
frucht ist ihr abgegangen. Warum hat denn Herr W. liier
nicht auch wieder die Nummer: ärztlich., wie in abführen?
Er liat beim Excerpieren aus Kraft w ahrscheinlich dessen, frei-
lich aucli nicht sehr logisch geordnete, üiiterabtheilungeii
übersehen.
Abgehen., das. Hier heisst es: das Abgelien vom Wege,
deverticulum. Wenn Herr W. denn seines Freundes Rams-
liorns Grammatik so sehr studiert hat, warum hat^er §82, 2
ISot. 4 übersehen*? Oder warum hat er nicht auch ohne dieses
gewusst, dass Substantive auf culum in der Kegel nicht eine
blosse Handlung anzeigen'? Dass deverticulum also wohl etwas
Andres heissen muss'? Freilich bedeutet es bildlich eine Di-
gression, einen Abschweif in einer llede , aber natürlich nicht
als Handlung.
Abgesandtin (warum nicht zwei n1). Ein neuer Beweis,
dass Herr ^^ . auch im^tudium der Deutschen Grammatik noch
jManches thun kann. A\ er sagt Abgesandtinn ? Antwort :
Herr Kraft und ihm nach Herr W. — Sagt Herr W. denn auch
ein Grosser, eine Grossinn, ein Gefangener, eine Gefange-
ninn^ A\ ahrscheinlich, da er so sehr consecpient ist. Doch
nein, er siist ^\ irklich z. B. eine Bekannte (das Fem. (»efangene
und Gelehrte , so wie das Subst. («rosser und Grosse hat er
vergessen). Aber eine andie Kleinigkeit ist hier beiläufig zu
bemerken. Herr AV. sagt unter Gesandlin., uxor legati; unter
Abgesandlin übcv: 1) interpres. 2) uxor legati. Kann aber
^'^ ^ 11 ö ra i s c h c L i 1 1 e r a t u r.
eine Gesandte nicht eben so gut gesendet sejn als eine Abge-
sandte 'i Es ist aus Kraft abgeschrieben.
Abgrämen^ das, nioeror. Warum niclit mfle?ror, welclies
der Verwandtschaft mit marceo wegen richtiger ist. Vielleicht,
weil Kraft auch so schreibt'?
Abgrasen^ depascerc herbas , ist falsch, ich mag es neh-
men, wie ich Avill. Selie Herr W. auf sein Grasen^ m elclies ein
Intransitiv ist , so erklärt er dort gerade , wie er hier über-
setzt. Aber abgrasen ist ein Transitiv. Es hätte heissen sol-
len: Abgrasen, z. B. eine Wiese, (von Thieren) herbas prato-
rum depascere, oder prata depascere. Und warum hat er bei
Grasen eine 2te nnd ganz richtige Bedeutung, nämlich das
Gras abschneiden^ wovon wir hier nichts erfahren'? Antwort:
Kiaft hat es auch so.
Abgnrgeln. Ist diess prosaisch, poetisch oder burlesk?
Herr K. hat diess Wort nicht. Wenn heute der Schüler diess
Wort liest, er merkt es sich seiner Sonderbarkeit wegen ge-
wiss, luid übersetzt m ^rgen sus jugulatur, die Sau wird abge-
g:ui'gelt, was will Herr W. sagen'? Etwa „sage nicht so, son-
dern gestochen^ abgethau'-'' ; so hätte er auch hier so sagen
sollen.
Abhängen^ intrans. Ist unrichtig , es muss abhangen heis-
sen (namentlich in einem Schulwörterbuche , damit der Schü-
ler auch für seine Muttersprache einen sichern Leitfaden liat).
So sagt der Grieche xpg/^iai't'üftt, XQb^afiat, hängen, hangen;
der Lateiner z. B. cado , caedo , fallen , fällen. Die Sprachen
liaben so manche hübsche Aehnlichkeit , wenn man darauf ach-
ten will.
Abhelfen. Hier ist vergessen : einer Sache. Sodann folgt :
mederi ilicui rei, remedium adhibere , afi'erre, ohne Angabe
der Construction , s. Vorr. XXI Z. 13 ^on unten; doch der
Schüler wird es sich vielleicht aus dem Vorhergehenden sup-
plieren. Hierauf folgt corrigere, also, nach der oben citicrten
Stelle der V orr., richtig aliquid. Hierauf folgen subvenire, oc-
cmrere, prospicere, ohne Construction, folglich, nach der eben
citierten Stelle, mit aUquid? ! Vielleicht soll es gegen Herrn
W.'s eigenen Plan der Schüler hier auch juerken. L^nd ))eini
darauf folgenden" le^ are merkt er sich.dann vielleicht den Dativ
noch einmahr? — Welche Genauigkeit!
Abhub, reliquiae. analecta. Letzteres also, nach der Vorr.
S. XV Z. 12 von unten, auch in IVosa'? So sehe Herr W.
doch in sehie Lexica.
Abnehmen. Unter 1 a. Alles wieder in gänzlicher Unord-
nung, Eigentliches zwischen Uneigentlichem. Ganz wie Kraft
(sub n. 2), der übrigens immer noch weit deutlicher ist.
Abreissen. Ganz dieselbe lose Ordnung wie in Abbrechen,
unter l\o. 2) = durch den Gebrauch abnutzen, steht auch (wie
Wüste man HS Deutsch -Lat. Handwörterbuch. 75
bei HeiT K.) tlic Phrase: ein abg;erissener Mensch; also, nach
tler ^ei^ebeneu Definition, ein durch den Gebrauch al)iieiuitz-
1er iMensch! Diese oluiehiii selir proAinzielle l'Jirase ^eliört,
als besondre Bedeutung, in der Participiallbrm unter das In-
transitiv um.
Absvhät:.cn. ali(|uid in aestinialioneni accipere Iieisst nicht:
etNvas nach dem Al)sch:i(/en kaufen^ sondern etwiis z. U. ein
Landiiut nach der irerichllicheu Abschätzung an Zahlungsstatt
annehmen. Herr AV. sehe darüber in Caes. B. Civ. und Cic.
Brieten an den Paetus nach.
Abschaben. AVie soll man denn obrogarc construieren?
Abschicken, amandare. Also, er schickte einige Soldaten ab,
aniandavit'? Ks heisst wegschicken einen, den man nicht mag,
daher auch, z, B. bei Tacitus, verbannen.
Abschildenmg. Schlecht. Man sehe Abbildung.
Abschneiden. Die 2teJNi. imer heisst: entzielien., praecidere
(alicui aliquid, richtig); pri>are, auch alicui aliquid'? — Hier-
auf lesen uir „r/e^; Feind abschneiden'-''., nach Herrn A¥.'s Er-
klärung = den Feind entziehen! Ferner nach der Phrase
„ dem Feinde die Zufuhr abschneiden '•" folgt die sehr eigent-
liche: dem Feinde das Jf asser abschneiden. Alles höchst
klar imd bestimmt geordnet ! Alles, bis auf zwei Wörter, aus
Kraft lierausgelesen, mit Zuziehung von dessen Artikel Be?ieh-
vien und Hoffnung., was um so inconsequenter ist, da Herr W.
unter den eben genannten Artikeln Alles wiedergibt. Sein Ab-
schneideii hätte iibrigensso geordnet seyn sollen: 1) etwas
schneidend von seinem Ganzen trennen, z. B, Kopf, Haare,
Bart, jNägel. 2) etwas schneidend (also ■a\h:A\ grabend) in sei-
nem Laufe hemmen, z. B. das Wasser, tp. a) überhaupt etwas
in seiner Bewegung hemmen, z. B, den Feind, die Zufuhr, b)
(von Zuständen) sie hemmen, unterbrechen, z. B. den Rück-
zug, die Hoilnung, die Gelegenheit.
Abstofsen. Hier liegen die verschiedenen Begriffe von
wegstofsen., stofsend abbrechen., und st of send (^hobelnd) glät-
ten chaotisch untereinander luid Herr VV. steht über ihnen,
wie bei de la lAlotte Fouciue der gewaltige Uittersmann über
den Zauberern, sie niederzwängend mit deniFusse, gleichsam
sprechend: quosego!
Ablhun. ]\o. 3 = tödten (einen IMenschen), ist das edler
Stil. Sodann ist es nicht überhaupt tödten, sondern lunrich-
ten (vom Henker). Sodann ist es ganz falsch, dass mactare
und jugulare bloss von Thieren gesagt Mird.
Affe. Jlier finden w'w einen Pseudodamasippus, ich vermu-
the aus Cic. IJrieiV an Av^w I<al). Galliis. Kben desswegen er-
laube ich mir auch zu vermuthen , dass Herr W. jenen Brief
nicht gelesen hat, sonst hätte er so nicht übersetzen können.
Also., itaque, ergo, igitur, hinc, iiide, unde. Bloss bei dem
76 RüiuischcLittcratur.
letzten Worte steht die Anmerkung, die Bröder § fJßO recht
deutlich gibt, >variim also nicht auf ihn verwiesen'? besonders
da er auch, so wie Kraft, die hei Herrn W. gleich folgende
7 Zeilen lange Anmerivung in 3 Zeilen genügend abthut. Aber
Herr W., der schon lange nicht mehr an der Hand des guten
Bröder *) einherwandelt (s. Vorr. XXII oben), scheint, trotz
seiner ausdrücklichen Erklärung S. XXI der Vorr. Z. 0 \o\i un-
ten, das vortreffliche Buch seines Freundes Ranishorn noch
sehr stückweise (carptim) studiert zu haben. Ausser einem sehr
starken Beweise, den ich miter dem nachfolgenden Wörtchen
dafs geben will, hier ein fast nicht minder auffallender. Herr
W., der z. B. unter dafs höchst breit erklärt, was jeder Quin-
taner schon weiss, wo er also bloss auf Rarnshorn oder
Zumpt hätte verweisen dürfen, er, der hei nnde eine zwar
richtige, aber keineswegs neue oder nur bedeutende Erklärung
gibt — , sagt uns nichts bei ergL\ igitur mid itaqne. illso hat
er weder aus eigenem Nachdenken etwas geben können; noch
gekaiuit, was eben Kamshorn § 187, II, 1 darüber gesagt hat.
Dafs. Ein, wie oben schon bemerkt, — ohne Noth höchst
langer Artikel , der ausser ein Paar Beispielen und einigen Ci-
taten aus Zumpt und Ramshorn (die hier natürlich leicht zu
geben w aren) nichts Eigenes enthält. Die nämliche Breite fin-
den wir auch in andern Artikeln, wie. z.B. bei Hellen. Unter
diesem dass spricht Herr W. auch von der Construclion bei du-
bito und non dubito imd lässt sich miter e) folgendermassen
darüber aus: der accus, cum infin. wird nach dubito nur dann
gesetzt, wenn eine Negation dabei (d. h. natürlich bei dubito)
steht; sonst folgt quin oder utrum (nicht aucli an und num'?).
Hierbei sind Bremi zu Com. Nep. praef. und Ramsh. § 185
Not. 3 citiert. Wir werden weiter unten sehen, wie unser Ci-
tatemnann (s. Vorr. S.IX Z. 10 von unten) hier hanthieret hat. —
Ein Paar Zeilen weiter unten fährt Herr W. fort: „ist mit dem
Verbuin (sollte heissen Worte) des Zweifeins schon ('?) eine
Negation verbmiden, wie non dubium est, non dubito etc., oder
wird eine Frage (sollte heissen der yiusdruck oder Satz) so ge-
stellt, dass man eine verneinende Antwort erwartet (sollte heis-
sen: dass man daraus erkennt .^ der Bedende meine., es sei
an der Sache nicht c;m z/reifeln)., so steht gewöhnlich statt des
acc. cum infin. (juin für dass.'-'-
Was hat Herr W. gedacht, als er dieses Dutzend Zeilen liiii-
*) Wie veräclitllch gesprochen von fineiii Manne , clor so l.inj>«5
und so viel Gutes gestiftet hat; von tleni Herr W. , Menn er iiin ge
uau studiert hätte , gewiss noch Manches hätte lernen können. Wahr-
lich, ilerr W. kann durch solclie Acusserungen in den Augen aller
Billigen nicht sehr gewinnen.
Wüstcraanns Dcutsch-Lat. Ilandwortcrbucli. 77
schrieb? Man sehe doch; oben soll dubito mit einer Ncj::ation
(also z. B. non tlubito^ .mir ciiicji accus, cum iiifiu. nach sich
haben. Scclis ZimUmi weiter unten soll iion diibilo., nemo du-
bitat (das heisst «loch wohl: dubilo mit einer jNeffation'?) gc-
iröliulich quill nach sich liabcn, statt des accus, ciuu infin. —
»So Ibrscht Herr W. ! So a erdreht er, Avas Ai^re Gutes liaben,
so schwört er auf der andern Seite blindlinj:s*n verba niaiiistri
(hier in die Aon Ih-enii). — AVir Mollen Herrn \V. auf einen
Aujienl)lick A erlassen und sehen, Avas Ilainshorn §185, 3 sagt;
er sajrt: .,nac]i wo// dubito., ick zweifle nicht und ich trage kein
Bedcuken ^ könne. Avie de rc und rem, so auch der accus, cum
inlin. oder quin stehen. Der iniin. aber drucke <len uid)eding-
ten Gegenstand desA\illens und der Wahrnehmung aus; das,
IJedenklichkeit bezeichnende, quin hingegen deute an, dass
man, aller Aorhandenen Gegengründe ungeachtet, sich den-
noch für eine Handlung bestimme oder einer Meinung bei-
pflichte. Dieser Unterschied bleibe auch da noch merklich,
Avo quin statt des Infinitivs zu stehen schehie.'-'' Ilecensent avüI
versuchen, den Grund dieser Hegel anzugeben. Dnbito ist,
•wie ignoro etc., ein verbum sentieudi; es kann nach der ge-
Avöhidichen Construction dabei Aveder ut noch ne, also auch
nicht quin stehen. jNun aber finden Avir bei non dubito, non
ignoro, auch nach dici non potest, die Partikel quin^^ = ut
non. Bei non dubito etc. liegt nämlich eine Vergleichung zum
Grunde, die nicht ausgedruckt, aber docli gedacht und Avobei
eben so construiert Avird , als stände jene Vergleichung Avirklicli
da. *) Wenn ich also z. B. sage, non dubito quin venturus sit,
so sollte diess eigentlich heisseh: non dubito ita ut non opiner
eum yenturum esse, oder ut opiner euni non esse venturum.
Oder Avenn Cic. sagt : quasi vero dubium sit , quin tota lex de
pecuniis repetundis sociorum causa constituta sit, so sollte
diess eigentlich heissen: quasi Aero e;V/s/«or// oder //ß sit du-
bium , tit quisquam existimare possit non totam legem etc.
Wie Aväre es aber möglich geAvcsen, dass HerrW. , Avenn er
seinen Uamshorn nidit bloss citiert., sondei'n auch ^e/esc/? hätte,
erstens die Bremische Amnerkung dazusetzte, die nach dieser
Ramshornschen, natürlichen Kegel der Berichtigung sehr be-
darf. Wie Avar es ferner möglich, dass dann Herr AV. über-
haupt das AVidersprecheudste in ein Paar Zeilen nach einander
behauj)ten konnte'? — Dinge, die sein von ihm so feindselig
getadelter Kraft ihm ganz anders sagen konnte (s. dessen Arti-
kel dass., jNo. 9, a, amPlnde), AAcnii er ihn, wie es seine
Pflicht Avar, genau gelesen liätte.
Doch ich breclic vorerst hier ab, indem des Gegebenen oh-
♦) Man denke an die rihnllche Construction bei timco etc.
78 Römlsclio Lltteratur.
nehin schon beinahe zu viel ist; und überlasse es den Lesern, dar-
aus abzunehmen, ob ich Herrn AV. vielleicht liie und da zu nahe
trat, oder ob meine oben geäusserte Ansicht gegriuulet sei, dass
Herr W. in keiner Hinsicht Herrn Kraft, gegen den er hauptsäch-
lich operiert, übertroflen; dass er häufig, wo Kraft etwas Gutes
gab, denselben iplileclit benutzt, häufig, wo Kraft Unrichtigkei-
ten hat, diese "hne Weiteres ihm nachschreibt; dass es ihm
theils an gediegenen Kenntnissen im Lateinischen und Deutschen,
theils an der für einen Lexicographen unerlässlichen, wenn gleich
manchmahl ans Pedantische gränzcnden , Pünktlichkeit in Benuz-
zung Andrer fehlt; dass er also vorerst zum Lexicographen um so
mehr verdorben ist, da ihn über den wahren Stand seiner Kennt-
nisse eine unverkennbare Süffisance täuscht , die der Tod jeder
Wissenschaft ist. Die Avahre Wissenschaft führt nothwendig zur
Demuth, d. h. zur klaren PJinsicht des Missverhältnisses zwischen
der imgeheuren Masse dessen , was erlernt und gewnsst werden
soll, und dem Wenigen, was auch der grösste Kopf, das glän-
zendste Genie im glücklichsten Falle sich davon zu eigen machen
kann. Kaum kann ich es daher mir verzeihen , dass ich, selbst
nur in dieser llecension, in einem Falle, wo ich glaubte, Still-
schweigen wäre Sünde an der Sache selbst, wo es überhaupt
schwer war, satiram non scribere, manchmahl vielleicht in einen
Ton verfallen bin , der dem Besonnenem nicht immer , oder viel-
leicht gar nicht passend erscheinen möchte; wegen dessen ich
also selbst getadelt werden könnte, indem ich als Tadelnder auf-
trete. Diess fühle ich wohl imd bitte desswegen meine verehrten
Leser, mich, wo es nötliig seyn möchte, zu entschuldigen. —
Uebrigens galt es hier etwas mehr als eine blosse Recension.
Es galt einerseits, eine nicht geringe Anmassung gehörig zu be-
leuchten, die, an und für sich überall unerträglich, es im Felde
der Wissenschaft auch dann bleibt, wenn der davon Besessene
allgemein anerkannt ist als Meister irgend eines Faches; die dop-
pelt widert, wo zugleich ehrenwerthe Männer, denen es Ernst
ist, das Gute und Nützliclie zu fördern, leiclitsinnig angetastet,
und verächtlich auf die Seite geschoben werden ; die unverant-
wortlich für das eigene Gewissen des Höhnenden bleiben muss,
wenn er nicht umhin kann, sich ganz im Stillen zu gesteben, mIc
viel er einem dieser Männer zu danken hat, Avie viel mehr er ihm
hätte zu danken haben können, wenn er ihn gründlich benutzt,
seine Felller, die jetzt natürlich, und gewiss auch ihm selbst,
deutlicher ins Auge springen, sorgfältig vermieden, und initcr-
stützt von trefflichen Gelehrten, wie er es war, für einen be-
stimmten Ki'eis etwas Tüchtiges geleistet hätte. Es galt ferner
zu zeigen, dass die Lexicographie , durch Leichtsnmige oder Un-
wissende in Andrer Augen mehr oder weniger herabgewürdigt,
werth ist, sich ihr, ein ganzes Leben durcli sogar, mit sicts ge-
steigertem Eifer zu widmen; dass es so gar leicht nicht sei, hier
Münnich de Ciccr. librls de Rei>ubl. 79
die Palme ^leiclisam im Fliiire zu haschen; dass selbst nacli wie-
derholten Versuchen das Ideal einer solchen Arbeit, das man sich
allmiUdii? davon gebildet hat, nie so rein und ffanz, auch beim
redlichsten AVillen, wicderireireben werden könne, als man es in
sich U'\\s;i. AVer aber nicht bcireislert von seiner, allerdings
miiliseligen, Arbeit — so fielen (Jenuss sie im Allgemeinen ge-
währt — die Feder ergreilt , wen andre Rücksichten leiten, als
die, der AVissenschaft zu nutzen, der hoffe doch nicht, liier —
wie iiberhanpt überall — etwas leisten zu können.
Glaube Herr AV. ja nicht, dass mich andre Rücksichten, als
die oben angegebenen zur Abfassung diej^er Kritik >eraulassten;
dass ich ihn etwa desswegen angegriffen liätte , um ihn, da er
ebenfalls ein Lateinisch -Deutsches AVörterbuch schreiben will,
als einen Unberui'enen darzustellen, und sjjäter inu so leichter
über üui zu siegen. Allein ich konnte es mir niclit versagen, für
mein Lieblingsstudium hier in die Schranken zu treten, um bei
dieser Gelegenheit dem gelehrten Publicum mittelbar die Grund-
sätze darzulegen, denen gemäss, meiner Einsicht nach, allein
dem Ziele nähergerückt werden kann. Ohne alles Uebeh\olleQ
reiche ich Herrn AA. die Hand zur Versöhnung, wenn eine nöthig
seyn sollte, und muntere ihn hei einer 2ten Auflage zu einer
^ri'indlichern Umarbeitung auf. Ein verfehltes Streben kann, wo
tüchtiger AA ille ist , bald luid rühmlich ins Gegentheil umgewan-
delt werden. Möge Herr AV. diess au sich selbst erproben.
Carlsruhe im Nov. 1825.
E. Kaercher.
Litterar - Geschichte.
AI. Tüll II Cicero 71 is Ubri de re publica , notitia codicis Sarraatici
facta illustrati quantumque fieri potiiit restituti a D. Gutlielmo
Münnich Professore Cracovicnsi. Goettin<nae , apud Carolum
tduarduiu llo>-cnbuscb, MDCCCXXV. XIV u. 245 1'. in 8vo. 1 ThL-.
8 Gr.
riat denn der Rec., wird wohl ]>Lincher fragen, nicht besser
tla^sificiren, einrangiren und rubriciren gelernt, dass er eine
(Gott Lob ! ) endlich einmahl möglichst vollstündiße Ausgabe des
f^onzeii t'ic. ff crkes de re pnbUca^ nach welchem die längst
lichterloh lodernde Sehnsucht neulich durch das von yl. Mai ge-
lieferte Stückwerk etwas abir<'kühlt worden war, in das Fach der
Lillerar - Gcschiclite einstellt? In «Üe Litterar- Geschichte gehört
freilich die Meldung von jedem bcdeutendeu Ruche; aber .
80 Römische Litt erat ur.
Um die geehrten Leser in möglichster Kürze über Hrn. Münmch,
magno promissorcm hiatu, zu verständigen , findet Unterzeiclme-
ter CS am zweckmässigsten, vor dem grössern Publico Jiier das
zu wiederliolen, was er im Vorworte zu seiner im vorigen Jahr
ausgegebenen PJinladungssdirif't, worin er eine öfrentliclie Rede
de Ciceronis in dialogis de re publica componendis perspicua arte
et sollertia ankündigte, gesagt Iiat:
„Tullianorum dialogorum de re publica uno illo codice Sar-
matico , cuius sub finem adhuc saecuii XYI possessor fuit Woi-
nusky VoUiyniensis , usnm esse Laurentinm Grimalium Gosliciura
(^Goslicki)^ post obitas legationes Germanicam, Sueticam, Tran-
syivanicam, EorussicamEpiscopum primum Camenecensem, deinde
Chelmensem, postea Posnoniensem , in conscribendis iliis, quos,
cum FataAÜ versaretur, edidit de optimo Senator e libros
duos^ in quibus Magistratuum officia^ ciiium vita beata^ re-
rum publicarum foelicitas explicantur. Opus plane aureum
summorum Philosophorum et Legislatoruin doctrina refertum^
Omnibus respublicas rite adniinistrare cupientibus non modo
utile sed apprime necessarium. Accessit locuples rerum toto
opere memorabilium index. Cum Privilegium Venetiis ap. lor-
da7ium Zilettum 1568, recus. Basileae 1593 apud Leonardum
Osten , impensis Rober ti Cambiers. 8, idque opus plagii dissimu-
landi gratia sie insciiptum esse [parum] probabiliter disputatur in
M. Tu im Ciceronis libris de Republica etc. aD. G. Mihi-
flieh — : quae libri II dispntatio ut eo probabiiior videretur, lit-
terator Cracoviensis non solam ipse titulo l'efeilit lectores, qui
editionem ipsins Ciceronis librorum venditare videbatur, rerura
etiam (quod in docto viro vix probandum) nobis clanculum suble-
git summam eorura , quae toto libro I de cod. libb. Cic. de rep.
Sarmatico usque ad p. 143 fusius exponuntur descriptis deinceps
libris, quos ipsi numeris tantum indicaveramus in editionis princi-
pis ab Ang. Maio curatae censura illa inserta Diariis litt. Lipss.
\Leipz. Jjiteratur- Zeitung) a. 1824 fasc. lau. n. 5 p. 38 seqq.
nieraorato etiam Schmaussii commentai'iolo in Hannover, gelehr-
ten Anzeigen auf d. J. 1750 n, 19, quod rogatu nostro exscripse-
rat Dr. Adolplius Ebertus, antiquus amicus nobis et studiorum so-
cius, qui \ir Celeb. Dresdae tunc llegiae bibliothecae pubiicae
curam gercbat, ad quam nimium diu desideratus bona a^i rediit.
Polonorum autem civis ille a nostris vestigiis latum unguem non
discessit, nisi quod p. 140 s. haec scripsit: .,.,Quemadmodum S.
Hahriemannus üntiquissimum Pomponii Melae codicem in Tran-
sylvania inventum edidit , ita fortasse etiam ille codex Cicero-
nianus alicubi tatet.'''' Enge! Hoc ipso soricinio satis ridiculo
plagium impudenter factum imprudcnter prodit. Numquam enim,
numquam lllustr. atque Exper. medicus Hahnemannus Pomponiura
Melara edidit: numquam; sed varietatem lectionis codiris Cibi-
niensis a se excerptaju magistro quondara suo lo. Aug. MüUero,
Münnich tic Cicer. libris ilc Rcpubl. 81
ill.Äfranei Rectori, miserat isque animadversionum inPomp.Me-
lam cum varietate illa cdiilit Specinüim XIX totidem proiusioni-
biis scholasticisMiscnae a. ]78ü — !)3. 4. idque a nobis 1. c. signi-
ficatum fuerat. JNostra repctiit ctiain TuUianoruni dialogoruiu in-
terpres Fridericiis de Kobhe in iiitrodiictioiic versioni suae prae-
missa, sed aluiuaiito verccuiidior non dissünulavit unde hauserit.'-^
Und gleichwohl hatte IIi*. M/i/i/n'ch S. 75, wo er das vom Kec.
aufgedeckte Quid pro quo in dem Aon einem Chroniken-Schreiber
begangenen Plagio noch einmahi aufdeckt nnd riigt, den Mnth zu
schreiben: ., Ilaec mihi Micliaelis ab Isseit (wir möchten parodi-
reii Mü/i/iichii) verba perlegcnti mirai-i snbit, quousque impuden-
tia procedat et le^itas liumana.'-'' Was er zu IMarkte gebracht,
mag er selbst bericiiten S. 4 f. „IIoc mihi maxime erat proposi-
tum, 7/t guaecf/nque de codice illo Sormalico hinc ilUnc prodita
leguntur^ ea od ipsos deiiuim fontes sie revoca/em^ ut ^ ntrum
vere ille cxstiterit necne , (jua praeter ca ratione Hiatus videatnr
in illas regioncs ^ quo modo habitus et custoditus fuerit ^ quo
iure inscriptus dicatiir ^Jtlico^ an eins recaperandi nUa ?wbis
spes super sit ^ es instituto locorum^ hominnm^ temporum et
teslimoniorum examine düudicarem. Itaque ipsos, quos ille ru-
mor habuerit, fontes adii, et quomodo singuli inde flnxerint ri-
vuli, probare conatus snm ; quid deinde ab interpolatoribus, epi-
tomatoribus ac parum fidis hominibus peccatnm sit in eo genere,
aut praepostere additum aut prorsus commutatum , sie lectornm
snbniisi iudicio, ut ipsa singulorum scriptorum, qui ad partes vo-
candi erant, verba citarem caque ad leges artis criticae diligenter
examinareni, jie quid in ca parte laboris, quae fide et diligentia
constat, dubii sive erroris videatur relictum. Ilis iam expositis,
quum tribus omnino modis codex ille pervenire potuerit in Polo-
iiiam: 1) sie ut aliqnis Polonorum doctorum esltalia^ Gallia sive
Germania eum aß'erret in patriam ; 2) ut Constantinopöli a?iti-
quilus servatus in Moldaviam deinde et Valachiam migraret ;
3) ut inde ab ipsis Romanorum iemporibus latuerit in Transyl-
vania^ JJacia^ Dalmalia^ Pannonia sive finilima quudam re-
gione: necessario faciendum puta^i, ut ])rimo, qualis ex'-'- [ea^
^^aetate lilerarum fuerit in Polonia slatus , quinam potissinmnt
viri et quäle s ^ ingenii et doctrinae laude conspicui^ profecti
sint in Italiam^ Germanium et Ga'.liam^ ibique per lotigum tem-
poris spatium commorati; quales ibi occasiones habuerint recon-
dilos lilerarum thesauros iuspiciendi^ et quae alia ha?icce quae-
stionem altingant. perlustrata bonarum artium apud Polonos
historia indagarem; deinde pluribus agerem de libro similis ar-
gumeuti^ qui teste Pliotio servabalur in urbe Constanlinopoleos;
denique unirersam illam de codice , in aliqua forsan proiincin
llomana servato ^ opinionem sie examinarem^ ut praecipuas
temporum illorum vicissiludines^ qualenus huic sententiae t'el
convenire rel refragari videantur ^ ad partes vocatas ex ipsis
Jahrb. d. Phil. u. Püila^. Jahrfr. I. Ilift I. (j
82 R ö in i ö c Ii c L i 1 1 e r ii t u 1'.
fontibus düudicarcm. Ilinc deiiule lacile intelligetnr, iitrum spes
nobis relicta sit illius codicis rcciipevaiuli, et in qiiibiis potissimum
re^ioiübus ille debeat iincs(i£:ari. Ilaec aiitem oninia , quae eit-
posita a nie siiiit, prinio ab!<olvuntur lihro. Secnndo vero com-
imralionem inslitui iiiter Cicerom's libros de re publica et GosU-
cii Poloni opus de perfecto Senator e , eo qiiidem fiiie , ut proba-
rein, GosUcium^ qiii eodem tempore iu iisdem proviuciis, quibus
latcbat codex illc Sarniaticus, diu coinmorabatur, mimerc quodaiii
siipremo fimctus , liljvos illos Ciceronis de republica habuissc ob
ociiios et imitando expressisse, iit adeo, quae plurimae in iis i'e-
periuiitur, lacuiiae, magaam partem Imius opcris auxilio expleri
possint.
Es wird also im iranzen ersten TJnclic mit möglichst weit ab-
und aussclnveii'ender kriegs- und vülkergescliichtliclier Umstand-
liciikeit gegrübelt, herumgeratlien und vermuthet, wie der von
Laurentius Miiller mit eigenen Augen 1581 gesehene Codex des
Cicero de re publica, welchen Woinusky (dessen Name wolü
richtiger Jf oynuslii geschrieben würde von woyna^ d. i. Kriege
mit der Eigennamenendung auf Ä/, nicht Av/) nach der Moldau
Eroberung durch den Weywoda von'Syratz, Albert Laski^ aus
der Bibliothek des Türkischen Statthalters Alexander erhalten
hatte (wie in L. Müller' s SeptentrioiiaUscheit Historien S. TS
f. gemeldet wird), nach der Moldau liabe gelangen können. Das
Alles aber wird mit einer Zuverlässigkeit vorgetragen, als ob der
Verbürger selbst darüber Brief und Siegel hätte: z. B. S. 86:
Urbs autem Yalachiae sive potius Moldaviae capitalis, iitqua bi-
bliotheca illa cum Ciceronis de republica libris servabatur, appel-
lata est Zoczowa. Gleich als ob es nicht auch hätte Cottanar
seyn können, wo loannes Heraklides eine gelehrte Sclude an-
legte, wie Herr von Kobbe a. a. 0. S. IX erinnert, der jedoch
einen Anachronisra begeht, wenn er eine von diesem Despoten,
der ja selbst ebendamahls (1561) von Laski erst eingesetzt wurde,
gestiftete Bibliothek versteht. S. 80 bei Erwähnung der Nach-
richt über das von jenem Woynuski nachgewiesne Grabmahl Ovids
iniweit KyofF entging unserm kritischen Litterator, dass das dort
gelesne Epitaphium längst für unecht erklärt ist. Nach einer an-
dern Nacliricht wurde es zu Stein in Ungarn aufgefunden. S. Bur-
manni Secundi antholog. lat. Lib. II epigr. CCXXVII T. I p. 416.
Die Lesart patria (wofür L. Miiller mit seinen Reisegefährten
falsch patrio las, und eben so schnitzerhaft Latio emendirte)
..hurno im 2ten Verse hat schon Gasp. Brusch^ nach dessen
Zeugnisse jene beiden Distichen schon im J. 1508 bekannt waren.
Stephan Zamoyski in seinen Analeciis Daciae antiquitatum
Cap. IV verliert kein Wort darüber. Im zweiten Buche macht Hr.
Münnich einen verscliwenderischen Aufwand von biograpliisch-
chrouologischer und geographischer Gelehrsamkeit, um zuvor-
Münnich de Cicer. librls de Republ. 83
derst nur die Mögliclikeit darziithun, dass Goslicki von jenem
Sarmatischen Codex habe etwas wissen können. Hr. M. , w elcher
in der Pohlischen Litterär-Gcschiclite, so selir er aucli damit
flunkert, eben kein Girolamo Tiraboschi zn seyn scheint, liat
seine INachricIitcn über die Lebensimistände Gosliclcis bloss von
Einem vorzüglichen Gewährsmaniie , nämlicli von dem S. 149 f.
genannten Przemisler liischoft'e Paul Piasecki in dessen Chroiiicis;
JaiiDenu'triiisSulikowski wird bloss beiläufig S. 147 erwähnt als ein
Liii^ersitätslieund Goslicki's, dessen jener noch in seinem Testa-
mente dankbar sich erinnere ; und docii hat auch dieser in seinem
Commentario rerum Polonicarum (welchen Siarowolski in der sxa-
TOVTCig scriptorum Polonicorum n. V bei Aul'/ählung seiner Schrif-
ten ganz übergeht) eben so wie Piasecki von dem Leben seines
vertrauten Freundes die glaubwürdigsten JNachrichten hinterlassen,
die licrnach von Andern mit ungleicher Wald zusammengelesen
imd in keiner guten Verbindung vorgetragen worden sind. Die
S. 151, l.jO f. Hrn. M. bloss aus unbestimmten Anführungen be-
kannte llede Goslicki' s p?o stalu saie/dololt odtr pro ordine
ecclesiustico ^ von ihm als Plozkoischcm Dechanten vor der ge-
sammten Republik gehalleii, handelte aou der Wiederherstellung
des Zehenden für die Geistlichkeit in Polen , und ist mit aufge-
nommen von Jakob Brzeznickim die Postulat a Ordinis eccle-
siastici Inicersi in Regno Poloniae (Posnaniae MDLXXXV. 4). S.
J a/iozki' s Nachricht von den in der Hochgräfl. Zaluskischen
Bibliothek sich beßjidenden raren j)oln. Bücherii I Theil (Dresd.
1747 b. ffalther) n. Xill S. 3» f., auf welches Werk Rec. von
Hrn. Hofrath Ebert zu Dresden aufmerksam gemacht worden ist.
Das liöchste Staunen aber erregt der von Hrn. M. S. 159 sich zu
Schulden gebrachte Anachronism:,,Goslicius creatus est episcopus '
Camenecensis anno 1586, ut mirum adeo fuisset, ni talis vir, a
literis bene instructus, tam rarum codicem in ^icinia latentem in-
gpexisset.'-*" Wenn gleich zur Verhüllung der Ungereimtheit liin-
zugesetzt ist: „Haud dubie vere" [^ero] „iam ante, quam ipse
MüUerus inspexerat illium"'" [illum] „codicem, saepius commora-
tus est Goslicius in illis pro\inciis, et codicem illum seduio tra-
ctaverat eo ipso tempore.^'- ['?'?] ..quo Aaria ibi obiit muncra eccle-
siastica:^*- so vermag ihn doch dieser Uchelf nicht aus der \ crle-
geifheit zu ziehen. Denn Goslicki verfasste die beiden Büclier de
optima senatore^ in welchen er den Cicero de rep. vor Augen ge-
habt haben soll, schon zu Padua (wie selbst in dem von Staro-
wolski a. 0. n, VHI S. 24 beigfebrachten Epigramme des Jac. Vi-
tellius auf ihn angedeutet ist) und erst nach seiner Rückkehr von
dort erhielt er eine Krakauer Prälatur, dann nach einander die
Risthümer Kamienieck, Chelm, Przemisl und die Cistercienser
Abtey von Clara Tumba, und zuletzt das liislhiim von Posen: Avie
denn aucfi Hr. M. selbst S. 148 aus Treteri vita JfJpiscoporuni
Posn. abgeschrieben, dass G. eben durch jene Bücher sich den
.6 ♦
84 Römische L 1 1 1 e r a t xi r.
Weff zu Aemteni und Wiirdcu eröffnet. S. 151 ist aus Staro-
nwlski's elogio., wie Aiuleics, so auch fol£:eudcr IiTtluun heim-
lich al)gesclmel)cu: „ GosUcius scripsit et alium libelluin de opti-
7710 cii'e.'-'' Allein dieses ist ein taid dasselbe Werk mit jenen bei-
den Biichcrn. S. Jaiio%1d a. a, (). III Theil (Breslau b.Korn) n. XIX
S. 92. Doch wenden wir uns ab von dem Litterarischen und des
Verfassers endlosem Citaten-Train, bei dessen Anblick ihm selbst
zuletzt unwirrscli zu Muthe geworden seyn mag, da er S. 239
(vergl. S. 4) entschuldigend sagt : „Ceterum philologorum potissi-
mum, antiquitatis studiosorum et eorum omnino in usum, qui in-
genii humani progressus attentis oculis perlustrant, disquisitiones
istas institui. Veniani ah illis peto multorura locorum a mc cita-
iorum, condonabunt hoc aequi iudices neccssitati rei novae illu-
strandae et ab omni parte demonstrandae. " Älanclic Auswüchse
waren unstreitig überflüssig; indess hätfe deren Abkürzung oder
Ausscheidung eine neue Ueberarbeitung eifordert xnul durcli
Schmälerung des Ilonorai's den emsigen Schriftsteller der Aus-
beute seiner vergeblich aufgewendeten 3Iühe beraubt. Komjnen
wir also lieber sogleich zur Hauptsache, zur Vergleiclnmg mit
dem Werke Gosli'cJifs , von welcliem der Venetianische Druck auf
93 Blatt in 4to der schönste , der Basler aber auf 20| Bogen in
8vo der richtigste ist. Offenbar reicht zum Beweise, dass darin
Cicero' s Werk nachgeahmt worden, nicht hin eine allgemeine
Aehidichkeit in den nachgewiesnen Stellen über den Ursprung der
bürgerliclicn Gesellschaft und über die beste Staatsverfassung.
Denn über erstem hat sich Cicero auch in andern Werken auf
dieselbe Weise, d. i. Stoisch, ausgesprochen. S. de offic. I, 16,
5« ff. 17, 54 f. und die daselbst verglichenen Stellen S.121, 129 f.
ferner c. 44 § 157 , wo die richtige Lesart der Handschriften lio-
mines .. natura congregati adhibent agendi congregandique soler-
tiara von einem durch den 27 und 39 goldnen Spruch der Pytha-
goräer ungewarntenEpimetheus, Hrn. Olshansen^ durch die still-
schweigend mitergeschobne ConjecturManuzzi's, cogita?idi^ wie-
derum verdrängt und der Sinn verkehrt Morden ist. Die Ideen
über den letztern Punkt aber lagen dem Polnischen Schriftsteller
nahe genug in der Verfassung Polens , auf welche Alles zurückge-
führt ist. Dass Goslicki die Bücher de re publica sehr frei be-
nutzt haben sollte, ist lun so weniger voraus zu setzen, d?i er
selbst von solchen Stellen jenes Werkes, die gei'ade am meisten
zur Benutzung einladen konnten, keinen Gebrauch gemacht hat;
dagegen unzählige Stellen aus aiulern allgemein bekannten Wer-
ken Cicero's, besonders aus Aqw M\ic\\Gn\ de legibus ^ de offic iis^
de oratore und aus mehrern Heden in seine Darstellung verwebt
hat, und zwar so wenig abgeändert, dass llec. sie augenblicklich
wiedererkannte. Hr. Mümiich hat davon eine einzige aus dem
orator entlehnte Stelle erkamit S. 234 f. Weil derselbe so wenig
in den Gedankengang des Cicero eingedrungen, dass er S. 174
M ü n u i c h de C i c c r. 1 i b r i g «1 c U c p ii b I. 85
nicht t'iiiinalil einsk-Iit, >vic im Istcn Uiiclic, naclidoiii im SSsiieu
Kap. einseitig die Vorziiijc derUemoIvralie hervorgehoben Morden,
nun dafür im 34sten Kap. die der Aristokratie bemerklich ge-
macht werden sollen: will er S. 192 die Lücke zwischen beiden
Kapiteln durch folgende ganz unpassende Stelle Gosl/'cki\s p. US
ausfüllen: Kegem (piideni ut legil). aslrictns et alligatus sit, id-
que quod jionestum est faeiat, Senatns consiliis pareat, talem esse
cupunus. l^eY eniin in omni liepiili. summa ratio est, cui qui ob-
temperat, Deo paret. qiii summa ilidem est ratio u. s. w. Allein
sollte liier nicht an die Stelle aus denr Isten Jhiche (h Ic/a^^-. c. 7
§ 2JJ gedacht seyn'? Das ('itat S. Ilj8 aus Gosl. p. HO über Cato
ilcn altern: Dlcitur etiam liistoriam sua manu grandioribus litcris
conscripsisse, ut filius domi haberet, uiulc maiorum res gestas, et
Keipnb. regendae scientiam perdiscei'et ist aus des von Gosllcki
zn wiederJioIten iMahlen ( z. B. S. 58, 1 Iß, 237, 238, 2(>4 f , 27«)
ausdrücklich und namentlich cllirten Pliitarch's Lebensbeschrei-
bung desselben um die Mitte des 20sten Kap. wörtlich übersetzt:
so >\ie aus dessen l7iit)]8. Aay.. § XXX p. 239 A die aus liosl.
p. 254 angeführte Stelle S. 223: Lacedaemonii seiTos temnlentos
pneris obiiciebant, utillorumgestibus ac turpitudine deterriti nien-
tcs ab ebrietate alienas haberent. Die S. 199 aus Gosl. p. 153
citirten Worte, Tiillins, avaritiam, inquit, si tollere Aultis, mater
eins est tollenda luxuries, beziehen sich auf U de orat. 40, 171-
Die p. 154 folgende, am Schlüsse ein Anakolnthon enthaltende
Stelle, aufweiche sich Ih'. Miiiinich am meisten verlässt, Tum
Kem|)ub. omnem ita complectatur animo, nt sciat ins omne popu-
li, libertatem, leges, et nt (Jicero sapienter instituit, quitlRes-
pub. praesidii, quid militum liabeal, quid valeat aerario, qnos so-
cios habeat, qnos amicos, quos stipendiarios, qua quisque illornni
sitlege, conditione, /oerfe/e.* tenere consuetndinem decernendi,
nosse evempla maiornm, ist mit Ausnahme jenes xuigeschickten
Anakoliiths \\örtlich abgesclnieben ausCic. ^/e legibAW., 18,41. 1»
der S. 215 f aus Gosl. p. 211 vergliclienen Stelle sind die Worte:
Clementiae obsenatio propi'ia est eorum, qui sunt in magistratu
constituti: per lianc enhn animos in poenis constituendis placabi-
liores retinent. üpponitur el crudelitas et qnaedam in exigendis
poenis atrocitas, entlehnt aus des S. 108 namentlich citirten Se~
Jieca ANerkc de clemenliu c.3 uiul 4 zu Anfang; die nächsten,
Draco tarn crudelis erat, ut aeque otiosos ac parricidas morte pu-
niendos Aoluerit, interrogatus((ue cur magnis et minimis sceleri-
bus aequalera vitae poenam constituisset: par\as, respondit, sc
culys ea poena dignas existimassc, magnis Acro quam maiorem
decerneret, invcnhc haud potuisse sind üebersetzung aus Plu-
tarch's Soloii c. 17. Ita autem rethiendam clcmentiam et placa-
bilitati'in censeo, ut non negligatur Ueipub. causa severitas , sine
qua niilhi Uespub. recte a«lministrari potent, ist offenbar entlehnt
aus C'/c. de ofjic. l, 25, 88 zu Ende; die fulgendcü Worte
86 Römische Lltteratur.
p. 21 2, Subest huic misericordia , id est ae^itudo ex alterius re-
bus adversis concepta, quam Stoici a sapieute prorsus removent,
diceiites eain Vitium esse pusilli animi, ad specicm alicnorum ma-
lorum concidentis, et propterca pessimo cuique familiärem, iit
midlerculis, quae latroues ex carcere cupiunt lachrymis eripere,
wiederum aus Seneca de dementia^ zu Aul", des 5ten Kap.
Die S, 219 aus Gosl. p. 249 ausgeliobene Stelle: Temperantiae
beneficio efficimur raodesti, verecundi, honesti, contineutes ; qui-
bus >irtutibus ornatur, augetur, cumulatur liomiuum ^ita beata.
Modestia virtus est, uti Stoici dicunt, quae scieutiam habet earuni
rermn, quae aguntiir ^t dicuutur, loco suo collocandarum. Decet
euira in rebus omnibus, qiias dicturi, facturive sumus, servare
DOS modum, ne plus se effundat quam necesse sit, nostra omnis
actio et oratio , ist zusammengezogen aus Stellen des Iten Buclis
de ofßc. c. 27 zu Auf. c. 40 §142, c. 39 § 141. Ingleichen
S. 220 (Gosl. 250): Observandum est igitur in omni actione et
oratione decorum , vultus, oculi, gestus, motus, corpus denique
totum ad modestiara coraponendum; und, Quemadmodum iiistitia
imperat ne quenquam violemus, sie verecundia ne ofFendamus,
ist entlehnt eben dorther 35, 128 am Ende und 28, 99.;
die dazwischen stehende Erklärung aber verecundia, ciistos ho-
nestae vitae: dedecus in agendo fugiens, et turpitudinem , aus
orott. parlitt. 23, 79. Ferner die S. 221 ausgeschriebne Stelle
Gosl. p. 251, Hoc ubi nos diligenti et acri mente cognoverimus,
et qui sit modus, qui in rebus omnibus ordo, quae dignitas ani-
madverterimus , eamque pulchritudinem , concinnitateni , et ordi-
nem in dictis et lactis obser\ averimus : tum praeterea caverimus,
ne quid indecore, effoeminate, libidinose faciamus cogitemusve,
tum hoc pacto modesti, honestique fuerimus , wiederum aus I de
ofßc. 4, 14. Die bald folgenden Beispiele {Gosl. p. 252), Lau-
datur propter id Paulus Aemilius , quod ex thesauris e Macedo-
nia Hispaniaque advectis , nihil prorsus ad suos usus convei'tisset,
sed omnes in publicum aerarium retulisset, et maluit abstinens et
pauper, quam dives depeculator vocari, ex eins facultatibus post
mortem sub hasta venditis, vix redactmn est unde dos uxori
solueretur. Adrairabilis continentiae exr nplum Scipio Africanus
exhibuit, qui .vicesimnm annuri agens, Carthagine nova deleta,
cum eximiae inter multas formae virginem captivam haberet, illius
virginitati non solum pepercit, verum etiam sponso, cui despon-
sata erat, eam tradidit, adiuncto dotis nomine auro, quod pro ea
redimenda obtulerant amici. — Quare nostrum quoque Senatorem
contisientem esse volumus iiludque imitai'i dictum Periclis^qui
cum Sophoclem collegara in Praetura haberet, isque publico of-
ficio praesidens, egregiam formam cuiusdam forte ^isam laudas-
set, eius hicontincntiam notantem Periclera , dixisse aiunt : Non
solum manus a turpi lucro praetorem , sed etiam oculos ab aspe-
ctu inverecundo, decet habere coutuientes — , sind entnommen
Münnich de Ciccr. libris de Rcpubl. 87
aus II tle off. 22 tinJ Valer. 3Iax. IV, 3, 8 (vcr^il. c.4, n. !)) n. 1
und cstcrn. 1; ck^gk-ichou die näclisd'ii, Sapicutcr iirilur fecissc
Calo putandus est, qui Censor L. Quinodiiiii Flatnin/Vnn'-'- [so]
„propter nimiam libidinoni 8enatu eiet it ; liic enim cum esset coii-
sul in Galiia, evoratiis est iu coinivio a scorto, ut securi peicutc-
vet aliquem ev Iiis, qui in cairere poeiui capitali darnuati detinc-
leutur: 3Janilius etiam senatu inotus l'uit, quod is praescnte ülia
uxoreni esset osculatus, aus Cicero in Cat. mai. am Ende des
12teu Kap. und a\is Pinta rch in Cato vioi. c. 17, 18. Jenes
S, 22-1 [Gosl. p. 205), Quis non Aelieineuter laudandum putabit
i>lan. Curi(uu Senatorem liomanum, quem Samnituni legati assi-
dentem loco, ac in vase ligneo cocnantcm repererunt, aurumque
illoium respuentem dixisse: Malo locuplctiluis iiiiperaie, quam
locuples esse'? Taceo Fabricios , 'l'uberones, Fabios, Catones,
Scipiones etc., ius^leiclien das Folgende p.256, Cum Pyrrlii rJegis
Epirotarum dona pei* urbem circumfciTcntur , quibus ille beilo
iam iulVactus et debilitatus, populi benevolentiam captare consli-
tuei'at, nemo dicitur inventus esse, qui manum ad eas capiendas
porrexisse videretur: sie ille non raag:is armis llomae, quam niori-
bus >ictus fuicatusque est — , spendete Valer. Max. I\,3, 5fl".,
der es Aielleiclit selbst nicht ans Cicer. de seil. 16, 3, sondern,
Mie ^ieles Andere, aus den Bi'ichern de rc publica jjescliöpft ha-
ben mag, \on ihm VI, 2 extern. 1 ist auch die Anekdote S. 225
(Co*/, p. 257) entlehnt: Philippus Macedoniac Re\ ebrius ali-
quando, mulierem indicta causa damna\it, illa anteni provocante,
cum ad quem pi-o\ocaret interrogaretur, ad Philippmn sobrium
respondit. Die Stelle S. 226 (Cr. p. 258), Fugienda est privata
luxuria, publica magnificentia retinenda, profusae epulae vitan-
dae , sordes et inliospitaiitas multo magis , immoderati sumptus
nocent, necessarii honestique iuvant. Quare observanda est ratio
loci, tcmporis, personarum , pondcrandaque officia tani privatac,
quam publicae honestatis, dignitatis, utilitatis, non abiicienda >i-
cis5>ituil() laboruni et voluptatum lionestar • n. Q. Tubcro quod in
epulo publito hoedinis peilibns Icctos stravisset, dignitatis et ho-
nestatis publicae stultus aestimator habitus, praetura deiectus est,
linden \vir last Wort rür A> ort in der Rede pro Mureiia 36, 75.
76. Das Cilat S. 228 {G. p. 261), Valetudo, nti Cicero pru-
dentcr instituit, sustentatur notilia sui corporis et observatione
earinn rennu, qnae res aut prodessc solent, aut obessc, et conti-
nentia in >ictu. omnique cultu corporis tuendi causa, et praeter-
mittendis Aoluptatibus , bezielit sich auf lib. If de ojfic. 24, 86.
Der ANiriwarr S. 233 {G. p. MM\ f.) ,.Silenus Poela\\\) ., captus
a jn-aedonibus, ac ad Midam Regem addnctus, cinn ad se redi-
inendum pecunia carcret, a Rege petiit, ut sc liberum faceret,
dalurum se munus illi cupiens, omni auro et argcnto carius. Hoc
auleni duobus Aersiculis, non magis veie, quam resli\e expressit,
maximuiu raunus inqniens hoinini a Deo, non iiasci, proximiun,
8S I^ü mische Litteratur.
citomori: qiiod ubi multis argiimentis comprobassct, Rex eura
liberum dimisit, simulque douavit,'"'' rührt aus coufuser Eriuuerung
aa die Stelle im Isteu ß. der Ti/scuL zu Anfang des 48sten Kap.
und aus Avahrscheinllcher Yerweclisiung des Silcuus mit dem
schiffbriichigen Sinionides lier.
Nach einem so ganz verkehrten Verfaliren in der Verglei-
chung und nach so vielen groben Fehlgriffen der Wolkenuniar-
mung spricht Hr. MünnichS.'I'Sli f. iiber dieErweisbarkcit seiner
Entdeckung ein gar ungünstiges omen aus: „Hacc autem, quae
a me disputata sunt, satis ['(] demonstrant, quae et quauta huic
operi cum Ciceroniano intcrcedat similitudo, et quae Cicero hisce
ultimis libris ^ideatur tractasse. Possem idem etiam demonstrare,
comparatione cum iis, quae ceteris libris exposita leguntur, ac-
cui*ate instituta, ut adeo sie variae, quae in illis deprehenduntur,
iacunae probabiliter suppleri possinf-*- [ey! viel Glück dazu!];
„sed vereor ne lectoris abutar patientia; et si quisfuerit, quemea,
quae a rae allata sunt, haud moveant, in ceteris me frustra labo-
raturum existimo.'-^ Hierzukommt, dass ein Hauptumstand, auf
welchen Hr. Muniiich vorzügliches Gewicht legt, bei näherer
Beti-achtung ganz anders befunden wird, nämlich der gegen Gos-
lickl erregte Verdacht, derselbe habe, sich mit fremden dem Ci-
cero ausgerupften Federn schmückend, den Diebstahl absichtlich
verheimliclit , S. IGl : „ Liber de perfecto senatore non in Polo-
nia, verum in Italia est editus. Namque sie Goslicius melius, luule
sua. hattserit ^ celare poterat.'-'' Und doch erwarb ihm dasselbe
in Polen ^ dessen Könige Sieges numd es zugeeignet ist, anstatt
eine Stelle am Galgen, nach S, 148 alsbald die Senatorwürde '?
Gleich darauf heisst es: „videtur titulo paullulum absono ?^sz/s
esse, ut melius, unde hauserit sua, celaret>^ Sowohl hier als vor-
hin erforderte wohl die Consecutio temporum entweder hausit
oder hausisset. Vergl. S. 238 : „ Monendum est hoc loco, haud
dubie rumorem illum, qui et in Germania, maxime autem prope
arcem Ilittershusii ortu,-f erat de repcrtis Ciceronis libris , haud
dubie ('?'?) ab ipso Goslicio origiucui sumsisse. Namque ille
tunc temporis ibi legationes adibat, uti pluribus in eins vita ex-
posuim US. . . . Va Ide igitur veiosimile ( *? ) est , ipsum Gosli-
cium in ea regione , in qua nihil erat iimendum , ne res depre-
henderetur^ nonnuUos de illo tlvesauro invento rumores sparsisse ;
hi autem rumores, uti fit, successu temporis adaucti sunt et varie
commutati.'"'' So*? Was soll man aber zu folgendem Haud dubie
sagen S. 234*? ^^Haud dubie Goslicius ea solummodo missa
fecit, quae ad Dialogum et virorum inter se colloquentium mores
spectarent, cetera fere omnia sua fecit, iis exceptis, quae iara
tum e Ciceronis opere innotuerant." Wäre nicht Hrn. Milnnich^
wie Cicero s Schriften überhaupt, so auch das Werk de re publica
ein so ganz unbekanntes Land , dass er sich w eder rechts noch
links, weder vorwärts noch rückwärts, weder bergauf, noch berg-
Münnlch de CIcev. llbris de Republ. 89
ab einen Scliritt darin zureclit finden kann: so würde er niclit mit
sehenden Augen blind gewesen seyn in der S. 100 ans Goslickl
p. 32 mit ausgehobenen Stelle: Sicut enim in fidibus concentns
ex dissimilium vocum moderatione, Concors efficitur: sie e sum-
mi.s, infimis et mediis ordinibus, uti Cicero dicit, tamquam so-
iiis , Tibi Iiarmonia est eiiecla , arctissimnm atqne Optimum est in
llepub. Ainculum, omnium incoliunitatis. Denn diese Stelle stimmt
wörtlich überein mit Cicero de re pitbl. II, 42- Allein die Stelle
war längst vollständig aus Augicst inus de civit.Dei II, 2t be-
kannt. Von diesem und Lactantius aber sagt Ilr. Münnich S.
196: „Quorum opera cum omnibus nota essent, nonuxülis prae-
terea Ciceroniani libri reliquiis referta, nu^quam memoraatm' apud
Goslioium. '■'"
Ebenso unachtsam übersah Hr. Münnich völlig zwei andere
Stellen des Guslicki^ üb. I S. 56f. : Praeclarc Scipio apud
Cic er 0716711^ worauf wörtlich dasselbe Citat folgt, welches Ci~
c er o selbst ad Att. YIII, 11 aniuhrt: Nam sie quinto, ut opi-
iior, hl libro loquitur Scipio : nur dass die Ausgaben des Cicero in
jenem Bruchstücke (bei Mai\. Y c. ß) sit haben, Goslicki aber
esse possit las ; und den Scliluss des Werkes p. 288 f. : Quodsi
Senator haec gloriae monimenta nominisque perpetiio duraturi fa-
mam minorem virtute et dignitate sua ducit, maiora sibi a Deo
munera, felicitatis aeternae parata esse sciat: quae sane omnem
splendorum, claritatum, amplitudinum acAitatem et perpetmtatera
supe'rant. Yivet igitm- non modo in terris cum civibus suis , ^ e -
rura etiam cum Deo immortali in altissimo coeli domicilio, in
praestantissima caelitum Corona fclix , lionoratus , gloriosus : qua
gloria quid potest aut dici aut excogitari gloriosius 'i Illudque sibi
-ifr i c a 7i i dictum usurpabit :
Si fas cedendo caelestia scandere cuique est^
Mi soll caeli maxima porta patet.
Diese schon von Andreas Putr iciiis [lecdrzi Patrzicli Ai-
dec/ci) unter die Bruchstücke aufgenommene Stelle des Emüus
über den altern Africanus wird aus Cicero de re publica citirt
von Lactantius i/isll. I c. 18 § 11, welcher ebenfalls schon
die falsche Lesart caedeiido caelestia scandere hat und sogar
commentirt: vofür die Ausgaben des Seneca epist. CYIII
(bei Mai in testiinoniis veter. operis Tulliu/ii n. 29 p. LIII
jiracjat.) das nichtige, e/ido pkifs^as coelentnni escende/-e cui-
yuam., geben. Offenbar ist die Slelic aus dem Ylten ]5iiche des
Cicero., wo des Helden h^iikel er/ählt, dass Jeuer ibm im Traume
erschienen und eben dieses (ieheimniss «ler Ewigkeit ihm offen-
bart Jiabe. AVi(! grell sticht hiergegen ab, was Ilr. Münnich
S. 234 Silin- und Gedankeidos huiscluieb! „Somnium, quod di-
citur, Scipionis frustra qiiaeras jipud Cosliciiim, (juamquam illius
commemoratio primario lini satis fuisset coiisciitanea; uam Pa-
Iricius fragmeuta librorutn de republica cdideraU'-* Vergl. S. 23(i.
90 R ö m i s c h e L i 1 1 e r a t u r.
Hieraus ergiebt sich zugleich , welch eiue aufmerksame Verglei-
clmiig und gründliche Prüfung auch der Ilector in Harburg Ilr.
D. ISöldeTie angestellt Iiabeii müsse, Melcher in Hrn. See-
bode's Ä'n't. Bibliothek 1^2h N. 8 S. 913 f. Herrn MännicJis
Beweis deswegen für verfehlt erklärt, weil „es doch ein schänd-
licher Betrug wäre, der mit dem Charakter des sonst so frommen
Gosliclii nicht harraonirtc, dessen er sich schuldig gemacht hätte,
wenn er fremdes Gut für das seinige ausgegeben hätte ; dazu eine
übelberechuete Eigenliebe, wenn er den INaraen des grossen Ci-
cero^ dessen Werke immer mit Enthusiasmus studirt wurden,
einem Geistesprodukte entzogen liätte , das , durcli seine Bemü-
hung aus Licht gezogen, gewiss eben so viel Rulim ihm geschafft
hätte, als der Glaube, dass er Verfasser dieser Hede sey !'•'• Herr
JVöldeke verwandele nach Belieben die Ubros diios in eine von
GosUcJd gehaltene Rede^ luid maclie noch sonst manclies A^für
m Dem Bec. liegt es ob, nachdem er die dem unschuldigen
Polen gemachte Beschuldigung schlauer Verheimlichung durch
urkundliche Belege des Gegeutheils entkräftet, noch ein kaum
glaubliches Versehen, um nicht zu sagen einen unerhört groben
Betrug des Hrn. Münnich zu rügen: uiul zwar wegen der in dem
neusten Programme des Gymnasii Carolini zu Zürich gestellten
IVten Aufgabe: „ Nuperrime quum Gtilielm^is Münnich
Professor Cracoviensis omni asseveratione contenderit, in Lau-
renlii Gos lici i \ihro de bouo senatore latere fragmenta Tul-
lianorum de Re publica librorura fraudulenter surrepta, operae
pretium eiuu facturum esse ceusemus, qui istam opinionem, q7ia-
tenus vel ex ipso Münnichii scripto fieri potesl^
diligentius excusserit ac diiudicarit. " Denn diese Aufgabe muss
hei gelingender Auflösung zu einem ganz verkehrten Ergebnisse
führen : wovon freilich die arglosen Brabeuten, unbeschadet ihres
Scharfsinnes, keine Ahnung liaben konnten. Rec. selbst näm-
lich, welcher erst kürzlich den Basler Abdruck des seltnen Wer-
kes von Goslicki aus der Göttinger Universitätsbibliothek (auf
welcher auch eine Englische Ucbersetzung dieses Werkes sich
findet) durch die freundschaftliche Verwendung des durch seine
Verdienste um Philosophie, Mathematik und Sprachforschung
berühmten Hrn. Dr. K. F. Chr. Krause und durch die bereitwil-
lige Güte des Avürdigen Hrn. Oberbibliothekars Hofrath Benss er-
hielt, glaubte anfangs die wichtige Entdeckung, dass Goslicki
von Cicero's ungedrucktem Werke wirkl. Kennlniss genommen,
schon, so zu sagen, an allen vier Zipfeln zu halten, als er bei
Hrn. Münnich S. 200 folgendes las : „Eadem ratione, qua Ci-
cero, Gosliclus omiiia ad populi libertatem refert, INam Cicero
dicit 111,1: iu quo (hominc) inest tauquam o])rutus quidam dlvi-
mis ignis ingcuii et mentis, atque hinc ille liominis dignitatem rc-
petit et libertatem. Simili modo dicit Goslicius p. Ifi: J>ulhi in
alia civitate, nisi in qua popidi potestas simima est, uUum domici-
Münnich de Ciccr. libris de IlcpuM. 91
lium Überlas habet. 'V Die letztere, verkelirter Weise mit Cic.
de rcp. III, 1 verirlicheue Stelle ist Avortlich aiisjreschriebcn ans
Cic. tle rep. 1, 31. Uec, welcher aus Berufs -Pilicht Hrn. Miiu-
nich's theuer ))ezaliltes Sammelsurium mit uuermüdliclier Geduld
aulinerK«am durcbireleseu ha't, Hess es sich uoeli ausserdem den
wnersetzlicheu Zeit\erUist kosten, das Werk Goslickia., dessen
Grundsätzen eine solche auch von ('ioero nicht gebilligte demo-
kratische Behauptung gänzlich uiderstreitet, aou der ersten bis
zur letzten Zeile (Ireimahl auszustöbern, um die falsch citirtc,
dem Goslicki untergescliobne Stelle zu erwischen; aber Alles
vergeblich! Ilr. Miinuich blieb ipevdoaccQtVQ , der das durch
solchen Unfug verscherzte Recht, über gelehrte Dinge mit zu
spreclien, kaum je wieder a erdienen kann. Um die Gerechtig-
keit seines Urtheils zu bestätigen, will llec. noch darthun, dass
er Gofilic/irs >> erke um etwas aufmerksamer mit Cicero vergli-
chen, als Hr. Miinuich. Einiger 31afseu könnte einen selbst be-
dächtigen Leser irre machen folgende Stelle aus GosZ/cAe S. 253 f.
bei Hrn. Münnich S. 222 f.: Sardanapalus totes in Gynaeceo dies
consumebat, nullumque imquam tempus libidiuis exercendae hi-
termittebat. Hie vivus adhuc in sepulcro suo tale Epitapliiimi in-
scribi iussit:
— Ede., bibe., lüde., et
Cum te mortalem noris., praesentibus esple
Deliciis animmn., post mortem nulla volnptas.
Natnqiie ego siim jndvis.^ qui iiuper tanta tenebam.^
Hoc (so) habeo quae edi., quaeque exaturata libido
Uausit., at illa manent mvlta et praeclara relicta.,
Hoc sapiens vilae mortcdibiis est docnmentum.
In hoc cum aliquando Aristoteles incidisset, substilit, primaque
parte Epitaphii lecta, subrisit dicens: Ecquid aliud in bovis, non
in regis sepulcro legisses'? posterioribus ^ero tribus lectis versi-
bus, addidit: Hie ea se mortuum habuisse dicit, quae ne ^ivus
quidem habuit, nisi quam diu vorabat — , verglichen mit dem, was
über Sardanaj)al der Scholiast des Juvenalis zu Sat. X, 3(f2 aus
dem Illten Buche de re publica und dem ganzen Zusammenliaiigc
nach eben daraus mit ausdrücklicher Beziehung auf jene Grab-
schrift der schon \o\\ Mai S. 2(58 verglichene ^Ingus tinus de
("/r. ^/e/ üb. II am Ende des 20slen Kapitels anführt: Quis haue
rem publicam (niinilich, in welcher jede Ueppigkeit herrscht)
sanus non dicam Homano imperio, sed domui SardanapaUi com-
paraverif? qui quondam rex ita fuit voluptatibus deditus, tit in
sepulcro suo scriJii fecerit , ' ea sola se habere mortuum , quae
libido eius., eliam cum vireret ., hauriendo coiisumserut : worauf
er zu Anfang des 21sten Kap. fortfälirt: Sed, si conteinuitm-, qiii
Konianam rem publicam j)essiniam ac flagitiosissimam di\it , uec
curaut isti, quauta monim pessimorum ac llagitiosorum labe ac
dedccorc impleatur, sed tautummodo ut consistat et maueat;
92 Hu mische Litteratiir.
audiant eam — , sicut Cicero disputat, iam tuuc prorsus per-
isse, et niiilam oiniüno remanssisse rem publicam. Inducit enim
Sc ip ione m , eum ipsiim, qui Carthas^iueni exstiiixerat , de re
publica disptitantein etc., was sich jedoch schon, wie das
Folgende lehrt, auf die Einleitung: zum Vten Buche bezieht,
üeberdiess ist es offenbar, dass GosUcki das Urtheil des Aristo-
teles iiber obige Grabschrift aus Cicer. Tuscul. V c. 35 § 101
entnommen, die > ollständige metrische Uebersetziuig des Epi-
grammes aber (nach dem Griechischen des Choerilos) eben
so, v,ie Natalis de Comitibiis p. 137 seiner löSCJ ( Vene-
tiis ap. Andrcam Airiiiabenura, und Basil. per Ilenr. Petri) heraus-
gegebenen Lat. Uebersetzung des Athenaeos \III, 4, aus der
schon 1472 zu Venedig per Yindelin. Spira in Folio gedruckten
Uebersetzung des 6rr e^on von Tifernate von den sieben letz-
ten Biicherji Straboii's, und zwar im XIVten Buche Fol. CXXIII *
ed. (ab Ant. Mancinello) loann. Vescellensis impensa a. MCCCC-
LXXXXIIII. Denn abgesehen davon, dass im 4ten Yerse dort
richtig //ß(?c steht, wofür bei Goslicki Hoc verdruckt ist, hat
Gregorius im 5ten Verse dieselbe Lesart, wie Goslicki, vianent^
statt der vorzüglichem iacent bei Cicero in den Tuscul. 1. c. Fer-
ner folgt er eben so der gewöhnlichen Lesart des Strabo , und
vermengt, vi'i^ GosUcki und sogar schon alte Schriftsteller die von.
Choerilos aus dem Chaldäischen übersetzte Grabschrift auf dem
Denkmahl vor ISiniAC, mit einer andern Inschrift in Syrischen
oder Chaldäisclien Versen nahe bei Anchiale, welche keine Grab-
schrift, sondern eine Denkschrift auf den damalds noch lebenden
Städte -Erbauer seyn sollte; hidem er beide durch et verbindet,
dafür aber fehlerhaft alles das auslässt, was hier nach Casaubon.
in der Pariser Ausg. S. 672 von Andern anders dazwischen ein-
gefügt wird, in d. Ausg. v. Almelov. S. 988 f. v. Tzschucke Bd. V
S. 693 f. Mit der gründlichsten Gelehrsamkeit sind beide Epi-
gramme behandelt worden von Hrn. Prof. Naeke in Bonn. S.
Choerili Samii quae super sunt coUegit et illustravil etc.
Aug. Ferd. Naekius. Inest de Sardanapali Epigrajnmatis
disputatio (Lips. 1817) p. 196 — 256 nebst den Addendis. Rich-
tig ist von ihm nach des Rec. üeberzeugung in der Aiichialei-
schen Inschrift der erste Vers wiederhergestellt worden, die
übrigen von Hrn. Prof. Hermanniix der Leip. Llt. Zeitung
1817 n. 280 S. 2230 folgender Gestalt:
'O HagdavänaXog io ^azwöagd^EO
TaQööv T£ ■aayiiciJ-ov iön^i ev ri^hoi^
Mi]}' (5v ö' föoJ'E, Ttlv , o%Bv. coa^taXla ys
TdvttQcoTCiv aövlv ovöi Tourot» y ä^ia.
Ausserdem hat Rec, dem sein Gedächtniss wenigstens nicht alle
zum Vergleichen nöthigenlleminiscenzen versagt, wie Hrn. M ii n-
nich das seinige, welclies schier wüst und leer zu seyu scheint,
nur folgende Steilen bei Goslicki aufspüren können , die mit Ci-
Münnich ilc Ciccr. libris de Rcpubl. 93
cero de rep. eine entfernte Aelinlichkeit liabcii. S. 2 der Zueig-
iiuiiff: „iNcque cnim aliiiiule Keipiiblicae Uegniqiic nostri Uriuam
f(iiii'(ein, ac l)cati(ii(HiRMn proficisci arbitror, (|iiain qiiod tantus
csl i'irl Iltis ac sapiciitiae tuae spicndor ^ ut oinuiiim iii sc ciciuin
popiiloniiiKiiK' couM'rtat oiMilos, ac piilchra siii /niilat/one accvn-
dal: Ci\es(pic' liii co stiidinin simin oiniie ac diliiientiam conic-
raiit, iit tc in primis, luidiinqiic voio aiiffiistissitnum tuiim intiie-
antiir. " A ciirl. Cic. 11,42 zu Auf. und 23 zu Knde. — Gosl.
p. 201 : ., luU'iest ctiam llcip. ut principcs, et illi, qui sciscenda-
niin loiTMin polestateui hal)i'ut, peracquc /p^es a se f actus ohser-
vciit ^ (itquv roliiitt ab aliis eas obsercari. ISiliil cnim populus
uiairis inhu'tiir quam priiici|)es, coniinque vilam pro Ic^c liabeL
ac obscrrat.'* A crirl. Cic. 1, 34 p. 88 i". — Gast. p. 3. „lleipub.
Ibrniain oiuuium iustis^^iiuajn et comniunissimaui dcscri|)siniu.s, in
<|\ia lU'iris autoritateni, et Populi polcstateni, Seuatoris j)rudeutia
consiliunique moderatur. IJude pi'imum de llerumpub. ionnis,
fi^ueribus, felicitate, de civium vita beata, de Seuatoris educa-
tioue, discipliiiaque nobis diccudum puta^iraus : iiti Senator hoc
pacto Uem|)ub. quam piberuaturus est coc^noseat, liabeatquc vir-
lulum praecepta, quibus iustructus , et houeste vivere et ad tarn
amplae di^nitatis fastigium asceudere queat, stimmt (wie auch
Hr. M. S. UM nicht uid)emerkt gelassen) so ziemlicli mit dem
Plane des Ciceronischeu AVerkes übereiu. — Gosl. S. 17: „y^e.r
si privatae iitilitatis causam agat ac erg^a cives suos impius sit,
leges contemuat, turpiter vivat, Begis prorsus amisso Jioinine.,
Tyrannus a ocari solet.^"- Yergl. Cic. 1, 42 nach d. Aul". II, 27 zxi
Auf. — God. p. 234 : (Rex) „ imperare debet etiara populis., iioii
tanqnam dominus servis., sed velut pater liberis. — Sic Regem
erga subditos se cxhibere decet , ut nou magis Reip. quam popidi
conservandi causa aliqiiando sevcrum , non nunquam mitcni pla-
cabilenuiue se praestet, comnvinemque omniuni utilitatem^ tun-
(juani Jilioruin. patcr., ///e«////- et amplificet. Haec est inte r He-
gern et Tijrannum differenlia., quod iile publicae, hie privatae uti-
litalis curam habet. '•^ Vergl. Cic. II, 26 zu Aul'. — Gosl. S. lü
(bei Hrn. Mün. S. 181.): ,,Aliquando Respub. licet opthnc sint
constitutae malos taiuen rectores adeptae acI evertuntur vel ex
uiio in aliud Keip. ge}ms conintutantur. Vnde ex Rcgibus Ty-
raiiiii, er optiinaluni impcrio paiici potentes, ex populari Repub.
turbac et plebis licentia Tyraunisque nascitur, itemque aliae ex
aliis. ^- \ergl. Cic. 1, 45 zu E. 20 zu Aul'. Die S. 20 (bei Hrn.
M. S. 182) lolgeuden Worte: ,,quarum quidem optima quae sit —
haud lacile iiidicari polest,"- ähneln den Worten Cic. l am Ende
des 3.')sten Kap.; ingleichen jenen des 34sten Kap. j). 88 dem
Gedanken nach die S. 1(>7 ans Goslicki p. Ol beigebrachten: „In
Oligarchia, quod (//r?V/r//7/m potissimnm habetur ratio, soll, qui
di\itiis excellinit, ci\('s dici et haberi >oluut, quod genus ci\ium
%ile iudicaiidum est: his ii. \irtus pai*>ae curae est, iiilülque magis
94 Römische LItteratur.
Student, quam ut se divites quoquo modo faciant, atque dignitates
honoresqiieReipu. non boui et prudentes, scd divites obtiiieaut ; ^'
so auch dem Inhalte des 32steu Kap. am Ende die Stelle p. 60:
„In llepu. populari, cives solent dici communitei- omnes illi, qui
chitatera incolunt: nee refert pauperes an ditiites, boni an niali,
docti an sapientes, seni modo non i'uerint: omnibus aequeadUem-
pub. patet aditus, aeqnules n. sunt imritar omnes.'-'- Ilr. Miin-
nich aber sclieint den Zusatz servi modo non faerint '\\\ dieser
Stelle ganz übersehen zu haben, indem er S. 168 aus derselben
die mit Cicero einstimmige Ansicht Goslick'is als eine der Ansicht
des Aristoteles ganz entgegengesetzte beweisen will. — Gosl.
p. 54: „Necesse luit regibus, socios sibi ad imperanduin asci-
scere.^ ut communi consilio prudentiaque cum Iiis liempnb. nie-
lius ^uhernarent. Id llomulum fecisse legimus , qui tinius ini-
•periiua aut odiosjjpi, aut periculosum, aut iusto impeiio , mdio
modo dignum existimans, centum patres legit eosqiie tam ab ae-
tate, quam sapientia, Senatores^j«^/esy//e Aoca\it."-'' Vergl. C/c»II
c. 8. 9 zu Auf. — Gosl. p. 101 : „Multi inveniuntnr, qui sapien-
tiae possessionem et Reipiih. adniinistrandae scientiam nacti sunt,
non ex philosophorum libris ullis , sed ex institutis muioriim., e\-
emplis, consuetudine, experientia, paterna domesticaque disci-
plina., legib. moribus, et ex quadam natiirae sagacitate, quam
parumper exornarunt honesta liberalique educatione.^"- Vergl. CYc.
III, 3 u. 4, I, 22 am Ende. — Gosl. p.l02: „Neque antiqui Ro-
mani iustam iilam et pulchram Reip. l'ormam e philosophorum li-
bris magis, quam e suo ingenio depromptam, posteris relique-
riint.'-'- Vergl. CVc. I, 21 p. 63, c. 46, II, 15 am Ende. — GosL
p. 169: „\is autem tota consultationis versatur in his^ quae ad
communem vitam Iiominum, et Rempub. conservandam pertinent.
Proinde consultai'e ac deliberare non debet de his, quae sunt
aeterna et coelestia: ut de mundo, aut quae evenire non possunt,
quaeve natura , casu, fortuna eueniunt. — Deliberandum autem
et consultandum est de futuris, et de liis quae aliter atque aliter
euenire possunt: quorumque ratio ad utilitatem hominum spe-
ctare videtur.'-'' Vergl. Cic. I, 19 p. 60. — Gosl. p. 248: ...Jnex-
plebilis res est cupiditas in hominibus, quae nisi legibus tanquara
frenis cohibetur, omnes civium animos ad res malas appetendas
atque demum ad reip. eversionem concitat.'*'* Vergl. aus Cic. VI
c. 1 das letzte Bruchstück bei Nonius unter dem W. e.vpleri. —
So ohngefähr hätte Ilr. Miinnich , um zu seinem Zwecke zu ge-
langen, die Vergleichung anstellen und durchführen müssen.
Aber so frei sollte Goslicki ein ihm allein bekanntes Werk benutzt
haben, er,' der aus bekannten AVerken Cicero's und anderer
Schriftsteller so Vieles MÖrtlich sicli zugeeignet hat*? INimmer-
mehr ! Mit w ie viel scheinbarerm Verdachte liesse sich die ße-
hauptung aufstutzen, Cicero de re publica sey benutzt worden
von Coutarenus in dem Werke de re publica lenetorum! z.
M. ü u n i c Ii de C i c c r. 1 i b f v de U e p u b 1. 05
B. lih. I c. 2: (cd. II Lii£:tl. B. 1C28. 12. p.83 f.) „Nulla uiiquam
gfutiiiiu civitas exlitit, (juae tarn opporluno^ tarn Xwio . . . sitit
coiidita fuerif-" (Ver^l. Cic. H, S zu Auf.). „Plerique in condeiula
eivitate snlis se fecissc arbitiati sunt, si locitm dele^isse/it^ ad
quem dilficilis et incommodiis liostibus accessus esset ad invaden-
dam ohsidcndaniqiie urborn. iade evenk, nt comphires ci\itates
conditae siut, aut in nioiiliuin salebris, a^pcro diificiliquc accessu,
aut ioiis palustilbus. di\crsa nuadani rationo nonnulli nihil praefe-
renduni censncre co/nmoclo opportiiiioquc sitiii ad iinporlaiida cs-
portandaque oiiinia^ sine quibus sul'ficerc civitas sibi nequeat
tum ad neccssitatein^ tum ad nioUioiem qucndam \itae In.itan.''''
( V er^l. Cic. U c. 4 p. K50, JS2 f.). . . „At Venctiarum situs di-
vi'no potius (jitodam coiisillo^ quam huniana industria praeter fi-
dem eorum oiunium, qui eaiu civitatem noa videre, et ab omni
impetu terra mariquc tulissimus est, nee noii ctiam aptissimus
omnium, ad ciiiusque rei copiam, sire es ?nari^ sive ea^onti-
netite clcibus siiggcrciidani^ atque ad conunercia omnis generis
mercium, cum omnibus pene nationibns habenda.'"'" (\ ergl. CVc. II,
5 und das Folgende, vie \enedig jedem Sturm der Zeiten Trotz
geboten, mit cap, 6, Avie Rom die drohendsten Gefahren iiberstan-
den.) S. HT: „Quo fit, ut non male sentire existimera eos, qui
Ulla hdc ratione Venetias caetens civitatibiis praeslare ccnsuere'-'-
(vergl. Cic. II, 1 p. 123). „Verum aliud quiddani est 'in liac ci-
yitate , quod longc omnium praestantissimum censuerim ego me-
ciuuque omnes, qiii ciritateiii non tantum moenia ac dornos esse
putant, sed existiinant ciciton conventumac ordinem potissimum
hoc sibi nomen vendicare, reipublicae scilicet ratio et forma: ex
qua beatavita hominibus contingit.^'- (Vergl. Cic. III, 31, 32.) —
Coutar. p. SS : ,.,Nidla resp. institutione ac legibus ad bene bea-
teque vi\eiidum idoneis cum hac noslra conferri potest ;'-^ (vergl.
Cic. I, -Iß p. 115) — ,.quo eilectum esse perspicimus , ut neque
adex> diulurna vlla uinjuam perstitt^it. Quam rem cum mecuni
ipse considcro, niagnopere mirari soleo viaioriim nostrorum sa-
pienliam., iiidustriam, cxcellentem animi virtutem, atque adeo
incredibilem erga patriam cliaritatem. Fuere Alhejiis ., Lacedae-
mone ac Ilomae nonnulli cives, vhae probitate atque in rempubli-
cam insigiies pietate viri: sed adeo pauci , ut multitudiiw obruti
non inuUum rei patriae pro fueriiit. Ai inaioi es iwsl/i., a quibus
tarn praeclaram rempubl. accepimus., omnes ad unnm conseiisere
in studio patriae rei Ibrmaiidae et ampliücandae.'''" (Vergl. Cic. II,
1 p. 123 111, 4.) — Contar. p. 100: „Enini vero hac in ic tem-
pericm adhibuere, earnque jnixtio7iem omnium statumn., qui re-
cti sunt, ut liacc una respublica, et regium principatum et opti-
matium gubernationeni et ci>ile item regimen referat: adeo ut
omnium l'ormas ;;«/•« qnodam libramento commiscuisse videantur.'-'*
Vergl. Cic. I, 45. l)ic Aehnlichkeit Hesse sich noch weiter ver-
folgen; iudess wcmi \\x. Münnich lieber darauf aus ist, Goslickis
96 Römische LItteratur.
corpus delicti ans Licht zu ziehen : so bemühe er sich nach PIoz-
ko ; denn nur seine eigenhändigen Handschriften hat Goslicld sei-
nem Freunde PaulPiasechi als damahligem Posener Stiftsdomherrn
vermacht , von dessen Erben sie in die Zaluskische Bibliothek ge-
kommen (vergl. Hr. Mihmich S. 157 f.); aber seine ausserdem
gesammelte zahlreiche Bibliothek hat er an die Dominikaner zu
Plozko verschenkt: was wir von Niesiecki bezeugt finden im Uten
Bande seines Polnisclien Wappeiihuches S. 277.
Endlich ist noch anzumerken, dass das, yvdi%\\r. Münnick
bunt durcheinander, ohne irgend einen Ruhepunkt dem Leser zu
gönnen, zusammengeschrieben, durch zahllose Druckfehler ent-
stellt ist, deren kein einziger angezeigt ist: z.B. S. ]5S ausser
dem bloss Orthographischen in der Angabe eines politischen Wer-
kes von GoslichiZ. ]() Brandenburg/oe st. Brandeid)urg«, u. Z. 11
Co«s///ariis st. Comw/ssariis. Hiernach mag Jeder selbst die übri-
gen Ibg^echncn.
K. Beicr in Leipzig.
Lateinische Dichter.
Puhlius Virgili7lS Maro. Rcccnsnit et emcmlavit F. G. Pot-
tler. Paris J)ey Malepej^Tc. 1823. Vol. I. XVI u. 303 Vol. II. 312 S. 8.
Virgil ist der dritte Lat. Auetor, welcher in der bey dem Bucli-
händler Malepeyre zu Paris herauskommenden Sammlung (Colle-
ction des Auteurs Latins, publie's et collationne's sur les raanuscrits
de la Bibliotheque du Koi, par F. G. Pottier.) erschienen ist.
Vorausgegangen ist ihm Horaz und Salin st ; ausserdem wird die
Sammlung noch enthalten: Catullus., Caesar^ Cicero., Cornel.
Nepos., Florus., Gallus., Juvetial., Lucan^ Ovid., Persius., Plioe-
dnis., Plmius hin.., Propertiiis^ (luintilian., Seneca^ Tacilus.,
Terentius ., Tibull und Licius. llcc. hat bis jetzt nur den YirgU
gesehen , und muss daher sein Urtlieil auf diesen beschränken.
Die von Hrn. Pottier besorgte Ausgabe des Virgil enthält
eine Französisch geschriebene Vorrede luul ein in derselben Spra-
che abgefasstes Leben Virgils, (zusammen XVI S.) ausser Virgils
ächten Werken den Culex, Ciris, Copa, Moretiun und die ver-
schiedenen versificirten Argumenta. Hierauf folgen im zweyten
Bande von S. 259 — 312 die Collationen des Cod. Mediceus, der
bekannten alten Handschriften [der \aticanbibliothek No. 3225,
1631 u. 3865 und Varianten aus 15 Codd. der Königl. Bibliothek
zu Paris, worunter der Angabe nach (eine nähere Beschreibung
ist bey keinem beygefügt) eine aus dem 9ten, fünf aus dem lOten,
Virgillus. Ed. Potticr. Olf
zwey aus dem Uten, zwey aus dem 12ten, vier aus dem ISlen,
iiiul eine ans dem 14teu Jalirliuudert. — Gehen wir zu dem Eiii-
zeliR'H über !
Der ewi^e Couflict des Tadels mit dem Bestehenden und Ge-
leisteten hat von jeher einen grossen, heilsamen Eintluss wie auf
Anderes, so namentlich auch auf die Wissenschaften geäussert.
Freilich hat immer neben der sgig clya^}) auch eine egig aaxrj
hestanden! Doch wie nur das laiidari a landatis einen Werth hat,
so ist auch mir auf das rej)rehendi a landatis atque idoneis Etwas
zu geben. Das Tadelgeschrey aber, welches der kleine 3Iann
gegen den grossen erhebt, findet oft die beste Antwort in dem
bekannten Sprüclnvorte !
Dem Anfange der \ orrede des Ilrn. Puttier zufolge geht es
öfters in der litterarischen A\elt, Mie in der politischen: „3Iän-
ner, begabt mit einer gewissen Feinheit und Characterstärke,
stellen sich unter dem Schutze glücklicher Umstände an die Spitze
der Schriftsteller"'' etc. (?Snn so behüte uns Gott wenigstens vor
einem litterarischen Uobespierre !) Ein solcher Usurpator, Em-
porkömmling, oder wie man ihn sonst nennen mag, Ui Ileyne^
dem es, nach Hrn. Po^//er, so ziemlich an Allem abgeht, was
man von einem Herausgeber des \irgil verlangt, an Klarheit, an
Kenntniss der Sprache, an tieferem Eindringen in den Schrift-
steller, an poetischem Sinne, an AVärme des Gefühles imd an
Geschmack. (Versteht unter Letzterem l\r. Pott/er etwa jene be-
kaimte geckenhafte Süsslichkeit und Empfmdeley, die an einem
schönen Ausdrucke, wie das Kind am Flitterstaate seiner Puppe,
sich ergötzt'?) .,Docli freilich dieExcurse, die sind sehr gelehrt!'-''
(Hat sie JIr. Potticr etwa nicht gelesen"? Ja, ja, so ist's! man
liöre das uai\e Geständniss pag. Y: „aufrichtig gesagt, wie viele
liaben wohl den 3Iuth gehabt, diese Excurse ganz zu lesen'?'-'')
,, >och JNiemand,'"' sagt llr. Pottier in Bezug auf dieExcurse,
„hat eine so tiefe Kenntniss des Griedt. und Köm. Alterthums ge-
habt.'-^ ist deini Hr. /V//cv nicht bisweilen bey der Leetüre des
Heyn. Mrgils auf die jNamen von 31ännern, wie eines Lipsius^
Just. Svdli^cr., Sdlinasius ., Jo. Fr. Grouov gestossen"? J\ eue-
rer nicht zu gedenken. Aber wie kann man sich eine so gründ-
liche Einsicht, wie hier JIr. Pottier an Heyne n rühmt, erwerben,
ohne bedeutende Sprachkenntnisse, ohne jenes genaue Erfassen
aller Eigenthümlichkeiten, welches namentlich den Geschmack
bedingt, welchen er //e^?^e'w abspricht'? „Doch,'-'' fährt Hr. Po^-
tier fort, „diese immense Gelehrsamkeit ist sie Jemandem nütz-
lich, als einer kleinen Anzahl >on Gelehrten'?"'' Ei, da hätte Hr.
Pottier an die Aensserung des Dichters Antimachus »lenken sol-
len, dem Ein Plato so ^iel werth war, als ^iele 'J'ausende Zuhö-
rer; aber Hr. Po///V-/- will lieber ug dito räv TtoD.ihv seyn. „Vlr-
gil und Uacine sind nah verwandte Seelen;'-'' sagt llr. Pottier wei-
ter; ^..welcher gebildete Mann in Frankreich würde
Jahrb il.I'liil.u.J'äflng. Jahr;,'.}, /l'ft.l. ^
98 Römische L 1 1 1 e r a t u r.
sich wohl entschfiess e/i^ etfien äh7ilichen Comnien-
iar zu Racine zu schreiben., wie llcyne's Kscurse
zu 711 Virgil?'-'- Wiv cuis;epwn^ >\ie billig: Welcher gesclieidte
Mann in der ganzen AVeit kaiui eine so abg^eschmackte Verglci-
chung anstellen'? Aber Hrn. Poltier geht ja die Bedingung alles
Geschmackes , ja vielleicht aller Befähigung zu gelelirter Schrift-
stellerey ab; denn er vermag ISiclits gehörig zu unterscheiden.
Das haben wir bey seiner verunglückten Zusammenstellung politi-
scher und litterarischer Tonangeber gesehen; das zeigt sich in
der Versicherung, Heyne habe seinen Vorgänger Heinsins durch
seine Ausgabe in Vergessenheit gebracht; das erhellt aus dem
Urtheile, die Burmaniische Atisgabc scheine mehr zum Ver-
ständnisse des Textes behiilllich zu seyn, als die Heyne" sehe ; das
leuclitet aus dem so kurzen, und doch so schlecht geschriebenen
Leben Virgils hervor; das spricht sich pag. XIV in dem Bedauern
aus , dass Virgil zu Anlange der Georgica beym Lobe des Augu-
stus den Mund so voll genommen habe; freilich musste eine sol-
clie heidnische Vergötterung gegen den guten Französisclien Ge-
schmack des christlichen Ilrn.Pof/ «er sehr Verstössen! Dass übri-
gens die Ausgabe des Franzosen Ruaeus in vorzüglichem Sinne
classisch ist, versteht sicli von selbst.
„Aber,'*- fragt man, „Hr. Pottier wird wohl durch eigne
Proben von Gelehrsamkeit seine Befähigung zu so strengem Ur-
theile beurkundet haben*? '•'• Das hat Hr. Pottier fein bleiben las-'
sen. Indess erfaln-en wir v on ihm , dass der ältere Burmann der
Vater , der jüngere der Sohn ist , und dass Wernsdorf s Poctae
Lat. min. zu Augsburg herausgekommen sind; eine Stadt, welche
freilich öfter in den Französ. Bulletins vorkam, als Altenburg.
Der Text ist im Ganzen nach Heyne abgedruckt, jedoch mit
Vermeidung der von Heinsins eingeführten altern Schreibart. Hr.
Pottier sagt, Heyne habe nicht den Muth gehabt., sie zu
verlassen; Hr. Pottier hatte die Courage, diesen grossen Schritt
zu wagen! Rec. hat nicht das Geringste dagegen; nur fordert er
strenge Consequenz ; dann ist aber seiner Ueberzeugung nach das
Eine so schwer, als das Andre; und so finden wir Hrn. Po^f /er
nur in der leichtesten Sache consequent, indem er die ältere
Form des Accus. III declinat. stets in — es verwandelt. Doch hat
er öfters auch den Text nach eigner Wahl verändert, und diese
Aenderimgen in dem am Ende des 2tenBds. beygeiugten Varian-
tenverzeichnisse durch, freilich nicht immer leuchtende , Sterne
ausgezeichnet. Gründe für diese Abweichungen sind nicht ange-
führt: avtog e<pa.
Nun aber die Collationen! Wir fangen mit den Pariser Codd.
an; hier das Resultat, welches sich aus den Vergleiclmngen zu
den Bucolicis , den Georgicis und den ersten 6 Büchern der Ae-
neis ergiebt: Georg.!, 174: curs?fs., (2,3, wobey zu bemer-
ken, dass die Bezeichnung durch Zahlen nach dem angeblichen
Virgiliufl. Ed. Pottier. 99
Alter der Codd. sich richtet; der älteste ist mit No.l, der jüng-
ste mit INo. 15 bezeichnet) wie ein Gelehrter bey Murtyn ver-
muthete. Statt currua. II, 219: viridis^ (3) wie Faber
wollte. Statt r //•/(//. 111, 3(i7: iiingil (]]) St. ninguit;
jene Form steht ohne ZweilVl auch in andern Codd. , ist aber, als
zu unbedeutend, wahrscheinlich nicht bemerkt Morden; da aber
llv.PoUier selbst Michtiiiere Abweichungen dieser Art sonst nicht
anluhrt, so muss man annehmen, er sey diess 3Ial durch das
miiigit des Cod. Franc, dazu veranlasst worden. Acn. I, 030:
diei\^^ 4) St. die oder dii\ iVblerbal't; die Lesarten der ein-
zelnen ('odd. sind beyy/(///A'/V/6iiiclitanirei;eben. 11,24:: lilorc (2)
St. in liture. IV, 04: impciiso (I, S) St. i nceiisiim; wenn
es nicht Druckfehler ist und impciisc heissen soll, was bey Ser-
vius steht, ib. Vi'i: soluin (2, 8) eine lehlerhafte, auch schon
aus 31acrobius bekannte Lesart, ib. 230: Lavinia (], 2, 3, 4)
Statt des richtigen et Lavinia. ib. 312: set Troia (1) St.
et Troia. ib,^443 : alt am (1) fehlerhaft Statt fl/i!eoder«/-
tae. ib. 094: ?// ce;ir///e (1 ) fehlerhaft Statt impellite. ib.
680: tenebat {1) St. fo ve bat. V, 38: C/imis o {10) Statt
des Aon Hrn. Puttier aufgenommenen Criniso. ib. 1]0: Pri-
strim (1,7,10) St. Pristim. VI, 120: Avernis (11,12) St.
Averno. ib. 209: do?nns (3, 8) St. do?nos; bisher das ein-
zige Mal , wo IIi*. Pottier ohne besondre Veranlassung nachgese-
hen zu haben scheint, ib. 840: Achillis (.2) St. Achilii. —
Der ganze Gewinn, welchen Ilec. aus diesen Vergleichungen zog,
bescluänkt sich fast einzig auf die Befestigung seiner längst ge-
liegten Ueberzeugung, dass \o\\ Collationen noch unverglichener
Handschriften äusserst wenig Ausbeute mehr fiir die Verbesse-
rung der Gedichte Virgils zu erwarten sey. Wie bereits angedeu-
tet, so hat Uv. Pottier last niemals die Handschriften verglichen,
als wenn er durch die in den Ausgaben verzeichneten Varianten
darauf geführt M^ude. 3Ian findet aber häufig Stellen von 30,
40, 50 und 00 Versen, wo keine einzige Variante aus ehiem Pa-
riser Codex angeführt ist. Wie kann also Hr. Pottier sagen, er
habe sie mit Sorgfalt verglichen! seine Arbeit ist ja ganz ver-
geblich!
Die Collation der oben genannten Italiänischen Handschrif-
ten ist eine Abschrift des bereits Bekannten. Wir nehmen den
\oi\ Fogf^ini besorgten Abdruck des JMediceus zur Hand, um auch
hier, und zwar am 3tcn liuche der Aeneide, die Sorgfalt des
Hrn. Pottier zu prüfen. 1) Auslassungen: vs. 5: divum und öf-
ter. 27: arbo.s. 120: Donysam. 258: pinnis und öfter.
335: whd ImMedic. das f/7ie an Chaoniamque Aon der zwey-
tenHand als unächt bezeichnet. 303: religio., ab alt. m. relii-
§io. 400: Saleiitinos. 534: aspurgine. 530: « a m. pr.
«6 a sec. 059: manu a pi'. m. manum a sec. 003: fluin-
du?n. C(i5: fluctu a m. sec. 070: dextrum^ a m. sec. dex-
7*
100 R ii m i s c h e L i 1 1 e r a t u r.
tra. TOI: Camerinn. Doch hätte, wollte Rec. es strenger
nehmen , noch nianclies liinziigelVigt Averden können. 2) Falsche
Angaben: vs. 75: arquilcncns^ juclit arguitenens. 76:
Myconoe^ nicht Myconae. 105: Oenotriy^ a m. sec. Oe-
notrii^ nicht Aenolrii. 2C«J: et patei\, am. sec. at pa-
ter. 341: et qua., nicht ecqua. 435: proque.^ \\\c\it prae-
qiie. 530: crebrescunt., nicht er ebescutit. 503: i'emis
ventis qii e a. m. sec. 000: spe?abile., wo aher Fogg. aus-
drücklich die Aenderung von e in /bemerkt. 627: tepidi a ra.
sec. 632: hat auch Medic. //WÄ^r«. 701: ä/c, nicht ä/wc.
Gerade da, wo man es vorziiglich gewünscht hätte, zu den
imächten Gedichten, welche Hr. Pottler aufgenommen, hat es
ihm nicht gefallen, die Pariser Codd. zu benutzen. ludess auch
das haben uir nicht zu beklagen, da Ilr. Dr. Sillig sie vergli-
chen hat.
Schlüsslich aber darf Reo. dem Verleger das wolil verdiente
Lob rücksichtlich der P^leganz, mit welcher diese Ausgabe ge-
druckt ist, und des verhältnissmässig äusserst billigen Preises,
nicht vorenthalten. Der herrliche Didot'sche Druck nimmt sich
auf dem schönen Velin vortrefflich aus ; und der Nettopreis , wo-
für das Buch an Ort und Stelle für den Rec. gekauft wurde , be-
trug 3 Thlr. 3 Gr. Preussisch.
Philipp Wagner,
1) P. Ovidii Nasonis Opera Om?iia e recenslone F. Bur-
manni curavit indicesque reriim et verl)oriira philologicos adjecit
Chr. Gull. MltschcrUch. YA'it. 2. Göttingen bey Dietrich. 1819. II
Tomi. XVI, 56« und 548 S. 8. 2 Thh-. 16 Gr.
2) P. Ovidii JVasonis quae stiper sunt. Ad optlmorum
libroruni fidein accurate cdita. Ciiravlt Ant. Richter. Editio stereo-
tjpa. Leipzig bey Tauchnitz. 1825. III Tomi. 338, 360 und 396 S.
12. ITlür. 12 Gr.
▼ ▼ ir verbinden hier die Beurtheilung zweier Ausgaben des Ond,
von denen die erstgenannte allerdings schon vor längerer Zeit er-
schienen und so bekannt ist, dass sie einer Anzeige in diesen Blät-
tern nicht mehr bedarf. Auch wollen wir uns nicht damit ent-
schuldigen, dass diese Ausgabe, soviel wir wissen, noch in kei-
ner kritischen Zeitschrift ausführlich beurtheilt worden ist. Aber
sie ist die Mutter einiger andern Ausgaben des Dichters gewor-
den, deren Text man nicht beurtheilcn kann, ohne zugleich Hrn.
Mitscherlicli s Textesrecension zu bcurtheilen. Diess ist auch bei
der genannten Ausgabe \o\\ Richter der Fall, die fast ohne die
geringste Aenderung aus jeuer geflossen ist, luid bei der man
Ovidius. Kdil. M i ts i h er ü «;h et Kiohtcr. 101
umvillkViliilicli an tlle Woi(e des Iloraz denkt: latidatnr siinili
piole piierpera. Vin mm dem Kinde die ilun anliangendeii Mut-
ternialdc nicht mit ünreclit znm Vorwurf zu maclien, oder es
dnrch unverdientes Loh der durch die Gehurt iiherkommenen Tu-
genden zum Errötlieu zu l)riniren, landen wir für ^ut, zunächst
die Tugenden und Fehler der Mutler aufzuzählen, weil sich dann
am hesslen ergehen wird, was der Tocliter mit Recht zum Lohe
oder Tadel gereicht.
Die Ausgahe >on Mitsdicrlich crsclücn zuerst, chenfalis in
zwei Bänden, Göttingen 179(5 und 1708, und sollte weiter nichts
als eine hecjueme llundausgahe se>n, „quae (wie es in der Vor-
rede S. IX heisst) optimc huic responderet consilio, quo et tiro-
nes quoddam uanciscerentur adjumentum, et provecliorum, qui
proprio Marie legendum poetam aggrederenlur, desideriis pro-
spiceretur, omniiio aulem curti studiosorum ])eculii ratio liabe-
relur.'"^ Sie gab zwar, wie die zweite AuHage, ausser einer Vor-
rede luid einigen Testimoniis velerum de 0\idio bloss den Text
des Dichters ohne alle Noten; allein dieser Text zeichnete sich
durch guten und reinen Druck und durch selir lobenswerthe Cor-
rectheit aus. Druckfehler fanden sich nur wenige und waren
aucli meistens selir unbedeutend. Einer der bedeutendsten ist
Ileroid. VllI, 39 j)cnniltit^ den desslialb aucli Werfer fiir eine
verschiedene Lesart ansah. Dire besondere Ausstattung sollte sie
durcli einen hinzukommenden ddtten IJand erhallen, in welcliera
Ilr. M. als adjumentum lironum die Indices rerum et verboruni
d. h. eine nach Art der Ernesti sehen Clavis Ciceroniana einge-
richtete Claris ()\idiana geben wollte. Leider aber ist diese Aus-
stallung bis jetzt nocli nicht fertig geworden, und man muss sich
immer noch in Hinsicht der Worterklärung mit Gottlob. Bened.
Ä(7///Y/r//\sCla\is 0^idiana sive Index philologico-crilicus in üvi-
dinm (Halle, ]7()9. 8) und für mythologische, geograpliisclie und
historische Krläuterungen ausser der Clavis von Peter Miller au
seiner Ausgabe des Ovid (Berlin, ViTil. 8) mit Dorn-Sciffcns
Onomasticon poeticum, inprimis Virgilii, Horalii et OAidii (Ut-
recht, 1808.8) begnügen. In der zweiten Auflage sagt jedoch
Ilr. Jf. am l'Iiide der Vorrede: „Caelenun, quos jam priore edi-
tione promisciamus rerum ac verborum indices, elocutionis poe-
ticae et mylhologiae iuterpreles haud longo hos inlervallo (sieben
Jahre sind freilich scliou seil der Zeit vei-slrichen) snbsequuluros
bona fide s|)ondemus."- Die beiden erscliienenen Bände tles Buchs
sind in Hinsicht des Umfangs und der Seitenzalilen in beiden
Auflagen einander ganz gleich. Auch trat schon die erste mit
dem bescheidenen Titel he^^or: ex recensione P. Bunnannk
Um so angenehmer fand nian sicli überrascht, wenn man ans der
Vorrede ersähe, dass Hr. M. auch für eine sorgfältige und nach
bestimmten Regeln durchgeführte Inlerpunction gesorgt zu haben
versicherte, und dass er aucli im Texte mehrmals von Burmaim
102 Römische Littcratur.
abgewichen war. Ueber den letztern Gegenstand bemerkt er fol-
gendes: „Describendum operi [operis'?] exemphnn dediinns, ad
Burmanni editionem accurate emendatum castigatumqiie, neque
quidquam in textn mutare snstinuimns, nisi ubi ffravissiniae caus-
sae intercedeixMit, quae receptam a Bnrmanno lectioiiem imnui-
tandam snaderent, elflagitarentqne. Substitit tarnen haec oinnis
opera in reducenda antiqna, quae Codd. auctoritate suffulciretur,
lectione, ablleinsio, cujus tuniultuariain lere omnem, quan^0^i-
dio caeterisque poetis iinpendit, opcram fuisse constat, aut a
Burmanno vel satis levi vel sola hac interdum de caussa expxmcta,
iit commentis suis, quibus poetam comtiorem redderent scilicet,
lociira facerent Neque aliorum Virorum doctorum conje-
cturas admittendas censuimus , etsi quaedam in iis sint , quae jn-
stam satis probabilitatis prae se ferant speciem.''- Fand man auch
im Texte diese angegebenen Grundsätze nicht ganz consequent
durchgeführt ( denn es sind noch jetzt gar viele comnienta Ilcinsil
et Burmanni in demselben befindlich), so waren doch, besonders
in den Ileroiden, eine Menge von Stellen geändert, und man Mar
damit um so eher zufrieden , da der Titel ja gar nichts der Art
versprach und man aucli den meisten von Hrn. M. gemachten
Aenderungen sehie Zustimmung nicht versagen koimte. Das Buch
war unbedingt dicbesste Handausgabe der gesammten Werke des
Dichters. Daher war es kein Wunder, dass mehrere Schulaus-
gaben Mit sehe rlk'lis Text zur Grundlage des ihrigen machten.
Besonders Mar diess bei den Tanchnltzer Stereoivpausgaben
(Leipzig, 1812, 1815 und 1820) der Fall, die, obgleich wört-
lich ans jener abgedruckt, doch ilire Abstammung sorgfältig zu
verbergen suchten. Desshalb Hessen sie nicht nur die Vorrede
und die Testimonia vcterum weg, sondern führten auch auf dem
Titel die sehr vornehm klingende Firma : Ad optimorum libro-
riim fidem accurate edita. Am meisten ist der dritten Ausgabe
(1820) dieses Verbergen der Abstammung dadurch geglückt, dass
sie den Mit scher lidischen Text durch eine recht zahlreiclie
Menge von Druckfehlern verdeckte. Wir bemerken bloss , dass
in den Metamorpliosen nach oberflächliclier Zählung das erste
Buch 11, das zweite 14, das dritte 13, das vierte ebensoviel
bedeutende Druckfehler hat ; dass im zweiten Buch der Tristieii
der Vers 282 ganz fehlt, und dass Heroid. III, 21 die Bwseis in
Bezug auf ihre Ueberliefernng an den Agamemnon, statt data
sim^ qiiia danda fiii^ zum Achilles sagt: data sim^ quia bland a
fni. Auch ist diese Ausgabe nur im ersten Bande aus der ersten
Auflage von Mitscherlich geflossen, und der zweite und dritte
Band sind aus der zweiten abgedruckt.
In dieser zweiten Auflage hat Hr. Mitsch. seine Regeln der
Textesbehandlung etwas abgeändert, und über sein Verfahren
folgendes bemerkt: „Inprimis id egimus, ut, quas plurimorum
Codd. auctoritate suffnltas >ideremus lectiones, cas aliis, etsi
O vidi US. Kdtl. >Ii t seh t-r lieh et Richter. lOS
paiillo qiiacsitioribus, scd iiuiiis laiitiiin al(oriii!«i\e Codicis fide sta-
bililis, praelerrcmus, cum (|uod paiiiin proljabilc Aldfrctiir, poe-
tarn ([iiac'sitiorcs l'orinulas kxjiR-iuli s( mpur a((|iK; fliain ihi sfqiiu-
liiin, iil)i ma^is propriis a(qiic iiionialis deriing;! deerbat; tum
(|uod nova liac excmplarium discrcpautia taedii molfstiae(|ut! |)lus
quam utilitatis poetac Icctioni uiltTrclur. In locis aulem \cl plane
luendosis, vel s:ra\i lucudi suspicioiic laboraiitibus. si «|uac ma^na
^cri specie blaudientia {/ics : blaudieutia] a V \. DI), allata depre-
hondcrcmus, in coiitcxtiim illa Jiaud cniictaiiter rccepimus; rcli-
iiiosius contra vcrs^ti in lis, quac ni'cdum ocrtam ac fidain jnedc-
lam cxpcrti essent ; in quibus satius Iiabuinuis, Codd. lectionem,
»lUinuiue d('pra>atani, repracscntave, quam inu'hendis temerarüs
opinationibus veritati omncm adituju pi-aecludcre. — — Multo
limidiores fuimus iii vcrsibus climinandi^i., qui meminissemus, rem
admodum lubricam esse ac fallacom in eo pocta, qui, judicii seve-
rioris subinde impatiens, ingenii sui evuberantiac niniis obsequa-
tur, ac [sie!] iit Seauii apud Senccam verbis utar, dcsinere ne-
seiat*^ etc. Dieser Abänderung seiner Grundsätze scliieiben wir
es zu, dass er in dieser Aufla£:e eine bedeutende Zahl der IViilier
in den Text genommenen Aenderungen wieder verwarf, und die
Burmann sehe oder eine andere Lesart dafiir aufnahm. Dagegen
änderte er in >ielen andern, friiher unberiiiirten Stellen den
ßunnanu' sehen Text, so dass die zweite Aullage sieh sehr we-
sentlich ^on der ersten unterscheidet. Am meisten ist in den
Herolden gethan worden. Diese hatte Hr. M. schon in der ersten
Aullage vorzugsweise behandelt, und in der zweiten hat er da-
bei die treffliche Ausgabe derselben aou i'un Lcnnep (Amster-
dam, 1809 u. 1812- 8. \ev^l.Hand in der Jenaischen Liter.Zeii.
]814 St. 15 ff.) benutzt. Melirere Stellen derselben sind auch,
obgleich der Ilr. Ilerausg. darüber schweigt, aus ff erfers Lecti-
onibus in Ovidii Ileroidas (in den Actt. iMonac. I, 4 S. 195 ff.) ge-
ändert und verbessert worden.
Um eine Üebersiclit des in diesen Briefen Geleisteten zu ge-
ben, \\ ollen wiv hier die in beiden Auflagen gemachten Aenderun-
gen, wo nicht alle doch die meisten, auilTihren und kurz be-
leuchten. Der Kiirze wegen soll dabei die erste Auflage durch I,
die zweite durch II, beide durch I, II bezeichnet werden. Epist.
I, 83 ist in II mit Recht auf Lenneps Veranlassung nach oportet
das Colon gesetzt, das in I nach Pc//e'/o;;e steht. Kpist. II, »J und 5
geben I, II aus den llandschrr. richtig seinel und folo statt (jiuiler
und pleno ^ was Burnmnn aus spitzfüudigen Grinulen aufnahm.
II, J7 hat I ul ta^ scelerale ^ vuleres ^ sunt prece etc., was <lie
meisten und bessten llandschrr. bestätigen, ßiuntann, der nicht
daran dachte, dass der Ablativ j'ocis zur ()rlsl)ezeiclmung diene,
nahm an der Formel /^/-ece devcncruri focis Anstoss, und schrieb
prote^ scelerale^ rof^avi^ Cum j)rece nie. Ihm folgte ive//«e/>,
und desshalb stellte autli Mltsch. in 11 diese Lesart wieder lier.
104 Romischo Littcratur.
Epist. II, 56liatI^oc, II haec. Beides ist Lateinisch und die
Auctorität derHandsclirr. stellt ziemlich gleich. Das Letztere ver-
theidigt JVerfer S. 504. *) Das Ersterc aber scheint schwerere
Lesart zu seyn und dem Sprachgebrauche des Dichters mehr zu
entsprechen. AVoUte aber Hr. M. einmal haec vorziehen, so
musste er derConsequenz wegen auch III, 8 haec schreiben, und
vielleicht auch I, 48, Rem. Am. 10 und 84 nebst andern Stellen
ändern. DerHandsclirr. wegen hätten wir auch Epist. II, S2ferar
beibehalten. Allein Hr. iU. schrieb in U feror auf/fer/er's (8.534)
Veranlassung. Epist. II, 148 geben I, li ipsa^ was allerdings
einen schärfern Gegensatz als i'lla bildet. Jedoch hat iUa die kri-
tische Auctorität für sich , und üle — ille ist in der Bedeutung
der eine — der andere bey Ovid sehr häufig. Epist. III , 25 ist
I, II Nee statt Non aus wenig Handschr. aufgenommen, was wir
in jener Stelle fiir sehr anstössig halten. Dagegen ist III, 40 in
I, II negas st. neges gewiss richtig. Auch wollen wir nicht wi-
derstreiten, wenn III, 47 und 49 in I, II ego nach F?W/ gestri-
chen ist, da nur 2 Ilandschrr. dasselbe bieten. Die Lesart erit
aber Epist. III, 18 in I, II ist nur Verbesserung des Druckfeh-
lers erat hei Bur mann. Epist. III, llß empfiehlt sich Jioxfjue
in I, II statt voa:que durch Sinn und Ilandschrr. als das Bessere.
Eben so III, 149 At., welches II (statt Ah) mit Len7iep giebt.
Richtig ist geAviss auch in I , II Epist. IV , 176 et statt der Con-
jectur ß^, V, 41 paratast. peracta., VI, 4Sfurti/n st. ßirfo iiml
Vlo Legat OS st. Legatis., VII, ICH) damni si. damnis ., XV, 89
conspiciat und conspicit st. conspicias und conspicis ., XVIII, 151
Andromeden st. Andromedan und 190 tum st. tunc , XIX , 81
sonaiites st. tonantes und 183 mergiintur st. vincunlur und XX,
19 erat statt erant aufgenommen. Richtig steht gewiss auch
X\III, 135 in I, II aus einer Handschr. iter ^ ante., da iterare
ohne Sinn ist. Eher würden wir XXI, 134 gegen deam in I, II
streiten, wenn wir nur wüssten, ob Burmaniis deum nicht blosse
Conjcctur sey. Dass XII, 144 vox haec statt vox est in I, II ge-
schrieben ist , wollen wir nicht verdammen , da zwei der bessten
Codd. für dieses haec stimmen. Indess fragt es sich, ob es nicht
aus dem folgenden hoc entstanden ist. Die XIII , CO aber mit
Heinsius I, II aufgenommene Lesart quotaciinque ist im Cod.
Putean. bloss als Variante angeführt, und Burmann behielt ge-
wiss mit Recht quotaquaeque als Lesart aller Handschriften bei.
IV, 37 steht in I mutor aus 4, in II nitor aus 2 Handschriften.
Das Richtige ist auf jeden Fall mittor .^ acpis^aL, was Baumgar-
♦) Wir übergehen hier mit Fleiss andere Gelehrte , die auch für
die eine oder andere Lesart stimmten, und führen nur diejenigen an,
Mclohe llr. Milsch. berücksichtigt hat. Sonst müssten z. B. auch Fr.
Ilcusingcr und Hand al« Vcrtheidiger der Lesart haec genannt werden.
Oviclius. Edd. Mi t s chcrlic h et Richter, 105
ten-Crusiiis gut vertheidiiil hat. IV, 4(5 s\vhi II mitUccIit nach
Lenueps ^oiit fit^acis st. sequacis. I\iclit niiiiilcr billigen w'iv in
derselbeu \I, 51 mea nach Werfer S. 54(> st. 7nala^ und 140
qnaeUbet iiacli Leu. st. qnmnUbct^ IX, 10 taiüa nacli Jj. st. /«////,
20 vcn'uint nadi //'. S. 5:J4 st. veniant^ 5S referatiir nacl» /F. S.
550 st. praefcrtnr und 111 ro.s//.s nacli />. und f'/. S. 544 st. co-
i/r/s, \hiVt froiidibus nach //". '^Si^yA: ^i. frtigibns^ XII, 53 /v/«o
nach //'. S. 557 st. //////r (was aber keineswegs, wie Jf'erfer meint,
dem Sinne widerstreitet), und XX, 183 patiiintiir nach Jv.und W.
S. 510 st. patiaiitur. Viel Walirscheinliclikeit haben auch für
sich die in II gemacliten Aenderungen Kpist. XIII, 83 Furtius üle
po/est muJto^ quam pugnat^ Omare [die > on Werfer S. 510 und
LeiuK'p gebilligte Lesart der Puteanischen Handschrift] statt y;©^-
c\s/, miiUo cum piignat amore\\\\ odiiv polest mullo^ cum pugnat
umore Wy ßurmann; X\ I, W oportuil [M/cijirs Aon f^erfer
S. 500 gebilligte Conjectur] st. oporteat und XX, 36 Teqne^ peti
caveas tu licet ^ zisque petom [eine >on //e/;«/«s vorgeschlagene
Aenderung, welche Werfer S. 504 fiir richtig erklärte] st, Teque
j)eta?n, caveas tu licet ipsa peti. Am meisten Zweifel erregt
noch die letzte Stelle, wo die meisten Handschrr. am Ende des
Verses ipse petam geben. Daher las Fr. Heusinger : Teque pe-
tam. Caveas tu. licet: ipse petam was wir fiir richtiger halten,
ausser dass wir für ipse aus zwei Handschrr. iisque schreiben
möchten. Dagegen steht Epist, IV, 122 in 1 mit Kecht ein Frag-
zeichen nach nothus., und wir seilen nicht ab , warum II mit Len-
nep ein Punctum giebt. Auch können wir uns nicht ganz mit der
IV, 150 in 11 nach Werfer S. 520 aufgenommenen DrakeiiborcK-
scheii Interpunction — Hen ! nbi mmcfastus altaque verba'^ ja-
cent. — befreunden. Sie giebt der Stelle zu sehr ein rheto-
risches Gepräge, und die Vulgate — Heu nbi minc, jastus altaque
verbajacent'i — ist so einfach und ansprechend, dass wir sie auch
ohne 7vc/?//ey>'s Vertheidigung vorgezogen hätten. J>lit Kecht auch
schrieb Hr. M. in I Kpist. V, 05 suadeat aus den meisten und V,
147 medendi aus allen Handschriften. Aulfallend ist es daher,
dass in II nach Burmann wieder censeat ui\A medenti steht, Dass
Epist. V, 152 die I enostro die II a nostro bietet, lässt sich durch
das Schwanken der Handschrr. cntsclndiligcn, aber si(;lierer würde
die Entscheidung ausgefallen seyn, wenn Stellen wie X, 10, wo
I. II c somno haben, beachtet worden wären. Epist. VI, 3 nahm
ßurmann nach J)ouzds Conjectur und aus der Leiiluer Haudschr.
ipsum auf. Hr. M., dem wahrscheinlich der Accusaliv hoc ipsum
bey certior esse anstössig war, schrieb in I, II nach Heinsius Acn-
derung ipsa., worin wir keinen recht passenden Sinn linden. War-
um nahm er nit:lit die Vulgate ipso auf, auf welche schon ^?/r-
inann aufmerksam ma<hle, nur dass er i.W\\. Ablativ koc ipso mit-
telst einer Ellipse erklären wollte'? Kben so wenig kaim Kecens.
\ 11, 21 die ia 11 sich findende Conjectur Lenueps., di st. te., bil-
106 Römische LIttcrntur.
li^en. Auffalleiul ist freilich die Formel vota aliquem morantur^
aber in solern richtig, in wiefern man hei diesen votis an die ver-
zöiicrte Erfnihnig der Wünsche zu denken hat. So i'asste sie
schon Cr /'s pirms auf ^ welcher die Stelle so umschreibt : Quam-
quam iiuila sit mora^ quin omnia^ quae optaceris^ eveniant.
Sind aber diese AVorte demungeachtet noch manchem anstössig,
so diirfte rathsamer seyn, te tuafata viorentur zu schreiben, was
die erste Gothaische und vierte Wolfenbüttler Handschr. geben
und worauf die Variante /«c^ß fiihrt. Mit Recht aber hat der Hr.
Ilcrausg. VII, 33 in II auf Lenneps Veranlassung die in I befind-
liche Conjectur i??f;•ma«/^'s , Atque statt Aut ., wieder verbannt.
Das Aut ist allerdings nicht ohne Schwierigkeiten, allein schon
Heinsius Jiattc den Zusaramenliang der Stelle angedeutet, und
Eichhojf hat sie richtig Vlbersetzt und erklärt. Dagegen ist von
Hrn. M. die in I gebilligte Lesart in andexn Stellen mit Unrecht
wieder ver\\ orfen worden. Dahin gehöx't VII, 40 , wo I mit fast
allen Ilandschrr. Q,uo^ II aus der interpolirten Hdschr. desStrozza
quod mit Burmann giebt , w as keineswegs eleganter ist. \ H, 54
liat II nach Burmann aus 2 Hdschrr. quaui male^ I mit den übri-
gen tam male. IX, 18 hatfulsit in I die Handschrr. für sich, und
der Zusammenhang verlangt das Perfectum. Demungeachtet
ist II mit Burmann fulcit geschrieben. Dieselbe Ausgabe bietet
nach Burmann VIII, 33 promiserit aus einer , IX, 83 Eximias
pompas aus einer, X, 120 digitus aus zwei, XI, 125 vulnera aus
zwei, mid XI\ , 42 dederant aus wenigen Handschrr., obgleich in
1 mit Fug und Wo^chi promherat ^ EsimUs pompis^ digitis^ vul-
nere und dederam hergestellt worden waren. Durcli Heinsius
liess sich der Hr. Hei-ausg. verführen X, 96 rahidis und XIII, 43
Dyspari in II zu schreiben, wo 1 rapidis und Dtfx Pari mit Bur-
manti giebt. Nach jenem hatte er auch XIV, 22 in I Ultima pars
noctis primaque lucis erat vorgezogen, aber in II ist Burmatins
Lesart — Ultima pars lucis primaque noctis erat — wieder auf-
genommen. Rückkehr zu Burmann findet sich in II nach Len-
neps und Werfer'' s (S. 547) Vorschrift auch VII, 85 Haec mihi
narraras : nee me mot^ere : merentem nre. In I stand : at ine
movere Tnerentem. lila etc., was allerdings die Vulgate ist, aber
keinen Sinn giebt. Das naclilässige Aufzälden der Varianten bei
Heinsius macht die Entsclieidung der Stelle ungewiss. Irren w ir
aber nicht, so liaben alle Handschrr. at (wenigstens steht diess in
allen von Heusinger ^ Kuinöl^ Wiedeburg luid von uns vergliche-
nen) und nee hat wenig oder keine Auctorität für sich. Für lila
bieten andere Handschriften Inde^ Unde^ T ive^ Jure ; die Pu-
teanische Ure. Daher schreiben wir die Stelle so:
Haec mihi narraras. At me movere? — Merentem
Ure : minor culpa poena fatura mea est.
Eben so verbesserte die Stelle schon Fr. Heusinger .^ ausser dass
er a)t statt at schrieb. Epist. Vll, Wi giebt II mit Burmann
O V i (1 i u 3. Edd. M i t s c Ii c r 1 i c h et Richter. 107
jjraehchiinvs ultra. Die erste Iiat iiiistreitiir richtiger deöebimus
nitro. Den Haudsclirr. nach sclieint mit A\eri'er S. 510 tlebebi-
mus ultra ^esclniehen >veitk'ii zu miisscn. Praebebiinns steht
bloss in der werthhVsen Ilandschr. des Douza^ und sclieint eine
Krklärmis: des dcbcbimus zu sevn. Von Burmann Mich I ab
Epist. VII, 1.'j2 Inline locn rv^is sccptra surr ata tene ^ uofiir II
auf /Aer/V'/Ä (S. öOO) \eranlassuii!r mit jenem lies't: Hanvqne.,
locnni re^ni. sccptraque sacra tene. Der Ilandschrr. wegen müs-
sen wir uns auch liier für die erstere Lesart entscheiden, wiewolil
Mir nicht bergen dass sccptraque sacra in sehr Aieien Ilandschrr.
steht, und dass In loco regis \ms auch nicht sonderlich gefallen
\nll. ]Vnr kommt uns hancque noch anstössiger vor und regni
ist reine Conjectnr. Soll etAvas geändert werden, so dürfte ein-
facher sevn: Hirqne locuni rcgis sceplraque sacra tcne. Locuni
bieten die üarberinische, \ ossischc und dritte Wollenbüttler
Ilaiulsehr. und Hicqiie hat die erste Gothaer. Dass Kpist. I\, 1,
in II mit Rnrm. nostris geschrieben ist, Mofür I mit Heinsiiis das
kritisch nicht genug begründete vcstris gab, ist sehr zu billigen.
DasNehmliche gilt XY, 213, mo I aus Menig Ilandschrr. ^j/Y/es^e/,
aber II mit Burmann Mieder praestat giebt. S. Werfer S. 506.
Mcht so Epist. IX, 20, wo fast alle Ilandschrr. Si cunmlas stu-
pri facta prior a nota geben, Mas Mir für die Mahre Lesart hal-
ten, ob Mir gleich wissen, dass Fr. Heusinger sagt: „Vocabulo
st u pr i iwiWus hie est locus. iVon enim stupratam Jolen, sedjugi
ab Jole accepti longe foedius crimen Ilerculi Deianira cxprobrat.*"^
Dass ehelige Untreue für die Deianira eine Hauptsache Mar und
dass sie dieselbe stnpruni neimen konnte , ist Mohl keinem Zwei-
fel unterM orfen ; imd der vorhergehende Yers — (^uid nisi ?ioti-
tia est misero qiiaesita pudori? — zeigt deutlich, dass überhaupt
\o\\ eiuer That die Kede sey, durch Melche die früheren Thateu
geschändet Miirden. Für die Fi-au aber ist es sehr angemessen,
dass sie nicht bloss das jugum Joles Mieder aufnimmt, soiulern
einen nach ihrer Ansicht noch erhöhten Grad der Schandthat er-
Mähnt. Daher bemerkt llurmanu richtig: „infamia et deformia
reddis egregie ante acta, hac nova stupri senilis nota.'"'- Das
Verbum cumulas aber ist selir gew ählt, und nu/culas^ was andere
Hdschrr. geben, ein offenbares Glossem. Diess ist unsere An-
sticht von der Stelle. Ur. M. schrieb in I mit Ifeinsins : Si cu-
vmlas tnrpi facta priora nota. In II scheint ihn ff crf er S. iiGO
fiberredet zu haben, Burmann s Si macula stiipri f. p. notas Mie-
der aufzunehmen, fferfer (S. 5.j2 ) verleitete ihn auch I\, 52
in II aus Menig Ilandschrr. est am Ende des Aerses aufzuneh-
men, und IX, 120 aus einer Ilandschr. (S. 538) Ft venit statt
JUn veuit zu schreiben. ]\ach demselben ist in II Epist. XI, Ol
aus M'enig Ilandschrr. germano (S. 553) st. fratri nani uud \II,
91 aus einem Cod.;K//.v et fraudis (S. ,5.")!)) st. est fraudis gege-
ben. Dieses et liisst sich allerdings durch III, 4 sed tarnen et lu~
108 Römische Litteratur.
crlmae pondera vocis Äa^ew^ vertlieidia^cii ; indess finden wir in
der Yu^ata est keinen Anstoss. Aucli beliiclt llr. M. Epist.
XVIII, 55 dieses est bei , obgleich Werfer dort ebenfalls et vor-
schlug. INothwendig aber hätte er, nacli unserer Ucberzeugung,
Met. IV, 273 est statt et lierstellen sollen. Ob Epist. YII, 92 in
II desselben (S. 547) Conjectur — Nee mihi concubüu fama
sepiilta foret — mit llecht aufgenommen sey, wagen wir nicht
bestimmt zu verneinen. Soviel ist richtig , dass die Vulgate ei-
nen selir schiefen Sinn giebt. Gewiss ist es aber, dass Hr. M.
keinen hinreichenden Grund hatte, Epist. XII das sechste Disti-
clion mit Werfer S. 555 ff. dem siebenden naclizusetzen. Zwar
ist es nicht zu läugnen, dass diese Umstellung einen passenden
Sinn giebt; aber wir sehen die Nothwendigkeit derselben nicht
ein. Die Stelle ist ohne allen Anstoss, ausser dass man «^, was
ohnediess fast alle Ilandschrr. darbieten, statt aiit schreiben muss.
jMedea beklagt sich über das Unglück, dass die Argo nach €ol-
chis gekommen sey nnd dass sie sich durch Jasons Schönheit habe
blenden lassen, ihm beizustehen. Sie konnte nun nach den Wor-
ten Cur mihi plus aequo — fictatuae fortfahren: Cur nonpassa
sum Aesonidem non praem.edicatum ire^ oder: JJtinam Aesotn-
des non praem. isset etc. Dafür aber ändert sie den Gang der
Rede ab, macht durch At einen scharfen Gegensatz zudem Vor-
hergehenden, und ei-zählt w as hätte geschehen sollen, da das Schiff
nun einmal nach Colchis gekommen war. Eichhoß'h^t die Stelle
ganz richtig übersetzt, nnd Hr. M. wird gewiss keine Schwierig-
keiten in ihr finden, sobald er sie etwas genauer ansieht. So wie
nun hier die I über II steht, so ist diess auch der Fall XIII, 15,
wo jene mit den bessern Ilandschrr. abreptaque hat, Avas dem
ganzen Zusammenhange trefflich entspricht. Werfer S. 559 ver-
stand das abrepta ganz falsch ; Avar aber doch die Veranlassung,
dass in II Avieder arreptaque nach Burmann steht. Mit llecht
aber hat sich der Hr. Ilerausg. XV, 103 von Werfer S. 504 be-
stimmen lassen in II Burmmi/ishcsnrt — nectu^ Admoneat quod
te^ pigfius — herzustellen, da er in I ?iec te Admouuit^ quod tu
pignus^ was keinen passenden Sinn giebt, aufgenommen hatte.
Richtiger ist es avoM auch, dass er XV, 83 in II mit Jf'erfer S.
504 und Lenfiep die Conjectur des Heinsius^ artisque mngistra^
vorzog, als dass er in I, nach einer andern Conjectur vonZ/e/z/Avy/s,
artesque magistrae gegeben hatte, Avas, so lange mau im 82sten
\s. mit, demselben Nee schreibt, sehr anstössig ist. Das freilich
fragt sich, ob die ganze Stelle ricbtig ist; nnd diess glaubt Re-
censent verneinen zu müssen. Alle Handschriften nehmlich, in
denen dieser Brief sich befindet , sind auf eine auffallende Weise
interpolirt, und eine Vergleichung der einzelnen Stellen , beson-
ders der Verse 15—20, 33, 49, 57, 113, 134, 102, 109 und
201, lehrt, dass von den jetzt bekannten Handschriften bloss die
von JNaugcrius in der Aldina von 1515 benutzte von solchen Intcipo-
Ovidiiis. Eild. Mits clicrll ch et Richter. 109
InlioiKMi rein gebliehen zu seyn sclicint. Die weitere Auseinaii-
tleisct/unj? dieses (Jo^reiisfamles muss Ueceiis. für einen andern
Ort versparen; hier l)cnierkt er bloss noch, dass nach dieser \or-
aussetznnff die iranze Stelle so ffesclu*iel)en \\erden mnss :
SiL'e ila iiasccnli lcf;ein dixere Sororcs;
Hnec data sunt litoe ßla scvera sitae:
S/re abeunt stndia in mores artesqne viagistrae ;
Ingenium iiubis inolle Thalia facit.
Zwar ist maxist rae blosse Aenderunj^- von Jleinsius^ aher die Les-
art der Hantlschrr., a/trs(/i/e tna^istras^ ist so sinnlos, «lass über
dir Uiclitiffktit der Aendernn^ kaum ein Zweiiel obwalten kann.
Auf diese Weise besteht jedes Distichon aus einem \order- und
jSachsatz, und Sappho stellt zwei Vermuthuni^en auf, warum ihr
Jlerz so weich und reizbar sey, und behauptet, dass nach bei»len
Voraussetziniiren die Sache nicht anders seyn könne. Der Sinn
ist Vibriirens ganz einlach, und wir bemerken nur noch, dass im
SJsten Verse die Construciion ist: Sive studio et artes niagi-
strae (ß. h. artes quae moruni ?nagistrae sunt) abeunt in mores^
und dass wir nicht recht einsehen, warum Jjennep die Formel
artes in mores abeunt hart imd anstössig fand. Beiläufig erwäh-
nen wir, dass nach der erwähnten Ilandschr. des JNaugerius Ys.
I(i9 gesclirieben werden muss :
JSec mora: versus amor fugit lentissima viersi
Pectora; Deucalion igne levatus erat.
wodurch zugleich die von keinem Schriftsteller erwähnte Fabel,
welche nach der aufgenommenen Lesart — versus amor tetigit
lentissima Pyrrhae pectora — vonO^id erzählt werden soll, wie-
der verschwindet. — Dinxh Lennep hat sich Herr M. bewegen
lassen, in II mehrere Conjecturen in den Text zu setzen. Dahin
gehören VllI, 48 NodeWs medios [statt inelius., was Jferfer S. 533
mit Recht vorzieht und Epist. II, 7 damit vergleicht], VIII, 65
dural [eine Conjectur von Heinsius^ »Coen welche Werfer S. 50S
aufgetreten ist. Die Vulgate errat ist wohl mit Recht von Hand
in der .Tenaischen Lit. Zeit. 1814.Nr. IG S. 122 vertheidigt wor-
den], IX, 15 desselben Heinsius tuta [was auch JFcrfer 8.549
nebst vielen Andern billigt. Rec. meint, dass tota nicht angeta-
stet werden dürfe, und dass man nur den Zusammenhang gehörig
zu berücksichtigen und se debere richtig zu erklären brauche, um
jeden Anstoss vei'schwinden zusehen], IX, 120 Lennejis Vor-
schlag, fortunam vultu fassa decente suam st./, vultus f. tegen-
do suos [\ ergl. Krit. Riblioth. 1824, VllI S. 884 und jferfer S.
529 f. Soll einmal das verkürzte Gerundinm tegendo im Ovid
nicht geduldet ^^el•dcn, so dürfte allerdings //c/zz/ey/s Conjectur
die vorzüglichste seyn. Ihr zunächst empfiehlt sich >ielleicht noch
Heusinger'' s Aenderung cidtii f. dec.ente\ XV III, 2 Äes// [Aendc-
rung von //ei'««?'?/«] st. Sesta^ XIX, 195 sub uuroram [von dem-
selben; Mas gar nicht nüthigist, da die Lesart aller ilandschrr.
110 Rumisch c Littcratur.
snh aurora eben so wenig anstössig ist, als wenn wir im Deut-
schen tun die Morgenzeit statt gegen Morgen sagen], XXI, 2Ü
^no [von tlemsclhen ; obgleich qua seil, litera ohne allen Anstoss
ist,«sobald man den vorhergehenden Vers — Qf/ant/ts sit nobis\
adspi'cis ipse^ labor — mehr parenthetisch hinzugelVigt denkt],
XXI, 105 sua deduclas \Fran%e*s Conjectur, die auch Herfer
S. 547 A orschlug] st. siias deducta^ XXI, 214 digna [ Leiineps
Aenderung] st. bina und XXI, 230 -^4n [nach demselben] statt At ;
wo aber daini das Fragzeichen am Ende des Verses nicht fehlen
durfte. Ausserdem ist Kpist. XX, 204 auch ein Druckfehler der
hennep sehen Ausgabe, facit statt facis^ aufgenommen worden.
Was nun ausser diesen behandelten Stellen die nnächten Verse
anlangt, so hatte Hr. M. in I alle die Stellen in [] eingesclilossen,
welche auch in Burnianns Ausgabe auf diese Weise als unächt
bezeichnet Morden Maren. Dagegen waren alle die Verse unbe-
zeichnet, die Heinsiiis oder Bnnnann bloss in den JNoten fiir un-
ächt erklärt hatten. Solche sind z. ß. Epist. IV, 103 — 100, X,
95, 90, XIV, 109, 110, XV, 219, 220, XX, 93, 94, XXI, 209,
210 u. a. In der zweiten Auflage sind Epist. XII, 41, 42, XIV,
47, 48 und XX, 101, 102 die Klammern weggelassen Morden imd
nur VIII, 1, 2 imd XI, 127, 128 als unäclvt eingeschlossen geblie-
ben. Dabei ist zu loben , dass dieser Theil der Kritik besonders
in den Metamorphosen in AuMendung gebraclit und viele Verse
von den Zeichen der ünächtheit befreit Morden sind. Freilich
müssen wir gestehen , dass gerade in diesem Falle mit dem blos-
sen Weglassen der [ ] nicht viel gewonnen ist. Die Griinde aber
für die Aechtheit konnte Ilr. M. natürlich nicht entwickeln, da
er keine Anmerkungen geben M^oUte. Indess halten atich Mir fast
alle die Verse für acht , bei denen Milsch. die Zeichen der Ün-
ächtheit getilgt hat. Weniger sind Mir bei den für imächt ge-
haltenen immer seiner Meinung und möchten noch mehrere von
den Klammei-n befreit wissen. Andere mussten vielleicht mit sol-
chen Haken versehen Merden. Dahin 'gehören , inn nur ein Bei-
spiel anzuführen, offenbar Epist. V, 25, 20, m eiche offenbar aus
dem folgenden Distichon gebildet sind, in den Handschriften ei-
nen sehr unsichern Platz haben und in der ersten AVolfenbüttler
ganz fehlen. Besonders aber koimte sich der Hr. Herausgeber
in diesem Theile der im Ovid so grundlos und unvorsichtig an-
gewandten Kritik verdient machen, Menn er mehrere von Hein-
sius mit Unrecht in die Noten verwiesene A'erse Mieder in Aci\
Text setzte. Ein paar solche Stellen aus den Metamorphosen
sollen weiter unten erwähnt Merden. In den Heroiden wollen
wir nicht rügen, dass er Epist. XVI nach Vs. 90 die beiden
Verse
Quas super Oenonem facies mutarer in orbem.
Nee Priamo est ad te dignior idla nurns.
nicht m den Text nahm , obgleich Epist. XVII, 195 ihre Aeclit-
Ovidiiis. Ed«l. Mi tsoli crlicli et Riclitor. 111
Ix'it zu bcslättisreii scheint: tlcnn sie sind so verdorben, dass sie
üliiic tollIvViline Aendeniiiii keinen passenden Sinn j2:eben und auf
den Zusamnienhaui; uiclir stineud einwiirkeu. Desslialb und wi'il
iiherliiiupt in tliesem TJieile des Biieis Aveijen iManirel au llüUs-
nii((elu die Kritik selir sebwaukend ist, können wir das \V einlas-
sen derselben in einer Seliulausirabe nicht geradezu verwerfen.
Aliein anders miisscn wir Kpist. XX, Jl, 12 iirtlieilen, wo da-
durcli, dass Hr. M. mit Lcniiep und fferfcr S. 5ß3 das Comma
iineb opto weffliess, die Stelle nocli lauirc niclit gelieilt war. Diess
sebeinl ff crfcr irefiddt zu haben, der desswegen S. 548 au dem
i'//t/(l ( ^ s. io ) Anstoss nahm imd aus der jMiinchuer Handschr.
/j/it sebreiben wollte. IMebr hätte er an dem ideni anstossen sol-
len, das bei der jetziijcn Gestaltuuii des Tevtcs g^anz sinnlos ist,
und wenigstens durch ivf^^/^f/JA' Anmerkung [ulem tiineo^ nempe,
quod timebam ante spem a te miJii datam, ne tu amori meo non
respondeas, ne repulsani a«te patiar] nicht verthcidigt werden
kann. Diellandüclirr. geben freilich keine Ausbeute; allein An-
tü/ihis Vuhvtis bemerkt, dass er in einem alten Blanuscripte [in
i'etusto et carie coiisumto codice] nach 11 folgende zwei Verse
gefunden habe:
i\ 7 tibi cum verhis excidit illa fides.
Id mc tili HG divae diffusa est ira: decebat
So stehen uelimlich die Verse in demCommentar der Ausgabe des
Ovid zu Venedig 1481 fol. In der Ausgabe 1487 findet sichi\/7 für
Ai und ut für ?ie. Dass aber ein Codex, der schon um 1480 alt
und zerfressen Avar, in den letzten Uriefen des Ovid, wo uns die
Handschriften so oft verlassen, gültige Auctorität haben müsse,
wird wohl niemand bezweifeln. Daher ist jene Stelle auf jeden
Fall so zu schreiben:
Invenies illic\ id te spondcre^ quod opto ;
Ni tibi cuui verbis excidit illcißdes.
Id metui^ ut divae diffusa est ira: decebat
Te potius^ virgo^ quam ?uemiuisse deam.
ISunc quoque idem timeo etc.
Doch vielleicht hat Hr. M. aus uns unbekannten Griinden sich
gegen die Aechtheit solcher Verse entschieden. Aus den ange-
führten Beispielen aber ergiebt es sich, dass er im Ganzen nicht
wenig für die Hei'oiden getJian habe. JNiir müssen Avir hier die
Ungleichheit mit der Uehaiidluug der übrigen Schriften des Dicli-
ters erwähnen. Lange nicht so viel ist in den Metamorphosen
und Fasten und noch weit weniger in denAmoren, derArsAman-
di. i\v\i Kemediis, Tristien und Kriefen aus Pontus, fast gar
nichts in den kleinem Gedichten ( Halieuticon, Ibis u. s. w".) ge-
ändert und verbessert worden. Der Verfasser deutet diess selbst
Inder \orre(lean, und als Ueleg führen wir bloss die Abwei-
chungen vom Burmanu scheu Text aus dem 4teu Uucli der Me-
tamorphosen und dem ersten der Aiuorea aii. Metam. IV, 61
9
112 Römische Littcra tiir.
hat Ilr. M. iiiterpungirt : Sed vetnere patres. Qnod non potuere
veture^ Ex aequo etc. Biirinann: Sed, vetuere patres^ qnod non
potuere vetare. Ex aequo etc. Vs. Tß ist der Druckfehler simus
in sumus verbessert. Vs. 150 Mitsch. serns amor aus einer
Ildschr. Burmanu ijab mit den übrigen certus amor ^ was einen
passenden Sinn giebt. V. 211 Mitsch. vicit. Burm. viiicit ^ -was
die bessei'n llandsclirr. für sich hat. Vs. 220 Mitsch. ad limviiK
Burm. ad lumina. Ueber die llandsclirr. lässt uns Hcinsius iu
Zweifel. Die ältesten Ausgaben und die Berliner und zwei Leip-
ziger llandsclirr. geben lumina. Vs. 224 Mitsch. Eripile. Burm.
Arripite. Die bessten Ilandschrr. scheinen für abripite zu stim-
men. Vs. 243 Mitsch. tum^ was wahrscheinlich Druckfehler ist.
Burmann hat tu ohne Variante. Vs. 290 giebt Mitsch. nach
iunci ein Punct, Burmann ein Semicolon, Ganz falsch aber steht
Vs. 303 nach cursii ein Colon und Vs. 3<)4 nach Dianae ein
Comma, wo Burmann richtig erst «ein Semicolon und dann ein
Punct giebt. Vs. 387 Mitsch. verba nach den meisten lland-
sclirr. Burmann vota. Vs. 597 Mitsch. at illa Lubrica jicrmulcet
cristati colla draco?its^ was der Sinn verlangt. Burm. at illos L.
permulcent c. c. dracones. Die iibrigen in diesem Buche vorkom-
menden Abweichungen sind bloss anders gewählte Interpunctions-
zeichen, z. B. Semicolon statt Colon und umgekehrt, und ver-
schiedene Schreibart einzelner Wörter. Im ersten Buch der
Amoren aber schrieb Ilr. M. Eleg. 6, 39 falsch ein Comma nach
Timeat statt eines Fragzeichens ; 8, 13 versam statt vivam; 8,
80 tuo st. suo; 8, 37 spectabis st. der Conjectur spectan's; 8,
68 dat st. det [Heinsius hat keine Variante, und allcCodd. schei-
nen für det zu stimmen.] ; 9, 31 vocabit st. vocavit ; X, 5 agris
st. der Conjectur -^y-g^/s; 11, 28 chi Semicolon statt Punct nach
dedicat; 12, 3 Omnia nach den meisten Ilandschrr. statt Omina.,
was der Sinn fordert und die erste Auflage richtig darbietet; 13,
41 Cur ego plectar amans , Si vir tibi marcet ab annis ? etc.
st. Cur ego plectar amans? Si vir tibi marcet ab annis ; etc.
Dass die Zahl dieser Aenderungen in keinem Verhältnisse zu
den der Herolden stehe, springt in die Augen. Die TJngleich-
mässigkeit ist aber besonders durch die zweite Auflage entstan-
den, in der die iibrigen Schriften Ovids nicht so genau beliandelt
sind, als die Heioiden. Jedoch entschuldigt sich der Ilr. Iler-
ausg. in der Vorrede, indem er sagt: „Paullo plus nobis indiilsi-
mus in doctis Ileroidum epistolis, multo miserius quam reliqua
omnia Ovidii, a librariis liabitis, tantoque felicius nobis in iis re-
fingendis versari licuit, quo praestantiorem, quem sequeremur,
diicem nacti essemus. Tam felicem enim Lennepii V. Cl. operam
illae expertae sunt, ut pauca adhuc siipersint, qiiae, quum omnem
tactum reformident, a Codd. tantum salutem suam exspectant. '•'•
Dieser Grund lässt sich hören , und w ir m ürden uns gern damit
beguVigeu,' wenn wir nicht glaubten, dass der Ilerausg. hier in
Ovidius. Edd. Mitscherllch et Richter. 113
einem Irrthmn befanden sey, den wir der Sache scHist wea^cni
nicht unberührt lassen können. Wenn er meint, dass die Ileroi-
den vorzugsweise von den Ahsclireibern verdorben worden seyen,
so können wir das liöchstens von den letzten sieben üriefen zn^e-
stelien (die aber nidit einmal so sorgfältig beliandelt sind, als die
vierzehn vorhergehenden); wiewohl wir anch hier glauben, dass
sie, den ITjten Uriel' etwa ausgenommen , nicht melir gelitten ha-
ben , als die Metamorphosen, Tristien und Uriele aus Pont\is.
A>()hl aber hat Ale. Ilcinsius in dem ersten Uande des O^id (He-
rolden, Amoren, Ars AmandF, Kemedia Amoris etc. ) noch nach-
lässiger die \ arianten der Ilandschrirten aufgezählt, als in den
iibrigen zwei IJänden; und hierin scheint vielmehr der Grund
der schwierigen Beliandhnig zu liegen. Doch sollte auch der von
Hr. M. angegebene Grund wahr seyn, so liess sich diese Schwie-
rigkeit nach unserer Ansicht am bcssten dadurch heben, dass er
sich für die Behandhmg des Textes noch mehr kritische Iliilfs-
niittel zu a erschallen suchte, als Heinsius und Burmann gaben.
Wollte er auch nicht selbst neue Codices oder wenigstens die al-
ten Ausgaben vergleichen, so hätte er doch nicht die von Fr.
Hciisiiiger., If icdcbnrg und Ruinöl lierausgegebenen Yarianten-
sammlungen unbenutzt lassen sollen. Er würde dadurch zu der
Leberzeugung gekommen seyn, dass noch weit mehr Stellen ge-
ändert werden müssen, als er wirklich geändert hat. \ielleicht
hätte er dann z. B. II, liT falsus (S. Kuinoel) , II, 73 il/os (kuin-
oel), II, 90 Fessaque (Burm, in addendis), II, 148 necis ( Ileu-
singer), III, 19 nocte (Conr. Heusinger), III, 55 repellar., III, 56
dantui\ IV, 21 corpes u, s. w. geschrieben, und wenigstens IV,
127,157, VI, 19, \III, 136 und anderswo nicht blosse Conje-
cturen in dem Texte stehen lassen. Auf jeden Fall ward er
durch Fr. Heiiswger aufmerksam, dass V, 24 recta ein Fehler
sey und rite wiederhergestellt werden müsse. Derselbe hätte ihn
gelehrt, dass VII, 53 nescieris ^(t^^w die Grammatik sey, und
dass man X, 31 wahrscheinlich Ul vidi ant etiani verbessern
muss, da aut vidi wegen des folgenden cum anstössig ist. Anch
wäre dann gewiss XV, 4 movetiir statt veniret gegeben worden
und XVI, 50 die Lücke nicht unbemerkt geblieben. Andere
Stellen übergehen wir. Aber selbst Leiinep und ff'erfer schei-
nen nicht gehörig benutzt worden zu seyn. Wenigstens macht
Ersterer daranf anfmerksam, dass die IX, 129iinTe"vt befindliche
Lesart, snb Ilercule., sinnlos sey. Daher mnsste wenigstens sal>-
limis ab Ilerctde geschrieben werden , w enn nicht vielmehr nach
deji bessern Handschriften
J)at Valium popnlo sublimis , iit Ilcrculc victo
Oerhulifim vivo slare parente pules.
geändert werd(!n sollte. Derselbe bemerkt richtig, dass XII, 65
fiabebat statt des unpassenden hubcbit vorziiziilien sey. Werfer
aber konnte ihn anfmerksam machen, dass I\, 175 precibus la-
Jafirb. il. J^/iü. u. fadag. Jahrg. 1. Heft 1. 8
114 Rö mische Litteratur.
crimas quoque richtige Lesart scy ; obgleicli derselbe das gram-
matisch talsclie lacrimas precibns quoque zu vertlieidigen sucht.
Aus Beider Bcmerkungeu aber und aus dem, was Hand in den
Jenaischeu Litcraturzeitiiuge» 1814 JNr. 15 sagt, hätte sich viel-
leicht ergeben, dass I, 2 zu schreiben sey:
Nil mihi resci ibas ; at tarnen ipse rem.
da alfame?i^ tit tarnen u. a. uicht am Ende des Satzes stehen,
und der Sinn — • JSichts schreib drauf mir zurück ; aber du sel-
ber doch komm — sehr passend und dem Zusammenhange ent-
sprecliend ist. Aus den angeführten Stellen aber, die sich leicht
noch vermehren Hessen, wird sich ergeben, dass es mit dem kri-
tisch berichtigten Tevtc der Herolden noch gar nicht so sicher
steht, und dass sich noch viele Stellen selbst ohne Benutzung
neuer Handschriften verbessern lassen. Auch ist Hr. M. seineu
oben angeführten Grundsätzen in Bezug auf Textesbehandluug
nicht immer treu geblieben, und liat bei weitem nicht alle Com-
menta Ileinsü aus dem Texte verbannt, oder sich überall für die
Lesart der bessern Handschriften entschieden. \)gi\\\ ob er gleich
Metam. V, 115 den bei Heinsius so beliebten Imperativ i aus
dem Texte verbannte und richtig irridens st. i ridens sclmeb, so
ist doch Trist. I, 1, 57 I tarnen i stehen geblieben. Auch musste
die Lieblingsformel nisi si Herold. IV, 111, Trist. IV, 3, 53, V,
9, 35 u. a. a. O. weggeschafft werden. Hierlier rechnen wir auch
ausser manchem Andern das bei Heinsius oft vorkommende Stre-
ben, den Conjunctiv dem Indicativo vorzuziehen, wie z. B. Me-
tam. IV, 187 optet st. optat und 248 tentet st. tentat. Sollte aber
das Ansehen der Handschrr. gelten, so dui'fte z.B. Herold. VI, 10
Marti aus einer, VI, 129 laniata^ was vielleicht in keiner steht,
VI, 154 sanciat aus zwei, VII, 2-kfo,cis aus zwei, VII, 59 Amo-
ris aus vier, und VII, 64: ferare aus zwei Handschrr. nicht bei-
behalten werden. Vergl. VIII, 72, 73, 99, 103, IX, 38, 66, 86,
149, X, 53, 85, 129, 150, XI, 119, XII, 39, 68, 170 etc., wo die
Handschrr. überall für andere Lesarten stimmen. Das Nehmliche
ist auch in den übrigen Schriften des Dichters der Fall, wovon
jedoch Belege zu geben uns zu weit führen würde. In den Tri-
stien und Briefen aus Pontus wird Herr M. deren sehr viele fin-
den, wenn er nur seinen Text mit dem Oberlin sehen vergleichen
will. Ueberhaupt hätten dessen Aenderungen wenn auch nicht
alle aufgenommen , aber doch beachtet und geprüft werden sol-
len. Ob bei der zweiten Auflage in den Metamorphosen und
Fasten Gierig s Ausgaben nicht noch besser benutzt werden konn-
ten, wollen wir daliin gestellt seyn lassen. Doch kommt es uns
vor, dass Gierige selbst wo er das Richtige nicht traf, doch zur
genauem Prüfung und zum Auffinden des Richtigen Gelegenheit
geben konnte. So macht derselbe z. B. Metam. IV, 336 richtig
darauf aufmerksam, dass Desinis ? an fugio etc. nicht passend
sey. Kein Mensch wird nun zwar mit ilim schreiben wollen De-
0 vidi US. Edd. M it s cherl ich et Richter. 115
si/ie , oht fngio ; aber zur Prüfung der Stelle giebt er Veranlas-
sung, und leicht er^iebt es sich, dass nach den llandschrr. zu
vei-bessern ist : Dcsiiiis ? Aut fugio etc. Vielleicht konnte er
auch I, r> durch seine Zweifel zu dem Resultate fidiren, dass die
Lesart IcUiis ireradezu dem Sinne zuwider ist. Auf andere Stel-
len hat üaiimgartcn- Cntsiiis in seiner Ausgrabe des 0^id auf-
merksam gemacht. Ausser Gierig konnte vielleicht auch Gcse-
7iiuH in den Fasten angesehen werden. Kr stellt z. IJ. nach un-
serm IkMlünkon Fast. I\ , (»27 Svilicct^ (J28 pcrculit und 73(> Unda
inil Kecht her. Durchaus aber durften für die ^letamorphoseii
Botlies \ iiuliciae ()\idianae nicht \il)ersehen werden. AVir wol-
len nicht erinnern, dass aus ihnen Metam. 1, JJOä das grannna-
tisch falsclie ^oä67'/«, II, 132 das sinnstörende effiigito^ IX, 508
das ungewöhnliche jJ«r?V/ .'-■/« und andere Stellen verbessert wer-
den konnten; obwohl auch solche Aenderun^en der Miihe wcrth
sind. Allein sie wiirden Ilrn. M. bei der Verdamminig ganzer
Verse behutsamer gemacht haben, und er hätte auf keinen Fall
soviel [] stehen lassen. Die Andeutungen und Bemerkungen von
7 üss mal Bothc konnten ihm zeigen , dass Metam. III, 251, 252
und I\ , ICu schon des Zusammenhangs wegen nicht gut für un-
ächt gehalten werden können, dass ^ I, 4J)8, IX, 111 und XI,
2ü3 doch wohl acht sind, uiul dass bei III, 400, 401, VI, 281,
2J>4. 532, VII, 3J)7, Vlll, fiO«), 610 und XV, 502 die Sache doch
noch zu migcwiss ist, als dass man sich ohne weiteres für die Un-
ächtheit entscheiden könne. Auch zweifeln wir nicht, dass er
dann nach Bothc s Vorgange Metam. IV, 440, VIII, 525 und IX,
415 die von Heinsius mit Unrecht aus dem Texte geworfenen
[von uns in der 3ten Auflage der Metamorphosen von Gierig zu-
rückgerufenen] Verse wieder aufgenommen hätte.
Doch wir brechen ab mit unsern Bemerkungen, durch die
wir nicht etwa Hrn. M.'s Verdienste um den Ovid verkleinern,
sondern nur auf einige Mängel aufmerksam machen wollten, die
in einer neuen Auflage zu berichtigen wären. AVir wiederholen,
dass (las Buch als Handausgabe der gesammten Gedichte sehr
brauchbar, ja sogar das Jn-auchbarste von allen jetzt vorhandenen
ist; dass der Ilerausg. für den Dichter weit mehr als viele An-
dere gethan hat , und dass man in den gemachten Aenderungeii
den besonnenen, erfahrenen und scharfsinnigen Kritiker nicht
verkennen kann. Die Bescheidenheit, mit der er auftritt , macht
seine ACrdienste noch schätzbarer. Allein der Sache selbst we-
gen tiurften \\ir nicht bergen, dass erden in der Vorrede ausge-
sprocheiun (jinindsätzen nicht überall nachgekommen ist, mui
dass er bei dt.-r Behandlung mehr Fleiss und Sorgfalt hätte an-
wenden sollen. Dieser war besonders in oflenbar verdorbenen
oder zweifelhaften Stellen nöthig, weil ja in einer Ausgabe ohne
Noten der Leser gar keinen Ilaltungspunct hat, wenn der gege-
bene Text falstJi ist. Desshalb ist Uecensent gewohnt, an dcr-
8 *
116 ' Rü mische LItteratur.
gleichen Ausgaben die strengsten Fordernngen zu machen, und
er würde es in solchen sogar vorziehen, in Stellen, wo die Hand-
schriften zur Berichtigung des Textes nicht ausreichen, lieber
eine kühne Conjectnr aufzunehmen, als offenbare Fehler stehen
zu lassen. Doch dürfte dieser Ausweg im Ovid nur selten nöthig
seyn. Aus obigem Grunde verlangt er in einer solchen Ausgabe
auch die grösste Correctheit, >velche in Hrn. M.'s Buche, zwar
ziemlich gut, aber doch nicht ganz ohne Mängel ist. Ueberhaupt
scheint die erste Auflage hierin besser zu seyn , als die zweite,
in der wir weit mehr und bedeutendere Fehler gefunden haben
als in jener. Besonders sind sie in den Metamorphosen häufig.
Diess ist um so mehr zu bedauern, da das Buch vorzugsweise eine
Schulausgabe seyn soll. Mag auch der Schüler einsehen , dass
es Heroid. IV, 114 In statt 7/«, XVIII, 149 qua st. qjia^ XX, TO
Vtraqiie st. IJtraqne^ XXI, 228 membra st. menhra^ Metam. IV,
405 Fiimida st. Fnmida^ 506 in st. m, 752 tribus st. tribns heis-
sen und III, 6 und Epist. XIX, 1 ein Comma statt des Punctes
nach pererrat o und twrbis stehen muss, so wird es ihm doch
schon schwerer werden, zu bemeiken, dass Ileroid, XV, 103 ein
Comma nach tu fehlt, und dass Metam. IV, 381 Semimarem st.
Seniinarem und 393 Tinnulaque st. Tinniitaqiie stehen sollte.
Noch weniger wird er errathen, dass man Heroid. XX, 99 Omina
stOmnia, W, 20i facis st. facit , Metam. lY , 2iZ tu st. tum
und Epist. ex Pont. IV, 3, 52 metues st. metuens schreiben muss.
Desshalb wünschen wir, dass die Verlagshandlung bei einer künf-
tigen neuen Auflage noch mehr Sorgfalt als in den beiden ersten
auf Correctheit verwenden lasse. Den Hrn. Herausg. aber bitten
wir, dann für eine zweckmässigere Interpunction zu sorgen, als
bis jetzt geschehen ist. Zwar weicht er darin sehr häufig von
Burmann ab ; allein wir wissen nicht, ob damit viel gewonnen ist,
dass er z. B. in den ersten hundert und fünfzig Versen des vier-
ten Buchs der Metamorphosen Vs. 17, 51, 54, 63, 74, 110, 143
und 144 ein Colon statt des Punctes, Vs. 36 und 60 ein Colon
statt des Corama's, Vs. 71, 85 und 111 ein Colon st. des Semico-
lon's , \ s. 53 ein Semicolon statt des Colon's , Vs. 78 ein Comma
8t. des Semicolon s, Vs. 119, 134, 140 ein Semicolon statt des
Comma's und Vs. 109 ein Punct statt des Semicolon's setzt , und
hinter jedes O, Heu., En., Ecce ein Ausrufungszeichen stellt. Das
Anstössige liegt darin, dass z. B. das Colon bald als Anführungs-
zeichen vor der Oratio directa steht, bald einem Erklärungssatze
vorausgeht, bald den Vorder- und Nachsatz trennt, bald endlich
statt des einfachen Comma's gesetzt ist. Die nehmliche Ungleich-
heit findet sich beim Gebrauch des Punctes und Semicolon's.
Freilich hat Hr. Mitscherl. diesen Fehler mit selir Vielen gemein,
und Mir kennen wenig Ausgaben, die eine consequente Interpun-
ction hätten; allein eben desswegen halten wir es für nöthig, dar-
auf aufmerksam zu machen, weil dieser Umstand für Schulausga-
Ovidius. Edd. Mit scher lieh et Richter. 117
hcn vorziig^licli iiaclinieili^ ist. \^'iv mehieii liier niclit solche
StelU'ii, wo (He ^ers<'!iio(k'iK' liilcrpunction auf einer vcrsc^liiedcn-
arliireii Erklänins; ])enili(; oh^leiili uir aueli hier zu heiiierkeii
liätteii, dassuelleieht Kpist. 1, 44, V, 12JI, \I, 144 ein Frag-
zeieheii statt des Piuictes zu setzen sey, und dass in folgenden
Stellen nach unserer Ansicht vielmehr so uuterpungirt werden
niiisse: .
Epist. VlI, 41
Quo fiigis^ obstat hiems; luemis mihi gratia prosit: etc.
Amor. I, 1, 15
An^ quod ubique tutim^ iiia sunt Heliconia Tetiipe?
Epist. II, 121
Moesta iamen scopulos friiticosaque litora calco ;
Qitaqiio potent oculis aeq?iora [scribe litora] lata meis^
Sive die laxaltir humus sen frigida lucenl
Sidcra\ prospicio^ quis freta ventus agat ;
Et quaecunque etc.
Epist. V, 69
Non satis id fiierat? Quid enim furiosa morabar?
Auch möchte es hingehen, dass Epist. \1, 98
Quaqne fcros angues^ te quoque ntulcet^ ope.
mid Epist. XVI, 32
— quas habeo , di tueantur opes
nach verschiedenen Grundsätzen interpungirt sind. Aber die In-
consequenz der luterpuuction wird sicJi aus folgenden Beispielen
ergeben :
Epist. IV, 175
Addimus his lacrimas precibus quoque: verba precantis
Perlegis^ et lacrimas finge videre meas.
Epist. XVllI, 45
Farce ^ precor ; facilemque move moderantius auram.
Lnperct Hippotades sie tibi triste nihil.
Vana peto., precibusque meis obmurmurat ipse:
Quasque quatit^ nuUa parte coercet aquas.
Epist. XIX, 145
Turpe ])eo pelagi., jnvcnem terrere natantem:
Gloriaque est stagno quolibct isla minor.
Nobilis nie quidem est , et clarus origine : sed non
A tibi suspecto ducit Ulixe genus.
Epist. XX, 157
Haec mihi se pcpigit: puter hanc tibi., primus ab illa:
Sed propior certe^ quam patcr., ipsa sibi est.
Amor. 1 , 7 , 33
Sed minus ille nocens: mihi qtiam, proßtebar amari^
Laesa est : Tydides saevus in hoste fuit.
1 18 R ü ni i 8 c li c li i 1 1 c r ii t u r.
/ nunc , 7nagnificos victor molire t/mmphos,
Cinge comam lauro; votaque redde Jovi:
Quaeqiie etc.
Recensent muss gestelien, dass er nicht einsieht , nach welchen
Gesetzen in diesen Stellen der Gebrauch des Conima's, Scmico-
lon's und Colon's bestimmt ist. Audi hat er diese Beispiele
nicht etwa sorgfältig aiifgesueht; denn ähnliche finden sich über-
all. 3Ian vergleiche unter andern nur den Anfang des dritten Buchs
der 3Ietamorpliosen, der etwa so interpungirt werden luuss:
Jamque deits posita fallacis iniagine tauri
Se confessus erat., Dlctaeaqtie rura tenebat;
Cum pater ignarus Cad/no perqtwere raptain ,
Imperat ^ et poenam^ si non invenerit^ addit
J^.vsilium , facto piius et sceleratiis eodem.
Orbe pererrato ( quis enim deprendere possit
Furta Jovis?^ projiigus patriamqiie iramque parentis
fitat Agenorides^ Phoebiqiie oraciilo supplex
Considit, et quae sit telliis habitanda requirit.
^^Bos tibi'-'' Pliocbus ait ^^solis occurret in arvis
^^]\'tillum passajugmn curvique imtmmis aratri:
^Jlac duce carpe vias , et , qua requieverit herba^
^^Moenia fac condas Boeotiaque illa vocato.'-'-
Recensent will hier noch gar nicht die von Buttmann in seiner
Griech. Grammatik und Andei-n aufgestellten Grundsätze geltend
machen, nach welchen sich die Interpunction noch mehr verein-
fachen lässt; denn er weiss, dass zu grosse \ereinfachung na-
mentlich fiir den Schiller leicht Dunkelheit verursacht. Aber auch
zu häufige Interpunction schadet und hat besonders den Nach-
theil, dass die gewöhnlichen Zeichen dafür nicht auslangen.
Wenn man z. B. Metam. IV, 9 interpungirt:
Parent matresque nurusque ;
Telasque ^ calathosque^ iiifectaque pensa reponunt :
Turaque dant: Bacchumque vocant^ Bromiumque^ Lyaeum-
que^
Ignigenamque ^ satumque iterum^ solumque bimatrem.
so kommt man freilich mit dem Gebrauch des Comma's in Ver-
legenheit, weil es nun bei einer etwas grosseren Unterscheidung
nicht mehr ausreichen will. Desshalb muss man die Zeichen spa-
ren, so viel man kann; aber freilich auch des leichtern Verste-
hens wegen nicht zu sparsam seyn. Daher ist auch das Interpun-
giren, wenn es richtig und consequent seyn soll, gar keine so
leichte Sache, und man möchte wohl wünschen, dass wir noch
ein paar Zeichen mehr hätten und namentlich eins, das zwischen
dem Comma und Semicolon mitten inne stände. Um so weniger
können w ir aber billigen , dass Hr. Mitsch. die vorhandenen Zei-
chen noch beschränkte, imd namentlich das in den alten Schrift-
stellern zur klaren üebersicht oft so nöthige Parenthesenzeicheii
Ovidius. Edd. Mi l «c h er li cli et Rirhter. 119
in den meisten Stellen verdränj^te. Dass tladnreh mehr gescha-
det als genützt se} , jjrgiebt sich aus rollenden Stellen:
Epist. Y, 135
Me Sntyri celeres , sili'is ef^o tecta latebam.,
QuoesieniiU rapido^ lurba proterva^ pede.
Epist. VII, 33
ylut^ e^o quem coept\ uequc C7iim dedtgnor ^ amare^
Materiam curat' pracbeat ille meae.
Epist. XII , 89
Hac'C animuin^ et quota pars haec sunt? movere ptieüae
Simplicis ; et dextrae dextera juncta meae.
Epist. XIX, 151
Sternuit et lumen: posito Jia/n scribimus illo.
Sternuit^ et nobis prospera signa dedit.
Amor. I, 7, 63
At tu ne diibita., minuet vindicta dolorem^
Protinus in vultus unguibus ire meos.
Wir gestehen gern zu, dass diese Parenthesenzeicheu und über-
haupt die ganze jetzt gewöhnliche Interpunction bei den Griechen
luid Römern wohl schwerlich im Gebraucli waren; allein Klarheit
stellen wir liier gern über antike Form. Mag man daher auch in
Ausgaben, die für Gelehrte bestimmt sind, die alte Interpun-
ctionsart lierzustellen suchen; in Schulausgaben führt sie zu kei-
nem entsprechenden Zwecke, imd davon werden wir uns nicht
leicht überzeugen, dass z. B. Ileroid. VII, 157
Tu viodo^ per matreni., fraternaque tela., sagittas^
Perque fugae comites^ Dardana sacra^ Deos:
Sic superent , quoscunque tua de gente reportas^
Mars ferus et damni sit 77iodus ille tui ;
Ascauiusque suos feliciter impleat annos^
Et senis Anchisae inolliter ossa cubent :
Parce precor domui etc.
der Schüler ohne weiteres einsehen werde, dass Tu modo mit
Parce zu verbinden sey. — Doch genug von dieser Angelegenheit.
Da in unsern Tagen eine solche xMenge von Schulausgaben er-
scheint, so schien es uns um so nöthiger, die Sache zur Sprache
zu bringen, \\i\A sie geht ausser gegenwärtiger Ausgabe noch gar
vielen an. Von Ilrn. M. wünschen wir nur nocli, dass er in einer
neuen Auflage statt der Testimonia veterum de Ovidio lieber eine
gedrängte \ ita Ovidii aufnehmen mag,
Dass die Ausgabe ^o. 2 aus der zweiten Mit scherlich' sehen
Auflage abijedruckt sey, ist schon ohen erinnert worden. Sie
lässt natürlich Mit scherlich' s Vorrede und die Testimonia veterum
weg, und giebt dafür im ersten Bande eine zwei Seiten lange
Vorrede des Herausgebers, und im zweiten als Anhang die von
Wilh. Canter verfassten Argumente der fünfzehn Bücher der Me-
] 20 R ö lu i s c h e L i 1 1 c r a t u r.
taiTiori)lioseii aus Burmanris Ausgabe. Sie empfiehlt sich durch
iliren billigen Preis, ihr gutes und weisses Papier, und einen
scharfen und schönen Druck, der grösser als in den friiheru
Tauchnitzer Stereotypausgaben ist und recht gut in die Augen
fällt. In Hinsicht der Correctheit liat sie zwar noch manche Män-
gel, allein demungeachtet ist sie auch von dieser Seite enipfeh-
lenswerth, und wenn man die zeitherigen Schulausgaben dersel-
ben Officin seit 1812 damit vergleicht, so ist sie ausgezeichnet.
Dalier ist das Verdienst des Verlegers gewiss zu loben und ge-
bührend anzuerkennen. Auch kann man Schillern das Buch als
brauchbar empfehlen, und, wenn Ilr. Mltscherlich den dritten
Band seiner Ausgabe nicht liefern sollte, so wiirde sein Besitz
sogar die Originalausgabe selbst entbehrlich machen. Nicht so
können wir mit dem Hrn. Herausgeber [der, wie wir hören, schon
durch die Herausgabe des bei Tauchnitz erschienenen Taschen-
wörterbuclis der Latein. Sprache als Schriftsteller aufgetreten ist]
zufrieden seyn , da er weiter nichts als Corrector der Druckbogen
gewesen ist, imd sich gar nicht als Editor hätte nennen sollen.
Doch er Iiat hierin die Sitte unserer Zeit mitgemacht, in welcher
allerdings mehrere Gelehrte als Editores alter Schriftsteller sich
genaiuit haben, ob sie gleich in der Regel weiter nichts thaten,
als dass sie eine frühere Ausgabe abdrucken Hessen, die Drucke-
reisiinden corrigirten und in ein paar Stellen die Schreibart der
Wörter und die Interpunctionszeichen änderten. Indess scheint
CS ihm in der Vorrede wieder leid geworden zu seyn, dass er auf
dem Titel curavit Ant. Richter geschrieben hat, und er rühmt in
derselben bloss die Eleganz der vom Verleger gewählten Typen
und die grosse Sorgfalt, weicherer selbst auf die Correctur der
Druckbogen verwendet habe. Zwar sagt er unter andern auch:
Tro fundamento subjecta est , q?iae probatissitna videbatur edi-
tioniim recentiorum ; sed^ ne residerent spholmata^ qiiae^ quia
sensiim verborum non prorsus evertunt^ legentes fere f allere
solent^ adhibitae sunt in siibsidium opes a Petro Burmanno con-
gestae. Nee poenituit instituti: non pauci hac ratione naevi
sublati sunt. Indess will er damit nicht andeuten, dass er die
opes Burmafmi zur Verbesserung des Textes gebraucht habe *),
*) So scheint es jedoch der Recensent dieser Ausgabe in dem Lite-
raturblatt z. Schulzeit. 1826 Abth. 2 Nr. 14 verstanden zu haben, da er
Aufnahme der bewährtesten Lesarten und sorgfältige Interpunction
rühmt. Wahrscheinlich ist Ihm die Ausgabe von Mitscherlich nicht zur
Hand gewesen ; alle Beispiele wenigstens , die er anführt , finden sich
auch bei diesem. Nur eine Stelle Ist uns aufgefallen , nehmlich Me-
tam. MI , 35)9 justissima Phineu, wo auf jeden Fall ein Druckfehler ob-
walten uvuss. Ref. findet bei Mltscherlich und in beiden Tauchnltzi-
Bchen Ausgaben (1820 und 1825) iustissima Phini. Auch die dort er-
Ovidius. Edd. Mi tschcrlich et Richter. 121
sondern dass durcli ihre Benutzung einige Druckfeliler der Mit-
scherücli scheu Aus£:al)e Megi^cscliail't worden sind. \^ enigstena
können wir keine andere Spnr der lienutziuig der Jiiirmaim scheu
Scliälze aulfinden, es müsste denn dieselbe von solchen Stellen,
wie Metani. IV, 54, verstanden werden sollen, wo am Ende des
Verses mit Bunnaim ein Punctum *:tatt des Colon's gesetzt wor-
den ist. Zwar können wir nicht bergen, dass die Ausgabe in
einigen wenigen Stellen von der Mitsch. abweicht. So steht z. B.
Ileroid. II, 82 fe/or st.fc/-o/\ M, 140 Qz/ainf/bet i^t Qunelibet^
\I1, 53 ui/fic St. tnuc^ und XII, 41, 42 sind als unächt mit Klam-
mern eingeschlossen. Allein da diese Abweichungen alle auch
in der ersten Auflage von Mitsch. stehen , so liaben wir iibcr ihre
Kntstehung eine besondere Vermuthnug. Es ist bereits erinnert
worden, dass die Tauchnitzer Stereotypausgabe von 1820 im er-
sten Bande aus der ersten, im zweiten und dritten aus der zwei-
ten Ausgabe des Ovid von Mitschcrlich abgedruckt worden ist.
Irren Mir nun nicht, so hat Hr. Richter diese Ausgabe von 1820
zum Grunde gelegt; aber dieselbe nach der neuesten Mitscher-
lich" scheu Textesrevision durchcorrigirt , und aus Versehen oder
Absicht jene Stellen unverändert gelassen. Eine einzige Stelle
ist uns bekannt geworden; welche sich durch diese Annahme
niclit erklären lässt. Epist. VII, 74 nehmlich steht ?/>s«, wäh-
rend Mitsch. in beiden Auflagen ipse hat. Jedoch ist dasselbe
niclit aw^Biirmanu geflossen, sondern durch Conjectur vom Her-
ausgeber in den Text gebracht worden. Er fand nehmlich bei
Mitscherlich durch einen Druckfehler Nee fe, si cupies., ipse
7nanere siuam [statt iVec ie, si ctipies ipse., mauere siuani] und
machte daraus Nee te , si cupies , ipsa mauere sinam. Im Uebri-
gen ist Mit sc her lieh's Text so treu wiedergegeben, dass selbst
viele Druckfehler mit aufgenommen Avorden sind. So sind von
den oben aus jener Ausgabe angeführten Fehlern zwar Heroid.
IV, 114, XViil, 149, XIX, 1, XX, 70, XXI, 228, Metam.
IV, 381, 393, 405, 506, 752 und Epist. ex Ponto IV, 3, 52
verbessert worden; aber gerade die siunstörenden, Ileroid, XV,
103, XX, 99 und 204, und Metam. IV, 243, sind stehen ge-
blieben. Eben so ist, um Anderes zu iibergehen, Amor. I, 8, 31
ein blosses Comma hinter udspice und in den Briefen des Sabinus
I, 50, II, 92 und 95 heu mihi statt hei mihi beibehalten. Dage-
gen Hess sich Hr. Ä. Heroid. XV, 123 durch das undeutliche Com-
ma nacli cura verführen, ein Punct dafür zu setzen. Umgekehrt
hat er ebenda Vs. 177 ein Comma aus dem Puncte hinter erit ge-
macht. \ on neulmizugekommeiieu Fehlern suul uns ausserdem nur
wähnte Vertauschunp^ des Bogen F im dritten mit dem Bogen F im
zweiten Bunde findet sirli in unserem Evemplure nicht. Doch machen
wir die Bc&itzcr der Auägubc darauf aufmcrkäum.
1 22 Rü mische Litte i-utur.
M eilige und unbedeutende aufgestossen, und wir glauben es Hrn.
11. gern, wenn er sagt: „acerrime et indefesso studio in^igilatum
est speciminum lypograpliicorum einendationi/*" IJebertrieben
aber ist die Behauptung: ,,Ita effectum est, ut a sphalmatis typo-
graphicis tarn pura redderetur liaec editio, quam paucissiniae,
puto, recentiorum, imo omniuiu ad Iioc usque tcuipus divulgato-
rum." Wenn inan auch niclit die Zweibn/cker Ausgabe erwäli-
iien will , so ist die a on Mit scherlich wenigstens eben so correet,
inid von den Ausgaben einzelner Schriften des Dichters sind die
von Leimep.^ Amcu\ Barby u. A. wo nicht besser doch gewiss
auch nicht schlechter. Zuletzt niuss llec. auf dem Titel den bei-
behaltenen Zusatz ad optimornm librorum fidem accitrate edita
rügen. Soll man nehmlicli unter den optiniis libris Ausgaben ver-
stehen, so ist diess unwahr, da nur eine einzige benutzt woi'den
ist. Sind Handschriften damit gemeint, so maasst sich der Hr.
Herausgeber ein Verdienst an, dass dem gehört, dessen Ausgabe
er abdrucken liess.
Es tlnit uns leid, dass wir WcTYn Richter nicht mehr Lob er-
theilen können ; aber er ist selbst Schuld daian. Hätte er sich
bloss als Corrector genannt, so würden wir sehr gern seine Be-
strebungen gebührend gerühmt haben. Doch da er als Heraus-
geber auftritt, so müssen wir auch unsere Forderungen höher
stellen. Auch waren wir auf jeden Fall dem philologischen Publi-
cum schuldig, aufrichtig darzulegen, vas es von der beurtheilten
Ausgabe des Ovid zu erwarten habe.
Ja h n.
Lateinische Prosaiker.
1. C. Cor Jl ein Taciti Opera. Ad optimarum editionum fi-
dem scholarum in usiim ciiravit G. H. Lünemann , Philos. D. uc
Gymnasii Gottingensis Rector. Hamiover, Hahn. 1825. P. I. 315 S.
Pars II. 320 S. 8. 20 Gr.
2. C Cornelii Taciti Opera. Ex recensione Ernestiana rc-
cQ^nn\\t Immanuel Bekkerus. In iisura scholarum. Berlin, Reimer.
1825. VI u. 758 S. 8. 1 TWr. 8 Gr.
3. C. Cornelii Taciti Opera. Cum indice rerum. Ad opti-
morum lihrorum fidem adcuravit C. H. IVcise. Editi» Stereotyp».
Leipzig , Tauchuitz. 1825. Tom. I. II u. 30f) S. Tom IL 309 S. 8.
geh. 1 Thlr.
JJie nicht unbedeutende Anzahl von Schulausgaben, die in dem
laufenden Jahrhunderte von des grossen Römers Geschichtswerkeii
T a c i t i 0 p e r a. Edd. L ü n c m a n n , B c k k c r , Weise. 123
ei'scluencn sind, ist ein dciitlicher Beweis, dass Tacitus im Uii-
terriclite liäufiif frt'inaucht werde. Und diess mit vollem Rcclite.
Es ^eliört hier iiiclit her, die jäjei^en das Lesen des Tacitus mit
jungen Leuten ijemachten Einwiirfe zu widerlegen. Die besle Wi-
derk'gunfr ist diese, dass der grosse llömer in unsern Gelelirten-
schulen ileissig gelesen wird. Was die sogenannten Ausgaben
in ns//m schulannn hetriin . so machen diese in der Kegel keine
Ansprüche auf hohen krilisclien AVerth. Das liegt in der jNatur
der Sache. Wenn ihnen nur eine von den hesseren Textrecensio-
nen zum Grunde liegt, dabei lur ganz korrekten, säubern und
deutlichen Druck, wie auch iur weisses, festes Papier gesorgt,
und ausserdem ein billiger Preis gestellt wird, lieber jeden die-
ser Punkte wollen wir in Bezug auf vorliegende Ausgaben das
Notlüge beibringen.
A> as den ersten Punkt anlangt, sind die beiden erstem Aus-
gaben der letztern vorzuziehen. Ein grosser Uebelstand ist es,
dass die beiden letztern Herausgeber die \ arietas Lectionis nicht
liinzugefiigt haben, llecens. hat seiner Pilicht gemäss sich die
Mühe nicht verdriessen lassen, von den beiden letztern Ausgaben
die 2 ersten Bücber der Annal. , das erste Buch der Hist. und
den Agricola mit Oberlin's grosser Ausgabe und mit Lünemann's
angegebener \ arietas Lectionis genau zu vergleichen , und es hat
sich dabei ergeben, dass Lünemann imd Bekker für die Revision
des Textes bei weitem mehr als Weise gethan haben, Kecens.
will die bei Lünemann befindliche Yarietas Lectionis hersetzen
imd über einzelne Lesarten in Bezugnahme auf Bekker und W eise
sein L'rtheil abgeben. Da Recens. Gelegenheit haben wird , über
Tacitus noch Manches mitzutheilen, so unterlässt er bei dieser
Anzeige, überall die Gründe näher zu bezeichnen, warum er ge-
rade so und nicht anders urtheilt. Lünemann hat den Oberlin'-
scheii Text zum Grunde gelegt, Bekker hat sich jnehr an JOrne-
sti gehalten, und weiter unten wird sich ergeben, dass Weise
von Oberlin fast gar niclit abgewichen ist. Zu bemerken ist, dass
* bedeutet, dass Bekker mit Lünemann, und **, dass Bekker
und A\ eise mit Lünemann übereinstimmen.
Annal. III, 34 divellebaiit. Diese Lesart aller Bücher scliützt
Ruperti hinlänglich gegen Ernesti's Aenderung in deveUebajit.
Von Bekker und Weise mit Unrecht beibehalten. IV, 2(» 7iec
ciilpae iiescia. Der Zusammenhang erfordert diese von Ryckius
Iierrührende Verbesserung, der auch Strombeck folgt. Ebend. 47
qmim Pompouius Laben — vcncre. Diese von CroUius vorge-
schlagene. Aon Buperti imd Lünemann aufgenommene und von
Strombeck ausgedrückte Lesart ist vorzuziehen, weil donec —
rondiiceret und dum venirel der Stelle die Konzinnität nehmen.
Ebend.52 * (juani monitn famafnit. forma ein aus Gronov's Atis-
gabe fortgepflanzter Druckfehler. Yihem\. "^-^ dif^rcssi sunt. Wir
stimmen der Bemerkung des Ilerausjgebcrs vollkommen bei: di-
124 Römische Litteratur. ,
gredinon semper in diversa abire^ d e g r e d i autem ple-
rwnqne ex loco snpe riori descendere vcl loco dece-
dere sigjtiflcat. \ergl. Oberlin in den Addendis ad li. 1, p. X\',
wo er digressi in Schutz nimmt. V, 10 velut agintnm. Uup. (e cod.
Mirand. ) Die Vulg. agnitus lässt sich ans dem Taciteisclicn
Spx-acligebrauchc immer nocli vertheidigen. VI, 1 in propf'/njfia
digressus. llnp. Man vergleiche das zu IV, li Bemerkte. XI, 1
non extimnisse in concione popidi Roniani fateri^ gloriamqne
facinoris idtro petere. Ern., llup. Bereits von Ruperti gut ver-
theidigt. Ebend. 10 * stihjectis intolerantior. Wir halten diess
dem Taciteischen Spracligebrauche für entsprechender als intole-
ratior. Ebend. 23 iirce Itomana. Diese Lesart passt offenbar bes-
ser zu Capitolio. Ebend. 30 Cincios^ Vectios^ Plautios. Rup.
Das Richtige möchte liier schwer zu ti-elFen seyn. XII, 35 con-
ferio gradu. Ern. , Bip. Wird von PJrnesti hinlänglich in Schutz
genommen. Ebend, 50 perpellunt. Ern., Rup. percellnnt wird
durch die 3ISS. geschützt, perpellunt ist hier dem Zusammen-
hange angemessener. Ebend. G3 vis piscium innumera Pontiim
erumpens. Ern., Bip., Rup. Diese Emendation des Lipsius ver-
dient vollkommen ihre Stelle im Texte. XIII, 5 iit astaret ahdi-
tis a tergo foribus , velo discreta. Die mit Ern. und Rup. auf-
genommene Vulg. erklärt der Herausgeber also : Agrippina astn-
bat abditis (/. e. occnltis) a tergo (^ Patrum) foribus^ velo dis-
creta etc. Das obditis des Lipsius ist nicht nöthig. Ebend. 13
seque Senecae permitteret. Ern. , Rup. Gibt einen ungesuchten,
passenden Sinn. Ebend. 16 prima ab infantia. Bip. , Rup. Der
Sinn erfordert diess. Ebend. 36 ne pugnam priores auderent.
Bip., Rup. Unstreitig dem adirent vorzuziehen. XIV, 21 con-
surgeret ac destrueretur. Diese, auch schon \on Strombeck be-
folgte , Lesart scheint allein richtig zu seyn , Aveil strueretur ein
unleidlicher Pleonasmus seyn würde. Ebend. 28 * cujus ^ic. Ern.,
Bip., Rup. Älit Reclit in den Text aufgenommen. Ebend. 29
vada secuti. Diese Emendation Gronov's , der aucli Ernesti bei-
stimmt, verdient volle Berücksichtigung. Ebend. 60 His motus
Nero , tanquam etc. Rup. Eine sehr verderbte Stelle. Der Ober-
lin'sche Text sagt dem Recens. immer noch am meisten zu. XV,
62 bonam qrium arlium famam^ tum constantis amiciliae latu-
ros. Rup. Eine sehr zu billigende Emendation Ruperti's. Ebend.
QZ*adversiispraesentemformtdinemmolitus. Ern., Rup. Auch
von Strombeck befolgt. Bekker lies't mit Lipsius ?nollitus. Ebend.
7-4 verum tainen ad oniina propinqui exitus vertebatur. Rup.
Der Oberlin'sche Text quorundam dolo möchte in diesem Zu-
sammenhange der Freisinnigkeit des Tacitus scliwei'lich ange-
messen seyn. Ruperti's Emendation empfiehlt sich in dieser Be-
ziehung mehr als die übrigen Versuche. XVI, 5 sevcraque ad-
huc et autiqui moris retinente Italia. Rup. Von Ruperti gut ver-
Uieidigt. Höhend. W 2'recibus et invidiae juxta. Eni., Rup. Mit
Taciti opera. Eilil. Lünemann, Bckkcr, Weise. 125
Recht wird liier die c(Ti>ula et eingeschoben. Dass /?/j:/ß adverhia-
liter hier richtiger mit dem Dativ siehe, Mie Oberlin aus Liv.
XXIV, 19 zu beweisen sucht, möchte immer noch Widerspruch
finden. '
riist. I, 8 belli r/ie.rperii/s. Bip. So auch Gutmann. {J)cs
L. Conieliiis Tarif t/s Gescliiclitbiichcr. Ziirich, 1824. 8.75.)
Ebeiid. 3S advcrsaiitcs. IJip. Lnstreitig die richtige Lesart. (Vgl.
In aliquot Taciti Historianim loca Obscrvalionniii specinicn.
yiucto/e Seebodio. 1S12. p. 12 sq.) VAiQixA. AH stiiprum passa.
Ui|). Diese Lesart ziehen \\'\y mit Gutraanii der andern unsa vor.
Ebend. 51 * et publice donatos. Ern. Diess ist dem damnalos
der Dip. weit vorzuziehen, nur vermisst man zu donatos das Sub-
jekt, daberGutmaim et in .se a erwandelt, Mas wir billigen. Ebend.
70 alani Silianani und gleich Siliani. Bip. Die richtige Schreibart
möchte schwer auszumitteln seyn. II, 26 * atque itineris. Ern.,
Bip. (Leber ac vor einem Vokal ist zu vergleichen: Hess zur
Germania. 41, 2 und die daselbst angefiihrten Schriftsteller und
Stallbauni ad Ruddiinanni Inst. Gram. Lat. Lipsiae, 1823. P. II
p. 343. Dagegen Ramshorn Lat. Gram. 1824. § 179 S. 315 fF.)
Ebend. 31 sibi ipsi hostis. Ern. ipst ist allein richtig im Gegen-
satze von reipublicae exitiosior. (lieber die Verbindung des Pron.
ipse mit dem Pron. pers. ist zu vergleichen: Seebode I. c. p. 26,
Ciceronis Eclo^ae von Olivet. Zweite Ausg. von Ochsner. 1820.
S.331F., Creuzer, teutsche Chrestomathie. Von Dr. Hess. Dritte
Aufl. 1825. S. 62, Archiv für Philologie und Pädagogik. Von
Seebode. Jahrg. I Heft 4. 1824. S. 648 if. , Uebungsschule für
den Lat. Styl. Von Weber. Erste Abth. Frankfurt a. M., 1824.
S. 75 iVnmerk. 75, Ramshorn a. a. 0. § 158, I, 2, d) S. 335,
Krebs Lat. Gram. 2te Aufl. 1824. §403 S. 273, Zumpt Lat.
Gram. 4te Aufl. 1824. §84S.482ft'., Ruddimanni List. Gram.
Lat. Ed. Stallb. P. II p. ü6. ) Ebend. 40 ad debellandum. Bip.
ad bellandum trefflich von Gutmann gegen die Bip. vertheidigt.
Ebend. 74 esse privali-i cogitali'onibus regresstim. Ern. progres-
sum zielien wir als die Lesart der Handschriften vor, und sie gibt
auch einen guten Sinn. Ebend. 88 vernacula , ut rebantur , ur-
banitate. Ern. Ist dem Sinne der Stelle sehr angemessen, wie
auch Strombeck iibersetzt. III, 3 * tracturus interpretatione.
Bip. Ist mit Recht aufgenommen. Ebend. 6 secretis apud Nero-
nem sermonibns. Ern,, Bip. Recens. schwankt zwischen sermo-
nibus und rumoribus. Ebend. 13 * Quas enim — donum daren-
tur. Ern. IMit Recht sind die Einklammcrungszeichen getilgt. Vor
armatorum hat der Herausg, /o/ wieder eingeschoben, was Bek-
ker nicht gethan hat. Ebend. 28 * Hormine id ingenium. Ern.
Allein richtig. Eben so Strombeck und Gutmann. Ebend. 54 ser-
mones — vulgaverant. Der Ileraiisg. liest und iuterpungirt: pro-
hibiti per civilatem sermoues^ eocpie plures: ac, si liceret., rera
7iarraticri., quia vetabanlur .^ atrociora vulgaverant. IV, 12 in-
126 Römische Litteratur.
sulam^ Batavam a se dictam. Bip. llecens, zielit noch immer
die Lesart vor: insulam^ inter viula sitatn. Ebenil. * opibus Ro~
manis. Em. Romaiiis^ was Oberlin strich, ist mit Recht herge-
stellt. Ebend. 2() exjjonereiit. Em., Bip. Der Streit um expo7ie~
reut und exponeret möchte wol nutzlos seyn. Ebend. 25 cirmari.
Bip. Ist der Lat. Satzverbindung angemessener. Ebend. pace su-
specta. Ujis scheint das in vor pace rnit Reclit gestrichen zu
seyn. Hätten doch Muretus und Acidalius für die Beibehaltung
des 771 die nöthigen Beweise aufgestellt. V, 1 * pricatis utrius-
qite rebus. Ern. Allein richtig. Tr^-lllich von Gutmann verthci-
digt. Ebend. 8 ex primis mimimehlis lubis. Kyck. Eine niclit zu
verwertende Lesart.
German: 3 baritiim. Diese Schreibart des Puteol. liält auch
Passow, dem Hess und Günther beistimmen, für die richtigere,
Dilthey hingegen entscheidet sich für banitits. Ebend. Nee tarn
vocesillae., quam virtutis concentus videlur. JVach Passow. Nur
dass dieser videntur statt videtur lies't. 10 * consulatur. Bip.
Z,u dieser Stelle bemerkt der Herausgeber: consuletur ., quod
Stare non potest ^ restUuit Em.., eumque secutus Ober!. Voci-
bus si — s/w priori loco vis inest geminatae particidae sive^
u/ide Subjunctivo opus esse facile intelligitur. Nicht zu überse-
hen ist das , was Passow dagegen erinnert. Mit ihm liaben Hess
und Günther consuletur beibehalten. 20 pares validique. Lips.
Diese Lesart verdient Berücksichtigung, insofern das masc. Brä»i-
tigam imd Braut bezeichnet. 21 Victus inter hospites comis.
Diese Worte sind mit Unrecht in Klammern eingeschlossen. Man
vergleiche zu dieser Stelle Passow, Orelli und Hess. Dilthey da-
gegen ist Lünemann's Meiimng. iä läuc iisque^ tit faina., vera
tantuin natura. Eine viel besprochene Stelle. Dilthey's einfache
Erklärung derselben verdient Beifall. Eben so sieht Strombeck
die Sache an. 46 Id beatins. Bip. Passow bemerkt zu dieser
Stelle, dass nichts gewöhnlicher als die Auslassung des Pron. sey.
Ebend. opus sit. Bip. nach Pichena. Es kommt hier bloss dar-
auf an, ob man die Sache als Ereigniss der Vergangenlieit oder
als Erscheinung der Gegenwart ansieht. Vergl. Dilthey z. d. St.
Agric. 4 ultraque quam. Bip. nach Lipsius. Recens. zieht
mit Jacobs (Ä7/o der Römer. Jena, 1825. S. 238) ultra quam.
vor. 11 vivinam insulam. Dronke (e codd. Vatic). Diese Lesart
billigt aucli der Recens. des Dronke'schen Agricola im Pädago-
gisch-Philologischen Literaturblatte. 1825 Num. 42S. 345. Ja-
cobs liat a. a. O. viciimm solum beibehalten. 25 oppugnare ultra
castella adorsi. Bip. nach dem cod. ürsini. Unstreitig eine sehr
gute Verbindung. 34 robore. Ern. Recens. zieht contra ruere
vor, was er in seiner neuen Ausg. des Agricola nälier angeben
wird. 38 omnis redierat. Ern. nach Pichena. Die Vulg. omni re-
dierat., welche auch Dronke beibehalten hat, gibt ebenfalls einen
passenden Sinn. 4:'^ ex more principis. Bip. nach ürsimis, Mure-
Taciti opera. Edd. Lünemann, Bckkcr, Weise. 121
tiis und Acidalius. Recens. findet ruitDronke die Lesart pnncipa-
tf/.s iiocl» passender. 4ii fornia/nque. Bip. nacli Acid. fotnio/tique^
Mas aucli Dronke und Jacobs aurgenonunen Jiabcn, überwiegt bei
weitem die hc^arifamh/iifjt/e.
Dhl.-i fitqf/e assidua. Vergl.IIist.il, 26. Bekker liätte hier
wie an jener Stelle atgue aui'nelinien sollen. 9 aut ad te^ Mater-
nc'^ j/o/i (jnia etc. Krn.^ Bip. Diess erfordert der Zusammenhang.
15 vont cutis. Eni. Dem Sinne angemessener. 32 Ä/*', ut opiiior.,
rebus. Immi., Bip. Das /y/e// ist mit Beeilt gestriehen. 39**/^«-
troiiKs indhit. Ern., Bip. Allein rirlitig. Ebend. utque alter.
\ergl. Ilisl. II, 2«, Dial. 4. M) aut iillius ^entis. Gut. 41*//«
clieiitctam. Bip. Diess erfordert der Sinn diireliaus. Eigene, in
den 'i'evt aufgenommene, Emendalionen und Konjekturen finden
tiicli bloss iblgeiide. Annal. \I\ , 58 effiigeret segnein mortem:
otii s//ß'//gi//m et mngni noniinis miserationem: reperturum etc.
Otii s//ß'/fgium hat das Ms. Agric. Die Stelle erläutert der ller-
ausg. also: ejfi/geret segnein {imiltani) mortem: otii (i. e. homi-
num in otio vicentium., s. procul a repuhlica gerenda habitorum ;
opponitiir enim iis., qni cum imperio sunt) suffugiiim et {etiam)
magni nominis miserationem [esse): repertun/?n etc. Dial. 26
plus viri habeat quam sanguinis, [viri ist nämlich der Genitiv
von virus.)
Die übrigen Abweicliungen von dem Oberlin'schen Texte in
der Bekker'schen und AVeise'schen Ausgabe sind folgende. Um
jedoch diese Anzeige niclit zu weit auszudehnen, wollen wir sie
hier mittheilen, ohne unser Ürtlieil näher anzugeben. Bekker.
Annal. I. 17 ** acceperint. [Ist bei Lünemann in der Varietas
Lectionis nicht angegeben. ] II, 76 * prompta Uli legionum stu-
dio. [Ist ebenfalls in der Var. Lect. niclit bemerkt.] Hist. I, 8
Germanis exercitibus und Germani exercitus. Ebeiid. 7() alam
Sullanam u\n\Sulla?ii. }^\n^i\d.7oom?iibus invicem gnaris. Ebend.
7J) ex Jerocia et successu. Ebend. 85 J^t oratio. Ebend. 89 ad-
versa reipublicae pertimuere. Agric. 10 dispecta est et Thule.^
quam liactenus ?iix et hiems abdebat. 21 in bellci faciles. 22 ac
fugti- 25 amplas ciritates. 31 nonne ostendamus. 32 nostris Uli
dissensiojiibus. 34 deprehensi sunt novissimi., et extremo. 38 se-
creti colles. 45 Rusticique visus. Ferner sind folgende Stellen
als luiächt bezeiclinet. Annal. M, 24 * * [alienationem mentis
simulans]. XII, 13 [et ArbeUi]. Ebend. 14 vnum [erat'] reliquum.
Ebend. 31 [ad] Aufonam. Ebend. 33 astu [tum] locorum. Ebend.
38 [e] vicis. Ebend. 65 ** [si Aero impcrilarct. Britannico suc-
cessore., nulluni principi meritum., ac]. Woltmann gibt sich be-
kanntlich viele Mühe, diese Worte zn retten. JVerke von Taci-
tus. B. 6 S. LXXXIX fr. XIV, 30 Furiarum [quae] veste ferali.
Mit der I.'iterpunktion: crinibus dejectis : faces praeferebant.
Ebend. 53 7nu7ii/icentiae [tuac] adhibere. XV , 49 [consulem de-
sig?iatum]. Ebend. 53 * * [in Elruriu], Ilist. I, 70 * * [urbis]
128 Römische Litteratur.
prociiratorem. IV, 46 [sed immensa pecimia dicehatur^ qua
tanta vis hominum retinenda erat]. Weise. Annal. 1 , 26 7iisi ad
se statt ad se Jiisi. Ebeiul. 28 et st qui alii st. et si alii. Gleich
nachlier : hi vigiliis st. ü vigiliis.
Alien drei Ausgaben sind Indices liistorici beigefügt. Nnn
noch ein Wort über die Orthographie. Bekker schreibt z. B.
lettuUt., quattuo?'., coiidicio ^ caelum^ caussa. Grotefend er-
klärt sich in seiner Lat. Grammatik gegen diese Schreibart,
Ramshorn gegen caelum^ rettulit ^ qualtuor ^ aher Tür condicio^
Ztmipt fiir quattuo?'^ Krebs gegen caelum., quatluor^ caussa.
Ueber die von Bekker und Weise beibehaltene Schreibart inrüuSy
coidapstis., inmemor ff", vergleiche man Baumgarten- Crusius in
der Vorrede zum Livius. Leipzig, bei Teubner, 1825. p. IV.
Lindemann in der Vorrede zu dem Buclie : Selecta e poetis La-
tin, carmina. p. V. Diese Sache verdient gewiss die grösste Auf-
merksamkeit der Gelelirten. Älöchte doch ein zweiter Celiarius
darüber eine neue gründliche Untersuchung anstellen! K. L.
Schneider' s Elementarlehre der Lateinischen Sprache., Erster
Band, Berlin, 1819, enthält trefTliche Vorarbeiten dazu. Auch
in diesem Buclie ist gegen die von Bekker und Weise zum Theil
beobachtete Schreibart in der Regel entschieden.
Aus dem bisher Beigebrachten ergibt sich deutlich, was je-
der der Herausgeber für die Revision des Textes geleistet liat.
Dass Weise sich so streng an Oberlin gehalten hat, das hat uns
allerdings etwas Wunder genommen, da es ja heut zu Tage keine
Frage mehr seyn kann, dass Oberlin nicht immer die besten Les-
arten befolgt hat. Lünemann's und Bekkcr's Ausgaben haben un-
streitig einen solchen Werth, dass sie ein neuer Bearbeiter des
Tacitus nicht unbenutzt lassen darf. Die Freunde des grossen
Geschichtsschreibers dürfen sich sehr viel von der neuen Bear-
beitung desselben durch HeiTu Professor Kiessling zu Zeitz ver-
sprechen. Möge der \erdienstvoIIe Schulmann uns seine Ausgabe
nur nicht zu lange vorenthalten !
Was den zweiten Punkt, den korrekten, säubern und deut-
lichen Druck, wie auch die Weisse und Güte des Papiers anlangt,
so verdienen die Ausgaben von Weise undLünemann vor derBek-
ker'schen bei weitem den Vorzug. Die Schwärze ist in diesem
Buche ganz schlecht, das Papier grau und dünn, so dass nicht
nur viele einzelne Buchstaben, sondern ganze Wörter in einander
geflossen sind und dadurch die Schrift an vielen Stellen ganz un-
leserlich ist. Bekker's Ausgabe ist daher Lernenden in dieser
Beziehung eigentlich gar nicht in die Hände zu geben. Auch ist
sie bei weitem nicht so frei von Druckfehlern wie die beiden an-
dern Ausgaben. So steht z. B. Annal, I, 5 reprererit st. repere-
Tit., II, G placidior adfluens st. placidior et adflneiis ., Hist. I, 3
fehlen nach virorum die Worte : necessitates : ipsa. Bei Weise
ist uns aufgestossen Annal. XII, 35 conterto gradu. (Soll diess
Gellii Noctes Attic. Ed. Lion. 129
nun conferto oder conserto gradu heissen?), Ilist. I, 41 qui tnali
st. quid inali.
In Hinsicht des dritten Punktes , des Preises, ist zu bemer-
ken, dass derselbe von den drei Verlegern dieser Bücher billig
gestellt ist.
J. G. A. Steuber.
Auli Gellii Noctes Atticae. Collatls Mscpt. Gnclferb. et
t'dd. vctt. recensuit, aiiiiotatiouibiis criticis etc. (^sict) illui^travi^
indicibusquc ropiosissiinirs instruxit Albertus Lion , Phil. Dr. in Aca-
deniia Georgia Aiijjusta privatim docens. Gottiiigae apud Vanden-
hoeck et Ruprecht. 1824. Vol. I. XXXVI u. 642 S. Vol. U. 714 S.
inSvo. öThlr.
Wie vollständige Erklärung der Attischen Nächte des Gellius
würde einen zweiten Salmasif/s erfordern, dem allumfassende
Gelehrsamkeit imd iMufse zu Tlieil uürde, um alles dasjenige,
>vas Gellius sagt, durch Erläuterung und Berichtigung in das
hellste Licht zu setzen , und die von ihm kurz berührte« Gegen-
stände zu entwickehi und durclizufüliren. Es ist aber überhaupt
die Frage, ob Schriftsteller so weitschichtigen Innhalts, >vie z. B.
Gellius, Macrobius und andere sind, sich bei dem jetzigen Stand-
punkte der Philologie zu einer eigentlichen Interpretation eignen,
oder ob nicht vielmehr ein Herausgeber solcher üeberreste des
Alterthums sich damit zu begnügen hat, den Text seines Schrift-
stellers nach allen kritischen, grammatischen und historischen
Gründen so fehlerfrei als möglich zu geben, Interpretation aber
nur in so weit liinzuzulugen, als sie mit der Kritik zusammen-
hängt, oder durch sie bedingt Avird, und, lun den Lesern das
Urtheil über seine Fähigkeit als Interpret freizustellen, einzelne
Gegenstände, die zu dem Autor in Beziehung stehen, in Exkur-
n oder besondern Werken zu beliandeln. Herr Dr. Lion^ der
kurzer Zeit dem philolog. Publikum eine bedeutende Anzahl
von Schriften des veischiedenartigsten Innhalts dargeboten, und
dadurch seinen Beruf zur Herausgabe des Gellius, eines sehr ge-
lehrten und gelehrter Hand bedürftigen Mannes, bewährt liat,
hat der Meinung den Vorzug gegeben, welche wir zuletzt auf-
stellten, ohne doch für nöthig zu finden, diese oder jene von
den vielen historisclien, grammatischen und andern Untersuchun-
gen ^ zu denen Gellius so Aielfache Gelegenheit giebt, durchzu-
führen; sondern er sollte sich begnügen, den 'J'e.vt, der in den
Buchhandlungen vergebens gesucht wurde, mit einer vollständi-
gen Sammlung von \ ariantea herauszugeben, und so denen, die
8ich mit Gellius vorzugsweise oder zum Behufe anderer Gegen-
stände beschäftigen, brauchbare Materialien zu sammeln. Darü-
Jahrh. d. Phil. v. Pädafr. JaUr^. 1. //r/rl. !)
130 Römische L i 1 1 e r a t u r.
her mit Herrn Lion zu rechten, wäre unbillig; niclit iiber das,
was imtte geschelin können, wollen wir sprechen, sondern wie
das, was er hat i\\m\ wollen, aus^^eluhrt worden ist. Und liier
mVisscn wir deini gleich zum Anlange unserer Beurtheilung frei
aussprechen, dass uns seilen ein philolog. Buch vor die Augen
gekommen ist, dessen Verfasser Unwissenheit, Nachlässigkeit,
Anniassung und Ujjverschämtheit in so hohem Grade rereinigt
hat, als wir es hier finden. Der Vorwurf klingt hart, und man-
cher, der sich der sanft einherwandelnden Kritik freut, wie sie
noch Aor wenigen Jahren grösstentheils sich dai'stellte, und der
in ihr das Zeichen einer allgemeinen Bildung fand, wird uns
dünkelhaft und grob schellen. — Wir wollen und können es nicht
wehien ; wir wollten uns aber wenigstens gegen den ^orwurl' der
hinterlistigen Ileimtiicke schirmen, die mit derselben Iland Lieb-
kosungen TUid Dolchstiche austheilt , und iibernehmen dalier die
Anzeige des Buchs in einer Zeitschrift, wo Anonymität nicht ge-
stattet ist. Dass wir aber so umerhüllt die Wahrheit ausspre-
chen , hat seinen Grund vorzViglich in der Beschuldigung , die
wir dem Herausgeber zuletzt gemacht haben, der der Unver-
schämtheit.
Wean die Herausgabe irgend eines, auch des kleinsten
Schriftstellers des Alterthuras ein Geschäft ist, das man nie ge-
wissenlos übernehmen sollte, so wird die Verantwortung desto
grösser, wenn man bei dem Buche als Nachfolger eines Mannes
auftritt, dem man in jeder Hinsicht viel verdankt, und der sich
grosse Verdienste um seinen Schriftsteller erworben hat. In die-
sem Fall war Herr Dr. Lio?i. Mit Ausnahme Conradis , der doch
nicht viel mehr als einen blossen Abdruck liefern wollte, war
Gronov der letzte bedeutende Herausgeber des Gellius, und den
W eg von neuem zu betreten , den ein solcher Mann zurückgelegt
hatte , niusste die Schwierigkeit des Unternehmens gar sehr er-
höhn! Wenigstens musste es die unerlässliche Pflicht des neuen
Herausgebers sein, die Verdienste des Vorgängers noch einmal
kurz zusammenzufassen, der Dankbarkeit, die einem solchen^
Manne gebührt, den gehörigen Zoll zu bringen, um sich so der
Ehre >vürdig zu machen, Gronors Nachfolger zu heissen, der
in der altern philolog. Schule Hollands nach unserm Dafürhalten
den ersten Rang einnimmt. Diese Dankbarkeit aber, die jedem
Guten nicht nur heilige Pflicht, sondern auch walires Bedürfnis«
des Herzens ist, hat HerrL. nicht nur nicht beobachtet, sondern
sich auch der grössten Undankbarkeit schuldig gemacht, die in
unserer Wissenschaft begangen werden kann. Ein Plagiat von so
grossem Umfange, Avie des Herrn Lions in diesem Buche wird
selten vorkommen, und deswegen glaubten wir ohne Helil spre-
chen zu müssen , nicht nur um Herrn L. selbst die Lust zu ähnli-
chem Schleichhandel zu benehmen, der Avohl gar bessern Unter-
nehmmigen in dem Wege stände, sondern aucli, um zu verhüten,
Gellii Noctcs Attic. Ed. Llon. 131
dass nicht die Pliiloloiren Hollands, die vor kurzem ein neues kri-
tisches Tribunal erriclitct haben, mit Reclit eifersüclitisf auf die
Ehre ihrer g^rossen Vorlaliren zuerst die Sünde in ihrer ganzen
Ilasslichkeit aufdeckten. Kine \ erlieimlichiuig könnte hier leiclit
für Billijrunjr freiten! Dazu kommt, dass auf diese Art der wohl-
erworbene Ruhm deutscher Gründlichkeit verlohren geht, und
wir am Ende in die Kategorie eines Leinaire und anderer gesetzt
M erden. Schon einmal ist Herr Liou bei Gelegenheit seiner Aus-
gabe Aon Xenoplions Anabasis von dem gelehrten llecensenten in
der Leipziger Lilteraturzeitnng (1825 St. 28 IF.) und auch, Menn
wir niclit irren, \o\\ andern Seiten her, derselben Umerschämt-
heit beschuldigt worden , in der er sich also reclit zu gefallen
scheint, ganz wie Jener bei Iloraz, der, um die Stimme des
Volks unbekümmert, spricht:
Populus me sibilat, at mihi plaudo
Ipse domi, simul ac immmos contemplor in arca.
Es steht bei Herrn Lion , ob er in dieser Weise auch bei den
übrigen Sclirift stellern des sogenannten silbernen und ehernen
Zeitalters der Komischen Litteratur fortfahren will, deren Bear-
beitung er in der Vorrede zum Gellius S. VI angekiindigt, und
schon mit unglaublicher Schnelligkeit durch die Ausgabe des Ser-
rius begonnen hat, dem >vahrscheinlich auch des altern Plinius
Naturgeschichte bald folgen wird, wo Recensent, der sich auch
mit diesem Schriftsteller beschäftigt, Belehrung über so man-
chen ilim und gewiss auch andern aufgestiegenen Zweifel zu er-
halten hofft. Doch wir sind nun sclnüdig, unsern Lesern einige
Beweise von Herrn L.'s Plagiat zu geben, und wir wählen dazu,
so wie zu allen andern Bemerkungen über den Geist dieser Aus-
gabe die ersten 4 Capitel des ersten Buchs, in der Ueberzeu-
gung, dass den Lesern damit hinlänglich gedient sein wird. Wo
Herr L. etwas gutes beigebracht hat, werden wir es nicht ver-
scliweigen.
ZuA orderst mnss gerügt werden, dass Herr L., der in der
Vorrede S. XXXII der beiden G/oJiove Verdienst sehr vornehm
abfertigt, und diejenigen niclit loben kann, welche den vollstän-
digen Abdruck der Gronovischen Ausgabe wünschen (Auszüge
sind freilich besser!), nur manchmal zu den einzelnen Anmer-
kungen den Namen Gronovs lilnzusetzt, und auf diese Art den
Lesern begreiflich machen will, dass er nur das von ihm als
brauchbar erfundene aufgenommen, das übrige aber verschmäht
habe (s. S. .V>, 50, 03, (50, (58), da er ja den alten Plunder
nicht brauchte, sondern aus eigner Gelehrsamkeit genug bei-
steuern konnte. Aber indem er so Groiiuvs Verdiensten schein-
bar Gerechtigkeit wiederfahren lässt, giebt er doch weit häufiger
dessen Bemerkungen unter seinem eigenen Namen. Wir führen
bloss folgende Beispiele wichtigerer Plagiate an : 1,1,2 hat !zu
9 *
132 Rü mische Litterat iir.
den Worten des Gellius Hercnlcm pedibus s?its nietatinn Gronov
Folgendes bemerkt: „Pausanias scribit, Ilerculcm fiiisse quatuor
cubitis et pede Jongura.''" Herr L. sclireibt so: „Herciilem fuisse
qiiattuor cubitos et pedem longiiin scribit Paus.'-'' Das klingt ge-
lehrt! Hätte es doch Herrn Lwn gefallen, die Stelle des Pausa-
nias genauer anzugeben. Wir liaben sie trotz vielem Suchen nicht
finden köinien, und 2l\\c\v Heyne ^ der zum Apollodor IV, 4, 9
die übrigen Gewährsmänner für diese Nachricht erwähnt, kennt
Pausanias nicht. Wie erklärt sich dies Räthsel? Gronov hatte
einen Gedächtnissfehler begangen, und Herr L. ist gutmüthig
genug, nachzuschreiben, dass Pausanias davon gemeldet habe,
bei dem sich dariiber kein Wort findet. Gleich darauf sind zu
den Worten terra Graecia die Bew eisstellen aus Plautus xuid Cato
aus Gronov abgeschrieben , ohne' dass sich Herr L. die Mühe
nahm, die genaue Anführung hinzuzufügen. Ganz auf dieselbe
Art ist noch einmal in diesem Capilel bei den Worten anhni cor-
"porisqve ingenio alles aus Gronov abgeschrieben. Ferner 1 , 2,
2 mollibus. Dazu aus Gronov die Stelle des Plinius und die Er-
klärung durch jucunda^ placida^ cimoena. — I, 2, 4 togatain:
„Romanam; toga enim Romanorum propria; pallium Graecorum.''^
So Gronov und Lion. Ein besondres Unglück ist Herrn L. in
demselben Paragraphen bei den Worten ofßciaque earum aut
contraria begegnet. Hier lies't man die bestechende Note: „ede-
batur: officiaque eai'um confinia aut contra"; man schlägt bei
Gronov nach, und findet schon da ganz dieselbe Lesart, die eben-
falls Herr L. aufgenommen hat. Warum denn das prächtig klin-
gende: edebatur? Dies Wort, hier ganz inigei'eimt, gehört, so
wie das übrige, Gronov zu, der es ganz richtig in Bezug auf
die frühern Ausgaben setzen musste, während es in Herrn L.'s
Munde lächerlich wird. Uebrigens ist auch die gute Erklärung
des sogleich darauf folgenden //-«e^rfes fremdes Eigenthuni. Zu I,
2, 5 obnubilari ist Seneca Ep. 59 schon bei Gronov zu finden;
und wir können nun wohl versichern, dass wir die Fortsetzung
des Sündenregisters nur deswegen unterlassen haben, damit wir
die Geduld unserer Leser, dft wir ausserdem noch stark in An-
spruch nelimen müssen, nicht sogleich bei dem ersten Abschnitt
der Recension ermüden , den wir am besten mit den herrlichen
Worten Xenophons (Cyrop. I, 2, 7) beschliessen zu können glau-
ben: f^TEöO'at b\ bov.il ^ahöra ty aiccQiörla (v. supra) tJ ävai-
GyvvTia. %ca yuQ avTf] ^Byiötf} doxei slvac &zl tcccvtu tu al6%QK
iiyB[i(6v. —
Wir gehn jetzt mit einstweiliger Uebergehung der Anmas-
sung^ die zum Schluss mit Herr L.'s eignen Worten prangen
wird, zu der Nachlässigheit über, mit der diese Ausgabe veran-
staltet worden ist , und beti'achten diese zur Bequemlichkeit un-
serer Leser aus zwei Gesichtspunkten, dem formellen und juate-
riellen. Für jenen nun, der sich mit dem überhaupt sehr ab-
Gellli Noctcs Attic. Ed. Liuii. 133
niptoii Sty! nnd der Austlrucksweise des Herrn Herausgebers be-
scl)äfti^t, dürfte etwa folcendes firemigeu. Was soll denn das
oben schon ^on uns ausiiezeichnete etc. auf dem Titel bedeuten*?
Vielleicht et ceterls ? dann also aiiiiototionibiis crUicis et reteris
illnslrnvit. Eben so wnnderlich ist die Ueberschril't der Vorre-
de : Lcctori beiievolo atque erndito. S. P. D. Das Funktuni
nach erudito zeis:t an, dass der Dativ von dem darauf folgenden
D. nicht abhängig sein kann; und gesetzt, die Ijitcrpimktion fiele
weg, wie glaubt denn Herr L. sein absolut gesetztes D. zu erklä-
ren'? ^^ as in aller Welt mag er sich denn bei den ihm zum Vor-
bilde dienenden Ueberschriften der IJojnischen liriefe denken?
l*. V doctriiioe copias alicui navare. P. V I esse in Ulis., ' quae eo-
Tiirn lectiuneni nobis magiiopere commendent ^ quae sunt praeci-
pue., ut paucis dicam., haecfere. V. \I1I In locis difßcilioribus
Te {lectoreni) non plane reliqui., vgl. pag. XV saepe relinquimur.^
si de leclione illoruni codd. ce/tiores esse volumus. V. XV Per-
viidli exstant ubique codd. GeUii., qtiamquam non admodum an-
tiqni. Atque tonten male sunt colluti., quod ex conferendo (^lie»
collato) cod. Guelf. lucidenter . intellexisse mihi videor. P.
XXXlll s?/perest., nt de translationibus Geliii aliisque (?) VV.
DD.., qui de Gellio meriti szmt., dicani. Hierlier gehört auch der
durch das ganze Buch falsche Gebrauch von deinceps für deinde.
Was nun die ?naten'ellen Nachlässigkeiten betrifft, so wollte Herr
L. nach Vorrede p. VII sqq. einen vollständigen kritischen Appa-
rat liefern, so dass nun der Leser einen Gellius habe , quem le-
gere possit ., instructissimujn., instructiorem^ ut ita dicani ('?-),
Omnibus., quae hactenus (^huctisque) fuerunt ^par atae
sunt)^ editionibus. An der Erfüllung dieser glänzenden und
trostreichen Verheissung fehlt sehr vieles. Allerdings hat Herr
L. die in Gronovs Ausgabe bereits verzeichneten Varianten in die
seinige übergetragen, die von Ebert im Bibliograplvischen Lexicon
erwähnten kritischen Beiträge späterer Zeit benutzt; allein sehr
ungern Aermisst jeder, der sich mit Gellius beschäftigen will,
eine vollständige Sammlung der verschiedenen Conjekturen , die
die Gelehrten, vorzüglich der früliern Zeit in den Ausgaben an-
derer Schriftsteller belgebraclit haben , die sehr oft, wenn auch
nicht immer die Schwierigkeit heben, sie doch zeigen, und den
aufmerksamen Herausgeber auf den rechten Weg leiten ; so dass
daduirh die Ausgabe, wenn sie aucli sonst nicht eben bedeuten-
den \\ ertli hat, an Brauchbarkeit sehr gewinnt. Eine treffliche
Würdigung solcher Sammlungen giebt Ilofmnnn Peerlkamp in
der Bihliotbeca Critica JNova. Vol. 1 p. 121. Dies war freilich
nicht das Werk weniger Tage, sondern mühevoller und höchst
langweiliger Arbeit, aber der Lohn wäre nicht ausgeblieben, und
selbst die Bogenzahl wäre etwas grösser geworden, während jetzt
Herrn L.'s Ausgabe durch die näclistfolgende, deren Bearbeiter
mit Genauigkeit verfährt, eutbehrlidi gemacht wird, was recht
134 Römische Litter atur.
bald gcschelm möge ! Aber nicht einmal in der Aufzählnng der
bei Gronov erwähnten Varianten ist Herr L. genau. So sagt er
zu dem Worte I, 2, (> defatigati: „ quidam codd. et Stepli. defeti-
gati'-\ während es nur optimae membranae Carrionis und Stepha-
mis haben. Als eigne Vennehrung des vorJiandenen kritischen
Apparats lugte Herr L. die vollständige Vcrgleichung einer AVol-
fenbüttler Ilandsclirirt bei, die freilich von nicht erheblichem
Werthe ist und ziemlich grosse Lücken hat Die Vergleichimg
einer andern selir neuen Wolfenbüttler Handschrift unterliess
Herr L. mit Hecht, da sie mit der editio Komana übei'einstimmt,
und wahrscheinlich aus dieser mit riickwärts geänderter Jalires-
zalil abgeschrieben ist. Von Kritik der verschiedenen Handschrif-
ten ist iibrigens keine Spur, obgleich jeder leicht bemerkt, dass
der Buslid., Reg., Rottendorf, diejenigen sind, denen man vorziig-
lich folgen muss, was sich hinsichtlich der beiden letzten schon
daher erweist, dass sie die Vorrede, die in den gewöhnt. Codd.
am Schlüsse des Werkes steht, an der gehörigen Stelle haben.
Nur durch strenge Scheidung der Handschriften - Familien kann
man endlich, gerade bei solchen Schiiftstellern, wieGellius, wo
sich die Interpolation bisweilen sehr verführerisch zeigt, zu ge-
wissen Ergebnissen kommen. Noch ist zu sagen, dass wir in dem
Buclie vergebens eine Erwähnung des in Herkulanum angeblicli
gefundenen Gellhis gesucht haben, was einem Herausgeber dieses
Schriftstellers niclit unbekannt bleiben durfte. Von alten Ausga-
ben konnte Herr L. vieles benutzen, was ihm die Bibliothek der
Georgia Augusta darbot ; jedoch er tliat es nur so , dass er edd.
vett. anführt, nie aber oder nur höchst selten die einzelnen Aus-
gaben angiebt, und, wie wir sogleich sehen werden, aus ilineu
gewöhnlicJi nur die sclilechtern Lesarten, namentlich längst ver-
worfene Glosseme in seinen Text aufnimmt. —
Docli wir wenden uns jetzt mit Erwälinung der zuerst ge-
machten Beschuldigung zu der Beurtheilung des eigentlich kriti-
schen TJieils der Ausgabe, um zu sehn, wie Herr L. einzelne
Stellen behandelt, und mit welchem Glück er früheres verwirft
oder vertheidigt , und seine eignen Muthraassungen rechtfertigt.
Wir wollen, ohne im Voraus ein allgemeines Urtheil darüber zu
lallen, nach der Folge der Paragraphen der ersten Cap. alle Stel-
len, wo Herr L. von Gronov abweicht, durchgehn, und ünpar-
theiisch angeben, wo er auf das rechte gekommen ist, oder sich
in der Wahl vergriffen liat.
Der Anfang des ersten Kapitels ist manchen Schw ierigkeiten
unterworfen, indem nämlicli die alten Ausgaben den Titel der
Plutarchischen von Gellins angeführten Schrift Griechisch geben,
was Herr L. statt der Lateinischen Uebersetzimg, die in sümmt-
lichen Handschriften herrscht , aufgenommen hat. Schon diese
L^'bereinsthnmung sollte Herrn L. vorsichtig maclien, der folgende
Gründe für sehie Meinung anfiilirt: „Gellius ipse titulos libro-
Gellii Nocteu Attic. Ed. Lion. J3Ö
inm Graecos transferre non solet. " üaircfifon \s;]. I, ;», 10 TJieo-
plirastus de ^//«/c/V/V/, 1,2, (> Kpick'ti ilinserlutiones {wo Salina-
sius iiachzusehn ist), 1, 11, 17 ArislolcU's in libris problemaluin.
Der 2te Grund ist: „Latiiia lacile iiitnidi potiieniiit, qminiGraeca
omissa essent a librftriis; (beiläiifiic könnte man liier IVai^en, ob
nicht dem \^ orte librariiis in einem Latein. Lexieon die JJedcu-
tunij Btichmachcr ijegebcn Verden kann) qnod saepe faetnm est.'^
iSuu irajren wir aber , ob die Lesart der beiden Carrionischen
Handschriften: de Ilercalis ^ (iirali. int er homines fueiit aninii
cui porisipie in^e?iio^ die Grouov mit IJeeht aiirgenonmien hat,
und mit der die übriiren llandsehiirten mehr oder wenijrer über-
einstimmen, wie Abschrtiber -Latein aussieht? Der ILuiptbe-
weis aber ge^en Herrn L. liegt in den folgenden Worten , wo es
lieisst: i7i reperienda modnlandaqne slalus longiLiidinisque
ejus praestantia. Herr L. weiss natürlich nicht, was er mit die-
sem ejus machen soll, und meint eiitMeder, dass das Subjekt Her-
cules aus der l eberschrift des Capiteis zu vcrstelm sei, oder dass
man geradezu He/culis lesen müsse. Ein unglückseliger Einfall !
Dies ejus bezieht sich ganz ehifach auf den in dem Latein. Titel
der Plutarchischen Schrift erwähnten Herkules. Ferner rathen
wir Herrn Lion freundscliaftlich, w enii zu seinen Erklärungen die
Latein. Sprache nicht hinreicht, und er deswegen zur Grieclii-
sclien seine Zuflucht nehmen muss, auf die Grammatik besser zu
achten, damit ihm nicht Sachen, wie intellige : in libro %eq\
ÖLCicpo Qug, onoöri sYrjy entschlüpfen. Für einen Herausge-
ber der Anabasis und des Ktesias sehr sclilimm ! I, 1, 2 tarnen
[esse] cdiquantulum breviora^ mit der Note: „Edd. vett. tarnen
esse aliq. V. (vocem) esse om. Steph. cum codd. fort. '■'• Allein
auch Gronov hat das Yerbum stillschweigend und daher gewiss
mit den codd. weggelassen, üebrigens sieht man nicht ein, war-
um so offenbare Glosseme auf die Autorität einiger interpolirten
Ausgaben mit den entstellenden Sperrliaken von neuem einge-
sch\>ärzt werden. I, 1, 3 ist coUegit richtig geschrieben für das
GronoAsche coUigit., was freilich nichts weiter zu sein scheint,
als ein durch mehrere Ausgaben fortgepflanzter Druckfehler. I, 2
in lemmate : quibus festiviter a vero Stoico seiunxit vtdgus lo-
quacium nebulonum , qui se Stoicos nuncupa/ent. Die ältesten
Ausgaben haben fl se t'ero; ohne darüber zu streiten, welche
Lesart die richtige sei, wird doch jeder cingestehn, dass Herrn
L.'s Conjektur scvcro höchst abgeschmackt ist, 1, 2, 1 accc/sc-
bat statt des Groiiovschen arcesscbal^ mit Ijcrufung auf Schnei-
ders Grammatik I, 2 S. .')14, wofür ^iel zweckmässiger I, 1 S. 257
angeführt werden musstc. Sclineider giebt keine Gründe an, und
die Sache war genauer zu untersuchen, ^^obei die Collektaneen
in Gesners 'J'hesaurus zu benutzen waren. I, 2, 2 ist aus (?odd.
aediitm posilu refrigeranti richtig aufgenommen statt des ge-
wöhnlichen : uediuni posticunt refrigerunlibu^:. J, 2, 4 ist ge-
136 Rümischo Litteratur.
schrieben ceteros omnis. Warum denn nun sogleich darauf ina-
nes glorias^ wo selbst Gronov inaneis obgleich mit Unrecht hat?
Ebendas. sagt Herr L. zu den Worten kv Qisv ovx ag , riGv-
Xat,ovt aq %a\ öojqblt ag, „pro tcccI possis et legere.'"''
Wozu dieser Unrath*? Viel besser Mar es , die Conjunktion ganz
w egzulassen , da sich dafür keine Spur im Codex Vaticanus fin-
det, der, obgleich corrumpirt doch allein zur Wahrheit leitet.
Uebrigeus sind auch hier wieder die Stellen der Klassiker durch-
gängig aus Gronov abgeschrieben. JEbe?idas. stehn zuletzt die Worte
bei Gronov: 7iuUi esse magis ea omnia esplorata^ comperta^
meditataque., quam sibi. Herr L. hat sie eben so wiedergege-
ben, und nur die beiden letzten Worte'als in den alten Ausgaben
fehlend in Klammern eingeschlossen mit der sonderbaren Bemer-
kung: „et possint facile abesse. •■*• Allein hier musste auf jeden
Fall die Lesart der Handschriften inid alten Ausgaben nuUi esse
ulli inagis ea omnia etc. mehr berVicksichtigt werden , als es a on
Herrn L. geschehn ist. Schon Gesner in seinem Thesaurus (s. v.
malus) hat den Pleonasmus Aon malus idlus durch nemo homo
gerechtfertigt, und Vechner in seinem vortrefflichen und den la-
teinischen Sprachgebrauch in vielen Punkten genau darstellenden
und tiichtig erklärenden Buche Äe&wo/ej:. (p. ITA edit.Heus.) hat
viele ähnliche Beispiele gesammelt , zu denen später ein neuerer
Herausgeber eine grosse Menge aus Gellius hinzufügte, die deut-
lich beweisen, dass Gellius die Zusammenstellung von zwei Pro-
nominibus, von denen das eine pleonastisch ist, ja manchmal mit
dem eigentl. Sprachgebrauche streitet, vorzüglich liebt. Herr L.
sollte um so aufmerksamer auf diese Variante werden , da Vif,
C, 2 in Aqw Worten: nullum autem gigni animal Aristoteles di-
cif., quod aut gustus sensu careat aut tactus , worauf er an inise-
rer Stelle wegen einer untauglichen Conjektur die Leser verweist,
die Codd. Mieder haben nullum autem ullum., Mas doch ganz
unwiderlegbar den von uns oben bemerkten Sprachgebrauch des
Gellius bestätigt, von dem freilich sein Herausgeber durchaus
gar nichts versteht. An beiden Steilen ist also diese Lesart von
einem künftigen Herausgeber, der dem wichtigen Buche nicht
fehlen wird, in den Text aufzunehmen, und somit fällt Herrn
L.'s Conjektur non alii esse ulli., unbeachtet ihrer eignen Ver-
werflichkeit , von selbst. Die Anmerkung zu I, 2, 6 quotiiajti re-
spondere nos tibi., quos idiotas et rüdes vocas , non quinius ist
ganz unverständlich. Man sieht nicht, warum denn im Text die
bessere Gronovsche oder vielmehr Carrionische Lesart in die
schlechtere einiger alten Ausgaben umgewandelt Morden ist. I, 3,
8 steht praestabilis homo sapientia; dies seltene Wort hat Gro-
nov durch Cic. Orat. II, 85 gut vertheidigt. Herr L. aber meint
etwas besseres zu thun, indem er praestabilis homo sapientiae
vorschlägt, Mie in einigen alten Ausgaben gelesen Merde, und
führt dazu einige Stellen an, mo der Genitiv der Eigenschaft bei
GclUi Xoctes Attic, Ed. Lion. 137
homo^ vir^ n. s. w. verkömmt. Als wenn dies so unbekannt wäre!
Hätte er lieber bewiesen, dass praestabüis im alljjemeinen fVir
egreghis stehn kann. Tns seheint dies Wort nur mit dem Abla-
tiv der Sache verbunden werden zu können, in der sich jemand
hervorthut. I, 3, 11 hat Cod. Kegius, eine der besten Hand-
schriften, od jtivaiidiini ; und 'v\enn gleich Jacob Grovov es in den
Corrigendis missbilligt , und ad adjuvondum beibehalten wisse«
wollte, so niusste doch Herr L. aui' die Autorität einer so guten
Handschrift mehr geben, der er an andern Stellen mit Recht ge-
folgt ist. S. § 20 dejiuarct. I, 3, 21 ist die Lesart des Cod.
Kottendorf. in co, quo dixi libro durch \IX, 1 gnt vertheidigt.
I, 3, 23 hat Herr L. die Lesart des Cod. Buslid. und Reg. decli-
natae mit Unreclit verworfen. Ebendas. erklärt ei-, ohne Gronov
nur einer Erwähnung zu würdigen, mit dessen eigenen Worten
7nii7nnieiitis durch impefisis^ qiiibus solidontur et ninnianüir viae.
Allein es ist sehr zu bezweifeln, ob rniinimentum fiir inipcnsum^
pecuiiia immieiidae viae apla gesetzt werden könne , luul es ist
vielmehr zu erklären, Mie es Tacit. Annal. I, 3 brauclit: quo plu-
ribus miuiimentis insisteret. I, 3, 20 steht bei Gronov folgen-
der extemporirter Vers des Perikles :
8ü ^8 öv^nQCiXTuv Totg cpü.oig, a^Xa [isxQi &£cjv,
wozu Gronov mit einem für die damalige Zeit wohl zu entschul-
digenden Fehler bemerkt : „ Fidv. et Reg. justum faciunt tro-
chaicinn: /Jü [i\v öv^TcgccTteLV TOtg cpiXotg , aXKä ^8%ql rc5v
Qtäv. " Herr L. hat diese Lesart in seinen Text aufgenommen
niit der selbstgefälligen und dem grossen Gronov fast wörtlich ab-
geborgten Aeusserung: .,^just7im trochaiciim versimi recepi ex
Fulv. Reg. et Sciopp.'-'' Der Versuch ist stark verunglückt, und
wir wollen Heirn Lion das Schema eines solchen Verses hersetzen:
Vielleicht überzeugt er sich nun, dass sein trochaicns doch nicht
so ganz jiistus ist, und dass er wohl justior geworden wäre, wenn
er geschrieben liätte :
z/ft (U£ ÖVUTIQCCTTELV (plXOLÖiV, alld flBXQt^ tiOV %E(üV.
I, 3, 29 qiiod duas ferocissimas affectiones amoris atque odii in-
tra inodvm tanlnm coercuit. Die raembrana Schelferi hat für
tontitm^ was durchaus unpassend ist, tarnen., das einzig richtige,
was um so mehr aufziniehmen war, je liäufiger tantnm xuid la-
vxen in den Codd. verwechselt werden. I, 3, 31 \yerbis\; warum
dies Glossi'UJ als solclies von Herrn L. aus frühern schlechten
A\isgaben auch in die seinige aufgenommen worden ist, sehen
■wir nicht ein. Ebendos. war das nach Gronovs ('ollation im Cod.
Reg. fast buclistäblich erhaltene ovvs^nkEXEö^at, in den Text
aufzunehmen. I, 4, 3 de quibus Judicium ob eo factum est., so
Herr L. nach allen Ausgaben. Gronov hat: ab eo iudicium. 1,4,
1 scd id verbum habet cum proposiia compuratione , so Herr L.
138 Griechische Li ttcrciturgcschich tc.
richtig mit aiulern Herausgebern^ da Groiiov das Wort habet weg-
gelassen hatte.
Dies gcnVige, sich ein Urtheil über diese Ausgabe zu bilde»,
neben der Herr L. noch eine kleinere hat erscheinen lassen , und
ein jeder wird leicht begi-eifen, mit wie grossejn Rechte Herr li,
( Vorrede S. MI ) unter den mancherlei Ursachen , die frühevc
Gelehrte von der Beschäftigung mit Gcllius abschreckten, auch
folgende anführt : Porro nbniam doctrinain et diligentiam dtssi-
derare Gellius videtur^ quod sane absterruit midtos.
Julius Sillig.
Ueber die neuesten Bearbeitungen der Grie-
chischen Litte raturgeschichte.
Erster Artikel.
Äo reich die philologische Litteratur imsercs Vaterlands in den
letzten Jahrzehenden mit einzelnen imschätzbaren Keyträgen zur
griindlichern Kenntniss des Griechischen Schriftwesens ausgestat-
tet ist, so auflallend ai'in ist Deutschland an solchen W erkcn ge-
blieben, die jenes Gebiet nicht nur mit ausfülirl icher Vollstän-
digkeit, sondern auch mit gehöriger Kenntniss des Alterthums,
mit achtem philologisch -historischen Sinn imd mit durchgreifen-
der Kritik im Ganzen behandelt haben. Die Lehrbücher von
Itienäcker (1802), von Sachse (1810), von Aug. Matlhiä (1815
und 1822), an die Rec. seine Grundzüge der Griech. und Rom.
Litt. Gesch. (1816) anreihen zu dürfen glaubt, mussten ihrer Be-
stimmiuig gemäss nicht bloss auf alle eigne Forschung, sondern
auch auf jede genauere Entwicklung der Ansichten \ erziclit lei-
sten, inid in ihrer Methode ihr Hauptverdienst suchen: Eschen-
bwg., Schaoff und Ast konnten das Griechische Schriftwesen nur
in der Unterordnung eines Theiles unter das Ganze auffassen,
xmd mussten sich darum noch melir beschränken : dasselbe gilt
von Jy achler (Handb. der Gesch. der Litt. 1822 fgg. Tli, I S.
82 — 174, Th. 2 S. 63 — 83), obgleich niclit zu >erkennen ist, dass
aiich so das von ihm Gegebene die Leistungen aller seiner Vor-
gänger weit hinter sich znrück lässt : Mokmcke aber wurde dm'ch
veränderte Richtung seiner Studien von der (1813) mit Glück und
Einsicht betretenen Bahn gleich nach ilen ersten Einschritten wie-
der abgerufen , und seinen zu den scViönsten Hoffnungen berech-
tigenden Nachfolger, Jf ilhelm Schneider ., unter dessen Händen
das Werk noch an eigentlich philologischem Sinne gewonnen ha-
ben \^ürde, entriss uns ein früher Tod, noch clie «r sich über
Groddeck lüst. Graec. litter. u. Schocll lüst. de la litt. Gr. prof. ISl)
seinen Beruf öffentlich liatte ausweisen können *). So ist es denn
iiiclit zu vcnnuidern, dass die bcy weitem melir miilisanien , als
virkiicli üeissiccn und 2:eiiaueii Arbeiten des unkritisolien Jlajlcs
auf diesem Gebiete lange Zeit hindurch eine Art aou Uuentbelir-
lichkeit behauptet haben, die mit dem wahren A>erthe derselben
nicht in cleichem Verliältniss steht **).
^ on der jNoihwendifikeil , zu Ilülfsbiichern zu greifen, die
dem gegenwärtigen Standpunkte der AMsseuschaft keineswegs eiit-
spreclien, haben uns nunmehr zwey ]>länner beireyet, die, ob-
gleich in mehrfacher Hinsicht unsern östlicJien und wcstlichi'n
Maclibarn angehörend, ihrem INamen, ilirem gründlich forschen-
den Gleiste und dem Charakter ihrer Studien nach mit Stolz ;«u
den unsrigen gezählt werden dVirien , deren Einen übcrdiess sein'
Geburtsort, den andern ein mehrjähriger bedeutender Staatsdienst
noch besonders au Deutschland kniipfi, — der llussische Staats-
rath und Professor Groddeck (geb. 1763 in Danzig, gest. 1825 in
>\ilna) und der Preussische Geh. Legationsrath Schoell (geb.
1706). liier zuerst die Titel ihrer AVerke:
1. Iiiilki historiae Grascoriwi litter ariae. Secunduni
edidit Godofr. Em. Groddeck-. Vilnae, Jos. Zawadzki. P. I,
1821, MU und 226 S. P. 11, 1823, VHI und 266 S. (nicht,
wie die letzte Seite angiebt, 278.) 8. 2 Thlr.
2. Histoire de la litter utiire Grecqiie profane., depui's
son origine jusqu'ä la prise de Constantinople par les Turcs;
sui\ie dun piecis de fhistoire de la transplantation de la lit-
terature Grecque en Occident. Seconde edition, entierement
refondue sur un nouveau plan, et enrichie de la partie bi-
bliographique. Par M. (Maxim. Samson Fred.) ÄcAoe/^, Pa-
ris , Gide fils. T. 1, 1823, XC\ 111 und 303 S. T. II, 1824,
IV imd 435 S. T. 111, 1824, \1I1 und 478 S. T. IV, 1824,
344 S. T.V,1824, 381 S. T.Vl, 1824, 442 S. T. Yll, 1825,
457 S. T. MU, 1825, XX und 510 S. gr. 8. (mit demlitho-
graphirten Bildnisse des Verf.) 24 Thlr.
Beyde Biicher kiindigen sich auf dem Titel zwar als zweyte Auf-
lagen an, — das erste erschien 1811 in Einem, das andre 1813
in zwey massigen Octa\ bänden, — aber sie sind ihrem Dmfange
nach so erweitert , das Eine uui die Hälfte , das andre uius \ ier-
*) In der Handsclirlft vollendet ist die Litteratur der altern Griech.
Gesdilclitschreiher hl» Xcnoplion, und die Hekanntniachun«^ dieses treff-
lich gelungenen liruchslückeä >väre, nach des Rec, EracJiten, auch
jetzt noch wünschenswerth.
**) Der elenden Fuhrmann' sehen Compilationen, in denen Arroganz
und Ign(»runz mit einander m etteifern , liuhcit wir natürlich iiu Texte
par nicht erst gedenken mögen: t.ie sind hereits so verrufen, dass es
Hucli hier in der Anmerkun": {rar keuier WurnunKstulcl mehr bedarf.
1-40 Gricchißchc Lltteratnrges chl chte.
faclie , ihrem Inhalt nach so vielfach verbessert und bereichert,
dass sie gegriindeten Anspruch haben , als ganz neue Werke be-
trachtet zu werden. Obgleich sie also schon in ihrer ersten, viel
unvollkommnern Gestalt zu den sehr beachtenswerthen gehör-
ten ♦) , so enthalten wir uns doch hier einer jeden ins Einzelne
gehenden Vergleichung ihrer Auflagen, und berichten iiber sie,
wie sie uns jetzt vorliegen. Wir glauben auf diese Weise den
geistreichen Fleiss, den beyde Gelehrte auf die Yervollkonunnung
ilirer Arbeit gewandt haben, aufs wiirdigste anzuerkennen und
zu ehren.
ünsre Beurtheilung wird sich auf zwey Hauptmomente zu
richten haben, auf die Anlage beyder Werke im Ganzen und auf
ilire Ausfiihrung im Einzelnen. Wie grosses Lob eine litterarhi-
storische Arbeit in Einer dieser Hinsichten, wie strengen Tadel
dieselbe in der andern verdienen kann, braucht kaum erst auBey-
spielen gezeigt zu werden. Man denke nur an Fabricius. Welch'
ein Schatz von ächter Belesenheit, gediegner Sorgfalt und ge-
sundem Urtheile in allem Bibliographischen, und daneben welch'
eine planlose VerM orrenheit iu der Anlage! Umgekehrt bey
fiachse die trefflichsten Blicke und Andeutungen in den allgemei-
nen Betrachtungen, aber im Einzelnen überall Lücken, 31ängel
imd thatsächliche Irrthümer. Wie billig, beginnen wir mit der
Anlage, und behalten die Ausführung einem zweyten Artikel vor,
der diesem ersten in Kurzem folgen soll.
In der Behandlung der Litteraturgeschichte haben sich neu-
erdings zwey auf ganz verschiedenartigen Grundsätzen ruliende
Behandlungsweisen gegen einander geltend zu machen gesucht,
die chronologische, die sich einfach an der Zeitfolge hält, und
die wissenschaftliche, Melche die Schriftsteller nach den Fächern
aufführt , die sie bearbeitet liaben. Wir können die erste auch
die ältere nennen : sie scheint besonders durch Saxes o?iomastl-
coii litter arium zu grossem Ansehn gekommen zu seyn: auch
Hartes ist ihr gefolgt. Ihren gewichtvollsten Anhänger imd uach-
drücklichsten Yertheidiger aber hat sie in Aug. Matthiä gefun-
den, der sie nicht bloss in seinem schon erwähnten Lehrbuchc
der Griech. und Rom. Litteraturgeschichte zum Grunde gelegt,
sondern ihr auch noch ausserdem in näherer Entwicklung seiner
Ansicht wiederholt das Wort geredet hat, theils in der Jen. All.
Litt. Ztg. 1816 Jul. ]Nr. 133, theils in einer Schulschrift:
3. Uebcr die Behandlung der Literar - Geschichte. Al-
tenburg, 1816. 4. S.6— 10.
*) Der Rec. rechnet es sich zum hesondern Verdienst, der erütc
gewesen zu seyn, der in Deutschland auf das Groddeck'sche Werk in
der altern Ausgabe aufmerksam gemacht hat , s. Jen. Allg. Litt. Ztg.
1816 Jan. Kr, 14, 15.
Groddeck Iiist. Graec. litter. u. Sclioell List, de la litt, Gr. prof. 141
au beydeii Orten mit besondrer Bezugnahme auf des Rec. Grund-
'/ünft' der Griecli. uud Rom. Litteratiirgescliiclite, in denen das
eutgejrcngesetztc \ erfalireu beobachtet ist.
Die Misseuscliaftiiehe Anordnung liat am kräftigssten Friedr.
^i/g. ff olf emj)foIileu: in der Vorrede zu seiner Geschichte der
Rom. Litteratur. Halle, 1787, S. H sa^t er: „Bey dieser Methode
,, Mird man in Stand gesetzt,, die Bemiihuu^en uud Verdienste ei-
„ner>atiou in jedem Faclie im Ganzen zu überschauen, Origi-
,, nale mit nadialimcnden und einander ergänzenden Schriftstei-
„ lern in Aerhindung kennen zulernen, endlich erhält man da-
„ durch eine Geleirenheit, die Theorie der verschiedenen Gattun-
„ gen der poetischen und prosaischen Schreibart nach den Ideen
„ und 3histern der Alten selbst zu erläutern:" — Griinde, die
sicJi durcli andre stärkere noch vermehren lassen dürften. In-
dess sind fast alle neuere Arbeiter auf diesem Felde, namentlich
Moh nicke und ff'achler ^ dem von /ro//* gezeigten Wege gefolgt,
und Rec. kann nacli seiner Ansicht nicht anders als es höclilich
billigen, dass auch Groddeck sowolü als Scholl ihn dem chrono-
logischen vorgezogen haben.
Die von ff olf geltend gemachten Vortheile ^ichiMatthiä zwar
im Ganzen zu, leugnet, aber, dass eine solche Anordnung e//ie6re-
schichte genaimt werden könne. Eine Litterargeschichte im rech-
ten Sinne, d. h. eine Darstellung, Avelche die allmälige Ausbil-
dung der Litteratur eines Volkes aus ihren Ursachen entwickelt,
mütise nothwendig auch die Würdigung der litterarischen Werke
in sich begreifen , und da auf den Geist und den schriftstelleri-
schen Charakter der Einzelnen meistentheils ihre Lebensverhält-
nisse und Umgebungen den entscheidensten Einfluss haben, sey
davon wieder die Angabe der Lebensumstände der Schriftsteller
unzertrennlich : auf eine solche Darstellung des Ganges einer Lit-
teratur müsse ein blosses Fachwerk um so mehr Verzicht leisten,
als auch die einzelnen Gattungen der prosaischen und poetischen
Schreibart in ilirer Fortbildung sehr oft durch äussere , in ande-
ren Gattungen der Rede liegende Ursachen bestimmt werden:
dergleichen PJinwirkungen verschiedner Red^attuugen auf ein-
ander-lassen sich freylich auch bey den einzelnen Schriftstellerni
angeben, allein es sey etwas ganz anderes, ob die Ursachen dei*
mannifffachen Erscheinungen in einem räsonnirenden Vortrage
mit Hülfe einer alles zerlegenden Abstraction bey jeder Erschei-
nung auseinander gesetzt werden oder in einer historischen Dar-
stellung aus allen gleichzeitigen, sich Mechselsweise bedingenden.
Umständen aus dem Geiste der Zeit von selbst hervortreten: al-
lein nicht bloss die Gattungen selbst werden in jenen Fachwer-
ken aus ihrem Zusammenhange gerissen, auch Ein uud derselbe
Schriftsteller werde oft auf eine jämmerliche Weise zerstückelt,
Mie denn z. B. Ilesiodos in >ier, Sappho in neun, Cicero gar in
zwölf Fächern aui'geiidirt ^\ erde: daraus erhelle, dass die wissen-
142 Griechische Litteratur g^eschichte.
schafüiclie Darstellung der Litlerahirgeschichte recht brauchbar
seya könne zur Anla£:c eines Uücherverzeichnisses oder zur An-
ordnung einer BibiiotJiek, dass sie aber keinen Anspruch darauf
maclien diirfe, den Gang der Litteratur zu bezeichnen und eine
anschauliche, deutliche Vorstellung von demselben beizubringen:
sie stelle das geschlossne Ganze als eine todte Masse hin, wäh-
rend eine Geschichte sie in ilirera lebendigen Wirken und lort-
schreiten auffasst.
Rec. zweifelt, dass diese Ansichten, die er soviel ^vie mög-
lich mit ihres Urhebers eignen Worten wiederholt hat, sich der
Bcystimmung vieler Urtheilsfähigen erfreuen werden, xmd er hat
dabey wenigstens vorläufig die Erfahrung der letztverflossnen zehn
Jahi-e auf seiner Seite: ja es will ihm bedi\nken, als ob mehrere
der härtesten Vorwiirfe , die Matthiä der wissenschaftlichen Au-
ordnimg macht i nicht diese, sondern xnngekehrt die chronologi-
sche treffen. Indess ist die Sache von solcher Wiclitigkeit, dass
wir Viberzeugt sind, unsre Leser werden uns eher einiges Verwei-
len bey derselben, als ein eilfertiges Drüberhingehu zu Gute
halten.
Zuerst ist zu bemerken, dass die Anhänger der wissenschaft-
lichen Anordnung keineswegs gesonnen siijd , die Würdigung der
einzelnen Schriftwerke und die biographische Darstellung der
Scliriftsteller selbst auszuschliessen, und dass die Beachtung oder
Nichtbeachtung dieser wesentlichen Anfoderungen überhaupt kei-
ner von beyden Methoden als eigenthümlich nachgerühmt oder
vorgeworfen werden können : chronologisch genug ist z. B. Saxe
zu Werke gegangen, aber dass er in das innere Leben der bey
ihm wirklich als todte Masse daliegenden Griech. Litteratur ein-
führe, wird niemand zu behaupten wagen. Wir geben daher auch
gern und mit voller üebcrzeugung zu, dass dasselbe Gesetz der
Darstellung fiir die politische Geschichte wie für die der Littera-
tur gelte, und dass die Schriftsteller xmd ihre Werke in der Lit-
teraturgeschichte so ziemlich dasjenige sind, was in der politi-
schen die einzelnen Personen und ihre Handlungen, sehn aber
nicht ein, waS fürilnsre Sache weiter daraus folgt, ausser etwa
das Gegentheil von dem, m as Matthiä bezweckt.
Versteht Rec. ilm anders recht, so stellt er auch für die po-
litische Geschichte die streng beobachtete Zeitfolge als Princip
der Anordnxuig fest ; aber auch darin müssen wir ihm ganz xmbe-
dingt widersprechen. Das leichtere Verfahren ist es unstreitig,
von Monat zu Monat , von Jahr zu Jahr sich vom Strome der Zeit
dahin tragen zu lassen, xmd die Geschichtschreibung der meisten
altern und neuern Völker geht daher von blossen Jahrbüchern aus.
Allein grade diess Verfahren können wir nicht Gcschichtschrei--
bung , sondern nur AnnaUstilc nennen. Es wird dadurch dem
zarten Innern, oft schwer zu findenden Faden , der die geschicht-
lichen Momente verknüpft , ein derbes Band von aussen her sub-
Groddeck hist. Graee. Htter. u. Schoell hist. de la litt. Gr. prof. 143
stitnirt, das aber ancli nur mecliamsch ziisaramenhält, und aller
liistoviscJieii Composhioii ein Knde jnacht. Kec. Avill sich liier
nicht auf llerodot benilen, -vveil man vielleicht *) antworten wür-
de, dieser sey noch viel zu sehr Anlaiiiier in der wahren (üc-
schichtschreilnniff, um als Auctorität angerührt werden zu können,
auch nicht auf andre Gewährsmänner, sondern einzig auf die JNa-
lur der Sache.
A> o aus Kiiiem nrsprimgliclien Motiv eine Reihe auf einan-
der folgender liegebenheiten iu ungestörtem Zusammenhange her-
vorgeht, da giebt sich die Darstellung nach der Zeitfolge von
sell)>;t. weil die iiuiern Triebfedern mit ihrer äusserlichen Be-
tlingung in Kins zusammenfallen. Je vielgestaltiger sich aber ein
Leben entfaltet, desto sorgfältiger muss sein Geschichtschreibcr
auf der Iluth seyn, dass er, das wesentlich Zusammengehörende
herausfindend und zu grössern, vvohl geordneten Massen verbin-
dend, dem Zuge der Zeit nicht zur Unzeit nachgebe.
Nichts aber kann an Vielgestaltigkeit mit der dichterischen
und wissenschaftlichen Entwicklung eines unter günstigen Ein-
wirkungen empor blühenden Volkes vei'glichen werden. Denn
hier wetteifert die eigne Genialität des Individuums mit den Be-
günstigungen durch \olksthümlichkeit, örtliche Verhältnisse und
Zeitumstände : diess aber legt dem Littei'arhistoriker die dop-
j)elte Verpflichtung auf, sowohl dasjenige, was der freyen Schö-
pfungskraft des Schriftstellers angehört, als das was durch äus-
sere Bedingungen, dem Künstler selbst imbewusst, erwirkt wor-
den ist, aufzufassen und soweit inisre Mittel reichen zu unter-
scheiden. Es versteht sich also von selbst, dass vor allem Ilaupt-
epochen in der Bildungsgescliichte des Volkes zu ermitteln sind,
dessen Schriftwesen geschichtlich gewürdigt werden soll: sie
Merden bey jedem Volke, das sich eines öffentlichen, giossarti-
gcn Staatslebens erfreut, mit den Hauptmomenten der politischen
Geschichte zusammentreffen oder ihnen wenigstens in geringen
Zwischenräumen folgen. Eben so wenig kann darüber Streit
seyn , dass jede dieser Epochen mit einem kurzen Ueberbllck
über ihre politische Geschichte — • mit besondrer Hervorhebung
der Thatsachen, die für die Litteratur von Bedeutung sind — zu
eröffnen ist, wobey sofort die Zeiten angedeutet werden müssen,
die durch das Aufkeimen einer neuen Stylgattung oder durch das
Hervortreten eines für die gesammte Litteratur bedeutenden Na-
mens bezeichnet sind.
Nun ist es Zeit, die einzelnen Gattungen der poetischen und
*) mit llerodots Landsmanne Dionyslos von HallkarnassoR, rfe TIiu-
<yd. liist. judic. 0, dem t-elbst der gründliche Po/)y)o, Prole«:^. ad Thucyd.
V. I Vol. I p. Iß fgg. Gehör gegeben hat; 8. dagegen Dahlmanns llero-
dot, S. 137 fgg.
144 Griechische LitteratürgcBchichte.
prosaischen Schreibart näher ins Aus^e zu fassen , die dem zur
Genüge charakterisirlen Zeitabschnitt ilire Beginne oder ihre wei-
tere Ausbildung verdanken , sowie die Einwirkungen nachzuwei-
sen , die sie auf einander ausüben. Da aber die verscliiedenen
Gattungen nur aus den Werken zu erkennen sind, die einer jeden
derselben angehören, so scheint aus dem Gesagten nothweudig
zu folgen , dass eine solclie Darstellung dami erst eine wahrhaft
zusammenhangende und belebte, acht geschichtliche werden wird,
wenn sicli der allgemeinen Betrachtung sofort die einzelnen Er-
scheinungen und diese allerdings soviel möglich nach der Zeit-
folge anschliessen. Der Gefahr einer alles zerlegenden Abstra-
ction wild man unschwer entrinnen, wenn man bey der wissen-
echaftlichen Gliederung nicht nach selbstgeschaffnen oder andern
modernen Theorien verfährt, sondern die innere Natur der Schrift-
werke und die Grundsätze des Alterthuras selbst zur Richtschnur
nimmt. Denn dass die einsichts> ollsten Litteratoren Griechen-
lands und Roms gleichfalls der wissenschaftlichen Anordnung den
Vorzug gaben und ihr eine höhere Anwendbarkeit zuerkannten
als zu Bücherverzeichnissen imd Bibliotheksaufstellungen, lehrt
zur Genüge der Kanon der grossen Alexandrinischen Kritiker und
der Gebrauch, den noch der treffliche Quinctilian von demselben
macht. Wenn sich aber auch der Rec. in seinen Grundzügen der
Griech. und Rom. Litt. Geschichte wirklich unstatthafte Zer-
stücklungen hat zu Schulden kommen lassen, so hat dafür nur Er
Tadel verdient, und es ist ein starker Fehlschluss, wenn man
durch Misgriffe Eines Bearbeiters sich berechtigt glaubt, die
ganze Sache zu verwerfen.
Prüfen wir nun aber das chronologische Verfahren in seiner
besondern Anwendung auf das Griechische Schriftwesen, so tre-
ten uns noch Bedenklichkeiteii andrer Art entgegen. \'on einer
ganz bedeutenden Reihe schriftlicher Denkmaale ist uns das Zeit-
alter entweder völlig unbekannt oder die Vermuthungen schwan-
ken in dem Raum mehrerer Jahrhunderte hin und her: man denke
nuranSkylax, an den Periegeten Dionysios, an Stephanos von
Byzant : diese Schriftsteller finden in einer chi'onologischen An-
ordnung gar keinen Platz. Aber auch bey denen, deren Zeitalter
wir gar wohl kennen , vermissen Mir ein sicheres Princip. SoU
das Jahr ihrer Geburt die Aufeinanderfolge bestimmen'? Das
rischeint unpassend, m eil die Geburt sie noch nicht zu litterarhisto-
sehen Personen machte : oder das Jahr ihres ersten schriftstelle-
rischen Ilervortretens 1 Das w issen wir in den wenigsten Fällen
und ausserdem beginnt die Epoche der Wirksamkeit eines Schrift-
stellers nicht leicht mit seinen ersten Anfängen: es bleibt also
nur die Zeit seiner Blüthe übrig : hier tritt uns aber gleich der
Uebelstand entgegen, dass das eben eine Zeit, kein Jahr ist, wo-
durch der Willkühr freyes Spiel gegeben wird, und dann muss
man ja auch gestehn, dass nicht wenig Schriftsteller in der Griech.
Groddeck hist. Gruec. litter. u. SchocU hi^t. de l<i litt. Gr. prof. 145
Litteratnrj^eschichte zu verzeichnen sind, von denen es sehr zwei-
felhaft bleibt, ob sie jemals eine Blüthc gehabt liaben, wäljrend
diese bey andern — und nicht gerade bey den schlechtesten — •
vielleiclit erst Jahrhunderte nacli ihrem 'J'ode anzunehmen seyn
dürfte. Wende man nicht ein , dass wir alle diese Schwieriirkei-
ten auch bey der wissenschaftlichen Methode empfinden, da —
>ne wir selbst zus^circben liaben — wenififstens in den einzelnen
Fächern die Aufstellunjj nach der Zeitfblire eintreten mVisse: frey -
lich einptiiiden wir sie, wie manche andre nicJit ^crini^ere, aber
sie sind iiiiwcseiitlich, weil sie die wahre (Grundlage derBehand-
luii<r iinaüironihrt lassen.
])en Ilaupteinwand gegen die clironologisclie Anordnung ge-
ben aber die nach derselben eingerichteten Lebrl>iicher selbst.
Wir schlagen Matthias Grundriss auf: bis zum Eumelos geht al-
les Mie es sich geliört: es folgt Archilochos, dann 'lyrtäos, Alk-
nian, Terpaiidros, Lesches, Peisandros u. s. m. liier ist nun der
geschichtliche Faden schon vierlach verwirrt oder zerrissen!
Demi als ein durchaus unhistorisches Verfahren miissen wir es in
Anspruch nehmen, dass ein iambischer, ein elegischer und zwey
lyrische Dichter mitten liineingeworfen sind zwischen die Dichter
des Epischen Kyklos, bloss weil die Jahreszahl es gebot. So we-
nig als Lesches und Peisandros vom Eumelos , durften Archilo-
chos vom Amorgischen Simonides, Tyrtaos vom Kallinos , (der
freylich ganz fehlt, aber nach der Chronologie nicht beym Tyr-
taos stchn konnte,) Alkman und Terpandros Aon den iibrigen Ly-
rikern getrennt werden, MO es eine Geschichte der Griech. Lit-
teratur, nicht eine chronologische Nomenclatnr der beriihmtesten
Griech. Schriftsteller galt. Zu solchen Betraclitungen giebt aber
jede Seite des Buches reichen Stotf : was soll man z. B. S. 47 fg.
zu dieser Ueihe sagen: Piaton, Antimachos, Philoxenos, Chion,
Erinna, Isäos, Eudoxos, Lykurgos u. s.w. — ? Wer kann darin
geschichtlichen Zusammenhang entdecken? Gleichwohl ist die
Chronologie in dieser buntscheckigen Gesellschaft von Philoso-
phen, Epikern. Elegikern, Dithyrambikern , Tyrannenmördern,
Dichterinnen , Kednern und Mathematikern vollkommen richtig :
die Schuld liegt also nicht an dem, der so verscliiedenartige Gei-
ster aus den verschiedensten Gegenden Griechenlands in Eine
Reihe stellte, sondern an der Methode, die ihn dazu zwang.
Auf dasselbe P>gebniss kommen wir, Menn wir statt dieses
analytischen A erl'ahrens ein s^nlhetisches eintreten lassen. Wer
vermag sich z. B. den Bildimgsgang der Attischen Tragödie klar
zumachen, \\enn zwischen Thespis, Phrynichos , Aeschylos, So-
phokles niul Eurij)ides nicht weniger als siebenzehn andre Schrift-
steller von «len u-rsehiedenartigsten Richtungen aufgeführt wer-
den*? Dass aber derjenige, der das organische Leben derAitl-
schen Tragödie nicht begreifen gelernt hat, weder rom Sat>T-
drama, noch von der Sicilischen, noch von der Attischen Komödie
Jaltrb d. I'hü. u. Püdag. Jahrg. }. lieft. 1 10
146 Griechische L i 1 1 c i*a t u r ge schieb te.
eine richtige Vorstellung bekommen kann, das dürfte wohl keines
Beweises bediirfen. Lim nichts besser ergeht es uns mit der Ele-
gie, wenn wir zwisclien Tyrtäos und Solon mit sieben, zwischen
Mimnermos und Tlieognis mit fünf, zwischen l'heognis und Xeno-
phanes mit sechs andern Sclirii'tstellern Bekanntschaft zu machen
genöthigt werden ; um nichts besser mit der Geschichtschreibung,
wenn Ilerodot nicht nur durcli einen Zeitabschnitt, sondern aucJi
noch durch aclitzehn Poeten und Prosaiker von den ältesten Lo-
gographen, und durch einundzwanzig Schriftsteller aller Classen
vom Thuk^dides, dieser aber w ieder durch sechs dergleichen vom
Xenophon getrennt wird, und wo möglich noch etwas schlechter
mit der Akademischen Philosophcnschule, Mcnn zwischen Piaion
und seinem Nachfolger Speusippos erst sechszehn andre Namen
an uns vorübergelin , unter diesen die meisten Attischen Redner,
B]udoxos, Aristoteles, ein Paar Historiker aus Isokrates Schule,
ein Taktiker und etliche Poeten! Wer in so heterogene Indivi-
dualitäten , wie genau sie auch an der Schnur der Olympiaden-
rechnung aufgereiht seyn mögen , Zusammenhang und geschiclit-
liches Leben zu bringen vermag, der soll uns ein grosser Apollo
seyn.
Doch fi'ir jetzt genug davon! Rec. hat es für unerlasslich
gehalten, bey diesem Gegenstande etwas länger zu verweilen, da
die ganze Form der litterarhistorischen Darstellung von ihm ab-
hangt, und derjenige, der sich nach oft erneuter Prüfung als
Matthiä's Gegner kundgiebt, seinen Lesern allerdings Rechen-
schaft von den Gründen seines Widerspruchs schuldig zu seyn
scheint.
Hat also Rec. von seinem Standpunkt aus die Beobachtung
der wissenschaftlichen Methode den Weiken von G/oddeck und
Scholl als wahres Verdienst anrechnen müssen: so bleibt nun
noch die höchst wichtige Frage zu beantworten, ob diese Gelehr-
ten in der Bestimmung der litterarhistorischen Hauptepochen
und in der angenommenen Abclassung der einzelnen Redegattun-
gen eben so sehr befriedigen , wie in der von ihnen im Allgemei-
nen getroffnen Anordnung. Wenn Rec. im Voraus bekennt , von
dieser Seite vielfachen Stoff zu Einwendungen gefunden zu ha-
ben, so bescheidet er sicli doch gern, dass in dieser Hinsicht die
Schwierigkeiten bey weitem die grössten mid zahlreichsten sind,
und dass noch gar manche abweichende Meinung aufzustellen und
zu beseitigen seyn wird, bevor es gelingt, zu etwas Allgemeingül-
tigem zu gelangen. So mag denn das Folgende, wenn auch nicht
billigende Beystimmung, doch als vielfach erwogene individuelle
Ansicht geneigte Aufnahme finden.
In Festsetzung der litterarhistorischen Hauptepochen hat
Groddeck sich seinen eignen Weg gewählt. Ausgehend von ei-
ner ungeschichtlichen Vorzeit theilt er den Raum von Homer bis
Constautin dem Grossen , der ihm als das eigentliche Feld der
Groddeck hist, Gi-aeo. littcr. u. ScIioeU Inst, de la litt. Gr. prof. 147
Griecli. Litt erahirgesclnchtc gilt , in drcy Abschnitte: der erste
reicht von Homer bis Pindav, JM)0 — 400 vor Chr.; er lasst die
epische, IjTische und didaktische Poesie in sich, und hat Klein-
Asien, Gross -Griechenland und Sicilien zum Schauplatz: der
zweyte von 490 — 324 vor ('hr. beffinnt mit Sokrates und schliesst
mitüemosthenes: die Vollendung der Geschichtschreibung, der
Philosophie, der dramatischen Poesie ' und der Bercdtsamkeit,
ül)erhaupt die höchste Bliithe allseitiger Geistesentwicklung in
Athen darzustellen, ist seine Aufgabe: die dritte Epoche von
Alexander dem Grossen bis Conslantin dem Grossen, 324 vor
Chr. — 323 nach Chr., enthält die Schicksale des Griech. Schrift-
Wesens unter den Ptok mäern und der Uömischen Herrschaft, inul
schildert die gelehrte Kichlung, die dasselbe in Alexandria und
Rom nahm. Den IJeschliiss macht eine nach den Fächern geord-
nete L'cbersiclit der Griech. Schriftsteller, die von Constantin bis
znm t iitergange des liyzantiniscljen Kayserreiclies gelebt haben.
— Allgemeine Lfeberblicke oder Zusammenstellungen mit der po-
litisclicn Geschichte sind diesen Zeitabschnitten nicht vorange-
schickt.
Scholl dagegen ist der eigentlicli von Friedr. Aug. Wolf
ausgehenden, auch von Mohnike, S. <)(>, gebilligten und vom Rec.
in seinen Grumlzügen als Basis angenommenen Eintheilung ge-
folgt, nach welcher der ganze Zeitraum von den ersten Anfängen
der Griech. Geschichte bis zur Eroberung Aon Constantinopel in
seclis Abschnitte von ungleicher Länge zerfällt: L Von der friihe-
sten mythischen Urzeit an bis zur Zerstörung von Ilios, die Schall
niclit Avie gev.ölinlich nach Eratosthenes und Dionysios von Hali-
karnassos 1184, sondern nach llerodot 1270 Jahre vor Chr. setzt.
II. Bis auf Solons Gesetzgebung, 1270 — 594 vor Chr. III. Bis
zur Regierung Alexanders des Grossen, 594 — 336 vor Chr. IV.
Bis zur Zerstörung von Korintji, 336 — 146 vor Chr. V. Bis zur
Regierung ('onstantins des Grossen, 146 vor Chr. — 306 nach
Chr. VI. Bis zur Einnaluue Cbnstantinopels durch die Tiirken,
306 — 1453. — Dem gemäss ist das Schöllsche Werk in sechs
Bücher (natürlich auch diese von selir ungleichem Umfange) ge-
theilt. die wieder 103 Capitel na('h uniniterbrochen fortlaufender
Zähliiiig unter sich begreifen. Einem jeden Buche ist in seinem
ersten ('apitel eine gedrängte Uebersicht des bürgerlichen und po-
litischen Zustandes von Griechenland, eine Gescliichte der Spra-
che, der Mundarten und der Buchstabenschrift, endlich eine be-
urtheilende Zusammenstellung der aus jedem Zeitalter in Inschrif-
ten auf uns gekommenen urkundliclien Sprachdenkmaalc >orange-
stellt. Allerdings fehlt es hiebey im Einzelnen nicht an Veran-
lassung, von den Ansichten des \ erf. abzuweichen, wie z. B. Th.
1 S. 6 der Vermuthung. die Pelasger seyen Autochtbonen gewe-
seji, gegen Herbert Marsch ein un\ erdicntes («ewiclit gegeben,
besonders aber S.21 fg. der abenteuerlichen Hypothese des sonst
10*
148 Griechische L i 1 1 e r a t u r g e ä c h i c h t e.
Ko behutsamen Mannert von einer dieyfachen Urbevölkerung Grie-
chenlands dui'ch Gräken , späterhin Hellenen genannt , durch Le-
leger und Kureten und durch Pelasger, ein so unbedingter Vor-
zug vor allen iibrigen Systemen zuerkannt Mird, dass Rec. gewiss
nicht der einzige ist, der darüber erstaunt. Wie dem aber auch
sey, im Ganzen miissen wir nicht bloss die diesen Einleitungen
zum Grunde liegende Idee eine acht litterarhistorische, sondern
auch die gediegene Kürze und die geistreiche Klarheit der Aus-
führung preiswürdig und musterhaft nennen. Endlich aber ist
der geschichtliche Ueberblick durch eine ungemein sorgfältige
und ausführliche chronologische Zusaminensteliung erleichtert,
die fast den ganzen achten Band füllt. Es ist dabey die höchst
zweckmässige Einrichtung getroffen, dass die Thatsachen der
politisclien und der Litteratur - Gescliichte nicht unter einander
geworfen , sondern jene für sich auf der linken Seite verzeichnet,
und diese ihnen auf der rechten gegenüber gestellt sind. Nur
ist der Columnentitel für diese zweyte Abtheilung — Ecrivains —
viel zu eng gewählt, da sie sich keineswegs auf die Schriftsteller
beschränkt, sondern mit Hecht alle Ilauptmomente der Griech.
Culturgeschichte in sich aufgenommen hat. Zu bedauern ist
übrigens, dass die vortrefflichen, unmittelbar aus den Quellen ge-
schöpften Fasti Helleuid von Clinton^ Oxford, 1824, die hof-
fentlich bald durch eine neue Bearbeitung von C. W. Krüger
bey uns eingebürgert seyn w erden , bey diesen parallelen Zeitta-
feln noch nicht haben benutzt werden können. Es würde daraus
besonders für die richtigere Angabe der Jahre , in denen einzelne
Dramen zum erstenmal auf die Bühne gebracht und einzelne Re-
den gehalten worden sind, — denn selbst bis in solche Details
erstrecken die Schöllschen Tafeln sich — gar manches zu gewin-
nen gewesen seyn.
Was nun aber die zwischen beyden Gelehrten bemerklich
gemachten Abweichungen bey Abgrenzung der Zeiträume an-
langt, so ist bey Groddcch die Yermengung der Kriterien, die er
bald aus der politischen, bald aus der Litteratur-Geschichte selbst
entlehnt hat, keineswegs gutzuheissen: dieser Rahmen muss im-
mer aus der politischen Gescliichte entnommen werden , wie diess
bey Scholl folgerecht geschehn ist. Indess ist s,c^e\i die von
diesem vorgezogene Eintheilung schon früher von Matthiä (Jen.
AUg. Litt. Ztg. 1816 Jul. Nr. 133 S. 123) und wohl mit gutem
Grunde erinnert worden, nicht mit der Eroberung von Troja,
sondern 80 Jahre später , mit der Rückkehr der Ilerakliden , die
durch jene Eroberung nur vorbereitet wurde, beginne eine neue
Gestaltung der Dinge, die als Epoche machend zu betrachten
sey: ebenso könne Solons Gesetzgebung allenfalls in einer Spe-
cialgeschichte von Athen einen Abschnitt begründen, in einer all-
gemeinen Griech. Bildungsgeschichte eigne sich der Atifang der
Perserkriege besser dazu : endlich trete nicht mit Piülippos von
Grodilcck hist. Gnicc. littrr. «. Siiiocll hisl. de l<i lilt. Gr. prüf. 14J)
Makedonien Tode, sondern mit der Schlacht bey Chäroneia ein
neuer Zeitabschnitt iVir Grieclicnland ein: lJemerkuii2;en von s<»
einleuchtender Wahrheit, dass wohl kein Einwand dagegen erho
ben werden kann.
Dass aber sowohl von Groddeclc^ als von Scholl bey Befol-
gung der von ihnen angenommenen chronologischen Eintheilun-
gen ein nicht unbedeutender Zwang empfunden worden ist, des-
sen sie nicht ganz haben Meister werden können, das scheint die
Vertheilung des litterarhistorischen Stoflcs in diese Fachwerke
darzutlmn. Jener Zwang giebt siel» aber in zwey ganz entgegen-
gesetzten Erscheinungen kund. Denn bald sehn nnsre Verfasser
sich geuöthigt , iln-en Epochen zu Liebe Schriftsteller durch die
Kluft vieler bedruckter Seiten ans einander zu reissen , die das
innere Geistesleben unauflöslich verknVipft hält, bald können sie
nicht umhin , die von ihnen nur eben gezogenen Grenzlinien zu
nberschreiten , lun das wesentlich Verbundene verbunden lassen
zu können. Im ersten Falle bewegen sie sich unfrey in selbstge-
schmiedeten Fesseln , und lassen sich durch dieselben von dem
vielleicht w olil erkannten richtigen Wege abziehn : im andern ver-
nichten sie das Gesetz der Zeit , das sie sich selbst geschrieben
hatten, und diess Uebel ist unstreitig unter beyden das geringere,
weil dabey docli der wahre gescliichtliche Zusammenhang geret-
tet wird.
Einem solchen Hinübergreifen aus Einem Zeitraum in den
andern begegnen wir besonders häufig bey Groddeck. Seine
erste Epoche reicht, ^^ie erwähnt ist, bis 4Ö0 vor Chr. Gleich-
wohl führt er die Geschichte des Epos Viber diese Grenzen hin-
aus nicht bloss bis zum Ilerodoros dem Pontier und dem Samier
Choirilos, sondern selbst bis zum Antimaclios von Kolophon. also
bis 400 vor Chr. hinab. Ebenso beschliesst Antimaclios die lleihe
der p]legiker in diesem Zeiträume , so dass man wirklich nicht
einsieht, warum nicht auch Philetas, Hermesianax, Phanokles
und Kalliniachos gleich hier angereiht sind. Auch unter den Ly
rikern gehört IJaki hylides der Jahreszahl nach eigentlich schon
der folgenden Periode an, was im noch höhern Grade vom Me
lanippides, von derPraxilla, dem Kinesias und den Th. ! S. W
aufgeführten Dithyrambikern gilt. Nicht minder unerwartet sind
hier Parmenides und Empedokles, die nicht bloss der Zeitrechr
nung, sondern auch dem Gegenstand ihrer Lehrgedichte nach ei-
nen schicklichem Platz zwischen Pythagoras und Herakleitos ge-
funden haben würden: wäre ihnen diese Stelle angewiesen wor-
den, so würde dadurch zugleich die lästige Wiederholung, Th. !
S. 75 fg. und 102 fg., vermieden worden seyn. — Wenn Giod
deck so in der ersten Epoche sich selbst wiederholt vorgreift, und
dadurch die gewählte Zeitbegreuzung factisch aufhebt, so neh
men wir gleicli zu Anfang der zweyten Epoche das Gegentlieil.
ein Zurückgreifen iu den vorhergegangenen Zeitraum wahr. ?Sii(h(
150 Griechisclie Litleruturgcäcliichte.
genug, tlass wir S. 86 bis zum Kadmos von Milet, also bis min-
destens 525 vor Chr. zurückgerülirt Averden, S. 100 fg. müssen
wir gar wieder bis Thaies, Solon, Zaieukos, Lykurgos, und S.
145 bis Tliespis, ja bis zum lialbmythischen Epigcnes liinaulstei-
gen, u. s. w.
Diesen auffallenden Widerspruch mit sich selbst hat Scholl
allerdings zu a ermeiden gesucht , imd daher stellt bey ihm ge-
wöhnlich in jedem Zeitabschnitte, was der Jahreszahl nachhin-
ein gehört. Allein die behutsame Vermeidung dieses Uebelstan-
des hat den trefflichen Mann nur allzuhäufig in den andern von
uns bezeichneten gerathen lassen : mn mit seinen chronologisclien
Abmarkungen in Uebereinstimmung zu bleiben, hat er sich oft
genug entschliessen mVissen , den litterarhistoriscluen Faden uner-
wartet abzureissen und immer neu wieder anzuknVipfen , wo die
Geschichte selbst den schönsten, lebendigsten Zusammenhang
darstellt, der auch gewiss dem geübten Blicke des Verf. keines-
wegs entgangen ist. Um auch davon einige Ueyspiele hervorzu-
heben, so sind Th. 1 S. 197 die Anfange der Griechischen Lyrik
nur kurz angedeutet und nähere Nachrichten über Thaletas , Ar-
chilochos, Alkman, Alkäos, Sappho und Simonides von Amorgos
gegeben, nachdem schon vorher, S. 11)1 fg., ausführlich über ei-
nen einzelnen Zweig oder eine Nebenform der lyrischen Poesie,
das Skolion, gesprochen worden ist: dagegen finden wir erst
Th. 1 S. 200 die vollständigere Einleitung in diese Dichtungsart,
weil sie in dieser Periode (594 — 336 vor Chr.) zu ihrem höchsten
Glänze gelangt sey, und es folgen nun die Nachricliten über Ste-
sichoros , Anakreon , Pindaros , Bakchylides u. s. w. Dass erst in
diess Zeitalter die eigentliche BlüJhe der Lyrik zu setzen sey,
können wir nach Alkman , Alkäos nud Sappho schon nicht so im-
bedingt zugeben: dass aber von den eben genannten ilire grossen
Nachfolger von Stesichoros an olme allen Innern Grund gesondert
sind, wird niemand billigen; und grade dasjenige, was wenig-
stens eine bedeutende neue Bildungsstufe bezeichnen würde , der
Uebergang der kürzern, einfach sich selbst wiederholenden Aeo-
lischen Strophe in die grossartigere antistrophische und epodisclie
Dorische, ist so durchaus mit Stillschweigen übergangen, dass der
letztern nur S. 280 ganz kurz und in specieller Beziehung auf
den einzigen Pindar gedacht ist. Nachdem ferner die Uebersicht
iiber die Lyriker bis hinab zum Timotheos , TeFestes und Philo-
xenos gegeben ist, wird S. 292 der Faden aufs Neue angespon-
nen , und wir erhalten eine chronologische Aufzäldung der LjTi-
schen Dichteriimeu \o\\ der Erinna an bis zur Telesilla und Pra-
xilla. Rec. sieht nicht ein, wie der Gesclilechtsunterscliied hier
eine neue Reihenfolge begründen konnte: wir wenigstens sind
bey dem Wenigen, was wir über diese Dichterinnen wissen, durch-
aus niclit berechtigt, danach eine Llnterabtheilung in der Littera-
turgescliichte vorzunelimen : einigen Anstoss muss auch der Um-
Groddeck lüst. Graec. liUer. u. Schueil liist. de la litt. Gr. iirot'. 151
stand errej^en, dass Eiiiina S. 292 als Zeitgeiiossimi und Frenii-
diiin der Sapplio bezeichnet >\ird, und dass sie ffleichwohl durch
einen Zeitabschnitt aou der Lesbischen Sängerin» getrennt er-
scheint : worauf anders kann diese Scheidung beruhn als auf ei-
ner uillkiiliriichen Annahme, deren Lnzidässigkeit grade dadnrch
eiideuclitcnd wii-d — 'l Hey weitem nicht hinlänglicli gewiirdigt
ist die letzte und Iiöchste Kntwickhing des lyrischen Gedichts im
Ditli;>Tambos , dessen zwar wiederholt, Th. 1 S. 20S, 201, 275,
Meldung gethan Mird, jedoch keineswegs so, dass wir dadurch
zu einer Geschiclite oder einer einigermaassen voUstäntligeu
Kenntniss dieser merkwiirdigen Dichtuugsart gelangen, obgleicli
es weder an Stoff, nocli an Vorarbeiten dazu fehlte: Aiel reichhal-
tiger ist Mer Grod({ec/i\ TJi. 1 S.CiHfg. Eudlich miissen wir es rii-
gen , dass unter den Lyrikern Simonides von Keos felilt , der
nur unter den Elegikern, Th. 1 S. 242, und unter den Epigram-
matikern, Th. 2 S. 129, aufgefülirt ist, aber auch an diesen bey-
den Stellen durchaus ohne Erwähniuig des liohen ßiüimes , der
ilira als lyrischem Dichter zu Theil geworden m ar. Wir miisseii
uns darViber lun so melir wundern, da'^wir nicht nur anjetzt noch
IjTische BruchstVicke von ihm besitzei», die zu den köstlichsten
Üeberresten aus dem classischen Alterthura gehören , z. B. der
Monolog der Danae und die Seligpreisinig der bey Thermopylä
Gefallenen, sondern — was fast noch richtiger ist — auch die
bewährtesten alten Kritiker ihn vorzugsweis als Lyriker auszeich-
nen, wovon der Alexandrinische Kaiu)u, den Scholl selbst, Th. 3
S. 1H6, mittheilt, und dem Quinctil. hist. X, 1, 64 gefolgt ist, den
schlagendsten Beweis enthält, da er den Simonides keineswegs
unter die Elegiker, sondern nur unter die Lyriker aufgenommen
hat. Schon aus diesem Einen Grimde sind auch Avir verpflichtet,
ilira in uusern Litteraturgeschichten seinen Ilauptplatz unter den
Lyrikern anzuweisen. — Auffallend war es uns aucli, Th. 1 S,
203 und selbst in der Ueberschrift des fünften Capitels eine Ero-
tische Poesie als besondern Zweig der Lyiik genannt zu finden,
der in der zweyten Periode mit glänzendem Erfolg gepflegt sey :
als Bearbeiter dieser Gattung sclieinen Alkman, Alkäos, Sappho
gelten zu sollen: wenigstens "wird der erste als Yater derselben
angesjirochen, mit demBeyiVigen, S.2<)ä, er habe Parthenia oder
Loblieder auf Mädchen gediclitet, und sein ganzes Leben zwi-
schen den Freuden des Maliles und nler Liebe getheilt. Was
aber die Parthenia anlangt, so weiss unser Verf. S. 2()0 gar wohl,
dass diese Gattung ihn'ii JVamen nicht den Jiingfranen verdankte,
die darin gepriesen worden Mären, sondern iWw JungiVaiienchö-
ren, von denen die Parthenia gesungen wurden, wie diess aucli
bereits Groddeck, Th. l S. 5'i, 57, richtig angiebt , und ßöcich zu
den Pindarischen Fragm., Tli. 2, 2 S. 590, mit Avn erforderlichen
Zeugnissen belegt. Worauf sich die Na<hricht gründet, dass Alk
maus Leben zwischen den Freuden des Tisches und der Liebe ge-
152i Griechitichc Litteraturgescliichle.
Uieilt gewesen sey , bekennt Recens. nicht zu wissen : aber dass
ts damit nicht so gar arg gewesen seyn kann, scheint schon aus
der -Vnerkennung hervorzugehn, die seinen Gesängen in Sparta
zu Theil geworden ist: auch lehrt manches von ihm erhaltene
Bruchstück, dass er des erhabensten Hymnen- und Päanentones
geiibter Meister war. Schliesslich werde hier noch bemerkt, dass
wir unter den Lyrikern des dritten Zeitraums — ein sonst bey
ÄcÄö// äusserst seltner Fall! — den gar nicht unbedeutenden Li-
kyinnios von Chios ganz a ermisst haben : schon das vortreffliche
üruchstiick auf die Gesundheit bey Sevtus Empir. adv. mathem.
11, 49 wiirde ihn der Anführung würdig gemacht haben: auch hat
Groddeck seiner wenigstens unter den Sophisten, Th. 1 S. 179,
gedacht, wiewold mehrere Kritiker, z. B. Heindorf zu Plat.
Phaedr. S.319 und wie es scheint Gee/, hist. crit. Sophist. S.179,
den Sophisten Likymnios von dem LjTiker unterscheiden, wozu
aber nicht mehr Grund vorhanden ist als bey Euenos.
Es würde uns zu w eit von unserm Zw eck ablenken , wemi
wir mit gleicher Ausführlidikeit bey andern Beyspielen ähnlicher
Trennung des Zusammengehörenden verweilen wollten. Genüge
daher auch dieser weitläultigen Auseinandersetzung die kurze An-
deutung, dass die Trennung des Theognis und Siraonides, Th. 1
S. 242, von den friihernElegikern, S. 187 fg., der spätem Kykli-
ker, Th. 2 S. 119, von den älteren, Th. 1 S. 166, der neuen Ko-
mödie, Th. 3 S. 76, von der mittlem, Th. 2 S. 107 fg., des Her-
niesianax, Th. 1 S.240, von den Alexandrinischen Elegikern, Th. 3
S. 95, zu denen er eben so gut gehört wie sein Freund Philetas
und der erst Th. 7 S. 444 nachgetragene Phanokles, und viele
ähnliche demselben Tadel anheimfallen, während umgekehrt Th. 2
S. 129 Homer in der dritten Epoche an der Spitze der Epigram-
matiker und Th. 1 S. 250 Hesiod in demselben Zeitraum als älte-
ster Fabeldichter wieder erscheint.
Sehr natürlicli ist mm allerdings die Frage, wie es denn
möglich sey, beyde Uebelstände zugleich zu vermeiden, da es
hier scheinen könnte, als wäre es durchaus nothwendig, entwe-
der in die Skylla oder in die Charybdis zu gerathcn. Auch ge-
steht Recens., dass er keinen andern Ausweg weiss, als sich von
den Jahreszahlen der einzelnen Zeitabschnitte nicht so gar abhän-
gig zu machen, sondern für jede besondre Stylgattung eigene
Bildungsstufen anzunehmen, wie sichs ja auch in der Wirklich-
keit verliielt und Aerhält. Werden also die unerlasslichen ge-
schichtlichen Ueberblicke in der gehörigen Allgemeinheit gehal-
ten, so kann jedem Theil sein Recht widerfahren. Gioddeck
war darum , nach des Recens. Ansicht , in dieser Hinsicht dem
richtigen Verfaliren ganz nahe , und sein Fehler liegt nur darin,
dass er wenigstens den Schein streng durchgeführter Zeitab-
§chuitte sicli zu erhalten suclite , anstatt sofort und ausdrücklich
Groddeck bist. Graec. litter. u. Schoell bist, de lu litt. Gr. prof. 153
eine Form anfzui^ebe», die sich gar nicht ohne Machtheil für die
Sache behaupten liess.
Wir gehn Aon der Priilnn^ der chronolojjischen Anordnung
zu dem wissenscliai't liehen Eiilwurf xiber, nach welchem die litte-
rarischen Erscheinungen jedes Zeitalters zusammen gestellt sind.
Vieles versteht sich dabey zwar von selbst: docli bleibt nicht we-
niges übrig, vveldies einer gänzlichen Verschiedenheit der An-
sichten Kaum lässt.
Mach den ersten Eiideitungen imd Uemerkimgen Viber die
ältesten, rein mythischen Sänger vor Homer heben natValich
beyde Gelehrten mit dem Jonischen Epos an, und lassen darauf
zunächst die Elegie folgen. So richtig, ja notlnvendig diess Ver-
fahren ist, so glauben wir doch, dass Ilesiod keineswegs so gra-
dehin und ohne Weiteres mit in dii' Ueihe der Jonischeii Helden-
sänger zu stellen war. .Dem lleCfensenten wenigstens scheint
Thiersch das Vorhandenseyn einer uralten Boeotischen Sänger-
schule von mehr ethischem als epischem Charakter , zu der sich
Hesiod verhält wie Homer zur Jonischen, so gut wie erwiesen zu
haben. W enn nun aucli die beyden , selbst zu prüfen gewohnten
und befugten Verf. nicht ebenso iiberzeugt waren, so sind doch
die von Thiersch ausgesprochnen Ideen mit soviel Geist und Ge-
lehrsamkeit durchgeführt , dass sie w ohl Anspruch darauf machen
konnten, wenigstens einer geschichtlichen Berichterstattung ge-
würdigt zu werden. Aber G^/or/(/ecÄ- begnügt sich, S. 30, den Ti-
tel von Thierschs Schrift ohne Andeutung ihres Inhalts zu geben,
und bei Scholl haben wir auch diese bibliographische Notiz ver-
gebens gesucht.
In der Darstellung der Elegie zeigt sich die erste bedeutende
Abweichung zwischen den beyden Verf., indem Scholl von der
FJlegie die gnomische Poesie, Th. 1 S. 237, ausdrücklich ausschei-
det, und die letztere für sich behandelt, Groddeck aber nacli
Conr. Schneiders Vorgange zwischen der politischen und eroti-
schen Elegie eine gnomische, S. 45, in die Mitte stellt: und diess
ist keine bloss in der Benennung liegende Abweichung. Denn
während Groddeck als Dichter der gnomischen Elegie den Theo-
gnis, Phokyüdes, Xenophanes, Jon, Euenos und Kritias aufführt,
erscheinen bey Scholl als gnomische Dichter Solon, Theognis,
Phokylides, Xenophanes und Pythagoras, letzterer wegen der
sogenannten goldnen Sprüche, die wir freylich, nebst dem Lehr-
gedicht des falschen Pliokylides, lieber zu demNaumachios, Th. (J
S. Ki, verwiesen geseJui hätten. Aber wir müssen uns überhaupt
aufs bestimmteste gegen die ganze gnomische Gattung erklären,
\on der weniffsteiis kein alter Schriftsteller etwas weiss, und die
daher einer Geschiclite der (iriech. Litteratur nicht hätte aufge
drungen werden sollen, (inomisch ist ja^ieIes im Homer, noch
mehreres in den Trajrikern und in Hesiods Tagen uiul W^erken
bo ziemlich alles : es bindet sich diess allgemeine poetische Be-
154 Griechiöclie Li l lernt urgesehi olitc.
staiidtlieil an keine Form, an keine Mnndart, und kann daher
nimmermelir Kriterion für eine eigne Gattung werden. Selui wir
nun was Scholl unter dieser Benennung znsammenfasst, so wird
es sogleich klar, dass er ziemlich Verschiedenartiges mischt, nnd
dass das Meiste davon der Elegie, das Uebrige dem ethisclien
Lehrgedicht einer sehr späten Christlichen Zeit angehört, eine
Durcheinanderstellung, von der schon dieDistichentbrm der einen
und die hexametrische der andern hieher gezogenen Werke hätte
abmahnen sollen. Bey einer dem antiken Begriffe mehr entspre-
chenden Auffassung der Elegie würde dieser Felilgriff gewiss
vermieden worden seyn.
Auch darin müssen wir der Anordmmg bey Groddeck xor der
bey Scholl einen unverkennbaren Vorzug zusprechen , dass jener
das Jambische Gedicht, von der allerdings mit einigen Jambi-
schen Bildungen zunächst ver^vandten Lyiik, Th. 1 S. 51 fg., ge-
trennt, dieser dagegen Jambisches und Lyrisches Gedicht, Th. 1
S. 199, 209, 272 fg. , zusammen genommen und unter einander
geworfen hat. ]Nur in Bezug auf das Epodische Gedicht des Ar-
chilochos würden wir das gelten lassen können, aber Aveder die
Trimeter des Amorgisclien Simonides, noch die Skazonten des
Hipponax können in irgend einer Hinsicht als lyriscli gelten, wo-
zu denn nun überdiess noch das Zeugniss der Alexandrinischen
Kritiker kommt, die in ihrem Kanon die drey genannten Dichter
von den Lyrikern trennen, und sie als eine eigne Classe aufstel-
len. Das Ansehn dieser Kritiker mnss aber auch für uns noch
seine ganze Kraft behalten, da bey ihnen alles aus den lebendi-
gen Ansichten des Griech. Volkes geflossen ist, und sie auch nur
dadurch das Gewicht erlangen konnten , das ihnen die einsichts-
vollsten Männer des Alterthums zuerkannt haben.
ISicht minder beyfallswürdig finden wir bey Groddeck^ Th.l
S.51: — 73, die einfache Darstellung der Lyrischen Poesie in Einer
Hauptmasse, aus der sodann als besonders wichtige Nebengat-
tungen Dithyrambos und Skolion hervorgehoben werden. Scholl
dagegen beginnt, Th. 1 S. 191, nachdem er von der P]legie ge-
sprochen hat, mit dem Skolion, als einer aus derselben Zeit her-
vorgegangnen Dichtungsart, handelt dann S. 197 sehr kurz von
der Lyrischen und S. 203 a on der Erotischen Poesie , und kehrt
endlich S. 260 ausführlicher zur Lyrischen Poesie zurück. Wir
glauben nicht ungerecht zu erscheinen, wenn wir in diesem Gange
alle Ordnung vermissen.
Dass die Aesopische lsabel von beyden Verf. unmittelbar an
das Lehrgedicht angeknüpft ist, finden wir z\\ eckmässig. Min-
der zweckmässig dürfte es \ielen bedünken, dass Scholl das Ly-
rische Gediclit diesen beyden Galtungen naclistellt. Groddeck
hat es vorangescliickt, mid lässt die Aesopische Fabel den Ueber-
gang zur Prosa machen, welclies sich auf den ersten Bück zwar
empfieit, aber docii den überwiegenden Missstaud herbey führt,
Groddeck hist. Graec. Uttcr. u. SchocU liist. de la litt. Gr. prof. 155
dass mm nicht bloss die Gescliiclitsclireibimg" bis zum Philistos,
Theopompos und Ephoros herab, sondern aucli die ganze philo-
sophische Litteratiir bis zu den Akademikern, Peripatelikern, Ky-
nikern, Stoikern, Ejjikureern und Skeptikern der drcyiachen Ent-
wicklung des Attischen Drama vorauffclit, gewiss einer der gröss-
ten Fehlgi-iüe , der liier getban werden konnte. Scholl hat ihn
in dem Viberhaupt Aorzüglich gut angeordneten zweyten Uande
seines Werkes durch schieklichere Stellung der Abschnitte ver-
mieden. Zwey der wesentiichstenxVorzVige, die er hier \or Grod-
deck \ oraus liat , liegen in der Anordnung des Dramatischen Ge-
dichts und in der EinreDmng der Attischen Beredtsamkeit zwi-
schen den iibrigen Stylgattungen. In der Geschichte des Atti-
schen Drama nämlich hat Groddeck das Satyrspiel ganz unbe-
greillicher Weise duixh Zwisclienscliiebung der Komödie von der
Tragödie getrennt, aus der es doch unmittelbar herzuleiten und
zu erklären war, so dass Pratinas nach Menandros und Philemou
erscheint ; das ganze dramatische Gebiet steht aber isolirt zwi-
schen der Philosophie und Beredtsamkeit da, ohne dass diessllin-
und Ilerspringen zw ischen Prosa und Poesie gehörig motivirt wird,
was auch wohl mmiöglich gewesen seyn würde. Scholl hingegen
hat nicht bloss das Satyrdrama sofort, wiösichs gehört, an die
Tragödie gekniipft und dann erst die Komödie folgen lassen, son-
dern überhaupt Poesie und Prosa als zwey Hauptmassen, von -de-
nen der erstem der Vortritt vor der letztern zukommt , durchaus
von einander geschieden gehalten , sondern auch die Attische Be-
redtsamkeit sogleich nach der Geschichte imd dann erst die Aus-
bildung der Philosophie behandelt. Ebenso zweckmässig dünkt
es uns, dass bey Scholl die älteste geographische Litteratur von
Ilekatäos bis Pytheas der lüstorischen , Th. 2 S. 18S, als Neben-
zweig untergeordnet ist: Groddeck hat sie in die Reihe der
strengeren Wissenschaften gebracht, Th. 1 S. 214, aber das ist
ganz falsch: denn zur Wissenschaft wurde die Geographie erst
durch Eratosthenes \on Kyrene. Ungern vermisst haben wir je-
doch grade an diesem Orte bey Scholl die Erwähnung der ersten
Landcharten des Anaximandros, deren erst späterhin, wo es min-
der an der rechten Stelle ist, Tli. 2 S. 292 und Th. 3 S. 3, Mel-
dung geschieht, und zwar mit einigem Widerspruch in den An-
gaben, indem die Erfindung das Einemal dem Anaximandros
selbst, das andremal seinen Schülern zugeschrieben »ird: die
erste Angabe ist nach dem vollgültigen Zeugniss des Strabon, 1
S. 17 Siebenk. , die richtige, vergl Creuzer iVagm. hist. Graec.
p. 1) und Fricdemuuu Comment. in Strab. T. 1 p. 20(». Audi
wäre nicht zu übersehn gewesen, dass nach Ilerodot. 5, 49 schon
der Tyraim Aristagoras \on Milet (etwa 30 Jahre nach Anaximan-
dros Tode) eine in Kupfer gegrabene Landcharte auf seiner Heise
zum Kleomenes von Sparta mit sich IVibrte, woraus man folgern
mögte, die Sache sey bereits \or Anaximandros und wahrscliehi-
156 Aegyp tiii eil c L i 1 1 erUt ii r.
lieh durch Phöaicische Seefalirer unter den Griechen bekannt ge
worden: scheint doch schon im Buche Josua, 18, 6, von nichts
anderm die Rede zu seyn.
Wir hoffen , das Gesagte wird hinreichen , um unser allge
meines Urtlieil zu rechtfertigen, dass beyde Gelehrten zwar im
Ganzen ihre Werke zweckmässig angeordnet haben, dass aber in
den Tiieilcn , und zwar ebensowohl in der chronologischen Grund-
legung, wie in der wissenschaftlichen Disposition, gar manches
anders und zweckmässiger hätte eingerichtet werden können.
Unsre Bemerkungen über das Einzelne behalten wir, um
nicht zu ermüden, einem der nächstfolgenden Hefte vor, werden
aber zu diesem Theile imserer Beurtheilung um so lieber zurück-
kehren, als die Behandlung des Biographischen xmd Bibliographi-
schen in beyden Werken durchgängig vorzugsweis gelungen ist,
und die höchste Anerkennung verdient.
Franz Passow.
Aegyptische Litteratur.
Frid. Aug. Gtiil. Spohn Litt, Graec. et Lat. quondam prof. p. o. in acad.
Lips. De lingua et literis veterum Ae gyptior um
cum permultis tabulis lithographicis literas Aeg-yptioruui tuiu vul-
gari tum sacerdotali ratione gcriptas explicantibus atque interpreta-
tionem Rosettanae aliarumque inscriptlonum et aliquot voluminum
papjTaceorum in sepulcris repertorum exhibentibus. Accedunt
granimatica atque Glossarium Aegyptiacum. Edidlt et absolvit
Gast. SeyfFartli in Acad. Lips. prof. d. Pars I. cum imagine vitaque
Spohnii. Lips. llbrar. Weidmann. G. Reimer. 1825. 56 (V'ita Spoh-
nii) XVI (praefatio) und 54 S. 4. 2Thlr. 16 Gr.
Gxist. Seyffarthi prof. Lips. Rudinienta hier o gl yp hice s. Ac-
cedunt explicationes speciminum hieroglyphicorum , glossariiim at-
que alphabeta cum XXXVI tabulls lithographicis. Lips. Barth. 1826.
97 S. (ausser 6 S. Vorrde und 2 S. Argumentum.) gr. 4. lOThlr.
12 Gr. oder auf geglättet Schweizer- Velin ISThlr. 12 Gr.
B eytr äge zur A'ennt?iiss der Literatur^ Kuitst,
Mythologie und Geschichte des alten Aegyp-
ten von G. Seyffarth. Erstes Heft mit 4 lithogr. Tafeln. Leipzig,
Barth. 1826. X n. 42 S. 4. ITlilr. 8 Gr. — 1 Tlilr. 16 Gr.
Eis kann nicht unsere Absicht seyn, von den drei genannten Wer-
ken eine ausführliche, kritisch - prüfende und berichtigende Re-
Spohn 11. Scyffarth üb. Aiegypt. Sprache ii. Schrift. 157
cension in diese« Blättern zu liefern: denn theils würde diess.bei
diesen Forsclniuffen über eine Sprache, die nieJit bloss seit Jahr-
hunderten sondern seit Jahrtausenden unbekannt ist und erst
jetzt Mieder zu'iänsrlieh gemacht Avird, und wo die nöthigen
Hülfsmittel nocli nicht vollständig vorliegen, an und für sich
nicht möglich seyn; theils gehört auch eine solche Beurtheilung
nicht in den Bereich dieser Jahrbücher. Dass wir aber eine aus
fülu-lichere Anzeige davon hier geben, dazu bestimmten uns meh-
rere Gründe. Es kann für den wahren Philologen nicht ausrei-
chen, bloss >>'erke über Griechische und Lateinische Literatur,
Kunst und Geschichte keimen zu lernen ; sondern es muss ihm
daran gelegen seyn, von dem Gesammtgebiet der Sprachfor-
schung wenigstens eine Lebersicht zu liabeu und die vorzüglich-
sten >\ erke zu kennen. Besonders aber muss diess gelten von
Forschungen über Sprachen der Völker, deren Literatur und
Kunst auf das classische Alterthum von so grossem Einfluss war,
wie die Aegyptische gewesen ist oder doch gewesen seyn soll.
Phönicien, Indien und Aegypten sind ja die verschlossenen Quel-
len , aus denen das alte Griechenland so Vieles geschöpft haben
soll, und woher namentlich die Griechische Mythologie so viel-
fache Aufklärung hoffen zu dürfen meint. Daher ist es wohl be-
merkenswerth , dass endlich der Schlüssel zu den so lange ver-
schlossenen Ileiligthümern Aegyptens gefunden zu seyn scheint —
oder, nach imserer Ueberzeugung, in der That gefunden ist.
ISicht minder wichtig ist es, dass ein Deutscher denselben fand,
nachdem Franzosen , Engländer, Dänen u. A. ihn so lange ver-
geblich gesucht hatten. Zwar hat in unsern Tagen der Franzose
ChampolUon als Forscher in der Aegyptischen Sprache einen sol-
chen jSimbus um sich zu verbi-eiten gewusst, dass auch achtbare
Gelelirte unseres Volks beliaupteten , er habe die Hieroglyphen-
schrift der Aegypter zuerst wieder zugänglich gemacht. Für die
Dauer war dieser Glaube allerdings nicht zu fürchten, und v^eii
Hr. VroLPfajf's Kritik der hieroglyphisch -alphabetischen Unter-
suchungen (,'hampollion's {^Die Weisheit der Aegypter und die
Gelehrsamkeit der Frattzosen. Nürnberg, Campe. 1825. 8.)
noch nicht vom Gegentheil überzeugt haben sollte, der wird nach
Hr. Prof. SeyffartKs Bemerkungen (vergl. namentlich die Sehr.
Nr. 2 S. ()3, 04) nicht viel Gründe für seinen Glauben iibrig be-
Iialten. Die Wiederauffindung der Kenntniss der Aegyptischen
Sprache aber ist gewiss wichtig genug, dass sie eine Ehrensache
imseres \ aterlandes werden darf, und wenn wir unserm Fr. Aug.
jyHh. Spohn kein Denkmal von Erz und Marmor setzen, so ver-
dient er docli ge\\iss, dass er als repertor et instaurator litera-
rum et Linguae Aegyptiacae so schnell als möglich allgemein er-
kannt werde. Leider aber sind seine Verdienste so vielfach, öf-
fentlicli und privatim, herabgesetzt oder doch falsch verstanden
worden , dass lleferent es nicht für unzweckmässig hält, in einer
158 Aegyptisclie Lit t era tiir.
kurze» Uebersiclit zu zeigen , was Spohn eigentlidi leistete und
wie weit der Fortsetzer seiner Forscliungen , Ilr. Prof. SeyfFartli,
die Sache bis jetzt gebraclit hat. Nach diesem Grundsatz wird
auch gegenwärtii^e Anzeige sicli raodificiren , dnrch die nicht so-
wohl der vollständige Inhalt obiger drei Schriften dargelegt, als
vielmehr das allgemeine bis jetzt gewonnene llesultat dargestellt
werden soll. IJnser Bericht soll also nur fiir den gelten , welcher
nicht sowohl eigene Forschungen in der Sache anstellen als ^iel-
raehr wissen will, wie es überlianpt um dieselbe steht, und wel-
che Ausbeute sich erwarten lässt.
Da SS die alten Aegypter eine doppelte Schrift, eine Volks-
schrift und eine Priesterschrift , hatten , berichtet schon Ilerodot.
Letztere war schon in früher Zeit dunkel und Wenigen bekannt;
aber als seit Alexander des Grossen Zeit Griechische Schrift in
Aegypten gewöhnlich zu werden, und die demotische oderVolks-
Sclmft allmählig ausser Gebrauch zu kommen anfing, da ging
mit dem Vergessen dieser Schriftziige auch dcrSchliissel zur hei-
ligen und hieroglyphischen Schrift verlohren. S. Seyffarth in Nr. 3
S. 30. Daher ist es leicht erklärlich, dass bereits Horus Apollo^
Clemens Alex andrinus^ Plutarchns^ Hermupionvi.\. nichts Be-
stimmtes über die Hieroglyphen zu berichten wussten, sondern
nur Vermuthungen über die Bedeutung derselben äusserten. Zwar
hielten sie dieselben für Scliriftzeichen , aber unbekannt blieb ih-
nen, wie man sie lesen müsse. S. Seyff. Nr. 2 S. 2. Ebenso ging
es den Gelehrten späterer Zeit, und Zoega, Ätrcher^ Jublonski^
Caylus^ Quatremaire ^ de Ilosst\ Beno/i., Palin^ Yoimg^ Cham-
pollion^ Sickler u.A. stellten Vermuthungen genug auf; aber den
Probierstein der Kritik hielt keine aus. Daher war es kein Wun-
der, dass der üebersetzer von Denon's Voyage de Naples etc.
S. lOT mit Vielen behauptete: „Wir besitzen keinen Schlüssel
über die ältere und neuere symbolische Schreibkunst der Aegy-
pter. Sie veränderte sich unzählige 3Iale und mit ihr der Sinn der
Figuren. Als die Gewohnheit Griechisch zu schreiben aufkam,
geriethen die Hieroglyphen in Vergessenheit. Die Schwierigkeit
sie zu verstehen, welche schon damals sehr gross war, vermehrte
sich nun dadurch, dass man sich nicht mehr bemühte, sie zu stu-
diren. Daher das gegenwärtige Unerklärbare auf den Grabmä-
lern, Obelisken und Gefässen der Alten. Selbst Priester und
Gelehrte Aegyptens konnten sie nicht mehr lesen , wie sollte man
es heutzutage vermögen'? Es wäre lächerlich, sich deswegen be-
mülien zu wollen." Dabei darf man freilich nicht übersehen, dass
den Forschern seit Kircher und Zoegn besonders zwei Hinder-
nisse im Wege standen. Einmahl nehmlich fehlte es an gehörigem
Apparat, imd erst die neueste Zeit hat aus Aegypten eine grössere
Menge demotischer, hieratischer und hieroglyphischer Inschriften
und Papyrusrollen nacli Europa gebracht; obgleich auch jetzt
noch die meisten ungedruckt und bloss in den Bibliotheken zu
Spolin u. SeylTarth üb, Acgfj'nt. Spraclie u. Schrift. 150
Paris, Londoii, Turin, Berlin u. s.w. *) znsammenf^eliänft sind.
Dann aber fingen diese Forscher ihre Yersiielie gleich mit den
Hieroglyphen an, und begingen dadurch einen Irrthuni, der frei-
lich erst oflVnbar uerden konnte, als sich durch Spohn's und
Seyftarth's Resultate ergeben Jiatte, dass man erst die demoti-
sche und hieratische Schrift entziti'ert halien mnss, bevor an
einen Schliissel zu i\en Hieroglyphen zu denken ist. Der erste
wesentliclie Schritt zum Licht >\ar gethan, als die Steininschrift
zu Kosette gefunden und bekannt gemadit ^^orden Mar; denn sie
bot den nehnilichen Inhalt in drei verschiedenen Schriftziigen und
Sprachen, in der Griechischen, Aeg}ptisch- demotischen und Ae-
gyplisch-hlerogly])hischen, dar. Wenn man also nach dieser Be-
kanntmachung die Hieroglyphenschrift immer noch für eine sym-
bolische und jedes Hieroglyphenzeichen fiir ein gairzes Wort liieit,
so bot die Inschrift von Kosette eigentlich allemahl die AViderle-
gung dar; da man ja nur die hieroglyphischen Zeichen zu zählen
brauclite, imi zu sehen, dass in diesem Falle zwischen der Grie-
chischen und liieroglyphisclien Inschrift gar kein Verhältniss seyn
wiirde Auch gab diese Inschrift den offenbarsten Probierstein
für jeden neuen Entzifferungsversuch, weil seine Richtigkeit oder
Falscldieit sich jedesmahl an ihr erweisen musste. Daher waren
Aeusserungen, wie die, dass man jede Hieroglyphen -Inschrift,
aber imr nicht die Rosettische, lesen könne, auch schon das To-
desnrtlieil für die neuaufgestellte Idee. Von ihr galt der be-
kannte Ausspruch : Hie Rhodus ^ hie sali a! Diess sah Prof. Spohn
wohl ein , imd begann daher 1819 seine Forschungen ausschlies-
send mit dem zwiefachen Londner und Münchner Abdruck dieser
Inschrift **). Obgleich die ersten Versuche vergeblich ausfielen,
so ermüdete er doch nicht, und gewann das von ihm selbst schon
1819 niedergeschriebene Resultat (bei Seyff. Vita Spohn. S. 22):
„\ergeblich ist es die Hieroglyphen der Inschrift von Rosette ent-
ziffern zu wollen , so lange man die Koptische — denn dafür hielt
er damahls den demotischen Text — nicht dechiffrirt hat.'-'- Auch
bemerkte er, dass die Hieroglyphenzeicheu den demotischen
ihrer Zahl nach ziemlich genau entsprachen , und dass sie also
nicht Begn'jfszeichen sondern einzelne Buchstobe7i seyn mussten.
Emsiges Studium und ein nebenbei eintretender glücklicher Zu-
*) Kürzlicfi hat auch die Akademie der Wissenschaften zu Peters-
burg eine bedeutende Sammlung Aegyptischer Alterthümer von dem
Mailänder von Castiglione an sicJi gekauft.
**) Anfangs besass er bloss den Münchner Abdruck, bei dem er
aber bald bemerkte , dass er nicht ganz treu und felilerfrci sey. Andere
Ilülf»mittel, ausser diesen beiden Abdrücken, besass er damalils gar
nicht, ausser ein paar Al)schriftcn der Description de TEgypte, die er
im Herbst 181Ü bei seiner Anwesenheit in Dresden eich. gemacht hatte.
160 Acgyptische Littcratur.
fall *) Hessen ihn endlicli den Srhlüsscl zur demotischen Schrift
in dem nehmlichen Jahre 1810 finden, mid er sprach diess auch
zu Anfang 1820 in Böttiger's Ainalthea Bd. 1 öffentlich aus in dem
Aufsätze: Mrstcs Fragment über Hieroglyphen^ ihre Deutung
und die Sprache der allen Aegypter ^ in welchem er Sichler s
V^ersuche , die Hieroglyphen durch Paronomasie aus den Semiti-
schen Sprachstämmen zu erklären, zuriickwiess **). Die Schwie-
rigkeiten , die Spohn aber zu beseitigen hatte , waren sehr gross.
Er musste sich das Alphabet erst schaffen, aus den einzelnen
enträthselten Wörtern die Sprache erratlien, und dann sich erst
eine Grammatik und ein l^exicon bilden. Dazu kam , dass Spohn
nicht etwa durch eine grosse Kenntniss der Orientalischen Spra-
chen unterstützt ward. Zwar hatte er auf der Schule und in sei-
nen ersten Universitätsjahren mehrere der Orientalischen Spra-
chen erlernt, allein dieses Studium iiachher gänzlich bei Seite
gelegt, und verstand sie daher nicht vollständig. S. Vit. Sp. S.S9.
Dazu kam endlich noch der Mangel an yVegyptischen Inschriften.
Hr. Prof. Seytfarth hat bemerkt, dass die 25 Aegyptischen Buch-
staben so verschiedenartig geschrieben worden sind, dass er nur
aus den ihm bis jetzt bekannt gcM ordenen Inschriften in der de-
motischen Schrift 800 , in der hieroglyphischen fJOO0 1 in der liie-
ratischen ziemlich eben soviel verschiedene Buchstabenzeichen
zählte. S. Vita Sp. S.2'r, Nr. 2 8.14 u. 18 und Nr. 3 S.13. Viele
von diesen Zeichen sind aber so beschaffen , dass sie 5 u. 6 ver-
schiedene Buchstaben bezeichen können. Irrthum ist hier kaiun
von dem zu vermeiden, der die gesammte Paläographie der Ae-
gypter iiberschaut mid den Bau der Sprache schon genau kennt.
*) Spohn suchte nehmlich beim Beginn seiner Untersnchung'cn zu-
nächst in der deraotischen Inschrift die Nomina propria aufzufinden und
aus ihnen die Bedeutung der einzelnen Buchstaben zu ahstraliiren.
Lange blieben die Versuche vergeblich. Einst , als er gerade sich da-
mit beschäftigt hatte, wollte er weggehen. Beim Aufstehen fiel die
Inschriftrolle herab und brach sich so, d.iss auf der Kante in verschie-
denen Zeilen ein und das nehmliche Zeichen — Ref. mcIss nicht ge-
wiss, ob ein ganzes Wort oder ein einzelner Buchstabe — so hervor-
trat , dass es einmahl halb , das zweiftmahl ganz siclitbar Avar. Dieser
Zufall brachte für Spohn den Schlüssel zur Schrift. S. Seyff. Vita
Spohnii S. 23.
♦+) Falsch scheint die Behauptung bei SeyflF, in Vita Sp. S. 22 zu
seyn , dass Spohn anfangs selbst Paronomasic angenommen habe. Er
entst;hied damahls gar nichts über die Hieroglyphen , behauptete aber,
dass, wenn ja Paronomasie gebraucht werden solle, sie wenigstens
von der Art seyn müsse , wie das dort angeführte Beispiel zeigt. Da-
hin ist also diese von Hrn. Seyff. gegebene Notiz , die ilini vom Refe-
renten selbst mitgetbeilt worden ist, zu berichtigen.
Spohn u. Scjflai-th üb. Aegypt. Sprache u. Schrift. 161
Wieviel schwerer also war es für Spohii , sich vor Irrthum zu hü-
lhen , da er sich die Sprache erst schallen miisste , und da er zur
Verjjleichung der einzelnen Buchstabenzeichen fast nichts als die
Inschrift von Rosette besass *). Vergl. SeylT. in Vit. Sp. S. 2(», 27
u, in JNr. 2 S. 2. ]\iir seine Fertigkeit im Dechiffriren (S. Vita Sp.
S. 22) und seine unermüdliche Sorjjlalt und Genauigkeit machten
es möglich, dass er hn Anfang des Jahres 1820 öifentlich erklä-
ren konnte, die Aegyptische (demotische) Inschrift des Raschidi-
schen Steins sey grösstentheils entzillert. S. Vit. Sp. S. 24. Ent-
zifferungen anderer demotischen Inschriften scheinen damahls
nicht geiuacht worden zu seyn; wenigstens sind die in INr 1 als
Spec. II — A jnitgetheillen aus späterer Zeit. Ob aber Ilr. Seyff.
in Alt. Sp. S. 24 richtig verrauthet, dass Spohn schon 1819 einige
hieratische Inschriften theilwcise entziffert habe, kann Ref. we-
der bejahen noch verneinen. Von Bedeutung können diese Ent-
zilferuiigen nicht gewesen seyn, und die in Vit. Sp. S. 28 u. 33
mitgetheilten Fragmente zweier Briefe scheinen das Gegentheil
zu beweisen. Richtiger ist es, da^s Spohn nebenan wiedcrhohlte
Versuche mit der liieroglyphischen Inschrift des Raschidischen
Steins anstellte und einzelne Bemerkungen darüber sammelte,
einige AVörter abtheilte, auch bereits die Bedeutung einzelner
Buchstaben vermuthete. S. die Sehr. \r. 1 Spec. VI S. 46 Not. 8.
Bedeutend konnten die Resultate niclit seyn, da ihm noch das
JMittelglied zwischen der demotischen und hieroglyphischen
Schrift, das hieratische Alphabet, fehlte. PlötzlicJi aber wurden
alle diese Untersuchungen durch eine heftige Krankheit vom Juli
182(f bis Ostern 1821 unterbrochen, und nach seiner Genesung
blieben sie, wegen 3Iangel an llülfsjnitteln und weil diese Be-
schäftigung für Spohn's damahligen Zustand zu anstrengend war,
eine Zeitlang ausgesetzt **). iSeuen Sch>^'ung erhielten dieselben
in der ZAveiten Hälfte des Jahres 1822, als der General von Mi-
nutoli eine bedeutende Sammlung von Papyrusrollen nach Berlin
gebracht hatte. Spohn reis'te desshalb im Herbst dieses Jahres
selbst dahin, fand aber die meisten Rollen noch niclit aufgewik-
kelt. Indess l)ekam er bald darauf einige zur Benutzung nach
Leipzig geschickt (in Nr. 1 Spec. II, HI u. a. ), so v,ie er auch
*) Dipss ist besonders dessM-ejren zu bemerken, weil die vorhan-
dene Spohn'sclic Eiitzifl'erung der Inschrift von Roseitc grösstenthciU
aus jener Zeit herrührt, und ueil daher die vielen abweichenden Er-
klärung-en und l)eutun<ren entstanden sind , die Hr. Sevfl'. als Varianten
unter der in >r. 1 mitgetheilten Entziflerung der Inschrift von Rosette
bemerkt hat.
*■*) Im Jahr 1821 nchmruh hescliiiftigte sich Spithn nicht sowohl mit
dem Aeg-yptischen , als mit Forschungen über lloraz und über die Li-
teraturf^eschichte der Augusteischen Zeit.
JahrO. d. Phil. u. Päda/r. Jalirf;. I. li^ft 1. 1 l
162 Aegyptiaclic Iiitte rnt ur.
aus Paris eine Abschrift einer Papyrusrolle (Spec. IV) erhielt.
Diese und Anderes , auch liieratische Inschriften, wurden entzif-
fert, und die Sache kam dahin, dass Spohn 1823 einem Freunde
schreiben konnte : „Meine Sache über Tibull muss noch liegen
bleiben , da ich nunmehr dem Geheimniss auf die Spur gekom-
men bin , die hieratischen Charactere auf den Mumienrollen mit
Gewissheit und mathematischer Demoustrabilität entziffern zu
köiuien. Ich werde nun von allen Seiten gedrängt , es bekannt
zii machen , und muss nun auch es endlich. Zwei Mumienrolle»
und sechs Inschriften habe ich bereits im vollen gleichraässigen
Zusammenliange entziffert." Desshalb kündigte er auch sein
Werk de lingua et literis veterum Aegyptiormn an (S. Vit. Sp.
S. 32) , imd liess mit der grössten Genauigkeit (S. Vit. Sp. S. 51)
den Text der demotischen Inschrift von Rosette , und mehrerer
von Berlin erhaltenen Papyrusrollen lithographiren. Diesen litho-
graphischen Tafeln sollten dann andere folgen, welche zwischen
dem Aegyptischen Texte die Latein. Interlinearversion enthalten
sollten. (S. Vit. Sp. S. 35.) Allein ehe er bis dahin gelangte , ehe
er die vollendete Lateinische üebersetzung so , wie er sie in der
letzten Zeit gestaltet haben wiirde, niederschrieb, ehe er die
Grammatik, das Glossarium und die Erläuterungen der Inschrif-
ten verfasste, ehe er überhaupt seine neuesten Resultate zu Pa-
pier brachte , übereilte ihn der Tod den ITten Januar 1824 *).
Das Endresultat seiner Forschungen iiber das Aegyptische also,
wie er es in der beabsichtigten Schrift darüber gegeben hätte,
war gar nicht vorhanden , luul die hintei'lasseuen Papiere waren
äusserst mangelhaft und unvollständig. S. Vit. Sp. S. 35. Ueber-
haupt pflegte Spohn von seinen Forschungen nur sehr wenig, und
dieses Wenige oft auch so niederzuschreiben, dass es niemand
als er selbst verstehen konnte **). Hierzu kam, dass er in
*) In SeyfTarth's Vita Spohnli steht zweimahl durch einen Druckfeh-
ler 1823.
*+) So machte es z. B. bei ihm einen Unterschied, oh eine Notiz
auf der rechten oder linken Hälfte des beschriebenen Blattes stand , ob
sie gerade oder schief (auf- und abwärts) geschrieben war. Anderes
pflegte er durch verschiedene Tinten oder durch allerlei Avillkührliche
Zeichen anzudeuten. (S. Vit. Sp. S. 44.) Desshalb sind seine hinterlasse-
nen Manuscripte nicht so zu brauchen, als man erwarten sollte, ob-
gleich er mehrere derselben für fertig imd vollendet erklärte. Befer.
kann aber diese Notiz über Spohn's Papiere um so bestimmter geben,
da er schon bei dessen Lebzeiten viele derselben auf kürzere oder län-
gere Zeit zxmi Gebrauch erhielt, da er nach seinem Tode sie alle durch-
sah und ordnete, und da er noch jetzt mehrere davon in den Händen
hat. In den Papieren zum Aegji»tischen indess finden sich nicht so
viele der oben erwähnten Abkürzungszeichen; dagegen aber ist überhaupt
Spohn u. SeylTarth üb. Acgypt. Sprache u. Schrift. 1G3
flen Papieren über das Ae«ryptisclie vorzugsweise wenig und in
der letzten Zeit fast gar niclits niedergeschrieben hatte , weil un-
berufene INeugier nicht selten auf alle Weise den Schliissel seiner
Forschungen ihm abzulauschen, auch wohl auf ziemlich inhu-
mane Weise seine Papiere darüber zu sehen suchte und verlang-
te *). Zum Alphabet, zur Grammatik, zum Glossarium waren
nur wenige Notizen a orhanden. S. Seyif. Vorrede zu Nr. 1 S. VI ff.
Das Wichtigste waren die mit Lateinischen und Griecliischen
Buchstaben niedergeschriebenen Entzifferungen einiger Inschrif-
ten imd iMumicnroUen , denen die Lateinische üebersetzung bei-
gelugt war. Allein abgerechnet, dass in diesen Entzifferungen
inid Liebersetzungen eine Menge Lücken sich fanden, so rührten
sie überhaupt nicht aus der Zeit her, wo Spohn's Resultate ihre
höchste Bestimmtheit erhalten hatten , sondern waren grössten-
theils die ersten Entzifferungsversuche der einzelnen Inschriften.
Diess zeigten schon die vielfachen Aenderungen und Varianten,
die oft mit (> oder 7 verschiedenen Tinten und Schriftzügen über
den Text geschrieben waren. Dabei konnte man nicht einmahl be-
haupten , dass diese Varianten die richtigere Lesart enthielten ;
denn oft waren es blosse für den Augenblick hingeworfene Ver-
raulhnngen. Vergl. Vit. Sp. S. 34, 35. Soviel ergab sich, dass es
unmöglich sey, aus diesen Papieren das versprochene Werk so
herauszugeben, dass es auch nur approximativ dem gliche, wel-
ches Spohn selbst geliefert hätte. S. die Vorrede zu Nr. 1 S. XV.
Doch diese Papiere waren auch in ilirem rohen Zustande zu wich-
wenig^ gejj^eben, und dieses Wenige, namentlich in den Entzifferungen,
oft so unbestimmt liingestellt, dass man nicht sieht, in wie weit Spohn
CS für richtig gelten lassen wollte.
*) Diese Verbuche waren In einigen Fällen höchst auffallend und
zndringlich, und ninssten natürlich Spohn's Misstrauen reizen. Da er
nun eine grosse Schwäche Im Abschlagen eines Verlangens liatte, so
war es kein Wunder, dass er niancbniahl, wenn man seine Gefälligkeit
«u sehr mi?!>brauihtc , In das entgegengesetzte Extrem verfiel. Dahin
gehört der Fall, den Hr. Seyff. in A ita S. 48 erzählt, wo Referent der
allein Ausgenommene war. Aebnlicb bei dem Aegyptlschen , wo seine
Verschlossenheit in der letzten Zeit so weit ging, dass selbst seine ver-
trautesten Freunde wenig oder nichts erfuhren. S. Vit. Sp. S. 25. Sein
Misstranen war durch Veranla^sungen erregt, die gcM'Iss einen Andern
noch weiter geführt hätten. Linbillig ist es daher, m egen der damahli-
gen Versehliissenheit einen Tadel auf ibn werfen zu wollen, sonderbar
aber, dass gerade die, welche in jener Zeit am tingestüinsten in sein
A ertrauen sich zu drängen snchten und zunächst diese Verschlossenheit
herbeifälirtcn, jetzt seinen Werth als Mensch und (ielehrten hcrabsez-
zen. DIess kann wenigstens kein Bcwcid scyn , dass ihre Absichten
damiUils redlich waren.
11 *
1(54 Aegyp tische liitteriitur.
dg, als dass sie liätten vertilgt werden dürfen. Sollte das neu ge-
wonnene Licht nicht wieder verlöschen , so miissten sie ancli in
diesem Zustande einem Gelehrten zur Fortsetzung und Heraus-
gabe überlassen werden. Diesem Geschäft unterzog sich Herr
Prof. Seyffarth^ dem man es daher Mohl glauben darf, dass er
die ganze Untersuchung so gut als von Vorne machen rausste und
mit unsäglichen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. S. Vorrede S.
XI, XII. Bei der Bearbeitung blieb ihm nur ein doppelter Weg.
Entweder musste er aus diesen Papieren nur das allgemeine Ke-
sultat für sich ausziehen und sie dann bei Seite werfen ; oder er
musste sie in ihrer rohen Gestalt gleich einem unvollendeten Tor-
so der gelehrten Welt zum weiteren Studium vorlegen. Bedenk-
lich war Beides, das PJrstcre mehr als das Letztere. Daher müs-
sen wir ganz seine Ansicht theilen, wenn er das Letztere wählte,
und in der Vorrede zu Nr. 3 S. VII f. sagt : „ Sollte das uner-
wartet angezündete Licht gerettet werden , sollte das Andenken
so grosser Aufopferung , und des schmerzvoll errungenen Sieges,
der vielleicht einst in der Geschichte der Literatur eine Epoche
darbieten wird, sich dankbar erhalten; so musste Spohns Werk
im Geiste des Urhebers durch eine sorgsame Hand der Vollen-
dung näher gebracht werden. Darum schien es nothwendig, zu-
erst das kostbare Gewebe, das Spohn vielleicht aus seinen eige-
nen Lebensfäden dem Seidenwurme ähnlich sich spann, den
Freunden der Wissenschaft vorzulegen. Möge diese nochmalige
Erklärung mich etwas entschiddigen , wenn ich Spohn's Aegypti-
sche Advcrsai'ia diplomatisch behandelt der Gefahr aussetzte,
vielleicht eine zu geringe Meiniuig von dem, was Spohn geleistet,
zu verbreiten. Wir könnten, wälirend uns die Einsicht in das
Ganze und die gehörige Uebung noch mangelt, sehr leicht den
schweigenden Manen Spohn's ein bitteres Unrecht zufügen , das
wir nicht sogleich wieder gut zu machen im Stande sind.^'- Wie
Hr. Seyff. übrigens verfaliren sey, erzählt er selbst in der Vorrede
S. XIII: „Pergendum mihi erat in via, quam Spohnius ingressus
est. Inscriptiones, quae supercrant, nunc in iapidibus exstaut
summa fide redditae atque cum aliis, difficile opus, a me reco-
gnitae. Interpretationes Spohnü retractavi et subegi, neglecta ad-
jeci atque reliqua Aegyptiaca, impletis lacnuis, ex'plicui, quate-
nus licuit, omnia. Confeci commeutaria et introductiones, paravi
tabulas illustrautes, expendi liuguae debita officiis scripturae, ab-
solvi Graramaticam et Glossarium atque dissertationem pnmariam
adumbravi. JNon ineptum videbatur, haec omnia unius volumi-
nis corpore comprehendere et edere, ita ut Spohnü scripta singu-
lis in locis a raeis distincta praemittercntur et injicerentur, quod
consilium, initio a me captum, nunc satius mutare. Admodura
cnim creverunt schedae meae nee longius Spohnü inventa jure re-
tineri posse judicandum est. Prodeat itaque opus tripartitum, cu-
jus primum volumen amplectatur, quaecunque Spohnius explanata
Spohn u. Sevffartli üb. Aegypt. Sprache ii. Schrift. 1C5
reli([uit; secmuluin habeat pcrfeclas iiiscriptioiuini explicatiouejn
cum commentariis et iiitrodiictionibiis atqiie tabnlis lithoi-raplii-
eis; tertio deiitur dissertatio, quae clavcm ssacrarü Ae^yptiaci du-
iliim (luacsitam illam tradet . («rammalica ao deuique Glossarium.
Quod itaque l'rodromuin hunc attinct, onuics oü'ert etiam levio-
res Spoliini iuterprctationes, exceptis hieroijlypliicis , quae qui-
dera siiisrulari in tabula descripfac ad volumeii secundum acce-
dant. In Ins proponendis sie cipiidcm offi. Permulta sunt verba
Aes:}i)tiaca. ((uae dupjicem, tri|)liccin vcl multiplicem cum Icctio-
nem , tum iuieiprctalioucm admisciiat, qua in re, uti diximus,
8])ohuius ita vt-rsatus est, ut iiteras ambi^uas versibus imponcret,
sensum Aariautem infra notaret. Quae mediis in versibus essent,
ea quidem sivi in versibus esse ; quae supra infra((ue leg^erentur,
subter textum locavi, ita ut ambigua vocabula, addito Vel^ pleue
scriberem atque toties repeterem , quoties litera vel literae ambi-
^uac elocutionem variare possent. Plerisquc a versibus et com-
mentariis iutegris Spohnii absuut numeri, quibus singula vocabula
inter se distinguantur; quos quidem id)lque iuscripsi. Ubicunque
in mss. Spohnii deficeret aliquid aut supervacaneum esset, quod
in textu Aeg^-ptiaco exstaret aut desideraretur, iiotaAi illud pun-
ctis .... vcl ::::, hoc verbis inter notas. INonnuUa emendavi, ita
ut, ubicunque meae manus vestigium esset, adderem [Sh.]. Nihil
omisi, nihil suppressi nee quidquam adjoci, quod ad ambiguita-
tem tollcndani, aut perspicuitatem augendam necessarium iion vi-
sura esset. (Diese kleinen Abänderungen werden dann einzeln
aufgefiihrt. ) Pleraquc intacta sivi, quo minus gemiina harum
schedarum ratio et antiqua fides perirent.'*'' Ref. hat diese etwas
längere Stelle ganz ausgeschrieben, weil sie die Anlage des Werks
am bessten erläutert und zugleich ein Beispiel von der Latinität
des Hrn. Herausgebers giebt. Das Werk enthält demnach weiter
nichts als die von Spohn hinterlassenen mehr oder weniger frag-
mentarischen PJntzifferungen von 15 Inschriften nebst der Latei-
nischen Interlinearversion, unter denen dann in besondern Noten
die abweichenden Entzilferungen und Erklärungen Spohn's ste-
hen. Als Beispiel diene Folgendes :
1 2 :{ 4 5 n 1
escheie ösjersch chme nnu^hle ösjersch chme teho
hnoca Osiri- Aegypt. cum vera Ösiri- .... adora
dem elatione dem
Die lithographirlen Originaltexte felilen natiirlich , so wie auch
alle Notizen, woher diese Inschriften genommen sind, ausser dasn
bei Spec. IV bemerkt ist: Pap. Paris. Cazal. FJs erffiebt sich je-
doch, dass Spec. 1 die demolische Inschrift von Koselte und Spec.
H, 111, V demoti.sche Papyrus aus Berlin sind. Die Specc. \ III —
XV sind Entziireruugen hieratischer Inschriften, von denen aber
Spec. VIII — XIV sehr unvollständig sind. In der Vorrede S.
166 Acgyptiechc Li ttc ratur.
VI — XI werden alle von Spolin zum Aegyptischen Iiinterlassene
Papiere aufgezälilt, die nach Herausgabe des Werks auf der Leip-
ziger üniversitätsbibliotliek niedergelegt werden sollen. Voraus-
gescliickt ist die von Spohn in demotisclier Schrift und Sprache
abgefasste, von SeyfTarth auf eine unvoUendjjte Pyramide einge-
grabene Dedication an den König von Sachsen, deren Latein,
üebersetzung (von Spohn gemacht ) in der Vorrede S. XI mitge-
theilt ist. Das vorangestellte Brustbild Spohn's ist nach einer vom
Todten genommenen Zeichnung, sonst aber gi'össtentheils nach
dem Gedächtniss gezeichnet, stellt jedoch im Ganzen seine Züge
ziemlich treu dar , abgerechnet , dass er um den Mund etwas zu
voll gezeichnet ist. S. Vit. Sp. S. 50. Ueberdiess hat Hr. Prof.
Seyff eine sehr ausführliche Lebensbeschreibung Spohn's beige-
fügt, welche unter dem Titel Memoria Fr. A. Gull. Spohnii scr.
G. Seyffarth auch einzeln verkauft wü'd. üeber dieselbe sich
ausfülirlicher zu erklären hält Ref. für unnöthig, da das Meriier
Gehörige bereits im Vorhergehenden angegeben ist, und da er
sein Urtlieil darüber schon früher in Seebode's Krit. I3iblioth.
1825 Hft. 5 S. 582 — 591 ausgesprochen hat. Vergl. Passow in
d. HaU. Lit. Zeit. 1825 Nr. 269 und Eggert in Seebod. Krit. Bibl.
1826 Hft. 3 S. 193—220 *). Auch hoflft Ref mit der Zeit noch
eine besondere Charactei-istik von Spohns literarischem Würkeu
zu liefern. Zu bedauern ist, dass Hrn. SeyflF.'s Vita von einer
grossen Menge sinnstörender Druckfehler entstellt ist, welche
fürchten lassen , dass auch die Spohn'schen EntzifFerujigen nicht
rein von Druckfehlern sind. Auch bestätigt sich leider diese
Furcht auf eine aulTallende Weise dadurch, dass Hr. SeyfF. von
der Spohn'schen Entzifferung der deraotischen Inschrift von Ro-
sette Lin. XXIX, 25 — XXX, 23 und XXXII, 2—28 in der Schrift
Mr. 2 wieder abdrucken liess, wo man in den wenigen Zeilen fol-
gende Abweichungen findet: S. 15Lin.XXIX,35beiSp. wwfl, beiSf.
im a ; S. 16 Lin.XXX, T huehe., b. Sf. ?mehe^ gleich darauf li bei Bei-
den htiehe; S. IT Lin. XXXII, 10 meihnenuo., b. Sf. methnenue;
12 methmnenoee ., b. Sf. methöinenöee ; 16 etie^ b. Sf. tie a; 18
btie^ b. Sf. neh', 19 hrpirjei]^ b. Sf. hrpeee ; 20 gne b. Sf. fie g.
Diese Beispiele scheinen nicht eben die diplomatische Treue des
Abdrucks zu beweisen.
Fragt man nun, was Spohn durch sehie Forscliungen im
Aegyptischen geleistet habe, so ergiebt sich aus dem oben Er-
innerten, dass man aus seinen hinterlassenen Papieren über-
*) Beiläufig wird bloss bemerkt , dass Herr Dr. Eggerl den S. 48
erwähnten literarischen Diebstahl mit Unrecht für eine iingcgiilndete
licbchiildigung eines achtbaren Gelehi-ten hält. Die Sache ist gegrün-
det , und in einem der nächsten Hefte dieser Jahrbücher sollen auch die
Belege dazu gegeben m erden.
Spohn u. Scjffiirth üb. Acgj[)t. Spradic u, Sclirilt. lOK
liaiipl nicht ganz erfahren kann, nie weit er eigentlich voi'ge-
drungen war. Dann ist von diesen Papieren bis jetzt nocli nicht
so>iel initgetheiit, dass man das darin Geleistete iiberscliauen
könnte. Ja für die Melirzahl der Geielirten sind die gegebenen
Entzifferiuigen nicht einnialil brauclibar, da die Originaltexte noch
fehlen. Sodann können wir niclit bergen , dass der Abdrnck die-
ser Entzilferungen nicht einmalil diplomatisch genau genug ist. Hr.
Sf. erwähnt selbst, dass Spohn diese Entzifferungen zu verscliie-
dener Zeit und mit sehr verschiedenen Tinten niedergeschrieben
habe. Uei einem diplomatiscJien Abdruck aber mussten diese
Verschiedenlieiten genau bemerkt werden , weil sich aus ihnen
bestimmter ergeben würde , was von dem Vorhandenen frühere
oder spätere Ansicht des Verfassers war. Auch wäre es gut ge-
wesen , wenn Hr. Sf. bemerkt liätte , zu welcher Zeit wohl die
einzelnen Entzifferungen gemacht sind. Konnte er auch nicht
nachweisen, welche in die Jahre 1819 und 1820 gehören; so
liess sich doch bestimmen , welche vor 1822 nicht gemacht seyn
können. Bei den Berlüier Papyrusrollen wenigstens liess sich die
Zeit berechnen, wo sie in Spohn's Hände gekommen waren. Auch
konnte bemerkt werden, was in diesen Eiitzifferungen wirklich*
falsch ist, oder was Sp. nicht als sicheres Resultat sondern als
blosse Mathraaassung hingestellt hatte. Ueberhaupt dui'fte sich
Hr. Sf. gar nicht scheuen , noch weit offenbarer und bestimmter,
als er gcthan hat, zu erklären, dass diese Papiere keineswegs so
beschaffen sind , als man von Spohn wohl erwarten sollte. Gab
er dabei die Gründe und Ursachen dieser Mängel an, so konnte
eine solche Erklärung für Spohn's Ruhm keineswegs nachtheilig
seyn, musstc aber zu einer sicherern Würdigung desselben füh-
ren. Doch Ref. weiss wohl, wie sehr Hr. Sf. zur Beschleinigung
der Herausgabe dieser Papiere gedrängt und getrieben ward, und
würde daher diese Mängel gern ganz unerwähnt gelassen haben,
wenn sie nicht auf die Beurtheilung der Verdienste Spohn's einen
so nachtheiligen Einüuss hätten. Daher wünscht er, dass sie we-
nigstens im zweiten Heft nach Möglichkeit verbessert werden
mögen. Auch ist dann ein genaues Verzeichniss der Druckfehler
beizufügen, die sich in diese Entzifferungen eingeschlichen
haben. üebrigens ist es falsch aus diesen Entzifferungen
Spolm's Verdienst würdigen zu wollen, und wir können da-
her die vom Hrn. Prof. Kosegarlen in der Hall. Lit. Zeit. 1825
iNr. 159 — 101 gegebene Beiu-theilung nicht für richtig halten,
weil sie, der Abirrungen und unrichtigen Schlüsse nicht zu geden-
ken*), von dem Prmcip ausgelit, das Gegebene als Maassstab
*) Wir erwähnen nur das scheinbar M'icliti;j;ste der gegen Spohn
vorgehnichtcn Argumente, die Identität eines Berliner I'apyrus mit ei-
nem Griechischen in England. Dagegen bemerkt Hr. Sf. in der Schrift
Nr. 3 S. 32: „ Voung theilt den Text eines Grieihisdicn Papyrus des
1C8 AegjptidclieLitteratur.
des Urtheils anzunelimen. Sehr richtig bemerkt Ilr. Sf. in Nr. 2
S. 3: „Non decet Criticum Spohnii merita sigillatim censere, sed
summatiin. At qiiae apud Spohniiim huraanae debilitatis spe-
ciem prae se feriiiit, non ranlto majori« pendenda mihi qnidem
videntnr, qnam soissurac in obeliscis et pyramidibus aeternis, vel
quam naevnli in picturis Raphaelicis divinis , in quibus plcbecida
aut invidiosi haerent. " Jetzt, da der Verstorbene das angefan-
gene Werk nidit selbst vollenden konnte, darf man nicht fragen:
ist das Einzelne richtig, sondern, sind seine Principien richtig,
und hat er, selbst wenn die Entzifferungen grösstentheils falsch
sind, doch den Schlüssel zum Aegyptischen gefunden'? Ob er
ihn fand , wird der Erfolg bald lehren. Seyffarth's Forschungen
miissen fallen oder stehen, je naclidem Spohn's Schlüssel der rich-
tige oder falsche ist. Doch die beiden neuen Schriften Seyf-
farth's scheinen die Richtigkeit bereits bestätigt zu haben. Aus
ihnen ergiebt sich auch , dass das Resultat der Spohn'schen Be-
strebungen das ist , dass er zuerst bestimmt nachgewiesen liat,
dass die Aegjqitische Schrift nicht eine symbolische sondern eine
Buchstabenschrift ist; dass er die^e Buchstaben wenigstens in
zwei Schriftarten wenn nicht vollständig zusammenstellte , doch
so darlegte, dass der Fortsetzer sie wiedererkennen und nach
seinem System fortbauen konnte ; dass er demotische und hiera-
tische Inschriften und andere Monumente entwickelte, und an-
gab, in welcher Sprache sie geschrieben sind, dass er endlich
auch andeutete , die Ilieroglyphenschrift müsse auf jeden Fall
eine Buchstabensclirift seyn *). Solches hat keiner vor ilim ge-
Ritters G. Grey mit, welcher mit Papyrus Nr. 36 zu Berlui und seinem
Diipücate zu Paris der Form und dem Inhalte nach sehr übereinstimmt,
in vielen Puncten jedoch sehr von ihnen ahweicht. "
*) Hr Prof. Sf. sagt in Nr. 2 S. 3 sehr wahr : „ Quinque vel sex
potissimum egregie promeruit Spohnius. Primo eam viam ingressus
est, qua ad obscuritatera Aegyptiacam dilucidandam procedatur. Et-
enim iter est a demotica scriptura ad hieraticam, liinc ad hieroglyphi-
cara. Qui contra agunt, ii statim in vestibulo sacrarü ita impediuntur,
ut, quae ultra sint, videre nequeant , aut conjicerc tantumraodo pos-
eint. Porro integras inscriptiones demoticas primus interpretatus est,
quo duo cvencrunt gravisi?ima , cognitio linguae , quae scriptis Aegy-
Vtiornra demoticis subest , atque ratio scripturae vulgaris. Quam bene
autera versatus fuerit, id nunc novo arguraento, scilicet interpretatione
int<criptionis Itosettanae hieroglyphicae probabitur. Deinde Integra quo-
que hicratica scripta illnstravit. Ex bis denuo primum fipparnit , scri-
ptuvum, quae a sacerdotihus nomen acceperit, constare literis, appariiit,
% quales sint litcrae, quomodo differant a vulgaribus. Sic docuit ctiam,
linguam , quae in demoticis inscriptionibus invenitur , eandem legi in
eacerdotalibus. Atqne Spohnius, cum clavem scripturae hicraticae et-
Spolin u. Sejffai'th üb. Acgj-])!. Sprache u. Schrift. Ki!)
leistet und wenn der und jener, wie ja auch Youna: und Champol-
lion, in einer der drei Aeirj^tischen Schriftarien Buchstaheu-
sclirift erkennen wollte, so Mar diess bloss ein blindes Katlien,
das die aufgestellte Meinung nicht beweisen konnte. Man las In-
scliriften; verlangte aber, der Hörer solle aufs Wort glauben,
dass man richtig gelesen liabe. iVicht soSpohn. Er giebt jedem die
Mittel in die Hand, mit eigener Ansiclit naclizusehen, ob sein Sy-
stem ricbtig sey, und sein Probierstein ist der Kaschidische Stein,
den keiner ^or ihm zu lesen ^ei-moclite. Daher ist es wolii kei-
nem Zweifel unterworfen, dass Spolin den ^^ eg zur Erkenntniss
ziterst uns geöffnet und seine Uiclitimg so gezeigt hat, dass man
nicht leicht wieder davon abirren kann. Doch diesen Weg selbst
weiter zn balinen verbot ihm des Scliicksals Hand. Grosses ist
mit ihm zu Grabe gegangen, aber das Grösste, der Grundriss zum
Ijau, ist gerettet worden.
Dass Hr. Prof. Seyffartli auf dem von Spohn betretenen Wege
eifrig fortgearbeitet habe , ergiebt sicli sclion aus dem , w as w ir
oben iiber die Verarbeitung der Spolm'schen Papiere aus der Vor-
rede zu iSr. 1 angefiilirt haben. Auch gewann er durch anlialten-
des Studium immer melir Einsicht in die Sache, und er sagt dar-
über in der VoiTede zu ]Vr. 2 "• ,i Quum scripta demotica inter sc
compararem atque accuratius et loca et verba paria deliberarem;
contigit mihi, ut non solum genuinas Aegyptiorum literas , sed le-
ges quoque regnantes in scriptura demotica rcperirem. Eadem
arte in scriptis hieraticis adliibita , etiam hieraticae scripturae in-
teriora, quorum prima cognitio non minus cum Spohnio interiisse
videtui', assequi ac libare credidi. '■'' Hierbei waltete der glück-
liche Umstand ob, dass er weit mehr Aegyptische Inschriften imd
Papyrusrollen, als Spohn, benutzen konnte, und dass diese auf
eine unerwartete Weise seine Forschungen förderten und unter-
stützten. ., Während der Bearbeitung des Spolm'schen Werkes,
sagt er in der V orrede zu Nr. 3 S. VIII. , fand ich unter andern
für nöthig, die von Spohn besorgten, noch nicht revidirten Co-
pien Acgyptischer Handschriften mit den Originalen, so weit es
möglich war, namentlich mit denen zu lierlin zu vergleichen. Bei
dieser Gelegenheit wurde ich durch die Güte der Herrn Biblio-
thekare in den Stand gesetzt, sämmtliche Aegyptische Papyrus
iam nactus e^set, pcrsuasisslmnm sibi habchat, omnia facUiiis ab aliiü
rcpcrliim Iri, qiium haec. Qua in rc constantor, seil inoilestiüsiine con-
tendit, fec aut nullo!; aut serös aeinulatorcs hahituniin esse. Ipsara vero
fcripturam etiam hitroglyphicam , qiiod buinmiiiu est , attijfit.
Stiebat, neinincni debere de hieioglyphica scriptura in luiivcrsum dis-
putarc nl»! cum, qui inäcriptiunem Kuseltanam, quam comitctur trans-
latio Graeca vciut iudex bcverus, cum aliis scriptis sana ratioiie cxpli-
ruerit."
m
170 Aegyptisclic Littcratur.
auf der dasigen köiiigl. Bibliothek einer Prüfung zu unterwerfen. "
Die Resultate dieser Prüfung werden in der Scliriit Nr. 3 mitge-
theilt, die dalier auch den speciellen Titel führt : Bemerkungen
über die Aegyptischen Papyrus auf der königlichen Bibliothek
zu Berlin. Zwar hat Hr. Sf. liier nur Bemerkungen über das
Allgemeine gegeben , den Inhalt und das Zeitalter der Papyrus
angedeutet, und die Personen genannt, von denen sie zunächst
handehi ; allein man sieht docli daraus , was man ohngefähr von
dieser Aegyptischen Bibliothek zu erwarten hat. Auch werden
gelegentlich über andere Aegyptische Sammlungen interessante
Notizen gegeben und eine Menge guter Bemerkungen mitgetheilt.
Das Wichtigste aber, was für die gegenwärtigen Umstände gefun-
den werden konnte, ist die auffallende innere Aehnlichkeit dieser
Papyi'usroUen , wodurch das Erkennen der verscliiedenen gleich-
bedeutenden Schriftzeichen ausserordentlich erleichtert wird.
Refer. theilt aus der Schrift selbst Folgendes mit :
Es finden sich auf der Bibliothek überhaupt 57 Papyrusrol-
len, die in drei Classen, liieroglyphische, hieratische luicl demo-
tische, zerfallen mid meistens sehr gut erhalten und von bedeu-
tendem Umfange sind. Nicht wenige davon sind 1 — 2 Fuss hoch
und 10 — 30 Fuss lang. Dabei sind sie mit wenig Ausnahmen sehr
enge beschrieben, und überhaupt lassen sich mittelst der Aegy-
ptischen Schrift auf einem kleinen Räume viel Worte und Ideen
zusammendrängen. S. 1. Zu Spohn's Zeit lagen sie meist noch
unaufgewickelt ; jetzt sind sie aufgespannte Leinwand unter Glas
aufgezogen, oder, wenn sie auf beiden Seiten beschrieben waren,
zwischen zwei Glasscheiben gespannt, tmd werden in Avoldver-
schlossenen Schränken aufbewahrt, dass die Schrift durch die
Einwirkung des Lichtes nicht von ilirer Deutlichkeit verliere. Eine
einzige Rolle , der hieratische Papyrus Nr. 21 , welche noch dazu
in Hinsicht des Papiers , der Schrift \jiid der bloss mit der Feder
ausgeführten Gemähide eine der prachtvollsten gewesen ist , ist
in so schlechtem Zustande , dass sie auf Pappe gebracht luid mit
Spirituslack übergangen werden musste *). S. 5 und 11. Die Farbe
*) Anwendung eines FIrniss von Copallak oder einer farbenlosen
Bernsteinauflösung ist, wie S. 2 bemerkt wird, gnt, undeutliche Züge
augenblicklich sichtbar zu machen, und die Handschrift hesser vor Zer-
störung zu sichern. Allein diese Firnisse verlieren mit der Zeit ilire
Durchsichtigkeit und können ohne Gefahr der Handschrift nicht wieder
weggenommen werden. Reagentien, wie Gallussäure u. s. w. , lassen
eich hei verblichener Schrift der Papyrusrollen nicht anwenden. Lm
aber dunkle Stellen zu verdeutlichen, reicht oft das einfache Mittel —
auch hei andern Handschriften — hin , die einfallenden Lichtstralden
durch einen vorgehaltenen niedern Gegenstand zu vermindern und
abzuleiten. Das Auge sieht schärfer, wenn der Reflexionswinkel des
*
Spohn u. Seyffarth üb. Acgjpt. Sprache u. Schrift. 171
des Papyrus ist gelblich-weiss oder bräunlich-gelb mit verscliie-
deuen Abstufiuigen. Die Feinlieit und Glätte ist verschieden und
hängt \on dem gewählten Stoffe ab *). Melirere dieser Rollen,
besonders Iiieratische , sind theihveise durch Asphalt gescliuärzt,
vas entweder durch eine besondere Einbalsamirung derselben
oder durch ihre nähere Beriihrung mit den Mumien entstanden zu
seyn scheint. S. 2, 3. Die Thite oder Aielmelir Tusche ist meist
aiiiTullcndcn Strahles verklemert ■wird und der zu betrachtende Gegen-
stand in den Schatten tritt.
*) Ücber die Bereitung des Papyrus werden S. 3 — 5 einige Bemer-
kungen mitgetlieilt und zugleich Plinius H. N. XIII, 21 erläutert. Man
iiahni die bis zwei Ellen hohen Stauden des Papyrusscliilfcs , entfernte
-die Wurzelstöcke und Blätter und behielt bloss den Schaft von 1 — 'i
Fuss Länge und 1 — 2 Zoll Dicke. Dieser Mard dann diu-ch einen Schnitt
in der Richtung der Axe sogleich in viele Streifen zerlegt, welche von
verscliiedener Breite und Stärke, aber von gleicher Länge waren. Für
die Schrift wiu-den zunächst nur die innern Blätter bestimmt, welche
weich, ohne starke Riefen und fast fleischicht waren, wesshalb das In-
nere der Staude auch zur Speise diente. Die gewonnenen Streifen
Murden zunächst genau parallel zugeschnitten. Dann wurden die zar-
tem (innern) auf einer mit jNilwasser benetzten Tafel der Reihe nach
ausgebreitet und durch ein Bindungsmittel, vielleicht den zwischen den
Blättern sich befindenden Pflanzenschleim der Papyrusstaude selbst
(wenigstens braucht der turbidus liquor nicht nothwendig durch Nilwas-
eer erzeugter Leim zu seyn) , mit einander verbunden. Diess war die
innere Seite des Blattes. Zur Rückseite nahm man rauhere und mehr
fascrichte , vom Aeussern des Schaftes genommene Streifen , die man
nicht transversal , sondern von oben nach unten so legte, dass jeder
Streif zur Linken von seinem nächsten zur Rechten etwas bedeckt wird.
Das Bindungsmittel (der Leim) ist das nehmliche, und diese zum ersten
(innern) Gefüge hinzukommende , entgegengesetzt laufende Lage gab
demselben eine grössere Haltbarkeit. Beide Lagen verbunden >vurden
dann gepresst und getrocknet, und das Blatt w ar zum Schreiben fertig.
Wollte man längere Rollen machen , so setzte man mehrere Blätter
von der angegebenen Länge zusammen. Das erste Blatt zur rechten
Hand bedet^kt dann etwa um i Zoll mit seinen zartem Streifen die
obere, mit seinen rauliern die Rückseite des zweiten Blattes. Von die-
ser BeschafTenlieit sind alle Pap^Tus zu Berlin, und andere Zubereitung
würde auf ein anderes Zeitalter oder auf eine andere Fabrik führen.
Uebrigens Mar dieses Schreibmaterial vollkommen der Acgj-jitischen
Schreibart von der Rechten zu der Linken angemessen. Die Lage der
Streifen aber und der Riefen des Papyrus bestimmte die Züge der Fe-
der und wirkte wesentlich auf den Charakter aller drei Aegyptischen
Schriftarten ein. Desshaib gingen mehrere ursprüngliclie Formen der
Buchstaben verloren, und zahlreiche neue Geetalten <-ntstanden.
172 Acgyp tische Littcratur.
vollkommen schwarz und nur an manchen Stellen verblichen. S. 1.
Nach Berlin wurden diese ganzen Rollen, wie bekannt, dnrcli den
General von Minutoli J2;cbracht; ihr Fundort in Aegypten ist un-
gewiss. Doch lässt sich aus ihrem Zusammenhange mit den Pa-
pyrusinschriften zu Paris, Turin und London und aus einigen an-
dern Umständen vermutlien, dass sie in einer Catacombe'1'hebens
gefunden seyn worden mögen. S. 33. Von den vorhandenen 57
Papyrusrollcn sind 26 mit demotischer Scln-ift beschrieben. Eine
einzige davon (Pap. 54) ist nicht vollständig, indem der Anfang
fehlt. S. 37. Dreiundzwanzig dieser Urkunden sind eine Art ge-
richtlicher Quittungen auf bestimmte Personen gestellt. Die übrigen
3 (Pap. 49, 50, 55) scheinen besondere Beilagen dazu zu seyn. S. 26.
Jene 23 stimmen in ihrer Anlage völlig mitehianderiiberein, fangen
mit deuj^elben Worten an, und schliessen auf ähnliche Weise —
ein selir wichtiger Punct für Bestimmung der verschiedenartig ge-
schriebenen aber gleichbedeutenden Buchstaben. Sie sind in
abgemessener Kürze, schwerfälligem Kanzleistyl imd fliichtiger
Sclireibart abgefasst. in jedem kommen zwei Personen, der Aus-
steller und der Empfänger vor, deren Namen durch Dehnung des
Anfangsbuchstabens eines der zunäclist vorhergehenden Wörter
oder durch einen kleinen Zwisclienraum zum leichtern Auffinden
hervorgehoben wird. Da allemahl wenigstens zwei Betheiligte wa-
ren, so finden sich auch mehrere Duplicate (Pap. 37 a. b., 38 a.
b., 43 a. b., 44 a. b.) , die mit Ausnahme unbedeutender Weglas-
sungen oder Einschaltungen wörtlich und buchstäblich überein-
stimmen *). S. 27. Sie begiimen allemahl mit dem Regierungs-
jahre des jedesmahligen Königs , dem 3Ionate und Tage der Aus-
stellung; dann folgt der Name des Königs und seiner ganzen Vor-
fahren, die als Götter aufgefiihrt werden. S. 15. Entziiferun-
gen solcher Inschriften stehen in Nr. 1 Spec. II — V. Durch die bei-
gefügten Namen und Zalilen der Tage , Monate und Jahre lässt
sich das Alter dieser Papyrus genau bestinunen , und es ergiebt
sich, dass sie alle aus der Zeit der Ptolemäer stammen. Der äl-
teste ist unter Ptolemäus Soter I den ISten April 299 v. Chr., der
jüngste unter Alexander I den 21sten Dec. 89 ausgestellt **). Sie
*) So ist auch der bei Spohn Spec. IV entzifferte Pariser Papyrus
das Duplicat zu Pap. Beiol. 36, s. SeyfT. S. 32.
*♦) Die ausfiilirlichci'ii Data der einzelnen dieser Inschriften und
die Berechnung derselben auf Jahre vor Christus tlieilt Hr. Prof. SejfT.
S. 17 — 26 und S. 34 — 40 mit. Auszüge daraus zu geben, würde zu Aveit
fuhren. Die Berechnungen sind meist nach Champollion- Figcac (An-
nales des Lagides. Paris, 1819) und Ä. Quintino (Saggio sopra iL systema
de uumeri presse gli antichi Egiziani. Turin, 1825) gemacht. Doch
bleibt ihm auch vieles eigenthümlich. Besonders ist die chronologi-
6chc AufzäMung der verschiedenen Ptoleitiäer und noch mehr die auf-
•
Spohn u. Seyffarth üb. Acgrypt. Sprache u. Schrift. 173
umfassen sonach einen Zoifraum von 200Jaliren, gehören aber
alle in die Priesterlamilie O/-. deren einzelne Familienväter sich
dnrcli die Namen ihrer Weiher unterscheiden. Der Name des
Vaters erbte also wahrsoheinlicli auf den Erstgebornen fort.
Neben diesen deniotischcn Inschriften sind auf Pajmnis 30 — 41
Beischriften in Griechisclier Cursive *) hinzugelTigt, von denen Bntt-
niann eineErUarniiir der Einen schon iViiher herausgegeben hat. S.
30. Ausserdem scheinen alle bis jetzt nacli Europa gebrachten demo-
tlsehen Papyrusrollen mehr oder weniger mit einander in Zusam-
menhange zu stehen. Wenigstens stimmen die bis jetzt bekannt
gemacliten auftallend mit denen zu Berlin überein. S. 32. Die
übrigen 31 Papyrusrollen enthalten theils hieratische, tlieils hie-
roglyphischc Inscliriften. Beide zerfallen in zMci Classen. Die
eine (Masse nehmlich enthält eigentlich symbolische oder allego-
rische Bilder, d. h. bildlicJie Darstellungen der Götter, des Acker-
baues, des Todtengerichtes und anderer heiligen Handlungen.
Diese Bilder sind bald in blossen l^mrissen, bald mit Farben aus-
gemahlt, wo vorzüglich roth, gelb, grün und weiss vorkommen.
Das Blau scheint zu felilen, Menn es nicht vielleicht in ein dun-
kles Blaugrün, das sich bisweilen findet, iibergegangen ist. S. 6,
7, 11. Neben diesen allegorisclien Bildern stehen oft kurze Ge-
bete und Hymnen, wie z. B. neben einer Darstellung des Acker-
baues auf Papyrus 8: ,. Gott, Aegyptens grosser Ernährer immer-
dar; Gott, Aegyptens Schirm immerdar, erfülle mit Glanz alles
u. s. w. ^'^ Die zweite Classe entliält eigentliche Schrift, obgleich
über derselben oft auch Bilder von Göttern gezeichnet sind. Sie
entliält sowohl in den hieroglyphisclien als hieratischen Inschrif-
ten kürzere oder längere Hymnen, Gebete und fromme Wünsche
an die Götter oder ältesten Könige Aegyjitens. Diese Hymnen
zeichnen sicli durch einen hohen Schwinig und eine reiche , wie-
wohl nur in einem eniren Kreise sich bewegende, Phantasie aus.
Gewöhnlich sind auf einem Papyrus melirere Hymnen zusammen-
geschrieben , wo dann der Anfang des neuen durch rothe Schrift
angedeutet ist. Auffallend ist die grosse Einförmigkeit imd öf-
tere Wiederhohlung derselben Gedanken , so Avie dass verschie-
dene, hiei'atische und hieroglyphisclie, Papyrus in derselben Ord-
nung, denselben Ausdrücken, denselben Worten, denselben Zei-
chen auffa^nd übereinstimmen. Manche Hymnen sind mit un-
bedeutende Veränderungen 5 und meJirmahl vorhanden, so wie
gestellte Vermuthunj» über die Entwickclunf? der Schwierigkeiten, wel-
che in der Reirierungszeit; des Ptolemäus IMiilometor und Ptolemäufl
Physcon ob\v.iIt«;ii, bcachtcnswerth.
*) Dalic;r ist Giiichische Cursivschrift nirbt erst im lOtcn bis loten
Jahrb. n. Chr. aiifgekommen. Walirpcheinlicli enttstand sie in Acgy-
ptcn uchon seit der Zeit Alexanders des Grossen. S. 30.
^
114 Aegyptischc Litteratur.
eich hieroglyphisclie und liieralische Duplicate cler«?elben Inschrift
finden *). Die einzelnen Hymnen sind manclimahl in besondere
Felder eingeschlossen. Füllt der Hymnus diesen Raum nicht, so
werden nicht etwa neue Gedanken angefügt, sondern der Hymnus
beginnt von vorne und schliesst dann oft mitten in der Rede.
Daraus ergiebt sich, dass diese Hymnen feststehende Iieilige Ge-
sänge waren, imd Hr. Sf. vermuthet, dass es vielleicht Ucber-
bleibsel aus den heiligen Büchern des Hermes oder Thouth sind.
S. 10, 13 und Nr. 2 S. 47. Vergl. Clement. Alex. Strom. IV, 4.
Die hieratischeJi PapyTus sind zahlreicher und von grösserem Um-
fange als die hieroglyphischen. Auf einigen derselben finden
sich Hymnen, die rhythmisch geschrieben sind, und wo die ein-
zelnen Zeilen mit einem und dem nehmlichen Worte anfangen,
noch öfterer aber auf einen und den nehmlichen Buchstaben en-
digen. Es findet sich in diesen Zeilen nicht bloss eine Aehnlich-
keit mit dem Parallelismus der Hebräer , sondern eine noch weit
grössere mit unsern Reimversen, obgleich die meisten dieser vor-
handenen Reime bloss für kunstlose Homöoteleuta gelten können.
Auffallend ist es, dass auch ein Wechsel dieser Reime statt findet.
Hr. Sf. bemerkt also S. 15: ^Die Araber sollen die Reijuverse,
wie oft behauptet worden ist, erfunden haben zu der Zeit, wo
ihre Herrschaft am grössten , ihre Literatur am blühendsten wa-
ren. Diess widerlegt schon ein Coptisches Reimgedicht im Mu-
seum des Cardinal Borgia, das Zoega zum Theil bekannt gemacht
hat. Es enthält ebenfalls nicht männliche und weibliche Reime,
sondern Homöoteleuta, indem abwechselnd je 2 Zeilen mit weni-
gen Ausnahmen auf gleiche Buchstaben , selten auf wirkliche An-
klänge ausgehen. Wahrscheinlich sind daher diese Coptischen Ge-
sänge Nachklänge von der Lyi'a des alten Aegypten. Sind ^aber jene
Homöoteleuta der Aegyi>tischen Papyrus ebenfalls Hermetisch (d.
h. aus den Büchern des Hermes stammend); so ist der Ursprung
des Reimes in dem höchsten Alterthume, vielleicht in Aegypten
selbst zu suclien. ^ Was das Alter dieser hieratischen und hie-
roglyphischen Rollen anlangt, so scheinen sie den Schriftzügen,
den Verzierungen und der Tinte nach mit den demotischen in
Eine Zeit zu fallen. S. 30. Nur einige, wie Nr. 8 und 23, haben
rohere Zeichnung und verblichenere Schrift, und können viel-
leicht aus dem 4ten oder 5ten Jahrh. vor Chr. seyiu^ Auch sie
scheinen ein Eigenthura der Priesterfamilie des Or gewesen zu
seyn (S. 33), und wurden vielleicht zugleich mit den demotischen
zu Theben in unterirdische Gewölbe verborgen, als dasselbe von
Lathurus belagert und nach dreijährigem Widerstände erstürmt
und grösstentheils zerstört .ward. — Die der Schrift angehängten
♦) Diess Ist für das Kennenlernen der verschiedenartig geschriebe-
nen Buchstaben höchst wichtig.
Spolin u. ScyfTiiitli üb. Acgypt. Sprache ii. Scluitt. 175
vier liUio^rapIiisclien Tafeln enthalten Proben von tlemotlsohcn,
hieratischen und hiero^lyphisclien Inschriften, deren Entziffe-
rung zum Tlieil S. 8 — 15 ffe2:el)en wird. Dabei ist zu bemerken,
dass llr. Sf. in diesen Entzifferungen, sowold hier als in der
Sclirift IVr, 2, der Hebräischen Ihiclistaben sich bedient hat,
weil das Aegyptische Alpliabet, ausser den 3 \on Isir/'s (Enseb.
Praep. Evang. 9, 10) erfundenen Buchstaben, ganz dem Hebräi-
schen und Phönicischen entspriclit. S. Vorr, S. IX.
Wie sehr Hrn. Prof. Sf.'s Forschungen durch die Gleichför-
migkeit der Schrift und des Inhalts in fielen Berliner Papyrus-
rollen gefördert werden miissten, sieht jeder leiclit ein. Er sagt
selbst S. 13: „Judem man verschieden geschriebene Worte glei-
clier Tevle mit einander vergleicht; zeigen sich die verscliiede-
nen und doch gleichlautenden Buchstaben von selbst, von denen
die leichteren und einfacheren die Laute der ungewöhnlichen und
schwierigen mit Sicherheit bestimmen." Ja diess ging noch wei-
ter. Die \ergleichung derPapyTusrollen führte ilm unter andern
auf zwei , eine hieratische und eine demotische , die sich durch
eine auffallende Gleichförmigkeit der Zeilen, durch gleichartige
Anfänge derselben, durcli ziemlich gleiche Zahl der Zeichen und
durch in die Augen fallende Aehnlichkeit von mehrern derselben
auszeichneten*). Nähere Vergleichung lehrte, dass beide Rol-
len einen und denselben Hymnus mit gleichen Worten und in
gleicher Sprache, aber nur mit verschiedenen Schriftzeichen, ent-
hielten. — So ward der Schliissel zu den Hieroglyphen gefunden !
Von jetzt an konnten seine Untersuchungen erst recht im harmo-
nischen Einklang mit einander fortgehen, und was er bis jetzt
über die Hieroglj^jhenschrift fand, theilt er in der Schrift Nr. 2
mit, die zugleich vielen Aufschluss über die demotische und hie-
ratische Schrift giebt und das Werk Nr. l erst brauchbar macht.
Es ergiebt sich aber nun , dass alle bis jetzt über die hierogly-
phische Sclirift und Sprache aufgestellte Meinungen , welche Hr.
Sf. in der Einleit. S. 1 — 11 zusammengestellt und zurückge^vie-
sen hat, mehr oder weniger falsch sind, und keine einzige, selbst
w enn sie in einzelnen Puncten richtig ist , zur wahren Erkennt-
niss der Hieroglyphen führt. Zwar Iiaben schon ChampoUion,
Youngu. A. Buchstabenin denselben gesucht, allein die Bedeu-
tung dieser Buchstaben vermochten sie nicht zu errathen, und
^^ie falsch sie gelesen haben, wird sich weiter unten aus einem
Beispiel ergeben. Noch weniger Iiaben die Reclit, welche die
Hieroglyphen für mimetisch (d. h. für Zeichen, welche die Sache
ausdrücken, deren Bild sie enthalten) oder für symbolisch (für
willkülirlich gewählte Zeichen zur Darstellung eines Begriffs ) er-
*) Beide Inschriften sind in der Schrift Nr. 2 Tab. XXXVl Sect. DI
raitgcthcilt.
•
176 Aegyptische Littcratur.
klären. Eben so wenig ist die Sprache symbolisch oder gar durch
Paronomasie zu erklären. Die Hierogly|)]iciisprache ist nach S.
12 die hQK dicil^yitog der Aegypter (Manctho bei Georg Synceli.
p. 10 ) d. h. tue alte Sprache , m eiche weder die ge« öluiliche
Volkssprache noch auch von derselben eine gänzlich verschiedene
war. ,, Di ffert a Coptica partim elementis s. verbis, partim legi-
bus grammaticis. '•'• S. 13. „Inter dialectum sacram atque profa-
nam vetcrcm Aegypti omnia intersunt, quibus differt recentior
oratio a veteri nationis cujusque magis subinde artium et litera-
rarum humanitate eruditae. "■' S. 14. ^Yenn daher die demotische
Schrift vielleicht der Merophitische Dialect ist, so gleicht die hie-
ratische und hieroglyphische mehr dem älteren Sahidischen Dia-
lecte und scheint die Ursprache zu seyii^ wesshalb Ilr. Sf. sie die
Chaniische nennen VUl. S. 13. Weil in ihr die lleligionsbiicher
geschrieben waren und sie von den UQoyQa^^arBtg erhalten ward,
darum hiess sie der heilige Dialect. S. 15. Doch waid sie nicht
bloss in eigentlichen Religionssacheu gebraucht, Mas scl.ion die
hieroglyphische Inschrift von Rosette beweiset. S. 4. Die Hiero-
glypheuzeichen aber sind nicht sowohl yga^f^iccTcc. als yQafin,drcov
övfißoka (S. 12 nach Cosmas p. 161), und sind durch Kalligra-
phie entstanden. S. 15. „ Figurae hicroglyphicae rectius et accu-
rativis dicuntur partim literarum demoticarum, partim hieratica-
rura, partim denique rursus suorum characterum signa sive syra-
bola." S. 16. Die Grundschrift nehmlich ist die demotische, und
diese ist Avahrsclieinlich unter der ^ on Thouth oder Hermes nach
Aegypten gebrachten gemeint. S, Diodor. Sic. V, 57. Plutarch.
de'ls. et Osir. 2. Euseb. Praep. Ev. I, 9, 10. Cic. de N. D. II, 22.
Plato Phaed. etc^ Das demotische Alphabet aber stammt von dem
Phönicischen und daher stimmen die Buchstaben beider Alpha-
bete sogar noch in der Form Viberein. S. Yorr. S. 3 und Tab.
XXXYI. Aus den demotischen Buchstaben entstand durch Ver-
zierung die hieratische Schrift, und aus dieser durch neues Aus-
mahlen die hieroglyphische -*). S. Apulej. Metam. II p. 386. Cle-
ment. Alex. Strom. V, 4. Seyff. S. 1 1 und 16. Daher hat Clemens
von Alexandrien ganz recht , wenn er die Hieroglyphen elemeiita-
risch-hyriologische Schriftzciche?i nennt**). Jede Hieroglyphe
besteht aus drei Theilen, aus den urspriinglichen Linien des hie-
ratischen Buchstabens, aus den weitem , welche das Bild ausma-
*) Die Hieroglyphensdirift ist sonach die jüngste. Ob man aber
aus Herodot II, 36 sdiliessen darf, dass sie daiucahls noch nicht von der
hieratischen sich auffallend unterschied , bedarf doch >vohl noch weite-
rer Bestätigung, als die S. 16 gegebene ist.
**) Eine ausführliche Erläuterung der angeführten Stelle des Cle-
mens hat Hr. Prof. Weiske als Anhang zu Hrn. Sf.'s Schrift S. 43—46
gegeben.
Spohn u. Seyffarth üb. Acgj-pt. Sprache u. Schrift, 177
clicn und aus andern , m eiche bloss zur Verzierung dienen. Oft
sind zwar nicht alle drei Arten von Linien gebraucht , aber dann
ist durch die verschiedene Zusaniiuenstellung, Biegung und Ver-
bindung der Grund liuien Verschiedenartigkeit der Bilder erreiclit
worden. S. 19, 20. Oft ist auch der urspriiugliche Buchstabe in
mehrere Zeichen zertheilt worden, und mehrere Hieroglyphen
zusammen bilden erst einen Buchstaben. S. 33 IF. Rechnet man
dazu , dass Viberdiess diese Zeichen verschieden gestellt werden,
dassTlieile des Buchslaben und Wortes zu andern Wörtern gesetzt
oder auch ganz weggelassen sind , dass man die Bilder auf alle
Weise verschiedenartig machte; so Mird es sich leicht ergeben,
wie mehr als ({(M)0 hicroglyphische Zeichen aus 25 Buchstaben
entstehen konnten, und wie diese Zeichen sich oft unter einander
so ähulicli und gleich sind, dass ein Zeichen mauchmahl 5 bis 6
Buchstaben bezeichnet. S. 23 ff. Die weitere Auseinandersetzung
muss man im Buche selbst nachlesen. Vieles klingt allerdings
w underbar. Dazu kommt, dass Hrn.Seyflarlh's Darstellung oft sehr
dinikel ist, was theils aus der aphoristischen Schreibart, theils
aus der etwas sonderbaren Latiuität entsteht, welche sich in der
Wahl von oft luilateiuischeu W örtern oder Bedeutungen derselben
und in der Einmischung einer Menge mathematischer, physiolo-
gisclier und anderer KunstausdrVicke gefällt. Sie beweisen , dass
Hr. Seyff. auch in diesen Wissenschaften erfahren ist, erschwe-
ren aber das \ erstehen des Buches und sind, wie es uns vor-
kommt, noch dazu nicht allemahl richtig gebraucht. Allein diese
Schwierigkeiten werden wieder erleichtert durch die beigelugten
lithogiaphischen Tafeln, welche (Taf. 1 — 4 und 13 — 36) nicht
nur die einzelnen Buchstaben (Phöuicisch, demotisch, hieratisch,
liierogK^hisch) in ihren verschiedenen Schreibarten, sondern
auch gleichlautende demotische , hieratische und hieroglyphische
W örtcr uud endlich gleichlautende Fragmente ganzer Inschriften
neben eiuamler gestellt enthalten. Daraus sieht man deutlich,
wie eine Schreibart aus der andern entstand, und wie die ver-
schiedenartigsten Zeichen dochfjiuenBiichstaben bezeichnen kön-
nen. Auch sind S. H-j — Ü2 Viber diese Alphabete noch besondere
Bemcrktuigen mitgethcilt. W as den Ge!»raiich dieser Hierogly-
phen anlaugt, so sclireiben die Aegypter bald von der Rechten
zur Linken, bald umsiekehri von der Linken zur Rcchtcii. Kigent-
liche Biistrophedouscliritl findet sich nicht, ol)wohl maucluuahl
die Zeilen, welche Anfangs von derRecliten zur ]ji:)ken gingen,
plötzlich von der Linken zur Rechten zu laufen anfangen. Die
Zeilen sind oft sehr kurz, dass jede nur aus Einem A^'ort besteht.
Daher stehen die W orte über oder unter einander. Auch dicss
wird durch die lilliograpii. 'I'afcln, uamcntlich durch die Taf.
5 — 12 niitgf.'theilten Aollstäiidigern Inschriften, deiilüch gemacht.
Ausser diesen elenientariscli- t.yriologlsclien Hieroglyphen giebt
es auch symbolische (Clemens a. a. O.) und allegorische, welche
Juhrb. (1. Phil. u. Pädag. Jahrg. I. IJeft 1. 12
178 Acgyp tische L ittcra tur.
durch das reine Bild einen Begriff bezeichnen, aber nicht Buch-
staben sondern eigentliche Gemählde sind, welche schwerlich
zum Schieibea von Biichern angewendet wiirden. S.38ff. Zu die-
sen symbolischen (mimetischen) Hieroglyphen gehören die Bilder
von Göttern mit ihren Insigaien und die bildlichen Darstellungen
heiliger Handlungen, der Todtengerichte , des Ackerbaues u. s. w.
Beschreibungen solcher Darstellungen giebt Hr. Seyff. in Nr. 3
S. 7 ff., bemerkt aber S. 8: „Erklärungen von einzelnen Bildern
und Bildergruppen der Götter oder heüigeji Thiere , die auf den
raehrsten Papyrus angetroffen werden, wage ich nicht hinzuzu-
fügen. Die Erfahrung hat gelehrt , wie unsicher und schwankend
dergleichen Deutungen sind ohne genaue Berücksichtigung des
beigefügten Textes. Die höhere Hieroglyphik wird sich nach mei-
ner Ansicht von selbst geben, sobald wir mit der niedern voll-
kommen zu Stande sind. '•'• Zu den Allcgoi'ischen Zeichen kann
mau das Bild des Phallus rechnen, weiches eigentlich der Bucli-
stabe » ist, aber bisweilen für den Begriff o», ge?ierator^ steht;
obwohl diess auch ein blosses Compendium scribendi seyn könnte.
Aehnliche allegorische Zeichen kommen auch bei andemi Völ-
kern vor, wie z. B. auf Griech. Münzen der »Blitz, als eine Hiu-
deutung auf Jupiter.
Den Beschluss des Werks machen 18 Specimina von Erklä-
rungen der Taf. 5 — 12 raitgetheilten Inschriften (S. 4T — 112) und
ein Glossarium Aegyptiacum S. ^3 — 84. Auch ein Index rerum
praecipuarum et scriptorum memoratorum ist S. 93 — 96 beige-
fügt. Der Beleg für die Richtigkeit dieser Forschungen wird Spec.
XVII u. XVIII durch die Entzifferung von zwei Zeilen der hiero-
glyphischen Inschrift voti Rosette gegeben. Wir theilen die erste
(Zeile XII der Inschrift) mit , die Hr. Seyff. so übersetzt :
12 3 4 5^
Ptolemaei. tov Phtha. semper viventis. dilecti. dei. consti-
6 7 8 9 10 n 12 13 14
tuti. anni. dvTog. I. ovTfc. I. diebus. quinque. cum. reliquis.
15 IG 17 ^ 18 19 20 ai^
diis. agere. sacrificia. libationes. adderc. constituta. omiiia.
22 23 24 25 26
simul.: sacerdotes. sacerdotnm. sacerdotura. in templorum
2T 28 29 30 31 32
templis. ovöt. Aegyptiacis. sint. ad rehquos. deo. constituto.
33 34 35 30 37 38
evsQysrr]. ut. sacerdotes. ad reliqua. ducaut
Spohn hat die nehmliche Stelle aus der demotischen Insclirift
(ZeUe 29, 25 — 30, 23 S. 15 f.) so übersetzt:
1 2 4 5
Ptolemaeo. probato. reo (p^a, deo. statuto. splendido splen-
6 7 ' b 9. 10 11 12
dido. benefico. anni. a. Imo. Irai. dies. V. ovTEg coronati.
16 17 18 19 22 20 23
ducentes. precationes. libationes. et. omnia. statuta.: sacerdo-
26 28 35
tes. templorum, Aegypti. statuti. (ut). (ut). dicantur. sacerdo-
Spohn u. Sej-ffai-th üb. Aegypt. Sprache u. Sclirlft. 179
31 32 33 36
(es. dei. stahiti. valde spicndidi. beiieflci. ad caetera, nomiiia.
3T 3ö
Sacra, (ut). eant. *)
Die Griechische Inschrift (Zeile 49, 9 — 51, 16) lautet:
13 3 2 2 2 1
Tca aicjvoßico nal ijyamj^ivco vTto tov g?0^a ßaöiXsl jzzcoXe-
' 4 ' 5 ' 7 li
y,alco, &Bä eTtLwccvEb , tv^cioLöta xar' [avtov] hfl [xatäriiv
' ' 7 8 9 10
TS ava xat xiiv xata] ^coQav uno rijs voviisvELCcg tov ^covd'
11 12 _ lü
Icp {jfisgag tcevts , Iv aig xal 6rEcpavTj(poQi]öov6LV övvtsIovv-
17 18 19 21 20
Tsg ^vöiag xcd öTtovddg aal zuXXcc v.a^r'y/.ovta' %Qo6ayoQ&\v
HV Ö£ xolg LBQOig TOV T£ aloivoßlov] xal rov Qbov tTiiqxx-
23 ^ 31
vovg evxaQiötov tsQSig TCQog rolg aXXoig ovo^aGi räv &EaVy
cov lEQarevovöL, aal aaraxaQ^öca elg nävtag tovg xqtj^k-
ZLÖflOVS.
Den Beleg, wie sehr Hr. SeyfF. von seinen Vorgängern ab-
weicht, gehen Spec. YIII — XVI. In dem ersten nehmlich wird
eine kleine Inschrift**) bei Kircher Obelisc. Pamphil. p. 507 ent-
ziffert. Sie besteht aus folgenden unter einander stehenden Zei-
elien: einem Ai-m, einer Linse, einer Schlange, die mit der
Mitte des Körpers auf einer Kugel ruht, einer Sphynx und einer
mehrmahls gebrochenen Linie. Kircher symbolisirte daraus : „Be-
neficentia supcrna (| et coelesti |] omnia anibientis et vivificantis
numinis ^i |j Mophtha INiloticus |t aequali proportione incrementum
humidi dispensat.'* Seyffarth lies't: nS n» •'J und erklärt: „ve-
nias dilecte juvenis.''- Spec. IK — XVI geben den gleicldauten-
den Anfang von K Hymnen bei Champollion Pre'cis du Systeme
Hierogl. p. 138 Tab. VIII, die dieser so erklärt: „Soutien || de
l'Egypte II dien fils d'un dien || soutien jj de l'Egypte || Ilorus ma-
nifeste ou engendre [j par ou de Osiris || engendre j| de Isis deesse.
Seyffarth übersetzt: Age || venias || Isis: || age || venias || deus
(oder nach der andern Lesart: generator) [j in Aegj^tum || gene-
rator || Aegyptiorum (oder Aegypti).
In Spec. I — VI hat Ilr. Seyft". 0 grössere Ilj'mnen entziffert
(Spec. VII enthält die ICntzifferinig eines Scarabäus), und auch
in der Schrift ?Sr. 3 S. 9 n. 12 hat er den Anfang mehrerer Hym-
nen übersetzt. Ihre Einförmigkeit, AbgemessenJieit der Formen,
♦) lliciaiis ori^iebt sich ztif^leirh , wie die demotiscÄe und hiero-
glypliische Inschrift von einander abMcicIien. Die in der Si>uhn'!;chen
Kntziffcrnng mit () eingeschlossenen Deutungen seheinen falsch oder
doch nicht sicher zu seyn.
♦♦) Wahrscheinlich eine Votivtafel, wie Ilr. Prof. Seyffarth in den
Sammlungen zu München deren mehrere fand.
12*
ISO Ägyptische Littcratur.
Häufung der Beiwörter u. s. w, erinnert unwillkjihrlich an die alten
Hymnen der Griechen, Römer und Hebräer, obgleich eine auf-
fallende Aehnlichkeit sicli nicht entdecken lässt. Zur Probe thei-
len wir Einiges mit. S. 47 — 52 steht die üeberseiznng eines zu
Tlieben gefundenen PapjTus , den Cadet 1805 herausgab und der
auch in der Descript. de l'Egjpte Liv. CXXXVI S. Vi Col. 120
stellt :
Age veni, o Osiris, in Aegj-ptum. dUecte juvenis o Osiris in
Aegyptum. 6v *) magnificans Aegyptum. o Osiris, ad festa ca-
pieuda Aegj^ti. Osiris dilecte juvenis, veni Osiris inAeg\-ptum.
dilecie juvenis, deus sublimis, invise quotidie. invlse Aegy-
ptum , deus sublimis. — Invise **) Schui ***) Aegyptum simi-
liter veniens, pulcher, gcrmini similis, venicns aedificatio splen-
dens, pracbens splendorem agricolis. O dilecte juvenis , simi-
lis veniens messi virenti, dilecie juvenis 6v, laudate perpetuo,
deus sublimis, invise Schiü Aegvptum. — \eni seminator.
Veni bone. \enipraebens splendorem agricolis. Juvenis, mes-
sis virens, pascuum, dilecte juvenis, perpetuo advenias, ha-
bens genei-ationem dilectum Iloruni !
Ein zweiter Hymnus ist aus Pap. Berol. 16 und Iieisst S. 52 — 54:
Age veni Osiris Aegyptum. dilecte juvenis, Osiris, Aegj"[)tum.
Salus oV, dilecte juvenis. \'eni Osiris Aegyptum, dilecte juve-
nis, deus sublimis. — Invise Satis y) similiter veniendo. Te-
gumen nostrum, «u/laAog juveuca, laudata, sublimis, valde
dilecta, fac, age, Satis, in Aegyptum veni. Aegyptum veni.
. 0 Isis , veni.
Aus demselben Papyrus Berolin. stammen auch folgende zwei
Hymnen :
Age veni Osiris Aegyptum. dilecte juvenis, Osiris, Aegyptum*
liberator OV , dilecte juvenis. veni Osiris Aegyptum, dilecte ju-
venis, 6v deus sublimis. Invise Onnuphi -|-j) similiter veniens,
piüchra quidem statura surculus, o Onuuphis, 6v deus subli-
mis. invise Onnuphi. age , veni. invise Onnuphi. accede. veni,
deus sublimis, duceus bona. Similiter veniens piüchra quidem
*) Es muss heiäscn av. Warum schrieb Hr. SejfiF. in diesem und
ähnlichen Fällen allemalil das Neutrum 6v?
**) Hier beginnt ein neuer Hjmnus ; vielleicht nur ein neuer Vers
des längeren Liedes.
***) Diess "Wort hält Hr. Sej-ff. für ein Beiwort des Osiris.
-J-) Diessttst ein Beinahme der Isis.
•j-j) Onuuphis soll wieder ein Beiwort des Osiris scyn , nicht aber
den Gott Onuphis bezeichnen. Ref. möchte diesen und den Schni für
vom Otiirlä verschiedene Gottheiten halten, mag aber nicht bestimmt
entscheiden. Die Sache wird sich aufklären, sobald noch mehr Hym-
nen, als jetzt, entzifTert sind.
Spulin u. Sevffaclh üb. Aegjpt. Sprache u. Schrift. 181
statuta surciilus , Oimuphi Ouciisis, veniAcjrypimn, similitudo
Aeirypti mitiss.
As^e veiii Os^iris Aegyptiim , dilecte juvenis. Osiris Aegyptum,
sospilator dv, dilecte juvcuis. Yeiii 0$irLs Ae^yptuiii , dilecte
juvenis, 6v deus subliiuis. luvise Mao beneplacitum Sesotis,
similiter veniens , Mao beneplacitum Sesotis. veni Aeiiypti tu-
tela, o Isis, veniendo veni praebens liabitationem , diiecta ju-
venis, dilecta, diligens llorum, ülium Solis Horum, qui re-
laxationem posuit, dilectum 1 forum muUa nobilitate. Veni
venerabilis; accede similitudo iilii; veni ducens Ilorum dile-
ctum, deliciae Sesotis.
Melir oder minder älinlich sind auch die Vibriirt'u liierogly-
phischen Hymnen, so wie die Anlange der hieratischen, welche
in Nr. 3 S. 12 mitgetheilt sind. Mehr abweichend scheint der von
Spolin in Ni*. 1 Spec. W mitgelheilte zu seyn, der aber nicht
vollständig entziffert und übersetzt ist. Für die Geschichte und
Älythologie Aegyptens lässt sich aus dem Gegebenen iVeilich noch
nicht so gar viel ersehen ; allein da man nun docli die Sprache le-
sen und verstehen kann, so werden solche Resultate von selbst
nachkommen. Vom Hrn. Prof. Seylfartli selbst diirfen wir noch
ehie bedeutende Bereicherung der Aegyptischen Literatur erwar-
ten, da er nicht nur xlbschrilten von den Berliner Papyrusrollen
besitzt, sondern auch Anfang Aprils zur Erlangung und Benutzung
noch mehrerer Urkunden eine gelehrte Reise nach Turin , Rom,
Paris u. s. w. angetreten hat *) , w ozu die liberale Sächsische Re-
gierung ilmi nicht nur Urlaub auf unbestimmte Zeit und das Be-
♦) Die ersten Resultate dieser Reise hat er in der Leipz. Lit. Zeit.
1826 Nr. 140 über die Aegyptischen Sammlungen zu München raitge-
thcilt, woniuä Ref. nur folgende z\yci Stellen mittheilt: — „Die Mu-
mien bind , wie gewöhnlich , in schön verzierte Kisten gelegt luid die
geMÖhnliclien Legenden finden sich auch hier. Einige sind besonders
wichtig. So finden sich am Fussstücke der einen zwei Gefangene in
Banden, die jeder sogleich für Juden erkennt. Prof. Wagen hielt , so
viel ich weiss , dieselben für unächt ; allein sie sind es nnstreilig nicht,
eben wegen der beigefügten Inschriften, die damahls noch niemand
le.-:en konnte, und wegen der Aechtheit des darunter befindlichen Zeu-
ges. Auf den Brustbinden von zweien stehen ihre Kamen demotisch
geschrieb«'n, INanien von bekannten Priestern au« den Zeiten der Pto-
lomäer. Vielleicht sind diess die ersten Mujnien, von denen nun mit
Cewissheit gesagt m erden kann, wenn sie entstanden sind, imd diess
ist für die Archäologie in dieser Rücksicht vom hohen Werthc."
„Man glaubt , der Alcxandrinische lii.-choü' N. N. im 2icn Säculo nach
Christus habe die Interpunction erfunden. Hier [ auf Papyrusrollen in
München] findet sich schon auf wenigstens 3000 Jalire alten Monumen-
ten eine ziemlich voUkoimuene Interpunction."
182 D i ä p u t a t i 0 n e n u. Programme.
ziehen seines vollen Gelialtes, sondern auch ein Reisegeld Ton
400 Thlr. bewilligte. Nach seiner Rückkelir dürfen wir hoffen,
dass er zunächst das angefangene Spohn'sche Werk vollenden
werde.
Zuletzt ist noch zu erwähnen, dass alle drei oben genannte
Werke durch Druck und Papier sich vortheilhaft auszeichnen,
wiewolil die letztern beiden das erstere an prachtvoller Ausstat-
tung noch übertreffen. In diesen beiden heirscht auch grössere
Correctheit als dort, obgleich auch sie mehr Druckfehler haben,
als man in solchen Werken erwarten sollte. Aus der übrigen Aus-
stattung lässt sich aber schliessen, dass diess wohl nicht der Ver-
leger Schuld ist. Die Preise dieser Schriften wird man billig ge-
nug finden, wenn man bedenkt, dass bei dem bedeutenden Auf-
wände doch nur auf wenig Absatz zu rechnen ist.
Jahn.
Disputationen und Programme.
Disputatio andquario - historlca inaiiguralis de cens orum ap u d
Romanos auctoritate et existimatione ex vetemm
rerurapublicarum conditione expUcanda , quam — esamini submittit
Jacobus Adolphus Carolus Rovers. Trajecti ad Rlienum ap. Altheer.
»IDCCCXXIV. XVI II. 130 S. gr. 8. 18 Gr. netto.
In dieser kleinen Schrift, dem Erstlinge eines jungen, wie es
scheint, nicht talentlosen Mannes, ist, wie sich das an so man-
chen grössern und kleinern Werken der neuern ( mit unter auch
wohl der altern) FloUändischen Pliilologen findet, weit mehr
Sorgfalt auf den Stil , als auf die Sache gewendet worden. Na-
mentlich scheint dem Verf. die Literatur des behandelten Gegen-
stands, besonders das, was die Deutschen geliefert haben, völ-
lig fremd geblieben zu seyn , und nicht nur sind ihm die eigens
über die Censoren geschriebenen Abhandlungen , z. B. Joh. Mich.
Dillher de Censoribus ( .Jenae , 1638. ) , Christ. Donatiis de Cen-
soribus llomanorum (Vitebergae, loio.), Christ. LocJcervitzius
Disp. de Censorum .officio (Gryphisw. , 1681.), Curlius Frogr. l
et II de Censura Komana (Marburg), Nie. Hier. Gundling Von
den Römischen Schatz- und Zuchtmeistern oder Censoribus, in
den Gundlingianis Stück 16Abhaudl. 1, u. a. m. (Jrt/-/ie's Vers ach
einer Darstellung des Censorischen Strafrechts der Römer , wel-
che Schrift mit Hrn. R.'s Abliandluug ungefähr gleichzeitig er-
schien, nicht einmal zu gedenken) unbekannt; sondern er hat
auch von grössern, die Römische Geschichte und AUerthums-
Uovcrti: De ccnsoriiui ii|i. U o lu. uuituril. 183
kiiiule behandelnden Werken, welche die Verhäilniss«; der Cen-
sorcn in den Kreis ihrer L'iitersuchinijcen aul'^enoiunieu haben,
(z. B. llüllinanns Staatsrecht des Alterthinns S, 22(>, iSieöuhrs
Römische Geschiclite Th. I , S. 3S6 und II , S. IUI ft'. ) entwe-
der keine INotiz genommen , oder keine gehabt. Selbst seine
Landsleute, unter ihnvn Jacob Perizonhis (de Censoribus populi
Romani. Lugduni IJatav. HJOl.) sind ungenannt geblieben, und
nur drei Schriftsteller, Sigoiiius^ Pitisciis inid Beaufort^ ganz
vorzüglich der Letztere, haben At^w Stoff zu diesem Werke gelie-
fert; denn die Lebrigen, die, obwohl sparsam, citirt sind, Ver-
den grosstentheils bloss bei iN ebendingen angeiuhrt, z. B. He-
gewisch V. ü. d. R. Finanzen, Bach llistoria Juris u. s. m'. Im
wie weit die Quellen selbst benutzt worden sind, wird sich bei
der Retraclitung des Einzelnen ergeben. — Herr II. macht drei
Hauptabschnitte, und spricht im Ersten von dem Amte der Cen-
soren, im Zweiten von dem amtlichen und persönlichen Ansehen
derselben, im Dritten von den Ursachen dieses hohen Ansehens.
Im ersten Abschnitte (Kapitel) — offenbar, der Sache nach, dem
Haupttheile des Ganzen — Iiandelt er, nach Vorausschickung des
bekanntesten Geschichtlichen, lon der doppelten Function der
Censoren, als Polizey- und Finanzbeamte und als Sittenrichter.
(S.o.) Richtiger wäre wohl die Eintheilung, wenn er sie alsVer-
waltimgsbehörde im engern Sinne xmd als Polizeyhearate betrach-
tet hätte, nur, dass von ilirer Wirksamkeit in der letztern Hin-
gicht die Sicherlieitspolizey als ausgeschlossen , die Sittenpolizey
aber als Hauptzweig bemerklich zu machen gewesen wäre. Die
einzelnen Geschäfte derselben sind, mit einiger Ergänzung aus
Pitiscus , nach Beaufort aufgezählt , Manclies bleibt hier zu >™n-
gchen übrig, z.B. eine Untersuchung über ihr Yerhältniss zu den
Aedilen, deren Geschäftskreis mehrere Gegenstände umliisste,
die, laut der Zeugnisse der Alten, zuweilen aucli von den Cen-
soren besorgt wurden. Dir Hauptgeschäft, der Census, ist sehr
kurz weggekommen. Von einer hier doch gewiss nicht überflüssi-
gen Erörterung , wie wesentlich der ursprüngliche Character die-
ses Instituts , und mit ihm zugleich die politische Bedeutung des
Censoramts sich in der spätem Zeit geändert habe , findet siel«
keine Spur. — S.l heisst es von den Legibus censoriis kurz weg:
hierunter wären die Edicte der Censoren zu verstehen, von wel-
chen ein Fragment in L. 203 D. de verb. signif. (50, 1(>) enthal-
ten sey. Dies« ist ungenau und zum Tlieil unrichtig. Es ist
allerdings, wenn aucli nicht >öllig widerlegt, doch nicht wahr-
bcheinlich, class die Censoren selbst Gesetze in den ('omitien in
Vorschlag bringen konnten, und die Hauptstelie, welche für die
bejahende Meinung angeführt werden könnte, aiis Plin. H. N.
XXXV, 17 (57) beweist so gut als gar niclits. (s. Heineccii synt.
iint. Rom. L. l Tit. II § J und daselbst Haubolds Note.) Indessen
heisbt darum Lex ccnsoria noch nicht überall soviel , als : „Edict
184 Disputationen u. Programme.
der Ceiisoren;" sondern sehr häufig — z. B. Cic. De provmc.
cons. cap. 5, so auch in der erwälinten L. 203 D. de verb. signif.,
desgleichen in L. 15 J). de publ. et vect. (3{>, 4), wenn anders hier
die Lesart: Censor ^ der gewöhnlichen : Caesar^ vorzuzielien ist,
(Forner. Sei. I, 25.) — so viel, als: der Pachtcontract , mittelst
dessen die Censoren den Finanzpächtern die öffentlichen Zölle,
Forslnutzungen u. s. w. überliessen, so auch (Cic. Verr. II, 55)
der Vertrag, welchen sie mit den Uebernehmern der öffentlichen
Bauten schlössen. Doch ist auch da, wo lex censoria in Beziehung
auf diese Gegenstände vorkojnmt, oft das Edict zu verstehen,
weil in diesem die Bedingungen der Staatspachte oft bekannt ge-
macht wurden. — Vom Sittenrichteramle. Die Verscliiedenheit
der censorischen Note , ihre Ursache und Wirkung wird betrach-
tet. Der Verf. zählt die gewölinlich angegebenen Vier Arten cen-
sorischer Strafen auf, — Ausstossen aus dem Senate, Ausstos-
sung aus dem Kittei'stande , Herabsetzung aus einer angesehenem
Tribus in eine niedrige, Versetzung unter die Aerarier, — und
beruhigt sich bei den schon oben angegebenen Autoritäten und
den von ihnen citirten Stellen alter Autoren. Was nun die Aus-
stossuug aus dem Senate und Ritterstande betrifft : so unterliegen
diese beiden Strafmittel, abgesehen von dem noch nirgends ge-
nügend erläuterten Unterschiede zwischen equus pubiicus und
privatus (Liv. XXVIl, 11. s. jedoch Jarke's oben angeführte Schrift
S.67ff.), hinsichtlich der PJrklärung keiner weitern Schwierigkeit.
Nicht so leicht kommt man jedoch von der Sache hinsichtlich der
Versetzung aus einer Tribus in die andere, imd der llerabsez-
zung unter die Aerarier. Was die Vertauschung der Tribus als
Strafe anlangt, so hält sie Hr. R. auf Treu und Glauben für aiis-
gemaclit. Diess ist sie jedoch keineswegs. Denn nimmt man an,
dass ein Bürger von den Censoren aus einer tribus rustica in eine
urbana zur Strafe versetzt worden , so steht entgegen , dass vor
der Censur des Q. Fabius Maximus , der die Freigelassenen erst
in die vier städtischen Tribus zusammenwarf (im I. R. 451), die
städtischen Tribus eben so ehrenvoll waren, als die ländlichen,
und dass dennoch auch schon vor diesem Zeitpuncte das tribu
moveri als Ehrenstrafe galt. Billigt man dagegen die Hypothese
Niebuhrs (Römische Gesch. Th. I, S. 381), nach welcher eine
Herabsetzung aus einer vornehmern Tribus in eine geringere gar
nicht statt fand, vielmehr die Entfernung aus der Tribus stets
mit der Versetzung unter die Aerarier (oder, was wohl gleiclibe-
deutend ist, in tabulas Caeritum), mit dieser aber der gänzliche
Verlust des Stimmrechts (Gell. N. A. XVI, 13, Jarke S. 85) ver-
bunden war, so lässt sich diess schwer mit manchen Stellen in
den Alten vereinigen , nach denen die Versetzung luiter die Aera-
rier von dem „tribu moveri"' wesentlich verschieden, der gänzli-
che Verlust des suffragii aber selir zweifelhaft scheint. So sagt
Claudius bei Liv. XXXXV, 15 ausdrücklich: tribu movere nihil
Uovcrs: Do ccnsoruni ap. Iloui. niictorit. 185
esse aliud ^ quam inuiare iuhere trihiim^ und setzt hinzu: Aus
allen 35 Tribu.s könne der ('ensor Miemandcn ansstosseu, Nie-
manden iitjussu popali des Hechts der Stimmengebung berauben.
In demselben Kapitel heisst es : onmcs iidem ab utroque c t tribu
remoti et aerarü facti. AucJi Cicero sa2:t : (Cluent. 43) ^///er
(censor) in aera/ios referri^ aut tribit movcri iubet., alter vetat
Vielleicht \d^i sich der anscheinende Widerspruch, wenn man
sich die Sache so vor^itcUt, dass zwar in der spätem Zeit (nach
dem Jahr 451) Versetzung aus einer tribus rustica in eine urbana
vorgekommen seyn köinie, dass aber schon derjenige als tribu
motus angesehen Morden, der nicht in den ersten fünf Klassen
mitstimmen durfte, sondern in die Letzte, nur eine einzige Cen-
turie bildende und die Ilrfe aller 35 Trihus ohne Unterschied
enthaltende Classe verwiesen wurde. Denn hier liattc er zwar
wohl noch das Recht zu Stimmen, es liaif ihm aber nichts, weil
sich last kein Beispiel findet, dass die sechste Klasse zum Ab-
stimmen gerufen worden wäre, weslialb viele Schriftsteller auch
nur fünf Klassen erwähnen. Dass übrigens hei der Eintheilung in
Tribus die anderweitc Eintheilung in Centurien, mithin auch die
Klasseneintheilung iimig verbunden war, beweist Btirchardi (Be-
merkungen über den Census der Römer. Kiel, 1824. S. 54 ff.
Vergl. auch: Savigny in Hugo's civil. Mag. B. 3 n. 10). Auch
Asconius deutet, indem er von der Ausstossung aus der Tribus
spricht (in Dh in.), ausdrücklich darauf hin , dass ein solcher Aus-
gestossener iiicJit melir in alba centuriae sitae gestanden hätte.
Der tribu niotiis konnte aucli in Caerituni tabulas relatus heissen,
obwohl uneigentlich. Die Cäriten hatten nämlich gar kein Recht
zu stimmen; der tribu motus hatte ein solches, nur dass er fast
nie Gebrauch davon machen konnte; beide waren also nur inso-
fern einander gleich, als beide in den Volksversammlungen Nul-
len waren. Indessen waren die tribu moti nocli nicht eben noth-
wendig Aerarier. Diess wurden sie erst, Avenn sie statt des Cen-
sus Kopfsteuer geben mussten, was freilich wohl sehr häufig der
Fall gewesen seyn mag, denn sonst hätten sie aus ihrer Herab-
setzung noch einen öconomischenVortlieil gezogen. Das war aber
gar nicht die 31einung derCensoren, vielmehr betrug die Kopf-
steuer des Aerariers in | der Regel mehr, als sein Census, z. B.
beim Mamercus (L. IV cap. 24) das Aclitfache. — Richtig be-
merkt der Verf. S. 24, dass die Censorische Note nur m irksam
war, wenn beide Censoren in ihrem Urtheilc übereinstimmten.
Man sieht jedoch nicht ganz deutlich, ob er einen ausdrücklichen
Widerspruch des einen Ccnsors gegen den Aussprucl» des andern
für nothwendig acjitet, oder ob er die einseitige Note für ipso
jure null und unwirksam liält; doch scheint er si(;h zu der Letz-
tern, oHeiibar ri.;litigi'ni, Ansicht hinzuneigen, ausweicherauch
einzig die Stolle Li\. WIX, .'iV erklärbar A\ird, wo die Censoren
gegenseitig von einander , und \ on dein Einen noch dazu ganze
186 Disputati oucn u. Programme.
34 Tribus mit der Note belejjt wurden , oliiie dass die Sache wei-
ter den j^eringsten Erfolg hatte, niclit einmal den eines ausdriick-
lichen Widerspruclis des andern Censors, noch 'weniger einer
Aufhebung der JNotc etwa durch einen Ueschluss des Senats oder
Volks.
Kürzer können wir bei Beurtheilung des zweiten und dritten
Kapitels seyn. Hier betrachtet der Verf. das Ansehen , in wel-
chem die Censoren Amts halber gestanden, die Achtung, welche
sie deshalb persönlich genossen, und die Ursachen, welche die-
sem Staatsamte solche Verehrung verschafften. Ihr Amt war sehr
einflussreich , liauptsächlich wegen des Census und der Censori-
schen Note , und die ihnen hierinnen verliehene Gewalt machte,
dass sie mit ehrerbietiger Scheu betrachtet wurden. Sie waren
die Wächter der Sitten , und auf der Achtung der Sitte beruhete
alle Stärke der alten Staaten, sowohl bei den Griechen, (daher
z.B. das hohe Ansehen, in welchem der Areopag stand) als auch,
und zwar ganz besonders, bei den Römern, was mit zahlreichen
Beispielen belegt wird, unter denen sich vorziigüch eine Sclülde-
rung des M. Porcius Cato als Censor auszeichnet. Diess ist frei-
lich Alles wahr und grösstentheils so wahr, dass der Verf. viel-
leicht besser gethan hätte , einige Bogen seiner Schrift diesem
zweiten mid dritten Abschnitte zu entziehen und sie dem Ersten
für eine gründlichere Untersuchung der Amtsverrichtungen der
Censoren und ilirer Stellung zu den übrigen Staatsbeamten zuzu-
wenden. Indessen ist es doch nichts desto weniger mangelhaft,
weil das religiöse Element , das in dem Institute der Censur liegt,
gänzlich übergangen ist, ob es gleich ohne Zweifel eine von den
Hauptursachen ausmacht , welche dem Amte der Censoren jene
Verehrung verschafften und sicherten, deren dasselbe bis zum
Untergänge der Republik genoss. (Vergl. Hüllmann, Staatsrecht
des Alterthums S. 2ii7 und Jarke S. 10. ) — Das Aeussere des
Buchs ist schön, der Druck aber weit weniger correct, als man
sonst bei Iiolländischen Drucken gewohnt ist.
D. Karl Friedrich Günther.
Antiquitatis Graecae et Romanae loca quaedam
e Rosso7uinlingua et usihus illustrala^ atictorc
Frederico Grucfio. Particula I. Petropoli , typis academicis. 1825.
48 S. 4.
IJ er Herr Verf. sagt in diesem gutgeschriebenen akademischen
Programm, dass die Aehnlichkeit zwischen den Griechen und
Russen betrachtet werden kann nach dem Lande , welches beide
Völker nacheinander bewohnten, nach Sitten und Gebräuchen
Gracfc : Antiquit. Gr. et Roui. e llossor. Hng. et ubu ilUuli-. 187
und nach der Spraclie. Vorliegendes erstes Heft beschäftigt sich
nur mit Homerischen Altertliiiraern , und zwar zuerst S. 7 — 15
mit den Sortibiis signo notatis^ mit vorzViglicher Beziehung auf
II. 5', 168 ff. vergl. 17(» ff. und ?;', 175 ff. KliJQog ist in diesen
Stellen ein kleines Sieinchen mit einem uillkührlichen Zeiclien,
das nur dem erkennbar ist, der es darauf gemacht hat. Herr
Gräfe macht dann auf die Veränderung im Sprachgebrauch bei
den Lateinischen Diclitern aufmerksam ( ducere sortes für ino-
vetido eiicere)^ und erwähnt dann eine ähnliche Sitte bei den
Russen, die, wenn sie augenblicklicli durclis Loos iiber etwas ent-
scheiden wollen, eine kupferne Münze schnell mit einem will-
külu-lichcn Merkmal bezeichnen, und jeder die seinige in eine
Mütze wirft. Diese wird hin und her geschüttelt, und die Münze
des einen sprhigt heraus , wozu sich bald der Eigenthümer fin-
det. — S. 15 — 48 handelt von dem titnos Jtijyus i" H- t? 123
tf. 265ff. ; das, wie überhaupt das Wort ntjyog^ zweideutig
ist. Die alten Erklärer haben es bei den Pferden entweder durch
wohlgenährt oder schwär:^ oder loeiss übersetzt. Der \erf. ver-
wirft zuerst mit guten Gründen die erste Erklärung, und sucht
nun die seinige in der Russischen Spraclie, wo ein ganz gleichlau-
tendes Wort {pegü) dem Deutschen Worte Schecke entspricht,
handelt von der grossen Vorliebe, die einige neuere Asiatische
Völker für so gezeichnete Pferde haben , und geht dann mehrere
Beinamen der Pferde bei Homer durch; vor allen uTtnog no-
öagyog. "Agyog wird nun zuerst vom Licht , dann von der
weissen Farbe gebraucht. \ om Licht stammt dann die Bedeu-
tung blitzschnell ah ^ welche bei Gegenständen vorkommt, denen
Schnelligkeit eigen ist. So die Harpyie JJoÖä Qyri; doch ist
bei den Pferden im Homer die von der weissen Farbe hergenom-
mene Bedeutung vorzuziehen *). — "In nog ßaliog von /3aAAc3,
theils ein gnt ausgreifendesVicrd (6 w nQoßalkav tovg TtöÖag)^
theils, gleichsam ßEßh]fiivog, geßecht. — ^t'oAog, wo Herr Gr. Od.
V, 27 alölka^ voh o, verlo, als nicht hierher gehörig verwirft, und
*) Leber dieses TiöbuQyoq hat kurz vorher auch Hr. Prof. Weichert
in dem Progranmi De Medca Oestro j)eicUa ad iUuslrandam imagincm
vasculi propc Cannas in Italia reperti (Griinae 1824) S. 12 ff. gesprochen,
der es von schnellen Pferden (s. II. 16, 150) verslanden wissen -will, ob
er gleich die Hvvag UQyovs, 11. 1, 50, wie die agylitoöttg xgtovg hei So-
l)hocl. Aj. 233, für weisse und folglich schwächliche nimmt, weil die Al-
ten mit der weissen — albus, nicht candidus welche» die^e ]\el)enbedeu~
tuiig nicht hat — Farbe der Thiere zugleich den liegriH" der Ivraftlo-
bigkeit verbunden Jiätten. Ev vergleicht dabei Ann Wort agysorijs, wel-
ches bei Aeschyl. sept. c. Theb. iiO weiss, aber in den Kamen. 115 schnell
bedeute, und vom Winde genommen ('yloyiaTTjs ) nicht rapidus sondern
sertnans heiseu. Auui. d. Ued.
188 Disputationen u. Programme.
zuaeXla, der Wirbelwind^ iibergeht, die Ilarpyie '^fAAoi damit
vergleicht, und ltctcol äskldÖBS oder aeAAojroöeg daraus erläutert.
Mit diesem Worte sind verwandt aolXco , uolUoy dolU^a, aoX-
kiqg (hier ist der Verf. sehr dunkel und unklar geAvordeii), und
OJtoAog, von cil6?2a oder iAt'ööoj, ist das, was sich leicht Menden
imd drehen lässt (volubile, tortiun), oder, von aloXlslv {jtoiKil-
KsLv), so viel als noixikog. Oft kann Beides verstanden werden.
So M ie aloXod'coQTj^ und ccioko^iltQfjg von dem gesagt wird , der
einen aus verschiednen Metallen zusammengesetzten Panzer und
eine bunte Bhide trägt, so können aucli atoAoÄwAot ^QvyF.g (11.
y', 185 ) die sein , die sich gefleckter Pferde bedienen. So wird
^dv&og cäolog TtoSag (II. z, 404) das Pferd sein, dessen Fiisse
entweder von verscliiedenen Farben gegen den Körper oder unter
sich sind. Zuletzt behauptet Herr Gr., dass Tl^yccöog ebenfalls
eine Scliecke gewesen sei, was schon die Etymologie von n}]'y6g
zeige, und erläutert durch die Bedeutung bicolor auch Ilom. Od.
8, 388, ij/, 235, Calllm. Ilymu. Dian. ÖO, Lycophr. 330.
Julius Sillig.
Ad memoriam Illustris Gymnasii Gothani ante trecentos annos — —
conditi — — celehrandam invitat Fr. Cuil. Doering, Gymn.
Goth. Director. Gothae. 1824. 19 S. 4.
Jclr. Kirchenrath Döring behandelt in diesem Programme meh-
rere Stellen aus den Eclogen Yirgils. Ecl. I, 13 erklärt er in
Voss's Sinne das Wort aeger durch sollicitus , aeger curis , und
erläutert diesen Gebrauch durch passende Beyspiele. — Ecl. I,
54 — 50 will Hr. K. D. so gelesen inid interpungirt wissen: Hie
(Statt hinc) tibi quae s tip er at^ (i. e. superest., tua ?nanel., coli.
vs. 47 und IX, 21) vicino ab limite suepes^ llyblaeis — sciUcti^
Saepe tibi etc. Referent kann sich noch nicht von der Nothwen-
digkeit einer Aenderung Viberzeugeu; auch dünkt ihm ein Bey-
Satz, wie dieser: quae tibi super at ., an dieser Stelle matt und
überfliissig. Härten , wie : quae — depnsta , mit ausgelassenem
esi, kommen auch anderwärts bey Yirgil vor, wie Aen. V, 192;
promite — JSmic ani/nos., qtäbus in Gaetulis Syrtibus ttsi
(^estis); ibid.C87: Jupiler omnipotens., si nofidum esosus (es)
ad imum Troianos ., si — respicit etc.; IX, 075: Portam^ quae
ducis imperio {^ipsis est) commissa ., recludtint', 1,234 sqq. :
Certe — Hinc fore ductores^ PoUicilus {es). Auch vS.
r>7 kann lief, in die Verwandlung von hie in hinc nicht einstim-
men. — Hierauf wird Ecl. III, 38 sq. erläutert. Ebendaselbst vs.
108 — 110 stellt Hr. K. D. den ingeniösen Vorschlag auf, zu le-
sen: Ita quisquis amores Aut metuat dulces., mit espe^i-
Groebel: ObscrTatt. ipecc. Ml et VOl. 189
atjir amaros; und fiiirt die Erklärung hinzu: „Vos ambo digni
estis posito pignore; utinam ita (eadcni suavitate) qiihis alias
aut raetum et soilicitudinem in amorc fclice (cf. vs. 74), ant ania-
ritiem et curas in aiuorc infeiice (cf. -vs. 80) canendo expriinat! "■
Docli ist Ref. überzeugt, dass auch liiermit der Stelle noch nicht
aufgeliolfen sey. — Es folgs eine Erklärung von Ecl. IV, 1 — Sund
Vl^ 1(,\ — Ecl. VI, 74 ruft Hr. K. I). die von Ileinsius verdrängte
Lesart zuriick und schreibt: vt Scyllom Ais/\ aut quam foma
secuta est. — Ecl. VllI, 0 — 8 Avird die Verbindung der AVorte
erläutert. — ibid. 107 interpungirt und erklärt Hr. K. D. so : Ne-
scio quid ? — (Aposiopesis) Gerte est^ (gewiss er ist's) et Ihjlax
in liuiite latrat.
Ph i l ipp JVa gner.
Ad Examen publicum die XXI Mart. — a. 3IDCCCXXV in schola, quae
Drosdae est ad aedcm Crucis, concelebrandura — iiivitat Cftr. Ern. Aug.
Groebel y Rector. Praemissum est Obser vationum
in scriptores Ro7nanorum classicos specirnen
VII. Dresdae typis Gaerlneri. 24 S. 4.
Ad Examen publicum d. XIII 3Iart. IHDCCCXM — invitat C. JE. A.
Groebel. Praemissum est Obss. iti scriptt. liorn.
classicos spec. VIII. Ibidem. 27 S. 4.
Hr. Rector Grobe!., der in den friihcrn sechs Speciminibus Ob-
ser^att. (Dresden 1819 — 1824. 4.) Stellen aus dem Horaz behan-
delt hat, giebt in den beiden genannten Bemerkungen über zwei
Stellen aus den Reden des Cicero. Alle diese Programme zeichnen
sich durch sorgfältige Schreibart und ausführliche Behandlung
aus. In der Regel behandelt jedes einzelne nur eine Stelle, aber
man findet bei ihr wenn nicht alle, doch die vorzüglichsten An-
sichten anderer Erklärer benutzt, dargelegt imd geprüft, imd
dann die eigene Ansicht des Verfassers ausführlich entwickelt
und begründet. * Mau könnte diese Ausführlichkeit für zu weit-
läufig erklären, wenn sie nicht durch das Streben nach Erschö-
pfung der Materie sich hinlänglich entschuldigte, und wenn man
nicht an dergleichen Schulschriften, die wo nicht ausschliessend
doch zunäclist für die Fassungskraft der Schüler eingerichtet seyn
müssen, einen ganz andern Maassstab zu legen hätte, als an an-
dere Werke. Daher finden wir es löblich , dass Hr. Gr. in die-
sen Programmen Gelegcnlieit nimmt, schwierige Stellen der Al-
ten in extenso zu behandeln, und allerlei schätzbare Bemerkun-
gen gelegentlich anzuknüpfen. Das erste der beiden genannten
Programme ist überschrieben: Schola Cruciana eaque
critica de emendando Cicero7iis loco., qui in ora-
190 Disputationen u. Programme.
lio7ie pro Archia poeta legitur^ und behandelt bis S.
13 den Anfang des vierten Capitels dieser Rede , wo die Worte
Data est ehntas Silvaiii lege et, Carbonis nnd Si nihil aliud nisi
de civitate ac lege dicimus mit Andern für verdorben gelialten
worden. Zuerst wird, S. 5, bemerkt, dass man nicht einsehe,
welche civitas zu verstehen sey. Der Zusammenhang der Rede
verlange Hcracleensis^ das hinzugefügte Stlvani lege et
Carbonis aber Romana. Dann frage es sich, wera das Bürger-
recht gegeben worden sey. Wolle man mit Döring alle , welche
sich nach dem genannten Gesetz darum bewerben durften und
wirklich bewarben, verstehen, so fehle die Verbindung der Sätze,
und man erwarte vor data est eine Partikel, wie interim., paiillo
post^ postea^ und ausserdem den Dativ jieregrinis. Hierauf wer-
den die Erklärungsversuche von Weiske und Möbius, so wie, S.
6 und 7, die Yermuthung eines Recensenten in den Ergänzungs-
blättern der Hall. Lit. Zeit. Jahr^. III S. 142, welcher den Satz
Cum hie domicilium Roinae — fainiliarissimum sumn vor data
est stellte und im Folgenden tiisi de civitate Heracleae dici-
mus änderte, zurückgewiesen. Auch die X'onjecturen von Fr. C.
Wolf, Jiic data est., und von Wiss , His data est , werden , S. 8,
verworfen. Hr. Gr. selbst will nun, S. 9, die Schwierigkeiten
dadurch heben , dass er Ita data est schreibt. Abschreiber hät-
ten dieses ita entweder des Uebelklanges ita data wegen oder
durch Abirren des Auges zum nächsten Worte *) weggelassen.
Auch könne man zwischen data est noch ei einschieben, wiewolii
sich diess auch leicht hinzudenken lasse, lieber den Zusammen-
hang spricht sich Hr. Gr. so aus : „ Ac primura quidera totius ar-
gumentationis summa ac veluti fundamentum in eo haud dubie
positum fuit, ut intelligeretur, Archiara fuisse civitati Heracleensi
adscriptura. Id enim si evictum erat, illud etiam facile seqneba-
tur, eum ex lege Plautia Papiria, cujus omnibus conditionibus sa-
tisfecisset, civem Romanum jure raeritoque habendum esse. Huic
igitur exprimendae consequentiae nulla particula adhiberi potuit
aptior, quam quae proposita a nobis est: ita. Scilicet Archias
voluit in civitatem Heracleensem recipi idque impctravit Luculli
auctoritate. Ita i. e. hac via ac ratione data (ei) est ciutas (Ro-
mana) Silvani lege et Carbonis, quippe cujus omnibus conditioni-
bus satisfecerit. '•'' In den folgenden Worten , ' Si nihil aliud nisi
de civitate ac lege dicimus., versteht Hr. Gröbel mit Beck civi-
tas von der Civitas Romana., beweis't aber gegen denselben mit
') Das Letztere dürfte wahrscheinlicher sejTi, als das Erstere. Die
Abschreiber kümmerten sich wohl kaum um solche Kakophonien, und
erst die neuere Zeit hat an solchen Dingen Anstoss genommen. Den
Römern selbst waren sie, wie Hr. Gröbel richtig bemerkt , schwerlich
anätössig.
Groebel: Obscrvatt. epecc. VII et VIII. 191
büiuliffcni Gruiulc, tlass die Wörter ac lege nicht für uiiächt er-
klärt wertlen dürren. Die Erwähnung des Gesetzes sey nothwen-
diif, da es sieh ja darum streite, oh Arcliias gesetzmässig das
Höni. Bürgerrecht erlangt !iai)e. Sodann will er, S. 12, die
Worte de ci vi täte ac lege entweder diircJi ein Hendiadys [de v/vi-
tate ex lege Plaut ia accepfa) erklären oder vielmehr de elvi täte
ex kac lege diciimis geschrieben wissen. Die Formel selbst wird
so vertlieidigt, dass, so wie man dlcere de aliqita re statt defen-
dere aliqnam rem riclitig sage, eben so dt'cere de civitale ex le-
ge statt chitatem dcfcudere ex lege unanstössig seyn müsse.
Soll Referent seine 3Ieinung über die Stelle hinzufügen, so
muss er bekennen, dass durch Ilrn. Grobel's üa der Satz data
est zwar betjucm mit dem Vorhergehenden verbunden wird, dass
aber durch die Erklärung von data est e i d, h. Archiae eine neue
Schwierigkeit entsteht, indem auf diese Weise das folgende si
qui und besonders das Pronomen Ä/o höchst anstössig wird, üeber-
liaupt hält er die ganze Stelle für fehlerfrei. Arclüas war ange-
klagt, dass er Römischer Biirger geworden sey, ohne die Bedin-
gungen der Lex Plantia Papiria erfüllt zu liaben. Cicero beginnt
nun damit, dass er zunächst die Lebensschicksale des Archias bis
zu der Zeit erzählt, wo jener Bürger zu Heraclea geworden Avar.
Da aber durch dieses erlangte Bürgerrecht bereits eine Bedingung
jenes Gesetzes erfüllt war, so sucht er die ganze Anklage durch
eine Art von Schluss zu widerlegen. Dalier fährt er nach den
Worten gratia IjuciiIU ab iieracleensibus impetravit so fort:
vErtheilt ward das Bürgerrecht (zu Rom) nach dem Gesetze des
Silvanus imd Carbo in dem Falle, wenn man [si qui) schon in ei-
nem Bundesstaate Bürger geworden , wenn man zur Zeit der Be-
kanntmachung des Gesetzes in Italien wohnhaft gewesen war, imd
wenn man sich innerhalb 60 Tagen bei einem Prätor gemeldet
hatte. Da nun dieser hier schon viele Jahre zu Rom wohnhaft
war, so meldete er sich bei dem Prätor Q. Metellus. Wenn es
sich daher um nichts anderes als um das Bürgerrecht und um das
Gesetz streitet, so habe ich nichts weiter zu erinnern, und die
Sache ist abgeinacht. " Dass Cicero dabei in der Propositio mi-
nor, wie wir hier den Satz Cum hie etc. nennen wollen, die erste
Bedingung des Gesetzes nicht mit aufnimmt, wird niemand an-
stössig linden, da sie gleich im Vorhergehenden als erfüllt ange-
geben ist. YjY beschränkt liier das Gesetz gewissermaassen auf
die beiden letzten Puncte, und desshalb stellt er in der Conclusio
cicitas und lex zusammen. Dass man aber bei dieser Erklärung
im letzten Satze civitas nicht a om Jtömischen Bürgerrechte ver-
stehen dürfe, ergiebt sich von selbst. Fasst man die Stelle so
auf, so scheint vor den Worten Data est eine Uebergangs- oder
Verbindungspartikel kaum stehen zu können. Vielmehr glaubt
Ref., dass der Redner hier eine Art von Pause machte und den
üebergang zum Folgenden nur durcli den Ton und Vortrag an-
192 Disputationen u. Programme.
gab. Elier könnte man an der doppellen Bedeutung des ohne
Beiwort liingestellten civitas , das im ersten Satze fiir civitas lio-
laana^ im letzten für civitas^ qnae Archiaa a focderata chntate
data est^ genommen werden soll, anstossen, wenn sich nicht ver-
muthen Hesse , dass fiir den Römer , der die Rede mit anhörte
lind vom Zusammenhang der Sache genau unteraclitet war, die
Bedeutung des Wortes in beiden Fällen des Zusaiumenhanges
und der übrigen hinzugefügten AVorte wegen nicht zweifelliaft
bleiben konnte. Sonst liesse sich auch leicht annehmen, dass im
ersten Satze ein • R • oder ' Ro • = Romana ausgefallen sey.
Bas zweite Programm ist überschrieben Schola Cruciana
eaquG critica de emend. Cic. loco^ qui in oral, pro
Ligar. c. VII legitur^ und beti-ifit die Worte T«6erc;i/s sor«
conjecta est es Senatiis considto — Cessit auctoritaii amjjlissi-
mi vifi^ rel poii'us paniit. Zuerst wird, S. 5, beiläufig in einer
Mote die alte Lesart statuerat se excusare (seil, quod provin-
ciani accipere nollet) hergestellt, weil dieYugate statiierat excu-
sare seil, morbum einen falschen Sinn giebt , wie sclion Schelle
und Wernsdorf ( Quaestion. er it. in Cic. oratt. pro Ligar. , pro
rege Dejot. et Roscio Am. Naumburg, 1823. 4.) bemerkt haben.
In einer zw eiten Note wird bemerkt , dass im Folgenden propter
omiies necessitudines zu lesen sey, was auch durch Cic. Epist.
ad Div. XIII, 1, omnia mihi sunt cum Patrone^ bestätigt werde.
Der übrige Theil der Schrift von S. ö — 15 handelt von den Wor-
ten sed ita quidam a gebot oder aiebat., welches beides in
den Ilandscliriften steht. Zuerst wird mit Wernsdorf u. A. die
Lesart ajebat verworfen, da die Bedeutung disserere cum aliquo
de aliqua re nicht in dem Worte liegen kann. Von agebat Avird,
S. 0, bemerkt, dass es nicht heissen kömie in Senat a cum Tu-
berone agebat., weil Tubero nicht im Senat war. Auch sey es
zweifelliaft, ob agere allein (ohne den Ablativ mit cum) soviel
als colloqui cum aliquo seyn könne. Zum Wenigsten lasse sich
diess nicht aus Cornel. Nep. Dio 2, ne agendi esset Dioni pote-
stas., folgern, da man dort agere in seiner eigentliclien Bedeu-
tung nehmen könne. Daher ist nach S. 7 auch die Erklärung
cor am coUoquchatur cum Tuberone nicht anwendbar. Auch darf
man (S. 8) agere nicht in seiner eigentlichen Bedeutimg nehmen.
„Nam uti omnis actio h. L in verbis consistit, ita pluraiis numerus
verborum ipsorum., quorum pondus non sustinuit Tubero, non
agendi , sed sermocinandi seu poüus persuadendi verbum requi-
rit.'*" Ueberhaupt sey agebat im Verliältniss zum Folgenden zu
schwach und anstössig. „Quis est, quem non offendat, eum, qui
modo cum aliquo egerit, vehementissimo animi praeter opinionem
abreptura impetu statim sanctissimum reipublicae nomen oppo-
suisse ']'■'' [Referent wenigstens nimmt an dieser Verbindung kei-
nen Anstoss, ob er gleich unentschieden läs^t, ob man nicht agere
hier in der Bedeutung von thätig seyn oder betreiben aufzufassen
Isciin: Das alte Rom. 193
habe] S. 9 wird Lambiii's Conjectiir tugehat [urgebant?] abge-
wiesen, lind vorfi:cschIaffeii, aus alebat zu ändern ambiebat [wel-
clics abgekürzt niebat gescluieben worden seynsoU] d. Ii. magno
stmJio cwpetcbat^ welche Bedeutung S. 10 und 11 durcli Bei-
spiele erwiesen wird. Zuletzt wird noch, S. 12 — 15, aus dem
Genitiv anip/issini? r/V/ erwiesen, dass der Plural «^e6««^ luul
oppouebaid .. den einige llandschrr. geben, falsch scy, und dass
wenigstens die dafür vorgebrachten Griinde ITir nnzulänglich ge-
halten werden müssen. \ on S. 1(» — 27 folgen, wie in der er-
sten Schrift von S. 14 — 21, Schulnachrichten ( nebst einem Na-
niemerzeieliniss sänimtllcher Schüler), aus denen das Wesent-
liche w eiter unten raitgetheilt worden ist.
Ja h 77.
Kürzere Anzeigen.
Das alte Ro7n oder Schilderung der bürgerlichen^
'religiös eJi und militärischen Verfassung^ des
h änsli che n Lebens^ der Sitten^ Gebrüucheund
Mcimtngen der llömer. Mit einer vorausgeschickten kur-
zen Gesicliichte des röiiiiscfien Staates. Ein unterlialtendes nützli-
ches Lesebuch für Jünglinge auf Schulen von Dr. L. K. Isciin.
jMit 14 Kupfern. NürnJierg bei Bauer und Raspe. 1825. XIV und
3o8 S. gr. 8. 1 Thlr. 12 Gr.
In zwölf Abtheilungen giebt der Vf., der sein Werk, laut der
Vorrede, für Knaben und Jünglinge von 12 bis 16 Jahren, be-
stimmt }»at, zm orderst eine kurze Geschichte des Kömischen
Staats, dann eine Beschreibung der Stadt Rom, ferner eine ge-
dräuiilc Darstellung des Wis^enswürdigsten von der llömischen
Staatseinrichtung, den verschiedenen Klassen der Bürger, ihrem
Anthcile an der Staatsverwaltung , und ihren Hechten als Staats-
bürger, von der A erfassung inul dem Wirkungskreise des Senats
und der obrigkeitlichen Aemter, vom Kriegswesen, den Land-
strassen, Wasserleifinsirfn, Gewerben, Münzen, Maassen, Ge-
wichte, der Ilandhmg und Schiffarth, dem Finanzwesen und der
Rechtspflege, der Religion luid den 3teligionsgebräuchen, dem
Privatrechte, den Sitten, dem häiL«liehen Leben und der wissen-
schaftlichen (yiiUiir der Rö/ner. Es ist allerdings keine leichte
Aufgabe, gegenwärtig über diese Gegenstände, für Leser, wie
sie der Vf. sich denkt, etwgs Brauchbares zu. schreiben. Denn
so ^ieles, was Jalirhuiulerle lang in den liehrbiVchern der Römi-
schen Geschieht«; und Altcrlhüjner als ausgemachte Wahrheit ge-
Jahrü.d.l'Inl.u.Füflag Jahrg. \. llrfiA. » |3
194 Kürzere Anzeigen.
gölten hat, ist durch neuere Untersuchungen theils verdächtig
gemacht, theils geradezu als irrig nachgewiesen Morden. Des-
sen ungeachtet sind auch die Forschungen der neuesten Zeit in
vielen und wesentlichen Puncten noch bei weitem nicht abge-
sclilossen ; es ist auch natürlich, dass Zweifel erst erhoben wer-
den müssen, ehe sie erledigt werden. Kann sich indessen derje-
nige , welcher für Schüler schreibt , nicht auf weitläufige Unter-
suchungen über Gegenstände, die unter den Gelehrten selbst
noch streitig sind, einlassen , so wird doch billig von ihm gefor-
dert, dass er das, was bej-eits sicher ermittelt ist, kennt und
zweckmässig zusammenstellt, das Uebrige, insofern Zweifel da-
bei obwalten, als zweifelhaft bezeichnet, endlich und hauptsäch-
lich, dass er sich hütet schlechterdings Falsches zu lehren. Doch
solchen Anforderungen ist in der vorliegenden Schrift keineswegs
allenthalben genügt worden. Gleich die ersten Worte der ersten
Abtheilung beweisen diess. Dort hcisst es: „Italien führte zu
verschiedenen Zeiten verschiedene Namen, erst hiess es Ausonia,
dann Oenotria, Saturnia, Hespei'ia. ''■ Ueberhaupt ist diese erste
geschichtliche Abtheilung, besonders soweit sie die ältere Ge-
schichte darstellt, sehr schwach, und der Vf. hat keine der ^inf-
deckungen, die wir Niebuhrs Scharfblicke verdanken, benutzt.
Auch die Erzählung der Ereignisse aus der historischen Zeit ent-
hält manches Seltsame. Woher weiss z. B. der Hr. Vf. 5 dass
Brutus vom Cäsar adoptirt worden? (S. 45. ) Es wäre leicht
mehreres Aehiüiche nachzuweisen. Dass die Kaiserzeit kurz be-
handelt ist, wird durch den Zweck des Vfs. allerdings gerecht-
fertigt; aber sollten zwei Seiten für die Zeit vom Tode Augusts
bis zum Untergange, nicht nur des abendländischen, sondern
auch des morgenländischen Kaiserthums, nicht gar zu kurz sein,
da der frühern Periode 50 Seiten gewidmet worden waren? In
den folgenden eilf, die eigentlichen Alterthümer enthaltenden
Abtheilungen fiuden sich ebenfalls Ungenauigkeiten, Irrthümer,
selbst offenbare Widersprüche in nicht geringer Zalü. Da Re-
censent nicht gesonnen ist hier ins Einzelne zu gehen, so will er
nur einige Beispiele , wie sie ihm bei Wiederdurchsicht des Buchs
eben in die Hände fallen, als Belege für seine Behauptung an-
füliren : S. 55 kann man das Capitoliura nicht anders ersteigen,
als auf Treppen , luid dennoch reiten S. 82 sämmtliche Bitter
bei der feierlichen Transvection hinauf. S. 300 geniessen die '
öffentlichen Sclaven einer grössern Freilieit und eines erträgliche-
ren Zustands, als andere Leibeigne , nach S. 129» werden sie zu
den niedrigsten Diensten gebraucht, z. B. die Cloaken auszuräu-
men: es ist freilich Beides wahr, aber in einem, für den Jugend-
unterricht bestimmten Buche , sollte doch gewiss die Saclie deut-
licher auseinander gesetzt sein. Laut S. 131 soll eine Legion aus
10000 Maun bestanden haben; nach S. 137 ist sie von 4000
Mann bis 4666 gewachsen , und gleich darauf, S. 138, machen
Iselin: Das alte Rom. 195
wieder „ zwei Lea^ioncn ( ungefähr 20000 Mann) mit den IFülfs-
völkeni ein consulaiisclies Heer ans." Wie soll nnn, nur die
letzte Stelle betrachtet, der Leser wissen, ob bei den JOOOO
Mann die Iliill's^ölker niitfi^ezählt worden sind oder nicht'? S.
151 wird die liömische iMeile zn tausend Scliritten ani^e^eben,
es wird aber nicht bemerkt, dass passns einen Doppelschritt be-
deutet, und ein Lernender miiss also iijlanben, eine Strecke von
tausend Schritt, nach unserer Art zureden, sei eine Kömische
Äleile, bis er endlich, S. 187, bei einer ganz andern Gelecfen-
heit erfährt, dass ein solcher Passus 5 Fuss gjehalten. S. 166
lauten des Vfs. Worte buchstäblich folgendergestalt : „Wer ei-
nem römischen Binder im Gefecht das Leben gerettet, oder sich
sonst um das \ aterland verdient gemaclit, wer den feindlichen
Wall, die Mauer einer feindlichen Stadt zuerst erstiegen, oder
durch seine Tapferkeit ein eingeschlossenes römisches Heer oder
eine römische Stadt befreit hatte etc. etc., erliiclt eine Biirgerkrone
zur lielohnung. Die iJürgerkrone {Coroiia cicica) war von Eichen-
laub ujul halte die Inschrift Ob civeni servafu/n.'-'- JNiemaiul
kann und wird diess anders verstehen, als: die Jliirgerkrone sei
wegen Ersteigung eines feindlichen Walls etc. ebensowohl als
wegen der Rettung «des Lebens eines Biirgers gegeben worden.
Nichts desto weniger zeigt die danebenstehende Kupfertafel die
Coronas murales^ castreiises n. s. w. — Die Zahl der Tempel
in Uom ist, S. 54, anf 200 angegeben; Rec. weiss nicht nach wel-
clier Autorität, denn gewöhnlich nimmt man 424 an. Die Equi-
tcs wurden zum Keichsstand erhoben, nicht im Jahr 112 v. Ch.,
>vie S. 81, doch vielleicht durch einen Druckfehler, zu lesen ist,
sondern im Jahr 122 \. Ch. , nämlich im Jahre R. 631 durch das
Sempronische Gesetz. S. 84 erfahren wir, dass es städtische,
Torstädtischc und ländliche Tribiis gegeben habe. Die vorstäd-
tischen aber, snburbanoe^ liat man zu Rom nie gekannt und si{;
haben ihre PJntstehung wahrscheinlich nur einem Missverständ-
nisse des Vfs. , oder einem Druckfehler in einem seiner literari-
schen Iliilfsmittel zu danken, wo die 'eine der vier alten Tribus
statt suburana^ vermuthlicli suburbana gelesen worden oder ge-
druckt gewesen ist. Dass, S. 87 und 88, mit der grössten Be-
stimmtheit von einem doppelten römischen Biirgerrechte dem
jnre (luirUuun unddemjV/e civUnüs gesprochen wird, gleichsam
als ob diess eine ganz ausgemachte SacJie wäre, wollen wir, da
liier der M". doch wenig!>tens Autoritäten fiir sich hat, nicht rü-
gen, sondern Acrweisen nur auf Franz Karl Conradi's Disserta-
tion de jiirc Quiiitiiim a dititale Romana non dlucrso. Ilelm-
städt 1742. >ach S: !)4 werden die Consuln bisweilen durch die
coraitia centuriata erzählt, indessen lieisst es S. 104 ohne Wei-
teres: „ihre (der Consiilu) Wahl gescliah durch die Yersamm-
liiiig der Ceutuiicn.'- S. HKJ lehrt der Vf.: ^^i/iimer traten die
obrigkeitlichen Personen iiirc Aemter erst nach einiger Zeit der
13*
196 Kürzere Anzeigen.
Erwählung au/' Darauf werden denn die Consuln, Prätoren,
Censoren, Aedilen u. s. w. durchgegangen, oline zu erwälinen,
dass bei den Censoren der Antritt ihres Amts sogleicli auf die
Wahl folgte. S. 112 sollen die Curidis'chen Aedilen hlos aus deli
Patriciern gewählt worden seyn. Es wurde aber bereits im J. R.
389, also ein Jahr nach Einführung der Curulischen Aedilen, be-
schlossen, dass ihre Stellen ein Jahr ums andere aus den Ple-
bejern besetzt werden sollten. Dass später Patricier und Plebe-
jer ohne unterschied zu dieser Würde gelangten, ist eine allbe-
kannte Sache , und der Vf. selbst sagt S. 102, dass die Plebejer
alle Staatsämter hätten bekleiden können, nur das des Literres
nicht. — Diess mag genügen, als Deleg zu dem oben ausgespro-
chenen Urtheile, nicht aber etwa als Bericlitigung aller oder
auch nur der meisten, selbst auffall cuderpji Unrichtigkeiten und
Irrthümer, die sich in den hier llüchtig durcligegangeuen Kapi-
teln des Werkes finden. Ja in den spätem Abtheilungen sind die
Verstösse eher noch zahlreicher, besonders in den Kapiteln, die
von den rechtlichen Verhältnissen handeln. So ist z. B. S. 192
der ältere Justinianische Codex erwähnt; aber nicht der neue.
Advocati ist durch Anwälde übersetzt, was die Advocati, wenig-
stens zu Cicero's Zeiten , ganz und gar nicht waren. Unter den
Privatrechten des römischen Bürgers, S. 257, fehlt sogar das Jus
dominii legitimi.
Die Darstellung ist übrigens nicht unangenehm und für den,
der sich eine ungefähre Vorstellung von dem römischen Alter-
thum verschaffen will, ohne dabei die Absicht zu haben, eine ge-
lehrte Kenntniss dieses Gegenstands zu begründen, kann Herrn
I.'s Werk wohl brauchbar sein. Schülern aber möchte es kaum
empfolden werden dürfen. Der Druck ist übrigens bei weitem
nicht so correct, wie er in einem solchen Buche billig sein sollte,
und manche Sünden des Setzers nötliigen dem Leser ein Lächeln
ab, z. B. S. 32 der übermüthige Num«///7er Jugurtha , S. 109 der
curilisclie Stuli} der Censoren. — Die Kupfer sind durchgängig
gut, zum Tlieil sogar schön.
Dr. Karl Günther.
P. Vir^ilii Mar. Opera. Ad optimarum editionum fidera scho-
larum in usum curavit H. L, J. Billcr'beck, Philos. Dr. Gymnasü
Andreani Rcgii olim Director. Hannover in der Hahn'schen Hof-
buchliandlung-. 1825. 324 S. 8. 10 Gr.
i^iese recht gut gedruckte und woldfeilc Schulausgabe des Vir-
gil enthält einen ziemlich treuen Abdruck des Ileyne'schen Tex-
tes; in dem angehängten Verzeichnisse von Scluilbüchern, welche
in derselben Verlagshandlung erschienen sind, befindet sich aus-
Kür eher: Leber La lein. Lcxi co gr ap hie. 197
ilrücklich der Zusatz : ex rccensionc llcynü. In der Schreibart
tiiid luterpunction, iiameiitlicli in Ictztci'cr, wciclit sie noch am
häuüfifsteu von der lleyne'sclien ab. Doch l)leibt sicli die Schreib-
art nicht <lnrcligäng:ig gleich; auch in der Interpunction wird man
nicht immer mit Hr. B. einverstanden seyn. Die übrigen, selte-
nen Abweichungen vom Ileyne'schen Texte sind im Ganzen un-
erheblicli, zum Thcile vielleicht auch nur zufällig, oder gar
Druckfelüer. * Hr. B. hätte doch, da er einmal seinen IVamen auf
dem Titel nannte, in einer, weiui auch noch so kurzen, Vorrede
sich über den Plan seiner Arbeit erklären sollen ! Wie die Sache
liegt, so möclite man fast glauben, Ilr. B. liabc irgend ehie Aus-
gabe zur Hand genommen , und diese nach der Ileyne'schen cor-
rigirt, dabey aber Älanches, wissentlich oder unwissentlich, ste-
hen gelassen, wo bey Heyne anders gelesen wird. Die Abwei-
chungen ziuu Tlieilc für Dnicki'eliler zu erklären, könnte man sich
leicht dadurch bereclitigt glauben, dass es überhaupt daran nicht
felilt; ein grosser Uebelstand für eine Sclmlausgabe! Rec. hat
die Bucolica, das 2te Bucli der Georgica und das 2te Buch der
Aeueide genauer verglichen, und dabey folgende angemerkt:
Eck 1,54: qita Statt quae; ( wenigstens wäre qua^ als Con-
jeclur, uunötliig, auch kaum ^idässig. ) II, 6: Crudelis gross
gedruckt. 111,26: To7i St. N on. ib. 29: nee St. ne; (als
Lesart wäre nee durchaus verwerflicli.) IV, 21 : C ape IIa e gvoas
gedruckt. VII, 5: lesponderes St. respondere. VIII, 84:
Daphni St. Daphnin. IX, 24: at St. et., (wenigstens wäre
et als Lesart weit vorzuziehen,) und nach Tityre fehlt die In-
terpuuction, am Ende des Verses sollte sie dagegen wegfallen. —
Ge. II, 50: at St. azit; (vielleicht nacli Voss.) 133: /o//o St.
folia. 143: Sod St. Sed. 339: parcebat St. parce-
hant. 375: Inludant St. Inludunt. — Aen. II, 27 fehlt
et. 'ili'nsque St. usquam. 174 fehlt die luterpunction
nach solo. 1H2: omnia St. omina; wenigstens ist jenes die
sclUechtere, längst verworfene , Lesart. 297: off er t St. ef-
fert. 312: late St. lata. 710: Uns St. Viia.
Philipp Wagner.
Abhandlungen.
Bemerkungen über einen Vorschlag von Herrn Prof. Oertel und
Proben eines grossem Lateinischen Lexikons.
Herr Prof. Ocrtcl In Ansbach Iiat uns im Archive für PhUo]. unil Pä-
dagogik, Jalirg. 2 Heft 1 S.i52 u. 153, bcinc Aiisichlen über die ßciu-
198 Abhandlungen.
beitung eines grössern Lateinischen Lexikons mitgethellt, veranlasst
durch den von Lüncmann in diesem Archive früher eingerückten Artikel
ago. Er will nämlich die Suche so behandelt -wissen , dass die säinmt-
lichen Bedeutungen eines Wortes jedesmuhl gleich vorangestellt, und
die Aveiteren Verbindungen mit Adverbien, Adjektiven, Substantiven,
Praepositionen , in besondern Rubriken nachgebracht werden solleii.
Er gibt uns hierauf die Skizze von dem also behandelten verb. ago und
srf^t sodann, auf diese Weise würde erst recht sichtbar und gewiss,
was jedes Nomen etc. für lieisätze bekommen dürfe. Der Verf. gegen-
wärtiger Zeilen, der die Lat. Lexikographie zu seinem ausschliesslichen
Nebenstudium gemacht hat, den also Alles interessiert, was auf diesen
Gegenstand Bezug hat, erlaubt sicli, hier einige Bemerkungen über
die von Herrn Oertel geäusserte Ansicht niederzulegen, und sodann
einige Proben aus seinem später erscheinenden grösseru Lat. Wörter-
buche anzuschliessen.
Wenn ein neues Wörterbuch irgend einer Art bearbeitet werden
soll, 80 scheint viir die erste Bedingung die zu seyn , dass demjenigen,
für den es bestimmt ist, eine vollständige logische EntwickelUng jedes
Wortes gegeben, dass Haupt- und NeljcnbegrifTe gehörig bemerkt und
das Eigentliche und Bildliche scharf geschieden werde. Allerdings eine
schwere Aufgabe , da in unsern grössern AVerken eines Gessner , Faber,
Forcellini , die ihren Blick mehr darauf richteten , das Wichtigste des
Lat. Sprachschatzes vorerst zu sammeln, gerade die oben genannte Be-
dingung mehr oder weniger unberücksichtigt blieb; da auch Schel-
ler') in dieser Hinsicht (man vergl. statt aller Beispiele nur Teheo in
seinem grössern Lexikon) die Sache nicht viel weiter gefördert hat. Wie
sehr auch seit längerer Zeit Lünemann hierin nachgebessert hat , und
wie dankbar wir diess auch anerkennen , so wenig ist zu läugnen , dass
immer noch Vieles zu thun übrig ist, ja dass Avohl die Hauptsache,
nämlich die logische Vereinfachung in Entwickelung der Wörter eine,
bis jetzt nicht gelöste Aufgabe ist. Mit Begierde wird daher jeder,
den dieses Feld der Lateinischen Literatur interessiert, das von Lüne-
mann angekündigte, vollständig umgearbeitete Lexikon von Scheller
erwarten.
Wenn also der Bearbeiter eines solchen Werkes sich es zur ersten
Pflicht machen muss, die Begriffe jedes Wortes logisch zu entwickeln
und zu stellen , oder mit andern Worten, wenn seine Arbelt keine bloss
todte und träge Wörterraasse liefern, sondern ein anschauliches Bild
geben soll von der Sprache und deren Gang, so müssen wir abstrahie-
ren von allem Aeusserllchen und Zufälligen, und eben desswegen dürfte
die von Herrn Oertel vorgeschlagene Art der Behandlung nicht passend
seyn. Die Form nämlich , die er ihr geben •wiU , ist rein gramma-
*) RuLnkcii's Wörterbuch Ist (mit Auslasaung einiger unclassischcr Autoren) ein
blosser Abdruck vom grossen Sclicller'sclieu , mit allen Fcblein desselben. ScheUcr
selbst üueserto sein Erstaunen darüber , dass Ruhnkcn es so drucken Hess.
Kirch er: Leber Liiteui. Lexicograpliie, 199
tisch , folglich der log^ischen an eich schon untergeordnet und dienend.
Sie ist aber ferner aiuli einer 3Icngc von Zufälligkeiten und Uebelstän-
den unterworfen, die kaum zu beseitigen seyn dürften; vir rechnen
Iiieher hauplbächlieli die unAeriueidliehe Wiederholung einer Masse von
Wörtern, oder eine solche Menge von A crM' eisungen , die dem Lexi-
kon beinahe alle lJrau<;hbarkeit rauben mnss; wir rechnen ferner hiehcr
das Aufführen blosser frürtei zur Erklärung des Lateinischen. So gibt
z. B. Herr Oertel unter ago Ausdrücke Avie folgende: ausmachen, be-
handeln. Ganz gut, >venn vorher der einzelne Ausdruck definiert ist.
So aber unterliegt der Lngeübtcre, und für diesen ist doch jedes Lexi-
kon mehr oder weniger berechnet , jeden Augenblick der Möglichkeit
fehl zu greifen , und bildet vielleicht , mit den oben angegebenen Wör-
tern, Phrasen wie folgende: das macht nichts aus, hoc nihil agit; Er
hat mich gelinde behandelt: Icniter me cgit. Denn es wird demjenigen,
der die Lat. Sprache nicht kennt, durchaus nichts nutzen, dass er unter
der JVummer ,, cum praepp. " findet: cum, wenn er nicht gerade fort-
liest bis an das Wort verfahren. Oder es will z. B. jemand, der einen
Latemischen Aufsatz sclu'cibt, nachsehen, ob die Phrase: praeclare
agcre cum aliquo, der er sich zu entsinnen vermeint, gut Latein sei.
Da es nun unmöglich ist , alle , in allen Lat. Autoren befindliche , Ver-
bindungen aufzunehmen, da also die Vollständigkeit immer nur relativ
seyn kann, so wäre es z.B. möglich, dass bei ago, unter der Niunmer
,,cum adverbüs" diess Wort praeclare fehlte. Der Ungeübte also, weil
er es nicht findet , w ird schliessen , dass er es nicht brauchen darf. So
w ird er aber nicht schliessen , Avenn er in einem logisch geordneten
Wörterbuche findet: „agere cum aliquo ," verfahx'en mit jemand, z.B.
bene, male, optime. Hier hat er einen Fingerzeig (und dieser reicht
hin) , w ie er sagen kann. Ob er so sagen darf, das musä er in Fällen,
wie der vorliegende ist, nicht gerade aus dem Wörterbuche ersehen,
das muss ihm, wenn er nachdenkt, wenn er den Begriff seiner Wörter
genau im Kopfe hat , die gesunde A ernunft sagen, dafür muss sein W^ör-
terbuch durch genaue Erklärungen, SynpnjTuen etc. überhaupt sorgen *)-
*) Ais gegenwärtige Abliandluiig bereits in unsern Händen war, hat auch Ilr.
Rcctor Lünemauu iu Sccbodc's Archiv für l'Jiil. u. Pädag. sicli gcgcu die üer-
ter»che Ansicht ausgCfiprochcn , utid eiiic streng hintori^chc Anordnung der Wort
bedeutuugeu, nach dem Zeitalter der einzelnen Schriftsteller, vorgeschlagen. Ue-
ber diese Meinung thcilcu wir aus einem IJriel'e des Hrn. Prof. Kiirchcr Folgen-
des mit: ,, Ich Onde gie um desswilleu nicht ganz passend, weil der l,exikogr.iph
nicht bloss' ein indes sejn soll, gleichsam ciu^iisturitcher Wegweiser durch dan
Gebiet der Sprache. Seine Ansicht ist für die Wissenschaft buchst unfruchtbar,
weil sie aller Philosophie entbehrt. Gesetzt den Fall, Eunius brauchte irgend
ein Wort, 2. U. sp ärgere , bildlich, wie ruuioreni, und erst Virgiloder
Ovid im eigeniliclien Sinne, z. 1). folia spargcre, wird nun Hr. Lüucniann
alsdann die bildiiclie Ucdentung voraussetzen'} War denn, ehe irgend ein Latei-
ner oder Grieche oder Deutsclier schrieb, keine Sprache V HatEnuius, Pacu-
viu8 etc. das Wort er.-t gemacht, oder nicht ein schuu vorhandenes gebraucht?
l!nd haben diese von dioen Autoren gebrauchteu Wörter nicht ihren etymologi-
Echen üruttd und Stamm, aus dem heiau» zu erklären ist. Die Sprache ist durch-
200 A b li a n. (1 1 u n g c n.
Ein Werk übrigens, wie Herr Ocrtel , von seinem speziellen Plane
abgesehen, es -wünscht, d. b. eine Art thesaurus ling. lat. , ist seit län-
gerer Zeit eine Lieblingsidee des Unterzeichneten, zn deren Realisie-
rung vorläufig auch schon einige ScJuitte von mir getlian worden sind,
indem ich ZMei Ilolländisclien Gelehrten, Herrn Bosdia in Haag und
Bergman in Leyden , den Vorschlag- zur gemeinschafllichen Ausarbei-
tung eines solchen Werkes in möglichster G(^lrängtheit gemaclit habe.
Vorerst aber wird ein minder umfassendes Lateinisch -Devitsches
Wörterbuch von mir erscheinen , über dessen Forin und Ausdehnung
demnächst eine spezielle Anzeige das JVähere besagen wird, und Avovon
ich mir hier einige Artikel anzuschliesscn erlaube ; mir vorbehaltend,
mich über die dabei beobachteten Grundsätze anderswo zu erklären.
Eine Vergleichung mit andern Werken ähnliclier Art wird übrigens un-
gefähr aeigen, welches der Weg ist, den ich mir zu gehen vorgesetzt
habe. Möchten competente Beurtheiler mir privatim oder in' einer öf-
fentlichen Zeitschrift ihre Ansicht darüber mittheilen.
Carlsruhe den 24(:cu Dez. 1825.
M KaercJier.
Adeo, adv. *) (es steht statt crf trf_) in diesem Worte liegt eine
dreifache Beziehung ^ indem es anzeigt: 1) zu dem Ende,
d. h. in der Absicht; 2) bis wohin, bis zu welchem Punkte eine Hand-
lung geht; 3) was zu einem Umstände noch hinzukommt.
1) zu dem Ende, in der Absicht, desswegen ; z. B. id adeo te oratum
advenio ut ignoscas mihi, Plaut., dessAvegen komme ich zu dir etc.
2) bis zu diesem Punkte (der Umstünde oder der Zeit), bis dahin,
z. B. adeon' rem redisse, Terent., is-t es bis dahin, d. h. so weit mit
der Sache gekommen; aut, si adeo (sc. ut molestae sint nupiiae),
id. , oder wenn es auch bis zu diesem Punkte käme , = oder wenn
auch; rempublicam funditus amisimus , adeo ut Cato vix vivus effu-
geret, Cic. , d. h. bis zu diesem Pimkte oder so sehr, so gänzlich;
adeo mihi invisus est, utqtc. , id., er ist mir bis zu dem Punkte,
d.h. so scÄr verhasst ; adeo in teneris consuescere multum est, Virg.,
so viel gilt zarter Jugend Gewöhnung; vix adeo agnovit pavitantem,
kaum erkennt er den Bebenden noch (eigentlich bis zu dem Punkte
kaum); adeo omnia majoribus curae erant, Plin. , bis zu diesem
Punkte oder so sehr lag den Vorfaliren Alles aiU Herzen ; adeo sum-
ans nicht bloss historisch; sie Acht hiiher, sie ist etwas GüttlicUea, wenn auch
nicht in ihren Bezeichnungen , doch iu ilircn Ideen , und inuss alsio in Darlegung
derselben, in Lexicis, höher gefasst Verden als bloss davon, dass ein Dichter oder
Prosaiker sie so oder anders gebraucht hat. Der Lexikograph inuss vor allen Din-
gen den frischen , kräftigen Gang des Menschengeistes beobachten , der in dei'
scheinbar ungeheuersten Vielfachheit evrig einer und einfach bleibt: die Anordnung
iin Lexikon muss sich nach solchen Beobachtungen inodillcircu und philosophisch be-
gründet seyn." Aum. d. Kedact.
) Scheller -Liinem. hat bei diesem Worte sieben, Ruhukcii acht, Forcelliai
mehr als zuülf Ablheilu.igcn.
Kärcher: ücbcr Latein. L c xico grap lilc. 201
iiiii oi-at obscrvatio in licUo gcrcndo, Cic, bis zu diesem Funkte ging
die luirlistc l'iimktliilikeit, d. h. eine so ausserordeutli«lie l'ünkÜich-
keit Mar ete. ; adeo, qiuinto rerum iniaus, tanto niiiiiiä cupiditatis
erat, Liv. , bis zu dem Punkte =: so sehr war etc.; gaudcre adeo
coepit quasi qui cupinnt nuptias , Tercnt. , er gcrietli in eine so gro-
f»e Fronde, vie diejenigen velehc etc.; conjngem Aiexandri adeo
nun >iolavit, ut suunnam adltiluieiit cnfam, Cnrt. , bis zu dem
l'nnktc nicht, d. h. so ßar nicht, so wfiiii^ ; fiaec dicta adeo nihil
nioverunt ((ncuiquani, ut Icgati jnopc viohiti sint, Liv., = sowe-
nig; ne* vidi quidem adeo aülicti erant, utnon, Suet. , sie waren
nicht bis zu dem Grade, nicht so sehr gcdemüthigt; adeo dum, quae
tum habere t , pcpcrisset bona, Plaut., bis zu dem Punkte bis, d. h.
so laiigc bis er das erAvorben hätte; ibi (sc. ruri) vivere, adeo dum
illins le cupiditas missum facit, /(/. , bi» du die Sehnsucht nach ihm
verlierst.
ö) an zuzeigen, dass etwas noch zu einem Umstände
hinzukommt , es schlicsst sich allemahl an etivas Vor-
hergehendes an und. entspricht uns er 7n zudem *)^ z. B. at-
quc adeo autem cur non egomet iiitro eo? Terent. , und zudem wa-
rum etc.j id adeo ex Senatus consulto cognoscite, CIc. , diess ver-
nelmiet zudem noch aus etc.; atque hoc adeo milii concedendum est
magis, id., und diess ist mii* um so mehr zuzugeben; adeo quod
Inlimelii in arniis sunt, id., zudem da etc.; magis adeo id facilitate
raca contigit, it/., zudem ht daran mehr meine jNacligiebigkeit Schuld;
id adeo mature posse evenirc , si ipsc missus foret, Sallust. , die&s
könne zudem bald geschehen, wenn etc.; hinc adeo media est via
nobis, Virg. , von hier aus haben wir zudem die Ilältte Weges; tu-
que adeo *'} Caesar (sc. adsis), id., dann (d. h. aj/sscr den An-
dern) axuh du, o Cäsar (^sc.kommc) ; posco atque adeo flagito, Cic.,
ja icli begehre es sogar; de foro atque adeo de civitate est sublatus
praetor ille, id., ja sogar aus der Stadt? et adeo usque ad'sordida
descendit, Senec. , und gerietJi sogar bis etc.; id adeo non plebis,
quam patrum culpa accidere, Jjiv. , diess sei ziulem nicht soMohl des
\olkes, als des Senats Schuld. Oder es zeigt eine Steige-
rung an, = noch viel mehr; z. B. aequaliiun quoque, adeo supe-
riorum intolorabilis , Tacit. , er konnte auch seines Gleichen, noch
viel mehr Höhere nicht leiden, oder: er konnte nicht einmahl sei-
nes Gleichen, gescJiweige Höhere leiden ; so auch: nullius repen-
lini honoris, adeo nan principatus appetens, Tacit.
Admudiim, adv. die wörtliche und eigentliche Bedeutung
dieser Partikel ist: bis zum Mafsc oder bis zum recjilen Mafse
') Forcelliiii t-iib li. v. sagt Lei dieser Abtliciliiug , vidctur aliquando parlicula
(Uiuba eaac. Gleii;li iia<'liLer ^ajil er bei ciucr ucucu, aber uocli Lichur gcliorij^cu
Rubrik, \ideliir ctiani jioui pro vcro.
") Bei dieser Sicllc sagt Forccllini: Scrviiis hoc loco pi;lat u&urpaii pvo prac-
cipuc ,'alii rtdiiiidarc. Ei seibot aber gibt kviacii Ausschlag'.
202 Aliliandlungcn.
oder so viel als tlas rechte Mafs desjenigen Gegenstandes fordert, von
dem man spricht (es versteht sich, dass, je nach dem Sinne
der Phrase, im Deutschen das JFort anders üb er setzt
werden kanii), z. B. plane quideiu peri'ectuin oratorem, et cui
nihil adniodum desit, Demostlieneni dixeris , Cic. , dem zuiu rechten
Mafse eines Redners nichts fehlt , ulso dem gar nichts dazu fehlt ;
Curio literarnm adraodum nihil sciehat,. id., Curio wusste nichts von
Gelehrsamkeit nach dem richtigen Mafse derselben, z=z eigentlich gar
jiichts ; alter niliil udraodiim scripti relicjuit, id. , hat eigentlich nichts
hinterlassen, (d. h. wenn gleich etwas, doch nichts, was
ihn desNajnens eines g clehrten Redners würdig mach-
te); erat admodum aniphuu et excelsum signiira cum stola, id.,
nach dem geAV«)hnlichen oder angenommenen Blafse war die Bild-
säule gross etc., d. h. also: entweder ziemlich oder sehr gross; haec
inter nos miper notitia admodum est, Terent. , diese Bekanntschaft
zwischen uns ist neu, nach der Zeit gerechnet, die zu einer Bekannt-
schaft gehört, also = ziemlich oder sehr neu; ratio admodum pau-
cis salutaris , Cic, wenigen, in Beziehung auf die Vielen, denen sie
nützlich seyn sollte, = nur ivcnigcn; iihi satis admodum suorura
animos expertus eBt , Liv. , als er hinlänglich , nach dem Mafse , wie
er es wollte (:=i so ziemlich genau), die Gesinnungen der Seinigen
hatte kennen lernen; armorum magnam A'im ti-anstulit, nuUam pe-
cuniam admodum , id. , d. h. kein Geld in Vergleich mit den Waffen,
also = nur sehr wenig; praetextatus admodum filius, Flor., sein
Sohn war, was das Mafs seines Alters betrifft, also = erst mit der
Prätexta bekleidet; adhuc admodum adolescens, Vellej., noch ziem-
lichjung; auctis admodum copiis regem adortus, id., nachdem er
die Truppen nach dem gehöiügen Mafse also = sehr vermehrt hatte ;
admodum quam saevus, Plaut.,, wie sehr übersteigt seine Wildheit
das Mafs ; so auch : voce admodum quam suavi , Gell. , mit welch
ungewöhnlich lieblicher Stimme. Bei Zahlen ist es dem Sinne
nach = ungefähr; z.B. secuti sunt eum admodum quingenti, Liv.,
an das Mafs gegen 500 hin sind ihm gefolgt , = ungefähr 500 ( e <-
was mehr oder weniger) ; so auch mille admodum capiuntur,
id., ungefähr 1000; post menscs admodum Septem occiditur, Justin.,
schon nach sieben Monaten , (Justin hatte nämlich vo r h e r
gesagt, Seleucus hätte nicht gewusst, dass er eben-
falls bald einen Beleg zur menschlichen Hinfälligkeit
geben tvürde). Bei U eb er gangen in Gesprächen = so
weit , genug davon (d. h. zum rechten Mafse ist es genug) , cf. €ic.
Leg. 3, 2. In Antw orten (bei den Komikern) heisst es
ioie der wörtlich: angemessen dem icas du sagst , = tvic du sagst,
so ist es; advenis modo? admodum, Terent., kommst du eben? ja
PO ist's (freilich oder eben) ; numquidnaiu ad filium haec aegritudo
^ attinet? admodum, Plaut., allerdings freilich; cf. llud. 4, 4, 37.
Ago, egi, actum, 3 (äyw) I, transit. überh. treiben.
1) eine« Gegenstand in Bewegung setzen, hin und her, treiben;
Kiirchcr: üebcr Lutcin. Lcxico5;'rai)liic. 20S
z. H. niiiro renio , Val. Fl., das Meer mit dem Riidor; fiindam cir-
cum Caput, Vir«:^. , scIim Ingen; ventiis imläla agit, id., treibt sie,
jag;t sie; agi aus^tri», O^uL; acta borcä piims , id., liin und licr ge-
jagt; ccr^imi agcre, Mrg., eineu lliiich jagen; palantes Traas, id.,
die zerstreuton 'J'roer jagen; aniiuam agere, Coel. in Cic. I'-i'., cig.
den Athem heftig liin und her treiben , = in den letzten Zügen lie-
gen (wenn es nicht eher so viel ist als: den Athcm oder die Seele
aus sich hinaus treiben) ; cf. Martial. 1 , 80,
tp. a) etwas treiben oder verrichten, sich mit etwas beschäftigen;
z. B. nihil agere, Cic., nichts thun oder (reiben, = imthätig seyn;
cuncta siniul , Sallust., Alles zu gleidier Zeit betreiben; quid agis?
Cic, was treibst du, machst du? (Avie befindest du dich); quid agi-
tur'? Terent. , wie geht es, wie steht es? gratias agere, Terent.,
Cic, Sallust. , Ovid., Plin. Pan., Danksagen; poenitentiam, Curt.,
s=3 2^oenitere; sua vota, Ovi^,, seine Wünsche vortragen; ora-
tionem, Cic, eine Rede halten, gehörig vortragen ; jjartes, Terent.
(und bildl. Cic), eine Rolle spielen; canticum, Liv., versum, Cic,
ein Lied , einen Vers v ortrageii oder singen, cf. ^ al. Flacc 1 , 783.
4, 87; fabulam , Terent., ein Schauspiel aufführen; so auch cho-
ros , Virg. Cir. ; joca, Sallust., Scherz treiben; curas, silentia,
Ovid., in Sorgen se^^n, still schweigen; forum, trimuphum, Cic,
einen Gerichtstag, einen Triumph halten ; festum , Ovid,, ein Fest
lialten oder feiern; causam alicujus, Nep,, Cic, jemands Sache od.
Angelegenheit führen (gerichtli ch oder nicht); quum proxime
res agentur, Plin., wenn demnäclist die Gerichte anfangen; proe-
lium agere, Liv., ein Treffen liefern; bellum, Nep. , Caee. , einen
Krieg f ülu'en ; cf. Oberlin ad Caes. B. Gall. 3, 28; censuram, Ovid.,
das Censoramt verwalten ; fiseum , Suet. , die kaiserliche Kasse ver-
walten; rempublicam, Pandect. ; Tros Tyriusve mihi nullo discri-
mine agetur, Virg., d. h, er werde von mir ohne Unterschied be-
handelt, agere se , sich benehmen , betragen ; se pro equite , Suet. ;
66 per moUitiem , Sallust. , üppig leben , sich pflegen, res agilur
oder de re agitur, es handelt sich um etM äs , betrifft etwas; z. B.
res mea agitur , IVep. , mein A ortheil , meine Elue kommt dabei ins
Spiel; aguntur vectigalia, Cic; cf. Verr. 0, 51, llorat. Epp, ], 18,
48; agitur de pecunia , Terent., de poena, Liv.; cf. Cic. Manil. 3.
b) et>^a8 in Gedanken betreiben (seine vorzügliche Auf-
merksamkeit darauf richten) ; z. liL agetis ea attentius, Cic,
ihr werdet diess noch genauer überlegen ; id ago od. istud ago, Te-
rent. , c= ich bin mit meinen Gedanken bei dem Gegenstande , den
CS betrifft, also = ich hihc darauf, ich denke daran; lioccine agis,
'J'erent. , hörst du denn darauf? hocagam, id., ich will aufpassen
(was z. B. ein CT thul); Imc agc ! Suet., aufgepasst ! Acht ge-
geben! cf. Terent. Eun, 1, 2, 50; aliud agere, Cic. oder alias res
ugerc , id., Suet., an etwas Anderes denken, = seine Aufmerksam-
keit niclit auf da» richten, worauf man eigentlich sollte; it. etwas
ganz Anderes iui Sinne hüben ; cf. Cic Cluent. (>4 ; id ago ut etc..
204 Abhandlungen.
CIc. , ich gelie damit um , suche diess zu bezwecken , richte mein
Augenmerk darauf; cf. Farn. 4, 7. Att. 8; 11.
, c) treiben, = ztibringen (^ die Zeit); z. B. aetatem, Cic. , vItara,
Liv. , Terent. , annos , aevum , O^id. , sein Leben ; cum uno viro
aetatem agere, Terent., mit emcni Manne leben; octogesimum an-
num, Cic, im SOsten Jahre stehen ; agere hiberna in oppidi», tempora in
vcnando , Sallust., zubringen; mensis agitur septimus , Terent., =
es ist der 7te Monat ; principium anni agebatur , Liv. , man stand im
Anfange des Jalu-es. cf, Ovid. Met. 7 , 700.
d) durch seine Handlung eine Person oder iliren Charakter dar-
stellen , = sie vorstellen ; z. B. Ballionem , Chaeream , Cic. , flen
Ballio, den Chärea (auf dem Theater) vorstellen oder spielen;
agere uobilem, Coel. ad Cic, den Adeligen spielen; bonum consu-
lem, Piin.I'an. , ein guter Consul sevn ; agere amicum, Tacit., den
Freund machen , freundschaftlich handeln ; cf. Suet. Tib. 13 u. dort
Bremi.
e) etwas ans Ende treiben, = es vollenden, beendigen; z. B. acta
nox, O^id. ; acto honore, Liv., nach Endigung seiner Würde (des
Proconsulates) ;*r7c s^/ji6oh's quid actum est? Terent., wie steht es mit
dem (gemeinschaftlichen) Essen? nihil agere, Cic, nichts ausrichten;
non multum , nicht viel ausrichten , keinen Vortheil haben ; nihil
agitur blanditiis, Oviil. , er richtet durch seine Schmeicheleien nichts
aus; actum est (als klagender Ausruf), es ist aus, es ist vor-
bei (= es ist Alles verloren)! cf. !Eun. 1, 1, 9; actum est de me,
Plaut., es ist um mich geschehen ; so auch : de isto , Cic. , de exer-
citu, Liv.; acta est res, Terent., es ist aus damit; actum agere,
Terent. , oder acta agere , Cic. , was gethan ist noch einmahl thuu,
= etwas Unnöthiges thun (vulg. leeres Stroh dreschen); actum ha-
bere, Cic, für gethan ansehen (::=: damit zufrieden seyn).
2) einen Gegenstand treiben , . = ihm eine gewisse Richtung geben ;
z. B. asellum, Cic; elephantos , Curt. ; caballum, Horat. ; praeci-
pitem agi, Cic, von einer Höhe Iieruntergestofscn werden; aliquem
vinctum ante se agere* Nep., vor sich her treiben ; cquum in hostem,
Curt., = auf den Feind lossprengen; capellas per rura, Ovid., die
Ziegen über das Feld treiben;' rates per fiumina, id., durch die
Flüfse; fluctus agunt corpora ante alicujus oculos , id., treiben die
Leichname ; cf. Virg. G. 1 , 352 ; agi per auras, id. , durch die Lüfte
getrieben werden; quis furor lias egit in oras? Val. FL, welche
Wuth hat sie zu diesen Küsten geführt? agere capellas potum, bo-
ves ad fiumina , Vii-g. , .ziu- Tranke , an den Flnss führen ; Proteus
pecus cgit altos visere montcs , Horat. , Proteus trieb sein Vieh zu
sehen der Berge Spitzen; has agimus famulas tibi praAnia belli,
V'al. Fl, , wir brüigen sie dir; is «[ul jumenta agebat, Liv., = der
Fuhrmann; agere currum, Ovid., navem, Horat., classem , Cur!.,
leiten, lenken; agraen , Vii-g. , Liv., einen Zug, ein Heer führen;
agmenraptim, Curt.; vineas ad oppidum agere, Caes. , die Schutz-
dächer näher zur Stadt hin treiben oder bringen ; hostem in fugam
Kiirchcr: lieber Latein. Lcxicographic, 205
ag;orc, Justin., den Feind in die Flucht jagen; cf. Suet. Claud. 1;
ajjerc pisces in ]i<imo» , Ovid., treilten; praedas agere, Sallust. ,
Liv. , Vieh als Beule mit fortnehmen oder üherh. Beute machen ; cf.
Plaut. Aul. 4, 2, 3; agere et ferrc, Liv. (aysiv kccl (ptQfiv), (Alles)
ausplündern, und Avcgschleppen ; (davon bildlich Dial. de Or. 8,
Alles mit fortreissen , nach seinem "Willen lenken). Bei Plin. 33 , 21
steht es für u'iif^en oder u'ief>cn so viid so viel (also eigentl. durch
seine Sclnvere ein gewisses GeMiclit hinauftreiben oder drücken), sc
agerc, sich in Bewegung setzen,, = gehen; cf. Virg. Aen. 8, 4Ö5;
unde agis tc? Plaut., Avoher kömmst du? ([no hinc te agis? wo
gehst du von hier aus hin? agi , Terent. , Liv., = ire ; cf. Plaut.
Bacch. 5, 1, 20; agitur Humen majori impetu, Curt. , der Flusa
flicsst reissender; duplex agitur per lumbos spira, Virg,, idoppelt
läuft durch die Lenden der Rückgrat hin ; agit se palmes ad auras,
Virg., CS treibt sich der Schoss in die Lüfte; actae ad sidera pinus,
id., die bis an die Sterne reichen. Sodann ist agere überli. mit
einer gewissen körperlichen Anstrengung (stofsend, werfend etc.)
wohin bringen; z. B. telum costis fugieutis, Sil., in die Rippen
stofsen; hasta alicui per armos acta, Virg.; cf. Ovid. 3Iet. 5, 153;
6 , 258 ; 8 , 532 ; pinus ah alto ad terras agere , Ovid. , die Fichten
von oben bis auf den Boden biegen ; agi in crucera, Cic. , ans Kreuz
geschlagen werden; actus in crucem , Suet.; Im eng er n Sinne
ist es = veranlassen , dass einer oder etwas von wo iveg oder wohin
gehen muss ; z. B. egit extorres oppido , Suet., aus der Stadt; ve-
nenum membris agere, Virg., statt c jncTnön's," aliquera in exilium,
Liv.', einen ins Exil jagen, verbannen; orco, Horat., statt i;i orc«?n ;
aliquem reum, Curt., Aellej., einen als Schuldigen vor Gericht zie-
hen, = ihn verklagen. Aiich bedeutet es: etwas aus sich hervor
oder heraustreibe (NB. diese Bedeutung könnte vielleicht die vtt-
sprüngliche von ago seyn , wenn wir annehmen dürfen , dass ayoi
verwandt ist mit yäoj = yi:vväco. cf. augco), z. B. radices. Van*.,
cf. Ovid. Met. , 4, 254; 2, 583; frondem, Plin.; radices in profun-
dum, Plin., Wurzeln in die Tiefe treiben; ossaque robur agunt,
Ovid. Met. 10, 492, = die Gebeine werden zu hartem Holze; ri-
nias agere, Cic, Ovid., Risse bekommen, zerlechzen. Dann über-
haupt: aiis sich heraustreiben oder zum Vorscheine bringen; z. B.
gcintillas, Lucret., Funken sprühen; ore cruorem, Lucan. ; cum
f pumas ageret in ore , Cic. , als sein Mund schäumte ; cf. Virg. Aen.
6, 844. Endlich bedeutet es auch: etwas machen oder zu
Stande bringen (immer mit dem Begriffe des vorMÜrts Treibens), z.
B. agere cuniculos, Curt., Erdgänge maclien; cf. Cic. Off. 3, 23;
molem inari , Curt. , einen Damm ins Meer hineinbauen. Die Phra-
eis: agere Her, vias etc. ist bloss poetisch, z. B. agere itcr, Ovid.,
seinen Weg wohin lenken; vias agerc subter mare, Virg., sich einen
Weg unter dem 3Ieerc bahnen (einFluss); grcssus od. gradus agere,
Val. Fl. , = gehen; ferro latum limitem agere ( st. /ocoe) , Virg.,
sich mit dem Scfiwerte einen breiten Weg bahnen; cf. Aen. 10, 513.
206 Abhandlungen.
tp. a) etwas od. einen treiben, = lenken, leiten ; z. B. animus cun-
cta agit, Sallust. ; actus cupidine , Ovid ; transvorsum ag-ere, Sal-
lust. , auf Alnvege bringen; Fama cunctos agit, Aal. Fl., die Göttin
Fama setzt Alle in Bewegung; agunt eum praecipitem poenae ci-
vium roraanorum , Cic. , ihn treiben die Martern , die er römischen
Bürgern anthun licss, zum Wahnsinne, b) etwas vorwärts treiben =
vermehren; z. B. bonitas alicujus nnllis casibus agitur, Nep. Att. 9.
c) gleichsam in die Höhe treiben , erheben , = 2""C'se>i ; illum aget
penna metuente solvi Fama supeiTstes , Horat. , ihn erhebt auf stets
ungelöstem Fittig Fama zur Nachwelt, d) einen zu etwas z.B. in den
Besitz einer Sache bringen, Horat. Sat. 2, 7, 24. e) poet. (acUgere)
treiben = zwingen , nöthigen ; z. B. diversas quaerere terras augu-
i'iis agimur divum, Virg. , wir werden getrieben , genöthigt; sed
agit misei'andä potestas invigilare malis, Stat. ; cf. Theb.3, 625;
agi ad furores cxtremos, Val. Fl., zur äussersten Wutli gebracht
werden, f) eintreiben (Abgaben etc.); cf. Suet. Vesp. 1 , Dom. 12.
g) poet. herleiten (sein Geschlecht) ; z. B. per regcsque actum genus
omnes Latinos , Virg., sein Geschlecht, das durch alle Lateinische
Könige durchging.
II. intr. überhaupt seine Thätigkeit äussern: 1) ivie wir sa-
gen: sich herum treiben , = leben , seyn (ab er immer in Bezug
auf das H andeln dabei): z. B. incultius, Sallust., roh, ohne
Bildung ; multum et familiariter cum aliquo , id. , viel und vertraut
mit einem umgehen; agere inter horaines desinci'e , Tacit. , aufhö-
ren zu seyn , = sterben ; civitas laeta agere, Sallust. , war fröhlich,
überliess sich der Freude. 2) handeln (dem Unlhätigseyn ent-
gegen); vigilando, agendo, omnia prospcre cedunt, Sallust.; aliud
tempus agendi, aliud quiescendi, Cic., cf. Colum. 11, 1. In der
Opfer spräche : machen, = das Opferthicr stechen od. nieder-
ßchlagen; cf. Ovid. Fast. 1, 321; Varr. 1. 1. 4 , 22. Im Kriegs-
wesen: handeln, operieren, agieren; z. B. diversi agebant, Sallust.;
Man vergleiche auch ^ge. 3) auf eine gewisse Weise handeln, sich
benehmen; z. B. pro victoribus, Sallust., sich als Sieger benehmen;
lenius agere, id., langsamer zu Werke gehen (im Angriffe, in
der Vertheidigung) ; cf. Jug. 60; studio et irä agere, Cnrt. ;
praeclare agere, Cic; bene cum aliquo, id. , gut mit einem verfah-
ren; bene dicat secum esse actum, Terent. , er soll sagen, es sei
ihm gut gegangen , er soll die Behandlung , die man ihm angedei-
hen lässt, rühmen; praeclare, optime mecura agitur, Cic, es geht
mir vortrefflich, es steht sehr gut um mich; pessime , id., es steht
sehr übel um mich. cf. Suet. Ner. 28. 4) sprechend handeln von oder
über etivae ; z.B. linguä graecä, Cnrt.,- in Griechischer Sprache;
egit cum Cimone ut etc. , Nep. , er benahm sich mit dem Cimon
darüber , er schlug Uim vor ; cf, Dion. 2, 5 ; ut ad te scriberem me-
cum egerunt , Cic , sie benahmen sich mit mir darüber , machten
mir das Ansinnen , den Vorschlag ; prccibus tecum fraternis ago, id.,
ich bitte dich brüderlich; agere cum populOf sich mit dem Volke be-
Kärcber: Ueber Latein. Lexicographie. 207
nehmen, = eine Rede an das Volk halten; cf. Verr. 1, 12; Gell.
13, 15; agere, Tlin. Epp. 9, 40, = causas agci-e, Prozesse füh-
ren (als Sa chiv alter) ; lege agere, Terent. , Cic. , oder bloss
og:cre, Quintil. , gei-ichtruh verfahren, s= klagen^ agere in here-
ditateni , Clc. , auf eine Erbschaft klagen; cum ali<]uo lege agere,
id., einen verklagen; agere furti, id.; inj uriaruni ,. Quintil. , wegen
Diebstahls, wegen Beleidigung etc. klagen, cf. Cic. Caecin. 12; 3Iur.
17; Fani. 7, 22. Agcrc (Rhetorik), seine Rede vortragen; z.B.
agere cum dignitatc et \cuustate , Cic. , seine Rede mit Würde und
Anstand vortnigen ; cf. Orat. 2, 1!); ageus, Quintil., der Redner (d.
b. derjenige, der gerade eine Rede hält); cf. 6, 1, 48; 10, 7, 3.
Sjn. Agere bezeichnet mehr das Handeln im Allgemeinen , das
Aeussern seiner Thätigkeit, Facere mehr die Richtung der Thätig-
keit auf einen bestimmten Gegenstand; agit is , cujus ppst actionem
opus non exstat; facit is, cujus opus remanet; cf. Quintil. 2, 18
(al. 1})); Varr. L. L. 5, 8; Cic. Phil. 3, 13.
Annulus od. ämdus. i, m. (scheint das Demin. von annus, und dieses also
ursprüngl. einen Ring od. Kreis bedeutet zu haben, ) 1) überli. ein
ringförmiges Ding, ein Ring zu irgend, od. aus irgend etwas; z.B.
anuli virgei, Plin. , Ringe aus Weiden; annuli velares, id., 13, 18,
Ringe (von Holz) an den Segeln. Auch die Ringe (Gleiche) an einer
Kette , Martial. 3 , 29 ; Plin. 34 , 43. • Oder die ringförmige Fessel
am Fufse selbst, Martial. 11, 38; cf. Plin. 33, 4. Auch eine ring-
förmige Haarlocke, Martial. 2, (iß. In der Baukunst, das unter der
Platte und dem Wulste des Kapitals liegende Plättchen , = der Ring,
Mtr. 4, 3. 2) ein Fingerring, Siegelring, Ring; inducre anulura
pollici, Plin., einen Ring an den Dautnen stecken; sumere anulos
ferreos , Suet. , tragen , anziehen ; tabulas anulo obsignare , Plaut.,
ein Testament versiegeln; epistola anuli sigillo impressa , Curt., auf
dem das Siegel des Ringes aufgedrückt, der damit gesiegelt ist;
anuli curam habere, Justin., Siegelbewahrer (des Fürsten) seyn.
Da es ein be sonder es Vorrecht der Ritter war, gol-
dene Ringe zu tragen, so sagt man nun tp. aliquem anu-
lis donare od. honorare, Tacit. , einen in den Ritterstand erheben;
jus anulorum , Suet. , die Ritterwürde.
Apellätio, önis, f. (appcllo) die Handlung, da ich einen anrede oder
anspreche, also z. B. die Auflorderung etwas zu thun, cf. Caes. B.
Civ. 2 , 28. tp. die gerichtliche Appellation (wenn man von einer ge-
ricJitl. Stelle weg bei einer andern und höhern Hilfe sucht); z.B.
appellatio ad populum, Plift. ; a judicibns ad Senatum, Suet.; tri-
bunorum , Cic. , an die Tribunen ; cf. Suet. Cal. 16. 2) die Benen-
nung od. der Titel, den mau einem gewöhnlich gibt; z. B. regum
appcllationes venales sunt, Cic, der Königstitel ist feil; appella-
tionc dclnta fraudarc aures alicujus, Curt., einem den gehörigen
Titel nicht geben; appellatio iiianis, Cic, ein leerer Titel; salutare
aliquem appelbitione jiatn's, Plin., einen mit dem Namen Vater grü-
fsen; cf. Suet. Caes. 77; Tatit. Ann. 3, 5b; appellationc ipsa, id..
208 Abhandlungen.
selbst der Benennung nacb ; neque nomhuim ullorum inter eof? apel-
latio est, id., und sie henennen sich einander durchaus nach keinem
unterscheidenden Namen. 3) die Art etAvas auszusprechen , = die
Aussprache, ;z. B. literarum, Quintil. 4) (in der Gramm.) a) das
llauptAvort od. Substantiv, Qnintii, 9, 3, 9. b) der Gattungsname
(das nora. appellativum , Avhe z. B. Mensch , Thier), Quintil. 1, 4, 19.
Quntenus scholae saeculo cedere debea?it. Disqiü-
sitio Joa. Nicolai Nickis, a IT'JO scripta.
vtuum Tibi , Jahni honoratissime , novos annales litcrarios auspicanti,
et rei scholasticac humanissime consulenti, etiam veicra cxqnisitiora
scripta non displicitura videantur; e rcTua futurum exisiimo , si magni
■philologi Niclasii *), scholae Michai-litanae Lunaeburgensis (a. 17C9-r-
1808) rectoris olim raeritissimi, proo-ramma Tecum communicavero.
Pauca hie vir exe. scripta edidit; sed hacc pauca multis allorura scriptis
longe praestantiora ! Amicitiae intimae, qua me, iuniorem multo a irura,
senex illc dignatus est, dandum puto, nc committam ut hiiius cgregii
viri memoria iusto ^citius diläbatur, "nedura hoc seculo evanescat. Ama
igitur mecum hunc virum, et locura huic libello in annallbus Tuis con-
cede ! **) — Dabam Osterodac , ad radices Ilercyniae ; nonis Janua-
xü 1826.
D. Pride?'. Hülsemann.
Quam, quae sub luna sunt, orania patiuntur inconstaniiam et mu-
tahilitatem , ab ea neque sunt seiunctae res praestantissiniae omnium ac
diviniäsimae , doctrinarum stiidia. Non enim modo, pro aetatis cuius-
que gcnio , artes et disciplinae aliae aliis coluntur impensius studiosius-
que; sed subinde etiam earum conimutationes ßunt maximae, ac ferc
incredibiles.. Hac mutationis lege nullam arteni scientlamve , ne thco-
logorum quidem disciplinam solutam esse , facile esset demonstratu , si
hoc nunc ageretur. {v. Jo. Matth. Gcsneri diss. de vi consuetudinis in
stud. litter. — in opusc. min. To. I pr. ] Si quis tarnen sit , qui velit
tanquam in rem praesentera venire, cognoscat ille, quae de medicae
artis inconstantia , et crebris commutationibus , iam conquestus est Pli-
nitis [h. n. 29 , 1.] : et quae philosophiac jacciderint , ipsc secum reputet.
*) V. Wolfs liter. Anal. To.l P. 2 p. 39G — 402, et Seebodü misc. critt, T. II P.
3 a pr. — Adde Lyringi biogr. Gotting. To. III. p. 34f).
**) Da dieses seltene Program so viel Bctrachtiingswerthcs darbietet, was auf
unsere zur Schulreforraation so geneigte Zeit mehrfache Anwendung findet , so ha-
ben wir ihm hier gern einen Platz gegönnt; im Allgemeinen aber liegt es von dem
Zwecke dieser Zeitschrift fern, bereits gedruckte Sachen aufznnehmcn.
Anra. d. Redact.
NIclas : quatenus scliolao sacculo cedere dcbeant. 209
Qiiarum \icissitudinuin caussa non una est. Ncque enini deside-
rlnm modo Inrinituiu illiid , qiiod natura animis nostii!» in<;eiuiit , de
qtio j)liilo>o|)1ioruin s.(lioliic praciipiiinl; iicquo lo^Itaü tantinii illa, ac
luiilahilitas Iioiniiiiini , ([iiac hoc Ll'fnit, ut vaiietate illis iiiliil AicUatur
iiuiuuliuti , cogit nos qiiii:<i , uti vt-sticndi , itii aLliiiin qiioqiie tractaiulii-
rnm nioreiu idc-iitideiu luiitaic, ac tanqiiaiu dilTiiigerc; (quo taincn
Aitio quIEuropani iiicoliiiit popiili , quoniain coriiin mores volatica Gal-
loriim gens re-jit, magis laboraitt, quam orientcm versus siti, qui an-
tiqui moris ^iint tenaris^iiui:) sed inulta ctiam sunt alia, qua« muta-
tioni ianiiam patct'aciant. — Priino quidtaii , cum et imperia, resque
pul)licae »ua?; habeatit aetates; [v. Flori prolo^uui] velut Ja Iiomhiihus,
ita liic qnoque, fjuriinlibct actulcm ani coiiiilari solciit niorca ; siia stiidia.
Certe nia^'inini illud ^ciciitiae Iinmanae luiiicn , Fraiiciscus Jiaco [ser-
niou. fidel. 3(> fincj cum aliis ita statuit: „In reipublicae alicuui!* adole-
scentia arma florcnt ; aetate media Utlerae ; ac deinceps, ad moraiu ali-
quam , duo illa simul llorere soleut. Devexa aiitcm aetate, artes me-
clianicac et mcrcatura.''^ Haec alio loco [de augmentiü scicntlar. IV, 2
fin.] üic repetuntur: „üpthite sanc a quihusdain aunotatum e.^t , nascen-
tibus et crescentibus rebut^publicis , artes militurcs ilorere : in statu et
culuiine po?itis, liberales; at , ad declinationem et decasum vergenti-
bus , vohipiarias.^^ — Porro , ratio teniporum , et oppovtunitas quanto
opere iiiiniutent Utterarum stiidia, quio est qui ignoret'^ Si qua ante
alia cnltorlbus suis vel divitias, vel honores, vel utrnraque promittant;
fervebunt haec , frigebunt reliqua. A quo tempore maihematiconim,
physicorunique diligentiani inpriniis foverunt principcs, huic scientiae
increliienta allata sunt , et afieruntar quotidie, immcnsa. Opporiuuilas
vero, quam di.vi , quautum valeat, testis sit Italia. Ilaeo cum cultac
antiquitati» nu)numeiita servarit plurima; in illis illustiandi» seinpcr
plurimum occu|)ati fiieruiit, quos illa tulit, homines eruditi. Et cum
aliquiimdiu fervor remisisse videretur; nostra aetate llerculaneum, quod
tut saeculis sepultum fucrat, datum in lucem conspectumque hominum,
de integro illum exs«scitavit. Multa etiam pendent ex lililms, oppres-
sionibus , ntraque fortuna, belli», pace , et reltus aliis Infinitls. Inpri-
mls rerum eonver.-iones publicaruin lilterarum quoquc statiim convel-
lunt. Sublata libertate, Honiae obniiitnit eloquentia, et locum cessit
phildsopliiae , alii>qiie iitteris umbraticis. Paulo vero post, quum ty-
ranni et huius fances premerent , iit quae sentiret haud liceret dieere;
ctiam haec exulavit, solumquc vertit. Uli etiam, qui profitentur artes,
nimis saepe lucri cupiditatc , aut vanitatis insolentiaeque impulsi stimu-
lis, ea quoque quae benc erant constituta, sollicitant, resque studiose
novant. tbi non rare novatores contraria secjuuntur, quae iis, quae
ante fuerunt in usu , ex diametro sunt opposita. Velut Chaimin medi-
cus, dainnatis Uoniae l)aline!s . frh/ulii lavari persuasit , mersitque ac-
groB in lacus. [L'lin. h. n. 3f>, 1 §. T).] Dcinde , quemadmodum studia
artium in mores transeunt; ita vici»sim mores saenili per.nanant ad stu-
<ha; et est eorum In haec amplisbima potestas. Quauidiu mores graves
sunt, etseveri, iMusac eandem prae sc ferent severitateni gravitatem-
Juhrh.d. Phil.v. fudag. Julir^A. U<fl 1. 14
210 A b h a n d 1 i) n g c D.
que. Contra niorum dissolutio, voluptas ac molUitcs saeculi, eadem ti
morl)I replctas Mu&as sccura traUent; et referentur omiiia ad volupta-
tem, ludos, segiiiticni, lasclviara. Uno verbo, latente disciplina,
desident pi-imo litterae; et ni»i in tempore fnlciantur, mag-is magisque
labcntur, donec tandem eant praecipites. Deniquc quis est aut acumino
et ingenio tarn paratus , ut possit caiissas, unde lUtcris ab allo in aliud
vicissitudo ac mutatiu oriatur, pervidere et investigare omnes; aut lin-
gua facundiaque tarn promtus , qui queat illas enumerare ?
Quac itaque cum sie se habeant; cum saeculuvi sit, doctrlnae partes
nunc has , nunc alias ornare studiosius : cum vis saeculi saepe raptim
artium mutationem faclat, et interdum in contrariura; merito qnaeri-
tur : An dcbcat genius sacaili etiam scholis impcrare? et, liceatne bis ei
indulgcre, an potius deceat eas cum co bdligcrare?
Ad banc quacstloncm non potest sirapliciter rcsponderi! Sed debet
dividi. Primo quidem, quoties accidit, ut fundus litterarum fructuo-
sior fiat , et res litteraria tota ti-ansducatur in melius ; sine dubio scho-
lae etiam paratae, intentacque esse debent ad impcria saeculi accipienda.
Sic, cum caeca barbaries omnia longe lateque diu tenuisset, et subito
nova litterarum luce discuteretur ista caligo; si divinae hulc luci adi-
tum claudere scholae voluissent: quis est, quin eas aeternis tcnebria
fuisse iudicet dignissimas ? Pari modo , si quando fiat artis alicuius in-
signis vel accessio vel emendatio ; hanc etiam scholas admittere ins et
Sas est. Si, ut boc utar, Musac in scholis Iiodie mallent canere potius
nd loannis Saxii modnm , quam cum Hallero^ esset hoc, frumento in-
vento , redire in silvas , et vesci glandibus !
Sed liaec est rarissima felicitas. Nam plerlque novatores non tam
id agunt, vel agere possunt, ut vitium aliqnoA virtuie corrigant; quam,
ut ne artem formam antiquam relinere patiantur! Igitur satis habent,
quaedam transßgurasse ! Hanc novam formam, si omnes dii adiuvent,
quam, diu vivunt tuentur ; simul ac vero banc scenam, ubi aliquamdiu
egerunt partes suas , reliquerunt, tina cum üs corruunt, quae architecti
isti magno conatu struxerant. Hie vero scholis illos duces non temere
sequi licet ; sed in via potius , quae Ulis a maioribus nostris designata
est, debent mauere.
Scilicet sunt scholae tanquam seminaria , ubi scruntur arbores^
quae alteri saeculo prosint. Quanta vero esset dementia, adolesccntu-
los, qui futuro saeCulo formantur, quod et ipsum suos sibi mores habe-
bit, qui vero, quales futuri sint, ignorantur, quoniam adhuc sunt iv
TW ccSrj, saeculi indole pi-aesentis ita assuefacere, ut suac actati parum
sint habiles ? Est igitur haec magna profecto , et adrairanda maiorum
nostrorum sapientia , quae iuventuti in scholis non tam formam discipli-
narum , quam maicriam et tanquam scmina tradenda praecepit. Et ciuu
maxima pars vitae ac muneris eorum, qui subliniioribus , quas vulgo
vocant, disciplinis sc tradiderunt, in sensibus, vel dei, vel legislatoris,
vel aliorum denique quorumlibet, recfe interpreiandis , versetur; divino
profecto consilio hoc constitutum est, omncm fcrc iuvcnlutem inter-
pretanda occuparc. Qui igitur 6ene interpretanäi artem ot subsidia.
NIcIas: quatenus scliolac sacculo cetlere dcbcant. 211
qwne in scliolis accopit, transfAt ad scientiam sanctam , ant logitlmam;
is, si rdiqiia accedant, boims crif thoologns, ot praeilaviis iiircconsnl-
tus , quiinirunqnr /oiTnam liis disciiiliiiis sacculum dcdcrit! Accedit et
hoc, quod eadcm ratione non fimdamcnta tantuni disciplinariim humm-
tiir idonea et firnia, sed disciplinac ipsae niaj^na ex parte sinnil tradun-
tur. Nosse, ut hoc iitai", Ronianae roipuMicae statiini, cum piiscum
lUiira , tum voro iinniutatuni ; coüiiitain liabcrc iudiciorum, qiiao Ilo-
mae hahiLa sunt, formam ; rilits , formulas in iisdein usitatas*, ita tc-
nerc, ut di^^itos tuo;*; pars est iiirispriuloiitiac profccto non conte-
ninenda. Hamm aiiteni rcriini cof^^nilio unde melius petitur, quam ex
lihris iisdem , quornra Icctio scholis bcnc constitittis pracscripta est?
Quidni et hoc addam, esse ibidem lej^nni ma^nam ubcrtatcm? Naturae
autem ac f^entium ins, qnantum quantnm iUud est, profecto non aliunde
rectius hauritr.r, quam ex bis fontibus, Porro, nc alia, quae hinc ad
theologorum scientiam redundant , enumerem eraolnmenta; cum, quid
de deo, de aniiiuimm statu ftituro, aliisque rebus, de quibus ipse prac-
cipit, gentibsis a vera relij-^ione reniotis innotuerit, scire, maxime inter-
sit theoloni; hanc scieiitiiun non ab aliquo , qui inter cbristianos philo-
sopliatus est , si rcctani vult instare viam , sed ab bis qui caruerunt di-
vina institutioue, consequi studebi^. Huius igitur cognitionis multnm
quoque vi propinat mos maiornm, qui in scholis salubriter obtinet. lam,
cum, quania sit saectdi i^is, in nulla doctrinae parte tarn sit manifestum,
quam in philosophia, utpote quae, tanquam si chamaelcon esset, ita
saepissime mutat colorcni; qualis haec in scholis esse dcbeat, merito
potcst disputari. Hie rero illam philosophandl i-ationcm , quae adole-
scentes unum allquem ducem sequi assuefacit, a scholis quam longis-
sime arcendam cum aliis egregie cordatis viris censeo. [v. Ccsncn/s in
disp. „de philosopliia in scholis rite tractanda." — Inprimis lac. Faccio-
lati or. IV. nullam esse adolescentibus tradendam philosopliiam , nisi
historicam.] \am qui praeoccnpat animos adolescentulornm fornndn phi-
losopliaudi qnacunqjie , anterjuam, qnid aera distent lupinis, ips^i poa-
sunt hidicnrc, is aditnm ad verum philosophiam illis non tarn patefacit,
qnam obsepit atque intercludit. Itaqne lue omninm mininie obtenipe-
rare licet sacculo, Sed si qua ratio v^t, qua ad aanam philosophiam per-
Teniatur, illa est profecto, qpiae ante de materia prospidenda, quam
de adhibenda fabro , moneat. Uno rerbo , philosophia in scholis tra-
derda debet esse hixiorica! — Cognoscant ergo iuvenes praecipua pla-
cita eorum , qui a Thalete inde ad nostram aetatem philosophiam sunt
professi; hoc quid^-m consilio propositoque, \it inde sauissima quacque
eligentes sil)i vhidicent, adeo(|ue ipsl sibi fonnent tanquam corpuscidnm
philosophiac, pulrbrum exquisitnmque , cuins inembra undiqnc conqui-
eita, apfe di^po^^ta, firmiterqne intcr se conncxa , formam habeant
dignisSimani.
Erit itaquc talis p/xVoso;)/»'« Ilelenac glmilllma, cuins imaginem
summns artifex Zcuxis ex pluribus virginibus quae venustatis laude ex-
ccllebant, snmmo effiiixit artifirio. Ad talem autem nunquara adspiraro
poterit ia, qui inagistro sc uni addj\It, et pars est aücuius familiae,
14 *
212 Abhandlungen.
quam ducJt umis aliquis , quantumvis lifcet ingenlo excellat doctrlnaqiie.
Kam omnia ei disipIiceLunt, qiiaecunque non cum herois sni statutis con-
eentiant, a quibus discedore, quasi sacramenti i'cligione obstrictus esset,
non audebit. Huic itaquc libcrc rciicicndi , lihcrcque probandi Ubcrtas
onnis est ademta; quae tarnen anima est philosophiae. Est vero liaec,
quam dixi , plülosopTiia historlca in scholarum clientelam etiam alio no-
mine coninicndanda. Nimirum sine eins ope optirai Graeciae Latüque
scriptorcs nunquam patebunt intelleetui eorura , qui iis Icgendis opcrara
dant. IVcque yero satis est, quid uni alterique haeresi, vel sectac,
praecipue placuerit, habere perspectum. ]\am cum liic huius sectac
nomine censeatur; ille vero alterius: imo vero, cum in nno sacpe libro,
aut carraine adeo , complura philosophiae genera inter se nunc compa-
renlur, nunc copulentur, nunc sibi opponantur; quam accurata omnis
philosophiae antiquae scientia in eo esse debeat , qui eorum , quae Ic-
git, verum pervidere vult sensum , nnusquisque facile intelliget. Con-
tra detur mihi aliquis antiquorum interpres ex schola quacunque philoso-
pJiorum, qui hoc saecnlo vel familiam duxerunt, vel adhuc ducunt;
haerebit in singulis paene verbis , et tnm maxime caecutiet , cum plu-
rimum videre sibi persuaserit; ubi nempe verba utrique scholae sunt
comraunia, in intellectu vero et vi eorundem maxima est distantia diffe-
ritasque. Ilistorica itaque philosopJiia , prout classicis scriptoribus est
accommodatissima ; ita vicissim lii illi operam tradunt mutuam, et alunt
eam ornantque lautissime. Nam ipsos fontes recludunt, unde illa pu-
rissime et maxima cum suavitate liauriatur. Eademque opera volenti-
hus apte of nateque loquendi conciliant facultatem , magnum sane cora-
modum. Quae cum ita se habeant ; cum historica phtlosophia multipli-
cem ph'dosophandi materiam suppeditet; cum tardius assentiri assuefaciat
adolescentes; cum, quae dicuntur , severius exarainandi faciat potcsta-
tem; cum deniquc, si non tantum ex corapendio aliquo , sed ex aucto-
ribus vetustis usu ipso addiscatur, simul cogitandi illam dicendique no-
bilitatem concedat: quis est, quL eam philosophiae seculari , quae bis
plerumque contraria efficit, longe esse praeferendara neget, dubitetve?
Sed non tantum sacculum est, varie transfigurare doctrinae partes;
sed saeculum etiam est, reliquis tantum non neglectis, nunc has, nunc
alias ornare impensius , maiorique colei;e studio. Quin videmus eius-
dem disciplinae , vel artis , partes quasdam saepe accuratissima tractari
diligentia, dum caeterae interim velut abiectae iaceant. — Qnaeris
exemplum? — Historia , cuius^ utilitas latissime patet, raro universa
aequo ardore est tractata. Sed qui eam curarunt versati sunt nunc po-
lissimum in sacra; nunc in civili ; nunc in arttiqua ; nimc in reccntiori ;
nunc in ea , quae medii aevi rebus obscuris lucem afferre studet ; nunc
in litteraria; nunc in naturall; nunc in alia quacunque. Tulit ea con-
suetudo in f undo litterario hunc fructum , sane qnam eximium , tit sin-
gulae partes excultae sint tanto exquisitius. — Sed-quacritur an eadem
in scholis sit admlttenda? Etiam hie cavebimus, ne praecipitetur respon-
8um , sed reddatur circumspecte , distincteque. Ante omnia igitui* hoc
generatim pronuntiari recte posse , vcrissimeque arbitror, illud his, qui
Niclas: quatenus bcholac saeculo cedere deLcant. 213
regant scliolas , inprimis magnoperc cordi esse debcre , ut ne circulus
iüe Utterariim, quem Graeci, quihus Miisu ctiain hie ore loqui rotundo
dedit, iyy.v>ilonai6£iav vocaiit, ullo modo dlriniiitur.
Est cniiu doctrina umim quoddaiii , quod non debet divelli ; et
sunt liberales tliscipliuac quadam quasi coutiiiuatione inter se iunctac
omnes, sibique iunexae implicitaeque vinculo indissolubili , adeo ut,
qui solvcre aut runipere hoc viucuhim audcat, litteri^j inferre cahiraita-
tem maximam aniaieque pestem putaudus sit. Ad haue gravissimam
caussam, acccdit alia haud sant; le\ior, haec scilicet: Cum ing-cniorura
maxinia sit divei?Itas , aliudquu ad alias disciplinas magiü a natura sit
inclinatum; pro^idcri omni modo in sdiolis debet, ut, quantum fieri
possit , disciplinarum, quae quidrm ad iclicitatem , vel publicam , vel
privatam, aliquod momentum habcant , cognoscendarum omnium detur
copia. INequc vero hoc solui^; sed opera ctiam adlüheatur nccesse est,
ut unusquisque ex omnibus, quae traduutur , tantum accipiat, quantum
ad iihim discipUnam , quam sibi unus allquiä clccturus sit , cui peculia-
rem impcndat opcram, cum inielUgcndam , tum vero etiam ornßnrfanj,
opus sit. l£is itaque universim sie constitutis, negari non potest , esse
quandam in his qiioque litteris , quibus iuvenilem aetatem innutrire so-
Icmus, quae adolescentibus ob animovum angustiara non ad plenura.
hauätum possint propinari , sed ubi sali» sit , gustum iis dedisse. Sic,
ut hoc utar , in philosophia multi loci sunt, quorum dlfTusa tractatio re-
ctius dilTeratur in maiorem aetatis ingeniique maturitatem; et ubi re-
ctius breviter defungatur magister, contentusqne sit data occasione tan-
timi dixisse, quantum apus sit ad intcUigendum auctorem, qui philoso-
phcn;nta huiuscemodi forte attigit. ka , de qua ante commeraoravi, ad
historiam ut redeam, illius institutio neque adstringi ad unam aliquam
eiusdcm formam , seu, ut vulgo dicere amant, speciem, debet; neque
vero in illo immenso mari tanquam plcnis velis vchi: sed debeut vasta
illa spatia , ad quae emetienda vix vita hominis sufficit, ante omnia ac-
curate describi; debent epochae tanquam diversoria constitui, ubi pe-
regrinantes interiungant; debet vniversa hisloria , ||uam late illa patet,
coniici quasi in locos geographicos chionologicosque niemoriae firmiter
iniprimendos, Verbo, non licet ita rem gerere, quasi splendidum illud
domicilium , in quo habitarc aliquando hi^toricus vult, statim oxaedifi-
cari debeat: verum ab initio tantum /i/Ju/«f/JCHfa , sei ßrmisshna, po-
nenda sunt, quibus omne genus historiac , prout cuique commodum vi-
deatur, queat imponi. — llactenus haec!
lam cum in scholis non ingcnium modo iuventutis alcndum , et cru~
dilionis fundamenia solida agenda sint ; sed quod summum bona in edu-
catione est, cum aninius ad omnem virtutcm conformari assuefierique
debeat; nova de jnoribus publir.is exi?tit quaestio. Sed haec, ut est gra-
vissima, ita bre^issime polest finiri. ]\imirum si m^ircs sacculi vitiis con-
taniinati sjnt, summa vi niti debent, quibus institutio publica manAdld,
est, ut revoccntur ad meliora fulei suae credili adolcscentes. Hie, quan-
tam opportuniLatem praebeat lectio auctorum, qni ob praestantiam suara
classici vocantur , quia inter ecriptores , poeit sacros , principcra locum
214 A b h {i 11 d 1 u n g c n.
merlto obtinent, dici tIx potcst. INtiiu cum nuda juacccpla segiiiiis irri-
tent animos; excmplu contra in iitraiuque partem IIlos veheiuenti*!«ime
iinpellant ; (|uantuiu illa antiquitatis oh luormii inpriiuis sanctitatem
eumiuo venerandac opcre monuincnta ad corrigaida sacculi vilia va-
leant; qulscst, qnin per sc perspiciat'^ Anmius iliemaj^nus, yui sü-
lam miruiur virtutcm, et culpam solam timct; divitiarum, honoruiii, vo-
luptatum , inlmicitiarum , laborum , perlculormu , et mortis deuique
contemtor ille animus , quem pepcrit iiutrivitquc saiictii>sima illa omuiä
virtutis raatcr et nntsix , fnigalitas ; ille igitur ercctus qiiondam animus,
undc , secnndinn illam historiae sucrae parteni , quae Martyrum heroica
facta exequitur , quam liinc, certius poterit resuscitari?
llunc ßiiem ouiies qui in schuUs docent sibi liabeant propositum.
Jurispiiidentla in Ciceronis oratione jfj/'o Tull'io accuratius
exponitur interprete Carolo Beiero.
x^ies diem docet, Sed si quam aliam, vel maxurae (»i vera faterl vo-
lumus) vita communis comproTjat illam sapientissumillomeri sententiam
U. K. 224.
2!vv TS 8v' iQxofitvco. aal te tzqo 6 rov ivSrjasv,
OuTtCOS K£q80S iT].
Ea de causa veteres scriptoresiucubrationes suas, antequam in Miedio
proponcrent, doctis atque iutelligcntibus arbitiis recitarc soltbant, iit,
quae Iii notassent, retractarent. Quod cum nobis, Tuilianarum oratio-
nuin fragmenta ab Amedeo Pcyrone in lucem protracta commcntanti-
bus non licuisset, factum est, iit pi-aesertim de rebus quibusdam foreu-
eibus in oratione illa j^ro Tullio disceptati» aliorum W. DD. aucto-
ritate atque aliqua s^ecie veri de recta via avocati quosdain erraremus
errores, a quibus primus coraiter, ut solet, literis hmuauissumis ac iu-
cundissumis ad nos datis , rcvocavit nos Frid. Haenelius, qui Vir lUu-
etris dudum Academiam nostram eximie ornarat, nunc potentissumo Sa-
xonum Regi a consiliis est in consistorio suprerao. Ego Aero pri-
mum diligentiam adhibendam arbitror, ut errores, quoad ficri possit,
evitemus ; deinde severitatem, ut errorum, a quibus cavere uon satis
potuerimus, faciles redargui nos patiamur eosque liaud cunctanter con-
fiteamur. Itaque liac, quae primum datnr, utemur opportunitate ex-
promendi ea , quae nos elegantissumus ille iuris civilis auctor docuerit
de fundamcnto actionis a M. Tullio institutae. Controversia fuerat inter
hunc et P. Fabium dj centuria quadam agri, quam prior TuUii vicinus
Claudius Senator, cui semel § 14 C. ; M. autem praenomcn tcr § 29
ascribitur, cum P. Fabio vendidisset agrum finitumum,in finibus demon-
strandis auctor non tradiderat vacuam, li. e. itd, ut nemo allus eam pos-
eessionem iure avocaret, e. g. conductor possessionis sibi locatae, aut
Beier: de iurisprudcntia «in CIc. orat. pro Tiilllo. 215
heres, aut crcditor, interprete Haenelio , qui comparat D. XIX, 1 de
aciiojiibits cmpti et vauiiti fr. 2 § 1 fr. 3 pr. § 1. Adde lih. IV^ ad He-
rcnn. 2«), 40, Hb. III in Tai: 28, ()9 fiii.,29, 70 pr. et, uLi liaec forniula
in allusione usiirpatur, 111 de vr. ol, 122. T'acua igltiir possessio dicitur
ca, fiiius traditionem nemo adest qui inipediat, ut hie ricinus, domi-
nus illius centuriae. Cf. Brissoniuni v. vacuus et Savinii, \iri Gen.,
librum, das Ihclit des Btsitzcs § 11 ad fin. A enditor ille dicitur auctor
ut pro Caec: 10, 27, quia praestare debebat fundi venditi evictionem et
carere, ne ricinus in cmptorL» fraudem sui agri lines proferret. Cete-
runi tisum co si^nificatu, quo, ut l'hcursu II exposuimus, in XII tabu-
lis oj)ponitur auctoritati, ita tarnen, ut ex tuo rei tisti tibi acccdat deni-
que per itsucapioncvi aucloriias , quae piioris domini amtoritutcm eie-
ret ac tollat, subtiliter Ilaenelius distiiiguit ab nsu vel itsii fructu, qui
rocatur apud posteriores iuris auctores , rerbi gratia 1. 26 D. de usu
et vsu frudu Icgat. et /.'35 de bon. Ubert. llis eniiu sie dicitur ins in
re aliena utendi fruendi fundatiuii fere pacto conrento rel testamento,
qnod multos per annos exerceri potest salva proprietate alius cuiuspiam,
ad quem recidat obitu usuarii rel fructuarii: tum rero proprletas, quae
deducto usu fructu dicebatur nuda, fit solida. Contra, cum fructuarius
ad usum acquirit etiam doiuinium , haec dicitur cpnsolidatio. INcc
tarnen demonstrationem finium pertinuisse ad acquisitionem dominii ne-
que semper cum traditione fundi coniunctam fuisse, sedrel ante relpost
fieri potuisse ericit idem V. D. laudato Cerridio Scaerola in D. XIX,
1 de act. emt. et vend. l. 48. Sed cum Fabius iam ante fines demon-
sti'atos, cum emytionis eum paeuiteret, maiorem agri modum proscri-
peisset, quam ipsi tradi posset ab auctore, eins socius Acerronius pro-
pterea Romae a TuUio appellatus confidenter potuit, quod commodum
fuit (nenipe ad se et socium excusandura, Tullio autera appellanti silen-
lium imponendum,) respondere, nondiim audorem fines demonstrasse.
Qua in controrersia ut possent ins suum experiri: constitutum
fuerat, ut ficret deductto moribits ; sed, antequam liaec fieret, eruperat
ris atrox et dolo malo familiae P. Fabii ri hominibus armatis coactis-
que damnum datum fuerat M. TmHIo. Dcductio modbus dicebatur item
vis ex convcntu, quia inter partes de 'ea conrenisset ; erat igitur iraagi-
naria et dirersa ab deicctionc. quae facta esset ri atroci et solida, h. e.
ncccssitate imposila coniraria voluntati, ut interpreteni adliibearaus Ulpia-
num in D. quod metus causa fr. 1. De intern eniente post deiectionera
interdicto illo'), quod a priniis rerbis nomine sollemni usurpatur
L.\DE J I, consenseram equidem cum Sarinio, Viro Perill. ; errare-
ram tanien in eo, quod deductionis moribus factae cundeni atque deie-
ctionis erentum fuisse rcbar. Crcdideram ctenim Cramero, IncUito iuris
*) Inintcrdicti vocaljulo praepositicmia vim Haenelii aeumen non refert ad
partes litigantct-, t^cd cum Gaio 1\', 110 ad id, quod jirüliibcrclur: uiide vocabulum
tralatum bit ad id, quod lieri iubcretur, ncuipc postquaiii aliquid factum cssfct contra
bonos morca, qund prohibciuhim fucral. Et baue bic dicitur i u t e r fari,
iutcrloqui, iotcrpellare, iutvr venire.
21G A b h a n d l 11 n g- e n.
Antecessori, eiusqiie tiiiic teniporis collegae, Ilcinrldiio , ad § 18 —
20 p. 251 ed. nostnie ceii'sciitibiis dcductionein luoi-iliiis co tuntiim con-
silio factani, quo statim possct ad inttrdlcta veiiiri fiiis#cqiie quai»!
praeparatoriaiu iiitcrdicti de vi qiiotiiliaiia. Atquo liaec «iiiiiia luce cla-
riiis patere apiul Ciccronein affiniiantes tarn gravcs diiiuuvu-i auctori-
tatc siia et confulciitia nos äubtiinidosi Itoniines et nobisniet dilTidentcs
totos sibi niaiulpaveraiit et in ipsoriim patrocliiiu acquiescere coegcrant.
Sed iam plenissume mihi persuasit Haeiielius;, Savinianae seiiteiitiae
vindex , iiicrcdibile esse quemquam possessorem hoc gratificatui'uin
fuisse adversario, iit vis ex coiiventii fieret: qua facta alter iuterdicto
posset cum ipso experiri, praescrtiiu qui numquam possedisset : qua in
re ipse etiam Fabii postulatiouciu miratus fueram p. 2(»2, cum £acile
praeviderera adversum ei litis exitum. Itaque relinquitur hoc, ut Savi-
nius, cui assentiri videtur b. llauboldus in epiciisi ad Ilehiectii antiqq.
Roman, iurispritdentiam illustrantinm syntagma IV, 6 § 24, 25 p. 950, recte
censuisse videatur deductionem moribus factam pertinuisse ad praepa-
randam vindicationera ex iure Quiritium. Hoc tarnen in ambiguo reli-
qult Air Perill. , queniadmodum ea cum ritu vindiciarum snmcndarum
coniuncta fuerit et quo consilio, Suspicor equidem eam institutara
esse ad definiendum, uter foret petitor, cui res esset vindicanda, uter pro
possessore, cui illius auctoritas vindicandi esset infirmanda. |taque
coniuncta esse poterat cum vocatione in ins et cum vadinionii promis-
sione. In lito vindiciarum autem ipse petitor poterat constitui intei'im
possessor : id quod colligimus e Gaii institt. IV, 16.
Magis* etiam paenitet, me credidisse Amedeo Peyroni , qui ad §
7 ed. nostrae p. 235 iudiciiim de damno vi coactis armatisve honünir-
btis dato repetit ex intcrdicto quodam, fantum non eodem atque illo
de vi armata. Iluius erroris quasi quadam contagione infectus occu-
pato iudlcio non satis attendi ad verissumam Savinii sent<!ntiam eaiu-
que meis verbis intcrpretando in partes trahere insciens conatus
sum ; sed , quod mihi accidlsse magis etiam , quam f ortasse ipse Vir
Perillustris , aegre fero , sie de eius veritate detraxi. Et sane quo-
niimis ab hoc errore caverem, in causa fult illud , quod, si villa
tantum M. Tullii incensa disturbritaque fnisset nee vei'o homines pes-
sura dati, postulari potuit interdictum QUOD fl AUT CLAM. Vide,
sis, liuius erat. § 53, ubi ad verba: si hodie postulcm \ntell\gei inter-
dictum, ut restituas etc. INunc vero tota familia -ingulata cum unus
Philinus graviter saucius e caede effugisset rei tam atrocis nun-
cius (§ 22): poterat sane M. Tullius videri quasi deicctus de centu-
ria controversa postulasse interdictum de honiinibus armatis,
quo intcrdicto simul rcstitueretur DAMNUM DOLO MALO DATUM.
Etenim interdictum illnd DE VI ideoque multo magis hoc d e
armatiä hominibus, quippe vi atrociore, non solum rcstitnere
iubebat, unde aliquis deiectus esset, verum etiam, quae tunc ibi hahcict:
ut ait ipse Praetor apud Ulpianura in D. hoc tit. (XLllI, 16) ir. 1 pr.
Itaque fundo, a quo vi expulsus essem, restituto , ceteris vero rebus,
quae ibi tunc habueram, non restitutis, si vi bonorum raptorum
Beler: de inrisprud cn tia in Cic. orat. pro Tiillio. 217
(vel, qubd perinde est, ilainui dolo iiialo dati) de Imiiisniodi rebus vel-
leiu cxperiri, potcram hoc nico arl)itrio habere, ^t'A tntcidiclum nihilo
viiniis ti'iicbat : secundum eius^d. leg'. § 32 adeoque, ctiam si homines
vd pccora ihnwrtua csscnt poH dcicclioiicm, iutcnUvlo loctim fuisse scri-
ptum Ic'iimus ib. § 34. Dadi^HC sciibit Juliamts cum qui vi dciecit
ex eo praedio, in quo li mincs fucrant, jyropius esse, ut
etiain sine cidpa eins mortuis h m inibus aest i mationcm eo r u m
per I nt e r d i c t u m r e st i t u c r e de beut. § 35. Ilitic conseqiicns esse
ait, «t rlllae qiioquc et acdium incendio c onsnmptarum prc-
tium restilucre logalur. Quid igitur ccnseiuus si ipsius dolo malo per-
ieriiit lioniiiies inceusaeve aedes fuerint? Cf. Savinii , Viri Perill.,
additamentuui ad g 40 ed. IV. lihri pereruditi, das Jieclit des Besitzes p.
414 sq. l'iaeterea illud lue fefellit, quod in luic ips:a orationc f>ro Tul-
lio §2!), 30, 44, 45 exponitur aiitiqiiius , illud iuterdietum de Vi
eiquc opponitur aliud quoddam recentius, ut videtur ideni, quod in or.
pro Cäcina 11, 32 seqq. c. 19, 55 seqq. benc exponitur, de li o in i -
nibus ariuatis § 46. jige illud alt er um inter dictum con-
sidercmus, quod item nunc est constitutum propter e an dem iniqui-
tatem ic7nporum. Ego voculis item nunc respici putabam non iiisi ad
prius illud iiiterdictuni, et rtescio an recte. Sed proxuma verba pro-
pter ean-dcm iniquitatcm ianporum nimiamquc hominuin [licentiam]
rcspiiiunt satis auerte ad superiora § 8 hoc iudicium j^aucis hisce annis
propter ho min um malam consucludinem nimiamque licentiam
constitutum est . . . M. Lucullus primus hoc iudicium composuit, iieiupe
de vi Coactis armatisque homi nibus (§ J)). Ei-go ab hoc
haud arabigue distinguitur utrunique illud interdictuni, non nisi tum
gimilitudinis tum dissimilltudini» causa comparatum indice et teste For-
lunatiauo iu lihctoric. Hb. II (p. 17 ed. Capper.) voluntas legis . , . con-
sideratur . . . cum c x cm plo multarum le gum probamus , pr ae-
sentem quoque legem ita sentire , nt nos dcfcndimus : siciiti M.
Tullius fccit pro M. TuUio. Eadem de causa ruiltus fuit iu coniparanda
lege Aquilia^ quae puniebat damnum iniurid (v. Ernesti ad Cic. pro
Roscio com. c. 11 adnot. 25) vel damnum iniüriae : quae est lectio Flo-
rentina in D. XLI, 1 de acquir. rer. dorn. 1. 54 § 2. item IX, 2 fr. 33
pr, in Gaii institt. Veron. III, 210. IV, 0, 37, 76 et in Justlniani instt.
IV, 8, 4. Ea si vera sit, equideni agnoverim Genitivum originis, ut
feit damium ab iniuria factum, per iniuriam dalum (ut p. 24!) explicuimus
usus uuctoritatem, usus capiuncm), vel etiam Genilivuni effectus, ut sit
damnum, in quo inferendo fit iniuria. Gcrli. Noodt. Üb. sing, ad legem
Aquiliam (in 0]>p. Lugd. Bat. 1724 p. 135) laudatur Ilaenelio, qui ipse
damnum iniuria datum persecutus est in libro egifgio Versuch einer
kurzen und fasslichen Darstellung der Lehre vom Schadenersatze. Lipsiao
1823. 8. § 34 — 36. Videtur autcui iudicium de vi coactis arma-
tisque hominibus M. Luculli l*i'a(;toris edicto constitutum fuisse
diversura pro re nata , modo vi armatis li um inibus damui
dati (§27) modo vi bonorum ra p to r u m, modo utriusque liuius
delicti, ut in hac ipsa causu § 42. la hoc iudicio videlis agi de vi;
218 Abhandlungen. ,
videtis agi de hominibus armatis ; videtis acilißciorum expugnationes,
agri vastationes, hoviinum tr'ucidationcs , incendia,
rapinas, sanguinem in iiidicitim venire: qiü locus cgrcgio convenit
cum ipsis Praetoris vcrbis in D. XLVII, S l. 2 pr. Si cui dolo mulo
hominibus coactis damni quid factum esse dlcetur, sive cuiusbona
rapta esse dicentur . . . iudicium dabo. Comprobat liaeiielius §7
receptani a iiobis Icctionem damniim datnm, quippc in formula, cum sol-
leraniter sie dicatur respectu eius, qui fecisse dicitur; contraque da-
mntim factum , ut Peyron ediderat, et rarius et respectu eius, cui illa-
tum est. Itaque fortasse etiam § 32, ubi in cod. legitur : si ita iudi-
cium datum esset, QUJNTAE PECUNIAE PAKET A FAMILIA
P. FABI HOMINIBTS ARMATIS DAMNTM M. TVLLIO . . . TUM,
rectius supplcbitur DATUM. Kescio autem an ibi in ea formula con-
eecutio temporura poscat luiius gerainationem syllabae, si pareret, ut
in divin. in Caecil. 17, 56. Et actioneni quideiii vi bonorum rapto-
rum Luculli edicto constitutam probe ab interdicto de vi armata seiun-
xerant removerantque duumviri cati et Cramerus et Savinius in Jano
6UO iuris perito (Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft) vol.
III t. 3 p. 433. Ergo quod apud Ulpianura in Digcstt. XLVII, 8 fr. 2
§ 18 scriptum extat: Si quis suam rem rapuit, vi quidcm bonorum
T apiorum non tenebitur, sed alitcr mullabitur, id commodissumc ex-
plicare videtur Haenelius, äpposite laudata lege Iidia de vi privala
ibid. § 1 et od leg. lul. de vi priv. (IIL, 7) fr. 5 vel etiam decreto Di-
vi Marci in D. (IV, 2) Quod vietus causa gcstum erit, 1. 13, nisi forte
locus ille adiectis verbis sed aliter •multabitur interpolatus fuerit a Tri-
boniano, respiciente ad constitutionem Imppp. Valentiniani, Theodos'ii
et Arcadii in Cod. Justin. VIII, 4 nnde vi 1. 7 id quod acutissunio iuris
interpreti probabilius fit eo, quod idem Tribonianus in Justiniani in-
stitt. IV, 2 § 1 in ipsa expositione rfe vi bonorum raptorum laiidat Di-
vales constitutiones, quibus pro hac parte prospectum est , wt nemini liceat
vi rapere vcl rem mobilem vsl se moventem, licet suam eandcm rem existi-
met: sed si quis contra statuta Principtan fecerit, rei quidem suae dominio
cadere: sin autem aliena sit, post rcstitutionem eius, etiam aestimationcm
eiusdem rei praestare. Praetcrea Haenelius , Vir 111. , adraonet haue
actionem distingui etiam ab actione damni in t u r b a facti
item poenali, sed in duplum, in D. IIIL, 8 (vi hon. rapt.) fr. 4. Actio-
nes ex interdictis rcstitutoriis erant in simplum, nimirum ut actor recu-
peraret amissam posscssioncm ; nuUam liabebant poenae adlectionem,
nisi facta esset sponsio ; nam tum quidcm poenae nomine accedebat
sponsionis et restipnlatlonis atquc interdum etiam fructus licitationis
summa, ut expo&uimus Excursu IV, p, 2f)l> seq. Contra nostra liaec-
actio erat in quadruplum idque sine ulla sponsione: id quod arguit for-
nmla § 7 proposita cum taxatione damni facti. Hoc vocabulum anti-
quiores scriptores usurpant de petitore (\ide Gaii locos a nobis p. 2fiG
laiidatos); sequiores fcre de ipso arbitro , ut illi, quos Haenelius lau-
dat, Paulus in D. IV, 3 de dolo mala fr. 18 pr. atqiie Ulpianus D. \l,
1 de rei vindicat. fr. C8 et XII, 3 de in Ut. iur. fr. 4 § 2. Ncscio an
Bcier: de iiirlsp r u il on t i a in Cic. orat. pro Tullio. 219
usus loqueiuli sie inutiitus fiieilt co, quod ad taxalioncm ab iict(trc posi-
tain aibittr aestunuUioiiem Ulis accoiuniodiii-e debebat ita, ut Jie pluriä
Cüiulciunaret reiiiii, quam taxatttni esset. Acstumallonan siniul coiu-
prehcndcre videtur ap. Senccam IJontrov. IV, 27 p. Bip. -5)7 taxationc
defunoi damnatum aiit iniuriarum pocna. Rulia igitur sponsione l'actii
a Tullio : tanion in priore actione testes intcrrofj^ati fucrant. Eo spe-
ctat ipsniu oi'aliouis pihuipiuiu , iibi evanidac literae y/»»^» •S^^,,»
ü./ lacilhuue sie suppieri posse videntur: Anica sie hanc causam
cGGREiSUS Eio^I (vel FLEr«^l) lltciperaforcs, ut nunquam diea/ros
advcisarios aibilrarcr ete. Stquitur eniiu : Itiiquc animo soluto a cura
et a cogHaLiuiic vener am etc. Siiuilitei* Antonius de sc ap. Cieer. da
or. II, 44, 18() cum aggrcdior äncipitcm causam. Abruptiuu rei
ati'ocis narrationein §22 sie satis coinmode suppleveris : „Cinu am /et
in comm" une consnluisscnt: placuit prius congressu et constituto de
tantis iuiuriis experiri: h. e. die Güte zu pflegen. Vid. I. Klerk de Cice-
ronis or. pro Coelio (L. B. 18-5. 8.) ad c. A III p. 75 seqq. Item § 36
iam sie snppleverbn post vv. non id solum agitur — lüanteiu lacunaiu —
„ in fioe iudieio , Rcciperatoies, ut IM. Tullius per sententias vestras
buuni ius teneat". Actioni TuUü advcrsarius exeeptioiicm opposuerat
Lanc, ut dolo malo se fecisse infitias iret. Cicero autciu § 29 hanc stran-
gulat replicatione, ia vi dolum mulum inesse : de qua al) iui-econsultia
recepta scntentia Haenelius, eruditissimius explanator, comparat ülpiani
verl)a in fr. 2 § S. D. vi hon. rupt. (HIL, 8) qui vini facit, dolo malo
facit : idemque elficit coUigens summam sententiarum inter se couipa-
ratarum in D. IV, 2 (quod mcius causa gestum erit) fr. 1 quodciimque
vi atroci fit, id m etu quoque fieri videtur, et fr. 14 § 13. cum, qui
metum fecit , et de d o l o icneri certum est. AHae adversarü exee-
ptiunes niemorantur Iiae § 54. At servus mens non comparet, qui visus
est cum tuis; at casa mea est incensa a tuis. Respondet Cicero: Quid
postea ? Hoc sequitur , ut familia M. Tulli eoncidi oportuerit ? vix (me
llercide!) ut corium pcti, h. e. ad dominum aeccdere te pctcntera,
ut noxios servos verberibus castigari iuberet. Sic Seneea de constan-
tia sap. V. 14. Ille pusilli animi est, qui sibi placet, quod ostiario libere
respoudit, quod virgam cius fregit : quod ad dominum accessit et
petiit corium: ubi Murctus : i. e. petüt, ut osliarius vapulet.et sibi
de corio eins satisfiat. Rectius hie, quam Lipsius in n. 127. „Phrasim
quis e Latio milii pracstat ? Ego olira voh'bam petiit loru m." Prae-
stat h. 1. Tullius, et Plautus, apud quem in Mostell. V, I, 19 ipse do-
minus serio. suo iratus sie loquitur : Cuius ego hie ludificabo co-
rium, si vivo, probe. I'crgit Cicero de hae re : yigi quidcm usilalo
iure et colidiana actione potuit. l'robata interpretatione nostra de fugi-
tivo in saltus adujisso Haenelius suppeditat actioncm de servo rorrupto
noxalem in dnpium e IJ. \I, 3 (de servo corrupio) fr. 1 pr. Ait Prae-
tor: 'Qu/ serium, sercum, alienum, alienam rccepissc, j^crsuasisscve quid
ei dicctur dolo malo, quo cum, cam dctcriorem facerel, in cum, quanti ea
res erit, in duplum iudicium dabo : coli. ibid. § 2 et Cod. Ixistin. IX, 20
ad leg. Fab. de plagiur. l. 2. Hanc ipsam legem n nobis agnilum apud
220 Abhandlungen.
Ulpianum in D. XI, 4 (de fugilio.) fr. 1 § 2 li. 1. indlcari putaraus
verbis usitato iure : erat eiilm Tullio • iintiquior. V. Hofnuiunl historiae
Iuris Rom. lustin. Vol. I P. I p. 117 et Christ. Erdiu. Deylliig (praes.
Car. Ott. Recbenberg) diss. ad l. Fabiam de plaglarüs. Lips. 1745. 4.
Ea lege cavetur, ut über . . , qui servo alicno scrvaevc pcrsuaserit, ut a
domino dominave fugiat, vel eum eamvc iiivito vel inscienie domino domi-
navc cclaverit, invinctum Jiabuerit sciens dolo mcdo, quive in ca rc socius
erit, cius poena [pccuiiiaria, v. D. tit. statira cit. § 7] teneatur, teste
Callistrato in D. IIL, 15 fr. 6 § 2, ubi in ipso titulo inscripto secun-
dum lectionem et Florentlnara et Noricam habetur lex Fayia. De per-
mutatione harum literarum b et v dixi ad § 21 n. 1 p. 263. Sic habe
pro ave in notis Tironianis et berber pro fcrvere in carmine fratrum ar-
valiuni. V. Grotefendi lateinische Grammatik vol. II §. 190, 195 pr.
251. Illam orthographiam cottidiann et coiiidie HaencKus, eriidltlssumus
iurisconsultus, repperit ctiam in Digestorum lib. XLITI. tit. 20 de aqua
cottidiana*ct aestiva et apiid Ülpianiim tit. eod. fr. 1.; hanc autem
volgareni quotidie et quotidiana iam apud antiquiorcs iuris auctores Sal-
vium lulianum et Neratium Priscnm ibid. fr. 5 et 6 biinilltertiue apud
Varron. de re rust. 11, 10 § 4, quem locum tractavit in dissertatione
pereleganti de acquir. rerum dominio p. 20 not. 3 cui pro IVominativo
qiii, quem reponi nialuerat Gesnerus, Ne hnc referas locum Cic. lib»
I de rcpubl. I, 4 § 4. Is enim fueram , cui cum Heer et .. maiores ex
otio fructus capere, quam ceteris, . . . non dubitaverim . . .
meis . . propriis jjecicwh's parere commune reliquis otium; nevo ibi cum
Frid. Car. Wolffio , ludi Flenopolitani Rectore diguissumo , (in docto
progr. a. 1824 edito) reponas qui, animadverte ad attractioncra modi,
qualis est in Bruti epistula ad Cic. 16 lib. I. ad Brut. p. 675 Cicer. ed.
Orellianae : Octavius is est, qui quid de nobis iudicet, e x p c ctet po-
•pulus Romanus? Sed illuc re\ertamur, unde exorsi sumus. Ilis ita
retractatis, quae in commentariis nostris ad antiquum ins civile spe-
ctant, si qui alii levioris raoraenti relicti fuerint errores , aut sponte
cotruent, si quis ad haec attenderit, quae ex Haenelii penn doctriuae
liberalissume suppeditata sunt, aut ab aliis W. DD. et de Tullio et
de eins interprete atque adniiratore bene meritui'is corrigentur. Vale,
Lector, et fave; et, si quid novisti rectius istis,
Candidas imperti, si non, bis utcre mecum.
M i s c e 1 1 c 11.
tiine sehr ausführliche Beurtheilung der neuesten metrischen Ueber-
sctzungsversuche des Homer von JFolf [in den literarischen Analekten 1
S. 219 u. III S. 137], Konr. Schwenck [Zehnter Gesang d er Ody s-
see. Bonn, 1822. 8.], K. L. Kannegiesser [Das erste Ruch der
M i s c c 1 1 c n. 221
Odyssee. Leipzig-, 1822. 8.], und der Abhandlung lieber den He-
xameter und die Lebe rset zun <ren in diesem Sylbcnmafs
von Falbe [in SccLodc's xXrchiv für IMiilologic und Piidagoj^ik. 1824.]
etcht in der Jenaischeu Lit. Zcitunc:. 182(), Ar. 45 — 49. Der Ueccnsent
spridit sich darin mit vieler L ni-^ieht über die pro:5odi»chen und rhyth-
uiischen Gesetze heim Hau de» Deutscheu Ilexiimeterei aus , tadelt vie-
les an den genannten Uehersetzungen, und gieht eigene Frohen einer
Üehersetzung des Homer, ^lit Recht vei'virlt er auch ausser Kanne-
giesscrs grundlosem tinmischeu des Keims in den Homerischen Hexa-
meter die AVülfisclie Spielerei, die einzelnen l'üsse de» Griechischen
Verses getreu v iedeizngehen , >veil mau aul" diese "Weise der Deutschen
Sprache zuviel Gewalt anthun müsse. Daher zieht er In Hinsicht dc8
^ ersbaues und der AVahl des Ausdrucks die Vossisc.he Üebersetzung vor.
Seine Aussteilnngen sind sehr gegründet; nur dürfte noch zu erinnern
seyn, dass es nicht hinreicht, den Sinn des einzelnen Verses getreu
•wieder zu geben, den Hexameter prosodisch und rhythmisch möglichst
vollkommen zu bilden und eine Sprache zu Mahlen, die der Homeri-
schen an Einfachheit und Kindlichkeit so nahe als möglich steht. . Die
Hauptsache ist, den Geist und Ton des ganzen Gedichts aufzufassen
und Aviederzugeben, und zugleich der Sprache keine Gewalt anzuthun
oder sie durch Einmischung Griechischer Wortstellung zu entstellen.
Diese beiden Puncte scheint auch A ofs nicht gehörig beachtet zu haben,
und besonders findet man sie in der zweifen und den folgenden Aufla-
gen seiner Üebersetzung vernachlässigt. Die erste* Ausgabe halten da-
her A iele für seine treueste und gelungenste .Üebersetzung, obgleich
der Vers prosodisch und rhythmisch noch nicht so gerundet imd voll-
endet ist, als in den folgenden.
Die Erfindung der Lancastcr'scÄ cn Unterrichtsmethode,
welche jetzt in America, namentlich in Columbien, soviel Beifall fin-
det, wird ilirem Erfinder streitig gemacht. Der Russische Staatsrath
SZoL'fsoJ'' (Slowzow), Inspector des Schulwesens in Sibirien, fand nehm-
lich im vorigen Jahre bei dem Stamme der Buräten (Borriaten) am Bai-
kalsee, dass die Lamas beim Unterricht im Rechnen und Schreiben
sich dieser 3Iethode bedienten f namentlich mit Sand bestreute Tafeln
anwendeten), und hörte von ihnen, dass sie dieses Verfahren von den
Thibetancrn gelernt hätten, Avelche sich desselben seit undenklichen
Zeiten bedienten. In Indien aber fand Pctcr della Jolle schon am Ende
des Ifiten Jahrhunderts diese» Schreiben in Sand und ein ähnliches Ver-
fahren beim Erlernen der Arithmetik. S. Abendzeitung 182(» Nr. 96
S. 383. Lancasler, der sich lange in Indien aufhielt und dort seine
Methode erfunden haben soll, erlernte sie also walirscheinlich von den
dortigen Priestern. — In wie weit sie auf Schulen anzuwenden sey,
hat zuletzt untersucht G'. F. Schumacher, Prof. und Rector der Dom-
schule zu SchlesM ig: Einifre Jf^ortc über die Hell- Lancaster''-
»che Methode. Einludungsschr. zum Schulexamen. 1825. 23 S. 4.
222 M i s c e 1 1' e n.
In Genf hat vergangnen Winter Hr. Dr. Clirist. Müller durch Vor-
lesungen über Deuts^che Literatur den ersten Versuch gemacht, die dor-
tigen Franzosen mit dem, was Deutschland in den Wissenschaften, zu-
mahl in der Poesie, seit den Minnesängern bis auf luiscre Zeit geleistet
hat, bekannt zu machen. Sein Erfolg soll glänzend und der Beifall
ausserordentlich gewcseu seyn. Unter andern gefiel die Vorlesung über
Götlie so sehr , dass Müller einige Tage nachher ein kleines Paquet mit
der Anfsdirift : A Mr. Muller , Souvenir de ses auditeiirs , erhielt imd
darin die schöne von Bovy in Genf zu Göthe's Jubiläum gearbeitete
Medaille fand, auf der Göthe sehr treu dargestellt ist. Zwei seiner
Vorlesungen (die Einleitung und die Bemerkungen über die classische
und romantische Dichtung) hat er unter dem Titel: De la littera-
tiire all cm and c *) zu Genf bei Pachoud herausgegeben und sie sol-
len jetzt in Paris grosses Aufsehen machen.
Mehrere bisher unbekannte Bruchstücke des Florus hat der ge-
lehrte Italiener Michael Pansrini in einem Kloster zu Verona entdeckt.
Die ausgezeichnete Sammlung Aegyptischcr AltertTiümer,
welclie Salt nach Livorno gebracht hatte, hat der König von Frankreich
für 250000 Fr. aus der Civilliste kaufen lassen. Ausser mehrern Sphin-
xen , einem königl. Sarkophage und 117 Kisten mit kleinern Gegenstän-
den enthält sie 80 3Ianuscripte auf Papyrus, die ganze ein Basrelief bil-
dende Mauer des Pallastes Karnac, mehrere Figuren in Gold und Edel-
steinen, mehrere ächte Griech. Gemähide auf Holz und Eins auf Lein-
wand u. s.w. Zu Paris soll sie, in einer besondern Abtheilung für
Orientalische Denkmäler, in dem königl. Museum (im Louvre) aufge-
stellt, und unter die Aufsicht Chämpollion''s d. Jung: gesetzt Averden,
der dann in den Sälen, avo diese Monumente stehen, Vorlesungen über
Aegyptische Altertliümer halten wird.
Die bedeutende , besonders im Fache des Griechischen, Römischen
nnd Sächsischen Rechtes sehr vollständige , und in den Antiquitäten und
der alten Literatur der Griechen und Römer reichhaltige, gegen 10000
Bände starke Bibliothek des verstorbenen Domherrns u. Prof. Dr. Ilait-
bold zu^Leipzig hat der Russische Kaiser Nicolaus I. für die Universi-
tät zu Abo um 17000 Silberrubel kaufen lassen. Sie wird daselbst als
BibliotJieca Hauholdiana, mit der Büste und dem Portrait des verstorbe-
nen Besitzers aufffestellt werden.
In Ostindien soll der Lieutenant Poivles Bourlton, von der Benga-
*) Der volle Titel ist: De la littcrature Allemamle. i>eux fragmens
da cours de littcrature Allemaiide donnc k Geneve par Mr. Chretien Muller,
doctcur de luniversitö d'Jena etc. Geneve , I. I. Pachoud. Paris , ruc de Seine
Nr. 48. 1826. &3 S. 8. Eine ausführliche Anzeige davon steht im Tübinger Litera-
tur - Blatt 1826 Nr. 28.
Todcefälle. 223
lischen Arlillcrle in Assara , die Quelle clca Bnramputcr (der Bramapiilra)
unter 28° X. B. 113° 44' O. L. (96° lO' v. GieenM. ) In einer Selinec-
p^ebirg^rciiie entdeckt haben. Sic liegt 1000 Engl. Meil. (200 geogr. M.)
von dein Orte entfernt, avo man sie veruiutlicte. Nach Hamilton'^
Cliarte von Vorderindien cntjjiringt der Fluss aus dem See Soinchi unter
31° 27' N. Br. u. 101° 15' O. L.
Den IGten März gelangte der Naturforscher Ilr. Dr. Reni^ger der
Jiing. naeli vieljähriger Abwescnlieit und langer Gefangenschaft in Pa-
raguay glücltlich in seiner Vaterstadt Aarau wieder an. Er liat über
nieluere Zweige der Naturgeschichte in Amerika viele neue Bemerkun-
gen mitgebracht.
Den 22sten 3Iärz kam Ilr. Dr. Ehrenberg von seiner belnalie Gjährl-
gcn Reise durch Aegyptcn , Nublen, Abcssinicn, Arabien und Syrien
V ieder in Berlin an. Drei Wochen vorher war sein Begleiter Hr. Fal-
Jicnstcin daselbst eingetroffen.
Die vor drei Jaliren auf Entdcckxmgen ausgesandte, vom Kapitain
von Kotzcbuc geführte kaiserlich Russische Corvette, die Unterneh-
viung, traf den ISten Juni wieder in Portsmouth ein, und wollte von
da den 25tcn oder 26ten Juni nach Petersburg absegeln.
Herr Dr. Fr. ScJiulz, ausserord. Professor der Philosophie an der
Universität Giefsen , welcher seit 3 Jahren , mit Erlaubniss und Unter-
etützimg seiner Behörde, zu Paris dem Studium der Orientalischen
Sprachen oblag , hat von der grossherzoglichen Regierung Urlaub auf
unbestimmte Zeit erhalten , um auf Kosten der Französischen Regie-
rung eine Reise nach Persien zu machen.
Todesfälle.
Afen 3ten Januar starb zu Ilomel in der Ukräne der Russlächc Reichs-
canzier, Graf A7co/aws Romanzoff, ein ausgezeichneter Gönner und Be-
förderer der Wissenschaften, im 73sten Lebensjalu'e. Von seinen Ver-
diensten um die Wissenschaften erwähnen wir nur, dass er seit 1813
den Russischen Codex diplomaticus herausgab , auf seine Kosten eine
Entdeckungsreise um die Erde machen liess, und noch kurz vor seinem
Tode den cvangelisclicn Prediger Mrongovius zu Danzig veranlasste,
auf seine, des Canzlers , Kosten die Gegenden der Kaschubcn in Pom-
mern zu bereisen und Ihre Volkssagcn undUeberlleferungen , sowie ein
W ürterbuch ilirer aussterbenden Sprache zu sammeln.
Den 4ten Januar zu Petersburg, bevor er den 7ten Januar sein
224 Todesfälle.
öOjiihriges AmtsjnLlläum feiern konnte , der Akademiker und wirkliche
Staatsrat!! iSkol. Wufs (geboren zu Basel den 23ten Jan. 1755), Ritter
des St. Annenordens zweiter und des Wladimirordens dritter Classe und
Mitglied vieler gelehrten Gesellschaften, Er >var früher der Gehülfe
Euler's und später der Gatte einer Enkelin desselben, und hat sich als
Mathematiker rühmlicli ausgezeichnet. Sein Gehalt, den er als Aka-
demiker bezog — 7300 Rubel jährlich — ist seinen Kindern als Leib-
rente verliehen worden. Vergl. Schulzeitung 1826 Abth. 2 St. 20. Hall.
Lit. Zeitung Nr. 104.
In der Mitte des Januars zu Upsala der berühmte Orientalist und chc-
niahlige Professor an der Universität zuLund, zuletzt Canzleirath, Mt-f A.
l^oroerg, im 7ysten Lebensjahre, nachdem er kurz vorher das Verzeich-
niss derauf der Bibliothek zu Upsala befindlichenPersischen, Syrischen
und Arabischen Manuscripte vollendet hatte.
Den 20sten Januar zu Herrnluit der Graf Ileinr. Lcpcl (geboren zu
Nassenheyde in Pommern den 2ten Mai 1755) , Mitglied der Akademien
zu Berlin unch Rom und Inhaber des Preuss. rothen Adlerordens zwei-
ter Classe, ein achtbarer Kunstkenner, Numismatik er und Theolog.
Er hat geschrieben: Oeuvre de Claude Gelee, Dresden 180<>,
Catalo gue des estamp e s d^aprcs Rafael par Taurisciis
Euboeiis, Frankf. a. M. 1819 , u. Verzeichniss der Gcmähldc
Raphaels, Nassenheyde 1825. Er hinterlässt im Manuscript ein
Werk über die alte Numismatik und ein noch ausführlicheres
über die A p okalypse. Seine bedeutende theologische Bibliothek
hat er dem Pfarrer zu Nassenheyde , seinen übrigen sehr reichen Bü-
cherschatz , sow^c seine unvergleichlichen Sammlungen von Kupfersti-
chen alter und neuer Meister, Münzen, Büsten und Gypsabgüssen der
Akademie zu Berlin vermaclit. Vergl, Hall. Lit. Zeit. Nr. 80 S. 650.
Morgenbl. Nr. 80 S. 320. *
Den 29ten Januar zu Berlin der Director des loachimsthal'schen
Gymnasiums, Karl Heim: Zimmermann, 68 Jahr alt.
Den ölsten Januar in seiner A aterstadt Marseille E. F. de Lautier,
Verfasser der Reise Antenor^s durch Griechenland und Asien,
über 80 Jahr alt.
Den. 4ten Feljruar zu Halberstadt der zweite Collaborator am Dom-
gymnasium, Dr. Constantin Schmidt, im 25sten Lebensjahre.
Den 14ten Febr. zu Weimar nach melu-raonatlichen Leiden der
Legationsrath Johannes Falk, geboren zu Danzig 1770. Als Dichter
und belletristischer Schriftsteller berülimt, hat er sich mehr noch aus-
gezeichnet durch die zu Weimar errichtete Anstalt zur Bildung verwil-
derter Kinder zu nützlichen Gliedern der menschlichen Gesellschaft.
Tochter dieser Anstalt sind die ähnlichen Institute zu Berlin, Spandau,
Erfurt , Düsselthal , Ascherleben u. a. Vergl. Nationalz. d. Deutschen
1826 Nr. 9. Weimar. Journal für Literat. Nr. 115 u. Schulzeit. Abth. 1
Kr. 16.
Den 16ten Febr. bei York der berühmte Sprachforscher Lindlay
Murray (in Pensylvanien geboren), 81 Jahr alt.
Todesfälle. 225
Den 17tcn Febr. zu Jena der «»^elieline Klrclienrath und Professor
Primarius der tlieolou;. Faeiilt., Dr. Gabler (geboren zu Frankf. a. >I.
1733), Ritter des -weissen Falkcnordcns. Am berühmtesten als Theo-
log und akademischer Lehrer hat er doch aucli von 1783 — 1785 als
Prof. am Archigymnasiiim und Director des Niederh'indischen Gynmas.
zu Dortmund im Schulfach gearbeitet. S. Nationalzeit. d. Deutschen
1826 Nr. 9 u. Klrchenzeit. Nr. 32.
Den Gten März zu IJcrIin der Dr. der Theologie und emerlt. Ar-
cliidiaconus der St. Nicolaikirche, Gcor^ Gottlicb Pappvlbmtm , Ritter
des Preuss. rothen Adlerordens dritter Classe , im Slsten Jahre. Er
hat sich als Schriftsteller durch seine Forschungen über die Rauische
Griecl». Handschrift des Neuen Testaments bekannt gemacht, übrigens
aber sein Privatstiidiiim besonders der classischen Philologie gewidmet,
und liinterlässt eine auserlesene Bibliothek classischcr Autoren, besonders
eine sehr vollständige Sammlung von Ausgaben [gegen 400] des Horaz.
Den 7ten März zu Aurich in Ostfriesland der Landsyndicus und
Ilofrath, Ritter des Guelphenordens, Dr. Tilcmann Dothias JViarda
(geboren 174(5), als Gcschichts - u. Sprachforscher berühmt , und der
philolog. Welt besonders durch seine Schriften über die Altfriesische
und Säch^ischc Sprache bekannt.
Den lOten März zu Paris ^er Schottische Polygraph, JoÄn P/«7.C)fon,
geboren zu Fdinburg den 17ten Febr. 17.}8. Er hat viele Wei-ke über
Minci'alogie , Geschichte, Erdkunde und Literatur geschrieben.
Den loten 3Iärz zu London Dr. Georg Ihinr. Nöhdcn , (^geboren zu
Göttingen den 23sten Jan. 1770), 3IItglicd mehrerer gelehrten Gesell-
schaften, Secretair der Royal Asiatic Society, Aufseher am Brittischen
Museum und Präsident des zu London den Isten Febr. 1825 gestifteten
Deutschen Vereins, als Philolog und Archäolog berühmt. Zu Göttingen
schrieb er zuerst über die Schollen des Porphyrlos zum Ho-
mer und gab dann 1793 in der von Campe veranstalteten Schulencyclo-
pädie die ersten beiden Bünde des f'lrgil — den dritten besorgte der
jetzige Prof. Heinrich in Bonn — heraus. Von 17!)4 an lebte er in Eng-
land und schrieb seine Elements of German G rnmmar, seine
C er 711 an Gram mar und Exerclces for writing German
grammatlcaUy — Schriften, die noch jetzt in England in grossem
Ansehn stehen und viel zur Kenntniss der Deutschen Sprache beigetra-
gen haben — , arbeitete Hub cnh or si^ s Deutsch - Engl, und Engl.
Deutsch. If'ürt crbuch um, und übersetzte mehreres von Schiller's
Trauersj)ielen ins Engli>che. Ausser einem Aufsatze über Alante g na
in Göthe's Jonrnal für Kunst und Alterthum und einigen Beiträgen zu
Böttiger's Amultliea, sclirieb er noch 0 6scr n a</ons on Leonardo
da VincVs last Souppcr, London 1821. 4, und eine Abhand-
lungüfter den Indianischen Fe / g- c n & a um im ersten Bande der
Tratisactions der Royal Asiatic Society (1824) und setzte die von Lord
ISorthu'ick begonnene Sclectlon of anclent colns chicfly of
Magna Grecla and Sicily, ein numismatisches Werk , fort, de-
Ja/irb. (l. Phil. u. J'ädag. Jahrg. I. lieft. 1. 15
22C^ T o d e s f fi 1 i e.
reu viertes Heft wenig Tage vor seinem Tode fertig ward. Vcrgl.
Schulzeit. 1826 Abtli. 2 Nr. 33.
Den I5ten März zu Halle der Professor der Theologie und Ritter
des Wladirairordcns, Dr. Joh. Scvcrin Vater (geboren zu Altenburg den
27sten Mai 1771) , ein achtbarer Theolog und noch berühmterer Sprach-
forscher. Vcrgl". Hall. Lit. Zeit. 1826 Nr. 91 und Kirchenzeit. Nr. 59.
Den 17ten März zu Annaberg Christ. Gottfr. Fritzsche , dritter Leh-
rer am Lyceura , 44 Jahr alt.
Den 24sten März zu Rom, 77 Jahr alt, der eheraahlige erste Cu-
ßtos der Vaticanischen Bibliothek, Francesco Antonio Baldi aus Bologna,
einer der gelehrtesten Philologen Italiens, dem Papst PiusVU dieHaus-
prälatur übertragen hatte.
Den 29sten 3Iärz zu Heidelberg Jo/jann Heinrich f'ofs, geboren zu
Somracrsdorf bei Waaren im 3Iecklcnl)urg - SchAverinschcn am 20sten
Febr. 1751. Dem Licht und der Wahrheit, für die er, ein zweiter
Luther, unablässig gekämpft, erblühe ein neuer Frühling aus der hei-
ligen Asche ! — Eine Würdigung dessen, was das Altcrthum und das
Schulwesen ihm verdankt , behalten die Jahrbücher sich vor. Vergl.
Kritische Biblioth. 1826 Nr. 5 S. 539 u. 553, Allgem. Zeit. Beilage zu
145, Hall. Lit. Zeit. Nr. 100, Jen. Lit. Zt. Inteliig. Bl. 31, Leipz. Mo-
dezeit. Nr. 54, Kirchenzeit. Nr. 59, Schulzeit. Abth. 2 Nr. 37 und Le-
hens- und Todeskunden über Joh. Heim: Vofs. Am Begräbnisstage ge-
sammelt von Dr. H. E. G. Paulus. Heidelberg 1826. gr. 8. (16 Gr.)
Den öten April zu Bremen der dasige erste Dompastor und Dr. der
Theologie, J. D. Nicolai, im 85sten Jahre. Er war früher Rector der
dortigen hohen Domschule [des Athenäums] und ist besonders durch
seine damahlige Bearbeitung des Netten Te stament es bekannt. In
der letzten Zeit trat er als Gegner der evangcl. Union auf.
Den 9ten April zu Fruchtwangen der Subrector an der Studien-
schule , Sie^mund Martin Friedrich von Endter, 32 Jahr alt.
Den 18ten April der Pfarrer zu Weldemar bei Delitzsch , Christian
Salomo Pollmächer , Verfasser mehrerer historischen und geographischen
Schriften, z.B. des Versuchs einer historischen Geographie
Kursachsens und seiner Beilande, Dresden 1788. 89, der Ge-
schichte König Heinrich'' s I und Kaiser Otto''s d. Gr. nach
den Annalen IVittekinds von Corvey, Leipz. 1790, u.a.
Den 19ten April zu Dessau der Rector der dasigen Gelehrtenschulc
Georg Feldhann, geboren zu Zehden in der Neuraark den I5ten April
1755. Er war früher Inspector an der Waisenhansschule zu Halle , wo
er den Herodian herausgab, und ward 1785, bei der neuen Organi-
pirung der Hauptschule zu Dessau , Conrector , 1800 aber Rector an
derselben.
Den 20sten April zu Melssen der 5te Professor und Matheraaticus
an der dasigen Fürstenschule St. Afra, M. Christian Gottlob Otto. Er
wurde 1763 am 16ten December zu Höllenstein in der Grafschaft Schön-
hnrg geboren, wo sein Vater, Johann Michael Otto, ein Zeugmacher
war; besuchte die Schule in Chemnitz von 1779 — 1785 unter Rothe
T 0 d e B f Ti 1 1 e. 227
und Leasing, worfinf er von 1785 — 1791 in Leipzig- unter der Leitung
von Morus, Cäf^ar, Pliitner, Sammet, Bur^clior, Wenk, Beck, Eck,
Reiz, Diitlie , hesonders aber, da er zur Mathematik und Phyi^ik vor-
zügliche Neigung liatte, von llindenhurg stiulirte. Er Avurde 1791 in
Leipzig Magister, um sieli daselbst nach llindenhurg's Wunsche zu ha-
l)ilitiren, erhielt aher einen Antrag in das Hans des Pohlnischen Gene-
ralfeldzengmeisters Gral'en von Uni hl zu Pl'örten , vo er bis 1793 blieb.
Von da an privatisirte er in Dresden und ertheiltc in vielen angesehe-
nen Familien Unterricht; 1799 Avnrdc er als Subrector vic auch Matlie-
maticus an das Gymnasium zu liiidissin berufen, wo ihn 1804 die Ober-
lau^itzer Gesellschaft der AVi^senschaften zum Mitgliede aufnahm. Nach
dem Tode llartung's erhielt er 1807 die Stelle des Conrcctors am'Bautz-
ner Gymnasium, die er bis zum November des Jahres 1820, in Avel-
cher Zeit er als Professor und 3Iatheniaticns an die Fiirstenschulc zu
St. Afra bei Meisseu abging , a erwaltete. Im Drucke sind von ihm nur
ersdiienen
Ein Schulprogramm beim Antritte seines Lehramtes in Budissin unter
dem Titel: Gedanken über die reine Mathematik, als
ein vorzügliches Millcl in der Jugend den Verstand
im Denken itnd Urth eilen zu üben, Budissin 1799, und
Eine Rede, gehalten am Abend vor dem Nenjahr 1804 im Hmnauitäts-
vereine zu Budissin; — in der Laus. M. S. 1804, I, 65 f.
Einige vollsßndigere Nachrichten über das Leben des Verstorbenen,
wie auch Einiges aus dessen literarischem Nachlasse gedenkt sein älte-
ster Sohn, Hr. Dr. C. E. O. , Professor der Rechte in Leipzig, für die
vielen Freunde und Srluiler des Verewigten nächstens durch den Druck
bekannt zu machen. Vergl. Schulzeit. 1826 Abth. 2 Nr. 44.
Den 21sten April zu Qnerfart der Conrector der Stadtschule, M,
Haubold.
Den 23sten April zu Nörtm der Canoiücus des dortigen Collegiat-
etiftes, Joh. Jf'vlf, geboren zu Kreuzeber im Eichsfelde den 16ten Juni
1734, als Geschichtschreiber des Eichsfeldes bekannt. Er war Jesuit
und früher Professor in Heiligenstadt, seit 1785 aber Canonicus zu Nörten.
Den 1 Mai zu Gera der Subconrector am Rutheneum, M. Bcrnh.
IJieronymus] Böhme, an einem Nervenschlage. Er war geboren zu
Weimar den Slsten Dec. 1794, stndirte zu Gera und Jena und ward
1818 an der genannten Landesschiile angestellt. Geschrieben hat er:
Schule und Zeitgeist, einBeitr'ag zu r Päda g o g ik für
Gel ehrten schulen, Neustadt a*. d.O.- 1824, und Historische
Chrestomathie aus Latein i sehe n Schriftstellern, für
Gymnasien, Leipzig 1826. 8. Seine letzte literarische Arbeit war wohl
die Beurtlieihing der ersten Abtheilung von Tliicrsch Schrift über ge-
lehrte Schulen in Seebode's Krit. Biblioth; 1826 Hft. 5 S. 457 — 470.
Den 9ten Mai zu Breslau nach langen und schweren Leiden an
gänzlicher Entkräftuiig d'-r Dr. ph. Jultrivu Caspar rricdrich Manso,
Re<(or und Professor am Marien-Magdalenengymnasinm und Ritter des
rothen Alerordens, geb. zu Blasicnzell am 26Bten März 1759. Er be-
3o*
228 Schul- und Universitätenachrichten,
hielt pelne ganze Krankheit hindurch hei .der grössten körperlichen
Schwäche doch stets seine rege geistige Thätigkeit, wovon mehrere,
in seine letzten Zeiten fallende , sehr gelungene kleine Deutsche und
Lateinische Gedichte zeugen. Als einer unserer correctesten und
gefeiltesten Prosaiker wird er auch in der Deutschen Nationalliteratur
einen ehrenvollen Platz hehaupten. Sein gelehrter Beruf war nicht
sowohl der des Philologen, als der des Historikers. Seine gediegend-
eten und reifsten Werke in diesem Zweige sind die Geschichte
Preussens seit dem siebenjährigen Kriege, das Leben
Constant in^s des Grossen, und die G eschicht e der Ost-
gothen, die alle drei seinen letzten zehn Jahren angehören. Das
grösste Verdienst aher hat er sich als gründlicher und trefflich anre-
gender Lehrer und Director eines Gymnasiums erwoi'ben, das unter
ihm eins der hlühendsten in allen Preussischen Ländern war. Eine
kurze Lehensbeschreibung des auch im geselligen Umgange sehr lie-
benswürdigen Mannes Avird Hr. Prof. Passow in seinem nächsten Uni-
versitätsprogramme liefern. Die besste Charakteristik desselben würde
Bein Landsmann und von Jugend auf treu verbundener Freund, Hr.
Hofrath Jacobs in Gotha, liefern können.
Den 23sten Mai zu Berlin der Oberlehrer an der Kon. Realschule,
Joh. Friedr. Hensel, im 62 J.
Den 3ten Juni zu Petersburg der berühmte Russische Historio-
graph und Staatsrath von Karamsin, 59 Jahr alt. Sein Geschichts-
werk ist in 11 Bänden bis auf Ivan Wasiliewitsch vollendet.
Den 15ten Juni zu Zittau der emeritirte Director des Gymnasiums,
M. Aug. Friedr. JVilh. Rudolph, in einem Alter von 55 Jahren.
Schul- und Universitätsnaclirichten, Beförderungen und
Ehrenbezeigungen.
Aaratj. Auf der dasigen Kantonssclmle ist bei den vorjährigen Herbst-
prüfungen die seit mehrern Jahren untei-brochene Sitte, zu derselben
durch ein Programm einzuladen, wieder erneuert worden , und Herr
Prof. Rud. Rauchenstein , d. Z. Rector , hat Bemerkung en über
den We rth der Altert hu msstudien a uf Gymnasien und
höhern Schulanst'alten, 46 S. 8, geschrieben, Lehrer der An-
stalt sind: Schulrath Feer (für reform. Religionsunterricht, Geogra-
pliie, Geschichte und Italienische Sprache), Prof. Pfeiffer und Prof.
Rauchenstein (für Lateinische und Griechische^, Prof. Troxlcr (für Deut-
sche) , Prof. leaurenaud (für Französ. Sprache) , Prof. Bronner (für
Mathematik) und Prof. Meyer (für Physik, Mineralogie, Botanik und
Technologie).
Beförderungen und E h ren bezeig ung-en. 229
Altexbitic. Der Dircctor dos Gyinnasuims , Herr Ivirelien- und
Scliuhath Dr. MalUiiac, gab als Kiiiladungsscluift zur ölTentlidicn I'rü-
l'ung der Scliüler den ISten ^lärz fl". 182(i die neunz4;Iinte IVaehricht von
dem G vinnasium auf das Seluiljalir üslern 1825 Ins dahin 1820 (IG S. 4),
Avoriu er die wäluend dt-s Jahres ahgchandelten Lehrgegenstände auffülirt
und ein \ erzeiehniss tänuiitliclier Schüler g^ieht. Lehrer sind Dr. Mal-
thiä, Director, Prof. Ramshorii, Prof. Messcrschmid, Prof. Meyner, Prof.
Schneider, Prof. Jf'aä^ncr, Collaliorator Ocrtcl und Französ. Sprachmei-
ster Ilempel. Die Zahl der Schüler betrug 289 (Ostern 1825 nur 276),
26 in SelecLa , 76 in Prima, 7o in Ober-, 77 in Mittel-, 37 in Unter-
secunda. Zum Jahrstage der Schule, dem 3ten Febr., liatte Herr Prof.
Ludw. Ramsitoin durch ein Programm : J ind icatur lo cor. quorun-
dam Ciccr Ollis, Caesaris, Taciti integritas, nonnulla
Cic. atquc II c v od oti illustr antu r , 12 S. 4, eingeladen.
At RicH. Am Lyceum hat Herr P. G. F. Höischer die vierte Lehr-
stelle erhalten.
Baierx. Die Universität zu Landshit, welche zuletzt 943 Stu-
dirende zählte, wird im Herbst d. J. nach München verlegt. Sie wan-
dert sonach bereits zum zweiten Mahl aus, indem sie 1472 zu Ingol-
stadt begründet und 1810 nach Landshut verlegt ward. — Zu Bam-
berg soll vermöge eines königlichen Befehls das eingegangene von
Aufsccs'sclie Seminar wieder hergestellt werden. In demselben sollen
der Stiftung nach 36 dürftige junge Leute, die sich den AVissenschaften
widmen m ollen, vom lOten Jahre an bis zur Beendigung des philoso-
pliischcn Cursus [absoluta philosophia, heisst es in der Stiftungsiu-kunde]
unentgeldlich luiterrichtet und verpflegt Merden. Das frühere Local
desselben ist zu einem Krankenhause für Unheilbare benutzt worden,
und , wie es heisst , soll das Seminar nach einem bereits entworfenen
Plane den Platz des aufgehobenen Capuzinerklosters zum Aufführen
eines neuen Schulgebäudes erhalten; auch solfc die Zahl der Zöglinge
auf 70 erhöht Averden. Vergl. AHgem. Anzeig. d. Deutsch. 1826 Nr.
100 und 136. — Zu Aicsbirg soll nach einer Entscheidung des Kö-
nigs vom 7ten Mai mit dem Studienjahre 1826 — 27 das seit 1807 einge-
gangene Studentenseminar zum heil. Joseph wieder hergestellt M'erden.
Da das Serainargebände Aor einigen Jahren eingerissen worden ist, so
hat der vormahlige Pfarrer zu St. Stephan und geistliche Rath , Herr
Dodcll, aus seinen .Mitteln ein passendes Gebäude gekauft und der Se-
minarstiftung ein Geschenk damit gemacht. — Auf allen Land«sgyni-
nasien ist bereits im vorigen Jahre durch allerhöchste Verordnung
(s. Scliulzeit. 1826 Abth. 2 Nr. 19 und 26) die In INorddeutschland
fcchon längst herrftchende Sitte eingeführt worden, den Jahresberichten
derselben gelehrte Abhamllnngen beizufügen, luu so dic-rcn Progam-
men auch bei dem grössern Publicum einen bleibenden AVtrth zu ver-
schaffen. Für das Jahr 1825 haben bloss die Studlenanstalten zu Ans-
MACH und Mü.NCHE!« ihren Jahresberichten dergleichen Abhandlungen
uiclit beigefügt; von den übrigen sind erschienen ; zuEßtASGUs: Com-
230 Schul- und Univcrsitütd nach rieh teil,
mentatio de vocabulo trjXvyEtos, auctorc D. Lud. Doc-
derlcin, Prof. et Rect.; — zu Kkgensbikg : De anno Attico
scripsit I. B. Wteigl, liector Lycei et Professor; — zu
Neitburg: die auf uns gekommenen Tr a gü di en 'des Sopho-
kles können überarbeitet scyn, ein Programm von G. A.
II ei gl.; — zu L.vxdüuut: Ueber die erste olynthische Rede
des Demostkenes, von dem Rect. und Prof. J. B. Rap-
pel; — zu Nürnberg: Commentatio, qua C. Cornelii 'l'ucili
aliquot per figuram 'EN ^lA JTOIN dicta compura-
tis all omni sc riptorum nonnulli s colliguntu r et dige-
runtur, auct. Car. Lud. Rothj Rect. et Prof.; — zu Kkm-
PTLX: Jf^as kann eine äff entliche Studienanstalt leisten?
von dem Rect. und Ly c ealprof. M. L. Böhm; — zu Strau-
bing: Von dem Doppelzwecke des Gymnasialunterrichts,
ein Progr amm von dem Rect. Hölzl.; — zuDilixgen: Fra-
ge: In welche Jahre des j ug endlichen Alters sollen die
Gymnasial Studien fallen? Psychologisch und pädago-
gisch gewürdigt von dein Rect. u. Prof. A. Schrott; —
zu Amberg: Von den JViss cnschaften und ihrer Lehrweise,
ein Auszug aus Fr anz Bacon^svon Verulam Büchern
vom IVachsthume der Wiss enschaften, und neuem Orga-
«071, vom Prof. Rixner ; — zu AiCbBtiiG: lieber das ge-
genseitige Verhält niss, in welchem die Religio 71 und
die übrigen Elemente der Gymnasialbildung ihrer Na-
tur gemäss zu einander stehen, und wie das Resultat
einer harmonischen G esammtbildung herbei g c führt wer-
den könne, von demConrect. und Ly ccalpr o'f. Jos. Jlast-
T eiter ; — zu Zweibrücken : De studiorum humanit atia
cum theologia c onj uncti one , auctore I. II. Hertel, Rect.
et Prof. — zu Speier; De mature pr aepar and 0 eloquen-
tiae studio ejusqu^ cum philosophia conj unctione , auct.
Car. Schuelein, Prof.; — zu Passau: Ueber den Geist und
die Tendenz des philo sophi sehen Studiums, mit Rück-
sicht auf die B estimmung der Ly cealclass en., vom Prof.
M. I. B. Aymold; — zu Hof: Fiinige Bemerkungen über
den Unterricht in der Geographie, vom Prof. Dr. II. Chr.
Fr. Gebhardt; — zu Aschavfemjurg : Ueber N a t u r er sc h e i -
nung en, N atur gesetz e und ihre Frklärungswc isen, vom
Director I. I. I. Ho ff mann; — zu Würzburg: Möglichst
einfache Entwickelung des Gau ssisch en Theorems, die
The ilung des Kreises betreffend, vom M. K. G. Chr. von
St au dt, Prof.; — zu Baireutii : Erklärung einer Aufgabe
aus der staatswirthschaft liehen Rechenkunst, von dem
Lyccalprofessor Andr. Neubig; — zu Bamberg: yibhund-
lung über den Eid in exeg ctisch-morali sch-pr ak tischer
Beziehung , von dem Ly c eal - Pr pf. M. Rieglcr. — Ein
anderes Königliches Rescript verordnet, dass die hisher aus dem Stu-
Beförderungen und Ehrenbezeigungen. 231
dienplane der Gymnasien verlninnte Taterländisiclic Geschichte Mieder
gclclirt werden soll.
B.U'ZES. Am Gymnaäium soll aus.«er den vorhandenen Lehrern —
Rector 31. Siehelis", Conreclor 31. Fritsche (geb. zu Dresden 171)9),
Subr. 3IiiLler, Cantor Lösclike , College Bröer und Coli. Gebauer —
noch ein Adjunctu» mit 200 lllhlr. jälulicliem Gehalt angestellt m erden.
Die Schülerzahl betrug bei der üsterprüliiiig Ann STsten Febr. 11". —
■wozu Herr llect. ijc6c//i>- durch das Programm: JS'onnulli veterum
scriptorum loci traclaiitur adjniictu narratione, qui
hoc p roxi mo anno rcruin st atiis f u erit f^y m nasii Jiud i s-
sini, 13 und 7 S. 4, eiuhul — in 4 Classen 270 [beim lierbstexamcu
1825 aber 275], nehmlieh 97 in IMma, 51 in Secunda, ()7 in Tertia
und 55 in Quarta. Seit Ostern 1825 bis dahin 182() hatten -47 Schü-
ler das Gymnasium verlassen — 52 waren neu aufgenommen Avorden —
wovon 21 die Llli^ersität bezogen haben. Nach Ostern d, J. sind noch
15 andere zur Universität abgegangen.
Berhv. Der geheune Ober-Regierungsrath Herr Dr. /. Schulze
ist durch eine Cabinetsordre vom 15ten 3Iai zum Mitgliede der köiiigl.
3Iilitair-Studien-Conimission, der obersten Behörde für alle Anstalten
des 3Iilitair-l nterrichts, ernannt. — Am loachimsthal sehen Gjiunasium
war der Director, Hr. Dr. Snctlage, im Juni vorigen Jahres mit einem Gna-
dengehalt von 2000 Rtlilr. jährlich in den Ruhestand versetzt worden.
Das Directorat ist vor kurzem Herrn Dr. ylug. Meineke, zeitherigem
Director des Gymnasiums zu Danzig, übertragen worden, nachdem der-
selbe vorher einen Ruf als Director nach Altona abgelehnt hatte. Herr
Professor Zvmpt hat einen Ruf an die Universität zu Kiel erhalten, und
wird demselben walu'scheinlich folgen. — Das Cöllnische G;yiunasium,
Avelches seit 1707 mit dem Berlinischen vereinigt war, ist zufolge einec
Nachricht des Gymnasiartihen vom 21sten Fepr. d. J. wieder als selbst-
fctändig hergestellt und zu einer jRcßianstfi^t eingerichtet worden. Zu den
bisherigen drei Sehulclussen ist für jetzt Tertia als erste Gymnasial-
classe gekommen , die beiden höhern aber sollen späterhin organi»irt
werden. Director und erster Professor ist Klüden, zweiter Professor
Dr. Schmidt gv^tTorden. Ausserdem sind noch 10 Lehrer angestellt.
Unterfichtsgegeiislände sind au^er Religion besonders 3Iathematik,
Physik, Chemie, 'J'echnologie, Naturgeschichte, Geograpliie, Ge-
schichte, Zeichnen, Gesang, Uebung im Brief- und Seschüftstyl und
Lateinische, Deutsehe, Französische und Englische Sprache. Vrgl.
Allgem. Aazeig. d. Deutscli. 182rj Nr. 99. — An der Akademie der
Künste hat Herr Ilampe das l'rädicat eines Professorä erlialten. —
Herr Joh. Jhinr. Grollte, Lelirer an der Blindenanstalt, ist am Isten
Januar von der philosopli. Facullät zu Jena zum Doctor ernannt wor-
den und hat dazu eine Dissertatiiui de Jientlej i adno l at t. nd II o-
rat. Od. XXX F Hb. I gcclirieben. — Herr Pn»f. lladhf Iiut
%oui König von Preu»seu für die Zueignung seiner Bildungsgcrschichte
der Germanen eine «loldcue Dooe und ein sehr frnüdifres Hundschrcibcu
232 Schul- und Univcraitütsnac]! richten,
erhalten. Auf hesontlern Antrag des hohen l\Iinisterlums ist Ihm auch
ein ausserordentlicher Jiihrgclialt zur Ausarhoitunf^ einer vollständigen
kritischen Grammatik der Deutschen Sprache hcMÜligt und die Erlauh-
niss , das Werk in Halle \olIendeu zu dürl'en, gegeijen worden. —
Herr Prof. Vhilipp Jiultmanu ist von der Acadcnile der Wissenschaften
zu Turin zum corrcspondirenden Mitgliede ernannt.
BiiAu\*cHWEiG. Das Catharinenm ist seit Anfang dieses Jahres von
fünf auf sechs Classen erweitert worden, und die desslial!) iieugegrün-
dete ausserordentliche Iliilfslehrerstelle für die luitern Cl.isscn hat, auf
Antrag des Herrn Dircctors Yiv.Fricdemaiin, Herr G. //. JMorich , aus
Gevenslehen im Braunschweigischeii, erhalten. Am Ende des vorigen
Jahres zählte das Gymnasiinu 273 Stliüler, als 20 in Ober- und 35 in
Unterprima, 39 in Secunda, 55 in Tertia, 58 in Quarta und (iii in Quinta.
Unterrichtsgegenstände sind: Religion, Geschichte, Geographie, Deut-
sche luid Latelnlsclie Sprache in fi. Französisch und Griechisch In 5, Ma-
thematik in 4, Hehräisch in 2 Classen. In den 3 ohern Classen werden
auch Latein, und Griech. metrische Uehungen angestellt. Halbjährig
ertheilt das Lehrercolleginm Censurcn , Avorin über Kenntniss Inder
Religion, den betriebenen SprachMlssen«chaften, der Geschichte, Geogra-
phie , Arithmetik , Geometrie , ül)er versäumte Lehrstunden mit und
ohne Entschuldigung und über Fleiss und Betragen ein LTrtheil abge-
geben'wird. Diese Censur hat 5 Grade. Die ersten beiden bedeuten
Lob, die 3te mehr Lob , die 4te und 5te mehr Tadel. Das Schulgeld
beträgt alljährlich 13 Rthr. 8 gr. in I, 10 Ilthlr. in II, 8 Rthlr. 16 gr.
in III, 7 Rthlr. In IV^ und 6 Rthlr. In V. Ausserordentliche Ausgaben
finden nicht Statt. Die zur Universität abgehenden Schüler haben sich
einem 3Iaturitätsexamen zu unterwerfen, das unter beständiger Aufsicht
eines Lehrers 6 Tage dauert, Censnren sind I a, h = vorzüglich;
II a, h = gut ; lU a, h = genügend. Ausser dem mündlichen Exa-
men, das in Erklärung Lhteln., Griech., Hebr. und Franz. Schriften
in Latein, und Franz. Sprache nebst eingestreuten Fragen über Geo-
graphie und Geschichte besteht, Avex-dcn von den Abiturienten folgende
fecliriftllchc Aufsätze verlangt : ein Deutscher und Lateinischer (Gram-
matische Fehler schllessen von I und II aus) , ein Griechlsclier und
Fi-anzöslscher (blosse Uebersetzung aus dem Deutschen giebt nicht I),
eine Deutsche metrische Uebersetzung nebst Latein. Erklärung einer
vorher nicht gelesenen Stelle eines Griech. Tragikers , eine kurze
eigene metrische Lateinische Composition (l)losse Uc])ersetzung ausdem
Deutschen scliliesst von I aus) , eine metrische Griechische Uebersez-
zung einer Deutschen Aufgabe, Lösung von arithmetischen und geo-
metrischen Aufgaben und bei Theologen eine Hebräische Uebersetzung
aus dem Deutschen. Vergl. Schulzcltnng 1826 Abthl. 2 Nr. 29.
Breslau. Zur Ankündigung der Vorlesungen auf der Universität
im Sommerhalbjahr 1826 schrieb Hr. Prof. Passow Epiphyllides Aristo-
phaneae. 8 S. 4. — Das Magdalcnengjmnasium hat seit dem vorigen
Jalire zu den bestehenden 7 Claesen noch eine 8te oder Deutsche Ele-
Beförderungen und Ehrenbezeigungen. 233
mentarelasse erhalten. Auch ii^t die lühliche, von Aug. Herrn. Franke
Lc»onderä empfohlene und auf uuiiielieii Schulen, Avie auf den Sächsi-
schen Fürstenschulen, schon seit >ielen Jahren ))esteliende Finiichtung
getrofleu worden, die Schüler nicht bloss nach ihren Kenntnissen in
dem Lateinischen , sondern nach ihren Fortschritten in den einzelnen
Unterrichtsgegenständen in Classen zu ordnen, so dass der Einzelne im
Lateinischen, Griechischen, Franz., Hehr., mathematischen u. a. Lehr-
stnnden in verschiedenen Classen sitzen kann. Bereits Michaelis 1825
Mard durch Eiiisdiallung einer neuen nrithmetischt^n, dem Herrn Col-
labor. John zugetheilten Classc dieses (yla^sensystem eingeleitet, da3
Ostern dieses Jahres vollends durchgeführt Avorden ist. Auf Verord-
nung des ^Ministeriums sollen von dieser Zeit an zu den bestehenden
Lnterrichtsgegenständen noch pliilosophische Vorträge über Logik u.
6. w. kommen. Zu den Osterprüfjingen hat der seitdem verstorbene
Rector Manso durch ein Programm — Chronicorum Pr o spcr i
Aquitanici, Itlaiii et aliorum Part. II — eingeladen, worin
er zugleich in einem Anhange über das neue Classensystcm,
über philosophische J ortrüge und über Ji efür derun g
des Privatfleisscs der Schüler sich ausspricht. Den ersten
l'nnct billigt er durdiaus und Aveis't die zurück, Avelche durch dieses
System die Erhaltung der Zucht und Ordnung gefälirdet glauben.
Leber philosophischen Lnterricht in Schulen sagt er aussei dem, Avas
in der Einleitung dieser Jahrb. S. 11 bereits angeführt ist, noch:
„Was ich bey diesem Unterrichte recht sehr bedauere, ist, das» die
Stunden, die der Philosophie zufallen, entAveder den alten Sprachen,
oder der 3Iathematik, oder der Geschiclite, Disciplinen, denen allen
die Zeit nur kärglich zugemessen ist, entzogen Averden müssen. Wie
sehr Aväre doch zu Avünschen , dass durch Anhäufung von Lehrgegen-
ständen die Kräfte der Jugend nicht noch mehr versplittert und die
Zerstreuung , der man eben entgegen wirken sollte , nicht befördert
Averden möchte." Die Erklärung über den dritten Gegenstand bezieht
sich auf einen vom Gjinna>ium zu Danzig veranlassten und A'om ^Fuii-
sterium den übrigen Prenssischen Schulen gemachten Vorschlag, dass
die Schüler der drei obcrn Classen neben den Classikern, die öfl'ent-
lich in der Schule gelesen Averden, nocli die vorzüglichsten, die nicht
gelesen werden, oder doch die Avichtigstcn Stücke derselben zu Hause
für sich lesen und ihre Beuierkungen in Adversarien eintragen , der
jedesmahlige Ordinarius dei-Classe al>er jeden Monat oder jedes Viertel-
jahr Nachfrage über das Gelesene anstellen,') und Avas dem Schüler
*) Diese EinricLtuiig besteLt auf den Sächsischen Fürstenschulcn in allen A'ier
Classen seit langen Jahren, ist aber hier freilich auch dnrrh das Beisanunenwoh-
ncn der fcämuitlichcn Sfcliiilcr und durch die von den Schülern der obcrn ('lassen
über die der untern {refulirte Aul'hii-ht und durch die mit deuscüien (5 Stundeu
vücbciulifh ) von jenen an{;estelltc I*ri\atleclure passender Schriftsteller bedingt,
lu Scbulpforta hat man zum lichul dieser Lnterricht!-- oder Lesestnudeu der obera
Schuler mit den untern eine besondere Sammlung (Cruslnla. Iipz. Vogel. Ib2(j.
gr. Vi. geh. 9 gr. ) von ausgeHÜhlteu Stelleu aua Cicero, Cäbar, Phacdrus, Ü\idiu8
herausgegeben.
234 Schul- und Vniversi tätsnachri'chten,
sprachlich oder sachlich unverständlich geblieben ist, lösen und auf-
klären soll. Hr.Prof. Manso billigt diess, meint aber, dass es sowohl
dem Schüler als noch mehr dem Lehrer dazu au Zeit fehlen werde,
und bemerkt ausserdem: „Endlich, warum sollen die jungen Leute
gerade Autoren lesen, die sie noch ganz und gar nicht kennen? Ist es
denn nicht weit natürlicher, sie zur Lesung solcher Aytoren anzuhalten
welche in den Schulen binnen einer zweijährigen Frist in der Regel
nicht ganz gelesen werden können ? Wer drei oder vier Bücher der
Aeneide, wer eben so viele des Livius, oder einen Theil der llorazi-
schen Oden gelesen hat, werde angehalten, das Ganze zu vollenden.
Er hat wenigstens den V ortheil, auf bekanntem Boden zu wandeln und
mit leichterer Mühe vorzuschreiten. Ueberhaupt ist kein Zweifel,
dass eine frühzeitige bunte und mannigfaltige Leetüre dem Jüngling
weit weniger frommt, als eine einfache, stetig<,' und wiederholte. Mcr
treffliche Schriftsteller , etwa im Lateinischen Livius , Cicero , Virgil
und Horaz , gelesen und m ieder gelesen , schärfen gewiss das Urtheil,
begründen eine feste Latinität und sind die beste Vorbereitung zur cur-
sorisclien Leetüre der übrigen in reiferen Jahren. " Vrgl. Leipz. Lit.
Ztg. 1826 Nr. 134. Ueber die Einführung dieser Privatlectüre der
Schüler hat sich auch Hr. Gust. Müller in dem Anhange zum Osterpro-
gramm des Gymnasiums zu Stendal — Ueber die analytischen Wieder-
holungen fuathematischer Lehrabschnitte. 1826. 12 S. 4. — aus-
gesprochen.
BßOMiiERG. Hr. Regierungs- und Schulrath Reichhclm hat bei der
Feier des Preuss. Kronungs- und Ordensfestes (den 22sten Januar) den
rothen Adlerorden dritter Classe erhalten. Derselbe ist von der Stadt-
verordneten-Versammlung zum Stadt- und SchuU-ath gewählt und vom
Ministerium bestätigt worden.
Celle. Das durch den Abgang des Hrn. Dr. Fr. G. Klopfer erle-
digte Dü'ectorat des Gymnasiums ist Herrn Lndw. Phil. Hüpcden, zeit-
herigem Lehrer an der gelehrten Schule zu Bremen, übertragen worden.
CuARLOTTEViLLE lu Vlrginicu. Die dortige neuerrichtetc Univer-
sität Virginia, welche zunächst durch den vormahligen Präsident Jcjfcr-
son gegründet ward, fängt an in Wirklichkeit zu treten. Schon sind
mehrere Professoren ernannt und eiiie Menge prachtvoller Llniversi-
tätsgebäude aufgeführt. Jeder Professor erhält ausser freier Wolinung
jährlich 1500 Dollar (gegen 1900 Rthlr.) , welclier Gehalt verdoppelt
werden soll , wenn die Zahl der Studirenden den Erwartungen ent-
spricht. Alle Zweige der Wissenschaften, avisser der Theologie, wer-
den gelehrt. S. Dresdner Wegweiser im Geb. d. Künste 1826 Nr. 19,
Hall. L. Z. N. 145.
Cleve. Im Decembcr vor. J. ist der Schulamtscandidat Hr. Dr.
Carl .'lug. Mor. Axt, aus Naderkau bei Wittenberg, als Iter Lehrer am
Gymnasium eingetreten.
Beförderungen und Elirenbczcigung-cn. 235
CoBLK\z. Hr. Dr. Ernst Dronkc, Lrlircr und liil)lIothckar am
Gymnusiuni, ist zum Oberlehrer ernunut >vordcn. A rgl. Cölx.
CobVrg. Der Prof. der MiUliemutilc am GjTunasumi, Ilr. JoJt.
Clirlsdan inih. Kuldcr, ist zum Pfarrer in Exdorf befördert A^orden.
Die erledif-le Lehrstelle erhielt der lierzo<;^liehe Kammei-seeretair, Ilr.
l)uv. IVUli. Göbil, mit lieibeliiiltun«;,- seiner Seeretairiats-Funetion. Au
derüelbeu Anstalt Avard der bisherige Collaborator, lir. Eduard Fvrbcr<^,
zum ausserordentliehen Professor, Hr. Ernst TromphcUcr aus Gotha
aber zum Collaborator ernannt.
CÖLX am Rhein. Das köngl. Preussisehe Consistorium ist aufge-
hoben, und seine Geschäfte siird dem Provinzial-Scliul-Collegio zu
Coblenz übertragen worden. Der Consistorialrath Dr. Augmii,
Prof. zu Bonn, ist unter Beibehaltung seiner Professur, als Obercon-
sistorialratli naeh Coblenz versetzt. Am Carmelitergyninasium ist zu
Ostern d.J. der zeitherige Adjunctus zu Sehulpforte, Hr. Dr. Cari Georg
Jacob, als Professor eingetreten.
Da\zig. Ausser dass das Gj-mnasium seinen Director, Hrn. Dr.
Meiiiekc, verloren hat (S. Berli>), ist aueli der bisherige Professorder
alten Sprachen und lleligionsleluer, Hr. Dr. Thcod. Fried. Kniewell,
von der dortigen Gemeinde der Oberpfankirche zu St. Marien zuilu'cui
dritten Prediger crMÜhlt und von den Behörden bestätigt Avorden. Am
Gymnasium versieht er bloss vorläufig noch den llcligionsunterricht.
Drksdex. Der bei der öffentlichen Bibliothek mit dem Prädicate
eines Bibliothekars angestellte erste Secretair, Hr. Friedrich Adolph
Ebcrt , ist m irklicher Bibliothekar und Hofrath der vierten Classe ge-
worden. — Die Krcuzscluilc zählte zu Ostern d. J. 413 Schüler in 5
Classen , nelunlich 95 in I, 79 in II, 94 in III, 84 in IV und ()5 in V
(zu Michaelis 1825 aber 414). Zu 3Iidiaclis sind 18, zu Ostern 29 auf
die Universität abgegangen. Lehrer sind der Rector Grübel. Conrector
Baumgurten-Crusius , 31. Ilcydfr (giebt Avegen AlterseliAväche nur noch
wenig Stunden) , 31. Wagner, 31. Liebet und 3Iatheniaticus Hermsdorf.
Dazu kommen als Hülfslehrer : M. Bültcher, 31. Sillig, AI. Müller, M.
Slimmel und 31. Schier. Letzterer ist erst vor Kurzem angestellt Avor-
den, da der erste Collaborator, 31. Iflelisch, zum PäStor zu Cotta be-
fördert Avorden Avar. Das Scluilgeld beträgt jährlicli in Prima und
Sccunda 24, in Terlia 20, in Quarta 18, in ' Quinta Ki Rtlilr. Sächsisch.
DrisBrRG. Das dortige Gymnasium liat erst seit 1822 Avieder auf-
zublühen angefangen, da es kurz vorlier seinem Ersterben nahe Avar.
Von 179() an hatte es der Dr. Joh. GollJ'r. tlirislian jSonne geleitet, der
den 18ten Juni 1821 im 73;ten Leix iisjahre starb. IN ach ibm übernalim
zwar im Herbst 1821 der damahligc reform. Prediger und jetzige
Superintendent, Hr. Joh. Peter Adolph Sehriever, die Direetion und hielt
auch einige Lehrstunden; allein es fehlte der Anstalt an hinlänglichen
Lthreru, zumahl da der seit 1180 als Collaborator, seit 1791 aber als
2S6 Schul- und Universitätsnachrichten ,
Conrector (oder Lehrer in Secunda) angestellte Ilr. Heinr. JFilh.
Cramcr immer kriuiklich war und dcsshalb auch den 2-1 Nov. 1821 sein
Amt niederlegte. Es blichen nur noch Hr. Fried.-. IVilli. DaMlioff (geh.
den 5ten April 1771 zu Vechta im Teclclenhurgschcn) als Lehrer der
dritten (seit 1797) und Hr. Joh. Dav. Klcinstcuhcr (geh. den Uten
Octoh. 1757 zu Farrenroda hei Eisenach, am Gymnasium zu Duisburg
angestellt seit 1797) als Lehrer der vierten Classe. An Cramer's Stelle
(d. h. als Lehrer der zweiten Classe; denn das Conrectorat erhielt Hr.
Dahlhojf) trat jedoch im November Hr. Dr. Joh. Christ. JFilh. Aug.
Ilopfcnsack, geh. den Isten Octoh. 1801 zu Viypacli im Weimarsch^n,
und jetzt ward es erst wieder möglich drei Classen, die zweite, dritte
und vierte , einzurichten. Die Zahl der Schüler betrug 35, nchmlich
6 in II, 11 in III und 18 in IV. Den 25sten August 1822 übernahm Hr.
Dr. Joh. Daniel Schulze, vorher Rector des Gymnasiums zu Luckau in d.
Niederl., das Directoi'at, und bald darauf Avard auch eine Prima einge-
richtet. Herr Superintendent ScÄriCi;er behielt den Unterricht in der Reli-
gion in I, II, III, im Hebräischen in I und II und eine philologische Le-
ction (Erklärung der Oden des Horaz) in I. Die Zahl der Schüler war
51. Als Schulgesetze wurden die zu Düsseldorf und Cöln bestehenden,
welche Hr. Consistorial- und Schulrath C, JV. C. Kortüm entM'orfen
und in einem Programm zu Düsseldorf 1821, 39 S. gr. 8, bekannt ge-
macht hat, eingeführt. Den 20stcn August 1823 ward Hr. Dr. Ernst
Goitl. Ferd. Engel (geh. den olsten Oct. 1785 zu Oels in Schlesien) als Leh-
rer der Mathematik und Physik und Hr. Conrad Feldmann (geb. zu Crefeld,
den 26sten Januar 1803) als Hülfslehrer für den Unterricht im Zeichnen
»nd Schreiben angestellt. [Letzterer fing jedoch erst den 5ten Aug. 1824
seine Lehrstunden an.] Zum Herbstexamen desselben Jahres schrieb
Hr. Dr. Schulze als Programm : Antholo giae Graecac epigr am-
tnata quaedam in Hom., Sappho et Erinnam tum variaia
interpretationc metr ica , tum aliorum suisque notis il-
lustrata. 24 S. 4, nebst IV S. Schulnachrichten. Schüler waren 4 in
I, 17 in II, 16 in III und 35 in IV. Aon Michaelis dieses Jahres wurden
6 Classen eingerichtet. Das Schulgeld beträgt 15 Rthlr. Preussisch in
der Iten, 12 Rthlr. in der 2ten, 10 Rthlr. in der 3ten und 4ten und
9 Rthlr. in der 5ten und fiten Classe. Zu derselben Zelt übernahm Hr.
Friedr. Mohn, Prediger der kleinem evangel. Gemeinde, den Religions-
unterricht in der comblnirten 3ten und 4ten Classe und llv. Siip. Schricver
behielt ihn nur in der Itcn und 2ten hei. Den 21teaJuU 1824 ward der
Organist der kielnern evang. Gemeinde , Ilr. Peter Friedr. Engulfcld
(geh. zu Hcllgenhaus bei Velbert, den Cten Jun. 1793) als Gesanglehrer
angestellt. Der Französische Unterricht rausste aus den öffentlichen Vor-
trägen wegfallen, um nicht Lehrer und Schüler mit Unterrichte zu sehr
zu überhäufen. Hr. Dr. Hopfensack erhielt eine Gratification und die
Herrn Schulze, Dahlhoff und Kleinstcubcr Gehaltszulagen. Im Herbst
1824 Murden zuerst 5 Schüler zur Universität entlassen. Zu dieser
Feierlichkeit so wie zu den öflentlicheii Prüfungen gab Hr. Dir. Schulze
als Programm die» Schulrcdcn (24 S. 4, von S. 17 — 24 Schul-
Befurderungen und Ehrenbezeigungen. 237
naclirichten ) heraus. Die Zahl der Schüler war 10 In I, 17 in II, 15
in 111, 18 in IV, 21 In V und 13 in VI. Im Schuljalir Michaelis 1824
bis dahin 1825 ühernahni Hr. I'red. Mtihn statt des {^anz ahj^etrctcnen
Herrn Sup. ScJnicvcr den Itcliniousunterricht und der Director das
Hcbrüisclie in den beiden obern Classen. Zum Religionsichrer der 3ten
und 4ten Classe ward Hr. Candid. Jus;. Hermann ernannt, der aber im
Sommer 1824 diesen l nterriclit wieder aufgab, Avorauf der Director
denselben übernahm. Hr. Dr. Ilopfcnsack gal> Privatunterricht im Fran-
zösischen. Die luathcmati^^cbcn und iihysikalischen »Stunden wurden
durch eine schwere Kranklieit des Hrn. Dr. Engel vielfach gestört und
unterbroclien. Das Einladnngsjirogramni zur Herbstprüfung 1825, 20 S.
4, liefert S. 1 — 10 eine Abhandlung von Dr. Hopfensack, De Roma-
norum vinnicipiis et coloniis comment. antiquaria, und
5. 11 — 2(» Scluilnaclirichten. Die Zahl der Schüler war 89. Auf die
Universität m aren zu Ostern 5 abgegangen.
Erfitit. Das Gymnasium zählt jetzt 211 Schüler, nehmllch 14 In
Prima, 18 in Secunda, 45 in Tertia, 39 in Quarta, 45 in Quinta, 50
in Sexta. Bei der Aufnahme neuer Schüler hat man den lobenswerthen
Grundsatz festgestellt , dass kein Schüler angenommen werden darf,
dem die gehörigen A orkenntnisse fehlen, der von gewissen Lehrstunden
dispensirt seyn will, oder der keine vollgültigen Zeugnisse von früher
besuchten Anstalten beibringen kann. Auch wird der Abgang solcher
Schüler aus den untern und mittlem Classen, welche wegen Mangel
an Fähigkeiten und Fleiss, nachdem sie zwei Jahr in einer Classe ge-
sessen, in eine höhere noch nicht versetzt werden können, möglichst
befördert. S. Schulzeit. 1826 Abth. 2 Nr. 43.
Flensbirg. Hr. Joh. Sigism. Strodtmann , bisher Collaborator an
der Gelelirtenschule zu Husum, ist Subrectoram Gymnasium geworden.
Fbaxkfitit a. M. Als katholischer Religionsichrer in den vier obern
Classen des GjTunasiums ist eingetreten Herr Joseph Fell ( geb. zu
Mainz 1791), bereits Cooperator an der St. Leonhardskirche, und In-
spector und Religionslehrcr der kathol. Knabenschule im Dominikaner-
kloster.
Fraust.vdt. Zu der ölTentUchen Prüfung der Schüler in der königl.
Kreisschule am 28 — 30 Juli 1825 hat der Rector, Hr. Fechner, mit
einem Progamni eingeladen, welches die Geschichte der Schule enthält.
Diese wurde Aon den Jesuiten 1719 gegründet und besass einen
Fond von 954090 polniscJien Gulden. Aach der Aufhebung der Jesuiten
fiel sie den Cisterciensern anheim , aber seit 1793 wurde sie allmählig
von allen Lebrern verlassen. Im J. 1807 wurde sie als Kreisschule zum
3ten Mahl begründet, und mit edlem Gemeinsinn hat die hohe Landes-
bchürdc sich hinlängli<h darüber ausgesprochen , dass diese Schulan-
stalt nach M'Ie vor unabänderlicli in diesem Orte verbleiben solle. Herr
Radojewski wurde als Lehrer der Französischen und Polnischen Sprache
angestellt. Die Anzahl der Schüler betrug 123.
2S8
Schul- und UniversitiltsnachrlcJbten,
Freiberc. Die dortige Stadtschule Ist zugleich Gymnasium, Schul-
lehrerscuilnarium und Bürgerschule, und hesteht sonach aus drei Ab-
theilungen: für künftige Gelehrte, Schullelirer und Bürger. Durch eine
Königl. Verordnung vom 12ten Sept. 1825 jedocli hat das Schullehrer-
tseminar eine gelbstständigere Stellung helcoiunien und wird , ob es
gleich mit der Schulanstalt verbnnden bleibt, eine eigene Verfassung
erhalten. Die übrigen beiden Theile bleiben in engerer Verbindung
lind stehen unter gleicher Direction ; jedoch sind die Grunzen dersel-
ben mehr aus einander gerückt Avorden und von den liestehendenS Clas-
«sen gehören die vier untersten der eigentlichen Bürgerschule zu, Mäh-
rend die vier obersten das Gymnasium bilden. Für letzteres ist im
Jahr 1824 von den Landständen die Anstellung eines llülfslchrers mit
200 Rthlr. jährlicher Besoldung genehmigt Avorden. Diese Stelle erhielt
den 17ten August 1825 Hr. M. Chiisiian Gottlob Andreas, und als der-
selbe , nach dem am 26sten Dec. 1825 erfolgten Ableben des 5ten Leh-
rers, Carl Friedrich Hellbauer^s , den 30steu Januar 1826 dessen Steile
erhielt, so ward Hr. Joh. Carl GotlUcb Zimmer als Collaborator ange-
stellt. Den Lehrplan der Anstalt hat der Rector , Hr. M. Carl An^.
Rüdiger, in einem Trogramm, Avomit er zur Feier des J. Chr. Ricliter'-
schen und des Eckhard- Richter'schen Gestütes den 14tcn April 1826
(16 S. 4) einlud, bekannt gemacht, und darin zugleich die ZAveck-
mässigkeit der Vei-bindung der gelehrten und Bürgerschule zu erAveisen
und gegen gemachte Einwürfe zu schützen gesucht. Für auswärtige
Schüler der Anstalt ist seit dem Iten Api-il dieses Jahres ein Alumneum
eingerichtet, durch Avelches eine sichere Leitung ihrer Studien und
gehörige Fürsorge für alles das , was dem Geist und Körper dienlich
ist , erreicht werden soll. Die Alumnen Avohnen alle in einem Hause
beisammen, können entAveder in der Anstalt selbst oder ausserhalb
derselben essen , sind aber im Uebrigen alle auf gleiche Weise an die
bestehende Ordnung und Gesetze gebunden. Die unmittelbare Aufsicht
über sie hat Hr. Collaborator Zimmer übernommen.
Friedland in Mecklenburg. Das erledigte Prorectorat des Gatu-
nasiums ist seit Ostern dieses Jahres durcl» den Schulamtscandidaten
Herrn Ernst Glaseivald (Verfasser der Gratulationsschrift Coniecta-
nea in Quinti Smyrnaci Po sthomcrica. Wittenb. 1817. 18 S.
8), aus Straach bei Wittenberg, Avieder besetzt.
In Gali,izie:[v sind ausser den 9 seit 1817 bestehenden Gymnasien noch
4, zu Saindec , BociiiviA , Tarnopoi. und ein zAveites zu Lemlerg, er-
richtet AVorden. Auch sind ausser der seit 1817 zu Czerxoavitz beste-
henden philosophischen Lehranstalt noch ZAvei neue, zu Przeaiysi. und
Tarnopoi. , eingerichtet. Nicht minder ist auf der ebenfalls 1817 Avie-
derhergestellten Universität zu Lemberg der philosophische Lehrstuhl
wegen zu grosser Zahl der Zuhörer , die in den ansehnlichen Hör-
sälen nicht Platz hatten, doppelt besetzt AVOrden.
GIESSEN. Hr. Ed. Geist aus Nidda ist 6ter Lehrer am Pädagogium
geworden.
Beförderungen und Ehreubezcigungen. 239
GtEiwiTZ. Das Gj-mnasuiin,wclrlips die eigenthüinliclic Einrichtung
hat, dass alle Schüler der heidon ol)ci'n Classen ohne Ausnahme die
Hebräische Sprache erlernen niiissen, zäliUe im Schuljahr 1825 in 6
Classen 352 Schüler. \ on den Lehrern erliielt Herr JiiJbcl das Prädicat
als Oberlehrer imd der interimistisch angestellte Herr lircUncr vard
definitiv als 7ter Lehrer angestellt. Herr Prof. Jos. Hclmhrod schrieb
als Programm: Disiiuiaiio de So})hoclis Ajace. Vratisl. 1825.
1« S. 4.
Gmi" \D. Hr. Weiss hat an der Lateinischen Lehranstalt das erle-
digte Oberpräeeptorat , dessen Verweser er bisher war, erhalten.
Grimma. An der königl. Landesschule hat der erste Adjunct, Hr.
M. Eduard. Jfiindcr (geboren zu Wittenberg 1799, an der Schule ange-
stellt seit Ostern 1823), wegen seiner Verdienste den Titel eines ausser-
ordentlichen Professors erhalten und die unter den 6 ordentlichen Pro-
fessoren wechselnde Wocheninspcction über das Alumneum für den
betagten Prof. der Mathematik, Herrn M. Tupf er , gegvn eine ange-
messene Entschädigung übernommen. Ende Novembers vorigen Jahres
legte der zweite Adjunct, Hr. M. Joh. Christian Jahn (^geboren zu
StolzenhajTibelGrosscnhayn 1797), sein Amt freiwillig nieder, um nach
Leipzig an die Universität sich zu begeben. Seine Stelle ei'hlelt der
dritte Adjunct, Hr. 31. Friedr. Jf'ilh. Jloffmann (geb. zu Thum im Erz-
gebürge 1797, angestellt seit A'ov. 1823). Die dritte Adjunctur ward
dem Hrn. M. Jf'ilh. Ferdinand Aor?», geb. zu Annaberg 1801, übertra-
gen. Zu Ostern dieses Jahres schrieb der Rector , Hr. Prof. M. Aug.
^fetcÄcrt, das Progi'amm : Pro lusio prima deQ.Horatii Flacci
epistolis, 35 S. 4, Avodnreh er die öffentliche Entlassung mehrerer
Schüler zur Universität ankündigte.
Gl MMF.nsKAcu in Uhelnpreusscn. An der höhern Lehranstalt hat
Hr. Rector Jioiicn:arn als Einladung zu den Osterprüfungen dieses Jah-
res einen Versuch eines Organisationsplanes dieser höhern Lehranstalt
auf 28 S. In 8 herausgegeben. Dieselbe soll zugleich Bürgerschule
und Progyninaslum seyn, und es wird desshalb auf ihr in vier nach den
vier Classen eingerichteten Cnrsen eben so Griechisch und Lateinisch,
als Mineralogie, Botanik, Physik, Chemie, Technologie, Mechanik
u. a. vorgetragen.
Halkerstadt. Die durch den Tod des Dr. ph. Const. Schmidt er-
ledigte Collaboratur am Doragymnasium hat zu Ostern dieses Jahres
der zeltlierige Hülfslehrcr am Pädagogium zu Halle, Hr. Dr. pli. C.
yalop aus llornburg, erhalten.
Hallk. Hr., Prof. und Inspector des Pädagogiums Jacobs ist nach
dem "Wunsche seines Schwiegervaters, Hrn. Canzler Dr. Niemeyer'' s,
Condlrector der Franke"»chen Stiftungen geworden. Letzterer aber hat
den 22sten Januar den rothcn Adicrorden 2ter Classe mit Eichenlaub
erhalten.
4
240 Schul- und Universitätsnachrichten.
Ha!too>ter. lieber das Lyceura hat der Director, Hr. Dr. Grotefend,
zu Ostern d. J. die 7te Nacliriclit geliefert. Die Zahl der Schüler be-
trug 418 in 11 Classen, von denen 84 Ausländer waren. Aus den Schü-
lern ist ein Kü-chenchor zum Gesang gebildet Morden, und die Sing-
schule des Lyceums liat besondere Gesetze erhalten. In der ersten
Classe Avurden besondere Stunden zum Unterrichte in der Physik fest-
gesetzt und ein physikalischer Apparat angesdiafft. Für JNichtstndi-
rende Avard ein vollständiger Realunterricht in den Real- und Eleinen-
tarclassen des Gymnasiums begründet. Im Lehrerpersonale traten an
die Stelle der abgegangenen Hrn. Freitag und S^hwietcring die Hrn.
Evers und Lehners. Hrn. Dr. Tctzner ward der Unterricht im Buchfüh-
ren übertragen.
Jever. Zum Rector des Gymnasiums ist Ilr. Dr. J. G. Seebicht,
bisherigen Oberlehrer am Pädagogium zu ZüUichau, berufen worden.
ItFKLD. Am Pädagogium hat Hr. Conrector KöJiler seinen Abschied
mit Beibehaltung seines vollen Gehalts erhalten. In seine Stelle rückte
Hr. Grotefend, zeitheriger Subconrector. Ebenda ist Ilr. Dr. Klippel,
zeitheriger erster Collabtorator der Latein. Stadtschule zu Minden,
zweiter Collaborator geworden.
IissBRUCK. Das Lyceum ist vom Kaiser zur Universität mit der Be-
fugniss, Doctoren der Philosophie und Jurisprudenz zu creiren, erho-
ben oder eigentlich zum zweiten Mahle restaurirt Morden. Diese Re-
stauration ward den SOsten April durch einen solennen Act gefeiert.
Kü\iGSBERG. Am Stadtgymnasinm, Mclches zugleich Bürgerschule
und gelehrte Schule ist, hat der Director in dem zum vorigen Herbst-
examen gelieferten Programme (40 S. 4) die Geschichte der Anstalt
von Michaelis 1824 bis dahin 1825 nebst vorausgeschickten statistischen
Bemerkungen vom Jahr 1814 an gegeben. Die meisten Schüler wer-
den daselbst nicht für die Universität, sondern fürs bürgerliche Leben
gebildet, und von 15 aufgenommenen kommen im Durchschnitt nur 2
bis Prima. Zu Michaelis 1825 betrug ihre Zahl 338. An der ^hule
arbeiten der Director Dr. Struvc tmd Prorector Graboivski, die Ober-
lehrer Dr. Legiehn, Stiemer, und Dr. Ellendt, die Lehrer Krieger,
Dr. Lucas, Dr. Ilamann und Mütlrich, der Cantor JFitt, der Schrcibleh-
rer Möllhausen und die Ilülfslehrer Nittka , Wendung luid Baltrusch.
Hr. Müttrich ist erst im vorigen Jahre daselbst angestellt Avorden, da
sein Vorgänger von Freymann an das Gymnasium zu Riga berufen
worden war. Herr Dr. Ellendt aber hat, mit Beibehaltung seinea
Schulamtes, eine ausserordentliche Professur an der Universität erhalten.
LiNGEW. Am Gymnasium rückte in die erste Coyaboratur, an die
Stelle des als Pfarrer nach Oldendorf beförderten Gollab. Strick, der
zeitherige zweite Collaborator Hiilster ein, dessen Stelle aber erhielt
der Candidat Krümberg. Zum Lelu-er der Französ. Sprache ward der
Lieutenant Koch ernannt. Zu den Osterprüfungen lud der Conrector,
Beförderungen und Elircnbczeigungcn. 241
Hr. Dr. U'olpcr, dnrcli das Programm ein: lieber Her ück sieht i -
gun^ des Ehr tri eh CS bei Strafen in den obcrn C lassen
von gelehrten Schulen, 20 S. 4. Die Scliiilcrzalil Avar ()9 In 5
Classen. Im verllossenen Jahre vcrliessen die Anstalt 34 Schüler, von
denen 9 die Universität hezogen.
LrcKvr. Das Gymnasium zählte am Ende des Schuljahrs, von
Ostern 1825 his dahin 182(), 338 Scliiiler in 7 Classcn (nchmlich 28 in
I, 43 in II, 21 in III, 46 in l\, 59 in V, 55 in VI und 86 in VII), von
denen jedoch nur die' 4 obcrn Classen das eigentliche Gymnasium bil-
den. Zur Universität wurden zu ]Michaclis 1825 zwei, zu Ostern d.
J. 7 Schüler entlassen. Die Unteriichtsg(g(>nstände sind: Lateinisch
in'fi. Griechisch in 4, IlcbräiscJi in 2, Dciitfch in 7, Französisch in 3,
Religion , ]>Iatheniatik , Xaturlchre und Gesang in 7, alte Geographie
in 2, neue Geographie in den 5 untern, Geschichte in 6, Kalligraphie
in den 5 untern nnd Zeichnen in den 2 letzten Classen. Von Seiten
der Behörden beabsichtigt man ein neues Schulgebäude zu bauen und
einen neuen Lelirer für die obern Classen anzustellen. Die zeitheri-
gen Lehrer sind der Rector 31. Lehmann für I, Conrector M. Thieme
für II, Snbrector M. ff'cickert für III, 31. Jetter für IV, Cantor Gra-
ser für V, If'enzd für M, Auditor J'ogt für MI. Zu den Osterprü-
fungen (d. 15 März) sduieb Ilr. 31. Job. Gottl. AVeickert Explica-
t ion es lo cor ii jn aliquot D e vinst h e n i s alio r umquc scr i~
ptorum, 28 S. (von S. 16 — 28 Scbulnachrichten) 4.
Ltk. Ueber das dortige Gymnasium ertheilt ausführliche Nach-
richt der Director, Hr. Dr./. Ä'. lioscnhcyn, in der Einladungsschrift zum
Herbstexamen 1825 (Gumbinnae, typis Meltzeri, 47 S. 4.), in Avelchcr
zuerst S. 3 — IT ein brevis commentariolus particulae non
vwdo pro non modo nonpositae vorausgeschickt und S. 18 — 47Schul-
uachricliten angehängt sind. Das Gymnasium verdankt seine Begründung
und sein Aul'biühn zunächst mit dem rasthtsen nnd einsichtsvollen 3\irkeii
des den 16ten Sept. 1823 gestorbenen Directors Johann Friedrich Jf^oUncr,
dessen \ erdienste um die Anstalt Ilr. Dir. liosenheyn S. 31 — 38 kurz,
aber würdig und mit Achtung scliildert. 3Vollner war geboren zu
Königsberg den 21 Jnni 1710 und trat zuerst im Schuileben vom 2 31ai
1791 an erst als llüUs- dann als ordentlicher Lehrer am Colle^inm
Fridericiannm zu Königsberg auf. Von da ward er 1795 als Rector an
die Vrovincialschulc zu Lyk versetzt und den IStcn IVov. daselbst ein-
geführt. Er fand eine Schule von etwa 50 Schülern, aber die äussern
und innerii Verliältuisse dersell)en in der grösstcn Aerwirrung, dass er
nur mit \ichr Anstrengung und unter Aielcn Kämpfen Ordnung herbei-
zuführen vermochte. Seine \ (üdicnste Avurd(^n zuerst bemerkt bei einer
Schuli-evision im Jahr 1802 durch den Oberconsistorialratli Zöllner aus
Berlin, der auch die Bemerkung machte, dass die Lyk'sche Provinzial-
ecluile ein 3Iittelding zwischen ein<-r Gelehrten- und 31ittelschulc sey,
zur erstem aber weder das erforderliche Local noch die nöthige Lehrer-
zahl liabe. Eine des&balb niedergesetzte Cominisbion schlug daher
Jahrb. tl. l'hil.u. I'üddg. Julirg. I. Nrfl 1. 10
242 Schul- u n «l U n i V e r 3 i tu t s n II c h r i c h t e n ,
schon im Angnst 1803 vor, »lie Schulein ein Gymnasium 7m xervriin-
dcln , allein erst «len 3ten IVov. 1812 -ward sie dazu erliohen und den
3ten Aug-. 1813 IVierlicli eingeweiht. WoUner ward (1812) zum Dire-
ctor ernannt. Erster Oberlehrer ward Hr. Dr. Ileinr. Georg Justtis
Cludius aus Hildeslicim, zweiter Hr. Prorector Fföss , dritter ordentli-
cher Lehrer Hr. Michael Chrzescienskl aus Slahowa hei llhcin, und
interimistisch blieb Hr. I. M. Ksionzck aus Passenheim angestellt. Alle
fliese Gelehrte waren erst 1812, liurz Aor Verwandlung der Schule in
ein Gymnasium, als Lehrer der Provinzialschule eingetreten. Die Schii-
lerzahl vermehrte sich jälu-lich und war Anfang 1815 auf 1)0 G^iuna-
siasten gewachsen. Schon 1812 hatte der König zur Erhaltung der
Anstalt einen jährlichen Zuschuss von 1000 Ilthlrn. beMilligt; den 7tcn
Febr. 1815 ward er durch neue alljährige 1500 Rthh*. vermehrt, denen
1820 noch 700 Rthlr. zugelegt wurden. So ward es möglich 1815 Hrn.
Chrzescienskl zum Oberlehrer zu befördern, und ausserdem Hrn. Dr.
Carl IVilh. Keferstcin aus Halle als 4ten , Hrn. Julius Theodor Wilberg
aus Halle als 5ten, Hrn. Beruh. JFilh. Taiirek aus Königsberg als 6ten
ordentl. Lehrer und Hrn. Fried. Act. Lunge aus dem Altenburgischen
als HülfslehrCr anzustellen, von denen aber mehrere bald anderweit
versorgt und durch neue Lehrer ersetzt wurden. In den Jahren 1820 —
22 ward es durch Beiträge der Stadt und ein Gnadengeschenk des Kö-
nigs möglich das Schulgebäude zu erhöhen und das Local zu erwei-
tern. Im Jahr 1810 hatte Wollner eine Schulcasse angelegt, die er so
sparsam verwaltete, dass er bis 1822 ein Capital derselben von 1600
Ilthlrn. auf Zinsen ausleihen konnte. Die Schülerzahl war 1822 bis auf
105 gestiegen ; bei WoUner's Tode betrug sie 104. „ümi, sagt Hr. Ro-
eenheyn, bleibt der Rulun, in jeder Hinsicht ein ausgezeichneter Mann
gewesen zu seyn. Was er als Director und Lehrer geleistet, muss um
6o bedeutender erscheinen, je mehr man erwägt, dass zu seiner Zeit es
weniger Gelcgenlieit gab, sich auf der Universität Königsberg [wo er
1787 u. IF. JJ. studirte] zum Schulmanne eigens auszubilden, dass er
so jung an einen von allem literarischen Verkehre so entfernten Ort
kam, da' bei vieler Arbeit, unter unsäglichen ScliAvierigkeiten und bei
so geringen Hülfsmitteln so lange blieb und nicht Gelegenheit hatte.
Bedeutendes im Schulwesen zu sehen." — „Seine treuen Dienste und
seinen auch in sehr dürftigen Umständen nicht erloschnen Eifer belohnte
die Gnade des besten Königs an seinen Hinterbliebenen. Durch eine
Cabinetsordre wurde der Wittwe des Verstorbenen eine jährliche Pen-
sion von 150 Rthlrn , 25 Rthlr. jährliches Erziehungsgeld für jeden
ihrer beiden Söhne bis zum vollendeten- 17ten Lebensjahre und eine
jährliche Unterstützung von 60 Rthlrn. für eine Tochter zugesichert."
Sein Tod war für das Gymnasium auch desshalb empfindlich, weil
bereits eine Lehrerstelle [durch den Abgang des Hrn. Dr. Beruh. Ileinr.
Thiersch nach Halberstadt, Ende 1822] unbesetzt und der Oberlehrer Phi-
lipp [der Anfang 1825 die Anstalt ganz verliess] Krankheit« halber auf
längere Zeit beurlaubt war, ausserdem auch Ostern 1824 der Hülfsleh-
rer Maletius die Anstalt verUess. Es waren sonach nur übrig: Hr.
Beförderungen und Ehrenbezeigungen. 24S
Dr, Chtdius als ei-ster Obcrlclircr und Dircctoratsvcnvescr, Hr. Chrze-
scicnski als 2ter Oberlehrer und Ordinarius in Sccunda und Hr. Raphacl
als 5ter ordcntl. Lehrer und Ordinarius in Tertia. Dazu kam jedoch
1823 Hr. Oppcrmann als 4ter ordentlicher Lehrer und Ordinarius in
Quarta. Anl'ang 1824 Mard Hr. Joh. Golthold Dietrich aus Boragk bei
Torgau als interimistischer oter Olterlehrer (an riiiliijp's Stelle) und
Ordinarius in l'rima und Hr. Carl Fcrd. Marcus aus Lahna bei ^eI(^en-
burg als interimistischer (Jter ordentlicher Lehrer und Ordinarius in
Quinta angestellt. Letzterer ist in dieser Stelle den 8 Sept. 1824 förm-
lich bestallt worden. Das Directorat ward den 2 Juni 1824 durch Hrn.
Dr. 1. S. Roscnhcyn besetzt, der bald nacliher seine Geschäfte antrat,
aber erst den 2Gsten Jan. J825 öffentlich iustallirt ward. Er ist 1777
zu Billeroda in Thüringen geboren, und ward Kuerst 1805 am Gym-
nasium zu MarieuAverder angestellt. 1810 ward er als erster Oberlehrer
an das Eriedriehscollegiuui zu Königsberg berufen, und von da ging
er 1813 als üirector der höhern Stadts(;liule und luspector des gesamm-
ten Scluihvesens nach Memel. Von Meniel kam mit ihm zugleich
der Eleuientarlehrer loh. Friedr. Lcop. Gcrdicn aus Königsberg als
Hiilfslelu-er nach L\k, der den 15ten*JuIi 1824 sein Amt antrat, aber im
Juni des folg. Jahres es wieder niederlegte. An seine Stelle kam den
18ten Juli 1825 Hr. tnih. Menzel aus Olitta in Polen. Zu gleicher
Zeit übernahm der Actuarius, Hr. loh. ff'ilh. lulius JJallinis, den Zeiclien-
unterricbt an der Schule, und Hr. Dr. Chidiiis für den Director die A er-
valtung der Gymnasiencasse. Hr. Dir. llosenheyn hat ausser dem
oberwälinten Programm in Lyk als Schulschrift nur noch ein(^
kleine Einladungsschrift zu der öffentlichen Prüfung und Eiitlas-
bung im Octob. 1824 geschrieben, worin er einige Wünsche in IJezug
auf Zucht und Ordnung des Gymnasiums anspricht. — Die Zahl der
Schüler betrug 1824 im Herbst 121 und 1825 zur selben Zeit 124 in ß
Classen [8 in I, 20 in H, 25 in HI, 28 in IV, 27 in V, 16 in VI]. Ln-
terrichtsgegenstände sind ausser Religion und Griecli., Latein., Deut-
scher, Französischer (erst seit Ostern 1824) und Hebräischer Sprache
noch alte Literatur, Geschichte (alte, mittlere luul neuere), Geogra-
pliie, Mathematik, ]\aturlehre, Prosodik , Zeichnen, Schreiben und
Gesang. Zur Förderung des Privatlleisscs werden den Schülern der
drei obern T^lassen von Zeit zu Zeit Werke der Griech. u. Latein. Li-
teratur zur häuslichen Lesung aufgegeben, welche I{e?,chäftigung der
Hauptlehrer jeder Classe haltet. S. BuESLAr. lieber Fleiss und Ver-
halten der Schüler werden unter Redaction des .Directors vierteljäh-
rige Zeugnisse jn 5 Abstufungen ausgestellt. Die neugegebenen Schul-
gesetze sind den 12tcn Apr. 1823 dem Ministerium zur Genehmigung
vorgelegt worden.
Mkissev. An der königlichen Landesschule ist Hr. Professor M.
Andreas Carl 7io/serwegen fortdauernder Geisteskrankheit mit ÖOORthlm.
Wartegeld seiner Stello enthoben worden. Die dadurch erledigte 3te
Pntfessur liat der Prof. IV, Hr. M. Friedr. Auf^. Iloritcinaiiu , die 4te
der Prof. VI, Hr. M. Frinür. Max. Derlei (geb. zu Seyda bei W'ittcn-
lö *
244 Schul- und Univcräitdts nach richten,
bcrg 1796), die 6te Hr. M. Ilclnr. Moritz Clialyhüns (gehör, zu Pfaff-
rode bei Freiberg 179fi), seitheriger Vicariiis der dritten Professur und
frülier Colial)ürator an der Kreuzschule zu Dresden, crlialten. Die 5te
Professu» (der Mathematik) ist am SOsten April durch den Tod des
M. Otto erledigt Avorden.
Mi'uLUArsEN. Hr. Dr. Graefcnhan, zeitheriger Subconrector am
Gymnasium zu Eisleben , iät alä Frorector an das dortige Gymnasium
gekommen.
NEiiBRAivnEisEmG. Hr. Dr. Joli. Ileinr. Walther, Prof. und Rector
am Gymnasium , ist im Februar l)ci seinem 50jährigen Amtsjubiläura
vom Grossherzog zum ^chulratli, von der Universität zu Rostock
zum Doctor der Theologie ernannt worden.
NoRDHArsE\. Am Gymnasium hat Hr. Director Kraft wegen Ab-
lehung eines Rufs nach Helmstädt eine Gehaltszulage erhalten. Hr.
CoUaborator SUkrodt ist Prediger bei der Alteudörfer Gemeinde
geworden.
NijR^'BERG. Den 23sten Mai 1826 feierte das Gymnasium sein
300jähriges Stiftungsfest. An diesem Tage war es nehmlich 1526 von
Philipp Melanchthon durch eine Rede eröffnet worden. Er selbst, so
wie Camerarius, Eoban Hess, Roting[tis, Podenstcin, Schoner, waren
die ersten Lehrer desselben. Es blühte anfangs erfreulich auf, ver-
sank aber bald so, dass es 1575 nach Altorf verlegt, und dort,
1579 durch Rudolph 11 zur Acaderaie erhoben, oder vielmehr als
Gymnasium einer neubegründeten Academie untergeordnet ward. Die
Academie ward endlich diu'ch Ferdinand II zur Universität erhoben. In
Nürnberg fing man unterdess an, Privatschulen einzurichten, die end-
lich mit einander vereinigt im Jahr 1633 den Namen eines GjTunasiumS
von Altorf zurück erliielten. Diese neue Anstalt blühte unter Dill-
herrii's Leitung bald herrlich auf, und hat seitdem ununterbrochen bis
jetzt bestanden. Zur Feier des jetzigen Jubiläums liess der Magistrat
das Gymnasialgebäude renoviren, von Burgschmidt das Bildniss Me-
lanchthon's aus Stein fertigen , und eine silberne Gedächtnissmünze
prägen. Mit Gottesdienst und Schulfeierlichkeiten ward der Tag selbst
begangen. Die im Gymnasium aufgestellte Statue Melanchthon's ward
dabei enthüllt und der erste Bürgermeister Binder, der Rector Roth,
und der erste Prof. Dr. Baibach hielten Reden. Angekündigt ward, das
Fest durch ein Lateinisches Programm vom Prof. Dr. fabri. Zugleich
erschien eine Geschichte des Gymnasiums vom Prof. Dr. Fickenscher
( Nürnberg. Fr. Campe. 4 ). Ausserdem schrieb Prof. -Daumer eine Ab-
handlung: Uebcr den Gang und die Fortschritte unserer
geistigen Entwickelung seit der Reformati an und
über ihren St andpunkt in der gegenwärtigen Zeit
(Nürnb. Riegel und Wiessner. 4), und der \"orbereitungslelirer Phi-
lipp Mayer eine Deutsclie Ode im Alcäischen Versmaasse (Ebenda 4).
Von auswärts sandte der Ministerialrath Fr. Roth zu München eine
Befördern 11 geil und Ehrenbezeigungen. 2-15
saiiplilsclic Gr.itulutlonsodo , und der Rector des Gymnasiums zu
Biiireuth, Prof. Gabler, ein Latein. Gliu;!iwiinscliung:<schrcilion, Zuletxt
sind noch gedruckt erscliieucn : die dabei gehaltene Canzeh-ede des
Stadtpfarrers Dr. ph. Seidel (\üriib. Riegel und Wiessner. 4) und
eine Geschichte des Jubelfestes (Ebendas. 4), welche zugleich die
Reden von iiindcr , Rolh und />'a/fc«c/t enthält. Vergl. Literar. Conver-
sationsblatt 1820 ^r. ISl).
Pauchim. Das durch Ji\-lincrl's Tod erledigte Rectorat der Schule
hat llr. Chiiaioph Fricdi: Mcncr, zeilheriger Hector zu Ludwigslust,
erhallen.
Paris. Herr Bibliothekar und Prof. Ilasc hat vom Könige von
Preussen den rothen Adlerorden otcr Classe erhalten.
Post.x, Seit Jühannis 1825 ist am Gymnasium als Prof. angestellt
Hr. Dr. Georg Miillcr aus GüstroM, der früher als Privatgelehrter zu
Berlin lebte und durch seine Uehersetzung von Seneca's Troerinnen der
gelehrten Welt bekannt ist.
ScHLEisixGEV. Hr. Rector Dölekc hat das Prädicat eines Directors
erhalten, und zur Osterprül'ung Ob s crvatl oncs g r ammalicas ,
34 S. 4, herausgegeben. Die Zahl der Schüler in den 5 Gyninasial-
classen war 120, in den 2 Eleiuentarclassen 158. Von Seiten der Behör-
den ist im vorigen Schuljahr verordnet Avorden, dass der zu grossen Fre-
quenz der Classen durch strengere wissenschaftliche Prüfungen vor-
gebeugt, die öflentlichen Aufzüge der Schüler bei feierlichen Gelegen-
heiten und das Schulgcldeinnehiiien durch die Lelu'er abgestellt, in
den Gyninasialclassen ausser den vorhandenen Lehrgegcnständen noch
• philosophische Grammatilv , Deutsche Literaturgeschichte, Logik und
Psychologie vorgetragen und in die drei bbern Classen die Privat-
lectüre Griechischer und Lateinischer Classiker eingeführt werde.
ScÄ"LPFOKTE. Der Rector der Landesschule , Hr. Consistorialrath
Dr. Ilgen, ei'hielt bei der Feier des Königl. Preuss. Krönungs - und
Ordenpfestes den rothen Adlerorden Ster Classe. Die durch die Ver-
setzung des Herrn Dr. Jacob nach Colin erledigte Adjunctur ist dem
Hi-n. Dr. Jfex ( A erfasser der C o m mcnt. de lo co niath c m a t. i n
Plat. Menone. Halle, 1825. 8) übertragen worden.
Stettin. Beim Consistorio und Provincial- Schulcollegio ist der
zeitherige Assessor, Hr. Grafsmann, zum Schulrath ernannt, am Gymna-
sinni aber der Oberlehrer, Hr. GiesebreclU (Lebersetzer der Jsländischen
Joinsvikinga Saga und iMitherausgeber der Pommerschen Provinzial-
hlütter), Aon der Koppenhageuer Gesellschaft für nordische Alterthums-
Iiunde zum ordentlichen auswärtigen Mitgliede enväldt worden.
Ukbino. Den 12ten Febr. ward von der Studiencongregation die
Wiederherstellung der dortigen Universität uecretirt, und den 4tcn
März vom dortigen ErzbischoiT das üecret bekannt gemacht und ilire
Einweilinng gefeiert.
Weimau. Am Gymnasium ist der Improvisator , Hr. Dr. Wolf aus
Homburg, als Professor der neuem Ijitcratur angestellt worden.
246 Schul- und U ni ve i-s I tä tsnaclir icht e n,
Wertheim. Am Gymnasium lud zu den öffcntllclien Schulprüfun-
gen, den 29 — olsten März d. J., Hr. Direct. Dr. Föhlisch ein durch dag
Programm: Ueber Form, Inhalt und Zwecke der öffent-
lichen Prüfunf^en in Mittelschulen. Zweite Abth. 58 S. 8.
Die Zahl der Schüler war 157 in 4 Classen. Im Laufe des Schuljahres
waren 7 mit dem Zeugnisse der Reife auf die Universität abgegangen.
Im April 1825 ward der seit 1821 als Callaborator angestellt gewesene
Herr Christ. Friedr. Platz aus Wertlieim zum 2ten Hauptlehrer «ml
Prof. am Gymnasium, und Michaelis desselben Jahres der seit Mich.
1824 provisorisch angestellte Lehrer, Hr. Carl Friedr. Jlertlcin aus
Wcrtheim, zum 3ten llauptlehrer ei'nannt. Ostern 1825 verliess Herr
Joh. Mich. Iteheyse, Px'ivatlehrer des Franz., das Gjmnasium; an sei-
ne Stelle trat Hr. Seb. Gigandet. Ostern 1826 ward der Candidafc
Lud. Kahl aus Wertheim als 4ter Hauptlchrer angestellt.
Wismar. Die grosse Stadtschule hat Anfang dieses Jahres eine
zeitgemäss veränderte Einrichtung erhalten. Im Dec. vor. J. war der
Conrector , Hr. Joachim Ileinr. Grievank, als Prediger nach Conow bei
Ludwigslust abgegangen. Seine Stelle erhielt den 5ten Jan. Hr. Dr.
Heinr. Franke , geboren zu Boitin in Meclilenburg , der früher am
Friedrich's-GjTnnasinm zu Berlin und dann an zwei Erziehungsanstalten
(zuletzt an der Fellenberg'schen) in der Schweiz angestellt war.
WiTTEMJEBG, Zu den diessjährigen Frühlingsprüfungen im Gj-mna-
giura schrieb Hr. Subrector Jfundcr: Ueber Kombinationen des
zweiten Grades oder Kombinati onen von Kombinatio-
nen, woran Hr. Rector und Prof. Spitzner Schulnachrichten anhing.
Den 8ten April 1825 ward der Candidat Herrmann Schmidt aus Stewen-
liagen in Mecklenburg als CoUaboi-ator interimistisch angestellt, und
nach erfolgter Bestätigung den 19ten November feierlich eingeführt.
Die Anstalt zählte im Sommer 1825 95, ini Winter 101 Schüler. Zur
Lniversität wurden zu Ostern d. J. 12 entlassen.
Zeitz. Im Schuljahr 1825 (Ostern) bis 1826 der dortigen Stiffs-
schule erhielt Hr. Rector Kiessling das Prädicat eines Professors und
Hr. Tertius M. Dohne eine Gratification. An die Stelle des emcritirten
Ordinarius der 6ten Classe, Hrn. M. J. Ch. Feige, kam Hr. Hornikel,
die beiden CoUaboraturen aber wurden durch die Hrn. Milo und Phi~
lipp besetzt, von denen der letztere schon seit Anfang des Septembers
1824 interimistisch angestellt war. Die jetzigen Lehrer sind also: M.
Kiessling Rector und Ordinarius in I , M. K. F. JFclter Conrect. und
Ord. in II, M. K. F. Junge Lehrer der Mathematik und Physik, M. J.
Ch. Dähne Ord. in III , M. Ch. G. Jiebs Cantor und Ordinarius in IV,
6r. Landmann Ord. in \ , Hornikel Ord. in VI, und die erwähnten «wei
Collaboratorcn. Zur Gründung einer Lesebibliothek für die Schüler,
•welche die classischen Schriftsteller der Deutschen enthalten soll, wur-
den von der Stadt und Umgegend 200 Rthlr. geschenkt. Zu den Osterprü-
fungen dieses Jahres schrieb Hr. M. Junge eine Abhan«Uung über die
Spirale des Archimedes in analjtisch-geomctrlscher Darstellung. 14 S. 4.
Zittau. Das Gymnasium steht seit Ende 1823 unter der Leitung
Beförderungen und K Ii r c n b c z e i g ii u gen. 241
des Hrn. M. Friedrich Liiuhmann, vehlier, früher ideellster Professor
an der Liindes- oder Fiu^tcnsclinle zu .MeisiSt^n, den ITlen I)eo. des
gcnunnteu Jahres statt des in lluhe^itand versetzten Üireetors, llrn M.
Aug. Fricdr. Willi. Rudolph , das Uirectorat üfternahni. In seinem
neuen Aiutc schrieb er zuerst, Ostern 1824, das Progamm De A d-
vcrbio Latiiio Spee. I, 22 S. 4, Modurch er die Entlassung mehre-
rer Schüler zur L'ni> crsität , a on denen fünf durch öfffentlichc Reden
>on der Schule Abschied nahmen. anJ»iindigte. Nachrichten über die
Schule giebt das Prograjum zur Osteri)rüfung 1825, De Advcrbiu
Laiino spec. II, 49 S. 4. [von S. 23 — 4ü Schulnachrichten.] Die
Schülerzahl betrug 125 in 4 Classen , Aon denen 11 zur Universität
(7 durch öfTentliche Abschiedsreden) abgingen. Die Lnterrichtsgegen-
btäudc sind Religion und Erklärung des J\. T. (letzteres nur in der
ersten Classe), Gescliichte, Geographie, Matliematik (bestand damahls
bloss im Vortrag der Arithmetik in den beiden untern Classen, und
ist erst sejt -Michaeli» 1825 in den obern Classen nieder eingeführt und
Hrn. Subr. Rückert übertragen worden), Deutsche Sprache und Deut-
scher Stvl, Griechische, Lateinische (beide verbunden mit praktischen
Lebungen in prosaischen und metrischen Uebersetzungen), Französi-
sche und Hebräische Sprache, 3Iusik, Zeichnen und Tanzen. Die Dis-
eiplin wird oluic schriftliche. Gesetze dur.cli den lichrerverein in seiner
tJesanuntlieit (in wöchentlichen, erst vom Hrn. Dir. Lindemann einge-
führten Conferenzen) gehandhabt. Die ölTt^ntlichen Prüfungen wer-
den alljährlich zu Ostern gehalten und uebst dem ebenfalls öffentlichen
Entlassungsacte durch ein Programm angekündigt. Die Aufnahme
neuer Schüler findet alleuiahl in den nächsten Wochen nach Ostern u.
Mi<haclis statt. Von den Lehrern müssen jährlich 5 Gedächtnisöreden
gehalten werden, von denen eine der Director allein hält, während die
übrigen unter den drei obern Lehrern Avechseln. Die meisten werrffen
durch LateinischeProgramme angekündigt und diuxh Lateinische Reden
gefeiert. Auf diese Weise erschienen vom Director 1825 die Program-
mala De Stroj)haAlcaica 8 S. 4, und D e h iutu in v e r sibus Ho -
ralii ly r i c i s, (i S. 4, 182fi und D e fo rmul is usu venire et us u
cv cnirc, 8 S. 4. ; vom Conrector M. Juh. GoUfr. Kneschke 1824 De rcli-
gi o nc ehr i sii ana a sex u in u lieb r i p er co n n ii b i a p r opu-
gata spec. IX, X, \I;.vom Subrector M. Ferd. Ileinr. LuiJmiunn 1824
und 1825 H istorica [et philo sophica] virtutisexplicatio,
P. XX\T1I — XXX (jede 8 S. 4). Den 20sten Mai 1825 starb der Conrector
M. I. G. Kneschke, geboren zu Zittau den 2ten Dec. 17fi6, und am Gymua-
bium zuerst als Subrector dann als Conrector angestellt seit dcmlteuMai
1792, Pibliothekar der Ralhsbibliothek seitl802. Zu seinem licgräbniss-
lage schriel) ilr. Dir. Lindcnumn : hu rze A « c h r ichl ü h er d us h e-
ben des 1 erslo rbencn 8 S. fol., worin ei auch die zahlreichen Schrif-
ten (meist Programme) drssillMMi aufl'ührt. Seinf Stelle erhielt Ilr. Snb-
rect. Lar7(ma/u(, und da» erledigte Subrectorat der zeitlierigeDiaconus zu
Grosshenncrsdorf, Hr. Lcop. Immun. Uückerl, ^ühur. 'i.u Grosshennersdorf
d. Iten Febr. 1797 und durch die Schriften : L eber Co nfi rmatiu n u n d
Erklärung
Confirmanden- Unterricht 1S19, Derationc tractandac
theologia e dogmaticac, 1821 , Der aka d e mische L c h rer,
sein Ztvcck und Wirken 1824, und Christliche Philosophie
oder Philosophie, G e schichte undBih et n u c h i hr en lo ah-
ren Beziehungen zu einander dargestellt 1S24, Aer gelehr-
ten Welt iH'kannt. Zur Einweihung' heider Lehrer (den 20=iten Sept. 1825)
ßchrieh der Director Fahularum tr a g icarum initia, quae apxtd
Ho merum l eguntur, dialo go Graece scripta exjiosiia, i2S.
4. Ende Septemhers desselhcn Jalires legte der Colhihorator, Ilr. Carl
Eduard Kneschke (Sohn des verstorhcnen Conrectors, gehör. d.27»tenOct.
1794) sein Amt freiwillig nieder, Avelches, nehst der Aufsiicht üher die Raths-
hihliothek, den 21sten Oct. Hrn. Carl Ernst Lauge (geh. zu Zittau den 12ten
Sept. 179!)) ühcrtragen -ward. Zur Osterprüfung 1826 schrieh der Director
De Adverhio Latino, Spec. III, 21 S, (von S.14 — 21 Schulnach-
richten) 4,
Erklärung- über* eine in der Hildesheim er hri tischen
Bibliothek 1826 No. 3 S. 224 ff. entlialtene Anzeige
meines Akademischen Progr. M. Tiilli Ciceronis in
P. (niclitj wie dort steht, G.) Clodium et Ciirioneiii
fragmenta concinnavit C. B.
iflit der schuldigsten Dankbarkeit elire ich des Hrn. Rector N' ai-
de ke ia Harburg gimstiges Zutrauen, „dass ich di« WahrJieit,
die ich selbst, wie es sicli ziemt, frei bekenne, aueii gerne Jiö-
ren würde.'-'- Ey! wie dürft' ich anders*? Wie sollt' ich nicht jede
Belehrung dankbar annehmen, die mich mit Wahrheit bereichert,
einem weit köstlichem, werthvoUern Gewinne, als vieles Gold ist?
Des Wissens Dominat gehict'risch affectiren,
Heisst : Denkfreiheit in Ketten führen.
Dergleichen kami dem im Gelühl der eignen Scliwäche und
Mangelhaftigkeit lernbegierig Wahrheit Suchenden, ja nach ihr
Dürstenden nie einfallen. Ob ich des Kunstrichters Bemei'kungen
und ausgesprochene Urtheile für Wahrheit halte : das wäre frei-
lich eine andere Frage, nach deren Ucjahung oder Verneinung
indess Aveder Er , noch sonst Jemand , der sich auf sein eigenes.
Ihm selbst ^^mehr als wahrscheuiliches'-'- Urtheil zu verlassen ge-
wohnt ist, neugierig seyn wird. Sollte diess dennoch der Fall
seyn: so muss ich zur Steuer der Walnheit meinem Beiirtlieiler
einen und den andern Trnmpf, micli a])zustechen, treuherzig
selbst in die Hand geben. Wenn» nämlich ans der von Ihm, Wel-
cher, anstatt den spätem Scholiasten in Ansehung des von ihnen
vorgesetzten Titels ängstlich Glauben beizumessen, lieber „den
hdialt des Werkes genau studiren wollte,'-'- S. 22.5 angefüJnten
Stelle der Rede ^^ojfenbar wird, dass die Konjektur, als sey
gegen Hrn. R c c t o r N ö 1 d e k c. 249
der jinis:e Ciirh dort gemeint, niistalthaft ist:" so niuss unser
anrinerksainer und genauer Prüfer der Geister luu so mehr ge-
»oimenes Spiel liaben, da die ganze Stelle nicht etwa ein echt-
Ciceronisches IJiiielistück, sondern (wie die Kinklammcrung der
absteclienden Cursiv- Schritt, dem aiilVichligen \ orworte zu Fol-
ge, anzeigt) nichts weiter als eine \o\\ mir selber versuchte Er-
gänzung ist, lediglich hl der \ oraiissetzung erdichtet, dass die
schon ^ou Qiiinctiliiinus, nicht erst \on Julius Rufinianus und No-
iiius, miter dem Titel in P. L'ludiuin ei Ciirionctn citirte Rede
aucli wirklich, Mie das Argumentum des Ambrosiaiusclien Sclio-
liasten besagt, gegen denClodius und Ciirio (ob V^ater oder Sohn,
liess ich in Ennau<relung bestimmter Zeugnisse unentschieden)
gerichtet gewest-n sey, >vas aber Hr. JSöldekc leugnet, welclier
das .\rgumentum dem Verfasser der demselben nachfolgenden
und von derselben Hand geschriebenen Scholien abspricht: eine
Entdeckung, welche eben so feine Aufmerksamkeit und einen eben
so vervollkoumineten Beobachtimgssinn Aoraxissetzt, als dazu ge-
Imrtc, den ersten Takten des Aufpfiffs tonkundig abzidauscheii,
ob zur Komödie oder zum Satyr-Spiel vorgespielt Averde. Die von
der bereits geschehenen LossprecJumg des Clodius handelnde
Rede lässt unser liistorisch- chronologischer Kunstrichter noch
vor dem Vorschlage des Hortensius wegen der Jenem, als Beklag-
ten?, erst noch zu bestellenden Richter gehalten -werden. Von
dieser gliieklichen Auflösung aller Statt findenden und nicht Statt
(indeiulen Schwierigkeiten gestehe ich um so weiter entfernt ge-
blieben zu seyn, da ich vor lauter Missverstand im Ißten Briefe
des ersten Buches an Atticus , wo Cicero die Lossprechung fiir
den endlichen Erfolg von dem ausgeführten Vorschlage des Hor-
tensius erklärt, §-4 Postea vcro quam Hortensius excogita-
Ait etc. nicht fiir Ante vero qua?n., und § 5 tit iam jrpog To
TCQOTBQOV revcrtar nicht für nt iam iiqoc, xo vözsqov progrediar
genommen habe : auf welche W eise allein es möglich gewesen
Märe zu einem so wichtigen Aufschlüsse zu gelangen. Indess
erhebt mich von der Scham über diese meine Verkehn|:heit Avie-
«1er ein mächtiger Trost. Denn wäre ich eitel genug: so könnte
ich mir schon etwas darauf einbilden, dass ein so scharfsinniger
Kuiistrichter den von mir bloss zum Verstreichen des Stück-
werks angewendeten Mörtel für eine an Glaubwürdigkeit das
Argumentum Anonymi bei Weitem überwiegende Reliquie des
alt-heili-ren Tullius hinnehmen konnte, die ungeachtet meiner
authenlisclien Erklärung nicht <^/ew. angehen soll, aufweichen
ich (der sicli übrigens nicht einfallen liess. Jemanden mystiiici-
ren zu wollen) jene Invective gemünzt halte. Zweitens mnss der
Herausgeber selbst die von Hrn. Aöldclie S. 227 f. erfundne Er-
klärnng einer .^von jclier falsch gedeuteten Stelle'-'" der zweiten
(Jalilinarischen Rede c. 2 § 4 dadnrtli bestätigen, dass diesellie
schon von weiland Mag. ALberL Lenicer gegeben war. Denn
250 Erklärung
liegt niclit seiner Erklärung : cui libido iiocendi et decipiendi a
pueritia adfuit^ ofienbar eine Prosopopöie der Calumnia zum
Grunde'? Die wir dieses nachzuM eisen im Stande sind, also we-
nigstens nicht zu denen gehören können, die „alle durchaus
den Kasus des Wortes calumnia nicht erkannt haben,''' wir wis-
sen nur nicht, wer denn der Hcrrmann ist, welcher die Gottlo-
sigkeit begangen haben soll , die Göttin Calumnia vom Thron zu
stossen. Unter den Herausgebern und Bearbeitern jener Catili-
iiarischen Rede ist uns nicht einmahl ein Quidam jenes Namens
bekannt; um so weniger können wir an einen xar' iißyriv so Be-
nannten, odei; gar an Gottfried Hermann denken. Dennoch
aber muss mau unwillkürlich an einen itfe/z/Aer wenigstens insofern
denken, als die Hrn. Nöldeke ganz eigentlmmliche (originell -
geniale) Entdeckung eines Tetrameters in der Stelle,
nie, quem in prac\lexta aniare || coepcrat Ca\lnmnia ,
um so ge\^isser ist , weil die kritischen Orakel - Worte , in de-
nen Er auf heiligem Dreiliiss, von Apollo gerafft, dieses Ge-
heimniss kVmdlich gross macht, sich noch leichter in tetrametros
trochaicos catalecticos zim'ickbringen lassen :
„So den Vers res tituir' ich; j| da ist ein Tetrameter.
In der Mitte ist die Theiliing. ([ Dranf beginnt das andre Glied.
Schiller auch gehraucht diess Metrum , || in zwei Reihen abge-
theiit etc."
S. 226 schreibt mir, um mich „als Interpreten näher kennen zu
lehren,^'' Hr. JV. folgende Erklärung der Worte tribtmi non tum
aerati^ quam^ ut appellantur^ ß er a/z« im vorhin angeführten
Briefe an Atticus § 8 zu: „nicht so (?) reich, als \ielmehr
Vertheiler des Geldes.'-'' Sollte auch eine solche von' Hrn. iV.
bestrittene Erklärung irgend Jemandem einen passenden Sinn zu
geben scheinen : so muss ich doch auf die Ehre , dergleichen
crgrübelt zu haben, gänzlich verzichten. Die tribunos aerarios^
wie Sueton im Jul. Caesar c. 41 sie schnitzerhaft flectirt, weil
er vom Hrn. Rector in Harburg noch nicht unterrichtet war, dass
aerarii j^jeim Nominativ tribuni kein Adjectiv, sondern der Genitiv
von aerarium ist, uelmie ich zwar, wegen des Beisatzes 2il ap-
pellantw\, in der solennen Bedeutung nach Varro und Festus für
Zahlmeister ., als Richter aus dem dritten Stande nach dem Au-
relischen Gesetze, aber ich setze ja hinzu: „qui hie alio sensu
uotantur ut aerarii, quasi infimae centuriae et nummarii, ut §
21 propter inopiam , quae facei-et, ut nimimulis corrumpi pos-
sent.'-'^ Ist das nicht eine von der obigen wesentlich verschiedue
Erklärung?
Culautica leite ich (zu V, 3) keinesweges „gegen alle Ana-
logie von v.aXvTCxco'-'' ab, wie S. 227 vermeldet wird, sondern
.,,ab inusit ato etymo verbi aaXvTirco^ a quo forma tum est
etiaui 3<«Au§,'"' also von der veraltete?i Wurzel der noch sehr ge-
brüucldichen, verlängerten Form xaAuÄtw , und \ou „«vg, av-
gegen Hrn. Rector Nöldeke. 251
Tog, forma Cretica pro V0I2:. oug, ovrog, aiiris^'-'- ein tlie Ohren
iiüt bedecl-cnder Sclileier, der bis über die Sclmiterii licraMiing.
Demiillii^licli bitte idi noch um Piiitscliuldigiuijs: , dass ieli eine
ungeschickte Erkläriins,- ircireben habe, von welclier Hr. A. S.
22(» safft: ..besser hätte icii sie irnnz weggelassen, da bei schwie-
rigen Steilen sie oft vermisst wird." Sehr weise!
Denn dicss und da» liisst wohl sich dcprecireu ;
Es macht uns nur für hessre Tafel satt,
Wenn man den Appetit ni(;ht gnug geschonet hat ;
Und /rc/s/jc/t ist's, manch Ding c» ign oriren.
Indess getroste ich mich, um so eher Gnade und Nachsiclii zu
finden, da Wr. Nöldcke glaubt, die Anfaiigsworte des oben ge-
dacliten Briefes , Qiiaeris ex me , quid accidcrit d e judicio^
(jiiod tarn praeter opinionevi factum sit ^ die icli- in meiner
Einfalt für gleiclibedeutend mit der § (> folgenden Wiederhohmg
nahm^ Judicium quaeris quäle fue r il : incredibili exilu^
mVissten a n der s interpretirt werden , und zwar so : „ quo casu
fertiiito" [fortuito? ^;der soll es vielleicht (versteht sich, nach
aller Analogie) von /e/r/, sich zutragen^ abgeleitet seyn*?] ,,judi-
cium praeter opinionem omnium factuju sit.'-'" illso muss die Stelle
doch wolil einige Schwierigkeit liaben, denn von mehrern abweichen-
den Interpretationen kann höchstens nur eine die richtige seyn.
Die in jenen von mir herausgegebenen Bruchsti'icken auffal-
lende Orthographie, „ iiber welche der Herausgeber, da er (?)
von der gewöhnlichen Methode des Schreibens abgeht, Iiätte
Griinde hhiznfiigen raiissen,'' veranlasst mich zu der Erklärung,
dass die oratio in P. Clodium einzeln gar lucht dem gi'össeru
Publico Vlbergeben ist, sondern deren Ausgabe bloss eine akade-
mische Einladungsschsrift seyn sollte. Dalier fehlt bei ihr die in
den Vorreden der vollständigem Ausgabe jener und anderer
Bruchstiicke enthaltene Rechtfertigung, sowold manches Einzel-
nen (wie epistula S. XLIY n. 47), als auch meines Verfahrens
überhaupt, dass ich näm'ich, ungcaclitet ich Sinn- entstellende
Sprachfehler corrigirte, docli die Inconsequenz in der blossen
Schreibart, wie sie den Urkunden eigen ist, mit diplomati-
scher Treue beibehalten Iiabe: was nach Hrn. Nöldekens ei-
genem Urthcil ..jedem Gelehrten angenehm se^n wird, weil er
nun über das Zeitalter und den Abschreiber uitheilen kann."*
Selbst die S. 228. 229 gerügte Schreibart laevare (für Icvare^
glätten) ist nicht eigenmächtig von mir corrigirt c. VI § 1 S.
H).> der vollständigen Ausgabe, sondern aus dem Taurin. cod.
paiimpsesto, in Ermangelung anderer iJrknnden, zurückgeführt.
Dass Cicero apu d gesciirieben." darüber ist Hr. A. mit uns ein-
verstanden; dem spätem Scholiasten "glaubte ich die spätere
Schreibart apu t nicIiL gewaltsam enlziclicn zu tlürfen. Zu der
Consecpienz , nach dergleichen Kigeiiheiten der copirten Hand-
schriften meine eigene Orthographie in deii untergesetzten Au-
252 Erklärung gegen Ilrn. Rector Nöldeke.
merkimgeii sicli richten zu lassen, glaubt' ich mich nicht rer-
pflichtet, da ich nicht gesonnen Avar, die Grundsätze der Ortho-
graphie im Allgemeinen darnach zu bestimmen, einzelne Fälle
ausgenommen , wo diess ausdrücklich mit Darlegimg der Gründe
geschehen, wie z. B. über ^/-«ehcndere schon früher ad ojfic. T.
II p. 386 f. Man versuche es doch , vor allen Dingen erst jene
Gründe zu entkräften! Dann schreib' ich gehorsamst anders.
Die Wahrheit der Anzeige aber vermisse ich gänzlich S. 229 in
dem Berichte , dass ich ftlippicis p. 17 (S. sV no. 10) für phi-
lippicis rechtfertige und zwar mit Worten, unter denen gro'ss
der Name 31 A I gedruckt steht. Ferner S. 228 sagt der
ti-eue Berichten „Für copüalis hat p. 18 der Codex xairtTaAig."
Aber MAI sagt nur S. 88 no. 14 meiner Ausgabe „ Ita cod. lit-
tera giaeca Icajntalis:'-' was sich doch wohl nur auf k für c
bezieht, wie in den verglichenen Worten kaleudae^ k(dinunia
etc. Uebrigens erlaube ich mir ^e^^ew Hrn. llector Nöldeke we-
der als Interpreten, noch als Kiitiker, noch als Ortliographen die
mindeste Einrede, geschweige denn, dass ich in seiner nacli
der bei ihm so allgemeinen Weise so geschriebenen Kecension,
„dass sie zehn Titel haben könnte, die nöthige Präcision und
bestimmtes Urtheil vermissen '-'• sollte: obgleich das von Umi
angezogene Spriichlein des Lucilius,
Neniinis ing;enio quemqiiam confidere oportet,
mir diese Erlaubniss zu geben scheinen könnte. Doch nein!
Mein'thalbeii leb' im iinverwelkten • Ruhme
Des Wolilgeruclis von alles Wissens Blume !
Ich möchte nicht gern, wie Catilina's Liebling Tongilius
für einen ^^Cahimnianteii'-'' gehalten werden, der, seine Ver-
messenheit bereuend, mit oder ohne Bild den Sinn der von Hrn.
Nöldeke zum Belege des von ihm entdeckten tetrametri trochai-
ci catalectici recitirten Worte Schillers auf seinen friedlichen
Schreibgriffel anwenden müsste :
„Frommer Stab ! O liätt' ich nimmer
Mit dem Schwerdte dicli vertauscht ! "
Aber ich wünschte doch auch, dass Leser, denen meine Ans-
gabe nicht zur Yergleichung vorliegt, nicht glauben möchten,
ich hätte anders erklärt oder etwas Anderes corrigirt, als wie
ich erklärt und was ich corrigirt habe. Denn bei Unbekannten,
welche, um „den Interpreten, den Kritiker und den Ortliogra-
phen näher kennen zu lernen,'-' wenn sie klug sind, mehr auf
Auszüge, als auf Lobhudelei oder auf Tadel sehen, kaim man
auf solche Weise gar zvi leicht in den schmäldichen Verdaclit
der Verrücktheit fallen , wie der arme Sokrates (in des Aiisto-
phanes Wolken V. 235) , dem der plumpe Sinnverdreher Strepsi-
ades in die Rede fällt : „Was sagst du'?
lu die Kresse ziehii die Feuchtigkeit die Studien *? '•'•
Karl Beier.
Inhalt
des ersten Hefts.
Allgemeine Einleitung 2U den Jahrbüchern. — Vom Professur Pasaoiv in
Breslau 1—24
Description de la Grece de Pausanias. Traduction nourelle avee le
texte etc. par M. C/av/er. — Vom Rector M. Siebelü in Bautzen. 25 — 39
Cicerouig orationes Philippicae. In us. schol. ed. Wernsdorf. — Vom
überschulrath und Director Dr. Goercns in Schwerin. 39 — §7
Deutsch-Lateinisches Handwörterbuch von Wüstemann. Erster Theil.
Vom Professor Kaercher in Carlsruhe 41—79
C'iceronis libri de republica, notitia cod. Sarmatici facta illustrata etc.
a D. Männich. — Vom Professor ßcjer in Leipzig. . 79 — 96
V. Virgilius Marc. Recensuit Po«/er. — VonM. Wagner in Dresden. 96 — 100
Üvidü opera omnia, curavit3/tf$cAer/(cA. ) ,
,, ., • * . D- i^ l Vom M. JcÄnin Leipzig. 100 — 123
Ovidii quae supersunt, curavit Richter. ) '^ *
Taciti opera, curavit Lünemann.\ , ,
_. ... -^ T, 11 i Vom PforectorDr. Äteuocr inDorf-
Taciti opera, recoguovit ßcfcfcer. J
Taciti opera, adcuravlt Weise. ) """" ' • • • 1— — 129
Gellii noctes Atticae. Ed. Lion. — Vom Collaborator M. SilUg in Dresden. 129 — 138
Leber die neuesten Bearbeitungen derGriech. Litteraturgeschichfe. Er-
ster Artikel, — Vom Professor Pcssouj in Breslau. . 138 — 156
Spohn: Delinguaetliteris veterum Aegyptiorura.Ed. .$ev^ar(A.\ Vom
*cj(/r«rtAj Rudrraenta hieroglyphices. iM.Jahn |c« ..q«
Beiträge zur Kenntniss der Litteratur etc. des alten Aegypten nn Leip-
von Seyffarth. I zig.
Rovers : De Censorum ap. Romanos auctoritate. — Vom Dr. jur. Karl '
Friedrich Günther, Beisitzer der Juristenfacultät in Leipzig, 182 — 186
Cracfe : Antiquitatis Graecae et Rom. loca quaedam etc. — Vom M.
Sillig in Dresden 186 — 188
Ad memoriamillustr. gymnasii Gothani ante trecentos anni conditi. . .
celebrandam . . . invitat Doen'ng'. — Vom M. JFiBguer in Dresden. 188 — 189
Croebel: Observationumin scriptt. Rom. classicos •pec. VIIetVIIL —
Vom M. Jahn 189—193
Isclin : Das alte Rom. — Vom Dr. Jur, K. Fr. Günther in Leipzig. 193 — 196
Virgilii opera, schol. in us. curavit ßiUerbcc^'. — Vom M. Wagner
in Dresden 198 — 197
Bemerkungen über einen Vorschlag von Herrn Prof. Oertcl und Proben
eines grossem Lat. Lexikons. — Vom Prof. /fiircÄ er in Carlsi^he. 197 — 208
yiclas: Quatenus scholae saecnlo cedere debeaut. — Mitgetheilt vom
Dir. Dr. Ilülsemann in Osterode. 2t)8 — 214
Jurisprudentia in Ciceronis orat. pro Tullio aceuratius exponitur inter-
prete Car. Rciero 214 — 220
.■Misecllen. . . 220 — 223
Todesfälle. 223 — 228
Sihul- und l^niversitätsnachrichlen, Beförderungen und EhrenbeBei-
Kuungen 228 — 248
Krklärung gegen Hrn. Rector IVöUcAü in Harburg. — Vom Prof. üeicr.' 248 — 2^3
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f^^mmmMmm^^mM^^^^u'^s'^'^^^m^^mm^mmmmmmmmm^
JAHRBUCHER
FÜR
PHILOLOGIE UND PÄDAGOGIK.
Eine kritische Zeitschrift
in Verbindung mit einem Verein von Gelehrten
herausgegeben
von
M. Joh* Christ, Jahn»
Erster Jahrgang.
Erster Band. Zweites lieft.
Leipzig,
Drnck und Verlag von B. G. Teubner.
18 2 6.
Griechische Litteratur.
Demosthcnis qiiae super sunt e bonis librls a se emcndata
edldil JoaiiiR'!; Jiuobiis Uiiskc. Editio correctior curante Godofrcdo
Ilcurico Scliaefi'io. Lundiiii apud IJlark, Yomi':; et Yoiin«^-. [Leipz. I).
lleil)i.,r.] gr. 8. Toiu. I. 1822. XCIV ii. 012 S. T. II. 1822. (ilü S.
5 Thlr.
D c in osthenis qii ae s up e r sunt op e r a. Latinc vertit Iliero-
nyraus AVolliiis!. Editio correctior curante God. II. Schaefero. Ibid.
182(». 701 S. 2 Thlr. ii Gr.
I n (I i c c s op c r n in 1) cmost h e n is. Confccit Jo. Jac Rciske. Edi-
tio correctior curante God. IL Schaefero. Ibidem 1823. iioS S. gr.
8. 2 Thlr. 12 Gr.
Apparat ?is C ri ticns et exe geticii s a d D e m o st h e n e m
Vinc. Obsopoei, Hier. Wolfii , Jo. Taylor! et Jo. Jac. Reiskli anno-
tationes tenens. Comraodiimin ordinein digestum aliorumqne et suis
aunotationibus auctuni edidit God. II. Schaefer. Ibid. T. I. 1824.
888 S. T. II. 1825. T02 S. T. III. 182«. 554 S. gr. 8. 9 Tblr.
Icli will den Text desDemosthenes und den Apparatus von einan-
der sondern und von jedem insbesondere i'eden. Es timt mir leid,
dass auch Scliäl'er angefangen liat, allzu Mortkarg zu seyn, und
nicht einmahl in einem Vorworte von der Veranlassung zum Gan-
zen, von dem Zwecke und von den Griinden, warum die Sache
so und nicht anders gegeben wurde, einigen Aui'schluss hat ge-
benmögen. Jetzt müssen die Titel zeigen, was man zu erwar-
ten hat; luid in dem Apparatns sieht man hin mid wieder aus den
Anmerkungen, was die Absicht war und was geleistet wurde. Ich
habe mir Aorgenommcn, nichts als den so viel möglich getreuen
Ileierenten zu nuK-lien und meine Ansicht unbefangen über das
Wesentliche beizufügen.
1) Text, Uchersetzung und In die es.
Als mir im Jalir 1823 der Schäfersclic Abdruck zur Einsicht von
der Buchhandlung übersandt wurde,uud ich denlheuren I'i-eis sah,
sandte ich denselben zurück, weil ich be}in llüchtlgen Durcliblättern
fand, wer die Ueiskesche Ausgabe besitze, bedürfe dieser verbesser-
ten Ausga1)e nicht. Erst als ich mich zur gegenwärtigen Anzeige
des Buches entschloss, schaute ich mir tlcn Te.vt an, um nach ge-
lahrb. </. P/ii/. u. J'adag. Jahrg. I. /lift 2. 17
254 Griechifchc Lltteratur.
nauercr Einsicht micli zu überzeugen, Mie es sich mit demselben
verlmlte. Ich gestelie zwar, für einmahl nur parthienweise ilni
genau verglichen zu haben. Das Resultat aber ist: Der Reiske-
schc Text ist getreu wieder gegeben , mit Verbesserung der ent-
schiedenen Druckfehler und besonnener, seltener Aenderung der
Interpunction. Sonst ist der Text, ich möchte sagen mit Aengst-
liclikeit beybehalten, sogar bis auf die Accente, selbst da, wo
mau seit Reiske zuverlässig auf bessere Einsicht gekommen ist.
Um aufrichtig zu seyn , Schäfer hätte sich nicht sollen dazu ge-
brauchen lassen, den Reiskeschen Text nude cinule zu wiederhoh-
len, und ihn, wenn auch, wie ich hoffe nicht in Deutschland, doclj
in andern Gegenden aufs neue fortzupflanzen. Denn, wenn es
auch Schäfer nicht so finden sollte, ich liabe micli von der Wahr-
heit des Wolfischen Urtheils in der Epistola ad Reizium p. VII ff",
durcli eigenes Studium überzeugt. Ich will die ganze Stelle lier-
setzen, weil hier ein grosser 31ann von einem grossen Manne bil-
liger urtheilt, alsesbey einzelnen Stellen des Commentares die Le-
bendigkeit und übergrosse Reizbarkeit Fr. A. Wolfens gestattete.
Satis tu nosti civis olim Tuinaturam et viorem singularem. Eru-
ditionis^ quae in eo erat sumnia^ apparaimn nimio plus in edito-
re spernebat^ critici acuminis laudem sibi gratiorein esse semper
prqfessus ; ideinque commisit infinitis in locis^ ut qui imdto mi-
nus valerent et ingenio et doctri7ia^ acmne?i et eruditione?n in eo
requirere possent. Qtiod qutim saepius doctihomines in cdiis scri-
ptoribus conqtiesti sint , si id minus adhuc animadversuin est in
oratoribus ^ ea fortasse caussa est^ quod Uli a paucioribus evolci
solent. Attamen ne sie quidem esset^ cur quisquam viro succen-
seret propterea^ quod in annotationibus tot res effudit parum co-
gitatas^ quippe qui ubique tarn verecunde de opera sua judicarit^
qui insuper gravem imbecillitutem corporis et aJiimi potuerit es-
cusare^ qui denique in Praejatione primi voluminis (^quam quum
lego^ auctor >simplex^ ingenuus^ nihil reconditi habens^ tamquam
mihiipse corani adest) criticamtemei'itatem sibi dicat innatani at-
que intimis ßbris infixani : nemini^ inquam , aequo hie talis vir
propter temer aria et falsa quamlibet multa gravius videretur no-
tandus , modo commentis et conjecturis suis alibi^ quam in tex-
tu^ locum fecisset^ nee sua labe opiimum scriptorem contaminas-
set. Nunc illud accidit^ ut ei^ qui aliquando Demosthenemde-
niio edere aggredietur^ prope plus ?nolestiae devorandum super-
sit in decessoris hujus co?/jecturis tollendis^ quam in aliaidla par-
te i?ite?pretatio7iis. Quid ? quod recipio spondeoque , facile me
victu7'um^ in Wolfiano exemplo^ universe posito^ man um aucto-
ris nobis fidelius expressayn dari^ quam in hoc novo^ tot melio-
ribus adjume?it?s castigato. Mit Benutzung der Ilülfsmittel nun,
w eiche seit Reiske neu hinzugekommen sind, sollte nun der Reis-
kesche Text gänzlich ausser Curs gesetzt Averdeu. Denn allen Re-
spect vor der Person und den Verdiensten des wackeru Reiske, sein
Dcmosthencs. Ed. Schacfcr. 255
Text der Griechisclien Redner ist der Wissenschaft nacTitheilia;;
und AVer noch so miihsame L'ntcrsnchnn^ennach diesem Texte an-
gestellt liat inul vermeint, anf sichere Resultate in dieser oder je-
ner Ilinsiclit gekommen z>i sevii, sieht vieles beym Gebrauche der
neuen Iliilfsmittel wie ein Karlenhaus dahin sinken. Wenn z.B.
jemand den Text des Demosthenes nach dem Apparatus, wie er in
der Schäferschen Aus^a])e vor uns liejrt, eonslltuiren will, so wird
er einen von dem lleiskeschen himmelweit verschiedenen Text er-
halten, und diesen, wVinsditeich, liätteuns Schäfer gegeben; dann
hätte er sich um die Wissenschaft und um Demosthenes hoch ver-
dient gemacht. — Scliäfer liat sich als Corrector um die alte Lit-
tcratin* ungemeuie Verdienste erworlien, und man kann mit Wahr-
heit sagen, die w leidigsten neuem Werke Deutschlands in diesem
FacJic haben sehr viel seiner Uemiihung zu verdanken, und ich
möchte auf ihn anwenden, was ich einst den Fr. A. Wolf von lieizen
sagen hörte: Er hat nicht nur die Druckfehler, sondern aucli in
aller Stille die Versehen und Irrthiimer der Verfasser corrigirt.
Daher wii'd es niemanden befremden , w enn icli bezeuge, dass die
Ausgabe correct ist. Wer auch selbst corrigirt liat, wii-d zurUe-
berzeuguug gekommen seyu, dass aller Mühe und Sorgfalt unge-
achtet immer einige Fehler stehen bleiben, wohl auch während des
Abdruckes sich neue einschleichen. Bey der gereizten Stimmung,
die vielfach in den Schäfcrschen INoten waltet, ist er imgemein är-
gerlich über sich selbst, dass ein unschuldiges yav statt yccQ p. 472
1.2 stehen blieb. Tuedet pigetque^ ruft er Apparat T. III p. 141,
tulium ritioruni^ qiiae non socnrdia corngeiitis typogiaphica
specim'um neglesit ^ sed infeliciter praeter vecta est caligo oculo-
riim.
Dass im dritten Tlieile die Uebersetzung von II. Wolf zuge-
geben ist, wird mancliem willkommen seyn. Denn, wie ich merke,
finden noch viele Leute in der Lateinischen Uebersetzung ein Iliilfs-
mittel; doch wer das Griechische nicht zu fassen vermag, wird
auch durch das Lateinische nicht besonders klug werden. Einzig
ist bey wirklich schweren, unverständlichen Stellen eine Ueberset-
zung gut, um sie zu Käthe zu ziehen. Denn der Erklärer kann über
das, was er nicht versteht, schweigen, und schweigt, wie man den-
ken muss, oft; der Uebersetzerist geuöthiget, etwas hinzusetzen,
oder muss durch eine Lückeden Mangel an Kinsichtkund thuu. —
Die Indices werden denen, Vielehe die Reiskesche Ausga3)e nicht
besitzen, willkommen seyn. J\jir bedaure ich, dass Schäfer, der
im Falle war, sie wichtig zu vermehren, es aus Achtung des ilcis-
keschen Nahmens nicht gethan zu liaben scheint.
2) A p p a r u l u s.
An und für sich bleibt der Apparatus, wie ihn die Reiskesche
Ausgabe liat, ein uiu'iitl)flirlicli<:s Mülfsuiittcl lur den Liebhaber
und Freund des Demosthenes; aber wer ihn selbst mit Fleiss zu
17*
256 Griechische Litteratur.
benutzen gesucht hat, wird kaum sich bereden, dass es ihm Viber-
ali gehingen sey, den Gebrauch davon zu machen, welchen er
wölke und sollte. Mcht nur muss man Viberall an drey Orten nach-
schlagen, sondern man stösst unvermerkt auf etwas, wo man es
gar nicht suchte. Es ist daher schon ein grosses Verdienst, dass
Scliäler die zerstreute und verworfene Masse regelmässig an jede
Stelle geordnet hat: eine allerdings ungemeine Miihe, wie es Schä-
fer auch hin und wieder nicht verhehlt. T. II p, 489 not. * : Ad~
versantur haec siiperioribus. Videlicct haec scripsit Reiskius in.
annotat ionibii s ^ iUa in varietate lectionis. p. 180 not. *: Hucus-
que lleiskias in varietate lectionis. Qiiae seqtiimtur., scripsit in
annotationibns. . Pervellem a viro eaimio., quac ad eandeni rem
pertinent., non discerpta esse. Inde flatus mihi est labor satis
aerumnabilis conciliandi ., qiiae passini minus apte coirent. Ni~
mirum lectorum comnioditati., quam. Iteiskiana editio saepissime
fruslratnr , omm modo prospiciendum fuit. p. 459 : Inter Tay-
lorum Reiskiumque haud lente festinuntem dissensiones passini
occurrunt. In der That muss man der W ahrheit das Zeugniss ge-
ben, dass Schäfer in dieser Beziehung das Unmögliche geleistet hat.
Aber noch mehr : Schäfer hat, was seit lleiske für üemosthenes
versucht oder geleistet worden ist, sorgfältig gesammelt und zum
Theil mit den Worten der Verfasser selbst w ieder gegeben und mit
eigenen Anmerkungen begleitet, so dass man sagen kann, man ha-
be hier beysammen , was bis auf die neuesten Zeiten für Demo-
sthenes gethan wurde.
Die Schäfersche Arbeit hat neben diesem den Hauptzweck,
die Reiskeschc Ehre gegen Verunglimpfungen aller Art zu ret-
ten. Schon die Holländer wareit ungerecht gegen ihn ; doch He-
ssen sie auch seinen Vorziigen Gerechtigkeit widerfahren. So sagt
z. B. Valckenaer zu Ilerodot IV , 68 : JReiskii est sincera incru-
standi voluptas. Nonnumqnam tarnen conjecturas proposiiit., qui-
bus multa redimit incogitanter et ita scripta., ut doctorum homi-
num non satis illum reverentem fuisse appareat. Die Deutsche,
nahmentlich die Klotzisclie Derbheit spielte dem wackern Ehren-
manne auf eine bübische und ekelliafte Weise mit; Er aber schüt-
telte mit ruhiger Kraft den Unrath, mit dem man ihn zu übcrgie-
ssen wähnte, von sich ab ; und je genauer nahmentlich das Studium
grammatischer Dinge wurde, desto mehr vergass sich der Dünkel,
den Mann , der das Grosse und Ganze im Auge hatte imd freyen
Sinnes war, zu höhnen, und kleine Härchen, die der Biedermann
auf seinem Kleide nicht achtete, als gewaltige Risse darzustellen
und den Rock mit den Härchen als veralteten Plunder auf den Mist
zuwerfen. Jetzt endlich hat Er jemanden gefunden, der seine
Ehre rettet, und zwar ohne Ansehen der Person jedem, von dem
er jenen gekränkt glaubt , seine offene Rechnung macht. Nur
Schade, dass imser lieber Scliäfer, der selbst einen unschuldigen
Witz kamn ungeahndet hingelien lässt, es einem nicht verargen
Dem 0 8 tli cn es. Ed. Schacfer, 257
dürfte, wenn man ilnn seihst bittern Spott über andere ebenfalls
hotli> erdiente Mäinier Schuld irebeii wiirde! IcJi bin zwar ganz der
Meiniuiff, dass man mit Ernst und AVürde dem raiilicn Absprechen
und dem weswerfenden Tone, der die höliere Weislieit beurkun-
den und am Knde zur Desj)otie führen soll, keck unter die Ausren
trete, und «lieht ruhe, bis ein humaner Ton, der, wie die Ver-
dienste anderer anerkennt, so mit Schonung; die Fehler und Irr-
thümer zurecht weis't, und nicht veriiisst auch selbst irren zu kön-
nen, herrschend geworden ist. Allein man darf niclit veriressen,
dass es c^ewisse Temperamente gibt, die mit einer seltenen Ehr-
lichkeit alles mit den eiirenthümlichen Nahmen benennen, und de-
nen man diese Ehrlichkeit ja nicht missdeuten darf. Unter diese
Temperamente gehörte z. B. F. A. Wolf. Ich habe daher ab-
{«ichtlich oben jene Stelle aus der Zueignuugs- Epistel an lleiz in
extenso angeführt, weil er hier an einen Mann schrieb, vor dem
er am meisten pjhrfurcht hatte, den er als höchst human und mil-
de kannte und verehrte, und vor dem er kein Wort weder zu viel
noch zu wenig sagen wollte. Diess war das Resultat, das in sei-
nem Imicrn waltete und aus seinem Innern hervorging. Hingegen
in jedem einzelnen Falle, den die Anmerkungen des Commenta-
res berühren, da sprach er ehrlich den momentanen Eindruck aus,
den der Fall auf ihn machte; aber wer ihn persönlich kannte und
indjefangen*l)eobachtete, der weiss es, dass die Worte mehr zu
gagen schienen, als sie sagen wollten; und dai'auf hätte ich ge-
wünscht, dass Schäfer liätte Bedacht nehmen mögen; dann hätte
er wohl die spöttischen Worte Haien sis editor, Halensis
iste Ueiskiani nominis obtrectator u. s, w. xmterdrückt.
Uebrigens gestehe icli selbst, dass es an Wolfen vorzüglicher ge-
wesen wäre, er hätte das Aussprechen des momentanen Eindruk-
kes zu hinterlialten gesucht und die Witzworte gespart; aber dann
wäre er nicht F. A. ^NVolf gewesen. Doch um Schäfern zu zeigen,
dass ich auch gesfen die Gebrechen meines mir unvergesslichen
Lehrers nicht blind bin, so wünschte ich, dass Wolf selbst folgen-
de Worte hätte lesen können T. 111 p. 177: (Inod si Anglns fa-
isset (^lieishius^ , niinirzim ff olfiifs ejus la/tdcs , ut nonmiUoniin
de Ula f^enle^ cclebraturns erat. Gennuimni Germanus., quod est
inceteratum nostrae ^enlls cacoelhes., hiftjnisshne vexacit. JNuu
•will icJi, was im allgemeinen zu Beiskes Ehrenrettung zerstreut
ist, so gut ich kami, zusammenstellen, um auch meinerseits mich
selbst und andere in der Hochachtung eines wackern, auch unter
vielem Druck und Widerwärtigkeiten nicht erliegenden, für seine
Zeit ausgezei<;hneten iMannes zu stärken. — llelske ist selbst so
chrlicli, seine Schwachheiten und Fehler frey zu gestehen und an-
zuerkennen, ganz gegen die Manier der lieutigen Zeit. So lesen
wir T. II p. 4HS: In tan/a fesiinatt'one., tj/ta l/ntr ferebar incita-
///.s, in Itaud paiica halucinatns «////«, te/iierans sana., et intavta
praelermül&ns vitiosa : quonini de nlroqiie ^enere nonnuUa ml-
258 Griechische Littcratur.
hi nunc secunäis curis editionein meani reiractauH se ingerunt.
Hierzu bemerkt Scliäfer not. * : Haec aliaque siniilia^ quae Reis-
kius de se ideiitideni professns est^ lege?ites^ si de meliori snnt
luto^ inimortalis viri et candorem amubiint et caliimuiatores de-
testabuutur ovx, ovtag aE,Lovg Iva Xvöoaöiv avrov roVLfxdvTarov
vnoöijuatog. Sed hoc est de vitiis humanae nalnrae : bonis^ quae
tute (wrutnnabili labore paraveris^ versuli cupide ntuntur ; secus
udministrata., ut nihil tibi debeie videanlnr ^ inaligno deute ar-
rodunt. T. II p. 292 not. * : Quo ?nagis^ si jwssini^prohrisinces-
sentium viruni imniortulem os obturem^ iiddam^ quae Coraes^
venerandus senex\ de lieiskio scripsit praefat. ad Plularch. öeA.
od : KaryjyoQBLtai KOivcog 6 'Patömog, ag rol^irjgog dg rag öloq-
%aö£Lg rov dneßaka %' iyco TioXXdg li, avtcov dito riqv iKdoölv
liov cjg e6q)ak{i8vag. ^AkX' oybcog tcqotl^cj xijv yovi^ov to/I^j^v
tov^Phöxlov dno nokXav dXlcav Ixöotäv xr^v Cxilgav tvläßuav.
Cf. Schneiderus praefat. ad ylristotelis Polit. p. XXXIII s. et
Niebuhrius in egregio libelLo., quem com?nentis Steinackerianis
opposuit., p. 14. T. 1 p. 186 P. f ) 10 v. 4 : Omnino Reiskium au-
res habuisse satis teretes., vel hinc discas., quod passim in sce-
nicis poetis instinctu quodam naturali (?iam fuit metrorum et im-
peritissimus et incuriosissinms ) inelricis mirantibus felicissime
restituit, Cf. Porson. ad Eaiip. Orest. 412. — Dennocli kann
man nicht sagen, dass Schäfer blind sey für lleiskes Bfeliler ; frey-
lich weis't er sie' meistens, wie es sich gebiüirt, milde znreclit,
z. B. T. I p. 182 P. 9 V. 1 CO ävÖQsg'Ad'rjvaLOL macht lleiske
folgende Bemerkung : ai'ÖQeg ab a. e. &■ abest. In enotandis his-
ce niinutiis aliqua sum usus., non acerrinia tarnen., diligentia cir-
ca August, prinium., circa cacteros nulla. K. c. nusquam anno-
tavi., in August, quinto semper legi w ^A%i]valoi, sine avdgsg.
Inutilis et molesta et putida est diligentia , quae in hujusmodi
nugis ponatur., melius ad res rnajoris momenti conferenda. Hier-
zu macht Schäfer folgende Bemerkung : At , o boni., si talia su-
perciliose contenmimus , quid de tota Critica fiat ? Sint nugae.^
non repugno ; sed hae nugae., si quis iis callide utatw\ haud ra-
ro ad seria ducunt. Doch bisweilen ist die Zurechtweisung schär-
fer. Wenn z. B. T. II p. 319 Keiske sagt, er habe P. 308 v. 1 aus
mehrern Handschriften geschrieben BTtEiöav ob tsXbvx^jöblb
für das gewöhnliche BTtBid'^., so sagt Schäfer: haec vero non
correctio est., sed depravatio ; und wenn T. II p. 62 Reiske beim
Wort ^ör} die Bemerkung macht : Possit tarnen hoc, quod ununt
est vocabidiim^ in tria dissecari tJ 3' ij hoc est 'ijxBXxaQCcgij niv-
T£, so sagt Schäfer in der Note * : Isla conjectura tarn inepta est.,
ut nemo non niiretur , viro cor dato tale quid in mentem venire
potuisse. Wolil w ürde er es hart finden , wenn ein Anderer sich
i) Gross P. bezeichnet pagina im Griechischen Texte von Reiske.
Demosthcnce. Ed. Schaefcr. 259
solclicr Aeusseruiiffcn bedient liätte. Denn au andern kann er
diucliaus nichts erlrai^cn. JSalnnentlicli miissen es Weiske und
Wunderlich, die nach dem lierrschenden Tone den verstorbe-
neu Keiske >veniger sclionteu, als sie einen augeselieuen , leben-
den 3Iann geschont liätteu , so entgelten , dass man fragen darf,
ob Schäfer seiner Humanität nicht zu nahe getreten sey. Wennz.
B.A\eiske dellyperb. l p.23 sich allerdings etwas hart so äussert:
Qiiare et Reiskius benc fecit , (/uod hi/nc certc locmn co/fjecfu-
*-n's suis noii mociilavil ; so können wir es kaum der rednerischen
Parisose zu gute halten, wenn Schäfer 1\ II p. 254 not. * sich al-
so ausgiesst: Itane Weiskios scribere ausos esse de Reis-
kiis? Ich wollte lieber, er liätte sich selbst gesagt seyn lassen,
Avas er mir als Vorschrift für andere aus dem Herzen schreibt T.
II p. 291 : Tuthis est abstiiiere facetiis , quas cavlllator in alte-
'/nun seiisiim detorqnere possit. Und zwar sagt er diess bcy einer
Gelegenheit, wo er wirklich den Witz, den ich AVeisken gern ge-
schenkt hätte, nicht hätte geneigt scheinen sollen verdrehen zu
wollen. Da nähmlich lleiske TtiQi ■JiaQaitQ. P. 3J)7 1.28 auf eige-
ne Faust ncjQia statt der gewöhnlichen Lesart ^ivgla in den
Text setzte, und Weiske dellyperb. III p. 11 die Lesart der Hand-
schriften vertheidigt, fugt er hinzu: ^agiav siiam sibi habeat
Reiskius ; Schäfer aber redet noch, als ob er zweifle, wie die
AVitzworte gemeint seyn. Sed JVeiskiiis ^ opitior^ sagt er endlich,
de sola Reiskii co7ijectura loquitur ^ quam sibi illum habe?e se-
pulcroqve mandure jubet: nam ^cöqCuv heroi exprobrare deceat
aut hoininein Reiskiani iiigenü prorsus ignarum ant os impuris-
simiim. Den Witz kaiui Schäfer auch anderswo nicht lassen. T.
11 p. 308: Jam audiamus Weisktum^ ad hunc ctiam locum de
llijperbole II p. 45 s. (pvöävra, ö^iKQotg ft£V avUöxoiöt ^ cpoQ-
|3£täg ö' är£Q . Ut igilur Reiskius abusns sit interpun-
clione ^ tarnen to £^>;s infelle.vit optinie^ Weiskias pessiine. —
Wunderlich ist zwar todt, und billig soll man die Todten ruhen
lassen. y\ber wenn mau bedenkt, wie er in den Aeschyleis
den greisen Schütz und den wackern Schneider behandelt hat, so
mag man ihn noch eine Lection nach dem Tode zu Händen derer
gönnen, die nur zu gern in seine FusslaplVn treten. T. II p. 243
P. 285 V. 16 macht Ueiske die IJemerkung: Ilaec tarn minuta in
posterum annolure oiniltaiu^ uuiverse adiiiouens^ ubicunque aut
in dialeclis aliquid mulaveio^ aut pro i/äegris decurtata cum
aposlroplio dedero^ aut in sindlibus minuliis a vulgata discesse-
To^ non nieu id me auclorilale^ sed bonorum codicuni fecisse:
und Schäfer fügt be^ : Non oniisisset ^ opinor^ tarn uiinula an-
nolure^ si praetidissel propterea se vupulaUiruin esse ab homi-
liibus doctis illis qnidein ncc male merilis de oralore^ sed paulo
iranmdioribus. l clui Ji underlickio quas dedit poenas ob capi-
tale scilicet facinus aposlrophi tolies posiiae ! Qui si hanc Reis-
kii unnolationem habuisset cogtiitani^ niininun insuUare summt
200 Griechische Littcratur.
ViriManibus reltgioni habittirus erat. — T. II p. 250, woReiske
daran Aiistoss nalim, dassnach sldag eine doppelte Constriiction
folgt, zuerst mit ort und dem modus finitus, dann einfach mit,
dem modus infinitus, sagt Schäfer: Qumn anomalium syn-
tacticam e tot exempUs satia cognitam ojfensioui fiiisse Beiskio
partim iniror {iiam talia vir siiinns curae non habebat) : multain
miror^ Jf'iinderlichio fuisse. V. Matthiae Grammat. Gr. § 538,1
p. 774. T. II p. 324 P". 309 v. 26 sagt Wimderlich von Markland,
da er nach einem besondern Lieblingsirrthum lesen wollte ■9' av-*
[laöTov av rjvi tiirpiter aberravit. Schäfer erwiedert: Si
quid in talibus turpitudinis est.^ vere dicas^ WunderlicMiim tur-
piter aberravisse sensu. Diese Stelle mag schicklich den IJeber-
gangzu Zureclitweisungen machen, die Schäfer andern, nahment-
lich jVingern Gelehrten, maclit, die zwar grosse Iloflnungen ge-
ben, von denen es aber doch zu wünschen ist, dass sie Beschei-
denheit mid Achtung älterer Personen als die Krone ihrer Ver-
dienste erkennen und ehren. Sie können es nur zu schnell dahin
bringen, dass ältere Männer sich zurVick ziehen. Erfahrung und
Einsicht lässt sich in keinen Kampf mit hochtrabender Selbstge-
iiiigsamkeit imd vorsclineller Absprecherey ein. Aber glaiibe die
Jugend ja nicht, dass ihre Bliithe, wenn sie eine solche ist, Frucht
tragen werde! Sie muss verdorren, weil sie von unreinen Säften
hervorgetrieben wird; und die Wissenschaft, der sie ich weiss
nicht welchen Dienst zu thun glauben, wird sie als unechte Kin-
der verwerfen. Doch Schäfer wcis't auch impartheyisch ältere Leu-
te zu recht. Als z. B. T ay l o r bei einer lateinischen Erklärung von
Larabinus sich äusserte T. II p. 301 P. 303 v. 5: Vides hominem
ijysum sibi fere displicere., so sagt Schäfer in der Note * : Hoc
vero est cavillari. Taylortnn., si quem alium , decebaL de Lam-
bino , primaria Latinae orationis magistro , loqui verecuudissi-
me. Von O s a n n heisst es T. I p. 216 P. 15 v, 21 : Humanior
quid dicet de Osanno., qui JFunderlichium propter illapauUo cali-
dius sc7'ipta stuporis insimulaverit? Lege et mirare., quae
vir doctus et ingeiiiostis , sed iiiterdum., ut mihi videtur., vsavi-
evö^BVOS in Inscript. III p. 128 disputavit. Pergat., plaudentibus
nobis., de bonis Utteris bene mereri., sed talg MovGaiq ragXäQL-'
rccs övyxata^Lyvvg^ ^iaXXiöxTqv öv^vyiav. T. I p. 297 P. 34 v.
13 steht über Rüdiger undPoppo: Regulas syntavticas per-
vellem Rüdigerus co?nbibisset , antequam de Jf olfiis super bius
loqueretur. Popponis autem in castigando amico lenitatem amo.^
quam si me audiet., in postertim etiam Schneidero., de nostris Ut-
teris immortaliter merito., nee, quae summi viri egregia laus est.,
em ^ovois rolg ovo^aöi öTiovdaöavTL praestabit. Mit Liebe
nimmt er sich besonders auch des ausharrenden imd kindlich lie-
bens>\ ürdigen Ilieronymus Wolf an. Bei Gelcji^enheit eines
Irrthums sagt Schäfer T. I p. 183 P. 9 v. 10 : FuÜilur vir exi-
mius.) cujus notas in summa brevitate utilissimas., quod Rüdige-
Demosthenes. Ed, Schacfer. 261
riis co7itenJnit^ videat^ ne in tole/n heroe/n., quem per paiici no-
stronim hominiim safis iiorunt^ rontameliosior habcalirr. 'W I p.
224, wo H. Wolf meint, man könne, um den Gledankea vollstän-
dig zu liaben, hinzudenken näg clv tijv'Aztiii'rjV (pvkä^aöi, At-
ticam (/HO pac t o ti/eöu /i l nr? bemerkt Schaler: Soloeci-
simnn viro oplinio facilc cuiidonabimns. Amplius ducenli cumipost
illitm ej'ßiixi'nint ^ priiisqiram modonim discrimen usnsqiic par-
ticuloe äv aliquanluliim patcret. Ncqiie nunc oninia hac in re
patent^ posterique cliain nostri hahebunt^ quod nobis condonent.
INun will ich noch eine Reihe Bemerkuniien von Schäfern hey-
füifen, um die Fremide grVmdlicher Sprachkenntniss mid Erklä-
rung: zu übcrzeuiren, dass sich aus der neuen Ausffabc des Appa-
ratus über MichtiiTe Ansichten imd Puncto' Aielerley Belehrungen
zielien lassen. A> er gern eine Authorität hat, dem Avili ich Her-
manns AVorte geben, der in dem Programme de emendationibus
per transpositionem verborum p. ]5 sagt: exiniiam se volvpta-
tem percepisse ex Ulis Schaeferi ad Demosthencm annntationibiis^
qidbiis^ fährt er fort, jriihi omnia^ qiiaeumquam scripsit^vwltiini
superasse videtnr. Ich wünschte einzig, Hermann hätte die Worte
p. 16 V. 7 — 9 weggelassen. Es waltet nähmlich zwischen beyden
Männern ein31issverständniss, aus welchem ich glaube, dass man-
che gereizte Aeusserung in den Scliäferschen JNoten geflossen sey.
T. III p. 103 P. 487 V. 22 : Hand raro viri docti dicimt At-
iicismos^ quae sunt idiomata Graecae lingnae; opinoi\ quod ce-
tera? u?n scripta dialectorum ininus triverunt. p. ] 04 P. 487 v. 25,
wo Wolf bemerkt, wenn ^ovXiq den Rath der Fünflumdert bezeich-
ne, so fordere die consuetudo Attica den Artikel iq ßovhj ^ sagt
Scliäfer not.*: ?ion attica^ sed graeca^ nee consuetudo
sed necessitas. T. III p. 75 P. 438 v. 23 sagt Fr. A. Wolf:
Atticorum est pervulgatus mos ^ iisurpare imperfecia sxQrjv,
ytgosijy'BV, slxog r^v^ ubi alii praesentia^ ut itidein Latini debe-
bat^ oportebat^ decebat. Schäfer bemerkt: Non Attico-
rum iste mos est ^ sed omnium Graecorum scriptorum^ imperje-
ctis Ulis titenlium^ ubi imperfecli temporis locus est^ praesenti-
bus^ ubi praesentis : nee cogitandum de enallage temporum^ ri-
diculo sibilisque cxplodendo commento Grammalicorum. T. II
p. 300 P. 302 V. 20: Pronomina ourog, l^nvog lectores^ nisiat-
icndant^ facile fallentia non fefcllerunt auditores^ quod orantis
digilus omnem dubitationem toUeret. T. III p. 172 P. 480 v. 7:
Taylor US interpretatur pronomen ÖHjiTi"/.ag tisurpatum : ut ora~
tor di^itum intenderit ad ÜQcct^ug XaßQLOv, h. e. ad librum me-
jnojialem in media jacenlem et ?twx recilaiidum^ qui Chabriae
res gestas harumque insnlarum nomina et memoriam complecte-
retur. Ilanc quidcniÖHtLV non m<(gis probo^ quam If olf'nis ; sed
videndum^ ne Demostheues liaec direus digitiim intenderit ver-
sus Aegueum mare ^ qua ötihi orationem f actum esf-e hvuQyB-
6TtQav nemo facile ncgaverit. T. 111 p. 167 P. 4'J1> v. 17: ^ix
262 Griechische Litterat ur.
erres^ si suspiceris reapse non aliud consiliwnfuisse^ quam ut
orator patrocinaretur nepoii perditissinio. Adeo Demostheiies
h. l. omnes nervös intendU^ adeo latis lateribus laccrtisque lucta-
tur. Nee mirum. Caussa enhn agebatur non optima : tuendus
erat ganeo profligatissimus uöoaxiag aal aivaidiag. Quod ipsum
videtur perpulisse oratorem , ut adversarium solito lenius tr.a-
ctaret. T. 1 p. 196 P. 11 v. 14 : IlaQiöcoöBig Dernosthenes num~
quam , opinor , quaesivit , quemadmodum Isoer atem quaesivisse
constat ; sponte oblatas non repudiavit, T. II p. 297 P. 301 v. 8 :
^ägav. Mss. viidti üqav. Schaeferus^ inutato spiritu^ inquit^
scribo cigav., cur am. cjQa iit sit reconditior vox colorisque poe-
tici^ tamen non dedecet oraiorcm., qui supra p. 300, 26 tisur-
pavit dvsfisvatvav. Omnino quaudo Demosthenis oratio assur-
git., ut toto hoc loco.1 quid mirum., consectari eam etiam poeta-
rum sciiamenta ? T. I p. 003 P. 128 v. 21 : Da Reiske yccQ als
Verbind mii^spartikel aus einigen Hanclscliriiteu bey gefügt Iiatte,
macht Schäler folgende Bemerkung : FaQ omisit etiam Tiberius
recteque delevit Bekkerus. Nam x6 aövvd^Tov hitjus loci., quem
ut illius figurae eooemplujuTechnici ponunt., in hoc ipso cernitur^
quod sine particula vinciente., qualis est yäg., a?itegressis adhae-
ret. Quod quum ?ion atteiidisset doctissimus Tiberii editor., haec
passus est sibi excidere : Ut in allaiis verbis inveniatur ro dövv-
ÖETOVf forte legendum iQiq Tavtijv, ocvßsgvr^zrjv^ Ttävra ävögcc.
T. II p. 332 P. 313 V. 1 vTCo rcov äXKav ''Ekhjvav] vTt aXkcov
EKKi^vcov TtoKXav., Bekkerus ßdejussore lib?;o optimae notae.
JSgregie et sie , ut pudori oratoris parcatur. Vulgata enim tarn,
absurda est., ut ne superlationis quidem excusationem admittat.
T. II p. 341 P. 314 V. 5 Imidi] d' ovv ivsyQacpTig. Mallem hoc
comma omissum: pauciora enim interjecta sunt., quam ut perio-
dus redif^tegranda fuisse videatur. Sin orator addidit , vox
ejus oportet post tovto ys diutius solito substiterit : fortasse quo
plus otii haberent auditores attendendi ad invidiosum illud onaq-
örjTCOtE. T. II p. 296 P. 301 v. 12 tTtepilfi] "EnmiCEv Bekkerus e
libro optimo. Sig?iißcantius est imperfectum : indicat enimplu-
res deinceps epistolas missas esse. T. I p. 247 P. 20 v. 27 avE-
%aitLöE xal diekvöEv] Vertit Vigerus V., 3, 11: saepe retro
flectere solet atque dissolcer e. Ad sensum non male :
nee pejus plurimis aliis loeis sensum reddunt utentes verbo s o-
lere ad interpretandos aoristos. Sed Omnibus his locis aoristi
vi sua nativa haudquaquam exuuntur., quippe ubique indicantes
rem factam idque toties adeo legitime., ut in üsdem TtEQtöxäßEöi
rursus futuram certissime praevideamus. Plane sie vcrnacula
lingua aoristis suis utitur., in talibus verbo saepe adjungeJis wohl
eher. T. I p. 251 P. 21 v. 17 EQOVöt] Hoc etiam in Bararico
est., sed a Script o super diphthongo. JißiSK. Hoc animadrer-
sione inprimis dignum. Apparel enim ex hoc exemplo., librarios
particulae Ö7C(OQCumco7ijmictiüo construendae tarn assuetos fnis-
Plutarclü Phllopoeinen. Flamiainus. Pyrrlius. Ed. Bachr. 263
se, zit constrnctionis sibi (lilectissimae {^ratia nou üiibitarenl vel
barbara confingere. Qiioiies igilur probobile est eos //idicalivunt
com/pisse in coujiinctivnin. si per li/tg?iae Icffes liceret! Sciiae^
FER. T. U p. 355 P. 310 V. (J i^\ avtov] <SVc Bekkerus^ (jumn
Reiskius scripscrat e diiobiis libris l^uivröv. Per alteriim oppo-
sitionis ratio iioninhil iiiteinlilur. T. II p. 359 P. 320 v. 2(5 öe]
Bekkerus „ö' 2;'."" (^nod si mireris cnotatmn^ noii item receptum
esse ^ jiimirinn ea vis hie est xov OQQ'OTOVov^tvov , tit satius sit
admitti hiatiim , quam illam vel taulnluin obscurari per elisio-
nem vocalis. T. 11 p. 423 not. **: Geiiitivi notio dici vis potest
quam late pateat : iit tales locutiones oporteat intelligi nunc de
parentibus^ nunc de über is^ nunc de discipulis^ nunc de viini-
stris cet. non quod alibi aliud nomen subaudiendum sit^ sed quin
generalis notio genitivi quoque loco ex rerum circumstuntia sit
specialis. — Doch das wird mehr als genug scyii, um in jedem
gründllcli Süidireuden die Begierde zu wecken, diesen Appara-
tus, Avenn er iJin aucli niclit zu kaufen vermag, möglichst beym
Lesen des Demosthenes benutzen zu können.
Der Unterzeichnete ist noch im Fall , Schäfern seinen herz-
lichen Dank abzustatten für die Humanität und Nachsiclit, mit der
so wohl seine Person als seine Anmerkimgen zu Demosthenes
behandelt worden sind. Für manclie Zureclitw eisung ist er auf-
ricljtig verpHichtet; anderes hat in ihm Stoff zu weiteren Nach-
denken erregt und wird zu neuen Untersuchungen Gelegenheit
geben; über ehiiges glaubt er, man könne ohne Bedenken unglei-
cher Meinung seyn und allenfalls bleiben.
Zürich, im August 1826.
J. H. Bremi.
Plutarchi Philopoemen. Flamininus. PyrrJius. Tex-
tura c Coild. rccof^iiovit, perpetiiaannotatione instruxit, di^scrtationea
de l'tuitibus Jiaruui viturum praenii^it Jo. Cliristianus Felix Bachr,
Pli. Dr. Professor Ileidelbergensis. Lipsiae in Uibliopoiio Ilahniauo.
1826. XIV, 78 [Text] u. 261 [Noten u. Index] S. «^r. 8. 1 Thlr.
Auch werden Text und Anmerkungen eni/eln, erstcrer für 6 Gr.,
letzterer für 18 Gr. verkauft.
Hc
LeiT Prof. Bahr in Heidelberg hat sich schon durch mehrere
Schriften, namentlich Abhandlungen inCreuzer's Meletematis
und durch die Ausgabe >on Plutarch's Alcibiades])ekannt gemacht.
Ich bemerke aber ausdrücklicJi, dass ich des Hrn. \fs. Leistungen
n\u- nachdem, was mir jetzt vorliegt, bcurtheile, weil seine frü-
hem Arbeiten , unter denen sicJi wenigstens der Alcibiades einer
sehr günstigen Aufnalmu' erfreut hat, mir niciU in die Hände ge-
kommen sind. — In der V orrede erfahren w ir unter andern, dass
204 Griechische LItteratur.
sich der Herausgeber fast aller Conjectureu enthalten und so ziem-
lich nur an einer Stelle die eigne Yermutliung aufgenommen habe.
Und S. 97 heisst es : Mihi haue legem scripsi^ iit Plutarchum^
qualem libri vetusti repraesentant^ exhiberem. Diess fuhrt nun
freilich bei jeder neuen Bearbeitung irgend eines Schriftstellers,
und wäre er auch nicht so verdorben , wie es Plutarch denn doch
ist, auf verschiedene Betrachtungen. Rec. Avill aber den Leser«
iiiclit vorgreifen, sondern sie vielmehr durch Bemerkungen zu den
im Buche gegebenen Erklärungen in den Stand setzen, das Ver-
dienstliche dieses Werkes gehörig zu wVirdigen. Er übergeht die
nützlichen Vorerinnerungen über die offenbaren oder muthmass-
lichen Quellen , -aus denen Plutarch in diesen 3 Lebensbeschrei-
bungen geschöpft habe und fängt mit den Noten zum Philopömen
an. Cap. 2 bezieht Hr. B. die Worte: xaxag ojpsag ölx)]v öt'öto/xt,
auf die Ilässlichkeit des Philopömen. Aber erstens läugnet ja Plut-
arch, dass jener hässlich gewesen, und wie zweitens das angedeu-
tete Missverständniss aus der schlechten Kleidung des Feldherrn
hervorgegangen sey, das erhellt ganz deutlich aus den Worten:
ÖL evkoXlccv TLvd xkI cc(päl£Lav avTov, und weiter imten: ^ka^v-
öiov EurfAfg s^ovrog. Gleich darauf werden die Worte: olo^e-
Vf] xiva rav VTtrjQsräv uvau xal TtQoÖQoaov, erklärt: ^j?^/ß//s eum
zmum esse e ministris et qii ide ni praeciirsorem.. Freilich wohl
musste die Frau ihn für einen Vor- und nicht Nach-Läufcr ansehn,
aber dieser Umstand konnte hier nicht so herausgelioben w erden.
Allein Ä^oö^o'^cov zu schreiben ist unnütz: indem sie glaubte
es sey einer von denDienern und einVorläufer. Dann
musste 6 Ö£ ^fvog InBigBl^cov gegen dg^l^äv so geschützt
werden ? dass auf das frühere top ^Lkonoi^uvos BlgeX^övrog
aufmerksam gemacht wurde. Höchst imgenügend ist über die \ er-'
wechselung von GThväthQog und GnvötiQog gesprochen. Ein
paar Stellen, >vo sich in den Varianten beides findet, beweisen
nichts, als dass, wie bekannt, a und o fort und fort vermischt
werden. Mehr war es einer Erwähnung werth, dass man friüier
in der Meinung gestanden hat , als formire asvog und 6T£v6g ge-
gen alle Analogie im Comparativ und Superlativ o, nicht w. Cap. 3
findet sich die Stelle: Kai yccQ ex Ttatdai' BvQvg i]v cpcloötga-
tiarrjg %cd tolg ngog roiJro ^Qi^öi^oig ^a&tjfiaötv vTir'jKovs TtQO-
&v^cog, OTiXonaxdv xcd LTtTtBVEtv. Gegen lleiske's v7Cy'jKOVS,7tQ6-
&viiog bnX. war zu erinnern, dass sich t;;r?^'xou£ 'n.QO^v^ag hier
eben so wenig trennen lasse, als Pyrrh. c. 2(> jrpo&y^ag vtd^kov-
öE, Philopoem. c. 9 di£7i6v£L xalg ZLvtjösöi Tcoo&vacog vTtaxovov-
Tag y.al (piXoxljiag, Pyrrh. c. 22 %al naQElxov al TioXEig iavtäg
TCQO^viiag , und anderwärts. Hr. B. supplirt vor den luliuitiven
oj'grg; aber diese Panace hilft leider der grossen Härte der Uede
durchaus nicht auf. Mir scheint der Satz %cd — 7tQod^v(.ici)g für
sich ölcc fiEöov zu stehen und zusammenzuhängen ijv (pikoötQCC-
tL(6ti]g 6nko(iccxELV xal ijtjievELV, er war ein Freund des Sol-
Pliitarchi Philopocmcn. Flaraininus. Pyrrhus. Ed, Baelir. 265
tlatcn Wesens, Waffenübuns^cn zu halten und zu rei-
ten. Vgl. unter andern Luciaii. Abdieat c.24: aal ö/xag avrijV fts-
[.iK&tjxa öoi, xcd JtQoSrog avrrjg djtolsXavxag, ovdlv Ttagä 6ov
^Qog To ^a^slv tx « v. Damit, dass p. j 3 Klage geführt wird, Coraes
niidScbaerer liättcn oft aus demlniperi'ectumden Aorist und umge-
kehrt gemacht, ist in der 'J'hat nichts gesagt. Es kommt ja auf die
Beschaffenheit jeder einzehien Stelle selbstan, wennPlutarch Viber-
liaupt — und wer wollte diess läugnen"? — den Unterschied bei-
der Tempora gewnsst hat. In der bezeiclineten Stelle wird Tcä-
Cav a^h]6LV s^EßcdXsv durch das dabeistehende CtQaTrjyäv
gerechtfertigt. Zu Cap. 4 ^qcoX öe avaörag %al 6vvt(pai\>cinz-
vog tgyov tolg ä^mlovQyovöLV rj ßoi]kazov6iv av&Lg slg ■ko'^
}.iv aTii'/Et lesen wir p. 14: ccvQ'ig ltu\ credo, accipiendtun est:
2)osthac^ postea^ eodem inodo^ quo iTCura, uxa, alia id
ge/ii/s^ apodosi/i c.voidiens^ praemisso participio. Dieser Ge-
brauch von avd'ig ist unerhört, die Vergleichung von uxa, xccza
inul dgl. aber ganz verfeldt. Der Sinn ist: Abends ging PJii-
iop. auf sein Landgut und seit lief dort. Früh arbei-
tete er einige Zeit in der Wirthschaft und ging
dann ivieder in die Stadt. Gleich darauf: Tov ö' oixov cctco
rfjg yicoQyiag civ^iiv eTteLQÜto dixccLOxccxco xäv XQ'y]naxL6^äv^
war gegen die Besserung d L'Kaiorcixov einzuwenden, dass ver-
möge einer variatio structurae der Dativ gesetzt sey, als stände
vorher x]] yscogyla. S. 21 ff. hätte es keiner Beispiele bedurft, ura
zu beweisen, dass üxQig av, iii%Qig av mit dem Conjunctiv von
Plutarcli verbunden werde, und dass ferner äxQig, ^sxQig, ecog,
cixQig GV u. s. f. (jiatiirlicli ohne av) den Indicativ nach sich ha-
ben. In welchen Fällen aber auf jene Conjunctionen (nach Be-
schaffenheit des Gedankens mit oder oline äv) der Optativ folge,
scheint llr. B. nicht zu wissen. Sonst hätte er schwerlich ange-
führt Themist. c. 25 oder Artaxerx. c. 14, vvo die oratio obliqua
{0ov}ivdlö)]g di (pyjCL — und exbXevös — ), eben so wenig Cat.
Älin. c. 5 und Marcellus c. 15, wo die Erwähnung einer sich wie-
derholenden Sache den Optativ ganz nothwendig machte. Dass
aber Stellen, wo jene Conjunctionen oline av mit dem Conjunctiv
stehn, aus Plutarch gesammelt sind, gewälirt den INutzen, dass
man allgemach da^on zurück kommen wird, in diesem Falle spä-
tem Schriftstellern das av aufzubürden. Ob indessen durcli Weg-
lassung des UV nicht der Gedanke anders sich gestalte, ist eine
grosse, von Hrn. B. leider übergangene Frage. S. 24 wird TtQog
XCöQia 6y.ohu — uynXkio^tvog und '^uilläxo Jtgog xov Aoqpov
falsch übersetzt : C7i7n locis asper isuiul cum colle luctans. Hier
heisst ja TCgög bey. Cap. 7 oxb övfißaivoi x co öTQUxEia. So
Ileiske statt övfxßaivoLXO. Da mm aber die vomlleraiisgeber be-
nutzten Codices 6v[xßaivoih^han^ so ist diess das Uichtige und
TCO wieder zu tilgen. AMe komite der Vf. Cap. 8 darüber, dass
dg ci^ia^u xul dvvafiiv rJQSv tx taneivov xal diegQL^ifiBvov y.a~
266 Griechische Litteratur.
T« TtoXsig ziisammengeliören, auch nur ein Wort verlieren? Es
folgt: "Enuta^ agnsQ iv xoig vdaöiv, KQ^a^ievcov oliycov v(pi-
draöd'ai aal [iLKgäv 6c3[.idrav atL Mali/n — meint Ilr. B. —
sci'ibere oXiyov. ^^quando pauluUim siibsidere coeperunt vel
•pusilla Corpora.'-^ Pliitarcli will sagen: wie in dem Was-
ser anfänglich wenige und kleineKörper sitzen blei-
ben, dann aber m e h r e s dazu kommt und Stärke und
Festigkeit bewirkt: so machten die Achaeer,indera
sie immer mehr einzelne Staaten m i t s i c h verban-
den, aus dem früher getrennten und schwachen
Griechenlande ein einiges und starkes. Man setze
nun dafür: wie in dem Wasser anfangs sogar kleineKörper
ein wenig sitzen bleiben — und sehe, wie durch obige wun-
derliche Conjectur der Sinn so ganz entstellt ist. Ferner nehmen
wir die Lesart auf : iTtavöavto xqco^bvol nQOötccöiaig BTtSig-
ccKToig. So ist der Ausdruck weit gewälüter, als bei dem ge-
wöhnlichen TtQOötcctaig. Cap. 9 ist die Yermuthung Eidog ds
rä^Bcog xal 6%ij[ia (statt 6%/] ^arog) slg öTtBtgav ovx rjv övvrj-
&Bg zwar nicht gegen den Sinn der Stelle , aber sonst lumütz. S.
40 lässt sich ein arger grammatischer Schnitzer blicken : cd dv-
vccfiELg TtoXiXiKai, welchen man unmöglich dem Setzer beimessen
kann, sobald man dazu nimmt S. 162 6 ßt'og aöxBlog aal yXacpv-
Qog — Tj; diaiTYi dyQOixozBQa, und S. 238 td iBQa ä?,oßa. Cap»
13 belüelt Hr. B. aus alter, nur zu oft sich zeigender Anhänglich-
keit die Vulgatabei: ag nal ro tcbqI ITToXBp.aiov tiotb pr;^£V
xov ßaöcXBcog d7tBÖr]Xa6BV. Und doch steht in 2 Ilandschrr. rd
— ^'}]&BV Tt, was nichts anderes ist, als tc5 — Q}]&£vrL. Diese
Art zu reden ist bestimmter und diesem Zusammenhange weit an-
gemessner. S. 51 liest man : ra%v Tialdag aTCBÖBi^BV — ] J)e
usu verhi dno^Biavvvai erregte dhseruit JJ yttenbachms etc.
Allein in dieser Formel gehört jcaldag dTtoÖBLXVvvac wesent-
lich zusammen und es kann nicht mit dem Nomen gewechselt Aver-
den, wohl aber mit dem Verbum. So sagt Lucian nalöag ano-
rpaivBLV (Hipp. c. 3, De Morte Peregr. c. 11, Pseudolog. c. 2),
Ttatda donBiv Ttgög ttva- {Alexami. c. 4), Ttalddg tivag oXB6\fai
ag UQog nva (Hermot. c. 13), und nicht dTtodBtKVVvaL. Und
dennoch sagt eben dieser Schriftsteller Necyomant. c. 4 ägt B^oi
rdiiGtcc XQVöovv dTtidsi^av ovtoi xov xäv Idiaxcov ßlov. vgl.
dort Flemsterh., der sich aber durchaus irrt, wenn er iqvöovv in
XQVöov verändern will. Cap. 14 zu Anfange spricht Hr. ß. iiber
die mit ihren Adverbiis oft verwechselten Adjectiven und da heisst
es unter andern: Philopoem. c. 15 Bv^a dij %al diBcpdvyj, %a-
^ccQog BXBiVog 6 dvijQ, ubi perperam dedit Reiskius et qui eum
seqmiti: xaO'aQiäg. Jeder, der nicht selbst nachsclüägt, muss
sich über die Albernheit einer solchen Aenderung verwundern,
welche aber der für evident halten muss , welcher das folgende
ov doxäv fidvov, dXXä xal cSv ägiöxog, wo die Participia von
Plutarchi Philopoemen. Flaniliünus. Pyrrhus. Ed. Haclir. 267
Sitcpavr] abhängen, goliörifif beachtet. In dei* Stelle desselben Cap.
x6 xov 'Ena^ivcövSov na^iiv tdo^s TtoXv T)~jg tceqI avtov dgs-
rijg zal rijq ö6b]g cccpaLQS^elg tv rij dTcXäcötj aäxiov dycovi-
ö«j(/fi'og zAveiile idi keinen Augenblick, das interpolirte fjqpaipg-
%^[g mit einigen Codd. wegznlassen. Es scliwächt nnd hindert die
Kede, uäJirend ^dmov tyjg negl avTOV aQEtyjg echt griechisch
und gut gesagt ist. So Pliit. Flamin, c. 6 TOiJ ytjQcog 7tQo9v^6r£-
Qov: aber mozu hier Parallelen*? Länger verweilen Mir bei dem.
bald daranf loigcnden (pL?.o7toi{^u]V dh — k'yvco f)]V döK7]öLV, 'rjXi-
v.ov ^lEQog toxi xfjg ccQBxijg aal Tiuötjv Im Tidvxa xolg a&iö&Elöi
övi'Ci^iLV TCQogrid'tjöiV, niid liören ^orerst den Vf.: Pro iöxl in
Aid. Jtrnt. Monac. et Paris, legilur btcL Quod nun e sequenti
inl hie [liiic?^ transferri potiierit., suspicio 7iiihi oritnr., ejecta
prorsus isla voaila., scribendiun esse: ijkixov (isQog xrjg dQExrjg
xcd 7i6ö)]v ETilTtävxaoixX. i.e. qiKmtumvirtutis momentum qiam-
tiimque rohur iis addat esercilatio , qni jcan ad omnia sunt ad~
stieti atqiie exercitati. Also verbindet er fjUxov fiBQog TtQogxi-
&}](jiv, Avas schwerlich giiechisch und jedenfalls gegen den wah-
ren Sinn ist, da die t'ebnng nicht ein grosses Stück der Tapfer-
keit einem hinzusetzt, sondern selbst ein wichtiger Bcstandtheil
der Tapferkeit ist. Könnte eötC überhaupt fehlen , so müsste es
wenigstens nach [lEQog supplirt werden, was hier hart wäre, weil
xal mit seinem I n d i c a t i v gleich hinterdrein kommt. Einen
Fehler in der Uebersetzung mnss ich noch besonders rügen ; da
gesagt wird : qnijam ad omnia snnt adsueti., so ist augenschein-
lich hin Ttdvxcc xoTg 1&lC9bl(jl, was sich wohl Dichter erlauben, fiir
TOig iJil Tidvxa eO: genommen; auf diese Weise wird aber auch
der ganze Gedanke verkehrt. 'Etil Tidvxa gehört zu tioöt^v : PJii-
lopöraen erfuhr, wie viel Kraft für alle Fälle (od. in jeder
Hinsicht) die Uebung den an etwas Gewöhnten gibt. Sehr ähn-
lich ist unten Cap. 17 tJ ö' löxvg Inl ndvxn %oXX^ ^Exd xov
öaii-iovog BjcoQEL, woReiske's Einfälle von Hrn. Bahr mit Recht
verworfen w erden. Bald nachher ist Toi'g mXiovxag anstatt xovs
Tiolixag richtig aufgenonuuen. Cap. 15 TtQogijydyaxo aal ^bxsko-
öi.n]öEv slg xovg 'A%aiovg X7]V TiöXiv wird ^sxsx. — t?;v tioXlv
erklärt: rei puhlivac forma., qualis antea fuit., mntotä Achaeo-
Tum foederi urbem adjecit. IjQogt^ydyBxo slg xovg ^/Ixaiovg X7]V
tioXlv gehört ja grammatiscii zusammen. Ferner TiQOEßdXovxo an
der Stelle von TiQoeßdXlovxo scheiirt nur durch einen l)ruckfeliler
in einige der neusten Ausgaben gekommen zu seyn. Zu Ende des
Capitels xovg novriQovg kuI xi]v nökiv iv xa övvsdQLCo xaza-
öxaGid^ovrag steht: Pro ocal x)}v TtöXiv Vulcob. %axd xr}V7i6-
Ätv. Kquidem siispiccr: aal ro-ug X7]V noXiv. W.is mag sich
Hr. Bälir bei Anfertigung dieser Conjcctur gedacht haben 1 Die Spra-
che bedarf des aus xovg tcov. leicht zu ergänzenden Artickels nicijt
im gerhigsten, und paläograpbisch berechtigt das, wie tausend mahl,
in y.uxd verdorbene xai wahrlich nicht, ein xovg einzuschwärzen.
268 Griechische Litteratur.
Cap. 17 oQCov 6s tbv^Avtloiov o:t;r6i; Iv Xalv,l8i icad^^^BVOV —
tovg ÖS UvQovg — . Hinter avxöv ist, glaube icli, ft£v ausgefal-
len. Wer das läugnet, der widerlege mich durch Stellen, wo
das Allgemeine mit avrog und einem Angehörigen, wie hier, zer-
gliedert wird. Etwas Neues , aher nichts Gutes erfahren wir S.
64: Partkulam %al Mg verterim: Itaqtie^ Indeque. Also
%ai bedeutet auch d e s s h a 1 b , d a h e r. Ausser der vorliegenden
Stelle, wo %at ja sichtlich und heisst, besprechen wir nur noch
die auch angeliikrte Plut. Pyrrh. c. 20 Kai djtSTie^q^&rjöav ftar«
T^v ioQvr'jV. Und (lat. Ac) sie wurden zurückgeschickt.
^^Iteiskio addendum videbatur ys. At v.ai hoc loco est itaqueJ"^
Kai U7tsne[i(pd'r]6av ys wäre dem Zusammenhange aucli angemes-
sen. S. 69 steht: Li Schaeferi editiotie^ quae apud Tauchnitz.
1S12 prodlit^ legitur : ov [isv dlka. Reposui: ov ^rjv'dXXd.
Diese Woi'te sind wahrscheinlich gegen den Setzer des Tauchnitzer
Plutarch's gerichtet'? S. TO ziehn wir folgendes aus: Qui ante ol-
%r]t7ig [so] dicitur^ hie est dv&QConog. Qtiod siinile [1. Qiwd
idem oder Quod simUiter~\ inveniri in Coriolan. 24 notavi ad Al~
cibiad. p. 68. Ist denn etwa ein Sclav kehi Mensch, dass der vor-
her Sclav genannte nicht hernach durch : jener Mensch, bezeich-
net Averden dürfte , oder m arum ist nicht Flamin, c. 18 tov dv~
Jö'pföTrou hinter f'ra Tc3v xarcötjccji' auch beleuchtet worden*? Cap.
21 billige ich rjvzivaovv der Münchner Handschrift (nicht tJvtlv-
ovv)^ da in diesem Pronomen der Hiatus gewöhnlicher ist. Wei-
ter in den W. : oöotg ^ev dvslsLV, sdo^s ^iXoTtol^eva — oöot
8s xalßaöavLöca, halte ich fiir minöthig, oöo ig ds zu verbes-
sern. Die Griechen fahren nach öoksl xivi oft mit dem Nomina-
tiv fort, als ginge riyov^ai vorher, und Sallust hat diess nachge-
ahmt. Die folgende geschichtliche Note gegen Coraes ist unum-
stösslich wahr. Aber was soll man zu einer andern ganz in der
Nähe sagen*? sxö^ii^sv 8' 6 tov örQarrjyov tav A%aLcöv nalg^
Reduxi veter em lectioneni , libris coniprobatam , quam prinms
mutaverat H. Stephamis ejiciendo particulam 8' et loci inter-
punctionem invertendo. Nani optinie se habet vidgata^ modo ac-
cusativum: avtijv 8strjv vöglav — oQCO^ivriv jimgas cumpi'ae-
gressis referasque ad i^v i8slv; ita iit majus incisum ponatur
post OQCJ^svrjv ^ a Stephaiio perperani illud quidem immiitatum.
Jam nova dein incipit sententia: sv,Ö}xlC,s 8' (^avti]V sc.) 6 tov
CtQatrjyov tcov 'Axaiäv naig. Q,nani pronominis omissionem haud
infrequentem esse — . Ei ja das wissen wir. Es ist sehr zu be-
klagen, dass diese und mehrere andere Bemerkmigen ziemlich
wortreich ausgefallen sind. In den Worten: 'Hv nsv ydg s6tsq)a--
vcap,svovgl8sLV — avtr]V 8s trjv vÖQiav vtco nh'j&ovg taivicov te
Kai ötscpdvav fto'Aig öqco^sv)]V' fxo^t^sv d' 6 tov ötgatrjyov
tav Axcciav Ttalg, läge nur folgender Gedanke: Denn man
konnte sehn Bekränzte — die Urne selbst aher^
welche man vor den vielen Bändern und Kränzen
Plutarclü PliUopocmcn. Flamhiinus. Pyrrluis. Ed. Riiclir. 2C9
kaum sehn konnte: es trug sie aber — . Abgesclin da-
von, dass die Verhiiuluiigsart sehr matt und schleppcad Ist, so
taugt der ganze Gedanke niclits. Ilr. Eiilir übcrsali in seinem Ei-
fer, dass er wenigstens £x6;u.f^£ ö' niclit iKÖint,iV ö' selireüien
mijsse, mciui er das Unheil bringende ö' nun einmahl uiit aller
Gewalt sicJi niclit nehmen liess. S. 73: Nisi forsit an placet
tLficcC hoc loco latius accipere de qiiovis hoJionim ^cnere^ quos vi-
ro ■praeclaro murtiio iirbes decrevei'unt. Diess ist ohne Zweifel
die einzig i'ichtige Erklärung. S. 74: Monac. liber ovd'' ot Ttgsg-
ßsig pro vul^. oura ot 7iQegßsi.g, cid leclioni favet praegressiun
0V&' 6 Mö^iliiog. Ilr, Biihr wird mich recht verstelin, wenn ich
Page, dass ovts 6 kaum zu dulden sey, dagegen ovts ol nichts
auirälligcs habe, "Wir gehn auf den Flamininus iiber. Cap, 1 ov
fi})v o^oicog' c(XX IXafpQog ix\v h> reo HoXä^siv a. t. A,] o^toiojg
post H. Stcpluiniim cdidit ßciskius cum Anon. pro eo (juod in
reliquis legitiir c\uoioj, quod vel minus huc quadrare est mani-
festum. In d e [,' /] sifspicor , justum verborum ordinem nonni-
hil fuisse turbatiim scriptumque a Plutarclio : t6 ö' ij^og 6t,vg
Kiytxai yivio'dca 6[iOLag aal Ttgog 6Qy))v aal jtQog iÜqlv' ov
(xyv c'AA' tkccq)Q6g ^levctc. "Welche Kritik! Aus dem Umstände,
dass onoLog statt ouolcog (o statt «) gewöhnlich falsch steht, wird
geschlossen, dass das richtige o^iOLOjg urspriinglich eine Zeile wei-
ter oben gestanden habe! Ov pijv aXlcc ist fiir diesen Zusammen-
hang zu stark; auch könnte dam» hinten das Yerbum nicht fehlen.
Einige Sätze später >ermuthe ich: *cog ad^Xcötov ov (für xdX-
Kiöta) räv üTtjuccTCOv xtL Cap, 4, '0 Ös Tltog rovtovg dnoGrü'
Kag.xdg utv akkag ij^itgag öica'iJtavE tov öXQatov, o 6 a. p,i] tcs.-
QLönäv Tolg dy.Qoßo)u6ixoLg toi)s noke^lovg , lautet die Uel)er-
setzung fälschlich so: e.vercitum qm'escere jussit., quatenus
certe non opus esset illo ad hostes velitatiouibns lacessen-
dos [?]. Es sollte heissen: ausser dass (oößft/;) er durch
AVerfen aus der Ferne die Feinde an sich lockte.
MissA erstanden ist auch Pyrrh. c. 17 — Ttgoril^tv , o6ov /i jj
Ttkäov GtaÖicov XQLaxoöicoi' cctioöihv xijg 'Pc6}xr]g. (Dort sagt er:
J^e oöov fi7J scque/iti iiijhdlii'o egi/nus ad Flamin. 11 ,) INiclit
oöov ^)j , sondern ücJoy dTcoöxsiV (so dass er entfernt Mar) und
ft>} TiXiov (nicht weiter) hätten AX-rbunden werden sollen. Cap. ♦>
— ügxs — xov t7a^)'jviov Gixov ^rj fxt^exQrjtxtvoug ovÖ^ bvjio-
Qovvxag ayogäg ccTie^sö&ai — m ar aus dem Miinchner Cod. p, r] ö'
evTiOQ. aufzunelunen. Eben derselbe hat ebenfalls riclitig weiter
unten: nal rag ^ro'Aatg btclovt ag ( gewöhnlich a:r(o'z/Tfg) Ive-
TtiUTclaöav evvoiug xijg ngog avxov cet. ('ap. S: ^idxovro Tiegl
rag y.ukovaivag Kvvog xerpuXäg, a'i — öi onou)X)]xa xov öyj'j-
fiarog ot'TWg covopdöifijöav. f oct/lam oi'rcjg oiiiittit Mona-
censis. Kst aiilem hie elegans quaedum particulae abundantia
post verba diceftdi., vocatidi ., appetland i. Wie hier Hr.
Jahrb. d. Phil. u. Fädag. Jahrg. 1. 1hfl 2. 18
270 Griechische Lttteratur.
Bahr ilas Verschiedenartigste in eine Klasse geworfen hat! Die
angeführten Geleinten hehandcln den bekannten Fall, dass ovta
mitdem Nomen zusammen gesetzt >vird, wo es eigentlich auch
nicht ahundirt, sondern den Namen selbst hervorhebt (otJtojs covo-
[la^ov Movöag, man nannte sie also, Musen, tJv aaXovöLV ov-
rag ayogciv, welchem man den Namen giebt, Marktplatz) ; aber
in der obigen Stelle fehlt ja der Name : Kynoskephalä , welches
aus dem und dem Grunde so ist genannt worden. Gleiche Be-
M andniss hat es mit den auch zur Unzeit citirten 2 Stellen aus Plut-
archs Ronuilus. Wir gehn auf den Satz über: 7i:Q0sißa?.s totg
Mnxsdööi, övörijvaL ^sv slg cpäXayya aal nvxväöai trjv tÜIlv ug
ßä^og — Tiolvo^kvotg 8ia XTqv avcoiiaXiav aal XQayvxyixa xav
j(^aQLav, TiQog Ös x6 %ax avÖQCf öviiTtksxEö&at zal ßagal aal dvg-
tQycp XQCof^isvoig onXiOaa, Wie störend das %al vor ßagsl ist,
wird jeder Unbefangene fühlen ; da es nun in einem Codex nicht
steht, so ist es jedenfalls zu tilgen. In der weitschweifigen Note
zu der Stelle: ort %avxog öXov xolg TtaQaXlrjloig iieqeöi, näX-
Aov rl di -avxov löyvu, wird richtig e-jcaöxog als Subject aus dem
Vorigen gezogen ; aber dadurch wird noch Tiavxog okov nicht er-
klärt, das nichts Meniger, als 7i?iife/si ilh'iis bedeutet. Passend
wärer öco^axog ökov. Cap. !): Oi ö' 7JiQ'ovxo %al TCgogÖB^cc-
fievov Xöyovg avxov aal TtQegßslav etiI öv^ßuösöL naga xov Ma-
Ktdövog rovx' aaelvoL, TcegüovxEg Ttsgl xdg alXag TtöXug
ißöcov, ncoXslö&ai xiqv elgjjvtjv ^iXiTtTico cet. Ita libri et editt
et manu scn'pti\ nisi qtiod hi habeiit xovro. Reish'us tentavit
Tovx suSLVO^ parum felicüer. Quo mullo magis arridet Bryani
suspicio., legendwn hie esse xoxe fXEtfOi, quod etiam habet
Amyotus. Malim tarnen , si ita scribendum , x 6x £ 8i] hycEivo.
Nunc tarnen in Ubrorum lectiotie ocquiesco. W ollte man die Les-
art der MSS. beibehalten, so müsste nicht nur die Stellung beider
Pronomina heftig auffallen, sondern auch die Verbindung rotJr'
Ißöciv, noXslö&ai^ wo kein Nachdruck in xovxo liegen kann, slait
des weit einfachem Ißocov TtojXelöd'ai. Was soll man aber zu der
Conjectur von Hrn. Bahr sagen? Erstens ist sie paläographisch
scldecht; xoxe und xovxo werden wohl oft verwechselt, aber was
berechtigt zu dem zwar dem Sprachgebrauche angemessnen, aber
unnöthigen öjf , des auch veränderten ekelvol nicht zu gedenken?
Und dann zweitens macht sie den Gedanken, wo möglich, noch ver-
kehrter wegen des ekelvo — Eßocov , was viel zu stark wäre und
auch nicht so getrennt stehn könnte. Der erste Ueberblick dieser
Stelle lehrte mich, dass Plutarch xovx' exelvo geschrieben liabe,
was ich nachher von dem trefflichen, aber oft verkannten Reiske mir
genommen sah. Die Formel xovx ekelvo wird verschiedentlich ge-
braucht; gerade wie hier , bei Bestätigung eines Argwohns, steht
sie hl Demosth. Midian. 215, 6 Bekk. — kßoäxE (irj dcpEivai xal
xgogEk&ovxog (iol BksTtalov xov xganE^ixov xjjXlüovx' dvExgd-
yhtb cos xovx' Büslvo xQWCi''^^ f'ou 7\.rii)o^ivov., ägzB xxX. Am
Plntarclü Plülopoemon. Flaraininiis. Pvirlius. Ed. Riichr. 271
^eAvöIinlicIistcn ist sie lici oft ^^ie(lerk{'lll•elu^('n Diii£;on, z. B. bei
Ainveiiiluiiir ^oii Spriiclmörtcni, Liu-iaii. Piscalores c. $> rovro ixsi-
vo, Ig TCiÖiov tbv 'innov. De Mcrceil. Coiul. c. VI xovx IxelvOy
iX rcöv ziLog Öilrcov 6 [.iccQtvg, und noch bestimmter Dial. Mort.
8, 1 rovro exslvo ro r ij g Ttagot^ilag, 6 reßgog rovkiovra.
MeJii- lüeriiber siehe bei Ueisiir, Conjectan. p. 2'J9 ; Ehnsley ziir
Medea v. 97 und iMattliiae zu Eur. Orest. \. l{)\rovr exEivo nräöQ^
traiQOx^g. Cap. 10, TrXrj&og ^ilv dv&QCOTCcoi' Iv ra GxaÖUp xa^fj-
6x0 xov yv^vL'/.ov aycova d'ecjfisvov, lies mit dem iMiinehucr
('ode\ Q^sco 1.1 Evav. Ü. Porsou. zu Kiirip, llecul). v. 21)7. In
demselhen Ca|). Jieisst es: KoQaaeg ycfQ 7C8Qt,7CBr6fisvoi oca-
xa xvyjt]V iithGov elg ro öxäÖLOV. Man liat olme Widerrede mit
llviskc vTisQTiExö^BVOi zusebreiben. Die Haben konnten niclit über-
all lierumllieiren , sondern mussten g:erade überfliegen, um durch
das G'esebrey Iierunterireworien zu werden. Eben dieses Verbura
findet sich aueli in der äbniichen Erzäblunif Pliitarcb. Pompe), c.
25. Cap. 13: Iv xo) xbXa Öuipivöaxo xäg xijg'ElläÖog ikiiiöag
iküv 7ta Q aöyov oux l%s.h]6ag — . 7iaoa6i6v ex Aldina reti-
iiui. J Kid. et l ulc.., addicciite Parisiiio et Palatino: TiaQCiöiäv;
yl)i(tn. iioqÖv. Dass \\x. I}äbr 7ia^a6%öv nicht Verstössen hat, ist
allerdin;2^s sehr löblich; allein ich vvünsclite nur, es Märe ander-
wärts vieles, seJir vieles Tri\iellc nicht diircli Citate ei'härtet und
liier etwas mclir ^esa^t. IlaQaöyöv lieisst: qunm liceret. Die
Stelleu des Thucydides Jiat schon Lennep beiirebi*aclit zu Plialar.
Eplst. p. öfj ed. Scliaeier. — Unsers Hrn. Vis. lateinischer Aus-
druck ist im (tanzen antik und gut; aber S. 11-1: taugt weder pe-
liodus iiimis lo//fiw/\ noch, was öfters voikommt, structura ora-
tioiiis iiüiuiihil iinpcditior etwas. Eben so wenig sollte man S. 1 17
lesen: satis notum, <///«/« ^i-zoi^/pluribus illustrari debeat. Cap. 17:
"jCLHQog ^iv ovv ovÖEvl TioXkolg Ö^ otvg eöoxst aal iiovq)og elvul
rr^v cfvöLV. Eqiiidcm., si quid omnino mntandmi^ malini ejice-
re oüi', qrn'ppe ortum ex vocula seqiienti. Ovv iierauswerfeu
heisst den Zusammenhang, mit dem Vorigen ganz und gar zerstö-
ren; wäre jedocli ovv falsch, so würde nicht auf das folgende ov-
dsvi die SchuUl zu bringen seyn, wohl aber auf das vorige [xiv, da
(.UV und ^£1^ ovv ungemein oft sind vertauscht worden. S. ];J0
steht 1^'olgendes : P/aeterea hie notandus plusqiiamperfecti itsiis
qnidain in enunliatis ., nti qjunt ^ hypotketicis paruni ille adliuc
cognit?(s , nbi aoristum vel [?] imperfectian viilgo ponunt. Tu
coiif. C G. Jacobs [Jacob Iieisst der Mann] ad Toxar. p. 105,
100. Hr. Jacob spricht dort von etwas ganz heterogenem, über
die For/nel y.al iiyt iii] bei Lucian, welche er fal.-;ch mit w?s«/o;-
/e übersetzt \n\i\ überhaupt nicht verstanden hat. Dass aber das
Pliis(juajn|)erfectiim in gewissen Conditionalsätzen gebräuchlich ist,
weiss Jedermann, und nur IJnkunde vermag auch in diesem Falle
diesem Tempus und dem Imperfectum gleichen Siiu» unterzulegen.
Bald drauf mag ich w eder von der mag n a n im it u s Scipionis., noch
IS^
272 Griechische Littcratur,
von A^rpji s illanim it a s Flainimm etwas wissen. Cap. 21 : Ourwg
ovdsv ovtB ^LKQüV ovT£ ^tycc räv jtaQovtav Ttgog to ^iKlov lörh,
aXXa ^la tov (lErccßdkkscv telEvri] [rj] xal xov elvai. Des von
Reiske liinzngefügten iq bedarf es nicht, sobald man ^ia mit 7J av-
tY} für gleichbedeutend hält. AbCr ein wenig Aveiter oben ist, wie
mich dünkt, zu lesen: t o6ovt(ov (nicht xoöovrov) öln^QOV
6tQat£V{iciTcov xal GtQCCtrj'yäv. UvyxQiöig c. 1: 7iQdg"E?Lhivag
6 JToAf^og. Hier stimmt die Note nicht mit dem Texte überein,
was ich um desswillen anmerke, weil diese Nachlässigkeit in die-
sem Buche gar nicht selten ist. Ebendaselbst: TJlEv^eQOV xai, r«
aO'vi] nal nöliig änaöag. Vi.v me coniinui^ ut [ quin muss es
heissen], qiiod Rcisldus est suspicahis ^ in textum reciperein vel
invilis libris: xal rag Tiölug. Aber theils kann der Artikel tag
ans dem vorigen t ä b%vi] be<iuem supplirt werden, theils hat ge-
rade das Substantivum:n;oA(S mit j^j}, dvy'jQ-, av^Qconog, yvvriwwA
einigen andern nicht immer, wo es nöthig scheint, den Artikel
(aus diesem Grunde ist Philoj)oem. c. 4 £tg utökiv difi'i^i nicht
zu bekritteln) , und endlich fehlt der Artikel oft, wenn aTtag hin-
terdrein folgt, z. B. Lucian. Dial. Mort. 14, 5 v-ura vofiov öco^d-
rcov uTtccvtav , ibid. 15, 1 tov q^Llo^urdwötatov tJqojcjv ccTtäv-
tcov, und oft. Cap. 2 erkläre ich Kai ^ijv t 6 ys — nnbedenk-
licli für das Wahre. Cap. 3: UtQatrjyog ^8V yaQ av — idia-
trig ÖS — . Warum dem Plntarch so leicht hin. auf biirden, er ha-
be sich geirrt, da die Lesart Id idt7]g fiev ydg mv hinlängliche
Autorität hat und 6tQaTi]y6g eine Verschlechterung dessen zu seyn
scheint, welchem löivjtrjg ^lEV — ldi,(6t)]g ös missfiel'? S. 194 sind
die Worte 6 d' tjv Inl yva^rjg durchaus nicht gerettet. DicPhra-
sis ELvaLSTiC tivog yva^urjght gut griechisch, heisst aber ^;^ aliqua
sententia esse ^ nicht, was sie hier müsste, im Nachdenken
worüber begriffen seyn, also övvvovv uvai, Itii övvvoiag
il/vai. S. 151 ist das Imperfectum abriperetur nach dem Präsens
ungiammatisch. Pyrrhus Cap. 4: Kai Jltolipalto p\v — itaQÜ-
%£, triv de B£QEVLK7]v — sQ'SQdTcevs ^dXiöza. Bryanus maviilt
t}]v X£. Diese Ansicht hätte durchaus nicht erwähnt werden sol-
len. S. 165 wird über den sehr gewöhnlichen Ausdruck : näg ydg
ov fiskXco; gesprochen; wie konnte aber der Verf. Pompej. c. 15:
ncog ydg ot};;^l yiwala xavta — ,• dort anführen'? Cap. 10 lasse
ich %ai vor 7iQ0gri%B^i.vav mitllandschrr. aus imd fange den neuen
Satz schon bei Uollav Ö£ — an. S. 166 m ar dem Herrn Held das
grammatische Versehn tovrco tQoncp zu verweisen. Ebenda durfte
Wyttenbachen durchaus nicht nachgesprochen werden, dass ovtag
auch mit opcog gleichbedeutend sey. Steht ovtog nach Partici-
pien, so weist es auf jene zurück und hebt sie ebendadurch her-
vor. In demselben Cap.: dvvdpBvog MauEÖoviag sxßakslv
avxov izoXXd TCQaxtovxa aal taQatxöpevov exdsxstai, cet,
Bryanus maluit xaQaxxovxa^ quo certe non opus. Ich lialte ta-.
QttTtovTu liier für das einzig Walire. Plut. Pyrrh. c. 30 : tov
Plutarclii Plülopoeincn, Flaniininus et Pprluis. Ed. Baehr. 213
taQCittBöd-r.i, Xßl ragccTTSiv. VAuo ^olchrlc; Note lucnibcr liat,
wie i('Ii 111 ieli erinnere, Toiip. l'Iriieiul. in Siiidani, welclies Werk mir
»ielit zur Hand ist. Cap. I I : .hi cundcm Alexamirum spcctant
eliani verba: avxov ö\ tol^i)](5uvro<i Ütihv. Das o:i;ros ijelit
ganz bestimmt auf den l'yrrlius. Uald darauf: Priores male
CTQCitEiag^ assentientc codice Palatino. IVacIi dieser Ueltttioii
sclieint es, als sey öTQCCTiäq Conjectur von Ilrn.Biihr; allein dem
ist nicht so. Ca p. 1-1: llv öh rig Kivtag., ©EööaAog avrjQ , tw
^ilv q^Qovelv doxcov ixccvog tivai, zJij^wöQ'evovg dl rov Q}jro-
Qog ciXi]xoc6g eöoKSL — ävccai(iV)](}X£iv zovg uxovovtag. llr.
IJälir liat iiber diesen Satz p. H!) ^iele Worte gemacht, alier das
cliarakteristisclie desselben in Hinsicht der syntactisclien Verbin-
dung nicht durchschaut. Siehe i'iber den L'ebei-sprung ans dem
Participio in's Verbum finitum nur Schäfer zu Demosth. T. II p.
75. In demselben Capitel: I^räöug yclg, cd Ktvea ^ nävta vvv
Exslva xal avuQiia Tiökecov Kcd Öij^ayayäv 6^vzr]g , ^Aya^o-
v.Xkovg IxlekoLTtörog. i. e. nam sedil ionibus nunc omnia
illic flagrant liceut ia que ci vit a l u m (ubi mdlius valel
Imperium nee ullae leges) acferocitate dcmagogorum. Conf. iit-
fra cap. XXllI. — Dicendi ge/ius satis illuslrant^ quae colle-
git Matthiae grammat. Graec. § 438 \^. (501). Wirklich'? Das
letztere ('itat berührt weder Iliriimel, noch Erde^ so wenig gehört
es lilerlier. Und c. 23, ^AnoöTccöug ö' oQav ccTCavta xcd veco-
tBQLö^ovgxcd övöraöLV Idxvgäv en avrov tdet,ato xts.., hat kaum
entfernte Aehnlichkeit , da sidi dort anavxa ohne Ixuva findet,
und zu beweisen war, dass Ttdvrcc Ixelva so viel sage, als ndvTcc
XU BKsl. Das läugnete ein Ilemsterhuis. Aber vgl. Luc. JVecyom.
c. 10 Ev^vg ovv Ttüvxa I'ablvk söcdsveto. De Merc. Cond. c.
IHivx]] de öBLöucp öv^möHV ixilv a Tittvxa., De Ilistor. Con-
scrib. c. 22 xat oxxoßog ■^v xcct xoxxaßog änavxa sasivccy
Asinus c. 42 xcd nävxa exelva jweöt« 7]v dksvQav. Ausser-
dem habe icli (C^uaest. Luc. p. 69) angefiilirt Aristoph; Aves v.
1154 xcd 1/vv aTtavx' exelva Tnxcvkcorai Tivlaig xal ßeßalcc-
vcoxai — . S. l!)4 scheint nt millus aim dubius ebenso nnla-
teinisch, als ebenda: Ilaee est vetas lectio^ qnaleni [statt
quani] mei quoque libri rcpracsentant. Cap. 17: Kgätiöxot 8^
7j6av ovxoL xcd xcöv cpllcov 6 II V (5 (5 0 g xcd xäv 6xQax}]yäv olg
lic'ikiGxa xQ^y-^'^'og biexelu xal niGrevcov äneßakev. So stellte
llr. B. die Worte 6 IIvQQog nach einigen Siibsidien; gewöhnlicli
stehn sie nach olg, in einem (.'odex hinter jCLörevcov. An diesen
Ort passten sie noch am bestttn, und kein Mensch wird sie mit Ilrn.
B. zwisclien xcöv cpllcov xcdxiöv öT0f<T>;j'ü3i' einklemmen. Aber ich
erkläre sie unifedenklich für eine Uandglosse, besonders da sie
aucli in 2 Codicibus fehlen. Cap. 21: 'ü ^i'cvxoi zJLOvvCiog ovxe
ovo neQV'JöyJ.ov ni'i%ag ovre o^okoyov^iivtp' ijxxav löxoqeI ye-
viö&ai 'Pco^ccicoVf ccTia^ Öl pi'c%Qi öf öftwj/ yliuo ^cc%e6ciiiivovg (uo-
Kig UTCakkayijvuij tüv IIvoqou xqui^'cVXus vOdo) xuv ßgayjova
274 G r i e c li i ä c h e L i 1 1 e r a t u r.
xai trjv aTtoöKEvijv cc^a Eavvixäv 8 lagnaöävt av. Hier
ffibt's nichts zu ändern. Blan denke nur zu ÖtaQTt. als Subject tcöv
'Pa^aicöv hinzu, was auch der Sian erfordert. Cap. 22: 'Ev xoi-
avrcag d' av anoQtaig slg iXiiiÖag av näliv üEvdg BVETteös aal
iitgayfiaza Öiioöraöiav tiovra Ttjgyväi-njg. "j^ia. yciQ, ijkov cet.
Phitarch Iiatte hier g;anz gewiss naiv dg i?esagt. iNicht war es
dem Pyrrliiis eiijen, sich leeren, .eitelii Iloffntuigen liinzug^eben
(was er holFte, war stets wolil berechnet), sondern er pilej^te nur
schon die neue IIoiFnung zu verlolgen, bevor das frühere
ganz b e e n d i g t w a r. Und ob er gleicli Siciüen sich am Ende
nicht unterwarf, so sind doch die ersten ekTtidsg nicht nevai zu
nennen; im Gegentheil heisst esgleidi nacliher: '^ifja^iva d' av-
tgJ Eiazliag d ^idv ^^IntGsv, iv%vg dnrjvta ßißccicx. Wie
tretteud ist dagen aatvagl Er war nocli nicht mit den Römern
fertig und schon verfiel er wiederum in neue Iloifnungen. Aehn-
licli Cap. 20 OvTico Ö£ rav ngay^drav avrcö ßsßaiozijta aal öv-
ötaöLV £;|^oVtcov [loin^ov ijagBito rrj yvco^u] ndkiv TCQog ixEgag
ikTiidag, und Cap. 30 'O Ö' iXitidag f^ llTciÖcovdBl xvUvdcov — .
Wirklich geben auch 2 Pariser Ilandsclniften x^tvag : doch hier
bedurfte es niclit einmal dieser Bestätigung. Cap. 23 : dTcexgiva-
xo tcIblovcjv Bq)L£^£vog ^dav sivai didXvöiv — si — xgävxo.
Die Lesart ygävxai ist in den Text zu setzen. Cap. 24: Tovxo
xovgßagßdgovg STt'cöxe xov Ttgoöco xagslv ä g xcva x c5v xgsvx-
X ovav ^avfidöavxag nal xaraTiXayävxag xöv Uvggov wird über-
setzt: admirnntes Pyrrhuin et quasi stupentes utpotc vir um
ipsis (s. reliquis hominibiis) major em. Der flr. Vf. verfehlte
den Sinn einer bekannten Redeweise. Der Satz will so genommen
seyn: da sie den Pyrrhus wie eins der überirdi-
schen Wesen (oder einen der Götter) bewunderten.
Luc. Demonax c. 11 v:iBg(pvag axfav^a^ov avxov aal ÖLEreJ.ovv
wg XLva xc5v %g£t,xx6vcjv Tigogß^.iTCovreg , Comiviumc. 7
v7iBt,avi6xavxo Tcdvxsg avxcß xal Ide^iovvxo agxivaxcavügsLX-
rovav. S. Schäfer Mel. Grit. p. 31. S. 222 kommt vor: coege-
runt bestias^ ut r everterent [.']. Cap. 20: KaxBivog ^Iv vito-
cpsvycovy dfia xcov TCagaliav xivdg 7t6).Bcov xaxeöxBV. i. e. Ille
quidemfugiens tarnen simul — quasdam retiniiit urbcs mariti-
vias. IN ein ; sondern der Sprachgebrauch verlangt schlecliterdings,
dass vno(pBvyo3v d^a eng verbunden werde. In demselben Cap.:
Eq)ri ydg ilBv^'Bgcööcov xdg vit ^Avxiyöva nolBLg drplx^ai %al vi]
/dia xovg vBtoxigovg nalöag Big Zlndgxriv, bI ^u] xi aaXvBi) tcb^-
ipcov Bvxgacp}]6o[iBvovg xolg ylaxaviKolg eO'Eötv, cog xovxcp
tcXbov B%OiBV 7J8r] xcov ndvxav ßaöLXiav. Fiir xovxa gibt ein
Codex TOÜTO, und diess scheint Plutarchs Hand zu seyn. Zu dem
bald folgenden ovdlv ^rj ndO'co^BV wird nichts gesagt, als: Anon.
et Muret. ov ÖBog fir) nd^^co^BV, qnod probat Bryanus. Entwe-
der war dieser Irrthum ganz zu übergelni, oder auch zu widerle-
gen. Wir gehn nun fort zu Cap. '11 : Avxol TB ydg ijöav oUyoi
Plutarclii PliUopoemcn. Flaiuiiiiiui». l'vnhiis. Ed. Baelir. 275
xcd uTcagdijxevoi, Öuc zu cdcpvi^LOV 6 de "Ag^vq ov'n hvyxavs Ttag-
(6v dkl' iv KQ)]t]} roQzvvioig Ttoleaov^ävoLg lioijd'cov iiiul der
iNote Jiicrzii S. 22;): "0 ts '"Jijivg dcdit Jicis/,it/s^ cum vul^o es-
Ä(V 6 t)£, (///od iiici iiuoqno U'ori liicntar. JSec tarnen prace a
Bciskio esse ctneiidatum^ nKUtstrabaut ea^ (juue de junctura par-
ticiiUtrain t£ — x\ siipra vwnni ad ccp. l IL llr. Uälir, wclclicr
so maiichex' schönen Conjectur die wohlverdiente Aulnahine ver-
Aveiiierle lind ausserdem dem genialen lleiske oft schlecht mitge-
spielt hat, Hess sich hier hei der JNase herum iVihren. Tk und öe
entsprechen sich oi't, darn nehmlich, wenn das Letztere einen
tle:rensa(z hildet und ^om h'rslern verschieden ist. Ich übcr£;ehe
iiatiirlicii das schon von manchen Andern und von meinem Eruder
in >Mner's kritischem Journale J3. V St. I j). 11, 12, so wie von
mir selbst Quaest. Luc. p. 2(JH, 2()ü IJei^jebrachte und setze Jier
Aeschin. adv. Timarch. 45, 7 Bekk. : c.vto ^Iv yug xovvo^a tov
igyov 0 tTTgazTE :zQ6g zovzüv ovx syyQacpa ovo' dXlo yiyQacpcc
ovÖlv o i:7iL^}]UL6v lözLV ty. rav vö^utoi'zco zcdrj&tj (lUQzvQi'jöav-
TL, d ÖS iöziv vfiLV ts d/.ovovöL yvtJQiLia, dxLVÖvvcc ötrrö ficcg-
TvgovvTL y.al [i)) cd6%gd^zavTU yäygucpu. A\ arum steht dort die
AVolfische Conjectur vaiv ßiv noch hnmer im Tcvte"? Luc.lup.
Trai^oed. c. 4{>: zd Tcgogi'jKovza dnLvBiiuv dv , yägav ZE tijV
diuirco zolg ducivoöt Tiag aviov dva, r)]v y.uzco Ö£ zolg %sigo-
6t cet. Xenoph. liellenic. VII, 1,24: (6g 7t gor sgov rs Accxs-
ÖUL^ovioig dy.olov^^ovvzEg ly.dvovg rjvtii'jöazB, vvv ös dv Qi}-
ßccloig ELxi] dKO?^ov&f]z8 y.al (xt) yazd [itgog dt,LC0ZE TJysiöQ'aL, Yöcog
rdya zovzovg akXo\)g yiay,tÖcaiiOviovg Evgr'jöerE. Eurip. Andro-
niacha v. IKJl: ovzög r' d^' cog tK zcovÖ' triauv' dv , ykgov ,
Qaviov t6 öov 6' d]v toö' dv avzvxiözEgov. Die zwei letzten
Stellen zu iiudern hätte niemandem einlallen sollen. Doch unser
llr. \ i". beruft sich auf das iiber xl ■ — XE oben zu Cap.7 von ihm
Gesagte, und ich kann in der That nicht umhin, jene Anmerkung
recht genau naclizuselm. Junctura particularunizE — XE — spricht
er dort — apud poelas frerptentio/., in sohitae orationis scripta-
ribu&rarior. Ks Plntarcho tanxeu quaedain adjicere juvat [Stel-
len]. Dass XE — Xc aucli in Prosa sowohl — als auch bed^eu-
tet, ist eine allbekannte Sache; doch lassen wir's uns allenfalls
noch gefallen, dass Hr. IJiihr, der mm einmahl gern citirt , Stel-
len zum Beweise hinschrie!). Hingegen ist es auf keine Weife zu
entschuldigen, wenn Hr. Eäl»r gleich daraiif {Atque etiani sintpli-
ci utilur particula xs Ptutarchus cet.) die Gräcitäl des xe allein
(que) durch Stellen erhärtet, so dass ausser dem Plutarcfi auch
der arme Pluto lierhalten muss. Cap. 2!): 'EÖoxEi ßdViSOd^ac
y.Eguvvolg vtc avtov xtjv yluy.EÖai^ova %aX tpJ.tyEöd^ai. näöav
avxog de yjdgEw: Pro avxog öl xaigSLU Paltiliuus perperaiu
e.ihibet avxov ÖE%. Lingriechisch wäre iwzöv geradehin nicht
(\gl. meine Quaest. p. 102 sq.) und es musste hier der wichtige
Gegenstand ausführlich behandelt werden. Aber llr, IJähr hat
21f6 Griechisclic Littcratur.
sich auch bei folgenden Stellen passiv rerhaltcn: Flamin, c. 3:
ovx äito öslv agnsQ exelvoi — ovtcj tcoI avtoq — EntnEQdä-
vcci. Flamin, c. 17 — avzov öe }i6vov — . Pyrrli. c. 5: avzoi
^EV — EXELV ovg ÖS. Warum hat der lierausireber €ap. 23 eine
blosse Vermuthun;2:au%'enonimen und die ganz uiitadeliche Schreib-
art der Pariser 3ISS. Ugos öh t^v oi'LV 6 IlvQQog afia aal to
^rjdlv nQO%coQEiv d)v iqlTtit^EV d&viiav dvaözQEcpELV duvoElto gar
nicht beaclitef? Cap. 34: EVEßXEi^E dsivov , agzE rov ZomvQov
— ft?^ :caz' oQ&ov dXXä Ijtaod zö 6z6{.ta zal rö yivEiov dTtoxi-
Hvovxa ß^aÖEcog xal ^oXig ditoöTidöcci ti^v iiEcpa^7]V. Lies
mit einer Pariser Hdschr. xEiivovxa für aTtoxifivovza. Hier und
da haben wir eine Bemerkung ungern vermisst, z.B. zuPhilopoem.
c. 15: ovyttQrjv^iXQov, 'A%aLag [.legog yEvsöQ'ai xrjv HjidQ-
xr}V. Diess scheint eine stehende Formel gewesen zu seyn, ähn-
lich dem deutschen: es ist nichts kleines — . Wir haben
sie oft gefunden, z. B. Luc. Scytha c. 8: ov ydg ulkqov »Jv
Zlokcov tnatvcov — . Ehen so ist nichts gesagt zu Flamin, c. T :
jtaQExdkEt, tovg GxgaxLcozag avÖQag dyaO'ovg yEVEö&ai aal
ngod'v^aovg , wo dvrjg dya&og vir fortis bedeutet, was die Ge-
lehrten nicht immer bedacht haben. In demselben Capitel: tav
ovofta — dXxrjg zat dvvd^ecog, und Cap. 15: do^av avzov
x^g dvvdfiEag, konnte das auch oft verkannte Verhältniss des dop-
pelten Genitivs berührt werden. Im PjTrhus Cap. 11: t'jöav Ös
xiVEg^ ovg avzög 6 Uv^gog EyKa&tEi, nQognoiov^kvov g Eivai
MaKEÖov a g aal ksyovx a g ^ ort cet. , verdiente die syntaktische
Verbindung eine Erläuterung. Und so ist noch öfter das mid je-
nes nicht Unwichtige vernachlässigt m orden. Doch wir wollten ja
Hrn. Bahr hier jiach dem, was er gegeben hat und nicht, was er
nicht gegeben, beurtheilen. Wohl haben wir noch so manches
auf dem Herzen, was sich auf Begründung oder Berichtigung des
im Buche Gesagten beziehn dürfte; aber wir brechen jetzt ab.
Denn wir glauben unsere Absicht erreicht und bewiesen zu ha-
ben: da SS Hr. Bahr nicht nur mit grossem Eifer und
wahrem Interesse sein Werk bearbeitet, sondern
auch den unverkennbarsten Sammlerfleiss ange-
wendet und vorzüglich aus seinem Plutarch vieles
zusaraengetragen hat; dass aber im Gegentheil sei-
ne Verdienste um die Kritik des Textes im Gan-
zen d o c Ii gering sind und dass er beim Sammeln
nicht immer wichtige Gegenstände sich angemerkt
hat. Bevor wir von dem verdienstvollen Manne scheiden, müs-
sen wir noch seine liebenswürdige Bescheidenheit rühmlich er-
wähnen. Denn obgleich namentlich in den philologischen Studien
sehr vieles gar noch nicht ausgemacht ist und so manches viel-
leiclit nie wird aufs Reine gebi-acht werden , so dass wir uns des
ETtE%(o zal diaöKEnzofiaL gar oft bedienen sollten: so scheint
es docli heut zu Tage zum guten Tone zu gehören , über die un-
Descrizionc dclla Graccia ili Pnusania tradotta da JMbiby, 2'7'7
gewissesten Diii£:e anmaassciul alizuspreclieu und sich auf Kosten
Anderer, oft der trefflichsten Männer, stolz zu erheben. *)
Franz Volhmar Fritzsche.
Descrizionc de IIa Grecia di Paris ania nnovamento
dal testt» {/i^rtco tradotta da ((jiüonio) ?^ibbij. Roma presso ^incento
Poggioli Slampatorc della U. C. A. Vol. I, II, III. 1817. Vol. IV.
1818. gr. 8, 8 Thlr. 16 Gr.
Uie Aufmerksamkeit der Gelehrten und des gebildeten Publl-
cums Avird jetzt immer mehr des P a u s a n i a s Beschreibung
von Griechenland zugewendet, da seit 1814 drcy neue
Üebersetzungen derselben erscldenen sind, eine französische
von CM a V i e r , von welcher wir im ersten Hefte dieser Jahrbii-
clier gesprochen haben, eine deutsche von Hrn. Wiedasch,
von welcher diese Jahrbiicher hofi'entlich bald eine Beurtheilung
liefern werflen , und diese italienische von Hrn. Nibby,
von welcher wir jetzt ISachricht geben wollen. Denn eine solche
Erscheinung, wie diese in Frankreich, Italien und Deutschland,
kann ein kritisches Blatt, dessen lledaction den Vortheil der Le-
*) Wir fiif^^en dieser Beurtheilung des Bälir'schen Plutarch's noch
Lei, dass die \ erlagshandlung denselben auf eine sehr würdige Weise
ausgestattet hat. Der schöne und sdiarfe Druck mit Wallbanm'schen
Lettern , aus der Tcnbner'schen Officiu hervorgegangen , nimmt sich
auf dem weissen Papiere trefflich aus. Dabei ist er gedrängt und
der Raum möglichst gespart, aber doch so, dass das Auge da-
durdi nicht angegriffen wird. Die SchMÜrze ist gut und das Pa-
pier stark genug, um die Lettern der Kehrseite nicht durchscheinen
zu lassen. Der Preis «ist verhältnissniässig gering. Für das Bedarf-
niss der Sclmlen al)er ist zweckmässig genug dadurch gesoi'gt, dass
der (iiicchische Text um einen sehr billigen Preis auch einzeln abge-
lassen wird. In Bezug auf Corrcctheit Ut möglichste Sorgfalt ange-
wendet, und es iniden sich nur Avenige Druckfehler. Diese Bestrebim-
gen der Hahn'schen Buchhandlung sind aber um so mehr zn rühmen,
weil sie sich auch in allen übrigen zalilreichen neuen Verlagsartikeln
derselben wiederfinden, welche von dieser Seite durchaus Empfelihnig ver-
dienen. Auf das Wesen der Wissenschaft haben diese Leistungen al-
lerdings keinen tinfluss, aber für den Gebrauch der Scluiften !«ind sie
von desto grösserm Wertlic , und es ist ein erfreuliches Zeichen un-
serer Zeit, dass mehrere Deutsche Buchliandlungen darin den Eng-
ländern und l'riinzosen nacheifern. Freiliih finden sich auch noch
viele und auffallende Beweise für das'Gegentlieil ; aber eben desshalb
halten vir ca um so mclir für unsere Pflicht , das Gute zu rühmen,
MO CS eich findet. • Anm. d. Redact.
2'T8 Griechlsclic Litte rat ur.
ger zu seinem ersten Zwecke maclit, nicht stillschweigend über-
gehen, als ob sie niclit da oder dem Gebiete der Litteratm- fremd
wäre. Was liefet aber diesem näher als das alte Hellas'? llr.
Nibby, als Komischer Antiquar bekannt, wollte durch tliese
üeberselzung tlieils um das Werk des Pausanias, das man, wie
er meint, mit Recht nennen könnte Storia Geogralica, Politica,
Morale, e Autiquai'ia della Grecia si pel tempo della sua inian-
zia, che per l'epoca della sua lloridezza, e decadenza, theils um
seine Landsleute sich einiges Verdienst erwerben, da nur eine,
und zwar alte und Avenig genaue italienische Uebersetzung des-
selben vorhanden Avar , die von Alfonso Buonacciuoli,
JMantua 1597, 4, diuin ohne Veränderung wieder gedruckt zu
Verona imd Koni. Hr. N. widerspricht der gemeinen Mehuuig,
dass diese Uebersetzung genauer als die beyden lateinisclien, und
nach dem griechischen Texte verfertiget sey, denn es scheine
ausser Zweifel, dass der Verfasser das Griechische nicht ver-
standen habe. Ciampi, Professor zu Pisa, versprach zwar
ehie neue mit gelehrten Anmerkungen bereicherte italienische
Uebersetzung, aber es ist bisher nur ein Versuch- erschienen,
der sich auf die Uebersetzung der Stelle des 5ten Buches ein-
schränkt, Avo der Kasten des Kypselos beschrieben Avird. Es war
also , sagt Hr. N,, in Italien , dem centro delle Arti , eine neue
Uebersetzung nöthig, da zu denen, Avelchen das Werk des Pau-
sanias niitzlicli sey, vor allen andern die Kiinstler gezählt Averdeii
müssten. Hr. N. liat seiner Uebersetzung nach der Dedication
an den Sig. Conte di S. Leu eine Vorrede litterargeschichtlichen
Inhalts S. VII — XXIII vorausgeschickt, Avorin von den verschie-
denen Männern, Avelche den Namen Pausanias führten, von Pau-
sanias dem Verfasser der Beschreibung Griechenlandes , seinem
Vaterlande und Zeitalter, seinen Keisen, seinem Lehrer, der
Zeit Avo er dieses Werk abfasste , von seinem Style , von seinen
andern Werken, von den Manuscripten der-Periegesis, den Aus-
gaben und ücbersetzungen derselben bis auf die von Ciavier her-
ab, von der jedoch nur erst ein Band erschienen Avar, zum Tiieil
wenig befriedigend gehandelt Avird. Die englische Uebersetzung
von Taylor, London l'ilJ), sagt Hr. N., habe er nicht zu Ge-
sicht bekommen können, aber nach den Kelaliouen von ihr scheine
sie weder in England grosses Ansehen zu haben noch sehr getreu
zu seyn. (Nach Claviers Urtheil, Vorr. S.VIII, eile ne jouit d'au-
cune reputation.) Mangel an Treue Avirft Hr. N. auch der G o 1 d -
hagenschen Uebersetzung Aor, die er mit dem griecliischen
Texte verglichen zu haben versichert : die 2te Ausgabe , Berliii
1798, müsse sogar Avegen ihrer vielen Druckfehler der erstem,
Leipz. 1708 , nachgesetzt Averden. Bey seiner eigenen Ueber-
setzung liatte sich Hr. N. vorgesetzt di osservare ima esattezza
sempulosa, c sagrificare a questa ima raaggiore eleganza. In ei-
nigen Stelleu benutzte er Verbesserungen von Kuhn, F a c i u s
Dcscrlzionc ilella Grc(l;i di Pausanui tmdotta da Klbby. 2*^9
«lul Ciavier, xiiul nahm auch seuie eigenen auf. Von ilieseii
Yeilintk'runirfii AvolUe er in den Aninerkinii;en Ueehenschal't ab-
lehren, die er nach derUekainitinachmiij seiner Uehersetzung her-
ansznjreben AViilens war. Es MJrd Aielleicht Manchem angeneinn
seyn zn hören, welchen IMan Hr. IN. dazn entworfen hatte. \or-
an^rehen sollte eine allsenieiiie lieschreibunij des physischen, po-
litisclien und moralischen Znstaiules von Griechenland, und je-
dem Buche eine kurze, jedoch die alte, mittlere und neue Zeit
innfassende, ja ans den Orii;inal(|uellen geschöpfte Geschichte
der vornelimsten Städte, von welchen in demselben gehandelt
w ird , dass man so eine zusammenhängende und \ ollständige Ge-
schichte von Athen, Älegara, Korinth, Sikyon, Argos, kurz allen
den Städten, welche Pansanias in seinen 10 liiichern durchwan-
derte, erhalten sollte. Dann wollte er auch die a om Pansanias
nicht beriihrten Länder, Thessalien, Kj)irus, Macedonien, Thra-
cien, die Inseln, Troas, Aeolis, lonien und Doris in Klein -Asien
nach der iManier und dem Muster des Pansanias aus den Origi-
nal-Schriftstellern beschreiben: doch das Letzte Avahrscheinlicli
abgesondert von dem Commentar über den Pausanias. Schade,
dass dieser so reiche Sachcommentar des Hrn. IN. noch nicht er-
schienen ist! Vielleicht trägt bloss die iibergrosse Bedenklich-
keit der Verleger die Schuld. Denn da es hier weniger darum
zn thun war, jedesmal genau zu bestimmen oder zu untersuchen,
was Pausanias denn eigentlich gesagt habe oder habe sagen wol-
len, als die Sachen zu besprechen oder mehr auszufiihren , die
Pausanias beriihrt, so konnte die Anfertigung eines solchen Com-
nientars keinen allzugrossen Zeitaufwand fodern. Da nun aber
Hr. jN. seinen Commentar noch nicht hat ans Licht treten lassen,
so kann \md soll unsre Anzeige von seiner aller Anmerkungen
entbehrenden üebersetzuug ganz kuiz seyn, da sie doch für uns
Deutsche nicht zunächst und im Allgemeinen bestimmt ist, und
das Gute, das sie etwa enthält, Hr. Wicdasch gewiss in die
seinige aufnehmen wird.
Uebcr die Sprache in dieser italienischen Uebersetzung er-
lauben wir uns natürlich kein Urtheil, im Allgemeinen aber
scheint diese Uebertragung das Lob des Fleisses, der Treue und
Deutlichkeit zu verdienen. Gehen wir ins Einzelne, so finden
Mir Stellen, die man theils loben oder billigen , theils nicht ta-
deln kann, aber auch Stellen, wo einiges zu billigen, anderes zu
missbilligen ist, und endlich Stellen, mit denen man nicht zufrie-
den seyn kann. Einige wollen wir durchlaufen: dass wir aber
nicht durch Absclu'eiben des Griechisclien zn ^iel Raum wegneh-
men, bitten wir misere Leser es selbst zu vergleichen. Buch II
•Kap. 3 § ;i wird tüi/ KoQt'i'^LOv ya?.x6v %xX. gut übersetzt: af-
fcrmano^ che U b/ouzo delto Co/inlio^ mciUrc c infiiocato e ccd-
do^ riceva da quesf acqna ü colore. Impcr clor che i Coriutj
nun haiino bronze. \, 15, 3 ^ om Anfange : GU Ateniesi de-
280 Griechische Littcratur.
dicarono la palma tU bronzo con ima slatiia dorota di Minerva
sopra^ ist richtiger als die Uebersetzung von Ciavier, soii§ ce
palmc^ und Goldhagen, hey d em Baume. II, 20 gleich v.
Anf. : 0?nitte?ido la immagine di Creuga pugile ed iL trofeo
erctto sopra i Corintj^ havvi la slatua assisadi Giove ; wo N.
jfdt und besser als Ciavier den Sinn und Zusammenhang aulge-
fasst, und die Glieder der Periode unterschieden hat. III, 8, 5
a. E. loben wir es , dass Hr. N. nach der gewöhnlichen Lesart
treu iibersetzt hat : e ne fu causa a mio parere Lisamiro —
studiandosi per ogni parte ^ che il regno venisse a liii; da, wer
aufmerksam liest und mit der Geschichte bekannt ist , leicht be-
merkt, dass das griechische ol auf den Agesila^s bezogen werden
muss. Claviers Lesart t^v ßccödsiav ['AyijaiXcccp] ysvsßd'ccL
rechne man zu den Fehlern, die in der Anzeige von Claviers
Ausgabe in diesen J. Biich. Hft. I S. 32 f. geriigt worden sind.
Dass VIII, 21, 2 m eder eine AnsiVdlung noch ehie Verbesserung
gewagt, und nur die Liicke angedeutet worden ist, ninss gebil-
liget werden. I, 4, 2 ist die Conjectur B^^sXovöL, die zwar einen
Grad von Wahrscheinlichkeit aber noch kein volles Recht zur
Aufnahme hat, der gemeinen Lesart akd^ovöL vorgezogen worden:
dies wollen wir an einer Uebersetzung eben so wenig tadeln, als
mit ihr dariiber rechten, dass sie die Stelle IX, 12, 1 so aus-
driickend 7iel' viaggio pe Focesi sich an Valckenärs Vermu-
thung hielt, oder dass sie V, 23, 6 im letzten Verse des Epi-
grammes Kuhns Verbesserungsversucli aufnahm. In der verdorb-
nen Stelle I, 4, 5 hat sich Hr. N. damit geholfen , dass er die
Worte fg ravxrjv, welche gerade die Schwierigkeit machen, ganz
wegliess, was einem Uebersetzer nachgeselien werden kann. Auf
gleiche Nachsicht macht Anspruch die Auslassung des xdx im
ersten Verse des Epigramraes anf Apollo und die Musen V, 18,
1 S. 423. Weniger wird man es zu verzeihen geneigt seyn, dass
I, 30 a. E. das bedeutende Xiyovöt d' ovv ganz übergangen wor-
den ist. Wemi I, 27, 5 dtsörcjtEg ag ^dxi]V Vlbersetzt durch in
atto di combattere seyn soll, im Begriff mit einander
zu kämpfen, so ists richtiger als was Ciavier hat , qui coni-
lattent ensefnble. Dass aber ebend. sv^qls TtQSößvng gegeben
wird statua portatile di ima vecchia , kann nicht gebilliget wer-
den. II, 32, 5 verdient die Uebersetzung sogni^ i qiiali conte-
nevano la liberazione dalla fame nur in ihrem ersten Theile
Lob: denn die gemeine aber gewiss vervverfliclie Lesart Xl{iov
sollte nicht beybehalten, sondern mit der nothwendigen Verbes-
serung Xocßov, auf die ja Sylbnrg schon hingedeutet hatte, ver-
tauscht werden. I, 3, 1 hat Hr. N. Kiduis unstatthafte Conjectur
che clla fere custode del cielo ausgedriickt. Eben so hat er
sich I, 15, 4 durch Löschers Veimuthung teuschen lassen, zu
übersetzen: Nel ceutro della pittura poi veggonsi i barbari^
che fuggono. Die Uebersetzung X, 2, 4 una imitazione di an-
Dcscrizionc dclla Grecia di Pausania Iradotta da Nibby. 281
tico hronzo dl iino cui ili giä cransi consinite le carni ist ge-
wiss uiiiiclitisr, >vt'il ikXkov xQoviareQOV sprachwidrig erklärt
und Svlbiirijs Verbcsscriiiii? xcdKOVV niclit beachtet Morden ist.
\, 4, i dnrl'teii ötsyai "Aollca niclit tugnrj roiundi\ und 1, 1, 2
iTilveiov nicht arscnale übersetzt werden; mau miisste denn
im Italienischen kein anderes »ort ITir unser Ilal'enstadt lia-
ben. Die liekannte Stelle IX, 5, 5, über welche selbst einige der
Koryphäen nicht oline Anstoss hinweggekommen sind, ist auch
Hrn. iS. ein ])()ser Stein des Anstosses geworden. Da er dem letz-
ten von den daselbst angelülirten liomerisclien Versen den unricli-
ligen Sinn untergelegt liattc ma inaudilo cd iinproviso mostrar
•portcnto alV nom mortale i j\ii/in\ so musste er luin die näcli-
sten Worte des Pausanias eben so unrichtig übertragen: Cofiie
adimqne fccero %in inaudilo ed i/np/oriso portento , se Kdipo
ebbe da Giocasta i quält/ o ßgH-, che avea avuti da Kurigama
di Ipcifante '/ I, 26 a. E. übersetzte Hr. N. a tutti perh fu
cosi fiuperiore in acutezza di spirito {Gocpici?)^ che egli fu il
jrrimo a traforarc marmi^ ed il ?ionie si pose di critico delV
arle^ o poslo a lui da ollri appropriosselo\ Hier weiss man
nicht, welche der beyden Lesarten ■)ia'Kit,6xi%vov oder natäts-
^vov er habe ausdrücken w ollen ; nach unsrer Meinung ent-
spricht seine Uebersetzung keiner ^on beyden. X, Sl, J: giebt die
Uebersetzung imtiecchio ed un garzone^ e parecchie donue
assise sopra il sasso weder den Sinn der Worte 3tQ86ßvti]g
ÖS — TtizQa riclitig an iiocli zu erkennen, wie Hr. N. diese Stelle
gelesen habe. Den Beschluss mache I, 1, 4 a. E., wo die Ueber-
setzung 11 siniulacro pe7u^ che oggi vi esiste^ e, come dicoiio^
opera di Alcaniene^ e percio il Medo nol pole guastare schwer-
lich befriedigen wird.
L'eber jedem Kapitel steht eine kurze Inhaltsanzeige. Ausser
einem Sach- und Namen -Uegister ist eine willkommene Zugabe
dieser Uebersetzung die Carta della Grecia antica secondo le
osservazioni di Sir Williani Gell per servire ulla traduzione di
Fausania di 1. Nibby. In dieser schönen Carte sind bisweilen
die alten und neuen JNamen gesetzt, und die neuern unterlinirt,
z. D. Arasso Pr. og. Capo Papa^ oder wo der alte Name lehlt,
steht der ?same des neuen Ortes unterstrichen, wie Conupel^ uiii
so die neuern Namen Aon den alten zu unterscheiden. Die Na-
men sind italienisch aber sehr deutlich geschrieben. Das hier
dargestellte Griechenland gelit von den Echinaden und der wcst-
liclien Sjjitze der Landschalt Elis bis zu der Südspitze von Euböa,
und von Kytliera bis zum Olhrys. Druck und Papier sind im Ver-
gleich mit den meisten in Deutschland gedruckten Schriften
schön zu nennen.
Siehelis.
282 Griechische Litteratur.
LQANNOr TOT TZETZOT BIBJION TKS /HA STI-
XSIN nOAITIK^N AA^A AE KAAOTMENSIN. —
lounnis Tzetzae historiartnn variartim Chi-
li ad es. Graece. Tcxtnm ad lldem duoriiin codicumMonacensiiim
recognovit, brevi adnotationc et iiulicibiis iiiütriixit ThcojjJiilus Kiess-
Unguis , Pli. D. Rector et Prof. GjTnn. Cizensis , 'etc. Lipsiae, F.
Chr. W. Vogel. 1820. XXIV und 5ß8 S. gr. 8. (3 Tlür. 12 Gr.
Schrbp. 4 Thlr. 13 Gr. A^cliap. 5 Thlr. 8 Gr.)
Llie weitläuftige, nicht weniger als 12665 Verse *) in sich be-
greifende Sanimhnig mannigfaltiger Erzählungen und Notizen
des Johann Tzetzes, die anjetzt nach der von ihrem ersten
Herausgeber ziemlich willkührlich eiugefülirten Verszählung ge-
wöhnlicher unter dem Titel der Chiliaden angefülu't wird, er-
schien zum erstenmal zu Lasel im Jahre 1546 in Folio hinter dem
Lykophron des Arnold Antonius Peraxylus. Diese Aus-
gabe hatte Micolaus Ger bei besorgt, aber ausser einer auch
in gegenwärtiger neuen Ausgabe wiederholten Vorrede über
Johann Tzetzes imd über den Werth der Sammlung, den
er viel zu hoch anschlägt, ist nichts von ihm hiuzugethan: deim
die meistens wörtlich treue, von Hrn. Kiessling mit Uecht
weggelassne lateinische Uebersetzung hat den Paul Lacisius
aus Verona zum Verfasser. So werden denn nicht nur die grade
bey eiuera solchen Werke unerlassliclien IVacliweisungen der
Quellen, aus denen der Schriftsteller gescliöpft hat, sondern
auch die Sachregister vermisst , durch die allein einige Lk'ber-
sichtlichkeit in die durchaus planlos verworrene Masse gebracht
werden kann: dazu gesellt sich noch eine unglaubliche IncoiTect-
heit des Druckes, die den Gebrauch dieser Ausgabe bey ihrem
ohnehin nicht sehr gefälligen Aeussern doppelt imbequem inul
widerwärtig macht. Der Abdruck des Jacob Lectlus im
zweyten Bande **) der Poetae Groeci vett. t/agici., co?7u'cf\ lyri-
cz etc. Colon. AUobr. 1614 ist eben nichts als ein Abdruck, der
alle Fehler der Editio princeps getreulich wiederholt. Seitdem
hat niemand wieder an Herausgabe und Bearbeitung des verwahr-
loseten Buches gedacht, das so beynah zur litterarischen Selten-
heit geworden war, und kaum noch auf öffentlichen Bibliotheken
gefunden wurde.
Wenn sich mm auch allerdings in den oft barbarisclien
Sprachformen, in dem bald platten und gemeinen, bald mierträg-
lich verkünstelten und gefschraubten Ausdrucke der Charakter des
*) ursprünglich waren es 12759, von denen aher 94 verloren ge-
gangen sind, s. Scholl hist. de la litt. Gr. T. VI p. 125.
'*) nicht im dritten, wie Hr. Kiessling angieht, wahrscheinlich
weil er die beyden Sammlungen des Lcctius als Eine betrachtet.
T z c t z a c c h i 1 i a il c s. Ed. K I c s s 1 i n g. 288
zwölften Jalirlmiulerts chen so weni^ verleugnet, Mie die unlie-
benswürdiire Persönlichkeit des Verfassers in der iiberall störend
lier\ orbreelienden p]itelkeil , Aninaassung und Verkleinerungs-
wuth fje£,en andre, ans denen das >\'e.<en des Tzetzes znsam-
men£:ese(zt >var, ja wenn seihst die ijeschiclitlichc Glanhwiirdig-
keit der Angaben nur eine sehr beschränkte ist, und ni(;hts dar-
aus sich ohne sorgfältige Prüfung annehmen lässt, so giebt dem
Buche doch die grosse Fiillc anderweitig nicht vorkommender
Beyträge zur speeiellen Kenntniss des Griecliischen und Ilömi-
schen Altertlnuns ans allen Zeiten, besonders die zahlreichen
rSolizen über 3hthol()gic, ül)er Völker-, Knust- und Litteratur-
geschichte, ja selbst über Sprai'he, Sprichwörter, Redensarten
udgl, eine dauernde Wichtigkeit, imd das Uedürfniss einer neuen,
zweckmässiger angeordneten Ausgabe ist daher ein längst em-
pfundenes.
Was wir von einer solclien Ausgabe fodern, ist bereits in
dem ausgesprochen, was wir an der Editio princeps vermisst ha-
l)en, und wir freuen uns hinzufügen zu können , dass durch Hrn.
Kiessling im Ganzen auf die erfreulichste Weise geleistet ist,
Mas wir zu wünschen berechtigt waren.
Die erste und grösste Aufmerksamkeit des Ilerausg. war na-
türlich auf Herstellung des sehr verdorbnen Textes gerichtet.
Allerdings konnte ein grosser Theil der vorhanduen Corruptelen,
der in gewöhnlichen Uruckfehlern bestand, leicht und ohne be-
sondre kritische Hülfsmittel beseitigt werden. Damit wäre aber
nicht mehr geleistet worden, als was jeder Gelehrte selbst in sei-
nem Handexemplare thun konnte. Eine nicht gerhigere Anzahl
mid grade die schlimmsten Verdorbenheiten waren älter als die
Ausgaben, mid konnten nur aus Handschriften oder durch Con-
jectiiralkritik berichtigt werden. Von beyden Hülfsmitteln ist
vielfacher und glücklicher Gebrauch gemacht.
Handschriften sind zwey benutzt worden, beyde auf der
Königl. Bibliothek in 3Iünchen von einem dortigen jungen Gelehr-
ten, Franz Höger, mit grosser Sorgfalt Aerglidien. Die
eine, (A.) die das ganze Werk enthält, ist unverkennbar die-
selbe, aus der die erste Ausgabe geflossen ist: sie war früher Ei-
genthnm des Peraxylus, wie dieser mit eigner Hand darin
bemerkt hat, und ist von ihm an Gerbel znm Abdrucke niit-
getheilt. Sie ist daher kaum als eigne Handschrift zu betrach-
ten und fast mir zu urkundlicher Beiichtigung gröberer Druck-
fehler brauchbar. Desto nichtiger ist die zweyte, (B. ) sonst in
Augsburg: leider enthält sie aber nur den ersten Abschnitt des
AVerkes bis zum Briefe an den Lachanas, die drey ersten Chilia-
dcn und 400 Verse von der ^ierten, also ungefähr ein Viertel
des Ganzen. Aus ihr sind eine Menge zinn Theil sehr verdorb-
ner Stellen aufs glücklichste verbessert, wofür wirkeine einzel-
nen Beweise liervorzulieben brauchen, da — soweit sie reicht —
284 Grlechiachc Llttcratur.
fast jede Seite davon Zciigniss giebt. Sowie wir nun vollständige
Aufzeichunng aller Lesarten, auch der fehlerhaften, selbst beym
Tzetzes billigen, so müssen wir es um so mehr tadeln, dass
hie und da, mo die Verbesserung aus den Handschriften sogleich
im Texte den ihr zukommenden Platz gefunden hat, die gewöhn-
liche Lesart in der Anmerkimg anzugeben ganz versäumt ist,
z. B. III, 655, 69], 804; IV, 26 (wo sie sicli errathcn lässt), 286;
VI, 115; VII, 532, 764 (wo in der Anm. 794 gedruckt ist) imd
sonst. PJs A\iirde dankcnswerth seyn, wenn der Ileraiisg. auf ei-
nem Octavblatte, welches diese Auslassungen fassen winde, nach-
tragen wollte, was so zur vollständigen Uebcrsicht des kritischen
Thatbestandes bey der Selteiilieit der edit. princ. anjetzt noch
vermisst wird.
Wo die Codices nicht hinreicliten , den Text herzustellen,
da ist Hr. Kiessling theils den gelegentlichen Vermuthungen
früherer Kritiker, theils seinen eignen, theils von Hrn. Höger
ihm mitgetheilten gefolgt, und hier gebührt der Besonnenheit,
mit der er den urkundlichen Text mir in dringenden Fällen aul-
giebt, ebensoviel Ajierkennung wie der Scharfsinn, den wir in
vielen seiner Verbesserungen wahrnehmen, ein Lob, das auch
den meisten Bemerkungen des Hrn. Höger gebülirt.
Ohne uns aber hier bey Stellen aufzuhalten, deren einsichts-
volle Behandlung sich durch sich selbst empflelt, wollen wir lie-
ber bey einigen andern verweilen , wo uns das Gegebene nicht
zu genügen scheint. So bedünkt uns V, 813
xa d' aXXa xa ezKaidexa, ^nq Q'dtpcj ös %a\ Tt,8r^rjVf
ov Uala^i^dijg svQr]KBv —
die gleich in den Text genommene Aendenmg agvipa unnöthig.
Zu IV, 96 urtheilt Hr. Kiessling ganz richtig: ^^inepte dicta
in Tzetsa sunt toleranda^'-'- luid hier mögten wir die etwas starke
Uebertragung des Begriffes gar nicht einmal inept nennen, da sie
theils in hqvtctco, aaXvTttco und oiBvO^cj eine Art von Analogie
findet, theils durch den ganz gewöhnlichen tropischen Gebrauch
von se;je///e vertheidigt werden kann: deim dassTzetz.es bey
den unbedeutendsten Dingen grade die hochtrabendsten Aus-
drücke braucht^ darf gar nicht erst erinnert Averden. — An an-
dern Stellen hat der Herausg. die Nothwendigkeit der Aende-
rung richtig erkannt, ohne doch eine sichere Verbesserung zu
ermitteln. Ziemlich nahe liegt dieselbe in der Ucbersclmft zur
132sten Erzählung, S, 251, IleQl 2J£QßL?A(J0V xal Uccqcjv, avozu
Hr. Kiessling bemerkt : ^^Quid sibi velit Uocqcov, ignoro'"': Der
erste Vers der Erzählung selbst,
I^SQßlXiog i^v vitaxog aal KalöaQ xäv Tco^aiav,
lehrt, was die ganze Erzählung bestätigt, dass wir bloss aus zwey
Wörtern Eins zu machen und IIbqI UsQ'ßiUcov KaiöccQcav zu
schreiben brauchen. Derselbe Fall tritt VII, 70T ein. Hier wird
Tzctzac cliil indes. Ed. Kics&ling. 2H5
aus Siinmias von den Tloinikyiien oder Kynokeplialen {sjcmchletT
dass ihre Stinuiie ein llundeijebell sey: Simniias JVii^t hinzu,
ulXco^' dyvcoööovöL ßfjoicov ovo^ia xIvtov, ccvöyv.
Wie unpassend liier (h'eZusanunenstelhnji;" des JN'aniens und der
Sprache andrer Sterbiielien , wie ^anz widersinnig das Asymle-
ton ovo ixci xAt'tüi', avd)']i' , ^<-'yi vveU;hes liier uie eine Apposi-
tion ersclieinen ■wi'irde, lallt in die Au^cn: dem allen ist aliire-
hoUen, wenn wir ohne Aenderung eines Ihichstahen sehreihen:
ß'AAcov dyvcjööovöL ßgorav öiofinaPiVvoi' avÖr'ji'. —
Auch in der Leberschril't zur 22Ssten Krzähhini; erkennt der
Heraus^, eine Verdorbenheit, ohne sie hellen zn können. Dort
heisst CS anjctzt: Tlegltov, (x/jTcag, xaifc'c q.r]öL TllvÖagog , y,a-
rd 2^i^ucovlö}jv t)}v Movötcv ciQyvQUca' 7ioi}]6cau.tv ktL Dass die
Movöcc aQyvQSia hier dasselbe sey, was cpavt) vnc'cfjyvgog bey
Pindar. Pyth. \l, (55 (42 151i.) leuchtet ein: dass dieser Vorworl"
nicht ijanz ohne Beziiplichkeit aul' iSinionides war, und dass zwi-
schen ihm und Pindar es nicht an eilersiichtig'en lleibuu'ren ga-
fehlt liat, wobey Siinonides käuriiche Muse leicht zur Spi-a-
che gekommen seyn kann, ist aus fielen alten Schriftstellern be-
kannt, s. z.U. Böckh cjpL ad Pind. Oltjiiip. 11, !)j ; Pyth. I, 2J);
11,81. Ueber den Sinn der Stelle im alli,'emeinen kann also ei-
gentlich ^ar kein Zweifel obwalten : er entwickelt sich aber auch
klar und einfach aus den Worten, sobald wir das Konnna nach
UivdciQog streichen und es nach Z^c^avLÖtjv setzen, sodass also
auch die sich sonst leicht darbietende Llnistellun";", IJeQt tou,
^/jTtag rt)v Movöav aQyvQuav TCOLT^öai^BV, xa^d cp-qöi UtvÖa-
Qog xaxd 2Ji^avLdr]v , überllüssig' wäre. INur die folgenden
Worte, ovxirt TCQOxvii^nj Tolg Ttbvtjdv, scheinen hier fremdartig
und anderswoher eingeschwärzt zu seyn. Zu solchen uiul ähn-
lichen Nachträgen ist allerdings noch Aielfache Veranlassung:
aber bey einem Gedichte aou diesem llinfang und so wenig in-
nerra Wertli wollen wir es dem Ilerausg. nicht zum Vorwurl" ma-
chen, dass er nicht alles zu erschöpfen gesucht liat, vieln^ehr
das sehr schätzbare Gegebene mit Dank hinnehmen.
Uesomire Sorgfalt linden wir mit Reciit auf die IlerslcHung
des politischen Verses ^erwandt, für dessen \ollständige lu'unt-
niss unsrc Chiliaden die llauplquelle sind, der aber an unzähli-
gen Stellen der IJaseler Ausgabe bald an einem ZuAiel, bald an
einem Zuwenig leidet, und statt der erforderlichen 15 Selben
bald 13, bald 14, bald 10, bald 17 zählt. Sehr Jiäulig hat^iuch
in dieser Minsicht die llandschr. ß geholfen: indess ist auch so
dem Ilerausg. noch ^iel zn thnn übrig geblieben, uiul sowohl \on
ihm selbst, als ^on l!rn. llöger manche gliickliche Iferslellung
der Uh_)thmen \orgenomnien. Oft haben diese sofort ihren Platz
im Tevte gefmiden, z. U. 1, 000; 11,717; IV, 124, ISS, 870; V,
8!J, (»07, 85(», 8(;7; \ 1, 443, 572; Ml, 144, 40(>, 5i)7, 8(;4; Vlll,
4(i4; IX, 25, 115, 502, (>({7, (i8(i, 724,794,815; \, 15, 194, 377,
JalirO. d. Phil. u. tädag. Jahrg. 1. Hvfl 2. 19
286 Griechische Littcratur.
574, 000; XI, 21, 55, 03, 053; XII, 10, 400, 455, 493, 695, 878;
XIII, 38, 57, 530, 009, zuweilcii sind sie nur in den Anmerkun-
gen angedeutet wie 1,720; ¥1,829,905; VII, 158; \ III, 350; IX,
1 18, 458, 732 ; X, 325, 373 ; XI, 325 ; XII, 15, 421, 479, 880, 984.
Viele dieser Vorschläge sind von einleuchtender Richtigkeit: wo ein
Schwanken zwisclicn mehrern Möglichkeiten unvermeidlich war,
konnte i'reyiich nur nach Wahrscheinlichkeit gestrebt werden.
Nur weniges miissen wir bestimmt bestreiten. Dahin gehört z. B.
VII, 957 die von Ilrn. Ilöger vorgeschlagne, vom Ilerausg.
gebilligte Einschaltung des o^rog vor ovtibq,
naig i^v'HQaKXetdäg ovtog, ovtibq jcat Quivagkrt^s — ,
wo vielmehr nach deniTactgesetz des politischen Verses, um den
Ton fVir die achte Sylbe zu gewinnen,
Tcalg ovrog rjv 'HganKEidäs
wie v. 959 zu schreiben gewesen a^ äre. —
Auch können wir uns nicht überzeugen, dass XIII, 530,
av xöitcp tQiaKOöioötcp IvsvrjxoöroTiQarcp,
des Verses wegen die Präposition av mit Recht getilgt sey : uns
scheint es viel wahrscheinlicher, dass ta in XQLaxoöioörä zu Einer
Sylbe zusammenschmolz. Zwar scheint Hr. Kiessling diese
Synekphonesis beym Tzetzes überall nicht gelten lassen zu wol-
len: doch ist im allgemeinen dagegen zubemei-ken, dass sie ja
den alten Dichtern keineswegs fremd Avar, und dass sie in der
Neugriechischen Poesie so durchherrschend geworden ist, dasg
mau sich wundern müsste, wenn bey einem solchen Spätling,
der in mehrer Hinsicht zwischen dem Alten und Neuen in der
Mitte steht, sich gar keine Spur davon fände. Auch glauben
wir deren in der That hie und da wahrgenommen zuhaben, wo
der Ilerausg. sie nach seiner vorgefassten Meinung* verkannt hat,
was nicht ohne Eialluss auf den Text geblieben ist. So dürfte
z. B. I, 814 die fehlerhafte Lesart der Ilandschr. ^aida nicht in
^c5a, sondern in das zweysylbig zu sprechende ^codia zu veovan-
deln seyn, und XII, 814 lallt die Annahme Einer Sylbe zuviel
weg, sobald wir uns ent«chliessen ßaGnavtav dreysylbig zu le-
sen : wollen wir das nicht, so müssen wir diesen Vers, so gesund
er übrigens aussieht, gi'adezu für einen imheilbaren erklären. Ja,
Hr. Kiessling selbst hat IX, 237,
agyaksov da ^loi fort &a6v cog ndvx ayogavCai,
durch sein Stillschweigen die sültnere Synizesis in Q^aov — und
ohne Zweifel mit Recht — anerkannt. Wir rufen also XIII, 530
die ausgestossne Präposition unbedenklich zurück, und bemerken
noch über denselben Vers , dass wir — bey allem Respect vor
den Barbarismen des Tzetzes — ihm doch keine Form wie
Ivavri'/.oöTonQcoTog zutrauen können, w esshalb wir avEvrjxoötcß
stQcaTcp als zwey Wörter zu schreiben rathen.
Ällzimachsichtig gegen eine unverkennbare Verslücke war
dagegen der Herausg. VIII, 373,
Tzetzae cliiliadcs. Ed. Iiiessling. 287
ßovg dcciACihg xaXyS] xat rovg naötovg öTtaQyaöa^
wozu er bemerkt: ^^videtur nihil excidisse^ versus autem e ge-
liere dacii/lico esse.'"'' Aber wo bedient sich Tz et z es, wenn
er — Avie Jiier — selbst reft^-irt, jemals eines andern Verses als
des jjoiitisclien? wie ist es denkbar, dass mitten in einem Ocean
politischer Verse ein einzi<rer daktylischer, wie er im ganzen
Werke nicht weiter gefunden ^^ird, hernmscliwimmen sollte'?
und endlich, >ver ^erm!^g in dieser Anhäufuns: langer Sylben ei-
nen wirklichen daktylischen Uliytlimus zu entdecken'? Wir wür-
den entweder
via ßovs dc(ua?.Lg la^-y-rj ncd r. (i. 67t.
wie viog Cxv^uvog, viov ßQScpog udgl., s. m. Vorr. zum Longos,
S. XLI, oder
ßovg ddna?us xaXxykarog xai r. ^i. ön.
zu lesen vorschlagen.
Wir wollen nun noch über einige iniverkenubar zerrüttete
Verse, die Hr. Kiessling ganz unberührt gelassen hat, unsre
Vermuthungen mittheilen. — I, 221
t,cÖGag TtOQVixcöxatov aal toV ßXay.codrj ßiov.
Hier ist ohne allen Zweifel der Artikel xov vor TtoQVfucotatov
lierzüstellen, sowie denn überhaupt eine bedeutende Anzahl von
Stellen bey Tzetze.s auf diese Weise und zum Theil nach An-
leitung: der Handschriften berichtigt ist , s. z. B. I, 129, 267; II,
2r>4,5"iT,7n; 111,55,824; V,805, 8öC; VI, 443; VII, 144,251,
733; VIII, 153, 464,708; IX, 115, 724, 794; XI, 653; XII, 16,
878 ; XIII, 58,609 und sonst. *) — I, 223
Ttsvla övvstxBto, Xificp XE TtaXa^vcdcc.
■Auch hier können wir ohne Bedenken amiehraen, dass die Parti-
kel T£ nach ■jnvia ausgefallen ist, gleichfalls eine in den Chilia-
den öfter vorkommende Corruptel, z. B. IV, 188; X, 574. —
III, 209
öv^rp^eiQOuivovg taig cdöxQcäg, ägnsg rrj yayyQaivr],
entweder cogti tibq ryj y. oder ägnsQ aal xy y. : demi auch '/,al
gehört zu den sehr häufig ausgelassenen Wörtern, z. B. II, 640,
705; VI, 127; VII, 196; VIIiri81 ; XI, 55. — V, 456
TiQiv TJaP.uvg ßa6L?.ivg 6 övfinag exalslxo,
vielleicht durch PJinschaltung von «utcüt nach ßaöLXsvg herzu-
stellen. — M, 347 steht eine Sylbe zu >iel i/n Verse, die am
leichtesten durch Tilgung des Ttag beseitigt wird. — VI, 788
zal 7i(3g Öü ^fXsxäv tyMöxüv jTuvxov xovxav.
Das felilende Syl!)enpaar Mird am leichtesten durch XLVa nach
Tiäg ergänzt werden. — IX, 677
') So ebf'n sehn wir, das» schon die ßaselcr Aus«^. den vcrmissten
Artikel hat: hier hat sich also der Herausg'. eine kleine Lngenauig-
keit zu Schulden kümmen lasgen.
19 *
288 Griechische Littcratur.
xat to oval Cot, <u BittccXocpSf ort ov iiXiclösig.
Vcrg;lelcht mau diesen um zwey Sylbeu zu laugcu Vers mit v.
C5n, 6(il, 070, so (Iräug^t sich vou selbst dieVennutliims: auf, dass
die Wörter yial x6 liier nicht au ihrem Orte siiul, mit dereu Aus-
märzung zugleich dem l{h;)(huius des Verses voUkommea gehol-
fen ist. — XI, 303, 304
xavra ÖLÖd^ag sX'}]^sv 6 'EQ^oysvrjs ygacpcov^
ital öv^iTtBQatVBt^Öh tijv xkivriv täv QijtoQcav.
Der zweyte Vers wird die ihm zukomuiende Sylbeuzalil am na-
tiirliclisten durch Wiederholuug des ygäcpav vor Gv^nsQaivBi
zurückerhalten. — XII, 031 sq. etymologisirt Tzetzes auf
seme Art (sie erinnert stark an die gewisser Zeitgenossen , die
erst neulich wieder vou Jo, Fricdr. Ebert, (jiiaest. Sicul. \
p. 41, mit scharfer Lauge gewaschen ist.) iiber oQQCOÖslVy und
schliesst an mehrere friihere Albernlieiten die folgeiule au:
7] BX TOV ÖqO), Tu OQfia, ÜOL ÖSCO, TO ÖlÖ^CO ÖS
{täv TCtoovyikvcov i] OQ^y) ÖBixca yccg Kai ÖBö^sltat)
Sit OVV £X XOV 6qq5, x6 ßliTCCO, Xal XOV ÖECO •
(öeöfietTttt yaQ xal x6 ögäv xoig (p6ßa HQaxov^isvoig.)
Von diesen ^ier \erseu isl der erste zu Ende offenbar sinnlos,
der dritte aber hat ein Sylbeupaar zu wenig. Von jenem scheint
die letzte Hälfte aus der ersten so hergestellt werden zu miisseu :
7] Ik XOV OQC), x6 Öq[xc5, %al xov ÖBCO, x6 öeöJtüJ.
Dagegen ist im dritten Verse der Fehler nothwendig in der ersten
Hälfte zu suchen , und da der Sinn ^ ollkommen dasteht , ist viel-
leicht nur tiXbov wie v. 029 nach bXx ovv einzuschalten. — End-
lich XIII, 551
;fat äXXa ds TtoXXd, xlg dv bqel xd ndvxa;
Auch hier fehlen zwey Sylben imd zwar unverkennbar aus der er-
sten Hälfte : es scheint uns ganz der Älauier des Tzetzes gemäss,
w enn w ii-, itolXd verdoppelnd, sclireiben :
%al dXXa 8b %oXXd, noXld- xlg dv bqsl xd ndvxa;
Ganz elienso finden wir IV, 003 avtcov, avxcov, V, 850 avxov,
avxovj und VII, 332 Big, Big, mit Nachdruck wiederholt. —
Ueber so verzweifelte Stelleu wie VI, TD9; X, 7, 424; XI, 218
wagen wir für jetzt kein ürtheil : nur soviel scheint gewiss, dass
X, 7 nicht mit nhjv, sondern mit aTchJv anfing.
Wii* sind wie billig über die kritischen Leistungen des Her-
ausgebers, denen auch der bey weitem grösste Theil der mit
musterhafter Kürze abgefassteu Anmerkungen gewidmet ist, am
ausführlichsten gewesen. Wir verdanken demselben einen durch-
gängig kritisch begründeten und zugleich im Ganzen reinen , be-
quemen, lesbaren Text, wenn er auch, wie gezeigt ist, fernerer
IN achhülfe im Einzelnen noch fähig ist.
Nächst den kritischen Anmerkungen beschäftigen die mei-
sten sich mit Nachweisung der Auetoren, aus denen Tzetzes
bald mit, bald ohne ihre Nennung seine Notizeu entnommen hat
Tzptzac chiliadcä. Ed. Kicssling^. 289
Es ist (Ifess ein wescnlliclier und sehr scli:itzl)arer Tlieil der Bc-
ar])ei(nii^, der mit irrosser äJelcseiiheit <liireli^e(uhrt ist, und die
^elelir(e IJenutziniij der Cliiiiaden sehr erleu:litert. INiir sollteM
die Citale stets auf soUIie Aussahen hinweisen, der^leiclien in
den Iliinden der Gelehrten zu seyn pHeiren, Und nicht auf werth-
lose Abdrücke, die ninn seihst in den Händen der ScliiUer nur
uns;ern sielit. Diess i;;ilt ffanz l)esonders \on dem elenden Tauch-
nitzischen Abdruck der (j'riechischen Anlliolojyie, der als warnen-
des IJeyspiel g'elten kann, wie alte ScJn-iftsteller nicht ahsjedruckt
werden sollen. *) VV enn daher auch S. 230 und 2(>r> das Tauch
nitzisclie CItat neben dem Jacobsischen nach der Anthol. Palat.
nur ViberlUissig ist, weil das letztere auch auf jenen Abdruck
passt, so müssen w ir es bestimmt rÜ2:<'n , dass S. 59 und 29(> nur
die Tauchnilzische Band- luid Seitenzahl aui^eg'eben ist, nach der
Rieh der Besitzer der Talatinischen Antlioloi^ie nicht zurechtfin-
den kann. Auch wäre es wohl besser gew esen, den Ktesias niclit
nach Lion, sondern nacli der wackern Bearbeitung von Baehr,
oder diese doch mindestens neben jener anzuführen.
Die übrigen Anmerkimgen enthalten theils mythologische
oder geschichtliche INachweisnngen, aucli nicht selten Ilindeu-
limgeu auf Fehler und Irrthümer, die sich Tzetzes hat zu
Schulden kommen lassen, z.B. 111,201,431,521; IV,363; VIII,
7, 235, 325; X, 671, .093; XI, 852 (auch X,835 mögte Rec. lie-
ber unter dieFehlgi-ilfe, als unter die Corruptelen rechnen), tlicils
Aiuleutungen spracldicfier Eigenthümlichkeiten des Tzetzes,
z. B. 111,343,935; IV, 295, 502, 721; ¥,710,750; VI, 888; VII,
Ö04, theils kurze Erläuterungen dunkler Ausdrücke und schwie-
riger Wortfügungen, wie I, 314; 111, 209, 402, 831 ; IV, 851; V,
188, 514, 002, ^407, 781 ; VI, 141; \ III, 897 und sonst.
Den Beschluss macht ein dreyfacher Index, einer über den
Sachinhalt der Chiliiulen, einer über die in demselben angeführ-
ten Schriftsteller, wobey der des Fabricius als Grundlage ge-
dient hat, einer endlich über die bemerkenswerthesten Wörter,
die meist der spätem Gräcität angehören und daher (unstreitig
mit Recht) in unsern Wörter])üchern fehlen. Dieser letztere
emplielt sich eben so sehr durch zweckmässige Auswahl, wie die
beydeu ersten durch \ oUständigkeit und Genauigkeit der An-
gaben.
*) Damit man sicli die Mühe spare , auch diese Acussernng auf
Rcrluninf^ meiner HOfjeniinntcn Inbnmanilät zu sdireilxMi , verAvcise icli
lieber frlcich auf das Lrtlu^il i'vs einsichtsvoJIsten und im edelsten Sinne
liumansten Uichters, auf Friedr. J a e o li n in der Vnir. zu dem elxsn
ersrliienenen treJ'iri«Ii(!n Dilcvtus cplgr. Gruccor. \>.\W\, von dem näeh-
sfi'HS ein mclireres. Dort* kann man erfahren, mit mIc grenzenlo.ser
Kaeliläbsigkeit der Abdrnek der Tauchnit/.isehen AnÜiolo^ic besorgt ist.
290 Grie cliis che Llttcratur.
Es ist nun noch zu bemerken, tlass — was der Titel des Bu-
ches nicht angieht — den Chiliaden aus der Handschrift A und
der Baseler Ausgabe noch des Tzetzes Lelirgedicht tieqI nai-
dcov aycoyi^g in 343 iambisclien Ti'imetern und 17 Hexametern
nebst vier in Prosa abgefassten Briefen angehängt ist. Wollen
wir es aucli dem Ilerausg. eben nicht vcr\\bein , dass er den aller-
dings gehaltlosen Trimetern geringere Aufmerksamkeit gesclienkt
hat, so raiissen wir doch einige Aenderungen zurückweisen, durch
die dem Tzetzes offenbares Unrecht geschieht. V. 15 näm-
lich und V. 109 wird durch Umwandlung von /li£ in ^ot und von
%OQOig in j(^oiQOig dem vierten Fusse ein Spondeus aufgedrungen,
der selbst dem Trimeter des Tzetzes fremd ist. Denn V.
174 ist durchaus corrupt, V. 235 und 251 kann darum nicht an-
geführt werden, weil bey diesen Spätlingen ^ ohnehhi seine pro-
ducirende Kraft als Doppelconsonant längst verloren hatte, s.
Dorviil. zum Charit, p. (570 und Herrn, Orph. p. 761, und
dass V. 182 ^vüQÖg ebenso gemessen ist wie V. 131 inrtJt^og, dür-
fen wir dem Tzetzes nicht so gar sehr zur Last legen , da es ja
heut zu Tage auch dieser imd jener, der über prosodische Dinge
mitreden will , nicht anders weiss. So unwissend aber zeigt er
sich nirgends, dass man ihm zutrauen könnte, er hätte einen
Diphthongen für eine Kiirze oder einen Spondeus im vierten Fusse
für zulässig gehalten. Der Fehler in V. 15 steckt vielmehr im
Dativ xolg cpvroöTCogOLg , und ist die Stelle so zu lesen:
ßAA' axdidaxTEOV ^8 tovg cpvroöTtogovg.
V. 109 dagegen Iiaben- wir gar keinen Aenderungsgrund entdek-
ken können, ja wir gestehn, in die Conjectur des Herausg. nicht
einmal einen erträglichen Sinn bringen zu können. Besondei's
aber haben wir inis gewundert, wie es V. 352 möglich war, aus
der Baseler Ausg. den von Seiten des Sinnes und des Metrums
gleich arg verstümmelten Vers
Xßv 7C0T, avÖQEg, «Vöpa &av^cc6aL^ eti
ohne Weiteres beizubehalten, da doch der erste Blick lehrt, dass
die wahre Lesart ovk äv tiov ävdgeg sey, und der Vers ja ohne-
hin, was auch der Herausg. sehr wolil weiss , ein bekannter So-
phokleischer ist, Aj. 1082.
Ueberliaupt, sosehr wir im Ganzen mit der Riclitigkeit des
Druckes zufrieden zu seyn Ursach haben , — die Correctur ist
zum Theil von Hrn. Frotscher *), zum Theil vom Herausg.
selbst besorgt, — so leidet diess Lob docli für die Trimeter ei-
nige Ermässigung, wie denn z. B. V. 131 anjetzt dvö^ogiag ge-
lesen wird, obgleich die Baseler Ausg. richtig dvö^oiQcccs hat,
um einiges andre unerwähnt zu lassen.
*) Von diesem Gelehrten finden w ir auch zu V, 40 ein Paar scharf-
sinnige Verbcsäerungsvorgchlägc zu einer in derThat schwierigen Stelle.
Tzctzae cliiliudce«. Ed. Ivic:<sliuy. 21)1
Indem wlv nun mit crneulcr uinl venuclirkr Aclitim^ von
tlctn MM-diciilea llorausjj. sclioidfii, j^laubeii Mir auch dem Verle-
iier die Aiierkeiimme; scluddii«' /n sejii, dass er, auch in den ge-
wöhnlichen Exemplaren, durch ^Veis^^e des Papiers und prunk-
lose Eleganz des Dipickes jeder hilligeii Fodernng Genüj^e gelei-
stet Jiat. Zwar uird das Aeussere der Biicher unter die unwe-
sentlicheu Dinge gezählt; aber <la es Verleger zu gehen scheint,
die sicli recht eigentlich darauf legen, den IVeis ihrer \ erlags-
artikel in das umgekehrte Verliältniss zur t^ pographischeri Aus-
stattung derselben z\i bringen, und diejenigen, die ihnen darüber
die Wahrheit sagen, mit unanständigen WalFen zu befehden, ja
da sich sogar kritische Zeitschriften hndcn , die solclien Unfug
tliätig begiinstigen, und kein entgegenwirkendes bürgerliches
Rechtsmittel vorhanden ist, so wird es Pllicht aller wahrheitlie-
benden littcrarischen Tribunale, aucli auf diese sogenannten
Aeusserlichkeiten ein wachsames Auge zu richten, und neben den
Leistungen der Schriftsteller aucli die der Verleger einer rück-
fcichtlos strengen Prüfung zu unterzielm, bis Wirkung erfolgt.
Franz Passow.
Römische Littcratur.
M. T. -Cicer 07iis Laelius sive de amicitia dialogus.
Reccnäuit et scholiis .Tucobi Facciolati suisque auiinadversionibus in-
etruxit Aug. Gotth. Gcrnhard. Pliil. D. aa. 11. in. Maguiduc. Sax. Viraa-
rlensi consistorio a consiliis, ili. Gymnasii Guilieliuo-Ernestini Dl-
rector, societiitis latinae Jenensis sodali»;. Lipsiac ap. Gerh. Flei-
eclierum. 1825. LA I «. 280 S. gr. 8. 1 Thlr. 12 Gr.
[Vergl. Beck's Repert. 1826, II, 6 S. 458 f. ; Schulzeit. 1826 Lit. Rl.
II Nr. 19; Hall. Lit. Zeit. 1826 Nr. 196 u. 197; Sccbod. Krit.
Bibl. 1826 St. VI S. 592 ff.]
Jjie kTitische Beurtheilung der kleinern pliilosopliischen Schrif-
ten Ciceros hat ihre eigenen Schwierigkeiten. Denn ausser dass
sie dtirch die in der Frühzeit so Iiäufig genommenen Abschriften,
gleich den Büchern deOfüciis, >iellach verdorben wurden, die
WortsteUung besonders so ungewiss und unsicher wurde, dass
nur durch Ariadues Faden, welchen einzig das tiefere Studium
des Ciceronischen Sprachgebraucljs auffinden lässt , aus diesem
LabjTinth sichrer Ausgang zu suchen ist: sind letztre dennoch
leichter zu behanileln, weil der Gudianus II besonders, nicht sel-
ten a\ich der 111, dem kritischen Steurer die Bichtung, welche er
zunehmen hat, dann häufig angiebt, wenn sein (vomj)ass durch
die ganze A> iudrose umirrt ; w älircnd crstrc dieses Vortheils eut-
202 ß ö m t ä c h c L i 1 1 c r a t u r.
hehren, da kein vorzücflich hervorragender Codex des Verbessrers
UrtJicil bei ihnen regelt. Wie viel aber dem Kritiker ein ausge-
zeichnet guter Codex sein Geschält crleicht(?rn knnn, lässt sich
am Codex regins bei den Tnsculanen, an dem ]Naniiianus bei den
Veniiiischen, an dem Yaticanns bei den Klillippischen Reden
leicht erproben. Gewöhnlicli giebt es da niclits weiter zu thun,
als die Aeclitheit der Lesart durch Beispiele zu begrVmden. Bei
diesen kleinern Schriften ist ferner die nachbessernde Hand häu-
figer, auch schwieriger erkennbar, weil sie wegen ihres gerin-
gern LI m längs, von den friihsten Zeiten an, ungleich mehr noch
wie die Oflicia , als stehende Muf^terschriften zum Spracliunter-
richte dienten; und so jeder Lelirer von einiger Auszeichnung
das Recht zu haben glaubte, seine Sprachkenntniss- Resultate
tiarin absetzen zu können, das ist, da nachzuhelfen wo seinRich-
ligkeits- Gefühl anstiess. Auch war das wohl auch der Haupt-
grund, dass sie, in neurer Zeit, so lange ohne kritische Bear-
beitung blieben, da man doch, wegen ihres so häufigen imd be-
quemen Gebrauchs auf Scliulen, gerade ihnen die sorglichste
Naclihülfe hätte widmen sollen.
Herr G er n li ar d hat daher durch seine mit deraLaelius be-
endete Ausgabe derselben entschiedenes Verdienst, sollten auch
nicht gei-ade alle Forderungen, die man an den Herausgeber der-
selben zu machen berechtigt ist, in dem Maasse erfiillt seyn,
wie w olü zu wünschen w äre : genug dass an vielen Stellen der
Text gereinigt, die Interpunction verbessert, der Sinn aufgeheilt,
imd noch eine bedeutende Zahl guter Sj)rachbemerkungen oben
ein gegeben sind. Wir erkennen somit den Werth der Leistun-
gen des Herausgebers unpartheiisch an, miissen aber, diesem
Character treu , zugleich ofl'enherzig gestehen , dass wir den so
nöthigen Ciceronischen Sprachgebrauch, besonders für die Wort-
stellung, allzusehr vei'missen, und dass gerade auf diesen Punct
hin die meisten Ausstellungen fallen, die der Ausgabe, besonders
des Laelius, zu machen sind. Zu diesem brachte freilich der H.
eine Anzahl handschriftlicher Vergleiclnnigen, welche diuxhaus
selbstsländiges, vom Sprachgebrauche fast allein abhängiges Ur-
iheil fordern, wo gemeinphilosophische Ansichten und Griinde
(die nur zu oft gebraucht werden) eher irre führen, als Beihülfe
leisten. Doch wir wollen die Beispiele selbst sprechen lassen;
der Leser urtheile daim nach eignem Ermessen.
Bevor wir indess zum Einzelnen im ürtheil kommen, liegt
uns noch ob iiber das Ganze der Ausgabe des Laelius zu berich-
ten. Diess geschieht, im Betreff" des kritischen Apparats , in der
Vorrede vom H. selbst, die über die 8 Handschriften Kunde giebt,
welche dieser Recension zum Grunde liegen, unter denen die
beiden Golhaer und die Weimarische einen, jedoch nicht beson-
ders bedeutenden Vorzug zu haben scheinen; ob sie gleich in ei-
nigen Stellen die wahre Lesart vor andern begünstigen. Nur weiss
Ciccroniji Lad ins. E d, Gcvnliard. 203
Referent nicht, wie er mehrere Abweiclnniiren der letzten von
seiner CoUation, die er eiirenliändi^, und nicJit ol)enliin maclite,
erklären soll: nimmt aber so lanjre die Sdmid auf sicli, bis er ei-
nes IJessern belelirt ist. Darum getraut er sicli auchniclit., in
der Folffe, die Uebergeluinj; einiirer guten Lesarten zu rVigen.
Unter die gebrauoliten alten Ausgaben gehört, ausser einer Leip-
ziger ohne Werth von 1483, dieVenediger von 1487 und die
Ascensiaua secunda, welche bekanntlich K r n e s t i selbst nicht be-
^ass: Kef. kennt sie als von keinem sonderlichen Werthe aus lan-
ger Erfaln-ung. Sie liegt selbst vor ihm, und er kann von einem
doppelten Irrtinmi Rechenschaft geben. Des erstem zeiht sich
der Herausgeber selbst, welcher beim Cato Major das Jahr 1520
als Druckjalir genannt hatte; der letztre liegt in seiner Verbes-
serung, indem er das Jalir 1512 angiebt, statt dass es 1511 hei-
ssen sollte : denn dieses Jahr steht auf der Kehrseite des Titel-
blatts des Isten, des 3ten (in welchem sich der Lälius findet)
und am Schhisse des 2ten Dandes; sonderbar nennt aber der
Schluss des Isten und Sten das Jahr 1521, der des 4ten 1522.
AVir können uns »dies durch nichts, als von einem wiederholten
Abdrucke erklären (da die Auflagen der alten Ihichdrucker sich
gewöhnlich auf eine geringe Zahl Exemplare beschränkten): bei
welchem vorn die alte Jahrszahl beibehalten wurde. Wer indess
die Ausgaben des 15 und angehenden Iß Jahrhunderts kennt,
muss ähnliche Beispiele, die nicht selten sind, beobachtet haben.
Panzers Annalen sind uns jetzt nicht zur Hand , um aus diesen
Auskunft geben zu können. — Zwei Hiilfsmittel, welche dem H.
leicht zu Gebote standen , vermissten wir ungern: eine Verglei-
chung der Tannerschen Ausgabe, und besonders die derExcerpte
aus dem Laelius in Eybs Margarita. Auch konnte eine Verglei-
chung der Cratandrischcn und Ilervagischen Ausgaben, Avelche
zu den besten alten gehören , und die ebenfalls noch nicht ver-
glichen sind, nicht schwer fallen. L e n z hat gerade die minder
bedeutenden verglichen.
In den Prolegomenen wird unter 2 Abschnitten von der
Disposition des Dialogs über die Freundschaft, und von der
kunstgemässen Genauigkeit (de arte et elegantia) in des Lälius
Gesprächs -Vortrage gehandelt. Hier findet sich manches gut
Bemerkte über die innere Scenik des Dialogs : doch dieses würde
sich noch mehr herausheben , w enn eine schärfere geistige Cha-
rakteristik des Laelius aus den Büchern de Republica gegeben
worden wäre, wo die Eigenthümllchkeit desselben, im Contraste
mit der dtts Scipio, so meisterhaft uiul schön sich entwickelt. Die
aussre Scenik des Dialogs , welclie nicht m eniger künstliche An-
lage hat, sollte jedoch auch mehr berücksichtigt seyn. Eins aber
vorzüglich wünschten wir nicht unberücksichtigt gelassen. Es
sind nämlich zu viele Spuren vorhanden, dass Cicero die 3 Bü-
cher Theophrasts %BQi (piUuii bei diesem Dialog benutzte, als
294 Römische Litte ratur.
dass ein Herausgeber desselben nicht fragen sollte, in wie
fern er diese nutzte. Es findet sich nicht nur zulallig beiPlut-
arcli eine aus dieser Theophrastischen Schrift erhaltne Stelle
von Cicero gradezu übersetzt, welche c. 22, 85 der Herausgeber
selbst mit den griechischen Worten verglichen liat ; auf w eiche
auch Seneca im Sten Briefe Bezug nimmt : sondern aus dem Ur-
theil einer andern in dem Leben Catos des Jiingern, bei dem-
selben Plutarch p. 77T B özi ZLvdvvevEc ro Xiav cpilüv, cculov
xov (iLöSLV ylyvEö&aL, scheinen auch die 3 falschen Maximen
hervorgegangen zu seyn, die Cicero c. 16 widerlegt, üeberdies
sagt ja Gellius N. A. I, 3 mit dVirren Worten : Eum {Theophrasti)
librum M. Cicero videtur legisse , qiium ipse quoque librum de
amicitia componeret. Dass aber dies nicht blosse Verrauthung
von Gellius war, lehren die gleich darauf folgenden AV orte, Et
cetera quidem^ quae sunienda a Theophrasto cxistimavit ^ ut
ingeniumfacundiaque ejus fuit^ sumsit et iransposiiit commo-
dissime aptissimeque. Genug das ganze Capitel ist bei Gellius»
für gerügten Zweck sorglich nachzulesen. Auch fand sich in
dem verloren gegangnen 8 Buche 6Cap. des gena^inten Werks von
Gellius eine Vergleichung Theophrasts mit Cicero, quid i^uter-
que) de amore amiciliae senserit u. s. \v. Hierbei sehe man
noch Gronovs Citate nach. Wollte nun auch der Herausgeber
in dies Alles durch Vermuthimg nicht tiefer eingehen, so durften
wir ihn doch der Verpflichtung, dessen wenigstens in den Prole-
gomenen genauer zu erwähnen, nicht entbinden. —
Indem wir nun zur Beurtheilung einzelner Stellen überge-
hen, wollen wir bloss solche ausheben, welche unsre Behauptun-
gen ohne tief eingehende Untersuchung erörtern lassen. Dabei
werden wir nnsre eignen Collationen mu' soweit benutzen, als
sie zur Bestätigung unsrer Ausstellungen dienen können ; auch
bei Lieferung der Belege nur das Nöthige berühren: dagegen
das Bedeutendste, was unter angegebnen Bedingungen zu erin-
nern seyn wird, durch den ganzen Dialog zu umfassen suchen.
Wir wählen auch hier die gemeine Ordnung nach den Capitelii,
weil ihr der Leser, mit der Ausgabe in der Hand, bequem folgen
kann. Die Behandlungsweise des Herausgebers ist bereits be-
kannt; die Erörterung ist beim Laelius etwas ausführlicher, doch
in demselben Tacte: nichts also davon. Auch wollen wir nicht
die gemachten Verbesserungen einzeln aufzählen, sondern da
nur , wo wir anstiessen , unsre Ansichten offen und begründet
darlegen.
So war "wohl Cap. 1 Seite 4 in den Worten multa ah eo pni-
denter disputata^ multa etiani breviter et conwiode dicta^ mit
3 Handschr. bei Aldus, zu denen 2 von uns treten, während eine
dritte etiamniulta wm^ieWi^ etiam als Glossem zu streichen, des-
sen lalime Einflickung sich schon dadurch kennbar macht, dass
es das Gewicht dej wiederholten multa schwächt. — Seite 7
Ciccronis Laclius. Ed. Gcrnhnrd. 295
liegt in den Worten quanta homimwi esset vel admiratio vel
qnerela tlas Gewiclit des Satzes auf quanta: daraiii' kann es
aber dann nur bleiben, wenn esset ihm folirt, Mie irute Jland-
scliiiiten lesen. IN ach der ge^^öh^licllen AVortordnung gellt es
unnatiirlich auf fio?/u'nf/m Viber. Ein Andres ists, wenn man mit
einem Codex nicht iibel, doch ohne iSoth, om;«'?f;n lesen wollte. —
Seite 8 musste urbitratn meo mit den meisten Ilandschr. umge-
stellt werden, und zwar nach der Regel, dass Cic. allemal in
der Clausul so schreibt, wenn das Gewicht auf dem Pronomen
ruht, und er dieses von seinem Subst. nicht trennen will, vergl.
IV Fin. 1 responde arbitratn meo ; \II l)i\T. ep. 1 ; V Fin. 30,
SJ). Sonst trennt er das Pron. mit gleichem Erfolge, I Fin. 8,
28 Tu o id quidem^ inqtianu arbitratu ; Rose. Am. I, 2 tuo vero
arbitratu. In völlig gleichem Verhältnisse muss eben so S. 9
rogatu tuo umgestellt werden, wie Eyb und unsre Codd. for-
dern. — S. 10 winden Mir von den Worten sed iit tum ad se-
7iem seiws de senectute^ sie hoc libro ad amicum amicissimtis
de amicitia scripsi^ das letzte zur Glosse rechnen. Theils
dessen Uiustellung in andern Handschriften, theils seine Um-
wandlung in scn'psil ; hauptsächlich aber die völlige Ausglei-
chung der beiden Sätze, so bald dies Verbum ausfällt, und folg-
lich der Mangel an JNachdruck, den durch dessen Zusatz die
A\ orte de amicitia leiden, geben dieser Vermuthung nicht wenig
inncrn Gehalt. Dabei vergesse man nicht, wie oft dies Wort
als unnütze Glosse sich eindrang. So streiche man es mit einer
guten ^on uns verglichnen Handschrift I Off. 2 in. Sed quum
statuissem scribere ad te aliquid hoc tempore^ multa post-
hac^ und vergleiche, ausser der so unsichern Stellung des Worts,
1\ Di^v. ep. 8 Sed plura^ quam statueram^ sc. scripsi^ und
XM Att. ep. 10 Statueram enim recta Appia Romam^ sc. pro-
ficisci. — Seite 11 möchten wir in der Stelle, quo erat nemo fe~
re senior temporibus Ulis , wemo pr?/de?itior , erat und fere als
eingeschoben ansehen; denn, ihre Beweglichkeit in den Hand-
schriften, und das runde Zusammentreten des Ganzen bei ihrer
Weglassung, rechtfertigen diese Vermuthung. Auch schleppt
erat^ da genug Asse\eration in den marquirten Comparativen
liest, uuüfere macht Cic. hier, bei dem 84jährigen Greise, fast
gar zu gewissenhaft. Cap. 2 S. 15 müssen wohl die Worte , mul-
ta ejus — ferebantur., in Parenthese stehen: ausserdem würde
Cic. Huius tnulta^i oder ähnlich, geschrieben haben. — S. 17
gi'eift aber die Parenthese zu weit aus, \venn sie hin judicatum
gezogen wird. Der Sinn läuft. Dich nennt man, nicht
nach des Pöbels, sondern der Gebildeten Urtheil
den Weisen, wie wir in ganz Griechenland nicht
einen kennen: (denn — ) zu Athen bloss einen, und
den selbst IL s. w. So liängt auch natürlicher qnalem — ne-
minem von accepimus ab. Uebrigens falle das tola nicht auf,
290 Römische Littcratur.
es stellt wie quanta quanta est : (daher scliiieh man eben, weil
man dies nicht hegrifF, religua:) Aann umim stellt wie ?mo ex-
cepto. S. 1 D hätten wir U r s i n u s mit Weglassiuig des nostro nicht
zuviel getraut, welcher dafür bekannt ist, dass er ziivveiien, sei-
nen Zwecken gemäss, Lesarten erdichtete, hier aber gerade a iel-
leiclit seine BemerkJing, dass adessc in coUegio als abgekiirzte
Formel gebraucht werde, ins Publicum bringen wollte. Auch
kennen wir bei C. keine ähnliche Stelle, sondern es wird Aiel-
melir überall zu collegmm so nostrum beigesetzt, z. B. Cat Maj.
18,64 mulla in nostro collegio praeclara puta; X Divv.
ep. 12 idqiie in nostro collegio comprobaLum est; Brut.
1, 1 interitu talis augu r i s digniiatem nostr i collegii
demimitam dolebam. Ueberdies gab es in Rom der coUegia so
viele, und so vielartige, dass sich der Römer vielleicht deswegen
schon bestimmter ausdriickte. In den Inscrijitionen aber geht in
der Regel die Titulatur vorher, dann kann leicht der Ausdruck
adesse in collegio formularisch folgen. Venissemus ist übrigens
zu weit entlernt, dass wir deshalb nostro^ welches auch luisre
Handschriften alle schützen, für überflüssig achten sollten.
Gleich darauf möchten wir das aus wenigen Ilandschriftcn wie-
der aufgenommene invaletiidinem nicht schützen. Yiehnehr war
Facciolati zu widerlegen, der dies bloss 2 mal in den Briefen
vorkommende Wort, statt des hundertmal in diesem Sinne ge-
brauchten valetudo^ ex niore Tulliano gesetzt wissen will !
Kehie imsrer Handschriften kennt es: überdies steht ralctudo
hier ja in einem Zusammenhange, wo der Sinn desselben so we-
nig täuscht. Bei Cat. Maj. 11, 35 dachte der. LI. anders. — Seite
21 folg. lesen wir, sed hi non in piieris^ Cato in pcrfeclo et
spectato viro? Die Handschriften bestehen zu sehr auf der Ne-
gativ-Partikel, und zwar da, wo die Abschreiber nichts mit ihr
anzufangen wissen; denn wie oft fiel sie nicht in der Frage aus*?
Auch zeigt schon das vorhergehende Quomodo — tulit ? den le-
bendigen Vortrag. Ueberdies ist,die Frage hier ganz in Ciceros
Geiste: Arch. P. 8, 18 Nunc non egodiligcün? (sie) III Ca-,
til. 9 extr. Id non divinitus factum esse piitatis ? III Olf. 19,
77 Haec non turpe est duhitare pkilosophos? — Cap. 3 S.
23 muss interpungirt werden, JSgo si Scipionis desiderio nie mo
veri negem^ {quam id rede faciam^ videriiit sapientcs^) sed
certe menliar. Denn es darf weder nach Ego ein Komma stehn,
weil Kgo nur scharf vorgestellt ist , noch kann die Parenthese
entbehrt werden ; denn ohne sie müsste sapicntes viderint um-
gestellt seyn. Man vergleiche I Divv. ep. !) (Mart. 10), wo ni«;ht
weit vom Anfang Mar ty ni vor sed certe zweimal ricJitig die Par-
enthese zurückgerufen hat. — S. 2^^ Nisi enim^ quod ille mi-
nime putabat. Dies ?7/e, welches die Handschriften 4fach a er-
setzen, muss Verdacht erregen, besonders da der nächstvorlier-
gehendc kurze Satz Cum illo anhebt. Setzen wir hinzu, dass
Ciocronis Lacliue. Ed. Gcrnhanl. 297
efiic nnsrov Ilaiidscliriften os iiiclit kennt, so wird man es In die-
Hciii Ziis:unnit'iihani;^e irern iVir («Mosse erkennen. — S. 28 hoc La-
VH'/i vere licet dicere. Die Aularti^e Ujnstellun^ und. Ver-
wandlung des vere in den llandselaiften niadit es hier zur si-
chern Glosse, weil Cicero eher certe geschrieben haben würde,
da das vorhergehende difßcile mehr die Verlegenheit des Lälius
bezeiclmet, uehen Car])o die Sempronia der mittelbaren Theil-
nalimc am IMordc des Gatten zu zeihen. Llebrigens durfte die
Vermuthung des gewaltsamen Erstickens , oder Erdrosseins, als
wahrscheinlicher, nicht iibergangen werben: Menigstens sagt
A eile]. 11, 4: nuiiie iiilccttilo reperliis est mo/tims^ ita ut qiiae-
dam elisanun fmiciuni in cervice repcrirentnr notae. Seite 29
ist die Lesart de m den Worten e.vcessit e vita merkwürdig,
welche auch 3 unsrer Codices stützen , w älirend ein 4ter exisset
de liest. Eben so lesen 2 der besten 111 Fin. 18, 60 de vita ex-
ccdere. Die Berufung auf Garatoni zu 11 Phil. 6 Avegeu Vertau-
scliuug dieser Präpos. sagt nichts, da C. so oft de für e setzt, wo
dies die Abschreiber einschwärzen. Ja Garatonis Bemerkung
selbst ist am unrechten Orte: denn qui duo de coiisularium
nuntero reliqui sunt^ wie der Vat. dort für e liest, ist sicher die
ächte Lesart, vgl. XIII Divv. ep. 16 de minier o esse Caspii
aniiconim; XI Phil. 10 ^4t viitlent aliquem de suo numero.
Wollte man, ängstlich genug, glauben, de werde nicht zu re/«-
qinis gesetzt, so schlage man das 3te Fragment der 2teu Rede
für C. Cornelius bei Asconius nach, reliqui sunt de considari-
bus. Dennoch bleibt es gewiss, dass es keine entscheidende
Stelle für escedere de vita gicbt, obgleich C. decedere und es-
ire de vita sagt : Uab. Perd. r. 11 in. ; LaeL 4, 15. Auch kennen
wir bei keinem andern guten Schriftsteller ein Beispiel dieser
Uedeform. — Cap. 4 S. 33 ist richtig ut plerique^ statt 7it inple-
risque^ gesetzt, wie auch unsre Handschriften bekräftigen. Al-
lein es miisste auch das folgende dicebat^ das so viele gute Hand-
schriften nicht anerkennen, das C. so gern weglässt, und die
Abschreiber so gern ihm aufbürden, gestrichen werden. AVer es
aber hier für unentbehrlich halten kann, kennt Cicero sicher
nicht. — PJbendaselbst ist Quod ideni Scipiuni videbatur cor-
rigirt, wo die \ ulg. item liest. Doch wir zweifeln sehr ob rich-
tig; wenigstens können wir des 11. Gründe nicht anerkennen.
Allerdings werden zwar beide Partikeln häufig verwechselt, doch
daraus lässt sich für idem nichts folgern. Auch wurde richtig
IV Fin. 6 Quod idem geändert; doch unter andern Verhältnis-
sen: so haben auch die andern angeführten Stellen ihre llichtig-
keit. Warum indess Quod und videbatur zu item nicht passen
sollen, begreifen wir nicht, da 1 Orat. 39, 177 Quid? q?/od
item in centumvirati iudicio certatum esse accepimus ^ doch
sicher richtig nach allen Handschriften gelesen wird, und das
Verbum durchaus nichts hat, was item ausschlöss. Fügen wir
298 Römische Litteratur.
noch III OfF. 3, 15 bei , wo der IL selbst Qiiod item anerkennt,
so möchte wohl die Vnl^ate entschieden den Vorzug verdienen,
zumal da leichter xiiul häufifrer die Abschreiber item in ideni ver-
wandeln, als ges^eiiseits , und folglich, bei gutem Sinn, erstres
durchaus zu schützen ist. Man übersetze daher: Dieses nun
fand ebenfalls Scipio so. — S. 35 Mar bei den Worten
e custodia vinculisque corporis die Lesart vinclisque ^ die auch
2 der unsrigen begünstigen , zu bemerken, die 'allein die ächte
ist. Dagegen wird nach der alten falschen Lesart aus I Tusc. 31
es his vinculis emi&si citirt, olmerachtet schon Wolf viridis
Miederherstellte, vgl. I Tusc. 49 evdtti iios e custodia et levari
vinclis arbitremur. Zwar steht noch VI Ilep. 11: ed. Maj.
qui ex corporimi vinculis tamquam e carcere evolaveruut: doch
dort steht ja auch ex falsch! — S. 39 nahm es ims Wmider, bei
den Worten Idque mihi eo magis est cordi nichts als die
Lesarten angeführt zu finden, da es->bereits bekannt ist, dass Ci-
cero in dieser Formel id oder hoc mit eo nicht zugleich setzt,
sondern bloss das eine von beiden. Dasselbe gilt aucli bei idque
oder eoque minus ^ und so häufig immer die Beispiele sind, ken-
nen wir doch keines weiter vom Gegentheile, als, neben dem Ge-
genwärtigen, JI Rep. 12 Atque hoc eo magis est in Roinulo ad-
tnirandum. Hier ist sicher nacli dem 2ten Gothanus , der eo
nicht hat, und einem von uns , während die andern alle es ver-
schieden umstellen , zu corrigiren. Doch darf man das nicht auf
Quod eo magis ausdehnen, Avelches bei C. öftrer vorkommt, z. B.
III OIF. 2, 8, ob dieser gleich auch da lieber Quod etiam inagis
und Quod magis etiam schreibt. — S. 41 möchten am Schlüsse
des Capitels die Worte quamobrem utrique nostrum gratum ad-
modiimfeceris mit der Uebersetzuiig so wirst du also uns
beiden Freude in hohem M a a s s e machen nicht son-
derlich zufrieden seyn : vielmehr glauben wir sie erschöpft durch
II n d somit würdest du uns einen b e s o n d e r n Ge-
fallen erzeigen wiedergegeben. Ob ferner gerade Schütz
recht handelte , wenn er IV Heremi. 12 bei maxime admodum^
maxime strich, steht noch in Frage, wenn man an das näw
yB öcpoÖQa der Griechen denkt. Indess da es wirklich keiu Bei-
spiel giebt, das entschieden admodutn zum Superlativ setzt, so
möchten wir das Wort nicht sowohl herauswerfen , als vielinelir
es getrennt ad modum schreiben, wie aucli wirklich der alte Tu-
riner Codex liest ; da mehrere Codices oratoris bieten. Ks sclieint
sich nämlich der Verfasser in gleichen Ankläugen der Wörter zu
gefallen, elocutio commoda — maxime ad modu m oratoris
accomrnodata est; und so würden wir dort übersetzen : was
Alles ein gemässer uiid vollendeter Vortrag ent-
halten müsse. Der aber, welcher dem Maassstabe
des Redners angeme sseit ist, muss dreierlei ent-
halten u. s. w. — Cap. 5 Seite 43 ist in den Worten nihil est
Clccronls Lad Ins. Ed. Gernhard. 299
enim tamnatiirae aptum^ ciiini^ welclies auch melirern imsrer
Ilandscliv. iflill, «loinioch mit lleclit lestgelialten, vgl. Ligar. 12
Nihil est eil im tarn populäre; 1 Le2;g. 10 JSikil est enim unuvi
vni tom siinile tarn par etc. Ausserdem würden wir lieber hier
est ^ als eiiini entlernt sehen. Urut. 5ö idliil enim tani simile^
quam Cotta Sulpicio. — S. 45 quos sapieiftes noslri majo-
res iudicabant. In diesen Worten fehlt maiores in der Weima-
risclien llaudschr. wie in einer andern von uns verglichnen ; eine
dritte giel)t dafür patres ?iostri. Wie Menn wegen der letzten
conipendiarisch gcscliriebnen Sylben \on saptes^ patres wirklich
aiisge fallen wäre'? In dieser Ordnung schreibt es wenigstens Ci-
cero überall. Wofür ferner maiores^ da genannte Männer schwer-
licli bei Lebzeiten Weise genannt wurden'? Endlich werden,
und das scheint entscheidend, aus ganz gleicher Zeit c. 11 S. 86
Vapus Aeniilius und C. Luscinus angeführt, mit dem Beisatz, sie
u patribus accepimus. Ueberdies hat das dem /««/o/^es vor-
gestellte iiostri unnötliig verbrauchtes Gewiclit. Dabei vergesse
man nicht, dass der kaum ein Jahrhundert ältre Laelius spricht.
— Ebendaselbst mussten die AVorte piiigui Minerva^ iit ajunt^
strenger erwogen werden : denn I Acadd. 5 beweist für die Stel-
lung nichts , da wegen des Contrastes absichtlich sns Minervam
zusammengestellt ist: wie sich auch I Off. 44 virgtda divina^ ut
ajunt ^ nicht trennen liess. Ausserdem schiebt C. gewöhnlich
sein, iit ojunt ^ ein. III Pbil. 11 O praeclarum. custodem^ ut
ajunt^ lupiim ; XV Di^ A . ep. ] 5 ud pacem ciirrentem , ut ajunt^
incitarem. (Diese sprüchwörtliche Redensart, cur r eilte m iiici-
tare^ die C. so gern braucht, kommt, so viel wir wissen, nir-
gends anders, als mit dazwischen gesetzten, tit aiunt^ vor.) Selbst
1 Divv. ep. G « /e//e/7Ä, ut Graeci dicunt ^ uuguiculis. Diesem
gemäss ist »vohl kein Zweifel, dass mit 3 Ilandschr. des II., fer-
ner mit E\b, der ebenfalls so liest, und andern bei uns, pingui^
ut ojunt^ Minerva^ gelesen werden muss. — S. 46 muss zußdes^
integritas^ uequitas^ II Fin. 18, 59 uisi aequitas^fides^
iustitia proJiciscuiUur a natura^ verglichen werden; ausserdem
möchte man, wegen II Orat. 85, aequabilitus vorziehn wollen, das
so häufig in aequalilus verdorben wurde. Kurz darauf ist die
Stellung in modo quos nominavi mit Recht beibebalten, und
drückt das ganz kurz Yorherberaerkte aus, wie II Orat. 12 modo
enim haec isla sunt importata; wo aus gleichem Grunde ?nodo
scliarf vorgestellt ist. An Vermeidung des Doppelsinnes dachte
hier wohl Cicero nicht. Kurz hernach würden wir in jedem Falle
sequantur ^ der meisten Handschriften Lesart, festgehalten ha-
ben: denn die folgenden AVorte, naturam^ optimam bene viven-
di ducem^ sind olme Streit von den Philosoplien entlehnt, nur
durch den Beisatz, quiintum homines possunl , gemildert. Dass
aber hier Laelius nicht seine, sondern fremde Worte braucbe,
will er durch den Conj. sagen. Durch den Indicativ geht dies
SOO Roiui'schc Litteratur.
Alles verloren. Beispiele zu tlicsem GeLrauche des Coiij. bei Ci-
cero fliideu sich iiberall. — S. 49 ex hoc inlcüigi maxime pol-
est^ quod etc. Bei diesen Worten wird ri(;htig bemerkt, dass
maxime intelligi falsche Stellung seyn würde. Wahrscheinlich
ist 'aber auch der Vulgate Wortordnung nicht acht; denn zwei
unsrer besten Ilandscliriften stellen, mit Eyb , intelligi potest
maxime um, was der Hand Ciceros gefüger ist, der maxime am
Ende des Satzes besonders liebt, vgl. II Legg. 20, (»G. Dabei
vergleiche man noch I Off. in. ab eo ordi/i volui maxime , quod
etc., wo 7naxime ebenfalls unrecht in den Handschr. verstellt
wird: denn den Abschreibern liel diese Stellung auf. — Cap. 0
S. 52 7iec — esse ullo pacto potest. Diese Worte werden in de«
Handschriften 5fach umgestellt. Am ärgsten treibt es unsre be-
ste, potest ullo pacto esse. Dennoch ist die Vulgate richtig. V
Divv. ep. IT nee praestare ullo pacto potest. Ucbrigens ist dies
die Construction, wo der Ilauptbegriff sich doppelt denken lässt,
nee — amicitia esse zillo pacto amicitia potest; eigentlich be-
deutet aber esse so viel hier als locam habere. — S. 53 ist bei
Quid dulcius ., quam., wo mehrere Handschriften, auch bei uns,
enim und enim e^t (einsetzen, die Abfertigung mit Neutro opus
est wohl zu kurz gegeben: denn in der Regel wird bei dieser
Construction eine Partikel (oder doch ein Pronomen) zugesetzt,
Z. B. Quid enim., oder vero., oder autem stultius., Cato Maj. 19,
68; Lael. 15, 55; III Off. 13, 55; und so mit andern Compara-
tiven. Wir wenigstens kennen das einzige Beispiel II Fin. 15,
50 Quid tur pius ., quam sapieiitis vitam ex iusipientiiim ser-
mone pender e. — Cap. 7 S. 56 enthalten die Worte Verum
etiam amicum qui intuetur., wenn wir nicht sclir irren , eine un-
glückliche von Facciolati sprachwidrig eingeführte Correctur.
Wo kommt je Verum etiam so vor, dass es zu Anfange des Vollsatzes
den Sinn steigerte 'J ! Dies Üvnivero etiam (ja selbst) nachge-
stellt. I Off. 32, 132 Domi vero etiam coutumelias servo-
rum aiicillarumque pertulit ( Vlixes ) .• denn das seit Heusinger
herausgeworfne vero muss C. wiedergegeben werden. XIV Divv.
ep. 1 si vero etiam Pompeium et Caesarem., non est de-
sperandum. Corn. Nep. 15, 1 Seimus musicen ?iostris moribus
abesse a principis persona., saltare vero etiam in vitiis
poni. Man übersetze, Ja zu Hause ertrug er selbst u.
s. w. Verum etiam dagegen gehört in der Steigerung bloss dem
Nachsatze an. Man beging aber hier den nicht kleinen Fehler,
das Adjectiv als Conjunction zu behandeln. Verum amicum steht
aber eben so acht, als veros amicos 15, 54, und verus amicus
21, 80. Nun stelle man das ächte enim wieder her , und über-
setze. Wer nämlich einen ächten Freund anschaut^
der schaut in ihm gleichsam das Abbild seiner
selbst. Dieser Felder. ist bereits in die Grammatiken gedrun-
gen, sieh Ramshorn § 181, II, 2. — Seite 51 luidet sich eine
Ciccronlä Laclius. Ed. Gcrnliard. 301
ei^nc Spraclibcmcrkuiiir, die Mir ffcnaucr behandeln müssen. Sic
betriüt die Worte, Q/iocirca et abseutcs adsiint, et eget/tes ab-
2iml(Hit^ et imbe eitles volenti et qtiod dirtu difßciliiis est,
viorttii invunt. Wir liabeu die Stelle absicbtlicl» voll wiederge-
pel)en, um desto sichrer iiher iinbecUles^ statt dessen eineÄJenge
Codices ///jÄec/V/nesen, urtlieiieii zu können. \on diesem sagt
der IL: sevuiidiie decl. fonnani etsi ad Cat. Moj. 11, 35 et Fa-
rad. /, 1, 7 /estit/d, noii tanwti^ ut ibt\ suavitas hoc l. aiit am-
bigfu'tas moiiet. Herr Genihard nimmt also die doppelte End-
form dieses Adjectivs bei (/icero an, nnd lässt das Ohr imd die
Klarlieit des Simis entscheiden, wenn die eine oder die andre den
Vorzua: Ilaben soll. A\ as hier das Olir soll, beg'reifen Avir wohl, w eil
nämlich abse/ites^ ereiltes vorheriring, soll des W ohlklanj^s wegen
imbevilles iolgen. üeher die ambiguitas w i'irden wir aber in Verlegen-
heit seyn, wenn derselbe nicht unten zu c. 17, ((3 sich genauer bei
imbecilla est eniiii natura erkliirt liätte. Da \> ird nämlicii die Uegel
aufgestellt, dass da, wo dieses Adj. substantivisch stehe, die Endung
der oten üedination vorzuziehen sey, und das ex more Ciceronis.
Gesetzt wir befolgten diese Kegel, dann miisste gegen die besten
Codices 1 Invent. 24 Valens., an inibecillis ., und oJme alle Codd. I
Kep. 3ü igiiavis et imbevillibns zu corrigiren seyn : dabei wiirde sicJi
aber immer noch mit Hecht \1 Divv. ep. 2 Ern., Martyni und
Matthiä (nicht Uenedict) tadeln lassen, dass sie die Gronovsche
Aenderuug aiiiimnn — iinbecillem aufnahmen , da doch iinbecü-
lian die \ulgate und später verglichne llandschr. schlitzen. Wel-
ches Lrtheil ist hierbei zu fällen'? Dieses, dass Cicero die Form
iinbecillis mit allen Lateinern vor ilun und aus gleicher Zeit
gar nicht kennt, sondern dass sie spätem Gebrauchs ist : dass es
auch, seit dass nun Lael. 13, 47 richtig geändert ist, keine Stelle
mehr in Ciceros Werken giebt, wo noch die Form der 3ten De-
clin. sich lande , die geriigte ausgenommen. Dies behaupten wir
mit fester Ueberzeugung, ohngeachtet es uns nicht imbekannt
blieb, dass C. wirklich andere Adjeclive doppelt llectirt, Mie hi-
lartis., inerinus ^ und, nach Charisius , vielleicht auch //«Äe/Ä«s.
In allen den ohngellilir 30 Stellen, wo sich die Form der 2ten Deck
bei C. findet, beruht sie auf handschr. Lesarten, ohngeachtet sie
kaum die alten Grammatiker kennen, geschweige dass die Ab-
schreiber mit dieser Form vertraut gewesen seyn sollten, da sie
schon früher aus dem Gebrauche verschwunden war. Was für
einen Grund sollte es aber wohl geben, dass dies Adj., substan-
ti\isch gestellt, der dritten Flevion zugehören soll'? Vermei-
dung undeutliclien Sinns"? Wie kann die I^Jndung is dies vor der
Endung as voraus haben'? Oder nach welcher INorm soll sie das,
da die genaimten doppelgeformten Adjecti\e keine solche anerken-
nen'? Demi C. schreibt eben so s^ui hiluri voltu ('liient, 20; 1 Tusc.
42; als liilara vila V Fiii. 30: eben so gut isle rester inerniis
et nudus I Fin. 7, 22; als X Din. ep. 34 Jlubebat niagua/n inul-
Jtihrb. d. Fhil. u. J''u(lag. Julira. l. Jhfl i. 20
S02 Romische Litteratur.
tiludinem^ sed inerinornm. Wir müssen daher diesen behaupte-
ten Untei'schied für nichtig erklären, und für C. die Form imba-
cillus ausscldiessend vindiciren. — Cap.7 Seite 61 fügt der II. zu
den Text- Worten quid arbitranmr in ve?'a fuisse facturos? über
die Lesart von 5 seiner Handschriften die Bemerkung bei, Verba
fu is s e fa cturos male transponunt — quasi incerlum sit^ quid
sit arbitrandum. Allein so konstruirt ja in dieser Gedanken-Form
Cicero in der Regel ! II Div. 0, 23 Q,uid vero Caesar ein putamus
— / quo cruciatu vitam aclii ru m fu is s e ? I Fin. 8, 28 an nie
censes — haec dicturum fu is se? I Phil. 6 in. An nie cense-
tis — decreturmn fuisse? 1 N. D. 27 extr. Quid censes —
tributuras fuisse? Und wollten wir hier wolü lieber, was
meinen wir, dass sie b ei wirklicher Thatsache 2^?Vr-
den gethan haben'} als, — gethan haben würden^
übersetzen'? ohngeachtet dass bei unsrerAccent-Sprache weit we-
niger auftauen kann , als bei des Lateiners Sonus-Sprache. Cicero
schrieb sicher hier entweder so, Avie auch die meisten Codd. bei
uns lesen, oder liess, wollte er die Asseverative nicht, fuisse weg:
II Divv. ep. 17 conimoraturum me nusquatn arbitror ^ und unten
17, 61 ttis igitur ßnibus utendtan arbilror : doch gewiss hier lie-
ber ersteres, als letztres. — Am Ende des § taugen die Parentlie-
sen-Zeichen zu c7edo autem esse inuUa nicht \ denn diesen Wor-
ten fehlt die innre Natur der Parenthese, das Vollende. — S. 62
rauss wohl richtiger so interpungirt werden : Nos autem a te po-
tius: quamquam etiam ab istis quaesivi; et audivi non incitus
equidem^ das halbe Kolon nicht nach et audivi sondern vorgesetzt;
denn ei ist hier, wie so oft, et sane^ und über equideni am Schlüs-
se des Satzes sehe man das zu Seite 203 zu Bemerkende. — Cap.8
S. 65 wird zu prificeps est ad benevoleittiani conjnngendam be-
merkt, pro gignit benevolentiam. Rariorem hunc v. prin-
ceps usum comp, cum Orat. II., 87, 356. Allein diese Stelle ge-
hört nicht hierher, da es sich um princeps ad handelt Auch
lässt sich p?inceps nicht rein durch qui gignit erläutern , son-
dern gilt hier für primaria causa., erster Anlas s., Haupt-
anlass: noch ist sein Gebrauch so selten; denn beim ersten Su-
chen fallen uns folgende Stellen in die Hände : Arch. P. 1 htmc
Video mihiprincipem et ad suscipiendam et ad ingrediendam
rationem horum studiorum fuisse ', X Phil. 11 princeps fiiit
ad conutum exercitus comparandi', X Divv. ep. Vi ad omniape^
ricula princeps esse non recusabat\ Sulla 3, 9 neque enim
princeps tunc ad salutem esse potuissetn. üebrigens scheint
diesem Ausdrucke das Griechische ngcoTEvcov ia zum Grunde zu
liegen, und ad für quoad zu gelten. — S. 66 ist das Urtheil über
die Worte causa temporis gewiss falsch: Nostri codd. omnes^
excepto — iustum horum vv. ordinem pervertunt., temporis
causa., quasi media enunciatione legantur. Dies ergiebt sich
schon aus der einzigeo Stelle VI Diw. ep. 12 sed nihil est a me
Ciceronis LaeliuB. Ed. Gcrnhard. SOS
inservitum temporis causa. Auch leidet es keiaen Zweifel,
ilass dies, nicht die Yulgate, die wahre Lesart ist. Temporis be-
liält dess ohii^eachtet sein (Gewicht, so wie der Genitiv \ot ergo.
— Unmittelbar darauf stehen als Nachsatz die Worte in amici-
tia untern nihil fi et um., nihil simulutum; et quidquid in ea est.,
id et vej'uni et coluntarium. Hier ist richtiji;' id et aus id est
corrigirt, denn C. lässt im I Untersatze c^ern est gleichfalls weg, so
bald es im Vordersatze bei marquirten Adjectiven und Partici-
pien wegfiel : allein es sollte auch in ea gestrichen seyn, welches
so viele Handschriften nicht anerkennen, während andre in anii-
citia lesen. In amicitia aiitem steht vorausgehend darum so scharf
vor, um dergleichen Beisatz unten entbehren zu können. JNoch
bemerke man, dass et hier, vor quidquid ., für serf, sed potius
steht: auch falle das so etwas vag stehende quidquid in diesem
scharfen Zusammenhange niclit auf, da es sich sonst weit vager
gesetzt findet. — S. (58 liaben unsre Codd. alle, nebst Eyb, ISi-
hil est enini vir tute u m abiliu s, statt dass die Vulgate die letz-
ten Worte um!«tellt. Sonderbar, dass des H. Codd. nichts ändern:
deini die Oxfordcr Collationen sind wegen ihrer Ungenauigkeit, i«
Betreif der WortL^tellung, kaum zu erwähnen. Dass aber die be-
zeichnete Wortordnung die ächte ist, lässt I N. 1). 44, 121 glau-
ben, wo ganz dieselben Worte in derselben Folge stehen. — Cap.
ö S. 70 ist in den Worten i7i hoste etiani diligamus sehr wahr-
scheinlicli etiani ., das auch 2 von unsern Handschr. verschieden
umsteilen, und eine Ste nicht anerkennt, blosse Glosse. Man be-
tone nur hoste scharf: deiui auch Menn diese Partikel \[q\\ stär-
kern iNachdruck, für «r/eo, trägt, gehört sie nicht selten den Ab-
schreibern, da das auch der neuern Sprachen häufig ebenfalls
mit Gewicht gebraucht wird. — S. 12 sind die Worte Quidenim?
richtig durch Frage von den folgenden, Africanus ind/gens mei?
getrennt. Doch wenn die sogleich darauf stehenden Minime.,her-
de! ac auch Gellius nicht hat, so möchten wir sie gleichwohl
nicht missen: demi, ausserdem, dass durch sie die Rede an inn-
rer Lebhaftigkeit gewinnt, tragen sie auch ganz Ciceros (ifeist,
der sich gern so antwortet, z. B. Ligar. 7, 20 lleprehendo igilur?
Mininie vero. Ac aber bezeichnet vorwe ego^- tu., is quidemindev
Uegel unser ja, ja selbst. — S. 73 stinnnen wir in so weit mit
der von Facciolati angenommenen Lesart r^^ ii — dissenliunt^ statt
Ab iis — dissentimus., dass zugleich auch aus mehrern Handschrif-
ten hi für ii gesetzt werde, <la // an der Stelle zu schlaH" ist. — Bei
den Worten apjdicant sese klagt S. 74 der H., dass es sich schwer
bestimmen las^e, quam legem in hoc pronomine repetendo Cicero
secutus sit. \ erstehen wir ihn gehörig, so meint er, es lasse
sich nicht leicht eine Uegel aufstellen, wenn se oder sese bei C
steht. W ir halten uns überzeugt, dass das Doj)pelwort bloss dem
Pronomen dann INachdruck geben soll, wenn<\s ihinon seiner Stel-
lung nicht haben kann; wie auch der Fall bei tele ist: dass aber
20 *■
304 Römische Litterat ur.
se in ifewiclitiger Stelluni^, >vio aucli die übrii^eii Pronomen, ein-
i'acli oTt überaus starken JNaclulruck liabe, z. li. 1 Yen'. 25 ne quid
in ipso se offenderit ., wo sese tlie Stelle nur sclivvächen würde,
etc. etc. Dalier kommt, wie richtig bemerkt wird, sese ipse nicht
vor, (denn dass der sonst so umsichtige Wolf I Tusc. 27, 6T nt
sese ipse videat schrieb, möchten wir nicht vertreten;) da das
natürliche Gewicht vor ipse auf se ruht, es also keines künstlichen
bedarf : soll es jedoch auf besonderra Wege noch verstärkt wer-
den, dami semet ipse gesetzt wird. Dagegen braucht man nur
eine Präposition vorzusetzen , w ie III N. D. 14, 36 quod si ignis
ex sese ipse animal est^ sogleich ändert sich der Fall; oder das
lleciprocum nach ipse zu stellen, dann ist sese^ besonders ipse
yer sese^ sehr gewöhnlich. Würde nun an unsrer Stelle se ap~
plicant gelesen, wie wirklich einige Codices bieten, so stände das
einfachere eben so richtig \or, als jetzt sese richtig nachgesetzt ist.
Hieraus erklärt sich die angefVihrte Stelle aus Y Fin. 11, 30 von
selbst; demi se kann dort nur durch die Verdoppelung beide Male
den nöthigen Nachdruck erhalten. Eben daher können wir auch
das aufgenommene sese, z. B. II Orat. I, 1 quainqiiatn non ita se-
s e rem habere arbitrarentur nicht billigen ; wie es überhaupt in
der Formel Üa {sie) se res habet keine Stelle findet. Dass es
aber nicht selten den Abschreibern gehört, ergiebt sich unter An-
dern aus III Orat. 39, 102, wo es richtig gesti'ichen ist. — Cap.
10 S. 77 Mutari eiiini 7nores saepe dicebat. Hier Avird das wie-
derholt gesetzte saepe der nicht streng über den Ausdruck >va-
chenden freundschaftlichen Gespiächs - Form zugeschrieben. Al-
lein-wer wih'de mit Gruter gern den so specieller gewordnen Satz
hier in einen breiten locus communis umgetauft wissen wollen '?
Wetz eis Hülfe aber durch Yorrückung des Komma nach saepe
entsprang aus der Unkunde der Ciceronischen Sitte, die gern sae-
j)e vor das Yerbum stellt; das übrigens gar häutig wiederholt steht.
— S. 79 scheint, genau erwogen, unter den Worten pestem
eiiiin majorem esse niillam amiciliis das letzte der Glosse an-
zugehören. Denn, ausser dass die meisten Handschriften nocli in
beilugen, verliert nnllam sein wegen seiner übrigen Stellung nöthi-
ges Gewicht ; der Satz wird olnie Noth speciell , da er besser all-
gemein gestellt wäre. Ueberdies ging in amicitia gleich vorher,
und im Nachsatze folgt wieder amicitias. — S. 81 stellen aucli
zwei unsrer Codd. sed odia etiam um : wir würden etiam grade zu
streichen, da es nach non modo so häutig dem sed angeflickt wii'd,
die Stelle dadurch dem Ohre weit empfehlbarer wird, aucli über-
dies der Abschreiber supplirende Hand in dem eingeschobnen ma-
xima atque sich thätig bewies. Hierzu kommt, dass der Nach-
satz sich jetzt auf dieselbe Weise zu monoton construirt. Sed odia
etiam würde etwas Schleppendes haben. — Cap. 11 S. 84 ist zu
den Worten Nulla est igitur in der Note nichts weiter als Vim.
gesetzt, das üebrige ausgefallen, ohne dass in den Äddeudis et-
CIccronis Laclius. Eil. Gcrnlianl. 305
was bemerkt wird. 3Iaii snpplire, est i^)iorat: denn dieser
('ode\ kennt das Verhiini subst. nicht. — S. 87 miisstc wohl das
so irappant mit der Parentliesc einsprinirendc sie bedaubiijt wer-
den. Leiser tritt es oben 1, 5 ein: veiirl. Orat. 5, IS; l Tuso. 7,
14. — S. Hü ist mit Tnreclit naili Facciolalis IJeispiel, und anf
Krnestis Zweifel, der bei c/ ^hiiiht, Aaü mhiiim\ ace/rime \c>ic\i
zu müssen, dieses et^ ^or jiüiiiine liiiic (jiiidemf rater ejus^ geireu
alle bekaimten Codices gestrichen. Kt hat nämlich, auch ohne
>orhergehende INegation, nicht seilen die leisere Adversative un-
seres doch, vgl. 11 Fin. 3, J), und muss mit (piideyn verbunden ge-
dacht werden, welches, um ttiiic zu heben, diesem hier nachge-
setzt ist. Sonst kommt et viiniine (/ttidem^ doch nichts we-
niger als das, häuiig vor. — S. J)l nmsste in den Worten
liimc eliain post mortem seculi amici et propiiiqiii quid in P.
Scipionem effecerint^ sine lacrimis non queo dicere die Les-
art in F. Scipione als die allein richtige anerkannt und be-
nutzt werden , die auch zwei der besten Codd. bei uns sichern.
Man A ergleiche nur XIY Phil. 3 Befiigit aiiimns^ eoqiie dicere re-
formidat^ quae L. Antonius inParmensiian liberis et coiiiu-
gibus effe cerit. Diese Stelle beseitigt alle weiteren Zweifel.
Kfßcere in aliquo steht hier für committere , imd entspricht un-
serm Ausdrucke, an einem verüben. — Kurz darauf war
nothwendig mit 3 Handschriften des II. und andern bei uns de
C. autem Gracchi tribunutu umzustellen, da bekanntlich Cicero
die Partikeln zwischen die Nahmen ein , diesen nicht nach setzt.
Dies ist so sichre Regel, dass wir bei ihm keine Aivsnahme weiter
keimen. — S. 92. Auch unsre Handschriften erkennen qrte bei
7m/lt ilndinisqne nicht an^ währendes andre in e^ verwandeln. Wir
haben schon oben von der Liebe des Laelins zu den Asyndctis ge-
sprochen; man entferne auch hier die Partikel. Hierzu kommt,
dass in dem angefülirten Beispiel aus Caecil. I4ft 45 ebenfalls von
■videre videor zwei Sätze ohne IJindung abhängen, wenn mau es
bei Cicero selbst vergleicht. Gleich darauf würde vor Plures enim
besser ein Kolon slehii. — S. 95 müssten wir bei den Woiten in
exsiliinn expnlsns esset sehr irren, wenn oxptihus zusammt den
Varianten pnlsus und missus nicht supplirende Glosse ist, die dann
beigelugt wurde, nachdem isset in esset a erdorben war, wie schon
Lange zu ändern rielh ; welclier jedoch die gute S;u:hc damit wie-
der zur schlechten machte, indem er zugleich pnlsus isset em-
pfahl, wie C. in diesem Zusammenhange gewiss nicht geschrieben
haben würde. — Auch möchte kurz vorher nach liberassct wohl
et aus dem Texte gefallen seyn ; wir wenigstens fnulen ohne das-
selbe die Stelle un!)eholfen. Denn wenn auch nach (jf'y/ ein Kom-
ma gesetzt v\ird, es wird ihr das (.'ezwunffne «loch nicht benom^
men. — S. !Mi möchte wohl über tue ans III Legg. 10, 24, I^wn
islo modo rcl ronsu/ul/is ritupcrdb/lis r.s7 , angeführte Stelle das
L'rtheil zu schnell gelullt scyu! Denn erwägt der IL, dass so esl
306 Römische Llttcratur.
unnütz wird, da es der Nachdruck auf dem Adjectiv ersetzt; (zum
Herauswerfen giebt es kein Hecht;) berücksichtigt er zugleich,
dass die bequemste Lesart darum noch nicht die richtigste ist;
fügt er liinzu,. dass vituperabiUs^ ein Liebiingswort der Abschrei-
ber, schwerlich so verdorben wurde: dann sind noch immer die
Gründe nicht gehoben, die vihiyeretur vor den andern drei Les-
arten empfehlbar machen. Selbst vel springt dadmch, dem Zu-
sammenhange gemäss, schärfer Iienor. — Cap. 12 zu Ende und
Anf. 13 S. 97 verdient die Stelle genaure Berücksichtigung, Mihi
autem non minori curne est^ qnaiis respublica jiost mortein meam
futiira sit^ quam qnaiis hodie sit. Haec igitur prima lex amici-
tiae^ iit etc. Betrachtet man diese Worte genau, so vermisst man
zu dem letzten Satze das \ erbum substantinmi, während dass sit
nach Äorfee unangenehm nacldiinkt, und doch bei seinem Satze nicht
gut entbehrt werden kann, um es lierüber zu zielm: denn Sit haec
igilu?mxiss sehr wahrscheinlich gelesen werden. Es sey fol-
gendes somit das erste Gesetz bei der Fr. Nun schreibt
Eyb sit hodie^ und so scheint die reine Lesart zusammenzutreten.
Manschreibe: quam qualis sit hodie. Sit haec igitur etc.
Das in drei Worten zweimal wiederkehrende, und kurz zuvor ste-
hende sit setzte die Abschreiber in Verlegenheit. Hodie am En-
de des Satzes ist nicht sogar selten, z. B. X Divv. ep. 24 quod vivit
Antonius hodie. — S. 98 hätten wir in den Worten consilium
vero dare gaudeamus libere das mit Recht vorgezogne audea-
mus sicher aufgenommen ; m enn auch ans keinem andern Grunde,
so doch um C. von einem Ausdrucke zu befreien , den in der Pro-
sa zu brauchen ihm nicht in den Sinn kam. Dagegen kann man
beim wagen ängstlich und befangen seyn ; dies will C. durch das
beigefügte Z/Äere entfernt wissen, und darum setzt er auch sonst au-
dacter und libere verbunden. Wie schlecht passt dagegen dieses
libere hier zu gdkdea7mis ! — S. 99 musste der Grund des Geni-
tivs bei satis superque esse sjiarum cuique rerum angegeben wer-
den; denn eben die Unkunde desselben schob curani ein; auch
kehrt bei C. diese Structur, so viel wir wissen, nirgends wieder.
Livius 25, 32 hat sie, Spes erat satis super que ad id viri-
um esse. Dieser Casus hängt nämlich von dem scharf betonten
satis ab. Super que ist so nachgesetzt, w ie niulto bei post multo.,
post paullo , post aliquanto etc., und steht für super quam satis
est. — S. 102 halte man die Construction, Neque enim est con-
sentaneum., nicht für fehlerhaft, verleitet durch andre, aber scharf
geschiedene, z.B. I Off. 20, 68 No7t est autem consentaneum. Die
asseverative Partikeln - Junctur Neque enim fordert sie, wie bei
I Orat. 50, 215 Neque enim est interdictum ; II, 28, 124 Neque
enim est boni neque überaus parentis. Eben daher ist S. 105 bei
Neque enim sunt isti audiendi ., sunt festzuhalten, ob es gleich
auch eine unsrer Handschriften nicht kennt, cf. I Orat. 29 , 133
neque enim sumus nimis avidi; 48, 208 neque enim sum de arte
Ciceronis Laclius. EJ. Gernluird. 307
dictiirus. — S. 103 sind die Worte qvi [et is) profeclo — arhi-
Irnnuir ohne INotli in AoUe raroiitlu-seijezoijen. Llebrisfcnsniusste
die (Jonsli-uotion «les foljreiulcii qiiae vousa est ., cur — ? (vstatt
tlesseii C. liäufiiier quid vaiisae e.s/ , cur schreibt) mit dem vor-
herffehenden si in Vcrbiiulnnjr behandelt m erden. Man Acr£:lei-
clie die äluiliche Stelle 1 Inv. 3!>, 70 Qtwdsi ros, hidices^ legibus
obtcmpcrare debetis , — quid cnu.sae eat , quin istum contra le-
gem feciase iudicetis? — Cap. 14 S. lOS mnss Quod si illud
et in m addimus mit mehrern Codd., auch den unsern, gelesen wer-
den, statt etiam illud: deini in der gemeinen Stellnng hing
etiom mit Quodsi^ das keine, ausser höchstens adversative Par-
tikeln, duldet, zusammen, und mi'isstc dann für Glosse gelten;
vgl. zu 111 Fin. 15, 50. Ausserdem sehe man V Divv. ep. 2 /4d-
fluni illud etiom. — S. 109 verlangen die Worte tarn olliciat et
iani attrahot anspielenden Bezug auf den Magnet, I Div. 39, 86
Ut si mogneteni lopidem esse dicam., qui ferruni alliciat et at-
trahat. — S. 111 scheint der erste Gothaer die wahre Lesart an-
zugeben, Atque videnlur mihi quid eni., ja es scheint mir wenig-
stens als ob die^ welche : denn in der Yulgate , Atque etia?n ini~
hi quidcm videntvr , ist wenigstens etiarn falsch , das mit Atque
verbunden stets intensiven Sinn hat und unsrem j a sogar gleicht.
Gleich darauf wäre richtiger ntilitatum., a\s utilitatis ., geschrie-
ben worden. So kommt es nämlich nicht bloss 8, 20 vor, sondern
auch 9, 32 ; 20, 75. Auch sehen wir nicht den geringsten Grund,
warum es hier nicht eben so stehen soll. Es gilt für commodoruni
oder opportunitatum., wie aucli beide Substantive damit vereint
gesetzt werden I Fin. 10, 34; II N. D. 22, 58. — S. 112 nihil
umquarn omnino deesse amicis. In diesen Worten erkennen auch
zwei unsrer Handschr. omnino nicht an, und auch wir glauben es
nicht an rechter Stelle : wenigstens steht Balb. 14, 33 Nihil om-
nino umquam passender. Seine vielfaclie Umstellung lässt es iiber-
dies hier als Liickenbiisser nicht verkennen. Man übersetze die
ganze Stelle: Ja ich weiss nicht ob es selbst gut seyn
würde, dass Freunden nie etwas abgehe, und ac-
centuire n i e. Der griechische Sinn des vorhergehenden opzis
sit hätte nichtsollen übergangen werden. — • Cap. 15 S.lV^Haec
est enini iyrannorum rita. So wurde mit dem 2ten Gothaer ge-
lesen, und, wie wir glauben, mit Kecht: denn in der Stelle liegt
Asseveration , und unser bester stimmt ebenfalls dafür. Man ülier-
setze: Das ist nämlich der Tyrannen Leb ensweise.
Die Vulgate Haec cnim est ist indess auch nicht geradezu zu ver-
werfen : Ein solches Leben, wie dieses, ist das bei Ty-
rannen. — S. !]5 tum., e.rsulantem se vidisse — quum iam.
Zu dieser richtig anerkannten Construction und ächten IlandC-s,
welche mit unserm dann erst — als bereits zusammen-
fällt, vergleiche man \II Att. ep. 11 ctii tum., quum iam in
urmis essemus., consulatus ultcr — deferebatur. — S. 118 war
Römische Littcratur.
wohl bei spernique die Copnla, welche so viele Co<kl., auch 3 der
unsri^eii, niclit keimen, zu streichen. Wir hal)eii wiederholt schon
der Neigung zu den As^ndetis im Style des Läiius Erwähmmj? ^e-
tlian. S. 119 ist es dcju Zusammeiihaupe uacli uiigewiss, oh die
Wortstelluni^ ejus csl eiiiin istoruin quidqtie^ qni vinclt viribus^
bei est eniin wirklich von Ciceros Hand ist:, denn das Gewicht
kann auch aid ejus hier ruhen, und dann wVirde enim est^ die Vul-
gate, vorzuziehen seyn : dem uämlicli geliört jedes von
diesen Dingen an, der an Kräften überlegen ist.
Doch ist die aufgenommene Stellung lebendiger, dem gehört
j a j e d e s von diesen D i n g e n a n u. s. w., auch w ird sie von
unserm besten Codex bestätigt. — Cap. 16. S. 120 Co7istihiendi
sunt aiitein^ qni sint in amicitia fines et qjiasi tennini diligendi.
Statt des mit Cod. A umgestellten sunt mitem würden wir lieber
sunt ganz streichen; denn es ist keine sonderlich fürs Ohr em-
pfehlbare Schreibweise S7int autem^ qui sint: auch rundet sich
mit Entfernung des sunt die ganze Stelle freundlich ab : siehe un-
ten 21 , 18 Cavendum vero , w^o richtig est gestrichen ist. — S.
122 muss wohl vor vehementius ein Semikolon, und vor nndtaque
bloss ein Kolon stehen, da que colligirenden Sinnes ist. S. 123
Hoc quidein est exigue et exiliter ad colculos vocore ojnicitiam.
Die Yulgate hat mit den meisten Handschriften , und allen alten
Drucken, nimis exigue^ und bloss ein paar Codd. bei Manutius
lesen, in sehr gewöhnlicher Verwechselung, minus: aucli zwei-
feln wir gar sehr, dass der H. Recht that niniis zu streichen, mit
dem vielmehr Ciceros Eigenthümlichkeit verwischt zu seyn scheint :
denn dieser liebt das Wort, und setzt es häufig zu Substantiven,
Adjecti^en, Verben, und, wie hier, zu Adverbien. So schreibt
er niniis cito II Divv. ep. 16 ; 7iiniis stulte und jiiniis impudenter
ebendaselbst \II ep. 17; ?iimis verecunde \III ep. 2. Wem sollte
da noch niniis exigue etc. mit Recht aulFallen dürfen*? W-ir neh-
men daher neuerdings dieses nicht nur hierin Schutz, sondern
auch das ohne Noth getadelte niinis — pudet zu I Legg. 19, das
mit gleichem Rechte steht, wie II Phil. 41 nimis — constat^ und
berufen uns zugleich auf Garatoni, welcher an angeführter Stelle
bereits Jiiniis nicht nur als Verstärkungs-Wort richtig anerkannte,
sondern auch dasselbe, gleich uns, von den Absclireibern oft ver-
nachlässiget fand, siehe zu I Fin. 18, 57. — Gleich daraufhätten
wir auf gleiche Weise, wie der II. Parad. VI, 3, 50, divitior statt
ditior geschrieben, welches auch 3 Codd. von uns begünstigen,
und was auch zweimal I Rep. 17 und 32 vorkommt. Schon die
magis prisca latinitas Laelii forderte dieses ungekiirzte Wort,
dessen Superlativ auch sich II Off. 17 in. findet. — Auf gleicher
Seite noch Miirde die Stelle neque enim verenduin est , ne quid
excidat^ aut ne quid in terram defluat missverstanden. Fac-
ciolati erklärt in terram defluat durch sine gratia sit. Gruter
wollte die Worte ne quid in terram defluat herauswerfen ; Schütz
Ciccronid Laelius. Eil. Gernhard. 309
hat im Gejrentlieil Lust, den Worten ne quid c.rr/'dai out ^loirlies
Ciesrhick aiiziithuii. Der II. niinint sie in Schutz, luul bemerkt
Folgemles: -ll e.v cid it nt res de mniitbus Improriso^ cum teue-
re velles: de flu mit prae abintdaiüla qnne contineie nun pos-
s/s, fd liücluvo^ (tut prae laiii^nore uc moUilie ^ iit XII Phd. 3,
8. / Cm. (> e.vtr. IIa qiiae oratori voncedenda s?int non mirabe-
ris^ nbi esilis iila acquaUlatis cura in reddciidis benejiciis yer-
st/ingitf(r. Armer Cicero! was soll aus dir werden, wenn eine
solclie Tetras virorum DD. so mit dir Aerlaliren will! Cicero will
eaffen, Aon cnini in fneliendis amicifiae officiis ac benejiciis jfor
ratio est c n ui ni e nsji r is aridor u m fl n i d o r u viqne ., e
qiiibvs siipra 7nodiim con^esta e.iridant atqiie dejlunnt. Auf die-
sen üoppehergleidi kam er durch das Streben nach g^leichen Ke-
den:liedern. Er hatte oben offivia und vuluntalos verhunden; jjeht
darum exigue et esiliter — acceptontm et dafor?an — divitior et
affluentior fort, und koinrat so g^anz natiiriich auf escidat ant de-
ßuat. — Das unmittelbar folgende out., in den Worten «?// ne plus
aequo quid in amicitiam congeratnr., steht für aut omnino., und
das %om II. mit dem zweiten Goth. g'cstricline quid möcliten wir
in diesem Zusammenhange durchaus nicht missen. — S. ]24
quanti quisque se ipse faciat. Aus diesen Worten keimen 3
llandschriften bei Mannt, und 2 von uns ipse nicht, andre beim IT.
und bei uns stellen es um. Wirspraclien oben von der Schärfe des
einfachen se an rechter Stelle, und so kehrt es auf derselben Seite,
qualis ille in se est^ mit INachdruck wieder. Hier maclit es der
Acceut, der durcli die Opposition auf dasselbe nocli Viberdies fällt,
für sich allein stellend stärker, als mit ipse verbunden. — Zu dein
tiefer fol^renden eniti et efficere musste IV Pliil. ß quantum eni-
ti atque cffic er e potero., und XIII Divv. ep.2J) enitare., con-
tendas^f efjicias., verglichen werden. — S. 127 war bei tam-
qnain ansas ad reprehendenduni zu bemerken, dass i). um
deswillen tamquam zu ansas., g^g^'i seine sonstige Gewohnlieit,
(Caecin. 0, 17; Plane. 34, H4; Sext. 10, 22) anfügte, um /e-
prehendere im eigentlichen Sinne gefasst, und so in schärfere Tro-
pe gesetzt zu wissen.
Doch wir würden unsre Bemerkungen selbst zu einem 13uclie
anwachsen lassen, wenn wir mit gleicher Genauigkeit, wie zuletzt,
das Einzelne berücksichtigen wollten: wir gehen zu Cap. 17 Seite
133 vor, wo in den Worten iudicare difficile est sane., 7iisi ex-
pertuin., mit der Asc. 2 und der Leidner Ausgabe est gestrichen ist.
JNun ist nicht zu leugnen, dass besonders in Epiphonemen, wie
hier, C. heifari/is und difficilis das Verb, subst. weglässt, I Off.
19, 64 scd quo dijjiri/ius., hoc praeclarius ; auch kehrt in 3 Zei-
len est dreifach w iedir: doch ist auch die dreifaclie gleiche Asse-
>erative nicht abziiUMigncn , und, in diesem Falle ist die öftere
AN iedtrholung des est nicht selten. Es findet sicli selbst die gan-
ze Construction 11 l'hil. 24 difficilis est sane reprehcnsio et
310 Römische Litteratur.
lubrica^ uiul sonst auch, wieder. Wir können dalier dieses Her-
auswerfen ohne alle Handschriften hier nicht büliiicn. IJcberhaupt
darf das mehrfach gesetzte est dann niclit anfiallen, wenn es sich,
wie liier zweimal, in der Aussprache mit seinem Worte gleichsam
amalgamirt. — S. ]35 musste eine völlig unlateinische Partikel-
Verbindung in den Worten Sin vero eriint ciliqui repe/li kor-
rigirt werden, die sich auch der Grammatiken bemächtigt hat, vgl.
Znnipt. 2(54, 3te Ausg. (Ramshoi-n ist vorsichtiger p.59«.) Sin ve-
ro nämlich ist, bei Cicero Menigstens, niigends zu finden, auch
wohl sonst bei keinem guten Lateiner. Turs ellin. Partt. p. 707
führt Columella an , doch kennen wir auch bei diesem das einzi-
ge angezogne Beispiel. Genug, wass soll liier Siii^ da kein si a or-
her ging, auch sich nicht suppliren lässt*? Facciolati, welcher Si
liest, hätte den H. leicht warnen können. — Cap. 18 S. 140 muss-
ten vorerst die Worte Nihil eiiim stabile est^ (juod infiduni est^
nicht als Vollsatz sondern als Nachsatz interpungirt Averden : dann
war das doppelte est bei ihnen zu streichen, I Off. 14, 44 nihil enim
liberale^ quod non idem iustum^ vgl. Beier zu der Stelle. Denn
das vordere kennen, nebst Eyb, die besten Handschr. nicht, an-
dre aber stellen es melft*artig um : letzteres, zugleich mit jenem,
erkennt unsre voi'ziiglichste Jiicht an. — Auf derselben Seite ha-
ben alle unsre Handschriften, nebst Eyb, eisdem rebus move-
tur^ natura que consentit. Auch sollte gleich darauf das doppelte
mit festgehalten seyn. Denn wenn auch zum eilen einmal mit von
Abschreibern so eingesetzt wird, so thun sie dies doch selten, und
schwerlich in Stellen wie hier, und I Acadd. 11, 39 nee vcro
aut quod efficeret aliquid^ aut quod efficeretur^ posse esse fion
corpus; V Fin. 21,57wec vero iniermittuiit aut ndmiratio-
nem aut investigationem rerum iiovaruin. — C 19 S. 145 JStec
modo in hoc , — sed — consuetudo valet. Die meisten Hand-
schriften lesen statt modo^ vero: diese Lesart musste anerkannt
werden, denn sie ist die ächte. Nicht selten geht nämlich ('.mit
Nee vero über, und ?nodo wird dabei, wenn sed folgt, gedacht.
II N.D. 29, 74 Ne c vero hoc in te unum convenit — .• sed etc.;
ibid. (>4, 1(>2 Nee vero strpra terram^ sed etiam in intimis ejus .
tenebris etc. ; I Off. 8, 25 u. s. w. Im näclisten Puncte vorher ist
aus dem einzigen Pithoeanus die Lesart Quin ipso equo, statt ^^il-
que in ipso equo^ aufgenommen, und wir glauben mit Hecht: denn
dieses Quin vexirt die Abscln-eiber nicJit wenig. Z. B. II Flui. 29
extr.. Quin his ipsis tejnpnribus, ist es allein aus dem Vat. rich-
tig anerkannt ; alle andre Handschriften haben Quippe in his
etc. — Cap. 20 S. 147 setzen viele Handschriften (dieunsrigen
alle) zwischen imperliant suis^ ea ein, welches auch Eni., mit
allen seinen Nachtretern, aufnahm. Es ist von ('iceros Hand, und
ihm nicht mit Hecht vom H. wieder entzogen. Denn diese Neu-
tra, die das vorhergehende Einzelne in einen ('ollectiv - Begriff
sammeln, sind bei C. gewöhnlich, und gehören den Abschreibern
Cicer onis L aclius. Ed. Gcrnliard. 311
sicher nlclit zu. Beispiele dieses Gebraticlis finden sich von al-
len Dcinonstrativ-rronoruen in jMenj5;e. — S. 14!>. \ on den Worten
mvUo profecto ma^is ven's in patribus kennen profecto 2 misrer
Handschriften nicht, andre stellen es um. ISicht zu läugnen ist
es überdies, dass wirklich C in solcher Verbindung eigentlich
imilto eliam ma^h schreibt. Endlich ist yvq/er/o in dieser Stcl
Inng sehr entbehrlich, da das Gewicht nicht in mogis^ sondern
in veris ruht. — Cap. 20 S. 150 ist in der Stelle quod ofßciose
et amice et cum h/bore wohl ohne allen Streit, wie bereits schon
Grnter vermuthete, cl amice durch Glosse, zu ofßciose gehörig,
entstanden, mul daher zu streichen. Schon treten an sich diese
"Worte sehr lahm zwischen ein: dann wird durch sie die Gleich-
lieit der Glieder, ein wichtiger Puiict bei Ciceros kritischer Beur-
theilung', g:estört, da, ohne sie, qiierunlur und ofßciose^ expro-
hrant und cum labore ^ sich entsprechen. — S. ]r>4 i'olg. ist die
KUipse bei quinegligendi quidem non sunt., sed olio quod am ino-
do etwas hart, durch die curandi hinzuzudenken nöthig wird : doch
ähnliches Verhältniss ist, w enn nach 7^e^fl/•e,rf^cere verstanden wer-
den muss u. s. Av., siehe Beier zu III Off. 2, 9. — Cap. 21 S, 158
Tales igitur amiciliae sunt remissione ?/s?is eluendae. Nicht übel
wäre dilueudae^ wenn es die Codd. so wie Lambin begünstif^ten:
dann hätte hierbei Cicero Catos folgende Aeusseiung bereits be-
rücksichtigt. Docli auch eluendae hat seinen Werth. XII Phil. 6
L't centurionum legionis Martiae Brundisii profusus sangttis
eluutur^ num elui ejus praedicatio crudelitatis poterit'f So
wurde jüngst richtig aus dem Vat. gelesen; nur durfte e/z/s dabei
niclit w egfallen. S. 101 w ar die Aenderung des e in ex , in den
W orten e quibus jurgia — gignuntur , nicht, glücklich ; denn zu
gigvi wird nie ex ^ sondern stets e gesetzt, z. B. II N. D. 11, 29;
12. 33 ; 19, 50; 47, 120. Gleicher Fall ist mit 7insci, oriri e, und
ähnlichen. A\ enn aber der H. Ern., dass er e schrieb, und Schütz,
dass er Folge leistete, mit den Worten tadelt quasi sigjiificet se-
cundu m quae: so fügen wir hier nichts bei, als dass derselbe mit
dieser Präposition sehr in Irrthum ist! — S. 162?^^ is in culpa sit^
quifaciat^ non qui paliatur iniuriam. Wie Cic. et is — et is^ nee is
— 7iec ^s, ?ion is — sed /'s, mit wiederholtem Pronomen, sehr gern
schreibt, so ebenfalls ntis — ?ionis^ z.B. I Off. 25, 87: daher war
letzteres auch, von den meisten Handschriften bestätigt, als acht
anzuerkennen. — Gleich darauf muss wohl 0 7nnium^ in den Wor-
ten Omnino omniuju horum vitioruni alque incommodorum una
caulio est^ mit mehrern Handschriften, während andre es umstel-
len, gestrichen werden. Die Abschreiber sind an das abrupt ge-
setzte Omnino^ das doch liei C. so häufig ist, nicht gewöhnt, und
bessern vielfacl», ihrem Gefühl gemäss, na(-h, Omnino omniuni
ist, wcjin wir nicht ganz Irren, zu Anfang des Vollsatzes ohne Bei-
spiel. — S. 103 sind mit Hecht die Worte, et quidem omuiaprae-
cUira rara ; ausser der Parenthese gestellt ; denn Garatuiii bemerkt
312 Kümischc Littcratur.
zu Plane. 13 p. T9 Orell. sehr riclitig, Et qtiidcmisi coiißtejitis
in responsione ^ sie nt obiccüonein in suam rem. trahat. Kben
darum musste ahcr aucli hier vor Et aoII iiiferj)uiii:;irt werden. —
S. Ifiö verinudieu wir, dass in den Worten Quod nisi ideni in ami-
citiam transferatur^ verns amiciis nutnqiuun reperic'liu\ die
Lesarten der Codd. von den Interpreten nicht genau angegeben
wurden : denn 2 unsrer besten bieten tranfei etur^ während 2 an-
dere tranferretiü\ aus jenem verdorben, lesen. Dieses Fut. ist
wegen des folgenden reperietur vorzuziehn, da C. zwei soldie Fn-
tura gern aufeinander folgen lässt, die häufig von Abschreibern,
wie Interpreten, in Anspruch genommen und verwahi-lost werden.
So musste z. B. 1 Legg. 14, 41 faciet et metietur ^ statt facit et
inetitur^ verbessert werden, so III Off. 4, 19 sequeniur — rece-
demus^ wo andere Codd. ebenfalls sequamur uiul sequeremur le-
sen; ibid. 5, T^parebant — volenti wo Hr. Gernhard das falsclie
volunt selbst corrigirte. Gleiches hätte Cat. Maj. 11, 38 bei quod
qui sequi tur corpore senex esse polerit^ aninio mimquam erit
gesclichen sollen, wie wir wenigstens, durch Mandschriften und
durch Eyb ermächtigt, zu I Legg. 14, 41 und 1 Acadd. 7, 2(> for-
derten u. s. w. Die Zahl der durch alle Handschriften bestätig-
ten Stellen selbst ist sehr gross. Wir haben absichtlich diesen
Gegenstand hier wieder behandelt, weil wir ihn bei Ciceros Kri-
tik immer noch nicht gehörig beherzigt finden. Seh ii t z hat eine
Menge solcher Stellen wieder hergestellt, findet aber bei Schiicli-
ternen, wegen seines sonstigen kühnen Verfahrens, hierin zu we-
nig Zutraun. — Cap. 22 S. 167 ist unstreitig in den Worten anii-
cnni habere talem volunt^ habere als Glosse zu betrachten, und
die vielartige Umstellung derselben verräth zugleich, dass Eyb die
ächte Lesart bewahrte, /ß/em amicit m volunt ; denn so liest dieser.
Man vergleiche II Off. 22, 75 Q,iii vero se populäres volunt; II
Orat. 60,240 qui se volt dicacem; Fin. V, 5, 13 Strato physicum
se völuit. Audi bei der vorliegenden Stelle ist, wie bei den an-
gefiilirten, esse besser zu denken, als das hier gleichsam aus ach-
tem Gemein -Deutsch iibersetzte habere. Daher musste auch zu
lY Phil. 3 legiones — quae essent , si te consuleui quam hosleni
7ualuisses^ tuae in neuster Ausg. nicht haberi., sondern esse sup-
plirt werden : ?iam multi fa Is o habe?itur., qua/es non sunt. Ta-
lern te volo endlich ist bekannt. Wir haben die Stellen absicht-
lich gehäuft, um zugleich zu bemerken, dass in allen andern Fäl-
len deiHioch die von Fr. lleusinger aufgestellte Kegel fest steht,
dass C zu velle und malle., esse setzt: nämlich — wenn er dem
Satze Asse^erative geben will, was er, ausser den angefnlirkMi
Deispielen, gern thut. — Cap. 22 S. 170 war zu ///, cuui haer.
udsint., beata vita sit., et sine 'lis etc. nach ut ein zweites et^ mit
einer grossen Anzahl Handschriften, zu welchen die unsrigen alle
gehören, einzusetzen. Der II. achtete niu- hier nicht daran!", was
er zu 1 011". 2, 4 richtig lehrte , dass durch et — et Cicero gern
Ciccronls Laclius. E«l. Gcrnhard. 313
Gcircnsätze znsamnicnslcllc, was liier ja der Fall ist. — Am En-
tlf (lieser Text -Seite hätte wieder mit einer Menge Codd. und 3
der unsera nee amicitiunu neque iillam ram^ dem oben Bemerk-
ten £:emäss, statt des doppelten riecjiie ^ ges^clirieben werden sol-
len. — Cap. 23 S. ^T^ ut nihil iiKiiiiiis^ nihil levius esse exisli-
vwnt ! Die Lmsteliunii: esse levius !»eirünsti?en in diesen Worten
80 ^iele Ilandschr., anch die imsrigen, nebst Eyb; selbst die As-
geveration erhält dadurch ein jiberaiis passendes Gewicht, und das
Ohr ist mit ihr so >\ohl zufrieden, dass sie der gewöhnlichen Ord-
nung? vorgezogen zu werden verdiente. — S. 170 folg. (^uis tarn
esset ferreus^ qni eani vittini fcrre passet ^ cnique non aiiferret
fnn-tuni vuluptulnni sulilmlo. \\\ dieser Stelle wird niique durch
rel itii erklärt, mit llinweisungauf 10(1". 32e\tr. Alii multitiidiiiis
jiulicio fentntiu\ quaeque majori porti pnlcheninia videntiu\ ea
viaxime Optant ^ und dabei die liemerkung gemacht, dass C. qni~
qne in allen seinen Casibus selten für et qivi setze. Wir fürchten,
nichts von alledem billigen zu diirfen: denn wir zweifeln sehr,
dass, schon dem Sprachgeiste gemäss , qidque für vel qui stehen
könne; ausser in der Steigerung, die Iiierher nicht passt. Dann
beM eist das die angezogene Stelle sicher nicht : denn da ist qidque
einfach erklärend , und , will man ein Uebriges thun , so erläutre
Juan es durch et quae sic^ hoc modo^ und was somit. Auch
ist quique nach qui^ Avie hier, nichts weniger als selten. Wir
wählen die ersten in die Hände lallenden Beispiele. I Divv. ep. 0
§ 08 Cort. accepisli quibus rebus adduvlus qua m que rem cau-
samqne def ender im ^ quique mens in rep. sit — Status^ d. i.
et quam — et qui; I Orat. 25, 119 Mihi^ etiam qidoptime dicunt^
quique id facillime — fucere possunt. Kurz, vom Nominativ
qui — quique enthalten flüchtig durchgeselm die 2 ersten Bücher
deiN.D. allein 4 Stellen, I, 19, 50; 33,92; II, 10, 26; 33, 84. Ge-
gründet ist es indesss, dass auf y?//, cidusque und cuique seltner
folgt ; doch daraus gewinnt des IL Verfahren nichts : denn auch
so kommt es vor, z. B. Orat. 1 hi. q u em unice diligercm^ cuique
nie carissimum esse sentirem. Quique ohne vorhergehendes qni
endlich steht meistens so, dass es für ^?/;t"2/;/r/?/e genommen wer-
denkann, oder sich ihmder Begrilf ferner iniFortgange derlle-
de ansclüiesst. Zuletzt möchten wir selbst nicht schlechthin be-
Iiaiipten, dass in solchen Fällen C. das Relativ einfach wiederhole.
Ja wenn er es mehr als zweimal setzt: bei einfacher Wiederholung
giebt er ihm in der Regel eine Partikel-Begleitung, wie er liier wahr-
scheinlich eine asseverirende beigefügt haben würde. — S. 178
miLss in der Gradation vetit^ anquirat ac desideret^ das unnatür-
lich eingestellte oc, welches neben mehrern Handschriften 4 der
unsern nicht kennen, entfernt werden. Dann muss auch unmittel-
bar darauf mit nicht wenigem tamen obsurdescimus umgestellt
werden, weil tarnen^ so dem quum (fürZ/ce/) nachgesetzt, in der
Kegel den ersten Platz im Folgesatze ( besonders Menn sogleich
314 Römische Lfttcratur.
das Verbum ihm folgt) mit Naclidruck behauptet, z. B. I Din-. ep.
2 etil quum Cato et Caninius Interessent , tarnen est perscripta
Senalus auctoritas. Hat dieses tarnen keinen IN achdruck, so lässt
es C. Jiäufig weg: II Olf. 14, 49; 15, 54. — Cap. 24 S. 181 hat
die Bedenkliclikeit des H. bei primmn ut — deinde ut um des-
willen das zweite tit nicht anzuerkennen, weil das Verbum fiir
beide Sätze gemeinsam, und dem zweiten Satze erst beigefügt sey,
unsrer Seits nichts was dem doppelten ut nachtlieilig seyn könnte.
Dass es wirklich so gesetzt wird, zeigt III Divv. ep. 5 primum
ut ipse tu., tuiqiie omnes^ deinde ut etiani reliqui scire pos~
s int. — Auf nächster Seite möchte in den Worten Cuius autem
aures veritati ita clausue sunt., ut ab amico vertun aiidire nequeut^
wegen der vielartigen Stellung, veritati mit Reclit der Glosse an-
heimfallen. Wer wollte es aucli mit Grunde hier vermissen'? —
S. 18S muss Atque illud absurdum , quod hi gebessert werden :
denn est haben neben anderen Handschr. beim H. auch 2 von uns
nicht, und so schreibt Cicero oben 14, 49 Q,uid enim tarn absur-
dti?n^ quam etc. ; III Off. 13, 56 Quid autem tarn absurdum. Hi
aber haben, statt des so matten ii^ auch unsre besten Codd. —
Cap. 25 S. 185 Cum autem omnium rerum simulatio est vitio-
s a ( — ) tian etc. Die falsclie Stellung der beiden vorletzten W orte
rauss jedem mit Ciceros Wortstellung Vertrautern augenblicks ein-«
leuchten, auch haben Eyb und 2 unsrer Codd. richtig vitiosaest;
denn der Sinn fordert die Asseveration. — S. 187 fällt uns quod
amici genus nicht auf, und wir halten das eingeklammerte amici
für acht, das auf den einzelnen Gnatlio Bezug nimmt. Aniicorum
und amicitiae hätte den Sinn anders modificirt. Dass aber andre
Handschr. so haben, kam daher, weil amici den Absclu-eibern, gleich
den Interpreten, auffiel : quod genus aber würde, ohne dasselbe, hier
zu vag gesetzt seyn. — S. 189 ist richtig in den Worten Quanta
illa — fuit gravitas^ quanta in oratione majestas., illa beibehal-
ten, nur bedarf es bessrer Sclmtzgründe. Es steht für Uli tum.,
weil es sich auf den besondern Fall bezieht. Hier wird nämlich
das würdevolle Benehmen des Scipio mit Carbos niedrer Volks-
Schmeiclielei bei des letztern Gesetzes- Vorschlage contrastirt. —
— Gleich vorher war auch nach richtigerer Interpunction Dissua-
simus fios : sed nihil de me ., de Scipione dicam libentius., zu
schreiben. — Gleich nachher sind in der Stelle ut facile du-
cem. P. Ä. , 7ion comitem., diceres die Worte non comitem^ aber
nicht glücklich, gestiichen. Denn es liebt C. den Gegensatz
von duj; und comes., wenn letztres socium sortis alicuius atque
conditionis bezeichnet: so oben 11, 37; so Marceil. 4, 11, wel-
che Stelle der H. selbst anführt. Man füge bei VI Divv. ep. 6
Commemorarem non solum veterum., sed horum etiam recentio-
rum vel du cum vel co?iiitum tuorum gravissimos casus;
ibid. X ep. 3 Omnia summa es consecutus virtute duce., com i-
tefortuna; VII Phil. 8 Itaque quod erat optabile ante, ut P.R.
Ciceroniä Lsclius. Ed. Gcrnhard. 315
CO mit ein habcreiniis^ minc habcmus ducem. Auch ist ilerBe-
s,v\\\ (los cojiies in der zu schützcndcu Stelle nicht schwer zu ent-
\uckeln, !S0 Aveuia: sie Graevius hejjreil'en Avollte, uud Schlitz sie
liiisch beiirifi': cumes heisst hier Scipio, weil er in keiner Mai^i-
strats-AMirde, wo er dtix P. R. gewesen seyn wiirde, sondern als
blosser Privatmann, ipse de poptdo ho/no^ diese That vollbrachte.
Man iibersetze: So dos s mon ihn leicht für den Volks-
führ er (^co/isttl)^ nicht für dessen Mitge7iossen {civis
prirotfis) hätte halten kö?i?ien. Viceres denke man sich mit
cpcdijg conlbrni. — Cap. 2(1 S. 1$)0 qiunnvis blanda — valeat^ — :
lunien etc. In dieser Stelle liaben auch unsre Ilandschr. alle,
nebst Eyb, quamqnmn redet: doch man lasse sich nicht irren,
qnamcis mit dem Positiv des Adjectivs steht für quamqiiam vel
niaxime^ und iibersetze: Ob schon eine solclie eitlelluhm-
rederei, wie diese, ganz besonders schmeichelnd
a u i" die einwirkt, — so müssen g 1 e i c h w o h 1 a u c h u.
s. w. \I Phil. 9 qiiamvis inteiitus aninms tuus sit — .• ta-
rnen rerum natura cogit etc. — S. 198 Quod 7ie accidat. Das 7it
Aor ne musste berücksichtigt werden, welches neben 4 Handschr.
des H. auch 3 von uns festhalten, und das sicher den Abschrei-
bern nicht gehört, die es vielmehr nach Quod herauswerfen, wie
z. U. 1 Div. 25, 52 Qiiod ut est dictum^ wo es in den meisten
Codd. fehlt. Hierzu kommt, dass es Unkunde auch zu ne häufig
ausfallen Hess. Uebrigens liegt eine Art Sinnes-Steigerung im Ge-
brauche des ne^ titne und ut — we, die wir durch dass nicht,
dass nicht etwa, dass nicht selbst, ausgedrückt wissen
mochten. — Noch rügen wir eine zu Cap. 21 S. 203 aus falscher In-
terpunction entstandene Correctur, 7^/Ä//aMf/«r/ ea^- ipso^ quodnol-
lem. ^lan schrtiihe 71 ihil audivi es eo^ ipse quod nolle/n^ das
Komma vor, niclit nach ipse gesetzt, wie z. B. II Legg. 7, 16 hoc
eniin prii7iuni iiiinuit co7is7dare ius^ quod exstitit ^ ipse qui eo
non te7ieretur.
Hiermit liätten wir das Wiclitigste von dem, w as wir erinnern
zu müssen glaubten, bei Weglassung des, was tiefres Eingehen
fordert, berücksiclitigt : sollte, auch selbst bei dieser Oberfläche,
sich dennoch manche Bemerkung, als dem Sprachgeiste näher
führend, erproben, so wäre unser Zweck erreicht. Denn wir lial-
ten es für ein sehr nnglückUches Geschäft zu tadeln, wenn der
Tadel nicht bessre Residtate hervorgehen heisst: zumal da, wo
zugleich eine Menge Stoff zum Lobe sich findet. Wir dürfen
nämlich nicht vergessen , dass neben dem Erinnerten eine Menge
Stellen richtig verbessert, eine bedeutende Anzahl guter Sprach-
bemerkungen beigefügt sind, die, wenn sie auch zum grossen
Theil für noch nicht abgeschlossen zu achten sind, dennoch ihren
W erth behalten, und Aielleicht die Untersuchungs Scheu unsrer an-
gehenden Philologen besiegen können , welche nur zu leicht über
Dinge absprechen, die sie nicht durchblickten. Itcferent sieht eine
316 RumlscIieLitteratur.
Menge von ihm aufgezeichneter Sprachhemeikungen, Ton iiberall
her gesammelt, >or sich, die die Probe nicht liallen; jede Messe
melirt diese, olnie dass die KritiJi sie auf die siclitendc Wiirfel
uiramt. Hat der Nähme des, der sie bot, genug Anselien gewon-
nen, so laufen sie als baare Münze Decennien durcli, ehe sie ähn-
liclien, nur schehibarern , Platz machen. Nichts als durchaus
wahre, scharfbegränzte luid abgeschlossne S|)rachbemerkinigeu
liefern zu woUeji , ist keine Sache des Geschäftslebens. Genug
wenn sie echten Kern enthalten: die Schale, in welcher die Aus-
nahmen luul ihre strengere Bestimmmig liegen , wird diesen die
Folgezeit anbilden. Aber dipser Kern darf ihnen nirgends fehlen,
wenn sie nicht unseelige Ausgeburten gemissbrauchter Abstractioa
seyn sollen : aucli müssen sie aus dem Sprachgeiste hervorgegan-
gen seyn, und sich nieht gegen diesen auflehnen wollen. Dieser
aber liegt nicht in dem allgemeinen Gebiete philosophischer Ab-
straction, sondern schliesst sich in viel engre Grenzen; umfasst
nicht einmal das bei einer todten Sprache, was sich aus ihrer Na-
tur mit Consequenz ableiten lässt, sondern ist zugleich an einen
strengen Zwingherrn, den aus den besten Schreibmustern ächter
Zeit vorsichtig geschöpften Sprachgebrauch, gebunden, penes
quem arbitrium est et ius et norma loquendi. Wir liaben, auf je-
nen Abweg verirrt, ebenfalls Sünden auf unserm Gewissen, wor-
unter besonders das usu evenire gehört, und sind nie lebhafter
von unserm Irrthnme überzeugt worden, als da wir ihn neuerdings
eigens in Schutz genommen sahen. Doch dahin rechne man nicht
uusre Behauptung das futurum exactum betrettend , welche wir
zur passenden Zeit zu vindiciren wissen werden.
Diese Betrachtungen erwuchsen luis bei Beurtheilung ange-
zeigter Ausgabe, welcher es übrigens auch an den äussern Vorzü-
gen des guten Papiers und Drucks nicht fehlt. Zwar sind in den
Corrigendis p. 274 folgg. ausser den gelegentlich bemerkten noch
einige nicht unbedeutende Fehler zu rügen, wie pag. 5 not. b. 1.
23, wo für Tusc. Qiiaest.^ pro Cluent. zu setzen, (Wir vermuthen
indess, dass hier Einiges ausgefallen ist. Vielleicht wurde noch
auf Tusc. I, 11 in. Iiingewiesen , wo nach feie von den Abschrei-
bern omnium eingeschoben wird.) p. 138 1. 1, wo Q,7iid ? statt ohne
Fragzeichen, p. 191 1.8, wovideri statt videre zu lesen ist,u. s. w. :
indem übrigen Drucke jedoch herrscht Sorgfalt; wenn wir anders
nicht die dem Texte oft zu weit nachziehenden Noten tadeln wol-
len. Indess wir wissen aus eigner Erfahrung, dass, bei aller ge-
nommenen Rücksiclit, dieses Uebel, bei gleichmässig auf der Dop-
pelseite fortlaufenden Texte , am entfernten Druckorte kaum zu
vermeiden ist. Der Ausgabe sind, wie bei den frühern Bänden,
die Lesarten der Oxforder Ausgabe, und hinter diesen 2Excurse
beigegeben, deren erster De fortnula ae quius fiierat et hidc
simüibus zu c. 4, 15 handelt, während der andre in drittmaliger
üeberarbeitung deformula nescio an vel haud scio anzM
CIc. orat. pro Planclo. — pro Mllone. Ed. Orplliiis. 31 7
cap. (>, 20 mit aller l^msicht seinen Gejrenstaiul zu umfassen sucht.
Da wir im (jJaiizen vollkommen üliereinstimmen, iiiul im l'linzelneii
nur durch >erschiedne Ansichten abweichen, so bleibt uns nichts
übriir, als diese, wie die Ausgabe selbst zu sorglicher Eenutzung
den Lesern zu empl'ehlen.
Gocrenz.
M. T. Cicer Ollis Oratio pro Cn. Plancio ex optlmonim
coilicum fiil«' fmeiidata. Ciun iiitejrro coninu'iitario Gasp. Gara-
tonii !«tltMtit.quc scholiastae Aiiibrosiani rcliquoruiiKiuc iiitcriirctum
adiiotatioiiibus, qiiibiis .-^iias addiilit Jo. Canp. Otilliiis prol. Tiir. LI-
psiae ap. Ger. Flci?«lieruiii. 1825. WI u. 324 S. gv. 8. 2 Tlilr.
[Vergl. Schulzeit. 1825 Lit. Bl. .\r.-l8; Beck's Uepert. 182ß,I,l S. 45.]
M. T. Ciceronis Oratio pro T. Annio Milone redinte-
grata et ad optiniorum codiruiu fidem eniendata. Cum iiitegro cora-
nientario Gasp. Gaiatoiiii selt-ctisque Ferratü , Peyronü et alioriim
adiu)tati()nilnis , quihiis suas addidit io. Casp. OrclUus prof. Turic.
Lipsiae ap. Ger. Flei;>eheriira. 1826. VI u. 340 S. (Davon S. 1 — 33
PejTon de lacunis erat, pro Milone.) gr. 8. 2 Thir.
[Vergl. Beck's Uepert. 1826, 1,5 S. 357 f.; Jen. Lit. Zeit. 1826 Nr. 34.]
T T ie Ref. das Urtheil über diese zwei Ausgaben Ciceronischer Re-
den von Garatoni übertragen wurde, Avar es ihm, als Ic^e man
die Todtenfeier eines in seinem Facho ausgezeichneten Mamies
pdichtgemäss ihm ans Ilerz. Reachlet man die Schwierigkeiten,
mit welchen ein Garatoni heim Studium des Cicero zu seiner
Zeit zu kämpfen halte, sieht man auf die vereitelten Mühen, die
dasselbe fast ein halbes Jahrhundert durch hemmten, berechnet
man die Pläne, welche ihm wiederholt scheiterten, imd sieht doch
gleichwohl den jMann rüstig sein Ziel und unverdrossen verfolgen:
so kann es nicht fehlen , dass dies ihm die allgemeine Achtung
gewinnen muss, die Leistungen selbst unberechnet, die durch das-
selbe sich kimilgaben. Wer wird aber nicht dankl)ar Garatoni's
Verdienste, namentlich um Cicero's Reden, eingestehn, sobald
er sich mit dem Werthc derselben nur etwas näher bekannt ge-
macht hat? Sey es auch, dass seine ersten Arbeiten minderen Ge-
lialtes sind. iMag selbst eine Ausgabe ctirn notis vurioruin ^ wie
die seinige, welche den ganzen Cicero umfassen sollte, immer et-
was Liibeliüllliches bleiben, wofern die Anmerkungen der frühern
Commentatoren nicht abgesondert gegeben w erden, was G a r a t o n i
nicht that; ja selbst das Lrilieil des Herausgebers, wie des Le-
sers, sich dabei zu sehr zerstreuen; überdem der Mittelweg zwi-
schen dem Zu\iel und zu Wenig in der Auswahl des Frühern bei
Garatoni's E\cerpten nicht genau l»efolgt seyn: so wurden
doch Avenigstens Cicero's Reden mit einer Menge iur Sprachge-
Jakrb. d. l'inl. u. I'aäag. Jahrg. I. //t/f 2. 21
S18 Rümieclie Litteratur.
brauch, für Geschichte, für Alterthümer, für Kritik wichtiger Be-
merkungen ausgestattet. Kurz der Werth seiner Leistungen er-
hob ilin ein Bedeutendes über alles Aehnliche, das die Literatur
jener Periode von seinen Italischen Zeitgenossen aufweist. INoch
tadelt man an ilim zu auslaufende Wortfülle bei seinen Untersu-
cliungen, und das, trotz aller dabei verwandten Gelclirsamkeit,
Mohl nicht mit Unrecht: ein jedoch für Hin, bei so sichtbarem Stre-
ben möglichst genauer EntM icklung des zu Prüfenden , sehr ver-
zeihlicher Fehler , in welclien nur zu leicht der verfällt, der mit
dem Zwecke griindlicher Deutlichkeit zugleich den eleganter
Schreibart verbindet. Steht nicht hier mit Garatoni auch der
sonst so gediegne Wyttenbach unter andern Yergleichungs-
Puncten zu gleicher Verantwortung*? Uebrigens bleibt Garato-
ni's Verdienst wohl bei historischen und antiquarischen Ausmit-
telungen am anerkanntesten , und es ist liierbei nur zu bedauern,
dass ihn nicht ein noch sorglicheres Studium, wie der Antique über-
haupt, so besonders der alten Münzkunde unterstützte. Nächst-
dem sind seine Sprachforschungen gründlich und fast immer aus
eigner Beobachtung und Prüfung hervorgehend, auch gewohnlich
mit der so nöthigen Rulie und Umsicht begleitet. Sein kritisches
Urtheil verräth zwar nicht das Blitzartige des Genies, sondern lie-
fert mehr Residtate sorglicher Intuition : daher fallen auch die Feh-
ler des Zuviel meist auf letztre Seite. Eben darum fordern ge-
wöhnlich seine Vermuthungen handschriftlichen Anlass , und sind
selten auf freiem Wege mit Glück begleitet: dennocli finden sich
auch hier rühmliche Ausnahmen. Das Mittel durcli CombinatioH
da zu helfen, wo die Handschriften durch verschiedne Lesarten
auseinander treten, welches so oft zu glücklichen Resultaten führt,
versuclit er selten. Hätte sein feinfühlender kritischer Scharfsinn
die Richtung dahin genommen, er würde bei seinem Ausdauern im
Forschen, bei so viel Vor- und Umsicht manchen glücklichen Fund
mehr auf seiner Rechnung sehn. Ref. hat hier besonders die Phi-
lippischen Reden im Sinn ; bei welchen auch noch das minder ge-
naue Studium der Vaticanischen von Garatoni neu verglichnen
Handschrift von Seiten ihres durchgreifenden Werthes und ihrer
Fehler (so sehr jener Werth auch im Allgemeinen von ihm aner-
kannt war) seinen kritischen Erfolgen nicht wenig Eintrag that.
Garatoni's vollendetestes Werk ist seine zweimal neu überar-
beitete Ausgabe der Rede pro Plancio : in ihr spiegelt sich sein
Werth, wie (wenn wir streng urtheilen wollen) sehie Schwächen,
hell ab ; sie lässt sich eigentlich als Probirstein für unsre BeJiaup-
tungen ansehn. Erfreulich ist es bei ihr zu bemerken, wie viel der
Verfasser in der Zwischenzeit an Schärfe und Sicherheit des Ur-
theils gewann; wie oft er daher seine frühei-n Entscheidungen
gänzlich reformirt. Garatoni's letzte Arbeit endlich , die Re-
de für den Milo^ steht scheinbar tiefer im Hintergrunde, als
sie verdient, da seitdem, besonders durch Peyron, so viel neue
Cic. orat. pro Pliinclo. — pro Milonc. Ed. Orelllug. 319
Ilnlfsniittcl, soirar Textes -Erpinziiniron den kritischen Appara!;
verstärkten, und Garat bei ihr minder Anlass zu frescliichtli-
clien und altertliümlicheii lJntersncluin':;en nahm: enthält dennoch
aber manche irut durchiretVihrteSach- wie Spraclibemerkung, maii-
clie irlückliclie Tevtberiehtiiinnij,
31 it diesem ^orausirehenden, wie Mir lioffen, eben so billigen
als irerechten LVtheile über diesen IVir sein Fach allj^cmein verdien-
ten Mann glaubt Ref. sicli das Recht erworben zu liabcn , seine
Aufmerksamkeit meJir auf die Leistungen Hrn. Orelli'!*, als neu-
sten Herausgebers, zu concentriren: besonders da in ihm, aufs»
gli'icklich gewähltem Wege, bei so guten und niclit durch gewöhn-
liche Büttel erworbnen Vorkenntnissei), bei dieser zeither eut«ik-
kelten Energie, für l'hilologie und Kritik ein Mann er\>ächst, yon.
•welchem sicli die Folgezeit immer wichtigere und reifere Leistun-
gen siciier versprechen darf. Die Absiclit, Avelclie Ilr. Orelli
bei der Ausgabe der Rede für Plancius Jiattc, angehenden Philo-
logen und Kritikern ein Werk in die Hände zu geben, aus dem
diese die Anfangsgründe der Kritik uiul die riclitige Renutzung Rö-
mischer Alterthumskunde für Interpretation an einem ausgezeichne-
ten Cluster Studiren könnten, ist gewiss keine verfehlte: denn,
leider, liefert unsre Literatur noch wenig solcher iMuster. Wei-
sen wir gleich für die ersten Versuche unsre Jünglinge lieber auf
die Ausgabe der Officiu Cicero s durch die Heu sing er an, um
sie gleich Anfangs nicht zu obruiren , und durch zu frühe Metho-
dik zu verleiten; dem freiem llrtheile auch freieres Spiel zu las-
sen: so fehlte eszeither doch wirklic^li an einem Muster, bei wel-
chem sich der AVeg ruhiger, eindringender Untersuchung, gleich-
sam das Graljen nacli festem Grunde, so sichtbar machte, als bei
Garatoui's Lessingartiger Prüfung. Diese weiss Hr. Orelli
auch überall günstig hervorzuheben und zu unterstützen, indem
er bald auf sie liinweist, bald sie vom verfehlten W^ege zurückruft,
bald ihr das Richtigere mit edler Achtung zur Seite stellt; und
sich also von dem Fehler unsrer jungen Reformers, die Verstösse
ihrer Vorgänger hohnneckend zu rügen, völlig frei hält. Fs fiel
daher auch von dieser Seite diese Ausgabe in würdige Hände.
Die Einrichtung derAusgalie selbst i- 1 nicht weniger empfeh-
lungswerth. Der S c h ü t z i s c h e Text liegt ihr zum Grunde (wie
von Schütz auch die lidialtsanzeige der Rede entlehnt ist), die
Abweichungen sind unter dem Texte, ISt) an der Zahl, sorglich
notirt, und dabei andre werthlialtige Lesarten durch verschiedne
Schrift mit eignen, ilireu AN erth mar((uirenden, aus Griesbachs
Ausgabe des neuen 'l'estaments entlehnten Zeichen angegeben.
Neuekritiscbe llülfsmittel kamen zwar, ausser der Ju ntinischen
Ausgabe, welclie mehrere gute licsarten lieferte, nicht hinzu; doch
gehaltvolle Ijenierkiingen von l^lrich wurden neben iWi\ andern
Interpreten benutzt. In den Anmerkungen unter dem Texte sind
die 3 verschieduen Bearbeitungen Garatoui's scharf geschie-
21*
820 ßumlsclie LUtcratur.
ilen, "svelclieii dann tlcr II. II. seine eignen tlieils bestätigenden,
llieils bericlitigenden Bemerkungen anlugt, seltner ganz eigne ein-
legt. Hinter dem Texte folgen 22 Excurse von Garatoni, die
sich aui' einzelne Stellen der Rede bezielin, xuiter denen sicli eine
Diatribe de C. Ma?ii 31 o/iu7nento hiiR\idet. (Bei dieser
bemerkt Ref., dass die von Sclineider zum Vitriiv^ von Gara-
toni liier, und von Sachse in der Geschieht e Monis aufge-
stellte Meinung, dass der Tempel des Ho/tos und der J irtus auf
demselben Platze zu suchen sei, avo vordem der Doppel -Tempel
des Marcellus stand, eine völlige genaure Revision verdiene.) Der
23ste Evcurs bezieht sich awiBulb. 22. Zuletzt fiigte der II. IL noch
in fortlaufender Zählung zwei andere von sich bei. De usu c r i-
tico S ch olias t ae Ambr o siani in reli quis Cic. ora-
tionibus ^ und Variae lectiones Orationis yr o Flac-
co es e ditione J untina.
Die den Text beliandelnden An- xuid Bemerkungen wollen
wir jetzt dui'cli einige Capitel mit den iinsrigen begleiten, im Falle,
dass unter, letztem einiges zu genam-er Revision und Berichtigung
Brauchbares sich finden sollte ; ohne in die im Allgemeinen schon
genug bezeichnete Beliandlnngs - Methode weiter einzugehn. So
verdient gleich auf erster Seite c. 1 p. i> bei audirem — essefmi-
toresdie Lesart der alten Ausgaben /ot/^?//cs in keiner Rlicksicht
weitere Beachtung, da nicht von der Zukunft, sondern von dem,
was eben statt hat, die Rede ist; aucli esse fautores für das ein-
fache favere gesetzt ist. Pag. 10 ist riclitig mit dem Erfurter
Qtod. cujus 71011 exstet in me summum meiitum^ nach Garato-
ni's Billigung, aufgenommen. Denn suum hätte Cic. entweder
vor //e me ^ oder wenigstens nacli merituni gestellt, wie II Orat.
51 nihil omnino fecisse causa sua. Doch liess sich noch fragen,
ob nicht etwa die doppelte Lesart zu verehiigen Aväre, summiwi
suuin ineritum: Avahrscheinlich liättc aber dann Cic. summum
suum in me meritum umgestellt. Suum und sum^num findet sich
indess nicht selten verwechselt, z. B. I Tusc. 45, 109. Zu Ende der
Seite wurde mit Garatoni qui me ipsi maxime salvum videre
voluerunl geschrieben. Allein die \ulgate ipsum ist wohl we-
gen des Gegensatzes apud eos vorzuziehn, z'/js? dagegen kaum
zu deuten. Wegen der Stellung des maxime^ das zu voluerutd
gehört, inid vor salvum etwas auffallend einspringt, wäre iiber-
dies vielleicht Frage nöthig. Des blossen Nachdrucks lialber stän-
de es eher, Avie oft, am ScJiIusse des Satzes. Vielleicht sollte es
durcli seine Einstellung zw isclien ipsum salvum das Monotone ent-
fernen. Man übersetze , die mich gerade am liebsten ge-
b o r g e n s e h n w 0 1 1 1 e n. Es w ird nur zu oft mit dem Nomina-
tiv des ipse Missbrauch getrieben. S. 11 scheint mit der Aufnah-
me der Lesart der Erf. Ilandsclir. studiosissiimün et dignitatis et
salutis meae der Stelle noch nicht Genüge geschehnzu seyn. Nach
den Handschriften, w elcJic statt dignitatis , diligcntissimum bie-
CIc. orat. pro Planclo. — pro Milone. Ed. Orcllius. 321
tcn, sollte man g^laiil)cn, dass beide Lesarten zu vereinisfen Maren,
und dass s//nliot</ssiiii//m et dili^ciilisshniiin (li^iiilatis et salnlis
lucoc i^elcsen uerden müsse; so dass durch die Abkürzung dT^iis
das eine Wort ausgeiallcn. Hierzu kommt, dass Cic. irern slu-
diosnsmnl di/if[ens j)aart, vergl. 11 Acadd. 31, !)S; Xlll üiw. ep.
0 extr. ; XV 1 Att. cp. KJ (am VauIc des eingelegten Briefes au Plau-
ens) : gerade so wie er d/^/zifas inul salf/s gern verbindet. Auch
erhalt durch Einsatz des zweiten Superlati\s die Stelle nun erst
ihre Rundung. Dilifieiitissinuis mit dem Cenit, ist bei Cic. auch
sonst gebraucht, Cael. Zi)omiiis ofjicii diligenlissiinus. — Hei Ge-
legenheit der Erwähnung einer Ilandschrirt des Arusianus Mes-
si//ff zuXeapel in Hrn. OreUi's Anmerkung zu dieser Stelle tritt
bei lief, das Andenken des trefflichen jMartyni Laguna leb-
haft vor die Seele. Dieser besass durch van Sauten ein Exem-
plar von diesem Grammatiker, welches weit vollständiger ist, als
alle zeitherigen, imd das, nacli dessen Versicherungen, allein 10
Iiistorisch wichtige noch imbekannte Stellen aus S(dlusts Geschich-
te enthält. Van Sa ntens Bearbeitung, verbunden mit der Marty-
ni's, ^erheisst Vorzügliches: auch hatte letztrer die Ueberar-
beitung in den letzten Jahren ernstlich wieder Aorgenommen. Mö-
ge diese so vielversprechende Arbeit, nebst andern, noch im Ma-
iiuscript ruhenden aou diesem Gusgczeichneten Manne, nicht dem
Zufalle Preis stehn! — S. 12 musste in jedem Falle consecutum
corrigirt werden : denn coiiseaitiinnn ist so unstatthaft, w ie oben
fauturos. Noch bemerken Avir in dieser Stelle die Construct. des
(^uainquam — .* Jiisi^ wo Ictztres für iino poti'us^ nisi steht; wie
in der von Garat. aus 3///. 2 untergelegten, bei deren Citatioii
fehlerhaft der Nachsatz mit nisi auslieh — Bei c. 2 p. 13 wun-
dern wir uns, dass in den Worten itt id SGiinictum sit bei der Les-
art vieler Handschriften dicttmi^ mit welchen auch eine von uns
verglichne stimmt, Garatoni nicht an das hier Avahrscheinlich
durch Abkürzung xcrdorhuc dii/(//cti/m dachte, welches Cicero so
gern setzt , mid das hier wohl als die ächte Lesart zu w ürdigen
seyn möchte. Zwar liess sich auch an dciunctum denken, das
liäufig mit diiiinctus in den Mspten vertauscht wird, vergl. 1 N.
D. Lj, Jrl, allein Kef. kann sich aou der wirklichen Existenz die-
ses \ erbums noch nicht völlig überzeugen, obgleich Martyni
lÜivv. cp.!) §(i7 Beued. wirklich so corrigirte, und La mi>iu frü-
her ein gleiches bei Horat. I ep. 14, 2H that. Die Slamrastelle
scheint Plaut. Asiu. 111, 3, 75z»iseyji, wo aber ^////^//jij-e besser steht.
G e s s u e r führt noch im 'I'hes. Tim. 5 a/i, aber hier haben des lief.
Ilandsdiriften diiuucta^ imdals \ ariante diminuta. Dass diiini^ere
imd diniun':^ere initerschieden werden müssen, leidet keinen Zweifel
mehr. In derscll)eii Stelle muss lief, zu (liiauKiuain — coiUiirbaty wo
andre Ilandschrirten mit der \ nigate coidu/bcL lesen, einen leb-
haft geführten Streit berühren, von welchem er grossentlu ils die
Lrsachc ist. Als er indess 111 Legg. 8 zu (jua/nquam — vidcalin\
822 Römische Litteratur.
was alle von ihm benutzten Handschriften sclmtzen, ^egen Spal-
ding zu Quintil. Oratt. Instt. I prooeui. p. 18 bemerkte, dass bei
Clc. nicht selten zu qiiamquam der Coiijunctiv c^esetzt werde, fiel
es ilim nicht ein, diesen von der Partikel abhäuirig machen zu wol-
len, so wenig wie, wenn er bei e/s« steht; ja selbst bei qiiia., quo-
niam^ wie oft der Fall ist. • Vielmehr war und ist er der le])endi-
^M\\ Ueberzeugung, dass dieser jedesmal von dem Contexte ab-
hängig , und nur in diesem seine Stiitze suchen darf. Die Sache
greift zu tief ein, um hier auf kurzem Wege Entscheidendes be-
merken zu können: ja oft sind die Fülle so schwierig, dass sie
beinahe allein vom Gefühle des Lesers abhängig werden. Für ge-
genwärtigen Fall möge sich der Leser mit der blossen üeberset-
zung der in Frage stehenden Stelle begnügen, und dann selbst
entscheiden, ob ihm der Conj. hier besser dünke, oder der von
G a r a t o n i und dem Hrn. IL vorgezogene Indicativ. „ I n d e s s
sollte mich das, Richter, sobald man wirklich an
mir selbst etwas nur in so weit aussetzte, dass es
ohne weitere Beziehung mit diesem hier stand, nicht
sonderlich beunruhigen: denn ich befürchte nicht,
dass um deswillen, weil sich so sehr selten dank-
bare Menschen finden, es mir z,ura Vorwurf gerei-
chen könne, wenn jene belianpten wollen, ich sei
zu sehr dankbai*. Die Stelle so gefasst ist der Conj. so un-
abhängig, wie er es mir sonst bei quoniam seyn kann. Aehnli-
cher Art ist die Stelle c. 3: Daher, ob ich schon nicht zu
d e r T h ü r e , durch die ich wollte, in die Sache ein-
gegangen seyn mag etc., so auch die c. 14 und 24. Gleicher
Beschaflenheit ebenfalls die aus de Legg., von welcher der Streit
ausging; deren Uebersetzung gleichfalls hier stehn mag. Doch
diese Art von Gesandtschaf ts - Erlaubniss hätte
ich, wie ich Consul war, ohngeachtet sie als zu den
Vorrechten des Senats gehörig a n g e s e h n werden
kann^ gleichwohl mit Billigung des gerade sehr
zahlreichen Senats abgeschafft, wenn nicht ein luf-
tiger Volkstribun damals Einspruch gethan hätte.
Diese Uebersetzungen , die absichtlich streng dem Original ange-
passt sind, setzen, kurz bemerkt, den Streitpunct dahin fest, dass
keine Frage davon seyn kann, ob der Conj. von quamqiiam abhän-
gig ; sondern dass ausgemittelt werde, wenn und m ie derselbe je-
desmal in solcher Verbindung stehn könne: ob er dann nur zulä-
ssig, wenn tarnen folgt, imd Avie man überhaupt, und ohne die
Ilandscliriften zu zälilen, sich bei der Beurtheilung zu nehmen ha-
be. Dies wird nur dann völlig klarwerden, wenn alle Stellen sorg-
lich gesammelt ( ausser denen von E 1 1 e n d t zu Brutus 30 p. 86
f. verehiten finden sich noch mehrere) und geprüft sind, llefer.
w ollte an jener Stelle durch seme Bemerkung nur aufmerksam ma-
chen ; er nahm daher die Stellen wie er sie fand. Mit dieser vor-
CIc. orat. pro Planclo. — pro Mllone. Etl. Orellius. S23
läufigen Bemerkuiiif glauben wir uusern Weg weiter verfolgen zu
können. — S. 14 gilt Garal. \ ermuthung, dass zu yuum respon-
dcru criminibus mit dem Krf. onuübus beizufiigen sey, aus dem
Grunde nicht, weil sieher der Schreiber dieses Codev durch die
Abkiirzung Aon cri/innibiis sieh zu diesem Omnibus verleiten Hess.
In den S. 15 tiefer folgenden AVorten Milnautemiiou /f/ (wie rich-
tig auch des lief. Cod. liest) est in hnc re niolestissinriinuco/itra
illuni dicere^ finden wir die letzten drei als sehr magres Glos-
sem, da sogleich die nächstfolgenden scd multo illinl niof^is^ qiiod
in ca causa conlradicendum est etc. sich so deutlich wie möglich
aussprechen. Hierzu konnnt, dass durch diesen Anhang /«oZes//ssi-
mum sein GeNvicht, welches seine Stellung fordert, ganz verliert,
f eberdies knüpfen die Wörter in hac re genugsam an das Yor-
hergegangne an: aucli ist der Zwischensatz, über den das Ange-
führte sich liinausbezieht, nur kurz, und dies schliesst sich beim
Sprechen (für welches es berechnet ist) weit enger und lebendi-
ger, als beim Lesen, zusammen. Kndlich stehn diese Worte selbst
so starr und ungefüg da, dass sie schon um deswillen dem Redner
nicht zuzugehören scheinen. Dagegen ist sicher c. S p. 18 die
riclitige Lesart aufgenommen. Quid? tu di^nitotis iudicem putas
esse populuniy olmgeachtet sonst Cic. Quid ais? tu zu schreiben
pflegt. Man vergl. xMilo 13 Quid'} tu me iralum^ Sexte ^ putas
tibi — '} S. 19 honus paritur kürzt des Ref. Codex jy?V" ab:
daher die >erschiediien Lesarten ^jrt//^?/y wwA parat jtr. S. 21 wird
zwar richtig gesclmeben, aber minder richtig interpungirt. Man
distinguire, i el quod eiiam minus est: tum enim etc., da Vel
quod (Ja w as) aufs Folgende geht, vgl. Tursell. p. 900. Ein andrer
Fall Märe ohne den Nachsatz tumenim^ wie XVIDivv. ep. 16 extr.
amo te omnibus equidem inaximis de causis , verum etiam pro-
pter hanc: rel quod^ nt debuisti^ nuntiasti. Ebendaselbst wünsch-
ten wir die Gründe der Lesart afuturus (wie c. 7 p. 4ö) angege-
ben, da Krn. an beiden Stellen abf. schreibt: denn hierbei muss
AMIikühr fern bleiben. Cap. 4 p. 25 verstehen wir IL Orelli
nichtgehörig, Sunt^ qui doceant^particulae sin anteire semper
debere alteram s i. ANir wenigstens sind fest überzeugt, dass dem
sin entweder stets ein si vorausgehn, oder dies doch im Vorher-
gehenden gedacht werden mu.ss. Der erstre Fall findet ja bei Sin
aulemmavis statt, dem in den p. 22 vorhergeheiiden AVorten J)e-
nique si iudicata si Aorausgeht: so wie sich auch in der aus Cap.
(i citirten Stelle sin auf das vorausgehende Nam si bezieht. Zu
letztem! Falle rechnet sich die aus Caesar 1 B. G. 32 angeführte
Stelle, Pro quibus rebus oral atque postulat^ rem publiram sus~
cipiant ^ atque una secum administrent. sin timore defu^iant
etc. Denn zu suscipiant lässl sich si velint denken, da sin timo-
re defufi;ianl das si nolint timore praepcditi enthält, ('ap. 5 p.
20 raaclit in den Worten Venio iam ad ipsius populi partes die
Doppel-Lesart ium und nujic beide Partikeln streicheusw erth, da mit
324 Römische Litte ratur.
diesem Verbum Cic. ancli oline Partikel häufig übergelit, Sext. 54
Feniamns ad ludos ; Y Pliil. Iß Veido ad Caesarem. Zwar fin-
det/am Stütze in c. 24 Scd venia iayii ad L. Cassium; allein Avir
kennen sonst keine einzige Stelle, avo nach diesem Veiiio ^ iam
sich fand: desto häufiger aber w?//?c. Eben so wird zu 8ed venio
anderwärts keine Partikel gesetzt, cf. Cato. Maj. 10; \ Fin. 30.
Ein andrer Fall ist unten c. 15 Sed aliquando veniaimis ad cau-
sam. Gleich darauf p. 27 ist moIiI die bessre, auch von imserni
Cod. anerkannte Wortstellung una loqui voce possit., haecdicat;
denn es ist so dasselbe, als Avenn Cic. sonst lieber schreibt una
omnium voce., lIDivv. ep.5. UebcrdemAvundert uns, dassGarat.
hier auf die oITenbare ]\achahmung Plato's, ähnlich der I Catil.
7, nicJit aufmerksam machte ; denn nur unter a erschiedncn Nahmen
wird hier das Volk, dort das Vaterland, und im Crito das holvov
rijS Ttokeag sprechend eingefiihrt; ja es war selbst Pfliclit auf die
fast gleiche Farbengebung dabei aufmerksam zu machen, durch Avel-
che diese Nachahmung absichtlich Avird , und sich sprechend her-
vorhebt. S. 28 musste nach siipplicari a\\\ Yollpunkt stehn: die
Wortstellung erliält dadurch erst ihren Werth. Dicet lautet durch
sich selbst lieriiber. Was übrigens die ganze des Catulus Consu-
lat betreflfende Stelle, die folgt, anlangt, so fegt auch G ara to-
ll i das Spinngewebe der von Ferrati aufgestellten Gründe nicht
rein. Man halte die beiden Endpuncte fest, dass Catulus 645
praetor und C52 constil war. Dabei bemerke man, dass Serranus
C48, Mallius (>49, Fimbria 650 Consiiln Avaren. Catulus über-
schlug also ein Jahr in seiner BeAverbung. Die S. 31 gleich dar-
auf folgende Stelle liest Ref. so: Desiderarunt te ., inquit., oculi
mei., quiim tu esses Cyrenis: nie eniin., quam socios^ tua frai
virtute malebam. Et cur., quo plus intererat ., eo plus aberas
a ine? certe te non videbam. Die bessre Interpunction ist ein-
leuchtend, und durch die eingestellte Frage fällt alle Lückenspur
weg. Nach certe konnte leicht te herausfallen. So bildet sich am
Ende der Stelle eine Art gefälligen Gedanken-Ritornells mit dem
Anfange derselben. Man übersetze : E s v e r m 1 s s t e d i c h m e i ii
Auge zu der Zeit: Avie du zu Cyr ene Avarst: ich nehm-
lich Avollte selbst lieber dieFrüchte deines Werthcs
geniessen, als dass es die Bundesgenossen sollten.
Und Av i e kam es, dass du, je mehr mir daran lag, de-
sto entfernter von mir Avarst'? So viel ist geAviss,
ich sah dich nicht. — Wenige Worte daraufscheint, Avie
vorher te nach certe , so in den Worten quae istam eloquentiam
et virtuteni requirebant nach istam., tu am ausgefallen zu seyn.
Istam steht sonst offenbar hier zu vag, so elliptisch scharf auch
sonst dieses Pronomen gesetzt zu Avcrden pflegt. Beide Pronn. Aver-
den nicht selten in den Handschriften vermisst. So setzte rich-
tig Mar tyni II Divv. cp.VSte nach dubltare ein: so kam, gleich
riclitig, 11 Pldl. 44 nach caritale durch den Vat. te lünzu. Tua
CIc. orat. pro Planclo. — pro Milonc. Ed. Orellluä. 325
aber sollte wolil Muren. IS, 37 nicht fehlen: denn ni den Worte»
ihine res in praetnra ilcsidcratae snitt^ quac ambac in considatit
Mnrenac profticnint ist kaum zu lieirreiren, >\ie es die Herausge-
ber, bei diesem scharfen Geirensatze , nacli praetnra nicht ver-
missten. Am Ende »es Cap. S. I>4 nmss z\i reddani., si demio ani-
bieris ijedacht werden, sed daijeiren den ISachsatz fuhren, und
nicht durcli den \ollpiiiict getrennt seyn: aber lerne erst,
r a t h e ich, um die gewichtigsten E li r e n ä in t c r , d e i-
n e m W e r t h e gemäss (i. c. prima statini ambilione) , z n er-
langen, mir ein wenig sorgfältiger den Hof zu ma-
clien. S. 37 und folg. sind richtig nach Vorgang Garat. und
durch noch schärfere IJeurtheilimg des II. die A\ orte snppUcatio
■magistrahiuni und suß'ra-iiorum als nichtige Glosscme geklammert:
ilocli rausste auch \oy Jlic Jamilia consulari voll interpungirt wer-
den. Bei Cap. 0 p. 41 musste unstreitig cnr iii^ id in iudicio iit
fiat^ expriniis^ qiiod nonjitin campo? statt cur tu id in iudicio^
[utßat,] espr. unterschieden Merden. Diese Strnctur des nach-
gesetzten tä kelirt oft wieder, z.B. 11 OfF. 23 extr. eani tutit ha-
beus. So werden die Klammern bei tit fiat unuötliig, was iiber-
dies der ('ontext für den Gegensatz fordert. Gleich daraufist S.
42 nach dignior wohl das Fragzeichen gemässer, als das Colon,
M ie es sofort die Uebersetzung der lebendigen Stelle lehrt. Ist
dieser oder jener der Würdigere (6 a^twrg^og) ? Das
lässt sich sehr schwer behaupten. Wie ists nun der
Billigkeit gemässer*? Ich glaube so, wie es eben
verhandelt wird {quod fiir qnoad) : damit n e h m 1 i c h (das
zweite quod steht für iiani hoc) begnügt sich der Ri chter:
der, und kein Andrer, ist es geworden. Warum der
gerade, und nicht ich*? Theils weiss ich das nicht,
theils sag' ichs nicht, theils endlich würde mir es
ß e h r s 0 h w e r a n k o m ra e n, w e n n i c h s a g e n w o 1 1 1 e, d e n-
noch gleichwohl auch nicht ungestraft sagen dürf-
te, es sey nicht mit Recht geschehn. S. 45 ist völlig
richtig vestn/m aufgenommen, das durch die Abkürzung z/zv«, die
auch des Ref. Codex liat, mit res//-«;« a erwechselt wurde. Eben
dieser Codex bestätigt auch das kurz darauf als acht anerkannte
deducere; sondern, wvun Q>i für ad ducere stellt^ 3Iencken in
seinen Obss. Lat. Ling. h. v. die Stellen gesammelt hat. Die schö-
ne Stelle S. 45 — 47, in welcher das Bild des Wettlanfs das liin-
gen nach Stimmenmehrheit der Staatsamts-Bewerber versinnlicht,
hat II. Orelli richtig gefasst; doch nicht scharf genug, um auch
das richtigere denioiil beim Ph-furter Cod. anzuerkennen. Dieses
ist synonym mit dem folgcnd(Mi dep7ilsnm^ und es muss c?irsu^c-
dacht werden, um die \ orstellung des>N ettlaufs im Gedränge fesl-
ziihal'en. Eben so. doch in anderm Ucznge, sind die beiden Ver-
ba \erbunden Caecin. 17, 4{) dcniorcri eni/n et depelti de loco
uecease est euin^ qui dciiciiur. Mit gleicher Aehulichkeit ver-
326 Rumische Litteratur.
bindet Cic. auch sonst das folgende incumbere mhtmpellere Inder
Trope, cf. II Orat. 79^ 324 tantiim imiielli yrimo iudicem levi-
ter^ iit iam indimüo reliqua inciimbat oratio. Am Ende des
Cap. S. 4{) musste wohl nach non dubito bloss ein Colon, statt des
vollen Puncts , und darauf, da si — ament \wx Zwischensatz ist,
vor num ein einfaches Comma stelin. S. 55 sind die Worte to~
ta denique nostrailla aspera et montuosa — regio für H
Legfg. 1, 3 wohl zu merken, -svo sich die Stelle nihil euim his in
locis nisi saxa et montes cogitabam; idque iit fucereni et
or ationibus iiiducebar ttiis^ et versibus wörtlich darauf be-
zieht. Es reuet Ref. dort diese Stelle übersehen zu haben ; er
hätte ausserdem dem treffliciien Wyttenbach die sonderbare
^eYmnÜwmg iiarrationibus^ statt orationibus ., und Mosern die
unzweckinässige Erklärsmg dieses Wortes selbst erspart. Cap. 8
ebend. tot e reliqiiis rmmicipiis omnibus non sunt. Die guten Ilajul-
schriften haben statt e, ex, und wirklich liegt auf reliquis^ nicht
auf der Präp., der Nachdruck, llelerent darf aber auf ^ielfiiche
Beobachtung sich berufen, dass dann zum Consonantcn beim äch-
ten Lateiner nicht e stehn darf, wenn das Gewicht ausser der
Präp. liegt. Allein so würde in 3 Zeilen ohne Noth ex dreimal
wiederkehren. Daher verdient die dritte Lesart a um so mehr Be-
achtung, weil dann die übrigen der Glosse angehören wiirden; denn
ß, in der Bedeutung von Seiten, wird von den Abschreibern
vielfach in Anspruch genommen. Uebersetzt man nun, so viel
giebt es ihrer von Seiten der übrigen Muni cipien (be-
vorrechteten Städte) zusammengenommen nicht: dann
wird es glaubbar, dass hier Cicero die Präposition absichtlich än-
derte. Dies wird nocli w ahrscheinlicher, ja selbst zur Gewisslieit,
aus Gap. 9 p. 59 lisdeni nunc a municipüs adsunt eqidtes Roma-
ni publice ; mo eben ^o e und ex schwankt. Bei Seite 50 müssen
wir etwas länger verweilen, und zwar bei den Worten numquuni
intellexi vehementius [?iumicipuiii] siionim honore lactari. Dass
municipum als imächt eingeklammert ist, geschah allerdings mit
Recht ; allein damit Aviederiühr der Stelle ihr Recht noch nicht.
Suormn stand hier wegen seines gewöhnlich zu specifeUen Ge-
brauchs wahrsclieinlich nicht richtig allein. Unter den drei be-
rücksichtigungswerthern Lesarten kominu/n., hospitiiin., viunici-
pufn^ ist sicher die erste die ächte. Es ist nehmlich Cicero's Wei-
se zu den Pronomen und Adjectiven ho?no zu setzen, um gleich so
den allgemeinen Begriff zu bezeichnen, daher so oft nostri homi-
nes., Romunus ho/no., homo iuuenis^ adolescens etc. Allein müssle
es nicht auch hier nostroriim hominuni heissen, nach Ilinw eisung
der Baierschen Handschr. , w eiche nostroruni nuuncipuin beut 'i
Dainiber kam vielleicht der scharfsiimige G ar a t o ni mit sich nicht
aufs Reine, da er in der zweiten Ausgabe weit unentsclilossner
als in der ersten sich ausspricht. Eigentlich schreibt allerdings
der Lateiner gewöhnlich nostri hotnines, cf. I Orat. 4; 6 j 11 ; 13;
Cic, orat. pro rianclo. — pro Milonc. Ed. Orclllus. 327
v'cil er in der Kecfd das Pronomen dabei niarqnirt: doch ist das
selbst nicht iiotliwendiiT, ^erirl. l Orat. 44:, l!)7 de quo nmlla so-
Ico in scnnotiibiis quutiduiuis d/cere^ qunni ho/nhium uoslro-
nun prude/itiani^ ceteris oiniiibus^ et viaxime Graeci's, anlepo-
no. Oelter stellt so honw Ronumus^ 1 N. 1). S3, 1)2; Cato Maj.
4, 12 etc. Gerade so ist bei Sencca zu lesen Q. jN. IV, 6, 1 ISon
tempero ?nilu\ quo minus hominum nostrorum ineptias pro-
feram^ >vo man das ehmaliire oniniuni unirliicklich in onines ver-
wandelt hat. Dem ireniäss stimmen uir hier f:iinzlich mit Em.,
welcher hominum aufnahm. Zwar stiitzt sich diese Lesart einzig
auf einen Code\ bei Ursini, und dieser lieh, wie Hr. Orelli
nicht ohne Grund bemerkt, seinen Handschriften oft seine \er-
muthun^en. Allein war dies auch hier der Fall, so ist diese \er-
muthuuir der vollen Anerkennung werth. Aus hominum entstand
sicher durch falsches Lesen seiner Abkürzung hospitum^ und mu~
■nicipuui ist seine Glosse.
Doch wir müssen abbrechen, um unsre Bemerkung nicht zu
weit auslaufen zu lassen, und bezeugen nur noch aus sichrer Prü-
fung, dass des \\. IL Bemerkungen an Richtigkeit und Sicherheit
des Lrtheils wachsen. Anfangs liess derselbe sich vielleicht von
Garatoni's TSahmen etwas obruiren; weiterhin wurde jeijcsj
scharfsinnigen Vermutliungen auch wohl noch zu oft Raum gege-
ben; was alles in der Ausgabe der zweiten Rede meist glücklich
vermieden wurde.
Bei der Rede gegen den Milo fand die nöthige Abände-
rung statt, dass Garatoni's Anmerkungen hintangefügt wurden,
unter dem Texte aber von Hrn. Orelli eine eigne freie Recen-
sion fortläuft, mit Benutzung der durch Peyron später geliefer-
ten ansehnlichen kritischen Hülfsmittel, theils aus dem reiclien
Schatze der Lagomarsinischen Collationen, theils in einem
Turiner Palimpsest bestehend, welches sogar eine vorher nicht
geaJinete Lücke c. 13 ausfüllt: wegen welcher, und einer andern
von Peyron entdeckten, auch dieses Abhandlung de lucunis
oratio n i s p r o M Hone vorgedruckt ist. Am Ende wurde noch
Ferrati's Excurs zu dieser Rede, und Graefs Verbesserungen
auszugsweise in 4 Blättern von Hrn. Diak. Bardili beigegeben.
Auch hier wollen wir ebenmässig des H. IL Urtheil besonders da
begleiten, wo wir etwas bemerken zu müssen glauben: bei allen
übrigen Bemerkungen desselben geben wir durch unser schweigen-
des \orübergelm unsre Beistimmung, oder doch so viel, dass wir
ebenfalls nidit bessren Rath, wenigstens nicht ohne zu umständ-
liche Erörterungen, wussten, durch die Sache selbst zu erkennen.
Gleich Anfangs Cap. 1 S. 42 ist mit Garatoni richtig quo-
cunque inciderunt statt des alten incide/inl geschrieben : nur
musste wohl der Aoristische Sinn des Perfects zu dieser Partikel
bemerkt werden; wohin imni er der B 1 ick f all t. Kurz vor-
her hätte >or tarnen der Nachsatz duixh ein Colon sollen bemerkt
S28 Römische Littcratur.
werden. S. 43 ist eben so richtig Na?n in ?ion verwandelt, Iior-
roris gestrichen, und surnns gegen Em. gescluitzt: doch inusste
das Gedrehte der ganzen Stelle aus dem pickirten Gemüthe Ci-
cero's erklärt werden, der sich des minder günstigen Erfolgs sei-
ner gehaltenen Rede lebhaft hier bewusst war, und doch sich
nicht geiade und olfen äussern wollte. S. 44 sind wir mit der
nach dem Urtheile Garatoni's geordneten Construction existi-
marem esse oratori locum nicht zufrieden; weil der Gedanke lahm
auf dem lamben ruht, überdies auch der Zusammenhang die As-
severation fordert, die durch das esse der Vulgate am Schlüsse
richtig Platz findet. Auch verdankt man die dreifache Umstellung
des esselncY sicher nicht der aufgenommenen Wortordnung; Mohl
aber wird es häufig aus der Clansul verstellt. Cap. 2 S. 45 billi-
gen wir in clamores maximos pro vesira sahite neglexit das auf-
genommene pro nicht, sondern halten es mit Ulrichs Urtheil
«nd mit dem /;/ae der Vulgate, cf. XlVüivv. ep. 4 qni pericnlam
fortunarttm et capitis sui pr ae rne a s alute uegle xit. Ja \\\v
halten in dieser Form xmd Stellung pro kainn für Latein. Ein
andrer Fall tritt ein V Divv. ep. 9 ^n i'ereca\ we, qni potentissi-
morum homiiium conspiratioiiem ne glexer it j)^ o mea sal u-
te^ is^ qni pro hoiiore meo jnisillorum ac inalivolornin obtrecta-
tiones atqne invidias non prosfernat atqne obterat. In der Stelle
II Verr. Co möchten auch wir von keiner yVendrung wissen. Seite
46 begünstigen zu de bonis et forlibns vir/s sieben Codd, die Wie-
derholung der Präposition. Diese waren hier wohl deshalb zu be-
rücksichtigen, weil Cic. die, bojios und fortes riros scharf unter-
schieden wissen will , um sie den be?ie meritis viribus vereint zu
bezeichnen. Uebrigens ist es ja auch dieses Gewohnheit, ver-
wandte Begriffe auf diese Art als gesondert denken zu lassen, z.B.
I Off. 14, 42 de beiieficentia ac de liberalitate ^ und eben so II,
15, 52 etc. Wie oft aber die Abschreiber die zweite Prä]), absicht-
lich weglassen, ist bekannt. S. 47 Qiiamquam — T. Aunii tribii-
iiatii^ rebus que omnibus pro salate reipublicae gestis — jwn abii-
temur. In diesen Worten hätte que , welches die meisten Hand-
schriften nicht kennen, gestriclien werden sollen, da sich der Satz
durch quuni omnes res — gestae sint auflöst , und man bei que
nicht ohne Grund zu rebusque omnibus^ in hoc beigesetzt wün-
schen würde. Cap. 3 p. 49 ist in propria vestrae quacstiunis^ ve-
strae eben so müssig, als das frühere fiostrac\ und nimmt über-
dies das nöthige Gewicht \on propria hinweg: daher findet es in
der von Garat. aus Cluent. 58 angefülirlen Stelle keine Aveitere
Stütze. Gleich darauf ist sicher der Stelle quae et in senatu. ah
iniinicis saepe iaclata sunt^ et in concione ab improbis noch nicht
Genüge geschehn. Sieht man diese Worte mit ihrem >V irrwar von
Lesarten genauer an, so sollte man glauben, in. concione sej eh-
mals herausgefallen, am Bande notirt, und an falscher Stelle dann
eingerückt worden. Man lese die Stelle so : quae et in senatu^
CIc. orat, pro Planclo. — pro Milone. Ed. Orellliiji. 329
et in concionc ah oinivis saepc iactalo sunt ^ saepc ah iniprohis^
iiiul man \\ ird mit uns i^lcich tleiikcii : ül)rii^ens lassen m ir die Walir-
scheinlielikeit dieser Umstelluiiij iVir sich sell)st spreclieii, und ver-
langen nur, dassniandas Gewirr der \arianten bei P ey ro n selbst
nachsehe. Kurz nacliher stellt esse irewiss lalsoli: es muss cnt-
Aveder mit einer von uns verglichenen Ilandsclirii't qui esse a se
hominem ocdssiini fatealiir s^nW'nc.ii^ oder, was hier Mohl richti-
ger seyn möchte, esse der Glosse anheim lallen, da das Gewicht
der A ersicherun^ in der übrigen \> ortstellniii^ selbst ruht, und
nicht erst so marqiiirt zu werden braucht. Gleicher Fall ijilt auch
Mohl bei den A\ orten esse iiderjeclam fateatur. Zu der ticlel'
lolgenden Stelle iiber Ai'rican, da er von Carbo in concione se-
il it ios e inleno°^aretiii\ musste II Orat. 25, 100 verglichen wer-
den, wo das sediliüse leiser durch alia tum mente renipiiblicam ca-
pessenli bezeichnet wird. Das Seite 59 stehende Neque enim er-
hält schon seine volle Rechtfertigung damit, dass es hier eigent-
lich, wie oft, durch Beispiele widerlegend ist. Sein Unterschied
von jScqiic vero springt durch die Uebersetzung sogleich hervor:
Auch k ö n n t e ja — nicht anders; w ährend vero durch
wirklich zu übersetzen seyn würde. Am Ende des Cap. S; 51
ist defenderit einzig zu berücksichtigende Lesart, da es hier auf
Thatsachc ankommt. 3Ian übersetze: im Falle, dass er sich
habe mit e i n e ni G e w e h r v e r t h e i d i g c n w o 1 1 e n. S. 52
sind die auf C. 31arius Bezug habeiidea Worte Alque ille snm-
Vius vir vollkommen richtig gestellt. Auch glaube man nicht,
dass siunmus ille vir besser wäre, wie Garatoni lieber lesen
möchte. Sein Ohr war an die häufig wiederkehrende Stellung
gewöhnt, die hier niciits weiter als der bekannte grosse
M a n n ausdrückt : die Vulgatc enthält die Umschreibung ille
vir , qui summus erat ^ jener grosse Mann; die aufge-
nommene Lesart» hhigegen, welche ille^ qui summus vir erat
ausdrückt (jener so grosse Mann), entspricht dem Lo-
be am besten, das Cicero so gern diesen seinem nächsten Lands-
manue mit vollem Gewichte zumisst. Gleich darauf möchte
aber vor Insidiatori vero kein Yollpunct, sondern ein Colon zu
setzen sejn, weil die vorweg gehenden Worte bloss den Ueber-
gaiig bilden. Cap. 4 S. 52 darf die Kritik in der treflllichen Stelle
I^jsI enini liaec^ iudices , no7i scripta , sed nata lex etc. nicht
ändern, da bei ihrer Wiederholung Orat. 41) von allen Handschrif-
ten, auch zweien des Ref., e/^/m anerkannt wird: indess hierbleibt
der Partikeln-Tausch, igitur ^ ergo ^ doch immer merkwürdig.
Denn es könnte das einfache As^ in schärfrer Versicherung sfehn,
wie I Div. 25, 52 Est apiid Plalonem Socratcs etc. Dennoch
neigte sich des Ref. Vermuthung seil lange schon zu dem dop-
pelten est hin ; wie unten ijl j). 125 J'jS t^ est jrrofcito illu vis ;
Fontej. T Fuit^fuit Ulis iudicibus divinum et singulare ^ iu-
dices^ consilium; I Verr. 4 Non cst^ non est in hoc liomi-
330 Rümischc Litte ratur.
ne cuiquam peccandi locns^ iudices. Seite 55 war senafui^ vor
potestas esset erepta^ siclier zu strciclien, das, vieles Andre nicht
zu berücksichtigen, noch überdies die unrechte StelUing hat;
uieMohl seine zweite handscliriftliclie Stclhing ganz unzuiassbar
bleibt. Audi unsre verglichne Ilandscluift kennt es iiiclit. Sehr
richtig ist aber das Gar atonische sibl^ ^tatt senat/ii^ verwor-
fen. Tiefer war ebendaselbst wohl mit fast allen, selbst den
vorzüglichsten Handschriften die Lesart festzuhalten, mit quo
arma Saturniiii opinessa sunt ^ non^ etiainsl e republica op-
jyressa sunt^ rempublicam tarnen tndnerarunt. Das non
vor ef /«ms/ gesetzt , darf eben so wenig auffallen , als wenn es
gleich scharf vor s«, etsi^ qiiia^ quo^ vorausgeht. Auch erliält so
tarnen vor dem Yerbum, dem Sinne gemäss, stärkern Naclidruck.
I Att. ep. 16 quum illuni [Clodius) plumheo glndio vigidatiim tri
tarne n diceret. Das zweite opp r e s s a s u n t giebt der Stelle
erst die llundung; weggelassen M'ird sie gezwnngen und unnatür-
lich. Und Marum will man sich mit Garatoui so selir daran
stossen? Schreibt nicht Cic. öfter so, dass er melirere Bei-
spiele vereint setzt, imd an das letzte wichtigere die Constru-
ction knüpft, die dann erst in Gedanken an die übingen ange-
passt werden muss ? Wir diirfen ims über äluiliche Stellen nicht
ausbreiten : bemerken liier nur, dass der angedeutete Erklärungs-
imd Behandlnngs- Weg bei der Stelle der sicherste ist. Seite 56
müssen am Schlüsse des Cap. die Worte nihil enim necesse esf^
omnium 7ne flagilia profcrre^ parenthesirt, und der Vollsatz darf
nicht widerlich durch zwei Vollpunkte zersclmittcn werden. Cap.
6 zu Anfang heisst es von dem Gesetzes- Vorschlage des Pompe-
jus, Tidit enim de caede^ quae in Appia via facta esset ^ in qua
P. Clodius occisjis esset; wo die Debatten über das letztre esset
noch nicht abgethan sind. Zwar ist kein Zweifel , dass est und
fuit hier in keinen Anspruch kommen: aber sehwerlich möchte
sich das doppelte, die beiden Sätze so monoton schliessende es-
set gehörig schützen lassen. Stellte eine Handschrift esset occi-
sus um, so wäre die Sache entschieden. Gleichwohl ist nicht zu
leugnen, dass bei Römischen Gesetzes-Formeln der Hinblick auf
unverfängliche Deutlichkeit alle andre Sprach -Rücksichten in
den Hintei'grnnd stellt. Seite 59 würde Ref. poeniendian^ das
durch so gute Handschriften gestützt ist, beibehalten haben. Der
Grund der Gleichmässigkeit der Schreibart, welchen der H. II.
weiter unten anführt, möchte sich schwerlich bei Cicero mitCon-
sequenz durchführen lassen, da vieles Andre, wie domi und do~
mui^ perinde und proinde^ libens und lubens^ plebis und plebei
etc. dawider protestiren würde. S. 61 war vielleiclit die Wort-
stellung sw/«///« omnia fnerunt zu vindiciren, weil Ernesti zu
III Orat 4, 15 versichert, dass Cic. nur omnia summa schreibe,
dies auch wirklich sonst überall gilt , II Orat. 20, 85 ; X Divv.
ep. 3 ; XV Att. ep. 13. Allein liier hätte w ohl Cicero eigentlich
•
CIc. orat. pro Planclo. — pro MJlonc. Ed. Orelllug. 331
summa fiiernnt omnia sclircihon sollen, Iiätte er iiiclit die Assc-
veratioii Vorlieben wollen. IJald daianf ist mit Keeht gegen Ga-
rat. occidisset festgehalten: denn trügt nns nicht Alles, so würde
Cic. nach cecidisset im näehsd'olgenden onmes una concidissent
geschrieben haben. Cap. 8 8.(52 glauben Mir bei den Worten Non
fuit profecto^ ea causa^ iiidiccs^ noii fiiit anf die ricliligere In-
terpnnction aufmerksam machen zu müssen. Es ist nehmlich
Cicero's, schon vom Spr?icligeistc gebilligte, Gewohnheit, bei
"Wortwiederholungen die Asseveratit e dem Nachsatze , nicht dem
Vordersatze, beizufügen; wogegen die Herausgeber oft Acrstie-
ssen. So musste in der von Gar a ton i p. ISO citirten Stelle
Fontej, 4 no7i est ^ sane non est inqnirendi/m, das Comma vor,
nicht nach sa?ie gesetzt werden. Eben so Rose. Am. 49, 121
JS'on est ita^ profecto^ iudices^ non est verishnile^ iit etc., wo
ebenfalls das Comma vor profecto fehlt. Man vergleiche nur
Coel. 20 c/vV, en't illud profecto tempus; II Orat. 7 Audite^ au-
d'de vero , inquil ; V \ err. 50 molo , malo mehercule. Diesem
gemäss war auch hier Non fitU., profecto ea causa ^ i. n. f. zu
distinguiren. Kurz darauf glaubt Kef. müsse p. (»3 so geschrie-
ben werden: sed homo sapieiis^ atque alta et divina quadam
meide praeditus ^ midta vidit. Vidit fiiisse sibi illum inimi-
cum etc. Denn mIc gezwungen lässt sicli vidit zwFuisse ans dem
vorhergehenden Satze suppliren! und, gesetzt man Hesse sich
dies gefallen, springt dami nicht tiefer das mtüta etiam alia vi-
dit^ ohne die obige Wiederholung, widerlich ein ? ! Man glaubt
nicht, wie viele Stellen auf dem eingeschlagnen Wege bei Cicero
noch leichter Nachhülfe entgegen sehn. Wir wollen hier nur
zwei andere aus dieser Rede selbst beifügen. So lieisst es c. 37
p. 140 Me7ie non potuisse Milonis salutein tueriper eosdem^ per
quos nostram ille servasset. Wir müssten uns sehr irren, Avenn
hier Cic. nicht hätte den Gedanken Mene non ptotuisse Miloiiis
salutem tacri evf^t auf sich allein bezogen Avissen wollen, dann
auf die jMittelspersonen. Ist das der Fall, so rauss auch hier
/?/e;e zweimal slehn, salutem tueri^ tueri per eosdem etc.
So möchte auch wohl c. 33 p. 130 Oppressisset omnia , posside-
ret^ teneret^ omnia zweimal geschrieben werden müssen, wenn
die Stelle niclit unerträglich langweilen, oder andre Hülfe für sie
aufgesucht werden soll. Seite (14 ist richtig nostra gegen Ga-
rat. und Moebius vindicirt, das wegen der Opposition des
omnis durchaus stehn muss. Eben so richtig auch das Urtlieil
bei et dclecli iudices^ isque: denn hier muss das manjuirte Wort
das «Versetzen. Cap. 9 p. 00 würden Avir die Verdoppeltmg in
sese aus Bav. nicht aufgenommen haben, weil der Absclireiber
wahrscheinlich zum einsylbigen Worte que niclit s'ctzen wollte,
wie dies sooft, und gerade bei den bessern Handscliriften, Irrun-
gen macht. Etwas tiefer möchten Mir nach Occnrrebat die Va-
rianten e?, enim^ et^ von dem abgekürzt gescliriebuen etiam ent-
832 Römische Littera tu r.
standen glauben : diesem wi'irde dann das folgende porro besser
entsprechen, das ausserdem zn verwaiset steht. Cap. 10 p. 71
muss m p/ofect?is est^ desideratus est ^ habita est^ das in drei
einander folgenden Sätzen wiederholte est^ wie billig, auffallen.
Das erste est^ das auch des Ref. Codex verwirlt, ist sicher nicht
von Cic, da p/ofec/its sich an das schon vorhergegangne profe-
chispridie est anlehnt. Das letzte est muss mit seinem Satze in
Parenthese gezogen werden; wenn nicht der ganze Satz selbst,
da er so ärmlich nachhinkt, und sich von seihst versteht (auch
wurde der Sache schon oben erwähnt), fiir ein Randglossem, zu
concionem gehörig, noch wahrscheinlicher angesehen werden
soll. Am Ende der Seite ist die schwierige Stelle paenulatus.^
viagno impedimento^ ac nmliebri et delicato onviUaruni puero-
riimque comüaiu mit Besonnenheit behandelt. Ref. würde bloss
noch et nach magno^ das sich auf so starke Autorität stützt, ge-
lassen haben, so dass das anacoluthisch folgende ac für et insu-
j!;e/' gelten kann; dann würde sich magno zugleich mit auf co-
mitatu hcziahw. Dass i7//^z gestrichen ist, geschah mit Recht:
Aveil sonst Cic. viagno servorum vidgi imp.^ oder ähnlich, ge-
schrieben haben würde, wenn er den Sklaventross hiermit liätte
bezeichnen wollen. Ob aber in der so verbreiteten Lesart vul~
gtis nicht sonst ein anderes Woi't verdorben ruhe, wie es die
Coraposition der ganzen Stelle wahrscheinlich macht, und welches
dies gerade sei ; lässt sich schwer entscheiden. Soll Ref. mehr
rathen, als urtheilen, so würde er, mit Hinblick auf c. 20, wo
irretitus imd constrictns auf ähnliche Art Vereint steht , involn-
tus vermuthen. In wie vielartiger Beziehung Cic. dieses Wort
setzt, ist bekannt. Garatoni hat die Stelle rein verdorben.
Seite 72 wird am Ende des Cap. nach Garatoni's Vorgange
Milonem occisuni et ex ipso Clodio audirent^ et re vera putarent^
weit riclitiger gelesen, statt dass es früher Milonemque — etiain
hiess. Gleicher Cur aus freier Hand bedarf die ähnliche Stelle
Brut. 42, 156 Ita prorsus et anteu putahani : ( — ) et nunc
meuin iudicium midto magis confirmo etc. Aus Nichtbeaclitung
der Parenthese steht auch in neuster Ausgabe noch etiani
antea. S. 7-4 ist die anacoluthisclie Stelle Si id iure non passet^
nihil liaheo^ quod defendani (welcher sich ausserdem noch ähn-
liche mehrere beifügen Hessen) glücklich und vollgenügend ge-
rechtfertigt. Cap. 11 S. 75 irrt P ey r o n bei Sin hoc^ wo das Tu-
rinische Rescript sie hoc liest, wenn er sie nicht aus sin entstan-
den glaubt. Der Abschreiber las nehmlich die Abkürzung St
falsch. S. 78 möchte wohl in den Worten speraret se elu-
dere das se dem ausgeworfnen rempubl. nachzusenden seyn,
und der einzige Bay. zu viel Gewicht in die Wagschale legen, w en«
mit ihm es dem posse nachgestellt werden sollte; auf eine Stelle
besonders, welche es so oft rechtlos behauptet. Cap. 13 p. 79
möchte vielleicht librariolum im herabsetzenden Ausdruck , nach
Cle. orat. pro Planclo. — pro MUone. Ed. Orellius. 333
I Lege:. 2,7, zu lesen seyri; wenigstens deutet die Lesart lihera-
lium und Ubellan'uin darauf liiii. — So Mären wir zn den beiden
Liieken gekommen, welelie dieses Capilel Seite 79 folg. und 82
enthält, durch deren Ausfüllung diese Rede so unerwarteten Zu-
wachs erliielt. WegtMi der zweiten findet in lli'icksicht auf die
Aechtlieit des Einsatzes kein Zweifel statt: sie ist aus dem Pa-
limpsest selbst entlehnt, und trägt alle Kennzeichen innrer Wahr-
lieit und Vollständigkeit. Bloss der Uebergang zu ihr niusste mit
wenigen Worten ergänzt werden. Auch ein Theil der erstem
Li'icken-AusiVdlung, weldier ilnrch glVickliche Combination Quinti-
lians IX Oratt. Instt. 2, 54 mit den Ambrosianischen Scholien (die
indessen gerade an der Stelle leider selbst liickenliaft sind) durch
Peyrons Scharfsinn gewonnen wurde, ist sehr wahrscheiulich
äclit. Denn dass die Worte An huius — reprehensio Quintiliau
wirklicli aus der von Cicero Iicrausgegebenen Kcde citirt, ist selbst
daraus klar, weil derselbe kurz darauf § 50 auf dieselbe Art
die näclistfolgemlen in allen Ausgaben befindlichen Worte Et aspe-
xit etc. anführt. Ob aber Peyron zu dieser ihrem Platze von
üun wieder gegebnen Stelle den Siim des \ erlornen in dem von
ihm Supplirlen voll und riclitig erfasst hat, ist eine andre Frage.
Zwar glauben wir gern, dass in ihr das Clodische Project, dieFrei-
gelassnen in die Landziinfte zn zielin , und so stimmfähig zn raa-
cJien, erwähnt wurde, da auch im Verfolge der Rede selbst wie-
derholt (c. 28 und 3S) darauf angespielt wird, und sich ausserdem
nichts Passenderes ausfiudig machen lässt; lialten uns aber über-
zeugt, dass in dem i^Iangelnden Aufschlüsse zu den Worten des
ISeuausgemittelten, (jua/n Cloditis a se inventam ^loriatar ^ wie
zu den der frühern Lücke folgenden Kt aspexit ine Ulis qiiidem
oculis etc. zn suchen sind , weil sie ausserdem zu vag und bezug-
los stehn würden. Ausserdem müssen wir noch bemerken, dass
in den von uns angefülirten Worten der Nähme Cludins^ auf Ses-
tiis Clodius bezogen , sicher \ on Cicero so einfach nicht gesetzt
wurde; der, wo er immer diesen erwähnt, ihn entweder -mit dem
\ornahmen zugleich, oder durch diesen allein nennt. Wir glau-
ben daher, dass, mitiMarque des Gegensatzes, & ^//«m Clodius ge-
lesen werden müsse , wo wegen des nächstvorhergehenden s der
Vorname, leicht ausiallen konnte; und dass in dem~Verlorenge-
gangnen kurz vorher des P. Cfodius ^nhme mit verloren ging. IJe-
ber die AVorte der Peyronschen Ergänzung selbst Hessen sich
wenigstens 4 bedeuteiule Ausstellungen machen, wenn uns nicht
Wichtigeres überblieb. — Zur zweiten Lücke sind statt der Pey-
ronschen \ orselzwortc Aadislis^ iudiccs^ quantnm Clodio pro-
fueril die von Hei er zu Orat. in Clod. et ('ur. p. 20 vorgeschlag-
nen Demonstravi^ iud.^ qiiantum Clodii iiäerfiieril mit Hecht vor-
gezogen. Ueberdies musste wohl bei den \\orten der hinzuge-
komninen Stelle l^idebat' apud vos, iudices^ (zu welchen sich der
lledner durch die vorgehenden mc »ußragatore den Weg bahnte)
JakTb. d. I'/iil. u. J'adag. Julir^;. 1. Ihjt 2. 22
834 Rümischc Litteratur.
auf die Anklage desMilo durcli Clodiiis hingewiesen werden, deren
c. 10 p- 88 ausfVihrliclior gedacht wird, in welclier, ausser Pom-
pejus, auch Cicero für 3Iilo sprach, vgl. XXXIX Dio Cass. c. 18,
die ganz eigentlich als von Clodius gebrauchtes Desperations-Mit-
tel angesehn werden rauss, um Milo in deu Bewerbung ums Con-
sulat zu hindern.
Hier sollten w ir vielleiclit abbreclien : indess wollen mir noch
einzelne Bemerkungen auswählen , um den II. H. zu iiberzcugen,
dass wir die ganze Rede durchlasen. Cap. 13 extr. p. 8 muss zwi-
schen den Worten Ille^ erat^ nt odisset^ das Comma nach llle ge-
strichen werden, da es hier dieselbe Constructiou gilt mit dem ge-
wöhnlichem Is sum^ ut. Denn sicher darf Garatoni nicht ge-
hört werden, der diese Worte in der Synchyse genommen wissen
will, sodass das Pronomen, scharf vorgestellt, eigentlich nach z^^
gehöre. Vielmehr muss zu llle erut^ talis oder eßismodi^ wenn
1/t^ und causa ^ wenn nach Uli erat ^ «erfolgt, gedacht werden.
Ueber is sum^ nt hat bereits der gründliche 11 am s hörn in sei-
ner Grammatik § 184, 3 n. 2 fast erscihöpfend gehandelt. Cap. 15 in.
p. 8T stimmen wir ganz mit der Veränderung At quod erat tem-
pus !, ob Avir gleich kein einziges Beispiel kennen, wo zu dieser
Formel das Verbum sich beigesetzt fände. Allein kurz darauf wür-
den wir in patronus illius publici coiisensiis , restittiior salutis
meae^ sicher mit dem Bav. illius gestrichen haben, da es völlig mii-
ssig und störend, auch die Gleichmässigkeit der Cola hindernd,
steht. Wenigstens durfte die Abwesenheit des Pron. in dieser gu-
ten Handschrift nicht unbemerkt bleiben. So war auch w olil ge-
genseits p. 88 qui — ipse cunctae Italiae cupienti das ipse gegen
E r n. und G a r a t. zu schützen , das gewichte oll von qui getrennt
ist ; daher auch nach qui das Comma nicht fehlen darf. Am En-
de der Seite möchten wir zu se — ^V^ scalarum tenebras abdidis-
set mit Garat. nicht gern behaupten, dass gleichmässig auch te-
nebiis stehe. Allenfalls Hess sich das fürs Particip zugeben, I In-
vent. 2 in tectis silvestribus abditas^ und Caes. I Bell. Gall. 39 ab-
diti in tabernaculis : das möchten aber auch wohl die allein haltba-
ren Stellen seyn. Seite 90 lialten wir in den W orten quod caput
est audaciae sicher audaciae , wie auch schon Garat. ahnete,
für eingeschoben; denn nirgends , glauben wir, findet sich, trotz
so vieler Stellen , ein ähnlicher Beis^atz in der Formel quod caput
est^ et quod cap. e., id quod c. e., bei Cicero. Cap. 18 S. 93 muss
liberatur als Verbum dicendi genommen werden, Über a culpa de-
claratur. Bei Mencken Obss. L. L. findet man eine 3Ienge Stel-
len für gleichen Sinn gesammelt. So ist die Construction natürlich
und nach der Regel. Nur zu oft nehmen die Kritiker bei solchen Sub-
stituten der Verba dicendi ein Aergerniss ! Cap. 19 p. 97 rausste
die übrigens richtig corrigirte Stelle Quod ut sciret Milo etc. Cur
neque zum Nachsatze erhalten. Man übersetze: Gesetzt auch
Milo konnte das wissen, dass jeuer zu Aricia gewe-
Cic' orat. pro Plancio. — pro Milone. Ed. Orelllus. 335
sen, Termiithen durfte er doch, er werde, im Falle,
d a s s er an jenem '1' a ^ e nach Rom zurück m' o 11 e , in
seiner Villa, da sie gerade am Weg^e lag, abtreten:
M a r II m kam er ihm weder zuvor, so d a s s er in d e r Y i 1-
la keinen Aufenthalt finden konnte; stellte sich
aucJi nicht an so einem Ortein Hin tcrlia U, wo er hei
INacht passiren musste'? Qiiud nt findet sich niclit bh)ss bei
Ph'nius , sondern bei Cicero selbst 1 Tusc. 21, 49 Qu od nt ita
Sit [n/'/iU eniin pi/^/to)^ quid habet isla res mit laiidabUe^ aut
gloriosiim? ^ und tarnen^ so nachgesetzt, ist ebenfalls nicht sehr
selten, z. B. Fat. 20, 48. — In der Stelle Cap. 24 S. 108 folg.
Quin etiamoudiendus fuerit popa etc. sind die Worte andiendiis
fucrit^ theils wegen der grossen Abweichung der Handschriften,
theils wegen der Unbehülflichkeit der Stelle selbst, die sie ver-
anlassen, lYir sichres Glossem zu achten. Ueberdies tragen sie
auch noch darin den wahren Geist des Glossems an sich, dass sie
aus dem NiichstAorhergeliciiden erzeugt sind: denn das vorstehen-
de andire co^untur gab dazu Anlass. 3Ian lasse sie «eg, und in-
'terpungire: Quin etiani popa Licinius^ ?iescio qui de circo tnaxi-
ino^ se/vos Milojiis^ apud se eb/ios factos — ne indicaret^- Poni-
peio in ho/ tos nuntiavit. ylrcesso?- etc. Jeder »ird sogleich selbst
sehn , wie rund nun die Stelle zusammenläuft. Uebrigens stosse
man sich darauf bei rem defert an das so häufig absichtlich weg-
gelassne is nicht, Mcnn der iSame kurz vorlierging. Cap. 2r> S.
110 ist insidiose statt inridiose völlig richtig auf Peyrons Ur-
theil aufgenommen. Eben so Acrbessre man, bei gleicher Dop-
pellesart, I Yerr. 15 vitam j)ericulosa?n., insidiosam infestamque
reddemus. Dass es nicht, wie Beck will, mit invidinsaui als Glos-
sem gelten darf, verbeut die Gleichheit der lledeglieder in dem
gleich folgenden dreifachen ?ft/lfa/n^ verhiiten im nächstfolgenden
§ die AVorte JSullae sunt ocndliores insidiae^ quam etc. S. 111
musste si tibi ita peuitus insedisset isla suspicio statt i n~
haesisset^ welches seine Glosse ist, gelesen werden, da es
nicht bloss das gewähltere Wort ist, sondern Cicero auch eigens
so schreibt: I Att. ep. 17; II IN D. 27; V Divv. ep. i:j. Insidere
wird übrigens häufig von dem, was tief in den Körper eindrang, z.B.
einem Dorne, Geschwüren, s. w. gebraucht; daher durfte M ö I) i us
das evellere dabei nicht befremdend finden. Cap. 28 S. 110 ist
hei aequabditcr zu bemerken, dass es oft da stellt, wo auch ae-
qualiter stehn könnte; wie auch wir die Ausdrücke auf gleich-
piässige und auf gleiche Weise vertauschen. Daher «e-
quabiliter praedam dispertiat 11 Off. 11, 41. Und so mag auch
111 Verr. 70, 2:iS B die Lesart der Huydecoperschen Handschrift,
welche eine andre von uns verglichne stützt, aeqiiabiliter distri-
buerunt^ die riclitigerc seyn. Nur Acrmisclie mau die Begriffe bei-
der Wörter selbst niclit. (^ap. 21) p. 121 in den Worten jing^ite
igitur cogilatione imaginem hiiius conditiouis vieae ^ si possini
22 *
S36 Römische LItteratur.
>
efficere etc. ist conditio weder Lage, noch Bcclingiing, son-
tlern Vorschlag, Anerbieten. Macht euch in Gedan-
ken eine lebhafte Vorstellung von dem Vorschlage,
den ich euch thun will: gesetzt ich könnte bewirken,
d a s s i h r M il o lossprächt, doch n u r i n d e ni F a 1 1 e, w e n u
C 1 o d i u s V o r h e r wieder i n s L c b e n z u r ü c k k e h r t e. Wir
würden auch im Texte ein Ausrufszcichen gesetzt haben : denn
der zu supplirende Nachsatz liegt in der Aposiopese. Die vorher-
gehenden Worte Uberae — indenms , die auch wir fiu' acht erken-
nen, wiirden wir indess in Parenthese gezogen haben, da sie ganz
das Rollende derselben an sich tragen. Am Ende des Capitels S.
12S f OS — tanti sceleris ul/'orefn^ non modo honoribns niiUis of-
ficictis^ sed etiuni ad suppUciiüii rapi patiemini. In diesen Wor-
ten kennt des lief. Codex eliam nicht, was gewiss Berücksichti-
gung verdient, da so auf supplicium scharfpassendes GewicJit fällt,
vergl. III Legg. 11, 25. Cap. 31 S. 124 ist in den Worten ?ud-
tarn mm esse ducit^ numenque divinnm^ durchaus kein Anstoss zu
nehmen^ da divinum so gut zu vim gehört als zu rinmen^ und das
gemeinsame Adjectiv absichtlicli, wie oft, ans Ende des Satze*
gestellt ist: III Divv. ep. 10 quae mihi — 7nerces est laborum
et vigiliarum mearum. Die Abschreiber, die dies nicht
einsahn, verfuhren mit dem Texte nachWillkühr. S. 125 war bei
maiorum nostrorum mit so vielen Handschriften nostrorum zu
streichen, vgl. I OfF. 32 omissa imitatione maioriim^ und gleich
darauf obscuris orti ?nuioribus. Hier kommt nocli Iiinzu, dass
nobis, suis pösteris^ folgt, was einen Hyperpleonasmus geben wür-
de. S. 127 gilt es nach Nisi forte — casu factum esse dicemus^
ut etc. die Doppellesart acceperit und acciperet^ mit dem darauffol-
genden obiret. Der H. H. zog accipcret vor, weil im Imperfect
die Idee göttlichen Verhängnisses ridie. Allein dies spricht sich
ja in obiret genugsam aus, und die doppelten Perfecten, an wel-
che sich überall Abschreiber , wie Interpreten , stossen, sind hier
ganz in der Ordnung. Die einfache Construction iäuft:.i\7s//a-
ctztm esse dicemzis^ tit acceperit^ quo obiret. Nun übersetze man:
Wir müssten denn behaupten wollen, das selbst sey
durch Zufall, dass er gerade vor der Capelle derBo-
naDea, die auf dem Land gute des — steht, unmit-
telbar, sageicli, vor der Dea selbst, nachgeliefer-
tem Kampfe, j ene erste Wunde erhielty an welcher
er eines so scheusliclien Todes sterben sollte: so
dass es das An sehn gewann, als sey er in jener
schimpflichen Gerichtssitzung nicht wirklicJi los-
gesprochen, sondern zu dieser Strafe eigens aufge-
spart worden. Jetzt fiagen wir, ob die Leser liebör nach H.
O r c 1 1 i ' s Weise hier übersetzen möchten, d a s s e r — j e n'e W u n-
de erlial ten musste, um an ihr — zu sterben*? Uebri-
geiis sind diese zweiten Perfecte auch bei Cicero bereits nach ut^
CIc. orat. pro Plancio. — pro Mllone. Eil. Orclliiis. 337
we, quo^ quill richtig; anerkannt. Wir fiiiioii nur noch zu Cap. 3ß
p. 138 bei, dass vir niil dem ninsiiilitiiren Ijreini stiniiiien, wel-
cher statt eripariSs, eripiaiis zu lesen \ erlangt. ]\ur müsste es eri-
picre heissen : tlenn diese Duali'urm ist hei Cicero so Hegel, dass
die andere als Abschreiber-Fehler zu achten ist. Das gleich dar-
auf statt sullem schlechthin aiiigenominene tarnen beweist, dass
H. Orelli niclit gleiche Ueberzeuginigmit 3Iatthiä zuIIICatil.
5, 10 theilt. Wir selbst gestelui in sofern den Unterschied die-
ser Partikeln in dergleichen Stellen zu, in wie fern wir ^«/«ew. stär-
kern Sinnes achten, und es durch d o c h w e n i g s t e n s aufgewogen
glauben. I-etztrer würde e!)enialls auch nicht c. oT p. 14<) Q?//V/?
i'os, iudices ^ quo tamlcm aiiiino crt'/t'ti? nach Schlitzes \or-
gange statt der \ulgate ^//?V/ fcs, ///f//res5^ gulheisscn. Dennoch
halten wir uns Viberzeugt, dass, wenn Cicero hier Quid vos? in-
dices^ hätte schreiben wollen, derselbe, wegen Lebhaftigkeit der
Stelle, vos wiederholt haben wVirde, quo tci/idem animo vos eri-
tis ; was er indes nie thut. Kurz, Avenn Recens. zu II Fin. 22,
74 die Regel über Quid? zu weit stellte, so gab ihr sicher jMat-
thiä zu Rose. Am. 33, 1)2 engre Grenzen, als ihre JNatur fordert.
Doch es kann nur <]urch eine Monographie über diesen vielseiti-
gen und oft schwierigen Gegenstand, der eben so auch für das
Griechische tC ö £ ; u. s. w. noch nicht sicher festgestellt ist, gründ-
lich inid vollgenügend entschieden werden ; darum enthalten wir
«US hier aller weitern Bemerkungen.
Alles übrige zu Erinnernde ziehn wir in wenige allgemeine Re-
sultate zusammen. In beiden Ausgaben raaclit sich rühmliche X'or-
uiul Umsicht überall bemerkbar, auch ist durchgeiiende Prüfung
nicht zu verkennen, ohne dass diese sich immer absichtlich zu Ta-
ge legt. Seihst die Rechtschreibung zeugt von Ueberlegung. So
ist richtig etiam si getrennt, iccirco statt idcirco gewählt. Wir
würden auch quicquam^ quicquid^ und istuc statt istud^ vor qu^
nach erlangter bessrer Einsicht , geschrieben haben. Die Inter-
punctiou ist nicht selten simizerschneidend. Die van Schütz an-
genommene Capitel-Umstellung wiegt durch ihren \ortlKil»die De-
schwerdebeim Nachschlagen mehrerer Ausgaben nicht auf: wenig-
stens sollte dann die Paragraphirung nicht aufgehoben seyn, da sie
dasAullinden so erleichtert, und ohne sie melirere andre Werke,
namentlich desISizolius Lex. Cic. und Gesners Thesaurus
schwer zu luitzen sind. Rei G a ra t oni' s angefügten Anmerkungen
zur Mil. ist es imangcnchm, dass oben nicht überall die Capitel an-
gegeben sind, weil dadurch beim ISachsc-hlagen Zeit versplittert
wird. Auch sollte bei solchen Ausgsiben ein genauer Index nie feh-
len. Uebrigeus-sind Druck und Papier, wie diess gewöhnlich i)ei
Verlagsartikela dieser Bucliliantilmig der Fall ist, gleicli empfeh-
lungswerlli.
Goerenz.
838 Römische Litterat ur.
Geschichte der Philosophie.
M. Tullii Ciceronis in philosophiam eiusque par-
tes merita auctore „[censore oder existmnatorc]" Raphacle Küh-
ner Dr. Sax. Gothano. Coniinentatio re-j^Io praemio ornata. Ham-
burg b. Perthes. 1825. XIV u. 288 S. 8. 1 Thlr. 8 Gr.
[Vergl. Beck's Repert. 1825 B. I S. 88 ; Leipz. Lit. Zeit. 1826 Nr. 236
S. 1881 — 188Ö.]
JtJekanntlich werden auf der Göttiiiger Universität durch von je-
der Faciiltät gestellte Preisaufgaben , welche in alljährlichen Pro-
grammen bekannt gemacht werden, die in den Wissenscliaften be-
reits zu einer gewissen Selbständigkeit gelangten Zöglinge auf-
gefordert, durch unternommene Lösung einer solchen Aufgabe
ihre Mohlerworbenen Kenntnisse «nd ihre ausgebildete Geistesge-
wandtheit rühmlich zu bewähren; luid der gelimgensten Arbeit
wird durch gerechten Ausspruch urtheilsfähiger Preisrichter öf-
fentlicli der errungene Vorzug zuerkannt. Diese von königlicher
Freigebigkeit und Grossmuth gestiftete Krönungsfeier litterari-
rischer Wettstreiter ist gewiss das weiseste und zweckraässigste,
überall nachahmungswerthe , Mittel die jugendlichen Gemüther,
denen der Trieb zu einem höher strebenden Aufschwünge inwohnt,
durch ernste Beschäfftigungen nicht nur ^on jedem Traumgedan-
ken an demagogische Umtriebe und von andern verderblichen Rich-
tungen abzuziehen , sondern auch zu einer edlen, begeisternden
Ruhmbegier zu entflammen , und zum unablässigen Trachten
einem Trachten, welches für das Vaterland und für die Wissen-
schaften, wenn gleich unbemerkt und geräuschlos, dennoch in
weit grösserer Ausdehnung erspriesslich ist, als durch die Erzeu-
gung und öffentliche Verbreitung gedruckter Preisschriften, de-
ren schon so manche vorzügliche wir jener löblichen Veranstal-
tung verdanken: z. B. die 1820 gekrönte Schrift des Hrn. Dr. K.
Dilthey (jetzt Prof, zu Darmstadt) über die Echtheit der Piaton.
Bücher von den Gesetzen. Vorliegende Schrift ist ein neues Bei-
spiel zur Bestätigung des Ausspruches von Cicero : Honos alit ar-
tes omnesque incenduntur ad studki gloriae.
Ob nun gleich Hr. Dr. Küliner durcli den ihm zuerkannten
Preis als ein fähiger und aller Aufmimterung würdiger Candidat
der Gelehrten -Republik der Aufmerksamkeit seiner Mitbürger
centuriatim liinlänglich von den besten Suffragatoren empfohlen
ist: so haben wir doch Folgendes aus dem Buche zu berichten.
Der Gang der Untersuchung, ob und in wiefern Cicero sich um
die Vernunftwissenschaft und deren Theile wohlverdient gemacht,
ist in dem S. VI — XIV vorgesetzten Argumento vorgezeichnet.
Hr. K. verfolgt ihn mit bedächtigem Schritte, wenigstens ohne
allzuwcite Abschweifung auf die zwar nalie , jedoch ausser de-
Kühner: C i c. in p Iii I o ä o plilam mcrita. 339
ren Glänzen gelegenen Felder. Einige eben niclit lästige Wie-
derlioliiiigen belracliten wir als unvermeidliche Folgen der getrol-
l'enen Anordnung, nacli welcher der Verf. niehrniahls auf die näm-
lichen aus verschiedenen (ii'si('htspiinktcn zu betrachtenden Ge-
genstände zurückkommen niusste. Um zu zeigen, welche Fort-
schritte durch Cicero die Philosophie bei den Römern ge-
wonnen, beleudilet er im ersten Haiiptstiicke den friihern Zustand
tlerselben und zuvörderst der wissenschaftlichen Bildung über-
haupt zu Rom. Da Hr. K. selbst auf ausführlichere DarsteUungen
dessen, worüber er sich kurz fassen musste, liinzuweisen pflegt:
so wird es vielleicht nicht überflüssig scheinen, wenn wir einiges
Bemerkenswerthe, was sich in Tennemann's Geschichte d.
Fhil. Bd. V S. 400 entweder gar nicht, oder doch nicht so ge-
nau angegeben lindet, in Frinneriing [)ringen, z. U. ausser den
in der Einleitung zum 11 Buche' (/c oj'jiciis S. 2 *) nachgewiesenen
Schriften , (y. B u d d e r/ e s i w d, Hb e r al. ap tid vett.Ru m a-
nos^ VdM). 4., J.G. Frickii iuitia erudit.ap. Rom.^ ]'J28.
4., Wal eil de ?ncf^istris vet. Rom.^ 1745. 4., G. S. Wie-
sand de r a t. R o m. litte r. doce n d /, 1755. 4., Die t. H e rm.
11 e g e w i s c h aber de n Zust a n d der Wis sen sc haften^
ins b es ander e übe r die Ent s l ehunfi des Gelehrten-
standes bey den Römern {\\\ des Vf.'s kleinen Schrif-
ten S. 5 — 10()), Christ. Gottlob Ileynii origines^ ve-
stigiaet me moriae urliuvi et litter ariini in Italia
anliqna per te mp orasua de Script ae^iix seinen opuscc.
acadd. t. V p. 392 — 456 und t. \1 p. 478 — 481, besonders
Jani Theodori Bergmann commentat. de iiter arimi
conditione ap. Rom.., inde a hello Punico pritno etc.
in certamine liter. civium Academicorura Belgicornm a. 1817 —
praemio ornata, L.B. ap. S. et. J. Luchtmans 1818 in 4., in der
II u. 111 Epoche ; ferner GratamaoA de sera., nee mul~
tum. provecta Quiritiinn hnminiit ate de, Ilarderov.
1798.8., über denselben Gegenstand llrn.llofr. Bcck's epicri-
sis qnaestionis de historiae Rom. antiquis siniae
fontifbus ei v er i täte p. XV Anm. CO. lieber das S. 7 f. be-
merkte Zurückbleiben der Uömer hinter ihren Vorbildern, den
Griechen, die doch anfangs weit ungebildeter waren, verdienen
beachtet zu werden: lo. Aug. Ernesti acroasis de inge-
iiior u m Gr aecor u m e t Ro m u n o r u m c o m parati o n e,
in dessen opnscc. orutorii s p. 152 — 101, und die Grie-
chen und Römer., eine Par allele von Prof. Sehn Ize in
Gotha (in Woltmann's Geschichte und Politik 18(P2. 7
St. S. 272 — 2SS). Zu den S. 8 angeführten Stellen, wo Cicero
nrtheilt, dass die Uönier alle angenommenen Eriindungen der Aus-
lander erst recht vervollkommnet hätten, muss noch kommen lib.
II de re publiru r. 1(5. L'eber die S. 9 11". erwähnte Ankunft
dreier riiüosopheu als Gesandter zu Uoin, und die Lrsachen der
340 Römische Litteratur. *
gegen sie ergangenen Verfiiguiigen lese man nach , Menn es be-
liebt, Levezov de Carneade^ Diogene et Critolao^
et de causis neglecti s t u d ü p h 1 1 o s o j) hi ae ap?id anti-
quiores Roinauos^ Stettin 17{)5, n. Dan. Uoethii diss. de
philosophiae nomine aptid veter es Romanos inviso
(üpsal. 1790. 4.) ; sodann über die friihci-e Philosophie bei den Rö-
mern Gaudentii Paganini voliimen de p liilosophiae
apud Romanos initio et progressu (Pisis 1(>43. 8^) , bc-
Bonders c. 0, 42 nnd4S; aucliinAör. var. Script, collect.
Hai. 1717 l'asc. H p. 81 ss. fasc. III p. 1 ss.; ingl. Kinderva-
ter's Aninerkk. ti. Abhandlungen über Cicero' s Bü-
cher von der Natur der Götter (Leipz. 1700) zum I B.
S cap. S. 59 — 134, und insbesondere über den S. 12 f. 19 f. be*
rührten PJinfluss des Uliodiers Panaetios auf die Missenschaftliche
Bildung der Römer (namentlich des jüngeren Africanus, des Lae-
lius, des Fnrius, des Tubero, deren bei Cic. de rep. I, 10; III, 3
gedacht wird) vergl. ausser Lynuen's genannter Preisschriit
C a r. G ü n t h. L u d o v i c i p ;- o g^ /•. quo Pai^aetii iun. Stoi-
ci philosophi vita et merita in Romanorum quum
philosophiani^ tum iurisprudentiam illustr antur.,
Lips. 1733. 4., und Garnier in liist. et mem. de V inst it.
Toy. de France T. II p. 81 — 110 observations sur quel-
ques ouvrages du StoicienPanetius. Das 3teCap. die-
ses ersten Ilauptstückes handelt de singulis philosophiae
disciplinis., quae Romae floruerunt. Was die Stoi-
sche Lehre (§ 8) anlangt: so ist darüber folgende Mono;?raphie zu
bemerken : G.V.WoWeiih^x^ de praecip u is sto ic a e p h i-
losophiae doctoribus et patronis apud Romanos.,
Lips. 1793. 4. Ueber den Einfluss der Stoischen Philosophie na-
mentlich auf die Römische Jurisprudenz, welchen der Verf. S. 19
berührt, findet man sieben Monographien verzeichnet in Krug's
Geschichte der Phil, alter Zeit § 150 b). Im zwei-
ten Ilauptstücke geht H. K. zu Cicero selbst über und fasst die
Hauptthatsachen sehier Bildungsj^eschichte xmd die für seine
schriftstellerische Thätigkeit entscheidenden Lebensumstände des
Mannes kurz zusammen. Hierher gehörige Abhandlungen sind
verzeichnet in des Hrn. Hofr. R e u s s Repertorio conimen-
tationum a societatibus literariis editarum t. VIII
p. 573 und t. IX p. 92. Sodaim zählt Hr. K. Cicerc/s vernunft-
wissenschaftliche Wei'ke nach der angeblichen Zeitfolge auf.
Gleich beim ersten stösst uns ein sonderbarer Anachronismus auf:
.,.,Primu7n philosophicum scriptum., quod edidit adhuc reipublicae
gubernaculo admotus (625 u. c. ) , sunt sex libri de repfiblica
seu de optinio statu civitatis.'-'' Er schrieb sie also 23 Jahr vor
seiner Geburt? Hr. K. verwechselt die zur dichterischen Sccnerie
gehörige Zeit des von Rutilius Rufus dem nachgelvornen Cicero
aus alter Erinnerung wiedererzälilten Dialogs, das Todesjahr des
Kühner: Cic. in p hllosoplilam mcrlta. 341
]iinfferii Africanus, mit dem Jahre der Ahfassuiiff , 700 (fiüO der
JvapiJol. Zehreclinuuir) : dalier man sich noch mehr wundern muss,
vic er ans dieser Uebereilnnü noeli tieier in den Irrnmm hinein-
^erathen konnte, also lorti'alirend : ^Jirevi {?) aide iUiid tem-
ptis, quo hos libros Cicero confevü^ P. Com. Sctpio Acmilianus
yjfn'ca/ius minor mar 11 occubiwrut ; tum vero Cains Gracchus
pcric/zlosissimos impetiis optimati'-'- [für ad optimatium
d 0 m i n a t u m c o m posit o oder acco m inodat o?] .,^reipuhU-
cne statui iiitendebat.'-^ Eine ganz neue Chronologie, nach wel-
clier walusclieinlich anch S. 2ö der Fortschritt der Begebenhei-
ten sicli riclitet : ^.Carthagiiic deleta. Macedoirla c.rpii^nata., Achae-
orinn focdere soli/io"- etc. Die ol)igen Worte sind zwar Vibrigens
treu aus den Heidelberger Jahrbü ehern der Litt. 1823
Heft 1 No. 4 S. 51 f. übersetzt ; aber II. K. hat nicht recht gcfasst,
vas dort ganz richtig gesagt ist: ,,Es ist die allererste von
a 1 1-e n p h i 1 0 s o p h i s c h e n S eil r i f t e n dieses Staatsman-
nes — und Staatsmann war er damals noch in vollem Sinne des
AVorts — und die Zeit ging mit grossen Ereignissen schwanger,
denn nach dem in demselben Jahr (700) erfolgten Tode von Cä-
sars Tochter und Pompeius Gemahlin Julia war die durch andere
Lnistände schon vorbereitete Trennung dieser beiden Staatshäup-
1er dem Bruche noch um Vieles näher gebracht. INicht weniger
verhängnissvoll «ar die Zeit, in welche der Vf. seinen Dialog ver-
legte. Es war das J. 625 u. c, es waren die Tage, da
eben der jüngere Gracchus (C a i u s) m i t den g e f ä h r-
1 i c h s t e n A n g r i f f e n Roms Aristokrat ie-'- [deren Ueber-
setzung Hrn. K. misslungen ist] „bedrohte; kurz vor dem
g e \\ a 1 1 s a m e n o U e r d o c h r ä t h s e 1 h a f t e n Tode des P.
Com. S c i p i 0 yV e m i 1 i a n u s.t Zn derselben Verwechslung der
Scenerie mit der ganz verschiednen Zeit der schriftlichen Abfas-
sung hat Hr. K. im nächsten § de libris de legibus durch
den von Tonrneboeuf übel berathenen Rath und die neuem
Bearbeiter, welche die von dem weit schärfer sehenden wnd i'ich-
tiger urtheilenden Engländer Chap man gezeigte Spur wieder ver-
loren liaben, sich verfi'rfiren lassen, S. 4!>, wo er schreibt: ■^.,Ad
lempiis., quo hi libri a Cicerone conscripti sint., quod atlinet^ ii
in annum DCCl u.c. in LV Ciceronis aetatis incidcre videntur',
post Ciüdii igitur interitum et quidem ante bellum civile., DCCIV
ortum.'-'' Die neuerlich für diese Annahme vorgebrachten Schein-
gründe sind ohne alle Schwierigkeit aufzulösen. Denn wenn sich
aus II de legg. i;i, 32 ergeben soll, dass diese Bücher bei Leb-
zeiten des Augurs Appius Claudius vcrfasst seyen: nun so ergiebt
eich in Bezug auf die Bücher de divin. ein Gleiches aus \de
div. 10, 21) u.;jO. im Widerspruche freilich mit c.5S zu Anf. Aber
zerstört der handgieiiliche V\ iderspruch die unläugbare Analogie
mit jener bündigen Folgerung"? Ebenso, wemi sicli 111 de
leg. 1), 22 behutsame Furcht vor dem müchtigea Pompeius vcr-
342 Bömisclic LIttcratur.
räth: so ist diese eben so offenbar U de off. It, 60 S. 119, im Wi-
derspruclie freilich mit c.ß §2« S 42. Aber liebt dieser die Pari-
tät mit jener bündigen Folgerung auf? Auch aus lib. I c. 20 zu
Anf. kann keineswegs erwiesen werden, dass jene üiichcr vor de-
nen de fi?iibiis bo noruni et inalorum geschrieben seyen.
Denn sonst könnten wir mit gleichem Rechte behaupten, die li-
bri Academici wären noch bei Lebzeiten des (nach Cic. ad
Att. II ep. 20) im J. 694 verstorbenen Stoikers Diodotus geschrie-
ben, weil Cicero im Luculhis c. 'SQ § 115 sagt, dieser wohne
in seinem Hause; und mit noch grösserm Rechte, die Bücher de
natura deorum seyen nicht bloss bei Lebzeiten des Schauspie-
lers Roscius (I, 28, 79), also vor den Büchern de legg. ( s. I, 4,
11) und vorder im J. 692 gehaltenen Rede pro Archia (s. c.8),
sondern sogar unter der Dictatur Sulla's geschrieben, weil Cicero
als adulescens , der vielleicht noch gar nicht öffentlicli aufgetre-
ten war, dort ebenso. Wie in den Bücliern de oratore^ mit
elirbarer Bescheidenlieit die stumme Person macht und sich darin
fast noch wie einen ileissigen Schulknaben behandeln lässt (I, 7,
15 ff.); da ferner jenes Gespräch am Lateiner -Feste (I, 6, 14)
C. Cotta, der als Proconsul starb , nicht als Consnl führen konnte
im J. d. St. 678, wo ancli Cicero als Quaestor in Sicilien war; so
wie er in den Jahren 674 u. 75 (in welchem letztern Sulla starb)
ebenfalls abwesend in Griechenland imd Asien Avar; da endl. l.ill
c. 32 § 80 f. C. Marius , der später von Cicero immer gepriesene
und in einem Heldengediclite gefeierte Ai-pinate , mit Abscheu o-
vinium perfidiosissimus genannt wird und sein gräuelvolles 7tes
Consulat imd die später unter Carbo's Consulate, bevor Sulla als
Rächer erscheinen konnte, gescheliene Ermordung des Oberprie-
sters Q. Mucius Scaevula als Thatsachen, die gegen eine gerechte
Weltregierung zu zeugen scheinen, angeführt werden ; dahinge-
gen die empörenden Grausamkeiten Sulla's und das klägliche PJn-
de so vieler Unschuldigen, welche der Habsucht seiner Anhänger
aufgeopfert wurden, mit ängstlichem oder parteisüchtigem Still-
schweigen von Cotta übergangen werden. Aus diesen vergliche-
nen Beispielen erhellet wohl zur Genüge, dass die so genannten p s y-
chologischen Gründe nichts als Irrlichter sind , die nur vom
rechten Wege abfiihren. Dem im I B. de ofßc. 22, 77 1". über die
Angemessenheit der zu spielenden Rollen ( nach welchen Hr. K.
selbst S. 73 n. 4 sehr richtig die eigentlichen Ueberzeugungen
des Cicero von dem, was er seine Personen sagen lässt, unterschei-
det) sich so einsichtsvoll aussprechenden Verfasser traut man kei-
ne Kunst der Scenerie, keine gleichsam histrionische Schaustel-
lung zeitgemässer Affecte zu? Welche Inkonsequenz! Ist es nicht
glaubliafter, dass Cicero jene frühere Zeit mit allen ihren Ver-
hältnissen, gleich als Avären sie gegenwärtig, für den Dialug wähl-
te, um nicht auf ein Mahl mitten in die Sache hinein zu geralhen;
sondern in einem gleichsam dramatiücheu Exordiu das Gespräch
Kühner: CIc. in philosophian) mcrita. 3:13
von seihst allijemacli auf den hcahsichti^fften Gei^enstand kommen
zu lassen'? Woher deini aher die last ^vol•tlicIle L'ebereinstiinruiiiii^
Aieler Stellen mit dem von ('icero in seinem le tz t en Lebensjahre
Geschriebenen'? ^N as endlieh soll deim wohl das 0[nis'}lQCiK?.eL-
Öiov »vyn-, welches Cicero (idAllic. XV, 4; 27; X\l, 2 erst noch
vertipricht'? ISocIi müssen wir aul" einen ebenfalls von JNiemandem
bisher beacliteten Linstand aufmerksam machen, üic Biicher il e
legibus ^ in denen Atticus eine mitsprechende Person ist, sind
ffleichsam eine Fortsetzung der Bi'icher d e r e pub l ic a : wie aucli
Hr. K. S. 48 bemerkt, welelier jedocli in Bezug^ auf diese Mai's
ün^ew issheit theilend S. 4() f. sajrt : „«/«/eo T. Pompunh Attico
vcL Q. Cice/oul Mai ci fr citri .... cdponcnlemJ'^ llec. liat in
der L e i p z i ir e r L i t e r a t u r- Z e i t u n £f 1824 J a n. IN. 5 S. 40
(Jarirethan, dass nur Atticus verstanden werden kann, mittels eines
Beweises, den sich Prof. W. Münnich in Krakan in seiner im
ersten Heft dieser J a lir b ü eh e r angezeigten Sclirift S. 140 nebst
Anderm stillschweigend zugeeignet. Nun aber vergleicht sich
Cicero im IlIBtiche ad Qni/it.fralr. ep. 5 u. XIII ad Att. 10 als
^ f . jener Dialoge ebenfalls mit Heraclides Ponticus ; und aus-
driiekl. bezieht sich Cicero auf jenes ähnliche Werk zuriick
od Alt.W ^ 13: ^Jum probo' Hqu^Xh^iov^ praesertim cum tu
tantopere delectere.' sed quäle velis^ velini scire. Quod
ad te ^^ante a'-'-^ atque adeo ^.prius'"'' scripsi {sie enim ma~
vis) : a d s c r i b e 11 d icin {tibi itero dicere) fe cisti me acrio-
rem etc. Cicero änderte in den Büchern de legg. den Plan nur
in soweit ab, dass er nicht, wie Heraclides, eine stumme Person
im Dialog spielte. Dass die stoischen Paraf/oj« von Cicero
mehr zur Uebung als im Ernste geschrieben worden, leugnet Hr.
K. S. 60 n. 5 ^^^^i\ Brück er. Nun zweifelt zwar auch llec.
nicht, dass Cicero von der Gültigkeit jener Vernunftaussprüche,
die dem geraeinen Vorurtheile der Weltkinder ein Gräuel xmd
Aergerniss sind, überzeugt war; indess geht doch sowolü aus
dem Vorworte als aus der ganzen Behandlung hervor, dass Cicero
als deren Vertheidiger die populäre Beredsamkeit in TiradeTi
wollte erglänzen lassen. Hr. K. verweist auf Heumann acit.
(lies actt. d. i. acta nnd ebenda S. d-l Z. 9 v. u. ^^verba'-'- st.
^^ver bs'^) phil. T. III p. C04 ff. Wohl zu rasch folgert er eben-
da aus Off. I, 1 p. 7 (das verraindernde/ere htti aequarunt über-
sehend).' ^, praeter ea quae nobis supersuiit philosophica scripta
multo plura Ciceronem confecisse.''''
Besonders reichhaltig ist das dritte Cap., welches Cicero's
Verfahrungsweise in der Verimnftforschung in ein helles Licht
setzt u. ein vortrefflicher Beitrag zu einer richtigem Würdigung
derselben ist. Vergi. noch Joh. Fr ied. Herbart über die
Philosophie des Cicero^ im Kö7tig s berger Archiv
St. I. Das \ierte Cap. handelt von Cicero's Verdiensten um Bildung
der Lateinischen Sprache für den Vortrag der Vcniunftwissenschaft,
341 Römische Litteratur.
worauf tlas fiiuftc Cap. die von Cicero in seinen rermniftwissen-
scliaftliclien Schriften benutzten Griecluschen Quellen nacliweist.
Hier finden wir die Uiicher de gloria niclit Mieder erwäJuit.
Ilec. glaubt, dass Einiges darin aus des Theophrastos Buche Tis p t
enaCvov und aus Ariston's von hilis Werke UbqI asvodo^Cag
geschöpft Avorden, «nd verweist desshalb auf die Anmerkungen
zum II U. de offic. c. 9 zu Auf. S. 63 und c. 16 § 56 S. 108.
In der sich hieran anschliessenden Prüfung der Genauigkeit
u. Treue, womit Cicero die Lehrsatzungen Griechischer Vernunft-
forscher überliefert habe, unternimmt es Hr. K. § 41 S. 126 den
Cicero einiger Irrthümer zu überführen , z. B. dass er Offic. I, 5
üie forti(?(do (Seelen grosse) auch in Erwerbung äusserlicher
Glücksgüter sich hervorthun lasse, also diesen unstoisch einen
Werth beilege ; und sich selbst widerstreite, indem er hinzusetze,
mehr noch äussere sie sich in Gleichgültigkeit gegen jene soge-
nannten Glücksgüter. Allein ist denn das ein Widerstreit'? Die
Seelengrösse als wirksame Tugend in der Anwendung muss auch
auf jene Weise sich äussern, nämlich als Schwesfer der geselli-
gen Gerechtigkeit, indem sie aus Liebe gegen Alle, deren Versor-
gung ihr Pflicht ist, Meder Drangsal noch Anstrengung sclieut, um
die nöthigeuBediinnisse und Alles, wodurch man Andern wohlthä-
tig werden kann, herbeizuschaffen, (\ergl. Off. I, 4 § 12 zu Ende.)
Sie verschmäht aber alles dieses, sobald es die Umstände erfor-
dern, weil sie selbst dessen leicht entrathen kann und in sich Kraft
fülilt, es durch neue Anstrengungen zu ersetzen. Wo ist hier von
einem unbedingten Werthe der Dinge die Bede'? S, 127 wird Offic.
I, 3 die Definition von officiinn medium verworfen, weil sie I, 29
auch auf %at6Q%aiia angewendet werde. Diess möchte Bec. nicht
zugeben. Denn in letzterer Stelle steht officium (xaxtfj'/iov) ini en-
gern Sinne, wie überall in jenen Büchern, gleichbedeutend mit
off. medium. Dagegen ist y,ca6Q%(oiia nicht das, wovon y;;oÄa-
bilis., sondern wovon iusta , Vera., necessoria causa reddi potest.
Hr. K. verfällt dort und S. 234 f. (obgleich er übrigens richtig
officium und jckO'^xoi' in Aveiterer und engerer Bedeutung unter-
scheidet) selbst in den entgegengesetzten Irrthum, dass er die von
den Stoikern gegebne Erklärung des oß'icii 7nedii auf das offi-
cium im weitesten Sinne überträgt, und er giebt folgende schie-
lende und desshalb gar arger Missdeutung unterworfene Bestim-
mung: .^.,8 apie ns suas actio lies cum celerit ate quadam et
sine labore perficit ; insipiens vero cum. lahore atque conten-
tiojie.'''' Nach dieser Bestimmung aber müsste ein Iciclitsinnig
und übereilt Handelnder KaroQxfä^axa verrichten und ein mit sei-
nen Schnellgeburten die Lesewelt bestürmender Schreibsüchtler
und ein ohne alles Nachschlagen mid Vergleichen von Varianten
anfsGerathevvohl corrigirender Kritiker sapiens seyn. Dann könn-
ten wir heut zu Tage einen ziemlich frequenten Senat von VY ei-
sen versammeln, ohne Viatores auszusenden. Etwas Walu-es
Kühner: Cie. in plill o sopliiam nicrita. 345
hat jeilocli Ilr. K. in jenen Worten dunkel ana^edeutet, tlass
• iiänil. der Weise, alle Verhältnisse augenbliekl, durcliscliaiiend,
ohne Bedenken luid sonder allen Irrtiiuin'das Wahre und einzig
Hechte {xcaoQvai.ici) treue, und dass ilun aucli der Entschluss,
seiner UebcrzeuiTung sQii dein, was recht, zu folgen, keine Lleher-
vindunir koste. ' \erd. Off. 1, 5 § ](J; II c. H) zu l^lnde. Ueber
die im (>teu Cap. veiliandelte Frai::e, ob Cicero mit Recht für ei-
nen rhilosoj)hen gelte, ver^l. die Vorrede zu des llec. Ausg;. von
Cic. or atio/itun pro Tiillio q{c. fragmciitis p. XVIII,
Ste Anmerkuijff. Zuletzt wird noch einigen gegen Cicero geraach-
ten Ausstellungen begegnet. Jenen Tadleru ist beizufügen So.
Georg Zierlein, dessen commentatio de philosophia
Cic er Ollis Halae llteris Bayerianis 3il)CCLXX. 4. gedruckt ist.
Gegen den von Tennemann (Y S. 11)0 1".) und Andern dem Ci-
cero gemacliten Vorwurf, dass er die Piiilosophie weniger aus in-
nerni Bedürfnisse, sondern mehr als Ilülfsniittel der Beredsamkeit
betrieben, hätte llr. K. ilin nocli vollstäiuliger reclitfertigen kön-
nen durch das Zeugniss Plutarcli's in der Lebensbesclueibimg c.
4 bald nach Auf. und c. 5 zu Auf.; ausserdem nicht nur durcli die
von Cicero oft wiederholten aufrichtigen Geständnisse, dass Phi-
losopliie sein einziger Trost in den ^\ iderwärtigkeiten des Le-
bens sey, und besonders durch das, was er Tu§c. IV, 29 a. Ende,
II de divin. 1 über die aus dem Bedürfnisse der Beschäftigung mit
solchen Gegenständen liervorgegangene Consolatio sagt; sondern
aucli durch das, m as er einen Scipio und Tubero aus seiner eignen
Seele sprechen lässt I de rep. o. Vi u. 33: „-^c ine quidein.^ ut
{llercule !) oinnes auidos sapientiae.^ cognitio ip s a rerum consi-
deratioqne delectaf,'-'-
In den drei übrigen Ilauptthcilen des Werks wird Ciccro's
Denkart in Anseliung der drei Haupttheile der Vernunftwissen-
scliaft näher betraciitet luul seine Ansicht von jedem einzelnen
dargestellt, n. zwar zuerst P. III de dialecti ca. Zur Vervoll-
ständigung mag dienen Adaini Bursii dialectica Cicero-
nis., quae d isper se in Script is r eliquit., maxime ex
Stoicorum s ententia. Cum c omnientariis., quibus
ea partim siipplentur., par tim illusirantur. Samoscii
1()04. 4. Besonders anziehend ist die sehr gelungene Ausführung
des I\ Ilauptstücks de physica., wozu die Lehre von der Gott-
heit, von Religion, Vorahnung, Schicksal, von dem Wesen u. der
Unsterblichkeit der Seelen gehört. Den liier angemerkten Schrif-
ten, welclie die quaestio de natura deorum betreffen, fügen wir
liinzu, Cicero l heologiis von J. D. Bayer, 1700. 4., und von
J. C. Haf eru ngcn, 1701. — J. J. Zimmerm an ni diss. de
ikeologia M. Tullii Ciceronis im Mii seo Helvcti co
P. III n. 2. — Die Gottlieit. AVas sagt Cicero in sei-
ner S eil r i f t (1 a r i I b (• r als TI a i d e und P h i 1 o s o p li ? Von
II 0 r s t i g a u f d e r M ii d e u b u r g. Leipz. iu d. Baumgärtner-
346 Rümische Litteratur.
sehen Buchli. 1823. gr. 8. Andere liierher gehörige Schriften
findet man verzeichnet in Mensel ii biblioth. hist. Vol. IV
P. I p. 293 nnd vonllarless in seiner intr odiict. in lit.llom.
cd. II t. II p. 160 — 162. Wacker vertheidigt der \f. S. 207 den
Cicero gegen das Vorgeben, als liabe er seine frVihcrhin gläubige
Ansicht der Divination später als Freigeist aufgegeben : was sein
llecensent in A^w Heidelber g er Jahrbüchern der Li-
teratur 1825 Sept. S. 924 zu behaupten versucht hat, gleich
als MÜrde sonst dem Cicero wegen der Verschiedenheit der (aus
ganz verschiednen Rücksichten gefällten) Urtlieile „jene ge-
flissentliche Zweizüngigkeif zur Unehre gereichen.
— Die von Hrn. Ä. vorgetragnen Griinde gewinnen noch mehr au
Stäx-ke, wenn dieBVicher de legibus nicht, wie ermitRath be-
hauptet, acht Jahre vor den Büchern de divinatio7ie^sondcri\
(wie wir oben dai'zuthun versuchten) später als diese geschrieben
sind. Uebrigens finden wir diese und die folgenden Darstellungen
sehr gelungen. Der 5te u. letzte Theil endlich von der Ethik han-
delt zuvörderst von der Anlage und Bestimmung zur Sittlichkeit,
der sittlichen Werthmessung, der Tugend, den Anfechtungen und
Versuchungen und andern allgemeinen Grundbegriffen der Sitt-
lichkeit; das 2te Capitel von den Büchern de officiis ihrem
Gehalte nach. Zwar hat der Hr. Vf. S. 236 f. keine Rücksicht ge-
nommen auf A n g. M a i ' s Vermuthung zu I de re j^^M. 24 S. 68
und in den Addend. p. 336, dass I de off. c, 2 eine Lücke sey,
welche mit der versprochenen, aber wahrscheinl. ausgefallenen
Definition des ofßcii aus Ambrosius de off. I, 8 § 26 wieder aus-
zufüllen sey: doch nach der richtigen Erklärung, welche wir uns
fi'euen von Hrn. Kühner angenommen zu sehen, muss jener Fehl-
gedanke von selbst verschwinden. Im 3ten Cap. wird noch auf
einige dem Cicero eigenthümliche Ansichten sittlicher Verhältnisse
eingegangen, z. B. des Verhältnisses des Gewinn- Bringenden zu
dem Sittlich - Guten, und des Stoicismus zur alt - akademischen und
peripatetischen Lehre. Das vierte Capitel betrifft C.'s sämmtli-
clie in die Politik einschlagende Grundsätze.
Zuletzt werden in einem Epilog die Hauptergebnisse der ge-
samraten Untersuchung, jedoch mit weniger umfassender Vollstän-
digkeit, als dieses auf eine sehr sorgfältige und bündige Weise von
dem Hallischen Rec. in der All gem. Liter atur-Zeitung
V. J. 1823 n. 238, Illr B. S. 233 — 237 geschehen ist, in eine kurze
Uebersicht zusammengedi-ängt ; auch Cicero's Verdienste über-
haupt gewürdigt, besonders die, welche er sich um die positive
Rechtsgelehrsamkeit erworben. Hier sind S. 286 n. 2 nachzutra-
gen J. C. Hoffmann de Cicer one iur. civ. teste ac in-
terprete., 1739. 4c., Jo.hiizac ob ss.no?i7iullae apologe-'
ticae pro Jur econsultis ßo?nanis (Lugd. B. 1768. 4.)
c. 3 § 1^ — 17 p. 46 — 49, Jo. Olivier civilis doctrinae
analysis philosopkica(Rom.l7n.4:.) p. 97 — 126 diair.
Kühner: Cic. in philosophiam mcrita. 347
de jnri sprv,de7itia Ciccronis^ Jos. Lud. Ern. Pütt-
mann Miscell c. 19 p. 14:? — 103, Jo. Gotthelf llorne-
mann {pracs. Chr. G. Mvt.\iho\i\.o) diss. de inr e civili a
M. Tullio Cicerone in artein redacto^ Lips. 1797. 4.,
Franc. Go d. van Lyn den diss. exhibens interpreta-
tionem i ii r i s prv d ent i ae TuUianae in Topicis ex-
p osit n c, Lup:d. liat. ] 8(^5. K, L n d. C a s p. L u z a c spe c. h is t.
inrid. d e Horte nsio^ Ciceronis aemulo^ Lugd. Bat. 1810.
4., Franc. Ern. Berg disp. de Jurisco7isulto e sen-
tentia Ciceronis^ Amst. 1822. Vergl. Ergänzungshlät-
ter der Hall. Lit. Zeitung 1825 i>o. 136 S. 1085. — „In
wie >veit ist nun diese Sclirüt für Sclnilniänner oder Scliüler
brauchbar '?•'• — Antwort: Weiin der geelirte Leser es nicht schon
längst selbst gefunden hat : so sey es „genau und bestimmt ange-
zeigt"-: ß/s Einleitung /w alle philosophis che Schrif-
tenCicer o' s iiberha npt und in jede einzelne^ die den
Leser auf den rechten Standpunkt derBetraclitung stellt, um jede
zu verstehen und gehörig zu beurtheilcn. — „Wodurch unterschei-
det sie sich von andern Werken derselben Gattung ?'•'■ — Dadurch,
dass sie kein anderes AVerk ihres Gleichen hat an allumfassender
Vollständigkeit und Reichhaltigkeit. Sie vereinigt die Ergebnisse
der gründlichsten Untersuchungen und der richtigsten Ansichten,
die bisher über einzelne Stücke an- und aufgestellt worden wa-
ren. Die Schreibart des Yf.'s zeigt von Aufmerksamkeit beim Le-
sen Ciceronischer Schriften, von eigener üebung und Fleiss. Als
Muttermähler werden nur bei angewendetem Vergrösserungsglase
Sommersprossen, wie folgende, erscheinen. Auf dem Titel ist
au et ore nur dann richtig gesagt, wenn es bedeuten soll: Hr. K.
sey bereit Cicero's Verdienste gegen Jeden, der sie nicht aner-
keiuicn wolle, in Schutz zu nehmen und ihn als V er th eidiger
zu vertreten : denn so, als ob er den Cicero aufgemuntert und
veranlas s t habe, sich jene Verdienste zu erwerben, dürfen wir
es schon nicht verstehen. Also bleibt nacli aller Latinität nichts
übrig, als die polemische Bedeutung; Hony soit gut mal y pense!
S. 23. ..,Alii genus hoc scribcjidi., esti sit^'- (statt esset) „e/e-
gans., personae tarnen et dignilatis esse ne gaban /.'•'■ Von einem
Praeterito abhängig steht in der indirecten Rede, wo die Lebhaf-
tigkeit keine Eiiallage veranlasst, das tempus imperfectmn optati-
vi. An dem 'iv öcd övoiv personae et dignitatis nehmen wir we-
niger Anstoss, als die Heidelberger u. Darmslädler Recensenten.
S. 79. ^.Quum'-'' [d. i. wenn oder so oft] ^.^Cicero argumentum
aliquod omnibus ex partibns excusserit atr/ue ex aniinave-
rit'-'' [warum nicht excussit atque e xaininavit?]., ^.^tum.,
si ex allatis a sc aliorttm philosophorjim sententiis , discrepanti-
bus inter serjue dissidentibus aliijuid veri., vel certe vero simi-
le'-^ [warum nicht, quod, reri siinile essety] ^^elici posset., .. .
tentavit'''' woliir auch angemessener sich sagen liess: inqui-
34S Römische Littcratur.
si'vit^ qiiaerere instihiit ^ esploravit oder aninmm advertit. S.
116 ärgert uns das jetzt leider heillos iiberliand nelimeiule kecke
Voraiilaufen der enklitischen pedisseqna qiioque \\. 8) Z. 3. ^^qui
addit quoque Isocratis jianeg.'-^ nämlich ausser zwei Stellen
Piaton' s auch noch aus Isokrates eine. Diesem also sollte
quoque die Mantelschleppe tragen. Ebenda Z. 2 v. u. steht mo-
net mit dem Accus, cum inf. für docet oder animadvertit. Uebri-
gens und ausser Einigem von dem, was der IXqc.^q m dem Pä-
dagog. - Philologischen Literhturhlatte zur allg.
Schulzeitung 1826 Abth. 11 Nr. 39 S. 336 aus den Heidel-
berger Jahrbüchern a. O. S. 225 1". armseliger Weise, sogar
mit Wiederholung des Schreib- oder Uruckl'ehlers „dass llr.'K.
dignitatione habe schreiben wollen'-'-, wörtlich abgeschrieben
hat, empfiehlt sich Hr. K. fast durchgängig dui-ch die Reinheit sei-
nes imgesuchten, obwohl gewählten Ausdruckes. Denn zu unge-
recht wäre es, mit dem Heidelberger Puristen längst recipirte
Griecliische Kunstausdrücke , w ie methodologia ascetica^ auszu-
märzen; oder gar wegen treuer Wiederholung fremder Ausdrücke
den Verf. zur Rechenschaft zu ziehen : wieS. 50 „« quodam forte
yatr e s eu ?nonach o.'-'- Diess hat Hr. H Vi 1 s e m a n n zu verant-
worten, der ausdrücklich dort angeführt ist. Doch dergleichen litte-
rarische Taschenspielerei erlaubt sich mancher Ciceronisirende
Recensent. In dem, Mas jener Aristarch ferner tadelt, „S. 113
videri forte in aegritudine sapientem'-'-^ MÜrde er, weniger faul
zur Aufschlagung der Stelle des Cic. Tusc. III, 22, einen Druck-
fehler/o/i'e statt/ore entdeckt haben: sowie in den gleich folgen-
den Worten: „g'Möe Carneadis(si. Carneade s) contra dixeritJ'''
K. Beier in Leipzig.
L e X i c 0 g r a p li i e.
Neues deutsch-latei?iisches Handtvörterhuck nach
F. K. Kraftij g-rösserera Werke besonders für Gymnasien bearbeitet
von Friedrich Karl Kraft, Dir. d. Gymnas. zu • Nordhansen u. d.
Grossherzogl. S. Weim. Lat. Gesellschaft zu Jena Ehrenraitgliede,
und M. Albert Farbiger, ordentl. Lehrer an dqr Kikolaischule, Pri-
vatdocenten an der Univers. u. Ehrenniitgl. d. K. S. philolog'. Gesell-
Bchaft zu Leipzig'. Leipzig in Ernst Klelns litterai*., geogr., Kunst- und
Comniissionscomptoir. 1826. XU u. 1412 S. gr. 8. 2 Thlr. 18 Gr.
Ungern hat Ref. S. V der Vorrede die Bemerkung gefunden, ein
völlig neues, nach gänzlich veränd ertem Plane ver-
fertigtes (sie), biosaus den Quellen selbst geschöpf-
tes Werk zu liefern, habe theils die Kürze der Zeit
Deutsch -Lat. IlandM'ürterLuch von Kraft ii. Forblger. 34:9
nicht erlaubt, welche den Ilrrn. Verff. zu dieser Ar-
beit V e r ir ö u n t ir e w c s c n, t li e i 1 s hätten sie d i e s s nicht
einmal für nöthiir ^eli alten, d a ein zwe ckmässig um-
gearbeiteter (?) Auszug aus einem Werke, das sich
in einem s e h r w e i t e n Kreise Anerkennung u n d B e i-
fall zu erwerben da^ Glück gehabt, dem Bediiri-
iiissc zu entsprechen geschienen. Denn hier entstellt
zuerst die Frage, wer denn nur kurze Zeit vergönnte, und ob eine
längere Frist von ihm durcliaus nicht zu erhalten gewesen wäre.
]Vun kann diese Person der.iSache nach keine andre sein, als das
Publikum. Fs ist aber gar nicht bekannt ge\u)r(len, dass das Pu-
blikum hiebei mit so dringendem tlngestVim verfahren wäre. Auch
ist es sonst sehr gern bereit, Biicherver fertigem lange Zeit
zu lassen, wenn sie zuletzt ihm nur piic Ware zum Raufe brin-
gen. Wer oder Was konnte daher die Ilrrn. \ erfl". nöthigen, ei-
nen bessern Plan und eine bessre Ausführung auf zu geben 'l Et-
wa die Besoigniss, ein Andrer möchte früher bringen, womit sie
noch nicht zu Fnde wären? Aber Mas liegt daran, Aver bringt*?
Gesetzt der früliere Bringer I)rächte das Beeilte; so wäre es von
Seiten der Ih-rn. Verff". nicht nöthig: oder seine Ware vär' als
Werk der rebereilijng schlecht j so bliebe der Markt den Ilrrn.
A erir. immer noch offen. Denn das Besste findet immer die mei-
sten und bessten Käufer. Befer. findet daher durchaus keinen hin-
reichenden Grund, warum die Ilrrn. Veril". sich so sehr beeilen zu
müssen glaubten. Ferner. DasKraftsche Wörterbuch ist allerdings
mit Beifall' aufgenommen worden. Es war auch sclilimm, wenn es im
Ganzen nicht besser wäre, als seine Vorläufer. Wie viel die Sucht
nach Neuem daran Tlieil haben könne, mag dahin gestellt bleiben.
L'eberdem schreitet die Be-, noch jv. ehr, wie billig, die Verur-
theiluuff solcher Werke nur lanffsam vor. Aber es sind auch ge-
gen das Kraftsche Werk bereits bedeutender Ausstellungen genug
gemacht worden. Befer. selbst hat in einem andern kritischen
Blatte gezeigt, wie ^iel demselben von dem noch fehle, was man
in dieser Zeit erwarten konnte. Ein Unbekannter hat noch neuer-
lich in der krit. Bil)liotlHk ({H2() No. 5 S.440 — 4.')'?), wenn auch
vielleicht in etwas zu starken Ausdrücken *) , doch in Beziehung
auf die Sache gewiss nicht ungerecht 31anclies in Erinnerung ge-
bracht, was zum Allerwenigsten von der grössten Uebereilung
zeugt. Wie unter solchen Llmständen den Ilrrn. Verff. ein Auszug
•) Dagcf^cn ist Ilr. Conreotor August Grotefcnd zu Ilfeld auf-
getreten In der Seluilzeitung d. J. AUth. 2 ^r. 70, >velch<'r das Leiden-
Bchiiftliclic und Ilüniisclic jener Reurthcilung riip^t, ohne die Fehler selbst
wegbringen zu können, l'reilidi Avärc zu wünsehen gevesen, Ilr. Kraft
hätte langsamer und bedächtiger gearbeitet; dann wären gewiss auch die
dort gerügten Ucbcreilungsfehler vermieden worden.
Anm. d. Rcdact.
Jahrb. d. Phil. u. Pädas. Jahrg. 1. Heft 2. 23
S50 Römische Litterat ur.
aus jenem W erke dem Bedürfnisse zu entspreclien scheinen konn-
te, davon lassen die Gründe sich eben so wenig begreifen. Ab-
geselien endlich von dorn übel gewählten Ausdrucke umgearbei-
teter Auszug, da ja noch kein Auszug vorhanden war, wel-
cher hätte umgearbeitet werden können; so kündigt sich in der an-
geführten Stelle eine gewisse zaghafte Unsicherheit des ürtheils
und Willens oder, wie man es sonst noch nennen möchte, an, wel-
che ebenfalls kein gutes Vorurtheil gegen das Werk erregen kann.
In der ersten Hälfte nämlicli scheinen die IleiTen Verff. zugeben
zu wollen, dass es besser gewesen wäre, bei Veränderung des Pla-
nes ein völlig neues, nur aus den Quellen selbst gescliöpftes Werk
zu liefern, und dass sie das auch wol gethan hätten, wäre nur eine
längere Zeit vergönnt und der Ueifall des grössern Werkes nicht'
dagegen gewesen. Darum nehmen sie in der zweiten Hälfte einea
Auszug aus diesem als hinreichend an: doch soll er, um jener er-
sten Hälfte nicht ganz untreu zu werden, ein umgearbeite-
ter sein, indess doch auch nicht in so weit umgearbeitet, dass
der Plan des grössern Werks gänzlich verändert und die Phraseo-
logie mehr aus den Quellen genommen w äre. Was bleibt aber dann
noch übrig, das Umarbeitung genannt zu werden verdienen kann*?
Das heisst kurz wollen und nicht'wollen und es zuletzt
der Kürze wegen beimNichtw ollen bewenden lassen.
Doch es wird Zeit sein, an das Werk selbst zu gehen. Es
wird darauf ankommen, den Zweck, den Plan und die Einrich-
tung, die Vollständigkeit der Artikel, den Reichthum und die Aecht-
heit der Phraseologie desselben, sein Verliältniss zu dem grössern
Werke zu prüfen und danach seinen W^erth im Allgemeinen zu be-
stimmen.
Was nun zuerst den Zweck angeht; so ist es nach S. IV
bestimmt für Schüler der mittleren oder bei höher
steh enden Lehranstalten auch der unteren Classen
von G e 1 e li r t e n s c h u 1 e n. Da es indess auch in den
obern Classen der Gymnasien und selbst auf Univer-
sitäten noch Manche giebt, die einen Lateinischen
Aufsatz nicht ohne alle Hilfe des Lexikons nieder-'
schreiben können, und darunter sich Unbemittelte
befinden, die sich dann nach einem wohlfeilen
Hilfsmittel dieser Art ums elien; so haben dieHrrn.
Verff. sich auch erlau bt, bisw eilen von jeneraZwek-
k e ab zu w eichen, und Manches aufgenommen, was
nicht blos über das Bedürfniss der mittleren Clas-
sen, sondern überhaupt über die' Schulbildung liin-
a u s liegt. Das heisst nichts Anderes , als , die Iln-n. Verff. ha-
ben sich bei ilirer Arbeit einen Zw eck gesetzt, zugleich aber auch
für gut gehalten, ihm niclit treu zu bleiben. Es dürfte wol über-
haupt schwer, wo nicht unmöglich sein, in dieser Beziehung das
Bedürfniss für die mittleren Classen ganz genau vest zu stellen.
Deutsch -Lat Handwörterbuch von Ki-aft u. Forhiger. S51
Eher wäre das Ticlleicht noch für die gesammte Gymnasialstufe
jnöjrli«"h. Aber mit Absiclit iiiul nacli reifliclier üeberlcgung ein-
mal aufgestellte Zwecke iniisscii (iurchaiis vest gehalten werden,
■wenn nicht das ohnehin dürflige menschliche Wissen, Wirken und
Leisten der Verwirrung, Ilalblieit und JNichtigkeit ganz zum Hau-
be werden soll.
AVas den Plan betrifft; so Iiaben wir nach den vorhin ange-
führten Worten den des grossem Werkes um Weniges verändert
zu erwarten. Da die etwauige Veränderung desselben in nnseru
vorletzten Abschnitt gehört, der Plan des grössern Werkes aber
als bekannt vorausgesetzt werden darf; so könnte dieser Abschnitt
als beendigt angesehen werden, wäre hier nicht ein Mitarbeiter
hinzugekommen, welcher die Buchstal)en A, G, K, N, T, U und W
bearbeitet hat. AVir wollen daher ein Paar Proben davon aus dem
Buchstaben T geben, aufweichen wir uns Viberhaupt ausschliess-
lich beschränken. Sonst ist gewöhnlich das Eigentliche mid Un-
eigentliche der Bedeutungen durch verschiedene ]\oo. angezeigt.
Lnter Tact läuft aber das tlneigenlliche bei JNo. 1 mit. — liei
tagen hätte zur Krsparung des llaumes auf Tag, es wird T.,
verwiesen werden können. — Tändelei soll auch heissen C2in-
ctatio: in dieser Bedeutung aber kommt es nicht vor. — Bei dem
Worte t heu er finden wir folgende Anordnung: \) Adi. 1) in ho-
hem Grade werlh und lieb, 2) hoch im Preise, 3) heilig, feier-
lich. 11) Adv. 1) hoch im Preise, 2) heilig. Schwerlich siudhier
die Bedeutungen richtig angeordnet. Wir halten No. 2 für die
Grundbedeutung, No. 1 für die uneigentliche und jNo. 3, wovon
b et heuern stammt, fiir einen höhern Grad da\on. Bei No. II
mussten die Noo. nicht geändert, sondei-n wie bei I gelassen wer-
den. Eben so ists in dem grössern Werke. — Unter toll folgen
die Bedeutungen so : I) Adi. 1) ein betäubendes Geräusch veriu*-
sachend, 2) ungestüm tobend, zornig, 3) rasend, 4) seltsam,
wimderlich. II) Adv. mit denselljen 4 Noo. Hier ist offenbar
No. 3 die Grundbedeutung, die übrigen alle sind metajiliorischund
durften nicht so gehäuft werden, No. 1 ist überflüssig und lallt
theils in No. 2, theils in No. 3: denn bei toller Lärm oder toll
durch einander sehr ein lieirt das Geräusch doch gewiss
nicht in toll, sondern in Lärm und schrein. {J;inz nach die-
ser unsrer Ansicht sind die Bedeutungen Aon Tollheit aufge-
stellt. Wenn die unter toll getroH'ne Anordnunir die rechte war,
80 musste sie auch unter Tollheit bleiben, liier stimmt Alles
mit dem grössern Werke überein, ausser dass dort bei No. 1 noch
ohne Noth, bei No. 2 aus Zorn und Trunkenheit, bei
No. 3 aus Beraubung des Verstandes und Bewusst-
seins steht. — l^nteüTon: 1) Klan;r, die Töne in der Musik,
ein lialber, hoher, liefer Ton, Ton der Stimme \on einem Red-
ner, 2) in der Musik statt Tomirt, 3) im Sprechen a) eigentl.,
b) uneiffcntl., 4) Acccnt, 5) der gute Ton. Hier enthält No. 1 zu
23 *
852 Römische LIttcratur.
nel nnd Ungleichartiges. Die Natur der Sache verlangte 1) Klang,
im Allgemeinen, ein ferner, unbekannter Ton u. drgl., 2) in der
Musik a) reiner, hoher, tiel'er, halber, ganzer etc. Ton, b) Grand-
ton, Tonart, 3) im Sprechen a) vlccent, b) der Stimme, 4) meta-
phorisch von 3, b in mehren Fällen, a) der Ton einer Rede, ei-
nes Briefes etc., aus einem andern Tone sprechen , einen hohen
Ton führen etc. b) in Beziehung auf gesellige Yerliältnisse, fehlt
in seiner Allgemeiidieit in beiden Werken, ein freundlicher, stol-
zer, rauher, feiner, guter Ton, den Ton angeben, c) mit Bezie-
hung auf die Farben in der Malerei, fehlt in beiden Werken, wel-
che auch übi'igens übereinstimmen, ganz. — Bei Tonkiin stier
ist verwiesen auf Musikus, bei T o p o g r a p li i e auf Ortsbe-
schreibung. Solche tlngleichmäsigkeit verdient an sich Ta-
del, besonders aber auch desshalb , Aveil man so niemals wissen
kann, wo man nach zu schlagen hat. — Tragen, I) v. a. 1) ei-
gentlich, sustinere^ ferre^ geiere^ gestare^ 'porture.^ zuletzt Je-
manden auf den Händen tragen , das Herz auf der Zunge tragen,
auf beiden Achseln tragen , man trägt sich mit einem Geriichte.
2) uneigentlich a) hervorbringen, erzeugen, b) etwas an sich ha-
ben, besonders Waffen und Kleider, c) über sich nehmen, erdul-
den, d) in einer gewissen Richtung halten, e) fiihren, eines Na-
men , f ) haben , [hegen] , II) v. n. reichen a) von Schiessgeweh-
ren, b) vom Gesichte, 111) v. r. 1) sich kleiden, 2) sich gut hal-
ten, von Zeugen, 3) von [der] Haltmig des' Körpers. Hier nüis-
sen No. II imd in üire Stellen wechseln: denn das verbum reci-
procuni als eine nur beschränktere Art von Activum folgt billig so-
gleich nach dem Activ. Besser ist es darum unstreitig , wenn in
dem grössern Werke das v. r. zu dem v. a. gezogen worden und
No. III ganz ausgefallen ist. Bei I, 1 eigentl. musste gesagt
werden a) im Zustande der Ruhe, sustinere^ b) der Be-
wegung,/er/e, gercre^ gestare ^ portare. So wäre sogleich
von vorn herein der Grund gelegt für die überall viel zu wenig
beachtete Synonymik , für welche auch ohne viel Raumverbrauch
ein guter Wille bei guter Kenntniss gar Vieles thun kann. Auf-
fallen muss es, dass Ausdrücke, wie auf den Händen tra-
gen, das Herz auf der Zunge tragen u. s. w. unter No. 1
aufgestellt sind, als stände da tragen in eigentlicher Bedeutung,
dagegen aber Waffen und Kleider tragen unter No. 2, als
wären das uneigentliche Ausdrücke. Eben so wenig gehört 2, d
dahin : denn in den Kopf schief tragen ist tragen doch
wahrlicli nicht uneigentlich zu nehmen. Bei II fehlt in beiden
Werken noch vom Sprachrohre. Aehnliches lässt sich bei
allen etwas längeren Artikeln , z. B. bei taub, treffen, trei-
ben, trennen, treten, treu, t r o c kj^ n und andern auf biin-
gen : docli wird das Gesagte als Probe fiir diesen Abschnitt schon
hinreichen.
Als fehlende Artikel in beiden Werken bemerken wir
Deutsch -Lat, IlanJwörlerbuch von Kraft u. ForMgcr. 353
Tachyjjraphic, Tafelaufsatz, einer, d er Talent hat,
Ta uinel lolcli, Teinctüie, Ter mi iiolo^ 1 em aclier (fa-
hr i k a u t ) , verbonim opife.v^ ('io. , T i s c h ij c n o s s e ji s c I» a f t,
T o n s p i"e 1 , T r a g k ii o s p e , 'I' r ö d e I iii atz, T u g e n d b <> 1 il,
Tyraimenver t rei her, Itj/aniii c.rpiilsor^ INep. In dem Jlaiul-
wörterbuclie allein fehlen Teint (In dem grossem Werke ist ver-
wiesen auf llantf ar he, color cutis. Aber das cutis wiirde oft
sehr schwerfällig mithnmpeln, z. B. Tusc. 4, 13, 31 color is
suaritas und Tusc. 5, li?, -Mi color snacis.) ., Todes he eher,
Trlnksncht, Tros t sehr i 1 1, welches durch l'ros tschr ei-
hen nicht ersetzt werden kann, da beide verschieden sind, Trüf-
felhund, Trii ff elj agd, Trii f f e Ijä ger und wahrscheinlich
noch einige andere. Wenn nun au('li etwa Trinksucht und
Trüf f el i ä ger ei nicht auf die GNumasialstiife gehören; so ist
doch bei den andern kein Grand deslVlangels ab zusehen. Älehr
f efilt in den vorhandenen Artikeln Einzelnes. Unter
Tadelhaf t feldt e twas T ad elhaf tes sein oder bedeu-
ten, in ritio esse^ unter Tag, an den Tag legen, so viel,
als Tag' im Jahre, heller, als der Tag, unter Taille
dieliedeutnng, wonach es die bekannte Stelle amKiicken bezeich-
net, unter tappen (wo verA\ lesen ist auf herum tappen. War-
um nicht lieber u m h e r t a p p e n '? Sollten die Hrrn. YerfF. solche
Linterschiede unbeachtet gelassen liaben '?) , in Unwissenheit,
errarc\ Tusc. 1, 48, 115. Was aber in aller Welt soll unter lier-
um tappen in dem grössern Werke das im llandwörterbuche
fehlende ^e?« er e errare '^ Unter Tasche fehlt einem alle
'Vaschen umkehren , excutere ^ unter taub, für oder ge-
gen etwas, ad philosopJiorinu voces aures eins clausae sunt^
Tusc. 4, 1, 2, und surdum esse in Graecosermojw^ Tusc. 5, 40,
11 ß, unter Tauschhandel, treiben, res mutare., Sali. Jug.
18, unter T hat, böse, maleßciuni^ facinus., eine böse That
verrichten, faciuus committere., oft committere allein, gute,
benef actum., rulim volle, laudes ., unter tliätig, sein über-
liaupt, besonders geistig, vigerc^ nioceri., ingenium exei'cere^
etw as Thätiges, fjniddam., (jikhI vigeat., Cic. pr. Mil. 31, 84,
unter Thätigkeit, was geistige Thätigkeit fordert,
st/idia acut ö, Cic. Cat. mai. 14, TiO. Mehres fehlt nnter T heil,
z. B. der Theil einer gerichtlichen Rede, actio., auf
meinen Theil, unter Ther, bei Schiffen, cera, ()\i(J.,
iuiter Thron, v om Thr. ausscliliessen, unter thun, ans
Vorsicht, cavere^ beim Addiren, esse., fieri., et^vas
worein, cum cera circvmjadeniid., INep. 17, 8, 7, in t^tsaßcti-
tia coniicere., ?Siep. 23, 10, 5, etwas zu etwas, ad lungere qd.
ad (jd. u. dergl., unter Tod, zu Tode ängstigen, peitsclicn,
prügeln u. dergl. mehr, unter todt, todt ))eitschen, sich
t o d t lesen, t o d t o h r f e i g e n , der t o d t e 15 u c h s t a b e und
Aehulichcs mehr, unter tragen, Abgaben, loler.ure., welches-
354: Ru mische Littcratur.
auch unter Abgaben fehlt, Alles in sich selbst, ut o-
vinia tua ijt te posita diicas^ Lael.2,5i unter treffen, auf
etwas, plötzlicli und hart, aber ohne dauernde Folgen,
percutere^ mit dauernden Folgen, percellere^ niclit, gar nicht
treffen, a siispicioiie abesse pliuimum^ unter Trennung,
geht vor sich, findet Statt, discessus fit^ untertreten,
a u s , z. U. a u s d e m II a u s e, e limine pedem efferve^ aus dem
Leben de vita exire , unter Truppen, 1 e i cli t e , schwer e,
welches auch unter Armee, Heer, Soldat, wohin verwiesen
wird, nicht steht. Hei Tyrann hätte auf den Unterschied der
antiken und modernen Bedeutung des Worts hinge\^iesen werden
sollen, welches aucli in dem grösseiii Werke nicht geschehen ist.
Für jenen Fall ist eine Ilauptstclle bei Nep. 1, 8, 3.
Wir kommen jetzt zu dem R e i c h t h u m e und der A e c h t-
li e i t der L a t i n i t ä t. Unter T a c t fehlt iu dici u m , z. B. Ion-
^itudinum et brevitatum ^ Cic. Oi\ 51, 173. Und Ernesti sagt
in den Opp. or. p. 149 Celerilas i/igenii^ usu subacti^ qnodiii re~
hus gerendis statim^ quid in rem sit^ subiiciat. Concentum
servare fiir Tact halten diirite bedenklich sein, da coTzcew-
tus wol mehr sich auf die Harmonie bezieht. Pulsu regere
cantum für den Tact schlagen scheint nicht allgemein ge-
nug, Mcnn man cantus blos auf Gesang bezöge, .ob wol die Al-
ten es auch ^on Instrumenten brauchen. W ir Avürden im Allge-
meinen sagen niodos {modoritm mimer os) pidsu regere , von Vo-
calmusik cantum oder cantus numeros^ yow Instrumentalmusik
ßdes oder ßdium jnodos ^ von beiden zugleich cantum et jides^
auch wol symphoniae viodos et mimeros oder symphoniacos.
Warum unter Tadel aus dem grössei'u Werke ««//««r/rc/s/o nicht
mit übernommen worden, dürfte zu fragen sein. Aber auch iu
diesem fehlt minima read repr eilende ndum contenti^ Cic,
und noji inquiro ^ quod r epreheiidam^ Cic. Unter tadel-
haft fehlt in beiden Werken sein, in culpa esse^ Cic, und cri-
minis caussam habere^ Cic, unter tadeln, ebenfalls in beiden
Werken, cnlpare^ destringere^ castigare^ vexare^ monere^ eben
so unter Tafel, victus^ Cic Tafelmusik, symphonia su-
per coenam. Das ist mm und nimmermehr Latein. Wir haben
schon verschiedentlich , auch in unsern Beurtheilungen des grö-
ssern W^erkes, darauf aufmerksam gemacht, dass die Ilömer es
bis auf seltene Fälle vermeiden, eine Träpositloji unmittelbar von
ein^m Substantiv abhängig zu machen. Man sehe nur, Avie sie
sich dabei benehmen, ex attritu arborum^ Reiben an den Bäu-
men, Pün. II. N. 8, 32, 50 ; cibaria cocta dierum decem, a u f 10
Tage, Nep. 18, 8, T; invidiae crimen^ Anklage aus Neid, JN'ep.
7, 4, 1 ; iiiterpres corrumpendi iudicii^ bei Bestechung etc., Cic.
Verr. 1, 12, 36; manupretium machinae^ für, Verr. 2, 1, 56,
1-1:7; defensio criminis^ gegen, Verr. 2, 3, 76,176; necessita-
tis cxcmaiio^ Entschuldigung mit der INothwcudigkeit, Cic. Ür.
Deutsch -Lat. IlandATÖrtcrljuch von Kraft u. Forblgcr. 355
69, 230; dcJcctalionis auciipinm, ITasclicn nach VergnVisjcn, Or,
25, S4; hcreditatis coiitrorcrsia^ Streit über, Vt-rr, 2, 2, 18,
40; vila nostnim cuiffS(/>fc^ unter, \err. ],5S, MH); laboris
ftigo^ Sehen vor, Or. OS, 220; pioocmiiiin belli Piniici^ Einlei-
tung zu, Or. 09, 230; Iriian rvgiiin bellum^ zwisclien, Liv,
45, 14; habeo^ quas ad einnleni liUcras misisti^ dein Schrei-
ben an ihn, Verr. 2, 1, 31, 18; bellum^ quod adver sus Cadus-
sos ßessit., ISep. 14, 1, 4; neg/ilndo suscepta prop/er idi-
qiiid^ Tuso. 4, 8, 17; gcnlibns^ quae eis iberum incolunt^
Liv. 28, 24, 5; oditus, qui Viliriani aperit^ JN'ep. 3, 4, 4; bel-
lum gest um opud Mutinam. JSej). 25, 9, 1 ; XVI Volumina epi-
siola/um ad Atlicum missarum^ INep. 25, 10, 3; Pugiia Can-
7ie//sis i. e. ad Cannas commissa^ Liv. 23, 11 e\tr. (Das in dem-
selben Kap. vorangellende muitius rirfo/iac ad Cannas halten wir
für unlateinisch und aus einer Glosse über CVm/iews/s entstanden.) ;
Castra naulica^ an der Küste, Nep. 7, 8, 3; consularis metus^
vor dem Consul, Yerr. 1, 10, 28; quaestio/ies naturales^ über,
Quinctil. 1,4,38; Scriptures Graevi^ über Gr., Tuso. 1,13,29.
So sagten die Alten, und ihre grossen INachahmer in neuerer Zeit,
J\l u r e t , L a m b i n , Reiz, E r n e s t i , II u h n k e n , Wolf und
Andere machen es gerade so und geben dadurch eben die Grösse
ilirer JNachaJnuung kund. Zwar kommen auch bei den Alten selbst
hier und da Beispiele dieser sonst von ihnen sorgfältig umgange-
nen Abhängigkeit vor, wie negoiiator ex Africa^ \err. 2, 1, 5,
34; timor meus de vestrafide^ ib. 2, 1, 8, 23; ist ins de cokorle
recuperatores^ 2, 3, 12, 29; discessus animi a corpore^ Tusc. 1,
9, 18; in IL 'ibro de republica^ Tusc. 1, 22, 53; ynultos inistum
festes deferruit^ Verr. 2,3, .^i3, 122; desertor propter^ Cic. ad
fam. 3, 19: aber dann hat die Sache meistentheils ihren Grund in
der Abstammung (^on einem Yerbum) , der Bedeutung des Sub-
stantivs oder in dessen alterthümlicher Construction oder in un-
berichtigter Lesart, und es bleibt auf jeden Fall sehr gewagt, sich
liier ohne \ organg der Alten etwas zu erlauben. Es wird darin
von neuern Lnteinschreibern nur all zu ^iel gefehlt und auch in
diesem Wörter!)uche z. B. unter Talent, naturalis i/igenii ad
aliquid de.rteritas^ unter Tanzsaal, ronclave malus ad s(dtan-
dum^ unter T hör w a c h e, cxcubiae a d partum^ T h o r s c h r e i-
ber, scriba ad portani^ Tintenfleck, macula ex atrameu-
lo^ Tischgebet, precatio ad coenatn^ Tischgespräch,
sermo i n t c r coenandum , s np c r mensam , T i s c h t r u n k , po-
tus ad inensam^ Töne, geschleilte, //c'.r/o//es in cantu^ 'J'rink-
schale, scutclla a d potanduui^ T u g e n d 1 e h r e , ductrina de
virlute. Das Alles halten wir für unlateinisch, und ist dessen für
einen an sieh magern Buchstaben, auch wenn wir nichts überse-
hen hiitleii, wo! nur fill zu >iel. Wir lassen blos insiitutio in ar-
te saltandi unter T a n z s t n n d e , nomcn sine honore unter T i-
tei und luctalio cum morle unter Todeskampf gelten. Die
356 Römische Littcratur.
hier in Rede stehenden Verunstaltungen der Latinität können nur
Ton einem hohen Grade von Flüchtigkeit, Unachtsamkeit und Klan-
ge! an Auffassung hergeleitet werden, indem, Avenn z. B. Liv. 28,
18 sagt Tanta inercit comitas Scipioni atque ad omnia naturalis
mgenii desteritas^ oder Cic. de er. 3, 25, 08 Qua/ito molliores
sunt et delicatio/es in cantuflexiones? gar nicht in lliicksicht ge-
zogen wird , wie viel dort inerat Theil an der Uection des ad^
hier das molliores sunt an dertles in habe, unddass man um die-
ser beiden Stellen und ähnlicher willen noch nicht sagen kann
dexteritas ad aliqiiid oder flesiones in cantu. Bisw eilen mögen
solche Ungcliöi'igkeiten auch wol aus Sacliverzeichnissen entsprin-
gen. So steht z. B. in dem index rerum memorabiliura in der
Krauseschen Ausgabe des Vellei. Paterc. unter Actium — proe-
Uiini apud Actium int er Oct avium et Anto7iiuni 2^ 85. Aber
in der angeführten Stelle wird nur die Sache erzählt, die feliler-
haite Phrase kommt darin nicht vor. Referent holft, diess w erde
hinreichen, diejenigen, welclie im Lateinischen unterrichten oder
selbst in dieser Sprache schreiben, dahin zu bewegen, dass sie
der Sache mehr Aufmerksamkeit schenken, als bisher geschehn,
selbst wo er glaubte, es erwarten zu können. — Unter Tag, es
liegt am T., fehlt in beiden Werken persiricuum est^ elucet^
an den Tag kommen, illiistrantur , ernmjmnt omnia , Cic,
vor Tage, antelucana industria^ es wird Tag, lucet^
seine Tage besch Hessen, finire^ worüber R u h n k e n zum
Velleius spriclit. Älehr aber, als diess und vitam finire^ hätten
wir hier nicht beigebracht und lieber auf %t erb en verwiesen, wo
weder vitam fmire^ noch vita e.rcerfe/e angegeben ist. Unter
Tagebucli felilt in beiden Werken ea.' ephemeride scimus^
Nep. 25, 1 S, 6. Was soll bei papilio^ T a g e f a 1 1 e r , diurnus?
Tagelang lieisst w ol nicht eine n, sondern m ehre Tage lang,
also nicht per diein diirans. Unter Tagelohn fehlt in beiden
Werken manuum merces^ Sali., unter Tagelöhner operae mer-
cenariae ^ Cic, unter Tagereise via diernm erat fere decem^
Nep. Taille, 2) der Schnitt am Kleide, etwa^ forma ve-
stis. Das oft so hinter etwa vorkommende Komma ist ganz in-
terpunctionswidrig. Uebrigens konnte aus Curt. , Avoher habitus
corporis genommen worden, auch habitus vestis genommen wer-
den. Dexteritas ist wol nicht, wie unter Talent angege-
ben ist, jedes natürliche Talent, sondern immer Talent mit Be-
ziehung auf Dinge, wodurch wir andei'u gefallen, ingenium et
ars ad promere?idam onmiu?n voluntatem^ wie Ruhnken in der
praef. ad Scliell. Lexic. sagt, und wie es aucli in der vorhin aus
Liv. an geführten Stelle steht. T a 1 m ii d i s t , Talmudis interpre-
tandi peritus. Ernesti sagt opp. or. p. 299 sehr kurz imd an-
gemessen magislros Judaicos intelligere. Unter tändeln fehlt
das Horazisclie iuvenari und ludere^ mit einem Mädclien,
BoU heissen alludere ad puellam : aber nach der Erklärung, wel-
Dcutscli Lat. Ilamlwörtcrbuch von Kraft u. FoiLiger. o57
che Rulinken zu Tor. Eun. 3,1, 34 von aUiidcre gicbt, muss
die dadurch bezcichuele Tändelei eine ziemlieh luuulfi;reilliclie gc-
veseu ijeiu. Auth steht dort nicht ad pjicllam, sondern adscor-
tum dabei. Warum nidit niigari^ ludere cum puella ? Der ächte
Ausdruck sclieint das bei Plaut, oft vorkommende delkias faccre
zu sein, audi \vol das dclicias d teere des Catull. Unter Tapet
felilt in beiden A\ erken mentioiiem iniicere und das blose iiiiice-
re. Ein T a s c h e n b u c li, »las man immer bei sicli trägt, soll hei-
ssen Über familiär is. AVir zweifeln aber an der Latinität des
familiär is in diesem Sinne. Unter taub feldt in beiden Werken
das Varrouisclie spicum u eqna m. Besonders dürftig ist Tasche
weggekommen, da fehlt crumeiiam es. haurire ., peeuniam aver-
iere^ domiim s/ia/nferre^ dumum suam averlere und eonverlere^^
peeunia luer i facta., das Jemand in seine Tasche gesteckt hat.
Unter Taube fehlt als w i 1 d e im Haiuhvörterb. /;«/MmÄes und in
beiden palumbus und pahimba. Tauchen, in aquam mergi.
Aber öfter, als das, wird gesagt in aqua oder blos aqua. Das
Frequentativum ynersare, z. U. profnndo bei Plin. mai., fehlt in bei-
den Werken. Bei lindere ist an beiden Orten keine Coustructiou
angegebon. Auch hier kann man sagen in aquam., in aqua und
aqua. Vergl. Seyferts Lat. Spraclil. Tbl. 5 § 2051 Anmerk.
Taufe drückt D e m b u s p. 405 recht gut ^o aus : in i n i tiando
filio suo. Der T a u m e 1 der Freude ist w ol durcli summa laeti-
tia gar niclit ausgedrückt. Wir würden sagen ebrietas laetitia
exorta oder laetitia e.vultans. Oft könnte man sich behelfen mit
laetitia plenus., Hör,, und laetitia. ebrius. Unter Tauschen fehlt
um etwas, mutare qd. ye, unter täuschen capere., illudere.,
in errorem inducere., unter Tauschhandel bei permutatio
noch mercium., unter T äuschung simulatio., sinudatum., dis-
simulatio. Temperament drückt llu linken sehr gut aus
durch cum corporis tum ingenii temperatura und ein heftiges
durch eeleres ingenii 7notns. Unter Teppich fehlt stragulum
aus den Tusc, unter Termin dies praestituta., dient ci. proro-
gare. Die unter Kunstsprache, w ohin bei Terminologie
w erwiesen wird, aufgeführten Ausdrücke, usus loquetiditeelini-
CUS.I oratio., vocabulu teehniea., sind^iel zu schleppend und kom-
men bei den Alten selbst gewiss nicht vor. Wir haben schon oben
verbor um opifex gehabt. Eben so sagt Cic. in den Tusc. Inter
!£enoneni et Peripateticos nil praeter verhorum novit atem in-
terest. Doch es wird zu w cit führen , den ganzen Buchstaben so
durch zu nehmen. Wir heben daher Jiur noch Einiges besonders
aus. Unter t h ä t i g und in T h ä t i g k e i t sein feldt agere qd..,
moveri., agitari., motu suo eieri., und vor Allem das auf geistige
Thätigkeit sich bezieh ende vigere. T h e a t e r s t ü c k, fabula s c*3^
nica. Das scenieu fehlt bei t\ii\\ Allen immer, so bald es sich ir-
gend aus dem Zusainmeidiange ergiebt. Von alle iWn unter Theo-
rie aufgestellten Ausdrücken k'aiui man keinen gebrauchen, wenn
358 Rü mische Litteratur.
man sagen Ml 11, das und das istin der Theorie recht gut, aber in
der Praxis nicht aus zu führen. Wie schön sagt das Cic. ! Chrysip-
jn consolatio ad veritate m finnissiina est , ml leiiipus aegri-
tudinis dljjicilis. T h i e r i s c h e Lüste, Ubidines belluiua e.
Das ist doch woi zu viel, etwa viehisch. Tliierisch kann nur
durch corporis gegeben werden. Unter thun steht S. 1107
Hoc ip s i salutare erib und iniuriain ip s i nonfeci. Warum ip si?
Todte Sprache, liiigua^ quae ex vita et consuetudine commuui
ahiit. Wenn aber das oft hhiter einander vorkommt'? Wiesclilep-
pend dann! Cic. sagt Yerr. 2,5, 18, 45 leges mortuae. Also auch
lingua morlua. Memoria defi/nctis sacra iintav Tod teuf eier
ist ein den Todten geweihetes Andenken. Wo bleibt aber da die
Feier? Wir würden sagen solemnia in defunclorum memoriam
celebrata. T r a n s i t o g ü t e r , ' ?nerces per aliquatn terram ve~
hendae. Gut ira Allgemeinen : Aveun mich aber einer fragt, was
ist das'? und ich will ihm sagen,, et sind Transitogüter; so passt
das doch nicht, und ich müsste etwa sagen merces sunt per fi-
nes nostros vchendae. Traum gott, der, Morpheus, Da
fehlt aber die Uebersetzung des Wortes Traum gott, auf die
es doch im Wörterbuche vor Allem ankommt. Im grössern Wer-
ke ist es nicht anders. Treibeis, glacies rupta fluitans in
aquis. Das rupta ist ganz übrig: denn ist die glacies schon flui-
tans ; so versteht es sich von selbst, dass das ?timpi schon bei ihr
vorgekommen sei. Eben so wird auch in den meisten, nämlich
in alle den Fällen, wo es sicli von selbst versteht, in aqvis iiber-
flüssig sein. Und so ist überhaupt bei der Phraseologie dieser
beiden Werke häufig nicht die erforderliche Rücksicht genommen
auf das, was sich von selbst verstellt. Unter treiben fehlt der
wichtige Fall , die Sonne treibt die Gewächse. Unter I,
3 daselbst ic\\\t factiture ^ z. B. medicinam^ Quinctil., exornare^
z.B. pkilosophiani^ Tusc, niinistrare .,'llor. Unter II, welches
als V. n angenommen ist und doch gemmas \^radices^^ agere und
flores expellere mit enthält, felilt herbes'cere ., frondescere ., pu-
bescere , se tollere , f andere , procreare.
Ueber das Verhältniss des vorliegenden Werks
zudem grössern ist in dem bisher Gesagten schon Manches
angedeutet. Wir wollen eine kurze Verglcichung beider noch her-
beiführen , indem w ir zurückgehen auf ehiige Ausstelliuigcn unsrer
letzten Beurtheilung des grössern Werks in No. 230 und 2ol de»'
Jen. allg. Lit. Zeit, vom vor. J. und der schon erwähnten eines Un-
genannten hl No. 5 der krit. Eiblioth. v. dies. J. E n t s p r i e s s e n,
2) entstehen, lierstammen, da doch herstammen = entspros-
sen sein. Also nichts verbessert. Erbse, nur pisum. Also
nichts verbessert. Unter Erbverbrüderung nichts verbessert,
dagegen unter E rb vergleich. In Beziehung auf Erdball,
Erde ]\o. 3 und das fehlende Erdenrund nichts verbessert.
Unter Erdeuleben ist aus vita hac in terra geworden vita his
Deutsch -Lat. Handwürterbuch von Kraft u. Forbiger. 359
in icrn's^ eine sclilimme Verbesserung. Unter e x t c m p o r i r e n
sind die versus es tempore weirirefallen. Also eine nej^ative Ver-
besserung. Iliniasseu und hiareissen sind jetzt jedes als
ein AVort gedruckt. Dagegen steht noch h er l a s s e n, li er 1 e i-
ten, liinein tragen, liin sollen und eine IMenge Fälle die-
ser Art. Also im Ganzen nielits verbessert, \veil die Totaleinsiclit
mangelt. 7?/V/e/e ?*///<• ist nicht mehr, weil hi n lach en ausge-
lassen ist. Dagegen lindet sich unter lü n l a s s e n noch veniam
dare istuc eundi^ unter liinleuchteu lampada istuc admo-
i'ereund Vieles der Art. lilos aus itio huc ist üio ilhic^ also aus
Herreise Hinreise geworden. Wenn aber das Latein ist; so
viirde immer noch itio istuc fehlen. Hei hinab ist auch hier
noch auf li er ab verwiesen, und ist dazwischen doch ein so gro-
sser Unterschied! So viel aus unsrer eignen lieurllieilung. Jetzt
zu der des Unbekannten. Graupe heisst immer nodi ptisojiu?n
statt ptisana-ae^ mein schönes Kind noch 711 i lepida^ Phy-
siognomie noch immer = Phy sionomie, ]No tlis tall noch
Lumer vaccrrafnx vacerrae^ Söller solare für solarium^ Sechs-
eck sexagonum statt hexogo/umi ^ liinausgehen, im Bieten,
plus Iheri statt jj/////*- liccri^ Hohlkehle colliqmae^ nälien
tiere^ Schwimmhaut cut is ad natandum data^ Schwung-
feder peuiia ad volandum^ Lustw äldclie n nemus volu-
ytarium u. 31. d. A. Verbessert sind die gerügten Fehler
unter Hansestadt, lierumgreif en, Kleinstädter, nie-
mals, nicht zu beurtheilen bei Hornkamni, Hut, Raufe,
N ä d e 1 c h e n , h i n w e g k r i e c h e n u. einigen A., weil das Deut-
sche dazu fehlt. AVarum aber einen II nt tra gen, die Rau-
fe u. dergl. ausgelassen worden, das wissen wir nicht. Soll es
etwa auf Tertia nicht vorkommen *( oder auch nicht bei unbemit-
telten Primanern und Studenten'?
Referent glaubt nun durch das Dagewesene einen hinlängli-
chen Grund zu seinem Urtheile gelegt zuhaben, welches er in
folgender Art abgiebt. Er glaubt nämlich, dass durch das vor-
liegende Werk dem in der Sphäre desselben vorhandenen ßedürf-
iiisse eben so wenig abgeholfon sei, als einem andern durch das
grössere Werk. Auch glaubt er, dass das vorliegende Handwörter-
buch schwerlich das werden wird, was das liedürfuiss fordert und
in dieser Zeit geleistet w erden kann und soll, es müsste denn nach
einem vester gehaltnen Zwecke, und nach einem ganz andern Pla-
ne bearbeitet, die Pliraseologie mehr aus den (Quellen gezogen
werden und die Hrrn. Verff. noch gar mancherlei Sprachstudien
treiben und Vieles durchmaclien, worüber sie ivoch nicht im Kla-
ren sind: denn ein Levicograph muss alle A> iukel de- Sprachwis-
senschaft im Ganzen und Kiu/eluen durchstöhert haben. Auf die
Zeit des Erscheinens muss es ihnen gar nicht ankommen. Alle zu
früh geborne Kiiuler iiM^ommodireu viel .Menschen, leisten selten
Aiei für die Weit und werden, seilen alt. Wenn Werke dieser Art
360 Rümischc Littcratur.
erst durch Recensioneii ^it werden sollen ; ist nicht viel zw hof-
fen. So Mie (las Hand Wörterbuch jetzt ist und wol noch lange,
wo nicht immer , bleiben wird, ist Referent der Meinunc:, dass
die Bedüi'fenden mit Hauer oder dem alten ehrlichen llede-
ricli ebeu so weit, ja noch weiter kommen.
J. S. llosenhcjjn.
Lateinische Grammatik.
Erster Artikel.
Uas letzte Quinquenniura ist für lateinische Grammatik ergiebi-
ger gewesen, als wohl mancher grössere Abschnitt früherer Zeit,
indem im Laufe desselben mehrere neue Lehrbücher erschienen,
andre neue Auflagen erlebten , imd eine Menge kleinerer Schrif-
ten ins Publikum kam , in welchen einzelne Gegenstände dieser
Grammatik, die bisher noch im Dunkel lagen, oder nicht genug
beachtet waren, zur Sprache gebracJit und, w enn auch nicht ganz
aufgehellt, doch dazu Versuche gemacht, andre aber mit desto
glücklicherm Erfolgbearbeitet und zur klaren Anschauuiig gebracht
wurden. Hierauf führte ganz natürlich das mit der Verbesserung
der Schulen reger gewordene Studiiun der römischen Klassiker,
deren ältere mit gelehrten Commentaren verseliene Ausgaben durch
neue Abdrücke bekannter und zugänglicher gemacht wurden, und
deren neuere Herausgeber theils bei den Erklärungen, theils bei
der kritisclien Bericlitigiing des Textes ihres Schriftstellers die
Grundsätze der Grammatik oft in Anwendung brachten. Hier
musste man auf die Fehler und Mängel der gangbaren Lehrbücher
über Grammatik aufmerksam werden, und jeder suchte nun auf
seine Weise die noch dunkeln und schwierigen Constructionen zu
erklären und das Fehlende zu ergänzen. Auch das Streben, den
echt römischen Ausdruck treu nachzuahmen und gut Latein zu
schreiben, trug das Sehiige dazu bei, und die zu diesem Zweck
gearbeiteten Uebungsbücher enthalten manche neue, für die Gram-
matik brauchbare Idee. Es schien nun darauf anzukommen, die
so zerstreuten Materialien zu einer rei'besserten und vollständigem
Grammatik zu sammeln und am gehörigen Ort einzuschalteji , mn
ein Lehrbuch zu erhalten, das vor den bisher gebrauchten bedeu-
tende Vorzüge hätte. ^ Und doch möchte eine solche Grammatik,
mit denllesultaten des sorgfältigsten Sammlungsfleisses ausgestat-
tet , den Anforderungen, die man an ein solches Buch macht, bei
weitem nocli nicht gnügen. Die meisten Interpreten fassen die
Sprache nur nach ihrer Aussenseite auf und häufen Citate, um
ihre Meinung zu rechtfertigen. IS ahme uuii auch der Grammati-
Lateinische Grammutik. SOI
kcr unter diesen IMeinuniren die Malirschcinliclisle auf, so hätte
sein IJuch immer nur noch historiscJieu \Ver(h; wissenschaftlichen
keiuesweirs, so hiuire er Kein festeres Friucip hat, Avelches er im
ganzen IJiiche durcliiVilirt uml nacJi \vehlieni er auch jencMeinun-
{ren priil't. Fls frafft sich nun, -welches ist das Princip, uelches
der Grammatiker hei seiner Arbeit verfol£;en muss, und das den
von ihm aufgestellten Grundsätzen das Ansehu von Gesetzen gibt,
die auch der Interpret anerkennen muss*?
Seh eil er und Grotefend nennen die lateiiiisclie Gram-
matik eine Anweisung, die lateinische Spraclie richtig zuverstehn,
zu reden und zu sclireiben, und damit stimmen die altern, z. B.
die Verfasser der märkisclien Grammatik Viberein, nur dass sie sie
^ubjectiv betrachtet eine Kunst nennen. Ist demnacli Richtigkeit
des Ausdrucks der lateinisclien Sprache der Gegenstand, den die
laleinisclie Grammatik behandelt, so kommen bei diesem theils
äussere Eigenscliaften, tlieils innere in Betrachtung. Die erstem
betreffen die Form des Stoffs der SpracJie, das ist, die Formen der
A^örter und deren Verbindungsweisen, die dann riclitig sind, wenn
sie nicht nur so gebiklet und zusammengestellt, sondern auch ge-
nau in der Bedeutung und in dem Sinn gebranclit werden, wie sie
die Uömer l)raucliten. liierdurcli scheidet sich sogleicli die Gram-
matik vom Lexikon , w elclies nur den Stoff an sicli , das ist , den
ganzen Worterschatz der Spraclie aufnimmt und bei jedem Worte
die jMerkmalc angibt, wodurch es sich von allen übrigen unter-
scheidet, d. i. seine grammatische Grundform und seine Bedeutun-
gen nach ilirer Abstammung und Verw andtschaft geordnet , »w äh-
reiul jene die Gestaltung des Wortkörpers von seinen Elementen
an bis zu seiner völligen Ausbildung zum Redetheil in Sprache und
Schrift, sodann die gemeinschaftlichen Formen der Wörter, so-
wohl die wandelbaren (flexibeln), als die bleibenden, mit ihren
Bedeutungen, endlich die Formen des einzelnen Satzes und des
verbundenen bis zur Periode verfolgt. Es ergibt sicJi hieraus,
dass in einer Grammatik ein besondrer Abschnitt, der die unver-
änderlichen A\ ortfoi'men, die mehrern Wörtern gemeinschaftlich
sind, mit iliren Bedeutungen aufstellt, Hud der, wenn man con-
sequent seyn will und diese Formen, die in den Wörterbiichern
nicht einmal immer deutli«Ji genug dargestellt w erden kömicn, rich-
tig gebraucht m erden sollen, eben so nothwendig ist, als der über
die Declinationen und Cönjugationen. Ausserdem darf Etymolo-
gie liier nur bei solchen Wörtern in Anwendung gebracht werden,
deren verschiedne Bedeutung auf Construction Einfluss Jiat, wie
dieses bei den Priij)ositionen und Conjunctionen der P'all ist; sonst
nicht. W enn übrigens auch ein alter Scln-iftsteller eiiunal nah
verwandte Wörter und AVortfonnen mit einander verwechselt, was
bei den correcten gewiss selten vorkommt, so entbindet docli dies
keineswegs weder tien Granmiatiker von der Pllicht, ihren wali-
ren Unterschied aufs schärfste zu bestimmen, uocli den Latein-
'362 Römische Litteratur.
Schreibenden von der Notliwendigkeit, diese Unterschiede sorg-
fällig zu beachten.
Der Zweck der Rede ist, einem andern seine Empfindungen
und Gedanken so mitzutheiien, dass er sie verstelle; die erste und
vorzüglichste innere Eigenschaft eines richfigen Ausdrucks. Die
Worte: Kgo illiid sediilo ne gare factum^ Ter. Andr. I, J, 120,
sind in Ansehung ihrer Form untadelhart-, und dennoch -vviirdc
gelbst der llömer so ausser dem ZusammenJiange, wie sie da ste-
hen, an ihrer Verständlichkeit etwas vermissen. Auch er verlangt
das allgemeine Denkgesetz, welches die zu einem Urtheil gehöri-
gen Uegriffe zur Einheit, die Gedankenreilie zu einem Ganzen ver-
bindet, hier in den Formen ausgeprägt. 3Iit dieser Eigenschaft
hängt eine andre, Deutlichkeit, zusammen, die jede Zweideutig-
keit ausschliesst, worauf die Grammatik ebenfalls Rücksicht neh-
men muss.
Klima, Boden, Lebensweise und deren Einfluss auf die mensch-
liche Organisation , auch auf die Sprachorgane, und späterhin die
Vermischung mehrerer Völker mit einander haben die verschiede-
nen Sprachen hervorgebracht und jeder ihre Eigenthümlichkeiten
gegeben. In der Folge haben auf die weitere liildung jeder ein-
zelnen Sprache bürgerliche und heilige Gebräuche, Sitten, ver-
änderte politische Lage, steigende und abnehmende Cultur und
der Umgang und Verkehr mit fremden Zungen eingewirkt und ihre
äussere und innere Gestalt geändert. So hat auch die lateinische
Sprache einen ursprünglichen Charakter, einen nationeilen Typus,
den sie von den Ureinwohnern Latiums erhielt und der in allen ih-
ren Zeitaltern durchtönt. In ihm spricht sich die eigentliche Denk-
und Empfindungsweise des Römers aus, so wie sie sich in s.einen
Sitten , in seinen bürgerlichen und gottesdienstlichen Anstalten,
in seinem häuslichen und öffentlichen Leben und in seiner Ge-
schichte offenbart, die deshalb der Grammatiker genau studiren
muss, um sich in jenem Nationalcharaktcr zu orientiren und ihn
in der S^wache wieder zu finden. Mit diesem Studium muss er
anhaltendes aufmerksames Lesen der römischen Schriftsteller,
auch der altern und spätem, luid häufige Uebungen im Schreiben
so lange verbinden, bis er selbst im Geiste des Römers sich aus-
zudrücken im Stande ist und er sich jenes Gefiihl erworben hat,
das bei jedem Barbarismus und Solöcismus empfindlich ist; ein
Gefülü , das ihn nicht nur gegen Verstösse in seinen grammati-
schen Vorschriften sichert, sondern auch bei seinen Forschungen
leiten muss, und ohne welches er nie mit Glück Dunkelheiten der
Sprache aufhellen, grammatische Schwierigkeiten überwinden und
überhaupt zur klaren Einsicht der Sprache gelangen wird. — Mit
keiner Sprache kam nun die lateinische in so häufige Berührung,
als mit der der Griechen , deren Colonien mit den Ureinw ohnern
Latiums verschmolzen, imd Latium selbst fast von allen Seiten
umgaben. Die lateinische Sprache nationalisirte eine Menge grie-
Lateinische Grammatik. oG'$
chisclicr Wörter; ihre ersten Dichter macliteii sie nach £:rieclii-
sclicn Clustern bildsamer; späterhin, naclulem Uoiu den Grund
zu iseinerWehherrscliaft ^elejit hatte, beriernian ^rituhiscJic Leh-
rer zum l'nterriclit der Jii;Kend ; Athen, Illiodus, yXpolionia wur-
den Iloclif^chulen der römisclien Jüuiilinjre; Dicliter, Uedner \md
Philosophen konnten inu* dann auf IJcÜall recluien, Menn sie fl^i'ie-
chische Kunst und Wissensehalt in ihre füeisteser/eui^nissc über-
trugen. So laiii^e nun den Homer als Kepublikiiiier noch JXatio-
nalirefühl beseelte, war dieses Sfreben nach ijriechisclier Vortretf-
lichkeit seiner Spraclie vorllieilhait; er \eredelte sie, oJuie ilireii
eigenthinnlichen Typus zu verwischen. Erst als Tyrannei den
freien llömerifeist immer mehr unterdrückte, erlosch allmählig
auch die Kraft, den vaterländischen (Jlmrakter der Spraclie gegen
fremden Eiuflnss fest zu lialten, daher sie jetzt durch ausländi-
sche Worter und Constructionen, durch ungewöhnliche ^Nortfor-
men und Periodenbildungen ein ganz fremdartiges Anschn erhielt.
Dem (Jrammatiker liegt es ob, jene Reinheit der Sj)rache, über
welche die Uömer des golduea Alters mit ängstlicher Sorgfalt
wachten , derch sein ganzes Lehrbuch hindurch zu berücksichti-,
gen, und, hat er jenen INationaltypus wohl gefasst, so wird er we-
der Constructionen, -«ie: d elubri s deorum iniram castainque
vientcni inferre^ Plin. Pan. 3, für echt römische anerkennen,
noch selbst Cicero, weiui er gräcisirt, jedesmal unbedingten liei-
fall geben. So ist z. B. die griechischartige Construction: Q,?iid
spectans deus ipse dicerct ^ Cic. Fat. 14, die Cicero und Li-
vius etlichemal brauchen,' schwerlich dem Charakter der lateini-
schen Sprache vollkommen gemäss ; Cäsar wenigstens und Yarro,
die grössten Sprachgelehrten ihrer Zeit, brauchen sie nirgends.
Ein Gedanke lässt sich oft auf > erschiedne Art ausdrücken,
bald mit veränderter Construction, bald mit ganz andern Worten,
in beiden Fällen aber nicht ohne mehr oder weniger Modification
seines Inhalts. Demi wenn auch Constructionen m egen ihrer na-
hen \ erwandtschaft für einander gebraucht werden können, so
geben sie doch genau genommen nie ganz denselben Sinn. So be-
zeichnet in der Stelle: Latiid coronani aiiream Joci doniim in
Capitoliuin ?nittn7it ^ Liv., do/iitm das^ was die Krone wirklich ist,
und dieser Ausdruck war der schuldigen Dankbarkeit der Lateiner
angemessen; dono würde die Bestimmung der Krone, und damit
den freien Entschluss der Gebenden andeuten. Auf gleiclie Wei-
se ist beiden \erbis der Willensäusserung, wie rolo^ patior^ und
bei denen derArtecten, wie gaudeo^ aegre Jero^ der Acc. c. Inf.,
der hier den blossen Gegenstand des Willens oder Affects andeu-
tet, sehr verschieden von xtt^ welches die Erfüllung des Wunsches
auf den Willen des Andern ankommen lässt, und von qnod^ wel-
ches den Gegenstand des Affects zugleich als UrsacJie desselben
angil)t, wenngleich in beiden Fällen die Ihnschri^ibnug oft auch
der Deutlichkeit wegen vorgezogen werden musa. — Für die zweite
3G4 Römische Littcratur.
Art gibt die bei den Römern so beliebte negative Ausdruclcsweisc
statt der positiven häufige Beispiele, die man nur anseilen darf,
um sogleich den Unterschied zwisclien beiden zu erkennen. So
will Cicero in der Stelle: Ipsum Scipionejn accepimiis non in-
fcnitemfuisse^ Brut. 20, 'S?, den Scipio nicht or ator em nen-
nen, Aveil er niclit dafür galt, ihm aber doch neben den genann-
ten eine bedeutende Stelle einrämnen. Dahin gehören auch die
Verbindungen mit non niagis^ non 7nimis — quam^ z. B. Dimi-
catiim est non magis cum hostibvs^ quam^ qiiae dlniicatioma-
ior atqne periculosior est^ cum yroditione ac perßdia sociorinn^
Liv. 1, 28, wo das erste Glied znm zweiten im Verhältniss der In-
feriorität steht, mid deswegen non magis^ quam durch eben
sosehr, als, oder nicht sowohl, als vielmehr übersetzt
werden muss, folglich einen von w/we^s, quam sehr verschie-
denen Sinn gibt. Andre Beispiele geben Aldi 3Ianntii Ele-
gantiae und ähnliche Phrasenbücher in Menge. Die Wahl nnter
diesen Ausdrucksweisen, imd selbst unter gleichbedeutenden Wort-
formen, in so fern sie alterthümlich, oder gewöhnlicher sind, be-
stimmt für den jedesmaligen Zweck der GeSchraack, der eben-
falls allgemein gültigen Denkgesetzen folgt, auf welchen Schön-
heit und unbedingtes Wohlgefallen beruht, die aber auch sich nach
der jedesmaligen Denk- und Empfindungsweise einer Nation mo-
dificiren. Der Grammatiker aber muss mit diesen Dingen vertraut
seyn und, in so fern diese Ausdrucksweisen analog gebildet wer-
den, den wahren Sinn dieser Analogien genau angeben und er-
klären.
Jede Sprache geht mit der Cultur ihres Volks gleichen Schritt.
Sie erschehit roh und unförmlich in der Kindheit desselben, ge-
schmeidiger in seiner Jugendperiode, vollendeter auf seiner höch-
sten Bildungsstufe und hier am vollkommensten in den Denkmä-
lern der besten Schriftsteller, die mit hoher wissenschaftlicher Bil-
dung den reinsten Geschmack verbanden und diesen auf ihre
Schreibart übertrugen. So hatte auch die lateinische Sprache ihre
Culminationsperiode , imd aus den Schriften der besten und cor-
rectesten Schriftsteller dieses Zeitalters (nicht etwa nur aus einem)
abstrahirt sich der Grammatiker den Geschmack derselben, prüft
ihn nach den allgemeinen Geschmacksgesetzen und nach seinen na-
tionellen Modificationen, und bestimmt, begründet und erläutert
nun hiernach die Regeln für die Richtigkeit des lateinischen Aus-
drucks sowold in Ansehung der Wortformen, als der Constructio-
nen und des Periodenbaues. Die Abweichungen einzelner Auto-
ren oder verscliiedner Zeitalter von dieser Norm hat er nur in so
fern zu erwähnen, als sie zur Geschichte der Sprache gehören und
für die Leser solcher Schriftsteller Interesse haben, biswdilen auch
wold zur Erklärung einer vorliegenden Analogie dienen können.
Dieses ist das Princip , von welchem der Grammatiker sein
ganzes Lehrgebäude hindurch ausgehn muss , wenn seine Regeln
Lateinisclic Grammatik. 3G5
gründlich soyn und das Ansclui von Gesetzen haben sollen. Sic
müssen es Jiaheii, dieses Aiiselni, weil sie im Geiste der Sprache
aiiTirefasstinui aiil'alliremeiiiiiiiltiire l)eiik£;esetze ^eifi ün<letsiiid. Da
aber diese Uegehi unter einander in einem innigen ZnsammenUan-
ge stehen nnd diesem gemäss geordnet werden miissen , wenn ei-
ne die andre erklären und unnötbige Weitläufigkeit a ermieden wer-
den soll, so IVihrt dieses von selbst aul" die iVotlnvendigkeit einer
streng systematischen Anordiumg eines solchen Ijehrgebäudes, wo-
durch die Lebersicht des Ganzen und das Auflassen des Einzelnen
bedeutend erleichtert wird, vorausgesetzt, dass die Uegeln mit
binuligerKihze nnd Präfcision, ohne deswegen undeutlich zu seyn,
abgelasst sind.
Form und Umfang eines Lehrbuchs i'iber die lateinische Gram-
matik bestimmt ihr Zweck und Gebrauch. Ist es eine Schulgram-
matik, so niuss sie das ausschliessen, was bloss für den Kenfier
Interesse hat, \>ie weitlaulige Erörterungen über einzelne Gegen-
stände, gehäufte Citate aus römischen .Schriftstellern, oder gar
aus gelehrten Commentaren, die der Anfänger nii'ht brauchen, der
vorgerückte Schüler selten haben kann, und die selbst diesem nicht
eben grossen iSutzen schallen bürden. liier kann es niu" darum
zu thun seyn, dass der Schüler jede Hegel in möglichster Kürze,
genau bestimmt und mit ihren Gründen aulfasse, so dass er sie in
seinem Auetor wieder finde nnd beim Lateinschreiben richtig an-
wende, weswegen sie in einer hinreichenden AnzahlBeispiele ihm
anschaulich gemacht werden muss, die jedoch am besten aus Au-
etoren zu nehmen sind, damit er sich bei der todten Sprache in
Zeiten an klassischen Ausdruck gewöhne. Mehr ztir Erläuterung
verlangt er nicht und mehr braucht er nicht, nnd nur so wirf' ihm
Grammatik eine L'ebungsschnle nicht nur seines Verstandes,
der zum Unterscheiden und zum Vergleichen des fremden Stofi's
mit seiner Mutterspraclie hingezogen wird , sondern auch seines
Gedächtnisses, welches durch Assimilation des Unbekannten mit
dem Bekaimten jenes weit leichter aulfasst, als bei dem gewöhn-
lichen ermüdenden A erfahren , welches die Kegeln ohne Gründe
aiifdringt. Als Schulgrammatik aber sollte sie billig so eingerich-
tet seyn, dass sie für alle Klassen passte, und der Schüler sie nicht
nur, so bald, er Sätze zu bilden imd zusammen zu setzen lernt,
brauchen könnte, sondern auch in höhern Ordnungen über alle ihm
vorkommende Fälle darin Auskunft und Uelehrung llinde. Din-cli
den fortgesetzten Gebrauch desselben Buchs Acrschaflt ersieh leicht
Localkenntniss und merkt sich iiachundnach ohneMübe das Gan-
ze, wogegen beim Wechsel solcher Lehrbücher seine Aufmerk-
samkeit gestört \\irH und er weit schwerer zu einer festen uiul si-
clu.'rn Keinitniss und zu einer Uebersicht des («anzen gelangt. Das
Leichtere und Tür den Anfänger geeignete lässtsich von dem Sclnve-
rern, was für den reifern Schüler bestimmt ist, leicht dur(;h den
Druck unterscheiden , und di(^ser wird bei der ijnmer wicderhol-
Jahrb. d. l'Uil. u. l'adas- Jalirg. 1. Jhjt i, 2i
S66 Römische Littcratur.
ten Ansicht des früher ErU^rnten dasselbe niclit so leiclit verges-
sen, üadurchieuclitct die Nothwendigkcit, eine. solche Gramma-
tik systematisch anzxiordnen und sie so kurz als möijlich zu fas-
sen , von selbst ein ; die weitere Ausführung und Verdeutlichnng
des Einzelnen bleibt dem Lehrer iiberlassen.
Ist man mit diesen Grundsätzen einverstanden, so darfRe-
censent, der selbst dieses Fach bearbeitet hat, desto eher hof-
fen, wenn sein Urlheil nicht ganz der günstigen Aufnahme des
einen oder andern der vorliegenden Lehrbücher, die sämmtlich
für den Schnlgebrauch bestimmt sind, entspiechen sollte, hier
als unparteiisch betrachtet zu werden, je aufrichtiger er der Wahr-
heit huldigte, und je mehr er eben hierdurch den Herren Verfas-
sern derselben seine Achtung zu beweisen glaubte, die auch nach
Kräften das Ihrige zur Förderung des Bessern beigetragen undilm
zufti Theil durch elirende Aufnahme des von ümi Gefundenen in
üire Lehrbücher zur Dankbarkeit verpflichtet haben.
Grotefend's grössere lateiiiis che Grammatik^
deren erster Band die Formenlehre und Syntax nebst Vorerinne-
rungen, der zweite die Verslehre und Oithographie nebst Anhange
enthält, (Vierte Auflage. Frankf. am M. b. Varrentrapp. 1823 u.
1824. VI, 410 mid 356 S. gr. 8. jeder Bd. 16 Gr.) kündigt
sich gleich von vorn herein als das Werk eines geübten Denkers
an. In den Vorerinnerungen werden Definition, Inhalt und Plan
der Grammatik kurz und bündig angegeben luid das Ganze in
systematischer Ordnung durchgefülirt. Mit derselben Kürze und
Präcision sind auch die Regeln der Syntax abgefasst ; nur ist hier
der H. Vf. bei dem Streben nach Kürze nicht selten dunkel ge-
worden, und die untergelegten Anmerkungen sind zu oft theils
nicht erschöpfend, theils sind darin Dinge neben einander gestellt,
die nicht zusammen gehörten, während andre'zusammen gehörige
an verschiedenen Stellen aufgesuclit werden müssen. Dieses
letztere mag zumTlieil an der ersten Anlage liegen, die niclit ge-
ändert werden konnte und die dem Buche bei dem Gebrauch
nicht wenig schadet. Jene Dunkelheiten und zu oft vorkommen-
de imbestimmte, mangelhafte oder auch fehlerliafte Behauptungen
und Regeln verrathen nur zu deutlich, dass der IL Vf. in den Geist
der Sprache nicht tief genug eingedrungen sey, woran ihn viel-
leiclit seine Verhältnisse und andre Studien gehindert haben.
Denn dass er mehr hätte leisten können , beweisen unter andern
§ 166 und 198, I, wo der Unterschied zwischen den Formeln ado~
lescetis botii ingenii nnä. bono ingeiiio ; ßlhis patris similis und
patrt srmih's ; Über Caio est und Caii est sehr gut angegeben ist;
auch beweiset es der sehr schätzbare zweite Theil dieser Gram-
matik.
S. 73, 4 heist es: „Cßw/s an sich ist männlich, als Jagdhnnd
aber weiblich.''- So lehrte freilich Konrad Schneider For-
men!. S. 99 , wo den Crtaten noch Burm. ad Ovid. Met. 3, 140 u.
Grotcfend's Latein. Grammatik. S67
Ind. Ovid. r. Cancs^ ad Virg. G. 1, 470 «. Acn. (J, 25T hci^efügt
Mcrden konnten, üass aber dieses Genus weder immer bei ein-
zelnen Jair«lbunden ^el)ranclit werde, noch von einer Meln-zahl,
leint für Krsteres der Iliindekatalo^ bei 0\id. I. c. , Coiumell. 7,
12, 8, für das Zweite Tic. \ err. 4, 13 canes venaticos diceres^
Avo Cicero bei der Bestiniinuii!? des Genus keinesweirs auf die
l{anb£:enossen des Verres Kiicksidit zu nehmen brauchte. Das
Genus feniiiiinum ist also hier im All£:emeinen mehr poetisch, in
Prosa aber nur irauz speciell zu jrebrauehen. — Wie der II. Vf.
die Conjuirationspäradiirmen noch mit einem Fuluro periplirast.
Prues. Fract. und Fiititri im ^'icth-o und Passiro und den Inf.
Activi mit amntiiin ire hat vermehren können , will Kec. nicht
cinleucliten. — § 93 bis 107 sind die Präterita und Supina der
Conju^ationen nielir nach einem willkürlichen, als der j^atur der
Sache auj^emessenen Priiuip geordnet. § 102 Iieisst es: „Die En-
duniren der dritten Conjuiration liäniren grösstentheils vom letzten
Mitlaute der Stammsylbe ab, welchen man als den Kennlaut
zu betrachten hat, wonach hier die Verba alphabetisch geordnet
werden. Wie nutzlos diese Ansicht sey, beweist gleich die näch-
ste llubrik: \ erba mit dem Kennlaute b: Bibo^ bibi^ bibihim;
Cambio, campst; Ciimbo^ cubin\ ciibitiim; Glubo^ glupsi.,gluptum;
lubeo ^ iiissL inssiim etc., lauter verschiedne Perfectformen, die
der Spracligebrauch willkürlich schuf (S. 152, 3). Nicht doch!
Das Präteritum erhielt durchaus i als charakteristische Endung;
da diese aber noch nicht hinreichend es auszeichnete, so Murde
noch eine Aenderung am Stammwort vorgenommen, entweder
durch Kediiplication, oder durch Verlängerung des Stammvocals,
oder durch FJinschiebung eines soder v vor dem 2, welches wegen
der Aussprache verschiedene Modificationen der PJndsjiben ver-
anlasste. Alle übrigen \ erba , die ihren Stamm nicht verändern,
sind nur abgeleitete, die sich nach ihren verschiednen Formen
leicht ordnen lassen. Auf diese Art liess sich das Ganze nach ei-
nem festen und natürlichen Princip darstellen, das obendrein noch
mehr Kürze gestattete.
§ lli) — 123 sind die Adverbfa in Primitiva und Derivata^
die letztern wieder in substanlicalia^ adiecticalia^ zu welchen die
steigerungsfähigen gehören, mimeralia m\dip/07iomi/ialia^ verbaUa
imd participialia^ praepositionalia und coniunctionalia einge-
theilt. Die beiden lezten Arten sollten den II. Vf. erinnern, dass
diese Eintlicihnig nicht die rechte sey. Können denn die hierzu
gerechneten Adserbien tjls von Präpositionen oder Conjunctionen
abgeleitete angesehn werden? Als solche scheint er sie § 124 wirk-
lich nicht angesehn za haben, wo es heisst: „Präpositionen und
Conjunctionen werden zu Adverbien, so bald sie allein stehen,
und umgekehrt, Ad\erbien zu Präjiositionen und Conjunctionen,
sol)ald sie sich auf einen IJegrilf oder Satz beziehen.^*- Der II. Vf.
hat sich oüenbar den Begrilf eines Adverbii nicht deutlich gedacht^
24*
368 Rfimische Littcratur.
rechnet er dazu doch auch nocte^ riire^ dornig ferner nt volo
nacli Wunscli, si das phicet so Gott will, 'sidtis für si vrdtis etc.
Eben so wenig kann Rcc. mit den Definitionen der BegrilFe Prä-
position uiul Conjnnction zufrieden seyn, ol)gIeicli die Eintheilung
der Conjuncüonen in Bindewörter und Fügewörter recht gut ist.
Den rräpositionen inid Conjtnictionen sind Anmerkungen über ih-
ren Gehrauch beigegeben, in weichen sich einzehie gute Bemer-
kungen finden , nur sind sie im Ganzen niclit gründlicli , imd in
dieser Form, als Räsonnements, für den Schüler nicht fasslich ge-
nug. So sind «, de und e ; ante^ prae und pi'o; ob und proptef\
sine und ahsqiie sehr gut unterschieden , aber ihre verschiedenen
Bedeutungen nicht nach ihrer Ableitung dargestellt; dagegen heisst
es von den Copidativis : Kt verbindet zwei Dinge, die auch ge-
trennt sich denken lassen, quc zwei Dinge, die man sich vereint
als ein Ganzes denkt, ac und atqne verknüpfen durch Gleich-
stellung, und stehen daher vorzüglicli nach Wörtern, die eine
Gleichheit oder Verschiedenheit bezeiclmen; quoque fügt bloss
noch liinzu, vel\_!~\ oder etlain steigert zugleich; inid gleich
darauf werden gar ve und vej als gleichbedeutend neben einan-
der gestellt. — § 129 sind deninterjectionen auch die Schallnach-
^hmimgen beigefügt, wie Glut gl ut murmural iinda. Das sind
sie aber nicht; denn imterinterjection versteht man nur den Aus-
druck einer Gemüthsbewegung durch ein Wort, welches die Stelle
eines vollständigen Satzes vertritt. Auch solche Laute, wie : Ecce
suiiin t ir eli^ t ir eli^ t ir etirler i tractim ca?idida per vernum
laudat alauda polum ; ferner: Anser et ansendi clamant post
pascha pipipi^ sind, wie die Nachahmungen des Knalls einer Kano-
ne, des Trommelschlags, des Geprassels eines einstürzenden Ge-
bäudes , mit den durch eine Stimme oder ein Instrument liervor-
gebrachten Tönen einer Scala auf eine Linie zu stellen und eben
so wenig Interjectionen, wie in dem Vers bei Plautus: Ce 'st
principium nomini^ die Benennung des Buchstaben. An sich sind
sie bloss Laute, nicht einmal Wörter; in der Verbindung mit ei-
nem Satze aber vertreten sie die Stelle indeclinabler Substantive.
§ 136 smd die Regeln über sz// und suus sehr unvollständig
und undeutlich vorgetragen. Bekaimtlich erstreckt sich die Be-
ziehung dieser Pronomina nie über das Gebiet eines Hauptsatzes
hinaus. Ist mui die Bedeutung derselben gehörig bestimmt, so
braucht nur ilir Gebrauch im einfachen Hauptsätze , dann in ab-
hängigen Sätzen, in welchen die Rede, öleinung oder Vorstellung
des im vorliergehenden Hauptsätze genannten Subjects vorgetra-
gen wird, dargestellt zu werden ; Abw eichungen sind w enig. Hier
ist no. 3 in den Beispielen ( wo nisl qiiod placuit sibi statt quid
zu lesen ist) Alles unter einander geworfen, und die no. 0 und 8
angeführten Constructionen sollten die erst^ Stelle eiiiuelmien.
Falsch ist, dass durch ipse in Reden und Verordnungen Zweideu-
tigkeiten gehoben w erden ; dieses Pronomen hat eine von sui und
Grotcfend's Latein. Grammatik. 309
ts franz vcrschiedne Iknlcutmi^. So ist aucl» die Beliauptunj», das«
cepi cohimbam in nhio s ff o und c i fi s irlcicli ricliti^ sey, mir auf
Treu und («lauheu auireuoiniueu. llec. liat für et'fts bei der sorg-
fälliiisten Aufmerksamkeit nocli nicht ein Beispiel bei einem rö-
misclien (^'lassiker finden können. I*]bcn so mangelhaft sind die
Bestimmungen iiber das Cenus desPriidicats bei melirern Aerbun-
denen Subjeeten § J41. (vergl. § 104 Anm. 1), wo auch no. 4 in
der Stelle: Veiicrnnt jSI. ^Ipcr et littltts Sccuiuhis^ quos ego
utrosque studwse cuidicbaiu^Axc, bezeichneten Worte selten für
qffoiffm utiftmqtfe stehen sollen. JMan vergleiche aber hierbei
Cic. Yerr. 4,14, 32; Ligar. 12, 31»; Tac. 15, 55 extr,; IG, 7; 21;
Plin. II. rS. 4, 11 pag. 2(M> Ilard.; ({, 2ö pr., um sich zu iiberzeu-
geii, dass diese Construction nicht selten mid in sich wohl begriui-
aet ist. — Die Regeln über qffi mit einem folgenden Oppositions-
iiomen § 1 4(J Anm. stellen es dem Schüler frei, ob er qiii diesem,
oder dem vorhergegangenen Hauptwort anpasse. — Dass si quis^
ctsi qfffs nicht aou dem abgekürzten aliqtds komme, wie § 151
imd 152, 4 gelehrt wird, sondern quis ein eignes Pronomen in-
definitum sey, hätte doch dem II. Vf. laugst bekannt seyn sollen.
— § U»0 Anm. 3 Seite 2'u heisst es: „So wie aber Plautus die
A erbalia auf /o behandelte, so verfuhr Lucretius mit den Gerun-
diven, die das classische Latein, so oft sie einen Accusativ regie-
ren, mit Participien vertauscht, z. M. A et ernas poenas in
viorte timcndttin'-'- etc. Das ist denn so viel als INichts gesagt. Eben
so ist weiter unten bei den Gerundiis § 225, 3 die Construction:
Fuit c.v&mplorffiii eligendi pofestas^ ohne alle Erklärung geblie-
ben.— § 100, 3 Seite 2(15 liest man: „Ungewöhnlicher ist: P/o-
ximae viciniae habiträ ., hciVlnxit^ Ca mpi iacet pecus und
sleniHftr proiectus terrae bei \irg."^ Die zweite Stelle aber
Iieisst taiilftin ca nip i iacet ^ Virg. G. 3, 343, und gehörte gar nicht
In'erher, indem caaipi \on /a/if/f/« abhängig ist. \oss übersetzt
sie: so endlos streckt das Gefilde sich. Die folgende
Bemerkung: „Verschieden ist: Tantus erat tu iocando lepos^ ut
dies int er eos curiaeft/isse videretur^ conriciatn Tusculani^
Cic. Or. 1, 7,'' war doch aucli für schwächere Schüler überflüssig,
die auf den ersten Blick sehn mussten, dass liier an keinen Genit.
Loci zu denken sey. Dergleichen ülierflüssige Bemerkungen aber
kommen öfter vor, wogegen häufig Erklärung fehlt, v\ie § 172
Anm. 2, vgl. § 210, 3, über habere pro; § 173, 3 über licet mit
dem Dati\o imd Acc. c, Inf.; § 1S2 Anm. 1 über die Verwechs-
lung des (jlenit. partit. mit den Präpositionen c.r, f/e, i?iter. Die
ebcndas. Anm. 3 !)emerkte (Construction: „Sehr oft richtet sich
das Adjectiv nach dem Geschlechte des (j!eniti\s z. B. Sancte
deonun^ caniim dcHnieres^ni'^rae lattarfim^' ist poetisch und wird
nur von Schriristellern des silbernen Alters z. B. Plinius II. Nat.
öfter gebraucht. — Die Adiecti\a, bei welchen der (Jenitivus steht,
§ 184, hätleu ausdrücklich angegeben werden sollen, weil sonst
370 Römiäche Litteratur.
der Schüler verleitet wird, jedes Adjectiviim, welches unter die
hier angegebenen Hubriken gehört, mit dem Genitiv zu verbinden,
da doch bekanntlich nur wenige im goldnen Alter so vorkommen.
Auch in den Anmerkungen ist nicht nachgeholfen. — § 194 Anm.
1 wird inte/ est icipiiblicae noch durch est inter commoda reip.
und tua refert durch re fert^ i. q. conjert^ esträgtbei, ad tua
commoda erklärt, da doch schon Priscian sagt, dass 7nea^ tua hier
Ablative sind, welche bei re -fert zu re gehören, bei interest aber
caiisd zur Ergänzung fordern, was auch durch die Quantität die-
ser Pronomina bei Dichtern sich rechtfertigt. — § 218, 2 heisst
es: „Auf die Fragen wovon*? wodurch'? womit*? steht der
blosse Ablativ, wenn abstracte oder unpersönliche Gegenstände
als Ursache, Mittel oder Werkzeug gedacht werden, a) Bei per-
sönlichen Gegenständen bezeichnet die Präposition a von die wir-
kende Ursache , ^je/- d urch die vermittelnde Person und cum mit
den Theilnehraer oder Begleiter.'-'' Hier fehlen aber die Umschrei-
bungen dieses Ablativs bei persönlichen Gegenständen mit opera^
beneficio^ studio etc., die auch sonst nirgends erwähnt sind. —
§ 219 wird der Ablativus , der beim Comparativ statt quam steht,
durch ein ausgelassenes prae voraus erklärt. Diese Erklärung
konnte nur ein mangelhafter Begriff vom Ablativ veranlassen.
Von dem Gerundio und Supino § 224 f. hat der H. Vf. noch die
ganz alte Meinung ; jenes ist ihm ein durch alle Casus obliquos
des Singulars declinirtes Neutrum des Participii futuri pass. ; die-
ses ein Substantivum verbale der vierten Dcclination. Ucbrigens
ist hieriiber luul über die Participia § 227 — 230 das ganz ge-
wöhnliche, wie in den altern Ausgaben der Bröd ersehen
Grammatik, vorgetragen, auch § 227 Anm. 7 das vonBröder
fabricirte Beispiel: Legi divinae par ens nunquam committet
etc., beibehalten, wo bei Cicero, der sicli nii'gends so ausdrückt,
purere qui velit steht. Beispiele vom Partie, in rus^ wie das
weiter unten stehende: Etfuturus eloqueutissimus edidit ali-
quando vagitum^ aus Quinctil. 1, 1, 21, kommen nur bei spätem
Schriftstellern vor , wie die Concessivpartikeln etsi^ quamquam^
quamvis vor Participien, § 228 Anm. 1; bei Cicero nie. So ist
auch die Lehre vom Conjunetiv ganz nach alter Weise gegeben,
d. i. sehr mangelhaft, auch findet man manches falsche. So z. B.
"wird man über den Gebrauch der Zeitpartikel cum (quum) mit
dem Indicativ und Conjunetiv vergebens nur einigermassen aus-
reichende Belehrung suchen. § 234 , 4 A Seite 366 werden die
Constructionen laudo quod mit dem Conjunetiv; est quodagas;
quod sciam^ s o v i e 11 ch w e i s s, zusammen gestellt. § 235 Anm.
Seite 369 wird gar ta?itti?n abest ^ ut — nt potius \*i\i\nt\iS\gi^
wiewohl mit scidechten Gründen, und § 238, I Seite 377 heisst
es: „Wo dass nicht eine AVirkung oder Absicht bezeichnet, muss
ne stehen.''' Was sich der IL Vf. unter Wirkung gedacht hat, wo
/^edass nicht bedeuten soll, lehren die Beispiele, wie: Hoc te
Grotcfcnd's Latein. Grammatik. 371
rogo^ ne ilcmitlas aiiiinumH Anm. 3 Seite 379 wird ntinam
non mit ntiiuun ue lur einerlei ffelialteii, und letzteres sey spä-
lerliiu so imi^e\\öhnlieli i:;e\\oiden, dass es Doiiat zuni. l'ereiiz iiir
eine veterem eloculionem erkläre. (In seiner kleinen Grammatik
sai^t der II. Vf. sog:ar § 215 Anm. 3: „Uei Winisclieii hat Cicero
zUinom non für das friiJier iiblielie ntinam ne cini^eriihrt."") Ver-
rauthlicli ist die Stelle Ter. Thorm. 1, 3, 5 gemeint, wo Donatus
sa^t: Quod ntinam ne Phoi viioni — Veliis elocutio^
iitinam ne. Knniiis in Mcdea:
Vtinam nc in nenwre Pelio securibus
Caesa cecidissct abie^na ad terram trahes.
Et NK^ non accipiendnvi. Allein weder die angefiilirte Stelle:
Haec ad te die natali meo scripsi; quo iitinani susceptiis n on
essem., ant ne quid ex eadcm matre postea natuni esset! Cic.
Att. XI, 9, beweist, dass jene beiden Ansdriicke \öllig gleichbe-
deutend, nocji das häufigere Vorkommen des ulinam non in spä-
terer Zeit mit Doiiats Bemerkung, dass ulinam ne ausser Gebrauch
gekommen sey. Ne mit dem ('onjunctiv drückt den Wunsch,
dass etwas nicht Statt finden möge, oder, wenn es Statt findet,
nicht Statt finden möchte, bedingt aus; 7^ o /« hingegen nur im
Gegensatz des positiven und unbedingt; mithin ist titinam
susceptns non essem weit stärker gesagt, als ntinam ne. Daher
driickt auch non beim Conjunctiv und Imperativ den Befehl oder
das Gebot weit stärker aus, als we, z. B. Caput Imperii — ad poe-
nani rocare non he r de Uli ^ quos cum inaxinie yUellius in nos
ciet., Gennaui and e ant., Tac. H. 1, 84, die Germanen sollen
es wahrlich nicht wagen, wo ne neben Äe^c/e eben so we-
nig stehen komite, wie : Virgam populi in manu teneritibus inter-
trigo non vietuatur., Plin. 24, 8 s. 32, wozu die Stelle: i ir~
gam ( riticis ) qni in manu habeant , negantar intertriginem sen-
tire., Ib. 9, s. 38, die Erklärung giebt: j^Ian darf nicht fürch-
ten. Ferner %if OS quoque non caris uures onerate lapillis^
— N ec prodite graves insuto vestibus au/o — Mimditiis ca-
pimur: non sint sine lege capiUi., ()\id. Art. 3, 129 sqq., gerade
wie: Non sint ariis isla., scd hominum., Plin, 29, 1 s. 8 pag.
497, 4, wo Ilardouin die Erklärung beifügt: Non sint sane isla
{venenorum insidiae) imputanda arti., sed iniprobilati honiinum
potius. — PJben so sehr irrt der 11. Vf., wenn er behauptet, dass
nacli den lerbis tinwndi unter gewissen Bedingungen ut non
stehen müsse. Er sagt § 238 Aimi. 4: „Die Wörter, welche eine
B e s 0 r g n i s s ausdrücken, lassen eine dreifache Construction zu,
je nachdem die Besorgnis« als eine furchtvolle Ansicht des
gehreckenden Gegenstandes, oder als eine sorgsame \ o rsich t
zur Verhütung des GeiVirchteten, oder als eine bedenkliche llück-
siclU der sorgenden Seele erscheint. Wie man sagt timere aii-
qnid., alicui rei und de aliqua re., construirt man vereor
u /, oder vereor ne., oder vereor quo m odo s itJ-'' Ucber diese
872 Römlsclic Litte ratur.
Distiiictlon ist mir so viel zu sa^en , dass sie der Römer nicht
kennt, also aucli nicht befolgt, nnd über die Vergleichung des ti~
meo aliq^dd mit vcreor ut etc. , dass sie nicht passt und natürlich
nicht passen kann; auch ist niclit einzusehen, \vie sie durch das
citirte Beispiel Cic. Fam. 8, 10 Ef^o qiiidcni praecipmim metuin
— quam tetigisse te lialiavi audiero gerechtfertigt werden könn-
te. Es folgt nun Anm. 5 nnd 6 dieConstruction vereor ne dass
oder ob nicht, vereor ne non dass nicht oder ob, vereor
ut o\> oder dass nicht, z. 13. 0 yuer^ ut sis vitulis^ inetuo^ et
vimoriitn ne qids amiciis frigore te feriat^ Ilor., Mobei freilich
nicht einleuchtet, wie sich ut von ne non bei gleicher Bedeutung
unterscheidet. Dann Anni. 7: „Eine andre Construction ist die,
welche ganz der deutschen Ausdrucksweise entspricht, die den
Gegenstand, Avelclien man fVirchtet, als das Object einer soi'gli-
chen Ansicht betrachtet. Nach dieser Construction drückt der
Lateiner dass durch ut^ dass nicht durch utnom.x\%^ z.B.
Ut feridä caedas vieritum maiora snbire verhera^ non vereor
(die Besorgniss habe ich nicht), llor. S. 1,3, 120; Ve-
reor ^ut hoc ^ quod dicam^ nonferinde intelli^i audüii possit^
atque ego ipse cogitans sentio^ Cic. p. Marc. 4. Diese Constru-
ction lässt sich in kurzen Sätzen auch mit dem Infinitiv vertauschen,
z. B. Istos veremur off ende r e^ Quint. etc.'"'' Anm. 8: „Ganz
verwerflich ist bei jener Construction die Vertauschung eines ?it
71 on mit 7^e, Meil 7ie bei Aeusserungen der Besorgniss immer so
viel als ob nicht oder dass bedeutet, nnd daher mit einem
zweiten Satze diuch et verbunden werden kann, z. B. Ovid. Her.
16, 339 sq. Man hat daher Cic. Fam. ß, 1 die gewöhnliche Les-
art Vereor^ ne consolalio ull a jjossit vera reperiri mit Recht
in ne-nulla abgeändert. Wie man aber anch eben so gut ut
nulla consolatio wie ut ulla cons. schreiben könnte j so fragt es
sich, wie es gekommen, dass man nach Belieben tit und ut non
setzen darf. Wenn Caesar B. G. 5, 47 schreibt: l^ritus est^ ut
hostiuin impetum sustiuere non pos set^ so heisst zit dass, nnd
der ganze Satz vertritt die Stelle eines Accusativs ; sagt man aber:
Omiies lahores te excipere video : timeo, ut susti?ieas^so heisst
ut ob , und der ganze Satz steht für tvneo de te^ quonVodo susti-
neas^ wie metuo^ ne dolorem perferre nonpossis^ für fnetuo
tibi,'-'' Wenn nur alle die hier angeführten Stellen, dergleichen
man noch mehr beiSanctius Min. IV, 15 p. 511 Tom. II ed.
Bauer finden kann, richtig wären, wogegen schon Perizonius
ad h. 1. not. 29 gegründete Zweifel erhoben hat, vcrgl. O u d e n d.
zu Caes. 5, 47. Am meisten würde die Stelle Ilor. S. 1 , 3, 120
beweisend seyn, wenn nicht 7ä — caedas vor 7ion vereor voraus-
ginge; denn dadurch bekommt sie ein ganz andres Ansehn. Schon
Clarke zu Caes. 1. c. erklärt sie: Nam ut — caedas. id equi-
dein non vereor^ vel^ h oc 7ie fa c ia s, 7ion vereor. II e i n d o r f
nimmt, Mas auf dasselbe hinausläuft, eine Auakolutliic an. Ho-
Grotcfcnd's Latein. Grammatik. 373
raz •wollte nach 21t fortfalircn: idfieri possc no?ipu{o^ oder ve-
risimile nou est; dalTir tritt, als gin^e ne vorliei*, non vereor ein.
In der zweiten ans der llcdc pro Marcello erkennt Asconius
zu Cic, l)i\in. in Caecü. c. (» das non niclit an, worauf aueli das
Sollwanken der Handschriften hindeutet, wliswe'ren AVolf mit
Hecht non Avcirlässt. In der dritten ('ic. Fani. (}, 1 ist die Lesart
vereor^ ne — ?///« durch alle Handschriften gesichert und an
sich selir fl:ut beffrinulet, wie wir weiter unten sehen werden.
L am bin undGrä^ius behielten daher auch nlla bei; Erne-
sti und Martin y Lajruna ünderten es etwas voreilig in niiUa.
In der Stelle bei Caesar endlich U. G. 5, 47 hat ne — non posset
zuAiel Auctoritälen iur sich, und ut — 7io/i posset zu viel gegen
sich (^veritiis si — vt Iwsthim — non posset lesen nur ein Cod.
hei Leniaire und die edd. Stradae und IJasil.) , als dass man nicht
mit 0 u d e n d o r p und licw neuesten I lerausgebcrn bis auf I) ä h n e
ohne Anstand ue — non posset für die echte Lesart anerkeiuien
sollte. Was ist nun durch die lange Demonstration gewonnen*?
Ein Gliick, dass sie auf so schwachen Fiissen steht, sonst würde
CS dem Schüler wohl schwer werden, sie beim Lateinscfireiben
anzuwenden. Die gewöhnliche Regel über den Gebrauch dieser
l'artikeln bei den \ erbis tiraendi ist kritisch mid logisch hinläng-
lich begründet mid lüsst ut und ne non sehr gut unterscheiden.
L t ?i o/i hingegen ist widersinnig, da dem iit ^ welches in dieser
Copstruction nur eine Absicht ausdrückt, durchaus ne folgen
müsste, und nt non oder tit ne hier bedeuten würde, dass ich et-
was wünsclie und zugleich niclit wünsche.
\on dieser Grammatik ist ein Auszug erschienen unter dem
Titel: Kleine lateinische G r ammatih für Schnlen
von Georg F r i e d r. G r o t e f e n d. Zw eite vermehrte und
verbesserte Aufl. Frkf. am M. 1825. VI u. 314 S. gr. 8 (14 Gr.),
der das AVesentliche der grössern nur hier imd da zu kurz und
mit Weglassung des zweiten Theils enthält. Da beide Büclier für
Schulen bestimmt sind, so ist auch hierüber noch etwas zu sagen.
Dass der Plan fehlerhaft ist, gesteht der H. Vf. selbst ; für den Schü-
ler ist diess sehr unbequem, da er bei Aielen Hegeln nicht weiss,
wo er sie suchen soll, und nicht selten dieselbe Hegel anverschied-
ncn Orten suchen muss. Sodann will es llec. nicht gefallen, dass
die Regeln über die Casusendungen, besonders der dritten Decli-
nation, und die über die Genera nominum bei aller Ausiulirlich-
keit doch nicht immer die gehörige Vollständigkeit haben; es ist
zu viel Räsonnement darin, worüber Wesentliches versäumt wor-
den ist. 3Ian vergleiche nur Gr. Gramm. S. (iß JSr. 7, wo es Iieisst:
„DiejNamen der Uäume sind zwar grösstentheils weiblich, wie selbst
das Wort pomus der Obstbaum, a!)er Aiele sind männlichca
oder gemeinsames und siichliclies Geschlechtes'-^ u. s. w. Hierbei
kein einziges IkispicI. AiiHalleud ist auch in einer Schulgramma-
tik •(§ 03) : „Besiüudcrs hüben die Lateiner den Sclaveu und Ilurcn,
374 Römische Litteratur.
welche sie nicht als Menschen ehren wollten , unpersönliche Na-
men von sächlichem Geschlecht beigelegt, wie servitium das
S c 1 a V e n g e s i n d e 1, — scortum ein 11 u r e n m e n s c h , männ-
lichen oder weiblichen Geschlechts, prostibidum für prostibiila
eine Bordellhure. !! In der kleinen Grammatik nun (in der
grössern weniger) sind diese Regeln, sowohl mehrei-e iiber die
abweiclienden Casusendungen, als auch die über die Genera in
Hexameter gebracht. Man höre (Kl. Gr. S. 20) :
Satur satt hat ein u; doch ein i hat levir ein Schwager,
Trevir der Trierer auch, so wie alles, was vir ein Mann heisst.
Liber als Bast und als B u ch verliert, wie die meisten der Namen,
Die auf er ausgehn, das e, wie auch Mulciber oftnialds.
Liber als Bacchus jedoch und als Freier behalten ein kurz c;
So auch liberi Kinder, und pueri Knah en der Schule u. s. w.
rernei S. 50.
Griechische Wörter auf an, en, in, ön, yn sind an sich zwar
Männlich, doch weiblich auch oft, wie halcyon See-Eisvogel,
Icon einBildnis s, acdon die Nachtigall, sindon dieLeinwand;
Namen der Inseln und Stiidte, der Pflanzen und Edelgesteine u. s. w.
Diese einzige Yersregel über die auf einen Consonant aus-
gehenden Nomina der dritten Decliiiation nbnmt in kleinem Druck
über drei volle Octavseiten ein. Glaubte denn der H. Vf. wirklich,
hierdurch dem Gedächtniss des Schülers zu Hülfe zu kommen?
— Auch stösst man in der grössern Gr. auf liel Ueberflüssi jes,
dessen Raum besser für Nothwendiges hätte verwendet werden
können. Dahin gehören die unter jeder Ilauptregel zur Uebung
beigegebnen Beispiele, Mie § 146, § 183 am Ende und öfter;
ferner die zu häufigen Dichterstellen und seltnen Constructionen
aus Dichtern, wie S, 212, 5, S. 225 oben und Anm. 1, selbst aus
Ulpian und Papinian S. 278 oben ; sogar hier ujid da Stellen aus
Fronto, wie S. SOI, S. 314, 6, S. 344, 3. Endlich hat der H.
Vf. eine grosse Anzahl selbstgemachter Beispiele mitgegeben, was
in einer Grammatik einer todten Sprache um so weniger Statt fin-
den sollte, da hier bis auf die kleinste Composition nur die Au-
ctorität der Alten gilt, wie Bröder ganz richtig sah.
Ratnsho r n.
Elementarbüclier der Lateinischen Sprache.
1. Lateinische s Elementar bu ch r\ac\\ einer neuen Methode
und mit Rücksicht auf seine kleinere liiteinische Grammatik Itcar-
heitet von Dr. Ludw. Ramshorn, erstem Prof. am Gymnaüiiira zu
Altenburg, der latein. u. mineralog. Gesellschaft zu Jena Ehrenmit-
glied. Leipzig h. Vogel. 1825. VI u. 343 S. gr. 8. 21 Gr.
[Vergl. Krit. Biblioth. 1825 Hft. 12 S. 12«}) f. ; Schulzeit. 1826 Abth.
2 Liter. BL 11 S. 89 — 95; Jenaer Lit. Zeit. 1826 Nr. 80.]
Bainsliorn's Lat. Elemfentarb. u. Cliaste'ä tlieor. pralct.Lat. Grammat. S'VS
2. The ore tisch pr aktische lateinische G r amma-
tik von Joh. Fr. Chastc. Erster Cursus. Berlin b. Reimer. 1825.
^J u. 248 S. gr. 8. 8 Gr.
iJie methodischen Elcmcntarhiiclier der Lateinischen Sprache ha-
ben sicli besonders in den letzten 15 Jahren sehr vermehrt. Wenn
nun dadurcli allerdings die Metliodc im Ganzen weiter gebracht
Verden kann ; so befinden sich docli unter den zaliheiehen Yer-
suclien dieser Art auch nur all zu viel diirftige und ärmliche, wel-
che gleichwol wenigstens da, wo ihre Verlasser stehen und wir-
ken, in Gebrauch kommen und besseren den Weg versperren. Um
60 dringender muss die Pflicht der Kritik werden, neue Erscliei-
nungen dieser Art mit aller Strenge zu behandeln. Wir wollen
uns in Beziehung auf die beiden genannten Werke dieser Pflicht
mit derjenigen Unparteilichkeit, welche die Sache, und mit der-
jenigen Humanität, welche ein Gelehrter dem andern schuldig ist,
zu entledigen versuchen. Beide Werke gehören ihrem Wesen nach
in das Gebiet der Methodik. Von dieser Seite werden sie also
vorziiglich ins Auge gefasst werden miissen.
No. 1 besteht aus 2 verschiednen Abschnitten. Der erste
vonS. 1 — 252 liel'ert Uebungen im Gebiete des etymologischen
und syntaktischen Theiles der Lateinischen Grammatik, wobei je-
doch der etymologische Thcil liei Weitem vorherrscht: der zweite
von S. 253 — 343 enthält ein Verzeichniss der im ersten vor-
kommenden Wörter. Dieser liat im Besondei-en folgende Ein-
richtung. Uebungen der ersten D e c 1 i n a t i o n. Dem Wasr
ßer, aqi/a., wem*? Des Adlers, aqt/ila^ wessen*? Und ausserdem
noch 53 solche Uebungen. Hierauf ßO eben solche iiber die 2te
Decliiiation. Dann folgen Substantiva der ersten und zweiten De-
clination, verbunden mit Adjectiven dreier Endungen, an der Spitze
die syntaktische Kegel für diese Verbindung: Filia generosa.
Meiisayii plenatn. Silvae densae u. drgl. Hierauf eben solche
Deutsche Beispiele zum Uebersetzen ins Lateinische: Der breite
Weg. Die reifen Weintrauben u. drgl. Jede Art der Beispiele
nimmt etwas über 1 Seite ein. Eben so sind die übrigen Decli-
nationen behandelt. Für die Geschleclitsregeln wird bei jeder
auf die im Titel genannte Grammatik verwiesen. Nun folgen
eben so beschaftne Lateinische und Deutsclie Beispiele Aon Sub-
stantiven aus allen Declinationen mit Adjectiven im Comparativ
und Su|)erlativ, von Numeralien, verbunden mit andern Adjectiven
und Substantiv en, und v^)n den Fürwörtern. Dann folgen unter
dtjr Ueberschrift Sy n t a k t i s c li e ['? ] Uebungen d e r V e r b a
ganze, zum Tlieil etwas lange Sätze ausmachende Beispiele über
s?//rt, die -i Coiijngatlonen, die (Jonjugatio periphrastica, die Verba
anoniala, delVcti\a w. inipersonalia, über die Adverbia, Präpositio-
nen, Conjunctionen und deiiAccusativ und Nominativ mit dem In-
liuitiv. Von suiii ab hören vor den Abüchnitlen die Verweisungen
376 Rumischc Litte ratur.
auf die Grammatik auf, welche nur bisM-eilen unter den auf jeder
Seite unten angegebenen INoininihuspropriis mit vorkommen. Hin-
ter jedem Lat. oder Deutschen Worte steht eine Zahl, welclie auf
den zweiten Theii Jiinweist, der aus folgenden 0 grös;seren Ab-
schnitten besteht: SnbstanUra^ ^djectica^ Nmneralia^ Pronomi-
na^ Verbeiß Iiiterjectiones^ Adcerbia^ Pracpositiones^ Coiijunclio-
nes. Jeder dieser Absclmitte zerfällt in mehre kleinere alphabe-
tische Wortverzeichnisse, welche nach verscliiedenen Zwecken
angelegt sind. So enthält der erste Abschnitt (Ä/zAs^ff/?///'«) über
jede der 3 ersten Declinationen ein eignes Verzeichniss aou Wör-
tern, welche nach den allgemeinen Geschlechtsregeln 3Iascxüina
sind. Dann folgen eben so die Feminina, Communia, Ausnahmen
und die auf die Endungen begründeten Gcschleclitsregeln, in der
3ten Decliuation z. B. ein eigenes Verzeichniss von Wörtern auf
o, o/-, OS, e?\ w, eins von denen auf as^ es, ?s, ans ^ ys^ x und s
nach einem Consonanten, die Wörter von jeder Endimg unter sich
selbst alphabetisch geordnet. Bei jeder Decliuation gehen die
mit besternten Zahlen ausgezeiclmeten Geschlechtsregeln voraus.
Drei alphabetische Verzeichnisse von Adjcctiven nach ihren En-
dungen, durch unbesternte Zahlen bezeichnet, 4 von Verbis nach
den 4 Conjugationen. In diesen Verzeichnissen sind die Wörter
nach ihrer Abstammung aufgestellt , unter honor z. B. honorifi-
cus^ honoro^ honestus^ — e, — tim^ inhonestus. Durch alle diese
Verzeichnisse läuft eine gemeinschaftliche Zaiil von 1 bis 1453
fort, welche am vorderen Rande immer von 5 zu 5 Stämmen an-
gegeben ist, wie bei den Versen der Dicliter. Auf diese weisen
die schon oben erwähnten, hinter jedem Worte im Texte des er-
sten Abschnitts befindlichen Zahlen hin. Wenn hinter der Zahl
im ersten Abschnitte, z. B. hinter der bei Früchte, noch ein *
steht; so deutet dieses Sternchen an, dass von den vei-schicdenen
W^örtern dort {fnix w.fnictus) das mit demselben Sternchen be-
zeichnete das gemeinte sei. Eine besternte Zahl hinter einem
Worte in dem Verzeichnisse weist auf die Geschlechtsregel hin,
unter welche das Wort zu ziehen ist. Die Absicht des Herrn
Verf. bei diesem Plane ist nach der Vorrede, der von Speccius
und Esmarcli vorgezeichneten und von ihm als die beste aner-
kannten Methode mit mehr Rücksicht auf Zeitersparniss, Erleich-
terung der Gedächtnissarbeit und Verstandesbildung zu folgen.
Der Schüler soll dadurch ohne f r emde B eihülf e die
lat ein. Casus- und Verbal formen, so wie er sie in
der Grammatik auswendig gelernt liat, auAv enden
und einüben, e i n e h i n r e i c h e n d e A n z a h 1 Wörter, an
welchen j ene Form en vorkommen, mit ihren Be-
deutungen, Geschlechts- und a ii d e r n grammati-
schen Bes timmungen kennen und zugleich seinen
Verstand brauchen lernen. Von diesem Elementarbuche
soll der Schüler zur Leetüre Lateinischer Classiker übcrgelien kön-
Ramshorn'ö Lat. Elcracntarb. u. Cluiste's theor. prakt. Lat. Grammat. 3'J7
iien. Die Latein. Beispiele sind gröstentliciis aus llöiuisclien Clas-
sikern entlehnt.
No. 2 ist der etyraoloirisclic Tlieil einer kurzen Latein. Gram-
matik mit Lateinischen und insLateinisclie zuühertraijendcn Deut-
schen Beispielen, den nöthiiren \ücabeln, fielen uielhodisclien
Fincerzeisen, etwa in loli,ender Art. Krstc Declination. Ge-
schiechtsrejreln. Verbessere in foliienden Wörtern die Felder: (!)
Fonnica scditla ^ forma bona^ iiaiita piira^ aiila rcgiiis \\. s. w.
Die A ocabehi stellen gleich darunter. Taradigmata. Mur im Plu-
ral gebräuchliche Substantiva. Wörter, welche im Dat. u. Abi.
plur. nbiis iur is haben. Gieb von folgenden Wörtern den Geni-
tiv im Plural an : (!) ^fu/sca die Fliege u. s. m ., von folgenden den
Dat. im Sing, und Plur. ! regina u. s. av., von folgenden den Accus,
im Sing. u. Plur. ! von folgenden den Abi. des Sing, und Plur! von
folgenden den Dat. des Sing. u. Plur.! Welche von folgenden Wör-
tern stehen 1) im Genitiv, 2) im Dativ, 3) im Accusativ, 4) im
Ablativ'? Sil ras Wald, jjoet/arum Strafe u. s. w. Paradigmata
für die Griechischen Wörter auf e, es und as. (12) Beispiele zur
Uebung. Anwendung (in Lat. und Deutschen Beispielen) : Pen-
na gaUinae. Pennae scribae u. s. w. Der Käfig der Lerche u. s.
w. Tinea nocet lanae u. s. w. Der Maulwurf schadet der Pflanze
u. s. w., immer mit nocet und schadet. Piben so Beispiele mit
amal und liebt, f?« und gieb, zuerst mit blosem Object, dann
mit dem Object und Dativ zugleich, mit habitat in und wohnt in,
alles im Sing. , dann ähnliche Üebungen im Plural. Die uöthigen
Vocabeln beschliesen den Abschnitt. Eben so sind die übrigen
Declinationen. die Adjectiva , Zahl - und Pei'sonenw örter und die
Yerba rcgularia , irregularia , defectiya und Impersonalia behan-
delt. Beim Adverbium sind nur Lateinische Beispiele gegeben,
keine Deutschen, zur Anwendung. Beide Arten fehlen bei den
Präpositionen, Conjunctionen und Interjectioncn.
Betrachten w ir den Plan von No. 1 ; so will er uns nicht so
zweckmäsig scheinen, als wir glauben, dass er bei dieser Metho-
de hätte angelegt werden können , besonders da dieses Elemcn-
tarbuch unmittelbar auf die Lateinischen Classiker vorbereiten soll.
Die Aon S. 25 bis 252 unter der Aufschrift Syntaktische üe-
bungen aufgestellten Beispiele sind treffliche praktische Beispie-
le , aber ohne alle theoretische Grundlage. Sie sind Beispiele, in
denen eine grosse Menge Verbalformen, Adverbia, Präpositionen
und Conjunctionen vorkommen, an denen aber aus dem Buche
selbst der Schüler die Kegeln der Wortfügung nicht lernen kann.
Die von sum ab gegebenen Deutschen Beispiele werden, weil sie
lauter, zum Theil nicht kleine Sätze enthalten, nur mechanisch,
ohne syntaktiscIiesBewusstsein und ohne syntaktischen INutzen ins
Lateinisclie übersetzt werden. Jeder Sachverständige wird mit
uns der Meinung sein, dass ein Schüler in diesem Werke Fertig-
378 Römische Litteratur.
keit und Sicherheit in den etyniolo;E^iscli grammatischen Forjnen
gewinnen und viel INützHches und Vorbereitendes daraus lernen,
von ihm aber zu den classisclien Schriftstellern die erforderliche
syntaktische Vorbereitung nicht mitbringen könne. Ferner. Wir
gehören nicht zu denen, welche der Jugend die Wissenschaften
auf Zuckerbrod beibringen w ollen : doch glauben wir auch , dass
Mühseligkeiten, Avelche erspart werden können, von ihr abgehal-
ten werden müssen. Dieses Elenientarbuch muss aber den klei-
nen Lateinern, welche sich seiner bedienen sollen, mehr Mühse-
ligkeit bringen , als nöthig scheint. Ausser den kleinen Anmer-
kungen unter dem Texte müssen sie nach der bei jedem Worte im
Texte gesetzten Zahl das Wortverzeichniss aufschlagen, wo in
manchem reicheren Artikel, wie /ac/o und vilile andere, Tür einen
kleinen Menschen das , Avas er braucht , schw er genug zu finden
ist. Trifft er nun da auf ein Wort mit besternter Zahl; so muss
er auch noch w eiter nachschlagen. ]Vun wird auch hier oder doit
die kleinere Grammatik des Herrn Verf. angefülirt, welche er
dann auch nachsclilagen muss. Das halten w ir für zu ermüdend
für kleine Knaben. Auch Averdcn bei dem vielen Nachschlagen
manche Fehler aus Uebereilnng, Umorsichtigkeit und üeberse-
hung begangen. Das Wortverzeichniss zerfällt in zu viel kleine
Verzeichnisse inid verliert dadurch alle die Vortheile, welche ein
alphabetisch fortlaufendes kleines etymologisches Wörterbuch ge-
währen kann. Wir glauben daher urtheilen zu müssen , .der von
uns hoch geachtete Herr Verf. habe zu sehr nach Einfachheit in
seinem Plane gestrebt, sich aber dadurch in manche mühsame
Künstelei vei'wickelt und die methodische Haltung darüber etwas
verloren. Dass kleine Schüler neben ihrem Elementarbuche, wel-
ches ungebunden 21 Gr. kostet, auch noch eine Grammatik kau-
fen müssen, aus welcher sie wenig zu nehmen haben, die sie aber
nebenbei doch mit zerreissen, ist kein geringer ]\ achtheil, wel-
cher ebenfalls aus dem Plane des Werks- hervorgeht. Die, noch
obenein ziemlich grosen Zahlen im Texte dürften leicht den vier-
ten Theil desselben, wo nicht mehr, ausmachen. In wie fern das
Werk nach einer neuen Methode und zugleich nach der des Spec-
cius bearbeitet sein könne, dabei dürfen wir wol ein kleines Miss-
Terständniss voraussetzen. — Bei Weitem zweckmäsiger scheint
uns der Plan von No. 2 in den nur eben berührten Beziehungen,
vorausgesetzt , dass der xms noch unbekannte zweite Cursus für
die Syntax bestimmt und für diese das sein wird, was dieser er-
ste für die Etymologie ist.
Was mm die Ausführung im Einzelnen betrifft; so geben wir
No. 1 um Vieles den Vorzug. Die Beispiele sind reicher, gewähl-
ter und in jeder Hinsicht lehrreicher. Sie so wol, als auch das
Wortverzeichniss verrathen einen Mann, welcher sich schon durch
sein gröseres grammatisches Werk die Hochachtung gelehrter
Männer erworben hat. Im Besonderen hätten wir auch Manches
Ramshorn's Lat. Elcmentarb. lÄliaste's theor. prakt. Lat. Grammat. 379
zu bemerken. Der Raum gestattet nur Folgendes davon hiermit
zu theilen.
In No. 1 Mird S.l nur die Frage Avcm als Eikeunungszeiclien
des l)ati>s angegeben. Für av en und wozu durl'ten nach ansrer
Meiming nicht fehlen. A\enn oder zu welcher Zeit kaini nur
wann lieisen. Dienen Beispielen zu den J)eclinationcn voran-
gehenden Uebungen, wovon die ersten und zweiten allein 4f
Seite einnehmen, scheinen des fielen Raumes nicht werth. Sie
sollten auf eine mehr Raum ersparende Art erscheinen. In Mil-
iiadis tropaeo Themist oclein a somno suscitabaiit S. 31, walir-
schehilich aus Cic. Tusc. 4, IJ), 44 entlebnt, steht bei Cic. e so-
V1//0, wie auch Plaut., (.'atull. und Aiulre sagen. S. 32 haben wir
bemerkt peccavcntis ^ wo auch das Rürzenzeichen nicht fehlen
sollte. Den ersten Satz S. 38 dürften Knaben, für die das Buch
bestijumt ist, wol schwerlicJi verstehen, auch ist er zu lang zum
üebersetzen. In dem 2ten Satze S. 51 von unten fehlt das Volk,
bei welchem der beschriebene Gebi-auch Statt fand. Bedeutender
ist, was wir gegen das S. 192 iiber die Conjunctionen Gesagte be-
merken zu müssen glauben, dass sie die Verhältnisse ganzer Sätze
zu einander andeuten, diese mögen einfach oder zusam-
mengesetzt sein. Conjunctionen kommen aber doch nur in
zusammengesetzten, niclit in einfachen Sätzen vor. Die Schrif-
ten C ä s a r s g c w ä li r e n U n t e r li a 1 1 u n g können wir nicht für
einen einfachen Satz anerkennen : es ist ein erweiterter. Zusam-
mengesetzte Sätze sollen die sein, in w eichen mehrere Sub-
j e c t e zu e in e m P r ä d i c a t [e] g e li ö r e u. Allerdings geliören
diese Sätze in die Ciasse der zusammengesetzten, doch nicht zu
der ersten und natürlichsten Art derselben, wozu zwei durch eine
Conjunction verbundue vollständige, einfache so wol, als erwei-
terte Sätze gehören. Die von dem Ihn. \ erf. allein angeführten
maclicn die 2te Art aus und gehen aus einer Abkürzung der ur-
sprüufflichen Form liervor. Desshalb würden wir auch gegen §
175 in der grösern Lat. Gram, des Herrn Verf. 3Ianclies zu erin-
nern haben. Die C onditionaies, heisst es S. 193, bringen
2 s o I c li e S ä t z e i n V e r b i n d u n g , d e r c n e i n e r e i n e B c-
d i n g u n g a n g i e b t , u n t e r w e 1 c h e r e t w a s S t a 1 1 finden
oder g e s c li e h e n soll, der a n d r e a b e r die u n t e r j e n e r
Voraussetzung n o t h w e n d i g e Folge. Kürzer konnte ge-
sagt M erden : die C o n d i t i o n a 1 c s v e r b i n d e n 2 S ä t z e, de-
ren einer die Bedingung angicbt, un ter w elclier der
Inhalt des andern eintreten soll. S. 253 halten w ir die
L'eberscln'ift V e r z e i c li n i s s d e r v o r k o m m e n d e n W ö r t e r
für fehleiliaft, da es Verzeichnisse sind. Kbendas. steht
athcns^ Gottesläugiier. Cic. ])raucht das Wort de uat. Deor. 1,
23, 03 in der Griecb. Form und urnsclireiht es pro iMil. 30, 83 lie-
ber. Die Gescl»lec]itsregeln der 3(en Derlination sind von S.270
ab ganz nach alter Art vorgetragen. S. 272 steht als Druckfehler
380 Rumische Li flte r a t u r.
analinus f. anaümis. S. 297 ist bei iste seine Beziehimg auf die
21e Person iiiclit angedeutet, d i c s er ( j e n e r ) dein. Daher ist
auch scliwerlieli eil/ um istam S. 31) unten riclitig. Sonderbar ist
die Aufstellung der Verba von S. 298 ab in dieser Form : Aesti-
7110 schätzen, amo lieben, statt ich schätze, ich liebe. Am Deut-
scheu ist uns blos aurgefallen S. 8 dem Pflug, S. 15 dem Mit-
tag, S. 18 dem Schmuck, S. 183 einem Sturz f. dem
Pfluge u. s. w. imd S. 251 alle alten Schriftsteiler f.
alle alte.
Der Herr Verf. von No. 2 eifert S. V u. VI der Von-cde wol
mit Unrecht gegen die alphabetisdien Wörterblicher, welche, so
bald Kinder nur die allerersten Schwierigkeiten iiberwunden ha-
ben, gewiss sehr nützlich sind, und schliesst dieselbe mit etwas
zu viel Begeisterung für sein Werk. Des pädagogischen Tactes
darinn ist schon er« ahnt worden : doch geht der Hr. Verf. unstrei-
tig bisweilen zu weit, und lässt es auch anderwärts daran fehlen.
S. 5 u. 6 werden die Casus erklärt und durch Beispiele erläutert.
Wozu wird aber dabei die Lat. Uebersetzung von diesen gegeben,
da hier die Kinder noch nicht eui Lat. Wort decliniren können?
Dabei fehlt die nöthige Quantität, Avelclie auch gröstentheils in den
Beispielen auf den folgenden Seiten nicht angegeben ist, z.B. selbst
bei homicida S. 81 nicht, und die Fragen, an denen man die Ca-
sus erkennt, sind nicht vollständig genug mitgetheilt. S. 5 M'ird
Gerechtigkeit ist 1 ob ens würdig übersetzt, liest ili'a est
Inudanda ('.'.). In dem Wortverzeichnisse S. 13 ic\\\t auriga
der Fuhrmann, rana der Frosch, ciconia der Storch.
Die Geschlechtsregeln sind in gereimte Verse gebracht, die bis-
Aveilen sehr hölzern sind, z. B. Er^ ii\ w\, us s i n d 3/f/stv//«, Um
steht als ein Neutrum da. — Brauch' männlich o, or,
OS, er Und es, das der Sylben mehr. Bei der 5ten Declin.
ist nicht bemerkt, wo das e im Genitiv lang, wo kurz ist. S. 97
aerarium die Statskasse der Römer. Warum der Rö-
mer? S. 98 Futurum II oder exactum. Wenn das fut. exact.
sich zu dem fut. verhält, wie das perf. zum praes. und wie das
plusq. zum imperf. ; so ist der Name fut. II falsch, oder das perf.
müsste auch praes. II und das plusq. auch imperf. II heissen. S.
102 ist der Bildung von amem aus ainaam nicht erwähnt worden.
Die Interpunction ist häufig sehr vernachlässigt, z. B. S. 96 u. 211,
wo in den 8 untersten Zeilen 5 Comraata felüen, in der ersten Zeile
allein 2. Caspula S. 14, facere schweigen S. 80 und propmo S.
81 sind Druckfehler.
Ein bedeutender Verstoss gegen die Methode ist es , dass in
beiden Werken die regelmäsige und unregelmäsige Comparation
und Conjugation nicht streng genug gesclüeden sind. Ilonoriß-
centiori^ peiora^ minimae u. dergl. stehen in No. 1 unter den re-
gelmäsigen Bildungen. Eben so ist es in No. 2, mo S. 80 u. 81
tacere^ videre^ ridere^ cavere als Verba der 2ten, cado^ ludo^
Griccliisclie LItteratur. 381
fodio^ pJarigo^ frango^ ago tlcr Stcii und sc7itire^ sallre \\. inve-
nire der 4tcn mit AorKoniinoii. INiclit anders auch Jiicr in No. 1.
Die Conjuffatiou ist al)er IVir Kinder keine leiclite Sache. Hier
durch (irundle^uns: des streiiir IJe^ehnäsigen ihnen Erleicliterung
zu scliaü'en, ist Püiclit der .Methode.
Hiernach scheint uns keins \()n diesen beiden Werken dem
Bcdürriiisse noch dem icU-ale zu i^eniiiren. Hätte Ao. 1 die nie-
tliodisehe Einriclitun^:, >\ie j\o. 2; so wiirdc es beiden melir ent-
sprechen. Doch zielien Mir es immer iSo. 2 vor der genauen und
soliden Arbeit wegen. Aber es ist im Verhältnisse zu J\o. 2 et-
M as thcuer.
J. S. Ros enh eyn.
Griechische Grammatik.
1. Griechische Grammatik vor zi'i glich des Homeri-
schen Dialehtes vqh Friedrich 'J'liicrsch. Dritte vermehrte
und verbesserte Auflage. Leipzig Lei Gerli. Fleisclier. 182(). XXXII,
' Vorreden und Iiihaltsverzeichniss , 701 Seiten, Text, l)is S. 715 Zu-
i-iitze und Verbesserungen , bis S. 721 A erzeichniss der kritisch be-
handehen Stellen grierbisilier Autoren , bis S. 730 Verzeichniss der
M iehtigsten griecbiselien Formen und lledensarten. gr. 8. 2 Thlr.
2. Vollständige 11 ort - und S achr e gist er zu Frie-
drich Thiersch's griechischer Grammatik^ vor-
züglich des Homerischen Dialekts [d. 2ten Ausg. v. Jahre 1818] von
M. C. E. Richter, Conrector an der Schule in Zwickau (jetzt Dia-
kntius daselbst). Nebst einer Vorrede des Verf. der Grafiiniiitik.
l'.bendaselbst. 1823. 1<><) S. u. 2 S. ]\aclitrag zu den Druckfeblern
der Grammatik, gr. 8. 12 Gr.
Erster Artikel.
"ass die Anzeige einer neuen Bearheitnng der grösseren Gram-
matik von 'l'hiersch mit der Wiirdigung der vor drei Jahren er-
schienenen Register zur \origen Aullage verbunden erscheint,
glaubt lief, mit der Aeussernng am Schlüsse der V orr. von ?so. 1
S. W rechtlertigen zu kiinuen. wo es heissl: die Anzahl der Pa-
ragraj)hen der Cjirammalik sei nuAerändert geblieben, um auch die
vollständigen und \o\\ ihr unabhängigen Register des H, U i cht er
nicht ausser Ueziehuiig und Gebrauch zu setzen. Indem Hei', näm-
lich der festen Ueberzengung ist, und dieselbe zu beweisen ge-
denkt, dass diese IViiher ^iel^ach angepriesenen und olt unverlangt
mit derGranimalik selbst \ersaniiten Register \ollends jetzt durch-
aus unbrauchbar geworden sind, hält er es liir seine Pllicht, Schul-
männer darauf aulmeiksam zu machen, v\eun er sie Aon dem Ei-
Jahi h. d. l'hU. u. Fudus- Jahrg. 1. Jhß 2, 25
S82 Griechische LItteratur.
gentliümlichcn dieser Steii Aufl. einer Grammatik in Kenntiiiss setzt,
die, weit verbreitet, >vie sie es ist, schon vielen Nutzen gestiftet
hat und noch stiften Avird, abcA' mit einiger Aufopferung' von Sei-
ten des Yerl\ und Verleg, dies in noch viel höherem Grade ver-
möchte. — Bekanntschaft mit der 2ten Aufl. der Grammatik wird
wohl nicht mit Unrecht bei allen Lehrern der griechischen Spra-
clie, welche diese Blätter lesen, vorausgesetzt; der Werth des
Buches ist vielfach, auch öffentlich, anerkannt, am meisten durch
den raschen Absatz der starken Auflage; darum sollen die nach-
folgenden Bemerkungen Aveniger eine jetzt niclit mehr notliwen-
dige Wiirdigung des Werkes im Allgemeinen geben, sondern liaupt-
sächlich die einem Buche dieser Art so nöthige Correctheit und
Genauigkeit im Einzelnen beriicksichtigen, dann die in der drit-
ten Auflage neu hinzugekommenen Abschnitte, so wie sonstige be-
deutende Aenderungen derselben charakterisiren , ynd mit einer
Beurtheilnng der llichterschen Register schliessen. Es erscheint
aber passend, besonders um den Leser nicht durch leider noth-
wendige INachweisungen von Schreib- und Druck -Fehlern aller
Art zu ermüden, wenigstens die beiden ersten der genannten Theile
in einander zu verschmelzen, und so in luiserm Berichte, wofern
dies nicht zu anmassend erscheint, das Nützliche mit dem Ange-
nehmen zu verbinden, indem wir dem Gange des Buches folgen.
— Die durch mehrere Druckfehler entstellte Vorrede zur dritten
Auflage der Grammatik ist vom 22sten Mai 1825 ; das Buch ist in
Leipzig ausgegeben, so viel Ref. weiss, Ende Februar oder An-
fang März 1826. Die neue Vorrede enthält zunächst Bemerkun-
gen über die Anordnung : dass z. B. der Lehre von den Buchsta-
ben und Sylben etwas über Inschriften und diese selbst beigege-
ben sind , Iiingegen manches früher hier vorkommende Spccielle
an seine Stelle der Formen - und Dialekten -Lehre verwiesen ist;
dass in der Formen-Lehre ein gemeinsames Schema aller Declina-
tionen vorangestellt und über die Zusammensetzung der Wörter
nach Lobeck's Phrynichus ausführlicher gehandelt ist; dass ne-
ben Homer die attischen Dichter besonders berücksichtigt sind.
Zugleich wird das Verhältniss dieser Grammatik, als einer allge-
meinen griechischen, in welcher eben darum das Homerische vor-
herrschen müsse, festgestellt, um dem Vorurtheile zu begegnen,
sie sei eine bloss Homerische. Im Verfolgen dieser Ansicht kommt
der Vf. auf die Erwähnung des in diese Auflage zuerst aufgenom-
menen und eigens benannten Theiles der Satzlehre, Pjjrataxis,
oder Nacheinanderstellung der Sätze in der Kindersprache, ohne
die später nothwendig erscheinende Beachtung oder Bezeichnung
des innern Zusammenhanges derselben, im Gegensatze der eigent-
lichen Syntaxis im engeren Sinne. — Gerühmt Avird am Schlüsse
die Beihülfe der Freunde des Vf., der bereits verstorbenen, auch
in den frViheren Auflagen erwähnten Benedict Laroche und
Andr. v. Baranoff (dem letzteren war diese Grammatik schon
J
Griechische Grammatik v. Thlerscli. Register zu ders. v, Riclitcr, 383
bei ilirer ersten Ersclieimms^ gewidmet, und der Vf. nift ilim tief
^efiililte Worte der Anerkciintniss nach, die mit Virg. Aen. VI,
884- — 887 schiie>;sen) ; Schulniiitiiu'r nnd Zuhörer des Vf. sind
ebenfalls bei dieser iieiieii Auiliiire hehiilllicli £;e\vcsen : Held in
Baireuth, Platz in Kötheii, H i eli te r in Z\^ ickau ; v. llefner
in Miniclien, G. Baiter in ZVirieli (^on dem die zu Aniaiiir ge-
nannten \ erzeiclmissc der kritisch hehamlelten Steilen griechi-
scher Autoren, und der wichtigsten griecliischen Formen und Re-
densarten, am Schlüsse dieser Aull. ausgearbeitet sind). Sonder-
bar genug werden dannauchdie beiden (.'orrectoren, W. Sclilut-
tig (damals in Leipzig, jetzt in Paris) und K i(;h ter in Zwickau,
geriilimt , besonders was die Revision der (yitate und den a erhält-
nissmässig reinen Druck betreffe. In wiefern der diese Gramma-
tik Gebrauchende in ein solches Lob einstimmen könne ^ werden
■wir im Folgenden sehen.
Aus der Vorrede zur zweiten Andage, die niclit einmal ganz
con-ect abgedruckt ist, indem z. B. S. VII Z. 12 v. n. hervorsu-
chen, statt hervor zu sii(;hen, sprachuurichtig stellt, wird der Le-
ser viellercht ungern di^n Abschnitt \erniissen, welcher warnt vor
dem falschen Gehrauche dieser Grammatik diircl» die, die sie mir
IVairnieiitarisch kennen, und ihre Aussprüche tlieihveise mit denen
anderer Grammatiker beim Lnterrichte vereinigen wollen; auch
fehlt die Anweisung zn einem zweckmässigen Gebrauche des Bu--
ehes. so wie die iNotizen iiber die von Thiersch damals benutzten und
nicht benutzten Schriften zur Griecliischen Grammatik, imd Viber
das Verhiiltniss dieser Grammatik zur kleineren desselben Vf. — ■
Das Iiilialtsverzeichniss S. WII bis XVXII ist eine Bereiche-
rung diesei- Aiidage. Es ist ein an wenigStellcn veränderter, bc-
lichligterund vervollständigter Abdruck von S. ö bis 14 der Rich-
terschen Regi>ter, womit iihrigens dem Verdienstlichen der Zu-
sammenstellung der L^eljerschriften derParagraphetmnd Absclinit-
te nichts von seinem Werthe genommen Averden soll ; wenn nur
die dort J>egangenen Druckfehler corrigirt wären, wie z.B. Ma fs,
(im Texte der Grammatik: Maas, Maas es; wieSchoos,
Schooses, statt: Schoofs S. !)5^.() Z.4) statt: Maafs, Maa-
fses. An das Durchgehen dieses Inhiiltsverzeichnisscs möge sich
eine Uebersieht des Meuen dieser dritten Aufl. anschlicssen. Das
erste Buch hat jetzt die passendere Leberschrift: Wortbildung,
öder Formenlehre, statt des letzteren Namens allein, wie-
Tt'ohi die neue ZusammeiHtellung ihrer Form nach sich wohl nicht
rechtfertizen lassen möchte; es mVisste heissen: Lehre von der
\V o r t b i I d u n g. o d e r F o r m e n-L e h r e.' — § G i^t die C h a r a k t c-
r i s i r u n g d e s attischen Dialekts in der IJeberschrift, § 1 2
d i e L e h r e v o n der Ort h o i: r a p h i e auch im Texte neu hin-
zugekommen. ^17 sollte zu üvn Worten: Fräs mische und
Beuchl inische Aussjjrache, die Römisdie Aussprache als
die ote hinzugelugt sein, wenn einmal der Inhalt näJier angegeben
25*
381: Griechische. Littcratur.
M erden sollte. — Die Pliiralform: Consonante« § 20 erscheint
richtiger als die des Textes : Coiisonant e. — § 24 ist erweitert, und
richtiger iibcrschrieben : v o n d e n 11 q u i d i s. — § 35 ist die Auf-
zählung der einzehien Verwandlungen durch Zusam-
menstoss der \ocale unpassend und leicht Missverstand
veraidassend, da hernach die besonderen Abschnitte folgen. —
INen ist §41) von den Eigenthiim lichkeit en des N o-
mens; bedeutend geändert § 50 Declinatiou überhaupt,
iindDeclinationdes Artikels; so wie schon früher § 39 —
41 , die Lehre ü b e r E 1 i s i o n u n d A p o s t r o p h und d i e I n-
schriften enthaltend, grossentheils neu erscheinen. — Inder
Ueberschrift von § 4(> stellt jetzt bezeichnender und genauer: das
vorangehende Wort, statt: das vorige, Aufl. 2. — § 47
ist grossentheils neu, namentlich in dem Geschichtlichen und in
fler Abhandlung von der rhytlnnischen Eigenschaft der Accente
und vom Lesen nach denselben. — § 57, Eigenheiten der
C a s u s b i 1 d u n g , ist theilweise neu. — § 58 ist der Zusatz : i ii
einigen Nominibus aufiy^, unpassend; denn [ccqi^v) dg-
vog ist auch Beispiel. — § ßO ist die Lehre von der Beto-
nung neu hinzugekommen. — § 63 hat in dieser Aufl. eine pas-
sende Ueberschrift erhalten. — § TS ist die Lehre von der
Z a h l b e z e i c h n u n g d e r A t h e n e r neu. — Die Ueberschrift
des folgenden Abschnitts lautet jetzt richtiger: Pronomina,
statt dass sonst: die Pronomen, im Piuralis, stand. — §83
ist die Lehre von den angehängten S y 1 b e n neu hinzuge-
kommen. — § 8ö, 104, 110 und anderwärts ist die deutsche Plu-
ralform: Mode, Moden, mit der allein richtigen : Modi ver-
tauscht; so wie § 119 und anderwärts richtig Verbe mit Yer-
bß vertauscht, aber doch der Dativ und Genitiv: Verben bei-
behalten erscheint. — § 89 hatte sonst eine Tabelle über die deut-
schen Conjugationsformen, die (wohl nicht ohne Grund, aber oh-
ne alle Anzeige) weggeblieben ist; die andern Tabellen: § 105,
111, 114, 115, 119, sind jetzt in dem Formate des Buches gedruckt,
was viel zweckmässiger erscheint. — § 108 steht durch einen
Druckfehler: des Indicatir, statt: des Indicatiüs. — §114
u. 115 haben passendere Ueberschriften erhalten, so wie auch §
140 u. 141 der 2ten Aufl. recht zweckmässig hier in § 140, von
den Zusammensetzungen in der griechischen Spra-
che, vereinigt erscheinen, und § 141, Bedeutung und Pa-
ragoge der zusammengesetzten Wörter, neu liinzuge-
kommen ist. — In dem Folgenden ist das Unterscheiden des Vf.
zwischen dem Adjectiv: homerisch mit kleinem h, imd dem
Substantive gebrauchten: das Homerische, auffallend, und
erstere Schreibung wohl kaum zu rechtfertigen. — § 153 ist pas-
sender gefasst worden: Verzeichniss der Wörter, wel-
clie mit dem Digamma und den aus ihm entstande-
nen Lauten beginnen. — § 156 u. 169 steht: Abfall,
Gricchlsclie Grammatik v. Tlilcrscli. Register zu ders. v. Ricliter. 385
statt: We£:fallcii, durcliaus unrirhti^. — Die Ucbcrschrift
vor § 17({ u. d. i'olirs:. : von den Homerischen D e c I i n a-
tioncn, ist neu und sehr zweckmässig' liinziigelVifft. — § 189
steht die durcliaus iindeutselie l'orm ; v o n d e n 1* n r a's, statt: v oii
den Piiris. — § 11)({ ist ein böser Oruckfehler: co g — oog
statt: cog — a o g. — §201 huitete Aull. 2 ungenau: Anzahl
der Enduuiien; jetzt bestimmter: liilduni? weibliclier
Formen — der Adjectiva. — § 202 handelt nicht ^on den
Yergleicliungen, uie es hier lieisst, sondern vonden Ver-
£:leich un gsgr ad en der Adjecli\a und Aiherbia. — § 211 ist
die liiiduiiff der P r ä s e n t ia (uidit : V r ii s e n t e), § 213 die der
ersten Fiitura (niclit: Futur e) neu iiiuzugekommen. — §237
Märe von dem specielien InhaUe mit dciuselben Rechte wie: Aut-
li e b u n jr d e r P o s i t i 0 n , aucli : G e b r a u c h d e r v o n ]N a t u r
langen S y 11) e n als kurze, und : li i 1 d u n g d e s Ili a t u s, zu
nennen gewesen. — § 240 ist der Absclmitt von den JNomi-
nal- Formen neu. — § 243, vom Attischen Dialekt,
ist fast ganz neu; mir sollte vor demselben ebenso, Avie ^or§233
11.237, eine Haupt -Ueberschrilt gesetzt sein. —
Aul" gleiche Weise, wie die Formenlelire, ist auch das jetzt
folgende zweite Ihich, die VV or t fii g iing o d e r Sy n ta \ , be-
reichert. Gleich § 24S ist die, der theilweise neuen Behandlung
des Genitiv- und Ablativ- Verhältnisses im vorhergellenden § ent-
sprechende Auseinandersetzung der Verhältnisse der Gegenstände
in thätiger ^ erbiuduug passend überschrieben: vom Dativ- u.
Accusativ- Verhält niss. — §251 ist theilweise, die zwei
folgenden §§ aber, vom Genitive der inneren Beschaf-
fenheiten und d e r a u s s e r e n B e z i e h u n g , fast ganz neu
lind völlig umgearbeitet; sowie iiberhaupt die Lehre vom Geni-
tiv, namentlich dem örtlichen und ursächlichen bis § 256 die be-
deutendsten Bereicherungen erhalten hat, deren Inlialt und llm-
fang schon aus dem hier weitläufiger werdenden Inhaltsverzeich-
nisse ersehen werden kann. — § 258 ist die Ueberschrift : Geni-
tiA i CO US e (j u en t i ae, passend in Klammern gestellt, und die
allgemeinere : Genitive mit A n g a I) e n durch P a r t i c i p i a
('riiiersch sc-hreibt Participe), vorangestellt. — §202 stört
der deutsche Dativ: Gasen, statt des nicht zu llectirenden: ('a-
s u s. — § 203 II. 2(i4 , V 0 in G e b r a u c h e des Ablativs u n d
den ihn r e g i e r e n d e n P r ä p o s i t i o n e n, sind theilweise neu.
— § 2(i8 sollte auch im luhalts\erzeichnisse der dieser Aull. ei-
genthini)liche neue Abschnitt: vom Accusativ bei Verbis
d es Bell a rrens, iiicfit fehlen. — § 270 ist unverstäiullich, we-
nigstens uni'iklärt, zu diu \N orten: V(;cusativ mit d«'ni In-
finitiv, hinziis<'rüst: und ohne Beisatz. — § 274 sind die
Präpositionen beim Ac(usati\ passender nach «lem Alphabet geor«l-
ne( , und so der FchUr der 2t<'n Aull., dass «ar« wiederholt an-
geführt wurde, Aon tselbst weggefallen. — Von § 275 an sollte»
Griechische Litte ratur.
wieder IIaiiptii]»erscliriften sein; tlass die liier folg:eiuleii Gegen-
stände nicht in einem Anhanire stehen, wie Aufl. 2, i^^t recht; aber
sie sollten nur nicht l'älschlicli der Lehre vom Acciisativ luiterge-
ordnet ersclieinen, zumal da nach der Lehre von den andern Ca-
sibus, auch Genus und Numerus der Substantiva, und die andern
Redetheile bis zum \erbum abgeliandelt werden, — § 215 n. 277,
vom Dativ und Yocativ, sind fast ganz neu. — § 2TS ist:
Eigenlieiten im Gebrauch, eine passendere Uel)crsclirii"t,
als: Gebrauch, allein; die Idiotismen in der Stellung
der Casus sind liier ganz neu. — §279, Viber die Präpo-
sitionen, ist am Schlüsse vci'vollständigt; §280, Aom Adje-
ctiv, fast ganz, §284, i'ib er die Pronomina, grossentheils
neu. — Es folgt der Abschnitt: über das Verbura; und hier
sind die % orausgeschickten allgemeinen Bemerkungen richtig dem
285sten § zugetheilt , da sie in der 2ten Aull. nirgends untei'ge-
ordnet waren. Derselbe § ist erweitert, 'indem ein Theil des fol-
genden dazugezogen ist. — § 289 ist grossentheils neu, 291 ver-
ändert, und im Anfange zusammengezogen. - — § 29(), vom In-
finitiv, so wie der ganze Abschnitt: über die Partikeln,
§299 bis 303, ist theilweise neu. — "y^v und nsv aber sind nicht,
wie es hier, abweichend vom Texte heisst, zwei verschiedene Par-
tikeln, sondern nur besondere Dialektformen einer einzigen Par-
tikel, daher in der üeberschrift der Singularis stehen nniss. Wie
oben HSV gedruckt ist, müsste es auch ys und jTEp, nicht ys und
TIEQ, heissen; in dieser Hinsicht jedoch herrscht die grosseste In-
consequenz in der Grammatik. — Indem letzten Abschnitte, der
Sprachlehre, ist in der ersten Unterabtheilung, von den
Sätzen überhaupt, §300 bedeutend verändert, §308 er-
weitert, und hat so die Lehre vom Subject und Prädicat
eine neue Gestalt gewonnen. — § 312 ist die Üeberschrift jetzt
richtiger gefasst: über die Verbindung der einzelnen
T heile des Satzes; der Inhalt ist grossentheils neu. — Auch
§313, von der Ellipse, ist theilweise umgearbeitet und ver-
vollständigt. — ^ Die Lehre von dem Zusammenhange de r
Sätze ist schon in den allgemeinen Angaben § 315 bedeutend er-
weitert, dann aber fast ganz neu bearbeitet in §316 u. 317: vom
Aneinander und Ineinander der Sätze. Um aber hier
gleich eine allgemeine Bemei'kung vorauszuschicken, so ist es sehr
auffallend, dass der Vf. wichtige Erscheinungen in der Literatur
dieses Gebietes entweder gar nicht kennen gelernt, oder doch kei-
ner Beachtung, weder beistimmend noch widerlegend, gewürdigt
hat. Bekanntlich fiihrt Thiersch das Verhältniss der Sätze auf
das Casus -Verhältniss der Substantiva zurück, und unterscheidet
danach dem Ablativ-Verhältniss entsprechende relative Sätze, dem
Genitiv-Verhältniss entsprechende Ergänzungs-Sätze, dem Accu-
sativ- Verhältniss entsprechende transitive (nicht tranfitive, wie
TJUerscU sclireibt) Sätze. Dem entgegen ist nun bereits vor fünf
Griecliische Grammatik v. Tliicrsch. Rcglsitcr zu der», v. Richter. 387
Jahren 1821 durcli Ilerling in Frankfurt a.M. in seiner Topik
de?' deutschen Spruche ( Vhhiindluu^cn tles Krankl'urtisclien
Gelehrten-\ ereins für deutsclie Sprache. Stück III) und z>\eiJa!ire
später in seinen G r u ii d ( c h r e n des de u t s c h e n S t il s, o d e r
d e m Pe r io d e nb ii u d c r d e ii t s c h e ii Sp r a c h e, eine Theo-
rie anfi^estellt worden, die, ansijehend ^on ffesonderter Betracli-
tuni? des h)gisclien mnl ^raniniaiisclien A erJiältnisses der Sätze,
das letztere als dem Verhältnisse der lledetheile nntcr einander
entsprechend darstellt. Anjrewendet erschien das liier i^e^ebenc
in mehreren craminalischen ScliriTten Grotefend's nnd lloth's,
dnrchi^eiVihrt in Beziehnn^ani' die dentsche Sprache Aon S chm i ti-
li e n n e r in seuier J) e u t s c h e ii S p r ach Lehr e f ii r Gele hr~
ienschulen^ nnd in seinem Ele ine iit arbuc h der Deut-
sche n S p r ache. Fast gleichzfitiiT mit Erscheinung der 3teri
Anfl. von Thiersch Gr. Gr. wird das bisher fast nur anf den en-
gern Kreis der deutschen Sprache beschränkte auf das Gebiet der
allgemeinen Sprachlehre übergetragen, durchgeführt nnd begrün-
det in der, nach des lief. Ueberzeugung, sehr empfehlensM ertheii
klehien Schrift von G. T. A. Krüger in AVolfenbüttel: Er orte-
ru/ig der grammatischen Ei ntheilung tmd der
grammatischen k erhältnisse der Sätze; nebst ei-
ne r B e n r t h e i 1 u n g d e r v o n U e r n h a r d i , Th i c r s c h und
Schmitthenner in der Lehre von der Sa tzfügu ng be-
folgte n Methode ; ein Beit rag zur richtigem Bell an d-
lung dieser Lehre. Frankfurt a. M. 182G (12 Gr.). Damit der
Leser uuserer Jahrbücher wisse, was er in jenem Büchlein finden
wird in Beziehung auf Thierse h, soll nur mit wenig Worten das
nach der H e r 1 i n g - K r ü g e r s c h e n Theorie an die Stelle des ^ o»
'J'hiersch Gebotenen Tretende aufgezälilt werden. Thiersch
liat zwei Abschnitte der Syntax: Lehre von den Redet hei-
len, und: von den Sätzen; die neue Theorie Aier: Lehre
v 0 n d e r \\ o r t f ü g n n g, S a t z f ü g u n g, Wortstellung und
S a t z s t e 1 1 u n g. In der Satzfügungslehre wird von llerling und Krii-
gcr das logische und grammatische Verhältniss der Sätze abgeson-
dert betrachtet, und eine \erschiedene Eintheilung der Sätze dar-
auf gegründet; die Kintheilung derselben bei Thiersch vermischt
beides, jetloch so, dass das aus einem verschiedenen, unhaltba-
ren Kiiitheilungsgrunde hervorgehende Ergelmiss fast dasselbe ist:
die relativen Sätze entsprechen nehmlicli hier den adjectivischen
INebensätzen, die Krgänzungs-Sälze den ad\(;rbialen iSebensätzen,
die beide in grammatischer Hinsicht im Iniiärenz-\ erhältnisse zu
dem Hauptsätze oder einem Tlieile desselben stehen; die transiti-
ven Sätze hliiiregen entsprechen den Substantiv ischeniSebeiisätzen,
die im Dependeir/ - Verhältnisse stehen; nin- die von Tliiersch
lalschlich auch hierher irezogenen Absichts-Sätze sind Substantiv i
sehe JSebensätze, vvelelK- die Stelle von Adverbial - Sätzen vertre-
ten. — Bloss die nothwendige Jlücksichl auf die Grenzen dieses
388 Griechische Littcratur.
Berichtes zwinirt uns hier unserii Auszug al)zul)rec]ien , ahcr Mir
bitten unsere sachkundigen Aintsgenossen, diese und die anderen
angelulirtcn Schriften ja niciit ungeiesen zu iassen, und ilincn wo
möglich mit liernhardi's Werke zur Seite zu loigen» — Wir
keliren daher zu unserer Grammatik zurVick.
Es ist oben schon angedeutet, dass in den jetzt folgenden
allgemeinen §§315 — 317 zuerst eine bedeutende Erweiterung,
dann eine fast ganz neue Bearbeitung der Lehre von der Para-
taxis und Syntaxis gegeben ist. Was das Specielle betrifft,
so ist die Lehre vom E r g ä n z u n g s s a t z e den wenigsten Ver-
änderungen unterworfen gewesen ; nur § 3o() ist am Schlnss er-
weitert, § 332 verändert, und von dem Ende des 33-l:stcn § an
bis 337 viel Neues hinzugefugt; auch § 338 — 342, vom trans-
itiven Satze und insbesondere von den Absicht-
sätzen, enthalten theilweise viel Neues ; vornehmlich aber sind
in § 340 u. 341 die Partikeln in viel passenderer Kcibenfolgc,
als früher, abgehandelt. Der vorletzten Unterabtheiluiig ist jetzt
die umfassendere Ueberschrift gegeben : von der 11 e 1 a t i o u
und dem relativen Satze, und dem gemäss sind nicht allein
die allgemeinen Angaben § 343 erweitert, sondern auch die fol-
genden §§ 344 — 347 sind bedeutend verändert; § 349 hat eine
passendere Ueberschrift bekommen : besondere Formen des
relativen Satzes. — In der letzten Abtheilung: von den
Fragen, sind § 351, 353,354 erweitert, und der erste derselben
grossentheils neu; in der Ueberschrift von § 353 fehlt im hi-
haltsverzeichnisse das Wort: und er n; von der einem a7i~
dem Satze naclistehenden Frage. —
Zur Einleitung bis S. 14 finden Avir vorläufig weiter nichts zu
bemerken, als dass uns S. 12 u. f. die zweimal vorkommende fal-
sche Foi-m: genennt, statt: genannt, unangenehm aufgefallen
ist, und dass von Thiersch selbst zu diesen 14 Seiten 12 grobe
Druckfehler in den Verbesserungen S. 707 angegeben, aber in der
Berichtigung selbst wieder drei neue grobe Druckfehler begangen
werden: es muss nehmlich in der Berichtigung zu S. 2, § 2, N. 1
Z. 1 nicht heissen : 1. bemerkt st. unterscheidet, sondern
grade umgekehrt: 1. un tersch ei det st. bemerkt; — zu S.
9 N. 2 ist in der Berichtigung gedruckt: spricht st. s/; rieht;
— zu S. 9 § C üeberschr. ist berichtigt: des Jonischen
Dialekts, da im Texte richtig steht: des zonischen. —
Unverständlich, wo nicht unrichtig, ist auch § 2, 10 A. 3 der Aus-
druck: alle ü br igen Arten vonWörtern sind </e;" Spra-
che zufällig, wie in der 2ten u. Sten Aufl. zu lesen ist. —
S. 6 unt. *) muss das Citat für UsXaöyol atyiaXesg (richtiger ^l-
yiaUes) heissen: Herodot. VII, 94, nicht: VUl, 94; ein
Fehler, der aus der 2ten Aufl. in diese Vi bergegangen ist, und
gleich zu Anfange in einem der ersten Citate zeigt, wie wenig
von der Versicherung Vorr. S. XV zu halten ist, dass die Corre-
Gricclilsclic Grammatik v. Thlcrscli. Register zu Acrs. \. Richter. 389
ctorcii sämmtliclie ritate einer neuen Kevisiioii unterworfen liätten.
— Aul" derselben Seite ist in dem ('Itat **) ohne alle iNoth: Ue-
}M6yov' AQyBicüv iÖog^ jjesetzt, aus demGedäclitniss, wie'I'liiersch
oft citirt, statt: Jlilaöyov fdog 'Agynav vie alle Ausgaben lia-
ben. — Auf derselben Seite in dem Citat -f 7) steht : a cpUöoiv^ statt :
'i](pLS6av. — iSicht einmal nach derselben Ausspähe sind auf eben
dieser Seite dicCitate aus Strabo unter f) und ffff) angeireben;
sondern das erstere nach der Aus^. von Casaubonus, das letztere
nach der Almeloveenschen; da suclic sich daim der arme Lehrer,
der kaum eine Ausgabe des Strabo liat, oder gar der Schüler,
fiir den dasBucli docli audi bestimmt ist, zu Tode, Und wie zum
Spass wechselt hier Tliierscli auf den folgenden Seiten ab, indem
er S. 7 und 8 noch die AlmeloAeensche, S. 9 aber wieder die Ausg.
von Casanbonus citirt, und dies noch dazu in einem und demselben
Absclmitte des Strabo. — Falscli ist S. 7 das Citat; Ilerod. VIII,
05; allenfalls passt: VII, 95; und ist dies wahrscheinlich ge-
meint. — In dem nächsten Citat *) ist ein Drackfeliler, der in ei-
nem Schulbuche audi nicht vorkommen darf: es ist abgebrochen:
IIbIuö - yixov ^ statt: Ilü.tt-öyixov. — S. 8 Citat *) musste aus
demselben Grunde wie ^(^aQaKtrjQeg yXäoGrjq aus demselben Ca-
pitel Ilerodot's auch xQonoL nciQccycoyicav als Benennung der ver-
schiedenen Mundarten angeführt werden. — S. 12, 4 Z. 3 inuss#
der Gemeine seil. Dialekt, klein geschrieben werden. —
INachdera wir so die grosse Incorrectheit und Nachlässigkeit
des Verfassers wie der Correctoren, welclie letztere doch eigent-
lich dem Verleger zur Last fällt, hinlänglich kennen gelernt ha-
ben, sei es erlaubt, nur dann und wann gelegentlich wieder eine
dem Leser nützende Berichtigung aus unserm rciclien Vorrathe
initzutheilen, indem ein fast dtirchgängig corrigirtes PJxemplar der
zweiten Aufl., aus welcher noch selir viele Fehler in diese über-
gegangen sind, dem Ref. zur Hand ist. So wie er früher dem
Verleger diese Berichtigungen, jedoch erfolglos, angeboten hat,
ohne irgend eigennützige Bedingungen zu machen, so ist er auch
jetzt zu deren Mittheilung, sei es privatim an den Verfasser, oder
ülfentlicli an das philologische Publicum, sehr gern bereit. Olin-
geaclitet des beinalie aclit eng gedruckte Seiten starken Druck-
fehler-Verzeichnisses (zu S. 21 sind allein 11, schreibe eilf
Druckfehler angezeigt) sind nehralicli wenige Bogen zu finden,
die nicht ebenso reiche, aber unerfreuliclie Naclilese gewährten,
als die durchgegangenen ersten 1-1 Seiten. — Es sollen nur im
Folgenden bloss die wichtigeren Pnncte, namentlich aus den laut
oben gegebener Lebersiclit neu hinzugekommenen Abschnitten,
wo Kef. nicJit mit dem \ erfasser übereinstimmen kann, mitge-
Iheilt werden; alle nicht besonders nieder erwähnten Abschnitte
gehören also im Ganzen zu den mit Dank ^om Verfasser ange-
nommenen Gaben.
S. 23 *) Z. 11 ist zu lesen: von ancipitibus könne
S90 Griechische Littcratur.
vor Erfindimg der Zeichen für die lan2:en E u. 0
n i c li t d i e K e d e sein; womit W o 11" s Aeiisserun^s: Präf. iiov.
ed. IL S. LXL\ widersprochen werden soll. Wenn Ref. AVolfs
Meinung recht versteht, so kann grade zn der Zeit, wo die iiiigua
tenera war, mit vollem Rechte von ancipitibus die Rede sein,
indem damals noch alle Vocale ancipites waren , wie z. R. im La-
teinisclien imd Deutschen zu allen Zeiten. — S. 28 *) ist das
Citat aus Callimachus Epigr. 30, 6 nach der falschen Lesart
Bentley's ii. Brunck's: code öacpä^ abgedruckt; Jacobs
Antli. Gr. XII, 4S liest : Tovto öacpag. — § 18 erwartet man in
der Ueberschrilt die IlinzuiViguug des lateinischen grannnatischen
Axisdrucks: spiiitus^ wie dies anderwärts, z. R, §24, geschehen,
hier aber unterlassen ist. — § 21, 7Amn. 2 sollte zn der Ausnah-
me axBXELQia^ auch noch a^nhico und die davon liergeleitetea
Wörter hinzugefügt sein ; wozu Acw Verfasser schon die Recen-
sion der zweiten Ausgabe der griechisclien Grammatik für Anfän-
ger, Leipz. Lit. Zeit. 1821 Nr. 163, liätte veranlassen können. —
§ 25 muss, Avenn Zeile 5 xBZQlcp^av steht, aucIiZ. 3 u. 4 rirglß-
6&cci u. TBTQißd-aL gelesen werden, nicht tETQißöQ-ai, n. TEXQiß^ca^
denn das Iota ist von Natur lang. — Die Tafel § 37 über die ira
geraeinen Dialekt gebräuchlichen Zusammenziehnngen ist viel pas-
Ipender eingerichtet, als friiher; nur ist ein böser Druckfehler ste-
hen geblieben: aij in«, statt: in «; die nicht hierhergehörenden
C3V aus gjt)", imd vi, aus vi sind richtig weggelassen. — S. 50 Z.
JO ist angeführt, dass aus ocal äv&r] jetzt bei den Neugriechen
niav^iq w erde ; dagegen ist zu bemerken, dass dieses im Neugrie-
chischen nicht ein Wort ist, sondern zwei : gewöhnlicli wird es
fehlerhaft geschrieben : xt' äv&rj^ aber richtiger ist zu sclireiben :
^läv&r]^ da durch Synizesis dami >ct, die verkürzte neugriechische
Form von aal^ mit dem folgenden a zu einer Sylbe in der Volks-
sprache verschmilzt. — § 40 folgen die neu hinzugefügten In-
schriften von Melos und Elis, § 41 die von Sigeum und Polidäa.
S. 52 Z. 1 steht hier durch einen Druckfehler: wg, statt: ag. Nur
die zwei Sigeischen Inschriften Mollen v> ir vergleichen und finden
in der ersteren Z. 5 den ersten Buchstaben rechter Hand K statt
jj ; in der kleineren Z. 8 den ersten Buchstaben rechter Hand ^J
statt -^, den vierten O statt 0; minder >viclitiger Aenderungen
in den Zeichen selbst, oder wirklicher Varianten nicht zu geden-
ken. — In dem nächsten Abschnitte : von der R et o n u n g der
Wörter, ist § 4(5, 7 Anm. die mitrennbare Enclitica — ös nur
unvollständig erwähnt, allein als die Demonstrativa verstärkend;
an die Bildung der Adverbia auf die Frage Mohin durch die An-
hängung derselben an den Accusativ der Substantiva ist hier nicht
einmal durch ein Beispiel der Art gedacht, welches mn so nolh-
wendiger war, da § 177, 21 und 198, 5, wo dieselbe wieder vor-
kommt, der £yx/ltötg nicht gedacht ist. Wenigstens mussteThiersch,
wenn er dieses — ös nicht als enclilicon betrachtet, in ehier aus-
Griecluschc Graminatlk v. Thlcrscli. Rcgiüter zu dcrs. v. Richter. 301
fiilirliclicrcii Grammatik, wie diese ist, es anzeiiren, dass und wa-
rum er hierin von andern (»ramniatikern abweiche. Die Schrei-
bung o^xorÖE jedoch, § ]S1, 4Ö Z. 1 v. u., spricht niclit für letz-
tere Annahme. — § 47 S. (55 unten £:lauben wir der Aeussernng
widersprechen zu müssen, dass die Aussprache der jetzigen Grie-
clien , welche z. U. in dem kränzen Gebiete der Eiiklisis den fein-
sten Gesetzen der Alten treu geblieben sei, oder vielmehr der Be-
toiuing, aus der sie geschöpft wurden, auch in den übrigen Thei-
len der Betonung das Walire, wenigstens im AVesentliclien, erhal-
ten habe, und nur darin fehlerhaft sei, dass sie die Länge der Sil-
ben neben dem Acutus nicht einhalte. A ieles , was Ref. aus der
neugriechischen Literatur in Prosa und Aersen kernt, lässt sich
damk nicht a ereinigen: z. B. der acutus auf der drittletzten, bei
langer letzter Sylbe ; der acutus auf der viertletzten, wemi zwei
der drei letzten Sylben durch Synizesis zusammengezogen sind ;
das Kücken des Accentes nach dein Bedürfuiss, des \ erses von
einer Sylbe auf die andere, welches in den neugriechischen Yolks-
gesängen selir häufig ist; die Unterlassung der Enklisis überall,
wo das sonst enklitische Pronomen nicht hinter seinem llegens
stellt, wie: vd öäg rd dcoöco, nie: vd ödg xu dcoöco, dass ich
sie euch gebe; ohne dass die Pronomina hier besonderen jNach-
druck hätten. Leicht Hesse sich noch mehr der Art anführen,
und wird Herrn Thiersch , der das JNeugriechische nicht bloss
kennt, sondern auch schreibt, nicht unl)ekannt sein. — ■
In der Lehre von der Declination fällt es auf, dass §
49 der iSominativ ohne weitere Erklärung zu denCasibus gerech-
net M'ird, da dies wenigstens im Singularis nur uneigentlich ge-
schehen kann, denn er ist kein Beugefall, sondern die ursprüng-
liche Form des iNomens. Der gro])e Schreib- oder Druck-Fehler
§ 49, 2 Z. 4 y,ki(5iq für TcrcoöLq hätte nicht Vibersehen werden sol-
len. — Der folgende fünfzigste Paragraph ist in seiner ersten
grösseren Hälfte: von de r D ec li natio n überhaupt, eine
der werth\ollsten Bereicherungen dieser Aufl., und steht, so weit
lief, mit der gramjuatischen Literatur bekannt ist, als Beweis um-
fassender Gelehrsamkeit und genialer Auflassung wahrhaft einzig
da. — Bei deriliinveisimg auf Buttmann's Ausführl. Gr. Gr., wel-
che S. 18 II. 79 Statt findet, sollte doch angedeutet sein, dass der
A erfasser hier das Gegentheil \on Buttmann's Behauptungen dar-
tliut, indem der weniger kundige Leser sonst verleitet wird, Butt-
niann für einen Gewährsmaim der Aussprüche des Verfassers zu
halten. — § 05, 2 Anm. Z. 1 am Ende, muss es statt: g^a/lay^tv,
heissen : (pakayyöiv , und ausser auf § 25, 3 muss in der näch-
sten Zeile auf § 22, 2 u, 3 verwiesen werden. — § 57, 5 ist die
Hegel, dass die |)ura auf tg das t des iN'ominati\s im Accusativ auf
r wieder annehmen, unvollständig; sie muss heissen: alle diese
l)ura auf tjj, v£, av^ und ot>g haben den einfachen Vocal oder den
Diphthong des iNomhiativs auch lor dem v des Accusativs. In der
892 Gric chis che Littcratur.
Anmerkung zu diesem Absatz, welche dieser Aufl. neu ist, und
einem wesentlichen Mangel abliill't, sollte die Bemerkung, dass
die Form des Acc. auf a die poetische ist, niclU zu dein Worte
stolvTiovs allein, sondern zu der ganzen Anmerkung gehören. —
Auf derselben Seite: 6 Anm. Z. 4, ist ' AjtoXXov ri(thtig gelindert
\i\"ATtolXov; aber es müssen auch Z. 5 die Worte: Ueide
letzteren, nun gestrichen werden, denn nicht bloss IIoöELdov
und CcötSQ, a\ich"j47to?.lov zieht immer den Accent zurück, z. B.
II. /3, 371 und häufig hn Homer.— § 58 Z. 2 ist der Druckfehler
Q statt Q aus der 2ten iVufl, in diese übergegangen. — S. 1)0 Z. 3
V. u. muss es statt: jkqlkI - tea^ heissen : UEoack-äe -a. — § ßO,
9 hat Richter schon in dem Nachtrage zu Aq.\v Druckfehlern der
2ten Aufl. hinter seinen Kegistern die Genitive auf eog geändert
in £CJg, luid dies ist niclit allein hier in den Text unserer Aufl.
aufgenommen, sondern auch unter 10 bei sechs Wörtern dieser
Attische Genitiv hinzugefügt; nacli des Ref. Meinung gehörte
das nicht hierher, daThierscli hier überall weder contraliirte noch
Dialekt -Formen Iiat, auch anderwärts, z. 13. 12 bei <x(5xv die un-
attisclie Form aötsog stehen geblieben ist, zumal unter ]Nr. 10,
wo ausdrücklich die Wörter, deren Stamm sich auf t endigt, an-
gefiihrt werden , der Genitiv auf log, den der Verfasser meinte,
also von selbst klar war, und nicht hinzugefügt zu werden brauch-
te, dalüngegen sie nach dem jetzt hierstehenden auf £a)g in eine
ganz andere Classe gehörten. Druckfehler ist hier auch der Ge-
nitiv: Atoj, statt : Atdg. — InderBeliandlungder Adjectiva muss es
§ 63, 4 Z. 2heissen: ro'g, T£og, aog: statt: rog, £og, Kog; und
Z. 4: po's, vog, Xög: statt: pog, vog^ Aog. — § (55 steht in der
Ueberschrift neu: B etonung; im § selbst ist aber weder Altes
noch Neues der Art aufzufinden, was die Ueberschrift rechtfer-
tigte. — § 66 S. 103 in dem Paradigma ^älag ist der Vocativus
Singularis richtig geändert in ^eXav^ statt des ^sXag der 2ten Aufl. ;
die Aenderung findet sich aber auch diesmal erst in den Berich-
tigungen S. 710. Ob der Voc. (ie?,av vorkommt, ist dem Ref. nicht
im Augenblicke gegenwärtig, aber analog ist es gebildet der si-
chern Form ß xäiav. Od. 18, 327; 19, 68; Theokr. Id. 1, 82.
Auch steht c<3 (ieXciv als Paradigma in der sogenannten Märkischen
Grammatik, Berlin, 1730, S. 320. — Ein ähnlicher Fehler un-
serer Aufl. ist aber unberichtigt geblieben; es fehlt nehmlich S.
105 der Voc. Sing, zu ykvKvg;. da er doch beim Dual und Plural
mit aufgeführt ist. Der Voc. Sing. Fem. yXvxBta^ wiewohl apo-
strophirt, steht Pind. Ncm. 5,5, der Voc. Masc. und neutr. auf
V steht auch im Paradigma der oben angeführten Mark. Gramm.
S. 276 •rjöv. Denselben Vocativ hat auchButtiuann Ausf. Gr. Gr.
Bd. 1 S. 178. Diese beiden Autoritäten werden wohl fürs erste
genügen, wenn dem Ref. nicht gleich eine Stelle eines Classikers
für den Voc. Masc. u. Neutr. zu Gebote steht, besonders da der
sonst so sorgsame Fischer ad Wtilleri Gi'. Gr. die Form nicht zu
Gricclilsclic Grammatik v. Thicrsch. Register zu ders. v. Richter. 393
cnväliiicii sclieint. — § 77, 5 Z. 5 hat Riclitcr sclion zu ilcr 2tcn
Aiitl. tlcu deiitsclieu Genitiv: mein ^ou ich, jinderii wollen in:
meiner, welclie Form p\r nidit die allein Aorkommcnde, kaum
die liäufigere ist; Aufl. 3 ist die Aenderung in den Text aufge-
nommen. —
In dem zweiten Abschnitte des ersten Buches, v o m Z e i t w o r-
te, beireiTficn wir zuiiäclist wieder Herrn Corrector Richter auf ei-
nem falschen ^Veire, \\enn iileich in Kleiniiikeiten, die er sehr wich-
tig behandelt. Thierscli liatte § {>2, 2 Anm. 3 geschrieben: das
(Augmentum) temporale statt des syllabischen nehmen so, dass
auch der Asper vom AVorte darauf zurückgeht, ccUökco ii. s. w.
Richter setzte das Komma liinter: so, vor dieses Wörtchen, und
schaltete Wichtiges ein; er wollte schreiben: das temp. statt des
syllab. nehmen, so dass auch der Asper und Lenis vom Worte
darauf zurückgeht ('?!). Aufl. 3 seilen wir nun beide Commata
vor und hinter so, aber der Zusatz ist docli, als sich von selbst
verstehend, gliicklich weggeblieben. — Auf derselben Seite 133
unten stört die Accentuation bei dem untrennbaren dvg statt dvg
Z. 11 u. Z. 2 V. u. (§ 110 Anm. 5 Z. 4 steht richtig övg), so wie
die ungleiche Orthographie in övgcoTiiLV mit g, Z. 1 v. u. , und
iduö (ÖTCEov^ övöTvxBLv mit (7, S. 134 Z. 1. — § 125, 24 Z. 5
wird zuerst das Verbum oqpfAA«, ich s oll, mit einem vermeinten
Futurum 6q:s?.7']öoi erwähnt, auf welches Zeitwort der Verfasser
später § ]2J), 55, so wie § 232, 112 Meitläuftiger zu sprechen
kommt, indem zugleich die verwandten Yerba ocpüla und 6(plc3
besprochen werden. Ref. setzt voraus, dass wenigstens die 2te
Aufl. dieser Grammatik, und zwar in derselben § 125, 24, § 129,
55, § 232, 98 dem Leser vor Augen ist, luid wiederholt, um Ramn
zu sparen nur das JNothwendigste von dem dort Gesagten, tun seine
Bemerkungen daran zu knüpfen. Zunächst, meint er, sollte §125,
24 gelesen werden: ofpkco , ich bin schuldig, verpflich-
tet; Fut. ocphjöco ; vielleicht kömite auch der Verfasser im Sinn
gehabt haben: orpdla , ich bin sclnildig; Fut. ocpsiX^öco.
Denn ocphlXio hat im Fut. 6q)S.X(a , und heisst im gemein Griechi-
schen : i c li vermehre; kommt aber bei Homer eiiiigemal in der
Bedeutung von üq)Bi?.cö vor, jedoch nur im Praes. u. Imperf. , hat
also in dieser Bedeutung gar kein Futurum. Sonst heisst 6(pElXa
auch bei Homer: ich mehre. Ein Futurum orpelrjöco giebt es
erstens gar nicht; zweitens wäre es auch hier nicht den andern
Beispielen analog von 6(pil7.co gebildet, indem nirgends ein Con-
sonaut ausgefallen ist. Damit es für die oben aufgestellte Ver-
muthung nicht an Belegen fehle, soll für 6q)hjö03 nur Demosth.
ed. Reiske T. II p. 834 cxlr. und für ocpSLXr'jöco Xen. Cyr. MI, 2,
28 angeführt werden. Mit dem hier über dqcfc/l.lw Gesagten ver-
gleiche man aber auch Buttmann Ausf. Gr. (»'r. Bd. 2 Abth. 1 S.
203. 204, wo als ursi)rüngllclie l'orm, jedoch, den Citaten nach,
auch nur im Präs. und Imperf., für Homer 6q)i?.kco angenommen
394 Griechische Lltteratur.
wird. — Wenn wir diesem gemäss die zweite Stelle bei ThierscTi
§ 129, 55 betracliten, so ersclieint liier die Correctur Richters zu
Aufl. 2 statt: ocpAco, zu lesen: ocpiXlco, Mclches Aufl. 3 zu oq^la
dazu gesetzt ist, durchaus un})assend; denn in der Bedeutung:
schuldig sein, gehört otpslXco bloss in die Homerische Gram-
matik, §232, 112, hin, wo es aber in dieser Bedeutung ganz felüt.
Was aber den 55sten Artikel des 129sten § selbst anbetrilFt, so
ist liier zimächst zu: 6(psX, ocpX n. 26 citirt, da allein n. 26 Aura,
passen könnte, wenn von ocpE^lo ein Futiirum mit Weglassung
des mittleren £ gebildet Miirde. orpillco geht aber regelmässig als
verbum liquidum, mit alleiniger Ausnahme der Homerischen Form
des Optativi Aoristi 1 6<fiXkuiv, von der § 232, 112 die Rede ist.
— Dann sollte es statt: ocpil^ dqpAiöx n. 47, 27, heissen: ocplSy
6q)Xti 6g)Xiöx n. 27, 47. — Von einem Manne, der so stieng ist
in Beurtheilung der vermeinten Uiifornien Anderer, wie der Ver-
fasser S. 707 II. folg., sollte man wohl grössere Genauigkeit er-
wai'ten können. — In der nächstfolgenden Abtlieihing der Formen-
lehre: von den Partikeln, wollen wir nur den gleich vorn
§ 130, 2Z. 4 aui'stossenden Druckfehler: övvQ'Eöiiol^ statt: övv-
ösöfioi rügen. — In dem ganz umgearbeiteten 140sten § ist vie-
les berichtigt, umgestellt, erweitert und weggelassen ; aber jcav-
6l%o).og findet sich noch S. 201 Z. 1 , m enn auch mit berichtigtem
Accent statt des 7Cav6L%6Xog der 2ten Aufl. Dem Ref. ist jedoch
keine Autorität eines Classikcrs für dieses Wort bekannt, aucli
Stephanus hat es nicht; daher wäre es gewiss passender gewesen
eine von den Jedermann bekannten Zusammensetzungen Tiavöl-
kvnoq^ TtavöLVOöog^ Ttavöijcovog zu nehmen. —
So sind w ir dem Verfasser bis hierher S. 1 bis 203 durch
das erste kleinere Drittheil seines Werkes gefolgt. Zwei grösse-
re Drittheile, die zweite Hälfte der Formenlehre: von dem Verse
und dem Dialekt des Homer, und über die vorzüglichsten Abwei-
chungen der Dialekte von dem des Homer, S.204 — 432, und dann
die ganze Syntax, S. 433 — 701, sind noch übrig. Gern wird Ref.
bei erster Gelegenheit imd Müsse auch durch diese den geneigten
Leser zu geleiten versuchen , und die versprochene Beurtheilung
der Richterschen Register anfügen.
Liegnitz, im September 1826.
Dr. Fr. Schnitze.
Lesbiacorura liber. Coinpos, PlcLn. 395
Geschichte.
Jjeshiacornm über. Composuit S'. L. PlcJin PIi. Dr. AocossU ta-
bula Geoj^raphica aerl incUa, quae Lesbi insulae exhibet figuram.
Berullni iii comuiis. Fr. Nicolai. 1820. 218 S. 8.
K^ci((iciu der unlän£:st verewigte Miinso in seiner Schrift über
Sparta den ersten bedeutenden Seliritt gewagt liat zu der genaue-
ren Krlorscliung der Hellenischen Staaten, ist schon nianclies
gründlich gearbeitete Werk ans Tageslicht gefördert worden, wo-
rin gewisserinaassen demjenigen vorgearbeitet ist, welcher der-
einst eine so Aiel als möglich vollständige Geschichte des gesaram-
ten Hellenischen Lebens darzustellen den 3Iuth und Eerut* in sich
fühlen wird Ausser K. O. ÄlüUers geistreiclien Schriiten über
die 31iiiyer und Dorier sind mehrere 3Ionogi-aphien über kleinere
Staaten und Inseln erschienen, deren Verfasser grösstentheils aus
Uoecklis Schule hervorgegangen sind. Das jüngste Erzeugniss
der Art ist die vorliegende Abhandlung des Herrn Dr. Plehn über
Lesbos, welche alle die vortrefflichen ^Eigenschaften besitzt, die
den Schüler des Lehrers nicht unA\ürdig machen. Besonnenheit
und Gründlichkeit in Dehandlung des Gegenstandes, Reife und
Schärfe des Urtheils in Acrwickelten Fragen, Klarheit und Zwang-
losigkeit in der Darstellung und Einfachheit in Entwickelung der
Thatsachen, alle diese Eigenschaften und ausserdem noch andere
werden jeden unparteiischen Leser für die wohlgelungene Schrift
einnehmen. Mehr zum Lobe hier beizubringen würde kaum der
jMühe lohnen, denn das Gute bedarf keines Anpreisers. Wir wol-
len demnächst den Spuren des Verfassers nachfolgen, und da,
wo es nöthig zu seyn scheint, unsre Bemerkungen beifügen.
Die ganze Sclirift zerfällt in seclis Cajjitel, deren jedes einen
besonderen die Insel Lesbos betreffenden Punkt erörtert.
Cap. 1 paff. 1 — 23. Geographische Schilderung der
Insel. Zunächst wird gehandelt über die Grenzen, über de»
Flächeiu'nhalt , über den Ursprung des INamens, über das Klima,
über die Producte , unter denen nainentlich der Wein sich aus-
zeichnet, über die Flüsse, deren es sehr wenige und sehr unbe-
deutende giebt, über die Berge und Städte. JMit Recht wird nach
der Aiictorität der Münzen die Ortliographie der Hauptstadt da*
hin entschieden, dass in der etsten Sylbe ein v, in der zweiten
ein i geschrieben wird, also MvrL?j']vr] ^ nicht, wie in gedruck-
ten Büchern sonst gewöhnlich, MtTfij^vjy. Alkinwenn H. Plchn
S. 11 für die erstere Schreibart auch den Stephanos ^on BNzantion
anfuhrt, so niuss hinzugefügt Verden, dass nach den bisher er-
schienenen Ausgaben diese Saclie allerdings richtig ist, keines-
wegs aber alle Handschriflen übereinstimmen. Der vortreffliche
Codex Rehdigeranus in Brej«Iau, dessen \ariantcn Passow in
396 Grlechisclie Geschichte,
einem Proii^ramm (Vratisla^ iae 1824. 4) lierausgeg'eben hat, bie-
tet folgcmle Lesarten dar: Alitvfi.^vrj — ccito MLxvh'iVrig xiiq
MaiöaQog rj TliloTCog ^vyaxQÖq' ol Ös, ort MiTvhjg t^v 6 ol-
ai0ri^g, ot de aTio Mvvcovog xov IIoOHdcövog xal MiTvXyjvrig,
ÖQ^BV Mvxavida zaXsl trjv Asößov KalU^axog xrL Audi wei-
ter unten MttvXrivalog statt der wiXs,: Mvxilrivalog. Nun stimmt
zwar die Breslauer Lesart nicht mit der alphabetischen Ordnung
überein; allein mehr Consequenz findet sich darin ohne Zweifel,
man darf nur die Stelle selber genau ansehen. Wenigstens wi-
derspricht sich die Vulgata, wenn sie anfangs MTxIhjvr] giebt,
und weiter imtcn IloöeLÖcovog xcct MlxTX)]vrjg. Auch die mei-
sten Stellen bei Herodotos geben MixvX. Da nun ausserdem das
Marmor Parium und andre Inschriften bei Gruter mit der gewöhn-
lichen Orthographie Vibereinstimmen, so geht daraus zur Genüge
hervor, dass die Etymologie des Wortes bei den Alten selbst un-
bestimmt war. Diejenigen, welphe nach Stephanos den Namen
von des Pelops Tochter MLXvXr^vr] oder vielmehr von dem angeb-
lichen Griinder der Stadt Mixvkyjg ableiten wollten, musstennoth-
w endig schreiben MIxTXrjvr]^ die andern dagegen, m eiche auf
Mvxav^ des Poseidons Sohn, zurückgingen, nach dem sogar Kal-
lunachos die ganze Insel Mvxcjvig benannt haben soll, müssen
consequenter Maassen auch MTxIXrjvr] schreiben. Obgleich nun
aller Wahrscheinlichkeit nach diese Genealogien erst später gebil-
det worden sind, nachdem der Name der Stadt schon lange be-
standen haben mag; so rührt doch die zwiefache Ableitung von
den Alten selbst her. Da aber die Münzen die von dem Volke
selbst gebrauchte Orthographie beuikundcn, so müssen uns diese
zm* Richtschnur dienen.
Cap. II pag. 24. — r P o 11 1 i s c h e G e s c li i c li t e. Zu den p.
24 Not. 3 angeführten Lesarten kommt aus dem Cod. Rehd. noch
eine vierte, Maiöag^ hinzu. Zuerst wird gehandelt von der Pe-
lasgischen Ansiedelung der bis dahin wüsten und unbebaueten In-
sel und damit verbunden eine allgemeine Ansicht von den Pelas-
gern nach den Resiütaten K. O. Müllers. Vollen Beifall zollen
wir H.P.s Erklärung, dass weder \o\\ Mä/MQnödi von MuxccQSvg
(wie Diodoros erzählt), welche nach der Deukalionischen Fluth Les-
bos beherrscht haben sollen, der Volksname Maxagsg herstam-
me, sondern dass jene Namen ganz denjenigen Genealogien zu
vergleichen seyen, zufolge deren Ion Stammvater der loner, Do-
ros der Dorier, Achäos der Achäef u. s. w. genannt w erden. Denn
aus Herodot I, 171 ist bekannt , dass Karer ursprünglich raehi-ere
Inseln des Aegäischen Meeres beherrscht haben, und unter diesen
auchLesbos, wie andere Stellen zur Genüge beweisen. Etymologi-
sche Gründe schon führen auf die Verwandtschaft der Namen KäQsg
und Mdzagsg^ und es ist daher keinem Zweifel unterworfen, dass
man nach dem Namen des Volkes den Stammherrscher MduttQ
oder MaxaQBvg gebildet hat. Wir möchten daher ebenfalls bei
LesLiacorum Über. Compos. Plelin. 397
Ilomer II. cj, 5-14 der f^clseitii^ bestätigten Lesart Maxagav tSog
den Voi'ziii? einräujuen, statt deren Heyne xiiid Wolf aufgenom-
men liaben :
öööov yisößog ävco , Maxagog eSog, ivrog Uqysl.
Mit Iveclit scheint auch die zweite Krkläruug des Diodoros, als
■würde die Insel wegen ihrer ungemeinen Fruditbarkeit Manägav
Vtjöog genannt, fi'ir eine untergescliobene Deutung späterer Zeit
gehalten zu werden. — Darauf wird Lesbos nacli Ilomeros be-
sclirieben, Einiges über fremde Einwanderungen beigebracht, nnd
zuletzt die \ ernnithung aufgestellt, dass hier, wie in den meisten
Hellenischen Staaten, früherhin Königslierrscliaft stattfand. Als
in der Folge unter dem gesannnten \olke das politische Leben er-
wachte, entstanden auch hier Kämpfezwischen der ursprünglichen
llegierungsform und der allgemein um sich greifenden demokra-
tischen \ erfassnng. ^N ir machen nur aufmerksam auf die berühm-
testen jSamen der streitenden Faclionen, 3Ielanchros, Al-
käos, Pittakos. Einen voilkonnnnen lieweis für das tliätige
Leben dieses InseUolkes liefert ilir fortwälirejuler Krieg mit den
Athenäern um die \ este Sigeion, worin die Lesbier zuletzt frei-
lich dem 1'oIn krates unterliegen mussten. Die Schicksale der Grie-
chischen Inseln unter Persischer Hoheit sind bekannt Lesbos
schloss bald nachher ein Bündniss mit Athen, fiel aber endlich
doch wieder ab, wodurch die berüchtigten Schreckensscencn bei
Gelegenheit der Zerstörung Mytilenes Aeranlasst wurden. So wird
die Darstellung des Lesbischen Gemeinwesens unter verschiede-
nen Formen fortgeführt, bis zuletzt unter Pompejus dem Grossen
Theophanes Wiederhersteller der vaterländischen Freiheit ward.
ISachmals machten sich Agrippa und Germanikus nebst seiner Ge-
mahlin um die Insel verdient, wie aus Inschriften deutlich hervor-
geht. — >N ie S. 83 aus der angeführten Inschrift geschlossen
werden darf, dass Vespasianus den Lesbiern die Freiheit entris-
sen, Hadrianus aber dieselbe Miederhergestellt habe, davon kön-
nen wir uns durchaus nicht überzeugen : tksvdtQLog ist ein Epi-
theton, das dem Hadrianus ganz füglich beigelegt werden konnte,
ohne dass er gerade die Freiheit der Lesbier, zu deren Verlust
übrigens auch der Beweis fehlt, wiederhergestellt haben mnsste;
es bezieht sich auf die IJegierungsweisc «les Hadrianus überhaupt
in Vergleich mit den meisten seiner, wenn auch nicht nächsten,
Vorgänger; ist also weiter nichts, als ein Epitheton ornans nnd
mochte \iell»'i<'ht s(;lbiger Zeitllofstil seyn. — So geht es fort bis
zu den IJyzantinischen Kaisern nnd endlich zu den 'i'ürken, deren
liarbarei, sowie der Griechen überhaupt, also auch der Lesbier
politisches Leben zu Grabe trug.
Cap. 111. 1 ) II e g ierun gs iorm nnd öffentliche An-
stalten der Lesbiscjien Städte, pag. 87 — !)4. 2) See-
fahrten, Flotten, Handel, p. 04 — <)7. Wir finden kei-
nen hinreichenden Griuul , warum in der Stelle des Alevis statt
Jahrb. d, Fliil. u. Fadu;^ . Jahrg. I. Heft 2. 20
S98 Griechische Geschichte.
der Viilg. Asößtov (sc. oXvov) des Casainbonus Conjectur y/s-
ößloig vorgezogen werden soll. Im Gegeutlieil verliert dadurch
die ganze Stelle an Wahrheit, indem nach der Lesart der Hand-
scliriften nicht nur L e s h i s c li e Schiffer (wie S c h w e i g h ä u s e r
richtig henierkt) , sondern auch alle ührigen Schiffer Lesbischen
Wein zollfrei in Athen einführen durften. Es muss demnächst
das Comma nach jtoiav gestrichen werden. Uebrigens kommt es
ja auch überhaupt nicht darauf an, was unser einem besser dünkt,
sondern wir müssen die Worte der Alten aufnehmen und erklä-
ren, Mie sie uns überliefert worden sind, und dann erst auf Ver-
muthungen eingehen, sobald der Text augenscheinlich verdorben
und eine vernünftige Erläuterung gar nicht herauszubringen ist.
— 3) Münzen, p. 98 — 114. Die Inschriften der Lesbischcu
Münzen sind aus Eckliel, Mionnet und andern zusammeu-
gcstelit.
Cap. IV. 1) Religion, p. 115 — 120. Durch die Kreter
ward Apollonischer Cultus , sowie überhaupt auf die Inseln der
kleinasiatischen Küste, also auch nach Lesbos verpflanzt. Ausser
diesem Gotte wurden nach geschichtlichen Nachrichten noch ver-
ehrt seine Schwester Artemis, Zivq vTregds^Log^ Here, in deren
Tempel Urtheile gefällt wurden über die Schönheit der Mädchen,
UäKXag VTiBQds^la^ Aphrodite, Asklepios, Poseidon, Dionysos,
Persephone. 2) üeber der Lesbier geistige und sittli-
che Anlagen, p. 120 — 126. Obgleich die Lesbier zum Aeoli-
schen Stamme gehören, welclier den lonern an Lebendigkeit imd
Geistesstärke bei weitem nachstand; so veränderten doch die Les-
bischen Aeolier im Verlaufe der Zeit ihre angebornen Eigenschaf-
ten in^bedeutendem Grade, ein Umstand, der durch die Inselluft
bewirkt worden zu seyn scheint. Die, wenn auch nicht allgemeine,
unkeusche Lebensart der Lesbier dürfte als ein Erbtheil der Aeo-
lier betrachtet werden, von denen diejenigen, deren Geist für
höheren Genuss unempfänglich war , unter dem günstigeren Him-
melsstriche die Stunden ihrer Müsse in Entartung von dem Wege
der Natur hinbrachten. Hr. P. meint zwar, vor der Persischen
Herrschaft hätten sich die Lesbier von dem berüchtigten Verbre-
chen ( i/Tumare , jlsößicc^Eiv *) ) rein gehalten ; allein ohne hi-
storische Begi'ündung darf das doch nicht so schlechte eg hinge-
stellt werden. Dass aber selbst in späterer Zeit das Laster nicht
so allgemein eingerissen war , als es von manchen Schriftstellern
geschildert wird, das hat We Ick er in seiner Schrift über Sap-
pho bis zu absoluter Evidenz dargethan. Die Dichter der neue-
ren Komödie, denen oft das Heiligste Gegenstand der Persiflage
geworden, mögen Manches anders dargestellt haben, als es in der
*) So muss wohl geschrieben werden mit grossem Anfangsbuchsta-
ben. S. Wolf Litt. Analekteu I p. 514.
Lesbiacorum Über. Compos. Plehn, 399
Wirklichkeit rorhaiulcn war, mitunter aber mich dasjenige, wag
hier und da auf Leshos wie sonstwo vorgefallen ist, auf die ganze
Insel iihergctragen haben. — 3) Mundart der Lesbier, p.
126 — 131. Da der schriftlichen Lieberreste so wenige sind, so
mVissen wir hier hauj)tsäclilich die Inschriften zu Käthe ziehen:
die von den Auslegern zum Gregorius ('orinthins beigebrachten
werden von Ilru. P. durch andre Acrniehrt, zum Theil aus bereits
schon edirten AN erkcn , zum 'l'heil aus IJocckhs Vorrath. Die
absonderlich mcrk\>iirdigen grammatischen Formen wei'den ange-
geben imd erläutert.
C ap. V. Leber der L e s b i e r T o n - u n d D i c h t k u n s t.
1)E pische Poesie, p. 132 — 138. L es dies, von den Alten un-
ter die kyklischen Dichter gezählt, war entweder in Mytilene oder
in Pyrrha geboren, und blühete ungefähr um die 2^ste Olympia-
de. 3Iit ruhiger Fassung un-terscheidet Hr. P. gegen Heynes und
Hermanns Ansichten zwei epische (jJedichte des Lesches, die so-
genannte kleine Ilias und die 'JXiov TtEgötg^ «eiche letztere
als Fortsetzung der ersteren zu betrachten, aber nicht in den
epischen K}klos mit aufgenommen worden ist, sondern statt ih-
rer die '/Äiou :rt'^(?ig des Ar k tili OS. Kin zweiter epischer Dich-
ter scheint TelesisAon Methymna gewesen zu seyn, dessen je-
doch nur auf der tabula Iliaca Erwähnung geschieht, und zwar
in der Art, dass er entweder eine Tirocvo^aiia oder eine Fiyav-
rofj.cr/Ja besungen haben mag. — 2) Musik in Verbindung
mi tPo esie, p. 138 — 161). Terp an drosaus Antissa hat, wie die
Alten sagen, für d^n epischen Gesang zuerst Weisen {t'öfxov^)
aufgestellt, was jedoch dahin zu deuten ist, dass er fVir die Aus-
bildung dieses Zweiges sehr viel beigetragen hat: darauf ist auch
die S. 14!) ansfefiihrte Emendation des Marmor Parium zu bezie-
lien: TUN EMnPOXQE M0T2JIKHN METEETHEEN,
statt der Seldeiiischen Lesart: s^7tQ06&8 fiov ^txrjv zrA. Eben-
falls sjiricht dafür die iSachricht, l'erpaiidros habe die bis zu sei-
ner Zeit Aiersaitige Lyra in eine siebensaitige umgebildet. S. 161
wird eine geistreiche und treflende Conjectur Doeckhs mitge-
theilt, den Terpandros betreifend auf dem Mar. Par. , wo die
Vorschläge der früheren Editoren schon desshalb als aus der Luft
gegrilfen anzusehen waren, weil sie dem Terpandros voiwvg avX-
eoÖr/.ovg aufbürdeten, die mit ihm gar nichts zu schallen haben:
B. also hat vorgeschlagen: TtoTtavÖQog — rovgvo^ovg tovg tcov
y.L&anadolv tdida^tv, oüg y.rd avh]XYig Ovv)]v?.rj(iS.. Diese Worte
werden folgendergestalt erklärt : Terpandcr ad chordaruni so-
num cecinit nonws vitharoedicos ^ quos comUabaliir iibia. Als
Beleg dienen die avl.oi XL^tcQtöt/jQLOt hci Pollux X, 81. — Auf
den 'I'erj)an(lros folgten mehrere andre Musiker, die uns jedoch
weniger bekamit sind : von höhn- Bedeutung aber ist Arion, des-
sen \ erdienste um Mu>ik imd Poesie gleich gross waren. Audi
uns schehit Müllers geistreiche Deutung ( Dorier II p. 369 )
2(i*
400 G r I e c h i ä c h e G e s c li i c li t c.
selir walirschcinllch, dass Arions Seefahrt auf dem Rücken eines Del-
phins ModiHcation einer äheren Sage sey, der zuiol£;e Poseidons
SohnTaras auf einem Delphin vom Vorgebirge Taenaros nach
Tarent (Taras) in Italien getragen worden : diese Sage ist nun abei'-
nials Allegorie von Kolonien , welche mit Poseidonischem Cultus
aus den südlichen Gegenden des Peloponnesos nach Italien gezo-
gen sind; sowie Aeneas aus Kleinasien gewandert seyn soll, und
daselbst zuletzt gar als Stammvater der Körner genommen worden
ist, wo man doch nur an Kolonien zn denken hat, «eiche die Sibyllini-
schen Weissagungen und mit diesen Poseidonischen Cultus nach Ita-
lien verpflanzt hatten. — Dass Ilerodots Erzählung, Arionhabe zu-
erst einen Ditliyrambos gediclitet und benannt und gelehrt (d. h.
aufgeführt, öidäönsLV wie docere fabulaiii)^ nicht wörtlich aufzu-
fassen sey, wird Jedcrmaim gern zugestehen : bescheiden fügt ja
auch Herodotos hinzu: rav ri^ilg X8}iiv. Was die Alten imter dem
Worte i.vQi6%uv verstanden, wenn sie die ersten Keime von Kunst
und Wissenschaft bezeichnen wollten, leuchtet einem jeden alsbald
ein, wenn er nur mehrere Beispiele genauer betrachtet: jedes
Volk oder jedes Individuum, welches irgend einen Zweig der Kunst
bis zu einer hohen Stufe von Vollkommenheit gebracht hat, wird
Erfinder genannt. Daraus erklärt sich, dass Einem Gegen-
stande oft mehrere Erfinder beigelegt werden : so nennen Einige
die Karer, Andre die Tyrier Erfinder der Lastschiff"e, weil sich
beide durch grosse Seefahrten in frühester Zeit ausgezeichnet hat-
ten; so sollen die Attiker die Bearbeitung der thönernen Gefässe
zuerst versucht haben , während doch dieser Kunstzweig fast al-
len Hellenischen Stämmen gemeinsam ist und schon bei Homeros
erwähnt wird. Siehe Kritias bei Athen. 1 p. 28 B. — 3) Lyri-
sche Poesie, p. 169 — 198. Die höchste Blüthe der lyrischen
Poesie überhaupt und somit auch die der Lesbischen bildeten A 1-
k ä 0 s und S a p p h o. Sowohl ältere als neuere Schriftsteller unter-
scheiden zwei Lesbierinnen unter dem Namen Sappho , die Dich-
terin aus Methymna und die Hetäre aus Eresos. Allein Ilr. P.
stimmt Welckers geistreicher Ansicht bei, dass man, weil die
Dichterin Sappho in der Attisclien Komödie so häufig gleichsam
als Repräsentantin der Lesbischen Mädchenliebe (so wie unter
Männern die Päderastie) aufgestellt worden sey, in späterer Zeit
nothgedrungen zwei Personen jenes Namens untei'schieden habe.
— Die zu Herodot II, 135 S. 179 gegebene Erkläi-ung, dass in
dem Satze : iv (islsC I^ancpio noXkd xaxEXEQroi.i'rjös ftn', das Pro-
nomen (.itv auf den vorhergehenden Charaxos sich beziehe, nicht
auf die Hetäre llhodopis, entspricht zwar ganz und gar logischen
und hermeneutischen Grundsätzen, imd aucli wir würden unbe-
denklich beipflichten, liesse uns nicht lieber Athenäos (XIII p. 596
B) auf eine dem Herodotos so gcwölinliche grata negligentia schlie-
ssen: Athenäos berichtet nämlich, Sappho habe ihres Bruders Ge-
liebte Doricha (so werde sie von Sappho selber genannt, fälsch-
Lcäbiacorum IIb er. C o in p o s. Plclin. 401
lieh von Ilcroilotos 'Podcöjtig^ die R o s c u \v a n ^ i ^ e ; also weiter
nichts als Epitheton ornaiis) in ihren Liedern durchgezogen cos
noXlä xov XaQui,ov vo(3cpL6cc^tv)]V. II. P. glaubt nun zwar,
sowohl Cliaraxos als Doriclia seven Aon Sappho gesclunäht wor-
den ; allein dafür miissten historische Belege beigebracht werden,
da sicli bis jetzt die llerodotische Stelle auf beiderlei Weise aus-
legen lässt, und die kleine jNächliissigkeit um so weniger eine Rü-
ge verdient, als die Sapphischen Lieder in Jedermanns Munde
lebten, und desshalb an eine Zweideutigkeit fiir die Zeitgenossen des
Geschichtsclireibers gar nicht zu denken war. Auch rächt sich
weiblicher Unmuth lieber an seines (ileichen, als an jMännern, die
sie als ins iNetz gelockte und verstrickte eher bedauern möchten,
worauf selbst des Atlienäos oben an^zogene Worte zu fiihreii
sclieinen. — Wie leicht man verleitet werden kaiui, die Redeu-
tung einer ganzen Stelle falsch aufzufassen, wenn irgend eine
Lieblingsansicht unsre Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt, da-
von liefert II. P. S. 186 einen Rew eis : denn des Iloratius W orte
(Lp. I, 19, 28)
Te/nperat jlrchilochi Mnsam pede masci/la Sappho
deutet er so, als nähme der Dichter Rücksicht auf den berüchtig-
ten Sprung der Sappho vom Leukadischen Felsen. W ie ist das
möglich ■? Mascula lieisst Sappho aus keinem andern Grunde, als
weil sie in ihren Poesien nicht weiblichen, sondern männli-
clien Geist an den Tag legt. Sie aber wegen ihres 3Iuthes im
Springen mascula zu nennen, wäre schon an und für sich unpas-
send, mid kann von einem Dichter, wie Iloratius, mm und nim-
mermehr herrühren. Der grosse Rentley construirt schon:
Sappho miisam tempcrat pede AicMlocM^ und erklärt: Ne nii-
reris unt qneraiis^ quod niimeros ArchUochi noii mutttverim;
scias et Sapphoneni et,Alcacum (^quos poelas !^ musa/n suam il-
lius pede leinperare; scias ulriimque Archilocheos mimeros suis
lyricis iinmiscere. Auch der selige Voss übersetzt ganz rich-
tig: Stimmt nach Archilochus Fuss doch den Ton
auch Saffo die Männin. II. P. also, der in Roeckhs Schule
nicht einlegen, sondern auslegen gelernt, und davon fast
überall in seiner Schrift die erwiinschtesten Proben gegeben liat,
>\ird sich hoffentlich von seiner Uebereilung an jener üoratischen
Stelle überzeugen. — Unter den Kimstwerken, welche Sap|)hos
Rilduiss darstellten, wird S. 101 auch eine neuerlich in Si(;ilien
aufgefundene V ase erwähnt, deren Figuren doch genauer hätten
beschrieben werden sollen ; denn das Gepräge der Gesichtsziige,
die Rekleiduuir und die ganze Haltung des Körpers, worin Sap-
])ho und Alkäos \mn Künstler dargestellt sind, liefern einen neuen
Reweis, dass Sappho nie eine gemeine Hiihlerin gewesen; eher
möchte man auf jener Vase eine Vestalische .Jungfrau zu erblicken
glauben, als ein lüsternes Weib, dergleichen man auf anderen
\ aseu und Rasreliefs zu sehen gewöhnt ist. W eichen glänzen-
402 Griechische Geschichte.
dern Triumph könnte Weicker Vil)er diejenigen feiern, die sich
etwa noch nicht in seine Ansicht fügen Mollten, als auf diese Art
die Stimme des Aiterlhums selbst für sicli zu gewinnen'? Doch
auch Friedricli Schlegel, dieser tiefe Kenner des Helleni-
schen Alterthums, ist in der Abhandlung über die Diotima
(Werke Bd. 4 S. 123 Anm. 50) VVelckers Ansicht unbedingt bei-
gepflichtet. — Von S. lilö^an werden noch einige andere weniger
berühmte Dichter und Musiker angeführt.
Cap. Vf. Wissenschaften, p. 204 bis Ende. Unter die-
ser Aufschrift werden die Lesbischen Geschichtschreiber, unter
denenllellanikos vonMytilene der berühmteste war, so wie die
Philosophen (Pittakos) und Rhetoren aufgeführt.
Die beigegebene Charte von der Insel Lesbos nebst ihren Um-
gebungen ist nach Choiseul Gouffier in Kupfer gestochen.
Die Schrift selbst hat II. P. seinem Lehrer Boeckh dedicirt und
dadurch liinlänglich zu verstehen gegeben, dass er unter die Zahl
derjenigen Schüler gehört, welclie den trefflichen Mann nie genug
lieben und verehren können.
Was die Latinität des Verfassers anlangt, so ist sie frei von
unbeholfenen und abnormen Constructionen, einfacli und fliessend.
Wir fanden nur Folgendes zu berichtigen. S. 12, 21, 79, 129 fin-
det sich eine poetische Redeweise , videre est., legere est^ statt
videre licet ^ videndum est. S. 28 dubitabit — persiiasum ha-
bet.^ statt habuerü ; denn die Ueberzeugung muss schon da
seyn, bevor das nicht — zweifein eintreten kann. S. 62 und
64 steht das Adverbium clanculwn , welches nur bei Plautus vor-
kommt, statt cla7ii. S. 142 Ferisimüe enim est^ statt verisiniile
est emm. S. 182 viermal die Comparativ-Form veterior ., wel-
che veraltet und poetisch (Accius und Plautus) ist statt vetnstior.
s. Zumpt Lat. Gram. S. 111 ed. noviss. S. 183 Lin. 19 vhit statt
vixerit^ als abhängig von igiioro. Ausser den vom Verf. schon
angegebenen Druckfehlern sind uns noch folgende aufgefallen.
S. 6 L. 3 lies "Eon statt 'Eon. S. 12 zu Ende ^v[iiid— S.15 L.
28 l,vvstgE7cUv6Bv. S. 16 Not. 56 Ilorat. Ep. I, 11 , 17. S. 98
L. 2 ist es vor exstant zu tilgen. S. 136 L. 20 Ulijsses statt Ulys-
se. S. 168 L. 17 ob multas.
Oppehi im August 1826.
Dr. N. Bach.
Programme. 403
P r o g r a ni lu c.
Proliisio^ animadver siu)ics ad locn quaedaviDc-
viosthejiis c oiit i n e iis ^ <Hia ad aiuUcndas in schola IVicoIai-
tana ad d. XXIV Sept. hör. IX aliquot discipulorum declaniationea
patronos et fautorcs sdiolae human issiiue invitat M. Thcopli. Sam.
Forbiger , Uector. Lipsiac 3IDCCC\XII. 18 S. 4.
£lis sind drei Stellen aus Demostlicnes , die hier behandelt wer-
den. Der sorgfältige Schäfer hat in der neuen Ausgabe des
Reiskesclion Apparates dieses Programm schon beimtzt, und da-
her kann i(;h mich um so kürzer lassen. Ich folge der Ordnung
des Programmes.
Die erste Stelle ist Philipp. I p. 40 v. 24 f. R. Hier wird fürs
erste 6 noksuog vttbq täv 'EX^rjviKcov dixaicov näher in seineu
Hauptmomenten bestimmt und dargestellt; dann wird das Adje-
ct'i\vLm'EXX}]VLXcoi' nach seinem liegritte > ollkommen gerechtfer-
tiget. Ich werde bei der Anzeige einer andern Gelegenheitsschrift
noch einmal auf diese Stelle zurückkommen, rücksichtlich deren
ich zugeben muss, dass äussere Authorität das Wort verwirft.
Aber dass der Begriff hier vollkommen passe, hat For biger
löblich gezeigt. Die zweytc Stelle ist aus Olynth. II p. 23 v. 11
sqq. Sie betrifft liauptsächlich den vielfach besprochenen Aus-
druck lijöTug. Ich will vor allem aus einen Canon criticus und
exegeticus, den Forbiger aufstellt, hersetzen, der mir ganz
aus dem Herzen geschrieben ist, p. 13: Eqm'dem a studio^ vude
affeclxi scriptorum loca^ etkimper conjecturas^ eine?ida?idi\ adeo
iion abhorreo^ ut valde suspiciam et admirer doctisslmorutn ho-
minuiii Bvöxoilav et ayiivoiav ^ qui isto studio ducti nudtis in
locis emendatam itobis lectionem dederunt; at ideni ego conten-
do ^ hoc Studium tum dcmum adhibeiidum esse ^ quum vulgaia
aut omnium out praeslauliorum librorum Icctio vel grammaticis
yraeceplis^ certis Ulis qiiideni et indubitatis ^ adversetur ^ vel^
ut a sensu, itiente^ consilio^ dispulatiouc auctoris abhoneiis^ lo-
gico/umjudicio i epudictur ^ vel historiae fide et auctoritate re-
fellatur^ vel dcnique^ si de poctis sermo e.s/, certis et veris^ von
arbitriofictis^ metri legibus repugnet. Diesem Grmulsatze ge-
mäss, dem, wie gesagt, auch ich mit vollkommenster Ueberzeu-
gung zugelhan bin, hat denn Forbiger die gewohnte Lesart
hjöxäg glücklich vertheidigct, nach meiner Ansicht muss ich sa-
gen, weil ich immer eine älmliclie hatte. Ich verglich die hjötal
mit den Mcpliten der jNeugriechen ; Forbiger vergleicht sie mit
den Giierilla's der Spanier und den Brigands der Franzosen. Kr
erklärt sie viilites leviler armalos^ volurdarios foi lasse ^ quibus
minus curae erat foilitcr pugnare ^ quam populando ^ praedan-
do^ latrocinando quaeslunifucere et upes atque pecuniam corra-
40^ Programme.
dere; id tum Xy6tsv£LV dicchatur. Auch Schäfer ist für
die Lesart der Ilaiidschriftcn. — Die dritte Stelle ist aus Pliiiipp,
I p. 49 V. 2 s. vnÜQiu Ö' v/xlv, %uiiabicc) ^Iv XQr]6&ca u. s. w.
Ich für meine Person fand die Stelle auch immer Terdorben; aber
ich überiiess die Verbesserung neu zu vers^leiclienden Handschrif-
ten ; denn auch mir sclieint etwas weggefallen ; und so leicht das
Conjecturircnin momentaner Stimmung seyn mag, so gewagt ist es.
Für biger ist kecker als ich. Erfindet, der Ausdruck dvafie-
VBiv sey der einzige , den man nicht missen könne. Icli gestehe,
dass mir immer der BegxifF der Art der Benutzung der Seemacht
zum Vortheil des Staates der vorziiglichste schien. Schäfer nun
findet vollends viros doctissimos nodtini in scirpo quaesivisse. Ne-
que enim perspicio^ fälirt er fort, quid nos impediat^ locum sie
intelligere^ quomodo et Wolßus ait se principio vertisse et liü-
digenis interpretatur. Dabey komme ich für meüie Person mit
dem Griechischen niclit aus.
Annotationum ad Demostheiiis Philippicartitn I
■ spec 17116 71. Praeceptorinn collegü nomine scholae litterarumque
araantes ad examen invitaturus scripsit C. Giiil. Krügerus, Conrector.
Bernburgi [HaUe, Hemmerde u. Schw.] MDCCCXXVI. 2T S. 4.
geh, 4 Gr.
Referent liebt aus der Einleitung zuerst folgende Stelle aus :
S7i7it hae scriptio7ies [j)7ogra/7i7nata) 7ne judice quaeda7n quasi
ItclÖeC^sis-, quibus no7i ta77i docti quam doctoris partes si/it
age7idae. Haec regrda opti/ne videtur serva/i posse^ si ipso/'uiTi.,
quae discipidis tradideris., aliquant paitein in 7aedium p/oferas.
fis scheint allerdings sehr zweckmässig, die Programme mit ei-
nem solchen Stoffe auszurüsten. Der Gedanke, einst eine öffent-
liche Probe dessen , was, imd der Art, wie man gelehrt, abzu-
legen, ermuntert den Lehrer zur Pünctlichkeit bey der Vorberei-
tung; und manche Stunde, die sonst der Schule entzogen worden
wäre, wird ihr so zugewandt. Auch die Lehrer anderer Anstal-
ten erfreuen sich, von Zeit zu Zeit Proben zu erhalten, was und
wie auf ähnlichen Instituten docirt wird , und die gewissenhaften
werden ermuntert, nicht zurück zu bleiben. Den Schülern fer-
ner ist es belehrend und'erweckend, wenn sie einen Thcil dessen,
was sie in der Schule gehört und exclpirt haben , nun gedruckt
vor sich sehen. Auch werden sie durch die Art des Vortrags auf
eine genaue Art des Excipirens geleitet und besonders darauf auf-
merksam gemacht, was das Wesentliche in der Bemerkung ist.
Endlich können gewisse Puncte, die in der Schule nur in Kesul-
tatcn vorgetragen wurden imd vorgetragen werden sollten, hier
näher entwickelt, in ihrem vollständigen Gange den Schülern vor
die Augen gebracht und ihnen ähnliche Behandlungen zur Ausar-
Krüger: annotatt, ad Dcmostli. Philipp. I. 405
bcitunsj von Privat -Arbeiten, dorn einzigen Mittel zu festen und
^ründliclien Forts<;luitten , voiiiesclilagen werden. Icli billige es
daher sehr, dass Herr Kr ü i: er eine solche \Vahl fretroiien hat,
und niöehte iiberall ähnliehe empfelden. — Weitei'hin sagt er:
IliiJKS aiitem spccimiiiis scito te allerani editionevi — 'prior enim
iionitisi discipnlornm in capilibns et schcdis c.vtat — miillis^ quae
a svhoUiniin rulionc (ibliurrccnit^ 7(t crilica ptcrayiie^ aucioin rer-
sare. AVieder £:anz zweckmässig! So werden die Schüler zur Ein-
sicht gelangen, dass mit dem, was ihnen in der Schule gesagt
wurde, lange nicht alles ahgethan sey, soiulern dass ein geschick-
ter Lehrer nur stufenweise fortschreite, und dass die gleichen
Stücke in verschiedenen Beziehungen unter einem geschickten
Lehrer nicht nur nicht auf eine unnütze und Zeit todtende, son-
dern auf eine eben so interessante als förderiule W eise von be-
scheidenen und mit reinem Eifer nach Vervollkonnnnung streben-
den Schülern wiederholt gelesen w'erden können und sollen. Da-
durch dass man aus guter Absicht den Homer angefangen hat mit
Kindern zu lesen, scheint in die Jünglinge der Dämon des Dün-
kels gefahren zu sevn, es sey für sie eine Schande, weiui man
ihnen ein Collegiuju über den Homer anerhietlie; undAverin dem
Jacobs'schenElementarbucli einen Dialog des Plato mit Knaben ge-
lesen hat, wird kaum einen zweyten Yersuch mit demselben ma-
clien , weil er sich überzeugt hat, dass, Menn auch die Worte am
Ende durchgearbeitet sind, dennocli weder die einzelnen Gedan-
ken, noch der Zusammenhang, noch die Absicht des Ganzen und
der einzelnen Wendungen von den Knaben begriffen werden. Auch
die allerdings leichten und wohlgewählten Stücke aus den lled-
iiern eignen sich mir für reifere Jünglinge. Es ist ein Zeichen
der jugendliclien Unschuld und Wahrheit, dass der Knabe von
den Künsten der Uedner nichts ahndet und dem Lehrer ordent-
licli bedenklich ins Auge schaut, wenn dieser ihm etwas davon
zur Einsicht bringen vül. — Ich führe noch eine Stelle aus der
Einleitung an, deren Wahrheit auch ich ehre und befolge: Ad-
hiic mihi siifßcit decalogiis quidain^ qiii^ nisi quam plarima pec-
cavero mit ccrle peccata vidcro^ non spcroforc tit iimquam in
corpus juris paedagogici excrescat. Ein nach meiner Lieberzeu-
gung höchst wichtiger Grundsatz guter Schiildisciplin. . Nur we-
nige Krai'lgesetze, aber diese strenge und uuj)arteyiscli gehand-
liaht. Haben sie sich einmahl fest gesetzt, so erhen sie sich fort;
und jede Classe setzt -ihre Ehre darin, der vorhergehenden we-
nigstens gleich zu kiunmen. Aber hat man eiumahl eine Classe
die Schranken durrhhrechen lassen , dann l).edarf es eines kräftig
consequenten und psNchologisch klugen Mannes, um die Schule
w ieder ins Geleis zu bringen. \ iele Directionen glauben mit ei-
nem stattlichen, Iiübscli logiscli in Ahschuitte, Abtheilungen, ün-
teral)(!ieilungen u. s. w. g<-ordueteii (iesctzl)uch gciiolfen inul ih-
rer Weisheit ein ehreu\ olles, H^leibendes Denkmahl gestiftet zu
406 Programme,
haben. Allein wer die Sache handhabe, das kümmert sie wenig;
und ob sie überhaupt geliandliabt werden könne, darnacli fragt
niemand. Genug, dass alles auf dein Papier steht. 3Ian hat ja
gethan was man konnte. Die Schuld liegt an andern Leuten. 31an
soll noch dankbar seyn, wenn man bloss andeutet, an wem.
Was nun die Arbeit des Herrn Krügers betrifft, so hat er
sich in seinen bisherigen Schriften als einen homo doctHs et in-
geniosus , und nahmentlich in der Ausgabe \on Xcno])hons Ana-
basis *) als einen wackern doctor oder magister gezeigt, dessen
sich eine Anstalt zu erfreuen hat, in wie fern sie den jungen,
kräftigen und thätigen Mann unter altern und erfahrenen Männern
besitzt. So wie er selbst nach Gründlichkeit strebt und den rich-
tigen Weg einschlägt, sie zu erlangen , so zeigt er auch eine gute
Methode, ihm anvertraute Zöglinge auf den Weg der Gründlich-
keit zu leiten, imd ich zweifle nicht, er werde auch durch den
mündlichen Vortrag und sein eigenes geistiges Leben die Schüler
zu int€ressiren und in Athem und Eifer zu erhalten vermögen.
Wenn sich auch hie und da eine zu rasche Lebhaftigkeit und ein
wegwerfender Ton, der sich mit echter Humanität nicht verträgt,
noch einschleicht, so steht mit Sicherlieit zu erwarten, der brave
Krüger werde über diese Unschicklichkeiten Meister m erden, da
er sie anfängt, einzusehen und zu bedauern. Er sagt z, B. in der
Vorrede zur Anabasis pag. XI fin. sq. : stiltis meus pnihlo acritior
Qiec hebetior f actus iis^ quas jjussim expertus snm^ iniquitatibus^
7ne invito quoque interdum^ quos tangere volui^ laedit^ quod mi-
hi in Bornernanno accidisse siimmopere doleo. W er einmahl auf
dem Punct ist, so mit Wahrheit zu reden, von dem ist Genesung
vorauszusehen. Im Ganzen herrscht in den vor uns liegenden
Blättern ein ruhiger Ton; und je mehr die Jal ve des Verfassers
zunehmen werden, um so viel mehr wird er sich gewisser For-
meln , wie inepte — ut evni inlssum faciamus — non inelioris
notae — BexKSQiöiOL und ähnlicher entschlagen. Die Wahrheit
kann verfocliten werden , ohne dass der Irrende ein hartes oder
neckendes Wort empfängt; und es geliört zu einem schlimmen
Zeitgeiste, der von den Wahrheitsforschern gebannt werden muss,
wenn man durch derbe Worte imponiren und dadurch seine Kraft
und Ueberlegenheit beurkunden will und dabey mit einem Gorgo-
Blicke umher schaut. Doch diesen Vorwurf hat Krüger nirgends
verdient. Natürlich spricht sich Alter, Temperament, Lebens-
schicksale imd Lebenserfahrungen verschieden aus, ohne dass
Eine Art einer bösen Absicht beygemessen werden darf.
*) Diese Ausgabe gefüllt mir sehr wolil für Jüng-linge. Dies^e Schrift
von Xeiioplion, dessen Schriften für das junge Alter die zweckmiissig-
sten sind, so Avenig es der hochtrabende Zeitgeist finden will, ist nach
dem gegenwärtigen Standpunct der Griechischen Sprachknnde bearbei-
tet und wird den eifrig studierenderf Schüler vorwärts bringen.
Krüger: annotat t. ad Dcmosth. Philipp. I. 40'?
Icli trete mm näher über die einzelnen Stellen ein. § 1 p. 40
R. TtQOVtl^eto. Kvücjer pbt der Lesart zweyer unbedeutenden
Ilandsclirit'leii bey U e i s k e TrQovKHto den Yorzusr. Demi wenn
der Redner das Verbiim TiQOXL^ivca bätte ^ebrauclien m ollen, so
liätte er nach Kr Visiers Meinung: nicht das Imperfectum setzen
können ; ilJenn das linperfectum könne nur g:esetzt werden, si de
re vel diiraiite ixi repctita scniio sit. Ich finde iur meine Person,
dass die Sache noch als daurend gedaclit werden solle. INach
Deniostlienischcr Manier wird das Tigori^Eö^ai erst dann als voll-
endet gedacht, wenn abgesprochen, weim das t^'jy'qpiöjiiCi: vom He-
rold ausgeruien, und die Versammlung entlassen wird. Der ei-
genthiunliche Ausdruck darf also nicht an das im Attischen Recht
ungewöhnliche ttqovxeito (ich möchte nicht sagen miims noluni)
vertauscht werden. Das nQOvy.uro ist ganz der Ausdruck des ge-
meinen Lebens , womit die Glossographen die technischen erklä-
ren.— Bey Hco^örav wird die richtige Bemerkung gemacht, dass
Participia, die ursprünglich noch einen Infinitiv zum vollständigen
Begriffe erforderten , durch den Sprachgebrauch nach und nach
absolut mit vollständigem Begriffe gesetzt werden; doch ist im
Unterrichte zweckmässig, den Satz der ursprünglich vollständig
gesetzt wurde und gesetzt m erden musste, herzustellen. iTCiö'icov
(Iv u. s. w. Diese Bemerkung hat Krüger gewiss nicht in der
Sclitde gemacht; denq leicht hätte er die Schüler zum Missver-
ständniss der gerade zu behandelnden Stelle geführt oder ihnen
wenigstens das richtige Verständniss erschwert. — to't' av aütog
InuQiöay^v a yLyväöyia Ikyuv. Krüger missbilligt, dass Bek-
k e r das von R e i s k e nach mehi-ern Handschriften aufgenommene
•y.al vor avxog wieder durchgestrichen hat, wie es Schäfer an
Auger missbilligte, welcher das gleiche that. Allein Bekker
gab dem Ansehen seiner Zeugen nach, indem ein einziger Codex,
und zwar nicht der vorzüglichste, dieses jcct darboth; und wenn
Krüger sagt, suJiiin avzoq insignem quamdam arroga7itiain pro-
diderit^ so sehe ich das nicht ; im Gegentheil, ich finde eine dem
Redner geziemende Bescheidenheit darin, da es dem allgemeinen
r^övyjccv av ijyov gegenüber steht Erst, wenn ihm das, was die
gew olmten Sprecher vorgetragen hätten , nicht gefallen könnte,
würde Demosthenes selbst, persönlich (avrog nicht iya)
auftreten und würde versichert seyn , auch w enn er der erste auf-
getreten wäre, ISaehsicht zu erhalten. Dalier muss ich '/.al für
den Zusatz eines Grammatikers halten, dei-en es Viele in dem
Codex von Bekker, und denen, die zu der gleichen P'aniilie geliö-
ren, gibt. Das folgende övvtßovksvöav, welches die w ichtigsten
Zeugen für sich hat, möchte ich besonders wegen der Worte sx
tov 7CaQ£?,y]?yV\y6tog XQovov nicht an OvvsßüvkEvov vertauschen,
welches dann den Vorzng verdienen würde , wemi eine die Wie-
derhohlung bezeichnende Partikel itn Satze stände. Nach der
Wendung des Satzes aber herrschte oü'eubar der Begriff des irü-
408 Programme.
her Vollendeten in dem Gemütlie des Redners. Die Bedeutung
des Aorist! hat trefllich entwickelt Schaf er Apparatus I p. 247
P. 20 V. 27. — § 3. Wirklich wird jetzt mit Recht in der Schule
bemerkt, dass die Griechen häufig eTtEtra, kita nach ^qcötov (liv
setzen, nicht tVrftT« dg. Allein wenn Kr iig er hinzu setzt, 7no-
nendum est Deinostheiieyn^ si/ecte observavi\ STCBtraetLlta sem-
]}er sine particula de post ngatov ^h> inferre^ so sagt er wohl zu
viel. Richtig Schäfer Apparatus T. II p. 348: Particula 8s
facile caremus. Hoc syntaxis Graecae idioma rix credas
quoties viros doctos fefeüerit. In contrariam partem pec-
cavit Reiskius particulant insontem suspectans in Dionysio Ilali-
carnass. T. IV p. 2322. Ich werde an einem andern Orte die
Stellen sammeln, in denen auch nach den neust verglichenen Hand-
schriften iTtuxa 8b aus Demosthenes nicht zu verdrängen ist. —
VTCBQ tüv ^ EXXr]viy,av dixaicov. Kriiger verwirft dixaLOiv : ein
Wort, wovon auch in Forbigers Programm die Rede Mar; und
an dieser Stelle muss ich es allei'dings, mit Riicksicht auf äussere
Zeugen, für unecht erklären. Denn es steht imr in einer einzi-
gen von Bekkers Handschriften, die vielfach interpolirt ist, und
eine andere sonst vorzVigliche Handschrift hat es nur am Rande
heygeschrieben. Aber eben so bin ich atich der gleichen Meinung
mit Kriiger, dass Bekker Ol. II § 24 p. 25 v. 2 II. 'EUr]VL-
5(CöV mit Unrecht als verdächtig eingeschlossen hat. Denn derBe-
griff des Wortes ist liinlänglich gerechtfertiget; dort findet es
sich in allen Handsclirifteu, und von dorther ist es wohl in Philipp.
I eingeschoben worden. Die folgende Bemerkiuig über lv Bidf^rs
acal &Bd6r]öd^B ist trefflich, und zeugt von feiner Kenntniss sowolil
der Sprache iiberhaupt als von der Manier des Demosthenes. — •
— Wenn nach Krügers Behauptung ovrog nur addito nomine
cum contemtu soll gesetzt werden , so ist die Beschränkung wohl
zu enge. In dem Pronomen allein liegt ein höherer Grad der Ver-
achtung oder lieber bitterer Empfindung gegen eine genannte oder
bekannte Person. — § 4 T^g vvv vjtaQxovöTjg. Bekker hat
vijv auf die Authorität der besten Handschriften gestrichen, was
Krüger missbilligt, indem er glaubt, Demosthenes deute damit
an.,' antea fuisse dö&Bvrj td ^iXimiov TiQäynara jcal xo^il8^
fiLüQCC. Allein es sollen zwey Zustände als solche einander
entgegen gesetzt werden, und die Zeit wird hinlänglich durch das
Tempus des Verbi bestimmt. Wurde noch eine Zeitpartikel bey-
gefügt, so wiirde die Zeit als das Wichtigere hervor gehoben,
und der Zustand selbst mehr in Schatten gestellt. Auch der Ge-
gensatz hat keine Zeitpartikel: rd %coQia ndvxa aTioXakivai xtj
nolBL, so dass ich Bekkern gänzlich beypflichte, wenn er dem
Ansehen der besten, wenn auch nicht der meisten Handschriften
gefolgt ist. — § 6 a5g av tXäv xtg i%0L tcoXbiic). Krüger ist zu
rasch, wenn er die Worte rtg £%ot gegen alle Handschriften als
■unecht verwirft, sie bescliuldigend et conci/mitatem tu/bare et
Weickcrt: cxplicatt. locor. aliquot Demosth. 409
per se frigida esse et er interpretamento orta. Solche Worte
liiiiigeii \oii der augenhlirkliclit'ii Stiinniung di"« Geniiillies ab, ob
man sie liiiizu setze oder «eglasse. liier sclieint das L'iiziiver-
lässige eines solclieii Besitzes von dem Redner durch den Oi)tativ
i-^oi bezeichnet zu -sverden. — § ](). Die Frag:e xl \\\ einem con-
junctiven Satze ist, wie § S die Verbinduniren zwcyer llelativcii
in Einem Satze, sehr gut erläutert und bedarf der Erläuterung bcy
jungen Leuten lüehr, weil diese Constructiou von der Deutschen
Spraclie abweiclit und man dem Gedanken im Deutschen eine ganz
andere AVendung gibt. Ueberliaupt ist alles in den alten Spra-
chen den Schidern schwer zu lassen und anzuwenden, was sich in
der Muttersprache nicht nachbilden lässt, sondern durch andere
Wendungen muss ersetzt werden. — Wenn Bekker die Worte
v.caa x)]v C(.yoQav^\^ unecht hi Ilaken eingeschlossen hat, so dür-
fen wir nicht vergessen, dass es die zwey besten Handschriften
sind, in denen sie fehlen, und dass schon die Stelle, welche sie
einnehmen, den Verdaclit erweckt, sie seyen von dem Rande in
den Text gekommen. Audi könnte ich den \or\vurf auf B e k-
kern nicht erliegen lassen, sempcr eum ad delenduin pionuin
esse. ImGegentbeM, ich gestehe, dass ich fiir mich manches
streiche, wo Bekker, nach meiner Ansicht zu ängstlich, sich mit
Ilaken begniigte.
Ad examen vermim in Gyninasio Luccaviensi concelebrandum et audien-
das VII adolescentium publice abiturorum oratiunculas obscrvan-
ti^sime invitant rector et magistri Gymnasü. In sunt expllCü-
tiones locor iirn aliquot I) eniosthenis aliorum-
qne S er ip t orum., auctore lo. Char'dh. Jf'cickert, Lips. Ph. D.
AA. M. Subrect. GjTnnasii. Lubbenae. 182G. 28 S. 4.
Auch diese Blätter enthalten das Residtat von Bemerkungen,
die bevm L'nterricht im Gymnasium gemacht w urden und zeugen
vom Bestreben gri'indlich zu unterrichten. Die erste Stelle, mit
der wir uns liauptsäclilich beschäftigen, ist aus der Rede des De-
mosthenes gegen den iMidias § 35 b. Buttm., p. 555- l. 10 R. rov
ö' vßQiöat xcd rov 7C0L7J6avtag ^j) öovvat ölxrjv — iyyv-
rcixoj. Herr AVeickert nimmt Anstoss an dem Accusativ Ttotij-
Cavxag., indem die Attraction schreiben heisse noLi^öuvxsg. Zwar
weiss er gar w ohi, dass die Attraction nicht selten ausser Acht ge-
lassen wird ; allein er glaubt Viberall eine giiltige Ursache dieser
Ausserachtlassung bemerkt zu haben; liier findet er keine. Allein
sollte dieses Grund genug seyn, den Accusativus zu verdächtigen?
Leitet nicht oft in ANendimgen, welche der Sprachgebrauch, der
Autykrator, gestattet, ein Tact, dersich wohl empfinden lässt, aber
verfliegt, so bald man ibn in AVortc fassen will'? In solchen Fäl-
len sind wir w ohl erst noch aiif dem Punct, unbefangen nacli den
410 Programme.
Lesarten der Handschriften Beyspiele zu sammeln, und erst, wenn
alle Eines Schriftstellers beysamnien sind, zu sehen, ob sich für
den einzehien Schriftsteller bestimmte Grundsätze auffinden lassen,
die e r befolgt habe ; und m enn Avir bcy unbefangener Priifung
zu keinem sichern Resultate kommen, so ist es gerathener, die
Sache lur cinraahl ruhen zu lassen, als einer Theorie zu Liebe
rasch gegen die Handschriften an Aenderung zu denken. Nach
und nach Averden wir, besonders durch zu Ratheztehung der noch
lange nicht genug benutzten Analogie mit ruhigem Forschen zu
Resultaten gelangen, über die wir erstaunen diirften. Vor allem
aus aber soll unser Bestreben seyn, den Gedanken bestimmt und
scharf aufzufassen und von diesem auszugehen. Geben wir nun
an luiserer Stelle auf den Gedanken Acht, so ist es offenbar aus
dem ganzen Zusammenhang, der Sache selbst, und dem Verfolg
der Rede, dass das vßQtöai, noch nähere Bestimmungen erlialten
soll, durch welche die {;/3pig dem, der sie erdulden inuss, erst
recht unerträglich und schimpflich wird. Diess liegt offenbar in
den Bcyfügungen a) noi-^öccvra ßr] öovrat dlxrjv wenn man für
die begangene vßQig nicht büssen muss:b) dXXatovg clvxLTCaQE-
^ovtag TtQCcyuara. fiiö&döaö&ai sondern, Av«nn man Recht sucht,
der vßQi6t7]g noch Mittel genug in Händen hat, xnn einem Leute
über den Hals zu schicken , die neue Plackereyen über uns brin-
gen. Was hier in Einem Sat^ ausgesprochen wird, wird im Fol-
genden weiter ausgefiihrt. Nun kann ich allerdings einen Grund
angeben, warum die Attraction vermieden sey : u m d c m G e d a n-
ken desto mehr Selbstständigkeit zu geben. Man
kann auch die Analogie zu Hülfe nehmen, indem der Genitivus
absolutus participii öfters gesetzt wird, wo ein Participium impli-
catura stehen köinite : in wie fern man dem Begriffe mehr Unab-
hängigkeit und Selbstständigkeit geben will. Doch, um hierüber
genauer einzutreten, muss man alle ähnlichen Stellen im De-
mosthenes beysammen haben und rubriciren: wozu sich wohl
eine schickliche Gelegenheit zeigen wird. — Nun kommen Be-
merkungen über, Stellen im J a c o b s ' s c h e n Elementarbuch, deren
Würdigung ich am liebsten Herrn Jacobs bey einer neuen Aus-
gabe des Elementarbuches überlassen will; nur bey der Stelle
aus Lysiae orat. fun. p. 123 R. gebe ich wohl H. W. zu, dass
Tolg AaxBdai(iovL(ji)v Gv^^a^oig vtceq tfjg skeIvcov iXevdeQiag
llid%ovTO nicht heisse in Gemeinschaft der Bundesge-
nossen, gemeinschaftlich mit den Bundesgenossen,
aber ich zweifle, ob pugnahant adversus eos^ qui nunc erant Lu-
cedaemoniorian. • Ich denke , es ist der Dativus commodi , z u ra
Wohl, zur Befreyung der Lakedämonischen Bundesgenossen.
Dieser Gedanke ist dem ganzen Zusammenhang sehr angemessen.
Auch diess sey der Beurtheilung von Jacobs anheim gestellt. —
Endlich folgen einige Bemerkungen über einige Noten in der
Ausgabe der Philippischen Reden von Rüdiger, denen ich im
Beck: Observatt. historicac et er it. Spcc, IV. 411
Wesentlichen beystimme. Der Ausfall p. 13 auf Ileyse sollte
wcniirstens nicht so leidenschaftlich und bitter seyn.
Zürich, August.
J. H. Bremi.
Solerania creatlonliä et remintiationis doctorura i'.Ilosopluae cet. rite in-
stituta edixit Christianus Dunid Beck. O bs er V (it i 0 lie S histo-
ricae et criticiie. IV. de etymologiae vocabulo-
r um et iio mi U7iin nsu in ea: plicandis liiiß^uarum^
VI ylliorii ?//, h is t o r i a r u m r a i io n ibu s 7n o de ran d o.
Lipsiae, littciis Staritzii, typogr. univej-sit. AIDCCCXXVI. 20 S. 4,
JLIer Hr. Verfasser beginnt seine gelialtvolle und höchst be-
achtungswerthe Conimentation mit der Bemerkung, dass wie be-
reits in deiv ältesten Zeiten mid vorzugsweise im Oriente das Stu-
dium der Etymologie besonders in Uenennung und Erklärung von
Eigennamen herrschend gewesen, in welcher Hinsicht auf Genes.
XVll, 5; XXI, 6 coli. XVII, 19; XVIII, 12; XXXII, 28 verwiesen
w ird , so auch im Laufe der Zeit viel Fleiss aufgewendet worden
sey, Wörter, IS amen und Mythen zu erklären, wie das Beispiel
P 1 a t o n ' s, der Stoiker, Cicero's und Varro's lehrt, wel-
chen die spätem Griecli. und Lat. Grammatiker, desgleichen auch
die noch spätem Verfasser des Etymolog. Magn. imd Gu-
d i a n ., 0 r i o n und I s i d o r u s gefolgt sind, obwol nicht ohne man-
cherlei, zum Theil arge Misgritle, inwiefern sie nämlich nicht vor-
handene Wortstämme bildeten oder zu entfernte suchten oder aus
den gefundenen mehr als sie sollten, folgerten, Fehler, von wel-
chen sich jedoch auch die alten Schriftsteller nicht immer rein
erhalten haben. JMit dem Wiederaufleben der Wissenschaften
im Mittelalter wurden aucli die etymologischen Studien vielfältig
wieder erweckt und betrieben und, vorzuglich nach B ochart's
Vorgange, auf Ermittelung von Namen der Stämme und Völker,
ihrer Urgeschichte, Verwandschaften, ANanderungen u. s. f. aus-
gedehnt, NNobei demi unhaltbaren Muthmassungen und nichtigen
Combinationen ein grosses Feld eröflnet ward, dem es bis auf
den heutigen Tag an riistigen Bearbeitern nicht gefehlt hat, von
welchen uns freilich \iele, statt bündiger Beweisführung und Er-
härtujig des Vorgetragenen, allerlei luftige und lustige Ilypothe-
senspielc und zum Theil geistreiche Träumereien anbieten. Quod
qriidem neminem fiiß^iet^ (heisst's S. 4) qni recenliora jüurinia
scripta de mythologia omni eji/sque explicafidae principiis ^ de
Graecorum et Romanonim historia vetuslissima., de singnlarwn
Graecarum gentium., civitatum., insutarum., originibus ., fatis et
sacris , de Germanorum aliorunuiuc populornm rebus antiquissi-
mis legerit. Ohne den etymologischeu Bestrebungen, die mit Um-
412 Programme.
sieht eingeleitet und Behutsamkeit verfolgt, für Aufhellung der
Mythen und der alten Völkergeschichte von wesentlichem Nutzen
sind, einen Verniclitungskrieg anzukVindigen , sah sich gleichwol
der Aviirdige Hr. Verf. durch die Misgriffe in Vergleichung der
Sprachen untereinander, in der Erforschung der Abstammung und
Erklärung einzelner Ausdriicke, wodurch die Gesichtspuncte für
Beurtheiliuig und Würdigung vieler andren Erscheinungen auf dem
Gebiete des AlterthuUis verrückt wurden, aufgefordert, in aller
Kürze die Bedingungen aufzustellen, initer welchen allein die zur
Zeit so rüstig verfolgten etymologischen Stxidien wissenschaftli-
chen Werth und lebendigen Nutzen haben können. Was nun den
Ursprung derjenigen Sprachen anlangt, deren sich die Völker des
Abendlandes bedient haben, von deren religiösem und Avissenschaft-
lichem Leben mid Treiben wir imterrichtet sind , so finden wir
darüber bei den Etymologen eine Doppclansicht. Nach Einigen
nämlich entstanden und bildeten sich diese Sprachen bei den Völ-
kern selbst, nach Andern stammen sie aus dem Oriente her ; die-
ser Widerstreit der Meinungen führt nun eine grosse Verschie-
denheit bei Feststellung der ursprünglichen und eigentlichen Be-
deutungen der meisten Wörter, bei Ei'kläru.ig der Namen und
Auslegung der Mythen und heiligen. Gebräuche lierbei. Et n
quidem^ lalirt der Hr. Verf. fort, qui ex Oriente transiisse in Oc-
cidentem Ungiias 7Z?s/ [schreibe: si noii\ om/ies^ certe plerasque^
existimarnnt^ in larias ipsi abierunt partes. Die Ansicht derer,
welche alle Bildung des menschlichen Geschlechts aus Indien her-
leiten, wird nur im Vorbeigehen berührt und um so weniger einer
besondern Erörterung werth befunden, postquam satis demon-
stratum esse videtur^i tnonumenta illa Indien., sine scripta sive
artificiosa., non vetustissimae esse., cui adscribeba?itu7\ aetatis^
antiquis multa recens esse addita. Nach Anderen, z. B. Sickier,
sind die Griech., Lat, Deutsclie Sprache aus dem Schoosse der Semi-
tischen liervorgegangen ; noch Andere suchten die Griech. Namen
der Götter atis dem Aegyptischen herzuleiten, wogegen sich je-
doch bereits Schwenck *) und W e 1 c k e r erklärt haben. Zu-
*) S. Conrad Schwenck Etymolo gisch - Mythologi-
sche Andeutungen, Elberfeltl 1823 in 8, S. 8: „Es kann da-
her keine Wahrscheinlichkeit haben , wenn man die Griechischen Göt-
ternamen in das Prokrustesbett der Orientalischen Sprachen einzwängt
und uns neue Bedeutungen ausreckt od^r zuschneidet. Für besonnene
ctyraiologische Forschung bat Bentley in seinem Briefe an Gottfried
Richter (vid. Ejusd. Specim. Observatt. critic. Jenae 1713 S. 19, (!oll.
Wolf Analekten I p. 90) folgende beachtungswerthe Stelle niederge-
legt: si in ulla eruditionis parte, in hac inaecipue tcöv szvfioXoytmv,
opus est solido et subacto judicio : quo qui desiituunüir, turpissime sc dare
solent et deridetrdos propinare. Ea enim est indoles linguarum orientalium.
Beck: Observatt, historicac ctcrit, Spcc. IV. 4:13
vörderst ist mm klar, dass diejcniiren Worte und Namen, die ent-
Meder aiiiicnsclicinlicli von ausliindisclien \ ölkcrn zu aiulcrn übcr-
^eijauiren und von diesen aur^ononinien sind, o»ler nach ausdrück-
lichen Zeuirnissen der ScJirirtsteiler ans der Fremde stammen,
aus den Sprachen, welchen sie zu^ehörten, erklärt werden müssen,
imd wenn schon nicht in Abrede gebracht werden kainj, dass Völ-
ker des Orients zu \erschiedenen Zeiten durch Schilliahrt, llan-
delsverkelir , oft aucli im Dranire der Notli ins Abendland kamen
und demselben ilire Sprache, Künste, Keliffion und jMythen mit-
theihen, so darf daraus doch nicht ffefoii^ert werden, dass die
(iriecli. ^ olker die Spraclie des Orients und den iranzcn Reich-
thum seiner jMythen und Keh'iiionsiiebräuche anl'^^enommen haben,
aucli" lässt sich nicht nachweisen, dass die \ olker, auf deren ver-
schiedenen t rsprunir nocli viele und deutliche Spuren hinleiten,
allzinnal aus dem Oriente in ihre nachmalii;en \\ ohnsitze einge-
wandert seven und von dorther iln-e Sprache und ireistiire Bilduu'j
enipian^en liaben. Muss jedoch ihrlJrsjjruu^ wirklich im Oriente
aui'iresuclit werden, so dürften sie docii erst nach Abiauf vieler
Jahrhunderte in die Gegenden gekommen seyn, in welchen sie ru-
hige Sitze fanden, und sonach muss man wolil auf der Hut seyn,
alle oder d;e meisten derjenigen Wörter imd JNamen, welclie sicli
in den Spraclien der gebildeten Abendländer vorrinden, ingleiclieii
die mit ümen Aerbimdenen üegriile, mit Hülfe der Orientalischen
Sprachen zu erklären, was lediglich daim nur zugestanden wer-
den kami: iibi manifesla est convcnienlianon vocabulornm modo
iitriiisquc ^cncris lingi/arum sed noliouinii eliam^ quae iis ex-
'primuuiui\ ncque aliue res et rationes illi\ quam repen'sse iiulns
visi simus^ iiecessitudliii obsUmt ; iino stirpes vocabiUorum et no^
luinum primiim omiiium in eci ipsu liii^ua^ cujus sunt^ qiiaerenda
esse ^ neque tantum in una atiqua ejus ratione et compositio7ie^
sed in variis cliam dialectis^ quanim tdia sacpe magis^ quam(diae^
primae stirpis indicia sercavit^ atque liiuc ctium^ coiiiparato in-
genio et cultu pupuli , gentis familiae cujusque^ ejus mijtläca et
ut si, pro more homtnum, qtii in ea re hodie Imiream quaerunt , vocaUiim
nulla ratio habcatur, consonantium autcm permutntio tarn palicntcr admitia-
iur , quidvis ex quovis potcrit dcduci, et tola verbonnn Graecorum sitpcUex
ex Oriente dvportari. Supcriore saeculo Goropitis lievanns, vir alioqui
doctus; et in^cnio non vidgari, omnia liugune Kbraeuc voeabula ex IJrabun-
ticis dediuerc adgressus est: vix magis insonus , quam qiii liodic oiunia
nostra ex Ebraeis peterc conantur , febriculosis coiijeciitris et inanibiis suspi-
cionibits frcti. Ilanc tu ut inf^eniorum pcstcm fu^ias, niictor tibi ero. ISul-
lus eiiim solidue doctrinae fruvtiis , nulla apttd cordatos homiiics gloria hinc
provenire poterit. cfr. Georg Zocga's Abhandlnnfren, hcraus-
gofi^ebfii und mit Zueützon begleitet von F. G. Welckcr, Göttingen
1«17 in 8, S, TU.
Jalirb. d. riiil. u. räilag. Jchrs- 1. Heft 2. 27
4l4 Programme.
hisloricavocahula esse eTplicanda ; in Jjatina lingtia^ praeter äo-
meslicus^ quaruni servatae sunt reliquiae ^ stirpes spectandas
esse Jeolicae Graeconim dialecti formas et roces^ nee coiifugien-
dum esse ad barbararum Itiigiiaruniauxüia^ nisiubiidoneae cau-
sae vel cogant vel suadeant (S. 6 — 7). In Ausmittelung der
Stammwörter lassen sich nun aber einifi^e Etymologen auf ent-
schiedenen Abwegen betreffen. Da wahrscheinliclier Weise die
ersten AVörter, deren sich die Mensclien bedienten, nur aus Einem
Vokale oder Einer Sylbe bestanden, so ist man auch bemühet ge-
>vesen in den allmählig ausgebildeten Sprachen ähnliche Sprach-
wurzeln aufzusuchen, ein Verfahren, das besonnen eingeleitet und
innerhalb der rechten Gränzen gehalten, nicht \ervverflich ist,
gleichwül, eben weil man es nicht verstand, die rechte Linie un-
verrückt zu beobachten, zu Aielerlei eiteln Spielereien und glei-
ssenden Thorheiten geführt Jiat (man sehe S. 7 — 8). Im Aus-
lundigmachen der Stammwörter empfiehlt der Ilr. Verf. die grosse-
ste Vorsicht und räth dabei vorzüglich dahin zu sehen: piiimim
vt stirpes illae certae sint^ neqiie confictae ^ dein ut rere insint
rocubulis , tum ut derivatio facile inde facta sit , denique vis et
significatio vocabuli appri/ne stirpi respondeat. Quodsi verho-
rum uut nojuinum nonnidloruin stirpes inveniri nequeant^ prae-
stat ab iis indagaudis abstinere^ quam temere ludere^ aut viiruni
in modum coacervare^ quae ex iis derivata dicuntur (S. 8).
Ob nun schon hierbei die Buchstabenvertauschung und Umsetzung
derselben nicht zu übersehen ist, so darf man doch auf dieselbe
bei Ableitung der Wörter und Namen von Einem Stamme nicht
zu viel Gewicht legen, und man liat nur darauf zu sehen: quae
prima., h. e. primitus usurpata fuerit vocabuli forma., quae dein-
eeps exstiterint. Ueberhaupt muss man sich bei Vergleicliung
der Wörter unter einander und dem Uemühen, sie auf ihren Ur-
sprung zurückzuführen, hüten, die Aehnlichkeit nur in wenigen
Uuchstaben oderSylben ausscliliessend zu suchen. Viele Etymo-
logen gingen hieiin über die Gebühr Aveit und führten Irrthümer
lierbei , w eiche die Geschichte der Völker und ihre Mythologie
vielfach getrübt haben, wie der Ilr. Verf. in den S. 9 angeführten
Beispielen nachweiset. Itaque., sagt der wiirdige Hr. Verf. S. 0
— 10, tum demum probanda crit et amplectenda derivatio voca-
bulorum a communi quadam stirpe., quae litterarum nonnullariim
mutatione nititiu\ quando nihil admixtum commissumve est., quod
probabilitati argumentandi., linguae ingetiio., dialectorum rationi-
bus., dicendi nsui repugnet., nihil quod lange qtiaesituvi contor-
tumve sit', nihil praeterjuissum est., quod propiorem indicet ori~
ginem; quando tandem optime ita vis et potestäs vocabulorum
et nominum intelligitur et illustratur. Nii'gends zeigt sich der-
malen das Bemühen, den Etymologieen auf die Spur zu kommen,
Bo sehr, als in der Mythologie und der ältesten Völkergeschichte.
Mau erläutert die Namen der Götter, der Helden, der Volker und
Bock: Obscrvatt.hlstoricaectrrit.Spec.lv. 415
Gcjrendcn, (IcrYölkcrstämmo, flcrKoloniccnanfi'iljror uiuIStaaten-
grüiuler, ?//, quid iis vc/e sif^nificcttir^ qaae nolio et quam ainpla
iis stibjccta m't ^ qni serisus in mythis lateat^ quid sibi veiiut et
quo spccteiit nnrrationes de iis qui nominantur ^ quue senteutia
rebus eorutn couimcnioiiitis e.vprimalu/\ iitrum^ quae de singulis
iraduntui\ proprie siut accipicnda au iuipropric et altegorice
ila ^ nt universae quaedmn ideae his iiouiiiiibus compreheiidi ex-
istimcntut\ vertu iutcll/^atur. liei Erläuteruiii:: dci* iNaint-n der
grossen lind kleinen Gottlieiteii nalim man entweder seine Zuüucht
zn den ausländischen Spraclien, deren schon oben Kr\väljnun^ ge-
schah, oder blieb bei der Griechischen stehen, Mie der Ilr. \erf.
an dem jVamen der Kabiren nachweiset, den man tlieils aus dem
Oriente lierholt: ci-aa potentes ^ oder wie Seh eil in g (nicht
Schlegel, wie die Note angiebt) D^^ian socii, theils aus dem
Griechischen Aon accen', xat^LV, KdsiQOi oder KäßsiQoi ableitet,
wie Welcker und Scliwenck, i^Ian sieht, dass jenachdem
der Ursprung des Wortes gel'asst wird, auch die Uedeutung inul
AuiFassung der mit diesem ISamen verknüpilen Erzählungen sich
verschieden gestalten muss. AV quum^ fährt der Ilr. Verf. S. 10
fort, deoru:n dearunive^ interduni etiani herouni et licroinarum^
noinina varia et res ad elenienta prinia^ ad sidera et corporacoe-
lestia et terrestria^ ad jihaenoniena jiaturae partesque universi^
ad eventa qjiaedarn nalurulia singulis locis propria , vidcania et
inarina ; heroum autevi jjlcrornmque nouiinaad initia cidturae liUr-
■niani generis ^ ad agriculturani ^ opificia^ navigationes ^ commer-
cium artes et quae sunt hujus gener is alia^ quorum inventis vita
humana auctaest^ referrentur ; ßeri no7i potuit^ quin hujus na-
minum propriorum interprclalionis 2}raesidia petereniur ex eo-
rum originibus^ in hunc tisum dicinando constitutis ; quae ratio
7iiulta pepe/it et diversa et viira commenta. Der Ilr, Verf. lässt
uns auch hier nicht in Ungcvissheit Viber die Rücksichten, welche
hier zu beobachten sind. Primuni^ heisst es S. 11, oniniuni in
Teliquiis historicorum veterum^ ordine et chro/iologico et geo-
graphica obseriafo^ quaercnduni erit^ ubinam et a quibns ^ quo
sensu,, quo consilio primum illa noinina juerint usurpata et
quae cum Ulis pritnitus conjunctae fuerint narrationes. J)einde
propagatiu hör um noniinjim per plures- regioues ^ populos,, poetas^
et mutationes m quae in eorum iisn et sensu faclae sunt ^ cogno-
scendue sunt ex iisdem anliquis fonlibus. Tum licebit reclius
judicurc^ quae sit eorum nominum origo^ et unde^ speclata ipso-
rum indole et linguarum analogia^ ducenda^ quae vis eorum
Sensim amplijicala^ quae viythorum cttin iis conjunclorum ratio.
Vitandus autem erit in hoc genere promiscnus quornmvis scri-
ptorum cujusvis aetatis usus m quorum,- qni longissiine absunt ab
anliquiori aetale et dicendi narrandique genere ^ et qui libenicr
suas , antea jant concepfas ant ex aliis haustas opiniones confir-
niare novo et urgulo modo sludent^Jide sunt indigni et velj"rag-
21 *
416 Programme.
menta scriptorum mdiquorinni, qx ae in suam rem et sententiam
affenint^ inlerdum suspecla. Miilto eliani ilüigeidiiis carendiim
est , ne antiqniora et receidiora nominuni intet pretamenta^ com-
menta Oricntis et Occidentis philosophorum, sive ad granwiali-
cam sive ad mifthicamrationem pertineant^ commisceantur ^ ex
qua docta^ vt multis videtui\ conjiisione rix sanae me?i/is Judi-
cium emerget. Dasselbe Vcrfaliren liat mau auch bei Aufsuchung
des Ursprungs und der Bedeutung derjenigen l^^igcnnamen zu
beobacliten , mit welclien Gegenden , Gebirge , Füisse , Insehi,
Städte bezeichnet sind , bei deren Erklärung mau gleichermassen
auf grosse Verschiedenheiten stösst , Avie der Ilr. Verf. an dem
Beispiele des Namens Asia S. 12 nachweiset. *)
Bei Erklärung der Yölkernameu liat man zweierlei in Er-
wägung zu nehmen: 'prinium ut ve putenms quaevis nomina si?i-
gidas gentcs aiit stirpes^ easqiie' diversas denotare. Deinde non
onmia nomina toiidem aut populos designarunt^ imo saepe unius
ejusde7nque gentis plura fuerunt sive nomina sive cognotnina
jyetitaa variis ejus virtutibus ^ futis ^ sedibus (p. 13). S. 14 sq.
spricht der Ilr. Verf. über die Willkür bei Erklärung der Eigen-
namen, wobei M iederura die grosseste Behutsamkeit anemj)fohleii
wird : ne omnes Mstoriae popidorum antiquissimae viros et du-
ces et reges adimamus et in merus eam ideas convertamus (p.
15). Auch bei Erläuterung der Namen ist mit Vorsicht zu ver-
fahren, welche, wie der Name Cadmus, nicht einzelne Menschen
bezeichnen, über dessen Herleitung S. 1(5 gesprochen wird. Der
Hr. \erf. beschliesst seine äusserst lehrreiche Abhandlung mit
den Worten : Omnino autem ut non una fuit ratio antiquis no-
mina hujus gencris explicandi^ ita nos quoque oportet non unum
uhique et eiindem semper sequi modmn originis et signißcationis
et sensus nominutn^ quae tradita nobis sunt^ et rerum idearum-
ve cum iis conjunctarum ^ sed eum sequi ^ qui et simplicissimus
Sit, et f adle se nobis offer at^ et non multa egeat atque subtili
*) Seine eigene Ansicht üLer den in Rede stehenden Namen trägt
er daselbst mit folgenden Worten vor: Et mihi quidem Jßig (s. Aoia)
yij 'primum dida videlur pars magis edita et excclsa ejus regionis , quac
nunc minor Asia dicitnr et undc plures gentcs in dcclivia et lüana loca mi-
grarunt. Quodsi PJioeniccs auctorcs fuerimt nominis Etiropae (cprtc
myihi de Europa, a Graecis exornati, videniur auctorcs cxstltisse), in corum
lingua hanc occidentalis regionis dcnominationcm fuisse probabilc est; cciic
non signißcare potuil [sclireibe : sign if icar c non poluit] terram ul-
borum hominum, si, de quo paulo post dicciur, Pclasgi Acthiopibus colorc
similcs fucrint. Letzteres heliauptet nämlich der Jfir. Pfarrer E i s s n c r
in seiner Sclirift: Die alten Pelasg er und ihre Mysterien,
Leipzig 1825, von dessen Forsclumgen und Ansichten Receus. uiichsteus
einige Mitthcilun<ren scheu wird.
Siebdrat: De studio ctjmologiae perverse Instltuto. 417
argtimentatio7ie^ vno sun sc commendet natura et consent mt cum
Ofntti aiitiquitaiis /'//ficjn'o et s///^//l/s ejus locis et rationibiis. Re-
cciiseiit verbiiulet niil (iieser Air/.ci^rc die ^on dem Schulproiframni
des Uli. IM. Carl Wilhelm Siebdrat, llect. des Gyinaasiums
zu Eislcbeii:
Ad urnbr ati o quae s t ioiiis de studio e t y iiiol o giae
amultis perverse et ins tit uto et adhibito. Ilalae,
tj'pis Gruncrti patris fiüique. MUCCCWV. 13 S. in 4.
Naclidcm der Hr. Verfasser im Eingänge seiner Sclmlschrift
den Eiit\>icklungsgang der etymologischen Studien namentlicli bei
Grieclicn und Römern nacIiifeM iesen und aul'dic mandicriei Mis-
^YiiXc und Abwege in Betreibung derselben hingedeutet hat, wen-
det er sicli S. 5 mit den Worten: Juni vero ne forte ma^na illa
et egregia co/nmoda, quae sane ad omnein Ungvarum discipli-
nam ex etymologia redundarunt^ si von tnrpiter ignorare ^ at
ciipide dcspicere^ atque ijjsam etymologiani si non relegare pro-
tinus ex orbe Utlerariun , at tcinere saspectani reddere^ indear^
zur Angabe dessen, was er sich in seiner Ahhandhmg kürzlich zu
zeigen vorgesetzt hat: age^ denionstretur brevissime ^ quo rmdti
modo abusi tinquani sinC hoc in genere soUertia sua; ad quas
abier int ineptias ; quam inutilibus quaestionibus^ quas ipsi solrere
oiequirent^ interpretationem veteruni auctorum [ lies : Script o-
rum'\ inipediverint ; quam inconsiderate arbitrio suo potius ob-
temper aver int ^ quam justis ralionibus ; quam pracpostere ex in-
firmis suis propositionibus ad rulionem rerum quarundam con~
cluse rillt ; quam perverse igitur et instituerint ^ et adhibuerint^
omne illud Studium. Hierauf folgen S. ß — ^ T einige Bemerkun-
gen über das, was die Alten unter dem BegrilFe: Ktymologie
zusammenfassten, welche der Hr. Verf. mit den Worten beschliesst:
JS on dijl'icile est inteUectu , etymologiam , proprie sie dictum^
[schreibe : q?i a m pr oprie d ic i m u s] p)liilosop}äae potius par-
iemfuisse., quam grammaiicae^ pcrtinet enim ad quaestionem de
natura rerum ^ et de vi menlis humanae ., qua Jactum esset ^ ut
quaeque res idoneo et convenieiüi naturae suac , non arbitrario^t
nomine appellaretur. W ie im Fortgange der Zeit das Studium
der Etymologie zu den Rlietoren und Grammatikern gelangt und
von diesen mit Elfer getrieben worden sey, wird S. T — 8 berich-
tet. Von S. 8 an werden die mancherlei Verirrungen der Etymo-
logen gerügt. Et priuium quidem omnino reprehendendosjudico^
quicunque de elyniis vocabulo r u vi t al iu m quaesirerunt., at-
que etia/nuum quaerunt. quoru m o r ig o, v el ob eo r u m s im-
p l ic i l at e m , v el q u i a n ullas paene de r iv at io n is n o-
t as impressas habe nt., ne que pat efieri im quam po t-
erit^ neque patefacta vim eorum et ])otestate?n
clarius esset monstratura., quam haec per sejant
appurct. S. l). JSeque minus vituperandos censeo.^
418 Programme.
qui nimis contortas^ loiigius arcesstt as^ interdtmi
adeo a contrariis tractas^ afferunt derivatiojies
et concliisiunculas^ in quibiis saepo vis uiia litte-
ra faveat et supersit. Als Beispiele werden S. 10 aufge-
führt 9;^6i')^(jig eigentlich: (pOQäg xal qov vu}]6ig oder (pogäg
6vr]6Lg^ Diana quod iioctu quasi diem cß'iceret^ lucus x«r
dvticpQaGtv , quia p ar uin luceat cet. S. 10. Tn j)rimis aöu-
tuntur et yinologiae studio ^ q^wruuiderivationes contra-
riae sunt aiialogiac et lingnae indoh\\\asS. 11 mit Bei-
spielen belegt uird. S, 11 werden die getadelt, die ohne JNotli zu
fremden Sprachen ilire Zuflucht nehmen , um aus ihnen , gegea
alle Gescliichte und Alterthumskunde, die Stämme der Wörter lier-
zuholen. S. 12 werden diejenigen eines grossen Irrthums beziich-
tiget, qiii ex sola etymologia vim et signißcationein vcrborum tibi-
que deßnire et co?islituere veäefit^ usu loquendi neglecto^ inglei-
chen : qui in constitucnda ortliographia vocabulorwn nimis per-
tinaciterurgent et ijmologiayn^ auch die trifft gerechter Tadel, wel-
che in der Geograpliie, der Geschichte und denAlterthü-
m e ru etwas Zuverlässiges einzig uiid allem auf dem Wege der
Etymologie gewinnen wollen.
Unter dem Texte finden sich viele, zum Theil recht scliätz-
bare Anmerkungen und litterarische Nachweisungen, unter wel-
chen freilich selir viele wichtige ganz und gar fehlen. Das Mei-
ste schehit der Hr. Vex'f. aus den Berichten der Litteraturzeitun-
gen, auf welche fleissig ^ erwiesen w ird , geschöpft zu haben. Der
lat. Stil ist leicht, fliessend und zeugt, wie mehre friihere Pro-
gramme des Hrn. Verf., von Fülle des Ausdrucks ; auf das Lob der
Reinheit kami er indessen weniger Anspruch machen , unrichtig
sind wiederholt /iewjje, iiimiruni imd scilicet gebraucht. Ange-
schlossen sind mit einem besondern Titel: Fortgesetzte
Nachrichten über die jetzige Verfassung desKö-
n i g I. Gymnasiums in E i s 1 e b e n von M.Karl W i l li. S i e b-
drat. Halle bei Grunert, 14 S. in 4. Das Gymnasium befindet
sich in einem blühenden Zustande nnd zaldte Ostern 1825, 208
Schüler, welche in 6 Klassen vertJieilt sind.
Dr. Eggcrt iu Halle.
K ü r z c r c A n z c i g- c n. 419
Kürzere Anzeigen.
Mythologie und Archacologic.
Handzeichntingeil von Karl Kürcher zu dessen Mythologie und
Archaeologie des clas.-Irichen Altertliuius. Ciirlsruhc bei GottUcb
Braun. 1825. fol. V Hefte , enthaltend (>2 Steindruektafeln.
Kurzgefasstes Handbuch des JFissenstvü r digsten
aus der Mythologie and A rchae olo gie de s das-
si sehen Altert hu ms von Karl Kürcher, besonders zu dessen
Ilandzeichnungen. Ebendaselbst. 1825. 230 S. 8. Preis des ganzen
Werkes auf Subscription 4 Thlr. , Ladenpreis 5 Thlr.
[Vergl. Hall. Lit. Zcif. 1826 Nr. 80 und Schulzeit. 1826 Abth.SLit.
Bi. 10.]
infolge der auf dem ümsclilage gegebenen Ankündigung Boll
„das Werk, aus den Quellen geschöpft, die ganze Archaeoiogie, mit
Kiicksicht auf die neuesten Forschungen, sowohl systematiscli als
durch gute und zuverlässige Abbildungen erläutei'u. Bcy den
Zeichnungen soll immer mit aller Gewissenhaftigkeit verfahren
werden , die man alten Kunstwerken schuldig ist, also ohne daran
etwas verscliönern od^er verbessern zu w ollen, was oft nicht schwer
gewesen wäre.*-' Eine solche Aukiindigung, ein so wohlfeiler Preis,
bey gutem und weissem Papier und einer gewissen Reinlichkeit in
der Ausführung , musste allen , die das Bedürfniss eines Werkes
dieser Art schon längst gefühlt hatten, sehr willkommen seyn,und
das zahlreiche Verzeichniss der Sul>scribenten beweist, dass die
Unternehmung in merkantilischer Ilhisiclit gelungen ist, so dass
ein gewissenhafter Leurtheiler um so weniger Bedenken tragen
darf, ein fre^müthiges Zeugniss von dem Werke zu geben.
Aus den beyden oben angeführten Titeln kann man nicht er-
rathen, ob die Zeichnungen zu dem Ilandbuclie oder das Hand-
buch zu den Zeichnungen gemacht worden, und die nähere Be-
trachtung der beiden Werke selbst vermag nicht darüber Auf-
schluss zu geben: deiui wenn die Zeichnungen nur Zugabe zu dem
Buche wären, so Hesse sich ihre Mangelhaftigkeit wohl begreifen,
wenn auch nicltt entschuldigen; das Buch für sich aber müsste
neue Ansichten und Aufschlüsse enthalten, oder doch vollständi-
ger, besser geordnet und in einem Tone geschrieben seyn, der
die Achtung für die Hoheit des Geistes und der Bildung des clas-
sischen Alterthmns beurkundete, welche hi den Zeichnungen nir-
gends zu linden ist. Demi mit Ausnahme derjenigen Vorstellun-
gen, die aus S c h 1 i cli t e g r o 1 1 s Stoschischer Dakthy liothek, Z o e-
ga's Bassivili\i, Horners Bil<lern des griechischen Alterthums
und vielleicht nocii eiiiis^en andern geradezu bloss durchgezeich-
net wurden, bind die üLrigeu \oii einer solchen BeschatTenheil,
420 Kürzere Anzeigen.
dass es besser wäre davon zu schweifen. Wollte mati aber an-
nehmen, die Zeirluiiiniren seyen die Ilauptsaclie, und das Buch
nur zur Erläuterung bevirelegt, so enthält es dann, statt einfa-
cher Erklärung der Vorstellungen, eine Menge von Dingen, die
gar nicht zu jenen gehören. Freylicli sind auch zu den Bildern
gelbst Erläuterungen gegeben; aber zum Thcil solche, die für
die Käufer des Werks eben nicht sehr erfreulich scyn dürften ;
denn über die versproclienen guten und zuverlässigen Abbildungen
berichtet uns die Vorrede S. IX imd X, „dass manche Vorstellun-
iiicht antik seyen; es liege nur den Gelehrten und Künstlern an
dem acht Antiken, das sey aber bey den Solüilern nicht der Fall
('?),'•' verspricht dann die nicht antiken V^orstcllungen gewissen-
liaft anzugeben und nennt 13 derselben mit dem Zusätze: „diess
ist alles ,'■'■ fährt dann aber fort: ,,der 'i'exl lehrt, warum noch ei-
nige andere nicht antike hinzugekommen sind,''- "imd weiterhin:
„Soll ich nun noch in den übrigen Abschnitten das Nichtantike
angeben; es ist wieder wenig; ichwills also diessniahl nicht thun.''-
Das ist Avirklich eine ganz neue Art von Zuverlässigkeit! Die ge-
wissenhafte Angabe hnt noch dazu den Zeus und Gcmymedes
von M e u g s Tab. I lig. 9 und die Themis mit Schirert und
JVage T. VllI flg. 13 vergessen und dagegen die wahrhaft anti-
ken MiiseJi T. VIII flg. 1 — 1) aus dem Museo Clementino für
nicht antik erklärt. Das sind sie zwar allerdings nicht, so ver-
kümmert und entstellt, wie sie hier gegeben werden, und dies
führt uns noch auf die versprochene Gewissenhaftigkeit, die nicbt
verschönei-n noch verbessern will, „was oft nicht schwer gewesen
wäre.'*' Man könnte dieses für unverständige Anmassung halten,
wenn man nicht bedächte, dass der Verfasser nur die Antiken
meint, wie sie in den deutschen Bildermythologien von Hirt,
Rani 1er, Moritz, Pitiscus u. s. w. vorkommen, und frey-
lich der Verbesserung sehr bedürftig seyn möchten.
Wenn man nun mit schwachen Kräften und dergleichen un-
zulänglichen Hülfsmitteln versehen nur auf das sogenannte Ge-
meinnützliche mid Wohlfeile ausgeht; so kann man wohl vieler-
ley Material zusammenhänfen; aber man wird damit nur von der
wahren Erkenntniss des Alterthums abführen, und der Jugend
durch solche Armseligkeiten allen Sinn und Geschmack verder-
ben. Man werfe nur einen Blick auf die unterste Reihe der er-
sten Tafeln der Mythologie , auf den V^atikanischen Apollo Ta-
fel II, Amor und Psyche Taf. IV, den Nil Taf. V und die Na-
Jade No. 9 ebendaselbst, und entscheide dann, ob unser üi'theil
zu hart sey. Wir übergehn die andern Abtheilungen des Werks,
z. B. den ganzen Plunder vom Kriegswesen mit grÖsstentheils ima-
ginären Vorstellungen nach alten Ausgaben von Caesar und Vi-
truAius, um noch ein Wort von der Baukunst zu sprechen. Hier
ist wieder der durchaus imagiaäre Palast des Odj/sseus aus dem
Yossisclien Homer mit einigen Erweiterungen als Beyspiel ei-
1
Kürcliers Handzeiclinungcn u. Ilandl). dcrMythol. u. Arcliaeologlc, 421
iier antiken Privatwolunmg im Cnindriss gegeben, statt eine sol-
che aus den Uebcrrcstcii von Pompeji zw wählen, wo ihrer viele
noch so zu ga"£:en voUstäiidiz erhalten sind. Die Tempel sind, mit
wenigen Ansnalmien, aus Ilirts Geschichte der Baukunst ent- '
lehnt, luid eben so roh und uniormlich £:elassen, wie sie dort Aor-
Ivominen , mo keine Säule caiu^lirt ist und iibcrüll die Einschnitte
in den Triglyjilieu l'ehlen. Eben weil das Werk iur Schüler be-
stimmt ist, diirlen nicht solche hieroglvphische Abkiirzungenuud
blosse Andeuiuuiren darin Aorkommen, wie sie allenfalls dein Ar-
chitekten irenüiren , der schon weiss, w ie die Saclie aussehen soll-
te. DaiTCireu ist das Doikmahl des Choregen Ijijsihates durch
einen falsch aufgesetzten üreyfuss (ebenfalls nach llirts Vorgan-
ge) verunstaltet. Auch ist nicht abzusehen, warum von demC/ß6-
viahl des Mausohis iAw gedoppelter Entwurf nach Weinbrcn-
ners und nach Ilirts Idee gegeben ist, da dergleichen Uebmigs-
stücke wohl fiir Architekten aber weder für Schüler noch Lehrer
des classischen Alterlhnms von besonderm Nutzen seyn können.
Die Beschreil)ung des Theaters kommt nicht bey dem Bauwesen,
sondern bey den Spielen vor, und ist ein Meisterstück von Confu-
siou. Ueberhaupt wenn Herr Kärcher, seiner Ankündigung ge-
mäss , die ganze Archacologic erläutern will, so weiss er offenbar
nicht, was alles hierzu gehört, sonst würde es ihm nicht einfal-
len, diese Wissenschaft, auch imr oberflächlich, auf 230 Octav-
Seiten vortragen zu wollen. Seine Aufgabe war, sicli auf dasje-
nige zu beschränken, was durch Nachahmung wirklich Aorhandc-
ner Ueberreste ans dem Alterthum in Bildern klar gemacht wer-
den kaim, und dann wären die Abschnitte; von Werbung und Sold
der Truppen, von Eintheilung der Armee und des Volks , seinen
^ ersammlungen und den obrigkeitlichen Aemtern von selbst Aveg-
gefallen. Am Avunderlichsten erscheint zuletzt noch das Verzeich-
niss der vorzüglichsten griechischen und römischen Schriftsteller,
von denen, mit Ausnahme des Orpheus von Bode, sonst nirgend
auch nur eine einzige Ausgabe augeiuhrt Avird. Von der Rück-
sicht auf die neuesten Forschungen gesteht die Vorrede, dass die-
se bey der 3Iythologie nicht thunlich gewesen sey, Avas Avir gerne
glauben und sogar höchlich billigen, Aveil jene neuplatonischen
Träumereyen mit den bildlichen, so Avie mit den schriftlichen I)o-
cumeuten ans der classischen Zeit im \\ iderspruche stehen. Was
von der Aersprochenen systematischen Anordnung zu halten sey,
kami man aus der beständigen Durcheinandermeiigung der grie-
chischen und römischen Gottheiten in der Mythologie imd der
gänzlichen \ eniachlässignng jeder Zeitangabe für die verschiede-
neu Vorstellnngsartcu abneluaen.
J. Homer.
422 Kürzere Anzeigen.
Götter und Heroen der Grie chen und Römer. Nach
alten Denkraälern bildlich darg-estellt auf XLVII Tafeln, nebst deren
Erklärung. Berlin , Itücker. 182«. 63 S. gr. 4. geh. 4 Thlr.
lii Vergleichung mit dem Kär eher sc heu Werke sind hier alle
Figuren besser gezeichnet ; die PJrklärungeu enthalten in der zweck-
raässigsten Kiirze nur das zu den Uildern Gehörige ; nicht antike
Vorstellungen sind gänzlich ausgeschlossen, und es ist in 415 IN um-
mern so ziemlich alles beygebracht, was mau von ehiera mytholo-
gischen Uilderbuche gewöhnlich erwartet. Aber dagegen darf mau
wolil fragen, wozu das Werk eigentlich dienen soll"* 31it 31 il-
11ns auch ins Deutsche übersetzter Galerie Mythologique
kann es die Vergleichung nicht aushalten, weder in der3Iannig-
faltigkeit der Uilder, noch in der Nettigkeit und kiinstlerischen Si-
cherheit der Zeichnungen; auch erscheint der erklärende Text gar
zu aphoristisch und weiset nirgends seine Quellen nach. Wäre das
Buch aber noch besser und reicher ausgestattet als das von Mil-
iin, so mVisste man es doch für ein überflüssiges Unternehmen
erklären: denn an die schon längst von Heyne gewünschte und
von Voss noch dringender geforderte Unterscheidung des Zeit-
alters der verschiedenen Vorsteilungsarten ist gar nicht gedaclit
worden. So z. B. kommt uns in der ersten Nummer die abscheu-
liche neuplatonische Fratze des yleon entgegen, der dann auf der
zweyten Tafel die zwölf Gottheiten im ältesten Styl nach dem Bas-
relief des KaUlmachos und andern folgen, an die sich wieder Wer-
ke aus den Zeiten der höchsten Entwicklung der Kunst unmittel-
bar anschliessen. Statuen, Basreliefs, Gemmen, Vasen und Wand-
gemälde, Mosaiken, eingestochene Pateren und Mignaturen aus
Handschriften haben zu dem Gemengsei beytragen müssen, das
weder die Wissenschaft noch die Kunst föidern kann; denn au
die von Winkel mann, wie es scheint, umsonst den Deutsclieu
verkündete Hoheit und Vortrefflichkeit der alten Kunst, an Un-
terscheidung des Styls u. s. w. ist bey solchen kleinen Umrissbild-
chen gar nicht zu denken. Das Beste an diesem Werke sind Pa-
pier und Druck , die beyde sehr gelobt werden müssen.
J. Homer.
Lateinische Dichter.
C. Valerius Catulliis. llecensuit et emendavit F. G. Potticr.
Parisiis, apud Malepeyre, Bibliopolaiu. 1825. — Albius Ti-
b II II US. Kccensuit et eiuendavit F. G. Potticr. Parisüs, ibid. eod, a.
Zusammen XX u. 215 S. 8.
▼ ▼ ir würden diess von Firmm Didot auf dem schönsten Papier
gedruckte Buch einer Erwähnung in chiem kritischen Blatte
Catullus et Tibullus. EJ. Pottlcr. 423
Deutschlands nicht gewürdiijt liaben , wenn niclit eine Grossspre-
clieici, die Herr P o 1 1 i e r, dessen phiiologisclieii Charakter scliou
ein andrer jMitarl)eiter der Jahrbücher deutlich genti^ bezeichne-
te, sich aui' dem 'l'itel erlaubt hat, eine Wariuiug^ nöthii; machte,
damit nicht unsre Landsleute, denen die Ansiclit des Euclies nicht
verstattet ist, durch das Lockende der AnkVuulii^mig zum Ankaut'
sich verführen lassen. Der äussere Titel des Diiches lautet näm-
lich so: Collection des auteurs Latins^ p^iblies et
c o IIa tioii lies sur les mauuscrits de la hibliothe que
du Itoi; und \\enn nlan nun damit das recensiiit et emendavit
auf dem ei2:entlichcn Titel des liuchcs veriileicht, so dürfte sich
leicht der Schluss bilden, dass Herr P o t ti er zu seinem Catull die
Königl. Französischen Handschriften benutzt habe. In diesem
>Vahn ging ich an dieses Buch, und war um so mehr auf Herrn
Pottiers Entdeckungen begierig, da ich selbst bei meiner An-
Mesenheit in Paris die dort befindlichen Handschriften des Dich-
ters (mit einziger Ausnahme des dem ]5 Jahrhundert angehören-
den codex Baluzianus nr. 84o8, der damals gerade von der Bi-
bliothek verliehen war) , so wie auch die beiden ersten Ausgaben
verglichen hatte, wobei ich bemerken muss, dass eine editio llo-
niana Aon 1474, die Santenius kennen wollte, nicht existirt,
wie mir Herr Yanpraet versicherte, dem man gewiss glauben
wird. iSun sagt auch allerdings Herr Pottier in seiner Franzö-
sisch geschriebenen Vorrede, von der dem Catull S. 1 — 4 uiul
1) — 14 gewidmet sind, während sicli der Rest mit Tibull beschäf-
tigt, dass die Königl. Bibliothek nur 8 — 1) Handschriften aus dem
15 JahrJiundert besiizt ; er hätte sich aber, da sie so gar neu seien,
sie selbst eben nichts neues darböten, mit ihnen nichts zu schaf-
fen machen wollen. Ohne mich um den zweiten Grund von Herrn
Pottiers iSachläf^sigkeit zu bekümmern, will ich nur einige Wor-
te über den ersten liinzufügen. Dieser klingt recht schön, ist aber
nicht wahr. Denn Cod. 85)71, der freilich nur das Epithalamium
LXll enthält, gehört dem 10 Jahrhundert an, und ist derselbe,
den Isaak Vossius unter der Benennung chartae Thuaneae mit
Recht sehr hochstellt, und aus dem auch Herr Boisso nade
an A erschiedenen Orten mehreres mitgethcilt Jiat. Er ist nament-
lich für die Beurtheilung der Geschichte des Textes nicht ohne
Wichtigkeit. Dazu kommt aber noch codex Sancto-Germanensis
(raanuscrils des petits convents, nr. 11(55), der vom 19 October
11375 datirt ist, und der ebenfalls, Memi er auch selbst an ein-
zelnen Stellen nicht sehr bedeutendes darbietet, doch im Allge-
niehien manches aufklärt, \\as früher dunkel war. Warum nun
hat Herr Pottier diese beiden Hülfsmittel ganz übergangen'?
warum hat er überhaupt über alte andere Handschriften und über
die l'idit. priiiceps ein so wegwerfendes ürtheil gefällt, als wie
namentlich von dieser mit folgenden \> orten zu lesen: Son teaUo
est en geiuiralpeu currect^ et ne peut elre d' un grand secours.
424: Kürzere Anzeij^en.
Wanim'? Aveil er von allen diesen Sachen niclits anjresehen Jiat,
sondern in seiner glückliclien Unbefangenheit die Urtheiie ande-
rer zn den seinigen macht, mid seine Leser damit blenden will.
Herr Pottier gicbt nnn folgendes zn hören: Prifd de In res-
source des monuscrits j ' cd du recourir aas edüiojis. Celle de
Docnng et une cuicienne des Aldes garnie de noles maitusvrits^
?«' OJit ete les jjIus utiles. Doerhig afaü sur Catidle uti tracail
'precieux jiour La literature Latine. Je n^ ai cm poiwoir
mieiix faire que de le jn'eiidre potir goidde dans inoji travuil^ et
de dornte r le teste de Catulle tcl ä peu pres qua Vaüait etabli
lui -meine. Je dis ä ji^u pres., car je ne me s?ds pas astreint ä
le copier litteralement ., et je me suis permis d' y faire quelqne
chajigements. Je ?ne borner'ai ü en citer dcux fies plus impor-
tttiites.
Was nun zuerst jene Versidierung anlangt, dass der TTr.TIeraus-
geber sich von Dörings Text einige Abweichungen erlaubt liabe, so
sind uns allerdings dergleichen vorgekommen. Niemand aber wird
eine durchgehende Angabe derselben verlangen, indem es sich
wahrlich nicht der Miihe verlohnen würde, Herrn Pottiers Ca-
tuU mit dem seines Vorgängers in keiner andern Absicht zu ver-
gleichen, als um nachzusehen, wo jener sich eine Aviilkülirliche
und unbewiesnc Aendenmg nach Lesarten der liandschril'ten oder
Vermuthungen anderer Herausgeber gestattet hat; denn dass Herr
Pottier eigne Muthmassungen in den Dichter hineingetragen
habe, wollen wir nicht hoffen. Wir haben in jener Absicht nur
Carra. 63, 65, 66 nach beiden Ausgaben verglichen , mid folgen-
des Ergebnis« gewonnen. Im 63stcn Gedicht hat Hr. Pottier
nichts geändert, als dass er an drei Stellen (Vs. 9, 20, 35) das
dem Sprachgebrauch freilich widerstrebende Cybelle in das lui-
inetrische Cybele veränderte. Carm. 65 Vers 16 ist statt espres-
sa die unrichtige Lesart escerpta aufgenommen; 66, 18 ist ge-
schrieben iuverint., wo es des Metrums wegen durcliaus iuerint
heissen muss, wie schon Hr. Döring richtig hat ; Vs. 45 liest Hr. P o t-
t i e r proper are statt j^ejoe/'ere bei Döring, was wenigstens besser als
jenes ist , und Vs. Ol verhis statt votis bei seinem Vorgänger. Da-
zu kommen noch einige orthographische Aenderungen ^ on weniger
Bedeutung, und der Leser kann sich nun selbst sein Urtheil über
Herrn Pottiers Verdienst imi seinen Dichter bilden.
Wir gehen jetzt zu jenen zwei in der Vorrede besonders aus-
gezeiclnieten Stellen über, beide aus dem 67 (bei Hrn. Pottier
durch einen Druckfehler T6) Gedicht, wo er Vs. 21 liest: an tu
non orbum lusti desertacubile., mit der Bemerkung, dass die Edit.
princ. so lese, was nicht wahr ist. Gesetzt aber auch, viele Hand-
schriften und alte Ausgaben vertheidigten diese Lesart, so köinite
sie doch nicht angenommen m erden, weil sie gegen den Zusam-
menhang streitet , wie das gleich darauf folgende sed aufs deut-
lichste zeigt, wofür Hr. Pottier das schlechtere et vorzieht.
Catullus et TibuUus. Ed. Potticr. 425
Den cinzijs; richtigen Sinn giebt die von nns Lereils anfgcnommcnc
Lesart, wolclie auch diinh säinmllichellandsehrirten von Wollen-
biittel und Paris bestätigt wWil. — Die zweite Stelle ist Yeis 77,
MO llr. Pottier das iianz lalsclic exspersa in den Text auT^e-
uoninien liat. Denn ausserdem, dass <Ke AVorte nur eine sehr
seinvere und gczwunirene irrammatiselie l^jrkliiruiii? zulassen, so
eiithalten sie ausserdem eine nnertriigliilie Taiitoloirie. Das Ver-
dienst, die Stelle zuerst verstanden zu haben, gebiilirt Herrn
F u s s in seiner jfc'y; i st ola ad L y c o v r i l i c u iii p. 48, der oli-
ne alle Aeränderunj; sie so erklärt: quicum ego^ omiiibus (sc. nunc,
in coelo posita) expcrs viiguentls^ dum virgo qnoiidanifuit^ una
millia miilta bibi. Wir geben gern alle l'riiliern \erbesserungs-
inid Krkläruugsversurlie dafür hin, und bedauern nur, dass Mir
in unsrer Ausgabe keinen (iebraucli davon Jiaben machen können.
Ausserdem erMälmt Ilr. Potticr (um nichts von ihm zu über-
gehen) die drei Priapejischen Gedichte JH, 19, 20, die sicli in an-
dern Ausgaben nicht landen, und die Ilr. Döring dem Dichter
wiederhergestellt liabe (!), und liat endlicli die S calig crs che
Verbindung von Carm. 75 und 87 als die einzig richtige em-
piolilen.
S. IX — XIV der Vorrede enthält ein Leben des Catull, wo
nur das Bekannte wiederholt und mit einigen zierlichen Französi-
sclieu liedcusarten verbrämt ist.
Julius Sillig.
Schulausgaben Römischer Ciassüier.
D
,Classical leaming — is yct oiie of the niost spleiuHd , and bcauti-
fnl i)ro\hKcs of literatiirc; and t!ie cultivatioa of it is highly cre-
ditablu to any aga, oi* any coiintry."
Q IL a r L erlij Re c i e w 1821 Nr. 50 p. 529.
as Ti e d Vi r f n i s s guter S c h u 1 a n s g a b e n ist seit v ierzig .Tali-
reu in Deutschland recht le])haft empi'imden worden, sei(dera
die Gymnasien anlingen die Alterthumsstudien wieder, im Shine
iMelanchthons und Erasmns, zur IIant)tsache des bildenden Ge-
lehrlenuiilerrichls zu machen, und die allseitige \ eredUmg des
Geistes und Herzens auzuerkemien, welche an die grinidliche
Interpretation der Autoren des Alterthums gebunden ist. ]\ur
schwache Stimmen haben sicli gegen den Vorzug der liuma-
uistischcn Studien erhoben (z. B. Ilesperus (825 jNr. 148,
7oG; — Allg. Anz. der Deutsch. 1826 iSr. 51), die zxnn wenig-
sten d^n recliten Ges!clilspun<;t verieldten. Healstudien al-
lein können keinen Gelehrten bilden ; f^o wenig aly b 1 o s s e K e n n t-
420 Kürzere Anzeigen.
niss alter Spraclien; aber der Geist und die Methode
der Altertliumswisiseiiscliaft (im Sinne Wolfs und Hermanns)
bleiben fih* Gymnasien das Ilauptmittcl den denkenden Geist auf-
zuregen, zu riihrcn, und ihm die Gabe schöner Darstel-
lung anzueignen. Schärfang der Aufmerksamkeit und Urtheils-
kraft wird z\var auch durch mathematische Studien erlangt; aber
doch am meisten im Vei'ein mit humanistischen Kenntnissen. G u-
ter Geschmack, und Klarheit der 13 e griffe werden am
sichersten aus den Quellen des Schönen, den treuen Schilderun-
gen der Natur in den alten Classikern, gewonnen. Ohne griind-
liche p li i 1 0 1 o g i s c h e Kenntnisse >\ iirde der T h e o 1 o g und J u-
rist bald zum seichten Schwätzer herabsinken ; und der Lehr-
et a n d kann sie gar nicht entbehren.
Um das Studium der alten Classikerzu erleichtern
und zu heben, entstand im J. 1779 die Zwey brück er
Sammlung römischer, und nachher auch griechischer Classi-
ker, die viel zur Verbreitung classischer Gelehi-samkeit beitrug.
Daneben wetteiferte die M annheimer Sammlung, die aber
in jeder Hinsicht der Zweybrikker nachstand. Die Nürnber-
ger, H a 1 1 i s c h e n , W ü r z b u r g e r u. a. Schulausgaben waren
blosse Abdrücke, und für die ärmsten Schüler berechnet. In
neuester Zeit haben die II a 1 1 i s c h e n Abdrücke Vorzüge erhal-
ten. Aber seit 1809 fing von Leipzig aus eine neue Samm-
lung lateinischer und griechischer Classiker an sich zu verbreiten,
unter der Leitung und aus der Presse des verdienstvollen Taucli-
nitz, die viel Nutzen stiftete, weil man nun die Classiker sehr
wohlfeil und in sehr bequemen Formaten haben konnte ; selbst
eelu' selten gewordene (z. B. Dio Cassius) erhielt man. Wie es
aber in der gelehrten Welt geht; diese Sammlung Murde von an-
dern überboten, und an Genauigkeit übertroßen. Man kann nicht
leugnen, dass die We ige Ische Sammlung weit sorgfältiger ge-
druckt und corrigirt ist. Einen besonderen Vorzug hat die Teub-
n er i sc he Sammlung durch die, den Prüfungsgeist erregenden,
beigefügten kurzen De merkungen, und die ungemeine
Sorgfalt der Herausgeber.
Mit Ehre muss aber auch die Lünemannsche Samm-
lung römischer Classiker genannt werden , die ausser ei-
nem guten Drucke das Verdienst grosser Genauigkeit und kriti-
scher Varianten hat. Sie erschien zuerst im D e u e r 1 i c h s c h c n
Verlage in Göttingen, von 1818 — 1823; aber seit 1824 beiHahn
hl Hannover. — Von diesen Lüneniannschen Schulaus-
gaben reden wir jetzt insbesondere, und bezeichnen das Eigen-
tliümliclie einer jeden derselben.
1) Deuerlichscher Verlag in Göttingen.
Bibliotheca Itoinana clas.sica; pr obatissimos ufri-
usque oratiojiis sciiptores latiiios exhibens. Ad
Bibliotli. Rom. class. Ailorn. Lüncmann. 427
optlinonim oditionnni fldcin , scliolarnm in nsniii, ndornavit Geo,
Jhnr. Lünematm, Vh. Pr. «rynin. Gottin«;-, llcctor. Vol. I — X. 8.
[\ii-I. IJcrk's Ucpert. 1824, III S. 122 und 1825, I S. fi7; Krit.Ri-
Mloth. 1821, 1 S. 20 u. 1821 , 5 S. 557; Göttin^. Anz. 1824 St.
159; Lcipz. Lit. Zeit. 182fi Nr. 154 u. 155; Schulzeit. 182() Abtii.
2 Nr. 45; Jal.rM). Ilft 1 S. 122.]
To. 1. Jloratii opera. Cottiiiirae 1818. XIV u. 262 S-
(S Gr.) mit a I lirein c in em und besondren Titel. — Die
Vorrede ^ieht den IMan dieser Sammlung an. Ks soll ein cor-
recter 'i'e\t nach den besten Ilau])(aiisgabcn geliefert werden.
Der Druck ist rein, und deiitlieh. Die Acrsmaasse sind Viber den
Oden angegeben. Das lieben llorazcns \q\\ Suetonius ist Aorans-
geschiekt ; besser >värc ein neuausgeail)eiletes gewesen. Die Aus-
graben Aon J an i, Mit seile rl ich, A anderb ourg, Bentley,
Fea, Ileindorf, Schelle sind verglichen. Wir müssen im
Allgemeinen bemerken, dass Ilr. Dr. Lünem. mit Kaltblütigkeit,
Umsicht, und Desclieidenheit verfährt; er lässt jedem sein Ver-
dienst, und geht steinen Weg ruhig Aorwärts! In den Oden stellt
L. 11,20,7: ego^quem vocas dilecte, iliflec. etc. Daaberlloraz
Kpod. 3, 20 iocose Macc. sagt, und auch sonst seine Vertrau-
lielikeit äussert, so ziehen A\ir dilecte Maeceiias vor, und neh-
men vocas (wofern es nicht rctas heissen muss) für: ladest zu
dir freundlich ein. — Sat. I, ]0 sind die absurden Vss, 1 —
8 mit Kecht als Flicken abgesondert; denn, wer Dichtcrgefülil
liat. schreibt nicht so! lief, begreift nicht, wie manjene Verse ver-
theidigen kann! Aber so müsste auch die lächerliche Stelle Od.
1\, 4, 18 — 22 längst vertilgt seyn. Das gesunde Gefühl, der
richtige Geschmack, geht über alle Handschriften. VMr können
den Kritikern, welche die iSatur der Sache Aertheidigten, es nicht
geinig Dank Avissen. Hier gelten keine Autoritäten, sondern ge-
sunder V erstand! Aber manche Herausgeber sind zu furchtsam.
To. II. VirgiliiMaro7iis opera. 1818. 385 Seiten. (10
Gr.) — Die AbAveichungen vom HeA nischen Texte sind ange-
geben. Sehr löblich ist aber auch der lirunc k is che Text und
der Aon Voss a erglichen. Hr. Dr. Lü n e m. sieht überall auf den
Grund, und ist ein feiner Kenner echter Latinität. Wir haben die
Ausw ahl der Lesarten meistens trelTeud, der INatur der Sache an-
gemessen , gefunden.
'J'o. 111. C. Plinii Caecil. See. epistolar. libri X,
1810. VI u. 3(52 Seiten (10 Gr.) Der lehrreiche Inhalt dieser
Briefe eignet sie recht sehr zu einem Schulhiiche. Der gereinigte
Text und A\ohlfeile Preis ist löblich. Die ^ arianten von der Gie-
rigschen Ausgabe siml angegel)en. So linden Lehrer und Schü-
ler bey der Prüfung dieser Lesarten Gelegenheit ihren Scharfsinn
zu üben.
To. IV, V, VI, VU. M. Tnll. Cice? onis epistolao ad
428 Kürzere Anzeigen.
Atticum^ Q^n. fr.^ ad famil. temporis orähie dispositae.
1820 11. 1821. (1 Tlilr. 22 Gr.) — To. I. YllI u. 375 S. —
To. IL 41(>8. — To. III. 322 S. — To. IV. 2J]6S., und Iiulices
297 — 321. Es ^iiid im Ganzen 862 Uiiefc aufgcnoninien. Die
clirouologisclie Ordnung ist nichts neues, da schon Theodor
S i b e r sie 1(;36 einführte, vergl. auch die ed. Oliveti in 4 To. VII,
Patavii 1753, p. 003 — 657, den comnientar. Ilagazoni, oder
riclitiger Car. Sigonii. — Die Abweichung in der chronol.
Ordnung in edd. Siberi, Sigonii, Schiitz, Wieland ist sehr begreif-
lich, da sie nicht ganz sicher ausgeniittelt werden kann. — Diese
Llinem. Ausg. hat mit Recht vielen Abgang gefunden , und wird
bald neu aufgelegt werden ! Die Yarianten vom Schiitzischen Tex-
te luid dieüebers. der griech. Ausdriicke stehen unter dem Texte.
— To. IV p. 301 ist die Ordnung der Cic. Driefe in den gewöhnl.
Ausgaben mit der chronol. Ordnung sehr zweckmässig zusam-
raengestellt. — p. 315 sind die ]Samen derer aufgezählt, welche
diese Briefe erhielten , oder sie sclirieben. — In der neuen Ausg.
wünschten wir ein vorausgeschicktes Leben Cic.'s chronol. aufge-
stellt, mn Alles übersehen zu können. Auf diese Art (und wenn
die griech. Ausdrücke in einem Register erblickt Averden) wii'd die
Ausg. sehr an Brauchbarkeit gewinnen.
To. VIII. Phaedri^ Aug. lib.^ fahulae Aesopiae.
Accedunt Ju l. Ph aedr /, et Aviani Ja hulae\ P. Sy ri se n-
tentiae; et Dioiiys. Catonis disticha. 1823. VIII u.
177 S. 6 Gr. Ungeachtet Phaedrus schwerlich ein alter Classi-
ker ist, sondern diese F'abehi dem Perott us angehören mögen,
so ist er doch ein sehr brauchbares Schulbuch, voll Lebensweis-
heit. Au der Form hat Logik und Aesthetik viel auszusetzen. —
Hr. D. Lünem. hat die neueste ScliAvabesche Ausg. (I80ß)
zum Grunde gelegt. Ferner sind die Ausg. von Casitti, 1811
fol. , und von Bothe, 1822, der Avian von Nodell, 1787, 8,
und Cannegieter 1731, gr. 8, der P. Syrus v. Orelli 1822,
der Cato von Tzschucke verglichen. Die bey Vandenh. 1807 er-
schienene J artet, cod. Haiiensis Aviani ist vergessen worden.
Auch hier bietet sich in dieser Ausg. ein gereinigter Text , guter
Druck und belehrende Varianten dar.
To. IX. Valerii Flaccii Sestini B alhi., A7' gonaiir-
ticonlibriVni. 1823. IV u. 101 S. 1) Gr. Unter Virgils
Nachahmern verdiente der hoclipoetische Flaccus vorzügliche
llücksicht. Der Merseburger Conr. Wagner hatte 1805 hi der
Dietrichschen Sammlung (die bald erloscli) eine sehr gute Schul-
ausgabe geliefert, welche nebst der von Burm,, 1724, und La-
malle, Paris 1811, soMiedie Ep. Grit, von Weichert, 1812, benutzt
ist. — Ilr. D. Lünem. hat hier keine neue llecension, aucli kei-
ne llecognition, sondern eine recht lesbare Sclmlausgabe liefern
wollen. Er wollte die Einführung dieses herrlichen Dichters in
den Gymnasien erieicliteru , und macht auf den "VVertli der Wag-
Biblloth. Rom. class. Adorn. Lüncmann. 429
nersclien und Weicliertsclicii Obss. aiifmeilcsam , wodurcli auch
die Lectiire dieser trefllicheii Arbeiten verbreite! Avird. — L. I,
19 ist qniim in s. iL — sen Sidou etc. nach aiu'i'rn rielitijjaur^e-
nomnieu worden. — I, 74 stellt naeli f/ueal ein FragezeicJien, um
die \ erbindunir mit dem Yorlierirelienden zu lieben. — 11, 2r>i)
vird /Äo///s Ijelesen, nach der Matur der Sache. — \, 84 wird
der Vers verMorfen.
To. X. C. Silii Italici Pitnicor. libri XVIL 1823.
400 S. 16 Gr. Auch liier kam es Herrn. 1). Lünein.blos auf einen les-
baren Text fiir Gymnasien an. Der Editor sieht iiberall aufrichti-
ge Intcrpunction, auf ijenaue Correctur, und auf Lesarten, die der
Natur des beschriebenen Gegenstandes auiremesscii sind. Daher
pind die xVusjT. von Drakenb., lluperti und Lefebre ^enau
veri^lichen und verbessert. So ist z. B. I, 104 torretur aufge-
nommen, mit der Bemerkung: tor (jueri rede quidem tota ter-
;■«, iion i'eni pars oröis terrannn dicihir. II, 30 u. 40 sind nach
Ileinsius umgestellt; YIII, 388 ist Ilupertis Lesart aufgenom-
men und W II, 17 mit demselben der Vers herausgeworfen. \ I,
(,'40 ist nach agros ein Comma gesetzt und Picenum und dives als
Apposition genommen.
II) Verlag der Ilahn sehen Ilofbuclihandlung in
Hannover.
Ä ova h ibliothe ca Romana classica^probatissimos
titriusque or ationis Script or es latinos exhibens.
Ad optimarum editionum fidem , schularum in usum, adornavtt
Gco. Ilcnr. Lüncmann. gr. 8.
To. I. C. Suetonii T r anquillt vitae XII Impera-
tor um. Ad optimar. etid. fidera etc. Hannover ae 1824. VI
u. 254 S. 10 Gr. Schon die zehn Bände des Deiierlichschen
\erlags waren gut gedruckt; aber diese neue Sammlung VibertrilFt
an Papier, Druck und Format jene bey weitem. — Der neu be-
lebte pjifer des Editors bot Alles auf, um diese gemeinnützige
Sammlung guter und wohlfeiler Schulausgaben der Vollkommen-
heit in ihrer Art immer näher zu bringen. Der Suetonius eig-
net sich blos für die oberen Classen und zum Privatiniterri(;hte;
besonders der röm. Altcrthiim. wegen. Hier ist die Erucsti-Wol-
fische Ausg. zum Grunde gelegt; die Abweichungen (nach Sprach -
gebraucli und exegetischem Geluhle) sind p. 251 — 254 angege-
ben. Auch die iibrigen Ausg. sind verglichen. Jul. Caes. c. 32
fin. ist inquit mit Recht gestrichen. — Octavian. c. 70 not. 14
ist et a memuria cius aufgenommen; denn Lipsius traf hier
das Rechte. — Tiber, c. 72 not. 23 isi serpens als Glosseiu ver-
worfen, vgl. die ähnliche SlelleOctav. c. 10. Puj)ier und Druck sind
vortrefllich ; der Druckfehler sind unbedeutend wenige.
To, II. C. C'rispi SaUust/i bell. Calil. et luß.
1825. VI u. 100 S. 4 Gr. Der noch immer sehr corrupte Text
iaUrb. d. Fhil. u. Püdag. JahrS- 1. Uijt i. 2S
430 Kürzere Anzeigen.
dieses geistreichen Ilistorikcrs ist nach der dritten Zweibr. Ausg.
besorj?t; doch hat Ilr, I). Lünern. neue Paragraphen gemacht, und
sowohl die Ortho;; raphie als Interpunction verbessert. — Catil.
8, 2 ist eam gesclirieben, in Beziehung auf's vorhei'gehende t(m~
ta virtus. — I u g ii r t h. 100 , 1 ist pariter atque echtröraiscli
hergestellt. Schon Havercanip änderte ac.
To. Hin. lY. C. Com. Taciti opera. 1825. Pars I.
315Seiten. {A?i7iales.) — Pars IL 200 S. {Histor. etc.) 20
Gr. Vom Tacitus war eine gute Sclmlaiisgabc selir wünscliens-
werth. Zwar hat sich Gronov und PJrnesti ausserordentlich um
diesen Historiker verdient gemacht; aber Oberlin hatte manches
wieder verdorben, weil er iUichtig arbeitete, und jenen Editoren
an feiner Kenntniss der Latinität sehrnaclistand. — Mit der ruhi-
gen Besonnenheit des grossen Ernesti sucht hier D. Lünem. einen
recht lesbaren Text aufzustellen , imd giebt To. II p. 254 — 260
seine \arianten gewissenhaft an; auch das O berlinische
Sachregister ist beigefügt. — Annal. IV, 52 § 4 fama
fuit. — Das unpassende /o/7«a hatte sich in die Gronovsche
Ausg. eingeschlichen , unjl Ernesti und Oberlin Hessen es
stehen. — Dem richtigen Gefiihle llupertis und Lünemanns
entging aber das Unpassende niclit. Trefflich bemerkt L ii n e m.
Simili modo in Quintiliano (ed. Gesn.) /X, 3, 49 prava scriptiaa
(lelata{j)ro deleto)pcrmansit ; qutim meliorem velletGesne-
rus; atque inde [per neglfgeJifiamed/loruifi] ineditt.Spald. et
Wulff.., quasi per ifsucapioiiein., immigravit. — Annal. XIII, 5,
2 abditis a tergo. — So nahm Lünem. richtig auf. * Er erklärt
so : Agrippina astabat abdit is {li. e occultis) a tergo [patruni)
foribus., velo discr. etc. — : Annal. XIV, 58, 3 liest Lünem. auf
eigene Gefahr: effugeret segnem mortem: o^ii suffiigium.,
et VI. nom. miserationem: reperturum etc. — Nämlich: effu-
geret segnem {h. e. in?ätam) ?nortem: otii (Ji.e. hominum in otio
viventiiim., a rep. ger. alicnor.^ siijfugium et {h. e. etiam) m. nom.
niis. {sc. esse): reperturum etc. — In der Germania ist rich-
tig Cattorum geschrieben; denn Chattorum ist und bleibt Schreib-
art des Mittelalters. Und so wird denn diese gemeinnützige Lü-
nem. Sammlung, neben ähnlichen sehr vortrefflichen der neue-
sten Zeit , ihren Werth behaupten können.
Dir. D. Hülsemann.
M. Tfillii Cicero?iis oratiomnn Verrinarurn liher
quar tus de sigiiis. Cum sclecta divcrsarum lectionum no-
tationc in usura scholaruni. > Curavit Nicol. Godofr. Eichhoff, l'hilo-
sophiae Doctor, Graecar. et Latinar. litterar. Professor in gymnasio
Wcilburgensi. Gicssae, ex ofTic. Heyeri. MDCCCXXV. 80 S. 8. 6 Gr.
ine halbe Seite Vorrede spricht von der Veranstaltung einer
besondern Ausgabe dieser einzelen Rede mit ganz kurzer Anmer-
E
Cicer. oratt. Verrin. lib. IV. Ed. Eichhoff. 431
Imns; der crliebliclistcn Abweiclmni^ in der Leseart. Ilr. Ilofr.
Schütz ist imsres Ilerausijebers Gewälirsmaiiii mit Ausnahme
Behr weniiijer Stellen , „^/^ quibiis Beckianae recentiojiis^'' [^o'\
^^ratio potior videretitr.'''- Gewiss dachte Hr. E. mit Cicero I Aca-
dem. 4, 13 ^^Ce/te enim recentissimu qnaeque sunt correcta et
emendata ina.riine.^'' Unsres Erachlens ersetzt die Beck'sche
Aus£:abe den jMana^el des Verdiensk's, niclit die neuste geblie-
hen zu seyn, eben durcli ihre Vorliebe IVir die älteste Lesart des
Cicero, die mit so umsichtiger Besonnenheit und mit so aufmerk-
samer Prüfung aller Entscheidmigsgründe ausgemittelt ist, dass
schwerlich zum eigenen \ ortheil jene neuere Ausgabe sich mit
dieser altern vergleichen möchte, ^^paucissimis locis esceptis'"'' :
daher es vielleicht gerathener gewesen wäre, den Leisten umzu-
kehren. So z. B. \ III, ] 7 (21) a. E. behält zwar Seh ü t z mit Recht
de OS l)ei: deos peiiales a te putrios reposcit ; aber die von
Hrn. Ilofr. Beck mit mehrern llandschril'ten ausgelassene Präpo-
sitio a ist olFenbar von einem ängstlichen Erklärer zu Vermei-
dung der schon dnrcli die Wortstellung gehobenen Zweideutigkeit
eingeschaltet. Dagegen liest Hr. E. 1 , 1 am Ende mit Grnter,
G a r a 1 0 n i inid E r n e s t i : iicqne in iabtila iteqiie t ext il i. Die-
se Auslassung des Vorwortes an zweiter Stelle nach ehiem Hel-
lenismus ist eine so eclit Lateinische und so gewählte Sjllepsis,
dass dieselbe leicht zu der von Hrn. Prof. Orelli, dessen selir
vorzügliclie Ausgabe des Cicero seitdem zum Theil ans Licht
getreten, aufgenommenen Lesart neqiie in t. neque textilem
Anlass geben konnte. Vergleichen lässt sich I de y^^^. 8, 25 vir-
tiis eadeni in homine ac deo est neque alio nllo ingenio prne-
terea. Zu den letzten Worten des III Cap. nulluni ^ inquani^ ho-
runi reliquit^ neque aliud vUuni t a ni e ;z, praeter un.^ni pervetus
ligneum hat Hr. E. angemerkt: ^^Taine n post ulluni mit est
corrigentis se. mit ^ de Schützii sententia^ trmisponendum., ita:
ne que aliud ul lum^ praeter u n u ni tarne n jjervet u s
etc.'-'' Mit Recht hat Hr. Prof. Orelli dieser Versetzungs- Sen-
tenz das Zeichen der Unzulässigkeit vorgesteckt. Und Hr. Prof.
Buttjna nn in jSov. actt. soc. lat. Jenens. 1 p. r>2 f. bringt aus der
handschriftlichen Wortstellung denselben Sinn heraus, anmerkend:
^^l\'enipe ad ridiculam cvccptionein properantis mens anleverte-
rat irrisoriuni hoc tarnen^ quasi dicturus: tarnen e ceteris
7(num pervetus ligneum reliquit.'-'- Vgl. eine ähnliche Syiichysis
im Brutus S!), 300. Ohne alle Anmerkung liest Hr. E. XV, 33
(43) --// ita Studiosus est huius praeclarae cxistimationis^ nt pu-
tetur in hisce rebus intelligens esse^ u l nuper .... quum cssent
iriclinia straf a argeiituiiique expositum in aedibus — , accesse-
rit ad urgent um ^ contcmplari unumquodque oliose et conside-
rare c oeper it. Es ist dieses die Lesart Kratander's. Al-
lein in den allermeisten Handschriften steht der Indicat. accessit
— cocpit. Zwar will Ilr. Orelli hier so wenig als 11 or. (i, 23
28*
432 Kürzere Anzeigen.
den vermciiitliclieu ^^Soloen'smus'-'' dulden. Indess da wir cinmalil
in einem Zeitalter revolutionärer Insurrectionen leben : so wi'irde
llec. weniger Aufhebens dariiber machen, wenn Cicero durch eine
Anakolutliie gegen die leges sacratas der Grammatisten frevelte :
wie I de or. 40, 183 Qnid^ quod usu^ memoria patrum^ venit^ u t
— , wo ebenfalls nichts von jit Abhängiges folgt : und pro domo
57 , 144 f., wo Ilr. O. selbst die Versuche entweder ut zu tilgen
oder das zuletzt nachfolgende piitabo in putem zu verwandeln
missbiliigt; und das von Miner>en und Rechts wegen! Tuscnl. V,
29 1 82 a te impetrarim libetder ^ ut — qtiod paulo ante Peripa-
teticos veteremqiie Academiam hortari videhare^ ut sine retra-
ctaiione libere dicere auderent^ sapieutes esse sempe?' beatissimos^
id velim audire^ quemadmodum his putes co/ise/itaneum esse
id dicere. C. XXIII, 51 (75) ist mit beibehaltner gemeiner Lesart:
ipse in oppidum acc e de re noluit., quod erat difficili ads censtt
atqiie ardiio ., angemerkt: ^.,accedere i.e. ascendere; hoc
praetulil Lambinus .,'•'• imd wohl mit Hecht: obgleich die Vulgate
PareuS vertheidigt im Lex. crit. p. 16. Die falsche Sinnabthei-
lung LYII, 126 (190) Nostrum enim iinusquisque ., qui tarn beati.,
quam iste est ., ?ion sunms., tam delicati esse non possumiis : si
quando aliquid eiusmodi videre volet., eat ad aedem Felicilatis
etc. zeigt, dass Hr. E. eben so irrig, wie andere Herausgeber, die
Glieder auf einander bezieht. Richtig theilt Hr. Buttraann a.
a. 0. p. 57, statt durch Kolon, bloss durch Komma vor si quando
ab. Denn es ist zu verbinden Nostrum enim quisqiie., si quando
— volet., eat etc. Das Glied tam delicati esse uon possumus bil-
det aber keinen Nachsatz, sondern hängt von qui ab, welches um
der Anapher tam willen nicht wiederholt wird. Bald nachher
(§ 191) sind die Fragen beibehalten: Verres haec habeat domi?
Ferres ornamentis fanorum atque oppidorum plenam habeat do-
7num., villas refertas'} Aber sehr richtig hatte Hr. Buttmann
bemerkt , dass mit weit bittererer Ironie hier permissive afFirmirt
werde. Auch Garatoni und Herel sahen ein, dass die Frag-
zeichen wegfallen müssten. Doch genug der Kritik Viber Einzel-
heiten bei Gelegenheit eines fast blossen Textabdruckes, der
übrigens nVitzlich werden kann, um in Schillern der ersten Classe
oder in Zuhörern akademischer Vorlesungen über diese Rede die
Lust zur alten Kunstgeschichte oder Archäologie anzuregen und
einige Vorkenntnisse derselben zu gewähren. Zuletzt sind 13 arge
Druckfehler angegeben.
fi. Bei er.
Carmina latina auct. Conrad. 433
Nene Latcinisclie Gedichte.
C ar mina Jjalina aurtore Jid. Conrad. Ejiisdem sumtibiis od'ita.
Lip^iae in coinmiss. llartinanni. 182(i. VI n. G3 S. 8.' geh. 10 Ur.
[Vrgl. Beck's Repert. 182Ü, II S, 210 f.]
Tf ir machen liier auf die ersten poetischen Versuche eines jun-
gen 3Iannes [Studiosus thooioir. auf der Universität zu Leipzig]
aufmerksam, der mit der Zeit in der Lateinischen Poesie etwas
Vorzügliches zu leisten Acrspriclit und sclu)n jetzt viele in diesem
Fache zu unserer Zeit gemachten Versuche weit hinter sich zmnick-
lässt. Die voi-liegende Sammlung liefert 19, theils klirzere, theils
längere Gediclite, die, ausser zweien, alle im elegischen \ ersmaas
geschrieben sind und sich durch einen leichten und gefälligen Vers-
hau und durch ein im Ganzen poetisches Colorit auszeichnen.
Der Hr. Verf. sclieint besonders (h id sich zum 3luster genommen
zu haben, und kommt ihm in manchen Stellen in der Gewandheit
des Verses ziemlich nahe. Die Diction ist meist rein von unlatei-
nischen Wörtern und Wendungen, uiul die Wahl der Bilder zeigt,
dass der Verf. in der Dichtersprache der Römer nicht gemeine
Kenntniss und Belesenheit hat. Die meisten dieser Gedichte hat
Hr. Conr. noch als Schüler [auf der Landesschule zu Meissen]
gemacht. Daher vermisst man auch bisweilen die gehörige Reife
des Urtheils, indem manchmahl eine Idee zu weit ausgesponnen,
anderswo nicht gehörig ausgefülut ist. Das Letztere ist beson-
ders der Fall in dem übrigens sehr gelungenen Briefe des LUixes
an die Penelope, aus dem wir folgende Stelle [Vs. 13 — 26] mit-
theilen:
Qtfifnif^ ad jmtn'am tmis ille redlhit Uli.res^
> Atque siniitl meviim priscaßdes et amor.
Fidiis amor soUius iteruni nos jungat ad aras^
Dum referam lapsi teinporis. acta tibi.
Alisa vieosquc canam per damna necesque labores^
Kt belli et loiif^ae per duo liistra riae.
Trifitia Sitho/iii refcreiitnr funera Jfhesi., ,
Mulaque noctaruo facta rapina dolo.
Narrabo ßammus iirbis caedesqne cruentas.,
Troirafiilali diruta templa manu.
Troja quidem [?] ciuis est., jacet Ilector et altus Achilles^
Atque jacent magni., piilcis et rimbra., viri;
Ille turnen., laetare., tuus tibi vivit LIlixes.,
Kt vivit 7iullo tempore laesus amor.
Aus dieser Stelle wird man liinläiiglich ersehen, wie sich der
A erf. in der Lateinischen Dichtkunst liewegt. Die meisten dieser
Gedichte sind Gelegenheitsgedichte oder haben eine specielle Be-
434 Kürzere Anzeigen.
Ziehung, wesshalb auch ein paar Stellen manchem Leser dunkel
bleiben dVirflen ( an zwei Stellen hat Ilr. C. durch beigegebene
Noten diese Dunkelheit aufzuhellen gesucht). Anderes aber, wie
die schon erwähnte Ileroide, die üescriptio terapestatis qua olira
in pago Weinboehla prope Misenani tres una homines ictu fulminis
tacti perierunt, die Elegie in Obituni b. Spoliuii, die Mors virginis
prope Megalohaynamviolenta manu nuper trucidatae u. s. w., wird
gewiss allgemeines Intert;sse erregen;
Ref. schliesst mit dem Wunsche, dass der Hr. Verf. fortfali-
ren möge, sich in der Lateinischen Poesie zu versuchen, und hegt
die Ueberzeugung, dass derselbe dann und bei fortgesetztem Stu-
dium der alten Römischen Muster mit der Zeit einen vorzüglichen
Platz unter den neuern Latein. Dichtern einnehmen werde.
Jahn.
Schulrede.
I^iner der wichtigsten Puncte im Schidieben ist gewiss die Ent-
lassung von Jünglingen auf die Universität, und es kommt viel
darauf an , wie sie entlassen w erden. Ein kräftiges und nach-
drückliches Wort, in solchen Augenblicken gesprochen, kann auf
das ganze akademische Leben Einfluss haben. Eine gediegene
Probe dessen, was sich dabei sagen lässt, hat Hr. Schulrath D i n-
t e r geliefert in einer kleinen Schrift :
Der Geist der Religion toeihe Dich heute am .Al-
täre de s Her rn für s acad emische Leben. Rede
eines Vaters an seinen Sühn. Neustadt a. d. Orla b. Wagner. 1826.
24 S. 8. 3 Gr.
Diese Weihe sucht der Redner darin, dass der Geist der Re-
ligion den Jüngling erfülle mit inniger Dankbarkeit beim Blick auf
das Vollendete , sein Nachdenken über den Ernst seiner Bestim-
mung erwecke ; ihm die Freuden des akademischen Lebens weise
geniesseii lehre und so zum Siege iiber die Versuchungen dessel-
ben rüste. Es bedarf hier keiner weitem Ausehiandersetzung des
Einzelnen , welches auch durchaus so in einander verwebt ist, dass
das Ganze in einem vollkommenen Gusse sich darstellt. Kräftig und
eindringend ist die ganze Rede, erschütternd besonders die War-
nungen vor Unzucht und vor dem Duell. Der Gegenstand ist übri-
gens von zu lioher Wichtigkeit, und das , was ein Dinter schreibt,
zu sehr als gediegen bekannt, als dass es einer besondern Em-
pfehlung dieser Schrift noch bedürfte. Hier reichte es liin, an-
zuzeigen, dass sie ersciüenen ist.
Jahn.
T li i c r s c h : über II u in c r s E n r o p ii i s c Ii c ii U r s p r ii ii g. 435
A b Ii a u d 1 II 11 2' (5 II.
Homci s Enr opäis c her Urspriin^^ oder Mcifeie Bc-
griiiiclun«:^ der Ansicht über diis Zeitalter und Vaterland des Homer,
vou Dr. Ucnilundt Thicisch, Oberlehrfer am Ivönigl. Dom-Gymna-
sio zu llulberstadt.
"Ogco TcXiOv (gtI t6 cpiXoTtiLov Tifpi TU tvSo^u üül TrXfi'oi's ol XciXrjdavTFg
Ti nsQi avxwv, zoacjiäe (iti^cov 6 tksyxo^, idv {irj K^ar/; zig rrjg lavoglag.
S t r a b o.
»» ie es bei der Entdeckung neuer Wahrheiten zu g'chen pflegt, das3
man erst durch Kinzelnheiten aufmerksam gemacht m ird, hernach tbeil-
weise Zveil'ehi Kaum gicbt , aber erst nach und nach von dem Alten
eich lossagt; so habe ich auch von dem Glauben, dass Homer ans
Asien stamme, micli keineswegs gewaltsam losgerissern, sondern nur
allmählig und nicht ohne inneres A^ iderstreben getrennt. Aber so na-
türlich mir auch die Ansicht vom Europäischen Ursprünge des Homer
zu seyu schien, so leicht sich auch der Zeitraum , m elcher ZAvischen
der Eroberung Troja's und dem Einfalle der Herakliden liegt , und
der Peloponnes, welcher die von Troja zurückkehrenden Griechen
aufnahm, jener als Periode und dieser als Wiege des Dichters darbie-
ten; so ist mir doch niemals eingefallen, dass sie, von den bisheri-
gen Ansichten so selir abw eichend , einer kampflosen Aufnahme sich
erfreuen, oder wider alle Erfahrung von tliörigter iinA engherziger
Intoleranz unvcrketzert bleiben könnte; nur die Art des Streitens hat
mir zuweilen als unvereinbar mit dem Geiste und der Kultur unscrä
Zeitalters vorkommen und fast die Erinnerung an La Peyrerc oder
Andre erwecken wollen. Solche Beurtheilungen meiner Ansicht, wel-
che gänzliche Unbekanntschaft mit dem Standpunkte der Untersuchun-
gen über Homer an den Tag legten , siiul nun zwar böse Zeichen , da
unsre Zeit, die mit so vielen Schriften überschüttet wird, gar nicht
Zeit hat, Alles sellist zu prüfen, sondern die Schreihseligkeit d(!r Mit-
welt nach dem Urtheil der Zeitschriften zu messen pflegt; mir seihst
aber müssen sie nur gleichgültig seyn. Denn was könnte mir w«>hl
daran liegen, ob man den Homer für einen Trojaner, Telemachiden,
Asiatischen oder Pelop«mnesischen Inner, oder sonst für einen Lands-
mann lialten willY Das aher sollte ich wohl verlangen können, dass
fcieh derjenige, der meine Ansiciit beurtheilen will, die Mühe gebe,
eie zu verstehen. Doch wie will ich das'? INun so muss es denn bleiben,
wie bisher. Gamaliels Glaube , o])gleich nicht immer förderlich,
scheint doch noch der beste; denn einen Anonymus von Irrthümern .
befreien wollen, hiessc in des Tliat Ai^iona Ofi^yeiv.
Da es mir gleichwohl um der Sache willen nicht angemessen
scheint, wegen nnerfreiiLicIier Streitigkeiten die angefangene Unter-
suchung aufzugehen und auf halbem \\ ege stehen zu bleiben; so will
ich, mich mit dem Schicksale Andrer tröstend, welche zu neuen Wahr-
436 Abhandlungen.
Iiciten den Weg bahnten , hier tlieils die von mu- ausgeführten Ideen
tiefer und fester begriuulen , theils das Wenige , was gegen meine An-
sicht gesagt Avorden ist, -widerlegen. „Ueber einen Allen so nahe lie-
genden Gegenstand , sagt einer der geistreichsten Männer unsrer Zeit,
als Homer jedem klassisch Gebildeten ist, lieset man immer gern et-
was Neues , es sey , dass man sich zur Einstimmung , oder zum Wi-
derspruch aufgeregt fühle , und dankt dem Schriftsteller , der aufs
neue in jene Welt einführt und Ucbersehenes vor das Auge bringt."
Einige Recensenten meiner Schrift sprechen von Asien als dem
Vaterlande des Homer , wie von einer ausgemachten Sache , und schei-
nen nicht zu wissen, dass bis jetzt noch gar nicht erwiesen war, aus
velchem Lande Homer stamme ^). Die Gi-iechen , welche die Home-
rischen Gedichte aus Asien erliielten , nahmen sie natürlicher Weise für
Asiatische Pi-odukte. Denn sie meinten, dass «in Werk dem Lande
angehören müsse , aus welchem man es erhalte. Dass die Homeri-
schen Gesänge mit den lonern schon aus Europa nach Asien gewan-
dert seyen , darauf konnten die spätem Europäischen Griechen nicht
kommen, weil sie nicht mehr aus den Stämmen bestanden, welche
vor der Ionischen Wandrung dort wohnten, sondern aus dem Norden
Griechenlands hinabgezogene Völker waren , w eiche die Eingebornen
oder damals vorgefundenen BeAvohncr unterdrückt, vertrieben und de-
ren Cultur durch das herbeigeführte Zeitalter der Verwirrung vernich-
tet hatten.
Die Geschichte jener Zeit ist wenig aufgeklärt und keineswegs so
bekannt, als ich vorausgesetzt habe. Da sie gleichwohl zur Begrün-
dung meiner Ansicht vom Europäischen Ursprünge des Homer selir
M'ichtig ist und diese aus ihr als natürlich sich von selbst ergiebt ; so
ist es nothwcndig, dass ich zunächst genauer in jene Periode einführe.
Die spätem für Griechen allgemeinen Namen kennt Homer nicht,
eondern, wie nach Strabo ^) der ganze Peloponnes in jener Zeit Ar-
gos hicss , ein gemeinsamer Name vom Hauptstaate hergenommen,
60 nennt auch Homer den Peloponnes zuweilen Argos und die Ge-
sammtgriechen nach den , zur Trojanischen und vorheraklidischen Zeit
bei'ühmten , Stämmen; Avas schon die Alten bemerkten ^), ohne dar-
auf die historische Deduktion zu gründen, dass der Dichter älter seyn
müsse, als jene von ilini nicht gebrauchten Namen. Dass der drei-
fache Name, mit Avelchem Homer die Griechen bezeichnet, Argeier,
Achäer und Danaer (abgeleitet von Stammhäuptern Danaus und Achäus,
oder vom Lande Argos), dessen mehrfache Einigung sich sinnig deuten
lässt ^) , nur vom vorherrschenden Volke hergenommen ist und die
untergeordneten Stämme mit befasst , gilt als unbezAveifelt. Die be-
kannte Stelle Herodots Vll, 94 scheint sich übrigens gegen den Vor-
1) Fast witzig heisgt es Procl. Chrestom. : xaQ-olov nSßa Ttohg ccVTinoist^
rat rov 'O(iVQ0v, o&ev ainoTcog uv KOOfiOTCoUrrjg Xtyoizo. 2) Strabo VIII
c. 5 § 5. 3) Strabo ibid. 4) K. 0. Müller Gesch. Hellen. Stämme. I Th.
S. 109 — 13.
Tliiersch: über Homers Europäischen Ursprung. 437
Wurf eines chronologischen Widerspruchs rechtfertigen zu lassen. Er
Siigt nchmlich. vor des Ion und Diinans Ankunl't hätten die loncr Th-
Xccoyol A^yialteg gchcissen, INininit man noch Ilerodot 1, 5fJ und l'au-
eanias VII, 1 dazu, so lä>st sich dies wohl vereinigen. Vorher nchiu-
lidi in Plithiotis, dem ersten Sitze der, nacli Deukalions Xaclikommen
später benannten, Stämme, Iiiesscn, sie l'elasgisch, und naiimen
diese Bezeichnung in ihre neuen Sitze mit hinüber. Die nun ihren
Sifz im Peloponnes am Gestade {atyialos^ nahmen '), bekamen also
mit Tollem Hechte den ISamcn UeXaoyol cciytaXEie , d. h. Uferpelas-
ger, so wie sie auch' Ufer io ncr ®) hernach genannt Avurden. Ue-
berhaupt aber muss man bedenken , dass der Name eines t&vos noXv-
TildvTjTov , um mit Ilerodot zu reden, ebenfalls wandelbar ist und in
der Urzeit nicht sowolil vom eignen Volke, als von Nachbarvölkern
gegeben vird, wenn man nicht mit Hüllmann '') annehmen will, dass
sie von den, durch sie dort besiegten Pelasgern , deren Sitze sie ein-
nahmen, so genannt m orden m ären. Möglicli wäre dies Letztere wohl,
jedoch weniger wahrscheinlicli , indem eher der Name der Besiegten
dem der Sieger weicht; Avobei icli an die Volker der Völkerwandrung
erinnere. Indessen geht hier die Vorgeschichte uns nicht Aveiter an.
Als die Griechischen A ölker unter den gemeinsamen Namen
Achäer, Argeier und Danacr gegen Troja zogen, wohnten die loncr
in dem Landstriche des Peloponnes , Avelcher nach dem Einbruch der
Herakliden von den die loner vordrängenden Achäern den Namen
Achaia bekam, und erscheinen als Nachbarn der AcJiäer, welche von
ihnen östlich Avolintcn und gleiches Stammes waren ^). Z^var be-
schränkte sicli der Sitz des ganzen Stammes der loner nicht blos auf
jenen Theil des Peloponnes ; er erstreckte sich vielmehr von Attika
und 3Iegaris aus über den Isthmus hin in den Peloponnes hinein, imd
die Peloponnesischen loner Avaren eine Kolonie der Athenischen ; aber
gleicIiAvohl sahen sie sich als vom Mutterstaate getrennt an , Avie man
aus der Grenzsäule am Isthmus schliessen kann ^) , Avelche an der
nördlichen Seite die Aufschrift hatte : ,, Von hier an ist nicht Pelopon-
nes, sondern lonia, " an der südlichen aber: „Von hier an ist Pelo-
ponnes, nicht lonia." Freilich ist dabei nicht ausgemacht, welcher
Periodp jener Markstein eigentlicli angehörte.
Da sich kein Stamm im Peloponnes vom Zuge gegen Troja aus-
Echloss, so mussten auch die loner mit zielien undAvurden, Avie die
andern, unter den allgemeinen Namen mit begrifFen. Wenn wir das
Keirh des Agamemnon aus dem Schiffskataloge zusammensetzen, so
findet sich , dass die Peloponnesischen loner zu seinen Völkern gehör-
ten * °). Dean die Hälfte der Städte aus Agamcmnons Herrschaft gc-
5) Pau§. VII, 1 leitet den Namen auf diese Art ab : s/cJ Sl o" cpaCiv ano
T?;S Zwpas, fivcn yuQ 7io}.lu avtr^g uiyudov. C) Paus. ibid. Aiyialslq
yuQ iy.uXovVTO "jcavtg. 7) Hüllmanu, Anfänge der GriccL. Gesch. S. 119.
b) Beide vom Stamme des Xuthus. !l) Strabo IX c. 1 «SJ G. 10) Ob alle
jene Städte echou wirkliche Städte warcu, was Strabo VllI, 337 leugnet, oder
438 Abhandlungen.
hören z« der Landschaft , in welcher damals die loner wohnten , als
Aegion (Iloin. 11. ß, 574), HelUie (ebend. 5T5), Avelches von Ion seihst
erhaut worden scjtii soll ^^), Pellenc (ehend. 574j, Koruith (eheiid.
570), Sicyon (ebend. 272) *^). Dass aber mit jenen Gef> enden Wohn-
sitze der loner gemeint seyen, ist, wie man aus Pausanias '^^ ei'se-
heii kann, eine alte 3Ieinung. Homer soll nehmrK-li (II. ß, 575) un-
ter AiyiaXov r' ava Ttuvra nicht etwa hlos schlechtweg am Ufer des
Meeres verstanden, sondern den Sitz der loner bezeichnet haben,
was theils der Zusatz vonHelike, theils die alten JVainen UiXaeyol Jlyicc-
lelg und JiyiaXils 'Icoviq bestätigen ^ *). Sonach würden ZAvar die
loner vom Homer nicht namentlich, aber wohl, was eben so gut ist,
mit dem IN amen ihres Landes angeführt. Ofi^gat yovv iv KatccX6ya>
räv [lETU 'jyafisfivovog i^rj^yiSGS t6 aQX<^^ov drjXäauL r^g yjjs bvofia '
AtyiaXöv z ava itävxa v.a\ afiq)' 'EXUtjv svQflav ^ ^).
Dagegen werden Städte aus dem spätem Argolis nicht unter Aga-
mcmnons Herrschaft genannt. Ob diese Unbegrenztheit der Gebiete
mit Recht eine Verwirrung genannt werden könne , welche durch die
Dorische Wandrung entstanden sei, wie Müller " ^) behaujitet, wird
sich wohl leicht beanlAvorten lassen. Denn dass die Dorische Wandrung
ßchon die Gebiete der Griechen zur Zeit des Trojanischen Kriegs ver-
rückt haben sollte, wäre ein gar arger Anachronismus, welchen wir
dem sonst genauen Chronologen nicht beimessen mögen ; dass aber
Homer euie spätere VerAvirrung auf die Trojanische Zeit übergetragen
habe, lässt sich noch weniger denken, oder alle historische Basis im
Homer hat aufgehört ; abgesehen davon , dass erst ausgemacht Merden
müsste , ob Homer nach jener Wandrung gelebt habe. Ist auch der
Schiffskatalog nicht Homerisch, wie angegeben Avorden (S. 48 ff.);
60 ist er doch ein altehrwürdiges Document, für dessen unverfälsehte
Erhaltung selbst die Griechischen Staaten durch Gesetze sorgten. Da-
her ziehe ich Strabo's *'^) Ansicht vor, zumal da es, Avie ebender-
selbe * ^) bemerkt , mit den Angaben andrer Gebiete ein ähnlicher
Fall ist, als des der Pylier , in welchem Arkadische Orte aufgeführt
werden; xä JzXsioza xwv nvXiKwv iv KaxaXöyo) q)Qa^ofi8vcov xcagimv
'AQ-AaSi'Aa ELvai do^H. Hieraus ergiebt sich nun , dass die loner , Avel-
clie damals am Eingange des Peloponnes Avohnten, an dem liLanipfe
vor Ilios Antheil hatten , Avas ich von Müller verleitet früher (S. 52)
leuffnete und hiemit zurücknehme.
nur Dorfschaften , geht dieser Untersuchung wenig an. Aber darin sliniint S<rabo
mit obiger Ansicht überein , dass er den Agamemnon zum Herrn der Ioiht macht
(Strab. VIII c. 6 § 10): MvKi^vag aal rd i-ttXQi KoqIv&ov xal 2iKvdJvog
aal TA~s 'icövcov (i£v Tovs Kai AiyiaXicov xa?.oviiivrjg , 'Axctuov S van-Qnv,
'AyaßSfivcov TtaQsXaßsv. 11) Pausan. VII, 1. 12) Vgl. llcrod. I, H.'i. 14G.
13) Pausan. VII, 1. 14) Vgl. Schol. major, z. Hom. II. ß, 575 u. Strabo VI»
c. 7 §. 1 taulElzo ÖS xo TcaXaiov , AlyiäXsLa' v.al ol evoinovvTeg, AtyLa-
iBig, 15) Pausan. a. a. O. l(i) K. O. Müller a. a. 0. S. 3G7. 17) Strab.
VllI c, 3 § 3. 18) Strab. VIII c. 3 § 32.
Thiersch: über Homers E uro päisch en Ursprung. 439
Der Umstand , dass die loncr vom Homer niemals namentlich an-
gcfülirt werden, Avürde allerdings gegen ilu'e Theilnalinu; an den» Tro-
janischen Kriege sprechen, wenn wir nicht anch anderwärts fäiulcii,
dass in der Geschichte noch nicht organisirter Völker gewöhnlich der
Äaiue des herrschenden Stammes vor^^alte und, wie in der Zeit der
^ ölkcrwandrung, untergeordnete Völker in sich hegreife. "Wer die
Theilnahme des Ionischen Stammes am Trojanischen kriege leugnen
wollte, der mnsste zeigen, wie es möglich seyn konnte, dass ein so
ausgebreiteter, berühmter und den Adiäern verwandter Stamm sich
nicht vom allgemeinen Unthusiasmus hinreissen liess , und da doch
alle Stämme mit zu Fehle zogen , allein zu Hause blieb ; ferner , wel-
che Ursachen ihn vom Zuge abhielten, und Marum der Schande, die
iliu deshalb trellcn musste , nicht gedacht m erde. Dass die Peloponne-
feischen loner zu Agamemnons Völkern gehörten, gellt vicllcidit auch
noch aus der spätem historischen Angabe hervor, welche ihnen l)el
ihrer A ertreibung aus dem Peloponnes einen Führer aus Agamemnons
Geschlecht giebt.
Was die andern loner hetrifft, welche damals ihren Sitz in At-
tika und Megaris hatten , so behauptet sclion Striibo * ^), dass sie un-
ter dem Namen Athener im Homer (11. ß, 54()) gemeint, und dass die
loner (Hom. II. r, ()85 luovs,^ die Athenischen wären, worin die
Grammatiker ^°) mit ilim einig sind. Payne Knigth hält zwar letz-
tere Stelle für interpolirt, aber da sein Grund, dass die Namen Dorer,
loner und Aoler jünger wären, als Homer, nicht passt, insofern der
Name Iccovig in der angeführten Stelle nicht ein allgemeiner, sondern
nur ein partieller Name für die Athenischen loner ist, so durfte jene
Stelle als acht fortbestehen.
Fine andre Michtige Frage, seit Avelclier Zeit der Name Helle-
nen für alle Griechen gewöhnlich werde , darf hier nicht übergangen
M erden. Nach Hüllmann ^^), dessen eben so gründliche als scharf-
sinnige Behandlung einiger Punkte jener Zeit nicht verkannt Averden
kann , kam der Gesammtname llellenea erst durch die Dorer auf,
w eiche als Hellenisch noch den Attischen lonern entgegengesetzt wer-
den "^). Nachdem sie in den Peloponnes gekommen Avaren und dort
wichtige Staaten gestiftet hatten, wurde der Name Hellenen, als
Name der Sieger , ein Fhrennarae und als solcher hernach von den
andern Stämmen gesucht. Allgemein galt er schon , Avie sich die lo-
ner in Asien niedergelassen hatten. Hätte nun Homer damals erst in
Asien unter den lonern gelebt, so musste ihm der Gesammtname
Hellenen bekannt seyn und er konnte ihn nicht verschmähen. Ein
Umstand , Avelcher auf ein Aveit höheres Alter des Homer führt. Je
mehr man die Geschichte jener Zeit erforschen Avird , desto mehr Aver-
den eich Andeutungen derselben Sache fuiden.
19) Strabo IX c. 1 S 5. 20) Apoll, Soph. p. 357 , Schul, raaj. z. Hom.
11. V, Ü85, Eustatli. cbcnd. 21) HüUmaun, Anf. «1. Griech. Gcscli. S. 117.
22) Hcrod. I, 5G.
440 Abhandlungen.
Kehren wir nun zu iler illtern Geschichte und zu den loncrn zu-
rück , Avelclie wir als Theihiehmer ara Trojanischen Kampfe verüesseii.
Während des Trojanischen Krieges und achtzig Jahre nachher
wechselt kein Volk des Peloponnes seinen Sitz.
Wenn die gewöhnlichen Handhücher der Griechischen Geschichte
die, auf die Eroberung Troja's folgende, Zeit mit Kriegen und Ver-
wirrung füllen, so machen sie einen gewaltigen Sprung, vielleicht
Weil sie nicht wissen, Avie sie drei Menschenalter anfüllen sollen, von
welchen die Geschichte keine ausführlichen Data aufweist. Denn die
Kriege und UraMÜlzungen im Peloponnes erfolgen nach einstimmiger
Angabe der Alten , unter welchen Thucydides obenan steht, erst 80
Jahre nach der Rückkehr der Helden , oder mit dem Einbruch der
Dorer. Selbst Schubarth in seinen schwerverständlichen Ideen über
Homer ^3) fängt die historische Deduction mit der Periode nach der
Einwandrung der Herakliden an.
Es ist demnach keine unM'ichtige Frage, welche zugleich meine
Ansicht über Homer aufhellen wird, wie die innere Gestal-
tung des Peloponnes in den achtzig Jahren war, die
zwischen der Eroberung Troja's und dem Einfalle
der Herakliden verflossen.
Die Geschichte des ersten Decennium nach der Eroberung Troja's
bis zur Rückkehr des Odysseus ist in der Odyssee enthalten, welche
uns die innere Lage der Reiche des Nestor, des Mcnelaus , des Aga-
memnon , des Odysseus und beiläufig auch andrer Könige schildert.
Nestors Reich , das Land der Pylier , war an der Mcstlichen
Küste des südlichen Peloponnes; wenn man es auf die spätem Länder-
namen zurückführen Avill, so lunfasste es Theile von Elis und Messe-
nieu längs der Küste hin vom rechten Ufer des Alpheos an bis an die
Grenze von Lakedämon , wenn Diokles zu Pherä , bei welchem Tele-
machus auf seiner Reise von Pylos nach Sparta übernachtet ^^), wirk-
lich ein Vasall des Menelaus war ^^); sonst würde Pherä mit kleinem
Gebiete zwischeninne liegen. Nestors Königssitz war Pylos, ob das
Triphylische, oder das Elische, oder das Messenische, darüber kön-
nen sich weder die alten noch neuen Historiker einigen ; denn alle drei
Städte streiten um die Ehre mit geographischen Gründen. Die neuern
Untersuchungen schwanken zwischen dem Triphylischen und Messeni-
schen Pylos; jenes nimmt Müller ^^), dieses Nitzsch ^'') in Schutz.
Indessen kommt hier bei der Untersuchung über das Land der Pylier
2S) SchuLartli, Ideen über Homer. S. 34 ff. 24) K. O. Müller a. a. O.
S. 187. Kurzer Umriss b. Strabo Vlil c. 3. 25) Odyss. y, 488. 2«) h. O.
Müller a. a. O. S. 303 — 67. vgl. Heyne z. Uias T. V S. 105, Strabo VIH c.
3 § 11 und 14, vorzüglich § 26 u. 27, 28, 29, wo das Elische und Messenische
verworfen werden. Paus. VI, 22 entscheidet sich für das Eleische. Diod. Sic. 14,
17 S. 652, 27) Nitzsch, Erklär. Anm. z. Odyss. S. 134 — 3G. ITnwillkiihrlich
erwacht bei dem Streite die Erinnerung an den alten Vers Strabo \ 111 c. 3 § 7:
"EoTi T1vXg<s TtQoTlvloLO- IJvlos yE [iiv ißzi v.al «Hos.
Thierse li: über Homers Europäischen Ursprung. 441
nnd ihren Zustand nichts darauf an , oh das Messenische oder Triphy-
liochc l'yU)s für das lloiueri:?che und IVestors Stadt gehalten werde, du,
das Land Nestors beide Städte entlüelt.
In diesem Küstenhmdc fülirt uns die Odyssee den Nestor auf,
wie er friedlich und ungestört nach den iMühcn des Troischen Krieges
regiert. Das» aucli die Nachbarn mit ilnu in Frieden leben, wissen
wir aus dem freundschaftlichen A erhältnisse, in Meldiem er fortMÜh-
reiul mit 3fenelaus stand. Von einer andern Seite grenzten die Kau-
konen an sein Gebiet, welche, wie man aus llom. Od. y, Sfifi schlie-
ssen kann , ebenfalls friedliche Gesinnnngen hegten. Athene sagt
nehiulich, sie MoUe zu den Kaukonen gehen, um mit ihnen etwas
auszugleichen. Diese Peloponncsischen Kaukonen , welche ihren Sitz
in Triphylien ^ ^) hatten , Avaren ein Pelasgisches Volk. Ihr Name
kommt auch unter den Asiatischen llülfsvolkeru der Troer vor ^^),
wo sie für Stammverwandte und Abkömmlinge der Peloponncsischen
Kaukonen gelialten Averden. Das Geschäft, Meldies Athene mit den
Kaukonen vorgeblich abmachen MÜl, Avird zMar nicht ganz deutlich
bezeichnet ' °) ; aber es handelte sich dabei , worauf es uns hier an-
kommt, um eine Ausgleichung, welche ein einzelner 3Iensch mit ei-
nem ganzen Volksstamme versuchen wellte. Bei innern Unruhen imd
in kriegerischer Zeit hätte man an dergleichen nicht denken können.
So unternimmt auch ohne alle A orbereitung zur Abwendung von
Gefahren Telcmachos mit einem Nestoriden den Besuch bei 3Ienelaus,
welcher zwei gute Tagereisen von Pylos entfernt wohnte. Man reist
aus einem Lande des Friedens und Wohlstandes in das andre.
In gleichem Genüsse glücklicher Ruhe , in welcher Telemachus
den Nestor zu Pylos traf, findet er den Menelaus in Lakedämon. Er
feiert, wenn anders der Anfang des vierten Buches der Odyssee acht
i»t, mit seinen Freunden das Fest der Vermählung seiner Tochter Her-
mione mit dem Neoptolemus oder doch wenigstens eine Nachfeier der-
selben, Avie Nitzsch verlangt, zu dessen Verlierrlichung sich Gesang
und Tanz gesellt, und lebt imgestört an der Seite der nach vielen Be-
schwerden Mieder erworbenen Helena.
So friedlich war die Läse der Reiche länffs der westlichen und
29) fiitci^v TTJg'H?.siag y.at IJvXov ol KavKcovsg oUovaiv Iv trj TQicpv-
Xta. eio'i dt y.cu aV.ot. tv Uucplayovicf, ol roig TqcügI GVfi^ccxiccv nL-fiipav-
Zig. Schol. Aiiibroa. z. Od. y, 'MX. IVacü Strabo war ihr Pelopomiesischer Sitz
nicht gcimu zu bestimmen. Strabo VIII c. 3 § 11. Er nimmt daber zwei Stäm-
ine Kaukonen an und liisat den andern in Elis iiohncn §, 17. Die Stelle Strabo's
ist sehr lirbte und gut begründet. 2'J) rwv iv TJcloTtQvvrjOoi Kavuövcov
unoLV.oi. Schol. maj. z. II. x, 429, Eustatb. p. Ii72, 32, Heyne z. Hom. 11. y., 429,
Mannert Geogr. 8 S. 3j2. 30) Wenn auch kein auf Zinsen geliehenes Geld,
woran Mcmaud gedacht hat; so ist doch kein solcher Ersatz uothweudig, wie ihn
Mlzsch fordert z. Odjs-s. S. 211. Die Schol. z. II. l, üH5 meinen eine VViederfor-
derung aufgefangener Hcerdeu , wo Hejne richtig bemerkt, XQ^^S '^^ öc'cveiov
detoignat h. 1. ca , quac \i capta et abducta bunt , quaerjuc idcu aut reddi aut pre-
tiu aequo rcdimi debent. Res repctcndac 8. rcpetitae.
442 Abhandlungen,
östliclicn Küste des Peloponnes im ersten Decennio nach dem Trojani-
eclicn Kriege.
Wäre der Zustand kriegerisch und unruhig gewesen, der Dichter
hätte dies nicht unbenutzt gelassen. Weit mehr -wäre das Interesse für
den Odysseus und die Erwartung wegen Endigung seiner vSchicksale
geweckt worden, wenn er unter kriegerischen Bewegungen im In-
nern seines Landes zurückgekehrt wäre; weit lebhaft^ hätte die
Reise des Telemachus angesprochen, wenn er im Ejeloponnes Gefalu:en
des Kriegs zu befürchten gehabt hätte.
Des Agamemnon und seines Landes Argos wird oft gedacht.
Die Frevelthat des Acgisthos -wurde keineswegs Ursache eines Kriegs.
Der romantische Rittergeist der Adiäisthen Helden , Avelclier vor dem
Kriege gegen Troja die Beleidigung eines Einzelnen zur allgemeinen
Sache machte , schien sich abgekühlt zu haben. Es findet sich keine
Spur, dass einer der Fürsten, welche der Raub einer Frau zu einem
Rachezuge in ein fern entlegenes Land anfeuerte, durch die Ermor-
dung des Agamemnon aufgereizt Avorden sey , Rache am Mörder zu
nehmen. Orestes ist sich ganz allein überlassen. Aegisthos regiert
ohne Störung sieben Jahre , und Orestes tritt , nach vollzogener Rache,
ohne Fehde die Herrschaft von*Argos an (Ilom. Od. y, 300 — 310).
Wo uns auch der Homerische Gesang in der Odyssee hinführt,
länger oder kürzer verweilend, ausführlich oder beiläufig erzählend,
überall finden Avir Frieden und Ruhe. Die rücksichtslose Unverschämt-
heit der Ithakesischen Fi-cier , welche nicht fähig, Gegenliebe zu er-
wecken, sie mit Gewalt ertrotzen wollen, ohne jedoch Gewalt zu
brauchen ; das Unglück welches der glücklichere BeAverber der Kly-
tämnestra über die Familie des Agamemnon bringt, dies und ähnliches
verursacht freilich Unannehmlichkeiten und schlimme häusliche Lage;
aber die Ruhe des Landes Avird dadurch nicht gestört. Man erzählt
sich davon zAvar mit Theilnahme und bedauert die , Avelche es angeht ;
aber grössere Folgen finden sich nicht.
Aber nicht nur das Leben, welches in der Odyssee dargestellt
wird, ist friedlich; sondern auch die Sprache , welche der Dichter sei-
nen Helden in den Mund legt , trägt das Gepräge des Friedens. Dies
geht selbst auf unbedeutende Dinge über und spiegelt sich als charak-
teristischer Zug sogar in den Gleichnissen ab (Od. x, 216 etc.).
Demnächst ist jener Zeit, die auf den Trojanischen Krieg folgte,
eigcnthümlich der Sinn für Gesang überhaupt , aber Aorzüglich für
Heldengesang (vergl. 8.22 fF. und Urgest. d. Odyss. § 1). Versetzt
mau sich mit den Homerischen Schilderungen recht lebhaft in die Zeit,
in Avelche die Handlung der Odyssee fällt , luul in die Lage der heim-
gekehrten Helden, Avelche die Mühen und Gefahren hinter sich, Glück
und Frieden um sich haben ; so erwartet num , das Andenken an den
beendigten Krieg als das zu finden , lun Avelches sich alles bewege, und
durch Avelches alles belebt Averde. So finden Avir es nun auch im Ho-
mer. Telemach ist nicht lange in Pylos und hat kaum das Gespräch
angesponnen (Od. y), so tritt die Erinnerung an die Begebenheiten
Thiersch: über Homers Europäischen Ursprung. 4143
vor Ilios ein; und aliormals ist es der Kreis der Illsclicn Tliaten , in
veldion Telciuach durrli die Erzählung des 3Icnehiiis und der llehma
gefülu-t Avii-d (Od. ö) , als er aus Pyh)S nach Lakedämon kommt. In
Ithiika singt IMieniids den Freiern zur Freude und der Penchipe zum
Schmerz die Uückkrhr der Ifjldcn. Wenn Penelope dem Sänger den
Gesang unterlagt (Od, o-, 338) , so ist es nicht Mangel an Sinn für
Ileldengesang; denn sie verbietet nur den Gesang, welcher das Ab-
irren des üdysseus entlüelt, und a erlangt vom Sänger, dass er ein
eigentliches Heldenlied ari!>tininie (l'Qyce dvÖQciäv xh üicov tf). Odysseus
kommt zu den Phäaken und der Sänger, welcher die dortigen Könige
unterhält, singt hauptsächlich von den Helden des Trojanischen Kriegs
(Od. &). Kurz überall lebt die Erinnerung an dieselben Begeben-
heiten und belebt das Geuiüth derer, denen sie unmittelbar oder mit-
telbar angehören. Wenn aber das, was uns im Homer vom Ilelden-
gesange anfgefübrt wird, nicht das Bild des Homerischen Heldenge-
sangs selbst ist; so weiss ich nicht, was man ausserdem noch dafür
lialt(;n müI; oder ich niüsstc an das berühmte Räthscl von dem Ivrcbse
und der Krebsin denken.
Dies ist der Abriss des Zustandcs der Griechen im ersten Decennio
nach Troja's Eroberung.
Jetzt treten wir nun in einen Zeitraum, wo uns auf einmal alle
Nachrichten abgehen. 3Ierkwürdig hat es mir immer geschienen,
wenn die Darsteller jener Zeiten nach Troja's Eroberung unmittelbar
Krieg und VerAvirrnng im Innern von Hellas folgen lassen, um so
mehr, da sie nur unter dem Kriege und der Verwirrung den Einfall
der Herakliden und dessen Folgen verstehen, welcher erst drei Men-
schenaltcr nach der Trojanischen Zeit erfolgt. Die Schuld liegt schon
an den Alten.
Bei allen , welche über jene Zeit geschrieben haben , findet sich
in der Geschichte des Peloponnes , von welchem ich hier rede, der
Sprung von 1184 — 1100 , oder von der Eroberung Troja's bis zum
Einbruch der Dorer.
So überschreitet Strabo jenes Zeitaller, als er von den Elccrn
erzählt ^^); eben so dort, als er von den Olympischen Spielen redet;
ebenso springt er \om Tode des Meiielaus auf die Zeit des Einfalls der
Herakliden ^ ^) und noch zweimal auf ähnliche AVeise '^); ebenso
scheint er den ZMischenraum , welcher nach Troja's Füll bis auf die
Ankunft der Herakliden folgte , in der Geschichte von Argos zu über-
gehen ''*), und erwähnt nirgends Begebenheiten , jene Epoche aus-
zulüllen.
Ganz 60 Mie Strabo verfährt auch Fausanias, Er berichtet ge-
31) Strabo VIII c. 3 R 30, 32) VIIF c. 4 g 1. 33) VIII c. 4 § 3,
g 5. 34j VIII c. C § 10 fiBzcc TU TQonKÜ TTJg 'j1yci(ih(ivovos ccqx^IS ''''^-
TuJ.v&slarjg -auI fiüXiatu fitvcc rrjv zwv' II(}ay.leiÖcov ^d^oÖov Gvvt^ri Mv-
xrjvas TanHVco&TJvai.
444 Abhandlungen.
nan über die Stammsagen der Griechischen Stämme bis auf den Troja-
nischen Krieg; aber bei dem Eintritt in die darauf folgende Zeit geht
er sogleich auf die Dorische Einwandrung über ^ *). Kein Wunder,
da keiner der altern ihnen etwas darüber darbot.
Ich erinnere mich keiner einzigen umfassendem Thatsache, wel-
che aus jener Zeit aus dem Peloponnes angeführt werde, als des Um-
etandes, dass nach des Menelaus Tode die IVeliden Messenien einge-
nommen haben ^ ^). Da Menelaus keine legitim^ männliche Nachkom-
menschaft hinterliess , so musste wohl sein Reich an Andre kommen.
Denn Megapenthes , Avelchen Homer erwähnt (Od. ö), und jVikostratos,
der bei spätem Schriftstellern vorkommt, Avurden vielleicht, wenn
anders etwas an der Sage ist , wegen ihres harten Verfahrens gegen
die Helena , zur Aergeltung , wie billig , verdrängt. Ein Theil von
Messenien gehörte schon zum Reiche der Neliden , daher Avohl der
nächste Nachbar bei der Erledigung der Herrschaft nicht übergangen
werden konnte. Lakonika selbst, welches das Ilauptland des 3Iene-
laus war , ging nicht auf die Neliden , sondern auf seine nächsten Ver-
wandten in Argos über. Die Art und Weise, wie diese Theilung zu
Stande gekommen' sey, ist nicht angegeben; da auch Orestes durch
Verheirathung nach der Sage dem Gcschlechte Nestors vei-wandt wur-
de , so lässt sich bei der friedlichen Stimmung, m eiche unter den \ ä-
tern geherrscht, mit vieler Wahrscheinlichkeit auf eine friedlicbe
Ausgleichung schllessen. Das Fortbestehen de^ Friedens imter den
Sühnen der Trojanischen Helden beweist mir unter andern auch die
Todesart derselben. Keiner von ihnen bleibt im Kriege. Neoptolemua
stirbt durch den Priester Machärcus (Find. Nem. VII, 58), Orestes am
Biss einer Schlange.
Wenn wir nun einen Zeitraum finden, welcher, ich will nicht
sagen arm , sondern ganz leer an Begebenheiten ist, wie sollen wir
ilin ausfüllen ? Mit Kriegen und VerM'irrung ? Nirgends erscheint die
Geschichte arm , wo Krieg und UmMÜlzung zu beschreiben ist. Das
scheint ihr Schicksal zu seyn , das Unglück der Staaten und Völker
beredt und ausführlich darzustellen , hingegen bei dem Glücke und
Wohlstande ein bedeutsames Schweigen zu beobachten. Während sie
den Regierungen der Nerone blätterreiche Bücher weiht , fertigt sie
die glückliche Periode der Antonine mit wenigen Zeilen ab. Es er-
weckt demnach der Älangel an auffallenden Begebenheiten eben kein
ungünstiges Vorurtheil für eine Epoche. Kriege dahin zu setzen , wo
sie die Geschichte nicht kennt, wäre ganz verkehrt; denn sie gerade
sind es, welche, wenn auch der Zeitgenosse nicht schreiben kann,
35) Paasan. VII c. 1 § 2. Die ganze Zeit ist dort mit den wenigen Worten
abgemacht: ol dl aTToyovoi rov Icovog rd 'icovcov icxov K^ärog , ig o vre
AxciLÜv i^tiTfaov aal ccvrol y.cd u Sii^og. 36) Strabo VIII c. 4 § 1
(liTU T^v Tov Msvilöcov TiXivzr/V, i^cca&BVT^aävrcov rcov öiaöa^afiivcov z^v
AuTicoviKr^v , OL Nr]ltlöai Tijg Meaarjviccg tTr^pjjjov.
Thiersch: über Homers Europäischen Ursprung. 4il5
von Munde zu Munde fortf;^opflan?.t werden und den Ilaltpunitt in der
Vcrgaiif^enhfit für das Gedäclitniss bilden.
Wo wir nun so von der Gescbichte verlassen werden , wie in der
Periode von der Rückkehr der Trojanischen Helden bis zur lleraklidi-
seilen Jiückliehr in den l'elopouiies, da <;ilt es, aus der ^ orlierg^ehen-
den und der, sie am andern l^nde bcf^rcnzendeu, Zeit auf sie zu
seliliessen, oder aus dem einen die Folgen und aus den Folgen die
Ürsaelien zu enUvickeln.
AVie wir oben das Verhältniss der l'eloponnesiselien Reiche zu
einander kennen gelernt haben, lässt sich znnäclist annehmen, dasa
bei Lebzeiten der damaligen Regenten es niclit g^cstört worden sey.
Nehmen wir diesen Zeitpunkt bis IKiO oder 50 an ; so bleiben noch
bis zum Einfall der Heraklidcn zwei Menschenaltcr, wie sie Herodot
annimmt, oder 60 Jahre.
Wenn nach des Jlenelaus Tode sich die NeÜden und Atriden in
sein Reich theiiten ; so haben sie nachher ohne Störung regiert; denn
Mir finden bei dem Euifall der llcrakliden beide Geschlechter im Be-
sitz der gedachten Länder. So wie sicli nach der Sitte jener Zeit
die Gastfreundschaft der Väter auf die Sohne vererbte und diesen ge-
bot , sich unter einander als Freunde anzusehen und zu schützen ; so
ging auch die freundschaftliche Stimmung der Trojanischen Helden auf
ilirc Nachkommen über. Uass die A ölker auch geistig Mciter kamen,
lässt sich aus der ruhigen Lntwickeluiig in den ersten Deccnnien fol-
gern. Man erwäge, wie gross die Folgen des Trojanischen Krieges
seyn mussten. Die reiche Beute , der durch sie geweckte W^ohlstand,
die durch Berührung mit vielen vorher unbekannten Völkern erwor-
benen Kenntnisse und neu erregten Ideen , die» alles musste dem
Geiste der damaligen Menschen einen Schwung und neues Leben
geben.
Da wir ntm im Peloponnes 80 Jahre lang von dem Trojanischen
Kriege bis zur Einwandrung der Dorer Ruhe und Wohlstand , poeti-
sche Stimmung und Begeisterung für die Helden des Trojanischen
Kriegs und Ihre Schicksale finden ; haben v ir da nidit zugleicli alles
gefunden , Mas zur Entstehung der Homerisclien Gesänge nöthig war?
Warum wollen wir aus der Zeit, In welcher Homer entstehen konnte
und natürlicher Weise entstehen musste , In eine weit fernei-e und weit
weniger geeignete gehen? AVarum aus dem Lande, welches der Natur
der Sache nach als das näcliste den Homc^r hervorbringen nmsste , In
das Ausland'? AVarum endlich den Entliusiasmus für Heldengesang und
die poetische Stimmung einem Zeitalter, welches beides historisch
hatte, ableugnen, und einem andern, von welchem die Geschichte
echwelgt , andichten?
Von der Zeit des Einfalls der Herakllden an wird die Geschichte
wieder heller und, obgleich nur stückweise, von allen Schriftstellern
doch in den Hauptsaclien einstimmig vorgetragen. Wir können die
loner vor Ihrer Ansiedelung in Asien nicht verlassen , nm diese Pe-
riode mit der vorhergehenden zu verglcichtju und dab«i zu sehen
Jahrb.d. riiil.u.Fädag. Jahrg. l. lief 12. - 29
446 Abhandlungen.
dass eie bei weitem nicht so geeignet war, den Homer hervorzu-
bringen.
Die Ileraliliden vcrbuiulen mit den Dorern , an welche sich auf
«lern Zuge eine Schaar Aetoler unter Oxyliis ansrhloissen ^ 7^ ^ zogen
aus "dem Norden Griechenland» in den Peloponnes. Alle Völker des
Peloponnes werden aus ihren Sitzen verdrängt oder müssen sich den
Siegern unterwerfen. Daaials lierrschte in Pylos Pisistratos, der Solm
des Pisistratos , Sohnes des Nestor ; in Jlessenien Melanthos gleichfalls
ein Nelide ^ ^) , welche beide sich dnrch die Flucht vor den Ileralili-
den nach Athen retteten. Ueber Mykene oder über Argos und Lake-
dämoii war Tisanienos, Sohn des Orestes und der Ilerniione, Gebieter.
Die Achüer von den Herakliden verdrängt Averfen sich auf ilire Nach-
bai'u, die loner. Im Kampfe ZAvischen beiden fällt Tisamenos ; die
Achäer siegen und v.Mingen die loner ihren Sitz zu verlassen. Die
loner ziehen sich über den Isthmus nacli Attika, "wo sie von ihren
Stammgenossen den Athenischen lonern aufgenommen Averden ; der
Landstrich aber, den sie im Peloponnes inne hatten, bekommt von
nun an den Namen des neuen Volkes, Achaia. So ungefähr stellen lle-
rodot, Strabo und Pausanias die Rückkehr der loner aus dem Pelo-
ponnes nach Attika dar '^).
37) Des Oxjlus Gcsclilecht war, wie das der Herakliden, aus dem Peloponnes
vertrieben. Um die väterliclie Herrschdft in Elia wieder zu erwerben, verband sich
Oxylus mit dem Herakliden Tcmenos , wurde Fülirer auf dem Wege dahin und
leitete auch im Peloponnes die weitem Unternehmungen. Er erhielt Elis Mieder.
So erzählt Strabo VIII c. 3 § 33 nach Ephorus. Düppelsage und in einigen
Nebenumständei! abweichend b. Pausan. V c. 3 u. 4. 3b) Strabo ^lll«c. 4
§ 1. 39) Die Uebersirht am kurzesicn bei Strabo VIII c. 7 § 1 ovtoj Ttolvav-
dQrjaai tj]v x^Öqkv {'AtriKriv) awinBOs rött, «ara xat ccnoi^iav tcov'Ioj-
vcov iGTiÜMV ti<i IJtloTTovvriaov 'A&rjvaloi, Kai rrjv xwQctv , r/V y.azicxov,
inavv/iov i-ciVTdjv inoirjoav, 'laviav avz' Aiytaliiccg v.l>]&Hcav , ql zu
avÖQig avzl Jiyialicüv"lcovis nQoorjyoQBv&rjßav , f/g öojöiy.cc nvXtiq iiiQi-
G&ivzeg. fiszd ös zrjv H^cckIfiÖwv y.(i&oöov , vn' 'Ax<xicov i^fXa&ivztg,
ijzav^X&ov näliv tig A^rjvag, — ol 8' 'Axcaol (I>&iü)zcii fitv i]aav zu .yi-
vog, oiurjaoiv ÖS iv Aa-/.irSaifiovt. zcov öh 'llQciKlsiÖcov iTCf>iQazrjauvzwv,
KvaXri(p%tvzi-g vno Tiaafxcvov zoiJ Ogsarov Tiaiöog , Toig"lo)6iv tniO'ivzo,
Kdi yivöfisvoi ■üQSiTovg zovg [xiv i^tßalov, avzoi öl v.aziG%ov zrjV yfjv, xai
SticpvXcc^av ZOP avtov zijg yrjg fitgtofiöv, ovntQ Y,al Ttagt'Xaßov. ovzco 8s
i'axvGcitv , coavs, zt]v aXlrjv ntXonowrjaov txövzoav zcov 'Ilgccalsibüiv , cov
aniGTrjGcxv, avzHxov of-img TtQog cinavzag, Axaiciv ovo/J-ÜGavzsg zrjV x^Q<^v.
Pausan. Vll , 1 § 3 zörs öl (.'/^;j;ortoi) vno dmgiiwv ikiti7tzw/.6zsg f^c zs
'Agyovg nal tx Aay.FSc.t[iovog, tni-ariQvy.ivovzo"l:oGLV avzoi zs Kalo ßaot-
Isvg TiGai-iivdg 6 'ÜQhGrov ytvsa&at gvvoihoi GcpiGiv avsv noXifiov. zdSv
ÖS 'Icovav zovg ßaaiX^ag VTtf/f-t Öiog , firj 'A%aiwv dvafiix&ivzcov avzolg
TiGafisvov iv yoivco ßaocXsa iiavzac , nazu zs ävögayaO-iav kkI yivovg
öo^av. 'icovcov Ö£ ov tiQoais^ivo^v zovg 'Axaicov loyovg , dllci iTis^tl^ov-
rcov Gvv OTtXoigy TiGaßfvog filv fnsGfv iv z'^'fiaxrj. — "Icovag ös dcpinons-
vovs ig rrjv 'AzzfKrjv 'A&rjvaloi y.cu 6 ßaaiXtvg avzcov Milav&og 'Avögo-
Ttöfinov GvvoLTiovg iöi^avzo, "Icovog zs Örj svixa kuI SQycov, cc inQC(i,£ no-
2.£{iaQXCöv 'A^rjvaioLg. (Er hatte nehmlich die Durger von Attika in Klassen ge-
thcilt, ysaqyql, ör]^LovQyo\, IsqojioioI (pvXaKSg. Strabo VIII c. 7. Vgl. das we-
nige und nur allgemein gesagte bei Herod. I, 113 — 47.)
Thierse li: über Homers Europäischen Ursprung'. 447
In Attilia nahm man die Inner p;crn auf; sie vart-ii Ahkömmlln"-c
der AtheniMhcu lonir , und Ion, von Avelchein sie den Namen trn"-en,
stand in Athen als erster Ordner des dortigen Lebens in gutem An-
denken.
liier In Attika wolmlen nun bis nach dem Tode des Kodrus die
loner neben Athenern und Flüebtlingen, Mclche vor den Dorern aus
dem Peloponnes eltcnfnlls dahin gekommen waren. Es lässt sich leicht
denken, dass Attika durcli die vielen und verscliiedenartigen Ankömm-
linge einen zu grossen Zum aclis erhielt , dessen es sich bald Avieder
entledigen musste. Denn nacli der Theiiung des Pclopc-nes unter die
siegenden Ilerakliden wurde Attika der erste iiubepunkt der Peloponne-
slschen Flüchtlinge '*°), und Mcnn auch die mei:^teu l)ahl Aveiter zo-
gen, so nennt doch die Gesciilchte ausser den "Innern noch die Messe-
nier unter ."Melunthns, welcher letztere sogar König und Stammvater
eines ruhmvollen Hauses In Athen wurde. Die Gesciilchte weist kein
Beispiel vnn dauerndem jNeben - und Ineinanderbestehen verschiedener
\ ölker auf. EntAveder vermischen sie sich zu einem , oder das eine
wird vom andern ^jnz unterdrückt, oder es wandert endlich das
eine aus.
iVach mehrern Jahren, wie Pausanlas **) sagt, oder, wie er
bestimmter hinzusetzt, nach des Kndrus Tode c. 1030 *^) stritten
sich die beiden ältesten Söhne um die Herrsdiaft; der jüngere Neletis
M'oUte dem altern 31edon , weil er körperlich gebrechlich war , nicht
unterthänig seyn. Nach Klitophon's * 3) Nachricht war der Streit
durch einen Orakelausspruch so ausgegliclien Avorden , dass Medon die
väterliche Herrschaft behalten , die andern Brüder Kolonien ausführen
sollten.
Die Söhne des Kndrus führten nun die Inner nach Asien hinüber.
Al)er keiucsAvegs bestand diese Ansiedelung blos aus lonern, sie sdiel-
nen nur der llaupttheil der ausA^ ändernden Völkermasse gcAvesen zu
seyn; denn es nahmen mehrere andre Stämme an der AusAvandrung
Tliell , als Tliebäer , Orchomenische .Vllnyer , Phocenser und Abanter
aus Euböa '*'*). Lnter verschiedenen Führern setzten sie sich an ver-
schiedenen Orten an der Asiatisdien Küste fest.
]Mit wenigen Ausnahmen stimmen In der Angalte Ann der Ansie-
delung jener Kolonisten Strabo und Pausanlas überein ^^).
40) Strabo IX c. 1 § 7 ivavdQOvGTjg Ss trjg 'JrTiy.TJg Stu rovg cpvyuSas ol
'Hga/J.ildra rpoßrjd-hvrfg iGtQccrsvGuv tnl rt)v 'Attihi^v. riTTr,%ivTbg Öl fidxj]
K.X. 41) l»au8. VII c. 2 § 1, 2 iztai öl ov TioV.olg vGziQov Miöcov aal Nr]-
Xtvg TtQiaßvzazoi zcöv KoÖqov naiÖcav tazaciaoav vntQ ZTJg aQxrjs
X. X. 42) \acli Eratostli. 140 Jahre nach der Eroberung Troja's , also 1040.
43) Schnl. major, z. Hmn II. v, 401. Die dort genannte Kolonie aiis Helike 8oll doch
ATohl loner in Attika bezeichnen, v. eiche aus llelike, wo sie zuletzt von den
Achäern belagert wurden, nach Attika gekommen waren. Auch Pau.nan. VII, 2, 1
erwähnt das Orakel. 44) Ilerodot. I, Hü nennt ausserdem noch Dr^oper, IMolos-
ser , Arkadi!>che Pclasgcr und Dorcr aus Epidduros. \gl. I'ausan. VII c. 2 § 2.
43} Strabo XIV c. I § 3 S. ü-Ti nennt alle der Reihe uach ; iu andrer Ordnung
29 *
448 Abhandlungen.
Nach Straho war das Haupt der Ionischen Auswandrung aus
Attika nach Kleinasicn , Avie er aus l'hcrelijdes berichtet, Andro-
k 1 o s, der Sohn des Kodrus , welcher sich , worhi ihm Fausanias
gleich berichtet, mit loncrn in Ephesus niederliess. INeleus, wel-
cher von Strabo *^) ein Pylier genannt Avivl, besetzte Miletos.
Kyaretos, nach Strabo Kydrelosund ein natürlicher Sohn
des Kodrus, nahm Myus ein. In Priene setzten sich Fhi Iotas aus
Theben und Aepytos ^'^), des Neleus Sohn.
Nach Kolophon Avandten sich die Söhne des Kodrus D am asi-
c h t h o n und P r o m e t h o s, v ie Tansanias angiebt, aber A n d r tä m o n,
welcher mit lonern Lebedos eingenommen haben soll, war nach Strabo
Stifter der Kolonie von Kolophon, der von Lebedos hingegen Andro-
pompos. Bei dieser NamenvrrM (u-hslung , wo Strabo's Angabe in
unserm Texte noch dazu schwankt ^^), wird man wohl sicherer dem
Fausanias folgen.
Nach Teos kamen hinter einander Athamas mit Orchomenl-
schen 3Iinyern , dann Dam asos und Nauklos, Söhne des Kodrus
mit Athenern, zuletzt Geres mit Böotern ^^).
Ei'ythrä erhielt als ersten Ansiedler einen Sohn des Kodrus, wel-
chen Fausanias K 1 e o p o s , Strabo K n o p o s nennt. ^ ^
Auf Samos setzte sich ein Urenkel des Ion, F r o k 1 e s mit Epidau-
rlern, nachdem, wie Strabo hinzufügt, vorher schon Tembrion dort
Fuss gefasst hatte ; auf Cliios aber nach Fausanias A m p h i k 1 o s aus
Histiäa in Euböa, nach Strabo Egertios mit einem gemischten
Haufen,
An der Grenze gegen Aeolis Hessen sich Fhocenser unter der
Anführung der Atheniensischen Brüder Philo ge n es und Dämon
nieder.
Klazomenä endlich scheint ein Ionischer Haufen unter Farpho-
r 0 s besetzt zu haben ' °).
Die Kiederlassung der loner in Asien ging nicht ohne Kampf vor
sich. Sie mussten dort mit den Karern, Lydern, Lelegern und an-
dern um den Besitz einen Kampf kämpfen, der hier und da mit der
Ausrottung oder Vertreibung der Einwohner endigte ^ *). Und nicht
Mos mit den dortigen Völkern, auch unter einander führten sie Fehden
und von Zwischenerzählungen unterbrochen stehen sie bei Fausanias VII cap. 2 §
2 bis cap. 4 § 7. 46) Neleus war ein Sohn des Kodrus , Kodrus des Melan-
thos, Melanthos ein Nelide oder Nachkomme des Nestor aus Pjlos. Daher heissen
bei Strabo mehrere jener Ionischen Führer Pylier. 47) Pausan. VII c. 2 § 7
nennt ihn Al'yvTtzos- 48) Die Lesart schwankt AvSQÖnofmoq , AfSgönodog,
'jvÖQOTiOXOg. 49) Bei Strabo ist die Ordnung I) Athamas, 2) Nauklos natürl.
Sohn des Kodrus, 3) Apökos und Damasos aus Athen, 4) Geres aus Büotien. 50)
Strabo a. a. 0. sagt ganz kurz viXa^O^ivccq 8e UccQCiXos (■nazeXceßsv). Dieser
Faralos scheint mit dem Parphuros des Fausanias (VII c. 3 § 5) eine Person
zu scyn, wiewohl auch Fausanias schnell von ihm abspringt und das übrige den
Stämmen beilegt. 51) Herod. I, 140 Fausan. VII c. 2§3 von der Vernich-
tung der Milesicr durch die loner.
T h i e r s c h : über Homers E u r o p "i I s c h c n U r s p r u n g. .449
und harte Krieg'c. Dass sie nicht genicinstun handelten siclit man schon
aus den i-olirtcn Niederlassungen. Zvar treten sie später iinPaninnion
xusannnen; aber gleic Involü sah sieh jede Stadt mit ibreui Gebiete
für ein besonderes Volk an. Um nur ein Beispiel von den auf die An-
fiedehing in A.»ieu folg-enden Unruhen anzuführen, gedenke ich des
Schicksals von Saraos. Kaum hat sieh Androklos in Ephesns nieder-
gelassen , so strebt er seinen Besitz durch Samos zu erweitern. Er
überfällt mit seinen Epln-s-iern die Insel und vertreibt den Lcorgos,
des Prokies Sohn, mit den Sanüern. Die Samier sind gezMungen in
Tlirake (Samotbrakf-) sieh einen neuen Wohnplatz zu suchen; aber sie
vergessen der von den Epliesiern erlittenen Unbill nicht , sie überfallen
später die Ephesier und verjagen sie Mieder ans Samos '^).
Ehe sich in Asien die Gemütlier beruhigen , die Städte im Innern
ordnen und von Aussen sichern konnten ; ehe Wohlstand , ein gemein-
earaer Geist und jNationalsinn erMcckt >vurden, musste eine geraume
Zeit vergehen. Aber wie ist ohne dies alles eine Entste-
hung des Homer, der das reine Gepräge der Nationa-
lität an sich trägt, nur denkbar?
Nicht ohne gute Abficht habe ich die Griechische Geschichte von
der Zerstörung Trojn's an bis nach der Niederlassung der Inner in
Asien näher beleuchtet, und lege nun nochmals jedem unpartlieiischen
Ueurtheiler, der von keinem Vorurtheile sich blenden lässt, die Frage
vor: Wenn er nicht wüsste, zu welcher Zeit die Ho-
merischen Gesänge entstanden seyen, welche Periode
der vorgelegten Geschichte er für ihre Entstehung
am geeignetsten halte?
Erst dort in Asien und unter solchen Umständen soll Homer er-
standen seyn? ,>Ian wäre vielleicht noch weiter heraufgegangen, wenn
man nicht gefürchtet hätte, dass in noch jüngerer Zeit jedem die Sage
als ganz ermattet und verdunkelt erscheinen müsste. Was spricht
denn aber für lonien? Die Zeit durchaus nicht; sie ist vielmehr da-
gegen. Das Land und die Nähe des Trojanischen Gebiets sind zwar
der alten Sage nicht entgegen; aber die 3Iöglichkeit, wie man des
Stoffes liabe habhaft werden können, und wie der Sinn und die leben-
dige Tlicilnahnie geweckt Avorden sei, ist nicht zu erMeisen. Der
Homer, Mie er ist, konnte als National werk nur un-
ter den nächsten Kindern und Kindeskindern der vor
Troja gestandenen Helden hervorgehen und in dem
Lande, welches die Heimkehrenden aufnahm und ih-
ren Ruhm verherrlichte.
Werfen wir nun, ehe wir zu etwas Anderm übergehen, noch
einen Blick auf den l'eloponnes , den wir zur Zeit des Einbruchs der
Herakliden verliessen.
Auf den Trümmern der frühern Reiche des Peloponnes, welche
52) Pausan. VII c. 4 § 3.
450 Abhandlungen.
eich unter der Herrschaft der Helden des Trojanischen Krieges und
ihrer Äachkonmien in HOj.ihrigcr lluhe und glücklichem Wohlstande
geistig gehoben hatten , erricJitcten nun die rohem Stamme neue iiei-
clie und die frühere Kultur ging unter ; gerade so wie an der Scheide
der alten Gescliiclite auf dem Boden des Weströmischen Reichs die
Kultur der Besiegten der Unkultur der Besieger »ich. Nun erst tritt
das Zeitalter der Befehdungen ein , nun erst entsteht im Peloponnes
ein endloser Krieg , der nicht eher aufhört , als bis sich die harten
Zöglinge Lykurgs zu Herren über Krieg und Frieden machen. Was
also unter den Zurückbleibenden im Peloponnes von Gebräuchen, Sitten
und Bildung war, das ging in der allgemeinen Vernichtung zu Grunde.
Dass sich in diesem Kriege Aller gegen Alle und in so lange Zeit an-
haltender \ erM irrung die Spuren des, mit der AusAvanderung der loner
in Europa verklungenen, Homerischen Gesangs dort verlieren mussten,
ist wohl leicht begreiflich. Wie sich die nordischen A'ölker nicht um
Literatur und geistreiche Produkte der Römer , sondern um ihre ein-
träglichen Besitzungen und um nützliche Uienstbarkeit kümmerten, so
lag auch den Herakliden und Dorern nichts am Vortrag Homerischer
Gesänge, welche das Lob der Helden feierten, die ihnen niclits an-
gingen, und den Avenigen von den zurückgebliebenen Peloponncsern,
w eiche Avohl noch hätten singen können , luusste bei ihrem traurigen
Loose unter der harten Herrschaft ihrer Besieger Avohl die Lust schwin-
den. Die A ergangenheit scliied dort eine scharfe Grenze , neue Völker
mit ihren eignen Stammsagen , neue Reiciie und neue , aber langsam
erfolgende , EntAvickelung des Geistes trat hervor.
Ausser der bisher dargelegten historischen Entwickelung mögen
noch andre Umstände, welche für die Entstchungsperiode des Homer
vor dem Einbruch der Dorer und für den Peloponnes als das Vater-
land desselben sprechen , hier ihren Platz finden.
Zunächst eine Aveitere Ausführung des sehr Avichtigen Grundes,
Avelchcr S. 30 aufgestellt wurde, ohne jedoch Berücksichtigung zu
finden.
Homer ist bei der Schilderung des Trojanischen Kriegs und der
Irrfahrten der Helden keinesAvegs blos auf die Avenigen Jaliv^p be-
schränkt, Avelche jene Begebenheiten umfassen; sondern die Erinne-
rung des Dicliters umfasst auch die Vergangenheit, so Aveit die Sage
zurückreichte. Die vortrojanische , in der Ilias und Odyssee enthal-
tene , Geschichte gelit fünf Älenschenalter hinauf und umschliesst das
Zeitalter der Ai-g^onauten , des Thebanischen Kriegs, des Herakles, des
Amphitruo , des Perseus und Pelops.
Hieraus ersieht man , dass es keineswegs in der Natur der Home-
rischen Poesie liegt , sich blos auf die vorliegende Handlung einzu-
schränken; dass sie dem Dichter vielmehr erlaubt, sich über die ganze
Vergangenheit beiläufig zu verbreiten. Nun ist es ja aber gar nicht
erklärbar, Avie es gekommen sey, dass die Erinnerung des Homer fünf
Menschenalter über Troja hinaus geht und mit dem Ende des Troja-
nischcu Kampfes abbricht , ohne aus der Zeit von ZAvei Jahrhunderten,
T h i e r s c h : ü b c r II o m c r 3 10 u r o p ü i s c li c n L r s p r u n g. 4J|1
welche er nach Trojii's Eroberunj^ fjolebt haben soll , ohvas einfliesscn
zu liisjcn, Wenn er unter den loiiern in Aüien er^r^t lebte, so müifsten
si('h der Analof^ie nach aucli Ueiiiiuiscenzen aus der für die loner so
Mlchti^en Periode ^on 1184 bis 1000 finden, üa sich nun aber derfilei-
chen niclit (ludet, so ist der Scliluss, dass lloiuer vor dem Kinfall
der Ilerakliden gelebt habe , Avohl zu reclitlerti^en. Die llias geht
bis zur Eroberung Troja"», indem sie dieselbe prophetisch enthält; die
Odyssee bis zur Kückkebr des Odysseus^ erwähnt Tr(»ja's Vernichtung
als geschehen, kennt den Tod des AehilUund Againeumon. Vom Tode
des Odysseus aber findet sich nichts , als die ^Vei^sagung des Tiresias,
dass er ruliig und im Frieden erfolgen Merde, zu welcher Vorlier-
verkündigung bei damaliger Hube uiul nach gliuk lieher Ueberwindung
der Freier eben kein Thebanisclier Seher erforderlich Mar * ').
Wenn auch nur auf ähnliche prophetische Weise , so hätte doch
über das spätere Schicksal der Ilomerischeu Personen etwas dem Sän-
ger entschlüpfen müssen. Ich gedenke hier nur des traurigen Endes
deV Helena auf Uliodos *'*); des Kelches des Helenus in Epirus *^);
des Reiches des Antenor am Adriatischen 3Ieero ^^); der INiederlas-
gung des Idomeneus in der regio Salentina *''); des Philoktet in Lu-
kanien ^^); des Diomedes in Arpi ^5); der Gründung von Megapon-
tnm durch ^letabus aus Nestors Gefolge ^°); der Erbauung von Sa-
lamis nova auf Cypern und weitere Wanderung nach llispanien ^^);
oder,Mcnn dies ausser der Sphäre des Dichters lag, der endlichen Schick-
bale seiner llaupthelden und der Thaten ihrer Nachkommen.
In eben dem Grade, in welchem das Schweigen über die Bege-
benheiten, welche ZMischen die Rückkehr der Helden und die Ioni-
sche Niederlassung in Asien fallen , darauf hindeutet , dass die Ilome-
ricben Gesänge schon im Peloponncs entstanden seyen , beweisen auch
die in der llias niedergelegten Erinnerungen aus der vortrojanischen
Geschichte und die Lokalität dieser Begebenheiten , dass nur das Eu-
ropäische Griechenland des Homer Vaterland seyn könne.
Aus der rein Asiatischen vortrojanischen Geschichte findet man nur
wenige sehr kurze Andeutungen , als der fabelhaften Abstammung der
Pferde des Aeneas (II. s, 2()5) , und des Kampfes mit den Amazonen
(II. 7, 184) ; aber alle Hauptbegebenheiten , m eiche über die Zeit des
Zuges gegen Troja hinausliegen, haben ihren Schauplatz im Europäi-
schen Griechenland.
Am reichsten ist die Geschichte der Pylicr ausgestattet. So er-
zählt Nestor ^^) aus seiner Jugend den Streit zwischen den Pyliern
und Eleern in der Veranlassung und Ausführung mit allen Umständen
5^ l'cbcr die vortrojanisicLen De^ebenhcitea vcrgl. Ileync's Excars. IV z. Hnm.
II. to T. \"11I S. W) ile rebus inemuratis ab Hoinero ex aiinis aute llindciii
ctr. 54) Uajlc Diel. Artikel Heleic. 53) Virgil. Acii. III, 295. .'W) Strabo
1, 83;Xni, 905. 57; Mrg. Aeu.lII, 400. .W) Virg. IV, lOJ ; Strabo VI, 390.
59) Strabo VI, 434. bO; Vellej. Pat. I, 1, (il) Strabo XIV, 1001; llorat. Od.
1, 7, 21 u. über Hlsp. SU. Ital. 111, 3CU. Ci) Hoin. II. l, G70 ff.
452 Allhandlungen.
lind der Lokalität entsprechend; so gedenkt er ^') des Streites der
Pylier mit den Arkadern bei Plieä und seines Kampfes mit dem Ereu-
thalion , wobei noch Nachrichten aus der frühern Gescliichte der
Arkader eingemischt werden; so berichtet er ^^}, wie er bei der Lei-
chenfeier des Epeer Amarynkeus zuBuprasion den Preis davon getragen,
und gegen welche Helden er im Faustkampfe, im Ringen, im Laufen
und mit der Lanze den Sieg davon getragen liabe ; so endlich erwähnt
er ^^) seine Theilnahme am Kampfe der Kentauren und Lapithen in
Thessalien, oder, wenn die Verse jener Stelle, welche von den Ken-
tauren und Lapithen handeln, nicht acht sind ^^), doch wenigstens
die Theilnahme an einem Kriege im nordlichen Griechenlande, wel-
cher der Trojanischen Expedition lange voraus ging.
Mit der unterhaltenden Redseligkeit eines Nestor lässt der Dich-
ter auch den Phönix '^'^) theils seine eignen frühern Schicksale, theils
und mit vorzüglicher Genauigkeit ^ ^) den Kampf zwischen den Acto-
lern und Kureten bei Kalydon darstellen.
Als Diomedes ^^) dem, ihm entgegen stehenden. Glaukos unter
andern sagt, dass er mit ihm, wenn er kein Sterblicher sey, nicht
etreiten wolle , um die Rache der Götter zu vermeiden, lässt ihn der
Dichter sein Beispiel aus der voi'gricchischen Geschichte nehmen , und
Glaukos, der einzige aus dem Trojanischen Heere, welcher aus der
Vorzeit Mehreres berichtet, ist zwar ein Lykier, aber seine Erzäh-
lung bewegt sich hauptsächlich um seinen Grossvater, den durch sein
wunderbares Schicksal bekannten Bellerophon , welcher aus dem Pe-
loponnes stammte und ein Gastfreund von Diomedes Vater geAvesen Mar.
Vorzüglich merkwürdig ist mir die geläuterte Darstellung der
Geschichte des Herakles im Homer erschienen. Schon die Alten '°)
nahmen mehr als einen Herakles an , wahrscheinlich um die verschie-
denen Schauplätze seiner Thaten und die, viele Menschenalter aus-
einanderliegende , Zeit derselben erklärlich zu linden , indem sie den
Herakles dem Lande und der Zeit nach unterschieden , oder , wie
Herodot, einen Herakles als Gott, und einen andern weit Jüngern als
Heros annahmen. Wollen wir auch nicht der glücklichen Hypothese
Hüllmanns ''*) huldigen, welcher den Herakles als eine Kollektivper-
son ansieht, imter welcher die Begebenheiten, Niederlassungen und
Kultureinrichtungen Phönizischer Kolonien zu verstehen seyen, und
nach den Ländern jener Niederlassungen drei verschiedene Herakles,
den Aegyptischen, Kretischeu und Griechischen unterscheidet ; so kön-
nen wir doch die vielen Wiedersprüche in der Sage vom Herakles
nicht verkennen und müssen die einfachen Angaben Homers , welche
nur kühne , die liraft der Griechischen Helden vor Troja nicht über-
63) Hom. 11. 77, 130 ff. G4) Ilom. 11. ip, 629 ff. 65) Hom. II. fi:, 260
ff. 66) Vgl. Pajne Knight z. Hom. 11. a, 265. 67) Hom. IX, »7 ff.
68) ebcnd. 525 ff. 60) Hom. II. ^, 123 ff. 70) Herodot. II, 43 — 45; Dio-
dor. III, 74 uud aa mehr. Stell. 71) Hüllmann, Anfänge der Griech. Gesch.
S. 9—30.
Tliierscli: über II oraers Europäische n Ursprung. 453
eteigende und siinimtllch in Bezug auf den Peloponnes stehende,
Thaten des Jleraliles Leilchtcn, als Zeichen eines höhern Altcrtluuns,
als das der, durch Geselnvätzigkeit und Wundersucht verbildeten, Sage
ist, gelten lassen. Im llüuier findet sich nichts von der liesiegung
des Aegyptischeu Antiios , nocli davon , dass Herakles eine Zeit lang
statt des Atlas den llinnuel getragen, oder die Aepfel aus den Gärten
der Hesperlden geholt lialjc; eben so wenig ist der Abführung der
Rinder des Geryon aus Spanien oder einer Expedition dahin gedacht.
Selbst die Thaten des Griediischen Herakles, velchen Homer
allein kennt, sind keine m underhuften. Zunächst wird sein Kampf ge-
gen den Pylischen Helens erwähnt ''^), der ihn, als er sich nach der
Ermordung des Ipliitos zu ihm flüchten wollte , abgewiesen hatte , und
erzählt, wie er in jenem Kampfe die Hera und den Hades, die dem
Keleus beistanden , verwundet habe ; dann wie er als ein kühner und
löwenmuthiger Held , um mich der Worte des Dichters zu bedienen,
mit sechs SchifTcu und wenigen Gehülfen zur EroJ)ernng Ilinms ge-
kommen '^^) und auf seiner Rückfahrt von dort durch Hera so ver-
folgt worden sei '^^), dass ihm nur durch Athenes Schutz die Rück-
kehr nach Argos gelang.
Eine so genaue Kenntniss der Oerllichkeiten des Peloponnes und
der dortigen frühern Begebenheiten, welche vorzüglich in den ange-
führten Erzählungen des Nestor so ausführlich und ])estimmt dargelegt
werden , und m eiche nicht nur der Ionischen Wandrung nach Asien,
sondern selbst der Rückkehr der loner aus dem Peloponnes nach At-
lika und dem Trojanischen Kriege lauge vorausgingen, war den Asia-
tischen lonern gar nicht möglich.
Der Europäische Ursprung des Homer spiegelt sich ausserdem
72) Hom. II. £, 392 ff. Dass dort nicht ein Kampf mit Hades an den Pforten
der Unterwelt , sondernder Kampf vor P^ los zu verstehen 8ey , hat schon Heyne
bewiesen z. Hom. l\. s, 39tj Tom. V, 2tj!l. Xcstor scheint Hom. 11. X, Cfi!) ff. don-
Belben Kampf zu meinen. Wie man iv Ilv).cp für tv Tivlaig "Jidov hat nehmen
können, ist fast unbegreiflich. l'ebrigens^st die A erwundiiiig der Hera und des
Hades durch Herakles nicht wundersamer , als die Aerwundiiiig der Aphrodite und
des Ares durch üiurncdes Hom. H. e. Darum dürfte auch Payne Koiglit Recht
bähen, wenn er l\. &, 3(j2 — lO mit mehreru umstehenden Versen verwirft; denn
es wird dort der vom Erechthrus dem Herakles auferlegten Arbeilen und seines
Ganpes nach der l'nterwelt gedacht. Gewiss wurde bei der öftern Erwiihnung des
Herakles im Homer jener Arbeiten specieller gedacht worden »sejn, wenn sie dem
Dichter bekannt waren , so aber kommen sie nur mit dem einen iVameu EvQV-
cQ'r^og UiQ'/.oi, vor, keiner besonders genannt. Vgl. z. II. ^)^ , 3(JIJ noch die aus
vielen Gründen von Heyne uuJ Knight bezwtil'eitc andre Stelle H. r, 133, welche
mit dem Ganzen von H7 — I3Ü von letzterm au^gcstosscn wird. Für die gegenwär-
tige Untersuchung ist die Sa'-he von keinem Eiufluss-, da jene Arbeiten ancli Ver-
richtungen des Gricchi;<chen llerakles waren. Aber die Erlegung des JNenieischen
Löwen und Erytnanthisrhen Ebers, die Vertilgung der Slymphalischcn Vögel, der
Krieg mit den Kentauren ti. s. w. , dies alles waren doch der Erinnerung wohl
würdige Thaten, welche Homer mit mehr als zMt:i Worten beehrt haben würde.
73j Hom. 11. £, 638 ff. ; ^, 200 ff. 71) Hom. 11. o, 21 ff.
454 Abhandlungen.
in vielen Ideinern , aber nicht unbedeutenden Umstfinden ab. Bei
Gleichnissen haben gewölinlich PelopounesIscheOertlichkcitfn den Vor-
rang; wie in der lieblichen Dichtung von der Kausiliaa '^^), wo die
mit ilir verglichene Artemis auf dem Taygetos und Eryuiauthos ge-
dacht wird. Warum denn gerade ein Lakedämonischer und Arkadi-
scher Berg? Konnte dies von einem Ionischen Dichter ausgehen?
Hatte ja der Ionische Dichter in seinem eignen Lande, Avelches durch
die Fracht des Tempels der Artemis berühmt ist, selbst Gebirge, die
der Göttin heilig waren, als den durch Artemis Liebling Endymion "^ '■)
berühmt gewordenen Latmos, und ist ja der natürliche Simger wohl
von Natur sclion geneigt, in seiner lleimath zu denken. Wenn Virgil
ein Gleiclies thut, so ist dies etwas ganz andres. Virgil ist Nachah-
mer, wagt sein Vorbild nicht zu verlassen und liält es für nötliig, seine
Götter aus Griechenland zu nehmen. Wenn daher in seinem Gedichte
Diana tanzend aufgeführt wird, so tanzt sie ihm an den Ufern des
Eurotas. Dem Nachahmer ist dies natürlich, dem Originaldichter
unnatürlich.
Die zufällige Zusammenstellung des VIrglls mit Homer führt
mich auf eine andre Verglelchung beider , aus Avelcher die genaue Be-
kanntschaft Homers mit dem Europäischen Griechenland und die aus
ihr schon früher von mir gezogene Folgerung noch mehr einleuch-
ten wird. Ich meine die Verglelchung zwischen Hom. Od. A, 314 xmd
Georg. I, 281 , welche schon von Wood "^ '^) angestellt wird und sich
bei Mad. Dacier '^''^ findet. Homer lässt in der angeführten Stelle
die Giganten Thessalische Gebirge in dieser Ordnung aufeinander
setzen :
"OsGuv in' OvXv/iTtov fib^aeccv Q'l^sv , ttVTUQ In' "Oggt]
IJqXiOV ftvoGicpvXXov , i'v ovQavog a/ußaros ^i'^j.
Der Olympus als der grösste macht die Basis , auf den Olympus >vlrd
seiner Grösse nach als der zweite der Ossa gesetzt, so dass der noch
kleinere Pelion zuletzt auf dem Ossa zu liegen kommt. So entsteht
eine naturgeraässe Aufeinanderfolge und die Berge erscheinen so über-
einander gcihürmt, dass sie eine gewaltige Pyramide bilden. Leicht
hätte sich aber der Dichter verirrdh können, wenn er jene Berge nicht
mit eignen Augen sah. Hätte er die Berge so folgen lassen , dass etwa
Pelion zwischen Ossa und Olympus, oder gar der Olympus oben zu
liegen gekommen wäre ; so erschiene die dichterische Fiktion lächer-
lich. GleicliMohl ist die verkehrte Folge bei Virgil:
Ter sunt ciuiati imponere Pello Ossam
Scilicet atque Ossae frondosum involvere Olympum.
Hier wird der Pelion als der kleinste zur Grundlage gemacht, auf ilm
der grössere Ossa gesetzt und der Olympus als der grösste auf den
Ossa ; eine umgekehrte Pyramide, welche iu sich gelbst zusammenstür-
75) Strabo XIV c. 1 § 8 (p. G3ti). 16) Wood a. a. O. S. Iü7.
77) L'OdysBcü d'ilomere par Mad. Dacier. Tom. II p. 13S.
T h i c r s c h : über 1[ o lu c r s Europäischen Ursprung. 455
zcn uiusste. Vir£>il , der jene Berge nicht sah, konnte verzeihlicher
AVeise so sclireihen ; aber ISonicr, der sie gerade so nnd nicht anders
folgen l^is^t, iicss sie so folgen, ueil er sie aus eigner Anschauung
Kannte. Aacl» IJonicr hihlen sie Stufen, damit der llininicl ersteigbar
w iirde {Tv ovQKvöi a/ißaTog ii'i/) ; denn audi bei der Fabel nnd in
Fiktionen beobachtet der Dichter die allgemeinen Regeln der Möglich-
keit und der innern Wahrscheinlichkeit. Aach Virgil aber erscheinen
sie in umgekehrter Ordnung so , dass der liölier liegende Berg über
den unter ihm liegenden herüberhängt und ein Hinauj'steigen gerade
unmöglicli luaclit. Dies meint auch 3lad. Dacier, von welcher Wood
glaubt, dass sie Strabo nicht verstanden habe ^^), Avehher selbst an
der Stelle dunkel sei. Homer, sagt sie, habe diese Folge der Berge
gewählt, parce qne de ccs trois montagnes l'Olympe est la plus grandc,
rOssa plus grand que le Feiion, et le Pelion la plus petite , aiusi hi
plus grande est la base, comme la raison Ic veut; sur cette base on
doit mettre la plus grande en suitc, et la plus petite doit etre sur les
deux comme la pynimide. So hatte schon Ca»aul)onns "^ ^) den SU'abo
verstanden, v eichen die Uacicr wahrscheinlich vor Augen hatte.
^^ ie leicht eine vorgctasste Meinung verführe , dazu giebt vor-
nehmlich Wood ^°) häuGg ein Beispiel. Mit dem Glauben, dass Ho-
mer nirgeiuls als in Asien geboren seyn könne , sieht er alles, Avas ihm
die Reise nach Asien bot, an, und wendet und dreht es für seine An-
sicht. Fr giebt zu, dass die Scene der Homerischen Götter in Grie-
chenland liege. Die nächste Folge musste also doch seyn , dass sie
auch da entstanden sey. So folgert er aber nicht, sondern sagt , „ die
obige Scene aus der Homerischen Mythologie zeige sich aus keinem
Gesichtspunkte vortheilliafter , als eben aus lonien." Als ob es mög-
lidi w äro , aus lonien herüber den Unterschied der Gebirge Thessa-
liens zu beurthellen!
Für den Feloponnes als Vaterland des Homer würde noch ein Um-
stand sprechen, den ich hier anfülire, weil Englische Gelehrte gerade
das Gegenthell daraus gefolgert haben. Aus liom. II. S, 50 — 5(> geht
wohl als das Natürlicliste hervor , dass die dort genannten Peloponne-
sischen Städte noch nicht von den Doreru zerstört seyn konnten, alä
78) Wood a. a. O. irrt sich in Bezog auf die Dacier, sie hatte nicht Strabo
in der Beschreibung von Theiiisalicn vor Augen IX, 430, wie tr citirt , «nudera
die Stelle Strabo's I, 27, wo er die GenauigUeit Homers in der örtlichen Bezeich-
nung rühmt: oTtov yecQ XQ^^^^ Ta^fw^ cov (.Li-^vifrai zunav, (pvlärTii ( Ofir]-
Qog) TiTjV tÜ^iv, öfioiwg fitv räv ' E).lrjvixciJv , ofiofois öl rcöv unojQ'SV "Oß-
Cav in OvXvuTiov fi^fiaaav 9tfitv x. X. 79) Vgl. Casaubou. comnient. ia
Strab. I, 27, b. Tzecbucke T. \ II S. 2b9. FO) Unter andern gesteht er (a. a.
O. S. CO) ganz arglos, daüs er Chios lieber als Smyrna für Homers Geburtsort
halte, weil er (Woodj sich am liingsten in Chios aufgehalten habe. !! Ein andermal
sieht er das Kriin^cln und Zunehmen der V> ogeu bciiii ^Vcstwinile für etwas Ioni-
sches an. Dats dies eine allgenieiiic Erscheinung bei ileni Eutstthcu des Windes
auf dem IMcerc ist, und bei dem Westwind an allen husten, die er wie die loui-
Bchca berührt, eich liudet, küuute der Vielgereiste wühl wiuscu.
456 Abhandlungen.
der Dichter lehte, Hera sagt nclimlich zum Zeus: „Ich habe drei sehr
liebe Städte, Argos, Sparta und Mjkcne. Zerstöre sie, wenn du ge-
gen sie erbittert bist ; ich will nicht dagegen streiten nodi dir es Meh-
ren." Dies konnte c. 1000 v. Ch. G. kein Asiatischer Dichter die Hera
sagen lassen, ohne lächei-lich zu werden. Denn damals Maren jene
Städte schon von den Dorern zerstört. Gleichwohl haben Andre , m ie
man bei Wood sehen kann ^*), in dieser Stelle sogar eine Anspielung
auf die Zerstörung jener Städte linden wollen, ohne zu bedenken, dass
ein ernster Dichter nicht auf den sonderbaren Einfall kommen könne,
die Zerstörung von Städten , die zu seiner Zeit schon zerstört waren,
zu erlauben. Er hätte dafür andre damals blühende Städte geM'ählt.
Das ungründliche Verfahren der meisten Beurtheiler meiner An-
sicht und die lächerlicJie Ignoranz des einen , auf welchen ich viel-
leicht weiter unten, wenn es nöthig seyn sollte, zurückkommen werde,
veranlassen mich, noch ehe ich zur Berücksichtigung einiger von ih-
nen angeregten Umstände übergehe, abermals, vic oben S. 31 ff.,
den »Weg zu bezeichnen, auf welchen sie gegen mich auftreten müss-
ten. Als Beispiel stelle ich ihnen zuvörderst Strabo auf lib. VllI c. 7
§ 2, obgleich er sich bald darauf selbst widerlegt; aber er führt
doch Gründe an. Homer, meint er, müsse nach der Niederlassung
der loner in Asien gelebt haben , Aveil er des Panionischen Opfers ge-
denke , welches die Asiatischen loner dem Poseidon Ileliko-
nios ^^) zu bringen pflegten.
Von einem Panionischen Opfer der Asiatischen loner steht nun
freilich ZAvar nichts im Homer; aber er meint, das Opfer des Poseidon
Helikonios Hom. IL XX, 404 sei das Panionische aus Asien. JVir Avol-
len die Sache näher ansehen. In der bezeichneten Stelle vird der
Schrei des fallenden Hipp o dam os mit dem Gebrüll eines Stiers ver-
glichen, welchen Jünglinge ztim Opfer des Poseidon Helikonios führen.
Die Asiatischen loner hielten allerdings ein solches Opfer , welches
Strabo, weil es gemeinschaftlich gebracht wurde, ein Panionisches
nennt, auf dem Gebiet der Stadt Priene , in der Nähe des Vorgebir-
ges Mykale und Posidion *'), Avo der Tempel des Poseidon Heliko-
nios stand und sich die Ionischen Städte versammelten ^^). Dies
musste wohl den Strabo auf jene Meinung bringen, zu deren Wider-
legung hier Folgende^ stehe.
Helike in Achaia , welches zur Trojanischen Zeit den Aeglalischen
lonern gehörte , war nebst Aegä dem Poseidon heilig. So sagt Hera
81) Wooil a. a. 0. Zusätze S. 38. 82) Ob von Helike in Achafa, ■n-ogcgen
die Etymologie streitet , oder vom Helikon in Böoticn, welches Land dem Poseidon
geheiligt war , ist ungewiss und hier gleichgültig. 83) Nach dem dritten Scho-
lion z. Hom. II. v, 404 b. Bekk. war der Tempel bei Milct; also weiter süd-
lich au der Küste hinab. 8i) Strabo XIV, 639 (530 Tz.) TtQWtOV ö' tarlv tV
rij ■KKQCiXin t6 TJavicovtov , tqicI ßtadloig VTiSQ-nsififvov ttjs d'ciläaarjg,
önov TU Uavicovia, kolviq navr'iyvQig rwv 'lojvcov, cvvtsXslTCCi. tm 'EXlkcci-
vicp IloaeiScSvt kccI &vGia ' lEQcHvzai 8s IlQirjvsls.
Thicrsch: über 11 o nie rs E ur opäis clicn Ur sp rung, 457
unwillig- zum Poseidon (Iloni. II. 9; 202), er solle sich der Danacr
eibarmen , >vekhe ihm nach Ilclikc und Acgii 0[)Uv brächten. Das
Opfer des Poseidon bestand, >vie Mir aus Ifonier wissen ^^), in Stie-
ren, vornehmlich in schMar/.en Stieren. Da nun in jener iloiiierischen
Stelle von einem Panionischen Opfer sich kein AVort findet, sondern
nur ein Stieropfer crMähnt wird, welclies man dem Poseidon brinf;e;
60 hat er auch an m eiter niciits gedacht, als eben au ein solches Stier-
opfer, vie CS im Peloponnes zu lielike, Aegii und Pylos gelialten
vnrde. Was dies noch vahrscheinlicher maelit, ist Strabo's eii;;-ne
Eizälilung. Er sagt nehnilich, dass die Asiatischen loner später eine
Gesandtscbaft nacli Helike in Adiaia gesandt hätten, diese Stadt um
ein IJildniss des Poseidon, oder um die Aufstellung eines andern nach
ibreni \ orbihle zu bitten. Dass die Iteükeer nicht darauf eingingen,
und Mas weiter geschah, gehört nicht hierher; aber dies wird man
daraus ersehen, dass die Asiatischen loner ihre Gewohnheit, dem Po-
seidon Stiere zu opfern, aus Aegialea über Attika mit nach Asien
liiuübcrgenommen hatten luid sie eigentlich llelikeisch Avar.
Eben so steht es mit einem andern, von Wood ^^) ans einer
Stelle der Odyssee genommenen, Be\»eise für das Asiatische Vaterland
Homers, wie ich hier nachträglich zeigen will. Eumäus ^'^) setzt die
Insel ZvQiT] über Ortygia hinaus {'OQrvyirjs ku&vtisq&sv). Aun meint
AVüod 2^vQiT] wäre S^ros eine der Cjkladen, welche von Ithaka aus
gerechnet niiht über Ortj gia hinauslicgen ; denn Ortygia sei Delos,
welches in der ältesten Zeit so geheissen haben soll. Dieser Beweis
beruht auf lauter Hypothesen. Dazu kommt, dass wörtlich genommen
die Lage richtig seyn kann, indem nicht sowohl die Bezeichnung der
Lage durcli y.a&vnsQ&sv, als die ZQoncxt i^iXioio die Kritiker in A erle-
genheit setzen. Jedoch verAvechselt Wood fürs Erste , mit der falschen
Annahme des Xamens Ortygia für Delos, diese Insel mit der, welclie
Homer verstanden haben will, und Avelche nach der wahrscheinlichsten
Berechnung bei Sicilien lag. Dahin muss das A aterland des Eumäus
versetzt werden, wie auch Voss gethan , der Syria und Ortygia auf
seiner Homerischen AVelttafel an die östliche Küste Thrinakias verlegt.
Wie hätte auch Homer die zQonal r/iXioto auf eine der Cyk laden ver-
setzen können? Alan mag darunter verstehen, was man wolle. Was
Wood über den Sinn der rgonai rjtlioio sagt, scheint mir gar zu hand-
greiflich. Er meint nehmlidi einigen Asiaten wäre die Sonne hinter
Syros untergegangen. Welche Vorstellung! Welchen Asiaten? Und
zu welcher Jahrszeit? Konnten die Asiaten wolil Syros so deutlich se-
hen, dass sie den Sonnenuntergang darnach bestimmten? Den Ein-
Avohncrn von Chics , wohin AVood des Homer A'atcrland am liebsten
85) Hom. Od. y, 6 ravQovg nafifitXavag 'Evocix^ovi ^t^ov. vgl. 178;
Odyss. A, 130; v, lt"l ; Ilias /. , 727, wo Athene ein Rind, Puscidou einen Slicr
erhalt. So wird auch Od. y, 430 ff. der Athene <-in Kind geupfort, nachdem am
Abende vorher dem Poseidon ein Stier dargcljraciit worden war. 8li) VVuod,
Ürigiiialgcnic des Ilom. S. 35 ff. 87) lloui. Od. o, 402.
458 Abhandlungen.
verlegt, musste ja die zwar kleinere, aber viel näher liegende Insel
Ipsara die Insel Syros decken. Und wenn alle diese Fragen befriedigt
würden, was hülfe es, da hier nicht von Syros, sondern Syria die
Rede ist. Unter den TQonalg ■^tXioio versteht man entweder schlecht-
hin den Untergang der Sonne, oder das Uunvenden derselben beim Un-
tergange. Der Dichter habe nun das eine, oder das andre darunter
verstanden, so liisst sich doch in beiden Fällen mit GeM'isüheit schlie-
eseii, dass Ortygia und Syria nicht unter den Cykladen gesucht werden
können, sondern mit Voss Aveit Avestlich nach Sikanien hin versetzt
werden müssen. So M'ill es Homer. Was die Kritiker ^ ^) vom Ile-
liotropium des Pherekydes sagen, ist zwar gelehrt gesagt, aber, wenn
es dem Homer imputirt wird , ungereimt und gehört nicht zur Sache.
Aus dem bisher gesagten wird man wenigstens so viel zugeben,
dass der Homer im Europäischen Griechenland, wenn
nicht entstehen musste, doch entstehen konnte, und
zwar natürlicher Weise eher entstehen konnte, als
in Asien. Danun noch gar nicht bisher erwiesen wor-
den ist, wo das Vaterland des Homer zu suchen sey,
so wird man dasjenige Land so lange dafür halten
müssen, für welches die meisten und wichtigsten
Umstände sprechen, dies ist der Peloponnes.
Gern gebe ich zu , dass der %\ne und andre BcAveisgrund Avider-
legt Averden könne; aber damit ist 'das Ganze nicht geschlagen. Die
Recensenten haben nur an einigen gleichgültigeu Kleinigkeiten gerüt-
telt; aber die Hauptsachen zu Aviderlegen, hat sich keiner berufen
gefühlt.
Den Jenaischen Recensenten habe ich durch eine Antikritik so in
Harnisch gesetzt, dass er in allen Winkeln mit leidenschaftliclier Bit-
terkeit gegen mich eifert , um den Schein zu erAvecken , als ob seine
Stimme die Stimme Vieler sey; indessen Avill ich mit ihm nicht eher
etAvas zu schaffen haben , als bis er Griechisch gelernt und den Homer
gelesen hat. Dass er Griechisch nicht versteht , habe ich ihm schon
anderwärts gezeigt ; dass er auch den Homer nicht gelesen hat , Avird
sich bei Gelegenheit ergeben.
Der Hallesche Recensent (Allgem. Lit. Zeit. 1824 Nr. 2fi9, 270)
hat sich die Mühe nicht verdriessen lassen. Einiges gegen meine Be-
weise aufzustellen, und ob ich gleich Aon ihm einen andern Ton er-
wartet hätte ; so soll mich das doch nicht irre machen , seine Gründe
ruhig zu prüfen.
Den Grundsatz: „dass wir ausser den Homerischen Gesängen
selbst keine historische Quelle weiter über sie gelten lassen können,"
will der Hall. Rec. (a. a. O. S. 482) nicht anerkennen; meint vielmehr,
man müsse die Sage nur vorsichtig benutzen; ganz zu verAverfen Avä-
ren nur die Fabeln, welche offenbar das Gepräge späterer Erdicbtung
an sich trüs-en.
Vgl. Mad. Dacier und Pope z. Od. o , 402.
Thiersch: über Homers Europriigchen Urs prung. 459
Im Allgemeinen grlioint dieser Einwurf allerdinp^s Lerückslchtl-
gnngsMcrth; aber auf den Homer ist er nicbt anAvendhar. D«'iin (i^e-
rade alles , vas über den Homer aus der Tradition in lliiisiclit seines
Zeitalters und Vaterlandes an<>-enonimen v nide , träfet das Gcpräj^e der
Fabel. Die Forselinngen über Homer entstanden zu «iner Zeit, wo
man niebts inebr erfabren konnte. Daber saf^t Payne Ivnigbt in der,
■von mir dort (S. 7) anp:efiibrten JStelle ganz ricbtig: „l>e carminibus
Tel corum anctoribus ncquc quidquam scimus, ncque srirc possumus,
praeter ea , quae in carminibus tradita sunt : unira enim antiquissimo-
rnm temponim uu»niimcnta n(»bi» restant ; ncque de iis judicaturo
aliunde, quam ex ip?is judiciuiii iiisliuc iidnui est." jVocb bestimmter
drückt er dasselbe in einer andern .Stelle aus, die icb bier binzufü-
ge^^): ,,Ue ipsornni autemcarminum amtore \vl anctoribus nibil onmi-
no scimus nee scire pussumns : neqne enim ipsi (»raeci , qui , poesi
resurgcnte sexceutis circiter annis post Doruni irrnptionem, de ejusmodl
rebns inquirere coeperunt, uUara eertara aut probabilem notitiam de
patria, aetate, vel nomine poetac obtinere potuerunt."
Da es scbeint, als ob man glaube, icb babe-iuit diesem Grund-
satze etwas unerbörtcs aufgestellt, so bemerke icb, dass er so alt,
als die genauere Lntersucbung über Homer ist. Ihm folgte Wood ^°),
webber Alles aus Homer, oder der Combination seiner Aeusserungen mit
der Lokalität berleitet. „Dies ist aber nocb das Beste, sagt er, Aras
icli zur Lebensgescbicbte des Dicbters selbst in seinen Scbriften linden
kann ; und dies sind auch die einzigenNacliriciiten; denn
die Gescbichte lässt uns ganz im Dunkel n." Eben so nabm
liryant denselben Grundsatz an und sagt^''): „Es fehlt uns in der That
an dem nöthigen Lichte, welches uns leiten, oder an historischen No-
tizen, die uns GeMissbeit gewähren könnten. Die Hauptquelle, zuAvel-
clier Avir uns Avendcn müssen , besteht in des Dichters eignen Schriften :
und es a erdient vielleicht untersucht zu m erden , ob sich nicht einige
Spuren über ihn und über das Land, Avelche^ ihm Avahrscheinlicb das
Daseyn gab, darin finden." Uebrigens sprechen nicbt blos Englische
Gelehrte den Erzählungen über Homer die Glaulnvürdigkeit ab;
sondern auch die Gelehrten unsers Volkes , Avcicbe eine Untersuchung
über Homer und sein Zeitalter unternahmen. So sagt der besonnene
Heyne ^^): „Cum nibil certa fide de Homero Homericisque carminibus
traditum constet: nemini invidia moveri potest , qui ex rationibus pro-
babilibus baec constitnenda esse exi^timet. Fidem autem historicam
ümnin(» nos habere nullam , patct ex ipsis narrationihus , quae ad nos
pervenere ; fundus enim eorum est partim fama antiqua incerta et pa-
rum definita , partim romraenta ingeniosa , partim fabulae anniles , ex
grammaticorum et sophisturum scboliä.'' Noch strenger lässt sich Schu-
89) Payne Knipht. Carinin. Hom. prolegom. <? 3. 30) Wood a. a. O. Zu-
sätze S. 49. 91) Brjaiit, über den Troj. Krieg. Deutsche l'cbers. § 3ü S. 19H.
92) llejne z. Hom. 11. w Tum. VIU S. fHi.
4C0 Abhandlungen,
Larth ^') über jene Nachrichten aus. Ich sehe auch gar nicht ein, ule
niiin andrer Meinung scyn und den obersten Grundsatz anders stellen
könnte. Es giebt durchaus keine andre Quelle einer mög-
lichen Untersuchung ü b e r II o ni e r, als den Homer selbst.
Was von demselben Reccnsenten gegen einzelne Beweise meiner
Untersuchung gesagt worden ist, besteht in Folgendem.
Zunächst sagt er: „wenn die Homerischen Gesängo aus Europa
nach Asien hinüber gekommen wären ; so hätte eine Spur , ein Wie-
derklang derselben in dem Europäischen Griechenland zurückbleiben
müssen."
Wie jede Spur der Homerischen Gesänge im Europäischen Grie-
chenlande verschwinden musste , wird die oben vorangeschickte histori-
sche Auseinandersetzung wohl anschaulich gemacht haben , und ich bin
überzeugt, Recensent würde bei genauerer Untersuchung jener Zeit dies
Bedenken nicht aufgesclirieben haben. Denn die alten EinMohner, nn-
ter welchen Homer auftrat, wurden verdrängt; die M'enigen aber, welche
zurückblieben, mussten sich den neuen Herren unterwerfen und verloren
sich unter derNoth des Lebens, und ihre Nationalität in der neuen Ver-
wilderung. Ueber zwei Jalirhunderte nach der Heraklidischen Wande-
rung herrscht in Griechenland die grösste Verwirrung; ganze Völker-
schaften wurden ausgerottet; eine Stammeswanderung veranlasst die an-
dre 5 ganz Griechenland ist wie in einem Aufstande.
Bei Gelegenheit der Schubarthschen Mtiuung, dass Homer ein
Trojaner und Ilofpoet der Aeneaden gewesen sey, muss ich auf einen
Widerspruch aufmerksam machen, in welchen der Jenaische und Hal-
lischc Rec. gerathen; nicht etwa als hielte ich es für etwas verdäch-
tiges, dass sich beide widersprechen, das Ürtheil muss ja fx'ei seyn ;
Bondern weil sich andre Dinge daraus ergeben. Der Hall. Recens. ver-
wirft mit mir die Schubarthsche Idee und stimmt der Widerlegung bei
mit dem Zusätze, dass jene Hypothese nicht einmal der Berücksichti-
gung werth wäre. Andrer Meinung ist der berühmte Jen. Recens. zwei
Monate später 1825 Nr. 4, wo er sagt: „ein Troischer Homer ist wahr-
scheinlich gemacht worden durch Beweise , die noch nicht widerlegt
sind." Wo sich aber eigentlich jene Beweise verbergen, hat er nicht
gesagt. Dass das Wenige , was Schubarth in schwülstiger, mystischer
und geschraubter Sprache zur Begründung seiner Hypothese sagt, in
meiner Schrift widerlegt war (S. 40 — 44), hätte er Avohl wissen kön-
nen und sogar sollen, da er sie recensirt hat; aber leider steht diese
Widerlegung im zweiten Abschnitte, den er gar nicht kennt. In der-
selben Recension ^^) hat sich auch endlich der Jen. Recens. entschlos-
sen , die ausser von ihm und Schubarth noch von Niemanden geglaubte
höhere Bildung der Trojaner zu beweisen. Der Umstand ist wichtig
und liegt als ein Hauptsatz der Schubarthschen Hypothese zum Grunde;
93) Schubarth, a. a. O. S. 14,
94) Es ist nehmlicü die Ileceusion der Antisjmbolik von J. H. Voss Jen. Lit.
Zeit. 1825 Nr. 4.
Thiersch: über H oiners Euroiiiiischcn Ursprung. 461
daher darf ich ihn hier nicht unhcriihrt lassen. Zunächst mnss es uns
Wunder nehmen, dii?s die Trojaner, die Mir unter dem INamen der PJiry-
gcr als die Sclnvaben ^ ^) der Alten kennen , i\a^ geltildetste Volk des
Allcrthums in der Vorzeit weit übertroflcn haben sollen. Die Beweis-
gründe für die überMiegende Cultur der Trojaner und den niedernCul-
turzustand der damaligen Griechen lauten dort also (a. a. O. S. 27, 2H):
„Die Scene /.«ischen llektor und Andromache. Die Klagen der llltera
und der Gattin um den gefallenen Sohn und Gatten. Pen.elope i»t im
Vergleich mit Andromac'he nichts. Die Trojaner Aerveigern die Aus-
lieferung der Helena au» .Sch(iuluit>gefülil. Helena's Heize Avirken selbst
auf die Trojanischen Greise. Aphrodite hält es mit den Troern. Eos
wählt den Tithonos zum Gcmalil. Ganjmed wird zu den Göttern er-
hoben. Die drei Göttinnen wählen den Paris zum Schiedsrichter." Fast
ebenso kurz und fragmeiitasisch ist dies in der Itecension zu lesen.
Alles aber, einen ein/.ig«Mil m.>tand ausgenommen, b<;weist weiter nichts,
als dass es auch unti-r «len 'J'rojanern sduluc Leutt; gal), unddass sie sol-
che gern hatten. Also ilirer Scliönheit Avegen waren sie gebildeter, als
die Griechen. j\un ja; dann stehen Avir gebildeten Europäer in unsrer
Bildung doch Aveit unter den Cirkassiern! Und Avas soll der Satz:
„Aphrodite hält es mit den Trojanern ; folglich müssen sie gebildeter
seyn." Man hätte Avohl eher die Athene erAvarten sollen; Avch-he aber
gerade für die Griechen ist. Doch Avas aa äre dadurch gcAFonnen *? Aus
der >iasonischen Zusammenstellung ^®) hätte Ilecens. schon abneJuuen
können, dass darauf nichts ankomme, und dass dieGriecJien auch ihre
Götter haben, Avelche den Trojanisch gesinnten nichts nachgeben:
Saepe premente Deo fert Dens alter opem:
Mulciber in Trojam, pro Troja stabut Apollo 5
Aequa Venus Teucris, Pallas iniqua fuit.
Und Avenn Rccens. dort glaubte, dass -der Dichter durch die Wir-
kung der Reize Helena's auf die Trojanischen Greise die Trojaner habe
gebildeter darstellen Avollen, als die Griechen; so giebt er einen spre-
chenden HeAveis aou unrichtiger Auffassung des epischen Sängers. Der
Sänger Avollte damit die Gewalt der Schönheit au>drücken. Denn der
epische Dichter kann die Grösse und den Grad nicht ZAveckmässiger, als
durch die Wirkung bezeichnen. So überall Homer. Dem Erschrockenen
fällt etwas aus der Hand; dIePhäaken l)üeken sich, als der Diskus fern
durch die Luft sausst; die Götter stehen auf, als Apoll in ihre Mitte
tritt u. s. Av, Wenn also Helena's Reize selbst auf Greise Avirkcn, so
mussten sie ungeAvöIinlich seyn. Weiter Avollte dirr Dichter nichts^'^).
Lel)erdies \r*t die BeMunde: ung nicht einmal ganz rciin ; denn die Greise
setzen hinzu: „so schön über auch liclcna Aväre, möchte sie doch lieber
95) Phrj-fca sero snpiiint. flG) Ovid. IVas, Trist. I, 2. 97) Eben so ver-
lehrt, wie der Jtnacr Hecens., Lat auih Tryphiodor den Homer verstauden, wenn
er ihn nachahmend die cinhertretcudu Hclcua ganz unpsycliulogiBCÜ a'ou Wcibcia
bewundert werden läsHt ltj5,
JahrO. d. ridl. u. fädug. Jahrg. I. Ikjt 2. 30
462 Abhanillungcn.
zu den Griechen zurück gehen , damit ilirc Kinder vom Unheil erlöst
würden ! " Die Stelle ist Iloin. IL y, 155.
Doch genug hicvon. Denn es ist noch eine Widerlegung des
Voss'sclien Beweises für die Rohheit der Trojaner von demselben Recens,
( a. a. 0. ) zu l)clcuclitcn , weil sie auch meine Ansicht angeht. Auch
J. H. Voss erwähnt in der Antisymbolik das wilde Anschwärmen der
Trojaner zur Schlacht als ein Zeichen ilirer Rohheit, und stimmt damit
mir hei. In der Widerlegung dieser Angabe beweist der Jenaische Re-
censcnt, wie gewöhnlich, seine Unbekanntschaft mit dem Homer. Er
sagt nehmlich, die einzige Stelle, welche Voss im Sinne gehabt zu
haben scheine, II. VIII, 58 könne er nicht als Beweis annehmen. Darauf
spricht er gegen diese Stelle mit vieler Selbstgefälligkeit, die man nicht
genug bewundern kann. Als ob Voss an diese Stelle gedacht habe,
oder nur habe denken können! Jeder, welcher den Homer gelesen hat,
und für solche schrieb Voss , wird leicht wissen , dass er II. y, 1 ff.
meinte. Darauf konnte den Recens. freilich kein Wörterbuch führen.
Dort wird nehmlich das Ausrücken der Troer mit dem der Achäer ver-
glichen und es heisst : „Die Troer rückten an mit Gekreisch und Ge-
schrei, wie die Kraniche; die Achäer dagegen mit Schweigen (ffty^)
und Muth atlimend." Dies gilt mit Recht als ein Beweis für die Roh-
heit der Trojaner, und Aveii der Jenaer Recensent keinem 3Ianne etwas
gljiuben will , so soll ihn eine Dame belehren. „Homere fait honneur
auxGrecs," sagt Mad. Dacier zu dieser Stelle, „en opposant leur raaniere
d' aller au combat a celle des Barbares. Ceux cy marchent avec un
bruit confus , et les Grecs dans un profond silence , pour bien entendre
les ordres de leurs Generaux. Ce que nous connoissons des peuples
Barbares prouve encore ce qu' Homere dit icy des Troyens.
Endlich beweist der Jen. Recens. , dass die Troer epische Dichter
hatten. Wie ist ihm das gelungen ? Man höre : „II. XXIV , 120 wird ein
Trauergesang erwähnt. Das komme daher, weil der epische Gesang
nicht für die kriegerische, sondern für die friedliche Zeit passe. Hätte
Homer nur ahnden können, dass jemand den Troern epische Poesie
absprechen wei-de ; so hätte er ihn gewiss genannt." Ist es nicht fast
so , als ob man einen Bekannten und Jugendgespielen des Homer spre-
chen höre? „Die Stelle II. X, 12, fährt er fort, welche gegen die Exi-
stenz der Poesie unter den Troern angeführt wird , beweist nichts. II.
III, 393 wird Reigentanz erwähnt, und Hektor sagt II. III, 54 zum Paris
OVK UV zoi XQaiGfiTi Ki&aQie. Folglich musste Musik und zwar epischer
Gesang unter den Troern seyn. Denn nur epische Lieder werden zur
liitharis gesungen."
So quält sich der Recens. , die Möglichkeit zu erweisen , dass bei
den Troern epischer Gesang hätte seyn können; aber dass er war, hat
er nicht bewiesen. Uebrigens ist die Meinung von der Kitharis falsch.
Hektor wirft ja dem Paris in der angeführten Stelle die Kitharis als ein
Instrument vor, auf welchem er Licbeslieder sang. Das Instrument, zu
welchem Heldenlieder gesungen wurden , heisst cpoQfiiyi. So wird das
Instrument des Aclülles genannt II. IX, 186, auf welchem er Helden-
Thierech: übcrlloniere E uro päiscli cn Urspru ng. 4(53
thaten Lcsang^ (eTjcnd. v. 189 afiSs 8' ccqcc kXek avSgäv}^ und so liclfisjt
das Instriuncnt (Od. &, '254), zu Mclcliem »euiodokiis (Od. &, 500 11". )
eine llihlcntliiit vortrn«:;-; so licisst aucli des Pliciiiios Iiistrnniciit, a\(;1-
flu'S iliui zur IJt'pIcihni«:^ licroisclicr Cirsiiiij^'c diente ^**).
Das im Vorlier{:;eliendeii f::ef::en den Jenaer Keeensenton von mir
no(li<;<'diiinj;eu ge#af;te vird Iiinreielien um zu zeigen, dass er unfähi'^
ist, sieh in einem geielirten Streite über Homer zu beliaupten, und eine
Berücksiebligun;; uitbl verdient.
Docb elie icli das Tliema von der gerinji^ern Cnltur der Troer ver-
lasse, -«111 ich noch einen neuen Grund fiir die liölierc Bihlun«^ der
Acbäer nacbtrag^cn aus Iloni. II. J, 242 — 50, >vo der l'alast des Priamus
{geschildert Mird. > erj^fh-ichen vir den Palast Av^ Priamns mit den
\\ (>hiMin<;-en der Köniu;e in Griechenhuid ; so linden Avir, dass er In ar-
chitektonischer llinsiclit Veit hinter diesen zurücksteht und namentlich
die, an diesen p;eM()hnliilien, Siiulen nicht Iiat.
Icli wende mich wieder zum Hall. Itccensenten, Unter andern Avar
von mir auch die l'nbeltanntschaft Homers mit Asien und seine js^enaue
Rekanntschaft mit dem Enropäischen Griechenland und namentlich mit
lonien als Heweis für Kuropiüsc-hen ITrsprun^ desselben auffjestcUt v or-
den. Diesen HcAveis stellt der Hall. Ilec. oben an (a. a. O. S. 482) und
sa^t : „dajj^<'j>en sju-eclu; die von neuern Heisenden, l)esonders seit Wood,
nachgewiesene Treue uiul Pünktlichkeit der Homerischen Schilderun-
gen des Trojanischen Gebiets, nicht nur in geographischer und topogra-
phischer Hinsicht, sondern auch in dem klimatischen Kolorit und der
natürlichen Gestaltung der Gegenstände und Erscheinimgen des Landes,
des 3Ieeres und der Luft." Nun ist ZAvar wahr, dass Wood überall,
von dem Vorurtheil, dass Homer ans Asien sey, befangen, Spuren seiner
Meiiinng abnet und witterf, sie auch mit geistreichen Wendungen vor-
führt; indessen wie glücklich oder unglücklich, ist schon bei Gelegen-
heit gezeigt Morden, und dürfte sich auch hier wieder zeigen. W^enn
nehmlich Kecensent, wie ich glaube, jene lleisebeschreibungen gelesen
hat, so musste er von einer Troas hodlerna und llomerica und von den
grossen Seh« ierigkeiten wissen, die nonierischen Schilderungen mit der
jetzigen Umgegend von Ilios zu vereinigen. Man hat noch nicht einmal
die Lage der alten liios ausmitteln können; selbst di(! llauptflüsse, Si-
mois und Skamander, haben einen andern Lauf. Wie da die Reisen-
den und selbst Wood händge Erdbeben als Ursache der Verschiedenheit
annehmen, kann dem Hecens. nicht luibekannt seyn. Er vergleiche nur
die to|)ogriipbi»che Karte hi Woods Werke mit den l)eiden Karten vor
dem Kniglit'sc^lien Homer und mit Uryant's Karte; so wird er einsehen,
was von Wood's Konjekturen zu halten sey. Man glaubt in der That,
wenn man jene Karten neben einander hält, ganz andre Länder zu se-
hen. Wollte nnn gar jemand den Versuch machen , die genaue Vor-
zeichnung der Umgegend von Ilios, Avic sie Spohn^^) genau aus llo-
'Jh) Der Aamc Otl. q, 'iü2, 270. D.i8§ Phcmloe auch Hcldcntliaten sang, beweist
Od. «, 3W. 9Uj Spoliii, de agro Trojauo.
CO *
464 Abhandlungen.
mers Angaben entnommen hat, auf eine der genannten Karten überzu-
tragen; so würde er die Trüglichkeit jener Meinungen erst recht ge-
wahr werden. Doch müI ich damit nicht behaupten, dass Homer mit
der Umgegend > o n 1 1 i o s n i c h t b e k a n n t gewesen s e y ; im
Gegentheil gestehe ich ihm diese Bekanntschaft zu, nur aus den neuern
Reisen liisst sie sich nicht erweisen. Aber Asien und das Land Asiens,
in M'clchem er geboren seyn soll, kennt er nicht; seine Kenntniss
schränkt sich blos auf die Gegend ein, wo der Schauplatz oder die
Nähe desselben war. Wenn sich der Dichter über Phrygien . hinaus
wagt; so ist er äusserst karg und man sieht es den dürftigen Angaben
an , dass er von unbekannten Gegenden redet. Wird ein Ort von ihm
aus jenen Gegenden genannt, wie das bei der AulTülirung der Trojani-
schen Hülfsvölker der Fall ist, so geschieht es kurz; hingegen in der
Angabe der Oerter und Gegenden Griechenlands ist er ausführlich und
genau ; wir erfahren nicht blos die Lage, sor.dcrn selbst die Geschichte
und die Erzeugnisse der dortigen Natur. Oft gicbt ein einziges Bei-
wort einer Stadt des Europäischen Griechenlands den Augenzeugen zu
erkennen, als Onchestos mit dem Tempel und heiligen
Haine des Poseidon, die felsige Au lis, die reiche Ko-
r i n th o s und viele andre. Iliebei darf ich auf Bryant ^ o°) verweisen,
wo er die Ansicht vom Asiatisch -Ionischen Homer bestreitet: „Die Nach-
richten von den Asiatischen Gegenden sind Aveit kürzer, und ausser den,
am Ilellespont gelegenen , Städten , sind wenige Oerter im Verhält-
niss zu der grossen Strecke Landes, welche der Dichter umfasst, er-
wähnt ^°^). Er gedenkt ZAvar der Maulthiere der Heneter und der
Silbergruben der Alyber; doch scheint er sich in Hinsicht der letztern
geirrt zu haben. Denn wenn die Alyber mit den Chalybern einei-lei
sind, wie uns Strabo (XII, 826) versichert, so waren sie nicht durch
ihr Silber, sondern durch ihr Eisen berühmt (Stepli. Byz. sn rr^g Xa-
lvßr}s Xfj^Qccs GLÖTjQog}. Aus der südlichen Gegend führt er blos My-
kale , die Berge Tmolus und Phtheirä an , obgleich andre sehr merk-
würdige und alte Oerter da waren , die seine Aufmerksamkeit verdien-
ten. Er beobachtet gleichfalls Stillschweigen in Ansehung vieler Oer-
ter in der Nähe von Troja. Von der Art war Sniyrna, Sardis , Ephe-
sus, Merläa, Themiscyra, €uma, Pergamus : ferner Priene , Colophon,
Magnesia und der Berg Calänä, nebst den Flüssen Cibotus , Caikus und
Pactolus. Alle diese waren, den besten Nachrichten zufolge, vor den
Griechischen Wanderungen und der angenommenen Epoche von Troja
bekannt, und viele alte Geschichten davon vorhanden. Indessen über-
geht sie Homer mit Stillschweigen , ob ei- gleich in seiner Nachricht
von Griechenland so genau ist. Wenn er ein Klein -Asiate gewesen
wäre, wie kann man es sich denken, dass er so unwissend oder nach-
lässig in Ansehung der Gegenstände , mit welchen er am bekanntesten
100) a. a. O. S. 194 ff. 101) Die, welche angeführt werden, liegen inner-
halb eiiiea Bezirks von zehn bis zwölf Engl. Meilen.
Thicrsch: über Ilo'mers fluropäis clicn Ursprung. 465
Feyn musstc , und so umstänillich und genau l)ci denjenigen , Mclclie
iJim fiTHid waren, geAvescn seyn sollte'? Hellas Mar das Land, Av«lclu!ä
er am hcstcn kannte, wie schon Eratosthenes und Apollodor bi-inerk-
tcn '°^). Dalier scheint es soiiderl)ar, dass , wenn er, der soavoIiI Gc-
scliichtsForscher als Dichter Mar, und sich um alte Sagengeschichte
eifrig hcniühti^, irgend^ o in Asien Märe geltoren Morden, er am Me-
nigsten von den Gegenständen sagen sollte, m eiche er am besten kann-
te, und sich Meitläulig über solche auslassen, von denen er eine gerin-
gere Kenntniss hatte."
Dies alles wird genug verdeutliclit haben, Mas es lieissen solle,
wenn gesagt Mird, Homer könne nicht ans Asien gebürtig seyn, weil er
es im \erglcich mit Griechenland nnr ol)erflächlich kenne, und müsse
aus d e m E u r 0 p ä i s c h e n G r i e c h e n 1 a n d s t a m ui e n , weil er
hier, so c M s a g c 71, recht ci gcntl i ch zu Hause s cy.
Hierher geluirt aber noch, Mas derselbe Hall. Kecens. S. 483 ge-
gen meine IJcliaujitung sagt, dass man die Reisen des Homer erst iin-
girt habe, um die genaue geographische Kenntniss desselben von Europa
erklären zu können. Er meint nehmlich dort, dass man ebenso eine
Heise nach Troas und Ithaka m nrde fmgiren müssen, um gleiche Kennt-
niss in Bezug auf Kleinasien und die Insel des Odysseus bei ihm er-
klärlich zu finden. Allein Menn Homer bald nach dem Trojanischen
Kriege sang, so Mar eine Reise nach Asien nicht nöthig, Meil dieznrüek-
kehrenden Helden durch die Erzälilnng ihrer Thaten mit der Umge-
gend von Hios , auf Avclche sich lloiuers Kenntniss vornehmlich be-
schränkt, bekannt maclien mussten. Man denke sich doch ein Heer, Mel-
ches nach zehn Jahren und nach rühmlich geendigtera Kriege aus der
Fremde zurückkehrt. Wird es m ohi eine Familie oder einen geselligen
Kreis geben, mo nicht jene Begebenlieiten die geMÖhnliche Unterhal-
tnng ausmachen '( Die Heimgekehrten erzählten geM'iss eben so gern
davon , als die Daheinigebüebenen gern davon vernahmen. Um nicht
blos aus der Vergangenheit zu reden, sey es mir erlaubt, die Gegenwart
zum Beispiel zu nehmen. Haben uns nicht die Erzählungen der Frei-
Milligen, Melche noch keineswegs aufhören, von manchem berühmten
Wahlplat'/.e des Auslandes ein so lebendiges Bild entworfen, dass man
die Hauptstellen der Aktion ohne Führer zu finilen im Stande Miire?
l nd Mas i>t der Auf»n(halt Meniger Tage gegen ein zelmjäliriges Ver-
M eilen'? Demnach Märe c;ine Reise nach Tr«»ja nicht nöthig zu fingi-
ren ^'^'). Aach Ithaka aber, welches so nachbarlich lag, konutc in
102) Sirab. VIT p. 457 OfiTjQov y.al uXlovg rovg nciXcaovq tu filv'EXlr]-
vr/.cc ilbivai, ro)v öt tioQqü) noXXriV t^nv uTtii()lav amiQovg filv fiuyiQtav
OÖcöv ovrccg , uni-iQOvg dl vavTi?.?.tai)ui.. W-i) Es k(iiiiini:ii in der lliailc so
prcnaue Bcschrciliini^cn der WalFcn und so elufach natiirliclic Ijur^tclliiiijicii der
huiipt, »ic zu gebraiK-licn, vor, dass es mir oft hat diiiikcii «ollcii, was scbon Alle
glauldcn (vcrgl. ol)eii !?. 17 und l'rocl. Cürent. b. JJckkcr), lloiiitr habe selbst die
Wairen geführt und am Kriege Theil guiiomincn. Dieser Meinung i>t , uiau Bollte
es kauin glaubea, eelbat Wood (a. a. O. S. 'itö) zugetliau. „Dea Dichters persün
•166 ALhandlungen.
jener ruhigen Zeit, die auf den Trojanischen Krieg folgte, eine Reise
eben nichts ungewöhnliches seyn. Der Uecensent vergibst gänzlich, dass
eine Heise aus Asien nach dem Feloponnes um das Jahr 1000 v. Ch. G.
ganz und gar unmöglich war. Denn da herrschte schon allgemeine
kriegerische Verwirrung, welche wisshegierigen Reisenden oder Dicli-
tern, die sich Ortskenntnisse für ihre poetischen Schilderungen einsam-
meln wollten, wohl die Lust hätten henehnien müssen. Dagegen waren
vor, zu und gleich nach der Zeit des Trojanischen Krieges die Reisen
im Europäischen Griechenland recht gewöhnlich und die Communikation
eelir lebhaft. Des Odysseus Vater Laertes hatte seine Frau von der Ge-
gend des Parnass her ; Odysseus selbst besucht in seiner Jugend seinen
Grossvater Autolykus am Parnass, wo er auf der Eberjagd jene be-
rühmte Wunde erhielt; Autolykus besucht nach des Odysseus Geburt
seinen Schwiegersohn; Odysseus erwirbt sich seine Gemahlin im Pe-
loponnes; Telemach reist ohne grosse Vorbereitung nach dem Pelo-
ponnes und dort herum , um sich nach seinem Vater zu erkundigen.
Wenn also der Verfasser der Odyssee in der oben geschilderten Zeit
von 1184 — 1120 im Peloponnes lebte, so konnte er sich sehr leicht mit
dem Schauplatze seines Gedichtes bekannt machen; von Asien her aber
war es weit schwerer und um die gewöhnlich angenommene Zeit nicht
denkbar, noch gut möglicli.
Doch kann ich diese Abhandlung nicht schliessen, ohne der Er-
echeinung einer wunderliclien Recension meiner Untersuchungen über
den Homer in der Kritisch. Biblioth. 1826 Nr. 1 zu gedenken. Unbe-
greiflich schien mir nicht nur der leidenschaftliche Ton , welcher sich
in einer Menge von Persönlichkeiten verliert, sondern auch die dünkel-
hafte Ignoranz und schamlose Dreistigkeit , mir Gedanken anzudichten^
die weder mir noch irgend einem vernünftigen Menschen zu Sinne kom-
men können. Aber so geht es, wenn man nicht recht hinsielit. Ich
sah nach, wie es sich mit dem verhalte , was mir der Recensent schuld
giebt, und siehe da, ich fand das Gegentheil, oder hätte müssen auf eine
Verdrehung meiner Angaben schliessen ; bis mir endlich einfiel, dass hier
eine Verwechselung vorgegangen seyn könne und der Recensent nicht
meine Bücher , sondern höchst wahrscheinlich die Jenaische Recension
vor Augen hatte. Freilich fiel mir bei diesem Quidproquo manches
Bedenken ein, denn auf der anilern Seite wollte es mir wieder scheinen,
als ob zwischen dem kritischbibliothekarischen und Jenaischen Recen-
eenten eine grosse geistige Verwandtschaft statt finde. Da helfe sich
nim jemand! Die Sache mag auf sich beruhen.
Aus der Widerlegung des wenigen, Avas gegen meine Ansicht ge-
eagt worden ist , und aus den neuen Beweisen , welche in dieser nach-
Hche Gemälde, sagt er, haben sehr daa Anschn, als sey er oelbst gegenwärtig
gewesen, oder habe wenigstens seine Nachrichten von Augenzeugen bekouimen."
Kur lüsst sich diese Annahme bei Wood gar nicht erklären, da nach ihm Homer
erst unter den lonern in Asien auftritt , ulüo zum Wenigsten sechs Meascheualler
aacb dem Trojauischcu Kriege,
Thiersch: über Homers Europäls clien Ur sprung-, 407
trägliclien Abliandlung hinzuf^elcomnicn sind, wird, wie ich hoffe, die
StrcitlVaf^c über ilas Zeitalter und Vaterland des Homer ihrer Entschei-
dung näher gebracht Morden seyn. Uat^s eine solche Untersuchung
grössten Theils auf abgelauscbfen Aeuss<rungen oder zufülligcn Andeu-
tungen beruht, Melclieer^t durcli Aullläiung der Geschichte IJedeutung
erhalten, -wird Keinen Wunder nelinien ; da die Natur des epischen Ge-
eanges die Persönlichkeit des Dichters uusschliesst und diesem nur sel-
ten erhmbt , in eigner Person zu erzählen. Man halte sich also nicht
an einige Einzelnheiten, sondern stelle Alles zusammen, Avas nun bereits
von mir für Europäischen Ursprung des Homer gesagt worden ist, und
wenn nach einer Vergleichung meiner Gründe mit denen, die man für
Asiatische Entstehung der llomerischeu Gedichte aufgestellt hat, dieselben
einem unpartheiischen Richter nicht genügen, so sey ihm sein Glaube
iinbeneidet. Sollte aber noch «ine Fortsetzung dieser Abhandlung nö-
thig werden; eo wünschte ich das schon oft gesagte dann beseitigt ;
txd^iiov 8s [ioL iativ,
avzis ccQt^i^Xcog £tQr,(iiva (ivd'okoys'Viiv.
Nachschrift.
Gewohnt, mich mit allem , was in Bezug auf Homer erscheint , bc-
Iiannt zu machen, habe icli noch, als diese Abhandlung schon niederge-
fcchrieben war, das eben erschienene Werk von W^eisse') verglichen,
um hier nichts fehlen zu lassen, was man etwa vermissen könnte. Ob
gleich dies Werk zu den philosophisch -poetischen lläsonnements ge-
hört, welche in halbmystischen Plirasen aus hingeworfenen Ideen neue
hilden , bis sie das phantastische Ganze schaflVn, welches inducirt Aver-
den soll, und soMohl historische als philologische Basis verschmähen,
oder nur uberllächlich benutzen, so ist es doch in einigen Theilen ver-
Btändlicher, als Acr^andte \ ersuclie, und enthält hie und da, Avenn auch
nur Avenige , bestimmte Angaben von Umständen, Avelche die Untersu-
chung über den Ursprung Homers betreffen.
Ganz kurz und ohne alle nähere Ausführung Avird der oben hin-
länglich Aviderlegte Grund berührt, ai eichen mau aus Hom. 11. d, 50 —
5(i für Ionischen Ursprung entnouuuen hatte, der aber, Avie gezeigt
worden ist, gerade eine Aveit frühere Entstehung des Homer bcAVoist.
Nur einen einzigen, mir Avenigstens neuen, Grund für lonisthc Ent-
etehnng des Homer stellt gedachtes Werk auf, und findet ihn in der
Ausz«ichnung, mit Avelcher Homer den Nestor feiert. Dies scheine, wie
behauptet A»ird, i\vn Zweck gehabt zu habt-n , die Söhn«; des Kodrus
und dessen .Niichkoniuien , unter deren Anfiilirung liie loner ihre Sitze
in Klein -Asien einnahmen und die aus Pyliscliem Königsgesehlcehtc
*) Christ. Herrn. WoiHsc , über üau Studium des Homer luid seine Bedeutung
für imser Zeilalter. Lcipz. 1H2G.
468 Abhandlungen.
abstammten , zu ehren. Nestor erscheine überall als der weiseste Be-
rather und die treucste Stütze der Achäer, Wenn man aber , abgese-
hen von der geringen Thatkraft des, melir in derErianrung vergangner
Zeiten lebenden, ISestor, in der Auszeichnung eines einzelnen Helden
einen Grund für das Vaterland des Dichters finden will, dann würden
ihn die meisten Hauptstaaten der heroischen Zeit in Anspruch nehmen,
und offenbar hätte Ithaka , wegen des Odysseus, Thessalien , wegen des
Achilles, Salamis Avegen des stärksten aller Homerischen Helden, und
des, selbst gegen Götter siegreichen, Diomedes Vaterland, Avenn nicht
höhere, doch gewiss eben so wichtige Rechte auf Homer.
Die Homerische Poesie, wie S. 154 geschieht, gar zu einem Er-
zeugniss jener grossen Völkerwanderung GriechiscJier Stämme zu ma-
chen , welche an die Rückkehr der Hcrukliden sich anreihten , ist aber
wohl das Unnatürlichste von Allen. Wenn nehmlich die Homerischen
Gedichte ein Erzeugniss von Begebenheiten waren, das soll heissen, Mcnn
sie in Folge gewisser Begebenheiten entstanden , so konnte dies nur in
Folge derjenigen Begebenheiten geschehen, welche den Stoff der Ge-
sänge selbst ausmachten , aber nicht ganz fremdartiger , die nicht die
entfernteste Verwandtschaft mit dem Gegenstande der Gedichte hatten,
noch in letztern einer Erwähnung gewürdigt werden.
Andre Sätze , wie S. 202 : „In de r Dichtung des Homeros
fasste der Wcitgeist noch einmal alles zusammen, was
er bisher in derB reite der Besonderheit auseinander-
gelegt hatte; so erst ward jeneAusb reitung zur wah-
ren Offenbarung, und gewann unsterbliches Leben für
alle folgende Geschlechter. Die Charaktere der He-
roenwelt sind die gewaltigen aber trüben Kräfte des
Urgrundes, welche durch den Verstand der Weltge-
schichte geschieden werden mussten, damit die Seele
der Allgemeinheit, „der im Dunkeln der Tiefe leuch-
tende Lebensblick" in der Schöpfung des Dichters an
das Tageslicht hervortreten konnte u. s. w." , solche Sätze
bekenne ich gern nicht würdigen zu können. „Ein Weltgeist fasst in
der Dichtung des Homeros zusammen , " „Eine Ausbreitung zur Offen-
barung , " „Gewaltige aber trübe Kräfte des Urgrundes , " „Eine Brei-
te der Besonderheit," „Ein unsterbliches Leben für folgende Geschlech-
ter" u. s. w. sind Ausdrücke, bei Avelchcn ich mir nichts bestimmtes
denken kann. Solchen Mystifikationen bin ich nun einmal feind , imd
glaube auch mit der historisch -philologischen Behandlung des Gegen-
standes, im Gegensatz zu jenen nebelnden Philosophemen, in den Augen
noch eines grossen Theils unsrer Gelehrten kein unnützes Geschäft
übernommen zu haben.
M i s c c 1 1 c n. 469
IM i s c e 1 1 c n.
mJ'ic allp^cracine Thcilnalimc , Avclche für die schwer gedruckten iinil
liurt lunlriiiiirtcii (irieclicn l)«i dem <^c<:^eii\v;irtif?('ii Kaiin»fe mit ihren iin-
iiienschlichen /Avinj^lu rrn rege geworden ist, hat angefangen sich durch
die That zu heMcisen. Nicht nur in Frankreich und England , sondern
auch in Deutschhmd , besonders in der Sch>veitz , in Prcussen , Sach-
sen und Uaiern, haben sich eine Menge llülfsvereine zur Unterstützung
derselben gebildet , und nanihafle Summen sind bereits nach Griechen-
land gewandert , bedeutende werden noch nachfolgen. Das dankbare
Knropa meint richtig, auf diese Weise einen Theil der grossen Schuld
abtragen zu können, die wir jenem Volke für die von seinen Vorfahren
zu uns gekoninienen Wissenschaften und Künste schuldig sind. Es ist
ein erfreuliches Zeichen unsrer Zeit, dass man in gegenwärtiger IN oth
diesen Unglücklichen in Bezug axif ihr physisches Wohl beizustehen
sucht. Aber nicht minder ist es zu rühmen , dass man auch angefan-
gen hat, für ihre geistige Bildung Sorge zu ti-agen. Dieser Anfang
aber ist zunächst dadurch gemacht, dass »ich auf den Hochschulen zu
Leipzig und Jena Vnterstütznngsvereine für junge studirende Griechen
gebildet und ölVcntllch zu Beiträgen für einen desshalb zu begründenden
Lnterstützungsfond aufgefordert haben. Wir theilen hier die Bekannt-
machung mit, welche in Bezug darauf der Leipziger Verein ergehen Hess :
Der heutige Kampf zwischen den Griechen und den Türken hat
nicht nur die Griechischen Bildungsanstalten, sondern auch den Grie-
chischen Wohlstand dergestalt vernichtet, dass, selbst nach einem glück-
lichen Ausgange jenes Kampfes, die Griechen lange Zeit nicht im Stan-
de seyn werden , an Errichtung neuer Bildungsanstalten für die Ju-
gend zu denken. Diese wird also genöthigt seyn, noch mehr als
bisher auswärtige Bildungsanstalten zu besuchen. Leipzig hat immer
junge Griechen in seinen Mauern gesehen , welche nicht bloss des
Handels, sondern auch der Bildung wegen hieher kamen. Künftig
dürfte das noch häufiger der Fall seyn. AVir Untei'zeichuete haben
daher den Gedanken gefasst , einen
Unterstützungsfond
für junge in Leipzig studirende Griechen
zu begründen, da vorauszusehen ist , dass nicht Alle mit den nöthi-
gcn Mitteln dazu versehen seyn möchten. Wir laden desshalb unsrc
verehrten Mitbürger und andre Griechenfreunde in der jVähe und Fer-
ne ein, durch frciA\illige an uns einzusendende Beiträge diese wohl-
thätige Anstalt bilden zu helfen. Ueber die eingegangenen Beiträge
sowohl als deren weitere Anlegung und Verwendung werden wir künf-
tig dem Publikum Uechenschaft geben. Leipzig, d. 10 Juny 182ö.
Verein zur Stiftung eines Griechischen
Unters tützungs l'oud^'.
Anger. Goldhont. Ilärtel. Hermann. Mahlniunn. Plos!}. Seyffcrlh.
Tzscbirncr. — Ä'ug"} einstweiliger Scliriftführcr dca Vereins.
470 M i s c c 1 1 c n.
Die christliche MUdthällglielt M'iril sicli bei diesen Aufforderungen nicht
durch die einzelnen Stimmen ahschrecken liisscn , die sich gegen diese
Sammlungen hin und wieder erhoben haben. Dass ein Thcil der jetzi-
gen Griechen im gegenwärtigen Kriege sicli mancherlei Verbreclien zu
Schulden kommen lässt, darf uns niciit abhalten dem ganzen Volke Un-
terstützung aiigedeihen zu lassen , das durch seine A orl'ahren unsern
Dank, in seiner jetzigen Lage aber unser Mitleiden in Anspruch nimmt.
Die lange Knechtschaft und der jetzige mehrjährige Kampf haben das
Volk sehr verwildert, aber seine grosse Bildsauikeit läs«;t baldige Rück-
kehr zum Bessern hoffen, und die Bildung desselben zu befördern, da-
zu dürften die genannten Leipziger und Jenaer Vereine bei glückli-
chem Erfolge ihres Unternelimens besonders beitragen könneu.
Bei der königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin war als
Beantwortung der im vorigen Jahre von der historisch - philologischen
Classe aufgegebenen Preisfrage — das JFesen und die Bildung
des Etruskischcn Volkes aus den Quellen kritisch zu erör-
tern und darzustellen — nur eine einzige Schrift eingegangen,
welcher am dritten Juli der Preis [von 50 Ducaten] zuerkannt wiud.
Der Verfasser war Hr. Prof. C. 0. Müller in Göttingen , Correspondcnt
der Akademie. Als neue Preisaufgabe ward von dieser Classe gegeben:
Eine, neben der Benutzung der G e schickt sehr eib er und
Geographen, besonder s auf Sj) räch- Ku nst - und andc-
r e Denkmahle gegründet e Musterung der j etztlebenden
Europäischen Gcbirgsvölker, von der ober n IFolga, Da-
na, Dnepr an, zwischen dem schivar zcn und dem Balti-
schen Meere, g e gen Südwest bis zum Adriatischen, und
von diesem längs des nördlichen Po- Uf er s , zu den
Ostufern der Rhone und des Mittelrheins; zum Behuf
einer Ethnographie und Sp rachenkarte von Europa.
Der Einsendungstermin ist der Slste März 1828. Vergl. Hall. Lit. Zeit.
Nr. 182 S. 631 f.
Die historische Classe der königl. Böhmischen Gesellschaft der Wis-
senschaften zu Prag hat folgende Preisaufgabe bekannt gemacht :
Ausführliche JFürdigung der Böhmischen G eschi cht-
schr eiber vom ersten derselben bis zur Hagekischcn
Chronik herab.
Sie verlangt dabei: 1) eine genaue Zusammenstellung alles dessen, Avas
in Bezug auf diese Schriftsteller in Balbin's Bohoemia docta, in Knoll's
Mittelpuncten der Geschichtsforschung und Geschichtsschreibung in Böh-
men und Mähren, in Meinert's Aufsätzen über die Böhmischen Geschicht-
echreiher des ersten Zeitraumes (Wiener Jalirbb. d. Liter. Bd. XV u.
XVI) und in andern Quellen sich findet; 2) eine genaue Prüfung der
Ausgaben der Gcschlclitschreiber mit Rücksicht auf den Wert!» der
Handschriften , aus denen sie geflossen , und Angabe anderer noch un-
benutzter llandechrr. , aus denen sich der Text verbessern Hesse ; 3)
Mleccllen. 471
eine auf den ganzen Inhalt und Ton der Erzählunf^, auf den Zweck des
Srhriftstellcrs und das V(•^•llältni^!! seiner Lage gegründete Ik-urtheihing
seiner Glauliwürdigkeit und Treue in IJenutzung früherer Quellen.
Die IJeantM Ortungen der Aul'gahe müssen in Deutsclier Sprache ah-
gofasst und , von fremder Hand abgeschrieben , nebst einem Motto und
dem in einem l)esonders versiegelten Zettel enthaltenen jVanien des Ver-
fassers vor Ende des Uecembers 1827 au den Secrctair der Gesellschaft,
Hrn. Prof. David in l'rag , eingesendet werden. Der l'reis für die besste
Bearbeitung ist 30 kaiserl. Ducaten in Gold und 250 Freiexemplare der
auf Kosten der Gesellschaft gedruckten l'reisschrift. Die versiegelten
Zettel der Concurrcnten , w eiche den Preis nicht erhalten, werden ver-
brannt, und die Handschrift wird auf Verlangen dem Einsender nach
dem 31otto zurückgestellt.
Die Obcrlaiisitzische Gesellschaft der J Wissenschaften zn Görlitz verlangt
bei der neuen für das Jahr 182(i aufgestellten I'reisaufgabe eine Aufhel-
lung der historischen Dunkelheit über den Zeitpiinct und Kechtsgrund,
unter welchem die Oberlausitz im ISlen Jahrhunderte an das Haus Bran-
denburg kam und eine Erörterung von dem Zustande des Landes unter
diesem Uegentenhause. Sie stellt daher die Frage auf: .
Jfa nn und aus welchem Rechts gründe kam die Ober lau-
sits im ISten Jahrh. an das Haus Brandenburg? welche
T'erdienste erwarb sich dasselbe um diese Provinz?
welches war der Zustand des L arid es unter desselben
Hoheit?
Die AntM'orten müssen nach der gewöhnlichen Form his zum 30 April
1827 unter der Adresse : „An die Obctiausitzischc Gesellschaft der Wis-
senschaften''^ eingesendet werden. Der Preis für die besste Schrift ist
50 Thlr. in Gold. *
Auf die im Jahre 1824 mit 3fachem Preise von 150 Thlr. in Gold
gegehene Preisaufgabe — eine mit Zeichnung en v er sehene ge-
naue Beschreibung der in den ü b r i g e n S e c h s s t ä dt en, ausser
Görlitz, b efindlichcn D cnkmülcr der Baukunst und bil-
denden Künste aus dem l'iten J ahrh. und den frühern Zei-
ten, nebst Beurth eilung derselben in Rücksicht der Kunst
und Ang ab e der wichtigsten dura uf Bezug habend en Mo-
numente — war nur eine Bewerbungsschrift eingegangen, die bei der
Hauptversammlung der Gesellschaft, den 5 Juli d. J. , den Preis nicht
erhielt. Doch wünscht die Gesellschaft das Eigenthumsrecht dieser
Schrift zu erhalten , und hat daher den unbekannten A erfasser aufge-
fordert , eich ilir zu nennen , imi mit ihm desshaib in Unterhandlung ZU
treten.
Die Pariser Akademie der Inschriften und schönen Jfisscnschaftcn hat
am 28 Juli d. J. folgende Preisaufgabe für das Jahr 1827 aufgestellt:
Recher eher quel fut Vetat politiqitc des cites Grcc-
ques de ( ' Zf u r o /> c , des iles de V A sie- Mincurc, depuis
4T2 M i s c c 1 1 c n,
le commcnccmcnt du deuxieme si eclc av ant notrc vre,
jusqu'' u l^etablissement de V emjyir e de Constantinoplc.
Vrgl. Scluilzcit. 1826, 11 Nr. T4. Für das Jahr 1828 (dea Isten April)
hat die neJmiliclie Akademie aufg-egeben : Tracer le table au des
rclations commercialcsdc la France et fies divers clats
deVEurope mcridionale avec laSyric et VEgypte, de-
puis la de cadence de la puis saiice des Fr an es da ns la Pa-
laestuic, jusqu'' au Iße siede ; determiner la nature et V cten-
due de ces relations ; fixer la date de V ctabliss ement des
Consulats en Egypte et en Syrie, indiquer les effets que
produisirent sur le commerce de la France et de V Eur ope
mcridionale av ec le L evant, la decouv erte du passag c
par le cap de Bonne- Esper ance et V ctablissement des
Portugais dans rinde. Die Adliandlung-en müssen Französisch
oder Lateiniscli abgefasst seyn. Der Preis ist eine goldene Medaille
von 1500 Franken.
Der Hr. StaatsminJster und Ohorpräsident Ingcrslcbcn zu Coblenz
hat einen Preis von 100 Tlilrn. für den ausgesetzt, welclier den Ort, avo
eich das im Revolutionskriege ahlianden gekommene Urkundenarchiv der
vormaligen Abtei St. Maximin hei Trier jetzt befindet, so weit nachwei-
sen kann , dass man dessen Wiedererlangung hoffen darf.
Die Gesellschaft für Nassauische Älterthumskunde und Geschicht-
forschung zu Wiesbaden \\ie\i am 29 Mai ihre 4te jährliche Versanmi-
lung. Ausser den gewöhnli(;hen Verhandlungen und Berichten über Zu-
stand und Fortgang des Instituts spracli der inländische Dircctor , Herr
Generaldomainendirector von Röster über die nöthige 31inisterialver-
ordnung wider das AVcgbringen ausgegrabener Alterthümer, und der
ausländische Director, Herr geheimer llath von Gerning über die kürz-
lich bei Hädernheim entdeckten z>vei Mithrastempel und über die Grün-
dung , Erweiterung und Zerstörung der dortigen Römerstadt, so wie
vom DrusHscastell auf der Saalburg bei Homburg, gleich dem Eulba-
cher bei Erbach. Herr Habet von Schierstein, Mitglied des Vorstandes,
legte seine Zeichnungen von den verschiedenen in beiden Mithräen ge-
fundenen Altären , Bildwerken und Inschriften vor und gab eine Be-
schreibung derselben nebst einer Erklärung ihrer embleniatischen V(;r-
zierungen. Eine A.Miandlung des verstorbenen Inspectors Kraus, über
die Wohnsitze der Catten und Mattlaken und Cäsars Rheinübergiinge,
ward vom Secretair, Herrn Pfarrer Luja vorgelesen. Der inländische
Director und die 6 Vorstände wurden aufs neue gewählt.
Die Londcner Literaturgcsellschafi zeigt ein reges wissenschaftli-
ches Streben, und es sind iji derselben hinnen Jahresfrist neun intercs-
&antc und gediegene Denkschriften gelesen worden. Pliilologisch wi(^h-
tig sind besondci's eine Vorlesung von Falcr,über Ursprung und
Itcligion der Mcxicancr, und drei Abhandlungen \on Tiller, über
M i s c c 1 l e n. 473
die Fl in f Uhr uns; der Griechischen Literatur in F.np^land
zu J-jiule lies 31itt('Iahers , über des JI oraz Ep ist cl an Torqua-
tus 1111(1 über dessen HSste Ode des ersten Jiuchs, Aon welcher
er zu erweisen suelite , dass sie zur Feier eines Festes wegen des 714
von Octavius und Antonius zu lirundiisiuiu geschlossenen Friedens ge-
dichtet sey. •
Die Mitjjliedcr der Akademie in iS'eapel heschüftiffen sich eifrig mit
den II c rc u I an i s c h e n /I an d sehr iflcn. Zum Druck fertig sind
zwei Tractate über die Iledekiinst und ein Werk über die Moral von
Pliilodeimts , zm ei Bücher über die jYatHr von Epikur, ein Werk über die
f orsehung von Chrysippus, und 3 Tractate \on Karnisciis, Polystratus und
Epikur. Das Werk i/7»cr die Politik, welches man jetzt dem Aristoteles
beilegt, wird von l'hilodeinus dem Thcophrust zugeschrieben.
Bei der vom 18 — 23 Septemb. d. J. zu Dresden gehaltenen fünf-
ten Versammlung Deutscher Naturforscher wurde unter Andern auch der
Plan gcfasst, eine neue Jusgabc fler Nattir g cschichte des
PI in ins sowohl in Lateinischer als in Deutscher Sprache zu veranstal-
ten. Diess soll so geschehen, dass überall die bedeutenden Männer je-
des specielleren Fa(;hes der IVaturM issenschaft die Bücher der einzelnen
Disciplinea zur schärfsten Verständigung vorerst über die Ansichten des
alten trefllichen Polyhistors von der Höhe der jetzigen Wissenschaft aus
in Uebersetzung und Anmerkungen bearbeiten , die eingeschlichenen
Missverständnisse berichtigen, durch erweiterte Sachkenntuiss und alle
nur Irgend zu Gebote stehende kritische Hülf»mittel den Text verbes-
sern und dem allso ermittelten Standpuncte der alten Griecliisch - Rö-
mischen Naturkunde gegenüber die Resultate unserer Zeit aufstellen.
iSamhafte Gelehrte erklärten sich bereits bereitwillig, dem grossen
Werke hinsichtlich ilirer Liebiingsbranchen beizutreten. Noch andere
sollen eiiigeladcn und der Concurs übrigens so viel als möglich zugäng-
lich und bekannt gemacht werden. Die Einrichtung und Leitung des
Ganzen hat Hr. Hofrath Böttiger übernommen, von dem auch Idee und
Plan zuerst ausgingen, S. Abendzeitg. 182ö, Einheimisches Nr. 19 S. 74.
Der arme Vater Homer, der sich in ixnscrn Tagen so vieles ge-
fallen lassen muss, hat unter andern auch das Unglück gehabt, dass
seine Odyssee in klingelnde Reinitrochäen übersetzt und nach der Art
unser(;r Romane moderni»irt worden ist. Frau Hedwig Hülle, geborne
Hoffmeier, hat nehmlich herausgegeben : 1 r rfa h rten de s Ody sseu s,
i n V i e r ii nd zwanzig Gcs ü n g e n. Freie Aaehbilduiig in gereimten
Strophen nach Homer. Bremen, lleyse. 1826. 2 Bde. VI und 716 S.
gr. 8. 2 Tlilr, 16 Gr. Der üd^sseus ersclieint darin als ein ächter Ro-
manenheld , der z. B. „mit schmeiclielnd süssem Flehen , wie ein Lie-
bender wohl pflegt ," aus dem Dickicht der edlen Jungfrau Nausikaa
sich nullt und nach Art eines reclitcii Zierbcngelä die Cour macht. Das
474 M I 8 c e 1 1 e n.
Rcsstc In dem Buche ist noch eine Abhandlung vom Hrn. Dr. Ikcn über
gereimte Üebcrsctzungen antiker Poesie.
AKX' sts oinov tovGDc xa ckvttjs sgya Jto/tt^s,
larov r ^^.ayiütrjv zs, Kai d^cpiTtöXotaL ^iXfvs
"Eqyov inoixso&ccf [ivd'og d' avÖQsaat ixtlTJati.
Die Scriptornm v et er um nova collectio e Vatican'is
CO (Id. eilita ab Ang. Majo , Bibl. A'at. praefecto , ad Leonem XII
pontif. Max. ( Roniae , Burlie. 1825. 4.) enthält folgende Schriften:
Eusebii Caesareensis [XX] Quaestioncs evangcUcae ; Photii Quacstioncs Am-
philochianae [wovon einige schon früher gedruckt sind] nebst einigen andern
Kleinigkeiten vonPhotius; einen von einem Unbekannten geraachten y/iM-
zvgmts der Chronik des Eusebius nebst Fortsetzung derselben bis zura9ten
Jahrhundert; des Tlieodonis Erklürunoen über Daniel von seinem Bruder
Polyclu'onius ; einige Fragmente des Bischoffs Hippolytus; des Acliiis Ari-
slides Oratio contra Dcmosthenem de immnnitate nebst A arianten zu desselben
Hede gegen den Leptines. Beigegeben sind Prolegomena und paläo-
graphische Tafeln, nebst Abbildungen der Statuen des Aelius Aristides und
des Hippolytus in der Vaticanbibliothek, — Nach der Bibliotheca Italia-
na hat Angclo Mai vor kurzem in der Vaticanbibliothek Mieder einige
noch unbekannte Reden des Aristides gefunden.
Auf dem Bei'ge Libanon hat man In einem Ilieronymitenkloster
eine Abschrift der allgemeinen Geschichte des Orosius mit No-
ten von der Hand des heiligen Augustinus gefunden und das Manuscript
nach Rom geschickt.
Nach dem Journal Asiat. 1826 Nr. 47 hat man auf der königl. Bi-
bliothek zu Paris in Orientalischen Handschriften mehrere Werke
des Philo gefunden, von denen der Griechische Originaltext verloren ist.
Das Studium der Deutschen Sprache und Literatur kommt in
Frankreich sehr in Aufnahme und M'ird noch dadurch mehr Eingang ge-
winnen, dass der junge Herzog von Bordeaux in der Deutschen Spra-
che unterrichtet wird. Die Französischen Blätter machen Aiel Rühmens,
dass er bereits anfange Deutsch zu lesen und etwas Deutsch zu spre-
chen. — Seit 1825 erscheint zu Strasburg eine B ibli oth eque Al-
lemand c , Journal de litter atur e , und seit diesem Jahre zu Paris eine
Deutsche Zeitung. Schon 1825 gab Lortct eine Französische Üe-
hersetzung von Jahi's D eutschem V olksthum heraus und vor kur-
zem erschien: Mwsaeus: Contes, precedes d^une noticc par Paul de
Kock (Paris 1826. 5 vols. in 18. Leipz. bei Voss 6 Thlr. 6 Gr.). Mu-
säus heisst in den Französischen Journalen Vauteur favori des Allemands.
Proben einer Französischen Uebersetzung des Niebelungenliedcs hat der
Globe mitgetheilt. Auch wird jetzt an einer Uebersetzung von //ofZer's
Ideen zur Geschichte der Philosophie der Menschheit
und von mehrern Schriften Luther'' s gearbeitet. Golbcry liefert eine
M i s c e 1 1 c n. 475
UcLcrsct/.nn«^ von Schlosser' s U n i v c r s a Ih i s t o r i s ch c r lieber sieht
der Geschichte der alten ll'ell und ihrer CuUur. [S. Ueiilelb. Jiihi-bli. 182G
Hft. 8 S. 757 — 775.] Von ^icbuhr's U um i scher Geschichte, mc\-
clic jetzt neu Iicrauskoiiimt, Mirclzuf^leich uiit eine Französificlic LcLcr-
setzunji^ erseheinen» Von Jnnius Faber erscheint zu Paris: Syiijr las-
se oder G rnndsätzc der Sprachforschtuif^, Movon der erste
Abschnitt, über das Wesen und die Anwendung der Synglosse bereits vor
uns liegt. Die von Lcmaire lierausgcgebene li i bliot h e que classi-
qnc hat ine enthält fast ausschliessend Abdrtirke von Ausgaben Deut-
scher Philologen. Von dieser Sammlung sind bisjetzt 78 Bände fertig.
Die neusten sind: C f aler.Flacci Setini lialbi Argonauti-
con libri J 111, veteri novaque lectionum varietate, commentariis , ex-
citrsibns , tcstimoniis , Argonautanan catalogo , indicc nominum , verum et
verborum universo instructos ac diligcnter rccognitos edidit j\ic. Kligidius
Lemaire (Paris 1824 u. 25 II vols. 8. Leipz. b. Aoss lOThlr.); Poctac
Latin i minores, quos notis vett. et novis illustravit A. E, Lemaire:
vol. \ tum : Huf i Fe st i A v i eni d escript i o or bis terrae, ora
maritima et carmina min ora; ejusdem phacn omena et
prognostica (1820. Leipz. b. Voss 6 Thlr. 12 Gr.); libulli quae
s upcrsunt 0 mnia opcra ex recensionc Golbery (^IH'Ki. 7 Thlr.) und
Phaedr i fabularum Aesopiarum libri V etc. cum notulis vario-
rum et suis cdid. J. B. Gail [nach der Ausgabe von Schwabe], Vol. I.
1820. 7 Thlr. — Mit welcher Genauigkeit indess die Franzosen bisw ei-
len die Schriften Deutscher Gelehrten ansehen, davon giebt das Bulletin
des scienccs historiqucs , antiquites , philologie, sous la direction de M.
Ic B. de Fonissac folgende Proben. In ]\o. 9 Septcmbre 1825 S. 171
wird angeführt: Stir Ics lois du Ilhythme par M. Lebrecht mim. rf'
Origin. Damit soll bezeichnet seyn der Entwurf der reinen Rhythmik
von M. Lebrecht Immanuel Döring. Bei der Anzeige von JVeicherVs An-
thologia Graeca in jNr. 8 Aoiit 1825 wird S. 1)9 gesagt: Le texte est en-
riclil des notes ducs ä M. Jl'ander.
Ausser der Lemaire"schen Sammlung Lateinischer Autoren erscheint
zu Paris noch folgende neue Sammlung: Auteurs classiques L a-
tins, avec des commentaires anciens et nouvcaux , et des index complets ;
publies par des professeurs de lacademie de Paris et de Vancienne univer-
site. Format in 12 et formal in 8. Paris, Ic libriiires-editeurs, Char-
les Gosselin , Manie et Dclaunay-Vallee, AI. Eyinery. Der Preis jedes
Bandes in 12 ist 5 Franken, in 8 auf Papier grand - raisin velin d'An-
noiiay 22 Fr. 50 C. und auf gewöhn lii^hem feinem Papier 12 Fr. Von
den bereits erschienenen Werken sind uns bekannt geworden: Q. II o-
ratius Flaccus ex recens. et cum notis Pctri Duviquct, Tom. I (1825.
Berlin b. Schlesinger 1 Thlr. 22 Gr. oder ü Thlr. 18 Gr. *) Die gc-
') In Leipzig bei Bo§Bange8, frt^res, kostet jeilesBändchcn in 12 nur 1 Thlr. 12 Gr.
Uebcrhaupt variirt bei auxliinditichcn Werken in Deutschen Buchhandlungen der Preis
oft bedeutend. So kostet der Tircntiauim Maurun von van Lcnnep ia Leipzig
bei VVcigel Ü Thlr., bei Fr. FleiBchcr aber ü Thlr. l(j Gr.
476 M i 6 c c 1 1 e n,
sammten Werke des Dichters werden 4 Bände füllen ) ; P. Ovidius
Na so. CoUatis editt. optimis cum suis et aliorum nolis tcrtio cdidit Joh.
Aug. Amar, Vol. I et II (1825. 3 Thlr. 20 Gr. oder 7 Thlr. 12 Gr. Im
Ganzen 5 Bünde); C. Cr. Sallustius, ex Bournouf , Potticr et alio-
rum editt. reccnsittis, cum selectt. varior. iuterpp. iiotis acnovisetiam additis;
itcmque Julius Exsuperantius; curantc J. Planche, Tom . I et II (1825.
3 Thlr. 20 Gr. oder 7 Thlr. 12 Gr.) und Cornelius N cp o s, ex opti-
marum editt. reccnsione et cum seleclis variorum interpretum notis , cuiantc
P. F. de Calonne (1S2G). Auch vom T'irgil (p\ols.) und Tac/(us (5 vols.)
&ollen bereits einige Bände fertig seyn.
Zu Paris hei Pancouckc erscheint : ßibliotheqticLatincFran-
gaise f ou tr aduction des classiques latins avec l€ texte en re-
gard, par M. Jides Pierrot, professeur de rhetorique au College royal
de Louis le Grand et prof. suppleant d'eloqucnce fran^aise a la facultc
des lettres de l'academie, in 8. Von (J zu 6 Wochen sollen 2 Bände
erscheinen, deren jeder im Suhscriptionspreis T Franken kostet. Die
ganze Sammlung Avird 120 — 130 Bände füllen. Von den fertigen Bän-
den sind uns hekannt worden: Juv enalis satirae [tradtiitcs par J.
Dusaulx. Nouvelle edit. revue et corrigee par J. Pierroi] , Tom. 1 , 1825 ;
V eile jus Pater culus ühersetzfc von DesprezvLuA Plinii Epi-
stolae übersetzt von Sacy, Vol. I.
Von Malte - Bruvi' s Prccis de la Geographie universelle
ist der 6te Theil erschienen , welcher die allgemeine Einleitung in die
Erdbeschreibung von Europa und die spec-elle Beschreibung der östli-
chen Hälfte dieses Welttheils enthält. Der ganze Welttheil wird in 17
physische Regionen getheilt, die verschiednen Nationen , die alten und
neuen Sprachen classificirt und eine neue Theorie der verschiedenen
Klimate gegeben. Die specielle Beschreibung der Türkei , Ungarns,
Galliziens, Polens und Russlands, oder der Länder der Griechischen,
Albanesischen, Slavischen und Finnischen Race enthält auch geschicht-
liche Nachweisungen der Sitten, Sprachen, Glauhenslehreu und Ver-
fassungen dieser Völker.
Das Conseil der Universität zu Paris hat Lefranc's Grammatiken
der Französischen und Lateinischen Sprache für den Un-
terricht des Herzogs von Bordeaux bestimmt und für classisch erklärt.
Die Lateinische Grammatik soll sich vorzüglich durch Methodik aus-
zeichnen , so dass sie die altern Grammatiken von Lhomond und Que-
roult verdrängen werde. Ausserdem sind die Lateinischen JFör-
terbücher y/on iVoeZ und P/a/icAc und die Griechische Gramma-
tik von Bournouf als die bessten Schulbücher empfolilcu.
In England ist erschienen: A New Greek and English Lc-
xicon, principally lipon the Plan of the Grcck and German Lcxicon of
Schneider. By James Donnegan. (London. 182G. 8. 1 Pf. 11 Seh. 6 D.) —
M i s c e 1 1 c n. 4'7Tf
Rams7iorn''s Lai ein ische Grammatik wird jetzt ins Englisclie über-
setzt; so wie Jf'altcr Scott eine Lebersetziing von Güflic's Götz von
Berliching en geliefert hat. Früher erschien: yt Copious Latin
G ramm ar by I, L G. ScIicUcr. Translatcd from thc German, witk
yiltcrations, Notes et Additions, by George ff\ilker. London. 1825. 2 vols,
8. 1 rr. 10 Sch.
In Schweden pah ./. G. Locnbom iin Aorlg'en Jahre ein Ilandbnck
der Griechischen J I teri h Um e r lieraus. S. Convcrsationsbhitt
1826 >ir. 117 S. -HHi. Tallhcrg hat ein sehr kurz und gedrängt gcar-
heitetes H c br ä i sch - Sc hw e d is c hcs Wörter buch für Sclmlen
und Gymnasien geliefert, das erste, welches in Schwed isolier Sprache exi-
stirt. Ihdtmanns G riech. Schulgrammatik ist ins ScliMedische
übersetzt Morden.
*
In den Staatsarchiven zu LonrZon hat man eine vollständige lieber-
Setzung des Ji oclh ins und eine Lebe r s e i z u n g des II o r a z in
Versen von der Königin Elisabeth gefunden. Die Handschrift des Iloraz
und der poetische Theil des Uoethius ist von ihr selbst, der prosaische
aber von ihrem Secretair geschrieben. Dass Elisabeth den Buetlüus
übersetzt habe , darauf hatte schon AValpole in Iloyal and noble authors
aufuierlt^aui gemacht, dass aber die aufgefundene Uebersetzung von der
llaitd der Königin sey , thnn zngleicli mit aufgefundene Briefe von ihr
unvidersprerhlich dar. A rgl. Blätter für liter. l'nterhalt. Ar. 59 S. 23(i.
Zu \ork beßndct sich in Manuscript eine Sanimlnng historisch-
jiolitischer D enkwür d i gkeiten aus der Regierungszeit
der Königin Eli s abeth und Jacobs I, worin unter Andern
auch eine Apologie der Keuschheit der Königin Elisabeth steht.
Für die al t e N o rd i s eh e Po e s i e ist von dem vor kurzem ver-
storbenen Josias Conybeare [Professor der Angelsächsichen Poesie
zu Oxford] ein wichtiges A\ erk , Illustration of anglo-saxon
poetry (London 182()) erscliienen , das nach dessen Tode sein Bruder
herausgegel)en hat. Der \erf. liat fast alles benutzt, was über die An-
gelsächsische Poesie da ist, und gefunden, dass diese Gedichte durch
Alliteration und Reim ganz den Kddaliedern verwandt sind. Viele dieser
Gedichte übertreffen jedoch an Kün»tlichkeit der Assonanz und des Reims
alles, was aus dieser Art bekannt ist, selbst die Poesien der Proven^a-
len. Die drei grössern Gediclite der herausgegebenen Sammlung sind
die Geschichte BeoMulfs in 4i» (»esängen, ein Fragnsent auf die Schlacht
von Finsborough und ein Fragment auf den Tod BeorhtnotKs , Grafen
von Nordhumbria. Vrgl. Blätter für Uterar. Unterhalt. Ar. 100.
Die königl. Baier'üche Regierung hat dem königl. Preussischen MI-
nlsterio der Unterrichtsangelegenheiten für den Professor von der Ilagen
Behufs der von iiim l)eal)>i(hligten ILransgabe eines Ergänzungs-
bandes der M an e s s i s c li e n S u m ?Jt l u n g d c r M i nn es ü n g e r den
Jährt), d. ruil. u. l'üdag. Jahra. I. Ihjt 'i. gl
478 M ! s c c 1 1 e n.
sogenannten Wurzlmrger Codex , der sich gegenwärtig in München be-
findet, auf ein halbes Jahr geliehen. Aus der Heidelberger Bibliothek
erhielt derselbe Gelehrte zu gleichem Zwe«;ke durch Vcrmittelung des
küuigl. Ministerii die Handschriften 350 und 357 der Minnelieder.
Im 20sten Bande der Schriften der Gesellschaft für Skandinavische
Literatur hat vor kurzem Hr. Dr. Bredsdorff die verschiedenen Meinun-
gen alter und neuer Geographen über die Lage der Insel Thulc
einer kritischen Prüfung unterworfen , und angenommen, dass die Al-
ten darunter den südlichen Theil von Norwegen oder die dort liegende
Insel Tiloe verstanden hätten , auf der sich vielleicht eine Phöuizischc
Handelsniederlassung befand.
Für die Nordische G e s ch ichte des Mittelalters ist zu
Kopenhagen am Ende des, Vorigen Jahres folgende wichtige Schrift er-
schienen: De Arahum Pers artimque c omntercio cum Russia
et Scandinavia mcdio aevo, proludendo scripsit Dr. Janits Las-
sen Rasmussen , CO S. in 4. Derselbe hat bereits 1814 herausgegeben :
Om Arabernes o g P e r s e r n e s H an d e l o g Bekiendtskab med
Rusland og Skandinavien i Mi ddelald er en, wovon eine
Französische Uebersetzung nebst erläuternden Anmerkungen in dem
Journal Asiatique 1824 u. 1825 Cahicr XXVIII— XXXIl steht.
/
Der berühmte Reisende und Sprachgelehrte Rask in Kopenhagen,
der von seinen mehrjährigen Reisen durch den Kaukasus , Persien und
Indien einen reichen Handschriftenschatz mitgebracht hat , legte vor
kurzem der Skandinavischen Gesellschaft der Literatur die Hauptresultate
seiner Forschungen über die Zcjidsprache und den Zend- A v e-
sta vor. Er bewies aus sprachlichen und historischen Gründen, dasa
die Zendsprache und die in ihr geschriebenen Religionsschriften nicht
minder alt , als die Sanskritsprache , der Zend - Avesta aber weder ein
untergeschobenes noch ein aus Traditionen verfasstes oder gar aus dem
Sanskrit entlehntes Machwerk sey. Die Zendsprache sey der Schlüssel
zur Keilschrift und ein höchst wichtiges Mittelglied zu der Deutschen
Sprache. Vrgl. R. Rask : lieber das Alter und die Echtheit
der Zend - Sprache und des Zend - Avesta und Herstel-
lung des Zend - Alphabet s; übersetzt von F. IL von der Hagen.
Berlin , Duncker u. Humblot 1826. VIU u. 80 S. 8. 10 Gr.
Für vaterländische Geschichte, Altcrthumskunde,
Geographie, Statistik und Top o graphic giebt Hr. Dr. Joseph
Schneider in Fulda eine neue Zeitschrift unter dem Titel Buchonia her-
aus , wovon das erste Heft (Fulda bei Müller. 180 S. 8.) vor kurzem
erschienen ist und folgende Abhandlungen enthält : Geschichte des Bii-
chenlandes, vom Herausgeber; Siegbert's Ermordung im Buchcnwalde,
vom Prof. Schmitt; des vormaligen Hochstiftes Fulda Münzen und Me-
daillen aus dem Mittelalter und der Jüngern Zeit, von einem Fuldaer;
M i s c c 1 1 e n. 4t9
nlier clnip:e mcrkvrürdig'C Fultlaisclie Münzen aus dem Mittelalter, vom
liej^ieninf^^sdireetor Ilcrquet [zu beiden Al)liiindliiiij2;en ist eine Tafel
mit Miin/.abdrüekeu j^ejjelten] ; Gesehiclite und Topo';ra|)hie des Frauen-
berges bei Fulda, vom Prof. Schmitt. — Der Säcksischc f crcin zur Er-
forschunp^ vaterländischer AUerthümcr zu Leipzig hat den ersten Hand
Beitrüge zur vaterlünd. Jlterthumskunde [ Leipz. b. Vo<^c.l
lOi ügn. uebst 7 litlioj^ruiiliirten Tafeln, j^r. 8. 21 Gr.] erseheinen lassen.
Der Preis von Fr. Crcuzcrs Symbolik und Mythologie der
alten f'ölkcr, besonders der Griechen, (zweite völli«;- umj^c-
arbeitete Auflage) nebst der Fortsetzung von Fr. Jos. Moiic unil dem
Kupferatlas, ist bis zur Leipziger Ostermessc 1827 von 23 Tlilr. 18 Gr.
auf 12 Thlr. horal)g('setzt. Der vom Dr. Moser daraus besorgte Aus-
zug Mird Aviihrend der neliiuliiJien Zeit für 2 Tlilr., die Hälfte des La-
denpreises , verkauft.
Die von Ülto Schulz herausgngebene ausführliche Lateini-
sche Graniviatik (Halle 1825 in 8) i»t nebst der kleinem desselben
Aerf. von dem königl. Preussisehen Ministerium der l nterrieJitsangele-
genlieiten den Preus!«iselien Gynmasien zum Gel)rnueh enipf(tlilen Mor-
den. Auch hat sicli über die au>rülirlirhe Grauunatik ein heftiger Streit
«'rlioben. Ein Heecnsent <lersell)en in »ler Jenaer liiteratur- Zeitung d.
J. >ir. 132 — 13-1 hat neluiilicli die IJebaupluiig aufgestellt, dass der
grösste Theil dieser Grammatik mit unixdeiitenden Veränderungen aus
Hamshorn's Lateinischer Grammatik (Leipzig 1824 in 8) abge-
sehrieben sey, Mas sich besonders aus g§ 35 — 3!), 43, 48 und (»2 und
in der Syntaxis ergebe. Dagegen hat Hr. Schulratli SchiUz eine; Erklä-
rung (Berlin bei üieteriei, auf seine Kosten, 11 S. in 8) drucken las-
sen, Morin er aufmerksam macht, dass er die erMÜhnten Paragraphen
schon früher in seiner kleinern Grammatik, die 181.5 erschien, fast
M ortlich so gegeben habe, mIc sie jetzt in dem grössern Werke siiili be-
fänden, dass also von einem Entnehmen ans Hamsliorn's Grammatik
nicht die Kode seyn könne; auch lasse sich in den erM ahnten Abschnit-
ten überhaupt nicht eine soldie Aehnlichkeit ZMischen beiden S<"hriften
aufflnden , aus Melcher man auf gegenseitige Benutzung sehliessen kön-
ne. AVie der Kecensent gegen diese EinMcndungen seine Behauptung
schützen M^erde , steht noch zu erwarten, nur ist zu wünschen, dass
er den Streit mit weniger Heftigkeit und mit mehr Ausschliessung des
Persönlichen fortführe, als derselbe jetzt begonnen hat.
Die vom Prof. Zttmpt besorgte Ausgabe des Q. Curtius Uufiin
ist den sämmtlichcn PTeussitichcu Gymnasien zum Gebrauch cnipfuh-
Icn worden.
Der Oberst Caaado - Giraldea , Portugiesischer Consul zu Ilavrö
de Grace giebt ein Werk untere dem Titel: Tratado com pleto tlc
cosmogruphia et g c o gra phia h islur ica , phy s ica e com-
Ol
480 M i s c e 1 1 c n.
tner cial, antig a e moderna, heraus, das auf 6 Bande be-
rechnet und wovon der erste Band hercitsi erschienen ist. Das Werk
beginnt mit einem allgemeinen Urariss der Geographie als Wissen-
schaft , einer Uebersicht der 5 Welttheile und einem geographisch-
etatistischen Gemälde von Portugal und Brasilien und geht dann zur
alten Geographie, zur Kosmographie und zu den wichtigsten Ereignis-
sen der Geschichte fort. In Portugal hat es vielen Beifall gefunden,
und der König selbst und die Prinzen und Prinzessinnen des königl,
Hauses befinden sich unter den zahlreichen Subscribentcn. Vrgl. Blät-
ter für lit. Unterhalt. 1826 Nr. 41 S. 164.
Die zu Mailand erscheinende ß ibliotheca Itali ana^ deren
Redaction Herr Joseph Acerhi wegen seiner Ernennung zum k. k. Ge-
neral-Consul in Aegypten am Ende des vorigen Jahres aufgeben musite,
wird durch die Herrn Gironi , Bibliotheliar an der Brera und Herausge-
ber des Tasso, Carlini, Astronom und Ritter, und Funagclli, Professor
und Vicesecretair der Kunstakademie zu Mailand , fortgesetzt.
Ueber die Römischen Alterthilmer in S avoyen und Pie-
mont hat der kunstiiebende Hr. Baron von Malzen vor kurzem eine
kleine Schrift — Monumens d^ aniiquite r omaine dans les
etats deSardaigne cn terre forme. Turin 1826. gr. fol. —
herausgegeben, welche bloss an Freunde vertheüt wird, und ausser 56
Seiten Text eine Carte antique des etats de Sardaigne und 13 Steindruck-
tafeln enthält, auf denen sich folgende von einem geschickten Künstler
genommene Zeichnungen befinden : Trophe d' Auguste presia Turbie;
Ponte Lugo pres d'Albenga; Restes d'un aqueduc ä Aqui; Are d'Au-
guste ä Suze; Pont de St. Martin; Porte taille dans le roc ä Donas;
Pont de St. Vincent; Are de triomphe d' Auguste ä Aoste; Porte prc-
torienne de la cite d' Aoste; Edifice roniain ä Aoste; Aqueduc d'Aima-
nille; Are Campanus ä Aix und Temple de Diane ä Aix.
Zu Neufchatel bei Wollrath ist erschienen : Cata logue des me~
dailles trouvees dans le m,ois de Septembre lS2i- ä Dom-
br esson , ausgeai'beitet von den Geistlichen Ladame zu Dombresson
und Morthier zu St. Martin. Er enthält ein Verzeichniss silberner Con-
sular - und Kaisermünzeu bis auf Nero und einer ffoldenen von Tiberius.
Eine sorgfältig gearbeitete Schrift von Briganti beschreibt den
Triumphbog en von Rimini; die Alter thümcr von Civitä
Castellana aber eine Sclirift vom Canonicus Morelli, D issert. . .
che Civitä Castellana e Vantico Veio. Tomi. 1825. 288 S.
8. Vom Niccolinischen Museo Burbonico ist das ZAvelte — der Ue-
berschrift nach das fünfte — Heft erschienen, welclies ausser andern schon
bekannten Werken des Museums die Diana von Portici und den
vor zwei Jahren zu Pompeji gefundenen Goldsch7mick beschreibt.
S. Tübing. Kunstbl. 41 S. 164. Belehrende Nachrichten über die Her-
M i s c c i 1 c n. 481
culanisch CTZ Papyrusrollen giebt «üno Sclirlft des Ciinonlcns Jo-
rio, Officina de" Papiri, Nup!. 1H25. 8. Dersclhe hat cbciifalU
zu Neapel 1824 licr<ins!jo(i;cbcn Mctodo per iiivcnire e fru-
gare i scpolcri degli antichi, 182 S. 8, mit 8 Steindrucken,
woraus ein Auszug im Tübinger Kunstbl. 1826 Nr. 40 bis 52. steht.
Vrgl. Tübing. Kunstbl. 182(i ISr. 45 S. 180. D. Domen. Rosctti dl Scan-
dcr hat drucken lassen : Musaico antico scoperto nelV Aprilc
dcl 18 25. in Trieste, in 4. S. Ilespcrus Nr. 152 S. 60G.
Die ZATei im Museum 7ai Neapel befindlichen J »In ^ h";i i^'e von Erz
in vorwärtsgebogener Stellung, welche man anfangs für Athleten, dann
für Diskus-lf'crfer hielt, sollen nach einer neuen Untersuchung im Tü-
bing. Kunstblatt 1826 Nr. 45 u. 46 Läufer seyn : der eine 3Ij'ron's Läu-
fer Ladas, der andere entweder eine Copie davon oder der besiegte
Läufer Thi/mos.
Im Frühjahr 1825 hat zu Rom der Banquier TorZon/ß, Duca d'iBrac-
ciana unter Aufsicht des Professor Aibby in den zwei Müllen von der
Porta Capena an der linken Seite der Appischen Strasse gelegenen
Trümmern eines Römischen Cireiis die S pina aufdecken und
von Schutt räumen lassen. Die Uesultate dieser Ausgrabungen hat Hr.
ISibby in einer besondern, nicht in den Buchhandel gekommenen Schrift
— Del Circo volgamente detto di Caracalla. Roma. 1825.
46 S. 4; — bekannt gemacht, welcher der Architect, Ilr A. de Ro~
manis einen Plan des Circus beigefügt hat , und woraus ein gnügender
Auszug in dem Tübinger Kunstblatt 1820 Nr. 69 — 71 gegeben ist. Nach
den bisherigen -Meinungen war dieser Circus entweder von Iladrianus,
oder von Caracalla, oder von Alexander Severus , oder von Gallienus
erbaut. Hr. NiJiby schreibt ihn dem Maxentius zu, und schliesst diess
aus Inschriftfragmenten, die man am westlichen Ende der Spina bei der
sogenannten Porta triiiinphalis fand. Ancli werden über die Eigenhei-
ten des Circus, nanu-ntiich über die Carceres , die Spina und die ^ er-
zierimgen ausführliche Nachrichten gegeben, welche um so wi<;htigcr
sind, weil dieser Circus der einiigc ist, indem sich die Spina erhalten hat.
Durch die Ausgrabungen , welche die Gebrüder CIntoni zu Ostia
machen lassen, ist zn letzt ein wohlerhaltener Sarkophas; von ge-
wöhnlicher Arbeit gefunden worden, dessen llanptseite die Ge*cliichle
der Alcestis in einer vorzüglichen Darste^ung enlliält. Drei Ilanptmo-
mente sind durch erliabene Bildwerke dargestellt, dei» Sciueckon in Ad-
metus Hause, der Tod der Alcestis statt ihres Gemahls und ihre Befrei-
ung aus dem Hades durch Hercules. Die uähere Beschreibung steht
im Tübing. Kunstblatt Nr. 5*J.
Bei den Ausgrabungen zu Pompeji hat man in den letzten Tagen
des Mai einige Skelette, 7 Ringe, viele Gold-, Silber-. und Kupfermün-
zen und andere kleine Sachen von Silber, mehrere kleine silberne Löl-
482 M i s c c 1 1 e n.
fei, von deren einem der Ilandf^^rilT einen Zieg-enfuss vorteilt, mehrere
Gefässe von Erz und Ton, Lampen, Gewichte und andere Geräth-
echaften gefunden. •
Zu Brescia in Oheritalien hat man diesen Sommer einen se Ar gro-
ssen Tempel ausg^egrahen. Schon seit undenklichen Zeiten nehm-
lich ragte aus einem Hügel bei der Stadt eine marmorne* Säule hervor,
und einer Sage nach hatte dort ein Herculestenipel gestanden. Vor zwei
Jahren fing man an nachzugraben und fand auch von Zeit zu Zeit Rö-
mische Inschriften und andere alte Monumente. Diesen Sommer end-
lich wurden <Ue Funtlamente eines sehr bedeutenden Tempels aufgedeckt
und man fand mehrere Eingänge zu verschiedenen bedeckten Gängen.
In einem derselben stiessen die Arbeiter den 21 Juli auf vier vermauerte
Kischen. Bei dem Erbrechen derselben fand man in der ersten eine
kolossale geflügelte Victoria aus Bronze , deren Augen aus Onjxsteinen
bestehen , so wie sie überhaupt von prächtiger Arbeit ist. Um sie be-
quemer einmauern zu können, waren Flügel und Arme abgenommen
und lagen zu den Füssen der Statue. In der zAveiten fand man einen
reich verzierten Brustharnisch eines Pferdes und 6 grosse Büsten, wovon
eine die Faustina, Gemahlin des Marc Aurel, darstellt. In der dritten
und vierten Nische befanden sich eine i^ Schuh hohe bronzene und schw er
vergoldete Statue eines gefangenen Königs mit Onyxaugen , und ein ko-
lossaler bronzener Arm, beides von schöner Arbeit. Im Gebäude selbst
entdeckte man mehrere Inschriften, deren eine von der Brixia Ro-
mana handelt. Alle diese Schutze sind auf das Stadthaus zu Brescia
gebracht worden. Die Nachgrabungen werden eifrig fortgesetzt , imd
man hofft noch viel zu finden , zumahl da die Victoria und der gebun-
dene König auf einen Triumph hindeuten, und vielleicht auch noch der
triumphirende Imperator nebst seiner Biga oder Quadriga dort verbor-
gen liegt,
Bei den Ausgrabungen, welche der Ritter Biondi mit Genehmi-
gung des Königs von Sardinien zu Tusculiim anstellen lässt, hat man
wieder 2i Statuen, aber ohne Köpfe gefunden. Der Grundplan der
alten Stadt ist noch nicht ans Tageslicht gebracht, weil der Unterneh-
|upr zu wenig Arbeiter verwendet.
Das Campanische Amphitheater zu Neapel ist auf Befehl
des Königs mit einem Graben »umzogen worden, wobei man viele Säu-
len und Verzierungen gefunden hat. Nächstens will man auch die Pflan-
zung von Bäumen und die lebendigen Hecken wegschaffen und es vom
Schutt reinigen.
Zu Osterburken in Baden etiess man den 15 Juli in dem ehemahli-
pen Kurmainzischen Kellereigebäude beim Graben eines Brunnens in ei-
ner Tiefe von fi Schuhen auf ein Gemäuer, dessen SeitenAvand mit Gyps
iiljer(,üncht unt} marmorartig gefärbt, der Buden aber mit hartgebrann-
M i 8 c e I 1 c n. 483
ton roÜion Thonpliittcn belegt Mar. Die letzteren sind raeiätens 1^
Schuh lang, 1 Schuh breit und 1^ Zoll dick und fast alle mit
LEG. XXII.
PUr. P. F.
bezeichnet. Unter diesen Platten befand sich ein mit zcrstossenen Stei-
nen veriuischter G^jiüboden, der ungefähr 1 Schuh tief >var, und dar-
unter Avaren ebenfalls gebrannte Steine gelegt. Auch fand man einige
zerbrochene llühren aus gebranntem Thon und mehrere sehr lange ei-
eernn ISägel. Wahrscheinlich allso befand sich dort vor Zeiten ein
Schii'itzbad der 2'lstcn Römischen Legion, velchc die Eh-
rennamen Primigcnia , Pia, Felix führte.
Auf deifl Schonberg im Breisgau hat man kürzlich einen grossen
licgrübnissplatz gefunden , auf dem mau 137 mit Steinplatten ausgelegte
Gräber bereits geöffnet hat. Alle diese Gräber sind nach Morgen ge-
richtet. Man fand in ihnen Pfeile , Spiesse und Welngeliängc von Ei-
sen, Dolche vom feinsten Stahl, velcher der Feile widersteht, ScIiM'er-
ter halb von Eisen und halb von Stahl, rothc und purpurne Korallen,
grosse Stücke Bernstein, gefärbtes Glas, häufig mit Silber eingefasst,
vorzüglich ein himmelblaues , das man bis jetzt noch nicht kannte. Hr.
Gymnasialpräfect üchreibcr in Freiburg wird eine Schrift darüber her-
ausgeben.
In Ostfricsland hat man in der Tiefe eines Torfmoores einen gut
erhaltenen me7iscft/ je Acri Leichnam gefunden, dessen Tracht auf
uralte Zeit liinMeis't. Er trug einen Wamms mit weiten Aermeln, ohne
Knopf und Knopflöcher, weite Hosen nur mit ledernen Riemen zusam-
mengezogen, Schuhe aus ungegerbtem Leder, ohne Naht und Solen,
aus einem Stück gemacht und über dem Fusse mit einem Riemen zu-
eummengebunden. Diese Kleidungsstücke werden in Awich aufbewalirt.
Zu Ilavre ist auf derGabarre Durance eine prachtvolle Sammlung
yt e gy ptischer Denkmühler angekommen, m eiche für das Orienta-
lische Museum im Louvre zu Paris bestimmt ist. Sie macht die ganze
Ladung des Schiffes aus und ist, die grossen Denkmähler der Bildhaue-
rei, von denen mehrere ein GcMicht von 14 — 1800 (lentnern haben,
abgerccluiet, in mehr als 100 Kisten verpackt. Die dabei befindlichen
US Manuscripte auf Papyrus oiler Lein\tiind , deren melircre 15 — 20
FusB, eins sogar 40 Fuss lang ist, sind alle sehr gut erhalten. Viele
davon sind Griechisch. Zwei dieser Griecliischen Papyrus sind astro-
logischen Inhalts , ein anderes Blatt enthält ein Stück eines Griechisch-
Lat<inischen Wörterbuchs. Ausserdem fand Chumpollion d. Jung, dar-
unter mehrere schöne li rnchs tue k c der lliits, wcdche mit der Pa-
pyrusrolle zusiinuuenliäiigen sollten, die \or einiger Zeit aus A«'gypten
nach Cambridge gritommen ist tind ebenfalls Stücke der Ilias enthält.
Leber letztere vird, Mie verlautet, ein gelehrter Engländer bald ge-
nauere Auekunft crtlieilen ; über erstore m erden die Franzosen liulVent-
484 M i 6 c c 1 1 e n.
lieh die gelehrte Welt nicht lange in Ungewisshcit lassen. Von den
übrigen in dieser Siimmlung befindlichen Stücken sind besonders zu
bemerken : ein bronzener Osiris 2 Fuss 7 Zoll hoch und tine gleiche
weibliche Statue 3 Fuss hoch, mehrere bronzene Rauchfüsscr und Spie-
gel , eine 3 Fuss 8 Zoll hohe Harfe noch theihveise mit Diirmsuiten
versehen, deren Kasten mit grünem Saffian überzogen ist , eine Trom-
mel ganz den unsern gleichend , mehrere kleine Figuren ganz von Sil-
ber und Gold und sehr schön gearbeitet, viele Luxusartikel, wie Ohrge-
hänge , Halsbänder , von Gold und Silber , gegen 1000 Scarabäen , eine
zierlich geformte Glasplatte von IG — 18 Zoll im Durchmesser, 11 Mu-
mien und 6 auf Leinwand gemalte und auf Holz aufgetragene Por-
traits aus der Griechisch -Aegyptischen Epoche. — Vrgl. Bulletin uui-
versel des sciences historiques, 1828, septieme section Nr. 5 p. 377.
Herr Professor Ludwig Bachmann , welcher 1824 seine Lehrstelle
am Gymnasium zu Wertheim aufgab , um eine literarische Reise nach
Italien zu machen , ist vor kurzem von derselben zurückgekehrt. Er
hat die Bibliotheken zu Wien, Venedig, Rom, Neapel, Padua, Bologna,
Florenz, der Abtei La Cava, besucht, und besonders die Handschriften
über alte Lateinische Gr ammatiker benutzt. Für diesen Zw eck
fand er besonders viel auf der Bibliothek zu Neapel , von der j^zt der
Bibliothekar' JancZii einen sehr genauen Manuscriptencatalog fertigt, an
dem bereits gedruckt wird, obschon er schwerlich in den Buchhandel
kommen dürfte, Herr Prof. Bachmann hat daraus eine genaue Beschrei-
bung der dort befindlichen 34 Handschriften alter Lat. Grammatiker, die
manches Ineditum enthalten, in der Schulzeitung 1826 Abth. 2 Nr. 78 be-
kannt gemacht. HaU. Lit. Zeit. 1826 Nr. 232.
Herr Raoul - Rochettc aus Paris hat eine Reise, nach Italien ange-
treten , um die Alterthümer und Sammlungen dieses Landes zu erfor-
schen und kennen zu lernen.
Hr. Prof. Schulz aus Giessen hat den 21 August seine Reise nach
Persien angetreten [s. Hftl S. 223], und ist an diesem Tage von Toulon
nach Constantinopel abgesegelt, wo er sich den Herbst über aufhalten will.
Der Missionär Carl Gülzlaff aus Pommern tritt binnen kurzem sei-
ne Mission nach Java und Sumatra an. Er hat von Sr. Majestät dem
Könige von Preussen ein Geschenk von 200 Thlrn. erhalten, um dafür
der königl. Bibliothek zu Berlin im Fache der Orientalischen Literatur
nützlich zu werden.
Der kühne Reisende Räppcl aus Frankfurt am Main befindet sich
nach den neuesten Nachrichten in der Nähe von Mecca, und will nach
einem längern Verweilen in Arabien zum Persischen Meerbusen vordrin-
gen und von da in sein Vaterland zurückkehren. Die naturforschendc
Gcsclluchaft zu Franhfurt gicbt jetzt auf ihre Kosten einen Atlas der
Miscellcn. 483
Reisen Ruppcls im nördlichen Africa heraus. Vrgl. Schul-
zeit. 182«, II I^r. 73 S. 579 ff.
Der Eni^lischc Ciipitiiin" C/flrp;H-i<on, M'clchcr jetzt in Africa reiü't,
ging- im Anfiuij^ des Deceiuber vor. Jahrs durch llio ( Yariha der Ara-
her) und erreichte in iler Mitte des Aldnatü Jennah, eine hedeulendc
Stadt des Landes, die von Katunj^a, der Ilaul)i^tadt Hio's, noch 30 Ta-
f^ereisen entfernt ist.- Aon Katunga ])is ziini Algier (koMora) sind noch
3 Tagereisen. Clapperton und sein IJedienter liatten bei Uehersteignng
des Kong sehr an dem in diesem Lande herrschenden Fieber gelitten,
erholten sich jedoch, nachdem der Kong passirt var, in dem gesun-
dern klima von Jennah. Nach den letzten Nachrichten liatten sie die
Hälfte des AVeg» uach Katunga zurücligclegt und Maren 8°, 23', 30"
ungefähr 2.500 Fuss über dem Meere. Dr. Morison und sein Bedienter
kehrten von hier Krankheit» wegen nach Jennah zurück und fielen dort
als Opfer des Klimas. Die ZMeitc Abtheilung der Reisenden erreichte
Dahomey , von wo Hr. James des ungesunden Klimas Mcgen an die
Küste zurückreiste. Herr Dickson, der dort von dem in dieser Jahres-
zeit herrschenden Fieber hefallen ward, genas wieder und zog dann
17 Tagereisen nordwärts nach Shar, südwestlich von Yaury. — Laut
ISaclirichten vom Englischen Consul aus Tripolis vom 18 Juni ist der
Englische Major Laing in Timbuctoo glücklich angekommen.
Nach dem Monthly 3Iagazin hat Hr. Dr. GranviUe in England die
Mittel entdeckt, deren sich die Aegypter zur Erhaltung ihrer Mu-
mien bedienten. Als Bewahrungsmittel giebt er das Wichs an, ohne
welches alle andere Ingredienzien unnütz seyen. Er hat mehrere 3Iu-
mien bereitet, die den Aegyptischen vollkommen ähnlich sind und al-
len Aeränderungen dÄ Witterung und des Klimas widerstehen. Ob je-
doch so die ganze Kunst der alten Aegypter in der Mumisirung des Kör-
pers aufgefunden sey , steht zu hezM eiieln , da schon Herodot einen
dreifachen Unterschied der Mumien erwähnt. Vrgl. lielzoni f'oyage
cn Egypte et Nubie, trad. par Depping (Paris 1821) T. I
p. 262 und Waagen über die in den Sammlun g cn der kün.
Acad. d. JVissen^ch. su München befindlichen Mumien
(in den Denkschriften der Münchner Akademie) S. 11.
Hr. Bcbian, vieljährigcr Lehrer am Pariser Taubstummeninstitut,
hat eine C c6 e rrf cjis c/t r//( oder Mimographic [ecritiue niimi-
que] für Taubstumme erfunden, welche überall verständlich seyn soll, wo
es Taub^tumme giebt. Er hat desshalb vor kurzem Grundlinien zu
einer Theorie dieses mim o graphischen Systems (Paris hei
Colas) mit drei Kupfertafeln herausgegeben, und meint, dass der Un-
terricht der Taiibj^tummen nur dann erst vollkommen werden könne,
wenn ein mimisclies Wörterbuch abgefa-it sey, das in allen Füllen für
die Geberdensprachc ale Uichtschnur dienen könne.
486 Todesfälle.
Zu Lötvcn in den Niederlanden hat ein Herr lacotot aus Dijon eine
neue Unterrichtsmethode eingeführt , die er Altgemeinen Unter-
richt nennt. Die llegierung hat Hrn. Kinker als Saihvfu-eitiindigen
dahin gesandt, um die neue Lehrart zu prüfen, und auszumitteln , für
welche Lehrfächer sie anwendbar scyn dürfte.
Todesfälle.
Jua Anfang dieses Jahrea starb zu Kasan der bereits vor mehrern
Jahren auf Pension gesetzte Professor der Griech. Sprache Joh. Ehrich,
aus Erfurt gebürtig.
Den 4 Januar der Veteran der Polnischen Literatur Simon Bielsky,
81 J. alt.
Deu 25 Januar zu Baumgarten in Mecklenb. - Schwerin der dorti-
ge Prediger Christian Gottlob Thube, im 84sten Jahre. Er war frülier
Rector der Schule zu Bützow, und hat mehrere theolog. Schriften
herausgegeben.
Deu 13 Februar zu Mailand der Priester Otiavio Morali, einer der
Bibliothekare an der Brera [des dortigen Kunstmuseums , welches die
Gemäldegallerie , die Sammlung der Abgüsse und die Kunstschulen
in sich schliesst] , im 63 Lebensjalire. Er war einer der ausgezeich-
netsten Spracligelehrten Italiens , der besonders ^urch seine Bear-
beitung von Ariost^s Orlando Furioso, von dem er die cörreote-
ete und schätzbarste aller Ausgaben lieferte, sich grossen Beifall erwarb
und desshalb auch unter die ordentlichen IVIitglieder der Academic della
Crusca aufgenommen ward. In seinen letzten Lebensjahren arbeitete er
besonders an einem Griechisch - Italienischen Wörterbuche für Gymna-
sien , das er fast vollendet hatte. Eben so besi||iäftigten ihn Arbeiten
über mehrere Italienische Classiker, namentl. über Galileo. Vrgl. Tü-
bing. Liter. Bl. 59 S. 236.
Den 5 März zu Warschau der Abbe Anton Dabrowski, Professor
der höhern Matliematik an der Universität.
Den 12 März zu Heldrnngen der Decan Carl Friedr. JVilh. Kadisch,
gebor, zu Donndorf bei Sangerhausen im J. 1753 und als Verfasser mehrerer
grammatischen Schriften bekannt. Er kam 1781 als Cantor nach Lützen,
1782 als dritter SchulcoUege nach Sangerhausen und 17yinach lleldrungen.
Den 29 März zu Oels der Director des dortigen Gymnasiums Gün-
ther , auch als Schriftsteller bekannt.
Den 8 April zu Rom der Baron van der J'ivcrc aus Gent, 66 Jahr
alt. Die Manuscripte seiner histoi'ischen und philolog. Foi'schungeu
hat er der Bibliothek der Jesuiten vermacht.
Den 11 April zu Lemgo auf einer Geschäftsreise Friedrich Adolph
Drösle, Ilofprediger der Lutherischen Gemeinde zu Detmold und Secre-
tair der dortigen Bibelgesellschaft, Er Avurde geboren zu Lemgo am
IKov. 1755, kam 1779 als Conrector au das dasige Gymnasium, und
wurde 1791 Prediger [mit dem Prädicat Hüfprcdiger] an der Luther.
Todesfälle. 487
KIrdie zn Detmold. Als Schriftsteller hat er sich iliirch einige Predig-
ten bekannt gemacht.
Den öOten Ai)ril zn München der Ohcrstudienrath Carl Iloffmann.
Den 2ten Juni zu Wien der Professor der höhern Matlienuitik am
polytechnischen Institute Joscpli Ilantsclil, gehören zu Zwickau in Böh-
men 17(i!). S. AViener priviieg. Zeit. iNr. 184.
Den 5 Juni zu Oschatz in Sachsen der dortige Archidiakonus I\L
Carl Samuel Uojfniann (gebor, «ihend. d, 20 IVov. l^JW), durch mehrere
kleine historische Schril'ten bekannt.
Den 11 Juni der Griceh. Metropolit und Bischof von Patras Gcr-
manos , Melcher 1821 das Signal zum Aufstände der Griechen gab.
Den 16 Juni zu Tlsarand bei Dresden der Lehrer der Deutschen
Sprache an der dasigen Forstakademie F»iCf/J•/c/tC/t»•lst^a7^ iSc/ticnfccrt (geb.
zu Dresden am 8 Febr. 1157), als Belletrist und Historiker bekannt. S.
Hall. Lit. Zeit. Nr. 199 S. 7()7.
Den 23 Juni zu ^lünchen an einem Schleiraschlagc der geheime
Rath und Generalsecretair der königl. Baier. Akademie der Wissenschaf-
ten Dr. Kajctan von Ji\'illcr, Ritter des Civil-\ erdienst-Ordens der Baier.
Krone und mehrerer gelehrten Gesellschaften Mitglied, (gebor, zu Mün-
chen den 2 Ang. 17G2) Professor der Philosophie und ehemahliger Di-
rector der dortigen Studienanstalt. Er Mar ausgezeichnet als Schrift-
steller im Fach der Philosophie und Pädagogik. Vrgl. Allg. Anzeig. d.
Deutschen 1826 ^r. 192, Schulztg. Abtli. 2 Kr. 56 u. 63, Kat. Zeit,
d. Deutsch. 29, Leip. Lit. Zeit. Nr. 232.
In den ersten Tagen des Juli zu Warschau der Archäolog Chri-
stoph JFiesiolotvski , Mitglied der Gesellschaft der Freunde der W^isscn-
schaften , im 84n Jahre. Er hat viele Jahre seines Lebens hindurch in
verschiedenen Ländern Europas und auf den Asiatischen und Africani-
schen Küsten aus den Zeiten des alten Griechenlands , Roms , Aeg^^j)-
tens und Arabiens die seltensten Münzen, geschnittene Steine u. s. av.
gesammelt, m eiche über 20000 Ducaicu geschätzte Sammlung jetzt
üflentlich verkauft m erden soll.
Den 2 Juli zu Grimma ^I. Johann GoUlob Lunze, emcritirtcr Con-
rector der Kicolai»chule und Lnterl)iblit)thekar der Rathsbibliothek zu
Leipzig. Er Mar geboren 1753 zu Süptitz bei Torgau, und >vard 1785
Tertius , 1795 Conrcctor der Leipziger jMcolaischule und 1820 in den
Ruhestand versetzt. Seine Schriften, von denen die A cad emia f c-
ncta und A'ic Monimcntorum typographicoruvi decas und
tridccas tVic. vlclitigsten sind, und sein Leben sind zuletzt beschrie-
ben von .///>. Farbiger in den Beiträgen zur Gcächichte der IN icolaischulc,
Abth. 1 S. 81 f.
Den 5 Juli zu London Stamford Rajflcs, der berühmte Gründer
von Sincaporc und Gouverneur und Geschichtschreibcr von Java.
Den 9 Juli zu ChmleloM ka in Poh^n , m älirend einer Ferienreise
vom Blitz gctödtet, der Oberlelirer am l''rledrii;li»gjninashim zu Gum-
I)iiinen Ihrmann Schupis , der sich ald Lehrer der Muthemullk rühm-
lich auszeichnete.
48S T o il c s f fi 1 1 c.
Den 10 Juli zu Nürnberg- der dortige Gymnasialproressor M. Chri-
stian Carl Baibach. Er m ar geboren zu INürnberg 17!)8 , stndirte erst
auf dem dortigen Gymnasium und von ISKi. — 1820 auf den Universitä-
ten zu Erlangen , Heidelberg und Leipzig. Vrgl. Hermann de Aescliyli
Danaidibus S. XX^lII. Als Scliriftstellcr hat er sich durch eine Ab-
handlung über Plautus und eine den 23 Mai d. J. beim Stiftungsfest des
Gymnas. gehaltene Rede [S. 244] bekannt gemacht.
Den 22 Juli zu Neapel der Dii-ector der Sternwarten zu Neapel
und Palermo Pater Piazzi aus dem Theatinerorden, in seinem 81 Jahre,
als Astronom und Entdecker der Ceres bekannt. Vrgl. Hall. Lit. Zeit.
Nr. 238 S. 247 f.
Den 10 Aug. zu Zwickau der Buchhändler August Schumann, geboren
zuEmbschütz im Weimar'schcn am 2 März 1773, als Schriftsteller beson-
ders durch sein V oll stund i g es Staats- Post- %ind Zeitungs-
Lexiconvon Sachsen berühmt. A'rgl. Hall. Lit. Zt. Nr. 255 S. 383.
Den 15 August ^u Zeitz der Collaborator Philipp an der dortigen
Stiftsschule, der erst seit zwei Jahren als Lehrer angestellt war. Vrgl.
S. 246.
' Den 24 August zu Schneeberg der vierte Lehrer am Lyceum M.
Johann Andreas Jage im 65n Jahre.
Den 28sten August in München auf einer Erholungsreise plötz-
lich an einem Schlagflusse der Hofrath Dr. Ludwig Heller, Professor
der alten Literatur und Beredtsamkeit und Director des philolog. Semi-
nars auf der Universität zu Erlangen.
Den 30 August zu Paris der Akademiker Noel Gabriel Luc. Villars,
78 Jahr alt, durch seine metrische Uebersetzung des ersten Buchs der
Illade bekannt.
Den 19 Sept. zu Schwetzingen während eines Besuchs bei einem
Freunde nach kurzem Krankenlager der Prälat Dr. J. P. Hebel, geb. zu
Basel 17C0, besonders durch seine Allemannischen Gedichte bekannt.
Den 21 Sept. zu Jena der Professor der Philosophie und Biblio-
thekar der Universitätsbibliothek Dr. Georg Gottlieb Güldenapfel im
Slsten Jahre. S. Hall. Lit. Zeit. Nr. 207 S. 479.
In der Nacht vom 21 — 22 Sept. zu Breslau der Regierungsrath
und Ritter des rothen Adlerordens Carl Conrad Streit, geb. zu Gross-
Glogau am 2 März 1747. Literarisch hat er sich besonders durch die
Begründung und Herausgabe der Schlesischen Proviazialblätter um
Sclüesien verdient gemacht.
Den 23 September der Hülfslehrer Stoecker am Gymnasium in Hamm.
Den 2 Octob. zu Berlin der Dr. Abekc, Professor am Joachimsthar-
echen Gymnasium , in einem Alter von 32 Jahren. Er liatte in den
Feldzügen von 1813 bis 1815 erst als FreiM'illiger beim Lützow'schen
Corps und später als Officier gedient.
Den 2 Octob. zu Griessbach bei Augsburg der zweite Redacteur
der allgemeinen Zeitung und Secretair des polytechnischen A ereins in
Augsburg Dr. Wiedcmann, 48 J. alt.
Den 3 Octob. zu Hamburg der Dänische Dichter Eaggcsen auf der
Schul- und Universi t ii 1 9 naclir Icht cn. 489
Rückreise nach Kopenhaum , nachdem er sic^h G Jaliro In Franlirelch
aufgehalten liatte. Er liinteiläsisit hu 31anusciii)t ehi voHenik-tes epi-
sches Gediclit, yidam und Eva.
Den 25 Octoh. zu Ziirich der Chorlierr und Pfarrer an der heil.
Geistkirche Cunrad von Orvlli , als lleraiisgeher mehrerer Griech. und
Uöm. Schriftsteller hekannt.
N acht rag zum Istcn Heft. Der den 29 Jan. verstorhcne
K. IL Zimmermann ( S. 224) war Canzleidirector zu Berlin, nicht üi-
rector des Joachimsth. Gyulna^itl^^s. — Eine an^führlichc Lchenshc-
schreibuiip: des verstdrh, Jo/i. Falk (S. 224) stellt in den Zcitiic nas-
sen, INeue Ueihe lid. 5 ]\r. 20 S. 1 — (il , andere iNachrichten in der
Liter. Zeit. f. Deut>chl. Volksschullehrer •lb2() llft. 3 S. Uiü — 198. —
l eher Joh. Ilcinr. J oss (S. 22()) rrgl. Neues Archiv f. riiilolof,«-. u. Pii-
dagr- Jahrg. 1 llft. 1 u. 2 S. 123 — 132. Ein sprechend ähnliches Bild
desselben, von ^^'. Unger nach W. Tischhein j^ezeichnet, ist zu Ham-
hur«!^ bei Conimeter erschienen. — Ausführlichere Nachrichten über
Feldliami (S. 226) fiiulen sich in der Krit. Biblioth. llft. 7 S.750; über
Böhme (S. 227) in der Schulzeit. Abtli. 2 Nr. (»3 S. 500 f.; über von Ku-
ramsin (S. 228) in der Nordischen Biene und daraus in der Schulz, a. a. O.
S. 41)9 f. ; über Rudolph (S. 228) in der Hall. Lit. Zeit. Ar. 1«J9 S. 767.
Scliul- und Uni versitätsnacliri eilten , Belorderungen und
Eluenbezeig ungen.
Aecypte^. Der Vicekönig' lässt zu Boi-lah im Pallaste seines Sohnes
eine ülTentlichc Unterrichtsanstalt einrichten, in >velchcr Griechisch, La-
teinisch, Araliisch, Türkisch und Persisch gelehrt M erden soll. Zu Caiuo
wird ein botanischer Garten angelegt, und es erscheint eine nach dem Clu-
ster des Französ. Monileur eingerichtete, halb Arabisch, halb Italienisch
geschriebene Zeitung. Zu Ale\'a\drie> soll ein Komödienhaus gebaut
Verden. ZMischen ALEXA^DRIE^ und Cairo Avird von dem Armenier
Peter Ahro eine Telegraphcnlinic eingerichtet, die sich nach und nach
über das ganze Land verbreiten soll.
Baizlv. Die nengestiftete Adjunctur am G ymnasinni ( s. S. 231),
welche niclit mit 200, sondern mit 300 Thlrn. fundirtist, hat Hr. M.
h'retschmar, bisher Privatlehrer in Dresden, erhalten. Vrgi. Goerlitz.
Beblix. Das zu einer Realanstalt umgebildete Cöllnische Gymna-
sinm hat den Namen Cöllnisches Jicalirymnasium erhalten. Die S. 231
davon gegebenen Nachrichten sind dahin zu berichtigen, dass Ilr. hlö-
dcn, frülier Director des Schullehrerseminars zu Potsdam, eigentlich
Director der neuerricliteten Gev.erbsschule ist und nur interimistisch die
Direction des Cöllnischen Realgymnasiums verwaltet. Hr. Dr. Schmidt
ist -Mitdirector der Anstalt. Lebrigens hat keiner der dort angestellten
Lciucr den Titel Professor, ausser Hrn. Üchmidt, welcher denselben als
490 Schul- und Univcrsitätsnaclirichten,
besondere Auszeichnung vor vielen Jahren erhalten hat. Eine Geschich-
te des Cüllnisclien Gymnasiums findet sich in folgenden zwei Schul-
schriften : 1) Die ältere Geschichte des Köllni sehen Gymna-
siums bis zu seiner Fereinigung mit dem Berlinischen
Gymnasium, nebst einigen Worten über dessen jetzige
B est immun g. Womit zur öffentlichen Prüfung den 2S. März (1825)
einladen die Directoren der Jnstalt K.F. Kl öden und W. H.Schmidt,
Berlin gedr. b. Dieterici, 44 S. 8. 2) Die G-eschichtc des Köll-
ni sehen Gymnasiums, während seiner V er eini gung mit
dem Berl. Gymnas. Womit zur öffentlichen Prüfung den 20 März
1826 — einladen die Directoren der Jnstalt u. s. w. Ebenda 80 S. 8.
Erster Director der vereinigten Lehranstalt (1767) war Anton Friedrich
Büsching, dessen, so wie seiner CoUegen und NacJifolger Leben und Wir-
ken kurz beschrieben wird, — Eine Geschiclite des Berlinischen Gym-
nasiums zum grauen Kloster (gegründet 1574 ) mit seinen alten Denk-
mälern als Franciscanerkloster und Gymnasium hat Ilr. Dr. J. J, Bel-
lermann in vier Programmen geliefert , 1824 — 1826 , 70, 77 , 84 und. 61
S. in 8. Die beiden letzten sind zu Berlin bei Nicolai für 12 Gr. zu
haben. Vrgl. Beck's Repert. 1826, II, 4 S. 302 — 304 und Schulzeit.
Nr. 79 S. 631. — Im JoachimsthaV sehen Gymnasium Avardllr. Dr. Mei-
neke den 10 Juli als Director durch den Hrn. Obcrconsistorialrath Nolte
feierlich eingeführt. Er hatte dazu als Programm Quacsti onum
scenicarum spec. I (Berlin gedr. b. Spener. 5i) S. 4) geschrieben
und hielt eine Lateinische Rede de praecipuis quibus d am scho-
lasticae disciplinaepraesidiis et ad j umentis. S. Hall. Lit.
Zeit. Nr. 203 S. 7y9. Hr. Prof. Zumpt hat den Ruf nach Kiel abge-
lehnt, seine Stelle am Gj-mnasium verlassen und die historische Profes-
sur an der Kriegsschule, zu welcher er schon seit längerer Zeit als Mit-
glied der Militärstudiencommission in Verhältnissen stand, übernommen.
Dagegen ist an dem Gymnasium der Schulamtscandidat Dr. Conrad als
Oberlehrer wirklich und der Prediger Reuscher (unter dem 7ten Octob.)
als Lehrer der Französ. Sprache vorläufig angestellt worden. Eben so
sind dem Dr. Constantin Ilgen aus Schulpforta (der vor kurzem zur Er-
langung der Philosoph. Doctorwürde geschrieben hat: D is quisitio-
nis de tribubus Atticis earumque partibus specimen, Scri-
psit et ampl. philosoph. ordinis Berolinensis auctor. — d. Till. Jid. 1826
publice def endet etc. Lipsiae typis Vogelii. 79 S. in 8. ) gegen eine an-
gemessene Remuneration Lectionen an dieser Anstalt bis zur Wiederbe-
setzung der durch Abekens Tod (s. S. 488) erledigten Stelle vorläufig
übertragen worden. — Am Französischen Gymnasium ward dem Ober-
lehrer Saunier unter dem 11. Sept. das Prädicat Professor beigelogt. —
Im Oberconsistoriura und Schulcollegium der Provinz Brandenburg er-
hielt Hr. Oberconsistorialrath Nolte das Prädicat eines Avirklichen Ober-
consistoriah-athes und Hr. Otto Schulz , zeitheriger Prof. am Berlini-
schen Gymnasium, Avard zum Schulrath ernannt. — Herr Dr. Ehren-
herg hat bei der Rückkehr von seiner Africanischen Reise (s. S. 223)
den rothen Adlerorden 3r Classc, ein Geschenk von 1000 Tlilrn., und
Beförderungen und Ehrenbezeigungen. 491
einen Jahrgelialt von 1000 Tlilrn. l)is zu seiner Anstellung erhalten.
Derselbe Mird nun zunächst eine nusfiilirlichc Heschroibung bciner Ucise
herausgeben. — Die iihilologiscli - historische Classe der Akademie
der Wissenschafton hat am on Juli Hrn. Prof. Gcscnius in Halle, und
Hrn. Dr. Jacob Grimm, kurfiir>tru;lien IJibliothekar in Casscl, zu corre-
spondirenden ^litgliedern erMÜhlt. — Hei der l iiiversität sind vom 1.
Jan. bis zum letzten Juni d. J. 312 Inländer und 9!) Ausländer, neiiuillch
105 bei der tbeologisclien , 1!)2 bei der juristischen , 57 Itei der niedici-
nischen und 57 bei der pIiilosophiscIuMi Facultät immatriculirt worden.
Von den Inländern bracliten 70 dasSchul/.eugnIss der unbedingten (Nr. I),
194 das der bedingten Tinhtigkeit (Nr. II) und 42 das der Lntiichtigkcit
CNr. III) mit. Das philologische Seminar, m elches unter der einsichtsvollen
Leitung des Hrn. Prof. Bocckli aufs glucklichste gedeiht, liattc Mährend
des allgelaufenen Studienjahrs folgende ordentliche Mitglieder: Jdd-
bcrt Ziiglcr aus Posen. Friedrich Cramer aus Erfurt, Anton Pelliier aus
Cöln, Ludwig Paid aus Schwedt, Carl irinkclmann aus dem Herzogthum
Sachsen, Adolph Trendderburg aus Holstein, Heinrich Stieglitz ausAroI-
sen, Constantin Ilgcn aus Schulpforta, ifilhelm Jieuter aus Hildesheim,
Carl Schmid aus AVittcnberg, Rudolph Klausen aus Holstein, y/i/o'i/st/yutt-
Tnanre aus Berlin , Gustav Simon ans Posen , Rudolph Lorenz aus Berlin
und Carl Lehmann aus Eisleben. Ausserdem besuchten im AVintcr 33,
im Sommer 2(» ausserordentliche ]>Iitglieder das Seminar. Das A er-
zeichniss der Vorlesungen für das Winterhalbjahr 182() (Berol. typis
academicis, 23 S. in 4) enthält S. 3 — 9 eine Abhandlung des Hrn. Prof.
Boeckh de A r eop a g o. Der geheime Uath und Prof. von Savigny
geht auf 15 Monate nach Italien, theils seiner Gesundheit wegen, theils
nm die dortigen Bibliotheken für seine* Forschungen über das Römische
Recht zu benutzen und namentli<'h Materialien für die Rechtsgeschichte
des Mittelalters zu sammeln. Der ausserordentliche Prof. Dr. Leo ist
zweiter Collaborator bei der königl. Bibliothek mit einem Jahrgehalt
■von 400 Tlilrn., der Privatdocent Dr. Sluhr luitcr dem 7. Octob. ausser-
ordentlicher Professor bei der philosoph. Facultät geworden. Vrgl.
PuEissKN. — Der im vorigen Jahre verstorbene Knnstgärtner Matthias
Kinn in Philadelpliia hat in seinem Testament seine botanischen Samm-
lungen Nordaraericanischer Pflanzen, die Früchte eines dreissigjährigen
Fleisses, dem bereits verstorbenen Staatsminister von Struensec vermacht,
dessen Erben diese Sammlnng dem königl. Herbarium in Keischok-
nEBERG bei Berlin zum Geschenk gemacht haben.
Bow. Zur Feier des Geburtstags Sr. .Majestät des Königs schrieb
Hr. Prof. Gieselcr: Symbolae ad historiam monastcrii Lacensis er codd.
lionnens. dcpromptae. 36 S. in 4. Bei der katholisch -theologischen
Facultät ist der Priester und bisherige Prof. der Theologie am Lycenm
zu Braunsberg Dr. Achtcrfeld ordentlicher, bei der philosophischen der
Privatdocent Dr. Pelcr Joseph Elvenich unter dem 7ten Octob. ausseror-
dentlicher Professor geworden. Vrgl. PKTEnsnriic. Seit dem Novem-
ber 1825 ist auf der Universität für die gesaminten NatnrMissenschaften
ein Seminarium gegründet, dessen Hauptzweck ibt, einerseits Lehrer für
492 Schul- und Univcrsltätsnachrichtcn,
die Natunvis&enschaften an liölicrn. Untcrrlchtsanstaltcn und vorzüglich
an Gymnasien und Bürgerschulen zu bilden, und andererseits die natur-
■w issenschal'tlichen Studien überhaupt noch mehr zu befördern und ihnen
ilire Würde und den gebührenden Antheil an der ailgemeinwissen-
schaftlichen Bildung der Studirenden zu sichern. Die Vorsteher des
Seminars sind die jedesinahligen ordentlichen Professoren der PJijsik,
Chemie, Zoologie, Botanik und Mineralogie, jetzt die Ilrrn, von Mun-
chow, Bischoff d. Jung., Goldfuss, Necs von Esenbeck d. Jelt. und jVö»-gc-
raih. J3irector desselben ist bis auf Aveitere Bestimmung der Prof. Dr.
]\'ces von Escnbeek d. Aclt. Die Anzahl der wirklichau Mitglieder ist vor-
läufig auf 15 — 20 hestimmt. — Die von Erlangen nach Bonn ver-
pflanzte Leopohlinisch- Carolinische Akademie der Naturforscher ist durch
die Bemühungen ihres gegenwärtigen Präsidenten Aees von Esenbeck zu
neuer rühmlichen Thätigkeit belebt Morden, Sr. 3Iajestät der König
von Preussen haben mittelst Cabinetsordre vom 7 August d. J, auf An-
trag des k. Ministeriums der Untcrrichtsangelcgenheiten dieser Gesell-
echaft, nachdem ihr schon unter dem 19 Aug. 1822 zur Beförderung ih-
rer wissenschaftlichen Zwecke jährlich eine Summe von 500 — GOOTlilrn.
zugesichert und zeitlier ausgezahlt worden war , eine Aveitere Unter-
stützung von 600 Tislrn. vorläufig auf drei Jahr unter der Bedingung
bewilligt, dass die Akademie bis dahin ihren Sitz in den Preussischen
Staaten behalte und fortdauernd für die Wissenschaften beifallswürdige
Leistungen liefere. Die sämmtlichcn Attribute der Akademie , welche
in einer ansehnlichen Bibliothek von natnrhistorischen , medicinischen
und anatomischen Werken, und aus einer Menge von natürlichen und
Kunstseltenheiten hestehen, sind in einem schönen und geräumigen Saale
des Schlosses zu Pezzelsdorf , welcher der Akademie unentgeltlich em-
geräumt worden ist, aufs zweckmässigste aufgestellt.
Breslau, Zu Anfange dieses Jahres betrug die Schülerzahl auf
dem Maria -Magdalenengymnasium 415 in 7, auf dem Elisabethgymna-
eium 409 in 6 und auf dem Friedrichsgymnasium 201 in 6 Classen. Zur
Universität wurden im vorigen Schuljahre von dem ersten 22, von dem
zweiten 20, von dem dritten 6 Schüler entlassen. Auf dem Elisabeth-
gymnas. niusste im vergang. J. wegen Mangel an Raum gegen 60
Schülern die Aufnahme verweigert Averden. Als Programm erschien
zu den diessjähr. Frühlingsprüfungen: De ratione tradendorum
mathematum in g-y mnasiis adhib enda commentaiio, qua ad exa-
meu — invitat S. G. Reiche, rector et professor. Vratislav. 1820, 28 S.
in 4. Am Fridericianum ersclüen zu gleicher Zeit : D e P etr o Esch en-
loero antiqui s simo r c runi V r atislav i cnsium scriptore
ejusque commentariis scripsit Dr. Joa. Thcoph. Klinisch. Ad exa-
men — invitat Dr. Car. Ludov. Kannegicsser. 24 S. in 4. Herr Kunisch
kündigt durch dieses Programm zugleich eine Ausgabe der Commenta-
rien oder Memoiren von Eschenlör an, die auf Subscription in zwei
starken Bänden [jeder gegen 40 Bogen] bei Max und Comp, in 8 er-
scheinen und nur 2 Thlr. kosten soll. Vrgl. Dakzig. In dem Magda-
leneum ward am 28 Juni früli lun 11 Uhr eine Gedächtnissfeier des den
Bof o rilcrungcn und Ehrcnbezeig'ungcn. 493
9 Juni [ nit lit 9 Mai , wie falsch S. 227 Lcrichtct worden ] verstorLcncn
Manso |;{'l'iifrt. Die ülicratis ähnliche lJÜ!«te des Verewigten, welche
auf Veranhis-iiin':: des voilelzten llcrzoj^s \ou Gotha der Itildliaucr Un-
«jer yerfertip:t liat, Miirde dabei vor dem Lehrstuhl aiifj^^estellt. Hr.
Proreetor Dr. Glockcr hielt die Gedäehtnissrede und entwarf in kurzen
Züj^eu das IJild des \ olleiideten. Das erletli^t(^ Ueetorat, wehhen llr.
Dr. Glockcr y weil er seine Aerhältiiisse zur lniversität nicht aufjn^eheD
wollte, zu überiielunen nicht geneigt Mar, ist Hrn. Dr. Kltigc , zeitheri-
gem Professor am tlisahethannni. ( Herausgeber von Aristoteles de po~
litia Curthagiiiicusium, Breslau 1824 in H) ül)ertragcn worden, nachdem
vorher Hr. Director Dr. Voppo in Frankfurt einen desshalh an ihn er-
gangenen llnf ahgeleluit hatte, ohsehon um seinetwillen der Gehalt der
Stelle um 200 Thlr. erhölit worden Avar. — Bei dem Seminar für ge-
lehrte Scivnlen i?t die vormalige Anzahl von () Seminaristen, deren je-
der ein jährliches Stipendium von 125 Thlrn. erhält, wieder hergestellt
worden. Die eine Hälfte der Stellen ist für katholische, die andere für
evangelische Schnlamtscandidaten hestimmt. — An der Universität ist
Hr. Dr. Otto als Lector der Englischen und Spanischen Sprache ange-
stellt worden. Zur Gehurtstagsfeier Sr. 3Iajcstät des Königs lud Hr.
VvoL PassoiD ein mit Xar ratio de Jo.tCasp. Mansone. Accessit
imago Mansouis lapidi liiscriptu. 30 S. in 4. Hr. Prof. Schneider hielt
die Festrede de li b c r al i in g en i o rum cuitu, prociamirte die j\a-
nien der A Crfasser der durch die FacnUäten gekrönten Preisschriften
und machte die Preisaurgal)en für das folgende Jahr hekannt.
BniEG. Unter dem 16 Sept. ist der Candidat Carl Friedrich Holz-
Jieimer als Elemcntarlehrer am Gymnasium angestellt worden.
Büdingen. Hr. Candidat Georg Ferdinand Rettig aus Gicssen ist
den 3 Juli als Ltihrer am dortigen Landesgymnasium eingeführt wor-
den. Hr. Kirchenrath Keller ward für die diessjähr. landständischen
Versammlungen zum Deputirtcn gewählt und Hr. Prof. Iladcrmann be-
sorgt unterdessen die Directorat^geschäfte.
DA^ZIG. Den 3 Aug. feierte dort die FriedensgescUschaft von TJ^cst^
preussen, welche mit unermüdlichem Eifer für Unterstützung und Auf-
hülfe des Talents , für Wissenscliaft und Kunst Avirkt, J'.um eilftenmahle
ihren Stiftungstag. Im vergangenen Jahre waren 3 ihrer Stipendiaten
ins praktipche Lel)en getreten, 5 stndirten in Königsberg, 1 in Halle, 1
in Berlin, 5 auf dem Danziger, 1 auf dem Elbinger, 1 auf dem Thor-
ner und 1 auf dem Hromberger (Jymnas-Inm. Auf ihre Kosten lebt ein
junger Künstler in Kom , ein anderer hat seine Studien auf der Kunst-
schule zu Danzig begonnen, und eine junge Sängerin erhält Unter-
stützung zu ihrer Ausbildung in Berlin. — Das dortige Consistorium
bat unter dem 17 Juli eine neue Organisation erhalten und zerfällt in
zwei Ahtlieilungen , das eigentliclie Con>i»torium , Mclches die evange-
lisch-gei>tliihen Sachen, und das ProAinzialschnhuillegium , welches
die Unterrichtsangelegeniieiten besorgt. — Das Directorat des Gymna-
biums hat Hr. Schaub, zeitfier erster Prof. am Fridericianum in Breslau,'
Jahrb. d.rhil.u. ratlag. Jahrg. \. lieft. '1. ' g^
491 Schul- und Univereitätsnachrichten,
daa der Biir{j;crscliulc (Schule zu St. Petri und Pauli) Hr. Frledr. Hopf-
ner, zcither Prof. zu Elbing-, crlialten.
ÜESsAr. Das erledigte Bectorat hat Hr. Conrector Richter (^YerL
der Phantasien des Alterthums^, das Conrcctorat Hr. Subrector
Brummer erhalten. Ersterer ist zugleich Mitglied der Schulprüfungs-
coniniisslon geworden.
DuESDEX. Hr. f/etnricft Hase, Inspector der Antikengallerie und des
Münzcahinets, ist königl. Sachs. Hofrath vierter Classe geworden.
Di'ssELDORF. Am Gymnasium ist Hr. ßrnnolo/t als Lehrer derFran-
ZüS. Sprache mit einem Jahrgelialt von 300 Thlrn. angestellt worden.
EisiiEBEiV. Die Frequenz des Gymnasiums ist so gross , dass da3
Schulgehäude bedeutend erweitert werden muss. An die Stelle des zu
Anfang d. J. abgegangenen Subconrectors Dr, Grüfcnhan (s. S. 244)
ward am 10 Febr. Hr. Dr. Kretschmar, aus dem Anhaltischen, als Ober-
lehrer öffentlich eingeführt.
Elberfeld. Am 1 Juni feierte das Gymnasium ausser dem Stif-
tungstage des vor 5 Jahren eingeweiheten neuen GjTnnasialgebäudes die
Einführung zweier fest angestellter Lehrer, nelmilich des Hrn. J. IL IV.
Langensiepen (geb. d. 10 Nov. 1190, provisorisch angestellt seit 1820)
als ersten, und des Hrn. F. K. Förstcmann(gch. zuNordhauseu d. 4 Jan.
1798, seit 1824 provisorischer Lehrer der Physik) als zweiten Collabo-
rators , welche Feier durch ein heiteres Fest aller Schüler im Freien,
in der Nähe der Stadt, begangen ward. In der Elberfeld. Zeit. Nr. 153
steht darauf folgendes Epigramm :
Gymnasü, hone, quae fuerint Sollerania, scisne? —
Gymnasii Lustrum: Muneris auspicia.
Freiberg. In der Relation meines Programmes S. 238 heisst es
unter andern, „dass ich in demselben zugleich die Zweckmässigkeit der
\ erbindung der gelehrten und Bürgerschule zu erweisen und gegen ge-
machte Einwürfe zu schützen gesucht habe." Diese Worte könnten
allerdings den Schein geben, als wenn diese Behauptung im MI gerne inen
von mir aufgestellt worden wäre ; allein um Älissverständnissen vorzu-
beugen, sehe ich mich zu der Erklärung veranlasst, dass ich die Tren-
nung der gelehrten und Büi-gerschule für wohlthätig und zweckmässig
halte , sofern die örtlichen Verhältnisse eine solche erlauben. Wenn
aber diese, auch bei dem bessten Willen der Behörden, solch ein Unter-
nehmen nicht, oder wenigstens zur Zeit nicht zulassen, so fragt sich,
wie kann eine gelehrte und eine Bürgerschule so nebeneinander stehen,
dass keine von beiden Anstalten dadurch zu sehr beeinträchtiget wird.
Diese Aufgabe sucht unsre Anstalt zu lösen, und wie sie es sucht, sollte
die kleine Schulschrift darlegen, aus deren Eingange einleuchten dürfte,
dass man bemüht gewesen ist, die Anstalten soviel als möglich von ein-
ander zu rücken. Indem ich nun darthuen wollte, welchen Nutzen beide
Anstalten aus einander ziehen können , so konnte es wohl scheinen , als
wenn ich die absolute Zweckmässigkeit der Verbindung der Anstalten
hätte zeigen wollen. — Uebrigens bemerke ich noch, dasa das in jener
Beförderungen unil EJirenbezcJgungen. 495
Relation erwähnte //hnnncum , >velclies Mos für die Gelehrten - Schule
bcstiainit ist, einen gedeihlichen Fortgang bis jetzt gewonnen Iiat.
lli'uiGKn.
Gleiatitz. Am kathnlidelicn Gymnabium ist der Schuiamtseandl-
dat JJ'olff vMui Lehrer ernannt worden.
Gkosü -(«i.oG.vi. Uer Schulauitscandidat //iint ist achter Lehrer am
kathol. Gynina^inin geworden.
GcEKLiTZ. Die OI)erlansitzische Gesellschaft der Wissenschaften
hat am 5 Juli unter andern Ihn. Kector M. Sicbclis in Bauzen zum in-
ländischen, Hrn. Ivirchenrath Dr. I'iiri in Fulda und Hrn. Director Dr.
lictisclicr in Cottbus zu au.-l.indisclien ^Mitgliedern erwählt. \ Vgl. Lkipzig.
Gkkifswal». Der l'rofessor luid I nterbibliolhekar Dr. Scliümunn
ist zum zw eiten Dibliotliekar bei der Fniversitätsbibliothek ernannt.
Gl DE\. Die Schülerzahl des Gymnasiums beträgt 1!)3 in 5 Classen.
Unter dem 5 Octob. ward Hr. Dr. Schünborn ( > erf. der Schrift; De
authentia declamationum, quae G or gi a e Leontini nomi-
ne ex staut, dissert. Vratislav. typis Kupfer. 1826. 40 S. 4.) alsl'ro-
rcctor angestellt.
Hamm. Den 17 — 19 Mai wurde dort unter dem Vorsitze des Hrn.
Consistorial - und Schulraths Dr. holtlniusck aus Munster die dritte C»m-
ferenz der (ivinnaj^ialdirectorcn der Provinz Westphalen gehalten. —
Am Gymnasium i<t Hr. Dr. Gerhard Ilcrlcn als Hülfslelirer vorläuflg
angenommen worden.
Hblmstaedt. Als Director des Gymnasiums ist Hr. Prof. Dr. Hess
aus Hanau berufen worden.
Lkipzic, Bei der l niversität sind im Laufe dieses Jahres folgende
philologische Programme erB<-,hienen : Zu Anfange d. J. schrieb Hr. Prof.
Hermann als Panegyriens zu der vorjährigen Magister« ahl : D c A e-
schyli Philocteta d isscrtat i o scripta creationi X\f III philos.
doctorum etc. d. Xf II Febr. n. MDCCCXXf. Lipsiae, literis Staritzii. 24 S.
[ S. 17 — 24 die Vitae magistrorum ] 4. Die wenigen Fragmente wer-
den zusammengestellt, mit Zuziehung der Fragmente, welche von des
Attius Lateinischer Uebersetzung dieser Tragödie übrig sind, in Ordnung
gebracht und der Gang des Stückes angegeben. Von deujselben er-
ecbien : Mcmoriam Jo. Aii":. Erncstii d. XIII Sept. hora IX soltmni ora-
tione — cckbrandam indkit God. Ilermannus, ord. philos. h. t. dccanus.
De Acschyli 11 cliadi bus. Lip?. [ 182(). ] 1(> S. 4. Die Fragmente
werden auf gleiche Weise, wie in der vorigen Schrift zusannuenge-
«tcllt. Zur diessjährigen Magisterwahl schrieb Hr. llofr. und Pr(»f.
Beck : Observationesh i$t or i c ac et criticae, spec. IV. 20 S. 4.
Vrgl. oben S. 411 ff. Vom llrn. Prof. Dr. /Cü/m erschienen zu verschie-
denen medi(-inischen Doclorprouuttionen : Specimcn tcrtinm anim-
advcrsionuvi Ottonis Spcriinfrii in Scr iboninm Larp um,
12 S. 4 [s. Beck'ri llcpert. II , 3 S. 230 ], De med i c inac mi l itari s
apud V der c s G rae cos H oman o sque c ondit i on e. Spec. I\ .
12 S. [g. Becks Uep. 1. c. S. 231.], Spec. V. 18 S. [s. Beck's Uep. S.
232.], Spec. M. 12 S. 4. [Spec. I — 111 waren 1825 erschienen. Vrgl.
32 *
496 Schul- und Un ivcrsitätsnachr ichtcn,
Scliulzcit. 1825 Lit. BL 4 und 1826, II Lit. BI. 8 und 30] nni Jd dt ta-
rn enta ad elcnchum medicorum V ctcrum, a. Jo. A. Fahricio
in biblioth. Graec. vol. X 1 1 1 p. 17 — 456 cxhibitum. Spec. I.
12 S., Spec. II. 12 S., Spec. III. 16 S., Spec. IV . 12 S., Spec. V. 12 S. 4.
Philologische Habilitationsschriften wurden drei «iffeiitlich -vertlieidio-t,
1) vom Hrn. M. Fr. Volkm. FrHzsche [CoUaborator an der Thomasschule] :
Quaestioncs Lucianeac, 67 S. 8, welche wieder als Anhan<>- zu
einer Ausgabe von Luciati's Alexander , Demonax , Galliis , Icaromcnippus,
Philopseudes, ad Hesiodum et Naviglum erscheinen werden ; 2) vom Hrn.
M. Johann Christian Jahn: De P. Ovidii Nasonis et A. Sabini
Epistolis disputatio. Pars I, 50 S. 8 , Mdche als Anhang zu ei-
ner Ausgabe von Sabini epistolis nächstens wieder gedruckt und fortge-
setzt werden wird ; 3) vom Hrn. M. Carl Heinrich Frotscher [drittem Leh-
rer an der Nicolaischule und Unterbibliothekar der Rathsbibliothek ] :
Observationes criticae in qtio sd am lo c o s M. Fabii Quinti-
liani, 40 S. 8, aus denen die Hauptsache in dem seitdem von ihm
herausgegebenen 10?i Buche der InsÜliitt. orator. dieses Schriftstellers wie-
dergegeben ist, Vrgl. Beck's Rupert. 1 , 4 S, 280 u. 5 S. 394 f. Hr.
Prof. Friedrich Wilhelm Lindner [ ordentliclier Lehrer an der Bürger-
schule] schrieb zum Antritt einer ausserordentlichen Professur derliat-
echetik und Pädagogik: De finibus et praesidiis artis paeda-
gogicae secundum principia doctrinae christianae dis-
sertatio theologico-paedagogica, 35 S. 8, und lilelt eine Rede:
De Socratica, quam di cunt, methodo , si non e reliquis dis~
ciplinis, tarnen ex inst i tut ione c atecheti ca eliminanda.
Demselben hat auf sein Ansuchen die theologische Facultät zu Königs-
berg die theologische Doctorwürde ertheilt. Den 4 October feierte Hr.
Hofrath und Prof. Ernst Carl Wieland sein 50j ähriges Amtsjubiläum,
wobei ihn Se. Majestät der König mit einem Brillantring beehrte und
die Universität durch eine vom Hrn. Prof. Hermann gedichtete Lateini-
sche Ode Glück wünschte. Von Ostern bis Michaelis sind 304 neue Stu-
dircnde immatriculirt worden. — An der Thomasschule ward zur Feier
des Jahreswechsels eingeladen durch Plautino rum cupediorum
fer culum d ecimum qtiar tum. Ad oralionem Latinam in schola Tlio-
mana prid. Calcnd. lan. a. Chr. MDCCCXXFI hora V vespertina audien-
dam summa cum observantia invitatFrid. Guil.Ehrenfr.Rostius,
Rector. 27 S. 4. Zur öffentlichen Entlassung einiger Schüler auf die
Universität den 13 April d. J. lud derselbe durch das Programm ein :
Der K auf mann, ein Lustspi et des Plaut us in alten Sylben-
m aussen verdeutscht. Leipz. gedr. Hei Staritz. 54 S. in 8. (S. 51
— 54 Schulnachrichten.) Auf gleiche Weise hat Hi*. Prof. Rost schon
drei andere Lustspiele des Plautus in alten Sylbcnmaassen verdeutscht
herausgegeben , nehmlich den Ep i d iktis zur öffentlichen Entlassung
am 25 April 1822 (Ebenda, 36 S. 8), den Pseudolus zur öffentl.Ent-
lass. am 17 April 1823 (Ebenda, 60 S. 8) und die Mostellaria oder
das G espenst zur Anhörung der Festrede am Jahresschlüsse den 31
Dec. 1824 (52 S. 8). Diese Uebersctzungen , welche sich durch llie-
Bc f unlerun gc n und Ehrenbezeigungen. 497
sscnde Sprache und Treue , hrsoiulcra ahcr durch riclitige AufTiissung
des (icistes des l'lautus aii»'/,('i< liiieu, «(»Ilcn eine Foitselzuiig der Kiiji-
ke'sclien Ueber:set7,ung seyii, und werden, Mic verhintet, hinnen Kurzem
in den IJuchluindel kommen; so wie bereits die Cupcdia Plantina
nehi^t den übrigen Rostischeu Programmen über Phiutus in eine Samm-
lung vereiuigt gedruckt werden. Die Scliiiicrzahl betrug zu Ostern 173
in den vier obern Gj ninaslalchissen und hl in den beiden Vorbereitungs-
chissen. Lehrer sind die Hrn. M. Host, llector und Ordinarius in I
und Professor extraord. an der Universität (der auch am 5 Juli zum
aushlndijchen 31itglicde der Oberlausitzer Gesellscliaft der "Wissenschaf-
ten gewälilt worden ist) ; Christian Theodor Wcinlich , Cantor; M. JoÄ.
Friedrich Jacob licichcnbach , Conrector und Ordin. in II; .^1. Gottfried
Staübaiim, Ordin. in 111; M. Heinrich Ferdinand Richter, Ordin. in IV und
Prof. extraordin. an der Universität ; M. Georg Friedrich Baumgärtelf
Ordin. in V ; M. Carl Friedrich Gottlob Steinhünser, Ordin. in VI ; M. Frans
J olkmar Fritzschc , ordentlicher Collaborator und Privatdocent an der
Univers.; M. Gustav Adolph Schumann , erster, jS icolaus Matthias Pctcr~
scn, zweiter, und M. Carl Heinrich Adelbert Lipsius, dritter ausserordent-
licher (>ollaborator, Franz loscph f'alentin Dominicus Maurer, Lehrer deä
Hebräischen; M. JoJiann Christoph Hohlfeld, Mathematikus; Jean Domi-
nique J itale, Lehrer de^ Italienischen ; 31. Gottfried Günther , Lelircr de3
Französischen ; Johann Friedrich Kunze , Schreib - und Rechnenlehrer.
Eine Geschichte dieser schon 1221 zugleich mit dem Thomaskloster (das
1539 aufgehoben ward) gegründeten Anstalt gicbt es nicht. Beitrüge
dazu gab in zwei Lieferungen ( Leipzig 1820 und 1821 , 24 und 24 S.
in 4.) Hr. RectorRost, worin er besonders über die Reetoren und
Conrectorcn der Anstalt von 153!) bis 1()04 die ihm bekannt gCMordenen
Data zusammengestellt liat. — Zu einer Geschichte der zweiten gelehr-
ten Anstalt, der >icolaischule, liefert jetzt Hr. M. Albert Forbiger Bei-
träge, deren erste Lieferung, welche kurze Biographien der Lehrer
von Gründung der Schule bis auf gegenAvärtige Zeiten nebst möglichst
voll?tändiger Angabe ihrer Schriften enthält, in 2 Abtheilungen, Leipzig
in Commiss. bei Reclam (1826. XII, 84 u. 78 S. in 8) bereits erschie-
nen ish Dieses Lyceum , welches wahrscheinlich im J. 1515 als ge-
lehrte Schule eingerichtet w ard , nachdem es schon vorher als Trivial-
schule bestanden hatte, zählt jetzt 1()4 Schüler in GClassen, welche von
folgenden Lehrern unterrichtet werden: M. Gilieb. Sam. Forbiger , f;e-
hor. 1751, ward den 10 Sept. 1776 Substitut des Conrector Adami, 1777
wirklicher Conrector und 179.5 Rector der Anstalt; M. Carl Friedr. Aug.
Nobbe, geb. 1791, seit 1816 Tertius und seit 1820 Conrector; M. Carl
Heinr. Frotscher, geb. 179(), seit 1820 Tertius; M. Carl Aug. Küchlety
geb. 1796, ward den 29 Mai 1820 Collal)orator, den ? Octob. 1820 Sex-
tus und den 4 Oct. 1824 Quartus; M. Fricdr. H'ilh. Hempel , geb. 1775,
seit 1805 Sextus und seil 1820 Qninfus; M. Alhcrt Forbiger, f^tih. 1798,
der 1824 Sextus ward, aber.wegen Iiränkli<:hkeit des Qiiintus eigentlich
Lehrer der 5tcn Claesc Ist. Lehrer der 6ten Classc ist der Collabora-
tor M. Benjamin Aug. Bernh. Oltc, geb. 1784, angestellt seit 1821. Dazu
498 Schul- und Universitätsnachrichten,
kommen noch als ausserordentliche Lelirer ein Mathematikus [M. C G.
Martin^, ein Lehrer des Französischen [X D. Titale^, des Gcsan<^es
[C. C. IL Goticr], der Kalligraphie [ G. Schulz] und ein rrivatlelircr
dea Zeichnens [ C. F. Wiese ]. Seit 1820 hat die Anstalt eine neue Or-
ganisation und einen sehr \erändcrtcn und erweiterten Lehrplan erhal-
ten. Am 9 und lOten Septenib. d. J. feierte sie das 50jährige Amtfju-
hiläum ihres ersten Lehrers. Dazu erschien als Einladungsschrift: Fro-
gramma quo sacra schol. Nie. Lips. in qua qui rcctoris iiunc munere fungi-
tur vir s. ven. Th. S. Forbiger — ante hos L annos Conrectoris munus sus-
cepit in ejua rei mcmoriam — pie celebr. indicit C. F. A. Nobbe. In sunt
Lectiones Ciceroni anae. Lips, litt. Staritzli. 18 S. in 4. Den
9ten September früh feierte zunächst die Schule selbst durch einen be-
eondern Schulactus im Beiseyn der Schulinspcction und sämmtlicher
Lehrer dieses Fest. Hr. M. Nobbe übex-reichte dem Jubelgreise im Na-
men der Lehrer eine von ihm verfasste Lateinische Ode, Hr. M. Forbi-
ger (Sohn des Rectors) seine Beiträge zur Geschichte der Nicolaischule.
Die Schüler brachten dem theuern Lehrer eine Lateinische und eine
Deutsche Ode, einen Lorbeerkranz und 4 silberne Armleuchter. Die frü-
heren , jetzt auf der Universität studirenden, Kicolaitaner überreichten
2 alabasterne Larapen. Den folgenden Tag ward das Fest ein öffent-
liches. Privatpersonen und Deputationen der übrigen 3 öffentlichen
Schulen und der Geistlichkeit brachten ihre Glückwünsche und Gratu-
lationsgedichte dar , eine Deputation des Stadtmagistrats neben der Ver-
sicherung seiner Zufriedenheit eine jährliche Gehaltszulage von 200 Thlrn,
Um 11 Uhr Vormittags hielt der Jubelgreis auf Veranlassung ehemahli-
ger, jetzt in und bei Leipzig angestellter, jNicolaitaner vor etwa 90 der-
selben eine A^orlesung über eine Stelle aus Virgils Aeneis, wozu ihm ei-
ner seiner ehemahligen Schüler (Hr. M. Sommer} die 1800 zu London er-
schienene Prachtausgabe des Virgilius auf die Katheder gelegt und ver-
ehrt hatte. Im Auditorium fand er ausserdem eine [vor der Hand blos
hölzerne, später in Gusseisen auszuführende] Gcdächtnisstafel mit fol-
gender [vom Hrn. Dr. jur. Carl Günther verfassten] Inschrift:
G. S. Forbi g er 0
Seni T'enerabili
Discipulorum pietas.
Uno diacipulus lustro, per dena magister,
Exemplum atque decus tempus in omne scholae.
A. d. IF Mus Septembr. a. MDCCCXXVI.
Dieser Vorlesung folgte ein feierliches Mittagsmaiil , hei welchem der
Hr. Oberhofrichter und Consistorial- und Polizei -Präsident von Ende
dem Greise von Sr, Majestät dem Könige und im Namen desselben einen
Brillantring nebst einem Reseript des hohen Oberconsistoriums über-
reichte. So feierte der Greis sein zweite?, Jubelfest, nachdem er schon
zwei Jahre zuvor ebenfalls mit grosser J<"eierlichkeit sein Magisterjubi-
läum begangen hatte. (Eine ausführliche Beschreibung des Festes hat
Hr. M. Nobbe im Leipzig. Tageblatt Nr. 77 u. 19 geliefert.) Von den
Beförderungen und Ehrenbezeigungen. 491)
zahlroichcn dabei üborrcicliten Gedichten Üiellcn vir nur folgende ZM'ei
mit: von Hrn. llolnith Heck:
Quiie denis histris bis nie non sivit Ifygcia
Intcr gratantes dieere verba j»ia,
Haec Tibi ebarta ferat, qiiinis modo condita verbis:
Vive diu, uieritiä exhiiaratc Tuis !
von Hrn. Prof. jrdske :
KaXov i&iani^sv ro Sov ovvofia, ^ogßiyiQ, olov
'Avt UQSTTjg atirpavov rrifiaQ ifisUeg tx^iv.
*II yi Q ag aq)d'c(QTOvl (pog^rj tpvxalat noXizcäv
nivr' iticov öiKuSag Zrjg ^hv ivcpQoiÖlrjg.
Auch Chronostieha Ichlteu niilit , indem Hr. 31. Starke, Superintendent
inDelit^cli, folgende 2 niittbeiite:
Tli. S. Forb/ger 6 navv S. H. Forb/gcr
toLLegf/ N7CoLa/tan/ SClioLae AiCoLa/tanae
L/ps/ens/s L/ps/cnsis
per L annos DeCJ's, ReCtor pracCeL/yens,
Cf nCtIä Ciivl^, per L aiinos In ca professor,
raro, qf 7 ILLI nJ \\C est, a Xestore SaAon/ac argTsto,
/7gore et c Yoptata fvUCIlaiti p/o, If >to,
Tsq/ c Laet/'s annTLo raro oi'natr» ;
Kestoreos s/peret annos! a senat/'-patrono,
CoLLeg/s, DhCliiFLIs,
Cf'Lturlhrs honorat/ s
Nestoreos bene et beato
att/ngat annos !
Die jüngste Sehulsclirlffc des Jubelgreises ist das Einladungspro-
granini zu dem Herbstexauien 1825: Prolusio an ima dv er si oncs
ad qua cd am Licii loca co ntincns, 24 S. in 8. Die diessjülirigen
Einliidungsprogramme schrieb Hr. Conrector ]\obbe. Das erste zum
Ostercxamen enthält: Commentat. 1 de lectionihus quibusdam
X enopkonteae Cyri anabaseos, in 8, und giebt S. 3 — 14 Be-
merkungen zu der Aon ihm bei Tauehnitz herauszugebenden Anabasis
und S. 14 — 2,0 Schulnacluichten. Im zweiten, zum Herbstexamen, in-
sunt Herum lect i on es C iccr oni aitae (^S S. in 4), welche sich
nebst den frühern auf eine bald erscheinende Ausgabe Cicero'» beziehen.
Uebrigens lierrscht auf dieser AustiiU die Einricbtung , dass zu Ostern
die 4 obcrn , zu Michaelis die 2 untern Classen öflentlich geprüft wer-
den. Zur Universität wurden zu Ostern (», zu Mic.haell> 2 Schüler ent-
lassen.
liiEG^viTZ. Anfangs Octohcr ward an der Rittcrakadcralc als liülfs-
lehrer angestellt Herr Dr. Theodor Eduard Wühler aus Ehrcufriedersdorf
im Erzgebirge, der 1815 bis 1820 auf der nehmlichen Anstalt gebililet
ward und seit 1S20 in L<iiizi<r gtudirte.
Mkissk>. Die dnrcli Otto's Tod [s. S. 22fi und 244] erledigte Professur
der Mathematik an der Eürstenscliule i>t Hrn. M. Carl Gustav IVunder,
bisherig£m Subrector um Lyceum zu Wittenberg, übertragen worden.
500' Scliul- und Uuiversitätsuachriclitcu,
Mersebukg. Der bislierige Matheinatlkus am Gymnasiuiu, Hr. Dö-
ring, ist Pfarrer g-owordcn. Vrg-1. Nordhaisen. Hr. Conrector Land-
voigt hat das Prüdicat eines Professors erlialtcn.
MüiyiciiE.v. Auf der voa Landslmt hierher verle<'ton LudAvif^-Ma-
jdmilians- Universität Averden die öflentlichen Vorlesungen , welche zu
Landshut den ID August geschlossen wurden , den 15 November ihren
Anfang nehmen. Durch königliche Verordnung vom 3 Octoh. eind die
Professoren der neuen Hochschule ernannt, und neben andern Bestim-
mungen ist auch festgesetzt worden, dass die Anstalt vor der Hand noch
die Statuten der Universität zu Landshut vom 6 März 1814 beibehalten
6oll. [Vrgl. Schulzeit. Abth. 2 Sr. 82 u. Hall. Lit. Zeit. Nr. 263.] Als
Local ist iJir der Theil des Wilhelmischen Gebäudes eingeräumt wor-
den, den bis jetzt das Cadettenhaus, das nach Landshut verlegt wird,
einnahm. Dieses Local ist gross genug, um, ausser den nöthigen Hör-
sälen und andern Localitäten , im obern Stock auch die Universitätsbi-
bliothek aufzunehmen , welche von der grossen öffentlichen Bibliothek
getrennt bleibt. Das nehmliche Gebäude umfasst in seinem grossen
Räume bereits die Akademie der Wissenschaften und Künste mit ihren
reichen Sammlungen, die grosse öffentliche Bibliothek, das Kupferstich-
cabinet und das Reichsarchiv. Eine Commissiun ans Mitgliedern der
Akademie hat aus Landshut die Sammlungen für Zoologie, Botanik, Mi-
neralogie, Chemie u. s. w. abgeholt. Diese Sammlungen werden im-
ter die Aufsicht der Akademie gestellt , welche dieselben , so wie die
Sternwarte, das anatomische Theater, das chemische Laboratorium, den
Lotanischen Garten und die Cabinete für Physik , Polytechnik , Münz-
und Alterthumskunde auf ihre Kosten unterhalten und vermehren, aber
der Universität zum freien Gebrauch überlassen muss. Alle Avissen-
scliaftliche Staatssammlungen können von ihr ebensogut als von der
Akademie zu "wissenschaftlichen ZAve«;ken benutzt werden. Ueber ihr
Verhältniss zur Akademie soll eine nähere Bestimmung erst noch erfol-
gen. Mehrere Akademiker, wie Hr. geheim. Hofrath von Sckelling, Hr.
Hofrath Thiersch, die Hrn. Professoren Sieber, Späth, Buchner U. s. w.,
sind Professoren der Universität geworden , dagegen sind mehrere frü-
here Universitäts - Lehrer in Landshut zurückgeblieben und sollen eine
anderweitige Bestimmung erhalten. — Die Akademie der Wissenschaf-
ten und Künste hat seit Ende Septemb. eine der Zeit und den Wissen-
schaften angemessene neue Organisation erhalten. Hr. von Schrank
hat sich Altersschwäche wegen von allen Geschäften zurückgezogen,
und Hr. geheim. Hofr. und Prof. von Schclling ist Director geMorden.
Münster. Bei der philosophischen Facultät der Akademie [s. Rheiiv-
PREUssEiv] ist als Lehrer der Mathematik Hr. Dr. Baumann aus Bonn mit
einem Gehalt von 400 Tlürn. vorläufig angenommen worden.
Neisse. Hr. Carl Ernst Schober , A erf. der Sehr, über die Atel~
lanischen Schauspiele der Römer, ist Oberlehrer am Gym-
nasium gewoi'den,
NoBDHAiJSEis. Der Mathematikus am Gymnasium, Hr. Tenncr, ging
Aufaoga September in gleicher Eigenschaft nach Mebsebubg. Seine
.Beförderungen und Ehrenbezeigungen, 501
Stelle erhielt Ilr. Dr. Carl Friedrich Schuhe aus iriiUe, Verf. einer raa-
theniatisi'hon Prclstfchrift. Der Colhihorator und Jubelgreis Wolfram
Mard ptnsionii-t und siint; Lehrstelle dem bisherigen CoUaborutor Aug.
Dcckcrt in Sehlousingcn übertragen.
Okls. Am Gymnasium ist unter dem 14 Octob. d, J. Ilr. Jf'iccke,
LIslieriger lliiifslehrer am evangelischen Gymnasium in Glugau , vier-
ter College geMorden.
Officnbikg in Baden. An die Stelle des verstorbenen Gymnasial-
präfceten und Professor Schüfer ist der Herr Caplan Koch zum proviso-
rischen Direetor und Professor erwählt Morden, ob er gleich noch nicht
volle vier Jahr Prediger und nie Lehrer an einer gelehrten Schule M'ar.
Hr. Prof. Scharf, erster und ältester Lehrer des Gymnasiums, soll
desshalb nicht (»ymnasiiildirector gcM orden seyn, weil er weltlich ist.
Oppkl\. Das königl. katholische Gymnasium besteht aus 3 Stufen,
von welchen jede wieder in 2 Classen zerfällt. In jeder Classe der obern
Stufe sitzen die Schüler, deren Fortschritte befriedigen, in der Regel
2 Jahre, in jeder der beiden untern aber nur ein Jahr Die Schüler-
zahl betrug Weiluiachten 1825 25(>, im Sept. dieses Jahres 214. Den
öfTentUchcn Unterricht ertheilen 8 ordentliche und 3 Ilülfslehrer. Die-
ses Lehrerpersonal Mar seit Octob. 1823 unvollständig , ward aber am
24 Oct. 1824 durch interimistische Anstellung des Schulamtscandidaten,
Hrn. Clemens Jt 'icher aus Rosenberg in Oberschlesien ergänzt. Dersel-
be musste jedoch in Folge einer Verfügung des Ministeriums vor Weih-
nachten M leder austreten , und sein^ Stelle erhielt Ilr. Dr. ISicolaiis Bach,
geb. zu Montabaur im jNassauischen am 4 Aug. 1802. Er studirte von
1818 an auf dem Gymnasium zu Weilburg , von 1821 auf der Universi-
tät zu Bonn (avo er 1825 durch Bearbeitung der Solonischen Poesien die
philosophische DoctorMÜrde sich erwarb) und von Ostern 1825 an durch
Unterstützung des königl. Preuss. 31inistcriums auf der Univers, zu Ber-
lin. Im Sommer desselben Jahres vom königl. Cousistorium zu Cöln
als Gymnasiallehrer für das Gyninas. zu Bonn vorgeschlagen , ward er
jedoch am Ende desselben in Oppeln angestellt. Er hat ausser den
Fragmenten des Solon auch dit; des MImaerraos bearbeitet, eine Ab-
handlung über die Philosophie des M. Aur. Antonimis geschrieben und
zuletzt als Progr. herausgegeben: De Critiae tyranni pol Ulis
de g i aci s commcntatio, qua examen. publ. in Gymn. Oppol. —
1826 — indicit. 24 S. u. 8 S. Schulnachrichten in 8.
Paderborn. Die Procuratur des Studienfonds des Gymnasiums ist
dem Lehrer Carpe mit einem Jahrgehalt von 200 Thlrn. vorläufig
übertragen worden.
Pakchim. Die S. 245 gegebene Nachricht ist falsch.
Pakis. Herr Professor JSicol. Eligius Lemaire, der bekannte Heraus-
geber der Bibliotheca classica Latina, ist au der Stelle des verstorl)enen
J)u Boccagc Decan der Facnität der Wissenschaften, Hr. Ilorace f cnict
an Ic Jiarbicr's Stelle Mitglied der Akademie der schönen Künste und
Hr. Quatrcmcrc de Qincy für den verstorbenen Maler David auswärtiges
Mitglied des Niederländischen Instituts gcM'orden.
502 Schul- und Uni ver sl tat snachricht cn,
Pavia. Hr. Jloys Lanfranchi, Professor der politischen WIs-
eenschaften , ist vom Kaiser vom In Juni an zum Uibliothekar der Uni-
versitätsbibliothek mit ciaer Personalzulage von lOüO Gulden ernannt
worden.
Petersbutig. Der Akademiker und Statistiker Hcrrmann ist wirkli-
cher Staatsrat!! geworden. Der Capitain-Commodore von Krusenstem,
jetziger Rector der Universität zu üorpat , ist ^ icedirector der wissen-
schaftlichen Studienleitung des Marinecorps geworden und liat we«^en
vieljähriger Dienste und Anstrengung hei Ausarbeitung und Erläuterung
des Atlas der Südsee den St. Wladimirorden 2ter Classe erhalten. Der
Anfangs Juli von seiner auf dem Schiff Unternehmung gemachten, 3jäh-
rigen Entdeckungsreise zurückgekehrte Capitain-Lieutenant von Koizcbue
ist Flottencapitain vom 2ten Range und Ritter des St. Annenordens 2ter
Classe geworden. Von seinen Bogleitern erhielten die Doctorcn Esch-
holz und Siwold, der Astronom Preis, der Mineralog //q/Tmcm« und der
Naturforscher Lenz den Wiadimirorden 4r Classe. Der Dr. Eschholz
hefindet sich gegenwärtig in London, und will dort eine Besdircihung
der Reise in zwei Bänden mit Kupfern und Charten und ausserdem ciu
hesonderes Werk über seine naturwissenschaftlichen Beobachtungen her-
ausgeben. — Das kaiserl. Russische Staatsministevium hat nocli meh-
rere Ehrenzeichen ausgethcilt, welche der hochselige Kaiser Alexander
zu vertheilen heschlossen hatte, aher durch den Tod daran gehindert
worden war. Unter andern erhielten kostbare Brillantringe llr. Dr.
Dorow in Bonu als Zeichen des Wohlgefallens an der Herausgabe der
Denkmähler Germanisch - Römischer Zeit in den Rlieinisch - Westphäli-
schen Provinzen , Hr. Gail d. Jung, zu Paris für die überreichte Schrift
Recke rches sur la naiurc du culte de Bacchus, und der Hr.
geheime Legationsrath und Bnchliändler Hennings in Gotlia als Beweis,
dass der verewigte Monarch das Untei-nehmen des Deutschen Ehrentem-
pels mit hesonderem Wohlgefallen aufgenommen habe.
Pisa. Aul der dortigen Universität ist eine eigene Professur für
die Sprache und Alterthumskunde Aegyptens errichtet und dem Hrn. Prof.
Rozellini übertragen worden.
PoRTUGALt. Nach einem Decret der Staatsbehörde ist den Mitglie-
dern der Congregationcn und religiösen Orden gestattet , in den Elemen-
tarschulen Unterricht zu crtheilen. Lehrstellen für Grammatik , La-
teinisch, Griechisch, Philosophie und Rhetorik können durch Kloster-
geistliche besetzt werden, wofern dieselben nicht solchen Orden ange-
hören, welchen ihre Statuten Zurückziehung von der Welt, Gebet,
bloss beschauliches Leben oder Krankenpflege auflegen. Die Kloster-
geistlichen bleiben als Lehrer in dem Kloster und dürfen nidit aiisser-
halb desselben Avohnen. Sie müssen sich vor der Ertbeilung einer Ijchr-
stelle bei der allgemeinen Junta für die Leitung der Studien einer Prü-
fung unterwerfen , unterliegen in Allem , was. den öfftMitlicIien Unter-
richt angeht, den Verfügungen derselben und sind ihr für üire L« Iir\()r-
träge verantwortlich, dürfen aber von ihren Klosterobern in ihrer liclir-
weisc nicht beschränkt werden. Ausser ilirem Kiosteruntcrhalt erlial~
Beförderungen und Ehrenbezeigungen. 503
ten sie noch einen Theil dos Gehaltes der Lehrer aus dem weltlichen
Stande. Alle Lehrer geistlichen und weltiirhen Standes aber erhalten
nach tünfund/.Man7.igjährig( in Dienste zAvei Drittheile, nach dreissigjäh-
rigem ihren ganzen (iihalt als Pension. Die Professoren der Lniversi-
tät CüiMBRA dürfen erst nach vierzigjährigc-m Dienste auf .'i'ensionirnng
mit vollem Gehalte Anspruch machen. S. Lissaboncr Zeit, vom 2(> Juni.
Potsdam. Am Gymnasinm ist Ilr. Subrector Schmidt zum Conre-
ctorat, llr. Oberlelirer lldmholz zum Snbrectorat befördert, und der
Schnlamtscandidat Ilr. Fricdr. U'ilh. Ucimnltz als jüngster Überlehrer
provisorisch angestellt Morden.
Pbetssev. Für das Gedeihen der Wissenscliaften und für das im-
mer grössere Aufblühen des Schul- und UnterrichtsM es«ns in denPrenssi-
echen Staaten wird auf eine sehr erfieuliche Weise geborgt. Se. Majestät
der König liaben auf 25 Exemplare der vom Professor Dr. Frcijta^ in
Bonn herausgegebenen Ilamasa mit 375 Thlrn. pränunieriren und auf
3 Exemplare des grossen Werks der Akademiker von Martins und von
Spix über ihre Reise nach Brasilien subscribiren, so Mie auch 5 Exem-
plare des 7ten Bandes des grossen von dem Ivammerherrn Alexander von
Humbold herausgegebenen Werks: nova ^cncra plantaruvi ötc.,
ankaui'eu lassen. Ilr, Major von Düring (Flüf^jeladjutant des regieren-
den Fürsten von Schaumburg Lippe) erhielt vom Könige als Zeichen
des Beifalls über die Sclu'ift: IV o schlug II ermann den Varus?
(Quedlinburg' 1825 in 8) , die goldene Verdienstmedaille und ein aller-
gnädigstes Handschreiben. Dem Hrn. Coavector Loycck in Königsberg
ward unter dem 22 August die Summe von 400 Thlrn. als Unterstützung
Behufs des von ihm herauszugebenden Kupferwerks der säramtlichen
inPrenssen wild wachsenden Pflanzen bewilligt. Vrgl. Box\ und S. 484.
Für die Verbessernng des Volksschulwesens werden in allen Provinzen
grosse Summen verwendet. ]\icht minder wird für Gymnasien und Uni-
versitäten gesorgt. Vrgl. Rheixpbeusse\, Von Seiten des königl. Mi-
nisteriums der Unterriehtsangelegenheiten wurden seit dem Septemb. d.
J. ausserordentliche Remunerationen bewilligt am Gymnasium zu
Aachex (unter dem 9 Sept.) den Lehrern Körten, Savels, Menge
und Klapper ; zu Ckeizxach dem Prediger und Religionslehrer Pfor-
rius und dem Lehrer licrnhardi ; zu Mixsteueyffel den Lehrern Hack,
Neues, Schcben, Kulzfus und Hohn; zu Neu -Stettin (unter dem 14
Octob.) dem Lehrer lleyer (70 Thlr.); zu Soest dem Conrector From-
me ; zu SoRAU (am (i Sept.) dem Conrector Scharbe und Subrector Lenn
nitts ; zu Zeitz dem dritten Lehrer M. Daehne ; an der Universität zu
Berlix den Professoren Dr. hopp (120 Thlr.) und Jarckc (100 Tblr.);
zu Halle dem Dr. Schott; zu Gkeifswald dem Prof. Dr. Hünvfeld
100 Thlr. als Entschädigung für die Auslagen , welche ihm seine Vor-
lesungen über Chemie während des letzten Sommersemesters vernr-
Eaclit haben. Argl. Wetzlak. Gehaltzulagen erhielten am Gym-
nasium zu Trier die Lehrer Leloup (m elcher auch zugleich zumübtv-
lehrer befördert ward) 100 Tlilr. , und Schneemann 150 Thlr, Der
Gymnasiallehrer liudc zu Paueuboux hat eine Unterstützung von 350
50-1 Schul- und Univcrsi t ü tsna clirichtcn,
Tlilrn. erhalten , um seine Studien auf der Universität zu Berlin noch
während des näclisten Jahres fortzusetzen. Ausserordentliche Zuschüsse
erhielten die Gyuuiasicn zu CoEsiiiv 114 Thir. zur Vermehriuif;^ der Bi-
hliothck; zu L\ck 200 ThIr. zu gleichem ZAvedce; zu Mii\dkx150 Thlr.
zur Anschaffung eines Positivs oder Flügels für den Gesangunterricht;
zu MüxsTEKE\FFEii 200 Tlilr. für die Bibliothek und 343 Thir. zur An-
schaffung eines vom Mechanikus Müller in Berlin verfertigten mathema-
tisch-physikalischen Apparats; zu Soest 120 Thlr, zum Aulkauf von
Hülfsmittela fiu- den naturhistorischen Unterricht; zu Neu -Stettin
435 Thlr., um Lehrmittel und grössere Werke, deren die Lehrer hei
ihren Studien bedürfen, anzukaufen. Büchergeschenke erhielten die
Gjuinasien zu Bielefeld (Thucydid. v, Bekker, Jul. Caesar v. Oudcn-
dorp, Corn. Nepos v. Staveren, Quintilian. v. Spalding), Cueuzivach
(Plato V. Bekker) luid Neu- Stettin (Xenophon v. Schneider, Poctae
gnomici v. Brunck, Theocrit. v. Valckenaer, Tacitus von Oberlin, Sue-
ton. V. Wolf). Von dem Mechanikus Kummer in Berlin wurden 16 Re-
lief-Globen gekauft, um sie an die Gymnasien in Bielefeld und Hamm
und an andere höhere Unterrichtsanstalten zu vertheilen. Von dersel-
ben Behörde sind unter andern folgende wichtige Verordnungen erlas-
sen worden: den 21 Aug. vor. Jahres: Damit diejenigen inländischen
Studirenden, welche sich dem gelehrten Schulfache an evangelischen
Gymnasien widmen wollen , sich schon auf der Universität diejenigen
Kenntnisse in der Theologie aneignen, Avelche zur Ertheilung eines
gründlichen und zweckmässigen evangcl. Religionsunterriclits in cvangel.
Gymnasien erforderlich sind, und von jedem Gymnasiallehrer, auch
wenn er sich nicht für den Religionsunterricht bestimmen Avill, mit Grund
gefordert werden können, soll jeder Schulamtscandidat evang. Confes-
sion, M elcher eine Anstellung als Lehrer an einem Gymnasium sucht,
nicht nur hinsichtlich seiner philosophischen, philologischen, histori-
schen und mathematischen Kenntnisse und in Betreff seiner Lehrgeschick-
lichkeit, sondern auch in Bezug auf seine Kenntnisse in der christlichen
Glaubens- und Sittenlehre, in der Exegese des alten und neuen Testa-
ments und in der Kirchengeschichte geprüft werden. — Den 15 Aug.
vor. J, : Von Ostern 182(> an werden zu den Prüfungen zur Erlangung
der medicinischen Doctorwürde , so wie zur Nostrificatiou bei einer in-
ländischen Universität nur diejenigen Inländer zugelassen, welclie mit
dem Schulzeugniss der Keife Nr. 1 u. 2 versehen sind. — Den 20 Nov.
vor. J.: Den Studirenden der Arzenciwissenschaftenwird zur Pflicht ge-
macht, dass sie vier volle Jahre die Heilwissenschaft und die damit ver-
bundenen Grund- und Hülfswissenschaften auf einer L'^niversität studirt
und das vierte Jahr zum Besuche der praktischen Institute benutzt ha-
ben , bevor sie zu dem Doctorcxamen der Facultät und zu den raedici-
uisclien Staatsprüfungen zugelassen Avcrdcn können. — Den 3 Slärz d.
J. : Kein Schüler eines andern Gymnasiums darf in eine Schule aufge-
nommen werden, wenn er nicht von Seiten der üircctoren der bis da-
liin von ihm besuchten Schule das erforderliche Zeugniss beibringt, da-
mit er in der neuen Anstalt nicht in eine höhere Classo als in der vu-r
Beförderungen unil Ehrenbezeigungen. 505
rigcn gcsot/.t werde. — Im Septem!), d. J. : Alle von jetzt an von den
wisseiischaltl. Pnifungscoumiist^ioncii pro fiicultatc docniili ^cpiüflrn und
mit oiiiom desslallrsigou Zeugnisse vrischenen gekJirtcu Scluilaiiitscan-
didaten sollen Avcnigstens ein Jahr lang hei ohiem Gvninas, oder ouior
höheren Biirgcrsehule sich im Unterrichte praktisch ül)en und hierin
ihre Befähigung mittelst eines Zeugnisses des Directors der Anstalt, an
welcher sie unterrichtet hahen, nachweisen, bevor sie zu einer fixen
Anstellung im gelehrten Scliiilfache zugelassen Mcrden können. — Für
das höhere Schulwesen bestelu-n in Preussen sechs wissenschaftliche
Prüfungscommissionen zu Bkiilix, lJKi:sr,Ar, Haue, Ii(EMGSBEiir., Bo\x,
und 3U'\STEn , welche die Bestinnuung haben, die allgemeinen Prüfun-
gen der gelehrten S<;hulamtscandidaten , die Prüfungen pro loco und
die Ascensionsprüfuugcn zu verrichten , die A'erhandlungen der Abitu-
rientenprüfungen bei den Gymnasien in den betreffenden Provinzen zu
revidiren, und diejenigen jungen Leute, welche die Abiturientenprü-
fung bei den Gynuiasien nicht abgehalten haben , pro immatriculatione
zu prüfen. Jede Prüfungscommission besteht in der liegel aus fünf
IMitgliedern , für das philosophische und allgemein pädagogische, das
philologische, das historisch -geographische, das mathematische und
naturwissenschaftliche und das theologische Fach. Die Mitglieder m er-
den von dem Ministerium der Unterrichtsangelegenheiten immer auf ein
Jahr ernannt, Avelches auch zugleich die Leitung der Geschäfte in je-
der Commissioii einem dieser Mitglieder überträgt. Sämmtliche Mit-
glieder erhalten für ihre Bemühung eine angemessene Entschädigung aus
dem Staatsfond. Für das Jahr 1827 sind zu Uirectoren und -Mitgliedern
dieser Conimissionen ernannt: in Berlin der Prof. /Cö^)tc d. Adt. , der
Schulrath OUo Schulz und die Professoren Marhcinecke , Lachmann und
Ritter d. J.; in Halee die Professoren Jacobs, Reisige Voigtcl, Scherk
und Thilo; in Breslau die Consistorial- und Schulräthe Skcyde imd
Menzel und die Professoren Schneider, Jungnitz und Middeldorpf ; in
K(EMGSBERG die Profcssorcu Lobeck, Ressel, Drumann imd Olshauscn
imd der Director Dieckmann ; in Bo^^ die Professoren Rrandis, Jf 'in-
dischmann , Diestcru'cg , ]\äcke und Augnsti, und in Mi'nster die Con-
pistorialräthe Kohlrausch und Müller, der Director ISadcrmartn und der
Prof. Uoddc. — Das mittelst Cabinetsordre vom 21 "Mai 1824 erlassene
Verbot des Besuchs der Uriivcrsität TiiiixcE.v durch Preussische Unter-
thanen ist unter dem 11 Octob. d. J. zurückgenommen worden.
RuEi\PRErssE:«. Für den Unterricht bestehen jetzt — zum Thcil
erst von dem jetzt aufgehobenen Cölncr Consistorium eingerichtet —
in den Regierungsbezirken von Disseldouf und Ccelx eine Universität
zuBow, gestiftet 1818, jetzt mit 945 Studirenden; eine theologische
und pliilosophische Facnltät zu MTaster, die den 24 Nov. 1825 ihren
ersten llector wählte und jetzt 400 Studirendc zählt; 10 Gymnasien, zu
DfssELDonr, Ca:E\ (zwei Gymnasien, von denen das zweite, das Car-
melitercollegium erst 1824 dazu erlioben ward), Bonn, MCnstereiffel
(hat erst 1825 die Prima Gymnasii crluilten), Wesei,, Diisbitic, Clbve
("1817 ganz neu errichtet, da es vorher eingegangen war) , Essex und
506 Schul- und Unlversitütsnaclirichten,
EtBEBFELP (beule erst vor wenig Jahren zu Gymnasien erhohen); 5
Proj?ymnasien und 3 Siluillelirerseminare. Die 10 Gymnasien Iiatten
im Anfang' dieses Jahres 78 ordentliche und 39 ausserordentliche Leh-
rer und 2025 Schüler in 57 Classcn, Die 5 Progymnasien zählten 328
Schüler. Doch ist zu bemerken , dass diese Anstalten wegen Mangel
an liinrelchenden hühern Bürgerschulen von vielen Schülern besucht
werden , m eiche nicht für höhere Studien bestimmt sind. Vrgl. Leipz.
Lit. Zeit. Nr. 232.
Rom. Die neuerrichtete philologische Anstalt, welche in die andern
Collegien der beiden grossen Universitäten zu Rom und Bologna ein-
gereiht ist, hat folgende Mitglieder erhalten : den Prinz Jiigustin Chigiy
Präsident; Angela Mai; Prinz Odescakhi ; Ritter S. G. de Jlossi ; Abbe
Saniucci ; S. A. Guattani , beständigen Secretair der Akademie von S.
Lucca; Baron J'mi de Vivers; Advocat Franz Guadagni; Pater Joh.
Bapt. Piccadori; Abbe Amati, Scriptor der Griech. Spraclie an der Va-
ticanbibliothek; Anton Nibby, dessgleichen und Professor der Archäologie
am Rom. Gymnasium; Abbe Marquis Molza, Scriptor der Lateinischen
und Hebräischen und Professor der Morgenländischen Sprachen. —
Die Erziehungsanstalt zu St. Michele a ripa hat ein Privilegium zu aus-
Bchlicsslichem Verkaufe aller Schulbücher erhalten. Zu diesen sind
auch die bessten Lateinischen Schriftsteller, Cicero, Cäsar, Sallustius,
Tacitus u. s. M% , gerechnet. — Die Druckerei des Vaticans soll wieder
hergestellt und reichlich mit schönen Lettern und guten Arbeitern ver-
sehen werden. — Das Deutsche, von den Jesuiten geleitete Collegiura
befindet sich vorläufig noch in einem Flügel des Professhauses al Gesü,
und hat sein früheres Local in St. Apollinare noch nicht zurück erhal-
ten. Es zählt bereits gegen 30 Alumnen , welche meistens Schweizer
Beyn sollen , und wegen ihrer rothen Talare Gambari colli [ gekochte
Krebse ] genannt werden.
Neu-Ruppiat, Der gelehrte Schulamtscandidat Ferdinand Krause
ward unter dem 14 Octob. d. J. als Unterlehrer am Gymnasium an-
gestellt.
Stralsund. Hr. Prorector Dr. Nizze und Hr. Oberlehrer Dr. Blu~
me sind zu Professoren ernannt worden.
Strassburg. Hr. Prof. Schiveighäuser hat von der königl. Gesell-
echaft für Literatur in London eine goldne Denkmünze erhalten.
Triext. Auf der dortigen für das Italienische Tyrol bestimmten
Lehranstalt soll von jetzt an auch allgemeiner und vollständiger Un-
terricht in der Deutschen Sprache und Literatur ertheilt \verden.
TüBiivGEiv. Die Universität wird , der Sage nach , von hier nach
Stuttgart verlegt Averden, jedoch so , dass die theologische und philoso-
phische Facultät zu Tübingen verbleiben soll.
Warschau. Für Jüdische Glaubensgenossen wird dort eine beson-
dere Schule errichtet, in welcher diejenigen als Zöglinge aufgenommen
werden sollen , welche sich zu Rabbinern bilden wollen. Sie erhalten
darin Unterricht hl der Mathematik, Geographie, Geschichte und in
Beförderungen und Ehrenbezeigungen. 507
Sprachen, und es kann liünftig niemand Ilaltbinor oder auch nur Untcr-
rubbiner werden, der nicht in dieser Scluilc unterrichtet -worden ist.
^Vktzlak. Dem dasigen (ifviunusiuiu , weh-lies vor einiger Zeit bei
den holien und hödisteii Ik-liördeii Avegen mclircrcr Lchrvorträgc in
Verdacht gekoiunien var und sidi Megen mehrerer Anlilagoi) unkte recht-
fertigen mufis^te, haben mit dem Heginn diet^es Jalircs die Hehörden ihre
Zufriedenheit dadurch zu erkennen gegeben, dabs dem interüni^itischen
Directur, Hrn. Prof. Jlcrbftt , eine Gratification von 100, und jedem an-
dern Lehrer eine dessgleichen von 50 1 lilrn. au^gezaJiit ward. Bahl
darauf ward der Prof. Herbst als wirklicher Direclor bestätigt und die
drei zuletzt angestellten Oberlehrer Lambert, Sicher und Dr. Schirlitz
erliielten eine Gehaltszulage von 50 Tlilrn. Nächstens soll auch noch
ein Collaborator mit 300 Tliirn. Gehalt angestellt werden. — Das vor-
jährige Herbstprogramm lieferte der Oherh-lirer JUcdusch , und gab
darin aus seiner Uebersctzung des Pausanias, deren erster Band seitdem
(Münclien bei Fleischmanu) erschienen ist, die Beschreibung des Tem-
pels Olympia.
WiE\. Durch einen kaiserlichen Cabinetsbefehl ist (im Octob. d, J.)
bekannt gemacht Morden , dass alle Lehrer und Professoren , die bei
den Unterrichtsanstalten der Oestreich'schen Monarcliie angestellt wer-
den , für drei Jalire nur als provisorisch angestellt zu betrachten sind.
Sie sollen zwar Mährend dieser Zeit den vollen Gehalt und alle mit ih-
rer Stelle verbundenen Emoliuncntc beziehen ; wenn sie aber binnen
dieser Zeit Anlass zu Klagen über ihr Betragen oder ihre Amtsführung
geben, oder den von ihnen gehegten KrMartungen nicht entsprechen,
60 können sie ohne weiteres entlassen Averden , ohne das Recht zu ha-
ben, Pension oder Entschädigung zu verlangen. Erst wenn sie o Jahre
lang ihr Amt ohne Tadel verwaltet haben , Avird ihre Anstellung für
fest und beständig erklärt; die drei provisorischen Jahre Averden jedoch
ihrer Dienstzeit zugerechnet. — Herr Simon Stumpfer , bisheriger Pro-
fessor der reinen Elementarraatheniatik am Lyceum zu Salzburg, ist
Professor der praktischen Geometrie am polytechnischen Institute gc-
Avorden. Herr Graf Moritz von Dielrichstein ist zum kaiserl, königl.
Hof-Bibliotliek-Präfccten ernannt Avorden. Der Oestreich'sche llisto-
riograph, Herr von Hormaier hat einen Ruf an die Universität zu Mün-
chen erhalten, aber nicht angenommen. — Hr. HofdoUmetscher Hofr.
und Ritter Jos. von Hummer hat von der Erzherz, und Herzogin von
Parma das Cüuuuandcurkrenz des Constantin. St. Georgenordens er-
halten.
Erklärung.
V Ott F. L. H. Kruse s Hellas oder geograph. - antiquarischer
Darstellung des allen Griechenlands etc. hat der ^ erleirt'r des
Ai>erks eine Beurtheiiiiiig in den Jahrbiichern sich Aerbeten oder
Aveuigstens die Ahlieieniiii^ eines desslialh bestellten Kxemplars
mit der Erklärung a erweigert, dass er das Uucii nicht recensirea
508 Erklärung.
lasse. Lieferten die Jahrbücher bloss der Verleger wegen Recen-
sionen, so könnten wh- diesem Verlangen gern wllUahren, da
wir ohnehin eher eine Verringerung als Vergrösseruiig des zn be-
handehulen Stoffes wVinschen mVissten. Aber die Tendenz unse-
rer Zeitschrift ist Schulen und Philologen über neuerschienene
Werke Auskunft zu geben. Desshalb , und weil ^^ ir ein von den
Buchhandlungen zum Verkauf ausgebotenes Buch eben so anse-
hen , wie jede andere feilgebotene Waare , über die sich der Kau-
fende ein ürtheil erlauben darf, können wir ein in das Gebiet
der höhern Schidbildung einschlagendes neuerschienenes Werk
nur dann absichtlich von Beurtheilnng in den Jahrbüchern aus-
schliessen, wenn es unter die in der Einleitung (Hft. 1 S. 7) ange-
gebene Ausnahme gehört. Auf jeden Fall aber können wir uns
in Bezug auf Beurtheilnng eines Werks von dem Verleger dessel-
ben eben so wenig bestimmen lassen, als wir unsrerseits ihm vor-
schreiben wollen, ob er uns ein zur llecension verlangtes Werk
ausliefern soll oder nicht. Nur des Verlegers der Jahrbücher
wegen müssen wir noch erklären, dass derselbe bei Bestellung
eines zu recensirenden Werks von der Verlagsbuchhandlung kei-
ne andern, als die im Buchhandel gewöhnlichen, Begünstigungen
verlangt, und bloss noch die billige Forderung macht, dass ihm
ein solches Werk auf ein Jahr ä Condition überlassen werde, wor-
auf er dasselbe entweder unbeschädigt zurückgiebt oder bezahlt.
Die Redaction der Jahrbücher.
Trotz aller Sorgfalt haben sich in dem ersten Bande der Jalir-
bücher doch einige Druckfehler eingeschlichen, die zwar im Gan-
zen unbedeutend, aber uns doch, vielleicht weit mehr als dem
Leser selbst, unangenehm sind, da wir wünschen, dass das Werk
so correct als möglich erscheine. Im ersten und zweiten Hefte
bitten wir folgendes zn berichtigen : S. 33 Z. 10 lies : d e m T ä u-
sehenden d a s W a h r e. S. SO Z. 2T : verum etiam. S. 92 Z.
16: Vercellensis. S. 215 Z. 9: cavere. S. 217 Z. 14 ist das
Comma nach antiquis^ S. 206 Z. 6 v, u. nach disq)dvr]^ S. 268
Z. 25 nach aveXslv und S. 27-1 Z. 5 nach yäg zu streichen. S.
268 Z. 3 v. u. 1.: nun. S. 274 Z. 11: dagegen. S. 275 Z.
C^ particularum. S. 276 Z. 11 v. u. : zusammengetragen.
S. 278 Z. 2 V. u. : scnipulosa. S. 279 Z. 2 v. u. : Imperioccfie.
S. 338 Z. 11 v. u. : gloria. S. 339 Z. 21 v. u. : Bergman. S.
346 Z. 9 V. u.: 1825. Bei der S. 484 erwähnten Sammlung
Aegyptischer Denkmähler war zu erinnern, dass sie die Heft 1 S.
222 erwähnte Sal tische ist, und dass eine ausführlichere Be-
schreibung derselben im Morgenblatt Nr. 260 ff. steht. Von dem
in einem Alter von 56 Jahren verstorbenen Conr. von OreUi
(S. 489 ) steht ein ausführlicherer Nekrolog in der neuen Zürcher
Zeitmig vom 28u Octobr.
Inhalt
des zweiten Hefts.
Demosllienis opera ed. Reiskc cum vers. Lat. H. Wolfii. Edit. cor-
rectior cur. Scharfer. — Vom Chorlienii und Prof. Bremi in
Zürich.. S.253-2fiS
riutarclii Fliilopoemen, Flamin, et Pyrrlius. Edid. liaehr. — Vom
1\I. Fr. f olhnar Fritzschc U\ Leipzig;. . . • • . 2G3 — 271
Descrizione della Graecia di Pausania traduda da A't6ii/. — Vom
Rector M. Sicbclis in Hauzen. ...... 271 — 281
loannis Tzetzae cliiiiades. Edid. JiicssUn''. — Vom Professor Passow
in Breslau ... . • .282-291
Ciceronis Laelius, Recens. Gcmhard. — Vom Oberschulrath und
Direclor Gocrcnz in Schwerin. ...... 291 — 317
Ciceronid Urafio pro Piancio. Cum comnientar. Garatonii \ y
etc. 3did. /. Cas/,. OreWiMS. .. ( demsel- 317-337
Ciceronis Oratio pro Milone. Cum corament. Garatonii i .
etc. edid. idem. )
Kühner: Ciceronis in philosopliiam eiusque partes merita. — Vom
Professor licicr in Leipzig. ....... 338 — 3J8
Kraft und Forbi^cr: Neues Deutsch -Latein. Wörterbuch. — Vom
Director Itoscnhcyn in Lyck. . 318 — 360
lieber Lateinische Grammatik. Erster Artikel. [Grotefcnd's grössere
und kleinere Lat. Grammat.J — Vom Professor Ramshorn in
Altenburg 360 — 374
Itamshorn : Latein. Elementarbuch. ) Vom Director Ro~ o^i ogi
Chaste : Theoret. - praktische Lat. Grammatik J scnhcyn in Lyck.
Thiersch: Griechische Grammatik. Aufl. 3. J Erster Artikel. Vom
Richter: Wort- und Sachregister zu Thiersch's/ Prof. Dr. Schultzc 381 — 394
Grammatik. ) in Liegnitz.
Plchn: Lesbiacorum über. — Vom Oberlehrer Dr. Bach in Oppeln. . 395 — 402
Farbiger: Prolusio aniuiadvv. ad loca (juaedam Demo- \ Vom
sthenis continens. i Cborberrnund mm aii
Krüger: Annotatt. ad Demosth. Philipp. I specimen. 1 Prof. ßrcmtin
Jf'cickcrt: Explicatt. locoruni aliquot Demosthenis. ' Zürich.
Beck: Observalt. bistoricae et criticae. Spec. IV. — Vom Dr.Eggcrt
in Halle 411 — 417
Siebdrat: De studio etymologiae perverse institnto. — Von demselben. 417 — 418
Kärcher: Handzeichnungen zu dessen Mythologie und Ar- \ Vom
chäologie des class. Alterthnms. f Professor .-.^ -,|
Kärcher: Handbuch des Wissenswürdigsten aus der My- i Homer In "
thologie und Archäologie. ' Zürich.
Götter und Heroen der Griechen und Römer. — Von demselben. . 422
Catullus. Recensuit et emendavit PottJcr. i Von M. Sillig ,94, «,-
Tibullus. Recens. et emend. Pottier. ) in Dresden.
Lüncmann: Bibliotheca Rom. classica. T. I — X. \ Vom Director
Lünemann: Nova biblioth. Rom. classica. Tom. [ Ilülucmann in 425 — 430
I — IV. ) Osterode.
Ciceronis oratt. Verrin. über IV. Curav. Eichhoff. — Vom Professor
Bcicr in Leipzig 430 — 432
Conrad: Carniina Latina. — Vom M. Jahn in Leipzig. . . 433 — 434
Dinier: Religiöse Weihe zum academischen Leben. — \'on dem.selbeii. 431
Homers Europäischer Ursprung, nachgewiesen vom Oberlehrer Dr.
Thicrach in Halberstadt 4G5 — 468
Miscellen. 4«!> — 486
Todesfälle 486 — 489
Schul- und Universitätsnachricbten , Befördcruimcn und Ehrenbezei-
gungen " . . 48» - 507
Erklärung 5U7 — 508
W :l
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PA Jahrbucher Tiir Philologie und
3 Paedagogik
N64.
Bd.l
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