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Full text of "Jahrbuch Für Volks Und Jugendspiele 12"

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WIDENER LIBRARY 


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Harvard College Librarv 
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‘“ To purchase such books as shall be most 
needed for the College Library, so as 
best to promote the objects 
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Chriitoph GutsMutbs und Rarl Ritter 


Endgültiges Kauptmodell für das GutsMuths-Denkmal in Quedlinburg 
von Profejjor Richard Anders. 





Jahrbuch 
Volks- und Jugendſpiele 


In Gemeinſchaft mit den Vorſitzenden des 
Zentral-Ausſchuſſes zur Förderung der 
Volks⸗ und Jugendſpiele in Deutſchland 


E. von Schenckendorff und 
Dr. med. F. A. Schmidt 8 


herausgegeben von 


Profefior H. Widenhagen 


Vorftandsmitglied des Zentral» Ausfchuffes 


* 


Zwölfter 


Jahrgang 
1903 


R. Voigtländer? 
Verlag 


Leipzig, im Sabre 
1903 








Altenburg, S.:U. 
Piererfche Hofbuchdruderei 
Stephan Geibel & Co. 


m 


l. 


10. 


11. 


PN IN IN IN INN 


—28 2 2 Mm 


PN IN IN IN INN 


Inhalt. 


I. Abhandlungen. 


Der Turnmarſch im Erziehungsplane der Höheren Knabenſchulen, 
von Dr. 9. Lorenz, Direktor der Guts Muths⸗Realſchule zu Dued- 
linburg: u.a ae a ee ee ee, a 

Naturbeobachtungen beim Wandern, von Dr. D. Lehmann, Direktor 
des ftädt. Mufeums zu Altona . 2. 2. 2 2 2 .... 

Das Weſen und der Uriprung dentidher Vollsfeſte, von Gymnaſial⸗ 
oberlehrer 8. Dunkler, Hadersleben - » 2222200. . 

Andiport und Wehrtüchtigkeit, von Schriftfteler Ed. Berk, Potsdam 

Das Schulbraufebad und feine Bedeutung für die Zukunft, von 
Oberbürgermeifter am Ende, Dredden . ». » 2 2: 20000. 

Die Knabenwettlämpfe bei den Griehen, von Gymnafialoberlehrer 
Sr. Hahne, Braunſchweig.. 

Die weiteren Maßnahmen für die Eritarkung der weiblichen Jugend 
durch Beweguugsipiele, von Turninfpeftor A. Hermann, Braun- 


THIDeGr a: 0.2. De a ne ne a ee 


. Der Einfluß der Spiele und Leibesübungen auf das Nervenſyſtem, 


von Dr. med. %. 4. Schmidt, Bonn . ».. 2... 2.200. 
Einige Mahnworte an die Städtenerwaltungen und Schulleitungen, 
von dem Königl. wirkt. Rat G. H. Weber, Münden. . ... . 
Chriſtoph Guts Muths. Feftfpiel in zwei Aufzügen, zum Beften des 
Guts Muths-Denkmals verfaßt von Realfchuldireftor Dr. Lorenz, 
Duedlinburg. Beiproden von Prof. H. Wickenhagen, Rends⸗ 
DIEROE a a a ee ee te ee 
Guts Muths voran! Marſchlied von Turninſpektor U. Hermann, 
Braunihweig. #2. u wraei 


II. Literatur. 


Die Literatur des Spiels uud verwandter Übungen im Jahre 1902, 
von Dberlehrer Dr. Burgaß, Elberfeld . ».. 2.000. 


“Lk 


Seite 


91 


96 


104 


1. 


3 


1V 


III. Aus der Praxis für die Praxis. 


Die Spielbewegung im Jahre 1902, von Studiendireftor Profeſſor 
DERAHDE, Leipzig u na 464 
Einführung deutſcher Sugendipicle in Italien, von Oberturnlehrer 
DISHRLT, 
Das VII. Barlaufwettſpiel der höheren Schulen von Berlin und Um⸗ 
gegend, von Oberlehrer Binting, Groß⸗-Lichterfelde.... ... 
Der zweite Bannerwettlampf Der höheren Schulen Schleswig-Holiteins 
am 21. Scptember 1901, von Oberlehrer Dunker, Hadersleben . 
Das erite Stirnbergfeft am 15. September 1902, von W. Straud, 
Hüdburghauien: 2 u. 0.0 wa a ea 
Das Knivsbergfeſt am 22. Juni 1902, von Oberlehrer Dunker, 
DADErSieden: s 2. u ee ee a Brin 
Die voltstämlihe Scedanfeier in Leipzig, von O. Schumann, Leipzig 
Der Rhrinisch-weitfäliiche Spielverband im Sahre 1902, von Dr. med. 
F. A. Schmidt, Bonn. ar 
Vierter Spieltag des Mittelrheiniſchen Spielperbandes, von Ober⸗ 
lehrer Gärtner, Koblenn... . 
Ferienſpiele der Stadt Bonn, von van Hoorn, Bonn ...... 
Sugendipiele in den Eharlottenburger Gemeindeſchulen und Das erfte 
Spielfeft, von E. Wegener, Charlottenburg. - - 2 22.2. 
Allerlei Stimmen don Deutihen Hochſchulen, von Prof. H. Wicken— 
bagen, Rendsburg >. »....00.0. 0.6 we Eu a Ei 


IV. Spielturje. 


Die Spielkurſe des Sahres 1903, aufgeftellt von E. von Schenden- 
DOC, ODrUB 0 ee ae 
Die deutſchen Spielkurſe des Jahres 1902, von Turninfpeftor X. Her⸗ 
mann, Braunfhweig. - » » :: 2 vn rer ren ne 
Jugendſpiellurſus der Kaiſerlichen Schiffsjungendivifion zu Friedrichs⸗ 
ort, von Öberlehrer Peters, Kiel -. - 2: 2 2 2 2 2 nn. 
Der erite Spiellurius für Die Lehrer und Lehrerinnen des Stadtkreiſes 
Remſcheid, von Dtto Witte, Remfheid - . .. 2: 2 222.0. 
Erjter Spielkurſus zur Ausbildung don Lehrern und Lehrerinnen im 
ſchlefiſchen Induſtriebezirk (Bismardhütte), von Gymnafialturn- 
lehrer Martin Gerfte, Liegniz.. 


V. Statiftit. 


Tie Bolls: und Jugendfpicele in den deutſchen Irten mit mehr als 
5000 Einwohnern i. 3. 1902. Nach der Erhebung vom 12. Januar 
1902 bearbeitet von R. X. Graf zu Leiningen, Berlin... . 


195 


197 


202 


204 


207° 


213 


V 


VI. Zentral⸗Ausſchuß. Seite 


1. Hauptverſammlung des Zentral-Ausfhufles für Volls- und Jugend- 
ipiele in Köln a. Rh. vom 4. -6. Zuli 1902. 


I. Verhandlungen, von K. Möller, Altona ». ». . 2... 262 
II. Viertes vaterländifches Feltipiel im Stadtwalde zu Köln am 
6. Zuli 1902, von Prof. Moldenhauer, Köln ..... 265 


2. Kongrei des Zentral-Ausichufles bei Gelegenheit des Deutichen Städte- 
tages in Dresden am 5.— 7. Juli 1903, von E. von Schenden- 
BOFIT; WORHE. 268 

3. Verzeichnis der an den Zentral-Ausihug im Jahre 1902 gezahlten 
Beiträge. Auigeftellt vom Schagmeifter Profefior Dr. 8. Kod, 


DIOR + u a re U Der ih 269 
4. Beränderungen im Berzeichnis der Mitglieder des Zentral-Aus- 
Tunes und Der Unieransinlle 0». 0% 274 


5. Berzeichnis der vom Zentral: Ausichui herausgegebenen Schriften . 275 











I. Abhandlungen. 


* * * 1 * * * „DO Mandern, Wandern, meine Luft!“ 


rum ſo tönt von jeher ein ganz beſonderer 
Der Tu arſch im Klang in der deutſchen Volksſeele ſeit den 


Erziehungsplane der Tagen, wo die Cimbern an die Pforten 
höheren Knaben- aa des Römerreiches pochten. Während der 
ſchulen. ↄafassssgosas Völkerwanderung, auf den Römerzügen 
De Dirnonn Deen der Kaifer, auf den Fahrten heimatlofer 
Direktor der Guts Muths-Real. Minneſänger, in den Scharen der Lands— 
ſchule zu Quedlinburg. ses knechte und der fahrenden Schüler, nod) 
heute bei den Handmwerfsburfchen und vor 

allem bei den vielen Taufenden von Deutjchen, die auf den Bahnen 
des Meltverfehrd in andere Erdteile ziehen, — von altersgrauen 
Zeiten bis jegt immer diefelbe germanifche Wanderluft, immer diefelbe 
Loſung: „Wer weiß, wo in der Ferne mein Glüd mir noch blüht!“ 
Neben diefem mehr oder minder abenteuerlichen Triebe in die 
Ferne hat fi in neuerer Zeit au die Wanderfreude im Bann- 
freife der Heimat entwidelt. Schon im 16. Sahrhunderte fahen wir 
die Qumaniften ab und zu mit ihren Schülern hinausziehen in die 
frifhe Luft, wie 3. B. den trefflichen Trogendorff. Aber nur ver- 
einzelt finden ſich zunächft folche Beifpiele.. Erſt mußte um die Mitte 
des 18. Jahrhunderts der Prophet des modernen Naturgefühles 
fommen, das fich adlergleih über die Kleinfrämerei der damaligen 
Idyllendichter hinwegheben follte: der Franzoje Jean Jacques Roufjeau. 

1 


Volks- und Jugendſpiele. XI. 


2 


Rouffeau, der fonft ala Sturmvogel der Revolution jo mande 
verderbliche Lehre Fündete, hat fi in einem Punkte eine Bedeutung 
verschafft, die big in unfere Zeit hineinreiht: er zuerit hat den macht— 
vollen Zauber der weiten grünen Wälder, der braufenden Bergwajler, 
der ragenden Gebirge fo feurig gepriefen, daß e3 in Taufende von 
fühlenden Herzen hineinflang und fpäter aus Goethes und Schillers 
Gedichten fo herrlich widerhallte. Zugleich hat Roufjeau — und das 
ift fein Hauptverdienft — die leiblihde Erziehung der Jugend, 
das Tummeln der Knaben draußen in der freien Natur 
auf das eindringlichite angeraten. 

Bon da ab begann neben den turnerifchen Übungen und Jugend- 
jpielen auch das Wandern in den Dienft der Schulerziehung zu 
treten, und zwar zuerft in Deutjchland, dem Lande der Pädagogen, 
unter dem Einfluffe jener wichtigen Bewegung, die man Philan- 
thbropinismus nennt. Bernhard Baſedow, ein begeifterter Ver— 
fechter Rouſſeau'ſcher Erziehungsgedanfen, gründete zu Deffau -1774 
das erite Philanthropinum. Die dortigen Lehrer haben fich der Pflege 
regelmäßiger Wanderübungen mit ganz bejonderer Hingabe gewidmet, 
jei e8 in der näheren Umgebung Deſſaus oder auf weiteren, zum 
Teil mehrtägigen Ausflügen. 

Der Verfaffer diefer Zeilen bat im Jahrbuche des Zentral⸗Aus— 
ſchuſſes 1902 ©. 311 ff. diefe Deffauer Schülermanderungen auf Grund 
archivaliſcher Duellen näher gejchilvert. Die interefjantefte dieſer 
Fahrten war ohne Zweifel die Wanderung nad) dem Harze bis zum 
Broden im Hochſommer 1786. Nicht weniger als 38 Meilen 
(= 285 km) wurden in 12 Marſchtagen, zu denen nody 4 Ruhetage 
famen, zurüdgelegt, ungerechnet die vielfachen Befichtigungsgänge. 
Mit Recht fonnte der Direktionsberiht von diefen tüchtigen Marſch— 
leiftungen rühmen: „Wenn die Schüler einft alle Schwierigkeiten mit 
jolhem Mute befämpfen, wie fie es auf der Reife taten, fo werden jie 
gewiß glüdlihe Menjchen werden und es ihren Lehrern danfen, die 
ihre Körper ftärfen und dadurch ihrer Seele mehr Kraft zu geben 
ſuchen.“ 

Der Deſſauer Philanthropielehrer G. Salzmann hat dann dieſe 
Schülerwanderungen in das von ihm 1784 gegründete Philanthro— 
pinum nach Schnepfenthal übertragen. Wie ſie hier in Chriſtoph 
Guts Muths einen ſorgſamen, warmherzigen Pfleger fanden, hat 
der leider ſchon verſtorbene Berliner Gymnaſialdirektor Theodor Bach 
in ſeinem trefflichen Buche „Wanderungen, Turnfahrten und Schüler— 


3 


reifen” ausführlich geſchildert. Es fei hiermit auf diefe Darjtellungen 
verwiefen und nur der eine Punkt hervorgehoben, daß nämlich unter 
der Anleitung von Gut3 Muths aus dem Boden diejer Schnepfenthaler 
Wanderbeftrebungen der bahnbrechendite Geograph der Neuzeit, Karl 
Ritter, herausgewachſen ilt, der al3 Profefjor der Berliner Kriegs— 
alademie zum Lehrer Moltfes ward. Mit Recht follen daher Guts— 
Muths und Ritter als Lehrer und Knabe auf dem Guts Muth3-Dent- 
male zu Quedlinburg in Wanderftellung dargeftellt werden. 

Angeregt durh Guts Muths, den Erz: und Großvater unjeres 
Schulturnens, bat dann feit dem Anfange des 19. Jahrhunderts 
der Turnvater Ludwig Jahn das Wandern in die patriotifchen Ver- 
einigungen wehrhafter, turnfreudiger Sünglinge hineingetragen. Wie 
eine natürliche Blüte wuchs bier die echte deutfche Wanderluft aus 
dem frifchen, freien Turnleben heraus, und bis heute find in erfter 
Linie unsere deutfchen Zurnvereine weit und breit im ganzen Bater- 
lande die vorbildliche Hochburg rüftiger Wanderleiftungen geblieben. 

Viel weniger oder gar nit kann man das von den deutjchen 
Knabenſchulen des 19. Jahrhunderts jagen. Zwar hat eine ganze 
Reihe namhafter Pädagogen auf die Wichtigkeit der Schülermande- 
tungen bingewiejen, wie Jahn, Spieß, Harniſch, Bach, Fleiſchmann; 
auch Bücher über Schulgefundheitspflege traten warm dafür ein, 3. 3. 
da3 vortrefflihe Werk von Eulenburg-Bach, und der Zentral-Ausfhuß 
für Volks- und Jugendſpiele ließ in feinen Jahrbüchern wiederholt 
zujammenfafjende Berihte über Schülerwanderungen ausarbeiten. 
Aber einen eigentlichen, allfeitigen und tiefgreifenden Erfolg haben all 
diefe Schönen Beltrebungen bis jeßt leider noch nicht gehabt. Wie 
wenige Oberlehrer und Direktoren haben 3. B. die jo beachtenswerten 
Darlegungen von Bad und Fleifehmann in rechter Weife gewürdigt ?! 
Mit einem Worte: auf dem Gebiete des Schulweſens ift der Turn- 
marſch bis jebt daS mehr oder minder gleichgültig behandelte Stief- 
find unter den Reibesübungen gemejen. 

Die hohen Shulbehörden, mwenigftens die preußifchen, haben 
ja im 19. Jahrhunderte die Schülerwanderungen keineswegs unberüd- 
fihtigt gelaffen und fogar einen befonderen Ausflugtag für Tolche 
Wanderungen freigegeben. Turnmärſche felbft aber wurden behörd- 
licherfeits bisher lediglich angeraten, aber nie amtlich vorgefchrieben. 
Mit um fo größerer Freude ift e3 daher zu begrüßen, daß dies in den 
allerneuften preußiſchen Xehrplänen von 1901 nunmehr 
geſchehen ift S. 71 mit folgenden Worten: „Öfter auszuführende 

1* 


4 


Turnmärſche werden Gelegenheit bieten, die Ausdauer zu 
erhöhen, die Sinne zu Üben, namentlib aub zur 
Shätung von Entfernungen anzuleiten” Daß jolde 
Märſche durhaus im Sinne unferes jegigen Kaiſers find, bezeugt 
eine Stelle in dem Briefe, den er ald Prinz Wilhelm am 2. April 
an Amtsrihter Hartwich jchrieb: er wolle „anftatt der albernen 
Klafjenfpaziergänge (mit elegantem Stödchen, ſchwarzem Rod und 
Zigarre) Übungsmarſch!“ 

Damit ift der Turnmarſch zu einem lehbrplanmäßig ge- 
forderten Erziehbungsmittel geworden, das von allen Knaben- 
Schulen Preußens nunmehr pflihtgemäß anzuwenden if. Solche Turn- 
märjche find alſo vom Direktor anzuordnen und von den dazu fähigen 
Lehrern im Rahmen ftraffer Schulzucht durchzuführen, d. h. nicht nur 
al3 vergnüglihe Spaziergänge, fondern als mwohldisziplinierte, wirf- 
lihe „Märſche“ im eigentlichen Sinne des Wortes. 

Bevor erörtert werden Tann, wie, wie oft, wie weit und wie 
lange ſolche Übungen anzuftellen find, wird es nötig fein, namentlich 
denjenigen Lehrern, die dem neuen Lehrplangegenitande gleichgültig, 
zweifelnd oder gar mürrifch gegenüberftehen, augeinanderzufegen, welche 
unfhägbare Bedeutung die Turnmärfche gewinnen Fönnen und 
müffen, ſowohl für die förperlihe Rüftigfeit des einzelnen als 
auch für die Wehrfraft des Vaterlandes3. 

Die rehte Grundlage für diefe Beurteilung wird am beiten ge- 
funden, wenn man zunächſt die befonderen Vorzüge betrachtet, welche 
die Turnmärſche im VBergleih mit anderen Leibesübungen 
bieten. Sie vermögen zwar nicht in gleihem Maße wie das eigent- 
lihe Turnen die Geſchmeidigkeit und Straffheit der Geſamtmuskulatur 
zu erzeugen, aber mit den Jugendſpielen haben fie gemeinfam die 
Kräftigung der Beinmusfulatur, die Gewöhnung an jtraffe 
Mafjendisziplin, an gemeinſames, kameradſchaftliches 
Wirken. 

Aber bezüglich der Fähigkeit, daS Auge zu fhärfen, bie 
Lunge zu weiten, da3 Herz zu fräftigen, das Nerven- 
ſyſtem gegen Entbehrungen und Temperaturfchwanfungen abzu- 
bärten und dabei zähe Beharrlichfeit zu weden, übertrifft 
der Turnmarſch alle anderen Leibesübungen, weil ihm 
allein der Charakter einer wahrhaften, ftunden-, ja tugelangen und 
dabei rhythmifchen Dauerübung innewohnt. 

Dauerleiftungen find ganz bejonders bedeutungsvoll für Die 


5 


beiden wichtigſten Grundpfeiler unſerer Geſundheit, für Herz und 
Lunge. Beide Organe arbeiten einander in die Hände immerzu ohne 
Raſt und Ruhe. Andere Organe, z. B. Muskeln, Sinneswerkzeuge, 
Nerven, bedürfen längerer Erholungspauſen, aber Herz und Lunge 
bleiben auch im tiefſten Schlafe tätig: unausgeſetzt drückt der Herz- 
muskel den Blutſtrom durch die Adern in die Lunge, unausgeſetzt 
führt die Lunge dem Blute Lebensluft zu. Daß ſolche wunderſam 
zähen Dauerorgane am beſten durch Dauerübungen gefördert werden, 
iſt ohne weiteres erſichtlich, und zwar um ſo mehr, wenn man bedenkt, 
wie ſehr durch Herz: und Lungenkraft die Geſamtmuskulatur ge- 
ſtärkt wird. 

Ein angeftrengter Muskel wird um fo leiftungsfähiger bleiben, 
je fchneller die durch feine Anftrengung erzeugte Kohlenfäure aus ihm 
nach den Zungen zu hinausgefchwemmt und von den Zungen her durd) 
fraftfpendenden Sauerftoff erfest wird. Se ftärker und dauernder 
eine Anftrengung ift, um fo heftiger müffen Herz und Lunge, pum— 
pend und atmend, arbeiten. Hierbei fommt außerordentlich viel 
auf Übung an. Ungeübte Bergfteiger 3. B. verbrauden in ihren 
Muskeln zu viel Sauerftoff und erzeugen übergroße Mengen Kohlen⸗ 
fäure, bis endlich bei überanftrengtem Herzen völlige Erſchöpfung ein- 
tritt. Wird aber der Körper durch Wandern und Steigen trai- 
niert, jo wird ber mwechjelfeitige Haushalt von Lunge und Herz plan- 
mäßiger und ſparſamer, und zwar um fo eher, je rhythmijcher 
die Übung ift, d. h. je mehr fie in den kurzen Rhythmuspauſen furze 
Erholung eintreten läßt, der fih eben nur geübte Organe bligfchnell 
und regelmäßig anzupafjen vermögen, indem fie zugleich durch eben 
diefen ftundenlangen Rhythmus den Willen und die Aufmerkjamteit 
des ſich Anjtrengenden entlaiten. 

Um die Gefamtleiftung folder rhythmifchen Dauerübungen zu 
veranfhaulichen, fei folgende Berechnung von Weißbach angeführt: 
Es verrichtet ein Knabe von 40 kg Körpergewicht bei einem Tage- 
marſche von 30 km eine Arbeit, die ebenjo groß iſt, als wenn 2000 
Bentner 1 Meter hoch gehoben würden. Bei einem Manne von 75 kg 
Gewicht und einem Marſche von 50 km würden fich nicht weniger 
ala 6250 foldher Meterzentner ergeben. 

Wie mächtig weiten fi) dabei die mindeſtens 1800 Millionen 
zählenden Zungenbläschen, und wie ftraff und freudig übt fich dag 
Herz! „Wir laufen mehr mit den Zungen und mit dem Herzen al? 
mit den Beinen,” jagt Dr. 5. A. Schmidt-Bonn in feinem fchönen 


— 6 — 


Buche „Unſer Körper“ und führt u. a. folgendes Rechenexempel an: 
Bei jedem Atemzuge werden für gewöhnlich 500 cem Luft in Be— 
wegung geſetzt, alfo in der Minute bei 15 Atemzügen 7Ye l. Bei 
einer tüchtigen Marjchleiftung im Steigen fommt die Zahl der Atem- 
züge auf das doppelte, und e3 werden ventiliert bei jedem Atemzuge 
1500 cem, bei 30 Atemzügen in der Minute alfo mindefteng 45 1, fech3- 
mal mehr als beim Siten. Welch eine Summe überaus jegensreicher 
Übung ift in folchen Zahlen enthalten! 

Für fein Gebiet find ſolche Turnmarſchleiſtungen unferer Schüler 
wichtiger als für die vaterländifhe Wehrfraft! Der General 
Montecuculi fol einmal gejagt haben: „Man jchlägt den Feind mit 
den Stiefeln.” Dieſer zugeipiste Ausdrud Tennzeichnet die gewaltige 
Bedeutung der Marſcherfolge im Kriege. Seit Napoleon I., diejem 
rückſichtsloſen Ausnuger von Mann und Roß, haben fih die Marjch- 
leiftungen der europäischen Heere verdoppelt, und es wird in den 
Feldzügen die Ausdauer der Fußtruppen bi3 auf dag äußerjte an- 
geipannt. Unfere Veteranen von 1866 und 1870 wiſſen davon zu 
erzählen; die Umfaffungsihlachten von Königgräb, Met, Sedan find 
gar nicht denkbar ohne weit ausgreifende Märjche unter den ſchwierigſten 
Berhältniffen. Die Marſchdisziplin gibt den ficherften Maßſtab für 
eine Truppe: ein Regiment, das gut marſchiert, Schlägt fih auch gut, 
und mit Recht beurteilt man feinen Wert nad) der Zahl der Nach— 
zügler. 

Heutzutage find die Anforderungen des Kriegsdienftes noch höher 
geworden als 1870. Ganz bedeutend größere Truppenmafjen rüden 
ins Feld; mit ihrer Menge jteigen erfahrungsgemäß die Marſchmüh— 
jale, befonder8 wenn ji ganze Armeen in gewaltiger Anhäufung 
fonzentrieren und ihre Trainkolonnen die Straßen verengen oder 
iperren. Gefechtsfronten von 30—40 km Ausdehnung werden in den 
Rieſenſchlachten der Zukunft nicht felten fein. Bis zum äußerften 
fteigen dann die Strapazen der Gemwaltmärjche, ja der Nachtmärfjche, 
wenn es gilt, bei den meilenweiten Umfaffungen zur rechten Zeit ein 
zutreffen. Und im Gefechte felbft wird bei der gefteigerten Yernwir- 
fung der Geſchoſſe der ermüdende Laufſchritt viel öfter und andauern 
der eintreten müſſen. 

Dabei find unfere Zeitverhältnifje für die Erzeugung eines 
mwehrfähigen Nachwuchſes viel ungünftiger geworden. Bor allem 
fällt der Umftand ins Gewicht, daß unfer Vaterland, dem Drange der 
Weltentwidelung folgend, immer mehr zum Induſtrieſtaate wird. 


7 


Nach 1870 war die Landbevölferung in der Überzahl und verhielt 
fih zu den Städtern wie 64:36. Das Jahr 1895 fand auf dem 
Lande nur noch 490/0, in den Städten bereit 51/0. Heute ift Dies 
Verhältnis noch ungünftiger. In unjerer Heeresleitung ift man ſich 
darüber einig, daß der Bauernftand mit feiner ruhigen, einfachen 
Lebensweife im Freien den bei weiten fräftigften und zäheſten Nach— 
wuchs ftelt, und es ift in Rückſicht auf die Wehrkraft fehr zu be- 
dauern, daß diefer Jungbrunnen des Heeres immer mehr abnimmt. 

In den ſtädtiſchen Aushebungsbezirten, namentlihd im Qualme 
der Großitäbte, nagt da3 aufreibende Treiben und Halten an den 
Nerven. Die Kinder, befonders die der niederen Volksſchichten, müflen 
eine Lebensweiſe führen, die der Entwidelung der Schuljugend gänz- 
lich zuwider if. Sie wachſen auf im Staube des Straßenpflafters, 
auf fonnenlofen, dumpfigen Höfen, in den engen Stuben der Mietd- 
fafernen und Hinterhäuſer. Volksſchullehrer in Magdeburg baben 
vor einigen Jahren ermittelt, daß von je 100 zehn- bis vierzehnjährigen 
Schülern no nicht gefehen hatten einen Waldpilz 42, einen fliegen- 
den Raubvogel 57, ein Eichhörnchen 71, einen Bienenitod 95, 25 
hörten noch nie eine Lerche, 56 noch nie eine Nachtigall fingen, 37 
waren noch nie im Nadelwalde, 44 nie im Laubwald! 

Daß bei einer derartigen Lebensweife die Shwahbrüftigfeit 
geradezu großgezogen wird und fich der Keim des Verderbens majjen- 
haft in die Zungen einfchleiht, darf uns nicht wundern. Während 
der legten zehn Sahre des verfloffenen Sahrhunderts ftarben im 
Deutſchen Reiche jährlih durchfchnittli 87600 über 15 Jahre alte 
Menſchen an Lungenfhmwindfudt. In den weltlichen Snduftriebezirken 
war die Zahl diefer Todesfälle doppelt jo groß wie in Oftpreußen, 
bei Fabrifarbeitern des Königreihg Sachſen ſogar dreifah jo groß 
wie bei dem Bauernſtande. Es gibt Fabrikbezirke im Deutjchen 
Reiche, wo die Lungenſchwindſucht bis zu ?/s der Erwachjenen dahin- 
tafft. Im Jahrbuche des Zentral-Ausſchuſſes hat Dr. F. X. Schmidt: 
Bonn in jeinem trefflihen Auffage „Körperpflege und Tuberkuloſe“ 
an der Hand der Krankheitsſtatiſtik unjeres Heeres nachgewieſen, wie 
wirkungsvoll durch die regelmäßigen Dauerübungen im Freien bei den 
Soldaten diefer furdhtbare Feind unferer Wehrfraft befämpft wird. 

Auf die Schuljugend der mittleren und höheren Stände wirken 
außerdem die gefteigerten Anſprüche des Schulunterridhtes, vor allen 
Dingen aber die verweichlichenden, entnervenden Einflüſſe des Schnell: 
leben® und Wohllebens ungünftig ein. In der bekannten Schulfonfe- 


8 


renz, die unter dem DVorfite des Kaiſers 1890 zu Berlin ftattfand, 
wies Oberftabsarzt Dr. Werner darauf hin, daß die Körperbefchaffen- 
heit der Einjährig Freiwilligen durhfchnittlich viel minderwertiger fei 
als die der dreijährig dienenden Landrefruten, und daß laut den Aus- 
hebungsliſten die Zahl der Herzfehler bei den zum einjährigen Dienfte 
Berechtigten dreimal jo hoch jei als bei den übrigen Geftellungspflich- 
tigen. Wie jollte es auch anders fein bei der vorwiegend fißen- 
den Lebensart, in welde unfere Knaben und Sünglinge hinein- 
gezwängt werden müſſen gerade während der Jahre, wo fi ihre 
edeljten Organe, vor allem da3 Herz, in der Ausbildung befinden! 

Und in der ſchul- und arbeitsfreien Zeit läßt es unfer hochent- 
wickeltes Verkehrsweſen gar oft nicht zu einer planmäßigen 
Kräftigung des Herzmuskels kommen. Die raftlofe Vermehrung der 
Eifenbahnen und Straßenbahnen hat den Hang zur erjchlaffenden Be- 
quemlichkeit und zum Kleben auf der Bierbanf recht bebenflich ge- 
fteigertt. Wohin find die Zeiten unferer Urgroßväter, wo ein Ge— 
Ihäftsgang zu Fuß von 20—30 km durchaus nichts Ungemwöhnliches 
war, wo die luſtigen Studenten beim Beginne der Ferien des Schuſters 
Rappen beitiegen, neben dem ehrfamen Handwerksburſchen einher- 
Thritten und mit ihm deutsche Wanderlieder fangen ?! 

Heute, wo jelbit der Zandftreicher mit feinem erbettelten Gelbe 
in der billigen vierten Klaſſe nach der Großſtadt reifen kann, um dort 
die Zahl der Romdies zu mehren, — heute ift jene alte fchöne 
Zeit der ſchlichten KRüftigfeit dahin und mit ihr leider ein großes 
Stüd vaterländifher Wehrfraft. Denn wenn unfer Volk in 
der Friedenszeit daS Wandern verlernt, wie jollen unſere Referviften 
und Landwehrmänner bei plöglich eintretender Kriegsgefahr auf ein- 
mal marjchfähig werden? Da muß die Schulerziehbung mit 
allen Kräften einjegen, um die wanfende Marfchrüftigfeit zu 
jtügen, zu mehren. | 

Unfere Darlegungen werden genügend erwieſen haben, wie hoch» 
erfreulich und ungemein wichtig es ift, daß die neueften Lehrpläne von 
1901 den Turnmarſch als Erziehungsmaßnahme amtlich fordern. Es 
handelt ſich dabei nit nur um den einen Tagesmarſch, den bie 
meilten Anjtalten im Sommer anzuftellen pflegen. Da einerjeit3 
„öfter anzuftellende Turnmärjche” gefordert werden, anderſeits 
nur ein einziger Tag im Schuljahre von den Schulbehörden für folche 
Wanderungen freigegeben ift, jo find vor alem Nachmittags— 
märſche ins Auge zu faffen, die man an fchulfreien Nach: 


9 
mittagen, alfo in erfter Linie am Mittwoch und Sonnabend, vorzu- 
nehmen bat. 

Bis jegt find nur an fehr wenigen Anftalten ſolche Nachmittags— 
übungen angeftelt worden; es fehlt daher noch an Erfahrungen auf 
dieſem Gebiete. Da die Gut3Muth3-Realfhule zu Quedlin— 
burg ſchon eine Reihe von Jahren vor dem Erfcheinen der neuelten 
Lehrpläne ſolche Turnmärfche gepflegt hat, ilt der Verfaſſer dieſer 
geilen dur den Vorſtand des Zentral-Ausjhufjes für 
Volks- und Jugendfpiele veranlaßt worden, über das bis jet 
Getriebene und Erreihte*) zu berichten, damit diefe Darlegungen 
Anknüpfung und Anregung für andere Anftalten bieten, denen e3 nun- 
mehr mit der Einführung folder Wanderungen Ernft ift. Die vor: 
liegenden Heilen erheben dabei keineswegs den Anſpruch, den allein 
rihtigen Weg zu bieten. In den Einzelheiten wird ſich fo manches 
je nach den örtlichen Verhältniffen anders, ja vielleicht beſſer geftalten 
laſſen; ein Gedanfenaustaufh wäre wünfchenswert. 

Nicht berührt werden in unferen Darlegungen die ebenfalls jehr 
empfehlenswerten Schülerreifen, die in den Ferien vorgenommen 
werden. Wenn fie auch meiſt alle unter der Leitung von Lehrern 
ftattfinden, jo find fie Doch mehr oder weniger private Unternehmungen, 
bei denen ſchon die Rüdjiht auf die Geldmittel eine gleihmäßig alle 
umfafjende Teilnahme nicht auflommen läßt. Es fol hier nur dag 
bejprochen werden, was im Rahmen der amtlihen Schulerziehung 
zu erreichen iſt. 

Die Guts Muths Realſchule in Duedlinburg ift Oftern 1892 ge— 
gründet worden, erreihte Dftern 1895 ihren Abſchluß und hat — als 
ſechsklaſſige Anjtalt — ſeitdem uljährlih im Durchſchnitte 190 Schüler 
gehabt; der Beſuch der einzelnen Klaffen entjpricht aljo gerade dem 
normalen Maßſtabe. Der regelmäßige uud planmäßige Betrieb der 
Turnfpiele begann im Schuljahre 1895. Es bot fich uns dazu eine 
doppelte Anregung. 

Einerfeit3 lodte unſere reizvolle Landſchaft, die nachweisbar 
ſchon dem Quedlinburger Knaben Chriftoph Guts Muths die Wander- 
luft eingeimpft hat. Nach der hügeligen, prächtige Ausblide bietenden 


*) In Fürzerer Form ift dad Turnmarſchthema durch Realſchuldirektor 
Dr. Lorenz ſchon früher behandelt worden in folgenden Abhandlungen: „Die 
Marfchleiftungen der Kriegäheere, ein Fingerzeig für die Jugenderziehung”, Zeit» 
ſchrift für Turnen und Jugendfpiel 1898 Nr. 7—10, und „Wehrfraft und Jugend- 
erziehung“, Voigtländer-Leipzig 1899 S. 58—65. 


10 
näheren Umgebung der alten Kaijerjtadt Quedlinburg grüßt in 7 km 
Entfernung die mächtige blaue Mauer des SHarzgebirges über die 
Blumenfelder herüber, ald wolle fie ung Lehrern zurufen: „ES wäre 
eine Sünde, wenn ihr eure Jungen nicht möglichft oft zu mir führen 
wolltet!“ 

Die zweite Anregung ging aus von dem Turnlehrer der Anftalt, 
dem ftädtifchen Oberturnlehrer Herrn Otto Pla, einem begeifterten 
Vertreter deutſcher Xeibeserziehung, dem die Wanderluft im Blute 
itecft, und der fi über nicht3 mehr freut, als wenn er mit feiner 
Schülerſchar hinaugziehen kann durd) Berg und Wald. Sein Direktor 
bat ihn in den meilten Fällen freudig begleitet; auch ein Teil des 
Lehrerfollegiums pflegte jih dann anzuſchließen. So ift denn in den 
legten acht Jahren, einjfchließlih der Tagesmärſche, mindeſtens ein 
halbes Hundert folder Turnmärſche unternommen und von Jahr zu 
Jahr weiter ausgebildet worden. 

Oberturnlehrer Platz benugt zunädft die Turnftunden jelbft 
zu jorgfamer Borübung. Eine richtige, genaue Schulung des 
Ganges, ſowohl bei dem 800 m weiten Marfche der Schüler vom 
Schulhaufe nah dem Turnplage als auch beim Aufmarjche zu den 
Frei- und Drdnungsübungen wird ein ftrammer, möglichit weiter 
Schritt, der tüchtig vorwärts bringt, als unerläßliches Erfordernis 
angefehen. Ein kräftiges, rudartiges Vorwärtswerfen des Körper: 
gewichtes in ftraffem, einheitlihem Takte wird den Schülern von vorn- 
herein angewöhnt. Auf feinem anderen Gebiete kann ſich die Leibes- 
erziebung — unbejchadet der turnerifchen Fröhlichfeit — der Heeres— 
zucht fo nähern wie beim Eindrillen des richtigen männlichen Taft- 
ganges, und gerade deshalb find die Schüler bei diefer Übung bejon- 
ders leicht zu paden*). 


*) Herr Oberturnlehrer Platz hat feine Maßregeln und Erfahrungen bezüglich 
de8 Turnmarſches und der Borübungen dazu überſichtlich dargelegt in 
feiner Abhandlung: „Bewertung und Berüdfichtigung der einzelnen Übungsarten 
im Turnen der höheren Schulen”, Beilage zum Ofterprogramme der Gut! Muth3- 
Realfchule zu Quedlinburg, 1901 ©. 29 ff. Beſonders beachtendwert find die ge= 
naueren Angaben über die mit den Duartanern angejtellten Borübungen, S.44. — 
Mit Recht werden S. 29 Anm. die [hönen Worte Seumes, des Spaziergängers nad 
Syrafus, hervorgehoben: „Ih halte den Gang für das Ehrenvollſte und 
Selbftändigfte in dem Manne und bin der Meinung, daß alles befjer gehen 
würde, wenn man mehr ginge. Man ann faft überall bloß deswegen nicht recht 
auf die Beine fommen und auf den Beinen bleiben, weil man zu viel fährt. 
Fahren zeigt Ohnmacht, Gehen Kraft!“ 


11 


Etwa jede zehnte Turnftunde der einzelnen Klaffen wird ganz 
und gar zu einer foldhen ftraffen Marfhübung verwendet. E3 geht 
dabei vom Turnplatze hinaus ins Freie, womöglich eine Anhöhe hin- 
auf. Lebhafter Schritt, ftrengfte Ordnung find — wenigſtens in der 
eriten Hälfte der Stunde — ftrenge Vorſchrift. Beim Erfteigen der 
Höhe wird dann etwas Freiheit gewährt. Ein folder einftündiger 
Marſch fol zugleih auch eine tüchtige Willensübung fein. Der Wille 
muß fi) darauf richten, eine allen gleichmäßige Bewegung und jtraffe 
turnerifhe Haltung zu bewahren. Bejonders im Winter, wo längere 
Wanderungen und Sugendfpiele nur felten vorgenommen werden 
können, ift und bleibt der einftündige Turnmarſch die wirkſamſte aller 
Freiluftübungen. Doppelt anregend wirft er, wenn fich der Lehrer 
nicht jcheut, die fröhliche Schar im Herbite querfeldein über Stoppel- 
äder und Halden oder im Winter über jchneebededte Gefilde und zu— 
gefrorene Wafjerläufe zu führen. 

Bei diefen einftündigen Übungen wird in den Knaben aud 
das Gefühl für die verfchiedenen Marſchgeſchwindigkeiten geweckt, be- 
fonder3 wenn zumeilen auf 300-400 m das dem jugendlichen Herz: 
mugfel jehr heilfame Schnellgehen eintritt. Belehrungen werden ge: 
geben über das Verhalten beim Aufftiege und Abftiege, es wird der 
Sinn gewedt für das Maß der Entfernungen fomohl durd 
Beachten der Meilenfteine als auch ganz beſonders durch Abſchätz- 
übungen, die von den neueften Lehrplänen wohl jchon deshalb aus— 
drüclich gefordert werden, weil fie für das vaterländifche Heerweſen 
jo ungemein widtig find. 

Auf diefen einftündigen Vorübungen bauen fih nun die mehr- 
tündigen Nahmittagswanderungen auf. Wir halten an 
unſerer Anjtalt, jo lange es die Witterung geftattet, außerhalb der 
vorgefchriebenen drei Turnftunden an jedem Mittwoch AJugendipiel- 
ftunde ab. Etwa in jeder dritten bis vierten Woche tritt für das 
Sugendfpiel Nachmittagsturnmarſch ein, bei dem die jüngeren Schüler 
10—15, die größeren 15—20 km zurüdzulegen pflegen. Mit den 
drei oberen Klaffen find wir an Nachmittagen zuweilen bi auf 25 km, 
einmal jogar bis auf 33 km gelangt. Doc werden folche Leiftungen 
nur dann zugelaffen, wenn die Schüler gut einmarfchiert find und 
bei bejonders günftigem Wetter einen weiteren Marſch wünfchen. 

So bringen wir es in jedem Sommerhalbjahre, abgejehen von 
dem großen Tagesmarſche, auf 4—6 Nachmittagsmärſche, je nach der 
Sunft der Witterung. Auh im Winterhalbjahre werden wenigſtens 


12 
zwei kürzere Nachmittagsmärſche auf die umliegenden Höhen unter: 
nommen, wo fich in den kleinen Fichtengehölzgen jo manche Gelegen- 
beit zu Schneeballſchlachten und Überfallsgefechten zu bieten pflegt. 

Einmal im Sahre, gewöhnlich in der erften Hälfte des Juni, findet 
der von den Behörden geftattete große Tagesausflug unter Aus— 
fal des Unterrichtes ftatt. Bei ihm fteigt die Kilometerleiftung ent- 
fprechend bi3 auf 30—40 km. Wegen der außerordentlich jegens- 
reihen Wirkung dieſer ganztägigen Dauerübung erfheint e3 
dringend wünſchenswert, daß die hohen Schulbehörden 
im Sommerhalbjahre noch einen zweiten Tag zum Tage3- 
ausfluge freigeben möchten. Es würde dies ſchon für den 
erd» und heimatkundlichen Unterricht ein großer Gewinn fein. Die 
ausfallende Stundenzahl wird reichlihd aufgewogen durch die er- 
frifhenden, Monate hindurch nachwirkenden Eindrüde, welche die 
fröhliche Knabenſchar in fih aufnimmt. 

Es entſteht bei ſolchen mehrftündigen Nachmittags: oder Tages— 
märſchen die Frage, ob jede Klaffe für fi auf befonderem Wege 
ausrüden oder ob die Gefamtheit der Schüler zufammengefaßt werden 
jol. Der eritere Weg wäre ja im allgemeinen deshalb vorzuziehen, 
weil bei geringerer Schülerzahl auf den einzelnen jorgjamer ein— 
gewirkt werden und fi das innere Band zwiſchen Lehrer und Schüler 
enger geftalten fann. Doch bildet hier der Mangel an geeigneten 
Lehrkräften, wenigſtens zur Zeit noch, ein ftörendes Hemmnis. Wie 
wenige Ordinarien find geneigt und körperlich geeignet, mit ihrer 
Klafje im Sommer vier bis ſechs Nachmittagsipaziergänge zu unter- 
nehmen?! Gezwungen fanır feiner dazu werden. 

So verbleibt die Pflicht der Veranftaltung in der Hauptjache dem 
Turnlehrer. Überhaupt ift e8 mwünfchenswert, daß er die Ober- 
leitung bat, auch bei den Nachmittagsmärfhen. Daß er zu fehr in 
Anſpruch genommen werden würde, wenn er an verjchiedenen Tagen 
bei jeder einzelnen Klaſſe einen befonderen Nachmittagsmarſch beauf- 
fichtigen müßte, liegt auf der Hand. Daher ift der Ausmarſch einer 
möglihit großen Zahl von Schülern auf einmal und, ſoweit es gebt, 
auf demjelben Wege durchaus zu billigen. Dabei wird der nicht ge> 
einge Vorteil erreiht, daß ſich bei einer größeren Schülermenge die 
wünjchenswerte Wirkung der Mafjendisziplin viel leichter und 
eindrudsvoller verwenden läßt. 

Freilih darf die Gefamtzahl nicht zu groß fein und 200 Schüler 
nicht weſentlich überfteigen. Bon den 190 Schülern der Quedlinburger 


13 


Guts Muths-Realſchule beteiligen fi bei Gejamtausmärfchen 80 bis 
90%; die Disziplin wird dabei troß der größeren Menge ohne 
Schwierigkeit aufrecht erhalten. Sie wird einem Turnmarſchleiter 
auch noch bei Anftalten von 250 Schülern nicht ſchwer fallen, wenn 
er zwei bis drei marjchtüchtige Kollegen zur Seite hat. Geht die 
Schülerzahl der Anftalt über 250 Hinaus, fo muß die Gefamtichar 
in zwei Hälften geteilt werden, bei noch größeren Anftalten (mit mehr 
als 500 Schülern) fogar in drei Teile. Es ftehen ja dann auch mehr 
Zurnlehrer zur Berfügung. Die Teilung erfolgt hierbei natürlich 
nach oberen, mittleren und unteren Klaffen. 

Bei einer Schülerzahl unter 250 können, wenn 80—90°lo zus 
ſammen ausmarſchieren, den Kleinen Schülern nicht diefelben Leiftungen 
zugemutet werden wie den reiferen. Diefer Schwierigfeit wird in 
unjerer Anftalt dadurch begegnet, daß die Kleineren (Sertaner, 
Duintaner und ſchwächere Duartaner) mitten auf dem Marche nad 
einem fürzeren Wege abbiegen, um dann fpäter wieder mit ihren 
größeren Kameraden zufammenzutreffen. 

Wenn alle Schüler zufammen in VBiererreihen und mitGleid- 
tritt ausmarſchieren, fo ift die Reihenfolge: Serta, Duinta, Duarta ujw. 
Die kleinſten Schüler müſſen felbjtverftändlih gleich Hinter dem 
Trommlerforp® und der Fahne marſchieren, da bei umgekehrter 
Reihenfolge der Klaffen die Kleinen fih der Schrittlänge der Großen 
nur mit großer Anftrengung würden anpafjen fünnen. 

Es empfiehlt ſich bei Märfchen, die in weniger befanntes Gelände 
führen, an den Tagen vorher, am beiten im geographijchen Unterridhte, 
eine eingehende Vorbereitung anzuftellen. Die Marſchroute 
wird mit Fauftzeihnung an der Wandtafel veranihaulicht- und in 
ihren Einzelheiten befproden, ſodaß fih die Schüler auf der 
Wanderung leicht zurechtfinden. Das wird an unferer Anftalt dadurch 
erleichtert, daß fich faſt alle Schüler durch Vermittelung der Direktion 
die große Harzlarte aus „Meyers Harzführer” anſchaffen, dank dem 
Entgegenfommen der Berlagsanftalt für einen ermäßigten Preis. Bei 
weiter ausgreifenden Wanderungen, alfo bei Tagesmärſchen, jollte es 
nie unterlaffen werden, an den Tagen vorher eine genauere Marſch— 
überficht mit hektographiſch vervielfältigter Kartenjfizze auszugeben, 
welche dann die Schüler auf der Wanderung bei fich führen. 

Vom Königl. hHumaniftifhen Gymnafium zu Hof ward ung jüngft 
ein folder in Steindrud vervielfältigter, außerordentlich jauberer und 
überichtliher Turnmarſchentwurf zugejandt, beftehend in einer 


14 


Kartenffizze auf Karton über den am 5. Suli 1902 unternommenen 
Tagesausflug nach dem Prinz Luitpold-Turme auf dem Döbraberge. 
Auf der Rüdfeite find die Höhenzahlen der Berge, die zurüdzulegenden 
Entfernungen, die zu erwartenden Sehenswürdigfeiten, das Profil der 
Hauptausfiht recht anſchaulich aufgezeichnet. Um mie viel größer 
wird der Wandergenuß für die Schüler fein, wenn fie alle ein 
ſolches treffliche8 Anleitemittel bei fih führen, al3 wenn ihnen — 
wie e3 leider fo oft gefhieht — vorher nur das Allerallgemeinite not- 
dürftig mitgeteilt wird! Wir werden nad) diefem Vorbilde Fünftig 
ähnliche Überfichten für die Tagesmärfhe anfertigen laffen. 

Auf gehörige Fußpflege ilt beim Betriebe der Turnmärjche 
hinzuweiſen, auf Eauberhalten des Fußes, Jorgfames Befchneiden ber 
Zehennägel. Wo viel gewandert wird, halten die Schüler auf fefte, 
ſtarkſohlige, paſſende Lederſchuhe ſowie auf ganze Strümpfe ohne 
ftarfe Stopfmwülfte. Klagen über Drüden oder Scheuern werben immer 
jeltener. Alles leichte Schuhmerf, beſonders Turnfchuhe, ermeift ſich 
von ſelbſt ala unbrauchbar. 

Bei allen Turnmärfcen ift eine möglichſt ſchlichte, Jpartanifche 
Verpflegung anzuftreben. Dies gilt beſonders auch von dem 
großen Tagesmarſche. Die alljährliche Ankündigung desselben ſchließt 
bei und immer mit den Worten: „Weder für Schüler noch für An- 
gehörige wird warmes Mittagefjen vorausbeſtellt.“ Diefer Hinweis ift 
nämlih in Quedlinburg deshalb nötig, weil hier die althergebradhte 
und nicht jo ohne weiteres ausrottbare Sitte befteht, daß Eltern, Ge- 
ſchwiſter, Verwandte, Familienfreunde die zum Tagesmarſch ausrüdenden 
Schulen in hellen Haufen begleiten und leicht geneigt find, das Ge- 
lingen der „Bartie” mehr oder weniger nad) dem dabei genofjenen 
Mittageffen zu beurteilen, das nach der Meinung jo mander der 
Direktor auf Anmeldung vorauszubeftellen hat. Diejer läftigen Ver— 
pflichtung gehen wir dadurch aus dem Wege, daß wir den Schülern vorher 
jagen: „Auf einer ſchönen Wanderung muß man das warme Mittagefjen 
auch einmal entbehren können; ein rechter, rüftiger Junge trägt nad) 
gutem Soldatenbraudhe jeinen Proviant für den ganzen Tag im 
Ränzel oder Rudjade bei ſich.“ Selbftverftändlih wird dadurch das 
warme Mittagefjen keineswegs verboten, aber nur fehr wenige be- 
ftellen fi etwas; die allermeiften find ſtolz darauf, daß man aud) 
ohne Mittagstafelei ftramm und luſtig fein Fann. 

Zur Vorbereitung auf die Turnmärfche gehört aud) die Ausbildung 
eines taktfeften Trommler- und Pfeiferforps. Die Ausbildung 


15 


einer richtigen „Banda“ mit allen möglichen Bledinftrumenten iſt 
nicht zu empfehlen, jo jehr auch der Ruhm der prächtigen Eislebener 
„Kaiferjungen” loden mag, deren Auftreten ihr Mufikdireftor Lehrer 
Gottihalf im Jahrbuche des Zentral» Ausfchuffes 1902 fo ſchön 
Tchilderte. Die Ausbildung einer folden Mufifantentruppe, wie jie 
ih an einigen höheren Knabenſchulen Weſtdeutſchlands findet, wird, 
wenn ihre Leiftungen nicht „zum Steinerweichen“ bleiben follen, viel 
zu viel Zeit beanspruchen, Schon weil ihr das nötige „ſtändige Perſonal“ 
fehlt. Das Tragen al der Mufilinftrumente, beſonders der unver- 
meidlichen großen Trommel, hindert außerdem den freien Marſch über 
Berghalden und Waldpfade und fchafft, wenn bei aufgelöfter Marſch— 
ordnung jüngere Schüler zum Schleppen gepreßt werden, allerlei Ver- 
drießlichfeiten, auf die bei der Verfammlung des Zentral = Ausschuffes 
zu Köln mit Recht hingewieſen wurde. 

Aber eine tüchtige Schar von Trommlern und Pfeifern läßt ich 
jede Jahr von neuem ausbilden, und der Gefanglehrer der Anftalt 
fann fich, wie dies bei uns der Fall ift, dabei ein VBerdienft erwerben. 
Der Unterricht der Spielleute beginnt fofort nad) den Diterferien; der 
Gejanglehrer flellt ihre Schar zufammen, leitet den Tambourmajor 
zu energiſchem Eindrillen an und wählt die einzuübenden Märjche aus. 
Sit er dazu geſchickt, jo fomponiert er wohl auch, wie dies bei ung 
mit dem „Guts Muths-Marfche“ geſchah, einen eigenen Schulmarſch. 
Der engere Zuſammenſchluß und das nötige Selbftgefühl beim öffent: 
lihen Auftreten wird auch durch gleihmäßige, Ihmude Tradt 
gehoben; unfere Trommler und Pfeifer tragen rote Mützen, graue 
Soppen mit rotem Stehfragen, weiße Beinfleider, weißrote Schärpen 
(in den Stadtfarben) und Schwalbennefter. Rote Müben und graue 
Joppen mit rotem Kragen find überhaupt die Turntracht der Duedlin- 
burger Realjchüler während des Sommers und geben der ganzen Marjch- 
folonne unftreitig ein recht ſchmuckes, gejchloffenes Ausfehen. 

Es wird wohl der oder jener den Kopf darüber ſchütteln, daß 
diefe Zeilen auf ſolche Einzelheiten eingehen, und meinen, der Schul- 
betrieb habe Wichtigeres zu beforgen als mit Wichtigtuerei jolche 
nebenfählihe Dinge zu behandeln. Der Tadel derer, die als unnah- 
bare Olympier auf das herabjehen, was die Schüler in ihrem jugend- 
lihen Kreife gern und mit willfommenem Eifer treiben, kann uns 
indefjen wenig kümmern. 

Erſtens ift es im Elternhaufe wie im Schulleben Pfliht des 
Jugenderziehers, fi dem Anſchauungskreiſe und, nah Möglichkeit, 


den Liebhabereien der Schüler anzupafjen. Jeder Vater weiß, daß 
ihn feine Kinder doppelt gern haben, wenn er ihren Bejchäftigungen 
und Spielen liebevolle Anteilnahme, ja jogar Mitwirkung entgegen- 
bringt. Und follten wir Lehrer nicht aub väterlihe Freunde 
unferer Schüler fein? Jeder Ordinarius oder Direktor, der ſich nicht 
fheut, zumeilen auf den Feldweg binauszugehen, wo ſich die Trommler 
und Pfeifer oft im Schweiße ihres Angefihts übend abmühen, und 
dort mit ermunternden Worten zufchaut, Tann der befonderen Zu⸗ 
neigung einer jungen ficher fein. 

Zweitens ift da3 Treiben des Trommlerkorps keineswegs eine 
bloße fnabenhafte Spielerei, wenigftens bei den Anftalten nicht, denen 
e3 mit dem planmäßigen Betriebe der Turmärfche wirklich Ernit ift. 
Wer beim Heeresdienft den belebenden , ſtraffe Manneszucht aufredt- 
erhaltenden Einfluß der Trommeln und Pfeifen an befchmwerlichen 
Marſchtagen fennen gelernt hat, wird ohne weiteres zugeben, daß eine 
unverdroffene, tüchtige Schar jugendlider Spielleute ihren Kameraden 
einen ähnlichen wichtigen Dienft leiften fann mit dem Bemwußtfein, bei 
einer jegengreihen Sache Mithelfer ihrer Lehrer zu fein. 

Noch viel größere Sorafalt ift einem anderen, unſchätzbar wichtigen 
Belebungsmittel der Turnmärfche zu widmen, dem gemeinfhaft- 
lihen Singen geeigneter Wander- und Volkslieder. 
Schon das Defjauer Philanthropin hat folche Lieder eingeübt und 
jih diefelben fogar jelbft gejchaffen, da es den von Herder bereits ge— 
bobenen Schag der deutfchen Volkslieder noch nicht für ſich zu be- 
nutzen verjtand. Es iſt gewiß fein Zufall, daß der eigentliche Begründer 
der heutigen jangbaren Wanderlyrit, Wilhelm Müller, aus Defjau 
ftammt und mit Baſedow verwandt if. Mit ihm zufammen oder 
nad ihm hat eine Reihe unferer beften Dichter, wie Geibel, Uhland, 
Sceffel u. a., im Tone des urfprünglichen Volksliedes die herrlichiten 
Blüten deutſche Wander- und Naturlieder, Heimat3- und 
Baterlandsgejänge hervorgebradht in einer Fülle, deren ſich 
fein anderes Volk der Erde rühmen kann! 

Wie aber fteht fteht es heutzutage mit diefem wahrhaft köſt— 
lihen Schatze alter und neuer Weifen in unferem Bolfe?! Die 
Melodien find ja ebenfalls bekannt; verſucht aber eine fröhliche Ge- 
jellichaft ein folches Lied zu fingen, fo kommt man felten über die 
erite Strophe hinaus; die übrigen Verſe find dem Gedächtniſſe ent- 
fallen, wenn fie überhaupt jemals ernftlich gelernt wurden. So treten 
dann diefe elenden, nichtänugigen Gaſſenhauer, friſch vom Berliner 


17 


Pflafter her eingeführt, an ihre Stelle: „Hulda mit dem Stuhl da”, 
„die Pflaume am Baume“ und die überaus teilnehmende Frage, ob 
niemand den Tleinen Cohn gejehen hat. Es ift ein wahrer Sammer! 

Die deutfhe Sugenderziehung ift für diefen Mißſtand in 
eriter Zinieverantwortlich zumachen. Ganz befonders beflagen3- 
wert ift Die große Gleihgültigfeit, mit der fo viele höhere Lehr- 
anftalten die Einübung guter Bolfsweifen betreiben oder vielmehr 
nicht betreiben. Das Übel wurzelt hauptfählih in der vernad- 
läffigten Art, die Terte der Lieder einzuprägen. Es 
gehört viel Zähigfeit und immermährendes Wiederholen in jeder 
Klafje dazu, und daran fehlt e3 meilt. Wenn die hohen Schul- 
behörden nad diefer Seite hin, ähnlih wie für die Kirchenlieder, 
beftimmte Vorſchriften erlaffen würden, fo wäre da3 im 
Sntereffe veredelnder Geſchmacksbildung nur mit Freuden 
zu begrüßen. 

Es ſei bier furz das DVerfahren an der Quedlinburger Gut3- 
Muths-Realſchule geſchildert. Die Einübung der Melodien fällt jelbit- 
verftändlich dem Gefanglehrer zu; doch kann er nicht für das dauernde 
Sefthaften der LXiederterte verantwortlid gemadht werden. Hierzu 
kann nur alljährliche Wiederholung in allen Klaffen zugleich durch die 
Lehrer des Deutfchen helfen. Es ift ein Kanon von zwölf 
MWanderliedern aufgeitellt, die von Serta bis Tertia allmählich 
gelernt werden. Im März beginnt die Wiederholung. Der Direftor 
gibt für jede Woche ein big zwei Lieder an, die in den Klafjen, wo 
fie bereit3 gelernt find, wiederholt werden follen; jeder Schüler muß 
darauf gefaßt fein, vom Schulleiter jelbjt darüber befragt zu werden. 
Ende Mai find die Wiederholungen zu Ende und die Schüler darauf 
gerüftet, ihre Wanderung durch Geſang würdig zu verjchönen. 


Die zwölf Kanonlieder, deren fämtlihe Melodien Marſchtakt 
haben, find folgende: 1. „Rafch ftehn wir vom Lager auf”, 2. „Mil 
bunderttaufend Stimmen ruft hurra, hurra, hurra!” 3. „OD Deutſch— 
land, hoch in Ehren” (ganz bejonder3 wirkungsvoll und beliebt), 
4. „Zurner ziehn froh dahin”, 5. „Nun ade, du mein lieb Heimat- 
land”, 6. „Wem Gott will rechte Gunft erweiſen“, 7. „Der Mai ilt 
gefommen”, 8 „Hinaus in die Ferne mit lautem SHörnerflang”, 
I. „Das Wandern iſt des Müllers Luft”, 10. „Der Gott, der Eifen 
wachen ließ”, 11. „Morgen marfchieren wir”, 12. „Wohlauf, no 


getrunfen den funfelnden Wein“. 
Volks⸗ und Jugendſpiele. XII. 2 


18 


Außerdem wird nad) befonderer, vom Gefanglehrer verfaßter 
Melodie allen Schülern eingeprägt das befondere Lied der Anftalt 
„Guts Muths voran!”, gedichtet von Herren Turninſpektor Hermann in 
Braunfchweig und der Guts Muth3-Nealfchule gewidmet. (Siehe weiter 
unten.) Die reiferen Schüler üben ſich von ſelbſt ein das prächtige 
Scheffel-Lied „Wohl: auf, die Luft geht frifh und rein”. Beim 
Nahen des Sedanfeftes wird die „Waht am Rhein“, beim Nahen 
von Kaiſers Geburtstag „Heil dir im Siegerkranz“ und „Ich bin ein 
Preuße“ in allen Klafjen wiederholt, die drei wichtigiten Vaterland3- 
lieder, für deren fefte Einprägung gemeinhin viel zu wenig gejchieht. 

Sollte wirklich der oder jener naferümpfend meinen, dergleichen 
„elementare” Dinge gehörten auf die Volksschule, und foldhes „ſchul—⸗ 
meilterlihe Eindrillen” fei eines Lehrers an höheren Schulen un- 
würdig, jo dürfen wir und wohl mit der freudigen Zuftimmung aller 
derer getröften, denen die innere Hebung unferes Volkstums wahrhaft 
am Herzen liegt. Es fteht einem Primaner, einem Studenten oder 
einer „höheren Tochter” ebenfo wohl an wie einem Volksſchüler, wenn 
fie folche Lieder gern fingen und wirflich fingen fönnen. Vermögen 
doch gerade dieſe trauten deutſchen Weifen das innerlihde Band 
zwijchen den einzelnen Volksſchichten knüpfen zu helfen, deſſen Schwin- 
den und Fehlen in unferer Zeit mehr und mehr beflagt wird. 

Die Schulerziehung, auch an höheren Lehranftalten, follte mit 
aller Kraft dafür wirken, daß diejer Liederfjchag bleibendes Eigen- 
tum fürs ganze Leben wird. Außert er doch fchon auf der 
Schule ſelbſt feine ſegensreiche Wirkung dadurch, daß er die Schüler 
vom Singen roher Kneipliever abhält, die Neigung zu wüſtem Kom: 
merlieren nit auflommen läßt und vor allem den ſchlimmſten Feind 
jugendlicher Fröhlichkeit befämpft, den unfere Sprache mit Recht dureh 
ein Fremdwort brandmarkt, die Blafiertheit. Auf unfere Knaben 
paßt mutatis mutandis das Volfswort: „Wo man fingt, da laß dich 
rubig nieder; blafierte Schüler haben feine Wanderlieder”. Niemals 
fieht ein fröhlicher, friiher Junge fo natürlih und hübſch aus, als 
wenn er ein Wanderlied fingt, das er kann, und das ihn ergreift! 

Auf dem erjten Teile unferer Wanderungen pflegt noch nicht jo 
viel gejungen zu werden; da geht es rüftig vorwärt3 und dann auf 
ſcharfem Anftiege in die Harzwälder hinein. Aber auf den Rück— 
marſche nach Erledigung der Steigungen wird unausgejeßt gejungen, 
oft 2—3 Stunden lang. Wie röten fih dann die Wangen, wie 
ftrahlen die Augen! Laut und fröhlich läßt auch der Eleine Sertaner 


19 


feine Stimme erfchallen; der ganze Eleine Kerl ift nach ftundenlangem 
Marſche noch jo munter wie ein Berafinf. Selbitverftändlid fingen 
wir Lehrer tüchtig mit und Tönnen verfichern, daß wir das Hochgefühl, 
Sugenderzieher zu fein, niemal3 wärmer empfinden, als wenn wir fo 
zwijchen der fingenden Wanderfchar dahinfchreiten. 

Wohlüberlegte Marſchzucht ift bei alledem ftet3 erforderlich. 
Beim Abholen der Schulfahne, die nur zum großen Tagesmarjche 
mitgenommen wird, beim Ausrüden aus der Stadt, beim Abmar- 
jhieren vom Bahnhofe oder von den Raftplägen, beim Marſche durd) 
Ortichaften, auf breiten Landftraßen geht es in geſchloſſenen 
Biererreihen unter Trommelflang mit Gleichtritt, Richtung und 
Fühlung. Auf Bergeshöhen, Wald- und Feldpfaden tritt dann auf = 
gelöfte Ordnung ein, die bis gegen da8 Ende des Rüdmarjches 
anhält. Aber auch) dann darf eine gewiſſe Marfchdizziplin nicht aus 
dem Auge gelafjen werden; an der Spitze des Zuges hält ein 
Lehrer die Eiligen unerbittlid vom VBordrängen ab; 
ebenfo ift bei ver Nachhut Auflicht notwendig, um die Säumigen 
aufzumuntern. Bei einer gut einmarfchierten Schülerfchar kann die 
Auffiht über die Nachhut zuverläffigen älteren Schülern übertragen 
werden. Der Leiter an der Spite de3 Zuges darf es ja nicht unter- 
lafjen, ab und zu einen furzen Halt zu maden, damit die lang hin- 
gedehnte Marichkolonne wieder aufſchließen Fann. 

Im übrigen ift der jugendlichen Fröhlichfeit, fomeit es 
irgend geht, freie Bahn zu lafien. Nah 2—3 Stunden Mari ift 
längeres Rajten notwendig, jodaß auf den Nachmittaggmarih 1—2, 
auf den Tagesmarſch 3 Raftgelegenheiten fommen, jede von "/a bis 
1 Stunde Dauer. Beim Tagesmarſche findet die erjte gewöhnlich 
im Freien Statt, 3. B. auf einem [chattigen Waldraine, wo dann dag 
Frühftüd eingenommen wird. 

Den Wirtshäufern geflifientlih aus dem Wege zu geben, iſt 
nicht rätlid. Nach unferen Erfahrungen bleiben Jungen, die gemohnt 
find, daß ihnen die Wanderung an fi) Freude macht, ganz von ſelbſt 
der Unmäßigfeit fern, befonder3 wenn die diesbezüglihen Mahnungen . 
an das Chrgefühl anknüpfen. Daß ſich reifere Echüler an mäßigem 
Biertrunfe erquiden und dabei wohl auch ein Kommerslied fingen, 
fann man unbedenklich zugeftehen. Rauden ift aud den älteren 
Schülern nit zu geftatten, beſonders in Rückſicht auf die Eleineren 
Mitſchüler, ein Hinweis, der verftändigen Sefundanern und Primanern 
ftet3 einleuchten mird. Das Benugen der leidigen Näfcherei- 

2* 


20 


Automaten ift al3 verächtlich Hinzuftellen und, wenn es gejchieht, mit 
Spott zu Strafen. 

An beadhtenswerten Ausfihtspunften wird gebührend Halt 
gemacht und den Schülern durch Befragen die jedesmalige Eigenart 
der landſchaftlichen Schönheiten nah Möglichteit nahegeführt. Ge- 
langen wir an einen gejchichtlich bebeutfamen Ort, 3. B. den Regen- 
ftein, die Harzburg, das Schloß zu Ballenitedt, jo werden die nötigen 
Belehrungen über die Ereigniffe und Sagen der Vorzeit gegeben. 
Gewerblichen Anlagen, wie den Bergwerten, den Holzichleifmühlen, mird, 
ſoweit e3 angeht, Beachtung geſchenkt; auch geologische oder botanifche 
Erforfhungen find geftattet, wenn fie den Marſch nicht aufhalten. 

Sm allgemeinen aber find bei den Schülerwanderungen diejenigen 
Anregungen zu bevorzugen, die fih aus der Natur des Marſches 
von felbit ergeben, d. 5. die Zurehtfindeübungen im un- 
befannten Gelände, die Übungen der Sehfhärfe und das Ent- 
fernungfhägen Schon Gut3 Muths wies (als erfter) 1817 in 
feinem „Zurnbude für die Söhne des Vaterlandes” auf ſolche Veran— 
ftaltungen hin und gab recht beachtenswerte Winfe. Durch die neueiten 
preußifchen Lehrplänen S. 70 u. 71 wird ausdrüdlich gefordert, auf 
Turnmärſchen „Die Sinne zu üben“ und auch nad diejer Seite 
hin die Schüler „mit Fertigkeiten auszuftatten, die für den Dienft 
im vaterländifchen Heere von Wert find“. 

Wie mander Einjährig-Freimillige wird bei der Felddienjtübung 
vom Hauptmann fcharf angelaffen, weil er troß feiner genauen Karte 
und gelehrten Brille infolge mangelnden Ortsfinnes feine Batrouille 
„ſchauderhaft töricht”" führte! Das Zuredhtfinden im Gelände Tann 
den Schülern nur dann richtig beigebracht werden, wenn möglichſt 
jeder eine Karte zur Hand hat; daß dies bei den Quedlinburger 
Realſchülern der Fal ift, ward bereit3 erwähnt. Der unregelmäßige 
Bau der Harzlandichaft eignet ſich ganz beſonders gut zu jolcden 
Übungen. Für ung Lehrer hat es eignen Reiz, die reiferen Schüler . 
abjeit3 von den Touriftenwegen in den dichten Forſt oder ein tief ein- 
gefchnittenes Tal zu führen und von bier aus die weitere Richtung 
des Marfches beftimmen zu laffen. Dann heißt es: „Karte heraus! 
Wo fteht die Sonne? Nach welcher Richtung liegt das Marfchziel? 
Welche Steilabhänge find zu meiden, welche Wafjerläufe als Weg- 
meifer zu benugen?” Groß ift die Freude, wenn jchließlich der er- 
ftrebte Raftort erreicht und dort die Schar der Fleineren, auf Türzerem 

Wege geführten Kameraden angetroffen wird. 


21 


Noch zuträglicher werden diefe Übungen, wenn fie ſich mit dem 
Fernſehen verbinden. Daß die höheren LZehranftalten ſowohl beim 
Unterrichte als auch bei den häuslichen Arbeiten die Augen ihrer 
Schüler jehr in Anſpruch nehmen und Schädigungen Vorſchub leiften, 
wird fein Einfichtiger leugnen! Se. Majeftät der Kaifer hat ſich aus 
der Erfahrung feiner eigenen Schülerzeit heraus bei der Dezember- 
fonferenz 1890 über diefen bedenklichen Punkt unverhohlen geäußert: 
„Trotzdem wir in Kaſſel (im Gymnafium) ein gute Zimmer hatten, 
muß ich doch jagen, daß wir unter 21 Schülern 19 mit Brillen hatten, 
und drei darunter, die mit Brille nicht bis an die Tafel ſehen 
konnten.“ 

Welche großen Nachteile die beſtändige Nahearbeit im Gefolge 
hat, zeigt ſich mit unabweisbarer Deutlichkeit bei den Aushebungen 
der Rekruten. Im Auftrage Sr. Majeſtät des Kaiſers hat Ober— 
ſtabsarzt Dr. Werner auf der bekannten Dezemberkonferenz 1890 die 
deutſchen Schulmänner auf dieſe ſehr beklagenswerte Schädigung 
unſerer Wehrkraft eindringlich hingewieſen: die Zahl der wegen 
Kurzſichtigkeit als untauglich Befundenen ſei bei den von höheren 
Schulen mit dem Einjährigenzeugnis kommenden Geftellungspflich- 
tigen nicht weniger als ſechsmal ſo groß wie bei den auf Volks— 
ſchulen vorgebildeten. Werners Angabe, daß auf den höheren Knaben⸗ 
ſchulen die Zahl der Kurzfichtigen bedenklich wachſe und ſchließlich 
in Prima bis zu 600 gelange, iſt durch die neueren Forſchungen 
der Augenärzte vollauf beftätigt worden. Daß die noch als tauglich 
befundenen Kurzfihtigen hinter den Anforderungen des Felddienſtes 
mehr oder weniger zurüdbleiben und in der Brille für den Ernitfall 
einen höchſt unzuverläjligen Erjag haben, hat jener militärärztliche 
Berichteritatter ebenfall3 überzeugend dargelegt. 

Wenn die Höheren Lehranftalten gezwungen find, die Seh - 
fraft der Schüler derartig zu belaften, fo erwädjlt ihnen die 
unbedingte Pflicht und Schuldigfeit, die von ihnen her- 
beigeführten Schädigungen mit allen ihnen zu Ge- 
bote ftehbenden Mitteln zu befeitigen! Ein ſolches Mittel 
bieten die Lehrpläne vor allem im Turnmarſche. Wirkliche Kurz 
fichtigkeit, die im eiförmigen Langbaue des Auges begründet ift, läßt 
fih nie wieder heilen. Aber e3 gibt eine Vorftufe zu ihr: die vor» 
getäufchte Kurzfichtigkeit, Die durch den fogenannten Akkomodations— 
Irampf herbeigeführt wird. Diefer Krampf befällt den hinter 
der Pupille liegenden feinen Anpafjungsmusfel, wenn er fich immer 


22 


und immer wieder auf Nahearbeit einrichten muß. Er bleibt dann 
frampfartig für die Nähe eingeftellt und verliert allmählich die Ein- 
jtellungsfähigfeit für das Fernſehen, namentlich am Ende des Winter: 
balbjahres. Die Schule hat die Pflicht, diefen Krampf auszugleichen 
und fein Übergehen in wirkliche Kurzfichtigfeit zu hindern. 

Daß dies durh Fernfeh-Übungen auf grüne Bäume und 
Flächen, in weit fich dehnendes Gelände ſehr wohl gefchehen kann, 
haben namhafte Augenforfcher in neuerer Zeit immer wieder betont. 
Schon beim AJugendfpiele Tann das jcharfe Aufpaffen auf den Flug 
des Balles und die Bewegungen der Mitjpieler recht jegensreich 
wirfen, aber noch viel beſſere Gelegenheit bietet das Wandern. 
Hierbei kann da3 Unterfcheiden ferngehender Menſchen, das Spähen 
nach weit entfernten Höhen, Bäumen, Gebäuden dem Auge wohltätige 
Beranlaffung geben, fih für die Ferne einzuftellen, d. h. die Seh- 
linfe wieder abzuplatten durch Entlaftung des frampfartig angefpannten 
Akkomodationsmuskels. Wie mir beim Bliden in meilenweit fi) 
dehnende Gefilde verfahren, mag ein Quedlinburger Realfchüler ſelbſt 
Ichildern. In einem Berichte, den ein Schüler der Klaffe I auf Bitten 
der Schriftleitung an die Zeitfchrift „Körper und Geift” in Briefform 
einfandte (gedrudt Jahrgang 1902. Wandernummer 8/9. ©. 147), 
heißt es über die am 25. Juni 1902 über Gernrode in den Ramberg 
unternommene Wanderung: 

„Bor dem Weitermarjche führte der Herr Direktor und größeren Schüler auf 
den hölzernen Augsfichtsturm der Viktorshöhe, der die hohen Buchen und Fichten 
ringsum weit überragt. jeder von und hatte jeine Harzfarte und fonnte jo der 
Sernblidübung beffer folgen. Deutlich trat der Untergrund unſeres Stand- 
punftes hervor, dag mächtige Rambergmaffiv, welches, ganz aus Granit gebildet, 
in der Viktorshöhe jeine höchſte Erhebung erreicht. Als zweites, noch höheres 
Granitmaſſiv des Harzes ragte fern im Weiten, heute befonders Far, der Broden 
majeftätifh empor; die Dampfwolken eines Brodenbahnzuges waren deutlich zu 
fehen. Im Südmeften aber erblickten wir die breite Kuppe der Joſephshöhe, die 
als erlofchener Bulfan aus Porphyrmaſſe gebildet ift. — Befondere Freude madte 
es ung, die hinter Bergen und Wäldern halb verftedten Ortjchaften aufzujpüren 
und zu benennen. Breit und deutlich lag gen Norden in der Bodeaue unjere 
Heimatftadt Duedlinburg zwiſchen ihren Blumenfeldern, links davon hinter dem 
Hoppelberge blicdten die Domfpiten von Halberftadt heraus, weiter recht3 im 
Nordoften zeigte rauchiger Dunft zwifchen Fabrikſchornſteinen die Lage der Kali- 
werke bei Aſchersleben an. Nah Dften zu erblidten wir eben noch das Schloß 
von Ballenftedt, im Selketale weiter recht3 den romantischen Falfenftein und das 
Meifebergfchlößchen. Im Südoften lag auf einer Lichtung Harzgerode, vecht3 ba- 
von ragte aus dem tief eingefchnittenen Selfetale der Schornftein der Silberhütte 
empor, der höchſte Schornftein des Harzes, der die giftigen Gaſe hoch in die Luft 


23 


führt, damit fie den umgebenden Wald nicht fchädigen. — Die ferniten Puntte, 
die wir an diefem Tage erbliden fonnten, waren im Oſten der Peteröberg bei 
Halle und genau im Süden der Kyffhäufer, deffen beide Türme eben noch über 
die Harzhöhen hinwegragten.“ 

Mit dem Fernſehen läßt fih auh das Schäßen weiterer 
Entfernungen verbinden. Schon im Sahre 1860 (16. Septbr.) 
forderte eine Berfügung des Königl. preuß. Unterrichtsminiſteriums 
Übung des Entfernungsfchägeng bei den Turnfpielen. Die Lehrpläne 
von 1901 wollen diefe Übung mit Recht mehr mit dem Turnmarfche 
verfnüpft ſehen. Die Grundlage wird, wie oben bereits erwähnt, ge- 
legt bei den einftündigen Vorübungen und hat mit dem Abmeſſen 
und Abjchreiten Tleinerer Streden zu beginnen. Mit großem Eifer 
ijt für diefen Erziehungszmweig Hauptmann a. D. Karl Ziegler aus 
Rummelsburg bei Berlin eingetreten; er hat wiederholt auf feine 
große Wichtigkeit für den Heeresdienft überzeugend hingewieſen und 
recht brauchbare Ratſchläge im einzelnen erteilt. Beſonders beachtens— 
wert find jeine Auffäge in der Deutfchen medizinischen Wochenschrift 
1901 (Februarnummer) und in der Bibliothef Stern 1902 Heft 2. 

Kürzere Wanderungen laffen fi mit Jugendfpielen verbinden. 
So hielten wir zu diefem Zwecke wiederholt längeres Raften ab auf 
dem Rennplate am Ejelftallmalde, auf der großen Wieje beim Forit- 
baufe Totenrode, auf dem herrlichen Talgrunde von Trefeburg, auf 
den abgeernteten Feldern von Friedrichsbrunn und den breiten Harz- 
ftraßen beim Sternhaufe. 

Auf dem Marſche felbft werden ab und zu Übungen und Spiele 
mehr foldatifher Natur angeſtellt. Der Marjchlicherungsdienit 
ward veranfchaulicht, auch wohl ein Überfallsgefeht geliefert oder ein 
Normalangriff mit Schügenfette und Unterftüßungstrupp in Gang 
gebracht. Dies alles macht dem wehrhaften Sinne unferer Knaben 
große Freude. Unfer Kaifer fihrieb darüber als Prinz Wilhelm in 
dem bereit3 angeführten Briefe vom 2. April 1885: „Übungsmarſch 
mit ein bischen Felddienſt, wenn er auch in Spiel und feite Prügel 
ausartet! Unfere Brimaner (wir waren leider auch fo) find viel zu 
blajiert, ala daß fie den Rod ausziehen und fich Teilen könnten.” 

Noch viel mehr ift dies der Fall, wenn in der Nähe der Stadt 
Truppenmanödver ftattfinden. Dabei fommt jehr viel darauf an, 
daB die Jungen auf einen günftigen Zufchauerfled fommen und in 
das Ganze Einblid gewinnen. Die Direktion der Anftalt hat fih in 
diefen Fällen wiederholt an die Manöverleitung gewendet mit dem 


24 


Hinweife auf das große Intereſſe, mit dem die deutſchen Knaben 
ſolchen Truppenübungen folgen. Mit liebenswürdigftem Entgegen- 
kommen haben die Herren Generäle de3 vierten Armeekorps dieſer 
Bitte entſprochen und zumeilen bereit3 am Tage vorher die nötige 
Anweiſung und Belehrung überfandt. So find denn unfere Manöver- 
turnmärſche ganz beſonders ſchöne Erinnerungen für unfere 
Jungen. Daß dabei der Unterriht ausfallen mußte, fommt menig 
in Betracht gegenüber dem belebenden Hochgenuffe, den die Schüler 
Dabei hatten. Das fühlt unferen Jungen niemand befier nah als 
Se. Majeität der Kaiſer. Als vor einigen Jahren die Direktoren zu 
Hannover mit dem Freigeben zögerten, verfündete ein Befehl des 
Landesheren den Ausfall des Unterrichtes, damit die Schüler den 
Kaifermanövern beimohnen Fönnten. 

©o viel über die Einzelheiten, mit denen wir unjere Turnmärfche 
auszugeftalten pflegen. Es jei nun noch ein Überblid! gegeben über 
die von ung im Jahre 1902 angeftellten Wanderungen, 
weil fie nach unferer Anfiht das Höchſtmaß des Erreichbaren dar- 
ftelen. Günftige Witterungsverhältniffe ermöglichten ung, im ganzen 
neun Wanderungen zu veranftalten, drei Tagesmärſche und ſechs Nach— 
mittagswanderungen. Der Lejer wird fich leicht in den Angaben zu- 
rechtfinden, da die Märfche in Gegenden führten, die allen Harzfreunden 
mohlbefannt find. 

Den 23. April. Nachmittag. Alle Klaffen zu Fuß von Quedlinburg über 
die Altenburghöhen nad dem Ejelftall-Rennplage, dafelbft 1 Stunde Yugend- 
fpiele, Rückmarſch auf der Landftraße nah Quedlinburg. — 12 km Marſch. 

Den 6. Mai. Nachmittag. Klafje I und II. Eifenbahnfahrt nach Sude- 
rode, von da zu Fuß nad Ballenftedt, Befichtigung des Schloßpartes; nach dem 
Befuhe der Aufführung im Herzogl. Hoftheater Eifenbahnfahrt Ballenſtedt — 
Quedlinburg. — 9 km Marfd. 

Den 14. Mai. Nachmittag. Alle Klajfen. Baumblütenwanderung Duebdlin- 
burg—Suderode—Lauendburg—Neinftedt. Eifenbahnfahrt Neinftevrt— Duedlinburg. 
— 15 km Marſch. | 

Den 10. Juni. Tagesmarſch. Alle Klaffen. Cijenbahnfahrt Duedlin- 
burg— Harzburg. Wanderung Harzburg— Silberborn— Odertal— Romkerhall — Eich⸗ 
berg— Goslar. Abbiegung der Klaffe I und II in die Schädhte des Rammels- 
berges. Befichtigung der Stadt Goslar. Eijenbahnfahrt Goslar— Duedlinburg. — 
30 km Marſch. 

Den 25. Juni. Nachmittag. Alle Klaffen. Eifenbahnfahrt Duedlinburg 
— Gernrode. Wanderung Gernrode— Haferfeld— Viktorhöhe— Friedrichsbrunn — 
Thale. Abbiegung der Klafjen I-IV Friedenstal— Ehrichsburg —Friedrichsbrunn. 
Eifenbahnfahrt Thale—Duedlindburg. — 20 km (Klaffe V—VI) und 27 km 
(Kt. I-IV) Mari. 


25 


Den 2. September. Tagesmarfh am Sedantage. Alle Klaffen. Eijen- 
bahnfahrt Quedlinburg Thale. Wanderung nad Forſthaus Totenrode. Gemein- 
fame Sedanfeier mit Feftrede und Gefang. 1!/a Stunden Jugendſpiele. Wanbe- 
rung Totenrodre—Altenbrad— Trefeburg— Thale. Eifenbahnfahrt Thale—Duedlin- 
burg. — 24 km Marſch. 

Den 1. Dftober. Nachmittag. Alle Klaſſen. Eifenbahnfahrt Duedlin- 
bura—Suderode. Wanderung Suderode—Kaltes Tal— Biktorshöhe. Klaffe V—VI: 
Viktorshöhe — Haferfeld—Gernrode. Eifenbahnfahrt Gernrode — Quedlinburg. — 
16 km Mari. Klaffe I-IV: Wanderung Viktorshöhe —Sternhaus— Meifeberg. 
Anhören des Hirſchbrüllens. Marſch im Finftern (und im Regen) Meifeberg— 
DBallenftedt. Eifenbahnfahrt Ballenftent—Duedlindurg. — 27 km Warid). 

Den 24. Dftober. Nachmittag. Alle Klafien. Eifenbahnfahrt Duedlin- 
burg— Thale. Wanderung Thale—Kattenftevt— Blankenburg. Spalierbildung mit 
Lampions beim Einzuge des Kaiferd und der übrigen fürftlichen Jagdgäſte. 
Banderung im Finftern Blankenburg Timmenrode— Thale. Eifenbahnfahrt Thale 
— Quedlinburg. — 20 km Marſch. 

Den 15. November. Nachmittag. Klaffe I—IV (aber nur die befonders 
marjcheüchtigen Schüler. Wanderung Duedlinburg— Wefterhaufen— Regenftein— 
Dlantenburg--Timmenrode— Warnftevt— Quedlinburg. — 33 km Marſch. 

Außerdem fanden noch einige Kleinere Klafjenfpaziergänge unter Leitung der 
Herren Drdinarien in die nähere Umgebung Quedlinburgs ftatt. 


Zum Schluſſe jeien noh die Hemmnifje beſprochen, die fich 
bei den derzeitigen Verhältniffen der planmäßigen Ausführung von 
Schülerturnmärfchen entgegenftellen Fönnten: die Frage, inwieweit 
man die Schüler zu ſolchen Wanderungen zwingen darf, der Mangel 
einer reizvollen Umgebung, die Verhältnifje in den Großſtädten, bie 
Befürchtung von Beeinträchtigungen des Unterrichtes, die Beſorgnis 
wegen der Haftpflicht, der Mangel an geeigneten Lehrern. 

Ohne Zweifel ift die Beteiligung an den Turnmärſchen für die 
Schüler wahlfrei. Dem Bernehmen nad ift an das Königl. Pro- 
vinzialfehulfolegium zu Koblenz auf, Anfrage der minifterielle Beſcheid 
ergangen, daß man die Schüler zu folden Wanderungen nicht zwingen 
dürfe. Wenn in den Lehrplänen höherer Schulen Turnmärfche ge- 
fordert werden, jo fteht die Beteiligung daran den Schülern ebenfo 
frei wie 3. B. am Zeichenunterrichte der oberen Klaffen. Wenn fich 
alle Eltern oder Penfionshalter weigern würden, die Schüler teilnehmen 
zu laffen, jo würde das der betreffende Direftor eben hinnehmen 
müffen. Doch diejer Fal wird ſelten eintreten, jelbft wenn durch 
die Eifenbahnfahrt einige Groſchen Koften entftehen. Weitaus die 
meiften Eltern freuen jih, wenn die Schüler außerhalb 
der&chulzeit bei einer fo durhaus gesunden Bewegung 
mit ihren Lehrern zufammen fein fönnen! Darauf fann 


26 


jeder Direftor bauen, wenn er im Anfange des Sommerhalbjahres 
den Schülern pflichtgemäß die Beteiligung warm and Herz legt. 
Drüdeberger werden durch die Frage, ob denn der Bater mit dem 
Wegbleiben einverftanden fei, leicht zum Mitwandern bewogen. An 
unferer Anftalt beteiligen fich in der Regel 80—90 Po. Ein Hinweis 
an die Eltern im Djterprogramm ift ſehr rätlich. 

Wenn die hohen Schulbehörden anordnen würden, daß in 
den Dfterprogrammen ähnlich wie über Turnen, Schwimmen und 
Jugendſpiel auch über die Turnmärſche zu berichten fei, d. 5. 
über die Anzahl derjelben, über ihr jedesmaliges Ziel, über den 
Prozentfag der Beteiligung, jo wird fi) binnen einiger Jahre leicht 
feitftellen laffen, inwieweit die Wahlfreiheit den Betrieb beeinträchtigt. 
Überhaupt dürfte eine ſolche Beröffentlihung für jo manches Lehrer: 
kollegium ein nicht zu unterfchägender Anfporn fein, fih der Turn— 
marſchſache recht ernitlich zu widmen. 

Sollte der gegen das AJugendfpiel gemachte Einwand, daß man 
in dergleihen Dingen feinen Drud oder Zwang auf die Jugend aus— 
üben dürfe, auch gegen den Turnmarjch erhoben werden, jo läßt er 
fih leicht abweifen durch folgende Gegengründe: Weitauß der größte 
Teil unferer Jungen ift bei einem von ihren Lehrern geleiteten Turn— 
marjche mit Leib und Seele dabei; fie lernen in diejer größeren Ge- 
meinjchaft jo viel Gutes und Edles, wie es bei den wenigen, die 
auf eigne Fauft wandern würden, nimmermehr der Fall if. 
Außerdem follte doch die Rüdjicht auf die vaterländiihe Wehrfraft 
über allen ſolchen Bedenflichkeiten ftehen. — 

Uns Duedlinburgern im bejonderen wird mander einwenden: 
„sa, wenn wir eine fo jchöne Umgegend hätten wie ihr! Wa? 
follen wir in unferer Niederunggebene mit Turnmärjchen anfangen 
auf diefern langweiligen, geradlinigen Landftraßen!” Es muß ohne 
weiteres zugegeben werden, daß die Veranitaltung regelmäßiger 
Wanderungen in wenig reizvoller Gegend ihre nicht zu unter: 
Thäßenden Schwierigfeiten hat. Aber einerjeit3 leidet doch nur 
der bedeutend geringere Teil der höheren Lehranitalten unter diejem 
Nachteile, anderfeits laſſen ſich auch einer auf den erſten Blick ein- 
fürmigen Gegend ihre Reize abgewinnen, wenn man fie nur mit 
empfänglichem Herzen und offenen, heiteren Augen betrachtet; daS be- 
weiſen die Maler, die aus den Moorlandichaften Dftfrieslands und 
den Dörfern Medlenburg3 heute die jchönften Motive ſchöpfen, und 
Dichter wie Frenfjen, durch welche die Marſch und die Geeft wunder: 


27 


bar ſchön und klar gejchildert wird. Dritten? aber find auch die 
Eifenbahnen da, dur die man für billiges Geld in eine reizvollere 
Gegend entrüdt wird. 

„Sa, die Eifenbahnen! Darf man die überhaupt zu Turn- 
märſchen benugen!?“ lautet da gleich eine weitere Einwandäfrage. 
Nach unjeren Erfahrungen ftehen wir nicht au, mit Sa zu antworten, 
— vorausgeſetzt, daß diefe Benugung recht maßvoll ift; denn zu 
übergroßen Wanderfahrten für 3-10 ME. und darüber find die 
Eifenbahnen für die Schüler während der Schulzeit entfchieden nicht 
da. Wir fönnten bei unjeren Märjchen in der nächſten Umgebung 
Quedlinburgs bleiben, — fie ilt ſchön genug; aber nicht weit davon 
entfernt lockt noch Schöneres, dag den Schülern wohlbefannt und gar 
leiht zu erreichen ij. Daher benugen wir zu einigen Turnmärfchen 
unbedenklich die billige, kurze Eifenbahnfahrt, um ſchnell mitten in den 
Harzforft hHineinzulommen. Wie weit fich diefe Benugung ausdehnt, 
läßt die oben gegebene Überficht über das Jahr 1902 erkennen. Der 
Fahrpreis Hin und zurüd (III. KL.) für eine Nachmittagswanderung 
mit Benugung der Eijenbahn betrug 20—40 Pfg., für Sertaner die 
Hälfte. Diefer geringe Betrag wird auch von wenig bemittelten 
Eltern gern geipendet; wir haben noch nie ein Murren gehört, daß 
die Turnmärſche den Eltern zu viel Geld aus der Tajche lodten. 
Der Fahrpreis für den Tagesmarſch im Juni ift ja allerdings zmwei- 
bis viermal höher, aber auch hier ſchließt fi fait Fein Schüler aus, 
im Gegenteil, auch die Eltern ſelbſt fahren gern mit. Dieſe näheren 
Angaben feien deshalb geboten, um anderen Anftalten einen Anhalt 
bezüglich deffen zu geben, über da3 man nicht hinausgehen jollte. 
Das eine fteht von vornherein feft, daß ein Junge eine vernünftigere, 
heilſamere Geldausgabe gar nicht machen kann. 

In Rückſicht auf die Gegenden, wo die Eifenbahn noch öfter oder 
auch noch etwas länger benußt werden muß, wäre eine weitere 
Verbilligung außerordentlich wünjchenswert *). Daher ift eg durch— 


*) Die Königl. preußifche Eifenbahnbehörde hat im Jahre 1901 für Schüler- 
fahrten eine gewiffe Ermäßigung gegen früher eintreten laſſen, aber nur für den 
Fall, daß genau diejelbe Strede hin wie zurück benugt wird. Früher war 
in diefem Falle für Hin und für zurüd je die Hälfte des einfachen Fahrpreifes 
zu zahlen — Er, jeßt wird nur noch die Hälfte des Rückfahrkartenpreiſes ver- 


x+x 
amt = 2. 
2 


28 


aus anzuerkennen, wenn der Vorſtand des Zentral-Ausjchuffes für 
Volks- und Jugendſpiele vor kurzem an den Herrn Eifenbahnminifter 
eine dahingehende Eingabe gerichtet hat. 

Derartige weitere Zugeftändniffe würden namentlih für Groß- 
ftädte fehr willflommen fein. In ihnen beſteht das Haupthemmnis 
für regelmäßige Turnmärſche in den großen Entfernungen der 
Schülerwohnungen untereinander wie vom Sammelpunfte. Nicht gering 
ift die Schwierigkeit, die Schülerfchar vorerft dur die Voritadt- 
ftraßen ins Freie hinauszuführen. Mit Hilfe der eleftrifchen Straßen- 
bahnen wird dies faum möglich fein, wie dahingehende Verſuche in 
Berlin gezeigt haben. Das bejte Mittel wird bier die Eijenbahn 
bieten; ihre Bahnhöfe werden in vielen Fällen auch geeignete Sammel- 
punfte fein können. Es ift hier zunächſt von denjenigen Großftädten 
die Rede, bei denen die Schwierigfeiten befonders erheblich find. Dies 
wird aber durchaus nicht bei allen Großſtätten der Fall fein, und 
bei gutem Willen wird fih mander Ausweg finden, die Turnmärjche 
auch dort in genügender Anzahl durchzuführen. 

Es wird noch der Einwand nicht unerhoben bleiben, daß die 
Schüler dur mehrfahe Turnmärſche von den häuslichen. Arbeiten 
und von der Aufmerkſamkeit im Unterridte abgelenft werden 
fönnten. Dies wird indefjen faſt gar nicht gejchehen, wenn, wie bei 
uns, der jedesmalige Turnmarfch rechtzeitig vom Direktor angejagt 
wird, womöglich zwei Tage vorher. Die Lehrer werden dann gebeten, - 
am Turnmarſchtage für den nächſten Tag nichts aufzugeben; Die 
Schüler find anzuweifen, die Arbeiten für diefen nächiten Tag ſchon 
am Nacmittage vor dem QTurnmarjchtage zu fertigen. Das läßt fich 
ohne Schwierigkeit und Nachteil überall durhführen, wo die häus— 
lichen Arbeiten von vornherein geregelt find. Und jollte wirklich ein- 
mal der wifjenfhaftliche Unterricht eine Fleine Einbuße erleiden, To 
wird fie duch den großen Vorteil reihlih aufgewogen, daß dant 
dem Einfluffe der Turnmärjhe dann für das Bierteljahbr um fo ge- 
fundere und deshalb um fo frifchere, lebendigere Schüler dem linter- 
richte zur Verfügung ftehen werden. 

Der oder jener Lehrer wird ſich vielleicht durch die Beſorgnis 
voor der Haftpflicht von der Beteiligung an Turnmärſchen ab- 
halten lafjen. Nachdem die ftädtifche Lehrerfhaft Duedlinburgs Die 
Stadtbehörden vergeblich zur Übernahme der Haftpflichtverficherung zu 
bewegen gefucht hatte, haben ſich die meiften Lehrer der Guts Muth3- 
Realſchule kurz entfchloffen jelbft verfihert und find nun gegen 3 ME. 


29 


Verfiherungsgeld von aller Sorge frei, fall einmal einem Schüler 
auf dem Turnmarſche ein Unglüdsfall zuftoßen ſollte. Man kann da- 
gegen einwenden, daß fich der Lehrer grundfägli nicht verfichern 
dürfe und in jolidarifher Rüdfiht auf die anderen lieber alle Turn- 
märſche unterlafjen jollte, bis die im Widerftande einige Gejamtheit 
die Übernahme der Verficherung bei den ftaatlichen und ftädtifchen Be- 
börden durchgejegt habe. Ein folder Standpunft ift faum richtig: 
höher als das ftarre Prinzip muß ohne Zweifel die Fürjorge für die 
ung anvertraute Jugend ftehen! 

Auch font wird innerhalb der Lehrerfollegien noch fo manches 
vorgebradht werden, wodurd diejenigen, welche den Turnmärſchen fern- 
bleiben, ihre Nichtbeteiligung zu begründen Juchen. Ein Direktor, der 
jeine Herren Kollegen pflichtgemäß für ſolche Wanderungen zu erwärmen 
ſucht, muß dabei den richtigen Taft wahren, damit er von denen, Die 
wegen Kränflichkeit, zunehmenden Alters oder häuslicher Verhältniffe 
fih da3 Vergnügen des Wandern3 leider verfagen müfjen, feine vor: 
eingenommene, ungünftige Meinung befommt. Im übrigen darf er 
fih das gute Werf nicht verdießen laffen, wenn er auf Gleichgültigfeit 
oder fogar Widerftand ftößt. 

Nicht immer ftihhaltig ift der Einwand, daß man durch hohe 
MWochenftundenzahl und Heftkorrefturen zu ſehr überlaftet fei. 
Gegen folche Überanftrengung ift gerade dag Wandern oft die befte 
Erholung. Aber hierbei geht es nad dem Spridhworte: „ung 
gewohnt, alt getan“ oder vielmehr „Jung nicht gewohnt, alt nicht 
getan”, d. h. wer nit ſchon in der Knaben- oder Jünglingszeit zur 
Wanderluft erzogen wurde, der wird feinen Schülern meift nit 
gern ein Wandergefährte fein. Deshalb wäre es wohl zu empfehlen, 
wenn die Kandidaten deshöheren Shulamtes im Seminar: 
jahre und Brobejahre auf die hohe Wichtigkeit folder Wanderungen 
bingewiefen und beizeiten an fie gewöhnt würden. Wie fchon 
wiederholt hervorgehoben ward, brauden die Qurnlehrer 
hbelfende Kollegen bei der Beauffihtigung der Wanderſchar, je 
mehr, je beſſer. Eine turnerifhe Vorbildung ift feineswegs erforderlich; 
ift doch der Turnmarſch das Gebiet der Leibesübungen, auf dem fich 
jeder Lehrer um das Wohl feiner Schüler ein Verdienft erwerben kann. 

Bedauerlih wäre ed, wenn fih hier und da Direktoren in der 
Turnmarſchfrage gleichgültig oder bedenklich zeigen follten! Es wird 
dies hauptſächlich dann zu fürchten fein, wenn die Bedeutung des ge— 
lehrten Unterrichtes und des verftandesmäßigen, gedächtnisdrillenden 


30 


Lehrverfahrens einfeitig überihägt wird. Der Verfaſſer diefer Zeilen 
gehört ganz gewiß nicht zu denen, die gegen zielbewußte und, wenn 
e3 fein muß, unerbittlihe Strenge beim Klaffenunterrichte find, aber 
er fchließt fich unbedingt der Überzeugung an, Daß den Unterridt3- 
erfolgen die rechte Krönung fehlt, wenn ihnen nicht die not— 
wendigen Erziehungsbeftrebungen zur Seite gehen. 

Bei der Dezemberkonferenz 1890 ift gerade über diefen Punkt 
von berufenen Männern mande eindringlide Mahnung ausgeſprochen 
worden, namentlich die Forderung, daß die Schule auf außerhalb 
der Unterrichtszeit auf die Schüler erzieherifch einwirken müſſe, 
und Se. Majeftät der Kaifer felbft betonte in feiner Eröffnungs— 
anſprache: die Lehrer follten ja nicht denken, daß beim Schlufje der 
Unterrihtsftunde nun auch ihre Erziehungspflidt zu Ende fei. In 
den neuen Lehrplänen von 1891 und 1902 ift von dem perjönlichen 
Einwirken außerhalb der Schulzeit verhältnismäßig noch wenig die 
Rede, wohl weil dahingehende Erfahrungen erſt allmählich gewonnen 
werden. Um fo dankbarer werden wir fein müfjen, daß in den aller: 
neuften Vorſchriften dem Turnmarſche ein Plaß gelichert ift. Sit er 
doch faft die einzige und vor allem die beſte Gelegenheit, wo der 
Lehrer fein ganzes perfönliches Wohlmollen uneingeengt in die Wag- 
Thale zu werfen vermag und wo er inmitten feiner Schüler Jagen 
fann: „Hier bin ih Mensch, hier darf ich's fein!” 

Auf den Wanderungen entwidelt fih am ungetrübteiten feine 
väterlide Gefinnung, hier fnüpft fih am innigiten dag Ber- 
trauensverhältnig zwiſchen ihn und dem Schüler, daS unter 
den Menſchen nur dann entjteht, wenn fie ſich näher und näher fennen 
lernen. Das fchildert befonders treffend Sebald Schwarz in der Zeit: 
Ihrift „Gegenwart“ 1902 Nr. 49, ©. 357: 

„Da treten fih der Eine und die Vielen perfönlich näher; der 
‚unge merkt, daß der geſtrenge Herr ein Menſch ift wie er, der ißt 
und trinkt, lacht und ftöhnt, genießt und müde wird, und wir 
wiederum lernen unfere Schüler in den mannigfadhen Lagen und 
Aufgaben, wie fie Wandertage mit fi) bringen, ganz anders kennen 
als in den engen, gleihförmigen Verhältniffen der Schulftube. Hier 
jehen wir erft, wa3 für ein lederner Gefelle mandher gute Ertemporalien- 
ſchreiber iſt, und wie viel friſche Auffaffung, wie viel lebendige Kraft 
und eiferne Ausdauer in einem andern ſteckt, der in der Klaffe untenan 
figt, weil ihn nun einmal andere Dinge interefjieren, als was da ge: 
trieben wird. Humor und tantenhafte Biederkeit, Verträglichkeit und 


31 


Selbſtſucht, der ſtille Sinn des einen und das Bramarbasweſen des 
andern entfalten ſich hier, und über Freundſchaften, Privatintereſſen, 
Familienintereſſen ſammeln wir nützliche Erfahrungen.“ 

Wie nachhaltig werden die Schüler dabei zum Guten und 
Schönen erzogen! Da erwacht in ihnen der Feinſinn für wahr- 
haft erhebende, edle Eindrüde und anderjeit3 die Abmwen- 
dung vom Rohen, Gemeinen; zähe Beharrlidhfeit, Ein- 
fahheit, Mäßigfeit, verbunden mit gefundem deutſchen Humor, 
bilden die Grundlage treuer Kameradfchaft. Über diefe jagt Ober: 
turnlehrer Pla ſehr richtig in der Beilage zum Dfterprogramme der 
Quedlinburger Realichule ©. 31: „Es geht den Schülern da3 Herz 
auf und gibt mancher guten Regung Raum, deren es unten im Al- 
tag3getriebe nicht fähig ſchien. Da fchließt ſich einer enger an den 
andern an; in Eleinen Gefälligfeiten und in der Bereitichaft, zu helfen, 
zu unterjtüßen und zu geben, bauen fich die in unferer ſelbſtſüchtigen 
Zeit jo beachtenswerten Grundlagen der Uneigennügigfeit und Nädhften- 
liebe. Wie auf ein gut Land fällt da die Saat der Liebe zu Heimat 
und Volk und Vaterland.“ 

Wo fünnte wohl diefe Liebe fchöner ausreifen zu wehrhafter, 
opfermwilliger Bereitſchaft, zum freudigen Gelöbniffe für 
Thron und Vaterland als auf den Wanderfahrten durch deutfche 
Gauen! Aber noch höher hinauf liegt das Erziehungzziel. Wenn 
wir alle, Schüler und Lehrer, vor der prangenden Sommerlandichaft 
aufjauchzen: „Wie bift du doch jo ſchön, o du weite, weite Welt!“ 
dann denken wir an den, der dies alles fchuf, an den Urquell alle 
Seind. Bei dem Bewundern des irdischen Vaterlandes gleiten unfere 
Gedanken hinüber zur ewigen Heimat, und wenn body über ung am 
blauen Himmelszelte die Wandervögel ziehen, dann erflingt in ung 
die Mahnung des Dichter: „Gedenke, Seele, daß du Flügel haft!“ 


Unfere Darlegungen werden zur Genüge ergeben haben, daß 
das Wandern eins der trefflidften Mittel if, um 
dauernde Grundlagen für die Entwidelung von Seele 
und Leib zu legen, ein Mittel, das nicht nur während der Jugend— 
erziehung angewendet werden joll, jondern auch nad) dem Austritte 
aus der Schule Taufenden von rüftigen Männern Jahrzehnte 
hindurch eine traute Brauhfunft und ein wahrer Jungborn 
jein wird! Auch hierin haben die Schülerturnmärfche eine große Be- 
deutung für die vaterländiſche Wehrfraft. 


32 


Der befannte General Colmar von der Golg Sagt in feinem 
Ihönen Bude „Das Volk in Waffen” ©. 202 über die Marfhühungen 
der Soldaten im Frieden: „Es fommt darauf an, eine Überliefe- 
rung bedeutender Leiftungen zu gewinnen: Anftrengungen, 
weldhe man nach früheren Erfahrungen einmal als nichts Außerordent- 
liches anjehen gelernt bat, erträgt man viel leichter als Diejenigen, die 
man überhaupt nicht fennt. Stellt man feine Übungsmärſche an, fo 
geht nah und nad) der Maßitab für das verloren, was die menſch— 
lihe Natur bei gutem Willen ohne Nachteil ertragen Tann.” Dieſe 
Worte lafjen fih auch auf die Marfchleiftungen der Schüler an- 
wenden: von allen Leibesübungen der Jugend hat die Gewöhnung an 
ausgedehnte Turnmärfche die längfte Nachwirkung bis ind 
Alter hinein. Wenn der fünfzigjährige Mann nicht mehr turnen 
und fpielen Tann, — ein rüftiger Wanderer wird er immer nod 
bleiben wollen! 

Wirkt die Schulerziehung mit allem Nahdrude darauf hin, daß 
die „Überlieferung bedeutender Marfchleiftungen“ den Jüngling in das 
Leben hinaus begleitet, dann werden nicht nur die jungen Mannschaften, 
fondern auch ernite Referviften und Landmwehrleute fih von felbit 
immer marjchbereit erhalten und auch bei anderen durd ihr gutes 
Borbild Marfchtüchtigfeit erzeugen fünnen; ja e3 wird fich dieſelbe 
auch auf ihre Nachkommen vererben. Wohl dem Baterlande, 
wenn ſolche Wanderluft von Menſchengeſchlecht zuMen- 
ſchengeſchlecht weitermwirft und jeder deutjche Knabe in zufünf- 
tigen Sahrzehnten in Wahrheit fingen fann: „Mein Bater war ein 
Wandersmann, und mir liegt’3 auh im Blut!“ 


3555555555535 55 2 3555555555555 


= Naturbeobach⸗ Das Wandern ſoll ein urgermaniſches 
tungen beim Wau⸗ Erbteil ſein, aber wer verſteht noch recht zu 
dern. ass0000900 wandern! Mindeſtens 40 km an einem 
Bon Dr. O. Lehmann, Tage zurücklegen, großartige Ausſichten ge- 
Direktor des ftädt. Mufeums nießen — aber mehrere —, die gemwaltigiten 
in Altona. SSs4s Ss 464645 Bäume Deutihlandg — Rieſen aus Ger- 

maniens VBorzeiten — fehen, lange Streden 
im Laufſchritt zurüclegen, einige Kraft: und Mutproben — das ge- 
hört doch fiher dazu. Gewiß, es mag auch einmal ein Übungs- 


33 


marſch gemacht werden, der die Kräfte hochipannt, ohne fie zu über- 
Ipannen, aber Wandern iſt das nicht, das Wandern, das den naiven 
Menjchen immer wieder hinaustreibt an das Herz der ewig und überall 
jugendfriihen Natur und ihn ftärft für der Berufsarbeit Mühen und 
Einerlei. Zu foldem Genuffe fommen wir erft, menn wir uns ab- 
gewöhnen, die Natur „en gros“ zu betrachten, und dafür unternehmen, 
gedantenvoll und mit Ernſt die Erjcheinungen der Ieblofen wie der 
lebendigen Welt verftehen zu fuchen. 


Boller Bildungselemente iſt für ung auch die anorganische Welt, 
jfobald wir nur verſuchen, ihrer Entſtehungsgeſchichte nachzugehen. 
Schon die äußere Form der Erdrinde, der Horizont ift abhängig von 
den die Oberfläche bildenden Geſteinen. Flah wie ein Teller ift die 
Mari, mit runden Hügeln ift die norddeutsche Tiefebene bejeßt, deren 
eiszeitliche Geſchiebe von Wafferläufen durchſchnitten und durch die 
Tätigkeit der Atmofphärilien umgemodelt find, und wieder anders 
heben ſich die Sranitfelfen des Harzes vom Horizont ab. Gleiches 
Geftein gibt überall gleihe landfchaftliche Formen. Überrafchend ähn- 
lich find die aus NRotliegendem gebildeten rundfuppigen Berge mit 
fteilem Abfall gegen die Täler am Harz, am Kyffhäufer und am 
Thüringer Walde; die Formen de3 Duaderfandfteing mit ihren jent- 
rechten Klüften und Felfenpfeilern in der ſächſiſchen Schweiz und in 
Schleſien. Auf dieje Beziehungen zwiſchen der Oberflächenbildung und 
Gefteindart wird der aufmerffame Beobadhter ftet3 fein Augenmerf 
richten; erjt recht aber, wenn ein Steinbrud, eine tiefe Kiesgrube am 
Wege einen Blid in die „Eingeweide der Erdoberfläche” geitattet. An 
einer Kiesgrube läßt fih unter Umftänden die ganze Entſtehungs— 
geſchichte der norddeutjchen Xiefebene klar machen, die Bildung der 
Ackerkrume und ihre geringe Tiefe, Schichtungen, Stauchungen u. dergl.. 
In Steinbrüden und Bahndurchſchnitten der mitteldeutichen Gebirgs— 
ſchwelle treten oft die prächtigſten Faltungserfcheinungen zu tage und 
lafien die gewaltigen Kräfte ahnen, die einft bei der Bildung der Erd- 
oberflähe wirffam waren. Man braudt fein großer Gelehrter zu 
fein, um folde ſchöne Sachen zu fehen, und jchließlich hilft auch das 
Heine trefflihe Büchelden über Geologie von Geifie*) über manche 
Unficherheit hinweg und gibt neue Anregungen. Bei folchen Beobadh- 


*) Deutfche Ausgabe von D. Schmidt, Nr. 5 der naturmiljenichaftlichen Ele- 
mentarbüder. Straßburg, Karl $. Trübner; geb. 80 Pf. . 
Volks⸗ und Jugendſpiele. XII. 3 


34 


tungen wird der Weg felbft über die ödeſten Heidegegenden, durch die 
fogenannte langweilige Marſch genug des Intereſſanten enthüllen. 

Sehr oft wird die Abhängigkeit der Gewäſſer vom geologijchen 
Bau zu beobachten fein. Im Granit» und Sandfteingebiete find die 
Duellen zahlreicher und gleichmäßiger verteilt als in dem an Wafler- 
adern armen Kalkitein, am Abhange der Geeit treten die Quellen über 
den wafjerundurdläffigen Ton- und Lehmſchichten zu Tage. Lehrreich 
ift es für den Beobachter, wenn er plöglid) auf dem Sandboden der 
Heide zwiſchen Dünen eine Moorvegetation erblidt und bei genauerem 
Bufehen entdedt, daß die Dünen über eine wafjerundurdläffige Ton- 
fhicht wandern, auf der fih im Laufe weniger Jahre eine Vegetation 
entfaltet hat, die mit der darüber wandernden Düne auch wieder ver- 
ſchwindet. Auf die Beziehung zwiſchen dem Streichen der Schichten 
und der Richtung der Wafjerläufe, die Bach- und Flußtäler, die Seen 
wird zu achten fein; plößliche Biegungen im Wafferlaufe, Erweiterung 
und Verengung des Tales, fteile und flache Ufer, fie finden in den 
Strufturverhältnifjen des umgebenden Landes ihre Erflärung Wer 
fid über ſolche wie alle landesfundlichen Fragen unterrichten will, dem 
fommt ein trefflihes Buch zu Hilfe: Dr. $. Hahn, Topographijcher 
Führer durch das nordweitliche Deutfchland (Leipzig, Veit & Co.), in 
welchem nicht nur auf das landesüblich Wichtigfte aufmerkfam gemacht 
wird, jondern auch wertvolle Aufgaben und Literaturangaben gegeben 
werden. 

Die geologijchen Beobachtungen liegen den meilten Wanderern 
zwar ferner al3 die biologischen, doch find fie nicht minder intereſſant, 
wenn diefe auch mannigfaltiger find und unmittelbarer auf den Be- 
obadhter zu wirken pflegen; fie werden dem Naturfreunde immer neue 
Anregung bieten. Wenn auch an diefer Stelle gewiß nicht angeraten 
werden fol, zu wandern, um SHerbarium oder die Tierfammlung zu 
vervolljtändigen — das mag individuellem Intereſſe überlafjfen bleiben —, 
jo laſſen ſich gleihwohl unterwegs eine Menge von Beobachtungen 
anftellen, durch welche die Wanderung einen erhöhten Genuß erhält 
und neben der Unterhaltung bildend auf Gemüt und Verftand einmirft. 
Schon eine oberflähliche Betrachtung des Begetationscharafters gibt 
mancherlei wertvolle Gefichtspunfte. Ein anderes Bild des Pflanzen- 
leben3 zeigt der ſumpfige Moorboden, ein anderes das fruchtbare Land, 
der Mald oder die fandige Heide. Nicht nur, daß die Pflanzen andere 
find, au ihr Ausfehen ift ein anderes, troß der gleichen Organe. 
Trägt der ſumpfige Moorboden niedrige Sträucher, Eleine Pflänzchen 


39 


mit meift unfcheinbaren, aber zierlihen Blüten, jo findet auf frudt- 
barem Boden eine reichere Blattentwidelung ftatt, die Stämme werden 
böher, die Blüten größer, und auf dem Sandboden wieder, auf dem 
die Pflanze fih mühſam feitigen muß, jenft die Wurzel ſich tiefer in 
den Boden, die Blätter werden härter, ihre Spreite geringer, um ge- 
ringere Berdunftungsfläche zu bieten. Die Abhängigkeit vom Boden 
wieder anderer Pflanzen ijt eine jo ausgeſprochene, daß fie als dia— 
gnoſtiſche Merkmale für gewiſſe Bodenforten anzujehen if. Eine 
unferer eriten Frühlingsblumen, die Schon im April die Abhänge mit 
ihren weithin leuchtenden gelben Blütenförbchen Shmüdt, der Huflattich, 
it eine echt Falfholde Pflanze; in der Nähe von Salinen treten plöß- 
lich Pflanzen auf, die als Salzpflanzen vom Strande unferer Meere 
befannt find, die Seeſtrandsmiere, Löffelfraut und Simfen; das Heide- 
traut iſt eine echt Fiefelholde Pflanze, gleih dem Sandhafer und 
anderen jcharflantigen Gräfern, unfere Torfmoore find durch das Woll—⸗ 
gra3 und die Droferaceen charafterifiert. Für ſolche Verhältniſſe 
Ihärft fih gar bald der Blid, wenn man fih nur die Mühe nimmt, 
nicht gleichgültig gegen die Vegetation vorüber zu gehen, und fo um— 
fangreiche Kenntniffe find nicht erforderlih,, daß fie nicht jeder haben 
könnte. Mer zum eritenmal in ein ihm bisher fremdes Gebiet, fei es 
an die Meeresfüfte oder in das Hochgebirge, Tommt, dem fällt die 
Veränderung in der Vegetation fofort auf, aber die Verfchiedenheiten 
fehlen auch nicht in der ſcheinbar gleichmäßigen Heintat, fie find auch 
bier vorhanden und werden meiften? intimer und reizvoller wirken, 
wenn erit das Verſtändnis dafür da ift. Führt der Pfad den Wan- 
derer am Rande eines Waldes hin, der 3. B. an eine große Heide- 
fläche ftößt, jo wird er die am Rande ftehenden Bäume meijtenteils 
mit einer dichten Krufte von grauen und gelben Flechten, oft bis in 
die Spige hinein, bejeßt finden; bier ift ein Baum ſchon abgejtorben, 
dort wehrt er ſich noch gegen den tüdischen Feind, der an feinem 
Lebensmark zehrt; aber diefe jo dem Untergange geweihten Bäume 
haben eine wichtige Aufgabe zu erfüllen, fie ſchützen mit ihren Leibern 
den dahinterjtehenden Wald gegen die über die Ebene heranjtürmende 
Schar von Algen und PBilzjporen. Der Landfchaftsmaler bewundert 
eine Baumgruppe, in welcher helles Birfenlaub mit dunklem Nadelholz 
fontraftiert, der biologiſch geſchulte Beobachter fieht zugleich den 
bitteren Kampf, den die zähe Birke mit dem überftarfen Gegner aus— 
fit, der ihr Luft und Licht nimmt. Unter Laubholz wächſt eine viel- 
bunte Waldflora, Sauerflee und Siebenftern, Springfraut, Lerchen- 
3* 


porn und Anemone, fie lieben das fchattige Laubdach; Heidel- und 
Vreißelbeere lieben den fühlen Kiefernwald, während fie im dunklen 
Tannen» und Fichtenwald fehlen, deſſen von den verzweigten Wurzeln 
ausgefaugter Boden nur von abgeftorbenen Nadeln bededt ift. 

So ergibt fih eine große Zahl von Beobadhtungen aus dem 
Pflanzenreihe von felbit, ohne daß etwas anderes nötig wäre als ein 
offenes Auge und ein Herz für die Natur. Es iſt nicht anderes, 
wenn man auch) die Tierwelt eines Blickes würdigt und nicht gleich- 
gültig an ihr vorübergeht. Hier werden zumeift die niederen Tiere, 
die Inſekten, das Intereſſe felfeln; doch fie nit allein. Eine etwas 
jorgfältigere Beobachtung wird gar bald die Fahrten unjeres Wildes 
unterjcheiden, wird im Schnee ſofort die Hajen-, die Hundeſpur er- 
fennen lafjen und die in einer Linie fortlaufende Fährte des Fuchjes. 
Wer fi nur vornimmt, auf das Leben unjerer Vogelmelt zu achten, 
wird bald den in rafhem Fluge dahineilenden oder kreiſenden oder 
ftoßenden Raubvogel von anderen unterfcheiden, den Sperber als den 
mit langem Schwanze verjehenen Raubvogel erkennen, zum Unterjchiede 
von dem Freifenden Habicht, dem fchnell dahinschießenden Falfen und 
dem träge auf einem Stumpfe hodenden Bufjfard. Er lernt das Ge- 
räuſch des hämmernden Spechtes vom Fnarrenden Baum unterjcheiden 
und Tann, behutfam nähertretend, denjelben auch wohl einmal bei 
feiner Arbeit belaufen. Er weiß gar bald, daß der Vogel mit dem 
bunten Gefieder, das ſogar während des Fluges auffällt, der Eichel- 
heher ift, der fein Nahen bemerft hat und nun mit lautem Geſchrei 
warnend und höhnend zugleich in den Wald hineinfliegt, und ebenjo- 
bald ift die ſcheue, vorfichtige Elfter an dem raſchen Fluge und dem 
langen Schwanze unterfchieden. Eine andere VBogelwelt als die des 
Waldes und feines Randes zeigt das Moor und die Heide, und wieder 
anders ift die unserer Heden, unferer Seen und Teiche, unferer Küfte. 
Auf diefe Weife wird denn auch das Erfcheinen unferer jeltjamen 
Wintergäfte dem prüfenden Blid nicht entgehen, und ſolche Beobach- 
tungen find ſchlicht und doch wieder fruchtbar; viel reichhaltiger find 
diejelben noch, jobald das Inſektenleben berüdfichtigt wird. Dabei 
wird der Wanderer allerdings öfter Halt machen müfjen, um diefe 
tleine, aber reizvolle Welt genießen zu fünnen. Wenn im Frühjahr 
die erjten Blütenfägchen der Weide fi dem lauen Winde öffnen, dann 
pflegen die goldgelben Blüten von Hummeln und Bienen umſchwärmt 
zu jein, die nach langer Winterruhe den erjten Honig gierig Juchen; 
ein gleiche8 Heer jchwirrt über den duftigen Blüten der Tonnigen 


37 

Bergwieſe und dem herbitlichen, die Heide mit Purpurfchimmer über- 
ziehenden Heidekraut. Im Waſſer fchießen die rafhen Schwimmkäfer 
dahin, über den heißen Sand eilen die ſchlanken Laufkäfer, aus dem 
Mulm einer morfhen Eiche oder Weide fallen die Larven eines Bod- 
käfers heraus. Weit reizvoller aber wird dem Wanderer noch dieſe 
feine Snfeftenwelt, wenn er an einem großen Baume Halt madt und 
fih die Mühe nimmt, das vielgeftaltige Leben daran zu bewundern, 
da3 dem Blide des oberflächlihen Beobadhters ſich ſcheu entzieht. 
Zwiſchen der Borke ſitzen feltfam gefärbte Käferchen, deren Farbe fie 
ſchützend dedte, bier fcheint ein abgeftorbenes Zweiglein mit Nadeln 
zu figen, und e3 entpuppt fich als das Gefpinnft einer Pſychide, von 
der buntgefärbten Flechte wird eine Motte aufgefheucht, die fih durch 
die gleichartige Farbe vollitändig dem Blide entzogen hatte, an den 
Zweigen fteht ftarr, einem abgeftorbenen Zmeige glei, eine Raupe, 
um fih nad einiger Zeit wieder zu bewegen und weiter zu freſſen. 
So lernt der Beobadhter ohne viele Umftände — und vor allem nidt 
aus Büchern — die wichtige Erfcheinung der mimiery fennen und 
lernt an feinem eigenen Leibe, welch trefflihes Schugmittel Farbe und 
Geftalt jein kann, hat fi) damit aber auch Kenntnis und Verſtändnis 
für eine der wichtigen Gefege erworben, dem vielleicht die vielgeftal- 
tige Fauna unjeres Erdballs ihr Dafein verdantt. Dann jhärft fich 
das Auge, und der Verftand wird angeregt; der Beobachter erfährt 
bald, warum der Schmetterling, jobald er fich auf einer Blume nieder- 
gelafjen hat, dem Blide ſich plöglich entzogen hat, er achtet auf die 
Ruheſtellung feiner Flügel, er geht nit an dem Ameifenhaufen vor- 
über, ohne einen Augenblid zu verweilen und zu jehen, wie die fich 
begegnenden Tiere fih mit den Fühlern betaften, wie fie für die Larven 
jorgen, und fo gibt e8 Hunderte von Anregungen, die den denkenden 
Menſchen immer und immer wieder zur Natur und ihrer ftillen, finnigen 
Beachtung binziehen. 

Wer aber jo durch die Natur wandert, dem fchentt fie nicht nur reiche 
Schätze an Wiffen und Erfahrung, fie wird ihm auch in erniter Lebens⸗ 
lage Troft und Ruhe gewähren. Wer jo fröhlih zum Wanderftabe 
greift und mit hellem Auge in die Natur Hineinblidt, dem wird rechte 
Gunft erwiefen, daß er Gottes Wunder Schaue in Flur und Wald, auf 
Heid’ und Feld. 


* 


38 


FESFSTFF FF FT FIT I FITFTTFTT TFT 5555 


Das Weſen und der Dur die Veröffentlichung der Preis— 
Urſprung deutſcher aufgabe: „Wie find die Fefte des deutfchen 
Bollsfeite. aassaan Volkes zeitgemäß zu reformieren und zu 
Bon Oberlehrer K. Dunker, wahren Volksfeſten zu geftalten?” feitens 
Hadersleben“) 445544444. des HZentral-Ausfchufes im Jahre 1894 

bin ich veranlaßt worden, unferen deutſchen 
Volksfeſten meine Aufmerkſamkeit zuzumenden. 

Es war mir ganz flar, daß, wenn die Preisaufgabe in der 
Theorie zwar in dem Augenblide gelöft war, wo einzelnen Bearbei- 
tungen Preiſe zuerfannt wurden, die Worte und Gedanken der vom 
Preisgericht Ausgezeichneten und auch der übrigen Bearbeiter nicht 
bloß Worte und Gedanken bleiben dürften, daß vielmehr wenigftens 
der Verſuch gemacht werden müſſe, diejelben zu verwirklichen. 

Seder wird mit mir darin übereinftimmen, daß, wenn wir refor- 
mieren wollen, wir zunächſt das zu Reformierende in allen Einzelheiten 
fennen zu lernen beftrebt fein müffen. 

Verſchieden in dem Anlaß, verichieden in dem Verlaufe zeigten 
fih die allgemeineren Feite in den Sahrtaufenden und in den Sahr- 
hunderten. Unfere germanifchen Borfahren liebten es, unter feft- 
lihen Beranftaltungen die Ankunft des Frühling zu begrüßen mit 
einem Danfe an die Götter für das, was die Natur gab, und dabei 
die gefamte waffenfähige Mannſchaft zu verfammeln, um die während 
des Winters nicht geübten Fertigkeiten bei Kampfipielen zu erneuern 
und die Kriegszüge des Sommers zu befchließen. 

Auf ſolche Längft verfchwundene Verhältniffe deuteten die alten 
nordiſchen Frühlingsfefte und die Maienfefte hin, die den fiegreichen 
Einzug des Frühlings in die Stadt, den Sieg des belebenden Früh— 
ling® über den ftarren Winter darftellten. Als äußeres Zeichen trug 
man grüne Zweige, ja ganze Bäume in die Stadt und in die Dörfer. 
Auf dem Stadtplage oder dem Berfammlungsorte der Dörfer wurde 
ein Baum aufgepflanzt, um den fih noh Wochen hindurch die Jugend 





*) Vortrag, gehalten auf der Hauptverfammlung des Zentral-Ausfchuffes 
für Volks- und Jugendfpiele in Köln am 5. Juli 1902. Man vergleihe Dunfer, 
„Die hiftorifchen Grundlagen der öffentlichen Fefte in Deutſchland“, Jahrbuch für 
Volks- und Jugendfpiele 1900 ©. 80 ff. 


—— 39 — — 
zu Spiel und Tanz verſammelte. Weil der Frühling als der ſieg— 
reiche gefeiert wurde, erſchienen alle Waffentüchtigen in Waffen, und 
Jahrhunderte lang war die Beteiligung eine allgemeine; vornehm und 
niedrig war in gleichem Maße vertreten. 


Wenn man von Maigrafen und Maifeſten im 16. Jahrhundert 
hört, muß man drei verſchiedene Arten unterſcheiden: bei der feinſten 
Art ſchritt die vornehmſte Vereinigung der Stadt an der Spitze, und 
zum Maigrafen wurde gern der Schulze oder Bürgermeifler gewählt. 


Es gab eine andere Art, wo eine einzelne Handwerkerzunft, 3. B. 
in Kopenhagen und Yarhuus die Schmiedegefellen, in den Vordergrund 
trat und jelbftverftändlich einen aus ihrer Mitte zum Maigrafen wählte 
— und endlid das Maifeft der Schulen, wo ein Schulfnabe Maigraf 
wurde. Die Schulkinder, welche gewohnt waren, kirchliche Feltzlige zu 
veranftalten, mußten natürlich Schließen, daß ihnen die weltlichen 
Aufzüge mit demjelben Nechte zufämen. Der Zug der Schüler hielt 
vor dem Haufe eines jeden wohlhabenden Bürgers an, wo man ftehen 
blieb und fang, bis ein Almofen gereicht wurde. Das ftimmte viel: 
leicht zu den ärmlichen Verhältniffen der Schule, entſprach aber wenig 
dem, was bargeftellt werden follte: der fiegreiche Einzug des Frühlings 
in die Stadt. — Dieſe Maigrafenfefte führten dahin, daß die Felte 
der Erwachſenen abzunehmen begannen und das alte Volfsfeit mit 
raſchem Schritte feinem Untergange entgegenging. 

Da e3 nahe lag, mit dem Einzuge in Waffen eine Waffenprobe 
zu verbinden, jo hatte man verſucht, die Schügenfeite mit den Mai- 
feften zufammenzulegen — in allen Schüßenvereinen legte man im 
Mittelalter ein bejonderes Gewicht darauf, daß das Schießen eine 
wirkliche Waffenübung bildete. Durch ihren inneren Wert hielten ſich 
die Schüßenfefte noch lange, nachdem die Maienfefte bereits ihre Be- 
deutung verloren hatten. 

Es fteht urkundlich feit, daß wohl alle unfere Städte im Norden 
im Mittelalter ihre Schügengejellichaften gehabt haben. Im Jahre 
1616 war der Rat der Stadt Roſtock auf das Bitten der Schützen 
hin mit der Abfaffung einer Ordnung für die Roftoder Büchſenſchützen 
beſchäftigt. Zu dem Zwecke war offenbar dem Roftocder Rat vom Rat 
zu Lübeck eine lübiſche Büchſenſchützenordnung zugefandt worden, die 
im Ratsarhiv zu Roftod fih erhalten hat. Die lübiſche Schüßen- 
gejelihaft übrigens war nicht eine bloße Privatvereinigung, jondern 
ein vom Rat eingerichtetes und angeordnetes ſtädtiſches Inſtitut, das 


40 
die Ausbildung der Wehrkraft der Bürgerfchaft durch die Übung im 
Schießen mit der Büchje bezwedte. 

Den Mittelpunft der mittelalterlihen Volksfeſte in den Städten 
des deutichen Nordens bildete das Schießen mit Armbruft und Bolzen 
nad) dem Papageien, während jpäter in der Form des abzujchießenden 
Vogel! der Adler nadhgeahmt wurde. 

Die Schüßenfefte waren im Mittelalter überall in Deutichland 
jelbitverftändlich ; zu einem ſolchen großen Schießen, das die Reichs: 
ftadt Straßburg im Sommer des Jahres 1576 veranftaltet hatte, wo 
mit Armbruft und Büchfe geftritten und ein Glüdstopf ausgefpielt 
werden follte, waren bereit3 aus den befreundeten Städten am Rhein, 
in Schwaben und in der Schweiz Schügen in Menge eingetroffen, 
um die faft zwei Monate langen Feitlichfeiten mitzubegehen, als fich, 
wie Johann Fiſchart in feinem „Glüdhafft Schiff“ bejungen, in der 
Frühe des 20. Juni noch weitere Armbruſtſchützen aus Zürich auf der 
Limmat einjdifften und abends gegen 9 Uhr in Straßburg landeten, 
um einen Hirjebrei in ehernem Topfe noch warm zur Tafel des An- 
meifter3 zu liefern. Es ſollte damit gezeigt werden, daß fie aus vier 
Tagereifen eine machen und im Notfalle den Freunden Hilfe bringen 
fünnten, ehe noch ein Brei falt werde. 

Die Zahl der bei dem Freifchießen beteiligten Städte war häufig 
recht groß. In Zwickau waren 1573 39 Drte vertreten, in Straß- 
burg 1576 etwa 70 Orte. Gar prächtig waren namentlich die großen 
Feſtſchießen in den durch Handel und Gewerbe fo reichen Nieder: 
landen. 

Außer dem Preisihießen wurden dabei auch Wettjpiele in den 
volfstümlichen Übungen des Laufens, Springen? und Werfens ver- 
anftaltet. Selbſt fürſtliche Perſonen ſcheuten fih nit, an ſolchen 
Wettübungen beteiligt zu fein, z. B. weiß die Chronik von den her— 
vorragenden Xeiftungen des Herzogs Chriftoph von Bayern bei den 
Kampfübungen gelegentlich des großen Stahl: und Armbruftfchießens 
zu Augsburg im Jahre 1470 zu erzählen. | 
Sn der Tat bildeten die Waffenfefte zu einer Zeit des Genufles 
und der Vermwilderung, die bereit3 mit der Mitte des 16. Jahrhunderts 
über Deutjchland hereinzubrechen begann, noch immer eine der hervor: 
ragenditen und erfreulichiten Beluftigungen des deutſchen Bürger2. 
Sie hatten fih um fo freudiger und glänzender erhoben, al3 die alten 
Turniere mit dem Berfallen des Rittertums, mit der durch Erfindung 
des Schießpulver8 umgemwandelten Kriegsfunft und der fteigenden Be- 


41 
deutung des Fußvolks allmählich zu bloßen höfiſchen Prunkfeſten herab⸗ 
gejunfen waren. | 

ALS der Dreißigjährige Krieg mit feinen fchredlichen Verwüftungen 
die deutſchen Lande ausgejogen, die gejelfchaftlihen und wirtſchaft— 
lichen Verhältnifje des Städteweſens zu Grunde gerichtet hatte, waren 
die vollstümlichen Feſte in Deutichland wohl allgemein verſchwunden 
und eritanden bei der fittlihen Verwilderung auch nicht wieder. 

Doc iſt die Erinnerung an jene Zeiten lebendig geblieben. 

Bor allem haben fih in der Schweiz einzelne Bolfsfeite ihren 
vollstümlichen Charakter bewahren können, beſonders das alle zwei 
bis drei Jahre ftattfindende, zulegt 1900 in Bern gefeierte „Eid- 
genöſſiſche Schwing- und Älplerfeft“ ; leider hat der gewaltige Fremden- 
verkehr auch hierin einen verderblichen Einfluß ausgeübt, indem er die 
Bewohner der Schweiz verführte, die Feſte als Einnahmequelle zu 
betrachten, als Gelegenheit, den Fremdenftrom heranzuziehen. Immer⸗ 
bin äußert fich bei diefem Fefte noch das ur- und naturwüchlige Wett- 
Ipiel beim Meſſen der Leibesfräfte im Ringen. An allgemeinen find 
aber die fchweizerifchen Feſte auh ſchon nicht mehr Erhebung3- und 
Auszeihnungsmittel Fraftvoller Männer des Landes, jondern mehr 
und mehr zum feilen Schauspiel des Gaufelei juchenden Fremden 
berabgefunfen. 

Und wenn man heute ihren Schein wieder erneuern will, ohne 
das Volt ſelbſt zu erneuern, jo werden fie dennoch) ihr altes Weſen 
niht mehr an fih haben. Wahre Volksfeſte Tönnen nur der Ausdrud 
allgemeineren Vorhandenſeins echter Volkskraft fein, eines gewiljen 
Volksgeiſtes, Proben joliden Könnens zu fordern und zu geben. Diejer 
Volksgeiſt muß überall wirkſam fein, unter anderem natürlich bei den 
Sonntagsſpielen; um ihn zu erzielen, muß von Jugend auf lebendiges, 
jelbftändiges Kraftgefühl im Kinde geweckt werden, damit diejes Kraft- 
gefühl das Kind zu dem antreibt, was zum SHeile des Baterlandes 
ſpäter von ihm verlangt wird. 

Bon bejonderem Intereſſe iſt das Eisboßeln auf dem gefrorenen 
Boden der Marien Schleswig: Holfteins, deffen Urfprung viele Sahr- 
bunderte zurüdreiht. Zu Anfang der zweiten Hälfte des 19. Jahr— 
bundert3 war das Eisboßeln nur noch ſehr felten; die vordringende 
Kultur drohte den Marfchbauern ihre Eigenart zu nehmen, pen 
Bauern, deren Borfahren mit ihren Freiheitsfämpfen gegen die Holiten 
und Dänen eine viel gepriefene und in Liedern befungene Epijode in 
der bunten Gefhichte unferes deutſchen Vaterlandes lieferten, die 


42 
nicht weniger anziehend ift, al3 die Kämpfe der Schweizer gegen bie 
fremden Bedränger. 

Seitdem im Sahre 1894 ein Verband jchlesmwig-holiteinifcher Ei3- 
boßler gegründet ift, hat diefe Volksübung die Aufmerfjamteit faft 
aller Bewohner unferer Marfchen wieder zu fefjeln vermocht und Feſte, 
wie ehedem, gezeitigt. Gewöhnlich fordern 51 der einen Dorfſchaft 
ebenfoviele der anderen zum Kampfe heraus. Beide Parteien operieren 
nebeneinander, jede mit ihrer Kugel. Wo diefe nah dem Schleuder- 
wurfe zum GStillftand fommt, ſetzt der nächſte in der Reihenfolge mit 
feinem Wurfe wieder an. Die Richtung des Wettſpiels wird von 
vornherein feftgeftellt, meift von einer Drtfchaft zur anderen, über Ge- 
lände jeglicher Art hinweg. Eiligen Laufs fliegt das Ganze über das 
Gefilde, unter Elingendem Spiel, wie eine Völkerwanderung, denn 
alles, wa3 einigermaßen fich bewegen kann, jchließt fih an. Wer am 
Wurf ift, entlehigt fih, jelbft bei ftrengfter Kälte, jeines Rockes und 
feiner Wefte, zieht auch wohl die Stiefel aus, um auf den Strümpfen 
einen möglichſt feiten Standpunkt zu haben. Im Dorfe der gemwin- 
nenden Tartei wird da3 Gelage abgehalten. Meilt einmal im Winter 
ift ein Wettkampf zwifchen den Dorffchaften; allſonntäglich aber kann 
man die Bauernburfchen, die Knechte und die Jungen üben fehen. 
Beim Kampf gilt jeder gleih, ob Bauer oder Kredit. 

In dem Heimtragen grüner Zweige und dem Ausfhmüden der 
Häuser, Wohnungen und Gefährte zu Pfingften haben wir ficher ein 
Erinnerungszeihen an die alten Maifeſte. Zwar liegt es unter allen 
Umständen nahe, von den erften grünen Zweigen, die uns in der Natur 
entgegentreten, einige heimzutragen, ſodaß man Zweifel hegen Fönnte, 
ob das mit früheren Zeiten zu tun hat. Beachtenswert iſt aber, daß 
man fih manden Drt3 am erjten Pfingittage vor Sonnenaufgang in 
einen nahen Wald zu begeben pflegt, eine Gewohnheit, die auf ver- 
gangene Zeiten hindeutet. Zudem gibt es in einzelnen Teilen Deutjdj- 
lands noch heute regelmäßige Maifefte für die Jugend; bejonders in 
Württemberg. In einem Buche über Volfsfeite aus dem Jahre 1839 
ift erwähnt, daß jede Stadt in Württemberg eine Fleine Stiftung für 
das jährliche „Maien-Kinderfeſt“ habe. In diefem Lande ift man 
feit einigen Jahren an manden Orten darauf bedacht, die Mai- 
finderfefte mit turnerifchen Übungen und Spielen zu verbinden; ich 
nenne befonder3 Reutlingen, Hall, Kirchheim, Geislingen. Das regel- 
mäßige Kinderfeft wird in Geislingen nicht als Mai-, fondern als 
Kirchweihfeſt bezeichnet und 1679 als Sahr feiner Entjtehung an- 


43 


gegeben. Sch vermute, daß die Maifefte hie und da mit den fpäteren 
Kirchweihfeiten zujammengelegt find, und daß die eine Bezeichnung ge- 
legentlich durch die andere verdrängt, gelegentlich für die andere ge- 
braucht worden ift. Dafür ſpricht, daß in gemiffen Gegenden Süb- 
deutſchlands in jedem Dorfe ein zweiglofer Baum errichtet ift, der 
jährlich zum Kirchweihfeit an der Spite mit grünen Zweigen geziert 
wird. — Ein anderes Buch über Volksfeſte berichtet von alten Mai- 
brunnenfeften, die im Oberbergifchen, obwohl von Jahr zu Jahr mehr 
in Abnahme geraten, mit ihren Liedern noch in Erinnerung geblieben 
find. Es werden an einem Maiabend die Trinfquellen gereinigt, 
Lämpchen und Kerzen dabei angezündet und an die naheftehenden 
Bäume befeftigt. Perjönlich berichtet ift mir über das Brunnenfeft 
im Heimbachtale bei Meifenheim am Glan, das feit 1835 beftehen 
fol. Diejes Felt ift verſuchsweiſe jeit einigen Jahren ftatt der Volks— 
beluftigungen mit Turnſpielen verbunden worden. 

Auch die jegigen Schügenfefte erinnern uns an die mittelalter- 
lien Zeiten. Ein vor etwa 20 Jahren in einem Fleinen Orte Medlen- 
burgs miterlebtes Schüßenfeft habe ih in angenehmfter Erinnerung. 
Die Schießübungen wurden mit größtem Eifer betrieben, und reich 
und arm beteiligte ſich mit gleichem Intereſſe am Feſte. In der 
Gegend von Lüneburg deuten die Königsfcheiben, die man von ber 
Bahn aus an den Häufern der Bauern beobadjtet, darauf hin, daß 
dort auch jet noch das Schügenfeit eine bedeutungsvolle Rolle im 
ländlichen Volksleben Spielt. Bon den deutfchen Bundesſchießen habe 
ich bejonders da3 in Mainz im Jahre 1894 beachtet, das einen jehr 
günftigen Verlauf hatte und einen Überfhuß von 50000 ME. brachte. 

Es iſt mir nicht zweifelhaft, daß das Schießen ſowohl mit der 
Armbruft wie auh ganz beſonders mit der Büchfe, wenn fi das 
deutfche Volksleben vom 17. bi3 zum Beginn des 19. Jahrhunderts 
vielleicht auch nicht zu bemerkenswerten Volfsfeften hat erheben können, 
während diejes Zeitraumes bis zu einem gewiſſen Grade Volksſitte 
geblieben ift. Beſonders hervorzuheben ift dabei, daß bei zwei der 
bauptjähhlicäiten im 19. Jahrhundert eingerichteten Volksfeſte, dem 
Lübecker Bolfsfeft und dem Münchener Dftoberfeft, das Schießen als— 
bald einen Hauptteil desſelben bildete. 

Bevor ich dazu übergehe, eine Überſicht über die Entwidelung 
der Volksfeſte im 19. Jahrhundert zu geben, will ich eine Reihe der 
bekannteſten Feſte mitteilen, deren Urſprung in frühere Jahrhunderte 
zurückreicht, und die ſich bis auf den heutigen Tag erhalten haben. 


— 


Dieſe alten Feſte ſind, wie die Kirchweihſeſte, durch zuviel ſtörendes, 
an Jahrmarktstrubel erinnerndes Beiwerk oder durch übertriebene 
materielle Genüſſe, die ſie mit ſich führen, entartet. 

Ich nenne das als Dresdner Vogelwieſe bezeichnete, ſeit der 
Mitte des 15. Jahrhunderts beſtehende Vogelſchießen in Sachſens 
Hauptſtadt; 

2. den bei jedem Berliner bekannten Stralauer Fiſchzug in Berlins 
Vorſtadt dieſes Namens; 

3. den Torgauer Auszug, der alle zwei Jahre ftattfindet und nad) 
einer alten Überlieferung die Tapferkeit der Torgauer Bürger ver: 
ewigen fol, mit welcher fie 1542 die Stadt Wurzen eroberten. 

4. In Landsberg am Lech feiert man, allerdings nur alle zehn 
Sahre, das Nitterfeit zur Erinnerung an den Abzug der Schweden. 

5. Donaueſchingen hat jein Gregord:, Stralfund fein Wallen: 
fteingfeit. 

6. In Langfuhr bei Danzig hat eine Frühlingsfeier ſeit alters 
den Charakter eines VBolksfeites bewahrt, wobei die Stadt den Be- 
mwohnern das Felt gibt. 

7. Auch die Stadt Kyrig in der Priegnig trägt jährlich die Koften 
für ihr Baſſewitzfeſt, deifen Stiftung bis 1381 zurüdgehen fol, da 
der medlenburgifche Ritter von Baſſewitz die Stadt hart bedrängte, 
aber plöglih von der Belagerung ablafjen mußte. 

8. Das Huffitenfirfchenfeft in Naumburg erinnert angeblih an 
den Abzug der Huſſiten von diefer Stadt nach der Belagerung durch 
Prokop im Jahre 1432. Es fteht aber gejchichtlich feit, daß Prokop 
mit feiner Schar nit vor Naumburg gelagert hat. Die Sage von 
den Huſſiten vor Naumburg ift Ende des 18. Jahrhunderts durch eine 
fein ausgearbeitete Lügengejchichte verbreitet worden. Es wird in 
der Woche nach Safobi feit den älteiten Zeiten Montag und Dienstag 
von den Knaben, Donnerstag und Freitag von den Mädchen das 
Kirichfeft gefeiert, welches im Volksmunde allgemein Huffitenfeft ge- 
nannt wird, das wohl zuerjt ein Fontaneum oder Waldfeft für die 
Schulen gemwejen iſt, woran in feiner Entwidelung fi Die ganze 
Stadt beteiligt und auf der fogenannten Vogelwieſe die Nachmittage 
mit den Kindern in den Zelten lebt und bei Kaffee, Kuchen, Abend- 
eſſen vergnügt ift. An dem Auszuge beteiligt fich aber nur die Volks— 
ſchule. Die Knaben fowohl wie die Mädchen führen auf der Vogel⸗ 
wiefe reigenartige Übungen unter WMufitbegleitung auf. Sodann 
[hießen die Knaben mit der Armbruft nad einem Vogel und bie 


45 


Mädchen mit dem Stechvogel nah einem Stern. Das Gymnafium 
und die Realſchule haben, jede Anftalt für ih, am Sedantage ein 
Waldfeſt. Auf einem freien Plage im Walde werden dabei Reigen 
nah Mufif aufgeführt, und dann wird an Geräten geturnt. Die 
beften Turner erhalten Preiſe. | 

Sb bin aus verfchiedenen Gründen auf diefe Verhältniffe in 
Naumburg näher eingegangen: zum Teil, um zu zeigen, wie unzuver- 
läffig Überlieferungen find, zum Teil weil die Sitte, öffentliche Feſte 
mit turnerifchen Übungen zu verbinden, in Naumburg zur langjährigen 
Gewohnheit geworben ift. 

Neben der Turnkunſt find natürlich die übrigen Künfte gleichfalls 
geeignet und haben daher gleichfall3 Berechtigung, einen Kern der 
Volksfeſte zu bilden. Bor allem nenne ich den Gefang, dazu die dar- 
ftellende Kunft, befonders in Geftalt von Aufzügen. Gute Reden ge- 
bören unter allen Umſtänden zur Feier edler Volksfeſte. Auch in- 
duftrielle, landwirtfchaftliche und andere Ausstellungen gelegentlich eines 
Volksfeſtes können fegensreich auf den Geift des Volfes einwirken. 

„Die weiſeſten Völkerſchöpfer“, jagt Jahn, „ſetzten in ihren An- 
ordnungen Feſte ein.” Der römiiche Staatsmann Seneca hat einen 
Sat gefchrieben, der in der Überjegung folgendermaßen lautet: 

„Die Gejeggeber haben Feittage eingeführt, um die Menjchen von 
Staat3 wegen zur Fröhlichfeit zu zwingen als zu einer notwendigen 
Unterbredung der Arbeit.“ 

Wenn auch die Fröhlichkeit des Volkes bei den öffentlichen Feten 
in allen Sahrhunderten im allgemeinen alg eine ungezwungene, vom 
Willen des Landesfürften unabhängige bezeichnet werben muß, jo liegt 
indireft für alle Zeiten doch Wahrheit in den obigen Worten Senecag, 
indem gewiſſe Feſte von oben eingejegt und unterftüßt find — und 
oft wird in Berichten über Öffentliche Fefte hervorgehoben, daß dieſe 
von fürftlichen Perfonen mit unverfennbarem Snterefje befucht find. 

Die drei größten und am weiteſten befannten, ſich jährlich wieder: 
bolenden lokalen Volfsfefte des 19. Jahrhunderts, von Sedanfelten 
abgeſehen, find in Deutschland wohl das Dftoberfeft auf der Therefien- 
wiefe bei München, das 1810 gelegentlich der Vermählung Ludwigs I. 
von Bayern mit der Prinzefiin Therefe von Sachſen-Hildburghauſen 
eingerichtet wurde; das Kanftatter Volksfeſt vor Stuttgart3 Tore, 
das noch jett am 28. September, dem Tage nad) dem Geburtstage 
des Stifters, des 1864 geftorbenen Königs Wilhelm I. von Württem- 
berg, gefeiert wird — und das Lübecker Volksfeſt. 


46 


Alle drei find von oben veranlaßt worden. 

Das Lübeder ift zugleih ein Schügenfeft und wurde 1848 vom 
Lübecker Senat als Erinnerungsfeier einer Ausföhnung eingefeßt, al? 
e3, nachdem die Unruhen damals auch nad Lübeck gedrungen, alsbald 
gelungen war, das Volk zu befänftigen und von einer Revolution ab- 
zufehren *). 

An Bedeutung übertreffen e3 das Münchener und das Stutt- 
garter Feſt. Erſteres ift zunächſt als eine allgemeine landwirtichaft- 
lihe Landesausftellung gegründet und hat feinen Charakter als jolche 
bewahrt. Bald wurde es aud) zu einem allgemeinen Schüßenfelt für 
alle Gaue Bayerns. Wer die Nachrichten der Tageblätter nach dieſer 
Richtung mit Aufmerkiamfeit verfolgt, wird in ihnen jährlid etwas 
über das Dftoberfeft auf der Therefienwiefe in München mitgeteilt 
finden. Auf Anregung der Stadtvertretung ift auch der Münchener 
Turngau mit Wettübungen und Vorführungen jeit 1895 beim Feſte 
vertreten. Der Gedanke, das Turnen mit in das Dftoberfeftprogramm 
aufzunehmen, wurde in Münden gleich als ein fehr glüdlicher be- 
zeichnet; und in der Tat hat er fich jeßt ſechs Jahre lang ausgezeichnet 
bewährt. Im Jahre 1901 marjdierten die Turnvereine des Turn- 
gaues München mit elf Fahnen und drei Muſikkorps im feitlichen 
Zuge auf die Therefienwiefe und dort beim Königszelte vorbei, in dem 
fih der Bürgermeifter, einige Magiftratsräte, andere Mitglieder der 
beiden ſtädtiſchen Kollegien und fonftige geladene Gäſte eingefunden 
hatten. Dichte Zufchauerreihen befundeten am deutlichiten das hohe 
Intereſſe, daS jeitens der Münchener auch dieſer Oftoberfeitveranital- 
tung entgegengebraht wird. Mit einem fräftigen „Gut Heil“ auf 
die Stadt Münden war diefer Teil des Programmes erledigt. Die 
Zuſchauermaſſen drängten fi alsdann über den Feſtplatz. In der 
Ochfenbraterei vollzog fi ein AJubiläumsaft. Es war gelegentlich 
des VII. deutſchen Bundesfchießens im Jahre 1881, daß zum eriten- 
mal der glänzend gelungene Verſuch gemacht wurde, einen ganzen 
Ochjen zu braten. Seitdem ift die Ochjenbraterei eine Dftoberfeft- 
nummer, ja eine Spezialität des Feſtes geworden, die der Münchener 
nicht mehr miffen möchte. 

Sm Jahre 1901 war das Oktoberfeſt zugleich ein hijtorifch-baye- 
riſches Volkstrachtenfeſt, um es über die Volksfeſte anderer Städte 
mit ihrem ewig gleichen Trubel und Klimbim zu erheben. Den An- 


*) Bol. Zahrbud für Volks- und Jugendſpiele 1900 ©. 93. 


47 


laß hatten die in Oberbayern zum Zmwede der Erhaltung und Wieder- 
einführung der Volkstracht gegründeten Vereine gegeben; 125 baye- 
riſche Ortſchaften hatten ihre Vertreter gejandt, teild in den heute 
üblichen Trachten, teils in foldden, die jchon veraltet und verſchwunden 
find. Mehrfah waren Gruppen gebildet, wie ländlihe Brautzüge 
und verschiedene Kompagnien von Gebirgsſchützen. 

Einen überaus luftigen Scherz im großen Stil haben im Sabre 
1900 Lenbach und eine Anzahl anderer Münchener Künſtler auf der 
Oktoberwieſe geboten, indem fie dort in einem bejonders für ihre 
Zwecke errichteten Gebäude eine parodiftifde Dftoberaugftellung er- 
richteten und mit ausgelaffenem Humor und viel fünftleriichem Können 
auf die Schwächen, Übertreibungen und Ausschreitungen der Münchener 
und anderer Künftler anfpielten. 

Ich Tann das Münchener Oftoberfeft wohl al3 eine der groß- 
artigiten ber bereit3 hiftorifch gewordenen Feftveranftaltungen bezeichnen. 

Das Stuttgarter Felt ift ebenfall3 ein landwirtfchaftliches, feit 
Sahrzehnten ſchon befonders befannt auch durch feine Pferderennen; 
auch dort hat man verfuht, Leibesübungen gelegentlich desfelben zu 
veranftalten. Sie waren 1899 zuerſt mit im Feitprogramm und 
wurden 1900 wiederholt. Die Aufnahme diefer Übungen ſeitens des 
Publifums war eine fehr gute. Im Jahre 1901 geftattete die An- 
ordnung des Feſtes nicht die Verbindung von turnerifchen Übungen 
mit demjelben; in Bezug auf eine ſolche für 1902 ſchweben Berhanp- 
lungen. 

Sch verfenne durchaus nicht, daß e3 vielen Vereinen unter Um- 
ftänden läftig it, in da3 Programm ihrer Tätigfeit während des 
Sahres noch die Belebung der bereit3 vorhandenen Volksfeſte durch 
turnerifche Übungen einzuftellen, daß anderſeits es für die Feftleitung 
unbequem fein fann, das durch die Jahre feitgelegte Feitprogramm 
dadurch zu ändern, daß auch turnerifche Übungen gewünfcht werben, 
und ſchließlich, daß unter Umftänden die Verhältniffe für den Betrieb 
der Leibesübungen günftig genug liegen, um auf die Hebung ihrer 
Gunft beim Bolfe dadurch, daß fie mit den Feiten desjelben verbunden 
werden, lieber zu verzichten. Im allgemeinen werden die Übungen, 
welche zur Veredelung unferer Volksfeſte mit diefen verbunden find, 
Dadurch umgekehrt felbft eine wejentliche Stüge im Leben und Treiben 
des deutichen Volkes erhalten. 

Unrichtige, ſchwelgeriſche und verſchwenderiſche Feſte leiſten dem 
ſittlichen Verfall Vorſchub, während wahre, gehaltvolle und doch 


48 


ſchlichte Volkzfefte die Sitten rein erhalten und fräftigen und das ge-— 
felfchaftliche Leben zu veredeln im ftande find, wie wir es fordern. 

Diefem Wunjche entſprechen nur wenige Feſte. Als ſehr menig 
unterftügungswürdig erjcheinen mir unfere heutigen SJahrmärfte, wie 
ich fie in den Städten Norddeutſchlands Tenne, die früher, als man 
noch folide Ware feilzubieten pflegte, als Begleiterfcheinung der Volfs- 
fefte gewiß ihre Bedeutung gehabt haben. E38 fcheint, als ob diefelben 
heute von vielen nicht nach dem richtigen Maße gemeffen werden, jonft 
fönnten fie bei ihrem jegigen Weſen faum weiterblühen. Wie tragen 
die verfchiedenen Schau- und anderen Buden zur fittlichen Hebung des 
Volkes bei? Und das an fich vielleicht harmlofe Karufjelfahren hat 
auch fiherlich längft nicht den Wert der ritterlichen Turniere, deren 
Eäglichen Überreft es bildet. Diefer Jahrmarftztrubel bildete in ge: 
ringerem Umfange ſchon ein Beiwerk der mittelalterlihen Schüßenfeite 
nad dem Aufblühen der Städte. 

Bei dem Mangel an idealem Gehalt, den man unferen heutigen 
Volksfeſten oft nachſagen muß, kann e3 nicht verwundern, daß wieder- 
holt die Frage erhoben ift, wie die Öffentlichen Feſte des beutfchen 
Volkes zeitgemäß reformiert und zu wahren Volksfeſten geftaltet 
werden könnten. Wie von jeher die Schüßenverbände, find in der 
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch die Sanges-, Turn- und 
andere Verbände bejtrebt gewejen, wahre Volksfeſte zu veranftalten, 
wobei der ideale Gehalt dem jemeiligen Zwecke diefer Verbände ent- 
ſpricht. 

Nachdem ſeit der Ermordung Kotzebues durch Sand am 23. März 
1819 die Turnplätze jahrzehntelang geſchloſſen, Jahn als „Erfinder 
der höchſt gefährlichen Lehre von der deutſchen Einheit“ jahrelang der 
Freiheit beraubt geweſen war, zu einer Zeits mo das Turnen noch als 
politiſch gefährlich galt, hat fich Herzog Ernft von Koburg-Gotha im 
Jahre 1860, als er im hochherzigen und echt nationalen Sinne den 
Turnern feine Reſidenz Koburg al3 damals einzig möglidde Stätte 
für das erſte vaterländifche deutfche Turn- und Volksfeſt bot, ein 
Denkmal für alle Zeiten gejeßt. In diefem Feſte hat die deutſche 
Turnerfhaft ihren Urfprung. Am 8. Juli 1861 eröffnete Herzog 
Ernft zu Gotha durch eine perfönliche Anſprache den „erjten deutjchen 
Schützentag“ — felbft einer der beften Schügen unter den damaligen 
deutfchen Fürften. „Das Hauptziel," jagte er, „jei Wahrung der 
Ehre und Schuß des großen deutjchen Vaterlandes,“ und meiter: 
„Nah Einigung drängen die Mafjen! Und fo Scharten fich auf den 


49 


erjten Ruf die deutfhen Schügen aus allen Gauen und die Turner 
der engeren Heimat um ihre Fahnen.“ Die Namen der vier Ehren- 
jcheiben waren Schleswig-Holftein, Deutſchland, Herzog Ernft, Thü- 
ringen. 

Kaum war im Juli 1861 der Jubel diefes Schügenfeites verhallt, 
jo begann der eines neuen Feftes in Deutfchland, in Nürnberg. Das 
Jahr war ungewöhnlich feitreich, ein inneres Bedürfnis ſchien die Ge- 
müter anzutreiben, fih in gemeinfamen Gefühlen und Freuden zu 
vereinigen. In Gotha hatte man fi zufammengefunden zur Aus- 
übung einer echt männlichen Fertigkeit; in Nürnberg galt es, fi 
in einer echt deutſchen Kunft, in der des Geſanges, zu bewähren. 

Seitdem haben die einzelnen Verbände ihre Feſte weiter gepflegt 
und dieſelben durch kleinere Feite in Vereinen, Gauen und Kreifen 
vorbereitet. Ich möchte das in Deutſchland ſich fteigernde Intereſſe 
an der Beranftaltung öffentlicher Volksfeſte als ein Zeichen nicht nur 
de8 wachſenden Nationalbemußtfeins, fjondern auch des wachjenden 
nationalen Wohlitandes auffaffen. Um jo wichtiger ift e8, auf den 
Kern aller Feſte ernſt bedacht zu fein, vornehmlich aber darauf, daß 
die verschiedenen Arten von Leibesübungen, die unfer deutſches Volk 
gefund und elaſtiſch erhalten follen, einen wejentliden Teil unferer 
Volksfeſte bilden. 

Erfreulichermeife gibt e3 eine ftattlihe Reihe von Städten — ih 
muß e3 mir verjagen, bier mein Verzeichnis folder Städte zu ver- 
lefen —, in denen in Schulen und Vereinen oder gar unter Veran- 
ftaltung echter Volksfefte der Sedantag mit Übungen des Leibes ver- 
Ihiedener Art gefeiert wird. Das fchönfte Beispiel hat in diefer Be- 
ziehung die Stadt Braunschweig gegeben, wo die verfchiedenen Lehr- 
anftalten mit ihrem eigenen Trommler- und Pfeiferkorps auf den Feit- 
plag gerüdt kommen und fih in volfstümlihen Wettübungen und 
Spielen untereinander mefjen. Früher jtiftete der Herzog, jeßt der 
Prinzregent, für den erften Sieger eine goldene Uhr; andere Preife 
beftehen in filbernen Trinkbechern. Stadt und Bürger bringen feit 
nunmehr reihlid 30 Jahren in opferwilligfter Weiſe die hohen Kojten 
des Feſtes auf, das im wahren Sinne ein allgemeines Volksfeſt ift. 

Bevor ih am Schluß dazu übergehe, die jüngft eingerichteten 
Seftfpiele zu würdigen, von denen wir bei der gegenwärtigen Tagung 
des Zentral-Ausfchuffes die diesjährigen Kölner mitzuerleben die Freude 
haben, möchte ich noch zweier anderer deutſchen Volksfeſte gedenken, 


des Knivsbergfeftes in meiner jeigen Heimat, in eye und 
Volks⸗ und Jugendſpiele. XII. 


50 —⸗— 


des Konſtanzer Volksfeſtes in der entgegengeſetzten äußerſten Ecke des — — ö—ñN⸗⸗ 


Deutſchen Reiches. 

Das Knivsbergfeſt hat für mich perſönlich noch inſofern eine 
beſondere Bedeutung, als ich mich, mit Freunden zuſammen, nach Kräften 
bemüht habe, mit demſelben turneriſche Übungen zu verbinden. Dabei 
folgte ich meinem zu Anfang erwähnten Wunſche, mitzuarbeiten an der 
Verwirklichung des Gedankens, die Volksfeſte zeitgemäß zu reformieren 
und zu wahren Volksfeſten zu geitalten. Das deutſche Felt in der 
ſchleswigſchen Nordmark ift zum erftenmal im Jahre 1895 gefeiert. 
Die Einrichtung des Feſtes ift dem Bedürfnis der bei ung unter einer 
Majorität dänischer Bevölkerung lebenden Deutſchen entfprungen, fi) 
jährlih einmal zufammenzufcharen nach dem Beiſpiel der Dänen, die 
Thon feit einer großen Reihe von Sahren 4 km oberhalb unjerer 
Grenze auf Sfamling die Hauptvertreter der dänischen Politik in 
Nordſchleswig von hier und aus allen Teilen de3 däniſchen König- 
reichs jährlich verfammeln. Selbftverftändlich wird man in der poli- 
tiſchen Seite ftet3 die Hauptbedeutung dieſes Feſtes erbliden müflen, 
wenn e3 auch feit 1896 mit turnerifchen Vorführungen verbunden ift. 
Seitdem haben wir eine herrliche Fläche von etwa 7500 qm unmittel- 
bar am Fuße des jetzt auf der Spitze ded Berges emporragenden 
Bismarckdenkmals geebnet und jährlich von nah und fern Turner und 
Spieler zum Felte in einer Zahl vereinigt, daß in den legten Sahren 
regelmäßig nicht unter vier Stunden geturnt und gefpielt worden ift. 
Das kraftvolle Denkmal, das auf jeden Beichauer überwältigend wirft, 





ift 1901 eingeweiht worden. Der Bau bat über 160000 ME. ge- >: 
— a 
foftet und ift nicht nur eine Zierde für unfere Norbmarf, fondern 2 Go 


feinem Wejen und feiner Größe nach zugleih für unſer Baterland; 
er fann ſich durchaus mit dem Niederwald-, dem Kyffhäufer- und 
unjeren größten Kaiſer Wilhelm: Denfmälern meſſen. Der Kanzler, 
der die Erde dort und das Meer dort deutſch gemacht, ſchaut im 
Standbilde auf Düppel und Alfen, die Schaupläge jener beiden Siege, 
melde die Grundlage bildeten zu dem, was der große Meifter felbft 
als jein beſtes Werk bezeichnet hat, die Grundlage zu der Befreiung 
Scleswig-Holfteind vom fremden Joh, zu der Wiedervereinigung 
unjerer heißgeliebten Heimat unter der Hohenzollern Krone „up ewig 
ungedeelt” mit einem einigen großen beutjchen Vaterland. 

Es ift gewiß ſchwer zu jagen, in welchem Umfange ein Ab- 
Ichleifen von Standesvorurteilen dadurch erreicht werden würde, daß 
in ausgedehnterem Maße die verfchiedenen Volksſchichten bei den feit- 





Sl 


lichen Reranftaltungen fich beteiligten. Doch darf ich nicht unter- 
lafjen, hervorzuheben, daß mir in den legten Sahren aufgefallen ift, 
wie jehr die Wertfhägung der Wettipiele und der Idee, durch fie 
einem höheren Zwede zu dienen, gewiſſe Unterfchiede hat zurüdtreten 
laffen, 3. B. in Bezug auf das Alter der Spieler und die Art der 
Anstalten und Vereine. Hier in Köln hat, foweit ich orientiert bin, 
die gemeinjame dee des Karnevals Erfcheinungen der Standesverbrübe- 
rung gezeitigt, die in vielen Gegenden ganz unverjtändlich ift, die und 
an der Landesgrenze dadurch verftändlich wird, daß ung die nationale 
dee allgemein vereinigt, bejonders bei den Wahlen, nit nur an der 
Urne, jondern auch abends hinter dem Bierfaffe. 


Der Schwerpunft liegt dabei in der erniten, vorbereitenden Arbeit, 
die einen großen Teil des Jahres in Anfpruch nehmen fann, und in 
den gemeinjamen Sigungen für die Beratungen, an denen die ver- 
Ihiedenen Kreife teilnehmen, bei denen 3. B. hier in Köln vor dem 
Karneval alle Kreife der Bevölkerung, von den höchſten big zu den 
niedrigften Ständen, vertreten find, und bei denen troßdem ein er- 
quidender, unerfchöpflider Humor über alles öffentlihe Leben zu 
Tage tritt. 


Sn Konſtanz wird ſeit 1896 zur Nachfeier des Geburtstages St. 
Königl. Hoheit des Großherzogs jedesmal am folgenden Sonntag ein 
als Volksfeſt bezeichnetes Turn- und Spielfeft veranftaltet. Der Rat 
der Stadt hat jebt beſchloſſen, daß das Volksfeſt eine bleibende Ein- 
richtung fein foll. 

Ein geeigneter Pla in der Stadt ift dazu hergerichtet, ein huf- 
eifenförmiges Podium für 4000 Zufchauer ift beſchafft, deögleichen 
Tribünen für Feltausfhuß und Muſik. — Im Sahre 1900 wurde 
zur Jahrhundertfeier eine Veranftaltung anderer Art getroffen, ein 
Sugendfeit nach der Art wie in St. Gallen, bei dem fämtliche Schüler 
aller Schulen und Anftalten auf ein Wiefenftüd vor der Stadt hin- 
aus geführt, zum Spielen angeleitet und bewirtet wurden. Auf einem 
größeren Podium in der Mitte wurden turnerijche Übungen und Ge- 
länge von ven Schulen vorgeführt. Dieſes Jugendfeft ſoll alle fünf 
Jahre wiederholt werden. Es vereinigt alle Schulen, während beim 
Volksfeſt nur einzelne wenige, nur die Beten in Leibesübungen tätig- 
jein können. Es hat den Zwed, allen eine Freude zu maden, fie 
durch liebe Jugenderinnerungen an die Vaterftadt zu feffeln. In den 
Jahren, in denen ein Jugendfeſt ftattfindet, fällt das Volfsfeft aus. 

ar 


92 


Auch in diefem Jahre wird es ausfallen wegen größerer Feſtlichkeiten 
zum 50jährigen Regierungsjubiläum des Großherzog8. 

Die von den Turnern feit den legten Jahrzehnten jetzt fait in 
allen Kreifen veranftalteten Bergfeſte haben ihre Wurzel in dem von 
Ernft Morig Arndt veranlaßten Feldbergfeite im Taunus am 18. Dftober 
1814, um den Jahrestag der Schlacht bei Leipzig mit weithin leuch- 
tenden SFreudenfeiern als Volksfeſt zu begehen. Jetzt pflegen volfz- 
tümlihe Wettübungen und jüngft auch Spiele den Hauptteil der 
turnerifchen Bergfeſte zu bilden. 


Mit der Erridtung der Bismardfäulen jegt wird auch die alte 
Sitte der Bergfeuer überall wieder erftehen und bier und da fih zu 
Volksfeſten entwideln. Herrlich wäre es, fünnte auch ein von anderer 
Seite ausgefprochener Gedanke, bei jeder Bismardfäule einen Spiel- 
plag zu ebnen, verwirklicht werden! *) 

Die Spielfefte auf den Bergen haben ſolche in der Ebene, auf 
dem Spielplage, nad) fich gezogen, teild, wie ſchon ausgeſprochen, zur 
würdigen Begehung des Sedantages oder des Sonntages nad) Seban, 
teil3 zu anderer Beit, teild von Schulen und einzelnen Vereinen, teils 
als größere Veranftaltungen, die mehr und mehr zu Volksfeſten aus- 
wachen. Einige der größten diefer Art find feit 1899 unter der Be- 
zeichnung Baterländifcher Feitfpiele befannt. Sie wurden 1899 zuerft 
und dann regelmäßig in Dresden und bier in Köln veranjtaltet, 1901 
auh in Münden-Gladbad. Das Charakteriſtiſche derjelben Liegt 
darin, daß fich nicht nur Vereine ganz begrenzter Richtung, 3. B. nur 
Turn- und Spielvereine, am Feſte zu beteiligen pflegen, jondern 
Vereine mit den verjchiedenften Tendenzen, in Köln reichlich 100; und 
auch nicht nur, um einen glänzenden Auszug zu veranftalten, wie dag 
auch bei anderen Bolköfeften;, 3. B. beim Lübeder, der Fall iſt, jon- 
dern auch mit Borführungen nebeneinander tätig zu fein. — Man 
kann fich wohl faum ein geeigneteres Mittel denken, der Bevölkerung 
in ganzem Umfange ein Bild des Vereinslebend in der Stadt zu ent- 
falten. 


Ich Halte diefe Volksfeſte für durchaus berechtigt und wert, die 
größte Unterftügung zu finden. — Dabei ift noch hervorzuheben, daß, 


*) Der Bismardbund an der Porta Westfalica beabfichtigt, feine alljährliche 
Bismarckgedenkfeier an der dortigen Bismardfäule zu einem deutſchen Volfätage 
für den dortigen Gau auszugeftalten, wofür die Feier des Braunfchweiger Sedan- 
feftes und des Knivsbergfeſtes vorbildlich fein fol. 


53 


da die verſchiedenen Richtungen der Vereinstätigkeit ſich ſo ſehr leicht 
mit ſcheelen Blicken betrachten, die jüngſt eingerichteten gemeinſamen 
Feſtſpiele von einer gewiſſen Neidloſigkeit und von Selbſtbeherrſchung 
Zeugnis ablegen. 

So ergibt ſich, daß in den verſchiedenſten Teilen unſeres lieben 
deutſchen Vaterlandes, in Süd und Nord, in Weſt und zum Teil auch 
im Oſten, ein Streben vorhanden iſt, bei feſtlichen Gelegenheiten auch 
Proben von Jugendkraft und Gewandtheit bei gemeinſamen Spielen 
zu fordern, und daß eine gewiſſe Grundlage, die Feſte nach dieſer 
Richtung zu veredeln, bereits geſchaffen iſt. 

Ich glaube, wir dürfen nun in dieſer Stunde die Bitte an die 
Stadt Köln zu richten nicht unterlaſſen, die jüngſt eingerichteten Feſt⸗ 
ſpiele zu pflegen und zur Durchführung derſelben keine Ausgaben zu 
ſcheuen. 

Wie einſt Äneas Sylvius in voller Bewunderung des deutſchen 
Städteweſens, des Wohlſtandes, der Wehrhaftigkeit und der Bürger- 
tugenden in deutſchen Städten uns ein glänzendes Bild aud von 
diefer Stadt, in der wir uns jeßt verſammelt haben, entworfen hat: 
Über Kölns Pracht an Kirchen und Bürgerhäufern, fo äußerte er ſich, 
über Kölns Reichtum und feine Kriegstüchtigfeit gehe nicht? in Europa 
— fo bieten auch heute wieder unfere deutfchen Städte, und nit 
zum geringften Köln und die übrigen rheinifchen, ein Bild der Pracht 
und des Reihtums, jodaß wohl die Mittel zur Durdhführung von 
Feſtſpielen fich finden laſſen werden. 

Die vornehmften Vertreter des deutſchen Volkes find gerade gut 
genug, die friſchen Spiele der deutfchen Jugend in den rechten Bahnen 
zu erhalten, damit auch jetzt das Wort des echt deutſchen Dichters, 
unferes Walther von der Vogelweide, Geltung babe, daß deutjche 
Zucht die befte jei und der deutfhe Mann der befte!! 


3355353595553 53335 1 3555535553955 5 


— Rad ſport und Wie die Erziehung der Jugend zur 
Wehrtüchtigleit. ⸗ Wehrhaftigkeit das Grundprinzip der antiken 
Von Eduard Bertz, Pots- Gymnaſtik war, ſo muß ſie auch in jedem 
dam. modernen Staatsweſen mit allgemeiner 


94 


Wehrpflicht als notwendige Ergänzung der leßteren betrachtet werden; 
denn fie allein verbürgt, daß dem Staate Männer, welche ihre 
MWehrpfliht wirflih ausüben können, in Hinreichender Zahl er- 
wadhfen. Wenn es fi darum handelte, Kinder zu Soldaten zu drillen, 
fo würden ſchwerwiegende pädagogische Bedenken gegen die Beitrebungen 
des Wehrausſchuſſes geltend gemacht werden können. Aber diefer 
ſucht nur zu erreichen, wa8 vordem ſchon Männer wie Arndt, Fichte, 
Gneifenau und Gut3 Muths im Auge hatten; weit entfernt, mit alt- 
bewährten Erziehungsgrundfägen zu breden, will er nicht? als das 
theoretifch längit Anerfannte in die Praxis umfegen. Gegen unpäda- 
gogifche Übertreibungen hat bereit3 Guts Muths in feinem vorbild- 
lihen „Zurnbuh für die Söhne des PVaterlandes“ Stellung ge- 
nommen. Er ſah ein, daß die freie Bewegung des Körpers und 
Geiftes durch eine militärifche Erziehung viel zu früh beengt, die 
freie Entwidelung und die Sonderheit der Individualität geſchädigt 
und die fröhliche Zeit der Jugend gleichſam verfinftert werden würde. 
Gerade das, wa3 die Erziehung zur Wehrhaftigfeit beabfichtigt, näm- 
lich die alljeitige Körperzucht, wäre nach feiner Anficht durch die Ein- 
feitigfeit einer vorzeitigen militärifhen Ausbildung verhindert worden. 
Sm Grunde iſt alfo das, was der Wehrausfchuß heute in demfelben 
Sinne erftrebt, nur die vollfommenjte Entwidelung der phyſiſch— 
geiftigen Anlagen des jugendlichen Individuums, und das Ziel der 
Wehrkraft lediglich ihr idealer Mabftab. In diefem Ideal vereinigt 
fih mit dem fampfbereiten Verteidiger des Vaterlandes der Träger 
jeder bürgerlihen Tüchtigfeit im Frieden, und nichts iſt darin ent- 
halten, was nicht geeignet wäre, zugleih mit dem Gedeihen des 
Ganzen das eigene Wohl des wehrhaften Süngling3 zu fördern. 
Dennoch machte Gut! Muth3 einen Unterfchied zwiſchen der Gym- 
naftit, die auf Menfchenbildung im allgemeinen ausgeht, und der 
Turnkunft als Vorſchule der rein Friegerifhen Übungen. Den Wert 
ber erfteren wußte niemand befjer zu würdigen als er; aber die Not 
der Zeit lehrte ihn das Bedürfnis ftrafferer Zufammenfaffung. Der 
Grundgedanfe des Kampfes von Heer gegen Heer jollte auf die Leibes— 
übungen übertragen werden, und jo gelangte er dazu, Verein, Ord— 
nung, Zeitmaß, Wink, Befehl als die Seele des Turnweſens zu be- 
traten. | 
Durh diefe Forderungen war freilich der jugendlichen Körper- 
ausbildung eine Beſchränkung auferlegt, die bei aller Anerkennung bes 
vortrefflichen Zmedes dazu drängen mußte, im Laufe der Zeit über 





90 


den Guts Muths'ſchen Verſuch Hinauszugehen und die gymnajtifche 
Erziehung mit Rüdfiht auf den Charakter der Jugend reicher aus: 
zugeftalten. Es ift unmöglich, daß der Zentral-Ausfhuß für Volks— 
und Sugendfpiele, der die Erfenntnis der nationalen Bedeutung von 
Spiel und Sport in ihrer bunten Mannigfaltigkeit durch fein emfiges 
Wirken verbreitet hat, etwas von feinen heilfamen Beftrebungen ab- 
laſſe. Daß das Beſſere der Feind des Guten jei, ift keineswegs not— 
wendig, fondern was qut ift, bleibt auch gut, und was für den einen 
beiler ift, das ift e8 darum noch nicht für alle. Man wird aljo wohl— 
tun, wenn man die mannigfaltigen Bedürfniffe der verfchiedenen Volks— 
ſchichten im Auge behält und ſich nicht unterfängt, alle unter diejelbe 
Schablone zu legen. Anſtatt nach einer unerreihbaren Vollfommen- 
beit der Methode zu ftreben, wird man dankbar fein, wenn man fieht, 
daß unter Umftänden au weniger vollfommene Mittel zum Ziele 
führen. Und darum nimmt unfer Wehrausfchuß heute, foviel fich er- 
fennen läßt, zwiſchen Guts Muth3’ Gymnaftif und feiner digzipli- 
nierten Turnkunſt eine vermittelnde Stellung ein. 

Trotzdem ift die eine Leibesübung, die heutzutage die weiteſten 
Kreiſe beherricht, der Radſport, in den Leitſätzen des Ausſchuſſes zur 
Förderung der Wehrkfraft durch Erziehung unberüdfichtigt geblieben, 
und es mag zu dieſer Unterlaffung die Erwägung beigetragen haben, 
daß er von allen Leibesübungen am wenigſten mit den Grundfäßen 
Guts Muth3’, mit Verein, Zeitmaß und Befehl verträgli, kurz, daß 
er der eigentlich indivibualiftiihe und einfame Sport it, der Sport 
für „Einlinge”, denen die Fürfprecher des Turnens niemals ſehr ge- 
wogen waren. Indeſſen ift fi die Leitung des Jahrbuches bewußt, 
daß auch dieſer Sport unter den Leibesübungen, die unjerem Volle 
neue Sugendfraft fpenden, .eine wichtige Rolle jpielt und deswegen 
für die Erziehung zur Wehrtüchtigkeit nicht bedeutungslos jein Tann, 
und jo wurde mir der Auftrag zu teil, ihn bier in diefem Sinne zu 
würdigen. I | | 

Profeffor Konrad Koh jagt, daß fich jeit Einführung des Rad— 
fahren die Turnpläße, befonders in größeren Städten, nicht unerheb- 
lich entvölfert hätten. Ein ſolches Ergebnis ift ficher zu beflagen; 
denn wenn es auch mwünfchenswert fcheint, daß alle Turner radfahren, 
jo follen fie darum doch nicht aufhören, die Turnkunft zu pflegen. 
Im Gegenteil, es wäre gut, wenn alle Radfahrer zugleih Turner 
wären, da Die Überlegenheit des nach deutjcher Art durchturnten 
jugendlichen Leibes über jeden in einfeitigem Sport geübten, mie fie 


56 


Du Boig-Reymond dargetan hat, heutzutage feinem Sachverſtändigen 
mehr zweifelhaft if. Aber immerhin ift es beſſer, wenn frühere 
Turner heutzutage nur noch radeln, al3 wenn fie überhaupt feine 
Leibesübungen mehr betrieben. Und größer als alle Einbuße, die das 
Turnen erlitten haben mag, ift der Gewinn, daß viele Taufende, bie 
ſonſt feiner Leibesübung zugänglich waren, durch das Fahrrad dem 
gefunden Sportbetrieb gewonnen worden find. Dieſe wohltätige Wir- 
fung eritredt fi nicht nur auf ältere Perfonen und das weibliche 
Geihleht. Bei dem legteren, das die Mütter der künftigen Bürger 
und Vaterlandöverteidiger ftellt, ift fie natürlich mit befonderer Freude 
zu begrüßen. Sie erftredt fih auch auf einen großen Teil der der 
Schule entwachjenen männlichen Jugend; und wir werden noch fehen, 
welchen wichtigen Beruf das Fahrrad gerade in ihrem Dienfte erfüllt. 

Sn feiner Eigentümlichfeit, und große Entfernungen Tpielend 
überwinden zu laſſen, während doch die Musfeln eine geſunde Arbeit 
vollbringen, befitt da3 Radfahren unbeftreitbare Vorzüge vor dem 
Turnen und vor anderen Leibesübungen. Die alte deutfhe Wander: 
luft, die im Zeitalter der Eifenbahnen ſchon lange nicht mehr zu 
ihrem Rechte fam, ift feit der Erfindung des Fahrrads in eine neue 
Jugend eingetreten. Dem Radler, den feine leihte Mafchine in die 
freie Natur hinaus und von Stadt zu Stadt trägt, iſt es zu Mute, 
al3 feien ihm Flügel gewachſen, dag Märchen von den Siebenmeilen- 
jtiefeln jcheint ihm verwirklicht, und ein Glüdsgefühl durchdringt ihn, 
das feine andere Leibesübung gewährt, weil feine andere das Gefühl 
der Ermüdung fo wenig auffommen läßt. Und troß alledem ift der 
Radſport ein Erziehungsmittel zugleich für den Leib und den Geift, 
da es ſowohl als Dauer-, Gleichgewichts- und Schnelligfeitsübung 
wie auch al3 Aufmerffamfeitsübung wirft. Tut es dies aber, jo muß 
es auch der Wehrkraft förderlich ein. 

Was den Einfluß des Radfahren? auf den Körper betrifft, fo 
verjeßt e3 eine große Anzahl von Muskeln in Tätigkeit. Am ftärkiten 
werden einige Beinmusfeln angeitrengt, doch auch die Arm-, Bruft- 
und Schultermusfeln, die Lungen, das Herz, das Nerveniyftem und 
die Sinnesorgane find ftark beteiligt. Das Weſentliche dabei ijt die 
Arbeitsteilung unter vielen Muskeln, die bewirkt, daß das Maß der 
Anftrengung, das auf jeden einzelnen fommt, verhältnismäßig gering 
ift. Infolgedeſſen tritt die Ermüdung fpät ein, die Übung kann aljo 
lange fortgefegt werden und darum auch gründlich wirken. Durd 
die gleichzeitige Tätigkeit vieler Muskeln vollzieht fih ein lebhafter 


97 


Stoffwechfel, die Herzarbeit wird vermehrt, durch das Gefäßſyſtem 
ftrömt eine größere Blutmenge, die Atmung wird tiefer und häufiger, 
die Lungen dehnen fih aus, und es wird ihnen viel fauerftoffreiche 
Luft zugeführt. Es leuchtet ohne weiteres ein, daß durch dieſe oft 
wiederholte und langandauernde Musfelübung und Lungengymnaftif 
die allgemeine Gejundheit gefräftigt werden muß. Und da viele Mu3- 
feln zufammenarbeiten, fo wird auch die Einfeitigfeit und die in 
ihrem Gefolge auftretende Steifheit und Ungelenfigfeit einzelner 
Gliedmaßen wie die unverhältnismäßige Bevorzugung anderer ver- 
mieden. Das unförmige Radlerbein befteht daher auch nur in der 
Theorie der Feinde des Fahrrads. Die Armmusfeln werden freilich 
weniger geübt, und es wäre gut, wenn der Radfahrer fie durch Fecht- 
und Hantelübungen ftärfte. Im ganzen aber wird durd da Balan- 
cieren, Steuern und das bligfchnelle Ausweichen, das beim Radfahren 
beftändig anzumenden ift, die Gemandheit und Gejchmeidigfeit aller 
Glieder entjchieden gefördert. 

Dbmwohl das Rad hier und da au) in gefchloffenen Fahrbahnen 
getummelt wird, gehört es doch nach feiner Natur auf die Landftraße, 
und es ift ein unbeftreitbarer Vorzug des Radfahren? vor dem Hallen- 
tunen, den e3 mit den Bewegungsfpielen, dem Wandern, Schwimmen, 
Rudern und Schlittſchuhlaufen gemein hat, daß e3 zu den Freilicht- 
übungen gehört. Nicht nur frifhe Luft und Sonne, auch Wind und 
Wetter find dem Radler Heilfam, meil fie ihn gegen Witterung?- 
einflüffe abhärten und feine Geſundheit widerftandsfähiger machen. 
Dabei ift es befonders wertvoll, daß er fich die Fräftige Bewegung in 
jeder freien Stunde verfhaffen fann, ohne dabei auf die Mitwirkung 
der Kameraden angewiefen zu fein ober erft einen Turnplag aufſuchen 
zu müffen. Er fann fi alfo ein reiche® und wirklich ausreichendes 
Maß körperlicher Übung zumefjen, während gerade dem Schulturnen 
der Vorwurf gemacht wird, daß e3 dem einzelnen oftmal3 nur in un- 
zureihendem Maße zu gute fommt. 

Aber wenn man auch von dem Radiport in jeiner Wirkung auf 
den Körper nicht behaupten darf, daß er dem richtig betriebenen 
Tumen und anderen gymnaftifhen Übungen überlegen fei, ja, wenn 
man jogar wünjchen muß, daß er dur Turnen und Spiel ergänzt 
werde, jo befigt er dagegen als eine Aufmerkſamkeitsübung in feiner 
Wirkung auf Geift und Charakter Vorzüge, in denen ihm faum ein 
anderer Sport vergleichbar if. Am nächſten fommt ihm darin nod 
die Fechtlunft, und dennoch ſteht auch fie ihm nad. Die Erhaltung 


98 


des Gleichgewichts wird ſehr bald automatifch, aber die fichere Steue- 
rung des Rades dur den Straßenverkehr und alle Hinderniffe, die 
ihm beftändig auf feiner Bahn begegnen , erfordert eine fortgejehte 
geiftige Tätigkeit und kann niemals automatifch werden. Se nad) der 
Beichaffenheit und Belebtheit der Wege kann fie natürlich leichter oder 
Tchwieriger fein. In einzelnen deutfchen Landfchaften find die Straßen 
fo vorzüglihd und zugleich fo verfehrsarm, daß ein Radler mohl 
ftundenlang gemädhlih auf ihnen dahinfchlendern und dabei dichten 
oder philofophieren fann, wenn nicht Steigungen und Senfungen de3 
Geländes phyſiſche Kraftanftrengungen von ihm erheifhen. Aber 
jolhe mwohlgepflegten Straßen bilden doch die Ausnahmen; die aller- 
meiften dagegen find keineswegs auf ein jo empfindliche Fahrzeug 
wie das Zweirad berechnet und leiden zudem unter allzulanger Ver— 
nadhläffigung, die um fo ftörender wirkt, wenn fich bei anhaltender 
Dürre der fchleht gemwalzte Bewurf in loſes Geröll, nah ſtarkem 
Regen der Staub in flüffigen Ehlamm verwandelt. Dadurch werden 
fie für den Radler häufig nahezu unbefahrbar, und wenn er dann 
feine Zuflucht zu den ſchmalen Banfettftreifen nimmt, die fich zwiſchen 
dem jandigen Sommerweg, überhängenden Bäumen und den zu ihrem 
Schub vorgebauten Steinen dahinſchlängeln, jo bedarf er angefpannter 
Aufmerkſamkeit, um fich durch diefe Fährlichkeiten ohne Schaden hin- 
durchzuwinden. So fteht es Schon auf menfchenleerer Landftraße. 
Wie aber erft in der Nähe der Großftädte oder in ihnen felbft, wo 
doch die überwiegende Mehrzahl der Radler zu finden ift! Hier wird 
e3 für den Radfahrer geradezu lebensgefährlich, Jeinen Weg durch das 
Magengewühl zu verfolgen, wenn er nicht zugleich mit großer Törper- 
lider Gewandtheit auch die Fähigfeit ftraffer Gedanfen- und Willens- 
fonzentration und ein reihlihes Maß von Kaltblütigfeit und Geiftes- 
gegenwart befigt. Der Sachkundige wird deshalb immer wieder 
Freude und ehrliche Bewunderung empfinden, wenn er beobachtet, wie 
leicht und ſicher die Jugend ihr Rößlein in diefem Getriebe tummelt; 
weiß er do, daß hier beitändig etwas Tüchtiges geleiftet wird, und 
daß diefe Tüchtigkeit in der Schule der Gefahr gewonnen wurde und 
fih durch fie erhält. Und ihren Wert jchlägt er nicht geringer, ſon⸗ 
dern höher an, weil fie eine alltägliche Erfcheinung ift; denn gerade 
die Alltäglichfeit beweift, welche trefflihe Zucht das Rad an weiten 
Kreifen des Volkes geübt bat, was wir ihm alfo verdanfen. Wach: 
ſamkeit, Umficht, ſchnelle Entfchloffenheit, Mut, das find die Charakter: 
eigenschaften, die der Radſport entwidelt, und gerade fie find es auch, 


en 


deren der Jüngling am meilten bedarf, wenn er für da3 Vaterland 
die Waffe ergreift. 


Nach alledem ift eg natürlich, daß man auf dem Rabe unter den 
gewöhnlichen Bedingungen nur an das denken fann, wa3 der ficheren 
Fortbewegung bienlich ift, und felten eine längere Gedankenkette anderer 
Art zu Tpinnen vermag. Das wird von denen, die fich mit der Pſycho— 
logie des Radſports beſchäftigt haben, faſt allgemein zugeftanden. 
Eben in diefer Eigentümlichkeit, die Tätigkeit der produltiven Gehirn- 
Iphäre durch die der rezeptiven zeitweilig abzulöfen, erblidt der über- 
müdete Geijtesarbeiter den Wert des Radſports für die Hygiene des 
Gehirns. Es ift aber auch ein pofitiver Vorzug, daß die gerade von 
geiltig Beichäftigten oft vernadhläffigten Sinneszentren auf dem Rade 
zur Geltung gelangen und geübt werden; denn wer fi) gewöhnt, die 
umgebende Welt jcharf ind Auge zu faffen, wird auch feit im Leben 
ftehen und nicht leiht die Fühlung mit der Wirklichleit verlieren. 
Und bejonders für die bildungsfähige Jugend, auch wenn fie es noch 
nicht nötig bat, fich von geiftiger TÜiberanftrengung auszuruhen, ift 
diefe Seite von Wichtigkeit. Schon Gut3 Muths forderte für die Vor— 
bildung zur Wehrtüchtigfeit praftifche Sinnübungen, und es ift gewiß, 
daß der Radiport diefe in ausgedehnteftem Maße darbietet. Er ge- 
ftattet feine Zerftreutheit, fondern er verlangt bejtändige Wachheit der 
Sinne, und dadurch erlangen Auge und Ohr eine Energie, die fi 
über das Aufnehmen zufälliger Eindrüde weit hinaus zur immer 
lebendigen Spürfraft fteigert. Der Radfahrer gewinnt wieder etwas 
von der verlorenen Inſtinktſchärfe des Naturmenfchen. | 


Allerdings ſoll er noch etwas mehr fehen als die Steine auf 
jeinem Wege, und darum darf er die Schnelligkeit feiner Fahrt nicht 
über dag vernünftige Maß fteigern. Schon bei mäßigem Tempo zieht 
ja die Landichaft fo flüchtig an ihm vorüber, daß das Auge bei Einzel- 
beiten felten verweilen fann. Er wird alfo, um den vollen Genuß 
de3 Schauens zu haben, feine Bewegung oftmals bis zum Schritt 
verlangfamen, häufig auch abfteigen müffen. Es ift einer der größten 
Vorzüge des Rades, daß es und auf unferen Kreuz: und Duerfahrten 
allerlei weltferne Stätten erjchließt und uns die verborgenften Reize 
der Heimat fennen lehrt. Se vertrauter wir mit ihr werden, um 
jo lieber gewinnen wir fie, und dadurch ift das Rad fo recht be- 
rufen, unferem Herzen das Vaterland immer näher zu bringen. Aber 
diefer Gewinn ift für den dahinrafenden Kilometerfrefler verloren, und 


60 


das Rad leiftet nur, was es vermag, wenn e3 in der rechten Weife 
gebraudt wird. 

Für die Wehrkraft unferes Volkes ift es aber auch von hoher 
Bedeutung, wenn die Jugend fich bis zum Mannesalter ihre Sitten- 
reinheit erhält und ihre frifche Kraft nicht im Taumel eines frühreifen 
Genußlebens verfchwendet. Und auch in diefer Beziehung leiftet das 
Rad und wichtige Dienfte. Es waltet wirklich ftil feines Amtes in 
der Sugendfürforge und hat wohl ſchon manden Süngling vor dem 
Berderben bewahrt. Für die Schüler höherer Lehranftalten, ſoweit 
fie nicht vorzeitig in3 bürgerliche Leben übertreten, ift durch den Turn- 
und Spielunterriht der Schule bis zur Reifeprüfung geforgt; aber 
für die Lehrlinge in Werkitätten und Kaufläden jorgt niemand, wenn 
fie nicht der eigene Trieb zu gefunder Leibesübung veranlaßt. Vielen 
von dieſen Unberatenen werden die Freiftunden allzuleicht zu Stunden 
der Ausfchweifung, und ſorgenvoll erfennen wir heute, daß das wohl— 
meinende Gejeß, das ihnen unbeſchränkte Feiertagsruhe gewährt, den 
Führerloſen und doch fo Führungsbedürftigen eher zum Flud als 
zum Segen wird. Doc bier ift das Fahrrad, daS feit einem Jahr⸗ 
zehnt gerade unter der halbwüchſigen Jugend fo begeifterte Anhänger 
gefunden bat, in die Brejche getreten. Es kam einem tatjächlichen 
Bedürfnis entgegen, und ihm ift e3 zu verdanken, wenn die fittliche 
Verwahrlojung unſeres männlichen Nahmuchjes in dieſer Zeit nicht 
noch weiter um fich gegriffen bat. Nicht nur, daß es die jungen 
Burſchen zu unjhuldigem und dabei fräftigem, gefundbheitsförderndem 
Sport in die freie Natur binauslodt, e3 bewahrt fie auch vor dem 
Alkohol, mit deffen unmäßigem Genuß da3 Radfahren nicht verträglich 
if. Nur Schade, daß etliche Wintermonate bei den meiften faft ganz 
für das Radfahren ausfallen, und daß die vielen Kleinen Vereine in 
diefer Zeit ihre Mitglieder nicht ander als durch Frühſchoppen und 
Abendſchoppen zufammenzuhalten willen. 

Indeſſen darf nicht verfannt werden, daß mit dem Radfahren, 
wenn es in unverftändiger Weife betrieben wird, auch große Gefahren, 
und zwar ganz bejonders für die noch in der Entwidelung begriffene 
Sugend, verbunden find. Dasſelbe Mittel, das in richtiger Anwen- 
dung dem Körper zum Heile gereicht, kann bei unrichtiger als tötliches 
Gift wirken. Bon außerordentlihen Unglüdsfällen ſehen wir dabei 
ab; denn fie können fi auch beim Turnen und bei jedem anderen 
Sport ereignen. Ein gewiſſes Maß von Gefahr ijt eben, wie wir er- 
fannten, ein treffliches Charafterbildungsmittel, und wenn wir Die 


61 


Jugend allzu ängftlich behüteten, würden wir nur charafterlofe Schwädh- 
linge beranziehen. Worauf es bier anfommt, ift die Tatſache, daß 
das Radfahren überhaupt nur bis zu einem beftimmten Grade für 
den menſchlichen Organismus und bejonders für die unreife Jugend 
taugt, und daß es doch durch feine Eigenart allzuleicht dazu verführt, 
über diefen ftatthaften Grad hinauszugehen. indem fich bei feiner 
Ausübung die Arbeitzleiftung auf verfchiedene Muskeln ziemlich gleich- 
mäßig verteilt und für jeden einzelnen verhältnismäßig gering ilt, 
wird das Ermüdungsgefühl, dag bei einjeitiger Musfelbetätigung als 
Warnungszeichen auftritt, länger als gut ift zurüdgehalten, und da- 
durch kommt e3 zu Überanftrengungen, die häufig dauernde Schäbi- 
gungen im Gefolge haben. Von diefen werden in eriter Linie das 
Herz und die Lungen betroffen. Da nun das findliche Alter leicht- 
finnig und urteilslos ift und die Erfolge der Meifterfahrer e8 zur Nach— 
eiferung reizen, jo muß das Radfahren der Knaben durhaus von 
Erwachſenen überwacht werden; fie dürfen feine großen Touren unter- 
nehmen, feine Wettrennen unter fich veranftalten und überhaupt ein 
mäßiges Tempo nicht überfchreiten. 

Ferner iſt fehr darauf zu achten, daß fie eine gerade Haltung 
einnehmen, da der vornübergeneigte Sitz auf die Dauer zu Rüdgrats- 
verfrümmungen führen und aud den inneren Drganen nadteilig 
werden kann. Knaben follten daher feine Rennräder benugen, obwohl 
gerade diefe das Ziel ihres Ehrgeizes find. Endlich ift auch eine 
falfche Sattelftellung, die leicht dauernde Erkrankungen der Unterleib3- 
organe verurfadhen fann, zu verhüten. Zudem ift dag Gutachten eines 
Arztes einzuholen, ehe das Radfahren erlernt wird. Nur wenn alle 
diefe Vorfihtsmaßregeln eingehalten werben, dürfen Knaben etwa vom 
zwölften Sahre an mit dem Radeln beginnen. Aber auch reifere junge 
Leute dürfen in ihrer größeren Gelbftändigfeit feinen Freibrief zu 
ſportlichen Übertreibungen erbliden; denn auch ihnen kann das Über- 
maß verderblicd werden. Wir dürfen alfo nur dag mäßige Radfahren 
ala eine geeignete Vorſchule der Wehrtüchtigfeit betrachten. Dagegen 
ift die Befürchtung nicht ungerecdhtfertigt, daß als Folge der dur 
das Beifpiel des Rennſports geſchürten Refordwut die Herzkrankheiten 
zunehmen und der Wehrkraft Abbruch tun werden. 

Das Rennwejen jelbjt wäre als Kraftprobe an und für fi nicht 
zu verurteilen; es iſt ficher geeignet, die Ausdauer der Wettfahrer in 
hohem Grade zu entwideln. Ohne Zweifel würden auch die Hellenen 
in Olympia Radrennen veranftaltet haben, wenn fie das Zweirad ſchon 


62 


bejeflen hätten. Aber da es befannt ift, wie oft berühmte Rennfahrer 
an Herzfehlern erfranfen und vom Militärdienft zurückgewieſen werden, 
fo wollen wir die Sünglinge, auf deren Wehrkraft da3 Vaterland 
hofft, lieber nicht den Triumphen des Geſchäftsſports zum Opfer 
bringen. Verfennen dürfen wir aber darum nicht, daß die radiport- 
lichen Schaufpiele viel zur Verbreitung des Fahrrads beigetragen und 
dadurd einer guten Sache genügt haben. An uns, den erfahrenen 
Beratern der Jugend, iſt ed nun, dahin zu wirken, daß der Radſport 
algemah von ungeſunden Ausjchreitungen gereinigt werde. Wenn 
ung das gelingt, jo dürfen wir die Zuverficht hegen, daß unfere jungen 
Radler auch im Sattel zur Wehrtüchtigfeit heranreifen. 


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Das Schulbranfes Miemand bat wohl mehr Gelegenheit, 
bad umd feine Bes pie in Bezug auf körperliche Reinigung be- 
deutung für Die ftehenden Mißitände kennen zu lernen, als 
Zulknnft. aaaaaaa die Ärzte ſowie diejenigen Perfonen, die ſich 
#4 Bon Oberbürgermeifter mit der Armenpflege befafien. Der Belt: 
am Ende, Dreöden. 6646 hauch, der oft genug aus den Wohnftätten 

des Wroletariat3 dringt, die hygieniſchen 
Mängel der Hautpflege, unter denen ein großer Teil unferer Mit- 
bürger leidet, find nicht nur für diefe eine dauernde Duelle der Ge- 
fahr, jondern für und alle und unfere Kinder. Bon folder Gefahr 
befreien wir ung aber wirffam durch ein Bad. Negelmäßiges Baden 
in der Wanne oder im Fluſſe fördert unſer Wohlbefinden, regelmäßige 
Hautpflege durch Waſchungen, Spülungen und Bäder bietet dem 


Körper einen mächtigen Schuß gegen anſteckende Krankheit und körper: 
liche Verfümmerung. 


Nicht jedes Publikum ift für das Baden jchon herangebildet. 
Und wenn dem auch im allgemeinen fo wäre, verbleiben immer nod 
in jeder Stadt Taufende und aber Taufende, die den Genuß und 
Erholung gewährenden, die Gefundheit erhaltenden Wert des Bades 
aus eigener Erfahrung nicht fennen! Wo fol da der Hebel eingefest, 
wie der Sinn für Neinlichfeit zum Zweck volkstümlicher Gefundheits- 
pflege gewedt und in richtiger Weife gepflegt werden? Bor allem 
dadurh, daß wir die Jugend zu gewinnen ſuchen; denn wer die 


63 


Sugend bat, hat die Zeit! Wer als Kind zu regelmäßigen Baden 
erzogen, wer an dieje reine Freude, an dieje förperlihe Wohltat von 
früh auf gewöhnt wurde, der verlangt auch im Alter danach. Die 
Schulkinder werden aber die Gefühle des Wohlbefindens und damit 
der Zufriedenheit, welche die Bäder verurfachen, in die Familie und 
in das gefelljchaftliche Leben tragen und dadurch die ſcharfen Gegen- 
ſätze zwiſchen den armen und reichen Geſellſchaftsklaſſen mildern helfen. 

Die neuerbauten Schulen find den modernen Anforderungen ent- 
Iprehend ausgeftattet und oft wahre hygieniſche Mufteranftalten. 
Man jorgt für geräumige und belle Zimmer, für möglichft reine Luft 
in denfelben durch Ventilationsanlagen, durch häufiges Reinigen ber 
Zimmer, durch Kleiderablegen außerhalb der Klaffen, für reines Trint- 
waſſer, für Zentralheizung, Kanalifation ufjm. Wenn man bedenft, 
was nach dieſer Richtung !gejchehen ift, welche bedeutende Summen 
dafür vom Staate und von den Gemeinden freudig geopfert werden, 
jo muß man fich wundern, daß die Frage der körperlichen Reini- 
gung der Schulfinder bisher verhältnismäßig wenig Beachtung 
gefunden bat. Und doch müffen wir ung jagen, daß alle dieſe jchönen 
Einrichtungen und bygienifchen Berbefferungen in den Schulen erſt 
dann zur vollen Geltung gelangen fönnen, wenn in bie gefunden 
Räume nicht mehr ſchmutzige Kinder mit allen möglichen Infektions— 
ftoffen am Körper und in den Kleidern hineinlommen. Die Errich— 
tung von Schulbädern ift eine einfahe Folge der Volksbäder—⸗ 
einrichtungen. Was für die Erwachfenen in diefer Frage gilt, findet 
in noch höherem Grade Anwendung auf unfer heranwachjendes Ge- 
ſchlecht. | 

Der neueften Zeit war es vorbehalten, dieſe mohltätigen Ber- 
anftaltungen zur Beförderung der Neinlichfeit und der Gejundheit 
unter der Schuljugend allgemein zu machen. Seit 1888 find Schul- 
bäder, und zwar fat ausfchließlich bei Neubauten, von größeren Schul- 
gemeinden in Deutfchland, Ofterreih, der Schweiz und Dänemark 
eingerichtet worden. Nach dem aus verfchiedenen Orten, wie München, 
Magdeburg, Erfurt, Frankfurt a. Di., Leipzig, Glauchau, Plauen 
i. B. uſw. mir vorliegenden amtlichen Berichten oder brieflihen Mit- 
teilungen über mehrjährigen Schulbäderbetrieb ift man ausnahmslos 
von den Verſuchen befriedigt und läßt weiterhin neue Schulen mit 
Bädern ausftatten. Aber auch in alten Schulen wären ſolche Bäder 
in freiftehenden Kellerräumen gewiß oft unſchwer unterzubringen. Aus 
einem Berichte des Geheimen Sanitätsrate® Dr. Adolf Abraham über 


64 


das Braufebad: in den Berliner Gemeindefhulen entnehme ih, daß 
dort im Herbite 1894 das erfte Schulbraufebad und 1895 drei weitere 
Schulbraufebäder eingerichtet worden find, und daß die Berliner Ge- 
meindeverwaltung fchon feit Jahren in jedem neu zu erbauenden 
Schulhaufe ein Braufebad einrichten läßt. Bei der Erörterung der 
Stage, wa3 für ein Bad, ob Schwimm-, Wannen, Baffin- oder 
Regenbraufe-(Dufche-)Bad als das zwedmäßigfte für Volksſchulen zu 
wählen jei, fommen bereit3 die mannigfadhen Erfahrungen zu ftatten, 
die in diefer Hinfiht von Poſt- und Militärverwaltungsbehörden, jo- 
wie vor allem in Schulen felbft gemacht worden find; außerdem find 
zahlreiche Drudichriften vorhanden, in denen von Ärzten, Baumeiftern 
und Schulmännern Einrihtung und Betrieb von Schulbädern ein- 
gehend behandelt werden. Als ungeeignet find Schwimm- und 
Wannenbäder bezeichnet worden, weil ein allen Anforderungen genügen- 
des Shulihwimmbad ebenfo wie ein Wannenbad fehr große Bau: 
und Betriebsfoften verurfadhen, und weil da3 Baden größerer Schul- 
findermengen zu viel Zeit erfordern würde. Ebenjo ift das Baſſin⸗ 
bad für Schulen unzweckmäßig und koſtſpielig in Bezug auf Einrid)- 
tung und Erhaltung, aber au, weil nicht jedes Individuum das 
Waſſer nur für fi) benugen kann, wegen der möglichen Übertragung 
von Anftedungsftoffen bedenflid. Dr. Remboldt-Stuttgart fagt: „Man 
beſchränke fih in Schulen auf Braufeeinrihtung, melde in Anlage 
und Betrieb einfacher und billiger ift und dem angeftrebten Zwecke 
vollauf genügt.“ 

Und in der Tat eignen fi) die Braufebäder vorzüglid zu Schul- 
bädern, da Einrichtungs- und Unterhaltungstoften, fowie Raum- und 
Mafjerbedarf geringer find als bei Bädern anderer Art. Der Waſſer— 
verbrauch wird in den einzelnen Städten verfchieden hoch genommen 
und ſchwankt zwifchen 10 und 20 Liter pro Kopf und Bad. Profeſſor 
Eulenburg bemerkt: „Die Braufe- oder Regenbäder haben noch den 
Borteil des ftetigen Ab- und Zufließens, fie bieten ſomit die aller- 
geringfte Gefahr einer Übertragung von Krankheiten, fie bringen eine 
gründliche Reinigung und eine günftige mechaniſche Wirkung auf die 
Haut hervor.” Dabei find an verfchiedenen Orten verfchiedene innere 
Einrichtungen getroffen :worden. In Aachen und in Köln hat man 
es jo eingerichtet, daß die Badenden ſowohl beim An- und Auskleiden 
al3 auch beim Braufen fich nicht ſehen; das Bad ift als Zellenbad 
bergeitellt. Andere Schulbäder haben einen gemeinfamen Ausfleide- 
und Brauferaum. Beiderlei Anordnungen find je nach den örtlichen 


65 


Verhältniffen oder den Bedürfniffen der einzelnen Schulen gerecht- 
fertigt. Für Knabenfhulen dürfte ih gemeinfamer Auskleide— 
und Brauferaum, für Mädchen aber das Zellenbraufebad mehr 
empfehlen. 

Es fei bier kurz bemerkt, daß die für Trennung der Braufeftände 
in das Feld geführten Gründe, unter denen auch jolde fittlicher Art 
genannt werden, in Wiesbaden nicht anerfannt worden find. Man 
bat vielmehr in der Abtrennung ber badenden Kinder, wodurch die- 
jelben den Bliden des beauffichtigenden Lehrers entzogen werden, 
andere und ſchwerwiegendere Nachteile erkannt. 

Das in neuefter Zeit von dem ftädtifchen Heizungs-Ingenieur 
Auguft Dsländer in Köln a. Rh. empfohlene „Kölner Syitem“, ift 
eine Kombination von Braufe- und Wannenbad, wobei da3 Haupt- 
gewicht auf das Tegtere gelegt wird. Seichte, mit warmem Wafler 
angefüllte Behälter, jogenannte Babemulden, bieten eine vorzügliche 
Wafchgelegenheit, neben der die erfrifchende Dufche aber doch nicht 
fehlt. Die Waſſerhöhe in diefen Mulden, die bei einer Länge von 
115 cm aud den größten Schulfindern das Sigen mit ausgeftredten 
Beinen geftattet, beträgt an ber tiefiten Stelle 12 cm. Der ganze 
Baderaum ift in einzelne Zellen mit je einer Mulde und Dufche ab- 
geteilt und dadurch eine vollftändige Abjonderung jedes badenden 
Schulfindes von den zugleich badenden Mitjchülern erreicht. Osländer 
ftehbt nicht an, dieſes eigenartige „Kölner Syftem” den gegenwärtig 
üblichen Schulbraufebadanlagen als Fortfchritt gegenüber zu ftellen. 
Wo aber Schulbraufebäder beftehen, wird nach den vorliegenden Nach— 
rihten ihr überaus wohltätiger Einfluß gerühmt. Die Beteiligung iſt 
überall fafultativ, beginnt erfahrungsgemäß befcheiden und wächſt, 
nachdem die Eltern Vorurteile abgelegt und den Nugen einjehen gelernt 
haben. Die Kinder jelbft baden fo gerne, daß die Drohung des ein- 
maligen Ausschluffes vom Babe fich bereit als wirkſames pädagogifches 
Bmangsmittel erweift. Das für das Baden gewonnene Intereſſe äußerte 
fih bei vielen Kindern aud) dadurch, daß fie ſich während der Ferien 
na dem Volksbrauſebad begaben, um die gewohnten Bäder nicht zu 
entbehren. 

Den größten Nuten bat das Schulbad in hygieniſcher Beziehung 
gezeitigt, indem es den Gefundheitszuftand der Schuljugend in vor- 
treffliher Weife förderte. Die mwohltätigen Wirfungen des Baden? 
zeigten fich an ber frifcheren und gefünderen Gelichtsfarbe der Kinder, 


und traten auch bei dem nachfolgenden Unterricht in OD Maße zu 
Bolld» und Jugendſpiele. XII. 


66 


Tage. Auch auf die Eltern der Kinder ift infofern eine günftige 
Wirkung zu fonftatieren, al3 deren viele durch das Baden der Kinder 
veranlaßt werden, diefen beffere und faubere Wäſche und Unterkleider 
mitzugeben, als bisher, um die Kinder vor ihren Lehrern und Mit- 
ſchülern und fich felbft nicht bloßzuftellen. Daß dies wiederum einen 
bemerfengwerten Einfluß auf die Oberfleidung ausübt, ift nicht in 
Abrede zu ftellen. Über die Erfahrungen in Zürich berichtet Dr. med. 
Naef folgendes: „Die Schulbäder find unerwartet raſch beliebt ge- 
worden, den Kindern ift das Baden ein feftlicher Anlaß. Die Lehrer 
laſſen ſich die kleine Störung gern gefallen, da fie die mwohltätige 
Wirkung der Bäder auf die Jugend immer wieder beobachten. Die 
Eltern haben eingefehen, daß feine Erfältungsgefahr beiteht, wenn die 
Badeordnung ftreng befolgt wird. Die Behörden endlich nehmen die 
Verantwortung für die verhältnismäßig geringen Koften gern auf fidh, 
da fie fich überzeugen, daß die Schulbäder den Reinlichfeitsfinn fördern, 
die Klafjenluft verbefjern und die Kinder gegen die Schädlichen Einflüffe 
ber Schule widerftandsfähiger machen. Für die neu zu erbauenden 
Schulhäufer gilt die Einrichtung von Braufebädern ſozuſagen als 
felbftverftändlid." Mehrfach ift die Frage ventiliert worden, ob die 
Einrihtung befonderer Schulbäder dadurch vermieden werden könnte, 
daß man die Schuljugend auf die Mitbenugung der ſtädtiſchen Volks— 
braufebäder, die fih als fehr mwohltätig bewährt haben, verweilt. 

Dagegen fprechen jedoch ſchwerwiegende Bedenken: Bei dem großen 
Andrange Erwachſener zu diefen Bädern wird den Kindern feine aus: 
reichende Benugung der Bäder ermöglicht werden fünnen, wenn nicht 
gleichzeitig vielen Erwachjenen die Gelegenheit zu ihrer eigenen Haut- 
pflege empfindlich gejchmälert werden fol. Auch die Errichtung von 
Volksbrauſebädern in allen Stadtteilen wird diefem Mangel auf die 
Dauer nicht abzuhelfen vermögen, da mit der Vermehrung der Ge- 
legenheit zum Baden auch das Verlangen danach immer allgemeiner 
werden wird und werden joll. 

Die Schuljugend wird bald nicht nur den Erwachjenen im Wege 
und unwillkommen fein, jondern tatfächlich zurüditehen und ſchließlich 
ausscheiden müfjen. 

Müßiges Verwarten der Zeit dur Schulkinder ift für alle Be: 
teiligten mehr als unerwünſcht und hat erfahrungsgemäß das rajche 
Wegbleiben der Kinder zur Folge. Sollte den Kindern klaſſenweiſe 
oder doch geregelte ftärfere Benugung der Volfsbraufebäder ermöglicht 
werden, jo müßten die Volksbäder an beftimmten Tagen der Woche 


67 


ausjchließlih den Kindern offen ftehen. Eine ſolche Maßregel wäre 
meines Erachtens eine unzuläffige Beſchränkung eines Volksbades, an 
die ſich die Bevölkerung nicht gewöhnen würde. Zahlreihe Befucher 
würden einfach mwegbleiben, weil fie nicht ficher find, ob fie dad Bad 
nicht gerade gejchloffen antreffen. Ohnehin könnten für die Schuljugend 
nur die Nadhmittage einiger Tage in der Woche in Frage fommen, 
damit der Schulunterricht, der vorwiegend in den Vormittagzftunden 
erteilt wird, möglichit wenig beeinträchtigt zu werden brauchte, und 
den Erwachſenen, für welche die Volfsbäder in erfter Linie beftimmt 
find, nicht allzuviel Zeit zur Benugung der Bäder entzogen wird. 

Während ſonach die Verweifung der Schuljugend auf die Mit- 
benußung der Volksbäder faft einem Verzichte auf die wertvolle 
erzieherifche Mitwirkung der Schule gleichfommt, jedenfall3 aber die 
Auffichtführung über die Kinder beim Baden und die Kontrolle des 
regelmäßigen Badebefuches jehr erfchwert ift, fo wird die Schule da— 
durch, daß das Baden in Räumen der Schule innerhalb der Schulzeit 
vorgenommen wird, in die Lage verjegt, den Badebetrieb felbft zu 
überwachen und möglihft alle Kinder zur regelmäßigen Benutzung 
des Bades anzuhalten. 

Die Verbreitung und Anerkennung, welche die Schulbäder in den 
verhältnismäßig wenigen Jahren gefunden haben, beweiſen zur Genüge, 
daß diefe Einrihtungen fi allmählich zum Heile unferer Schuljugend 
immer mehr einbürgern. Syn feiner Stadt ift man von der Schulbäder- 
einrihtung wieder zurüdgefommen. Anfangs, zur Zeit der eriten 
Verſuche, wurden eine Anzahl von Bedenken gegen die Schulbäder 
geltend gemacht. Dieſe Bedenken find nunmehr durd) die in den Jahren 
gewonnenen Erfahrungen teil3 als bedeutung3los erfannt, teild durch 
allerlei Berbeiferungen der Einrichtung gehoben worden. Dem ärzt- 
lihen Bedenken, daß dur die Braufe auf mande Kinder eine zu 
ftarfe Erregung ausgeübt werde, ift man dadurch begegnet, daß man 
den Waſſerdruck möglichſt abſchwächt, ſodaß die Strahlen wie ein 
janfter Regen berunterfallen, und daß die Braufe nicht fenfrecht von 
oben fommt, jondern den Körper in einer Neigung von 45° trifft. 

Bom Standpunkte der Schule wendete man ein, ed werde 
in diejelbe etwas hineingetragen, was nicht hingehöre. Die Volfs- 
ſchule ift aber al dasjenige Snftitut zu bezeichnen, welches die einem 
jeden notwendige allgemeine menſchliche und ftaat3bürgerliche Bildung 
gewähren fol. Die gefamte Menfchenbildung umfaßt aber nicht bloß 
die fittlich religiöſe, ſondern auch die intellektuelle und äfthetifche Seite 

5* 


68 


des geiftigen Lebens wie nicht minder die Pflege und Ausbil- 
dung des Körpers. 

Beiteht ſonach die Aufgabe der Volksſchule darin, nicht nur für 
die Entmwidlung des geiftigen Lebens, fondern aud für die Aus— 
bildung und Pflege des Körpers der ihr anvertrauten Jugend 
Sorge zu tragen, fo muß fie, wie fie fich der körperlichen Ausbildung 
durch Einführung des Turnunterriht angenommen hat, nicht minder 
die Miterziehung zur körperlichen Reinlichfeit übernehmen, da dieſe 
das erite Erfordernis richtiger Körperpflege if. Gewiß ift es jederzeit 
zunächft Aufgabe der Eltern geweſen, ihre Kinder reinlich zu halten, 
indefjen darf die Schule, wenn anders fie ihre Aufgabe in befriedigender 
Meile löſen will, fih nicht darauf befchränfen, die Erfüllung diefer 
Verpflichtung, der das Elternhaus infolge mangelnden Verſtändniſſes 
für die Nüglichkeit einer gehörigen Hauptpflege für die Gefundheit jehr 
oft gar nicht oder nur in wenig genügender Weife nachlommt, zu 
überwadhen, jondern fie muß auch ihrerjeit3 durch geeignete Mittel 
felbfttätig eingreifen. 

Das Hauptmittel, deſſen fih die Schule bei der Erziehung der 
Kinder zur körperlichen Reinlichfeit zu bedienen bat, ift, fie an regel- 
mäßiges Baden zu gewöhnen, aber fie wird einen Erfolg nur dann zu 
verzeichnen haben, wenn fie fi) nicht damit begnügen muß, die Schul- 
jugend nur zum Baden außerhalb der Schule zu ermahnen, fondern 
wenn die Schule in die Lage verjeßt wird, fie in der Schule 
felbjt unter ihrer Aufficht und Leitung dazu anzuhalten. 

Soweit die befjer geftellten Volksklaſſen in Frage fommen, wird 
den Kindern vom Elternhaufe die Möglichkeit geboten, häufiger ein 
Bad zu genießen; aber gerade die Volksſchulen werden meift von Kindern 
weniger bemittelten Eltern befucht, und bei diefen Kindern werben 
bloße auf regelmäßige® Baden abzielende Ermahnungen der Lehrer 
meiſt erfolglos bleiben, weil die Eltern infolge mißliher Wohnungs: 
verhältniffe in den menigiten Fällen in der Lage find, den Kindern zu 
Haufe die erforderliche Hautpflege zu teil werden zu lafjen, die Eltern 
vieler Kinder auch fehon morgens um 5 oder 6 Uhr auf die Arbeit 
außer Hauje gehen und deshalb feine Zeit haben, die Kinder in nad)- 
drücklicher Weiſe zur Reinlichfeit anzubalten. 

Ya, wenn in jedem Familienhaufe ein Braufebad für die Mieter 
hergerichtet und im Gange gehalten wäre, wenn e3 foviel Badeanitalten 
gäbe wie Zigarrenläden, dann könnte man getroft in der Schule jagen: 
Halte dich rein und babe. 


69 


Was nügt es, für die Gefundheit der Gejamtheit zu forgen, ſo— 
lange der einzelne nicht dahin gelangt, an eigener Perſon fein Teil 
zum Ganzen beizutragen? Darin liegt ja neben dem direft fanitären 
der ethiſche und erziehliche Charakter der ganzen Angelegenheit und 
gibt ihr weit über den nächſtgelegenen Zmwed hinaus eine allgemeine 
und große Bedeutung für die Zukunft. 

Unfere deutfhe Schule hat ſchon fo Großes für das Volk geleiftet, 
fie wird fi) auch diefer Aufgabe warm annehmen und hat e3 bereits 
vielfady getan in der richtigen Erwägung, daß die Jugend durch die 
Schulbäder an regelmäßiges Baden auch im Winter gewöhnt werde und 
ein Geflecht erwachſe, das die Volfsbäder ganz anders ausnutzen werde, 
als es jetzt gefhieht, daß dadurch die Gefundheitsverhältnifie in den 
unteren Bolfsfreifen verbefjert, den Epidemieen der Boden entzogen 
werden würde. Das Intereſſe der Schule für die Erridhtung von 
Schulbraufebädern dürfte fi aber noch wefentlich fteigern und ver- 
allgemeinern, fobald man aud in den Lehrerbildungsanftalten Braufe- 
bäder bergeitellt haben wird. 

Wer fih den Bli für Volfswohlfahrt durch nichts beengen läßt, 
der wird die Einrihtung der Schulbäder jegnen als das wirkjamite 
Mittel, unſer Volt wieder an das jeit dem 30jährigen Kriege faft 
verlernte Baden zu gewöhnen, ja, der wird das Baden in Schulen um 
jo freudiger begrüßen, als es zunächſt, dem Körper dienend, ein ge- 
wichtige® Gegenmittel bildet gegen die überlaftenden Anforderungen 
an unfere Kinder auf geiltigem Gebiete. | 

Die hohe Kulturentwidlung unferer Zeit fordert eine Anfpannung 
der Kräfte, deren unausbleibliche Folge Abjpannung und Entnervung 
it. Die verhängnisvollen Anzeichen der Reaktion machen fich bemerkbar 
in dem Rüdgange der Wehrfähigkeit, in der immer weitere Volkskreiſe 
angreifenden Tuberkuloſe und in der Zunahme der Krankheitsformen, 
wie fie die Irrenhäuſer, Spiotenanftalten, Anftalten für Epileptifche 
und für Schwachſinnige aufweifen. Diefe traurigen Erfcheinungen find 
zugleih ein Mahnruf an die Volfserzieher, denen nicht nur der Geiſt, 
fondern auch der Leib der heranwachſenden Jugend zur Ausbildung 
anvertraut ift. Hieraus ergibt fich aber die Bedeutung, welche die 
Schulbäder als Abſchluß ſchulhygieniſcher Vorkehrungen haben müfjen 
und haben werden im Sintereffe erhöhter Leiftungsfähigfeit und Wider- 
ſtandskraft. Immer merklicher bricht ſich die Überzeugung in allen 
Volkskreiſen Bahn, daß die Schulbäder eine Wohlfahrtseinrihtung, 
eine Duelle der Gefundheit find. Neue Einrichtungen, die zunächſt für 


70 

die Schule beftimmt waren, fie werden mit Begeilterung gepflegt 
werden, wenn aus den finaben Männer und aus den Mädchen Mütter 
geworden. find. Aber auch deren Kinder und Kindezfinder werden 
immer wieder auf die fünftige Jugend diefe Einrichtungen wirken 
laffen, daß fich eine Tradition herausbilbet, die von Geſchlecht zu 
Gefchleht ihren Segen bringt. So wird dereinft auch das Schulbad 
ala ein unbeftrittenes Glied in dem Schulorganismus auftreten, und 
nicht nur die deutſche Jugend, nein, a wird fih in den 
Nuf vereinen: in balneis salus! 


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„Jede Begabung muß fich kämpfend entfalten, fo 
gebietet die helleniſche Volkspädagogik.“ 


Die Knabenwett⸗ Joh. Heinr. Krauſe in feinem grund- 
kämpfe bei DEM Legenden Buche über die „Gymnaſtik und 
Griechen. seneaea Agoniſtik der Hellenen“ betrachtet als eigent- 
Bon Franz Hahne, Ober- liche und echte Zwecke der Gymnaſtik den diä— 
lehrer am Herzogl. Neuen tetiſchen, einen gefunden, und den äſthetiſchen, 
Gymnaf. zu Braunſchweig. einen harmonischen Menſchenkörper zu bilden ; 

| die Agoniftif, d. h. das Erproben der turne- 
riſchen Fertigkeit im Wettkampf, erklärt er unverhohlen für einen Aus- 
wuchs, welder nur den Übergang zur völligen Entartung in der 
Athletit gebildet habe. Der gefhichtliche Sachverhalt fteht jedoch mit 
biefer Anfiht im Widerfprud. Ein naives, jugendlihes Volt wie 
die Hellenen dachte urjprünglich weder an die diätetifhe noch an die 
äfthetifche Wirkung des Turnens — das ift Sade reifer und altern- 
der Nationen —, es wollte vielmehr mit feinen turnerifchen Übungen 
Zeiftungen erzielen und wollte dieſe Leiltungen gewertet und anerkannt 
fehen. Solches ift nur in Wettlämpfen möglid). 

Der Sinn für den Wettlampf ftedt dem SHellenen im Blute. 
Der Wille zur Auszeihnung ift eine feiner Grundbeigenjchaften. Der 
Homerifhe Ver: „Immer der erfte zu fein und vorzuleudhten den 
andern”, ift dem ganzen Bolfe aus der Seele gejprohen. Wenn man 
die griechiſche Geſchichte durchforſcht, jo entdedt man einen raftlofen 
Mettlampf unter den Stämmen und Städten, den Geſchlechtern und 
bedeutenden Männern. Beſonders für die nachheroifche Zeit bis etwa 
zu dem Emporkommen Athens nad) den Berferfriegen ift jener Trieb 


— — — ee re —— — — — 


71 


dergeftalt charakteriftifh, daß fie in der griechiſchen Kulturgeſchichte 
Jakob Burckhardts nicht mit Unrecht als die Epoche des agonalen 
Menſchen bezeichnet ift. Und in diefer Epoche ift die eigentliche Gym- 
naftit der Griechen entftanden. Burdhardt fteht nicht an, umgekehrt 
als Kraufe, fie als eine Tochter des Wettlampfes binzuftellen. „Sie 
ift ohne das Agonale undenkbar, jedenfalls hätte fie ohne diefes fein 
folches Lebensintereſſe und Diftinguens der Hellenen werden können.“ 
Die gymnaftifche Leiftungsfähigkeit ift in der Tat daS Lebensideal der 
ariftofratifchen Gejellihaft des griehiichen Mittelalters. Die Tugend 
jener Zeit ift die, vor welche die Götter den Schweiß jeßten, die Beit- 
heit im Wettkampf (gern —agıorog), die körperliche Vortrefflichkeit, 
und bat mit der Tugendhaftigfeit der Philofophen, welche jeit Plato 
(ſ. Phädon) den Körper als Störer des Seelenlebens gering adteten, 
nicht das mindeſte gemein. 


Es ift Far, daß die Erziehung, wenn fie aud) das Schreiben und 
Rechnen zu lehren, jowie in die Werke der mufifchen Künſte einzu- 
führen nicht verfäumte, in ganz überwiegendem Maße auf jenes deal 
hinarbeitete.e Der Pädotribe und Gymnaft mögen gegenüber dem 
grammatifchen oder mufischen Lehrer eine ähnliche Rolle gefpielt haben 
wie der militärifhe Erzieher gegenüber dem Zivillehrer in den 
Kadettenanitalten. Es liegt ferner nahe, daß zur Belebung des turne- 
rifhen Eifers der Jugend Knabenwettkämpfe bei feftlichen Gelegenheiten 
wünſchenswert, ja, zur Befriedigung ihres agonalen Triebs unentbehr- 
lich erſchienen. Für die allmähliche Heranführung der Jungen zu den 
Hödhftleiftungen der Zünglinge und Männer waren Vorproben nötig, 
auch ließ fich das Feuer der fampfezeifrigen Jugend nicht big zur Er- 
wachjenheit unterdrüden. Wie dieſe Kinabenwettlämpfe bei den ein- 
zelnen ftäntifchen Seitlichfeiten gehandhabt wurden, darüber find wir 
nur jehr ſpärlich unterrichtet. Einzig von den Knabenfämpfen in 
Athen gibt und eine attifche Anfchrift Kunde. Reichlicher fließen 
unjere Quellen über den Brauch bei den nationalen Feitipielen in 
Olympia, Delphi, Nemea und auf dem Iſthmus, worüber der Periheget 
Pauſanias (V u. VD), Philoſtrat im Gymnaftifos*), die Siegeslieder 
Pindars und Balchylides’, ſowie die bildliche Überlieferung uns Auf- 
klärung geben. 


*) Diefe merkwürdige und für Turnlehrer wie Hygienifer lehrreiche Schrift 
ift jet durch eine Überfegung von Friedrich Cunze jedem zugänglich gemacht. 
(Programm des Herzogl. Neuen Gymnafiums. Braunfchmeig 1902.) 


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Pauſanias wie Philoftrat verzeichnen die Arten der Knabenmwett- 
fämpfe zu Olympia und den Termin der Einführung eines jeden. 
Danach find zuerit der Lauf und das Ringen eingeführt (632), jpäter 
der Fauſtkampf (616), ſehr fpät der Fauftringfampf (200). Philoftrat 
zeigt einige Abweichungen von diefer Aufftelung. Er vergißt das 
Ringen aufzuzählen, das im felben Sahre wie der Lauf eingeführt ift, 
und fügt den Waffenlauf Hinzu, den Baufanias nicht als Knabenübung 
bezeichnet. Da derfelbe Sieger im Waffenlauf, wie bei Pauſanias, 
Damaret aus Heraia, genannt wird, hat ſich Philoftrat ohne Zweifel 
geirrt, indem er die durcheinander gehenden Anſätze der Knaben: und 
Männeragone nicht richtig ſonderte. Er drückt fih aud mit „ſoll“ 
und „glaube ich“ recht bejcheiden aus. Beide Schriftiteller ſtimmen 
aber darin überein, daß der Fauftringfampf fehr fpät, der Fünfkampf 
(Sprung, Speerwurf, Lauf, Scheibenmwurf, Ringen) nur einmal und 
nit wieder in Olympia von Knaben ausgeführt iſt. Doch erfahren 
wir aus Gedichten des Pindar und Bakchylides und einer Notiz de 
Paufanias, daß auf dem Iſthmus fiherlih das Pentathlon, in Nemea 
aber beide Kampfarten für Anaben zugelaffen waren. Alfo muß Olympia 
nicht durchaus maßgebend geweſen jein. 

Was das Alter der wettſtreitenden Knaben anlangt, ſo bedarf es 
irrigen Anſchauungen gegenüber des Beweiſes, daß wir es wirklich 
mit Knaben zu tun haben. Ein Erklärer des Pindar, Hartung, be— 
hauptet mit wegwerfender Sicherheit: „raig heißt nicht Knabe, ſon— 
dern Süngling, und nur Sünglinge Tonnten in Wettlämpfen auftreten”. 
Allein wie reimt fih hierzu, daß in der geſamten dichterifchen und 
profaifchen Überlieferung an den einſchlägigen Stellen ftet3 nur der 
Ausdruf „Knabe“, nie aber Ephebe oder Süngling gebraucht wird? 
Pindar gibt zudem ein deutliches Kennzeihen an, wonach wir das 
Alter beftimmen können. Er preift im V. nemeifchen Gedichte den 
Pytheas von Agina, daß er im Fauftringlampf den Sieg gewonnen, 
„da er noch nicht am Kinn den zarten Flaum zeigte, der des traubigen 
Bartes Bater ift“. Die Zeit, wo der Bart fprießt, ift ja individuell 
verjchieden, mancher hat wenig Anlage dazu, aber in der Regel lafjen 
unfere 18—19jährigen Primaner, wenn fie einmal das Raſieren ver- 
fäumt haben, den „Vater des traubigen Bartes“ erfledlich bemerken; 
Pytheas muß alſo jünger ald 18 Jahre, d. 5. im Knabenalter ge- 
wefen fein. Indes Zahlen bemweifen. Der Scholiaft bemerkt zu Pin- 
dard 11. pythifchen Liede, daß derjelbe Thrafydaios, der im Sabre 
478 als Knabe im Wettlauf gefiegt habe, im Jahre 458 unter den 


13 


Männern den Preis im Wettlauf errungen habe. Wäre er bei feinem 
eriten Siege ein Süngling von 19—20 Jahren gemwejen, jo hätte er 
feinen zweiten Sieg im 39. oder 40. Jahre gemonnen, was fehr un- 
wahrjcheinlich ift; denn der Sieg im Lauf gehört jüngeren Beinen. 
Mar er aber ein Knabe von 12—15 Sahren, jo fonnte er in der 
eriten Hälfte der Dreißig noch recht gut einen Preis erlaufen. Daß 
tatfächlih zwölfjährige Knaben im Wettlauf gefiegt haben, berichtet 
Pauſanias ausdrüdlih (VI, 2, 5). 

Der Umftand, daß fo junge Sieger vorfamen, bringt uns auf 
die Vermutung, daß die Knaben in Gruppen verfchiedenen Alter3 ge- 
jondert waren, denn jonft hätten ſchwerlich die Siebzehn- oder Adht- 
zehnjährigen fich den Sieg nehmen laffen. Und eine’athenifche Inschrift 
betätigt, daß in Athen wenigitens die Knaben in drei Altersitufen 
geteilt waren, deren Alter nicht angegeben ift, aber vielleiht auf 
10—12, 13—15, 16—18 Jahre angejegt werden Tann *). 

Eine Verwirrung in dieſen einleuchtenden Anja bringt eine 
Alterzeinteilung in Platos Gejegen, von der auch Pauſanias Kennt- 
ni3 bat, wonach die gejamten Wettlämpfer in Knaben, Unbärtige und 
Männer zu jondern wären. Denn dadurd) würde eine Klafje von 
Unbärtigen eingeführt, die nicht mehr als Knaben gelten könnten. 
Die Feftfegung bei Plato jedoch, daß die Knaben die Hälfte der Renn- 
bahn, die Unbärtigen ?/s durchlaufen jollten, zeigt, daß unter den Un- 
bärtigen keineswegs Erwachſene, jondern nur höhere Knaben zu ver- 
ftehen find. Sie mögen etwa die ältefte Gruppe unter den Knaben 
darftellen, die noh Unbärtigen, wie auch Boedh meint. Dem ent- 
ipriht, daß Pauſanias fie mit den Knaben zufammenzieht, indem er 
von dem Dlympiafieger Laftratidas berichtet, daß er auch zu Nemea 
unter Knaben und Unbärtigen einen Sieg gewonnen habe. 

Um den heißummorbenen Sieg bei den nationalen Feitjpielen zu 
erringen, bedurfte es natürlich einer forgfältigen ZTrainierung, um fo 
mehr, al3 bei leichtfertiger Vorbereitung infolge der Anjtrengung und 
der Kampfesgefahren (beim Ringen und Fauftlampf) Gejundheit und 
Leben des Kämpfers gefährdet war. Zu diefem Behuf übergab man 
den Knaben einem bewährten Turnlehrer. Die Macht und das An- 
jehen diefer Turnlehrer, gleichviel, ob man fie Pädotriben oder Gym- 


*) Dem verdienftlichen Auffage W. L. Meyers über das Turnen der Mädchen 
bei den Alten entnehmen wir, daß auch die Mädchen bei den Herafeften in Elea 
in drei Alterögruppen geteilt wettliefen. 


74 


naften nennen will, war ungeheuer. Sie entjchieden mit erfahrenen 
Kennerblid, ob ein Knabe zum Wettlampf tauglich ſei oder nicht, fie 
beftimmten, in welcher Kampfart er fich befonder? ausbilden laſſen 
folle, fie beherrfchten Monate oder vielmehr Sahre hindurch die Lebenz- 
weife und Tätigkeit ihres Schülers, fie gewöhnten, oft nicht ohne 
Härte, feinen Körper zur Anjtrengung, feinen Geiſt zum Mute; fie 
hatten demnach, wenn der Sieg errungen wurde, die Ehre des Sieges 
zur Hälfte für fich zu beanfpruchen. Deshalb werden fie ftet3 in den 
Siegesliedern der Knaben mit Ehren erwähnt. Pindar lobt dreimal 
den NRinglehrer Melefiag von gina, der fo tüchtig war, daß von 
feinen Schülern bereit3 30 Siege gemonnen waren. Nicht minderen 
Ruhm fcheint der Athener Menander als Borlehrer genoffen zu haben. 
Pindar ruft entzüdt aus: „Sa, aus Athen muß ein Turnmeifter fein!" 
Und Bakchylides berichtet von ihm, daß „jeinen Mühen jchon zahl: 
loſer Männer Gelod der Kranzichleifen Belohnung im panhellenifchen 
Spiele dankte“. Sa, nit allein im rafh dahinraufchenden Liede 
wurde des Gymnaften gedacht, jelbit im Statuenwalde der Feſtplätze 
wird er gelegentlich berüdfichtigt. Paufanias merft an, daß einem 
bejonder3 jchönen Knaben, der mit nollendeter Kunft gerungen habe, 
von den Eleern erlaubt jei, das Standbild feines Lehrers in der Altis 
mit aufzuftellen. | 

Der Tag des Kampfes war heiß und mühevoll. Seder Kämpfer, 
jei e8, daß er im Laufe die Schenkel ſchwang, ſei eg, daß er im Fünf- 
fampf alljeitige Durchbildung bewies, ſei e8 auch, daß er im Ringen, 
Boren oder Panfration den Gegner bezwang, gab jein Beltes ber, 
und das alles im glühenden Brande der Auguftfonne; denn in dieſem 
Monate wurden, mit Ausnahme der Sfthmien, die in den April fielen, 
die griehifchen Nationalfefte gefeiert. Es mochte jelten genug vor- 
fommen, daß ein Kämpfer, noch ehe die Sonne über die Berge empor- 
ftieg und das Kampffeld befchien, mit allen feinen Gegnern fertig war, 
- wie Pindar von dem Fünflämpferfnaben Sogenes in der 7. nemeifchen 
Ode rühmt. Und glüdlih, wer fich nicht vergeblich mühte.. Denn 
nur einem Gieger erfannten die fehllofen Kampfrichter, die zehn 
Monate von den Satzungswächtern zu ihrem Amte geſchult waren, 
den Preis zu; zweite und dritte Preife gab es nit. Worin aber 
beftand diejer Preis? In einem Kranze vom Olbaum, Lorbeer, Eppich 
oder der Fichte, nicht3 weiter. „Die Griechen,” jagt ungefähr Herodot, 
„balten ihre Wettlämpfe nicht um Geld und Gut, fondern um die 
Beftheit (aeern)." Das Zeichen der Beftheit ift eben der Kranz, ber 


75 





an fich wertloſe Kranz, wertvoll nur für den hohen Sinn und den 
edlen Ehrgeiz de3 Hellenen, der jo kräftig in ihm lebt, daß Ernit 
Curtius nit ohne Grund den Kranz das eigentlihe Wappenzeichen 
der Hellenen, das Symbol ihrer eigentümlihen Macht und Größe ge- 
nannt bat. 

Um zu ermeffen, melden Zauber der Kranz auf bie hellenifche 
Sugend ausübte, muß man alle die einzelnen Bräuche fich vergegen- 
wärtigen, welche den Sieger im Wettlampf zu feiern beftimmt waren. 
Dabei muß die Phantafie ergänzen, was die Überlieferung ung nur 
undeutlihd und lüdenhaft mitteilt. Nach gemonnenem Siege wurde 
des Gieger3 Name und Vaterland den Zufchauern durch einen Herold 
verfündet. Braufender Jubel begrüßte ihn, er bielt einen Umgang, 
daß jeder ihn jehen fonnte;, Blumen und grüne Zweige flogen in die 
Arena, von denen er jammelte, fo viel er und feine Freunde ver- 
mochten. Mit Siegerbinden geihmüdt, nahm er am weiteren Felte 
teil. Ein Vaſenbild zeigt ung einen jugendlichen Sieger, dem Bänder 
um den linfen Arm und Schenkel gefchlungen find; auf dem Kopfe 
trägt er eine jpigetürmte Müte, von deren Spite abermals ein langes 
Band Iuftig herabflattert. Feierlicö und ernft war die Überreihung 
des Kranzes und des Palmenzweiges im Tempel des Zeus am Schluß- 
tage des fünftägigen Fejtes, wonach der Sieger dem Zeus fein Danf- 
opfer darzubringen hatte. E3 Tann faum ein Zweifel fein, daß wir in 
dem Vaſenbilde bei Gerhard, Auserl. V. III, 155, 2 (Baumftr. ©. 1107), 
das Siegesopfer eines Knaben vor ung haben. Sowohl die über dem 
Altar ſchwebende Siegesgöttin wie die Inſchrift bei dem opfernden 
Knaben: „Nikodemos der Schöne” erheben dieſe Vermutung zur höchſten 
Wahrſcheinlichkeit. Welche Gefühle mochten des Knaben Bruft ſchwellen, 
wenn er, das Ehrenzeichen Griechenlands auf dem Haupte, dem höchſten 
Gotte demütig gegenübertrat! Luſtige Umzüge mit Freunden, bei 
denen ein Giegeslied, etwa da3 des Archilochos auf Heralles, gefungen 
wurde, vollendeten die Siegesfreude auf der Feitftätte. Aber damit 
war der Genuß feines Sieges noch nicht erfchöpft. Wenn er in feine 
Vaterſtadt heimfehrte, begann der zweite Akt dieſes mundervollen 
Freudeſpiels. Ob man zu Ehren des Knabenfiegerd die Stadtmauer 
eingeriffen bat, zum Zeichen, daß er ein ftärferer Schuß fei als die 
Mauer, fteht dahin. Sedenfall3 jubelte die ganze Stadt dem unter 
Siegesgefang Einziehenden zu und warf ihm Blumen und Zweige. 
In nicht zu langer Zeit lud der Wohlbabende Freunde und alles, was 
ihm nahe ftand, zu einem feftlicden Siegesſchmauſe ein, oder die Stadt 


76 


veranftaltete ihm zu Ehren ein Felt, wobei den Glanzpunft ein vom 
Chore Gleichaltriger vorgetragenes Siegeslied bildete, das ein fähiger 
Dichter mit Benugung der heimifchen Sage eigens für ihn angefertigt 
hatte. Wir befigen zehn Oden von Pindar und zwei non Bakchylides, 
die Rnabenfieger verherrlihen. Das Gedächtnis des Sieges aber hielt 
ein bronzened® oder marmornes Standbild des tüchtigen Knaben an 
der Feititätte, wo der Sieg gewonnen war, lebendig. Meift wurde 
aud fein Standbild im Heiligtum der Stadtgottheit auf der Afro- 
polis aufgeftellt. 

Wir möhten nun gern etwas wiſſen von der Veranitaltung von 
Wettfämpfen, auf die wir Förderer der Jugendſpiele jo großen Wert 
legen, bei denen der einzelne nicht für fih, jondern für feine Partei 
fämpft und fo felbftlofer zum Siege ftrebt. Doc wir wiſſen nur eins 
gewiß, daß fie auf den nationalen Selten nicht ftattfanden. Ob fie in 
fleineren Feftfreifen gelegentlid norfamen, ift ungewiß. Es eignen 
fih dafür eigentlich nur vier antife Spiele: der Grenzball (Episkyros), 
der Raffball (Harpaiton), das Tauziehen (Helkyitinda) und das Zerr- 
fpiel (Dihelkyſtinda). Das letztere, das minder befannt ift, fand jo 
ftatt, daß jeder einen Gegner zu fich hinüber und Hinter die Mallinie 
zerren mußte; die Partei, welche die meiften zu ſich hinübergezogen 
hatte, gewann den Sieg. Nur von den Spartanern, die ja in manchen 
Beziehungen mit den Engländern zu vergleichen find, berichtet Lucian 
im Anacharſis, daß fie einige Spiele im Sinne von Wettlämpfen 
trieben. „Um einen Ball,” fo erzählt darin Solon dem vermunderten 
Skythen, „fallen fie fih im Theater an und puffen einander, daß es 
eine Art hat, oder fie begeben fi auf einen wafjerumgebenen Plat 
und befämpfen fi in Schladtordnungen gefondert, nadt wie fie find, 
bis die eine Partei die andere aus dem Bezirk heraus ind Waſſer ge- 
mworfen hat.” Man fieht, diefe Kampfjpiele geben dem Rugbyfußball 
an Derbheit und Gefährlichkeit für ſchwache Knochen nichts nach, und 
der Gedante liegt nicht fern, daß die im Theater und Waſſerbezirk 
abgebaltenen Kämpfe gelegentlid regelrechte Schau: und Wettlämpfe 
aud für Knaben gewesen fein mögen. 

Wir dürfen ung nicht verhehlen, daß dem Glanz und dem Nutzen 
der griechiſchen Knabenwettkämpfe bedenkliche Schattenjeiten und 
Schädigungen gegenüberftehen. Welche Eitelkeit konnte in dem jugend- 
lien Gemüte groß werben, wenn auch noch fo fehr die religiöfen 
Formen gewahrt wurden und der Sieger danfend und opfernd dem 
Gotte fih weihen mußte, wie wir ihn dem Baterlande weihen. Und 


17 


ferner, wie leicht konnte durch die Überfpannung der körperlichen Aus— 
bildung die Harmonie zwischen Körper und Geift dauernd geftört 
werden! Solange die gute Sitte des hellenifchen Adels vorherrichte, 
wurde das Maß gewahrt; der Agon war nur die von ſelbſt jprießende 
Blüte einer gefunden förperlichen Entwidelung. Wie anders aber, al3 
die Wendung zur Athletif eintrat und der Kampf brutaler wurde! 
Übermäßige Trainierung, verbunden mit gewaltfamem Efjen, hatte bei 
den jugendlichen Zöglingen Schlaffuht und Stumpffinn im Gefolge, 
jodaß bereit3 Ariftoteles in feiner Politik fi energiſch gegen Die 
Knabenwettlämpfe feiner Zeit äußert. Es trat das ein, was Krauſe 
nüchtern und klar fo formuliert: „Der eigentliche Athlet war gemöhn- 
lid für andere Gefchäfte des Staates und des häuslichen Lebens 
wenn nicht ganz untauglich, doch weniger brauchbar al3 andere 
Menſchen von geringerer Leibesſtärke.“ Wir wollen e3 nur geftehen, 
wir könnten in unferem heutigen Kulturleben eine derartige Betonung 
der körperlichen Erziehung, mie fie aus der Agoniſtik der Griechen 
hervorging, nicht gebrauchen. Unfere Tugend ift nicht die, vor weldhe 
die Götter den Schweiß feßten; wir wollen fenntnisreiche, klare Köpfe, 
einen redlichen, züchtigen Sinn, ein für alle8 Gute und Schöne warm- 
ſchlagendes Herz. Dazu ift vor allem eine geiltige Erziehung nötig. 
Aber wir find drauf und dran, die unerläßliche Unterlage des geiitigen 
Lebens, den gefunden Leib, verderben zu laſſen zum fchmeren 
Schaden unferer nationalen Wehrkraft. Wir bedürfen der Belebung 
des Sinnes für Leibesübungen gegenüber einer ftreberhaften, bequemen, 
in Genüffen raſch abjtumpfenden Jugend, und in diefem bejcheidenen 
und maßvollen Sinne fünnen wir aus den Kinabenwettlämpfen der 
Griehen etwas lernen. Das agoniſtiſche Element ift nad Gras— 
bergers Urteil das allerbeite, wo nicht das einzige, wa3 für ung aus 
der gymnaftifchen Erziehung der Hellenen hinübergenommen werden 
fann. Deshalb freuen wir ung der Knabenkämpfe am Sedantage, 
wie fie 3. 3. in Braunfchweig dankt Auguft Hermanns Berdienft 
blühen, und wir wollen die Neigung der Knaben zu Qugendjpielmett- 
kämpfen ja nicht unterdrüden. 


® 


18 


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Die weiteren Maß⸗ Mit ver Herausgabe des dritten Ban- 
nahmen fürdie®@r= des der „Kleinen Schriften“ zur Förderung 
ftarlung Der weib- Erz nn une in — 

and: „Handbuch der Bewegungsſpiele für 
lichen Ingend as Mädchen”, hat der Zentral-Ausfhuß es klar 
durch Bewegungs⸗ zu erfennen gegeben, welche Arten er aus 
ſpiele. aasssssas der übergroßen Zahl als eigentliche Be- 
Bon Turninfpektor A. Her- wegungsſpiele anerkennt, die frei von aller 
mann, Braunſchweig. 66 Tändelei nad) leichten Singweifen im 

Freien betrieben werden müffen 
und follen, Spiele, welche zu ſchöner, Fraftvoller Bewegung An- 
leitung geben, den Körper alfo anftrengen, die Zuft zur ausgiebigen 
Bewegung im Freien erweden und jeder einzelnen in der Gefährtinnen- 
ſchaar, welche ſpielt, Freude bereiten. 

Mag man aud) immerhin die Kleinen auf der Unterftufe im 
Turnjaale, wenn er Iuftig und ftaubfrei ift, aber bejjer noch auf dem 
Plage Sing: oder Liederfpiele und die befannten Ned- und Scherz: 
fpiele treiben laſſen, Spiele, bei denen mehr die Tätigkeit der ein- 
zelnen Spielerinnen in den Vordergrund tritt, fie werden recht bald 
unter einer richtigen Anleitung diefe Arten jehr gern mit ſolchen aus— 
tauſchen, auf welche das fchöne Rüdert’fhe Wort Anwendung findet: 

„Stel dich in Reih’ und Glied, das Ganze zu verftärken, 
Mag auch, wer's Ganze ſieht, dich nicht darin bemerken.“ 

Es jind ja diefe Grundfäge, die aus reicher Erfahrung heraus 
eine nit umzuftoßende Wahrheit ausſprechen, jo oft jchon nieder: 
geſchrieben worden, aber wir müfjen fie immer wieder aufs neue 
wiederholen, wenn die Ziele und Zwecke, melde wir mit den Be- 
wegungsſpielen verfolgen, erreicht werden jollen. 

Das weibliche Geſchlecht ſoll durch regelmäßig betriebene Leibes- 
übungen, die auf feine anatomifch-phyfifche und auch pſychiſche Eigenart 
ſowie jeine eigentlichen Lebensaufgaben Rückſicht nehmen, erſtarken. 
Der Körper fol Fräftiger, ausdauernder, arbeitsfähiger und auch 
widerjtandsfähiger werden gegen eine Menge Einwirkungen, die da3 
Leben mit fih bringt. Die in unjerer fchnelllebigen Zeit zunehmende 
Nervofität, Blutarmut und Muskelſchwäche der weiblichen Jugend 


19 


muß durch energifche Gegenmittel befämpft werden. Das beite, wirt: 
famfte, einfadhfte und natürlichite Gegenmittel ift und bleibt aber 
allein die regelmäßige, ausgiebige und alljeitige Mustel- 
tätigfeit in freier Zuft. Ruben die Muskeln, jo werden nicht 
nur fie ſchlaff, ſondern auch das Herz, der ganze Atmungsapparat 
arbeitet unzureichend, und daraus entitehen die vielerlei Störungen 
im ganzen Körperhaushalt. Die Widerftandsfähigfeit des Körpers 
nimmt ab und die Empfänglichkeit für Krankheiten zu. 

Aljo recipe: Kräftige den gejamten Wärmeerzeu- 
gungsapparat des Körper, die Muskeln, Nerven, 
Zungen und das Herz durh Leibesübungen in freier 
Luft! 

Wohl wird in vielen Mädchenſchulen geturnt und gefpielt, aber 
doch nicht annähernd in dem Maße, wie es nötig wäre, um das 
weibliche Gefchleht ftarf zu machen. Und in einer nicht geringen 
Zahl diefer Schulen turnt und fpielt man überhaupt noch gar nidt. 
Man follte es faum glauben, daß es in der heutigen Zeit noch Eltern 
und gar Schulleiter gäbe, die das, was wir fordern, für überflüffig 
oder mindeftens für zu viel halten; und doch ift dem leider jo. Wir 
müfjen deshalb immer wieder unferen Ruf: „Hinaus ind Freie mit 
den deutſchen Mädchen zum Bewegungsfpiel fo viel ala irgend 
möglich!" erneuern, bis er allgemein gehört, verftanden und auch be- 
folgt wird. Wo dies bereits gejchieht, fommt e3 uns aber recht jehr 
auf das Was und Wie dabei an, und darüber wollen wir hier nod 
in Kürze jchreiben. 

Für alle Altersftufen lege man einen ganz befonderen Wert auf 
die Zauffpiele. Das Laufen iſt nicht nur eine der natürliditen, 
fondern auch der wirffamften Übungen für die Gefundheit, weil e8, 
wie feine andere Übung, Herz und Lungen in ausgiebige Tätigkeit 
jeßt und daneben große Musfelgebiete des Lendengürtels in Anſpruch 
nimmt, wa3 namentlich für die Mädchen von Wichtigkeit if. Sagt 
doch ſchon Mercurialis: „Unter den Mitteln, welche die Natur dem 
gejamten Tiergefchleht zur Erhaltung des Lebens gab, ilt das Laufen 
das wichtigſte.“ Kein tierifcher Körper ift aber mehr für das Laufen 
organifiert al3 der menſchliche. Wir haben aus diefem Grunde aud) 
die Laufjpiele in unserem Handbuche vorangeftelt. Unter ihnen 
haben diejenigen für Mädchen einen befonderen Reiz, welche Partei— 
und Kampffpiele find, wie 3. B. „Staffettenlauf”, „Diebjchlagen”, 
„Räuber und Nonnen”, und „Barlauf.“ 


80 





Bon den Ballfpielen, die ja ohne Frage zumeift auch für die 
Mädchen hödhft wichtig find und voran ftehen, haben wiederum die— 
jenigen in erjter Reihe einen Fräftigenden und ftählenden Einfluß auf 
den Körper und die weitaus größte Beliebheit, bei denen neben dem 
Schlagen, Zangen und Werfen des Balles auch der Lauf mit in den 
Vordergrund tritt, aljo die meiften „Schlagballipiele”. 

Indes find auch ſolche Ballfpiele, namentlich in den Oberflaffen 
der Mädchenſchulen, zu bevorzugen, bei welchen nicht der eigentliche 
Zauf bervortritt, die aber doch eine Fräftige, alljeitige Bewegung de3 
ganzen Körpers veranlafjen, wie „Rollball“, „TZamburinball”, (meinet- 
wegen auch „Fauftball”), „Tennis“, „Grenzball“ und ganz bejonders 
„Korbball“. 

Sollen mithin die Bewegungsſpiele da, wo ſie für Mädchen 
glüdlicherweife nunmehr in grundſätzliche Pflege genommen find, 
wirklich zu ihrer Erftarfung beitragen, fo muß die Bevorzugung der 
fraftvollen Spiele zur Regel werden. 

Aber eine andere Maßnahme, welde uns die wicdhtigfte mit 
it, muß gleichzeitig erfolgen: Die Gewöhnung der Mädchen 
an das Licht und die Strahlen der Sonne, fowie an eine be- 
queme Kleidung, melde die freiejte Bewegung geftattet. Könnten 
doch unjere Mädchen auf dem Spielplate fo leicht gefleidet und frei 
geſchürzt erjcheinen wie die Spartanerinnen bei ihrer Gymnaftif auf 
freien Plägen. Wir jagen es frei heraus, dab es mit dem Auft- 
Licht -Sportbade am Kurfüritendamm in Berlin fein Schwindel ift. 

Wir haben die Mädchen leicht daran gewöhnt, beim Spiel ohne 
jegliche Kopfbededung die Luft und dag Licht der Sonne auf ſich ein» 
wirken zu laffen, und fie haben es erfennen gelernt, welch belebenden 
und ftärfenden Einfluß unter diefen Umftänden die Bewegung beim 
Spiel auf ihren Körper ausüben. Haben wir doch jebt ſchon in der 
erſten Hälfte des Sanuar an einigen milden jonnigen Tagen wieder 
im Freien gejpielt. Die Mädchen ſelbſt drängten dazu. Welch gefunden, 
fräftigen Eindrud macht doch auch beim weiblichen Geſchlecht eine von 
der Sommerfonnenluft gebräunte Haut! Wie kraftvoll jehen unfere 
Soldaten aus, wenn fie aus dem Manöver, unjere Kinder, wenn fie 
aus den Ferienfolonien und Sommerfrifchen zurüdfommen! Das 
fommt allein nur vom Aufenthalt in Luft und Sonnenfdein. Daß 
unfere Beftrebungen auch in den Reihen der fogenannten „oberen 
Zehntauſend“ das weibliche Gefchleht mit angeregt haben, dem Be- 
mwegungsfpiel ſich mehr zuzumenden, beweifen die in legter Zeit jo 


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vielfach ins Leben gerufenen Tennis-Klubs. Es gehört jetzt ganz 
einfach zum guten Tone, daß eine junge Dame Tennis ſpielt. Wo 
wir nur können, müſſen wir dieſe Spielbewegung unterſtützen. 

Zum Schluß müſſen wir hier aber noch eine wohlgemeinte 
Warnung zum Ausdruck bringen: Wir wollen unſere deutſchen Mädchen 
davor bewahren, daß ihre Turnübungen ſowohl als ihre Bewegungs— 
jpiele in einen athletifchen Sport ausarten. Maßhalten in allen Dingen, 
und damit auh in den Leibesübungen, ift ein ſehr zu beherzigendes 
Wort, zumal für unfer weibliches Geſchlecht. Wenn die Amerifanerinnen 
und Engländerinnen Fußball fpielen, Diskuswerfen und felbft das 
Fechten und Boren üben, jo wollen wir unfere Mädchen davon zurüd- 
balten, ſolchen Beifpielen zu folgen. Das Fußballipiel ift völlig un- 
geeignet für Mädchen, denn die Bewegungen dabei find viel zu heftig, 
fie maden die Muskulatur‘ des weiblichen Körpers hart, ftatt fie ge- 
ſchmeidig, weich und doch Träftig zu erhalten, ja die Gefahr liegt fehr 
nahe, daß bei diefem Spiel Organe Schaden erleiden, die das Leben 
fördern follen. Die ſchöne und Fräftige Form des Wurfes, wie wir 
ihn beim Disfuswerfen anwenden, gebrauchen unfere Mädchen ja beim 
Grenzballfpiel , einem für fie fehr geeigneten Partei- und Kampfipiele. 
Das Bewegungsipiel fol für das weibliche Geſchlecht allein nur Mittel 
zum Zweck fein und bleiben, aber nie jelbft zum Zwed werden. Unſere 
deutſchen Mädchen, Sungfrauen und Frauen follen feine „athletie girls“ 
werden, die als folche in vielen Lebenszuftänden doch nur verjagen. 
Man fei aus diefen Gründen auch vorfichtig in der Veranitaltung 
von Wettjpielen zwischen Mädchenfpielabteilungen, die fonft nicht mit- 
einander in näherer Berührung ftehen. 


PIIIIITIIIIIITTIHE SSFFF FIT TFTs 


Der Einfluß der Ob unſer heutiges Geſchlecht im großen 
Spielennd Leibes⸗ un ganzen Fräftiger, gefunder und lang- 
übungen auf das lebiger fei als frühere Gefchlechter, ift eine 
Nervenſyſtem. aaa Frage, welche viel und lebhaft erörtert wird 
#44 Bon Dr. med. F. A. Und dabei ungemein verſchiedene Beantwor- 
Schmidt, Bonn. Sss# tung findet. Man weilt dabei hin auf die 

tiefeingreifende Umgeftaltung der äußeren 
Lebensbedingungen und Lebensformen, wie fie ſich ſchon Fundtut in 
dem ungeheuren Wachstum der Städte und insbefondere der induftrie- 

Boll3- und Augendfpiele. XII. 6 


82 


reihen Großjtädte gegenüber der immer mehr in die Minderheit ge- 
drängten Bevölkerung des platten Landes. Man hegt in weiten 
Kreifen die Vorftellung, als ob in dieſen Verhältniſſen, wenigſtens 
fomeit die breiten, in der induftriellen Befchäftigung ihren Lebens— 
unterhalt findenden ftädtifhen Volksmaſſen in Frage fommen, Die 
Urſachen zu meitverbreitetem Elend, Siehtum, verminderter Lebens— 
fülle und geringer förperlicher Leiftung3- und Widerftandsfraft gegeben 
feien. Tatſächlich find Hinfichtlich der verbreitetften Volkskrankheit, der 
Tuberfuloje, die ftädtifhen Bevölferungen mehr gefährdet al3 die 
ländlichen. Einen befonder3 fchlagenden Beweis erblidt man aber in 
den Ergebniffen der Aushebung zum SHeeresdienft, welche eine ent: 
Tchiedene körperliche Minderwertigfeit des ftädtifchen Nachwuchſes gegen 
über der Jungmannſchaft vom Lande dartun follen. Dazu muß indes 
bemerft werden, daß unfere Heeresverwaltung aus leicht begreiflichen 
Gründen fi bisher nicht dazu verftanden hat, die genauen Ergebnifje 
der Refrutierungsftatiftif der Öffentlichkeit preiszugeben. Ein ficherer 
Maßſtab, der ung die obmwaltenden Unterfchieve zwifchen der groß- 
ftädtifchen und der ländlichen heerespflichtigen Jugend genau erkennen 
ließe, fehlt ung alſo nod). 

Nun weit man auf der anderen Seite darauf hin, daß doch unfere 
Städte, namentlih im legten Drittel des verfloffenen Jahrhunderts, 
dank zahlreichen, allgemein eingeführten Maßnahmen der öffentlichen 
Gefundheitspflege, als da find: geregelte Entfernung aller Abfallitoffe 
und Entwäfjerung des Untergrundes der Städte, Zuleitung guten Trinf- 
waſſers, Überwachung des Verkehrs mit Nahrungsmitteln uſw. ufm., 
reinlicher, gefunder und luftiger geworden ſeien. Es kann fein Zweifel 
darüber bejtehen, daß jo der Umfang von Bolfsfeuchen eingefchränft, 
die oft übergroße Kinderfterblichkeit vermindert, die durchfchnittliche 
Lebensdauer des einzelnen erhöht worden ift. Diefe und andere Tat- 
jachen lafjen die Anſchauung als eine ungeredtfertigte erfcheinen, als 
ob unſer gegenmwärtiges Gejchlecht allgemeiner körperlicher Entartung 
entgegengebe. 

Gleichwohl bleiben in der heutigen Entwidelung unjeres Volks⸗ 
daſeins genug Einflüffe wirkſam, welche das Volkswohl und die Volks— 
gejundheit ernitlih zu gefährden drohen. Mag man nun dieje Ein- 
flüffe größer oder geringer anjchlagen und die eingangs aufgeworfene 
Frage mehr im bejahenden oder im verneinenden Sinne zu beantworten 
geneigt fein: darüber herrſcht wohl allgemeine Übereinftimmung, daß 
die neuzeitliche Kulturentwidelung unfer Geſchlecht ganz allgemein mit 


83 

einer gejteigerten Erregbarfeit des Nervenſyſtems bedacht hat, 
welche häufiger als früher in Nervenſchwäche umſchlägt. Vermehrte Ner- 
vofität ift zweifellos dem Menſchen des beginnenden 20. Jahrhunderts 
zu eigen. Wir brauchen da wohl faum binzumeijen auf jene lange 
Reihe urſächlicher Erfcheinungen: die ganze Haft und Unruhe des 
heutigen Lebens; die geringe Seßhaftigfeit des einzelnen, begünitigt 
durch ungemein entwidelte Verkehrzerleichterungen; die durch unerhörte 
Fortichritte der Technik und fich drängende Erfindungen immer wieder 
benötigten Ummälzungen im Erwerbgleben; das reißend jchnelle An— 
wachjen der zu bewältigenden Summe an Willen und Können auf 
allen Gebieten infolge der immer weiter gehenden Teilung und Spe- 
zialifierung der Arbeit; die häufigen, in die weitelten Volkskreiſe ihren 
Einfluß erftredenden Erjchütterungen des Erwerbslebens und Der 
Dafeinsbedingungen durch fchwere induftriele Kriſen; die ftetig für 
den einzelnen zunehmende Schwierigkeit, fich geltend zu machen und 
durchzudringen. 

Aud in der Geftaltung unferer heutigen Sugenderziehung hat man 
vielfach die Gefahr einer übermäßigen Belaftung des Nervenfyitems, 
einer geiftigen Überbürdung erbliden wollen und letzterer auch tat- 
fählih nach mander Richtung bin, jo in der Anordnung der Unter: 
richtsſtunden, der Pauſen zwifchen denjelben, in der Verteilung und 
teilmeifen Einſchränkung des Lehrftoffs, der Minderung der häuslichen 
Arbeiten uſw. vorzubeugen geſucht. Allerdings erfreuen ſich ander- 
jeit3 Die Lehr- und Lernmittel einer früher ungeahnten Fülle und 
Dervolllommnung. In verſchwenderiſchem Maße find die in den 
Händen unferer Jugend befindlichen Bücher mit Abbildungen aller 
Art, mit erläuternden Tafeln und Karten ausgeftattet, find mechanifche 
und phyſikaliſche Modelle und Apparate, Vorlagen u. vergl. Hilfs- 
mittel um ein Geringe erhältlid und auch dem wenig Bemittelten 
leicht zugänglich gemacht. Allerdings birgt ſolche Überfüle auch die 
Gefahr in ſich, daß unferer Jugend ernftes, mühjames Eindringen 
und Arbeiten fremd wird; daß fie fih allzu leicht mit der mühelos 
erworbenen Anſchauung begnügt, oberflächlich wird und bei der Viel— 
fältigfeit des Gebotenen ihre Intereſſen zerfplittert und zerfafert. So 
wird ftrenger Geifteszuht — welche für das Nervenſyſtem durchaus 
eine heilfame Feitigung und Stärkung bedeutet — zweifellos entgegen- 
gewirkt und die Erziehung zu gewiffenhafter Gründlichkeit zuweilen recht 
empfindlich erfchwert. 


Selbft.in unfer Gemüts- und Erholungsleben hat die „Reizjam- 
6* 


84 


feit“ unſeres heutigen Gefchleht3 — um mich des Ausdruds eines 
unjerer erjten Gefchichtöforfcher zu bedienen — ihren Einfluß tief 
hinein erftredt. Sin der bildenden Kunft, im Theater, in der Literatur, 
in der Mufif herrfcht in hohem Grade das Beſtreben vor, durch ftarf an- 
greifende Sinnes- und Nervenerregungen mädhtigere Wirkung zu erzielen, 
„zu packen“. Das Krankhafte, Verzerrte, ja das Widerwärtige in allen 
möglihen Formen und Geftalten nimmt dabei einen ungebührlich 
großen Raum ein. Und wenn der einzig daftehende Erfolg eines jo 
ernften, kerngeſunden Werkes wie „Jörn Uhl” im letten Jahre uns 
gelehrt hat, daß in den gebilbeteren Kreifen des deutjchen Volkes 
unverdorbenes, gejunde® Empfinden glüdlicherweife doch eine weit 
größere Stätte hat, al3 man nah) manden anderen Erjcheinungen in 
unferem Schrifttum und unferem öffentlichen Leben wohl anzunehmen 
geneigt war, jo zeigen anderjeit3 die zahllojen, meift überfüllten 
Variete-Theater und Tingeltangels3 unjerer Großſtädte, in welchem 
Grade unsere mittleren und unteren Bollsfhichten guter Erholung 
entfremdet find und ftarfem Sinnenreiz ihre Feierftunden opfern. 

Nur in wenigen Zügen fonnten wir fo auf diejenigen Seiten 
unſeres Volks- und Jugendlebens hinweiſen, welche zweifellos für 
die weite Verbreitung von nervöfer Erregbarfeit und Schwäche einen 
wirkſamen Untergrund abgeben. Dies Bild weiter auszuführen und 
zu ergänzen, ift hier nicht der Ort. 

Ste unruhvoller, je fünftlicher, je aufreibender aber in dem hin— 
reißenden Treiben und SHaften unseres öffentlichen Lebens ſich das 
Dafein großer Kreife des Volkes geftaltet, um jo mächtiger mußte 
der Trieb erwachen, den überreizten Sinnen und Nerven die rechte 
Erholung und Gefundung zu bieten draußen in der freien Gottesnatur. 
So jehen wir aljährlid in der wärmeren Sahreszeit wahre Völker—⸗ 
mwanderungen aus unjeren Städten fich ergießen, hinaus aufs Land, 


in die Wälder und Berge oder an die Geltade des Meeres, um für. 


fürzere oder längere Zeit dem Tageögetriebe daheim entrüdt zu fein. 
Wohl noch fein Zeitalter hat jolches in derartigem Umfange gejehen. 
Wenn nur genug von allen biefen die Kunſt verftünden, alles Fleinliche 
Denten und Sorgen daheim zu laffen und mit offenen Sinnen und 
empfänglichem Gemüte nun auch ganz aufzugeben in der Schönheit und 
Erhabenheit der Natur, die fich offenbart auch im bejcheidenften Erben- 
winfel: man muß fie nur zu finden und zu würdigen willen! 
Leider bat fih an den beliebteften und befuchteften Erholungsftätten 
das ganze Dafein mittlerweile wieder dermaßen fünftlih und ge- 


85 


räuſchvoll geitaltet, daß von den einfahen Berhältniffen, die man 
draußen juchen wollte, gar nichts, von reinem Naturgenuß nur fümmer- 
lid wenig übriggeblieben it. Nun ift es aber immerhin nur ein 
tleiner Bruchteil unferer ftädtifchen Bevölkerung, dem eine Erholung3- 
reife in einigermaßen wirkſamer Ausdehnung überhaupt möglich ift. 
Schwerer aber wiegt der Umftand, daß die meilten derer, welche 
hinaus waren, um neue Spannkraft ihres Nervenfyftems, um Friſche, 
Arbeitsluft und Arbeitsfähigkeit zu gewinnen, nach ihrer Heimkehr fich 
nun mit erneuter Wucht in das frühere Getriebe werfen, wo möglich 
darauf aus find, Verſäumtes fchleunigit nachzuholen, in feiner Weife 
aber darauf Bedacht nehmen, wie fie durch geeignete Lebensweiſe einen 
Teil wenigſtens von dem errungenen Gewinn an Wohlfein und Ge- 
jundheit feithalten. Was Wunder, daß häufig ſchon nach recht Furzer 
Friſt alles, was von der Erholungsreife an Friiche, ruhigem Behagen 
und Leiftungsfähigfeit heimgebracht war, wieder gänzlich dahin ift. 
Sp ift denn der Erfolg der zahllojen Sommerreifen für jehr viele 
ein recht fragmwürdiger und fteht außer Verhältnis zu den gebrachten 
Opfern an Zeit und Geld. Immer wieder muß e3 gejagt werden, 
daß der, welcher fich ftete Förperliche wie geiftige Frifche wahren und 
ingbefondere fich gejunder Nerven erfreuen will, jeine geſamte Lebenz- 
führung entſprechend geitalten muß. Auf folche Lebensführung kommt 
e3 ungleich mehr an al3 darauf, daß man in langen Zwifchenräumen, 
nahdem man glüdlih wieder einmal mit feinen Nervenfräften mehr 
oder weniger abgewirtfchaftet hat, eine kurze Erholungsreije unter- 
nimmt. Erſtes Gebot für das Alltagsleben ift, das Maß der täglichen 
Arbeit der wirklichen Leiftungsfähigfeit gemäß zu geitalten: den Bogen 
nit zu überjpannen. Das zmeite ift: der Arbeit nicht nur ent» 
Iprechende Erholung folgen zu lafjen, fondern vor allem die Erholung?- 
zeit in richtiger Weiſe auszugeftalten und auszunugen. Damit wird 
man um jo eher feine Nervenfraft erhalten, je beſſere Grundlage für 
ein gejundes Nervenleben ſchon in der Jugend gelegt und erworben 
war. In der Tat, wenn wir allgemein die Nervofität unſeres Ge- 
ichlechtes befämpfen wollen, ift das erfte Erfordernis dazu eine richtige 
Erziehung in der Kindheit und Jugend. Was im Elternhaufe nad 
diefer Richtung Hin gefündigt und verdorben werden kann, ift befannt 
genug. Unverftändige Eltern, welche jelbft bei geringfügigen Anläſſen 
ihon Faffung und ruhige Überlegung verlieren und fih in ihren 
Äußerungen des Entſetzens, des Widerwillens, des Hnffes, des Ärgers, 
der Furcht ufw. auf das maßlofeite gebärben, teilen ſolch aufgeregtes, 


86 


haltloſes Wefen nur zu leicht ihren Kindern mit, zumal, da das Ge- 
fühlaleben des Kindes fich durch befondere Erregbarteit auszeichnet. 

Nun kommt weiter hinzu die Schulerziehung. Schon oben war 
darauf hingewieſen, daß diefe unter Umständen Schädigungen für das 
Nervenleben mit fih führen fann. Insbeſondere dann, wenn das 
Maß von Lehritoff und Lernarbeit für die Faſſungskraft des Schülers 
eine Überlaftung bedeutet. Solche Überbürbung tritt um fo eher ein, 
je weniger infolge fehlerhafter Erziehung der Schüler angeleitet ift zu 
gejammeltem, eindringlidem geiftigen Arbeiten. Inwieweit bei unjerer 
heutigen Schulerziehung dieſe Gefahr für die Nervenkraft tatfächlich 
vorhanden ift, jo daß man von einer vorhandenen Überbürdung der 
Sugend fpreden Tann, wollen wir hier nicht weiter unterjuchen. 
Jedenfalls gehen die Urteile darüber auseinander. Was aber bet 
unserer Jugend zur Wahrung und Entwidelung der Nervenfraft unbe- 
ftreitbar von Wichtigkeit ift das ift eine forgjame Körperpflege 
und Körperübung. 

Bon Kind an fommen neben ausreichender, pafjender Ernährung 
bier ganz befonder3 die Anregungen in Frage, welche dem wachjenden 
und fih entwidelnden Körper in allen feinen Teilen durch ein reich- 
lihe8 Maß von Übung und Betätigung des Bewegungsapparates 
gegeben werden. inwiefern dies auf die Entwidelung und Erhaltung 
eines gefunden Nervenfyftems von Einfluß ift, mag im rolgenden furz 
erörtert werden. 

An der Spike der in diefem. Betracht wertvollen Übungen fteht 
auch bier nicht nur für die Kinderjahre, fondern auch für die Ent- 
widelungszeit bi3 zur Reife das Bewegunggfpiel in freier Luft. Bet 
mehr erftarfendem Körper haben fich dem Spiel regelmäßige häufigere 
Wanderungen in Wald und Flur, fowie geregelte Turnübungen (Frei- 
übungen; Übungen im Laufen, Springen, Werfen; Gerätübungen) 
zuzugejellen. Nicht nur für die Spiele, fondern auch für die eigent- 
lichen turnerifchen Übungen ift ganz beſonders Gewicht darauf zu 
legen, daß fie, jo oft es nur angängig ift — und das ift in allen Jahres- 
zeiten in reichlihdem Maße der Fall —, draußen unter freiem Simmel, im 
Sonnenlidt, vorgenommen werden. Der Menfch gedeiht ebenjowenig im 
Schatten und in der Zimmerluft wie die Pflanze. Wie leßtere ihr volles 
Grün und Chlorophyll bildet nur unter der Einwirkung des Himmels- 
lichtes, jo find auch freie Luft und Licht dem Menſchen notwendig zur 
Bildung der jauerftofftragenden, lebenvermittelnden Beftandteile des 
Blutes: der roten Blutkörperchen. Neichliche Bewegung im Freien 





87 


ift bei entfprechender Ernährung das beſte und das von Natur ge- 
gebene Mittel zur Erlangung gefunder Blutfülle. So alt diefe Wahr: 
heit ift, und fo jelbftverftändlich fie jeden dünft, jo jehen wir fie 
troßdem immer und immer wieder verfannt, ingbefondere auch von 
vielen derer, welchen in der Leitung der turnerifchen Leibesübungen 
unferer Jugend zugleih ein gut Teil der Gejundheitsförderung eben- 
derfelben Jugend anvertraut if. Insbeſondere ift zu betonen, daß 
Blutarmut und Bleihfuht die Reizbarkeit des Nervenſyſtems in 
ungefunder Weife fteigern. Nervöſe d. 5. nervenſchwache Kinder, 
Sünglinge und Jungfrauen find faft durchgehends blaß und blutarm. 
Unfere gefamte Nerventätigfeit wird aber aufs empfindlichite beeinflußt, 
tobald mangels gejunder Blutfülle die Ernährung des Gehirns, des 
Rückenmarks und der von ihnen ausgehenden Merven eine unzulängliche 
oder doch erſchwerte wird. — 


Des weiteren ſind das Spielintereſſe, die Spielfreude und das 
Glücksgefühl, wie fie jedem rechten Spiel innewohnen, vom harmloſen 
Neck- und Nachahmungsſpiele des Kindes bis hinauf zum ausgebildeten 
Kampfſpiele der mehr heranwachſenden Jugend oder der ſchon Er— 
wachſenen, für die Geſunderhaltung und Kräftigung des Nervenſyſtems 
von ganz weſentlicher Bedeutung. Daher das Spiel ein Naturbedürfnis 
für den Menſchen iſt, welches in der Kindheit ſich rein inſtinktiv Be— 
friedigung ſucht und für die herangewachſene Jugend ſich ſelbſt durch 
die künſtlichen Hemmniſſe unſeres Kulturlebens hindurch ſiegreich Bahn 
gebrochen hat. Ob wir nun mit Schiller und Herbert Spencer dieſen 
natürlichen Spieltrieb auf das Bedürfnis zurückführen, überflüſſige 
Nervenkräfte und Nervenreize zu entladen und deren Spannung zu 
löſen; oder ob wir mit Lazarus eine beſondere, nämlich die tätige 
Form der Erholung unſerer Nervenkräfte als Wurzel des dem Menſchen 
innewohnenden Spielbedürfniſſes betrachten; oder ob wir mit Groos*) 
beiden Theorien ihr Recht zuerfennen derart, daß einer, der nad 
geiftig angeftrengterer Arbeit an einem Spiele teilnimmt, einerjeit3 
die geiftigen Kräfte ausfpannt und erholt, anderjeit die bei ber 
Sitarbeit unterdrüdten und angefammelten Erregungstriebe zur Ent- 
ladung bringt und ihnen ihren freien Lauf läßt: unter allen Umftänden 
bedeutet das fröhliche Spiel eine Lebensäußerung, welche für die gejunde 
Entwidelung des Nervenſyſtems von nicht zu erjegendem Werte ift. 


*) 8. Groos, Die Spiele der Menihen. Jena 1899. ©. 468 ff. 


88 


„Das Gefühldes Glückes“, jagt Herbert Spencer*) in feiner „Erziehungs- 
lehre”, „ift die mächtigſte aller Nervenftärfungen.” Und weiter: „Das 
hohe Intereſſe, welches die Kinder bei ihren Spielen fühlen, und die 
geräufchvolle Freude find von ebenſo großer Wichtigkeit wie die damit 
verbundene Tätigfeit3ausübung. Und daß die Turnfunft eben diefen 
geiftigen Sporn nicht zu gewähren vermag, das ift der Mangel, der 
ihr an der Wurzel nagt.“ 


Was das leßtere betrifft, jo jchießt hier Spencer über da3 Ziel. 
Auch im Turnen — mofern e3 nicht von Furzfichtigen Turnzünftlern 
lediglich zum Eindrillen beftimmter Fertigkeiten gemißbraudt wird — 
jowie in verwandten Körperübungen, wie Schwimmen, Rudern, Rad— 
fahren, Schlittihuhlaufen und vor allem aud im Wandern find reiche 
Quellen von Wohlgefühl, von Fröhlichfeit und reiner Freude vor- 
handen, deren mwohltätiger Einfluß auf da3 Nervenleben bei rechter 
Ausübung gar nicht hoch genug angefchlagen werden fann. Die Be- 
friedigung, welche die eigene Leiftungsfähigfeit gewährt; der ungeltüme 
Tätigfeitötrieb, wie er durch frijches Regen und Bewegen im Verein 
und im Wetteifer mit den Altersgenoffen gewedt wird; das ftrömende 
MWohlgefühl, welches erzeugt wird durch den Genuß frifcher Luft, Die 
Einwirkung von Sonnenschein, Wetter und Wind, die Eindrüde der 
umgebenden Natur, — alle8 das jchließt fih zufammen zu einem 
reinen Afkord von Dafeinsfreudigfeit und gehobener Gemütsftimmung. 
Dieſes Ausarbeiten der Körperfräfte und diefe Erholung von den 
Pflihten und Mühen des Daſeins zugleih iſt e8, was die Spiel» und 
Übungspläge für Jugend und Volk bieten wollen und fünnen. Gerade 
in einem Zeitalter, welches reich) genug ift an entnervenden Genüffen, 
aber ärmer geworden an wirklicher, harmlofer Freude, bedeutet die 
Bewegung zur Ausbreitung von Spiel und Leibesübung zugleich einen 
wirffamen Kampf gegen das Überhandnehmen nervöfer Schwäche. 
Ale Vorgänge in unferem Nervenfyftem wideln ſich leicht ab unter 
dem Einfluß von Luftgefühlen, werden erjchwert und gehemmt durch 
Unluſtgefühle. Wer feine Feierftunden recht auszufüllen verſteht, wer 
fih aus der Jugendzeit die reine, harmloje Freude an der Betätigung 
des Bewegungstriebes gewahrt hat und damit aud ein ſchönes Stüd 
Naturleben und Naturgenießen ficherte, dem find die Nervenfräfte für 
alle Mühen und Arbeiten de3 Daſeins williger und dienftbarer. Schon 


*) Herbert Spencers Erziehungslehre. Autorif. Überfegung von Fri Schulte. 
Jena 1874. ©. 224. 





89 


allein das vorberrfchende Gefühl der Dafeinzfreude bedeutet für ihn 
einen nicht unbeträhtliden Zuwachs an Leiſtungs- und Wiberftand3- 
traft. Die auf dem Spiel- und Übungsplatz, die im Ruderboot, auf dem 
Rad, im Gebirge oder auf der Eisbahn ftet3 neu gewonnene Friſche 
bält au vor zur Erfüllung der Pflichten der Tagesarbeit im Berufe. 

Aber noch ein meitere® Gut wird erworben beim Betrieb der 
Leibesübungen: das ift da8 Gefühl der Kraft und Sicherheit. indem 
die Musfeln gefräftigt werben durch ftete Betätigung, indem die An- 
ftelligfeit und Gejchidlichkeit gemehrt wird, indem man lernt, Schwierig- 
feiten zu überwinden in frohem Wagemut, fteigert ſich die Empfindung, 
Herr zu fein über den eigenen Körper und frei zu verfügen über feine 
Kräfte. Solch Selbftbewußtjein und Selbitvertrauen ift der befte 
Halt und Anker bei jchwieriger Lage und widrigem Gefhid. Denn 
wer etwas gelten und leiften will in Leibesübung, muß gelernt haben, 
bemmende Zmangsporftellungen, wie Furcht vor Unbequemlichkeit, vor 
Ermüdung, vor Verlegung ufm., zu unterdrüden und zu überwinden. 
Mutige3 Drauflosgehen, friſches Zugreifen, feſtes Ausharren find 
Charaktereigenſchaften, zu deren Entwickelung die Leibesübungen an— 
leiten und erziehen. Ihr Erwerb bedeutet zugleich eine weſentliche 
Kräftigung des Nervenſyſtems. In welchem Umfange bei richtig ge— 
leiteten Leibesübungen dieſe wertvollen Errungenſchaften geſichert werden 
können, das möge man in dem ſchönen Werke von K. Koch: „Die 
Erziehung zum Mute“ (Berlin 1900, R. Gärtner) nachleſen. 

Kann alſo kein Zweifel beſtehen, daß Spiel und Leibesübungen, 
regelmäßig betrieben, eine überaus günſtige Einwirkung auf das geſamte 
Nervenleben auszuüben vermögen, ſo darf anderſeits nicht unterlaſſen 
werden, auch auf die möglichen Schädigungen hinzuweiſen, welche für 
die Geſundheit des Nervenſyſtems bei unverſtändigem und ungeeignetem 
Betrieb körperlicher Übungen ſich einſtellen können. So warm wir ber 
regelmäßigen Pflege von Spiel und Leibesübung nach befter Über- 
zeugung und Erfahrung dag Wort reden, — jo ausdrüdlich müfjen 
wir warnen vor jeder Übertreibung. Angreifend bis zu einem gewiſſen 
Grade muß jede Leibesübung fein, fol fie ander? eine tatjächliche 
Einwirfung auf den Körper befigen. Nie aber fol fie zu jolchen 
Graden der Ermüdung und Erfchöpfung führen, daß bei Schülern 
die Schul-, bei Erwachſenen die Berufsarbeit ernftlich beeinträchtigt 
wird. Mit einem Wort: der erholende und erfrifchende Charakter fol 
bei den regelmäßigen Spiel- und Turnftunden, Wanderungen, Rabd- 
oder Ruderfahrten u. dergl. ftet3 gewahrt bleiben. Mag man in 


90 


der Ferienzeit bei einer größeren Bergwanderung, bei längerer Rad- 
tour oder weiterer Ruderreiſe u. vergl. ſich auch einmal eine hef- 
tigere Anftrengung bis nahe zur Grenze der Leiftungsfähigfeit zumuten, 
— wenn man fi nur danach entfprechende Erholung zu teil werden 
läßt. Die in das Alltagsleben ftetig einzuflechtende Leibesbemegung 
und -übung darf aber gerade Hinfichtlich des Nervenſyſtems die Grenze 
nie überjchreiten, wo fie zur Belaftung wird, ftatt zu entlaften. Die 
moderne Art, auf allen Arbeitögebieten größtmögliche Arbeitsteilung 
eintreten zu laflen, zu fpeialifieren, um fo ficherer und fchneller das 
denkbar Vollkommenſte auf jedem folchen Fleinen Teilgebiet zu leilten, 
bat auch einen Einbruch in dag Gebiet der Leibesübungen gemacht 
und fo die Übertreibungen des Sports, die Sudt, nie dagemwefene 
Leiftungen („Rekords“) zu erzielen, gezeitigt. Ich ſage ausdrücklich 
„Übertreibungen“ des Sports; denn alledem, was man heute unter 
dem Sammelnanten „Sport“ zu begreifen pflegt binfichtlich der Spiele 
und Übungen im Freien, alfo dem Radfahren, Rudern, Tennis- und 
Fußballſpiel ufw., die Berechtigung und den Nutzen abitreiten zu wollen, 
das fünnen nur verbohrte Toren. Ob ſich Ruderer zu einer Regatta, 
Mitglieder von Athletenflubs zum Preisringen und Preisftemmen, Rad- 
fahrer zu Wettfahrten, Fußballfpieler zu großen Wettfpielen im Über- 
maß trainieren oder Wettturner vor größeren Turnfeften fi” nad 
getaner Tagesarbeit noch in Gipfelübungen an den Geräten über- 
anjtrengen, — bei den einen wie bei den anderen fann es vorkommen 
und fommt e3 oft vor, daß fie Schließlih in ihrer Ernährung zurüd- 
geben, blutarm und blaß werden. Vor allem aber find die Schädigungen 
des Nervenſyſtems hierbei die gleichen. Denn der mit Recht gefürdhtete 
Buftand des Übertrainiertfeing äußert fi ganz beſonders auch in hodh- 
gradiger nervöfer Reizbarfeit und Erregtheit, Die dann leicht in Schmäche- 
zuitände, d. h. in bedenkliche Abnahme der körperlichen Leiltungs- 
tüchtigkeit umſchlägt. So werden bis dahin frifche und fröhliche, 
vollfaftige junge Zeute, namentlich wenn fie fich zu der ſchweren täglichen 
Muskelarbeit noch beftimmten, zumweilen recht fchiefen und bedenklichen 
Änderungen der Lebensweife und Koft unterziehen, unter oft beträcht- 
lihem Berluft an Körpergewiht blaß, bohläugig, von mürrifcher, 
reizbarer Gemütsftimmung. Auf folde Schädigungen zum Schluffe 
dieſer Erörterungen nachdrücklich hingewiefen zu haben, war meine 
Pfliht: denn fol eine gute Sache gefördert werden, fo ift auch ihrem 
Mißbrauch nahdrüdlich zu fteuern! 


3555553555533 5 9 3355353533353 33 


Einige Mahnworte Es iſt eigentümlich: In der Volks— 
an Die Städteverwal⸗- ſchule vieler Städte will trotz der beiten 


tungen nnd Schnl- Abſicht der Stadtverwaltung oder der 


leitungen. aaaasasa Schulleitung fein rechtes Spielleben auf: 
ir fommen. Und wenn aud im Mai ein 
en Anlauf zur Aufnahme oder Wiederauf- 
Weber, Münden. SESLsSS : 
nahme des Bewegungsſpieles genommen 
wird und eine größere Anzahl von Kindern den Spielplat bevölfert, — 
nach kurzer Zeit läßt der zahlreihe Beſuch nad, und bald findet fich 
nur mehr eine fpärliche, in den auftragsgemäß geführten Präfenzliften 
aber oft vergrößerte Schar auf dem Spielplage ein, die meift nur auf 
bewegliches Zureden des Lehrer oder der Lehrerin, welchen die Lei- 
tung der Spiele übertragen iſt, bis zu den Serien beifammen bleibt 
und ausdauert. Wa3 verjchuldet diefe betrübende Tatſache? Woran 
krankt in ſolchen Fällen die Spielſache? 

Ich kann mir allerlei Urfachen dieſer Krankheitserjcheinung denken; 
entweder ift der Spielplat nicht günftig gelegen oder nicht zwedent- 
ſprechend hergerichtet, oder e3 find die Spielgeräte mangelhaft bezw. 
in ungenügender Zahl vorhanden, oder e3 iſt die Zeit für das 
Spiel nit gejhidt gewählt, oder es find zu viele Kinder und zu ver- 
ſchiedene Altersftufen gleichzeitig auf dem Spielplag, — oder die mit 
der Leitung der Spiele betraute Lehrkraft verjteht es nicht, die Kinder, 
die fi zum Spielen eingefunden haben, genügend und in rechter 
Weiſe zu bejchäftigen und für das Spiel zu gewinnen — oder es fehlt 
an der den Spieleifer belebenden Sonne, an einer anregenden, ſach— 
verjtändigen Leitung oder an ausreichender Bezahlung der gewählten 
Lehrkraft oder an Anerkennung und Aufmunterung feitens der Auf: 
fiht3behörden, und was dergleihen Gründe find. 

Da und dort gibt e8 gejchidte, für das Spiel begeijterte Lehr— 
fräfte, welche troß der entgegenftehenden Schwierigkeiten ein verhältnig- 
mäßig friſches, angeregtes Spielleben wachzurufen und längere Zeit 
zu erhalten vermögen. Diefe Perfönlichfeiten find im ganzen rar, 
und wo fie fich finden, mögen die Stadt- und Schulbehörden ja alles 
tun, um fie dem Spiel der Schuljugend möglichſt lange zu erhalten. 
Ein kindliches Gemüt, ein frifches, munteres, liebenswürdiges Wefen, 


92 


bei aller Sreundlichleit die nötige Autorität, ausdauernde Rüftigkeit, 
genaue und umfalfende Kenntnis der Spiele in ihren Negeln, das 
find die Hauptfädhlichen Forderungen, die ein richtiger Spielleiter 
erfüllen muß. Wer nur darauf ausgeht, für fi und feine Familie 
einige Mark zu verdienen, und deshalb die Leitung von Jugend— 
fpielen übernimmt, wird dabei immer fchlehte Geichäfte machen; 
unter jolcher Zeitung wird eben fein frifches Spielleben aufkommen; 
an der Spielfreudigfeit des Lehrer muß fich die Spielluft der Kinder 
entzünden, der Spielleiter ift und bleibt die Seele der Spiele, der 
Grund und die Urjfache eines blühenden oder eines abfterbenden Spiel- 
lebend. Er muß der befte Freund und Berater der Jugend fein, Die 
um ihn und mit ihm fpielt; er fol ihre Wünfche bezüglich der zu 
wählenden Spiele hören, aber fein Wille muß Geſetz für den Spiel- 
plaß bleiben. Er bereite der Jugend oft die Freude, mitzufpielen, und 
erhöhe damit den Eifer und die Gewandtheit feiner jugendlichen 
Schar. — Wer übrigens glaubt, die etlichen Mark, die für die Spiel- 
leitung bezahlt werden, jeien leicht zu verdienen, der irrt gewaltig. 
Für fehr viele Mietlinge freilich trifft die bejchämende Vermutung 
zu; wer fih aber feine Aufgabe angelegen fein läßt und feine 
Pflichten angemefjen erfüllt, der geht abgejpannt und müde bis 
auf die Knochen nad einer Spielzeit heim, und noch lange zittert 
in feinen Nerven das laute, Iuftige, lebhafte Treiben auf dem Spiel- 
platz nad). 

Wenn wir die Liften der Lehrer und Lehrerinnen durchjehen, 
welche auf Koften ihrer Städte unfere Spielkurſe beſucht haben, fo 
nimmt e3 fajt wunder, daß jo viel gejammeltes geijtiged Kapital un- 
benugt liegen bleibt. Man follte doch meinen, daß, wer A jagt, aud) 
B fagen werde, oder, Flarer ausgedrüdt, daß die Stadt, welche die 
Koften aufwendet, um ihre Lehrer in der Führung von Spielabtei- 
lungen unterrichten zu laffen, auch die Ausgabe auf die Herftellung 
eines zwedent|prechenden Spielplage8® und auf die Ein- und Durd- 
führung der ugendfpiele nicht jcheuen werde. Die Verausgabung 
ftädtifcher Mittel zur Entſendung von Xehrfräften in nähere oder ent- 
legenere Städte bleibt aber unverftändlih, wenn nicht auch Anftalten 
getroffen werden, um aus diefer Ausgabe Gewinn für die ftädtifche 
Sugend zu ziehen. Welchen Sinn foll es denn haben, Lehrer auf 
allgemeine Koften für Dinge ausbilden zu lafjen, die der Allgemein- 
beit nicht Hinterher wieder zunuge fommen? Man unterlafje doch 
die Ausrede: der Lehrer könne die in einem Spielfurje gewonnenen 


93 


Kenntniffe im Zurnunterricht verwenden. Wenn der Turnunterricht 
feinen, oder, jagen wir richtiger, einen Zmwed erfüllen fol, fo bedarf 
er voll und ganz der ihm zugeftandenen zwei Stunden in der Woche. 
Da geht das Spiel, dag wirkliche Kraft und Ausdauer fordernde Be- 
wegungsſpiel, leer aus; für ein ſolches muß außer den verbindlichen 
Zurnftunden noch meitere, eigene Zeit zugeltanden werden. Die 
Spielerei im Turnfaal ift völlig wertlos; fie dient meift nur den Kin— 
dern zum Epaße und vielen Lehrern zur Ruhe- und Erholungspaufe, 
und ift fomit himmelweit verfchieden von dem Spiele, da3 der Zentral: 
Ausschuß zur Vollsfahe zu machen bejtrebt if. Unjer Spiel muß 
hinaus ins Freie treten, muß ftarfe, durchgreifende Bewegung und 
Anregung bringen, muß zumal Herz und Lungen zu fräftiger Arbeit 
auffordern und fie zu leiften befähigen. Das fanrıı aber nicht in dem 
engen Turnjaal mit feiner ftaubigen, verbrauchten, abgeftandenen Luft 
gejchehen, auch nicht in einem Fleinen, ſchmutzigen Schulhof, wo jeder 
Ausbruch jugendlicher Fröhlichkeit die Befchwerde griesgrämiger Schul- 
meifter wachruft, die fich unter ſolchen Umftänden für unfähig erklären, 
in dem angrenzenden Schulzimmer weiteren Unterriht zu erteilen. 
Da muß die Stadt für Spielpläge forgen, welche den gefundheitlichen 
wie unterrihtlichen Forderungen eines geordneten Spielbetriebs ent- 
ſprechen. | 

Wir brauchen in jeder Stadt eigene, größere Spielpläße, die der 
Sonne und dem Luftzuge ausgefegt und mit kurzem, feit verwurzeltem 
Gras beitanden jein follen. Ein Spielplag, der nicht mwenigitens 
5000 qm mißt, wird immer nur Zleineren, wertloferen Spielen und 
Heineren Spielerabteilungen genügen. Je umfangreicher die Städte 
werden, um jo mehr große Spielpläge müſſen fie befchaffen. Das ijt 
ein Gebot der Hygiene und zugleich ein dringlich notwendiger Aft der 
Fürſorge für die Jugend. Wohl begreift es ſich, daß es jebt oft recht 
Ihwer, ja, zuweilen faſt unmöglich erjcheint, in jedem Stadtteile fo 
große Spielpläge zu gewinnen, — allein, fönnen fie in London, der 
Rieſenſtadt, gejchaffen werden, jo wird das auch in Berlin, Hamburg, 
Münden u. dergl. nit ganz unmöglich fein. 

Muß, weil fein eigener Spielplat zur Verfügung fteht, ein Schul- 
bof zum Spielen benugt werden, jo ift es felbftverftändlich, daß auch 
nicht jeder Schulhof für diefen Zweck zu gebrauchen ift. Zu Kleine, 
luftarme, von der Sonne nie befchienene oder gepflafterte Schulhöfe 
jolen und dürfen überhaupt nicht zum Spielen benußt werden, das 
verbietet Schon die Rüdfichtnahme auf die Gefundheit der Kinder und 


94 


auf die wichtigiten Zwecke des Spieles. Wird aber ein Schulhof mit 
Kiejel oder mafadamifiertem Boden für Spiele in Verwendung ge- 
nommen, jo darf e3 die vorgejehte Behörde nicht an der notwendigen, 
ausgiebigen Beiprengung diefes Hofes mit friſchem Waſſer durch Hy— 
dranten fehlen lafjen. Aber diefe Bewäſſerung fol nicht mit dem 
Mundſtück des Schlauches allein gefhehen; da muß eine Braufe, ein 
Waflerzerftäuber bewirken, daß das Waſſer in Form von Nebelwolfen 
auf den Boden fällt. Auf dem Boden dürfen nie Pfützen vorhanden 
fein, wenn das Spiel beginnen fol. Auch aus der nädjitliegenden 
Luft follen die aufgemwirbelten Staubteile durch die Waſſernebel herab- 
geholt werden. In dem ftaubigen Schulhof ift Schon manches ſchön 
begonnene Spiel zu Grunde gegangen. 

Die Benugung der von der Stadt zu befchaffenden Spielgeräte 
bedarf felbitredend der Überwahung durch die mit der Leitung ber 
Spiele betrauten PBerfönlichkeit. Aufgabe diefer legteren muß es aud) 
jein, die Aus- und Rückgabe der Spielmittel und die richtige, zmwed- 
gemäße Verwendung derjelben zu überwachen. Wenn es nun aud 
Pflicht diefer Auffiht ift, auf möglichfte Schonung diefer Spielmittel 
zu dringen, jo darf diefe Schonung aber Schließlich nicht jo weit geben, 
daß die Spielmittel in ungenügender Zahl ausgegeben werden. Spiel- 
pläge, wo nicht alljährlich eine Summe für Nachſchaffung von Spiel- 
mitteln notwendig ift, fommen mir verdächtig vor, ald ob bier die 
legteren zu häufig und zu vorfichtig eingefperrt blieben. 

Am erfolgreichiten für den fleißigen Beſuch des Spielplages hat 
fih die Zeit bewährt, die fih an die Nachmittagsſchule anfchliekt. 
Eine kurze Baufe, um den Kindern, die ihr Vefperbrot bei fich haben, 
Gelegenheit zu geben, dieſes zu verzehren, — dann fofort mit frifcher 
Kraft an das Spiel! | 

Für eine große Zahl von Kindern, die nicht Gelegenheit haben, 
ihre Ferien auf dem Lande zu verbringen, ift das Bewegungsſpiel in 
freier Luft und die frohe Wanderung dur die umliegende Gegend 
geradezu ein Labſal. Darum follten die Magiftrate es als eine Ber: 
pflihtung gegen die ärmere Bevölkerung anfehen, der Jugend auch 
während der Ferien Gelegenheit zu Spiel und Fußmwanderung zu 
Ihaffen. Wohl wird da und dort die Erfahrung gemacht werden, 
daß es viele Kinder armer Eltern vorziehen, nad) eigenem Ermeſſen 
und Belieben in den Höfen und auf den Straßen umberzulungern, 
als fi dem Zwange, der in einem Spiellurd doc immer herr- 
Shen muß, zu unterwerfen. Da fommt nun wieder die Perjön- 


95 


lichfeit des Leiter in Frage. Wo diefer der rehte Mann ift, da 
fühlt fi die Jugend bald wohl und wirbt auch im Kreife der Kame- 
raden für diefe jegenvolle Einrihtung. Freilid — wenn man aus 
den freien Kurjen eine neue Art Lernſchule machen will, hat die Herr- 
lihfeit bald ein Ende, da leert fich der Spielplag von Tag zu Tag 
mehr, für ſolche Verſuche ift die Jugend nicht leicht zu haben. 

Um ſolche Ferienkurfe recht nugbringend und anregend zu geitalten, 
dürfte fih für dieſen Fall vielleicht ein Zufammenarbeiten mit den in 
vielen Städten beftehenden Vereinen für erienfolonien empfehlen. 
Nicht die Verbringung von Kinderfcharen in fernere Ortlichkeiten ift 
bier ins Auge gefaßt, fondern die Beichäftigung der Kinder während 
der Ferien in der Weiſe, daß fie allabendlih wieder zu Haufe bei 
ihren Eltern find. 


Wenn Mitglieder der Gemeindeverwaltungen und der Scul- 
behörden ab und zu die Spielpläge befuchen und fich in der Tat für 
da3 Jugendſpiel intereffieren, jo fördert das nicht nur das Anjehen 
diefer Spiele, auch für die Leiter ift e8 ein Sporn und eine Anerfen- 
nung, die auf feinen Eifer befruchtend wirft. Und zudem iſt e8 der 
Sache nur förderlich, wenn fich die Verfönlichkeiten, welche über die 
Ausgaben für die Errichtung und Erhaltung von Spielplägen zu be- 
finden haben, fih mit diefer Angelegenheit durch häufigen Beſuch 
gründlih vertraut machen. In diefer Hinfiht hat ſich die Ein- 
jegung einer Eleinen Kommiſſion al3 wertvoll erwiefen, welche bie 
Verpflichtung erhält, den Spielbetrieb mit verjtändnisvoller Aufmerf- 
jamfeit zu überwadhen, die Wünſche und Anträge der Spielleitung 
entgegenzunehmen und in der Schulbehörde oder im Magiltrat das 
Nötige und Zweddienliche anzuregen und zu vertreten. 

Wie die geiftig Höherftehenden Städte mit Recht einen Stolz 
darein fegen, hervorragend gute Schulen zu befigen, fo fol e3 ihnen 
auch eine DHerzensangelegenheit fein, ein flottes, in alle Kreije der 
Bevölkerung greifendes Jugendſpielleben aufweifen zu können. Auch 
diejes gibt Zeugnis für ihr Verftändnis und ihre Fürforge, die fie der 
heranwachſenden jugend zuwenden. 


* 


96 


3555355555553 55 5 10 5553553555553 5SS 


Chriftopg Guts⸗ 
Muths. asssuakesas 
Feſtſpiel in zwei Auf— 
zügen, zum Beſten des 
Guts Muths-Denk⸗ a 
mals verfaßt von 
Realſchuldirektor ae 
Dr. Lorenz, Quedlin- 


burg. aaaasaanaae 
Beiprohen von Profeſſor 
9. Wickenhagen, Rends- 
burg. SESESESSESSS 


Am 8. November 1902 führten die 
Schüler der Gut? Muth3-Realfchule zu Dueb- 
linburg unter wärmftem Beifall ein von 
ihrem Direktor verfaßtes Feitjpiel auf, das 
mindefteng 800 Mark für das Guts Muth3- 
denfmal einbrachte. Da e3 das bahnbrechende 
Wirken von Gut3 Muth3 inmitten einer von 
Vorurteilen befangenen Zeit jehr treffend 
fchildert, fo fei ein Überblick über feinen 
Inhalt geboten nebft bildlicher Wiedergabe 
einiger beſonders charakteriftiiher Szenen 
gemäß den uns freundlichit überlafjenen 


| | Photographien. 

Der erfte Akt Spielt im Jahre 1794, zehn Jahre fpäter als in 
MWirklichfeit, — eine dichterifche Freiheit, die in Rückſicht auf den 
zweiten Aft notwendig war; im übrigen entfprechen diefe Szenen genau 
den damaligen Verhältniſſen. Wir werden in das Haus der vermit- 
weten Frau Hofmedifus Ritter nad Duedlinburg geführt. Ihr 
Gatte ift erit vor einigen Monaten verftorben, gewiffermaßen in da3 
Grab hineingeärgert durch giftige Schmähfchriften eines bösgefinnten 
Kollegen, der mit einigen ftiftifehen Beamten der Duedlinburger Abtiffin 
im Bunde war. ALS einer derjelben tritt jpäter der Stiftsrat Gieje- 
mann auf, im Gegenfage zu Guts Muths ein unbedingter An- 
hänger der gefchniegelten Franzofenmode, in deren Bann er auch feinen 
Neffen Eugen erziehen läßt. 

Im Anfange des erften Aktes jehen wir den etwa zwölfjährigen 
Hans Ritter in ber Arbeitsftunde, beſchäftigt mit Baſedows Ele- 
mentarwerf, aus dem Guts Muths befanntlich feine eriten Anregungen 
empfing. Hanjens jüngerer Bruder, Karl Ritter, zeichnet eine Karte, 
duch die er die geitrige Harzwanderung firieren will. Da tritt der 
Freund der beiden herein, Fri Klinter, ein verwailter Enkel des 
Stadtſchäfers, ein frifcher, lebendiger Junge aus dem Volke, der nicht 
wenig ftolz darauf ift, daß ihn Guts Muths beim Ausprobieren der 
Leibesübungen als „Objekt“ benugt. Mit feinem unverfäljchten 
Duedlinburger Blatt ift er im erften wie im zweiten Akt der Träger 


97 


drolligen Humors. Er will, dad Schlagholz ſchwingend, feine beiden 
Freunde zum Ballfpiel abholen. Die Kupferbildchen des Elementar- 
werkes lenken das Geſpräch der drei auf die jorgfältige Lebenserziehung, 
die ihnen „Onkel“ Gut3 Muths angedeihen läßt, und auf die warme 
Dankbarkeit, die fie dem 
hochverehrten Hauslehrer 
deswegen entgegenbringen. 
Fritz Klinter meldet als 
Neuigfeit, daß auch Eugen 
Giefemann, der Neffe des 
Stiftsrates, heute am Ball- 
ipiele teilnehmen werde, da 
fein Onfel durd eine Sitzung 
ferngehalten jei. 

Nun tritt Guts— 
Muths ſelbſt auf, eine 
fraftvolle Erfeheinung im 
beginnenden Mannesalter. 
Er befieht die Hausarbeiten 
feiner beiden Zöglinge, ins⸗ 
bejondere die geſchickte Kar- 
tenzeichnung von Karlchen 
Ritter. Ein daran ange- 
knüpftes kurzes Lehrgeſpräch 
ſchildert anſchaulich den be— 
deutſamen Einfluß, den | Bild 1. 

Guts Muths ſchon damals 

auf ſeinen Lieblingsſchüler, den ſpäter ſo berühmten Geographen, 
betreffs der erdkundlichen Betrachtung ausübte (ſiehe Bild 1). So— 
dann werden die Knaben zum Ballſpielen entlaſſen; Guts Muths will 
gleich nachkommen. 

Doch er wird zurückgehalten durch einen von Fritz Klinter über— 
brachten Poſtbrief, in welchem der berühmte Pädagog Salzmann bittet, 
Guts Muths möge als Lehrer an das eben gegründete Philanthropinum 
nach Schnepfenthal kommen. Frau Ritter tritt ein und rät, dem 
Rufe ſogleich Folge zu leiſten. Guts Muths wird des ihn ſehr erregen— 
den Zwieſpaltes ſchnell Herr, und erklärt mit Entſchiedenheit, daß er 
dem Verſprechen, das ihm ſein Freund Ritter auf dem Sterbebette 


abnahm, treu bleiben und ſeine beiden Zöglinge nicht Be werde 
Volks⸗ und Jugendſpiele. XII. 





BEE... WEN 
(fiehe Bild 2). Frau Ritter fühlt, daß der Konflift nur dann 
gelöſt werhen kann, wenn ſie ihre Söhne mit Guts Muths zuſammen 


die Vorſehung dies Opfer von ihr 
fordere. Doch kann ſich ihr Mutter⸗ 
herz noch nicht ſogleich entſchließen. 

Da ſtürzen ihre beiden Söhne 
in das Zimmer und ſuchen vergeblich, 
den gravitätiſch eintretenden Stift3- 
rat Giejemann zurüd zubalten. Es 
folgt ihm jein zmölfjähriger Neffe 
Eugen in zerzauftem Modeherrchen- 
anzug und der Bediente, der den fich 
fträubenden Frig Klinter bereinzerrt. 
Weshalb der Stiftsrat fommt, ſchildert 
das ſich nun entjpinnende Zwiegeſpräch, 
in welchen die damalige Mobdetorheit 
mit der naturgemäßen Leibeserziehung 
auf das Schärfite zufammenitößt. 

Guts Muths Gomig): Was erdreiften Sie fih, mein Herr, in diefem Haufe 
dur Ihr Erfcheinen peinlihde Erinnerungen wachzurufen an ſchmerzliche Ereig- 
niffe, an denen Sie keineswegs unſchuldig find! 

Stiftärat: Moi?! Mic treibt die Vaterpflicht, — die Baterpflicht, die 
ich aflomplieren muß bier an meinem neveu, dem Eugöne Giefemann. — Très 
agreable, daß ich monsieur le pr&cepteur gleich felbft bier treffe. Voici! (steht 
ben Eugen in ben VBordergeund und weift auf bie Einzeiheiten bed zerzauften Anzuges). Hier 
die fumptueufe Parifer Perüde — Thief gerauft und ganz deformieret! Hier an 
dem einen Schuhe fehlet die Schnalle! Hier am Rod das Brüffeler Jabot totale- 
ment lacerieret! Und fehen Sie hier das feidene Hößlein! Zwei Löcher über 
den Knieen! Und wenn Sie erft die Rüdfeite fehen würden von dem pantalon, 
die mir meine delicatesse (Berbeugung zu Frau Ritter) zu zeigen Defendieret . . . 

Fritz Klinter (tet dazwifgenfahrenn): Treden Sei Ihren Neveu doch miete 
Buchſen an, wie mine bier ut Ledder, da kimmt fo lichte Teen Lok rin! 

Stiftsrat: Halt dein Maul, execreabler Grasaff’ du! Parbleu, monsieur 
Guts Muths! c’est votre ouvrage — alle8 Ihr Werf!! Wenn diefer wahrhaft 
larmoyante Anblid Ihr Gewiſſen nicht touchieret, dann haben Sie überhaupt keins. 

Guts Muths: Was gehen mich die zerriffenen Hofen Ihres Neffen an?! 

Stiftsrat: D! fehr viel, mein Herr! Vernehmen Sie! — Sereniffima, 
unfer allergnädigfte Äbtiffin, mußte unfere Deliberationes vorzeitig abbrechen. Ich 
promeniere vom Schlofie herunter nach der Stadt. Wie ih jo an die Stumpf3- 
burger Brüde arriviere, ftehe ich ftarr vor Etonnement: vor mir lärmt auf dem 
Anger ein Haufe turbulenter Rangen, ihre Perüden find von den Köpfen, ihre 
Röde vom Leibe detrahieret und liegen auf dem Rafen — und mitten entre eux 





Bild 2. 


nah Schnepfenthal fendet, und daß ' 


— 


09 
galoppiert mein Eugene wie fo ein wildes Fohlen. Sch arradhiere ihn, höchſt 
indignieret, der brutalen Rotte und bringe ihn nun vor den, der, ma foi! für 
diefen Unfug verantwortlich ift, — vor Sie, Herr Guts Muths! 

Guts Muths: Ich habe Ihrem Neffen nicht geheißen, auf dem Anger zu 
Ipielen. — Sprid, wie kamſt du dorthin, Eugen? 

Eugen (mit weineriicher, trogiger Stimme); Meine Klaffenlameraden im Gym- 
naſium haben mich eingeladen; da bin ich mitgegangen. Ich will nicht immer 
zu Haufe einfam herumfchleihen und ftil figen. Ich will mid auch mal aus«- 
laufen und austoben wie die anderen Jungen. 

Stiftsrat (sornig zu Eugen): Teaisez-vous canaille impertinente! Je vous 
donnerai le fouet! — Sehen Sie, monsieur Guts Muths, was Sie in Dued- 
Iindurg anrichten: die Söhne der honorabelften Familien verführen ſich gegen- 
feitig zu diefem totalement unpaffenden, läppifchen Tumultuieren und revoltieren 
fogar wie diefer impertinente filou bier (auf Eugen zeigend) gegen Eltern und Er: 
jieher. Das alles refultiert von Ihnen und Ihren Erziefungs-Alfanfereien! 

Guts Muths: Alfanfereien?! — Wenn unjere munteren, blühenden Knaben 
der gefchniegelten franzöfifchen Unnatur von felbit den Krieg erflären, fich felbft 
die gräßlichen Zopfperüden vom Kopfe reiten, auf grünem Anger froh die Glieder 
regen bei Gymnaſtik, Spiel und Wanderung, dann follte ſich jeder wahre Jugend⸗ 
freund von Herzen freuen! 

Stiftörat: Parbleu, monsieur! Aus Ihnen kräht der Sturmoogel der 
Revolution, der Lügenprophet, der drüben überm Rheine die charmantefte und 
admirabelfte aller Nationen in eine Horde von Tigern verwandeln half: Rouf- 
ſeaus infame Schriften find Euer Evangelium, Ihr Herren Philanthropen, das 
überall die mores der Jugend vergiftet! 

Guts Muths: Das Rouſſeaus Feuerfeele in vielen, ja in den meiften feiner 
Lehren auf Abmege geriet, wiſſen wir Philanthropen genau fo gut wie Sie, Herr 
Stiftärat. Aber ewig recht hat er mit feinem Rufe: Hinaus mit ber Jugend 
in Licht und Luft, in Wald und Feld und ländlide Flur! Dort ift der Plag, 
wohin nad Wolfgang Goethes Worten wir Deutiche recht eigentlich gehören. 

Stiftsrat: Eh bien, monsieur! Schlagen Sie meine Erhortationen ir 
den Wind, gleiten Sie weiter auf Ihrer ſchiefen Ebene als ein perniziöfer Jugend- 
verderber. Aber im Namen meiner Freunde, eines Kreifes, Klein an Zahl, aber 
fonfiderabel an Diftinktion und Einfluß, rufe ih Ihnen ein Quousque tandem 
zu. Sie follen in mir einen hartnädigen, implalabeln Gegner finden! Noch haben 
wir auf dem Schloffe droben unfere Sereniffima! 


Da flürmt der Stadtfchäfer Andreas Klinter in das Zimmer, ein 
Veteran und Invalide aus dem Heere des alten Fri. In hellem 
Zorne ftellt er den Stiftsrat zur Nebe, weil er den Enkel Frig Klinter 
an den Ohren bat „in de Stadt rinn treden laten“. Als der zimper- 
lihe Modeherr pabig antwortet, fährt der Schäfer auf ihn [og und 
will ihn aus den Zimmer werfen. 

Nachdem fi der Stiftsrat geflüchtet, erklärt Frau Ritter, welche 


diefen Zankizenen in peinlicher Erregtheit beimohnte, daß fie nunmehr 
7 * 


100 


feit entjchloffen jei, ihre beiden Söhne mit Guts Muths zufammen 
nad) Schnepfenthal zu fenden, da bier im SKleinftaate Quedlinburg 
bei der Heimtüde des Stiftsrates das fo ſchön begonnene Erziehungs- 
wert weiter nichts als unerfreulihe Hemmniffe finden werde; aud 
Fritz Klinter ſolle mitgehen, um in Schnepfenthal zum tüchtigen Haus— 
verwalter und Gärtner erzogen zu werden. Als Guts Muths einfieht, 
daß der Entſchluß der edlen Frau unabänderlich ift, erklärt er fich 
freudig bereit und ſieht im G@eifte fchon fein Streben erfüllt, als er 
die Schlußworte fpridt: 

Der Göttin der Gefundheit will ich einen Altar weihn, 

Den froh umjubelt unfrer Knaben Schar. 

Den Yungborn will ich öffnen, ewig frifch und Mar, 

Wo nad) der Schule unerbittlich ftrengem Geiftesringen 

In Leib und Seel’ kann frifches Leben dringen. 

Gott Then? mir Segen, Mut und Stärke! 

Auf, ihr Erzieher Deutfchlands, Mann für Mann, 

Begeiftert euch zum heilgen Werke, 

Folgt alle mir auf neuer Bahn. 

Der zweite Aft fpielt 15 Jahre fpäter im Sommer 1809 bei 
Schnepfenthal am Rande des dortigen Spielplages. Dort raſtet 
der etwa SOjährige, aber noh rüftige Guts Muths nad einer 
Wanderung inmitten feiner Schüler unter fchattigen Buchen (fiehe 
Bild 3). Die frohe Schar läßt ein Lied ertönen, das der Dichter 
aus den heute noch vorhandenen Philanthropieliedern entlehnt bat. 
Karl Ritter ift nicht mehr unter den Schülern; mir erfahren, daß er 
zu Frankfurt a. M. als Hauslehrer wirkt. Wohl aber treffen wir 
Fritz Klinter wieder; zum ftämmigen Burſchen herangewachſen, ijt 
er Gehilfe des Hausverwalters und bringt ſoeben zujammen mit 
feiner Braut, Hannden Stiring, den Schülern ihr Veiperbrot. Da 
die Veſperzeit noch nicht da iſt, erheben fi) die Sungen auf Gut! Muth’ 
Befehl zum Schleuderball-Spiele, und bald hört man auf dem Spiel- 
plage daneben ihr friſches Tummeln und Rufen. 

Eine ſchwere Zeit ift 1809 über Deutjchland gefommen. Napoleon 
führt Krieg gegen Ofterreih und preßt feinen Verbündeten Rekruten 
ab. Auch das Herzogtum Gotha, in dem Schnepfenthal liegt, gehört 
zum NRheinbunde, auch Thüringen durdhitreifen die franzöſiſchen Aus—⸗ 
bebung3- Batrouillen, um die jungen Burſchen nah Erfurt zufammen- 
zubolen. So fommt der Sergeant Dumont mit zwei Mann in die 
Gegend von Schnepfenthal und läßt fi von Guts Muths und feinen 
Schülern die Wege zeigen (fiehe Bild 4). 





101 





Bild 8. 





ild 4 


B 


102 


Während die Schüler fpielen, erfcheint der 30 jährige Ludwig 
Jahn als Wanderburfhe auf der Bühne, mas der gejchichtlichen 
Wahrheit entſpricht; um jene Zeit war er tatjählih zu Schnepfenthal. 
Bon feinem Auftreten ab ſteuert das Feſtſpiel recht wirkungsvoll in 
vaterländifches Fahrwaſſer hinein. Jahn, der mahnend und anfeuernd 
das Land durchreift, befehrt zunächſt Frit Klinter von feinen Heirat3- 
gedanken durch dasjelbe Mittel, durch das er einft den Studenten am 
Brandenburger Tore von feiner Gleichgültigfeit heilte, — durch eine 
ichallende Ohrfeige, die Frit deswegen erhält, weil er bei dem franzöfifch 
gejchriebenen Paſſe Jahns weiter nichts denkt als „dat ef fein 
Sranzeefch verſtah“. Nunmehr weiß er, wonach er als Fräftiger deutjcher 
Burfche ftreben muß, und wird noch mehr darin beitärkt, al3 fein 
Großvater, der Stabtichäfer Klinter erjcheint, der (ald Jahns Wander- 
genofje) von Quedlinburg gefommen ift, um feinen Enfel vor der 
franzöfifchen Aushebung zu warnen und ihn darauf hinzuweiſen, daß 
der „ſchwarze Herzog”, Friedrih Wilhelm von Braunfchweig, in Böhmen 
ein Heer gegen den Erbfeind jammelt. 


Unterdefien hat Jahn dem Spiele der Schüler zugefhaut und 
fommt im Zmiegejpräche mit Gut3 Muths auf die Bühne zurüd. Die 
urkräftigen Worte, die er fpricht, befunden, daß er hier in Schnepfen- 
thal die Leibesübungen fennen lernen will und feit entfchloffen ift, fie 
mit feurigem Eifer zur Wehrhaftnahung der deutjchen Jugend zu 
verwenden und fo das Gut3 Muths-Werk in ganz Deutſchland zu 
verbreiten. 


Jahn: Guts Muths! Du bilt ein ferniger, fonniger Mann! Wie bat es 
mich begeiftert, dein herrliche® Bud von der Gymnaftif! Darin find Feine Irr⸗ 
gänge von der Willelei, nein, fejte®. Wollen. Und mo ich dir Heute (ind offene 
Auge ſchaue, Hat mir ſchon das, was ich in wenigen Minuten ſah, fteghaft be— 
wiefen: „Was Guts Muths ſchrieb, ift Fein verfliegendes Wort; das ift erlebt, ver- 
fucht, erprobt!” Bei euren prächtigen Schnepfenthaler Jungen fah ich Lauf ohne 
Schnauf, Rud mit Zud und Blid mit Schid. Hier auf diefem Flede wächſt eine 
Herzmwurzel der Lerntunft empor, regt fi eine neue Welt, eine neue deutſche 
Zukunft! | 

Guts Muths: Eine neue deutſche Zufunft??! O! wenn ich die herbeiführen 
fönnte. Bor vier Jahren öffnete fih mir die Ausfiht, daß mein Erziehungswerf 
hineinranten könnte nad) Preußen, in Deutſchlands Bormadt, — da kam das 
Jahr 1806, knickte alle Hoffnungsblüten und brad) meinen Schaffensbaume die 
Krone aus! Go bleibe ich denn bier in meinen jtillen Talwinkel gebannt. Ein 
alternder Mann von fünfzig Jahren Hat nicht mehr die Schnellfraft, Taufende 
mit fortzureißen. D! wenn dod ein machtvoller Prophet kommen wollte, ein 
Bolfsverjünger, der e3 wagte, der trüben, böfen Zeit zum Troß e8 wagte, meine 


103 


Schulkunſt zur Volkskunſt zu maden, fie hHineinzutragen auch in die Reihen wehr- 
hafter Jünglinge und Männer! 

Jahn (entihlofien, mit bligenden Augen): Chriftoph Guts Muths! Der Mann, 
der dies wagen will und wird, fteht hier vor dir! 

Da jtürzt Hannchen, Fritz Klinters Braut, heran und teilt angit- 
bebend mit, daß drüben in der Schnepfenthaler Anſtalt die franzöfifche 
Patrouille erſchienen iſt, um Frig Klinter als Rekruten zur Rhein— 
bundsarmee abzuholen. Die Schüler ftürmen heran, ihren guten Freund 
zu Jchügen. Doch diefer weiß, was er zu tun hat: er erklärt, daß 
er auf der Stelle zum „schwarzen Herzog“ nah Böhmen gehen werde, 
um als Huſar für die Befreiung des Vaterlandes zu Fämpfen. Bewegt 
nimmt er von feinem teuren Lehrer Gut3 Muths Abjchied: „Herr 





Bild 5. 


Guts Muths! Sei hewen mek dorch all die lanken Jahre gepflegt wie 
jo'n Vater, un vor allem hewen Sei mef einen gefunden Körper 
verichafft, KAnofen wie Iſen un Muskeln wie Stahl. Ek bin Sei, dat 
weten Sei, immer dankbar weit, aber nie fo dankbar wie in diejer 
Stunne, in dä ef tauerft Flar fpüre, mwotau ef dat alles brufen 
mot!” Guts Muth3 entläßt feinen Frig mit feierlihen Worten „als 
fampfbereiten Erftling meiner Schaar” ; diefer fordert die Schüler auf, 
jpäter feinem Beispiele zu folgen, und wird nun zur Flucht nad) Böhmen 


104 


an Drt und Stelle ausgerüftet. Während Jahn machtvoll anftimmt: 
„Wohlauf, Kameraden, auf? Pferd, aufs Pferd“ und die Schüler 
begeiftert mitfingen, fällt der Vorhang (ſiehe Bild 5). 


5555535953555 95 55 11 FFIITFTITTIITITITIT 
Gut? Muths voran! *) 


Marichlied, gedichtet von A. Hermann, komponiert von D. Prößdorf. 


Auf! mit jugendfrifchen Klängen, 
Preijet laut den deutſchen Mann, 
Der auf unfern Lebensgängen 
Leuchtet allzeit un3 voran! 
Seinem Namen gilt zum Preiſe 
Unfer Schwur friſch, fromm, froh, frei, 
Daß in unſerm Brüderfreije 
Unſre Lofung Guts Muths fei! 


Durch des Vaterlandes Gauen 
Führt er uns an ſichrer Hand, 
Lehrt mit rechten Blicken ſchauen 
Deutſches Volk und deutſches Land. 
Städte, Länder, Ströme, Meere, 
Wälder, Matten, Täler, Höhn — 
Gottes Erdenwelt, die hehre, — 
Lehrt uns Guts Muths recht verſtehn. 


Schafft dem Leibe kräft'ge Waffen, 
Sehn'gen Arm im Stütz und Schwung, 
Haßt den Gang, den matten, ſchlaffen, 
Ubt das Bein in Lauf und Sprung. 
Ringt und fechtet, werft und hebet 
Klettert, ſchwimmt in kühler Flut! 
Deutſches Turnen nur belebet — 

Sagt uns Guts Muths — Kraft und Mut. 

Schallt der Ruf in unſerm Bunde: 
„Kommt zum Jugendſpiel hinaus!“ 
Schlägt für uns die frohe Stunde, 

Die uns lockt aus dumpfem Haus. 


————— 


Wie ſich Luſt und Arbeit paaren, 

Vor dem Recht die Streitſucht ſchweigt, 
Eintracht leitet unſre Scharen: 

Dieſe Kunſt uns Guts Muths zeigt. 


Doch der Frohſinn wird zur Wonne 
Heißt es: Auf! nach deutſcher Art — 
Schon erglüht im Oſt die Sonne — 
Rüſtet euch zur Wanderfahrt! 
Vorwärts, über Wieſen, Felder, 

Unſre Berge, die man preiſt! 
Durch die deutſchen Eichenwälder 
Uns voran zieht Guts Muths' Geiſt! 


*) Gedichtet zu Ehren der Erſtaufführung des Guts Muths-Feſtſpiels in 
Quedlinburg. 


2 


——2 A AscX P%7S P%7 8 Aaöh Pr ACH BO Pt7S au Ach 


PN IN IN IN IN IA ZA IN TAN IN IN IA IN 





II. Literatur. 


tt) Da außer dem Volks- und Jugend⸗ 


fpiel der Zentral-Ausfhuß auch die Förde— 
Die Literatur des zung der dem Spiel verwandten Übungen, 
Spiels und bver⸗ ſei es in volkstümlicher, ſei es in ſport— 
wandter UÜbuugen licher Hinſicht im beſten Sinne, in den Be— 
im Jahre 1902. reich ſeiner Tätigkeit gezogen hat, und dieſer 
Von Oberlehrer Dr. Bur- letztere Zweig körperlicher Ertüchtigung von 
gaß, Elberfeld. SESEEn Jahr zu Jahr eine ſtetig wachſende Bedeu⸗ 

tung in unſerem Schrifttum gefunden hat, 
ſo erſchien es angezeigt, ſtatt des bisher beliebten Kopfes für dieſen 
Bericht, der immer nur von einer Spielliteratur ſprach, die oben- 
ftehende Überfchrift zu wählen. 

Auch in diefem Jahre ift der literarifche Strom auf dem Gebiete 
des Spiel3 und verwandter Übungen reichlich geflofien; ja, man kann 
wohl jagen, daß ein Vergleich mit dem Vorjahr zu Gunften de3 dies- 
jährigen Berichtes ausfällt, wenigſtens was den Umfang des Erjchie- 
nenen betrifft. Ob aber die Beichaffenheit und der Wert aller Neu- 
erfheinungen immer die Probe beftehen mag, muß dahingeftellt bleiben. 
Mit Bezug auf manche ift e8 zu verneinen, bezüglich einzelner zweifel- 
baft. Für eine beſchränkte Anzahl lag die Notwendigkeit der Ab- 
fafjung Teinesfall3 vor. 

Doh möge der Leer an der Hand der Beurteilungen, die ich mich 
bemüht habe, unter dem Gefichtspunfte möglichfter Sachlichkeit abzufaflen, 
fich jelbft ein Urteil über den Wert oder Unwert der einzelnen Werke bilden. 


107 


Geſchichte des Spiels, der Spiele und verwandter Übungen. 
Bon Prof. Franz Wilhelm in Pillen wird [Tztg.*) 1902, ©.532 ff.] 
ein Spielverzeichni3 au3 dem Anfang des 17. Jahrhunderts veröffentlicht, 
welches er in Dr. Georg Steinhaufers „Zeitſchrift für Kulturgefhichte” 
(Neue Folge), 2. Bd., Weimar 1895, im Anſchluß an folgenden Auf- 
fat fand: „Fünf Briefe des Burggrafen und Freiherrn Chriftoph von 
Dohna an feine Braut Gräfin Ursula von Solms-Braunfels“. Das 
Verzeichnis, welches 71 Spiele aufzählt, ift von Prof. Dr. A. Chrouſt 
mitgeteilt, welcher vermutet, daß dieſe Gejellichafts- und Bewegungs⸗ 
fpiele in der Oberpfalz zu Haufe waren. ebenfalls bildet das Ver— 
zeichnis ſchon an fich einen wertvollen Beitrag zur Gefhichte des Spiels 
fowie der Kulturgefhichte überhaupt. 

1. Freiherr Robertv. Fihard, Deutfhes Lawn-Tennis-Jahrbuch 


1902. Der Jahrbücher achter Jahrgang. Baden-Baden. Verlag von 
Emil Sommermeyer. 1338 ©. 8°. 


Auch diefer 8. Jahrgang des Jahrbuches unterfcheidet fih in 
feiner Anlage nicht von feinen Vorgängern. Das I. Kapitel bringt 
die Aufzählung der Preisträger und Preisträgerinnen der im ver- 
floffenen Sabre in Deutfchland und Oſterreich ausgetragenen Preis- 
wettfämpfe. Die im I. Kapitel aufgeftellten Ausgleichsliften find 
weit umfangreicher als in den früheren Bänden, und auch die im 
III. Kapitel fih findende Zufammenftellung der Orte im Deutjchen 
Reich, in Öfterreih und in der Schweiz, in denen das Tennis-Spiel 
Aufnahme und Verbreitung gefunden bat, hat eine erhebliche Bereiche- 
rung erfahren. Das IV. Kapitel befchäftigt fi mit der Aufzählung 
bezw. Beiprehung von Fachzeitihriften, Büchern und Auffägen über 
das Spiel, und im V. Kapitel, „Vermiſchtes“, wird „Ernfteg und 
Heiteres” darüber berichtet. Die hinten angefügten Anzeigen nehmen 
allmählich einen etwas fehr großen Raum ein. Drud, Papier und 
fonftige Ausftattung ftehen denen der früheren Jahrbücher ebenbürtig 
zur Seite. Verfaſſer und Verleger werden auch diesmal des Dankes 
aller Tenni3-Spieler ficher ſein. 

Zängere oder fürzere Mitteilungen über die Gefchichte einzelner 
Spiele finden fih auch fonft noch in den jpäter unten zu beiprechen- 
den Werken von Freiherr von Fichard, „Handbuch des Lawn- 


*) Abkürzungen: Tztg. = Deutſche ZTurnzeitung, Ztſch. = Zeitſchrift für 
Turnen und Jugendſpiel, K. u. G. — „Körper und Geift“, Mtsſch. = Monat3- 
ſchrift für das Turnmefen. 


108 


Tennis-Spieles”, Rurtvon Eberbach, „Raſenſpiele“. Kurze Über- 
blide über die Gejchichte anderer Leibesübungen geben: J. MW. und 
Fr. Scheibert über da3 Rudern in ihrem Werke: „Der Nuder- 
port“, W. Baulde über das Schneefhuhlaufen in feinem „Skilauf“, 
A. Stolz und Eh. Endres über das Ringen in ihrer „Modernen 
Ringkampf-Kunſt“. Eine wertvolle gefhichtlihe Ergänzung zu der 
neueren Literatur des Eislaufs und damit einen Beitrag zur Gefchichte 
der Leibesübungen überhaupt gemährt folgendes Heftchen: 
2. Der Eisfport vor Hundert Jahren. Ein Beitrag zur Geſchichte der 
Leibesübungen. Gefammelte Mitteilungen deutſcher Schriftfteller aus der 

Zeit 1788—1817. Beilage zur Zeitſchrift, Deutſcher Eis-Sport“. V. Jahr⸗ 

gang (1895—1896). Mit einer Tafel. Berlin SW 46. Verlag „Deutfcher 

Eis-Sport*. 586. 8°. 

Der Inhalt befteht aus folgenden Stüden: „Das Schlittſchuh⸗ 
laufen. Aus dem Gothaifchen Hoffalender 1788"; ©. U. N. Vieth: 
„Über dag Schlittfhuhlaufen 1788”; 3. Grabner: „Über die ver: 
einigten Niederlande 1792" und aus Abfchnitten aus Gut? Muth3’ 
„Symnaftif" und „Turnbuch“ und Vieths „Encyflopädie der Leibes- 
übungen“, von denen beſonders die leßteren das Intereſſe jedes Tur⸗ 
ners und Schlittſchuhläufers beanspruchen müffen. „Zu den trefflichften 
Turnübungen im Winter gehört ohne Zweifel der Eislauf,“ jagt Guts 
Muths. Damit ift die Stellung, welde dem Eislauf unter den 
Leibesübungen gebührt, vollauf gekennzeichnet, und darum wird das 
Heftchen jedem Turner, der den Eislauf pflegt, hochwillfommen fein. 

In dem Aufſatz „Friedrich Gottlieb Klopftod als Meiſter in den 
Leibesübungen (Tztg. 1902, ©. 1007 u. 1028 ff.) feiert Dr. Mad- 
nig den Dichter ala Freund Förperlicher Übungen, befonders aber des 
Schlittſchuhlaufens, das er vornehmlih in feinen Werfen verherr- 
licht bat. 

Die Geſchichte der gefamten Leibesübungen umfaßt das folgende 
Büchlein: 

3. Dr. Karl Cotta, Oberlehrer in Breslau, Leitfaden für den Unter- 
riht in der Turngeſchichte. Leipzig 1902. R. Voigtländers Verlag. 

108 ©. 8°. Brei3 1,40 Mt. 

Einen eigentlichen Leitfaden der Turngefhichte gab es bisher 
nicht, höchſtens Fonnte man aus dem „Katechismus der Turnkunſt“ von 
Prof. Dr. Moritz Kloß den erften Abjchnitt „Geſchichtliche Entwides 
lung des Turnens uſw.“ als ſolchen anſprechen, mußte dann aber den 
hoben Preis von 3 ME. dafür anlegen. Hier tritt nun die mohl- 


109 


feile Büchlein Hilfreich ein. Es führt uns in 16 Abfchnitten in 
Inapper, gehaltooller Form die Geſchichte der Leibesübungen von den 
älteften Zeiten bi3 in die Gegenwart vor. Einzelne Perfönlichkeiten, 
fo befonders Jahn und Spieß, werden, wie e3 ihrer großen Bedeutung 
für die ganze Turnſache entfpricht, eingehender gewürdigt. Auch fänt- 
licher Zurnlehrerbildungsanftalten, der Deutfhen Turnerſchaft und 
des Turnen? im Auslande gefchieht gebührend Erwähnung. Der 
Spielbewegung find 88 59 u. 60 gewidmet, welche mit Sadhlichkeit 
und Klarheit diejen zu neuem Leben erblühten Zweig der Leibesertüd- 
tigung behandeln. Drud, Papier und Ausftattung des Buches find 
von dem Verlage in gewohnter Güte hergeftellt worden. Dem Ber- 
fafjer gebührt Danf, ung hiermit eine Schrift befchert zu haben, 
die eine fühlbare Lüde in der Literatur der Leibesübungen jchließt. 
Das Buch ift tatfächlich vorzüglich geeignet, als Grundlage für die 
Vorträge Lehrender und ala Hilfsmittel zur Aneignung und Befelti- 
gung des Stoffes für Lernende zu dienen. Vgl. auch die Beiprehung 
durh Prof. Dr. Hahn (K. u. ©. XI, ©. 332 f.). 

Sm Anſchluß an die im vorigen Jahrbuch gemachte Bemerkung, 
daß nad G. Retzdorffs Beobachtungen die Spielbewegung in Stalien 
Fortichritte mache, können wir in diefem Jahre die erfreuliche und 
bemerfenswerte Tatfache feitjtellen, daß zu dem vom 29. September 
bis 8. Dftober in Turin abgehaltenen Lehrgang für förperliche Aus— 
bildung ein deutjcher Turnlehrer binzugezogen war, um die Einfüh- 
rung beutfcher Yugendipiele in Stalien anzubahnen. Die Anregung 
dazu ging von dem befannten Prof. Mofjo aus, der fich mit Herrn von 
Schendendorff in Verbindung gejegt hatte. Oberturnlehrer Scharf aus 
Krefeld, an den die ehrenvolle Aufforderung erging, bat nun in Turin 
einen zehntägigen, von 43 Teilnehmern bejuchten Spiellehrgang ab- 
gehalten, der die lebhaftefte Begeilterung für die deutjchen Spiele er- 
wedte.. E3 wurden 20 Spiele, beſonders ſolche, die in Stalien un- 
befannt waren, burchgeübt. Vgl. Scharf? Beriht (Tztg. 1902, 
(S. 1050 f., und 8. u. ©. XI, ©. 291 ff., d. Jahrbuch IV,2). Die 
Führer unferer Spielbewegung können auf diejen Erfolg mit Recht 
ſtolz jein. 

Auch diesmal liefert ung Dr. Machnig wieder einen Beitrag 
zur Geſchichte der Leibesübungen in ältejter Zeit, indem er „die Leibes- 
übungen bei den alten Hebräern” auf Grund des Alten Teitaments 
Tztg. 1902, ©. 139 f.) behandelt. Es find: Steinfchleudern, Bogen- 
Ichießen, Speerwerfen, Reiten, Schwimmen, Rudern. 


110 


Eine jehr lefenswerte und mit Zugrundelegung der darüber er- 
ſchienenen Schriftwerke verfaßte Abhandlung über den „Dreijprung 
im altgriehifchen Fünfkampf“ liefert ung Gymnafialoberlehrer Goepel 
in Berlin-Schöneberg (R. u. &. XI, ©. 42 ff). Er fommt zu der 
Überzeugung, daß e3 fehr wahrfcheinlich fei, der Sprung im griechifchen 
Fünffampf fei ein Dreifprung geweſen, der jebenfall3 die erfte Stelle 
darin eingenommen babe. 

In ſprachlicher Hinficht ift noch anführungswert ein Aufſatz von 
F. Wappenhanz in der Zeitfchrift des Allgem. deutfchen Sprach⸗ 
vereins XVII, ©. 205 f.: „Deutiche Tennis-Ausdrücke“. Er Inüpft 
an an da3 Vorgehen des im vorigen Jahre entitandenen Deutjchen 
Lawn⸗Tennis-Bundes, der die Spiel- und Kampfregeln in deutfcher 
Sprade feitgeitellt habe, und begrüßt das Vorhaben de3 Bundes, 
Hand in Hand mit dem Allgem. deutfchen Eprachverein zu geben, 
mit Freuden, wünſcht aber die Befeitigung des durchaus überflüffigen 
und auch meift finnftörenden lawn, wie ſchon Schnell, Montanus u. a. 
vorgeichlagen haben. 


Spiel, Sport und Turnen. Während von einfichtigen Männern 
ſchon längft erfannt ift, daß es verlorene Liebesmüh ift, eine in vollem 
Umfange befriedigende und dag Weſen des Sportes nad jeder Rich— 
tung bin fennzeichnende Begriffsbeitimmung aufzuftellen, daß vielmehr 
jede Leibesübung, auch das Turnen, fportmäßig oder volfstümlid — 
wollen wir mal jagen — betrieben werden fann, zeigen immer noch hie 
und da einzelne Turner, daß fie es nicht über fich gewinnen fönnen, von 
diefer Nüdftändigfeit der Anficht über das Weſen des Sports abzu- 
laſſen. Erfreulichermeife ftehen ihnen aber andere gegenüber, die es 
verjtehen, den Begriff der Leibesübungen im meiteften Sinne, aljo 
auch des Sport, von höheren Gefichtspunften aus zu erfaffen und 
zu beleuchten. Als ein Beifpiel der legteren Art ift zu nennen Fritz 
Eckardt in Dresden, der auf der Berfammlung des Sächſiſchen Turn: 
lehrervereing zu Annaberg einen in jeder Hinficht feſſelnden Vortrag 
über „Sport“ (Tztg. 1902, ©. 933) hielt. Seine Ausführungen 
gipfeln darin, daß der Sport ein Kampf gegen die Naturkräfte jei, 
durch melden der Menfch die feiner Arbeit verloren gegangenen ge⸗ 
jundheitliden Momente erfegen will. Abgejehen davon, daß dasſelbe 
au für das Turnen zutrifft, hätte er mehr, wie das K. Lange in 
feinem umfangreihen Werke „Das Wefen der Kunft” tut, die geiftige 
Seite betonen follen. Nämlich dadurch, daß unfer heutige Kultur- 


111 


leben einen Mangel an Reizen für bejtimmte Seiten unſeres Geijtes 
berbeiführt, durch das Fehlen an Gelegenheiten, Mut, Entjchloffenheit 
zu beweifen, duch das Fehlen gefahrvoller Lagen u. a. m., wird der 
Menih veranlagt, fih künſtlich diefe Lagen und Gelegenheiten zu 
Schaffen. Und das gefchieht durch den Betrieb von Leibesübungen 
jeder Art, die alfo eine notwendige Ergänzung unferes Lebens dar- 
ftelen. Edardt ift der Anficht, daß ein vernünftig betriebener Sport 
ſehr wohl auch in der Schule Pla& habe. 

Gegen feine Ausführungen wendet fih Namroth in Breslau 
mit einer ziemlich lahmen und in feiner Weife widerlegenden Erflä- 
rung (Tztg. 1902, ©. 1038). Dasfelbe tut der Bürgermeilter von 
Freyburg a. U., Ehlert, mit nicht befjerem Erfolg (Tztg. 1902, 
S. 1085). | 

Auch der um die Turnſache hochverdiente, leider in diejem Jahre 
verjtorbene Medizinalrat Dr. Dornblüth kommt in feinem Auffag 
„Turnen, Spiel und Sport” (Tztg. 1902 ©. 6 ff.) zu dem Ergebnis, 
daß das deutſche Turnen unter jachgemäßer Leitung alle die Eigen- 
ſchaften in fich vereinige, die man dem Spiel und Sport nachrühme. 

Weniger einfeitig ift der Standpunkt eines anderen Arztes, des 
Dr. Th. Denede in Hamburg, der infolge einer Aufforderung des 
Ausfchuffes der Turnvereine Hamburgs einen Vortrag „Die gejund- 
beitlihe Bedeutung. der Leibesübungen für den Großſtädter“ (Tztg. 
1902, ©. 453 ff.) gehalten bat. Er legte die leiblihen Schädigungen 
dar, die das Leben der Großjtadt im Gefolge hat, und findet als 
Hauptmittel dagegen den regelmäßigen Betrieb von Leibesübungen, 
wobei e3 ihm gleichgültig ift, ob Turnen oder Spiel bevorzugt wird. 
Jedoch warnt er vor Üibertreibungen, zu denen befonders der Sport, 
auch in Sprade und Tradt, neigt. 

Sn ähnlicher Richtung bewegen fich zwei Schriften, die gleichfalls 
von Medizinern verfaßt find, nämlich: 

4. Brof. Dr. M. Rubner, Geh. Medizinalrat, Direktor der hygieniſchen In⸗ 
ftitute zu Berlin, Sygienifches von Stadt und Land. Münden u. 
Leipzig, ohne Jahreszahl. Drud u. Verlag von R. Oldenbourg. 48 ©. 8°. 
Preis 1 ME. 

R. weit hierin nah, daß im Durchſchnitt die Todesgefahr für 
jung und alt in der Stadt größer ift al3 auf dem Lande, und findet 
die Erklärung hierfür einmal in den äußeren Verhältniſſen, dann aber 
auch beſonders in der Lebensweiſe und dem Beruf des Städterd und 
Landmanns. „Den Städter charakterifiert oft nicht allein ein Beruf, 


112 


der feine weſentliche Musfelarbeit erfordert, jondern geradezu die Un⸗ 
luft zu aller körperlichen Tätigkeit (S. 28). Als ein gutes Mittel, 
die richtige Harmonie in der Lebensführung, bejonders des Städters, 
berbeizuführen, erfcheint NR. die Pflege körperlicher Tätigkeit, ganz gleich, 
ob e8 durch Spielen, oder Rudern, oder Turnen, oder Radfahren gefchieht. 
Daneben redet er aber auch einer vernünftigen Hautpflege und Abhärtung 
durh Duschen und Baden das Wort und bedauert, daß es den Groß- 
ftädten wegen der Verunreinigung des Waſſers immer mehr an guten 
Flußbadeanftalten für den Sommer fehle. Er warnt aber auch vor Über- 
treibungen im Betrieb der Leibesübungen, in die fo mander, dem 
Bewegung ald Gefundheitämittel empfohlen wird, leicht verfällt, und 
duch die er fih oft mehr fchädigt als Hilft. Zum Schluß zeichnet 
der Verfaſſer da3 von Jahr zu Jahr ftärker werdende Landbebürfnis 
der Städter, deren Anficht meift dahin gehe, daß die Luft des Landes 
allein Erfolg veriprede. Auch bier fann nur eine Arbeits- 
leiftung, wie fie da3 Wandern und Bergfteigen und gewähren, 
neben der guten Luft wirklichen Gefundheitserfolg gewähren. Das 
allgemein verjtändlihe und überzeugend gejchriebene Büchlein wird 
jedem Städter, der es ernft mit feiner Gefundheit meint, willflommene 
Anregung und Belehrung bezüglich feines gefundheitlichen Verhaltens 
gewähren. Vgl. die anerfennende Beſprechung von Dr. Schmidt (K. 
u. © XI, ©. 50). 

Ganz in dem Sinne de3 eben befprochenen Werkes, nur mit dem 
Unterfhiede, daß die Befeitigung bezw. Einfchränfung einer, aller- 
ding® aber auch der unheilvollſten Krankheitsform, der Zuberkulofe, 
durch geregelte Körperpflege zum Gegenftande der Darftellung gemacht 
wird, iſt gehalten: 

5. Dr. med. %. 4. Schmidt, Körperpflege und Tuberfulofe Ein 
Mahnruf. Herausgegeben vom Zentral-Ausfhuß zur Förderung der Volks⸗ 
und Yugendfpiele in Deutfchland. Leipzig 1902. NR. Voigtländers Verlag. 
46 ©. 8°. Breis 1 Mt. 


Die Schrift ift die Erweiterung und Vervollftändigung eines bei 
Gelegenheit des V. Kongrefjes für Volks- und Jugendſpiele in Nürn- 
berg 1901 von Dr. Schmidt gehaltenen Vortrags. Pflege der Volks— 
gefundheit im meiteften Sinne ift ihm das große Mittel zur Bekämp⸗ 
fung der Tuberkuloſe, und namentlih ift eg wichtig, wie durch ziffer- 
mäßige Feitftellungen belegt ift, daß alles, was eine vollfräftige Körper: 
entwidelung der Jugend herbeiführt, das Angriffsfeld der Tuberku⸗ 
loje einſchränkt. Diefe Entwidelung des Körper hat fi aber nicht 





113 


nur auf die Ausbildung der Muskulatur, fondern beſonders auch auf 

Übung und Kräftigung von Herz und Lunge zu richten. Namentlich 
an die Zurnvereine, welche neben wenigen Vereinen zur Pflege der 
 Bolfsfpiele lediglich die einzigen find, die durch ihre Zöglingsabtei— 
lungen dem Bedürfnis nach Leibesübung und -Erfrifhung der im 
Entwidelunggalter jtehenden jungen Leute entgegenfommen, richtet er 
die dringende Mahnung, die Leibesertüchtigung nicht in eine Leibes— 
funft zu verfehren. Möge der Inhalt des gediegenen Schriftcheng, 
wie e3 fein Verfaffer wünjcht, die Erkenntnis von der Wichtigkeit und 
Notwendigkeit geregelter Leibespflege immer weiter in unferem Volke 
verbreiten und befejtigen und allerorten zur Tat werden laffen. 


Sm Anſchluß an diefe beiden von Ärzten verfaßten Schriften 
dürfte zwedmäßig wohl gleih auch eine Beiprehung der übrigen 
gleichfall3 von medizinischen Fachleuten herausgegebenen Werke ſich 
anschließen. 

Als die unftreitig erfreulichite und zugleich bedeutjamfte Erfchei- 
nung ift zunädhft zu erwähnen die Neuauflage des Dr. Schmidt’fchen 
Mufterwerfes, dag im 10. Bande des Jahrbuchs zuerit beiprochen 
wurde. 

6. Dr. med. F. 4. Schmidt, Unfer Körper. Handbud der Anatomie, 
Phyfiologie und Hygiene der Leibesübungen. 2. Auflage, neu bearbeitet 
und vermehrt. Mit 557 Abbildungen. Leipzig 1903. R. PVoigtländers 
Verlag. XVI u. 643 ©. gr. 8%. Preis 12 ME., in Ganzleinenbd. 14 ME. 
Das Werk trägt allerdings die Jahreszahl 1903, ift aber Thon 

1902 herausgefommen, wie auch da3 Datum des Vorworts zur zweiten 
Auflage aufweilt. Die Vermehrung diefer Auflage ift nicht unerheb- 
lich, was ſich ſchon äußerlich darin Fundgibt, daß aus den früheren 
598 Seiten 643 geworden find. Diefer Zuwachs ift beſonders der 
Hinzufügung eines Verzeichnifjes der zahlreichen zur zweiten Auflage 
benugten Bücher und Schriften und eines die Brauchbarfeit des Buches 
außerordentlih erhöhenden Sachverzeichniffes zuzufchreiben. Außer 
diefer rein auf das Äußere gerichteten Vermehrung hat das Werk 
aber auch eine nicht unbedeutende Bereicherung feines Inhaltes durd) 
eine Einleitung erfahren, welche die äußeren Formen und Verhältniſſe 
des Körpers behandelt; ebenjo durch folgende neue Abfchnitte in der 
„Allgemeinen Musfellehre”: 8 92: Cnergieaufmand und Arbeit bei 
Musfelbewegungen; $ 96: Formveränderung an der Körperoberfläche 
duch Musfelarbeit; 8 98: Einfluß der Schwerkraft, und 8 99: 
Schnelle und langfame Bewegungen. Die beiden legten Abfchnitte 
8 


Volks⸗ und Jugendſpiele. XL. 


114 


find im wejentlichen die Frucht eines Vortrages, den der Verfaſſer auf 
der XVII. Sauptverfammlung des Rheinischen Turnlehrervereins in 
Elberfeld am 2. Auguſt 1902 Hielt, und der auh in. u. G. XI 
abgedrudt ift. 

Bon den Abbildungen find 57 neu, unter denen ich namentlich 
die dem Buche zu bejonderer Zierde gereichenden Figur 1: „Sunger 
Mann“, Bildwerk von Prof. X. Hildebrand, und Figur 11: „Griechiſche 
Wettläuferin“ hervorheben möchte. Bon den alten Abbildungen find 
46 ausgeſchieden, ſodaß alſo auch bezüglich des Bildwerks eine Vermeh- 
rung feitzuftellen if. Das bei der Erftbefprehung des vortrefflichen 
Werkes gefällte Urteil hat nach diefer Erweiterung und Bervollitändi- 
gung mit um fo größerem Rechte Gültigkeit. Der Befit des Buches 
ift für jeden, der auf dem Gebiete der Leibesübungen, fei e3 in irgend 
einer Form felbft ausübend, fei e8 überwadhend, fei es fchriftftellerifch 
oder künſtleriſch tätig ift, alfo für Turner und Turnlehrer, für Ärzte 
und Schulmänner, für Künftler und Offiziere eine unumgängliche Not— 
wendigfeit. Vgl. auch die ſehr lobende und überaus eingehende Be- 
Ipredung des Werkes durch Univerfitätsprofeflor Dr. R. Zander in 
- Königsberg (R. u. ©. 1903, ©. 414 ff.). 

Als ein allerdings einer befonderen Abteilung der fogenannten 
Heilgymnaftif gewidmetes Buch ift zu nennen: 

7. Brof. J. von Mikulicz und Frau Valeska Tomafczewäfi, Leis 
terin einer orthopädischen Zurnanftalt in Breslau, Orthopädiſche Gym- 
naftit gegen RüdgratSverfrümmungen und ſchlechte Körper- 
haltung. Eine Anleitung für Ärzte und Erzieher. Mit 108 Figuren im 


Tert. Jena 1902. Berlag von Guftav Fiſcher. XLHO u. 108 ©. gr. 8°. 
Preis 3 ME. 


In den einleitenden Vorbemerfungen wird von den Wirbeljäulen- 
verfrümmungen, ihrer Entjtehung und Behandlung gejprochen, wobei 
bei Mädchen namentlich das leidige Korfett und fchlecht gebaute Schul- 
bänfe ſchuld tragen. Als vorzüglicheg Mittel, derartigen Verkrüm— 
mung3neigungen der Wirbelfäule vorzubeugen, empfiehlt v. M. aus— 
giebige Gelegenheit zur Bewegung und zum Gebraud aller Musfeln. 
Bewegungsfpiele, Rudern, Schwimmen, Schlittfhuhlaufen, Reiten er- 
feinen dazu befonders zwedmäßig. Sit aber ſchon ein leichter Grad 
von Verbiegung der Wirbelfäule vorhanden, jo tritt dag orthopädifche 
Turnen in feine Rechte, das die verfteifte Wirbeljäule beweglich machen, 
die Rückenmuskulatur ftärfen und anregen und die verbogene Wirbel: 
fäule wieder ein- und aufrichten fol. Auf die Einleitung folgt die 
Beſchreibung der für das orthopädifche Turnen in Betracht fommenden 


115 


Kleidung und Geräte, unter denen verſchiedene Rudervorrichtungen, Lage⸗ 
rungsapparate, eine orthopädifhe Schulbant im Bilde vorgeführt und 
erläutert werden. Die Erklärung der Fachausdrücke hat Oberturn- 
lehrer W. Krampe in Breslau geliefert. Die Turnübungen zerfallen 
in Aufbeugeübungen auf der Turnbanf mit Stab oder Hanteln, die 
und an die Übungen des ſchwediſchen Turnens erinnern, in Frei- 
übungen, in Übungen mit befonderen Apparaten und Bruftftärfern 
und in Übungen an Geräten, die, der Natur der Sache entjprechend, 
Hang- und nur zum Teile Stüßgeräte find, wie Schaufelred und 
Ringe, Kletterftangen, Leiter und Barren. Die zahlreichen Abbil- 
dungen find ebenfo fchön wie belehrend, Papier und Drud gleichfalls 
gut. Das Buch entipricht einem wirklichen Bedürfnis und wird in- 
folge feiner leicht verftändlichen Darſtellung nicht bloß für den Fach— 
mann, fondern auch in vielen Familien ein willlommener Ratgeber fein. 

Das nächitzunennende Werk ift vor bald 50 Sahren zum erjten- 
mal erſchienen, ohne daß der Berfaffer, der fih durd zahlreiche 
Schriften um die Umgeftaltung unferes Erziehungsmwejend überhaupt 
große Verdienfte erworben hat, eine Ahnung davon hatte, welche Er- 
folge das Buch haben würde. Es ift: 

8. Dr. med. D. ©. M. Schreber, Arztliche Zimmergymnaftif oder 
Syſtem der ohne Gerät und Beiftand überall ausführbaren 
heilgymnaftifden Freiübungen als Mittel der Gefundheit 
und Lebenstüchtigkeit für beide Geſchlechter und jedes Alter. 
28. Auflage, 181.—185. Taufend. Durchgefehen und ergänzt von Dr. med. 
Rudolf Graefe. Mit 45 Abbildungen im Terte und einer Tafel am Schluß. 
Leipzig 1902. Verlag von Friedrich Fleifher. 122 S. 8°. Preis geb. 
in Leinw. 3 ME. | 

Der Anhalt ift folgender: Nach Beurteilung des Wertes der 
ärztliden Gymnaftif im allgemeinen und der ärztlichen Zimmer— 
gymnaftit im befonderen werden allgemeine Gebrauchgregeln für die 
ärztliche Zimmergymnaftif und insbefondere für die einzelnen Bewegung3- 
formen angegeben. Dann folgt der den Hauptinhalt des Werkes aus⸗ 
machende Teil V: Zufammenftellung von Vorjchriften als maßgeben- 
ber Beifpiele für -befondere Gebrauchszwecke, welche genau bejchrieben 
und durch gute bildliche Darftellungen erläutert werden. Gute Dienite 
wird hierfür au die am Schluß angehängte Merktafel aus ftarkem 
Papier und mit Leinenverfteifung verjehen leiften. In der richtigen 
Erkenntnis, daß Bewegungsmangel bei den meiften Menfchen die Ent- 
ſtehungsurſache von allerlei Krankheiten und Beſchwerden it, jucht er 
durch ſachgemäß aufgeftellte Bewegungsformen, wie fie in einfacher Natür- 

g* 


116 


lichfeit im menſchlichen Körper begründet find, die manderlei Lebens— 
ftörungen unfere8 Organismus zu befeitigen. Auch er ift fchon von 
der Überzeugung durchdrungen, daß eine Stärkung der Bruft- und 
Schultermusfulatur dem Eindringen der Tuberfelpilze entgegenarbeite, 
eine Anfhauung, die Dr. Schmidt in dem oben beſprochenen „Körper- 
pflege und Tuberfuloje" mit voller Beweiskraft dargetan hat. Die 
bewährten Grundlagen der erften Auflage find von dem Überarbeiter 
der 28. Auflage in den Hauptzügen unangetaftet geblieben; nur die 
dur den Stand der augenblidlihen Erfahrungen und Anjchauungen 
bedingten Veränderungen find aufgenommen worden. Drud und Aus- 
ftattung des Werkes haben eine Vervollflommnung erfahren. Wem 
feine Gelegenheit geboten ift, die Schädigungen fißender Lebensweiſe 
durch ausreichende Bewegung, wie fie Turnen, Spielen, Wandern, 
Bergfteigen u. a. gewähren, aufzuheben, für den bietet das Buch unter 
allen derartigen Erfcheinungen die zuverläffigite und gewiſſenhafteſte 
Anleitung. | 
9. Dr. med. €. Shmid-Monnard, Arzt in Halle a. ©., und Rudolf 
Schmidt, Ecdhuldireftor in Leipzig, Schulgefundheitspflege Ein 
Handbuh für Lehrer, Ärzte und Bermwaltungdbeamte. Leipzig 1902. 
NR. Voigtländer Verlag. 184 S. 8%. Preis geh. 2,40 Mk., geb. 3 Mt. 
In vier Abjchnitten: Das Schulgebäude, der Schulunterricht, 
Schule und Elternhaus, Schule und Arzt, werden alle Fragen der 
Schulgejundheitspflege in anfchaulicher und fachveritändiger Meife auf 
Grund eigener langjähriger Beobadhtungen und Erfahrungen befprochen. 
Was das Buh für eine Beiprehung im Jahrbuch ganz befonders 
empfiehlt, ift die darin zum Ausdrud fommende Betonung der auf die 
rein leiblihe Ertüchtigung der Schuljugend gerichteten Maßnahmen 
und die Berüdfichtigung der auf diefem Gebiet erhobenen Forderungen. 
So teilen wir durchaus die Anficht des Verfaſſers, daß der Einbau 
eines Schulfaales in dag Schulgebäude jehr gut unterbleiben kann 
aus vielen triftigen Gründen, und daß eine geſchmackvoll ausgeftattete 
Turnhalle fehr wohl eine Aula erjegen fan und außerdem den Bor- 
zug bat, daß dann mit Rüdfiht auf den anderen Zwed, dem die Halle 
dient, öfter eine gründliche, auch dem Turnen zu gute fommende Reini- 
gung vorgenommen wird. Die Zahl der Schulen, bei denen im 
Sommer die Höfe geiprengt werden, wie die Berfaffer mit Recht 
wünjchen, wird — glaube ih — auch nur fehr gering fein. Für die 
höheren Schulen und auch für die Oberflaffen der Volksſchulen ver: 
miffe ich die Forderung eines ausgiebig "großen Spielplates. Was 





117 


den Betrieb des Turnens, zu dem noch Spiel, Eislauf, Schneefhuh- 
lauf, Wandern binzutreten fol, betrifft, jo wünjchen fie ihn nur bei 
ungünftiger Witterung in die Halle zu verlegen, fonft aber im Freien 
abzuhalten. Die Wichtigkeit des Schwimmens hätte mehr hervor- 
gehoben werden können. Wir find nicht gleicher Meinung mit den 
Verfafiern, daß Braufebäder Schwimmbädern vorzuziehen find, und 
zwar aus Gründen der Anftedungsgefahr. Bei richtiger Handhabung 
in der Leerung und öfteren Füllung der Schwimmbeden fcheint Die 
Gefahr der Anftedung in Hallenbädern doch jehr gering, und die wohl- 
tätigen Wirkungen der Schwimmbewegungen find doch nicht niedrig 
anzufchlagen. Unter den Drten, in denen von Seiten der Schule der 
Schneeſchuhlauf betrieben oder doch unterftügt wird, vermiſſe ih Schleu- 
fingen und Elberfeld, wo bereits feit dem Jahre 1894 an der Real- 
Thule in der Nordftadt diefe Kunft geübt wird. 

Sehr eingehend wird die Frage des Schularztes uud feines Ver: 
bältnifjes zu Schüler, Lehrer und AnitaltSleiter erörtert. Wir ftehen 
durchaus auf dem Standpunkt der Verfaſſer, daß ein Schularzt ehr 
ſegensreich wirken Tann, und billigen den Gedanken über die Umgren- 
zung feiner Tätigkeit durchaus, können ung aber nicht der Anficht 
verfchließen, daß trogdem eine Reibung zwijchen Arzt und Schule in 
einzelnen Fällen gar nicht zu vermeiden ift. 

Das Vorwort jagt nicht zu viel, wenn mit diejer Arbeit dem 
Schulmann wie dem Arzt und Berwaltungsbeamten ein Handbuch 
gegeben wird, das ihn in fnapper, aber klarer Form über den heutigen 
Stand der Schulgefundheitzpflege unterrichtet. Das Bub, an dem 
noch bejonder3 der große, deutliche Drud und das gute Papier ber- 
vorzuheben find, wird namentlich für jede Lehrerbücherei eine wertvolle 
und zugleich wohlfeile Ergänzung fein. Vgl. die Beiprechung von 
Stabtarzt Dr. Schröder in Altona (R. u. ©. XI, ©. 158). 

Nicht zugegangen ift mir folgendes, im verfloffenen Jahre noch 
erſchienenes Bud: 

10. Dr. R. Rod, Geh. Sanitätsrat, Wie pflegen wir unſere Musku— 
latur und Körpertraft? Berlin 1902. H. Steinig. 71 ©. gr. 8°. 
Preis 1 ME. 

Sin einem recht beherzigenswerten Auffage „Alkohol und Muskel⸗ 
kraft“ (Tztg. 1902, ©. 2 u. 26 ff.) feßt Prof. Dr. Grüßner in 
Tübingen auseinander, wie alfoholifche Getränke als Stärkungsmittel 
im allgemeinen und injonderheit für den Qurner durchaus zu ver- 
werfen find. Der Alkohol vernichte Schon in Eleinen Mengen die Ge- 


118 


| ſchicklichkeit, die wejentlih eine Leiftung de3 Gehirns und Rüden: 
marks ift. 


Eine Angelegenheit, zu deren näherer Erörterung bier nicht die 
Stätte ift, und die deswegen nur geftreift werben möge, iſt folgende: 
Sin feiner Sigung zu Blankenburg a. 9. am 9. Oftober 1902 hatte 
der BZentral-Ausfhuß zu dem Turnen nah Maul'ſchem Verfahren 
Stellung genommen (Tztg. 1902, ©. 922). Er bradte zum Aus— 
druck, daß das badische Schulturnen die wichtigsten gefundheitlichen 
Forderungen: Kräftigung der Lungen und des Herzens, für unmwejent- 
lich erfläre und beſonders die volfstümlichen Übungen, Spiele und 
verwandte Übungen nicht genügend berüdfichtige. Diefe Erklärungen 
riefen felbftverftändlich eine Antwort Mauls (Mtsſch. 1902, ©. 334 ff.) 
hervor, auf die von Schendendorff feinerfeit3 mit einer Ent- 
gegnung antwortete. Es folgte dann wieder eine Erklärung Mauls 
(Tztg. 1902, ©. 975 ff.), darauf eine Ermwiderung Schendendorffs 
(Tztg. 1902, S. 1019 ff.) und endlih ein Schlußwort Mauls (Tztg. 
1902, ©. 1039). 

Diejelbe Streitfrage erhielt außerdem ein Gegenftüd in einer 
Schriftfehde zwiſchen Profeffjor Widenhagen und Turninſpektor 
Möller einerfeit® und Stadtfhulrat Dr. Sickinger anberfeits. 
Die Veranlaffung dazu gab ein Vortrag Wickenhagens „Betrad- 
tungen über die Turnlehrerbildung in Preußen” (Tztg. 1902, ©. 981 ff.), 
in dem er fich gegen das Maul'ſche Turnen wandte. Der Federkampf 
Widenhagen-Sidinger fpielte fih in der Tztg., der zwiſchen Sidinger 
und Möller in 8. u. ©. ab. Außerdem fchlug diefe Bewegung auch 
noch anderweitig ihre Wellen, indem überall in Berichten über die auf 
der IX. oberrheinifhen und XV. allgemeinen deutſchen Turnlehrer- 
verjammlung in Karlsruhe gezeigten turnerifhen Vorführungen, trotz 
der großen Anerkennung für die gejehenen vorzüglichen Leiftungen, doc) 
derfelbe mehr oder minder leife Vorwurf widerklang, den die Blanfen- 
burger Erklärung des Zentral-Ausfehuffes in ganz beftimmter Form 
zum Ausdruck gebracht hatte. In foldem Sinne äußerten fi 3. B 
Sparbier und Fifher (RK. u. ©. XI, ©. 177 ff), Bettler 
(Tztg. 1902, ©. 964 ff.) Fidenmwirth (Mtsſch. 1902, ©. 326 ff.), 
Prof. Dr. Kohlrauſch (ebenda, ©. 243 ff.). Ganz auf die ©eite 
des badifchen Turnens dagegen ftellte fich ein Auffag Arno Kunaths 
in Bremen: „Rüdblide auf die 8. oberrheinifche Turnlehrerverſamm⸗ 
lung in Karleruhe und Mannheim" (Mtsſch. 1903, ©. 33 ff.). 


119 


Bon Schriften, die ſich mit der Pflege körperlicher Übungen bei 
der jchulentlaffenen Jugend befafjen, ift zu nennen: 

11. Freiherr Adolf von Berlidingen, Jugendlehr’ und Jugend- 
wehr. Ein fiheres Mittel zur Rettung des Volles. Der Reinertrag iſt 
für die Gründung von Yugendvereinen auf dem Lande beſtimmt. Würz: 
burg 1902. Verlag vrn Göbel & Scherer. 14 S. 8°. Preis 0,20 Mt. 
Der Verf. findet die Löfung der Frage, wie die jchulentlafjene 

Sugend bis zum Eintritt ins Heer oder bis zur Ehefchließung körper⸗ 
lih und fittlih zu wahren und zu fräftigen fei, in der Begründung 
von Jünglings- und SJungfrauenvereinen, in denen neben der Pflege 
Hriftlicher Gefinnung, der Fortbildung durch allerlei Unterricht und 
der Unterhaltung auch die körperliche Abhärtung, Ausbildung und 
Pflege der Gejundheit duch Turnen, Baden, Schwimmen, Ererzieren, 
Scheibenſchießen, Radfahren, Reiten, Schlittſchuh- und Schneefchuh- 
laufen zum Gegenstand der Fürforge gemacht werden fol. Wir teilen 
allerdings nicht die Hoffnungsfeligfeit des Verf., daß lediglich durch 
den Wunſch und Befehl Sr. Majeftät überall, und zwar unter all- 
jeitiger Beteiligung, folche Vereine in3 Leben gerufen werden könnten. 
Was und am meiften an den Blättern freuen muß, ift der Umitand, 
daß der Verf. zu der fatholifchen Geiftlichkeit gehört, die im allgemeinen 
fich doch gegenüber der Pflege körperlicher Übungen, beionders gegen- 
über der Gründung von Turnvereinen, nicht gerade antegend verhält. 

Zu erwähnen ift bier au ein in ähnlichem Sinne wirkender 
Vortrag von Dr. Burgaß: „Welche Bedeutung beanjprucht Die 
Pflege körperlicher Übungen in der Fürforge für die fchulentlafjene 
Sugend, und wie ift derſelben gerecht zu werden?” Der Vortrag 
wurde auf der XVI. ordentlichen Hauptverfammlung des „Bergijchen 
Vereins für Gemeinwohl” in Düffeldorf am 11. Juni 1902 gehalten 
und in der Heitjchrift des Vereins „Gemeinwohl” (15. Jahrg. Nr. 2 
bis 4, Elberfeld, Drud, Erpedition und Kommiffiongverlag von Fried- 
rich Könker) im Wortlaut mitgeteilt. Auszüge daraus erfchienen auch 
in der Mtsſch. 1902, ©. 321 ff. und in der Tztg. 1902, ©. 856. 

12. Wilhelm Shirrmann, Gedanken über den Einfluß der Turn» 
funft auf den Geift des Menſchen. Ein Hilfebuh für turnerifche 
Anſprachen und PVorträge. Breslau 1902. Priebatſch's Buchhandlung. 
63 ©. 8%. Breis 1 ME. 

Die Eleine Schrift enthält eine ganze Anzahl Abhandlungen, teils 
ausgeführt, teild im Abriß, aus dem Gebiete der Turnfunft, welche die 
Wirkung planmäßig getriebener und geleiteter Leibesübungen nament- 
ih auch in. geiftiger Hinfiht dartun follen. Für die planmäßige 


120 


Ausbildung und Feltigung ded Willen? und namentlich des Mutes 
hätte für ihn wohl das Buch von Prof. Dr. Koch die beite Duelle 
abgeben fünnen. Die Bedeutung des Spieles für die Charafterbildung 
und die Anerziehung von Eigenfchaften, die für das Leben in Betracht 
fommen, ift zu wenig gewürdigt. Die auf ©. 30 geäußerten Bedenken 
gegen den afademifch gebildeten Turnlehrer, namentlih, daß fein 
wiffenfchaftlicher Beruf ihn davon abhalte, tieferes Intereſſe für Die 
Turnſache zu gewinnen, werden am beften widerlegt durch die Nen- 
nung von Männern, die in der Turnbewegung eine leitende Stellung 
einnehmen oder der Sache des Turnens hervorragend chriftitelle- 
rifch gedient haben. Ich nenne: Lion, Rühl, Hahn, Widenhagen, 
Schnell u. a. Als Borbereitungsmittel auf Reden und Anfprachen 
bei turneriſchen Veranftaltungen wird das Büchlein willfommene Dienfte 
leiiten. 


Zu erwähnen wäre bier noch vielleicht eine Schrift aus dem vor- 
vorigen Jahre, die mir gleihjall3 von dem Verleger nicht zur Ber- 
fügung gellellt wurde: 

13. Netſch, Adolf 3, Gut3 Muth’ pädagogifhes VBerdienft um 
die Pädagogik, die Geographie und dad Turnen Diff. Hof 
1901. R. Lion. IV u. 112 ©. gr. 8°. 

Hier fei auch ein Buch angeführt, das in hohem Grade verdient, 
daß die Aufmerffamfeit darauf gelenft wird. Es iſt bereits im Jahre 
1901 erfchienen: 

14. Brof. Dr. H. Rühl, Deutfhe Turner in Wort und Bild. Leipzig 
und Wien 1901. X. Pichlers Witwe & Sohn. 267 ©. 8°. Preis eleg. 
geb. 2 ME. 

Der Berfafler, der verdiente Gejchäftsführer der Deutſchen Turner: 
Ichaft, vereinigt hierin die Bilder von 126 hervorragenden Förderern 
der Turnkunft, unter denen Gut3 Muth, Altmeifter Jahn und Spieß 
natürlich nicht fehlen und neben dem Ausschuß der Deutichen Turner: 
fchaft auch die führenden Männer der Spielbewegung eine Stelle ge- 
funden haben. Seder Abbildung ift in kurzen Stridhen ein knappes 
Lebensbild jedes Mannes nach perfönliden Aufzeichnungen oder auf 
Grund von Eulers „Encyklopädifhem Handbuh für dag gejamte 
Turnweſen“ beigefügt. Das kleine, äußerft gef hmadvolle und dabei 
jo billige Album verdient es, auf? wärmſte empfohlen zu werden. 
Vol. auch Wickenhagens Beiprehung (K. u. ©.). | 

Das bisher unter dem Namen „Zeitfhrift für Turnen und 
Jugendſpiel“ erjchienene Fachblatt für das Schulturnen ift mit er- 


121 


weiterten Zielen und in neuem Gewande an die Öffentlichfeit getreten, 
und zwar unter dem Titel „Körper und Geiſt, Zeitſchrift für Turnen, 
Bewegungsipiel und verwandte Leibesübungen. Fortfegung der von 
Dr. 9. Schnell und Widenhagen i. 3. 1890 gegründeten Zeitjchrift 
für Turnen und Jugendſpiel. Serausgeber Karl Möller, Dr. med. 
F. N. Schmidt, Prof. H. Widenhagen”. Die Zahl der Mitarbeiter, 
zu denen Namen von gutem Klang gehören, ift groß, und die bisher 
feit April erfchienenen Hefte haben bereit3 den Beweis geliefert, daß 
die Herausgeber, ihrem im erſten Heft entwidelten Arbeitsplan getreu, 
mit Sadhlichfeit und Freimut jeden in Sachen der Körperpflege zu 
Worte kommen laffen. Beachtendwert ift auch die Neueinrichtung, 
bisweilen ein ganzes Heft allein einem Zweige körperlicher Er- 
tühtigung zu widmen. So ift die Wandernummer (Nr. 8/9) zu 
nennen, der demnädjft eine Kunftnummer folgen fol. 

Im Anſchluß hieran feien ein paar Aufſätze aus Fachzeitichriften 
erwähnt, die die Beziehungen zwischen den Leibesübungen und der 
Kunſt aufzudeden fuchen. 

So ſpricht „Über das Turnen im Lichte der Kunfterziehung“ 
(Tztg. 1962, ©. 224, 245, 270 ff.) ©. Metzke in Hamburg. Er 
führt den geſchichtlichen Nachweis, daß der Betrieb der Leibesübungen 
nicht nur dazu gedient babe, zu allen Zeiten Kraft und Gemandtheit 
zu entwideln, fondern auch auf Schönheit des Körpers abgezielt habe. 
Er ftreift dabei auch tadelnd die Schönheitämwettbewerbe im Licht- 
Luft-Sportbad zu Berlin. Die Äſthetik läßt ſich nah ihm von ber 
Turnkunſt gar nicht trennen, und unſer Turnen ift ein vortreffliches 
Mittel zur Kunftbildung. | 

Der zweite Schriftiteller, der fi in ähnlihen Ausführungen be- 
wegt, ift der Schon durch feine Arbeiten im Jahrbuch bekannte Aſthe— 
tifer Dr. 9. Budor. Er entwidelt in einem Auffag „Zur Afthetik 
der Leibesübungen und Leibesbewegungen“ (Mtsſch. 1902, ©. 37 ff.), 
daß da3 harmonische Spiel der Kräfte die Schönheit der Bewegungen 
bedinge. Die aufgewandte Kraft muß in Harmonie ftehen zu der zu 
leiftenden Arbeit, die Kleidung muß in Harmonie ftehen zu dem Bau 
des menschlichen Körpers, zu der betreffenden Leibesübung und zu den 
in Bewegung gejeßten Gliedern und Gelenten. 

Konrad Lange weilt in feinem umfangreichen Werke „Das 
Wefen der Kunſt“ (Berlin 1901, ©. Grote'ſche Verlagsbuchhand—⸗ 
lung) die nahe Verwandtfchaft zwifchen Spiel und Kunſt nad. Die 
Kunft ift ihm das Spiel in feiner höchſten Vollendung und das Spiel 


122 


die Kunft in ihrer einfachſten Form. Cine Beiprehung feine an- 
regenden Buches, befonders mit Rüdfiht auf die Beziehung zwijchen 
der Kunft und den Leibesübungen, lieferte Dr. Burgaß in K. u. ©. 
1903, S 405 ff. 

An diefer Stelle fei auch der Beitrebungen des „Deutichen Vereins 
für vernünftige Leibeszucht“ gedacht, der durch Freilicht-Symnaftik 
und Umgeftaltung unferer Lebensweife und Koft die Kraft heranbilden, 
die Schönheit des Körpers pflegen will und fo den naturgemäßen Weg 
zum Ideal des Vollmenfhentums gefunden zu haben glaubt. Seine 
in diefem Sinne tätige Zeitfchrift, die bereits im zweiten Jahrgang 
vorliegt, heißt: 

15. Kraft und Schönheit. Illuſtrierte Zeitſchrift des Deutfchen Vereins 
für vernünftige Leibeszudt. Erfcheint jeden Monat. Herausgeber feit 
April 1902 Guſtav Mödel-Berlin. Bezugspreis jährlih 3 ME. 

Ahnliche Ziele verfolgt eine zweite, im legten Jahre heraus- 
gefommene, aber bei weitem nicht fo gut geleitete und bediente Zeit: 
ſchrift. Sie nennt fid: 

16. Siegfried. Monatsſchrift für Körper- und Geiftesveredelung. Heraus- 
geber: Theodor Siebert:Algleben a. ©. | 

Als Merkwürdigkeit ift zu erwähnen, daß der Herausgeber fi 
al3 Leiter und Befiger der erften Athletenſchule in Deutſchland be- 
zeichnet und jogar brieflihen Unterricht erteilt. 


Bon befonderen Werfen derjelben oder verwandter Beitrebungen 

find weiter aufzuzählen: | 
17. A. Stolz, Lehrbuch der Kraft- und Muskelausbildung durch 

Hantel- und Gemwiht3übungen. Auf Grund gefundheitliher und 

. fhönheitlicher Prinzipien. Mit 42 Abbildungen im Tert und einer Über- 

fichtötafel. München 1902. Verlag der Illuſtr. Amateur-Athleten-Zeitung. 

56 ©. gr. 8%. Breis 1,50 Mt. 

Der Verf. vertritt, wie wir gleichfalls in feinem weiterhin zu 
beiprechenden Werke über die „Ringkampfkunſt“ mit Befriedigung feit- 
ftellen fünnen, eine Richtung der Sportathletif, die deutſchem Weſen 
und deutſcher Art gerecht zu werden ſucht und frei ift von allen die 
Wertfhägung des Sports beeinträchtigenden Auswüchſen und Über: 
treibungen. Einen Schön entwidelten Körper zu erlangen, ſchätzt er 
höher als den äußeren Erfolg in irgend einer Leibesübung, als felbit 
die glänzendfte Medaille. Die Hausgymnaftif nach dem von ihm be: 
ſchriebenen Syfteme bietet ihm nur den fchäßbarften Ausgleich für 
mangelnde Bewegnng im Freien, und welde Meinung er von dem 
Wert Eörperlicher Bewegung im Freien überhaupt bat, geben am 


U ee — — — 


123 


beiten feine eigenen Worte (S. 32) wieder: „Andauernde Bewegungen 
des Körpers im Freien übertreffen in geſundheitlicher Hinficht jede 
Zimmergymnaftif, mag fie noch fo Schöne Muskelbildung gewährleiften.” 
Er unterfcheidet drei Methoden zur Erzielung eines jchönen und mus— 
fulöjen Körpers: die Leichtgewicht-, die Mittelgewicht- und die Schwer- 
gewichtmethode. Für die erftere will er fünfpfündige Hanteln oder 
den federnden Sandowhantel verwenden und ftellt dazu 20 Übungen 
auf, die — wie überhanpt alle diefe Syfteme — die Entwidelung 
der Unterförpermusfulatur zu wenig berüdfichtigen. Einzelne Übungen, 
jo Nr. 1 (©. 18), Nr. 5 (©. 21), könnten verjtändlicher und turne- 
rifher ausgedvrüdt werden. Für das Mittelgewichtiyftem ift eine 
50 Pfd. ſchwere Eifenftange, für das Schwergewichtfyftem ein Gewicht 
von 50—200 Pfd. vorgefehen. Ein Schlußmwort gibt Anleitung für 
die richtige Lebensweife eines Kraftmenfchen und warnt vor Über- 
treibungen und Schädlichleiten. Die Abbildungen veranfchaulichen die 
aufgeftellten Übungen aufs beſte. Wenn auch der Titel „Lehrbuch“ 
für das Heftchen etwas ſehr volltönend ift, jo ift doch der Inhalt für 
jeden, den Leibesübungen in irgend welcher Form intereffieren, an- 
regend, auch ſchon deshalb, um fich über die augenblidlichen Strömungen 
und Richtungen auf diefem Gebiete leiblicher Betätigung zu unter- 
richten. | 
Biel weniger erfreulich ift die folgende Arbeit: 
18. Ernft Sommer, Gefundheit, Muskelkraft, Formenſchönheit 
durch klaſſiſche Leibesübung. Neue Wege zu obigen Leibesidealen. 


Elberfeld 1902. Lebensheimer Volkserziehungsverlag. In Kommilfion bei 
der Baedefer’fchen Buchhandlung. 59 S. gr. 8°. Preis 1 ME. 


Dies Heftchen befaßt fih nur mit dem Leichtgewichtöverfahren, 
ohne jedoch in Inhalt und Form an das Stolze’sche heranzureichen. 
Unter den 28 aufgeführten und durch leibliche Figuren verdeutlichten 
Leichtgewichts-, d. h. Hantelübungen ift mir al3 neu aufgefallen die 
Belaftung der Füße durch die Hanteln, welche durch Bänder an ihnen 
befeftigt werden. Dieſe Übungen werden im Stehen und im Liegen 
auf dem Rüden ausgeführt und follen bauptfählich der Kräftigung 
der Waden- und Oberfchenfelmusfulatur dienen. Ein Liegeftüß vor- 
ling! mit Stüß auf den Fingern, wie er bei Figur 27 angegeben it, 
dürfte wohl faum im Ernſte anzuraten fein. Die Vorfchriften über 
die jedesmalige Atmung bei den einzelnen Übungen find vielfah un- 
klar und fünnten befjer ganz fehlen. Als erfreuliche Tatjache ift das 
Zugeftändnis zu verzeichnen, daß Lauf, Bergfteigen, Schwimmen her- 


124 


vorragende Mittel zur Kräftigung der Herz- und Lungentätigfeit find. 
Die Darftellung läßt oft Schärfe des Ausdrucks vermiffen, und aud 
der häufige Gebrauch überflüffiger Fremdwörter wirkt beim Lefen recht 
ſtörend. 


19. Apollos Syſtem des phyſiſchen Unterrichts für das Haus, 
zeigend wie jeder Muskel des Körpers entwickelt und Ge— 
ſundheit, Stärke und Widerſtandsfähigkeit wieder erlangt 
werden können. Verlag der Practical Publishing Co. New York u. 
Hannover. Hannover 1902. Erich Wendebourgg Buchhandlung. 59 ©. 
16°. Preis geb. in Leinw. 3 ME. 


Wie weit Apollo an diefem Syſtem des phylifchen Unterrichts 
ſchuld bat, ift tatſächlich aus dem Büchlein nicht zu ermitteln; es 
müßte denn der Umftand, daß unter den mittelmäßigen Abbildungen 
des Herkules (wahrfcheinli des Torſo vom Belvedere), des Diskus— 
werfers, des Speerträger3, des Athleten Sandow fi auch die des 
Apollo vom Belvedere und des vatifanifchen finden, hierfür heran- 
gezogen werden. Zwei anatomische Tafeln veranſchaulichen Lage und 
Ausdehnung der Muskeln des menfchlichen Körperd. Sodann werden 
34 Übungen mit einem der befannten Musfelftärfapparate in Wort 
und Bild vorgeführt, an die fih noch ein befonderer Kurſus von 
49 Übungen zur befonderen Stärkung der Bruft und ein fleinerer 
zur Kräftigung der Lungen anfchließen. Die Beinmusfulatur kommt 
auch bier wieder zu kurz. Das Büchlein ift im Grunde wohl nur 
eine Gebrauch3anweifung des auf der legten Seite von einem Gefchäft 
in Hannover angepriefenen Mustelftärfers, wofür e3 feinen Zweck wohl 
erfüllen mag. Es wäre aber wirklich zu wünjchen, daß derartige An- 
weifungen nicht in einer jo mangelhaften Überfegung aus dem Eng- 
lifhen, fondern ala eigene Arbeit eines Deutſchen auf den Marft 
gebracht würden. Der Preis ift unverhältnismäßig hoc). 


Außer diefen find noch einige andere ähnlichen Zwecken dienende 
Werke erfchienen, von deren Beſprechung bier abgejehen werben muß, 
da fie von dem Verleger nicht eingefhidt wurden. 

20. E Neumann, Die Heilung der Nervosität durd) intelligente 
Leibeszuht und rationelle Leibesübung. Xeipzig 1902. D. Borg- 
gold in Komm. 62 ©. gr. 8°. Preis 1,20 ME, 

21. Fürft, Körper- und Schönheitspflege. Berlin 1902. Ullftein & Co. 

22 Milon jun., Wie werde ih Athlet? Aufklärungen über eine zu un« 
gewöhnlicher Körperfraft führende Lebensweiſe. Nebft hiſtoriſcher Ein- 
leitung, biographifchen Notizen, 30 Portr. berühmter Athleten und Illuſtr. 
ihrer Tricd. 2. Auflage. Leipzig 1902. A. F. Schlöſſel. 92 S. 8°. 


125 


Hier möge gleich noch die Beſprechung eine? Buches eingefchaltet 
werden, das, allerdings 1900 fchon erfchienen und im X. Bde. des Jahre 
buchs erwähnt, eine eingehendere Würdigung im vollen Maße verdient. 

23. Bictor Silberer, Handbudh der Athletil nebft einer An- 
leitung zum Boren. Mit 88 erläuternden Holzfchnitten. Zweite, gänz- 
lich umpgearbeitete und vielfach bereiherte Auflage. Wien 1900. Verlag 
der „Allgemeinen Sportzeitung”. 459 ©. 8%. Preis 3 fl. 

Die Einleitung bildet, wie B. Erbes in feiner Beſprechung (Tztg.) 
bemerkt, der vielen Turnern und Turnfcriftitellern befannte treffliche 
Aufſatz Silberers „Über den Wert der Leibesübungen vom Stand- 
punkte der Darwin'ſchen Theorie”, der auh in Hirths „Geſamtem 
Turnwefen” mit Recht Aufnahme gefunden hat. Nach einem furzen 
Überblick über die Gefchichte der Athletit und ihre einzelnen Zweige 
gibt der Verf. praftifche Anleitungen und Fingerzeige für die Aus— 
übung der einzelnen Athletifarten. Nacheinander folgen der Lauf in 
allen feinen Formen und Abarten, das Gehen und Rennen, da3 
Springen und Werfen einjchließlich des Kugelftoßens. Während bier- 
bei am Schluß der Beiprehung jedes einzelnen Athletikzweiges die 
erreichten Höchftleiftungen faft nur auf Ausländer fich beziehen, was 
mit Rüdfiht auf die frühzeitige Vervollkommnung und Ausgeftaltung 
diefer athletifehen Übungen im Auslande nicht wundernehmen fann, 
ftellen fich unter den nun folgenden Übungsarten: Heben, Stemmen, 
Tauflettern, Aniebeugen, auch die Namen deutſcher Turner und Ath- 
leten mit Höchitleiftungen ein. Beſonders anziehend find bier die 
Ausführungen über den Begriff „Stemmen und Drüden” und über 
den Unterfchieb zwiſchen athletifhem und turneriihem Stemmen. Die 
Beitleiftungen, die für das Klimmziehen und für die Armſchwünge im 
Knidftüg am langen Barren mit und ohne Schwung angegeben werden, 
grenzen an da3 Unglaublide. Nachdem dann noch das Rüdwärts-, 
Dreibein- und Eadlaufen und Tauziehen kurz erörtert find, werden eine 
ganze Anzahl verjchiedener Rekords aufgeführt, jo über Schwimmen, 
Tauchen, Eis- und Schneefhuhlaufen. Die angegebene Hödhftleiitung 
im Springen mit Schneefchuhen ift längft weit überholt. Am 9. März 
1902 erzielte Nils Gjeftvang auf dem Guftadfprunghügel (Modum 
Skiklub, Norwegen) einen geftandenen Sprung von Alm (vgl. weiter 
unten W. Baulde, Der Skilauf). 


Nah dem Ringen und dem fehr ausführlich behandelten Boren, 
vor deſſen Unterfhägung S. warnen zu müffen glaubt, wird dann noch 
furz über das Training und damit zufammenhängend über Koft und 


126 


Kleidung des Sportsmannes, über Gefege und Beltimmungen der 
Athletit geſprochen. Damit ift die Fülle des reichen Stoffes erſchöpft. 
Außer durch eine auf jahrzehntelange Erfahrung geftügte Sachlichkeit 
und ein Urteil, dem binfichtlih der Wertfhägung ſportlicher Höchſt— 
leiftungen maßvolle Befonnenheit eigen ift, zeichnet fi das Werf auch 
durch die vollendete Form feiner Darftelung aus, die viele gute Holz 
Schnitte wirkſam unterftügen. Drud, Papier und fonftige Ausftattung 
reihen fih würdig an. Die Anfchaffung des Buches ift nicht bloß 
für den Athletiftreibenden — fei es Anfänger oder gewiegter Sport3- 
mann —, fondern auch für den weiterftrebenden Turner und Scrift- 
fteller, der dag ganze Gebiet der Leibesübungen überfchauen will, eine 
Notwendigkeit. 
24. R. Schroeder, Der Sportfreund Handbuh für Ball- und Rajen- 
fpiele und vollstümliden Sport. Berlin 1902. Zu beziehen durch 


R. Schroeder, Gräfe-Straße 93, und Sportbazar, Blüderftr. 42. Breis 
0,25 ME. 


Diefer „Sportfreund“, von dem mir Nr. 2 (47 ©.) vorliegt, 
fol nad) Bedarf jährlich vier« bis ſechsmal erfcheinen und Anregungen, 
Winke, Regeln auf dem Gebiete des Sports, jowie Berichte über 
größere fportliche Veranftaltungen bringen. Nach dem Zufchnitt der 
No. 2 zu urteilen, fcheinen diefe Heftchen hauptſächlich für Berliner 
Verhältniſſe zurechtgemacht zu fein, und mit Rüdfiht auf den Ton 
und Inhalt der darin enthaltenen Fleinen Auffägchen ift der Ausdrud 
„Handbuch“ doch wohl etwas zu hoch gewählt. 

Bon felbitändigen Werken über einzelne, bejfondere Zweige des 
Sports ift auch manches erfchienen. Sch nenne zunädlt: 

23. J. W. u Fr Scheibert, Der Ruderfport (Bibl. f. Sport u. Spiel 
Bd. XVIh. Mit 46 Abbildungen. Leipzig 1902. Grethlein & Co. 185 ©. 

8%. Preis broſch. 4 Mk., geb. 5 ME., Halbled. 5,50 ME. 

Das Rudern in allen feinen möglihen Formen und Arten und 
was zu feiner Ausübung nötig ift, wird in 12 Abjchnitten dargeftellt, die 
folgende Köpfe tragen: Einleitung und Gefhichtliches; Familienrudern; 
Schülerrudern; das fportlide Rudermaterial; die Mannjchaft; der 
Ruderſchlag; Theorie des Ruderfchlages; das Training; dad Nennen; 
das Tourenrudern; das Kanoe; die Vereine. Wenn auch das Bud) 
in erfter Linie an Sport3leute ſich wendet, fo wird es doch auch voll- 
auf der nichtfportlichen Seite des Ruderns gerecht, und die Abjchnitte 
II u. III, welde der Einführung diefer vortrefflihen Leibesübung 
in Familie und Schule das Wort reden, enthalten durchaus verwert- 
bare und maßvolle Vorfchläge für den Laien. Das Rudern wird als 


% 


127 


eine ganz vorzügliche Leibesübung Hingeftellt, die nicht bloß körperliche 
Kraft und Ausdauer entwidelt, fondern auch zu Entſchloſſenheit, 
fedem Wagemut und Geiftesgegenwart erzieht. Das Urteil über die 
Mufterfnaben (S. 27), die gewöhnlich al3 Treibhauspflangen fich aus— 
weiſen, unterfchreibe ich vollftändig, und daß die Teilnahme von 
Schülerrudervereinen an öffentlichen Nennen jet endlich unterfagt ift, 
wird von allen Einfihtigen mit Recht als eine mwohltätige Einfchrän- 
fung des Schülerruderns empfunden. 

In technischer Hinfiht war mir neu die Erwähnung des feit- 
ftehenden Stahlplattenfteuers, das bei geringer Bremswirkung erhöhte 
Steuerfraft bewirkt, und ebenfo die finnreiche Verfeßung der Schaufeln 
am Kanoe-Paddel, um geringeren Widerftand am Winde zu finden. 
In dem angefügten Verzeichnis der gebräuchlichſten ſportlichen Be- 
nennungen vermiffe ih den „Spurt“ und „Endfpurt”, die mehrfad 
in der Schrift vorkommen. Cine Erwähnung der benugten Fach— 
werfe wäre auch wünschenswert. Die Schreibweise ift leicht und ge- 
fällig und ſchlägt häufig den fcherzhaften Ton an, fo in der humor- 
vollen Schilderung einer Schülerruderfahrt, eines Trainingtages und 
des Tourenrudernd. Man merft überall die Feder erprobter Fach— 
leute, die aus dem Leben für das Leben fchreiben. Die guten Abbil- 
dungen erhöhen die Anfchaulichfeitt ungemein. Das Buch wird in 
feiner gediegenen Ausftattung für jeden Sportsmann und Laien, der 
ih der Ruderkunſt widmen will, eine willflommene Gabe fein. Bal. 
die anerfennende Beiprehung von Dr. 3. 4. Schmidt (8. u. ©. XI, 
©. 299). | 
| Das Schülerrudern nimmt Dberlehrer Dr. A3mu3 gegen die 
vielfach erhobenen Bedenfen in Schuß, daß es infolge des dabei ent- 
widelten Wetteiferd ungünftig auf die Schüler einwirke. Vgl. feinen 
Auffag „Über dag Schülerrudern“ (8. u. G. XI, ©. 73 f.). 

In das Gebiet des Radfahriport3 entfällt ein mir nicht zur Ver: 
fügung geitellte8 Wert vom vorvorigen Jahre: 

26. of. Adames, NReigenfahren und Rapdfahrfpiele. 2., vermehrte 
und verbeflerte Auflage. Wien 1901. 2. W. Seidel & Sohn. 121 ©. 
m. Fig. 8%. Preis geb. in Leinw. 1,80 ME. 

Über ein namentlich dag Intereſſe der Gefundheitsfahrer bean- 
Ipruchendes Rad, „Stemmrad” genannt, das auf der Düffeldorfer 
Ausſtellung vorgeführt wurde, berichtet Dr. Burgaß (Mtsſch. 1903, 
©. 9 ff.). Es verdient darum Beachtung, weil es die Arm- und 
Rücdenmuskulatur für die Fortbewegung nugbar zu machen ſucht. 


128 


Für den Eislauf forgen zwei Werke, von denen dag eine, bereits 
in fünfter Auflage 1896 erfchienen, im Jahrbuch bisher noch nicht 
zur Beſprechung gefommen ift, nämlid): 

27. Robert Holletſchek, Kunftfertigfeit im Eislaufen. 5000 Fig. 
mit 1000 Beichnungen; Grund: und Schulfiguren und deren Kombinationen, 
Schritte, Tänze, Studien, Eisfterne, Überfeger, Neben, Gefellihaftsfiguren, 
Eisfcherze u. a. 5., umgearb. u. verm. Auflage. Troppau 1896. Ber: 
lag von Buchholz & Diebel. 300 ©. 8%. Preis geb. 1,70 ME. 

Diefe fünfte Auflage ift durch die Mitarbeit hervorragender 
Schlittſchuhläufer aller Länder zu ftande gefommen. Sie gibt über 
alle Fragen auf dem Gebiet des Eislaufs, über Form und Bejchaffen- 
beit der Schlittfhuhe und der Stiefel, Kleidung und Körperhaltung 
beim Laufen, über das Laufen der Anfänger, das Kunftlaufen in 
jeder Form, über das Gefellfchaftslaufen Auskunft. Der Anhang 
bringt eine Anzahl Proben aus den Eislauffchulen Finnland, Ruß: 
lands, Schwedens und Englands, und hieran fchließt fich der Abdrud 
der Wettlaufordnung des deutfchen und öfterreichifchen Eislaufverbandes. 
Anſchauliche Figuren und pafjend gewählte Abkürzungen verdeutlichen 
die Übungen aufs beſte. Was mir nicht gefällt, ift die mehrfah aus— 
gedrüdte Betonung des fportmäßigen Betriebes des Schlittſchuhlaufens. 
Die Form des Büchleins ermöglicht es, e3 bequem in der Tafche zu 
tragen, und auch der Preis ift mit Rüdfiht auf feinen Umfang billig. 
Seine Anschaffung ift jedem, der fih zum Kunftläufer ausbilden will, 
anzuraten. 


Das zweite Buch ift mir nicht zugegangen; e3 lautet: 

28. ©. Helfrih, Praktiſche Winke für Kunfteisläufer und Eis— 
laufvereine. Berlin 1902. F. Fontenau & Co. 35 ©. m. Fig. 8°. 
Preis kart. 1 ME. 

Bon dem Verlage des „Deutjchen Rang. find bereits 1900 
herausgegeben: 

29. Elemente des Figurenlaufen3 mit furzen Winfen für An- 
fänger im Schlittfhuhlaufen. Flugblatt des Deutfchen Eislauf— 
verbanded. 5. Auflage. Berlin 1900. Verlag des Deutfchen Eisſports. 
Zur Geſchichte des Schlittſchuhlaufens fiehe die Bemerkungen 

unter „Geſchichte des Spiels, der Spiele uſw.“ 
Dem Mangel an einem umfafjenden Werke über dad Schneefchuh- 
laufen ift nun auch abgeholfen. Wir verzeichnen: 

30. Wilhelm Baulde, Der Stilauf. Seine Erlernung und Verwenduug 
im Dienfte des Verkehrs ſowie zu touriftifhen, alpinen und militärifchen 
Zweden. Mit 8 VBolbildern nad Aufnahmen des Verfaſſers ſowie 37 Ab» 
bildungen im Text. 2. neubearb. Auflage. Freiburg i. Br. 1908. Fr. 





Wagner’fche Univerfitätsbuchhandlung. 188 S. 8%. Preis 2 ME., geb. 

2,50 ME. 

Nach einer mit der Geſchichte und Verbreitung des Schneefchuh- 
laufens ſich befchäftigenden Einleitung wird in vier Teilen über Die 
Kleidung und Ausrüftung des Schneefhuhläufers, die verfchiedenen 
Arten des Laufens, über die praftifche Verwendung der Schneefchube, 
über die Tätigkeit von Schneefchuhlaufpereinen gehandelt und im Anhang 
eine ſehr dankenswerte Anmweifung zur Selbftanfertigung von Schnee- 
ihuhen gegeben. Neu mar mir die Anfertigung von Schneefhuhen 
aus zwei Holzarten, einer mweicheren als Standfläche und einer härteren 
als Lauffläche, ebenso die finnreiche Ausbeflerung abgebrochener Schnee- 
ſchuhe durch zwei Blechkapſeln. Der Abfchnittt „Die Skier im Dienfte 
der Armee” (S. 144 ff.) wird aud in meiteren Kreifen Beachtung 
finden. PB. entwirft ein anfchaulides Bild eines Ausbildungslehr- 
ganges im Schneefchuhlaufen für Mannſchaften des Heeres, befchränft 
aber die Verwendung der Schneefhuhe mit Recht auf Aufflärungs- 
und Sicherungsdienſt. Auch fein Grundfaß, bei fportliden Wett- 
kämpfen die Jugend zu einer lauteren, edlen Auffaffung und Hand- 
habung des Wettbewerbes zu erziehen und den Siegern einfache, 
materiell wertlofe Ehrenzeichen zu verleihen, wird namentlich in Turner: 
freifen ungeteilten Beifall finden. Der Abſchnitt „Lamwinengefahr“ 
hätte nach meiner Auffafjung, als eigentlih nicht in unmittelbarem 
Zufammenhang mit dem Schneefhuhlauf ftehend, eingejchränft werden 
fönnen, und wenn außerdem no ein Wunſch zu äußern wäre, fo 
wäre es der, an Stelle des undeutichen und unſchönen „St“ und 
„Stier” (pr. Schi u. Schier) Schneefhuh und Schneefhuhe zu jegen. 
Die zahlreichen Abbildungen und die vom Verfaffer jelbit aufgenommenen 
acht Vollbilder erhöhen die Anfchaulichkeit der Darftellung wejentlich 
— ich erinnere beifpielsweife an das „Wenden“ (S.71) —, und die beitän- 
dige Bezugnahme auf die einschlägige Fachliteratur, die faft erfchöpfend in 
den Fußbemerfungen angeführt ift, macht dag Buch nicht nur für den 
praftiihen Schneefhuhläufer, ſondern aud für den IOKU meer 
tätigen äußerft wertvoll. 


Zur furzen Unterrihtung über Gebrauch und Bejchaffenheit von 
Rennwolf, Schneefhuh, Schneefchneider, Schneereifen, Rodelfchlitten 
nebſt Ausrüftungsgegenftänden dient eine Eleine Flugſchrift, die all- 
jährlich erſcheint. Es find die 

31. Praktiſchen Winke für Schneeläufer (Winterſportsleute, Jäger, 
Wintertouriften u. a.). XIII. Ausg. Berlin, Winterfportverlag. 22 ©. 
Volks⸗ und Jugendfpiele. XII. 9 


130 


Die nächſte Schrift tritt befonders für die Abhaltung von Schnee: 
Tchuhmettläufen ein. Es ift: 

32. O. Borweg, Hauptmann a. D., Über Schneefhuhmettläufe. 
Herifhdorf im Niefengebirge 1902. GSelbitverlag des Verfaſſers. Aus—⸗ 
lieferung: 9. ©. Wallmann in Leipzig. 89 ©. 8°. Preis 1,50 ME. 
Nah einer Daritellung der Grundlagen des Schneefhuhlaufens 

und de3 angewandten Laufens wird darin der Nachweis zu führen 
geſucht, daß für die gedeihlihe Entwidelung des Schneeihuhlaufs 
und feine allgemeine Einführung in den mitteleuropäifchen Gebirg3- 
ländern das vorzüglihite Mittel richtig veranftaltete Wettläufe find, 
die von dem Geſichtspunkt des höchftmöglichen Ausbildungswertes für 
die Volksentwickelung in leiblicher, geiftiger und ethifcher Hinficht erfolgen. 
Namentlich die Bedeutung des Schneefchuhlaufens für den Krieg wird 
befonders gewürdigt und als die Vorbedingnng für die Veranftaltung 
folder Wettläufe die Bildung von Bereinen hingeſtellt. In welche 
Fehler derartige Bereine bei unfachgemäßer Leitung verfallen können, 
wird zunächſt allgemein, dann aber beſonders mit Bezug auf Gebirg3- 
und Schneefchuhvereine unter Zugrundelegung der NRiefengebirgs- 
verhältniffe erörtert. Sehr wohltuend berührt an dem leſenswerten 
Schriftchen, daß der Verfaſſer für den Gebrauch unſerer Mutterfpracde 
gegenüber Sportausdrüden eintritt, und bejonder® das überall zu 
Tage tretende Beitreben, eine für die allgemeine Volkswohlfahrt der 
Gebirgsbevölferung jo außerordentlich wertvolle Leibesübung wie das 
Schneeſchuhlaufen mit allen Mitteln durchzufeßen. 

Als Zeitfchrift für mwinterliche Xeibesübungen ſei hier auch erwähnt 
der „Deutihe Winterfport”. Erweiterte Folge des Deutjchen 
Eisſports. Fachzeitihrift für Schlittſchuhlaufen, Schneefchuhlaufen 
und verwandte Sportzweige, die bereitö feit 12 Sahren in Berlin 
erjcheint und außer einer guten Leitung auch über tüchtige Mit- 
arbeiter verfügt. 

Mit der Ernährung bei Leibesübungen, beſonders beim Sport, 
beſchäftigen ſich zwei Schriften, nämlich: 

33. Dr. med. A. Haig, Diät und Nahrungsmittel. Ihre Beziehung 
zu Kraftleiftung und Ausdauer, Training und Athletit. Nach der dritten 


engliichen Auflage überfegt von Hans Knoch. Berlin 1902. Verlag von 
Dtto Selle. 87 S. 8% Breis 1 ME. 


Der Verfaffer erweiſt fih als ein Verfechter der Lehre von der 
allein gefund machenden und erhaltenden Wirkung faft ausfchließlicher 
Pflanzenkoſt. Nach feiner Lehre entftehen alle Kranfheiten durch die 
Einführung von Harnfäure in das Blut, wie es durch unfere gemöhn- 


131 


liche Koft, namentlih durch Fleifhnahrung, gefhieht. Die Erhaltung- 
des Leben? hängt nah ihm davon ab, ob bei einer Infektion die 
Bazillen einen harnjäurefreien Blutjtrom finden oder nicht. Eimeiß- 
baltige Nahrung ift das allein Richtige und Zuträgliche für den Körper; 
fie allein erzeugt Kraft und Leiſtungsfähigkeit, während Kohlehydrate 
und Fette jo gut wie feinen Einfluß auf die Erzeugung von Kraft 
und Leiftungsfähigfeit, ſowie auf die Ausfcheidung von Harnitoff haben: 
Sm vierten Kapitel wird dann befonders die Diät der Sportsleute 
und Athleten beſprochen. Mit Recht weilt Dr. F. A. Schmidt in 
feiner Befprehung (8. u. G. XI, ©. 230 ff.) darauf hin, daß man 
aus der Tatſache, daß eine Anzahl namhaft gemachter englischer 
Rekordhelden auf fportlidem Gebiet Vegetarier feien, doch nicht den 
Schluß ziehen fünne, daß dies die einzig richtige Ernährung fei. 
Das Beifpiel Nanjens, der zulegt nur von Fleifch gelebt habe, bringe 
doch den Beweis für die gegenteilige Behauptung. Jedenfalls regt 
das Büchlein jeden, der feinen Körper in Bezug auf die Wirfung ver- 
fchiedener Ernährung beobachten will, zum Nachdenken an. 

Faſt in geradem Gegenfa zu der Haig'ſchen Lehre fteht das 
zweite Schriftchen: 

34. Dr. med. Claus Harlomw, Die Ernährung beim Sport. Berlin 

1902. Bogel & Kreienbrinf. 77 S. 8°. Breis 1 Mt. 

Der Titel des Buches müßte eigentlich lauten: „Die Ernährung 
beim Wanderfport”, da diefer in feinen verfchiedenen Formen, als Fuß: 
mwanderung, als Tourenfahren und »teiten, allein zum Gegenitand der Be— 
trachtung gemacht wird. Für. ift der Verbrauch an ſtickſtofffreier Subſtanz 
al3 Maßeinheit für die geleiftete Arbeit anzufehen. Er hält fi darum 
mit jeinen Borfchriften auf der goldenen Mittelftraße, indem er aus— 
ſchließlichen Fleifhgenuß und ausfchließlide Pflanzenkoft vermwirft. 
Wohl ericheint ihm für erhöhte Leiftungen ein mäßiger Vegetarianis- 
mus angebradt. Weiterhin wird dann über den Wert der Wirtshaug- 
koſt und die Nahrungsausrüftung des Rudjades geſprochen. Faſt alle 
Arten von Nahrungsmitteln, Speifen und Getränken werden in Bezug 
auf Schädlichkeit und Zuträglichkeit für die Wanderleiftungen betrachtet 
und ſchätzbare Verhaltungsmaßregeln angegeben. Das Büchlein, das 
aus einichlägiger Literatur ſchöpft und ſelbſtangeſtellte, jahrelange Er- 
fahrungen an der Hand hat, kann jedem, der Freude am lieben Wandern 
bat, aufs wärmſte empfohlen werden. 


Betrieb der Spiele, Für zwei vom Zentral-Ausfhuß Heraus- 
gegebene „Kleine Schriften” hat fich im Laufe des vergangenen Jahres 
9* 


132 


das Bedürfnis einer Neuauflage herausgeftellt. Es ift zunächſt Band I 
der „Kleinen Schriften“: 

35. U. Hermann, Ratgeber zur Einführung der Volks- und 
Sugendfpiele Im Auftrage ded Zentral-Ausfchuffes neu bearbeitet. 
Vierte, verbefjerte und vermehrte Auflage mit drei Abbildungen. Leipzig 
1902. R. Boigtländer8 Verlag. 77 ©. 8%. Preis 0,60 ME. 

Die Anordnung des Inhaltes diefer vierten Auflage ift diejelbe 
geblieben wie in der vorigen. Im dritten Abjchnitt find neu hinzu— 
gefügt „Ferienjpiele für Mädchen und Knaben” (S. 36) und „Die 
Förderung der Wehrkraft durch Jugenderziehung“ (S. 50). Die 
Schriftenkunde ift um die feit dem Jahre 1898 veröffentlichten Neu: 
erfcheinungen auf dem Gebiete des Spield und verwandter Übungen 
nicht unerheblich vermehrt worden; ich erwähne 3. B. Dr. 9. Schnells 
„Handbuch der Ballipiele”, A. Hermanns „Handbuch der Bewegungs- 
jpiele für Mädchen”, die fämtlihen Schriften über Volksfeſte, die 
Meifterwerfe Dr. Schmidt3 und Dr. Kochs. Andere dagegen find 
weggelaſſen, fo das Spielbuch von Kreunz. Die Aufftellung von Spielen, 
welche verfchiedener Witterung angemefjen find (©. 73), bat gleichfalls 
eine ziemliche Vermehrung erfahren. Auch die Ausftattung des 
Büchleins ift geſchmackvoller als früher. Allerdings hat fich der Preis 
auf 60 Pfg. erhöht. Möge e8 auch in feinem neuen Gewande für 
die Förderung und Berbreitung dei Volks- und Jugendſpiele fich 
fegengreich erweifen. Bol. auh Schröers Beſprechung (Mtsſch. 1902, 
©. 330 f.). 

Die zweite Schrift iſt: 

36. E von Schendendorff, Ratgeber zur Pflege der förperliden 
Spiele an den deutſchen Hochſchulen. Im Auftrage des Zentral: 
Ausſchuſſes und unter Mitwirkung einiger Mitglieder desjelben heraus— 
gegeben. Zweite, verbeiferte Auflage. Leipzig 1902. R. Boigtländers Ber- 
lag. 56 ©. 8°. Breis 0,60 ME. 

Auh für diefen Ratgeber Hat fich bereit3 nach Jahresfriſt die 
Notwendigkeit einer Neuauflage fühlbar gemacht, welche nunmehr 
vorliegt, und außer einer Umarbeitung einzelner Teile der erſten Auf- 
lage — fo im dritten Teil No. 7: der „praftifche Ratgeber zur Ein- 
führung und Pflege der körperlichen Spiele an den Hochſchulen“ — als 
wertvolle Ergänzung gegenüber der eriten Auflage eine „Zufammen- 
ftelung der turnenden und fpielenden Korporationen auf den deutfchen 
Hochſchulen zu Anfang 1902" aufweiſt. Es iſt erfreulih, daß nicht 
nur auf den Univerfitäten, jondern auch auf den technijchen Hoch— 
ſchulen die Turn» und Spielbewegung langfam, aber ftetig an Boden 


133 


gewinnt. Außer den 59 akademiſchen Zurnvereinen, farbentragenden 
und nicht farbentragenden, turnen bezw. jpielen beiſpielsweiſe bereits 
29 Burſchenſchaften fagungsgemäß. Das ift mit Freuden zu begrüßen. 
Möge dag Büchlein auch fernerhin immer mehr Freunde und Förderer 
fräftigender Leibesübungen unter der akademiſchen Jugend werben. 


Der Beitand der vom Zentral-Ausfhuß herausgegebenen Fleinen 
Spielregelheftchen ift derfelbe geblieben; nur find drei Heftchen in 
neuer Auflage erjchienen, nämlich: 

37. Heft 1. Fauftbalt. Raffball, in 3. Auflage. 

Der Raffball ift diefer Auflage zum eritenmal zugefügt worden. 
38. Heft 2. Fußball ohne Aufnehmen des Balles, in 4. Auflage. 
39. Heft 4 Schleuderball. Barlauf, in 3. Auflage. 

Eine ganze Anzahl Vorſchläge in verjchiedenen Fachzeitichriften 
befaffen fich mit der Abänderung und Umgeftaltung von Regeln für 
einzelne Spiele bezw. ihrer Widerlegung. So Dunfer (Btf. X, 
©. 330) bezüglich des „Schlagballs ohne Einfchenfer” und des „Fauft- 
ballipielg", Weber (8. u. ©. XI, ©. 30 ff.) und Sparbier 
(ebenda ©. 32 ff.) bezüglich des „Fauſtballs“. Bald nah Erfcheinen 
des neueften Negelheftchens für das Fauftballfpiel traten an den tech- 
nifhen Ausfhuß von feiten größerer Spielverbände tiefgreifende 
Abänderungsvorſchläge heran, welche den Ausfhuß veranlaßten, für 
Mettfpiele befondere Regeln feitzufegen und zu veröffentlichen (Tztg. 
1902, ©. 829 f., K. u. ©. XI, ©. 226). Folgende Punkte waren 
dabei ausschlaggebend: Größere Schwierigkeit des Spiels herbeizuführen, 
das Päppeln zu befeitigen, Strafe für fehlerhaftes Angeben feitzufegen 
und das Spiel einzelner zu gunften eines ſchönen Zuſammenſpiels zu 
unterdrüden. 

Theoretifche Bedenken und praftifche Erfahrungen im Betrieb de3 
Fußballipield für den Winter teilt und Prof. Dr. Koch in feinem 
feinen Aufſatz „Fußball als Winterfpiel” mit (Ztſch. X, ©. 309 ff.). 

Die „Akademischen Turnbundsblätter”, die Zeitſchrift des Akad. 
Turnbundes, des Verbandes nichtfarbentragender akademiſcher Turn- 
vereine auf den deutfchen Hochſchulen, veröffentlichen unter der Über- 
ſchrift „Die Kunft des Barrlaufs” eine auh in der Tztg. 1902, 
©. 53 ff. abgebructe, fehr lefenswerte Abhandlung über diejes Spiel, 
die duch anſchauliche Zeichnungen erläutert wird. 

Auch diesmal hat der Verein zur Förderung der Jugend- und 
Volksſpiele in Kiel wiederum einen ftattlichen Bericht über feine Tätig- 
feit im vergangenen Jahre erfcheinen laffen, nämlich: 


134 


40. Wilhelm Peters, Jahresbericht des Vereins zur Förderung 
der JZugend- und Volksſpiele in der Stadt Kiel für das Jahr 
1901—1902. Kiel 1902. 766. 8°. 


Der Bericht beiteht aus zwei Teilen: I. Das Boſſeln; II. Jahres— 
beriht für 1901—1902. An dem eriten Teil liefert ung der Ver— 
fafjer die Fortfegung der.in den früheren Sahresberichten begonnenen 
und fortgeführten, eingehenden Abhandlung über das Boſſeln, und zwar 
ift es diesmal das Bofjeln der Ortſchaften in Dithmarfchen, zunädft 
in Norderdithmarfchen, das und eingehend gefchildert wird, und dem 
die Bilder herorragender Boßler bezw. Boßlergejellichaften eingefügt 
find. Aus dem Sahresbericht erfahren wir, daß der Verein auf eine 
zehnjährige Tätigkeit zurüdblidt und vom Jahre 1896 an durch den 
Anſchluß eines anderen AJugendfpielvereind einen unerwartet fchnellen 
Auffhwung nahm. Die Zahl der Mitglieder beträgt heute 750; bie 
Einnahmen find von Jahr zu Jahr gewachſen. Die Jahresrechnung 
[hließt in Einnahme und Ausgabe mit einer Summe von 4408 ME. 
ab. Durch das Eingehen eines günftig gelegenen, großen Spielplages 
ift ein Kleiner Rüdgang der Spielbewegung in Schulen und Vereinen 
feſtzuſtellen. Ein Sugendfpielfurfus der Lehrlinge der Kaiſerl. Werft 
wurde wiederum abgehalten, ebenfo eine ganze Anzahl Spielfeite und 
Wettkämpfe zwifhen Schulen und Vereinen, über die näher berichtet 
wird. Wir hoffen mit dem umfichtigen und verbdienftvollen VBorfigenden, 
dem Oberlehrer Peters, daß der Verein im nächſten Jahre an Stelle 
des Rückganges einen erfreulihen Fortichritt verkünden kann. 


Über das Boffeln äußert fih Peters auch anderswo, fo über 
„Das Eisbofjeln in Eiderftevt und Umgegend“ (Ztſch. X, S. 390 ff.), 
„Über das Boffeln in Norderdithmarſchen (RK. u. G. XI, ©. 222 ff), 
und der Verlauf des Jugendſpielkurſus der Kaijerliden Schiffsijungen- 
divifion zu Friedrichsort wird uns ebenfall3 gejchildert (RK. u. G. XI, 
©. 238 f.; diefes Jahrbuch V, 3). 


Im Anſchluß an die Spielplapfrage in Kiel beipriht Peters 
ferner die Frage, ob eine Verbindung von Augendipielplägen mit 
Barfanlagen oder ihre Zage in unmittelbarer Nähe derfelben den Beſuch 
der Parkanlagen beeinträchtige (Ztſch. X, ©. 353 ff.), und gibt am 
Schluß eine Zufammenftelung der auf eine Anfrage erfolgten Ant- 
worten und Mitteilungen von 20 Städten, die zum überwiegenden 
Teile die Frage der Beeinträchtigung verneinen, ja, fogar zum Teil 
eine Hebung des Bejuches der Parkanlagen hervorheben. 


135 


„Über die Sugendipiele des Gemeinnügigen Vereins in Dresden 
im Sahre 1901” berichtet Dr. Netſch (KR. u. ©. XI, 85 f.). 

Eine tabellarifche Überficht über das Spielen des Mittelrheinifchen 
Spielverbandes im Sabre 1901 erhalten wir von M. Gärtner. 
(8. u. G. XL ©. 198 ff.). 

Außer Kiel ift auh Hamburg mit einem Jahresbericht feines 
Sugendjpielvereing vertreten. Zunächſt ift noch nachzutragen der Bericht 
vom Borjahre: 

41. Berein für Jugendfpiel und Handfertigfeit in Hamburg. 
Erſter Teil: Allgemeiner Bericht über die zehnjährige Tätigkeit des Vereins. 
Zweiter Teil: Bericht über das zehnte Vereinsjahr 1900. 23 ©. 

Wir erhalten einen kurzen Einblid in die fegensreiche Tätigfeit, 
die der Verein in den zehn Jahren feines Beſtehens entfaltet hat. Der 
Hamburger Staat zahlt jeit 1884 jährlich 3600 ME. Beihilfe. Während 
der zehn Sahre waren im ganzen 9 Spielpläße in Betrieb, auf denen 
ih rund 550000 Knaben von 36 Volksſchulen Hamburgs — e3 gibt 
im ganzen 61 — und von höheren Schulen im Laufe diefer Zeit ge— 
tummelt haben. Der Verein hat mit feiner Tätigkeit den Beweis 
erbracht, daß Jugendſpiele für die Kinder einer Großſtadt ein un- 
abweisbares Bedürfnis und deshalb freie, große Spielpläße eine 
dringende Notwendigkeit find. Namentlich aber hat der Verein in 
den Zurnvereinen Hamburgs den Sinn und das ntereffe für das 
Turnſpiel zu weden gewußt. 

42, Berein für Jugendfpiel und Handfertigfeit in Hamburg. 
Elfter Jahresberiht. 1901. 23 ©. 

Diefer gibt ung Kunde von einer umfangreihen PVeranftaltung 
von Wettjpielen, melde anregend auf den Beſuch der Spielpläße ein- 
gewirkt haben. Es ift eine Befuchsziffer von 70936 gegen 59380 
Spieler im BVorjahre erreiht worden. Auf ©. 8 ift die Ordnung 
eines Spielfeſtes abgedruckt, der als fehr empfehlenswerte Einrihtung 
eine kurze Anleitung zum Berftändnis der Spiele beigegeben ift. Be- 
merfeng- und nachahmenswert ift aud die Tatſache, daß der Verein 
die Spielleiter gegen Haftpflicht verfichert hat. Wir wünfchen dem 
Verein unter feinem ftrebfamen Vorftand immer größere Erfolge. 
| In der „Monatsfchrift für höhere Schulen” (Märzheft 1902, 

©. 181) knüpft F. Wappenhans an ein Gedicht des feitdem wild- 

gewordenen (!!) Rudyard Kipling an, das er in der „Times“ ver: 
Öffentlicht, und in dem er die unfinnige Sportverehrung feiner Lands- 
leute verjpottet, und wünſcht die Aufhebung des Spielzwanges, der 


136 


lähmend auf die Pflege fonftiger Liebhabereien der Jugend, 3. B. auf 
dag Herumftreifen in Feld und Wald, einwirke. Im übrigen erkennt 
auch er die Vorzüge des Spielzwanges wohl an. Cbenfall3 berichtet 
darüber 3. Vollert (R. u. G. XI ©. 96 ff.). 

Bon Schriften, die die Betriebsmweife einzelner Spiele zum Gegen- 
ſtand haben, ift nicht viel zu nennen. Die bedeutendfte ift: 

43. Freiherr Robert von Fihard, Handbud des Lawn-Tennis— 
jpiele3. Vierte, umgearbeitete Auflage. Baden-Baden 1902. Berlag von 
Emil Sommermeyer. XV u. 229 S. Preis 3 Mf., geb. 4,50 ME. 

Die vorliegende 4. Auflage ift gemäß der Bedeutung, die das 
Tennis-Spiel in Ländern deutfher Zunge gewonnen bat, und unter 
Berüdjiihtigung der inzwischen in der Technik der Spielgerätfchaften 
und im Betrieb des Spieles ſelbſt eingetretenen Berbefferungen, Er- 
fahrungen und Beobachtungen vervollfommnet worden. Die Spiel- 
gejege und Turnierbeftimmungen, ſowie die Sagungen des zu Pfingiten 
1902 ins Leben getretenen Deutihen Lawn⸗Tennis-Bundes find in der 
Neuauflage im Wortlaut wiedergegeben. Die Literaturerzeugniffe auf 
dem Gebiete des Spiel3 wurden bis auf die jüngfte Zeit ergänzt und 
als höchft angenehme Beigabe ein nad) dem A-B-E geordnete3 Sad): 
verzeichnis hinzugefügt. Außerdem find eine ganze Anzahl Abbildungen 
aufgenommen worden. Drud und Papier find gut. 

Wer ein wirklich nah allen Richtungen zuverläffiges und gediegenes 
Nachſchlagewerk über das Tennis-Spiel ſich anfchaffen will, dem ift 
fein befjeres zu empfehlen. 

Zur Beſprechung ift nicht eingelaufen: 

44. Ph. Heineden, Lawn⸗-Tennis, nach den neueften von der englischen 
Lawn-Tennis Association herausgegebenen Regeln bearbeitet. Mit 


45 Zluftrationen und zahlreiden Tabellen. 5., rev. Auflage Stuttgart 
1902. ©. Weile. 88 ©. 8°. Preis fart. 1,25 ME. 


Ein anderes Heftchen behandelt gleihfall® das Tennis-Spiel: 

45. U. G. M. Seelig, Das Lamn»-Tennid-Spiel. Ein Leitfaden und 
Berater für angehende Spieler. Berlin 1902. M. Lilienthal Berlag. 
16 S. 8°. Preis 0,30 Mt. 

Das Schriftchen verfolgt den Zweck, Anfänger im Tennig-Spiel 
anzuleiten. Durch die kurze Darftelung des Spieles und die Be- 
ſchreibung des dazu erforderlichen Platzes und der Geräte, ſowie durch 
die Angabe der hauptſächlichſten Regeln ſcheint mir diefer Zweck durchaus 
erreicht. Aber warum bat der Verfaſſer nicht nur die deutjchen 
Ausdrüde bei einem Spiel bevorzugt, das fih ſchon vollftändig bei 
ung eingebürgert hat? 


137 


Ein anderes Heftchen bringt die Regeln des „Fußballs mit Auf- 
nehmen“ : 

46. Dr. Edw. Ulrid, Spielregeln des Rugby-Fußballſpiels 
für 1902—1903. Im Auftrage des V. Deutfhen Rugbytages. Aus dem 
Englifchen überfegt. Heidelberg 1902. Karl Groos. 24 ©. Preis 0,30 Mt. 

Die Heine Schrift enthält 5 Abſchnitte: Spielplag und Geräte; 
MWorterflärungen, Pflichten der Richter, Berechnung des Spiels; Spiel- 
weife; Straftritte und Allgemeines. Unter den Verdeutfchungen find 
mir die Ausdrüde „Sprung tritt“, „Falltritt“ u. a. aufgefallen, 
die den Sinn der englifhen Bezeichnungen beifer wiedergeben al3 das 
-fonft wohl bevorzugte „Fallſtoß“. Der Ausdrud „landen“ vom 
Auffallen des Balles auf das Spielfeld erjcheint auf den eriten Blid 
befremdlich, ift Hier aber tatfählih in feiner Grundbedeutung „ans 
Land (an die Erde) fommen“ verwertet. Mögen die Anfichten tiber 
den Wert des „Fußballipiels mit Aufnehmen” auch geteilt fein, — 
für feinen Zweck wird das Heftchen ſich nützlich erweijen. 

47. Zußballregeln der fchmeizerifhen KYootball-Affociation. 
Bafel 1902. (Bern, E. Baumgart.) 20 S. m. Fig. 12%. Preis 0,50 ME. 


Bolfstümliche Übungen. Was über die Gefchichte der Übungen 
zu vermerken ift, findet fih im Abjchnitt „Gefchichte Des Spiels“ uſw. 
Auf einem Volfzunterhaltungsabend in Leipzig hat Dr. Gaſch einen 
ſehr feffelnden Vortrag über „vollstümliche Leibesübungen“ gehalten, 
der auf Wunſch auch abgekürzt in der Tztg. 1902, ©. 414 ff, 
erſchien. 

Derſelbe hat wie alljährlich, eine ſchätzbare Zuſammenſtellung der 
Höchſtleiſtungen in volkstümlichen Übungen für die beiden letzten Jahre 
geliefert. In dem Bericht über das Jahr 1900 „Das Jahr 1900 im 
Leben der Deutſchen Turnerſchaft“ (Tztg. 1902, ©. 176) fehlt auch 
das Werfen mit dem Hammer, dem Diskus und dem Ger nit. Es ift 
ein erfreuliches Bild ‘von der Pflege diefer Übungen in der Deutfchen 
Turnerſchaft. Als Merkwürdigfeit erwähne ich die Höchltleiftung einer 
Turnerin vom Turnklub „Vater Zahn” in Schleudiß, welche den 
Schleuderball 25 m weit warf. Auch in der Zufammenftellung für das 
Sahr 1901 werden unter den volfstümlihen Übungen zun Teil 
ftaunengwerte Leiftungen aufgeführt. 

Man vergleihe auch die in Silberers „Handbuch der Athletik“ 
angeführten Höchſtleiſtungen. 

Ein ſehr ſchönes Buch hat die Ringkampfliteratur gezeitigt. 
Es iſt: 


138 


48. A. Stolz u. Ch. Endres, Die moderne Ringfampflunft. Dar- 
ftelung fämtlicher Stellungen, Griffe, Schwünge und Paraden des Stand» 
und Bodenringfampfee. Mit 113 Abbildungen und ausführlidem Tert. 
Münden 1902. Berlag der „Illuſtr. Athletil-Sportzeitung“. VII und 
105 ©. 8°. Brei? geb. 3 Mt. 


Der Anhalt gliedert fich in die Einleitung, welche die biß heute 
erihienene in: und ausländiſche NRingfampfliteratur beurteilt und 
darunter eigentlich allein Dr. Wittes Ringbüchlein rühmend erwähnt, 
in den „Ringfampf im Stande“, in den „Ringlampf am Boden“, 
in welchen beiden Teilen die Angriffs- und Abwehrmöglichkeiten 
des Ringkampfes erjchöpfend vorgeführt werden. Der 3. Teil bringt 
als Ergänzung die Darfiellung der gefährlichen und unterjagten Griffe, 
und der Schlußteil enthält allgemeine Regeln und praktiſche Winfe 
für da3 Ringen. Die beiden Verfaſſer, die felbft al3 ausübende 
Ringer einen Namen haben, haben hiermit tatfächlich ein muftergültiges 
Nachſchlage- und Übungsbuch des Ningens für jeden gejchaffen, der 
ih in diefer Leibeskunſt fportlih ausbilden wil. Was dem Bude 
nachzurühmen ift, ift das auch im Vorworte ausgeſprochene Bejtreben, 
für jämtlihe, jonft vorwiegend franzöfiih benannte Griffe deutſche 
Bezeihnungen zu fegen und dahin zu wirken, ihren Gebrauch auch in 
der Sportpreffe und bei Ringfampfberichten einzuführen. Die 113 vor- 
züglichen Abbildungen bilden einen hervorragenden Vorzug des aud) 
fonft in verftändlicher Schreibweife gehaltenen Buches. Der Drud 
ift durchſichtig; das treffliche Kunftdrudpapier und die gediegene äußere 
Ausftattung gereihen ihm gleihfall3 zur Zierde. In allem iſt das 
Buch eine bedeutfame Erfcheinung der Ringlampfliteratur. 

Höchſt erfreulihen Fortgang nimmt die Schwimmbewegung. Die 
Bahl der Städte, in denen verſuchsweiſe unentgeltlider Schwimm⸗ 
unterriht an Schüler, namentlih Volksſchüler, erteilt wird, mehrt 
ji, und vielfah trägt man fih mit dem Gedanken, den Schwimm- 
unterricht dem Organismus der Schulen anzugliedern. 

In Leipzig hat der Turnlehrerverein unter der rührigen Leitung 
des Oberlehrers B. Erbes die Erteilung von Schwimmunterridht an 
unbemittelte Bolksjchüler in die Hand genommen und gute Erfolge 
erzielt. Bon den an Schwimmübungen beteiligten Schülern erlernten 
dag Schwimmen 68%. Vgl. Beriht in d. Tztg. 1902, ©. 792 u. 
Mtsſch. 1902, ©. 344 ff. 

Sn Hagen murde au ein umentgeltlider Ausbildungskurſus 
im Schwimmen während der Sommerferien abgehalten; der Ausfall 


139 


der Schwimmprüfung befriedigte in vollem Maße (Mtsſch. 1902, 
©. 350 ff.). 

Prof. Dr. Kohlrauſch entwirft ung ein anfchauliches Bild 
von dem Betrieb des unentgeltlihen Schwimmunterriht3 für Volks— 
jhüler in Sannover, an dem befonder3 der von ihm erjonnene, 
böchft einfache und billige Schwimmbod für dag Trodenfhwimmen 
hervorzuheben ift. Die erzielten Erfolge waren großartig (K. u. G. XI, 
©. 249.). 

An Dresden, das in diefer Hinfiht bahnbrechend geweſen ift, 
wurde ebenfall3 durch den Turnlehrerverein wieder die Ausbildung 
von Volksſchülern im Schwimmen geleitet (Tztg. 1902, ©. 816). 

Ebenfo bat der feit 1900 in Magdeburg bejtehbende „Verein 
zur Förderung volkstümlichen Schwimmens in Magdeburg“ außer 
Knaben auh Mädchen im Schwimmen ausbilden laffen (Tztg. 1902, 
©. 276). 

An Elberfeld Hat die Stadtfchuldeputation auf Vorftellung 
des Rektors Lotz derartigen Schwimmunterricht gleichfall3 abhalten 
laffen, und auch hier war der Erfolg fo günftig, daß man wohl dazu 
übergehen wird, die Einführung des Schwimmunterricht3 zu einer 
bleibenden Einrichtung zu machen. 

An der Realſchule in der Nordftadt zu Elberfeld wurde gleich- 
fall3 auf Beranlafjung von Dr. Burgaß eine Anzahl Schüler der 
verfchiedenften Sahrgänge im Schwimmen ausgebildet, worüber im 
Sahresbericht der Anſtalt berichtet werden wird. 

Dem Königsberger Ausschuß zur Förderung des Badens und 
Schwimmens der Schulkinder ift ein Staatsbeitrag von 300 ME. be- 
willigt worden. 

Bei all diefen Verſuchen hat fi das überall angewandte Ber- 
fahren des Trockenſchwimmens bewährt, d. h. die Schwimmbemwegungen 
wurden teil als Freiübungen, teild an Turn- oder bejonders für 
diefen Zweck bergeftellten Geräten auf dem Land ficher eingeübt. Dann 
erit führte man die Schüler ing Wafler. 

In einem Eleinen Auffag, „Einiges vom Schwimmen“ (Tztg. 1902, 
©. 957 ff.) fudt Dr. R. du Bois-Reymond den Nachweis zu führen, 
daß der Hauptwert des Schwimmens nicht fo fehr in den Körper- 
bemegungen berube als vielmehr in der mechanifhen Wirkung des 
MWafferdruds auf die Atembewegung und zweitens in der thermijchen 
Wirkung des Waflers. Der Wert der Shwimmbemwegungen jcheint 
mir tat ſächlich von ihm zu gering angefchlagen. 


140 


Neue Spiele. Auch in diefem Jahre fteht es mit der Erfindung 
oder Entdedung neuer Spiele nicht beifer als im vorigen. Die paar, 
bie tiberhaupt in Betracht kommen, find im Grunde nur Abarten 
längit befannter Spiele. Zunächſt ift zu erwähnen ein von Theodor 
Fiſcher in Prag erjonnenes und „Kopfball“ genanntes Spiel. Es 
ist ein dahin abgeändertes Fauftballipiel, daß der Ball zwar innerhalb 
des Feldes mit der Kauft gefchlagen werden darf, beim Hinüberfpielen 
über die Schnur und beim Angeben aber von den Vorderſpielern 
mittel3 des Kopfes über die Leine befördert werden muß. Daß dieje 
Spielart des Fauftballg gerade eine Vertiefung oder geſchmackvolle 
Abänderung einer Betriebsweife darjtelt, Tann man nicht behaupten 
(Tztg. 1902, ©. 667). 

In der Abteilung „Raſenſpiele“ der „Bibliothef für Sport und 
Spiel” berichtet Kurt von Eberbad im 2. Bande „Fußball“ über 
die auftralifche Spielmeife dieſes Spiels, die fich eigenartig entwidelt 
hat und jo bejonderd in Südauftralien geübt wird. Das Spielfeld 
it 150x200 m groß; die Spielerzahl ift bis zu 40 Köpfen ftarf. 
Das Mal beiteht aus vier Stangen und ift 26 m lang. Die Marf- 
linien fallen ganz fort. Am merkwürdigſten ift die Aufftellung der 
Spieler beider Parteien, die jo über das ganze Feld verteilt find, daß 
jeder einen Gegner vor fih hat. Der Schiedsrichter ift nit nur 
Unparteiifcher, jondern auch Leiter des ganzen Spieles, und zwar mit 
größerer Machtbefugnig ala irgendwo. 

Sin derfelben Sammlung im 4. Bande lernen wir zwei aus- 
ländifche Spiele Tennen, die fich der Gruppe Fußball-Polo⸗La Crosse- 
Hockey einglievern. Es iſt zunädft ein als Hurling bezeichnetes 
Spiel, welches Eberbach nicht jehr geſchickt mit „Schlagball” verbeutfcht. 
Ein apfelfinengroßer, verhältnismäßig weicher Ball wird auch bier, 
wie beim Hodey, mit einem Stod gejhlagen. Das 7 m breite und 
3 m hohe Tor erhält durch 2 weitere Pfoften auf jeder Seite einen 
Zuwachs von 7 m. Sonſt regelt fi das Spiel im großen und 
ganzen nach der Betriebsweife der oben genannten Gruppe. Es wird 
übrigens als uraltes Volksſpiel der ren bezeichnet. 

Das zweite, in demjelben Bande dargeitellte Spiel heißt Ball-Goal, 
welches E. als „Wurfball“ verdeutfht. Während bei dem vorher be- 
ſprochenen Spiel auch der Ball mit den Füßen geftoßen werben 
durfte, ift das bier verboten. Nur der Gebrauch der Keule ift ge- 
ftattet, die einen Stiel von 80-90 cm Länge und eine Öfe von 
30 cm aufweilt, vermittelft derer der auch beim Fußball verwandte 





141 


Ball gefangen und geworfen werden Tann. Aufgabe der Spieler, 
deren elf auf jeder Seite find, ift es, den Ball durch das feindliche 
Mal zu bringen. 


Spielfammlungen, Dies Jahr beſchert uns zum Glück nicht 
eine ſolche Maſſe Spielbücher als das vorige. E3 läßt fich aber nicht 
etwa jagen, daß nun, entjprechend der Verminderung der Zahl der 
Neuerfcheinungen, eine Steigerung ihrer Brauchbarfeit und ihrer all- 
gemeinen Bedeutung für die Spielſache überhaupt eingetreten wäre. 
E3 find Thon zu viele und zum Teil fo gute Spielfammlungen vor- 
handen, daß ſchon ganz Vorzügliches geleiftet werben müßte, um das 
erjchienene Gute zu übertreffen. 

Zu den minder guten Büchern gehört zunädjlt: 

49. Adolfvon Meerberg, Die Bewegungsfpiele im Freien. Eine 
Sammlung und Bejchreibung der beliebteften Bewegungsſpiele im Freien 
für jedes Alter und Gefchleht. Mit Abbildungen. Leipzig 1902. Ernſt'ſche 
Verlagsbuchhandlung. 89 S. 8°. Preis 0,75 ME. 

Es iſt eine buntichedige Sammlung von Ball-, Lauf und Reif- 
fpielen, ſowie Spielen für ganz kleine Kinder nebit einem Anhang, 
in dem das Tauziehen und nochmals Lauffpiele vorfommen. Als 
Beweis für die Art, in welcher das Buch gejchrieben ift, diene, daß 
als erſtes Ballſpiel das Barlaufen aufgeführt wird. Der Verfaſſer 
ſcheint das Spiel wenig zu kennen, fonft würde er nicht eine Be- 
grenzung der Spielflähe dur Bäume, Gräben und ſogar Heden für 
zwecdmäßig halten. Auch jonft weilt die Befchreibung des Barlaufs 
manche Abjonderlichkeiten auf. Unter den Ballipielen fehlt jelbit- 
verftändlich außer Kridet, Boccia, Krodet auch „der deutſche Schlagball 
mit Einſchenker“ und „Fußball mit Aufnehmen des Balles“ nicht, aber 
in einer Darjtelung, die durchaus feinen Anſpruch auf ſachliches Ver- 
ſtändnis machen fann. Die Tindlichen Scherzipiele, wie „Das gebratene 
Häschen“, „Auguft und Auguſtchen“, mögen für ihren Zwed genügen. 

Die Darjtelungsweife paßt fi, abgejehen davon, daß viele un- 
nötige Fremdwörter bevorzugt werden, ber nicht immer forgfältigen 
Beichreibung der Spiele an, wie folgende Ausdrüde beweifen: „Auf 
diefe Weiſe geftaltet fich der Rüden zum bequemen Auffigen“ (©. 5), 
„Barren, genannt Duerhölzer, fiehe beitommende Figur“ (S. 19) u. a. m. 

Für die Abfaffung eines ſolchen Buches ift Vorbebingung, daß 
man jelbit etwas vom Spielen verfteht und fich eingehend mit der 
einichlägigen Literatur vertraut gemacht hat. Da diefe Bedingungen 
bier nicht erfüllt find, iſt das Buch von höchſt zweifelhaftem Werte. 


142 


Zwei nicht zur Beſprechung eingelaufene Bücher find folgende: 
50. Aler Drtleb, Das Bud der Spiele Cine Sammlung der belieb- 
teften und unterhaltendften Spiele im Freien für jung und alt. Zus 
fammengeftellt und mit Zeichnungen verjehen. Ster.-Audg. Mit Anhang: 
Das Tennis-Spiel, dargeftellt nach feinen in Deutihland zur allgemeinen 
Gültigkeit gelangten Regeln, Beftimmungen und Bezeiänungen. Mit zwei 
Spielplänen und einem Schläger von einem erfahrenen Spieler. Neue Ster.- 
Ausg. Reutlingen 1902. Enßlin & Laiblin. 96 u. 32 ©. Preis 
0,75 Mt. Der Anhang, „Das Tenni3-Spiel*, ift auch gefondert erſchienen 

zum Preiſe von 0,25 ME. 


5l. Ferd. Maurer, Turnfpiele Gefammelt und herausgeg. Wien 1902. 
L. W. Seidel & Sohn in Komm. 45 ©. 16%. Preis 0,50 Mt. 


52. Joſef Kautzky, Turnfpiele Im Anhange: Kampfipiele. Ein Hand- 
buch für Lehrer und Schüler. Eger 1902. Im Selbftverlage.. 53 ©. 8°. 
Preis 0,70 ME. Ä 
Bon den in diefem Jahre erjchienenen wohl das brauchbarſte, be- 
fonders au), weil das billigfte. ES beſchränkt fi auf 20 wirklich 
brauchbare Spiele und Kampffpiele, unter denen aber wohl auch der 
Eilbotenlauf und das Steinftoßen als Wettfpiel eine Stätte hätten 
finden fönnen. Unter den Ballfpielen ift mir eine Abart des Metten- 
fpiel3, dag auch Schnell in feinem „Handbuch“ Bd. I. erwähnt, auf- 
gefallen, nämlih „Metball mit Freiftätten“. Zum Schluß ift eine 
Spielordnung für Jugendfpiele an Mittelfchulen und eine gut aus: 
gewählte Verteilung der Turnſpiele auf die einzelnen Klaſſen der 
Mittelichulen angefügt. Die Beichreibung der einzelnen Spiele ift 
Har und verftändlich, die Form des Büchlein handlich, ſodaß e3 wohl 
Liebhaber finden wird. 
ALS lebte der mehr mit Rüdfiht auf volkstümliche Bedürfniſſe 
abgefaßten Werkchen ift anzuführen: 
588. Guſtav Retzdorff, Spielluft. Eine Sammlung wenig befannter Spiele 
für das Freie und den Turnfaal. Mit 18 Abbildungen. Friedenau 1902. 
Drud und Verlag von Hermann Brüder. 58 S. 16°. Brei unbefannt. 
Wenn der Berfafjer hiermit eine Sammlung von Spielen zu 
bringen meint, die in den bisher erfchienenen Spielbüdhern nit auf: 
geführt find, fo befindet er fich bezüglich einiger im Irrtum. Fauftball, 
Kreismettlauf, Blinder Marſch, Ziehlampf zu dreien oder vieren ftehen 
3. B. ſchon alle in den „Turnfpielen” von Karl Schröter, teils ganz 
übereinftimmend, teils mit geringen Abweichungen. Sein „Fahnen: 
fpiel” (No. 9) ift ebenfall3 nur eine Abart von dem als „Diebfchlag“ 
befannten Spiel, lediglih mit dem Unterfchiede, daß die Parteien 
nicht gegenüber, ſondern nebeneinander aufgeftellt find, und das „Aus: 


143 


brechen aus dem Kreife” erinnert in großen Zügen an das von Schröter 
angegebene „Mauerbrechen” oder „Hede“. Für die Regeln des Fauſt— 
ballipiels hätten beffer die vom Zentral-Ausfchuß herausgegebenen be— 
nußt werden können. Unter den übrigen Spielen verdienen bejondere 
Beachtung die aus Italien entlehnten, wozu den Verfaffer wohl feine 
langjährige Beichäftigung mit den Leibesübungen und turnerifchen 
Veranftaltungen der Staliener veranlaßt hat. E3 find im ganzen 
vier Spiele. Recht danfenswert ift die Wiederbelebung des von Jahn 
in jeiner „Turkunſt“ befchriebenen jcherzhaften „Sillens“. Das Büchlein 
jei befonder8 Turnvereinen empfohlen. 


Die jportlihe Richtung der Spielpflege vertreten gleichfall3 mehrere 
Bücher, von denen wir zuerft befprechen: 

54. Ph. H inefen, Lawn-Tennis und andere Spiele Mit 83 Ab- 
bildungen. Herausgegeben von der Redaktion des „Guten Kameraden“. 

4. Auflage. (Illuſtrierte Tafchenbücdher für die Jugend, Bd. 19), Stutt⸗ 

gart— Berlin—Leipzig 1902. Union Deutfche Verlagsaefellihaft. 118 ©. 

8% Preis 1 ME. 

Der Verfaffer der beiden Werke: „Die beliebteften Raſenſpiele“ 
und „Sportjpiele im Freien” hat in diefem Büchlein 6 Spiele ver- 
einigt, die vorzugsweiſe für die deutfche Jugend berechnet jein follen. 
Es find Tennis, Krodet, Hodey, Eishodey, Golf und Fußball. Wie 
ſchon die Namen der Spiele befagen, find es meift folche, die mehr 
den rein fportlichen Betrieb nah ausländifher Weiſe bevorzugen, 
3. 7. fich alſo erſt Heimatrecht bei ung erwerben follen. Nach einer 
furzen gejchichtlichen Bemerkung zu jedem Spiel folgt eine Befchreibung 
de3 Spielfeldes und der Geräte; dann wird der Spielverlauf gejchildert 
und werden die Spielregeln angegeben. Beim Eishodey lernen wir 
zwei Arten fennen, das kanadiſche und das europäifche, au) Bandy 
genannt. Ebenfo werden beide Arten des Fußballipiels bejchrieben. 
Zahlreiche gute Abbildungen tragen weſentlich zum Verſtändnis Des 
Büchleing bei, deſſen Inhalt ſachlich und klar gehalten ift. Die Aus- 
fattung ift ſchmuck, der Preis billig. Aber für eine Verbreitung 
von Spielen unter der geſamten deutſchen Knabenwelt, nicht bloß 
der wohlhabenden Kreife, dürften der Sammlung wohl mehrere 
unferer anerkannt trefflihen deutſchen Spiele einzuverleiben fein. 

Die Verlagsbuchhandlung von Grethlein & Co. in Leipzig hat 
in der von ihr herausgegebenen, ſchon oben erwähnten „Bibliothet 
für Sport und Spiel" 5 Bände erjcheinen laffen, welche jogenannte 
„Raſenſpiele“ bejchreiben. E3 find folgende: 


144 


55. Kurt von Eberbadh, Rafenspiele Erſter Band. Golf—Krodet— 
Bowl3—Kridet. Mit 41 Abbildungen. (Bibliothek für Sport und Spiel, 
Bd. IX.) Leipzig, ohne Jahreszahl. Grethlein & Co. 160 S. 8°. Preis 
broſch. 4,50 ME., in Leinw. geb. 5,50 ME., in Halbled. 6 ME. 

56. Kurt von Eberbadh, Rafenfpiele Zweiter Band. Fußball. Mit 
36 Abbildungen. (Bibliothek für Sport und Spiel, Bd. X.) Leipzig, ohne 
Sahreszahl. Grethlein & Co. 128 S. 8°. Brei? broſch. 2,80 Mf., in 
Leinw. geb. 3,80 ME., in Halbled. geb. 4,20 ME. 

51. Kurtvon Eberbadh, Rafenfpiele Dritter Band. Polo (Reiterpolo, 
Radfahrpolo, Wafferpolo). Mit 16 Abbildungen (Bibliothek für Sport und 

Spiel, Bd. XI.) Leipzig, ohne Jahreszahl. Grethlein & Co. Preis brojd. 
2,20 ME, in Leinw. geb. 3 ME., in Halbled. geb. 3,50 ME. 

58. Kurt von Eberbadh, Rafenfpiele Pierter Band. Hodey— Eishodey 
— Hurling—Bal Goal. Mit 24 Abbildungen. (Bibliothef für Sport und 
Spiel, Bd. XII.) Leipzig, ohne Jahreszahl. Grethlein & Co. 86 ©. 8°. 
Preis brofch. 2,80 ME., in Leinw. geb. 3,50 ME., in Halbled. geb. 4,20 ME. 

59. .Kurt von Eberbach, Rafenspiele Fünfter Band. La Eroffe—Bafe- 
bal— Damenbafebal—Rounder8—KRaiferball. Mit 29 Abbildungen. (Biblio- 
thef für Sport und Spiel, Bd. XIIL) Leipzig, ohne Jahreszahl. Greth- 
lein & Co. 90 ©. 8%. Preis broſch. 2,80 ME., in Leinw. geb. 3,50 Mk., 
in Halbled. geb. 4,20 ME. 


E3 find im ganzen 14 oder, wenn man die beiden Arten des 
Fußballfpiels und Polo zu Pferde, zu Rad und zu Waſſer bejonders 
rechnen will, 18 Spiele, über die wir eingehender unterrichtet werden. 
Die Anordnung des Stoffes in den einzelnen Bänden ift überall bie- 
jelbe, mit Ausnahme des den „Fußball” bearbeitenden Bandes, über 
den am ausführlichften berichtet wird. Jedes Spiel wird durch einen 
furzen Überblid über feine Geſchichte eingeleitet; dann folgt die Be- 
ſchreibung des Spielplages und der Geräte, an die fih die Dar- 
ftellung eine® Spielganges und die Angabe von Spielregeln und 
-Winken anreihen. Den Beſchluß jeder einzelnen Spielbejchreibung 
oder mehrerer bildet ein Verzeichnis der Fachausdrücke und meift auch 
der benugten Schriftwerfe, für die in der Hauptfache und der Natur 
der rein jportlichen Behandlung aller Spiele diefer Sammlung ent- 
Iprechend die englifche Literatur ausgiebig herangezogen wurde. Da- 
neben haben faſt überall unfere befjeren Sportzeitjchriften und eben}o 
die beiden jchon oben erwähnten Werfe Ph. Heinekens, der auch auf 
rein jportlihem Standpunft fteht, al3 ergiebige Fundgrube gedient. 
Doch menden wir uns den einzelnen Spielen zu: 

Beim „Golf“ (S. 20) äußert der Verfaffer die irrige Anficht, 
daß es bisher an einem Spiel für ältere Leute gefehlt habe, und daß 
wohl „Golf“ berufen fein werde, diefem Mangel abzuhelfen. Ich 


145 


meine, wenn irgend ein Spiel als das Spiel älterer Männer zu be- 
zeichnen ift, fo ift e8 unfer „Sauftball”, das viel mehr Ausficht auf 
allgemeine Einbürgerung hat als das Golfipiel, das immer nur ein 
Spiel: reicher Leute bleiben fann. Man bedenke nur, daß für den 
guten Golfjpieler allein die Kenntni® und Handhabung von nicht 
weniger als ungefähr 20 verjchiedenen Keulen nötig it. 

Das als Bowls angegebene Spiel ift weiter nicht3 als das ſchon 
befannte italienifhe Boccia in englifher Gewandung. 

Beim Kridet nimmt der Verfafjer ſeltſamerweiſe daran Anftoß, 
dafür den Namen „Zorball" zu gebrauchen, weil derjelbe noch nicht 
volkstümlich genug jei, verwendet aber dann erfreulicherweife lauter 
deutſche Ausdrüde für die einzelnen Bezeichnungen im Spiel. Für 
„allen“ und „Balmann“ dürfte doch wohl beſſer das ſchon ein- 
gebürgerte „einfchenten“ und „Einfchenfer” zu feßen fein. Auch in 
dem Fußball-Bande find faft durchweg deutſche Spielausprüde an- 
zutreffen. Für da3 Spiel mit Aufnehmen des Balles find die oben 
erwähnten Spielausdrüde des Dr. Ulrich im allgemeinen übernommen 
worden. Außer den beiden bekannten Arten diejes Spieles wird noch 
die amerifanifhe und auftraliihe Spielweife befchrieben, von denen 
die letztere ſchon in dem Abfchnitt „Neue Spiele” gefchildert wurde. 
Den Beſchluß des Bandes bildet eine Zufammenjtellung über die Ver— 
breitung des Fußballipiel3 auf dem europäischen Feſtlande. Unter 
den zu Nate gezogenen Schriften vermißt man Schnelld „Handbuch“, 
da3 doch an erjter Stelle unter den beften deutfchen Fußballbüchern 
genannt zu werden verdient. 

Der über das Polo handelnde Band ift mir nicht zugeftellt worden. 

Unter den Spielen des 4. Bandes lernen wir zwei bisher bei 
und nicht befannte Spiele fennen: Hurling unb Ball-Goal, über die 
bereit3 in dem vorhin erwähnten Abjchnitt gefprochen wurde. 

Der Schlußband bringt zunächſt das La Crofje- Spiel, deſſen 
Urſprung der Berfaffer den Indianern Nordamerikas zufchreibt. Schnells 
Darlegungen in jeinem genannten Buche (Bd. II, ©. 18 ff.) hätten 
ihm beweifen können, daß dag angeblich indianiſche Lacrofje auf das 
alte franzöſiſche Fußballipiel zurücdzuführen ift. 

Neben dem Bafeball, das E. als „Malball“ verdeutjcht Hat, wird 
noh eine Spielart desjelben, „Damenbafeball”, das in England oft 
„Hildegarde” genannt werde, näher angegeben. Es weiſt als Zus 
geſtändnis an das weibliche Gefchlecht erhebliche Erleichterungen auf. 


Volks⸗ und Jugendſpiele. XI. 10 


146 


Für „Rounders“ Hat Schnell a. a. D. bereit3 feine nahe Vermandt- 
ſchaft mit dem franzöfiihen „La grande thèque“ nachgemiejen. 

Das als „Kaiferball” zum Schluß eingeführte Spiel ift, wenn 
man außer acht läßt, daß mit diefem Namen der deutfche Schlagball 
mit oder ohne Einfchenfer ſchon feit langem bezeichnet wird, in großen 
Zügen das von Sermann in feinem „Handbuch der Bewegunggipiele 
für Mädchen“ befchriebene „Rundum“, d. h. Schlagball mit 4 Freiftätten. 
Übrigens wäre ſowohl dies Werf ala auch das ſchon öfter angezogene 
Handbuch Schnell3 für diefen die Ballfpiele mit Sreiftätten behandelnden 
Band jehr vorteilhaft zu verwerten gemejen. 


Troß diefer Beanftandungen wird diefe Sammlung der Rajen- 
jpiele, die zwar in anfchaulicher, aber bisweilen etwas weitfchweifiger und 
wiederholender Form bejchrieben und durch gute Abbildungen dem 
Verſtändnis nähergebracht werden, wohl geeignet fein, ſich einen Lefer- 
frei3 zu erwerben und der Ausbreitung und Pflege dieſer Spiele in 
jportlidem Sinne zu dienen. Drud, Papier und Ausftattung find 
von dem rührigen Verlage in der ſchon an früheren Bänden der 
Sammlung wahrgenominenen Güte hergeſtellt. Vgl. auch die Be— 
fprehung Goepels über Bd. I (Ztſch. X, ©. 340 ff.) und die wenig 
anerfennende Dr. Wittes über Bd. II (R. u. ©. XI, ©. 299). 


Spielfeite. In gefhichtliher Hinficht ift zu erwähnen ein Vor- 
trag Oberlehrer Dunkers, den er auf der am 5. und 6. Juli 
vorigen Jahres in Köln ftattgefundenen Hauptverfammlung des Zentral: 
Ausfehuffes für Volks- und Jugendſpiele hielt: „Über das Weſen 
und den Urſprung deuticher Volksfeſte“ (Tztg. 1902, ©. 626 und 
8. u. G. XI, ©. 242 u. 262 ff., Jahrbuch I, 3). 


Dr. Gaſch in feinen jährlich erfcheinenden Berichten über „das 
Leben innerhalb der Deutihen Turnerfchaft” bringt auch Diesmal 
wieder (Tztg. 1902, ©. 174 ff.) für das Jahr 1900 eine Aufzählung 
der ftattgefundenen Berg- und Volksturnfeſte, deren Zahl fich zufehends 
mehrt. Mit Recht tadelt er, daß die Anforderungen dabei oft jehr 
gering ſeien, ſodaß manchmal jchon mittelmäßige Turner in ben 
Beſitz eines Kranzes gelangen fünnten. Bei den meiſten würden außer 
volfstümlichen Übungen auch Spiele vorgenommen. Eine ähnliche Auf- 
zählung gibt er ung für das Jahr 1901 (Tztg. 1902, S. 1137) und 
berichtet außerdem noch bejonders über die Sedanfeier der Leipziger 
Zurnvereine am 31. Auguft 1902 (Tztg. ©. 971 ff.), bei der die 
höchſte Spannung, wie alljährlid, der am Schluß vor. fich gehende 


147 


Eilbotenlauf erzielte. Über die gleihe Veranftaltung gibt auch 

Oswin Schumann einen Beriht (R. u. G. XL, ©. 337). 
Über die zum vierten Male gefeierten „Baterländifchen Feſtſpiele“ im 

Stadtwalde zu Köln erhalten wir gleichfal3 Kunde (Tztg. 1902, 


©. 626), und über das dritte Spielfeft des „Rheinifch-Weftfälifhen 


Spielverbandes“ in Düffeldorf am 29. September 1902 unterrichtet 
uns Henning (Tztg. 1902, ©. 160). Es war befudht von 28 Mann- 
Ichaften im Fußball, 17 im Fauftball, 6 im Tamburindball, 4 im 
Schlagball, 2 im Schleuderball und 4 im Tennis. Außerdem fanden 
ein Dreifampf und andere Wettlämpfe ftatt. 9. ftellt einen Fortjchritt 
im Spielen feft. 

Über ein von den fünf Charlottenburger Turnvereinen unter Mit- 
wirkung jämtlicher höherer Lehranftalten und Volksſchulen am 24. Auguft 
veranftaltetes und vorzüglich gelungenes Spielfeit erhalten wir gleich- 
falls Nachricht (Tztg. 1902, ©. 872). 

Auch in Hamburg beging der „Verein für Jugendſpiele“ am 
21. September 1902 ein Spielfeft, von dem ung €. Fiſcher 
(8. u. G. XL ©. 318 ff.) erzählt. 

Den Verlauf des VII. Barlaufwettipiels der höheren Schulen 
von Berlin und Umgegend endlih fchildert ung Oberlehrer Binting 
(R. u. G. XL ©. 191 ff.) und fnüpft daran die Bemerfung, daß 
durch diefe Einrichtung der Beweis erbracht jei, daß auch ein echt 
deutjches Spiel dauernd das Intereſſe der Schüler fefjeln könne. 








IH. Aus der Praris für die Praris. 


Ge 1 he (Sa Laßt ſich micht verfennen, daß in 

unferem ganzen Baterlande ein höchſt er- 
Die Spielbetwegung freuliches Beftreben entftanden ift, dem 
im Jahre 1902. aa Volke und insbefondere unferer Jugend 
Vom Gejhäftsführer, Studien- das wieder zu verfchaffen, was im neu- 
a ene zeitlichen Verkehrs- und Betriebsleben 
eipzig. SESSLELLSLLSSS ; ; 

verloren gegangen zu jein jchien oder 
Doch verloren zu gehen drohte: Freude und Erholung in freier 
Luft, vor allem durch die Volks- und Jugendſpiele und verwandte 
fräftige Bewegung. Freilich hat jich dies Beſtreben noch lange nicht 
genug in Taten umgefeßt, und der Erfüllung des berechtigten Wunsches 
unferes Kaiſers nach einer „Träftigen Generation” find wir noch nicht 
jo nahe gekommen, wie es für die weitere Erſtarkung der deutfchen 
Nation notwendig ift, aber ein erfreulicher Fortichritt Tann doch ſeit 
der Bildung des Zentral-Ausſchuſſes zur Förderung der Volfs- und 
Jugendſpiele in Deutſchland feitgeitellt worden. 

Auch das Jahr 1902 Hat hierin feinen Stillftand gebradt, es ift 
vielmehr in mancher Beziehung ein lebhafter Fortſchritt troß der durch⸗ 
weg ungünftigen Witterung im Sommer und Herbit bemerkbar ge- 
weſen. Daß unfere Jugend ſich überhaupt aus jchlehtem Wetter 
nicht mehr viel macht, fondern vom Spiel dur) etwas Regen fid 
durchaus nicht abfchreden läßt, ift eine ganz erfreuliche Eigenfchaft 
des heranwachjenden Gefchlechtes, die durch die Jugendſpiele, wenn 
nicht hervorgerufen, jo doch geftärkt worden ift. 


149 


Im einzelnen fann vom Jahre 1902 zunächſt freudig anerkannt 
werden, daß viele Männerturnvereine die Jugendipiele und volfs- 
tümlichen Übungen in freier Luft in ihren Reihen kräftig geförbert 
haben. Zu den fchon länger üblichen „Bergfeften“, dem Feldbergfeſt, 
Inſelbergfeſt, Wittefindsbergfeft uſw., ift das Stirnberafeft Hinzu- 
gefommen (die „hohe Stirn“, 480 m, bei Hildburghaufen), andere 
größere Spielfefte, Gaufpieltage und Wettfpiele find von Turnern in 
reiher Zahl veranftaltet worden, und wir können hoffen, daß biefe ge- 
junde Bewegung in der Deutfchen Turnerfchaft, die unfer Turnen nad) 
der Jahn'ſchen Richtung hin wieder ergänzt, weiter fortfchreiten wird. 

Die im Vorjahre liegende fünfzigjährige Wiederfehr des Todes- 
tages unſeres Turnvaters (15. Dftober) gab Gelegenheit, feiner großen 
Eigenart befonder3 zu gedenken, und Jahn al3 Erzieher wurde 
nit nur in einer bedeutenden Anzahl mehr oder minder guter Auffäge 
in der Preſſe, jondern auch vielfach durch turnerifche Kampfſpiele würdig 
gefeiert. Beſonders zahlreih und großartig ſcheinen derartige Jahn⸗ 
feiern in Deutſch-Oſterreich veranſtaltet worden zu ſein. 

Auch in den deutſchen Spielvereinen ſportlicher Art 
herrſchte reges Leben, und es mehrten ſich die Anzeichen, z. B. in den 
veranſtalteten ſogenannten „athletiſchen Wettkämpfen“ (hauptſächlich 
Laufen, Springen u. dergl.), daß viele Sportvereine auch in anderen 
Übungen als nur dem einen Sonderſpiel ihren Körper ausbilden. 
Zu wünſchen wäre e8, daß das einzeln hervorgetretene Beitreben, 
die aus dem Englifchen herübergenommenen Kunftausdrüde durch 
deutjche zu erjegen, weitere Fortfchritte machte. Am meiſten wäre das 
beim „Tennis“ erwünſcht, das fich ja immer weiterer Verbreitung er- 
freut, bei dem aber gerade unjere jogenannten hohen Kreiſe fih nicht 
enthalten können, fortwährend engliſche Zahlwörter („fifteen, 
thirty* uſw.) und andere jehr leicht zu übertragenden Kunftausdrüde, 
teilweife in nicht allzu rein Elingendem Englifch, über den deutfchen Spiel- 
platz ertönen zu lafjen, eine ebenfo lächerlicde wie beſchämende Tatjache. 

Ein in jeder Hinfiht gutes fportliches Leben in Jahn'ſchem Sinne 
herrſcht in unferen größeren Spielverbänden, 3. B. in dem 
theinifch-weitfälifchen,, deſſen Nachrichtenblatt jehr erfreuliche Spiel- 
berichte bringen Tann. Neu gebildet hat fich eine Spielvereinigung - 
des oberichlefifchen Induſtriebezirks, die in Bismardhütte ihren erjten 
Spieltag im vergangenen Sahre abhielt. 

Als durhaus erfreulich ift auch im Sahre 1902 zu bemerfen ge- 
weſen, daß viele deut ſche Stadtverwaltungen der Vermehrung 


150 


und Erhaltung der Spielpläße eine erhöhte Sorgfalt zu teil werden 
ließen. Auch durch Sparkaſſen und perfönliche Wohltäter find Spiel- 
pläße neu gefchaffen worden. Ferner haben mehrere große Städte 
den Verſuch gemacht oder wiederholt, ihre Schulhöfe in den 
Sommerferien als Spielpläge zur Verfügung zu ftellen, wodurch die 
Ferienſpiele eine beträchtliche Steigerung erfahren haben. Die 
Ferienfpiele zeigten fich überall als eine große Wohltat für die Kinder, 
denen es die Verhältniffe nicht geftatten, eine längere Erholungsreiſe 
anzutreten, ebenſo die halbtägigen und eintägigen Ferien wande— 
rungen, die 3. B. in Leipzig in größerem Umfange durchgeführt wurden. 

Neben den Verwaltungen unferer Stäbte nehmen fich in letter 
Zeit auch manche Vereine der Jugendſpiele und verwandter Übungen 
in freier Luft mit beachtenswertem Erfolge an. Beſonders verdienen 
bier der Deutfhhe Verein für Bolfshygiene und der All- 
gemeine deutfhe Berein für Schulgefundheitspflege 
hervorgehoben zu werden. Auch der deutihe Verein für ver- 
nünftige Leibeszucht mit feinen Licht-, Luft- und Sportbädern 
ift für unfere Beftrebungen von Wert. Als gute Förderer unjerer 
Sache erwiefen fih auch wieder die Ärzte. Ärztliche Verfammlungen 
haben mehrfach auf den gejundheitlichen Wert der Leibesübungen in 
freier Luft Hingewiefen, insbefondere die internationale Tuber- 
Tulofefonferenz in Berlin. 

Aufs freudigfte zu begrüßen ift fernerhin, daß einzelne Arbeit- 
geber größerer Fabriken begonnen oder fortgefahren haben, Spiele in 
freier Luft für ihre Arbeiter einzurichten, ähnlih Beamtenvereine 
für ihre Mitglieder und mehrere Volks- und Sonntagsheime. 

Bon großer Bedeutung find aud) die Fortjchritte, die da Frauen- 
und Mädchenturnen im vergangenen Jahre gemacht hat. Diele 
Art Emanzipation der Frauen im Zufammenhange mit vernunftgemäßer 
Tracht wird von jedem deutjchen Volfsfreunde aufs freudigfte begrüßt 
werden, und wenn auch die Beitrebung der Qurnerinnen, als ge- 
ſchloſſenes Ganze auf dem diesjährigen deutſchen Turnfeft in Nürnberg 
aufzutreten, verfrüht jein mag, jo ift fie doch auch als ein Zeichen der 
großen Kräftigung de3 Frauenturnens beachtenswert. Zu Iofalen 
turnerifchen Feten find die Turnerinnen nicht nur al3 Zufchauerinnen, 
fondern als Mitwirkende mehrfach herangezogen worden. 

Turnerifchefportlihe größere Felte im Sinne Iofaler „olympijcher 
Spiele” haben im vergangenen Jahre wieder an vielen Orten mit 
gutem Erfolg ftattgefunden, 3. B. in Braunſchweig, Dresden, Köln; 


151 


es ſcheint, als wenn die früher mehrfach zu Tage getretene Abneigung 
der Turnvereine, gemeinfam bei folchen Gelegenheiten mit [portlichen 
Kreifen zufammenzumirken, in erfreulicher Abnahme begriffen ift. 

Bon einzelnen Spielen und Übungen in freier Luft, die im ver- 
flofjenen Jahre beſonders viel betrieben find, können außer Fußball 
und Tennis noch Schlagball, Barlauf, Fauftball, Tamburinball und 
Stafettenlauf*) hervorgehoben werden. Aud find die Schulmärſche, 
die Durch die Arbeiten des Realfchuldireftors Dr. Lorenz in Duedlin- 
burg eine gute Grundlage erhalten haben, auch an einzelnen anderen 
Schulen mit Erfolg durchgeführt worden. 


Während das Radfahren als Leibesübung abgenommen zu haben 
ſcheint, hat das Schwimmen im vergangenen Jahre eine aufjteigende 
Pflege erfahren. Beſonders beachtenswert ift der Maffenunterricht, bei 
dem die erite Zeit hindurch die Schwimmbemwegungen auf dem Lande 
mit geeigneten Vorrichtungen gelehrt wurden. Man hat an mehreren 
Orten jehr gute Erfolge hiermit erzielt, 3. B. in Hannover, Leipzig, 
Lübeck, Königsberg i. Pr. und Elberfeld. 

Wenn das bisher entrollte Bild von der Spielbemegung in 1902 
ein recht erfreuliches ift, jo darf nicht verfchwiegen werden, daß auf 
unferen höheren Schulen ein Fortichritt auf dem Gebiete der 
Sugendfpiele nicht zu bemerken if. Wenn an einzelnen Stellen wieder 
ein erfreuliches Spielleben herrſchte, ſo ift das überall nur einzelnen 
für die gute Sache begeifterten Männern zu danfen. Zu einer wirk-- 
liden Sicherung der Jugendſpiele werden wir in Deutſchland erit 
gelangen, wenn man fich entfchließt, einen Spielnachmittag mit obli- 
gatorifcher Beteiligung an allen Schulen einzuführen. Bielleicht 
belfen ung auch hierin die Schulärzte, die ja in einzelnen Städten 
gerade im verfloffenen Jahre angeftellt worden find. 


Im allgemeinen fünnen wir zufammenfafjend über dag Jahr 1902 
tagen: Es bat jih die Erfenntnis von der Bedeutung 
der Leibesübungen in freier Luft vermehrt, und in der 
vernunftgemäßen inneren Entwidelung de3 Turn- und 
Spielleben3 bat ein großer Fortſchritt im Jahn'ſchen 
Sinne ftattgefunden. Dieſe Erkenntnis wird den Zentral-Aus— 
ſchuß anfpornen, auch im Sahre 1903 Eräftig weiter zu arbeiten zu 
immer größerer Gefundung unjerer Jugend und unferes Volkes. 


*) Meiner Anfiht nad) follte man hierfür das deutſche Wort „Eilbotenlauf” 
einführen. 


152 


BFSFIFFFI5FF53 333535 2 355555353535 33 


asss Einführung 
dentſcher Jugend⸗ 
ſpiele in Italien. 


Corso magistrale di Edu- 
cazione Fisica, Torino. 


Eriter Lehrgang für 
fürperliche Erziehung 
in Zurin v. 29. Sep- 
tember bis 8. Oktober 


1902. 2Ab6GKbssgsægssss 
Bon Hauptturnlehrer Dtto 
Scharf, Krefeld. SELL 


Se. Excellenz der Unterrichtsminiſter von 
Italien hatte den Profeſſoren der Turiner 
Univerſität Angelo Moſſo und Liugi Pag— 
liani die Einberufung und Leitung eines 
Lehrganges für körperliche Erziehung in 
Italien übertragen. Dieſer Lehrgang fand 
unter regſter Beteiligung italieniſcher Lehr— 
perſonen und Vertreter der Preſſe, Damen 
und Herren, in den oben angegebenen Tagen 
ſtatt, und hat für Deutſchland dadurch 
Intereſſe und Wert, weil ein großer Teil 
des Lehrganges den praktiſchen Anleitungen 
in den deutſchen Jugendſpielen gewidmet war. 


Prof. Moſſo, ein in Italien einflußreicher 
und durch ſeine turneriſchen und wiſſenſchaftlichen Schriften in der 
ganzen Welt bekannter Mann, hat die Einführung der deutſchen Jugend— 
jpiele in Stalien dringend empfohlen und unter Bermittelung des 
Freiherrn v. Schendendorff die Sinzuziehung eines deutfchen Turn- 
lehrer3 zu diefem Lehrgang veranlaßt *). 


*) Herr Hauptturnlehrer Scharf bat fich feiner Aufgabe in fo vortrefflicher, 
ja, ih kann jagen, in fo ausgezeichneter Weiſe entledigt, daß ich nicht umhin 
kann, dies bier auch öffentlich anzuerkennen. Die Berhältniffe, in welche Herr 
Scharf in Turin eintrat, boten nicht nur erheblidde Schwierigkeiten durch den 
großen dort verfammelten fremden Kreis, fondern beſonders auch durch die Größe 
des Lehrfurfus und durch den Umftand, daß alle feine Äußerungen und Anord- 
nungen erit in da3 talienifche überfegt werden mußten. Wurden diefe Schwierig- 
feiten auch durch die umfichtigen Vorbereitungen und die außerordentliche Hin- 
gabe des Herrn Profeſſor Moſſo fowie auch durch den befannten liebenswürdigen 
Charakterzug der Italiener im Verkehr mit Fremden gemildert, fo wird man es 
doch als eine jehr erhebliche Leiftung anerkennen müflen, wenn Herr Scharf feinen 
vorgehabten Zweck auch zu aller Zufriedenheit erreicht hat. Nach diefer Richtung 
fchrieb mir Herr Moſſo, indem er mir für die Entfendung des Herrn Scharf feinen 
Danf ausfpradh, unter dem 9. Dftober wörtlih: „Herr Scharf hat fi hier die 
Sympathie und größte Achtung erworben, bei allen Feierlichkeiten lebhaften Bei- 
fal gefunden und am Schluffe des Kurfus eine mohlverdiente große Ovation 
gehabt.“ von Schendendorff. 


153 


Der Berichterftatter, welcher durh die Zuporfommenheit feiner 
Vorgefegten in der Lage war, diefen Wunfh Moſſos zu erfüllen, begab 
id am 25. September nad Turin. Sch fand dort eine jehr berz- 
liche Aufnahme. Moſſo ift der deutſchen Sprache vollfommen mächtig 
und hat fich mit außerordentliher Mühe bei den Übungen als Dol- 
metjcher und Spieler hochverdient gemacht. Ich bin der Überzeugung, 
daß Moffo und Pagliani die richtigen Männer find, um auf dem 
Gebiete der in Stalien ſehr vernacdhläjfigten körperlichen Erziehung 
bedeutende Verbefjerungen durchzufegen. Es wird beabfichtigt, zunächſt 
in der Ausbildung von Lehrkräften mehr Einrichtungen zu treffen, an 
mehreren Orten des großen Landes Ausbildunggitätten ins Leben zu 
rufen, ſowie auch befonders auf die Verbefjerung der Gehälter für 
diefe Lehrperfonen hinzuwirken. 

Die eriten Tage meines Aufenthaltes in Turin galten dem 
Studium der behördlichen Verfügungen über die förperliche Erziehung, 
die leider nicht durchgeführt werden, ſowie Kenntnisnahme von den in 
Stalien befannten Spielen. 

Turin, welches den ältejten Turnverein Staliens beſitzt (1844), 
iit eine jchön gebaute Stadt mit herrlichen Anlagen und vielen breiten, 
mit Bäumen bepflanzten Straßen. Die Turnhalle an der Bia Magenta 
it geräumig, jedoch mit veralteten Einrichtungen, beſonders der lehm- 
artige Grund Statt Fußboden bedarf der Berbefjerung, melde auch 
bereit3 feft ing Auge gefaßt ift. Ein guter fchattiger Turnplag ift mit 
diefer Halle, welche Eigentum des Gymnaſtikklubs ift, verbunden, 
derfelbe ift befonders mit Einrichtungen für ſämtliche Sprung: und 
Wurfarten reich verjehen. Einen jehr ſchönen Spielplag bat der 
Turnverein von der Stadt als Gefchenf erhalten, er befindet fich in 
der Stadt am Eorfo Siccardi und ift in feiner Anlage geradezu ideal. 
Alte, Tchattige Baumreihen umgeben ihn von allen Seiten; unter diefen 
Bäumen wandeln die Zufchauer, und auf dem weiten, vollftändig ein- 
gezäunten, ca. 200 zu 80 Schritte großen Plage tummeln fi die 
Spielerfoharen. Gute Garderobe: und Wafchräume ſowie Trinkwafler 
und Toiletten, leßtere unter ftändiger Bedienung, find vorhanden. 

Am Sonntag, den 28. September, abends, wurde der Lehrgang 
in einem großen Saale der Ausftelung für moderne Kunft eröffnet. 
Es waren über 300 Perſonen aus allen Provinzen des Landes er- 
Ihienen, von den Alpen und von Sizilien, darunter fat 200 Damen. 

Am Montag, den 29. September, begannen vornittagg um 
9 Uhr die Vorträge, fie beitanden für die ganze Woche aus: 


154 


Angelo Moffo: Urfprung und Verfall der Kampfjpiele und der 
Gymnaſtik. | 
r R Die deutfchen Jugendfpiele und die modernen Kampf- 
ipiele. 
} , Die Förperlihe Ausbildung auf den Univerfitäten. 
Luigi Pagliani: Die Eörperliche Ausbildung in ihren Beziehungen zur 
regelmäßigen Entwidelung a) des Knochenſyſtems, 
b) des Muskelſyſtems. 
Guiſeppe Monti: Die körperliche Ausbildung der Frauen. 


Nachmittags um 2 Uhr begannen die praktiſchen Übungen. Ich 
hatte mir Mühe gegeben, die Zeiten der Vorträge mit den praftifchen 
Übungen auszumechfeln, alfo vormittags zu Spielen, Moſſo war aud) 
damit einverftanden, doch ift es ihm nicht möglich gemejen, dieſes 
durchzuſetzen. Die Kurfiften waren auch der Meinung, die praftifchen 
Übungen würden ihnen vorgeführt werden und zeigten wenig Luft, 
fih perfönlic an den Übungen zu beteiligen. Das Iegtere hat Moffo 
aber in fehr energifcher Weiſe durchgejegt und feinen Standpuntft, 
daß Lehrer in den Jugendſpielen das Spiel praftiih am eigenen 
Körper erprobt haben müßten, und felbft über Spielfertigfeit verfügen, 
um mit Erfolg lehrend wirken zu können, ftreng vertreten. Er erklärte 
auch, das in Ausficht geftellte Diplom der Zuriner Univerfität nur 
denjenigen Kurfiften übergeben zu fönnen, welche alle Vorträge und 
praftifchen Übungen von Anfang bis zu Ende mitgemacht hätten. Pro- 
grammmäßig jollten an jedem Vormittag von 11—12 Uhr Spielregeln 
erklärt werden, dies wurde auf meinen Wunjch vollitändig geftrichen, 
die Erklärung der Spielregeln ging den praktiſchen Übungen jedesmal 
unmittelbar voraus. 


Die italieniihen Turnlehrer unter Oberleitung von Dr. Monti 
begannen mit Drbnungs- und Freiübungen, leßtere aus dem Gebiete 
der Schwimmbemwegungen, ferner in den nächſten Tagen Wiederholungen, 
ſowie Keulenfchwingen, Gerwerfen und Spiele. 

Drei Stunden an jedem Nachmittage waren für die Einübung 
der deutfchen Sugendfpiele beftimmt. ch Hatte im Intereſſe einer 
gründlichen Ausbildung die Teilnehmerzahl auf 30 feitgejett, und fo 
erhielt id am erften Nachmittage 26 Leute, welche ausgefucht waren 
aus ſolchen Kurfiften, die in letter Zeit noch regelmäßig Förperliche 
Übungen betrieben hatten. Die Leute traten in voller Straßenfleidung 
an, weil fie ja geglaubt hatten, auch die Spiele würden ihnen vor- 


155 


geführt werden, ich empfahl dringend leichte und zweckmäßige Kleidung 
für die weiteren Übungen. 

Mit Profeffor Moſſo nahm ich regelmäßig vor jeder Spielzeit 
die Regeln der Spiele gründli durd), und fo wurde auf dem Spiel- 
plag dur die Überfegung feine Zeit verloren. Moffo, als alter 
Spieler und Turner, überfeßte tadellos, was ich jehr gut beurteilen 
fonnte, da die Hauptregeln immer jchnell begriffen waren; wurden 
Fehler gemacht, oder follten Feinheiten und gejchidte Spielfertigfeiten 
erflärt werden, fo wurde „Halt“ befohlen, meine Anorönungen über- 
jegt, und jo ging es weiter, bi3 das Spiel ſaß. E3 war wohl eine 
mühevolle Arbeit, doch bildete fih bald eine jo fchnelle Art der Ver— 
ftändigung, daß in furzer Zeit die helle Freude an unferen bewegungs— 
reihen Spielen zum Borjchein kam. ch begann natürlid mit recht 
einfachen Spielen, wie Grenzball, Schlaglaufen mit Reiten, Kriegs: 
ball 2c., doch Schon am dritten Tage Tonnte ich mit Schlagball be» 
ginnen, die lebhaften Italiener fpielten troß großer Muskelſchmerzen 
mit einem wahren euereifer und an einigen Tagen über die Zeit 
hinaus bi3 zum Einbruch der Dunfelheit. Auch die Kleidungsverhält- 
nifje befjerten fih in den nächſten Tagen, und die Verftändigung ging 
immer flotter. Die Herren übten mit wenigen Stunden Ausnahme 
auf dem großen Spielplag am Corſo Siccardi, die Damen unter 
Dr. Monti in der Turnhalle und auf dem Spielplag an der Via 
Magenta. 

Bekannte Spiele waren: Fußball, Dritten abjchlagen, Barlauf, 
Schleuderball, Baljagd und einige unferer Fleinen Lauffpiele. 

Vollſtändig unbefannt von den feineren Spielen waren: Schlag: 
ball, Grenzball, Treibball, Feldball, Fauftbal, Tamburinball, Kriegs» 
ball, Stafettenlauffpiel uſp. Ich hatte mir vorgenommen, höchſtens 
8—10 Spiele durchzunehmen, ich habe jedoch über 20 durcharbeiten 
fönnen, was beſonders dadurd ermöglicht war, daß die legten drei 
Tage vollftändig für praktiſche Übungen freigegeben wurden. Aus den 
anfänglich 26 Teilnehmern wurden jchließlich 43. 

Nah dem Vortrag Mofjo’3 über die deutschen Jugendjpiele, denen 
er volles Lob fpendete und deren Einführung in Stalien er dringend 
empfohlen hat, wurde an Freiheren v. Shendendorff ein Danf- 
telegramm gejandt und von demjelben mit folgenden Worten erwidert: 

„Hocherfreut über das große Intereſſe Ihrer Mitbürger an 
dem Lehrfurfus fende ich allen Verſammelten Dank und berz- 
lichen Gruß. Ich hoffe, daß die unternommene Arbeit zum 


156 


Wohle des italienifhen Volkes weiter blühen möge und frudt- 

bare Folgen zeitigen werde. 

v. Schendendorff. 

Die Spielgeräte wurden von v. Dolffs & Helle in bekannter Güte 
prompt geliefert, aber ich habe auch in Turin ganz einfache Spiel- 
geräte anfertigen laffen, um den Teilnehmern zu zeigen, daß aud mit 
fehr wenig Koften etwas zu machen fei. Ach babe überhaupt großen 
Wert auf unfere bewegungsreichen Spiele gelegt, welche mit wenig 
Vorbereitungen und feinen oder wenigen Spielgeräten ermöglicht 
werden, und an welchen ſich große Spielerfcharen beteiligen können. 
Diefe dort durchweg unbekannten Spiele, wie 3. B. Grenzball, Kriegs- 
bal, Schlaglaufen mit Reiten, Prellball in Parteien, Stehball mit 
Treiben, Bärenfchlag mit mehreren Ketten u. dergl. gefielen ungemein. 
Sch babe immer wieder betont, daß befonders auf dem Lande nur mit 
ſolchen Spielen einftweilen etwa3 zu erreichen jei. 

Bei den feineren Spielen ließ die Geſchicklichkeit, namentlich im 
Ballfangen, jehr zu wünfchen übrig, die Leute waren dafür zu ungeübt, 
aber fie intereffierten fih dafür und waren vielfach ſchon vor Beginn 
der Übungen mit den angeordneten Vorübungen: Werfen und Fangen 
von Handbällen beichäftigt. Die Zunahme der Spielfertigfeit ermög- 
lichte auch die Durchnahme von Feldball, Fauft- und Tamburinball, 
von dieſen Spielen waren die Leute Taum mehr abzubringen. Fauft- 
ball, ein fchon bei den Römern unter „Balla cordela“ befanntes 
Spiel, ift in Italien vollſtändig verſchwunden; Tamburinball ebenfall2. 
Man Tonnte wohl den Tamburinfhläger handhaben und Kleine Bälle 
ziemlich ficher treffen und hochſchlagen, aber man hatte Feine Ahnung 
von einem Spiel mit beftimmten Regeln. Unfer Spiel mit dem drei 
Meter hohen Seil in der Mitte als Kampffpiel hatte einen durd- 
Ihlagenden Erfolg. Merkwürdig ift, daß die Handhabung des Tam- 
burina nur den Männern befannt war. 

Die Damen hatten fi darum bemüht, auch deutfche Jugendfpiele 
zu erlernen, und jo durften diefelben denn an den drei lebten Tagen 
ihren mit hohen Mauern umgebenen Turnplat verlaffen und auf dem 
großen Spielpla erfcheinen. Hier entwidelte fich nun in diefen Tagen 
ein außerordentlich lebhaftes Treiben, welches für Turin etwas ganz 
Neues war. 

Die große Turiner Zeitung „Stampa“, welche nad) einem ſolchen 
Tage einen längeren Artikel über meine Tätigkeit brachte, jagte unter 
anderem folgendes (wörtlich überſetzt): 


157 


„Ale die Ballipiele, welche in Italien entftanden find, 
wurden von uns jo vernadläfligt, daß fie jet, in anderer Form 
wieder vorgeführt, als neue Sachen erjcheinen. Auch vorgeftern 
wurde ein Spiel mit dem Seil in der Mitte des Spielg von 
Herrn Scharf gezeigt und mit großem Vergnügen aufgenommen. 
Geitern nachmittag bot der Spielplag unferer Stadt einen un- 
bejchreiblichen Anblid. Auf dem Plage waren mitten zwifchen den 
bundertjährigen Bäumen alle die Damen, welche fich zum Kurſus 
eingejchrieben hatten, zufammengefommen. Etliche, aus entfernten 
Provinzen mit und vereinigt, zeichneten fi) durch ihre Schön- 
beit und Gejchidlichkeit aus und durch ihre Grazie, mit welcher 
fie unter den goldenen Sonnenftrahlen an einem jchönen Herbittag 
Ipielten. Der Lehrer Scharf war unermüdlid. Nachdem er am 
Nachmittage elegante Übungen mit den Keulen durchgenommen, 
worüber er ein Buch jchrieb, zeigte er, wie man den Diskus 
wirft, ihn fih nit nur um fich felbit drehen zu lafjen, wie wir 
e3 inmer in Italien gemacht haben, jondern ihn nach der Regeln 
der griechifchen Kunft zu werfen, gemäß dem Vorbilde, welches 
ung das Altertum durch den Diskuswerfer von Myron über- 
liefert bat. 

Nach ermüdenden Übungen mit den Männerriegen führte er 
verjchiedene Spiele mit den Damen vor, niemals bat man auf 
unjerem Spielplat fo viele anmutige Frauengeltalten beim Ball: 
jpielen mit fo viel Grazie laufen ſehen. Unfere Schuljugend übt 
feine Gymnaftif, obwohl diejer Unterricht ein gejeglicher Schul- 
zwang ift; er ift vernadhläffigt worden, weil die Borfteher der 
Anftalten, Technikums und Gymnafien fid die Sache nicht an- 
gelegen fein ließen. In Italien wird die förperliche Ausbildung 
nur in den Glementarfchulen ausgeübt. Nah den Übungen, 
welche wir fi haben entrollen jehen, find alle überzeugt, daß 
wir Deutſchland nachahmen und in den Schulen jenen wichtigen 
Teil der Spiele einführen müffen, was ein wirklicher und prak— 
tiicher Erfolg jein würde uſw.“ 


Moſſo und Pagliani waren mit dem Verlauf der Übungen fehr 
zufrieden und gaben häufiger ihrer großen Freude darüber Ausdrud. 
Auch Som.-Dir. Baumann, der Direktor der Turnlehrer-Bildungsanftalt 
von Rom, war unermüdli” auf dem Spielplag und hat fi durch 
jeine Sprachkenntniſſe bei der Verftändigung jehr verdient gemacht. 


158 


Der Artikel der „Stampa“ hatte auch einen fehr regen Beſuch 
der Turiner Bürgerfchaft für die nächften Übungzftunden zur Folge. 

Beim Schlußzeihen am Mittwoch, den 8. Dftober, nachmittags 
fam e3 zu einer großen Ovation für mi, und ich glaube aus den 
berzlihen Worten und der begeifterten Stimmung der fämtlichen Teil: 
nehmer auf einen dauernden Erfolg mit Sicherheit rechnen zu dürfen. 

Der Zentral-Ausfhuß in Deutfchland hat die Überfegung feiner 
herausgegebenen Spielregeln geftattet, und fo wird mit den anderen 
durchgenommenen Spielen zufammen ein Buch herausgegeben, welches 
wahrjcheinlid noch vor Jahresſchluß an alle Teilnehmer de3 Lehr- 
ganges und an fämtliche italienische Lehranftalten verteilt werden wird. 

Um 6 Uhr am Abend des Schlußtages fand die Verteilung der 
Diplome und die Verabſchiedung der Kurfiften in der Turnhalle ftatt. 

Der Turiner QTurnlehrer Falchero entfaltete daS Banner des 
Gymnaſtik-Klubs von 1844, und nun hielten Profefjor Bagliani und 
Profeſſor Mofjo Abſchiedsreden. Diefer Schlußalt war recht feierlich. 
Das den Kurſiſten überreichte Diplom hatte in — Überſetzung 
folgenden Wortlaut: 


Corso magistrale 
Educazione Fisica. 


Wir unterſchriebene: Staatsſtempel 1 Lire 
Prof. Comm. Luigi Pagliani, Präside della Facolta Medica della 
R. Universita di Torino; 

Prof. Comm. Angelo Moſſo, Präside della Società Ginnastica di Torino; 
erklären, daß Herr . . . 2.  al® Schüler (al3 Lehrer) 
bat mit Fleiß an den prattis — Übungen des Lehrkurſus teilgenommen, 
der unter dem Proteftorat S. E. dem Minifter de3 Unterrichts ab- 
gehalten wurde in Turin vom 29. September bis 8. Oktober 1902. 
Il Preside della Medica della R. Universita 

dı Torino 


gez. 2. Bagliani Il Preside della Societa Gynnastica 


gez. A. Moſſo 
I. Directore Tecnico 
gez. Dr. Monti 


Stempel der Turiner 
Univerfität. 


159 


Auch ich erhielt ein folches Diplom als Lehrer und unter großem 
Beifall der Berfammlung herzliche Dankesworte für meine Arbeit. 
Bei der Verabſchiedung hörte ich häufig die deutfchen Worte „Auf 
Wiederjehen!” 

Während des Lehrganges fanden auch eine Reihe gefelliger Zu— 
jammenfünfte ftatt, jo hatte Mofjo zu einem fehr feinen Abendeſſen 
am 30. September im Albergo Nationale ca. 25 Einladungen erlaffen. 
Am Sonntag, den 5. October, follte um 9 Uhr eine gemeinfchaftliche 
Fahrt den Bo hinab unternommen werden. Der Turiner Ruderklub 
batte dazu eingeladen und die Kurfiften waren auch pünftlih im 
Bootshaus erfchienen. Der Himmel hatte jedoch feine Schleufen ge— 
öffnet und diejelben den ganzen Tag nicht mehr gejchloflen, die Kahn: 
fahrt mußte unterbleiben, e3 gab einen Ehrentrunf, Vino Vermouth 
di Torino mit Mineralwafjer, und darauf wurde zu einem gemeinfchaft- 
lichen Bejuch der Gemäldeausſtellung angetreten, wobei jeder der Kur- 
fiften dag Recht hatte, feinen Namen betreff3 Prämitierung für ein Bild 
abzugeben. Um 12 Uhr fand dann im ruffifchen Reftaurant in der Aus— 
ftellung ein gemeinfchaftliches Frühſtück ftatt, wobei, wie immer in 
Stalien, beim Schaummein die Reden beginnen und nacheinander ohne 
Paufe von ftatten gehen, worauf dann die Tafel aufgehoben wird. 
„Stampa“ fchrieb am nächſten Tag, daß im Neben dort ein Rekord 
aufgeitellt worden fei. Um 3 Uhr desfelben Tages fand wiederum in 
der Ausftellung für moderne Kunft in einem befonders für folche Zwecke 
bergerichteten Saale ein Schauturnen ftatt; die Vorführungen beftanden 
aus Tarantella, Tanz von ca. 30 Damen, Stockſchlagen, Keulenſchwingen 
und Kürturnen am Red, Barren und Pferd; legteres von ca. 30 Turnern 
aus mehreren Städten Norditalien ausgeführt, zeigte manche ſchöne 
Leiftungen, am Red vielfah Rieſenſchwünge mit Kreuzgriff, mit den 
ſich daraus ergebenden Drehungen und Griffwechſeln, am Pferd glänzten 
befonbers die Kreisflanten und fortgefegten Scheren. Alle diefe Turner 
erhielten die filberne Ausftellungsmedaille. 

3% hatte auch Gelegenheit, einige in Stalien beliebte Spiele zu 
jeben, fo führte mich Mofjo zu einem Ballonballplag. Das Ballon- 
ballfpiel ift jehr intereffant und erfordert eine fehr große Gewandtheit 
und Körperfraft, es wird faft nur von Berufsſpielern betrieben, ich 
jah gutgewachſene Leute im Eleidfamen Trikot. Die Spieler haben die 
tehte Hand und den Unterarm mit einer fehr ftarken, zadigen Holz: 
befleidung geſchützt, in Größe und Form eines Damenmuffs; fie ſchlagen 
nach einem aufgejchenkten Ball nach Fräftigem Anlauf, dem eine male- 


160 


ride Ausgangshaltung vorausgeht, mit dem geſchützten Arm und 
folder Kraft, daß der ziemlich ſchwere Ball, welcher die Größe einer 
einen Kegelfugel hat und aus ehr ftarfen, mehrfachen Lederwänden 
mit aufgeblajenem Luftraum befteht, im großen Bogen oft über 
100 Meter weit fliegt. Die beiden Spielabteilungen, welche aus je 
3 bis 4 Spielern beftehen, jtehen fich gegenüber und haben, ähnlich 
wie bei unjerm Fauftballipiel, daS Bejtreben, richtig zurüdzufchlagen. 
Der Rückſchlag gefchieht meiſtens direft aus der Luft und mit jolcher 
Sicherheit, daß der Bal vielfach erit jehr häufig hin und her ging, 
bi3 er ab war. 

Die Zufchauer figen auf Tribünen oder ergehen fich in den Gängen, 
aber alles ift nach dem Spielplag zu mit ftarfem Drahtgitter ab- 
gejperrt, der Ball darf niemals ins Publikum fliegen, er ift zu ſchwer 
und die Kraft des Fluges zu flarl. Viele vornehme Leute fah ich 
mit großem Intereſſe dem Spiel folgen, ich wurde dem bekannten 
Bölkerfchriftfteller de Amicis ſowie dem Meifterfpieler im Ballonball 
Mazoni vorgeftelt. Moſſo hatte Eintritt in den Spielraum und hatte 
ich Gelegenheit, die Vorgänge beim Spiel, fomwie die Geräte genau 
betrachten zu können. 

In Turin ſowohl als auch in Genua ſah ich abends an Hunderten 
von Stellen das in Italien bei den Arbeitern jo ſehr beliebte „Bottge“, 
ein Kugelfpiel. Wo nur ein Bläschen in der Stadt ift, eine erbrei- 
terte Straße, ein Bauplag oder dergl., überall fieht man die Arbeiter 
nad) des Tages Laft und fogar in der Mittagspaufe dieſes Spiel 
betreiben. Es iſt wenig bewegungsreich, doch erfordert es eine qute 
Sicherheit im Rollen der Kugel, es wird um leichte Getränfe gefpielt, 
dies hält fich jedoch in fehr mäßigen Grenzen, niemals ſah ich in 
Stalien in den 21/e Wochen einen angetrunfenen Menfchen. 

Nah Schluß des Lehrganges nugte ich ein Rundreiſeheft aus 
und machte eine zweitägige Reife an die italienische Riviera. Das 
echt italienifche Leben und Treiben in der intereffanten Hafenitadt 
Genua, der herrliche Kirchhof dortjelbft, fowie die Wanderung an der 
wunderbaren Mittelmeerfüfte, Rapallo, Santa Margherita und Porte 
fino bei herrlichftem Wetter Hinterläßt unvergeßliche Eindrüde. 

Die Reifeentfhädigung der Turiner Univerfität war jo bemefjen, 
daß ich mir eine ſchnelle und angenehme Reife geftatten fonnte, und 
die Herren in Turin haben alles aufgeboten, mir den Aufenthalt jo 
angenehm wie möglih zu machen. Ich habe daher von der ganzen 


161 


Reife nur gute Erinnerungen mitgenommen, bejonders aber glaube 
ih die Hoffnung aussprechen zu dürfen, daß das Vorbringen unferer 
beutihen Spiele über die Alpen gefichert ift und daß wir bald von 
Stalien günftige Nachrichten hierüber wohl erwarten dürfen. 


355553555553 333 3 3595333333335 5 


das VII. Barlauf- Alijahrlich zur Maienzeit, wenn die 
wettſpiel der höhe⸗ Fruhlingsſonne die bewegungsfrohe Jugend 
ren Schulen bon ins Freie lockt zum friſchen Turnerſpiele, 
Berlin und Im ergeht von dem emſigen Arbeitsausſchuß an 
gegend, aananaae die höheren Schulen von Berlin und Um- 
Bon Oberlehrer Binting, gegend der Aufruf zum Wettlampf um den 
Groß-Lihterfelve. sesss Bismarckſchild. Der Ausihuß hat bis zu 
diefer Stunde ſchon manchen neuen Bor- 
ſchlag hin- und berberaten und manche Anderung durchgeſprochen, und 
in einer heißen Sigung, zu ber die Lehrer aller jener Schulen ein- 
geladen waren, ift dann von den alten Kennern und gewiegten Kämpen 
noch manch weiſes Wort geredet, wie man e8 wohl am beiten mache, 
um unjerem ſchönen deutfchen Barlauffpiel auf dem ſchmalen Pfade 
zwiſchen Spielerei und Sport weiterzubelfen. In den Schulen aber, 
in denen e3 den der Sache freundlich gefinnten Lehrern im Verein 
mit den beweglichen Bitten der Jugend gelungen war, die Erlaubnis 
zur Beteiligung vom Oberhaupt zu erwirken, forſcht man eifrig, wer 
von den würdigen Primanern noch nicht zu fteif und von den 
Ihneidigften Tertianern ſchon tüchtig erjcheint, um zuſammen mit 
den gefchulteren Sefundanern in den Wettlampf der Schulen ein- 
zutreten. Aber auch hier find viele zwar berufen, aber nur wenige aus⸗ 
erwählt. Bald tritt die Mannjchaft zufammen , übt eifrig und zieht 
dann auch wohl einmal hinaus, um mit der befreundeten Nachbar- 
anftalt fih zu meſſen. So fommt fchnell der Tag ber Ent- 
ſcheidung heran. 
Am 18. Juni ftellten fich diesmal 24 Schulen ein, um auf dem 
Ererzierplag in Moabit, der nach Lage und Beichaffenheit fich bisher 
als äußerft geeignet erwiefen hatte, im Barlaufmettipiel um den 


Wanderpreis des Bismardfchildes zu ringen. Jede 15 Mann ſtarke 
Bollds und Jugendſpiele. XII. 11 


162 


Riege meldete ſich durch ihren Führer bei Herrn Oberlehrer Wolfrum, 
der fie durch Lofen ihre Nummer und damit gleichzeitig ihre Gegner 
beftimmen ließ. Es follten diesmal 6 Gänge zu 10 Minuten aus- 
gefochten werden. Die 24 NRiegen waren zu je 12 in eine A- und B-Ab- 
teilung geteilt und innerhalb derjelben numeriert. Jede A-Riege hatte 
den erften Gang mit der gleichen Nummer, die fpäteren der Reihe 
nach mit den 5 folgenden B-Riegen zu beftehen. Hilfsbereite Mitjchüler 
hatten unterdeffen unter Leitung der Herren Oberlehrer Dimmling 
und Qurnlehrer Döring, zwei alten Schönholger Spielern, die 
12 Spielpläge dur die von den Schulen mitgebradten Fähnchen 
abgeftedt. Die Herren Profefjoren Hermann und Schneider teilten den 
Kampfrichtern Pläge und Wertungszettel zu und regelten mit ihnen 
etwaige Anderungen, damit auch ja niemandem die eigene Schule zur 
Beurteilung zugewiefen würde. Eine mehrere Tausende zählende Zu⸗ 
ſchauermenge, hauptfählid Mitfchüler, Lehrer, Angehörige und Sad) 
verftändige, hatte ſich allmählich gefammelt. Jedoch hielt auch dies- 
mal die abgejchloffene Lage des Platzes und die firenge Weifung des 
militäriſchen Poſtens das Schülerfeft von dem gerade in Berlin oft fo 
unangenehmen Heer der müßigen Gaffer frei. 


Pünktlich um 43° marfchierte auf ein Hornfignal die hell- und 
leichtgefleidete Spielerſchar vor dem Plage auf, wo an erhabener 
Stelle weithinblinfend der bronzene Schild aufgehängt war. Das 
CSröffnungslied „Turner auf zum Streite” braufte empor. Nun ergriff 
der ehrwürdige, langjährige Leiter diefer Fefte, Herr Gymnafialdireftor 
Dr. Bellermann das Wort, begrüßte die Ehrengäfte, den Geh. 
Oberregierungsrat Dr. Meiner vom Kultusminifterium und Den 
Reg. und Schulrat Dr. Gen in längerer Rede, welche mit einem 
begeiftert aufgenommenen Hoch auf Se. Majeftät den Kaifer jchloß. 


Man ftimmte entblößten Hauptes die Nationalhymne an, und die 
Riegen marfchierten dann zu ihren Malen ab. Jedem Spielplag 
waren ftändig drei Kampfrichter zugeteilt, welche bei Streitfällen ge- 
meinſam zu entjcheiden, bei zurüdhaltendem Spiel zu mahnen, mit 
Hilfe von Ordnern, älteren Schülern, den Raum frei zu halten und 
endlich dafür zu ſorgen hatten, daß der Würde des Spiels nicht durch 
Zurufe oder laute Beifallsäußerungen von Seiten des Publikums Ab- 
bruch getan wurde. Sie fchrieben jeder Riege einen Bunft zu, fobald fie 
einen Gefangenen machte oder erlöfte oder eine Bartiezu drei hintereinander 
erlangten Gefangenen gewann. Für gutes Spiel fonnte am Schluffe 


163 


jede® Ganges den Riegen noch ein befonderer Punkt zuerfannt werben. 
Zulegt wurden für jede Riege die in allen 6 Gängen erlangten eigenen 
Punkte zufammengezählt und ebenso die ihrer Gegner und aus dem 
Verhältnis diefer beiden Zahlen ein Bild ihrer Leiftung und die Rang- 
ordnung gewonnen. Die A-Riegen behielten denjelben Spielplaß bei, 
wechjelten nur nad) Beendigung jedes Spieles die Seiten des Feldes, 
während die B-Riegen von Pla zu Plag zogen. Nach jedem Gange, 
deſſen Beginn und Ende durch Hornfignale verfündet wurde, erfolgte 
zur Erholung der Kämpfer, zum Einfammeln der Ergebniffe und zur 
erneuten Aufitellung der Gegner eine PBaufe von 5—10 Minuten. 
So endete denn der Kampf erft gegen 62°. Alles ftrömte nun zum 
Sammelplage, wo drei ſchnelle Rechner fich beeilten, die umfangreichen 
Schlußrechnungen zu beenden. Dann trat der unverdroffene Streiter 
für die Entwidelung des Jugendſpiels, Herr Oberlehrer Heinrich, 
den Schild in der Sand vor die erwartungsvoll laufchende Menge, 
um nach padender Anſprache das Ergebnis zu verfünden. 

Die folgende Tabelle zeigt durch die Gegenüberftellung der A- und 
B-Riegen und ihre Numerierung, wer der Reihe nach miteinander 
kämpfte, gibt ferner an, wieviel Punkte jede Riege in jedem Gange 
erlangte, und weift im Schlußbruche nad, mit welchem Verhältnis 
jede Schule abfchnitt. Zur Aufftelung der Rangordnung mußte jeder 
Bruch in eine Dezimalzahl verwandelt werden. 


Tabelle der Ergebniffe. 














A-Riegen. 
als 
Name der Schule | I a m IV V vi Ergebnis nr Rang 
zah 
la. un HeinrichsG.. J12/11|12| 7| 9|14| 75:66=| 1,137 7 
2a. Ne ce 7111 14 12 17 181 69:63=! 1,09 10 
32. Wilhelmd-G. . . . . 112111/19|)14|10| 9| 75:78=| 0,962 14 
42. Köln. G.. . ... 14\|21 116, 7| 9| 91 76:67 =| 1,134 8 
5a. —* Ba a hc Be 21110 5 6| 9/18| 69:62=| 1,113 9 
6a. Sumboldt-G.. -. -. . 116 18 9| 5/10!16| 74:80=| 0,925 16 
1a. Stegliter ©... . . . 118/19! 7)17|28|251114:56=| 2,036 2 
8a. Wilmersdorfer ar 
mard-G. . . 7| 8|117| 6128/12] 73:84=| 0,869 17 
Ig.X.N.. . 22.0 8114|112115|21!10| 80:85 =| 0,941 15 
10a. Charlottenburg. ©.:R. |16|16|19!13| 9/23] 96:50=| 1,92 3 
lla. Kiofter-©.. . . . . 23 17 22 9|22|14]107:49=| 2,183 1 
122.0... ..... 16 112| 9| 6110| 12] 65:55 =| 1,182 6 


164 











B»Riegen. 
als 
Name der Schule I n m IVIV v Ergebnis | Dezimal- [Rang 
abl 
1b. EIN. 4-4 % 9 5| 3| 4 20 | 14 59:92 =) 0,508 | 22 
2b. Lichterfelder 8.. . . I11J10!11| 2 2. 60:55 =| 1,091 11 
3b. AIEN 5 0. .%-% 18118!13|16)18!10|93:86 =| 1,081 12 
4b. Charlottenburger Kai. 
AuguftaG. . .» . . 6/10| 812/11] 9156: 70 =| 0,8 18 
5b. I.R. ..... 5| 5| 9| 5117| 9150:104=| 0,481 23 
6b. Sophien-Ö6. . . . . 117) 8/13) 9!10| 5]62:87 =| 0,713 | 21 
Tb. Alan. G. . . . . 112! 9/11) 7|19/11169:66 =| 1,046 13 
8b. Joachimsth. &.. . . 115 8/16| 9123[13]84:59 —=| 1,44 5 
Ib. Lichterfelder ©.. . . [2016| 7| 6/19|13181:46 =| 1,761 4 
10b. un . . . [13] 8/12|/10/20|10[73:92 = 0,794 | 19 
11b. Pankower °. . . . |10| 9|18|14|12|12|75:101=| 0,743 | 2% 
12b. Köpeniter R. 7| 3| 4183| 7137:115=| 0,322 | 24 


Anmerfung: Es fpielten 3. 3. 3a mit 3b, 4b, 5b, 6b, 7b, 8b und 3b 
mit 3a, 2a, la, 12a, 1la, 10a. 


Wer da3 diesjährige Wettipiel mitangefehen, in welchem nunmehr 
gegen 400 Stünglinge ihre Ausbildung in Gewandtheit, Schnelligkeit 
und feinem Zufammenfpiel maßen, konnte feine helle Freude daran 
baben, welche Summe lebhaftefter Bewegung und welche Fülle wechjel- 
voller Bilder die Spielfelder vor den Augen entrollten. Hier flotter 
Angriff von mehreren Punkten, dort ſcharfe Dedung Schlag auf Schlag. 
Hier bligfcehneller Übergang aus zögerndem Anlauf zu unerwartetem 
Borftoß, dort geſchicktes Ausweichen in kurzen Bögen und Drehungen- 
Faft überall war die Arbeitsteilung in drei Gruppen durchgeführt und 
wurde innerhalb derfelben planmäßiges Zufammenfpiel angeftrebt. 
Nur das Erlöfen wurde als zu gefahrvoll verhältnismäßig ſelten ver- 
ſucht und Jollte darum auch höher bewertet werden. Leider war 
diesmal auf Dr. Knörk's Antrag die Dauer jedes Ganges auf 
10 Minuten herabgejegt. So kamen felbft gute Riegen Taum dazu, 
die Schwächen der Gegner zu erkennen und auszunugen. Sonſt hätte 
3. B. die Lichterfelder Realfchule, welche ganz wacker jpielte, nicht mit 
2:9 gegen da3 Graue Klofter abjchneiden fünnen. E3 geht durch zu 
große Abkürzung des Ganges einer der feinften Momente, welcher die 
Ausbildung der Riege im beften Lichte zeigt, vollftändig verloren. 
Unter 15 Minuten ſollte fünftig nicht wieder herabgegangen werden. 


Die Größenunterfchiede zwifchen den Schülern der Vollanftalten 
und Realſchulen waren bis auf wenig Ausnahmen nicht fo erheblich, 


165 


wie böfe Kritiker immer noch einzumwerfen pflegen, und find auch, wie 
die Ergebniffe in einem fort zeigen, nicht unbedingt entfcheidend. — 
In der Kleidung wird man immer genügjamer. Die Kniehoje bürgert 
ſich, was wir begrüßen, mehr und mehr ein. Jedoch follte man in 
der Entblößung der Arme und Unterfchenfel nicht zu weit gehen und 
das Laufen ohne Schuhe verbieten. 

Trotzdem ein großer Teil der Zufchauer das Spiel wohl nicht 
immer bis in alle Phaſen verftehen konnte, was jelbft dem geübten 
Kampfrichter oft jchwer wird, fo folgte das Publikum doch dem 
Gange mit großer Spannung, mußte fogar ab und zu in jeinen 
Beifallgäußerungen dur die Obmänner gemäßigt werden. Leider 
traten diefe nicht überall gleichmäßig energiſch auf. Hierin liegt eine 
große Gefahr, welche die weitere gedeihliche Entwidelung diefer Wett- 
jpiele leicht in Frage ftellen könnte. Parteiiſche Kundgebungen wurden 
durch die Kritik der Zufchauer felbft meift fofort gerichtet. 

Bezüglih der Wertungsart bei diefem Berliner Mafjenwettfpiel 
von Schülern und ihre Entwidelung auf Grund der gewonnenen Ers 
fahrungen weiſe ich auf die Abhandlung in Sahrgang X Nr. 20 der 
Beitfchrift für Turnen und Jugendſpiel Hin. Man wird dort dar- 
gelegt finden, warum man von dem jonft üblichen Ausſcheideſyſtem 
abging und zuerft die abjolute Summe der erlangten Punkte, jpäter 
die Differenz mit denen der Gegner als maßgebend für dag Ergebnis 
benugte. Diesmal nun rechnete man auf Dr. Gerber’3 Vorſchlag 
fatt der Differenz das Verhältnis der eigenen und der gegnerifchen 
Punkte aus. In der Tat gibt eine folche Verhältniszahl wenigſtens 
für ein Spiel ein fehr klares und richtiges Bild des Refultates. Jedoch 
wird diefer Vorzug vor der Differenzenrechnung, welche übrigens diejelbe 
Rangordnung ergeben hätte, durch die langwierige Ausrechnung der 
Brüche wieder zu nichte gemacht , Die diesmal die Ungeduld der Warten- 
den auf eine unliebfame, für viele Zuschauer peinliche Probe ftellte. 
Jedenfalls befeitigt auch fie nicht das Grundübel des Berliner Er- 
mittelung3verfahrens, nämlich) daß eine Riege durch eine Reihe weniger 
geübter Gegner, welche fie ſich erloft, einen unverdienten Vorrang 
erlangt vor der anderen, die es meift mit ebenbürtigen Gegnern zu 
tun hatte. So haben gerade diesmal die 3 Riegen, welche am beiten 
abſchnitten, einen viel zu leichten Sieg gehabt, während andere nicht 
minder tüchtige Schulen, wie die Asfanier, infolge der ſchweren 
Kämpfe, welche fie zu beftehen hatten, weit herabrückten; andererfeits 
jahen fich Anfänger wie Pankow und Köpenif den gewiegteften Spielern 


166 
gegenüber. Man wird fi troß allen Sträubens doch entjchließen 
müffen, nach einigen Probegängen eine Auswahl zu treffen, jodaß in 
den legten entfcheivenden Gängen nur die Beiten um die Palme 
ringen. 

Erfreuliderweife ift die Beteiligung an diefem Wettjpiel im 
fteten Wachfen begriffen. So finden wir diesmal von den 39 Berliner 
höheren Schulen bereit3 15 und von den 14 der näheren Umgegend ſo— 
gar 8 vertreten. Daß in der Hauptitadt fich immer noch über die Hälfte 
ausfchließt, Tiegt bei einigen Schulen an der dort geringen Spiel- 
tätigfeit überhaupt, bei anderen hat das Rudern zu fehr dag Intereſſe 
in Anſpruch genommen; bei einigen ift aber auch der ftarre Wider: 
ftand der hierfür maßgebenden Perfönlichkeiten ſchuld. Das Beftehen 
und Gedeihen diefer ganzen Einrichtung, welche die Spielfreude eines 
Teiles der Berliner Jugend entſchieden mächtig gehoben und dieſelbe 
zu einer erfreulichen Spieltüchtigfeit herangebildet bat, ift, das möchte 
ih an diefer Stelle nicht verfchweigen, faft ausnahmslos dem großen 
Eifer und der Aufopferungsfähigfeit afademifch gebildeter Turnlehrer 
zu verdanken. Bon diefen haben ja auch nicht wenige in ihrer Studien- 
zeit den Wert des Turnſpiels im Freien früher und häufiger als jeder 
andere Turner am eigenen Körper erfahren. Ich hebe daS hier hervor, 
weil man nit felten voreilige Urteile vernimmt, die über die 
Leiftungen diefer Art von Turnlehrern, welche das Turnen jcheinbar 
nur im Nebenamt verwalten, den Stab brechen. (Val. „Monats⸗ 
Schrift für Turnweſen“ XXI Heft 12, Rektor Dr. Neuendorff; und 
gegen ihn „Körper und Geiſt“ XI Heft 22, Prof. Widenhagen.) Es 
ift gewiß fein leichte Unternehmen, Luft und Liebe zum Turnen und 
Turnfpiel bis in die oberen Klaffen aufrecht zu erhalten. Hier ift es 
diefen Leuten gelungen. Vivat sequens! 

So iſt alfo duch die Tatſachen bewiefen, was feiner Zeit einige 
Anglophilen mit überlegener Miene bezweifelten, daß auch ein deutjches 
Spiel unferer deutfhen Jugend dauerndes Intereſſe abgewinnen Tann. 
Gleichzeitig hat aber der Barlauf jelbit, der in Brandenburg aud 
fchon früher gern, wenn auch regellos gefpielt wurde, im Laufe von 
wenig Jahren eine Ausbildung auf den höheren Schulen erfahren, wie 
er fie innerhalb der Vereine der geſamten deutfchen Turnerſchaft kaum 
irgendwo genießt, und wie mancher fie nur einem englifchen Spiel zu- 
traute. Bei diefen günftigen Erfahrungen wäre es nun Zeit, Ähnliches 
auch mit den anderen Spielen, welche in Berlin und Umgegend ge 
pflegt werden, in erfter Linie mit unferem deutſchen Schlagball zu 


167 


verſuchen. Durch diefe Verallgemeinerung würde das Spielfeſt ent- 
ſchieden an Wert für die Jugend gewinnen, und manchen, wenn aud) 
unbegründeten Borwurf nehmen und vielleicht die Gegner verföhnen. 


3553533535553 3335 4 3333333355535 3 


Der zweite Banner- Noch mehr als ſonſt beim Unter— 
wettlampf der höhe richt ift es beim Turnunterrichte erforber- 
- lid, daß mir die Luft und Liebe zur 
= J ehe Sache bei den Schülern lebendig erhalten. 
7 Dazu bedarf es unbedingt regelmäßiger 
21. September 1901. Anregungen. Der Lehrer hat öfters 
SS. Bon Oberlehrer Dunter, Gelegenheit, bei auswärtigen Beranftal- 
Haderleben. KESSLELSSEE tungen feine Erfahrungen zu bereichern, 
auch für die Schüler wirft dag gegen: 
feitige Beifpiel bei gemeinfamen Unternehmungen am überzeugenbften- 
„Welch eine Wirkung die Aufforderung zu einem Wettkampf, wie dem 
Rendsburger, auf Schüler macht,” jchreibt ein Kollege in den „Afa- 
demifchen Turnbundsblättern”, „das muß man felbft gefehen haben, um 
das recht beurteilen zu können. Die lebhaftefte Anregung eines be- 
geifterten Turnlehrers vermag in Friedenszeiten nicht auch nur Ahn— 
lihe3 zu erreihen. Dazu kommt als Wichtigeres, daß dieſer Eifer 
der Schüler aud) an Orten wachgerufen wird, wo die Aufmunterung 
durch den Lehrer im übrigen fehlt." Nachdem nun auch der zweite 
Bannerfampf in unjerer Provinz dageweſen ift, haben wir den Beweis 
geliefert, daß regelmäßige Schülermwettfämpfe — etwa alle drei 
Sabre — nit undurdführbar find. Die Eifenbahnverwaltung ift 
una dabei allerdings in diefem Falle in der entgegentommendften Weife 
behilflich gewejen. Mögen die turnerifchen Verhältniſſe an den höheren 
Lehranftalten in Schleswig-Holftein auch zufünftig die Veranftaltung 
der Bannerfämpfe geitatten! Sache der Turnlehrer wird es fein, die 
beften Bedingungen für die Durchführung diefer Kämpfe zu fchaffen, 
damit ihr Nuten nicht hinter den mit ihnen verbundenen Koften*) 
zurüchleibe. 


*) Für die Reifekoften mußte jede Riege felbft auffommen; die recht erheb: 
lihen Koften am Orte trug die Stadt Rendsburg. 


168 


Es hatten fih am 21. September 1901 zum friedlichen und 
fröhliden Kampfe um das Chrenbanner 13 Anftalten der Provinz 
vereinigt; günftige8 Wetter, das für das Gelingen jolcher Ber- 
anftaltungen unter den Vorbedingungen die wejentlichite ift, erfreute 
ale Beteiligten; bei herrlich ftrahlender Sonne und volltommener 
Windftille hatten wir einen der denkbar ſchönſten Herbittage. 

Aus den drei Spielen: Fauftbal, Schlagball ohne Einfchenfer 
und Barlauf hatte dag Los das legte ala Spiel des Tages beitimmt, 
während im Jahre 1898 das Banner durch einen Fünfkampf in vollstüm- 
lichen Übungen errungen worden war. 

Die Bannerlämpfe beitehen nämlich abwechjeld in einem Fünf- 
fampf (für Schüler nur der mittleren) und in einem Spiele (für 
Schüler aller Klaffen), damit gleihmäßig den Voll- und den Nichtvoll- 
anftalten ihr Recht werde. _ 

Unfere für den diesjährigen Kampf beſonders aufgeitellten 
Beitimmungen, die von ben gebräudlichen dadurch abwichen, daß nicht 
nach Partieen gefpielt wurde, erwiefen fich in diefer Form infofern 
nicht ala zwedmäßig, als das Erlöfen faft ganz wegfiel. Sollte ein 
zweiter Verſuch gemacht werden, das Barlauffpiel als reines Punft- 
fpiel (nach der Zahl der Gefangenen) durchzuführen, jo müßte da3 
Gefangenenmal jedenfalls 4 m von der Linie der Spieler entfernt 
fein. Der Unterzeichnete fteht aber nad wie vor auf dem Stand- 
punfte, daß das Barlauffpiel fih wenig für einen Bannerkampf eignet. 
Nach feiner Anficht wird unferen Beitrebungen, die Spiele volf3- 
tümlich zu maden, mit den allgemeinen Barlaufwettipielen wenig 
gedient. Es fehlt der Ball, und es ift die Zahl der erforderlichen 
Spieler zu groß. 

Wohl zogen die Schüler vom Bahnhof, wo fie feitlih empfangen 
wurden, nad) dem Spielplag mit demſelben erwartungsvollen Eifer 
und der aufgeregten Spannung, wie 1898 in Neumünfter, aber unfer 
Spiel vermochte nicht die volle Begeifterung bervorzurufen, die man 
erhofft hatte. Zum Teil vielleicht ift eg diefem Umftande zugufchreiben, 
daß Provinzialſchulrat Dr. Brocks gelegentlid der Veranftaltung ben 
Wunſch äußerte, er möchte jehr gern neben dem Bannerfpiel auch den 
Verlauf eines anderen Spieles jehen. 

Um 10 Uhr wurde das Spiel von den Riegen vom Norden 
eröffnet; eine Stunde jpäter konnten auch die übrigen Anftalten, die 
mit dem Zuge von Süden angefommen und mittlerweile auf dem 
Plage eingetroffen waren, mit dem Spiele beginnen. Nach jedem 


169 


Gange jchied die Riege aus, welche die geringere Zahl von Gefangenen 
batte. Jeder Gang währte eine halbe Stunde, die Gefangenen wurden 
in ununterbrochener Reihe gezählt; es ftand immer nur der legte von 
ihnen; wurde er befreit, fo trat der vorige wieder an das Mal. 





Es wurde beim eriten Gange auf allen Pläten im allgemeinen 
flott gejpielt; im zweiten Gange wurde das Spiel fchon vorfichtiger. 
Um 1 Uhr war der zweite Gang beendet, und die Schüler wurden in 
die Freiquartiere geführt, welche die Bürger in Rendsburg in ebenfo 
entgegenfommender Weife angeboten hatten, wie 1898 in Neumüniter. 
Die Lehrer mußten fi) vor dem Mittagefien, das für fie um 2 Uhr 
beginnen konnte, noch der Aufgabe, eine Sigung des Nordalbingifchen 
Turnlehrervereing abzuhalten, entledigen. Um 3 Uhr wurde das Spiel 
mit dem dritten Gange, bei dem noch vier Anftalten beteiligt waren, 
fortgefegt. Zwei Riegen Eleinerer Schüler ftanden fi) auf dem einen, 
zwei von mehr ausgewachſenen Schülern auf dem anderen Plate 
gegenüber. Es wurde wieder etwas flotter gefpielt. 


170 


Mittlerweile hatten von den bereit3 ausgejchiedenen Riegen zwei 
Voll⸗ und zwei Nichtvollanftalten je ein Schlagballwettipiel von einer 
Stunde begonnen. Auch auf die diefes Spield Unkundigen ſchien es 
eine nicht geringe Anziehungskraft auszuüben. Es iſt entjchieden die 
Perle unferer Spiele. Stundenlang unterhalten fi einzelne Schüler 
fehr gern bei den Vorübungen mit dem Balle. Daneben ift befonder3 





in die Augen fpringend der Siegeslauf des Fauſtballſpiels über ganz 
Deutichland, von Süddeutſchland ausgehend. 

E3 müßte das nächſte Mal (1907) in einem diefer beiden Spiele 
ein Verfuch beim Bannerfampfe gemacht werden. Der Charafter beider 
Spiele Tchließt es aus, daß eine Partei unter der Zaghaftigfeit der 
anderen zu leiden hat. Bielleiht könnten beide Epiele berüdfichtigt 
werden, fodaß der erfte und dritte Gang im einen, der zweite und 
vierte Gang im anderen ausgefochten wird. Das fonft mit Recht fo 
volfstümliche Fußballfpiel läßt fich als Bannerſpiel nicht verwerten. 

Die beiden Schlagballipiele fchloffen ungefähr mit dem Ent: 
Theidungsgange des Bannerfampfes ab, bei dem das Spiel leider jehr 


171 
wenig lebhaft war. Unter lauter Beifallsbezeugung ging die Kieler 
Realſchule am Schluß fiegreih aus dem Bannerfampfe hervor; dag 
Banner hatte das Altonaer Realgymnafium zu verteidigen gehabt. 

Wenn au der Zufall bei unferem Bannerfampfe eine fehr große 
Rolle geipielt hat, jo ift diefer Veranftaltung doch ein hoher Wert 
beizulegen. Die Beteiligung ſeitens der Turnlehrer war eine gute, 
und wenn’in demfelben Maße ein gemeinfames Vorgehen unferer 
Zurnlehrer auch für die Zukunft erreicht werden fünnte, fo wäre ſchon 
jest viel gewonnen. 

Den Schiedsrichtern wurde ihr fchweres Amt weſentlich dadurd) 
erleichtert, daß das Spiel als Punktſpiel (nicht Bartiefpiel) in der 
denkbar überfichtlichiten Weife vor fi) ging. Trotzdem verdienen die 
Sicherheit der Durchführung der einzelnen Gänge und die beiderfeitige 
Beionnenheit, mit der die unvermeidlichen Streitigkeiten und Protefte 
ftet3 fchnell ihre Erledigung fanden, rühmlichft hervorgehoben zu 
werden. Im allgemeinen waren auch immer die Unparteitfchen in der 
vorgefchriebenen Zahl und ausreichend ſchnell zur Hand; einzelne 
Kollegen waren in der entgegentommendften Weife ftet3 zur Aushilfe 
bereit. 

Diefes entichiedene Verhalten der Turnlehrer konnte nur günftig 
auf die Haltung der Schüler zurüdwirfen, die nach allem, was man 
ſah und hörte, im allgemeinen al3 eine durchaus gute bezeichnet werden 
muß. Mit Recht wurde von allen Seiten auf den Ernft hingewieſen, 
mit dem die Schüler ausnahmslos ihre Aufgabe auffaßten. Wenn 
es gelingen wird, bei den Schulfpielen ſolch ernften Eifer der Schüler 
für die Zukunft zu fihern, fo wäre auch nach diejer Richtung hin 
ſchon jegt viel gewonnen. 

Es konnte mehrfach beobachtet werden, wie. die einzelnen Riegen, 
die fiegreichen und die unterlegenen, im allgemeinen nur mit achtungs⸗ 
voller Anerkennung von ihren Gegnern gejprochen haben. 

Wichtig und zugleich intereffant ift es, bei einer allgemeinen Ber: 
anftaltung auch das Verhalten der Zufchauer zu beobachten. Am 
21. September war die Zahl derjelben am VBormittage geringer, am 
Nachmittage ziemlich bedeutend. Vielen gewiß waren die Grundzüge 
de3 Spiel? nicht befannt, und daher wurden bei der geringen Ab⸗ 
wechſelung am Bormittage mandje augenscheinlich nur vorübergehend 
gefeſſelt. ES zeigte fich fchließlih, daß das Ziel des Kampfes, die 
Eroberung de3 Banners, die Zuschauer doch am meiften reizte: Während 
des Entſcheidungsganges, der fonft des Intereſſanten fehr wenig bot, 


172 


waren die Grenzen des Platzes dicht bejegt, und im Augenblid, da das 
Entſcheidungsſpiel anfing, verließen viele Zufchauer plöglih das 
Schlagballfpiel, dem fie mit regem Intereſſe zugefhaut hatten. Be⸗ 
greiflicherweife war bis dahin das Spielfeld mit der Rendsburger 
Niege bevorzugt gemwejen, und laute Beifalldbezeugungen verfündeten 
es au den Fernftehenden, wenn die Rendsburger einen Erfolg erzielt 
hatten. Das ift berechtigter Zofalpatriotismus. 

Etwa um 5 Uhr fand die Übergabe de Banner durch den 
Gymnaſialdirektor Prof. Dr. Wallichs in Rendsburg nach einer An— 
ſprache ſtatt, die wohl auf alle, die da in großer Zahl verſammelt 
waren, einen tiefen Eindruck gemacht hat. Der Redner widmete zu=- 
nächſt dem Stifter des Bannerd, dem verftorbenen Oberpräfidenten 
Exzellenz von Steinmann einige Worte; er betonte dann, daß die 
Stiftung ganz in des Redner eigenem Sinne fei. Er fühle perjönlich 
die MWohltaten der Übungen des Leibes, die er noch jegt im Alter von 
über 70 Sahren mit Schwimmen, Radfahren und Laufen betreibe. 
Ohne ſolche würde er wohl nicht in feiner Rüftigfeit daftehen. Es 
dürfe niemals vergejlen werden, daß wir bei der Erziehung der Jugend 
mit der Bildung des Geiftes gleichzeitig für eine geſunde Stätte des— 
felben, für einen gefunden Körper, zu forgen hätten. Zwar hätte e3 
zu feiner Schulzeit feinen regelmäßigen Schulturnbetrieb gegeben; 
aber jet dürfe das Bemußtjein auch diefer Pflichterfüllung bei der 
Sugenderziehung nicht wieder verſchwinden. Wir ftänden auf einem 
bejonderen Boden, einem Übungsplag für das Militär. Das erinnere 
und an die großen Siege unferer Armeen im verfloffenen Sahrhundert 
und an unfere Pflicht, die Jugend durch tägliche Übungen gefund 
und tüchtig zu erhalten, daß fie fpäter unferem Kaifer ebenſo zuver- 
läffige Soldaten ftellen würde, wie ihre Väter es waren. Er babe 
fih über das Treiben der Jugend beim Bannerfampfe herzlich gefreut, 
und da immer nur eine Partei fiegen fonnte, jo müßten fich die 
anderen mit den vorgefommenen Zufälligfeiten und damit tröften, daß 
fie wader vorgegangen jeien; das ſei ihm unter Umftänden lieber als 
zu ängftliches Spiel. 

Dann wandte er fih an die fiegreiche Riege jelbjt mit dem Be- 
merfen, daß, wenn auch der Zufall eine große Rolle gefpielt habe, fie 
de3 Banners gewiß würdig jei, und daß ficherlich treue Vorübungen 
fie zu dieſer Tüchtigfeit geführt hätten. Nun fei e8 eine Pflicht, was 
erworben, zu erhalten. Meift jei es leichter, zu erwerben als zu erhalten. 
Sie möge denn da3 Banner auf drei Sabre ficher führen. 


173 


Darauf ordnete fich der Zug, und mit Mufif ging es in die Stabt 
zum Haufe des Profeffor® Widenhagen, der nach einer fehr hart- 
nädigen Erkältung zum erjten Male das Bett verlaffen hatte. Auch 
bier war es Wallichs, der vom Balkon herunter in fchönen Worten 
den Augenblid, in dem der Zug vor dem Haufe hielt, dadurch feierte, 
daß er die großen Verdienſte Wickenhagen's um das Turnen in der 
Provinz hervorhob. Ein dreifaches Hoch der Feitteilnehmer folgte den 
Worten. 

Die Turnhalle des Rendsburger Gymnafiums3 war inzwifchen für 
ein Tänzchen bereit geftellt, fodaß nun auch die Töchter der Stadt mit 
in die Übungen des Tages eintreten konnten. Auch der zweite Banner- 
fampf bat in feinem glatten Verlaufe den Beweis erbradt, daß 
Wettipiele, welche von ſachkundiger Hand geleitet werden, ein vor- 
treffliches Erziehungsmittel find. „Bon ſolch frifchen ungen,“ fo 
lautete das Urteil der Rendsburger Gaftgeber, „wollen wir das nächſte 
Mal noch einmal foviel aufnehmen und bewirten.” Mit einem folchen 
Ergebnis kann man zufrieden fein. 


333535395355555355 DD 3959555953593 393 35 


Das erſte Stirnberg- „Bergfeſte!“ — welcher deutſche 
feftam15.September Turner hätte nicht ſchon von ihnen ge— 
1902. asaaensenan hört oder gelefen: von einem Feldbergfeſt, 
Von W. Strauch, Hildburg- einem Snfelbergfeft! Zu ihnen gefellte 
hauſen. . 4 ſich in diefem Sahre dag Stirnberg- 

feit. Zwar kann fi unfere nur 480m 
hohe „Stirn“ bei Hildburghaufen nicht rühmen, fo gefannt zu fein in 
den deutjchen Landen wie die vorgenannten Berge, dafür aber hat fie 
den Vorzug, daß fie von drei Bahnftationen aus bequem in weniger 
al3 einer Stunde zu erreichen ift. Und dann der Feftplag: eine große, 
ebene Fläche mit ganz kurzem Graswuchs und ſehr durchläſſigem, daher 
ftet3 trodenem Boden, waldumrauſcht, liebliche Fernblide bietend nad) 
den Höhen des Thüringer Waldes! So ift und aud von Sacıver- 
Händigen gefagt worden: Ein Plag, wie gejchaffen für ein folches Feſt! 
Es durfte ung daher auch nicht wundern, daß troß der ungünftigen, 
eifigfalten Witterung am Nachmittage des 15. September Taufende von 
Männern und Frauen dem Berge zuftrömten, wo fih bald für einige 


174 


Stunden ein echt turnerifches Leben entwidelte. Hatten fich doch nicht 
weniger al3 389 Wetturner eingefunden; gewiß eine ftattliche Zahl für 
das neue Unternehmen! Der Stirnbergfeft-Ausfhuß hatte als Wett- 
übungen zum Vierkampf ausgewählt: Weitjpringen, Stein- 
ftoßen, Gewichtheben mit beiden Händen und Wettlaufen. 
Ausführung und Wertung diefer Übungen fanden ftreng nach den 
Beftimmungen der deutfchen Wetturnordnung ftatt. Um 1 Uhr wurde 
das Turnen nah einer kurzen Anſprache an die Turner eröffnet. Er- 
richtet waren 5 Bahnen für Weitfpringen, 10 Bahnen für Steinftoßen, 
15 Plätze für Gewichtheben und eine 200 m lange Laufbahn. 

Das Ergebnis ber turnerifhen Leiftungen war ein durch⸗ 
aus befriedigendes. Bon den 389 Wetturnern wurde eine Ge- 
famtzahl von 9655 Punkten erreicht, von jedem einzelnen Turner 
alfo durchſchnittlich 25 Punkte. Sehr erfreulich für ung war es, daß 
die nad der deutſchen Wetturnordnung für den Vierkampf feit- 
geſetzte Höchſtpunktzahl von 40 PBunften, aljo für jede Wetturn- 
übung 10 Punkte, von 2 Turnern erreicht wurde. Die Durchſchnitts⸗ 
leiftung für jeden Turner und jedes Gerät betrug rund 61/4 Bunte. 


Die Gejamtleiftung im Weitjpringen betrug 1586 Punkte, 
für jeden einzelnen Turner 4 Punkte. Wicklo Böhm, Turn-Verein 
Ernſtthal am Rennſtieg, jprang 11Ye Punfte oder 6 m 30 cm. 
Mar Roderer, Männer-T.-B. Fürth, 10%/s Punkte oder 6 m 10 cm. 


Sm Steinftoßen wurde eine Gefamtzahl von 2208"/s Punkten 
erreiht, von jedem einzelnen Turner im Durchſchnitt 5% Punkte. 
Dtto Heß, T.V. Koburg, errang 13Y2 Punkte; er warf den 30 Pfb. 
ſchweren Stein 6 m 70 cm weit, Karl Gid, T.V. Michelau, 13 Punkte 
dur) einen Wurf von 6 m 60 cm Weite. 


Sm Gewichtheben wurden 3224 Punkte erzielt, im Durchſchnitt 
Sta Punkte Edmund Harreß, T.-B. I Oberlind, bob die 75 Pfd. 
ſchwere Hantel 45 mal, Richard Werner, T.-B. Suhl, 30 mal; 20 mal 
wurde die Hantel von 145 Turnern gehoben. 

Am Wettlaufen beteiligten fih nur 344 Turner; e3 wurden 
2636'/s Punkte erzielt, alfo im Durchſchnitt 7Y2 Punkte. Zwei 
Turner, die ſchon genannten Wicklo Böhm und Mar Roderer, durch⸗ 
liefen die 200 m lange Bahn in 24! Sef., 14 Turner in 25 Sek,., 
20 in 25/2 Sek., 32 Turner in 26 Sek. 


Im ganzen haben 244 Turner Preife errungen bei einer Mindeft- 
feiltung von 24 Punkten; 23 Turner erhielten lobende Anerkennung. 


175 


Den Wetturnen folgten Spiele und zwar Echleuderball und 
Fußball. Sm Schleuderballfpiel fiegten T.V. Ernftthal 
gegen Seminar Hildburghaufen und T.-V. Sonneberg 
gegen TB. Hildburghaujen; im Fußball ohne Aufnehmen 
Skhüler des deutfchen Land - Erziehungsheim® Haubinda bei 
Hildburghaufen gegen Fußballllub Barchfeld. Ungeteiltes Intereffe 
erregte dann zum Schluß nod die Vorführung eines Fußballſpiels 
mit Aufnehmen dur die Haubindaer*). Es fol bier nicht uner- 
wähnt bleiben, daß die genannte Anftalt färntlihen Leibesübungen 
die forgfältigfte Pflege angedeihen läßt. Nach Syertigftellung der Liften 
durch den Berechnungs-Ausfhuß erfolgte Verleſen der Namen der 
Sieger und PBerteilung von Eichenfränzen mit Widmung — außerdem 
erhält jeder Sieger nod) ein fünftlerifch ausgeführtes Diplom —, worauf 
mit Einbruch der Dämmerung unter Vorantritt der hieſigen Militär- 
fapelle der Rückzug angetreten wurde. Ein ſtark bejuchtes Konzert 
bildete den Abfchluß des mwohlgelungenen Feſtes. 

Alle aber, Leiter und Wetturner, können Stolz fein in dem Ge: 
danken, nach Kräften gearbeitet und vorzügliche Refultate geliefert zu 
haben. Möge e3 uns gelingen, das Stirnbergfeft zu einem Volks— 
fefte im beften Sinne des Wortes zu geitalten! 


BEFFSFSFFFF FF FH 58 0 ISIFSSFFFSFFFFIFS 


Da? Knivsbergfeſt Das deutſche Volksfeſt auf dem Knivs⸗ 


om 22. Iuni 1902. berge hatte wieder Tauſende deutſcher Männer 
und Frauen aus allen Teilen unſerer Nord⸗ 
Von Oberlehrer Dunker, 


Hadersleben. 4 mark zuſammengeführt. Mit Sonderzügen 
and Dampfern, zu Wagen, zu Rad und zu 


*) Über diefe Vorführung fchreibt die KoburgerZeitung: „Unter der Führung 
des am Spiel felbft teilnehmenden Herrn Direktors Dr. Lie fpielte eine Partie 
gegen die andere unter Führung eines englifhen Lehrerd. Die Ausdauer im 
Laufen, die Gewandtheit im Spielen war bewundernswert und riß oft zu lautem 
Beifall Hin. Man muß es Herrn Dr. Lie zu großem Dante wiffen, daß er 
mit feinen Schülern erfhienen ift und dieſes erfrifchende Bild einer rechten 
Jugenderziehung dargeboten bat. Bedauern kann man dabei nur, daß es nicht 
gelingt, die Schüler der höheren Lehranftalten überall zu ſolchem Tun zu bringen, 
wie wir es bei den Haubindaern gejehen haben. Es war ein Genuß für ein 
Zurnerauge!” 


176 





Fuß ftrömte man am Nachmittage dem Berge zu. Die Witterung, 
die vormittags wieder ungünftig zu werden drohte, blieb endlich einmal 
gut; fie war jogar während des ganzen Feites die denkbar befte. 

Aljährlih jammelt fich Hier die deutfche Jugend zum friedlichen 
Wettitreit um den Siegesfranz. Die Turnübungen und Spiele bilden 
immer mehr einen Hauptanziehungspunft auf dem Feſtplatze. 

Um 2V/s Uhr wurde das Felt mit volkstümlichem Wetturnen 
(Weithochipringen, Stabhodhipringen, 10 kg-Kugelftoßen) und 2 Schlag- 
ballipielen (Volksſchüler Woyens-Sommerftebt) gegen Flensburger 
St. Nikolaiſchule J und Haderslebener Gymnafium III® gegen Flens- 
burger St. Marienjchule I*) eröffnet. Es folgte neben dem Mufter- 

- riegenturnen der beiden Flensburger Turnvereine und des Haderslebener 
Turnvereind Gut-Heil ein Schlagballfpiel des Flensburger gegen das 
Nendsburger Gymnafium. Leider waren die Regeln und fonftigen 
Bedingungen nicht beftimmt genug im voraus verabredet, um Mißver- 
ftändniffe auf dem Plage auszujchließen; die Rendsburger brachen gegen 

”- Schluß der Spielzeit dad Spiel ab unter Hinweis auf Unregelimäßig- 
feiten. Bon 4a big 5 Uhr bejegten dann 4 Fauftballipiele den ganzen 
Pla (1. Flensb. Landw.-Schule I gegen Flensb. Mtv.; 2. Flenzb. 
Dberrealjchule II gegen Flensb. Turnerfh.; 3. Flensb. ©. II gegen 
Hadersl. ©. II; 4. Flensb. Mto. gegen Hadersl. ©. I). 

Gejpielt wurden ſämtliche Fauftball- und Schlagballfpiele nad) den 
neueften Regeln de3 Nordifchen Spielverbandes (vgl. „Körper und 
Geiſt“ XI, Seite 115), die ſich bei dieſer Gelegenheit durchaus be- 
währt haben. Das Spiel 3 ſchloß mit dem Nefultat 55:48; es waren 
alfo in einer halben Stunde 103, beim Spiel 1 waren 102 Bälle 
gemacht worden (59:49). Um 5 Uhr verfündeten Trompetenfignale 
den Anfang der Feitreden. Amtsrichter Lindemann-Toftlund bradte 
zunächſt das Kaiſerhoch aus, dann ſprachen Gymnafialdireftor 
Dr. Spanuth-Haderzleben auf Teutfhland und Amtsrichter Dr. Hahn: 
Sonderburg auf Schlesmwig-Holjtein. Zum Echluß redete Oberlehrer 
Dr. Gräf-Slensburg in ſchlichten und fchönen Morten als Turner und 
verfündete das Ergebnis des Wetturnens und der bis dahin aus- 


*) Hier, wie auch immer im folgenden, ift die Partei, welche gefiegt hat, 
vorangejegt. Diefe beiden fiegenden Parteien erfchienen infolge einer Zufammen- 
ftellung der Riege, die ihnen von den Gegnern geftattet war, — Woyend-Sommerftedt 
unter Heranziehung auch noch einiger Konfirmierter; Hadersl. G. IIIb unter Ein- 
ftelung einiger Obertertianer — als ihren Gegner überlegen. 


177 





gefochtenen Wettſpiele. Als Sieger bei den volkstümlichen Übungen 
wurden verkündet: 

I. Emil Welz-Kiel 27Vs Punkte; II. Ferdinand Flor⸗Flensburg 
22 Punkte; II. Andr. Rieber-Flensburg 21'/s Punkte; II. Hans: 
Rathje-Hadersl. Gymn. 21T/s Punkte, IV. Karl Lorenzen: Flenzburg 
19 Punkte; V. Karl Voß: Flensburg 181/2 Punkte; VI. Otto NRöhr- 
Flensburg 18 Punkte; VII Heinr. Timm - Flensburg 16%/s Punkte; 
VII. Alfred Thode-Hadersl. To. 15Ye Punkte; VIII Markus 
Nikolaifen-Flensburg 152 Punkte. 

Die Beftleiftungen bei dieſen Übungen waren 3 m weit und 
1!/s m body beim Weithochfprung (Welz); 2,60 m body beim Stab- 
ſpringen (Welz und Flor) und 9,95 m beim Kugelftoßen (Welz). 

Um 6 Uhr begann ein Fußballfpiel zwifchen den Sekunden der 
Flensburger Oberrealfchule und des Haderslebener Gymnafiums. Das 
Ergebnis war unentſchieden 0:0. Der ausgejegte Kampfpreis, ein 
Eichenfranz, wurde wegen der größeren Anzahl von Editößen auf der 
Seite der Flensburger diefen zuerkannt. Dieſes Wettjpiel ift infofern 
bemerfenswert , als es das erfte Fußballwettipiel ift, das zwijchen 
deutichen Riegen hier im Norden ausgespielt worden if. Es ift zu 
wünjden, daß weitere bald folgen. 

Sm Schlagballfpiel fiegten von 7 —78/4 Uhr die Flensburger Volks— 
ſchule St. Jürgen (D) über die Sonderburger Volksſchule (I) und dag 
Flensburger Gymnafium (III) über die Sonderburger Realfchule (III). 
Die Sonderburger Schulen beteiligten ſich zum erften Male an unferen 
Wettlämpfen. Schließlich, von 78/4 bis 8Y/s Uhr abends, pielten 
im Schlagball Haderslebener Seminariften (Tv. Gut:Heil) gegen den 
Flensb. Mtv. und Flensb. D. R. (III) gegen Hadersl. ©. (II). 

Auch bier ift ein weſentlicher Fortſchritt infofern zu verzeichnen, 
ala zum erften Male eine Schlagballtiege eines Flensburger Turn- 
vereind fich zum Wettfpiel mit einem auswärtigen Vereine geftellt hat. 

Wir alle aber haben das ftolze Bewußtfein, nach unferen Kräften 
gearbeitet und Ergebnifje der Spieltüchtigkeit in diefen wenigen Jahren 
der Knivsbergfeſte geliefert zu haben, wie fie wohl, wenn auch nicht 
beifpiellos, fo doch bisher noch fehr ſelten in Deutfchland find. Unter 
den 12 Spielern war der Schlagball 7 mal, der Fauftball Amal und 
der Fußball einmal vertreten. — Um 7 Uhr fand im großen Feitzelt 
ein einfaches Feſteſſen ſtatt. Daran ſchloß fih Tanz in zwei Belten, 
ber lebhaften Zuſpruch fand. Mit Eintritt der Dunfelbeit erfolgte die 
bengaliſche Beleuchtung des Bismardftandbildes. Gleichzeitig wurden 

12 


Volks⸗ und Jugendſpiele. XII. 


178 





die Feuer auf den beiden Opferaltären entzündet und verfündeten bi3 
weit ind Land hinein, bis über die Königsau, daß deutiche Männer 
und Frauen in deutfhem Lande ihr deutfches Volksfeſt feierten. 


3555355555553 


Die vollstümliche Pegünftigt von berrlidem Wetter fand 
Sedanfeier in aaa am Sonntage, den 31. Auguft, auf dem 
Reipzig. aaasaaaa großen Sportplage zu Leipzig - Lindenau 
Bon Oswin Schumann, De vollstümliche Sedanfeier der Leipziger 
Leipzig. .444444 Turnvereine und der höheren Schulen ftatt. 

Schon in frühelter Morgenftunde verfam- 
melten ſich die Wettturner, um die drei vorgefchriebenen Übungen für 
den Sechskampf der Erwachſenen vorzunehmen: Stabhochſpringen, 
Weitfpringen und Gewichtheben mit einer Hand. Gewertet wurde 
genau nach der deutjchen Wettturnordnung. Die befte Leiftung im 
Stabhochfpringen betrug 2,80 m, im MWeitjpringen 5,82 m. Am 
Nachmittage verfammelten fih 21 Leipziger QTurnvereine, der Turn- 
lehrerverein und 13 höhere Schulen auf dem Schulhofe des Thomas- 
gymnafiumd, von wo aus fie mit Flingendem Spiel und wehenden 
Fahnen gemeinfam nad) dem Sportplage zogen. Weit über 5000 
Zuſchauer und Ehrengäfte hatten ſich ſchon vor Beginn der Übungen 
auf dem Feſtplatze eingefunden. Die Aufftelung der Feitzugteilnehmer 
erfolgte auf der großen Fahrradbahn vor der Tribüne. Nah dem 
Geſange des gemeinfchaftlihen Liedes: „O Deutichland, hoch in 
Ehren!” hielt Schulrat Prof. Dr. Müller die Feftanfprade, in 
welcher der gejchägte Redner mit Ternigen Worten nachwies, weshalb 
wir recht tun, mit dem Sebanfefte unfere turnerifchen Wettkämpfe 
und -[piele zu verbinden. Danach erfolgte von ca. 700 Teilnehmern 
unter Borantritt der Fahnenträger der Aufmarfch zu den unvorberei- 
teten Freiüubungen, bei welchen die Schüler der höheren Schule recht 
zahlreich vertreten waren. Während nach diefen Übungen die Turner 
auf der einen Seite vom Übungsplage abmarſchierten, zogen auf der 
anderen Seite 200 hübſch gleichmäßig gekleidete Turnerinnen ein, die 
eine Anzahl gut eingeübter Stabübungen in Verbindung mit leichten, 
gefälligen Schrittbewegungen vorführten. Beide Vorführungen boten 
ein berzerfreuendes, prächtige Bild und können wohl als die Glanz: 


179 


punfte des ganzen Tages bezeichnet werden. Nach dem Frauenturnen 
begannen Sofort die eigentlichen Wettkämpfe. 


I. 


Il. 


Ill. 


IV. 


VI. 


Sechskampf der Erwachſenen. Geturnt wurden die Pflicht— 
übungen am Red, Barren und Pferd. Die höchſte Punktzahl 
errang Köhler vom Leipziger Turnverein mit 631/s Punkten. 
Einzelwettübungen für jugendlide Turner unter 18 Jahren: 
Sturmweitfpringen und Kugelitoßen in die Weite. Geſtoßen 
wurde mit Anlauf. Das Gewicht der Kugel betrug 5 kg. Die 
befte Leiftung war 11,65 m. Beim Sturmmeitiprung lag das 
2,50 m lange Brett mit feiner oberen Kante 50 cm über dem 
Boden. Der weitefte Sprung betrug 6 m. 

Einzelwettübungen für Schüler über 17 Jahren. 

1. Dreifprung. Der weitefte Sprung betrug 11,76 m. 

2. Steinftoßen. Gewicht des Eifenwürfels: 15 kg. Geftoßen 
wurde aus dem Stande. Der mweiteite Stoß betrug 5,65 m. 

Einzelmettübungen für Schüler unter 17 Jahren. 

1. Stabhodhfpringen vom Sturmbrett aus (1. Sturmmeitiprung 
in Gruppe II). Das Sturmbrett war 2 m vom Lotpunfte 
der Schnur entfernt. Der höchſte Sprung betrug 2,90 m. 
3 m murde einmal frei überfprungen, nur berührte der 
Springer mit den Händen den Boden. 

2. Ballweitwerfen. Der Ball wog 100 g. Der weiteſte Ball- 
wurf betrug 73,40 m. 

Stafettenlauf mit Fahne über 500 m von je 5 Läufern einer 

Mannſchaft. Hierzu waren 25 Mannfchaften angetreten: 9 aus 

Realſchulen, 4 aus Gymnafien und 12 aus den Jugendabtei— 

lungen der Leipziger Turnvereine. Die Zeiten der Sieger waren. 

bei Realſchülern 63%/5 Sek., bei den Gymnafiaften 61?/s Sef. 
und bei den Turnern aus den Sugendahteilungen 64?/s Sek. 

Wettſpiele. Im Schleuderballwettipiele fiegten die III. Real- 

Thule mit 1:0 gegen die Teichmann’sche Realſchule und das 

König Albert-Symnafium mit 2:1 gegen das Nikolaigymnafium. 

Auf beiden Seiten war das Zufammenfpiel ganz vorzüglich. 


Das Fußballipiel mußte nad reichlich halber Zeit wegen ein» 


tretender Dunfelheit abgebrochen werden. Gut war bei beiden Mann= 
Ihaften die Einzeltehnif. Weniger günftig war das Zufammenfpiel. 
Das Spiel endete mit 0:0. | 


Nah Beendigung der Wettfpiele begann die feierliche Preis- 


verteilung, die der Obmann des Kampfgerichts, Gymnafialoberlehrer 
12 * 


180 


Dr. Gaſch, mit einer furzen Ansprache einleitete. Die Sieger er- 
hielten ihre Preife, die aus natürlichen und künſtlichen Eichenfrängen 
beitanden, aus den Händen der Sungfrauen. Der erfte Sieger im 
Sechskampf der Erwachjenen erhielt außer dem Kranze noch ein künſt⸗ 
lerifch außsgejtattetes Diplom. 

So hat unfer diesjähriges Sedanfeft wieder einen ausgezeichneten, 
ungetrübten Verlauf genommen, was befonders zu danken ift Den 
fleißigen Vorbereitungen des „Elferausſchuſſes“ und der geſchickten 
Leitung, die feit 25 Jahren in den Händen des ſtädtiſchen Turninfpel- 
tors, Brof. Küchenmeiſter, liegt. 


353555535535353553353 5 3335359559555 553 3 


8 Der Rheiniſch⸗ Der Rheiniſch-weſtfäliſche Spielverband 
weſtfüliſche Spiel⸗ hat im Jahre 1902 bedeutſame Schritte 
verband im Jahre getan zu ſeiner inneren Feſtigung: nämlich 
1902. ↄAsSↄSↄSaæaasas die Durchführung einer Einteilung des über 
444 Bon Dr. med. F. A. ein großes Gebiet zweier Provinzen fi er- 
Schmidt, Bonn. sssH  ftredenden Verbandes in drei Bezirke, ſowie 

zur Regelung der plan- und ziellojen Wett- 
fpiele die Einführung von vorgejchriebenen Verbandswettipielen und 
zwar zunächſt im Fußball. 

Zu Beginn des Sahres 1902 zählte der Verband 36 Vereine. 
Die Zahl derjelben ift bis jet auf 42 angewachſen. Während bei 
Gründung des Verbandes derjelbe ziemlih zu gleihen Teilen aus 
Spielabteilungen von Turnvereinen ſowie aus bloßen Ballipielvereinen 
und Fußballklubs beftand, Hat ſich bemerfenswerterweife dies Ber- 
hältnis immer mehr zu Ungunften der turnerifchen Abteilungen ge: 
ändert. Mehrere diejer Spielabteilungen von Turnvereinen find über- 
haupt eingegangen, eine Anzahl anderer haben fih, da ihre freie 
Entwidelung im Qurnverein Anfehtung und Hemmung erfuhr, zu 
felbftändigen Spielvereinen entwidelt, die zum Teil noch in engen 
Beziehungen zu ihrem Stamm-Turnverein Stehen, zum Teil aber aud) 
in Gegnerfhaft zu demfelben geraten find. in Vorgang, neben: 
bei gejagt, der fi auch anderswo in t Deutihland wiederholt ab- 
geipielt hat. — 

Der ordentliche Verbandstag wurde am 15. Februar in Düfjeldorf 


181 


abgehalten. Auf demfelben wurde ein Antrag auf Eintritt in den 
Deutichen Fußballbund abgelehnt, und zwar ſchon aus dem Grunde, 
weil der Verband grundfäglich feine Tätigkeit nicht ausschließlich auf 
die Pflege des Fußballſpiels beſchränkt, fondern auch die anderen 
Ballipiele, jo Schlagbal, Tamburinball, Fauftball, Tennis, ferner die 
volfstümlichen Übungen des Laufens, Springen? und Werfen, in 
feinen Reihen zu fördern ſucht. Allerdings ift in unferen weitlichen 
Provinzen der Fußball (ohne Aufnehmen; der Fußball mit Aufnehmen 
wird meines Wiſſens in Rheinland und Weftfalen nirgendwo betrieben) 
das weitaus bevorzugte Spiel, in den Vereinen nicht nur, fondern 
auch in den höheren Schulen. Das Fußballipiel hat in den leßten 
Jahren hier ungemein an Volfstümlichfeit gewonnen. Den größeren 
Fußball: Wettipielen wohnen in unferen Städten oft Taufende von 
Zuſchauern bei. Es mag nicht unerwähnt bleiben, daß außer den 
zum Spielverband gehörenden Vereinen in unferen rheinifchen Städten 
noch zahlreiche Fußballvereinigungen find, die dem Verbande nicht 
angehören. Allerdings find diefe Vereinigungen meift loſe gefügt und 
oft von recht furzer Lebensdauer. Allein eine Stadt wie Mündhen- 
Gladbach mit 50000 Einwohnern, zählte im vorigen Jahre etwa 
25 Fußballklubs, von denen fünf zum Berbande gehörten. — 

Ein Berbandsfeft fand 1902 nicht ftatt. Ein foldhes war für 
Düffeldorf gelegentlih der dortigen großen Induſtrie- und Kunſt⸗ 
ausftellung geplant. Von der Abhaltung desfelben mußte jedoch ab- 
geſehen werden, da der in dem Ausftellungsgelände vorhandene Platz 
für Leibesübungen zwar zu tumerifchen Vorführungen eben ausreichte, 
Dagegen nicht einmal Raum zu einem einzigen Fußballmettipiel bot. 
So mußte denn au die Abficht fallen gelaffen werden, wenigſtens 
jeden Sonntag während ber Ausftelungszeit Mufter- und Wettipiele 
durch einzelne Spielvereine zu veranitalten. 

Dagegen fanden 1902 neben zahlreichen Wettjpielen einige um— 
fangreichere und mohlgelungene Spielfeite ftatt, die zu wahren Volks— 
feften fich geftalteten, fo in Düren, Dortmund und Bottrop, abgejehen 
von den vaterländifchen Volfzfeften in Köln und München-Gladbach. 

Sm September erfolgte die Einteilung des Verbandes in drei 
Bezirke, deren erfter in ber Hauptjache mit dem Regierungsbezirk Köln, 
ber zweite mit der fühlichen Hälfte des Regierungsbezirks Düffeldorf 
zufammenfält, während der dritte Bezirt den nördlichen Teil des 
Düfjeldorfer Regierungsbezirk nebjt dem angrenzenden Gebiet von 
Weitfalen umfaßt. Eine weitere Teilung fteht in Ausficht. 


182 


Ein am 26. Dftober abgehaltener außerordentlicher Verbandstag 
beichloß die Einführung von Bezirks- und Verbandsmwettipielen auf 
Grund einer ausgedehnten Folge von Beitimmungen. Diefe Verbands⸗ 
fpiele, welche zunächft im Fußball begonnen haben und alljährlid) vom 
September bis Mai dauern follen, finden in zwei Klaffen zunächſt ftatt 
um die fogenannte „Meifterfchaft” in den Bezirken ; die bejtbewährten, 
fiegreich gebliebenen Mannschaften haben dann ſchließlich um die „Ver- 
bandgmeifterfhaft” zu kämpfen. Diefe Wettlämpfe find zur Zeit im 
beiten Gange. Sie tragen zur Ausbildung der Verbandsvereine in 
ſchönem ritterlichden Spiel außerordentlich bei und werden dies in ber 
Folge noch um fo mehr tun, je größer die Zahl der dem Verbande 
zur Verfügung ftehenden wohlgeſchulten Schiedsrichter und Spielordner 
wird und je ftrammer die Spielausfchüfje der Bezirke im Berein mit 
dem BVerbandsvorftand allen Auswüchſen entgegenzutreten veritehen. 

Der Gefhäftzgang im Verbande wurde auch 1902 dur das vom 
Vorſitzenden und Gefchäftsführer herausgegebene „Nachrichtenblatt des 
Rheiniſch-weſtfäliſchen Spielverbandes“ weſentlich erleichtert und ge- 
fördert. Das Blatt erfchien almonatli in der Stärke von Y/s bis 
2 Drudbogen. Für 1903 fol das Verbandsblatt mindeitens alle 
14 Tage erjcheinen. | 

An der Spite des Verbandes ftanden auch 1902 die Herren 
Dr. F. 4. Schmidt in Bonn al3 Vorfigender, 9. C. Heeſch in Mündhen- 
Gladbach al3 Gefchäftsführer, ſowie die Herren Dir. Friedri in So- 
fingen, Hinze in Duisburg und Schwarg in Düſſeldorf. Im fommenden 
Sabre wird der Vorftand ſich aus drei vom Verbandstag zu wählenden 
Mitgliedern (Vorfigender, Stellvertreter desjelben fowie Geſchäfts— 
führer) und den drei Obmännern der Bezirke zufammenjegen. 

In den wenigen Sahren feines Beſtehens hat der Rheiniſch— 
weitfälifche Spielverband nidt nur an Ausdehnung und Zahl der 
Mitglieder, fondern aud) an innerer Feſtigkeit unausgejegt zugenommen. 
Bei dem großen Spieleifer und der hohen Spieltüchtigfeit feiner 
Mannfhaften kann es dem Verband nicht fehlen, der Pflege des 
Jugendſpiels in Rheinland-Weftfalen immer weitere Kreife zu gewinnen 
und die Pflege des Spiel immer heimischer im Volke zu machen. — 

Inzwiſchen find gewählt: Dr. med. 5. A. Schmidt in Bonn als 
Borfigender, Oberlehrer Scheffen in Ruhrort als Stellvertreter und 
Oberrealfchullehrer Heeih in Gladbach als Gejchäftsführer. 


* 


183 


v 9 SFFSFSFFSTFTIFSFFFFS 


Vierter Spieltag des Sonntag, den 7. September, wurde 
Mittelrheiniſchen as in Darmſtadt der IV. Spieltag bes 
Spielverbandes, aan Mittelrheiniihen Spielverbandes, dem 
& Von Oberlehrer Gärtner in Zur Zeit 30 Vereine des Mittelrheinkreifes 
Koblenz. SESSSEESSHEHH angehören, abgehalten. Programmgemäß 
fand um 8 Uhr eine Sigung des Aus- 
ſchuſſes ftatt, der fofort die Kampfrichterfigung folgte. — Um 10 Uhr 
begannen bei prachtvollem Wetter die Spiele auf dem großen, herrlichen 
Ererzierplage in der Nähe der Bahnhöfe, die nach einer Pauſe von 
zwei Stunden von 2 bis 6 Uhr fortgefegt wurden. — Mit be- 
fonderer Genugtuung Tann auf die hohe Zahl der Mannschaften in 
den einzelnen Spielen und auf die in die Augen |pringenden Fortſchritte 
der Spieltüdhtigleit dem Vorjahre gegenüber hingewiejen werden. Leider 
hatte fih feine Mannſchaft für Schlagball gemeldet. Diefem Spiel 
wird in Zukunft eine größere Aufmerkſamkeit geſchenkt werden müffen. 
Um 7 Uhr fand die Vertreter-Verfammlung in der neuen präd)- 
tigen Turnhalle der Zurngemeinde Darmitadt ftatt. Nach herzlichen 
Begrüßungsmorten des Borfigenden, Dr. Friedrich, der auf bie 
Wichtigkeit der Turnſpiele im freien hinwies, wurde die reiche Tages- 
ordnung erledigt. — Der Borfigende (Dberlehrer Gärtner) eröffnet 
die Sigung und geht nach Genehmigung des Protofoll3 zur Tages— 
ordnung über. Der Antrag des Turnvereind Gr. Gerau, an die Sieger 
bei den Wettjpielen Ehrenurfunden auszuhändigen, wird nach bejonderer 
Befürwortung von Meller-Bodenheim in der folgenden von ihm vor- 
gefchlagenen Fafjung angenommen: „Bei den Wettipielen gelangen 
für die einzelnen Spiele, fofern fich mehr als vier Mannſchaften daran 
beteiligen, je zwei Preife zur Ausgabe, andernfalls wird nur je ein 
Preis ausgegeben. Die Preiſe follen jedoch nur in einer einfadhen 
Bejcheinigung über die von ben betreffenden Vereinen gebotenen 
Leiftungen beſtehen.“ ; 
Die Ergebnifje der Spiele waren folgende: 
Faustball (30 Min. Spielzeit; Zählweife: jeder über die Schnur 
zurüdgefchlagene Bal zählt einen Bunft): 
I. Gruppe. 1. Gang: Turnverein Kefjelftadt (Manni. Nr. 2) 
46:31 Turngem. Darmftadt (Manni. Nr. 1). Turngef. Wiesbaden 


184 


47:35 Turngem. Darmjtadt (Mannihaft Nr. 2). A. T.V. Alemannia 
Darmitadt 48:34 Frankfurter Turnverein. Qurnverein Keſſelſtadt 
(Mannichaft Nr. 1) 45:30 Turnverein Pfungftadt. 2. Gang: Turn- 
verein Keſſelſtadt (Mannfhaft Nr. 1) 64:51 ZTurngef. Wiesbaden. 

Endkampf. Qurnverein Keſſelſtadt (Mannſchaft Nr. 1) 70:66 
A. T.-B. Alemannia Darmitadt. 


II. Gruppe. 1. Gang: To. Vorw. Bodenheim (Mannſchaft 
Nr. 1) 40:25 Turn- und Fechtklub Diez (Mannſchaft Nr. 1). Turngem. 
(Offenbach (Mannfchaft Nr. 2) 49:44 Turnverein Klingenberg. Tv. Vorw. 
Bockenheim (Mannihaft Nr. 2) 36:30 Turn- und Fechtklub Diez 
(Mannſchaft Nr. 2). Turnverein Homburg 63:39 TZurngem. Offenbach 
(Mannſchaft Nr. 1). 2. Gang: Turngem. Offenbah (Mannſchaft Nr. 2) 
39:33 To. Vorw. Bodenheim (Mannfhaft Nr. 1). Turnverein 
Homburg 42:19 Tv. Vorw. Bodenheim (Mannſchaft Nr. 2). 

Tamburinball (30 Min. Spielzeit; Zählmweife: der direft aus 
der Luft zurüdgefchlagene Bal zählte drei, der von einem Spieler 
gefchlagene und von einem Parteigenoſſen aus der Luft über die Schnur 
weiterbeförderte Ball zwei, der nah einem Abprallen vom Boden 
über die Schnur gejchlagene Ball einen PBuntt): 

1. Gang: Frankfurter Turnverein 283:270 Turngem. Darmitadt 
(Mannſchaft Nr. 2). Zurngem. Darmftadt (Mannſchaft Wr.1) 266: 188 
Tv. Pfungftadt (Mannſchaft Nr. 2). Tv. Vorw. Bodenheim (Mann- 
haft Nr. 1) 306:305 A. T.V. Alemannia Darmitadt. Tv. Vorw. 
Bodenheim (Mannfhaft Nr. 2) 156:102 Tv. Pfungftadt (Mann 
Ihaft Nr. 1). 

Endlanpf. To. Vorw. Bodenheim (Mannſchaft Nr. 1) 427:321 
Turngem. Darmftadt (Mannſchaft Nr. 1). 

Schleuderball: Turnv. Pfungftadt und Turn: und Fechtklub 
Diez: jede Partei errang 1 Sieg, der 3. Gang blieb unentjchieden. 

Fußball (0. A.; Spielzeit: 1 Stunde); Turngef. Wiesbaden, 
fombinierte Mannfchaft vom Tv. Keffelitadt und Franff. Turnverein; 
Wiesbaden gewinnt mit 5 Malen gegen 0. 

Sonderübungen: Disfuswurf von Gg. Roßmann, A. T.⸗V. 
Alemannia Darmftadt, 27 m meit. 

Schleuderball-Weitwerfen: Gefamtrejultat von 3 Würfen. 
Bon 17 Teilnehmern die beiten Leiftungen: 1) Wild. Martin, To. 
Pfungftadt, 114 m; 2) Fri Schmidt, Turn- und Fechtflub Diez 


185 


111,50 m. Der meitefte Einzelmurf wurde von Fri Schmidt mit 
40 m geleiftet. | 

Hochſpringen ohne Brett: Sieger 1. Höpfner (1,60 m), 
2.Weber (1,55 m); beide Wiesbaden. 


5355555355555555 10 FFFIFFFFFFFF3S 


. Ferienſp iele der Vater Jahns Forderung: „Bon Rechts 
Stadt Bonn. aaa wegen follte jede Turnanftalt ein Turnfeld 
44 Bon 5. van Hoorn, haben, wo Blade und Wirre miteinander 
Bonn. — 4 44 444440 abwechſeln, wo Hain, Gebüſch, Geftäude und 

offene Räume anzutreffen, Laubholz und 
Tengelholz“ — ad, wie ſelten kann eine Stadt fie voll und ganz er- 
füllen! Unſer Bonn ift glüdlicherweife in der Lage, fih rühmen zu 
bürfen, folch ein ideales Turnfeld zu beſitzen; es ift der Übungsplag 
unferer Garnifon auf dem nahegelegenen Venusberge, der danf dem 
freundlichen Entgegenfommen der Militärverwaltung von unjeren 
Turn: und Fußballvereinen und nicht an legter Stelle von den Volks⸗ 
Ihulen während der Ferienjpiele auh im Sinne Vater Jahns oft, 
teht oft verwertet wird. 

SFerienfpiele find das Seitenftüd der Ferienkolonien und nad 
Krefeld und Bonns Beifpiele in mehreren Städten eingeführt, melche 
die Segnungen fyitematifcher Körperbewegung in friiher Waldesluft 
und im ftärfenden Sonnenbade, unterjtügt durch eine Milchkur, mög- 
lihft vielen Schülern und Schülerinnen der Volksſchulen während der 
großen Herbitferien angedeihen lafjen wollen. So wandert nun ſchon 
feit mehr als zehn Sahren während diefer Zeit der Erholung für 
Lehrer und Schüler Morgen auf Morgen eine ftattliche Zahl unferer 
Volksſchüler unter Führung ihrer Lehrer und Lehrerinnen hinauf zum 
Benusberge, zum Ererziergelände dort oben in frifcher, reiner Berg- 
und Waldesluft, um dort dem vernadhläfligten Körper zu feinem 
Rechte zu verhelfen. Wie jehr diefe neue Art von Badelur immer 
mehr Anklang findet, das bemweilt die von Jahr zu Jahr wachjende 
Bejuchsziffer, die heuer trog der überaus ungünjtigen Witterung$- 
verhältniffe durchjchnittlih 768 Kinder betrug, oder mit anderen 
Worten, e3 jpielten an den 24 Tagen 18432 Knaben bezw. Mädchen. 

Das Sammeln unferer munteren Schar gejchieht morgens gegen 
8 Uhr, für die Mädchen im Zentrum der Stadt, für die Knaben vor 
der Stadt in der Nähe des Sport- und Eisplatzes. Cine Viertel- 


186 | 





ftunde jpäter geht’3 dann nad) dem Tafte eines Trommler: und Pfeifer: 
korps unferer Oberflaffen zum Spielplage den Berg hinan, der un: 
gefähr nad 40 Minuten erreiht wird. Nachdem zuerft die Lebens— 
geifter durch eine Eleine Ruhepaufe und durch den Genuß eines Biertel- 
liter reiner Vollmilch aufgefriſcht ſind, kommt unjer Jugend» und 
Bewegungsfpiel zu feinem Rechte. Auch wird, um Abmwechjelung zu 
bieten, bejonders an heißen Tagen ein Marfh durch den fchattigen 
Park bezw. den angrenzenden Kottenforft unternommen, oder unjere 
Infanterie gibt ung mit einem Parademarfch unter Begleitung der 
Regimentsmuſik oder auch mit einer kleinen Gefehtsübung eine höchſt 
willkommene Scauftellung. Das zweite Glas Mil) wird fpäter, 
zwifchen 10 und 11 Uhr, gelegentlich einer Spielpaufe geboten. Und 
gleih nad) 11 Uhr geht's fingend und lachend wieder den Berg hinab, 
jodaß gegen die Zeit des Mittagefjens alles im elterlichen Haufe fein 
fann. Daß eine ſolche Bewegung in der frifchen, erquidenden Morgen: 
luft den Berg von 200 Meter hinauf, die im Sugendfpiele oben auf 
dem Berge ihre Fortjegung findet, dem Körper zu gute fommen muß, 
liegt auf der Hand. Herz, Zungen und die Hauptmuskeln des Körpers 
haben gemwaltige Leiftungen zu verridhten, und da diefe Mehrarbeit 
volle vier Wochen hindurch fortgejegt und dur die Milchfur unter- 
jtügt wird, fo müſſen Herz und Muskeln fi ftählen und die Bruft 
fih erweitern. Freilich ift e8 ebenfo begreiflih, daß bedeutende Ge- 
wichtszunahme bei ſolch forcierter Musfel-, Herz und Zungentätigfeit 
faum erwartet werden darf. Troßdem fonnten uns viele Kinder be- 
rihten, daß fie 2, 3, 4 oder 5 Pfund zugenommen hatten. Unter 
ihnen waren ſolche, denen vom Hausarzte eine Badefur verordnet 
worden war, die darauf täglid an unjeren Spielen teilnahmen und 
zum Schlufje, wie ung die Eltern berichteten, getroft den Strapazen 
des langen Winterhalbjahres entgegenfehen fonnten. Außerdem durften 
wir aber auch aus dem Ausfehen und ganzen Verhalten der uns An- 
vertrauten einen berechtigten Schluß auf die gejundheitlihden Wir- 
tungen unferer Einrihtung maden. Welch ein Unterjchied war da 
zwijchen dem Ausſehen des großen Haufens am eriten Morgen und 
und dem während der legten Spieltage! Wie viele Kinder erbliden 
wir bei der eriten Mufterung, die bleich und hohlwangig anfamen und 
nah dem Hinaufmarſch müde und vollftändig abgeſpannt fich aus- 
ruhen mußten! Und zum Schluß ftanden fie mit vollen geröteten 
Wangen unter den anderen Spielenden und erfreuten uns durch ihre 
frifhe Farbe und ftramme Haltung. Und wie mande hatten wir 


187 


unter unferen Pfleglingen, die infolge Schwacher Verdauung ſchon Jeit 
Monden nicht mehr durcheffen wollten und, wie das bei Anämiſchen 
jo oft der Fall ift, einer vom Arzte angeordneten Milchkur beharrlich 
widerftanden, die hier im Kreife munterer Gefährten, angeregt dur 
den Spaziergang in friiher Morgenluft, dem Beifpiele der Genofjen 
folgend, die Milchſcheu überwanden und ſchon nad) einigen Tagen 
ein und ſpäter au ihre zwei Glas Mil tranfen! Und von wie 
vielen Eltern hörten wir auf unfere Nachfragen: „Die Spiele haben ge— 
wirkt, unfer Kind ißt beffer, zeigt ſich frifcher und fröhlicher und 
Ihläft wieder die ganze Naht durch!" Damit wären wir denn im 
Gebiet der nervöfen Störungen. Da nun die Lehrperfonen in dieſer 
Beziehung nach dem heißen, erfchlaffenden Sommerjemefter mehr oder 
minder faft alle klagen, fo liegt die Frage nahe: Wie befommen den 
Lehrern und Lehrerinnen, die doch ihre Ferien dem Wohle der Jugend 
opfern, die Ferienfpiele? Ausgezeichnet, lautet unfjere Antwort. 
Denn alle Teilnehmer geftehen, daß fie fich weder in Bade nod) in 
der Sommerfrifche beſſer erholt haben als bei den Ferienfpielen. Frei- 
lich find die erften drei oder vier Morgen eine wahre Strapaze, be- 
fonder3 für diejenigen, welche für ihren Körper jo gut wie gar nicht3 
getan haben; aber von der zweiten bezw. britten Woche ab bat ſich 
der Körper an die ungewohnte Arbeit gewöhnt, und von nun an bringt 
jeder neue Morgen mehr Frifhe und mehr Nervenfraft und damit 
zugleih auch mehr Freude an den Ferienfpielen. Ganz beſonders ge- 
denke ich hierbei eines Kollegen, der feit mehreren Jahren an ſchwerer 
neroöfer Dyspepfie litt und aus diefem Grunde anfänglih nicht an 
den Ferienfpielen teilnehmen ſollte. Und wie ift es diefen Herrn er- 
gangen? Nun, anfänglich wollte auh er nah der erſten Woche 
ftreifen, denn es ging ihm jämmerlid. Jedoch, auf unfer Zureden 
bielt er aus. Und fiehe da, von der Mitte der zweiten Woche an 
ging’3, und am Schluffe fonnte er eine Gewichtszunahme von fage 
und fchreibe acht Pfund verzeichnen, und fein Magenleiden hatte fich 
zu unſer aller Erftaunen ganz merklich gebejlert. Von da an bat 
diefer Herr fich jedes Jahr zur Teilnahme gemeldet. 

Doch nun zu der erziehlichen Seite! Welche Laft den Eltern der 
Volksſchüler dadurch abgenommen wird, daß fie ihre Kinder den ganzen 
Vormittag unter der ſicherſten und natürlichften Hut willen, das ver- 
mag nur der voll zu würdigen, der die Klagen der Arbeiter, der 
fleinen Handwerfer und Gefchäftstreibenden über die langen Ferien 
des öftern gehört und in ihren beſchränkten Wohnungsverhältnifien 


188 


mehr als einmal Umſchau gehalten bat. Wenigitens für den Vor- 
mittag ift nun die vielgeplagte Mutter der Sorge um dad Tun und 
Treiben ihrer meift zahlreiden Sprößlinge enthoben; das ift gerade 
während der Zeit, wo fie derfelben am läftigften fallen. Doch laſſen 
wir die Kinder für ung reden, die fhon nad der eriten Woche zu 
jtreifen beginnen. Es find diejenigen Elemente, welche ihre Slufionen, 
die fie fich über die Ferienipiele gebildet hatten, nicht erfüllt jahen, 
weil fie mehr Freiheit und weniger Auffiht, weniger Ordnung und 
mehr Gelegenheit zu unnügen Streichen erwartet haben. Sie bleiben 
fort, weil fie fih der Zucht, der Ordnung und dem Zwange nicht 
fügen wollen, die bei den Ferienſpielen ebenfogut wie beim Unterrichte, 
wenn aud in viel geringerem Maße, unentbehrlich find. Diefe Kinder, 
denen leider alles, was an die Schule und den Lehrer erinnert, ein 
Greuel ift, wollen Ferien nad; ihrem Sinne, Ferien frei von Ordnung, 
Zudt und Zwang, Ferien, die in einem Monate mehr niederreißen, 
als ein ganzes Schuljahr mit feiner mühjeligen Erziehungsarbeit auf- 
bauen fann. Wie folche bedauernswerte Kinder verwildern, hatten 
wir während unſeres Marjches zum und vom Venusberge faft täglich 
Gelegenheit zu beobachten, wenn fie in weitem Bogen unfere friedliche 
Schar umfreiften, für Feldhüter; Bauern und Gartenbeliger eine wahre 
Plage. Bewahren und behüten vor dem verderblichen Einfluß dieſer 
Buben, das ift das erziehliche Ergebnis unferer Ferienfpiele, die zu- 
dem noch das Unterordnen unter ein größeres Ganze, feſtes Anfchließen 
an die Xehrperfon und den Gemeinfinn in gewaltiger Weife fördern. 
Und diefe Erfolge würden nad) jeder Richtung noch bedeutend größere 
fein, wenn nicht die Teilnahme aus nichtigen Gründen von feiten der 
Schüler und Eltern des öfteren unterbrochen würden, wenn nicht fo 
viele Eltern in ihrer Unmiffenheit während der Ferienzeit ein Sich» 
gehenlafjen eintreten lafjen, wodurch jede Tages- und Hausordnung 
bejeitigt wird, ſodaß viele Kinder den halben Bormittag in verbrauchter, 
ungejunder Stubenluft im Bette zubringen. 

Zum Schluſſe jei nod auf die jchlichte, aber wirklich erhebende 
Sedanfeier hingewieſen, die oben auf dem Berge angefichts unjeres 
herrlichen Stromes meiſt in unmittelbarer Nähe der ererzierenden Sol- 
daten die Herzen unjerer empfängliden Schar für Kaiſer und Reich 
höher jchlagen läßt, und die durd) eine außergewöhnliche Bewirtung 
mit Sedangebäd ſich auch font von den anderen Spieltagen unter- 
fcheidet. Eine andere große Freude wurde den Kindern im letzten 
Sabre dadurch bereitet, daß der hieſige Farnevaliftifche Verein der 


189 


Sternfchnuppen in danfenswerter Weile an zwei Tagen die Spielenden 
aus feiner Vereinskaſſe bewirtetee Die anderen Koften für Milch, 
für Honorar an die Spielleiter ufw. in Summe von 3500 ME.*) trug 
unjere ftädtifhe Verwaltung, wofür derfelben auch an diejer Stelle 
im Namen unferer Jugend der wärmjte Dank dargebradt wird. 


v II 3555553335333 


a Ingendſpiele in Die Überzeugung, daß die wahre Auf- 
den Charlotten⸗ gabe ver Erziehung barin befteht, ber förper- 
burger Gemeindes lichen Entwidelung der Kinder diefelbe Sorg- 
ſchulen und das falt zu ſchenken wie der geiſtigen, hat unſere 
Schulverwaltung bereits vor drei Jahren 
gr ba dh veranlaßt, neben den fchon beitehenden bygie- 
. gener, Char- j on ü : 
lottenburg essen niſchen Einrichtungen auch die Jugendſpiele 
zur Einführung gelangen zu laſſen. Ein 
Bortrag des Herrn Turninſpektors Hermann-Braunſchweig in einer 
Situng des hieſigen Lehrervereins, zu welcher Magiſtratsmitglieder, 
Stadtverordnete und eine Anzahl Ärzte erſchienen waren, gab einen 
träftigen Anftoß zur allgemeinen Einführung. In den verfchiedenen 
‚Stadtgegenden wurden drei Pläße in Größe von 2 ha 42 a für diefe 
Zwecke eingerichtet. Dazu kamen die von der Militärverwaltung bereit- 
willigft zur Verfügung geitellten zwei Ererzierpläge. Der Beſuch belief 
fih im erften Sabre auf rund 20000 Kinder, im folgenden Jahre jtieg 
die Frequenz auf 25235 und in diefem Sommer betrug die Beſuchs⸗ 
ziffer 32406. Ä 
| Beteiligen können fih jämtliche Kinder der Klafjen I—V unferer 
fiebenflaffigen Schulen. Gefpielt wird an allen Wochentagen, nach: 
mittags in der Regel von 4—!/26 Uhr, abwechfelnd an allen 24 Ge- 
meindejchulen. Jede Schule ftelt zwei Lehrer, bezw. Lehrerinnen, 
welchen die Leitung der Spiele obliegt. Diefelben erhalten, ebenjo wie 
der Spiel-Oberleiter, eine angemefjene Entfhädigung aus ftädtijchen 
Mitteln. Ebenfo befoldet die Stadt die Spielplagmärter und beichafft 
die Spielgeräte. Die ſtädtiſche Behörde, welche in dem Stadtſchulrat 
Dr. Neufert einen eifrigen Förderer befigt, hat für dieſe Zwecke im 


*) Diefe Summe von ME. 3500.— „für die Ferienfpiele* ift nunmehr als 
dauernde Ausgabe in den Schul-Etat der Stadt Bonn eingeftellt und anſtandslos 
bewilligt worden. 


190 


laufenden Jahr 8600 ME. verausgabt, eine Summe, die für das nächſte 
Sahr no um etwa 1000 ME. erhöht werden wird. 

Zu den font üblichen Lauf: und Ballfpielen famen in diefem 
Jahre neue hinzu: Kurnik, Tamburin, Türkenkopf und andere Fleinere 
Zauffpiele für die jüngeren Kinder. Beſonders beliebt waren neben 
Barlauf und Fußball Tamburin und Kurnif. Letzteres Spiel ift 
durh Schulrat Dr. Neufert, der e3 bei dem Spiellongreß in Königs- 
berg gejehen hatte, hier eingeführt. 

Es ift freudig zu begrüßen, daß unfere Jugend auch während der 
Sommerferien durch die Spiele Gelegenheit zu einer gefundbeitlichen 
Ausnußgung ihrer freien Zeit geboten wurde. Auf drei Plätzen tummelte 
fih die Jugend im fröhlichen Spiel. E3 wurden 7200 Teilnehmer 
gezählt, ſodaß unfere Pläge während des Sommerhalbjahres von rund 
40000 Kindern befucht wurden. Schon feit mehreren Jahren haben 
unfere ſtädtiſchen Behörden zur Freude unferer Schuljugend während 
der Wintermonate einen Spielplag zur Eisbahn einrichten laſſen, 
wo fih täglid eine gewaltige Zahl von Knaben und Mädchen mit 
ſichtlichem Frohfinn auf der glatten Fläche bewegt. 

Die Spielleiter und -leiterinnen verfammeln fi allmöchentlid) 
auf einem Plage, um fih mit dem gefamten Spielbetriebe gründlich 
vertraut zu maden. Es werden die verfchiedenften Spiele erlernt und 
bis zur Vollkommenheit geübt, eine Maßnahme, die zur Entwidelung 
der ganzen Einrichtung jehr beigetragen bat. 

Als Abſchluß des Sommerfpiellebens fand am 28. Auguft v. 2. 
auf der Radrennbahn am Kurfürftendamm das erite große Spielfeft 
ftatt, daS der Turnbezirk Charlottenburg im Verein mit allen Gemeinde- 
und höheren Schulen veranftaltet hat. Wohl fünf- bis ſechstauſend 
Zuſchauer, Vertreter des Magijtrat3, der Stadtverordneten und De 
Militärs hatten fich eingefunden und folgten den Vorführungen auf 
dem grünen Rafen des Innenraumes der Bahn mit fichtlichem Sntereffe. 
Über den Verlauf des Feſtes gibt der Bericht der biefigen „Bürger 
zeitung“ folgendes Bild: 

„Das erfte Epielfeft der Turnvereine und Schulen Charlottenburgs 
auf der Radrennbahn Kurfürftendamm nahm geitern einen in jeder 
Beziehung befriedigenden Verlauf. Wohl niemal3 hat fi auf dem 
erwähnten Plage ein fo zu Herzen fprechendes, harmloſes und doch 
kraftvolles Vergnügen abgespielt wie am geltrigen Tage. Es zeigte 
fih von Anbeginn ein fo bemwegtes Leben, wie e3 bei anderen 
Darbietungen nie erwartet werden Tann. Bei den Spielen der 


Mädchen-Volksſchulen waren etwa 400 Teilnehmerinnen angetreten, 
und ein lieblicheres Bild Tonnte kaum die hübfchen Spiele einleiten. 
Wie fie ſich grazids bewegten und doch den Winken ihrer Lehrerinnen 
ſchnell gehorchten, wie Frohſinn und Disziplin ſich paaren fünnen, das 
bewiejen diefe Darftellungen wie jene der folgenden Knaben, in denen 
die heranwachſende männliche Kraft ſchon mehr zu Tage trat. Das 
Turnen trat bei dem dann folgenden volfstümlichen Wettturnen der 
Schüler höherer Lehranftalten, der Lehrlings- und Männerabteilungen 
der Turnvereine fchärfer in Erfcheinung, dagegen zeigten die Spiele 
der Frauen- und Mädchenabteilungen, der Turnvereine und Wett: 
jpiele der Mädchenfchulen, wie der Schüler überhaupt, wieder ein un- 
gemein reizvolles, alle Zufchauer ftändig feſſelndes Bild. Der Herr 
Bürgermeifter Matting hatte recht, als er auf die herzerquidende 
Wirkung des ganzen Feites am Schluffe desfelben hinwies, ala er 
wünfhte, daß die Spiele eine gefunde Seele im gefunden Körper 
Ihaffen, und hoffentlich aljährlid die ftet3 zahlreicher erſcheinenden 
Zufchauer und Freunde der Turnerei und des Spielturnens erfreuen 
möchten. In das „Gut Heil” auf die Sieger, mit welchem er feine 
Rede ſchloß, wurde Fräftig eingeftimmt, offenbar als Rückwirkung 
des jo herrlich und fo ohne jeden irgendwie erheblichen Unfall ver- 
laufenen Feſtes.“ 

Möge diefem fchönen Anfang ein guter Fortgang beſchieden fein; 
hoffen wir, daß alljährlich ein folches Feſt wieberfehren möge. 


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8 Allerlei Stimmen Berlim. Leibesübungen an den 


ton dentſchen Hoch⸗ preußiſchen Univerſitäten. In der Sitzung 

des preußiſchen Abgeordnetenhauſes vom 11. März 
ſchulen. BLOAALAIER 1902 lenkte bei dem Fonds zur Pflege der 
& Bon Profefior H. Wicken- Leibesübungen an den Univerfitäten Abgeordneter 
bagen, Rendäburg. SESSH | Bandelom (f.) die Aufmerfjamfeit auf den 

Segen der körperlichen Ausbildung neben der 
angeftrengten geiftigen Tätigfeit. Unfere afademifche Jugend bleibe in der Taug- 
lichkeit für den Militärdienft leider Hinter dem Prozentfag in ber ganzen Be— 
völferung zurüd. In erfter Linie müßten Turnhallen an den Univerfitäten er- 
richtet werden; bis jet hätten nur Bonn, Halle und Königsberg Turnhallen. In 
England würde man über diefe mangelhafte Einrihtung ftaunen. Redner bittet 
den Minifter, diefen Fonds von 15000 Mark im nädjften Jahre zu erhöhen und 


192 


zunächſt in Berlin die Errichtung einer Univerfitätshalle und die Anftellung eines 
Turnlehrers in Audficht zu nehmen. Ferner müßte Raum für einen afademifchen 
Spielplat gefunden werben. Bei allen Neubauten von Univerfitäten müffe man 
diefe Bedürfniffe mit berüdfichtigen. In Berlin habe ſich ein Ausschuß gebildet, 
welcher diefe Sadje fördern wolle — WMinifterialdireftor Althoff erklärte, daß 
über diefe Frage namentlich über Schaffung eined Spielplages in Dahlem bei 
Berlin ſchon Berhandlungen fchmweben. 

Die Umwandlung des Grunemalds in einen Volkspark ift jebt vom Kaifer ge⸗ 
nehmigt worden. Die Entwürfe des Gartenbaudireftorg Geitner haben die volle 
Billigung gefunden und find, wie ein Lofalblatt meldet, teilweise ſchon den Minifterien 
zugegangen, um dort im einzelnen durchgearbeitet zu werden. In dem neuen „BolfS- 
park” follen vor allem weite Spielpläge gefchaffen werden. Schöne Fuße, Fahr⸗ und 
Reitwege werden den ganzen Wald durchziehen. Es foll alles gefchehen, was den 
Grunewald in eine Anlage umzufchaffen vermag, wo die Jugend fich tummeln und die 
erwachſene Bevölkerung fich ergehen und erholen fann. Dem Forft Toll jedoch fein 
Charakter als Wald bewahrt bleiben, und fein Baumbeftand wird nur infomweit gelichtet 
werden, als e8 die Anlagen von Wegen und Straßen und die Befhaffung der 
Spielpläße, die der K aifer fo ausgedehnt wie nur möglich wünfdt, 
erfordern. (off. Ztg.) NB. Sollte hier nicht das rechte Gelände für eine Turn: 
lehrer-Bildungsanftalt zu finden fein? 

Im gegenwärtigen Staatshaushalt find wiederum nur 15000 Mark für 
die Pflege der Leibesübungen an den Hochſchulen ausgejegt. Für das Schüler» 
rudern der höheren Lehranftalten in Berlin werden 105 500 ME. gefordert, und 
zwar zum Anfauf eines Grundftüds in Nieder-Schönemweide, welches als Boothaus 
Verwendung finden fol. (Iſt im Plenum am 20. März abgelehnt.) 

Ein neuer Markftein in der Gefchichte der akademiſchen Turnvereinsſpiele 
in dem meitbefannten Schönholz bei Berlin ift die Erbauung eines 
eigenen Spielhauſes. Es ift durh Sammlung im Kreiſe der Alten Herrn 
entitanden. Die feierliche Einweihung fand am 29. Mai 1902 ftatt. 

Bei der Ruder-Regatta des Berliner Regatta-Bereind auf dem Langen 
See famen am 8. Juni die Kaiferpreife zum Austrag. Den neuen Wanderpreis 
des Kaiſers für akademiſche Vierer gewann der Afademifche Ruderklub Berlin, 
während der Akademiſche Ruder-Berein, der im Vorjahre den Sieg dDavongetragen 
hatte, zweiter wurde. 

Bonn a. Rh. PBrinzen beim Fußballfpielin Bonn. Am Sonntag, 
den 26. Oftober, traf hierjelbft, am Bahnhof empfangen von feinem Bruder, dem 
Kronprinzen des Deutſchen Reiches, Prinz Eitel Friedrich zu zmweijährigem 
Beſuch der Univerfität ein. Am Dienstag, den 28., fonnte man bereit® die beiden 
älteften Söhne des Kaifer auf dem ganz frei gelegenen fıäbtifchen Spielpla im 
Keflenicherfelde mit ihren Korpsfameraden eifrig Fußball fpielen fehen. Für 
die Wertfhägung des Spiels in allen Kreifen ein neues herzerhebended Zeichen! 
Bisher fpielte unfer Kronprinz tagtäglich auf dem Spielpla des Bonner Eisklubs 
entweder Tennis oder Rad-Polo, in beiden Spielen ein nicht gewöhnliche® Maß 
von Fertigkeit und Gemwandtheit befundend. So konnte er denn auch mit Erfolg 
an den hiefigen Tennisturnieren im Sommer 1901 und 1902 teilnehmen. Es 
fteht zu hoffen, daß das gegebene Beifpiel der Ausbreitung des Fußballſpiels in 
unjerer Studentenfhaft mächtigen Borfchub leiften wird. 


193 


Böttingen. Das Jahr 1902 hat den Studierenden mancherlei nügliche An- 
regungen geboten. So find auf dem Univerfitätsfpielplate an der Kaiferallee zwei 
Spielfurfe abgehalten worden. Leiter war Herr Dr. phil. W. Wendland. Es 
galt, die Studierenden der Georgia Augusta mit den befannteften und verbreitetften 
deutfhen Turnfpielen nach Inhalt und Regeln vertraut zu maden. Zeit des 
erften Kurſus war: 31. Mai bis 13. Juli. Die Teilnehmerzahl war 110. Der 
zweite Kurſus war vom 18. Dftober bi8 zum 13. November. An ihm nahmen 148 
Studenten teil. Herr Dr. Wendland hat fich durch diefe Veranftaltungen befondere 
Verdienfte erworben. — Der neue große Spielplat am Weftabhange des Hain- 
berge3 iſt übrigens aufs fchönfte eingerichtet und mit einem Schutzhauſe verfehen. 

Greifswald. Ein Spielfurfus wurde hier abgehalten in den Tagen vom 
28. Juli bi zum 2. Auguft. Die Leitung lag in den Händen der Herren Ober⸗ 
lehrer Dr. Meder, Gymnaſialturnlehrer Schmoll und Univerfitätsturnlehrer 
Dr. Wehlit. Die Zahl der Teilnehmer betrug 17, darunter 6 Studenten. Herr 
Dr. Wehlit madt fi feit Jahren in dankenswerter und felbftlofer Weife um 
die Heranbildung von Turn- und Spielleitern verdient, was hier bejonder3 her- 
vorgehoben werden fol. 


Königsberg i. Pr. Für die Balaeftra Albertina wird die ausnahms- 
mweife Gewährung einer ftaatlidhen Beihilfe von 40,000 Mark als gerechtfertigt 
bezeichnet. Es ift in Ausgficht genommen, ein Ertraordinarium für 1904 von 
10 000 Marf vorzusehen. 


Tübingen. Dem Turnen und Spiel an der Univerfität bat die ftaatliche Für- 
forge auch in den legten Jahren in dankenswerter Weife ftetige Weiterentwidelung 
ermöglicht. Die Einrichtungen in der Turnhalle, auf dem Turn- und dem Spielplat 
haben eine den heutigen Anforderungen entfprechende Verbeflerung und Ermeiterung 
3. T. unter erheblichen Koften erfahren. Wir verfügen über eine geräumige, Iuftige 
Halle mit Eichenparkett, deren Einrihtung und Ausftrattung faum etwas zu 
wünfchen übrig läßt, einen ſowohl nad; Größe als Ausftattung und Befchattung 
allen Bebürfniffen entſprechenden Turnpla und dicht längsſeits anftoßend an 
Turnhalle und Turnplag einen Spielplag mit Raſen und Einfriedigung von 
70:80 m Ausdehnung im Geviert. Außerdem haben wir noch die Genehmigung 
des Kommandos des Inf.-Regts. Nr. 180 zur Benußung de3 Ererzierplages zu 
Spielen und für diefen Zweck einen gemieteten Umfleide- und Geräteraum. 

Den Berbefferungen der Einrichtungen unſeres Inſtituts entfprechend hat 
auch unjer Turnverein einen Fortfchritt zu verzeichnen. Die früheren wöchentlichen 
2 offiziellen Turnftunden find auf 3 erhöht und dazu Freiturnftunden (Turnen 
unter felbftändiger Leitung von verantwortlichen Vorturnern) eingeführt worden, 
um auch denjenigen Studierenden, melde durch die fortwährend wachſende Zahl 
der Borlefungen am Beſuch der offiziellen Turnftunden verhindert werden, Ge- 
legenheit zum Turnen zu geben. Die Zahl diefer Freiturnitunden ift im laufen- 
den Semefter auf 15 geftiegen. 

Das Spiel, das fi namentlih im Sommer reger Beteiligung erfreut, hat 
durch Herftellung von 2 Tennisplägen mit vollftändiger Ausrüftung einen ganz 
bedeutenden Zuwachs erfahren. Die Spiele Schleuderball, Schlagball werden im 
Sommer neben dem Turnen zu gleicher Zeit auf unjerem Spielplag und von ver- 
ſchiedenen Korporationen in felbftändigem Betrieb auf dem Crerzierplag geübt. 

Volks⸗ und Jugendſpiele. XII. 13 


194 


Die offiziellen Spielftunden, deren Zahl je nad Bedürfnis wöchentlich zwiſchen 
2—6 ſchwankt, find für Fußball als einem ſchwer und nur durch häufige Übung 
zu erlernenden Spiel rejerviert. Unfere Tennispläte, tie erft nach Vergrößerung 
unfere3 Spielplates hergeftelt wurden, jodaß den anderen Spielen räumlid) fein 
Abbruch gefchieht, find jederzeit wöchentlih 86 Stunden belegt und erfreuen fid 
darüber hinaus noch eifriger Benugung. Glüdlicherweife ift die Art des Tennis- 
ſpiels, wie fie fih auf unferen Plätzen entwidelt (Herrenipiel), eine äußerft ftramme 
und gumnaftifch befriedigende. Sturm, Univ.-Turnlehrer, Tübingen. 











IV. Spielkurſe. 


1. Die Spiellurje des Jahres 1903. 


Aufgeftelt von E. von Schendendorff, Görlitz. 
A. Lehrerkurſe. 


Angabe der Adreſſen, 
Nr. Drt Zeit der Kurfe an welche die Anmeldungen 
zu richten find. 


2 Bielefeld 24.— 30. Mai Oberturnlebrer Sr. Schmale. 


3 Bonn 24.— 30. Mai Dr. med. F. 4. Schmidt. 


Q . Gymnafialdireftor Schulrat 
4 | Braunfhweig 24.90. Mai Profeſſor D. Dr. Koldemey. 





Frankfurt a. M. 


Pr N Turninfpeftor W. Weiden- 
22.—30. Mai buſch. 







Univerfität3-Turnlehrer 
26. Juli bis 1. Auguft Dr. 9. Wehlit und 
Oberlehrer Dr. Meder. 


Greifswald i. P. 








7 | Hadersleben | 14.—18. April Oberlehrer Dunter. 

8 |Rönigsbergi. Br. | 2.9. Auguft Stadtſchulrat Dr. Tribufait. 
9 | Liegnitz | 1.—6. Juni Mn 
10 | Poſen 24.—29. Auguſt Oberturnlehrer Kloß. 












Stolp i. P. 8.—13. Juni Dr. O. Preußner. 














12 Zweibrücken 8.—15. Auguſt Lehrer Fritz Bühler. 
(Rheinpfalz) 








13* 


196 


B. Lehrerinnenkurſe. 


Angabe der Adreſſen, 
Nr. Ort Zeit der Kurje an welche die Anmeldungen 
zu richten find. 


Dr. med. %. 4. Schmidt und 
1 Bonn 1.5. Juni Oberturnlehrer Fr. Schröber. 


2 Braunſchweig Turninſpektor A. Hermann. 
Frankfurt a.M.| 27. Juli bis 1. Auguſt ————— — Weiden⸗ 


28. Sept. bis 3. Okt. Turninſpektor W. Weiden⸗ 
43rankfurt a. M.(ur Lehrerinnen am Ort) buſch. 


= 











N Lehrer Ernſt Fiſcher, 
5 Hamburg 14.—18. April Haflelbroofftraße 13. 
6 | Königsbergi. Pr. 2.—9. Auguft Stadtſchulrat Dr. Tribufait. 





7 Krefeld 2.—6. Juni Turnlehrerin Martha Thurm. 









Magdeburg 3.—8. Auguft Stadtſchulrat Platen. 





C. Sonftiges. 


l. Herr Oberturnlehrer Karl Schröter in Barmen ift aud) 
in diefem Jahre bereit, al3 Wanderlehrer an anderen Orten de 
Weſtens und Nordweſtens Lehrkurfe von einer Woche für Lehrer oder 
Lehrerinnen während der Dfter-, Pfingft- oder Herbitferien (Mitte 
Auguft bis Mitte September) abzuhalten. Verhandlungen müſſen 
frühzeitig eingeleitet werden und ſind direkt mit Herrn Schröter zu 
führen. 

2. Die Spielkurſe ſelbſt ſind koſtenfrei. Die Teilnehmer und Teil⸗ 
nehmerinnen ſind jedoch zur Einzahlung von 4 M. verpflichtet, wofür 
ihnen das 12. Jahrbuch 1903, ſowie die bis dahin erſchienenen kleinen 
Schriften und Spielregeln des Zentral⸗-Ausſchuſſes, dem Selbſtkoſten⸗ 
preife entipredhend, ausgehändigt werden. Der Ladenpreis dieſer 
Schriften beträgt 7 M. 80 Pf. 


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202 


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Jugendſpiellurſus Unter Hinweis auf früher von ihm 
der Kaiſerlichen geleitete Augendfpiellurfe machte der Ver- 
Schiffs jungendivi⸗ faſſer dem Kommando der Raiferlihen Schiffe: 
ſion zu Friedrichs- jungendiviſion das Anerbieten, einen bejon- 
ort. aeaaasanaaa pe —— —— für die Diviſion 
abzuhalten. 
Dieſer Vorſchlag wurde bereitwillig an- 
genommen und der erfte Übungstag auf 
Mittwoch, den 21. Mai, feitgefegt. Von jeder der vier Kompagnien, 
welche auch nah den Schulſchiffen Charlotte, Stein, Stoſch und 
Moltfe bezeichnet werden, beteiligten fihd 20 Mann. Während des 
Kurjus wurden leichtere und ſchwerere Spiele abmwechjelnd geübt, 
namentlih wurden die Spiele, welche ein ſtarkes Laufen erfordern, 
durch ſolche Spiele abgelöft, bei denen die Anftrengung eine geringere 
war. Diejenigen Spiele, welche eine größere Übung verlangen, wurden 
während des Spielfurfus mehrfah vorgenommen. Selbſtverſtändlich 
fonnte aber auch fo feineswegs eine volle Fertigkeit im Fauftball, Bar- 
lauf, Fußball und anderen ſchwereren Spielen erreicht werden. Aber 
dies ift ja auch nicht die Abficht der Spielfurje, welche vielmehr eine 
Anregung bieten und Luft und Liebe zur Sache ermweden wollen. 
Manche Fleinere Spiele dagegen waren den Schiffsjungen ſchon fo be- 
fannt, daß auf diefelben nur hingewieſen zu werden braudte. 

Außer dem Mittwoch (21. Mai 1902) ftand noch der größte Teil 
der nächſten Woche, vom 26.—30. Mai, zur Verfügung; an allen 
Tagen wurde abends von 6—8 Uhr geübt, und zwar unter fröhlicher 
und reger Mitwirkung der Chargierten der Kompagnien, was um jo 
höher anzujchlagen war, als die Spielübungen in die dienftfreie Zeit 
der Mannschaften fielen. 

Am Sonnabend wurden die Übungen auögefeht, weil am Sonn- 
tag, dem 1. Juli, eine Wanderfahrt für den ganzen Tag geplant war. 
Diefe Wanderfahrt wurde bei pradhtvollem Sommermwetter unter fröh- 
lihem Gefang der Teilnehmer von Friedrichsort nah dem Gehölz 
„Stodthagen” des Grafen Reventlom-Kaltenhof ausgeführt, 
welcher in dankenswerter Meife feinen Wald für diefen Tag zur Ver: 
fügung geftellt hatte. Man teilte fich zum Behufe eines Kampfſpiels 


203 





in zwei Abteilungen, von denen die eine über Dänifhenhagen, 
die andere über Felm bis an die vorher beftimmten Eingänge des 
Waldes heranrüdte. Diefer durfte von beiden Parteien aber erſt zu 
einer feitgefegten Zeit betreten werden. Dann widelte fi in dem 
Walde jelbit, der ein großes Gebiet umfaßt und von einer Au durch 
ſchnitten wird, das Kriegsſpiel unerwartet fchnell ab, indem beide 
Parteien in gerader Linie aufeinander losgingen und ſich fofort im 
Handgemenge befanden. Verſuche, den Feind durch Abfangen feiner 
Patrouillen zu ſchwächen, wurden nicht gemadt. Das lag aber wohl 
daran, daß die Beteiligten den Reiz und den Vorteil des Beſchleichens 
der feindlichen Streitkräfte noch nicht Ffannten und daher fo fchnell 
wie möglich an den Gegner zu fommen fuchten. Die zweite und dritte 
Kompagnie (Weiß) gewannen den Sieg mit 33 —21—=11 Punkten über 
die erjte und vierte Kompagnie (Rot). Weiß hatte allerdings dadurch 
einen kleinen Vorteil, daß einige fehlende weiße Bänder binzugefauft 
werden mußten, welche ftärfer waren als die übrigen und daher nicht 
fo leicht entzweigerifjen werden fonnten. Auch waren die weißen 
Bänder auf den weißen Matrofenanzügen nit ganz fo gut fihtbar 
wie die roten, jodaß die Gegner nicht immer auf den erften Blid er- 
fennen fonnten, ob ein Feind fein Band noch um den Arm hatte 
oder ob es ihm ſchon abgeriffen worden war. 

Nach einer längeren Raft in Selm, wo die Teilnehmer ſich von 
den Strapazen des glühend heißen Sommertages erholten, ging es 
mit Sang und Klang nad) Friedrihgort zurüd. Die frohen Geſichter 
der Schiffsjungen zeigten, daß denfelben ein Vergnügen geboten worden 
war, welches zu den beiten Erinnerungen ihrer Ausbildungszeit ge= 
gehören dürfte. 

Für die Verpflegung der Teilnehmer an der Wanderfahrt war 
aufs vorzüglichite geforgt. Als beliebteftes Erfriſchungsmittel murde 
Buttermilch angefehen. Bor dem Genuß von Spirituojen wurde von 
den die Wanderfahrt begleitenden Offizieren gewarnt, da alkoholiſche 
Getränfe, anjtatt nachhaltig zu erfriichen, geradezu eine Erſchlaffung 
herbeiführen. 

Am Montag, dem 2. Juni, fand vor dem Kommandeur der Kaifer: 
lichen Schiffsjungendivifion, Kapitän zur See Franz, und einer 
größeren Anzahl von Offizieren *) eine Schlußvorftellung der Abtei- 

*) Auch der Generalinfpefteur der Kaiferliden Marine, Admiral von 


Koefter, Erzellenz, deſſen Intereſſe für die Sugendfpielbemegung allgemein be= 
fannt ift, war eingeladen, jedoch leider dienftlich verhindert. 


204 


lungen ftatt, welche in raſchem Wechfel eine größere Reihe von Spielen 
vor Augen führte und ein deutliches Bild von der Mannigfaltigkeit 
der Übungen gab. 

Den Beichluß der Vorftellung bildete ein Stafettenlauf vom Ein- 
gangstor des Forts Falckenſtein bis auf den Ererzierplag der 
eigentlihen Feftung Friedrihsort. Diefer Stafettenlauf war, 
da die meilten Teilnehmer einen ſolchen noch niemal3 ausgeführt 
hatten, am Freitag ſchon einmal durchgeübt worden und verlief jeßt 
in glatter Weife. Der Ablauf von dem etwa 1250 m entfernten Fort 
Faldenftein erfolgte auf Kommando eines Unteroffizierd, welcher hoch 
auf dem Wall ftand und hier von der Feitung Friedrichdort aus dag 
Zeichen zum Beginn des Stafettenlauf3 durch Dippen einer Flagge 
am Signalmaft erhielt. Das Flaggenfignal war deshalb gewählt 
worden, weil man dabei die Zeitdauer des Stafettenlaufs genau feit- 
ſtellen konnte. Es wäre hübfh, wenn dieſer Stafettenlauf eine 
bleibende Einrichtung bei der Kaiferlihen Schiffsjungendivifion werden 
fönnte, da dann ein lebhafter Wetteifer zwifchen den vier Kompagnien 
entitehen würde. In diefem Sahre fiegte die dritte Kompagnie, und 
mit freudigem Stolze nahm der Schlußläufer der Sieger ein Lob und 
einen Händedrud ſeines Kommandeurs entgegen. Ganz erjtaunt aber 
wurde er, al3 ihm bei diefem Händedrud ein Papier in der Hand 
zurüdhlieb, welches die verlocdende Ausficht auf ein nad) den Anftren- 
gungen de3 Tages willflummenes Gläschen Bier für Sieger und Be- 
fiegte bot. Sie find fo erfrifchend befcheiden und dankbar, dieſe beran- 
wachſenden blauen ungen. 


3555555553555 5 41 FSFFFFFFFFFIFIFT 


Der erite Sp iel⸗ Schon ſeit Jahren waren in Remſcheid 
lurſus für Die ſeitens verſchiedener Lehrer Anſtrengungen 
Lehrer und Lehre- Wgemacht worden, Turnen und Jugendſpiel 
rinuen des Stadt- an den Schulen durch beſondere für Lehr— 

perſonen eingerichtete Kurſe zu heben. Alle 
Br. eigen diefe Bemühungen führten nur dazu, daß 
ſcheid 4444244 ſchließlich in einer Verfammlung des „Freien 

Lehrervereins“ ein diesbezüglicher Vortrag 
gehalten wurde. Trotz der lebhaften Beiprehung, die fi daran 
fnüpfte, blieb in der Praris alles hübfch beim alten. — Der Amts: 


205 


antritt des Kreisſchulinſpektors vorm Stein (jegt Seminardireftor in 
Genthin) belebte und mit neuer Hoffnung. Schon für die zweite 
unter jeinem Vorſitze ftattfindende amtliche Konferenz beftimmte er als 
Thema: „Die gejundheitliche und erziehliche Bedeutung der Turn- 
ſpiele“ Er war in Königsberg Augen- und Ohrenzeuge des Kon- 
greſſes für Jugend- und Volksſpiele geweſen und befaß infolgedeffen 
eine bejondere Vorliebe für diefen Zweig der Leibesübungen. Auch 
jeine Bemühungen blieben vorläufig fruchtlos. Es bedurfte noch eines 
ftärferen Anftoßes, um Bewegung in die Sade zu bringen. Diefer 
erfolgte bald. Ende des Jahres 1901 befprach gelegentlich einer Re— 
vifion Herr Regierungsrat Dr. Duehl mit mir die Einrichtung von 
Turn und Spielfurfen. Bald darauf, am 12. Januar 1902, erjchien 
das Schreiben des Zentral-Ausfchuffes zur Förderung der Volks- und 
Sugendipiele. Die Beantwortung des beigefügten Fragebogens ergab 
für unfere Stadt ein Flägliches Refultat.e Außer an den höheren 
Schulen fand das Turnſpiel nur an einer einzigen Volksſchule, und 
auch dort nur in den beiden oberen Klafjen, eine nennenswerte Pflege. 
Auf Grund des Berichtes des Herrn Regierungsrates und dieſes Rund- 
Ihreiben? des Zentral-Ausſchuſſes lud Herr Kreisfchulinspeltor vorm 
Stein mich zu einer Beiprehung mit den Schulleitern ein. Das Er: 
gebnig dieſer Beiprehung war eine allgemeine Lehrerverfammlung. 
In derjelben hielt ich einen Vortrag über die Notwendigkeit einer 
tiefer greifenden Pflege der Leibesübungen im allgemeinen und des 
Turnſpiels im befonderen, ſowie über die Einrichtung von Spielkurfen. 
Der Erfolg war ein prädtiger, die Einrihtung von Spielkurjen To- 
wohl für Lehrer als aud für Lehrerinnen war gefichert. Mit der 
Leitung beider Kurſe wurde Schreiber dieſes betraut. 

Bereitwillig ftellte die Stadt 150 ME. zur Beihaffung der not- 
wendigen Spielmittel zur Verfügung. Ebenſo wurde fofort der ſchöne 
Raiferplag und fpäter der große neue Spielplag in den ftädtifchen 
Anlagen zur Benugung überlaffen. Die Sache Tonnte ihren Anfang 
nehmen. Die Lehrerinnen begannen bereit3 am 12. März mit den 
Übungen. Sie haben feit jener Zeit bis zum Beginne der Herbft- 
ferien allmöchentlich zwei Stunden fleißig geübt. Grundjag war es, 
nur wirkliche Turnfpiele — Lauf» und Ballipiele — einzuüben. Alle 
Reim- und Singfpielden wurden von vornherein ausgeſchieden. Es 
gelangten insgeſamt 33 Spiele zur Einübung. Schon bald murden 
die Fräftigeren Spiele, als Fauftbal, Schlagball ohne und mit Ein- 
ſchenker, Ball mit Freiftätten, Feldball, Barlauf u. ä., bevorzugt. Auch 


206 


wurden die Damen mit den gebräudlichiten Schritt: und Hüpfarten 
des Mädchenturnend bekannt gemadt. Anfänglich beteiligten fich 
18 Damen. Zwei traten bald zurüd, da ſie die Anftrengungen des 
Laufes nicht ertragen zu können glaubten. Die übrigen haben mit 
Luſt und Liebe zur Sache ausgehalten. ' 

Am eriten Dienstag nad) den Dfterferien, am 8. April, begannen 
auch die Lehrer, 46 an der Zahl, mit dem Spiel. Auch fie haben, 
ob die Witterung gut oder ſchlecht war, das Spiel ununterbrochen bis 
zu den Herbftferien geübt. Bei gar zu ſchlechtem Wetter wurde die 
Turnhalle des Turnvereins Jahn benugt. Es gelangten 43 Spiele 
zur Einübung. Doc erfreuten ſich auch bier nur die fchönen Kampf: 
fpiele einer befonderen Pflege. Schlagball ohne und mit Einfchenker, 
FZauftball, Barlauf, Schleuderbal, Feldbal und Fußball wurden an 
jedem Spielnahmittag gewünſcht. Meiſt machte erſt die Dunfelbeit 
nem fröhlichen Treiben ein Ende. Etwa achtmal wurden zu Beginn 
auch Ordnungsübungen und im Anfchluffe daran Stab: oder Hantel- 
übungen geturnt. Daß diefer rein turnerifche Teil vielen eine will: 
fommene Zugabe war, geht daraus hervor, daß eine große Anzahl 
von Lehrern eine fchriftliche Aufzeichnung der Übungen wünfchte, um 
fie im Turnunterricht verwerten zu können. Nad dem Spiel wurde 
fodann in Vorträgen und Beſprechungen das ganze Gebiet des Spiels 
erörtert. — Wenn die Spielfertigfeit jelbftverftändlich noch feine voll: 
endete ift, jo hat fich diefelbe Doch zufehends entwidelt. Damit ift 
aber auch die Freude am Spiel in gleihem Maße gewachſen. Etwa 
30 Lehrer und jämtliche Lehrerinnen haben den Wunſch ausgedrüdt, 
dauernd die Sache zu pflegen, im Winter zu turnen, im Sommer zu 
fpielen. Der Einfluß des Kurfus auf den Turn- und Spielbetrieb 
an den Schulen ift ein ausgezeichneter. Faſt täglich wurden die von 
der Stadt beſchafften Spielgeräte entliehen, ſodaß ich jelten allen An- 
forderungen entſprechen konnte. An einigen Schulen hat man aus 
privaten Mitteln Spielgeräte zu bejchaffen gewußt. Die meilten Schul- 
leiter aber beantragten bei der Stadt die Beichaffung von Spiel- 
mitteln. Seitens derfelben wurde nun für jede Schule des Stadt: 
kreiſes ein Fauftball, ein Schleuderball, ein mit Leder und Bolfterung 
umbhüllter Schlagbal und das Büchlein von Kohlrauf und Marten 
beſchafft. So darf man wohl hoffen, daß die Spielfahe jett auf 
unjeren Bergen einen guten Fortgang nimmt. Das einzige Hindernis 
ift noch der Mangel geeigneter Plätze. Doch auch hierin ift ein guter 
Anfang gemacht. Um ihr dauernden Beitand zu fihern, ift unfer: 


207 


jeit3 die Wiederholung von Kurſen, die Einrihtung von Ferienfpielen, 
Ferienwanderungen und eines Spielfefte3 in? Auge gefaßt morden. 
Durch letteres jollen vor allem die Eltern und Stadtverordneten für 
unfere Sache gewonnen werden, um fo eine fichere Grundlage für die 
weitere Ausbreitung des Spiellebens in unferer Stadt zu gewinnen. 
Wenn nicht alles trügt, wird fich demnädjft bier ein allgemeines Spiel- 
leben entwideln. Denn ſchon hat das Beifpiel der Lehrer gewirkt. 
Auf dem großen Spielplage in den ftädtifchen Anlagen fonnte man 
faft allabendlich während der Sommerinonate jüngere und ältere Leute 
jehen, die fi) den Freuden des Spiels hingaben. 

Eine hohe Ehre und eine große Freude zugleich wurde ung durd) 
den Bejuch des leider allzu früh verfchiedenen NRegierungspräfidenten 
Herrn v. Holleufer zu Teil. Am 10. Juni hat derfelbe, begleitet vom 
Herrn Regierungsrat Dr. Duehl, Herrn Oberbürgermeijter Nollau und 
den Beigeordneten, Herren Ziegler und Hafenclever, 1!/e Stunde 
unferen Übungen beigewohnt. Höchſt befriedigt ſprach er allen Be- 
teiligten feinen Dank aus und verabjchiedete ſich von jedem einzelnen 
durch einen Händedrud. Gefreut haben wir uns, vor unſeren Gäften 
Zeugnis unferes Strebens ablegen zu können, beſonders aber darüber, 
daß man auch behördlicherjeit3 der von uns liebgewonnenen Sache 
eine ſolche Wertſchätzung entgegenbringt. 

Möge nun auf unjeren Bergeshöhen ſich bald ein allgemeines, 
frifch- fröhliches Spielleben entwideln. Iſt dasjelbe doch fo recht ge- 
eignet, Lebensluſt und Lebensmut, Schaffenskraft und Schaffensfreude, 
die leibliche und geiftige Gejundung unseres Volkes zu heben und 
zu fördern. 


SFFFFFFFFIFFFTFT I 35TF5F55F5F5333 3533 


Eriter Spiellurſus Vom 1.—6. Auguſt 1902 wurde in 
zur Ausbildung von Bismarckhütte ein Kurfus zur Ausbildung 
Lehrern und Lehre- von Lehrern und Lehrerinnen in der 
rinnen im ſchleſi⸗- Leitung von Volks- und Jugendipielen 
ſchen Induſtriebezirk abgehalten, an dem 9 Damen und 33 Herren, 


3 ſämtlich aus Oberſchleſien, teilnahmen. 
GBismarchütte) 1. Welch großer Beliebtheit fih die Spiel- 
bis 6. Auguſt 1902. bewegung auch in Oberſchleſien erfreut, 
Gymnaſialturnl. Martin heweiſt der Umftand, daß mehrere An- 

erite, Liegnit. ERREEES meldungen nicht "berüdfichtigt werden 


208 


fonnten. Die Empfangsverfammlung fand in dem feftlich geſchmückten 
Saale des Rohrwalzwerkes der Bismardhütte ftatt, welchen Herr 
Kommerzienrat Kollmann in, dantenswerter Weife den Teilnehmern 
zur ausſchließlichen Benugung überwieſen hatte. Im Auftrage des 
Herrn Kreisſchulinſpektors Wiercinski-Königshütte hieß Herr Haupt: 
lehrer Steuer-Bismardhütte alle Anweſenden, insbefondere den Leiter 
bes Lehrganges, Herrn Gymnafialturnlehrer Gerfte-Liegnig, herzlich 
willflommen und ſprach die Hoffnung aus, daß der Kurfus von Segen 
begleitet fein möge ſowohl für die Teilnehmer ald auch für die ihnen 
anvertraute deutfche Jugend. Darauf folgte die Eröffnung des Lehr- 
ganges durch den Leiter desjelben, der an dem Breslauer Spielkurſus 
(Mai 1895) unter Herrn Direftor Kramped und an zwei Braun- 
Schweiger Spielfurfen (Mai und Suni 1900) unter Herrin Turn: 
infpeftor Hermanns vorzüglidher Leitung teilgenommen 
hatte. An feiner Begrüßungsanfprache fennzeichnete Herr Gerite das 
Verhältnis von Turnen und Spiel zueinander, bob die auf gefund- 
heitlider und erziehlicher Seite liegenden Vorzüge des letzteren hervor 
und Schloß unter Hinweis auf die Devife des Zentral-Ausſchuſſes: 
„Pro patria est, dum ludere videmur!“ mit einem begeiftert auf: 
genommenen „Gut Heil!” auf das deutfche Vaterland und feinen er: 
babenen Schirmherrn Kaifer Wilhelm I. 

Nah Erledigung einiger gejchäftlicher Angelegenheiten nahmen 
die Spiele fofort ihren Anfang. An einen einleitenden Vortrag des 
Leiter über die Bedeutung des Laufs und der Lauffpiele ſchloß fich 
die Einübung der im Leitfaden für den Turnunterricht in den preußi- 
Then Volksſchulen 1895 befchriebenen Laufſpiele. Außerdem gelangten 
noch die folgenden, welche im Leitfaden nicht angegeben find, zur Be- 
ſprechung und Einübung: Das Mauerbrechen; die chineſiſche Mauer; 
Räuber und Nonnen; Tag und Nacht; ringender Kreis; einfache Wett- 
laufarten in der Kreisbahn und in gerader Bahn und Stafettenlauf. 

Als Übungsplag diente die große Wiese, die vor dem Rohrwalz- 
werk liegt. Der fehr umfangreiche Übungsftoff, der in fünf Tagen in 
der Zeit von 8—12 Uhr vormittags und 4—6 Uhr nachmittags zur 
Erledigung fommen mußte, wurde nach folgenden GefichtSpunften ver: 
arbeitet. Nach vorangegangener kurzer Erklärung des Spieles und 
Bejchreibung der für dasfelbe erforderlichen Geräte erfolgte die Ein- 
übung. Am Schluß der Übung fand eine Zufammenftellung der ge- 
machten Erfahrungen und der angewandten Regeln ftatt; auch andere 
ortsübliche Spielformen wurden dabei erwähnt. 


209 


Als zweite Gruppe ftand die Einübung der Ballfpiele auf dem 
Programm, das Schon acht Tage vor Beginn des Lehrganges jeder 
Teilnehmerin und jedem Teilnehmer vom Xeiter überjfandt worden 
war, und bei deilen Aufitellung und Ausführung die Anfprüche der 
teilnehmenden Damen in gleihem Maße beachtet wurden als die der 
Herren. Da die Ballfpiele unter allen Bewegunggfpielen ſowohl für 
Knaben als au für Mädchen zu den hervorragenditen und wichtigiten 
zählen, fo wurde der Einübung derjelben ein breiter Raum in dem 
aufgeftellten Verzeichnis zugebilligt. Ihr ganz bejonderer Reiz rüdt 
aber erit dann in den Vordergrund, wenn gute Werfen und Fangen 
der Bälle von den Spielenden als Fertigkeiten beherrſcht werden. 
Deshalb wurde die Schule des Werfend und Fangens mit dem Kleinen 
und großen Balle ala Vorbereitung zu der erften Art der Ballipiele, 
den Wurf- und Fangballfpielen betrachtet, von denen folgende 
geübt wurden: Der Königin-Bal; Foppbal; Wanderball im Kreije 
(Ned: oder Kreiswanderball); Wanderball mit Zuwerfen (Kreiswurf- 
ball); Wanderbal in der Gaffe; Wettwanderball in der Gaſſe; Ball- 
jagd; Jagdball; Ballraten; Zielmerfen mit dem kleinen Balle; Steh- 
ball, Eckball; Grenzball; Stoßball; Korbball; Schleuderball. 

Als Vorbereitung zu der zweiten Art der Ballipiele, den 
Schlagballfipielen, wurden Übungen im Ballfchlagen, »fangen 
und Einſchenken vorgenommen. Bon den eigentlihen Schlagballipielen 
gelangten folgende zur Darftelung: Deutſcher Schlagbal; Schlagball 
mit Freiftätten; Rundum; Feldbal. Die Hin- und Rückſchlag— 
jpiele: Hüpfball; Rolball; Fauftbal; Tamburinball, boten, wie die 
vorher erwähnten, für die Teilnehmer viel Anziehendes und erregten 
das Intereſſe derjelben in erhöhtem Maße, weil dieje Spiele ihnen 
faft durchweg unbelannt waren. 

Bon der dritten Art der Ballfpiele, den Fußballſpielen, 
wurden folgende geübt: Kreisfußball; Burgball; Fußball. 


Die dritte Gruppe: Fangreifenfpiele lafien fih ganz ähn- 
ih wie die Spiele Wanderball und Balljagd geftalten und gaben be- 
ſonders den teilnehmenden Damen Gelegenheit, ihre Gejchidlichkeit zu 
zeigen. | 
Die vierte Gruppe: Ziehlampfipiele, die mehr eine Wett- 


fampfart al3 Spiel im eigentlichen Sinne bezeichnet, wurde als her- 


vorragende Leibesübung ebenfalls in Pflege genommen. 
Volks⸗ und Jugendfpiele. XII. 14 


210 

Die volfstümlihen Übungen: Kugel: und Steinftoßen, Kugel: 
ſchocken, Hürdenrennen, Disfuswerfen, deutſcher Dreifprung, Schleuder- 
ballweitwerfen, Stabhochſprung und Gerwurf konnten infolge Fehlens 
einiger Geräte bezw. des nicht dazu geeigneten Platzes nur teilweise 
geübt werden. Doc wurde eine Beſprechung diefer Übungen und 
ihrer Wertung nach den Beitimmungen der deutſchen Wettturnordnung 
vorgenommen und vom Xeiter betont, daß nichts geeigneter erjcheint, 
dag Intereſſe der großen Maſſe für unjere edle deutfche Turn: und 
Spielſache zu gewinnen, als vollstümliche Wettlämpfe. Ein unbeftreit- 
barer Vorzug derjelben dem Gerätturnen gegenüber liegt darin, daß 
fie in ausreihendem Maße nur draußen in freier Luft, in Licht und 
Sonne betrieben werden fünnen. 


Bei dem allabendlich ftattfindenden, gejelligen Beifammenfein 
wurden neben ber berrfchenden Fröhlichkeit auch Fragen, die ſich auf 
den Spielbetrieb bezogen, in zwangloſer Weiſe erörtert. Desgleichen 
gab der Kurfugleiter auch ein kleines Bild von der Maul'ſchen Turn- 
methode, die er bei feiner turnerifchen Spnformationsreife nach Baden 
im Sahre 1901 aus eigener Anjchauung kennen und würdigen gelernt 
hatte. Eine weitere theoretifhe Belehrung der Kurfiftinnen und Kur- 
fiften erfolgte noch durch einen Vortrag des Leiters über Schlagball- 
jpiele und nad erfolgter Befihtigung der von der Firma Dollffs 
& Helle-Braunſchweig im Hüttengafthaug auf Anregung des Leiters 
ausgeftellten Spielgeräte durch eine Beichreibung und Erklärung ge: 
nannter Geräte. 


Den Teilnehmern und Teilnehmerinnen wurde eine Bejcheinigung 
über die Teilnahme am Lehrgange ausgehändigt, desgleichen ein Jahr—⸗ 
buch 1902, neun Hefte Spielregeln, je ein Eremplar: Ratgeber zur 
Einführung der Volks- und Jugendſpiele; Anleitung zu Wettkämpfen, 
Spielen und turnerifehen Vorführungen; Handbuch der Bewegung?- 
ipiele für Mädchen. Unfälle find nicht vorgefommen. Die Mode- 
Fleidung der teilnehmenden Damen, hohe Abſätze, Korjett3 u. dergl., 
wirfte jehr ftörend beim flotten Spiel und binderte die Damen an 
der vollen Entfaltung ihrer Kräfte. Mehreremal fahen wir bei unferer 
Arbeit werte Säfte. So befuchten am zweiten Spieltage Frau Kom: 
merzienrat, am britten Herr Rommerzienrat Kollmann und am vierten 
Herr Kreisſchulinſpektor Wiercinski-Königshütte den Spielplag. Am 
legten Tage wurde mir die hohe Ehre zu teil, vor einer Anzahl hoch— 
geftellter Perfönlichkeiten die bisher erlangte Spielfertigfeit der Teil- 


211 


nehmer durch Vorführung mehrerer Spiele zeigen zu können. Den 
Eindrud hatte jeder von den Zuſchauern mitgenommen, daß diefe 
turnerifche Spielarbeit, die zwar im Gewande jugendlicher Freude ein- 
bergebt, doch Arbeit in des Wortes wahrfter Bedeutung ift und ein 
bedeutende8 Maß von Kraft, Mut, Gemwandtheit, Entjchlofjenheit, 
Selbftlofigfeit und freiwilliger Unterordnung von denen fordert, die 
ih ihr widmen, wenn durch diefelbe eine Verwirklichung des Zieles 
angeftrebt werben fol, das ausklingt in den Worten: „Dur Übung 
des Leibes zur Gefundung des Volkes an Leib und Seele!" An 
fnüpfend an diefen Gedanken ſprach der Leiter im Namen aller der 
Behörde wie deren anweſenden Vertretern und dem edelgefinnten 
Herrn Kommerzienrat Kollmann ergebenjten turnerifhen Dank aus und 
Ihloß den Lehrgang mit einem begeiftert aufgenommenen „Gut Heil!” 
auf unjeren erhabenen, geliebten Kaifer Wilhelm II. Herr Rektor 
Bronny-Schwientochlowitz ſprach der Behörde ebenfalls Dank aus und 
verficherte, daß die Teilnehmer das hier Gelernte zu Nu und Frommen 
der lieben deutfchen Jugend verwerten würden. Zugleich ließ er die 
lobenswerte Abfiht durchbliden, die Teilnehmer zu einem Eleinen Ver- 
bande zufammenzufchließen, um einmal in dauerndem Zuſammenwirken 
fih den Genuß einer erfrifchenden Bewegung zu fihern, und zum 
andern dag bisher Erlernte zum Segen der Schule noch feiter dem 
Gedächtniſſe einzuprägen. (Diefe Abficht ift nach den mir zugegangenen 
Mitteilungen dur) die Bildung einer „Spielvereinigung im ober- 
ſchleſiſchen Induſtriebezirk“ bereits zur erfreulichen Tatfache geworden. 
Dieſe Spielvereinigung erfreut ſich des bejonderen Wohlmollens der 
Töniglichen Regierung zu Oppeln und zählt zur Zeit 70 Mitglieder.) 
Herr Schulrat Köhler-Oppeln und Herr Kreisfchulinpeftor Wiercingfi- 
Königshütte gaben in beredten Worten ‚ihrer Freude über den Verlauf 
des Gejchauten Ausdrud und ermahnten zum rüftigen Vorwärtsſchreiten 
auf dem betretenen Gebiete. Eine Abjchiedsfeier im Hüttengafthaug 
vereinigte noch einmal die Teilnehmer. In zündender Rede gedachte 
Herr Kommerzienrat Kollmann der geichichtlichen Ereigniffe der Auguft- 
tage des Sahres 1870 und bradte ein „But Heil!” dem deutjchen 
Vaterlande.e Muſikaliſche und deflamatorifche Vorträge ſowie ver- 
Ihiedene Anſprachen hielten Säfte und Teilnehmer big zu vorgerüdter 
Stunde zufammen. Der XLeiter des Kurſus ſprach allen, die ihre 
Kräfte in den Dienft der guten Sache geitellt, insbeſondere den Teil- 
nehmern, die dem Spiel al3 notwendiger Ergänzung des Turnens ein 
jo reges Intereſſe entgegengebradht hatten, herzlichiten Dank au. An 
14 * 


212 


den verdienftvollen Vorfigenden des Zentral-Ausfchufles, Herrn von 
Scenfendorff-Görlig, an Herrn Regierungd- und Schulrat Köhler: 
Oppeln und Herrn Seminardireltor Hoffmann: Paradies, wurden Be: 
grüßungstelegramme gefandt. Nach diefem gelungenen Verlaufe des 
Kurfus, bei dem Behörde und Teilnehmer gleih großes Intereſſe 
zeigten, dürfte e8 nicht unwahrfcheinlich fein, daß der erite Kurfus nur 
als Anfang zu betrachten ift. Den folgenden aber entbiete ich fchon 
heute ein herzliches „Gut Heil!” ala Gruß und Segenswunfd. 














V. Statiſtik. 


Nur in der eigenen Kraft ruht das 
Schidjal jeder Nation. Moltte. 


— Wenn dies im Jahre 1880 im 
Reichstage geſprochene, auf langjähriger, 
aaa Die Volls- und in Krieg und Frieden errungener Erfah— 
Jugendſpiele in den rung begründete Wort des großen Denkers 
deutſchen Orten mit und Feldherrn heute im deutſchen Volke 
mehr als 5000 Ein— — re —— 
erfährt, als es bis zum Anfange der neun— 
wohnern i. J. 1902. ziger Jahre des vorigen Jahrhunderts der 
Nach der Erhebung vom 12. Ja— 
nuar 1902 bearbeitet von R. A. Fall war, ſo iſt dies neben einer Reihe 
Graf zu Leiningen, Berlin. anderer auf die Erhöhung der Volkskraft ge- 
richteten Beftrebungen auch nicht unweſent— 
lih dem Zentral-Ausſchuſſe für Volks- und Jugendſpiele zu verdanken. 
Die rührigen Beitrebungen des Zentral-Ausſchuſſes find jchon 
heute troß vielfeitiger Hemmniſſe vom ſchönſten Erfolge gekrönt. Nicht 
nur an leitender Stelle feiten der Regierungen, Gemeinde- und Schul- 
behörden erkennt man heute den hohen Wert des Jugendſpieles an, 
fondern auch in allen Schihten der Bevölkerung hat fich diefe Über- 
zeugung Bahn gebrochen, und freudig hat die deutjche Jugend den 
Ruf aufgenommen; denn noch lebt ja in ihr die altgermanifche Liebe 
für förperliche Übungen. Aber noch kann der Zentral-Ausfhuß nicht 
auf feinen Zorbeern ruhen. Bewegung ift Leben, und wie in allem, 
jo muß auch bier der Wahlſpruch lauten: „Raften heißt Roften.“ 


* * 
* 


214 


Über den jeweiligen Stand des Sugendfpielbetriebes in den 
Säulen find von Zentral-Ausfhuffe ſchon mehrfah Erhebungen ver: 
ftaltet worden. In erfter Linie intereffieren uns bier die 1894 auf die 
höheren Lehranſtalten, Lehrerfeminare und Präparandenanitalten und 
1895 auf die Lehrerinnenfeminare, höheren Mädchen: und Mäbdchen- 
Mittelfehulen im Deutichen Reih, 1896 auf die Volksſchulen in 
Preußen eritredten Umfragen, da fie zum Vergleiche mit der vor- 
liegenden Statiftif herangezogen werden können. Sie find ſämtlich 
von dem Mitgliede de3 Königlich preußifchen ftatiftifchen Bureaus, 
Dr. von Woikowsky-Biedau, bearbeitet und in der Zeitjchrift diefer 
Behörde, Jahrg. 1895, fowie im Jahrb. f. Volks- und Jugendſpiele IV. 
1895, bezw. V. 1896 und VI. 1897 veröffentlicht worden. Ergänzend 
ſchloß fich hieran eine 1899 erhobene, vom Verfaſſer diefer Zeilen im 
Sahrb. IX. 1900 beiprochene Statiftif der Spielpläge in den deutjchen 
Drten mit mehr als 5000 Einwohnern für die Jahre 1890—1900. 

Die Ergebniffe diefer Erhebungen führten zu der Erkenntnis, daß 
einerfeit3 der pflichtmäßige Turnunterricht ſich nicht überall die An- 
leitung zum Sugendfpiel in genügendem Umfange angelegen jein läßt, 
anberjeit3 der immerhin zeitlich fehr beſchränkte Spielbetrieb in den 
Turnftunden zur volllommenen Einbürgerung der Spiele keinesfalls 
ausreicht, daß vielmehr zu deren Vertiefung und Befeftigung die Ein- 
rihtung bejonderer Spielftunden außerhalb bes pflichtmäßigen Unter: 
richts als unerläßlich erfcheint. Um nun ein Elares Bild des gegen- 
wärtigen Standes der Spielbewegung gewinnen und auf deijen Grund- 
lage die zur Erreihung des vorangedeuteten Zieles erforderlichen bezw. 
zwedmäßigen Maßnahmen feititellen zu können, erließ der Zentral- 
Ausſchuß im Januar 1902 Rundfchreiben nebſt beigefügten Frage: 
bogen an die Magiftrate der deutfchen Städte mit mehr al3 5000 Ein- 
wohnern fowie an die oberſten ftaatlichen Aufficht3behörden der Schulen 
(Unterrichtäminifterien, Regierungen, Provinzial-Schulfollegien). Wir 
lafjen den an die Magiftrate verfandten Fragebogen im Wortlaute 
bier folgen. | 


Fragebogen. 
Datum . x. ... 
I. In den nachfolgenden Schulen werden Jugendfpiele innerhalb 
des pflichtmäßigen Unterrichts 
1. ſchon gelehrt? 
2. zur Zeit noch nicht gelehrt? 


215 





a. in Knabenfchulen *). 
b. in Mädchenfchulen *). | 
II. Sn den nachfolgenden Schulen ift den Schülern bezw. den Schüle- 
rinnen Gelegenheit gegeben, die Sugendfpiele außerhalb des 
pflihtmäßigen Turnunterrichts regelmäßig zu üben und zu 
pflegen: 
a. in Knabenfchulen **). 
b. in Mädchenſchulen **). 
Ill. Sit der Befuch der unter II. aufgeführten Jugendſpiele 
1. freiwillig? 
2. pflihtmäßig? 
3. Werden die Spiele 
a. nur in der Sommerzeit oder auch 
b. an geeigneten Tagen im Winter abgehalten ? ***) 
Der Magiitrat. 


Sm Gegenfage zu den oben erwähnten früheren Umfragen eritredt 
ih die jegige auf fämtliche Höheren, mittleren und Volks-, auf 
Knaben: wie auf Mädchenfchulen, ift alfo geeignet, ein zeitlich ein- 
beitliche8 Bild von dem gegenwärtigen Stande und — wenigſtens 
großenteild — auch von den Fortfchritten der Jugendſpielbewegung zu 
gewähren. Die Bearbeitung der bereit3 im Sommer vorigen Jahres 
eingegangenen Berichte erlitt leider durch Erfranfung des Verfaſſers 
eine unliebfame Verzögerung, jodaß fie erft jegt zur Veröffentlichung 
gelangen kann. 


Die Unterlagen der Arbeit. 

Wie bei jeder ftatiftifchen Erhebung, fo haben auch hier drei Um- 
ftände zuſammengewirkt, um die Volftändigkeit des Berichtsmateriales 
zu beeinträchtigen, e3 jomit lüdenhaft zu geftalten: Bequemlichkeit, 
eine (befanntlic weit verbreitete) Abneigung gegen alle ſtatiſtiſchen 





*) Bei der Frage J ift Hinter den einzelnen Schulen mit „l* oder „2” 
anzufügen, welche der zwei geftellten Fragen zutreffen. 

**) Bei der Frage II ift hinter den einzelnen Schulen die Zahl der 
Klaffen, denen Gelegenheit zum Spiel neben dem Turnunterricht gegeben iſt, ala 
einfache Zahl anzufügen. Welche Klaffen das find, ob obere oder untere, fommt 
bier nicht in Betracht. Parallelllaffen werden mitgezählt; 3. B. Volksſchule 6. 
Gymnafium 12 u.f.f. re | 
***) Bei der Frage III find die nicht zutreffenden Einzelfragen zu durch⸗ 
jtreichen. 


216 


Erhebungen und — last not least — ein oft ſchwer begreifliches 
Mißverftehen der Frageltellung. Diefer legtere Punft hat bei den 
Magiftratsberichten beſonders Hinfichtlich der Frage I den Wert der 
Beantwortung in vielen Fällen weſentlich beeinträchtigt, worauf wir 
noch zurüdzulommen haben werden. Es muß bei diefer Lage der 
Dinge von vornherein betont werden, daß die vorliegende Statiftif 
feinen Anſpruch darauf erheben Tann, vollftändig und inhaltlich er- 
Ihöpfend zu fein, ein Ziel, da3 überhaupt nur unter amtlidem Drude 
zu erreichen gewejen wäre. Für den von dem Zentral-Ausſchuſſe ver- 
folgten Zwed fommt e3 aber auch hierauf nicht fo fehr an, als darauf, 
ein charafteriftifches Bild der Verhältniffe und Handhaben für meitere 
FSörderungSmaßnahmen zu erhalten; hierfür dürfen die Unter: 
lagen al3 ausreichend eradtet werden. 

Um gleich die Lücken vorweg zu fennzeichnen, fei zunächſt bemerkt, 
daß Hohenzollern und Waldeck überhaupt nicht vertreten find. Von 
den in die Umfrage einbezogenen Magiltraten haben 370 nicht geant- 
wortet. Sonderberichte von Anftalten fehlen ferner von Medlenburg- 
Strelig, Braunſchweig, Sachjen: Meiningen und Altenburg, Anhalt, 
Schwarzburg-Rudolftadt. Über die Stadt Bremen felbft liegt gar fein 
Bericht vor, nur von Bremerhaven. Die Hamburger Schulbehörde hat 
den Bericht des dortigen „Vereins für Jugendfpiel und Handfertigfeit“ 
für das Jahr 1900 gejandt. Der Magiitrat von Berlin hat an Stelle 
einer zahlenmäßigen Überficht der Schulen einen Bericht des Oberturn- 
wartes eingereicht. 

Sehr ftörend wirkte e8 bei der Bearbeitung, daß zahlreiche Ge- 
meindeverwaltungen ſich damit begnügt haben zu jagen, das Spiel 
werde ein jämtlichen Schulen gelehrt; nur in einzelnen Fällen und bei 
einzelnen Gruppen erſchien eine Ergänzung aus anderen Quellen 
möglih und zuläſſig. 

Befondere Achtjamfeit erforderte das öfter vorfommende Mißver: 
ftehen der Frage I des an die Gemeinden verjandten Fragebogens. 
Sie ilt 3. T. fo aufgefaßt worden, al3 wenn die Unterfragen a und b 
ausschließlich zu 2 gehörten, alfo nur die Schulen ohne Spielbetrieb 
nambaft zu machen feien, was zumeift auf Außeradhtlaffung der 
erläuternden Anmerkung (*) berubte. Andere wiederum haben die 
Hauptfragen beide ftehen laffen und nur hinter a bezw. b eine „2“ 
gefegt; wo der übrige Inhalt des Berichtes feinen Aufihluß gab, 
mußte es zweifelhaft erfcheinen, ob nicht hiermit 2 Schulen gemeint 
und, bejahenden Falles, ob fie zu 1. oder 2. zu rechnen feien, oder ob 


217 


damit eine Verneinung im Sinne der Unterfrage 2 beabfichtigt war. 
Es traten noch andere Varianten zu Tage, die wir nicht alle aufzählen 
wollen. Vielleicht wären diefe zu Zweifeln Anlaß gebenden Antworten 
zu vermeiden gemwefen, wenn man die Unterfragen a und b ſowohl zu 
1 als auch zu 2 geitellt hätte; die (manchmal in den Berichten ver- 
fäumte) Kennzeihnung der Schulen durch „1“ oder „2" gemäß der 
Anmerfung (*), die ſchon an fich leicht Irrtümer verurfachen Tonnte, 
wäre dann meggefallen und die Überfichtlichfeit der Antwort hätte 
zudem weſentlich gewonnen. Auch die Frage III, die durchaus Far ift, 
wurde merfwürdigerweife von manchen falſch aufgefaßt und auf die 
Frage I bezogen. Bei der Beantwortung der Frage II hat fich leider 
in zahlreichen Fällen nicht erfennen laffen, ob die Gelegenheit regel- 
mäßig und ob fie von feiten der betreffenden Schule (alfo nicht durch 
private Spielvereine oder nur dur das Vorhandensein eines Spiel- 
plates uſw.) gegeben if. Die Zahl der Berichte, die betreff3 der 
Zeitung der Spiele und über die befonderen Spieljtunden genauere 
Angaben enthalten, ift fo unverhältnismäßig gering, daß eine Zus 
fammenftellung diefer Punkte als ftatiftifch wertlos unterbleiben mußte. 

Zum Verftändnis des Tabellenteiles ſei noch bemerft, daß die in 
einzelnen Fällen zu findenden Punkte an Stelle von Zahlengrößen 
ftehen, die zweifellos vorhanden, aber nicht befannt find. 

Wie die Tabelle 1 ergibt, find insgefamt aus 834 deutjchen 
Drten Berichte eingegangen, wovon 495 = 59,35 vd. 9. auf Preußen, 
339 = 40,65 v. 9. auf die übrigen deutſchen Staaten entfallen. Bei 
568 dieſer Orte haben die Gemeindeverwaltungen ſelbſt berichtet, von 
266 liegen nur Antworten der einzelnen Lehranitalten vor. In 782 
der 834 Orte war, allgemein betrachtet, ein Spielbetrieb im Sinne 
des Zentral: Ausfchuffes feitzuftellen, in 52 nicht; dies entjpricht einem 
Verhältnis von 93,76 zu 6,24 vom Hundert, jo daß demnad von 
100 Orten rund nur 6 feinerlei Spielbetrieb haben. Auf 
Preußen fommen 472 Orte mit und 23 ohne Spielbetrieb, auf die 
anderen Staaten 310 und 29, was für eriteres 4,65, für leßtere 
8,55 Prozent fpiellofe Orte ergibt. Hiervon tragen für Preußen 
Rheinland mit 12 = !/e und Weftfalen mit 6 = Yo ihrer Orte den 
größten Teil, während fih in Oft- und Weftpreußen, Brandenburg, 
Hannover und Heilen: Naffau nur je ein, in den übrigen Provinzen 
gar fein Ort ohne Spiel findet. Bei Hefjen-Nafjau ift dies immer 
no —= Yıs aller Orte; das Verhältnis hätte fich aber wohl wefentlich 
günftiger geftaltet, wenn das Provinzial-Schullollegium mit Berichten 


218 


vertreten wäre. Bei Baden fehlt das Spiel in 10 Orten = "4, bei 
dem Königr. Sadfen in 8 = "r, bei den Reichslanden in 3 = Is, 
bei Heflen in 4 = !ıı und bei Bayern in 4 = !as der Orte. Wenn 
bei den übrigen Fleinen Bundesſtaaten feine Orte ohne Spielbetrieb 
vorkommen, fo ift dies nicht allzu hoch anzufchlagen, da dort die Zahl 
der größeren Gemeinwefen, die ja ausfchließlih um Berichte angegangen 
wurden, ſchon an fich gering if. Sämtlidye für diefe Kleinftaaten be- 
fannt gewordenen Zahlenangaben find daher auch ohne bejonderen 
ftatiftifchen Wert, weshalb wir im weiteren Verlaufe diejer Abhand- 
lung nur gelegentlich und in befonderen Fällen darauf eingehen werden. 
Dies Ichließt jedoch nicht aus, daß fie für den Zentral-Ausſchuß immer- 
bin wertvolle Anhaltspunkte bieten und zur VBollitändigfeit des Zahlen⸗ 
bildes unerläßlich find. | 


Es jei bier noh erwähnt, daß einige weitfälifche Kreisfchul- 
injpeftionen eine Anzahl Eleiner Landgemeinden namentlich aufgeführt 
haben, in deren Volksſchulen Jugendſpiele gelehrt werden; für die 
Tabelle 1 durfte felbitverftändlih nur der Sig der Kreisfchulinfpel- 
tion al3 Berichtsort gelten; dagegen glaubten wir bei der Befprechung 
der Schulen jelbit dieſe Ländlichen Volksſchulen mitzählen zu follen, 
wenn fie auch ftreng genommen nicht in den Rahmen diefer Statiftif 
gehören. 


Aus diefen 843 deutfchen Orten find nun (Tab. 2) im ganzen 
1342 Berichte eingegangen und zwar 801 aus Preußen und 541 von 
den anderen deutjchen Staaten. Hieran find die Magiftrate mit 410 
bezw. 184, die ftaatlihen Auflichtsbehörden mit 391 bezw. 357 Ant: 
worten beteiligt. Bon den preußijchen Provinzen fteht Schlefien mit 
125 Berichten an der Spige; aus Hannover ftammen 98, aus Branden- 
burg 89, aus Rheinland 81, aus Weitfalen 72 und aus Sachſen 63. 
Heſſen-Naſſau ift nur mit 14 (ftädtifchen), Berlin nur mit 8 Antworten 
einzelner Anjtalten. vertreten, indes bei den übrigen Provinzen die 
Zahlen zwiſchen 57 und 43 ſchwanken. Die bayerifche Regierung bat 
ihr reges Intereſſe an der Sache in erfreulicher Weiſe bemiejen, was 
dankbar anzuerkennen ift; fie hat nicht nur die der Staatsaufficht 
unterjtellten Anitalten zur Berichterftattung angehalten, fondern auch 
die betreffs Pflege des Spieles in den Lehrplänen der höheren Schulen 
getroffenen Verfügungen mitgeteilt. Unter den 219 Antworten aus 
Bayern befinden ſich 184 Sonderberichte von Anftalten. Helfen bat 71, 
Sachſen 61 (davon 59 ftädtifche), Baden 48, Elfaß-Lothringen 42, 


219 





Württemberg nur 13 (Magiftrat3-)Berichte eingefandt. Zu erwähnen 
find noch Sachſen-Weimar (16) und Medlenburg- Schwerin (11). 

Sänzliches Fehlen des Spielbetriebes findet fich bei 87 Berichten, 
93 ſtädtiſchen und 34 von Anftalten; während in Preußen auf erftere 
39 und auf lettere nur 6 Antworten fommen, haben die anderen 
Staaten 14 bezw. 28 Fehlanzeigen aufzumeifen. 

Nah dieſer allgemeinen Überfiht der gefamten Linterlagen 
gehen wir zur Befprechung der einzelnen Gruppen von Lehranftalten 
über , die in dem Tabellenteil in A. Knaben-, B. Mädchenſchulen, 
innerhalb diefer in höhere, mittlere und Volksſchulen getrennt find. 
Zuvor fei hinfihtlih der Einordnung der Schulen noch bemerkt, daß 
es in zahlreichen Fällen ſchwierig war, hierbei das Richtige zu treffen, 
insbejondere bei den Mittelichulen, über die felbft an berufener Stelle 
3. T. noch Zweifel obwalten. Amtliche® Material ftand uns nicht 
zur Verfügung und die Kennzeichnung der Mittelfchulen nad ihrem 
über die Ziele der Volksſchule hinausgehenden Lehrplane konnte um fo 
weniger als Anhalt dienen, ala über leßteren Feine Angaben vorlagen. 
Wir haben uns in Zweifelsfällen nad dem „Statiſtiſchen Jahrbuch der 
höheren Schulen ufw. Deutſchlands“ gerichtet, von dem uns jedoch leider 
nur der XX. Jahrgang, Leipzig 1899, zur Verfügung ftand; e3 ent- 
hält auch über die Mittelfchulen Angaben, die allerdings auf Voll⸗ 
ftändigfeit keinen Anſpruch machen. Es wird hiernach verzeihlich er- 
fcheinen, wenn vielleiht einige Lehranftalten nicht an der ihnen zu— 
fommenden Stelle eingereiht fein follten; der Wert der Statiſtik er- 
leidet hierdurch Feine Einbuße. 


A. Schulen für Knaben. 
1. Höhere Lehranftalten. 


Um einen einigermaßen ftihhaltigen Vergleich mit der Statiftif 
des Jahres 1894 (f. 0.) zu ermöglichen, wurden die dort innegehaltene 
Gruppierung und die Angaben de3 Statiltifchen Jahrbuches zur Richt: 
ſchnur genommen. Demgemäß find eingeordnet unter 

Gymnafien: 1 Kgl. Ritter- Akademie, 1 Kgl. Pädagogium und 
Waiſenhaus, 1 Pädagogium; 

PBrogymnafien: 1 Pädagogium; 

Seminare: Die bayerifchen Lehrerbildungsanftalten ; 

Sonftige: 1 Städtifhe höhere Lehranftalt, 1 Kgl. Domfchule, 
1 Bischöfliches Kollegium, 1 Gymnafialvorfhule, 1 Bürger: 
Ihule mit Gymnafialabteilung, 1 im Entjtehen begriffene 


220 


höhere Lehranftalt, 1 Realprogymnafium, 1 im Entftehen be- 
griffene Realſchule, 46 niedere Realfehulen, Realgymnafien und 
Realprogymnafien (fogenannte höhere Bürgerfchulen), 1 private 
Realſchule, 2 private Lehr- und Erziehungsanftalten, 1 höhere 

Privat⸗Knabenſchule, 1 Bifchöfliches katholiſches Lehrerieminar, 
1 Bildungsanftalt für jüdifche Lehrer, 1 Präparandenkurfug, 
1 Landwirtfhaftsfehule mit NRealabteilung und landwirtichaft- 
licher Fachſchule, 1 Aderbaufchule, 3 Handelsſchulen, 1 gewerb- 
lihe Fortbildungsſchule, 16 Lateinſchulen, 1 höhere Stadt- 
Ihule, 9 höhere und gehobene Knabenjchulen, 2 höhere und 
gehobene Bürgerfchulen, 1 Rektoratsſchule. 

Wie aus der Tabelle 3 erfichtlih, liegen im ganzen von 974 
höheren Lehranftalten Berichte vor, davon 533 aus Preußen, 441 aus 
den anderen Staaten. Gegen da3 Ergebnis von 1894 bleiben diefe 
Zahlen erheblich zurüd, denn damals waren im ganzen 1455 Ant- 
worten eingegangen und zwar 768 preußifche und 687 anderer Staaten. 
Dies kann Schon im Hinblid auf die bei leßterer Erhebung viel weit- 
gehender und wirkungsvoller zur Geltung gelangte amtliche Unter- 
ftügung nicht befremden, ift aber auf. den Vergleichswert der gegen- 
wärtigen Statiftif nicht ohne Einfluß, infofern nicht auf den Zahlen 
jelbit, jondern nur auf deren verhältnismäßigem Werte die Gegenüber: 
ftellung beruhen darf. 

Bei der vorangegebenen Gejamtzahl der Berichte ift noch zu 
beachten, daß dabei die fombinierten Anftalten, welche eine Trennung 
nicht geitatteten, nur einmal, und zwar je nach dem vormwiegenden 
Biele, gezählt find, 3. B. ein Gymnafium mit Realgymnafium nur 
bei Gymnafien ujm. Maßgebend für die Einordnung war aud) 
hier das „Statiftifhe Jahrbuch der höheren Schulen“. Die nad 
ftehende Überficht läßt erkennen, in welcher Zahl die in der Borfpalte 
bezeichneten und nach dieſer Bezeichnung eingeorbneten Anftalten mit 
folchen anderer Gruppen verbunden find. 


Real Real: Dberreal- Real: 


Gymn. Progymn. omm. progymm. fdulen fdulen 


Gymnafien — — 10 7 2 19 
Progymnaſien — — — 1 — 4 
Realgymnaſien 4 — — — 2 7 
Realprogymnafien — 1 — — — 1 
Oberrealfchulen — 1 383 — — 1 
Realſchulen 1 10 2 — — —. 


221 


Es waren fomit 38 Gymnafien, 5 Progymnafien, 13 Realgymnajien, 
2 Realprogymnafien, 5 Oberrealfchulen und 13 Realjcyulen, insgejamt 
76 Anftalten mit foldden aus anderen Gruppen verbunden. Hierzu 
fommen no: 1 Lateinfhule mit Realſchule in Winnweiler, 1 Ober- 
realihule mit Handelsschule in Pforzheim, 1 jog. höhere Bürger- 
Thule (Realichule mit Progymnafium) in Dieburg, 1 Real- und Land- 
wirtichaftsschule in Groß Umftadt, 1 Handelsschule bei einem vorftehend 
bereit3 aufgeführten Realgymnafium mit Nealfchule in Mainz, 1 Gymna- 
fium mit Gymnafialfeminar in Sena und 1 Oberreal- und Gewerbe: 
ſchule in Meg. 

Die bei der Statiftif des Jahres 1894 vorgenommene Trennung 
der Seminare von den mit ihnen verbundenen PBräparandenanftalten 
mußte bier aus technifchen Gründen beſſer unterbleiben. 

Außerdem waren 1 Gymnafium mit NRealgymnafial- und 4 
Gymnofien mit Realſchulklaſſen, 1 Progymnafium mit Gymnaljial- 
und 1 mit Realſchulklaſſen, 2 Oberrealfchulen mit Realgymnafial: 
Hafen, 1 Realihule mit ebenſolchen und 2 mit Lateinflaffen bezw. 
lateinifchen Nebenkurfen verbunden. E3 hatten ferner 1 Lateinjchule 
3 Realklaſſen, 2 Realſchulen Handelsabteilungen und 1 in obiger 
Überficht bereits aufgeführte Realjchule mit Realgymnafium 1 Handel3- 
fachklaſſe. 

Die Tabelle 4 läßt erkennen, wie viele der in der Tab. 3 ent- 
baltenen Anftalten überhaupt Jugendſpiele treiben, ohne Rückſicht 
darauf, ob dies innerhalb oder außerhalb des pflichtmäßigen Unter- 
richts gejchieht; fie gibt ferner die Anzahl der Anftalten ohne jeden 
Spielbetrieb und durch Vergleihung mit der Tab. 3 deren Verteilung 
auf die einzelnen Anftaltsgruppen. Hiernach beiteht überhaupt fein 
Spielbetrieb in 3 Gymnafien, 1 Oberrealfchule, 16 Realjchulen, je 
2 Lehrerfeminaren und Präparandenanftalten, 7 fonftigen höheren 
Lehranftalten. Es find dies: die Gymnafien in Freiburg i. Br., 
Schleiz und Altkirch i. Elſ.; die Oberrealichule in Baden; die Real- 
Schulen in Tiegenhof in Weftpreußen, Amberg, Bayreuth, Eichitatt, 
Kronach, Landsberg a. Lech, Landshut, Neu Ulm, Paſſau und Rofen- 
heim in Bayern, Müllheim in Baden, Gernsheim in Heflen, in Ham- 
burg (3) und in Rappoltsweiler i. Elſ.; die Seminare zu Frauftadt 
i. Bol. und Werl in Weitfalen, beide erjt 1901 eröffnet; die Präpa- 
randenanftalten zu Einbed und Gifhorn in Hannover; ferner als 
jonjtige höhere Lehranftalten 1 im Entjtehen begriffene höhere Lehr— 
anjtalt (Reform-Gymnaſium) zu Charlottenburg, 1 Aderbaufchule zu 


222 


Duafenbrüd in Hannover, fowie 5 höhere Bürgerfchulen (niedere Real- 
ſchulen) zu Achern und Eppingen in Baden, Beerfelden, Hungen und 
Sprendlingen in Heſſen. 

Die übrigen Zahlenangaben der Tabellen 3 und 4 werden bei 
ihrer Leichtverjtändlichkeit einer Erläuterung nicht bedürfen. Ver⸗ 
gleicht man nun das ftatiftifche Material von 1894 und 1902, zu welchem 
Zmwede wir die der Bearbeitung des Herrn Dr. v. Woikowsky ent- 
nommenen Tabellen 4a und 4b beifügen, fo fällt die weit größere 
Bollitändigfeit der 1894er Unterlagen ohne weitere ins Auge. Es 
mag bier erwähnt werden, daß überall da, wo e3 nach dem Wortlaute 
der MagijtratSberichte notwendig und zuläffig erjchien, die zwar nicht 
ausdrüdlic namentlich aufgeführten, aber zweifellos in den Bericht 
einzubeziehenden höheren Lehranftalten ergänzt worden find. Wenn 
fih trogdem jo große Lücken bemerkbar machen, jo liegt dies in der 
Hauptſache an der großen Zahl der Gemeindeverwaltungen, welche die 
Umfrage nicht beantwortet haben (f. o.), zum Teil aber auch daran, 
daß viele der eingegangenen Antworten inhaltlich unzureichend ſind 
und eine Interpolation nicht geitatten, da fie rein willfürlich wäre. 
So verhält es fich 3. B. bei 37 höheren Lehranftalten Berlins, für 
welche feinerlei Nachrichten vorliegen. Muß nun auch diefe Unvoll- 
ftändigfeit der gegenwärtigen Statijtif an fich bebauert werden, fo ift 
fie doch keineswegs erheblich genug, um die Brauchbarkeit der Ergeb- 
niffe im Sinne des Zentral-Ausſchuſſes wejentlich zu beeinträchtigen. 

Erfreulih ift es vor allem, daß die Zahl der Anftalten, welche 
gar feinen Spielbetrieb pflegen, verhältnismäßig gering if. Für das 
Deutihe Reich waren dies 1902 nur 3,18 v. 9. aller Anftalten, für 
Preußen gar nur 1,31 und bei den anderen Bundegitaaten 5,44 v. 9. 
ner preußifchen bezw. außerpreußifchen höheren Schulen. Vergleicht 
man die Ergebniffe von 1894 hiermit, jo findet man dort für das 
Reich 2,68, für Preußen bezw. die anderen Staaten 1,69 und 3,87. 
Beim Deutichen Reiche beträgt der Unterfchied beider Erhebungen alfo 
nur 0,50 v. H., und man darf getroft annehmen, daß bei gleicher 
Vollſtändigkeit der beiverfeitigen Unterlagen die heutige Prozentzahl 
der nicht ſpielenden Anftalten ſich mefentlich geringer ftellen würde, 
al3 die damalige. In Preußen liegt das Verhältnis auch ohnedies heute 
um 0,38 v. 9. günftiger, während fi für die übrigen deutfchen Staaten 
eine Verſchlechterung um 1,57 v. 9. zeigt, die fich aber bei einem 
DBergleiche der Berichtözahlen als eine nur fcheinbare erweilt; beifpiel3- 
weife find jegt für das Königreich Sachfen und für Württemberg nur 


223 


17 bezw. 24 Anftalten gegenüber 83 und 137 i. 3. 1894 vertreten. 
Wären dieſe Lüden ausgefüllt, fo würden die abjfoluten Zahlen der An- 
ftalten ohne Spielbetrieb nur wenig fteigen, ihre Verhältniszahlen 
aber erheblich Eleiner werben. 

Ein weitere® Eingehen auf da3 in den Tabellen 4, 4a und 4b 
niedergelegte Zahlenmaterial würde ung zu weit führen und für die 
bejonderen Ziele diefer Arbeit ohne großen Wert fein. 

Wir gehen nunmehr zur Beantwortung der Frage I des Frage: 
bogen3 über, die fih in der Tabelle 5 zahlenmäßig dargeftellt findet. 
Die Bewertung der Zahlenangaben in den Tabellen 5 u. ff. bezieht 
ſich jelbftverftändlich auf die Grundzahlen der Tabelle 3, deren Spalten 
2—13 die Gefamtheit und Verteilung der uns nachfolgend bejchäf- 
tigenden Anftalten darftellen. 

Bon fämtlichen 974 deutjchen höheren Lehranitalten haben 897 
oder rund 92 v. 9. im Sahre 1902 Sugendfpiele innerhalb des pflicht- 
mäßigen Turnunterriht3 jchon gelehrt, 77 oder 8 v. 9. no nidtt. 
In Preußen betrug die Verhältniszahl der leßteren 5,44, in den an- 
deren Staaten zufammen genau das Doppelte, nämlich 10,88 v. H., 
ein ſchon an fich bezeichnendes Ergebnis, dag bei näherer Betrachtung 
nod an Charafteriftif gewinnt. Während fih nämlich die Schulen, 
welche noch feine Sugendfpiele lehren, bei Preußen auf ſämtliche 
Provinzen mit Ausnahme von Berlin, Pommern und Rheinland an- 
nähernd gleichmäßig verteilen und nur in drei Fällen den zehnten Teil 
der Anftalten ausmachen (Weftpreußen, Bojen und Hannover), find fie 
im übrigen Reich3gebiete auf einige Staaten beſchränkt und fallen de3- 
halb um jo jchwerer ins Gewicht. In Anhalt lehrt überhaupt Feine 
ber in den Berichten aufgeführten höheren Knabenſchulen das Spiel; 
in Baden haben von 43 Schulen 11, d. i. falt ein Viertel, die An- 
leitung zu SJugendfpielen noch nicht in den Turnunterricht aufge- 
nommen, ebenjo in Sahfen-Weimar 3 von 11, in Heffen 8 von 53 und in 
Bayern 11 von 181 Anftalten. In Hamburg kommen von 10 An- 
italten nur 5, in Schaumburg-Lippe von 2 nur 1, alfo nur je die Hälfte, 
in Reuß j. 2. 1 von 5 und in den Reichslanden 4 von 35 in Be- 
tracht, die im Turnunterricht noch Feine Zugendfpiele lehren. Am 
mweiteiten im SHintertreffen fteht alfo Baden, deſſen AnftaltSberichte 
dementjprechend auch in der denkbar Fnappiten und notbürftigiten 
Fafjung gehalten find und dadurch unverkennbar einen höchft bedauer- 
lihen Mangel an Intereſſe zur Sache befunden. 

Vergleicht man die Tabellen 5 und 3, fo ergibt ſich für die An- 


224 


ftalten, welche das Spiel noch nicht lehren, die Verteilung auf die 
einzelnen Gruppen; wir bezeichnen bier wie in der weiteren Be— 
fprehung der Kürze wegen Gymnafium mit G., PBrogymnafium mit 
PG., Realgymnafium mit RG., Realprogymnafium mit RPG., Ober: 
realihule mit ORS., Realſchule mit RS., Seminar mit Sm, 
Präparandenanftalt mit Pr.A. und fonftige höhere Lehranftalt mit 
Sonſt. AJugendfpiele wurden 1902 noch nicht gelehrt in 

G. BG. RG. RPG. DRS. RS Sm. Pr. Sonſt. 
Preußen 72 2 1 2 55 1 4 
d. and. Staaten 12 1 1 1 4 18 1 1 9 
d. Deutſch. Reid 19 3 3 2 6 23% 2 13 
einfchließlih der 31 Schulen, die überhaupt feinen Spielbetrieb haben 
(vgl. ©. 245). 

Es find dies folgende Lehranftalten: 

A. I Königsberg: Städt. RS., Kgl. Friedrih3-Kollegium. 

II. Danzig: DRE. i. E. (= im Entſtehen); Graudenz: DRS. 
i. E.; Tiegenhof: R.S. 

IV. Charlottenburg: Höhere Lehranftalt i. E. (Reform-G.); 
Königsberg NM.: G.; Friedeberg NM.: Kol. G.; Ludau: 
Kol. ©. 
VI. Frauſtadt: Kgl. Sm. (Turnlehrer fehlt); Kempen i. Poſ.: 
Kal. PG.; Rogajen: Kgl. ©. 
VU. Gnadenfrei: NS. der Brüdergemeinde; Liegnig: RS.; 
Oppeln: Kgl. Tath. ©.; Zülz DS.: Sm. 
VII. Zeig: a) Gewerbl. Fortbildungs-Sch., b) Kgl. Stifts-G. 
IX. Lauenburg a./Elbe: RE. 

X. Geeftemünde: RS.; Duafenbrüd: Aderbaufchule; Diepholz: 
Pr.A.; Einbed; Pr.A.:; Gifhorn: Pr.A.; Hannover: RO. 
(Leibnizſch.); UÜUlzen: RPG. 

XI. Siegen: RG. (zweifelhaft); Werl: Sm. (beſteht erſt ſeit 
1 Sahr mit 1 Klaſſe). 
XII. Marburg i. 9.: Kol. G. (zweifelhaft). 

B. 1. Amberg: RS.; Bayreuth: RS.; Eichſtadt: RS.; Kronad): 
RS.; Kufel i. Pfalz: Kal. PG.; Landsberg a. Lech: RS.; 
Landshut: RS.; Neu Ulm: RS.; Nürnberg: ©. (Altes); 
Paſſau: RS.; Rofenheim: RE. 

4. Ahern: HBS. (Höhere Bürgerfhulen); Baden: ORS.; 
Bretten: RS.; Eppingen: RS.; Ettenheim: RPG.; Frei⸗ 


225 


burg: G.; Ladenburg: RS.; Mannheim: G.; Müllheim: 
RS.; Pforzheim: ORS.; Wiesloh: NS. 

5. Babenhaufen: HBS.; Beerfelden: HBS.; Bensheim: ©.; 
Gau Ddernheim: HBS.; Gernsheim: RS.; Gießen: RG. ; 
Hungen: HBS.; Sprendlingen: HBS. 

7. Eifenah: Sm.; Sena: Stoyſche Erz.:Anft.; Weimar: ©. 
15. Sondershaufen: G. und NS.; Arnjtadt: G. und SR. 
19. Schleiz: ©. 

20. Büdeburg: ©. 
25. Altkirch i. Elf.: G.; Colmar i. Elſ.: Pr.A.; Metz: ORS.; 
Rappoltsweiler: RS. 

Eine Gegenüberſtellung der Zahlen von 1902 und 1844 iſt hier 
untunlich, da die frühere Statiſtik die Spielbewegung nicht von dieſem 
Geſichtspunkte aus betrachtet hat. 

Die Beantwortung der Frage, in welchen Schulen und in wieviel 
Klaſſen außerhalb des pflichtmäßigen Turnunterrichts Jugendſpiele 
regelmäßig geübt werden, wird durch die Tabelle 6 zahlenmäßig dar- 
geitellt. Der fcheinbare Widerspruch in dem zmwifchen der Gejamtzahl 
der Anftalten und der Klaſſenzahl beitehenden Verhältnis rührt daher, 
daß in vielen Fällen die legtere nicht angegeben war; es würde daher 
zu Fehlern führen, wenn man aus diefem Verhältnis maßgebende 
Schlüſſe ziehen wollte. Um mißverftändlicher Anffaffung vorzubeugen, 
find dieſe beiden Teile der Frage in der Tabelle getrennt behandelt 
worden. 

Zur Übung und Pflege der Spiele außerhalb des Turnunter- 
richtes geben 619 oder 64 vom Hundert der 974 höheren Lehranitalten 
Gelegenheit. Berüdfichtigt man hierbei aber, daß eine nicht unerheb- 
liche Anzahl der verbleibenden Schulen teils im Entftehen begriffen ift, 
teil noch feinen jpielfundigen Zehrer oder geeigneten Spielplag zur 
Verfügung hat, der Einführung befonderer Spielftunden aber durch— 
aus geneigt ift und fie teilweife Schon für das laufende Schuljahr 
(1902) in Ausficht genommen hatte, daß ferner nur in fehr verein- 
zelten Fällen die in diefem Sinne ergangene Anregung aus mangelnden 
Verftändnis und Intereſſe für die Bedeutung der Spielfrage von ber 
Hand gemwiefen wird, fo geftaltet ſich das Verhältnis tatfächlich noch 
bedeutend günftiger. Der durchaus erfreuliche Prozentfag von An- 
ftalten, die das Spiel außerhalb des Turnunterricht3 pflegen, gewinnt 
aber durch Vergleichung mit den Ergebniffen von 1894 noch wejent- 


ih an Wert. Damals betrug die entjprechende Zahl 899 = 62 v. 9. 
Volks⸗ und Jugendfpiele. XII. ' 15 


226 


der 1455 Schulen; die heutige Verhältnigzahl ift alfo ſchon an ſich 
höher, würde aber bei gleicher Vollftändigfeit der Unterlagen nod 
bedeutend fteigen. Daß namhafter Fortjchritt zu verzeichnen ift, wird 
noch deutlicher erfennbar, wenn man, immer unter Berüdfichtigung 
der Ungleichheit des Materiales, die Gegenüberftellung weiter aus— 
dehnt. Gelegenheit zum Spiel in der fchulfreien Zeit boten in 
Preußen 1894 69 und 1902 71, in den anderen Staaten 1894 54 
und 1902 55 v. 9. der Lehranftalten. Die Übereinftimmung der 
Berhältniszahlen des Reiches mit denen der Staatengruppen A und 
B beweift, daß fein Trugſchluß vorliegt, wenn wir fagen, daß die 
Pflege des Spieles in diefer Richtung in befriedigender Weiſe an 
Ausdehnung gewonnen hat. 

Ein Blid auf die Tabelle 3 zeigt nun, wieviel Anftalten der ein- 
zelnen Gruppen 1902 noch feine Gelegenheit zum Spiel außerhalb 
der Turnſtunden boten; nämlich 

in G PG. RG. RPG. DRS. RS Sm. Pr. Sonft. 
Preußen 063 13 7 3 3 23 19 12 13 
d. and. Staaten 40 21 5 2 5 54 10 24 38 
d. Deutfh. Reid 103 34 12 5 8 7.29 36 51. 
Hier find die Anftalten mitgezählt, die keinerlei Spielbetrieb haben; 
fieht man von diejen ab, jo ergibt fich das durch die Tabelle 7 wieder- 
gegebene Bild, das zugleich den Anteil der preußischen Provinzen und 
der Einzelftaaten an den ebenbefprochenen Anſtalten erkennen läßt. 

Demgegenüber fpielten 1894 nur in den Turnitunden, nur ge- 
legentlich oder gar nicht 

in G. PO. RG. RPG. DRS. RS. Sm. Pr.A. Sonft. 
Preußen s6 12 17 024 6 1238 24 21 
d. and. Staaten 43 32 11 7 4 69 22 22 106 
0.Deutfh.NReih 129 4 28 931 10 8 60 4 127. 


Auch hier erkennt man aus der Gleichmäßigfeit des mwechjeljeitigen 
Verhältniſſes der Zahlen deutlich den Fortjchritt. Der vereinzelt zu 
beobachtende Rückgang ift nur fcheinbar vorhanden; er beruht auf den 
im Lehrziele der Anftalten vielfach eingetretenen Verfchiebungen und 
der hieraus und aus anderen Gründen hervorgegangenen andermweitigen 
Einordnung in die AnftaltSgruppen. 


Der zweite Teil der Tabelle 6, der .für einen Teil der eben be- 
ſprochenen Anftalten (inſoweit nämlich Angaben vorlagen) die Be- 
teiligung der Klaffen angibt, Tann unter diefen Umftänden nicht als 


227 


untrügliches Kriterium gelten, fondern lediglich einen annähernden Anhalt 
gewähren. Durchaus zuverläffig und weit wertvoller wäre er, wenn 
bei ſämtlichen Anftalten die Zahl der fpielenden Klaffen der Gejamt- 
zahl der Klaffen gegenübergeftellt werden Fönnte; hierzu fehlen aber 
die Unterlagen. Nach der Tabelle kamen durchſchnittlich im Reich auf 
1 Anftalt 7,5, in Preußen 7,3 und in den übrigen Staaten zufammen 
7,7 am Spiel außerhalb der Turnftunden teilnehmende Klaffen; das 
Verhältnis ift alfo ein durchaus gleihmäßiges und bietet dadurch 
einen immerhin ſehr fchäßbaren Anhalt für die Beurteilung. Bei den 
einzelnen Anftalt3gruppen ergibt ſich folgendes; es beteiligten fich 
durchſchnittlich am Spiel 

in G BG. RG. RPG. DRS. RS. Sm. Pr.A. Sonft. 
Preußen 90 57 11 50 28 73 37 28 51 
d. and. Staaten 10,0 44 120 45 138 64 37 26 5,5 
d. Deutſch. Reich 94 51 114 48 132 68 37 28 54. 

Wir fehen auch Hier innerhalb der AnftaltSgruppen eine große 
Gleichmäßigkeit der Verhältniszahlen in den drei Reihen, die fie als 
hinreichend zuverläffig erjcheinen läßt; nur wo die Grundzahlen zu 
geringmwertig waren, treten Schwankungen auf, die zwar an fih un- 
erheblich jcheinen, dennoch aber eine vorfichtige Bewertung der betref- 
fenden Verhältniszahl nötig machen. 

Ein Vergleich mit 1894 ift bier nicht möglich, da die Zahl der 
jpielenden Klafjen damals nicht berüdjichtigt wurde. 

Es bleibt und nunmehr noch die Tabelle 8, die legte über die 

höheren Knabenfchulen, zu befprechen; fie zeigt, inmieweit die Be— 
teiligung an den Spielen außerhalb de Turnunterricht3 freiwillig 
oder pflihtinäßig war, bei wieviel Anftalten fie nur im Sommer und 
bei wieviel fie auch im Winter ftattfand. 

Bon den 619 höheren Lehranftalten, die nach der Tabelle 7 hier 
in Betracht kommen, find 18 auf den erften, 43 auf den zweiten Teil 
ber Frage III des Fragebogens die Antwort jchuldig geblieben; fie 
Tcheiden daher bei der Beiprehung der Tabelle aus, ſodaß nur 601 
bezw. 576 Anjtalten hierfür verbleiben. 

Im Deutſchen Reiche beteiligten fi von 601 Schulen 510 frei— 
willig, 81 pflihtmäßig; für 10 traf beides zu, je nach den in Frage 
fommenden Klafien. Das Verhältnis ift alfo durch 84,9:13,5:1,6 
vom Hundert ausgedrüdt. Für Preußen finden wir in gleicher Reihen— 
folge von 365 Schulen 303, 54 und 8 = 83,0:14,8:2,2 und in den 

15 * 


228 


anderen Staaten von 236 Anftalten 207 bezw. 27 und 2 = 837,7: 
11,4: 0,9 vom Hundert. Dag Übergewicht der freiwilligen Beteiligung 
über die pflichtmäßige ift ſonach bei der Gefamtheit der übrigen 
Bundesftaaten größer, als bei Preußen. Dies mwechjelfeitige Verhält- 
ni3 der Zahlen für freiwillige und pflichtmäßige Teilnahme hat 
nichts Auffallendes; die Einführung der Beteiligungspflicht wird viel- 
fach deshalb gejcheut, weil man — vielleiht nicht mit Unrecht — 
befürchtet, daß der Zwang von Eltern wie Kindern als läftig emp- 
funden und bei leßteren die Freudigfeit zum Spiele dadurch be- 
einträchtigt werben würde. . Verfchiedentlich hat man einen Mittelweg 
gewählt, der vieles für fih hat; man hat die Beteiligung zwar grund- 
fäglich ins freie Belieben des einzelnen geftellt, der aber dann, wenn 
er einmal feine Teilnahme erklärt bezw. die Erlaubnis feiner Eltern 
dazu erhalten hat, nicht unentjchulbigt ausbleiben darf. In manden 
Schulen „wird die Beteiligung gewünscht“ oder „ein gemwifjer Drud 
ausgeübt”. 

Im Jahre 1894 beteiligten fi die Schüler von 784 Anftalten 
freiwillig, von 139 pflichtmäßig, was einem Verhältnis von 85 zu 15 
gleihfommt. In Preußen ftanden fih 84 Schulen mit freimilliger 
Spielbeteiligung und 16 mit pflichtmäßiger, in den anderen Staaten 
87 und 13 gegenüber. Es pielten alfo vom Hundert der Anjtalten 

freiwillig pflihtmäßig 

a. in Preußen: 


1894 . ... 84 16 

1902 ..2...8 15, 
b. in den anderen deutſchen Staaten: 

1894 ....8 13 

1902 . ...8 11, 
c. im Deutſchen Reich: 

1894 ....58 15 

1902 . 2. ...86 14, 


wobei wir für 1902 die wenigen Anftalten, bei denen beides zutraf, 
zu den freiwillig pielenden gezählt haben. Es zeigt ſich in den vor- 
ftehenden Zahlen überall ein Fortfchritt im Sinne der freiwilligen 
Beteiligung auf Koften der pflichtmäßigen. Die Notwendigfeit des 
Zwanges ſchwindet alfo bei fteter Zunahme der Spielfreudigfeit mehr 
und mehr, wenn auch natürlich nicht in dem gleihen Sprungſchritt, der 
im Beginne der Wirkſamkeit des Zentral-Aussfchuffes zu bemerken war. 


229 


Die legten Widerftände find befanntlih immer und überall nur lang» 
fam zu überwinden. 


Der zweite Teil der Tabelle 8 enthält die Verteilung der An 
italten, je nachdem die Spiele außerhalb des Unterrichtes nur in der 
warmen Sahreszeit oder auch während der Wintermonate ftattfinden. 
Sm ganzen Spielten von 576 Anjtalten 350 nur im Sommer, 217 aud) 
im Winter, indes dies bei 9 Schulen Klaffenweife verfchieden war. 
Um die Vergleichsfähigfeit mit den 1894er Zahlen herzuftellen, ver- 
einigen wir die legtgenannten mit der eriten Gruppe (aljo zu 359). 
Es ergibt fih dann, daß vom Hundert der Schulen pielten 

nur im Sommer auch im Winter 
a. in Preußen: 


1894 ..... 77 29 

1902 . 2 22.64 36 
b. in den anderen Staaten: 

1894 ...2...6 37 

1902 . 2 2.2.59 41 
c. im Deutfchen Reich: | 

1894 . . 2.2.68 32 

1902 . ... 62 38. 


Diefe Gegenüberftellung beweiſ unwiderleglich, daß eine weſent⸗ 
liche Verſchiebung im Sinne der Ausdehnung des Spielbetriebes auf 
das ganze Jahr ſtattgefunden hat. Es ſei hier noch ausdrücklich 
darauf hingewieſen, daß diejenigen Anſtalten, bei welchen das Jugend⸗ 
jpiel im Winter völlig durch den Eislauf erjegt wird, als nur im 
Sommer fpielende angejehen wurden, und daß nur der Betrieb von 
Sugendfpielen im Sinne der Anfrage für die Einordnung beftimmend 
war. Dieſer Grundfag ift in der ganzen Arbeit fejtgehalten worden, 
und wir möchten dies betonen, um der Vermutung vorzubeugen, als 
fönnten die Zahlenbilder durch allzu freie Auslegung der Berichte be- 
einflußt fein. Wenn nun aud der Spielbetrieb im Winter ſich 
naturgemäß auf geeignete Tage und einen engeren Kreis von Spielen 
beſchränken und die Hauptfpielzeit ftet3 der Sommer bleiben muß, fo 
it es doch in hohem Grade erfreulihb, daß aus den Zahlen das 
Streben erkennbar wird, die Übung und das Intereſſe der Schüler 
auch im Winter nicht einfchlafen, die Kraft und Gewandtheit nicht 
erihlaffen zu lafjen. Gerade die Vorübung im Winter iſt für die 
Beftaltung des Sommerbetriebes von nicht zu unterſchätzendem Werte. 


230 


Wir fügen nachſtehend noch eine kurze Erläuterung betreff3 der 
in die Spalten 20 und 41 der Tabelle 8 aufgenommenen Anftalten bei. 

A. ID. Weſtpreußen: 

Graudenz; Sm.: Sm.-Klaffen freiwillig, nur im Sommer 
Übungsſchulkl. pflihtmäßig, au im Winter. Semina- 
riſten jpielen eifrig. 

Marienburg ; Sm.: Seminariften auch im Winter, Übung?- 
Thule nur im Sommer. 

VII. Schleſien: 

Gnadenfrei; RS. der Brüdergemeinde: Externe freiwillig, 
Interne (Penſionäre) pflichtmäßig. 

Niesky; 1) Sm. der Brüdergemeinde: Freiwillig für die 

Klaſſen 1—4, pflichtmäßig für Kl. 5—6. 
2) Bädagogium = PG.: Freiwillig für Klafje 
I—OH, pflidtmäßig für WOI— VI. 
XI Weftfalen: 

Warendorf; Sm.: Teils freiw., teils pflichtm., teils im 
Sommer, 3. T. auch im Winter; ohne genauere An- 
gaben. 

XI. Rheinland: 

Eſſen; ©, RC. und DRS. (3 Anftalten): In 22 Klaffen 
freim. und nur im Sommer, in 17 pflidtm. und aud) 
im Winter. 

B. 1. Bayern: 

Hof; G.: Nur 1 Klaffe auch im Winter. 

Lohr a. Rhein; Pr. A.: Beides; nähere Angaben fehlen. 

Paſſau; G.: Wie bei Lohr. 

Schließlich fei noch als Kuriofum erwähnt, daß das Seminar in 
Liegnig nur im Winter außerhalb des Turnunterrichtes Jugendfpiele 
betreibt. 

2. Rnaben-Mittelfhulen. 

Bevor wir in die Beiprechung eintreten, muß auf einen Umſtand 
hingewieſen werden, der die Bearbeitung gerade dieſer Art von Lehr: 
anftalten äußerft ftörend beeinflußt hat. Es war dies die große und 
leider in manchen Fällen unüberwindliche Schwierigkeit, die Mittel: 
ſchulen als folche zu erkennen. Ihre landläufige Benennung ift ftaaten- 
und fogar ftredenweife — wenigſtens in den Berichten — eine jo 
grundverfchiedene, daß fie oft für die Beurteilung des Zieles der 
Schule feinerlei Anhalt bietet. Der Lehrplan der einzelnen in Frage 


231 


fommenden Anjtalten war nicht befannt, auch nicht aus anderweitigen 
Quellen feftzuftellen; den einzigen, leider auch nur unvollftändigen Be- 
belf bildeten die bezüglichen Angaben des bereit3 erwähnten „Sta- 
tiftiichen Sahrbuches der höheren Schulen”. Bei diefer Unficherheit 
mag manche Schule bier ihren Pla gefunden haben, die einer an— 
deren Hauptgruppe zugehört, und umgelehrt manche hierher gehörige 
fehlen. Wir tröften uns aber damit, daß ſelbſt an berufener Stelle 
betreff3 vieler Schulen Unficherheit obwaltet und daß die amtliche 
Definition der Mittelfchulen al3 folcher, deren Lehrplan über das Ziel 
der Volksſchule hinausgeht, die ſchon an und für fich fehr dehnbar ift, 
uns am allerwenigften aus ber Verlegenheit helfen konnte. Jedenfalls 
aber erbitten wir die gütige Nachficht fachkundiger Beurteiler dieſer 
Statiftil. Ihrer Bedeutung für die mit der Umfrage verfolgten Ziele 
erwädhlt aus dem erwähnten Umftande faum eine nennenswerte Be- 
einträchtigung. 

Im ganzen wurden 193 Mittelſchulen gezählt, von denen 120 
auf Preußen, 73 auf die anderen Staaten entfallen. Hierbei iſt zu 
beachten, daß außer von Berlin auch von Bayern, Mecklenburg— 
Schwerin, Sachſen-⸗Meiningen und Bremen alle Angaben fehlen, bei 
Braunſchweig (Stadt) nur mitgeteilt ift, daß das Spiel für Knaben 
in 4 Klaffen der Mittelfchulen obligatorisch ſei. Es ift ferner darauf 
binzuweifen, daß mande ſog. „höhere Bürgerfhulen”, z. B. in 
Heſſen und Baden, die nad) dem Statiftifchen Jahrbuche bei den höheren 
Schulen unter „Sonftige” behandelt find, vielleicht hierher gehört 
hätten. Nur 5 Schulen hatten feinerlei Spielbetrieb, 3 preußiiche 
und 2 nichtpreußifche, nämlich die Mittelfhulen in Jüterbog, Kolberg, 
Oſterode a. Harz, Baugen und Grimma; außerdem ift noch eine in der 
Tabelle nicht enthaltene private Mittelfchule in Breslau zu nennen. 

Während des Turnunterrihts gelehrt wurden Qugendipiele in 
178, d. i. 92 vom Hundert jämtliher Mittelfehulen, und zwar 112 
preußifchen, 66 anderftaatlichen. 

Gelegenheit zur Pflege der Spiele außerhalb des Turnunterriht3 
boten 110 Schulen in 746 Klaffen, alfo 67 v. 9. der Schulen; auf 
1 Schule entfielen hiernach 6,8 fpielende Klaffen. Auf Preußen kamen 
biervon 64 Schulen und 356 Klafjen oder 53 v. H. der Schulen und 
auf die Schule 5,6 Klaffen, auf die anderen Staaten zujammen 46 
Schulen mit 390 Klaffen oder 63 v. H. der Schulen und 8,5 Klaſſen 
auf eine Schule. Es erjcheint auffallend, daß hiernach Preußen hin- 
fichtlich der Verhältniszahl der fpielenden Schulen und Klafjen gegen 


232 


die Gefamtheit der übrigen Bundesftaaten erheblihd im Nachteil ift. 
Ein Blid auf die Tabelle belehrt uns aber, daß Sachſen den Hauptteil, 
nämlich 59 v. H., der in den nichtpreußichen Staaten fpielenden Mittel: 
Thulen geftellt hat und daß gerade von den anderen größeren Staaten 
(Bayern, Württemberg, Heffen, Baden und Medlenburg: Schwerin) die 
Mittelfhulen ganz oder doch faft völlig fehlen. Hieraus erklärt ſich 
dier auffallende Größe der bezüglichen Verhältniszahl, die deshalb auch 
nicht als zuverläffig angejehen werden fann. 

Die Beteiligung am Epiele war bei 101 diefer Schulen und 675 - 
Klaſſen freiwillig, bei 9 Mittelfhulen mit 71 Klaffen pflichtmäßig. 
In Preußen ftellen fih die entfpredhenden Zahlen auf 58 und 324 
bezw. 6 und 32, in den anderen Staaten auf 43 und 351 bezw. 3 
nnd 39. Es geht ohne Berechnung von Verhältniszahlen ſchon hier— 
aus klar hervor, daß pflichtmäßiger Spielbetrieb wenig in Betracht 
fommt. Der Grund liegt aber hier keineswegs in mangelndem Be- 
dürfnig, wie die Brozentzahlen der außerhalb des Unterrichts |pielenden 
Anſtalten deutlich erkennen laffen, fondern vielmehr in der Schwierig: 
feit, oft ſogar Unmöglichkeit, die in ihrer jchulfreien Zeit von den 
Eltern für häusliche und dergl. Arbeiten in Anfprud) genommenen 
Schüler zwangsweiſe zum Spiel anzuhalten. Vielfach jpielen aud 
Koftenfragen eine Role dabei. 

Es wird hauptſächlich im Sommer gejpielt; insgeſamt pielen 
in 11 Mittelfhulen 100 Klaffen auch im Winter, aljo Vıo der 
Schulen und etwas weniger als !/s der Klaffen. Preußen ift mit 
faft ®/4 aller und mit !/s feiner eigenen WMittelfehulen am Winter- 
betriebe beteiligt; für das übrige Reichsgebiet fommt nur je 1 Anftalt 
in Sachſen und in Sachſen-Weimar in Betradt. 

Wertvoll wäre e3 für die Prüfung der vorftehenden Angaben, 
wenn DVergleichgmaterial aus einer früheren Erhebung vorläge; leider 
ift dies nicht der Fall. Es muß daher einer etwaigen fpäteren, auf 
zuverläffigere Angaben über den Lehrplan der einzelnen Schulen ge- 
ſtützten Bearbeitung vorbehalten bleiben, dies nachzuholen. 


3. Knaben-Volksſchulen. 


Bei der Bearbeitung der Volksſchulen überhaupt kamen einige 
allgemeine Gefichtspunfte in Betracht, deren Erörterung wir gleich hier 
vorausſchicken wollen; man wird fie fih auch bei der fpäteren Be- 
ſprechung der Mädchen-Voltzfchulen gegenwärtig zu halten haben. 

Zunächſt bereitete die Behandlung der geihlehtlih gemifchten 


233 


Schulen Schwierigkeiten. Der nädhftliegende Gedanke, fie ala be- 
fondere Gruppe zu betrachten, erwies ſich als unausführbar; einerjeits . 
wären die Zahlen zu geringwertig geworben, als daß fie ein ſtatiſtiſch 
brauchbares Bild hätten abgeben fünnen, anderjeit3 wäre dadurd) eine 
erhebliche Fehlerquelle entftanden, da e3 vielfach nicht feitzuftellen war, 
ob eine gejchlechtlih gemiſchte Schule vorlag, oder es fi) um zwei 
geichlehtlih getrennte Schulen handelte. Es blieb fomit — da 
Duellenmaterial fehlte — nur übrig, jede al3 gemifchtflaffig angegebene 
Säule fowohl bei den Knaben: wie auch bei den Mädchen-Volt3- 
ſchulen, alfo doppelt, zu zählen. Hierdurch erleidet allerdings die tat- 
ſächliche Zahl der Schulen eine unbedeutende Verfchiebung, die fi 
aber bei den beiden Geſchlechtsgruppen die Wage hält und um jo 
weniger bedenklich ift, als fie auf die Ergebniffe feinen nennenswerten 
beirrenden Einfluß übt. Auf anderem Wege hätten wir unausweidh: 
lich zu falſchen Schlüffen fommen müffen. 

Cine weitere Schwierigkeit lag in dem bereit3 in den Cingang3- 
mworten erwähnten Umſtande, daß eine beträchtliche Zahl von Orten 
ihre Berichte jo allgemein gehalten haben, daß deren tabellarifche Ver- 
wertung ausgefchloffen war, um fo mehr als für eine — im beiten 
Falle jehr zeitraubende — Feltitelung der Zahl der Schulen jeder 
Anhalt mangelte. Eine annähernde Schäßung aber wäre in ſolchem 
Umfange der Entwertung aller Zahlenangaben gleichbedeutend geweſen. 

Eine kleine Anzahl von den Kreisfchulinipeftionen aufgeführter 
ländlicher Volksſchulen find, wie ebenfalls jchon in der Einleitung ge- 
fagt, in die Zählung einbezogen worden. Ebenſo haben die wenigen 
Taubftummen- und Blindenanftaltsfchulen hier Pla gefunden. 

Die Angaben der Berichte beziehen ſich auf 1374 deutjche, davon 
1053 preußifhe und 321 nichtpreußifche Knabenvolksſchulen. Bon 
ihnen jpielten im ganzen 1234 — 90 v. H., und zwar 90 v. 9. der 
preußiſchen und 88 v. 9. der anderen Staaten. Eine. eingehende 
Beſprechung der Verhältniszahlen jparen wir ung für die Anftellung 
des Vergleiche mit den Ergebnifjen des Jahres 1896 auf, die fih an 
die Mädchenvolfsfchulen anjchließen wird und beide Gefchlechter ohne 
Trennung umfaßt, wie dies aud) damals gefchehen if. Die Angabe 
von Prozentzahlen ohne den Rüdhalt eines Vergleiche würde höchiteng 
die gegenwärtige Lage näher erläutern, ohne die ftattgehabte Bewegung 
erfennen zu laſſen, aljo für die Ziele dieſer Arbeit wenig förderlich 
fein. Auch würde eine Gegenüberftellung Preußens mit den anderen 
Staaten infolge der bei legteren Elaffenden Lücken ein faljches Bild ergeben. 


234 

Gelehrt werden Jugendipiele in 1159 — 84 v. 9. der Ainaben- 
ſchulen, 890 preußifhen und 269 der anderen Staaten. In Welt 
preußen fehlt feine, in Heſſen-Naſſau nur eine von 38 Schulen, ferner 
rund in Weitfalen nur der ſechsundzwanzigſte Teil der Schulen, in 
Pommern Ys, Schleswig-Holftein Y/r, Sachſen und Rheinland '/s, bei 
den übrigen Provinzen Vs und mehr. Bei den anderen Staaten fällt 
Hamburg unangenehm auf, da von 66 Schulen nur 26 Spiele lehren; 
doch it hier zu beachten, daß die Angaben des Berichtes nicht auf 
amtlidem Materiale, fondern auf eigener Schägung des Bericht: 
erftatters beruhen. 

Gelegenheit zum Spiel außerhalb des Unterrichtes boten nur 
598 Schulen, d. i. 44 v. H., in 3615 Klaffen, ſodaß auf eine Schule 
jech3 fpielende Klaffen fommen. Bon den preußifchen Provinzen bieten 
nur Pommern, Sclejien, Schleswig-Holjtein und Heſſen-Naſſau ein 
günftiges Bild, während bei allen übrigen die Zahl der Schulen über: 
wiegt, die in der fchulfreien Zeit Feine Spielgelegenheit geben. So 
finden fich beiſpielsweiſe in Rheinland gegenüber 204 nicht fpielenden 
nur 145 jpielende Schulen, in Weitfalen gegen 125 nur 11. In 
Bayern und Sachen jpielen 40 bezw. 71, 21 bezw. 24 nidt, in 
Hamburg 36 gegenüber 30, während in den Reichslanden nur 13 von 
39 Gelegenheit dazu haben. Zuverläffige Durchſchnittszahlen für die 
Klaſſen bei den Provinzen und Einzeljtaaten laffen fich bei dem ge- 
ringen Werte der Größen nicht bilden. 

Wie bei den anderen Anftaltsgruppen, jo überwiegt auch bier 
das freiwillige Spiel in den Sommermonaten, doch iſt der Anteil des 
pflichtmäßigen und des über das ganze Jahr ausgedehnten Spielbetriebes 
ein verhältnismäßig hoher. Die Beteiligung war im Reiche bei 11 v. 9. 
der Schulen pflihtmäßig und 19 v. 9. fpielten au im Winter. In 
Preußen finden wir als entſprechende Zahlen 14 und 24, im übrigen 
Reichägebiet nur 7 und 70.9. Es mag noch hervorgehoben werden, 
daß in Brandenburg 9 von 31 und in Schlefien 24 von 101 Schulen 
pflihtmäßig, in Rheinland 76 von 145 (alfo über die Hälfte) und in 
Hannover 6 von 11 Schulen auch im Winter die Spiele üben. 


B. Schulen für Mädden. 


1. Höhere Schulen für Mädchen (Lehrerinnenjeminare 
und höhere Mädchenſchulen) und 2. Mädchenmittelſchulen. 


Wenn wir diefe beiden Gruppen gemeinfam befprechen,. jo ge: 
jhieht e8 wegen des Bergleiches mit der Erhebung des Jahres 1895 


235 


(Jahrbuch V. 1896), wo fie untrennbar miteinander verbunden find. 
Leider find die damals veröffentlichten vorläufigen Zahlenangaben 
ziemlich dürftig; die dort in Augficht geftellte ausführliche Bearbeitung 
fcheint unterblieben zu fein, da fih in den folgenden Jahrgängen der 
„Zeitſchrift des Kgl. preußiſchen ftatiftifchen Bureaus” nicht Derartige 
findet. 


Bei der Bearbeitung der höheren Schulen für Mädchen haben 
wir die mit ihnen verbundenen LZehrerinnenfeminare abgetrennt und 
al3 gefonderte Anftalten behandelt; dies hatte insgejamt in 42 Fällen 
zu gejchehen. 

Bon höheren Schulen liegen im ganzen 329 Berichte vor (ſ. 
Tabelle 11), wovon 48 LZehrerinnenjeminare, 281 höhere Mädchen- 
ſchulen betreffen, gegenüber 56 der eriteren und 601 der leßteren, zu⸗ 
fammen 657 im Sahre 1895. Von den Seminaren fehlen 4 preußifche 
und 4 außerpreußifhe, von den höheren Mädchenfchulen 196 bezw. 
124, im ganzen genau die Hälfte der Anftalten, was bei der Be- 
wertung de3 Vergleiches nicht außer acht zu laſſen ift. 


Mittelfehulen (Tabelle 12) find Diesmal 168 vertreten, 95 preußifche 
und 73 der anderen Staaten; 1895 waren von 129 bezw. 90 und 39 
Berichte eingegangen. Wir haben alfo jegt ein Mehr von 39 bezw. 5 
und 34 Mädchen-Mittelfchulen zu verzeichnen, daS bei der gemein- 
ſamen Bejprehung der Ergebnifje beider Erhebungen den Ausfall an 
höheren Schulen wenigſtens etwas aufwiegt. 


Zunächſt jcheiden 10 Seminare, 63 höhere Mädchenfchulen und 
24 Mittelfhulen aus, die gar nicht fpielen, zufammen 97 oder 19 
vom Hundert aller 497 Anftalten, gegen 80 — 10,2 vom Hundert im 
Sabre 1895. Es würde falih fein, wollte man bieraus ein Nach» 
laſſen des Spielbetriebes folgern ; gerade dieje beiden Größen find wegen 
der Ungleichheit der Unterlagen nicht vergleichsfähig, und wir haben 
fie auch nur deshalb gegenübergeftellt, um dadurdy den Wertunterfchieb 
der beiden Erhebungen ins rechte Licht zu ſetzen. Der Anteil der 
Schulen ohne jeden Spielbetrieb betrug 1902 in Preußen wie in den 
anderen Staaten rund Us, 1895 Yır bezw. Ys. Auch hier erkennt 
man deutlich) den Einfluß der Unvollitändigfeit des Materialed. Der 
bequemeren Überficht wegen ftellen wir nun einfach die Grund- und 
Verhältniszahlen beider Statiftifen gegenüber. 


236 


Jugendſpiele wurden 
im Turnunterridte außerhalb des Turn- Zahl der 


gelehrt unterrichte8 geübt berichtenden 
in Schulen Schulen 
überhaupt v. H. überhaupt v. H. überhaupt 
in Preußen: 
1895 331 64,4 1306 26,5 514 
1902 241 75,6 83 26,0 319 
in den anderen 
Staaten: 
1895 179 65,8 60 22,1 272 
1902 132 74,2 62 34,8 178 
im Deutfchen 
Reich: 
1895 510 64,9 196 24,9 786 
1902 373 75,1 145 29,2 497. 


Diefe Zahlen reden eine deutliche und erfreulihde Sprache und 
bedürfen feiner weiteren Erläuterung. Man fieht zugleich daraus, daß 
die verjchiedene Vollftändigfeit der Erhebungsunterlagen fich bier nicht 
mehr ftörend bemerkbar macht, außer bei den Verhältniszahlen für 
das Spiel außerhalb des Turnunterrihtes. Der Stilftand ift fichtlid 
nur ſcheinbar vorhanden und beruht auf den gerade hier jehr empfind- 
lichen Lüden im Material. 

Bon den Lehrerinnenſeminaren haben 77,1, von den höheren 
Mäpdchenihulen 74,4 und von den Mittelihulen 63,1 vom Hundert 
noch feine Gelegenheit zu regelmäßiger Spielübung außerhalb des 
Unterrichtes. 

Hinſichtlich der fpielenden Klaffen ermöglichte die Veröffentlichung 
über 1895 feinen Vergleih, da fie fich nicht hierauf erftredt. 1902 
famen in Preußen auf ein Lehrerinnenfeminar 2, auf eine höhere 
Mädchenſchule 5 außerhalb des Unterrichtes fpielende Klafjen; in den 
anderen Staaten und im Reiche ftellen ſich die Durchſchnitte bei den 
höheren Mädchenſchulen auf 4 und 5, während die Klafjenzahl für 
die Seminare der anderen Bundesftaaten nicht angegeben uud deshalb 
auch für das Reich nicht zuverläffig feitzuftellen if. Bei den Mittel: 
ſchulen ſpielten durchfchnittlic in jeder 6 Klaffen, in Preußen 4, 
in den anderen Staaten 7. 

Betreffs der Frage ILI ergibt fich folgendes. Von den Seminaren und 
höheren Mädchenfchulen, von welchen je eine Anftalt wegen mangelnder 


237 


Angaben ausfällt, fpielten 91 bezw. 92 vom Hundert freiwillig, 73 bezw. 
86 nur im Sommer. Die VBerhältniffe in den Einzeljtaaten Tönnen 
wegen ber Kleinheit der Zahlen nicht als Richtſchnur dienen. Die 
Mittelfehulen und ihre Klaffen beteiligten fi im Reiche wie in den 
Einzelitaaten alle freiwillig, 79 vom Hundert der erjteren und 96 vom 
Hundert der legteren nur im Sommer. Im Winter jpielen nur zwei 
nichtpreußifche Schulen. 


3. Mädchen-Volksſchulen. 


Bevor wir auf die Gegenüberftellung der Ergebniſſe von 1894 
und 1902 betreff3 der Bolfsfchulen überhaupt eingehen, werfen wir 
einen Blid auf den Stand der Spielbewegung bei den Mädchen- 
Volksſchulen. 

Sn den Berichten find deren 1306 aufgeführt, 991 oder 76 v. H. 
preußifche und 315 oder 24 v. 9. der anderen Staaten. Jugend: 
jpiele werden überhaupt in 71 v. 9. der deutjchen bezw. 74 v. 9. 
ber preußifchen und 62 v. H. der nichtpreußifchen Schulen getrieben. 

Sm Reiche lehrten 787 — 60 ». 9. der Schulen, nämlid in 
Preußen 600 = nicht ganz ?/s, im übrigen Reichägebiete 177 — mehr 
al3 die Hälfte der Schulen die Jugendſpiele im Turnunterricht. So- 
weit die preußifchen Provinzen und die anderen größeren Staaten in 
Frage kommen, findet ſich ein Überwiegen der Schulen, welde im 
Turnunterrichte noch Feine Anleitung zum Spiel geben, in den Pro- 
vinzen Brandenburg (42:25), Poſen (17:13), Sachſen (29 : 17), 
ferner in Württemberg und Helfen (7:1 und 3:2), doch find hier die 
Zahlen zu Flein, um aus ihnen Schlüffe ziehen zu können. Von Baden, 
Lübeck und Bremen fehlen alle Nachrichten über die Volksschulen. 

Gelegenheit zur Übung und Pflege des Spieles außerhalb der 
Turnftunden hatten überhaupt 424, d. i. 32 v. 9. der Schulen in 
2327 Klaſſen; e3 kommen fomit 5,5 Klaffen auf eine Schule, in 
Preußen 4, ſonſt 9. An eriter Stelle von den preußifchen Provinzen 
fteht Schlefien, wo von 170 Schulen 86 Gelegenheit bieten. Ferner 
haben in Brandenburg .und Rheinland mehr als Ys, in Poſen, Heffen- 
Naffau, Bayern und Sachſen faft die Hälfte und in Schleswig-Holitein 
mehr als die Hälfte der Schulen regelmäßige Spielgelegenbeit. 

Von diefen 424 Mädchen-Volksſchulen jpielen freiwillig im ganzen 
371, d. i. 88 0. H., in Preußen 85 und in den anderen Staaten 
97 v. 9. Die pflihtmäßige Beteiligung überwiegt in Weitfalen 
(13:5) und ift aud) in Schlefien mit 16 von 86 Schulen verhältnis- 


238 


— — 





mäßig bedeutend. In Weſtpreußen ſind nur 6 Schulen aufgeführt, 
die ſämtlich pflichtmäßig fpielen, ebenfo wie 9 = !ız der Schulen 
Rheinlands. | 

Diefe Spiele außerhalb des Unterrichts finden bei 320 deutjchen, 
davon 230 preußifchen und 90 nichtpreußifchen Mädchenfchulen, nur 
im Sommer ftatt; dies entſpricht einem Verhältnis von 75 bezw. 70 
und 94 v. H. Die Ausdehnung des Spielbetriebes auf das ganze 
Sahr finden wir in bervorragendem Maße in Rheinland vertreten, 
wo von 125 Schulen 72, alfo ®/s, im Winter fpielen; auch Weltfalen 
mit 13 von 18 (etwa3 über ?/s) verdient Beachtung. Es Tann nicht 
unerwähnt bleiben, daß der Zurnunterriht bis jegt erit in der 
Minderzahl der Mädchenſchulen eingeführt, die Möglichfeit der An- 
leitung zum Jugendſpielen innerhalb desſelben jomit bejchräntt ift. 
Um fo erfreulicher ift e3 daher, daß nach einer vor Monatsfrijt er- 
ſchienenen Zeitungsnotiz die preußifche Unterrichtsverwaltung in der 
Ausdehnung des jchulgemäßen Turnens auf die Mädchen - Volks: 
ſchulen ein mejentliches und bejonders wichtiges Mittel zur förper- 
lihen Ausbildung der weiblichen Schuljugend erblidt und deshalb 
die Schulauffichtäorgane zur Berichterftattung über die Zwedmäßig- 
feit und Durchführbarfeit des Turnunterrichtes ſowie über die 
hierzu erforderlihen Aufwendungen veranlaßt hat. Es darf mohl 
gehofft werden, daß mit dem Mädchenturnen die Anleitung zu Jugend- 
jpielen Hand in Hand geht und damit diefe felbit fich in der Mädchen- 
Volksſchule in weit höherem Maße einbürgern werden. 

Wir ftelen nun zum Zwecke des Vergleichs nachitehend für 
fämtlide Volksſchulen (Knaben- und Mädchen) die Ergebnifjfe der 
Erhebungen von 1896 und 1902 in ihren Grund- und entiprecdhenden 
Berhätlniszahlen einander gegenüber, ſoweit dies die frühere Statiftif 
ermöglicht, die fich leider nur auf Preußen bezieht. 


Sugendjpiele wurden 


im Turnunterricdte außerhalb des Turn- Zahl der 
gelehrt unterrichtes geübt berichtenden 
in Schulen Schulen 
überhaupt v. 9. überhaupt v. 9. überhaupt 
in Preußen: 
1896 1985 94,9 1272 85,2 3616 


1902 140 729 747 36,5 2044 


239 


im Turnunterrichte außerhalb des Turn- Zahl der 
gelehrt unterrichtes geübt berichtenden 
in Schulen Schulen 
überhaupt v. 9. überhaupt v. 9. überhaupt 
in den anderen 
Staaten: 
1896 
1902 456 71,7 275 43,2 636 
im Deutjchen 
Reiche: 
1896 ; A ; ; 
1902 1946 72,6 1022 88,1 2680. 


Aus den Zahlenverhältniffen für Preußen geht Elar hervor, daß 
bei den Volksſchulen die Jugendſpiele innerhalb des Turnunterrichtes 
jegt in weit größerem Umfange gelehrt werden, als dies 1896 gejchah, 
daß ferner auch außerhalb desielben die Spielpflege an Boden ge- 
mwonnen hat, wenn auch bei weitem weniger. Bedenkt man aber die 
Schwierigkeiten, die gerade bei der Volksſchule der Ausbreitung diefer 
legteren Art des Spielbetriebes entgegenftehen (Verwendung der Kinder 
zu bäuslihen Arbeiten, mangelnde Mittel ufw.), jo muß aud 
diefer langſame Fortjchritt als erfreuliches Zeichen betrachtet werden. 

Die Ergebnifje des Jahres 1902 haben wir für die anderen 
Staaten und das Reich trog mangelnden Vergleichsmateriales deshalb 
beigefügt, weil aus ihrer Übereinftimmung mit den preußifchen Ver— 
hältniszahlen unbedenklich gefolgert werden darf, daß aud bier ein 
gleicher Fortfchritt befteht. Die Prozentzahl der in den nichtpreußifchen 
Reichögebieten außerhalb des Turnunterrichtes ſpielenden Schulen ift 
offenfichtlih durch die Dürftigkeit der Unterlagen im Sinne einer 
Steigerung beeinflußt worden, die jedoch keinesfalls fo weſentlich fein 
kann, daß fie bei völliger Gleichwertigfeit der Berichtszahlen unter den 
Stand Preußens bezw. des Reiches herabfinfen würde. 

* * 


Betrachtet man die Ergebniſſe der letzten Erhebung in ihrer Ge— 
ſamtheit, jo dürfen fie zweifellos als durchaus befriedigende 
bezeichnet werden, wenn auch noch genug zu wünſchen und zu erſtreben 
übrig bleibt. Aber wo wäre dies im Erziehungsweſen nicht der Fall? 
Etwas Vollkommenes iſt nicht erwartet worden; die Umfrage ſollte 
dem Zentral-Ausfhuß durch Feſtſtellung des derzeitigen Standes Der 
Spielbewegung die Pfade mweifen, die er zur weiteren Förderung, Be⸗ 


240 


feftigung und Vertiefung des Spielbetriebes einzufchlagen hat. In— 
wieweit die vorftehenden Ergebniffe diefen Zwed erfüllen, haben wir 
nicht zu beurteilen; wir fünnen nur hoffen, daß es uns gelungen fein 
möge, troß der Mängel des Materiales ein klares und überfichtliches 
Bild der Lage gegeben und dadurd) mitgeholfen zu haben bei der 
Durchführung der Schönen und dantenswerten Aufgabe, die der Zentral: 
Ausschuß fich geitellt hat. 


Anlage. 


Überficht der Orte, in weldhen nad; dem Magiftratsberidht 
feine Jugendſpiele betrieben werden, jowie der Gründe, warum 
fie dort noch nicht eingeführt oder wieder aufgegeben Wurden. 


A. Preußzen. 
I. Dftpreußen. 

Bartenftein. 

Heilsberg. 

Oſterode i. Dftpr.: Genügend Bewegung 
im Freien, für Jugendſpiele kein Be— 
dürfnis; ſie würden als Zwang 
empfunden werden, weder Eltern noch 
Schülern Freude bereiten. Was für 
Großſtädte notwendig, iſt für kleine 
und Mittelſtädte noch kein Bedürfnis. 

Raſtenburg: Nur einzelne Geſellſchaften 
ſpielen auf ſtädtiſchen und privaten 
Plägen Fußball, Tennis uud Krodet. 


JH. Weftpreußen. 
Deutſch-Krone. 


IV. Brandenburg. 

Friedeberg NM. 
Königsberg NM.: Nur Gymn. ſpielt. 
Kyritz. 
Lichtenberg b. Berlin: Nur eine Mädchen⸗ 

Hafle Spielt. 
Dranienburg. 
Werder a./d. 


V. Bommern. 
Demmin. 
Kolberg: Jugendſpiele in der Knaben- 
Volksſchule wieder eingefchlafen. Es 
gehen jedoch zwei Lehrer zum Kurſus 


nah Braunfhmeig, die dann die 
Spiele wieder einführen follen. 
VL Poſen. 
Gneſen (konfejfionelle Sozietätsfchulen). 
VD. Schleſien. 
Slogan. 
Zaborze. 
VIII. Sachſen. 

Burg b. Magdeb. 

IX. Schleswig-Holſtein. 

Üterfen. 

X. Hannover. 

Dfterode a. 9. 

XI Weftfalen. 

Bedum. 

Buer. 

Halver: Keine Schule des Amtsbezirks 
fpielt; bei den ländlichen Berhältnifien, 
wo die Kinder übergenug Freiheit 
und förperliche Bewegung haben, ſei 
dazu auch kaum PBeranlaffung. 

Hörde: Berhandlungen wegen Einfüh- 
rung der Yugendfpiele ſchweben noch; 
bis zum definitiven Beſchluß der Ein- 
führung dürfte noch einige Zeit ver: 
gehen. Magiftrat hofft, im Jahre 
1903 über das Ergebnis feiner Be- 
mühungen zur Förderung berichten 
zu können. 


241 


Hohenlimburg. 


Kaftrop. 
Langendreer. 


XIL Heſſen-Naſſau. 

Hersfeld: Mit Turnunterriht zwar 
Spiel verbunden, aber nicht im Sinne 
und nad den Regeln des Zentral- 
Ausſchuſſes. Der Einführung diefer 
Sugendfpiele fteht hauptſächlich der 
Zeitmangel entgegen; die Kinder 
werden von den Eltern zu Haus- und 
Teldarbeit herangezogen. Kleinere 
Städte dürften für die Beftrebungen 
des Zentral-Ausſchuſſes weniger in 
Frage fommen. 

Limburg a. / Lahn (Volksſchulen) 


XIII. Rheinland. 

Beuel. 

Burſcheid. 

Friedrichsthal, Kr. Saarbrüden (Volks⸗ 
ſchulen). 

Lindlar. 

Merzig. | 

Mülheim a. Rhein. 

Odenkirchen. 

Ohligs (10 Volksſchulen). Einführung 
beabſichtigt. 1902 hat Oberturnlehrer 
Schröter⸗Barmen einen Spielkurſus 
abgehalten, an dem u. a. auch 20 Volks⸗ 
fhullehrer teilnahmen. 

Overath. 

Waldbröl: Die Beftrebungen zur Fördes 
rung der Jugendſpiele finden bei der 
Bevölkerung (1500 Einmw.) nicht” das 
nötige Entgegenfommen. Zudem hält 
die Beihaffung eine guten Turn- 
plates und der nötigiten Geräte ſchwer. 


. Hilf&bereite Freunde der Beftrebungen 
fehlen. 


Wetzlar. 
Wülfrath. 
B. Andere deutſche Staaten. 
1. Bayern. 
Aſchaffenburg. 
Pirmaſens. 
Regensburg: Zu J. —; zu OD. Sn 


feiner Schule regelmäßig. (Bericht 
betrifft nur die Volksſchulen.) 


2. Sadfen. 
Crimmitſchau. f 
Lengenfeld i. B.: Man hat ver Frage 
noch nicht näher treten können, wird 
es auch in nädfter Zeit noch nicht. 
Später nicht ausgeſchloſſen. 

Löbau: Nicht eingeführt, Einführung 
3. 3. auch nicht beabfichtigt. 

Ölsnig i. V. 

Penig. 

Radeberg. 

Sebnitz. 

Werdau. 


4. Baden. 

Bruchſal: Nur an der höheren Töchter⸗ 
ſchule „jeitweiſe“ Spiel außerhalb des 
Unterrichtes. 

Raſtatt. 


25. Elſaß-Lothringen. 
Biſchweiler. F 
Metz: Bisher nichts geſchehen, doch ſind 
bereits einige Gemeinderatsmitglieder 
beſtimmt, die dem zur Förderung der 
Sache zu bildenden Ausſchuſſe bei—⸗ 
treten werden. 


Anmerkung. Dieſe Überſicht ſtimmt bei Brandenburg und Bayern mit 
den Zahlen der Tabelle 2 nicht überein, da bier je ein Bericht (Königsberg NM. 
bezw. Regendburg) mehr zu berüdfichtigen war, der ftreng genommen dort nicht 
als „ohne jeden Spielbetrieb” bezeichnet werden konnte. 


Volks⸗ und Jugendſpiele. XII. 


16 


242 





Tab. 1. Zahl der in den Berichten vertretenen Orte. 











Die Zahl der Orte, aus an 2 
"liegen, beträgt bei den | =.2 | 2 3@ 
Staaten. Beriten ver 328 gr5 | 9 Be 
— 2 el ©: 5 535 Fre: mit ohne 
-& 5 oo Bo are 2 52 
Provinzen. E83 Es s+ |388 |=.2 —— 
8 g —* | Sa |a8# 258 
| & S ng. Nu 
1 2 | 8s | «| 5 | e | 7 | 8 
A. Preußen. | | 
I. Dftpreußen . . x»... 16 26 42 12 30 29 1 
II. ®eftpreußen. -. . . . .» 16 23 39 12 27 26 1 
II. Berlin. © - 2.20. 1 1 2 1 1 1 — 
IV. Brandenburg...— 52 25 77 17 60 59 1 
V. Bommein. . » 2.2. . 21 19 40 10 30 30 — 
VI. Poſen 14 23 97 10 27 27 — 
VII. Schleſien 48 48 96 31 65 65 — 
VIII. Sachſen ne 41 20 61 14 47 47 — 
IX. Schesmig- Seiten. — 16 26 42 16 26 26 — 
X. Hannover... a 29 34 63 22 41 40 1 
XI. Weftfalen**). . ». ... 48 17 65 10 50 49 6 
XH. HefienNaffau -. . . . . 14 — 14 — 14 13 1 
XII. Rheinland . . 2.2... 69 8 77 5 72 60 12 
zuſammen A 335 | 270 | 655 | 160 | 495 | 472 23 
B. Andere ug Staaten. 
1. Bayern . . . 5 34 95 | 129 33 96 92 4 
2: Sabien: u u a. u ar 59 1 60 1 59 öl 8 
3. Württemberg . » . 2... 13 — 13 — 13 13 — 
4. Baden. 12 34 46 7 39 29 10 
5. Heſſen.. ... 7 48 50 71 8 39 4 
6. Mecklenburg-Schwerin 3 7 10 1 9 9 — 
7. Sahjen-Weimar . 5 5 10 4 6 6 — 
8. un, 2 — 2 — 2 2 — 
9. Oldenburg 2 3 5 — 5 5 — 
10. Braunschweig : 4 — 4 — 4 4 — 
11. Sachſen⸗Meiningen 7 — 7 — 7 7 — 
12. Sachſen⸗Altenbur 3 — 3 — 3 3 — 
13. SEI ERRODHND: otha — 4 8 7 2 5 5 — 
14. Anhalt . — 7 — 7 — 7 7 — 
15. Schwarzburg⸗ Sondershauſen 1 2 3 1 2 2 — 
16. re a 2 — 2 — 2 2 — 
17. Walded . — — — — — — — 
18. Reuß ä. Y. 2 1 3 1 2 2 — 
19. Reuß j. %.... 2 2 4 2 2 2 — 
20. Schaumburg⸗Lippe 1 1 2 — 2 2 — 
21. Zippe . —— 2 l 3| 1 2 2 — 
22. Lübeck. — 1 1 — 1 1 _ 
23. Bremen e 1 — 1 — 1 1 — 
24. Hamburg . . P 2 1 3 1 2 2 — 
25. Elſaß⸗ Lothringen s 8 24 32 7 25 22 3 
zufammen B 183 | 224 | 407 68 I 8339 | 810 29 
Summe A+B 568 | 494 |1062 | 228 | 884 | 782 52 


*) Die Zahlen zu f beruhen natürli nur auf den vorliegenden Berichten; inſoweit biefe unvolls 
ftändig ‚iind, nen: — Richtigkeit der Angaben nicht weiter geprüft werben 
Die in den Berichten von are naltuipertionen aufgeführten kleinen Zandgemeinden und Wohns 
pläge ine nicht ala eldftändige Orte gezählt 


; 243 


Tabelle 2.2 Zahl der eingegangenen Berichte. 











Gingegangene Antworten 
Staaten. mit Spiel von ohne Spielvon 
— = | zufammen 


Provinzen. & er 


anftalten 
a 
anitalten 
überhaupt 


wi Einzel- 


8 
23 
=) 
— 
— 
O 
4 


| Einzel- 


| 
1 | 








A. Preußen. 








L DRS 12 41 4 — 16 41 57 
—— 2230. 7 Pe re 19 33 1 1 20 34 54 
DIE BERN ee 1 7 — — 1 7 8 
IV. Brandenburg . .» .. . 58 26 5 — 63 26 89 
J 4: as BE 19 22 2 — 21 22 43 
VE Bolen: & 3.0 0 13 33 1 1 14 34 48 
VIEL San + 5% 5% 48 75 2 — 50 75 125 
VIII. Sachſen — 36 26 —1 — 37 26 63 
IX. Schleswig— voiſtein dei 16 32 1 — 17 32 49 
X. HBannver De 37 58 1 2 38 60 98 
ZI MWeitolen ; u a 43 20 7 2 50 22 72 
XII. — RN + 20408 12 — 2 — 14 — 14 
XHI. Rheinland . .». . 2... 57 12 12 — 69 12 81 
zuſammen A 371 | 38 39 6 | 410 | 391 s01 

B. Andere deutjche Staaten, 
EN 2 u are 33 | 175 2 9 35 | 184 219 
2ER ER ar 51 2 8 — 59 2 61 
>. Binttembis. 5 2% 3 = 13 — — — 13 — 13 
9 21 5, Ra N u ee pe 10 26 2 10 12 36 48 
5. Heſſen . . ats 7 59 — 5 7 64 71 
6. Medlenburg- Schwerin 3 8 — — 3 8 11 
7. Sachſen-Weimar . . 5 11 — — 5 11 16 
8. IE 5 2 — — = 2 — 2 
9. Oldenburg 1 3 — — —1 3 4 
10. Braunjchmeig . 4 — — — 4 — 4 
11. Sachſen-Meiningen 7 — — — 7 — 7 
12. Sachſen-Altenburg . . 3 — — — 3 — 3 
13. Sachſen⸗Koburg-Gotha 4 4 — — 4 4 8 
14. Anhalt. : 7 — — — 7 — 7 
15. Schwarzburg⸗Sondershauſen —1 1 — — —1 J 2 
16. ——— 2 — — — 2 — 2 
12, ee — — — — — — — 
18. Reuß ä. 2 1 — — 2 1 3 
19. Reuß j. a ’ 2 3 — —1 2 4 6 
20. Schaumburg⸗ Lippe 1 1 — — 1 1 2 
21. Lippe R 2 1 — — 2 —1 3 
22. Lübeck. — 3 — — — 3 3 
23. Bremen 1 — — — —1 — 1 
24. Hamburg . 2 1 — — 2 1 3 
25. Elſaß⸗ Lothringen du 7 30 2 3 9 33 42 
zufammen B 170 | 329 14 28 | 184 | 357 541 
Summ A+B 541 | 714 93 34 | 594 | 748 | 1342 


16* 


244 


Tabelle 3. A. Schulen für Knaben. 
1. Höhere Schulen. 
a. Zahl der eingegangenen Berichte. 





Beridte Berichte liegen für 1902 vo für 1902 vor über 
u A ET ze a a Je w 

Staaten. = ı 5| 5135| 5|5 |,2.|32|.85|s% 
u s 35125835383 5 |88|88 | 882 1|83 
: = |BE|82|22|835| 8 | BE |seElE,8 185 

Er nn — — 2 — — — nn 
Provinzen. E |REISEISEIOS| 5 |828|35 | ER E J ER 
25) a 2) on 2 5* * Be ee 5 — 

1 12 5/16| 7 L8 19] In 

























[3/4] 5le 7 |s/|s] wfu 
A, Preußen, 





1: Oftpraußen > = ; 2. % 7|—| 2|—[/ 1 4 9/| 8 — | 4 
12. Weltpienbet.. u... 3% 1831| 5] 11—[ 8 57 — 2136 
TI, BERR 4 5.0.0 0% 4 —| 11 —|—| —| — — — > 
TV. Brandenburg: 2| 2; 4| 2| 1 9 101 — 4 | 54 
V. Boten si ei 13| 2]1— | 2 | — 2) Ta 1 1:32 
VE BI al ee 171 21 11] I 1 1’ 553 1 | 34 
RE RR 117/175, re Bir GN 9| 1817 31 8 
——— 19|— | 5/1 —| 2| 5| 11/1 31 46 
IX Schlesmig- 3 — 122| 1| 11 — | 2| 9| 6) — el 
I. SIRRNDBER: 5 a Re 23| 3110| 1| 1111| 148 4 | 74 
EL RERERIBNE u ———— 16| 5| 5I1—| 2 2 8 — 1 I 39 
XI. Helen Naffau. . .... . 7’ 113 — 3| 8) —|—| — 1 2 
ZAHL Sbemiands u ©: 23 12| 11 7| 1:5} 4-1 — 81 38 
zufammen A 12061231 45 7121| 68| 4137| 2 
B. Andere deutiche Staaten, 
J a 42| 27| 4| — | — | 53| 12| 30 
Br Sr ir 3 — 3 — — 9 11— 1 
u BBULEIEWIDERG aa 7—-| 3| 112 6): EEE 3 
1 RETTET 9| 11 1] 14 6| I0Jl-Bic Due 
De DENE 05. Se ee 11 —3— 110 3|—| 3 
6. Medlenburg Schwerin. . . . . 6 — | 2I-| — — 2 — 3 
7. Sadhjen-Weimar . . . .... Bel Ziel 2| 21 — 2 
8 Medlenburg-Strelif . . . . . 21 — — — — 1 — — | — 
0: KIDENDELR. 2 2: 0 3) — — — 1 1 —— | — 
10. Sraunſheee 4 — 1|—| 1 11 — — 3 
11. Sachſen-Meiningen...... — — 1 — — — — — 2 
12. Sadhjen-Altenburg . . . . . . —|—-|-|-|i —| —| — —| 271 
13. eg Koburg ·Gotha au ea 12 — — 
J ne 1|—| 11— | — | —| —— 
15. — Sondershaufen . 21 — — — | — 21 —|— | —. 
16. Schwarzburg-Rudolftadt. J —— — 1|—| —| —|— | — 
J — — — — — — — — — 
En EUR I 1I—-|i -| —- | — | —| 11— | — 
BE BT Se ae 2|—ı 1 — — — 11—| 1 
20. Schaumburg-kippe . . .» . . . 1! -|—-|—- | —| —| — — | 17 
ER ce ee 21 — — — — — 11—| —7 
Je 11 —|—- | — | — 1 —ı— | — 
ZU NE ee ee 1I-|-|-| 1| — -—i-| 
24. —— EEE RE 2|—| 3/1 —| 1| 6| —|i— | —7 
25. Elfaß-Lothringen. . .. . . . 5| 31 —|I—| 3| 6] 5/| 3] — I 
zuſammen B 121 31 23 4117 1109| 2135| ©& | 
Summe A+B 327 59 68 | 11 | 38/177 126 2 | 8 | 


k Va \ aY fe; 
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I J de N‘ 
J 


245 


Tabelle 4. A. Schulen für Knaben. 
| 1. Höhere Schulen. 
b. Zahl der Anſtalten mit Spielbetrieb überhaupt?) 





Bon den in der Tabelle 3 aufgeführten Anftalten 


hatten überhaupt Spielbetrieb Se — 
——— —— —33 
— ERSTER ERST EM 
. 2 |I2E 58 ze 28 E BE R-T zoo ES. 82 E53 
1 ı2/3/415]6|7|j 8| 9] 1o | 1 | 12] ıs 
A. Preußen. | 

I. Oftpreußen. . . . . . . 17/—| 21 — 1| 4 9! 8| — | 41| —I 4 
II. Weitpreußen . . ... . 13) 5) 1|— | 3] 4 7! —|: 2 | 8385| 1] 86 
II. Berlin. ....:..%. 41 — 11—|\—| — — | —| — 51—1'5 
IV. Brandenburg - . .» - . - 22| 2| 4| 2| 1| 9 101 —| 3} 53] 1] 54 
V. Bommern -. . . 2... 13| 21 — | 2/—| 2 71 5I 1 32 I —| 32 
VL Bofen . . .»: 2 220. 17| 2| 11—|—| — 5| 7/1 331 11 34 
vu ee Bene esse 3a 31| 6) 5| 1) 1| 9 18| 7I| 31 81) —| 8 
VII. Sadfen ........ 19 — 5/—| 2| 5 1l! 11 3] 61 —| 4 
IX. Schleswig-Holftein 12 1| 1I—| 2| 9 6|—| — 311 —| 31 
X. Sannwer . . 2 2... 23| 3/10| 1| 1| 11 12! 7| 3 711 3] 74 
XI. Weftfalen . . ..... 16| 5| 5! — | 2| 2.7) —| 1 381 1]:39 
XI. Hefien-Nafiu. . . . . - 713 — 31 8 —! —| — | 21 —| 2 
XUHI. Rheinland . .... . -)12| 1] 7) 1)5| 4 — —| 8 38 | —I 38 
zufammen A 1206 128145 | 7121| 67| 92 85| 25 | 526 | 7I533 

B. Andere deutſche Staaten, | 
1... Bayern > 2 2 25% 42127| 4 — | — | 44 12| 30 13 | 172] 91181 
2. Sahfen . - - 222.0. 3 —| 3) — — 9 11 —| 1 171 —| 17 
3. Württemberg -. . - . ... 7\—| 8| 1| 2| 6 1} 1 3} 24] —| 24 
4. Baden. - 2 22200. 8 11 1/1 1/5/| 9 11 1) 1 381 5| 48 
5. Seflen. ». . 2.220. .[11j—| 3 — 1| 9 3) —| 2 | 49 | 4: 53 
6. Medienburg-Schwerin ...1 6— 2|—1—| —| 2 — 38 131 —| 13 
7. Sadien-Weimar . .. . . 3 — 21—|—| 2 2|—| 2 11I—| 1 
8. Medlenburg-Strelit . 2 — — — — 1 —! —| — 31 —1I:3 
9. Didendburg . . » 2.2. . 3 — —|—-|1| 1 —-|—| — 51 —| 5 
10. Braunfhweig. . .. .. . 4 — 1—-|1| 1 —!—| 38 101 —| 10 
11. Sadjfen-Meiningen . . . —'— | 1—-|1—| — —!—| 2 31 —| 8 
12. Sadjfen-Altenbur 2 2.2.2.1 — — — — — — — — 2 21 —| 2 
13. Sadhfen-Koburg-Öotha. .. | 2 — — 1 ı! ı 2!—-| — | 7I-—-]:7 
14. Anbalt. . . . . 22.0. | 1—-| 11—-|1—| — —| —| — 21 —| 2 
15. Schwarzburg-Sonderöhaufenı 2 — — — || 2 — — — 41 —| 4 
= —— -Rudolitadt . 1 — — 11—| — — — — I 2] —1 2 
18. Ruß... ....... 1 — — — — — 1|—| — | 2I-—| 2 
19. Reuß j. &. .. 2... 11—| 11—-/— |! — 1!—| 1 4| 11 5 
20 Sgaumburg-Lippe 11-1 —|—1—| —| — —-| 1 21 —| 2 
21. Lippe 2. 2 u naeh 2 — — — — — 1 — — I 3] —1: 3 
22. Übel: 5 ee 1 — — — — 1-| —| — | 2]| —| 2 
23. Bremen -. » 2 2 2.220. 1 — — — 1| — — — — I 2] -—| 2 
24. Hamburg - . 2.2... 2! — 11-—| 13 — — — 71 31 10 
25. Elfaß-Lothringen . . . . . 14| 3I1—|—| 3| 59 5| 3| — | 3 | 2] 35 
zufammen B 1118 31|23| 4|16| 94| 32| 35| 64 | 417 | 241441 
Summe A+B 1324 59|68| 118711611124 | 70| SO | 943 | 311974 


*) d. 5. ohne Rüdficht darauf, ob nach der Frage I oder II. 


246 














Tobele da. Zahl der Berichte überhaupt 1504. 

Berichte liegen für | liegen für 1894 wor vom | 2 vor von S 
Staaten. 18:38 R BHFrTr ae = 1212172) N 2 Mn 
. | = = m 3 8 — ar 535 = 3 
— e|ı8|21|5:|8|%3|# |e2|3@2| $8 
5 E25 5 8 8 |Ssjarslss 
Provinzen. 55/585 | 8 | 8 jaelstel en 

° I&l2 ls |23|*| 8] | >= |® 
1 —— 

A. Preußen. | 
1. Oftpreußen 16| 1| 4| 2| — 11 8/1 6 3 41 
2. Weftpreußen . . 1383| 6| 3] 41 — 11: 6| 4 1 38 
3. Stadtkreis Berlin . 15| —| 8| —| 2| 1| 2| — 1 39 
4. Brandenburg 5| 2! 7I| 7I —| 4| 10} 7 2 64 
5. VBommern . 19 2| 4 3] —| —| 71 6 3 44 
6. Pojen . 5| 3 31 —| —| — 5|) 5 2 33 
7. Sadjjen . 37 8! 9| 44 2) 6| 20| 12| 15 ———— 
8. Schlejien . 8| 8I| 61 8| 3) 9] 301% 3 77 
I. Schleswig- voiſtein 12| ı| 2| 6| 11 3| 6| 21 — 33 
10. Hannover 2! — 10 9| —| 6| 13| 9 3 12 
11. Weftfalen . . | 5 s| s| ıl 3| 9| sl 61 = 
12. Heſſen-Naſſau 141 1. 513831 41 31.0075 3 60 
13. Rheinland . 8s3l 16 1383| 7I| 9I| 6| 16) Il zu 
14. Hohenzollern . ; Br 1| —| — — 2 
Summe A 270 3 81 6 2 5118| 73 401 768 
B. Andere deutſche Staaten. | 

1. Bayern 36 39 3 —| —!| 4| 11) 29| 187 184 
2. Sadjen . . 17! —| 10| —| — | 33| 16| — 7 83 
3. eg | 1| 8! 2| 51 4| 10| 4| 8] WS 
4. Baden. . s 14| 2, 8! 5| 1| 10} 4] WE 55 
5. Hefien . . 9) — | 3| — —| 1| 3] — 2 28 
6. Medlenburg- Schwerin 6| —| 6 1 —| Laie 2 19 
7. Sadhjjen-Weimar . . 38I| —| 2I| —| —| 21a 2 11 
8. Mecklenburg— erreig i 3 — —| —| —| 2| 11 — — 6 
9. Oldenburg 5 — — —| 1| —| — 4 11 
10. Braunfhweig . . a Da 5 a 3 a Su 4| 21 — 3 19 
11. Sadhjen-Meiningen ı1| 1 11—| —-|] 3179155 5 10 
12. Sadjjen-Altenburg 2ı —| 1| —| —| <> | She 6 
13. Sadjen-Koburg-Gotha 2 — —| 11 —I: AT 4 11 
14. Anhalt . 4 — 2323| —| —]| WITT 12 
15. Schwarzburg-Sondershaufen 2 —| — —| —| 2| 1| — 1 6 
16. Schwarzburg- — 1! — —| 1| —| —1 117 71 1 5 
17. Waldeck 1ll— — 1| —| —| — — 1 3 
18. Reuß ä. 8. 1llı— -| —| —| —| 1| —| — 2 
19. Reuß j. L. 2 — 1| —| —| —| 1 — 1 5 
20. Schaumburg: ippe 1 — —| —| —| — 11 — 1 3 
21. Lippe . . 2| — —| —| —| — Sie 4 
22. Lübeck. 1| 1 — —| —| 2777 2 7 
23. Bremen Du 2| — 2| —| —| 3I| —| I — 7 
24. Hamburg . . 1l—_ 1|-| —| UI Risse 19 
25. Elſaß— Lothringen : 3| 5 —| —| 2] 41 Size 34 
Summe B 1652 38 2525| 9114| &| 39 176 | 68 
Summe A+B 416 95 119| 81 31 202 183 2 216 | 1455 


Tabelle 4b. Zahl der Anſtalten überhaupt 1894. 





Staaten. 


— 


Provinzen. 


1 


A, Preußen. 


1. Dftpreußen 

2. Wejtpreußen . } 
3. Stadtkreis Berlin . 
4. Brandenburg 

5. Pommern 


EI 
& 
5* 
— 
ar} 
= 


ſ 

9. Schleswig- Solftein. 
10. Hannover . s 
11. Weftfalen . 
12. Heſſen-Naſſau 
13. Rheinland  . 
14. Hohenzollern . 


Summe A 


B. Andere deutſche Staaten. 


6. Meienburg, Schwerin 

7. Sadhjen-Weimar . 

8. Medlenburg- — 

9. Oldenburg 

10. Braunfchweig — 

11. Sachſen-Meiningen 

12. Sachen: Altenburg . 

13. — rotung- Gotha 

14. Anhalt . 

15. Schwarzburg-Sondershaufen 

16. reg Ruoiftabt. ; 

17. Wal m 

18. Ben 8: 

iS Beun 1.2. . . 
20. Schaumburg-Lippe. 

21. Lippe . . 

22. Lübel . 

23. Bremen b 

2 Hamburg . . ; 
25. Elfaß-Lothringen . 


Summe B 
Summe A+B 


E3 wurden 1894 gezählt 


Gymnafien 
“| PBrogymnafien 
Nealgymnafien 
Realprogym= 
nafien 


„> 
or 


—8 
o OOIO tbo OC He =] 00 CO a 


4 


a Fe ee —— 
& | sBwoomnl|w.al am 


SD, DH DH DD DD DI UTC u JOD 
[es] 
— 


[warn 
ERSTER TE: 


— 
or 


un 
-& ln! I lallIlelenel lBawon-e 


Ta EHE — — — — — — — — — — ——— EEE EEE EEE EEE 








5 Hr — N — 

= 3 E as 3 5 = 

= 81: 22]8: 

© erg T se|zral 25 

Eis | 8 z8lsiele> 

a, | ä = | 
61 W 

— 1| 8| 6 9 

— —1 6 4 3 

2| 11 2 — 1 

—| 4| 10 9 5 

— — 7 6 7 

— — | 6 4 

2| 6| 20| 13 8 

8| 5| 10| 12 7 

il SI 8. 2 2 

— 6| 13| 10 6 

1| 3| 9| 4| 33 

el 81. °% 6 # 

9 16| 5| 830 

22 55 119 83 104 

— 51 12 34 27 

— 34 17 — 10 

4 10 6 4,12 

1 10 4 4) 37 

— 1| 3 — 2 

— —J——— 2 

— 22 — 2 

1 1 2 — 4 

1Iı 4 2 — 3 

— 2 1 — 6 

— — 1 — 2 

— 2 2 — 4 

— 1 li - 4 

— 2 1 — 1 

— — 1 1 1 

—| | —| — 1 

— — 1 — —1 

— — 11 — —1 

— — 1 — —1 

—| 2 1 — 2 

—| 3 1| — 1 

— 13 1 — 6 

31 6| 71 4 1 

10/1157 | 72| | 224 

32 | 212 |191 | 128 | 328 


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248 


Tabelle 5. A. Schulen für Knaben. 
1. Höhere Schulen. 
c. Zahl der Anftalten, in denen Jugendfpiele fhon gelehrt werden. 


ch 











= Jugendſpiele werden fchon gelehrt in ER: F 
Staaten. s| 5] glıs| s| 5 | 2128]g88|ss3 [588] 85 
= 2 de sssssa 5 |B515829elesı 588l&r 
E RESEISEnS| 5 |SE 83 Erelse. (Fu8la8 
Provinzen. 5 ——— Ei &5 Es 855 355 3? 
1 2—3453 6780910—«II Js 
A, Preußen. u er 

I. Oftpreußen. . . .... 14 — 2— 1| 3 8 — 1391 2] 4 
Il. ®Weftpreußen . . ... . 13 5| 1|— | 1| 4 —| 2 33 31 36 
II. Berlin... 2.2.2... JJ 1 
IV. Brandenburg..... 19 2) 4| 21 1| 9 —| 3] 5% 4 | 54 
V. Bommen ....... 13| 21 — | 21—| 2 5 1|'32| — | 32 
VI Poſen......... 16| 1| 11 — | — | — 7 113 31 3 
VII. Sclefien. ....... 315 5 1111 8 7 31 7 41 83 
VII Sadien . . ...... 18| — | 5|—| 2| 5 1 2| 4] 2I 
IX. Schleswig:Holftein 12 1| 1|— | 2| 8 — — 1 30] 1131 
X. Sannwer . . . 2... 23 3/1 9!—| 1/10 812 67 71 74 
XI Weitfalen . . ..... 16| 5| 4 — | 2| 2 — 1 87 2 | 39 
XI. Heffen-Naffau. . ... . 6| 11 31 —| 3| 8 — — I 21 11 2 
XI. Rheinland . ...... 12) 1 7/ 11 5| 4 — 8] 383] — | 3 
äufammen A |199 26143 | 6119| 68 36 | 23 | 504 | 29 |533 

B. Andere deuntſche Staaten. 
1. Byen . 2 2 2 2 2.. 41126) 4 | — | — | 44 | 1230) 18°[| 170 | 11 J 181 
2. Sadien -. - 2 2 220. 3 —| 3— — 9| 1|—|: 1 171 —| 7 
3. Württemberg - . . . 2... U—ı 3 11 2| 6| 1111| 31 41 —|1 4 
4. Baden... 2 2 2 200. 1/7 1)—| 4 7 11/1 101 32| 111 8 
5. Helen. - - 2 22 2 20% 101 —| 2/—| 1| 9| 3— 201 45 81 53 
6. Medlendurg- Shwerin . . .. 6 — | 2— — — — 2— 3 I BI —| a 
7. Sadjjen-Weimar . .. . . 2 —| 21—|i—| 2| 1— 1 8 3I 1 
8. Medlenburg-Streig . ..... — — - — 1) — — — 31 — [| 3 
9. Oldenburg -. . . . 2... 3 —|—|—| 1 11 —\—| — 51 —| 5 
10. Braunfdweig. .... ... 4—| 11—| 1| 1! — — 3 101 — | 10 
11. Sachſen-Meiningen — — 1 — — —— — 2 31 — | 3 
12. Sadjfen-Altenburg. . . . .| — — — | — — — — — 2 21 —| 2 
13. Sadjen-Koburg-Gotha . 2—|—| 1/1 1) 2) —| — 71 —| 7 
14. Anbalt. -. .. 2 2 22.2. — 11—|— | — —— — 21 —| 2 
15. Schwarzburg-Sondershaufenl — — | — — | — — ——2 — | —| &| 4 
16. Schwarzburg-Rudolftadt . — — 11—-| — — — — 21 —| 2 
1. Walded a 5 ee — — — — — 1 — — 
18. Reuß ä. L... 2.2.2... 1i—|—|—-|—-|ı —| 1— — 21 —| 2 
19. Reuß i- 8... 2.2 2.. 1—| 11 —/—!'—| 11—| 1 4| 11 5 
20. Schaumburg-Lippe. . . . . — — — — — —| —|—| 1 1 1| 2 
la BIDpE a ee 21 — — — — — 11—| — 31 —| 3 
22. Zübed. . 2. 2 2 2 220. 1—/—/—|—-| 11 —|—| — | 2]| —| 2 
23. Bremen . » 2» 2 2 220% 1 — — — 11 —| —|—| —|]| 2| —| 2 
24. Hamburg. . 2» 222 .. — — 11—|—| 4| —|— | — 15] 5[ 1% 
25. Elfaß-Lothringen . . . . . 14 31 —|—| 2| 5) 5| 2| — | 31 4| 3 
zufammen B |109|30|22| 3113| 91| 31 34 60 | 398 | 48 [441 
Summe A+MB |808|56|65| 9|82 154 1120 |70| 88 | 897 | 77 1974 


Tabelle 7. 


Vergleidt man die Tabelle 6 (Spalten 2—11l) mit der Tabelle 4 
(Spalten 2—11), fo ergibt fih für diejenigen Anftalten, welde feine Ge- 
legenheit zur Übung und Pflege der Jugendfpiele außerhalb der pflicht— 
mäßigen QTurnftunden bieten, folgende Berteilung auf die einzelnen 
Anjtalt3gruppen: 

















= 5 At. =| $ „les Bl J 
Staaten. J 32333233383 335 55 
* A 
Provinzen. J 3 3748 as 2335 55 
1 2.13: 27:-8...81.7 183487 -8I3 
A. Preußen. 
I. Oſtpreußen. 4 — | —- | —— 3| 1| 2| — ID 
LI. Weftpreußen he 8| 21 — I —| —| 2! 2] — 1 10 
1 3 — 11— | —- — — —-| — 4 
IV. Brandenburg . . . 6I| 2! 2 1!—-|16| 3I — | — I 20 
V. Bommern . 2| 1|\—| 1I|—|—|]1 1 1 7 
VI. Poſen 8— — — — — 1] 4 1 | 14 
- VO. Sclefien 1: m ae PT Ar 10 aaa RI RER: Di Due > 2 Me 1 | 24 
VII. Sadjen 6|—| 1|—| —| 3| 2| 1 1 | 14 
HER. Schleswig-Holftein 2 — — — — 1 — — — 3 
X. Hannover 11 2% 10 
XI. Weftfalen 7 5I-|-—-| 1! 13 — 1.1 18 
XII. Hefjen-Nafiau . 1 11—-|—-!| 12 — — — 5 
XII. Rheinland . . ; 6 — — — — 1 — | — 81 10 
zufammen A 68/13 | 7| 8| 81|2|17) 10| 11 1199 
B. Andere deutjche Staaten. 
1. Bayern . 15| 17 | 2|— | — | 21| 4| 23 9 I 91 
2. Sadjen. . —| —- — — | —| 21—-|1—| — 2 
3. Württemberg —|— | 1 — —| 3|— — 2 6 
4. Baden . . —— 3 1 — 4. I) 74-7 1 9 1-23 
> Helen . . F 3 — — — —1 — — 8 | 12 
6. Medienburg-Schwerin . 5 — — — — -|-| 1 — —1 2 
7. Sahjjen:Weimar . . Er 1 — 1|i—- | —-| 1 — — — 3 
8. Medlenburg- Streik 1 ı-|-|-ı|ı — — — — —1 
9. Divdenburg . . - —|—- | — — — 1 — — — —1 
10. Braunſchweig. . - — — — — — — — — 1 1 
11. Sacdhjjen-Meiningen . — — 1 — —- — — — —1 2 
12. Sachſen-Altenburg . . ul ee re 1 1 
13. er 1l1ı— | — — — — — — — 
— — — —— — — — 
15. Schwarzburg-Sondershaufen ee — 
16. — —— ———⸗ 11 — —521—— — — | — 2 
17. Waldeck. — — — — — — — — — 1 —ÿ6 
18. Heu a8. 1lI- | — -| — — 1 — — 2 
= Reuß j. 8.. — — — — — — 1 — — 1 
20. Schaumburg-Sippe — — — — — — — — —1 —1 
21. Lippe — — — — — — 1 — — 1 
22. Lübeck — ——— — — — — — -]1— 
23. Bremen — —— — 1 — — — — 1 
24. Hamburg . 2 — — — 1 — — — — ]:3 
25. Eljaß-Lothringen 81 3I1—!—| 1| 3| 2|—| — 1: 
zujammen B 37|21| 5| 271 419/101 4| 3 1175 
Summe A+B 110 3 | 12| 5 7 61 27 34 4 |3%4 


*) Die Abweihungen diefer Zahlen von den in der Tab. 6 Spalte 12 angegebenen erklärt fich daraus, 
daß bier diejenigen Anftalten außer Betracht geblieben find, welche gar feinen Spielbetrieb haben (Tab.4, Sp.12). 


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250 


Tabelle 6. A. Schulen für Knaben. — 
d. Beteiligung der Anftalten und Klaſſen am Spiel- 




































































Außerhalb des Turnunterricht3 wird Gelegenheit zur bs 
Übung und Pflege der Jugendfpiele geboten n |J2E= I 5 
Staaten. —-Ts1-1 1 1 1 T Tees E 
Ben 5 |2 5,5 5 5 | 88821781 le88ls® 
= |& selgelns ® 38 352 SQ Eu 83 
= 22218 2533 TElIEEE|E TEL ES 
——— —— 
s83358 2 333— 
| a 23857 | 
1 2/3/]4]5|6 | 7 |sJa Jo u] 12 8 
A. Preußen. 
I. Oftpreußen. . . ». » »| 13|— | 2|— | 1 1| 8! 6|—| 31] 10| 4 
IL Weftpreußen . - - » » | 10| 3| 11—| 38| 2) 5/—| 11 ST 1728 
BEL OBEN. ce ae 11-1 — — — — — — 1 41 5 
IV. Brandenburg . . -» - . 1 16I— | 2| 1| 1| 8| 7I—| 31 337] 217 4 
v. Bommen . : - <<. »| I 1I—| 1i—| 21 6| ITS 71 32 
VA 9| 2| 11—|—| —| 4| 3 —I WI 1517 34 
VII. Schleſien .. I118944 3— — 7/I17| 6| 2] 57 | 241 81 
VIII. Sadjen . .. 13 — 4—| 2| 2| 9|—| 2] 32] 14I & 
IX. Schleswig— dorftein -. .110| 1| 1I—| 2| 8| 6|—| —1 38 31 31 
X. Sannover . . . .| 21| 3| 9| 1! 1' 10| 9| 6| VV— 
1 Meltfslen. . : : >.“ 9 — 5 —| 1| 1| 4I—|—| 20] 191 39 
XI. HeffenNafiau. . .» . . 6|—| 3 — 2| 6|—|—|— | 7 51 22 
KIUL Rheinland» + u. % 617151 3l—|—| 5I 387 10| 38 
zufammen A 143 15 38 4185| 5 75.25 | 14 | 377 |] 156 1533 
B. Andere deutſche Staaten, 
1. Bayern. 2710| 21! — — 23) 8 7| 4| 81] 1007181 
2. Sadien . . 3 — 3 — — 7/ 1/—| 1] B 2117 
3. — 711— 2| 1| 2| 3] 11 13] Bez 6| 24 
4. Baden . . 5 — 11—| 4| 2| 11—| 2] 1351| 3831 8 
5. Heſſen . . 8 — 31 —| 1) 813— 141 871 167 58 
6. Mecklenburg— Schwerin . 61—| 2 — — —| 1/—| 2] ıl 2| 123 
7. Sadhjen-Weimar. . 2 — 11—|—| 1| 2|1—| 2 8 si ı 
8. SEE 11-1 — — — 1— — — 2 11 3 
9. Oldenburg. s 3 — — — 1 — — — | — J 1] 5 
10. Braunfhmweig . . 4 — 1 — 1| 11—|—| 2 9 1110 
11. Sachſen-Meiningen. — — — — — — — — 1 —1 2| 3 
12. Sachjen-Altenburg . . —|— | |—|—| —|—|-| 1 1 21 58 
13. Sadjfen-Koburg- Gotha 11—|—| 1111| 1) 23-3 6 Li 27 
14. Anhalt . . — — 11—-|— | — — —— —1 EI 2 
15. Schwarzburg- Sondershaufen 2 — | —|—I|—- | 21——— 41 —| 4 
16. Schwarzburg-Rudolftadt . — — — — — - IE 21 2 
BE ANBIDERR ae — — — — | — — — | — [| —] — 
- 18. Reuß ü. 8. — | 1 —I1— | —] [7er 27 >52 
19. Ruß ij. 8. . ; 11—| 11—-|—| — — — 1 3 2] 5 
20. Schaumburg-Lippe . 11—|— | — |—- | — [75 1 1| 2 
21. Lippe . . ’ 2 — —|—I|-| — | — — — 2 1| 3 
22. Zübel . 11— — — — 1 — — — 21 —| 2 
23. Bremen 111-1 — — | — — — — 1 11 2 
24. Hamburg . . — |— | 1|—|—| 3|—|— 4| 6] 12 
25. Elfa$- Lothringen 61—|—|—| 2|.2| 8] 3] Feier 
zujammen B 81 10 18 | 2/12| 55 22/11/31 242 1 199 [441 
Summe A+B 224 25 56 63010097 36 45 | 619 | 355 1974 


251 


1. Höhere Schulen. 
betrieb außerhalb des pflihdtmäßigen Turnunterridtes. 





Non vorjtehenden Anftalten haben folgende angegeben, bei wieviel Klafien Gelegenheit zum Spiel außer- 
bald der pfjlichtmäßigen QTurnftunden geboten wird: 

















F _| Reale PBräpa= | fonftige 
= !Nealgym- Oberreal- | NReal= Lehrer⸗ Anſtalten 

Gymnaſien Progym progym⸗ randen= hoͤh. Lehr⸗ 
naſien naſien nafien fhulen fhulen | jeminare anitalten| anftalten überhaupt 














Zahl der 





















































12 115 — — 2114 — — 11141 68 8] 616 — —| 30| 178 

alsjslı 9 —|-!83 22 ı 8a a1|—|—-| ı|) 6| 2| 175 
1 ae pas ee El 006 
16 | 1111 — | — | 2 80 — — ı wı8l al 7 8!—|—| 2 111 31) 249 
1| 911-1 —!—-|-—-|ı) 7|-|-|ı| 6| 6| 38) a 11) —| —| 23| 138 
9 2 2 12 ıl 5 — — — — — — 4 15, 8) 8— —| 19| 192 
16 157| 5 10 8181 — — — —| 6| 9|ı7| 70! 5/17) 2| 6] 52| 342 
is is —| 326 — — 21 27,2 15 9 8/—|—| ı| 2] 30| 21 
10 54 ı 2 1114 —\—\|2al36| 8| | el aal—!—|—| —| 28| 237 
19| 143) 3\ 16, 8 10i ı| 8! ı| 16 | 9| 68| 9| 37) 6,16| 1) 6| 57| 407 
9 89 —| 3 2/—-|-| ıl ol ı|l 7I al 3\—\-|—-| —-I sl ıeı 
I ee ee elle 277 
6 6| 16770 — — 5| 421 3| a1 —| — —— 2| ı5[| 24| 212 
182 1183 |13| 74 | 31 8344| 2 10 16 | 204 |36 | 264 | 741277 241 68 9| 46 |887 12470 
27 242 10 44 2 11 — — — — 21 106 8 28 721 4 1891 79| 470 
3 5-38 -|=2-| 7 "81 22-214 10 
5) 381-1 — ılız 1 7110 8| 16 1, 8) 1) 2! ıl ı| 14| 9» 
2 372 —- — 1 5 — — 3 52 121 3I—'——|—| 9| 106 
sı 91! — 3 50 — — 1 | s| 5| 8| 9|—|—!ı3| 63] 36 | 283 
6 541-2 19 — —— -/-| -|ı| 5/-|-| 2112| 11) 9 
2| 2 -/1-|1| 9I|-1-|-!-|1ı| 5) 2} 9I-|-| 2|19] 8| 64 
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76 | 768 10 44 |17 204 | 2| 9 10 188 58 340 |22| s2 | 11 | 29 | 27 |149 | 298 |1758 
208 11946 28 |118 |48 548 | 4 |19|26|342|89|604 | 96 | 359 | 35 | 97 | 36 |195 | 565 [4298 


252 


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uayjoylug a37v ⸗ahoag go4| -uaquvı 
vawuvine |uayjuzjug | uaßızluo| | -vadnıck 


uarvınmal | uaınpl 


usınpl Iualoumaß usılvumas |uayvumas 
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255 
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256 


























Tab. 9. A. Schulen für Knaben. — 2. Mittelfchulen. 
— 
* 58 31 Außerhalb des pflichtmäßigen Turnunterrichtes 
al 
Er: 22 ift Gelegen- Nittelfchulen 
2298 5 |heit zurübung tft bie - überhaupt 
Staaten. ESERS| und Pflege Yetelliaun wird gejpielt 
FE Al des Spieles gung 
SE 87 5 frei- flicht — im aus imla 3 1-8 
i 28 8 - ⸗ nl 3158 
Provinzen. en FR aendıen ES mie gemäß Sommer, Winter 3283 S2] E+ 
3783 "83 in in in 19205 
——— 2322135 
2 
Schulen ſq. a. 166. Sä.| al. eqꝙ. aı. Sch. At. Sq. a1. ES Io 





| 1 2183]4|5|6|7|8 | 9 Jıo|1ılı2]ıs]l1a] 1516] 17 


A, Preußen. 








I. Dftpreußen 4—I 1 2 3} 1 2— — 4—| 4 
II. Weftpreußen . 3I—| 2 6 1| 2 6 —|— 3 —| 93 
III. Berlin . : — 1— 1-1 - 1 — |—-|—-|—|—-!—-|—-|1—-|1—1- | 1 — 
IV. Brandenburg . 19) 11 9! 5011| 7 36| 2|14 19) 11 20 
V. Bommern . 4| 1] 110 4 110 — — 4 11 5 
VI. Poſen 111 2 .|1—| 23 .1—-|1— 2 —| 2 
VI. Sdlefien 7ı 11 5) 25| 3] 4 201 115 8—|I 8 

VII. Sachſen . 28! — 1 111116! 17 | 91106) 2110 28 —| 28 
IX. Scleswig- doiſtein . 12| 11 12) 87) 11 12] 87] — — 13) —I 13 

X. Hannover . ; 71 11 6| 271 2| 5) 24| 1| 3 711 8 
XI. Weftfalen . . . . .ı 11I 11 4 11 8| 4 111 — — 12 — | 12 
XII. HeflenNaffiu. . . . |) 11 6 121 —| 6) 12) — — 6—I 6 

XII. Rheinland . ... 11I—| 5) 101 6) 5| 11 — — 101 111 — | 11 
zufammen A |112| 8S| 641356| 56 | 581824] 6 | 32 731117) 31120 
B. Andere dentſche Staaten. | 
1. Bayern — — J2— — — — —— — — — —— — 
2. Sachſen 35 | 4| 271250| 12| 25 221 2 29 161 37) 2 39 
3. Württemberg. 2i—I 1 6 1/| 1 9 —|'— 2 — 
4 Baden. . 2.2... — \—I1- | —|—-|1-|1—-1- ||| —— —— — — 
5. Heſſen — — 11 1 11—| 1 111 —|— 1—I 1 
6. Mediendurg,Schmerin. — 11-1 —|—|1—-|—-|1-|—-1|1— | — | | —1— | — — 
7. Sachſen-Weimar. 3 —1 3 22] — | 3 2] — — 3 — 
8. Meckenburg⸗Strelitz 11—|—|—| 1 — — — — 1—I 1 
9. Oldenburg... 2 —|—!—| 2} — — — — 2 — 
10. Braunſchweig *).. — = el | mu a Da BEER, bee, [EN > 
11. Sachſen-Meiningen . — |— 1-1 — — — — |—|— | — | —1— | — 
12. nu: 2 — — —2— — — — — — —— 2—| 2 
13. Sadjen-Koburg- otha 21—| 2) 9 — g|— — .2i—|] 2 
14. Anhalt. . 7 11 5| 3830| 3) 4| 20 10 8—]| 8 
15. Schwarzburg-Sonderäh. . 11|—I1— |— | 11— | — | — | — 1—[I 1 
2 ——— —— 2 — —— 2 — — — — 2i—|I 2 
18. Reuß. ä. 2 11 11 1 1 11 1 171 — | — 2—I 2 
19. Reuß j. 8. 1!—I 1129 —| 1 239 — | — 1—I| 1 
20. Schaumburg-Sippe 11—I—|—| 11-|—-|1— | — —— — 1} 1 
21. Lippe . . 1—I 1] 3 —|i 3— — 1—I 1 
22. Lübel . 21—| 2 7— 2) 7 —|— 21 —I 2 
23. Bremen 5 — |—1—|1—- ||| — — —— — | — ||) — — 
24. Hamburg . z 11—1—-|—| 111-1 — — —- — — il I 
25. Elfaß- Lothringen i 2/1 —| 2 6—| 2 6 —|— 2/—|I 2 
zufammen B 66 | 7 | 461390 27 | 43 351| 3139 271 71] 21 78 


Summe A+B 


*) ©, Tert. 


178 | 15 1110746] 83 1101 675) 971 


| 





— — — — —— — — — — — —— —⏑ — — —————* — 


— — — — 


Tab. 


10. 


A. Schulen für Kita 


257 





Unterrichteg 


Staaten. 


VBrovinzen. 


innerhalb des 
pflichtmäßigen 








ſchon 
gelehrt in 





Schulen Sch. RL. Sch. 


Außerhalb des pflichtmäßigen 
Turnunterrichtes 


iſt Gelegenheit iſt 


ſt die 
zur Ubung wird 
und ie des eg gejpielt 


Volksſchulen über- 
baupt 


twerden 
Jugendſpiele 





| 


mit 
Epiel- 
betrieb 


ohne 
Spielbetr. 


noch nicht 
zuſammen 


gelehrt in 





auch im 
Winter in 











Schulen 
(Sp. 114 13) 





| 
| Schulen Sch. al. ESch. 





1 I21sl4|5|6|l7|8s| 9 J1o|ıı | 12 lıa] 14 


A. Preußen. 


I. Oftpreußen. . . . . » 20 
Il. WVeftpreußen . . . . . 40 
III. Berlin... ..... — 
IV. Brandenburg. . . . . 54 
V. Bommern . . ....» 16 
VI Bofen. .. 2.2... 21 
vo N EIERN 134 
VII Sadien ....... 40 
IX. Scleswig-Holftein. 34 
X. Sannwer . ..... 62 
XI. Reftfalen . . .... 131 
XI. Heſſen-Naſſau 38 
XIII. Rheinland . .. .. . 300 
zufammen A 80 
B. Andere deutjche Staaten, 
1. Byern . . . 2 2 202.0 60 
2. Sadien . . .» 2. 2 2. . 90 
3. Württemberg . . . . . . 9 
Baden 
5 Heſſen 
6. Medktenburg- Schwerin . 
7. Sadjfjen-Weimar . . . 
8. Medlenburg-Streliß . 
9. Oldenburg....... 
10. Braunfdmweig. .... . 
11. Sadjen-Meiningen . . . 


Volld- und Jugenbipiele. 


. Sadjfen-Altenburg ; 
: —— Gotha. . 
. Anhalt 
. Schwarzburg-Sondersb. . 

: TE 


. Hamburg 
i Elfaß-Loipringen — 


269 
1159 


zuſammen B 
Summe A+B 
xl. 





517 21 18 52 da a1 2aı 4 3 
— 15 4435| 11 1 18) 2] 40] 44] — 
ısl 31] 188 41 22] 9) 29 2 70 188 2] 72 
2 3 1515 2 ıl 3 —| 16) 15) 2] 18 
101 25| 1400 61 23) 2135| — 31) 140 —| 31 
azl101) 549) 80) 77124 93 8] 156) 549 25| 181 
7 36 10 1 10 1 43 44 4 47 
5| 341 169) 5) 341 —| 341 —| 38) 1691 1] 39 
14 11) 57/65 ııl— | 51 el 66 57] 10) 76 
5l ıı 27125 5 6| 10 1] 131) 27) 5| 186 
1l 25 14| 251 — | 22] 3] 391 22) —| 39 
49|145| 52812041137] 8) 69| 76| 300| 528] 49] 349 
168|41911804,634 1362| 57 320 99] 95111804,102| 1053 
40 397 21| 8ıl 9| 32) 81 61 397) —| 61 
71 876 24) 711 —| 71 —| 91) 876, 4| 95 
ı ds ı- - | a da 9 
49 ı 4a A 49 1 5 
a Bee oe, 8 
3 2 ı | 2a ıl A 2a — 4 
Ze dee Dee 2 
ze ee ee De 2 
2 2a ——2 2-1 2 a — 2 
ı 2 3 1-1 4 J— 4 
ee. ee 56 
3 20 1 3—-| 3 —]| A 20 — 4 
lee le 5 
a ee 2 
——11 
ı 17 Ud— ı1- a 7) — 2 
3 5 1 3-3] A 5 — 4 
ee ee 
ı 3 — ı/-|ı- 1 3-1 1 
36) 324| 80 36|— | 36| —| 37) 324| 29| 66 
is 60| 261 12) ı| 10) 81 39] 601 —| 389 
52|179|181111421167| 12 1166| 13] 208 1811 38| 821 


2151598/3615|776 529) 69 486112 1234 3615 140] 1874 
17 


ion gelehrt noch nigt geboten in noch nicht 

— 6 in —* Lehrerinnen⸗ ſhoheren Nad⸗ ne 
Provinzen. suslssg|an$|gggj Frnaren Gentguien | 1 BiEEg 
sessasssssäsl2E 5 28| 5 ee 
ar5353 RE ss” Rs | 2 \?s8s| & 5 — 

1 EIEIEIFTIKIESEIE NE NG 

A. Preußen. 

1. Dfinreuieit 60% 8% 3! 1010| — 21 — | — 2 2 3/1 190 
II. Weitpreußen . . .. . 3 6| — — 1 2 1 1,32 2 5 
J 2 9I| — — 1 Aa 1 2 
IV. Brandenburg . . » » - 1 12 — 51 — | — 6 | 21 | 
N BOMUMENE 5 Te re. 2 9I| — 2 1 3 3| 10 1 8 

1 4 1 2 2 6 2 | 21| — 4 
VL. Sollen. #00: 2 231 — 3 2 6 61391 — | 1 
VIEL SSEN | 171 — 1l—| — 5 | 22 11 133 
IX. Schleswig-Holitein . 1 2 2 3 1 3 1 16 2 4 
RK, MURHDDERSr ar ara ee 3/1 1383| — 51 —| — 3| 19 3 | 20 
XI Weitfalen. . ..... 4 9 2, 10 1 3 2| 12 5| 7 
XI. Heffen Nafjau. . . . - 3 8 — 41 — | — 2 3 3'110 
XII Rheinland ..... . 2| 23 1! 31 —| — 8 54 31 28 
zufammen A 38 1100 | 6 50| 9) 20) 8 231 5 12 

B. Andere deutfche Staaten. 

DESSBEUR 9a ve: ars: 3 14| — 41 — | — 6 | 10 3| 12 
u KSOHIEN. - 6 10. 100 3 erh — 6 —1 11 —| — 4 | 35 1 3 
3. Württemberg . . . .. . 1| 2| — |’ 1 1| — 5 2 — 8 
RE —1 3 —1 61 — — 1 — 2 8 
5F 4 ar 1 9 — 1 1 — 4 18 — 6 
6. Mecklenburg-Schwerin. — | — 1 31 —| — 1| 10 1 2 
7. Sadhfen-Weimar. . . . . — — -| 21—] —| Teen 
8. Medlenburg-Strelit . . . | — 1|-| ı1l-| — | —I 17772 
9: Dbenbutg. u... #73 8% — 11 — —1 —-| — Ilse —1 
10. Braunſchweig...... —1 3 1 21 — | — 1 4 2 4 
11. Sadjfjen-Meiningen. . .. | — | — | — 11 — | — b— |] 1 —1 
12. Sachſen-Altenburg.... — 1 ——11— — 1 71 —| — 
13. Sacyfen-Koburg-Gotfpa .. | — | 11 — | 1] -— | - | — —— 2 
36. UHBOIE a ei | —-| — | — | —) — — 
15. Schwarzburg-Sondersh.. . | — 11 — | — I — | — — — — 1 
16. Schwarzburg-Rudolftadt — 1| — |. — I — | — kJ ge 
23, AUNDER: u a 94 — — —-| —-| —I — | — Je 
38, EUR BE 04er | — | — 1] — | — 1-1 — — 1 
SO RE 1. — 11 —| ——— - Je 1 
20. Schaumburg=Lippe . | —-| -| 1] —| = | 7] Ss 
ED SSEIDE + © jeraa ae Ahr an are — 1| —— — | — 1-7 Ta 1 
BB: ERBE N Se Sr — | — | — | —I — | — | 7 me 
BD REM 2 14 usa aa — 11 ——1— — 1 81 — | — 
24. Hamburg. » » —| 11 —-|—-1] - 1] 1-7 
25. Elfaß-Lothringen 2| 6| ı| SI — |] — IT Tee 
zufammen B 918 5 | 28 21-141 41|1|21 & 

Summe A+B 37 1208 | 11 | 7s | 11 | 20 | 72 1325 | 87 |209 


258 


Tabelle 11. 


Jugendſpiele werden 
innerhalb des pflicht- 
mäßigen Unterrichtes 
Staaten. 











Anmertung. Das Fehlen eined Seminars un 


3. Schulen für Mädchen. — 


Außerhalb des pflihtmäßigen 
Unterrichts tft zur Übung und Pflege 
des Spieles Gelegenheit 














d einer höheren Mädchenſchule in 
Anftalten (f. Heflen bezw. Baden) 


259 
1. Höhere Schulen. 


- Die Beteiligung am Spiel Die Spiele außerhalb des 
außerhalb des pilichtmäßigen pflichtmäßigen Unterrichtes Höhere Schulen für Mädchen überhaupt 





— 





Unterrichtes ijt finden jtait 
; * nur im auch im Lehrerinnen⸗ Höhere Mäd— 

freiwillig in pflichtmäßig in] Summer in | Winter in feminare henichulen zuſammen 
a TE TR we 
od =. Nu o® = No = Nudo = vn gr} 2 2 un 22 
E58 | E82 23 233233 233313332 
—— 
285 Sara 538 a=E 538 25 382 Un v.2| Os "V52| 83 OS 

NV — — u 




















| 
| 8s| uJlalıalelsla|1 


— 2 — — I — 2 — — 3 — 11 1 14 1 
1 1 — — 1 1l|i—- | — 3| — 6 | — 9 — 
—1 7 — — 1 7 — — 2 | — 9 — 11 — 

— 5 — 1 — 6 — — —1 — 14 3 15 3 
1 3 — — 1 3 | — 2 | — 9 2 11 2 
1] 31) 21 2 I 34,1 2101 
2 6I| — | — 2 6 —- — 2 — 114 2.1 16 2 

— 4 — 11 — 4 — —1 1 — 17 1 18 1 
1 1 — — I — —1 1 — 1 2 3 2 4 4 

— 31 — | — | — 31 —- — 3I—-| 1 4 | 22 4 
1 2 — — 1 1 — 1 4 2 10 9 14 11 

— 2 — | — I — 2 — | — 3|Iı — 9 8I 32 3 

— 6— 2 71 — —1 2 L 1.26»! 20.1 38 1 U 
9 44 — 4 7 | 4 2 41 23 5/12 | 38 [151 43 

— 6 -— — | — 1| — 5 8I—|15 31 18 3 

4| — | — I — 4| - | — I — 1 6 1 6 2 
1 5 — —1 | — — 1 — 12 1 13 1 

— — — — 1 1 3 6 4 7 
; 4 4 1 — 10 — 11 — 

— 1 — — 1 — 1|— | —|I — 1 1 2 1 3 

—- | -| —| -|1-|-|-|-1- | — „— 21 — 2 

— — — — — — — — — — —1 1 1 1 

RN WERE RE EHE A Pe —— J 

— — — il — 1l— | — 1 1 3 2 4 3 

— — -—| —-|I —| —- | - | —1 — — „— 11 — 1 

— 1 — — 1 — 11 —— 1 — | — 1| — 1|l — 

| -| — — — — — — 1 — J — 1 1 1 1 

a ED We hi J— I 

Eee: 1). 1.1.1, io Rs ti 5 

— — —1—1 — — — — 1 — „ —-|— 11 — 1 

Ba 1 21.1 = | Tin 1a u A 

— lee) — I — — | — | - I — — — 11 — 1 

El I io Ki a In ie 1 5 ı 1. 

— 1| — | — | — 1|-|I|—- | —- | — 1| — 1 — 

Ru Too il | — u. Zu Dr 

— ii - | — | —| —- | —-|I- | — 2 1 6 3 8 4 
11 2| — 1 118 — 5 9 I 6 BEI 75 | 80 

1716| — 5 s| & 2 9 I 38 | 10 |218 | 63 1256 | 8 

den Spalten 12—19 der Summen B fowie A + B erklärt fih dadurch, daß die betr. 


hierzu feine Angaben gemacht haben. 
11* 


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260 
Tab. 12. B. Schulen für Mädchen. — 2. Mittelfhulen. 






































2% — Außerhalb des pflichtmäßigen Turnunterrichtes 
25832 — ——— ⸗ — Nittelſchulen 
— 7 iſt Gelegen⸗ 
25 Slhheit zur übun iſt die überhaupt 
Staaten. EEEFS "und Pitege |  Beteitigung Dura 
EN el des Spieles 
is 5° 8 _ : 31.8 
Provinzen. =, [Sg] geboten =5| ing | Gemap |Sommer| Winter [#8 &e| &+ 
33182 im. 32) in in in in lo v5 En 
_ Eo * 8 22 22 Gi 
Schulen &4.| a1. Sq. 4 a. Sq. al. Sg.) a1. Sq. al 5 Io 
1 ı21sJals|s|7|8|9J1ojuı]ı2] 13] 14] 15] 16] 17 
A. Preußen. 
I. Oftpreußen 21—| 1114 1 1114 —|i—| 1114 —|—| 2—| 2 
II. Weftpreußen . . 2 —12. — 2| .I—|—! 21. — 521 2—12 
II. Berlin. . . »...1— TI—A— — —2— — — ——— —— — — 
IV. Brandenburg. 15| 5| 3| 8173 8! —|—| 8) 8— —116 4] 20 
V. Bommern . . 3 ıl ıl 9 3 1) 9—|—| ı) 9—|—| 3 ı| 4 
VI. Poſen 1| 51 21 .| 4 21 .I1—|—| 2| .|—|— 2 4 6 
VII. Schleſien 8| 2] 3| 3 7 3) 3 —|—! 8| 3) —|—| 8 2| 10 
VIII. Sadien . ... 13| 21 — — 15 — — — — — — — — 13 21 15 
IX. Schleswig-Holſtein. 6| 316 24 31 6) 24 —|— 624— —17219 
X. Hannover . —F 11) 31 314 111 3 141 —|—| 3| 14| — 13 11 14 
XI. Weſtfalen . . 11—-|I—-|—-| 1— — —— — — — — 1l—| 1 
X11. Hefjen-Nafjau 2 1]14 2 44 23j—-|—| 4 232 —|i—| S—I|I 8 
XIII Rheinland. 4\—I 1 4 3 1| 4—|—| 1) 4 —|—| 4 —1I 4 
zufammen A 13 | 22 | 26 1108| 69 26 1108| — 26 1108| — 791161 % 
B. Andere deutſche Staaten. ! 
1. Bayen. 11-1 — — — — — — — — — — —- — — 
2. Sachſen . . 34 | 4125 198! 13 25 1198| — | — | 25 1198! — !— | 386| 21 38 
3. Württemberg. 6|—|ı 4 el ı ı| 6—| 6 
4. Baden. . . ; — j—1— | — | — — — | — — — — ||| — — 
5. Seflen. . . 2... — 111 9 —|1 — — 1 99 —|ı—| 1—| 1 
6. Medienburg- Schwerin — | 11—-|-| 1—-|- | —|—-|-|—|—|—I— 11 1 
7. Sadjen-Weimar . . 3'—I 2| 7 1 2| 17 —|—| 1| 6 1/1 3 —| 3 
8. Medlenburg-Strelif . 1 1I—|—| 3 —i— — — — — — | — 1 1[| 2 
9. Dfdenburg . . . . 2!—I—-|—-| 1 —|—-|—-|1—-|1-|) — — — 2 2 
10. Braunfhmeig*). . — — — — — — — — — — — I-|-1-1|—| - 
11. Sachſen⸗Meiningen. — 11-1 —|—-|1—-|-|—-|—|— | —- 1-|—-|1— | — — 
12. Sachſen-Altenburg. 2 —I1—|—-ı 2—— — — — — — — 2—212 
13. Sadjen-Koburg-Gotha . 2 —-I1| 8 1 1 8 —|—!|1ı1| 8 —|—-I 2!—| 2 
14. Anhalt. . » 2» 2. .[ 4) 2] 5 2 15] 1 —|—| 5| 12! —/—| 6 —I 6 
15. Schwarzburg-Sonderäh. . 11—-I—-|—-| 1-|—|-|1-1|1-|—-|—-|— 1—I 1 
16. Schwarzburg-Rudolftadt. ı — | 2I— 1 — | 21 —|— || —- || — — — 1— 2| 2 
17. Wabed . . 2.2...) —I- — — —— —— —— ||| —| — 
18. Reuß ä. 2. . — |—-I1-|-|1-|1—-|—-|1-|—|—-|—-|-[|-1-|—-1— 
19. Ruß i- 8%. .. . 11— I — 1—|—-|-|—-|-|-|—-|— 1—| 1 
20. Schaumburg-Tippe. — | 11-—|—| 1-|—-|1-|—-|1—-|—-| —|\—-|— 1| 1 
21. Lippe . . ... 1-| 1 33—| 1) 2] —|—| 1 3—|—| 1—I 1 
22. Lübed 2 —I—-!—-| 3 — — — — — — — — 2 —| 2 
23. Bremen J — 1-1-|-|1-|—-| —— — — — — 2———— 
2A. Hamburg.... 1 —I—-|—| 1——— ——— — — 1—I 1 
25. Elfaß-Lothringen . — ! 11—|—| 1—-|—-|—|1—-|1—-|—-|—|—|— 1| 1 
zufammen B 60 | 13 | 36 1250| 871 86 1250| — | — |84 1285| 2151| 65 SI 73 
Summe A+m iss 85 |e2 |ssslıosl 2 Ia5si — |— |e0 I8asi >| 15 [144) 24 | 168 


*) S. Tert. 


Tab. 13. B. Schulen für 


261 






























Mädchen. — 3. Volksſchulen. 








SS 2] Außerhalb des pflichtmäßigen 
253 ES Turnunterrichtes — 
353583 ift Gelegenheit| ;, u. Baupt er- 
Staaten. ES — a — 
or Spieles AR 
— E77: s=|® |,8|e”|e” el_ 5 
rovinzen. 24 7geboten 5 it. 331357 
— SSjes| m ae e t 
2128 FFIR SICH °g 19) Ss: 
Säulen ſSch. at. Sch, Säulen Sch. Al. ||” 2 
1 2314 5 6 7 80101411112 14 
A. Preußen. 
I. Oſtpreußen...... 13 101 8 2315, 4 4 4 4 23 6] 23 
I. ®eftpreußen . . . . . 24| 9I 6 181 27 — 6| 31 8 18 8 
II. Berlin... . 2... — 1-7 — — — — — — — — — 
IV. Brandenburg. . . . . 25 | 42| 26 180| 41| 25 1| 25 180) 201 67 
V. Bommen . ..... 881 2 71 2 — 2 7 7 16 
VI Poſen......... 13 17113 116 17 13 — 13 116| 41 30 
v1. Scätefien. ...... 87 83186 531| 84| 70, 16| 86 531| 581 170 
VOL Sadfien ....... 17) 2931 3 84 2 1 3 8 28] 46 
IX. Schleswig:Holftein . . 20 19| 211 89| 18 211 — 21 89 11| 39 
X. Sannswer . ..... 50: 261 4 15 72 4 — 3 15 22] 76 
XI Reftfalen ...... 88 42| 18 7112| 5 13 5 7 151 130 
XII. Heffen-Nafiau. . . . . 33 4| 16| 24) 21] 16| —| 12 24 3] 37 
XII Rheinlend ..... . 222 11021125) 437199116) 9| 53 / 437, 72] 324 
zufammen A 600 391 32811455 6681278) 501280! 98 737 114551254| 991 
B. Andere deutiche Staaten. 
1. Bayern . . 2.22 .2.. 49 | 131 29| 341) 33) 28 1| 27 34l 62 
2. Sachſen 90 5| 43) 382] 52] 431 —| 43 382 95 
3. Württemberg. . . . . » 1 71 — 3 — — — — 8 
4. Baden. » 2 22 220% — 1-1 — — — — — — — 
5. Heſſen........ 2 315 4 — 5 — 5 44 5 
6. Medlenburg- Schwerin . — 31 — — 3 — — — — 3 
7. Sachſen-Weimar..... 31 112 7 22— 1 17 4 
8. Medlenburg:Streliß.. . . | — 21 — — 2 —| — — — 2 
9. Oldenburg....... 2 —I— — 2 — — — — 2 
10. Braunſchweig...... 1 —— — 1-| — — — 1 
11. Sachjen-Meiningen ... | 41 I — —| 4 —| — — — 4 
12. Sahfen-Altenburg . . . ! 61 — | — — 6 — — — _ 6 
13. —— Gotha. 4 —I 1 10 3) 1 — 1 10 4 
14. Anbalt . . 2.22... 3 2] 1 4 1 — ; 5 
15. Schwarzburg-Sondersh. 21 —I— — 2 — — — — 2 
16. Schwarzdurg-Rudorftadt . 2 2I— — 4—| — — 4 
17. Waldel . . 2.2.2.2 .. —1—[i- — —| — — — — — — 
18. Reuß ä. L...... —| 2] — — 2 — — — — 2 
19. Reuß j. L........ 4|—ı 3 38 1 3 —| 3 38 4 
20. Schaumburg:Tippe — 11— — 1-| — — — 1 
21: Zippo 2... 2 20 8 1!-Il 232 — 1— 1 2 - 1 
22. Lübed. . 2 2 220. — —1- — — — — — — — — 
23. Bremen . . . 2 22.0. —ã— — 
24. Hamburg........ 11| 49] 9 21 50 9 — 9 21 60 
25. Elfaß-Lothringen 2.121388] 21 17 38 — 2 — 17 40 
zufammen B 187 1128| 96) 872219) 93 3] 9 87211211 315 
Enmme A -+ m 1787 1519 424/2827/882871) 53182011041 981 282713751 1806 











VI Zentral-Ausſchuß. 


Gere 1 — I. Verhandlungen. 

Bon K. Möller, Altona. 
Hauptverſammlung Der Saaldes Gürzenich zu Röln 
des Zentral-Aus- bot einen impofanten Anblid dar — war 
ſchuſſes für Volls⸗ © doch Kopf an Kopf von einer überaus 


aufmerkſamen Hörerſchar erfüllt —, als 
uud Ingendſpiele in der für die edle Sade der Volks- und 


Köln dom 4.6, Sugendfpiele mit ftet3 gleicher Ausdauer 
Juli 1902. aaasaa und Hingabe wirfende Vorfigende des 

Zentral-Ausſchuſſes, Emil von Schenden- 
dorff, die diesjährige öffentliche Hauptverfammlung eröffnete und in 
einigen marfigen Zügen die Beitrebungen des Zentral-Ausſchuſſes und 
feine bisherigen Arbeiten, die über dag Gebiet der heutigen Vorträge 
hinaus als letztes Gejamtziel die Gejundung des deutjchen Volkes 
umfafjen, fennzeichnete. Dieſer Eröffnungsrede wurde lebhafter Beifall 
gezollt. Die VBerfammlung beſchloß, Huldigungstelegramme an den 
Kaifer, den Reichskanzler und den Kultugminifter 
Dr. Studt zu entjenden. 

Sodann ſprachen Provinzialfehulrat Dr. Cleve jeitend des Ober: 
präfidenten Dr. Naſſe und des Provinzialfchulfollegiums der Rhein⸗ 
provinz, die NRegierunggräte Dr. Bauer und Dr. Lünenborg für 
die föniglichen Regierungen zu Köln und Düffeldorf und Bürgermeifter 
Dr. Heffe namens der Stadt Köln warme Begrüßungsmworte und 
befundeten die Übereinftimmung ihrer Behörden mit den Beftrebungen 
des Zentral: Ausfhuffes. Von den Städten waren vertreten u. a.: 
Aachen, Altona, Arnftadt, Barmen, Bielefeld, Bonn, Braunfchweig, 
Charlottenburg, Danzig, Dortmund, Dresden, Duisburg, Elberfeld, 
Frankfurt a. M., Gelſenkirchen, Hagen i. Weſtf., Hadersleben, Heidel- 
berg, Herford, Köln, Königsberg i. Pr., Krefeld, Landau, Lennep, 


263 


Lieanig, Lippftadt, Yüdenfcheid, Magdeburg, Met, Remſcheid, Rends— 
burg, Ruhrort, Soeft, Duedlinburg, Zweibrüden. 

Oberlehrer Dunker (Habdersleben) fprah „Über das Wefen 
und denUrfprung der deutſchen Volksfeſte“. Neicher, wohl- 
verdienter Beifall der Zuhörer lohnte den Redner für feinen Vortrag, 
welcher in diefem Jahrbuche abgebrudt if. Die vom Vorſitzenden 
vorgejchlagene Reſolution wurde einftimmig angenommen. Gie lautete: 

„Die Verfammlung erfennt an, daß die heutigen Volksfeſte 
dringend einer Reform bedürfen, und daß die im Sinne de3 Be- 
richterſtatters veredelten Volksfeſte ein ſehr geeignetes Mittel bilden, 
um die förperliden Spiele und das Turnen im Bolfe zu fördern.” 

ALS zweiter Redner fprad) Dr. 2orenz, Direktor der Guts Muth3- 
Realſchule in Duedlinburg, über das Thema: „Die Turnmärfde 
im Erziehbung3plane der Schule”. Mit gejpanntefter Auf: 
merkſamkeit laufchte die Verfammlung den Ausführungen des Redners 
und zollte ihm fchließlih lauten und freudigen Beifall. Das Thema 
wird den Zentral: Ausfhuß auch fernerhin noch befchäftigen, und die 
Frucht diefer Arbeit joll dann eine Anleitungsfchrift für die Vor: 
nahme von Turnmärſchen bilden. Fürs erſte ſah man deshalb von 
einer Abftimmung über die vom Redner aufgeftellten Einzelheiten ab, 
und die Verfammlung jtimmte folgender Rejolution zu: 

„Die bereit3 vorhandenen Beitrebungen der Schulbehörden, die 
Turnmärſche zu fördern, begrüßt die heutige Verfammlung mit 
Freuden. Gie erkennt in den Turnmärſchen ein hervorragendes 
Mittel für die erziehliche und gefundheitliche Entwidelung der heran— 
wachjenden Jugend wie für die Förderung der Volks- und Wehr- 
fraft und hält es deshalb für geboten, diefelben in den Erziehungs— 
rahmen planmäßig einzureihen.“ 

Auch diefer Vortrag ift im Jahrbuche abgedrudt. 

In der dem Vortrag folgenden Debatte wies Oberlehrer Wil- 
ling (iegnitz) auf die abjchredenden Einflüſſe des Haftpflichtgefeßes 
hin. Dr. Burgaß (Elberfeld) ſprach ſich für die Klaffenmärfche 
entgegen den Anſtaltsmärſchen aus, erklärte fich gegen eine allzu ftraffe 
Disziplin und hob befonders hervor, daß die Leibesübungen auf jeden 
Fall Arbeit im Gewande jugendlicher Freude fein müſſe. Xechnifche 
Schwierigkeiten und Mangel an Zeit ftänden einer ausgedehnten 
Marichpflege auch als Hinderniffe entgegen. An der Ausſprache be- 
teiligten fih weiterhin noch der Vortragende felbit, ferner Stadtſchul— 
rat Blaten (Magdeburg), Oberlehrer Dr. Netſch (Dresden), Ober: 


264 


lehrer Heinrich (Berlin), Direltor Lämmerbhirt, Prof. Molden- 
bauer (Köln), Turinfpeftor Dankworth (Magdeburg), Lehrer 
Sparbier (Hamburg), Direktor Raydt (Leipzig), Lehrer Bühler 
(Zweibrüden i. d. Pfalz) und Turninfpeftor Böttcher (Hannover), 
welcher unter allgemeiner Zuftimmung feine Zuverficht dahin ausſprach, 
daß die Deutfhe Turnerfchaft und die Deutſche Turnlehrerfchaft die 
Anregungen, die der Vortragende gegeben, freudig begrüßen würden. 
Für jeden rechten Turnlehrer feien die Turnfahrten Lichtpunfte im 
Berufsleben, und die Erinnerung daran halte für Leben vor. Wo 
feien aber die Direktoren zu finden, die in gleicher Weife für die 
Sade eintreten wie Direftor Lorenz, und wie klein fei die Zahl der 
Lehrer, die mit Freuden Turnfahrten leiteten und jie nicht als un- 
angenehmen Zwang empfänden. 

Troß mander in der Debatte geäußerten Bedenken verließ wohl 
jeder nach dem nunmehr erflärten Schluß der Berfammlung den Saal 
mit erhobenem Gefühl, das der Vortrag und fein edler Zweck hervor- 
gerufen. | 

Außer der öffentlichen Berfammlung hatte ſchon vorher eine ſolche 
der Mitglieder des Zentral-Ausſchuſſes ftattgefunden, in der 16 fagung3- 
- gemäß ausfcheidende Mitglieder wiedergewählt wurden. Außerdem 
wurde als neues Mitglied gewählt Dr. Beerwald (Berlin), der 
Schriftführer des Vereins für Volkshygiene. 

Unter Borfit Rat Webers (München) und des Profeſſors Kohl- 
rauſch (Hannover) hielt der Tehnifhe Ausſchuß zwei arbeits- 
reiche Sigungen ab. Es wurde bejchlofjen, die Regelbeftimmungen der 
Hauptipiele noch vor dem Deutschen Turnfelt in Nürnberg einer Re- 
vijion zu unterziehen. Für die einzelnen Spiele wurde je eine dreiköpfige 
Kommilfion gewählt, deren Arbeiten dem Technifchen Ausschuß vorzu— 
legen find. Es wurden gewählt für Fauſtball: Sparbier (Ham- 
burg), Weber (München), Weidenbuſch (Frankfurt a. M.); für Fuß- 
ball ohne Aufnehmen: Kohlraufh (Hannover), Koch (Braun- 
ſchweig) und Vogel (Leipzig); für Schlagball: Schroeder (Bonn), 
Sparbier (Hamburg) und Möller (Altona). Die Regeln follen 
in Zufunft nur dann geändert werben, wenn ein Be- 
Ihluß des Techniſchen Ausſchuſſes die Notwendigkeit 
anerkannt hat. Denkürzlich neuerfhienenen Fauftball- 
regeln ſoll ein kurzer Anhang angefügt werden, der es 
ermöglidt, die Regeln au für Wettfpiele zu ge- 
brauden. | | 


265 


II. Biertes vaterländifches Zeftipiel im Stadtwalde 
zu Köln am 6. Juli 1902. 


Bon Prof. Moldenhauer, Köln. 


Bon dem mwundervolliten Wetter begünftigt, haben die zum vierten 
Male im Stadtwald zu Köln gefeierten Feſtſpiele einen glänzenden 
Verlauf genommen. Sie wurden diesmal gemifjermaßen eingeleitet 
dur die Verfammlung des Zentral-Ausſchuſſes zur Förderung der 
Sugend- und Bolksfpiele in Deutfchland und erhielten durch die An- 
wejenheit fo vieler um die Gefundung und Kräftigung unſeres deutfchen 
Volkes hochverdienter Männer eine ganz befondere Weihe. 119 Vereine, 
wohl über 3000 Männer und Sünglinge, jammelten fih auf dem 
Neumarkte; punkt 3 Uhr begann der impofante Feitzug, an feiner 
Spitze die einen herrlichen Anblid gewährenden Radfahrer, die von 
ihren ficher geleiteten Rädern herab fchmetternde Fanfaren erjchallen 
ließen, dann folgte der Feſtausſchuß zufammen mit dem faſt vollzählig 
erichienenen Zentral Ausfhuß und Hinter ihnen die Vereine, unter- 
broden von den Gruppen der Mufitvereine, die fi wiederum mit 
ihrer edlen Kunft bereitwillig in den Dienſt der vaterländifchen Sache 
geftellt hatten. Durch die dichtgedrängten Zuſchauermaſſen, die die 
Straßen einfäumten, während aus den Fenftern der Häufer ſchöne 
Frauen und Mädchen Grüße zuwinkten, ging der Marſch durch Lindental 
in den Stadtwald: für viele, namentlih die älteren Teilnehmer, 
an und für fih ſchon eine ftattliche Leiftung, da der Weg bei jchnellem 
Marſchſchritte über eine Stunde fich Hinzieht. Auf der Fleineren Volfs- 
wieje reihten fich die Vereine im HalbfreisS um die Rednerbühne, von 
‚der herab zuerſt Muſikdirektor Profeſſor Schwart die Feier mit dem 
gewaltigen Chor „Liederfreiheit” von Marſchner einleitete. Dann hielt 
Beigeordneter Dr. Hefje, der Vorfigende des Feftausfchuffes, eine be= 
geiftert aufgenommene Anſprache, in der er auf Die hohe Bedeutung dieſes 
Feſtes für unjer ganzes vaterländifches Leben hinwies, und die ausflang 
in ein von der gewaltigen Zufchauermenge braufend  fortgepflanztes 
Hoh auf den Kaifer. An diefen wurde ein Telegramm abgejfandt, 
das am nächſten Tage huldvolle und anerfennende Beantwortung fand. 
Wieder erflangen die herrlichen Chöre der Gefangvereine, dann zogen 
unter Elingendem Spiele die Vereine auf die ihnen angewiejenen Spiel- 
plätze. Nun entwidelte fi in dem wundervollen Sonnenfchein ein 
zauberhafte® Bild des feitlichen Treibens, der frifhen und freien 
Sugendluft, des edelſten Wettitreites. Die anfteigenden Gelände des 


266 


weiten Stabtwaldes umkränzt von der taufendföpfigen Menge — es 
find gegen 4000 Menſchen anmwejend gewefen — die Wiefen zwifchen 
den einzelnen Epielplägen gefüllt von den hin- und hermogenden 
Mafien, dazwifchen die Gefangvereine , die die alten deutfchen Volks— 
lieder ertönen ließen, die Mufifvereine, die mit ihren Klängen die 
einzelnen Aufführungen begleiteten, da3 Ganze von dem echt rheinischen 
Frohſinn durchhaucht: es war wieder fo ein farbenreicher, herzerhebender 
Anblick, daß die fremden Gälte fi nicht genug darüber wundern 
fonnten. Wenn aud) die Anlage des Stadtwaldes eine Zufammen- 
ftelung aller Gruppen nicht geitattet, und jo der Gejamtüberblid ge- 
nommen ift, jo gewährt anderfeit3 auch wieder die Verteilung auf 
die einzelnen von Baumgruppen umſchloſſenen Wiefen einen eigen- 
tümlichen Reiz; die befonderen Aufführungen Tommen auch fo mehr 
zur Geltung, und alle haben ihr beftes getan, mag auch vor dem 
ftrengen Auge de3 Kritiferd vielleicht noch manches befjer zu geftalten 
fein. Auch bier muß erft noch langjährige Erfahrung die Xehrmeifterin 
fein, bejonders in der weiſen Beſchränkung der Aufführungen jelbit. 
Manches Neue wurde geboten, jo das hochintereſſante Hindernisfahren 
der Radfahrer, das zum eriten Mal vorgenommene Bereinswettlaufen 
der Turnvereine, der Feitreigen, das Fahnenſchwingen der Jugend— 
abteilungen ujw. So überall ein natürliches, ungezwungenes Felt: 
treiben, fein künſtliches, durch ſtarken Alkoholgenuß oder finnlich 
aufregende Jahrmarktsbuden hervorgerufenes — es wird nur leichtes 
Bier und einfadde Yuiterbrode verabreiht, und überall aufgeftellte 
zahlreiche Waſſerfäſſer Ipenden den Duritigen reichliche gefunde Labung — 
fo in der Tat ein Volksfeſt der fchönften Art. Gegen 8 Uhr fammelten 
fih auf das Fanfarenzeihen die Vereine auf der großen Volkswieſe, 
wo die feierlihe Bekanntmachung der Sieger erfolgte. Nach dem ge- 
meinſchaftlichen Liede: „O, Deutfchland, hoch in Ehren” verfündete 
Profefjor Moldenhauer die Namen der Sieger und überreichte ihnen 
die einfachen Eichenfränze, auf deren fchwarz- weiß -roter Edhleife 
die Erinnerung an den Feſttag verzeichnet if. Den Siegern wird 
päter noch ein befonderes , Fünftlerifch ausgeftattetes Diplom zugeftellt. 
In feiner von dem wiederholten lauten Beifall der gewaltigen, bie 
Kednerbühne umftehenden Menge begleiteten Anſprache feierte er bie 
Sieger, die nun den fchönften Lohn für ihre Mühe errungen hätten; 
diefer Tag würde ihnen um fo mehr in der Erinnerung bleiben und 
erhielte feinen ganz befonderen Wert, weil fie diesmal gemwifjermaßen 
vor den Augen de3 ganzen deutſchen Volkes gekämpft, deſſen beſte 


207 


Vertreter ihnen zugefchaut hätten. So fünne man diejes Felt fait als 
ein Eleines Bild des großen deutfchen Feſtes betrachten, das das deal 
des Herrn v. Schendendorff und fo vieler edler deutſcher Männer fei. 
Die Arbeit und das Streben der Sieger fei nicht dem perjönlichen 
Intereſſe, jondern dem Vaterlande gewidmet, und fo müſſe für alle 
diefer Feittag enden mit dem Jubelruf: „Gott erhalte und ſchirme 
unſer deutfches Vaterland!” Mächtig über den Stadtwald erbrauite das 
Hoch auf das Vaterland und der Gefang: „Deutfchland, Deutjchland 
über alles in der Welt“. 

Während ſonſt das Felt mit diefem Liede fein Ende nimmt, 
fand diesmal ausnahmsmweife zu Ehren des Zentral -» Ausfchufjes 
in dem großen Saale der Stadtwirtfhaft „Kitfhburg” noch eine 
feftlihe Abendunterhaltung ftatt. Dicht gefült war der Saal 
von Damen und Herren, die nach der Begrüßung des Vorfigenden 
Dr. Hefje und dem Hoch auf die Ehrengäfte mit der größten Auf: 
merfjamteit den meifterhaft vorgetragenen Ehören des „Kölner Sänger: 
kreiſes“ unter der Leitung feines Dirigenten Berger folgten. Dann 
bielt Herr v. Schendendorff , jubelnd begrüßt, eine Anfpradhe, in der 
er von der hohen Bedeutung der Volksfeſte ſprach, wie fie in den 
Sedanfeften, den Bergfeften, wie in den Feten in Dresden, Köln, 
M.-Gladbach und auf dem Knivsberge in Schleswig gefeiert würden. 
Er hob mit Recht den fozialen Gedanken hervor, der in diefen Feſten 
liegt, in einer Zeit der fchroffiten politifchen und konfeſſionellen Gegen 
fäge die getrennten Gefelichaftsfreife wieder zu einem gemeinfamen 
Tun zufammenzuführen. Solche Feſte hätten Jahn vorgefchwebt, aber 
fie jeien entartet, und nur auf diefe Weife, wie hier in Köln, dürften 
fie veranftaltet werden. Der andere hohe Wert dieſer Feite liege in 
dem vaterländifchen Sinne, in der Treue zu Kaifer und Reid. Vor 
allem gelte es für fie die Jugend zu begeiftern und fie von unedlem 
Treiben abzuhalten. Er erfannte dann mit lauter Bewunderung den 
Verlauf des Tages an, erwähnte das mujterhafte Betragen des ge— 
waltigen Publikums und fprad) die Hoffnung aus, daß aus den Be- 
ratungen der Leiter dieſer Fefte die Erfüllung feines ſehnlichſten Wunſches, 
eined großen allgemeinen Nationalfeftes, hervorgehen möge. Sein Hoc 
galt dem Kölner Feſtausſchuß. Die Rede wurde mit größtem Beifall 
aufgenommen, den höchſten Subel erreichte die Stimmung, als Profejlor 
Moldenhauer diefem um die vaterländifche Sache hochverdienten Manne 
ben Eichenfranz überreichte. Nach weiteren, mit nicht geringerer Be- 
geifterung aufgenommenen Reben und Hochs des Studiendireftors der 


268 


— 


Leipziger Handelshochſchule, Profeſſor Raydt, des Profeſſor Widen- 
hagen, des Oberturnlehrers Schröder u. a. wurde das fchöne Felt 
geſchloſſen. 


vSVV2 3555555555555 


asasass ſtongreß des Der Zentral-Ausſchuß veranſtaltet 
Zentral⸗Ausſchnuſſes in dieſem Jahre in Dresden feinen 
vom 5. 7. Juli1903 VI. Deutſchen Kongreß, und zwar vom 
in Dresden. Bros 5.—7. Juli. Am Sonntag, den 5. Juli, 


amm. asgggggooa erden die Teilnehmer am Stongrefje zu- 
m nächſt den großen Dresdener vaterlän- 


diſchen Feitfpielen, die zum fünften Dale veranftaltet werden, al3 Zu- 
Tchauer beimohnen. Dieje Feitipiele bilden befanntlich ein in vorbild- 
lihem Sinne gehaltenes Volksfeſt, auf welchem neben Turn-, Frei- 
und volfstümlichen Übungen auch die verjchiedenften Volks- und Jugend⸗ 
fpiele abgehalten werden. Am 6. und 7. Juli folgen die eigentlichen 
Kongreßverhandlungen, für welche die folgenden Vorträge in Ausficht 
genommen find: 

1. Was können die Städteverwaltungen tun, um die Törperliche 
Erziehung der Jugend, beſonders der Volksſchule und der ſchul⸗ 
entlaſſenen Jugend, zu fördern? Von Geh. Regierungsrat Ober- 
bürgermeiſter a. D. Witting-Berlin. 

2. Die anatomiſchen Verhältniſſe des Bruſtkorbes mit beſonderer 
Beziehung auf Leibesübungen und Geſundheitspflege. Vom 
Geh. Medizinalrat Prof. Dr. Waldeyer-Berlin. 

3. Über die beſte Ausgeſtaltung öffentlicher Erholungsſtätten für 
Jugend und Voll. Bon Dr. med. %. A. Schmidt-Bonn. 

In dem legteren VBortrage wird der Redner auch den Plan Sr. 
Majeftät des Kaiſers, den Grunewald als öffentlichen Volkspark ein- 
richten zu laffen, des näheren erörtern. Auf Antrag des Zentral: 
Ausſchuſſes iſt diefem der Einblid in die ausgearbeiteten Pläne ge- 
ftattet worden. 

An beiden Nachmittagen follen einige Mufterjpiele ſowie Schwimm⸗ 
vorführungen nach neuefter Methode zur Abhaltung gelangen. 

Da in Dresden während des ganzen bevorjtehenden Sommers 
eine Stäbteaugftellung ftattfindet und die Zeit des Kongrefjes unmittel- 
bar auf den Anfang der großen norbbeutichen Ferien fällt, jo läßt 


209 


fih diesmal ein befonders zahlreicher Beſuch des Kongrefjes erwarten. 
Einladungen und ausführlides Programm werden bereit3 in der 
eriten Hälfte des Mai veröffentlicht werden und an die daran inter- 
ejlierten Kreife auch direkt zur Verfendung kommen. 


Görlitz, den 26. Februar 1903. 


von Schendendorff. 


3555595959595959958955 3) 39555959555 995555 3 


=” Verzeichnis der an den 
Zentral: Ansihnk i. 3. 
1902 gezahlten Beiträge. 


Vom Schatzmeiſter Prof. Dr. K. Koch, 
Braunſchweig. SETELLUCKLELE 


1 Staatliche und Candes⸗Behörden. 
1) Herzoglich Anhaltiſches en ; 


2) Kreisausſchuß Schmalkalden . 


II. 


1) Aachen . 

2) Allen. . 

3) Altenbürg . 

4) Angermünde . 

5) — 

6) Aue i. S. 

7) Auerbach i. 'V. 

8) Augsburg . 

9) Baden-Baden . 

10) Barby . 

11) Baugen. . . 

12) Bensheim Großh. deffen) 
13) Beuthen i. Oberſchl. 

14 Biberach in — 
15) Biebrid). Ä er 

16) Bingen . . 
17) Bitterfeld . : 

18) Blankenburg a. - 
19) Borna . 
20) Braunfchweig. . 


Städtifche Behörden. 
Mad dem — chnittlichen Verhältnis von 1 Mark für jedes Tauſend Einwohner.) 
a) Laufende Jahresbeiträge. 


136 


21) Bremerhaven . 
22) Brudfal 

23) Buchholz i. S 
24) Burgſtädt . . 
25) Chemnit — 
26) Colmar (Elſ.). 
27) Cofel . 

28) Crefeld . 

29) Danzig . 

30) Darmftadt . 
31) Delitzſch. 


32) Demmin i. Pommern . 


33) Deflau . . 

34) Deutſch⸗Krone 

35) Dirſchau 

36) Dülken. 

37) Düren . 

38) Düffeldorf . 

39) Duisburg . . . 

40) Ehingen (Württemberg) 


” 


zn 2 3 zz 3 8 3 3 z x 


200 


41) Eibenftod . 

42) Eilenburg . 

43) Einbel . 

44) Eißleben . 

45) Elmähorn . 

46) Emden ". 

47) Ems. 

48) Erlangen 

49) Eutin 

50) Frankenhauſen 

5l) Freienwalde . P 

52) Friedrichsthal bei Suͤlzbach 
(Kreis Saarbrüden) . 

53) Oardelegen 

54) Gera . 

95) Gießen . 

56) Glauchau B 

97, Gmünd (Shmasen) 

98) Gnefen . i 

59) Gollnow 

60) Görlitz. 

61) Goslar . 

62) Gotha ———— 

63) Grauden . . .. , 

64) Greifswald i. P. 

65) Grimma. 

66) Grünberg i. Sſchl. 

67) Gütersloh . 

68) Habelſchwerdt. ; 

69) Hadersleben (Söteenig . 

70) Hagen i. W. ; : 

71) Hamen. . . 

72) Hamme(Landfreis Baum) 

73) Hanau — 

74) Hann.-Münden . 

75) Haspe 

76) Hattingen Ruhr) 

77) Heidelberg . 

18) Herford 

79) Hettitedt : 

80) Höchſt a. Main . 

81) Infterburg ; 

82) Sohann-Georgenftabt ; 

83) St. Johann a. Saar . 

84) Jüterbogk . . 

85) Kiel...» 

86) Kirn (Stadt) . 


270 


SS 3 3 na 3 2.38 


= 


S 


87) Köln a./Rh. 

88) Königshütte 
ſchleſien . ; 

89) Konitz i. BWeftpreußen . 

90) Konſtanz ; 

91) Kreuzburg, 

92) Kreuznad . 

93) Krotofdin. . - 

94) Kulmbad (für die Volks 
bibliothek) 

95) Kyritz (Priegnitz) 

96) Lahr 

97) Landsberg a. 6: 

98) Landsberg a. W. 

99, Lauban 

100) Zauenburg a. d. €. 

101) Leer (Oftfriesland). 

102) Lengenfeld i. Voigtl. . 

103) Zennep . — 

104) Leobſchütz. 

105) Linden 

106) Liſſa i. PBofen . ; 

107) Löbtau (Dresden-Löbtau) 

108) Lößnitz i. Erzgebirge. 

109) Lüdenſcheide. R 

110) Zudmwigshafen . 

111) Marienwerder 

112) Meiningen 

113) Memmingen . 

114) Met 

115) Mittweida 

116) Moers . 

117) Mülheim a. A. 

118) Müniter i. Weitf. . 

119) Neubaldensleben 

120) Neu-Ulm . . 

121) Neunfirchen (Heg.- Bat 
Trier) . i 

122) Neurode i. Schleſien 

123) Neuſtadt (Oberſchl. 

124) Neuwied . ; 

125) Neufalz ; 

126) Nieder⸗Hermsdorf 6. Bal- 
denburg in Schlefien 

127) Norohaufen . ; 

128) Nürnberg . 

129) Oberglogau . 


in übers 


D..5g1. 


x Si ı 2 2 2 


za 2 232 3 33 3 3 32 3 2% 2 2 2 232 2 a2 3.2 N 3 23 33 3 


zz 3 u 3 


130) Oberhaufen (Rheinland) . 


131) Del? i. Schlefien 
132) Oelsnitz 

133) Oppeln. . » 

134) Dranienbaum Linhein 
135) Osnabrück 

136) Oſtrowo . . 

137) Ofterode (Ofpreußen) 
138) Bafewall . 

139) Pegau . 

140) Plauen i. V. 

141) Poſen. 

142) Pöhned 

143) Prigmwall . 

144) Rajtenburg . 

145) Ratibor 

146) Regensburg . 

147) Redlinghaujen i. W. 


148) NReinidendorf bei Berlin. 


149) Rend3burg 

150) Rheine. 

151) Rofenbeim 

152) Roftod . 

153) NRügenwalde . ; 
154) Saalfeld i. Thür. . 
155) Saarbrüden . 

156) Saarlouis 

157) Sagan . 

158) Salzwedel 

159) Sangerhauſen 


160) Shmöln, S.⸗A. (Schul. 


voritand) 
161) Schneeberg i. ©. ; 
162) Schöneberg bei Berlin 
163) Schrimm . 
164) Siegburg . 
165) Siegen 


271 


2 5 2 3 3 3 3 z 8 N ıT0,.0—92 2 u N 3 383 8 NS zz 3 3 3 N 


zy 2 2 


166) Sonderburg . 
167) Sorau (N.-%.) 
168) Stade . . . . 
169) Steele (Stadt) . 
170) Steglig bei Berlin 
171) Stendal 

172) Sterfrade . 

173) Stettin. ; 
174) Stolberg Rheint) 
175) Straßburg i. EI. . 


176) Straßburg i. Udermarf . 
177) Sulzbad 5. Saarbrüden 


178) Sminemünde. 

179) Zarnomig . 

180) Torgau ; 
181) Trebniß i. Schleſien 
182) Ulm ee 
183) Üterfen i 

184) Verden (Aller) . 

185) Wald (Rheinland) . 
186) Waldheim i. ©. 

187) Wandsbed . 

188) Wattenfcheid . 

189) Weiden F 
190) Weinheim (Baden) 
191) Werdau 
192) Werl 

193) Wernigerode . 

194) Wetlar. 


195) Weißenburg a. Sand. ; 


196) Widrath . 

197) Witten. . 
198) Wolfenbüttel . 
199) Worms 

200) Wörliß. 

201) Wriezen 

202) Zerbit . 


b) Bon 1898 auf fünf Jahre bemilligt. 


1) Netzſchkaun. 


c) Bon 1899 auf ſechs Jahre bemilligt. 


1) Altl-Damm 


d) Bon 1899 auf fünf Jahre bewilligt. 


1) Altena . 


aa a zz 2 a xy I ı2 zz 


10 


1) Altona 


272 


e) Bon 1899 auf vier Jahre bewilligt. 


f) Bon 1900 auf fünf Jahre bewilligt. 
A 10 | 2) Rubolftadt . 


1) Ludwigsluſt i. M. . 


g) Bon 1901 auf fünf Jahre bewilligt. 


1) Fürftenmalde . 


A 17 


2) Köthen . 


h) $ür 1902 bewilligt. 


1) Allenftein . ; 

2) Annaberg i. Erzg. 

3) Arnſtadt i 

4) Beed b. Ruhrort. 

5) Belgard . 

6) Bernburg . 

7) Bielefeld 

8) Bonn .. . 

9) Büdeburg (Sculvorftand) 
10) Bütom (Reg.-Bez. Köslin) 
11) Bützow (Medlenburg) . 
12) Burtehude . f 
13) Charlottenburg 
14) Coburg . 

15) Cöpenick. 

16) Dortmund . 

17) Dramburg . 

18) Edernförde.. 

19) Ehrenbreitftein 

20) Eſchwege 

21) Eſſen 

22) Eßlingen 

23) Eupen 

24) Slensburg . j 

25) Frankenberg i. ©. . 

26) Frankfurt a. M.. 

27) Freiberg i. ©. . 

28) Gößnitz (S.N.) . 

29) Gumbinnen 

30) Halberftadt 

3l) Hannover . 

32) Harburg. ; 

33) Heide i. Holftein Guur 
follegium) . 

34) Heilbronn a. N. . 

35) Helmftedt . 


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36) Hersfeld 

37) Hildesheim 
38) Hirſchberg i. — 
39) Hörde 
40) Hof . ; 

41) Homburg v. d. 5 
42) Hufum . 

43) Inowrazlaw 

44) Jena. 

45) Kalt 


46) Rattowig Oberſchl 


47) Kempen (Poſen). 
48) Kolberg . 

49) Königsberg i. Br. 
0) Kulm . . 

51) Landeshut (Sät) 


52) Langenberg en 


59) Leipzig - 

54) Leisnig . 

55) Lemgo - . F 
56) Gr. Rchterfelde 
57) Lindau —— 
58) Lötzen 

59) Luckenwalde 

60) Lüneburg. 

61) Magdeburg 

62) Malſtatt-Burbach 
63) Mannheim. 

64) Marienberg i. S. 
65) Markneukirchen 

66) Marxloh b. Ruhrort 
67) München-Gladbach. 
68) Meerane (Sachſen) 
69) Merzig . 

70) Minden i. W. 


71) Mühlhauſen i. Th. , 


72) Münden . » » 2 .A 180 | 9) Saargemünd. 
73) Myslowiß . . - x 2... B | 95) Sclettftadt . 
74) Neumüniter ee 96) Schweidnik . 
75) Neu-Ruppin „ 15 | 97) Schwerte . 

76) Nienburg a. Wefer . „15 98) Seifhennersporf. 
7) Nördlingen „598 99) Siegen . 

78) Northeim i. Sander: „ 10 | 100) Spandau . 

79) Nürtingen (Hofpitalpflege). „ 5 | 101) Sprottau . 

80) Oberlahnftein . u .7T110) Stolp i. P.. 
81) Odenkirchen. „ 14 | 103) Teterow Meckl.) 
82) Offenbach ’ „ 40 | 104) Thorn . . 
8) Oſchatz i. ©. . „ 10 | 105) Treptow a. d. Rega 
84) Oſchersleben „ 12 | 106) Üdendorf (Amt) 
85) Parchim „10 | 107) Bierfen 

86) Peine „ 20 | 108) Völklingen 

87) Penig „8 | 109) Weimar 

88) Pirna . ; „715 , 110) Weißftein . 

89) Quedlinburg . „ 20 | 111) Wiesbaden 

90) Reichenbach i. 8 „ 25 | 112) Wittenberge . 
91) Rheydßt... „ 15 | 113) Wolgaft 

92) Riefa ; „ 10 | 114) Zwickau i. ©. . 
93) Ruhrort , 20 


III. Vereine. 


1) Augsburg, Männerturnverein. F. Bahjhmied . 

2) Beuthen, Oberfchlefien, Berein zur Waifenpflege ; A 

3) Birnbaum, Volksbildungsverein. Kaffierer: Kreisfetretär Zeichert 

4) Braunſchweig, Eisbahnverein. Vorſitzender: Turn⸗Inſp. A. Hermann 

5) Braunſchweig, Lehrerverein. Lehrer O. Dehn, Goslarſcheſtr. 1 

6) Bremen, Verein z. Befdrberung d. Spiele im Freien. Senator 
9. Hildebrandt, Domheide 10/12. — Carl Schütte, 
Rembertiftr. . : 

7) Danzig, Berein der Ärzte des Reg. Ber. "Dr. Th. Batenberg, Kugen 
arzt, Kohlenmarkt 14/16 E 


8) Donnersberg, Realanftalt am, Station Marten; Pfalz Dr. 6. 
Göbel . . . 

9) Freiberg i. S., Arztl. Bezitköverein. "Dr. med. Surt Nichter, Burg- 
ſtraß⸗ 26: 5.5: % 

10) Görlitz, Berein f. Knabenhandarbeit imo Zugendſpiei. Sprnafite 
lehrer Weiſe, Struveftr. 24 Er 

11) Gotha, Verein d. Gothaer Ärzte. Dr. med. ——— 

12) Hamburg, Knabenhort-Geſellſchaft. Paſtor Schwieger, ——— 

13) Kiel, Geſellſchaft freiwilliger Armenfreunde. Kieler Spar⸗ u. elle 
9. Imhoff, Lorentendamm 12 

14) Kiel, Verein zur Förderung der AJugend- und Bortsfpice in der 
Stadt Kiel. Myrau, Rinagftr. 59 I : ; 

Volks- und Jugendipiele. XII. 18° 


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15) Lauenburg, Neuer Bürgerverein . 


16) Leipzig, Deutſche Turnerſchaft. Polefeetä Dto Bra Ste 
Filandeſtraße 24 . ß 


17) Leipzig, Ärztlicher Bezirköverein m — Dr. — Dnat, 
ReipiigeEuttibfeb - > 2 ne 


18) Mainz, Damenturn- und Spielllub. — —— —— 
Schuſterſtr. 33 . ; s 

19) München, Volksbildungsverein. Rathaus Münden 62, I Ense 

20) Straßburg, Ürztl. Hygiein. Ber. in Elfaß-Lothringen. Sanitätsrat 
Dr. Bindert. Schatmeifter: Sanitätsrat Dr. Eninger, 
Straßburg, Hoher Steg 17 2 = 


21) Trier, Verein f. erziehl. Knabenhandarbeit. Rechtsanw. Dr. Brüning 


IV. Sonflige Beiträge. 


1) Sanitätsrat Dr. Dittmar in Saargemünd. 

2) von Dolff3 & Helle, Fabrifanten, Braunſchweig. 
3) C. Magnus, Bankherr, Braunfchweig 

4) Stab3arzt Dr. med. Matthes, Eifenad . 

5) Münzer, Lehrer, Bismarckhütte R 

6) Major Freiherr von Stößel, Hann. ‚Münden In tee 
7) Kammerherr v. Unger, Weißer Hirfch bei Dresden 
8) R. Voigtländerd Verlag, Leipzig ; ; ; 


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Veränderungen im Verzeichnis der 
Mitglieder des Zentral⸗-Ansſchuſſes 
und Der Unteransichüfje*). umumumım 


Geftorben: Dr. von Goßler, Kal. preuß. Staatsminifter a. D., 


Oberpräfident der Provinz Weftpreußen. 


Brandenburg, Amtsgerihtsrat, Mitglied des Haufes der Ab- 


geordneten und. de3 Reichstags. 
Hinzugetreten: Dr. med. 8. Beerwalbd in Berlin. 
Dr. Burgaß, Oberlehrer in Elberfeld. 


*) Siehe „Jahrbuch 1902" S. 355 ff. 


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