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JUL 26 1929
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Jahrbuch
der
Hamburgischen
Wissenschaftlichen Anstalten.
Xi. Jahrgang.
1898.
Hamburg 1894.
Commissions-Verlag von Lucas Gräfe & Sillem.
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Inhaltsverzeichniss.
Jahresberichte der Wissenschaftlichen Anstalten
für das Jahr 1893.
Chemisches Staats-Laboratorium .........ccccc222...
Physikalisches Staats-Laboratorium ..................
Naturhistorisches Museum ...............ccceeeeen.
Sammlung vorgeschichtlicher Alterthümer ...........
Sammlung Hamburgischer Alterthümer ..............
Botanisches Museum und Laboratorium für Waarenkunde
Uebersicht der von Ostern 1895 bis Ostern 1894
sehaltenen Vorlesungen... ....2............
III. Wissenschaftliche Abhandlungen.
Seite
VI — VIII
IX — X
XI — XVI
XVII — LXXXIV
LXXXV — XCIV
XCV— XCVII
XCIX — CIX
CX — CXI
CXII — CXVI
CXVII — CXIX
CXX — CXXXIH
Seite
Dr. I. J. Reeincke. Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen
zum Wasser. Mit 5 Abbildungen im Text und 7 Tafeln.........: 1—102
Mittheilung aus dem Museum für Völkerkunde.
Hermann Strebel. Die Stein-Sculpturen von Santa Lucia Cozumahualpa
(Guatemala) im Museum für Völkerkunde. Mit 4 Tafeln .... 103—120
Mittheilung aus dem Chemischen Staats-Laboratorium.
M. Dennstedt und ©. Ahrens. Ueber das Hamburger Leuchtgas... 121—153
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Jahresberichte
der
Hamburgischen
Wissenschaftlichen Anstalten
für das Jahr 189.
1 Stadtbibliothek
Bericht des Direktors Professor Dr. Eyssenhardt
In das Personal der Stadtbibliothek trat bei Beginn des
Berichtsjahrs Herr August Regensburger als Hülfsarbeiter ein.
Durch ausserordentliche Hülfsleistung machte sich auch im
Jahre 1893 Herr Dr. Chrysander um die Stadtbibliothek verdient,
indem er die Einordnung einer grossen Anzahl musikalischer Werke
in den Katalog übernahm.
Der Bücherbestand wurde, abgesehen von den Zeitschriften,
aus den budgetmässigen Mitteln sowie durch Geschenke um 8075
Nummern vermehrt. Die Zahl der jetzt gehaltenen periodischen
Schriften beträgt 395.
Geschenke erhielten wir — in chronologischer Ordnung — von
Einem Hohen Senate, Herrn Geh. Admiralitätsrath Dr. Neumayer,
der Oberschulbehörde, der Biblioteca nazionale (Magliabecchiana) in
Florenz, der Königlichen Bibliothek in Berlin, Herrn €, F. Riedel,
Fräulein Anna Warburg in Altona, dem Colontalministerium der
Niederlande, Sr. Excellenz dem Reichskanzler Grafen von Caprivi,
Herrn Capitain Schick, dem Naturwissenschaftlichen Vereine Hamburg-
Altona, Herrn Dr. Maximilian Kohn, der Gesellschaft Harmonie,
dem Department of the Interior in Washineton, dem Freiherrn
von Eberstein in Dresden, den Herren Dr. Henop in Altona, T’heodor
Mehring, der mathematischen Gesellschaft, den Herren Dr. Freybe in
Parchim, Jac. L. Peters, der Stadtbibliothek in Frankfurt a. M., den
Herren Dr. Chrysander in Bergedorf, Oberbibliothekar Dr. Gälbert in
Greifswald, Pastor Dr. Manchot, Speyer und Peters in Berlin, dem
Italienischen Unterrich'sministerium, den Herren Öberlehrer Dr.
Erdmann, Spiering in Bergedorf, der Smithsonian Institution in
Washington, den Herren Professor Dr. Wohlwil, Johannes Müller,
Frau Witt, Frau Dr. Danzel, der Kaiserlichen Leopoldinisch-Caroli-
nischen Deutschen Akademie in Halle, Herrn Dr. Tüngel, der Hamburger
Feuercasse, den Herren Gustav Buchard, Dr. Kellinghusen, der Picken-
packstiftung, der Mercantile Library in Saint Louis U. S., den Herren
Bürgermeister Dr. Prix in Wien, Wenchell in Minneapolis in Minnesota,
©. Sadakichi Hartmann in Boston in Massachusetts, &. $. Dogdson
in Paris, Professor Dr. Brehmer in Lichtenthal in Baden, Generalarzt
Dr. Grasnick in Berlin, Dr. Wertheimer, dem sSicherheitscomite für
den Stadttheil Rotherbaum, den Herren Pastor Dr. Bertheau, Consul Dr.
Mordtmann in Constantinopel, dem Auswärtigen Amte in Berlin, dem
vo Stadtbibliothek.
statistischen Bureau der Steuerdeputation, dem freien Deutschen Hochstifte
in Frankfurt a. M., den Herren Dr. Kückelhaus in Berlin, Guttentaug in
Berlin, Geh. Hofrath Pertsch in Gotha, Pastor von Bröcker, Fräulein
Marie Hirsch, Herrn OÖberlehrer Dr. söillem, den Herren Ave-
Lallemant, Emil Riedel in Rosehill Farm bei Alexandria V. A.,
Direktor Chr. Braun in Kopenhagen, der Bärensprungschen Hof-
buchdruckerei in Schwerin, Herın @. Fock im Leipzig, der Royal
Commission für die Weltausstellung in Chicago, den Erben des Herrn
A. H. W. Janssen, Herrn Moll in Tübingen und Chr. Bischoff.
Ferner schenkte Frau Senior Hirsche der Bibliothek 203 Bände
aus dem Nachlasse ihres Gemahls.
Für alle diese Gaben spricht der Berichterstatter Namens der
Bibliothek hiermit seinen wärmsten Dank aus.
Nicht aufgeführt unter den Geschenken sind die uns im Tausch-
verein zugehenden Werke; betrefis der in Hamburg erscheinenden
Verlagsartikel ist zu bemerken, dass die im Laufe eines Jahres verlegten
Schriften grösstentheils im Beginne des nächsten Jahres zur Ablieferung
gelangen: von den 215 Hamburger Verlagsartikeln des Jahres 1892
sind im Ganzen 140 eingeliefert und mit Dank entgegengenommen worden.
Im Lesezimmer wurden 11905 Bände — darunter 115 Hand-
schriften — von 2903 Personen benutzt.
Ausgeliehen wurden 7520 Bände an 596 Personen, darunter
54 Handschriften; von diesen gingen 16 nach Dresden, 8 nach Berlin,
6 nach Eddigehausen, je 4 nach Leipzig und Osnabrück, je 3 nach
Hannover und Münster i. W., je 2 nach Berlin und Marburg, je eine
nach Cuxhaven, Greifswald, Grimma, Pressburg, Strassburg und Wien.
Ausserdem wurden nach 57 auswärtigen Orten 392 Bände versandt.
Das Neubinden des alten Bücherbestandes rückte mfolge umfang-
reicher Neuanschaffungen nur langsam fort und erstreckte sich auf die
Abtheilungen N E bis N H, ist somit für die ganze Abtheilung N beendigt.
Die neben den laufenden Katalogisirungsarbeiten hergehende
Eintragung der Standortsbezeichnungen nach dem Realkatalog in den
Nominalkatalog wurde in der Weise gefördert, dass DFaIV (Astro-
logie), HA VI und VII (Geographie von Australien und geographische
Karten), KC (Bremensia), E A (mathematisch - naturwissenschaftliche
Schriften im Allgemeinen, allgemeine Physik) und EAa (Schriften
naturwissenschaftlicher Gesellschaften) übertragen wurden. Von MC
(exegetisch-historische Jurisprudenz) wurden die ersten 150 Seiten
erledigt, ferner die völlige Umarbeitung des die Deutsche Litteratur
unseres Jahrhunderts umfassenden Katalogbandes wesentlich gefördert.
Botanischer Garten. IX
2. Botanischer Garten.
Die Aufsicht über die Verwaltung des Botanischen Gartens ist
auch ım Jahre 1893 von der für diesen Zweck eingesetzten Komnussion
unverändert weitergeführt worden. |
Abgesehen von der Neubesetzung einer Obergehülfen-Stelle blieb
das Personal der Beamten und Angestellten im Wesentlichen dasselbe
wie im Vorjahre.
Nachdem der im Jahre 1892 ausgeführte Umbau des grossen
Kalthauses sich als zweckentsprechend herausgestellt hat, wurde im
Berichtsjahre das Palmenhaus einer ähnlichen Umgestaltung unterworfen,
durch welche dasselbe nach seinen Raum-, Licht-, Heizungs- und Ven-
tilations-Einrichtungen erheblich verbessert worden ist.
Das Wohnhaus erhielt äusserlich einen Oelfarbenanstrich; auch
wurden das Rohrdach und die Dachrinne desselben einer Wiederher-
stellung unterzogen.
Die Blütezeit der Victoria regia dauerte diesmal vom 25. Juni
bis zum 20. October; während dieser Zeit war das Haus täglich vor-
mittags 2, nachmittags 2 bis 3 Stunden den Besuchern geöffnet.
Nach dem Ausräumen des Bassins diente das Haus zur Auf-
nahme von ca. 600 im Garten gezogenen Chrysanthemum, welche vom
15. November an durch ihre Blütenpracht zahlreichen Besuch des
Hauses veranlaßten.
Im Kalthause No. 3 fand auch während des vergangenen
Sommers eine ständige Schaustellung geeigneter blühender Topfgewächse
statt, welche dem Publikum täglich während der Besuchszeit des
Gartens geöffnet war. Auch die Fenster der Pförtnerhäuser wurden
in der üblichen Weise zu Ausstellungen benutzt.
Die Revision der Freilandgewächse, wie auch des Herbars
wurden weitergeführt. Wiederum wurden wildwachsende, für Schul-
zwecke bedeutsame Pflanzen unserer Flora in einer größeren Zahl
von lebenden Exemplaren gesammelt und dem Gartenbestande einverleibt.
x Botanischer Garten.
Für Unterrichtszwecke wurden 231 548 Pflanzen bezw. Teile
derselben abgegeben, welche 533 Arten entnommen waren. Den
Lehrern wurde wöchentlich ein Verzeichnis der blühenden Schulpflanzen
zur Verfügung gestellt, nach welchem die Bestellungen ausgewählt
werden konnten.
Im System wurden wünschenswerte Verpflanzungen und Aus-
saaten ausgeführt, sowie auch die Buxeimfassungen erneuert; die
Gehölzgruppen wurden durch Nachpflanzungen vervollständigt.
Während der Wintermonate erfolgten die Erneuerung und
Vervollständigung der Etiketten, die Zusammenstellung und Versendung
der Samenkataloge, sowie der Tauschverkehr mit verwandten Instituten
in der bisher üblichen Weise.
An Geschenken erhielt der Garten von Frau J. ©. Mittelstein
Reiser von Jatropha Manihot; von Fräulem Peters 1 Alo& variegata;
von den Herren O’Swald & Co. Samenkapseln und Samenpflanzen von
Kautschuk liefernden Bäumen; von den Herren Witt & Büsch eine
Anzahl Samenpflanzen von Blattgewächsen aus Lagos; von Herrn
H. Freyschmidt 3 Brotbaumfrüchte; von Herrn Neubau 1 Yucca
angustifolia; von Herrn Professor Kirchhoff in Ottensen Samen der
Sequoia gigantea. gesammelt in Calaveras County, Calif.; endlich von
den Herren Joost, Gubbler & Co. 14 Dendrobium sp. von der
Delagoa-Bay.
Im Tausche erhielt der Garten von der Hofsgärtnerei „Wilhelma“
bei Cannstatt für 3 hier gezogene Pflanzen der Victoria regia ein
Sortiment Rhododendron; für Freilandstauden vom Botanischen Garten
in Berlin Musa sp., von Herrn Dr. Nanne in Großborstel verschiedene
Orchideen.
Gekauft wurden außer den alljährlich erforderlichen Sämereien
von Herrn Dr. Nanne Gehölz- und Gruppenpflanzen, sowie Orchideen,
von Herrn F, 7. Stüeben Palmen.
Sternwarte. RI
9. Sternwarte.
Bericht des Direktors Professor Dr. George Rümker.
Die Witterung des vergangenen Jahres war der beobachtenden
Thätigkeit der Anstalt im wesentlichen ebenso günstig wie im Jahre
1892, so dass in 210 Nächten — gegen 211 in 1892 — Beobach-
tungen angestellt werden konnten, und zwar in 188 Nächten an den
Meridianinstrumenten und in 74 Nächten am Aequatoreal, welches
jedoch, wie weiter unten des Näheren ausgeführt werden wird, während
der für die Beobachtungsthätigkeit sehr günstigen Zeit von Anfang
August bis Anfang October nicht benutzt werden konnte. Die den
Beobachtungen günstigen Nächte vertheilten sich auf die eimzelnen
Monate wie folgt: Im Januar hatten wir 16 theilweise heitere Nächte,
im Februar 12, März 21, April 24, Mai 20, Juni 19, Juli 18, August 21,
September 21, October 14, November 11 und December 13.
An den Meridianinstrumenten wurden die für den Zeitdienst
erforderlichen Bestimmungen vom Observator Herrn Dr. Schorr und
dem Assistenten am Chronometer-Prüfungs-Institut Herrn Dr. Stechert
und in Vertretungsfällen von Herrn Hülfsarbeiter Dr. Hänig ausgeführt,
ferner von Herrn Dr. Stechert die Beobachtungen der Mondeulmimationen
fortgesetzt. Ausserdem wurden die genauen Positionen einer Anzahl
von Sternen bestimmt, die bei den Beobachtungen am Aequatoreal als
Vergleichsterne benutzt worden waren, sowie auch einige der helleren
unter den kleinen Planeten, deren Lichtstärke dieses verstattete, beob-
achtet. Ferner wurden in den „Astronomischen Nachrichten No. 3208“
die von Herrn Dr. Zuther in dem Jahre 1856—91 am Meridiankreise
angestellten Beobachtungen der kleinen Planeten (5) Asträa, (6) Hebe,
(8) Flora, (9) Metis, (11) Victoria, (15) Eunomia, (21) Lutetia,
(29) Amphitrite, (43) Ariadne und (79) Eurynome veröffentlicht. Die
Reduction einer grösseren Anzahl von Fixsternbestimmungen, die Herr
Dr. Luther während der Zeit seiner hiesigen Thätigkeit angestellt hat,
wird gegenwärtig zu Ende geführt; ihre Veröffentlichung steht dem-
nächst zu erwarten.
x Sternwarte.
Am Aequatoreal wurden vorwiegend die erschienenen Kometen
so lange verfolgt, als die optische Kraft des Fernrohrs dieses gestattete,
und ausserdem eine Reihe von kleinen Planeten beobachtet. In den
Tagen vom 11. August bis zum 9. October konnte das Instrument
nicht benutzt werden, da während dieser Zeit grössere Reparaturen
an der Drehkuppel ausgeführt wurden. Es hatte sich gezeigt, dass
der Beobachtungsthurm, der die eiserne Kuppel trägt, sich etwas
nach Osten gesenkt und in Folge dessen die Kuppel sich ebenfalls ein
wenig nach dieser Richtung verschoben hatte. Wenngleich diese
Verschiebung nur eine geringfügige war, so war es in der letzten Zeit
doch mehrfach vorgekommen, dass die Zahnstange, die beim Umdrehen
der Kurbel durch ihr Eingreifen in den mit der Kuppel fest ver-
bundenen Zahnkranz die Drehung der Kuppel bewirkt, nicht mehr
einfasste, so dass eine Bewegung nicht möglich war. Ferner waren bei
einigen der Räder, auf denen der Zahnkranz mit der ganzen Kuppel
ruht, im Laufe der Zeit die Spurkränze schadhaft geworden und
abgesprungen. Es musste deshalb die ganze Kuppel einer umfassenden
Reparatur unterzogen werden. Die Räder wurden zu diesem Zwecke
herausgenommen und die Spurkränze erneuert, alsdann wurden in
gleicher Entfernung von einander drei Pockholzrollen aufgestellt, die
auf festen in dem Mauerwerk eingelassenen Konsolen ruhend und
gegen den Zahnkranz anliegend eine Verschiebung desselben verhindern ;
eine zweite Sicherung wurde ausserdem noch durch drei kleine, unter
einem Winkel von 45 Grad angebrachte gusseiserne Räder erreicht,
die auf der Hochkante der auf dem Mauerwerk ruhenden Schienen
laufen. Durch diese Abänderungen an der Kuppel ist jedoch die
Leichtigkeit ihrer Bewegung nicht beeinflusst worden und lässt sie sich
bequem mit einer Hand drehen. Gleichzeitig mit dieser Arbeit wurde
auch das innere Schirmdach, das dazu dient im Winter bei Thau-
wetter das Instrument vor herabfallenden Wassertropfen zu schützen,
einer durchgreifenden Reparatur unterzogen.
Im Jahre 1893 sind 34 neue Asteroiden entdeckt worden; die
Gesammtzahl der uns bekannten kleinen Planeten der Gruppe zwischen
Mars und Jupiter ist dadurch auf 385 angewachsen. Alle Entdeckungen
geschahen auf photographischem Wege durch die Herren Charlo:s in
Nizza und Wolf in Heidelberg, mit Ausnahme eines Planeten, der von
Herrn Borrelly in Marseille durch direkte Beobachtung gefunden wurde.
Die im verflossenen Jahre hier erhaltenen Beobachtungen von kleinen
Planeten, 90 an Zahl, vertheilen sich auf die einzelnen Himmelskörper
wie folgt:
Sternwarte. RI
Planet (6) Hebe 3 Beobachtungen,
„ (17) Thetis 2 Mn
»„ . (83) Polyhymnia 4 e
» - (57) Mnemosyne 5 ®
» (68), Leto 3 e
»„ (82) Alkmene 2 a
(Be dula. 15 5
»„ (95) Arethusa 1 n
- » (113) Amalthea 4 A
„ (121) Hermione 2 x
„ (130) Elektra 4 h
„ (164) Eva 1 R
„ (241) Germania 4 R
„. (258) Tyche 5 ;
„ (287) Nephthys 1 hs
N „ (813) Chaldaea 5 R
„ (817) Roxane 1 ®
oe 3 4
„ (347) Dembowska 12 N
” (354) iEe 3 ”
» (362) u 9 ”
„ (372) N 1 „
An Kometen hat uns das vergangene Jahr nur zwei neue, wie
die Wiederkehr des periodischen Kometen Finlay gebracht, doch konnte
der in unserem vorjährigen Berichte angeführte von Herrn Brooks am
19. November 1892 entdeckte Komet hier noch bis zum 16. Februar
weiter beobachtet werden. Auch der von Herrn Holmes am 6. November
entdeckte Komet konnte, wie bereits im vorjährigen Berichte erwähnt,
nach seiner bedeutenden Helliskeitszunahme im Jahre 1893 hier noch
bis zum 12. März verfolst werden. Der periodische Komet Finlay
wurde von seinem Entdecker in der ersten Erscheinung 1886, dem
Herrn Finlay auf der Sternwarte am Kap der guten Hoffnung am
17. Mai ganz in der Nähe des Orts, den die Vorausberechnung des
Herrn Schulhof in Paris für seine Wiederkehr angegeben hatte, aufge-
funden. Anfangs stand der Komet zu südlich, um in unsern Gegenden
wahrgenommen zu werden, und als er später im August und September
für uns sichtbar wurde, konnte er in Folge der zur Zeit an der Kuppel
ausgeführten Reparaturen hier nicht beobachtet werden. Als Ende
October und Anfang November hier auf ihn eingestellt wurde, war er
für unser Fernrohr zu lichtschwach geworden,
XIV Sternwarte.
Der erste neue Komet des vergangenen Jahres wurde von ver-
schiedenen Beobachtern unabhängig von einander entdeckt; zuerst von
Herrn Sperra in Randolph U. S. am 19. Juni, alsdann von Herrn
Rosa de Luna in Estremadura am 5. Juli, Rordame in Utah U. S.
am 8. Juli und Quenisset in Juvisy bei Paris am 9. Juli. Erst durch
letzteren Herrn wurde die Entdeckung allgemem bekannt, und es
konnte der Komet alsdann am 11. Juli hier beobachtet werden. Der
Komet zeigte an diesem Tage einen verwaschenen Kern 6. Größe und
eine Coma von 3 Minuten Durchmesser. Obgleich der Komet, der
damals im Sternbilde des Haares der Berenice stand, immer mehr m
die hellere Abenddämmerung hinemrückte, konnte er doch bis zum
10. August hier verfolgt werden. Bei der letzten Beobachtung
hatte er nur noch eine Höhe von 3 Grad über dem Horizonte, war
aber trotzdem gut zu sehen. Einer aus den hiesigen Beobachtungen
von Herrn Dr. Schorr abgeleiteten Bahnbestimmung zufolge scheint
der Komet sich in einer Parabel zu bewegen. Der zweite neue Komet
wurde am Morgen des 17. October im Sternbilde der Jungfrau von
Herrn Brooks in Geneva U. S. aufgefunden. Das Telegramm mit der
Nachricht von der Entdeckung traf m der darauf folgenden Nacht
ein, und es konnte der Komet hier am Morgen des 18. October
beobachtet werden. Der Komet erschien damals ziemlich hell und
zeigte eimen Kern neunter Grösse und eine Coma von 1Yz Minuten
Durchmesser wie einen hellen mehrere Grade langen Schweif. Er
behielt dieses Aussehen im wesentlichen den October über bei, nahm
alsdann an Helligkeit ziemlich schnell ab, konnte aber noch bis zum
14. December hier weiter verfolgt werden. Seine Bahn scheint sich
ebenfalls nicht von der Parabel zu entfernen.
Im Ganzen wurden hier im vorigen Jahre 46 Kometenbeobach-
tungen am Aequatoreal angestellt, und zwar von Komet Holmes,
entdeckt November 6 1892, 9 Beobachtungen, von Komet Brooks,
entdeckt November 17 1892, 14, Komet Rordame-Quenisset 11 und
dem letzten Kometen Brooks 12 Beobachtungen. Eine definitive
Zusammenstellung aller von den Herrn Dr. Zuther und Dr. Schorr in
den Jahren 1891, 1892 und 1893 am Aequatoreal angestellten
Kometen- und Planetenbeobachtungen unter Beifügung der genauen
Positionen der für diese Beobachtungen am Meridiankreise neu be-
stimmten Vergleichsterne ist in den „Astronomischen Nachrichten“
No. 3136—37 und No. 5215 —16 veröffentlicht worden.
Das im Garten der Sternwarte errichtete kleme Gebäude, in
welchem sich bisher das Chronometer-Prüfungs-Institut befunden hatte,
wurde, nachdem die Uebersiedlung des Instituts nach dem neuen im
Sternwarte. XV
Areal der Seewarte für dasselbe errichtete Gebäude im Spätherbst 1892
erfolgt war, im vergangenen Frühjahr entfernt. Auf dem dadurch
freigewordenen Platze ist ein 1 Meter hoher Pfeiler aufgemauert
worden, der zur Aufstellung verschiedener kleiner der Sternwarte
gehörender Instrumente benutzt werden kann. Um die Anlage einer
kostspieligen Drehkuppel zu vermeiden, ist ferner ein kleines fahrbares
Haus aus Holz auf zwei Schienen hergestellt worden, das durch
einen im Innern desselben befindlichen Hebel leicht bewegt und beim
Gebrauche des Instruments bei Seite geschoben werden kann, so dass
das Instrument und der Beobachter dann ganz im Freien stehen.
Auf dem Pfeiler ist einstweilen der ältere fünffüssige Refractor von
Frauenhofer aufgestellt, und es dient dieser jetzt zur Beobachtung der
helleren Cometen, des Lichtwechsels der veränderlichen Sterne wie der
Sternbedeckungen durch den Mond.
Die Thätigkeit des der Direktion der Sternwarte unterstellten
Chronometer-Prüfungs-Instituts der deutschen Seewarte, Abtheilung IV
derselben, war auch im verflossenen Jahre eine recht umfangreiche.
Ausser den laufenden Arbeiten, der Prüfung der Schiffschronometer
und Präcisionstaschenuhren, sowie der alljährlich auf der Abtheilung
abzuhaltenden Chronometer-Konkurrenzprüfung, wurde die Hülfe des
Instituts von wissenschaftlichen Anstalten, so namentlich auch zwecks der
Untersuchung von Pendeluhren, und von Forschungs-Expeditionen stark
in Anspruch genommen. Ueber die Ergebnisse der letzten 16. Chrono-
meter-Konkurrenzprüfung ist im Augusthefte des Jahrgangs 1893 der
„Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie“ ein ein-
gehender Bericht veröffentlicht worden; von den 30 geprüften Chrono-
metern wurden 5 seitens der Kaiserlichen Admiralität prämürt und
6 angekauft. Eine strenge Berechnung und kritische Untersuchung der
Gangformeln für die Mehrzahl der bei der 13., 14. und 15. Konkurrenz
hier geprüften Chronometer ist nahezu vollendet und wird demnächst
veröffentlicht werden.
Der auf dem Thurm des Quaispeichers befindliche Zeitball ist,
nachdem er am 2. April 1892 durch eine Feuersbrunst zerstört
worden war, im Januar 1893 wieder aufgestellt worden, und es haben
bei dieser Gelegenheit die meisten Theile des mechanischen Apparats
eine Erneuerung erfahren. Vom 1. Februar ab ist der Zeitball dann
wieder dauernd in Betrieb gewesen, doch haben 8 Signale, theils
wegen Eisbildungen an der Auslösungsscheere oder Leitungsstörungen,
nicht erfolgen können, während in zwei Fällen der Ball durch heftigen
Sturm und einmal durch einen in der Leitung auftretenden fremden
Strom zu früh ausgelöst wurde. Von den 730 Signalen des Zeitballs
XNI Sternwarte.
in Cuxhaven sind 8 wegen Reparaturen oder Eisbildung an der Scheere
nicht ertheilt worden, während 8 Signale theils durch Versehen der
Beamten theils wegen mangelhaften Funktionirens des Auslösungs-
apparats fehlerhaft erfolgt sind. Beim Zeitball m Bremerhaven konnten
15 Signale wegen Reparaturen nicht gegeben werden, ausserdem sind
2 Fehlsignale zu verzeichnen, die anderen 715 Signale erfolgten richtig.
Im Sommer wurde bei allen drei der Sternwarte unterstellten Zeit-
bällen eine Neubestimmung der Auslösungszeit oder der Zeit, welche
zwischen dem Niederdrücken des Tasters und dem Auslösen des Balles
aus der Scheere verfliesst, vorgenommen, und dieselbe in Hamburg zu
0,7, m Cuxhaven zu 0,6 und in Bremerhaven zu 0,9 Zeitsecunden
gefunden.
Die an der Börse befindliche sympathetische Uhr ist mit Aus-
nahme von 7 Tagen im Mai, wo sie in Folge des Umbaus der Fassade
des Gebäudes abgenommen und an einer anderen Stelle der Vorder-
seite der Börse wieder aufgestellt wurde, in steter Uebereinstimmung
mit der ihren Gang regulirenden Uhr auf der Sternwarte gewesen,
ebenso während des ganzen Jahres die zweite am Eingange zum Ost-
flügel der Sternwarte aufgestellte sympathetische Uhr. Beide Uhren,
welche bis zum 31. März die mittlere Hamburger Ortszeit zeigten,
wurden, nachdem am 1. April die mitteleuropäische Zeit als gesetzliche
Zeit in Deutschland zur Einführung gelangt, in der Nacht vom 31. März
zum 1. April auf diese eingestellt und geben seitdem die mittel-
europäische Zeit innerhalb der Secunde genau an.
Der Instrumentenbestand der Sternwarte blieb im vorigen Jahre
im wesentlichen unverändert, da ein grosser Theil der der Anstalt zur
Verfügung gestellten Geldmittel auf nothwendig gewordene Reparaturen
und Abänderungen an den Instrumenten und Uhren verwendet werden
musste. Die Bibliothek erfuhr wieder durch Eingang zahlreicher ihr,
darunter auch von auswärtigen Anstalten, gewordenen Geschenke eine
sehr werthvolle Bereicherung. Nach einer von Herrn Hülfsarbeiter
Dr. Hänig ausgeführten Neukatalogisirung der Bibliothek umfasste ihr
Bestand am Ende des Berichtsjahres ca. 3600 Werke im 7100 Bänden.
Museum für Kunst und Gewerbe. XVJl
4. Museum für Kunst und Gewerbe.
Bericht des Directors Professor Dr. Justus Brincekmann.
Die Verwaltung.
Den Vorsitz in der Commission des Museums für Kunst und
(sewerbe übernahm im Jahre 1893 an Stelle des bisherigen Vorsitzenden
Herrn Senator Stammann Dr., Namens der Oberschulbehörde Herr
Syndicus Dr. von Melle. Die übrigen Mitglieder waren dieselben
Herren, welche im Vorjahre der Commission angehört hatten: Herr
G. R. Köichter, Tischlermeister, als Mitglied der Oberschulbehörde,
die Herren Carl Eggert, Kaufmann, Heinrich Föhring Dr., Land-
gerichts-Director, Wilhelm Hauers, Architect, Carl Popert, Kaufmann,
H. J. Eduard Sehmidt, Schlossermeister, E. J. A. Stuhlmann Dr.,
Director der Allgemeinen Gewerbeschule, E. G. Vivie, Bildhauer.
Herr Dr. Preedrich Deneken wurde auch während des Jahres 1893
als Hülfsarbeiter beschäftigt.
Der langjährige Oberaufseher des Museums, Herr Wilhelm Lemme,
welcher der Anstalt seit 1874, schon zu der Zeit angehört hatte, als
sie noch eine private Unternehmung war, trat am 1. Juli 1893 in den
wohlverdienten Ruhestand. An seiner Stelle wurde sein bisheriger
Gehülfe, der Tischler Wm. Oehme zum Oberaufseher erwählt.
Die von Senat und Bürgerschaft für die Verwaltung bewilligten
budgetmässigen Geldmittel beliefen sich im Jahre 1893 auf 4 27310
für Gehalte und 4 11950 für die allgemeinen Verwaltungskosten.
Letztere Summe wurde durch eine Nachbewilligung noch um „4 2500
erhöht. Die Ausgaben aus diesen 4 14 450 vertheilten sich folgender-
maassen:
Ellisarbenie ee er ee hlsaness #423,158,05
Elultsaudsicht re a ne: > 388,80
Restaurierung und Aufstellung... 2 .naee.r na. 17.320,10
BVeISeH Re a N ee Sala ee u. 772 028798
Pracht undeVerpackmna sr. an an are E 757,84
Drucksachen, Buchbinderarbeiten ete.. ....-..... „ 2491,39
Tacesblätver und Inserate. 2.7 22... er 137,60
Porto und kleine Bureauausgaben ........ ...... n 308,17
VEN U Se ee he sehn . 1.899,55
Dienstkleidumesen sen neun ncsun cin, e 151,—
Nothwendige und kleine Ausgaben .............. " 795,31
Zusammen ... .4 14 449,94
b
17722222
XVII Museum für Kunst nnd Gewerbe.
Innenseite der Klappe eines türkischen Koranbandes aus dem 16. Jahrhundert.
Rothes Leder, der Grund der Ausschnitte golden und hellblau. 1, nat. Gr.
Die Vermehrung der Sammlungen.
Ankäufe aus budgetmässigen Mitteln.
Die Verwendung der budgetmässig bewilligten #4 20000 zur
Vermehrung der Sammlungen im Jahre 1893 erhellt aus der neben-
stehenden Uebersicht.
Wieder nehmen die Möbel und Holzschnitzereien mit einer
Ausgabe von .4 5039,17 die erste Stelle ein. Ihnen zunächst folgen
dieses Mal die Porzellane mit ‚4 3594,60, die namentlich zur Ver-
mehrung unserer etwas zurückgebliebenen Sammlung von Werken der
kleinen Plastik verwendet wurden. An dritter Stelle. stehen die
Fayencen mit „4 2239,98, an vierter das Steinzeug und Steingut mit
4 2097,16, an fünfter die Arbeiten aus Bronze, Messing und Zinn
mit 4 1504,24. Die übrigen Ausgaben vertheilen sich über nahezu
alle Gruppen der Sammlung.
In der Uebersicht nach geschichtlichen Gruppen nimmt das 18. Jahr-
hundert mit .# 10 028,67 mehr als die Hälfte der ganzen budget-
mässigen Ausgabe in Anspruch, was sich daraus erklärt, dass nicht
nur die Erwerbungen von Porzellanen und Fayencen Erzeugnisse des
18. Jahrhunderts betrafen, sondern diesem auch die wichtigsten der
1. J. 1893 erworbenen Möbel angehören. Dem 18. Jahrhundert zunächst
steht das 19. aus zwei Ursachen: in Folge des Ankaufes von Gegen-
ständen des Empire-Stiles und deswegen, weil sich einmal wieder
(relegenheit bot, neuzeitige, durch neue technische Verfahren für die
Sammlung wichtige Stücke zu erwerben. Dem Mittelalter und der
Renaissance kamen aus Mitteln des Budgets geringere Summen zu
Gute, als der Bedeutung jener Epochen für das Kunstgewerbe
angemessen erscheinen könnte. Dabei ist aber in Betracht zu ziehen,
dass die grossen Ankäufe, die aus privaten Mitteln bei der Versteigerung
der Sammlung Spitzer gemacht wurden, fast durchweg Erzeugnisse
Museum für Kunst und Gewerbe.
Uebersicht der Ankäufe
XIX
für das Hamburgische Museum für Kunst und Gewerbe
aus dem Budget des Jahres 1893.
I. Nach technischen Gruppen.
Stück Preis 4 Stück
Preis .%
I Gesehen ee ats a aaa er 12 680, —
SUCKeHeIETE nee een 2 182, —
SP ET 4 40, —
Bextil-Arbeitenkim ‚Ganzen: 2... Hl. 18 I02,—
2 Buchembande amd Lederarbeiten ..........:. care ara ana 7 729,89
BOBEAVENCENG N ee ee en 23 2239,98
Borzellanerz: nn EN ea ee 27 3594,60
Siemzeugr und Stemgub n .2......2....0.duae. 18 2097,16
Griechische, Vasen eu. 4 621.46
Keramische, Arbeiten im Ganzen ............l ns 12 8 553,20
A SE Eee sage Di een ehe Sata re a pet Sage hl 455,—
Fe ee ee SR NE A en 10 3858,07
Elolzschnitzezelemere ee ende 6 1061,10
Bauschreinerarbeiten. 4... un on seen 1 120,—
Holzarbeisen, Im Ganzen . .....:002.. N aaneenen: 17 5 039,17
ba Hilfenbemsehnitzereien......un..cscoseeaenseenen ee 4 197, —
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BESchmiedeeisent nr een te es ee il 141,—
Os »Bronze, Messıao und Zinnarbeiten. . .....ucc oo cueesesnenen 13 1 504,24
10. Silberarbeiten (Grosserie) ......... ........ 5 720, —
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IiarJapanısche Schwertzieraten +....:.n russ lasenaeonennen. 8 206, —
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im Ganzen...... 197 20 000, —
II. Nach geschichtlichen Gruppen. Stück Preis «4
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PEeapan tee ee ee 50 1770,17
im Ganzen..... 197 20 000,—
b*
RX Museum für Kunst und Gewerbe.
des Mittelalters und der Renaissance betrafen. Dem Orient konnten
1. J. 1893 nur wenig grössere Mittel zugewendet werden als im
voraufgehenden Jahr; davon kamen Japan #4 1770,17 zu Gute, zu
einem Drittel für die Vermehrung unserer Sammlung geflochtener Körbe.
Das Sinken des Durchschnittspreises von 4 141,84 i. J. 1892
auf 4 101,52 1. J. 1893 ist insofern nur ein scheinbares, als die Ein-
beziehung der ausserordentlichen Ankäufe aus der Sammlung Spitzer
den Durchschnitt um em sehr Bedeutendes noch über den Durchschnitt
des Vorjahres erhöhen würde.
In der Aufzählung der wichtigeren Neuerwerbungen lassen wir
gewohntermaassen den Möbeln den Vortritt. Es hat sich glücklich
gefügt, dass wir die Möbelabtheilung um eine Reihe guter Arbeiten
vermehren konnten, die eine Folge von Typen der vom Anfang des
18. bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts im den französischen Möbeln
herrschenden Geschmacksrichtungen darstellen.
Zuerst ist em Consoltisch mit marmorner Platte aus der Spät-
zeit Ludwigs XIV. zu nennen, der jetzt, nachdem er von seinem ver-
unzierenden braunen Lacküberzug gereinigt ist, in seiner ursprünglichen,
nur durch das Alter gemilderten Vergoldung erscheint. Die unten
durch geschwungene Kreuzspriegel verbundenen Stützen zeigen einen
stark geschwungenen Contour; in dem Schnitzwerk des Kranzes mischen
sich mit dem Akanthus naturalistische Blumenmotive und die gebrochenen
Ansätze, welche für das Ornament des dem Rococo unmittelbar vor-
aufgehenden Stiles bezeichnend sind.
Wenn nicht von französischer Arbeit, so doch unter dem
Einfluss französischen Geschmackes entstanden ist das zweite, ein
Lütticher Möbel. In Lüttich, der erst i. J. 1815 dem Königreich
der Niederlande überlassenen Hauptstadt des früher zum westfälischen
Kreis des deutschen Reiches gehörigen Bisthums gleichen Namens,
hat während des ganzen 18. Jahrhunderts eine Möbel-Industrie geblüht,
die ihre eigenen Wege ging, wenn nicht immer hinsichtlich des
Geschmackes, so doch hinsichtlich der technischen Ausführung.
Während in Paris das furnierte Möbel mit Bronzebeschlägen den Ton
angab, und auch Deutschland dieser Richtung folgte, blieben die
Lütticher Schreiner und Schnitzer der Ueberlieferung der Renaissance
getreu und fuhren fort, ihre Möbel nicht nur aus Eichenholz zu
bauen, sondern dieses offen zu zeigen und mit geschnitzten Ornamenten
zu schmücken. In diesen selbst freilich huldigten sie den wechselnden
Strömungen; sie verstanden es, dem Laub- und Bandelwerk der
Spätzeit Ludwigs XIV., den üppiger bewegten Formen der Regence,
dem Muschelwerk des Louis XV., den Blüthenranken und Hirten-
Ankäufe im Jahr 1893. U
trophäen des Louis XVI. nacheinander gerecht zu werden, ohne die
Schnitzerei aus dem vollen Holze auch nur vorübergehend zu verlassen.
Die Formen dieser Lütticher Schnitzmöbel sind sehr mamnigfaltige.
Beliebt waren die eigenthümlichen Buffets oder richtiger Porzellan-
schränke, welche gegen die Mitte des 18. Jahrhunderts in Mode
kamen und auf einem geschlossenen Unterkasten einen verglasten
Oberkasten von kleinerem Grundriss zeigen. Dieser Oberkasten wurde
besonders mannigfaltig gestaltet, bisweilen dreitheilig, in der Mitte
mit einer offenen Nischenanlage oder einer grossen Uhr verbunden,
an den Seiten mit vorgezogenen abgeschrägten Ecken, deren schmale
Glasscheiben Seitenblicke auf die Porzellangefässe im Innern eröffnen.
Der Unterkasten wurde entweder mit Thüren schrankartig oder mit
Schubfächern commodenartig geschlossen. Beliebt waren auch die
„Encoignures“, bald geschlossene, bald im Obertheil verglaste und
wie die Buffets zur Schaustellung von Porzellanen bestimmte Eck-
schränke. Ein ausgezeichnetes Beispiel dieser Lütticher Möbel ist der
grosse i. J. 1893 in Lüttich angekaufte Porzellanschrank. Der ge-
schlossene Untertheil zeigt in dem geschnitzten Ornament der Schub-
laden und der grossen Füllungen der beiden Thüren das Muschelmotiv
des Rococo schon voll entwickelt bei noch symmetrischer Anordnung
des ÖOrnaments. Der Öbertheil, dessen Thüren, Mittelpfosten und
vorspringende Seitenpfosten verglast sind, zeigt in den durchbrochenen
Örnamenten, welche sich von den Rahmen aus über die Scheiben
verzweigen und in der Bekrönung das Rocaille-Ornament in unsym-
metrischer Anordnung mit den typischen S- und C-Schnörkeln und
naturalistischen Blüthenzweigen. Wie bei allen diesen Lütticher Möbeln
ist dem Eichenholz durch einen dünnen Firniss Glanz gegeben. Der
hellblaue Anstrich des Inneren ist der ursprüngliche.
Das dritte Möbel vertritt den als „genre Jacob“ neuerdings
wieder in Aufnahme gekommenen Geschmack, der seine Bezeichnung
von den Pariser Ebenisten Jacob ableitet. Ein Georges Jacob hat
schon i. J. 1793 das Mobiliar des National-Convents angefertigt;
einer seiner Söhne, Jacob Desmalter den heute im Schloss zu
Fontainebleau bewahrten schönen Juwelenschrank der Kaiserin Marie
Louise. Bezeichnend für die einfacheren Möbel des „genre Jacob“ ist
das Fehlen sowohl der eingelegten, wie der geschnitzten Verzierungen;
ihr dunkles Mahagoniholz wird durch mit blankem Messing über-
zogene Leisten, Messingauskleidung der Canneluren der senkrechten
Glieder und messingene Griffe und Schlossbeschläge vortheilhaft gehoben.
Bei den reicheren Möbeln treten vergoldete Bronzeappliken auf den
Flächen hinzu. Das Möbel dieser Art, um das unsere Sammlung
RXI Museum für Kunst und Gewerbe.
vermehrt worden ist, zeigt die um das Jahr 1800 beliebte Ver-
bindung der Commode mit der Etagere. An den Mittelkörper von
rechteckigem Grundriss mit vier Schubladen ist jederseits ein Seiten-
körper von viertelkreisföormigem Grundriss gefügt. Oben haben die
Seitentheile je eine Schublade, unten zwei offene Fächer, deren Wände
mit Spiegelglas belegt sind. Die weisse Marmorplatte ist mit einer
kleinen Galerie aus durchbrochenem Messing eingefasst.
Von Möbeln deutscher Arbeit konnte nur eines
erworben werden, ein vergoldeter Pfeilerspiegel der Mitte des
18. Jahrhunderts. Sein Schnitzwerk zeigt die für die deutsche Er-
scheinungsform des Rococo-Stiles bezeichnenderen Motive in so üppiger
und eleganter Entfaltung, wie keines der früher erworbenen Beispiele
dieses Stiles.
Unter den Holz-
schnitzereien ver-
dient das aus der
Kirche zu Rodenberg
am Deister stam-
mende Gräflich
Schauenburgisch-
Holsteinische
Wappen aus der
Mitte des 16. Jahr-
hunderts besondere
Beachtung. (8. d.
Abb.) Deutliche
Farbenspuren lassen
seine ursprüngliche
Bemalung erkennen.
Hervorzuheben sind
ferner zwei ursprüng-
lich versilbert ge-
wesene, umrahmte
Hochreliefs, deren
Wlleten Hirmarı,
Gräflich Schauenburgisch-Holsteinisches Wappen, von einem SERIEN E B s
Gestühl in der Kirche zu Rodenberg am Deister. jedes das Haupt des-
Eichenholz. !/; nat. Gr. jenigen Heiligen dar-
stellt, dessen Reliquie, hinter Glas sichtbar, in einem Einschnitt des
Rahmens aufbewahrt wurde. Die beiden Häupter, Johannes des
Täufers und des h. Laurentius, sind in ihren im Tode erstarrten
Zügen mit einem unerbittlichen Realismus dargestellt, der an die
Masken der sterbenden Krieger im Hofe des Zeughauses zu Berlin
Ankäufe im Jahr 1893. XXIII
erinnert. Nach der Jahrzahl 1744 auf der in einem der Rahmen
bewahrten Urkunde zur Beglaubigung der Johannes-Reliquie, sind jedoch
diese Schnitzwerke jüngeren Ursprungs, als jene Meisterwerke Schlüters.
Die kunstvollen Elfenbeinschnitzwerke, um die das Museum
i. J. 1893 bereichert wurde, sind privaten Gaben zu verdanken. Unter
den Ankäufen aus budgetmässigen Mitteln ist hier nur eine Arbeit
des 18. Jahrhunderts, die kleme Figur eines jugendlichen Bettlers
hervorzuheben, der mit der ausgestreckten linken Hand die Hohn-
seberde der „corna“ macht, während der geöffnete Mund ein Schmäh-
wort auszustossen scheint. Jene Geberde gilt in Italien als Schutz-
mittel gegen den „bösen Blick“, wird aber in Süddeutschland auch
für wirksam gehalten gegen den Angriff grosser Hunde. In letzterem
Sinne hat der Schnitzer unserer Bettlerfigur die Geberde sicherlich
verstanden wissen wollen. In der Beschränkung des Elfenbeins auf
die nackten Theile, und der Ausführung der Bekleidung in braunem
Holz vertritt unser Bettler eine im vorigen Jahrhundert sehr beliebt
gewesene Specialität. In ihr hat sich besonders der Bildschnitzer
Simon Troger ausgezeichnet, der als Erfinder dieser Technik gilt und
auf dessen Namen mit Recht oder Unrecht die meisten Arbeiten
dieser Gattung getauft werden.
Französische Arbeit des 16. Jahrhunderts ist das aus zwei
geschnitzten Füllungen zwischen kurzen Pilastern bestehende Bruchstück
eines Wandgetäfels. Das leichte Geranke der grottesken Kandelaber-
Ornamente in den Füllungen trägt ganz das Gepräge der im verschiedene
Sammlungen verstreuten Schnitzereien, die ehemals die Wandgetäfel
des Schlosses Gaillon bei Rouen schmückten. Glaubhafter Mittheilung
des Vorbesitzers zufolge stammt auch unser Bruchstück dorther.
Endlich gedenken wir hier noch der Erwerbung einer mit
Schnitzwerk verzierten Hamburgischen Wendeltreppe aus dem
Anfang des 17. Jahrhunderts. In den niederdeutschen Bürgerhäusern
der Spätrenaissance wurde der Verkehr von einem Stockwerk zum
andern häufig durch ganz freistehende hölzerne Wendeltreppen ver-
mittelt, deren Stufen in die aus einem aufgerichteten Stamm gehauene
Spindel eingelassen waren und durch ein ringsum auf ihrem äusseren
Rande befestistes, oft mit geschnitzten Hermen verziertes Geländer
umhegt wurden. Das reichste Beispiel solcher Treppenanlage ist die
im Jahre 1616 ausgeführte Wendeltreppe m der grossen Halle des
Rathhauses zu Bremen. In Hamburg hatten sich mehrere derartige
Treppen noch bis in die jüngste Zeit im einigen vom grossen Brande
verschonten Bürgerhäusern erhalten, die jetzt jedoch sämmtlich Neubauten
zum Opfer gefallen sind. Die letzte dieser Wendeltreppen ist aus dem
XXIWN. Museum für Kunst und Gewerbe.
Hause Speersort No. 8 in das Museum gelangt und hier in ihrer
letzten Anwendung, die jedoch wahrscheinlich nicht die ursprüngliche
war, nach einer Aufnahme H. Käckenhoff’s abgebildet.
Wendeltreppe in einem Hause des Speersorts in Hamburg. Spätrenaissance,
Anfang des 17. Jahrhunderts.
Bei der Vermehrung der Porzellan-Abtheilung handelte
es sich hauptsächlich um Figuren und Gruppen. Diese vertreten
ein (Gebiet der Kleinkunst, auf dem das 18. Jahrhundert Höchstes
Ankäufe im Jahre 1893. XXV
geleistet, während unsere Zeit es nirgend zu nennenswerthen Erfolgen
auf ihm zu bringen vermocht hat. Noch heute versorgt Meissen den
Weltmarkt mit tausendfältigen Wiederholungen jener lebensvollen
kleinen Gestalten, die seine, nur zum Theil dem Namen nach uns
bekaunten Modellmeister vor hundert und hundertfünfzig Jahren für
die Ausführung in Porzellan ersonnen haben. Diesem reichen Erbe
des 18. Jahrhunderts gegenüber erscheint von ganz unerheblichem
Werthe, was neuere Künstler für den gleichen Zweck entworfen haben.
Gleiche Erfahrungen hat man überall machen müssen, wo neuzeitige
Kunst auf dem Gebiete der Porzellanplastik mit der alten Kunst in
Wettbewerb zu treten versucht hat. Wie diese Beobachtung den
Werth erklärt, der auf eine gute Vertretung dieses Zweiges alter
Kunstübung in unserem Museum gelegt werden muss, so erklärt sie
aber auch die Schwierigkeit dahin zu gelangen, insofern die Preise
für wohlerhaltene und schöne alte Werke der Porzellanplastik in
stetigem Steigen begriffen sind.
Die im vorigen Jahr erworbenen Figuren und Gruppen ent-
stammen mehreren deutschen Manufacturen. An erster Stelle steht
Meissen, dessen überwiegender Reichthum der Gestalten sich schon
dadurch erklärt, dass es fast schon ein halbes Jahrhundert der Arbeit
hinter sich hatte, als die übrigen Fabriken mit plastischen Werken
ihm nacheiferten. Der Zeit, da die Meissener Manufactur ihrer
Schwertermarke noch nicht den um 1763 angenommenen Punkt hin-
zufügte, entstammen vier Stücke. Die älteste Gruppe zeigt einen vor-
nehmen Herrn, der eine Dame in riesigem Reifrock umarmt und küsst.
Sie ist unbemalt geblieben. Bemalt sind dagegen die beiden als
Gegenstücke gedachten Figuren eines Citronenverkäufers und einer
Kuchenfrau in der Auffassung, als tauschten sie bei flüchtiger Be-
gegnung freundliche Rede und Gegenrede aus. Ein liebenswürdiges
Werkchen ist die Gruppe zweier Engel, von denen der eine die Flöte
bläst, während der andere als Kapellmeister mit erhobener Notenrolle
den Takt schlägt. Vor sich hat er die Partitur einer Symphonie der
Oper ‚Alfonso‘, wie die Ueberschrift der zierlich gemalten Noten
besagt. Die genannte Oper war ein Werk des beliebten — aus Berge-
dorf gebürtigen — Komponisten Johann Hasse; da sie 1738 zum
ersten Mal bei einer Hoffestlichkeit in Dresden aufgeführt wurde,
muss diese Gruppe jünger sein als das Jahr 1738. An den drei
bemalten Arbeiten erweist sich so recht die wohlerwogene Zurück-
haltung, mit der die damaligen Porzellanmaler ans Werk gingen.
Das schöne weisse Material und die gefälligen Formen und
Bewegungen werden nicht durch die Farben und Blumen erdrückt,
xXXVI Museum für Kunst und Gewerbe.
sondern die Bemalung ordnet sich auf das Feinste der Gesammt-
wirkung unter und bringst das vom Modelleur Gewollte zu vollerer
Wirkung.
Von den süddeutschen Porzellan-Manufacturen ist die herzoglich
württembergische zu Ludwigsburg durch ein kleines Meisterwerk
vertreten, die Gruppe eines Liebespaares, das nach dem bukolischen
Geschmack der Rococozeit als Schäfer und Schäferin auftritt. Das
Pärchen hat unter einer Eiche Platz genommen, Hirtentasche, Stab
und Hut der Schönen sind am Baum aufgehängt; — vermutlich hat
man soeben ein Duett gespielt, er auf der Sackpfeife, sie auf der
Laute, denn jenes Instrument liegt unbenutzt neben seinem Besitzer,
und nur noch wie traumverloren lässt das Dämchen den Daumen der
Rechten über die Saiten ihres Instruments gleiten. Jetzt ist kosendes
/wiegespräch an die Reihe gekommen. Lächelnd lehnt sie sich zu
dem Geliebten hinüber, dieser legt den Arm um ihren Hals und hält
zugleich ihre Linke gefasst. Die Gruppe ist unbemalt gelassen, aber
nur um so vortheilhafter tritt die sorgsam ausgeführte Modellirung
hervor.
Die andere süddeutsche Manufactur, die herzoglich bayerische
zu Nymphenburg, ist durch die ebenfalls unbemalte Gruppe eines
Zigeunerlagers vertreten. Auf einer theils aus Rococovoluten, theils
aus Terrain gebildeten Basis, auf welcher hinten ein Baumstrunk und
ein Wasserpfosten, sitzt Imks das Zigeunerweib, beschäftigt, den Mann,
der am Boden liegend seinen Kopf auf ihren Schooss legt, vom Un-
geziefer zu säubern. Hinter der Frau sieht man ein Wickelkind mit
dem Sauepfropfen im Mund, daneben einen. Zigeunerbuben, der eine
Windel am Baum zum Trocknen aufhängt, während die Schwester im
Trog der Quelle ein zweites Leinenstück wäscht.
Die Porzellanmanufactur von Fürstenberg endlich ist durch eines
ihrer gelungensten Werke aus den sechziger oder siebziger Jahren des
vorigen Jahrhunderts vertreten. Es zeigt uns Andromeda, die, an den
Felsen gekettet, vergeblich sich müht, dem — nicht dargestellten —
Ungeheuer zu entgehen, dessen Beute sie werden sollte. Diese Figur
hat dadurch ein besonderes Interesse, dass ihre Entstehungsgeschichte
genau nachweisbar ist. Sie ist nämlich von dem Modelleur Desoches
gearbeitet nach einem Kupferstich, welchen L. Cars nach dem die
Befreiung der Andromeda darstellenden Gemälde des Francois Lemoine
gefertigt hatte.
Gegenüber diesen plastischen Arbeiten treten die neu erworbenen
Porzellangefässe zurück. Hervorzuheben ist ein mit Blumen in
den natürlichen Farben fein bemaltes Kaftee- und Thee-Service der
Ankäufe im Jahre 1893. ROSE
Marcolinizeit Meissens. In dieser Periode der Manufactur legte man den
Blumenmalereien wieder fleissige Naturstudien zu Grunde, nicht ohne
dabei etwas einzubüssen von dem leichten dekorativen Schwung, der
die Meissener Blumen der Mitte des 18. Jahrhunderts auszgezeichnet
und zu viel nachgeahmten Vorbilden erhoben hatte, obwohl es ihnen
an natürlicher Zeichnung gefehlt hatte und ihre Farbenpalette eine
ziemlich beschränkte gewesen war. Zu erwähnen sind auch noch zwei
Fayence-Terrine in Gestalt eines Truthahns, bemalt in den Naturfarben. Höchst, ca. 1750.
Länge vom Schnabel zur Schwanzspitze 48 cm.
kleine Senftöpfchen mit feinen Vogelmalereien aus der in der Sammlung
bisher nicht vertreten gewesenen Manufactur im Haag.
Unter den neu erworbenen Fayencen steht die hier abgebildete
Terrine in Gestalt eines Truthahns an erster Stelle. Im 18. Jahr-
hundert wurden dergleichen figurirte Gefässe in Brüssel, in Strassburg,
XXVII Museum für Kunst und Gewerbe.
in mehren Orten Süddeutschlands, in Proskau in Schlesien, zu Eckern-
förde im Schleswig’schen angefertigt, nirgend aber mit grösserer
Meisterschaft, als in der Manufactur des Kurfürsten von Mainz zu
Höchst, aus der auch unser Truthahn stammt. Bis etwa zum
Jahre 1758 gingen aus dieser im Jahre 1746 begründeten Anstalt
viele Gefässe in Form von Trut- und Auerhähnen, von Fasanen, Enten,
Schnepfen und anderem essbaren Gethier, auch Zierstücke in Form
von Papageien, Elstern und Hähnen hervor. Später wurde nur noch
die Fabrikation von Porzellan betrieben, in welcher Höchst bekanntlich
ganz Hervorragendes geleistet hat. Die Sitte, reiche Tafeln mit
figurirtem Geschirr zu schmücken, knüpfte an den für einzelne Gerichte,
wie Fasanen, Schnepfen und Auerhähne auch heute noch nicht er-
loschenen Brauch, edles Geflügel im Schmuck seines Gefieders aufzu-
tragen. Gerade für die Truthähne ist solcher Brauch nachweisbar,
u. A. bei dem am 25. September 1649 auf dem Rathhaus zu Nürnberg
gehaltenen Friedensmahl, wo nach einer Abbildung vor der Haupt-
person, dem Duca d’Amalfı, als Vertreter „von Ihro Röm. Kayserl.
Majestät“, ein Truthahn — damals noch eine Seltenheit — in vollem
Gefieder prangt. Auch aus Hamburg ist dergleichen überliefert; auf
einer „Abbildung des ansehnlichen Jubel-Mahles der wollöblichen
Herren Bürger-Capitames Anno 1719“ sieht man mehrfach grosses
Geflügel, u. A. einen Schwan im Gefieder. Später ging man dazu
über, dergleichen Schaustücke in der wirklichen Grösse und mit ihren
natürlichen Farben aus Fayence herzustellen. Das Museum besitzt
schon seit einiger Zeit mehrere gute Kohlköpfe und einen stattlichen
Wildschweinskopf, diesen ebenfalls aus der Höchster Manufactur.
Hervorzuheben sind auch drei schweizer Fayencen, davon
zwei Winterthurer Schüsseln aus dem Jahre 1687, beide bemalt
in der Mitte mit einem Wappen, auf dem Rande mit Früchten. Das
eine Wappen mit den Buchstaben A. F. ist dasjenige der Forrer zu
Winterthur, das andere mit den Buchstaben A B. L. noch nicht
gedeutet. Die Malereien auf diesen Schüsseln sind in Scharffeuerfarben
ausgeführt. Eine dritte Schüssel mit grossen bunten, in Muffelfarben
gut gemalten Blumen im Geschmack der elsässischen Fayencen des
18. Jahrhunderts ist das Erzeugniss einer noch wenig bekannten Werk-
statt zu Beromünster im Canton Luzern. Früher als m Deutschland
hatte die Schweiz, wohl unter dem Einfluss des benachbarten Italiens, die
Herstellung von Fayence mit Scharffeuer-Decor begonnen. Während
aber in Italien diese Kunst zu Anfang des 17. Jahrhunderts fast erlosch,
blieb sie in der Schweiz, zu Winterthur, bei gesunden Kräften. Mit
Recht ist gesagt worden, dass, während im 16. Jahrhundert die besten
Ankäufe im Jahre 1893. XXIX
Leistungen des schweizerischen Kunstgewerbes der Glasmalerei
angehören, für das 17. Jahrhundert die Palme der Winterthurer Kunst-
töpferei gebührt. Ihre hervorragendsten Werke sind vielfarbig bemalte
Oefen; aber Hand in Hand mit der Herstellung derselben ging auch
eine bedeutende Fabrikation von Gefässen des häuslichen Gebrauchs.
Am bemerkenswerthesten sind die „Wappenplatten“, zu denen unsere
beiden Schüsseln vom Jahre 1687 gehören. Diese Wappenplatten
dienten zur Dekoration der Wände, wohl auch als Fruchtschalen, und
wurden auf Bestellung für die Familien angefertigt, deren Wappen sie
tragen. Sie wurden, wie Heinrich Angst berichtet, bestellt für
Hochzeiten, beim Antritt eines neuen Amtes, beim Bau eines Hauses;
häufig waren sie Widmungen und Geschenke, wie früher die Glasmalereien.
Bis gegen die Mitte des 18. Jahrhunderts blieb die Winterthurer
Fayencetöpferei, wenngleich dem Zeitgeschmack folgend, in technischer
Hinsicht gesund. Dann erlosch sie — um einerseits der Blaumalerei,
anderseits der Buntmalerei in Muffelfarben Platz zu machen.
Für die Geschichte der schleswig-holsteinischen Fayence-
Manufacturen, deren Erzeugnisse das hamburgische Museum zuerst
planmässig gesammelt hat, bietet unsere Sammlung schon seit Jahren
das wichtigste Material. Der Vervollständigung desselben kamen
mehrere Käufe d. J. 1893 zu Gute. Erworben wurden zwei Kieler
Vasen von jener Art, die man als Potpourri-Vasen, im Lande wohl
auch als Lavendeltöpfe bezeichnet. Sie dienten zur Aufnahme des
Potpourri genannten Gemisches von Rosenblättern, Lavendelblüthen
und anderen starkriechenden Pflanzentheilen, deren Duft nach Entfernung
des inneren Deckels durch Löcher des äusseren Deckels ausströmte.
Die eine ist mit naturfarbenen Blumen, die andere mit Figuren ın
der Zeittracht gut bemalt. Andere Stücke, so eine grosse, von ÄAesten
umwachsene Terrine, auf deren Deckel ein vollrund modellirter Löwe
dargestellt ist, boten weitere Belege für die vielseitige, in ihren An-
fängen einer wunderlichen Geschmacksrichtung folgende Thätigkeit der
Eckernförder Manufactur, die der Kieler voraufging. Auch die
Fayence-Manufacturen von Marieberg bei Stockholm, von Münden in
Hannover, von Künersberg bei Memmingen, von Nürnberg sind in den
Ankäufen vertreten.
Die Erfolge der Engländer in der Fabrikation von Steingut
haben in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts viele deutsche
Unternehmer zu Versuchen in der Herstellung einer ähnlichen Waare
angeregt. Diese liebte man „feine Fayence“ zu nennen, um einen
Vorzug vor der echten, mit weissem Zinnschmelz glasirten Fayence
auszudrücken. Dieser Vorzug ist, sofern es sich um Gebrauchswaare
0,5% Museum für Kunst und Gewerbe.
handelt, unleugbar, er schwindet aber,
sobald man zugleich die decorativen Eigen-
schaften der Waare ins Auge fasst. Unter
allen auf die Nachahmung der englischen
Vorbilder gerichteten Unternehmungen
hat keine Tüchtigeres geleistet, als die
um 1775 von dem Hofkonditor Simon
Heinrich Steitz in Cassel begründete
Fabrik. Steitz bemühte sich besonders, die
in England von Wedgwood gepflegte Her-
stellung von „Terracotta, ähnlich dem
Asgat, Jaspis, Porphyr, und anderen mehr-
farbigen Steinen der kristallinischen Art“
einzuführen. Er begnügte sich nicht mit
semalter Nachahmung, sondern formte
seine Vasen wie Wedgwood aus in der
Masse verschieden gefärbten und durch-
einander gekneteten Thonen. Ein guter
Beleg für seine Leistungsfähigkeit ist
die hier abgebildete Vase. Sie erinnert
an ein englisches Vorbild, hat aber der
quadratischen Plinthe entsagt, deren
die Engländer damals bei ihren Vasen
Vase von Steingut, weiss, grau, dieser Art nicht entrathen konnten.
manganbraun marmorirt y mit
weissen vergoldeten Auflagen. Eine der Kölner Versteigerungen
Cassel. Steitzische Vasenfabrik. 2 {
Ende 2 18. Jahrhunderts. der Sammlung Hammer aus Stockholm
3 nat, GT.
bot Gelegenheit, ein für die Geschichte
der deutschen Keramik im 18. Jahrhundert sehr wichtiges Stück in Gestalt
eines Tellers aus rothem, schwarzbraunglasirtem, mit Gold decorirtem
Steinzeug zu erwerben. Während man — wie auch im Katalog jener
Versteigerung geschehen war — derartiges rothes Steinzeug in Bausch
und Bogen als „Böttger-Waare“, d. h. als Erzeugniss der Frühzeit
der von Böttger begründeten Meissener Manufactur anzusprechen pflegt,
ist es sicher, dass dergleichen Waaren noch über ein halbes Jahrhundert
nach Böttgers Ableben an mehreren Orten Deutschlands, vereinzelt
noch weit länger hergestellt worden sind. Welche Gründe dafür sprechen,
in vielen Stücken dieser sogenannten Böttger-Waare Erzeugnisse der
von einem Meissener Ueberläufer, Samuel Kempe, um 1720 in Bayreuth
eingerichteten „Fabrik braunen Porzellans“ zu sehen, ist in dem Führer
unseres Museums eingehend erörtert worden. Zu diesen Gründen
gesellt sich der Teller aus der Sammlung Hammer, und zwar nicht
Ankäufe im Jahr 1893. OD
nur deswegen, weil er, ähnlich vielen Bayreuther Fayencen, mit einem
B. gemarkt ist.
Der Sammlung niederrheinischen Steinzeuges kam
wenigstens ein gutes Stück hinzu, eine weisse Siegburger Schnelle
aus dem Jahre 1591, die durch ihre Verzierung mit dem Hamburger
Wappen einen weiteren Beweis für die auch urkundlich erwiesenen
Bestellungen Kölnischer Kaufleute von „Ullnerwerk für den
Hamburgischen Zug“ bei den Siegburger Töpfern ergiebt.
Nach langer Pause bot sich auch wieder Gelegenheit zur Ver-
mehrung unserer noch sehr bescheidenen Sammlung griechischer
Vasen. Angekauft wurden drei attische Vasen aus der Zeit des
rothfigurigen Stiles. Die älteste, eine edel geformte Amphora, ist ganz
mit schwarzem Firnis überzogen, nur eine rothausgesparte Figur ziert
jede Seite. Es sind zwei Gestalten, wie sie sonst zu mehreren gesellt,
in dem sogenannten „Komos“ d. h. dem nächtlichen Zuge der vom
Symposion heimkehrenden athenischen goldenen Jugend uns begegnen. Das
Haar ist auf das sorglichste frisirt und trägt vom Gelage her noch den
Epheukranz. Von den beiden Jünglingen zeigt der an der Schauseite
dargestellte seine musikalische Begabung durch das Spiel auf dem
Barbiton, einem aus Lesbos eingeführten Saiteninstrument. Zeigt diese
Vase noch eine strengere Auffassung der Formen, so führt uns das
zweite Gefäss, eine tiefe fusslose Schale, einige Jahrzehnte weiter,
in die Zeit des freien Stiles.. Hier sind nicht nur die flott gezeichneten
Paare von Jünglingen im Gespräch, sondern ebensosehr das schwung-
voll durchgeführte Palmettengerank, das unterhalb der Henkel an-
gebracht ist, bemerkenswerth. Das grössste inhaltliche Interesse aber
beansprucht die dritte Vase, ein zweihenkeliges Gefäss von der Form
der „Pelike“. Die Vorderseite illustrirt einen Vorgang aus dem nach-
homerischen Epos, der „Aithiopis“ des Milesiers Arktinos. Die
Amazonenkönigin Penthesileia, eine Tochter des Ares, kommt den von
den Griechen schwer bedrängten Trojanern zu Hülfe. In der nun
entbrennenden Schlacht aber wird sie von Achilleus getötet, obwohl
dieser beim Anblick ihrer Schönheit von Liebe zu ihr ergriffen ward.
Den Moment, da Achilleus zum tödlichen Streich ausholt, stellt unser
Bild dar; vor ihm kniet die Königin, Erbarmen flehend; links sprengt
eine Amazone zur Hülfe herbei, während eine zweite rechts sich durch
eilige Flucht rettet. Das Vasenbild zeigt gewisse Eigenthümlichkeiten
der späteren ziervollen Malweise. An der Penthesileia sind die un-
bekleideten Theile weiss übermalt, das Haar ist mit verdünntem Firnis
blond gemalt, Schmuck und andere Verzierungen sind erhaben auf-
gelegt und zeigen Spuren einstiger Vergoldung.
OO Museum für Kunst und Gewerbe.
Wo immer technische Neuheiten im Dienste geläuterten
Geschmackes auftreten, nimmt das Museum auch gern keramische
Erzeugnisse unserer Zeit in seine Sammlungen auf. So hat es
ein schönes Beispiel der seit wenigen Jahren m der kgl. Porzellan-
Manufactur zu Berlin mit Erfolg gepflegten Technik des päte-sur-
päte-Reliefs in Gestalt einer klemen Dose erworben, deren Deckel mit
einem auf einem Delphin reitenden Flügelknaben von der Hand
M. Luchell’s, in zartem weissen Relief auf röthlichgrauem Grund
geschmückt ist. So ferner mehrere Beispiele der jetzt in Frankreich
nach japanischen und chinesischen Anregungen gepflegten Decoration
von Gefässen mit geflossenen Glasuren ohne Malerei, einige davon
Arbeiten von Delaherche in Paris, andere Versuchstücke von Jean
Carries. Dieser hatte die Freundlichkeit, uns ausser etlichen Gefässen
als Proben der von ihm erfundenen matten Schmelzglasuren, noch
eine, ihn selber im humoristisch japanisirender Verzerrung darstellende
Maske aus matt emaillirtem Steinzeug zu überlassen. Die Rückseite
dieser Maske trägt von des Künstlers Hand die Worte: „Mon portrait
vu en decor — piece unique de mes premiers essais d’emaillage
statuaire & Mont Riveau en 89 Jean Carries.*“ Der Gedanke dieses
hochbegabten jungen Bildhauers, seine neue keramische Erfindung auf
Werke der grossen Seulptur anzuwenden, ist durch seinen vor Kurzem
erfolgten Tod leider in der Ausführung unterbrochen worden.
Von den i. J. 1893 angekauften Metallarbeiten vervoll-
ständigten zwei bronzene Rauchfässer unsere Sammlung von Geräthen
des christlichen Kultus. Das eine auf S. XXXII abgebildete vom
Ende des 13. Jahrhunderts vertritt den Uebergang vom romanischen
zum gothischen Stil; das andere zeigt mit seinem Sechspassfuss und
der schlanken durchbrochenen Thurmspitze die zur Zeit der Spätgothik
vorherrschende Form dieses liturgischen Geräthes. Beide Rauchfässer
stammen vom Niederrhein.
Der Ankauf einer silbernen Thora-Bekleidung gab
Gelegenheit, mit dieser die in früheren Jahren erworbenen und bisher
vereinzelt je nach ihrem Material ausgestellten Geräthe des
jüdischen Kultus zu einer besonderen Abtheilung zu vereinigen.
Diese im Laub- und Bandelwerk-Stil ausgeführte Thora-Bekleidung
besteht aus den zwei Fussstücken mit den Hülsen zum Aufsetzen auf
die aus der Sammethülle der Thorarollen hervorragenden „Hörner“
der Stäbe, um welche das Pergament der Thora gerollt ist, sowie aus
der „Brustplatte“* nebst Kette zum Anhängen an die Hülsen. Aus-
führliche Inschriften geben Auskunft über die Bestimmung, die Stifter
und die Zeit der Anfertigung, für die Fussstücke und Hülsen
Ankäufe im Jahr 1893. RIRTITII
d. J. 5495 der jüdischen” Zeit-
rechnung d.i.1735 n.Chr., für das
Bruststück das folgende Jahr.
Unter den Silberarbeiten
weltlichen Gebrauchs sind
zwei silberne Leuchter hervor-
zuheben, hamburgische Arbeiten,
die als Beschauzeichen das Stadt-
wappen mit dem Jahresbuchstaben
D im offenen Thor der Burg,
als Meisterzeichen die Buch-
staben J. C. O. tragen. Soweit
unser noch sehr lückenhaftes
Wissen von den Zeichen der alten
hamburgischen Silberarbeiten eine
sichere Bestimmung zulässt,
entspricht der Buchstabe D dem
Jahre 1783 und sind die drei
Buchstaben auf den Meister
Johann Conrad Otersen zu deuten,
der nach der Eintragung in das
Öberaltenbuch der Aemter im
Jahre 1784 hier Aeltermann
wurde und 1791 starb. Ein Bronzenes Räuchergefäss mit Resten
2 P ©; 1 3. :hdts.
slberneräRortenspahn® eben- _- „ou Veraolduns; Endeten.is-Jahrhais
falls hamburgische Arbeit, trägt
den auf das Jahr 1787 weisenden Jahresbuchstaben H und das Meister-
zeichen J. V. H., das auf J. von Holten hinweist, der im Jahre 1769
Aeltermann des Amts der Goldschmiede wurde. Obwohl in den 80er
Jahren des vorigen Jahrhunderts in Deutschland schon ziemlich all-
gemein antikisirende Motive im das Ornament aufgenommen waren,
zeigen diese hamburgischen Arbeiten noch keine Spur davon, sondern
noch einen ausgeprägten Rococostil.
Hamburgische Arbeit ist auch eine zinnerne Trinkkanne
mit gravirten Messingeinlagen v. J. 1660. Die Einlage auf dem
schlanken Rohr der Kanne zeigt eine von nackten Kindern gehaltene
Schenkkanne, darunter das Lübecker Wappen; um den Rand ist der
Name „Claus Schmidt“ eingelegt, auf dem Deckel ein Wappenschild
mit einer Schenkkanne und C. S. 1660. Diese Jahrzahl wiederholt
sich in lateinischen Zahlzeichen am Fusse. Neben dem hamburgischen
Zinnstempel ist eine Hausmarke mit dem Meisterbuchstaben J. L.
c
RXIN Museum für Kunst und Gewerbe.
eingeschlagen, die vielleicht auf den 1687 Aeltermann gewordenen
Zinngiesser Jürgen Lutkanns zu deuten ist. Die gefällige Verzierung
eines zinnernen Gefässes mit Messingemlagen findet sich auch an einer
schon länger in unserem Besitz befindlichen Trmkkanne der hamburgischen
Reepergesellen v. J. 1699. Auch hier zeigt die Einlage am Gefäss
eine Schenkkanne; die Beischrift Peter Jost von Stade und die Wiederkehr
der Buchstaben P. J. V. S. zugleich mit dem Zeichen des in den Deckel
eingelesten Wappens in dem Meisterstempel des Zinngiessers gestattet
die Annahme, dass der Stifter dieser Kanne zugleich deren Verfertiger
gewesen. Zinnerne Trinkgefässe mit Messingeinlagen kommen in hiesiger
Gegend öfter vor und deuten stets durch ihre Verzierungen darauf,
dass sie das Geschenk eines Zinngiessers sind. Zu untersuchen bleibt,
ob dies mit einer Vorschrift über die Meisterstücke zusammenhängt.
Thürschloss mit geätzten Verzierungen, welche die Schlüsselführung nachahmen.
Süddeutschland, Mitte des 16. Jahrhunderts. Länge 39 cm.
Von Schmiedeeisen-Arbeiten, deren das Museum schon
eine ansehnliche Sammlung besitzt, wurde nur ein Stück, das hier
abgebildete geätzte Thürschloss, eine süddeutsche Arbeit des
16. Jahrhunderts, angekauft.
Nur wenige Glasgefässe wurden aus budgetmässigen Mitteln
erworben. Von den alten Arbeiten ist ein technisch merkwürdiges
Zwischenglas, eine schlesische Arbeit der Mitte des 18. Jahrhunderts,
hervorzuheben. Im Allgemeinen entspricht seine Technik derjenigen
Ankäufe im Jahr 1893. OS
der Goldzwischengläser; die Hauptdarstellungen am Kelch sind jedoch
statt in Gold in durchsichtigen Lackfarben ausgeführt. Sie zeigen in
Landschaften ein kosendes Paar und den Treuschwur dreier Männer,
dazu die Inschriften „Das Allerschoenste Dieser Welt Ists Wen Mann
Lieb Und Trew Recht Heldt.* Eine Anzahl Ziergläser in den Formen
der venetianischen Flügelgläser des 17.—18. Jahrhunderts sind
Erzeugnisse einer hamburgischen Werkstatt unserer Zeit, aus der zahl-
reiche wohl gelungene, bisweilen täuschende Nachbildungen von alten
Flügelgläsern hervorgegangen sind. Zu deren Anfertigung haben fremde
Antiquitätenhändler schon vor Jahrzehnten Anregung und Modelle
gegeben; viele dieser neuen hamburgischen Gläser sind von ihnen als
alte venetianische Arbeiten abgesetzt und selbst als solche in öffentliche
Sammlungen gelangt. Da der sehr geschickte Verfertiger dieser ham-
burgischen Flügelgläser, Herr C. H. F. Müller, in neuerer Zeit deren
Herstellung aufgegeben hat, schien es rathsam, noch bei Zeiten eine
kleine Mustersammlung seiner Erzeugnisse für das Museum zu sichern.
Unter den Ankäufen von Geweben sind zwei ansehnliche Stücke
mittelalterlicher Goldbrokate hervorzuheben. Das eine Gewebe,
aus einer Kirche im Lüneburgischen, zeigt in weissem, ursprünglich
farbig gewesenem Grund ein goldenes, jetzt schwarz gewordenes Muster:
zwei symmetrisch gestellte Löwen, die ihren Durst an einem Gewässer
löschen, wechseln ab mit einem Adlerpaar, das sich auf Strahlen wiegt,
die unter einer Blume hervorbrechen. Das andere, früher in einer
mecklenburgischen Kirche, zeigt auf rothem Grund ein goldenes Muster:
Eine Hindin neben beblätterten, Blüthen und Früchte tragenden
Granatzweigen wechselt mit herabstossendem Adler. Beide Gewebe
sind typische Beispiele der in den palermitanischen Goldseiden-Geweben
des 14. Jahrhunderts vorherrschenden Ornamentik. Gewiss aber sind
dergleichen Muster auch an anderen Orten Italiens, namentlich in
Lucca, und, wenngleich aus gröberem Stoffe, auch in deutschen Werk-
stätten angefertigt worden.
Unter den angekauften Lackarbeiten befindet sich dieses Mal
auch eine europäische. Veröffentlichungen über das von den Chinesen
und Japanern angewandte Verfahren haben in den vierziger Jahren des
18. Jahrhunderts die Brüder Martin in Paris angeregt, den ost-
asiatischen Lacken sehr ähnliche Arbeiten herzustellen. Um 1745
standen ihre Tabaksdosen aus Papiermasse mit Goldlackreliefs und
seschnitzten Perlmutterauflagen nach japanischer Art in so hohem
Ansehen, dass zahlreiche Nachahmer sich der neuen Waare zuwandten.
Erst später gelangten die Brüder Martin dahin, Lackwaaren in
französischem Geschmack herzustellen und ihre Technik durch die
c*
IKXVT Museum für Kunst und Gewerbe.
Anwendung guillochirter und gravirter Untergründe zu bereichern, die
sie mit Transparentlacken überzogen und mit Blumen oder Watteau-
figuren in bunten Deckfarben kunstvoll bemalten. Ein treftliches
Beispiel ihrer frühen Richtung ist die i. J. 1893 angekaufte runde
Dose mit Chineserien, denen man freilich die europäische Geburt als-
bald ansieht.
Unter den Ankäufen von Erzeugnissen des Kunstgewerbes im
mohammedanischen Orient sind zwei schöne Buchdeckel, muster-
hafte Lederarbeiten der Blüthezeit der türkischen Ornamentik um die
Mitte des 16. Jahrhunderts hervorzuheben. Beide Deckel enthielten
wohl Suren des Korans; die Klappe eines derselben ist auf Seite XVII
abgebildet.
Dem japanischen Kunstgewerbe kamen nur wenige
Ankäufe zu Gute. Namentlich gefördert wurde die Sammlung der
Korbflechtarbeiten; dabei wieder eme Anzahl von Arbeiten des
alten Shokosai in Osaka. Auch eimige gute Lack-Jnros und
geschnitzte Netzkes wurden angekauft. (S. d. Abb.)
Geschnitzte Vorder- und gravirte Rückseite
eines japanischen Netzke aus Elfenbein,
in Gestalt der Löwenmaske vom Giebel
eines Tempels, in deren Rachen Sperlinge
nisten. Bez. Giokuhosai. Nat. Gr.
Ankäufe aus der Sammlung Spitzer, XXXVII
Römische Schale aus durchscheinendem blauen Glas mit Spiralbändern
opaken weissen Glases. %, nat. Gr.
(Geschenk des Herrn Geh. Commerzienrath Heye.)
Ankäufe aus Beiträgen Privater bei der Versteigerung der
Sammlung Spitzer.
Die Versteigerung der Sammlung Spitzer in Paris hätte ungenützt
vorübergehen müssen, wenn nicht einige grossmüthige Freunde des
Museums den Direktor mit Kaufmitteln ausgerüstet hätten, die freilich
gering erschienen, wenn man sie mit den Millionen verglich, auf die
man die Sammlung Spitzer schätzte, die jedoch weit über dasjenige
hinausgingen, was dem Museum jemals bei ähnlicher Gelegenheit an
privaten Gaben zugeflossen, und was ihm budgetmässig zur Vermehrung
der Sammlung zugewiesen ist. Was, Dank diesen und den später, nach
der Versteigerung, für den Ankauf bestimmter Stücke noch hinzu-
gefügsten Gaben angekauft worden ist, theilen wir hier mit. Unsere
weitergehenden Erfahrungen jedoch bei Gelegenheit jener denkwürdigen
Versteigerung haben wir, soweit sie von allgemeinem Interesse sind,
in dem Anhang zu diesem Bericht niedergelegt.
Aus einer Stiftung der Frau @. L. Gaiser Wwe. wurden auf der
Auction zwei mittelalterliche Elfenbeinarbeiten erworben, deren jede
von hohem kunstgeschichtlichen Werth ist, und die hoch willkommene Bei-
träge bilden zur Begründung einer Sammlung älterer Elfenbeinsculpturen,
die bisher in unserm Museum so gut wie garnicht vertreten waren. Noch
in das 13. Jahrhundert, also in die Zeit des romanischen Stiles, reicht
die Entstehung der einen Arbeit, einer Statuette der Maria mit
dem Jesuskind zurück (s. d. Abb. S. XXXVII). Als königliche
Frau sitzt die Madonna auf einer Thronbank, die in Relief mit Klee-
blattbögen und romanischem Pflanzenornament geziert ist. Mit dem
rechten Fuss tritt sie auf einen Drachen, mit dem linken auf einen
XXXVII Museum für Kunst und Gewerbe.
Löwen, eine Erinnerung an die Worte des Psalmisten (Ps. 91 v. 13):
r oO
„Auf den Löwen und ÖOttern wirst Du gehen; und treten auf die
jungen Löwen und Drachen“. Wie grüssend hat sie die rechte Hand
gehoben, während sie mit der Linken das Jesuskmd hält. Dieses
begrüsst mit der lateinischen Segensgeberde die Andächtigen. Dass
fe) {o) fo)
a
IR
Maria mit dem Jesuskind, en Frankreich, 13. Jahrhundert.
at. Gr.
(Geschenkt von Frau G. L. Gaiser Wwe.)
nämlich das kleine Bildwerk einst der Andacht und Verehrung geweiht
war, zeigt die Höhlung an der Rückseite des Thronsitzes, welche als
Reliquienbehälter gedient hat. Auch die Spuren der Abnutzung am
Gesicht und an den Knieen der Madonna deuten auf vielfachen
Gebrauch in der Hand des Priesters. — Die zweite Elfenbeinarbeit
Ankäufe aus der Sammlung Spitzer. KRKIX
ist unschwer als ein Werk gothischer Zeit zu erkennen. Es ist ein
Triptychon d. h. ein zusammenlegbarer klemer Altarschrein, wie
“man sie früher bei der häuslichen Andacht und für Reisezwecke
benutzte. Die gute Erhaltung, die deutlichen Spuren alter Bemalung,
vor allem aber der Ausdruck inniger Empfindung in den Figuren, in deren
Bildung die Weise des eben erwachenden Naturstudiums mit den
erstarrten Formen der Gothik ringt, alles dies erhebt das Triptychon
zu einem Werk von einzigartigem Werth. Die in Hochrelief gearbeiteten
Darstellungen ziehen sich in zwei horizontalen Reihen über die Haupt-
platte und die beiden Flügel hin. Die Mitte der unteren Reihe
nimmt die thronende Madonna ein; ein Engel setzt ihr die Krone auf
das Haupt; auf ihrem linken Knie steht das Jesuskind, den Segen
spendend; rechts und links stehen leuchterhaltende Engel, voller
Anmuth m Haltung und Bewegung. Links von dieser Darstellung die
anbetenden drei Könige, gegenüber die Darstellung im Tempel. Die
obere Reihe enthält drei Passionsscenen: links die Kreuztragung; in
der Mitte die Kreuzigung: Stephaton reicht dem gekreuzigten Heiland
den Essigschwamm, Longmus durchbohrt ihm die Seite; rechts und
links die Mutter Maria und Maria Salome mit Klagegeberden; oben
Sonne und Mond, menschlich gebildet; zu Füssen des Kreuzes steigt
Adam aus einem offenen Sarg, um das Blut Christi in einem Kelch
aufzufangen. Rechts die Kreuzabnahme.
Derselben hochherzigen Gönnerin verdankt das Museum eine Anzahl
wissenschaftlicher Instrumente, die ebenfalls auf der Auction
Spitzer erworben sind. Die Bedeutung dieser Instrumente beruht emestheils
auf ihrer hervorragenden künstlerischen Ausführung, anderntheils auf
den Zwecken ihrer einstigen Verwendung. Nichts ist lehrreicher für
die Geschichte der Nautik, der Astronomie, der Geographie und der
Physik als em Studium der Instrumente, welche man nach dem
jeweiligen Stande der Wissenschaft für den beobachtenden Forscher wie
zu Demonstrationszwecken für die Unterweisung des Lehrers anfertigte.
Solcher Bestimmung diente die kupfervergoldete Armillarsphäre, eine
deutsche Arbeit vom Ende des 16. Jahrhunderts. Sie verdeutlicht
die Rotation unserer Erde und der übrigen Planeten und zeigt auf-
fallenderweise noch die Erde als Mittelpunkt des Sonnensystems. Ein
Lehrapparat war vielleicht auch der silberne Mess-Stab zur Gewichts-
bestimmung verschiedener Metalle. Einer nicht bewiesenen Ueber-
lieferung nach soll derselbe von Tycho de Brahe für Kaiser Rudolph Il
angefertigt worden sein. Noch ein anderes Stück soll ursprünglich
zum Besitz dieses königlichen Kunstmäcens und Sammlers gehört
haben: ein Astrolabium (Apparat zur Beobachtung der astro-
x Museum für Kunst und Gewerbe.
nomischen Erscheinungen), das durch seine Grösse und reiche Gravirung
ausgezeichnet ist; ausserdem aber durch die auf das Silber geätzten
und gemalten Personificationen der Planeten einen. wichtigen Beleg
na aneeslihngeen
I : :
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Astrolabium des Alphenus Severus. Arbeit des Italieners Vincenzo Dante dei Rinaldi,
v. Ende d. 15. Jahrhdts. Dm. 0,276 m. Vorderseite. (Geschenkt von Frau G. L. Gaiser Wwe.)
Ankäufe aus der Sammlung Spitzer. AXETI
bietet für die noch nicht gebührend gewürdigte Thatsache, dass viele
der alten Silberarbeiten, die wir heute nur in metallischem Glanz
erblicken, ursprünglich im Schmucke bunter, kalt aufgetragener
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Astrolabium des Alphenus Severus. Arbeit des Italieners Vincenzo Dante dei Rinaldi,
v. Ende des 15. Jahrhdts. Dm. 0,276 m. Rückseite. (Geschenkt von Frau G. L, Gaiser Wwe.)
XLII Museum für Kunst und Gewerbe.
Farben prangten. An künstlerischer Vollendung wird dieses Astrolabium
durch ein anderes weit übertroffen, das italienischen Ursprunges
ist und bereits seine Geschichte hat (vgl. !d. Abb. S. XL u. XL).
Der Besitz desselben lässt sich bis in das Ende des 15. Jahrhunderts
zurückverfolgen. In den i. J. 1875 von der italienischen geographischen
Gesellschaft veröffentlichten bibliographischen Studien zur Geschichte
der Geographie in Italien wird unser damals im Besitze des Grafen
Gian-Carlo Conestabile zu Perugia befindliches Instrument als eines
der allerschönsten seiner Art beschrieben und abgebildet und zugleich
nachgewiesen, dass es gegen Ende des 15. Jahrhunderts von Vincenzo
Dante dei Rinaldi angefertigt worden ist. Hundert Jahre später
befand es sich noch im Besitze der Familie Alfani, deren Vorfahr
Alphenus Severus sein erster Besitzer gewesen war. Damals
rühmte Ignazio Danti, ein Enkel des Verfertigers, m dem Vorwort
zu der von ihm i. J. 1571 herausgegebenen „Sfera del Sacrobosco*,
das Astrolabium des Alphenus sei „tanto bello, tanto giusto e dili-
gentemente lavorato, ch’io ardisco di affermare che non sia mai stato
fatto un altro simile* (d. i. „so schön, so genau und sorgfältig
ausgeführt, dass ich zu behaupten wage, es sei niemals ein gleich
vollendetes gearbeitet“). Ein anderer Berichterstatter, Lancelotti, sah
es im J. 1646 in der Casa Alfani. Später gelangte es in den Besitz
des Grafen Conestabile, aus diesem in die Sammlung Spitzer, bei deren
Versteigerung es für Hamburg erworben wurde. In der That verdient
das Instrument die ihm gezollte Bewunderung vollauf. Besonders schön
ist das in vergoldetem Rothguss ausgeführte ciselirte und gravirte „Rete“,
das aus einem ringförmigen Thierkreis besteht mit eingravirten Namen
und Verschlingungen, die in Drachen mit verschlungenen Schwänzen,
Delphine, Bandwerk und andere Motive ausgestaltet und mit Stern-
namen beschrieben sind. Von den übrigen aus der Gaiser’schen
Stiftung erworbenen Instrumenten seien nur kurz erwähnt em
astronomisch-geographisches Besteck (Ende des 16. Jahrh.)
in Form eines fast quadratischen flachen Kastens, das unter anderem
die Polarprojeetionen der nördlichen und südlichen Erdhälfte enthält,
ferner ein ähnliches kleineres Besteck, welches eine Arbeit des Augs-
burger Meisters Christoph Schissler vom Jahre 1570 ist und
en immerwährender Kalender aus geschnittenem Eisen, von
Johann Engelbrecht zu Beraun in Böhmen um 1680 ausgeführt.
Ein seltenes Stück von hohem Interesse ist endlich en Kanonen-
visir aus gravirtem und vergoldetem Kupfer. Mittelst seiner der
Wandung des Geschützrohrs entsprechend gebogenen Fussplatte wurde
es auf jenes aufgesetzt. Ein Reifensegment mit Visirkimmen sowie
Ankäufe aus der Sammlung Spitzer. XLII
ein zwischen zwei Säulen aufgehängtes, mit einer kleinen Bussole
beschwertes Loth diente zum Richten des Geschützes. Laut seiner
Inschrift ist das Instrument ı. J. 1599 von Paul Reinmann in
Nürnberg verfertigt.
Hierzu kommen noch mehrere werthvolle Instrumente aus der
Auction Spitzer, zu deren Ankauf andere wohlwollende Mitbürger
beigesteuert haben. Ein arabisches Astrolabium, das mit mehreren
Einlagen versehen und mit reicher Gravirung geziert ist, verdanken wir
Herrn von Laer; zwei Sonnenuhren, deren eine 1714 in Düsseldorf,
die andere etwa gleichzeitig m Augsburg gefertigt ist, schenkte Herr
Senator J. F. Th. Stahmer, einen Azimut-Kreis, der als Arbeit des
L. Vagnarelli aus Urbino v. J. 1639 bezeichnet ist, Herr Edmund Siemers,
einen kupfervergoldeten femgearbeiteten Mondkalender (16. Jahrh.)
Herr Geheime Admiralitätsrath Dir. Neumayer. Dem fachkundigen
Rathe des Herrn Dir. Neumayer, der die Instrumentensammlung Spitzers
aus eigener Anschauung kannte und die erste Anregung zu Ankäufen
aus derselben gab, verdanken wir es auch, wenn unsere Auswahl auf
solche Stücke fiel, die wissenschaftliche mit kunstgewerblicher Bedeutung
vereinigen.
So sind wir mit einem Schlage im den Besitz einer recht
ansehnlichen Sammlung wissenschaftlicher Instrumente gelangt, deren
Bestände dem Studium wie weiterer Förderung seitens der Fachkreise
angelegentlich empfohlen seien.
Bedeutendere Ankäufe auf der Spitzer-Auction gestattete ferner
eine Summe, welche mit gewohnter Freigebigkeit Herr Alfred Beit zur
Verfügung gestellt hatte. Dank dieser Schenkung war es erstens
möglich, die bereits erwähnte Gruppe mittelalterlichen Elfenbeins um
eine aus dem 14. Jahrhundert stammende Spiegelkapsel zu ver-
mehren, deren Reliefdarstellung imhaltlich von hohem Interesse ist.
Die Vorderseite zeigt nämlich — nicht nach dem Gedicht Gott-
frieds von Strassburg, sondern nach einem französischen Ritter-
roman — Tristans und Isoldens Begegnung am Brunnen im
Baumgarten. Im Gipfel des Baumes versteckt, will König Marke die
Liebenden belauschen. Aber der Brunnen verräth in seiner spiegelnden
Fläche den Horcher. Isolde weist auf das gekrönte Haupt im Wasser
hin, und die beiden wechseln zur Genugthuung des betrogenen Ehe-
mannes nur höfisch ehrbare Rede. In der Sammlung des Geschichts-
vereins zu Bamberg giebt es einen Elfenbeinkamm aus der ersten
Hälfte des 15. Jahrhunderts, welcher dieselbe Scene darstellt. Aber
das Motiv des Spiegelns im Brunnen lässt vermuthen, dass die Scene
zuerst für die Decoration von Spiegeln in den Darstellungskreis der
XLIV Museum für Kunst und Gewerbe.
Elfenbeinschnitz-
kunst aufgenom-
men wurde, denn
mit Vorbedacht
wählten die
Künstler Scenen,
die in sinnvollem
Bezug zu dem Ver-
wendungszweck
der Gegenstände
standen. (8.
Abb.)
Der Haupt-
sache nach kamen
aber die Mittel der
Beit’schen Schen-
kung der Ver-
mehrung unserer
Lederabtheilung
zu Gute, die ja
Spiegelkapsel aus Elfenbein, mit einer Scene aus Tristan 82
und Isolde. Frankreich. 14. Jahrhundert. /, nat. Gr. schon deswegen
Geschenk des Herrn Alfred Beit. .
(Geschen s Herrn re eit.) die sorgsamste
Pflege verdient, weil sie der blühenden hamburgischen Lederindustrie
fruchtbare Anregungen geboten hat und noch andauernd bietet.
Zwar sind es im Ganzen nur drei Lederarbeiten, die auf der
Versteigerung gewonnen wurden, aber jede derselben ist schon
in der technischen Herstellung ein Stück von eigenartiger Bedeutung.
Ein venetianisches Futteral, eine Arbeit aus dem Anfang des 16. Jahr-
hunderts, zeigt in einfachster, aber zugleich wirksamster Technik,
nämlich in geritzter und schraffirter Ausführung mit theilweiser Vergoldung,
beiderseits das gleiche hübsche Grundmuster.von Maureskenornamenten,
einerseits mit schraffirtem Muster in glattem Grund, andererseits mit
glattem Muster in schraffirtem Grund. Eine Lederkapsel von hoher
Form, die fünf mit Leder gefütterte cylmdrische Behälter umschliesst,
ist durch die mehrfarbige Bemalung der eingeritzten Blüthenzweige
ausgezeichnet. Die Vorderseite ist mit dem englischen Wappen und
Paaren von I-Buchstaben, die durch einen Liebesknoten verbunden sind,
geschmückt. Welches hohe Paar mit den beiden I gemeimt ist, bedarf
noch der Aufklärung. Vielleicht hat dieses aus der Spätzeit der
englischen Gothik herrührende Stück einen ebenso interessanten
historischen Hintergrund wie die dritte der neu erworbenen Leder-
Ankäufe aus der Sammlung Spitzer. DIIEV.
arbeiten. Diese, eine grosse spanische Feldflasche bauchiger Form
(s. d. Abb.) ist nämlich nach eimem Certificat, das sich in der Flasche
fand, dem früheren Besitzer hinterlassen von einem Vorfahren, welcher
in des Grafen Hoorn Diensten stand. Da in dieser Angabe die spanische
Herkunft der Flasche wie die Zeit ihrer Anfertigung — Mitte des
16. Jahrhunderts — wohl stimmen, so ‘darf man vermuthen, dass
Feldflasche aus Leder. Die Wandungen benäht mit farbigen, aus dünnem Leder
ausgeschnittenen Mauresken. Spanien. Mitte des 16. Jahrhunderts, !/, nat. Gr.
(Geschenk des Herrn Alfred Beit.)
dieses Prachtstück, das augenscheinlich für den Gebrauch einer hoch-
stehenden Persönlichkeit gefertigt ist, dereinst jenem niederländischen
Grafen und königlich spanischen Kammerherrn gehört habe, dessen
Geschichte und tragisches Ende aus Schillers „Aufstand der Nieder-
lande“ allgemein bekannt ist. Für den Ankauf der Flasche bestimmend
XLVI Museum für Kunst und Gewerbe.
war aber nicht ihre grosse Vergangenheit — welche auch bei ihrer
Erwerbung unbekannt war — sondern die ungewöhnliche Technik, in
welcher sie ausgeführt und geziert ist. Die aus mehreren Lagen starken
Leders gebildeten Wandungen sind aussen mit dünnem, gekörntem Leder
überzogen. : Die Maureskenverzierungen, deren Hauptmotiv an den vier
Seiten wiederkehrt, während der Boden ein anderes Muster zeigt, sind
in verschiedenfarbigem gekörnten Leder ausgeschnitten und auf den
bräunlich violetten Grund mit grüner Seide derart aufgenäht, dass die
regelmässig gesetzten Knötchenstiche als ornamentale Einfassung der
Blätter und Ranken wirken. Auch die im Grunde vertheilten, zu dreien
gestellten Knötchenstiche dienen gleichzeitig der Befestigung und der
Verzierung. Umgeben ist jedes Feld von einem hellgrauen, mit grüner
oder rother Seidenschnur gesäumten Lederstreifen. Von den Mauresken
sind einige nicht durchbrochen, sondern der vertiefte Grund ist durch
Ausheben der Narbe gewonnen.
Drittens gelangte auch die keramische Abtheilung dank der
Stiftung des Herrn Alfred Beit m den Besitz werthvoller Fayencen
des Franzosen Bernard Palissy. Die eine derselben ist eine acht-
theilige Schale mit blau, violett und grün gewölkter Glasur und einem
Relief der Temperantia nach einer Zinnschüssel des Francois Briot
im runden Mittelbuckel; ehe die Schale in den Besitz Spitzers
gelangte, gehörte sie dem Grafen de la Beraudiere; sie wurde damals
veröffentlicht nm dem Werk von Sauzay-Delange „Monographie de
loeuvre de Bernard Palissy.“ Die zweite Arbeit ist eime runde
Fruchtschale, deren Boden aus durchbrochenen Bandverschlingungen
mit Rosetten in lebhaften Farben besteht.
Eine dritte schöne Palissy-Schüssel dankt das Museum Herrn
Hermann Emden. Auch diese Schüssel besteht aus durchbrochenen
Bandverschlingungen; diese sind aber derart gelegt, dass sie symmetrische
Dreipässe bilden, in denen drei männliche und drei weibliche Masken
angebracht sind.
Für die Sammlung der deutschen Steinzeugarbeiten schenkte
Herr @. Holthusen eine Raerener Henkelkanne. In selten scharfer
Ausführung zeigt der Fries, der den Gefässkörper umzieht, abwechselnd
grotteskes Akanthusgerank und Personificationen der Planeten.
Ein bewährter Freund des Museums, Herr Geheime Commerzien-
rath Th. Heye stiftete einen Betrag zum Ankauf alter Glasarbeiten
auf der Auction Spitzer. Die älteste der erworbenen Arbeiten ist eine
römische Schale aus hellblauem, durchscheinendem Glas, in welches
weisse, opake, spiralisch aufgerollte Bänder gebettet sind. (8. d. Abb.
S. XXXVII.) Die vollkommene Erhaltung erklärt sich daraus, dass die
Ankäufe aus
Schale — wie im Katalog der
Sammlung Spitzer bemerkt ist
— früher eine mittelalterliche
Metallfassung hatte. Auf diese
Weise sind mehrfach derartige
antike Glasschalen erhalten
geblieben, u. A. auch die Schale
des h. Servatius im Domschatz
zu Maestricht. Aus der besten
Zeit der venetianischen
Glasfabrikation rühren zwei
Gefässe her, eime tiefe Schale
auf balusterförmigem Fuss und
eine grosse runde Schüssel,
beide in weissem sogenanntem
gestricktem Fadenglas her-
gestellt. Besonders an der
Schüssel ist das ziemlich ver-
wickelte Verfahren deutlich
erkennbar, das der Glaskünstler
bei ihrer Anfertigung befolgte.
Sie zeigt ein Rautenmuster,
das aus schräg gekreuzten
Stäben gebildet ist, und jeder
der Stäbe enthält ein weit-
maschiges, zierliches Netzwerk.
Die Kreuzung der Stäbe ist
hier dadurch bewirkt, dass
man die aus 18 Stäben ge-
schweisste, sehr dünn aufge-
blähte Glasblase in sich hin-
der Sammlung Spitzer. XLVI
Kanne aus Fadenglas. Venedig. 16. Jahrhdt.
/o nat. Gr.
einstülpte, nachdem die Fäden durch Drehung der Blase um ihre Axe
in entgegengesetzter Richtung
gewunden worden waren. Von eigen-
artiger Technik ist auch das vierte Stück, ein mit goldenen und grün
emaillirten Reben gezierter Glasteller, ein interessantes Beispiel der
bedeutenden Glasindustrie, welche während des 16. Jahrhunderts in
Barcelona betrieben wurde, deren Erzeugnisse jedoch in den mittel-
europäischen Sammlungen zu den grossen Seltenheiten gehören.
Eine ungenannte Gönnerin fügte diesen Erwerbungen für unsere
Glasabtheilung eine gehenkelte Kanne aus venetianischem Fadenglas
von edler Profilirung hinzu. (8. d. Abb.)
XLVII Museum für Kunst und Gewerbe.
Schenkungen für die Sammlung.
Auch abgesehen von den bedeutenden Ankäufen auf der
Vente Spitzer, zu denen die Mittel von Freunden des Museums
gestiftet worden waren, brachte das Jahr 1895 der Sammlung eine
Anzahl werthvoller Gaben. Die meisten derselben sind anlässlich des
längeren Aufenthalts des Directors in Paris gestiftet worden. Boten
sich in diesem Mittelpunkt des Kunst- und Antiquitätenhandels
Gelegenheiten zu günstigen Käufen, so fanden sich in der Regel auch
bald gute Freunde, welche die neu erworbenen Altsachen schenkten.
Nur wenige Stücke stammen aus altem hamburgischen Besitz.
Auf jene Weise wurde von Herrn Georg Neidlinger ein hervor-
ragendes Werk türkischer Schreibkunst, Miniaturmalerei und Leder-
arbeit geschenkt. Es ist ein vollständiger Koran, welcher im Jahre
der Hedschra 972, d. h. 1564—65 christlicher Zeitrechnung, unter
der Regierung des mächtigsten aller Sultane, Suleiman II., geschrieben
und eingebunden ist. Wie damals die Macht des türkischen Reiches
ihren Gipfelpunkt erreichte, standen auch die Künste in hoher Blüthe.
Das nicht von Muhammed selber, sondern nur von der sunnitischen Secte
seiner Lehre vorgeschriebene, aber von den Türken heilig gehaltene
Verbot der Darstellung lebender Wesen zog jedoch der islamitischen
Zierkunst enge Grenzen. Was dieselbe in ihrer Beschränkung auf
ornamentale Erfindungen zu leisten vermochte, zeigen die in Gold und
Farben prangenden Einfassungen des Haupttitels und der Zwischen-
titel unseres Korans auf das vollkommenste. Aber auch die dem
Text gewidmeten Blätter mit ihren meisterlich geschwungenen, in
verschiedenen Farben auf pergamentähnlichem Papier ausgeführten
Schriftzüge smd eine Augenweide selbst für denjenigen, welcher sie
nicht zu entziffern versteht. Gebunden ist das heilige Buch in einen
seiner würdigen Deckel, dessen Innenseite mit den zierlichsten Durch-
bruchmustern auf farbigen Untermalungen belegt und dessen Aussen-
seite mit reichem, aus Metallformen gepresstem und vergoldetem
Ornament geschmückt ist. Die vergoldeten Inschriften, welche dem
Rande des Deckels folgen, beginnen mit der Warnung, das Buch nur
mit reinen Händen zu benutzen, — was zunächst in geistigem Sinne
zu deuten ist, in seinem Doppelsinne aber auch anders verstanden
werden darf.
Eine seltene Specialität der alten Rouener Fayencetöpferei
bilden die Geschirre mit schwarzem Ornament auf ockergelbem Grund.
Diese Gattung war bisher im der Gruppe unserer Rouener Fayencen
nicht vertreten. Herr Ed. Behrens senr. hat die Lücke gefüllt durch
Schenkung eines werthvollen Senftöpfcehens, dessen Wandung und
Schenkungen für die Sammlung i. J. 1893. KEIX
Deckel schwarze Ranken in gelbem Grund sowie in weissem Grund
blau und roth gemusterte Felder zeigen. Die Entstehungszeit des hübschen
Töpfehens mag um das Jahr 1725 anzusetzen sein.
Zwei willkommene Bereicherungen verdankt die Porzellan-
abtheilung Herrn Dr. Heinrich Traun. Erstens en Cr&metöpfchen
von gefälliger Form aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts
mit einem dick aufgetragenen, mehr modellirten als gemalten,
eravirten Golddecor aus Blumen und Vögeln. Ueber die Herkunft dieser
und verwandter Arbeiten ist man sich noch nicht emig. Während
die meisten Kenner in ihnen Erzeugnisse Venedigs sehen, wo man
schon sehr früh mit der Anfertigung von Porzellan begann, erklären
Andere sie für Arbeiten Meissens. Für die letztere Annahme spricht
die Feinheit und Weisse des Porzellans, für deutsche Arbeit das
Vorkommen von deutschen Trinkgläsern, die mit gleichem Golddecor
belest sind. Vielleicht trifft eme dritte Vermuthung das Richtige;
danach würde es sich um ausserhalb der Porzellan-Manufacturen von
Schmelzkünstlern decorirte Stücke handeln, wie wir solche, bemalt von
dem Breslauer Botteneruber, mit dem Diamanten geritzt von dem Hildes-
heimer Canonicus Busch kennen. Die zweite Gabe desselben Schenkers
ist eine Meissener Porzellanfigur, eine junge Dame in Strassen-
tracht mit einem Brief in der Hand aus der Zeit um die Wende
des vorigen Jahrhunderts. Ihr Kleid und ihre Haube sind mit
zarten Spitzen besetzt, wie sie im der Spätzeit Meissens hergestellt
wurden, indem man linnene Spitzen in einen Porzellanbrei tauchte
und an eine noch ungebrannte Figur klebte, bei deren Brand dann
das Leinen spurlos zerstört wurde, aber ein Porzellangerippe hinterliess.
Derberen Schlages sind zwei Biscuitfiguren, ein junger
Schuhflicker, der seinem Staarmatz ein Liedchen vorpfeift, und eine
alte Strumpfstopferin in der Tonne, die wie jener über den
musikalischen Genuss ihr nützliches Ergänzungswerk vergisst; aber es
sind köstliche aus dem Leben gegrifiene Genrebildwerke. Wir kennen
ihren Meister: sie sind modellirt von dem talentvollen Bildhauer
Paul Louis Cyffle, der gegen Ende des vorigen Jahrhunderts die
lothringischen Fabriken Luneville, Samt Clement und Niderviller mit
seinen vielbegehrten Modellen lebensvoller Genrefiguren versah. Unsere
Figuren rühren aus der Fabrik zu Niderviller, dem heute und
ursprünglich Niederweiler benannten Städtchen. Frau Marie Oppenheim
ist die freundliche Schenkerin dieser beiden Gruppen.
Zwei andere Bildwerke aus Biscuit-Porzellan verdankt das
Museum Herın Dr. Carl Fischer. Es sind Arbeiten der ehemaligen
herzoglich-braunschweigischen Porzellanmanufactur in Fürstenberg,
a
16 Museum für Kunst und Gewerbe.
deren Modelleure Ende des vorigen und Anfang dieses Jahrhunderts
gerade in der Herstellung von Portraitbüsten berühmter Personen ihr
besonderes Feld fanden. In das herzogliche Museum zu Braunschweig
ist denn auch eine ganze Portraitgalerie gelangt. Das Hamburgische
Museum befindet sich bereits längere Zeit im DBesitze von zwei
Fürstenberger Büsten, deren eine Jeröme Napoleon, die andere seine
Gemahlin Friederike Katharina, Prinzessin von Württemberg darstellt.
Sie tragen alle Zeichen des Empire-Stiles an sich und mögen etwa im
Jahre 1807 entstanden sein. Die neugewonnenen Büsten sind älteren
Datums. Wer die noch jugendliche Dame in der hochaufgekämmten,
mit Schleife und Brillanten geschmückten Frisur sein mag, hat sich
mit Sicherheit noch nicht feststellen lassen. Dagegen ist die männliche
Büste als Portrait des Herzogs Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig
nachgewiesen. Seine Persönlichkeit hat für Hamburg besonderes
Interesse. Als Führer der preussischen Armee in der unglücklichen
Schlacht bei Jena wurde er von einer feindlichen Kugel des Augenlichts
beraubt, verstarb auf der Flucht am 10. November 1806 zu Ottensen
und wurde dort bestattet. Sein Grab ist eines der „drei Gräber zu
Ottensen“, die Rückert besungen hat. Manchem Betrachter wird die
Aehnlichkeit mit Friedrich dem Grossen auffallen. Dieselbe ist nicht
zufällig: die Mutter des Herzogs war eine Schwester des grossen
Preussenkönigs. Die beiden Büsten sind lange in hamburgischem Besitz
vewesen. Ehe der Spender sie erwarb, haben sie dem „Kunst-Museum“ des
1846 verstorbenen Hamburger Oberalten Peter Friedrich Röding angehört.
Eine in Weichporzellan ausgeführte schaumgeborene Aphrodite
ist aus der im Jahre 1736 zu Capo di Monte bei Neapel von Karl III.
gegründeten Fabrik hervorgegangen. Auf felsigem Gestade, an dem
sich schaumköpfige Wogen brechen, ruht die Göttin, unter dem auf-
sehobenen rechten Arm in die Ferne schauend. Die anmuthige
3ewegung in dem halb ruhenden, halb sich aufrichtenden Körper, die
in Weichporzellan schwierige, hier aber wohlgelungene Modellirung,
endlich eine nur stellenweis diskret angewendete Bemalung — alles
dies vereinigt sich zu einer äusserst feinen, vornehmen Wirkung. Das
schöne Stück ist ein Geschenk des Herrn Generalconsul Zd. Behrens jr.
Wechselnde Ausstellungen.
In der Aula des Museumsgebäudes und in den dem Eingange
zunächst gelegenen Räumen wurde im Juli eine umfangreiche Ausstellung
von Strassenplacaten veranstaltet, die in erster Linie das practische
Ziel im Auge hatte, fördernd und bildend auf die im Hamburg
entstehenden Bildplacate einzuwirken.
Wechselnde Ausstellungen. LI
Der Director eröffnete die Ausstellung mit einem Vortrag,
in welchem er nach einem Rückblick auf die Geschichte der öffentlichen
Strassenanschläge an eimigen ausgestellten Placaten die Regeln einer
zugleich wirksamen und künstlerischen Placatmalerei erläuterte und
für die Anbahnung einer Reform der deutschen Placatkunst eintrat.
Es kann keine Frage sem, dass eine wirklich künstlerische
Ausführung der illustrirten Placate an unseren Anschlagsäulen,
in Ladenfenstern, Eisenbahnperrons, Wartesälen u. s. w. ein nicht
unwichtiger Factor zur Hebung des Geschmackes der grossen
Bevölkerungsmasse abgeben würde. Dass eine künstlerische Behandlung
der Bildplacate ausführbar ist, kann der augenblickliche Stand
dieser Strassenkunst in Frankreich lehren. Den Leistungen der
französischen Meister der Affichenkunst ward demgemäss der grösste
verfügbare Raum, die Aula, eingeräumt. Vor allen anderen war
Jules Cheret, welcher mit einer eigenartigen Technik so hohe
künstlerische Vorzüge vereint, dass seine Werke sogar in die
Sammlungen des Louvre Aufnahme gefunden haben, mit einer
zahlreichen Reihe riesiger Placate vertreten. Man darf ihn unbedenklich
den Schöpfer des neuen Placatstils nennen. Unsere deutschen Placat-
zeichner pflegen bei Ankündigungen von Schaustellungen u. dgl. ganze
Reihen von Scenen darzustellen und womöglich längeren Text hinzu-
zufügen. Das entspricht nicht der Bestimmung des Placats. Der
geschäftig eilige Beschauer hat nicht Zeit, lange zu sehen und zu lesen.
Die Kunst des Placatentwurfs besteht darin, ein schönes und packendes
Augenblicksbild zu schaffen. Es soll die Aufmerksamkeit der vorüber-
fluthenden Menge auf sich ziehen; im Vorbeigehen soll man das Placat
in sich aufnehmen können. Daher begnügt sich Cheret mit der
Darstellung weniger Figuren, den Text beschränkt er auf das Noth-
wendigste, ein paar Worte, die in markanten Zügen hingemalt sind.
Seine Hauptwirkungen erreicht er mit der Farbe. Gelb und Blau,
Roth, Grün, Schwarz stehen unvermittelt nebeneinander. Die Contraste
sind grell, aber nicht unharmonisch. Ebenso energisch sind die
Conturen, die sich niemals in gerundeten Umrissen bewegen, sondern
in eckigen Strichen. Die Zeichnung ist, in der Nähe besehen,
skizzenhaft, aber, in einigem Abstande betrachtet, sprechen diese
kantigen Umrisse dieselbe deutliche Sprache wie die weithin
leuchtenden Farben.
Neben Cheret waren in der Ausstellung von den übrigen
Pariser Placatmalern besonders Grasset, Willette und Choubrac
vertreten, die in anderer Manier arbeiten, aber mit ihren Bildern
ebenfalls in erster Linie auf die Fernwirkung bedacht sind.
as
BI Museum für Kunst und Gewerbe.
Eine besondere Gruppe bildeten die Reise-Placate d. h. die
von Eisenbahnverwaltungen ausgegebenen mit Landschaftsbildern
gezierten Ankündigungen, welche den Zug der Reisenden auf bestimmte
Bahnen zu lenken versuchen. Je nachdem sie zum Besuch waldreicher
Gebirge und malerischer alter Städte oder der freien Meeresgestade
einladen, wechseln die begleitenden Bilder dieser Placate. Auch hier
zeichneten sich durch farbenkräftige und geschmackvolle Ausführung
vor anderen die französischen Placate aus. Gerade diese waren
reichlich und gut vertreten. Mehrere französische Eisenbahnverwaltungen
hatten der an sie ergangenen Bitte entsprochen und dem Museum
eine Reihe ihrer schönsten Placate überwiesen. Namentlich die
Directionen „Chemins de fer de Paris ä Lyon et ä la Medi-
terrande“, „Ch. d.f. de Paris & Orleans“, „Ch. d.f. de 1’Bs#Z
und „Ch. d. f. de l’Ouest“ haben sich um die Vermehrung dieser
Gruppe der Ausstellung in dankenswerther Weise bemüht.
Unter den deutschen Placaten verdienen vor Allem die An-
kündigungen der grossen Kunstausstellungen Beachtung. Demgemäss
war ihnen ein beträchtlicher Platz in der Ausstellung eingeräumt.
Aber auch Geschäfts-Placate und bildliche Empfehlungen aller Art,
wie sie aus den hervorragenden Farbendruckanstalten in München,
Nürnberg, Stuttgart, Berlin und Hamburg hervorgegangen sind, ver-
dienen. zum grossen Theil wegen ihrer gediegenen Ausführung Beachtung
und Anerkennung.
Die Ausstellung war bereits geschlossen, als sich Gelegenheit
bot, eine Anzahl der riesigsten und erstaunlichsten Placate aus dem
eelobten Lande aller Reklame vorzuführen. Ein Freund des Museums,
Herr Carl Griese, selbst ein Fachmann, brachte von seinem Besuche
der Weltausstellung in Chicago mehrere Riesenplacate, wie sie
drüben üblich sind, sowie eine Menge anderer Reclame-Drucke mit,
welche er dem Museum zu dauerndem Besitz überwiesen hat. Die
amerikanischen Erzeugnisse schienen in ihrer Eigenart die Veranstaltung
einer -Sonderausstellung zu rechtfertigen, welche dann als ein Nach-
trag zur Gesammtausstellung im September eröffnet wurde. Die
Placate, von denen einige eine Grösse von 6 Metern Länge und
3 Metern Breite haben, stellen zum Theil Scenen aus den Zugstücken
der Theater vor, bald ernsten Inhalts, wie einen nächtlichen Kampf
von Feuerarbeitern vor glühenden Oefen, bald humoristischen, wie
einen lustigen Reigen lebensgrosser jugendlicher Tänzer vor einer in
der Mondsichel sitzenden komischen Alten. Aus einem Placat stürmt,
fast in Lebensgrösse dargestellt, ein Dreigespann vor einem eleganten
Wechselnde Ausstellungen. LI
Promenadenwagen heraus. Andere Placate zeigen in Lebensgrösse die
wohlgelungenen Bildnisse schöner Sängerinnen oder beliebter Komiker.
Im September und October wurde anlässlich der Jubelfeier
der Kirche zu St. Georg eine Ausstellung von alten Ansichten
und Plänen veranstaltet, in denen die Entwickelung der Vorstadt
St. Georg von den Anfängen ihrer Bebauung bis zur Gründung der
jetzigen Kirche und weiter bis in unsere Tage vorgeführt wurde.
Das Material hierfür bot zum grössten Theil die Hamburgensien-
Sammlung des Museums; emige werthvolle Blätter wurden von Frau
Senator Rapp, Fräulem Zbba Tesdorpf und anderen Hamburgensien-
sammlern, von Herrn Riefesell eme Auswahl seiner trefflichen Zeich-
nungen mit freundlicher Bereitwilligkeit hergeliehen. Zu keiner Zeit
war St. Georg der Schauplatz von Haupt- und Staatsactionen; es hat
in früheren Jahrhunderten ein stilles Leben geführt und ist nur
langsam bebaut worden. Die Umgebung der alten Kirche, unweit des
Standortes der heutigen, und der Rand der hohen Geest vom Hühner-
posten zum Besenbinderhof wurden zuerst besiedelt. Dieser Frühzeit
war die erste Gruppe der ausgestellten Blätter gewidmet. Den Mittel-
punkt der zweiten Abtheilung bildete die neue Dreifaltigkeitskirche,
deren Grundsteinlegung am 24. September 1745 die Anregung zur
Jubelfeier gab, die ihrerseits wieder die Ausstellung veranlasste. Andere
Blätter dieser Abtheilung führten die Grosse Allee vor, die damals
dem Wagen-Corso der eleganten Welt diente. Erst im dritten und
vierten Jahrzehnt unseres Jahrhundert entfaltete sich regeres Leben
und eine ausgedehntere Bauthätigkeit. Das Allgemeine Krankenhaus
und andere, humanitären Zwecken dienende Gebäude erstehen; die
Hamburg - Bergedorfer Eisenbahn wird erbaut; im Tivoli mit seiner
Rutschbahn eröffnet sich den Hamburgern ein vielbesuchter Ver-
gnügungsort. Nach und nach vollzieht sich die Umwandlung des
malerischen alten Borgesch mit seinen Bäumen, Teichen und
Zimmerplätzen in grossstädtisch bebaute Strassen. Fernere Gruppen
boten übersichtliche Bilder der im neuerer Zeit fortschreitenden
Bebauung der Vorstadt mit der Gewerbeschule für Mädchen, dem
Schul- und Museumsgebäude am Steinthorplatz, der neuen Turnhalle
u. a. m. Die Ausstellung fand während ihrer ganzen Dauer ein reges
Interesse im Publikum, das sich nicht nur in starkem Besuch, sondern
auch in manchen Zuwendungen von Hamburgensien kundgab.
Ende October wurde eine Ausstellung alter Meisterwerke
des Kunstgewerbes in zwei günstig belichteten Nordsälen des Museums
eröffnet. Das Material für diese Ausstellung boten in erster Linie
werthvolle Kunstarbeiten aus der versteigerten Sammlung Spitzer,
TIIV Museum für Kunst und Gewerbe.
sowohl die vom Museum erworbenen Stücke, über welche bereits
oben berichtet ist, als besonders eine Reihe erlesener Werke,
die in hamburgischen Privatbesitz übergegangen waren. Ausserdem
steuerten Sammler und Freunde des Museums geeignete Altsachen zur
Vervollständigung der Ausstellung bei. So verdankte diese der an
mittelalterlichen Arbeiten reichen Sammlung des Herrn Julius Campe
mehrere Elfenbeimschnitzereien, Bronzen, Email-, Niello- und Leder-
arbeiten, Herrn Landgerichts-Director Dr. 4. Föhring eine Auswahl
Grubenschmelzarbeiten des 13. und 14. Jahrhunderts, deren öffentliche
Vorführung um so schätzbarer war, als unser Museum gerade an
Werken des frühen Mittelalters noch arm ist. Was die Kunstschätze
Spitzers betrifft, so darf mit Befriedigung darauf hingewiesen werden,
dass ein beträchtlicher Theil derselben seinen Weg nach Hamburg
gefunden hat. Um die Rückführung der meist deutschen Landen
entzogenen Kunstwerke hat sich ganz besonders der Kunsthändler
Herr Adolph Fröschels in Hamburg verdient gemacht, welcher denn
auch seine kostbaren Erwerbungen für die Ausstellung bereitwillig
zur Verfügung stellte. Unter diesen mögen hier nur einzelne Werke
hervorgehoben werden, u. A. der schöne Augsburger Niellobecher
(No. 1740 des Catalogs), zu dem nur ein einziges Seitenstück im
(sermanischen Museum zu Nürnberg bekannt ist, eine um sehr hohen
Preis ersteigerte englische Taschenuhr des 16. Jahrhunderts mit äusserst
fein emaillirten Ornamenten an den goldenen Kapseln (No. 2710), eine
aus Buchsholz geschnitzte Betnuss mit der Darstellung des Martyriums
des jüngeren Jacobus (No. 2155) sowie andere hervorragende Beispiele
der Kleinplastik in Buchsholz und Kehlheimer Stein aus den Zeiten der
deutschen Renaissance. Eine schöne Silbertreibarbeit derselben Zeit,
ein Trinkgefäss m Gestalt eines aufgerichteten Löwen, der mit seinen
Vorderpranken einen gehenkelten Grapen, das redende Wappenbild der
Nürnberger Familie Oelhafen, hält, wurde nach vorgenommener Unter-
suchung als sicheres Werk des Goldschmiedemeisters Paulus Dulner
ermittelt, der bis 1596 m Nürnberg gelebt und als Spezialität gerade
Trinkgefässe in Thierform gefertigt hat. Eine beträchtliche Anzahl
kunstgewerblicher Kostbarkeiten aus Spitzerschem Besitz war in den-
jenigen unseres Mitbürgers Herrn Heinrich Wencke übergegangen und
von diesem für die Dauer der Ausstellung dem Museum zur Verfügung
gestellt, darunter mehrere der schönsten italienischen Majoliken. Herr
Alfred Beit hatte die grosse, um 1525 von Nicola da Urbino gemalte
Majolikaschüssel mit der Mannalese in der Wüste aus dem Service
der Isabella von Gonzaga-Este erworben und in unserer Ausstellung
der öffentlichen Besichtigung zugänglich gemacht. Als eines der an-
Herausgabe des illustrirten Führers. IV
ziehendsten Stücke in der Ausstellung ist endlich noch das kunstvoll
ausgeführte Messer mit Elfenbeingriff und Scheide (No. 177) zu erwähnen,
das in die Sammlung des Herrn Julius Campe übergegangen ist.
Im Anschluss an die „Spitzer-Ausstellung“ hielt der Director in
einer öffentlichen Versammlung des Kunstgewerbevereins in der Aula des
Museums einen Vortrag über die Versteigerung der Sammlung Spitzer,
welchen er mit Worten des Dankes schloss gegen die Mitbürger, deren
Opferwilligkeit dem Museum aus der berühmten Sammlung einen so
erfreulichen Zuwachs gebracht habe, und mit dem Ausdruck der
Freude, dass hamburgische Sammler bei derselben Gelegenheit soviele
schöne Stücke für sich und damit zugleich für das allgemeine Beste
erworben haben.
Herausgabe des illustrirten Führers.
Bereits im Jahresbericht für 1886 wurde darauf hingewiesen,
dass die Herausgabe eines illustrirten Führers durch die Sammlungen
in Aussicht genommen sei. Mancherlei Umstände verzögerten indessen
die Vollendung. Reiche Gaben von Freunden der Anstalt einerseits,
insbesondere die Schenkung der Probsteier Spitzen-Sammlung
durch Frau Dr. Marie Meyer, günstige Kaufgelegenheiten andererseits
führten zu einer Vermehrung der Sammlungen, wie sie beim Beginn der
Arbeit nicht zu erwarten gewesen war. Die Bestände mehrerer
Abtheilungen wuchsen zu einer erfreulichen historischen Geschlossenheit
heran, gewisse Gruppen (z. D. diejenige der mittelalterlichen Elfenbein-
arbeiten und der wissenschaftlichen Instrumente) konnten neu begründet
werden, einzelne Kunstarbeiten von hervorragender Bedeutung, die während
der Vorarbeiten in das Museum gelangten, forderten entsprechende
Berücksichtigung, durch den Auszug des Museums für Völkerkunde wurden
Umstellungen mehrerer Abtheilungen nothwendig — kurz, gewichtige
Momente vereinigten sich, die es rathsam erscheinen liessen, die begonnene
Arbeit nicht zu überstürzen, sondern in ruhigem Fortschritt ausreifen
zu lassen. Mit den im Jahre 1893 bewirkten umfangreichen Ankäufen
aus der Sammlung Spitzer im Paris schien auch der Zeitpunkt für
den Abschluss der Sammlung des für die geschichtlichen Ausführungen
grundlegenden Materials gegeben zu sein. Die schönen Leder-
arbeiten, die wir aus der Spitzer-Sammlung gewonnen haben, konnten
leider nicht mehr berücksichtigt werden, weil zur Zeit ihrer Erwerbung
die betreffenden Abschnitte des Führers schon gedruckt waren. Was
aber sonst bei jener einzigartigen Gelegenheit für unsere Sammlungen
erworben wurde, ist an seinem Ort gebührend verzeichnet und für die
sachlichen Darstellungen verwerthet. Naturgemäss wuchs unter solchen
NV] Museum für Kunst und Gewerbe.
Umständen mit dem vermehrten Material auch das Buch zu einem
nicht vorausgesehenen Umfange. Mag dadurch das anfängliche Ziel
desselben, den Besuchern ein Führer durch die Sammlungssäle zu
werden, überschritten und statt dessen ein Führer durch die Haupt-
gebiete der technischen Künste entstanden sein, so ist doch m der
Anlage wie in der Durchführung dieses umfassenderen Planes überall
der Zusammenhang mit dem Inhalt unserer Sammlungen gewahrt worden.
Somit wendet sich das Werk selbstverständlich nicht an Besucher, die
sich mit einem flüchtigen Rundgang durch das Museum begnügen,
sondern in erster Linie an diejenigen, denen es um eine tiefergehende
Belehrung zu thun ist. Zugleich steht aber zu hoffen, dass es sich
auch als Handbuch der Geschichte des Kunstgewerbes
denen brauchbar erweisen wird, die das hamburgische Museum zu
besuchen nicht in der Lage sind.
Wesentlich zur Erfüllung dieses letzteren Zweckes sollen die
beigegebenen 431 Abbildungen von Gegenständen der Sammlungen
dienen. Bei der Auswahl derselben wurden, soweit es thunlich war,
ohne die geschichtliche Treue zu verletzen, solche Beispiele bevorzugt,
die nicht nur für die durch sie illustrirten Gebiete typisch sind, sondern
zugleich dem schaffenden Kunsthandwerker Anregung bieten. Die
Zeichnungen zu der Mehrzahl der Abbildungen sind von dem Assistenten
des Museums Herrn Wilhelm Weimar angefertigt worden und zwar
ohne photographische Hülfsaufnahmen.
Der Satz bot ungewöhnliche Schwierigkeiten; denn es galt, ohne
Raumverschwendung überall die Bilder an gerade diejenige Stelle zu
bringen, wo der Text, sei es in der geschichtlichen Emleitung, sei es
in der mit kleinerer Schrift gedruckten Beschreibung von ihnen handelte.
Die Herren Lütcke & Wulff, E. H. Senats Buchdrucker, haben, wie
sie dieser Aufgabe gerecht geworden sind, auch durch die sorgfältige
Ausführung des Buch- und Bild-Drucks eimen begründeten Anspruch
auf Anerkennung erworben.
Die Drucklegsung des Führers war mit Abschluss des Berichts-
jahres soweit vorgeschritten, dass seine Ausgabe m der ersten Hälfte
des folgenden Jahres gesichert war und inzwischen auch erfolgt ist.
Um den Besuchern der Sammlungen die Benutzung des Führers so
bequem wie möglich zu machen, wird im jedem Zimmer auf einem
leicht beweglichen Pultgestell ein Exemplar des Buches ausgelegt
werden, in dem diejenigen Stellen, welche für die in der Nähe
befindlichen Gegenstände im Betracht kommen, durch Lesezeichen
angemerkt sind. Ueberdies wird an allen Schauschränken sowie an
den wichtigeren Stücken ein Hinweis auf die betreffende Seite des
Der Besuch der Sammlungen im Jahre 1893. IENAN
Führers gegeben werden. Dabei verbleibt es jedoch bei unserer bis-
herigen Gepflogenheit, jedem Stücke der Sammlung eine kurze
Erläuterung beizulegen, welche über seine nicht augenfälligen Eigen-
schaften belehrt,
Der Besuch der Sammlungen im Jahre 1893.
Ta ee se ae 3 0 5.369
REIT N 3 306
DE N N seen 6 310
ST Ne el ee 11 040
VE N 2 ER EN 2 622
ee Eee, 1 902
DT en EN RT 4 566
U Te er ES RE PERLE 6 5585
DBENLENIDETSE TR ee ee 5 010
Deiobene ee a ee 6 685
Nomember Beeren 5 506
December se Nena 2 627
ZuSammen...... 60 528 Personen,
von welchen 25 730 auf die Sonntage kamen.
Die Bibliothek.
Der Besuch des Lesezimmers im Jahre 1895 ergiebt sich aus
der folgenden Uebersicht:
DENE MR EN Re 217
Bleu ee ee 147
N EEE re RE ER 149
ENDE PN, Week EEE SRRERSNEERPIRHREN: 121
ne Ne et 114
NDR N Aus re Renata on 107
EEE BE ae a en. un a. ti 82
EN ee Re sag 112
SRIBIEIIDET ee ee en 138
WIEORESTE a ee 138
ROLE TE ats cn aaa 8 ie 159
DeReji ee IR oe N 163
zusammen...... 1647 Personen,
gegen 2104 im Jahre 1892,
EVIM Museum für Kunst und Gewerbe.
Diese 1647 Personen benutzten 1065 Bände, deren Vertheilung
über die verschiedenen Fächer sich aus der folgenden Uebersicht ergiebt:
Geschichte 2 ze EINES et
Kulturgeschichte ....... U. ER AUEER 31
Eleraldiko sr er 46
Costümeeschichte zer... PETER FU
Nest hei EEE 19
Kunsteeschichteseee ee pam. en ae 94
Baukunstaneesscer. N EEE Se
Bildhauerkumst. re m Au a ehe RR 15
Malerei ........ a 16%)
Kunstgewerbe im Allgemeinen ............ 102
Decoratıon und Ormamentk : .. Samen. 261
Schrift und® Monosrammeser aa a 24
Gewebe: und Suckeren 2.7. 2:2 wer 2.
Möbel- und Holzschnitzerei ...... a Rei
Metallarbeiten- ara ze ER NR
Keramik were: RE ER A SEHE ER 0)
Aeussere Buchausstattung ............... r
Anatomie und Zoolosien 2... nenn 14
Pflanzenbilder, naturalistische u. stilisirte ... 88
Nlustrirte Werke aller Art... ee 45
Werke über Japan=a.2 2. ar. vente 29
Japanische Bilderbücher. a. mr 2er 10
Verschiedenes ar fe er 22
zusammen. ..... 1063 Bände
gegen 1608 Bände im Jahre 1892. Die Blätter der graphischen
Sammlungen (Hamburgensien, Gelegenheitsblätter, Ornamentstiche,
53 Fällen benutzt. Die Benutzung der im
Lesezimmer aufliegenden Zeitschriften sowie der Vorbilder-Sammlung
Photographien) wurden in
steht jedem Besucher des Lesezimmers ohne Ausfüllung eines Verlang-
zettels frei; daher bleibt die Zahl der benutzten Bände hinter der-
jenigen der Besucher zurück.
Im Lesezimmer gezeichnet wurden: 42 Fayencen und Porzellane,
9 Holzschnitzereien, 3 Bronzearbeiten, zusammen 54 Gegenstände.
Ueber diejenigen Gegenstände, welche ohne Entfernung von ihrem
Aufstellungsort in der Sammlung gezeichnet werden, findet keine
Kontrolle statt,
Die Bibliothek. BIX
Ausgeliehen wurden im Jahre 1893 407 Bände gegen 408 im
Jahre 1892. Ihrem Inhalte nach vertheilen sich dieselben folgender-
massen:
Geschichte A 6
Kulturgeschichte ........:: ER EHE 33
Ele ee ee =li6
@ostingeschiehte 2. are. alas. LS
NER THE ee en Se u
Komstsesehichte.... u.a. nee 54
Balunsi So eres ER
Bildhauerkunstis sa se... een BADER 3
Nelere te A er en er
Kunstgewerbe im Allgemeinen ............. 3
Becoratıon, und, Ornamentk - 2. u „u .n..: 23
Sehriitzund Monosrtamme 22.2.2. 2.22.02... 16
Geweberund Stiekereien, . 2.00... ana-2: 10
Möbel und Holzschnitzereien. ....::....... 3
Mesallanbewene „2.342 .2n0 222. nern 9
er A a art 21
Aeussere Buchausstattung... .......... 2... ... 4
Anatesmie und Zoologie. ...... 2... ...4%: 19
Pftlanzenbilder, naturalistische und stilisirte ... 11
Nlusteirte Werke. äller Art. ........2....... 23
erkesubersJapane „.0..23.. 0... 2 2 2 0r 13
JapanıschesBilderbücher +... . un. neszueH: 13
Derschredenies: u an er. 12
zusammen......407 Bände
Ausserdem 87 Blätter der Vorbilder-Sammlung, 76 Photographien,
29 Zeichnungen, 14 Blätter aus der Hamburgensien - Sammlung,
230 Gelegenheitsblätter, zusammen 436 Einzelblätter gegen 449
im Vorjahre.
Entleiher dieser Bücher und Blätter waren 129 verschiedene
Personen, welche sich ihren Berufen nach folgendermassen vertheilten :
Zeichner für das Kunstgewerbe............. 9
Architekten... .. BE »®
NSS ee 4
DE en N Y
eeorahionemaler anal: 5
Vorkrassar, 2. 31 Personen
NEE Museum für Kunst und Gewerbe.
Vortrae,. = 31
Malemnnenmer... 22... Be a EEE TERM
Gelehrte A ,
Tkehrer ‚und lehrerinnen. ..........n... de
Möbelfabrikanten und Tapeziere ........... 8
Kunstischmuedete N N er 2
Ledertechniker und Buchbinder .... ..... ea IS
Lithographen und Buchdrucker ......... ur:
Kunststiekerinnenays an een a
Verschiedene Beinfe ..2..... 2.000... 23
Damen@ohne Beruf. zer ee 16
zusammen ..... 129 Personen
Ferner wurden zur Benutzung ausserhalb der Anstalt entliehen
150 Gegenstände der Sammlung, welche sich folgendermassen vertheilten::
S Stickereien, 13 Gewebe, 56 keramische Arbeiten, 1 Glas, 17 Möbel
und Holzschnitzereien, 42 Arbeiten aus unedlen Metallen, 27 Edel-
metallarbeiten, 6 Bucheinbände und Lederarbeiten, 10 japanische Körbe.
Nicht inbegriffen hierim sind die für den Zeichenunterricht in
den gewerblichen Lehranstalten entliehenen Gegenstände.
Die Allgemeine Gewerbeschule entlieh: 12 Gewebe,
21 Möbel und Holzschnitzereien, 5 Eisenarbeiten, 2 Metallarbeiten,
zusammen 30 Gegenstände.
Die Gewerbeschule für Mädchen entlieh: 45 Gewebe,
12 Stücke Porzellan, 15 Fayencen und andere Thonarbeiten, 1 Holz-
schnitzere, 7 Metallarbeiten, 1 japanischen Korb, zusammen
84 Gegenstände.
Theekümmchen von Raku-Waare, leuchtend
gelbroth mit weiss eingelegten Kieferzweigen.
Japan. Anfang des 19. Jahrhdts. . nat. Gr.
(Geschenkt von Fräulein J, und M. Hirsch.)
Die Vente Spitzer in Paris. EXT
Anhang.
Die Versteigerung der Sammlung Spitzer in Paris.
Ergebnisse und Erfahrungen.
Der Versteigerung der Collection Spitzer m Paris, der
bedeutendsten jemals unter den Hammer gelangten Sammlung kunst-
gewerblicher Alterthümer, hatte man seit dem am 23. April 1890
erfolgten Tode ihres Besitzers mit Spannung entgegengesehen. Man
erwartete, dass diese Versteigerung, indem sie zahlreiche Kostbarkeiten
dem freien Verkehr wieder zuführte, von ausschlaggebender Bedeutung
für die Preisbildung auf dem Antiquitätenmarkt sein werde. Neben
den Sammlern und Händlern rüsteten sich zu diesem Wettstreit viele
Museen, um bei dieser unvergleichlichen Gelegenheit Altsachen zu
erwerben, wie sie in unseren Tagen nur ausnahmsweise noch auf den
Markt gelangen. In der That erwies sich die Versteigerung, die sich
in geschickt bemessenen Abschnitten vom 17. April bis zum 16. Juni
d. J. 1893 erstreckte, als „la plus grande vente du siecle“. Sie
bestätigte das allen Kundigen verständliche Steigen der Preise für
Altsachen von hervorrragender Schönheit und Seltenheit zugleich mit
dem Stillstand oder Sinken der Preise für Altsachen mittleren Ranges
und häufigeren Vorkommens; nebenher aber wurde in ihr unerbittliches
Gericht gehalten über die Kennerschaft ihres Vorbesitzers und seiner
gelehrten Mitarbeiter an der grossen Ausgabe seimes Kataloges. In
dieser Hinsicht offenbarte die Versteigerung erschreckende Fortschritte
der Fälscherkünste. Die Thatsache, dass auf die Dauer nichts so fein
gesponnen, als dass nicht eines Tages doch die Wahrheit zu Tage
komme, kann diejenigen wenig beruhigen, die im Interesse der
geschichtlichen Wahrheit arbeiten und sammeln; es gilt vielmehr, nach
Kräften Schritt zu halten mit den Fälschern und ihre Werke zu
erkennen, bevor sie sich eingebürgert und durch schön ausgestattete
Kataloge Ursprungszeugnisse erlangt haben, die das Urtheil harmloser
Käufer gefangen nehmen. Auch in dieser Hinsicht war die Vente
Spitzer von weittragender Bedeutung.
Friedrich Spitzer, ein Wiener von Geburt, hatte sich
im Jahre 1852 in Paris niedergelassen, das schon damals ein
Mittelpunkt des Kunsthandels war. Seine aus der Erfahrung des
Handelns mit Antiquitäten erwachsene Kennerschaft und seine ausser-
ordentliche geschäftliche Gewandheit trugen ihm einen Weltruf als
Händler und ein bedeutendes Vermögen ein, das ihn in den Stand
EX Museum für Kunst und Gewerbe.
setzte, den Antiquitätenmarkt zu beherrschen, wie er wollte, und
jeden Preis an den Erwerb einer Seltenheit zu wagen, nach der
sein oder seiner Hintermänner Begehren stand. Während er seine
persönlichen Neigungen als Sammler derselben Richtung zuwandte,
wie vor ihm du Sommerard, aus dessen Sammlung das Musee de
Cluny hervorgegangen, und Sauvageot, dessen Sammlung zu dem
kostbarsten Besitz des Louvre gehört, blieb er für die nicht dem
Mittelalter nnd der Renaissance angehörigen Altsachen der neueren
Zeit der Kaufmann, durch dessen Hände viele der kostbarsten Kunst-
werke gingen, die heute die Sammlungen der Rothschilds und anderer
grossen Sammler zieren. Nachdem sein Vermögen ihm den Rücktritt von
den Geschäften gestattet hatte, lebte er nur noch der Vervollkommnung
seiner Sammlung, und zwar in gesteigerter Thätigkeit, nachdem er
in der rue de Villejust unweit des Triumphbogens der elysäischen
Felder em prachtvolles Haus erbaut hatte, in dessen Räumen
er seine Kunstschätze mit vollendetem Geschmack zur Schau stellte.
In den letzten Jahren seines Lebens mag ein fieberhafter Drang,
seine neuen Museumsräume immer mehr mit überraschenderen, nie
gcsehenen Kostbarkeiten zu füllen, einerseits, abnehmende Schärfe des
Blickes anderseits den aller Listen des Antiquitätenhandels kundigen
alten Herrn verleitet haben, gelegentlich selber im die Fallstricke der
Fälscher sich zu verfangen und seinem älteren zweifellosen Besitz
erstaunliche Stücke von bestrittener Aechtheit oder selbst unbestrittener
Unächtheit anzureihen. Nur so scheint sich sein Besitz gewisser
Stücke zu erklären, über die seine Vente endgültig abgeurtheilt hat.
Falsche Stücke konnten bei diesem Anlass im Allgemeinen — eine
Abtheilung, die der Tanagra-Figuren, ausgenommen — nicht Stand halten.
Bei der grossen Anzahl der Käufer, mochten es Liebhaber, berufs-
oder gewerbsmässige Kenner sein, konnte die Wahrheit nicht verborgen
bleiben, auch wenn sie nicht immer laut verkündet wurde. Hinzukam,
dass der Verkauf ein durchaus remlicher war, insofern die Erben
keinerlei Rückkauf beabsichtigten und daher jenes maasslose künstliche
Treiben der Preise unterblieb, das vom Rückkauf untrennbar ist, auf
so vielen deutschen Versteigerungen Aergerniss erregt und nur zu oft
zur Verschleierung von Fälschungen missbraucht wird. Zu dem
würdigen Verlauf der Vente trug vor Allem bei die über alles Lob
erhabene Sicherheit und Unparteilichkeit, mit der CharlesMannheim,
der erste der Pariser Experten, die Versteigerung leitete. Dank seiner
sich stets gleich bleibenden liebenswürdigen Ruhe vollzog sich die
Versteigerung ohne den mindesten Zwischenfall zur Genugthuung Aller,
die gekommen waren zu kaufen und zu lernen.
Die Vente Spitzer in Paris. EXIH
Die folgenden Angaben, welche theils auf meinen Erfahrungen
bei der Versteigerung beruhen, theils den Angaben im Bulletin des
Musees entnommen und durch directe Mittheilungen einzelner Directoren
ergänzt sind, können auf Vollständigkeit keinen Anspruch erheben.
Einerseits sind manche, bei der Vente Spitzer in die Hände von
Händlern gelangte Stücke erst nachträglich von den Museen angekauft
worden. Anderseits haben auch wohl einzelne Museen als Deckadressen
für private Käufer gedient, wie ebenso gelegentlich letztere für erstere
eingetreten sind. Immerhin wird die nachfolgende Uebersicht eine
annähernd zutreffende Vorstellung davon vermitteln, welch’ ansehnlicher
Bruchtheil der von Spitzer angehäuften Kunstschätze durch diese
denkwürdige Versteigerung dem Handel endgültig entzogen ist und in
die öffentlichen Museen seinen Einzug gehalten hat.
Nur wenige Werke des classischen Alterthums waren von Spitzer
in den letzten Jahren seiner Sammlung angereiht worden, Bronzen, sowie
figürliche Terracotten von der Art jener als Tanagra-Figuren berühmt
und berüchtigt gewordenen. Um die Echtheit eines grossen Theiles
dieser klemen Kunstwerke ist bekanntlich ein heftiger Streit entbrannt:
Die Einen, vorzugsweise deutsche Archäologen, weisen in das Gebiet
der Fälschung gewisse Figuren und Gruppen, die sich durch ihre von
moderner Empfindsamkeit getränkten Vorwürfe und ihre raffınirte, ın
modernem Geiste elegante Gestaltung von den schlichteren, antikes
Empfinden athmenden Figuren aus nachweislich sicheren Fundorten unter-
scheiden und nur als Handelswaare ohne sicher nachweisbare Herkunft
aus griechischen Gräbern auftreten. Die Anderen, darunter französische
Kenner von namhafter Tüchtigkeit, steifen sich noch immer auf die
Echtheit dieser merkwürdigen Fälschungen, sehen in ihnen die Enthüllung
eines neuen Gebietes antiker Kunstempfindung und verlangen den
Nachweis, wo und von wem heute diese kleinen Meisterwerke angefertigt
werden, die in der That ein reiches und mannigfaltiges künstlerisches
Können verrathen. Diesen Nachweis zu erbringen, ist allerdings den
Leugnern des altgriechischen Ursprungs der Pseudo-Tanagra- (oder
Myrrhma-) Figuren bisher nicht gelungen, und auf diesen Umstand
mögen Diejenigen sich berufen, die ihren guten Glauben an die antike
Geburt der reizenden Terracotten Spitzers mit der Zahlung von
Tausenden von Frances für jedes einzelne Stück bekräftigten. Die
Gruppe des jungen Mädchens, das von Merkur dem Charon zugeführt
wird, brachte es gar auf 11,000 frs. Die 35 Nummern dieser Ab-
theilung zusammen trugen 130,540 frs. em, im Durchschnitt 3729 frs.
Nur ein Stück (die Glasschale No. 35) ging an eine öffentliche
Sammlung, die hamburgische.
ERIV Museum für Kunst und Gewerbe.
Zu den werthvollsten Abtheilungen der Sammlung Spitzer gehörten
die Elfenbein-Arbeiten. Unter den 175 Nummern des Kataloges
waren nur sehr wenige zweifelhafte und diese von untergeordneter
Bedeutung. Für die Güte dieser Abtheilung zeugten denn auch nicht nur
die hohen Preise, die von den besseren Stücken erreicht wurden, sondern
auch die Thatsache, dass aus keiner Gruppe mehr Stücke, als aus
dieser in öffentliche Museen übergimgen. Die besten Stücke waren
mittelalterliche Arbeiten; die wenigen jüngeren Stücke, etliche Elfenbein-
humpen, zeigten, dass bei der Spätrenaissance Spitzers Interesse
erlahmte. Die 175 Nummern des Kataloges brachten zusammen nicht
weniger als 773,680 frs., demnach jedes Stück im Durchschnitt 4421 frs.
Von den 175 Nummern wurden 24 für öffentliche Sammlungen erworben
zum Gesammtpreis von 226,700 frs. (Durchschnitt 9446 frs.). Vier der
hervorragendsten Stücke fielen dem Hamburgischen Museum zu, eine
kleine Madonna aus dem 13. Jahrhundert (No. 72, Preis 4100 frs.),
eine Madonna aus dem 14. Jahrhundert (No. 90, Preis 13,100 frs.),
das Triptychon (No. 129, Preis 4650 frs.) und die Spiegelkapsel mit
der Scene aus Tristan und Isolde (No. 105, Preis 2050 frs.). Mehrere
Elfenbeinarbeiten von hohem Werth gingen in den Besitz des ham-
burgischen Sammlers Herrn Julius Campe über; unter ihnen jenes
kostbare Messer nebst Scheide (No. 177), das schon im Jahre 1829
in Willemin’s Monuments francais veröffentlicht worden ist und später
der berühmten Sammlung Debruge-Dumenil angehört hat.
Auch die Abtheilung der Lederarbeiten zeichnete sich durch
vorzügliche und wohlerhaltene, nur hie und da von neuzeitigen Ver-
schönerungsversuchen (Auffrischung der Bemalung) wenig berührte Stücke
aus. Die 75 Nummern brachten zusammen 107,955 frs. (Durchschnitts-
preis 1439 frs.). Auch von dieser Abtheilung gingen viele wichtige
Stücke in die feste Hand öffentlicher Sammlungen über, im Ganzen
22 Stücke für zusammen 52,235 frs. (Durchschnittspreis 2374 frs.).
Dem Hamburgischen Museum verblieben 3 ausgezeichnete Stücke, die
Lederkapsel von englischer Arbeit (No. 850, Preis 3800 frs.), die
spanische Jagdflasche (No. 834, Preis 4010 frs.) und die venetianische
Kapsel (No. 828, Preis 630 frs.).
Von hoher Bedeutung war die Abtheilung der mittelalter-
lichen Goldschmiedearbeiten. Dabei können jedoch gewisse That-
sachen nicht verschwiegen werden, die bei eingehenderer Prüfung jedem
Kundigen sich aufdrängen mussten, und für die der auffällige Preissturz
einer Anzahl scheinbar hervorragender Stücke einen entscheidenden
Beweis erbrachte. Weniger bedenklich war das Vorkommen einzelner
offenbar gefälschter Stücke, die keinem Sammler ganz erspart bleiben.
Die Vente Spitzer in Paris. TXV
Von ihnen sei hier nur die grosse aus Silber getriebene Jungfrau
Maria mit dem Jesuskinde (No. 290 des Auctions-Kataloges, abgebildet
im Band I, Tafel XVI des grossen Kataloges) genannt. Diese
Madonna, die i. J. 1889 in der Ausstellung des Trocadero Vielen
noch als der „clou* der mittelalterlichen Kunstwerke gegolten
hatte und nur von Wenigen im Geheimen angezweifelt worden
war, wurde jetzt allgemein als das Werk eines Fälschers unserer Tage
anerkannt. Ehrlicher Weise hatte schon der Auctions-Katalog im
Gegensatz zum grossen Katalog die Angabe der Entstehungszeit
fortgelassen, und diese Figur nur als „flandrische Arbeit“ bezeichnet.
Sie brachte es denn auch nur auf 8000 frs., d. h. nicht viel mehr
als den Betrag, den ein solches Kunstwerk als neuzeitige Arbeit werth
sein mag und nur ein Zehntel der Summe, welche Spitzer gutgläubig
dafür geopfert haben soll. Die gleiche Vorsicht, wie bei jener Madonna,
war von dem Auctions-Katalog auch in einigen anderen Fällen beobachtet
worden, z. B. bei den beiden grossen silbernen Kirchenleuchtern No. 342,
die nur als „deutsche Arbeit“ bezeichnet waren und es denn auch
verdientermaassen nur auf 2300 frs. brachten. Unbillig wäre es übrigens,
zu verlangen, dass ein derartiger Katalog über den Werth oder Unwerth
jedes einzelnen Stückes Auskunft gäbe. Um dies zu können, müssten
die Verfasser über ein Wissen und eine Musse verfügen, die ihnen
kaum jemals für solche Arbeit zur Verfügung stehen. „Augen für
Geld“ wird daher auch hier das Loosungswort bleiben, wie überall
im Handel mit Altsachen. Soweit sich bestimmte Verdachtsgründe
ergaben, sind sie für das Hamburgische Museum aufgezeichnet worden,
um in Zukunft benutzt zu werden, wenn die von ihnen betroffenen
Stücke unter Berufung auf die Kataloge Spitzers wieder als
alt auftauchen sollten. Aergerlicher als solche Fälschungen waren
einzelne Gegenstände, die aus Bestandtheilen alter ächter Stücke so
geschickt zusammengebaut waren, dass es der pemlichsten Untersuchung
bedurfte, um über sie in’s Klare zu kommen. In dem unvollkommenen
oder durch Zuthaten späterer Stilperioden veränderten Zustand, in dem
die Bestandtheile von Monstranzen, Reliquienbehältern, Leuchtern auf
unsere Tage gekommen waren, hätten sie für öffentliche Sammlungen,
deren erstes Gesetz die geschichtliche Wahrheit bleibt, höheren Werth
gehabt, als in einer Gestalt, die sie freilich gebrauchsfähig und stilrein
erscheinen liess, aber ihre Bedeutung als kunstgeschichtliche Dokumente
erschütterte oder zerstörte. Diese Thatsache muss man sich gegen-
wärtig halten, um zu verstehen, warum gewisse Gegenstände,
z. B. die grosse Reliquien-Monstranz No. 305, die scheinbar zu
den Glanzstücken der Sammlung gehörten, zu Preisen verkauft
6
IR Museum für Kunst und Gewerbe.
wurden, die unverhältnissmässig niedriger waren als die Preise
von weniger prunkenden, aber in ihrer ursprünglichen Erhaltung be-
wahrten Altsachen von verwandter Art. Zu einer gleichen Bemerkung
führte auch die Beobachtüng, dass manche an und für sich unver-
dächtige Stücke ersichtlich gewissen Verschönerungsarbeiten unterzogen,
z. B. neuvergoldet, emaillirt oder bemalt worden waren. Spitzer war
offenbar mehr begeisterter Liebhaber als treuer Bewahrer der alten
Werke und kleidete daher diejenigen semer Lieblinge, an denen der
Zahn der Zeit allzu sichtbare Spuren hinterlassen hatte, öfter m
ein dem Auge des Beschauers schmeichelndes Gewand, das sie
gleichwerthig erscheinen liess den Stücken von tadelloser Erhaltung,
mit denen sie m Reih und Glied stehen sollten. Nachdem der Glaube
einmal erschüttert war, kam es wohl auch vor, dass sich unberechtigte
Zweifel gegen solche Stücke wandten, die im Grunde unbezweifelbar
waren und nur durch ihre ungewöhnliche Frische überraschten.
Aller derartigen Bedenken ungeachtet erreichten die 133 Nummern,
die der Katalog m der Abtheilung „Orfevrerie religieuse“ vereinigt
hatte, einen Durchschnittspreis von 4283 frs., im Ganzen 783,470 frs., aber
nur 11 Stücke zum Gesammtpreis von 143,290 frs. (Durchschnitt
13,026 frs.) wurden öffentlichen Sammlungen einverleibt. Obwohl
nicht wenige der 85 Stücke, die der Katalog unter der Ueberschrift
„Orfevrerie civile“ aufzählte, zu ähnlichen Bedenken Anlass gaben
wie die Werke der kirchlichen Goldschmiedekunst, erreichten sie einen
höhern Durchschnitt, 5184 frs., und im Ganzen 440,650 frs. Aber
nur sehr wenige derselben gingen in den Besitz der Museen über, nur
3 Stücke für zusammen 12,100 frs. Erwähnt darf werden, dass einige
in hohem Grade museumswürdige Stücke, insbesondere das kostbarste
Stück der ganzen Abtheilung, der schöne niellirte Pokal No. 1740,
eine Augsburger Arbeit des 16. Jahrhunderts, sowie No. 1752, der
Becher in Gestalt des Wappenlöwens der Oelhafen, eine Nürnberger
Arbeit v. J. 1564, in die Sammlung des Herrn Heinrich Wencke
zu Hamburg übergegangen sind. Derselbe hatte auch das Glück, die‘
zu diesem Geschlechtsbecher gehörigen Messer und Gabel, No. 2350
und 2381, aus altem Oelhafen’schen Besitz, zu erwerben.
Von allen Abtheilungen den höchsten Ertrag brachten die
Schmelzmalereien von Limoges, 172 Nummern zusammen
1,004,475 frs. Der Durchschnitt übertraf mit 5840 frs. noch den-
jenigen der drei, dem Gesammtertrage nach zunächststehenden Ab-
theilungen, der italienischen Fayencen, der kirchlichen Goldschmiede-
Arbeiten und der Elfenbein-Arbeiten. Nur für wenige Stücke traten
Museen als Käufer auf, und dann nicht immer siegreich; es
Die Vente Spitzer in Paris. LXVII
scheint, als ob die Sammellust der französischen Liebhaber sich mit
frischen Kräften den Limousiner Schmelzmalereien zuwendet, die
allerdings unter den Ruhmestiteln des französischen Kunstgewerbes der
Renaissance den ersten Rang behaupten. Für öffentliche Sammlungen
wurden nur 5 Nummern zum Gesammtpreis von 39,350 frs. erworben.
Den höchsten Preis, 51,000 frs., erzielte das nur 0,089 m hohe und
0,150 m breite Plättchen, auf dem Jean I. Penicaud nach einem Stiche
Dürers die Anbetung der h. drei Könige in zartester Grisaillemalerei
wiedergegeben hat. Das Louvre musste trotz seiner ausserordentlichen
Mittel dieses kleine Meisterwerk einem im Dunkeln bleibenden Crösus
überlassen. Die hohen Preise bezeugten, dass die Sammler, die in
Frankreich zu einem guten Theil auch Kenner sind, der Aechtheit der
ausgebotenen Stücke vertrauten und an Ausbesserungen, wenn sie mit
vollendeter Technik beschafft sind, bei Altsachen dieser Art keinen
Anstoss nehmen.
Unter der Benennung „Pierres dures“ verzeichnete der Catalog
46 Gegenstände kleinentheils kirchlichen, grösstentheils weltlichen
Gebrauchs aus Bergkristall, Jaspis, Agat, Lapislazuli, Bernstein oder
Perlmutter, zumeist in emaillirten Fassungen aus Gold oder Silber.
Sie brachten einen sehr hohen Durchschnittspreis, 8,979 frs., im Ganzen
j] b) ?
415,020 frs., aber nur emer von ıhnen zum Preise von 3500 frs. wurde
für ein Museum erworben. Den höchsten Preis, 70,000 frs., einen der
2 I ))
höchsten der in dieser Versteigerung für ein einzelnes Stück erzielten
oO ?
Preise, erreichte ein sehr schöner kleiner Eimer aus Berekristall in
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emaillirter Goldfassung von italienischer Arbeit (No. 2598).
Schmuckstücke, Medaillons, Brustkreuze, Anhänger waren
89 vorhanden, die im Durchschnitt 3,518 frs., zusammen 313,130 frs.
eintrugen. Ihnen schlossen sich 78 Ringe an, die im Durchschnitt
187 frs., zusammen 53,630 frs. brachten. Die Ankäufe der Museen
hielten sich für beide Abtheilungen erheblich unter dem Durchschnitt;
sie erstreckten sich auf nur 9 Schmuckstücke zum Durchschnittspreise
von 1910 frs., zusammen für 17,190 frs., und auf 6 Rmge zum
Durchschnittspreis von 418 frs., zusammen für 2505 frs.
Die Abtheilung der Taschenuhren brachte mit ihren
5l Nummern 143,730 frs., im Durchschnitt 2,818 frs. Die Preise
hielten sich in bescheidenen Grenzen; der hohe Durchschnitt erklärt
sich nur dadurch, dass einige wenige Stücke durch den Wettstreit
Mr. Salting’s mit einem Händler-Consortium zu enormen Preisen hin-
aufgetrieben wurden. Auf diese Weise erreichte eine allerdings sehr
schöne Taschenuhr in emaillirtem Gehäus, englische Arbeit des
E3
e
LXVII Muscum für Kunst und Gewerbe.
16. Jahrhunderts (No. 2710) den Preis von 35,000 frs., vor dessen
Höhe selbst Mr. Salting zurückwich. Aus dieser Abtheilung ging
kein Stück an die Museen.
Die Abtheilung der Bronzen zählte nur 52 Nummern, unter
denen sich jedoch eine Anzahl von Stücken ersten Ranges befanden.
Sie brachte es denn auch auf sehr hohe Preise, 7940 frs. im Durch-
schnitt, 412,920 frs. im Ganzen. Die Mehrzahl ging an private
Sammler, nur ein Stück, die Büste No. 1458 um 41,000 frs. an ein
Museum. Grosses Aufsehen erregte der erst zu 44,000 frs. erfolgte
Zuschlag einer klemen bronzenen Statuette Peter Vischers (No. 1456),
über deren Herkunft aus der eigenen Werkstatt des Meisters die
Ansichten getheilt waren; ein Wiener Sammler hatte sich dieses Werk
gesichert. Einen hohen Preis, 46,500 frs., erzielte auch der dem
Andrea Briosco zugeschriebene Reiter auf ungesatteltem Pferde (No. 1454).
/wei grosse Kaminböcke, venetianische Arbeiten des 16. Jahrhunderts
(No. 1480 und 81) brachten es gar auf 51,000 frs. und zwei ebenfalls
norditalienische Leuchter (No. 1476) auf 31,500 frs. Dergleichen
ausserordentliche Preise erklären sich durch die unmittelbare Ver-
wendbarkeit derartiger Bronzen in der Wohnung des vornehmen Lieb-
habers, im Vergleich mit anderen Stücken, die nur eine sammlungsmässige
Aufstellung gestatten.
Gegossene Medaillen zählte der Katalog 145 auf, 97 italienischen,
31 deutschen, 17 französischen Ursprungs, von denen die ersteren
zusammen 29,140 frs., im Durchschnitt 300 frs., die letzteren 3269 frs.,
im Durchschnitt 192 frs., die deutschen den höchsten Durchschnittspreis,
419 frs., zusammen 13,010 frs. ergaben. Schon aus diesen Beträgen
erhellt, dass diese Abtheilung nicht zu den Glanzpartien der Sammlung
Spitzer gehörte. Von Museen ersteigert wurden nur 11 Stücke für
zusammen 4355 frs., im Durchschnitt 396 frs.
Etwas besser waren die bronzenen Plaketten vertreten, mit
119 Nummern, die im Durchschnitt 576 {rs., zusammen 68,531 frs.
eintrugen. Von Museen angekauft wurden 23 Stücke für zusammen
8966 frs. (Durchschnitt 390 frs.), — die italienischen zumeist von dem
kgl. Museum zu Berlin, die französischen von dem Medaillen-Cabinet
zu Paris.
Unter der Ueberschrift „Dinanderie“, die von der Stadt
Dinand, einem Hauptort für die Herstellung von Gefässen und Ge-
räthen aus Gelbguss, abgeleitet ist, verzeichnete der Katalog 22 Leuchter,
Kannen, Aquamanilen und Mörser von zumeist noch mittelalterlicher
Arbeit. Sie brachten bei einem Durchschnitt von 2046 frs. zusammen
45,020 frs. Den höchsten Preis, 10,700 frs. erreichte das Aquamanile
Die Vente Spitzer in Paris. LXIX
in Gestalt einer Sirene, No. 974. Fünf Stücke für zusammen 15,420 frs.,
im Durchschnitt zu 3004 frs., gingen in den Besitz von Museen über.
Der muselmännische Orient war nur mit vier Stücken, „Cuivres
d’orient“, vertreten, die zusammen 6400 frs. brachten.
Von Standuhren zählte die Sammlung nicht weniger als 70,
die zusammen 143,730 frs., im Durchschnitt 2818 frs. eintrugen.
Stücke von ausserordentlichem Werth waren nicht darunter; der
höchste Preis belief sich nur auf 9100 frs., die für eine deutsche
astronomische Uhr v. J. 1568 bezahlt wurden. Nur ein Stück, zu
1650 frs., wurde von einem Museum gekauft.
Sehr auffällig war, dass die weltberühmte Sammlung Spitzers
von wissenschaftlichen Instrumenten zu äusserst billigen Preisen
wegging. Im Durchschnitt brachte jede der 184 Nummern nur 272 frs.,
alle zusammen 50,093 frs. Warum gerade diese Abtheilung solches
Schicksal hatte, ist nicht leicht zu erklären. Fälschungen waren und
sind bei dergleichen Instrumenten so gut wie ausgeschlossen. Jenes
„Veredelungs-Verfahren“, das bei manchen Goldschmiedearbeiten eine
unheilvolle Rolle gespielt, hatte hier keine Spuren hinterlassen. Man
darf wohl annehmen, dass die privaten Sammler für derartige Instrumente,
die zummeist decorativ unwirksam sind, nur geringe Theilnahme hegen
und daher in den Wettbewerb nicht eintraten. Spitzers Scharfblick
hatte frühzeitig die Bedeutung der alten Instrumente nicht nur für
die Geschichte der mathematischen Wissenschaften und der Erdkunde,
sondern auch für das Kunstgewerbe erkannt. Er war als grösster
Käufer solcher alten Metallarbeiten der Schreckensmann gewesen, mit
dem die Verkäufer den Kunden gegenüber ‘ihre hohen Forderungen
begründeten. Nun er selber die Preise nicht mehr halten konnte,
fielen sie plötzlich. FEinigen Einfluss mochte auch der Umstand
haben, dass diese Instrumente gegen das Ende der Auction
zum Aufruf gelangten, als die Kaufmittel mancher _ Streiter
erschöpft und eine allgemeine Ermüdung eingetreten war. Wie
dem sein mochte — eine für uns erfreuliche Folge davon war, dass
für das Hamburgische Museum 16 Stücke zum Gesammtpreis
von 17,187 frs. angekauft werden konnten, der Zahl nach noch nicht
ein Zwölftel, dem Geldwerth nach aber ein Drittel der ganzen Abtheilung;;
und dabei die kunstgewerblich schönsten und wissenschaftlich werth-
vollsten Stücke, wie schon aus dem Durchschnittspreis von 1074 frs.
erhelt, dem Vierfachen des allgemeinen Durchschnittspreises.
Darunter befanden sich die Hauptstücke: das italienische Astrolabium
des Alphenus Severus vom Ende des 15. Jahrhunderts (No. 2934,
Preis 2100 frs.), das grosse deutsche Astrolabium mit den Planeten-
EXX Museum für Kunst und Gewerbe.
göttern vom Ende des 16. Jahrhunderts (No. 2780, Preis 1900 frs.),
das grösste der arabischen Astrolabien (No. 2892 zu 520 frs.), das grosse
astronomische Besteck mit dem östereichischen Kaiserwappen (No. 2935,
Preis 3000 frs.), das Kanonenvisir des Nürnbergers Paulus Reinmann vom
Jahre 1599 (No. 2820, Preis 2450 frs.), zwei astronomische Bestecke des
Augsburgers Christoph Schissler von 1566 und 1577 (No. 2907 und
2792); die deutsche Armillarsphäre aus dem 16. Jahrhundert (No. 2875,
Preis 2020 frs.). Zusammen mit den vom Germanischen National-
Museum in Nürnberg, dem Prager Museum und dem N. S. Kensington
Museum in London gekauften Instrumenten gingen 32 Stücke zum
(resammtpreis von 24,670 frs. (Durchschnitt 771 frs.), in öffentliche
Sammlungen über.
Stattlich erschienen die Schlosserarbeiten mit 34 Nummern,
aber ihr Glanz war mehr oder minder verdächtiger Art, insofern
dieselbe Geschmacksrichtung, die Herrn Spitzer vom Verschönern mancher
seiner Goldschmiedearbeiten nicht zurückgehalten hatte, sich bei den
Eisenarbeiten in übertriebener Säuberung vom Rost des Alters bemerkbar
machte. So gründlich war bei vielen Stücken die Entfernung von aller
naturgemässen Patina bewirkt worden, dass manches gothische Schloss
unter den vielleicht ganz unverdienten Verdacht fiel, es könnten an
ihm Ergänzungs- und Verschönerungsarbeiten vorgenommen sein.
Im Ganzen trug diese Abtheilung 58,625 frs, im Durschnitt 1724 frs.
ein. Nur wenige Stücke, 3 für zusammen 4980 frs., im Durchschnitt
zu 1660 frs., wurden für Museen ersteigert.
Den Thürklopfern und Schlössern reihte sich eine Sammlung
von 624 Schlüsseln an, die im Durchschnitt 558 frs., zusammen
34,600 frs. brachten. Einzelne Schlüssel erzielten sehr hohe Preise, den
höchsten, 9200 frs., ein entfernt an den berühmten Schlüssel der Strozzi
erinnernder, No. 914. Nur zwei Schlüssel für zusammen 775 frs. gingen
an ein Museum.
Als „Coutellerie“ verzeichnete der Katalog 215 Geräthe für
den persönlichen Gebrauch, zumeist Speisegeräthe, wenige Jagd- und
Handwerksgeräthe. Sie erreichten einen Durchschnitt von 370 frs.,
zusammen 79,614 frs. Für die besseren Stücke wurden ausserordentliche
Preise erzielt, da dieses Gebiet von vielen Sammlern mit Vorliebe
gepflegt wird. Auch einige Museen traten in den Wettbewerb ein und
erwarben 18 Stücke für zusammen 12,500 frs., einen Durchschnittspreis
von’ ll frs;
Die Abtheilung der italienischen Fayencen (Majoliken)
war unter den glänzendsten der Sammlung Spitzer zu rühmen. Von
Fälschungen wurde nicht das mindeste bemerkt; gegen geschickte
Die Vente Spitzer in Paris. EXRXI
Ausbesserungen, an denen es freilich nicht fehlte, sind Museen und
Liebhaber gerade bei den Majoliken nicht sonderlich empfindlich mehr.
Die 225 Nummern dieser Abtheilung brachten zusammen 975,860 frs.,
im Durchschnitt also jedes Stück 4290 frs. Die Thatsache, dass von
diesen 225 Stücken nur 24 zum Gesammtpreise von nur 48,405 frs.,
also zu dem tief unter dem Durchschnittspreis der ganzen Abtheilung
liegenden Durchschnittspreis von 2013 frs. von öffentlichen Sammlungen
erworben worden sind, ist nicht etwa ebenso zu deuten, wie das Fernbleiben
der Museen von den griechischen Terracotten. Vielmehr erwies sich
hier die Kaufkraft einiger Liebhaber, allen voran die des Mr. Salting,
von so rücksichtsloser Gewalt, dass die grösseren Museen bei den besten
Stücken, auf die sie allein ihre Absichten hätten lenken können,
alsbald überflügelt wurden, soweit sie nicht in Voraussicht des
Kommenden von vornherein auf jeden Wettbewerb verzichtet hatten.
So gingen denn, um nur einige der das grösste Aufsehen erregenden
Käufe zu erwähnen, folgende Hauptstücke zu bis dahin unerhörten
Preisen in Privatbesitz über. Die wunderschöne, „Jacopo in Chaffagiuolo“
bezeichnete Schüssel mit der nach des Holofernes Tödtung flüchtenden
Judith (No. 1036) wurde zu 52,000 frs. zugeschlagen, und die nicht
minder schöne Schüssel mit dem reichen Grotteskornament und der
Leda (No. 1038), die im Jahre 1884 bei der Versteigerung der
Sammlung Barpart auf Schloss Hünegg von Spitzer mit 15,875 fıs.
bezahlt worden war, brachte es diesmal auf 48,000 frs. Beide Stücke
fielen dem unersättlichen Mr. Salting zu. Eine dritte Schüssel (No. 1074),
das gepriesene Hauptstück aus dem berühmten Service, das Nicola da
Urbino für Isabella von Gonzaga-Este, die Gemahlin des Marchese von
Mantua um 1525 gemalt hat, in der Mitte mit dem Wappen der Fürstin,
auf dem breiten Rande mit der Manna-Lese in der Wüste nach einer
Zeichnung der Schule Raffaels, erreichte den Preis von 26,500 frs.,
glücklicher Weise zu Gunsten eines hamburgeischen Samnlers, des
Herrn Alfred Beit. Eine kleine Schale von Castel Durante aus dem
Jahre 1520 (No. 1148) erzielte 25,500 frs.; ein Teller des Giorgio Andreoli
von Gubbio vom Jahre 1525 (No. 1200) 25,050 frs. und so fort. Erfreulich
ist, dass noch mehrere Majoliken von grosser Schönheit, wenn auch nicht
bei, so doch alsbald nach der Versteigerung, für die Sammlung eines
hamburgischen Liebhabers gesichert worden sind; u. A. die Urbino-
Schüssel mit der von Mönchen und Nonnen im Ordenskleid des
h. Dominicus verehrten hochthronenden Madonna nach einer Zeichnung
des Fra Bartolomeo (No. 1106), die schönere der beiden grossen
dreitheiligen Schalen mit Grottesken in weissem Grund von Orazio
Fontana zu Urbino (No. 1090), die grosse ovale Schüssel desselben
XXI Museum für Kunst und Gewerbe.
Meisters (No. 1089), die grosse Schüssel von Diruta mit dem römischen
Triumphwagen in rother und gelber Lüsterfarbe (No. 1243), das Becken
von Castel Durante mit Castor und Pollux neben ihrer Mutter Leda
(No. 1117), die grosse Schale aus dem Atelier der Patanazzi zu
Urbino mit der Anbetung der h. 3 Könige (No. 1133), die Schüssel
aus dem Atelier der Fontana in Urbino mit dem Raub der Helena
(No. 1143). Alle diese und noch manche andere Perlen der Sammlung
Spitzer konnten bei der Spitzer-Ausstellung in unserem Museum
bewundert werden und schmücken heute die Sammlung unseres Mit-
bürgers, des Herrn Heinrich Wencke.
Eine Enttäuschung bereiteten die Preise der Fayencen von
Saint-Porchaire, wie man auf Grund neuerer Forschungen die früher
Henri U.- oder Oiron-Fayencen benannten eigenartigen keramischen
Erzeugnisse der französischen Hochrenaissance mit den feinen niellirten
Mauresken bezeichnet. Die sieben Stücke Spitzers brachten es
zusammen auf nur 122,300 frs. (Durchschnitt 17,471 frs.); das ist bei
weitem weniger, als nach der bis dahin steigenden Tendenz dieser
Seltenheiten erwartet wurde. Man darf das wohl als einen Beweis
dafür hinnehmen, dass die Museen, deren Mittel und Ziele an solche
Kostbarkeiten hinanreichen, ihren Bedarf gedeckt haben. Nur ein
Stück, ein Salzfass (No. 660), ging zu 9500 frs. an das Museum zu Brüssel.
Weil es sich um die Arbeiten eines Mannes handelte, der als
em kunstgewerblicher Nationalheros der Franzosen gilt, war das Sinken
der Preise für die Fayencen des Bernard Palissy noch auffälliger.
Von den 73 Stücken der Sammlung brachten es nur zwei, beides
grosse Schüsseln mit figürlichen Reliefs (No. 590 und 591) auf 10,800
bezw. 10,000 frs.; nur ein Stück, die grosse Reliefplatte (No. 589)
mit der Allegorie auf das Wasser, erzielte einen hohen Preis, 27,000 frs.
Die beiden schönen Kannen aus der Fountain-Collection erreichten jede
nur 9500 frs. Alle 73 Stücke zusammen trugen nur 135,920 frs. ein,
im Durchschnitt nur 1862 frs., weniger als die Hälfte vom Durchschnitt
der Majoliken. Dank dieser Sachlage konnten sich deutsche Museen
mit guten Palissy-Fayencen versorgen. Im Ganzen gingen in öffentliche
Sammlungen der französischen Provinz und des Auslandes über 12 Stücke
zum Preise von 14,805 frs.; für Paris, das Louvre, wurde nur ein Stück,
das erwähnte „Wasser“, angekauft. Im Ganzen gingen somit 13 Stücke
zum Gesammtpreis von 41,805 frs. in feste Hände über (Durchschnitt
3215 frs.). Die Gründe für den Preisrückgang der Palissy-Fayencen
sind mehrfacher Art. Von Einfluss ist die Thatsache, dass die grossen
französischen Museen mit Ausformungen der Modelle Palissy’s und
semer Nachfolger reichlich versehen sind. Gewiss aber sind die
Die Vente Spitzer in Paris. SCI
französischen Liebhaber sich auch bewusst geworden, dass der Geschmack
vieler dieser Fayencen, insbesondere der früher gepriesenen „rustiques
figulines“, ein zweifelhafter ist. Vervollkommnung der Fälschungen,
von denen übrigens in dieser Abtheilung der Sammlung Spitzer nichts
bemerkt wurde, mag auch dazu beigetragen haben, den Sammlern
dieses Gebiet zu verleiden.
Von spanisch-maurischen Fayencen enthielt die Sammlung
nur 18 Stücke von meistens nicht hervorragendem Werth. Sie brachten
denn auch nur 40,405 frs., im Durchschnitt 2245 frs. Nur zwei
Stücke für zusammen 1425 frs. wurden von Museen erworben. Nicht
glänzender vertreten waren die persischen Fayencen; Gefässe
waren nur 2 vorhanden, die übrigen 26 Nummern betrafen Fliesen
zur Wandbekleidung. Im Durchschnitt brachten sie nur 1207 frs.,
zusammen 33,785 frs., aber eine grössere Anzahl, 8 Nummern für
zusammen 13,960 frs. (Durchschnitt 1745 frs.), ging in den Besitz
von Museen, namentlich des Musee des arts decoratifs über.
Unter der Bezeichnung „Terres cuites“ hatte der Katalog
14 plastische Werke aus glasirtem oder unglasirtem Thon zusammen-
gefasst. Nur wenige von ihnen konnten auf höheren Kunstwerth
Anspruch erheben. Das beste Stück war ein kleines, nicht glasirtes,
nur bemaltes Medaillon des Luca della Robbia (No. 1257), das um
10,100 frs. vom Louvre angekauft wurde. Die glasirten Robbia-Werke
waren von geringem Werthe. Trotzdem brachte es ein in vielfachen
Wiederholungen bekanntes Hochrelief einer das Jesuskind anbetenden
Jungfrau auf 7000 frs. Im Ganzen trug diese Abtheilung 46,330 frs.,
im Durchschnitt 3309 frs., ein. An öffentliche Sammlungen gingen
2 Stücke für zusammen 17,100 frs.
Die Preise, die von den niederrheinischen Steinzeugkrügen
erreicht wurden, bestätigten im Allgemeinen, dass diese Altsachen von
jenem Gipfelpunkt der Werthschätzung, zu dem die Preise vor einem
Jahrzehnt auf der Auction Disch in Köln emporgeschnellt waren,
herabgesunken sind. Dies erklärt sich zum Theil daraus, dass viele
gute Modelle der Töpfer in Raeren, Siegburg oder dem Nassauischen
in vielfachen Wiederholungen sich erhalten haben, die dann durch
jene hohen Preise aus ihren Verstecken hervorgelockt sind und das
Angebot so vermehrt haben, dass die Preise sich davon noch nicht
haben erholen können. Zum Theil mag auch die Einsicht von Einfluss
gewesen sein, dass diese handwerksmässig tüchtigen Arbeiten ihren
künstlerischen Schmuck nicht unmittelbar von der Hand ihres Verfertigers,
sondern durch Abformung von Modellen erhalten haben, die vielfache
Anwendung zuliessen und fanden. Die Fälschungen spielen, trotzdem man
LXXIV Museum für Kunst und Gewerbe.
sich für sie alter Formen bedient, auf diesem Gebiet eine geringere
Rolle als auf irgend einem anderen der Keramik. Im Allgemeimen
hielten sich die Preise in mässiger Höhe; nur grosse Krüge, die als
Unica gelten dürfen, schwangen sich zu hohen Summen auf. Die
inerkwürdigsten von ihnen, so der dreiseitige Kölner Krug vom Jahre
1539 (No. 1628) zu 4000 frs. und der grosse Raerener Krug vom
Jahre 1583 (No. 1624) zu 7500 frs., nahmen ihren Weg zurück in ihre
Heimath, in die Sammlung des Barons von Oppenheim in Köln, der sich der
erlesensten aller Sammlungen rheinischen Steinzeuges rühmen darf. Im
Ganzen brachten die 86 Krüge nebst den ihnen im Katalog zugetheilten
wenigen Ofenmodellen und deutschen Fayencen des 16. Jahrhunderts
93,455 frs., im Durchschnitt 1087 frs. Der Antheil der Museen an
dieser Abtheilung war wenig bedeutend; er betrug nur 15 Stücke für
zusammen 9290 frs., emen Durchschnittspreis von 619 frs., der
erheblich unter dem allgemeinen Durchschnitt bleibt.
Die Abtheilung der Glasgefässe gehörte zu den minder-
bedeutenden der Sammlung, obwohl sich in ihr einige kostbare
Erzeugnisse der Frühzeit der venetianischen Glasmacherkunst und
etliche arabische Glasgefässe mit geschmelzten Verzierungen befanden.
Diese Seltenheiten brachten hohe Preise; eine Moscheen-Ampel,
No. 1969, 7200 frs., eine grosse arabische Flasche, No. 1973, 12,000 frs.
und ein eimerförmiges Gefäss, No. 1975, gar 14,500 frs. Hinter
diesen Preisen blieben diejenigen der emaillirten venetianischen Gläser
zurück, eine Flasche aus dem 15. Jahrhundert, No. 2008, erzielte mit
7600 frs. den höchsten Preis. Eimen- unerklärlichen Ausnahmepreis,
4500 frs., erreichte ein deutscher Adlerhumpen vom J. 1672 (No. 2027).
Die Museen betheiligten sich ziemlich lebhaft und ersteigerten
22 Stücke für im Ganzen 37,220 frs., im Durchschnitt 1692 frs.,
während alle 116 Stücke der Sammlung nur einen Durchschnittspreis
von 1134 frs., zusammen 181,430 frs. brachten.
Von den 37 Nummern der Abtheilung der Glasmalereien,
„Vitraux“, die zusammen 66,780 frs., im Durchschnitt 1804 frs.
brachten, eing kein Stück in den Besitz eines Museums über. Dagegen
wurden von den Malereien hinter Glas oder Kristall („eglomisirtes
Glas“), deren der Katalog 55 Nummern zählte, vier Stücke, zusammen
13,900 frs., im Durchschnitt für 3475 frs., von Museen erworben.
Der allgemeine Durchschnitt betrug 1626 frs., der Gesammterlös
BR dozirS.
Die Abtheilung der Möbel und Holzschnitzereien enthielt
unter den 130 Nummern des Kataloges neben den Möbeln auch die
grossen Holzsculpturen kirchlicher Bestimmung. Der mässige Erlös,
Die Vente Spitzer in Paris. LXXV
nur 380,590 frs. (Durchschnitt 2928 frs.), erklärt sich daraus, dass
gerade mehrere der schönsten Hauptstücke einen mehr salonfähigen
als sammlungswürdigen Emdruck machten. Jenes Veredelungsverfahren,
dem man die alten Renaissance-Möbel in Frankreich zu unterwerfen
pflegt, hat nur zu oft die Folge, schwer erkennbar zu machen, wo
die Wahrheit aufhört und die Dichtung anfängt. Daher treten ernste
Käufer leicht nicht ohne Voreingenommenheit den salonfähigen
Renaissance-Möbeln gegenüber; — auch Spitzer musste dies erfahren,
indem die Preise der glänzenden Hauptstücke seiner Möbelsammlung
hinter den von Vielen gehegten Erwartungen, und im Allgemeinen die
Zuschlagspreise erheblich hinter den Ausrufspreisen zurückblieben.
Nur wenige Stücke gingen in öffentliche Sammlungen über, drei Möbel
für zusammen 6000 frs. und ein Schnitzaltar zu 4600 fırs.
Obwohl die als „Coffrets“ im Katalog gesondert aufgezählten
kleinen Kastenmöbel italienischer Herkunft mit Malereien und aufge-
legten Masseverzierungen nur 7 Stücke zählten, brachten sie 38,680 frs.,
im Durchschnitt 5526 frs. ein. Weniger weit brachten es die unter
„Jeux‘ aufgeführten 10 Spieltische nebst 5 Spielen alter Karten;
sie trugen zusammen 12,571 frs. ein.
Weit bedeutender nach ihrem Kunst- und antiquarischen Werth
war die Abtheilung der Kleinschnitzereien aus Buchsholz und
Solenhofener Stein. Sie enthielt neben nur wenigen unter-
geordneten oder zweifelhaften Stücken eme Anzahl von Meisterwerken
deutscher Kleinkunst aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, die schönsten
darunter Bildnisse bürgerlicher Persönlichkeiten und um so schätz-
barer, als dieses Gebiet des Antiquitätenhandels in den letzten Jahren
durch ungewöhnlich tüchtige Fälscher sehr unsicher gemacht wird.
Die 192 Nummern dieser Abtheilung brachten zusammen 313,645 frs.,
im Durchschnitt 1634 frs. Leider gelangten nur wenige Stücke und
zwar nicht die besten in den Besitz von Museen, im Ganzen 7 Stücke
für zusammen 6780 frs., im Durchschnitt zu nur 969 frs. Das theuerste
Stück, ein mittelalterlicher Faltfächer, flabellum, mit geschnitztem
Griff (No. 2123) ging zu 25,100 frs. in den Besitz eines ungenannten
Privaten. Der schönste der Solenhofener Steine mit dem Bildniss des
Erzbischofs von Mainz, Daniel, (No. 2293) wurde zum Preise von
16,000 frs. für die Sammlung eines Kölner Liebhabers gerettet. _Das
schönste der kleinen Buchs-Medaillons jedoch mit dem Bildniss der
Barbara Reihing v. J. 1538 (No. 2156), obwohl unbezeichnet offenbar
ein Werk des Kaufbeurener Meisters Hans Kels, ging um den
unerhörten Preis von 13,700 frs. in den Besitz eines Händler-
Consortiums.
EXXVI Museum für Kunst und Gewerbe.
Die 28 „Cires‘“, d.h. Wachsbossirungen, des Kataloges, unter
denen sich italienische Bildnisse von grosser Schönheit befanden, ge-
langten auf einen Durchschnittspreis von 2474 fr., zusammen 69,290 frs.
Nur ein Stück zu 1750 frs. ging an ein Museum. Von den leider
fruchtlosen Versuchen des Gothaer Museums, zwei der schönsten
Wachsbildnisse, die ihm einst gehört haben, wiederzugewinnen, wird
weiter unten die Rede sein.
Die Abtheilung der grossen Sculpturen aus Marmor und
anderen Steinen zählte 26 Nummern sehr verschiedener Art, Kamine,
Büsten, Reliefs, darunter jedoch kein Stück von ausserordentlichem
Kunstwerth. Den höchsten Preis, 50,000 frs., brachte ein grosses,
aus 28 Marmorreliefs der Schule der Lombardi zusammengebautes
Monument (No. 1270), dessen ursprüngliche Zusammensetzung und
Bestimmung durch die decorative Verwendung, die ihm Spitzer in
seinem Museum gegeben hatte, völlig verwischt worden war. Der
beste der Kamine, eine französische Arbeit der Frührenaissance
(No. 1273), erzielte 28,000 frs. Alle 26 Nummern zusammen trugen
143,265 frs. ein. Auch von dieser Abtheilung ging nur ein Stück für
5,700 frs. an ein Museum.
Unter den 43 Manuscripten der Sammlung, die zusammen
202,890 frs., im Durchschnitt 4,718 frs., eimnbrachten, befanden sich
mehrere livres d’heures von grosser Schönheit. Hauptstücke waren
aber ein Officium b. Mariae Virgmis (No. 3021), das einst im Besitze
Anna’s von Oesterreich gewesen und 20,500 frs. erzielte, sowie der
Atlas oder „Portulan“, der um die Mitte des 16. Jahrhunderts für
Philipp, den Sohn Kaiser Karls V., gemalt worden und auf 18,000 frs.
sing. Kein Stück dieser Abtheilung gelangte in en Museum. Auch
kein Stück von den 43 Miniaturen und Zeichnungen, die
zusammen 33,960 frs., im Durchschnitt 755 frs., einbrachten.
(Gemälde waren nicht eigentlich ein Gegenstand des Sammeleifers
Spitzers gewesen. Was er von solchen besass, sollte ihm nur dienen,
die decorative Ausstattung seiner Räume würdig ihres Inhaltes zu
vervollständigen. Dies erklärt, warum die 41 Bilder nicht mehr als
71,985 frs., im Durchschnitt 1,755 frs. einbrachten und warum nur
zwei Stücke für zusammen 2750 frs. an öffentliche Sammlungen gingen.
Die Abtheilung der Textilien enthielt unter ihren 208 Nummern,
die im Durchschnitt 771 frs., im Ganzen 160,451 frs., eintrugen, eine
kleine Anzahl Stickereien von wirklichem Kunstwerth. Diese erreichten
denn auch hohe Preise und das mehrfach zu Gunsten von Museen,
denen 20 Nummern für zusammen 55,205 frs., im Durchschnitt
2760 frs. zufielen.
Die Vente Spitzer in Paris. EX]
Endlich die Bildteppiche, Tapisserien, die unter ihren
23 Nummern so viele textile Kunstwerke ersten Ranges boten, dass
der sehr hohe Ertrag von 473,200 frs., im Durchschnitt 20,574 frs.,
der höchste Durchschnittspreis, den irgend eine Abtheilung erreicht hat,
als ein keineswegs unnatürlicher erscheint. Leider konnten nur zwei
dieser Meisterwerke, No. 400 und 410 für zusammen 115,000 frs., m
ein Museum, das Brüsseler, gerettet werden, das hier alle Kräfte
gegen die Liebhaber einzusetzen um so mehr Anlass hatte, als jene
Bildteppiche den Ruhm einer Blüthezeit altniederländischer Kunst
verkünden.
Nicht unerwähnt bleiben darf hier schliesslich ein Umstand, der An-
gesichts der blendenden Schätze der Sammlung während der Versteigerung
wohl nur Wenigen zum Bewusstsein kam, nämlich das völlige Fehlen
der Behälter und Etuis, in denen gewiss viele der werthvollsten Alt-
sachen, oft von der Zeit ihrer Entstehung her, aufbewahrt worden
waren. Wahrscheinlich gilt dies nicht nur von manchen Werken der mittel-
alterlichen Goldschmiedekunst, sondern auch von Kristallgefässen und
Schmucksachen, gewiss aber von den meisten Uhren und ganz besonders
von den wissenschaftlichen Instrumenten, die sich oft ohne ihre Behälter
gar nicht legen oder stellen lassen. Sehr zu bedauern ist, dass Spitzer
im Interesse glänzenderer Schaustellung seiner Sammlung die alten
Behälter seiner Altsachen sammt und sonders beseitigt hatte, und zwar
so gründlich, dass nicht eine einzige wieder zu ihrem alten Recht kam.
Zu vermuthen ist sogar, dass in weiterer Folge dieses unhistorischen
Verfahrens, in Fällen, wo die Behälter auf Kunstwerth Anspruch
machten, sie nicht als Hülle ihres ursprünglichen Inhaltes, sondern
selbstständig auftraten und so Gefahr liefen, von diesem getrennt zu
werden. In einem wichtigen Falle, wo es sich um ein gepunztes
Leder-Etui für einen elfenbeinernen Bischofsstab des 14. Jahrhunderts
handelte, glückte es Herrn Salting, die getrennten Theile (No. 125
und No. 799), indem er sie gesondert ersteigerte, wieder zu vereinigen.
In anderen Fällen, wo die Zusammengehörigkeit nicht auf der Hand lag,
lässt sich das Versäumte nie wieder gut machen. In allen Sammlungen
sollten die alten Behälter der Altsachen mit diesen bewahrt und,
soweit nicht Rücksichten des Geschmackes dawider sprechen, auch mit
ihnen ausgestellt werden.
Nach dieser Uebersicht des Schicksales der einzelnen Ab-
theilungen der Sammlung Spitzer sei hier noch berichtet über das mehr
oder minder günstige Geschick der Museen, die unmittelbar oder
mittelbar bemüht gewesen sind, sich einen Antheil an der Sammlung
zu sichern.
LXXVIII Museum für Kunst und Gewerbe.
An erster Stelle aller auf der Vente Spitzer kaufenden Museen
stand das Louvre mit dem Löwenantheil der durch ausserordentliche
Bewilligung zu Ankäufen auf dieser Vente den Pariser Museen über-
wiesenen halben Million Frances. Für 273,600 frs. erstand es nur
15 Stücke zum Durchschnittspreis von 21,000 frs. Darunter war das aus
Elfenbein geschnitzte Hinterstück eimes spanischen Sattels vom Ende
des 13. Jahrhunderts (No. 77, Preis 85,000 frs.), der elfenbeinerne
Sattelbogen derselben Zeit (No. 76, Preis 18,000 frs.), ein emaillirter
spanischer Kelch des 14. Jahrhunderts (No. 298, Preis 41,000 frs.),
die Bronzebüste emes jungen Venetianers aus dem 15. Jahrhundert
(No. 1458, Preis 41,000 frs) und ein Basrelief aus glasirtem Thon
(„L’eau“) von Bernard Palissy (No. 589, Preis 27,000 frs.). Ferner eine
emaillirte Kusstafel, ein Steinrelief, eine bemalte kleine Terracotta des
Luca della Robbia (No. 1287, Preis 10,100 frs.), ein grosses Altar-
velief aus glasirtem Thon, dem Andrea della Robbia zugeschrieben
(No. 1288, Preis 7900 frs.), zwei arabische und ein venetianisches Glas
mit emaillirtem Decor und eine kleine flandrische Buchsschnitzerei.
Dem Louvre zunächst trat das Musece de Cluny kaufkräftig
in die Schranken; es ersteigerte 20 Stücke für einen Gesammtpreis
von 151,300 frs., eimen Durchschnittspreis von 7505 frs. Die Ankäufe
betrafen vorwiegend mittelalterliche Elfenbeinarbeiten, von denen
5 Stücke zum Durchschnittspreis von 10,200 frs. erworben wurden,
darunter em mit Elfenbeinseulpturen in emaillirter Kupferfassung
geschmückter Tragaltar des 11. Jahrhunderts (No. 60, Preis 24,000 frs.)
und em französischer Bischofsstab des 12. Jahrhunderts (No. 69,
Preis 13,000 frs.). Ferner mittelalterliche Goldschmiede - Arbeiten
(5 Stücke für zusammen 47,500 frs.), dabei die schöne Platte mit dem
tıronenden Heiland in Limousiner Zellen- und Grubenschmelzarbeit
(No. 214, Preis 25,100 frs.); Malerschmelzarbeiten von Limoges
(4 Stücke für zusammen 26,350 frs.), dabei eine von Martin Didier
nach einem Stiche des Meisters mit dem Würfel gemalte Platte
(No. 533, Preis 12,000 frs.); das oft abgebildete spanische Cabinet-
schränkchen mit geritzten und vergoldeten Lederfüllungen (No. 848,
Preis 5500 frs.); Malereien hinter Glas, sog. eglomisirte Arbeiten,
(3 Stücke für zusammen 8200 frs.); einen Leuchter von Messingguss,
einen in Silber gefassten hölzernen Becher, zwei emaillirte Medaillons.
Das Musee£ des arts decoratifs, dessen Ziele denjenigen
der deutschen Kunstgewerbemuseen entsprechen, erwarb bei einem
Durchschnittspreis von 1955 frs. 16 Stücke für zusammen 31,270 frs.
Seine Käufe betrafen vorwiegend Lederarbeiten, deren es sieben
Stücke zum Gesammtpreis von 17,010 frs. erstand; dabei das Haupt-
Die Vente Spitzer in Paris. EDODT
stück, der mit Handvergoldung und Bemalung im der Art der Buch-
einbände Groliers verzierte Kasten (No. 855, Preis 9100 frs.); dem-
nächst persische Fayence-Platten von Wandbekleidungen (7 Stück
zusammen für 13,620 frs.); endlich zwei Geräthe.
Die Medaillen-Sammlung der Bibliotheque nationale
erstreckte ihre Ankäufe nur auf Medaillen und Plaketten, von denen
sie 13 Stücke zu einem Durchschnitt von 566 frs. und einem Gesammt-
preis von 7333 frs. erstand.
Das Musde cöramique de la Manufacture nationale
de Sevres beschränkte seine Käufe auf 9 Stücke für zusammen
3145 frs., durchschnittlich nur 350 frs. Zumeist waren dies rheinische
Steinzeugkrüge, nur zwei Stücke italienische Fayencen.
Von den französischen Provinzial-Museen trat das Museum
der Handelskammer von Lyon, eine der am reichsten dotirten
Sammlungen Frankreichs, nachdrücklich in den Wettbewerb ein, um
die kostbarsten Gewebe und Stickereien Spitzers für seine berühmte,
der Lyoner Seidenindustrie die herrlichsten Vorbilder bietende Textil-
sammlung zu erstehen. Sechszehn Stücke wurden von ihm mit
54,030 frs., im Durchschnitt mit 3502 frs. bezahlt. Hauptstücke
darunter waren eine flandrische Nadelmalerei des 16. Jahrhunderts,
No. 3050 zu 15,000 frs.; zwei spanische Messgewänder, No. 3052—53
zu 18,000 frs. und die einem Messgewande entnommene seltene
englische Stickerei vom Anfang des 14. Jahrhunderts, mit der schönen
Darstellung des Stammbaumes Christi, No. 3049 zu 8500 frs.
Mit Geringerem begnügte sich das Museum der Stadt Lyon.
Nur fünf wenig bedeutende Stücke, 2 Palissy-Fayencen, 2 persische
Fayencefliesen und eine spanisch-maurische Schüssel wurden von ihm
für zusammen 1110 frs. (Durchschnitt 220 frs.) erworben.
Von den kaufenden Museen des Auslandes trat von allen in
den Vordergrund das Museum von Brüssel, das nur wenig hinter
dem Louvre zurückblieb. Schon der hohe Durchschnitt der von
ihm gezahlten Preise — 10,011 frs. bei 20 Gegenständen im Gesammt-
preis von 200,220 frs., zeig, dass der Vertreter Brüssels,
Mr. Vermeersch, nur ganz Hervorragendes zu erwerben strebte.
Hauptstücke seiner Ankäufe waren die köstliche kleine flandrische
Tapisserie mit der Jungfrau Maria, der h. Anna und dem Jesuskinde
(No. 400, Preis 33,000 frs.) und die herrliche Tapisserie mit der
Ankunft des wunderthätigen Muttergottesbildes in Brüssel (No. 410,
Preis 82,000 frs). Die übrigen Ankäufe betrafen mittelalterliche
Elfenbeinarbeiten (5 Stücke für zusammen 21,560 frs.), Arbeiten aus
geritztem und gepunztem Leder (3 Stücke für zusammen 10,200 frs.),
DOSE Museum für Kunst und Gewerbe.
ein Salzfass, Fayence von Saint-Porchaire (No. 66, Preis 9500 frs.),
eine mittelalterliche Grubenschmelzarbeit (No. 218, Preis 4000 frs.),
italienische Fayencen (No. 1151, Preis 18,000 frs. und: No. 1215,
Preis 6300 frs.), Steinzeugkrüge (1), Stickereien (2), Möbel (1),
endlich zwei mittelalterliche Gelbgussarbeiten (Dinanderien), dabei
das Aquamanile in Gestalt des Aristoteles, auf dessen Rücken die
Campaspe reitet (No. 979, Preis 4500 frs.).
Von den öffentlichen Sammlungen Hollands war nur das
Reichsmuseum vonAmsterdam vertreten. Von seinen vier Erwer-
bungen zum (Gesammtpreis von 9000 frs. (Durchschnitt 2250 frs.),
betraf die bedeutendste ein Triptychon mit Malereien hinter Glas
von der Hand eines niederländischen Malers aus dem Anfang des
16. Jahrhunderts (No. 2116, Preis 5700 frs.).
Die Ankäufe der englischen Museen blieben hinter den
Erwartungen zurück, zu denen ihre Kaufkraft berechtigte; jedoch nur
scheinbar, denn der gewaltieste aller Käufer bei der Vente Spitzer
war der Engländer Mr. Salting, der seine unvergleichlichen Schätze
alter Kunstsachen Jahr aus Jahr ein in N. S. Kensington zur Schau
stell. Wohl in der Voraussicht, dass Mr. Salting auch seme Er-
werbungen aus der Sammlung Spitzer denselben Weg nehmen lassen werde,
ist das N. S. Kensington Museum selbst nur in bescheidenem
Umfang als Käufer aufgetreten. Es hat nur 15 Gegenstände zum
r [9]
Gesammtpreis von 57,300 frs. ersteigert, was einem Durchschnittspreis
von 3153 frs. entspricht. Seme kostbarste Erwerbung war das mit
Zellenschmelzplatten geschmückte Evangelienbuch aus der Kathedrale
von Sion (No. 211, Preis 36,000 frs.). Die übrigen Ankäufe betrafen
. Lederarbeiten (2). Venetianische Gläser (2), Geräthe (2), Majoliken (1),
Bronzen (1), Holzschnitzereien (1), Silberarbeiten (1), Schmuck (1),
einen Dammpbrettstein mit aufgelegter Paste, einen immerwährenden
Kalender aus Eisen und em Schloss von englischer Arbeit aus dem
17. Jahrhundert, (No. 896, Preis 4,200 frs.).
Bescheidener trat das Museum von Glasgow auf; es
ersteigerte 27 Gegenstände im Durchschnittswerth von 851 frs. für
zusammen 22,980 frs.; zumeist italienische und spanisch-maurische
Fayencen (14), ferner deutsche Steinzeugkrüge (6) und Gläser (7).
Von den öffentlichen Sammlungen des österreichischen Kaiser-
staates war das k. k. österreichische Museum für Kunst und Industrie
nicht vertreten. Der Vertreter des Kunstgewerbemuseums der
Handels- undGewerbekammer von Prag, Herr Dir. Dr. Chytil,
ersteigerte 18 Stücke zum Gesammtpreis von 16,335 frs. bei einem Durch-
schnitt von 907 frs, Die Hauptstücke waren ein gravirtes Kristallgefäss in
Die Vente Spitzer in Paris. ERXXI
vergoldeter Silberfassung, deutsche Arbeit des 16. Jahrhunderts (No.2608,
Preis 3500 frs.), ein Glasbecher von Barcelona (No. 2016, Preis 1850 frs.),
ein deutscher emaillirter Glaspokal (No. 2023, Preis 1650 frs.), ein
deutsches Wachsbildniss des 16. Jahrhunderts (No. 2959, Preis 1750 frs.),
eine deutsche Setzuhr derselben Zeit (No. 2661, Preis 1650 frs.). Die
übrigen Ankäufe betrafen 1 Majolika, 4 Ringe, 4 Schnitzarbeiten,
1 Stickerei und zwei in Eisen geschnittene Instrumente, Sonnenuhren,
von der Hand des böhmischen Meisters Johann Engelbrecht in Beraun
(No. 2862, Preis 2930 frs.). Von den Ankäufen des Kunstgewerbemuseums
zu Buda-Pesth sind nur zwei bekannt geworden, eine Emailplatte des
Leonard Limousin und eine deutsche Holzstatuette, zusammen zum
Preise von 1830 frs.
Für das Schweizerische Landesmuseum in Zürich
wurden aus den reichen Mitteln der Gottfried Keller-Stiftung
fünf Stücke schweizerischer Herkunft zum Gesammtpreis von 18,585 frs.
(Durchschnitt 3717 frs.) angekauft. Es waren ein Haupt Johannes
des Täufers aus getriebenem Silber, No. 345 zu 9100 frs., der Schnitz-
altar von 1521 (No. 784 zu 4600 frs.), der durch seme, die Anfertigung
aus der Dolchscheide eines Lanzknechts bezeugende Inschrift merk-
würdige silberne Becher No. 1784 zu 4100 frs., das kupferne Modell
einer Dolchscheide, No. 1614, und das Bildniss des Grafen von Romont,
No. 3324.
Von den Vertretern der deutschen Museen war Herr Director
Dr. Bode auf die Vermehrung der Sammlung klemer Sculpturen des
Königlichen Museums zu Berlin bedacht. Er kaufte deren 27 Stücke
zu einem Gesammtpreis von 25,178 frs. (Durchschnitt 956 frs.). Sechs Stücke
davon waren Elfenbein-Arbeiten, darunter die Platte mit der Himmelfahrt
Christi, eine deutsche Arbeit des 11. Jahrhunderts (No. 56, Preis 4200 frs.)
und die Platte mit dem von vier Engeln in langen Gewändern um-
schwebten thronenden Christus derselben Herkunft (No. 62, Preis
2800 frs.), sowie eine Madonna, französische Arbeit des 14. Jahrhunderts
(No.124, Preis 3700 frs.). Ferner 13 Bronzeplaketten, en Buchs-Medaillon
vom Meister Hans Schwarz (No. 2231, Preis 3200 frs.) und das in
Solenhofener Steim geschnitzte Bildniss des Phil. Praunbart vom Jahre 1523
(No. 2311, Preis 1050 frs.).
Das durch Herrn Director Dr. Lessing vertretene Königliche
Kunstgewerbemuseum in Berlin ersteigerte 27 Stücke zu dem
Gesammtpreis von 31,815 frs. (Durchschnitt 1178 frs.), und zwar 3 Leder-
arbeiten, darunter die schöne italienische Buchkapsel mit dem A dler(No.S11,
Preis 3020 frs.) und eines der polychromirten Kästchen (No. 819, Preis
2810 frs.); die Palissy-Schale mit der Caritas (No. 595); zwei Majoliken,
f
DOSE! Museum für Kunst und Gewerbe.
dabei eine Deruta-Schüssel (No. 1223, Preis 3100 frs.); eine Glasschale;
zwei Schmuckstücke ; zwei Schlüssel; 14 Geräthe, darunter die 7 zusammen-
gehörigen von italienischer Arbeit des 16. Jahrhunderts (No. 2471—77,
Preis 3090 frs.); eine Messingkanne und den italienischen Bischofsstab
von vergoldetem Rothguss aus dem 16. Jahrhundert (No. 382, Preis
5500 frs.).
Das Germanische National-Museum in Nürnberg
erwarb 16 Stücke zum Gesammtpreis von 9781 frs. (Durchschnitt
611 frs.). 13 davon waren wissenschaftliche Instrumente, darunter als
Hauptstücke die von einem Atlas getragene bronzene Himmelskugel
(No. 2871, Preis 3100 frs.) und der immerwährende Kalender aus
geschnittenem Eisen, der als französische Arbeit bezeichnet war, aber
wohl sicher ein Werk desselben Meisters Engelbrecht zu Beraun in
Böhmen ist, von dem Spitzer mehrere namentlich bezeichnete Stücke
besass (No. 2835, Preis 1400 frs.). Ferner zwei mittelalterliche Elfenbein-
arbeiten (No. 42 und 65) und ein romanischer Bronzeleuchter (No. 969).
Das Städtische Kunstgewerbemuseum zu Köln erstand
10 Stücke zum Gesammtpreis von 16,090 frs. bei einem Durchschnittspreis
von 1609 frs. Hauptstücke waren die grosse ovale Palissy-Schüssel mit
Fischen, Fröschen, Muscheln (No. 629, Preis 3900 frs.), ein Kabinet-
Schränkchen von süddeutscher Arbeit (No. 737, Preis 3000 frs.), eine
Truhenwand aus getriebenem Leder (No. 831, Preis 2500 frs.), eine
Elfenbeinplatte spanischer Arbeit des 16. Jahrhunderts (No. 172,
Preis 2000 frs.) und eine Majolika-Vase von Urbino (No. 1114,
Preis 1420 frs.). Die übrigen Käufe betrafen 4 Fayencen, wovon 2
Palıssy-Fayencen, und einen schmiedeeisernen Thürklopfer.
Vergeblich versuchte ein Vertreter der Stadt Frankfurt a.M.
die Elfenbeinplatte eines Diptychons, deutsche Arbeit der karolingischen
Zeit (No. 45) zu ersteigern, zu der das berühmte Seitenstück mit einem
die Messe celebrirenden Priester in der Frankfurter Stadtbibliothek
bewahrt wird. Mit 16,500 frs. wurde dieses seltene Werk frühmittel-
alterlicher deutscher Kunst einem ungenannten Bieter zugeschlagen, wie
es hiess, um jenseits des Oceans eine neue Heimath zu finden.
Die Erwerbungen des herzoglichen Museums von Gotha
betrafen 19 Stücke zum Gesammtpreis von 17,205 frs. (Durchschnitt
905frs.); drei Palissy-Fayencen, darunter als Hauptstück die grosse runde
Schüssel (No. 628, Preis 2750 frs.) mit den Fischen, Eidechsen, Fröschen und
Muscheln in der Art der „rustiques figulines“ ; drei Majoliken, dabei eine
Schüssel (No. 1218) von Deruta; vier deutsche Steinzeugkrüge; sechs
niellirte oder emaillirte Schmuckstücke, dabei der italienische Anhänger
No. 1832 zu 3520 frs. und der deutsche mit dem Hahn No. 1854 zu
Die Vente Spitzer in Paris. LXXXIIM
2300 frs.; endlich drei venetianische Glasgefässe. Die energischen
Bemühungen des Directors Dr. Purgold, zwei Wachsbildnisse eines
österreichischen Erzherzoges und seiner Gemahlin, ausgezeichnete
Arbeiten vom Ende des 16. Jahrhunderts, die vor wenigen Jahrzehnten
aus der herzoglichen Sammlung zu Gotha entwendet und durch
verschiedene Zwischenhände nach Paris und endlich zu Herrn Spitzer
gelangt waren, wiederzugewinnen, hatten leider keinen Erfolg. Die am
30. Mai den versammelten Bietern auf Veranlassung des Directors
Dr. Purgold durch den Experten gemachte Mittheilung, dass diese
Kunstwerke von dem herzoglichen Museum in Gotha beansprucht
würden, blieb ohne Eindruck, da die französische Gesetzgebung eine
Handhabe zu gerichtlichem Einschreiten nicht bot und in diesem Kampf
Aller gegen Alle nur Interessen und weder Rücksichten des Wohlwollens
noch der Billigkeit den Ausschlag gaben. So wurde denn das Gothaer
Museum überboten und blieben schliesslich nach einem heissen Duell mit
Mr. Salting die Vertreter eines Händler-Consortiums Sieger. Diese
beiden schönsten Wachsbildnisse der Sammlung wurden ihnen, No. 2955
zu 10,600 frs. und No. 2956 zu 12,550 frs., zugeschlagen und sind,
wie es heisst, heute noch zu haben.
Das Hamburgische Museum für Kunst und Gewerbe
endlich, dessen Director der Versteigerung von Anfang bis zu Ende
beiwohnte, erwarb 34 Stücke zu einem Durchschnittspreis von 1771 frs.
für zusammen 60,222 frs., davon entfielen 23,900 frs. auf 4 mittel-
alterliche Elfenbemarbeiten, 8440 frs. auf 3 Lederarbeiten, 3130 frs.
auf 4 Glasgefässe, 4430 frs. auf 3 Palissy-Fayencen, 2,250 frs. auf
1 Majoliıka, 330 frs. auf 1 deutschen Steinzeuskrug, 180 frs. auf eine
Schmiedeisenarbeit, 105 frs. auf 1 silberne Medaille, der Rest von
17,187 frs. auf 16 wissenschaftliche Instrumente, Das Nähere über
diese wichtigen Erwerbungen, die das Hamburgische Museum zum
weitaus grössten Theil privaten Gaben verdankt, ist in dem Jahresbericht
für 1893 mitgetheilt.
Aus den vorliegenden Angaben ergiebt sich, dass sieben Museen
Frankreichs zusammen 92 Stücke der Sammlung Spitzer um den Preis
von 521,788 frs. erworben haben. Das Museum der Hauptstadt
Belgiens steht mit 20 Stücken zu 200,220 frs. an zweiter Stelle. An
dritter die deutschen Museen, von denen sechs zusammen 133 Stück
um 160,291 frs. angekauft haben. An vierter Stelle folst England
mit 42 Stücken um 80,280 frs., an fünfter die Schweiz mit fünf
Stücken um 18,585 frs., an sechster Oesterreich-Ungarn mit
20 Stücken um 18,165 frs., an siebenter endlich das Museum der
niederländischen Hauptstadt mit 4 Stücken um 9000 frs. Alles
©
IXXXIV Museum für Kunst und Gewerbe.
in Allem sind von der Sammlung Spitzer 316 Stücke für zusammen
1,008,329 frs. in öffentliche Museen übergegangen.
Der Zahl der Stücke nach entspricht dies annähernd einem
Elftel der Stückzahl der Sammlung Spitzers, die 3369 Nummern im
Katalog zählte. Ein etwas günstigeres Verhältniss ergiebt sich aus
dem Vergleich der für diese 316 Stücke aufgewendeten Million,
zu der übrigens für die thatsächlichen Ausgaben noch die 5 °
Versteigerungsgebühr und je nach der Lage des einzelnen Falles die
0
Procente der Commissionaire hinzukommen, mit dem Gesammterlös
der Vente Spitzer. Dieser Erlös hat einschliesslich desjenigen für die
Schauschränke 9,123,780 frs. ergeben. Dem Kaufwerthe nach ist also
annähernd ein Neuntel der Sammlung Spitzer in Öffentliche
Museen übergegangen.
J. B.
Chemisches Staats- Laboratorium. TIKREXXV
5. Chemisches Staats-Laboratorium. .
Bericht des Direktors Professor Dr. M. Dennstedt.
Es ist zu berichten, dass der bisherige Director des Instituts
Professor Dr. F. Wibel nach 15jähriger segensreicher Thätigkeit am
31. März 1893 sein Amt niedergelegt hat.
Zu seinem Nachfolger wurde von der Oberschulbehörde in ihrer
Sitzung am 4. Mai der bisherige Professor der Veremigten Artillerie-
und Ingenieurschule in Berlin Dr. M. Dennstedt erwählt, diese Wahl
am 5. Mai von Einem Hohen Senat bestätigt und der Erwählte von
dem Präses der Oberschulbehörde, Herrn Senator Dr. Sfammann, am
1. Juli in das Amt eingeführt.
In der Zwischenzeit vom 1. April bis zum 1. Juli sind die
Geschäfte des Directors von dem ersten Assistenten Dr. Ad. Engelbrecht
wahrgenommen worden.
Die baulichen Veränderungen sind im Hinblick auf die sichere
Hoffnung, dass mit dem lange geplanten Neubau des Instituts in
absehbarer Zeit begonnen werde, auf das geringste Maass beschränkt
worden. Sie bestanden im Wesentlichen nur in einer geringen Ver-
srösserung der Arbeitplätze des Directors und ersten Assistenten und
in Aufstellung eines Gebläsetisches.
Die dem Institut zur Verfügung stehenden Geldmittel wurden
durch Bewilligung eines einmaligen Zuschusses um .4 2000 für
Beschaffung dringend nothwendiger grösserer Apparate und für Ver-
vollständigung der Bibliothek erhöht und die zur Verfügung stehende
Summe von #4 3382,50 wie folgt verwendet:
Allgemeine
Verwaltung.
Bauliches.
Nen-
anschaffungen.
Geschenke.
Thätigkeit
im Allgemeinen.
LXXXVI Chemisches Staats-Laboratorium.
Für Apparate, Geräthe u. s. w.,
l. zu allgemein-chemischen Arbeiten......... AM 234,90
2. zu physikalisch-chemischen Arbeiten ....... „980, —
3. für die chemische Analyse im Allgemeinen „ 358,10
4. für. gerichtliche Analysen a see > 42,—
b., lüraGasanalysesreee a „. .120,—
6. für die Untersuchung von Zollsachen....... „ 307,95
7. für Vervollständigung der Sammlung. ...... 5 60,—
8. für Vervollständigung der Bibliothek ...... „ 1201,25
Verschiedenes sr er ae nn 78,60
An Geschenken, für die hiemit der verbindlichste Dank des
Institutes ausgesprochen wird, gingen ein: 1. für die Bibliothek:
Jahrbuch der Wissenschaftlichen Anstalten Jahrg. X nebst einem
3eiheft, „das Grundwasser in Hamburg“ von der 8. T. Ersten Section
der Oberschulbehörde; Hamburgs Handel und Schifffahrt in 1892 von
dem Handelsstatistischen Bureau; Aus dem Archiv der deutschen
Seewarte von deren Director, Herrn Geheimrath Prof. Dr. Neumayer ;
verschiedene Hefte und Einzelschriften von Herrn Director Prof.
Dr. Voller. 2. für die Sammlungen eme Reihe von Präparaten und
3. verschiedene chemische Geräthschaften von dem unterzeichneten
Berichterstatter.
Die Gesammtthätigkeit der Anstalt, wie sie durch das Ausgangs-
Journal veranschaulicht wird, zeigte laut
umstehender Uebersicht
gegen das Vorjahr eine Abnahme von 235 Nummern. Diese Abnahme
wurde bedingt durch Ueberweisung der hygienischen Untersuchungen
an das Hygienische Institut und der Controlle der Nahrungs- und
Genussmittel, sowie der Gebrauchsgegenstände an das neugegründete
Laboratorium der Polizei-Behörde.
Durch diese Entlastung konnte die lange eingeschränkt gewesene
Lehrthätigkeit wieder erweitert und eine grössere Zahl von Practicanten
aufgenommen werden.
Es ist besonders hervorzuheben, dass gegenüber der allgemeinen
Abnahme um 235 Nummern in einzelnen Rubriken, so unter IIa und
Vf, eine erhebliche Zunahme zu verzeichnen ist und zwar gerade in
denjenigen Aufgaben, die meist zeitraubende und umständliche Unter-
suchungen im Laboratorium zur Folge haben.
Chemisches Staats-Laboratorium. DOES
Uebersicht
über die vom Chemischen Staats-Laboratorium
im Jahre 1893 ausgeführten Untersuchungen, abgestatteten
Gutachten, Berichte u. s. w.
T. Allgemeine Verwaltung:
Motivirte Eingaben, Berichte u. 8. W. .....-...verrcefeeeo- 110
II. Untersuchungen und Gutachten für Gerichte:
a. Mord, Körperverletzung, Sittenverbrechen, verdächtige
Todesursachen (Gifte, Flecken u. 8. w.) ....»....- 20
b. | Brandstiftung, Explosionen u. 8. w........or..000.. 3
e | Medieinalpfuscherei, Nahrungsmittelverfälschung, Be-
trug, Schriftvergleichung, Sachbeschädigung, u.s.w.| 23
II. | Verhandlungen vor den Gerichten ......»...--.--.rsefe rer 25
IV. damit verbundene Untersuchungen, Ausgrabungen,
| | Sectionen und Correspondenz u. 8. W.......-eereefer er 32
Ve Untersuchungen, Gutachten und Berichte für Medieinal-
bureau, Polizei- und andere Behörden:
2. Verdächtige Todesursache, fragliche Vergiftung u.s.w.| 12
b. Nahrungsmittel und Gebrauchsgegenstände.........- 115
e. , Fabriken und gewerbliche Anlagen ...............- 15
| d. | Allgemeine sanitäre Untersuchungen .......-....... 2
e. | Diverse andere Untersuchungen und Gutachten......| 33
I .
T Untersuchungen, Gutachten u. s. w. in Zoll-Sachen..| 34
VI. Besichtigungen von Fabriken, gewerblichen Anlagen
ES WA ee ehe Deeeleie etekeaillere ote. |
a Gonferenzen und Commissionen mit anderen Behörden |..... 17
VI. | Untersuchungen aus eigenem Antriebe .........-.....|..... 11
gegen 695 Nummern in 1892.
BRXXVI Chemisches Staats-Laboratorium.
1. Untersuchungen und Gutachten für Gerichte.
Journal.
No.
”
4
60,
6
m
t;
3,
IR
=)
(Uebersicht unter II.)
93,.113, 159, 345, 396. "Schriftvereleichune, namlıche
Entzifferung eines mit Theer beschmutzten Briefes; Nachweis
beseitigter Bleistift-Schriftzüge. Prüfung von Schriftzügen auf
Verschiedenheit der Tinten; Nachweis von sympathetischer
Tinte auf einem anscheinend unbeschriebenen Briefhogen;
Versuch zur Aufklärung muthmasslich gefälschter Ziffern ;
Identitäts-Nachweis von Tinte.
54, 280, 417, 441. Untersuchung und Begutachtung
verschiedener Spirituosen, wie: Bier, Cherry-Cordiale,
Medicinal-Ungarwem, zweier Weinreste und verschiedener
Flaschenbiere.
87, 328. Sittenverbrechen. Untersuchung des Inhaltes
einer Flasche, angeblich ein Abortivmittel enthaltend, und
verschiedener Wäschestücke, sowie. emes von einem Arzte
hergestellten mikroskopischen Präparates auf Spermatazoön.
62, 69, 230, 262, 273, 288, 304, 311, 313, 379, 493, 438,
Fragliche und erwiesene Vergiftungen. Untersuchung
von Leichentheilen auf Phosphor, des Inhaltes einer Flasche
auf Phosphor, einer. Flüssigkeit auf Cyankalium, verschiedener
Wasserproben auf Gifte, speciell Arsenik, von Speiseresten auf
Gifte, eines Opiumpulvers auf seine Zusammensetzung, von
Leichentheilen und einer Mediein auf Morphium, von
Leichentheilen auf Ammoniak und von Leichentheilen auf
anorganische Gifte u. s. w.
Beleidigungsklage. Untersuchung von Creolin.
122, 162. Nahrungsmittel. Bestimmung des Wasser-
gehaltes einer Butter, des Zinkgehaltes amerikanischer Scheiben-
äpfel und Untersuchung dreier Pfefferproben.
187,339, 351. Arzneimittel. Untersuchung aufZusammen-
setzung und Werth.
335. 382. Körperverletzung. Nachweis von Blutflecken
an Messern und Kleidungsstücken.
290, 405. Brandstiftung. Untersuchung von Holztheilen
auf Tränkung mit fetten Oelen u. s. w. Abgabe eines Gut-
achtens über die Selbstentzündung von Fett, Oel u. s. w.
sowie über die Behandlung von Bengalischen Zündhölzern im
Sinne des Gesetzes vom 4. Juli 1883.
Untersuchung und Begutachtung einer Gerstenkleie.
Chemisches Staats-Laboratorium, PDOIDE
3. Untersuchungen und Gutachten für andere Behörden
und Verwaltungen.
(Uebersicht unter V.)
Die Requisitionen ergingen von: Oberschulbehörde, Medicinal-
bureau, Polizeibehörde, Baupolizei, Deputation für Handel und Schift-
fahrt, Finanz-Deputation, Berathungsbehörde für das Zollwesen,
Zollverwaltung, Direction der Gentral-, Schlacht- und Viehhöfe.
Journal.
No. 19, 22, 27, 39, 42, 53, 66, 78, 79, 114, 116, 120, 147, 189,
202, 223, 229, 232, 233, 370, 393, 395, Nahrungs- und
(Genussmittel. Untersuchung und Begutachtung von Honig,
Pfeffer, Schmalz, Gebäck, Mehl, Margarine, Käse, Milch,
Butter, Himbeersaft, Fleisch, Selterswasser und Brause-
limonade, Puderzucker und Essig.
95, 26, 63, 64, 103, 104, 145, 150, 177a, 181, 214, 216, 241,
248, 281, 286, 314, 315, 353, 354, 393, 394, 433, 434.
Monatlich ausgeführte Bestimmungen des Gehaltes des hiesigen
Leuchtgases an Gesammt-Schwefel und Kohlensäure.
39,2409,2118. 5300, 437. Eeuer und fraeliche Brand-
stiftung. Gutachten über die Entzündung von Sägespähnen
durch Dampfheizungsrohre. Untersuchung emer Reihe von
Asservaten auf Durchtränkung mit Petroleum. Selbstent-
zündung von Baumwolle auf einem Schiffe. Beurtheilung der
Bengalischen und Sternregenzündhölzer. Feuergefährlichkeit
von Harzöl.
„ 56. Gehalt einer eoncentrirten Carbolsäure.
37, 123, 126, 140, 148, 169, 176, 178, 180, 196, 234, 349,
397. Spirituosen. Untersuchung und Begutachtung von
Rothwein, Ruster-Ausbruch, Medicinal-Ungarwein, Sherry,
Tokayer-Ausbruch, Portwein, Moscatel, Lacrimae-Christi,
Cognac und Bier aus der Löwen-Brauerei.
205, 228, 318. Gebrauchsgegenstände. Begutachtung
eines Putzwassers, eines Metallspritzapparates an einer
Parfümflasche, der Rathgens’schen Patent - Naphta - Farbe,
einer Versilberungflüssigkeit und zweier Proben Schwefel-
säure aus einer Accumulatoren-Batterie.
„ 129. Morrisson’s Haarverjüngungs-Tinctur.
„134368 Wasserproben vom Üentral-Friedhof in Ohlsdorf.
„ 191, 444. Körperverletzung. Blutflecken an einem Lodenmantel;
Herkunft und Entstehungsursache von Flecken an einem Rocke.
”
de)
S
q
XC
Journal.
No. 1.98,
220.
221.
366.
Chemisches Staats-Laboratorium.
218, 344, 350, 372, 412. Vergiftungen. Speisereste,
Nierensuppe, Kaffeetrank, Feststellung des Inhaltes dreier
Gläschen und einer Schachtel. Untersuchung eines Kräuter-
Aufgusses. Anscheimend vergiftetes Fleisch. Untersuchung
einer vergifteten Taube auf Strychnin.
Sachbeschädigung. Untersuchung eines Kleides auf
Befleckung mit ätzenden Säuren.
Löschung und Lagerung von amerikanischem Rohpetroleum.
Ein in der Abdeckerei gewonnenes Düngerpulver.
Schutz eiserner Schiffe gegen Leckage darin verladener Säuren.
Die in Zollsachen ausgeführten Untersuchungen und abgegebenen
Gutachten bezogen sich auf folgende Gegenstände und Fragen:
Journal.
37,
oo
ee Ed
< -
ae
2)
oo
w
OO 8
Je)
I
Er
41, 99, 174, 195, 237, 271, 329, 384. Branntwein-Dena-
turirungsmittel: Holzgeist, Pyridmbasen.
Tarifirung von Talgproben.
Aenderung der Instruction für die zolltechnische Unterscheidung
des Talgs u. s. w.
Anleitung zur Untersuchung von Wagenschmiere auf die
Beimischung von Mineralöl oder Mineralfett.
Tarifirung einer Waare „Braunstein® in Terpentin gelöst.
Tarifirung einer als „Rückstandpech“ declarirten Waare.
Tarifirung einer als „Thransatz“ deelarirten Waare.
Mit Essigsäure angesäuerter Smyrna-Wein.
Beurtheilung zweier Mühlenfabrikate.
327. Verzollung zweier als „Rückstandpech“ und „Goudron
epur&e“ bezeichneten Waare.
Merkmale zur Unterscheidung zollfreier oder zollpflichtiger
Theerproducte,
Tarifirung emer als „Steinkohlentheer“ bezeichneten Waare.
Tarifirung von Patent-Terpentinöl.
445. Maschinenöl-Import A. G., Tarifirung von Mineralölen.
Tarifirung von mit Wasser angeriebenem Gyps.
Kochsalzgehalt eines Kainits.
Taritirung von Wollfett-Olein.
Chemisches Staats-Laboratorium.
Xcl
Die amtliche Petroleum-Controlle im Jahre 1893.
Die Ergebnisse
waren folgende:
der
amtlichen
Petroleum-Controlle
in
l. Getestet wurden im Laboratorium
861 Proben in 1715 Bestimmungen
1585
1586
1887
1385
1559
1590
1891
1892
1893
n
1952
2071
ya
1023
71%
458
509
307
1889
1890
1591
1892
15893
»n.3936
er ,.4030
a 386
9
TE:
” ” 847
2966
” Fr) 550
2. Aus Tanks waren entnommen
111 Proben
Be
126 5 —
aeg
161 —
”
3. Unter den Proben befanden sich
1855
1886
1887
1885
1889
1890
1891
1892
1593
L0Emal —
Da —
2, =
22, =
ER
ie. ae
0, =
6 Yu Zze
u
4. Bei den Testungen zeigte sich
beobachtungen :
— 20:93 %
18,0
297,5
238
52,4 er]
Russisches Petroleum
1,22270
1,0 „
18953
eine Differenz der Einzel-
von 'a°C. 1885 bei 116 Proben = 13,5 %
lsae „20a I, =188,
EN
EI
Tea ao ya
ee, ae ee.
Espana Er,
0
Ka A a a
von 1° C. und mehr 1885-1893 keinmal.
XCH Chemisches Staats-Laboratorium.
5. Von den 509 Proben des Jahres 1893 hatten
Reduc. Entflammungspunkt Speeif. Gewicht bei 15 °C.
unter QL 0, nr ee Oder IE
21-9190, 0.33 10.07.01 40300.. 2 nr,
ee 3 a
ee ehe Ban en.
Le ee. By.
95—999%, ...53— 103, | 0804.........2a
3020. u, sdaruber. 34 = 1 70,505 Fre _-_ — —,„
307 = 100,0 0% | 0,306 a2 biisar 0,0086 =—._ —
Der rn k
0,808 u. mehr... O—zen
Unbestimmt. ..... _—- —,„
| 307 — 100,0 %
6. Mithin wurden mindertestige, d.h. unter 21° C. entflammbare
Proben gefunden:
1885 — 9mal = 1,0.% 1886 —= I1lmal = 0,5 %
set rT, =04A, ss id, on,
je =8,..=08, 10 9, 18,
jsor — a0, 2096, 218990 73, 006%
1593 keinmal.
Die gemäss dem Gebühren-Tarif ($ 9) des neuen Petroleum-
Regulativs dem Chemischen Staats-Laboratorium zufallenden und ihm
von der Hauptstaatscasse gutzuschreibenden Gebühren betrugen in 1893
die Summe von # 614.
Die Controlle der Nahrungs- und Genussmittel
sowie der Gebrauchsgegenstände nach dem Gesetze
vom 14. Mai 1879.
Thätig waren auf diesem Gebiete bis zur Eröffnung des neu
geschaffenen Polizei-Laboratoriums die schon im vorigen Jahresberichte
genannten 7 Polizeibeamten, von denen nachstehende Waaren untersucht
wurden:
Chemisches Staats-Laboratorium. REIN
Anzahl der Proben davon beanstandet
Denker (auf Bremdiette), 347... „...ns8.0..4 180, —1. 18,690
Pranareanine (auf Butter) 20...82: „enamslooseaane: 12 = 60,0 %
3. Butter (auf Wasser) DENE RENT 4
A NMarzarıne,(auftWassen) 12... ven... oa rg
5. Milch HT SEN N R N A307 0
6. Brot RE FREE keine
7. Zucker DI N Ang hen 2
8. Pfeffer Sram Be: . .keine
9. Mehl ER 1
ZUSamDEn De 98
3. Die Unterrichtsthätigkeit u. s. w.
Die im Wintersemester neubegonnenen Vorlesungen wurden von
11 Zuhörern besucht. Im Laboratorium arbeiteten:
1 Winter 1893
Januar-Ostern Sommer . n
bis ult. Dee. überhaupt
fe) 10 I 1%
Ihrem Berufe nach waren dieselben:
Chemiker... 2.22... 6
Kanllemer ir... )
Polizeibeamte ...!.....3
1%
Die Gesammtzahl der bisherigen Practikanten und Zuhörer
beträgt 173.
An Honorar, Gebühren u. s. w. wurden in 1893 vereinnahmt
4 344,30. 1 Practikant war auf Grund des $ 14 der Statuten von
der Honorarzahlung befreit.
4. Die Ausführung von Untersuchungen aus eigenem
Antriebe.
(Uebersicht unter VIII.)
Sie bestanden in folgenden Untersuchungen:
1) Vergleichende Untersuchung der Schwefelbestimmungsmethoden im
Leuchtgas.
2) Analysen verschiedener Mineralien.
3) Untersuchung eines sogenannten Patentputzpulvers,
RCHV Chemisches Staats-Laboratorium.
Untersuchung gasförmiger Ausscheidungsproducte anaörober
Bacterien.
Bestimmung des Theingehalts von Thee nach verschiedenen
Methoden (Fortsetzung).
Ueber die Quantität des nach dem Mitscherlich’schen Verfahren
nachweisbaren Phosphors.
Periodische Bestimmungen von Chlor- und Salpetersäure im Elb-
wasser.
Bestimmung der Kohlensäuremenge in der Laboratoriumsluft nach
Pettenkofer.
Ueberführung des Pyrrols in Indol.
Ueber Condensationsproducte aus dem Hamburger Leuchtgas.
Ueber Schleimbacterien.
Dr. M. Dennstedt.
Physikalisches Staats-Laboratorium. XCV
6. Physikalisches Staats-Laboratorium.
Bericht des Direktors Professor Dr. A. Voller.
Im Jahre 1893 hat das Laboratorium seine Thätigkeit in regel-
mässiger Weise fortgesetzt. Abgesehen von den laufenden wissen-
schaftlichen Arbeiten kann über Folgendes näher berichtet werden.
1. Die öffentliche wissenschaftliche Lehrthätigkeit des Bericht-
erstatterss umfasste von Ostern 1893 bis Ostern 1894 folgende
Vorlesungen:
In Sommer 1893: Die Physik der Gase und Dämpfe auf
Grundlage der mechanischen Wärmetheorie.
Im Winter 1893/94: Grundzüge der neueren Elektricitätslehre,
mit Berücksichtigung ihrer praktischen
Anwendungen, I. Theil.
Die Vorlesungen fanden Freitags Abends statt.
An dem hauptsächlich für Lehrer bestimmten Sommer-Üursus
nahmen 30 Hörer Theil. Die Winter-Vorlesungen waren, wie gewöhn-
lich, dauernd sehr stark besucht, doch konnten des beschränkten
Raumes wegen nur etwa SO Hörer zugelassen werden. Unter diesen
waren 25 Lehrer, 16 Post- und Telegraphenbeamte, 20 Elektriker,
Ingenieure, Chemiker, Mechaniker u. derel.; die übrigen gehörten ver-
schiedenen Berufsarten an.
2. Die täglichen Sprechstunden des Berichterstatters wurden in
gewöhnlicher Weise vielfach benutzt; ebenso wurde die Bibliothek des
Laboratoriums von den physikalischen Kreisen unserer Stadt häufig in
Anspruch genommen. In 60 Fällen wurden Bücher ausgeliehen.
3. In physikalisch - technischer Hinsicht wurde die Mitwirkung
des Berichterstatters durch die beabsichtigte Versorgung Hamburgs
und seiner Vororte mit Elektricität zu Beleuchtungs- und Kraft-
vertheilungszwecken insofern noch in Anspruch genommen, als derselbe
bei den im Frühjahr stattfindenden Verhandlungen der Bürgerschaft
über diese wichtige Frage beauftragt wurde, als Commissar E. H. Senates
das zur Ausführung empfohlene Gleichstrom-Projekt mit theilweiser
Benutzung von Wechselstrom für die Uebertragung der elektrischen
Energie in die entferntesten Vororte sowie den mit der Elektricitäts-
Aktien-Gesellschaft vorm. Schuckert & Co. über die Aus-
führung dieses Projektes abgeschlossenen Vertrag in technischer Beziehung
XCVI Physikalisches Staats-Laboratorium.
zu vertreten. Nach erfolgter Genehmigung dieses Vertrages und
nachdem dessen Ausführung begonnen worden ist, konnte sich die
technische Mitwirkung des Berichterstatters auf eine von der Finanz-
Deputation gewünschte eingehendere Prüfung der von Schuckert & Co.
vorgeschlagenen neuen Elektricitäts-Verbrauchsmesser sowie auf wieder-
holte Controle der von dem städtischen Beleuchtungsinspectorat
benutzten elektrischen Messinstrumente beschränken.
Eine andere technische Frage, welche das Laboratorium im
Berichtsjahre vielfach beschäftigte, war durch die kurz vorher abgelaufene
verheerende Cholera-Epidemie, deren Wiederausbruch vielfach befürchtet
wurde, veranlasst worden, nämlich die Frage der Sterilisirung des Trink-
wassers durch Kochapparate mit Wärme-Regeneration. Aus theoretischen
Erwägungen und auf Grund vielfacher eingehender Untersuchungen
des Verlaufes der Wärmeprocesse in allen mir bekannt gewordenen
derartigen Apparaten musste festgestellt werden, dass die Sterilisirung
des Trinkwassers auf diesem Wege zwar in klemerem Maassstabe
möglich ist, für den ungeheuren Gesammtbedarf der städtischen
Bevölkerung aber aus technischen wie aus finanziellen Gründen unaus-
führbar ist.')
Ferner wurde die im Vorjahre in Aussicht genommene FEr-
weiterung der Beobachtungen des Grundwassers auf Hamburger Gebiet
zur Ausführung gebracht. Es wird gegenwärtig an 27 zu diesem
Zwecke hergestellten Brunnen Stand und Temperatur des Grundwassers
täglich abgelesen.”)
4. Auf Veranlassung verschiedener Behörden und Verwaltungen
wurden in folgenden Angelegenheiten Gutachten erstattet oder die
Mitwirkung des Berichterstatters in Anspruch genommen: Für die
Anlage von Blitzableitern auf dem neuen Rathhause, auf den sämmt-
lichen Quaischuppen, auf der St. Jakobikirche und auf dem neuen
(rebäude des Paulsenstiftes; für eine Begutachtung der elektrischen
Beleuchtungsanlage im Gebäude des Kaiserl. Post- und Telegraphen-
amtes an der Ringstrasse, ferner der Accumulatoren-Batterien im
Hauptzollgebäude St. Annen und am Petersenquai; für die Entscheidung
der Frage, ob beim Dreileitersystem mit Rücksicht auf etwaige
Störungen des Fernsprechverkehrs blanke Mittelleiter zugelassen werden
können und endlich auf Veranlassung der Polizeibehörde über die
I) Vergl. Voller: Das Kochen des Leitungswassers und die neueren Regenerator-
Kochapparate. Schillings Journal für Gasbeleuchtung und Wasserversorgung.
1893 No. 6 und No. 15.
2) Vergl. das Beiheft zum vorliegenden Bande des Jahrbuches der Hamb.
wissensch. Anstalten.
Physikalisches Staats-Laboratorium. XCVI
Ursachen der Verletzung einer Telephonistin während eines Gewitters,
über die Zuverlässigkeit von Uhren 'mit elektrischem Antrieb und
über eine beabsichtigte Verordnung betreffend Veranstaltung von Luft-
ballonfahrten.
5. Von der Feuercasse-Deputation wurden 13 verschiedene Blitz-
schläge zur Anzeige gebracht und näher untersucht. Hierbei gab die
Wahrnehmung der ausserordentlich grossen Blitzgefahr, welche unver-
kennbar auf dem Landgebiete herrscht und welche durch mangelhafte
Blitzableiter eher gesteigert als verringert wird, Veranlassung, gemeinsam
mit Commissaren der Feuercasse-Deputation und der Bau-Polizeibehörde
über Massnahmen zur Verminderung der Blitzschäden auf dem Land-
gebiete zu berathen. Diese Berathungen sind noch nicht zum Ab-
schlusse gelangt.
6. Für Private wurden auf Grund des Regulativs vom
27. December 1887 in 54 Fällen Prüfungsarbeiten ausgeführt. Dieselben
betrafen in S Fällen elektrische Untersuchungen und in 45 Fällen die
Prüfung von zusammen 991 fast ausschliesslich ärztlichen Thermometern;
eine Arbeit betraf die Calibrirung von Röhren zu Capillaritätsmessungen.
7. Für die Beschaffung von Instrumenten, Geräthen, Büchern
und Zeitschriften standen dem Laboratorium, ausser den laufenden Aus-
gaben für Verbrauchsgegenstände aller Art, 7500 # zur Verfügung ;
hiervon wurden «# 7497,58 verbraucht und zwar .# 1499,15 für Bücher
und Zeitschriften, #4 5998,43 für Instrumente und Geräthe. Ein grosser
Theil der letzeren Summe wurde für die bisher fehlende Ausrüstung
des Laboratoriums mit einer Wechselstrom - Einrichtung benutzt,
deren Beschaffung wegen der beabsichtigten Verwendung von Wechsel-
strom für die Elektrieitätsversorgung der entfernteren Vororte nicht
länger hinausgeschoben werden konnte. Die Einrichtung besteht im
Wesentlichen aus einem Schuckert'schen Gleichstrom-W echselstrom-
Drehstrom - Transformator von 5000 Watt, der von den städtischen
Leitungen je nach Bedarf mit 110 Volt oder 220 Volt Betriebsspannung
versorgt wird, ferner aus einem Wechselstrom-Transformator, der bis
zu 3000 Volt zu transformiren gestattet sowie den erforderlichen
technischen Regulatoren, Gleichstrom- und Wechselstrom-Messinstru-
menten. Die Vervollständigung dieser Ausrüstung mit wissenschaftlichen
Präcisions -Wechselstrom- Instrumenten ist erst für das laufende Jahr
1894 vorgesehen.
Gleichzeitig mit der Herstellung der Wechselstrom - Anlage
erfolgte auch eine vollständige Erneuerung unserer Gleichstrom-
Einrichtungen, die nunmehr an das städtische Dreileiternetz angeschlossen
worden sind und eine für alle wissenschaftlichen und technischen Zwecke
g
KOVITT Physikalisches Staats-Laboratorium.
ausreichende Dimensionirung erhielten. Unsere seit Begründung des
Laboratoriums benutzte eigene Dynamomaschine mit Turbinenantrieb,
die für viele Zwecke unzureichend war und durch das starke Geräusch
der laufenden Turbine grosse Unannehmlichkeiten auch für die Nachbar-
häuser im Gefolge hatte, ist nunmehr für immer ausser Thätigkeit
gesetzt. — Auch unsere Accumulatoren-Anlage, welche wesentlich die
Ströme für die laufenden Messungen und sonstige Laboratoriums-
arbeiten zu liefern hat, wurde neu eingerichtet und mit geeigneten
Schaltvorrichtungen für Anschluss an das Strassennetz, Ladung, Ent-
ladung, Parallel- und Reihenschaltung versehen. Eine Anzahl Zellen
zur Vervollständigung derselben wurde von Pollack & Co. m
Frankfurt a/M. bezogen. Endlich wurde auch der Hörsaal und das
Sprech- und Arbeitszimmer des Berichterstatters mit elektrischer
Beleuchtung versehen, wofür die Kosten durch besondere Bewilligung
E. H. Senates und des Bürgerausschusses bereit gestellt wurden. Die
elektrische Hörsaalbeleuchtung hat eine große Verbesserung des
Zustandes der Luft während der Abend-Vorlesungen herbeigeführt.
Im Zusammenhang mit der Neugestaltung unserer elektrischen
Einrichtungen wurden noch verschiedene Weston-Instrumente für
Gleichstrom, ein Thomson’sches Spiegelgalvanometer, einige weitere
Präcisionswiderstände von Otto Wolff m Berlin u. dergl. angeschafft.
Von den übrigen Gebieten der Physik wurde im Berichtsjahre
besonders die Optik berücksichtigt. Es wurde die mikroskopische
Ausrüstung, welche von Zeiss in Jena geliefert worden ist, weiter
vervollständigt, ebenso die von Krüss in Hamburg gelieferten spectro-
metrischen Apparate und ferner von Schmidt & Haensch in Berlin
ein Weber’sches Polarisationsphotometer für das Laboratorium
angefertigt.
S. Im Personalbestande des Laboratoriums ist nur insofern eine
Aenderung eingetreten, als Herr Dr. B. Walter, der Jahre lang im
Laboratorium als Praktikant und freiwilliger zweiter Assistent thätig
war, nunmehr die Stelle eines wissenschaftlichen Hülfsarbeiters bekleidet,
dessen Honorirung aus dem für Hülfsarbeit zur Verfügung stehenden
Budgetposten erfolgt.
Naturhistorisches Museum. XECRX
(. Naturhistorisches Museum.
Bericht des Direktors Professor Dr. Kraepelin.
Den Vorsitz nm der Kommission für das Naturhistorische
Museum führte Herr Syndiecus Dr. von Melle. Im Übrigen bestand
die Kommission aus den Herren Direktor Dr. Bolau, Dr. H. BD. Levy,
@G. H. Martens, Dr. F. W. Oehrens, Dr. H. Traun und dem Direktor.
Der zu einer wissenschaftlichen Forschungsreise nach der Süd-
spitze Südamerikas auf ein Jahr beurlaubte Herr Dr. Mechaelsen
kehrte am 13. September d. J. mit reicher Ausbeute in die Heimath
zurück und trat am 15. September wieder in Dienst. Als wissen-
schaftliche Hülfsarbeiter waren während des Jahres thätig die Herren
Dr. Reh und Dr. Ruland.
Durch freiwillige Hülfsarbeit unterstützten uns zeitweilig die
Herren Matschie und Sokolowsky.
Das Aufsichtspersonal wurde durch Anstellung eines vierten
Aufsehers vervollständigt.
Die Bibliothek des Museums hat im Laufe des Jahres um
831 Nummern zugenommen, von denen 291 durch Kauf, 540 durch
Tausch oder Geschenk erworben wurden. Unter den Ankäufen, deren
Wert sich auf rund .# 2500,— beziffert, sind namentlich einige
größere Reisewerke zu nennen, wie Weber, Zoologische Ergebnisse
einer Reise nach Niederländisch-Ostindien; Ray, Report of the Internat.
Polar - Expedition to Point-Barrow, Alaska; Gmelin, Reise durch
Rußland; Thompson, Voyage of the Challenger ete.; ferner die Erläu-
terungen Burmeisters zur Fauna Brasiliens, die faunistischen Werke
von Spix, die Natural History of Greenland von Jones etc. — Der
Wert der geschenkten und getauschten Bücher beträgt rund .# 4200,—,
von denen bei weitem der größte Teil auf die im Austausch gegen
das Jahrbuch der Wissenschaftlichen Anstalten erhaltenen Schriften
entfällt.
Ein Schriftenaustausch wurde neu vereinbart mit dem Verein
der preußischen Rheinlande und Westphalens, wie mit der Entomologiska
Förening zu Stockholm. Beide Vereine sandten in dankenswerthem
Entgegenkommen vollständige Sätze ihrer bis dahin herausgegebenen
Schriften. ein.
5
Museums-
Kommission.
Personal,
Bibliothek.
Instrumente.
Vermehrung
der
Sammlungen.
(& Naturhistorisches Museum.
Außer der üblichen Ergänzung an anatomischen Instrumenten
und Werkzeugen wurde ein großes Demonstrationsmikroskop mit
rotirender Scheibe für die Besucher der Schausammlung angeschafit,
sowie ein Doubletobjektiv für photographische Aufnahmen. Von
besonderem Nutzen erwies sich sehr bald die Aufstellung einer voll-
ständigen kleinen Druckerei, bei deren Zusammenstellung wir uns der
freundlichen Beihülfe des Herrn Buchdruckereibesitzers F. Schlotke
zu erfreuen hatten.
In der Zoologischen Abteilung ist ein Gesamtzuwachs von
8055 Nummern in etwa der dreifachen Anzahl von Exemplaren zu
verzeichnen. Der größere Teil derselben — 5603 Nummern — ist
dem Museum als Geschenk, im Werte von ungefähr 4 9884,—,
zugegangen; 2261 Nummern wurden durch Kauf, 191 durch Tausch
erworben. Der Gesamtwert der zoologischen Eingänge beziffert sich
auf #4 12891,—. Auf die einzelnen Abteilungen verteilt sich der
Zuwachs in folgender Weise:
Säugetiere 154 Nummern
Vögel 360 >
Niedere Wirbeltiere 118 “
Insekten, Spinnen 5037 5
Niedere Wirbellose Tiere 1726
Summe: 8055 Nummern.
Von größeren Ankäufen seien erwähnt: Eine Vogelsammlung
von den Philippinen, cretensische und haitanische Gonchylien, größere
Collectionen asiatischer und westafrikanischer Orthopteren und Rhyn-
choten, eine einheimische Hymenopterensammlung, eine Anzahl anato-
mischer Präparate (Lungen- und Herzpräparate) für die Schau-
sammlung etc.
Für die Geschenke ist in den Tagesblättern bereits der
sebührende Dank abgestattet worden. Hier mögen nur die wichtigsten
derselben kurz erwähnt werden:
Von Herrn J. M. Bartels-Virginien 200 Insekten aus Nord-
amerika; von der KÄgl. Biologischen Station auf Helgoland durch
Herrn Professor Heincke zahlreiche Krebse, Echinodermen und
Mollusken der Nordsee in vorzüglicher Conservierung; von Herrn
Stud. Bolau 10 Eingeweidewürmer; von Herrn Bötger-Wandsbeck
6 junge Iltisse; von Herrn H. Borcherding-Vegesack die Reptilien-,
Amphibien- und Molluskenfauna der Unterweser; von Herrn Dr. med.
Brauns reiche Sammlungen an Reptilien, Fischen, Mollusken, Insekten,
Spinnen, Tausendfüßen seiner Reisen nach Westafrika, Ostafrika und
Naturhistorisches Museum. all
Brasilien; von Herrn A. Breetbarth-Valparaiso zwei Säugetiere von
Chile; von Herrn W. Burchard-Deli 680 sehr wertvolle Schmetterlinge
von Südborneo; von Herrn A. Dannenberg Sammelergebnis seines
Aufenthaltes in Westafrika, bestehend in Reptilien, Amphibien, Fischen
und 222 Insekten; von Herrn HM. W. Dieckmann jr. 31 Insekten aus
Ostsibirien; von Herrn Fr. Dörries 32 in- und ausländische Schmetter-
linge, ostsibirische Blutegel; von Herrn Stud. Duncker Bälge, Nester,
Eier und niedere Tiere in Spiritus; von Herrn C. C. Eiffe 215 Käfer
und Schmetterlinge aus Australien; von Herrn W. Fick 120 mittel-
deutsche Insekten, eine Collection einheimischer Chalcidier; von Herrn
J. H. Fixsen Bälge vom Nörz und Kusu (Cuscus maculatus); von
Herrn H. Fockelmann 1 Maki, 2 Hapale spee., 1 Eichhörnchen,
5 exotische Vögel; von Herrn H. Freyschmidt Sammelausbeute seiner
Reise nach Westafrika, bestehend in Amphibien, 340 Insekten etec.;
von Herrn J. Gade eine größere Zahl schöner Schlangen und anderer
Tiere von Java; von der Geographischen Gesellschaft Sammelausbeute
des Herrn Professor Sievers in Venezuela, namentlich bestehend aus
Insekten, Spinnen und Myriopoden; von Herrn R. Glaeser-Baranquilla
Schädel vom Lamantin und Conchylien von den Bahama-Inseln; von
Herrn F. W. Glaub 18 Insekten von Westafrika und China; von Herrn
L. Graeser 236 hiesige und exotische Insekten; von Herrn E. Haendel
marine Tiere, Scorpione und Käfer vom Congo; von Herrn J. Harms
eine Langshan-Henne; von Herrn A. Hartmann 2 Chimpansenschädel;
von Herrn O0. Hermann Krokodilhaut; von Herrn C. Höge 136 sehr
wertvolle mexikanische Käfer; von Herrn Huwaldt durch Herrn
Dr. Mick 2 australische Eidechsen; von Herrn H. Jaaks eine äußerst
seltene Schlange (Dipsas globiceps) von Liberia; von Herrn W. Jacobs
2 Taubenrassen; von Fräulem Z. Jenisch 1 Paradiesvogel; von Herrn
E. von Jess 14 Säugetiere und Vogelbälge von Maracaibo; von Herrn
W. Joost Sammelausbeute von der Delagoa-Bay, bestehend in Reptilien,
Insekten, Scorpionen und Tausendfüßen; von Herrn J. Itzerodt 4 ein-
heimische Säugetiere, eine junge Wachtel, 6 Triton alpestris, Parasiten;
von Herrn A. Kähler-Kiel 2 Hühnerrassen; von Herrn W. Koltze
107 Insekten aus Europa und dem Amurlande; von Herrn J. Krohn
Schlangen, Eidechsen, Frösche, Fische und Krebse von Kamerun; von
Herrn Tierarzt Kühnau Schafsgehirn mit Drehwurm (Coenurus), von
Finnen durchsetztes Schweinefleisch; von Herrn Professor W. Kücken-
thal-Jena 151 Nummern wertvoller Echmodermen als Sammelausbeute
seiner Reise nach Ostspitzbergen; von Herrn F. Kugelmann hübsche
Auswahl von Perlmuttermuscheln, eine seltene Steckmuschel (Pinna
vexillum) von Tahiti; von Herrn F. Kumzmann-Tebing Tinggi Würmer,
CI Naturhistorisches Museum.
Insekten, Tausendfüße von Sumatra; von Herrn Hauptlehrer Z. Lacke-
mann 4 Taubenrassen; von Herrn Oberförster Lange-Friedrichsruh
verschiedene schöne Käferfraßstücke; von Herrn Kapitän Langerhannsz
Meerestiere von Rio de Janeiro; von Herrn Dr. Langkavel Barten
vom Grönlandwal, Schnecken aus Ostasien; von Herrn 7. Lenz Balg
und Skelett des seltenen Goral (Nemorrhoedus crispus) und 6 Vogel-
bälge (Albinos) von Japan; von Herrn €. Liebert eine Sammlung von
Schädeln, Nestern, Embryonen, Reptilien und Insekten von Ceylon; von
Herrn €. Th. Lind 50 ausgestopfte Vögel von Venezuela; von "Herrn
Lehrer Zübbe-Reitbrook Zwergmaus mit Nestern, verschiedene Wespen-
nester; von Herrn J. H. O. Meyer 4 Hühnerrassen; von Herrn
F. Max Meyer 6 Vogelbälge, 1 Nest und verschiedene Käfer aus
Australien; von Herrn John A. Meyer 2 Delphinskelette; von Herrn
Dr. A. Müller-Gotha Landtiere von Westafrika; von Herrn A. Nepper-
schmidt Sammelausbeute seiner Reisen nach Westindien, bestehend in
Reptilien, Fischen, Krebsen, Insekten und niederen Seetieren; von
Herrn C. L. Noack 1 Taubenrasse; von Herrn Professor Th. Noack-
Braunschweig 23 Insekten und Spinnen von Westafrika; von Herrn
W. Ohlmes-Singapore 2 sehr große und seltene Seeschlangen; von
Herrn E. von Osten Genitalapparat eines männlichen Tümmlers; von
Herrn Henry O’Swald-Tamatave reiche Ausbeute seiner Sammelthätig-
keit auf Madasaskar, bestehend im Säugetier- und Vogelbälgen,
Reptilien, Amphibien, Fischen, Insekten, Spinnen, Tausendfüßen und
Würmern; von Herrn M. O’Swald Reptilien, Amphibien und Insekten
von Westindien; von Herrn Schiftsoffizier R. Paessler äußerst reiche
und wertvolle Sammlungen von Reptilien, Fischen, Insekten und
niederen Meerestieren von seinen Reisen nach der Westküste Süd-
amerikas; von Herrn @. Platzmann diverse Tintenfische aus der Nord-
see; von Herrn Kapitän € Poehl Insekten und Tausendfüße von Port
Mackay; von Herrn Richter durch Herrn M. Lund Negerschädel von
Westafrika; von Herrn Dr. med. Roeder Insekten, Spinnen und
Tausendfüße aus Ostafrika; von Herrn Förster ZL. Ruland-Lubeln
Embryonen des Wildschweins; von Herrn A. Sauber 722 einheimische
Insekten; von Herrn ©. Schlotke 50 Spinnen und Insekten von Chicago ;
von Herrn A. 0. Schmidt eine Sammlung Reptilien, Fische und 106
Insekten von Westafrika; von Herrn J. H. Schmidt 3 Taubenrassen;
von Frau Scholvien Reptilien, Amphibien und Fische aus Südtyrol;
von Herren Schroeder & Michaelsen 5 ausgestopfte Vögel; von
Herrn €. Schulz über 100 einheimische Insekten ; von Herrn Dr. Schütt
zahlreiche von Herrn Dr. Roediger gesammelte Krebse, Würmer und
Insekten von Madeira; von Herren Gebrüder Schwab-Asahan 10 Vogel-
Naturhistorisches Museum. CHT
bälge von Sumatra; von Herrn 0. Semper Bryozo@n und Foraminiferen-
sande aus dem Mittelmeer; von Herrn Siemssen eine Anzahl mariner
Tiere; von Herrn Apotheker Soltau-Bergedorf Biologische Präparate
und Rohseide des Seidenspinners, Krokodil und Käfer von Central-
amerika; von Herrn ©. Steen 3 Taubenrassen; von Herrn E. ötender
zahlreiche Entwicklungsstadien einheimischer Reptilien und Amphibien,
einheimische Fische, Käfer und Schnecken; von Herrn H. Strebel 100
mexikanische Schmetterlinge, diverse Fraßstücke; von Herrn (©. Struck-
Waren S Farbenvarietäten der Kreuzotter; von Herrn Dr. Fr. Stuhl-
mann die gesamte Ausbeute an Fischen, Schmetterlingen . und
Hymenopteren seiner mehrjährigen Forschungsreise in Ostafrika; von
Herrn Dr. jur. von Sydow 6 exotische Vögel, Nester, Eier, Seiden-
äffehen; von Herrn Kapitän J. Taggenbrock Großer Kopf von Hydro-
cyon spec. aus dem Congo; von Herrn Dr. R. Timm Gopepoden der
Nordsee, südamerikanische Schlangen; von Herrn @. Tippenhauer-
Porte au Prince 131 Insekten von Hayti; von Herrn Dr. 7. Traun
11 Vogelbälge von Westafrika; von Herrn J. Völschau Hühnerrasse;
von Herrn Schiffsoffizier M. Weiss Sammelausbeute mariner Tiere und
Insekten von Westindien; von Herrn N. D. Wichmann 2 Hühner-
und 1 Taubenrasse; von Herrn Maschinist A. Wiechmann Würmer,
Echinodermen, Krebse und Fische von Westindien; von Herrn Inspektor
W. Wiechmann 1 Nashorn- und 1 Flußpferdschädel; von Herrn
F. Wiengreen Reptilien, Amphibien, Insekten und Nester von Nova
Friburgo-Brasilien; von Herrn H. Woermann 1 Gorilla; von Herrn
Woltereck & Robertson 2 Robbenbälge mit Schädeln, 1 Königspinguin
aus dem südlichen Eismeer; von der Zoologischen Gesellschaft durch
Herrn Direktor Dr. Bolau 36 Säugetiere, 45 Vögel, 18 Eier derselben,
9 Reptilien, diverse Fische, Krebse, Würmer, Parasiten und niedere
Meerestiere.
Die mineralogische Abteilung erhielt einen Gesamtzuwachs
von 1172 Nummern, von denen 265 gekauft, 788 geschenkt und 119
gesammelt wurden. Der Wert der Zugänge beziffert sich auf 4 2402,
wovon 4 1369 auf die Geschenke entfallen.
Von der Reihe der Geschenke seien erwähnt: Von den Alsen-
schen Portland-Cementfabriken 35 Versteinerungen von Lägerdorf und
Itzehoe; von Herrn Dr. Barth-Helmstedt 10 Versteinerungen aus dem
dortigen Unteroligocän; von der Bau-Deputation sämtliche Bohrproben
der im Jahre 1892 hergestellten Tief- und Flachbohrungen; von Herrn
Kapitän Berggreen Muscheln aus Tertiärthon von Skoobo; von Herrn
Dr. Bigot Pandermit von Sussurlu; von der Chemischen Fabrik-Bill-
wärder, vormals Hell & Stahmer, diverse Borate in erlesenen Stücken;
GAY Naturhistorisches Museum.
von Herrn J. Bredau-Helgoland 10 Versteinerungen von der Düne;
von Herrn Professor Drögger-Christiania 6 norwegische Eruptivgesteine;
von Herren Deseniss & Jacobi zahlreiche Bohrproben hiesiger
Bohrungen; außerdem hatten dieselben die Güte, den großen Meteor-
eisenblock des Museums kostenfrei durchzuschneiden und zu polieren;
von Herrn Wegebauinspektor Fischer-Hadersleben emige Geschiebe
von Christiansfeld und Spandel; von Herrn Apotheker Frucht-Ahrens-
burg 6 Geschiebe und 5 Mineralien; von der Geographischen Gesell-
schaft die geologische Ausbeute (etwa 200 Nummern) des Herrn
Professor Sievers auf seiner Forschungsreise in Venezuela; von Herrn
Baurat Gravenhorst - Stade Kreidegesteme aus Nordhannover; von
Herrn Physikus Dr. Hansen-Gramm Versteinerungen aus dem Kreise
Hadersleben; von der Zchthyolgesellschaft (Cordes, Hermanni & Co.)
28 zum Theil vortreffliich erhaltene fossile Fische von Seefeld; von
Herrn ©. Illies & Co. Manganerze aus Japan; von Herrn Eisenbahn-
direktor Kuhrt-Flensburg ein großer Block Holsteiner Gestein; von
Herrn Oberförster Lange-Friedrichsruh Walfischwirbel und Cassis aus
dem Miocän von Reinbeck; von Herrn Dr. med. Lindemann Ver-
steinerungen von Helgoland; von Herrn Dr. W. Michaelsen Gold von
Uschuaia und Lennox-Island; von dem Großherzoglichen Mineralien-
kabinet zu Oldenburg 5 Mineralien, 15 Geschiebe; von Herrn Oelrich
A. Payens eine größere Anzahl seltener Geschiebe und Versteinerungen;
von Herrn Seminarlehrer F%eper devonischer Estherienkalk von Schulau;
von dem Pöseldorfer Hülfsverein die Proben seiner Tiefbohrung in
Harvestehude; von Herrn Peter Reimers-Helgoland zahlreiche wertvolle
Versteinerungen von dort; von Herrn Commerzienrat Riedemann die
Proben seiner Tiefbohrung am Alsterufer; von Herrn Professor
von sSandberger-Würzburg 60 Versteinerungen aus dem Trias von
St. Cassian; von Herrn Pastor Schroeder-Itzehoe 40 wertvolle Ver-
steinerungen von Lüneburg, Lägerdorf und Itzehoe; von Herren
Schroeder, Lorentz & Co. Manganerze vom Kaukasus und Kleinasien;
von Herrn Distriktstierarzt Sögaard-Christensen in Koldby 25 Ver-
steinerungen aus dem Tertiär von Limfjord; von Herrn Dr. Sprengell-
Lüneburg Boraciten in Hausteinen des Bardowiker Domes; von Herrn
Dr. med. Stoecker Blondit und Salpeter von Autafogasta; von Herrn
M. Storp zahlreiche Gesteinsproben aus den Gypsbrüchen zu Lübtheen;
von Herrn Chemiker sStümcke-Lüneburg Kreideversteinerungen und
Geschiebe von Braunschweig und Lüneburg; von Herrn P. Trummer jr.
zahlreiche interessante Versteinerungen von Langenfelde; von Herrn
H. Vaerst-Essen zwei große Ammoniten aus dem Grünsand von Essen;
von Herrn Professor F. Wiebel-Freiburg i. B. eine größere Anzahl
Naturhistorisches Museum. GV
wertvoller Mineralien, ein selbstgefertigtes Modell des Felsens von
Helgoland; von Herren Woltereck & Robertson Arca aus Tertiär von
Grahamsland; von Herrn F. Worlee Achatmandel von Oberstein,
Mangansand von Flensburg.
Leider hat die mineralogische Abteilung auch einen nicht
unbeträchtlichen Verlust zu beklagen, indem am 21. Oktober d. J.
der größte Teil der ausgestellten Gold- und Silberstufen — im Werte
von etwa #4 650 —- mittelst Einbruch entwendet wurde.
Die Vermehrung der Sammlung ist zum Zwecke der Feuer-
versicherung wie folgt geschätzt:
Wert:
1. Zoologische Sammlung ......... 4 12.891,—
2. Mineralogische Sammlung... .... „1752, —
3reBibliotheke... u Wera 6 700,—
4. Instrumente, sonstiges Inventar .. „ 1903, —
Dehlobılianır ı Ange ee „..1128—
Der Gesamtwert des Inventars des Museums stellt sich demnach
am 31. December 1893 auf 4 1312 185,—.
Die Zahl der Besucher des Museums während der einzelnen
Monate des verflossenen Jahres ergiebt sich aus folgender Uebersicht:
Januar S 715 Personen Juli 13 320 Personen
Februar 12300 n August 14 980 5
März 15 845 " September 12600 =
April 91.203 a October 12415 A
Mai 19 105 5 November 8832 a
Juni 8745 5 December 13 560 *
Summa: 164222 Personen.
Der Mehrbesuch von rund 8 000 Personen gegen das Vorjahr
ist nicht sowohl auf die Vermehrung der Eröffnungstage in 1893, als auf
die minimale Frequenz während der Cholera-Epidemie in 1892 zurück-
zuführen.
Von 48 auswärtigen Gelehrten, welche im Laufe des Jahres
das Museum besuchten, studierten 7 vorwiegend die Einrichtungen
des Museums, während 8 andere spezielle Sammlungstheile für wissen-
schaftliche Arbeiten in Anspruch nahmen. Ausserdem erhielten
3 einheimische Herren die Erlaubnis zum Arbeiten im Museum. Der
hiesigen Gewerbeschule wurde, wie früher, an Sonntagen die Benutzung
des kleinen Hörsaales und der Museumsobjekte für den Zeichen-
unterricht gestattet. Außerdem sind die Hörsäle dem Naturwissen-
Inventar.
Benutzung
des Museums.
Verkehr mit
auswärtigen
Instituten und
Gelehrten.
Arbeiten
im Museum.
CVI Naturhistorisches Museum.
schaftlichen Verein für seme allgemeinen und die zoologischen Gruppen-
sitzungen, sowie dem Hamburgischen Bezirksverem der Deutschen
Gesellschaft für angewandte Chemie für seine wissenschaftlichen
Sitzungen zur Verfügung gestellt.
Den Herren Dr. Apstein-Kiel, Oberlehrer BDrauns-Schwerin,
Dr. Kramer-Magdeburg, Dr. Kriechbaumer-München, A. Poppe-Vegesack,
Dr. Schmiedeknecht-Blankenburg, Dr. Stadelmann-Berlin, Dr. Vavra-
Prag, Dr. Wandollek-Berlin wurden Sammlungsteile zur Bestimmung
oder zu wissenschaftlichen Arbeiten übersandt. Die Museen zu Bonn,
Berlin, Greifswald und Kopenhagen, wie die Herren Professor von Ihering
und Professor Thorell sandten Skorpione ein zur Bestimmung oder
zum Vergleich. Rücksendungen gingen ein von den Herren Dr. Apstein-
Kiel, Dr. Bürger-Göttingen, HA. Kohl-Wien, Dr. Lenz-Lübeck, Mayer-
Wien, Sanitätsrath Dr. Pagenstecher-Wiesbaden. _ Ein Tauschverkehr
wurde fortgesetzt oder neu eröffnet mit den Herren Graf von Berlepsch-
Hann. Münden, Professor von Jhering-San Paolo, Bruno Strubell-
Frankfurt a. M.
Die Molluskensammlung des verstorbenen Professors C. Semper-
Würzburg wurde in das Museum übergeführt und in der Erwartung
späteren Ankaufes vorläufig in Verwahr genommen. Herr Otto Semper-
Altona übergab seine großartigen paläontologischen und conchyliolo-
eischen Sammlungen ebenfalls dem Schutze des Museums mit der
Bestimmung, daß dieselben bei seinem Tode dem Museum als
Eigentum zufallen sollen.
Sammelkisten wurden neu ausgegeben an die Herren Ch. Bock-
Mona, Dr. med. Brauns, W. Burchard-Deli, W. Joost-Delagoabay,
Schiffsoffizier E. Leibfarth, Maschinist A. Nepperschmidt, Henry O’Swald-
Tamatave, Schiffsoftizier Paeßler, Dr. med. J. Pfeffer, Dr. Reincke-Samoa,
E. Siemßen-Deli, R. Strelitz-Freemantle, F. Suck-Bendjermasin, Max Thiel-
Matupi und Woltereck & Robertson.
In der Schausammlung wurde namentlich an der Vermehrung
der anatomischen Präparate, der Nordseesfauna und der biologischen
Zusammenstellungen gearbeitet. Ein neuer Schrank mit einheimischen
Nestern gelangte zur Aufstellung. Die Säugetiersammlung wurde um
53 Nummern bereichert. Zwei große Demonstrationsmikroskope mit auf
einer rotierenden Scheibe befestigten Objektträgern sind angefertigt und
werden demnächst aufgestellt. — Ein „Führer“ durch das Museum
(S1 Seiten mit 3 Plänen) erschien zu Ostern des Jahres und wurde bis
Schluß desselben in 4750 Exemplaren verkauft.
In der wissenschaftlichen Hauptsammlung ist die Neu-
ordnung des gesamten Spiritusmaterials nunmehr der Hauptsache nach
Naturhistorisches Museum. GNZTE
beendet und mit einer gründlichen Aufräumung und Aufarbeitung
der seit Jahren überall zerstreuten Restbestände verbunden worden.
Um einer wiederholten Ansammlung derartiger Massen vorzubeugen,
ist im Untererdgeschoß nunmehr ein Sortierzimmer eingerichtet, in
dem alle Neueingänge nach größeren Kategorien geordnet, einzeln in
passende Gläser gesetzt und mit Fundorts-Etiketten versehen werden,
um erst dann den wissenschaftlichen Beamten zugeführt zu werden.
Was die Arbeiten an den einzelnen Tiergruppen anlangt, so
wurde ein großer Teil der Säugetiere in seinen Bestimmungen
revidiert, ein umfangreicher Litteraturkatalog der Säugetiere systematisch
und geographisch geordnet. Für die Hauptsammlung der ausgestopften
Vögel ist ein bis zum 20. Bande des Britischen Katalogs reichender
Katalog angefertigt, wobei die Bestimmungen emiger Tausend Exemplare
revidiert wurden; die Restbestände und Neuemgänge, etwa 500 Stück,
konnten ebenfalls mit Bestimmungen versehen und in die Sammlung
eingeordnet werden.
Von niederen Wirbeltieren sind 642: bestimmt und
katalogisiert, etwa 1000 in die Sammlung eingeordnet; von wirbel-
losen Tieren wurden circa 3000 Nummern nach vorläufiger
Bestimmung der Hauptsammlung einverleibt, gegen 9000 in einzelne
Gläser oder Kästchen verteilt. In der entomologischen Abteilung
sind weitere 205 Schiebladen mit Lepidopteren unter Revision der
3estimmungen in die Normalaufstellung gebracht, außerdem 680
Tagfalter und die Gruppe der Locustiden bestimmt, über 5500
Insekten gespießt und gespannt, die Tischbein’schen Hymenopteren
von Schimmel gereinigt, die Spirituseingänge vorläufig gesichtet und
etikettiert.
Vom technischen Personal sind außerdem 67 Säuger und 84
Vögel ausgestopft oder zu Balg gemacht, 35 Skelette, 27 Schädel
und zahlreiche anatomische Präparate fertig gestellt.
An wissenschaftlichen Publikationen seitens der Beamten sind
erschienen oder im Erscheinen begriffen:
Kraepelin, K.: Revision der Skorpione, II. Teil. 240 Seiten mit
3 Tafeln, im Jahrbuch der Hamb. Wiss. Anstalten XI, 1.
Pfeffer, G.: Die von Herrn Dr. Fr. Stuhlmann in Ostafrika
gesammelten Fische. 49 Seiten mit 3 Tafeln, im Jahrb.
d. Hamb. Wiss. Anst. X, 2.
Pfeffer, G.: Echinodermen von Ost-Spitzbergen, nach der Aus-
beute des Herrn Professor W. Kükenthal, in Zool. Jahrh.
von Spengel, Abt. f. Syst. Bd. VII.
Pfeffer, G.: Fische, Mollusken und Echinodermen, gesammelt
CVII Naturhistorisches Museum.
von Herrn Professor W. Kükenthal auf seiner ersten
Reise nach Spitzbergen im Jahre 1886, in Zool. Jahrb.
von Spengel, Abt. f. Syst. Bd. VII.
Außerdem wurden über das Material des Museums folgende
Arbeiten veröffentlicht:
Bürger, O.: Südgeorgische und andere exotische Nemertimen,
33 Seiten, 2 Tafeln, in Zool. Jahrb. von Spengel, Abt.
f. Syst. VII, p. 207—240.
Kohl, F.: Hymenopteren, von Herrn Dr. Fr. Stuhlmann in
Ostafrika gesammelt, 13 Seiten mit 1 Tafel, in Jahrb.
d. Hamb. Wiss. Anst. X, 2.
Mayer, @.: Formiciden, von Herrn Dr. Fr. Stuhlmann in Ost-
afrıka gesammelt, 9 Seiten, in Jahrb. der Hamb. Wiss.
Ans N,
Pagenstecher, A.: Lepidopteren, gesammelt in Ostafrika von Herrn
Dr. Fr. Stuhlmann, 56 Seiten, in Jahrb. d. Hamb. Wiss.
Anst.. X, 2.
Schäffer, ©: Collembolen von Spitzbergen, nach der Ausbeute
der Herren Professor W. Kükenthal und Dr. A. Walther
im Jahre 1889, in Zool. Jahrb. v. Spengel, Abt. f. Syst.
Bd. VII.
Die öffentlichen Vorlesungen des Direktors handelten im Sommer
über luftatmende Gliedertiere, die des Custos über Mollusken; die
Wintervorlesungen wandten sich an einen weiteren Zuhörerkreis von
Herren und Damen, für welchen sich das große Auditorium des
Museums fast als zu klein erwies. Der Direktor gab eine „Allgememe
Einführung in die Zoologie,“ während der Custos die „Darwinsche
Lehre und ihre Weiterentwickelung bis zur Gegenwart‘ behandelte.
Mineralogische In der Mineralogischen Abteilung wurden die Eingänge
Be gesichtet und geordnet und im der Aufarbeitung der Vorräte fort-
gefahren. 17 Schiebladen mit Kreideversteinerungen von Lägerdorf
und die Versteinerungen des Muschelsandsteins von Hemmoor sind
neu bestimmt, die von Seiten der Baudeputation eingelieferten Bohr-
proben fortlaufend untersucht. Ein Teil der Arbeitszeit wurde durch
notwendige Ordnungsarbeiten an der großen, vorläufig ins Museum
gestellten paläontologischen Sammlung des Herrn Otto Semper absorbiert.
Ein dreimonatlicher Urlaub des Custos und zahlreiche Exkursionen
wurden zur Feststellung des Verlaufs und des Alters der Endmoränen
auf der cimbrischen Halbinsel verwendet, einer Untersuchung, zu
welcher die hiesige Geographische Gesellschaft emen Teil der
erforderlichen Mittel bewilligt hatte.
Naturhistorisches Museum. BIDR
Als wissenschaftliche Arbeit, welche über das Material des
Museums publiziert wurde, ist zu nennen:
Tornquist, A.: Fragmente einer Oxfordfauna von Altaru in Deutsch-
Ostafrika, nach dem von Dr. Stuhlmann gesammelten
Material. 26 Seiten mit 3 Tafeln, in Jahrb. der Hamb.
Wiss. Anst. X, 2.
Die Wintervorlesungen des Custos handelten über die „Geologie
der Cimbrischen Halbinsel.“
Museum für
Völkerkunde.
8. Museum für Völkerkunde.
Bericht des Vorstehers C. W. Lüders.
Der Verlauf des Jahres 1593 ist wiederum als ein recht günstiger
für das Museum zu bezeichnen, indem für dasselbe ca. 506 neue
Erwerbungen gemacht worden sind, und zwar durch Geschenke von
(Gegenständen aus
Afrika.
Asien
Amerikas
Oceanien
Europas 29
50 Nummern
und durch Ankauf von Gegenständen aus
Afrıka
Asien
Amerika
Oceanien
Europa
Demnach stellt sich der Bestand am Ende des Jahres wie folgt:
Alnıkama sans:
Unter diesen Geschenken, für welche seiner Zeit in den Zeitungen
bereits der officielle Dank ausgesprochen worden ist, sind die nach-
‚123
2.99 N
97 "
6 ”
Be F
215 Nummern
S4 Nrn. im Werthe von
„ ” ” „
B2) „ by] „
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” ” ” Pr]
388 Nrn. ım Werthe von
Asıen
Amerika
Oceanien
Europa
1 946 Nummern
3152 h
2721 .
2 453 i
147 r
10 419 Nummern
benannten als besonders werthvoll hervorzuheben:
Nach in Berlin befindlichen Originalen hergestellte Gypsabgüsse
von 7 kolossalen Stein-Sculpturen, welche in Santa Lucia Cazumahualpa
in Guatemala gefunden sind. (Geschenk des Fest-Comite’s zur Feier
der Entdeckung von Amerika.)
4 278,50
„ 122,30
„530,60
” 238, —
” er
4 1174,60
Museum für Völkerkunde. (RT
26 Nummern aus Bali, Hinterland von Kamerun. (Von Herrn
Albert Demoeff.)
Eine grosse sitzende Tempelfigur aus Chma. (Von Herrn
Th. Maass.)
Eine Sammlung von 33 Nummern der Battaker Sumatras und
von der Insel Nias. (Von den Herren @ebr. Schwab in Tandjung.)
15 Nummern von der Insel Eloby, West-Afrika. (Von Frau
J. E. Herber.)
20 Nummern aus Senegambien. (Von Herrn Dr. HM. Traun.)
Durch Austausch sind vom Museum in Kopenhagen 6 mteressante
Gegenstände von West- und Süd-Grönland erworben.
Durch Ankäufe sind in diesem Jahre besonders bereichert
worden die Abtheilungen von Asien (speciell Persien, Indien, Hinter-
indien und Japan), von Afrika (Ost- und West-Küste, sowie Üentral-
(Gebiete) und von Amerika. Aus letzterem Lande wurden von Mexico
und namentlich von Vancouver sehr interessante und werthvolle Stücke
der Bella Colas Indianer erworben. Von Gegenständen aus Oceanien
sind nur emige wenige, aber gute Stücke neu erworben worden.
Die für diesen Erdtheil bestimmte Abtheilung dürfte überhaupt
bis auf Gegenstände von Neu Guinea, Caledonien und Neu-Seeland
wohl bald ziemlich vollständig sein.
Der Besuch des Museums hat sich stetig gesteigert und sieht
man, dass das Interesse für dasselbe immer mehr wächst.
Verschiedene Gegenstände sind wiederholt zu Demonstrations-
Vorlagen oder zum Abzeichnen in den Gewerbeschulen benutzt worden.
Auch haben mehrfach auswärtige Gelehrte Studien, Zeichnungen und
photographische Aufnahmen im Museum gemacht.
Die kleine Bibliothek, die sich um einige gute Werke vermehrt
hat, ist durch Entleihen einzelner Bände mehrfach in Anspruch
genommen worden.
EXIT Sammlung vorgeschichtlicher Altertümer.
9. Sammlung vorgeschichtlicher Altertümer.
Bericht von Dr. K. Hagen.
Im Anfange des Berichtsjahres legte Herr Direktor Dr.
E. Rautenberg, nachdem derselbe fast 15 Jahre lang die Sammlung
in segensreichster Wirksamkeit verwaltet, sein Amt als Vorsteher
derselben nieder. An seine Stelle trat als Vorsitzender der Kommission
Herr Syndicus Dr. W. von Melle. Im Uebrigen setzte sich die Kommission
zusammen aus den Herren J. H. Brey, Direktor Dr. J. Brinckmann,
Direktor Dr. E. Rautenberg und C. W. Lüders. Als Hülfsarbeiter
fungierte unter Aufsicht des Herrn ©. W. Liiders wie im vorigen
Jahre der Berichterstatter.
Die Sammlung hat sich im Laufe des Jahres 18953 um 339
Katalognummern mit etwa 600 Gegenständen vermehrt, die sich über
39 Einzelposten verteilen, von denen 10 durch Geschenk an die
Sammlung fielen.
Als Geschenke gingen ein: von Herrn Dr. C. Gottsche zwei
kleine Flintsteinmesser aus einem Kjökkenmödding bei Roeskilde; von
Herrn Carl Closs (Wandsbek) ein Spinnwirtel aus glasiertem Thon,
bei Grabung eines Brunnens in Wandsbek gefunden; von Herrn
Olaussen ein Aquarell mit Darstellung mehrerer grosser Hünengräber
bei Westerohrstedt (Kr. Husum) in Schleswig; von Herrn Architekt
Carl Hülse ca. 50 Altertümer aus Ostholstein, meist Steingeräte aus
der Umgegend von Oldenburg in Ostholstein; von Herrn Otto Mechaelsen
(Wandsbek) 4 Gegenstände (keramische Erzeugnisse) aus dem Pfahlbau
von Robenhausen; von Herrn Direktor Meyer in Lüneburg die Photographie
einer bei Lüneburg gefundenen römischen Schale aus terra sigillata;
von einem ungenannten Freunde der Sammlung durch Herrn Carl
Dahm etwa 60 Gegenstände aus dem Pfahlbau bei Güttingen am
3odensee (Thurgau); von Herrn Dr. ©. Gottsche ein besonders schönes,
grosses Exemplar eines Nucleus aus Feuerstein von Weddingstedt bei
Heide; von Herrn H. Soetebier eine im Garten des Hauses Eilbeckerweg
No. 38 gefundene römische Kupfermünze aus der Mitte des 4. nach-
christlichen Jahrhunderts; von Herrn Friedhofsverwalter Cordes eine
auf dem Friedhofsterrain von Ohlsdorf gefundene Thonflasche der
jüngeren Steinzeit. Dieselbe besteht aus gelbrotem, absichtlich mit
Sammlung vorgeschichtlicher Altertümer. XI
Granitstückchen versetzten Thon, ist relativ dickwandig und roh mit
der Hand geformt. Auf dem 9 cm im Durchmesser betragenden,
kugelförmigen Bauchteil erhebt sich ein cylinderförmiger, 5 cm hoher
und 4 cm weiter Halsteil, um dessen unteren Teil ein kragenförmiger
Wulst zur bequemeren Handhabung des Gefässes angebracht ist. Als
Verzierung dienen meridional um den Bauch des Gefässes verlaufende,
flach eingeritzte, etwa 2 mm breite Furchen. Dieselben finden sich
in gleicher Weise auf der oberen Fläche des Wulstes. Derartige
Gefässe gehören zu den Seltenheiten. Abbildungen ähnlicher Gefässe
von Börger und Seeste im Regierungsbezirk Osnabrück (an lezterem
Ort wurden 11 Stück m einem Stemdenkmal gefunden) befinden sich
in Reimers, Altertümer der Provinz Hannover, Taf. IV.
Für die gütige Ueberlassung der zum Teil recht wertvollen
Gegenstände sei auch an dieser Stelle der herzlichste Dank ausgesprochen.
Für Ankäufe und Ausgrabungen wurde die Summe von .# 1119,70
aus den budgetmäßigen Mitteln verbraucht. Es konnten auch in diesem
Jahre interessante, neue Typen von Steingeräten erworben werden, so ein
Steinhammer mit angefangenem Bohrloch von Horneburg, 2 Steingeräte
(ein sehr schöner, geschliffener Steinhammer und 1 Lanzenspitze aus
Feuerstein) von Bornhöved. Ferner ein 59 cm langes, rundes Gerät
aus Kieselschiefer mit einem einseitigen kerbenähnlichen Schliff nahe
dem einen Ende. Die Deutung des Gerätes als Pflugschaar dürfte zu
empfehlen sein. Dasselbe wurde nebst einem kugelförmigen, mit
konischem Loche versehenen Keulenknauf aus Grünstein bei Neuhaldens-
leben bei Magdeburg ausgegraben. Der Keulenknauf ist besonders
deshalb von Interesse, weil er sein Analogon m den bekannten Keulen
von Neu-Britannien findet.
Ferner erwarb die Sammlung von Herrn W. Andresen die Aus-
beute einer steinzeitlichen Wohnstätte in der Nähe des Rothenhauses
an der Bergedorf-Geesthachter Chaussee. Es handelt sich um Herd-
stellen, die zahlreiche Gefäßscherben enthielten, mit dem der jüngeren
Steinzeit eigenen Tiefstichornament, die die Herstellung einer förmlichen
Musterkarte erlauben. Zwischen den Scherben lagen Messer und
Schaber aus Feuerstein in sehr sorgfältiger Ausführung, sowie 2 große
Stücke Bernstein, offenbar zur Herstellung von Schmuckgegenständen .
bestimmt, die sich gerade in der Steinzeit einer großen Beliebtheit
erfreuten. Unsere Sammlung besitzt bereits eine ganze Anzahl Perlen
und Zierknöpfe aus Bernstein von verschiedenen Fundorten.
Besondere Hervorhebung verdient die erfreuliche Erwerbung
der Sammlung Schlüter. Dieselbe (etwa 75 Nummern) umfaßt die
Resultate langjähriger, sorgfältiger Ausgrabungen in der Umgegend
h
CXIV Sammlung vorgeschichtlicher Altertümer.
von Hanerau. Ein genauer Fundbericht wurde mit eingeliefert. Die
Sammlung besteht im Wesentlichen aus Funden der Stein- und Bronze-
zeit. Unter den Steingeräten ragt als schönstes Stück hervor ein mit
meisterhafter Vollendung aus Grünstein angefertigter, geschliffener Hammer
gef. bei Keller bei Hanerau), der offenbar die Form von Kupfer- oder
Bronzehämmern imitiren soll. Er zeigt außerdem auf dem Rücken
die Gußnaht in zweifelloser Anspielung. Ähnliche Exemplare sind
abgebildet in der Zeitschrift für Ethnologie 1878, Taf. 2, Fig. 27,
sowie in J. Mestorf, Vorgesch. Alt. aus Schleswig-Holstein Taf. XIV, 94.
Unter den Bronzen ist ein bei Oldenborstel gefundenes Schwert mit
Griffzunge bemerkenswert, da sich Reste der aus Geweihknochen ge-
fertisten Griffbekleidung erhalten haben. Ferner ein Meißel mit schöner,
emailartiger Patima (gef. bei Fahrenkrug bei Segeberg), der eine sehr
seltene Form repräsentirt. Derselbe ist aus einem dickwandigen, nach
der Schneide zu sich verjüngenden Bronzecylinder gefertigt. Die Weite
der Mündung beträgt 2'% cm, die Länge der Schneide 1V2 cm, die
Gesamtlänge 15 cm. Um die Mündung herum sind 3 mitgegossene
Ringe en relief m der Form von gedrehten Schnüren angebracht; auf
den die Schneide bildenden dreieckigen Seitenflächen lassen sich der
Schneide parallel laufende Schliffspuren sehr schön erkennen. In der
Höhlung stecken noch die Reste des ehemaligen Holzgriffes. Ein dem
unsrigen ähnliches, jedoch mit Oehr versehenes Exemplar von Süder-
Brarup ist abgebildet in Mestorf 1. c. Taf. XXI, 212. Eine Reihe sehr
schöner Dolche, Lanzen- und Pfeilspitzen, Armringe und sonstige
Schmuckgegenstände, sowie ein offenbar absichtlich zerstörter, großer
Torques bereichern die Sammlung in der wünschenswertesten Weise
durch neue Typen. Doch bleiben noch immer empfindliche Lücken im
Gesamtbilde der Bronzekultur unserer Sammlung. die auszufüllen das
hauptsächlichste Bestreben für die Zukunft bilden wird. Außer einem
ll gr schweren, goldenen Spiralring, der mit einem kleinen Bronze-
messer zusammen bei Aasbüttel in einem Grabhügel gefunden wurde,
weist die Sammlung Schläter noch einen anderen, im Eggstedter Holz
(Süder-Dithmarschen) gefundenen breiten, aus 2 Windungen bestehenden
goldenen (5 gr) Ring auf, der in die römische Zeit gehört (1.—2. Jahrh.
.n. Chr.) und in gewisser Hinsicht einigermaßen Ersatz gewähren kann
für den 1888 der Sammlung leider durch Diebstahl abhanden ge-
kommenen, berühmten Goldring aus dem Torsberger Moor. Im Typus
gleicht derselbe völlig dem bei Mestorf 1. c. unter No. 600 abgebildeten
Armring aus dem Torsberger Moor.
Von weiteren Ankäufen mögen erwähnt werden: ein breiter,
verzierter Armring aus Bronze aus dem Himmelfahrtsberge im
Sammlung vorgeschichtlicher Altertümer. EXV
Escheburger Moor bei Bergedorf, in der Nähe der Fundstelle der
beiden Schwerter vom Hallstätter Typus, die sich seit 30 Jahren in
der Sammlung befinden; ein Schaftlappencelt aus Bronze (gefunden
bei Oldenburg in Ostholstem), der als eben fertig gewordenes Gußstück
Interesse bietet; eine Anzahl Bronzefibeln, die den ersten Anfang für
eine Darstellung der Entwicklung dieses für die Archäologie so wichtigen
Gebrauchsgegenstandes zu bilden geeignet ist; eine spätrömische Fibula
mit geperlten Silberreifen um den Bügel, gefunden beim Bau des
Nord-Ostseekanales; eime Anzahl römischer Schlüssel und Schloßteile
aus rheinischen Funden, als Vergleichsmaterial.
Von Herrn Winter in Westerham wurde außer einigen Urnen
der Bronzezeit eme große Anzahl (40 Stück) Urnen der Völker-
wanderungszeit mit zahlreichen Beigaben erworben. Die Beigaben
konnten im Museum den mit dem unversehrten Inhalt eingelieferten
Urnen entnommen werden und bilden daher ein absolut verlässliches
Material. Bei einer geplanten Publikation werden sich interessante
Vergleiche mit den Perleberger und Altenwalder Typen ergeben.
Der Custos der Wiener praehistorischen Sammlung des k. k.
Naturhistorischen Hofmuseums, Herr J. Szombathy, sandte auf Be-
stellung einen vorzüglich ausgeführten Gypsabeuß einer auf dem
Burgstalle von Oedenburg in Ungarn gefundenen großen Prachturne
mit figürlichen Darstellungen. Das Original, etwa dem 4. vorchrist-
lichen Jahrhundert angehörend, befindet sich in Wien. Neben dem
Interesse, das figürliche Darstellungen schon an und für sich bei ihrer
Seltenheit gewähren, bieten sich auch lehrreiche Vergleiche dar mit
entsprechenden Zeichnungen auf Urnen Norddeutschlands (namentlich
Westpreußen) sowohl, wie auch mit den schwedischen Felszeichnungen
(Hällristningar) und schließlich im weiteren Umfange mit den auf
gleicher Stufe stehenden Äußerungen des Zeichentalentes bei den
Naturvölkern.
Vom 25. bis 28. Oktober setzte der Berichterstatter im Verein
mit Herrn W. Andresen, der sich in liebenswürdigster Weise zur Ver-
fügung stellte, die von Herrn Direktor Rautenberg 1886 am Päpersberg
bei Geesthacht begonnenen Ausgrabungen fort. Es wurde die Nord-
westseite des Hügels in Angriff genommen und auch dort große
Steinsetzungen constatirt, die Urnen der Bronzezeit enthielten. 8 stark
zerdrückte Urnen, die jedoch alle wiederhergestellt werden konnten,
wurden als Ausbeute mitgenommen. An Beigaben fanden sich nur
geringe Spuren von Bronze; außerdem in der einen Urne ein recht-
eckiges, gewölbtes Knochenstück mit linearen Verzierungen und cen-
tralem Loche, in einer anderen ein ähnliches Stück mit 2 Löchern.
E
CXVI Sammlung vorgeschichtlicher Altertümer.
Von den früheren Ausgrabungen her besitzt die Sammlung bereits ein
kleines, kreisrundes Knochenstück, sowie ein dem zuerst angeführten
entsprechendes Exemplar aus Horst in Vierlanden. Aller Wahr-
scheinlichkeit nach haben diese Knochenstücke als Zierplatten oder
Knöpfe bei der Bekleidung Verwendung gefunden. Außer den Urnen
fand sich neben einer Steinsetzung frei in der Erde ein kleiner, nicht
vollständig erhaltener Bronzearmring mit gerippter Oberfläche. Ein-
tretendes ungünstiges Wetter zwang zur vorläufigen Sistirung der
Ausgrabungen, deren Fortsetzung geplant ist.
Die Bibliothek wurde um 45 Nummern vermehrt, von denen
15 durch Kauf und 30 durch Geschenk erworben wurden. Somit weist
der Katalog am Schlusse des Jahres 1893 560 Nummern auf. Für die
Bibliothek wurden einschießlich der Buchbinderarbeiten # 203,80 ver-
ausgabt. Der Wert der Geschenke läßt sich auf etwa ‚4 220 schätzen.
Herr Dir. Prof. Rautenberg Dr. überwies uns 18 kleinere, aber wichtige
Werke. Die Gruppe Hamburg-Altona der Anthropol. Ges. stiftete wie
auch in früheren Jahren die bei ihr einlaufenden Sachen, unter denen
die Zeitschrift für Ethnologie und die Nachrichten über deutsche Alter-
tumsfunde besonders hervorzuheben sind. Von der Smithsonian Institution
in Washington liefen 2 der höchst wertvollen Annual Reports ein.
Sammlung Hamburgischer Alterthümer. EXVıl
10. Sammlung Hamburgischer Alterthümer.
Bericht von Dr. W. H. Mielck.
Nachdem im ersten Drittheil des Jahres mit dem Ausräumen
der leichtern Gegenstände der Sammlung fortgefahren war, konnten
die Räume rechtzeitig der Bauleitung zum Zweck des Umbaues zur
Verfügung gestellt werden.
Der Umbau begann Ende Mai und war zur festgesetzten Zeit
im wesentlichen beendet.
Das Ergebnis desselben wird allseitig mit Befriedigung begrüsst.
Der ganze Raum, eine langgestreckte Pfeilerhalle, ist hell und luftig
seworden und hat noch durch eine ım Laufe des Umbaues vor-
genommene, anfänglich nicht vorgesehene, Aenderung an den Pfeilern
auch an Wohnlichkeit gewonnen.
Die Heizeinrichtung hat sich gleichfalls bewährt; während der
Frostperiode im Winter 1893 auf 1894 geben die vorhandenen vier
Anthracitöfen genügende Wärme, um ein längeres Arbeiten in den
Räumen zu ermöglichen.
Leider haben wir Grund, zu befürchten, dass der aus den verkehrs-
reichen umliegenden Strassen eindringende Staub uns viele Mühe und
Beschwerde machen wird.
Während des Umbaues und auch nach demselben war die ganze
Kraft und Thätigkeit der Commission darauf gerichtet, die Steinsachen
zu ordnen, aneinander zu reihen und zu reinigen.
Es gelang im Laufe dieser Zeit das Zusammengehörige zusammen
zu finden und weitaus das meiste auf seinen Ursprung, der bei vielen
Stücken unbekannt geworden war, zurückzuführen.
Bei dieser Arbeit ergab es sich, dass unsere Steinsachen in der
richtigen, ihnen zukommenden Anordnung nicht an den immerhin noch
niedrigen Wänden des Innenraumes angebracht werden könnten. Dem
entsprechend wurde der Vorschlag gemacht, die beiden Lichthöfe mit
in den Umbau einzubeziehen und der Sammlung zu überweisen. Dazu
OROVIM Sammlung Hamburgischer Alterthümer.
gesellte sich der lebhafte Wunsch, zunächst einen der beiden Lichthöfe
mit Glas zu überdachen, um eine schonende Aufstellung der Steinsachen
zu ermöglichen und dem Publikum einen angenehmen Aufenthalt auch
bei schlechtem Wetter zu gewähren.
Die Oberschulbehörde eignete sich die Wünsche unserer Com-
mission an, und nachdem mit Hülfe der Baubehörde genaue Pläne für
den Aufbau der Steinsachen von der Commission ausgearbeitet worden
sind, steht die Ueberdachung eines Lichthofes und die endgültige An-
bringung der grossen Mehrzahl der Sculpturen für das Jahr 1894 bevor.
Ihre Reinigung und die Beseitigung der dieken Farbenschichten,
die der Aufstellung voraufgehen mussten, nahmen viel Mühe, Zeit und
Kosten in Anspruch.
Nebenher wurden auch die den Aussenseiten von Häusern ent-
stammenden Holzsachen — Kopfbänder, Pilasterkapitäle, Fensterstürze
und ähnliches — geremigt. Die Ergebnisse dieser Reinigungen waren
sehr erfreulich. Die Sammlung besitzt jetzt eine Reihe schöner Holz-
schnitzsachen aus der Spätrenaissance, von deren Existenz man früher
kaum eine Ahnung hatte, da sie durch abwechselnde Lagen von Schmutz
und Oelfarbe bis zur Unkenntlichkeit entstellt waren. Die meisten
derselben werden ihre Verwendung bei der Construktion der später
nöthig werdenden Schränke finden können.
Einige der Steinsachen fanden bereits ihren bleibenden Platz m
den innern Räumen. Zu diesen gehören der bekannte Grabstein mit
dem Dudelsack blasenden Esel und der Denkstein des Albert Cranz.
Diese beiden standen früher im Dome und sie haben jetzt endlich ihre
Aufstellung gefunden nicht weit von demjenigen Orte, den sie ursprünglich
eingenommen haben. Ferner noch sind wieder aufgestellt: der Gedenk-
stein des Simon von Utrecht aus der Nicolaikirche, der sogenannte
Grabstein der Reitendiener und weiter alle alten Banklehnen oder Bei-
schlagwangen, welche aber leider durchweg nicht gut erhalten sind.
Uebrigens werden die Neuordnung und die Aufstellung der
Gegenstände der Sammlung, ihr „Arrangement“ mehrere Jahre erfordern.
Vor uns liegt eine nahezu unendliche Fülle der verschiedenartigsten
Sachen. Jede einzelne soll so aufgestellt werden, wie es der Hauptseite
ihrer geschichtlichen Bedeutung entspricht, also wo sie hingehört; sie
soll geschmackvoll wirken, muss also eine entsprechende Umgebung
finden; sie soll vor Schaden und Verderben möglichst behütet sein,
muss also einen gesicherten Platz zugetheilt bekommen. Dies zu ver-
binden bildet eine zeitraubende Aufgabe.
Sammlung Hamburgischer Alterthümer. CRIX
An besonders hervorzuhebenden Geschenken gingen der Sammlung
folgende zu:
Vom Museumsverein: acht silberne Sargschilder und das silberne
Stubenschild der Brüderschaft der fremden Maurergesellen.
Von den Kindern des verstorbenen Th. G. Meissner: die Geld-
kiste des Rathsbuchdruckers.
Von den Herren Schröder und Michaelsen: ein grosses
Modell ihrer Guanolager nebst den Betriebseinrichtungen auf dem süd-
lichen Elbufer.
Von Herrn Hauptmann Gaedechens: eine Sammlung von Waffen.
Von den Hafenarbeitern Harder und Husfeld: die Pulver-
kammer eines schmiedeeisernen Kanonenrohres des 15. Jahrhunderts,
aufgefischt aus der Elbe vor St. Paulı.
Ein vollständiges Verzeichniss der Geschenke wird in den
Mittheilungen des Museumsvereins abgedruckt werden.
Durch Ankauf wurden unter anderm erworben:
Zwei silberne Sargschilder der Brüderschaft der fremden Maurer-
gesellen. |
Ein Oelgemälde vom Jahre 1755, darstellend eine Parade der
Stadtsoldaten auf dem Grossneumarkt, gemalt von C. Brucker.
Ein altes mn Hamburg verfertigtes Klavier.
ER Botanisches Museum und Laboratorium für Waarenkunde.
11. Botanisches Museum
und Laboratorium für Waarenkunde.
Bericht des Direktors Professor Dr. Sadebeck.
Auch in dem Jahre 1895 war die Erweiterung und Vermehrung
der Sammlungen des Museums eine ausserordentlich beträchtliche, und
das sich immer weiter verbreitende Interesse für das Institut gelangte
z. Th. auch in der Ueberweisung zahlreicher Geschenke zum Ausdruck.
Als solche gingen ein: 1) Frische Maniok-Knollen aus Brasilien; von
Frau J. ©. Mittelstein. — 2) Eine Kartoffel mit nach innen ent-
wickelten jungen Knollen von Liebenburg bei Goslar; von Herrn
L. W. Pramann. — 3) Brasilianische Jalapen, abstammend von
Ipomoea operculata Mart. aus Rio Grande do Sul; von den Herren
E. & A. Hasche. — 4) Proben chinesischer Drogen und Handels-
produkte: Turmeris (Rhizom von Curcuma longa L.), Galangal (Rhizom
von Alpinia officinarum Hance), Cassia lignea (die Rinde von Cinna-
monum Cassia Bl.), Sternanis (Illieeum amisatum L.), Castorseed
(Rieinus communis L.), chinesischer oder vegetabilischer Talg (aus der
Fettschicht der Samen von Sapium sebiferum Rxb.), zackige und runde
Gallen der Rhus semialata Murr; von Herrn E. Siebert. — 5) Zwei
Fruchtstände der Steinnusspalme, Phytelephas macrocarpa R. et P. von
Esmeraldas Pailos, nördlich von Guayaquil, gesammelt von Herrn
Schiffsoffizier J. Gade; durch Herrn Direktor G. A. H. Staude. —
6) Ein ca. "2 m langer, männlicher Blüthenzapfen von Encephalartos
Altensteinii Lehm. nebst einer Photographie der Pflanze aus den
Gewächshäusern der Dr. Brehmer’schen Heilanstalt in Görbersdorf
in Schlesien; durch Herrn Obergärtner D. Brandis daselbst. —
7) Einen Zweig mit Früchten nebst Samen von Chrysophyllum spec.
aus Westafrika; von Herrn Dr. Traun. — 8) Früchte und Blätter von
Aleurites triloba Forst. vom Ogowe-Fluss; durch Herrn C. Woer-
mann. — 9) Früchte von Möimosa pudica L. aus Samoa; von Herrn
Meyer-Delius. — 10) Macisbohnen, d. s. Samen der Kalebassen-
Muskatnuss, Monodora Myristica Dun., sowie zwei daraus dargestellte
Oele, das fette und das ätherische Maeisbohnenoel; von Herrn H. Hänsel
in Pirna. — 11) Rinde des Seidelbastes, Daphne Mezereum L., von
der Lappenkarawane mitgebracht; durch Herrn Direktor Dr. Bolau. —
Botanisches Museum und Laboratorium für Waarenkunde. OS
12) Pflanzen von Uniola latifolia Mich. aus den Maisfeldern West-
indiens; durch Herrn Dr. Schwarze. — 13) Die Photographie des
Drachenblutbaumes, Dracaena Draco L., von Teneriffa; durch Herrn
Fr. Günther. — 14) Palaquium Gutta (Hook.) Burck; vom Kais.
Deutschen Consulat in Singapore. — 15) Guttaperchapflanzen
aus Borneo; von Herrn Vice-Consul Kedenburg. — 16) Ein Frucht-
körper von Polyporus sulphureus (Bull.) Fr. aus einer hohlen Weide
in Moorfleth, und ein ebensolcher von P. sqguamosus (Huds.) Fr. von einer
Esche; durch Herrn Lehrer J. W. Lübbe in Reitbrook. — 17) Rbi-
zomorphenstränge und Fruchtstromata von Aylarıa Hypoxylon Grev.
aus einer hohlen Weide in der Nähe von Venne bei Osnabrück; durch
Herrn Dr. G. Mielke. — 18) Eine junge Kiefer aus Niendorf, deren
Nadeln mit dem Blasenrost, Peridermium oblongisporium Fuck., besetzt
sind; durch Herrn L. v. Pöppinghausen. — 19) Kohlrabi mit der
Kohlhernie, hervorgerufen durch Plasmodiophora Brassicae Wor., aus
Hamburg-Hamm; von Herrn Th. Kayser. — 20) Flechten von der
Delagoa-Bai; durch Herrn Schiffsarzt Dr. Brauns. — 21) Eine Collection
von Algen aus dem Gebiet der deutschen Meere; durch Herrn Major
aD Th Keinbold.
Getrocknete Pflanzen erhielt das Museum aus Patagonien
durch Herrn Mohts-Patagones, von Singapore durch Herrn Schiffs-
kapitän v. Binzer, aus dem Berner Oberlande durch Herrn Dr. Voigt
und aus der Umgegend von Hamburg durch Herrn W. Zimpel.
II. Durch Tausch wurde vom Kgl. Botanischen Museum
in Berlin eine Collection exotischer Pilze und Algen erworben.
II. Durch Ankauf fand folgende Vermehrung .der Sammlungen
statt: 1) 222 transatlantische Drogen von Herrn Dr. Schuchardt-
Görlitz (4 450). — 2) Verschiedene Früchte und Samen von Herrn
J. Heimerdinger, hier (4 12). — 3) C. G. Pringle: Plantae
mexicanae. Distr. 1892 («4 115,60). — 4) H. N. Patterson:
Flora of Colorado. Coll. of 1892 (#4 43,60). — 5) 150 Herbarpflanzen
aus Victoria von Herrn W. Kindingsland (4 15). — 6) 2 Centurien
bulgarischer Pflanzen von Herrn V. Stribrny-Sadovo (.# 40).
7) Equiseten und Lycopodiaceen aus dem Nachlasse des Herrn Professor
Dr. K. Prantl in Breslau (# 310). — 8) Fungi saxonici XVII und
XVII von Herrn K. W. Krieger-Königsten (4 16). — 9) Phycotheca
universalis X und XI von Herrn P. Richter-Leipzig (#4 32).
IV. Zahlreiche und wichtige Ergänzungen erhielten ausserdem die
Sammlungen, namentlich die phytopathologische und die pteridologische
Abtheilung, durch die Excursionen, welche von den Beamten des
Museums unternommen wurden.
CXXI Botanisches Museum und Laboratorium für Waarenkunde.
Dubletten wurden abgegeben: 1) Palmfrüchte und -Samen an
Herrn Prof. Dr. A. Meyer-Marburg. — 2) Ein Fruchtstand von
Phytelephas macrocarpa R. & P. an das Botanische Museum in
Breslau (Geheimrath Prof. Dr. F. Cohn). — 3) Früchte von
Garcinia Mangostana L. an Herrn Prof. Dr. Detmer-Jena. —
4) Kleine Abschnitte verschiedener Lianen an Herrn Dr. G. Mielke,
hier. — 5) Holzrosen aus Mexico an Herrn Prof. Dr. P. Magnus-
Berlin. — 6) Harz von Xanthorrhoea arboreum R. Br. und X. hastzle
R. Br. an Herrn Prof. Dr. A. Tschirch-Bern. — 7) Antheren von
Mesua salicina Pl. et Tr. an Herrn H. Haensel-Pirna. — 8) Ost-
und westafrikanische Pflanzen an das Botanische Museum in
Berlin. — 9) Ein Exemplar von Herpochaete fastigiata Mont. an
Herrn Prof. Dr. Cramer-Zürich. — 10) Mehrere parasitische
Eroasceen an Herrn Prof. Dr. A. Meyer-Marburg. — 11) Hexenbesen
von Almus incana DC., hervorgerufen durch Eroascus epiphyllus Sadeb.,
an Herrn Prof. Dr. P. Magnus- Berlin.
Entliehen wurden Theile der Sammlung: 1) Colletia- und
Hakea-Arten an Herrn Prof. Dr. Leimbach-Arnstadt. — 2) Früchte
von Aleurites moluccana Willd., A. triloba Forst., Bixa Orellana L.
und Calophyllum Jnophyllum L. an Herrn Dr. Hagen, hier. —
3) Ost- und westafrikanische Herbarien an das Königl. Botanische
Museum in Berlin. — 4) Ostafrikanische Sirychnos-Früchte an
Herrn Dr. Gilg-Berlin. — 5) Compositen an Herrn Dr. F. W. Klatt,
hier. — 6) Typha-, Sparganium-Arten und Veronica verna L. an
Herrn Prof. Dr. P. Ascherson. — 7) Die Myrmecodomatien von
Acacia spadicigera Ch. et Schl. an Herrn Dr. Steinvorth-Hannover.
— 8) Herpochaete fastigiata Mont. an Herrn Prof. Dr. Uramer-
Zürich. — 9) Florideen an Herrn Major a. D. Th. Reinbold-Kiel.
— 10) Caulerpen an Frau Prof. Weber van Bosse- Amsterdam.
Die Vermehrung und Ergänzung der Instrumente
und Apparate erfolste durch folgende Anschaffungen: Ein Mikroskop
von Hartnack: ein Stativ, 2 Oculare und die Objective 4, 5 und 9, letzteres
Immersion («#4 318). Ein Stativ von Hartnack (4 75), 2 Huyghens’sche
Oculare von Zeiss (4 14), 2 Compensationsoculare Nr. 2 von Zeiss
(4 40), Objectivr a, A, B, 2 D, E und I (4 358). Ein Revolver von
Zeiss (4 27). 3 Handlupen von Schiek (.# 45).
Die Vermehrung und Ergänzung der. Bibliothek
erfolgte durch die Fortsetzungen der Zeitschriften und Journale, über
welche man den vor. Jahresbericht vergleichen wolle; die Anschaffung
derselben beanspruchte weit über die Hälfte der für die Vervoll-
ständigung der Bibliothek zur Verfügung gestellten Mittel. Ausserdem
Botanisches Museum und Laboratorium für Waarenkunde (CXXII
konnten noch folgende Anschaffungen gemacht werden: 1) Frank,
Lehrb. d. Bot. — 2) Molisch, Die Pflanze. — 3) Schünemann,
Pflanzenvergiftungen. — 4) Jörgensen, Mikroorganismen. —
5) Baker, Handb. of Fern-Allies. — 6) Beddome, Ferns of British
India. — 7) Hooker & Baker, Synopsis fillieum. — 8) Beck,
Prothallium von Scolopendrium. — 9) Kuhn, Chaetopterides. —
10) Hooker & Bauer, Genera Filicum. — 11) Meyer, Drogen-
kunde. — 12) Detmer, Vergl. Physiologie der Keimung. —
13) Stebler & Schröter, Futterpflanzen. — 14) Walter, Braunw.
Gew. d. Farne. — 15) Index Kewensis. — 16) Dippel, Laubholz-
kunde, IH. — 17) Haberlandt, Tropenreise. — 18)Behrens, Tabellen.
Die Bibliothek wurde von Fremden, d. h. von solchen, welche
dem Institut nicht angehören, 120 mal in dem Lesezimmer benutzt;
ausserdem wurden 150 Bände ausgeliehen.
Die Vorlesungen und das Praktikum waren von 7 Zuhörern
besucht; die Betheiligung an den Excursionen war eine noch grössere.
Im Institut arbeiteten längere oder kürzere Zeit 8 Gelehrte,
darunter 5 Auswärtige; einer der Herren (Apotheker) arbeitete täglich
während des ganzen Jahres.
Veröffentlicht wurden im Laufe des Jahres 1893 folgende Arbeiten:
Brick, C., 1) Ueber Nectria cinnabarina (Tode) Fr., 148. (s. vor. Jahrb.)
2) Bericht über die Fortschritte auf dem Gebiet der
. forstlichen Botanik im Jahre 1892, 33 S. (Allgemeine
Forst- und Jagdzeitung, herausgegeben von Prof.
Dr. Lorey und Prof. Dr. J. Lehr. 1893).
Klatt, F. W., Berichtigungen zu einigen von (. G. Pringle in Mexico
gesammelten Compositen, 4 8. (s. vor. Jahrb.).
‚ Die parasitischen Exoasceen. Eine Monographie, 1108.
mit 3 lithogr. Doppeltafeln (s. vor. Jahrb.).
Im Laufe des Berichtsjahres gelangten an den Direktor 211 An-
Sadebeck, R.
fragen. Es bezogen sich:
1) auf Pflanzenkrankheiten und deren Bekämpfungsmittel 103 Anfragen
2) auf die übrigen Gebiete der wissenschaftlichen Botanik 108 5
211 Anfragen.
Ausserdem waren 6 Untersuchungen beantragt worden, wofür
55 eingenommen wurden; die Abtheilung für Samencontrole erzielte
im Laufe des Jahres eine Einnahme von «# 1720; die Gesammt-Einnahme
des Instituts betrug im Jahre 1893 demnach # 1775.
CXXIV Erster Bericht über die Thätigkeit der Abtheilung für Samencontrole.
Erster Bericht
über die Thätigkeit der Abtheilung für Samencontrole
(für die Zeit vom 1. September 1891 bis 30. Juni 1893)
von
Dr. A. Voigt.
Ausser dem kurzen Hinweis auf die Thätigkeit der Abtheilung
für Samencontrole im Jahresbericht des Botanischen Museums erscheint
es wünschenswerth, eine eingehendere Uebersicht über die Unter-
suchungen und deren Resultate zusammenzustellen.
Es sollen diese Berichte im gleicher Weise wie die der meisten
andern Samencontrolstationen einen Ueberblick über die im Geschäfts-
jahr am Markt erschienene Waare, soweit dieselbe der Abtheilung zu
Händen kam, und deren jeweiligen Werth ermöglichen.
Dieser erste Bericht wird ausser einer kurzen Mittheilung über
die Geschichte der Station, die Statistik vom 1. September 1891 bis
zum 30. Juni 1593 geben.
l. Geschichtliches.
Mit der stetigen Zunahme der Controlthätigkeit im Saatenhandel
trat für die Hamburger Händler immer mehr das Bedürfniss hervor,
ein den Samencontrolstationen der Landwirthschaftlichen Versuchs-
stationen entsprechendes staatliches Institut am eigenen Platze zu besitzen.
Im Jahre 1887 wandten sich nun die am Saathandel interessirten
Firmen mit dem Antrage an die Handelskammer, doch dahin wirken
zu wollen, dass in dem staatlichen Laboratorium für Waarenkunde
des Botanischen Museums eine den sog. Samencontrolstationen ent-
sprechende Einrichtung getroffen werde.
Nach längeren Verhandlungen zwischen den interessirten Firmen
und der Handelskammer einerseits und der zuständigen Behörde (der
Öberschulbehörde) und der Direction des Botanischen Museums
andererseits wurde die gewünschte Abtheilung für Samencontrole am
1. September 1891 zunächst provisorisch errichtet.
Nachdem dann die Einrichtung sich als zweckmässig erwiesen
hatte, wurde die Errichtung der Abtheilung zum 1. Juli 1892 definitiv
Erster Bericht über die Thätigkeit der Abtheilung für Samencontrole. CNNXV
bestätigt, eine am Schluss dieses Berichtes abgedruckte Gebührenordnung
festgestellt und eine an gleicher Stelle wiedergegebene Anleitung für
den Verkehr mit der Abtheilung herausgegeben.
Da in den Räumen des Botanischen Museums selbst kein Platz
vorhanden war, ist die Abtheilung z. Z. in einem kleinen Zimmer im
ersten Stock des Schul- und Museumsgebäudes vor dem Steinthor
untergebracht. Die m diesem Jahr zu erwartende Verlegung des
Botanischen Museums wird auch der Samencontrole grössere und vor
allem geeignetere Räume bringen.
2. Methodisches.
Den Untersuchungsmethoden wurden vor allem die in Halle
1590 vereinbarten und in Berlin 1892 endgültig genehmigten einheit-
lichen Bestimmungen des Verbandes Landwirthschaftlicher Versuchs-
stationen im Deutschen Reiche zu Grunde gelegt.
Der internationale Character jedoch des Hamburger Marktes
machte es nebenher nothwendig, auch die an den bedeutendsten aus-
ländischen Stationen zu Kopenhagen, Zürich und Wien gebräuchlichen
Verfahren in Betracht zu ziehen und für die Arbeiten der Abtheilung
eine Verbindung derselben mit den deutschen Bestimmungen anzustreben.
So ist z. B. eine allgemeine Vereinbarung über Temperatur, Licht ete.
bei Keimversuchen zwischen den deutschen und auswärtigen Stationen
recht wünschenswerth. Für die Untersuchung der Oelsaaten wurden
ferner die Grundsätze, die für das Laboratorium der Incorporated Oil
Seed Association in London maassgebend sind, zum Vorbild genommen.
3. Statistisches.
Die Abtheilung für Samencontrole untersuchte in der Berichts-
zeit 1254 Proben, und zwar sandten
le EirmiensbElambures 8 ee 1177 Muster
14 „ des übrigen Deutschlands ..... lag? 5%,
iu Birma aus“Dänemarkı a. ar... 1 R
11 r;; „ Krankreicha= #3... %: Sa Da
Zur eigenen Information wurden untersucht 37 „
Zusammen. ..1254 Muster.
Die nebenstehende Zusammenstellung giebt eine Uebersicht über
die Anzahl und Art der eingegangenen Samenproben sowie über die
für dieselben beantragten Untersuchungen.
|
|
=
= Untersucht auf 4 &0
BR) SE
= SS Super _.E
= Su Br 2el2|5 je 2) ES
3: a „2 2/3 3)3285 512 8
3 Ssleialsı a ae
zu BIeaıy O7) 2) =
| ZA el
) MemTeRe: s el er
1 | Rothklee (Trifolium pratense L.)...... | 1735| — 638 118] 82) 86 211 — — |— | 945
2 | Weissklee (Trifolium repens L.) ...... 8141.27) —) 30/87) = meer
3 | Bastardklee (Trifolium hybridum L.) .. 84| —_ 64 — | 15) 2) — — |—|—| 101
4 | Wundklee (Anthyllis vulneraria L.) .. N 7 ge 19
5 | Luzerne (Medicago sativa L.) .......... 5 —/ 11 -| 4 4, | lee 19
6 | Gelbklee (Medicago lupulina L.) ...... 281 —| 19) 8, 9, eur
7 | Esparsette (Onobrychis sativa Lam.).. | ı | U ||| — 1
8 | Schotenklee (Lotus corniculatus L.).... = 1, 1
9 | Serradella (Ornithopus sativus L.) ..... 21 eh 21 — 311 — 36
10 | Spörgel (Spergula arvensis L.) ........ ee 0)
11 | Runkeln (Beta vulgaris L.)........... 10), — -— | —' 10) —|—| —- | — 10
12'| Wurzeln (Daueus'Carota L.) .....2...: 3 — 2 or a 3 —|—-|\-|— B)
18: | Kümmel (Carum Carui BL) .....2..... 2-1 ——| 1 3—| —|-|— 3
14.) Eiche (Quereus spec) 2... 10 Se —| „=, —.| 2) ee 1
15 | Mohn (Papaver somniferum L.)....... 1 — es ZZ I) — l
16 ı Eucalyptus globulus Labill. ........... 1 | 1 _ 1
17 | Japan Clover (Lespedeza striata Hook. I |
OT) ee ehe 1 zu Anbauversuchen. 1
18 | Lein (Linum usitatissimum L)........ ZZ = 2
19 | Castorsaat (Bieinus communis L) ..... Sr lrg — | 20 )
20 | Sesam- od. Gingellysaat (Sesamum | | TR |
indieum, DECO )arR RE . eleeher 271 -\—| — | %4 —| — | —- |. —/12| 36
21 | Engl. Raygras (Lolium perenne L.).... | 18) Ze 28
22 | Ital. Raygras (Lolium italicum A. Br.). oe ee 10/2. — 17
23 | Franz. Raygras (Arrhenatherum elatius | a
Mer EeLBIROCHE) ee ee | — N) — 37
24 | Knaulgras (Dactylis glomerata L.)..... er | 44 BO) =
25 | Timothee (Phleum pratense L.)........ 40 — 13, — |. 22.26 —) | 61
26 | Honiggras (Holcus lanatus L.) ........ Se ee] 16 ja 34
27 | Wiesen -Fuchsschwanz (Alopecurus pra- | Bi |
VENSI Na SER 3) —— | 10) 13) =) |) = 23
28 | Rispengräser (Poa, spee.) ......... 0... 9 —| - — 2| —| —|—|— )
29 | Verwechselte Trespe (Bromus commutatus | | |
DCHTAEE EE E 11-—!|--| 1 1-|—| —-|— 2
30 | Kammgras (Oynosurus eristatus L.).... ae ne — I1— 4
3l | Rohrglanzgras (Baldingera arundinacea | Ib |
Dumort 2a a ee 1|— | —<| | —, I, — | ]
32 | Ruchgras (Anthoxanthum Puelii Lee. et | I
N EN EHE LEN 41 | —| 1 4-—-|-| | 5
33 | Schafschwingel (Festuca ovina L.)..... 15 | — —| —ı) 6, Bl er
34 | Wiesenschwingel(Festuca pratensis Huds.) eh en = 5
35 | Riesenschwingel (Festuca gigantea Vill.) 1-1 - - - 1-|-|)-|1— 1
36 | Fioringras (Agrostis alba Schrad.) ..... a I Ne in
37 | Gerste (Hordeum sativum Jess.) ....... 1 — 22 ae 1
88, Grasmmischnnwern ne ee ne 4 zur botanischen Analyse. 4
1 7781118339415 23| 3 | 2 |12 1696
DuUmme....... | 1254 |
Erster Bericht über die Thätigkeit der Abtheilung für Samencontrole. COXXVII
Aus der vorstehenden Uebersicht ergiebt sich, dass der Rothklee
die Hauptmenge (ca. ®3) der eingegangenen Muster ausmacht; unter
den Untersuchungsarten überwiegt die Prüfung auf Kleeseide (etwa
die Hälfte), in zweiter Linie kommen die Bestimmungen der Reinheit
und Keimkraft (je ";) und das letzte Viertel umfasst. die Ermittelung
von Echtheit, Herkunft, Gewicht etc. ete.
Die Untersuchungen auf Kleeseide gaben die folgenden Resultate:
Es wurden gefunden
|
|
© g en > 2 5 $ nr
ge 2 a mv = zZ we < = Fr oo
Der ie a or = Bo Be zEirSB an | Ev
ee eele- Bade
Sr 5 E SER : =
|
‚on a w | |
en 638 | 97 ee 192 te
Proben | | | |
lası 9,01 |ın | 5 a a ER
haltig | | | | | |
a1, i528 50: ).As6| 316 a Wer
h Do |
Von den kleeseidehaltigen Rothkleemustern enthielten:
weniger wie 1 Korn in 100 gr. ............ 5l Proben, rund 8 %.
Beeren BON Er N... le Bi a ee
mehr wie 1 Korn ın: 100 ger. ............... ISoegpeR er. 1029, 7
Das Maximum betrug:
beim Rothklee....... = RUE TTEERE 2 72.2.2,2000I Kornn2 100. er.
Are ‘)
Weissklee a 20 a ne
BSchwedklee..ar .......: 2.22.22. 285.0: 1200,49 Freu
Der verhältnissmässig hohe Procentsatz seidehaltiger Rothklee-
muster hat seinen Grund darin, dass hauptsächlich des Seidegehalts
verdächtige Waaren zur Untersuchung gelangen, und ferner Proben
einer und derselben seidehaltigen Waare, nachdem dieselbe verschiedenen
Reinigungsverfahren unterzogen worden ist, wiederholt zur Prüfung
vorgelegt werden.
Die Herkunftsbestimmungen befassten sich soweit angängig mit
der Ermittelung des Ursprungslandes vom Rothklee, und zwar handelte
es sich meistens um die Feststellung europäischer und amerikanischer
Provenienzen sowie um die Erkennung von Mischsaaten,
CXXVIH Erster Bericht über die Thätigkeit der Abtheilung für Samencontrole.
Für die Reimheit und Keimfähigkeit
ergaben
sich
in der
Berichtszeit die auf nachstehender Tabelle zusammengestellten Minimal-,
Maximal- und Mittelwerthe.
Keimkraft
Reinheit
| s s| | Ss
Samenart : B = el = 5 =
SS 4 E Sahasue = 8
as E ZN EEE Ei 2
e — A S| A Ss
Rothklees.2...e.. e2| ss | 03 | 955 | se | 4114 | 96+3 |85,1+11,2
Weissklee...... 30 | 70,2 98,6 90,6 | 37 | 20+12 | 98-+2 | 66,7+17
Bastardklee ...... 15 | 45,7 | 984 | 86,5 | 22 | 18+6 | 9048 | 66-13
Wundklee..... 7 | 76,7 | 98,15 | 87.1 | 8 | 56+2 | 96+3 | 84,6+3
Luzerne |
(südamerikanische) | 3 | 86,4 94 91,1°| 3.) 18 20 1
luzemer. 0... 1 1 9805 — — 76+23
Gelbklee ......... 8 | 53 | 9u9 | ez.ı |-9 | 65+7 ! 9742| 79-13
Serradella........ ı2 | 86,2 | 93,9 | 89,9 | 21 6° | 88 66
Esparsette ...... — — — -—_ i — — 59
Nurzelniee. er. = —_ _ 6) 98 2) 92
Spöreelen en. 3 9 | 992 | 96,1 | 5 40,5 2 291 69,5
kunkelnz 2.20. = = _ — 10 155 210 167,23)
Kummelre Zr: 1 — _ Eh! 2 74 59 81,5
Eucalyptus....... le — -- 1 E= — 82
N OR 2 | 97 | 65 ar | — | — = a
Rieinus 2.2.0... 9 oa 7a ae ze =
BESTE HE ee Eee 24.1.93,7 98,4 | 96,035 | — = —_ —
Engl. Raygras....| 8 | 84,97 | »9,ı | a8 |ı8 | #7 82 70
Ttal.Raypras....21 7 81,4 98,6 93,8 | 10 56 87 69,9
Franz. Raygras . 19 | 56,9 93 Karel) 35 86 69
Knaulsrasas. 2. 44 | 53,5 | 94,8 83 60 9 94 16
Timothee . 2248156 99,4 | 96,6 | 26 öl 94 S6
Honiggras..... 16 | 29 71 54 18 18 62 | 40
Fuchsschwanz ....| 10 , 65,5 | 894 | 80,1 [| 12 18 90 49
Schafschwingel ...| 6 | 68 | 839 | 79 | 15 M) 87 60
Wiesenschwingel.. | 2 97,6 97,9 | 97,85 | 3 0 95 62
Riesenschwingel .. | — _ — _ 1 — — 37
Rispengras).... .... 2 | 50,1 59,6 | 54,9 7 4 54 | 74
Eiorinprase ee 32 1043.2°10.96.6.| 270,1 7 48 9 | 66
Geruchgras....... 1 — — 70 4 6 69 | 29
Kammerasıı. 2... 1 — u al 3 4 60 41
VerwechselteTrespe| 1 _ — 52,8 | 1 —— —_— | 60
Rohrglanzgras .... | — = — — 1 _ _ | 14
Gerste re —_ — —_ —_ 1 _ —_ | 98
ı) Keimpflanzen aus 100 Knäulen,
Erster Bericht über die Thätigkeit der Abtheilung für Samencontrole. OGXXIX
Für den Rothklee stimmen die ermittelten Durchschnitts-
zahlen für Reimheit und Keimfähigkeit recht gut mit den von Zürich
und Kopenhagen gefundenen 16- resp. 9jährigen Mittelwerthen.
Weiss- und Bastardklee bleiben nicht unwesentlich hinter den-
selben zurück. Der Grund hierfür ist darin zu suchen, dass die
Abtheilung im Anfang ihrer Thätigkeit eine ganze Reihe alter minder-
werthiger Muster zur Untersuchung erhielt.
Die Begutachtung der zur Oelgewinnung verwendeten Saaten,
wie Lein, Ricinus und Sesam erstreckte sich hauptsächlich auf
die Feststellung der Reimheit; die Sesamsaaten zeigen den höchsten
Durchschnittswerth mit 96,03 %. Bei diesen wurden ferner noch
12 Proben m Bezug auf die Farbe der Körner analysirt und zwar
zum Theil der Procentgehalt an schwarzen resp. dunklen Körnern
festgestellt, des weiteren aber auch das Verhältniss mehrerer Farben-
spielarten (weiss, gelb, roth, schwarz) in den Proben ermittelt.
Die Resultate dieser Oelsaatanalysen werden direct zur Preis-
bestimmung der Waare verwendet. Bisher wurden diese Analysen
ausschliesslich im Laboratorium der Oil Seed Association im London
ausgeführt, und noch heute schreiben die in englischer Sprache ver-
fassten Kaufcontracte dieser Handelsartikel, deren Hauptmarkt London
ist, Arbitrage der Londoner Gesellschaft vor.
Es bedeutet aber für den Hamburger Markt einen nicht
unwesentlichen Vortheil, am eigenen Platze diese Analysen in einem
Staatslaboratorium ausführen lassen zu können, zumal da die deutschen
Colonien recht beträchtliche Mengen dieser Saaten an den Markt bringen.
Unter den Gräsern gelangten Knaulgräser am meisten zur
Untersuchung. . Die Resultate liegen zwischen den Züricher und
Kopenhagener Durchschnittswerthen. Es kommen in Hamburg fast
ausschliesslich neuseeländische Waaren an den Markt, die sich durch
gute Reinheit und Keimfähigkeit auszeichnen. Unser Durchschnitts-
resultat ergiebt einen Gebrauchswerth von rund 70 °o (Kopenhagen
1884/93 74°, Zürich 1876/90 59% *). Bei guten australischen
Saaten schwanken Reinheit und Keimfähiskeit zwischen 80 und 94 ®o
und es sind Waaren mit über 90% Reinheit und 90% Keimfähigkeit,
also einem Gebrauchswerth von mehr als 81% nichts seltenes.
Für die andern Klee- und Grassaaten sei hier kurz auf die
vorstehende Tabelle verwiesen.
*) Hier drücken die viel unreineren französischen Saaten den Durchschnitts-
werth beträchtlich herab.
"XXX Erster Bericht über die Thätigkeit der Abtheilung für Samencontrole.
Tarif
für die Abtheilung für Samencontrole.
(Gebührenordnung des Hamburgischen Botanischen Museums und Laboratoriums
für Waarenkunde. $ 2. II)
1) Bestimmung der Echtheit von Gattung und Art....... M 1—3
2) Bestimmung der Reinheit:
a. bei Cerealien, Mais, Runkel- und Zuckerrüben, Erbse,
Bohne, Wicke, Linse, Esparsette, Serradella, Lupine,
Sojabohne, Sonnenblume, Hanf, Karde, Waid, Riemus,
Öbstsamen, Palmkerne, Eiche, Buche, Buchweizen,
Nadelhölzern und "ähnlichen Ze en zer 2
b. bei Lein, Sesam, Hirse, Raps, Kohlarten, Senf, Dotter,
Kresse, Cichorie, Zwiebel, Mohn, Nessel, Reseda, Tabak,
Rothkleerundsähnlichene zes ee 3
c. bei Raygräsern, Timothee, Spörgel, Möhre, Dill, Anis,
Kümmel, Rapünzchen, Sellerie, Petersilie, Fenchel,
Lattich, Birke, Erle, Weiss- und Schwed. Klee und
ähnlichen . TEE N o- |
d. bei Gräsern (mit Ausnahme von Timothee und Ray-
sräsern), und ahnlichense a pe se a
3) Bestimmung besonderer Unkräuter:
a. „der Rlachsserde ...,7 8. mes 5)
b. der Kleeseide*)...... I allslee SENT RI n
im Weiss- und Schwed. Klee „ 4
des; Kleeteufels (Orobanehe) ner... vr rrmeee er ne:
d. Botanische Analyse (einschliesslich Seidebestimmung) „ 5—25
4) Bestimmung der Keimkraft:
a. bei Kleearten, Luzerne, Getreide, Mais, Buchweizen,
Hirse, Raygräsern, Timothee, Esparsette, Serradella,
Spörgel, Erbse, Bohne, Wicke, Linse, Lupine, Soja-
bohne, Raps, Kohlarten, Kresse, Dotter, Senf, Lein,
Hanf, Karde, Waid, Zwiebel, Cichorie, Mohn, Nessel,
Reseda; Tabak imndvähnlichene wer rer pe 2
*) Auf Seide gelangt ausser dem Siebsel der ganzen eingesandten Probe auch
die auf dem Sieb zurückgebliebene Saat zur Durchsicht, und zwar von
wothklee 100 gr., von Weiss- und Schwed. Klee 50 gr. Soll mehr ausgelesen
werden, so berechnen sich
für Rothklee jede weiteren 100 gr. mit #4 1,50,
für Weiss- und Schwed. Klee ,, h 50 07: u mn A
6)
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.
Erster Bericht über die Thätigkeit der Abtheilung für Samencontrole. CXXXI
b. bei Gräsern (mit Ausnahme der unter a genannten),
Anis, Dill, Fenchel, Kümmel, Möhre, Petersilie, Sellerie,
Rapünzchen, Lattich, Obstsamen und ähnlichen ..... M 3
c. bei Birke, Erle, Eiche, Buche, Nadelhölzern und
See a ne ee da rede nee nit 4
d. bei Runkel- und Zuckerrüben und ähnlichen ....... )
Gewichtsbestimmungen :
a. des absoluten Gewichts (? Korn im Klo. oder Gew.
BOB LUDOOE Or ae nl
be des speeitischem, Gewichte a... = su. ne. en cch 0
ei dess Volumsewichts u... . en. 22 24. 20%: SPRLTE IR
Dedesı Wasserechaltsn Vasen aa sen ae 32
Anleitung
für die Benutzung der Abtheilung für Samencontrole.
Die Abtheilung für Samencontrole hat die Aufgabe, Waarenproben
der gangbaren Sämereien und dergl. zu prüfen, ihren Gehalt an
wirklich verwendbarer echter Saat und an Verunreinigungen fest-
zustellen und zu begutachten, um somit dem einschlägigen Handel
eine auf amtliche Untersuchung gestützte Beurtheilung und Werth-
bestimmung der vorliegenden Waare zu ermöglichen.
Die Abtheilung untersucht Waarenproben der oben erwähnten Art
in der Regel nach Reihenfolge der Eingänge je nach Wunsch des
Einsenders auf Reinheit, Keimfähigkeit, Gewicht, Echtheit, Gebrauchs-
werth ete. und erhebt dafür eine für obiges Institut behördlicher-
seits festgesetzte Gebühr. (Man vergl. Gebührenordnung des
Hamb. Bot. Mus. und Lab. für Waarenkunde $ 2, IL)
Die Untersuchungen werden im Allgemeinen für Klee- und Gras-
samen nach den Methoden und Bestimmungen der Deutschen
Landwirthschaftlichen Versuchsstationen, für Oelsaaten nach dem
Muster der /ncorporated Oil Seed Association, London, sowie für
andere Sämereien nach dem sich aus der Natur der Sache ergebenden
Verfahren ausgeführt.
Der Untersuchungsbericht bezieht sich nur auf den Befund der
eingesandten Probe; die Uebereinstimmung der gelieferten Waare
mit der Probe kann nur durch Nachuntersuchung emer aus dieser
vor Zeugen genommenen Durchschnittsprobe ermittelt werden.
CXXXI Erster Bericht über die Thätigkeit der Abtheilung für Samencontrole.
5.
6.
w
I.
8.
Für die Nachuntersuchung ist bei Klee- und Grassaaten eine
Latitüde von 5% im Gebrauchswerth im Allgememen festzuhalten,
bei Seidebestimmungen das Vorhandensein von einem Korn in der
für eine vollständige Untersuchung geforderten Menge (man vergl.
$ 6) zulässig. Es empfiehlt sich jedoch die Höhe der Marge in
den Verkaufsbedingungen besonders festzusetzen.
Zur Untersuchung sind mindestens einzusenden:
50 gr. von Grassamen aller Art, Hornklee, Spörgel, Kresse,
Anis, Dill, Fenchel, Kümmel, Möhre, Petersilie, Sellerie,
Mohn, Nessel, Reseda, Tabak, Birke u. a.;
100 gr. von Buchweizen, Hirse, Kleearten, Luzerne, Serradella.
Esparsette, Wicke, Linse, Raps, Kohlarten, Dotter, Sesam,
Senf, Rapünzchen, Lattich, Zwiebel, Cichorie, Lein, Hanf,
Karde, Waid, Erle, Weissbuche, Nadelhölzer u. a.;
250 er. von Roggen, Weizen, Gerste, Hafer, Mais, Bohne, Erbse,
Lupine, Sojabohne, Sonnenblume, Runkel- und Zuckerrübe,
Ricinus, Obstsamen, Eiche, Rothbuche u. a.;
1'5 Liter zur Bestimmung des Volumgewichts von Getreide etc.
Zur Entnahme einer zutrefienden Durchschnittsprobe werden
die Nobbe’schen Klee- und Kornprobenstecher empfohlen.
Die Art der gewünschten Untersuchung ist beim Einsenden
der Proben schriftlich zu beantragen.
Auf Seide gelangt ausser dem Siebsel der ganzen eingesandten
Probe auch die auf dem Sieb zurückgebliebene Saat zur Durch-
sicht, und zwar von Rothklee 100 gr., von Weiss- und Schwed.
Klee 50 gr.
Die Keimversuche werden abgeschlossen nach vollen
10 Tagen bei Cerealien, Kleearten, Esparsette, Spörgel, Erbsen,
Bohnen, Wicken, Linsen, Lupinen, Sojabohnen, Sonnenblumen,
Raps, Kohlarten, Senf, Dotter, Lein, Cichorie, Hanf, Mohn,
Tabak u, a.;
14 Tagen bei Rübenknäulen, Raygräsern, Timothee, Möhren,
Serradella u. a.;
21 Tagen bei Gräsern (ausser bei Rispen- und Raygräsern und
Timothee) u. a.;
Tagen bei Rispengräsern, Nadelhölzern, Birken, Erlen, Eichen,
Roth- und Weissbuchen u. a.;
72 Tagen bei Pinus Strobus, Obstkernen u. a.;
uQ
(0 0)
Auf Wunsch werden zur privaten Orientirung über den Stand
der Untersuchung vorläufige Mittheilungen gemacht. Für die
10.
11.
Erster Bericht über die Thätigkeit der Abtheilung für Samencontrole. CR
Keimkraftprüfung können dieselben (Feststellung der Keimungs-
energie) erfolgen nach
3 Tagen bei Cerealien, Kleearten, Erbsen, Wicken, Platterbsen,
Lein, Dotter, Mohn, Brassica, Lepidium, Rettie, Spörgel,
Cichorie u. a.;
4 Tagen bei Kürbis, Gurken, Bohnen, Poterium, Spinat, Lupine,
Buchweizen u. a.;
5 Tagen bei Beta, Timothee, Serradella, Eibisch, Lotus, Ray-
gräsern, Wiesenschwingel, Glanzgras u. a.;
6 Tagen bei Agrostis, Aira, Anthriscus, Möhre, Fenchel,
Esparsette, Sorghum u. a.;
Tagen bei Picea, Fuchsschwanz, Ruchgras, Baldingera,
Deschampia, Trisetum, Poa, Cynosurus, Dactylis, Holcus,
[:
rother- und Schafschwingel, Pimpinella u. a.;
10 Tagen bei Abies, Pinus (ausser P. Strobus), Acer u. a.;
14 Tagen bei Pinus Strobus u. a.;
Saaten, die mehr als 20 % fremde Bestandtheile enthalten, werden
als Gemische betrachtet, und die Untersuchung derselben nach
der aufgewandten Arbeitszeit berechnet. (Botanische Analyse.)
Die untersuchten Proben werden ein halbes Jahr aufbewahrt und
werden nach Ablauf dieses Zeitraumes, sofern sie nicht von den
Einsendern wieder abgefordert sind, Eigenthum des Botanischen
Museums.
Die Zahlung findet für diejenigen Firmen, welche die Abtheilung
regelmässig benutzen, in zu verabredenden Zeiten statt. In allen
anderen Fällen sind die Untersuchungsgebühren bei Zustellung
der Berichte zu begleichen.
Uebersicht
der von Ostern 1893 bis Ostern 1894
gehaltenen Vorlesungen.
Uebersicht
der von Ostern 1893 bis Ostern 1894 gehaltenen
Vorlesungen.
I. Museum für Kunst und Gewerbe.
Prof. Dr. Brinckmann,
im Winter 1893/94:
i) (im October und November) Ueber
die Sammlung Spitzer und die daraus
für das Museum gemachten Ankäufe ;
2) (von Januar bis März) Geschichte und
Technik des Kunstgewerbes, Montags von 2"2—53"2 Uhr.
II. Chemisches Staatslaboratorium.
Prof. Dr. Dennstedt,
im Winter 1893/94:
1) Experimental-Chemie, anorganischer
here ea en; Donnerstags von 10—12 Uhr;
2) gemeinsam mit Dr. Eingelbrecht: Prak-
tische Laboratoriumsübungen,
nach Uebereinkunft täglich von 9—4 Uhr,
Sonnabends von 9—2 Uhr.
II. Physikalisches Staatslaboratorium.
Prof. Dr. Voller,
im Sommer 1893: Die physikalischen |
Eigenschaften der Gase und Dämpfe
im Lichte der mechanischen Wärme- .
Freitags von
theorie, Y
h F } n N 592, Uhr.
im Winter 1893/94: Grundzüge der
Elektricitätslehre, mit Berücksichti-
gungihrer praktischen Anwendungen,
IV. Naturhistorisches Museum.
Prof. Dr. Kraepelin,
im Sommer 1893: Bau und Systematik
der luftathmenden Gliederthiere, Montags von 6—7 Uhr;
im Winter 1895/94: Einführung in die
ZOO 01er en Sonnabends von 7—8 Uhr.
k
OXNXVIN Uebersicht der Vorlesungen.
Dr. Georg Pfeffer,
im Sommer 1893: Weichthiere, 2. Theil,
Montags von 7—8 Uhr;
im Winter 1893/94: Die Darwin’sche
Lehre und ihre Weiterentwickelung
bis auf die jüngste Zeit,...Sonnabends von S—9 Uhr.
Dr. 0. Gottsche,
im Winter 1893/94:
Geologie der cimbrischen Halbinsel, Montags von 7—8 Uhr.
V. Botanisches Museum,
Prof. Dr. Sadebeck,
im Sommer 1893:
1) Pflanzenkrankheiten,....... .Dienstags von 1—3 Uhr;
2) Botanisches Praktikum,
täglich von 10—2 Uhr, ausser Montags;
3) Botanische Excursionen,
wöchentlich, Sonnabends oder Sonntags;
im Winter 1893/94:
1) Pflanzenkrankheiten, specieller Theil,
Donnerstags von 1—3 Uhr;
2) Botanisches Praktikum,
täglich von 10—2 Uhr, ausser Montags.
VI. Prof. Dr. Adolph Wohlwill,
im Sommer 1893:
1) Deutsche Culturgeschichte im Zeitalter
vor der französischen Revolution
(bis? Pnnosten), re 2. Donnerstags von 6—7 Uhr;
2) Goethe’s Leben und Dichten 1775 bis
1789 (bis Pfingsten), .........Freitags von 7—8 Uhr;
3) Historische und litteraturhistorische
Uebungen. Nach Verabredung;
im Winter 1893/94:
1) Hamburgische Geschichte seit dem
27. Jahrhunderts... 2. Dienstags. von 612—7'2 Uhr;
2) DeutscheLitteraturgeschichteseit1774,
Donnerstags von 6—7 Uhr;
3) Geschichte der franz. Revolution seit
dem Tode Robespierres, ....Sonnabends von 8—9 Uhr;
4) Historische und litteraturhistorische
Üchunsen ame a.: .. „Montags von 6—8 Uhr.
Uebersicht der Vorlesungen. DOOOBL
VI. Ausserdem trugen im Auftrage der Oberschulbehörde vor:
Dr. 2W. Bock,
im Sommer 1893: Ebene und Raum-
geometrie,
im Winter 1893/94: Geometrie der Lage,
Donnerstags von
7'a—91 Uhr.
Dr. E. Hoppe,
im Sommer 1895: Die geschichtliche
Entwickelung der Lehre von der | Dienstags
Elektricität, (von 7"—9'/a Uhr.
im Winter 1893/94: Die Lehre vom Licht, |
Dr. J. Petersen:
Physische Geographie und Geologie des
Wassers,
Hofrath Dr. @. Portig,
im Sommer 1893:
1) Die Kant’sche Philosophie, .. Montags von 7—8 Uhr;
2) Schiller m seinem Verhältniss zu
Goethe, W. von Humboldt und
Chr. G. Körner, ............Dienstags von 7—8 Uhr;
3) Lionardo da Vinci, die italienische
Renaissance-Architektur, ..... Freitags von 7—8 Uhr;
im Winter 1893/94:
1) Die pessimistische und die optimistische
Weltanschauung, ».......... Sonntags von 1—2 Uhr;
2) Goethe’s Wahlverwandtschaften. Des-
selben Verhältniss zur Frauenliebe,
Dienstags von 2'%—3":2 Uhr;
3) Shakespeare in seinen Tragödien,
Mittwochs von 2'2—3"2 Uhr.
Prof. Dr. HZ. Schubert,
im Sommer 1893: Niedere Analysis,
Combinatorik und Wahrscheinlich-
keitsrechnung,
im Winter 1893/94: Elemente der
Differential- und Integralrechnung,
Montags
von 7Y2— 9Ya Uhr.
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vr
m.
Wissenschaftliche Abhandlungen.
A.
Die
Cholera in Hamburg
und
ihre Beziehungen zum Wasser.
Mit 5 Abbildungen im Text und 7 Tafeln.
Von
Dr. J. J. Reeincke.
Be;
Unter den vielen Fragen der Cholera-Epidemiologie verdient
die Frage nach den Beziehungen der Krankheit zum Wasser um
deswillen eine ganz besondere Berücksichtigung, weil die wichtigsten
Massnahmen zur Verhütung derselben gerade an diesen Punkt
anknüpfen.
Dass das Wasser bei dem grossen Ausbruche der Krankheit
in Hamburg im Jahre 1892 betheiligt gewesen, wird nur von
Wenigen mehr bestritten, dagegen begegnet man noch mancherlei
Zweifeln, ob denn auch bei den früheren Hamburger Epidemien ein
Zusammenhang zwischen Wasser und Cholera vorhanden gewesen.
Die nachfolgende Darstellung versucht, darüber möglichste
Klarheit zu verschaffen.
Als es sich im Jahre 1846 um die erste Anlage der gegen-
wärtigen Stadtwasserkunst und namentlich um die Auswahl des
Platzes für die „Stamm-Anlage“ handelte, führte der Ingenieur
William Lindley in einem längeren Berichte!) an die Bau-Depu-
tation das Folgende aus:
„Bei Entwerfung des Planes... konnte kein Zweifel darüber
obwalten, dass es als eines der Grundprineipien festzuhalten sei, die
Ablagerungs-Bassins nur dort anzulegen, wo sie das Wasser möglichst
rein aus dem Strom erhalten können. - Suchten doch schon die alten
Römer bei Versorgung ihrer Städte nicht nach dem nächsten sondern
nach dem reinsten Wasser und scheuten selbst grosse Bauwerke
nicht, wenn dadurch besseres Wasser aus’ der Entfernung zu erlangen
war. Nur das Mittelalter legte gern alles innerhalb der Ringmauern
und mitten unter der Bevölkerung an, seien es nun Wasserkünste
oder Kirchhöfe; erst der Neuzeit ist es vorbehalten, die Bevölkerung
') Erläuterungen über die Anlage und den Zustand der Stadt-Wasserkunst
von William Lindley. Veröffentlicht auf Verfügung der Bau-Deputation.
Hamburg, December 1846. 8. 18.
1*
4 Dr. J. I. Reincke.
von der Nähe der Kirchhöfe und die Wasserkünste von der Nähe
der Bevölkerung zu befreien. ... Man hatte bekanntlich früher
allenthalben die Gewohnheit, städtische Abflüsse in das nächste
Gewässer zu leiten, wenngleich Wasserkünste daraus schöpfen mussten
und dieses Missverhältniss wurde von Jahr zu Jahr fühlbarer und
zuletzt unerträglich. .... Ein solches unter unseren Augen ver-
unreinigtes Wasser kann unseren Ansprüchen an Reinlichkeit nichts
weniger als genügen und abgerechnet den Widerwillen, den schon
die Idee erzeugt, wird auch diese Eigenthümlichkeit des Wassers
wohl von Keinem als der Gesundheit förderlich betrachtet werden. ...
An manchen Orten, namentlich in London, hat erst der Ekel der
Kunden und die von Aerzten und Chemikern hervorgerufene parla-
mentarische Untersuchung und der damit erfolgte Zwang der Behörden
einzelne Wasserkünste bewegen können, ihre Anstalten, welche der
städtischen Bevölkerung zu nahe lagen, abzubrechen und in solcher
Entfernung stromaufwärts neu anzulegen, dass sie das Wasser so
wie es aus dem Oberlande herunter kommt, liefern konnten.“
Auf Grund dieser Erwägungen wurde die Schöpfstelle der
Wasserkunst bei Rothenburgsort angelegt, wo in jenen Jahren das
Wasser von allen Verunreinigungen aus Stadt und Hafen frei erschien.
Wie sehr die allgemeinen Ausführungen Lindley’s gerade
durch die Hamburger Verhältnisse gerechtfertigt waren, ergiebt
sich aus dem Folgenden.
Bis zur Einführung einer systematischen Kanalisation der
Stadt wurden die Fäkalien theils abgefahren, theils auf verschiedenen
Wegen mit den Küchen-, Spül- und Scheuerwässern den Flethen, der
Alster und der Elbe zugeführt. Neben offenen und gedeckten Rinn-
steinen gab es lokale gemauerte Siele und grosse offene Abzugs-
kanäle, die zum Theil aus ehemaligen Befestigungsgräben hervor-
gegangen waren, sogenannte Haasenmoore mit schlechter Spülung.
Wer an den Flethen wohnte „machte diese ungescheut zum Kon-
cipienten seiner thierischen Ausleerungen.“ Die Abtritte lagen auf
Ausbauten, Balkonen und Lauben an den Rückseiten der Häuser
und entleerten sich direct in das Wasser. Daneben wurden in der
Nacht viele Nachteimer über die Brücken in die Flethe ausgegossen.")
Aus diesen so verunreinigten Wasserläufen wurde auch die
Hauptmasse des Trink- und Nutzwassers bezogen.
') Vergl. die drastische Schilderung des Hamburger Arztes Rambach.
Versuch einer physisch-medieinischen Beschreibung von Hamburg. Hamburg
1501. 8. 48 u. figde.
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. Bi)
Als das beste Wasser galt allgemein das Elbwasser.
Im Jahre 1824 schrieb Hübbe,') „Nach einer Vergleichung mit
den anderen Wassern der Stadt ist das Elbwasser das reinste und
hat den wenigsten Zusatz an fremden Bestandtheilen. Manche
Leute lassen es eine Stunde vor der eintretenden Ebbe womöglich
mitten im Fahrwasser schöpfen, weil es dann am reinsten ist, und
seihen es durch einen Tropfstein.”) Der Widerwille, welchen Einige
gegen das Elbwasser wegen der Verunreinigung haben, beruht auf
einem Vorurtheile. Selbst das Wasser aus den entfernteren nicht
gar°zu engen oder verschlammten Kanälen ist ganz geruchlos und
hat keinen Nebengeschmack, wenn es nur zur rechten Zeit geschöpft
wird. Da man es indessen nicht in allen Gegenden der Stadt haben
oder das Vorurtheil nicht überwinden kann, so muss man seine Zu-
flucht zu Brunnen oder zu dem Alsterwasser nehmen“.
Im wesentlich demselben Sinne sprechen sich Rambach’)
und v. Hess?) aus.
Der erstere erzählt, dass manche Hamburger das Elbwasser
dem besten Brunnenwasser vorziehen. „Manche trinken sogar das in
den Kanälen stehende Elbwasser, besonders aus denen, wo es sich
mit dem Alsterwasser mischt, sehr gern, und finden trotz seiner
mannigfaltigen Verunreinigung viel Geschmack daran. Zum Kochen
und Brauen gebrauchen die Hamburger es ohne allen Ekel.“ °)
Seit dem Jahre 1822 ward Elbwasser zur Verbesserung der
Wasserversorgung auch mittelst einer Wasserkunst in die Stadt
gepumpt. Schon am 1. Juli 1807 war die Anlage beschlossen worden,
doch verzögerte sieh die Ausführung in Folge der Nöthe der Franzosen-
') Hübbe. Ansichten‘ der freien Hansestadt Hamburg. Frankfurt a/M. 1824.
?) Diese Tropfsteine, welche damals sowohl in Hamburg wie auf Hamburger
Schiffen sehr verbreitet waren, kommen von den Canarischen Inseln, wo
sie noch jetzt in allgemeinem Gebrauche sind. Nach v. Esmarch „Ueber
Wasserfiltration durch Steinfilter, Centralblatt für Bacteriologie Bd. XI No. 17“
sind ihre Leistungen vom hygienischen Standpunkte durchaus ungenügend
und denen der Kohlenfilter gleichwerthig zu erachten.
Dieses _Urtheil scheint inzwischen durch die schwere Epidemie in Santa
Cruz de Tenerife im Winter 1593/94 bestätigt zu sein. Wie sehr das
ursprünglich vortreffliche Wasser der dortigen Leitung unterwegs den gröbsten
Verunreinigungen ausgesetzt ist, geht aus der Schilderung von Bassenge
„Ueber die hygienischen Verhältnisse von Santa Cruz de Tenerife“ in der
Marine-Rundschau, 5. Jahrgang 1594, Heft 2 und 3 hervor.
"r a0. 028-141.
‘) v. Hess, Beschreibung von Hamburg. Unveränderte wohlfeilere Ausgabe,
Hamburg 1824, Bd. I, 8. 142.
3) Vgl. auch Rambach S$. 128.
(or)
Dr. J. J.:Reincke:
zeit. Diese Bieber’sche Wasserkunst lag am ehemaligen Horn-
werk in St. Pauli an der auf Tafel I angegebenen Stelle. In zwei
hart an der Elbe erbauten Bassins, welche bei Fluth, also wenn das
Wasser verhältnissmässig am freisten von Verunreinigungen war, sich
füllten, fand einige Ablagerung statt. Dann wurde das Wasser durch ein
Rosswerk, später mittelst Dampfkraft zu einer Kumme von 141 cbm.
Inhalt auf der Höhe des Hornwerks emporgepumpt und von dort in
die Neustadt geleitet, wo sich um 1832 213 von hier aus gespeiste
Brunnen, darunter 23 öffentliche, befanden.) Ein Rohr ging zu
einem öffentlichen Brunnen nach der Silbersackstrasse in der Nor-
stadt St. Pauli, ohne an Private Wasser abzugeben. Im Laufe der
Jahre ward das Rohrnetz weiter ausgebaut und namentlich auch
St. Pauli reichlicher versorgt. Die Tafeln I und II zeigen die
Ausdehnung in den Jahren 1832 bis 1848. Während der
Epidemie von 1848 speiste das Werk 36 öffentliche und 309 Privat-
brunnen. Im Jahre 1852 ging diese Wasserkunst in den Besitz der
Stadt über. Bei der Uebernahme fanden sich in einem thurmartigen
(Gebäude auf der Höhe mehrere Filter, in denen das Wasser durch
Elbsand, Kohle und Kies filtrirt wurde. Nähere Nachrichten fehlen.
Von 1855 an wurde das Rohrnetz von der Stadtwasserkunst aus
gespeist.
Nächst dem Elbwasser ward am meisten das Alsterwasser
geschätzt.
Drei Alsterwasserkünste, welche bei dem grossen Brande
von 1842 zerstört wurden, lieferten schon seit Jahrhunderten ver-
schiedenen Theilen der Stadt das nöthige Wasser. Zwei derselben
lagen am Oberdamm, dem jetzigen Jungfernstieg, die dritte am
Niederdamm in der Gegend des jetzigen Graskellers, also im Jahre
1831 beim Erscheinen der Cholera, schon mitten in der Stadt. Sie
wurden durch Wasserkraft getrieben und versorgten zusammen etwa 400
Interessenten. Der Bereich der Leitungen ist auf Tafel I und III
dargestellt. Sie wurden nach dem Brande interimistisch durch eine
am Reesendamm aufgestellte Dampfmaschine wieder in Betrieb gesetzt,
bis auch durch diese Leitungen und zwar seit October 1848 Elb-
wasser aus der Stadtwasserkunst geliefert wurde.)
') Näheres bei Neddermeyer.. Topographie der freien und Hansastadt
Hamburg. Hamburg 1832, S. 179 und bei Gaedechens. Historische
Topographie der freien und Hansastadt Hamburg. Hamburg 1550, S. 194,
226, 245 u. Ss. w.
°) Ueber das Nähere siehe Neddermeyer a. a. 0. 8. 166 flede. und August
Fölsch. Die Stadtwasserkunst in Hamburg. Hamburg 1851, 8. 4, 7, 8, 9.
|
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser.
Rambach!) berichtet, dass das Alsterwasser nicht so gut
schmecke wie das Elbwasser. Er erzählt: „In heissen Sommern,
besonders nach Gewittern, habe ich zuweilen einen höchst ekelhaften
Geschmack daran bemerkt, den ich von nichts anders herleiten kann,
als von der oben erwähnten Ergiessung des Haasenmoores in die
Alster, welche vermöge ihres geringen Stroms die Unreinigkeiten
nicht so zerstören kann wie die Elbe.”) Das Alsterwasser wird
übrigens von Vornehmen und Geringen häufig getrunken“.
Schliesslich gab es Brunnenwasser in Hamburg.”) Da waren
namentlich mehrere alte Feldbrunnenleitungen, die Quellwasser
aus der Umgebung der Stadt zuführten. Der Catharinen-Feldbrunnen
(eingegangen 1871), der von Altona her sein Wasser bezog, der noch
jetzt bestehende Rödingsmarkt-Feldbrunnen, der am Fusse des Ham-
burger Berges entspringt, und der gleichfalls noch erhaltene Dammthor-
Feldbrunnen, dessen eine Zapfstelle als Englischer Brunnen im Eng-
lischen Hause in der Alten Gröninger Strasse besonders bekannt war.
Schliesslich der Deichstrassen-Feldbrunnen (eingegangen 1872), der
nur wenig Wasser lieferte, und in trockenen Sommern seinen Bedarf
aus dem Stadtgraben, welcher Alsterwasser führte, ersetzen musste.)
Jeder dieser Brunnen hatte seinen bestimmten und beschränkten Kreis
von Interessenten. (Siehe Tafel I.) Die Entnahmestellen in den
Häusern lagen ebenso wie bei den Alsterwasserkünsten und bei der
Bieber’schen Wasserkunst nie höher als im Erdgeschoss.
Der geringsten Schätzung erfreute sich das Wasser aus den
nicht sehr zahlreichen in der Stadt selbst gelegenen Pumpen. Schon
Menuret°), ein französischer Arzt, der 1797 Hamburg besuchte,
schildert dasselbe als der Oberflächenverunreinigung stark ausgesetzt
und schlecht. Rambach erzählt, dass einige Pumpen ein zur Noth
trinkbares, die meisten aber ein widrig schmeckendes, ganz ungeniess-
bares Wasser gaben®), und nicht besser urtheilt Hübbe‘). Wir wissen,
Er 2 2.0.8. 142:
2) Siehe auch v. Hess a. a. O. Bd. II, Vorrede 8. IX.
”) Auch hierüber Näheres bei den mehrfach genannten Autoren, namentlich
bei Neddermeyer.
Sr Baumhach,a.a. 0.8. 137, 145.
’) Menuret, Versuch über die Stadt Hamburg in Hinsicht auf die Gesundheit
betrachtet oder Briefe über die medieinisch-topographische Geschichte dieser
Stadt, verdeutscht von Herrman. Hamburg 1797. 8. 29.
5) ar 4. 0,08. 140:
Dearar 0482150:
8 Dr. J. J. Reincke.
es handelt sich um den grossen Eisengehalt unseres Grundwassers,
der auch jetzt noch so viele unserer Brunnen namentlich die inner-
halb der Wälle belegenen unverwerthbar macht.
Hiernach waren alle Stadttheile, welche nicht nahe an der Elbe,
der Alster oder an den Flethen lagen, in ihrem Wasserbezuge übel daran.
Das galt namentlich von der hochgelegenen Neustadt. Daher ent-
wickelte sich hier das einträgliche Geschäft des Wassertragens, durch
das Hunderte von Frauen ihr Brot fanden.') Sie wurden allmählich
durch Unternehmer, welche Wasser in Wagen umherfuhren, verdrängt,
bis auch diese wieder der Bieber’schen Wasserkunst weichen mussten.
Nur einige dieser Wasserwagen haben sich bis in die Neuzeit erhalten.
Sie führen jetzt wirkliches Quellwasser aus Brunnen in den Vor-
orten, während in früheren Jahren neben Quellwasser auch sehr viel
Alsterwasser geliefert wurde. Rambach erzählt, „dass die Wasser-
trägerinnen oft das Wasser garnicht da holten, wo man es her haben
wolle und es sogar öfter aus einem Alsterbrunnen schöpften‘?) und
Suhr”) berichtet, dass man, „um die Zahl der Schöpfstellen für diese
Wasserwagen zu vermehren, eimige Durchgänge unter dem Walle
nach dem Stadtgraben geöffnet habe“. Auch jetzt noch kann
man aus dem Munde älterer Leute hören, dass die Wasserwagen
sehr oft ihr Wasser nicht aus Brunnen entnahmen, sondern mit
dem ganzen Wagen in die Alster fuhren und dort die Fässer voll
laufen liessen.
So war beim Ausbruch der Cholera im Jahre 1831 die grosse
Masse der Bevölkerung, soweit sie «in den niederen Stadttheilen
wohnte, auf das Elb- und Kanalwasser, soweit sie in den höheren
Stadttheilen wohnte, vorwiegend auf das Alsterwasser und einzelne
Brunnen angewiesen. Mit Recht hatte daher Schmidt?) in der
Begrüssungsschrift für die Deutsche Naturforscherversammlung in
Hamburg im Jahre 1830 lakonisch erklären können, nachdem er die
sonstige Ernährung der Hamburger gelobt: „Schlecht ist eigentlich nur
das Wasser“. Die beistehende Zeichnung nach einem Bilde von Suhr
aus dem Jahre 1839, die ich der Güte des Herrn Joh. P. Frisch
1) Menureta.a. 0.8. 27. Hübbea. a. O. S. 250.
3. Bambach a. a 0.8. 145:
») Suhr und Hübbe, Der Ausruf in Hamburg. Hamburg 1808.
») Schmidt, Hamburg in medieinischer und naturhistorischer Beziehung.
Hamburg 1530. 8. 73.
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 5)
danke, stellt die Rückseite von Häusern am Altenwall gegen die
kleine Alster hin dar. Man sieht die Ausbauten und Balkone, auf
denen die Aborte lagen, unten am Wasser zwei Wäscherinnen und
dazwischen den Eimer am Strick, mit dem das Wasser in die oberen
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NNUANANANNNN V
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Etagen hinauf geholt wird. Aehnliche Scenen hat man noch bis in
die fünfziger Jahre und selbst später vielfach sehen können. Auf
den Elbkähnen im Hafen und in den Flethen kommen sie mutatis
mutandis noch jetzt vor.
Nur die Wohlhabenden!) hatten für Geld aus Feldbrunnen-
leitungen oder durch Wasserträger Brunnenwasser, das in dem letzteren
Falle in hölzernen Tonnen in den Häusern aufbewahrt wurde.
!) Siehe darüber Rambach, a. a. O. S. 145,
10 Dr. J. J. Reincke.
Als die Cholera zum zweiten Male in Hamburg erschien, im
Jahre 1848, hatte sich inzwischen manches geändert. Der ganze
abgebrannt gewesene Theil der Stadt war jetzt mit Sielen versehen,
die in die Elbe entwässerten. Die vereinigten Alsterwasserkünste
lieferten noch während der ersten Hälfte der Epidemie Alsterwasser,
dann seit October Elbwasser, die Bieber’sche Elbwasserkunst war
weiter ausgedehnt worden und daneben war im Osten der Stadt die
Smith’sche Wasserkunst entstanden.!) Sie war zuerst an der
Binnenalster, an dem damaligen Holzdamm, als „Felsenwasserkunst“
angelegt, sogenannt, weil eine gewisse Reinigung des Wassers zwischen
Steinen stattfand. Später im Anfange der vierziger Jahre hatte sie
ihre Entnahmestelle nach der Elbe auf dem Grasbrook verlegt. Sie
versorgte mit höherem Druck als die Bieber’sche Kunst einige östliche
Stadttheile und St. Georg und zwar mit ungereinigtem Wasser.
Der Bereich ihres Rohrnetzes und die Lage ihrer Schöpfstelle ist
aus Tafel II ersichtlich. 1853 ging auch sie in den Besitz des
Staates über.
Dazu kam die Stadt - Wasserkunst in Rothenburgsort, ?)
die im October des Jahres 1848 das erste Wasser zur Stadt lieferte.
Erst am Ende des Jahres scheint die regelmässige Versorgung
begonnen zu haben. Das Wasser wurde während der Fluth der
Elbe entnommen und abgelagert, ehe es zur Stadt geschafft wurde.
In den Häusern der Stadt aber gelangt es auch jetzt noch nicht
direct aus den Leitungen zum Konsum, sondern zunächst in Reservoire,
sogenannte Wasserkasten, die oft an recht warmen Plätzen stehen
und gegen Verunreinigungen nicht immer geschützt sind.
Bei allen späteren Epidemien war die ganze Stadt mit
Leitungswasser aus der Elbe versorgt und seit dem Jahre 1871 auch
von der einen Entnahmestelle in Rothenburgsort aus. Bis dahin
hatten noch die Pumpen der vom Staat übernommenen Smith’schen
Wasserkunst gearbeitet.
Mit dem Wachsen der Stadt dehnte sich in den folgenden
Jahrzehnten auch das Leitungsnetz immer weiter aus, wie dies in
Tafel III des Näheren dargestellt ist. Als Stufen der Darstellung
sind die Hauptcholerajahre 1853, 1859, 1866, 1873 und 1892
gewählt worden.
Ohne Zweifel blieb während dieser Jahre die Beschaffenheit
des gelieferten Wassers nicht andauernd die gleiche. Wie der Ausbau
der Wasserkunst, so wurde gleichzeitig auch der nach dem Brande von
NiGaedechens, 2.4.0.8. 231.
2) ,Eölsch a. a. ©. S. 10.
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 11
1842 begonnene Ausbau der Siele immer weiter gefördert und in Folge
dessen der Elbe immer mehr Unreinigkeit zugeführt, während die
Alster und die Flethe reiner wurden. Das wurde der Wasserkunst
besonders gefährlich, nachdem durch den Durchstich der Kaltenhofe
(vollendet 1879) eine viel mächtigere Entwicklung der Fluthwelle
nach oben bewirkt und im Zusammenhang mit dem Zollanschluss
(Beginn der Bauten 1883) alle Verunreinigungen aus Stadt und Häfen
der Schöpfstelle sehr viel näher gebracht worden. Die ganze
Bebauung rückte weiter stromaufwärts, es entstand ein Schwemmsiel
auf der Veddel, die gesammten Häfen wurden erheblich nach oben
verlegt. So ging das was Lindley angestrebt und bis zu einem
gewissen Grade auch erreicht hatte, allmählich wieder verloren.
Gleichzeitig mit dieser Verschlechterung des Rohwassers ward die
Ablagerung desselben in den Bassins in Rothenburgsort wegen Zu-
nahme des Verbrauches allmählich immer kürzer und schliesslich
ganz illusorisch. Erst im Mai 1893 erfolgte die Höherlegung der
Schöpfstelle und der Beginn der Sandfiltration.
Nicht unwesentlich anders gestalteten sich alle diese Dinge
in der Nachbarstadt Altona.
Altona liegt höher als irgend ein Theil Hamburgs auf der
Geest, die dort steil zur Elbe abfällt. Nur eine Strasse zieht sich
unten am Fusse des Abhanges längs der Elbe hin, Kanäle giebt es
nirgends. Daher konnten nur die an der Elbseite gelegenen Häuser
dieser einen Strasse, der Elbstrasse, in den Fluss entwässern, übrigens
bestand durchgängig Abfuhr bis zur Erbauung von Schwemmsielen
in den Jahren seit 1857.
Bei der Wasserversorgung konnte Flusswasser unendlich viel
weniger in Betracht kommen als in Hamburg. Die Elbe war nur den
in nächster Nähe Wohnenden zugänglich, die Alster oder ein anderer
Wasserverlauf nicht erreichbar. Dafür gab es früher recht viele
Pumpen, die ein gutes, hartes Wasser lieferten. Dieser grössere
Reichthum Altonas an gutem Quellwasser mag theils dadurch begründet
sein, dass Altona viele grosse Gärten hatte und sehr viel weitläufiger
angelegt war, als die ehemalige Festung Hamburg mit ihrer sehr
diehten Bebauung und Bepflasterung, theils durch einen grösseren
Wasserreichthum dieses Theiles des Geestrückens an sich. Der
Hamburger Catharinen-Feldbrunnen kam vom Altonaer Gebiet, noch
jetzt finden sich sehr ergiebige Quellen am Elbabhange gleich hinter
Altona in und unter dem Donner’schen Garten, an vielen Stellen
der Stadt gab es kleine Teiche und öffentliche Brunnen. In einer
12 Dr. J. J. Reincke.
General-Feuerordnung vom 3. October 1765!) wird eine grosse Reihe
derselben aufgezählt. Eine besonders ergiebige Quelle auf der
Neuenburg ward 1719 gefasst und zu einer Wasserleitung benutzt,
welche die östlichen Strassen der Stadt längs der Grenze von
St. Pauli und im Süden den Fischmarkt und die grosse Elbstrasse
bis zum Fischerplatz versorgte. Erst als mit dem Sielbau begonnen
wurde, fingen diese Quellen an nach und nach zu versiegen und
Ende 1884 wurde das Bassin zugeworfen.”)
Neben den Brunnen gab es einzelne Wasserwagen, die aber
nicht Trinkwasser umherfuhren sondern weiches Nutzwasser, nament-
lich zum Waschen, und zwar Elbwasser, da das Brunnenwasser dafür
zu hart war, und da die in jedem Hausstand reichlich vorhandenen
Regentonnen oft den Bedarf nicht deckten.”)
So warin Hamburg das Wasser, was besonders bezahlt werden
musste und daher den Unbemittelten oft völlig fehlte das eigentliche
Trinkwasser das Brunnenwasser, in Altona dagegen war der Luxus-
artikel, der besonders bezahlt werden musste, das Flusswasser.
Natürlich war das ein Unterschied, der nicht der politischen
Grenze folgte. Aehnlich wie Altona werden sich auch weite
Gebiete Hamburgs verhalten haben, so namentlich die damals noch
sehr dünn bevölkerten jetzigen Vororte, bis zu einem gewissen
Grade auch die Nordertheile der Stadt und St. Georg’s und grosse
Theile St. Pauli’s.
Eine Aenderung trat erst am 4. August 1859 ein, dem Tage
der Eröffnung des Altonaer Wasserwerkes, das unterhalb der Stadt
bei Blankenese sein Wasser der Elbe entnimmt. Im Gegensatze zu
Hamburg ward hier das Wasser von Anfang an durch Sand filtrirt;
doch würde man irren, wenn man annehmen wollte, dass das Filtrat
dauernd den Anforderungen entsprochen hätte, welche jetzt gestellt
werden. Ohne Zweifel werden die Blankeneser Filter wie alle neuen
Filter in den ersten Monaten nach Eröffnung des Betriebes ungenügend
') Anzeige derjenigen Wasser-Oerter in der Stadt Altona, wo bei etwaigen
Feners-Brünsten die Wasser-Anbringer angeleget und gebrauchet werden
können. Altona 1765 bei Conrad Jacob Spieringk.
?) Allergnädigst - confirmirte Brunnen-Articul, welche von denen itzgesammten
Interessenten der auf hiesiger sogenannten Neuenburg angehenden und bis
auf den hier belegenen Fisch-Markt geführten Wasser-Leitung zu einer guten
und festen Ordnung, beliebet und errichtet. Altona 1722.
Diese Drucksachen befinden sich in der Sammlung des bewährten Altonensien-
Kenners und Sammlers Herrn Adolph Möller in Altona, dem ich auch
viele mündliche Mittheilungen danke.
3) Siehe darüber auch: Kümmel, die Wasserkunst Altona, Hamburg 1561 3. 6.
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 13
gearbeitet haben, und aus späteren Jahren liegen mannigfache Nach-
richten vor, die über Störungen im Filterbetriebe berichten.') Scheute
man sich in den ersten Jahrzehnten des Bestehens der Werke, wo
man die Gefahren des unfiltrirten Wassers noch nicht kannte, doch
auch nicht, gelegentlich unfiltrirtes Wasser in die Leitung zu lassen.
Selbstverständlich fehlen dieser zweitältesten Filtrationsanlage in
Deutschland auch alle neuen Einrichtungen zur grösseren Sicherung
einer gleichmässigen Filtrirgeschwindigkeit, und die neuen Betriebs-
methoden sind ebenso wie in andern Deutschen Städten auch hier erst
in dem letzten Jahre eingeführt. Immerhin war das Altonaer Leitungs-
wasser, obgleich es aus dem Strom geschöpft wird, nachdem er die
sämmtlichen Sielausflüsse beider Städte aufgenommen hat, jeder Zeit
ungleich besser als das Wasser der Hamburger Leitung; auch
fehlen in den Altonaer Häusern fast durchgehend die Wasserkasten.
Bei dem beide Städte umgebenden Landgebiet ist in Bezug
auf die Wasserversorgung scharf zwischen Geest und Marsch zu
unterscheiden. Auf der Geest wenig Wasser und fast nur aus
Brunnen, in der Marsch rings umher Wasser und fast gar kein Brunnen-
wasser. Tafel IV giebt das Bild eines Marschdistrictes, eines Theiles
der Insel Finkenwärder. Vor dem Deich der freie Strom und im
Vorlande die bei Fluth von der Elbe gefüllten Gruben und Gräben,
hinter dem Deich in lang gestreckter Reihe die einzelnen Häuser,
hinter den Häusern die Wetterung, die Bracks und die feuchten
Marschwiesen mit ihren Gräben. Zwar giebt es Brunnen, aber sie
sind so eisenhaltig, dass man sie nur für das Vieh benutzen kann.
Die Bevölkerung ist auf Regenwasser angewiesen oder auf das
Wasser des Stroms und der Gräben, die Unreinigkeiten aller Art
einschliesslich Fäkalien in sich aufnehmen. Mehr oder minder sieht
es so in allen Marschdistrieten aus, deren Ausdehnung in der Nähe
Hamburgs auf Tafel V erkenntlich ist; so auch war es bis zur
Epidemie von 1873 hin in den jetzt in die Stadt aufgenommenen
und aufgehöhten Marschdistrieten des Stadtdeichs, des Billwärder
Neuendeichs u. s. w.
Und nun zur Cholera.
Reincke, deutsche medieinische Wochenschrift 1885, S. 643. Wallichs,
ebenda, 1891, No.25. Reincke, der Typhus in Hamburg, Hamburg 1390,
S. 35 u. figde. Koch, Wasserfiltration und Cholera, Zeitschrift für Hygiene
und Infeetionskrankheiten, 1593 Bd. XIV.
14 Dr. J. J. Reincke.
1831)
Nach verschiedenen zweifelhaften Erkrankungen?) und nach
einem vielumstrittenen Falle auf einem Elbkahn in Geesthacht
mehrere Stunden oberhalb Hamburgs am 2. October, der nach dem
Obductionsberichte als Peritonitis®) aufzufassen sein dürfte, ereignete
sich der erste ausgesprochene Fall am 6. October in der Nieolai-
strasse im „tiefen Keller“, einer „berüchtigten“ Bettlerherberge, in
welcher sich damals 50 bis 60 Insassen männlichen und weiblichen
Geschlechts befanden. Das Lokal, das wenn auch umgebaut und in
anderer Verwendung noch jetzt erhalten ist, liegt am steilen Geest-
abhange der Neustadt. So kommt es, dass man vom Strassenein-
gange drei dunkle Treppen hinabsteigt und dann doch wieder an
khäume kommt, welche vom Tageslicht erhellt sind und dass man von
diesen wieder ins Freie tritt. Der damalige Zustand dieser Wirthschaft
und seiner Insassen wird von allen Berichterstattern in den denkbar
ungünstigsten Farben geschildert. Der Erkrankte war ein früherer
Steuermann, jetzt Kartenleger und Bettler, dazu starker Branntwein-
trinker und 67 Jahre alt. Er besuchte die an der Holzbrücke,
Brooksbrücke und den Vorsetzen landenden Fisch-, Kartoffel- und
Kohl-Ewer.
') Frieke. Geschichtliche Darstellung des Ausbruches der asiatischen Cholera
in Hamburg. Hamburg 1531. Dasselbe mit einigen Veränderungen und
einem Briefe an Dr. Gerson in: Gerson und Julius Magazin der aus-
ländischen Litteratur der gesammten Heilkunde und Arbeiten des ärztlichen
Vereins zu Hamburg. Hamburg 1831, Bd. 22, S. 355.
Zimmermann. Die Cholera-Epidemie in Hamburg während des Herbstes
1531. Hamburg 1831.
Derselbe, Nachtrag zu der geschichtlich-medicinischen Darstellung der
‚ Cholera-Epidemie in Hamburg im Herbst und Winter 1831/32. Hamburg 1832,
aus Gerson und Julius Magazin 1832, Bd. 23, 8. 390.
Buchheister und Noodt. Erfahrungen über die Cholera asiatica in
Hamburg im Herbst 1831. Altona 1832.
’) Rothenburg. Die Cholera-Epidemie des Jahres 1832 in Hamburg. Hamburg
1356. (Auch in der Zeitschrift für die gesammte Mediein. Hamburg 1836.
Bd. 2, S. 401.) berichtet S. 10:
„Dass im Sommer 1831 vor dem wirklichen Ausbruch der Cholera einzelne
Fälle hie und da vorkamen, welche ganz gewiss für Cholera erklärt worden
wären, wenn wir sie hier damals schon gekannt hätten und nicht Jeder, dem
ein solcher Fall vorkam sich gescheut hätte, ihn für asiatische Cholera zu
erklären in Berücksichtigung der Folgen, welche eine solche Erklärung nach
sich gezogen hätte.“
») Siehe namentlich Zimmermann. Die Cholera. 8. 23 und Fricke’s Brief
an Gerson a. a. 0. S. 469.
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 15
An diesen Fall schlossen sich bis zum 11. October 9 weitere
Erkrankungen in denselben Räumen. Dann wurde der gesammte
Keller evacuirt und seine Insassen in das Hanfmagazin in St. Pauli
versetzt, wohin auch die evacuirten Insassen aus andern ähnlichen
Bettlerherbergen gebracht wurden, so dass am 12. October schon 213
Menschen dort untergebracht waren, „bestehend aus Bettlern, Herum-
treibern, Vagabonden (die Erwachsenen alle grosse Säufer) u. s. w.
jeglicher Art, Geschlechts und Alters“. Unter diesen kamen dann noch
27 Erkrankungen an Cholera vor. Etwa 14 Tage später brach unter
ihnen Fleckfieber aus, das nahe an 100 Personen ergriff. Die sanitären
Zustände auch dieses Hanfmagazins scheinen nicht die allerbesten
gewesen zu sein.')
Unabhängig von dieser Erkrankungskette waren inzwischen auch
in andern Theilen der Stadt Erkrankungen vorgekommen, räumlich
weit getrennt und ohne nachweisbaren Zusammenhang unter einander.
In der nachfolgenden Tabelle gebe ich die ersten vierzig Fälle nach
Fricke, auch mit den von Fricke denselben gegebenen Nummern.
u. | = e= |
A|:$ ze Ay nn
= | e an Name en) | E | Beruf Wohnung Bemerkungen
4 | BE Nahre | > |
1 | 5. Oct. | Petersen | 67 | m. | früher Steuer- Nieolaistrasse, +6.0ct. Starker Alcoholist, be-
| | mann 'Neustadt-Südertheil,| suchte die an der Holzbrücke,
| jetzt Bettlerund Tiefer Keller Brooksbrücke und den Vor-
| ' Kartenleger setzen landenden Fisch-, Kar-
, | toffel- und Kohl-Ewer.
2 \ 7. Oct. | edel | 25 | w. | Puella publica | wie Nr. 1 7 7.0Oect. Alcoholistin. Hatte den
| | vorigen bei seinem Kranken-
| | | | | lager gewartet.
3| „ | Summers | 37 | m. | Ewerführer- wie Nr. ] 7 9. Oet. Bei der Erkrankung total
| | | knecht betrunken. Begleitete Nr. 1 auf
| seinen Streifereien und wartete
| | ihn während seiner Krankheit.
4 Heuer | 34 | m. | Arbeiter Langergang 60 7 8. Oct. Arbeitete auf der Schiffs-
| 8. Oct. |
|
|
|
|
') Buchheister und Noodt, a. a. 0. 8. 125.
zimmerwerft von Meyer auf dem
Hamburger Berge St. Pauli.
Trank. Auf dem auf der Werft
liegenden Schiff „Gloria Deo“am
16. Oct. ein Fall.
Zimmermann, die Cholera-
Epidemie, S. 50 und Nachtrag S. 20. Schmidt, der Typhus carceralis
contagiosus in Hamburg
carceralis contagiosus in Hamburg.
gesammten Heilkunde.
und Fallati:
Mittheilungen aus
Gesellschaft in Hamburg. Bd. 2, Hamburg 1833, 8. 243,
Bemerkungen über den Typhus
dem Gebiete der
Herausgegeben von einer medicinisch - chirurgischen
261.
16 Dr. J. J. Reincke.
= = = Name < = | Beruf Wohnung Bemerkungen
See == Jahre = |
5 | 8. Oct.| Denker | 42 | w. | Wäscherin B. d. Mühren 54, + 8. Oct. Die Strasse liegt am
| | | ‚ Altstadt-Südertheil | Fleth.
nr nClasısen | 45 | m. Steinsetzer Dovenfleth, 7 8.0ct. Die Strasse liegt am
| ‚ Altstadt-Südertheil Fleth.
7 > Plagemann | 46 | w. | Bettlerin | wie Nr. 1 79. Oct. Alcoholistin.
DE, Siemann | 43 | m. | Bettler | wie Nr. 1 14. Oct. Alcoholist.
OU nun Engelund | 22 | m. | Schwedisches | Niederhafen |r 14. Oct. Schiff am 14. Sept. aus
| Schiff „Atlas“ Bahia eingetroffen. Erund die
| | | übrige Schiffsmannschaft ausser
| | | | ' Communication mit dem Lande
| | | bis 10. Oct. Durchfälle seit
| | | 1. Oct. (), am 8. Verschlim-
| | | | | merung. Später 20.—23. Oct.
| | | ' 1 schwerer und 2 leichte Fälle
| | IA | auf demselben Schiffe.
10 a nDebersen ' 36 | w. , Arbeiterfrau | wie Nr. 1 | Genesen.
11 9. Oct.| Pohlmeyer | 51 | m. | Schneider | Gr. Bäckergang, | +9. Oct.
| | | | Neustadt-Südertheil |
12 »„ \, Wienicke | 37 |m. | Krüger | Dovenfleth, 7 9. Oct. Immer sehr schwächlich.
| | | Altstadt-Südertheil Die Strasse liegt am Fleth.
13,10. Oct. Döscher | 83 | m. | früher | Baumwall, 7 10.0ct. Die Strasse liegt am
| | ' Marqueur Neustadt-Südertheil| Hafen.
14 | 4 | Brandes | 22 | m. | Rademacher- | Dienerreihe, |Genesen. Die Strasse lag nahe
| | geselle Altstadt-Südertheil am Fleth.
15 ı Wagner ı 34 m. , Arbeitsmann | Brook, +10. Oct. Die Strasse lag am
| | | | Altstadt-Südertheil Fleth.
162. 00%, Privatkranke | ? | w. ? Bei der Kunst Genesen. Die Strasse lag in der
| | Gegend des jetzigen Jungfern-
| stieges.
17| „ | Garren | 85 | w. ? wie Nr. 1 +11. Oct.
O2] 5, Christiansen] 43 m. Haartuch- Nicolaistrasse, +14. Oct.
fabrikant | Neustadt-Südertheil
19 | Der unter dieser Nr. aufgeführte Fall hat sich später als keine Cholera herausgestellt.
20 |10. Oct. Bräutigam ı 49) m. |Kutscherknecht| Herrengraben, |7 12. Oct. Die Strasse liegt am
| 'Neustadt-Südertheil| Fleth.
21 | = | Unzen | 65 | m. , Kohlenmesser Brauerknechts- 11. Oct. Nach seinem Beruf
| L | | graben, höchstwahrscheinlich am Wasser
| | | ' Neustadt-Südertheil' beschäftigt.
22 11. Oct. Privatkranke 492 wa ? | wie Nr. 21 ır 11. Oct. Anscheinend andere
| | | | | ' Wohnung als Nr. 21.
23 „|, Burmeister 54 | m. | Mauwer- | wie Nr. 21 |+11. Oet. Anscheinend andere
| | | | handlanger Wohnung als Nr. 21.
DAN | Trainkneht | ? |m. | Artillerie- | Kamp, +11. Oct.
| | | caserne \Neustadt-Nordertheil
| |
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser.
A | 8 |=#
r 5 En Name ‘|s Beruf | Wohnung Bemerkungen
3 eS] = Jahre & |
25 \ıL1. Oct. ? ? | m. | Tagelöhner 3. Elbstrasse, + 25. Oct. Insasse einer Bettler-
Neustadt-Nordertheil _herberge.
26 E ? om Seifensieder Gerkenstwiete, |7 11. Oct. Strasse nahe einem
Altstadt-Südertheil Fleth.
© A Wittschief 98 | m. Schneider Bei den Mühren, | 11. Oct. Strasse liegt an einem
Altstadt-Südertheil Fleth.
28 = ? Em. Seemann Uremon, Genesen.
Altstadt-Südertheil
29 h ? 69 | w. ? Grossneumarkt, | + 12. Oct.
| | Neustadt-Nordertheil
30 > Reuter 53 | m. Schlosser wie Nr. 1 + 13. Oct. Seitlängerer Zeit ausser
| Arbeit.
ol e ? 53|m Arbeitsmann | Beim Zippelhause, 7 13. Oct. Die Strasse lag am
| Altstadt-Südertheil Fleth.
32 er! ? 45 | m Tapezier Hähnkentwiete, | 7 12. Oct. Die Strasse lag nahe
| Altstadt-Südertheil | am Fleth.
39 i ? 26 | w. Plätterin | Stadtdeich, Genesen. Die Strasse liegt am
| St. Georg Oberhafen.
34 r Privatkranke 2 cm: ? | Neuerwall, Genesen.
‚Neustadt-Nordertheil
35 |12. Oct.) Bevern 50 | m Glaser | Brook, [7 12. Oct. Die Strasse lag am
| ' Altstadt-Südertheil | Fleth.
or, ? ? | m. | Steuermann Dänisches Schiff | 7 12. Oct.
| | | „Friederich“
37 Wen ? 55, m. Makler ı Fischertwiete, 7 13. 0ct. Die Strasse liegt unweit
| | | ‚Altstadt-Nordertheil) der Flethe.
35 ? 52 m. | Zuekersieder | Bei den Mühren, |+ 12. Oct. Die Strasse lag am
| | Ion « Altstadt-Südertheil | Fleth.
39 | ;, | ? a lEme | Schauermann | Hamburger Berg, | 12. Oct. Nach seinem Beruf auf
| | | | St. Pauli dem Wasser beschäftigt.
40 " Uhl 22 m Schumacher- Pinnasberg, ır 12. Oct. Die Strasse liegt hart
| geselle St. Pauli an der Elbe.
Nach dieser Uebersicht kommen von den 39 Fällen (Fall 19
ist nicht mitgezählt) 8 auf den tiefen Keller (No. 1, 2, 3, 7, 8, 10, 30),
6 auf Schiffer oder Arbeiter an und auf dem Wasser (No. 4, 9, 21,
28, 36, 39), 16 auf Leute, welche am Wasser oder ganz nahe dem-
selbenswohnen. (No= 5516,.12,,.13,..14, 15,-20, 26,127, .31, 32; 33, 35,
37, 38, 40), 3
39
höhe wohnen (No. 16, 18, 24, 25, 29, 34).
auf Leute, welche unfern der Elbe wohnen (No. 11,
23) und 6, welche in entfernten Stadttheilen oder auf der Geest-
18 Dr. J. J. Reincke.
Der weitere Verlauf ergiebt sich aus den folgenden Tabellen:
Ne nn | Ss Woche En oe
Transport.. | 874 455
5. Oct. —.11. Oct. 34 19 30.Nov. — 6.Dee. 15 9
TO SE nn let: Dear 7 12
19, 5 25... 1.2690 7188 eur 5 2
DDR ENowSR 1505 ee 12 5
DNoye 8 10. 1080) 2492 0|.08 729 = en 4
Ole. D20 | 2402 4..Jan.— 10. 6 7
N Son a ee 7 3
De RT 2 1
Transport..| 874 | 455 Summe..| 940 | 498?)
Diese 940 Erkrankungen vertheilen sich nach Zimmer-
mann?) in folgender Weise:
Jetzige’) Altstadt-Nordertheil:
8 Zahl Zahl
Strasse der Strasse der
ı Fälle Fälle
| Transport...., 21
Ndolphsplatzeene een, 2: Bauhof, bei dem .......% 5)
Aisterktonien a erree 0 Beckmacherstrasse ............. (et
Kiterwal ee ea IBrEIGestraSsC Her ae]
Bäckerstrasse, kleine........... | 2 Breitenoiebel. %. 1.0.22 er | 93
Barkhioßfgrossen .. er ne 4 Deichthot See 2.2 Lupe 1
Transport....| 21 Transport. ... | 38
') Die hier sowohl wie bei den späteren Epidemieen mitgetheilten Zahlen stimmen
nicht immer mit früher anderweitig veröffentlichten Zahlen (Hamburg in
naturhistorischer und medicinischer Beziehung, Festschrift zur Naturforscher-
versammlung 1576, Hamburg 1876, S. 183, und Reincke, der Typhus in
Hamburg, Hamburg 1590, S. 71). Wie die verschiedenen Angaben ent-
standen sind, hat sich nicht genau feststellen lassen.
MwNachtrag?a. 2.025.232:
°) Bei Mittheilung der Strassenlisten aus den einzelnen Epidemieen ist der
Jetzigen Eintheilung der inneren Stadt gefolgt worden, deren Grenzen sich
aus den Darstellungen der Epidemieen von 1573 und 1592 auf Tafel VII
deutlich ergeben. Sonst haben bis einschliesslich 1866 die Angaben nach
der alten Eintheilung gemacht werden müssen. Die neue Eintheilung unter-
scheidet sich von der alten nur dadurch, dass früher die Grenze zwischen
Nordertheil und Südertheil der Altstadt wesentlich nördlicher lag: längs des
Strassenzuges Steinstrasse, Speersort, Rathhausstrasse, gr. Johannisstrasse,
gr. Burstah, Graskeller.
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser.
Strasse Strasse
Transport....| 33 Transport...
EEE. Be RE 1 Daylstrasse ns... rn en! 2
IDEGENKIONSHAUS „a... 1 Belzerstrassehr.. ee 1.22
INTECRWall 2. een 3 Peter, St. hinter „na aan 2
BArmDuSchWer near: 2 Betrikirches bei der ..u......... 1
uschertwiete,. 11: 30n228 N 3 Pferdemarkt. 00.204 nenn $)
PiSchmarkti. ana 2 Bumpen, bei. den... „ne... 19
'Fuhlentwiete, altstädter ........ 2 Rosenstmasse rs me Sen
IseobikirchHof......2.200.22 8000. 1 Schlachterstrasse.... . u... ..... 1
Johannisstrasse, grosse ......... 1 Seheelenpane Pr um. Wn...te. 2
IRSTREEDEI N en ee 3 Schmiedestrasse. ............... en;
Kunstebeisder 3,2 22... 2.2.8: 1 Sehwememankt ran... 1
Kurzes waere 2.0 1 Stävenpfortenr..er een. |
Üilienstrasser.g:4522.2 un.22r. 2 Spitalerstrasser. =. een nse.. I 6
Eömbardswalli .......... 4% se #; 1 Springeltiwieter. 2 ee 8
MieRSberoa ne ne ir 2 Springeltwiete, neue ........... ee:
Mönkedamm.......... ENTE 5 SE ga:
Mühlenbrücke, bei der ......... 2 STEIN LEASSIeL dee
MURTENSSKUTZEnS ...... 2 beten 5) Voglerswalle. 2.2.0... .: 2m: 1 2
Mubren, lan@eı. „u... su. 4 Wache. ee ee astere IRRE |
Neustrasse, altstädter........... 4 Zuchthaus ee ars 1
NVedernstrassernndchsens.ton: 15 Zuchthausstrasse... ..... 2.0008 ESh:
Transport... 91 Summe....' 173
Jetzige Altstadt-Südertheil:
Transport..... 91
Snnenplatz, St, .u.scnsseeucne. DE Grasbrooker seta nd 102
Boden, hinter dem ............. SEN NE Grraskellen ge Se .. Re
Borse, beider alten ...... ; l Gröningerstrasse ......2.2.... me
Brandstwiete, zweite........... Sl Hankentwieter 2.2... 5, | 4
IE ee ee Be) Heiligengeistkirchhof........... !
IBEDOKSTAVENE .... 2.2 3 Herrlichkeit sea 2: Sr | 2
Baestahr STOSSET.... 2.2... w200c 1 Holländischer Brook............ et
A Re SE 2 Huber ur re I
Meichstrasse.- nucenaee cars. I I Kajenst. reed 2
Dienerreiher er... 5. 2.023 yaskanıms b) Kajen Binnen... 2
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20 Dr. J. J. Reincke.
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Reichenstrasse, kleine .......... j Wandrahmsbrücke ........... 1
Reimerstwiete . 2.2 Serra gel Zippelhaus, bei dem...........: 5
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Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 21
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Bernhardstrasse, erste .......... 4 Kamm. te Sl
Bernhardstrasse, zweite. ........ 2 Langestrasserr .:0...4. 3%: 6
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Friedrichstrasse, erste .......... 3 Rohlws-Wohnungen ............ 2
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22 Dr. I. J. Reincke.
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Im Ganzen....| 940
Man sieht wie ausserordentlich viel schwerer die der Elbe
näher gelegenen Theile betroffen wurden und darunter wieder vor
allen die Strassen, in denen die an und auf dem Wasser beschäftigte
Arbeiterbevölkerung wohnt. Rothenburg”) hat die Zahlen der
Erkrankten auch in grösseren Gruppen zusammengestellt und pro-
centisch auf die vorhandene Bevölkerung berechnet. Nach den
dabei gewonnenen Ergebnissen ist die Darstellung auf Tafel VII?)
angefertigt, welche das Gesagte nur bestätigen kann.
Dasselbe lehrt die folgende Zusammenstellung nach Zimmer-
mann über den Beruf der Erkrankten, soweit er festgestellt werden
konnte. Darnach betrug die Zahl der Fälle, welche
direct aus dem Hafen stammten, mehr als den siebenten
Theil der Gesammtzahl. Und wie viele unter den Arbeitern
und den zwei Hundert, deren Beruf nicht festgestellt wurde, mögen
ausserdem noch im Hafen inficirt sein. War dieser damals, wo es
in Hamburg im Verhältniss zu jetzt unendlich viel weniger Bau-
arbeiter und gar keine Fabrikarbeiter gab, doch noch viel mehr
der Mittelpunkt für die Thätigkeit der gesammten Bevölkerung
als jetzt.
1) Ueber die Einwohnerzahlen der jetzigen Vororte in den Jahren vor 1866
habe ich nur folgende Angaben bei v. Hess aus dem Jahre 1824 gefunden:
Harvestehude 257, Eppendorf 708, Winterhude 235, Eimsbüttel 434,
Barmbeck und Eilbeck 1041.
Aa a0. 80429,
Aus äusseren Gründen hat als Unterdruck für diese Tafel durchgehend ein
Stadtplan gewählt werden müssen, welcher die gegenwärtige Bebauung und
die gegenwärtige Form der Häfen darstellt.
w
u
[80)
SS
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser.
Im Uebrigen verdient in dieser Liste besonderer Erwähnung
die Zahl der befallenen Wäscherinnen, Krankenwärter und-Wärterinnen
und die geringe Zahl der befallenen Kaufleute:
DESTATKEeRNSOlikikene EN eh)
Im Hafen und auf Schiffen beschäftigte Personen
(Schauerleute, Schiffszimmerleute, Schiffsarbeiter ete.) .... 25
Kellner, Knechte, Kutscher, Diener wu..dergl: » ....-............. 24
Weinhändler, Destillateure, Gastwirthe .......:.....-2ece..0.. 14
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Aerzte, Zahnärzte, Thierärzte, Wundärzte, Apotheker ......... L
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AVascherinnten- und Plätterinnen ...n.0.....2.. 15
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Summe .... 128
Trotz dieser Thatsachen wehrt sich der eine Berichterstatter,
Fricke auf’s äusserste gegen den Gedanken, dass die Cholera mit
dem Hafen zusammenhängen könne. Bei dem ersten Falle Petersen
führt er aus, dass der Mann nicht mit fremden Schiffern in Berührung
gekommen sei, um nachher selbst anzugeben, dass er auf den Fisch-
und Gemüse-Ewern verkehrt habe. Bei diesem, wie bei jedem folgenden
Falle, vermerkt er, wie viel Hundert oder Tausend Fuss die Wohnung
vom Hafen gestanden, aber er ignorirt es, dass die Wohnung am
Fleth gelegen, oder dass der Erkrankte am Wasser arbeitete. Es
ist das nur zu verstehen, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die
damaligen Aerzte noch völlig unter dem Banne der beiden Worte
„Contagium“ und „Miasma“ standen, die auch noch in unseren Zeiten
24 Dr. J. J. Reincke.
so viel Verwirrung anrichten. Man suchte nach dem ersten zugereisten
Kranken und fand ihn nicht, man beobachtete, dass ein Seemann, der
aus einem gesunden Hafen nach längerer Reise gesund hier angekommen
war und der garnicht mit dem Lande, geschweige denn mit einem
Kranken verkehrt hatte, doch von Cholera befallen wurde (No. 9
der Liste), dass die meisten Erkrankungen an weit auseinander-
liegenden Stellen auftraten und ohne nachweisbarem Zusammenhang
unter einander waren, dass nur sehr wenig Erkrankungen land-
einwärts vorkamen und dass an diese Fälle sich nur selten andere
Fälle anschlossen, dass die Aerzte ungestraft die Kranken berührten,
ihren Athem einathmeten, bei den Obductionen sich verletzten und
den Geschmack des Urins, der Magen-Contenta und des Blutes
mit der Zunge probirten.') Also, schloss man, ist die Krankheit
„nicht eingeschleppt“, „nicht contagiös“ und bildete sich die Meinung,
„dass die asiatische Cholera von selbst in Hamburgs Ringmauern sich
erzeugt habe“. Die Gegner dagegen machten aufmerksam auf die
Vorgänge im tiefen Keller und im Hanfmagazin, auf die Thatsache,
dass die Krankheit denn doch offenkundig von Indien über Russland,
Schritt für Schritt vorrückend, hierher gekommen sei, dass alle die
Schädlichkeiten, aus denen angeblich die Krankheit autochthon hier
am Orte entstanden sein solle, schon seit langen Zeiten ebenso in
Hamburg bestanden hätten, ohne Cholera zu erzeugen. Steinheim
verkündete den Satz: „Auch das Miasma ist verschleppbar“‘, ®
während Behre°) erklärte: ‚„‚Verschleppbar ist das Miasma nie“.
So begann gleich beim ersten Erscheinen der Cholera der Widerstreit
der Meinungen, der erst jetzt seine endgültige Lösung zu finden scheint.
Indessen gab es auch damals schon Aerzte, die Verdacht gegen
das Wasser hegten. Schon vor dem Auftreten der Cholera in Hamburg
war aus Indien und Russland die Kunde gekommen, dass die Cholera
sich besonders heftig an den Ufern der grösseren Flüsse zeige’), und
) Nagel: Ueber die Cholera in Altona. Gerson und Julius Magazin.
Bd. 23, Hamburg 1832, 8.287. Siemssen: Ueber die Cholera. Mittheilungen
aus dem Gebiete der gesammten Heilkunde. Bd. 2, Hamburg 1533, S. 211.
Vergleiche auch Buek: Die Verbreitungsweise der epidemischen Cholera.
Halle 1832, 8. 70.
Steinheim: Bau- und Bruchstücke einer künftigen Lehre von den Epidemieen
und ihrer Verbreitung. Altona 1831.
3) Behre: Aphorismen über das Erscheinen der epidemischen Cholera
in Altona. Mittheilungen aus dem Gebiete der gesammten Heilkunde.
Bd. 2, 8. 229.
») Buek: Die bisherige Verbreitung der jetzt besonders in Russland herrschenden
Cholera. Hamburg 1831. 8.9.
17
N
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 25
schon im August 1831 hatte die Hamburgische Medicmal-Behörde,
der Gesundheitsrath, öffentlich erklärt‘), „dass während der Cholera
der Genuss des Brunnenwassers dem aus Flüssen und Teichen vorzu-
ziehen, oder wo kein Brunnenwasser zu haben ist, ein mässiger
Zusatz von Branntwein zum Wasser zu machen sei“. Als dann die
Cholera kam, wollte man bemerken, dass in den Häusern, in denen
man sich des Alsterwassers bediente, weit seltener Cholera-Krankheits-
fälle vorkamen, als wo man Elbwasser brauchte, man rieth zu Unter-
suchungen des Elbwassers, empfahl Selterswasser zu trinken und
bediente sich in manchen Häusern nur des gekochten Wassers selbst zum
Waschen.) Zimmermann’) wie Buchheister‘) bekannten es
denn auch unumwunden, dass die Strassen, welche an der Elbe
und an den Flethen sich hinziehen, zuerst und ungleich schwerer
befallen wurden, als die übrige Stadt, und dass die Schiffer am
schwersten litten.
Dieses Urtheil wird bestätigt durch die Vorgänge in der
Nachbarstadt Altona, die im Verhältniss ausserordentlich verschont
blieb.?) Dort ereignete sich der erste Fall am 14. October bei einer
Frau v. Dieck °), welche einige Tage vor ihrer Erkrankung in Hamburg
an Bord eines aus Aussig in Böhmen gekommenen Fahrzeuges gewesen
war. In der Folge erkrankten 22 Personen bis zum letzten Falle
am 7. November bei etwa 25000 Einwohnern. Davon wohnten 3 auf
der Elbe, 5 unmittelbar an der Elbe, 7 in den nach der Elbe zu
führenden Strassen. Also auch hier blieb die fern der Elbe
gelegene Geesthöhe wie die hohen Theile Hamburgs fast verschont.
Freilich war unter diesen namentlich St. Pauli nicht so frei wie
Altona. Aber man vergesse auch nicht, dass jene Vorstadt damals
noch viel mehr als jetzt der Mittelpunkt des gesammten seemännischen
') Noth- und Hülfsbüchlein bei der Cholera-Epidemie für den Landmann und
für diejenigen, denen nicht gleich ärztliche Hülfe zu Gebote steht. Heraus-
gegeben von dem Hamburgischen Gesundheits-Rathe. Hamburg, August 1831.
SR
°) Tägliche allgemeine Hamburgisch -Altonaische Nachrichten über Cholera-,
Gesundheits-, Quarantäne- und andere Angelegenheiten. Hamburg 1531—32.
S. 74, 78.
®) Die Cholera-Epidemie a. a. O. 8. 40. Nachtrag a. a. O. 8. 16.
aa Ole 13:
°) Zimmermann: Die Cholera-Epidemie. S. 30. Buchheister und Noodt.
Ss. 120, 12%
SeNazel’a 2,078 NIT Behre 32.2..0-'8..223.
26 Dr). I. Reincke.
Verkehrs war!) und dass auch in den übrigen Geesttheilen Hamburgs
die Beziehungen zur Elbe ungleich inniger waren als in Altona,
dessen Rhederei in den Napoleonischen Kriegen fast ganz zu Grunde
gegangen war.
Von Interesse sind schliesslich auch die Fälle in der Nach-
barschaft, sowie die Verschleppung von Hamburg. Während auf
der benachbarten Geest nur ganz vereinzelte Fälle vorkamen, wurden
vom Flussufer Fälle berichtet aus Krautsand, Moorburg, mehrere Fälle
aus Wilhelmsburg, Altenwärder, Finkenwärder, Bergedorf (ein Schiffer),
Glückstadt, Stade und Neuland.?) Nach Lüneburg’) kam die
Krankheit durch zwei krank zu Wasser aus Hamburg eintreffende
Schiffsknechte.e. Dann wurden 76 Personen ergriffen, von denen
46 starben. „Fast alle Häuser, in denen die Cholera geherrscht hat,
bekamen ihr Wasser aus der Ilmenau, während die übrigen mehr
freigebliebenen Parthien ihr Wasser theils aus eigenen Brunnen oder
durch Wasserleitungen aus anderen Orten bezogen.“
1832.
Am 1. Februar 1832 war die Cholera für erloschen erklärt,
am 12. Februar ein vom Senate angeordneter Dankgottesdienst
abgehalten worden. Indessen kamen noch immer einzelne verdächtige
Erkrankungen vor, von denen freilich nichts in die Oeffentlichkeit
drang, bis am 27. April eine Arbeiterfrau an den Vorsetzen innerhalb
5 Stunden unter ausgesprochenen Choleraerscheinungen verstarb.
Von diesem Falle wurde in der Regel der Wiederausbruch der Cholera
datirt, während nach Rothenburg mindestens seit dem 1. April
') Früher habe ich „Die Cholera in Hamburg, Deutsche medieinische Wochen-
schrift 1893, 8. 69“ die Vertheilung der Cholera zwischen St. Pauli und Altona
durch die Verhältnisse der Bieber’schen Wasserkunst zu erklären gesucht.
Wie ich mich überzeugt habe, ist die Angabe in „Hamburg in medieinischer
und naturhistorischer Beziehung, Hamburg 1876, S. 231“, dass diese Wasser-
kunst St. Pauli und die hochgelegenen Stadttheile versorgt habe, nicht ganz
correct. 1831 versorgte die Bieber’sche Wasserkunst in St. Pauli nur einen
Brunnen im Silbersack. Dagegen bestanden allerdings die oben 8. 12
besprochenen Unterschiede im Wasserbezuge.
Tägliche allgemeine Hamburg-Altonaische Nachrichten über Cholera u. Ss. w.
S. 64, 65, 92, 131, 148.
3) Münchmeyer. Das Auftreten und der Verlauf der bösartigen Cholera in
Lüneburg vom 28. October bis zum 23. November 1531. Gerson und
Julius Magazin. Bd. 23, S. 238.
I
Den
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 27
mehrere unzweideutige Fälle vorgekommen waren. Er zählt inner-
halb des April im Ganzen 18 Erkrankungen mit 9 Todesfällen.
Im Mai wurden die Fälle schon häufiger, bis zu 65 an einem
Tage, um im Juni rasch bis zur höchsten Höhe in dieser Epidemie
anzusteigen mit 92 Fällen am 16. Juni. Dann fiel die Krankheit bis
Ende Juli langsam ab, um im August noch einmal anzusteigen
bis zu 30 Fällen an einem Tage (26. August) und dann wieder ganz
allmählig abzusinken, noch einmal unterbrochen durch eine dritte
Steigerung im October. Am 3. November hörten die täglichen
Erkrankungen auf, der letzte Fall ereignete sich am 17. December.
Im Ganzen waren seit April 3349 Menschen erkrankt, von denen
1652 starben — 2,26 °/o bez. 1,12 °/o der Bevölkerung. Ein genaueres
Bild über den lang hingezogenen Verlauf der Epidemie giebt die
folgende Uebersicht über die wöchentlichen Erkrankungen und
Sterbefälle.
7
Woche D= Ge- Woche Er- Ge-
krankt | storben krankt | storben
|
| | Transport ..| 2670 | 1266
1.April— 7.April 2 1 12. Aug. — 18.Aug. 92 35
ae ee ee a oe 105 70
BD one 96 Lu sept.1i1191 61
2 3 | 2.Sept.— 8. „ 59%) #26
20, 5.Mal| 16 6 Pe 67 3
6.Mai — 12. „, 44 Ban lor nr 225 WW °85 26
a 58 Ge ee a A, 19
20. 5, —26. ,, 74 33. | 30. ,: —.6: Oct. al 24
a, 3 9. Juni 59 33 7. Oct.—13. „, 44 26
3.Junii— 9. „ 216 MEER. 20,0, 50 33
10. , —16._., 368 1, 169% | 21. 0 —2U, 19 14
RI. 23-5, a1 | 223 | 28 ,„ — 3.Nov. 11 7
24. „ —8d0. „ 400 ı 193 4.Nov.— 10. ,, 8 7
1. Juli — 7. Juli | 336 150 1 A 2 1
3 E ae 208 104 18. „.—24. „ — —
1 1 Be 238 110.7 25, „= E.Dee 2 —
en > 90 52 2.Dec.— 8. „, — 1
29. „, — 4.Aug. 36 22 ae _
5.Aug.—11. „, 43 2A 116... —22,0,; 1 1
Transport ...| 2670 | 1266 Summe ..| 3349 | 1652
25 Dr: I. Js Reincke:
Sehr genaue Erhebungen hat Rothenburg über die örtliche
Verbreitung gemacht, die ihn zu der Ueberzeugung bringen, dass
neben Armuth, schlechter Ermmährung, unordentlicher Lebensweise
und anderen schädlichen Einflüssen den grössten Einfluss die Nähe
des Wassers, vorzüglich die des fliessenden Wassers habe, wobei er
das „unbekannte Agens“ in den „Exhalationen des Wassers“ sucht.
Wiederholt kommt er auf dieses Thema zurück und illustrirt es
durch die folgende Zusammenstellung und durch einen Plan.
‚ Zahl Zahl
Strass sie | der Strasse der
Fälle Fälle
Transport....| 214
Adolphsplatz a. m... ma. 11 Mönkedamm.:..... ..2 2... Eu igee 13
Alsterthor......2 Au tere M\ Mühlenbrucke.....2. Sn. en 2
Alitiersvialliie Bea re re 34 Mühren, kurzes. .2...2... 2er 4
Bäckersträsse, gTOSSe........... B) Mühren, lange... re 14
Bäckerstrasse, kleine .:......... B) Neustrasse, altstädter ....:..... Net
Barkhof,t grosser nee 16 Naedernstinasse. ee 3
Bauhofalbeindeme rn ve en b) IBaulstrasser se ee er. 28
Blauen Thurm, bei dem ........ B) Belzerstrasser...erta..creenee (
Beckmacherstrasse ............. 2 St aBeterahintern. 22. Kerawer el
Bereits Ah Se 3 lPetrikirchhof". ... ..n an N 2
Breitengiebel, Hinter dem ...... 7 Pferdemarkt... sea erseret and:
Breitestrasser en. 12 Blanc Serra I 52
Depenauen. su. ae ee 2 Pumpen, jbeirden.. .........ven | 20
Donsplatzege se ! Raboisener a tee ee 12
Dombuscho.e 2, Baum l Bosenstrassen.., 2... 39
Drillhausee a. ea er Ju Schachtstrasse.... 21. 2.22... ..2.n00
Biltersirasse a.) Ay ee 7 Scheeleneanos 22... We | 5)
Eischertwieten . 2...2..20 0 6 Schmiedestrasse... .... Vcer a. | =10
Eischmarkte 22. nun. ee 1 Schopenstehl "a. u. ..e. aaa # Ber:
Fuhlentwiete, altstädter ........ 4 Schweinemarkt .........0- 0 2.0] ep
Gerherstrasser ne 2. 0, j SPEEHSONG Rn a | 6
Jacobikirchentwiete ............| 38 Spitalerstrasse. zn. | 47
Jaeobikiechhöf .. 2... 2. u... IS Springeltwieter 0. 202. ı
Johannisstrasse, grosse ......... 13 Springeltwiete, neue............ | 4
Johannisstrasse, kleine.......... 2 STAVENDFOrEE. ee nee | 7
Kattrepel anno leere IS OS einsitnasser wre ce. v6
Kimeberesten en ee 32T wieterskurzer.. ns I 6
Knochenhauerstrasse............ 4 Voglerswalle. 2. ..E 0... 00 | 8
Inbrenstrassemee 1. a a da. 16 Wassertwiete, altstädter........ 2
Maria Magdalenen-Kloster ...... 10 Zuchthausstrasse 2.2. Se | 49
MESSHELOE RT. Seele viert Et) |
— "Fire |
Transport. ...| 214 Summe....| 609
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser.
Jetzige Altstadt-Südertheil:
29
Zahl Zahl
Strasse der Strasse der
Fälle Fälle
| Transport....| 366
Annenplatz, Sl... 2.uncemenemenne) | Holzbrucke en nt ern re 1
Boden: hinter dem ..t.....:009 Hoptenmarktı. 2. uren. ur 14.03
Börse, bei der alten............ ERS Kuakstwieten . ee rg
Bohnenstrasse 2 ....r.....2, 28. . 5 Kalenenhee are HR; 15
Brandstwiete, erste und zweite... 5 Kanneneiesserort.......-..=..:- )
IBRHUETSDTASSE 0 ee ie Kehrwäeder........: | 97
N Se 105 Kibheltwiele nr un... ca, 16
Brookbhoneerr..n ee ae 4 | Krahn, beim neuen..... 6
Brookthor, vor dem... ........:. 1 kempkentwiete nm. ur. Ser. 7
IBEBOKSLAVENN. nn er een an 5) Mattentwiele.. 2... 2.0.22. B)
Burstah, ENosSser......0.0n. 4 Mühren, beiden......- NRZ
Burstah,;, kleiner ............:.%) 1 Neueburom@. Ne ran! MS
Catharinenbrücke .............. 1 Neuerweg, altstädter............| 16
Catharinenkirchhof .....:....... 6 Nieolai-Kirchhof ...............| 4
@atharinenstrasse ........ .:.... 7 Pieckhuben sa ern 1l
ÜLEWONN rn een In172 Bocgenmühlertsasat acc aanea: 3
DEIchstrassert nee Mae Reichenstrasse, grosse .. $)
Dienerreihe. een rer 11 Reichenstrasse, Kleine ..... 1
Deventleth. ..... SEE RS) Reimerstwiete ........... 2)
Kileth Kleines...........| 36 Kodın ssmarklı 00, See: 22
Gerkenstwiete ..2....-...... u: 4 Sande aufs demer ar. oe een 10
GrEEWIERE nennen er 12 Sandthort vor. dem 2... 2... Ans 2
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raskellere a 000.0. eaa. Zt SLEINLWIERER IE un. 2 y 3
Gröningerstrasse, alte .......... fi Bheerhoseprn een I
Gröningerstrasse, neue ......... el Wandbereiterbrook ............. | 1
Hankentwiete ...ouccreeccu..a Mas Wandrahmsalter 2. 230
Herrlichkeit, .n2.00.:0. 02.240: > 14 Wandrahmsbrücke ...... I
HolleBrooken vos nass: gi Zippelhaus, bei dem............ |
Hollalkeiher .. 0... 00 wech BERG Zollenbruckenn. ws... rc. |
Transport... .| 366 Summe....| 714
Jetzige Neustadt- Nordertheil:
| Transport....| 45
INBO-STEASSe ne ee: u #3 Dammthorstrassers een IN.
Amidammachergang............ 12 14 Dammthorwallien ...%.. 0.2.8 5)
Bäckerhreitergang: ............. | 10 Dragonerstalln.. »..02 2. 2.3002: b)
Bleichen mosseh... en ara 19 Drehbahny grösse ..... neu... 4
Bleiebenbruckenn ns. 8. Hr Drehbahn, kleine;... ..2.1..22... 1
Breitersang. N. RR UA 4 Tipraeteano ar. dan ae 4
Brettergang 228.00 1 EIDStrasser nn es erertaes 11
Caffamacherreihe: ... 2.10. .MrBe. 2 Behlandstrassern nos. nen anne 2
Transport....| 45 Transport....| S2
Dr. J. J. Reincke.
Zahl Zahl
Strasse der Strasse der
Fälle Fälle
Transport....| 82 Transport....| 244
Fuhlentwiete, neustädter.| 24 Pilatuspool a... ee... ee 7
Gänsemarktiree. en 17 Poolstrasser... a ae ae er 4
IEHeNbers ee 3 Rademachergang. „u“... .ne2 a... 10
Hüttensabeı denen er. ce, 14 Schulgane en... een 7
Hütten,sihmtersdenn 2... ER) Schwiegerstrasse....-....... 1
Jungfemmshes.n rn en ne 12 SPECKSGang ne ee 10
Kömgstrasse. euren ee 2 Steinweg, alten... ......n. 000 10
Kornträgergang.....osesee..c: 5 SLEINIWIER, Neuere 15
RuUselsonnn ee m! Tiheaterstrasse, grosse .........e 2
Kurzestrasser 2. ker. 2 Thielbeck &i. 2.220200: see 2
Tanzeroaner. 2 ea 15 Trampgang, grosser... ne 6
Marienstrasse tn... .. .2..nae l Ulrieusstrasse.. >... 2... scene B)
Marktstrassen 2 ere are e b) Valentinskamp... ........rerkeee 16
Newerwiall ers al Wassertwiete 2.2... ee 1
Neustrasse, neustädter.......... Iı Ohne Wohnungsangabe......... B)
Peterstrasses ar en. 2 eye 10
Transport....| 244 Summe....| 344
Jetzige Neustadt-Südertheil:
| Transport....| 359
Admiralitätstrasse ............. 5 Kuhbers are ur a 2 3
Bäckergang, Frosser ...... 74 Langereihe, 0.2. 20 A B)
Bäckergang, kleiner............ 2 Iieschenrang. ne. er ee 16
Baumwalraıs wre 5 Michaeliskirche, bei der kleinen . 3
Bleichersang.. 2... urn... 18 Mühlenstrasser. „2... near 13
Blockhauser are er 2 Neuerweg, neustädter..... Bl
Böhmkenstrasse....2.... 2... 7 Nenmannstrassen re... 22
Brauerknechtsgraben...... 49 Neumarkt, grosser ............. 14
Brunnenstrasse 2.2... 2 Nienlaistrasse... ..n se Rue 13
Constantinbrücke .............. B) Paradieshof .%.:.% 2.20. Pr me 5
Druvenhomra. ne it Rothesoodstrasse..... .......... B)
Düsternstrasse len... ne l Sagerplatz 2.20... 2 &)
Blech holze en 62 Schaarmarkt: ee $)
Eiskuhle, beider .........:.3 11 Schaarsteinweg, 2. Sen. 11
EmglischeöBlanken............08 1 Schaarthorbrücke ser ee 5
Geune2s300.4. er. 22 Schlachterstrasspr 2. 2... 0 15
Herrengraben. .. : iur... 15 Steinhöft. ne re ee 1
Hohlerwes..#. „u... er 14 Stubbenhukrr er... . as: ee 10
Hacobstrasse.. .. „rn... | 15 Meikeldemere.n .. 22.2 ee 15
Johannisbollwerk........... 30 MVenmsberg 22:1... 0: er 4
Kirehenstrasse..»....... 0.2. So 6 Vorsetzen, erste ..n...0. 08 52
Kleiekerstrasse ... cn .o...2..0.00% 6 Vorseibzen, zweite... ee 54
Kralenkampar re ee 6 Zeughausmarkt......n. ae ee 9
Transport. ...| 359 Summe 685
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser.
St. Pauli:
Zahl Zahl
Strasse der Strasse der
Fälle Fälle
Transport....| 123
IIDEOEISLFASBE 2... Han nenn 4 Kirchenstrassen. . 0.22.22 u... 3
IBEROSEFASSEN A 2 a nen a 2 Klutjenstiesar an. Ber er. B)
Bernhardstrasse .. "1.2. .2..4.4.%: 13 Tangestrasser...n... 2.002 Indus se. 9
BARISITABSE Le nase 4 Ouerstrassen See |
Dayadsbrasser 42.0. Salsa one 16 Oelmunleme er en sen eren 16
Einfahrt, zweite - .........:... 1 Petersenstrasse, kleine u. grosse. 6
ITBSEHBER En Ba na S Einnasbernere re nasensase 19
BRTCHSbrasset 2... Bl) Bierdebormpa ee... 7
Bniedrschstrasse,. 20. 22.2 en: 10 Reeperbahn ans s02. ne 4
Kerhardstrasse ren .2.008. 220: 5 SCHEOBPETSBOR Pre. 2 une... 2
BIENEN N en er 2 Sehulterhlattrn Sara Zn: 1
Glashütte), kleme. 0. +... .«. l Silbersackstrasse 2... cn... 4
Heinrichstrasse,. „a... 1e2a:2 0 16 TAteRSan 0a ®. > an an das nn: 6
Herrenweider ep... une 6 Trommelstrasse® u... er. 5
HintermyBeeket........ 004.00. : 1 \Wilhehnstrasser 2... 224208 |
Hörmannstrasse........ 1 NNELESBOD ee en Sera Paurn 10
AaiminER, ger ee 3 Ohne Wohnungsangabe......... 80
Transport....| 123 | Summe....| 250
St. Georg:
Transport... 192
Alstermansden. ...J,.suclieissss. 2 Holzdanım,, bei dem... :!. 1
INISLERWERT Hr deren nur. 4 Hühnerposten, bei dem .......... 3
BARKERSANg? 7... ea $) Korchenallee@m see sa. 6
ia N Eee ae 5 Koppel; anzderis2..2000 2... 4
IBErSStEasse. sn ar an ar Mahn 5) Bangereibe..u.. um ern. 3
Bernhardstrasse' 4 ....2:8.. 9.2024 B) Minenstrasse... re... sl 2
Besenbinderhof, bei dem........ 2 Mittelsbrasse. 2. ..uttrsn ser: IN Es‘
Beyerstrasse: 4... ... 2: yo 3 Neuestrassert. ee B)
Borgesehstrasse ......-::. 22... 6 Bulyerteich, ro. 2er ee 2
IBESHREISERABSSE. E22... 2 Sehweinekoben ....... .aawes... 1
Brummenstrasse 0. .2u0..l2le. 3 Sea dit.deicht. 19... matt 11276
Deichthor, bei dem............. 1 Steindammes | 2
Georgskitchhof, St... .2.......... 2 Strohhause,hinteru.beidem 40
Georesstrasse, Sb a 2 EN 23 1 THoreystWegr (ie ara in 1
Grunemdeich Ay. >; 19 Walstamın Sense 6
Grützmachersang ar... 11 OhnerAnsabe: su... 4.0 02 ra | 6
Hohestrasse. u areas. 1
Transport....| S2 Summe....| 246
32 Dr. J. J. Reincke,
Landgebiet:
Zahl Zahl
Strasse der Strasse der
Fälle Fälle
Transport..... 22
Dammthor, vor dem............ ” Eliohenteldeneee 7
Grindel und Grindelbere........ 7 Hamm'a. ec u 1
Böseldüorbese en seneene 1 HONeN e | 1
BRabenstrassen N een a! Billwärder Ausschlag..... 27
Rothenbaum, beim ............. el Billwärders too 3
Eirmsbüttele ee. ne er! Moorlletha. 20 se ee 1
Eppendorf ent. ee 4 Ve 3
Winterhude mr. ee 1 NEUE 1
ORISGOrE En 1 Altenwärderne rn we 1
Transport.....| 22 Summe....1 260
AUTESCH IDEE 137
Im Ganzen....|3052%)
Man erkennt aus dieser Zusammenstellung mit überraschender
Deutlichkeit, wie sehr die Cholera sich in der Nähe des Wassers
gehalten hat. Rothenburg ist dann noch weiter gegangen und hat
für jede einzelne Strasse die Erkrankungs- und Sterbeziffer procentisch
berechnet. Natürlich hat er dabei viel mit sehr kleinen Zahlen arbeiten
müssen, wodurch in sehr vielen Fällen das Ergebniss unsicher oder gar
werthlos werden musste. Immerhin sind aber doch die Extreme von
Belang und lehrreich. Sein ganzes so gewonnenes Material ist in den
Plan auf Tafel VI eingetragen worden. Auch da bestätigt sich die
grosse Belastung der Wasserkante und namentlich der Strassen, in
denen die arbeitenden Volksklassen wohnen, welche sich von der
Schiffahrt nähren, während die auch am Wasser liegenden Strassen,
in denen damals unsere reiche Kaufmannschaft sass, völlig oder fast
ganz verschont blieben, und ebenso im wesentlichen die hoch
gelegenen Stadttheile, sofern sie nicht mit dichten Arbeiterquartieren
besetzt waren, in denen sich wohl mancher secundäre Herd gebildet
haben mag. Am schwersten von allen Strassen wurde befallen die
Davidstrasse in St. Pauli, die verhältnissmässig feın vom Wasser
!) Rothenbu rg's Listen stimmen nicht völlig überein.
Er zählt in Tabelle 1: 3349 Erkrankungen und 1652 Todesfälle
25350 a „. 1652 S
5 3: 8069 hs „ 1609 „
4: 3052 n „ 1494 :
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. BB)
hoch auf der Geest liegt. Dort erkrankten 14,28 °/o und starben
8,92 °/o. Aber diese Strasse enthielt „fast nur grosse Freudenhäuser,
wo von Matrosen und der geringsten Klasse beständig der Venus
und dem Bacchus geopfert wird.“ ') In einer weiteren Berechnung
hat Rothenburg auch grössere Gebiete zu einer procentischen
Berechnung zusammen gezogen. Nach dieser ist die Darstellung auf
Tafel VII angefertigt worden.
Ausserhalb der Stadt wurden nur zwei Gegenden nennens-
werth befallen, die beide gleichfalls am Wasser liegen, der Grüne-
deich und der Billwärderdeich.
Wie es in Altona gewesen, habe ich leider nicht feststellen
können. Ich habe nur die Notiz gefunden, dass dort vom 1. Advent
1831 bis dahin 1832 100 Personen an Cholera gestorben seien?).
und im Kreise Pinneberg 16 Personen.
Auch bezüglich des Berufes hat Rothenburg sehr genaue
Erhebungen gemacht, soweit sie zu erlangen waren. Sie betreffen
2183 Kranke. Nachstehend gebe ich seine Liste in zusammen-
gezogener Form, zu der ganz dasselbe zu wiederholen wäre, was
ich oben zu der entsprechenden Liste für 1831 bemerkt habe.
Wieder kommt mehr als der siebente Theil der Gesammt-
liste auf Leute, die auf oder an dem Wasser arbeiten.
SISTERS SCCHÄH NET ee a on 277
Im Hafen und auf Schiffen beschäftigte Personen
(Schauerleute, Schiffszimmerleute, Schiftsarbeiter ete.) ... 68
Ouartiersieuen ee ei 13
Kellner, Knechte, Kutscher, Diener u. dere]. ................. 63
\Weinhändler, Destillateure, Gastwirthe .................... 62
IKaulensep Coramisee een al
Aerzte, Zahnärzte, Thierärzte, Wundärzte, Apotheker ........ S
ISTaneH WALterbe a ee a ee ar} -—
SOLAR Rd ale)
IBEAmIEeg re ee N 8 A RE ER 40
Etediser, und Lehren er ee 6
Sn Sense ne ne 4
BIETER a A nn ae en ae ange 4
TE EN ee RE a7
VER ne 2 ER ERDE 5)
Transport..... 137
) Rothenburg a. a.:0. S. 28.
°) Kgl. privilig. Altonaer Adress - Comptoir - Nachrichten, 22. December 1832,
Nr. 102. Neue Schleswig - Holstein - Lauenburgische Provincial - Berichte,
Jahrgang 1833. Altona. S. 180,
34 Dr. J. I. Reincke.
Transport... "137
Handwerker tr! za Hr urerun 404
UNE OIEN I ae a ee Me EEE Se Se 293
Kandleutere ri N EN NEE RN 15
Ohne Anenbe..der Beschäftigung... m rn rer eerer o
Stonnstter- SindeMatrosentramemee ee: Zn.
Dienstboten, sweiblichen...2: Aerzte BRIEeeNR 155
JATheItenInNen ee a TEL TERT: 49
Ira en Und NVA WEN 212
Kerankenwänterinmende 12
T,chrermneneir: ee TREE 5
Künstlerinnen. 22:1. ee ee RT: —_
Pntzmacherinnen undaNähernenge 34
ERIOSEURINDIEN ee ee a EEE 2
Händlerinnen at ee EEE EL 23
MWäscherinmen-und Plätterinnene rege 03
Erendenmädchen: fer:2. 0. Sc S
2110
Kinder 713
Summe. . 222185
1833 — 1837.
Ueber diese Jahre ist nicht viel mehr bekannt als die Zahl
der Todesfälle. Das Nöthige ergiebt sich aus der folgenden kleinen
Zusammenstellung:
18331) | 1834') | 1835‘) | 1836?) | 1837)
Mae ee — 2 — — —
Te: E— 2 —— 6 —
Julien en 2O)) 4 — 7 =
IAUDRISEE 2 - ee ee 11 IS 7 =9 3
September ......... ae |. — 102
October... 2er 16) 16 —_— | 93
November +: ..= 2... 6 — — — 10
)) Rothenburg: a. a. O. 8.45 u. flede.
2) Warburg: Witterungs- nnd Krankheits-Constitution zu Hamburg, während
des Jahres 1836. Zeitschrift für die gesammte Mediein. Bd. 5. Hamburg
1834. 8..148.
3) Warburg: Hamburgs Witterungs- und Krankheits-Constitution im Jahre 1557,
Ibidem. Bd. 9. Hamburg 1338. 8.9.
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser, 35
Die wenigen Fälle des Jahres 1836, das sich durch einen
nasskalten Spätsommer und Herbst auszeichnete, werden als Cholera
nostras bezw. tödtlicher Brechdurchfall bezeichnet, es bleibt daher
fraglich, ob sie der asiatischen Cholera zuzurechnen sind. Von 1833
wird ausdrücklich bemerkt, „dass die ersten Fälle wieder in der
Wassergegend in der Nähe des Hafens ausbrachen“ und von
1837, „dass der Schauplatz der früheren Cholera-Epidemie, nämlich
der südlichere der Elbe nahe gelegene Stadttheil, wieder
vorzugsweise heimgesucht wurde“.
Mit diesen Nachzüglern der grossen Epidemie von 1831 und
1832 war die Cholera endlich erloschen und die Stadt hatte nun
zehn Jahre lang Ruhe bis zum Jahre 1848.
1848.)
Schon ehe die Krankheit ausbrach, erliess der Gesundheits-
rath Rathschläge, in denen es hiess):
„Es ist während der Cholera der Genuss des Brunnenwassers
dem aus Flüssen oder Teichen vorzuziehen, oder wo kein Brunnen-
wasser zu haben ist, gekochtes Wasser mit einem sehr mässigen
'Zusatze von Branntwein.“
Nach Buek waren ‚wie im Jahre 1831 vor dem epidemischen
Auftreten der Cholera‘ so auch im Frühling und Sommer 1848
„leichtere sporadische Fälle der Brechruhr, sogenannte Cholera nostras,
zuweilen selbst tödtlich verlaufend, bereits häufiger vorgekommen“.
') Bericht über die Cholera-Epidemie des Jahres 1545 von Physicus Dr. Buek senr.,
datirt vom 19. Februar 1549, mit zahlreichen Tabellen und Plänen. Nur als
Manuseript vorhanden in mehrfacher Ausfertigung, namentlich im Senatsarchiv,
im Archiv des Medicinal-Collesiums und in der Bibliothek des hiesigen
ärztlichen Vereins. Der Druck der vortrefflichen und fleissigen Arbeit wurde
damals der Kosten wegen abgelehnt.
?) Wie ist das Erkranken bei der herrschenden Cholera-Epidemie zu vermeiden,
wie erkennt man die Krankheit und was ist bei derselben bis zur Ankunft
eines Arztes zu thun? Zur Beruhigung und Belehrung des Publieums.
Herausgegeben von dem Hamburgischen Gesundheits-Rathe. September 1548.
Der abgedruckte Passus stimmt wörtlich mit den Rathschlägen aus dem
Jahre 1838 (siehe oben S. 25) mit Ausnahme des neu eingefügten Wortes
„gekochtes“,
36 Dr. I. J. Reincke.
Nach den Todtenlisten zählt er an Verstorbenen an diesem
Leiden:
unter über
10 Jahre alt | 10 Jahre alt SULE
Januar ae — — ur
hlebruarse een ee 1 — |
Mare Rn = — :
A et: 1 | 1 2
Maren: EN EL ae l 3 4
UNTEN EEE 1 2 6)
Te ARE: — 3 3
AUaUSl A ee 4 3 Y
Dann mehrten sich im September die tödtlichen Fälle rasch
so, dass schon am 6. September 12 Erkrankungen vorkamen, und
der Ausbruch der Epidemie nicht mehr zu bezweifeln war. Er be-
richtet speciell von folgenden Fällen:
a,
zu krankungs- Beruf [Alter Wohnung Bemerkungen
Bu tag Jahre |
l - ——
1 | 1. Sept. | Kaufmann 38 | Neuerwall jyam 31. Aug., bedeuten-
der Diätfehler.
2a Zee, sSchiiier | 22 Oberhafen | + Aleoholist. Kahn seit
längerer Zeit mHambure.
ae Mädchen 6 2. Neumannstrasse, | + nach 10 Stunden.
| Neustadt-Südertheil
Ama n 3 n -r Schwester der vorigen,
seit 2 Tagen Durchfall.
Dal, Grünhöker 75 | Billwärder Ausschlag | Ausgesprochener Anfall, ge-
nesen.
BA, Mann 21 Gr. Bäckergang, |}
Neustadt-Südertheil
I re Kind 5 | Hinter dem Boden, | +
Altstadt-Südertheil
8 |5 : „ 5 |Platz b. grünen Sood,| +
| Neustadt-Südertheil
ld Kaufmann ? Böckmannstrasse, Genesen..
St. Georg
OO Diener ? Grosse Johannisstrasse, Genesen.
Altstadt-Nordertheil
ı ı \
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. at
„Es mögte selbst dem eifrigsten Contagionisten doch schwer
werden, hier irgend einen Zusammenhang nachzuweisen“, fügt er hinzu.
Von nun an mehrte sich die Zahl der Erkrankungen reissend;;
schon am 19. September ereigneten sich 106 Erkrankungen an einem
Tage, dann trat ein Abfall ein bis auf 66 Fälle (24. September), um
von einem neuen Anstieg gefolgt zu werden, der unter mancherlei
Schwankungen sich bis zu 119 Erkrankungen in 24 Stunden
(11. October) wieder hob. Darnach folgt ein rascher Abfall bis
Ende des November und daran anschliessend eine lange Reihe verein-
zelter Fälle bis zum 21. Januar 1849.
6. Sept. 12 Erkrankungen, 11. Sept. 47 Erkrankungen,
es 10 „ Dan 74 a,
Sr 19 „ (Se I0 “
I. 28 „ ae) Kr
2,0798 5, 5 0; 106 +
Für das Weitere genügt die folgende Wochenübersicht:
Woche Dr 62 Woche nu es
krankt | storben krankt | storben
Transport ..| 3561 | 1694
1.Sept.— 7.Sept.| 35 24 3.Nov.— 9.Nov.) 54 24
Be ae az or, 1er „a8 14
DE SO a ee 8 7
a 360-7 257 7 8) 5)
292, .,5,.0c6 1.028. :295 1.Dec.— 7.Dec. 9 4
6. 0ct.—-12. „ 631 3 Se Il ee 5 3
a a 5 EL 402 162 a 7 10 Ro)
20, 420. „, 196 88.1 22 —31l. „ 3 2
202,2 ,2.Nov.) 107 46 |
Transport ..| 3561 | 1694 Summe ..| 3687 | 1765
Buek nimmt an, wie es nach dieser Uebersicht allerdings
sehr gerechtfertigt ist, dass in den letzten Wochen die leichteren
Fälle garnicht mehr gemeldet wurden. Zu diesen Fällen kamen durch
nachträgliche Meldung und durch Erkrankungen im Januar 1849
(4 Fälle) noch 32 Fälle hinzu, von denen 7 starben. 24 davon fielen
auf Finkenwärder (18 im October, 6 im November), 4 auf Allermöhe,
der Rest vertheilte sich.
38 Dr. J. J. Reincke.
Die örtliche Vertheilung ergiebt sich aus der folgenden
Uebersicht. Auf Schiffen ereigneten sich 240 Erkrankungen. Die
Strassen längs der Elbe: Johannisbollwerk, Vorsetzen, Eichholz,
Grosser Bäckergang, Brauerknechtsgraben, Brook, Hinter dem Boden,
Kehrwieder, Kleines Fleth, Dovenfleth, Stadtdeich, Billwärder Deich,
Billwärder Ausschlag, waren wieder die vor Allem befallenen. Daneben
häuften sich die Erkrankungen in dem Centrum des seemännischen
Verkehrs in einigen Strassen des südlichen St. Pauli — das nördliche
St. Pauli hatte nur 26 Fälle — und in den engen Arbeiterquartieren
der nördlichen Stadt.
Offenbar ist, dass die nördlichen Theile der Stadt und
St. Georg’s im Verhältniss erheblich stärker betroffen sind, als in
früheren Jahren. In der Neustadt übersteigt die Zahl der Er-
krankungen des Nordertheils sogar die Zahlen des Südertheils.
Ein ausgesprochener Herd findet sich in der alten Kaserne
am Wandrahm, gehäufte Erkrankungen werden ausserdem erwähnt
aus dem Freimaurer-Krankenhause (5), dem israelitischen Kranken-
hause (14), dem Allgemeinen Krankenhause (22); anscheinend ereigneten
sie sich auch in dem Werk- und Armenhause und dem Kurhause. „Sehr
häufig kamen mehrere Erkrankungen in einer Familie und in einem
Hause vor.“
Jetzige Altstadt-Nordertheil:
Zahl Zahl
Strasse der Strasse der
Fälle Fälle
| Transport....| 51
Adolphsbrücke.. 2. 2... 2ue.e. | 2 GULIenStrasge nr ne 1
Adolphsplatzar un. une see | 5 Depenau nn aber 3
BAlSSerdAMm ER. nasser ee 3 Dormhbusch =... ut. see Bz!
NSGETEDOT Eee ee er Berdinandstrasse 2... mm B)
Ntenwallene sn ee Male Rischertwiete. 0. b)
Bäckerstrasse, gToSse........... | 1 Fuhlentwiete, altstädter ........ 4
Bäckerstrasse, kleine ».......... | 2 Georgsplatz ee me en ee 3
Batmhofstrasse. .........e... In Mel. Gertrudenkizchhöf 2.2... Fre 1
Barkhof, grosser ........,......| 6 Gertrudenstrasse.. . u... cm% 2
Bauhof; bei dem... un. Glockengiesserwall............- al
BEroStrasse run. wen eg see ı 2 Hermannstrasse ...... oe... 0er 6
Börsenbrücke, enacn na n e N Johannisstrasse, grosse ......... 4
Brandsender ie... ns dam ee) Johannisstrasse, kleine ......... 9
Breitestrasse ............ Eee 1. 584,.8 | Rattrepel 3... 8.2. Sa S
Transport....| Sl Transport....| 100
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser.
Zahl Zahl
Strasse der Strasse der
Fälle Fälle
Transport....| 100 Transport....| 254
Wlmeberoe nennen B) Rathhausmarkt. „2. 22....n2.0. 1
Knochenhauerstrasse ........... 1 rabhhausstrasse- ern une. >)
Bilenstrasse...u...r.uenseene: 5 Rosenstrasse, aan an ed 13
Miessberore.. 2. Me er als Sehauenburgerstrasse ..... ........ 15
MoRkedamm. sr... et I, 4 Schmiedestrasse .....u. ur... 4
Mührens kürzer zen an sea hi] Schopenstehleen nn lee Bi)
uhren lan@ee....... Malerin: 116) SCHULZEHPIOTbEN oe ern ae l
Neustrasse, altstädter .......... I BEBWEINEMArkU I ser een 1
Nredernstrasse. „2:44: BJ | INIBEISORD ee aan ee here >
Kaulsmasser ee er ee ren 2 Spiualerstnasse re 20
BEIZEISCLANSOR res nenne 3 Springeltwiete.2......r.... 20
Blerdemarkt; zes ee see 5 SUCINSLEESIBORN ne ede 42
Pumpen, beiden ......”.- 32 Ohne Wohnungsangabe......... 27
BABoOnBene.. ir. Wenn ae 21
Transport....| 254 Summe....| 409
Jetzige Altstadt-Südertheil:
Transport....| 288
INDTENISEREIS Str in ee ae an en 6 Graskeller ee 4
Boden, hinter dem ......... 29 GE ee 1
Börse, ‚bei der alten .........:. 3 Gröningerstrasse, alte .......... 7
Bohnenstrasse \ . u... cn 2 Hankentwieter 2... 00.0. 4
Brandstwiete, erste und zweite... 3 Heiligengeistkirchhof ........... l
Brauerstrassen....... aan. 5 klerrlichkeut ep nn. Fesser 1
RER OR ee ee ae 102 Hohebrücker u... en en 1
Brookabtücken a. Bann 2 Holländischer Brook. ........... 6
bBreyokthos 020. 10 Holländische Reihe: ............ 13
Bürstah, .Stosser „2... 0.0 22. $) Hopfenmarkten.arn. 2, 15
Burstah, kleiner. nr... | 3 Hüter. are 2
Batharinenhrücke . ..2...2.2. 3 Kaakstwieten en 1
Catharinenkirchhof.............. B) KEN ee 3
Gatharmenstrasse 2. ..... 2... &) Kalkhofe 2 Ar. j
ee 2 KASERNE EN Nenner ie 41
Dienerrerber.,. ae 11 Kehrwieder „mu. ne.nse 104
Derchsprassers nn 6 Kihbeltwiete rer. ee 14
Doventlethrae sen. 42 Krahn, bein neuen =... :.. 1
BEICUSSGTOSSs Hl er 5) TLembkentwiete „..2.....2..7%. .: 2
Dreck, kelesmesiksar me | 38 Mattentwieter a. eerneen. |
Gerkenstwieter Mr. 2 er. Men Krtehreme Weiden... 22... 27
Grttwiete WE Be) NE ee l
Transport....| 258 Transport....| 548
40 Dr. J. J. Reincke.
Zahl Zahl
Strasse der Strasse der
ı Fälle Fälle
Transport....| 548 Transport...., 644
Neueburd nur a ee 8 | 2 STECKEIDOLN. re een | 2
Neuerweg, altstädter ........... I SBEINLWIELE Ser en | )
Pieikchuben gemessen 22 Theerhofe. =. ea re 1.6
Borsenmühle ware ee ee Waisenhaus, beim alten ........ I 8
Reichenstrasse, grosse ......... | 6 Wandbereiterbrook............. | 4
Reichenstrasse, kleine .......... | 4 Wandrahm Falter en Sa ee 6
Reimerstwiete „u... we 5) Wandrahmsbrücke #27: - an... 6
Rolınesmarkt een 1213 Winserbaum, 'bei dem ..0.2...2 $)
Sande, auf demz.. 222. 0re0220% 19 Zippelhaus, bei dem............ |:. 8
Sanıdthor, vor dlem 2er. ale.72 N Ohne Wohnungsangabe......... | 45
Transport.... | 644 Summe....| 788
Jetzige Neustadt - Nordertheil:
Transport....| 233
ABU-STTaSSE Hr bu N A) Heubers na ee 1
Alsterarkaden ee ee we Hütten, ber den 7. nr mr Bil
Amelunestrasses #22. 0 u er | Bi unsternstleosker ne ee | 1
Amidammachergang ........... 15 Kaserne, Valentinskamp ........ 6
Bäckerbreitergang.......-| 24 Konisstrasser rc. 10
bBleichen, grosse. a, Ser 11 Kohlhofen urn ee 4
Bleichen, hohe 2er re re 6 Korntrasergane. 2,2. | 283
Bleichenbrucke ı 2 3. uB.82- | 6 Krater re ae il
BTOLEL SAND. ee 14 Kuselsortn.a „ine. ah #)
Breiteroanp ı.3..2: 2er FIR Ss IR URZERLRASSIE ee 20
Vafamacherreihe.. .2 2... zu 1 anerer nanıı2. u ne 20
Dammthorstrasse. :.0....002.: °°: | 2 Maärienstrasse . u 22 er. are are 6
Dammthonwall „2.02.52... 2200 13 Marktstrasse .n. 000 ana ee 15
Drasonersiallseees. Auer | 93 Neuerwalls.n are ae 36
Drehbahn,-Brosse nu. er sa U RRt Neustrasse, neustädter 26
Drehbahn- kleine %..:: 2: a2: 5 Pet erstna ss 6
Eihraergangar. et. as 6 Pilatuspool sr See 10
DIDI ERS SER ee 34 Poolstrasse nr... sr 14
Ellernthorsbrücke .............. 2 Poststrasse 2-2 een 4
Bsplanadesen ee ap ea Bi Rademachersang. re... 20.
Hehlandstrasse an nn 2 Schulgano se ea a #)
Freimaurer-Krankenhaus......... 5 Schwieserstrasse...2......%: 1
Fuhlentwiete, neustädter.., 46 SDECKRSEN On Se 20
GAnsemarkt nano | 14 SDECKSplatz 2... 4
Gasthaus en ee a Steiiiwep: „alter se d
Transport... . 233 Transport....| 577
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 41
Zahl Zahl
Strasse der Strasse der
Fälle Fälle
Transport....| 57 Transport....| 627
SHEIBWERNEILET ... .u...00%: 40 Minieusstrassete ne ee 7
Theaterstrasse, ETOSse .u........ 1 Valentinskamp res | 22
Iselbeckr. .. . .... ; ERS: 5 Ohne Wohnungsangabe ........ | 838
Trampgang, grosser .....-. jaae | Bar 3 |
Transport....| 627 Summe....| 694
Jetzige Neustadt-Südertheil:
U ee
Backersang gTosser....... |
Bäckervang, kleiner ............:
Baumwall ar 2 es nenere
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Bleichergane nen ar a.
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Brauerknechtsgraben...... |
IBriNnEenstrasse® ne... raue. |
IDuUStennSstrasse
BRRChrhIOlzZE ee ne |
Biskuhle, bei der ...... 0...
(GTUNELSOOU = nn nn ee er
Grünersood, Platz beim.........
Herrengraben.. ............::.%
HIOhIErWEo EN. es anaesn.
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Klefekerstrasse ...............
Krauenkamper se. see:
KrNauswe.a. ea ER
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Beronbrasser ee
Bernhardstrasser 2.0...
Ganlstrassets Re
Transport....| 308
Matthiasstrasseen nen en nen )
Michaeliskirche, bei der kleinen .| 13
Michaelisstrasse, grosse......... 1
Muhlenstrasser ur... Sonn ar:
Neuerweg, neustädter .......... I .18
Neumannstrasser. Keen et 12
Neumarkt, STosser”.... ..... 25° 17
NicolaIstrassemen nr. 15
Baraliesnofas een an s)
Rothesoodstrasser zn ger 1
DASIEHDIATZARNE re Re ee. I
Schaarhof HE a: 2
Schaarmarkt „ash rer Ro)
Schaarsteinweg............. 1, 20
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Schaarthorsbrücke. ..... ........ 1
Schlachterstrasse.......... 25
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Stubbenhukssseee ser 7
terlteldi nen dr ra. 10
Venusberpi sa eereee. S
Vorsetzen, erste u. zweite. 981
Zeushausmarkt „a. nam, 7
Ohne Wohnungsangabe......... BX>
Summe....! 649
St. Pauli:
Transport. ...
Transport....| 41
Carolmenstrasse sen >,
Dampfmühle, bei der........... 1
IDayıdstrasseme Per sb
Transport....| 50
42 Dr. 9. J.aReincke.
Zahl Zahl
Strasse der Strasse der
Fälle Fälle
Transport....| 50 Transport....| 213
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IETTChsttrasster 45 Oelmüunler bei der... era e 5483
ischerstrasse, 0.2.00... 2 Petersenstrasse. re. 15
Friedrrichstrasse. e.r.92 2% Pferdemarkt, am. neuen. 2... 1
KGerhardstrasser seen nen S Pinnasbergr a 17
Glashüttenstrasse. ...... Fe se 1 Reeperbahn 42... eereeae 6
Fleinrichshrassere re 15 Rosenstrasse, neue .............| 6
Blerrenweilde Be 6) Schulterhlatt er. ee |
Jonas am. ea 7 Silbersackstrasse wer... oe ep 4
Krankenhaus, israelit. ......... 14 Sophienstrassen.......2.2: 1
Kielerstrasse ar Em. 7 Spielbudenplatz ... ...2..2..ee S
Kirchenstrasse ar wet 2 SLEINStRaSse 0. 5)
Kirchenwohnung: .u..0..2 ser B) Tatergang... nr are 2
Bangereilee see 7! Thranbrennerei, bei der......... B)
Tangestrassert us. 202.0, se 15 Trommelstrasse ..., er ee 7
Tudwisstrasse .e. rn. re | Wilhelminenstrasse............. 7
Martenstrasse 2.000 ws or Re 1 WILISS>Hob er 2e 14
Märktstrasse’r. . 2.22 B) Ohne Wohnungsangabe..... re Re
Transport....| 213 Summe....| 320
St. Georg:
Transport....| 146
Alleesser0830 7. 2. ee 2 Gurliptstrassee 2 er 1
INSterBant der I 28) Hammerbrookstrasse............ 11
Alsterwesge sa 10-2 Hohestrasse 0. .o2.... a
Amalienstiit.+. .. ee s..cneseen 85; Holzdamm, ber dem. 2... 02er ar:
Anisinckstrasse "on... ser 1 Hühnerposten, bei dem......... er
Backen ang. a | 3 Kirehenallee., CA. 7
Banksstrasse nr 25 Kirchenstrasse rn. sehe are 1
Bersstrasger nn er 4 Kirchenweei.e 2... 2... See 1
Berlinerthor, bei dem .......... 2 Kınchendamm!r........2e ae jt
Besenbinderhof, bei dem.......,ı, 1 Koppel an der. ....2....m 0... (it)
Beyerstrasse m nr ee 3 Krankenhause, bei dem......... gl
Böckmannstrasse. nr Leer i 62 Kreuzweg! neu mn ee Wer
Borgeschram en ee 12 Langereiher „rn er ge ee 15
Borscsch een. 7 Tanges/Plabzeae ner ke | 22
Brennerstrasse. ce... 6 Isindenstrasse gem a ee 06)
IBrunnenstrasse n....... un 5 Lübeckerthor, bei dem ......... 2
Deichtbor, bei dem... ...:.....: 02> Minenstrassenar nn ne I
Georgskirchhof, St... ........... j IMittelstrasse ee a ee | 10
GEOTSSSLEASSe, Ab. erden Neustrasser. nn ee 2
GEUNerdeich arena a El Repsoldstrasse «.........n.2. 28472 3
Grützmachergange.. -. .....0.. Sal Schnltzwer.z. 2. nee 1
Transport....! 146 Transport... .| 250
‘
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 45
Zahl Zahl
Strasse der Strasse der
Fälle Fälle
Transport....| 250 Transport....| 349
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Spadendeich, am. .......0....%- 4 Strohhause, hinter dem......... 11
Spaldinestrasse®.. 2....%.2...2.| B) JUN se 1
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SIENA ee ee un ee 15 Ale Krankenhaus. 02...2: E22
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Transport....| 349 Summe....| 396
Marschlande:
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Wedding 1 Spadenlandarr ra. ee: 1
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Hoyon „sr ee B Reithrooler starre ee 2
Brandshoß: ee ne ne nal! Allermeherr 0. 2 ee 4
BullvarDeschree. ars: Gb Moorburs een 4
Bothenburssort. 2... 4 Einkenwärder ver anne 10
BrllwsAuussichlaerz2.2..2....: 22 Ietupienbergen .............. 1
Billwärder an der Bille......... | 4 STEInWärder® C.... 8.2, Aare 10
Moorlete nr. een er 12
Transport....| 153 Sunmer...17199
Geestlande:
Transport....| 24
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Brmdeleg ee tee a eklohentelderz4. Sense H-3
BOsoldortenc en Asse. r nee | 4 \WandsbeckersWeg....,. 20... 1
EINdSpuUtbeh ser clean ar: 2 Deterskampr eye. einen 1
Bippendort 2.2 2 ern. 1 Uhlenhorstee es. 2er | 1
GIOSSTBOLSteN „nern I Werk- und Armenhaus ......... 7
NISLEFOEERN ers eh e Aa it ıl Rönnhalde. 2. nenn Be 1
Brhlsputtele ae. aaa 2 Barmbeck.. 23... .kasensomeeete en 2
Borstelde on Base erde B)
Transport....| 24 Summe....| 42
NUTZ SICH Kom re een Sse en 240
Im Ganzen....| 3687
Für etwas grössere Gebiete hat Buek auch eine procen-
tische Berechnung der vorgekommenen Fälle auf die Zahl der Ein-
wohner angestellt und zwar nach Bataillonen des Bürgermilitärs. Die
beistehende kleine Zeichnung giebt die örtliche Lage der acht Bataillone,
die nachstehende Tabelle das Ergebniss der Berechnungen. Leider
lassen sich daraus nicht allzuviel Folgerungen ziehen, weil z. B. in
44
Dr, I Beinieike:
St. Pauli und St. Georg der Norder- und Südertheil zusammen-
geworfen sind, obgleich dieselben sich in Bezug auf die Cholera so
Immerhin erhellt, wie viel schwerer in
sehr verschieden verhalten.
der Stadt die Nähe der Elbe betroffen wurde.
darauf wiederholt aufmerksam.
Auch Buek macht
Eee al | nn | Erkrankt Gestorben
l: Batalllon..r 22. 18 574 105 | 79 | 1von 106 | 1 von 235
2 nel Kasamaıl, Dadz a A 210.11, 46 | 17 Sooakes
Baer 16.698 |. 446 1. 193.11 „var LER
4, ER, 20 001 481 PAR a I ee Ver.)
5. a ee 17 443 330 166). 1 ,„, 53 | Isa
6. », (incl: Kaseme)| 24 242 436 226) 1... 56.) 1 2er
Ohne Angabe ..... & 148 53 — —
Eialene ae 2 240 109 — —
Stadt und Hafen..| 118505 | 2750 | 1287 | 1 von 43 | 1von 9
1. Bat. St. Georg .| 16187 396 1892 1, 21 | een
st, Bau 1 192 ee en 590
Stadt u. Vorstädte.| 150 566 | 3446 | 1650 | 1von 44 | 1von 91
Marschgebiet ..... 15049 | 19 95 | 1 „zo dee
Geestgebiet....... 16 820 42.| 20 | 1, „ 4000 es
Summe..| 182435 | 3687 | 1765 | 1 von 49 | 1 von 105
6666 ss en]
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 45
Von besonderem Interesse ist seine Bemerkung, dass die
nach dem grossen Brande von 1842 neuerbauten Stadttheile „keines-
wegs in besonderem Grade verschont geblieben sind, ja dass einige
derselben gerade verhältnissmässig viele Erkrankungen gezeigt
haben“. Auf Tafel II sind diese Stadttheile kenntlich gemacht.
In späteren Jahren hat Physicus Gustav Buek') die
Epidemieen von 1848, 1859 und 1866 statistisch bearbeitet unter
Berücksichtigung der Höhenlage der verschiedenen Strassen. Die
dabei gewählten Bezirke ergeben sich aus der Darstellung auf
Tafel VII. Leider erstrecken seine Untersuchungen sich nur auf die
innere Stadt und Theile von St. Georg; doch ist es für St. Georg
möglich gewesen, aus dem vorhandenen Material die Zahlen auch
für kleinere Bezirke zu berechnen. St. Pauli ist nur 1848 berück-
sichtigt worden aber ohne Unterscheidung der nördlichen und südlichen
Hälfte. Soweit 1848 in Betracht kommt ergänzt und bestätigt diese
Darstellung Gustav Buek’s in höchst willkommener Weise die
Arbeit seines Onkels, des Physicus Buek senr.
Es ist nun bemerkenswerth, dass diese Epidemie von
1848 selbst innerhalb der Stadt nicht gleichzeitig verlief, sondern
dass ein ausgesprochenes Fortschreiten der Seuche von Westen nach
Osten und gegen Norden statt fand, wie das in keinem anderen
Cholerajahre in der Weise beobachtet ist. Die beiden folgenden
Tabellen nach Buek senr. geben die näheren Daten.
Es erkrankten:
een
en 2 | 8. |28 22 223|20| 5 ©
Fan gelselsernens
is 55 | 4 |o|5& [a8 823|28 23353 3
eaI5n| = 5 = |S358 3|531|53 2 N
: N 7 a \2|"a 22 |7a2 = |
1.—15.Sept.! 18 538 11.028. 222) 11804590 1.135 8| 537
16.—30. „, 70) 18/119| 75| 46| 63|314|229|230| 601224
ie 159..0c6.1 75 |2.1220286.193 | 58.7 7233012283) 248 | 471288
Io 31, 1 34| 5835| 40) i7| 45102 96. 92: 98| Ass
1.—15.Nov.| 1 20 1% 3 au 2 la r2z lo 6| 105
ee u ee er er,
re 5.Deen 1| = 37 2, —| 2, 3" 4| 1 16
De Nee el 19
u | | 2 |
Total..[199| 42 | 320 | 261 | 135 | 219 | 949 | 680 | 734 | 148 | 3687
') Manuskript in den Akten des Mediecinal-Kollegiums.
46 Dr. J. J. Reincke.
In St. Pauli und in den beiden Südertheilen der Stadt begann
die Krankheit sofort mit grosser Intensität, in St. Pauli war die
Höhe schon mit Ende September überschritten, in den beiden Süder-
theilen der Stadt und auch im Nordertheil der Neustadt so gut wie
erreicht, während in St. Georg die Höhe in die erste Hälfte des
October fiel. Die beiden Gipfel der Gesammtkurve der Epidemie,
die früher erwähnt wurden, entsprechen also den beiden Extremen
St. Pauli und St. Georg. Leider sind die weiteren Mittheilungen
Buek’s nicht ausführlich genug, um diesen Vorgang auf seine
Ursachen sicher verfolgen zu können. Er selbst beschäftigt sich
zweifelnd mit den Einflüssen der Witterung, des Mondwechsels, die
doch in allen Stadttheilen die gleichen gewesen sein müssen, während
uns die Frage näher liegt, ob nicht die oben (S. 10) geschilderten
ganz eigenartigen Verhältnisse der Wasserversorgung im Herbste 1848
von Einfluss gewesen sein können, umsomehr als gerade diese
Epidemie durch ihre plötzliche Entwicklung in etwas an die Vorgänge
des Jahres 1892 erinnert. Ward vielleicht erst die Bieber’sche
und später die Smith’sche Wasserkunst inficirt?
Ueber den Beruf der Erkrankten ist die nachstehende Liste
nach den Tabellen von Buek zusammengezogen. Zu derselben ist
zu bemerken, dass der Autor selbst darauf hinweist, dass noch andere
Leute, als die m den ersten Zeilen Genannten ihr Geschäft haupt-
sächlich auf dem Wasser haben, z. B. die Kornmesser, Kormnträger
und Kornumstecher, die mit 9 Erkrankungen bei ihm verzeichnet
stehen. Man wird demnach nicht irren, wenn man mindestens ein
Zehntel aller Fälle solchen Leuten zurechnet, die ihren
Beruf auf dem Wasser hatten. Im Uebrigen macht er auch bei
dieser Gelegenheit auf die besondere Empfänglichkeit der Alkoholisten
aufmerksam.
Seeleutesund Schiene. Ara... er er Dem 319
Im Hafen und auf Schiffen beschäftigte Personen
(Schauerleute, Schiffszimmerleute, Schiffsarbeiter ete.) ... 14
Kellner, Kutscher sKnechter Diener m, derel, mo waren 76
'Weinhändler, Destillateure, Gastwirthe....................2.. 45
Kantlente,-Coramis Sera re Ge ll! 2 97
Aerzte, Zahnärzte, Thierärzte, Wundärzte, Apotheker ......... )
Krankenwärter-e ne ck 7
Soldaten (einschliesslich 7 Marinesoldaten)..................... 65
BEamILe 02.7 ar DE ER ee N 45
Norarenund-Studentent nem ne a
BrEediser zundlIchrer ae N et ae 9
RUN SEIEN )
Transport.... 690
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 47
Transport.... 690
IBICICH en ee et 2
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IBniseuresundeBarbienen ae 5
IROTTdyERKICTT Rn Eee er a ed 399
PASTE DET Re LER EEE N RR Id ee 374
I LEN a NE RI TE WERE NEE RERE S
OhnerNnvabe dersBeschäfieung. 2 a... en eeeae 314
Schiffer und Matrosenfrawen............: BEER 20
Diensthoßen, swellliche s..: Senn te ae se neue de 156
AN DONE II ehr ee ee ee ee ol
IBrAUenEUndEWHbLWENW re ee ee en ee 1152
Kern KlenE WÄHLEN ee ee 15
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IRRE. RE ARTEN LE FREE 6
Entzmacherinnen; Näherinnen.. 2... 2.0. some w ann una 16
SEHEN EN ee ee 1
EICH an En 2
Händierinnenen en Go 30
NESCHIERTID END en ee ee 29
Ikreudenmadchenene ae er 20
TEN En a ee Fe A MR: A 323
|
|
SU}
= |
@)
—I
Summe....
Zum Schluss ist es der Erwähnung werth, dass ein Schiff
aus Hamburg in diesem Jahre die Cholera nach England (Hull)
brachte. ')
Ueber Altona ist aus diesem und den folgenden Jahren
nichts überliefert. Muthmasslich waren dort durch die politischen
Ereignisse alle andern Interessen in den Hintergrund gedrängt worden.
1849.
Im Jahre 1849°) begann die Cholera am 14. Mai, ein zweiter
Fall folgte am 21. Mai, darauf je ein Fall am 29. Mai, 1. und
5. Juni. Von jetzt an ist fast kem Tag ohne Erkrankung, doch
kommt es nur an einem Tage des Juni bis zu 5 Fällen; im Juli
und in der ersten Hälfte des August nimmt die Krankheit etwas
mehr zu, indessen giebt es auch jetzt noch Tage mit nur 1 bis
2 Fällen; die höchste Zahl, die auch nur einmal am 19. August
') Report of the general board of health on the epidemic cholera of 1848 and
1549. London 1551. Appendix A. page. 101.
°) Nach den Akten des Medieinal-Kollegiums,
48 Dr. J. J. Reincke.
erreicht wurde, sind 10 Erkrankungen, bis mit dem 25. August ein
stärkeres Anwachsen beginnt, das seinen Höhepunkt am 4. September
mit 36 Fällen erreicht und sich auf dieser Höhe bis zum 10. September
erhält; dann tritt ein ausgesprochener Abfall ein, der nach einigen
Schwankungen mit dem letzten Fall am 8. Januar 1850 abschliesst.
Im Ganzen erkrankten 1191 Leute, es starben 593.
Nach Monaten vertheilen sich die Erkrankungen in
folgender Weise:
Transport .. 1097
I 3 October ee: 76
June Mer en. DT November .....% 13
ler 1207 |. December ers 2
AUSUSE He ee 259 Januar Ser ke l
September ....... 658 Ohne Angabe..... 2
Transport .. 1097 Summe... 1191
Die örtliche Vertheilung ergiebt sich aus folgender Uebersicht,
bei der daran zu erinnern ist, dass der meist sehr schwer betroffene
Stadtdeich in St. Georg eimbegriffen ist:
| Transport... 724
Südliche Altstadt!) . 204 Nördliche Altstadt. 69
Südliche Neustadt... 14& | Nördliche Neustadt 181
Oberhatenen. 00. HL? A ES GET 151
Niederhafen ........ 13% 2 2 NGeestgeblete.. 2: 28
STHDAUEL er 136%, 7OhneAngaber un 208
Marscheehier 7% 80 |
Transport .. 724 Summe... 1191
An anderweitigen Nachrichten über dieses Jahr liegt leider nur
ein Bericht des Physicus Buek vom 7. Juni vor. Darmach. waren
bis dahin 53 Fälle vorgekommen. Die meisten derselben fielen in
dem südlichen tief gelegenen Theile der Altstadt und insbesondere auf
Kähnen im Oberhafen (25) vor, der nördliche hochgelegene Theil der
Altstadt hatte bis dahin nur einen Fall.
In der Neustadt waren die Erkrankungen in dem nördlichen
Theile, wo auch der erste Fall am 14. Mai bei einem fünfzigjährigen
Schneider in der Neustädter Fuhlentwiete vorgekommen war, häufiger
') Vergl. die Anmerkung 3 anf Seite 18,
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 49
(11) als im südlichen Theile (2). In der Vorstadt St. Pauli kamen
4 Fälle vor, in St. Georg 3, auf dem Stadtdeich 2, in den Marsch-
landen 4 Fälle.
Auf dem Wasser und in der Nähe desselben wohnten 36, im
Innern der Stadt 14, ohne Wohnungsangabe waren 3. 20 von den
Erkrankten waren Matrosen, Schiffer, Schiffersfrauen und -Kinder.
Im Gesundheitsrathe wurde grosser Werth gelegt auf „die
möglichst baldigst zu beschaffende Verbesserung oder wenigstens
Reimigung der hinter dem Kehrwieder und dem Brook befindlichen
Gräben, da jetzt wieder die Krankheit ausser im Hafen, zuerst daselbst
sich gezeigt“.
1850 — 1859.
Ueber diese Jahre liegen nur verhältnissmässig dürftige
Nachrichten vor, in den „täglichen Generalberichten‘‘ des Physicus
Buek senr., d. h. täglichen Berichten über die eingegangenen
Meldungen, die verschiedenen Instanzen nach einem bestimmten
Formular regelmässig mitgetheilt wurden. Die einzige voll erhaltene
Reihenfolge findet sich in den Akten des ärztlichen Vereins. Nach
diesen sind die folgenden Tabellen zusammengestellt. Manche Einzel-
heiten finden sich ausserdem niedergelegt in den jährlichen General-
berichten des Landphysicus Dr. Gernet.')
Zeitliche Vertheilung der Erkrankungen:
1850 | 1853 | 1854 | 1855 | ıs56 | 1857 | 1859
| | |
Mai ae ae | —ı — —ı — z—
BL 1 232 4 Ka A
I l>3.|. 5.28 fi 168 | 4 7 \ 1018
ee 480.) 238. 48 141.|...10 | 202 | 1994
September. .....:. 208 279 295 31 AGaı 235 9A
October lern. Sal Be ne etz 2
November ......... 6 1 18 We L DAR
December u... 4. 4 _ _. — __ _ —
January. Bst or 2 — — — — — —
Summe. | 7194| 558 | a8 | 353 | 121 | 765 | 2586
') In den Akten des Mediecinal-Kollegiums, in Vervielfältigung auch in der
Bibliothek des ärztlichen Vereins.
50 Dr. J. I. Reincke.
Oertliche Vertheilung der Erkrankungen:
1550 | ;
Fälle bis | 1853 1554 1555 1556 1557 1539
94. Aug. | TER
Obere, Altstadı. 2. 27 30 66 94 u 51.206
Untere Altstadt 222.1 21142172178 82 54 3l 188 | 584
Obere Neustadt .... 53 22 52 3 6 62 | 401
Untere Neustadt.... 53 61 38 23 9 65 1349
SERSP AB nagr en 82 49 35 50 11 31 169
SENREORD eat. 41 60 32, 22 3 sl 220
Stadtdeich 2. ...%2.:. — — 63 $) 6 35 rel
AufsSchillen »u..7 2,8 44 »2 30738 1: "So
Marschlande ....... ä1:| 150 | 731.074 377 losıms
Geestlanden........ Do rel read 56-| 2120
Unbestimmt + 2:2. 3 en | a = —
Summe..| 478 | 558 | 478| 353 | 121 | 765 | 2586
Ueber die einzelnen Jahre ist im Uebrigen das Folgende zu
bemerken:
1850. Es starben 440.
1853.) Es starben 301. Ueber dieses Jahr liegen nähere
Angaben auch über die befallenen Strassen vor, die nachstehend
mitgetheilt sind:
Jetzige Altstadt- Nordertheil:
an
Zahl
Strasse der Strasse der
| Fälle Fälle
| Mransport es
Adolphsplatz nee an a Huhlentwieter za ne 2.2: are De >
Alterwall Arne el. Gertrudenkirchhot.e .. nn I
Bäckerstrassen were IR Glockensiesserwall ............. 2
Brandsender. ann eu 2. A MEERE N Dec Kattrepelge nen ea Be ee
Transport....| 5 Transport... 2
') 1853 war die bekannte furchtbare Epidemie in Kopenhagen, im der vom
12. Juni bis 1. October 7219 Menschen ergriffen wurden und 4737 starben
—5,57/u bezw. 3,65% der Bevölkerung. Einzelne Quartiere hatten ganz
besonders zu leiden. (Nyboder mit 5,24 %/, St. Annz Wester mit 4,51%, St. Ann
Öster mit S,11 °/, Christianshayn mit 5,35 "/» Todesfällen.) Es gab Häuser mit
20 bis 52 Erkrankungen, und Todesfälle in einem Hause bis zu 42. Auf
Schiffen erkrankten 122 Personen, unter den Befallenen befanden sich
537 Seeleute, welche zum grössten Theile in Nyboder wohnten und auf dem
Wasser (Seewasser) arbeiteten. Hübertz: Beretning om Cholera-Epidemien
i Kjobenhavn 12.-Juni—1. October 1853. Kopenhagen 1555.
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. al
Zahl Zahl
Strasse der Strasse der
Fälle Fälle
ransport.... 12 Transport....| 36
NE RE | Pumpen, beiden. .......7... 3: Were
JENEERSFTASSE. un. 2.2 ea Keil Bapolsenern ergehen: 2
WESRBErREN I een 4 Kosenstrassere..: 22.8. es 1
Miabrens kurzer... 2... 22... 2% 2 Schmiedestrasse.. .........- 2
Nluhren, ‚lange... ...25..:..... 6 Schopenstehlen. sc... ee
Neustrasse, altstädter...>.....-... 11 Spitalersprasse 2... un. 0.02 2
MIegernetrasser Senne 1 Springeltwiete........... 00%... IS
Eaulstrasser. 1 mn... SEEN: 1 SEEINSÜTARSERt“ Mae ae er iS
BEbzEerStrasse, zen een. I! |
Transport... . 36 Summe....| 64
Jetzige Altstadt-Südertheil:
Transport....| 55
Brauerstrasseht nn ee 1 Kehrwieder: ne Wr re l
oo N en ne a! Krahn,)beim@neuen.. ne. 2
Catharinenkirchhof ............. I Lembkentwiete* .... 2.2... I)
Gatbarmenstrasse, . ............. 1 Mattentwiete 2. -%.. „. ..... 2
IE ee l Mühren, beivden: 72220. .2.. 2.» D2
IDerchstrasse.. 00. are nr l Porsenmüuhle. ar... 222020842: l
Bienerreiher 2... 2:0 nen B) Reichenstrasse, grosse... ...... .. l
Dogenmflecht... nee Reichenstrasse, kleine .......... 2
HSBnTrappene Sr anne De! Reimerstwiebere. An een Il
Herklichkeitas mr 0 aan Ne Sande saus dem. Aue. ma
Holländischer. Brook ................ 2 Sandthorstrasse. 2. 4.2... 2.0.0 2
Holländische Reihe............. 1 StECKElhorne rn I 353
Holzbrucker 2. Sec. \ T’heerhof..., .e...- NE A |
Hopfenmarktw.e nn. en ae B) Waisenhaus, beim alten ........ mel
Hoptensackr: m. Tan 2 Wandrahms alten. ser | 2
En 5 | Winserbaum, bei dem .......... 2
Kännengiesserört 7... m 0: 1 Kaserne... see | 8
Trausport...,| 55 Summe....| 857
Jetzige Neustadt-Nordertheil:
Transport.... B)
NBO-SErasse 2. ana nee: 1 Bleichens Tlohes. 220... An. 1
Alsterarkadene 2. een l Brettergang nen we en ans 1
Amidammachergang ............ 1 Dammthorstrasse, . +22... ur... 1
Bleiehen, grossen. sur 2 Fuhlentwiete, neustädter........ | 2
Transport.... 5 Transport.. ..| 10
52 Dr. J. J. Reincke.
Zahl Zahl
Strasse der Strasse der
Fälle Fälle
Transport....| 10 Transport....| 39
Gänsemarkt ans 2 Neuerwall.. 7. wre ana 2
Hütten, 'beixden 2.0.2.0... 0... .. 1 Schmloang.n.. re a... B)
IKonlhötens. ne ae et 1 Steinweg; neuer’! 22... 2.06% 1
Kurzestrasse,r.. ne ren er \
Transport.... | 15 Summe....| 21
Jetzige Neustadt-Südertheil:
Transport....| 35
Bäckergang, grosser.... ........ 1 Johannishollwerk.. .. ser 14
Bleichereang een. un... une 1 Liescheneane.. 2. 0.02 ae ii
Böhmkenstrassen .. rn ra 1 Neuerweg, neustädter .......... 3
Brauerknechtsgraben ........... 2 Nieolaistrasse... 2.2. ee 1
Eichhol2. m aan er 19 Schaarmarkt.....2. 0: ser. 4
Biskuhle sbeinderre zer en.se 3 Schaarsteinweg nn... us re 2
Grunersoode-e rer each 2 Teiteldi.nn, ul AN Se en 2
Herrengraben 2. ......2::3.0.... 2 ‚Vorsetzen, ‚erste, »Ao.r 2 er M
Jacobstrasse, zweite............ B) Ohne Strassenangabe........... 1
Miehaeliskireher ne. 22... an...) 21
Transport....| 35 Summe, ...| 70
St.»Bauli=4.8 2... na ee
St. Georg:
| Transport.... 0
Banksstrasseg ann ee 1 Stadtdeich a en 2 1)
Grünerdeichl. Zr une an RER A 6 Ohne Strassenangabe........... 39
Transport....| 7 Summe... f) 69
Vororte:
Transport. ll
Grndele en tan Se ee 2 Billwärder Deich ee 2 27
Barmbeck tr... re 2 Rothenburgsort .. 2... n..0r. 2
Könnharde ur. 000m ne Il Grasbrook! ; tn se ne Dee 10
Hohentelde.r.n.2...0.0. 0 vreerr 2 SEEINWÄTdEr- 22 Sana refeptan: 12
HABE ee ne A 4
Transport....| 11 Summe....| 62
Geestgebiet:
Alsterberg. 222%... al. cs, Me ne a ee 1
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 99
Marschgebiet:
Zahl Zahl
Strasse der Strasse der
ı Fälle Fälle
Transport....|. 75
ENMETIHONEN EN 7 NIOOERIEEN. es ae En a a
Billwarderinn nn te Pr 17.1 ROSS A are ee a. 1
Bankenwärder...c.h.. 50 Veddelt. ea ee l
TUE, OR ON SE RE RO ELE 17
Transport....| 75 Summe....| 88
Im’Haten.. ss... VE RL PURE DEE 51
Im Ganzen....| 558
Es bedarf kaum eines Hinweises, wie auch in dieser Liste
die grosse Belastung der Flussufer hervortritt. Sehr ausgesprochen
war dies besonders in dem sehr langsamen Anfang der Epidemie.
Die ersten Fälle ereigneten sich am Eichholz und Johannisbollwerk ;
von den ersten 47 Fällen in der Zeit vom 23. Juni bis 5. August
betrafen 38 die Hafengegend, 2 entferntere Quartiere, über 7 sind
wir nicht unterrichtet; von den nächsten 76 Fällen in der Zeit
vom 6. bis 19. August entfielen nur 8 auf Gegenden, welche dem
Hafen fern lagen.
Besondere Aufmerksamkeit wurde in diesem Jahre zuerst
den Schiffen zugewendet. Man richtete eine ärztliche Kontrole der
Auswandererschiffe ein und die Englische Regierung engagirte einen
Hamburger Arzt, Dr. Helbert, zur täglichen Revision aller Englischen
Schiffe nach Art der in England üblichen Haus bei Haus Besuche.
Dabei wurden gedruckte vom General Board of health erlassene „Pre-
cautions against the cholera, to captains of merchant ships, steamers
and colliers‘ vertheilt. In denselben hiess es: ‚‚The Elbe water is bad
and likely to purge; therefore it would be better to use water
brought from England; and Captains are recommended to take in a
supply accordingly“.
1854. Es starben 31l. Auch in diesem Jahre war das
Ueberwiegen der Hafengegend bei der Zahl der Erkrankungen im
Anfange der Epidemie noch ausgesprochener, als in der schliesslichen
Gesammtzahl der Fälle. Nach einer Uebersicht von Buek vom
20. September fielen von den bisherigen 201 Fällen 46 auf den
Stadtdeich, 32 auf die südliche Altstadt, 19 auf die südliche Neustadt,
11 auf Schiffe, 19 auf St. Pauli, nur 11 bezw. 16 auf die nördliche
Neustadt, bezw. Altstadt, 7 auf St. Georg, 3 auf die Geestlande,
54 Dr. J. J. Reincke.
34 auf die Marschlande, 3 unbekannt. Von diesen hatten die Fälle
im Marschgebiet sich sämmtlich in der Nähe der Stadt ereignet —
Grasbrook, Billwärderdeich, Grünerdeich, Veddel. Später wurden nach
Gernet auch entferntere Marschgebiete ergriffen, namentlich Allermöhe
und Finkenwärder, das letztere hatte 20 Fälle. Moorfleth, Ochsen-
wärder und Moorburg blieben gänzlich verschont, in Billwärder an
der Bille kamen 3 Fälle vor. Die Geest blieb fast völlig frei.
Auch diese Epidemie war ganz langsam angestiegen; in den ersten
10 Wochen waren nur 43 Erkrankungsfälle vorgekommen.
1855. Es starben 204. Der Beginn der Epidemie war sehr
langsam ansteigend. Die ersten Fälle ereigneten sich in der Matten-
twiete und auf Schiffen. Steinwärder hatte 26 Fälle, auf den Bill-
wärderdeich und die Elbinseln fielen 23 Fälle, je 3 auf Moorfleth
und Ochsenwärder, 4 auf Finkenwärder, einer auf Allermöhe.
Zum ersten Male in diesem Jahre wurden auch die Geest-
lande stärker befallen und zwar Barmbeck. Gernet berichtet
darüber: „Ein Mann war am 16. Juli unter Cholerasymptomen auf
dem Grasbrook erkrankt und starb, nach seinem Hause in Barmbeck
gebracht, in wenigen Stunden. Im Verlaufe einiger Tage erkrankten
und starben in demselben Hause mehrere Familienglieder; von dort
aus ging die Krankheit weiter auf Verwandte und einige andere
Personen, die in directem Connex mit dem Hause gewesen waren.
Die Zahl der Erkrankungen betrug 26, von denen 12 starben. Der
Verlauf lässt annehmen, dass, wenn der erste Fall, wie Anfangs
beabsichtigt war, ins Krankenhaus geschickt wäre, die Epidemie nicht
zum Ausbruch gekommen sein würde.“
Auf dem Auswandererschiff „Francisca“, das am 13. October
Hamburg mit 220 Zwischendeckern verliess, erkrankten auf der Reise
nach Rio bis zum 12. December 53 Personen an Cholera, von denen
16 starben. ')
1856. Es starben 78. Aufdie Vorstädte und den Stadtdeich
kamen 10 Fälle, auf das Marschgebiet 37, davon auf Finkenwärder
19, auf Steinwärder 8 Fälle, die Geest blieb ganz frei. Auch
erwähnt Gernet einiger Auswandererschiffe, die auf der Elbe oder
in See von Cholera befallen wurden. Die Erzählung von einem
Schiffe, das über 10 °/o der Passagiere verloren habe, bezieht sich
möglicher Weise auf die unter 1855 genannte „Francisca“.
') Kupfer. Ueber eine Cholera-Epidemie an Bord des Auswandererschiffes
„Franeisca“. Vierteljahrsschrift für gerichtliche Mediein und öffentliches
Sanitätswesen. N. F. Bd. XVII. 1873. 8. 85,
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 95
1857. Es starben 491. Unter den Marschlanden hatten
Moorburg und Finkenwärder 25 Fälle, Steinwärder 29, der Bill-
wärder Deich 28, der Grasbrook 21 Fälle. Billwärder an der Bille
war frei. Dagegen griff die Cholera immer mehr auf die Geest
über. Von Hohenfelde bis Barmbeck kamen 23 Erkrankungen vor.
Auch zeigten sich Fälle in Borstel, Langenhorn, Fuhlsbüttel, Ohlsdorf.
1858 kamen 6 bis 7 Cholerafälle vor. ')
1859.!) Es starben 1285. Der Beginn der Epidemie war
ein allmählicher. Am 9. Juni ereignete sich der erste Fall, am
28. waren zuerst 5 Fälle an einem Tage, Mitte Juli 15 bis 25 Fälle,
dann rasch steigend bis 89 am 24. Juli. Schon mit Ende des Monats
war die Zahl wieder auf etwa 40 herabgesunken, auf der sie sich
nun den ganzen August hielt, unterbrochen durch eine vorübergehende
Steigerung in der Mitte des Monats (am 16. 63 Fälle). Am
2. September trat dann ein rascher und anhaltender Abfall ein.
Die ersten Fälle kamen auf St. Pauli, Dovenfleth, kleine Reichen-
strasse, Breitergang, Schiffe. Unter den 19 Fällen bis zum 4. Juli
fielen 16 auf die Stadttheile an der Elbe und auf den Hafen, von
41 Fällen des Berichtes vom 7. Juli 33, von den 83 Fällen des
Berichtes vom 10. Juli 68. Im späteren Verlaufe kamen garnicht
selten mehrfache gleichzeitige, oder rasch auf einander folgende Er-
krankungen in einem Hause oder einer Familie vor.
Jetzige Altstadt-Nordertheil:
Zahl Zahl
Strasse der Strasse der
Fälle . | Fälle
|
Transport....| 20
Alterwalle ern en Atos l Bischertwietere. e..mmer zens: B)
Backerstrasse, SLTOSSe nr une.) 2 Fuhlentwiete, altstädter ........ I
Bäckerstrasse, kleine........... 4 Gertrudenstrasse. .............. 1
Bahnhefstrasser .non. un. eo. 1 Hermannstrassers. a. nz... 1
IBarkbof. grosser... Jan. 6 Jacobikirchentwiete ..:........ 1
Bauhof; bei dem... 2... ar 1 Jaconikirchhofe as any 2
Brodschrangen.. 0... 2.08 0. 5, 1 Kattrepell. 2 en 2 aka: 5
Deichthorstrasse. .... 2... eurer 1 Klostersträsse, erste............ 2
EDEN 2 4 00 22 0 2 A ae j Inlienstrasseme. ae. B)
Dornuhugchtsn. at... En Nessbenee nee. a. I 13
BWerdinandstrasse. .. Ar. .. aa... | Miühren, langes ser 2a ae. 5)
Transport....| 20 Transport....| 69
') Buek senr. Die Cholera-Epidemie von 1559 in Hamburg. Hamburger
Wochenblatt 1859. No. 11, 12. Einige schriftliche Berichte desselben
Autors im Stadt-Archiv.
[>
©)
Dr. J. J. Reincke.
Zahl | Zahl
Strasse der Strasse der
Fälle Fälle
Transport....| 69 Transport. ..., 100
Neustrassealtstädter.. u %. un. 2 Schauenburgerstrasse........... B)
Niedernstrasse mar S Schmiedestrasse ra las 1
Paulstrasse. un... ae 2. > Schopenstehl Mr. me 1
Pelzerstrasse.. 2... 2er 1 Schweinemarkt un. ee l
Petrikirehe,beitder?r.2...00.2 1 SNEETSORL, *. =... TE 5)
Pferdemarkt: or use 3) Spitalerstrassensee. en Se S
Pumpen; beirden..... u en. 2 Springaltwieten #1. S
Kaboisen.rr u. ® desıy dar 6 Springeltwiete, neue............ 1
Rathhausstrasse...%. 2.0... sn... 2 StEAMSIt RASSE. 18
Kösenstrasse sn... ee sagen 4 R er
Transport... 100 Summe....| 146
Jetzige Altstadt-Südertheil:
Transport... .| 100
Boden, hinter.dem .........:.. 5 Kaserne... te ee je
Böhnenstrasse Kusn I Me! 2 Kajenor ls SER NUN 7
Brandstwiete, zweite........ 2 Kannengiesserort. .............. 1
Bro ee er 25 Kehrwiederife re are 98
Brookthorwall® 0.2. 0..2... 2 Kihbeltwiete...n 2.2. 2 nn B)
Burstah, "Kleiner ......... 2.0... 1 Krahn, beim neuen............. B)
Catharinenstrasse .......... Near! bembkentwietera „as re 1
BLE WON: 1 Mühren bei den)... 2... B)
Deichstrasser, en B) Neuerwesg, altstädter ............ 4
Dowentleth. 2.2.4 12 Bickhuben. 2.1.2 7 m. Mens je
Flethr kleines. .er nn. a. 3) Poggenmühle:» 4... 0a Susıne 4
Gerkenstwiete..... 00.5 00... 2 Reichenstrasse, grosse .......... l
Grasbrooke.r een er 2 Reichenstrasse, kleine .......... 4
Gran RI nen 1 Reimerstwiete, nn. B)
Hankentwietent,..24. 0 u... ae 2 Rödingsmarktur.. 2 2 er 7
Heiligengeistkirchhof...... .. 1 Bande, aufdem sr ana ee 6
Herrlichkeit „22... ... 6 Steintwiete, ensure Se 1
Holländischer Brook........ B) Iheerhof.n..... ee... Raheeranen 7
Holländische. Reihe... -, .........|° 6 Wandrahm,salter... mare ee [ers
Holzbrücken.. men. se ee Il Wandrahm, neuer... 2220 19]
Hopfenmarkt 2... n.4: 0a S Zippelhaus, bei dem... ..2re. 2
iimter no. 0. RE 2 Zollenbrücke. rar ee 2
Transport. ...| 100 Summe....| 218
Jetzige Neustadt-Nordertheil:
| Transport.... 4
INBOSSERASBEL nen I 088 Amidammachergang .:.......... B)
Alsterarkadens. .. 3... ..2.2..2%. | 2 Backerbreitergang Srtr,r 14
Fransport....| 24 Transport....| 21
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser.
Zahl
Strasse der Strasse
Fälle |
Transport....| 21 Transport...
IBleichen)0Trosse. ... „aaa 1 KUrzestmasser ne re nase
Bligehenbrücke. .... u. t..s.... 2: 2 Bangersaney ur sa.
IBBEWETSANGE.I., ee 2 Marienstrasse, erste........ ;d
BEEtLETSÄNg. 0... ereenn 2 Marktstrasse, erste..............
W&mmthorstrasse.......un....0: 5 Marktstrasse, dritte. ...... ....:.
Dammthorwall..:..... %.: 21 Nenerwallern ae. 0. ea yes
Dragonerstall....... sn one: 1 Neumarkt, grosser... ..2...0..8:
rehbahn, grosse... u... 2 Neustrasse, neustädter..........
Drehbahn, Kleine.......r.:.-..... B) Beterstrasser. So Zen ee
Ehre fun oneaten.ed: 2 Pilatuspools.. ar Nee
Elkstrasse, dritte :.....:......: 1 Poolstrassen esse:
BEillernthorsbrücke:..... .......- l Rademachergane.... .-........:-
Esplanadeseee an sen, 1 Schulaano# So ee ee
Fehlandstrasse; erste ........... 1 Schwiegerstrassen ne nasse
Fuhlentwiete, neustädter........ 10 DDECKEOANOH N een
BGEnSsemarkt. ren ag { Specksplatzens ee see ee
IEUbenen 2 un 3 a ne 1 Steimwens alter... ann...
Hntbensbeudene...n.22..2222... 4 Steinweg, Neuer... eo...
Junfemstieg.. N. 222.00... 1 :Khielbecken zer. er ee
Komioshrasser sam nen] b) Trampgang) grösser ...s..2...n.
Kohlhiorenn 2 2m. n.nsecnraacn te 4 Uhiensstrasse . „20... 2 0.22...
Karbtragersang. n.....2..n.0.n: 4 Valentinskampe 2.22... er
Ey EEE 2 heuchausmarkt „nor.
Bypelsori. 0. 0 ee: ee
Transport....| 107 Summe....
Jetzige Neustadt-Südertheil:
Transport... .|
Admiralitätstrasse.........:..... 7 Naeobstrassezerstens sn
Bäckergang, grosser....... 12 Jacobstrasse, zweite............
Bannwall uassasarie Ber: l Johannisbollwerk nn... eu...
Bleiehersane;. 2. „nk. ea... B) Klefekersirassemuen nee:
Böhmkenstrasse..... .. energie .r 1 Kraienkamp ....:. ya rsnateeaan
Brauerknechtsgraben ........... 9 Küterwall’2. 2.008:
Drnvenho@e.: 1.2... ar 1 Kulhberg!: 2.2.7. 1:04 rs seat
ERERMOlZe Een 17 Bieschensane... nr ar. el ich
Eiskuble; Bei: der......22........2.::%: 2 Matthiasstrasse .......20» 4...
Blbstrassesnerster.. „2. Arne 1 Michaeliskirche, bei der kleinen .
GTODELEOOUE N ae anne 1 Michaelisstrasse, grosse.........
Grünersood, Platz beim......... 1 Miühlenstrassemsrise er
Herrensraben. En naeh 6 Neuerweg, neustädter ..........|
Hohlerwess. 2. a 4 Neumannstrasse, erste ..........
Transport....), 66 Transport ...
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Zahl Zahl
Strasse der Strasse der
Fälle Fälle
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Neumannstrasse, zweite......... 1 Schlachterstrassenn ..o „ee. ce 5
Nieolaistrasse... 1. nun ee 2 Stemmhüft. un cn. N ER 4
Paradieshosn ea ne. NER | Stubbenhuk meer 3
Pastorenstrasseme re ae 1 Peilteld, 9... 0: Au anne 4
SAaS’erplatz a ne en Ve On 10 Venusberg"... Yan ER 1
Schaarmarkt. senken 10 ‚Vorsetzen, verstens b)
SCHaArsteInWwer erkenne I} Vorsetzen, zweite... u... 10
SCHaaTEHOr.... | 2
Transport... .| 148 Summe....| 1S1
St. Georg:
| Transport....| 44
Alster santdern zur... en es Langereiheat ten a 6
BäackerPangy ae Bea . | Inppeltstrassen. pe 1
Banksstrasser... 2... | es Minenstrasse......-. = are er ee 1
Bernhardstrasser 7 2. Ba 88 l Mittelstrasse...... f
Böckmannstrasseme re 2 NIEUESERASSC HER 1
Borgesch, am. . a Oberhafenstrasse =... 2
Borgesehstrassen u 2er 22. 2 Reyes Platz. 2... 2 .Har era 1
Brennerstrasse........- ie ne Spadenteieh, beim... „os... 1
Georsskizehhof, St.............. ol Steindamm An... ee 3
Grümerdeichnn. 2.2.2. ae S Stiftstrasse ..... ee 1
Grützmachergaug. 2... 0... 0... 6 Strohhause, bei dem............] 5
GuRlibEStrasser. nr Keen 1 Strohhause, hinter dem......... 7
Hohestrasse. nn. 2... 00 | 1 Wall an ee 1
Krankenhaus, allgemeines....... IE, Woltmannstrasse 0°... 2... B)
KREUZWEIT. er ee | | Baur Pohl ee ne 1
Transport....| 44 Summe....| 85
St. Pauli:
Transport....| 18
ANEONISTTASSEI 2. 2 une ee RD Friedrichstrasse, zweite ........ 2
Berestrassen... een nee 1 Heinrichstrasse 2... 22... nme 3
Carolinenstrasse .........r.nn.. 1 Kastanienallee ...22. 2 ante 1
Dröge, hinter der neuen........ Na Kielerstrasser a.8. zur Sea b)
Eimsbüttelerstrasse -............ 1 Tiangereihe ....a: .22...0. 2820 1
Erholung, ber. der... ...... 2a» 2 Tangestrasse. 2... oe 1
Erichstrasse, erste „22... 2 IMarmienstrasse =. 2... 20 ee B)
Erichstrasse, zweite............ 2 Marktstrasser.c..ccee oe 14
Heldstrasser rennen er EN 2 Qelmühle, bei.der.... wem. 3
Bischerstrasse st. 2 Auer ren ee 1 Pinnasbere 2.00 Mer 3
Friedrichstrasse, erste .......... 2 Rosenstrasse, neue .n.... 20a 1
ransport.....|, 18 Transport....| 55
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 99
Zahl Zahl
Strasse | der Strasse der
ı Fälle Fälle
|
Transport....| 55 Transport.... 65
STIDETSACKSLFASSE 2. 2 aaa ee | 1 Nrommelstransere er en 3
Sopmenstrasse.... 4,22% 4 4.0 2 Wilhelminenstrasse ............. 2
Spielbudenplatz............. | Walhelmstrasse nu... 222.452: |
Stemstrasse‘........... 4 Wättenhot a... 4
RaberDano en N eane ee 1 BEI VIOSSE Ne a ae |
Thranbrennereien, bei den ...... l SEEIRWARdERMARE HT N ER AN, 3
Transport....| 69 Summe.... 19
InWalem Län N 66
SEAGBdeLch". „ur...o0:.r ED ARD us Sehe B)
Im Ganzen....| 1015
Die Erkrankungsfälle im Landgebiet vertheilten sich in
folgender Weise:
Marsch:
Zahl | Zahl
der der
Fälle ı Fälle
Transport....| 105
Grasprook ana. en el Grevenhofaee ne ED Wa
Bellwärder Deich.........:.- 48 SCEMWATdEN- EN er 0 a
rpinerdeich m. een. ns 17 MOOTHEc re I 6
Billwärder Ausschlag .......... I @chsenwärder Ara: a ee 1720
Billwärder Steindamm .......... 6) Moorwärder Te nee eeeeaere Me
Rothenburgsortn...... mega. | 8 Billwarder-a. d. Ba. ..0...008.. 2
Velden een, EN RE IE 12
DO ee nee 1 Moorbursan. nr ern e 97
OS rn nee 1 Einken wärden ze... 3, ‚103
Transport....| 108 Summe....| 308
Geest:
Transport....| 60
Rotherbaum, Grindel, Pöseldorf .., 10 Ikangenhorn? 72 34. ver ale. | |
IEEBaShbribkele 22. 32. he. ae 6 Hohentelde ker ere se sr | {|
IERDIBIONI OT. as Raser al Ühlenhorsteee 4
Wimterhudess se. nn. 2 Eilbecke san nn RE N. 6
Gross Borstel rn. 2. 4 Barmbeeku.tangene na. 26
Fuhlsbüttel und Klein Borstel .. 6 Borstelder sr a Henne | 3
Alsterkrug ae Ana. 9 Hammerdeichrer... 2:2... 4... I
Ohlsdorf Super 2 Hamm ee leg
Transport....| 60 Summe....| 119
60 Dr. J. J. Reincke.
„In Eppendorf, welches früher nur vereinzelte Fälle gesehen,
brach eine förmliche Panik aus.“ Bemerkenswerth war es ferner,
dass die Krankheit an zwei Stellen, dem Alsterberge und in Hamm
in der Schwarzen Strasse „wiederum dort einen verhältnissmässig
stärkeren Ausbruch machte, wo städtische Gassenkummerwagen ihren
Inhalt deponirten“.
In das Allgemeine Krankenhaus wurden 232 Personen
gebracht, über die eine genaue, von dem damaligen Oberarzte
Dr. Tüngel angefertigte Liste vorliegt. Nach dieser ergeben sich
folgende Berufe:
Männer: | Weiber:
Schiffer, Seeleute...... 54 Köchinnen, Dienstmädchen.. 44
Elandwerken ser een 46 Frauen und Wittwen ...... 25
Arbeiter nme ra 207% Arbeiterinnen? Ser ae 6
Kutscher, Hausknechte ..... S Freudenmädchen ........... 5
Soldaten pen a 11° 5 © Schneiderinnen...2....o... 1
andleute. sm 2 Kunden e 3
Kantlente sn Zee I Summe
Lehrern. 07 an ae IE en
Ohne Geschäft see l
Kindern. we ee. 4
Summe.... 148 |
Mehr als ein Drittheil der behandelten Männer
also hatte seinen Beruf auf dem Wasser.
Wie oben S. 45 schon erwähnt, hat Gustav Buek auch
über diese Epidemie nähere statistische Berechnungen angestellt,
deren Ergebnisse sich auf Tafel VII dargestellt finden. St. Pauli
und Nord-St. Georg hat er unberücksichtigt gelassen; leider konnte
das Fehlende nach dem vorhandenen Material nicht ergänzt
werden. Dagegen sind procentische Zahlen für Altona, das jetzt
c. 44000 Einwohner hatte, eingetragen.
Altona hatte in diesem Jahre schwerer als sonst von der
Cholera zu leiden. Nach Bockendahl!) erkrankten 373 und starben
165 Personen. Auch im übrigen Holstein trat die Krankheit heftig
auf. Weitaus am schwersten befallen waren die Ortschaften längs
der Elbe, Glückstadt hatte 314 Fälle, Wilster 245. Sonstige Angaben
') Bockendahl: Ueber Cholera. Mittheilungen für den Verein Schleswig-
Holsteinischer Aerzte. Neue Folge. Jahrg. I. September 1892. No. 2. 8. 28.
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser, 61
fehlen; doch sei ausdrücklich auf die Ausführungen auf 8.12 hin-
gewiesen über die am 8. August dieses ‚Jahres in Betrieb gesetzte
centrale Wasserversorgung.
Seit 11 Jahren war fast kein Jahr ohne Cholera vergangen.
Jetzt endlich trat eine Pause ein von sechs Jahren.
1866.
Die ersten Fälle ereigneten sich am 30. Juni, der letzte am
22. October. Im Ganzen wurden 2254 Personen ergriffen, von denen
1158 starben.
U AL. 2
al ER a ua. 203
ASUS a ee 187
Deptemben? 52 m. de en. 1130
October 0 62
Nach Gernet’s Generalbericht „kamen die ersten Fälle auf
dem kleinen Grasbrook zur Behandlung, und rasch in einer für die
Bevölkerung nicht geringen Anzahl von meist schnell tödtlichen Er-
krankungen breitete die Krankheit sich in Steinwärder aus. Fast
um dieselbe Zeit aber zeigte sie sich schon auf dem Stadtdeich, von
wo aus sie sich über den Hammerbrook, Billwärder Neuendeich,
Grünendeich u. s. w. verbreitete und dort erst gegen Mitte October
ihr Ende erreichte, während die Epidemie auf Steinwärder in kaum
einer Woche verlaufen war.“ Auf den Stadtdeich und Umgebung
kam etwa der dreizehnte Theil aller Erkrankungen. „Während man
geneigt war, in früheren Epidemieen (so 1857 und 1859) vorzugsweise
dem unleidlichen kloakenartigen Zustand, in welchem sich die Deich-
wetterung befand, das Umsichgreifen der Cholera am Stadt- und
Billwärder Neuendeich zuzuschreiben und deshalb die Wetterung
durch regelmässige Spülung in einem so guten Zustande gehalten
wurde, wie es seit Jahren nicht gewesen ist, hat sich trotzdem die
Cholera dort in höchster Intensität entfaltet.“ . (Gernet.) Die
stärkere Ausbreitung der Epidemie fiel erst in den September. Das
Nähere darüber giebt die folgende Tabelle:
62
.J. J. Reincke.
Datum
30. Juni — 24. Juli
25. Juli — 2X.
8 „ — 8.
3l, „.— 2 Aug.
2.Aup. — 59, „
er
9 — 11.
Ve 2
I, — 17.
ep le
21. 28:
ZASe 20 26.
Alles — 29.
3)
BEL RN NER,
9. a
DE re
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4 2
1 3
6 -
Summe. ...]268
37 7246,38 21.208112
———————————————————————————————————————————————————————————————n
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 63
Die folgende Zusammenstellung über die örtliche Vertheilung
der Sterbefälle ist nach den schriftlichen Aufzeichnungen von
Physiecus Gustav Buek angefertigt. Man sieht, dass seine Zahlen
sich nicht mit den Zahlen der vorhergehenden Liste decken. Seinen
Berechnungen folgt auch die Darstellung auf Tafel VII.
Jetzige Altstadt-Nordertheil:
Zahl Zahl
Strasse der Strasse der
Fälle Fälle
Transport....| 47
INITEn Wall een ne 2 Neustrasse, altstädter........... ul
Bäckerstrasse, kleine ............ 5 Niedeenstrasse.........e: 15
Barkhofrsrosser. .....M2.222 2.05. 3 Baulstrassern turn. 1
Bersedorterstrassen. 0... 0..... es) Petrikirchhoß.....r nu. or 1
Beroatrasser. neun Deren 12 Pferdemarkt in mA a B)
IBrREIbestrasser tn mn dan 2 Dumpenrbeir den... a... 2
VUTIENSELASSE u. anne 2 ILaNOIBEn N N 4
Depenam ee 2. een. 4 Tosenstrassene ne 7
DIOENDUSCHL al aan] 2 Schauenburgerstrasse........... 6
Fuhlentwiete, altstädter ........ Me Schmiedestrasseie nu eu 2
Hermannstrasser 2... 2.02.0220: ne Sehopenstehle me ae 2
Katznepele er ee cneen: | 3 Schützenstrasse ... 2...“ l
ling Dero en Ser l Schweinemarkt ......3.... enas l
Klosterstrasse, erste............ 2 DPEELSOTÜE TR ee >
Knochenhauerstrasse ........... l BINLalerstea se Fur 12
IIPSSHerO ee ame > Springeltwiete, alte und neue ... S
Mahrer.skurze, „nr. 422.48... 2 STEISTTASSORE Ne ul
Mührenslaneen........ ee ER I ac,
Pransport.. ..|, 47 Summe...., 136
Jetzige Altstadt -Südertheil:
| Transport....| 46
Boden, hinter dem. 2... 2. nener WE Hänkentwiete a... ..r.2. net; | )
Bobnenstrasse .., ng nn AN "8 Terrlichkeit. u pa 7 03er} 13
IDPAUerStrasser. Rn a ie RS Holländischer Brook.......:.... nl
BER un tan: 12 Holländische Reihe............. rn 2
Barstal: 3orosser: .. Mar es.n 1 Eopienmarkt, as un. 2
Catharinenkirchhof ............. 2 Kaakstwiele.., me ie Sant Bi)
I 1 Ce Re I RS 3
Diomansletaettaer. .u., 11 Kannengiesserort .............. 1
Plethycklemes. .a0.......: 0024 9 Kehrwieden Sat as! 29
Gerkenstwiete u. near. 1 Kibbeltwiete: -.....%:.........: 4
GENE ei 2 Lembkentwiete, hinter der ...:. 2
Gröningerstrasse, alte .......... 1 Mattentwieten Jay san... 2
Transport....| 46 Transport....| 103
64
Dr. I: J- Reincke
Zahl Zahl
Strasse der Strasse der
Fälle Fälle
Transport....| 103 Transport....| 131
Mühren, bei den... ,..2..% 14 Bande sant’dem... 2... RER NS 3
Neuerweg, altstädter......... ..| 4 IBheerhof TEEN ee. Bi
Pickhuben „a... MIR Er 3 Waisenhaus, beim alten .... \.t cal
Poggenmüuhle. a. ererene 1 ‚Wandbereiterbrook..... .......: er
Reichenstrasse, grosse .......... Bi} andralm alters I
Reichenstrasse, kleine .......... | Zippelhaus, bei’dem.....22.2.. 1
Ködinesmarktı . He enrsrgen 2 Z0llenbrücke +... un me 2
Transport....| 131 Summe....| 146
Jetzige Neustadt-Nordertheil:
| Transport....| 65
A BÜ’Strasse. none ee 1 Tangergang N nern r 2ee 4
Bäckerbreitergang ....2........ Ken Marienstrasse, zweite........... 4
Bleichen grosser er Je. 23... 2 Marktstrasse, zweite ........... 4
Bleichenshoher ee mer 0. ae] Marktstrasse, dritte......:....: j
Breitergangar we eo 1 Neuerwalliunt.a.: nr l
Coftamacherreihen =... un. 1 Neumarkt, grössere ....2...2:% 2
Dammthorwalleme ee 4 Neustrasse, neustädter.......... 5)
Draponerstall. 2... 2 ne. 1 Beterstrasse 27.2 mr 6)
Drehbahn, ‚Srösse .2..2..2...... 2 Pilatuspoolsr u ver ee |
Brehbahns kleiner .erran..nee) 2 Poolstrasse nee ren B)
Elbstrasse, zweite... n..n. soo. 2 Rademachergang. ..2 .c2..0r 5
Elbstrasse, dritten... ......002.0.. 2 Schulgang.... ee !
Fehlandtstrasse, erste und zweite 2 SchwieSierstrasser ee er 1
Fuhlentwiete, neustädter........ 2 SPEcksgangae are. eier 3
Gänsemarkt er 0. A 1 Steinwer; salter 4... m seinen 6
@ehrhet, u. menge sea B) Sıtıeim wıelo, meel. er. 1
Hütten, /beisdene... 2.2.0. 2er: 5 Tiheaterstrasse, grosse ............ 2
Junsternstiep, neuer... rer 1 Ihrelbeckt ...3.n.n..: 2 ee 1
Koniostrassere. 0. ee $) Prampganp, Brosserasz.rererer 1
Kohlhöfener res 2 re 2 Valentinskamp: - „eu... ....0m..eew $)
Kornträsergang...... 12 TZıeushausmarkt. ee. 3
Kugelsorb: „u. 2 er 1 |
Transport....| 69 Summe....| 131
Jetzige Neustadt -Südertheil:
Transport....| 30
Bäckersang, grosser... 10 Brunnenstrasse: ! „2... m. 3
Bleichergang 7....2::: u... ask 5 Druvenhöf: ........ 0 das 1
Böhnkenstrasse., 22... an 2 Kichholz.ne..::.2. 0 Pan 14
Brawerknechtsgraben.....|. 18 Biskarhle, Sbei der... nern 2
Transport....| 30 Transport....|. 50
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 65
Zahl Zahl
Strasse der Strasse der
Fälle Fälle
Transport....| 50 Transport...., 96
Eihstrassesrerste » ..uu00snaane- 2 Neumannstrasse, erste .......... 4
GREINER ke 4 Neumannstrasse, zweite......... B)
Grünersood, Platz beim......... 4 Nieolaistrassen 2.020222. En 5
Herrenoraben.... ran... eek s) Rothesoodstrasse.. .........2..... 1
Hichlerweps ne Bann 2 4 Saperplatzar Ban ee: Ir =1
Jacobstrasse, erste ........0%... en Sch aarinarletef. si ae en ee B)
Jacobstrasse, zweile............ 3 DERAATSTEINWEN „200. ee 7
Johannisbollwerk............... IA SHE 2
Ruhberst sen... n. ana Ko Sehlachterstrasse ............... 6
TNeschengane 2... anne 1:3 StnbDenhukr ar sone | 4
Michaeliskirche, bei der kleinen . 1 eiltelde en ee: 5
Michaelisstrasse, grosse......... el Venusberserer.en nen, 11
Niüuhlenstrassen. me ee. 7 Viorsetzens ersten ee B)
Neuerweg, neustädter .......... In Viorsetzen, zweite .....2....u. |
Transport....) 96 Summe....| 152
St. Georg:
Transport....| 42
Alsterbwiele no. an. dene 1 Koppel; an’ der... 2.2.0... 2
Amsinckstrasse =..... . „u... 1 Hkangere len 2. ehren are 2
BACKeroang: a ae ren 2 Bimdenstrasser 22.2 20cm B)
IBanksstrasser: Az. ee nes 4 Lohmühlenstrasse .............. l
Besenbinderhof ................) 2 Lübeckerthor, bei dem ......... D
Beyerstrassen ur en. ae 2 Mittelstrasse gr ae. D
Böckmannstrasser 2...2...L...... 1 Neuestrassenn ee 2
Borseschstrasse...... 2.00. ....02.. ) Kepsoldstrasgenn.. »e.2.2 3. su. 1
Brennerstrassen. essen 3) Tosenalleetn era 132. 1
Brennerstrasse, neue .......... 4 Schullzwep me a: 1
Geor2sstrasse, Sb. an. Naasanda 1 Spaldinestrasse une... une ee B)
Grünerdeiche® .......2% Re 3 Stadt denen ven e| 25
Grützmachergan® .............. I 9 SGEINdAIDTIE Eee. | 8
Hammerbrookstrasse............. 2 DEIRÜSETRSSOHES ern eek 2
Hnhestrasser. a. mas ee 1 Strohhause, hinter dem...., 1
Körchenalleer...... 20... 2420... 1 \Woltmannstrasse..... „os... I
Transport....| 42 Summer 115
St. Pauli:
| Transport.... $)
Barvelsrasse.20.2.2.3:28.. 2%. | 1 VALlStrasser. a see are MR!
Beretassed m een as 5 Garolinenstrassegssere 4
Bernhardstrasse, erste........... 2 Dayidstrasser, enter 1
Bernhardstrasse, zweite......... 2 Eimsbüttelerstrasse............. 2
Transport....| 8 Transport....| 16
66 Dr. I. J. Reincke.
Zahl Zahl
Strasse der Strasse der
Fälle ı Fälle
Transport....| 16 Transport....|. 51
richstrasse, erstere meer: a; Lansereihe ee ee re 6
Erichstrasse, zweite. .........-.. 3 Langestrasse 2.0... ee
IEISCHErStNaSSeH Amer ee I) Marktstrasse,. 22. 22,20 | 12
Friedrichstrasse, erste .......... 5 Petersenstrasse, grosse .........| B)
Friedrichstrasse, zweite......... IHRE Finnasbero „sa un | 1
Gerhardstrasse 1 Reeperbahn Are... er | 1
Glashuttenstrasse „namen er: 2 Rosenstrasse, Neue ............. 4
klatenstrasser Sem wen 4 Silbersackstrasse.. 2... nn. 2. |
Heinrichstrasse nina era | j SOpHienstrasser. nee 1
Herrenweide..........u....00:. 102 Sternstrassere en. nee ee 2
Kastanienallee. 2... m. | ihalstrasseree.n.. 2 5
IKielerstrassen er en ae er | 2 rommelstrassen ee 2
Kirchenstrasse m. unsere ee in 51 Wilhelminenstrasse: . ar ee el
THaeiszSstrasspiem | Wilhelmstrasse nv ee 2
ransporl. 2 le Summe 102
Billwarder Newerdeich „ie | 3
Im Ganzen....| 814
Leider fehlt es an näheren Nachrichten, wie sich die
Krankheit im Geestgebiet verhalten hat.
Von Interesse sind einige Verschleppungen aus Hamburg.
Das Hamburgische Bundeskontingent, das am 22. Juli Hamburg
verlassen hatte, nachdem 2 Tage vorher ein Fall in der Kaserne
vorgekommen war, brachte die Krankheit in verschiedene von
demselben durchzogene Orte Süddeutschlands.') In New-York kamen
folgende Schiffe aus Hamburg an mit einer grösseren Zahl von
Cholerafällen:
15. August: Dampfschiff' „Bavaria“ mit 278 Passagieren und
6 Todesfällen,
7. November: Segelschitf „John Bertram“ mit 455 Passagieren und
36 Todesfällen,
12. e 3 „Washington“ mit 207 Passagieren und
19 Todesfällen,
28. y : „Jessie“ mit 241 Passagieren und
16 Todesfällen.”)
!) Näheres nach einem Bericht von Dr. Brauer bei v. Pettenkofer. Der
gegenwärtige Stand der Cholerafrage. München und Leipzig 1557. S. 162.
2) Uebereinstimmend berichtet in den Annual Reports of the commissioners of
emigration of the state of New-York und in den Jahresberichten der Deutschen
Gesellschaft der Stadt New-York.
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 67
Altona kam in diesem Jahre verhältnissmässig gelinde davon.')
Es hatte 132 Erkrankungen (Juli 10, August 40, September 78,
October 4) und 82 Todesfälle. Auch die übrige Provinz hatte er-
heblich weniger zu leiden als 1859. Die dort vorgekommenen Fälle
beschränkten sich fast ganz auf die Nachbarschaft von Hamburg-
Altona und auf die Orte längs der Elbe: Blankenese, Wedel, Schulau,
Wilstermarsch, Glückstadt, Brunsbütteler Hafen. An dieser letzt-
genannten Stelle war der erste Fall aufgetreten am 11. Juli, dann
folgte Altona, und erst im November erlosch die Epidemie mit Nach-
läufern in und bei Wandsbeck.
1867.
Dieses ‚Jahr brachte wie im übrigen Deutschland so auch in
Hamburg einen grossen Rückgang der Cholera. In der amtlichen
Zusammenstellung des Gesundheitsrathes werden nur 15 Todesfälle
aus der Zeit von Juli bis November gemeldet. Im Bericht des Land-
physicus Gernet wird von einer Familie auf dem Kehrwieder be-
richtet, in der innerhalb zwei Tagen 4 Kinder an den ausgesprochensten
Erscheinungen der Cholera starben. 8 Tage später starben in einem
Hause auf den hohen Bleichen ein Vater mit zweien seiner Kinder
und nach einigen Tagen in einer Familie im Schaarhof bei dem Teil-
feld zwei Kinder. Nach Gernet starben von Juli bis Anfang
November unter den Bezeichnungen: Cholera, Cholera asiatica und
Cholera infantum 65 Kinder und 9 Erwachsene, unter den letzteren
mehrere sehr alte Leute.
Dass wirklich Cholera in Hamburg gewesen, wird sowohl
aus den gleich mitzutheilenden Ereignissen in Altona klar wie auch
aus den schweren Epidemieen auf den von Hamburg ausgegangenen
Auswanderer-Segelschiffen „Lord Brougsham“ und „Leibnitz“. Das
erstere Schift, das am 6. December in New-York eintraf, hatte unter
383 Passagieren 75 Cholera-Todesfälle gehabt, das andere, das Hamburg
am 2. November verlassen hatte und am 12. Januar 1868 in New-
York anlangte, unter 543 Passagieren 107 Cholera-Todesfälle.?)
') Bockendahl: Ueber Cholera a. a. O.
°) Vergleiche die oben angezogenen New-Yorker Berichte; ferner: Ober-
gerichtliches Erkenntniss neben den Entscheidungsgründen in Angelegenheit
des Hamburger Schiffes „Leibnitz“. Hamburg 1868. In dieser Schrift ein
ausführliches Gutachten des Physicus Buek senr. Die Zahlen stimmen
hier nicht völlig mit den New-Yorker Zahlen.
ot
68 Dr. J. I. Reincke.
In Altona ereigneten sich 59 Erkrankungen und 44 Todesfälle.
Nach Wallichs?!) handelte es sich vorwiegend um zwei Herde, den
Kehrwiederhof im Westen der Stadt (bei der kleinen Westerstrasse)
und Gählers Platz mit Umgebung. „Für diesen lagen damals viel-
leicht örtliche Ursachen (Sielbau mit Aufstauung eines höher gelegenen
Siels, Auspumpen seines Inhaltes in die Rinnsteine bei Regenwetter,
Verderb des Grundwassers und gewisser Brunnen auf Gählers-
platz 5) zu Grunde“. Unter den Erkrankten befanden sich nur
3 Schiffer. Der erste Fall am 6. November ereignete sich in der
kleinen Fischerstrasse unfern der Elbe.
1871.
Nach dem ersten ‚Jahresberichte des Medieinal - Inspeetors
Kraus über die medicinische Statistik des Hamburgischen Staates
für das Jahr 1572 kamen im Jahre 1871 141 Cholera-Todesfälle vor
(August 12, September 123, October 5, November 1), während die im
Hamburgischen Correspondenten (Nr. 215, 220, 226) veröffentlichten
Berichte des „Sanitätspolizei-Bureaus“ abweichende Zahlen angeben.
Hiernach wurden gemeldet:
davon im 1. Lebensjahre
P dureh- | olera| „.. N rare 'ech- | »
fall Fall fälle [Purch a Todes
| fall fall fälle
August — 10.Sept.| 175 | 162 | 72 | 66] 16 | 23 1 15
10. Sept. — 17. Sept.| 304 | 220 | 68| 69| 38| 59 2.122
8 DA las, oe. 31 38 | 23 200 Wa
Summe..| 627 | 490 | 1711| — 7.4.1706 4 —
davon gestorben..| 12 | 60 | 101 | 173 7| 2 4:| 158
Die in dieser Uebersicht genannten 175 Erkrankungen an
Cholera vertheilten sich in folgender Weise:
Altstadt Nordenchee se 1
Altstadt-Südertheileee me 22
Nenstadt-Norderrhel ge 2. 24
Neüustadt-Südertheleger 0er 18
Transport... 75
') Walliehs: Die Cholera-Epidemie des Jahres 1573. Altonaer Merkur vom
19. April 1874, Nr. 91, Beilage.
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 69
Transport... 75
St. Georg mit Hohenfelde und Borgfelde .......... 21
es an m ne EN 14
Beast URN BERNER EN 8
NE Schlander Male un na ee 57
Summe.. 175
Nach Bockendahl') soll der erste Fall einen polnischen Aus-
wanderer betroffen haben. Am schwersten befallen waren die beim
Bau des Venloer Bahnhofs auf dem Grasbrook beschäftigten Arbeiter.
Anscheinend war auch Steinwärder stärker betroffen, denn es ward
eine Wasserversorgung dieser Insel durch Zufuhr filtrirten Altonaer
Wassers eingerichtet, da die Bevölkerung für ihren Wasserbezug
im Wesentlichen auf die Gräben angewiesen war. Gleichzeitig
scheint sich. in der Bevölkerung Misstrauen gegen das Hamburger
Leitungswasser geäussert zu haben, geceen das sich die Section für
die Stadt-Wasserkunst in Bekanntmachungen vom 15. und 29. August
und 10. October zu vertheidigen für nöthig fand. Anfangs war
Beschwerde erhoben über den üblen Geruch des Wassers, welcher
durch das Absterben von Muscheln in einigen Leitungen, die zum
Zweck vorzunehmender Arbeiten hatten geleert werden müssen,
entstanden war. Im October waren Befürchtungen auf gefährliche
Verunreinigungen der Schöpfstelle durch das Ueberpumpen der Siel-
ausflüsse des Hammerbrooks in die Elbe bei Brandshof entstanden.
Altona wurde in diesem Jahre, wie auch schon 1867, im
Verhältniss schwerer betroffen als Hamburg.’) Vom 3. August bis
17. October starben an Cholera 105 Personen und 186 an Brech-
durchfall (unter diesen 130 im Alter bis zu einem Jahre). (Cholera:
August 44, September 59, October 2; Brechdurchfall: August 115,
September 69, October 2). Auf den Ostertheil der Stadt kamen
14 Fälle, auf den Südertheil 12, auf den Westertheil 14, auf den
Nordwestertheil 22, auf den Nordertheil 35, in Ottensen 5, auf
Schiffen 3. Es war also die ganze Stadt ergriffen, der Nordertheil
mit vorzugsweise mittelloser Einwohnerschaft in Miethskasernen
schwerer als die übrigen Stadttheile. In 14 Häusern kamen 2 bis
Die’ Cholera a a; 0.8. 29.
?) Bockendahl: Generalbericht über das öffentliche Gesundheitswesen der
Provinz Schleswig-Holstein für das Jahr 1871. 8. S, 20. Die Angabe von
3 Cholerafällen am 3. August scheint nach dem übrigen Text auf einem
Druckfehler zu beruhen. Sie fehlen auch in der Schlusssumme. In seiner
neuen Publikation von 1592 a. a. ©. legt B. den ersten Fall auf den
20. August.
o Dr. J. J. Reincke.
3 Todesfälle vor. Unter den Erkrankten befanden sich 4 See-
leute. Die ersten Cholerafälle am 19. August traten auf,
nachdem vom 11. bis 18. August unfiltrirtes Wasser durch
die Wasserleitung geliefert worden.
1873.)
Ueber die Cholera des Jahres 1873 liegen wieder sehr viel
ausführlichere Nachrichten vor.”)
Der erste Fall ereignete sich am 14. Juni, doch dauerte es
bis zu den letzten Tagen des Juli, ehe eine nennenswerthe Steigerung
eintrat. Die höchste tägliche Erkrankungsziffer mit 95 Fällen ward
am 30. August erreicht, worauf ein rascher Abfall eintrat, so dass
von Mitte September an nur noch wenige Erkrankungen auf den Tag
kamen; der letzte Fall ereignete sich indessen erst am 8. November.
Im Ganzen wurden 1729 Leute befallen, von denen 1005 starben.
Woche Erkrankt Woche Erkrankt
Transport..| 864
8. Juni — 14. Juni 1 24. Aug. — 30. Aug. 395
ee 5 3l. ., 6. Sept. 272
De u 4 Tepe a 87
29. „ — 5.Juli | 2 ld. .00,., 0202 27
62 Juli — 12. =) 2 2 Dee 19
oe ee 17 28, -— 4. Oct. 12
DU 90, 26 5. Oct. — 11. 12
les, 2..AUD. 108 12.7.0185; 26
Sala 204 19.22,,,- 290085 7
10, 2 016207 291 26.2.5, = 1.Noy. 4
Ve 231 2. NO 4
Transport... 564 Summe..| 1729
)) Es ist dies das Jahr der bekannten schweren Cholera - Epidemie in
Magdeburg, die beinahe 2 %/o (19,95 °/o,) der Bevölkerung dahinraffte. Siehe
Gähde: Die Cholera in Magdeburg. Vierteljahrsschrift für öffentliche
Gesundheitspflege. Bd. VII. 1875. S. 169.
?) Kraus: Statistik der Cholera- Erkrankungen während des Jahres 1873.
Anhang zum Bericht des Medicinal-Inspeetorates über die medieinische
Statistik des Hamburgischen Staates für das Jahr 1573. Nessmann: Die
Cholera - Epidemie im Jahre 1373. Statistik des Hamburgischen Staates.
Heft VII. S. 44.
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser.
In der nachstehenden Tabelle gebe ich die ersten 74 Fälle
bis zu dem stärkeren Ansteigen der Epidemie nach Kraus:
Bemerkungen
Laufd. | Erkran- Wohnung
Nr. | kungstag
1 14. Juni Kleiner Grasbrook
2 158 5 Klingberg 2
5 I. 3 Elbkahn
4 17. ” ”
) 20.0, “
SE Re 5
7 225 Dampfschiff „‚Frisia‘
$) 2A; Kleiner Grasbrook
5) 200% 4, Flussschiff
10 2er I Dovenfleth
11 3. Juli Obdachlos
12 A Flussschiff
13 | Eichholz 27
14 Os, | Lohmühlenstrasse
15 S. „ ‚ Hinter dem Strohhause
16 In 4 Stadtdeich 167
1 10. „ , Kleimer Grasbrook
1S IE Billhörner Kanalstrasse
19 1078, Flussschiff
20 io Obdachlos
21 12% 4 Bergedorf
22 13. „ | Kehrwieder 42
23 13. „Kleiner Grasbrook
an a. | 9 4
25 DE > Steinwärder
26 a; Kleiner Grasbrook
27 16.7 '., A en
25 16. „ | Allermöhe, Reitbrook
29 I Be: Flussschiff
30 | Winserbaum 10
31 ee Moorfleth Nr. 2
32 | Veddel
SL
[
IE
[
' Kind Hagemann, am 27.
Arbeiter auf der Godeffroy’schen Schiffs-
- werft.
Nachtwächter am Venloer Bahnhofe.
7 Frau. Kahn im Baakenhafen beim Ven-
loer Bahnhof, seit 3. April in Hamburg.
Tochter der vorigen.
7 Schiffer. Kahn beim Venloer Bahnhof.
Schiffer. Kahn gegenüber dem See-
mannshause.
- Matrose. Das Schiffim Dock am Kleinen
Grasbrook.
Arbeiter auf der Godeffroy’schen Schiffs-
werft.
Nähere Angaben fehlen.
Arbeiter, der am OÖberhafen arbeitet.
Nähere Angaben fehlen.
„ ” ch)
Schiffszimmermann.
Krankenwärter im Allg. Krankenhause.
60jähriger Arbeiter.
6jähriger Knabe.
Frau Schult in Hohmann’s Wohnungen,
Keller. Siehe Nr. 23, 26, 27.
+ Frau eines Bahnbeamten.
Nähere Angaben fehlen.
=
\
L
\
au
\
X
\
AL
[
„ „ ”
2 ” ER
-r Ewerführer.
+ 12jährige Tochter von Nr. 17.
Arbeiter in der Meyer’schen Fabrik.
j Laternenanzünder.
7 '/ajähriger Sohn von Nr. 17.
j jährige Tochter von Nr. 17.
Nähere Angaben fehlen.
” ” ”„
Arbeiter am Quai in Altona.
Schankwirth. Siehe Nr. 37, 42, 43.
und 28. zwei
weitere Fälle in demselben Hause.
02 Dr. J. I. Reincke.
Laufd. Erkran-
1 Wohnung Bemerkungen
Nr. | kungstag
3 18. Juli Stadtdeich 48 Arbeiter.
54 Ike Moorfleth Nr. 10 7 Feldarbeiter.
85 I Steinwärder, Hof 14 | 7 Kind.
36 IE, m n T Kind.
37 19.5 Moorfleth Nr. 2 7 jähriger Knabe. Siehe Nr. 31.
35 2 ns, Steinwärder, Platz 13 | 7 Kind.
39 2 0, Schlachterstrasse 50 | 7 Frau.
40 Dam Stadtdeich 47 Dienstmädchen.
41 225 Steinwärder Nähere Angaben fehlen.
42 DIE an Moorfleth Nr. 2 + Vater von Nr. 37. Siehe Nr. 31.
a ER er en + Alte Frau. Siehe Nr. 31, 37, 42.
44 23.5 Allermöhe, Reitbrook | Nähere Angaben fehlen.
45 23: 55 Seeschiff 55 5 >
46 24. „ Kleines Fleth 49 -r Bademeister der John’schen Elbbade-
Anstalt. 2. August stirbt die Frau.
47 24. u Steinwärder Nähere Angaben fehlen.
45 24. ” ” ” ” 7
49 25. „ |Süderstrasse4, St.Georg | In diesem Hause bis 30. Juli 7 Fälle.
50 25. BR] ER} „ „ ” ” ” ” ”
öl Zar e ” = Ohne nähere Angabe.
2 125. „ Pinnas 65, St. Pauli | Kind.
bo—b2 w20.,, 10 Fälle, davon 4 St. Georg (1 Süderstrasse, 3 ohne nähere
Angabe), 2 Steinwärder, 1 Veddel, 1 Seeschiff, 1 Moorfleth,
1 Finkenwärder.
63—69 | 27. „ Na Fälle, davon 1 Architect, Deichthorstrasse 2, 1 Wäscherin,
Messberg, 2 Steinwärder, 2 Billwärder Ausschlag, 1 Veddel.
10—74| 28. „ 5 Fälle, davon 1 Alter Steinweg 37/38, Grünhöker (erster Fall
in Neustadt-Nordertheil), 1 Jollenführer, Sophienstrasse 24,
| St. Pauli, 1 Veddel, 1 Billwärder a. d. Elbe, 1 Flussschift.
Man sieht, wie fast alle Erkrankungen auf die Nähe des
Wassers hinführen und wie bald sich lokale Herde entwickeln: in
Homann’s Wohnungen auf dem kleinen Grasbrook, in Moorfeth
Nr. 2 und in der Süderstrasse 4.
Erst vom 28. Juli etwa sind alle Theile der Stadt ergriffen,
in derselben Zeit nehmen auch die Erkrankungen auf Fluss- und
Seeschiffen erheblich zu. Dann tritt im Anfang September der
allgemeine Abfall ein, der nur noch durch eine heftige Lokal-
epidemie von 26 Erkrankungen auf einem nach Australien bestimmten
Auswanderer -Segelschiffe „Ellwood Cooper“ um Mitte October unter-
brochen wird. |
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser.
o- o-
en |
os
Die folgende Tabelle giebt die örtliche Vertheilung im
Einzelnen:
Jetzige Altstadt-Nordertheil:
Zahl Zahl
Strasse der Strasse der
Fälle Fälle
| |
Transport... 60
NEE walle ee a l NER N A ER 5
Bäckerstrasse, grosse........... 1 Miihren kurzen. 2. en ssenn Il
Bäckerstrasse, kleine ..:........ 4 Muühren. lanmer zn. ee aan 11
Barkchof, (STOSSEr ... 2.2 0.0.2.2 0 7 Neustrasse, altstädter .........- 5)
Barkhot. kleiner .......u.....%r. | Needeensbrasser nu Be)
Börse, ‚bei. der..alten®)........... Ir 2 Betrikirchhofer sen a 2
Brodschrangen .. mus. ta.ee.osel 2 Pferdemarkt. 220032. 4
Brandsendes. ca cr: Mean: 1 IE RER PERETID l
Breitesitasse ke een | 4 Pumpen, bei den ...2.....2... 3
Deichthorstrasse ....2..e.......: 1 Kaboisen rer er 2
Denen ee ea | 2 BKathhausstrasse .2.2.22.2..2.... 1
Dornbuschwn.er wen oRe 4 Reichenstrasse, grosse.......... I,
Berdinandstrasse.. . ».12:.2....». Il Rosenstrassern.n = 2..r vera arne IMS
Eischertwiete, un... B) Schauenburgerstrasse ........... BER
Fuhlentwiete, altstädter ........ S) Schwenemarkt 7... ....0..8. 2
Gerirudenkirehhof .. !......:... 2 Schmiedestrasse... 2.08. .ze%. | 4
Glockengiesserwall ............. 1 DPESTSONEE N ana. |»
Herrmannstrasse ....22......... l SChopenstehV a. rs ee Id
ISairrepelaese ne rat 4 SPILAIETStLAaSSEe ren (2
Kiimoberos me ie E10 Springeltwiete, alte ............ Ir
Iilenstrasse „ualennssaee ren 12 DEODNSErAS Ser 0 era | 37
Transport....| 60 Summe....| 237
Jetzige Altstadt-Südertheil:
Transport....| 62
Boden, ‚hinter dem. 2.22.22... Bi) GörbtwIete 1
Bnolo: 2%: ac. ee a ge 15 Grasbrook, grosser... u... 4
CXEMON Sa re ee: 1 Graskellen a ma a rar 1
ID Iehstrasse #3... 2... 2. 1 ee a | 1
Dienerreihen....- ..-...200.0.0 1 Hankentwieren nn re 7
Dowentleth 2... ...8 24.2 1.002 23 Herrlichkeit 2 oe rss 3
Rleihieklemess Work u: a, u | Holländischer Brook... 22...... 6
Gerkenstwiele a... u.a. 1 Holländische Reihe ........ re
Transport....| 62 Transport....| 97
') In dem Kraus’schen Bericht steht die alte Börse irrthümlich an dieser
Stelle, sie gehört eigentlich zur Altstadt-Südertheil.
Dr. I. I Reincke:
Zahl Zahl
Strasse der Strasse der
Fälle Fälle
Transport....| 87 Transport....| 149
Hopfenmarkt 2... -..r 22..0.c ser >02 Bi) PIEKHUDEN Te Sana Bi)
Hüter ren ee rer 2 Reimerstwiete cms en o.e 1
Kaakstwiete, A. ns 2-0. | Sande. Sur. 0 a are ee 4
Kannengiesserort -»........-.-... | 1 Bandthorguai. .naneen ee d
Katharinenstrasse .. . ...2...2.... 4 Iheerhofs..... an BEL 1
Kajensne ne een leere nee 3 Wandrahm, alter... .....r... 0... 1
Kehrwieder +... rer... 00: | 28 Waisenhaus, bei dem alten ..... 2
Kibbeltwieten an er ee MB. SWinserbaumneree. er 3
Lembkentwiete...........oee ee 5 Zippelhaus, beim „22... 2.22 3)
Mühren ven ee Po) Zollenbrücker....... 2: 2. 1
Neuerweg,, altstädter............ 4 Ohne Wohnungsangabe......... | 2
Transport... | 149 Summe:...|7173
Jetzige Neustadt-Nordertheil:
| Transport....| S6
INBEESTEASSEN Ken Anne ee a | 6 Krater AR 5
Anscharplatzn 2. 2. ee N Kugelsört 2 Sun ee 1
Bäckerbreitergaug 2.2... 55) Kurzestrasse: en. 20.422 2
Bleichens grosse 2... en: | 6 Tangergang”. u... BJ
Bleichensahohes ae 2 Marienstrasse, erste ............ 1
Bleichenbrucken.e 2 er. ea: 2 Marienstrasse, zweite........... 1
Breitergänger. 22.0. ee B) Marktstrasse, dritte ............. 1
Baflamacherreihe.: ... 2... „.....2... 5) Neuerwalle a esersee 5
Dammthorstrasse..e. ze...) 1 Neustrasse, neustädter ......... 5
Dammthorwallen. 2.2... 22.0.2: B) ÜHEINhot a... ee 1
Drehbahn,zgrosse rum. 6 Peterstrasse 2... ne I
Drehbahn, okleiner.n a ne 9 Bilatuspool..... use 4
Ebräersang 22m ee 2 Poolsträsse.. . „er ea 6
Elbstrasse, zweite 2.2.2202... 4 Rademachergang.... sr euere 7
Elbstrasse, ‚deitte- 2... .. ne. 0 2 Specksgang.. ... 22... ee 4
Fuhlentwiete, neustädter........ B) Specksplatz 22... reger 1
Gänsemarkt .. 222.2 22 2 Steinweg, alter»... .. en a 2
Heuberg an... ser 1 Steinweg, Nener er er 3
Holstensträsse.. . 2. . on ce 1 Theaterstrasse, grosse .......... 1
Hütten «beiden... a. 3 MPiielbeck 2... 00.7 sera tar 1
umofernstieg 7... ee 1 ÜUlrieusstrasse. .......2 sat seer 6
KONIDStrasse. ern ee ee d Valentinskamp ... „ea. see 10
Rohlhotene ern ee 1 Wexstrasse ...u.u0e See 4
Kornträgergang..n..2....ac.ee 10 Zeuchaüsmarkt .... eeskeree 13
Transport....| 86 Summe....| 170
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser.
Jetzige Neustadt - Südertheil:
I
(br 1
Zahl Zahl
Strasse der Strasse der
Fälle Fälle
|
Transport....| 107
Backervang, Orosser ......-....- 10 Neuerweg, neustädter .......... 2
Backersang, klemer ........... 4 Neumannstrasse, erste .......... 6
Bleicherzang®. nn. saaeee: ) Neumannstrasse, zweite ........ 1
Bohmkenstrasse. 2... .u.0u00% 2 Naeolaistrasse: 2....n. sjaneme, 1
Brauerknechtsgraben ........... B) Faraeshols er ana 2
Brunnenstwassel... san aan. 6) Pastoreustrassen. 20.220020. 2
Dusternstrasse.....saaeaacnaren 2 Rother Doodle: B)
Enichiolze.a-.. na. ae 18 Slamatyenbrücker a...2.222000 2
Blbstrasse, ste. „ur... B) SASIEEDIAEZ ee ee 2
EnglischePlanke «u. .2...... 0.2. 2 SCHhaarhole Nr l
Grünensood, Platz beim ........ 6 Schaarmarkt) 7... mei nase 5
Herrenoraben 0.2... 2.2.2... 5) Schaarsteinweg. .........0:2..2.%. 2
Hohlerwese y. 2.2, 1. et 5) Schlachterstrasse ..........u....- ;
Jacobstrasse, ‚erste ............. 2 SEBINRON er ee an 0 1
Jacobstrasse, zweite............ R Steinweoz alter. een eee nn: A)
Johannisbollwerk .............. 10 SLEINWER, NEUER onen. 6
Kirchenstrassenc..gn scuesemanan 1 Stubbenhuke su... se We nn. 2
Kratenkampl..r. on sasasenr ie 3) Aa I ee EERENER 7
THAI ae 11 VenUSsberof en een: 5
IIeschengan® 2... Sarssene 3 Morsetzen ersten... 2.2.2.0. B
Michaeliskirche, bei der kleinen. . 1 Vörsetzen, zweite .... u... B)
Mahlenstrasser 0. rn Syaausen 1 Zeushausmarkt. oe. en... 1
Transport....| 107 Summe....| 173
St. Georg:
1. Steuerbezirk.
Transport.... B)
Georostrasse, St, onen ynenun. 1 KODDeh ae En Bnr: 2
Georgskirchhof, St..........2... 1 Tansereer ce ur rege 10
Helenenstrasse, zweite ......... | Mittelstrasser wessen | 93
Transport.... Bi Summe....) 18
2. Steuerbezirk.
Transport2.r: | 5
Beyerstrasse@ ee Ho AR 1 Brennerstnassene ern: un |
Bleicherstraseg u var 1 Brunnenstrassen.. a... 2: en!
Borgesch 3 Grützmachergang ...2.....2.. “ 2
Transport... .. 2 Transport. ... 9
76 Dr. J. J. Reincke.
Zahl Zahl
Strasse der Strasse der
Fälle Fälle
Transport.... I Transport. »..|. "48
Kirchenweg, kleiner.....-....... 2 Lohmtihlenstrasse .............- I Sl
KreUZWER. een 2 ee 2 SEIN An "Fan ers re a een a 0
Krankenhaust ....n. Ara san I)
Transport....| - 18 Summe....| 24
3. Steuerbezirk.
Transport....| 14
Nlexanderstrasser en... ee 2 Hühnerpostenee ee 1
Bahnstrasse@er ee: 1 Minenstrasserer en. se 1
Berlinerthor, beimen....n.0.. 1 Rasenallee..:: 2... See Ir:
Hammerbrookstrasse ........... ) Schultzweg:. ........ 2... 1
Hartwiestrasser ......2 ne B) Strohhause, beim...n.......2.% 2
Hohestrasse ... ..... a er 1 Stiitstrassen. en. ns ee )
Hoheswiete 2.2... ur era 1 Strohhause, hinter dem .......... N
Transport....| 14 Summe....| 8
4. Steuerbezirk.
Transport. ...) 51
Aunsinckstrasses ne er I) Bepsoldstrassen .... 2. ee 1:
Bankstrasser wet ee 16 SONNINSTFASSER a ee NR
EIrnststrasse en eat | 2 Spaldingestrasse nr... Ser Ee
Grünerdeich ....... IE 16: I WSüderstrasser a. 2.0 15
Tdastrasse rn ee: I Stedbdeich euere >)
Jenischstrasse er an eure 1 Vietoriastrasser 0a ner 758
NNOFENZSTTASSEr een 5 Woltmannsstrasse .............. 3
Oberhatenstrasse 2... ner 1 23
Transport... .| öl Summe....| 121
St. Pauli:
1. Steuerbezirk.
Transport....| 20
Bernhardstrasse, zweite......... 2 Fiopfenstrasser see 2
Garlstrasse, erster... .. 6) Kürchenstrasse nme ee 1
Garlstrasse, Zweite .........0. Mg! Trangiestrasse nr. .ny.eke ar ee I 2
Brichstrasse, erste ........0.0.. | 7 Pferdeborn, »beim.. »..........2 ee!
Exichstrasse, zweite ............ IE PIRDASa0r ee | 5
Brholune, bei der..........0: en! Matergang ... 0.2.00 1
Gerhardstrasse. . „2.2. ...204= 20% Val eh VOSEHOB: #21... 2 ee |
Heinriehstrasse .......: 0... 1
Transport....| 20 Summe....| 33
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser.
2. Steuerbezirk.
1A
Zahl Zahl
Strasse der Strasse der
ı Fälle | Fälle
Transport....| 19
Mandatzasse..232.2 0. nee I 1 Petersenstrasse, grosse ......... ie el
Friedrichstrasse, erste .......... l Sibersackstrasse. 2... sa. en!
Friedrichstrasse, zweite ....... I 2 Drommelstrassen. Mn ara 2
Herrenwerde .. 2.2 ccm useem: 29 ilaubenstmassemee ee 2
Hiormannstrasse .. vn sec. ea. nr Wittenhof Wenn u kess 4
Kastanienallee... ......2..0...« MS Wilhelmstrasser ar an 1
Transport... | 19 Summe....|. 30
3. Steuerbezirk.
Transport....| 14
Eimsbüttelerstrasse............. l Reeperbahn a2... Seren: 1
Heinestrasser lo an l Schmuckstrasse nn meer. | 2
Jagerstrasserer Weeks: 5 Sophlenstrasse sr... ne lem ası. el
Kielenstrasse... 2:20 ae: ss Phalstrasser nn en ee S
Bansereiher war ar I) anal Wilhelminenstrasse . .@......... | 2
Nantenstrassertsge nes sen 3 |
Transport....| . 14 Summe....| 28
4. Steuerbezirk.
Transport....| 21
Altonaerstrasse ........2202000 2 Kampstrassehnn en. me 1
Amandastrassekese 2 Tudwıastrassere 3
Bartelsstrasse re ae. 5 Marktstrasser sr 2 ee. E86
Beckstrasser wer ee 1 Mathildenstrasse ............... Il
Carolinenstrasse. .......22....... 1 Rosenstrasse, NEUE. ............ 6
Central Hotel. 2... B) SEETISTRASSEH ee 10
BeldSstrassen er Nee 2 urnermanoe 0 ae 1
Glashüttenstrasse .............. 2
Transport....| 21 Summe....| 49
Geestlande:
Transport....| 41
Rotherbaum, Eimsbüttel ....... a! Uhlenhorst, Barmbeck, Hohenfelde,
Eppendorf, Winterhude, Borstel, Borsteldes wur | 44
Fuhlsbüttel, Alsterdorf ....... 13 Hamm, Horn, Eilbeck .........: | sl
Farmsent SrInl pa A l |
Transport....| 41 Summe....| 136
78 Dr. J. J. Reincke.
Marschlande:
Zahl Zahl
Strasse der Strasse der
Fälle Fälle
Transport....| 24
Transport. ...106
Allermöhe, Reitbrook............ 6) Reginenstrasse .......... h)
Billwärder a. d. Bille .......... 21 Vierländerstrasse ........ 2
Billwärder Ausschlag: | Rothenburgsort .......... 13
Billwärder Neuerdeich $4 | 2304105
Billhörner Canalstrasse.... 6 Konken wärder 2... nv 40
Billhörner Röhrendamm... 9 Moortleth „Sc een ee 16
Ausschläger Elbdeich...... 4 Moon ee 39
. er .. | e
Bei der grünen Brücke... 1 Ochsenwärder, Tatenberg, Spaden-
Hardenstrasse ..........- 1| land. Moorwärder 2 ee 3
Lindleystrasse ........... 1 Steinwärder, kl. Grasbrook 66
Transport....106 | Veddel, Peute, Entenwärder .... 4
Transport....| 24 Summe....| 361
Amt Bergedorf rer en Ele
Amt Ritzebüttel-Cuxhaven .............. 10
Im Hafen:
Aut Flusss chiften Sa 2 ee Le | 36
AU S@esichTfien re re 2
Im Ganzen....|1729
Das Vorherrschen der Cholera im Hafen und in den Marsch-
landen tritt ohne Weiteres zu Tage; dagegen hat in den einzelnen
Theilen der inneren Stadt kein sehr grosser Unterschied mehr
obgewaltet; doch aber begegnet man in der Liste der befallenen
Strassen bei den höheren Zahlen immer wieder den von früheren
Epidemieen bekannten Namen. In St. Georg waren der Stadtdeich,
der Grünedeich und die benachbarten Strassen (4. Steuerbezirk)
ungleich schwerer befallen als die übrige Vorstadt; im dem ganzen
Gebiete keine Gegend so schwer, wie der Billwärder Neuedeich.
In dem stärker heimgesuchten Geestgebiet waren besonders betroffen
die thatsächlich auf der Marsch belegenen Strassen, Hammerdeich und
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. (9
Borstelmannsweg. Diese Erkrankungen und die Fälle in Billwärder
an der Bille gruppiren sich um den kleinen Nebenfluss der Elbe,
die Bille, an welcher der auch in früheren Epidemieen schon oft
befallene Grünedeich liegt.
Ueber den Beruf der befallenen 697 Männer giebt Kraus
folgende (hier abgekürzte) Zusammenstellung:
FREIE RE en 245
Plamkmenker vers ne een ech ee 150
Handel-, Verkehr- und Gewerbetreibende .......... 67
Wasserverkehr (ohne Auswanderer) ............ 9
EEE DIES EU RE 29%
Verschiedene (einschliesslich 9 Auswanderer) ....... s5
Summe. . 697
Da die Auswanderer von der „Ellwood Cooper“ dem Wasser-
verkehr zuzurechnen sind, kommt also wieder wie in den Jahren
1831 und 1832 etwa der siebente Theil aller erkrankten
Männer auf Leute, welche auf dem Wasser leben. Sehr
nahe stehen ihnen auch die Erdarbeiter, welche beim Bau des
Venloer Bahnhofes beschäftigt waren und stark von der Krankheit
zu leiden hatten. Unter den eigentlichen Seeleuten wurden namentlich
Matrosen befallen, deren Schiffe beim kleinen Grasbrook lagen.
Wenn Kraus am Schlusse hinzufügt, dass von allen Schiffen,
die hier Erkrankungen lieferten, nach ihrer Wegfahrt von hier weder
auf der Elbe noch bei ihrer Rückkehr ein Fall von weiterer Erkrankung
gemeldet sei, so mag das dem strengen Wortlaute nach richtig sein.
Doch können diese Worte leicht irre führen, indem sie den Glauben
erwecken, als wenn alle von Hamburg ausgesangenen Schiffe von
Cholera verschont geblieben seien. Dem war aber nicht so. Kraus
berichtet selbst von dem Auswandererschiff „Elwood Cooper“ mit
312 Insassen, auf dem zwischen Hamburg [Abfahrt 11. Oetober')]
und Cuxhaven 26 Erkrankungen mit 18 Todesfällen vorkamen, und
ich selbst habe damals als Polizeiarzt verschiedene Choleraleichen zu
besichtigen gehabt, die von ausgehenden Schiffen mit Schleppern
') Es ist nicht ohne Interesse, dass dieses Schiff ebenso wie die früher erwähnten
Schiffe „Franciska“ (8. 54), „Lord Brongham“ und „Leibnitz“ (S. 67), Hamburg:
zu einer Zeit verliessen, in der nur noch ganz vereinzelte Choleratälle dort
vorkamen.
80 Dr. J. J. Reincke.
zurückgesandt wurden, weil man in Glückstadt die Annahme der
Leichen verweigerte: am 4. September einen Matrosen vom Schiffe
„Madura“, am 10. September einen Maschinisten vom Dampfer „Goethe“.
Von dem aber, was auf Schiffen auf See passirt ist, erfährt Niemand
etwas genaueres, wenn es sich nicht um Katastrophen wie auf dem
„Leibnitz“ oder der „Elwood Cooper“ u. s. w. handelt.
Vier Wochen später als in Hamburg, am 17. Juli, ereignete
sich der erste tödtliche Fall in Altona bei einem Quaiarbeiter.
Auf derselben Baggerschute, auf der er gearbeitet hatte, kamen
in den nächsten Tagen zwei weitere Fälle vor. Gleichzeitig
erkrankten in der Stadt der Heizer von einem Dampfschiffe und ein
auf dem Grasbrook beschäftigter Arbeiter, drei Tage später ein Haus-
genosse des Letzteren. Die Fälle, welche zunächst folgten, betrafen
entweder in Hamburg beschäftigte Leute, oder kamen von Schiffen
im Hafen. Im Ganzen erkrankten 145 Personen, von denen 102
starben. Von den Erkrankten entfielen 12 auf den Juli, SI auf den
August, 25 auf den September und je 8 auf October, November,
December.
Nach Ursache und Ursprung gruppirt Wallichs!) die Fälle
in folgender Weise:
Wohnen in der Nähe der Elbe oder Beschäftigung
aut Schiene a ae ee 50
Aufenthalt auf Schiffen (durchschnittliche Schifts-
bevölkerune200SKöpte) em ea ee ee 15
AutenthalteinaL-lambures ame Di
Directe oder indirecte Uebertragung in der Stadt,
erschlossen ausörtlichem oder zeitlichem Zusammen-
Dabei ist eine Anzahl von Fällen in den einzelnen Gruppen
mehrfach gezählt.
Nach dieser Zusammenstellung nimmt Bockendahl etwa
die Hälfte der Fälle als „insoweit originär entstanden an, als ihr
Erkranken nicht auf die obengenannten Ursachen zurückzuführen
war“. Nur 14 von diesen Fällen kamen auf den Nordertheil
der Stadt.
') Wallichs: die Cholera-Epidemie des Jahres 1573. Beilage zu No. 91 des
„Altonaer Merkur“ vom 14. Äpril 1574.
Bockendahl: Generalbericht für 1573, S. 35, und Mittheilungen für den
Verein Schleswig-Holsteinischer Aerzte, Neue Folge 1392, No. 2, S. 28.
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. sl
Der Wohnung nach vertheilten sich die Fälle in folgender Weise:
Stadttheil Einwohnerzahl Erkrankungen
Wstercheil2r.r.22.,..:%: 16 739 31
Sudertheil ... ra... 8895 IT
Nordertheil, 2... ....; 16 407 19
Zolleehiet.. >..2..:..:.: 240 1
Südwestertheil ........ 15 992 12)
Nordwestertheil ....... 15 476 23
Obtensen.... 2. 2... 9 277 13
x x | durchschnittlich |
Direct an Schiffen .... ! 200 [ 18
Dem Berufe nach waren unter den Erkrankten 27 Schiffer
und Seefahrer. Nicht wenige Frauen erkrankten nach ihren Männern.
Auch andere Beispiele von mehrfachen Erkrankungen in einer Familie
in Zwischenräumen von 2 bis 3 Tagen werden mitgetheilt. Sehr
reichlich waren die Verschleppungen. Unter den dadurch entstandenen
secundären Herden sind namentlich zu nennen die elbabwärts gelegene
Stadt Wilster mit 44 Fällen und Brunsbütteler Hafen mit 23 Er-
krankungen.
In den theoretischen Erörterungen, die sich an diese Epidemie
und die der Jahre seit 1859 schliessen, spielen die Fragen der Boden-
verunreinigung die Hauptrolle, indessen lässt Wallichs auch die
Möglichkeit offen, „dass das Wasser der Elbe, welches durch fast alle
Auswurf- und Abfallstoffe der grossen Städte Hamburg und Altona
verunreinigt ist und von den Schiffern vielfach getrunken wird, den
Krankheitskeim den dazu Disponirten direct zuführt“.
1892.
Nach dem Jahre 1873 blieb Hamburg 19 Jahre lang von
Cholera frei. In diese Zeiten fallen wichtige Veränderungen: der
Durchstich der Kaltenhofe, die oben erwähnte Ausdehnung der
Wasserversorgung und der Besielung und vor Allem der Zollanschluss
mit der Verlegung der Häfen. Die früher hauptsächlich von der Cholera
heimgesuchten Quartiere der Kehrwieder-Brookgegend, Steinwärder
und der kleine Grasbrook wurden fast völlig von ihrer Bevölkerung
entblösst. Dieselbe, über 20 000 Köpfe umfassend, zum grossen Theil
6
82 Dr. J. J. Reincke,
von der Arbeit an und auf dem Wasser lebend, wurde weit über
die ganze Stadt verstreut. An ihre Stelle traten Menschen, die
meist materiell besser situirten Lebensklassen angehörten, nur Tags
über in jenen Gebieten sich aufhielten, beschäftigt in Comptoiren,
Waarenlagern u. s. w. aber nicht auf dem Wasser.
Der Niederhafen vor St. Pauli, dem Johannisbollwerk, den
Vorsetzen, dem Baumwall, wo früher die Hauptmasse der grossen
Seeschiffe gelegen, ward leer, die benachbarten Stadttheile, die
vorwiegend von diesen Schiffen gelebt hatten, hörten auf der aus-
schliessliche Mittelpunkt des seemännischen Verkehrs zu sein, dagegen
bevölkerten sich die weit stromaufwärts in der Nähe der neuen
Häfen gelegenen Gebiete mehr und mehr.
Nun brach die Cholera auf’s Neue herein, in der Zeit vom
16. August bis 22. November 16 956 Menschen ergreifend, von denen
8605 starben — 26,31 Erkrankungen und 13,59 Todesfälle auf
1000 Einwohner.
Sehe Erkran- | Todes- | Sache Erkran- | Todes-
kungen fälle kungen | fälle
| Transport.. 16791 | 8510
14. Aug. —20. Aug.| 115 3 2. Oct. — 8.0ct.| 101 52
21., „;7==27.5, 8593 | 1259 ie mr 41 26
28... — 8.8ept.1.6157.| 3258 | 16. 7,7222, 14 I
4.Sept.—10. „, 3217 2 1.974.193 5,29. ,; 1 6
ie 3. 2.092) 1.068] 30. ,,7 — 5. Nov. B) 2
12, 24; 1 224 689 6. Nov.—12. „, i) —_
29. 1:06. 399 232
Transport.. 16791 | 8510 Summe... !16956. | 8605
Auf Schiffen erkrankten 387 Menschen und starben 171.
Von Leuten, die im Wasserverkehr beschäftigt waren, erkrankten
969 und starben 507. Die sonstige örtliche Vertheilung ergiebt sich
aus der Darstellung auf Tafel IV. Die vorwiegend von den reichen
Leuten bewohnten Distriete Harvestehude, Rotherbaum, Hohenfelde
blieben am meisten verschont.) Auch die oben erwähnten Kauf-
leute u. Ss. w., welche am Tage in den ehemaligen Hauptcholera-
gegenden sich aufhielten, hatten wenig Erkrankungen. Auf dem
') Auf der Uhlenhorst, wo sehr viele reiche Leute wohnen, werden die günstigen
Zahlen der Strassen im Westen des Winterhuderweges völlig erdrückt durch
die ungünstigen Zahlen der von unbemittelten Leuten bewohnten Osthälfte
des Bezirks.
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 83
nicht zu den Vororten gehörigen und nicht mit Elbwasser versorgten
Geestgebiet ereigneten sich 12 Erkrankungen, in dem nicht städtischen
Marschgebiete 594. Davon kamen auf Veddel (hat Wasserleitung),
Peute, Kaltehofe 478 (109 Todesfälle), auf Waltershof 5, Finken-
wärder 50, Ochsenwärder 17, Moorfleth 9, Moorburg 15, Billwärder
an der Bille 9, übriges Marschgebiet 11. Die Landherrenschaft
Bergedorf hatte 43 Fälle, davon 28 in Kirchwärder, die Land-
herrenschaft Ritzebüttel 5 Fälle.
In dem Schreiben, mit welchem Medicinalrath Kraus dem
Kaiserlichen Gesundheitsamte den Ausbruch der Cholera mittheilte,
hiess es: „Wie gewöhnlich ist zunächst und namentlich
die Gegend an der Elbe befallen.‘ Im Uebrigen verweise
ich auf die demnächst erscheinende ausführliche Darstellung der
Epidemie von Professor Gaffky in den Arbeiten aus dem Kaiser-
lichen Gesundheitsamte und auf die bisher veröffentlichten kürzeren
Mittheilungen. ')
Im Winter, vom 5. December bis 3. März, folgte eine kleine
„Nachepidemie“ mit 65 Erkrankungen und 17 Todesfällen. 17 Er-
krankungen ereigneten sich auf Schiffen.
Altona hatte inzwischen 516 Erkrankungen und 316 Todes-
fälle, von denen etwa 60°/o auf Infection in Hamburg zurückgeführt
werden konnten. Auch hier folgte eine kleine Nachepidemie mit
45 Erkrankungen und 24 Todesfällen.
1895.
Auch über diese Epidemie wird demnächst in den Arbeiten
des Kaiserlichen Gesundheitsamtes eine eingehende Darstellung von
der Hand des Verfassers dieser Zeilen erscheinen. Hier genügt es,
mitzutheilen, dass in der Zeit vom 15. August bis 16. November
202 Personen an Cholera erkrankten, von denen 60 starben. 19 Er-
krankungen kamen auf Schiffe; unter den Befallenen befanden sich
25 Schiffer.
Altona hatte gleichzeitig 14 Erkrankungen mit 10 Todes-
fällen. Die Mehrzahl war auf Infection im Hafen oder in Hamburg
zurückzuführen.
') Reineke: Die Cholera in Hamburg. Deutsche medicinische Wochenschrift.
1893. No. 3, 4, 5.
Bericht des Medicinal-Inspectorates über die medieinische Statistik des
Hamburgischen Staates für das Jahr 1592.
54 Dr. J. J. Reincke.
Zum Schluss dieses Abschnittes lasse ich eine tabellarische
Uebersicht über die sämmtlichen Hamburger Epidemieen und die
Altonaer Epidemieen,
soweit etwas darüber bekannt ist, folgen:
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Cholera. rankungen ) s Todesfälle in\Altona\ \:
——— _— A Bed Finmehner _\;
| | WAREN |
segugtirssatssun nn Gunkenstsesad SERRIRRER SENBESOEENS
Hamburg.
Juanhır Einwohner | Erkrankt | Gestorben er E orben
00 00
Sole | 173 943 940 498 > 2,56
EP TE ER 175220 3 349 1.652 19,31 9,45
1893 ven 176 498 ? 48 -— 0,27
Saar 17727708 ? 155 -- 0,87
ES 179 055 ? 5 — 0,04
RIO 180 715 ? 16 -. 0,09
TB3a SE tel, 182318 ” 209 — 1.45
NE oe 210 024 3687 1765 17,56 7,45
on 208 959 1919] 593 9,70 2,54
1 Kara) Fre RE 210710 794 440 3,17 2,09
SD. 2254.02 558 sol 2,48 1,34
1 Ko Ro 228 952 478 au] 2,09 1,36
ee 231 604 2983 204 1,52 0,88
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 85
Jahr Einwohner Erkrankt | Gestorben an a
/00 -/00
1 Serie 233 880 121 78 0,52 0,33
Ro Ze 237 043 765 491 3,23 2,07
Toys... .. 241 967 2 ? 0,03 —
1110) oo 245 095 2586 1285 10,55 5,24
BHO... 273 484 2 254 1158 8,24 4,23
ke a er ee 285 057 ? 1 — 0,26
} oh IN We de 324 161 NUDE 141 0,53 0,43
Reize 348 127 1729 1005 5,00 2,89
Ne A 637 686 16 850 8576 26,32 | 13,44
VEI3 Pan 647 479 202 60 0,31 0,09
Altona.
ESS Aa en E29000 22 Cl) 0,88 0,60
a c. 25 000 ? 100 ? 4,00
ODER, MI et 44 923 313 165 8,29 3,67
1860 Su... 60 167 152 82 2,19 1,36
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SB AN 2, 13.816 ? 105 % ? 1,43
SEN IE EI SEHEN 702025 145 102 1,86 1,91
1 16 A A Er ERBEN 149 074 516 316 3,81 2,13
1895 2) LER: 151 487 14 10 0,09 0,06
Nach allen mitgetheilten Thatsachen bedarf es wohl keiner
weiteren Ausführung, dass die Cholera-Epidemieen in Hamburg in allen
Jahren, über die wir nähere Nachrichten besitzen, ihren Ausgangs-
punkt an der Elbe genommen haben, und dass die der Elbe zunächst
gelegenen Gebiete schwerer als die übrige Stadt von der Krankheit be-
troffen wurden. Auch kann als feststehend angesehen werden, dass es
von dem ersten Erscheinen der Krankheit im Jahre 1831 an nicht an
Aerzten gefehlt hat, welche die Verbreitung derselben mit dem Ein-
fluss des Elbwassers zum Theil sogar mit dem Genuss des Wassers
') Der Berechnung sind die im Statistischen Handbuch für den Hamburgischen
Staat, Vierte Auflage 1S91, S. 17, Tabelle 10, Reihe 3 angegebenen Bevöl-
kerungszahlen für das jedes Mal vorhergehende Jahr, welche-nicht mit dem
sonst in Text mitgetheilten Zahlen der früheren Autoren durchaus stimmen,
zu Grunde gelegt. Die Zahlen der Altonaer Bevölkerung danke ich der
Güte des Herrn v. Wobeser in Altona.
6 Dr. J. J. Reincke.
in Zusammenhang brachten. Aber ihre Ansicht wurde immer wieder
zurückgedrängt durch andere Meinungen, vor Allem durch die Lehre,
dass die Verbreitung der Cholera vorwiegend von der Beschaffenheit
des Bodens, auf dem die menschlichen Wohnungen stehen, abhängig
sei. Die der Elbe nahen Bezirke lägen auf Marschboden, die
ferneren und mehr verschonten Bezirke auf der Geest, aus dieser
verschiedenen Beschaffenheit des Untergrundes sei die örtliche Ver-
theilung der Cholera zu erklären; je höher die Bezirke auf der Geest
lägen wie Altona, desto freier seien sie. Auch ich bin früher dieser
Meinung gewesen, die Erfahrungen des Jahres 1892 und die in
dieser Arbeit niedergelesten Thatsachen aber haben mich eines
Anderen belehrt.
Wäre der Marschboden als solcher der Hauptausgangspunkt
der Cholera-Infeetionen, dann sollten doch wohl auf ihm sich auch die
meisten Erkrankungen finden. Aber das ist nicht der Fall, sondern
die Cholera-Frequenz auf den Schiffen war in allen Epidemieen noch
ungleich höher als in irgend einem Theile der Stadt.
Ueber die Grösse der Schiffsbevölkerung liegen erst Zahlen
seit 1866 vor. Damals betrug dieselbe rund 2900 Köpfe’), das giebt
für die Epidemie jenes Jahres ‚bei 110 Erkrankungen auf Schiffen
38,0 °/oo, während der schwerst befallene Stadttheil, der Stadtdeich,
7,71 °/oo Todesfälle, also unter der allgemein angenommenen Voraus-
setzung, dass im Durchschnitt 50°/o der Erkrankten sterben, etwa
15,5 °/oo Erkrankungen hatte.
1873 war die Schiffsbevölkerung nur etwa 2500 Köpfe stark,
wohl in Folge des Zunehmens der Dampfschiftfahrt, welche im Ver-
hältniss weniger Schiffsbemannung erfordert als die Segelschifffahrt.
Bei 107 Erkrankungen auf Schiffen ergeben sich hiernach 42,8 °/oo,
während der schwerst betroffene Stadttheil, der Billwärder Ausschlag,
12,82 °/oo Todesfälle, also etwa 25,6 ”/oo Erkrankungen hatte.
1892 erkrankten auf Schiffen 387 Leute bei rund 4500 Schifts-
bewohnern — 86,0 °/oo Erkrankungen gegenüber 27,50 °/oo Todesfällen
auf der Veddel, also etwa 55,0 °/oo ausgesprochener Erkrankungen.?)
!) Statistisches Handbuch für den Hamburgischen Staat. III. Auflage 1555, 8. 16.
?) Nach dem Jahresbericht des Medicinal-Inspectorates für 1592, Tabelle 35 a,
ergiebt sich allerdings für die Veddel, die Peute und die Kaltehofe eine er-
heblich höhere Erkrankungsziffer bis zu 140 °/oo. Das kommt daher, dass von
den Arbeitern des Unternehmers Vering, die dort am Bau der neuen Häfen
u. s. w. arbeiteten, auch alle ganz leichten Erkrankungen gemeldet wurden,
die in den übrigen Distrieten nicht mitgezählt sind. So sind für jene
Gebiete ganz exceptionelle Erkrankungszahlen entstanden.
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 87
Für die früheren Jahre ist eine genaue Berechnung unmöglich;
indessen selbst wenn man auch für diese Jahre bis 1831 zurück
unverändert eine Schiffsbevölkerung in derselben Grösse wie sie um
1866 bestand, von rund 3000 Köpfen, annehmen wollte, wird man
in jedem Jahre auf Zahlen kommen, die höher liegen, als die irgend
eines Gebietes am Lande.
Jahr Zahl der Fälle Jahr Zahl der Fälle
SE RER 41 Fälle = 13,7 %/oo | 1854..... ' 30 Fälle = 10,0 %oo
SD les a 10,0,
ER TERN ae ee
1849... ee ee Be, od
SON ae dB | 1859. u ee
5 BE ls |
Nun ist freilich nicht zu vergessen, dass während einer
längeren Epidemie die Schiffsbevölkerung sich ausgedehnt erneuert,
so dass thatsächlich im Hafen mehr Leute der Gefahr ausgesetzt
sind, als die Zählung an einem bestimmten Tage ergiebt. Dafür
fehlen aber auf den meisten Schiffen fast völlig die kleinen Kinder,
die Schwachen, Alten und Kranken, die auf dem Lande ein so grosses
Kontingent zu den Cholera-Erkrankungen liefern. Auch ist daran zu
erinnern, dass gerade die schwersten Hafenepidemieen, 1848 und 1892,
in recht kurzer Zeit verlaufen sind, so dass der Wechsel im Personen-
bestande nicht allzu gross sein konnte. Vergegenwärtigt man sich
dann ferner, wie viele Erkrankungen in der Stadt Leute betroffen
haben, die auf dem Wasser arbeiteten und jedenfalls dort infieirt
wurden, — ich erinnere nur an die Zahlen der erkrankten Schiffer
und der sonst im Wasserverkehr beschäftigten Leute, die oft ein
Zehntheil bis ein Siebentheil aller Erkrankungen ausmachten, ferner
an die Erdarbeiter am Flussufer, die Arbeiter auf Schiffen, Baggern,
Werften, Quais u. s. w. — dann kann gar kein Zweifel mehr darüber
bestehen, dass der eigentliche Herd der Seuche nicht auf dem Marsch-
boden, sondern auf dem Wasser selbst zu suchen ist. Dort aber
wird man doch nicht von dem Untergrund im Sinne irgend einer
Bodentheorie sprechen wollen. Vielleicht könnte man dafür den
Kielraum und das Bilschwasser der Schiffe in Anspruch nehmen.
Das hätte zur Zeit der Holzschiffe vielleicht noch mit einem Schein
von Berechtigung geschehen können; seitdem die Mehrzahl der Schiffe
aus Eisen besteht und kaum noch Bilschwasser hat ausser der
Maschinenbilsch auf Dampfschiffen, ist auch diese Annahme hinfällig.
33 Dr. J. J. Reincke.
Allerdings sind unsere ländlichen Marschdistricte in allen
Epidemieen ganz ungleich schwerer befallen worden, als die ländlichen
(eestdistriete. Aus dem, was ich oben über die verschiedene
Wasserversorgung beider Gebiete gesagt habe, erhellt aber schon
zur Genüge, um wie viel leichter als die Geest das Marschgebiet
einer Infection seiner Wasserbezugsquellen ausgesetzt ist. Infectionen
einzelner Brunnen auf der Geest, wie 1867 in Altona auf Gählers-
platz (S. 68) und 1873 in Ottensen im „Langen Jammer‘‘'), sind der
Natur der Sache nach verhältnissmässig seltene Vorkommnisse und
in ihren Wirkungen örtlich begrenzt, während die vielen Wasserläufe
der Marsch viel leichter verunreinigt werden als Brunnen und ihre
etwaigen schädlichen Wirkungen auf viel weitere Kreise ausbreiten.
Nimmt man dazu, dass unsere Marschen als Hauptlieferanten
der Gemüse und der Milch in besonders regem Verkehr mit der
Stadt stehen, dass dieser Verkehr sich vorwiegend zu Wasser voll-
zieht, dass die Bewohner gerade der am schwersten heimgesuchten
Marschdistriete auch ihren Beruf auf dem Wasser haben, die Finken-
wärder bei der Fischerei, die Deicher auf den Holzhäfen, so wird
man nicht anstehen, die Hauptquelle der Cholera dort in allen diesen
vielfachen Beziehungen zum Wasser zu suchen und nicht in den Ver-
hältnissen eines ständig feuchten Untergrundes, dessen Grundwasser
ganz von den Wasserständen der Elbe abhängig ist.
Des Weiteren ist die Cholera von Anfang an nie so auf
den Marschboden beschränkt gewesen, wie oft behauptet wird.
Der „tiefe Keller‘, in dem 1831 die Krankheit zuerst auftrat
und einen intensiven Herd bildete, lag auf der Geest, das in allen
Epidemieen stark heimgesuchte Süd-St. Pauli ist bis auf einen schmalen
Ufersaum hohe Geest; dasselbe gilt von verschiedenen stets befallenen
Strassen im Südertheil der Neustadt. Auf der östlichen Geesthöhe,
in der Steinstrasse, Spitalerstrasse, Rosenstrasse bis zum Strohhause
hin sind von 1831 her in jeder Epidemie sehr viele Erkrankungen
vorgekommen. Und ähnliche Beispiele liessen sich leicht vermehren
von den Gängen in der Neustadt und St. Georg, wie vom Grindel
und Hohenfelde.
Aber diese gehäuften Erkrankungen auf hoher Geest traten
allerdings nur auf in dem Maasse, wie Einschleppungen vom Hafen
oder von secundären Herden möglich waren und örtliche Bedin-
gungen vorlagen, welche einer weiteren Ausbreitung der Krankheit
Vorschub Jeisteten. Die engsten Beziehungen zum Hafen waren
) Koch: Die Cholera in Deutschland während des Winters 1592/93. Zeit-
schrift für Hygiene und Infectionskrankheiten. Bd. XV.
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 89
vorhanden in den Südtheilen von St. Pauli und von der Neustadt, die
geringsten in den Nordtheilen von Altona. Dazwischen gab es alle
erdenklichen Abstufungen; unter diesen waren jedenfalls auch: in
entfernteren Gegenden die Beziehungen zum Hafen am innigsten
dort, wo am meisten Arbeiter wohnten; und das waren gerade die
oben genannten Gebiete des Jacobikirchspiels und einzelne Gegenden
der Neustadt wie St. Georg’s. Gleichzeitig boten die Gänge und
Höfe, die Buden und Sähle gerade dieser Quartiere mit ihrer oft
dicht gedrängten, armen und unsauberen Bevölkerung die besten
Bedingungen zur weiteren örtlichen Ausbreitung der Krankheit.
Nun Könnte man einwenden, dass die schon seit 1831 her
befallenen Gebiete auf der Geest uralte Wohnquartiere seien, deren
Untergrund im Lauf der Zeiten durch organische Abfallstoffe jeden-
falls ebenso verunreinigt sei wie der Marschboden. Das hätte
vielleicht berechtigt erscheinen können bis 1892. Inu diesem Jahre
aber wurden die entfernten Geestvororte so schwer befallen, wie
ehedem Brook und Kehrwieder. Und doch waren die dort ergriffenen
Strassen meist erst in den letzten Jahren neu erbaut, direct in das
freie Feld hinein, auf reinem Sand. Keines der grossen Etagenhäuser
hatte dort gebaut werden dürfen, ohne dass Siele in der Strasse
lagen. Wie kann man da den Untergrund beschuldigen ?
Wenn die Cholera im Laufe der Jahre sich immer weitere
Gebiete der Geest eroberte, so ist das allerdings zu einem guten
Theil dadurch zu erklären, dass die Stadt überhaupt wuchs, dass
Gebiete, welche bisher nur von einzelnen reichen Leuten im Sommer
bewohnt waren, allmählich auch von den ärmeren Klassen dauernd
besiedelt wurden, so namentlich die Vororte nach der Aufhebung der
Thorsperre im Jahre 1861, und dadurch, dass mit den wachsenden
Verkehrserleichterungen die Menschen sich immer mehr daran
gewöhnten, fern von ihrer Arbeitsstätte zu wohnen. Dass ein Arbeiter
vom Grasbrook in Barmbeck wohnte (S. 54) war 1855 gewiss noch
eine Seltenheit, jetzt aber, zumal seit dem Zollanschlusse mit seiner
gewaltigen Verschiebung von Menschen, sind solche Verhältnisse
ungemein häufig.
Ebenso ging es mit Altona. 1831 und 1832 stand Altona
unter Dänischem Regiment, die Stadt hatte wie Hamburg ihre Thor-
sperre, zwischen beiden lag der zum grossen Theil noch unbebaute
Hamburger Berg, es gab weder Droschken noch Omnibus, weder
Freizügigkeit noch überhaupt eine grosse Arbeiterbevölkerung, wohl
aber Zunftfesseln und Beschränkungen aller Art. Die Beziehungen
zwischen beiden Städten beschränkten sich im Wesentlichen auf den
90 Dr. J. J. Reincke:
Kleinverkehr an der St. Pauli Grenze, auf den Zusammenhang der
Altonaer Kaufmannschaft mit der Hamburger Börse und auf einzelne
persönliche Anknüpfungen. Jetzt sind beide Städte eng mit einander
verwachsen, Eisenbahn, Dampfschiffe, verschiedene Pferdebahnen,
Fuhrwerk aller Art und ein gewaltiger Fussverkehr unterhalten ein
beständiges Hinüber- und Herüberfluthen der Bevölkerung, ein sehr
grosser Theil der Einwohner Altonas arbeitet auf Hamburger Boden.
Und das Ergebniss von dem allen ist, dass 1831 in Altona ein Fall
auf Hamburg zurückgeführt wurde, 1892 etwa 60 °/o aller Fälle.
Dieses Beispiel von Altona zeigt aber auch die Grenzen des
blossen Verkehrseinfiusses bei Ausbreitung der Cholera. In vielen
unserer Fpidemieen mag damit das Meiste erklärt sein, aber nicht
1892. In diesem Jahre hatte Altona 2,13 °/oo Todesfälle an Cholera,
die hart daneben liegenden Theile Hamburgs über 10 bis 12 °/oo,
darunter Nord-St. Pauli und Eimsbüttel, die einst fast ebenso frei
gewesen waren wie Altona. Da mussten in Hamburg noch
weitere örtliche Verhältnisse zur Wirkung gekommen sein, und die
sind nur in der Wasserleitung zu finden.
Wo die Krankheit mit solcher Allgewalt hereinbricht wie
im August 1892, nicht allmählich vom Hafen aus fortschreitend, wie
wohl in früheren Jahren, sondern mit einem Schlage das ganze
Stadtgebiet überwältigend, bis scharf an die örtlichen Grenzen der
Wasserleitung‘), da kann eben nur diese Wasserleitung es gewesen sein,
die den bei jeder Epidemie im Hafen vorhandenen Infectionsstoff
dieses Mal in wenigen Tagen über die ganze Stadt ausgegossen hat.”)
Auf die vielen näheren Beweise für diese Behauptung will ich hier
nicht näher eingehen, da dieselben von Professor Gaffky eingehend
bearbeitet sind.?)
!) Vergl. Tafel V der demnächst erscheinenden Arbeit Gaffky’s.
2) Diese gewaltige Explosion mit der Münchener Epidemie von 1854 in eine
Linie zu stellen, wie v. Pettenkofer es thut (1. Ueber die Cholera von
1592 in Hamburg. München und Leipzig 1593 und 2. Cholera-Explosionen
und Trinkwasser. Münchener medicinische Wochenschrift 1894. 8. 221)
scheint mir nicht angängig. v. Pettenkofer sagt, dass die Münchener
Epidemie ebenso anstieg und fiel, wie die Hamburger Epidemie (1. S. S).
„Dies wird am deutlichsten, wenn man auf nebenstehender Tafel (dem
Diagramm beider Epidemieen) die Münchener Epidemie bis zum 16. August
mit einem Blatte Papier bedeckt und dann die beiden Epidemieen vergleichend
betrachtet.“ Ja “Wenn‘“! Die Münchener Epidemie hatte bereits am 27. Juli
begonnen und war bis zum 16. August allmählich schon ganz ansehnlich
gestiegen. Ueberdies rückte nach v. Pettenkofer’s eigener Darstellung
(Untersuchungen und Beobachtungen über die Verbreitungsart der Cholera,
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 91
Hiernach erübrigt die Frage, ob auch bei früheren Epidemieen
ähnliche Einflüsse der Wasserleitung nachzuweisen sind. Der Natur
der Sache nach kann die Antwort nur sehr unbestimmt ausfallen,
da die früheren Berichte dazu nicht eingehend genug sind und da in
früheren Epidemieen die Aufmerksamkeit nie ernstlich auf diese Frage
gerichtet gewesen ist. Wissen wir doch nach aller Theorie, wie auch
nach den Erfahrungen des Jahres 1892, dass auch bei gleichmässiger
Aussaat der Keime über ein Wasserfeld, die Erkrankungen darum doch
nicht überall in demselben Verhältniss zur Kopfzahl der Bevölkerung
auftreten. Das allein kann bei Beurtheilung von Epidemieen, die
bis über 60 Jahre hinter uns liegen, nur zu leicht auf Irrwege
führen. 1893 hatten wir eine ganz kleine Epidemie, bei der ohne
München 1555) in dem 6 Mal kleineren München die Cholera von Osten
nach Westen langsam fort, am 11. August hatte die Krankheit ihren Höhepunkt
in der Ludwigstrasse, am 4. September in der Schleissheimerstrasse (S. 20),
einmal wird dieses Fortschreiten von Osten nach Westen direct als „Fort-
schleichen‘ bezeichnet.
Wenn man solche Epidemieen und die drei Steigerungen im Verlaufe der
Münchener Epidemie von 1573/74 schon als Explosionen bezeichnet, dann
bleiben wenig Epidemieen über, die man nicht mit diesem Namen belegen
könnte. Man vergleiche auf der Abbildung am Schlusse dieser Arbeit das
Diagramm der Epidemie von 1592 mit dem Diagramm der Epidemie von
1532, um das charakteristische Bild eines explosionsartigen Verlaufes zu
gewinnen. An diesem Bilde sollte man für den Namen festhalten. Natürlich
giebt es Uebergangsformen z. B. im Jahre 1848.
3) Die folgende Beobachtung bietet eine ganz lehrreiche Analogie. Am 29. August
1572 war plötzlich das Altonaer Leitungswasser ganz erfüllt von lebenden
Cyelopiden, kleinen kaum 1 mm grossen Krebsthieren. Die Erscheinung hielt,
langsam abnehmend, reichlich S Tage lang an, noch am 4. September sah man
in jedem der Leitung entnommenen Glase Wasser 6 bis S der Thierchen umher-
schwimmen. Nach den Feststellungen des damaligen Directors des Wasserwerkes,
Herrn Salzenberg, war anlässlich baulicher Veränderungen in der Nacht
vom 23. zum 29. August das Wasser auf kurze Zeit nicht von den Filtern
durch das Reinwasser-Bassin zur Stadt geleitet, sondern unter Umgehung
des Reinwasser-Bassins durch eine für gewöhnlich nicht benutzte 16zöllige
Leitung von 400 Fuss Länge, die mit einem offenen „Brunnen“ in Verbindung
stand. In diesem Rohr hatte seit längerer Zeit Wasser stagnirt, das bei
diesem Anlasse mit in die Leitung gelassen werden musste. Aus dieser
ruhenden Wassermasse stammten offenbar die Thierchen, die durch ihre
enorme Vermehrungsfähigkeit bekannt sind. Da der ganze Vorgang in der
Nacht stattfand, wo in der Stadt kein Wasser konsumirt wird und daher jeder
stärkere Strom in der Leitung fehlt, gelangten die Thierchen nicht nur in
das Rohrnetz, sondern auch rückwärts in das Reinwasser-Bassin. Daraus erklärt
es sich wohl, dass sie nicht rascher wieder aus der Leitung verschwanden.
92 Dr. J. J. Reincke.
Zweifel die Wasserleitung ganz entscheidend betheiligt war.!) Etwaige
Vorkommnisse der Art, selbst erheblich bedeutenderer Art in früheren
Jahren sind platterdings jetzt nicht mehr nachzuweisen. Vielmehr
können selbstverständlich nur recht grobe Vorgänge auf diesem Gebiet
jetzt noch erkenntlich sein.
Zur Prüfung dieser Frage will ich die verschiedenen Wasser-
leitungen nach einander durchsprechen und beginne mit den Feld-
brunnenleitungen, die also unverdächtiges?) Wasser führten. In
manchen der von diesen Leitungen versorgten Strassen (siehe Tafel I)
wohnten Reich und Arm durcheinander, aber nur die Reichen hatten
die Mittel sich das bessere Wasser zugängig zu machen. So konnten
solche Strassen wohl mehrfache Erkrankungen haben, ohne dass jetzt
noch irgend Jemand entscheiden könnte, ob der Erkrankte Interessent
der Leitung gewesen ist oder nicht. Im Ganzen blieben. jedenfalls
die von den Feldbrunnenleitungen versorgten Strassen mehr verschont.
Aber die Interessenten waren die reichen Leute, die in der
ganzen Welt verschont bleiben, auch da wo derartige Besonderheiten
in der Wasserversorgung nicht vorliegen. Bei ihnen müssen offenbar
noch andere Faktoren mitspielen, die wir einstweilen unter dem Begriffe
der „individuellen Disposition‘ unterbringen. Auch die Leute im Alter
von etwa 5 bis 25 Jahren erkranken ja nicht darum viel seltener
und wenn sie erkranken nicht darum viel seltener tödtlich, als die
Angehörigen anderer Altersklassen?) weil sie weniger mit dem
!) Ich verweise auf den demnächst erscheinenden schon früher erwähnten aus-
führlichen Bericht.
2) Nach dem 8.7 Mitgetheilten kann der Deichstrassen-Feldbrunnen zeitweilig
auch verdächtiges Wasser geliefert haben.
®) Jahresbericht des Medicinal-Inspectorates f. 1892 85.31, Nessmanna.a.O. 8.51.
Nach Rothenburg a. a. O. Tabelle 3 starben 1532 von 100 Erkrankte
im Alter von 1 Jahr 57,7, von 1—10 Jahre 65,9, von 11—20 Jahre 37,5, von
21—30 Jahre 37,5, von 31—40 Jahre 42,5, von 41—50 Jahre 50,3, von
51—60 Jahre 62,6, von 61—70 Jahre 75,3, von 71—SO Jahre 73,3, von
81—90 Jahre 77,7.
Für 1548 (berechnet nach Buek senr.) und 1592 ergeben sich folgende
Zahlen auf 100:
Alters- Erkrankungen Todesfälle | Alters- Erkrankungen Todesfälle
klassen | 1848 | 1892 | 1848 | 1892 | Klassen | 1848 | 1892 | 1848 | 1892
0-5. J.| 13,6 | 323.085 1943 19550... .23,12.| 30.17 99.128
5-15 ,| 90:| 1411| 39 | 63 150—70 „| 25,4 | 29,9 | 15,9 | 20,5
15—25 „| 11,1 | 15,6 | 3,5 | 5,9 lüber7o „| 86,7 | 34,6 | 29,1 | 26,8
Siehe auch die Berechnungen bei Franke, die Cholera-Epidemie in
München in den Jahren 1873/74, München 1875, S. 113.
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 93
Infectionsstoff in Berührung kommen als jene, sondern weil sie durch
anderweitige uns noch unbekannte Einflüsse geschützt oder weil die
Anderen durch andere uns noch unbekannte Einflüsse erhöht gefährdet
sind. Wären die Menschen nicht verschieden disponirt, dann wären 1892
beim Ansteigen der Epidemie wohl verhältnissmässig nur Wenige ver-
schont geblieben, denn die Parole „Wasserkochen“ ward erst allge-
mein ausgegeben, als die Höhe fast schon überschritten war.') Auch die
Infeetionsversuche an Menschen, die ausser von Macnamera durch-
gehend an Personen angestellt wurden, welche den weniger disponirten
Gesellschaftsklassen angehörten, haben uns ja bestätigt, dass nicht jeder
infieirt wird, der Bacillen geschluckt hat und dass nicht jede Infeetion
zum asphyetischen Stadium der Krankheit oder gar zum Tode führt.
Aus dem Verhalten der Strassen mit Feldbrunnenleitungen lassen sich
daher Schlüsse nicht ziehen.
Nicht viel mehr lässt sich vom Einfluss der Alsterwasser-
künste sagen. 1831 waren die Gebietstheile der Stadt, welche in
die Alster entwässerten, nur wenig von Cholera heimgesucht. Es ist
also nicht unmöglich, dass die damalige Annahme, dass das Alster-
wasser ungefährlicher gewesen als das Elbwasser (siehe S. 25) seine
Richtigkeit hatte. Umgekehrt waren im Jahre 1832 die von den
Alsterwasserkünsten versorgten Gebiete schwerer betroffen als die
Nachbarschaft (siehe Tafel VI und VII). Auch 1848 waren die
längs der Alsterausflüsse belegenen Stadttheile ganz besonders schwer
befallen (das dritte Bataillon siehe S. 44), doch lässt sich jetzt um
so weniger entscheiden, ob daran das Wasser der Alsterwasserkunst
Schuld gewesen, als inmitten der Epidemie Elbwasser an Stelle des
Alsterwassers in die Leitungen gelassen wurde. In späteren Jahren
kommt das Alsterwasser nicht mehr in Betracht.
Wie die Alsterwasserkünste versorgte auch die Bieber’sche
Elbwasserkunst nur einzelne Interessenten und einzelne öffentliche
Brunnen, und man kann jetzt nicht mehr übersehen, von welcher
Bedeutung sie für die Gesammtbevölkerung ihres Bereiches gewesen
') Am 26. August erschien zuerst eine vom 25. datirte Bekanntmachung der
Polizei-Behörde, in der sie zum Wasserkochen auffordert. Eine erneute
Bekanntmachung vom 30. August wird mit dem Satze eingeleitet, dass
die Warmung das Leitungswasser ungekocht zu geniessen, wie täglich
wahrgenommen wird, noch vielfältig unbeachtet bleibt. Die erste Aufforderung
zum Wasserkochen abseiten der inzwischen eingesetzten Cholera-Commission
des Senates datirt vom 1. September. Erst an diesem Tage beginnen in den
Zeitungen die täglichen fettgedruckten Aufforderungen kein ungekochtes
Wasser zu geniessen. — Die schwersten Epidemietage waren der 27. und
30. August.
94 Dr. J. 2Reincke,
ist. Jedenfalls scheint das Jahr 1848 einen gewissen Verdacht gegen
dieses Werk zu rechtfertigen, wie ich oben (S. 46) schon erwähnt
habe, während es bei den übrigen Epidemieen völlig dahingestellt
bleiben muss, ob und in wie weit sie betheiligt war.
Die Smith’sche Wasserkunst kommt nur für die Epidemieen
von 1848 bis 1853 in Betracht, von denen wir allein die achtund-
vierziger näher kennen. Ob die Kunst damals an der Ausbreitung der
Krankheit Theil genommen (siehe S. 46), muss eine unbeantwortete
Frage bleiben. Dass Nord-St. Georg dieses Mal schwerer als sonst
befallen wurde, spricht dafür; dagegen entstehen Zweifel aus der
verhältnissmässig geringen Zahl von Todesfällen im Nordertheile
der Altstadt.
Die Stadtwasserkunst brachte zweifellos in den ersten
Jahrzehnten ihres Bestehens bis nach 1873 vielen ihrer Konsumenten
besseres Wasser als sie bisher gehabt hatten. Das gilt namentlich
von den Südertheilen der Altstadt und der Neustadt, die an Stelle
von Hafen- und Flethwasser jetzt reineres Wasser aus dem oberen
Flusslauf erhielten. Daraus, wie aus der gleichzeitig eingeführten
besseren Beseitigung der Fäkalien, dürfte es zu erklären sein, dass auch
bei schwereren Infeetionen des Hafens die Epidemieen in der Stadt
von nun an bis einschliesslich 1873 immer leichter verliefen als früher.
Aus demselben Grunde werden wahrscheinlich die Unterschiede zwischen
Nord und Süd in der inneren Stadt in Bezug auf die Häufigkeit der
Erkrankungen nach 1848 erheblich geringer geworden sein.
Ob darum das Wasser der Stadtwasserkunst in allen Epidemieen
vor 1892 völlig frei gewesen, ist freilich eine andere Sache. Ich
lege kein zu grosses Gewicht darauf, dass 1853, 1859 und 1873 auch
Ortschaften im Bereiche der Schöpfstelle, Rothenburgsort und Moor-
fieth, Erkrankungen gehabt haben, weil wir nicht wissen, wie und
wo die Leute inficirt wurden, ob in der Stadt, ob aus den Marsch-
gräben oder aus dem freien Strom. In dem einzigen Jahre, aus
dem wir einige Nachrichten über diese Fälle haben, in dem Jahre 1875,
werden sie als eingeschleppt bezeichnet (Kraus). Dagegen mache
ich auf die immer weitergehende örtliche Ausbreitung der Krankheit
aufmerksam, wenngleich auch hier grosse Vorsicht in der Beurtheilung
geboten ist. 1859 scheint der obere Alsterlauf infiecirt gewesen zu sein
(Eppendorf, Winterhude, Gross Borstel, Fuhlsbüttel, Klein Borstel,
Alsterkrug, Ohlsdorf, Langenhorn), so dass die höheren Erkrankungs-
zahlen in den Geestlanden in diesem Jahre, in dem zuerst auch Theile
der jetzigen Vororte Leitungswasser erhielten, erheblich zusammen-
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 95
schrumpfen, wenn man diese ausserhalb des Bereiches der Leitung
entstandenen Fälle abzieht.
Ueber die Erkrankungen in den Geestlanden während der
Epidemie von 1866 fehlen leider alle Einzelangaben; aber die That-
sache, dass dort jetzt 154 Fälle vorkamen, gegenüber 120 in der
grösseren FEpidemie von 1859, lässt erkennen, dass die Krankheit
inzwischen bessere Verbreitungswege gefunden, die vielleicht nicht
allein durch den Zuwachs der Bevölkerung zu erklären sind.
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1873. 1892. 1998.
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Schliesslich 1873. Die Zahlen dieses Jahres sind überall so
niedrig, dass nicht allzu viel aus ihnen zu schliessen ist. Vielleicht
ist es aber doch nicht Zufall, dass die damals kaum oder garnicht
von der Wasserleitung berührten Distriete Eppendorf und Winterhude
nur halb so viele Erkrankungen auf 1000 Einwohner hatten, als der
leichtest befallene Vorort mit Wasserleitung und dass andererseits
die weitaus am schwersten betroffene Strasse, der Billwärder Neue-
deich, noch auf die Elbe und nicht auf das Leitungswasser an-
gewiesen war.
96 Dr. J. J. Reincke.
Wäre das Leitungswasser in irgend einer dieser Epidemieen
je völlig frei gewesen, dann hätte der Verlauf derselben wohl noch
günstiger sein müssen, als es thatsächlich der Fall war.
Dass dann 19 Jahre später, 1893, das Wasser inficirt gewesen
und dass dazu die Bedingungen jetzt viel günstiger waren als
vorher, braucht nach dem früher Gesagten nicht weiter erörtert
zu werden.
Die vorstehende Zeichnung ') bestätigt diese Ausführungen.
In den Jahren, in denen das Trink- und Nutzwasser in der Stadt
am schlechtesten war, 1831, 1832 und 1892, war zwar auch der
Hafen viel schwerer befallen als die Stadt, aber doch nicht in dem
Verhältniss, wie in den Jahren während welcher die Stadt-Wasser-
kunst relativ besseres Wasser lieferte, wie namentlich in 1849 und 1873.
Etwas sicherer können wir wieder über den Einfluss des
Altonaer Wasserwerkes auf einige Epidemieen urtheilen. Dabei
ist es wohl überflüssig, des Weiteren von dem Schutz zu reden, den
die Sandfiltration der Stadt gewährt hat, sondern ich will gerade
umgekehrt an das S. 12 Gesagte erinnern, dass die Filter nicht immer
Vollkommenes geleistet haben und dass, soweit wir es aus den vorliegen-
den Nachrichten übersehen können, erst seit dem Bestehen des Wasser-
werkes auch in Altona Epidemieen, wenn auch immer nur schwache
Epidemieen, vorgekommen sind, welche sich über das ganze Stadt-
gebiet ausgebreitet haben. Die Epidemie von 1871 ist schon von den
zeitgenössischen Beobachtern auf das Leitungswasser zurückgeführt
worden (S. 69), desgleichen der Ausbruch der Krankheit im Winter
1892— 1893 °); dasselbe lässt sich mit mehr oder minder Wahrscheinlich-
keit von der Epidemie von 1859 muthmassen (S. 12, 60). Selbst im
Sommer 1892 dürften die Filter nicht durchgehend fehlerfrei gearbeitet
haben, denn über die ganze Stadt verstreut kamen doch an 200 Erkran-
kungen vor, die nicht auf Hamburg zurückgeführt werden Konnten.
Wenn somit die Geschichte aller Epidemieen Hamburg-Altonas
auf die Beziehungen zum Wasser hinleitet,*) so soll man sich doch
1) Nach den Zahlen auf S. S4 u. 87. °
?) Koch: Wasserfiltration und Cholera a. a. O.
») Auch in mancher anderen Stadt scheint mir eine erneuete Nachprüfung der
früheren Epidemieen in Hinsicht auf ihre Beziehung zum Wasser mit „dem
Glauben, der dem Wissen vorausgeht“ (v. Pettenkofer: Münchener
medieinische Wochenschrift 1594. S. 251) sehr erwünscht.
Die Nürnberger Epidemie von 1854 wird oft als Beweis für den
entscheidenden Einfluss des Untergrundes angeführt, weil die Lorenzer Seite
auf dem linken Pegnitzufer, welche auf einer 20 bis 40 Fuss mächtigen
Sandschicht (Keupersand) liegt, fünfmal mehr Menschen an Cholera verlor,
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. an
andererseits erinnern, dass die alte Lehre von der Bedeutung des
Wassers für die Epidemiologie der Cholera wohl nie so stark
erschüttert worden wäre, wie es thatsächlich und namentlich in
Deutschland geschehen ist, wenn man nicht bei Vertretung derselben
als die auf einem mächtigen festen Keuperfelsen am rechten Pegnitzufer
gelegene Sebalder Seite. Nun aber finde ich bei v. Pettenkofer’s Unter-
suchungen und Beobachtungen über die Verbreitungsart der Cholera, München
1855, S. 90, folgende Sätze: „Die Aerzte glaubten, dass die Lorenzer Seite
deshalb ungesunder sei, weil sie von dem sogenannten Fischbache durchströmt
sei, welcher den Unrath aller Abwässer, Nachtstühle u. s. w. aufnahm.
Die Mehrzahl der Erkrankungen und Todesfälle durch die Cholera gingen
auch entlang dem Laufe dieses Baches und ebenso zeigt sich auch Nerven-
fieber (Typhus) vorwaltend in diesen Quartieren.“ Sollten die Erkrankten
garnicht mit dem Fischbachwasser in Berührung gekommen sein ?
Auch bezüglich der jetzt so oft genannten Münchener Epidemie von
1854 drängen sich mir nach dem Studium des v. Pettenkofer’schen
Berichtes in dem eben eitirten Buche manche zweifelnde Fragen auf.
Allerdings folgte die Cholera nicht dem Verbreitungsgebiete der Rohr-
leitungen der verschiedenen Brunnenhäuser. Aber ist damit die ganze
Frage erledigt? Benutzte die Bevölkerung, namentlich die arme, gar kein
anderes Wasser? Wie stand es mit dem Wasser der zahlreichen Bäche
und mit den verschiedenen offenen, gegrabenen Privatbrunnen? Die Fäkalien
gelangten damals in Schwindgruben, welche entleert wurden, sobald sie
überzulaufen drohten, viele Fäkalien wurden in die Bäche entleert, in welche
auch die Wasser-Abzugskanäle mündeten (S. 67). Dass auch die Brunnen
verunreinigt waren, zeigte der nicht unbeträchtliche Gehalt des Wassers
mit salpetersauren Salzen (S. 10). Die Krankheit rückte langsam von den
tiefstgelegenen Stadttheilen im Osten, wo sie auch 1836 ihre Haupternte
gehalten hatte und wo die Bäche liegen, nach Westen vor (8. 20). In der
Ripfelstrasse in Haidhausen blieb von 15 Häusern auch nicht eines verschont.
„Die Höfe dieser Häuser enthalten zahlreiche Abtrittgruben und Brunnen
und sind sämmtlich so schlecht drainirt, dass ich während des schönsten
Wetters überall stehendes Wasser in den in die Erde gegrabenen Abzugs-
rinnen derselben fand, welches nicht versitzen wollte“ (8. 43). Kamen
ähnliche Zustände nicht auch in der Stadt vor? Wie stand es mit Wasser-
versorgung der befallenen Häusergruppe in der Herbststrasse (S. 45)? wie
damit in dem Industriepalast (S. 64 flgde)? Sollten nicht noch manche
Verdachtsgründe gegen das Wasser mehr zu Tage gekommen sein, wenn
die Aufmerksamkeit nicht ausschliesslich auf das Trinkwasser, sondern auch
auf das Nutzwasser gerichtet gewesen wäre und wenn bei der Beurtheilung
der örtlichen Ausbreitung der Krankheit, ausser bei den Aufsehern des
Industriepalastes, auch bei den übrigen Erkrankten die Arbeitsstellen neben
ihren Wohnungen mehr Berücksichtigung gefunden hätten? Vergleiche auch
die Anmerkung auf Seite 90.
Während der Epidemie 1573/74 (Frank: Die Cholera-Epidemie in
München in dem Jahre 1873/74. München 1875) waren in Bezug auf das
Trinkwasser Schlüsse nur bezüglich der Thalkirchner Brunnenleitung möglich
und die fielen für dieses Wasser günstig aus. Alle anderen Wässer waren
|
98 Dr, J. J. Reincke.
in manche Uebertreibungen verfallen wäre und eine förmliche ‚Trink-
wasser-Theorie“ ausgebildet hätte, die nicht selten auf jeden ein-
zelnen Cholerafall und nicht nur auf Cholera, sondern auch auf
Typhus, womöglich auch auf Dysenterie und Malaria, schablonen-
mässig und kritiklos angewendet wurde.
Verunreinigungen ausgesetzt; auch communieirten die magistratischen Röhren-
wasser und die königlichen Hofbrunnenleitungen vielfach (S. 63, 239). Wo
im Einzelfalle die Wasserfrage zur Sprache kam, scheint man sich mit einer
chemischen Untersuchung und der Erklärung v. Pettenkofer’s, dass die
Cholera mit dem Trinkwasser in gar keiner Beziehung stehe, beruhigt zu
haben (S. 62, 76). Waren übrigens die von Frank geschilderten Mängel
der Röhrenleitungen nicht auch schon 1554 vorhanden?
Die Epidemie in Laufen (v. Pettenkofer, die Cholera-Epidemie in
der Kgl. Bairischen Gefangenanstalt Laufen an der Salzach. Berichte der
Cholera-Kommission für das deutsche Reich, Heft 2, Berlin 1575), welche
„bei Jedermann den Eindruck hervorrufen wird, als hätten die Gefangenen
ziemlich gleichzeitig alle ein Gift (mit Speise und Trank) in sich auf-
genommen“ hing allerdings nicht mit den beiden Anstaltsbrunnen zusammen.
Nöthigt das aber, die Luft als Infectionsträger anzusehen und die
Lokalität als solche zu beschuldigen? (S. SI) In Villern und Obslaufen
oberhalb der Anstalt am Flusse waren mehrfach Cholerafälle unter Klein-
händlern, Schiffern und Armen vorgekommen. Hatten diese Orte gar keine
3eziehungen zur Anstaltsküche? Ward in der Anstalt in Küche und Wäsche
für Nutzzwecke gar kein Salzachwasser verwendet, da das Brunnenwasser
hart war? In der Küche, und zwar nur in der Küche hatte man fliessendes
Wasser, das in Holzröhren vom jenseitigen Salzachufer aus Oberndorf
kam (8. 79). Waren die Röhren, die doch wohl im Flussbett lagen, dicht
und gegen Beimengung von Salzachwasser geschützt? v. Pettenkofer
hatte auch die Kartoffelschäler näher ins Auge gefasst, weil in jenem Theile
des Kellers, in welchem die Kartoffeln aufbewahrt wurden, Abtrittsjauche in
nicht unerheblicher Quantität eindrang, so dass Schäffel zur Aufnahme der
durchtropfenden Jauche untergestellt werden mussten (8. 45). Kann nicht
auf einem dieser oder noch irgend einem anderen Wege Infectionsstoff in die
Küche gelangt und dort auf einen günstigen Nährboden unter die nicht frisch
gekochten Speisen gerathen sein, wodurch dann die kurze, heftige Explosion, die
sich im Grunde auf die Tage vom 4. bis 7. December beschränkte (S. 16), hervor-
gerufen wurde? Die Theile der Anstalt, welche nicht aus der Küche verpflegt
wurden, blieben frei (8.74), der Eintrittin die Anstalt nach Ausbruch der Epidemie
hatte keine üblen Folgen mehr (S. 22). Wie die Vertheilung der Speisen in der
Anstalt gewesen, wird nicht näher mitgetheilt. Wenn auch alle „gleichsam
aus einer Schüssel“ (S. 74) assen, werden doch wohl zu den verschiedenen
Sälen, bezw. Beschäftigungsgruppen und in den Zellenbau verschiedene
Transportgefässe gegangen sein, die verschieden schwer infieirt sein konnten.
Keiner hätte diese Fragen wohl vor 20 Jahren gestellt, wahrscheinlich
wird Niemand sie jetzt mehr beantworten können. Ich wünschte nur zu
zeigen, dass Erhebungen, die unter einem bestimmten „Glauben‘ gemacht
wurden, nicht ohne Weiteres als Beweisstücke gegenüber anderen theoretischen
Anschauungen verwerthet werden können.
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 99
Es giebt viele Cholerafälle, die ganz ohne Beziehungen zum
Wasser zu Stande kommen; es giebt gehäufte Erkrankungen in
überfüllten, unsauberen (@uartieren, zwischen vielen Kindern, Irren,
Vagabunden, Gefängniss-Insassen und dergleichen, die durch mehr
oder minder directe Uebertragung oder mit Hülfe anderer Träger als
das Wasser sich fortpflanzen, und es giebt Uebertragungen durch Ver-
mittelung des Wassers, bei denen doch kein Tropfen Wasser in den Mund
des Inficirten kommt, z. B. durch Aussaat von Keimen mittelst des
Wassers auf kalt genossene Speisen verschiedener Art, auf denen die
Cholerabaeterien vortrefflich wachsen. Und wo das Wasser Keime
direct in den Verdauungskanal einführt, geschieht dies doch nicht immer
auf dem Wege des Trinkens. Die Hausfrau oder Köchin‘), die mit
rohen Fischen ?) hantirt oder mit Gemüsen, die in heisser Jahreszeit
durch Benetzen mit Flusswasser frisch gehalten sind, Wäscherinnen,
Badende und die vielen Arbeiter, die an und im Wasser thätig sind,
bringen auch unbewusst Wasser direct oder indirect in ihren Mund,
ohne es zu trinken, und Mancher geniesst durch Gewissenlosigkeit
oder Unverstand von Dienstboten und Kindern rohes Wasser als
Beimischung zu Speisen und Getränken ohne es auch nur zu ahnen,
wie wir dies im verflossenen Jahre wiederholt beobachtet haben.
Ueberdies tritt auch nicht jedes Mal Krankheit ein, wenn infieirtes
Wasser in den Magen gelangt ist, nicht allein weil Viele in dem
Augenblick der Aufnahme „individuell nicht disponirt“ sind, sondern
auch weil nicht jeder Schluck und jedes Glas Wasser Cholera-
bacterien enthält.)
Uns fehlen die näheren Nachrichten über das Verhalten der
Cholera in den benachbarten Inseln und Marschen der Provinz
Hannover, aber auch schon aus den vorhandenen Daten lässt sich
entnehmen, dass in allen Epidemieen die Elbe bei der Stadt
Hamburg der Mittelpunkt der Seuche gewesen ist. Niemals ist
etwa Moorburg, Finkenwärder, Ochsenwärder früher als Hamburg
befallen worden, sondern diese Ortschaften sind stets von Hamburg
aus infieirt und die Intensität der Krankheit ist durchaus nicht immer
!) In München erkrankten 1873/74 177 Köchinnen (Franck: a. a. ©. 8. 121).
1592 bin ich auch in Hamburg von Kollegen auf die Häufigkeit der Cholera
bei Köchinnen angeredet.
1593 in England Austern aus dem mit Grimsbyer Sielausflüssen verunreinigten
Seewasser. Klein: Beobachtungen über Cholera in England. Zeitschrift
für Hygiene. Bd. XV. 8. 249.
») Vergl. die Ausführungen Robert Koch’s: Die Cholera in Deutschland
während des Winters 1892/93 a. a. O.
[5
m
100 Dr. J. I. Reincke.
in Hamburg und in den Elbmarschen parallel gegangen, wie es sein
müsste, wenn das gesammte Elbwasser immer gleichmässig ergriffen
wäre. Wie schwer wurde Finkenwärder 1859 befallen, wie wenig
im Verhältniss dazu 1892.
Ebenso ist das Wasser bei Hamburg selbst gewiss nie durch-
gehend gleichmässig von Cholerabacillen erfüllt gewesen. So ist es
bemerkenswerth, wie häufig gerade die ersten Fälle auf dem kleinen
Grasbrook vorgekommen sind und dass das Leitungswaser der Stadt-
wasserkunst nur 1892 schwer infiecirt wurde.
Aus diesen Erwägungen halte ich es auch nicht für gerecht-
fertigt, bei Beurtheilung der Cholera in Hamburg und Altona, wie es
manchmal geschieht, ohne Weiteres von der Voraussetzung auszugehen,
dass das Wasser bei der Hamburger Schöpfstelle im Rothenburgsort und
bei der Altonaer Schöpfstelle in Blankenese in allen Epidemieen gleich-
mässig gefährlich gewesen sei.
Gerade auf diesem Gebiete haben wir noch Vieles zu lernen.
Befinden wir uns doch noch in den ersten Anfängen unserer Kenntnisse
über die Biologie der Cholerabacterien im Wasser. Wir wissen noch
nicht, ob sie vorwiegend in den oberen Schichten des Wassers sich
aufhalten nahe der Luft, oder auch in den tieferen Schichten, ob sie
im freien Strom ebenso häufig sind wie in dem ruhenden Wasser
der Häfen, der todten Stromecken, vielleicht auch der Ablagerungs-
bassins und der Wasserkasten der Wasserkunst, ob sie sich in einem
stark verunreinigten besser als in reinerem Wasser halten, ob sie
unter allen Umständen dieselben morphologischen und physiologischen
Eigenschaften behalten u. s. w. u.s. w. Und wieviel mag bei Ihrer
Vertheilung im Wasser vom blossen Zufall abhängen.
Aber durch noch so grosse Mannigfaltigkeit in der Art, wie
das Wasser die Cholerabacterien auf die Menschen überführt, ist das
Gesammtbild der Cholera-Epidemiologie nicht zu erschöpfen. Warum
blieb die Cholera in manchem der fünfziger Jahre, 1867, 1871 auch
im Hafen so gering? warum nahm sie 1892 auch im Hafen so rasch
zu, 1873 so langsam? warum trat in den langhingezogenen Epidemieen
von 1832 und 1873 die Höhe der Epidemie das eine Mal im Juni ein,
das andere Mal im August? warum erscheint die Cholera in unseren
Gegenden vorwiegend in den Spätsommer- und Herbstmonaten, auch
dann, wenn sie bei uns überwintert hat? warum bevorzugt sie die
trockenen und meidet die nassen Jahre? wie erklärt sich der oft
rasche Abfall der Epidemieen, auch dort wo Einflüsse der Wasser-
vertheilung, des wechselnden Durstes, der Durchseuchung oder
menschlicher Eingriffe ausgeschlossen sind?
Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 101
Höchentliche Irkrankung pen an (Cholera ın Fambur
auf ENIPEinnel er in den Slahren a BR VERIWGIITERIER.
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102 Dr. J. J. Reincke.
Da liegt noch ein weites Feld wissenschaftlicher Arbeit vor
uns. Vor Allem wird festzustellen sein, ob nicht zu bestimmten
Zeiten und an bestimmten Oertlichkeiten die „individuelle Disposition“
sehr vieler Menschen sich ändert und ob sich nicht zu bestimmten
Zeiten und an bestimmten Oertlichkeiten im Bereiche des Wassers
und auf anderen Nährböden vorübergehend Bedingungen zusammen-
finden, welche der Vermehrung der Cholerabacterien oder einer
Steigerung ihrer Virulenz grossen Vorschub leisten; Aufgaben, deren
Lösung nun auch v. Pettenkofer!) den Bacteriologen zugewiesen
hat. Dabei mögen noch manche neue Fragen und manche neue
Räthsel auftauchen; aber die Richtung, in der wir vorwärts zu
streben haben, kann nach der entscheidenden Entdeckung Robert
Koch’s nicht mehr zweifelhaft sein. Hoffentlich wird es dann
auch gelingen, das letzte Stück des „Felsen‘‘ wegzuräumen, den
unser hochverehrter Altmeister in München noch immer zwischen
sich und den Bacteriologen zu sehen glaubt.
Ich gehe auf diese Dinge nicht weiter ein, weil dieselben
einstweilen keine Angriffspunkte zur Verhütung der Cholera, von der
ich ausgegangen bin, bieten.
Die Beziehung zum Wasser aber hat eine ganz hervorragend
praktische Bedeutung. In der Sorge für gutes Wasser liegt der
springende Punkt für die Verhütung der Seuche, der nach vielen
Richtungen mit dem anderen Hauptpunkte, mit der Sorge für
unschädliche Beseitigung der Fäkalien, zusammenfällt. Ein Ort,
der sein gesammtes Nutz- und Trinkwasser vor der Ver-
unreinigung mit menschlichen Fäkalien sicher geschützt
hat, kann nicht zu einer „Cholera-Lokalität“ werden,
mögen dort auch immerhin noch durch Vermittelung anderer Träger
(‚aruppen-Erkrankungen in kleineren Kreisen vorkommen.
Keine andere Stadt Deutschlands hat so oft von der Cholera
zu leiden gehabt wie Hamburg, keine andere Stadt Deutschlands ist
aber auch so mit dem Wasser vermählt wie Hamburg, durch seine
geographische Lage sowohl wie durch den Beruf seiner Bewohner
und keine durch ihren Verkehr der Einschleppung so ausgesetzt,
wie Hamburg. Keine hat daher so dringende Veranlassung wie
sie, auf die Beschaffenheit des Wassers im Hafen wie in
der Stadt die allerhöchste Sorgfalt zu verwenden.
') Cholera-Explosionen und Trinkwasser a. a. 0.
‚„Wasserversorg ung 1851& 1832.
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Neue Alsterkuns! am Oberdamme.
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—8—6— Oeffentliche Brunnen von Bieber.
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Hamburg, Wasserversorgung 1848.
Erklärung der Farben & Signaturen.
Leitungen und öffentliche Brunnen
der Bieberschen Elbwasserkunst.
Zeitungen der vereinigten drei Alster.
künste &der Stadiwasserkunst;seit
October1848 mit Elbwasser gespeist.
Leitungen der Smiüth'schen Kunst.
Jm Jahre 1842 abgebrannterStadttheil.
Feldbrunnenleitungen, siehe Taf.
Hamburgische Staatsgrenze.
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Zuwachs bis
Mitte 1829.
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Mitte Septb.1892.
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Für 1831 beziehen sich die Zahlen auf Scala für die
die Erkrankungsfälle. Zintragungen. |
Mittheilung
aus dem Museum für Völkerkunde.
Die Stein-Sculpturen
von
Santa Lucia Cozumahualpa
(huatemala)
im Museum für Völkerkunde.
Von
Hermann Strebel.
Mit 4 Tafeln.
Bei der im vorigen Jahre geplanten Hamburgischen Amerika-
Feier war vom wissenschaftlichen Ausschusse auch eine Ausstellung
in Aussicht genommen, für welche die Herren Director Dr. Bolau,
L. Friederichsen, Vorsteher €. W. Liüders, Dr. Michow und der
Unterzeichnete zu einem Special-Ausschusse zusammentraten. Die
Cholera-Epidemie hat leider, wie allgemein bekannt ist, die Ausführung
dieses vielversprechenden Theiles des Festprogramms unmöglich gemacht,
und so musste denn über denjenigen Theil des herbeigeschafften
Materials, der durch Schenkung oder Kauf Eigenthum geworden war,
anderweitige Verfügung getroffen werden. Dass dies zu Gunsten unserer
wissenschaftlichen Institute geschehen solle, war von Anfang an in
Aussicht genommen, und so konnte denn nach der günstigen financiellen
Abwickelung des ganzen Unternehmens von dem General-Comite unserm
Museum für Völkerkunde eine Reihe von Gypsabgüssen als Geschenk
überwiesen werden, deren Originale sich im Königl. Museum für Völker-
kunde in Berlin befinden.
Die Originale stammen aus Santa Lucia Cozumahualpa, einem
Ort in der Provinz Escuintla, Guatemala, am südlichen Abhange der
Cordillere zum Stillen Meere und unterhalb des Vulkans del Fuego
gelegen. Der Ort scheint erst in den fünfziger Jahren unseres Jahr-
hunderts durch vom Hochplateau eingewanderte Cakchiquels gegründet
zu sem, die dort Kaffee-Plantagen anlesten. Im Jahre 1860 wurden
bei der Urbarmachung einer Waldparcelle eine Anzahl von Steinblöcke
aufgedeckt, die mit Sculpturen versehen waren. Der Commandant des
Ortes, Herr Pedro de Anda, dem dies Terrain gehörte, hielt den Fund
für wichtig genug, um der Regierung in Guatemala Anzeige zu machen,
die denn auch eine Commission zur Besichtigung schickte, deren ein-
gehender Bericht aber leider nie veröffentlicht wurde und später auch
in den Archiven nicht hat aufgefunden werden können. Zwei Jahre
später, in 1862, kam dann ein österreichischer Reisender, Dr. Habel,
3 g*
106 Hermann Strebel.
auf seinen ausgedehnten Entdeckungsreisen auch nach Santa Lucia, wo
er von den bis dahin aufgefundenen Alterthümern Zeichnungen und
Beschreibungen anfertigte, die aber erst in Folge eines Antriebes von
Professor Dr. Ad. Bastian, Director des Kel. Museums für Völkerkunde
in Berlin, im Jahre 1878 m den Smithsonian Contributions to Knowledge,
Bd. 22, veröffentlicht wurden. Bastian hatte von Habel bei dessen
Durchreise durch Berlin oberflächliche Andeutungen über eine Ruinen-
stätte von hervorragender Bedeutung in Guatemala erhalten, und als
er selbst dann im Jahre 1876 während seiner amerikanischen Reise in
Guatemala auf die Funde in Santa Lucia aufmerksam gemacht wurde,
und dieselben in Augenschein nahm, da erinnerte er sich jener Erzählungen
Habels und ruhte nicht, bis er die Spur des inzwischen verschollenen
Forschers in Newyork wieder auffand, und die nöthigen Schritte that,
damit dessen Berichte und Zeichnungen durch die Shmithsonian Insti-
tution veröffentlicht wurden. Vor seiner Abreise von Santa Lucia
hatte er aber ausserdem in rascher Erkenntniss der Wichtigkeit dieser
Funde von dem Eigenthümer des Terrains den Besitz aller aufgedeckten
und noch aufzudeckenden Alterthümer für das Berliner Museum erkauft,
eine That, für die ihm die amerikanistische Forschung besonders dankbar
sein muss. Die schwierigste Aufgabe blieb allerdings noch zu erfüllen,
nämlich diese Schätze nach dem Hafenorte San Jose zur Einschiffung
zu bringen. Bastian verfiel auf den glücklichen Gedanken, sich hierfür
der Mitwirkung des seit einigen Jahren in Guatemala ansässigen
Dr. Hermann Berendt zu sichern, der, mit Land und Leuten vertraut
und em hervorragender Forscher auf sprachlichem und archäologischem
(Gebiete im Bezug auf Amerika, sowohl für die praktische Lösung der
schwierigen Aufgabe, wie für die wissenschaftliche Durchforschung des
Gebietes besonders geeignet war. (Vergl. meine Lebensskizze Derendt’s
im „Globus“, Bd. 59, Nr. 22). Unter Beihülfe der Ingenieure Napp
und Au wurde dann die Sache in Angriff genommen, aber es stellten
sich grössere Schwierigkeiten heraus, als man wohl erwartet hatte, denn
die Mehrzahl der Steinblöcke war zu schwer, um auf schwierigen Wegen
durch Ochsengespanne an die Küste gebracht zu werden. Da die Blöcke
nur auf einer Seite sculptirt waren, so beschloss man, diese Fläche
in geeigneter Dicke abzusägen, wozu aber erst die nöthigen Apparate
und Arbeitskräfte gewonnen werden mussten. So ist es denn erklärlich,
dass erst am Ende des Jahres 1880 das gewonnene Material verschifft
werden konnte und im August 1881 glücklich im Berliner Museum
anlangte. Berendt selbst hat dies Ergebniss leider nicht mehr erlebt,
denn schon im Jahre 1878 hatte ein langjähriges Leiden durch die
vielen anstrengenden Reisen zwischen semem Wohnorte und Santa
4
Die Stein-Seulpturen von Santa Lucia Cozumahualpa (Guatemala). 107
Lucia eine so rasche Verschlimmerung erlitten, dass im April des
genannten Jahres der Tod eintrat, und damit der amerikanistischen
Forschung einer ihrer bewährtesten Vertreter entrissen wurde. Näheres
über diese arbeitsvolle und die Geduld aller Interessenten aufs höchste
anspannenden Zeit hat Bastian in seiner Arbeit über „die Steinsculpturen
aus Guatemala“ in den Veröffentlichungen des Kgl. Museums zu Berlin
im Jahre 1882 durch Auszüge aus den Briefen Berendts geboten.
Wer sich des Näheren über die Gesammtheit der archäologischen Funde
in jener Gegend unterrichten will, von denen nur ein Theil, wenn auch
der wichtigste nach Berlin gekommen ist, der lese die schon genannten
beiden Arbeiten Habel’s und Bastian’s sowie die Arbeiten von Gustav
Eisen in den „Memoirs of the California Academy of Sciences“,
Vol. II, No. 2, und von Dr. Ed. Seler in der Zeitschrift „El Centenario*,
Nr. 26, Madrid 1892, welche hier im Zusammenhange verwerthet
sind. Die Arbeit Kisen’s behandelt das noch in Santa Lucia und
Umgegend verbliebene Material, über das übrigens auch von Berendt
selbst Beschreibung nnd Abbildungen an Bastian geschickt sind,
deren Veröffentlichung eime sehr erwünschte Ergänzung bieten würde.
Seler seinerseits giebt sehr bemerkenswerthe Erklärungen zu den haupt-
sächlichsten Stücken der Santa Lucia-Funde.
Von diesen Schätzen nun, die eine Zierde des Berliner Museums
für Völkerkunde sind, ist, wie oben erwähnt, ein Theil unserm Museum
für Völkerkunde in gut gelungenen Gypsabgüssen als Geschenk über-
wiesen, und der Unterzeichnete hält es für angebracht, Näheres über
ihre Bedeutung zu veröffentlichen, um mit dem besseren Verständnisse
auch das Interesse des Publikums für dieselben zu erwecken. Die
betreffenden Abgüsse sind an der Nordseite des Obergeschosses im
Naturhistorischen Museum bei der prähistorischen Sammlung aufgestellt.
Die Funde von Santa Lucia sind Ueberreste einer jedenfalls
bedeutenden Ansiedelung, die aber schon lange vor der Zeit der Er-
oberung des Landes durch Alvarado (1522) zerstört sein muss, denn
sonst hätten wir durch die Spanier Kunde von ihr erhalten. Die
Zerstörung muss eine gewaltsame gewesen sein, dafür zeugt die Un-
ordnung der Lagerung der bisher aufgefundenen Ueberreste, besonders
solcher, welche offenbar zu Baulichkeiten gehören; man braucht nur
den Situationsplan anzusehen, den Bastian in der Berliner Zeitschrift
für Ethnologie, Bd. 8, Seite 322 mit Tafel veröffentlich hat. Die
üppige Vegetation der Tropen hat dann diese Ueberreste überdeckt
und damit dem Vergessen anheimgegeben, bis nach Jahrhunderten der
Zufall sie wieder ans Tageslicht förderte und uns damit den Einblick
in eine bisher völlig unbekannte alte Cultur gestattete.
B)
105 Hermann Strebel.
Fragen wir nun zunächst, welchem Volksstamme diese Cultur-
erzeugnisse zuzuschreiben sind, so ist eine bestimmte Antwort darauf
nicht zu geben, besonders da der sich uns darbietende Typus ein bisher
unbekannter ist. Ziehen wir zunächst die alte Maya-Cultur zum
Vergleich heran, so ergeben sich Abweichungen von so fundamentaler
Bedeutung, dass der Ursprung der Santa Lucia-Cultur ein anderer
sein muss. Der anthropologische Typus der dargestellten Figuren,
soweit es sich um die Bewohner von Santa Lucia handelt, ist nämlich
ein abweichender, und es fehlen die für alle Maya-Darstellungen
charakteristischen Hieroglyphen. Wir haben dann den Ursprung unter
den Nahoa-Völkern zu suchen, die vorwiegend Alt-Mexiko bewohnten,
von denen aber ein Theil, wie wir aus den Ueberlieferungen wissen,
auswanderte und in südlicher Richtung an der Küste des Stillen
Meeres entlang bis weit nach Mittelamerika hinem vordrang, überall
Ansiedelungen von längerer oder kürzerer Dauer bildend, deren Ueber-
reste schon zum Theil aufgedeckt sind und mit mehr oder weniger
Sicherheit der Nahoa-Cultur zugesprochen werden konnten. Es ist
dabei zu bedenken, dass die veränderten Lebensbedingungen und der
Einfluss der entgegentretenden fremden Culturen Abweichungen von
dem ursprünglichen Charakter der Cultur, beziehungsweise die Auf-
nahme neuer Elemente bewirkt haben werden, was um so deutlicher
zu Tage tritt, je ungestörter und länger diese Einflüsse wirken konnten.
Dieser Fall muss bei den Ansiedlern von Santa Lucia vorgelegen
haben, denn die Grossartigkeit der aufgefundenen Ueberreste spricht
allein schon für eine lange Zeit ruhiger Entwickelung. Der ursprüng-
liche Charakter der Nahoa-Üultur ist in den Hauptzügen noch erhalten,
aber neue Elemente, zum Theil der Maya-Cultur zugehörig, sind auf-
genommen und in durchaus eigenartiger Weise verarbeitet, so dass
ein neuer Typus entstanden ist. Ehe ich auf Einzelheiten desselben
eingehe, mag vorweg noch die Frage des Alters der Santa Lucia-Funde
berücksichtigt werden. Zur Abschätzung liegen bestimmte Angaben
in den Maya-Ueberlieferungen vor, welche von den Einwanderungen
fremder Stämme im Allgemeinen erzählen. Danach würde die Ansiede-
lung zwischen 600 bis 700 Jahre alt sein müssen. Sie mag dann in
den auch verzeichneten Kämpfen mit den einheimischen Chakchiquels,
Quiches und anderen Maya-Stämmen nach längerem Bestehen ver-
nichtet sein.
Im Allgemeinen betrachtet zeigen die Funde von Santa Lucia
in der Technik wie in der künstlerischen Auffassung und Durchbildung
einen höheren Entwickelungsgrad als entsprechende Darstellungen in
Alt-Mexiko und nähern sich dadurch mehr den hervorragendsten
6
Die Stein-Sculpturen von Santa Lucia Cozumahualpa (Guatemala). 109
Erzeugnissen der Maya-Cultur, welche anregend und fördernd gewirkt
haben mögen. Die Verhältnisse des menschlichen Körpers und die
Durchbildung seiner emzelnen Theile sind richtiger als es bei alt-
mexikanischen Sculpturen der Fall zu sein pflest und auch die Dar-
stellungsweise in Bas-relief ist mit grossem Geschick durchgeführt. Es
handelt sich bei den hier zu besprechenden Stücken vorwiegend um
Priester, welche verschiedenen Gottheiten ihre Ehrfurcht bezeugen,
wobei dann der Kopf der Gottheit so herausgearbeitet ist, dass er als
Haupttheil der Sculptur wirkt. Das Geschlecht der Gottheit ist nicht
charakterisirt, wenigstens nicht für das sofortige Verständniss. Soweit
dies durch Haartracht und sonstigen Ausschmuck bewirkt werden
könnte, fehlt es bei den bisherigen Funden an Darstellungen, welche
die Volkstracht beider Geschlechter zum Vergleiche darböten, und nach
denen sich besser urtheilen liesse, da die Götterdarstellungen immer
Ueberfluss an Schmuck bieten. Auch für das Wesen der Gottheit ist
durch Benutzung, bisher unbekannter Attribute eine bestimmte Deutung
erschwert, da sich nur in einzelnen Fällen Analogien mit Bekanntem
darboten und eine allgemeine Deutung zuliessen. Einige Einzelheiten
in den Darstellungen mögen noch hier im Allgemeinen besprochen
werden.
Wir finden vielfach, sowohl unter der die Gottheit charakteri-
sirenden Ausschmückung ihrer unmittelbaren Umgebung, wie auch
ausnahmslos vor dem Munde der Priester, aber auch vereinzelt an
leblosen Gegenständen ein Zeichen angebracht in Form einer ver-
schiedenartig gekrümmten Leiste mit doppelknotenartigen Seitenaus-
wüchsen. Dieses Zeichen muss identisch mit dem zapfenartigen, an
einem Ende sich umbiegenden Zeichen sein, das wir in nahuatlakischen
Darstellungen so häufig finden, und von dem wir bestimmt wissen, das
es hauch, Hauch, Rede oder Gesang bedeutet. Ob im vorliegenden
Falle in der Art der Krümmung oder der Zahl der Doppelknoten,
oder durch die Verschiedenheit der Personen oder Gegenstände, denen
das Zeichen angefügt ist, eine Differenzirung der Bedeutung bedingt
ist, kann vorläufig nicht entschieden werden. Unklarer ist ein Gebilde
dass vorne von dem breiten, festen Gürtel des Priesters abgehend,
nach oben spitz auslaufend, sich in Windungen zur Gottheit emporzieht.
Die Art der Darstellung zeigt sich gleich mit Darstellungen der
Flammen, welche z. B. die Sonnenscheibe umgeben, also zweifellos als
solche zu deuten sind, wenn sie hier auch bedeutend geringere Grösse
haben. Flatternde Bänder, die etwa zum Ausschmuck des Gürtels
dienen, können es nicht gut sein, was aber an dieser Stelle eine
emporzüngelnde Flamme bedeuten soll, die ja offenbar mit dem festen
‘
KO Hermann Strebel.
Gürtel in Beziehung steht, das entzieht sich vorläufig der Beurtheilung.
Wir finden dann ferner vereinzelt eimfache Scheibchen, die nach
nahuatlakischen Vorbildern unzweifelhaft Zahlenzeichen, jede Scheibe
Eins bedeutend, sind. In Verbindung mit ihnen oder allein, treten
danı noch grössere Scheiben, zum Theil wulstig berandet auf, die mit
verschiedenen Zeichen versehen sind. Auch diese erinnern an die Art,
wie in nahuatlakischen Darstellungen zuweilen Tages- oder Zeit-
abschnittszeichen überhaupt, so wie Namen besonders hervorgehoben
werden, wenn auch die Identifieirung im Einzelnen nicht möglich ist.
Bei der Tracht der Priester sind folgende besonders auffallende Einzel-
heiten hervorzuheben: Der Körper ist wohl im grossen Ganzen nackt,
denn ausser dem reichen, sehr verschiedenartigen Kopf-, Ohren- und
Halsschmuck kommt als Bekleidungsstück zunächst nur die Schambimde
in Betracht, die alle alt-amerikanischen Culturvölker trugen. Sie
besteht aus einer langen Binde, die um die Taille gelegt und zwischen
den Beinen durchgeführt wird und einen Gürtel bildet, von dem vorne
und hinten die Enden mit Quasten oder Fransen verziert herabhängen.
Ausserdem trägt der Priester hier noch einen breiten Gürtel, dessen
Conturen vorne wie hinten die Körperlinie überragen und der offenbar
aus festem Material, wahrscheinlich Holz, bestanden hat, denn er
erscheint sculptirt. Vom Gürtel abgehend ist dann noch eine Art
Schurz, vorne beiderseits abgeschrägt und mit Borten und Fransen
besetzt vorhanden, der den Hintern bedeckt. Aehnlich findet man
ihn vielfach an Figuren im Codex Vindobonensis. Als Beinschmuck
finden wir unterhalb des Kniees am rechten Beine eine Spange oder
einen Riemen mit Anhängsel, oder auch eine mehrreihige Perlenschnur,
während scheinbar beide Handgelenke mit Perlenschnüren geschmückt
sind. Die Fussbekleidung besteht aus den bekannten Schuhsandalen,
die aber merkwürdiger Weise oft nur der linke Fuss trägt, während
der rechte bloss ist. Die eine Hand des Priesters ist ausnahmslos
durch ein Gebilde verdeckt, welches den Kopf eines Menschen oder
Thieres darstellt und das Seler für eine Maske, nicht für einen wirk-
lichen Kopf hält. Die stilisirte Art der Darstellung spricht allerdings
für solche Deutung, denn sie weicht wesentlich von der realistischen
der Menschenköpfe ab, welche der Oberpriester und seine Gehülfen
auf Platte Nr. I m den Armen halten, und die man als die ab-
geschlagenen Köpfe der Opfer deuten muss. Ob es sich bei diesen
Masken um die gleiche Bedeutung handelt, ist fraglich, trotzdem ja
der sie haltende Arm in den meisten Fällen sich zur Gottheit empor-
hebt, und dieser etwas darzubringen schemt. Warum hätte man dann
aber in einem Falle den Opferkopf selbst dargestellt, im andern seine
5
Die Stein-Sculpturen von Santa Lucia Cozumahualpa (Guatemala). a!
Maske? Man könnte diese Masken auch als bestimmte Abzeichen
der Priester ansehen, die in irgend einer Beziehung zu der Gottheit
stehen, der sie dienen.
Nach diesen allgemeinen Erörterungen kann nun eine kurz
gefasste Besprechung der einzelnen Stücke folgen. Unter den Originalen
des Berliner Museums befinden sich zunächst acht Blöcke, welche
annähernd gleiche Grössenverhältnisse haben. Habel, der ja dieselben
noch an Ort und Stelle und in ihrer ursprünglichen Form gemessen
hat, giebt dafür eine Höhe von 12, eine Breite der sculptirten Fläche
von 3 und eine Tiefe von 2 Fuss englisch an, und bemerkt dazu, dass
an jedem Blocke unten eine Fläche von etwa 3 Fuss schlicht ist, dass
also nur 9 Fuss der Höhe sculptirt sind. Die Blöcke müssen den
Darstellungen nach aufgerichtet gestanden haben und werden wahr-
scheinlich durch offene Zwischenräume getrennt, die Facade des oder
der Tempel gebildet haben, denn hätten sie an einander gereiht, eine
geschlossene Fläche gebildet, so würde auch die Sculptur in den Or-
namenten oder sonstwie in einander übergehen, während sie für jeden
Block ein abgeschlossenes Ganze bildet, was bei einzelnen Blöcken
sogar noch durch eme Umrahmung gekennzeichnet wird. Der Zu-
sammenhang ist nur in der Art des Dargestellten geboten, es sind
nämlich religiöse Handlungen, insbesondere die Anbetung verschiedener
Gottheiten. Damit ist denn auch die Annahme gerechtfertigt, dass
diese Blöcke Ueberreste von Tempeln bilden.
Von diesen 8 Blöcken besitzt unser Museum nur von Dreien
die Abgüsse ihrer sculptirten Fläche, die den nachfolgenden Beschreibungen
entsprechend numerirt sind.
Nr. 1. Auf dieser Platte sehen wir in der Mitte einen Priester,
der durch das Opfermesser in der Rechten und den abgeschlagenen
Kopf des Opfers in der Linken gekennzeichnet ist. Diese Art des
Opfers entspricht den Mayas, nicht den Nahoas, die ja bekanntlich
das Herz des Opfers der Gottheit darbrachten, und so ist auch- für
die Bedeutung der ganzen Darstellung auf Maya-Gebräuche und An-
schauungen zurückzugreifen. Landa berichtet, dass der Oberpriester
Repräsentant der Sonne sei, und dass seine vier Gehülfen die vier
Himmelsrichtungen vertreten. Die vier Gehülfen nehmen hier die
Ecken der Platte ein, wie aber ihre Orientirung festzustellen ist, dafür
muss man auch die nahuatlakischen Anschauungen zu Rathe ziehen.
Der Norden ist der Ort, wohin die Toten gehen, und wo der Gott des
Todes weilt, dem am meisten der Gehülfe unten rechts, als Skelett
dargestellt, entspricht. Es sei dazu bemerkt, dass der Tod meistens
9
112 Hermann Strebel.
ni
nicht als ganzes Gerippe dargestellt wird, Arme und Beine oder auch
nur Hände und Füsse pflegen fleischig dargestellt zu werden. Von
diesem festen Punkte ausgehend wäre dann der Gehülfe unten links
der Osten, oben rechts der Westen und oben links der Süden.
Letzterer ist auch mit Totenschädel dargestellt, dem aber vor dem
Nasenbein noch ein hakenförmiges Gebilde angefügt ist. Der Süden
wird auch als der Ort der Dürre und des Hungers angesehen, es ist
für ihn also auch der Hinweis auf den Tod angemessen. Wie der
Oberpriester, so tragen auch die vier Gehülfen den Kopf eines Opfers
in den Händen, und alle diese fünf Köpfe weichen unteremander und
von ihren Trägern durch den Kopfschmuck und den anthropologischen
Typus ab. Es ist wohl gerechtfertigt, dies dahin zu deuten, dass in
den Köpfen die Stämme angedeutet sind, welche den Bewohnern von
Santa Lucia feindlich gegenüberstanden, und mögen auch deren Wohn-
sitze der Orientirung entsprechen, welche die Gehülfen andeuten.
Dadurch würde diese Darstellung neben der rituellen auch noch eine
politische Bedeutung haben. — Von den Einzelheiten der Darstellung
mögen noch folgende hervorgehoben werden. Am Kopfschmucke des
Oberpriesters ist vorne oben ein Taschenkrebs angebracht, ein Symbol,
für das Parallelen nicht bekannt sind. An das mit Federballen durch-
flochtene Haar schliesst sich ein Gebilde an, das, fast bis auf den
Boden reichend, das Schwanzende einer Schlange darstellt. Auch auf
dem Holzgürtel ist nach hinten gerichtet ein Schlangenkopf dargestellt,
und an Stelle der Schambinde sehen wir eine um den Leib geknotete
Schlange, deren Kopf- und Schwanzende herabhängen. Die Schlange
spielt überhaupt auf allen diesen Darstellungen eine grosse Rolle.
Der Gegenstand, auf dem der Oberpriester zu stehen scheint, wird von
Habel als der Leib des Geopferten gedeutet. Allerdings erkennt man
eine Umwickelung, die einer Schambinde ähnlich sieht, aber ausserdem
drei Löcher, die schwer zu deuten sind, und da die untere Contyr
des Gegenstandes im Original verstümmelt zu sein scheint, so ist die
Bedeutung nicht festzustellen. Man erkennt noch, dass diesem Gegen-
stande, ebenso wie dem Opfermesser, das der Oberpriester in der Hand
hält, das Zeichen der Rede angefügt ist. Oben in der Mitte der
Platte befindet sich eine erhabene Scheibe, auf der eine gitterartige
Figur angebracht ist, von der em Haken herabhängt. Wie schon bei
der allgemeinen Besprechung hervorgehoben wurde, ist für dieses
Zeichen eine Deutung nicht möglich, ebenso wenige für das Gebilde,
welches sich unter dem Fusse des Gehülfen rechts oben befindet. Man
erkennt, dass es mit Binde und Schleife umgürtet ist, und dass
darüber ein Pfeilschaft herauszuragen scheint.
10
Die Stein-Sculpturen von Santa Lucia Cozumahualpa (Guatemala). 113
Während die vorstehend beschriebene Platte nur in der Grösse
mit den anderen sieben übereinstimmt, zeigen diese unter sich den
gleichen Vorgang dargestellt, nämlich die Anbetung verschiedenartiger
Gottheiten, wie das aus den ausgestellten Abgüssen Nr. 2 und 3 und
den Zeichnungen N. 4 bis 8 hervorgeht, welche nach Habel’schen Zeich-
nungen vergrössert wurden.
No. 2. Die Gottheit, welche aus einem Schlangenrachen herab-
hängt, ist von Flammen umgeben, von ihrem reichen Halsschmucke
hängt die von Flammen umgebene Sonnenscheibe herab und die Finger
der Hände sind mit Krallen versehen. Es ist die Sonnengottheit, wohl
mit besonderer Betonung ihrer vernichtenden Wirkungen in der tropischen
Küstenregion. Die Hand am emporgestreckten Arme des Priesters ist
mit der Maske eines menschlichen Kopfes bedeckt. In dem über den
Rücken herabfallenden Federmantel erkennt man unten, neben dem
Handgelenke des Priesters einen menschlischen Kopf mit zusammen-
gebundenem Haarschopf. Merkwürdig sind die sichelförmigen Einschnitte
am Knie des linken Beines, ob damit nur Hauptfalten angedeutet werden
sollen, ist fraglich. Nur auf dieser Platte ist neben dem Priester noch
eine zweite, kleinere Figur angebracht, die wohl nur symbolische Be-
deutung hat. Es ist wiederum das menschliche Skelett, der Tod, der
aber wie der Priester den Holzgürtel trägt. Der linke Arm ist nach
unten gestreckt und seine Hand mit Maske in Form eines Schlangen-
kopfes bedeckt, während der rechte Arm nach oben weist. Vom Munde
des Skeletts aus führt zum Munde des Priesters ein dem Zeichen der
Rede ähnliches, aber nicht gebogenes, sondern eckig absetzendes Gebilde,
das hier vielleicht nur die engen Beziehungen der symbolischen Gestalt
zum Priester andeuten soll. Ob die gefurchte, spitz zulaufende Fisur,
welche von der Nase des Priesters abgehend m einem Bogen nach
rückwärts verläuft, identisch mit der als Flamme gedeuteten Figur sein
soll, welche bei anderen Darstellungen vom Holzgürtel des Priesters
abgeht, muss eine offene Frage bleiben. Ueber dem Kopfe des Priesters
stehen zwei Scheiben mit wulstigen Rändern, auf denen ein Tierkopf
(Hund?) dargestellt ist. Nach alt-mexikanischen Vorbildern würde man
dann „zwei Hund“ zu lesen haben, was ein Datum, aber auch einen
Namen bedeuten kann. Neben diesen Scheiben und über dem Skelett
sieht man noch ein Gestell, auf dem der abgeschlagene Kopf des Opfers
ruht, dessen Typus bis auf den veränderten Ohrschmuck genau dem
Kopfe entspricht, den auf Platte Nr. 1 der Gehülfe Osten trägt.
No. 3. Diese Platte ist mit einer Umrahmung versehen. Die
Gottheit trägt das Haar mit Schlangen zusammengebunden, deren Enden
sich nach oben schlängeln, und auch der Halsschmuck ist mit einer
11
114 Hermann Strebel.
Schlange. durchtlochten. Die gebogenen Arme sind mit Flammen um-
geben und die Hände umspannen ein eigenartiges Gebilde, das in der
Mitte eine Scheibe trägt, aus der oben Federn (?) herausragen, und
von der unten ein dreieckiges Anhängsel herabhängt, das in der Mitte
einen kreuzförmigen, unten einen doppeltreppenartigen Ausschnitt hat.
Dies Anhängsel ist gewissen Gefässfüssen sehr ähnlich, die vielfach auf
dem Hochplateau Mexicos gefunden werden, womit freilich für die
Deutung wenig gewonnen ist. Vom Kopfe der Gottheit gehen drei sich
verzweigende Aeste ab, die mit Blättern, Blumen und Früchten, sowie
einzelnen anderen nicht zu deutenden Anhängseln besetzt sind, und zwei
ähnliche Aeste gehen von den Armen nach unten ab. Man hat es
hier offenbar mit einer Erd-Gottheit zu thun, und zwar nach Seler mit
einer älteren Auffassung derselben, die Dürre, Hunger und Erdbeben
verursacht. Die Flammen, welche den Oberkörper umgeben, sind ein
Hinweis auf Feuer oder Sonne und rechtfertigen wohl diese Deutung.
Am Priester ist hervorzuheben, dass die linke Hand mit einer mensch-
lichen Maske bedeckt ist. In dem über den Rücken herabfallenden
Mantel (?) ist unten der Kopf des Todes eingefügt, genau dem ent-
sprechend, den der Tod auf dem später zu beschreibenden Feuerbecken
hat, und der Holzgürtel ist ebenfalls mit einem Todtenschädel geschmückt.
Die bei Nr. 2 erwähnten sichelförmigen Einschnitte sind hier an beiden
Knieen vorhanden.
No. 4. Die Platte ist mit einer Leiste umrahmt. Die Gottheit
trägt ausnahmsweise einen Nasenschmuck in Form einer Spange mit
verdickten Enden. Das Haar erscheint mit Schlangen durchflochten,
und vom Kopf und Halsschmucke aus gehen nach oben und unten sich
verzweigende Aeste, genau wie bei No. 3, nur bilden dieselben hier in
der oberen Partie drei Zacken oder Strahlen, was Seler veranlasst, in
dieser Gottheit eine Göttin der Nacht zu vermuthen. Da nun für solche
Deutung die sonstigen charakteristischen Zeichen fehlen, mit denen man
in den Bilderschriften den Nachthimmel bezeichnet, so kann ich dieser
Deutung nicht ganz zustimmen, und glaube eher, dass nur der Hinweis
auf Fruchtbarkeit geboten ist und zwar diesmal ohne Zugabe von
Flammen, beziehungsweise der schlimmen Eigenschaften der Erdgöttin
auf No. 3. Der Kopfschmuck des Priesters läuft in drei Zacken aus,
aus denen Flammen hervorzüngeln, und von seinem Rücken hängt
schembar das Fell eines Raubthieres herab, aus dessen Bauche ein
Speer heraustritt. Seler meint, dass hierdurch seine Deutung der
Gottheit eine Bestätigung finde, denn der Jaguar (wenn es ein solcher
sein soll) bedeutet bei den Mayas wie den Nahoas die Sonne, und wenn
er vom Speer durchbohrt dargestellt wird, so soll das heissen, dass die
12
Die Stein-Sculpturen von Santa Lucia Cozumahualpa (Guatemala). 115
Sonne ihrer Macht beraubt ist. Damit soll dann nach Seler die Nacht
in ihre Rechte treten. Man könnte aber auch ebenso folgerichtig sagen,
die verheerende Wirkung der Sonne ist aufgehoben und eine fruchtbare
Jahreszeit, wie etwa die Regenzeit, ist angebrochen. sSeler selbst be-
stätigt sogar diese Deutung, wenn er auf eine Darstellung im Dresdener
Codex verweist, wo das verwundete Raubthier (Puma oder Jaguar) sich
zu Füssen des Regengottes befindet. Der linke Arm des Priesters ist
nicht nach oben gestreckt, sondern der Unterarm biegt sich nach unten,
die Hand ist hier mit der Maske eines Raubthierkopfes bedeckt und
ein ebensolcher soll nach Seler auf dem Holzgürtel angebracht sein;
er wäre dann aber ausnahmsweise nach oben gerichtet, wie es aus
der Habel’schen Zeichnung deutlich hervorgeht.
No. 5. Auch bei diesem Stücke ist die sculptirte Fläche mit
einer Leiste umrahmt. Es liegt nur die undeutliche Wiedergabe einer
schlechten Photographie vor, denn Habel bietet nur die Zeichnung von
der unteren Hälfte mit dem Priester; die obere Hälfte ist wohl erst
später aufgefunden. Das Ganze ist jedenfalls weniger gut erhalten,
als die anderen Stücke. sSeler, dem ja das Original zur Verfügung
steht, findet in den Ornamenten, die oberhalb der Gottheit auftreten,
Uebereinstimmung mit denen, welche in Alt-Mexico die Göttin des
Mais, Sieben-Schlange genannt, begleiten. Es ist dies eine der Formen
der älteren Erdgöttin, der Mutter alles Seins, wie sie sich im Laufe
der Zeiten und bei den verschiedenen Stämmen differenzirt hat, und in
deren Verwandlungsformen immer der Adler eine hervorragende Rolle
spielt. Hierauf kann dann der herabschiessende Adler bezogen werden,
den man unten neben dem rechten Beine des Priesters sieht, sowie die
Maske eines Adlerkopfes, welche seine linke Hand bedeckt, und der
Adler, welcher auf dem Holzgürtel angebracht sein soll. Die Gottheit
selbst trägt hier auf dem Kopfe ein Schlangengeflechte, und aus den
Armen entspringt, nach oben gerichtet, auf jeder Seite ein Ast, der
dem Zeichen der Rede zu entsprechen scheint. Im Kopfschmucke des
Priesters fällt noch die Maske eines menschlichen Kopfes auf, von der
eine lange Feder herabhängt.
No. 6. Von diesem Blocke ist nur der obere Theil aufgefunden,
von dem znnächst die einrahmende Leiste zu erwähnen ist. Die Gott-
heit ist von dem Rachen eines Krokodils umrahmt, was Seler veranlasst,
in ihr eine Göttin des Wassers zu vermuthen. Einen weiteren Hinweis
darauf findet er in den Figuren eines Krebses und eines Fisches, die
sich zwischen den mit Blüthen besetzten Aesten befinden sollen, welche
sich von den Armen der Göttin aus nach unten ziehen. In der von sSeler
gebrachten Wiedergabe einer Photographie lassen sich solche Einzel-
13
116 Hermann Strebel.
heiten überhaupt nicht erkennen, und nach Habel’s Zeichnung und
Beschreibung wird nur der Krebs hervorgehoben, der aber an einer
Stelle des Bruchstückes sitzt, die dem Kopfschmucke des Priesters
entsprechen würde. Damit wäre dieser identisch mit dem des Priesters
auf Platte Nr. 1. Es ist noch zu erwähnen, dass sowohl nach diesem
Anfange des Kopfschmuckes vom Priester, wie nach der Richtung,
welche das noch erhaltene Zeichen der Rede vor dem Munde desselben
anzeigt, der Priester, entgegen den bisher beschriebenen Darstellungen,
nach links gewandt steht.
No. 7. Auf dieser wie auf den folgenden Tafeln dieser Serie
steht der Priester nach links gerichtet, wonach anzunehmen ist, dass
diese Blöcke so in das Bauwerk eingefügt waren, dass die beiden ver-
schiedenen Richtungen in der Stellung des Priesters sich einander
gegenüberstanden. Die Gottheit ist auf dieser Tafel sehr eigenartig dar-
gestellt. Auf dem Rücken trägt sie zwei sichelartige Platten, die gegen-
einander gerichtet, sich fast mit ihren Spitzen berühren. Den Kopfschmuck
bilden zwei symmetrisch verschlungene Klapperschlangen, der Hals-
und Brustschmuck ist aus viereckigen Platten oder Würfeln zusammen-
gesetzt, ebenso - die Armbänder. Vom Brustschmucke hängt in der
Mitte dasselbe Symbol herab, das die Gottheit auf No. 3 zeigt.
Ausserdem sieht man auf jeder Seite dieses Symbols Aeste abgehen,
die vereinzelt auch Blätter und Blüthen tragen, im Ganzen aber den
Charakter des Zeichens der Rede haben. Ueber das Wesen dieser
(Gottheit lässt sich vor der Hand kein Aufschluss geben, denn Habel’s
Vermuthung, dass es die Mondsöttin sei, stützt sich nur auf die sichel-
förmigen Platten und ist durch keine alt-amerikanischen Vorbilder
erhärtet. Der Priester, dessen Kopf nur mit lang herabwallenden
Haaren geschmückt ist, erhebt den rechten Arm, während der linke
herabhängt, dessen Hand mit der Maske eines menschlichen Kopfes,
der mit einer Nasenspange geschmückt ist, bedeckt wird. Am Hals-
gürtel ist ein phantastischer Thierkopf (Schlange?) angebracht. Vor dem
Priester sieht man ein merkwürdiges Gebilde, einem an den Enden ver-
schnürten Packete ähnlich, dass in der Mitte von einem herabhängenden
;anner verdeckt ist, welches durch das Kreuz und den treppenartigen
Ausschnitt genau dem vom Brustschmuck der Göttin herabhängenden
Symbole entspricht. Auf dem Packete liest ein menschlicher Kopf,
mit dem Zeichen der Rede vor dem Munde, und daneben und dahmter
scheinen Federbüschel herauszustehen.
No. 8. Die ganze Darstellung ist hier wieder von einer Leiste
umrahmt, An der Gottheit erscheint das Gesicht männlicher und
älter als bei den übrigen, sie ist umgeben von Aesten mit Blättern,
14
Die Stein-Seulpturen von Santa Lucia Cozumahualpa (Guatemala). 117
Blüthen und Früchten, die aber vereinzelt den Charakter des Zeichens
der Rede haben. Der Priester hat den Kopf mit einem Helm in
Form eines menschlichen Kopfes, und seine linke Hand mit einer
Maske bedeckt, welche den Schädel eines Affen darzustellen scheint.
Auf dem Holz-Gürtel erkennt man ebenfalls einen Kopf, der aber
undeutlich ist, während der auf dem Oberschenkel angebrachte deutlich
als menschlicher Kopf zu erkennen ist; derselbe trägt eine hohe Mütze
und soll vielleicht eine vom Gürtel herabhängende Trophäe bedeuten.
Merkwürdig sind noch die flammenartigen Gebilde, welche vom Rücken
der Gottheit sich nach vorne und hinten richten. Seler bezeichnet sie
als Vogelflügel, was aber aus der mir vorliegenden Habel’schen
Zeichnung nicht hervorgeht. Eine weitere Deutung, besonders über
das Wesen der Gottheit, ist nicht zu geben.
Von den nun folgenden drei Stücken besitzt unser Museum
die Abgüsse; sie weichen sowohl in ihren Grössenverhältnissen, wie
auch in dem, was sie darstellen, von dem bisher Geschilderten ab.
No. 9. Der ursprüngliche Block ist besonders oben unvoll-
ständig. Habel giebt dafür eine Höhe von 9, eine Breite von 4 Fuss
englisch an. Wir sehen auf einem reich sculptirten, schembar mit
Armlehnen versehenen Sessel einen Mann sitzen, welcher der reichen
Tracht nach ein Häuptling sein muss. In der Hand hält derselbe ein
ruderförmiges Gebilde, dessen oberes Ende aber in die schon erwähnte
Bruchstelle fällt. Wahrscheinlich ist es ein Scepter oder sonstiges
Abzeichen der Würde des Trägers, da es als Waffe kaum gedeutet
werden kann,
No. 10 und 11. Für diese beiden Blöcke giebt Habel die
Länge mit 5° 5“, bezw. 5° 1“, die Höhe mit 2° 10°, bezw. 3° englisch
an. Sie sind jedenfalls als Querformat in das Bauwerk eingefügt
gewesen, und bilden den Darstellungen nach Gegenstücke, wenn auch
No. 11 unten eme 8 Zoll breite Leiste hat, die dem anderen fehlt.
Auf beiden Platten sieht man einen Mann liegen, dem eine kleinere
symbolische Figur gegenübersteht, mit der er in Beziehung zu stehen
scheint, wenn auch das Zeichen der Rede fehlt. Welcher Art nun
diese Beziehungen sind, ist schwer zu sagen. Man hat vermuthet,
dass die liegenden Männer Kranke sind, denen bei No. 10 der Tod,
bei No. 11 der Medizinmann in der Gestalt eines Hirschmenschen
gegenübertritt. Möglich ist aber auch, dass die symbolischen Figuren,
denen bei No. 10 zehn Zahlenzeichen und darunter eine Treppe, auf
der ein Kreuz schräge liegt, bei No. 11 fünf Zahlenzeichen und daneben
eine Treppe angeführt sind, Namen oder Daten bedeuten. Die sym-
bolischen Figuren Tod und Hirsch entsprechen in Alt-Mexico und
15
118 Hermann Strebel.
auch bei den Mayas Tageszeichen, die mit den Zahlenzeichen vereint,
10 Tod und 5 Hirsch ergeben würden. Für diese Veremigung spricht,
dass anf Platte 10 der Tod mit den Zahlenzeichen durch ein Führungs-
zeichen verbunden wird. Was dann aber die anderen Zeichen, die
Treppe mit Kreuz und die Treppe allein bedeuten, und ob und in
welcher Beziehung sie zu den Zahlenzeichen stehen, das entzieht sich
vorläufig der Beurtheilung. Bei dem liegenden Manne auf No. 10
bietet der Kopfschmuck einige Aehnlichkeit mit dem des Kopfes, den
der Westen auf Platte No. 1 trägt. Merkwürdig sind ein Amulett,
welches die Brust, und das Knieband mit einer Rosette, welches das
rechte Bem ziert; die Füsse sind nackt, und der feste Gürtel fehlt,
wogegen die Schambinde in Form und Tragweise hier richtig dargestellt
ist. Das Skelett, mit einer Schlange umgürtet, ist von Flammen um-
geben und zeigt mit der rechten Hand auf den liegenden Mann, viel-
leicht auch auf die Figur mit Treppe und Kreuz. Der liegende bärtige
Mann auf No. 11 trägt eine Kappe mit herabwallenden einzelnen
Federn und Bändern. Der Hirschmensch hat die Klaue des rechten
Armes mit einer Maske bedeckt; während die emporgehobene Linke
etwas hält, was nicht zu erkennen ist. Von dem Unterkiefer geht
eine Flamme ab.
No. 12. Dieses mächtige und schön gearbeitete Stück wird von
Habel als Opferstein, von Seler wohl richtiger als Feuerbecken bezeichnet.
Das Ganze stellt einen hockenden Affen dar, der das Becken, mit
einem Federtuch umspannt, auf dem Rücken trägt und vorne den Tod
zwischen den Händen zu halten scheint, für den aber schon durch die
in Flach-Relief gehaltene Darstellung die symbolische Bedeutung an-
gedeutet wird. Die Figur des Todes hat wohl hauptsächlich Habel
dazu geführt, in dem Ganzen einen Opferstein zu sehen und anzunehmen,
dass das Blut der Opfer in dem flachen Becken angesammelt sei, ohne
aber des Weiteren klar zu stellen, wie denn das Opfer getödtet wurde.
Wir haben in den anderen Darstellungen den Hinweis, dass dem Opfer
der Kopf abgeschlagen wurde, um diesen als vornehmsten Theil des
Menschen der Gottheit darzubringen. Bei solcher Todesart würde aber
dieses Collossalbeeken kaum Verwendung finden können. Wir wissen
nun, dass auf den Plattformen der Tempel grosse Feuerbecken standen,
in denen Tag und Nacht Feuer unterhalten werden musste. Für solche
Benutzung würde sich das Stück sehr gut eignen, und deshalb muss
man der Seler’schen Deutung den Vorzug geben. Die symbolischen
Elemente, welche m der Form und Ausschmückung durch Afie und
Tod geboten sind, werden zu solchem Benutzungszwecke nicht in un-
mittelbarer, sondern nur mittelbarer Beziehung stehen, also etwa zu
16
Die Stein-Seulpturen von Santa Lucia Cozumahualpa (Guatemala), 119
der rituellen Bedeutung, beziehungsweise den Gottheiten, welche in dem
betreffenden Tempel besonders verehrt wurden. Der Affe und der
Tod stehen in den Mythen sowohl der Mayas wie der Nahoas in engen
Beziehungen zu einander, wahrscheinlich im Sinne des Gegensatzes von
Leben und Tod oder Bewegung und Starre. Bei beiden Völkerschaften
finden wir sie auch unter ‚den 20 Tageszeichen.
No. 13. Zum Schlusse will ich hier noch eines Blockes gedenken,
von dem die abgesägte Platte leider bei der Verschiffung im Hafen
von San Jose ins Meer gefallen und damit wohl unwiederbringlich ver-
loren ist. Es ist daher doppelt erfreulich, dass wir in den Habel’schen
Zeichnungen die höchst interessante Darstellung auf diesem Blocke ver-
treten finden. Eine vergrösserte Copie der Zeichnung ist im Museum
zu sehen. Habel giebt die Grössenverhältnisse wie folgt an: Höhe 9",
Breite der sculptirten Fläche 5 Fuss englisch.
Die Darstellung führt uns den Königsgeier (Sarcoramphus papa)
mit ausgebreiteten Flügeln vor, den die am Halse hängende Sonnen-
scheibe hier als den Sonnenvogel kennzeichnet. Auch der Königsgeier
ist eines der Tageszeichen bei Mayas und Nahoas und gilt bei letzteren
auch als der Vertreter des ehrwürdigen Alters, Beziehungen, die aber
der hier gebotenen Darstellung nicht gut anzupassen sind). Der
Vogel hat einen Menschen halb verschluckt, dessen Oberkörper herab-
hängt, und mit der Kralle umspannt er eine Kugel, die man als Kaut-
schuk-Ball auffassen kann, welcher beim Ballspiel benutzt wurde.
Das Ballspiel wird in den Bilderschriften als Zeichen für den Himmel
gesetzt, und der fliegende Ball bedeutet die Sonne in ihren Bewegungen.
Der Kopf des bärtigen Menschen entspricht demjenigen, den der Gehülfe
Norden auf der Platte No. 1 trägt, und von dem angenommen wurde,
dass er eine der den Bewohnern von Santa Lucia feindlichen Völker-
schaften charakterisiren soll. Aus dieser Darstellung, der sich noch
eine ganz ähnliche zweite anreiht, die, wie ich glaube, erhalten ist,
scheint hervorzugehen, dass der Sonne ein hervorragender Cultus ge-
weiht war, und dass auch ihr Menschenopfer dargebracht wurden.
Das im Vorstehenden beschriebene Material ist der Anzahl nach
eine schwache, dem wissenschaftlichen Interesse nach dagegen eine hervor-
ragende Bereicherung des leider noch sehr beschränkten Anschauungs-
materials unseres Museums für altamerikanische Cultur. Die Sculpturen
von Santa Lucia sind jedenfalls besonders geeignet, um der von der
ı) Die Bakaires in Zentral-Brasilien halten nach von den Steinen den Königs-
geier für den Schöpfer der Sonne, was der hier gebotenen Darstellung
genau entsprechen würde.
17 10
120 Hermann Strebel.
Wissenschaft schon lange aufgestellten Behauptung auch im weiteren
Kreisen Anerkennung zu verschaffen, dass Amerika vor der Eroberung
zum Theil von Völkerschaften bewohnt war, die mit vollem Rechte
die Bezeichnung Culturvölker verdienen. Es ist dabei zu bedenken,
dass ein jedes Volk seinen eignen Entwickelungsgang zur Cultur ver-
folgt, und dass die Ausdrucksformen dieser Cultur nicht nur Ergebniss
der Rasseneigenart sind, sondern auch durch Lebensbedingungen und
Schicksale in der verschiedenartigsten Weise beeinflusst werden. Die
Wissenschaft verfolgt die Aufgabe, die hierfür massgebenden Bedingungen
zu ergründen, um mit dem vollen Verständniss des Wesens einer Cultur
und ihrer Bedeutung für das betreffende Volk auch den einzig richtigen
Massstab für die Werthschätzung zu gewinnen. Im vorliegenden Falle
ist die Wissenschaft noch nicht zu solcher Erkenntniss vorgeschritten,
nur hie und da kann sie den Schleier lüften, den eigenartige Gedanken
und Anschauungen um die Erzeugnisse der Santa Lucia-Cultur gewoben
haben. Aber auch diese wenigen Einblicke genügen, um sagen zu
können, dass es sich hier um Leistungen handelt, die sich weit über
das Niveau des Gewöhnlichen erheben. — Auffassung wie Ausführung
zeugen von ungewöhnlicher Begabung, zumal wenn man bedenkt, dass
ein so sprödes Material wie der Stein das Vorgestellte nur nach Ueber-
windung grosser technischer Schwierigkeiten zu entsprechendem Aus-
druck bringt. Dafür fehlte es aber allen diesen Völkerschaften, soviel
wir bis jetzt wissen, an den Hülfsmitteln, wie sie uns zu Gebote stehen,
wobei in erster Reihe in Betracht kommt, dass die Verwerthung des
Eisens unbekannt war, daher die Bearbeitung des Steines in der Art,
wie es hier geschehen ist, jedenfalls eine sehr zeitraubende und mühe-
volle Arbeit gewesen sein muss.
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Lichtdruck von Carl Griese.
Strebel. Tafel I.
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Lichtdruck von Carl Griese.
hrbuch der Hamb. wissensch. Anstalten. XI. 1893.
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Jahrbuch der Hamb. wissensch. Anstalten. XI. 1593. ‘Strebel. Tafel III,
Lichtdruck von Carl Griese.
ıhrbuch der Hamb. wissensch. Anstalten. XI. 1893. Strebel. Tafel IV.
12
Lichtdruck von Carl Griese.
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Mittheilung
aus dem Ohemischen Staats-Laboratorium.
Ueber
das Hamburger Leuchtgas.
Von
M. Dennstedt und ©. Ahrens.
Mittheilung
aus dem Chemischen Staats-Laboratorium.
Di. technische Verwendung der Steinkohlen wird in vielen
"ällen durch den in Gestalt von Schwefeleisen und in Form organischer
Verbindungen darin vorkommenden Schwefel beeinträchtigt. Auch
bei der Darstellung des Leuchtgases durch trockene Destillation der
Steinkohlen hat der Schwefelgehalt mancherlei Unzuträglichkeiten im
Gefolge, da die sich bildenden gasförmigen oder sonst flüchtigen
Schwefelverbindungen das Gas in unliebsamer Weise verunremigen.
Von solchen Schwefelverbindungen sind zu nennen Schwefelwasserstoft,
Schwefelammonium, Schwefeleyanammonium, Schwefelkohlenstoft, wahr-
scheinlich Kohlenoxysulfid, Tiophen und andere nicht näher bekannte
organische Schwefelverbindungen. Während bei den üblichen
Reinigungsverfahren die ersten drei vollständig zurückgehalten und
in einem sachgemäss dargestellten Leuchtgase gar nicht oder nur
in Spuren angetroffen werden, kennt man für die Entfernung der
übrigen Schwefelverbindungen, kein einfaches technisch anwendbares
Verfahren. Hierzu kommt, dass man über die Natur der angeführten
organischen Schwefelverbindungen bis jetzt nur sehr unvollkommen
unterrichtet ist. Zwar wird mit einiger Sicherheit das Vorhandensein
von Tiophenolen angenommen und die Gegenwart des Phenylsenföls
allgemein behauptet; letzteres soll sogar den eigenthümlichen durch-
dringenden Geruch des Leuchtgases bedingen. Diese in allen Lehr-
büchern sich findende Angabe ist um so unbegreiflicher, als der
Geruch des Leuchtgases mit dem des Phenylsenföls auch nicht die
entfernteste Aehnlichkeit besitzt, und das Phenylsenföl, dass, wenn es
diesen Geruch bewirken sollte, doch in erheblicher Menge vorhanden
sein müsste, da sein Geruch verhältnissmässig schwach ist, bis jetzt
niemals aus dem Leuchtgase isolirt worden ist.
Das Hamburger Leuchtgas zeichnet sich durch einen ungemein
hohen Schwefelgehalt aus und da in ihm, wie dies bei sorgfältiger
Reinigung selbstverständlich ist, Schwefelwasserstoff niemals auch nur
in Spuren nachgewiesen werden konnte, so war Hoffnung vorhanden,
aus ihm die sonstigen organischen Schwefelverbindungen in grösserer
Menge gewinnen und über ihre Natur ins Klare kommen zu können,
B)
124 M. Dennstedt und (©. Ahrens.
Diese Ueberlegung ist Veranlassung zu den nachstehend
geschilderten Versuchen gewesen, die später, da über die Zusammen-
setzung des Hamburger Gases noch keinerlei Angaben vorliegen, auf
seine vollständige Analyse ausgedehnt worden sind.
Der Schwefel.
Der Schwefelgehalt des Gases ist seit dem Jahre 1885 von
dem Chemischen Staats-Laboratorium einer regelmässigen monatlichen
Controlle unterworfen gewesen, und sind die gefundenen Resultate in der
folgenden Tabelle zusammengestellt. Die Schwefelbestimmungen sind
nach dem Poleck’schen Verfahren mit dem von ihm angegebenen
Apparat, in neuerer Zeit mit dem von Drehschmidt abgeänderten
Apparat ausgeführt worden, nachdem durch Controllanalysen festgestellt
war, dass beide Apparate vollständig übereinstimmende Resultate ergaben.
|
1885 | 1886 | 1887 | 1888 | 1889 | 1890 1891 | 1892 ass |
Januar | — [0,57 | 0,66] 0,97| 0,87 | 1,02| 0,r0| ı40| 1286| 0,98
Februar | 0,84| 0,51| 0,73| 0,89 | 0,93 | 1;04 | 0,89 | 1,14 | 1,20 0,91
März — 10,76 | 0,93 | 0,92 | 0,93 | 0,99 | 0,99 | 1,23 | 1,19 0,99
April 0,74| 0,67| 0,85, 0,91| 1,07| 0,86 | 1,18) 1,32| 1,051 0,96
Mai — | 0,45| 0,77| 0,58 | 0,99 | 0,95 | 0,86 | 0,50| 0,89| 0,75
Juni 0,96 | 0,42 | 0,87| 0,51| 0,79| 1,29| 0,98 | 0,79 | 1,07 0,85
Juli 0,60! 0,72| 1,11 | 0,68! 1,14! 1,04 | ı,17| 1,11! 0,88| 0,94
August 0,46 | 0,66| 1,09| 0,69| 0,98 | 1,11 | 1,20 | 1,19| 1,08| 0,94
September 0,71 | 0,68 0,92 | 0,98 | 1,25 | 0,89 1,08 | 1,13 | 1,05 | 0,96
October 0,53 | 0,49 | 0,57 | 0,84| 0,99 | 0,91 | 0,72| 1,07 | 1,02| 0,79
November | 0,54 | 0,57| 0,98) 0,94 | 1,00 | 1,06 | 1,14 | 1,13 | 1821| 0,9
December — | 0,64| 1,06 | 0,85 | 0,93 | 0,90| 1,23 | 1,24 | 1,04| 0,99
Pe 0,67 0,59 0,87 0,81 | 0,99 | 1,01 101 1,10] 1,08.
Die Zahlen geben den Schwefelgehalt in Grammen m 1 cbm
Gas. Zum Vergleich sei angeführt, dass der gewöhnliche Schwefel-
gehalt des Leuchtgases zwischen 0,2—0,5 gr. m 1 cbm schwankt.
So enthielt das Berliner Leuchtgas in den Jahren 1870—1875 im
Mittel 0,236 gr. Schwefel in 1 cbm, das Kölner Gas 1885—1886
0,23—0,3 gr., das Breslauer Gas im Mittel aus mehreren Jahren
0,216 gr. Während in Deutschland eine Maximalgrenze für den
Schwefelgehalt nicht festgesetzt ist, vermuthlich weil bei der Verwen-
dung deutscher Kohlen der Gehalt selten über 0,4 gr. steigt und
dieser nach Ansicht Pettenkofers, Schillings und anderer Autoritäten
für unbedenklich erklärt wird, hat man in anderen Ländern, so in
4
Ueber das Hamburger Leuchtgas. 1235
England und in den Vereinigten Staaten von Nordamerika aus hygienischen
Gründen einen Gehalt von 0,57 gr. und 0,45 er. m 1 cbm als noch
zulässige äusserste Grenze festgesetzt.
Zur besseren Uebersicht seien aus obiger Tabelle die Schwetel-
Maxima nnd -Minima zusammengestellt:
1889, 10880671887. 1888. 1589. 1890. 1891. 1892. 1893.
Maxima: 0536 0,00 1,10. 0,987 1,25. 1.29 1,23, 1.40 35,26.
Minima: 0,467 :054 28 20.57 205912 0,797 .0,86% :0,707:0,50 + 0,88.
Der Durchschnitt der Maximalzahlen beträgt 1,13, der der
Minimalzahlen 0,63.
Die obigen Zahlen lassen keinerlei Regelmässigkeiten über Zu-
und Abnahme des Schwefelgehalts in Bezug auf Darstellung und
Verbrauch erkennen.
Man könnte z. B. geneigt sein, mit A. W. Hofmann !) anzu-
nehmen, dass in den Monaten des grössten Verbrauchs und der dadurch
vielleicht bedingten weniger sorgfältigen Reinigung der Schwefelgehalt
stiege. Aber abgesehen davon, dass sich dies höchstens auf emen
(rehalt an Schwefelwasserstoff beziehen könnte, der wie gesagt im
Hamburger Leuchtgase nie beobachtet wurde, so zeigen auch die
Durchschnittzahlen der Wintermonate keinen höheren Schwefelgehalt,
als die der Sommermonate. Wenn sich beispielweise der December
und der März auch durch einen hohen Schwefelgehalt auszeichnen,
so wird doch auch im April, im Juli, August und September ein
ähnlicher Gehalt gefunden. Juli, August und September haben sogar
einen höheren Schwefelgehalt als Januar und Februar.
Andrerseits zeigen die Monate mit durchschnittlich hohem
Schwefelgehalt in einigen Jahren auch wieder auffallend niedrige Zahlen.
So weist der Januar in den acht Jahren 3 Mal den höchsten in dem
betreffenden Jahre beobachteten Schwefelgehalt auf, doch fallen auch
innerhalb dieser Zeit 2 Mal die Schwefelminima in diesen Monat.
Der Juni zeigt 3 Mal das Minimum (1886, 1888 und 1889), aber
auch 2 Mal das Maximum (1885 und 1890). Am wenigsten von
diesen Schwankungen wurden Februar und November berührt, wo kein
Mal das jährliche Maximum oder Minimum beobachtet wurde.
Nur eine Regelmässigkeit fällt bei den oben angeführten Zahlen
sofort in die Augen, d. i. die stetige Zunahme des Schwefelgehalts
von Jahr zu Jahr. Während das Jahr 1885 mit der schon recht
hohen Durchschnittzahl von 0,67 gr. für den cbm beginnt, wächst der
1) Ann. Chem. Pharm. 115, 294.
Or
126 M. Dennstedt und C. Ahrens.
jährliche Durchschnitt von da an fortwährend; den grössten Betrag
erreicht er 1892 mit 1,10 gr., dem aber das folgende Jahr mit 1,08 gr.
annähernd gleich kommt. Die Zunahme des Schwefelgehalts von 1885
bis jetzt beträgt beinahe 60 %.
Diese hohen Schwefelgehalte sind einer mangelhaften Reinigung
nicht zuzuschreiben, sie haben vermuthlich ihren Grund in der Zu-
sammensetzung der verwendeten Kohlen und in der Art der Vergasung.
Kohlensäure.
Von geringerer Bedeutung als der Gehalt des Leuchtgases an
Schwefel ist der an Kohlensäure, die aber immerhin zu den Verun-
reinigungen des Leuchtgases gerechnet werden muss. Ist sie auch an
und für sich nicht schädlich, was schon daraus hervorgeht, dass bei
der Verbrennung des Gases der gesammte Kohlenstoff in Kohlensäure
verwandelt wird, so wird doch die Leuchtkraft des Gases durch sie
erheblich beeinträchtigt, da der in der Flamme abgeschiedene und
das Leuchten bedingende Kohlenstoff der schweren Kohlenwasserstoffe
dadurch zu Kohlenoxyd oxydirt wird. Diese Verringerung der Leucht-
kraft wird zu 6—10% der Gesammtleuchtkraft berechnet auf das
Procent Kohlensäure angegeben. Im Allgemeinen ist man der An-
sicht, dass über den Maximalgehalt an Kohlensäure keine Vorschriften
zu machen seien, sobald nur das Gas die vorgeschriebene Leucht-
krait hat.
Ueber den Kohlensäuregehalt der verschiedensten Leuchtgase
liegen zahlreiche Angaben vor, aus denen hervorgeht, dass er erheb-
lichen Schwankungen von 0,1 bis über 3 Procent unterworfen ist. Nach
12 Analysen ) von Leuchtgasen der verschiedensten Städte beträgt
die durchschnittliche Kohlensäurenmenge 1,50 Volumenprocent, ein
grosser Theil dieser Gase, etwa zwei Fünftel, enthalten 2—3, je ein
Fünftel der Gase enthalten unter 1, 1—2 und über 3 Procent.
)
Auch der Kohlensäuregehalt des Hamburger Leuchtgases ist
seit dem November 1886 im Chemischen Staats-Laboratorium in monat-
lichen Zwischenräumen bestimmt worden. Die Analysen sind nach
der Pettenkoferschen Methode, in neuerer Zeit nach Rüdorff, ausge-
führt worden; Vergleichanalysen ergaben vollkommene Uebereinstimmung
beider Methoden.
In der folgenden Uebersicht sind die gefundenen Kohlensäure-
mengen, in Volumprocenten ausgedrückt, zusammengestellt:
D) Muspratt 6. 321,
Ueber das Hamburger Leuchtgas. 1
PN)
—:
nn nn nn nn nn nn nn
|
| } |
1886 | 1887 | 1888 | 1889 | 1890 | 1891 | 1892 | 1893 , Dürch-
| | schnitt.
er 520 296: | 19 1907| 1,701 6885| 110 le 108
Februar =. 115. 4005| E21, 0.204, 11 717:57 71152. |1,08 1,16
März =. 103, 1.0.30. 1.1.21 121.05. 1:06 2185 |.1.02 1,08
April — | 088 | 0,84 | 1,15 | 1,30 | 1,05 | 1,10 | 1,03 1,05
Mai 27107 |087| 108 1,05) 1.07 "157 | 0,98 1,11
Juni 1a. 1.12. 71,.182|: 1.04 21,139) 169)’ 0:90 1,21
Juli = ESEL | 133411.%7 101,50811514789. |40,86 1,34
August — 1101.02. 21.088 121,548 11/768 Bad 14 1574510991 1,38
September — 709, 1.07 171.80. \, 1.20%%1:63.| 0,88%] 0,98 1,14
October — | 110 | 097 | 124 | 1,33 | 1,10 | 0,82 | 0,98 1,08
November 1.12°| 1,09 | 0,79.) 1,04 | 1.16 | 1,20
December 0,98 | 1,20 | 0,87 | 1,04
0,98 | 1,00 | 1,05
096 | 1,10 | 114
en
o
20
_—
[e})
{er}
Durchschnitt | 1,05. | 1,18 | 0,99 | 1,18 | 128 | 1,80 | 127 | 1,00 | 1,16
1
Der Kohlensäuregehalt erschemt hiernach gering, der Durchschnitt
sämmtlicher Jahre beträgt nur 1,16. Die Jahresdurchschnitte schwanken
nur innerhalb geringer Grenzen. Die Durchschnittzahlen der Monate
weisen eine gewisse Regelmässigkeit auf; es findet zwei Mal im Jahr
ein Sinken und Steigen des Kohlensäuregehalts statt, die Minima liegen
im April und November, die Maxima im Januar und Juli. Eine
Ursache für diese vielleicht nur zufällige Regelmässigkeit lässt sich
nicht angeben.
Ammoniak.
Der Ammoniakgehalt des Hamburger Leuchtgases ist sehr
gering, er lässt sich mit Sicherheit nur nachweisen und quantitativ
bestimmen, wenn man mit grossen Gasmengen arbeitet.
1. 1060 Liter Gas!) wurden durch drei mit zusammen 26 cem "io n.
Schwefelsäure gefüllte Peligotsche Röhren gesaugt und mit Yıo n.
Natronlauge unter Anwendung von Methylorange als Indicator
zurücktitrirt. Verbraucht waren von dem Gase 3,40 cem Vıon.
Schwefelsäure entsprechend 0,00578 gr. Ammoniak oder 0,55 gr.
in 100 ebm.
1600 Liter Gas wurden in gleicher Weise durch "io n. Schwefel-
säure gesaugt und zurücktitrirt. Verbraucht 5,45 cem Yıo.n.
Schwefelsäure — 0,009265 gr. Ammoniak oder 0,58 gr. in 100 cbm.
Zeit des Versuchs Mai 1594. Durchschnitt aus beiden Be-
stimmungen
20)
0,56 gr. Ammoniak in 100 cbm Gas.
!) Die hier wie sonst angegebenen Gasmengen sind stets auf 0% u. 760 mm
Druck reducirt,
7
128 M. Dennstedt und ©. Ahrens.
Schwefelwasserstoff und Acetylen.
Die seit dem Jahre 1886 vielfach vorgenommenen qualitativen
Prüfungen des Hamburger Leuchtgases auf Schwefelwasserstoff haben
stets dessen vollständige Abwesenheit erwiesen.
Im August 1893 wurden auch einige quantitative Analysen auf
Schwefelwasserstoff unter gleichzeitiger Bestimmung des Acetylens nach
Winkler ausgeführt.
Das Gas passirte zunächst zwei mit concentrirter ammoniaka-
lischer Silberlösung beschickte Volhardsche Apsorptionsapparate, dann
ein mit Platinasbest gefülltes, auf dunkler Rothgluth gehaltenes Ver-
brennungsrohr, dann wieder zwei mit Silberlösung beschickte Absorp-
tionsapparate und gelangte dann in emer Gasuhr zur Messung.
Durchgesaugt wurden 45,4 Liter; der im den ersten beiden Vor-
lagen entstandene Niederschlag enthielt kein Schwefelsilber, er betrug
nach Ueberführung im Chlorsilber 0,134 gr., entsprechend 0,013 gr. oder
10,5 cem Acetylen, das sind 0,0231 Volumprocent.
Der in den beiden letzten Vorlagen gebildete Niederschlag
erwies sich als reines Schwefelsilber, das dem „organischen“ ın
Schwefelwasserstoff übergeführten Schwefel entstammte; seine Menge
stand mit dem zu gleicher Zeit im Poleckschen Apparat bestimmten
(Gresammtschwefel in Uebereinstimmune.
Schwefelkohlenstoff.
Der Gesammtschwefelgehalt in allen Steinkohlengasen wird
stets zu einem grossen Theil durch das Vorhandensein von Schwefel-
kohlenstoff bedingt. Der Schwefelkohlenstoff gelangt in das Leuchtgas,
da die Bedingungen zu seiner Bildung bei der Retortenverkohlung
namentlich gegen Ende der Operation vorhanden sind. Die immerhin
mit Schwierigkeiten verknüpfte Entfernung des Schwefelkohlenstoffs
aus dem Leuchtgase wird im Allgemeinen, wenigstens in Deutschland
nicht vorgenommen, da sich bei dem gewöhnlich niedrigen Schwefel-
gehalt, Unzuträglichkeiten bisher nicht gezeigt haben und eine Maximal-
grenze für den Schwefelgehalt nicht festgesetzt ist. In England dagegen,
wo der Schwefelgehalt des Gases in Folge der Zusammensetzung der
Kohlen ein hoher und seine Entfernung aus dem Gase bis auf ein
bestimmtes Maas vorgeschrieben ist, sind verschiedene Verfahren zur
Absorption von Schwefelkohlenstoff im Gebrauch; sie beruhen im
Wesentlichen auf Anwendung von Schwefelcaleium.
Zum qualitativen Nachweis des Schwefelkohlenstoffs im Ham-
burger Leuchtgas diente das von Vogel angegebene Verfahren.
8
Ueber das Hamburger Leuchtgas. 129
c. 40 Liter Gas wurden durch zwei mit 20 ccm einer 10 procentigen
eitelalkoholischen Kalilauge beschickte Peligotsche Röhren mit einer
Geschwindigkeit von 4 Litern in der Stunde gesaugt, der Inhalt der
Röhren verdampft, mit Essigsäure angesäuert und mit essigsaurem
Kupfer gefällt, es entstand sofort ein reichlicher Niederschlag von
xanthogensaurem Kupfer.
Zur quantitativen Bestimmung des Schwefelkohlenstoffs wurde
die von Post!) beschriebene auf der Hofmannschen Reaction mit
Triäthylphosphin beruhende Methode zur Anwendung gebracht. Das
Gas passirte zunächst eme Gasuhr, dann drei weite Proberöhren, die
etwa 30 ccm einer 10 procentigen Natronlauge und darauf schwimmend
einige ccm. einer 5 procentigen ätherischen Triäthylphosphinlösung
enthielten. Das Gas wurde mit einer Geschwindigkeit von 2 bis 3
Litern die Stunde durchgesaugt. Beginnende Färbung des Aethers
trat schon nach Durchgang von etwa 3 Litern ein, während Hofmann
s. Z. ım Londoner Gas beginnende Färbung erst nach Durchgang von
5's Litern beobachtet hatte. Nach Beendigung des Versuchs wurde
die Aetherschicht abgehoben, mit Wasser gewaschen, im Vacuum
verdunstet, und der aus hellrothen Krystallnadeln bestehende Rück-
stand gewogen, und aus ihm der Schwefelkohlenstoft berechnet. Eine
geringe Menge einer den Krystallen anhaftenden öligen Substanz konnte
durch wiederholtes Lösen in Aether, in dem das Oel unlöslich war,
und Eindunsten entfernt werden. Die Resultate waren folgende:
1. 30 Liter Gas hinterliessen so 0,0364 gr. Krystalle (C, H,), P. C>,
entsprechend 0,0143 gr. Schwefelkohlenstoff. In 1 cbm. Gas waren
daher 0,47 gr. Schwefelkohlenstoff oder 0,396 gr. Schwefel ent-
halten. Da das Leuchtgas zu jener Zeit (August 1893) 1,08 gr.
Gesammtschwefel enthielt, so war von diesem etwa 37 'o ım
Gestalt von Schwefelkohlenstoff vorhanden.
2. 53,5 Liter Gas lieferten 0,0410 gr. (C,H, ); P. CS,, entsprechend
0,0161 gr. Schwefelkohlenstoff; es enthielt demnach 1 cbm 0,301 ger.
Schwefelkohlenstoff oder 0,254 gr. Schwefel. Da zur Zeit der
Analyse (April 1894) das Gas 1,25 gr. Schwefel enthielt, so
war von diesem etwa 20 % in Gestalt von Schwefelkohlenstoff
vorhanden.
Man sieht, dass sowohl die Menge des Schwefelkohlenstofts an
sich, in 1 cbm 0,47 er. und 0,30 gr., als auch noch mehr die auf
die Gesammtschwefelmenge bezogene Procentzahl, im ersten Falle
I) Technische Analyse I G. 183.
130 M. Dennstedt und €. Ahrens.
ca. 37 °o, im zweiten 20 %, erheblich von einander abweichen, dass
also nicht von einem hohen Schwefelgehalt an sich auch auf einen
hohen Schwefelkohlenstoffgehalt und umgekehrt geschlossen werden
kann. Ferner sieht man, dass im Hamburger Leuchtgase nur eine
verhältnismässig geringe Menge des Gesammtschwefels in Form von
Schwefelkohlenstoff vorhanden ist, dass also der grösste Theil
in Gestalt anderer organischer Schwefelverbindungen vermuthet
werden muss.
Aelnliche Schwankungen im Schwefelkohlenstoffgehalt und in
seinem Procentsatz gegenüber dem Gesammtschwefel sind auch s. Z.
von Poleck ') im Breslauer Leuchtgase beobachtet worden; er fand in
5 Versuchen in 1 chm:
1. 0,265 gr. Gesammtschwefel 0,120 gr. CS, oder 45,2 %.
2, 0,29 „ i VOR RE
3 a 0880, 3
4,0293, , OL A
5. 0,250 „ R DORT no
Volumetrische Analyse.
Die volumetrische Analyse wurde mit den Apparaten Hempels
und nach der von ihm angegebenen Methode ®) ausgeführt, d. h. es
wurde die Kohlensäure mit 33 procentiger Kalilauge, die schweren
Kohlenwasserstoffte mit rauchender Schwefelsäure, der Sauerstoff theils
mit Phosphor (Analyse 1—5) theils mit Pyrogallussäure (Analyse 6—9),
Kohlenoxyd mit ammoniakalischem Kupferchlorür absorbirt. Methan
und Wasserstoff wurden durch Verpuffung, Messen der Contraction
und der gebildeten Kohlensäure, der Stickstoff durch Differenz
bestimmt.
Es wurde gefunden:
19/4 94. 20/4a. 20/4p. 21a. 2l/Ap. 25/4 27)
ee 1,20 1,20 1,30 0,95 1,507 1
Schwere Kohlen-
4a. 27/4 p. 30/4
15 120 1,30
Kohlensäure
wasserstoffe .... 83,75 3,40 3,40 2,85 3,20,, 3,207 3,957 ,3,807 73530
Sauerstolf........ 0,40 0,00 0,90 0,70 : 0,80 0,35 0,50 0,60 0,20
Kohlenoxyd...... 71,20 7.00 6,40 6,30 7,00 6,65 6,40 6,70 7,00
Grubengas....... — 29,00 28,90 31,60 — 531,90 31,20 29,50 30,80
Wasserstoik de...n -— 50,50 52,30 54,10 — 49,50 50,90 54,70 51,95
BÜUCkKSbOIE ne == 8,50 6,80 3,50 e= 7,20 5,90 3,50 5,15
1) Fresenius, 21, 171.
?) Gasanalytische Methoden, S. 214.
10
Ueber das Hamburger Leuchtoas. 131
Im Durchschnitt aus sämmtlichen Analysen:
I. I.
Kohlensäure, .. un... 1,21 1,50
Schwere Kohlenwasserstoffe ... 3,43 Bulle
SalerSborr. Ss nn 0,49 033
Kohlenosydu. m ern 16573 7.38
rubengast tn, 2 NA FN 30,41 35,43
Wiasserstofl one ee ehe: > 51,99 45,04
STIEIEStON N ee 5,83 3,52
In der Spalte II sind den Durchschnittzahlen des Hamburger
Gases die Mittelzahlen von 12 Gebrauchgasanalysen aus Musspratt V.
321 gegenübergestellt und zwar Heidelberger Gas aus Saarkohlen,
Berliner, Breslauer und Charlottenburger Gas aus schlesischen Kohlen,
ferner Hannoversches, Heidelberger, Dresdener, Königsberger, Londoner
Gas, die letzten beiden aus englischen Kohlen, endlich zwei Mal
Londoner Gas (Chartered u. Co. und Cannelgas London Parlaments-
haus). Aus den Zahlen geht hervor, dass mit Ausnahme der schweren
Kohlenwasserstoffe, auf denen allerdings hauptsächlich das Leucht-
vermögen beruht, das Hamburger Gas nicht wesentlich von den
übrigen abweicht. Mit den schweren Kohlenwasserstoffen bleibt es
freilich ziemlich erheblich zurück und haben wir in der Litteratur nur
noch das Dresdener Gas nach einer Analyse von Hempel') gefunden,
das einen noch niedrigeren Gehalt daran aufweist. Dieses Gas ist,
wie aus den folgenden Zahlen hervorgeht, auch sonst dem Hamburger
sehr ähnlich:
Kohlensäure eur. See ar: 145
Schwere Kohlenwasserstoffe............ 3,0
Sauerstollepe ee. ee ae 1,4
IKohlenoxy ea ns 8,0
Grubeneas er ek 33%
NV aSSerSbol ee ee euere 48,7
SEICKStON A Pe ee nee 4,0
Einige Male wurden auch nach der von Hempel*) angegebenen
Methode die dampfförmigen Kohlenwasserstoffe bestimmt und auch
hier sehr niedrige Werthe gefunden, nämlich im Durchschnitt 0,55 'o;
das steht auch im Einklang mit der geringen Ausbeute an flüssigen
Kohlenwasserstoffen beim Abkühlen gegenüber anderen Gasen.
l) Schilling, Handb. d. Gasbel. S. 91.
2) Berichte d. D. chem. Ges. 1891. 1163.
11
132 M. Dennstedt und ©. Ahrens.
Aus den oben gegebenen Durchschnittzahlen des Hamburger
(rases berechnet sich die Verbrennungswärme nach Böckmann!) zu
5018 Calorien für 1 Liter.
Das specifische Gewicht des Gases wurde in einer grösseren
Versuchreihe sowohl mit dem Bunsen-Schillingschen Apparat, wie
auch mit der Luxschen Gaswaage bestimmt, beide Apparate zeigten
stets fast vollkommene Uebereinstimmung. Es wurden im Durchschnitt
aus einer grossen Zahl von Bestimmungen gefunden
nach Bunsen Schilling s = 0,359 bei 15° und 760 mm,
nach..Lux s — 0,391 per 15° und 760mm.
Das niedrige specifische Gewicht steht im Einklange mit der ge-
fundenen volumetrischen Zusammensetzung, ebenso entsprechen die im
Physikalischen Staatslaboratorium mit dem Bunsenschen von Lummer-
Brodhun verbesserten Photometer bestimmten Lichtstärken dem
specifischen (rewicht und der chemischen Zusammensetzung.
Condensationsproducte.
Da nach den oben beschriebenen Versuchen der Gesammt-
schwefelgehalt des Hamburger Leuchtgases nur zu etwa 20—40
durch Schwefelkohlenstoff gedeckt wird, so war zu hoffen, da das
Vorhandensein von anderen bei gewöhnlicher Temperatur gasförmigen
organischen Schwefelverbindungen kaum zu vermuthen ist, dass vielmehr
derartige flüssige Verbindungen in Dampfform vorhanden seien und
dass man sie durch starkes Abkühlen des Leuchtgases gewinnen könne.
Aehnliche Versuche sind im Jahre 1889 von St. Claire-Deville ®
mit Pariser Leuchtgas ausgeführt worden. Er fand durch Abkühlen
auf —70°, wo die Tension des Benzols gleich 0 ist, in 1 cbm 35,48 gr
aromatische Kohlenwasserstoffe dem Gewicht nach von folgender
Zusammensetzung:
Derzol\Siedep SP)... 22.0.0 13,18
Toluola(sıedep 21 19 7...2..%. ER 13,00
Xylol und höhere Kohlenwasserstoffe .. 8,75
Destillationsrüuckstand® ... ....2.....20 2.08: 359%
Nerluntae Bee ee 1.15
100,00
Da die Kühlung auf —70° mit praktischen Schwierigkeiten ver-
bunden ist, begnügten wir uns mit einer Kühlung auf etwa —10°, in
I) Chem. techn. Untersuchungsmethoden I, 974.
2) Journ, f. Gasbel. 1889 S. 652,
12
Ueber das Hamburger Leuchtgas. 133
der Annahme, dass die hierbei der Condensation entschlüpfenden
Dämpfe hauptsächlich das Benzol und den Schwefelkohlenstoft treffen
würden, höher siedende Verbindungen aber grösstentheils condensirt
werden würden. Allerdings blieben die so erhaltenen Ausbeuten
ausserordentlich hinter den Devilleschen zurück, was jedoch wohl ebenso
der Verschiedenheit der verwendeten Leuchtgase wie der beträchtlich
höheren Abkühlungstemperatur zuzuschreiben sein wird.
Zur vorläufigen Orientirung wurde mit Chlorcaleium getrocknetes
Leuchtgas durch ein auf etwa — 10° abgekühltes U-rohr geleitet und
so nach einigen Stunden eine geringe Menge einer wasserhellen stark
lichtbrechenden Flüssigkeit erhalten, die vorwiegend aus Benzol bestand.
Eine Schwefelbestimmung nach Carius ergab darin 0,36 %o Schwefel.
Zur Gewinnung grösserer Mengen dieser Flüssigkeit wurde der
Versuch mit mehreren Condensationsröhren wochenlang fortgesetzt und
so nach 4 Wochen 28,9 gr., nach weiteren 4 Wochen noch 19,4 gr.
Flüssigkeit erhalten. Das Verhältniss der Gasmenge zur condensirten
Flüssigkeit wurde an einigen Tagen auch quantitativ verfolgt. Die
Ausbeute war eine ausserordentlich minimale. Es wurden nämlich
erhalten:
1. aus 115 Litern bei einem Strom von 24 Litern in der Stunde
bei — 9° 0,03 gr. oder 0,26 gr. aus 1 cbm.
3, aus 330 Litern bei einem Strom von 70 Litern in der Stunde
bei — 10° 0,08 gr. oder 0,24 gr. aus 1 cbm.
3. aus 230 Litern bei einem Strom von 46 Litern in der Stunde
bei —-7° 0,04 gr. oder 0,17 gr. aus 1 chm.
4. aus 480 Litern bei einem Strom von 82 Litern in der Stunde
bei — 7° 0,075 gr. oder 0,16 gr. aus 1 cbm.
Der Durchschnitt ist etwa 0,21 gr. Flüssigkeit aus 1 cbm
Leuchtgas.
Bei diesen niedrigen Ausbeuten glaubten wir auch die Bunsensche
Methode, Saugen des Gases durch eitlen Alkohol, versuchen zu sollen.
Bunsen!) hat so aus 1 cbm Heidelberger Gas 12 gr. einer aus fast
remem Benzol bestehenden Flüssigkeit erhalten. In gleicher Weise
erhielt Fischer aus Hannoverschem Leuchtgas 10,8 ccm flüssige
Kohlenwasserstoffe aus 1 cbm, daraus 2,5 gr. Benzol.
Ein Versuch mit Hamburger Leuchtgas hat, entsprechend der
durch unmittelbare Condensation erhaltenen geringen Ausbeute auch
hierbei ein sehr ungünstiges Resultat ergeben.
!) Gasometrische Methoden G. 137.
13
134 M. Dennstedt und 0. Ahrens.
Der Versuch war so angeordnet, dass das Gas zunächst eine
Experimentirgasuhr und dann zwei Chlorcaleiumröhren durchstrich.
Dann trat es durch ein Gabelrohr im zwei Gasströme getheilt, in je ein
Pettenkofersches etwa 1 m langes und 3 cm weites Rohr, das mit
eitlem Alkohol gefüllt war. Von hier gelangte es in eine mit eitlem
Alkohol beschickte Waschflasche und von dort in die Saugpumpe.
Die vom Alkohol aufgenommenen Kohlenwasserstoffe wurden nach
der Bunsenschen Vorschrift abgeschieden und gesammelt. Erhalten
wurden aus 1 cbm Gas nur 3,08 er. eimer Flüssigkeit, die genau
dasselbe Verhalten wie die durch Abkühlung gewonnene zeigte.
Obwohl die Ausbeute eine etwa fünfzehnmal grössere war als
bei der Abkühlung und sich sicher durch Abkühlen des Alkohols
noch erhöhen lässt, kehrten wir doch zu dem ersten Verfahren zurück,
da das Gas nur in einem langsamen Strom durch den Alkohol gesaugt
werden kann; das Durchleiten von 1 cbm Gas nahm mehrere Tage
in Anspruch.
Die gewonnenen Oele wurden nunmehr einer vielfachen, sorg-
fältigen fractionirten Destillation unterworfen und hierbei aus den
erhaltenen 28,9 gr. und 19,4 er. folgende Fractionen gewonnen:
Siedepunkt bıs. 85% 5,6 0r: TEN alter!
1 ’ oO | 41,2 0% ’ o° 29,4 0
85— 95° 6,3 er. 3,0. er.
95—110° 3,6 er. 3,1 gr.
a | er 20,1 %
E02 1950 Baron ee
125—140° 30 or. 10,4% 25er. 19,8%
140 —155° 3,0 gr. 908% 2,5002 930%
155-c.200°0 3,0 g nn. 349.07, ;
Rückstand und Verlust 1,7 er. 5.8205 220.98or: 4,6
28.9.0r. 100,0 19,4 gr. 9929
Eine nähere Untersuchung der einzelnen Fractionen bis zum
Siedepunkt 140° ergab, dass sie hauptsächlich Benzol, Toluol und
Xylole enthielten. Die Fractionen 140—155° und 155—200° ver-
harzten zum grossen Theil auf Zusatz von concentrirter Schwefelsäure,
die erste dieser Fractionen enthielt in erheblicher Menge Styrol, die
zweite das von Krämer und Spilker ) im Steinkohlentheer entdeckte
Inden. Um festzustellen, ob und in welchen Mengen annähernd
organische Schwefelverbindungen vorhanden seien, wurden mit einzelnen
dieser Fractionen Schwefelbestimmungen nach Carius ausgeführt und
hierbei in der Fraction 1, Siedep. bis 85°, 0,96 % Schwefel, in der
Fraetion 3, Siedep. 95—110°, 0,87 %, in der Fraction 4, Siedep.
1) Ber. d. D. chem. Ges. 23. 3276.
14
Ueber das Hamburger Leuchtgäs. 135
110—125°, 0,51 % und in der Fraction 7, Siedep. über 155°, 0,47 °
Schwefel gefunden. Man sieht, wie mit Erhöhung des Siedepunktes
der Schwefelgehalt stetig abnimmt.
Es war anzunehmen, dass im der ersten Fraction der Schwefel-
gehalt hauptsächlich durch das Vorhandensein von Schwefelkohlenstoft
bedingt sei. Eine Bestimmung des Schwefelkohlenstoffs darin mit
Triäthylphosphin ergab aus 2,6550 gr. 0,0331 gr. (C,H,); PCS,,
entsprechend 0,01297 gr. Schwefelkohlenstoff oder einen Gehalt von
0,488 % Schwefelkohlenstoff. Diese Menge entspricht 0,41% Schwefel.
Da aber im Ganzen 0,96 % Schwefel in dieser Fraction gefunden
worden waren, so mussten etwa 0,5 %, also mehr als die Hälfte, ın
Form anderer Schwefelverbindungen vorhanden sein.
Die Vermuthung lag nahe, diesen Schwefel einem Gehalt an
Thiophen und seimen Homologon zuzuschreiben. In der That gaben
die Fractionen 1 — 3 sehr scharf und deutlich die bekannte Thiophen-
reaction mit Isatin und Schwefelsäure, in den höheren Fractionen
wurde die Reaction immer schwächer und undeutlicher und wurde
schliesslich durch die schon mit conc. Schwefelsäure allein eintretende
Färbung und Verharzung verdeckt.
Der Nachweis für das Vorhandensein des Styrols in der Fraction 6
wurde durch die Bildung des Styroldibromids, der Nachweis des Vor-
handensems von Inden in der Fraction 7
geführt.
durch Bildung des Paraindens
Die geringen Mengen des von uns in kleinem Maasstabe dar-
gestellten Condensationsproductes würden nicht zu einer Fortsetzung
dieser Versuche ausgereicht haben; wir smd daher der Direction der
hiesigen Gaswerke zu grossem Dank verpflichtet, dass sie uns durch
Ueberweisung einer grösseren Menge die Weiterführung der Unter-
suchung ermöglicht hat.
Nachdem wir uns überzeugt hatten, dass das gelieferte Con-
densationsproduet nach entsprechender Reinigung qualitativ mit dem
unseren übereinstimmte, schritten wir zu einer rationelleren Unter-
suchung, indem wir vor der Fractionirung die etwa vorhandenen
basischen Körper und die Verbindungen sauren Charakters (Phenole
u. s. w.) entfernten.
Die basischen Körper.
Die rohen Oele wurden zur Entfernung der basischen Bestand-
theile mit zweiprocentiger Salzsäure mehrmals geschüttelt, die sauren
Auszüge eimgedampft und zur Entfernung des etwa mechanisch mit-
gerissenen nicht basischen Oels sauer mit Aether ausgeschüttelt.
15 11
136 M. Dennstedt und C. Ahrens.
Hierauf wurde alkalisch gemacht und mit Wasserdampf destillirt.
Das übergehende Destillat, das keine Oeltröpfehen erkennen liess,
bläute stark rothes Lackmuspapier und besass den charakteristischen
Geruch der Pyridinbasen. Das Destillat wurde mit Salzsäure ange-
säuert, auf dem Wasserbade eingedampft und dann über Schwefel-
säure in den Exsiccator gebracht. Nach einigen Tagen hatten sich
nadelförmige, an der Luft sofort zerfliessende Krystalle gebildet, sie
wurden in wenig Wasser gelöst und fractionirt mit Platinchlorid
gefällt.
l. und 2. Fällung, orangegelbes Krystallpulver, das bei 180
unter Zersetzung zu schmelzen begann. Der Platingehalt betrug
39,64», demnach wahrscheinlich ein Gemisch von Platinsalmiak
(44 % Pt.) und Pyridin- oder Picolin-Platinchlorid (34,5 % Pt.).
3. Fällung, orangerothe Krystalle vom Schmelzpunkt 177 —
179°, Platingehalt 33,06 %, Picolinplatinchlorid verlangt 33,0 %o Pt.
Schmelzpunkt des «-Picolinplatinchlorids 178°.
4. Fällung, orangerothe Krystalle vom Schmelzpunkt 240—
241°, demnach Pyridinplatinchlorid.
5. Fällung, orangerothe Krystalle, die bei c.180° zu schmelzen
begannen, aber erst bei 240° vollständig geschmolzen waren, demnach
wahrscheinlich ein Gemisch von Pyridin- und Picolinplatinchlorid.
6. Fällung, orangerothe Krystalle vom Schmelzpunkt 180—
196°, demnach vermuthlich ein Gemisch von «-Picolinplatinchlorid
und £-Picolinplatinchlorid. (Smp. 195°).
’. Fällung, orangerothe Krystalle, bei 150—185° schmelzend,
also wohl wesentlich «-Picolinplatinchlorid.
Die Gesammtmenge der in dem Rohöle befindlichen Basen be-
nn
trug etwa 0,1%.
Die Körper sauren Charakters.
Nach Entfernung der Basen wurden die rohen Oele mehrere
Male mit dreiprocentiger Kalilauge ausgeschüttelt. Die vom Oel
getrennte klare, rothbraune alkalische Lösung wurde bis zur sauren Reac-
tion mit verd. Schwefelsäure versetzt und die getrübte Flüssigkeit so lange
mit Aether ausgeschüttelt, als dieser noch etwas aufnahm. Der Aether
hinterliess ein dunkelgefärbtes stark phenol- und etwas rettigartig
riechendes Oel, das ziemlich constant unter theilweiser Zersetzung bei
etwa 220° sott, hierbei vollständig wasserhell überging, sich an der
Luft aber sehr bald roth bis braun färbte. Die Ausbeute war nur
gering, sie betrug etwa 0,4% des angewandten Oels.
16
Ueber das Hamburger Leuchtgas. 137
In alkoholischer Lösung gab das Oel mit Eisenchlorid eine
dunkelgrüne, nach dem Verdünnen mit Wasser eine schwach bläuliche
Färbung. Diese Eigenschaften würden ungefähr auf Metaxylenol (1.3.4)
stimmen, das Jacobsen ) in ähnlicher Weise beschreibt. Doch gab
eine Verbrennung keine darauf stimmenden Zahlen, es wurden nämlich
erhalten aus 0,1771 er. 0,4804 gr. Kohlensäure und 0,1068 gr. Wasser,
daraus berechnet sich 73,97 %o Kohlenstoff und 6,72% Wasserstoff;
Xylenol verlangt 78,7 und 8,2 °.
Mit rauchender Salpetersäure zersetzt sich der Körper explo-
sionsartig.
Nach der Farbenreaction und dem Siedepunkte könnte auch
noch Guajacol und Kreosol in Frage kommen.
Das phenolartige Oel enthielt ausserdem auch Schwefel. Eine
Schwefelbestimmung nach Pearson ergab emen Schwefelgehalt von
0,97 %.
Der Schwefelgehalt ist wahrscheinlich durch in geringer Menge
vorhandene Thiophenole bedingt, im alkoholischer Lösung mit alko-
holischem Quecksilberchlorid oder alkoholischem Bleiacetat versetzt,
erhält man auf Zusatz von Wasser einen deutlichen weissen Niederschlag.
Die indifferenten Körper.
Die von den basischen und sauren Bestandtheilen befreiten
Oele wurden nunmehr mit dem Le Belschen Aufsatz einer mehrfachen
sorgfältigen Destillation unterworfen und hierbei folgende Fractionen
erhalten:
Me 10a nen 10,8%
DOT nenn. 8,4 „
I en La
RENODE INNE nee: 92,7.,
EUER OUT u eennnen.as. 46,8 „,
100,0 %o
Die über 190° siedende Fraction enthielt etwa zur Hälfte
Napthalin, das von diesem getrennte Oel konnte noch keiner näheren
Untersuchung unterzogen werden, seine Bearbeitung ist aber m Angriff
genommen.
Die Fraction 3 vom Siedepunkt 130—-160° wurde einer
weiteren sorgfältigen Fractionirung unter Anwendung des Le Belschen
Aufsatzes unterzogen und hierbei zu etwa 19% ein constant bei
144—146° siedendes Oel erhalten. Dieses Oel zeigte alle Eigen-
1) Ber. d. D. chem. Ges. 11.374.
17 118
138 M. Dennstedt und (©. Ahrens.
schaften des Styrols C;H;. Bei einer direeten Titration der ursprüng-
lichen bei 1350—160° siedenden Fraction mit Brom, konnte ihr Gehalt
an Styrol zu etwa 11° festgestellt werden, während Krämer und
Spilker ) im Rohxylol des Steinkohlentheers etwa 6% Styrol gefunden
haben, das Condensationsproduct ist demnach doppelt so reich an
Styrol als das Rohxylol des Steinkohlentheers. Obgleich die isolirte
Fraction nahezu den Siedepunkt des Styrols (145—146°) besitzt, so
besteht sie doch noch bei Weitem nicht aus reinem Styrol, es zeigt
sıch dies besonders bei der Polimerisation mit conc. Schwefelsäure,
die nur langsam und weniger glatt wie bei dem synthetischen Styrol
verläuft, auch die Ausbeute an Styroldibromid bleibt weit hinter der
theoretischen zurück; so wurden aus 5,6 gr. des Oels beim Bromiren
in chloroformiger Lösung nach Glaser nur 4 gr. festes Dibromid
erhalten, anstatt der nach der Theorie zu erwartenden 14,2 er.
Theilweise mag diese schlechte Ausbeute begründet sem in der
gleichzeitigen Bildung eines flüssigen Dibromids (?), das nach den
Beobachtungen Zinckes ®) neben dem festen Dibromid entsteht. ° Wir
erhielten neben den 4 gr. festen Dihromids noch 4,5 gr. eines braunen,
‚stark riechenden Oels, sind aber im Zweifel, ob dies thatsächlich aus
einem flüssigen bromirten Styrol oder nicht vielmehr wenigstens zum
grössten Theil aus nicht bromirten gesättigten Kohlenwasserstoffen,
die in dem ursprünglichen Oel enthalten sind, besteht. Weitere Unter-
suchung soll über diesen Punkt Aufklärung geben.
Das feste Dibromid stellte aus SOprocentigem Alkohol um-
krystallisirt feme weisse Krystallnadeln dar, die bei 73,5 —74" schmolzen
und bei der Analyse 60,40 "o Brom ergaben statt der von der Theorie
geforderten 60,60 '.
Die Fraction 4 vom Siedepunkt 160—190° besteht der
Hauptmenge nach aus Inden (, H;.
Das Inden wurde von Krämer und Spilker®) in den zwischen
175 — 185 siedenden Antheilen des Steinkohlentheers entdeckt; im
Leuchtgas kommt es gleichfalls in erheblicher Menge vor.
Zu seimer Gewinnung wurde die bei 160-—190° siedende Fraction
des Condensationsproductes einer vielfachen Destillation mit dem
Le Belschen Aufsatz unterworfen und das bei 176—182° Ueber-
gehende gesondert aufgefangen. Das sich abscheidende Naphtalin
wurde durch Ausfrieren nach Möglichkeit beseitigt. Die Fraction
1) Ber. d. D. chem. Ges. 23. 3282.
2) Ann. Chem. Pharm. 154. 154.
3) Ann. Chem. Pharm. 216. 288.
4) Ber. d. D."chem. Ges. 23. 3276.
18
Ueber das Hamburger Leuchtgas. 139
176—182° vererösserte sich bei jedesmaligem Durchsieden und betrug
nach siebenmaliger Destillation 42% der Gesammtmenge. Sie stellte
ein farbloses, leicht bewegliches Oel von angenehmem Geruch dar,
das bei Berührung mit conc. Schwefelsäure sich augenblicklich unter
Rothfärbung in das feste Parainden verwandelte. Von Krämer und
Spilker wurde das Parainden als harzartiger Körper erhalten, wenn
eine ätherische Indenlösung mit conc. Schwefelsäure versetzt, dann
mit Natronlauge gewaschen und der Aether verdunstet wurde. Das
so gewonnene Parainden enthielt noch über 3% Schwefelsäure und
konnte bei der trockenen Destillation nicht in Inden zurückverwandelt
werden.
Wir haben das Parainden auf folgende Weise vollständig rein und
schwefelfrei erhalten. Wir vermischten kleine Portionen bis zu 10 gr.
der Fraction 176—182° in einer mit Eis gekühlten Porzellanschaale
sehr langsam unter Umrühren mit conc. Schwefelsäure, bis keine
Harzabscheidung mehr bemerkbar war. Die so gebildete klebrige,
dunkelrothe Masse wurde darauf mit Eiswasser durchgeknetet, bis sie
fast weiss geworden, durch Waschen mit Wasser von anhaftender
Schwefelsäure befreit und mit 4procentiger Natronlauge behandelt,
um etwa eebildete Sulfosäuren zu entfernen, hierauf wieder mit Wasser
ausgewaschen und zwischen Leinwand ausgepresst. Es stellte nunmehr
eine röthlich weisse amorphe Masse dar. Diese wurde nun in kleinen
Mengen in möglichst wenig Aether gelöst und in einen Ueberschuss
von eitlem Alkohol hineinfiltrirt. Das Parainden scheidet sich dann
in leichten, weissen, voluminösen Flocken aus. Nach zwölfstündigem
Stehen wurde filtrirt und mit kaltem eitlem Alkohol nachgewaschen.
Dieses Verfahren wurde so oft wiederholt, bis das Product schneeweiss
geworden war. Es stellt in reinem Zustande ein amorphes, leichtes
Pulver dar, das bei etwa 150° zusammensintert und bei 161—164°
schmilzt. Es ist in Aether, auch in der Kälte sehr leicht löslich, in
kaltem eitlen Alkohol unlöslich, in warmem sehr schwer löslich, Chloro-
form und Benzol lösen es leicht. Krystallinisch wurde es nicht er-
halten, aber vollständig schwefelfrei, wie ein quantitativer Versuch
nach Carius erwies.
Die Verbrennung einer drei Mal nach obigem Verfahren ge-
reinigten Probe gab folgendes Resultat: Angewandt: 0,2406 gr., er-
haltene Kohlensäure: 0,5170 gr., Wasser: 0,1522.
Berechnet für: Gefunden:
(C, H,) n
€ = 93,10% 92,68 %
H= 6,89, 02,
19
140 M. Dennstedt und (©. Ahrens.
Durch Destillation im luftverdünnten Raum kann das Parainden
zum grossen Theil in Inden zurückverwandelt werden; gleichzeitig
bildet sich hierbei ein in Nadeln krystallisirender Körper, dessen
weitere Untersuchung wir uns vorbehalten. Neben dem Parainden
etwa 45° entsteht bei der Behandlung mit conc. Schwefelsäure aus
der Fraction 176—182° in geringer Menge eine in Nadeln krystalli-
sirende Säure und sehr kleine Mengen eines stark riechenden mit
Wasserdämpfen flüchtigen Oels. Beide sollen noch näher untersucht
werden.
Ueber die Schädlichkeit des Schwefelgehalts im
Leuchtgase.
Aus den vorstehend geschilderten Versuchen geht hervor, dass
der Schwefelgehalt des Hamburger Leuchtgases zum grossen Theil
durch einen Gehalt an Schwefelkohlenstofft bedingt wird, dass aber
auch Thiophen und seine Homologen und wahrschemlich auch
Thiophenole dazu wesentlich beitragen. Wenn es bisher nicht gelungen
ist, diese anderen organischen Schwefelverbindungen in reinem Zustande
zu isoliren und ihre chemische Natur festzustellen, so findet dies seine
Erklärung und Entschuldigung darin, dass sie nur in verschwindend
geringen Mengen im Leuchtgase vorkommen und dass gewaltige Massen
Gas verarbeitet werden müssten, um sie in genügender Quantität zu
erhalten. Trotzdem sollen diese Versuche, da wir noch über grössere
Mengen des Condensationsproductes verfügen, fortgesetzt werden. Die
Feststellung ihrer Natur hat auch nur ein mehr wissenschaftliches
Interesse, denn wenn sich die thatsächliche Schädlichkeit eines hohen
Schwefelgehaltes erweisen lässt, so wird man in der Praxis weniger
darauf bedacht sein, durch besondere Reinigungverfahren diese Ver-
bindungen aus dem Leuchtgase zu entfernen, als vielmehr durch
Auswahl passender Kohlen und durch die Art der Vergasung, ihre
Bildung nach Möglichkeit zu verhindern suchen.
Was diese Schädlichkeit des Schwefels im Leuchtgase
anbetrifit, so ist darüber nach Schilling) viel „gefabelt“ worden,
nach ihm ist eine solche Schädlichkeit vollständig zu verneinen,
wobei er allerdngss von der Annahme ausgeht, dass der
Schwefelgehalt die in England zulässige Grenze von 0,57 gr. im
cbm nicht übersteige und der Schwefel zu Schwefeldioxyd ver-
brenne. Ebenso wies Pettenkofer”) nach, wiederum unter der Annahme,
dass der Schwefel zu Schwefeldioxyd verbrenne, dass diese Verunreinigung
1) Handb. f. Gasbel. S. 175.
2) Journ. f. Gasbel, 1885. S. 825.
20
Ueber das Hamburger Leuchtgas. 141
in Folge der natürlichen Ventilation nicht wahrnehmbar und daher
nicht schädlich sei. Gegen diese Ansichten und namentlich gegen die
von Schillmg') angestellten Berechnungen wird sich ein ernstlicher
Einwand kaum erheben lassen, wenn thatsächlich der Schwefel im
Leuchtgas nur zu Schwefeldioxyd und nicht entweder vollständig oder
doch in erheblicher Menge auch zu Schwefelsäure verbrennt. Ist aber
letzteres der Fall, dann nimmt die Frage ein ganz anderes Gesicht
an; das zunächst in der Flamme entstandene Schwefeltrioxyd wird mit
dem gleichfalls gebildeten oder in der Luft vorhandenen Wasserdampf
zu feinen Tröpfehen von Schwefelsäure zusammentreten, die selbst
durch eine starke Ventilation nur unvollkommen abgeführt werden.
Sie werden sich aus der Luft allmälıg auf die feste Umgebung nieder-
schlagen, sich mit der Zeit zu beträchtlichen Mengen ansammeln und
bei angreifbaren Stoffen ein stets sich steigerndes Zerstörungswerk
vollziehen. Ob auch hygienische Bedenken in dieser Hinsicht zu hegen
seien, wollen wir ärztlichem Urtheil überlassen, wir neigen der Meinung
zu, dass die in der Luft schwebende Schwefelsäure, so lange der
Gehalt des verbrannten Gases an Schwefel nur ein geringer war, sich
in niedrigen Grenzen bewegen wird, selbst bei längerem Athmen der-
artiger Luft wird verhältnismässig wenig Schwefelsäure in die Lungen
gelangen und da die Zeit der Einwirkung stets eine beschränkte bleibt,
so wird der Körper, wenigstens bei gesunden und kräftigen Personen,
sobald er die schwefelsäurehaltige Luft verlässt, diese sehr schnell
ohne Schaden wieder elimmiren; man denke nur an die erheblichen
Mengen von Säuredämpfen, die man oft in den chemischen Laboratorien
ohne besondere Behelligung einathmet. Ein Anderes jedoch ist es
mit vielen unbelebten organischen Stoffen und mit Pflanzen, hier wird
allmälig eine Anreicherung an Schwefelsäure stattfinden, die schliesslich,
früher oder später, je nach der Natur und Empfindlichkeit der Gegen-
stände, zur Schädigung führen muss. Jedenfalls scheint der Umstand,
dass viele Gewebe, und vor allem Leder und die meisten Pflanzen, bei
Benutzung eines stark schwefelhaltigen Gases zu Grunde gehen, in der
Bildung von Schwefelsäure seinen Grund zu haben.
Es spitzt sich daher die Frage zunächst dahin zu: verbrennt
der im Leuchtgas enthaltene Schwefel zu Schwefeldioxyd oder verbrennt
er vollständig oder auch nur in erheblicher Menge zu Schwefelsäure?
Der Nachweiss, dass sich beim Verbrennen von Leuchtgas Schwefel-
säure bildet, ist zuerst in Hamburg und zwar von Ulex?) geführt worden ;
») loc. cit. 176.
?) Deutsche Industrieztg. 1870. 370.
21
142 M. Dennstedt und C. Ahrens.
von ihm stammt der viel gesehene und bestaunte Vorlesungsversuch,
dass an einer mit kaltem Wasser gefüllten und mit einem Bunsen-
brenner erhitzten grossen Platinschaale sich nach einigen Stunden
Tröpfehen von conc. Schwefelsäure ansammeln, deren Identität nicht
nur durch Chlorbaryum, sondern sogar durch Verkohlen von Papier
und anderen durch Schwefelsäure angreifbaren Stoffen festgestellt
werden kann. Diese Versuche stammen aus der Zeit vor 1870, da
aber durch sie diese wichtige Frage zuerst aufgeworfen wurde, die
Untersuchungen sich auch auf Hamburger Gas beziehen und Ulex!) seine
Beobachtungen mit grossem Scharfsinn interpretirte, so mögen emige
seiner Ausführungen wörtlich angeführt werden:
„Dass das rohe Steinkohlengas Schwefel enthält, ist eine
allbekannte Thatsache. Der Schwefelkies fehlt m keiner Stem-
kohle und der Schwefel desselben geht in verschiedenen Ver-
bindungen in das Gas über. Eine dieser Verbindungen, das Schwefel-
wasserstoffgas, wird durch den Reinigungsprozess vollständig aus
dem Gase entfernt; eine andere, der Schwefelkohlenstoff, dagegen
nicht; er bleibt, gleichzeitig mit stickstoffhaltigen Verbindungen
darin zurück, und verleiht wesentlich dem Gase jenen eigen-
thümlichen Geruch, durch welchen es sich unverbrannt, so leicht
bemerklich macht.
Die Gegenwart dieser Schwefelverbindung im Gase lässt
sich in folgenden verschiedenen Weisen praktisch ermitteln.
Füllt man eine Platinschaale etwa mit "» Liter Wasser,
und erhitzt sie so lange über einem Bunsenschen Gasbrenner bis
das Wasser verdampft ist, so findet man aussen an der Schaale,
da wo die Flamme den Boden derselben berührt, eine schmierige
Flüssigkeit, welche sich als concentrirte Schwefelsäure
erweist.
Einen zweiten Nachweis vom Schwefelgehalt des geremigten
Kohlengases kann man sich von den Lampengläsern verschaffen.
Nach kurzer Zeit des Gebrauchs beschlagen sie sich inwendig
weiss und zeigen stellenweise Incrustationen. Spült man sie mit
Wasser aus, so findet man in diesem schwefelsaures
Ammoniumoxyd.
Zuletzt noch folgenden überraschenden Nachweis. Haben
in einem Zimmer einige Abende über eine oder mehrere Gas-
flammen gebrannt, so braucht man nur mit den Fingerspitzen an
einer Fensterscheibe mehrmals hin- und herzureiben und diese mit
1) Journ, f. Gasbel, 1870. 537.
22
Ueber das Hamburger Leuchtgas. 143
destillirtem Wasser abzuspülen, um eine Lösung zu erhalten,
welche auf Zusatz von Chlorbaryum weiss und milchig von schwefel-
saurem Baryt, — und auf den von Kalium-Quecksilber-Jodid, ziegel-
roth wird. — Werden Fenster eines Zimmers, in welchem Gas
brennt, etwa 8 Tage hindurch nicht abgewaschen, so bemerkt
man auf denselben, im Schein der Sonne, Tausende kleiner
glänzender Krystalle, welche die eben angeführten Reactionen
geben und sich als schwefelsaures Ammoniak erweisen, welches,
da die Lösung sauer reagirt, Ueberschuss an Schwefelsäure hat.
Dem Inhalt der Zimmerluft an sauren schwefelsauren
Ammoniakdämpfen ist es höchstwahrschemlich zuzuschreiben, wes-
halb Pflanzen so schwer in derselben zu ziehen sind und oftmals
in ihr absterben und weshalb Personen mit empfindlichen
Respirationsorganen über Trockenheit der Luft in Zimmern, wo
Gras gebrannt wird, klagen, während in Wirklichkeit die Feuchtigkeit
derselben durch brennendes Gas so bedeutend vermehrt wird.“
A. Vogel‘) hat den Ulexschen Versuch noch dahin erweitert,
dass er die Bildung von Schwefelsäure auch beim kurzen Erhitzen
kleiner Platinschaalen durch Baryumchlorid nachwies. Von E. v. Meyer‘)
ist später darauf aufmerksam gemacht worden, dass diese Bildung von
Schwefelsäure sogar zu einer Fehlerquelle bei der chemischen Analyse
werden kann und zwar nicht nur bei Anwendung von Platinschaalen
sondern auch von Porzellanschaalen. Ferner hat Lieben‘) die oft
beobachtete Abnutzung der zu Wasserbädern in den Laboratorien ver-
wendeten Gefässe aus Kupfer und Eisen zum Theil auf die durch die
Gasflammen gebildete Schwefelsäure zurückgeführt. Endlich ist von
Young® m einer uns leider im Original nicht zugänglichen Arbeit der
Beweis von der Bildung der Schwefelsäure im brennenden Leuchtgas
erbracht worden. Trotzdem ist die aus diesen Beobachtungen gezogene
Schlussfolgerung, dass beim Brennen von Steinkohlengas in der Flamme
freie Schwefelsäure gebildet werde, von Neuem in jüngster Zeit von
E. Priwoznik’) auf das Entschiedendste bestritten worden, nach ıhm
soll die Bildung freier Schwefelsäure in der Gasflamme an sich über-
haupt nicht eintreten, sondern nur Bildung von Ammoniumsulfat, freie
Schwefelsäure trete erst auf m der nicht leuchtenden Bunsenflamme
an der Platinschaale und hier soll die Bildung der freien Schwefel-
1) N. Rep. Pharm. 20. 335.
2) Journ. f. prakt. Chemie 1890. 270.
3) Sitzungsber. der Akad. der Wissenschaften in Wien 13. 292.
4, Jahresber. 1876. 970.
5) Ber, d. D. chem. Ges. 25. 2200 u. 2676.
23
144 M. Dennstedt und C. Ahrens.
säure von der Natur des Materials, aus dem die zu den Versuchen
verwendeten Schaalen bestehen, abhängen, sie soll bewirkt werden durch
den von den starren Körpern absorbirten Luftsauerstoff und daher
komme es, dass Platin, das in ausserordentlich starkem Maasse die
Fähigkeit besitze, Gase an seiner Oberfläche zu verdichten, die Bildung
von Schwefelsäure unter den geschilderten Bedingungen in besonders
hohem Grade verursache, während Schaalen aus Porzellan oder
emaillirtem Eisen bei keiner wie immer gewählten Stellung und Grösse
der Flamme Schwefelsäuretröpfen in deutlich wahrnehmbarer Menge
hervorbringe. Diese Annahmen beruhen jedoch auf einem Irrthum
denn thatsächlich ist die Bildung der Schwefelsäure von dem
Material an dem die Verdichtung stattfindet, fast vollständig
unabhängig und wenn es auch uns nicht gelungen ist, die Bildung
von Tröpfehen cone. Schwefelsäure an Porzellanschaalen z. B. hervor-
zubringen, so hat dieser Misserfolg mit dem fehlenden Absorptions-
vermögen des Materials für Sauerstoff absolut nichts zu thun, sondern
findet in Folgendem weit ungezwungenere Erklärung. Die Schwefel-
säure bildet sich bereits in der Flamme und wird zunächst mit den
Wasserdämpfen an der kalt gehaltenen Platinschaale niedergeschlagen,
nach einiger Zeit erwärmt sich aber das Platin durch die es um-
spülenden Flammengase, aber bei seinem starkem Wärmeleitung-
vermögen werden selbst die äussersten Schichten des Metalls nur wenig
über den Siedepunkt des Wassers erhitzt, Wasser wird sich daher nicht
mehr niederschlagen, wohl aber die gebildete Schwefelsäure, deren
Siedepunkt selbst an der äussersten Schicht des Metalls niemals erreicht
wird. Anders bei Porzellan oder auch emaillirtem Eisen, hier ist
die Wärmeleitung des Materials so gering, dass die mit den Flammen-
gasen unmittelbar in Berührung kommende äusserste Schicht weit über
den Siedepunkt des Wassers und sogar über den der Schwefelsäure
kommt und die Schwefelsäuredämpfe werden nicht verdichtet. Dass
die Schwefelsäure aber thatsächlich gebildet wird, lässt sich durch
folgenden Versuch nachweisen: man brenne unter einer grösseren
Porzellanschaale, die durch stetig zu- und ablaufendes kaltes Wasser
gekühlt wird, einige Zeit eine mittlere Bunsenflamme und sorge durch
Schiefstellen der Schaale dafür, dass das am Boden condensirte
Wasser in ein untergestelltes Gefäss abfliessen kann. Dieses Wasser
zeigt schon nach kurzer Zeit saure Reaction und giebt mit Salzsäure
angesäuert und einem Tropfen Chlorbaryum versetzt deutliche Trübung.
Obgleich bei dieser Anordnung des Versuchs gewiss nur ein
kleiner Theil der gebildeten Schwefelsäure condensirt wird, haben wir
ihn doch auch quantitativ anstellen zu sollen geglaubt.
24
Ueber das Hamburger Leuchtgas. 145
100 Liter Gas wurden in der geschilderten Weise verbrannt,
das eondensirte Wasser gesammelt und die Schwefelsäure mit Chlor-
baryum gefällt, es wurden erhalten 0,0272 gr. BaSO, entsprechend
0,0114 er. H,SO, oder aus 1 cbm. 0,114 gr. Das verwendete Gas
hatte zur Zeit des Versuchs einen Schwefelgehalt von 1,25 gr. im cbm.,
wäre dieser Schwefel vollständig zu Schwefelsäure verbrannt, so hätten
3,825 gr. Schwefelsäure gebildet werden müssen, von diesen wären
dann nur 2,98 % verdichtet worden, das übrige in die Luft entwichen.
Eine bessere Ausbeute erhält man allerdings bei Anwendung
einer Platinschaale, aber wie aus später zu beschreibenden Versuchen
hervorgeht, liest dies nur an der vollkommneren Condensation.
100 Liter Gas wurden unter der mit Wasser gefüllten Platinschaale,
deren Inhalt nicht ganz bis zum Sieden erhitzt war, verbrannt und
die gebildeten Schwefelsäuretröpfehen abgespült und nach dem An-
säuern mit Salzsäure mit Chlorbaryum gefällt. Erhalten wurden
0,0555 gr. BaSO,, entsprechend 0,0233 gr. H,SO,, d.i. 6,09% von
der möglichen Menge.
Ebenso wie Porzellan verhält sich auch Glas, hier lässt sich
die Bildung der Schwefelsäure in folgender zu eimem Vorlesungs-
versuch geeigneten Weise zeigen: man erhitze einen mit kaltem
Wasser gefüllten 2 Literkolben kurze Zeit über einer grossen Bunsen-
flamme, das an ihm niedergeschlagene Wasser zeigt saure Reac-
tion und giebt mit Salzsäure angesäuert und mit einigen Tropfen
Chlorbaryum versetzt deutlichen Niederschlag. Die so condensirte
Menge Schwefelsäure ist ausserordentlich gering. Spült man die saure
Flüssigkeit von dem Kolben auf ein Uhrglas und dampft zur Trockne,
so hinterbleiben deutliche Krystallisationen von saurem schwefelsauren
Ammoniak neben freier Schwefelsäure. Bei 10maliger Wiederholung
des Versuchs mit je 3 Liter Gas wurde im Ganzen ein Rückstand von
0,004 gr. erhalten, der, trotzdem man deutlich mit der Loupe die
feinen Krystallnadeln des sauren Ammonsulfats erkennen konnte, mit
Nessler’s Reagenz nur schwach die Ammoniakreaction gab, während
die Schwefelsäurereaction sehr deutlich eintrat. Um bei Hamburger
Gas überhaupt die Schwefelsäurereaction eintreten zu lassen, genügt
ein Erhitzen von wenigen Seeunden und das Verbrennen von einem
Liter Gas.
. E. Priwoznik hat die von ihm angenommene Wirkung des
Platins noch durch das folgende Experiment zu erweisen versucht:
Er hat über eine Schwefeldioxyd entwickelnde Lösung eine mit der
Alkoholflamme oder brennender Kohle glühend gemachte Platin-
schaale gestülpt und erkalten gelassen, die Schaale mit destillirtem
25
146 M. Dennstedt und ©. Ahrens.
Wasser ausgespült und darin die gebildete Schwefelsäure mit
Salzsäure und Chlorbaryum nachgewiesen, Wir haben den Versuch
wiederholt und können seine Richtigkeit nur bestätigen, aber er
wäre doch nur dann für die dem Platin ausschliesslich zuge-
schriebene Wirkung beweisend, wenn nachgewiesen werden könnte,
dass Schaalen aus anderem Material sich anders verhielten. Das ist
aber nicht der Fall: Porzellan thut’s auch! Wir haben, um jeden
möglichen Einwand auszuschliessen, wie folgt verfahren: eine sorgfältig
gereinigte Porzellanschaale wurde über dem Alkoholgebläse zum
Glühen erhitzt und über eine kleinere Porzellanschaale, die eine
wässrige, frisch dargestellte, keine Spur von Schwefelsäure enthaltende
Lösung von Schwefeldioxyd enthielt und auf einem kleinen erhitzten
Sandbade stand, gestülpt und erkalten gelassen. Wurde die Schaale
dann mit destillirtem Wasser ausgespült, so zeigte dieses stets genau
die gleiche Schwefelsäurereaetion wie bei Anwendung einer Platin-
schaale. Die Oxydation kommt also nicht ausschliesslich dem Platin zu.
Ebensowenig können wir uns auch mit E. Priwoznik’s zweiten
Behauptung einverstanden erklären, dass beim Verbrennen von Leuchtgas
in freier Flamme überhaupt keine freie Schwefelsäure gebildet werde
ausser bei Berührung mit Platin, sondern nur schwefelsaures Ammonium,
wobei das hierzu nöthige Ammoniak aus der atmosphärischen Luft
stammen oder sich gar aus dem Stickstoff der Luft in der Flamme
bilden soll. Er stützt seine Behauptung auf die von ihm beobachteten
Ammoniumsulfatbeschläge an Platinschaalen und die Ammoniumsalz-
bildungen an über Flammen aufgehängten Rauchdeckeln. Obwohl wir
die von ihm beschriebenen Beschläge an der Platinschaale bei Ham-
burger Gas, auf dessen Verhalten in dieser Beziehung wir noch weiter
unten zurückkommen, nicht ganz in der von ihm beschriebenen Weise
erhalten konnten, so sollen seine Beobachtungen, ebensowenig die an
den Rauchdeckeln nicht, in Zweifel gezogen werden, bestritten wird
aber, dass Ammoniumsulfat das unmittelbare Verbrennungsproduct des
Schwefels im Leuchtgase sei; wir glauben vielmehr, dass das von
Priwoznik beobachtete Ammoniak zum grössten Theil aus dem ver-
wendeten Leuchtgas stammte, dass sich zuerst in der Flamme saures
Ammonsulfat bildete, das erst allmählig durch Aufnahme von weiterem
vermuthlich ebenfalls aus dem Leuchtgas stammenden Ammoniak in
neutrales Ammoniumsulfat umwandelte, denn die unendlich kleinen
Spuren von Ammoniak, die in der atmosphärischen Luft enthalten
sind, kommen wenigstens bei den in so kurzer Zeit sich bildenden
Beschlägen an der Platinschaale und an den Glaskolben nicht in
Betracht. Hamburger Leuchtgas enthält nur wenig Ammoniak; bei
236
Ueber das Hamburger Leuchtgas. 147
Untersuchung eines aus 0,5 gr. bestehenden Beschlages, der sich an
einem messingenen Rauchdeckel in einem Wohnzimmer gebildet hatte,
konnten daher nur 0,54 'o NH, entsprechend 2,3 Yo Ammoniumbisulfat
gefunden werden, im übrigen bestand der Beschlag aus Kupfersulfat.
Dass die geringe Menge Ammoniak in diesem Falle, theilweise
wenigstens, aus der Atmosphäre stammte, ist zwar denkbar, da sich
der Beschlag im Laufe von Monaten gebildet hatte; wir glauben
trotzdem ihn auf den geringen Ammoniakgehalt des Leuchtgases
zurückführen und dies durch folgende Versuche erweisen zu können.
1. Ungefähr 250 Liter Gas wurden unter der kühl gehaltenen
Platinschaale mit grosser nicht leuchtender Flamme im Bunsenbrenner
verbrannt. Die Schaale stand so, dass sie die Flamme etwa in ihrem
oberen Drittel durchschnitt. Es bildeten sich die bekannten Schwefel-
säuretröpfehen. Nach Beendigung des Versuchs wurde jedoch beobachtet,
dass ein Theil dieser Tröpfchen, und zwar namentlich die dem Kreise
der durchschnittenen Flamme folgenden, nach innen zu belegenen, beim
Erkalten zu einer krystallinischen Masse erstarrten; sie bestanden in
Ueberemstimmung mit den Versuchen von Ulex aus saurem schwefel-
saurem Ammonium. In Wasser gelöst gaben sie mit Nesslers Reagenz
starke Ammoniakfällung, die Lösung zeigte saure Reaction. Die
Tröpfehen an der äusseren Peripherie, von dem inneren Ringe etwa
2 em entfernt, erstarrten jedoch nicht und verkohlten Fliesspapier, sie
bestanden aus freier Schwefelsäure. Das geschmolzene saure Ammonium-
sulfat sieht den condensirten Schwefelsäuretröpfehen so zum Verwechseln
ähnlich, dass man beide mit dem Auge nur am Erstarren oder Nicht-
erstarren unterscheiden kann. Spült man ohne dies abzuwarten den
Boden der Schaale mit destillirtem Wasser ab, so zeigt dies stark
saure Reaction und giebt die Schwefelsäurefällung, ohne dass freie
Schwefelsäure vorhanden gewesen zu sein braucht.
2. Um zu beweisen, dass das beobachtete Ammoniak aus dem
Leuchtgase stammte, nicht aber aus der Atmosphäre oder gar sich
aus dem Stickstoff der Luft erst in der Flamme gebildet habe, wurde
der Versuch wie folgt wiederholt.
Ungefähr 250 Liter Gas wurden in der nämlichen Weise unter
der Platinschaale verbrannt, das Gas aber vorher durch Leiten über
mit verd. Schwefelsäure getränkte Bimsteinstückchen möglichst von
Ammoniak befreit. Es bildeten sich in gleicher Weise die Tröpfehen
an der Schaale, beim Erkalten erstarrten sie aber nicht, auch nicht
theilweise, sie verkohlten Fliesspapier. Mit destillirtem Wasser auf-
genommen, gaben sie mit Nesslers Reagenz keine heaction; es
27
148 M. Dennstedt und 0. Ahrens.
hatte sich also nur freie Schwefelsäure gebildet und das ım ersten
Versuch beobachtete Ammoniak stammte ausschliesslich aus
dem Leuchtgase.
9
9)
Der Gedanke lag nahe, den Schwefelgehalt des Leuchtgases
dadurch unschädlich zu machen, dass man semen Ammoniakgehalt
so weit vermehrte, dass die beim Verbrennen entstehende Schwefel-
säure vollständig von Ammoniak durch Bildung des neutralen Salzes
gebunden werde. Um diesen Gedanken auf seine Richtigkeit zu
prüfen, wurden wiederum ungefähr 250 Liter Gas unter der Platin-
schaale verbrannt, das Gas aber vorher durch verdünnte Ammoniak-
flüssigkeit geleitet. Es setzten sich am Boden der Schaale wiederum
ähnliche nur kleinere Tröpfehen ab, die beim Erkalten erstarrten und
aus saurem schwefelsauren Ammon bestanden. In weiterer Ent-
fernung vom Mittelpunkt waren einige Tröpfchen, die flüssig blieben
und Papier verkohlten. Es hatte sich also trotz überschüssigem
Ammoniak saures Ammoniumsulfat und freie Schwefelsäure gebildet,
letztere aber, wie es schien, in weit geringerer Menge. Wir glauben uns
diesem auffallenden Umstand so erklären zu müssen, dass das zuerst in der
Flamme gebildete neutrale Salz am äusseren heissesten Flammenrand
wieder dissocurt wird und dass die freien Ammoniak und die Schwefelsäure-
moleküle vor ihrer Wiederveremigung grösstentheils in die Luft zerstreut
werden und zwar das leichtere Ammoniak, soweit es überhaupt der Ver-
brennung entgeht, schneller als die specifisch schwere Schwefelsäure. Nur
an dem äusseren durch die Platinschaale kühl gehaltenen Flammenrande
tritt keine vollständige Dissociation ein, hier wird das vermuthlich zuerst
in der Flamme gebildete, leicht zersetzliche neutrale Sulfat durch
Ammoniakabspaltung in das beständigere saure Ammoniumsulfat ver-
wandelt und dieses ehe es sich weiter dissochren kann an dem verhältniss-
mässig kühlen Platin niedergeschlagen, während in dem tiefer gelegenen
vom Platin entfernteren Flammenrande vollständige Dissociation eintritt.
Aendert man die vorstehend geschilderten Versuche in der Art ab,
dass man die Flamme etwas verkleinert, und die Platinschaale so hoch
stellt, dass sie nur von der Spitze der Flamme berührt wird, so findet
man nur an dieser von der Flamme berührten Stelle einen erstarrenden
Tropfen von saurem Ammoniumsulfat, im weiterer Entfernung nur
nicht erstarrende Tröpfchen von freier Schwefelsäure.
Wendet man bei den zuerst beschriebenen Versuchen mit der
erossen Flamme statt der. Platinschaale eine Eisenschaale an, so wird
unter keinen Umständen freie Schwefelsäure beobachtet. Die Schaale
zeigt sich in zwei mehrere Centimeter von einander entfernten
28
Ueber das Hamburger Leuchtgas. 149
concentrischen Ringen stark corrodirt. Spült man mit Wasser ab,
so zeigt dies keine saure Reaction, dagegen tritt mit Nesslers Reagenz
Reaction auf Ammoniak em.
Trotz diesen Versuchen halten wir es nicht für ganz unmöglich,
dass man die Schädlichkeit eines hohen Schwefelgehalts im Leuchtgase
durch Ammoniak wenigstens theilweise paralysiren könne, sei es
dadurch, dass man dem Gase schon bei der Fabrication absichtlich
einen etwas grösseren Ammoniakgehalt als sonst üblich belasse, oder
dass man diesen Gehalt durch Zusatz von etwas Ammoniak zu der
Sperrflüssigkeit der Gasmesser erhöhe. Ob sich hierdurch ein Erfolg
thatsächlich erzielen lässt, würde natürlich nur durch in grösserem
Maassstabe anzustellende Versuche zu erweisen sein. Gleichzeitig ist
jedoch in Betracht zu ziehen, dass bei überschüssigem Ammoniak,
wenigstens in der entleuchteten Bunsenflamme, ein grosser Theil des
Ammontaks verbrennt, obwohl diese Verbrennung niemals eine ganz
vollständige ist, so dass bei geringem Schwefelgehalt. eines Gases doch
stets so viel der Verbrennung entgehen kann, um wenigstens einen
grossen Theil der entstehenden Schwefelsäure in das saure Sulfat
zu verwandeln; in der leuchtenden Flamme werden diese Verhältnisse
vielleicht noch günstiger liegen, da bei der niedrigen Temperatur der
Flamme und der geringen Menge Sauerstoff ein grösserer Theil des
Ammoniaks unverbrannt die Flamme passiren, auch die Dissociation
des zuerst gebildeten Ammonsulfats eine weniger vollständige sein dürfte.
E. Priwoznik giebt an, dass das zu seinen Versuchen verwandte
Wiener Leuchtgas nach Analysen von Reim, die allerdings wesentlich
früher (1865 und 1868) ausgeführt waren, in 100 cbm 8,37 und 13,77,
also im Durchschnitt 11,07 gr. Schwefel und zu gleicher Zeit 2,12 gr.
Ammoniak enthalten habe. Es war also verhältnissmässig schwefelarm
und ammoniakreich. Nehmen wir an, der gesammte Schwefel sei bei
der Verbrennung in Schwefelsäure verwandelt worden, so wäre genügend
Ammoniak vorhanden, um mehr als die Hälfte des vorhandenen
Schwefels, nämlich 6,11 gr., m Ammoniumsulfat, oder genügend Am-
moniak um 12,22 gr. Schwefel, also mehr als den Gesammtschwefel
in saures Ammoniumsulfat zu verwandeln. Wenn trotzdem Priwoznik
nur die Bildung des neutralen Salzes beobachtet hat, so könnte dies
darin seinen Grund haben, dass entweder zur Zeit seiner Versuche das
Gas schwefelärmer und ammoniakreicher gewesen ist als 1865 und 1868
und in der leuchtenden Flamme eine Zersetzung des vielleicht zuerst
gebildeten neutralen Salzes in das saure Sulfat nicht eintritt, oder dass
nicht sämmtlicher Schwefel zu Schwefelsäure verbrannte, oder dass
von dem geringen Bruchtheil der überhaupt an der Rauchschaale
29
150 .M. Dennstedt und C. Ahrens.
verdichteten Verbrennungsproducte aus vorläufig nicht erklärbarem
Grunde das Ammoniak der Schwefelsäure gegenüber vorwog. Endlich
wäre in Betracht zu ziehen, ob nicht in der gewöhnlichen leuchtenden
Flamme, wie Priwoznik annimmt, eine Bildung von Ammoniak aus
dem Stickstoff der Luft oder des Gases statt hat, eine Bildung, die
für nicht leuchtende Flammen im Bunsenbrenner nach obigen Versuchen
entschieden verneint werden muss. Aus den folgenden Versuchen
geht jedoch hervor, dass die Bildung der Schwefelsäure in der leuch-
tenden Gasflamme genau wie in der nicht leuchtenden vor sich geht.
50 Liter Gas wurden in einem kleinen Schnittbrenner verbrannt,
während über der Flamme in emiger Entfernung ein grosser mit einem
Kühlrohr versehener Glastrichter aufgehängt war. Nach Beendigung
des Versuches wurde Kühlrohr und Trichter mit destillirtem Wasser
ausgespült, die schon stark saure Reaction zeigende Flüssigkeit mit
Salzsäure angesäuert und mit Chlorbaryum gefällt. Es wurden erhalten
0,0166 gr. BaSO, d.i. im cbm 0,3320 gr. entsprechend 0,1396 gr.
Schwefelsäure oder 3,64 "o von dem gesammten im Leuchtgas j. Z.
enthaltenen Schwefel 1,25 er. im cbm. — Ammoniak konnte im Filtrat
mit Nesslers Reagenz nur in Spuren nachgewiesen werden. Es hatte
sich also entweder nur eine sehr geringe Menge Schwefelsäure gebildet
oder es war bei der rohen Methode nur ein verschwindend geringer
Theil condensirt worden.
Um eventuell die Bildung concentrirter Schwefelsäure in
Tröpfehen an der Platinschaale auch mit der leuchtenden Flamme zu
bewirken, konnten wir selbstverständlich die stark russende Schnitt-
brennerflamme nicht benutzen; der Versuch gelingt jedoch mit dem
Argandbrenner. Stellt man so dicht wie möglich, ohne dass Russen
eintritt, über den Cylinder eines Argandbrenners eine mit Wasser
gefüllte Platinschaale und sorgt durch nachtfliessendes kaltes Wasser
dafür, dass die Flüssigkeit nicht ins Sieden kommt, so findet man nach
ca. 2 Stunden nur einen irisirenden Beschlag von saurem Ammonsulfat
aber keine Schwefelsäuretröpfehen. Mässigt man aber den durch den
Cylinder verursachten lebhaften Luftzug dadurch, dass man nur einen
ganz niedrigen Cylinder anwendet, der nur eben über die Flamme ragt
oder lässt man bei kleiner Flamme den Cylinder ganz fort, so findet
man nach etwa 2 Stunden deutlichen und ziemlich reichlichen Beschlag
von Tröpfchen freier Schwefelsäure, die Papier verkohlen. Die ab-
gespülte Flüssigkeit giebt mit Nesslers Reagenz deutlich Ammoniak-
reaction. Durch diese Versuche war erwiesen, dass sowohl in der
leuchtenden wie in der nicht leuchtenden Flamme freie Schwefelsäure
neben saurem Ammoniumsulfat gebildet wird und es könnte sich nur
510)
Ueber das Hamburger Leuchtgas. 151
noch darum handeln, festzustellen ob und in welchem Verhältniss neben
der Schwefelsäure auch Schwefeldioxyd entsteht, und ob bei der Ver-
brennung wenigstens in der leuchtenden Flamme nicht doch Ammoniak
aus dem Stickstoff der atmosphärischen Luft gebildet werde oder ob
das im Hamburger Leuchtgas vorhandene Ammoniak von 0,56 gr. in
100 ebm ausreiche, um die beobachteten Erscheinungen zu erklären.
Zu dem Ende wurde eine grosse Zahl von Versuchen angestellt,
die stets dasselbe Resultat ergaben und von denen wir nur die folgenden
anführen wollen:
1. 42,22 Liter Gas wurden im Poleckschen Schwefelbestimmung-
apparat mit leuchtender Flamme verbrannt, die Verbrennungproducte
durch zehnprocentige Natronlauge gesaugt, die Oxydation mit Brom
aber unterlassen. Nach dem Ansäuern mit Salzsäure und Versetzen
mit Chlorbarium konnte daher nur Schwefelsäure gefällt werden,
die sich schon im der Flamme gebildet hatte. Gefunden wurde
0,3465 er. BaSO, entsprechend 1,12:gr. Schwefel in 1 cbm. Da das
Gas zur Zeit des Versuchs 1,25 gr.- Schwefel im cbm enthielt, war
demnach fast der ganze Schwefel zu Schwefelsäure verbrannt. Im
Filtrat war mit Nesslers Reagenz Ammoniak nicht nachzuweisen, doch
war denkbar, dass etwaige Spuren von der verdünnten Natronlauge
nicht zurückgehalten worden waren.
2. 38,02 Liter Gas wurden in gleicher Weise im Poleckschen
Apparat aber im Schnittbrenner, also mit leuchtender Flamme, ver-
brannt, bei dem starken Luftzug und der kleinen Flamme war das
Leuchten jedoch sehr schwach. Die Verbrennungsproducte gingen
ebenfalls durch verdünnte Natronlauge. Erhalten wurde 0,3401 gr.
BaSO, entsprechend 1,22 gr. Schwefel im cbm. Es war demnach
der ganze im Leuchtgas enthaltene Schwefel zu Schwefelsäure ver-
brannt. Ammoniak wurde im Filtrat ebenfalls nicht gefunden.
3. Um eine stärker leuchtende Flamme zu erhalten und gleich-
zeitig das etwa gebildete Ammoniak mit Sicherheit zurückzuhalten,
wurde wie folgt verfahren: 53,25 Liter Gas verbrannten aus einer
Löthrohrspitze im Poleckschen Apparat mit stark leuchtender Flamme,
die Verbrennungsproducte wurden in der ersten Absorptionstlasche
durch verdünnte Natronlauge, in der zweiten durch Wasser und
in der dritten und vierten durch verdünnte Salzsäure gesaugt,
nach Beendigung des Versuchs zuerst die Schwefelsäure bestimmt,
dann das Filtrat zur Bestimmung des Ammoniaks alkalisch in
Yon. Schwefelsäure destillirt und mit Yıo n. Natronlauge unter An-
wendung von Methylorange als Indicator zurücktitrirt. Gefunden
31 12
152 M. Dennstedt und ©. Ahrens.
wurde 0,4341 gr. BaSO,, entsprechend 1,12 gr. Schwefel in 1 cbm Gas.
Von der vorgelegten Yı n. Schwefelsäure war 0,1 cem verbraucht
worden, das entspricht 0,00017 gr. Ammoniak, während in 53 Litern
Hamburger Leuchtgas 0,000297 gr. enthalten sind, die gefundene Diffe-
renz liest mnerhalb der Versuchfehler, jedenfalls war in der Flamme
kein Ammoniak gebildet worden; wäre sämmtliche gefundene Schwefel-
säure auch nur in Gestalt von saurem Ammonsulfat vorhanden gewesen,
so hätten für 0,0316 gr. Ammoniak 18,6 cem Yon. Schwefelsäure
verbraucht werden müssen.
4. Es wäre von besonderem Interesse gewesen, auch die Bil-
dung der Schwefelsäure und ev. des Ammoniaks in der Flamme des
Argandbrenners quantitativ zu verfolgen. Der Gasverbrauch in einem
solchen Brenner ist aber so gross, dass man nicht im Stande ist, die ganzen
Verbrennungsprodukte selbst mit einer starken Pumpe durch Absorptions-
gefässe hindurchzusaugen. Wir haben uns in der folgenden Weise zu
helfen gesucht: die Argandflamme besteht aus einem Kranz von kleinen
Flämmcehen, die aus runden Oeffnungen austreten und die daher die-
selbe Form haben wie die Flamme der Löthrohrspitze in Versuch 3,
nur brennen die Flämmchen im Argandbrenner mit grösserem Luft-
überschuss, sie sind daher an ihrer Basis stärker entleuchtet, wodurch
die Temperatur der Flamme gesteigert und die obere Spitze heller
leuchtend wird. Man kann der Löthrohrflamme aber genau dieselbe
Form und Helle geben, wenn man im Poleckschen Apparat die über
die Flamme gestülpte Glasglocke auf einen Porzellanteller aufstellt
und durch etwas Wasser abschliesst, so dass der durch die Bohrung
des Porzellantellers ragenden kleinen Flamme durch kräftiges Saugen
nur von unten ein lebhafter Luftstrom zugeführt wird. In dieser
Weise wurden 85,76 Liter Gas verbrannt und Schwefelsäure und Am-
moniak wie in Versuch 3 gesammelt und bestimmt. Gefunden wurde
0,7599 gr. BaSO, entsprechend 1,21 gr. Schwefel m I cbm Gas. Am-
moniak wurde entsprechend 0,1 cem verbrauchter Yıo n. Schwefelsäure
0,00017 gr. gefunden, während in 85,7 Litern 0,00048 er. enthalten
sind. Die Differenz liegt innerhalb der Versuchfehler. Hieraus folgt,
dass auch im Argandbrenner der gesammte Schwefel des Leuchtgases
zu Schwefelsäure verbrennt und dass auch in ihm eine Bildung von
Ammoniak aus dem Stickstoff der atmosphärischen Luft nicht statt hat.
Die aus den beschriebenen Versuchen gezogenen Schluss-
folgerungen lassen sich in Kürze wie folgt zusammenfassen :
l. Der im Leuchtgas enthaltene Schwefel wird sowohl in der
leuchtenden wie auch in der entleuchteten Flamme vollständig oder
doch fast vollständig zu freier Schwefelsäure verbrannt.
32
Ueber das Hamburger Leuchtgas. 153
2. Die oft beobachteten schädlichen Einwirkungen des
brennenden Leuchtgases auf Pflanzen und andere organische Stoffe
sind auf diese Bildung von freier Schwefelsäure zurückzuführen.
3. Das bei der Verbrennung des Leuchtgases auftretende saure
Ammoniumsulfat entsteht aus dem im Leuchtgas stets noch in Spuren
vorhandenen Ammoniak. Das Ammoniak tritt nicht von aussen aus
der Luft hinzu und bildet sich auch nicht in der Flamme weder
in der leuchtenden noch in der entleuchteten aus dem Stickstoff
der Luft oder des Gases. Absichtlich dem Leuchtgase zugesetztes
Ammoniak wird sowohl in nicht leuchtender wie m der leuchtenden
Flamme zum grössten Theil aber nie ganz vollständig verbrannt.
4. Es gelmgt daher nicht durch überschüssig dem Leuchtgase
zugesetztes Ammoniak die Schwefelsäure vollständig in saures oder
gar neutraless Ammoniumsulfat überzuführen. Zwar wird das der
Verbrennung entgangene Ammoniak schon in der Flamme mit der
entstandenen Schwefelsäure zusammentreten, aber alsbald im äusseren
Flammenrande wieder dissocurt werden; die getrennten Ammoniak-
und Schwefelsäuremolekeln werden sich in der Luft nur unter günstigen
Umständen wieder zusammenfinden, das flüchtigere Ammoniak auch
leichter durch die natürliche Ventilation abgeführt werden.
Bei den an Rauchdeckeln u. dgl. beobachteten Beschlägen
kann ein Theil des Ammoniaks bei der langen Zeit ihrer Bildung
wohl auch aus der Atmosphäre stammen.
5. Es erscheint trotzdem nicht ganz ausgeschlossen, dass
namentlich schwefelärmeren Gasen durch Zuführung von Ammoniak
ein Theil seiner Schädlichkeit durch Bildung von Ammoniumbisulfat
genommen werden kann, denn die Schädlichkeit des Schwefels im
Leuchtgase wächst nicht proportional seiner Menge, sondern in
stärkerem Verhältniss. Bei sehr geringem Schwefelgehalt, wie er in
den meisten deutschen Steinkohlengasen vorkommt, kann daher durch
das in Spuren stets vorhandene und der Verbrennung entgehende
Ammoniak die an sich schon unbedeutende Menge der gebildeten
freien Schwefelsäure wesentlich herabgedrückt und somit die Schädlich-
keit herabgemindert werden. Bei einem an Schwefel sehr reichen
Leuchtgase kommen dagegen die im Gase vorhandenen Spuren von
Ammoniak kaum in Betracht.
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Beiheft
Zum
Jahrbuch der Hamburgischen
Wissenschaftlichen Anstalten.
XI. Jahrgang.
1595.
en va lkt:
Prof. Dr. Kraepelin: Revision der Scorpione, II. Scorpionidae und
Bothriuridae. Mit 3 Tafeln.
Hamburg 1894.
Commissions-Verlag von Lucas Gräfe & Sıllem.
Revision der Scorpione.
II, Seorpionidae und Bothriuridae.
Mit 3 Tafein.
Von
Prof. Dr. K. Kraepelin.
Seit dem Erscheinen des I. Theiles dieser Arbeit ) ist
namentlich durch die umfassenden und gründlichen Untersuchungen
Pocock’s, welcher in dankenswerthester Weise das gesammte Material
des Britischen Museums in einer großen Reihe von Abhandlungen der
Wissenschaft zugänglich machte, unsere Kenntniß der Scorpione in
hohem Grade gefördert worden. Der erste Theil meiner „Revision“
wird daher einen Nachtrag erfordern, den ich mir auf später verspare,
während in dem vorliegenden II. Theil sämmtliche Untersuchungen
Pocock’s ?) eingehende Berücksichtigung erfahren haben, selbst in allen
den Gruppen, deren Bearbeitung schon vor dem Erscheinen der
Pocock’schen Einzelschriften lange im Manuskript abgeschlossen
war. Wenn hierdurch auch das Maaß der Arbeit durch die immer
aufs Neue vorzunehmende Durcharbeitung des Materials nicht
unbedeutend erhöht und der Zeitpunkt der Herausgabe beträchtlich
hinausgeschoben wurde, so glaube ich doch meimer Freude darüber
Ausdruck geben zu sollen, daß sich in der Mehrzahl der zu lösenden
Fragen, wie über die Aufstellung von Unterfamilien, Gattungen ?) etec.,
eine weitgehende Uebereinstimmung zwischen unsern beiderseitigen
Untersuchungen herausstellte, die immerhin geeignet ist, die Sicherheit
der gewonnenen Resultate zu erhöhen.
Wie beim ersten Theil, so bin ich auch diesmal zahlreichen
Herrn Collegen für die liebenswürdige Bereitwilligkeit zu Dank ver-
pflichtet, mit welcher sie mir das ihnen zu Gebote stehende Scorpionen-
material zur Verfügung stellten. Es waren dies die Leiter resp.
Abtheilungsvorstände der Museen zu Berlin, Bonn, Bremen, Dresden,
Erlangen, Frankfurt a./M., Giessen, Göttingen, Gothenburg, Greifswald,
t) Jahrb. d. Wiss. Anstalten, Hamburg, VIII., 1891.
2) Bis December 1893.
3) Die von mir im Manuskript niedergelegten neuen Gattungs- und Artnamen
habe ich selbstverständlich zu Gunsten der Pocock'schen zurückgezogen.
ı*
4 System.
Heidelberg, Kiel, Kopenhagen, Leipzig, Leyden, Lübeck, München,
Stockholm, Straßburg und Stuttgart, sowie die Herren Prof. Thorell,
Prof. v. Jhermg und Dr. Werner-Wien. Nur durch die Fülle dieses
Materials, das in seiner Gesammtheit dem des Britischen Museums
kaum nachstehen dürfte, war es in vielen Fällen möglich, an den
Arbeiten früherer Autoren eine berechtigte Kritik zu üben.
Der nach Abzug der Androctonidae bleibende Rest der Scorpione
wurde von Thorell (Ann. Mag. Nat. Hist. [4] XVIL, p. 1—15) in
die 3 Familien der Telegoniden, Vejoviden und Pandiniden (Scorpioniden)
eingetheilt, von denen die letzte wieder in die 2 Unterfamilien der
Jurini und Pandinmi zerfällt. Dieser Classification ist auch Karsch
in seinen Scorpionologischen Beiträgen (Mittheil. München. Entom.
Verein 1879, p. 17—22) gefolgt, während Simon in seinen „Arachnides
de France“ (Bd. VIl.,p. 92, Anm.) außer den Buthiden (Androctoniden)
5 Familien annimmt, nämlich die Telegoniden, Vejoviden, Hetero-
metriden (= Scorpioniden), Ischnuriden und Broteiden. Die neueste
Gruppierung der Gattungen zu Familien und Unterfamilien hat Pocock
(Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XIL, p. 505—312) gegeben. Er stellt
gleich Thorell 4 Familien auf, von denen die Bothriuriden (= Telegonidae
Thor.) und Buthiden (= Androctonidae Thor.) mit zweien der
Thorell’schen Familien zusammenfallen, während er die Pandiniden
plus Vejoviden nach einem anderen Eintheilungsprineip (1 od. 2 Stacheln
an der Basis des Endtarsus) in die beiden Gruppen der Scorpionidae
und Juridae theilt. Letztere beiden Familien enthalten dann je eine
Reihe von Subfamilien, und zwar erstere die Scorpioninen, Ischnurinen,
Diplocentrinen, Hemiscorpiinen und Urodacinen, letztere die ‚Jurinen,
Chaerilinen und Chactinen. Ueber eine kleinere Anzahl von Genera
wagt Pocock ein Urtheil nicht auszusprechen.
Als ein Fortschritt im Pocock’schen System ist es zunächst zu
betrachten, daß er die durch kein einziges präcises Merkmal characte-
risirtte Familie der Vejoviden aufgehoben und mit anderen Formen
(Jurus, Uroctonus, Scorpiops etc.) zu einer Unterfamilie vereinigt hat.
Hierdurch ist gleichzeitig die völlig unnatürliche Gruppe der Jurini
aufgelöst und nur ein Theil derselben als Unterfamilie der Chaerilini
beibehalten, während der Rest, den thatsächlichen Verhältnissen ent-
sprechend, den Vejovinen angeschlossen wurde. Weniger zwingend
erscheint es, mit Pocock auf Grund der verschiedenen Dornenzahl am
Grunde des Endtarsus zwei selbständige Familien der Scorpionidae
und Juridae anzunehmen, Gilt für die Androctoniden und Bothriuriden
Bestimmungstabelle der Subfamilien.
die Form des Sternums als wichtigstes Charactermerkmal, so sollte
man auch die 3. Gruppe in erster Linie durch das Sternum characte-
risiren oder, was dasselbe ist, die Scorpionidae als einheitliche große
Familie beibehalten, zumal die verschiedenen Subfamilien der Juridae
und Scorpionidae Pococks mancherlei Beziehungen zu einander auch
über den eng gezogenen Familienbegriff hinaus erkennen lassen. Ich
glaube daher bis auf Weiteres an den drei Familien der Androc-
tonidae, Scorpionidae (incl. Vejovidae Thor., resp. Juridae Poc.) und
Bothriuridae festhalten zu sollen, wobei jedoch nicht unerwähnt bleiben
darf, daß auch die Bothriuriden nur provisorisch ihre selbständige
Stellung behalten können, da sie durch das Medium der Vejovinen
augenscheinlich nahe mit den Scorpioniden zusammenhängen.
In Betreff der Unterfamilien stimme ich
(satt. Hemiscorpion, die ich den Ischnurinen zurechnen möchte —
mit Pocock überein, ohne daß ich die so gewonnene Gruppirung schon
jetzt als eine alle Wünsche befriedigende ansehen möchte.
abgesehen von der
Die nachfolgende Tabelle mag daher mehr als Versuch gelten,
die Schwierigkeiten der Bestimmung nach Möglichkeit hinwegzuräumen,
denn als ein Bild der alle Beziehungen der mannigfachen Form-
gestaltungen zum Ausdruck bringenden natürlichen Verwandtschaft. Der
Vollständigkeit halber ist die im I. Theil behandelte Familie der Androc-
tonidae in dieser Tabelle mit aufgeführt.
Bestimmungstabelle der Subfamilien.
A. Sternum nach der Spitze zu stark verschmälert, triangelförmie.
Tarsenendglied am Grunde mit 2 oder 3 Dornen. Keine Seitenloben
am Ende des letzten Tarsengliedes.. Hand gerundet.
l. Fam. Androctonidae (siehe Theil I).
B. Sternum mit parallelen oder fast parallelen Seitenrändern, meist
pentagonal, gestreckt, selten nur halb ‘so lang als breit. Tarsen-
endglied am Grunde mit 1 oder 2 Dornen.
II. Fam. Scorpionidae (Pag. 8).
I. Am Grunde des Endtarsus nur außenseits ein Dorn ') (Fig. 9).
a. Unter dem Giftstachel ist ein deutlicher Höcker entwickelt
(Be er l. Subfam. Diplocentrini (Pag. 8).
(Gatt. Diplocentrus [Oiclus], Nebo [Cyphocentrus)).
') Diese Dornen, welche in der weichen Bindehaut zwischen dem vorletzten
und letzten Tarsenglied ihren Ursprung nehmen, sind nicht zu verwechseln
mit den meist zahlreicheren Dornen, welche dem Ende des vorletzten
Tarsengliedes aufsitzen.
Bestimmungstabelle der Subfamilien.
b. Kein Höcker unter dem Giftstachel.
1. Letzte Tarsen der Beine am Ende mit 2 gerundeten seitlichen
Loben, deren Rand mit dem dorsalen Krallenlappen einen
spitzen Winkel bildet (Fig. 9—12). Oberseite der Hand
gerundet, selten platt gedrückt.
a. Cauda unterseits nur mit einem Mittelkiel. Schneide
der Palpenfinger mit vielen gedrängten, kaum reihig
gestellten Körnchen besetzt (Fig. 8). 2 Seitenaugen.
2. Subfam. Urodacini (Page. 17).
(Gatt. Urodacus [Joctonus, Jodacus)).
ß. Cauda unterseits mit 2 Mittelkielen (außer im V. Segment)
oder undeutlich gekielt. Schneide der Palpenfinger
einreihig oder undeutlich zweireihig mit Körnchen besetzt.
3 Seitenaugen... 3. Subfam. Scorpionini (Pag. 24).
(Gatt. Scorpio | Pandinus, Palamnaeus ],
Heterometrus, Opisthophthalmus [ Miae-
phonus, Petrooicus, Mossamedes)]).
2. Letzte Tarsen der Beine am Ende ohne gerundete Seiten-
loben, der Seitenrand der Loben mit dem dorsalen Krallen-
lappen fast einen rechten Winkel bildend und mit dem
Unterrande winklig zusammenstoßend (Fig. 45—48). Hand
platt gedrückt, stets mit deutlichem „Fingerkiel“ ').
4. Subfam. Ischnurini (Pag. 108).
(Gatt. Hemiscorpion, Ischnurus [Chiromachus],
Opisthacanthus [Opisthocentrus], Cheloctonus,
Hadogenes n. g., Hormurus, Jomachus).
I) Es dürfte hier der Ort sein, die in den nachfolgenden Beschreibungen
angewandte Bezeichnung der verschiedenen Abschnitte der Hand kurz
darzulegen: Die gedachte Verlängerung der scharfen Außenränder der
beiden Finger bis zum Grunde der Hand theilt die letztere zunächst in die
„Oberhand“ und in die „Unterhand“ Kin Kiel, welcher die Oberhand
vom Grunde her der Länge nach durchzieht und meist Sförmig gekrümmt
sich in den unbeweglichen Finger fortsetzt, wird von mir als „Fingerkiel*
der Oberhand bezeichnet; er theilt, wenn vorhanden, die Oberhand in
zwei weniger oder mehr (bis zum rechten Winkel) gegen einander geneigte
Flächen, die ich als „Außenfläche“ und „Innenfläche“ der Oberhand
benenne. Kiele, welche diese Flächen noch wieder der Länge nach durch-
ziehen, gelten als „Nebenkiel* der Außenfläche, resp. der Innentläche.
Kiele in der Idealebene zwischen Oberhand und Unterhand führen den
Namen Außenrand-, resp. Innenrandkiel. Die Unterhand kann
ebenfalls durch Kiele in verschiedene Flächen zerlegt sein; diejenige, welche
dem Außenrandkiel anliegt, würde dann als „Außenfläche derUnterhand“
zu bezeichnen sein etc. Ich glaube, daß durch die vorgeschlagene Nomen-
clatur der unglückliche Begriff der ‚‚Hinterhand“, unter dem bei ver-
schiedenen Formen etwas ganz Verschiedenes verstanden wurde, beseitigt wird.
Bestimmungstabelle der Subfamilien. ä
II. Am Grunde des Endtarsus außenseits und innenseits je ein
'
)
Dorn !) (Fig. 89—93).
a. Nur zwei Seitenaugen, zuweilen daneben ein heller Fleck,
selten die Augen gänzlich fehlend. Tarsenendglieder unterseits
meist mit 1—2 Reihen von Dornen oder Borsten. Stigmen
oft rund. Mittellamellen der Kämme eckig oder fehlend.
1. Scheerenfinger mit vielen meist übereinander greifenden
Schrägreihen von Körnchen (Fig. 55,56). Beweglicher Finger
des Oberkiefers unterseits mit Zähnen besetzt. Sternum
länglich, nach vorn etwas verschmälert; seine Medianfurche
endet oberhalb des Grundes mit runder Grube (Fig. 58).
Hinter dem 2. Seitenauge ein gelber heller Fleck. Seiten-
lappen der Unterlippe ziemlich so breit, als lang, breiter
als die Unterlippenplatten (Fig. 57). Altweltlich.
5. Subfam. Chaerilini (Pag. 140).
(Gatt. Chaerilus |Chelomachus, Uromachus)).
2. Scheerenfinger ohne Schrägreihen, meist einreihig oder
undeutlich zweireihig. Beweglicher Finger des Ober-
kiefers unterseits ohne oder nur mit einem kleinen Zähnchen.
Sternum mit parallelen Seitenrändern oder etwas nach
vorn verschmälert und dann meist breiter als lang; seine
Medianfurche nach vorn oft hammerförmig erweitert
(Fig. 59, 63, 64), am Grunde ohne runde Grube. Kein gelber
Fleck hinter dem 2. Seitenauge. Seitenlappen der Unter-
lippe schmäler als lang, schmäler als die Unterlippenplatten.
6. Subfam. Uhactini (Pag. 149).
(Gatt. Megacormus; Euscorpius, Belisarius;
Broteas, Broteochactas, Teuthraustes, He-
terochactas, Chactas, Hadrurochactas).
b. Drei Seitenaugen. Tarsenendglied unterseits mit einer medianen
Haar- oder Papillenleiste. Stigmen gestreckt. Mittellamellen
der Kämme oft perlschnurartig.
7. Subfam. Vejovini?) (Pag. 181).
(Gatt. Scorpiops, Jurus, Uroctonus [Anu-
roctonus], Vejovis, Hadrurus, Caraboctonus,
Hadruroides).
Vgl. die Anmerkung auf Seite 5.
Da der Name Vejovis viel älter ist, als Jurus, auch die Hauptformen sich
um diese Gattung gruppiren, so glaube ich der Bezeichnung ‚‚Vejovini‘
vor der von Pocock gewählten ‚‚Jurini‘‘ den Vorzug geben zu sollen.
8 Scorpionidae: Diplocentrini.
C. Sternum nur aus zwei queren schmalen Platten bestehend und
daher mehrmals breiter als lang, zuweilen kaum sichtbar (Fig. 104).
Mittellamellen meist deutlich perlschnurartig gerundet. Meist
1 Außen- und 1 Innenstachel am Grunde des Endtarsus. Keine
Seitenloben am Ende des letzten Tarsengliedes. Meist neuweltlich.
II. Fam. Bothriuridae (Pag. 211).
(Gatt. Bothriurus [Timogenes], Cerco-
phonius, Thestylus, Brachistosternus
|Meeocentrus], Phoniocereus, Uropho-
nius, Centromachus n. £.).
oO
Nicht berücksichtigt werden konnte in vorstehender Tabelle
lediglich die Gatt. Hoplocystis Karsch, dessen noch dazu fundort-
loses Origmalexemplar leider verloren gegangen ist. Aus der nur
kurzen Beschreibung des Autors ist aber nicht mit Sicherheit zu
ersehen, in welche der bis jetzt bekannten Familien oder Unterfamilien
die Gattung einzureihen ist. Einzige Art Hoplocystis seintilla Karsch.
I. Fam. Scorpionidae.
1. Subfam. Diplocentrini Poc.
Scorpioniden mit 3 Seitenaugen und einem deut-
lichen dornartigen Höcker unter dem Stachel (Fig. ]).
Cauda mitzweiMittelkielen unterseits im I.—IV. Segment.
Alle Kiele deutlich entwickelt, in den ersten Segmenten
auch obere Nebenkiele. Hände mit deutlichem Fingerkiel
oder fast ungekielt, platt oder rundlich. "Schneide des
beweglichen Fingers mit einer fortlaufenden deutlichen
Körnchenreihe, zu der an der Außenseite zahlreiche,
dieselbe begleitende und so fast eine Parallelreihe
bildende Außenkörnchen treten, während die Innenseite
nur gegen die Spitze zu einzelne oder in Schrägreihen zu
3 gestellte Außenkörnchen trägt. Endtarsen der Beine
am Ende mit gerundeten Seitenlappen oder fast ohne
dieselben, und dann der Seitenrand spitzwinklig mit dem
Unterrande zusammenstoßend (Fig. 4—7). Unterrand mit
2 Reihen von Dornen besetzt. Am Grunde des Endtarsus
nur innenseits ein Dorn. Sternum groß, parallelseitig, mit
dreieckiger Spitze undschmaler oder breiter, tiefer Mittel-
furche am Grunde.
Verbreitung: Syrien und mittleres Amerika.
Gatt. Nebo. 9
Von den 4 Gattungen, welche bisher von dieser Familie
beschrieben sind, erweist sich Cyphocentrus Karsch ohne Weiteres
als synonym mit Nebo Sim. Die Gattung Oiclus ist von Simon
aufgestellt nach einer Form, die Becker (Ann. Soc. ent. Belg. 1880,
p. 142) als Diplocentrus Purvesi beschrieben hatte, und die nach Ab-
bildung und Beschreibung keinerlei durchgreifende Unterschiede etwa
von dem Dipl. Gundlachi Karsch erkennen läßt. Wenn nun Simon von
dieser Form, von der er nicht sagt, ob er sie jemals gesehen, behauptet,
daß sie nur 2 Seitenaugen besitze, so glaube ich diese Angabe so
lange auf einen Irrthum zurückführen zu sollen, als nicht an dem
Becker’schen Originalexemplare selbst dieses höchst auffällige Charakter-
merkmal festgestellt worden ist. Bei dem jetzigen Stande unserer
Kenntniß erscheint es mir richtiger, den Diplocentrus Purvesi Becker
mit eimer der bekannten Diplocentrusarten zusammenzuziehen und die
(rattung Oiclus Sim. auf sich beruhen zu lassen. Es bleiben nach dem
Gesagten noch die beiden Gattungen Nebo und Diplocentrus übrig,
deren unterscheidende Merkmale kurz folgende sind:
A. Augenhügel von der Medianfurche des Cephalothorax durchzogen.
V. Caudalglied unterseits am Ende ohne eine von halbkreisförmiger
Körnchencriste begrenzte Depression. Endzinken des Oberkiefers
fast parallel, eine ungleichzinkige Gabel bildend (Fig. 2). Außen-
fläche der Oberhand im rechten Winkel zur Innenfläche geneigt;
letztere platt, ohne Nebenkiel. Endtarsen mit gerundeten Seiten-
loben (ig. 2), , Altweltlich. v...2.......2%.: 2 -Nreb’o: Sım.,..p.29:
B. Augenhügel nicht gefurcht. V. Caudalglied unterseits am Ende
mit einer von halbkreisförmiger Körnchencriste begrenzten, vertieften
Area (wie bei Bothriurus vittatus). Erster Zahn am Ende des
beweglichen Oberkieferfingers viel tiefer stehend, als der Endhaken,
mit letzterem daher keine Gabel bildend (Fig. 3). Oberhand
gerundet oder durch den Fingerkiel in zwei stumpfwinklig gegen-
einander geneigte und etwas gerundete Flächen getheilt. Seiten-
loben fast fehlend oder etwas gerundet (Fig. 7, 6, 5). Neuweltlich.
2 Diploeentrus Bet. p: 12.
l. Gattung Nebo Sim.
(Cyphocentrus Karsch.)
Die Gattungsdiagnose ist durch obige Tabelle der Hauptsache
nach erschöpft. An Arten waren von diesem Genus bisher 3 beschrieben,
von denen indeß Cyphocentrus sulcatus Karsch und Nebo hierochon-
ticus Sim. ohne weiteres als synonym erkannt werden können. Aber auch
der. Nebo flavipes Sim. (Ann. Mus. civ. Genova XVII, p. 249) ist
10 Seorpionidae: Diplocentrini.
schwerlich als eigene Art aufrecht zu erhalten, da er sich lediglich
durch stärkere Granulirung des Cephalothorax und der oberen Caudal-
cristen unterscheidet, durch Merkmale also, die an und für sich sehr
variabel sind, in diesem Falle aber als Charaktere des Männchens
in Anspruch genommen werden müssen. Es handelt sich daher vor-
läufig nur um eine Art unserer Gattung.
1. Nebo hierochontieus (Sim.)
1872 Hemiscorpion hierochontieus Sim. (Ann. Soc. ent. France [5] II, p. 255).
1878 Nebo hierochontieus Sim. (ibid [5] VI, p. 399).
1879 Diplocentrus sulcatus Karsch (Münch. ent. Mitteil. 1879, p. 99).
1880 Cyphocentrus sulcatus Karsch (Giebel Zeitschr. f. d. g. Natw. [3] VII, p. 408).
1883 Nebo flavipes Sim. (Ann. Mus. civ. Genove XVII, p. 249). £
Von dieser Art haben mir nur 4 Exemplare vorgelegen, 3 Weibchen
und 1 Männchen.
Die Färbung des Truncus ist gelbroth, lederbraun bis dunkel
rothbraun, nach Simon auch „fusco eyaneus“; bei helleren Exemplaren
sind Cauda, oder doch die Blase, und Arme meist etwas dunkler.
Beine und Unterseite sind ledergelb.
Der Cephalothorax zeigt in der Mitte des Vorderrandes eine
tiefe halbmondförmige Ausrandung; die Medianfurche durchzieht den
Cephalothorax in seiner ganzen Länge. Der Spiegel und die Gegend
um und hmter dem Augenhügel sind beim Weibchen glatt und glänzend,
fein eingestochen punktirt, die Seiten mehr oder weniger fein gekörnt,
die Hinterecken glatt oder gekörnt. Beim Männchen ist fast der
gesammte Thorax feinkörnig, die Seiten sogar grobkörnig.
Das Abdomen ist beim Weibchen oberseits bis auf das letzte
Segment glatt und glänzend, beim Männchen dicht und fein körnig-
chagrinirt; das letzte Segment trägt 4 gekörnte Längskiele und ist
auch auf der Fläche meist mehr oder weniger feinkörnig, resp. beim
Männchen grobkörnig. Unterseits treten in diesem letzten Segment nur
ein Paar glatte Seitenkiele stärker hervor.
Die . gestreckte, beim Männchen fast excessiv. lange Cauda
zeigt alle Kiele deutlich entwickelt, manche derselben allerdings ohne
Körnelung. Die oberen Oaudalkiele sind entweder alle körnig oder in
den ersten Segmenten beim Weibchen fast glatt. Dasselbe gilt von
den oberen Lateralkielen. Die unteren Mediankiele sind beim Männchen
im I. und II, beim Weibchen im I.—III. Segment glatt, die übrigen
gekörnt. Die meist völlig glatten Seitenflächen weisen im I. Segment
einen gut entwickelten, im II., III, beim Männchen auch im IV. Segment
einen rudimentären, glatten (Weibchen) oder gekörnten Nebenkiel auf.
Gatt. Nebo. nal
Die dicke Blase ist unterseits reihenkörnig oder zerstreutkörnig und
trägt unter dem kurzen, zarten Stachel einen stumpfen, beborsteten,
sehr winzigen Höcker.
Der Oberarm wird oberseits von gekörnten Kanten begrenzt
und ist auf der Oberfläche dicht feinkörnig. Die Unterseite entbehrt
des hinteren Randkiels fast ganz; ihre Fläche ist ebenfalls mit feinen
Körnchen besetzt, die aber gegen das Ende verschwinden. Der
Unterarm ist an der Vorderfläche femkörnig und am Grunde nahe
dem Öber- und Unterrande mit einigen größeren Körnchen bewehrt.
Die Unterfläche ist glatt oder etwas beulig, flach und trägt am Hinter-
rande 3 entfernt stehende Haargrübchen.
Die Hand besitzt eimen starken Fingerkiel; die Oberhand ist
daher scharf in rechtwinklig zu einander gestellte Innen- und Außen-
fläche geschieden. Beide Flächen sind femkörnig reticulirt; die Innen-
fläche entbehrt eines Nebenkiels und ist fast eben oder — beim
Männchen —- sogar etwas vertieft. Die Finger sind beim Weibchen
am Innenrande etwas zackig geschweift, ohne Lobus; beim Männchen
hingegen trägt der bewegliche Finger 2 große, durch eine Einbuchtung
getrennte Loben, und die Finger schließen nicht zusammen. Das
Verhältniß von Fingerlänge zur Hinterhand varırt zwischen 1: 0,71
bis 1: 0,82, das der Hinterhand zur Handbreite von 1:60,76 bis
1: 0,97. Größte absolute Maaße für beweglichen Finger, Hinterhand
und Handbreite beim Weibchen: 15, 11 und 9 mm, beim Männchen:
Bern und 1 le nm.
Die Schenkel sind dicht femkörnig, die Schienbeine glatt.
Die Endtarsen (Fig. 4) tragen unterseits innen S—9, außenseits 9—10
Dornen.
Das Sternum ist etwas länger als breit und zeigt in seiner
Grundhälfte eme tiefe Medianfurche, die sich dann schnell verflacht. Die
Zahl der Kammzähne schwankt beim Weibchen zwischen 12 und 16,
beim Männchen zwischen 15 und 19. Der Kammgrund ist beim
Männchen rechtwinklig, beim Weibchen etwas bogig-stumpfwinklig.
Der Truncus ist auch bei den mir vorliegenden weiblichen
Exemplaren stets kürzer als die Cauda (1:1,1 bis 1:1,4), beim
Männchen viel kürzer (1: 1,5 bis 1: 1,73), wo dann die Caudalglieder
sich außerordentlich gestreckt zeigen (V. Segment z.B. so lang, als
der bewegliche Finger). Die größte Gesammtlänge betrug beim Weibchen
107 (= 45 + 62) mm, beim Männchen 113,5 (= 41,5 + 72) mm.
Als Heimath des Nebo hierochontieus ist Syrien, Palaestina
und Arabien (Yemen, Aden) anzusehen.
12 Scorpionidae: Diplocentrini.
2. Gattung Diplocentrus Pet.
Aus dieser Gattung, deren unterscheidende Merkmale von Nebo
in der obigen Tabelle genügend dargelegt sind, waren schon vor ihrer
Aufstellung durch Peters zwei Arten durch Gervais beschrieben:
Scorpio Lesueurii und Sc. Whitei Gerv. Diesen fügte Peters seinen
Dipl. mexicanus als dritte Art hinzu (Monatsber. Berl. Akad. 1861, p. 512),
ohne dieselbe jedoch zu beschreiben. Erst durch Karsch (Münch.
ent. Ver. 1879, p. 98), der das Peters’sche Origmalexemplar vor sich
hatte, wurden einige nähere Angaben über diese Art veröftentlicht,
ohne daß es jedoch möglich wäre, die Beziehungen derselben zu den
beiden Gervais’schen Arten klar zu erkennen. Karsch beschrieb dann
noch zwei weitere neue Arten (D. Gundlachi und Keyserlingii), während
Becker uns gleichzeitig mit einem D. Purvesi beschenkte. Pocock
endlich fügte noch zwei Arten — D. antillanus und scaber — hinzu,
so daß es sich im Ganzen um die Unterscheidung von acht verschiedenen
Arten handeln würde. Leider sind die Beschreibungen der Autoren
indeß in vielen Fällen so unzureichend, daß es unmöglich erscheint,
ohne Untersuchung der Originalexemplare zur völligen Klarheit über
die Synonymie aller genannten Formen zu kommen, zumal das mir
zu Gebote stehende Material ein sehr geringes ist, und die Geschlechter,
worauf bisher keine Rücksicht genommen, weitgehende Verschieden-
heiten darbieten. In letzterer Hmsicht ist zu betonen, daß nur bei
den Männchen ein stark entwickelter Kiel und eine dadurch hervor-
gebrachte scharfe Trennung der Oberhand in Innen- und Aussenfläche
auftritt, während die Oberhand beim Weibchen meist völlig obsolet
gekielt und gerundet ist. Ferner ist die Truncusoberfläche beim
Weibchen mehr glatt und glänzend, beim Männchen opak, gekörnt
oder eingestochen punktirt. Auch die Zahl der Kammzähne scheint
bei beiden Geschlechtern eine sehr verschiedene zu sein.
Halten wir diese Gesichtspunkte fest, so wird es zunächst nicht
zu gewagt erscheinen, wenn wir den D. mexicanus Pet. als Männchen
zu D. Whitei Gerv. ziehen und letzteren mit D. Gundlachi Karsch
identificiren ). Hieran möchte ich den Diplocentrus (Oiclus Sim.)
Purvesi schließen, von dem Becker eigentlich so gut wie nichts
sagt, dessen allerdings höchst mangelhafte Abbildung aber immerhin
meine Ansicht zu stützen geeignet ist. Ueber D. Keyserlingii wage
ich ein abschließendes Urtheil nicht zu fällen, doch scheint es mir
I) Die Angabe von Karsch, daß D. Gundlachi ‚‚körnchenlose‘“ Schneiden
der Scheerenfinger besitze, beruht auf einem unbegreiflichen Irrthum;
statt „„queue sur les aretes plus granuleuse“ hat er außerdem versehentlich
gelesen ... „peu granuleuse.‘
Gatt. Diplocentrus. 13
nicht ausgeschlossen, daß es sich lediglich um ein junges Männchen
von D. Whitei handelt. Noch ungewisser ist die Stellung von
Se, Lesueurii Gerv., und ob derselbe mit dem Sc. Lesueurii Wood
(Journ. Acad. Philad. V, p. 365) identisch ist. Immerhin ist nach
den Beschreibungen kaum anzunehmen, daß es sich um thatsächlich
neue Formen handelt, und nur die Unsicherheit, welcher der drei im
Folgenden beschriebenen Arten sie zuzureihen seien, bestimmt mich,
sie vorläufig als „Species spuriae“ zu betrachten.
Das mir zu Gebote stehende Material gestattet, drei Arten zu
unterscheiden, von denen zwei Arten durch Männchen und Weibchen
vertreten sind. Ihre Unterschiede ergeben sich aus folgender Tabelle.
A. Cauda im I.—IV. Segment mit oberen Nebenkielen (also 10 kielig).
Tarsenendlappen am Unterrande spitzwinklig (Fig. 6, 7); die untere
Dornenreihe erst an der Vorderecke beginnend. Etwa 5 ziemlich
zerstreut stehende Dornen in jeder Reihe.
1. Handoberfläche glatt oder reticulirt, nicht nadelstichig punktirt.
Aeußerer Randkiel der Hand nach vorn zu auf die Mitte der
Einlenkungsbasis des beweglichen Fingers ziehend. Außenfläche
der Unterhand daher schmäler als der Grund des beweglichen
Fingers, von der inneren Unterhand auch beim Männchen nicht
durch eine scharfkantige Criste abgesetzt. Blase unterseits
glatt, nur am Grunde eine Querreihe von Körnchen.
1. DI Whiwer (Gery.)p. 13.
Handoberfläche dicht grob oder feiner eingestochen punktirt.
Aeußerer Randkiel der Hand nach vorn zur Oberecke der Ein-
lenkungsbasis des beweglichen Fingers ziehend. Außenfläche
der Unterhand daher so breit als der Grund des beweglichen
Fingers, von der inneren Hand (beim Männchen) durch eine
scharfkantige Criste abgesetzt. Blase unterseits gekörnt.
2. D- seabersboe: px 12.
B. Cauda beim Weibchen nur im I. und II., beim Männchen auch
im III. Segment mit Andeutung von oberen Nebenkielen ; IV. und
V. Segment an den Seiten völlig glatt. Tarsenloben gerundet;
Dornenreihe schon in ihrer Mitte beginnend (Fig. 4). Etwa
7 ziemlich gedrängte Dornen in jeder Reihe.
3. D.:antillanus Poc. p. 16.
Ls)
1. Diplocentrus Whitei (Gerv.)
1844 Scorpio Whitei Gerv. (Ins. apt. III. p. 63) 2
1861 Diplocentrus mexicanus Pet. (Monatsber. Berl. Akad. 1861, p. 512) /
1879 5 Whitei Karsch (Münch. ent. Mitt. 1879, p. 98).
1880 > Gundlachi Karsch (Z. f. d. ges. Natw. [3] VL, p. 407) 2
14 Scorpionidae: Diplocentrini.
?1880 Diplocentrus Purvesi Becker (Ann. Soc. ent. Belg. 1880, p. 142, TA.II, Fig. 2).
?1880 Oiclus Purvesi Sim. (Soc. ent. France [5] X., p. 398).
?1880 Diplocentrus Keyserlingii Karsch (Sitz.-Ber. natf. Freunde Berlin 1880, p.57).
Die Färbung des D. Whitei ist lederbraun bis dunkelrothbraun ;
die Beine sind meist etwas heller.
Der Cephalothorax ist beim Weibchen glatt und glänzend,
beim Männchen zerstreut oder dicht gekörnt. Mittelfurche von der
stärkeren oder schwächeren Stirnausrandung nach hinten ziehend und
den Augenhügel in tiefer Depression umgreifend, zuletzt _L förmig am
Hinterrande endigend. Abdomen glatt und glänzend, beim Weibchen
nur mit zerstreuten, etwas bogig gereihten Körnchen besetzt, beim Männchen
dichter gekörnt; bei diesem auch das letzte Segment mit 2 abgekürzten
Körnchenkielen. Unterseite glatt, glänzend, das letzte Segment bei
beiden Geschlechtern mit 4 glatten Längskielen.
Cauda mit breiter Dorsalfurche, die sich im V. Segment ver-
flacht; ihre begrenzenden Kiele körnig, auch im V. Segment. Ebenso
die oberen Lateralkiele. Untere Caudalkiele beim Männchen ebenfalls
sämmtlich körnig, beim Weibchen die Mediankiele im III. und IV.
Segment fast verschwindend und die Seitenkiele fast glatt. Nebenkiele
beim Männchen im 1.—IV. Segment deutlich kömig entwickelt und
auch im V. Segment in der Grundhälfte des Segments, beim Weibchen
im IV. Segment schwächer und im V. fast oder ganz fehlend. Flächen
fast glatt. Am Hinterende des V. Segments unterseits eine von halb-
mondförmiger, gekörnter Criste begrenzte vertiefte Area. Blase viel
länger als der zarte Stachel, gegen das Ende dichtborstig, mit konischem
Höcker, unterseits am Grunde mit einer Querreihe weniger Körnchen,
sonst "glatt.
Oberarm oberseits von gekörnten Kanten begrenzt, nur in
der Mitte etwas gekörnt, unterseits fast glatt, ohne begrenzende
Hinterrandskante. Unterarm an der Vorderfläche mit grundständigen
Höckern, unterseits gerundet, glatt, am Hinterrande mit 3 entfernt
stehenden Haargrübchen.
Hand beim Männchen mit starkem, glattem Fingerkiel, auf der
Innenfläche und Außenfläche der Oberhand mit je einem schwachen
Nebenkiel; Flächen stark netzig reticulirt. Außenfläche der Unter-
hand („hand-back“ der Autoren) viel schmäler als die Basis des
beweglichen Fingers, gegen die Innenfläche der Unterhand durch eine
gerundete, eingestochen reihig punktirte und wenig scharf begrenzte
Kante abgesetzt. Hand des Weibchens kiellos (mit Ausnahme des
Außenrandkiels), fast glatt und glänzend. Beweglicher Finger beim
Männchen auf der Schneide etwas geschweift, deutlich länger, als die
Gatt. Diplocentrus. 15
Hinterhand (z. B. 8,7 : 6), beim Weibchen kaum geschweift oder grad-
linig, kaum länger oder etwas kürzer als die Hinterhand (z. B. 4,5 : 4 oder
3,5: 3,8). Verhältniß der Hinterhand zur Handbreite etwa wie 1:1.
Oberschenkel etwas körnig, Unterschenkel glatt. Seitenloben
der Tarsenendglieder kaum entwickelt, in der Mitte mit etwas vor-
springendem Zahn, mit dem Unterrande des Tarsus spitzwinklig zusammen-
stoßend und hier den ersten Dorn tragend, von denen etwa 5 jederseits
am Unterrande des Tarsus vorhanden sind (Fig. 7).
Das Sternum ist pentagonal, mit tiefer Medianfurche in der
Grundhälfte. Die Zahl der Kammzähne dürfte beim Männchen
10—13 betragen, beim Weibchen hingegen nur 6—9. Kämme und
Zähne beim Männchen bedeutend länger als beim Weibchen.
Der Truncus ist beim Männchen erheblich kürzer (z. B.
25,5:30 mm), als die Cauda, beim Weibchen dagegen so lang oder
etwas länger als die Cauda (z. B. 19:18 mm).
Als Fundorte sind zu nennen: Mexico, Guatemala, Cuba
(D. Gundlachi), Antigua (D. Purvesi) und Trinidad (D. Gundlachi),
d. h. das gesammte Gebiet, von dem -bisher überhaupt Diplocentrus-
arten bekannt geworden.
2. Diplocentrus seaber Poc.
1893 Diplocentrus scaber Poc. (Linn. Soc. XXIV, p. 396).
Von dieser Species hat mir nur ein Exemplar vorgelegen.
Die Färbung entspricht derjenigen der vorigen Art.
Der Cephalothorax ist dicht feinkörnig, auf den Stirnloben
auch punktirt. Die Medianfurche fehlt vor dem Augenhügel. Abdomen
oberseits zerstreut feinkörnig, letztes Segment oben mit 2, unten mit
4 abgekürzten, gekörnten Kielen.
Cauda in Form und Kielung der vorigen Art entsprechend,
aber die Flächen matter, namentlich im V. Segment etwas körnelig.
Blase unterseits der Länge nach mit kurzen Körnchenreihen besetzt.
Oberarm oberseits ohne Vorderranderiste, gerundet in die
Vorderfläche übergehend, dicht feinkörnig, ebenso die Unterseite nach
dem Grunde zu. Unterfläche des Unterarms dicht nadelstichig
punktirt, mit 3 Haargrübchen am Hinterrande.
Hand (beim Männchen ?) mit fast glattem, gegen den Hand-
grund verschwindenden Fingerkiel. Innen- und Außenfläche der
Oberhand etwas gewölbt, dicht nadelstichig punktirt, sonst glatt.
Außenfläche der Unterhand ebenfalls dicht punktirt, von der Breite der
Basis des beweglichen Fingers, und der ganzen Länge nach von zwei
16 Scorpionidae: Diplocentrini.
glatten deutlichen Kielen begrenzt. Finger dicht eingestochen punktirt,
länger als die Hinterhand (z. B. 4,2:3 mm). Verhältniß der Hinter-
hand zur Handbreite bei dem vorliegenden Exemplar — 3 : 3,4.
Oberschenkel etwas körnig, nebst dem Unterschenkel einge-
stochen punktirt. Tarsenendglieder und Loben wie bei der vorigen
Art, die Mitte der Seitenloben jedoch mit nur schwachem Zahn und die
Zahl der Dornen etwa 6 (Fig. 6).
Sternum wie bei voriger Art. Zahl der Kammzähne (beim
Männchen ?) 6.
Truncus etwa so lang als die Cauda, 15:16 mm bei dem
vorliegenden Exemplar, 17 : 17,5 nach Pocock.
Als Fundorte sind bekannt: Jamaica und Barbados.
3. Diplocentrus antillanus Poc.
1893 Diplocentrus antillanus Poc. (Linn. Soc. XXIV, p. 396).
Färbung lederbraun bis rothbraun, wie bei den vorigen Arten.
Cephalothorax beim Weibchen glatt und glänzend (nur
einzelne zerstrente Körnchen am Seitenrande), beim Männchen matt
durch feine, eingestochene Punkte, und mit zerstreuten Körnchen hinter
den Seitenaugen. Medianfurche auch vor den Augen erkennbar.
Oberseite des Abdomens in gleicher Weise bei Männchen und
Weibchen verschieden wie der Thorax. Körnelung namentlich am
Hinterrande der Segmente. Letztes Segment mit schwacher Andeutung
von Längskielen, unterseits hingegen mit 4 deutlichen, fast glatten
Längskielen.
Obere mediane Caudalkiele beim Männchen im I. und
ll. Segment ziemlich regelmäßig gekörnt, im UI. und IV. nur etwas
uneben, im V. fast fehlend; beim Weibchen alle oberen Caudalkiele
fast glatt, im V. Segment völlig fehlend. Aehnliches gilt von den
oberen Lateralkielen, die indeß im I.—IV. Segment ihre Körnelung
etwas mehr bewahrt haben. Untere Caudalkiele bei beiden Geschlechtern
im I, II. und V. Segment körnig, im III. und IV. fast glatt und obsolet.
Nebenkiele der oberen Seitenflächen nur im I. und U. vorhanden und
körnig entwickelt, im III. durch eine Reihe von 3—4 eingestochenen
Punkten ersetzt, im IV. und V. völlig fehlend. Halbmondförmige
Area am Ende der Unterseite des V. Segments wie bei den übrigen
Arten. Blase glatt, borstig, am unteren Hinterrande mit einer
Querreihe von Körnchen besetzt, unter dem Stachel mit konischem Höcker.
Oberarm oberseits von gekörnten Kanten begrenzt, in der
Mitte zerstreut gekörnt, unterseits fast glatt, ohne begrenzende Hinter-
randskante. Unterarm wie der von D. Whitei.
Subfam. Urodaeini. 1ly7
Hand beim Männchen mit starkem, glattem Fingerkiel; ein
Nebenkiel auf der Innenfläche der Oberhand nur durch einen glatteren,
eine Reihe eingestochener Punkte tragenden Längsstreif markirt.
Nebenkiel der Außenfläche etwas mehr hervortretend, ebenfalls mit
eingestochener Punktreihe, Oberhandfläche im Uebrigen netzig reticulirt,
nicht dicht nadelstichig. Außenrandkiel der Hand wie bei D. Whitei
auf die Mitte der Einlenkungsbasis des beweglichen Fingers ziehend.
Außenfläche der Unterhand daher halb so schmal als die Fingerbasis,
gegen die Innenfläche der Unterhand nicht durch einen scharfen Kiel
getrennt, sondern in sanfter Rundung in dieselbe übergehend, am
Außenrandkiel mit einer Reihe eingestochener Punkte, die auch sonst
zerstreut auf der Fläche .auftreten. Hand des Weibchens nur
mit scharfem Außenrandkiel, sonst obsolet gekielt oder gerundet, glatt
und glänzend, mit Reihenpunkten, wie beim Männchen. Finger beim
Männchen länger (7,2:6 mm), beim Weibchen oft nur so lang
(5,5 : 5,5; nach Pocock jedoch 6: 4) als die Hinterhand. Verhältniß
von Hinterhand zu Handbreite wie 1:0,9 bis 1: 1,1.
Oberschenkel etwas körnig, Unterschenkel glatt. Seitenloben
am Ende des letzten Tarsengliedes gerundet, schon von der Mitte an
mit Dornen besetzt. Zahl der Dornen an der Tarsenunterseite jeder-
seits etwa 7 (Fig. 5).
Sternum wie bei den andern Arten. Zahl der Kammzähne
bei dem mir vorliegenden Männchen 15, 18, beim Weibchen S—11.
Kämme und Zähne beim Männchen bedeutend länger, als beim Weibchen
Der Truncus ist beim Männchen erheblich, beim Weibchen etwa -
kürzer, als die Cauda. Verhältniß von Truncus: Cauda beim Männchen —
19:27 resp. 21: 28, beim Weibchen 20 : 24, resp. 18: 21.
Die Pocock’schen Exemplare stammen von den Caraibischen
Inseln Santa Lucia und St. Vincent; das Hamburger Museum besitzt
ein Männchen aus Mexico.
2. Subfam. Urodacini Poc.
Scorpioniden mit nur 2 Seitenaugen. Cauda mit
nur einem Mittelkiel unterseits in allen Segmenten, ohne
Dorn unter dem Stachel. Oberkiefer ohne Zahnbildung
an der Unterseite. Finger der Palpen auf der Schneide
mit vielen gedrängten, gegen die Spitze zu zweireihig
oder selbst einreihig werdenden Körnchen besetzt (Fig. 8)
und hier namentlich innen mit etwas stärkeren Außen-
körnchen versehen. Hand wenig breiter als: hoch,
schmäler als die Länge der Hinterhand, meist deutlich
2
18 Scorpionidae: Urodaeini.
glattkielig oder -kantig. Alle Caudalkiele deutlich ent-
wickelt. Endtarsen unterseits mit 2 Reihen von je 7-10
Dornen. Am Grunde der Endtarsen nur innenseits ein
Dorn.
Von dieser Unterfamilie waren bisher 3 Gattungen beschrieben:
Urodacus Pet., Joctonus Thor. und Jodacus Poc. Letztere
Gattung ist vom Autor selbst später (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XI,
p. 320) zu Gunsten der Gattung Urodacus wieder eingezogen; die
Aufstellung der Gattung Joctonus aber beruht lediglich auf einem
Irrthum, mdem Thorell versehentlich 2 mittlere Caudalkiele für seine
Originalexemplare annahm, während in Wirklichkeit nur einer vorhanden
ist. Die Unterfamilie enthält daher zur Zeit nur die eine Gattung
Urodacus, welche der Hauptsache nach auf Australien beschränkt ist.
1. Gattung Urodacus.
Charakter der Subfamilie.
Bis vor Kurzem kannte man nur den U. novae hollandiae
Pet., mit dem sich dann weiter der Thorell'sche Joctonus manicatus
und wahrscheinlich auch dessen J. orthurus als synonym erweist.
Erst Pocock war es vorbehalten, uns mit einem ganzen halben
Dutzend neuer Arten bekannt zu machen, die alle im Wesentlichen
denselben Verbreitungsbezirk mit U. novae hollandiae bewohnen.
Die Unterschiede, welche Pocock für seine Arten anführt, sowie
die Untersuchung des mir zu Gebote stehenden Materials von im Ganzen
28 Exemplaren haben mich nicht überzeugen können, daß es sich bei
der Mehrzahl der neubenannten Formen um wohl charakterisirte Arten
handelt. So wird der U. excellens vornehmlich durch seine Größe,
die geringe Kielung der Hand und die Glätte des Cephalothorax
charakterisirt. Dazu ist zu bemerken, daß allerdings die 114 mm,
welche dem U. excellens zukommen, auf ein geradezu riesenhaftes
Exemplar eines alten Weibchens hindeuten. Aber gerade ein Merkmal
des Alters pflegt es zu sein, daß die Kiele der Hand sich mehr und
mehr runden und schließlich fast ganz verschwinden, wie dies schon
bei viel jüngeren und kleineren Exemplaren zu beobachten ist. Ebenso
verliert sich die Körnelung des Cephalotorax im Alter mehr und mehr,
und ich habe vor mir ein 80 mm langes (d. h. 10 mm länger als
der Pocock’sche Grenzwerth für diese Art) Weibchen von U. novae
hollandiae, das auf jeder Seite des Thorax nur noch ganz einzelne
winzige und obsolete Körnchen zeigt, im Uebrigen aber absolut glatt
und glänzend ist. Auch jüngere Weibchen lassen oft die Körnelung
des Thorax und namentlich die des Abdomens sehr weit zurücktreten,
Gatt. Urodacus. 19
während bei den Männchen eme stärkere Körnelung auch der Mittel-
parthien des Abdomens die Regel ist. Da auch die höhere Zahl der
Haargruben (19 an der Unterhand, 15 an der Armunterseite) als zu
variabel nicht sonderlich ins Gewicht fallen kann, so bleiben für
U. excellens nur Alterscharaktere übrig, und diese können ebensowenig
wie eine etwas über das gewöhnliche Maaß hinausgehende Größe die
Aufstellung einer eigenen Art rechtfertigen. Nicht viel anders steht
es mit dem U. abruptus Poc., den er selbst später schon mit seinem
U. Keyserlingii zusammengezogen hat. Die „hammer - shaped
depression“ am Hinterrande des Üephalothorax im Gegensatz zu der
mehr „triangular depression* finde auch ich bei einigen Individuen
mehr oder weniger scharf ausgeprägt, aber diese Individuen zeigen
eine so absolute Uebereinstimmung in allen übrigen Merkmalen mit
den in demselben Glase befindlichen Exemplaren, daß man an eine
individuelle Variabilität des hinteren Cephalothoraxeindrucks und des
Verhaltens der Augenhügelhälften zu demselben um so mehr zu glauben
geneigt ist, als thatsächlich vom Hammerförmigen bis zum Dreieckigen
alle Uebergänge sich nachweisen lassen. Endlich kann ich auch die
stärkere Ausbildung des letzten Zahns der oberen Caudalkiele, die
für U. armatus 91 charakteristisch sein soll, als artbegründend nicht
anerkennen. Zeigen doch die mir vorliegenden 28 Exemplare von
Urodacus auch in diesem Punkte eine solche Variationsweite, daß ich
eine complete Stufenreihe vom nicht oder kaum hervortretenden End-
zahn bis zum starken, schräg nach oben ansteigenden Dorn zu bilden
im Stande wäre. Dabei scheint es, als wenn die Verschiedenheit in
der Ausbildung dieses Dorns nicht oder doch nicht ausschließlich als
Geschlechtscharakter aufzufassen ist, da bei einigen Weibchen ebenfalls
ein stärkeres Hervortreten des Enddorns beobachtet wurde. U. Wood-
wardii soll zwischen U. novae hollandiae und abruptus stehen und
sich von ersterer Art durch größere Glätte und gerundetere Stirnloben
unterscheiden, von letzterer durch den Mangel eines Enddorns in den
oberen Caudalkielen, d. h. also durch Merkmale, die ich als beständige
nicht zu erkennen vermag. Die geringen Differenzen, welche Pocock
für die Längen- und Dickenmaaße der einzelnen Caudalglieder zu
einander zwischen U. novae hollandiae und Woodwardii aufführt, sind
ebenso wenig geeignet, seiner Ansicht eine feste Basis zu schaffen.
Es sind dann endlich von Pocock noch zwei Arten beschrieben, die
er anfangs als Gattung Jodacus abtrennte, und die in der That eine
selbständige Species zu bilden scheinen, nämlich U. Darwinii und
planimanus. Deide sind charakterisirt durch die von obenher
plattgedrückte Oberhand, deren Innenfläche mit der äußeren Fläche
2»
=»
30 Scorpionidae: Urodaeini.
der Oberhand nicht einen stumpfen, sondern einen rechten Winkel
bilden soll. Ich muß zwar darauf aufmerksam machen, daß der ganze
Unterschied im Wesentlichen darauf hinausläuft, ob der „Nebenkiel“
der Innentläche der Oberhand stärker oder schwächer hervortritt, und
daß ich in dieser Hinsicht eime ziemlich weitgehende Variation
beobachtet habe; immerhin scheint die von Pocock geschilderte
Abplattung der Innenfläche der Oberhand so typisch zu sein, daß die
Aufstellung einer eigenen Art gerechtfertigt sein dürfte. Wenn aber
des Weiteren die hierher gehörigen Formen in zwei Species getheilt
werden, deren eine (U. planimanus) ein fein gekörntes Abdomen,
14 Kammzähne und starken Enddorn an den oberen Gaudalkielen,
deren andere (U. Darwinii) hingegen ein glattes Abdomen, 11 Kamm-
zähne und keinen stärker hervortretenden Enddorn besitzt, so liegt es
auf der Hand, daß es sich hier genau um diejenigen Geschlechts-
unterschiede zwischen Männchen und Weibchen handelt, die auch bei
U. novae hollandiae in die Erscheinung treten. Ich glaube daher
nicht zu radikal vorzugehen, wenn ich, selbst gegen den brieflichen
Widerspruch Pococks, den jüngst aufgestellten U. planimanus als
Männchen zu U. Darwinii ziehe, zumal letztere Form von Pocock
selbst als Weibchen erkannt wurde. — Wir würden es demnach mit
2 Arten von Urodacus zu thun haben, deren Unterschiede etwa
folgendermaaßen zu formulieren wären:
A. Innenfläche der Oberhand in der Mitte mit einem deutlichen
Nebenkiel und durch diesen zweiflächig. Außentläche der Ober-
hand gegen die Innenfläche der Oberhand im stumpfen Winkel
geneigt. Cauda nach dem Ende zu nicht oder kaum verschmälert.
l. U. novae hollandiae Pet., p. 20.
B. Innenfläche der Oberhand nur mit schwacher Andeutung eines
verkürzten Nebenkiels, daher einflächig, fast eben und platt.
Außenfläche der Oberhand gegen die Innenfläche im rechten
oder fast rechten Winkel geneist. Cauda nach dem Ende
verschmalertt So Me a... 2. U. Darwini Poc., p. 23.
l. Urodacus novae hollandiae Pet.
1861 Urodacus novae hollandiae Pet. (Mon.-Ber. Berl. Akad. 1861, p. 511).
1876 Joctonus manicatus Thor. (Ann. Mag. |4] XVII, p. 14).
?1877 53 orthurus Thor. (Atti Soc. ital. XIX, p. 264).
?1888 Urodacus excellens Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] II, p. 170).
? 1888 5 armatus Poc. (ibid., p. 172).
? 1888 ns abruptus Poc. (ibid., p. 174).
?1891 e Keyserlingii (ibid. [6] VII, p. 245).
? 1893 Pr woodwardi Poc. (ibid. [6] XII, p. 322).
Gatt. Urodacus. 91
27
Die vorstehende Synonymie wird nach dem früher Gesagten
einer weiteren Begründung kaum bedürfen. Hervorgehoben mag nur
werden, daß mir die Origmalexemplare von Joctonus manicatus Thor.
von Seiten des Autors selbst in liebenswürdigster Weise zur Verfügung
gestellt waren, und daß ich die Abweichung des U. orthurus in der
Färbung und der geringeren Krümmung der Caudalseitenflächen nicht
für ausreichend halte, um auf ihnen eine eigene Art zu gründen. Es
erscheint jedoch nicht ausgeschlossen, daß der U. orthurus zur folgenden
Art zu ziehen ist („latus superius manus parum convexum, costa
humili laevi longitudinali*).
Die Färbung des U. novae hollandiae ist ungemein variabel.
Die gewöhnliche Farbe des Truncus ist braunroth, doch kann dieselbe
einerseits ins dunkel Braunschwarze, andererseits ins Lehmfarbene, hell
Scherbengelbe und Graugrünliche übergehen. Auch Fleckenzeichnungen
können auf den Abdominalringen auftreten. Die Cauda ist in der Regel
etwas heller rothbraun als der Truncus; ebenso die Arme und Hände.
Die Kielleisten aller dieser Theile smd in der Regel durch dunklere
Färbung — bis zu schwarz — markirt, doch kann dieselbe auch
fehlen, z. B. bei ganz hellen und bei ganz dunklen Individuen. Die
Blase ist von der Farbe der Cauda. Die Beine sind hellgelb, lehmgelb
oder — bei dunklen Individuen — braun beraucht.
Der Cephalothorax zeigt in der Mitte des Vorderrandes einen
mäßigen, fast halbkreisförmigen Einschnitt; die Stirnloben beiderseits
sind gerundet; der Augenhügel liegt ein klein wenig vor der Mitte des
Cephalothorax und ist von tiefer Medianfurche durchzogen, die sich
nach vorn breit zum Stirnrande fortsetzt, hinter dem Augenhügel aber
ganz seicht wird bis zum völligen Verschwinden, um dann in der Form
eines an den Seiten etwas eingezogenen Dreiecks oder eines gestielten
Hammers nach dem Hinterrande zu sich wieder zu vertiefen. Die Stirn-
loben und das ganze vordere Drittel des Cephalothorax bis zum Augen-
hügel sind in der Regel völlig glatt und glänzend, äusserst fein
nadelstichig. Die Seitentheile der hinteren zwei Drittel sind hingegen
meist mit feiner Körnelung besetzt, die beim Männchen auch die
Mittelparthien hinter dem Augenhügel bedecken kann, während
andererseits bei alten Weibchen jede Spur auch der seitlichen Körnelung
vermißt wird. — Die Abdominalringe sind oberseits beim Männchen
durchaus feinkörnig, auch auf der Mittelfläche, beim Weibchen hingegen
vielfach völlig glatt und glänzend oder doch nur an den Seiten äußerst
feinkörnig. Das letzte Rückensegment trägt 4 abgekürzte gekörnte
Längskiele. Die Bauchseite ist glatt und glänzend; nur das letzte
Segment mit 2 meist glatten, abgekürzten Längskielen.
2) Scorpionidae: Urodaeini.
Die Cauda ist durch scharfe Ausprägung der Kiele ausgezeichnet,
deren Körnelung indeß weitgehende Verschiedenheiten bietet. Die
Begrenzungskiele der oberen Längsfurche sind allerdings wohl in allen
Fällen körnig entwickelt, bald feiner, bald gröber gesägt, bald mit
stärkerem, bald mit kaum hervortretendem Enddorn des H—IV. Segmentes.
Auch die oberen Lateralkiele sind in der Regel körnig, können jedoch
zuweilen glatt sein. Im V. Segment ein in der Regel abgekürzter oder
in unregelmässige Körnelung übergehender Nebenkiel; nur selten ist
er ziemlich deutlich bis zum Grunde verfolebar. Von den unteren
Caudalkielen sind die des ersten Segmentes nur bei ganz jugendlichen
Individuen gekörnt, im späteren Alter jedoch stets nur als glatte
geschärfte Längskanten entwickelt. Des weiteren kann dann die
Körnelung dieser drei Kiele im II., IIL, ja nicht selten auch im
IV. Segment unterbleiben, so daß dann nur das V. Segment deutliche,
meist sogar zackig entwickelte Körncheneristen aufweist. Im I. Segment
findet sich an der oberen Lateralfläche regelmäßig noch eine meist
gekörnte Nebenkriste; das Segment ist also neunkielig. Die Blase ist
glatt, schlank und mit 4 flachen Längsfurchen versehen.
Der Oberarm ist auf der oberen Fläche mehr oder weniger
körnig, mit deutlicher, gekörnter Vorder- und Hinterkante. Die Unter-
seite ist meist weniger gekörnt, bei älteren Individuen fast völlig glatt
und entbehrt am Hinterrande einer scharfen Begrenzungskante. Der
Unterarm ist unterseits glatt und trägt am Hinterrande eine Reihe
von 7—11, bei U. excellens 15 Haargrübchen.
Die Hand ist meist mit deutlichen, aber stets glatten Kielen
versehen; nur zuweilen und besonders ım Alter können dieselben so
sehr an Schärfe abnehmen, daß die Hand fast gerundet erscheint.
Die Oberhand wird zunächst durch einen stark entwickelten „Fingerkiel“
in Innen- und Außenfläche getheilt. Erstere ist wiederum durch einen
meist etwas schwächeren „Nebenkiel“ in zwei in sehr stumpfem Winkel
gegeneinander geneigte Flächen getheilt, während die Außenfläche
durch emen der Länge nach ausgebildeten kielartigen Wulst weniger
deutlich geschieden ist und mehr als gewölbte Fläche sich darstellt.
Die Innenhandfläche ist meist fein netzig reticulirt, selten ganz glatt.
.Die Unterhand zeigt am äußeren Seitenrande eine bis zum Grunde
reichende Längsreihe von 7—10, selten bis 13 oder mehr, Haargrübchen.
Die Körnelung der Finger ist m sofern variabel, als die mehrreihige
Körnchenschicht des Grundes nach der Spitze zu m der Regel in zwei,
zuweilen aber auch in nur eine Längsreihe sich verjüngt, abgesehen
von den an der Spitze rechts und links auftretenden Außenkörnchen.
Die Länge des beweglichen Fingers ist meist etwas größer, oder doch
Gatt. Urodaeus. 23
so groß, als die der Hinterhand (1: 0,8 bis 1: 1,1). Das Verhältniß
von Hinterhand zu Handbreite schwankt zwischen 1: 0,7 bis 1: 0,89.
Größte absolute Länge von Finger, Hinterhand und: Handbreite bei
den vorliegenden Exemplaren: 12, 9,5 und 7 mm. Geschlechtsunter-
schiede an Finger und Hand wurden nicht bemerkt.
Die Schenkel sind feinkörnig oder fast glatt.
Das Sternum ist in seiner Länge sehr variabel, bald so lang,
bald nur etwa halb so lang als breit. Die Zahl der Kammzähne
schwankt in ununterbrochener Reihe von 10—22, und zwar gelten die
Zahlen 10—13 oder 14 für die Weibchen, 15—22 für die Männchen.
Die gewöhnlichste Kammzahl für das Weibchen ist 12, für das
Männchen 15—18. Bei letzterem reichen die Spitzen der Kämme
über das Coxaleglied des IV. Beinpaares hinaus.
Der Truncus ist in der Regel etwas kürzer als die Cauda,
auch beim Weibchen, doch kann bei letzteren auch das gegentheilige
Verhältniß eintreten. Im Ganzen ergab sich ein Schwanken des Ver-
hältnisses von Truncus zur Cauda von 1:0,8 bis 1: 1,4. Die größte
Gesammtlänge, die ich beobachtete, betrug 80 (= 41 + 39) mm;
das Pocock’sche Exemplar für U. excellens mißt sogar 114 mm.
Die Heimath des U. novae hollandiae ist Australien, und
zwar scheint er im Norden, Westen und Süden bis nach Südosten
(Vietoria) vorzukommen. Pocock erwähnt eimes Fundes von Ceylon,
doch wird es sich hierbei lediglich um eine bei Scorpionen so häufige
Verschleppung handeln.
2. U. Darwinii (Poc.).
1891 Jodacus Darwinii Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] VII, p. 245). 2
? 1895 Urodacus planimanus Poe. (ibid. [6] XII, p. 321). £
Ueber vorstehende Art kann ich nicht aus eigener Anschauung
urtheilen, doch scheint es mir nicht ausgeschloßen, daß dieselbe eben-
falls in den Formenkreis des U. novae hollandiae einzuziehen ist. Die
Gründe, welche es mir wahrscheinlich machen, daß U. planimanus
lediglich das Männchen zu U. Darwinii darstellt, habe ich bereits
oben hervorgehoben.
In der Färbung dürfte ein Unterschied von U. novae hollan-
diae nicht existiren. Ebenso wenig in der Körnelung des Cephalo-
thorax und der kückenschilde, welche letztere beim Weibchen glatt,
beim Männchen feinkörnig sind.
Die Cauda ist nach hinten verschmälert, etwas zusammen-
gedrückt, dünn, mit fein gezähnelten Kielen und beim Männchen mit
fein gekörnten Flächen. Die oberen Kiele beim Männchen (planimanus)
24 Scorpionidae: Scorpionini.
mit, beim Weibchen (Darwinii) ohne stärkeren Endzahn. Der einzige
greifbare Unterschied von U. novae Hollandiae liegst, abgesehen von
der Verschmälerung der Cauda, augenschemlich in der größeren
Abplattung der Innenfläche der Oberhand, die überdies zur Außen-
fläche im rechten Winkel gestellt ist. Die Zahl der Haargruben am
Unterarm, wie an der Unterhand wird von Pocock beim Männchen
zu S—9 angegeben, während das Weibchen an der Unterhand 12 Haar-
gruben zeigte.
Die Zahl der Kammzähne betrug beim Weibchen 11, beim
Männchen 14, die Gesammtlänge des Körpers beim Weibchen 59, beim
Männchen 64 mm.
Das Weibchen stammt von Port Darwin (Nordaustralien),
das Männchen von Westaustralien.
3. Subfam. Scorpionini.
Scorpioniden mit nur einem Dorn am Grunde des
letzten Tarsengliedes, mit gerundeten, am Rande bedornten
Seitenlappen am Ende des letzten Tarsengliedes, welche
die Basis der Klauen seitlich verdecken (Fig. 9—12).
Jederseits3 Nebenaugen. Stachelohne Höcker am Grunde.
Körnchen der Scheerenfinger der Hauptsache nach auf
der Schneide eine einfache Reihe bildend, aber meist von
einzelnen kleineren Seitenkörnchen flankiert und in
Zwischenräumen durch größere Doppelkörnchen unter-
brochen. Kämme mit wenigen, oft kaum deutlichen,
kantigen Mittellamellen. Kammzähne wohl entwickelt.
Sternum meist mindestens so lang als breit. Scheeren-
glieder des Oberkiefers unterseits ohne Zahnbildungen.
Als Gattungen dieser Gruppe, welche von Simon (Arachn. de
France VII, p. 92) als Familie der Heterometridae ') zusammengefaßt
wurde, sind zu nennen: Scorpio, Pandinus, Palamnaeus,
Heterometrus, Miaephonus, Petrooicus (Oecopetrus), Mossa-
medes und Opistophthalmus. Von diesen ist Pandinuselediglich
ein Synonym zum alten Gattungsnamen Scorpio, den zu verwerfen
I) Abgesehen davon, daß es sich lediglich um eine Unterfamilie, nicht um
eine Familie handeln kann, scheint mir der Name insofern unglücklich
gewählt, als er nicht die artenreiche Gattung Scorpio, sondern eine etwas
abseits stehende, wahrscheinlich nur eine Art umfassende Gattung als
m »
Typus aufstellt.
Subfam. Scorpionini. 25
ich jedoch mit Pocock (Ann. Mag. Natur. History 1888, p. 246)
keinen genügenden Grund finde. Die Gattung Palamnaeus ist von
Thorell lediglich auf Grund des etwas dickeren Handinnenrandes
aufgestellt und schließt sich m allen ihren Merkmalen so sehr an die
Gattung Scorpio (namentl. Sc. bengalensis) an, daß ich es richtiger
halte, sie einzuziehen. Haben mir doch mehrfach Exemplare von
„Palamnaeus“ vorgelegen, bei welchen der Handrand völlig die Schärfe
echter Scorpioarten zeigte, während andererseits Simon eine echte
Scorpioart (Se. bengalensis) wegen der geringeren Entwickelung des
Handballens trotz seiner geschärften Innenrandkante der Hand
der Gattung Palamnaeus eingeordnet hat. Das Merkmal, welches
Pocock (Journ. Bombay Natur. History Soc. 1892, 22. Nov.,
p. 3) in den Vordergrund stellt, nämlich die Ausbildung der letzten
"beiden Zähne des beweglichen Oberkieferfingers in Form einer fast
gleichzinkigen Gabel, ist nichts weniger als stichhaltig, da eine ganze
Reihe von echten Scorpioarten (Sc. Svammerdami, westafr. Formen von
Sc. africanus etc.) diese Bildung in annähernd gleicher Weise darbieten.
Die Gattung Heterometrus Ehbg, mit der typischen Art
H. maurus, steht zwar ebenfalls der Gattung Scorpio sehr nahe, so daß
Pocock sie mit letzterer vereinen zu sollen geglaubt hat; immerhin
habe ich zum mindesten ein Merkmal aufgefunden, welches dieselbe
von Scorpio zu trennen gebietet, wenn anders man nicht sämmtliche
hierher gehörige Gattungen zu einer verschmelzen will: das ist die
größere Dornenzahl an den Loben der Endtarsen. Wird diese Dornen-
zahl, welche bei der Gattung Scorpio fast ausschließlich jederseits 2,
in seltenen Fällen 3 beträgt, nicht als wichtigstes Criterium der Gattung
gewählt, so weiß ich in der That nicht, wie man des weiteren die
Gattungen Petrooicus, Mossamedes, Opistophthalmus von Scorpio trennen
kann, da das Zurückrücken der Augen auf den hinteren Abschnitt des
Cephalothorax sich so allmählich vollzieht, daß eine scharfe Scheidung
durch dieses Merkmal zur Unmöglichkeit wird, wie wir weiter unten
sehen werden. Ich glaube also den Heterometrus maurus als Typus
einer eigenen Gattung aufrecht erhalten zu müssen, zumal derselbe
noch eine ganze Reihe weiterer specifischer Eigenthümlichkeiten aufweist,
und ich füge so leider den schon jetzt geradezu verwirrenden Ansichten
über die anzuwendende Nomenclatur der in Rede stehenden Gattungen
eine neue hinzu, von der ich allerdings zu hoffen wage, daß sie auch
bei künftigen Forschern als wohlbegründet sich bewähren möge. Eine
Uebersicht der verschiedenen Ansichten über unsern Gegenstand giebt
bereits Pocock im seimer oben citierten Arbeit (Ann. Mag. 1888).
Ich setze sie hierher unter Hinzufügung der Auffassung Pococks und
F3
36 Sceorpionidae: Scorpionini.
meiner eigenen als Beispiel für die Schwierigkeiten, welche bei der
verschiedenen Beurtheilung des Werthes der Gattungsmerkmale und
der für die Nomenclatur anzuwendenden Regeln sich ergeben können:
Linne: Scorpio Scorpio Scorpio.
Ehrenberg: — Heterometrus Heterometrus.
Thorell: Pandinus Palamnaeus Heterometrus.
Karsch: Pandinus Heterometrus Scorpio.
Simon: Scorpio Palamnaeus Heterometrus.
Pocock: Scorpio Heterometrus Scorpio.
Kraepelin: Scorpio Scorpio Heterometrus.
Die Gattung Opisthophthalmus ist bereits von C. L. Koch
aufgestellt und durch die weit nach himten gerückten Mittelaugen
charakterisirt worden. Leider aber sind später verschiedene Zwischen-
formen beschrieben, welche eine lückenlose Reihe von den ausge-
sprochensten Opisthophthalmen bis zu normalen Scorpioarten, bei
denen die Augen oft genau in der Mitte des Cephalothorax sitzen,
darstellen. Es ergiebt sich dies auf das Unzweideutigste aus den von
mir ausgeführten Messungen. Danach verhält sich die Entfernung
vom Hinterrande bis Mittelaugen zu der vom Vorderrande bis Mittel-
augen beispielsweise bei ©. pallidipes wie 1: 2,71, bei O. latimanus
wie 1: 2,45 bis 2,29, bei O. capensis wie 1 : 2,33 bis 1,8, bei O. pictus
wie 1: 1,66 bis 1,55, bei O. Anderssoni wie 1: 1,54 bis 1,38, bei
Mossamedes opmatus wie 1: 1,33 und bei Miaephonus Wahlbergi wie
1:1,17 bis 1,16, wodurch dann die Augenstellung der typischen
Scorpioarten erreicht ist (bei Sc. arabicus ist das in Rede stehende
Verhältniß = 1: 1,25). Es kann uns unter diesen Umständen nicht
Wunder nehmen, wenn bei dem gänzlichen Mangel definirbarer Gattungs-
unterschiede allerlei Irrthümer sich eingeschlichen haben. So charakte-
risirt Thorell seine Gattung Ophisthophthalmus vornehmlich dadurch,
daß die Mittelaugen „doppelt so weit“ vom Vorderrande als vom
Hinterrande entfernt seien, während doch bei ©. Anderssoni nur etwa
das Anderthalbfache dieses Maaßes erreicht wird. Andererseits hat
Karsch diesen selben Scorpion, den schon Peters als Heterometrus
carinatus beschrieb, auf Grund der Augenstellung zur neuen Gattung
Petrooicus erhoben. Der Miaephonus Wahlbergi Thor. könnte
höchstens durch die Körnelung der Blase als Gattung abgetrennt
werden, doch hat er dieses Merkmal mit Mossamedes gemeinsam,
dessen Augenstellung, wie oben gezeigt, sich unmittelbar an die des
OÖ. Anderssoni und weiter des O. pietus anschließt. Der Haupt-
charakter, welchen Simon für seine Gattung Mossamedes ms Feld
führt, soll darin bestehen, daß der Kamm im basalen Drittel keine
Subfam. Scorpionini. 97
Kammzähne trägt. Allein abgesehen davon, daß dieses Merkmal nur
für die Weibchen, nicht aber für die Männchen paßt, ist dasselbe
generisch in keiner Weise zu verwerthen, da bei Miaephonus Wahlbergi,
wie bei ©. pietus n. sp. die Kämme der Männchen ganz in derselben
Ausbildung einen auffallend verlängerten Kammgrund aufweisen.
Es bleibt nach dem Gesagten kein anderer Ausweg, als die
Gattungen Petrooicus, Miaephonus und Mossamedes mit Opisthoph-
thalmus zu vereinigen, letztere Gattung aber nicht sowohl durch die
Stellung der Augen, als vielmehr durch die Bedornung der Tarsenendlappen
und die schwache Ausrandung des Cephalothorax zu charakterisiren.
Nach diesen Gesichtspunkten erhalten wir dann folgende
Bestimmungstabelle der Gattungen:
1) Seitenlappen des Tarsenendgliedes am III. und IV. Beinpaare
jederseits neben den Borsten ') nur mit 2 (Fig. 9), sehr selten
mit 3 Dornen (Fig. 10, 11). Blase unterseits fast stets gekörnt.
Ausschnitt am Vorderrande des CGephalothorax groß. Seine Median-
furche nie nach vorn gabelig zum Rande verlaufend. Augen
meist etwas vor der Mitte der Entfernung vom Ausschnittsgrunde
bis zum Hinterrande. Hand häufig ohne oberen, aus dem unbe-
weglichen Finger zum Grunde verlaufenden Kiel.
1. SCoRpIorL., Pr 28.
2) Seitenlappen des Tarsenendgliedes am UI. und IV. Beinpaare
jederseits mit 5 oder 4 (außen meist 4, innen 5) Dornen kamm-
artig besetzt (Fig. 12, 13; 34—36). Blase unterseits oft glatt.
Ausschnitt am Vorderrande des Cephalothorax mäßig oder fehlend.
Medianfurche nach vorn oft gabelig (Fig. 33). Augen meist
hinter der Mitte des Cephalothorax, oft weit nach hinten. Hand
stets mit oberem, aus dem beweglichen Finger zum Grunde ver-
laufenden Kiel.
a. Vorderfläche des Oberarms nicht als deutliche, von gekörnten
Kielen begrenzte Ebene entwickelt. Oberarm am unteren Hinter-
rande ungekielt. Letztes Bauchsegment mit 4 körnigen Längs-
eristen; ebenso unterseits das I. Caudalsegment. Untere Seiten-
cristen des V. Caudalsesments am Ende schlittenkufenartig nach
außen und oben biegend und mit ihrem sägezähnigen Rande
fast oder ganz die oberen Randeristen am Ende des Segments
erreichend (Fig. 14, 15). Blase gekörnt. Tarsenendglied unter-
I) Bei einigen Arten der Gattung Scorpio ist die endständige Borste ziemlich
stark, unterscheidet sich aber von den echten Dornen durch Länge und
Biegsamkeit.
28 Scorpionidae: Scorpionini.
seits mit 2 regelmässigen Reihen von Dornen (beide Reihen
mit gleicher Dornenzahl; Fig. 12, 13). Augen etwa in der
Mitte des Gephalothorax.
2. Heterometrus Hempr. Ehbg., p. 73.
b. Vorderfläche des Oberarms eine ebene, von gekörnten Kanten
begrenzte Fläche. Oberarm am unteren Hinterrande wenigstens
zum. Theil mit einer gekörnten Begrenzungskante. Letztes
Bauchsegment selten mit Andeutung von Kielen. I. Caudal-
segment kiellos oder mit glatten nur etwas cerenelirten Kielen.
Untere Seitencristen des V. Caudalsegments nicht bis zu den
oberen Randceristen des Segments aufbiegend. Blase glatt,
seltener gekörnt. Aeußere Reihe der Dornen am Tarsenendgliede
geringer an Zahl, als die Innenreihe, oft auf die Endloben
beschränkt (Fig. 34—36). Augen oft weit nach hinten gerückt.
nr
3. Opisthophthalmus C. L. Koch., p. 77.
1. Gatt. Seorpio L. emend.
Scorpioninen mit nur zwei, seltener drei, Dornen
an jedem der beiden Endlappen des Tarsenendgliedes
(Fig. 9—11). Daneben Borsten. Blase fast stets gekörnt.
Ausschnitt am Vorderrande des Cephalotorax groß.
Medianfurche nie nach vorn gegen den Ausschnitt hin
gabelspaltig. Augen meist etwas vor der Mitte der Ent-
fernung vom Hinterrande bis zum Grunde des Vorder-
randausschnittes Hand meist ohne oberen, aus dem
unbeweglichen Finger zum Grunde verlaufenden Kiel.
Der Name Scorpio wurde von Linne © (ebenso de Geer,
Herbst u. A.) auf alle ihm bekannten Arten der Ordnung angewandt,
wobei er in der Diagnose (Editio X Tom V., p. 2961) indeß aus-
drücklich „Oculi oeto“ als Gattungsmerkmal angiebt. Dem von Leach
(Transaction Linn. Soc. XI, p. 391, 1875) für die achtaugigen Scorpione
eingeführten Gattungsnamen Buthus, der dann von Hemprich-
Ehrenberg (Symbolae physicae 1829—34), Koch (System der
Arachniden 1837, p. 36) und Gervais (Insectes apteres III, pag. 50)
adoptirt wurde, würde daher an und für sich eine Berechtigung über-
haupt nicht zukommen. Da Leach aber als Typus seiner Gattung
den B. oceitanus (und zwar nur diesen allein) aufführt, der nicht 8,
sondern 10 Augen besitzt, so konnte der Name Buthus im Sinne des
Autors von Peters (Sitzungsber. Berl. Akad. 1861, p. 507 u. 513)
für die dem B. occitanus verwandten Formen verwerthet werden,
während nunmehr die Gattung Scorpio durch Simon (Arachnides
Gatt. Scorpio. 29
wc
de France 1879 VII, p. 92) ın dem auch von uns angenommenen
Umfange festgelegt wurde. Daß die dann weiterhin von Thorell
‘vorgenommene Namensänderung in Pandinus einem Bedürfnisse nicht
entspricht, und daß auch die Gattung Palamnaeus nicht aufrecht zu
erhalten, wurde bereits oben hervorgehoben.
Die Zahl der hierher gehörigen, bisher beschriebenen Arten
mag gegen 40 betragen, deren Studium noch dazu durch eine geradezu
verwirrende Synonymie erschwert wird. Eine systematische Bearbeitung
der Gesammtgattung gehörte daher lange zu den frommen Desiderien.
Ein Versuch von Karsch (Abhandl. Naturw. Verein Bremen 1887,
p. 86) enthält nur die tabellarische Gruppirung von etwa ein Dutzend
Arten; erst Pocock hat sich in zwei verschiedenen Abhandlungen
(Ann. Mag. Nat. Hist. 1888 und Journ. Bombay Nat. Hist. 1892)
dieser Arbeit unterzogen, deren Resultate in vieler Hinsicht mit den
von mir erlangten übereinstimmen.
Nach meimen Untersuchungen wird sich die Zahl der bisher
bekannten Arten auf 9 reduciren lassen, zu denen dann noch zwei
neu zu beschreibende und emige Varietäten hinzutreten. Eine Kritik
der sämmtlichen, bisher aufgestellten Arten an dieser Stelle zu geben,
würde zu weit führen, doch habe ich mich bei der Besprechung der
einzelnen Formen bemüht, die Richtigkeit der am Kopfe jeder Art
zusammengestellten Synonyme zu beweisen. Daß trotz des umfang-
reichen Vergleichsmaterials und trotz der zahlreichen Originalexemplare,
die ich untersuchen konnte, nicht alle Räthsel von mir gelöst worden
sind, wird den mit der Schwierigkeit der Materie Vertrauten nicht
Wunder nehmen.
Ehe ich nunmehr zur Besprechung der einzelnen von mir als
berechtigt anerkannten Arten übergehe, fasse ich die Unterschiede
derselben kurz in folgender Bestimmungstabelle zusammen:
A. Unterarm an der Unterseite mehr oder weniger gewölbt, ohne
scharfen Hinterrandkiel und hier ohne regelmäßige, in
2—4 Reihen geordnete kraterförmige Haargrübchen.
(Höchstens einzelne derselhen einreihig am Rande. Fig. 18.)
Ausschließlich asiatische Formen.
I. Innenrand der Hand dick, gerundet, nicht zusammengedrückt
zugeschärft. Obere Handtläche entweder ganz glatt oder seicht
flachgrubig retieulirt, meist mit Andeutungen stumpfer,
glatter Längskiele. Unterarm mit großem Dorn am
Grunde, meist sehr gestreckt, wie auch Hand und Finger.
Oberer Endzinken des Oberkiefers bei verticaler Stellung des
Thieres den unteren fast verdeckend, mit ihm gleich laufend
30
1.
Scorpionidae: Scorpionini.
und eine fast gleichzinkige Gabel bildend (Fig. 21). Die
Depression um den Augenhügel nicht in die hintere Medianfurche,
sondern durch eine schräg auswärts ziehende Depression
x förmig in das mediane Ende der hinteren geschweiften Quer-
furche übergehend (Fig. 20).
1. Sc. longimanus Herbst, p. 34.
Innenrand der Hand zusammengedrückt zugeschärft. Obere
Handfläche körnig oder reticulirt, höchstens der Handballen
fast glatt. Kiele — abgesehen vom Außenrandkiel — wenn
vorhanden, lediglich durch Zusammenfließen gröberer Körnchen-
reihen gebildet. Dorn des Unterarms klem oder fehlend.
Oberer Endzinken des Oberkiefers bei verticaler Stellung des
Thieres den unteren meist nicht deckend, sondern in der Regel
nur als tiefer stehender Zahn entwickelt (Fig. 22—24). Die
Depression um den Augenhügel geht hinterwärts nicht oder nur
undeutlich in die geschweiften hinteren Seitenfurchen über (Fig.19).
a. Oberarm unterseits grobkörnig. I. + II. Gaudalsegment so
lang oder länger als der Cephalothorax. Dieser gleich den
Dorsalringen des Abdomens auf der ganzen Fläche feinkörnig
chagrimirt. Unterarm oberseits dichtkörnig. Hand grob
kugelig-körnig, ohne von zusammenfließenden Körnchen ge-
bildeten Nebenkiel. Kammzähne 17—-20. Größte Breite der
Hand in der Höhe der Handwurzel. Innenrand der Hand
aus herzförmigem Grunde fast gerade zum beweglichen Finger
verlaufend. Hintere Seitenfurche des Thorax ohne Verbindung
mit dem Ende der Medianfurche. Endzinken der Oberkiefer
ziemlich parallel (Fig. 24). Truncus meist rothbraun, mit
gelben oder lederbraunen Beinen.
2. Sc. Svammerdami (Sim), p. 42.
b. Oberarm unterseits glatt (höchstens eine Körnchenreihe am
Hinterrande). I. + U. Caudalsegment meist kürzer als der
Cephalothorax. Dieser oft nur an den Seiten körnig, und
dann mit glattem „Spiegel“ auf den Flächen vor den Augen.
Unterarm oberseits glatt oder feinkörnig. Hand kugelig-
körnig oder reticulirt, zuweilen mit Nebenkielen. Kammzähne
9— 17. Oberer Endzimken des Oberkiefers zahnartig, den
unteren nicht verdeckend (Fig. 22).
a. Obere Handfläche fast in ganzer Ausdehnung mit isolirten,
glänzenden und meist halbkugeligen, scharf umgrenzten
Buckeln besetzt, die nur auf dem inneren Handballen
zuweilen zusammenfließen.
BD:
ie
Gatt. Scorpio. 3]
Beine hellgelb. Truncus gelb-roth bis rothbraun. Letztes
Bauchsegment ungekielt; I. und II. Caudalsegment unter-
seits fast glatt, Kiele kaum schwach angedeutet.
Außenseits über dem Seitenrandkiel der Hand meist
(aber nicht immer) ein mehr oder minder entwickelter,
aus zusammenfließenden Körnchen gebildeter Nebenkiel,
der die Oberhand ziemlich scharf in Außen- und Innen-
fläche theilt (Fig. 37). Kammzähne 13 — 18. Winkel
des Kammgrundes 110 — 120° (Fig. 28). Stirnlobus
körnig, meist auch die ganze Thoraxfläche. Innenrand
der Hand fast halbkreisförmig, größte Handbreite daher
etwa in der Mitte der Handfläche.
3. Sc. fulvipes:(C. L. Koch), p. 44.
Beine dunkel pechbraun oder grün; Truncus meist
pechbraun bis schwarz. Letztes Bauchsegment mit zwei
glatten Längskielen; I.und II. Caudalsegment unterseits mit
deutlichen glatten Kielen und vertieften Flächen. Keine
Nebenkiele; Oberhand daher eine einheitliche, convexe
Fläche bildend.. Kammzähne 11—14, selten bis 17.
Winkel des Kammerundes meist 140° oder fast einen
gestreckten Winkel bildend (Fig. 29). Stirnlobus meist
glatt, ebenso der größte Theil der Cephalothoraxtläche.
Innenrand der Hand aus gerundetem Grunde oft fast
gradlinig zum unbeweglichen Finger verlaufend und dann
die größte Handbreite nahe dem Grunde der Hand.
4. Sc. ceylonicus (Herbst), p. 46.
Obere Handtläche nicht mit glänzenden, runden, isolirten
Buckeln besetzt, sondern entweder reticulirt, oder mit
flachen, eingestochen punktirten und vielfach aneinander-
stoßenden, von der Grundfläche wenig scharf sich abhebenden,
mannigfach gestalteten Wulsten besetzt.
Hand schmal, mit nur schwach herzförmigem Grunde
und wenig entwickeltem Ballen, "a bis %ı so breit als
die Länge des beweglichen Fingers, mit flachen, ein-
gestochen punktirten Wulsten besetzt. Stirnlobus meist
glatt, nur zuweilen etwas gröber gekörnt. Fläche des
Cephalothorax stets glatt. Winkel des Kammgrundes
etwa 110° (Fig. 30). Beine gelb bis pechbraun, Hände
und Truncus meist rothbraun, seltener dunkel grünbraun.
9.84 bieugalensis (C. L. Koch), p. 51.
©
LS)
Scorpionidae: Scorpionini.
OD
Hand tief herzförmig, mit stark entwickeltem Handballen,
34 bis fast so breit als der bewegliche Finger lang (bei
erwachsenen Individuen), auf der Fläche meist durchaus
netzig, mit tieferen oder flacheren Gruben zwischen dem
zusammenhängenden Balkenwerk, selten mit etwas
isolirteren und dann höckerig feinkörnigen Wulsten.
Stirnlobus ziemlich stark gekörnt. Fläche des Cepha-
lothorax meist nur mit kleinem, glattem „Spiegel“ oder
ganz grobkörnig. Winkel des Kammgrundes etw:
130 ° und mehr (Fig. 27). Beine meist pechbraun, mit
helleren Endtarsen. Hände dunkel pechbraun oder grün,
selten bleich. _
«a. Cephalothorax mit deutlichem , glattem Spiegel
auf der Fläche. Rückenringe des Abdomens fast glatt
oder nur mit einzelnen Körnchen am Hinterrande.
Darsaltläche der Cauda glatt. Kammzähne 12—16
(meist 13 oder 14). Dornen des Endtarsus innen 4
(seltener 5), außen fast stets 3.
‚6. Se. indicus L., p.:53.
£ß. Cephalothorax auf der ganzen Fläche dicht
srobkörnig; ebenso die Rückenringe des Abdomens in
ihrer hinteren Hälfte. Dorsalfläche der Cauda ebenfalls
dicht grobkörnig, Körnchen etwas gereiht. Kammzähne
10—11. Dornen des Endtarsus innen 5 oder 6, außen 4.
1. Sc. sca.ber.[hor., p.258.
B. Unterarm an der Unterseite mehr oder weniger flach, mit scharfem,
glattem Hinterrandkiel und nahe desselben mit regelmäßigen,
in 2—4 Reihen geordneten kraterförmigen Haargrübchen besetzt
(Fig. 16; in Fig. 17 vergrößert). Fast ausschließlich afrikanische
Formen.
a. Kammzähne 17—24. Endlappen des Endtarsus jederseits mit
3 gleich großen Dornen bis zur Vereinigungsstelle derselben an
der Unterseite (Fig. 10, 11). Gesammtdornenzahl des Endtarsus
an der Innenseite 6 oder 7, an der Außenseite 4 oder 5.
Beine und Unterseite gelblich, Truncus rothbraun oder schmutzig
scherbengelb.
«. Oberarm unterseits grobkörnig. Buckel der Handoberfläche
wulstig, flach und verschmelzend, deutlich eingestochen punktirt.
Kammzähne 22—24. Erster Dorn des Tarsenendlappens steht
an der Spitze des Lobus (Fig. 10).
8. 8Se.:arabicusn. sp, p. 9%
Gatt. Scorpio. 33
ß. Oberarm unterseits durchaus glatt. Buckeln der Handober-
fläche meist kugelig-körnig, isolirt, glatt und glänzend. Kamm-
zähne 17—21. Erster Dorn des Tarsenendlappens steht in
der Mitte des Vorderrandes (Fig. 11). Innenrand der Hand
fast halbkreisförmig, größte Breite der Hand wenig unter
denen. Mittex en men 9. Sc. pallidus n. sp., p. 60.
b. Kammzähne 9—17, selten bis 20. Endlappen des Endtarsus
mit nur 2 Dornen !) jederseits bis zur Vereinigung der Loben
an der Unterseite. Gesammtdornenzahl des Endtarsus 4 (selten 5)
an der Innenseite, 3 an der Außenseite. Beine lederbraun bis
pechbraun, ebenso meist die Unterseite. Truncus meist dunkel-
grün oder dunkel pechbraun.
@. Kammzähne 14—20, sehr selten bis 11 herab. Cephalothorax
feinkörnig (mit bloßem Auge die Körnchen kaum sichtbar),
meist mit glatter, spiegelnder Mittelfläche. Abdomen fast
glatt oder feinkörnig. Obere Caudalkiele nur körnig, nicht
dornspitzig, namentlich nicht im I. und V. Segment. Seiten-
flächen des IV. Segments stets mit Andeutung einer Körnchen-
reihe. Geschweifte Seitenfurchen des Cephalothorax oft nicht
mit der Medianfurche sich verbindend. Letztere häufig triangel-
förmig zu einer „depressed Area“ am Hinterrande sich
erweiternd. Hand grobkörnig, netzig oder fast glatt, am
Innenrande dornspitzig oder glatt.
10. Sc. africanus L. emend., p. 62.
ß. Kammzähne 9—13, sehr selten bis 14. Cephalothorax und
Abdomen oberseits dicht dornig-grobkörnig. Obere Caudal-
kiele, auch im I. und V. Segment, dornspitzig gekörnt.
Seitenflächen des IV. Caudalsegments ungekörnt, höchstens
etwas runzelig. Geschweifte Seitenfurchen des Cephalothorax
verbinden sich meist mit dem Hinterrande der Medianfurche,
indem sie in der Regel zwei körnchenbesetzte Buckel nahe
dem Hinterrande umgreifen. Seltener die Medianfurche am
Ende triangelförmig sich erweiternd.. Hand grobkörnig,
zuweilen etwas netzig, am Innenrande dornspitzig.
11. Sedietator: Poc:, p. 70.
') Die zuweilen ziemlich starken, aber von den ersten Dornen immerhin durch
geringere Dicke und größere Länge unterschiedenen Endborsten an der
Spitze des Lobus sind nicht mit zu zählen.
34 Scorpionidae: Scorpionini.
1. Scorpio longimanus Herbst.
1800 Scorpio longimanus Herbst (Naturgesch. d. ungefl. Insect., Scorpione, p. 42,
TA. 2, Fig. 1).
1829—34 Buthus (Heterometrus) spinifer Hempr. Ehbg. (Symbol. phys. II Arachn.),
TA. 1, Fie. 2).
1838 Buthus costimanus C. L. Koch (Arachn. IV, p. 27, Fig. 266).
1839 Centrurus galbineus ©. L. Koch (Arachn. IV, p. 110, Fig. 320) juv. (nach Karsch).
1872 Heterometrus megacephalus Sim. (errore), Etud. scorp. (Revue et magasin
de Zool., Febr. 1872, p. 9).
1876 Palamnaeus angustimanus Thor. (Atti Soe. ital. XIX, p. 211).
1876 n Petersii Thor (ibid., p. 214).
1876 55 laevigatus Thor (ibid., p. 221).
1877 Pandinus humilis Sim. (Soc. entom. France [5] VII, p. 94).
1879 Caucon galbineus Karsch (Münch. ent. Mitt. 1879, p. 14) juv. (nach Karsch.)
1878 Dacurus galbineus Karsch (ibid, p. 97).
Ich glaube mich überzeugt zu haben, daß in der That die
sämmtlichen oben aufgeführten „Palamnaeusarten“ (Thorell) zu vereinigen
sind. Daneben werden wir weiter unten noch eine Reihe von Formen
kennen lernen, die bisher ebenfalls als selbständige Arten angesehen
wurden, denen ich vorläufig aber nur den Rang von Varietäten
zugestehen möchte.
Der Scorpio longimanus ist von Herbst recht gut
beschrieben und abgebildet; er repräsentiert ein ausgewachsenes
Männchen unserer Art. Da indessen die Finger der Hände um einige
Millimeter zu lang gerathen sind, auch die Linienführung in der
Zeichnung des Unterarmes etwas kühn ist, so glaubte Thorell seinen
Palamnaeus angustimanus von dem Herbst’schen longimanus um so
eher verschieden, als für letzteren fälschlicher Weise Afrika als Vaterland
aufgeführt wurde. In Afrika kommen aber „palamnaeusartige* Formen
überhaupt nicht vor. Ich hege daher keine Bedenken, den Palamn.
angustimanus Thor. dem Männchen von Scorpio longimanus Herbst zu
identifizieren. Ein jüngeres Männchen derselben Art dürfte dann der
Buthus spinifer Ehbg. sein, den ich im Berliner Museum zu vergleichen
Gelegenheit hatte. Das Exemplar besitzt 18, 19 Kammzähne, nicht 20,
wie Ehrenberg angiebt, und schließt sich hierdurch eng an die Variations-
weite der Art an, bei welcher ich von 61 untersuchten Männchen in
83 °o der Fälle 16—18 Kammzähne fand, darunter allerdings nur ein
Exemplar mit 18, 18 Zähnen. Der Buthus costimanus C. L. Koch
aus der Klugschen Sammlung hat mir ebenfalls zur Untersuchung
vorgelegen. Das Thier besitzt 15, 16 Kammzähne und erweist sich
nach den Verhältnissen von Länge der Hinterhand zur Handbreite als
Weibchen und zwar als eines jener jüngeren Exemplare, bei welchem
die Rippen der Handoberfläche noch ziemlich scharf hervortreten, die
Gatt. Scorpio. 35
Hand selbst aber noch nicht jene excessive Breite angenommen, wie
sie für alte Weibchen charakteristisch ist. Schon Simon (Ann. Mus.
civ. Genova XX, p. 361) vermuthet, daß Palamnaeus Petersii Thor.
das Weibchen zu Se. longimanus Herbst sein möge, und diese Vermuthung
hat sich mir durch die Untersuchung eines außerordentlich reichen
Materials bestätigt. Fast im allen den etwa 70 Gläsern mit „Palamnaeus“,
die ich zu durchmustern Gelegenheit hatte, fand ich schmalhändige
longimanus und breithändige Petersii in wechselnden Verhältnissen von
demselben Fundorte gemengt vor, während die jüngeren Individuen,
namentlich die weiblichen, den typischen Buthus costimanus vor Augen
führten. Ich stehe daher nicht an, den Buthus longimanus, spinifer
und angustimanus als die Männchen, den B. costimanus und Petersi
aber als die Weibchen — verschiedenen Alters — unserer Art in
Anspruch zu nehmen. Der Palamnaeus laevigatus soll aus Neuholland
stammen, wohin er vielleicht verschlagen wurde. Die sorgfältige Analyse
auch dieses Thieres ergiebt kein einziges Merkmal, das nicht innerhalb
der normalen Variationsweite des Formenkreises läge. Der Pandinus
humilis Sim. ist nach der genauen Beschreibung (und dem Fundorte)
sicher nichts anderes, als ein junges, nur 55 mm langes Exemplar
unserer Art, bei dem der Innenrand der Hand noch nicht die typische
Verdickung der älteren Individuen zeigt. Die drei noch weiter unten
zu besprechenden P. Thorellii, P. liophysa und P. silenus endlich
lassen zwar definirbare Charaktere erkennen, stehen aber immerhin der
Hauptform so nahe, daß ich die Selbständigkeit dieser Arten bis auf
weiteres bezweifeln möchte.
Wie aus dem Gesagten bereits erhellt, zeigt die Art in ihrer
Gestaltung und Sculptur ziemliche Verschiedenheit, und namentlich
Männchen und Weibchen sind im erwachsenen Zustande meist auf
den ersten Blick zu unterscheiden.
Die Färbung des Truncus ist in den meisten Fällen ein
dunkles Kastanienbraun, das aber einerseits ins Schwarze, andererseits
ins Rothbraune übergehen kann. Garnicht selten sind dunkelgrüne
Exemplare, während in anderen Fällen, namentlich bei jüngeren
Exemplaren, die fast schmutzig ziegelrothe Färbung nur zum Theil
durch braune Pigmentflecke überdeckt ist. Namentlich Beine und
Blase sind heller rothbraun, letztere in der Jugend sogar meist hellgelb.
Was die Sculptur des Thorax anlangt, so wurde schon bei
der Artunterscheidungstabelle darauf aufmerksam gemacht, daß die
den Augenhügel beidseitig in rhombischer Form umziehende Furche
am Hinterrande des Augenhügels nicht einfach mit der medianen,
den Augenhügel durchziehenden Furche verschmilzt, sondern von der-
I
36 Scorpionidae: Scorpionini.
selben mehr oder weniger vollständig durch zwei die Medianfurche
flankirende, meist gekörnelte Längsleisten getrennt bleibt, um
sich durch eine deutliche xförmig nach außen biegende Depression
mit den beiden tiefen und geschweiften Querfurchen des Hinterrandes
in Verbindung zu setzen (Fig. 20). Durch diese fast stets scharf
ausgeprägten Merkmale ist unsere Art auf den ersten Blick auch da
zu erkennen, wo etwa die Charaktermerkmale der Hand uns im Stiche
lassen. Die Fläche des Cephalothorax ist in der Regel in weiter
Ausdehnung glatt und glänzend; nur die Seiten, etwa in der Höhe
der Mittelaugen, und auch wohl der Vorderrand zeigen zerstreute
Körnchen. In anderen Fällen aber gewinnen die Körnchen bedeutend
an Ausdehnung und können schließlich fast die ganze Fläche bedecken,
mit Ausnahme zweier glatter Flecken jederseits hinter den Mittelaugen.
Aehnliches gilt von den Rückensegmenten des Abdomens, welche
oftmals völlig glatt und glänzend erschemen, dann an den Hinter-
rändern, namentlich an den Seiten, Körnchen zeigen, die im extremen
Falle (Männchen von der Var. liophysa) eine völlige Chagrinirung
der gesammten Flächen darstellen. Die Bauchsegmente sind glatt.
Die Cauda zeigt, wie dies bei allen Verwandten der Fall,
deutliche Kielung der Segmente, die aber in den ersten Segmenten
unterseits mehr durch glatte oder kaum gekerbte Leisten markirt ist,
während im V. Segmente spitzige Dornenreihen an deren Stelle treten.
Die Blase besitzt eine tiefe Median- und jederseits eine Lateralfurche
auf der Unterseite. Die jene Furchen begrenzenden Wulste tragen
namentlich nach der Basis zu mehr oder weniger ausgeprägte Höckerchen,
die aber auch ganz oder zum Theil durch Haargruben ersetzt sein
können. Auf diese Weise glaube ich einen ganz allmählichen Uebergang
der gekörnten Blase bis zur völlig glatten (Weibchen von Var. liophysa)
erkennen zu können. Von den Gliedmaßen sind die Oberkiefer stets
durch die, eine Gabel mit zwei fast gleich langen, parallelen Schenkeln
darstellenden Endzähne namentlich sehr scharf von denen des Scorpio
indicus unterschieden (Fig. 21).
Der Oberarm ist scharf vierkantig, mit stark gekörnten, fast
bedornten Rändern und fast glatter, meist nur mit einem größeren
„Krater“ und wenigen kleineren Körnchen besetzter Oberfläche Die
Vorderfläche zeigt eine schräg die Fläche durchsetzende, mehr oder
minder regelmäßig gestellte Dornenreihe. Der Unterarm trägt an der
Vorderfläche einen größeren, grundständigen Dorn, der meist von einigen
kleineren Zacken gefolgt ist. Die Länge von Oberarm und Unterarm
ist sehr variabel; im allgemeinen erscheinen die der Männchen bedeutend
Gatt. Scorpio. 37
verlängert (größte bemerkte Länge beim 2 16 und 17 mm, beim
21 und 23 mm).
Die Hand ist von derjenigen der übrigen Scorpio-Arten fast
stets durch die größere Dicke des stark zackig gekörnten Innenrandes
unterschieden, doch sind mir mehrere männliche Individuen vorge-
kommen, bei welchen dieser Character keineswegs ausgeprägt war, die
Hand vielmehr in Bezug auf die Zuschärfung des Innenrandes ganz
derjenigen der übrigen Scorpio-Arten glich. Indessen ist die Hand
der Männchen andererseits leicht durch die lange schmale Form, welche
fast parallele Seitenränder aufweist, zu unterscheiden. Auch die Hand
der Weibchen hat etwas typisches, schwer zu definirendes in ihrer
Form, nähert sich indessen auffallend derjenigen von Sc. bengalensis,
den man, trotz seines zugeschärften Handrandes, wohl hauptsächlich
dieserhalb vielfach als einen „Palamnaeus“ angesprochen hat. — Die
Sculptur der Hand ist sehr verschieden und hängt namentlich auch
von Alter und Geschlecht ab. Ganz junge Individuen zeigen eine
völlig glatte Handfläche. Später treten mehr oder weniger entwickelte
stumpfe Längskiele auf der Dorsalseite auf, und die scharf ausgeprägte
zackige Körnelung des Handinnenrandes geht nach der oberen Hand-
fläche zu ganz allmählich in eine seicht grubige Runzelung oder Reti-
kulirung über, die aber im Alter fast gänzlich wieder verlöschen kann.
Ebenso verlieren sich im weiblichen Geschlecht die Längskiele der
äußeren Dorsalfläche mehr und mehr, bis kaum noch Spuren derselben
in Form von schwachen Wölbungen oder Buckeln vorhanden sind.
Wo die Retikulirung, die übrigens kaum je den ausgeprägt netzförmigen
Character des Sc. indicus zeigt, fast völlig verschwunden ist, treten
auf der somit glatt und glänzend gewordenen Oberfläche mit größerer
Deutlichkeit 2 oder 3 Reihen eingestochener Punkte hervor, welche
Simon für seinen Palamnaeus silenus specifisch erachtet, die aber hier
nur wegen der völlig glatten Fläche etwas deutlicher in die Erscheinung
treten. Die Unterseite der Hand zeigt zwischen zwei Längswulsten,
die mehr oder weniger stark mit Körnchen besetzt sind, eine glatte
breite Längsfurche; der Außenrand der Hand ist in allen Fällen
leistenförmig gekielt.
Die Finger tragen je 4 in einander greifende Vorsprünge.
Die Art der Körnelüng der Schneide entspricht derjenigen der ver-
wandten Species, d. h. eine Hauptlängsreihe, die in Staffeln zu den
4 großen vorspringenden und je durch 2 starke Körnchen markirten
Höckern zieht, wird seitlich hie und da von vereinzelten schwachen
Seitenkörnchen flankirt.
38 Seorpionidae: Scorpionini.
Große Zahlenreihen habe ich über die Längenverhältnisse der
verschiedenen Handtheile gewonnen; es würde aber nur ermüden,
wollte ich dieselben hier in extenso vorführen. Ich begnüge mich
daher mit folgenden Daten. Die absolute Länge der Finger scheint
bei Männchen und Weibchen die gleiche zu sein. Ich fand für beide
als Maximum der Länge die Zahl 22 mm. Ebenso dürfte die absolute
Länge der Hinterhand bei beiden Geschlechtern nur wenig differiren
(5 bis 11,2, 2 bis 14 mm). In dem Längenverhältniß des beweglichen
Fingers zur Hinterhand war indeß eine geringe Verschiedenheit
zwischen Männchen und Weibchen zu konstatiren. Es schwankte bei
ersteren zwischen 1: 0,8 und 1: 1,05, während beim Weibchen die
Zahlen 1: 0,7 bis 1:0,93 beobachtet wurden. Weit mehr in die
Augen fallend ist die Verschiedenheit der Geschlechter in Bezug auf
die Länge der Hinterhand zu deren Breite. Hier fand ich beim Männ-
chen ein durchschnittliches Verhältniß von Hinterhand : Br. = 1: 0,53
(Schwankung: 1 : 0,48 bis 1 : 0,63), beim Weibchen hingegen — 1:0,73
(Schwankung: 1:0,65 bis 1:0,85). In allen untersuchten Fällen
fand sich also kein einziges Männchen, welches m den in Betracht
gezogenen Maßen mit einem Weibchen in Uebereinstimmung gewesen
wäre. Nur bei jugendlichen Individuen scheint auch dieses Kriterium
der Geschlechter im Stich zu lassen.
Von den Beinen mag nur erwähnt werden, daß die Zahl der
Dornen an den Endtarsen innenseits 6 oder 7 beträgt, wovon regel-
mäßig 2 auf den seitlichen Endlappen entfallen. Am Grunde des End-
tarsus können aber auch noch 1 bis 2 ganz kleine Spitzchen als ver-
kümmerte Dornen zur Entwickelung kommen.
Die Zahl der Kammzähne schwankte bei 61 ausgesprochenen
Männchen zwischen 14 und 18 und zwar fanden sich 21 mal: 15,
58 mal: 16, 38 mal: 17 und 5 mal 18 Kammzähne, so daß also in
etwa 83% aller Fälle 16 oder mehr Zähne vorhanden waren. Bei
46 ausgesprochenen Weibchen ergab sich eine Variation von 12 bis
16 Kammzähnen, und zwar fand ich ein mal: 12, 4 mal: 13,
29 mal: 14, 49 mal: 15 und 9 mal 16 Kammzähne, so daß die Zahl
15 und weniger auf 90% aller Fälle zutrifit. Dabei ist noch zu
bemerken, daß in der Regel die Kammzähne der Männchen beträcht-
lich länger sind (viel länger als die halbe Sternalbreite) , als die
der Weibchen, deren Zähne meist nur eine Länge von halber Sternal-
breite zeigen. Auch dieses Merkmal dürfte indeß keine ausnahms-
lose Gültigkeit haben.
Die Unterschiede zwischen Männchen und Weibchen lassen
sich nach dem Gesagten im allgemeinen etwa folgendermaßen formuliren:
Gatt. Scorpio. 39
Männchen: Hand schmal (bis 11 mm), ganz allmählich nach
vorn sich verschmälernd, auch im Alter oberseits noch deutlich längs-
kielig.. Verhältniß der Hinterhandlänge zur -breite —= 1: 0,48 bis
1: 0,62. Kammzähne meist 16 bis 17, viel länger als die halbe
Breite des Sternums.
Weibchen: Hand breiter (bis 14 mm), nach vorn sich ziemlich
stark verjüngend, am Grunde mit halb herzförmigem Lobus, meist nur
in jüngerem Alter mit stärker entwickelten Kielen und Runzelung,
später oft fast glatt. Verhältniß der Hinterhandlänge zur Handbreite
— 1:60,65 bis 1: 0,85. Kammzähne meist 14 oder 15, nur so lang,
als die halbe Breite des Sternums.
Durch vorstehende Unterschiede habe ich in den meisten Fällen
ein sicheres Urtheil über das Geschlecht eines Individuums gewinnen
können. Nur ein Exemplar, abgesehen von indifferenten Jugendformen,
ist mir in Bezug auf diesen Punkt auch jetzt noch räthselhaft (Ost-
indien, Kieler Museum). Es zeigt die Hände eines Weibchens mit
einem Verhältniß der Hinterhand zur Breite —= 1:60,83; die 16, 17
Kammzähne aber sind mächtig entwickelt und entsprechen durchaus
denen eines Männchens.
Die Gesammtlänge erwachsener Thiere schwankt zwischen
100 und 140 mm. Truncus und Cauda differiren in ihrem Längen-
verhältniß nur um wenige mm, doch scheint diese Differenz beim Männchen
des längeren Schwanzes wegen im allgemeinen etwas größer zu sein.
Als Heimath des Sc. longimanus haben wir vor Allem die
großen Sundainseln Sumatra, Borneo und Java, nebst den benach-
barten Eilanden (Bangka, Salanga, Billiton etc.) zu betrachten. Von
den Philippinen sind mir nur zwei Fundorte (Manila für „Pandinus
humilis“ und Mindanao) bekannt geworden. Auf dem Festlande
Vorderindiens erstreckt sich das Verbreitungsgebiet von der Süd-
spitze Malaccas (Singapore) in nordwestlicher Richtung bis Rangoon,
von wo in das Innere von Hinterindien (Burma) und dessen
Osten (Cochinchina Cambodja) augenschemlich vicariirende Formen
seine Stelle vertreten. Andere vereinzelte Fundortsangaben, wie Afrika
für Kochs Buthus costimanus oder Neuholland (Palamnaeus laevigatus
Thor.) sind entweder als Irrthümer oder als gelegentliche Verschleppungen
anzusehen.
Als Subspecies der Hauptform, die zum Theil auch durch
einen besonderen Verbreitungsbezirk ausgezeichnet erscheinen, glaube
ich folgende aufführen zu sollen:
40 Sceorpionidae: Scorpionini.
1. Scorpio longimanus Thorellii Poc. Diese Form,
von der ich Exemplare nicht untersuchen konnte, soll sich nach
Pocock (Ann. Mag. Nat. Hist. 1892, p. 40) von der Hauptform
durch folgende Merkmale unterscheiden: Innenrand der Hand dick
rundlich körnig (nicht dornig körnig), Blase von der Färbung der
Cauda, selten etwas heller (bei der Hauptform hell rostgelb), Scheeren
beim Männchen schmäler als beim Weibchen, Körper nicht über
115 mm lang (bis 140 mm bei der Hauptform). — Ich muß gestehen,
daß diese Merkmale sehr wenig Ueberzeugendes für die Aufstellung
einer eigenen Art besitzen. Der Innenrand der Hand variirt in seiner
Körnelung ziemlich erheblich, so daß die Entscheidung, ob dieselbe
mehr rundlich oder mehr dornig zu nennen, gewiß nicht immer leicht
ist, und die Färbung der Blase finde ich bei zahlreichen Exemplaren
der Hauptform durchaus nicht immer „clear ferrugineous“. Die
Behauptung Pococks, daß bei dem Weibchen der Hauptform
die Cauda mehr als 35V) mal so lang sei, als der Cephalotorax,
ist sicher nicht immer zutreffend. Was aber endlich das aus der
Verschiedenheit der Geschlechter entnommene Merkmal anlangt, so
weiß ich in der That nicht, wie Pocock für „Palamnaeus spinifer“
so nennt er unsere Hauptform — eine Gleichartigkeit beider Geschlechter
proclamiren kann, da er selbst die Ansicht vertritt, daß P. longimanus
und angustimanus als Männchen von P. spinifer in Anspruch zu nehmen
seien. Freilich spricht er von einem möglichen „Dimorphismus“ der
Männchen; doch glaube ich die Sache auf Grund des mir vorliegenden
Materials, in dem, wie schon früher bemerkt, in zahlreichen Fällen
schmalhändige, mittelhändige und breithändige Exemplare von dem-
selben Fundort bei einander waren, viel einfacher durch die Annahme
erklären zu können, daß vornehmlich nur bei alten Männchen die
Schmalhändigkeit besonders hervortritt. Die von mir angelegten
Tabellen beweisen auf das klarste, daß die im Früheren angegebenen
Schwankungen im Verhältniß der Hinterhand zur Handbreite (1: 0,48
bis 1: 0,63) beim Männchen nicht stufenweise, sondern ganz allmählich
durchschritten werden.
Nach dem Gesagten wird es nicht Wunder nehmen, wenn ich von
einigen Exemplaren von Rangoon nicht mit Sicherheit anzugeben wage,
ob sie dem Pocock’schen Sc. Thorellii angehören oder nicht. Da aber jener
Autor ausdrücklich hervorhebt, daß die von ihm beschriebene Form aus-
schließlich auf Burma beschränkt und dort ungemein häufig sei, auch ohne
Schwierigkeit von dem „Pal. spinifer“, mit dem er bei Rangoon zusammen
vorkommt, sich habe unterscheiden lassen, so glaubte ich wenigstens
die Annahme einer besonderen Varietät nicht umgehen zu können.
Gatt. Scorpio. 41
Weit leichter zu definiren sind die beiden außerdem zu erwäh-
nenden Formen „Palamnaeus liophysa“ Thor. und „P. silenus“ Sim.
2. Scorpio longimanus liophysa Thor. (= Palamnaeus
liophysa Thor. Ann. Mus. civ. Genova 1886, XXVI., p. 415). Diese Form
ist von dem echten Se. longimanus ziemlich leicht durch die unterseits
glatte Blase unterschieden, doch wurde schon früher hervorgehoben,
daß auch bei der Hauptform jene Körnchen der Unterseite nur schwach
entwickelt sein können, während andererseits die Männchen unserer
Varietät (welche Thorell nicht beobachtete) ziemlich deutliche Spuren
des Körnchenbesatzes, namentlich am Grunde, aufweisen. Das Merkmal
kann daher als ein absolutes nicht angesehen werden. Wichtiger schon
ist, daß mit dieser auffallenden Glätte der Blase zwei andere Merkmale
in Correlation stehen, wie ich dies bei 5 mir vorliegenden Exemplaren
constatiren konnte. Es sind dies die auffallende Netzadrigkeit der
Hand, die auch bei alten Weibchen erhalten bleibt, und die starke
Körnelung des Truncus, die beim Weibchen allerdings vornehmlich nur
auf den Cephalothorax sich erstreckt, während beim Männchen auch
die gesammte Fläche der dorsalen Abdominalsegmente dicht körnig
chagrinirt erscheint. Diese drei Eigenthümlichkeiten im Verein geben
den hierher gehörigen Formen in der That etwas typisches, und man
würde wohl zur Aufstellung einer eigenen Art gelangen, wenn nicht
jedes einzelne der aufgeführten Merkmale auch bei der Hauptform
sich mehr oder minder deutlich entwickeln könnte. Es kommt hinzu,
daß sämmtliche Exemplare aus einem Lande stammen (Sumatra), das
als eigentliche Heimath auch des Sc. longimanus angesehen werden
muß, und daß ich beispielsweise das eine der vorliegenden 5 Exemplare
einem Glase entnahm, das außerdem 6 andere Individuen der Haupt-
form in demselben Stadium der Größe und Ausbildung enthielt.
Immerhin betrachte ich die Frage nach der Artberechtigung des P.
liophysa noch nicht als eine abgeschlossene.
Unterschiede in den Körper- und Extremitätenmaaßen sind mir
nicht bemerkbar geworden; in Bezug auf die Zahl der Kammzähne
darf jedoch erwähnt werden, daß sie bei beiden Geschlechtern, also
auch beim Männchen, nur 13—14 betrug.
3. Scorpio longimanus silenus Sim. (= Palamnaeus silenus
Sim. in Ann. Mus. civ. Genova 1884, XX., p. 361, — Heterometrus
megacephalus Sim. [errore| in Revue et Mag. de Zoologie Februar 1872,
p. 9. Ganz ähnlich wie bei der eben besprochenen Form liegen die
Verhältnisse bei P. silenus Sim. Diese Form scheint in Cochinchina
einen eigenen Verbreitungsbezirk zu besitzen, ist meist tiefschwarz
(auch die Blase) und durch auffallend geringe Körnelung des Cephalo-
49 Scorpionidae: Seorpionini.
27
thorax und Abdomens ausgezeichnet. Ersterer erscheint fast auf der
ganzen Fläche völlig glatt. Das eigentlich Characteristische der Form
aber liest m der Bildung der Hand, die nicht nur der Kiele und
Runzelung fast völlig entbehrt und daher auf ihrer glatten Oberfläche
die eingestochenen Punktreihen schärfer als gewöhnlich hervortreten
läßt, sondern vor allem ein Verhältniß der Hinterhandlänge zu deren
Breite zeigt, wie es bei der Hauptform in keinem einzigen Falle von
mir beobachtet wurde. Bei letzterer hatten wir für jenes Verhältniß
beim Weibchen die Zahlen 1: 0,65 bis 1: 0,85; die Breite der Hand
war also selbst im extremsten Fall noch erheblich geringer, als die
Länge der Hinterhand. Bei den 4 mir zu Gebote stehenden Weibchen
von „P. silenus“ ergeben sich nun als entsprechende Verhältnisse die
Zahlen 1:1 bis 1:1,08, mit anderen Worten: Die Handbreite ist
mindestens gleich der Länge der Hinterhand oder übertrifft dieselbe
sogar fast um ein Zehntel. Es unterliest kemem Zweifel, daß auch
hier die Artberechtigung nicht wohl versagt werden könnte, falls in
der That eine weitere Annäherung der Werthe 1:0,85 und 1:1
durch ausgedehntere Untersuchungen sich nicht ergeben sollte. Allein
die schon bis jetzt constatirten Schwankungen dieser Maaßverhältnisse,
verbunden mit der Thatsache, daß diese Cochinchina-Exemplare in
allen übrigen Characteren (Form der Hand, Zahl der Kammzähne,
Körnelung der Blase, Zahl der Tarsaldornen etc. ete.) eng an die
Hauptform sich anschließen, mögen die vorläufigen Zweifel an der
Selbständigkeit der Art rechtfertigen. Es kommt hinzu, daß die
Männchen dieser Form mit ihrer jedenfalls schmäleren Hand möglicher-
weise von der Hauptform keinerlei Abweichungen zeigen.
2. Scorpio Swammerdami (Sim.).
1836 Buthus afer ©. L. Koch (Arachn. III, p. 17, Fig. 175) ad partem.
1842 DB. ceylonieus Koch (Arach. IX, p. 9, Fig. 698).
1872 Heterometrus Swammerdami Sim. (Rev. Mag. Zool. 1872, p. 56, Tfl. VI, Fig.3).
1876 Pandinus asper Thor. (Etud. Scorp. in Act. Soc. ital. XIX, p. 199).
1879 Pandinus Kochii (Peters M.S.) Karsch (Münch. Ent. Mitt. 1879, p. 127).
1885 Scorpio lucidipes Sim. (Bull. Soc. Zool. France X, p. 38).
Daß C.L. Koch in der That, wie Pocock (Bombay Nat. Hist.
Soc. Nov. 1892, p. 10) vermuthet, bei der Beschreibung seines B. afer
vornehmlich den Scorpio Swammerdami vor Augen gehabt, scheimt
mir aus der Münchener Sammlung hervorzugehen, welche diese Art
unter dem Namen B. afer aufweist. Auch die Annahme Pocock’s,
der B. ceylonicus Koch möge hierher «gehören, scheint mir wohl
begründet. Ich schließe mich daher in Bezug auf die Synonymik
dieser Art durchaus den überzeugenden Ausführungen Pocock’s
Gatt. Scorpio. 43
(Ann. Mag. Nat. Hist. 1890, p. 237 ff. und Bombay Nat. Hist. Soc.
22. Nov. 1892, p. 10) an, der überdies an dem reichen Material des
Britischen Museums die Variationsweite der Art in Bezug auf Färbung
und Längenverhältnisse der einzelnen Körpertheile erschöpfend behandelt
hat. Ich kann mich aus diesem Grunde um so kürzer fassen, als mir
nur 8 Spiritus-Exemplare zur Untersuchung vorgelesen haben.
Die Oberseite des Truncus varırt von gelbroth oder rothbraun
bis zu dunkelgrün (Pocock), die Beine von hellgelb bis zu tiefem
Braun. Ebenso die Blase und die Hände. Die Unterseite ist meist hell.
Die Augen stehen wenig vor der Mitte des CGephalothorax.
Dieser ist nebst den Stirnloben meist auf der ganzen Fläche und
namentlich auf den hinteren Parthien grobkörnig, so daß sogar oft
der glatte „Spiegel“ beiderseits vor den Mittelaugen fehlt, oder nur
durch feinere und sparsamere Körnelung angedeutet wird. Die hinteren,
geschweiften Seitenfurchen des Thorax stehen nicht mit dem Hinterrande
der Medianfurche in Verbindung, sondern — durch eine seichte Furche
— mit der Depression um den Augenhügel. Auch die Abdominal-
segmente sind auf dem Rücken in ganzer Ausdehnung oder doch
in der hinteren Hälfte körnig, bald feiner, bald gröber.
Die auffallend robuste Cauda, deren erste 2 Segmente
zusammen mindestens so lang, meist aber länger sind, als der Cepha-
lothorax (I. + II. Caudalglied : Thor. = 1: 0,74 bis 1:1), übertrifft
den Truncus stets an Länge und zeigt auf den oberen Caudalflächen
in allen Segmenten deutliche Körnelung. Dasselbe eilt von den
Seitenflächen. Die oberen Seitenkiele sind körnig, aber nicht dorn-
spitzig entwickelt, und die Blase ist auch an den Seiten bucklig körnig.
Der obere Endzinken des Oberkiefers ist zwar kurz, aber
mit dem unteren ziemlich parallel, so daß er ihn zum größeren Theile
verdeckt (Fig. 24).
Der vierseitige Oberarm ist sowohl oberseits als unterseits
dicht grobkörnig (Gegensatz auch zu den großen afrikanischen Arten!).
Der Unterarm ist oberseits feinkörnig, unterseits gewölbt, ohne kieligen
Hinterrand und nur mit einigen, meist obsoleten Haargrübchen besetzt.
Die mit großem Ballen versehene Hand besitzt ihre größte
Breite in der Höhe der Handwurzel. Der Innenrand geht aus
geschweiftem Grunde in eine fast gerade, zum Grunde des unbeweglichen
Fingers verlaufende Linie über. Die Körnelung der Hand besteht in
der Regel aus glänzenden, mehr oder weniger kugeligen, isolirten
Buckeln, welche nicht, wie bei Se. fulvipes, über dem Außenrandkiel zu
einem unregelmäßigen Nebenkiel zusammenfließen. Bei älteren
Exemplaren werden die Buckel glatter und können dann auch, namentlich
44 Scorpionidae: Seorpionini.
in der Mitte der Handfläche, zum Theil netzig mit einander verschmelzen.
Das Verhältniß der Länge des Fingers zur Hinterhand schwankt bei
den untersuchten Exemplaren zwischen 1: 0,69 bis 1 :0,79, das der Hinter-
hand zur Handbreite zwischen 1: 1,2 bis 1: 1,37. Die Hand ist also stets
breiter, als ihre Länge bis zur Einlenkung des beweglichen Fingers.
Als größte absolute Maaße für Fingerlänge, Hinterhand und Handbreite
fand ich die Zahlen 19, 15 und 18 mm, doch können dieselben noch
beträchtlicher sein, wie die Angaben Pocock’s für die Handbreite
(21 mm) andeuten.
Die Zahl der Dornen am Endgliede des IV. Beinpaares
beträgt an der Innenseite meist 6 (seltener 5 oder 4, Fig. 9), an der
Außenseite nur 4 (bei den afrikanischen Arten nur 3!), wobei in jedem
Falle 2 auf den Endlobus entfallen. Die zuweilen ziemlich starke
„Endborste“ des Lobus ist hierbei nicht mitgerechnet.
Die Zahl der Kammzähne varirt zwischen 16 und 20. Die
Zahl 16 habe ich selbst nicht beobachtet, doch giebt Simon sie an.
Ich selbst fand bei 6 Exemplaren 1 mal 17, 2 mal 18, 1 mal 19 und
2 mal 20 Kammzähne. Der Winkel des Kammgrundes beträgt etwa
110°. Die Medianfurche endigt vor der Spitze in einer erweiterten,
rundlichen Grube.
Die Gesammtlänge des Thieres kann nach Pocock bis
176 mm (Truncus : Cauda —= 78 : 98) betragen; das größte mir vor-
liegende Exemplar maß 156 mm (Truncus : Cauda = 71:85). Das
Verhältniß von Truneus zur Cauda schwankt zwischen 1: 1,1 bis 1: 1,63,
und zwar sind es namentlich die älteren Männchen, bei welchen die
Cauda zu so beträchtlicher Länge heranwächst. Sonstige secundäre
Geschlechtsunterschiede sind von mir nicht beobachtet worden.
Als Heimath des Sc. Swammerdami kennen wir die ganze
Ostküste Vorderindiens, nördlich bis nach Bengalen hinein
(Bardwan), südlich bis zur Südspitze und bis zur Insel Ceylon. Karsch
giebt als Fundort des Berliner Exemplares Java an, doch handelt es
sich vielleicht um eine Verschleppung oder einen Irrthum.
3. Seorpio fulvipes (©. L. Koch).
1838 Buthus fulvipes €. L. Koch Arachniden IV., p. 45, Fig. 278).
1887 Pandinus fulvipes Karsch (Abh. naturw. Ver. Bremen, IX, p. 68).
Wie es scheint, hat die vorstehende Art zur Aufstellung von
Synonymen bisher keine Veranlassung gegeben. Da mir nur 4 Spiritus-
Exemplare (und 4 trockene) zu Gebote standen, so vermag ich über
die Variationsweite der Art nicht viel zu sagen und begnüge mich,
in Kurzem die wichtigsten Merkmale zu rekapituliren.
Gatt. Scorpio. 45
Die Färbung der Oberseite ist gelbbraun, rothbraun oder
dunkel lederbraun, ebenso die Cauda; die Blase gelb, wie die Beine
und die ganze Unterseite. Die Hände zeigen wieder ein kräftigeres
Rothbraun.
Am Thorax, dessen Hauptaugen etwas vor der Mitte sich
befinden, ist der Stirnlobus meist deutlich körnig, ebenso die Seiten,
während die Parthien rechts und links der Mittellinie fast glatt und
eingestochen punktirt erscheinen. Auch das Abdomen trägt nur an
den Seiten der Ringe deutliche Körnelung.
Die Cauda ist von gewöhnlicher Gestalt, nur mäßig entwickelt,
so daß die Summe der beiden ersten Caudalglieder vom Thorax an
Länge übertroffen wird (z. B.1.+ OH. Caudalsegment : Thor. = 11,5: 14;
6,5 : 8,5 etc.). Die seitlichen oberen Caudalkiele sind gleich den
oberen schwach kerbig gekörnt; die unteren Caudalkiele, namentlich
die medianen, im I., U. und zum Theil auch im III. Segment kaum
als schwache Kanten angedeutet, erst im IV. deutlicher und schwach
körnig. Die oberen Caudalflächen tragen namentlich auf den End-
segmenten in der Regel einige Körnchen. Die Blase ist auch an den
Seiten meist stumpfbuckelig körnig.
An den Oberkiefern ist der obere Endzinken nur als kurzer,
den unteren nicht verdeckender Zahn entwickelt (Fig. 22).
Die scharf körnig umgrenzten Oberarme sind auf der Oberseite
meist ziemlich dicht- und grobkörnig (mit Ausnahme des letzten
Drittels), unterseits glatt, höchstens am Hinterrande mit einer unregel-
mäßigen Körnchenreihe.e Der Unterarm ist oberseits feinkörnig,
unterseits gerundet und am stumpfen Hinterrande nur mit einzelnen
wenigen Haargrübchen besetzt.
Die Hand ist dicht mit isolirten, meist halbkugeligen, glänzenden
Körnchen oder Buckeln besetzt, die an der Außenseite über dem
Außenrandkiel in der Regel zu einem mehr oder weniger deutlichen,
wulstigen und unterbrochenen, auch wohl zum Theil gedoppelten
„Fingerkiel“ zusammenfließen (Fig. 37). Auch die Unterseite der Hand
ist vorn weitschichtig mit Kugel - Körnchen besetzt. Der Ballen der
Hand ist ziemlich groß, sein Innenrand bis zum Grunde des unbeweg-
lichen Fingers fast von halbkreisförmiger Form, so daß die größte
Breite der Hand nicht über dem Grunde, sondern etwa in der Mitte
der Hand liegt. Das Verhältniß des beweglichen Fingers zur Länge
der Hinterhand fand ich zwischen 1: 0,74 und 1:0,87 varürend;
dasjenige von Länge der Hinterhand zur Handbreite zwischen 1: 1,1
bis 1: 1,22, so daß also die Hand in jedem Falle breiter erscheint,
als die Länge der Hinterhand. Als größte absolute Breite der Hand
46 Scorpionidae: Scorpionini.
ergab die Messung des größten Exemplares 11,2 mm, des kleinsten
5,5 mm. Das Verhältniß der Länge des beweglichen Fingers zur Breite
der Hand schwankt zwischen 1:60,82 und 1:1.
Die Zahl der Dornen an den Endtarsen des IV. Beinpaares
beträgt an der Innenseite 6 (seltener 5), an der Außenseite 4 (seltener 5),
wobei in jedem Falle 2 Dornen auf den Lobus, die übrigen auf den
Rest des Tarsengliedes entfallen.
Die Zahl der Kammzähne schwankt zwischen 14 und 16
(nach Pocock zwischen 13 und 18), und zwar fand ich 4 mal 14,
4 mal 15 und 6 mal 16 Kammzähne. Der Winkel des Kammgrundes
beträgt 110 bis 120° (Fig. 28). Die Mittelfurche des Sternum endigt
in rundlicher Grube vor der Spitze des Sternums. Die Gesammtlänge
des Körpers schwankte zwischen 58 und 82? mm und geht nach Pocock
bis etwa 100 mm. (Verhältniß von Truncus : Cauda = 31: 27; 37:35;
39:43 mm oder in relativen Zahlen ausgedrückt = 1: 0,9 bis 1: 1,1).
Die Unterschiede der Geschlechter liegen nach Pocock
vornehmlich ‘in der größeren Länge der Cauda und der Kammzähne
beim Männchen. — Am meisten Aehnlichkeit besitzt die Art mit dem
sumatranischen Se. pallidus, dessen unterscheidende Merkmale in der
weiter unten gegebenen Beschreibung nachzulesen sind. Die gelbrothe
Färbung hat er gemein mit Sc. bengalensis, Svammerdami und pallidus.
Die geographische Verbreitung der Art dürfte sich auf
Java, einen großen Theil von Vorderindien (Malabar, Madras,
Tranquebar) und vielleicht einen Theil von Hinterindien (Rangoon?
Britisches Museum) erstrecken. Der Fundort Java wird von Pocock
(Journ. Bombay Nat. Hist. Soc. 1892 Nov., p. 13) mit Unrecht
angezweifelt.
4. Scorpio ceylonieus Herbst.
? 1754 Scorpio indieus L. (Mus. Adolph. Frid., p. 84) ad partem.
2 1758 afer L. (Syst. nat. Ed. 10. I., p. 624) ad partem.
1778 „ indus de Geer (Mem., VII., p. 341).
1800 ns ceylonieus Herbst (ungefl. Insecten, IV., p. 83, Tf. V, Fig. 1).
1800 „ afer Herbst (ibid., p. 38, Tafel I, Fig. 1) ad partem.
1836 Buthus megacephalus €. L. Koch (Arachn. III., p. 73, Fig. 224).
1842 s Caesar C. L. Koch (ibid. IX., p. 6, Fig. 692).
1880 Scorpio erassimanus, Becker (Ann. Soc. ent. Belg., XXIV., p. 140).
? 1892 » phipsoni Poc. (Bombay, Natur. Hist. Soc. 1892, p.13).
Die Synonymie gebe ich im Wesentlichen nach den Unter-
suchungen von Thorell, komme aber insofern zu einem anderen
Resultat, wie dieser Forscher, der den Namen Sc. megacephalus
vorzieht, als ich den von Herbst aufgestellten Sc. ceylonicus ohne
»
Gatt. Scorpio. 47
Bedenken mit dieser Form identificiren zu können glaube. Es bestimmt
mich hierzu einmal der Umstand, daß thatsächlich bis jetzt auf Ceylon
außer Sc. Swammerdami keine andere Scorpioart gefunden ist, sodann
die Beschreibung von Herbst, welche namentlich in den beiden Punkten:
„Kammzähne bis 17“ und „Blase auffallend hellgelb“ mit Entschiedenheit
auf junge Exemplare der hier zu behandelnden Art hinweist. Daß
diese Art, ähnlich wie Sc. Swammerdami, von den älteren Autoren
consequent mit den großen afrikanischen Formen (Sec. africanus und
dictator) verwechselt und zusammengeworfen ist, kann bei der über-
raschenden Aehnlichkeit mit jenen im Habitus wie in fast allen Einzel-
merkmalen nicht Wunder nehmen.
Den Buthus Caesar Ü. L. Koch glaubt Pocock (Bombay
Nat. Hist. Soc. 1892) neuerdings als selbständige Species hinstellen zu
sollen, wie ich imdeß glaube, mit Unrecht. Ich habe die Berliner
Originalexemplare Koch’s — Männchen und Weibchen — vor mir.
Sie stimmen zunächst in keiner Weise zu der Beschreibung Pocock’s
(l. e. p. 16). Die Hand ist nicht gewölbter, als bei ceylonicus, sondern
im Gegentheil ganz auffallend flach; die schmalste Weite der Hand
(in der Höhe des Fingeransatzes) ist nicht größer als die Länge der
Hinterhand, sondern kleiner (9 14,8 : 16,5) oder — beim Weibchen
— nur ebenso groß (14,2: 14,2). Die Cauda des Männchens ist
nicht viermal, sondern nur 3,2 Mal so lang, als der Thorax (61:19) ete.
Dabei willich sehr wohl glauben, daß Pocock echte „B. Caesar“ Koch
vor sich gehabt hat; aber es kann nicht genug betont werden, daß
alle jene Differenzen, die lediglich auf den verschiedenen Maaßver-
hältnissen beruhen, bei den ganz außerordentlichen, in jedem einzelnen
Falle bei genügendem Material nachweisbaren Schwankungen in den
Dimensionen für die Aufstellung selbständiger Arten nur von ganz
untergeordnetem Werthe sind. — Ich habe mich dann bemüht, die
Öriginalexemplare Koch’s selbst artlich von dem mir zu Gebote stehenden
ceylonieus-Material zu scheiden; allein ich bin zu einem negativen
Resultat gelangt. Allerdings zeigt sowohl das Männchen wie das
Weibchen des B. Caesar einen gekörnelten Stirnrand, während der von
Se. ceylonicus stets fast glatt ist, und die auffallend flache Hand
erscheint am Handinnenrande viel mehr gerundet, als bei letzterer
Art. Da aber die Körnelung der Stirn bei allen Arten varürt (z. B.
sehr stark auch bei Sc. bengalensis), so ist diesem Merkmal ein spe-
cifischer Werth nicht beizulegen. Was aber die an Sc. fulvipes
erinnernde Handform des B. caesar anlangt, so ließen sich bei dem
mir vorliegenden Material von Sc. ceylonicus Mittelformen beobachten,
welche allmählich zu dem fast geradlinigen inneren Handrande des
48 Scorpionidae: Scorpionini.
normalen Sc. ceylonicus überleiten. Da auch die Finger namentlich
des Weibchens von B. caesar eine merklich geringere Kielung zeigten
und die Hand gegen den außergewöhnlich breiten unbeweglichen Finger
fast wie eingesunken erscheint, so wird man in etwas an jene eigen-
artige ostafrikanische Form des Sc. afriecanus erinnert, die Pocock
seinerzeit als Sc. cavimanus beschrieben hat. Auch im letzteren Falle,
wo die „Degenerationserscheinungen“, wenn ich so sagen darf, viel
krasser hervortreten, war ich nicht im Stande, scharfe, nicht durch
Uebergänge verbundene Merkmale der beiden extremen Formen auf-
zufinden. Aus allen diesen Gründen, und weil im Uebrigen Sc. Caesar
und ceylonicus nicht die geringsten Verschiedenheiten in allen übrigen
Organen erkennen ließen, auch der Fundort für beide der nämliche
ist, glaube ich sie als Synonyme bezeichnen zu müssen. Das ebenfalls
von Koch stammende Exemplar des Münchener Museums zeigt unter
der Etiquette B. Caesar einen ausgesprochen normalen Sc. ceylonicus.
— Der Se. phipsoni Poc. dürfte sich nach seinen Maaßen, der Zahl
der Kammzähne, den gereihten Körnchen auf der Oberhand etc.
lediglich als ein noch jugendlicher Sc. ceylonicus erweisen; jedenfalls
finde ich weder in der ausführlichen Beschreibung, noch auch in der
Bestimmungstabelle der indischen Arten auch nur ein einziges Merkmal
angegeben, das nicht in die Variationsweite des Sc. ceylonicus_fiele.
— Vom Sc. crassimanus Becker vermuthet schon Thorell (Ann.
Mus. civ. XXVL, p. 414), daß er mit B. Caesar Koch identisch sei,
und auch mir hat es nicht gelingen wollen, irgend welche specifischen
Unterschiede in der Diagnose zu entdecken.
Die Färbung dieses, namentlich auf Ceylon sehr verbreiteten
Scorpions varlirt wie die der verwandten Arten vom dunklen Pech-
braun bis Schwarz oder Dunkelgrün zum Rotbraunen und — bei
Jüngeren Exemplaren — zum hell Grünlich-Gelben. Bei rothbraunen
Individuen pflegt der Hinterrand der Abdominalringe heller gelb zu
sein. Beine und Unterseite der Arme sind in der Regel etwas heller
als der Truncus, ebenso die Unterseite, welche im vorderen Theil
braun, im Abdominaltheil scherbenfarbig zu sein pflegt. Die Blase
ist bei jungen Individuen stets hell schwefelgelb; später wird sie roth-
braun oder noch dunkler, oft mit gelben Längslinien.
Der Thorax erscheint verhältnißmäßig flach. Er ist auf der
Fläche bis zu den Stirnloben meist völlig glatt und glänzend, trägt
also dann nur an den Seiten schwache Granulation. Charakteristisch
namentlich ist — im Gegensatz zu Sc. indicus —, daß auch die
Medianfurche vor den Augen nur äußerst selten von Körnchen flankirt
Gatt. Scorpio. 49
wird, in der Regel also als einfache, glatte Furche sich darstellt.
Die Abdominalringe sind oberseits entweder völlig glatt, oder sie
erscheinen am Hinterrande oder auf den Seiten feinkörnig.
Die Cauda zeigt in den ersten Segmenten unterseits die gewöhn-
lichen glatten, durch vertiefte Längsrinnen getrennten Kiele, die all-
mählieh in gekörnte übergehen und im V. Segmente dornig werden.
Die oberen Seitenkiele sind ebenfalls fast sämmtlich ungekörnt, und
selbst die Rückenkiele, einschließlich derer des oberseits fast gerundeten
V. Segments, erscheinen nur schwach kerbig und erreichen niemals
den dornspitzigen Character, wie er namentlich für Sc. dietator Poec.
so charakteristisch ist. Die oberen Flächen der Cauda sind meist
glatt und ungekörnt, die Seitenflächen häufiger mit einzelnen Körnchen
besetzt. Im V. Segment tritt der übliche abgekürzte Nebenkiel an den
Seiten auf. Die Blase besitzt die 4 gewöhnlichen Körnchenreihen in
stärkerer oder schwächerer Ausbildung; ihre Seiten tragen meist nur
einige wenige Körnchen.
Von den Gliedmaßen zeigen die Oberkiefer am Ende nicht
die Gabelbildung, wie Sc. longimanus, sondern der obere Endzahn
steht, wie bei Se. indicus, erheblich hinter dem unteren zurück, ıhn
höchstens am Grunde verdeckend.
Die vierkantigen Oberarme tragen auf der oberen Fläche
meist nur wenige kraterförmige Körnchen, können aber auch stärker
granulirt sein. An der Vorderfläche findet sich die Schrägreihe grober,
dornartiger Höcker; die Unterseite ist glatt. Der Unterarm ist auf
der Vorderfläche kaum granulirt; am Vorderrande finden sich einige
srößere Dornen. Unterseits ist die Armfläche ziemlich eben und zeigt
einen stumpfkieligen Hinterrand, der mit wenigen, unregelmäßigen und
obsoleten Haargruben besetzt ist und so in etwas an das Charakter-
merkmal der afrikanischen Formen (2—3 Reihen Haargruben am
scharfkieligen Hinterrande) erinnert.
Die Hand ist bei älteren Individuen auf der oberen Fläche
stets deutlich grobkörnig oder buckelig. Die einzelnen Buckeln sind
glänzend, meist rundlich und nur wenig in einander fließend, aber zum
Theil deutlich in Reihen geordnet, so daß oft genug der Anschein
undeutlicher, in der Mitte der Handfläche verlaufender Längskiele
hervorgerufen wird. In anderen Fällen fließen die Buckeln etwas
mehr zusammen, namentlich auf der Mitte der Fläche; doch ist auch
dann der typische Character an den Seiten immerhin so deutlich aus-
geprägt, daß eine Verwechselung mit dem Sc. indieus oder bengalensis
nicht wohl eintreten kann. Unterseits ist die Hand bei jüngeren
Individuen fast glatt; bei älteren erscheint sie etwas schwach grubig
4
50 Scorpionidae: Scorpionini.
reticulirt und trägt, abgesehen von den meist gekörnelten beiden Längs-
wulsten, nach dem vorderen Innenrande zu wenige grobe und feine
Körnchen. Die größte Breite der Hand liegt unmittelbar über ihrer
Ansatzstelle. Das Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand
entspricht ganz dem von Se. imdicus und schwankt zwischen 1: 0,66
und 1:0,88. Größte absolute Länge des Fingers 20, der Hinterhand
15,5 mm. Das Verhältniß der Länge der Hinterhand zur Handbreite
liegt bei jungen Individuen zwischen 1:0,84 und 1:1; bei älteren
zwischen 1:1 und 1:1,29. Als Durchschnitt mögen auch hier die
Zahlen 1:1,08 und 1: 1,1 gelten. Die größte absolute Breite der
Hand betrug 15 mm. Das Verhältniß des beweglichen Fingers zur
Handbreite schwankt zwischen 1:0,7 und 1:1.
An den Beinen sind sowohl Ober- als Unterschenkel in der
Regel feinkörnig. Die Zahl der Dornen am Tarsenendgliede des letzten
Beinpaares beträgt auf der Innenseite 5 oder 6 (wobei der sechste
meist minimal ist), auf der Außenseite 4, von denen in jedem Falle
2 auf den Lobus, die übrigen auf die Unterkante des Tarsus selbst
entfallen. Es unterscheidet sich hierdurch die vorliegende Art sowohl
von dem Se. indieus, wie von den großen dunklen afrikanischen Formen,
welche fast ausnahmslos an der Außenseite nur 3 Dornen (innen 4,
seltener 5) besitzen.
Die Zahl der Kammzähne, untersucht bei 29 Exemplaren,
schwankt zwischen 9 und 17, und zwar wurden gefunden 1 mal 9,
2:mal 10, 8 mal’1l, 17 mal’12, 19 mal 13, 9:mal7 14, 1 malale
und I mal 17 Kammzähne. In Procenten ausgedrückt ergiebt sich,
daß ın 96% aller Fälle die Zahl der Kammzähne nicht über 14
hinausgeht. Der Winkel des Kammgrundes ist meist auffallend groß,
so daß er vielfach nur eine schwach gebrochene, fast einen gestreckten
Winkel darstellende Linie bildet (Fig. 29). In anderen Fällen ist er
geringer, dürfte jedoch kaum je unter 130 ° heruntergehen. Die Mittel-
furche des Sternums endet nach vorn in einer rundlichen Grube, über
welche sie sich nicht bis zum Vorderrande fortsetzt (Gegensatz zu
den afrikanischen Formen).
Die Gesammtlänge des Körpers betrug im extremsten Falle
135 mm (Truncus : Cauda = 73:60). Das Verhältniß von Truncus
zur Cauda schwankt zwischen 1:0,7 und 1: 1,24.
Unterschiede der Geschlechter waren mit Sicherheit
nicht festzustellen. Sie liegen, wenn vorhanden, wohl lediglich in der
Zahl und Größe der Kammzähne, der Größe des Kammerundwinkels
und dem Längenverhältniß von Truncus zur Cauda. Ebenso wenig
habe ich besonders zu characterisirende Varietäten beobachtet.
Gatt. Scorpio. 51
Sämmtliche mir zu Gesicht gekommene Exemplare stammen,
soweit der Fundort überhaupt notirt war, von Geylon. Pocock
giebt indessen an, daß das Britische Museum auch Exemplare von
beiden Indien besitze.
5. Scorpio bengalensis (C. L. Koch).
1842 Buthus bengalensis C. L. Koch (Arachn. IX, p. 3, Fig. 696).
1884 Palamnaeus bengalensis Sim. (Ann. Mus. civ. Genova XX, p. 360).
Die vorstehende Art zeigt in der geringen Entwickelung des
Handballens namentlich beim Männchen und der damit in Verbindung
stehenden Schmächtigkeit der Hände, wie nicht minder in der deutlicher
als gewöhnlich ausgeprägten Verschiedenheit der Geschlechter unver-
kennbare Beziehungen zum Sc. longimanus Herbst, so daß uns seine
Einreihung in die Thorell’sche Gattung „Palamnaeus“ durch Simon
nicht Wunder nehmen kann. Aber der Umstand, daß gerade das
specifische Gattungsmerkmal für Palamnaeus, der verdickte Innenrand
der Hand, bei unserer Art absolut nicht auftritt, läßt diese Einordnung
als unthunlich erscheinen und führte mich, abgesehen von andern,
früher erörterten Gründen, zur Wiedervereinigung der Gattungen
Scorpio und Palamnaeus.
Im Ganzen haben mir von dieser Art 10 Exemplare zur Ver-
fügung gestanden, davon 4 trockene aus der alten Münchener, von
Koch bestimmten Sammlung.
Die Färbung der Oberseite des Truncus ist m der Regel
leder- oder pechbraun bis rothbraun, doch gehören auch dunhel-
grünbraune Exemplare nicht zu den Seltenheiten. Aehnlich gefärbt
sind Cauda nebst Blase und Händen, während die Beine meist heller
lederfarbig erscheinen. Die Unterseite ist meist ledergelb oder schmutzig
scherbenfarbig.
Die Hauptaugen stehen etwas vor der Mitte des Öephalothorax.
Letzterer besitzt meist fast glatte Stirnloben (mit nur vereinzelten
schwachen Höckerchen am Vorderrande, selten grobkörnig) und eine
meist glatte, eingestochen punktirte Mittelfläche, während die Seiten-
theile gekörnt sind. Die hinteren, geschweiften Seitenfurchen stehen
mit dem Hinterrande der Medianfurche in Verbindung.
Die Dorsalringe des Abdomens sind auf der Fläche ebenfalls
glatt und glänzend; nur die Seiten-, resp. Hinterränder besitzen
schwächere oder stärkere Körnelung.
Die Cauda trägt auf ihren oberen Flächen zuweilen Körner,
namentlich im IV. Segment; auch die Seitenflächen sind zum Theil
körnig. Die Dorsal- und oberen Seitenkiele sind deutlich körnig
r
52 Scorpionidae: Scorpionini.
entwickelt, aber nicht dornspitzig. Die Länge der beiden ersten Caudal-
segmente zusammen ist geringer als die des Thorax (Verhältniß von
Caudalsegment I+ II : Cephalothorax = 1: 1,1 bis 1: 1,2). Blase
an den Seiten zerstreut körnig.
Der obere Endzinken des Oberkiefers ist kurz zahnförmig
und läßt den oberen in ganzer Länge frei.
Der Oberarm zeigt in den proximalen zwei Dritteln seiner
Oberfläche eine sehr dichte und grobe Körnelung, während die Unterseite
glatt ist. Die Oberfläche des Unterarms ist ebenfalls meist dicht
feinkörnig, vorn am Grunde mit einigen größeren Dornen besetzt, seine
Unterfläche mit gerundetem Hinterrande und ohne regelmäßige Reihen
von Haargrübchen.
Die Hand besitzt, wie schon hervorgehoben, beim Männchen
einen nur wenig entwickelten Ballen; beim Weibchen ist derselbe
größer und die Hand verhältnißmäßig breiter, wie schon Koch richtig
erkannte. Die größte Breite der Hand liegt etwas über der Hand-
wurzel. Die obere Handfläche ist über und über mit wulstigen, vielfach
ineinandertließenden, eingestochen punktirten Buckeln besetzt, die aber
niemals das durchweg reticulirte Aussehen wie bei Se. indieus, oder
das flach grubige, wie bei Sc. longimanus, annehmen. In allen Fällen
erscheinen die Buckeln der Fläche aufgesetzt, während bei Se. longi-
manus die Fläche selbst seichte Gruben zu tragen scheint. Spuren
von Handkielen habe ich nicht bemerkt, auch nicht von einem aus
zusammenfließenden Buckeln gebildeten äußeren Nebenkiel, wie er bei
Sc. fulvipes auftritt. Das Verhältniß der Länge von Finger zur
Hinterhand schwankt zwischen 1: 0,71 (Weibchen) und 1: 0,92
(Männchen), das der Hinterhandlänge zur Breite zwischen 1 : 0,78
(Männchen) und 1: 1,1 (Weibchen). Das Verhältniß von Fingerlänge
zur Handbreite fand ich beim Männchen von 1:60,59 bis 1: 0,66,
beim Weibchen von 1: 0,7 bis 1: 0,78, so daß sich unsere Art durch
die relative Länge des beweglichen Fingers zur Hinterhand und zur
Breite von sämmtlichen übrigen Scorpioarten — mit Ausnahme des
Sc. longimanus — ziemlich scharf unterscheidet. Als größte absolute
Maße für beweglichen Finger, Hinterhand und Handbreite gebe ich
die Zahlen 16,5, 14 und 11 (Weibchen).
Die Zahl der Dornen am Endtarsus des IV. Beinpaares
beträgt 5 (oder 6) an der Innenseite, 4 (seltener 5) an der Außenseite,
wobei in jedem Falle 2 Dornen auf den Endlobus entfallen. Die
zuweilen ziemlich starke „Endborste* des Lobus ist hierbei nicht
mitgerechnet.
Gatt. Scorpio. 53
Die Zahl der Kammzähne schwankt zwischen : 13 und 16,
beträgt aber in etwa 90° der Fälle 14 oder 15. Der Winkel des
Kammgrundes ist etwa gleich 110° (Fig. 30). Die Mittelfurche des
Sternums endigt in einer rundlichen Grube vor der Spitze.
Die Gesammtlänge des Thieres betrug bei dem größten
Exemplar 102 mm (Trunceus : Cauda = 49 :53). Das Verhältniß
zwischen Truncus und Cauda schwankt zwischen 1:1 und 1:1,3
(Männchen).
Als wichtigsten Geschlechtsunterschied habe ich bereits im
Früheren auf die Verschiedenheit der Entwickelung des Handballens
und der dadurch bedingten verschiedenen Handbreite bei Männchen
und Weibchen aufmerksam gemacht. Auch die Zahl der Kammzähne
(beim Männchen meist 15) und das Verhältniß von Truncus zur Cauda
kommt hierbei im Betracht.
Als wesentlichste Unterscheidungsmerkmale der vorstehenden
Art von dem verwandten Sc. longimanus mögen schließlich noch einmal
zusammenfassend hervorgehoben werden: Hand mit scharfem Innenrande
(dick und gerundet bei Sc. longimanus), oberseits mit wulstigen, auf-
gesetzten und zum Theil isolirten Buckeln (schwach netzig grubig bei
Sc. longimanus), ohne Spur von Längskielen; Oberarm stark dichtkörnig
(mäßig oder wenig bei Sc. longimanus); Unterarm oberseits feinkörnig,
mit mehreren fast gleich starken Dornen am Vorderrande (glatt, mit
dominirendem Grunddorn bei Sc. longimanus); oberer Endzinken des
Öberkiefers zahnartig, den unteren nicht verdeckend (mit dem oberen
parallel, ihn verdeckend bei Se. longimanus); Depression um den
Augenhügel nicht mit den hinteren Seitenfurchen des Thorax sich
verbindend (durch x-förmige Furche im dieselben übergehend bei
Sc. longimanus).
Die Heimath des Sc. bengalensis erstreckt sich von Britisch
Birma (Rangoon etc.) durch Bengalen bis an den Südrand des
Himalaya, wo mir im Westen Dehra Dun als westlichster Fundort
bekannt ist. Auch im Himalayagebirge selbst scheint er vorzukommen.
6. Seorpio indieus L.
1748 Scorpio indieus L. (Syst. natur. edit., VI., p. 68).
1758 5 afer L. (ad partem) Syst. natur. ed. X. et sequent.
1836 Buthus cyaneus C. L. Koch (Arachn. III., p. 75, Fig. 225).
1838 e heros C. L. Koch (Arachn. IV., p. 1, Fig. 253).
1838 n defensor C. L. Koch (Arachn. IV., p. 3, Fig. 254).
1838 » reticulatus ©. L. Koch (Arachn. IV., p. 25, Fig. 265).
? 1841 u setosus C, L. Koch (Arachn. VIIL, p. 87, Fig. 657).
54 Scorpionidae: Scorpionini.
Ich habe den alten Linne’schen Namen voranstellen zu sollen
geglaubt, da nach den Untersuchungen von Thorell (Atti Soe. ital.
XIX., p. 204—11) wohl kaum ein Zweifel darüber sein kann, daß
Linne in der That bei Aufstellung dieses Namens ein Exemplar unserer
Art vor sich gehabt hat. Wenn er im weiteren Verlauf seiner Studien
den Sc. ceylonicus Herbst (= Sc. megacephulus Koch) mit dieser
verwechselt und schließlich sogar beide als Sc. africanus mit den
afrıkanischen Formen zusammengeworfen hat, so daß wir von der als
Norm geltenden Editio X. des Systema naturae ausnahmsweise auf die
Editio VI. zurückgehen müssen, so halte ich diesen Umstand nicht für
so ausschlaggebend, daß man um dessetwillen den neuerdings von
Thorell in den Vordergrund gestellten, sehr passenden Namen wieder
aufgeben müßte.
Von den 5 Koch’schen Arten ist B. setosus en Jugendstadium,
das ich wegen der auf der Handfläche zusammen fließenden „Hohl-
punkte“ hierher ziehe ), während ich mich bei den 4 anderen Arten
durch Besichtigung der Originalexemplare überzeugte, daß sie specifisch
nicht von einander verschieden und lediglich als Synonyme für Se.
indicus zu betrachten smd. Für den B. defensor wird allerdings
irrthümlicher Weise als Vaterland „America“ angegeben, während
B. heros (Mus. Erlangen) sich durch auffallende Pigmentlosigkeit
auszeichnet.
Die Färbung dieses namentlich auf Java überall verbreiteten
und ungemein häufigen Scorpions ist in der Regel kastanienbraun bis
schwarzbraun, doch sind auch dunkel seegrüne Exemplare nicht selten.
Bei jüngeren Individuen ist das dunkle Pigment der Oberseite namentlich
auf den Abdominalringen meist noch nicht entwickelt. Dieselben '
erscheinen dann schmutzig scherbenfarbig, zum Theil schon mit dunk-
lerer oder rothbrauner Fleckenzeichnung. Die Beine sind nach den
Enden zu heller rothbraun, ebenso die Blase, welche indessen auch
bei jüngeren Individuen nur selten jenes helle Schwefelgelb zeigt, das
für die Jugendzustände des Sc. ceylonicus so characteristisch ist. Das
völlig erwachsene Typexemplar für Buthus heros C. L. Koch ist
monströser Weise durchaus hell scherbengelb, nur die Finger sind
rothbraun.
Der Cephalothorax ist namentlich an den Seiten stets mit
Körnchen von wechselnder Dichtigkeit und Größe besetzt. In vielen
I) Karsch (Abhandl. Naturw. Ver, Bremen IX., p. 67) identifieirt die Art mit
einer westafrikanischen Form und nennt dann in seiner Bestimmungstabelle
die Hände „dicht und grob gekörnt“. Die Koch’sche Ausdrucksweise scheint
mir aber mehr für meine Auffassung zu sprechen.
Gatt. Scorpio. 55
Fällen aber erstreckt sich diese Körnelung” mehr oder minder auch
auf die Mittelfläche zu beiden Seiten der Hauptaugen, so daß dann
schließlich nur mehr ein kleiner glatter, aber eingestochen punktirter
Spiegel seitlich vor diesen Hauptaugen übrig bleibt. Characteristisch
namentlich ist, daß die‘ den Cephalothorax durchziehende Medianfurche
vor dem Augenhügel von gekörnten Leisten flankirt wird (Gegensatz
zu Sc. eeylonicus), während sie hinter dem Augenhügel mit der rhom-
bischen Depression communicirt, welche den letzteren umgiebt (Gegensatz
zu Se. longimanus). Auch die Verbindung jener Depression mit den
S-förmig geschweiften Hinterrandquerfurchen (Se. longimanus) ist nur
selten andeutungsweise erkennbar, während die letzteren mit aller Schärfe
nahe dem Hinterrande des Cephalothorax in die bis hierher herab-
ziehende Medianfurche einlaufen (Fig. 19).
Die Körnelung der Rückensesmente des Abdomens ist wenig
entwickelt und läßt meist nur einzelne schwache Buckel an den Seiten
der Segmente erkennen, oder die Flächen sind völlig glatt. Die Unter-
seite des Abdomens ist glatt und glänzend.
Die Cauda entspricht durchaus derjenigen der verwandten
Formen. Auch hier sind die unteren Caudalkiele der ersten Segmente
wenig entwickelt und glatt, um vom III. oder IV. Segment an deut-
licher in Körnchen sich aufzulösen, die dann im V. Segment zu stach-
lichen Dornen werden. Die Flächen der Cauda, auch die dorsale,
sind meist glatt oder kaum körnig, doch lassen sich in der Regel
auf den Seitenflächen die sog. Nebenkiele in Form einiger in Reihe
gestellter Körnchen nachweisen. Das V. Segment zeigt auf den
Seitenflächen eine starke, gekörnte, etwa bis °3 der Länge reichende
Criste. — Die Blase, mit abstehenden steifen Borsten besetzt, trägt
unterseits vier deutliche Reihen von Körnchen (auf den Seitenrändern
der drei flachen, bandartigen Längsvertiefungen), doch können auch
außerhalb dieser Reihen an den Seiten der Blase vereinzelt oder dichter
stehende Körnchen entwickelt sein.
Von den Gliedmaßen zeigen die Oberkiefer in keinem Falle
einen so vollständigen Parallelismus der beiden Endzacken, wie dies
für Se. longimanus charakteristisch ; vielmehr steht der dorsale Endzahn
stets erheblich hinter dem ventralen zurück, so daß er denselben —
bei verticaler Stellung des Thieres in Augenhöhe — nicht zu ver-
decken vermag.
Die ebenflächigen. vierkantigen und an den Rändern gekörnten
Oberarme tragen im extremsten Falle nur einen einzigen größeren
„Krater“ unweit der Basis der oberen Fläche, sowie daneben ganz
wenige kleinere Körnchen. Bei andern Individuen aber steigert sich
56 Scorpionidae: Sceorpionini.
schrittweise dieser Körnchenreichthum, bis schließlich . fast die ganze
Fläche dicht mit groben und feineren Höckerchen besetzt erscheint.
Die Vorderfläche wird in allen Fällen von einer mehr oder minder
deutlich ausgeprägten Schrägreihe grober, am Grunde haartragender
Höcker durchquert; die Unterfläche ist glatt. Der Unterarm trägt
an seiner scharfen Vorderkante einige basale Dornen, von denen aber
keiner eine so dommirende Stellung gewinnt, wie dies beim Sc. longi-
manus die Regel. Der Hinterrand an der Unterseite ist nur im
proximalen Theil etwas kielig. An seinem Rande finden sich nur
einzelne zerstreute Haargrübchen.
Die Hand erscheint in der Mehrzahl der Fälle netzig grubig,
d.h. ein netzig communieirendes, flache Gruben als Maschen zwischen
sich lassendes und fein eingestochen punktirtes Leistenwerk überkleidet
die ganze Dorsalfläche. Aber abgesehen davon, daß in der Jugend
dieses Netzwerk erst ganz allmählich zur Ausbildung gelangt und im
Alter, namentlich in der centralen Parthie der Hand, derart verschmilzt,
daß Maschen zwischen demselben kaum mehr übrig bleiben, so wurde
auch beobachtet, daß die sonst netzig verbundenen Leisten theilweise
zu isolirten und mannigfach gewundenen Wülsten sich ausbilden, oder
aber — bei jüngeren Individuen — auf und neben sich zahlreiche
feinere Körnchen entwickeln, die der Handfläche ein höckeriges Aus-
sehen verleihen. Es ist ungemem schwer, die Verschiedenheit der sich
darbietenden Bilder durch Worte klar zu legen, nur die Photographie
würde einigermaßen hierzu im Stande sem, doch würde auch hier es
einer größeren Reihe von Bildern benöthigen, um -die Gemeinsamkeit
des Typus für alle diese Formen erkennen zu lassen. Die Unterseite
der Hand ist — abgesehen von zwei eine rinnenförmige Vertiefung
einschließenden Längswulsten — bald völlig glatt und glänzend, bald
muschelig reticulirt, bald endlich mit buckelartigen Körnchen besetzt.
Die Maaße der verschiedenen Handtheile habe ich an vielen Dutzenden
von Exemplaren genommen. Danach schwankt das Verhältniß des
beweglichen Fingers zur Hinterhand zwischen 1: 0,68 und 1: 0,87;
als Regel ist 1: 0,76 anzunehmen. Dabei wurde als größte absolute
Länge des Fingers 18, der Hinterhand 15 mm gefunden. Das Ver-
hältniß der Länge der Hinterhand zu deren Breite schwankte zwischen
1:0,95 (bei jugendlichen Individuen) und 1: 1,2; als Mittel können
die Zahlen 1: 1,08 gelten. Die größte absolute Breite der Hand
betrug 16 mm.
An den Beinen sind die Oberschenkel und Schienbeine meist
außen mit feinen Körnchen besetzt. Die Zahl der Dornen am letzten
Tarsenglied des IV. Beinpaares beträgt auf der Innenseite 4 oder 5,
Gratt. Scorpio. 57
von denen 2 auf den Endlappen (bis zur Vereinigung mit dem der
Gegenseite unterhalb des Gehstachels) entfallen. Die Außenseite besitzt
fast ausnahmslos nur 3 Dornen, doch wurde in 5 von etwa hundert
Fällen auch noch ein vierter mehr an der Basis dieses letzten Tarsen-
gliedes beobachtet. Neben den 2 Dornen tragen die Endlappen an
ihrer äußersten Spitze noch je 2 stärkere Borsten, die aber von den
eigentlichen Dornen sehr deutlich durch die geringere Dicke und die
viel größere Länge unterschieden sind.
Die Zahl der Kammzähne wurde an etwas über 100 Individuen
untersucht. Es ergaben sich 2 mal: 12, 12; 3 mal: 12, 13; 36 mal:
134.33: 29 mals 13, 14; 16 mal; #14, 14; Alv'mal: 14, 15;' 4 mal:
15, 15 und I mal: 14, 16 Kammzähne. Demnach kann man als normal
die schon von Linne angegebene Zahl 13 ansehen, während wir
andererseits eine Variationsweite von 12 bis 16 Zähnen zugeben müssen.
In Procenten ausgedrückt, ergiebt sich, daß in 90 '% aller Fälle die
Zahl der Kammzähne nicht über 14 hinausgeht. Der Winkel des
Kammgrundes (Fig. 27) beträgt in der Regel etwa 130°, kann aber
auch noch etwas größer sein, ohne indeß in die fast gestreckte Form
des Grundes bei Sc. ceylonicus überzugehen.
Die Mittelfurche des Sternums endet nach vorn in einer rundlichen
Grube (Fig. 25), über welche sie sich meist nicht bis zum Vorderrande
fortsetzt (Gegensatz zu den afrikanischen Arten).
Die Gesammtlänge des Körpers fand ich im extremsten Falle
zu 117 mm (Truncus : Cauda = 61:56), doch besitzen die meisten
Exemplare eine weit geringere Größe.
Unterschiede der Geschlechter vermochte ich mit
Sicherheit nicht festzustellen, weder in der Zahl und Größe der
Kammzähne, noch in der Sculptur des Thorax oder der Form der
Hände. Wohl wollte es mir scheinen, daß bei dem Weibchen die
Cauda um einige mm an Länge hinter derjenigen des Männchens zurück-
stehe, und daß dieselben wohl kaum je mehr als 13 Kammzähne besitzen;
zu einer irgend wie sicheren Unterscheidung der Geschlechter haben aber
diese minimalen Differenzen in meinen Beobachtungen nicht geführt.
Das Vorkommen der Art scheint fast ausschließlich auf Java
beschränkt, wo sie weit häufiger sein dürfte, als der dort ebenfalls
heimische Se. longimanus. Mir liegen Exemplare von fast allen Theilen
der Insel vor. Augenscheinlich viel seltener ist das Thier auf Sumatra,
dem Hauptverbreitungsgebiete für Sc. longimanus. Von dieser Insel
(Deli) sind mir im Ganzen nur 2 Exemplare zu Gesicht gekommen.
Das Britische Museum besitzt ein Exemplar von Ceylon, doch handelt
es sich bei dem letztangegebenen Fundorte wohl nur um Verschleppung.
58 Scorpionidae: Scorpionini.
7. Scorpio scaber (Thor.)
1872 Scorpio afer Sim. (Revue et Mag. de Zool. 1872, p. 11.)
1877 Pandinus scaber Thor. (Atti Soc. ital. XIX., p. 202.)
Von dieser Art haben mir nur 2 Exemplare vorgelegen. Sie
zeigt indeß namentlich in der Bildung der Hand so große Aehnlich-
keit mit der vorhergehenden Art, daß es sich vielleicht nur um eme
Varietät derselben handelt, und daß ein kurzes Hervorheben der
wichtigsten Unterschiede genügen dürfte.
Färbung meist dunkel kastanienbraun oder dunkelgrün wie
bei der vorigen Art.
Cephalothorax durchaus grobkörnig, ohne glatten Spiegel
hinter der Stirn. Medianfurche wie bei der vorigen Art. Abdomimal-
ringe oberseits in ihrer Hinterhälfte dick buckelig grobkörnig. Unter-
seite glatt und glänzend.
Cauda wie bei der vorigen Art, aber die Dorsalflächen sämmtlich
ebenfalls grob gekörnt, die Körnchen öfter fast reihig angeordnet.
Blase wie gewöhnlich.
Oberer Endzacken des Oberkiefers zahnartig, den unteren
nicht verdeckend. Oberarm, Unterarm und Hand wie bei der vorigen
Art. Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand wie 1: 0,7
bis 1:0,83, der Hinterhand zur Handbreite wie 1: 0,94 (juv.) bis
1: 1,15. Größte absolute Maße für Finger, Hinterhand und Hand-
breite: 14,2, 10 und 11,5 mm.
Oberschenkel und Schienbeine ziemlich grobkörnig. Zahl
der Dornen am Endtarsus des IV. Beinpaares unterseits außen 6
(selten 5), innen 4, von denen je 2 auf den Endlappen entfallen.
Zahl der Kammzähne 10—11 (Weibchen?). Kammgrund sehr
gestreckt, etwa 145°. Mittelfurche des Sternum wie bei der vorigen Art.
Gesammtlänge des Truncus beim größten Exemplar 97
(Truncus : Cauda = 40:57) mm.
Der Se. scaber scheint die vicarürende Form des Sc. indicus auf dem
Festlande von Vorderindien zu sein. Die mir vorliegenden Exemplare
stammen von Mangalore; nach Simon ist er namentlich häufig in
Bengalen.
8. Scorpio arabieus n. sp.
Von dieser Art hat mir nur ein einziges Exemplar zur Unter-
suchung vorgelegen (Museum Göttingen).
Die Färbung des Truncus und der Cauda ist rothbraun, mit
gelblichen Hinterrändern der Abdominalringe, der Beine gelb. Die Scheeren
sind bis auf die dunklen Finger rothbraun; die Blase gelbbraun. Unter-
seite von der Farbe der Beine.
Gatt. Scorpio. 59
Die Hauptaugen stehen etwas hinter der Mitte. Die Stirn-
loben sind glatt, glänzend und eingestochen punktirt; nur die mediane
Depression vor den Augen mit zerstreuten Körnchen besetzt. Uebriger
Theil des Cephalotorax ebenfalls zerstreut feinkörnig, namentlich an
den Seiten.
Abdominalringe glatt glänzend, nur an den Seiten
fenkörnig.
Cauda mit körnigen Dorsalcristen und fast glatten oberen
Seitencristen; Dorsalflächen namentlich des III. bis V. Segments mit
groben Körnchen besetzt, stärker als auf den Seitenflächen. Summe
der beiden ersten Caudalsegmente kürzer als der Thorax (Caudasegment
7 12:2 Thorax’— 14,5.216 mm). Blase auch Jan ‘den Seiten
dicht grobkörnig.
Oberer Endzmken des Oberkiefers anscheinend zahnartig,
den unteren nicht verdeckend (wegen Abnutzung nicht klar erkennbar).
Oberarm sowohl auf der oberen, wie auf der unteren Fläche dicht
srobkörnig. Unterarm oberseits dicht femkörnig, unterseits flach,
am Hinterrande scharfkielig und hier mit 3 Reihen ausgeprägter
Haargrübchen.
Hand mit ziemlich entwickeltem Ballen; ihre größte Breite
wenig über der Handwurzel. Oberfläche dicht mit wulstigen, auf dem
Ballen mehr oder weniger zusammenfließenden, nach den Fingern und
außen mehr isolirten, eingestochen punktirten Buckeln besetzt, aus denen
durch theilweise Verschmelzung zwei abgekürzte und undeutliche
Nebenkiele oberhalb des Außenkiels sich entwickeln können (wie bei
Sc. fulvipes). Unterseite auf den beiden Längswulsten mit je einer
Körnerreihe, sonst nur nach innen und vorn zerstreut grobkörnig.
Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand wie 1: 0,68, der
Hinterhand zur Handbreite —= 1: 1,3, des beweglichen Fingers zur
Handbreite — 1: 0,92. Absolute Maße für Finger, Hinterhand und
Handbreite: 15, 10,2 und 13,8.
Zahl der Dornen an den Endtarsen des IV. Beinpaares an
der Innenseite 6 (bis 7), an der Außenseite 4 (bis 5), wobei in jedem
Falle drei Dornen auf den Endlobus entfallen, deren erster an der
Spitze des Lappens steht (Fig. 10), im Gegensatze zu Se. pallidus, wo
alle 3 Dornen der Vorderkante des Lappens eingefügt sind.
Die Zahl der Kammzähne beträgt 22, 24, ist also höher, als
bei irgend einer anderen Art der Gruppe. Der Winkel des Kamm-
grundes ist fast ein rechter oder wenig mehr. Die Medianfurche des
Sternums endigt vor der Spitze in einer rundlichen Grube.
60 Scorpionidae: Seorpionini.
Die Gesammtlänge des Thieres beträgt 99 mm (Truncus: Cauda
— 46:53). — Von den heller gefärbten indischen Arten, wie Sc.
Swammerdami und fulvipes, unterscheidet sich unser Scorpion sofort
durch die 3 Reihen Haargrübchen am Hinterrande des Unterarms.
Von Se. pallidus, mit dem er die 3 gleich starken Dornen am Tarsenend-
lappen gemein hat, durch die Stellung dieser Dornen, die stark gekörnte
Unterseite des Oberarms, wie durch die niedrigen, verschmelzenden und
Neigung zur Nebenkielbildung zeigenden Wulste der Handoberfläche.
Als Fundort der Art ist Homran (Arabien, Yemen)
angegeben.
Die große Zahl der Kammzähne, wie die vermehrte Zahl der
Dornen des Tarsenlobus und die Stellung der Augen hinter der Thorax-
mitte erinnern in etwas an die weiter unten zu besprechenden ostafrika-
nischen Formen der früheren Gattungen Miaephonus und Mossamedes.
9. Scorpio pallidus n. sp.
Von dieser Art, welche möglicherweise bisher mit Se. fulvipes
verwechselt wurde, haben mir 4 Exemplare zur Untersuchung vorgelegen.
Die Färbung des Truncus oberseits ist schmutzig grünlich
scherbengelb, mit etwas dunklerem, lederbräunlichem Vorderkörper.
Die Cauda ist pechbraun, die Hand rothbraun mit dunkleren Fingern.
Die Blase ist nicht gelb, wie bei Sc. fulvipes, sondern von der Farbe
der Cauda, während die Beine hell lederfarbig braun erscheinen. Die
Unterseite des Körpers ist hell.
Am Thorax, dessen Augen etwas hinter der Mitte liegen,
sind die Stirnloben durchaus glatt und glänzend und gleich der ganzen
Mittelfläche des Thorax sehr fein eingestochen punktirt. Nur an den
Seitenrändern schwache Körnelung. Die Abdominalringe sind eben-
falls fast glatt, desgleichen die dorsalen Caudalflächen, welche nur
im V. Segment einige Körnchen aufzuweisen pflegen. Im übrigen sind
Cauda und Blase wie bei Sc. fulvipes (I. + Il. Caudalsegment : Thorax-
länge — 9:7 11,5 resp. 16,5 : 8,5).
Am Oberkiefer ist der obere Endzinken mit dem unteren
fast parallel, nur etwas kürzer, und verdeckt ihn daher zum größten
Theile (bei verticaler Stellung des Thieres in Augenhöhe).
Der vierkantige Oberarm ist auf der Oberfläche mäßig gra-
nulirt, unterseits glatt. Der Unterarm ist auf seiner oberen Fläche
fast ungekörnt; seine Unterseite ist flach, am Hinterrande scharfkielig
und hier mit 3 Reihen sehr schön ausgeprägter Haargrübchen besetzt
(Gegensatz zu Sc. fulvipes).
Gatt. Scorpio. 61
Die Hand hat ganz die Form derjenigen von Sc. fulvipes,
besitzt also einen halbkreisförmigen Ballen und die größte Breite etwas
unter der Mitte. Die Oberfläche trägt in gleicher Weise glänzend
körnige Buckel, die auf dem Handballen ein wenig zusammenfließen,
an der Außenseite aber keine Neigung zur Bildung eines wulstigen,
über dem Außenrande liegenden Nebenkieles zeigen. Die Unterseite
ist auf den beiden Längswulsten glatt und nur gegen den unbeweg-
lichen Finger hin mit spitzen Körnchen besetzt. Das Längenverhältniß
des beweglichen Fingers zur Hinterhand schwankt zwischen 1: 0,72
und 1: 0,79, entspricht also ziemlich genau dem von Sec. fulvipes.
Dasselbe gilt von dem Verhältniß der Hinterhandlänge zur Handbreite,
welches zu 1: 1,1 bis 1: 1,27 gefunden wurde. Die größten absoluten
Maaße für Finger, Hinterhand und Handbreite waren Il mm, S mm
und 10,2 mm. Als Verhältniß von Finger zur Handbreite ergaben
sich die Zahlen 1: 0,82 bis 1: 0,92.
In Bezug auf die Dornen des Endtarsus ist vor allem charac-
teristisch, daß der Endlobus nicht jederseits zwei, sondern drei voll-
kommen gleichartig entwickelte Dornen trägt (Fig. 11), eine Eigen-
thümlichkeit, welche unter allen Scorpioarten nur noch einmal und
zwar beim Sc. arabicus auftritt, bei dem jedoch die Stellung dieser
Dornen eine andere ist (vergl. Bestimmungstabelle). Die Gesammtzahl
der Dornen an der Innenseite beträgt daher zum mindesten 6, doch
ist meist noch ein siebenter oder gar die Andeutung eines achten
nachzuweisen. An der Außenseite finden sich 5, seltener nur 4 Dornen
im Ganzen.
Die Zahl der Kammzähne scheint zwischen 17 und 21 zu
varliren, und zwar fand ich einmal 17, 17, zweimal 18, 18 und einmal
21, 21 Kammzähne. Der Winkel des Kammgrundes ist fast ein rechter
oder geht doch kaum über 100° hinaus. Das Sternum zeigt die
rundliche Grube als Abschluß der Medianfurche.
Die Gesammtlänge des größten Exemplares betrug 73,5 mm
(Truncus : Cauda = 38,5 : 35 mm).
Auffallendere Geschlechtsunterschiede habe ich nicht wahr-
genommen.
Als Fundort dieser Art finde ich Baravez auf Sumatra
angegeben. Es erscheint diese Heimath sehr plausibel in Hinblick
auf das Vorkommen des im Habitus so gleichartigen Se. fulvipes auf
Java. Immerhin aber verdient es hervorgehoben zu werden, daß die
vorliegende Art unter den asiatischen Formen die einzige ist, welche
62 Seorpionidae: Scorpionini.
das sonst ausschließlich für afrıkanische Scorpioarten charakteristische
Merkmal der mehrreihigen Haargrübchen am Hinterrande der Unter-
seite des Unterarms aufweist. — Die Exemplare sind Eigenthum des
Hamburger Museums.
10. Scorpio afrieanus L.
1748 Scorpio africanus L. (Systema nat. Edit. VI, p. 68).
21754 F 5 „ (Museum Adolphi Frideriei, p. 84).
1764 Scorpio afer L. (Museum Ludovicae Ulricae) ad partem.
1836 Buthus afer C. L. Koch (Arachniden III, p. 17, Fig. 175) ad partem,
1842 ” imperator C. L. Koch (Arachn. IX, p. 2, Fig. 695).
1872 Heterometrus Roeseli Sim. (Revue et Magas. de Zool. 1872, p. 3) ad part.
1877 Pandinus africanus (L.) Thor. (Atti Soc. ital. XIX, p. 202).
1880 Scorpio Simoni Becker (Ann. Soc. ent. Belgique 1880, p. 137).
Es erscheint als eine fast unlösbare Aufgabe, den vorstehenden,
in allen Sammlungen verbreiteten Scorpion mit einem Namen zu
benennen, der allen Anforderungen entspricht. Linne scheint das
Thier nur bei der VI. Ausgabe des Systema naturae wirklich vor sich
gehabt zu haben, wo er ihm 18 Kammzähne zuschreibt. Im Museum
Adolphi Friderici giebt er die Zahl der Kammzähne nur auf 13 an,
doch würde auch dies noch mit den thatsächlichen Vorkommnissen
bei unserm Scorpion in Einklang stehen. Schlimmer schon ist, daß
er dann weiter in der Editio X und ebenso im Museum Ludovicae
Ulricae verwandte indische Formen mit der ursprünglichen Art zu-
sammenwirft, in der Editio X sogar ausschließlich Indien als Vaterland
angiebt. Es müßte demnach strenge genommen nach den heute
gültigen Regeln der Nomenclatur ein anderer Name an die Stelle des
Sc. afer der Editio X treten, aber die Wahl wird durch allerlei
Nebenumstände besonders erschwert. Buthus afer C. L. Koch ist
gewiß nicht emwandsfrei, da dieser Autor zum mindesten den Se.
Swammerdami mit einbegriff; aber auch Scorpio Roeseli Sim. hat
seine Bedenken, nicht allem weil Roesels Scorpion augenscheinlich
ein Ostindier war (Insectenbelustigungen, p. 370) und kein Afrikaner,
sondern weil Simon seiner neu aufgestellten Art (Etud. scorp. in
Revue et Magas. de Zool. 1872, pag. 4) 10—17 Kammzähne vindicirt
und somit nicht nur die vorstehende Art, sondern auch den Sec.
dietator Poc., dessen Kammzahl in der That bis auf 10 heruntergeht,
vor sich gehabt zu haben scheint. Der Vorschlag Pocock’s, die
vorstehende Art Sc. Roeseli Sim. zu nennen und den Sec. africanus
oder afer als Synonym zu seinem Sc. dietator zu ziehen, ist demnach
um so weniger befriedigend, als Linne in der That anfangs (1748)
einen Scorpion mit 18 Kammzähnen vor sich hatte, und selbst die
Gatt. Scorpio. 63
später als typisch angenommenen 13 Kammzähne, wie wir weiter unten
sehen werden, sowohl bei der vorstehenden Art, wie bei Se. dietator
gleicher Weise vorkommen können. Da nun die sonst noch etwa
in Betracht kommenden Synonyme nicht für die typische Hauptform,
sondern für mehr oder weniger ausgeprägte Abweichungen und
Varietäten creirt sind, so bleibt in der That kein anderer Ausweg,
als entweder einen ganz neuen Namen aufzustellen, oder aber, wie wir
es bereits beim Scorpio indicus gethan, bis auf die Editio VI des
Linne’schen Systema zurückzugehen und den ursprünglichen Namen
Sc. africanus für unsere Art festzulegen. Auch Thorell kommt zu
einem ähnlichen Schluß, glaubt aber die Editio VI vernachlässigen zu
können und das Museum Adolphi Frideriei als maaßgebend betrachten
zu sollen. Wie wir oben sahen, sind aber gerade die „IS Kammzähne“
der Editio VI noch ungleich eindeutiger für unsere Art, als die
„13 Kammzähne* des Museums Adolphi Frideric. — Es wäre in
hohem Grade zu wünschen, wenn der unglückselige Streit über die
Nomenclatur der beiden häufigsten Scorpioarten jetzt endlich durch
die kleine Concession des Zurückgehens auf die Editio VI erledigt
würde. Passendere Namen, als die beiden von Linne zuerst gewählten,
sind schwerlich aufzutreiben.
Als Varietäten des Sc. africanus habe ich am Schluß der
Besprechung der Hauptform drei von Pocock neuerdings beschriebene
Scorpione (Sc. cavimanus, viatoris und exitialis) aufgeführt, denen
sich der Sc. bellicosusL. Koch anschließt. So sehr die extremen Formen
dieser, wie es scheint, auf Ostafrica beschränkten Reihe auch von
den typischen Exemplaren des Sc. africanus der Westküste abweichen,
so hat es mir doch nicht gelingen wollen, auch nur ein einziges
Merkmal aufzufinden, welches dieselben sicher und unter allen Umständen
characterisirte. — Der Buthus imperator C. L. Koch ist ebenfalls
bisher immer als selbständige Art angesehen worden, so namentlich
von Thorell, Simon, Becker und Pocock. Ich kann mich dieser
Ansicht nach Vergleichung zweier Exemplare dieser Form (darunter
das Berliner Originalexemplar) mit dem gewöhnlichen Se. africanus in
keiner Weise anschließen und muß namentlich die ganze Reihe der
von Simon (l. c. p. 5) und Becker (l. ce. p. 138 ff.) aufgeführten
Unterschiede als unwesentlich und durchaus in den Rahmen der nor-
malen Variationsweite unserer Art fallend erklären. Als wichtigstes
Merkmal für Sc. imperator gilt bekanntlich, daß das mittlere Seiten-
auge dem hinteren näher gerückt ist, als dem vorderen, während bei
Sc. africanus das Umgekehrte der Fall sein soll. Ich habe mir nun
die Mühe gemacht, etwa 30—40 Exemplare der letzteren Art auf ihre
64 Scorpionidae: Scorpionini.
Augenstellung genauer zu prüfen. Das Resultat war der Nachweis
einer erheblichen Variation nach zwei Richtungen hin: Einmal in Bezug
auf das Verhältniß der Zwischenräume zu der Größe der Augen-
durchmesser, und zweitens in Bezug auf das Verhältniß des Zwischen-
raums zwischen Auge Il und 2 und Auge 2 und 3. In Betreff des
ersteren Punktes stellte ich fest, daß die Zwischenräume bald nur
halbe Augenbreite, bald ganze, bald sogar anderthalbfache besitzen,
wobei ferner die Augen entweder gleich groß, oder das mittlere oder
endlich das vordere das größte war. In Betreff des zweiten Punktes
muß zugegeben werden, daß in der Regel das mittlere Auge dem
vorderen mehr genähert ist, als dem hinteren: sehr häufig aber waren
auch die Fälle, im denen diese Zwischenräume völlig gleich groß
sich erwiesen. Bei emer solchen Neigung zur Variation in den
betrefienden Verhältnissen kann es uns gar nicht Wunder nehmen,
wenn nun schließlich auch Individuen existiren, bei welchen der
hintere Zwischenraum sogar kleiner ist, als der vordere; es hieße
aber, eigensinnig an einem ganz unwesentlichen Merkmal festhalten,
wollte man gerade diesen Specialfall mit einem besonderen Namen
belegen, während alle übrigen bemerkten Variationen der Augenstellung
als unwesentlich ignorirt würden. — Der Sc. Simoni Becker ist nichts
als ein echter Sc. africanus. Wollte man nach Art der von diesem
Autor aufgestellten Tabellen Arten creiren, so würde ziemlich jedes
Individuum sich hierzu geeignet erweisen.
Die Färbung des Sc. africanus ist dunkelgrün oder dunkel
pechbraun auf der Oberseite. Die Beine sind dunkelgrün, pechbraun
oder heller lederfarben; die Blase meist rothbraun. Vereinzelt sind
mir auch hellere Individuen vorgekommen, bei denen namentlich die
Hinterränder der Abdommalsegmente und Theile der Cauda scherben-
gelbe Färbung zeigten, während die Beine und Hände gleichfarbig
matt rothbraun waren. Die unten näher zu besprechenden Varietäten
zeichnen sich vielfach durch auffallend rothe Färbung des Hand-
ballens aus. Die Unterseite ist oft nur in den vorderen Parthien,
einschließlich des Sternums, braun, während die Abdominalsegmente in
diesem Falle statt des Braun ein schmutziges Scherbengelb zeigen.
Die Körnelung des Cephalothorax ist in jedem Falle außer-
ordentlich viel feiner, als bei Sc. dietator und meist mit bloßem Auge
kaum sichtbar, so daß die Fläche viel glänzender erschemt, als bei
jenem. Im Uebrigen zeigt die Körnelung die verschiedensten Abstu-
fungen, indem sie bald die ganze Oberfläche des Cephalothorax bis
nahe dem Stirnrande fast gleichmäßig einnimmt, bald mehr und mehr
auf die Seitenränder beschränkt ist und dann in den mittleren Parthien
Gatt. Scorpio. 65
jederseits der Augen und hinter dem Augenhügel große spiegelnde
Flächen frei lassen kann. Die beiden geschweiften Seitenfurchen des
Hinterrandes stehen häufig mit dem Hinterende der Medianfurche
nicht in deutlicher Verbindung. In diesem Falle pflegt sich das Hinter-
ende der Medianfurche triangelförmig zu erweitern, wobei die abge-
schrägten Seitenflächen jederseits zu einer Firste ansteigen, welche
diese „depressed Area“ von den inneren Enden der Seitenfurchen
abgrenzen. In anderen Fällen kommt diese „Area“ nicht zur typischen
Ausbildung; die Seitenfurchen verbinden sich dann (wie bei Sc. dictator)
mit der Medianfurche, unter Umschließung eines viereckigen, gewölbten
und nur nach der Medianfurche zu etwas einsinkenden Lobus, der
sogar, wie bei Sc. dietator, mit Körnchen besetzt sein kann.
Die Dorsalringe des Abdomens sind ebenfalls viel feiner
gekörnt, als bei Se. dietator, und zeigen in der Regel einen glatten
Mittelstreif, mn dem kurze, buckelförmige Kielandeutungen vorhanden
sind oder fehlen, während im Uebrigen die Körnelung sich auf die
ganzen Segmente oder nur auf die Hinterränder erstrecken kann. Im
letzten Segment treten jene 2 scharf ausgeprägten, scharf sägezähnigen
Schrägleisten auf den Seitenbuckeln des Scorpio dictator meist nur
als grobkörnige oder doch nur andeutungsweise reihenkörnige Höcker auf.
Die Cauda ist meist sehr robust. Die Länge der beiden ersten
Caudalsegmente ist bei erwachsenen Individuen stets größer oder doch
so groß, als die Länge des CGephalothorax. Jüngere Exemplare, etwa
bis zu 100 mm Länge, machen allerdings hiervon eine Ausnahme.
Ein 78 mm langes Individuum ergab beispielsweise als Verhältniß von
Gaudalsesment 1-+ I : Thorax die Zahlen 10°2"12, d.i. = 1:13.
Die oberen Cristen der Caudalsegmente sind nicht dornspitzig, wie bei
Se. dietator, sondern nur gekörnt, wie dies namentlich im I. und
V. Caudalsegment zu typischer Verschiedenheit führt. Die oberen
Seitenflächen tragen fast in allen Segmenten Reihenkörnchen oder
Andeutungen derselben. Im IV. Segment wurden sie bei mehr als
40 Exemplaren in keinem Falle völlig vermißt, während sie bei Sc.
dietator wohl fast ausnahmslos fehlen dürften. Die unterseits und oft
auch an den Seiten gekörnte Blase variirt beträchtlich an Dicke, wie
die folgende Art, bei welcher ich einige genauere Maaße über diese
Verhältnisse gegeben habe.
Der obere Endzinken des Oberkiefers ist bei den west-
afrikanischen Formen dem unteren in der Regel derart parallel, daß
— bei verticaler Stellung des Thieres in Augenhöhe — seine Projection
in ganzer Ausdehnung auf die Fläche des unteren fällt. Bei den
J
66 Scorpionidae: Scorpionini.
ostafrikanischen Formen (vgl. unten) erscheint der obere Zinken meist
nur als Zahn, dessen Projection über den Unterrand des unteren
Zinkens hinausgeht.
Der Oberarm ist auf seiner oberen Fläche mehr oder weniger
grobkörnig, zuweilen fast glatt. Die Unterseite ist glatt. — Der
Unterarm besitzt am Hinterrande einen ziemlich scharfen Kiel und die
üblichen 2—3 Reihen von Haargrübchen.
Die Hand ist ungemein breit, mit stark entwickeltem, fast halb-
kreisrundem Ballen. Die Körnelung der Oberfläche varıirt außerordentlich.
Bald sind die auf letzterer befindlichen Buckeln fast halbkugelförmig,
glänzend und auf der ganzen Fläche — auch am Ballen — völlig
isolirt, bald sind sie flacher, eingestochen punktirt, wulstförmig und
mehr oder weniger netzig in einander fließend, bis schließlich im
extremen Fall der Handballen kaum noch ganz seichte Unebenheiten
auf der fast glatten Fläche erkennen läßt. Selbst bei dieser Stufe der
Wulst-Verschmelzung ist übrigens der Innenrand der Hand noch immer
mit dornartigen Zähnen besetzt, welche sich bis zu zwei Drittel Höhe
des unbeweglichen Fingers fortsetzen, während bei den ostafrikanischen
Varietäten der Handinnenrand wenn nicht durchaus, so doch an seinen
unteren und oberen Parthien die Dornen in der Regel fast völlig
vermissen läßt. Die Unterseite der Hand ist zuweilen fast ganz glatt
und entbehrt dann der bekannten abgekürzten Längswülste. In andern
Fällen sind sie vorhanden und auch gekörnt, wie die vorderen Theile
unterhalb des unbeweglichen Fingers. Das Verhältniß der Länge des
beweglichen Fingers zu der der Hinterhand schwankt zwischen
1:0,51 und 1:0,66; das Normale dürfte etwa 1: 0,62 sein. Die
Handbreite ist bei westafrikanischen erwachsenen Exemplaren stets
grösser, als die Länge der Hinterhand. Als Grenzwerthe für das
Verhältniß von Hinterhand zu Handbreite fand ich die Zahlen 1: 1,1
(juv.) bis 1: 1,9. Das Normale dürfte um 1: 1,6 liegen. Bei ost-
afrikanischen Individuen ging das Verhältniß in einzelnen Fällen bis
1:0,89 herab. Als Verhältniß der Länge des beweglichen Fingers
zur Breite der Hand ergaben sich die Werthe 1:60,66 (juv.) bis
1:1,07, im Mittel etwa 1:60,96; bei ostafrikanischen 1: 0,6 bis
1:0,94. Als größte Maaße für die Länge des beweglichen Fingers, der
Hinterhand und die Breite der Hand gebe ich die Zahlen 23 mm,
14,5 mm und 24,5 mm.
Die Zahl der Dornen am Endtarsus beträgt 4 oder 5 an der
Innenseite, 3 an der Aussenseite, wobei in jedem Falle 2 Dornen auf
den Endlobus entfallen.
Gatt. Scorpio. 67
Die Zahl der Kammzähne schwankt nach meinen Beobachtungen
zwischen 13 und 18 (nach Simon 19), und zwar fand ich bei 42 Exem-
plaren zweimal 13, 13, zweimal 13, 14, viermal 14, 14, viermal 14, 15,
sechsmal 15, 15, fünfmal 15, 16, dreimal 15, 17, sechsmal 16, 16,
sechsmal 16, 17, dreimal 16, 18, zweimal 17, 17 und zweimal 17, 18
Kammzähne. In 92,5 % aller Fälle sind also 14 und mehr Kammzähne
vorhanden; das Normale von 14—17 Kammzähnen findet sich bei
90,3 %. — Der Winkel des Kammgrundes beträgt etwa 100—110°.
Die Medianfurche des Sternums setzt sich in der Regel über die rundliche
Grube bis zur Spitze des Sternums fort (Fig. 25).
Das größte gemessene Exemplar hatte eine Gesammtlänge von
175 mm (Truncus : Cauda —= 81:95). Das Verhältniß von Truncus
zur Cauda schwankte zwischen 1: 0,90 (juv.) und 1: 1,35.
Hervorstechende Geschlechtsunterschiede habe ich nicht wahr-
genommen.
Während die bisher besprochene Hauptform des Sc. africanus
der Westseite des afrikanischen Continentes angehört, treten im Osten
verwandte Formen auf, die zwar im Allgemeinen ein charakterisches
Gepräge zeigen, nach dem mir vorliegenden Material aber ohne scharfe
Grenze in die Hauptform übergehen.
Der erste, welcher einen derartigen Scorpion beschrieben hat,
ist L. Koch (AÄegypt. und abyssin. Arachniden, p. 1), der das bei
Habab (nicht Cairo, wie im Texte steht) gesammelte Exemplar als
Heterometrus bellicosus in die Wissenschaft einführte. Charakteristisch
für dieses Thier, das ich im Berliner Museum zu sehen Gelegenheit
hatte, ist die geringe Körnelung des Handballens und der völlig glatte
Innenrand der Hand, wie endlich die kurze, zahnartige Entwickelung
des oberen Endzinkens des beweglichen Oberkiefers, der den unteren
Zinken fast völlig frei läßt. Die Zahl der Kammzähne beträgt 19,20.
Ein diesem in allem Wesentlichen gleichendes Stück ist dann von
Emin Pascha und Stuhlmann bei Mpapua gesammelt, während
ein anderes, von eben daher und in demselben Glase befindlich, sich
durch stärkere, netzig zusammenfliessende Körnelung des Handballens,
geringere Handbreite und dornigen Innenrand der Hand (bis zum Grunde
des beweglichen Fingers) unterscheidet. Ein drittes Exemplar von
demselben Fundort gleicht wieder völlig dem Sc. bellicosus L. Koch,
zeigt aber die eigenthümliche tiefe Depression der Handoberfläche am
Grunde des unbeweglichen Fingers, wie sie für den von Pocock
(Ann. Mag. Nat. Hist. 1888, p. 247) aufgestellten Sc. cavimanus
5.
68 Scorpionidae: Sceorpionini.
charakteristisch ist. Ich kann mich daher zunächst, bei der im Uebrigen
vollkommenen Uebereinstimmung des Koch’schen Sc. bellicosus mit dem
Sc. cavimanus Poc. — die Differenz der Kammzähne von 15 bis 19
oder 20 kann nicht ins Gewicht fallen —, bis auf weiteres nicht
entschliessen, die Depression der Oberhand, die übrigens bei dem einen
der Stuhlmann’schen Stücke immerhin schon leicht angedeutet ist, als
arttrennendes Merkmal aufzufassen und glaube zum mindesten die
Ansicht vertreten zu müssen, daß Sc. cavimanus und bellicosus vielleicht
wohl verschiedenen Geschlechts, nicht aber verschiedener Art sind.
Bis soweit erscheint die Sache ziemlich einfach, und es würde
nichts im Wege sein, beide Formen als Sc. bellicosus L. Koch auf
Grund der oben aufgeführten Merkmale (glatter Innenrand der Hand,
fast glatte Oberfläche der Hand, Oberzinken des Oberkiefers mit dem
unteren nicht parallel) dem Sc. africanus als Art gegenüberzustellen,
wenn mir nicht noch eine Reihe anderer Exemplare vorlägen, welche
den Uebergang zu Sc. viatoris Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. 1890,
p- 100) nicht nur, sondern auch zum typischen westafrikanischen
Sc. africanus vermittelten. Die in Betracht kommenden Exemplare
stammen theils von Gondar, theils von Kawende, theils aus dem
Djurgebiet. Die Untersuchung dieser Thiere ergiebt einmal, daß
der Innenrand der Hand ganz allmählich von dem dornenlosen in den
dornigen Zustand übergeht, und daß selbst bei ostafrikanischen Thieren
diese Bedornung nicht nur bis zum Grunde des unbeweglichen Fingers,
sondern bis zu ”s Höhe (wie beim typischen Se. africanus) verlaufen
kann. Es ergiebt sich ferner, daß die verhältnißmäßig glatte Ballen-
fläche mehr und mehr in die durchaus reticulirte des Se. viatoris
übergeht, ja daß andererseits (Djurgebiet) die Wulste der Fläche sich
isoliren und abrunden und so das typische Bild der Handfläche eines
westafrikanischen Sc. africanus darbieten können. Was endlich die
zahnartige Ausbildung des oberen Endzinkens des beweglichen Ober-
kieferfingers anlangt, so habe ich sie lange als ein typisches und für
eine Artunterscheidung brauchbares Merkmal angesehen, trotzdem die
Divergenz beider Endzinken durchaus nicht immer in so hohem Maaße
vorhanden war, wie ich gewünscht hätte (namentlich bei Exemplaren
aus dem Djurgebiet). Als mir aber nach längerer Untersuchung ein
Scorpion von Dahomey zu Gesicht kam, dessen Zinken durchaus
nicht parallel waren, und der also die ausgeprägte Zahnbildung der
ostafrikanischen Formen besaß, mußte ich die letzte Hoffnung,
ostafrikanische und westafrikanische Formen artlich trennen zu können,
als gescheitert betrachten und mich vor der Hand begnügen, die
ersteren als Variationen dem westafrikanischen Typus anzureihen.
Gatt. Scorpio. 69
Ich muß gestehen, daß das Resultat meiner Untersuchungen
mich selbst wenig befriedigt hat, denn es scheint keinem Zweifel zu
unterliegen, daß der ostafrikanische Scorpion auch nicht annähernd
die Größe und die robuste Ausbildung der Theile, namentlich der
Cauda und der Scheeren, erreicht, als wie die Westafrikaner. Er macht
geradezu einen degenerirten Eindruck, wie dies namentlich auch bei
der cavimanus-Form hervortritt, die zweifellos uralte Exemplare
repräsentirt. Sollte ich versuchen, die etwa anzunehmenden Formen-
gruppen oder Varietäten des Sc. africanus näher zu präcisiren, so
würde vielleicht folgender Vorschlag so lange zu billigen sein, als bis nicht
durch ausgiebigeres Material weitere Gesichtspunkte gewonnen sind:
A. Körper im erwachsenem Zustande bis 175 mm lang, robust, die
Summe der Längen der zwei ersten Caudalglieder grösser als die
Länge des Thorax. Handoberfläche meist einfarbig, grobkörnig
oder grobnetzig retieulirt, ihr Innenrand bis ”/3 des unbeweglichen
Fingers dornspitzig. Oberer Zinken des Oberkiefers mit dem
unteren meist durchaus parallel, so daß seme Projection in ganzer
Ausdehnung auf die Fläche des unteren fällt. Kammzähne
13 19 5W estaeka 2. 9 a Dc. africanus typicus.
B. Körper im erwachsenen Zustande wenig über 100 mm lang. Cauda
meist schmächtiger, ihre beiden ersten Glieder zusammen oft
kürzer als der Cephalothorax. Handoberfläche meist am Ballen
rothbraun, sonst dunkler, körnig, flach netzig oder fast glatt, ihr
Innenrand glatt oder meist nur bis zum Grunde des unbeweglichen
Fingers dornig. Oberer Zinken des Oberkiefers zahnartig, den
unteren nicht verdeckend Kammzähne 11—20. Ostafrika.
a. Handinnenrand völlig glatt und unbedornt. Handfläche breit
(Hinterhand : Handbreite — 1: 1,7), mit schwach reticulirtem
oder fast glattem Ballen, oft mit großer, flacher Depression am
Grunde des unbeweglichen Fingers (forma cavimanus). Kamm-
zähne 14—20.......... Sc. africanus bellicosus L. Koch.
b. Handinnenrand etwas dornig (nur bis zum Grunde des unbe-
weglichen Fingers). Hand breiter oder schmäler, auf der Fläche
mit niedrigem, maschigem Netzwerk. Kammzähne 11-14.
Sc. africanus viatoris Poc.
c. Handinnenrand stark dornig bis über den Grund des unbeweg-
lichen Fingers hinauf. Hand breiter oder schmäler, auf der
Fläche mit groben, rundlichen oder etwas netzig verschmelzenden
Wulsten besetzt, die häufig Neigung zur Bildung abgekürzter
Längskiele zeigen. Kammzähne 13—17.
Sc. africanus subtypicus n. subsp.
0 Scorpionidae: Scorpionini.
Daß auch der Sc. exitialis Poc. von Shoa (Ann. Mag.
Nat. Hist. 1888, p. 249), welcher lediglich durch die Breite der Blase
charakterisirt wird, zu einer der drei letzt genannten Formenreihen
und wahrscheinlich zur letzten gehört, erscheint mir nach der großen
Variationsweite in der Breite der Blase nicht zweifelhaft. Pocock
giebt als Verhältniß der Blasenbreite zu der des I. Caudalsegments die
Zahlen 7,5 :7. Bedenkt man nun, daß ich bei verhältnißmäßig wenigen
Messungen schon ein Schwanken dieses Verhältnisses zwischen 4,6 : 7,8
und 6: 7,5 beobachtete, wobei im letzteren Falle die Blase auch eine
erhebliche Zunahme in der Dicke (Höhe) zeigte, so wird man auf die
Pocock’schen Zahlen kein zu großes Gewicht legen. Auch bei Sc. dietator
fand ich Individuen, bei denen die Blase völlig die Breite des I. Caudal-
segmentes erreicht hatte.
Des Ferneren vermuthe ich, daß der Broteas hirsutus
L. Koch (Aegypt. und Abyss. Arachn., p. 8) zur ostafrikanischen
Formenreihe unserer Art zu rechnen ist. Daß es sich um einen jungen
Scorpio handelt und zwar um einen solchen, der die Haargrübchen
am Unterarm in mehreren Reihen besitzt, habe ich bei einer flüchtigen
Untersuchung des Originalexemplars in Berlin mit Sicherheit constatiren
können. Die angedeuteten Handkiele lassen vermuthen, daß er ebenfalls
der Formenreihe des Se. africanus subtypieus angehört.
Die Heimath des typischen Scorpio africanus ist das Küsten-
gebiet des Golfs von Guinea von der Goldküste südlich bis
(Gaboon. Die ostafrikanischen Formen sind bisher mn Abyssinien,
Deutsch-Ostafrica und im Djurgebiet beobachtet. Beide Gebiete
werden voraussichtlich durch Fundorte aus dem Innern des Continentes
sehr bald mit einander in Verbindung gebracht werden. Das Berliner
Museum besitzt auch Exemplare aus dem Nordosten Madagaskars,
welche Hildebrandt sammelte.
11. Scorpio dietator Poc.
1888 Scorpio dietator Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. 1888, p. 251).
Wie ich Pag. 62 ff. nachzuweisen versuchte, ist es im Hinblick
auf die Editio VI. zum mindesten unwahrscheinlich, daß Linn € in dem
„Scorpion mit 18 Kammzähnen“ die vorstehende Form vor sich gehabt,
und ich kann daher Pocock nicht zustimmen, der den Se. africanus L.
als Synonym zu dieser Art stellt. Andererseits ist es in hohem Maaße
auffallend, daß dieser Scorpion, der in den Sammlungen kaum weniger
häufig vertreten ist, als der Sc. africanus, erst so spät von letzterem
erkennbar unterschieden wurde. Noch Simon scheint in seinem
Gatt. Scorpio. v1
Sc. Roeseli beide verwandten Arten zusammen geworfen zu haben, und
erst Pocock verdanken wir eine klare Zusammenstellung der unter-
scheidenden Merkmale.
Die Färbung des Sc. dietator gleicht der des Sc. africanus L.
Sie ist dunkelgrün oder dunkel pechbraun auf der Oberseite, etwas
heller unterseits. Die Blase ist meist heller rothbraun. Die Beine
sind dunkelgrün, pechbraun oder heller lederfarben braun. Die Hände
haben die Farbe des Truncus.
Am Cephalothorax fällt vor allem die äußerst grobe und
meist über der ganzen Oberfläche gleichmäßige, mit bloßem Auge
deutlich sichtbare Körnelung auf, die nur nach den Stirnloben zuweilen
schwindet, nach hinten zu aber — im Gegensatz zu Sc. africanus —
auch jenseits des Augenhügels in der Mittelfläche wohl entwickelt ist
und selbst den beiden Ballen nicht zu fehlen pflegt, welche nahe dem
Hinterrande des Thorax von der Medianfurche und den rechtwinklich
mit ihr in Verbindung tretenden geschweiften hinteren Seitenfurchen
inselartig hinten und an den Seiten umgriffen werden. Diese Ballen
sind übrigens nicht, wie Pocock (l. e. p. 251) meint, in allen Fällen
deutlich entwickelt. Nicht selten dachen sich dieselben derartig gegen
die sich verbreiternde Medianfurche ab, daß eine „depressed Area“
zur Anschauung kommt, wie sie von Pocock für Se. africanus als
charakteristisch angenommen wird (ohne es in allen Fällen zu sein).
Gleich starke Körnelung zeigen die Rückenringe des Abdomens, zum
mindesten auf ihren hinteren Hälften; doch findet man häufig genug
auch die vorderen Hälften mit dichten Granulationen besetzt.
Die Cauda ist sehr robust, ihr erstes und zweites Segment
zusammen fast stets länger oder doch so lang als der Cephalothorax.
Am meisten in die Augen fällt die ungemein starke, dornige Körnelung
der oberen Cristen, die schon — im Gegensatz zu Sc. africanus und
seinen Varietäten — in den ersten zwei Segmenten mit voller Schärfe
hervortritt. Die oberen und die Seitenflächen sind fast stets körnchenlos;
namentlich die Seitenflächen des IV. Caudalsegments unterscheiden sich
hierdurch, wie es scheint, fast ausnahmslos von denen des Sc. africanus.
Die Blase, welche neben den unteren 4 Körnchenreihen auch seitliche
Körnchen trägt, varürt sehr in der Dicke, indem sie nach meinen
Messungen bald erheblich schmäler war als das III. Caudalsegment,
bald dem I. an Dicke gleich kam (bis 10 mm).
Der obere Endzinken des Oberkiefers ist dem unteren fast
parallel und verdeckt ihn daher etwa zur Hälfte.
—T
D6)
Scorpionidae: Seorpionini.
Der Oberarm ist oberseits mehr oder weniger gekörnt, unter-
seits fast glatt. Die Oberfläche des Unterarms ist glatt oder fein-
körnig. Die Unterseite besitzt am Hinterrande einen ziemlich scharfen
Kiel und trägt vor demselben die bekannten 2—3 Reihen Haargrübchen.
Die Hand ist ungemein breit, mit stark entwickeltem, fast
halbkreisförmigem Ballen. Die Körnelung der Oberfläche varıirt sehr
und durchläuft alle Stufen von vollkommen isolirten, rundlichen Höckern
bis zu weitgehender Verschmelzung mächtiger, tiefe Gruben zwischen
sich lassender Wülste. Ein Nebenkiel, aus verschmolzenen Buckeln
oberhalb des Aussenkiels gebildet, kommt nicht zur Entwickelung.
Die Unterseite besitzt häufig die beiden sonst üblichen Längswülste,
welche dann glatt oder mit Granulationen besetzt sind; in anderen
Fällen können sie jedoch völlig fehlen. Wie gewöhnlich sind die
dornigen Höcker der Handunterfläche vornehmlich am vorderen Innen-
rande entwickelt. Das Verhältniß der Länge des beweglichen Fingers zu der
der Hinterhand schwankt zwischen 1: 0,60 bis 1: 0,71; das Normale
dürfte 1: 0,67 sein. Die Handbreite ist stets größer als die Länge
der Hinterhand. Als Grenzwerthe für das Verhältniß von Hinterhand
zu Handbreite fand ich die Zahlen 1:1,36 und 1: 1,5, erstere bei
jungen Individuen, letztere bei ganz alten. Als Verhältniß der Länge
des beweglichen Fingers zur Breite der Hand ergaben sich die Werthe
1:0,92 bis 1:1,04, im Mittel 1:0,98. Die größte Länge des
beweglichen Fingers betrug 24, der Hinterhand 16 mm, die größte
Handbreite 24 mm.
Die Zahl der Dornen an den Tarsenendgliedern des IV. Bein-
paares beträgt an der Innenseite 4 oder 5, an der Außenseite 3,
wobei in jedem Falle 2 Dornen auf den Endlobus entfallen.
Die Zahl der Kammzähne schwankt nach meinen Beobachtungen
zwischen 9 und 14, und zwar wurden einmal 9, 12, viermal 11, 11,
dreimal 11, 12, fünfmal 12, 12, zwölfmal 12, 13, einmal 13, 13 und
zweimal 13, 14 Kammzähne gezählt. Das Optimum von 11—13
Zähnen zeigte sich in 93,3 % aller Fälle. Der Winkel des Kamm-
grundes beträgt etwa 100° Die Medianfurche des Sternums pflegt
sich nach vorn über die rundliche Grube bis zur dreieckigen Spitze
des Sternums fortzusetzen.
Die Gesammtlänge des größten gemessenen Exemplars betrug
164 mm (Truncus : Cauda —= 86 : 78); als größte Länge des Truncus
fand ich 86, der Cauda 82 mm. Das Verhältniß von Truncus zur
Cauda schwankt ‚zwischen 1: 0,9 (Weibchen) und 1: 1,2. Hervor-
stechende Geschlechtsunterschiede habe ich nicht wahrgenommen.
Gatt. Heterometrus. 3
Die Heimath des Sc. dietator ist ebenfalls der Golf von
Guinea und zwar von Kamerun südlich bis zum Congo. Er
ersetzt also gewissermaaßen den Sc. africanus im Süden, und nur im
innersten Theile des Golfes, im Kamerungebiet treten beide Arten
gemeinschaftlich auf. Der Fundort Gran Canaria für ein Individuum
bedeutet augenscheimlich nur eine gelegentliche Verschleppung.
2. Gattung Heterometrus Hempr. Ehbg. emend.
Scorpioninen mit 5, resp. 4 Dornen an jedem der
beiden Endlappen des Tarsenendgliedes (Fig. 12). Blase
gekörnt. Ausschnitt des Cephalothorax klein, Median-
furche am Vorderrande nicht oder kaum merklich gabel-
spaltig. Augen etwa in der Mitte des Cephalotorax.
Vorderfläche des Oberarmes gewölbt, nicht deutlich von
gekörnten Kielen als Fläche abgegrenzt. Letztes Bauch-
segment mit 4 gekörnten Längsecristen. Ebenso das
I. Caudalsegment unterseits. Untere Seitencristen des
V. Caudalsegments am Ende schlittenkufenartig nach
oben und außen gebogen und mit ihrem sägezähnigen
Rande fast oder ganz die oberen Seitencristen am Ende
des Segments erreichend (Fig. 14, 15). Hände oberseits
mit Nebenkiel. Tarsenendglieder unterseits mit 2 regel-
mäßigen Reihen von Dornen (in gleicher Zahl) besetzt
(Fig. 13).
Ehrenberg beschrieb zwei Arten dieser Gattung, von denen
jedoch der Heterometrus spinifer der vorhergehenden Gattung Scorpio
einzureihen war. Außerdem hat nur noch Simon eine weitere Art,
H. propinquus, beschrieben, die aber der typischen Ehrenbergschen
Art, Heterometrus palmatus, so nahe steht, daß sie schwerlich als
selbständige Form wird aufrecht erhalten werden können.
1. Heterometrus palmatus Hempr. Ehbg.
1829—34 Heterometrus palmatus Ehrenberg (Symbolae phys. Arachn. Tf. I, Fig.1).
1839 Buthus testaceus C. L. Koch (Arachn. Bd. V, pag. 3, Fig. 342).
? 1872 Heterometrus propinquus Sim. (Soc. ent. France [5] I, p. 259).
Es erscheint nicht ausgeschlossen, daß Linn& und Fabricius
die vorliegende Art auch zum Theil unter dem Namen Scorpio
maurus de Geer mit begriffen, worauf die Vaterlandsangabe „Afrika“
hinzuweisen scheint. Da aber der Sc. maurus de Geer ausdrücklich
als ein „senoculus‘ bezeichnet wird, der in Amerika zu Hause sei,
so werden wir diesen Namen für einen Broteas reserviren müßen (vgl.
Herbst, Ungefl. Insect., Scorpione, p. 52).
74 Scorpionidae: Scorpionini.
Die Färbung des Sc. palmatus ist sehr variabel; schon
Ehrenberg unterscheidet gelbe, rothe und braune, die er auf
bestimmte Fundorte "beschränkt glaubt. Letzteres habe ich nicht
bestätigt gefunden, vielmehr aus einer und derselben Gegend sehr
verschieden gefärbte Individuen gesehen. Die gewöhnlichste Farbe des
Thieres ist gelbroth, wobei nur die Finger dunkler gefärbt sind,
während die Schienbeine am Ende außen einen rothbraunen Fleck
zeigen. Von dieser Grundfärbung leiten sich ab einmal die helleren
Individuen, welche vom Scherbengelb bis zum hellen Lehmgelb varıiren
können (wo dann die Finger rothbraun mit dunklerem Rande
erscheinen), sowie andererseits die mehr pigmentirten, dunkleren
Individuen. Bei der schwächsten Entwickelung des Pigmentes tritt
dasselbe lediglich als ein kleiner dunklerer Fleck in der Mitte des
Vorderrandes des Abdominalsegments auf. Dieser Fleck kann sich
dann vergrößern und zunächst den ganzen Vorderrand jener Segmente
einnehmen; gleichzeitig pflegt dann auch schon der Cephalothorax und
die untere Caudalseite etwas dunkler „beraucht“ zu sein. In einem
noch vorgeschrittnerem Stadium bleibt auf dem Hinterrande der
Abdominalsegmente nur je ein hellgelber Fleck übrig, während gleich-
zeitig außer dem Thorax auch die Vorderarme, die Caudalunterseite und
das letzte Bauchsegment dunkler pigmentirt sind. Endlich erscheint
das ganze Thier fast einfarbig dunkel rothbraun oder grünbraun; die
Hände sind dunkel und nur am Ballen rothbraun; die Unterseite des
Abdomens geht vom Scherbengelb des I. Segments nach hinten
allmählich in Braun über. Die Beine können auch in diesem Stadium
noch lehmgelb sein, sind aber häufig ebenfalls mit einer dunkleren
Pigmentschicht überzogen.
Der Vorderrandausschnitt des Cephalothorax ist meist
verhältnißmäßig seicht und geschweift. Die Fläche selbst ist entweder
glatt und glänzend und läßt nur an den Seiten zerstreute Körnchen
erkennen (Weibchen), oder sie zeigt wulstig höckerige Stirnloben und
ist fast über und über mit ungemein feinen Körnchen besetzt (Männchen).
Die Augen stehen auf einem sehr flachen, zuweilen aber mehr empor-
steigenden Augenhügel und liegen in der Regel etwas vor der Mitte
des Cephalothorax (vom Hinterrande bis zum Grunde des vorderen
Randausschnittes gemessen). Die Größe und Entfernung der Mittel-
augen von einander ist sehr verschieden, wie weiter unten des Näheren
auszuführen. Eine mittlere Thoracalfurche durchzieht den Augenhügel
und erweitert sich am Hinterrande zu einer _L förmigen Depression.
Das Abdomen ist oberseits entweder ebenfalls glänzend, mit
mehr oder weniger entwickelter grober Körnelung, namentlich auf den
Gatt. Heterometrus. 75
letzten Segmenten (Weibchen), oder es erscheint glanzlos und von
zahllosen äußerst feinen Körnchen wie chagrinirt (Männchen). Dieselben
können auch scheinbar fehlen, ohne daß der Glanz wieder auftritt.
Die Unterseite des Abdomens ist beim Weibchen glatt und punktirt,
beim Männchen oft querrunzelig nadelrissig. Das letzte Segment zeigt
stets 4 deutliche, gekörnte Längskiele, zwischen denen die Fläche
ebenfalls mehr oder weniger gekörnt ist.
An der Cauda sind sämmtliche Kiele körnig entwickelt. Die
4 unteren des I. Segments pflegen nach hinten zu convergiren. Die
oberen Caudalkiele zeigen am Ende keine vergrößerten Enddornen.
Obere Nebenkiele im IH. CGaudalsegment kommen niemals deutlich zur
Entwickelung; die Körnelung der Seitenflächen zeigt sehr verschiedene
Grade der Ausbildung. Auf die merkwürdige Aufbiegung der unteren
Seitenkiele im V. Segment (Fig. 14, 15) ist schon in der Bestimmungs-
tabelle hingewiesen. Die oberen Caudalflächen sind entweder sämmtlich
körnig (vornehmlich Männchen), oder doch in den ersten Segmenten. Die
Blase ist meist so breit, wie das Endsegment und unterseits reihenkörnig.
Am Oberkiefer ist der obere Endzinken des beweglichen
Fingers zahnartig kurz und läßt den unteren Endzinken völlig unbedeckt.
Der Oberarm ist auf der oberen Fläche mehr oder weniger
dicht grobkörnig, unterseits glatt und hier ohne abgrenzende hintere
Randeriste. Die Vorderseite des Oberarms erscheint nicht als eine
ebene, von scharf ausgeprägten Kielen begrenzte Fläche, sondern mehr
als eine abgerundete, stumpfe, aber mit groben, dormigen Höckern
und kleineren Körnchen dicht besetzte Kante, in der obere und
untere Fläche des Oberarms ohne scharfe Grenze in einander über-
gehen. — Der Unterarm ist oberseits feinkörnig, unterseits glatt
und gewölbt, mit wenig ausgeprägtem, höchstens am Grunde etwas kielig
geschärftem Hinterrande, der einzelne zerstreute Haargrübchen trägt.
Die Hand ist im Verhältniß sehr breit, mit kurzen Fingern
und wohl entwickeltem Ballen. Die Oberhand kann auf ihrer ganzen
Oberfläche völlig isolirte, rundliche Buckeln tragen, die nur in zwei
Längslinien zu mehr oder minder deutlichen, aus dem unbeweglichen
Finger zum Grunde ziehenden Nebenkielen verschmelzen. In anderen
Fällen sind die Buckeln niedriger, fließen mehr netzig m einander und
können schließlich auf dem Ballen fast ganz verschwinden. Der
bewegliche Finger ist etwas länger, als der unbewegliche. Namentlich
tritt dies beim Männchen hervor, dessen unbeweglicher Finger vielfach
nur als ein kurzer dreieckiger Zapfen erscheint, der wenig über halb
so lang ist, als der bewegliche Finger, während er beim Weibchen
etwa °/s von dessen Länge zu erreichen pflegt. Das Verhältniß des
76 Scorpionidae: Scorpionini.
beweglichen Fingers zur Hinterhand schwankt nach meinen Messungen
zwischen 1: 0,65 und 1:60,93, wobei die dem Verhältniß 1:1 sich
nähernden Zahlen wieder mehr für die Männchen gelten. Das Längen-
verhältniß der Hinterhand zur Breite der Hand schwankt zwischen
1: 1,2 (juv.) bis 1: 1,5. Als größte absolute Maaße für beweglichen
Finger, Hinterhand und Handbreite gebe ich die Zahlen 10,2, 7,2 und 9,5.
Die Zahl der Dornen am Endtarsus des IV. Beinpaares
beträgt meist 8 an der Außenseite, 7 an der Innenseite, wovon im der
Regel außen 5 oder 4, innen 4 oder 3 auf die Endloben bis zu ihrer
Vereinigung an der Unterseite entfallen (Fig. 12, 13).
Die Zahl der Kammzähne schwankte bei 46 Exemplaren
zwischen 7 und 13, und zwar wurden einmal 7, sechsmal 8, achtund-
zwanzigmal 9, fünfunddreissigmal 10, neunmal 11, zweimal 12 und
einmal 13 Kammzähne beobachtet. Das Normale sind also 9 oder
10 Kammzähne, wobei die niedrigere Zahl mehr auf die Weibchen,
die höhere mehr auf die Männchen zu entfallen pflegt. Die Mittel-
platte, an welcher die beiden Kämme befestigt sind, stellt sich in der
Regel bei Männchen und Weibchen als ein aufrecht gestellter, schmaler,
in der Mediane abwärts ausgebogener Wulst dar; in andern Fällen
hingegen hatte sie das Aussehen einer normalen, nicht allzubreiten
Platte. Ich bin außer Stande, den Grund dieser merkwürdigen Ver-
schiedenheit anzugeben.
Die Gesammtlänge des Thieres beträgt bei Erwachsenen in
der Regel zwischen 60 und 80 mm. Truncus und Cauda sind beim
Weibchen in der Regel von gleicher Länge oder die Cauda ist kürzer,
während beim Männchen die Cauda den Truncus an Länge zu über-
ragen pflegt.
Von der typischen Form des Heterometrus palmatus hat Simon
einen H. propinquus als Art abgegrenzt, der sich durch den Besitz
von 14, 14 Kammzähnen, größere, mehr genäherte Augen und mehr
gerundete Blase unterscheiden soll. Die Zahl der Kammzähne geht
nach dem oben Gesagten nur um einen über die bei mir gefundene
Maximalzahl von 13 Kammzähnen hinaus und darf daher als unter-
scheidendes Merkmal nicht eben hoch angeschlagen werden. In Bezug
auf die Variation der Augengröße und ihre Entfernung von einander
habe ich ziemlich umfangreiche Studien gemacht, indem ich die Augen
mittelst der Camera lucida in vergrößertem Maaßstabe auf Papier
zeichnete. Es ergab sich bei ziemlich gleich großen Individuen von
H. palmatus ein Schwanken in der Größe der Augen von 17 bis 30
Maaßeinheiten, d. h. nahezu von 1 bis 1,8, während andererseits der
Zwischenraum zwischen den beiden Mittelaugen von 15,5 Maaßein-
Gatt. Opisthophthalmus. ar
heiten bis auf 30 anstieg, sich also nahezu verdoppeln konnte. Unter
diesen Umständen glaube ich auch dem zweiten Merkmal Simons für
seinen H. propinguus ein entscheidendes Gewicht nicht beilegen zu
sollen, zumal auch in der Höhe des Augenhügels und der dadurch
bedingten verschiedenen Neigung der Augen gegen die Horizontalebene
nicht unerhebliche Schwankungen zu bemerken waren. Was endlich
die Form und den Umfang der Blase anlangt, so variirte bei den von
mir untersuchten palmatus-Exemplaren das Verhältniß ihrer Breite
zu der des letzten Segments allerdings nur von 1:0,95 bis 1: 1,1;
immerhin aber wird man bei der Variabilität gerade dieses Organs
eine etwas abweichende Form desselben nicht als maaßgebend für die
Aufstellung einer neuen Art betrachten können. Ich glaube daher
bis auf Weiteres den H. propinquus Sim. der Hauptform zureihen zu
sollen, ohne indeß ein abschließendes Urtheil über diesen Scorpion
fällen zu können.
Die Heimath des Sc. palmatus ist die ganze Süd- und Ost-
küste des Mittelmeeres. Von Marocco im Westen geht er
durch Algier, Tunis nach Aegypten und von hier über die Sinai-
halbinsel nach Palaestina (Jerusalem, Todtes Meer) und Syrien.
3. Gattung Opisthophthalmus C. L. Koch.
Scorpioninen mit 5 oder 4 Dornen an jedem der
beiden Endlappen des Tarsenendgliedes (Fig. 34—36).
Blase meist ungekörnt. Medianer Ausschnitt am Vorder-
rande des Cephalothorax fehlend oder kaum merklich.
Medianfurche oft nach vorn gabelspaltig, ein Stirndreieck
einschließend (Fig. 33). Augen stets hinter der Mitte des
Cephalothorax, oft erst im letzten Drittel. Hand stets
mit deutlichem, in den unbeweglichen Finger verlaufendem
„Fingerkiel“. Vorderfläche des OÖberarmes deutlich
entwickelt. Untere Seitencristen des V. Caudalsegments
nicht schlittenkufenartig nach oben gebogen. Tarsen-
endglieder, abgesehen von den Endloben, nur innenseits
mit 4, außenseits höchstens mit 2 Dornen besetzt.
Wie früher hervorgehoben, umfaßt die im Öbigen charakterisirte
Gattung auch die drei neuerdings aufgestellten Gattungen Petrooicus,
Miaephonus und Mossamedes, für welche irgend welche stich-
haltige generische Merkmale nicht aufzufinden sind. Mit diesen
zusammen beträgt die Zahl der bisher unterschiedenen Arten über zwei
Dutzend, von denen wir die beiden Arten O. tenuis und O. nanus
de Haan als schwer identificirbare Jugendformen zunächst ausscheiden.
8 Scorpionidae: Scorpionini.
Der Rest der Arten war bisher so gut wie unangefochten, doch ist
es mir gelungen, durch Vergleichung der Originalexemplare jene
bedeutende Zahl erheblich zu reduciren. Bei anderen Arten läßt sich
wenigstens die Vermuthung aussprechen, daß sie als Synonyme zu
betrachten sind. Es verbleiben indessen mit Hinzurechnung zweier
neuer Species noch immer nicht weniger als 15 Arten, deren unter-
scheidende Charaktere ich in folgender Bestimmungstabelle zusammen-
gestellt habe.
A. Blase deutlich reihenkörnig. Augen fast im der Mitte des
Cephalothorax (Entfernung vom Vorderrande nur 's bis " größer,
als vom Hinterrande). Stirndreieck !) fehlend oder äußerst winzig.
I. Endtarsen des III. und IV. Beinpaares an der äußeren Unter-
kante mit je 2 Dornen (außer den 4—5 Dornen der Endloben).
Vorletztes Tarsenglied der drei vorderen Beinpaare außenseits
mit je 2 Dornen. Ein winziges Stirndreieck.
1. ©. opinatus (Sim.), p. 81.
II. Endtarsen des III. und IV. Beinpaares an der äußeren Unter-
kante ohne Dornen, höchstens im III. Beinpaar zuweilen mit
einem Dorn. Vorletztes Tarsenglied der drei vorderen Bein-
paare außenseits mit langen Borsten, aber ohne Dornen.
Kein Stirmdreieek.r 42.2. 2. O0. Wahlbergi Thor., p. 83.
B. Blase glatt, selten am Grunde einzelne wenige Körnchen. Augen
meist (aber nicht immer!) beträchtlich hinter der Mitte des
Cephalothorax. Stirndreieck fehlend oder vorhanden.
I. Letztes Bauchsegment glatt oder nur an den Seiten feinkörnig
und die Mittelfläche etwas grubig oder runzelig.
a. Mit mehr oder weniger deutlichem Stirndreieck. Spiegel
glatt, fein nadelstichig punktirt, meist scharf von den grob-
körnigen Seiten abgesetzt. Handoberfläche ohne Nebenkiele.
«. Erstes Caudalsegment unterseits völlig glatt, ohne deutliche
Median- und Lateralkiele. Obere Caudalkiele im IL.—IV.
Segment mit stärkerem Enddorn. Augen wenig hinter der
Mitte des Cephalothorax. Stirnrand fein crenelirt.
3. O. carinatus (Pet.), p. 83.
ß. Erstes Caudalsegment unterseits mit scharf hervortretenden
Median- und Lateralkielen. Obere Caudalkiele mit oder
ohne stärkeren Enddorn. Augen weit hinter der Mitte
des Cephalothorax. Stirnrand glatt.
) Stirndreieck nenne ich eim dreieckiges Feld in der Mitte des Stirnrandes,
welches von der nach vorn zu sich gabelig verzweigenden Mittelfurche des
Cephalothorax gebildet wird (Fig. 33).
Gatt. Opisthophthalmus, 79
l. Letztes Bauchsegment völlig glatt und glänzend, ungekörnt
und ungekielt. Untere Kiele des I. Caudalsegments
glatt, nicht gekörnt. Obere Caudalkiele des II.—IV.
Segments mit stärkerem Enddorn. Stirndreieck deutlich,
grobkörnig. Kammzähne 20 —27.
4. O. pallidipes Thor., p. 87.
2. Letztes Bauchsegment an den Seiten körnig, zweikielig.
Untere Kiele des I. Caudalsegments crenelirt. Obere
Caudalkiele ohne stärkeren Enddorn. Stirndreieck
ziemlich undeutlich, fast glatt. Kammzähne 14—17.
5. O..intermedius n. sp., p. 39.
b. Ohne Andeutung eines Stirndreiecks. Spiegel des Cephalothorax
körnig oder glatt, dann aber allmählich in die feinkörnigen
Seitentheile übergehend. Hand oberseits außer dem „Finger-
kiel“ meist mit deutlichen Nebenkielen.
a. Spiegel glatt, feinnadelstichig punktirt, höchstens etwas grubig.
1. Kammzähne (beim Weibchen) 10—12. Obere Caudal-
kiele des II.-—-IV. Segmentes ohne stärkeren Enddorn.
Hände breit. Truncus dunkel pechbraun.
««. Hand nur mit Fingerkiel, ohne deutliche Nebenkiele.
Spiegel des Cephalothorax völlig glatt.
6-0 atım amusıc. E2Koch, p. 91.
£ß. Hand außer dem Fingerkiel mit deutlichen Nebenkielen
auf der Handoberfläche. Spiegel etwas grubig runzelig.
DV cause Koch, p:'93.
2. Kammzähne 14—23. Obere Caudalkiele des IL.—IV.
Segmentes mit stärkerem, spitzem Enddorn. Hände
ziemlich schmal, kaum herzförmig am Grunde. Truncus
scherbengelb bisrothbraun. 8. O. austerus Karsch, p. 94.
ß. Spiegel auf der ganzen Fläche dicht körnig. Obere
Caudalkiele meist mit etwas größerem Enddorn im
11. —IV. Segment. Kammzähne 14—16. Hände mäßig
breit, mit schwarzen Nebenkielen. Truncus scherbenfarbig
bis’ zothhraung 2 2.....9. Öl’macer Ther., p. 9.
II. Letztes Bauchsegment (oft auch die vorhergehenden) gleichmäßig
dicht mit rundlichen Körnchen besetzt !), auch auf der Mittelfläche.
a. Mittelfurche des Cephalothorax nach vorn gabelig, ein
deutliches Stirndreieck bildend )).
I) Bei ganz jungen Individuen scheint weder die Körnelung des letzten
Bauchsegments noch auch die Ausbildung des Stirndreiecks klar hervor-
zutreten; ich halte sie zur Zeit für unbestimmbar.
80 Scorpionidae: Scorpionini.
«. Spiegel meist deutlich gekörnt. Oberfläche des Oberarmes
grob buckelig - körnig. Endtarsus des Ill. Beinpaares
außenseits mit einem Dorn (außer den Dornen der
Endloben; Fig. 34). Dorsaler Krallenlappen deutlich
länger als die Seitenloben. Bauch nicht schwarz gefleckt.
Handoberfläche nicht schwarz reticulirt.
l. Nur das letzte Bauchsegment grobkörnig, vorletztes nur
wenig körnig. Finger, Hände und Blase schwach behaart.
10. OÖ. capensis (Herbst) ad part., p. 97.
2. Alle Bauchsegmente grobkörnig, mit Ausnahme des
ersten. Finger, Hände und Blase fast zottig.
11. O0: pilosus C.. E. Koch, p 100:
ß. Spiegel des Cephalothorax glatt, selten etwas höckerig,
fein nadelstichig punktirt. Oberfläche des Oberarmes
zerstreut feinkörnig. Endtarsus des III. Beinpaares
außenseits ohne Dorn (Fig. 35). Dorsaler Krallenlappen
kürzer als die Seitenloben. Bauch in allen Segmenten
grobkörnig, schwarz gefleckt. Hände schwarz reticulirt.
12. O0. pictus n. sp, pol02
b. Mittelfurche des Cephalothorax nach vorn ungetheilt: Kein
Stirndreieck.
a. Cauda mäßig dick, kürzer als der Truneus. Kammzähne
10—12. Rückenkiel als glatter Längswulst entwickelt.
Bauchsegmente fast glatt, wenig grubig.
1. Seiten der ersten Rückensegmente glatt. Oberarm mit
scharf ausgeprägter oberer Vorderkante. Buckel der
Hand mehr körnig, kaum zusammenfließend. Außen-
dornen des Tarsenendgliedes 0—1.
13. 0: glabrıtrons.Pet. 2, 9208
2. Seiten der ersten Rückensegmente deutlich gekörnt.
Oberarm ohne scharf ausgeprägte obere Vorderkante.
Buckel der Hand mehr oder weniger netzig zusammen-
fließend. Außendornen des Tarsenendgliedes 1—2
(Biesab tem... 14. OÖ. pugnax Thor. 9, p. 105:
£. Cauda robust, länger als der Truneus. Kammzähne 14—19.
Rückenkiel nur ein kleiner Tuberkel. Vorletztes Bauch-
segment meist quergrubig-nadelrissig.
1. Spiegel des Cephalothorax durchaus glatt, glänzend,
fein nadelstichig punktirt. Kammzähne 18—19. Neben-
kiele der inneren Fläche der Oberhand fast fehlend.
13.0. glabrifrons Pel. So pr 202
Gatt. Opisthophthalmus. sı
2. Spiegel des Cephalotorax gekömt. Kammzähne 14—15.
Nebenkiele der inneren Fläche der Oberhand stärker
entwickelt.
««. Hand oberseits mit flachen, groben, netzig zusammen-
fließenden Körnchen besetzt, mit 4 deutlichen Längs-
kielen, gedrungen. Tarsenendglied des II. und
IV. Beinpaares außenseits mit je zwei Dornen am
Unterrande...... .. 14. OÖ. pugnax Thor. ', p. 105.
68. Hand oberseits isolirt feinkörnig, mit undeutlichen
Längskielen, schlanker. Tarsenendglied des III. und
IV. Beinpaares außenseits mit je einem Dorn am
Unterrande. ..:..... 15. O..praedo Theor., p. 107.
1. Opisthophthalmus opinatus (Sim.).
? 1879 Pandinus meidensis Ksch. (Münch. entom. Mittheil. 1879, p. 127).
1887 Mossamedes opinatus Sim. (Soc. ent. de France [6] VII, p. 382).
Da ich das Originalexemplar von Pandinus meidensis Karsch
nur flüchtig gesehen, so wage ich nicht, diesen Artnamen voranzu-
stellen. Andererseits stimmen die mir auf Wunsch von Herrn Dr.
Stadelmann, dem Verwalter der Scorpione im Berliner Museum,
gemachten Angaben so gut zu dieser Form, daß die Wahrscheinlichkeit
der Identität immerhin eine große ist.
Die Färbung der Oberseite und des Schwanzes ist mehr oder
weniger dunkel rothbraun. Aehnlich gefärbt sind die Arme, deren
Hände indeß auf der Oberfläche ein reineres Roth zeigen, während die
Finger schwärzlich erscheinen. Blase und Beine sind lehmgelb.
Der Cephalothorax ist auffallend flach, am Vorderrande wie
abgestutzt, aber in der Mitte mit kleinem, halbkreisförmigem Einschnitt-
In der Mittellinie eine tiefe, vor dem Augenhügel von gekörnten oder
eingezackten Rändern flankirte Furche, welche hinter dem Augen-
hügel verschwindet, um am Hinterrande als _L förmige Depression
wieder aufzutreten. Der gerade Vorderrand der Stirnloben ist grob-
körnig eingeschnitten. Ueber den Seitenaugen je ein grobkörniger
Wulst, ebenso die Seitenflächen bis zu den hinteren Schrägrinnen grob-
körnig. Der ,Spiegel“, d. i. die Fläche beiderseits vor den Mittel-
augen, glatt, glänzend und eingestochen punktirt; um den Augenhügel
feinere Körnelung, die Gegend um die hintere _Lförmige Depression
wieder glatt. Entfernung der Augen vom Hinterrande wenig kleiner
als vom Vorderrande (Verhältniß etwa 7,5 :10 oder 6:7,5 mm).
Mittelfurche nach vorn am Stirnrande ein äußerst winziges, oft kaum
entwickeltes Stirndreieck umgreifend,
82 Scorpionidae: Scorpionini.
Abdomen oben glatt, glänzend, äußerst fein nadelstichig; am
Hinterrande der Segmente beulig-grubig; letztes Segment an den
Seiten grobkörnig. Unterseite glatt und glänzend in allen Segmenten,
äußerst fein eingestochen punktirt.
Cauda oberseits mit breiter, flacher Rinne, die zerstreut ge-
körnt ist. Ränder cristenartig, gekörnt, mit kaum vergrößertem
Enddorn. Obere Seitencristen ebenfalls körnig. Unterseits Kiele im
I. Segment fast fehlend, im U. und III. als glatte Kanten sichtbar ;
diese im IV. gekörnt und im V. fast dornig. V. Segment auch zwischen
den Kielen grob reihenkörnig, Blase unten und an den Seiten
gekörnt, steif borstig.
Oberarm oberseits mit einzelnen rundlichen Buckeln zerstreut
besetzt, unterseits fast glatt, mit sehr grobkörnigen Randkanten, deren
hintere vor dem Ende verschwindet. Unterarm mit schwachem Grund-
höcker an der Vorderseite, oben mit grobkörnigem Kiel, an den sich
unmittelbar die grobgekörnte, halbmondförmig gekrümmte Hinterfläche
anschließt. Unterseite eben, glatt, fein eingestochen punktirt, mit
wulstigem Hinterrande, der vor dem Ende verschwindet. Längs des
Hinterrandes wenige zerstreute Haargrübchen.
Hand sehr breit, mit herzförmigem, gerundetem und flach
gewölbtem Lobus. Oberhand durch einen „Fingerkiel“ deutlich in Innen-
und Außenfläche geschieden. Erstere flach, wulstig, etwas netzig, mit
schwacher Andeutung eines Nebenkiels, fein nadelstichig; letztere rundlich
körnig, meist mit einer Mittelreihe größerer Körnchen. Unterseite der
Hand zerstreut körnig. Beweglicher Finger mit 3 stärkeren Zacken
auf der Schneide, denen ebenso viele Einbuchtungen der Gegenseite
entsprechen. Das Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand
schwankt zwischen 1:0,72 und 1:0,75, das der Hinterhand zur Hand-
breite zwischen 1:1,02 und 1:1,28; die Hand ist also stets breiter
als die Hinterhand lang. Größte absolute Maaße für Finger, Hinter-
hand und Handbreite: 17, 12,5 und 15,8 mm.
Die Oberschenkel sind meist feinkörnig, die Schienbeine
glatt. Endtarsen unterseits an den Loben außenseits mit 4 (oder 5),
innenseits mit 5 (oder 6) Dornen; außerdem längs dieses Tarsengliedes
außen 2, innen 5 Dornen. Der dorsale Endlappen am Grunde der
Klauen fast so lang, als die Seitenloben. Die vorletzten Tarsenglieder
der ersten drei Beinpaare an der unteren Außenseite zwischen den
Borsten je mit 2 starken Dornen besetzt, außer dem Enddorn.
Die Zahl der Kammzähne schwankt bei 3 mir vorliegenden
Weibchen zwischen 19 und 21 (19, 19; 20, 20; 20, 21), und beträgt
beim männlichen Exemplar 26, 27, Der Kammgrund ist beim Weibchen
Gatt. Opisthophthalmus. 83
in etwa ein Drittel der Länge des Kammes ohne Zähne (Fig. 31),
was bekanntlich Simon zur Aufstellung seiner neuen Gattung Mossa-
medes veranlaßte. Ein ähnliches Verhalten zeigt aber in mehr oder
weniger entwickeltem Grade die Mehrzahl der anderen Opisthophalmus-
arten. Beim Männchen ist dieser zahnlose Grundtheil beträchtlich
reducirt und beträgt höchstens ein Fünftel der Kammlänge (Fig. 32).
Das Verhältniß des Truncus zur Cauda varürt bei den
gemessenen Exemplaren zwischen 1:1,02 und 1:1,25; die Cauda
scheint also in der Regel länger zu sein, als der Truncus. Gesammtlänge
des größten Exemplares 109 mm (Truncus: Cauda = 53:56 mm).
Ueber die Verbreitung des O. opinatus geben die vorliegenden
Daten nur geringen Aufschluß. Simon erhielt sein Exemplar aus dem
Lande der Mossamedes in Südwestafrika; der Pandinus meidensis
Karsch stammt aus dem Somalilande. Exemplare des Museums in
Frankfurt endlich tragen die Etikette „Shanghai“.
2. Opisthophthalmus Wahlbergi (Thor.)
1877 Miaephonus Wahlbergi Thor. (Atti Soc. ital. XIX, p. 222).
Färbung: Ganzes Thier meist einfarbig schön lehmgelb,
zuweilen die Abdominalringe in’s Grünlich-Scherbenfarbige ziehend,
mit Ausnahme der gelben Hinterränder. Auch das V. Caudalsegment
meist etwas dunkler beraucht.
Cephalothorax und Abdomen beim Weibchen glatt und
glänzend, ersterer nur an den Seiten etwas feinkörnig; beim Männchen
Cephalothorax ziemlich grobkörnig und die Abdominalringe matt,
äußerst feinkörnig chagrinirt. Vorderrand des Cephalothorax in sanftem
Bogen abgestutzt, scharfrandig, in der Mitte mit winzigem, fast spitzem
Einschnitt. Mittelfurche nur auf dem Augenhügel und in der __förmigen
Depression des Hinterrandes deutlich; vor dem Augenhügel ganz seicht
und thalartig zum Vorderrandeinschnitt verlaufend, ohne Bildung eines
Stirndreiecks. Augen ziemlich in der Mitte des Cephalothorax, vom
Hinterrande etwa 6, vom Vorderrande etwa 7 mm entfernt.
Abdomen unterseits in allen Segmenten glatt und glänzend,
auch beim Männchen.
Cauda oberseits mit breiter, glatter Rinnenfurche, mit schwach-
körnig gekielten Seitenrändern. Kiele am Ende im IH. bis IV. Segment
mit sehr spitzem, stechendem Enddorn. Kiele unterseits zum mindesten
im I. und JH. Segmente völlig fehlend, meist auch im III. oder sogar
im IV. (beim Weibchen). In andern Fällen Kiele im III. Segment
(Männchen) oder IV. kantig angedeutet, resp. im IV. schon etwas körnig
6*
84 Scorpionidae: Scorpionini.
(Männchen). V. Segment mit deutlichen Stachelkielen und grober
Körnelung auf den Flächen. Blase unterseits grobkörnig, namentlich
am Grunde, und steif borstig.
Oberarm oberseits und unterseits zerstreut körnig, unterseits
mit schwach entwickeltem, etwa im der Mitte undeutlich werdendem
Hinterrand. Unterarm mit schwachem Grundhöcker am Vorderrande;
oben mit schwach körnig-kieligem Rande als Begrenzung der bogig
aufsteigenden, fast ungekörnten und nur etwas runzeligen Hinterfläche.
Unterseite glatt, mit schwachem, ungekörntem, vor dem Ende
verschwindendem Hinterrande. Längs desselben einige zerstreute
Haargrübchen.
Hand mäßig breit, beim Weibchen mit mäßiger, beim Männchen
mit starker Ausbildung eimes Fingerkiels, der die Oberhand in eine
Außen- und Innenfläche scheidet. Innenfläche der Oberhand beim
Weibchen gewölbt, völlig glatt und nur unter der Lupe etwas netzig
runzelig; beim Männchen eben, platt, mit der Außenfläche im scharf-
randigen „Fingerkiel“ im rechten Winkel zusammen stoßend. Außen-
fläche bei beiden Geschlechtern etwas höckerig, beim Männchen stärker.
Schneide des beweglichen Fingers mit 3 stärkeren Zähnen, welche
beim Männchen fast dornspitzig sind. Verhältniß des beweglichen
Fingers zur Hinterhand beim Weibchen gleich 1:0,74, (größte absolute
Maaße = 13,8: 10,5), beim Männchen gleich 1: 0,62 (absolute Maaße
17:10,5). Verhältniß der Hinterhand zur Handbreite beim Weibchen
gleich 1:0,96 bis 1:1, beim Männchen gleich 1:0,81. Absolute
Breite der Hinterhand beim Weibchen: 10 bis 10,2 mm, bei dem
gemessenen männlichen Exemplar 8,5 mm.
Die Oberschenkel sind feinkörnig, die Schienbeme glatt. End-
tarsen unterseits an den Loben außen mit 3 bis 5, innen mit 5 Dornen;
außerdem längs dieses Tarsengliedes nur noch an der Innenseite 4
Dornen, während die Außenseite derselben völlig entbehrt (selten ein
einzelner Dorn). Der dorsale Endlappen am Grunde der Klauen fast
völlig verkümmert, nur eine kaum sichtbare, eine lange Borste tragende
Papille.. Die vorletzten Tarsenglieder der drei ersten Beinpaare an
der untern Außenseite nur mit langen Borsten, nicht aber auch mit
2 starken Dornen besetzt.
Die Zahl der Kammzähne schwankt beim Weibchen zwischen
17 und 20 (17, 17,17, 17518, 18; 19, 20) und‘ betrug "ber’dem
männlichen Exemplar 28, 29 Zähne. Der gerundete Kammgrund entbehrt
beim Weibchen in etwa ein Drittel der Kammlänge des Zahnbesatzes
(wie die vorige Art), während beim Männchen der fast rechtwinklige
Kammgrund von Anfang an mit Zähnen besetzt ist.
Gatt. Opisthophthalmus. 85
Das Verhältniß des Truncus zur Cauda varirte bei den
Weibchen zwischen 1: 0,91 und 1:0,93 und ergab beim Männchen
die Zahlen 1:1,15. Das größte Weibchen hatte eine Gesammtlänge
von 87 mm (Truncus : Cauda — 45 : 42), das Männchen eine solche
von 88 mm (Truncus : Cauda — 41:47).
Die Heimath des ©. Wahlbergi scheint auf das südliche und
südwestliche Afrika beschränkt zu sein. Thorells Exemplar
stammt aus dem Kaffernlande; mir selbst liegen weitere Exemplare
aus dem Damaralande und von Walfischbay vor.
3. Opisthophthalmus carinatus (Pet.).
1861 Heterometrus carinatus Pet. (Sitz. Ber. Berl. Akad. 1861, p. 515).
1877 Opisthophthalmus Anderssoni Thor. (Atti soc. ital. XIX, p. 239) 2.
? 1877 a; histrio Thor. (ibid., p. 168) Z.
1879 Petrooicus carinatus Karsch (Münch. entom. Mitt. 1879, p. 109).
1887 Petrooicus furcatus Sim. (Ann. Soc. ent. France [6] VII., 380).
1893 Oecopetrus carinatus Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6) XI., p. 307).
Daß der Opisthophtalmus Anderssonii Thor. in der That mit
dem Heterometrus carinatus Pet. identisch ist, ließ sich leicht durch
Vergleichung der Originalexemplare nachweisen. Ingleichen paßt die
Beschreibung des OÖ. histrio Thor., obgleich es sich um ein ganz
jugendliches Individium handelt, trotz des noch unausgebildeten Stirn-
dreiecks, so gut zu dem Männchen unserer Art, daß ich nicht zögere,
denselben als synonym hieher zu ziehen. Die Diagnose des P. furcatus
Sim. schildert Punkt für Punkt so getreulich alle Merkmale eines
P. carinatus, daß mir die Aufstellung dieser Art durch Simon unerfindlich
ist; auch hat es der Autor unterlassen, auch nur einen Differenzpunkt
zwischen seiner „neuen Art“ und der bereits beschriebenen anzugeben.
Die Färbung der Oberseite des Körpers ist gelbroth bis
braunroth, mit helleren, lehmgelben Hinterrändern der Abdominalringe;
Cauda mehr lederbraun. Arme ebenso, mit dunkleren Randeristen.
Hände auf der Fläche gelbroth, Scheeren dunkler, fast schwarz,
Beine und Unterseite sind lehmgelb bis scherbenfarbig.
Cephalothorax bei beiden Geschlechtern auf der Mittelfläche
und den Loben glatt, glänzend, fein eingestochen punktirt, an den
Seiten bis zu den Hinterecken feinkörnig. Vorderrand etwas gestutzt,
fein creneliert, in der Mitte mit spitzem Einschnitt, der von einem
mäßig großen, deutlich ausgeprägten Stirndreieck umschlossen wird.
Mittelfurche vom ‚Grunde des Stirndreiecks deutlich bis hinter den
Augenhügel verlaufend, ganzrandig (Gegensatz zu OÖ. opinatus), aber
vor dem Augenhügel mehr oder weniger zu einer schmal rautenförmigen
Grube sich erweiternd. Am Hinterrande die gewöhnliche _L förmige
Ss6 Scorpionidae: Scorpionini.
Depression. Mittelaugen etwa um die Länge des Stirndreiecks näher
dem Hinterrande, als dem Vorderrande, also ziemlich genau in der
Mitte der Entfernung vom Grunde des Stirndreiecks bis zum Hinter-
rande. Seitenaugen in der Regel fast gleich groß und in gleichen
Abständen; zuweilen aber das letzte kleiner und in doppeltem Abstande.
Kein gekörnter Wulst über den Seitenaugen.
Abdominalringe oberseits beim Weibchen glatt, glänzend
und fein nadelstichig; nur das letzte Glied feinkörnig. Beim Männchen
alle Segmente äußerst feinkörnig chagriniert. Unterseite der Bauchringe
alle glatt und glänzend, nur beim Männchen etwas quer nadelrissig.
Cauda oberseits mit breiter, flacher, glatter, im V. Segment
fast fehlender Rinne und deutlich gekörnten, im H.—IV. Segment mit
etwas größerem Enddorn versehenen Cristen. Obere Seitencristen
ebenfalls sämmtlich körnig, abgesehen vom V. Segment, bei dem die
oberen Mittel- und Seitenkiele fast geschwunden sind. Obere Seiten-
flächen der Cauda feinkörnig. Untere Caudalkiele im I. Segment fast
völlig fehlend, im II. und III. deutlich, aber glatt, im IV. etwas körnig,
im V. dornig gesägt. Untere Caudalflächen vom UI. oder IV. Segment
ab körmnig. Blase gestreckt, durchaus glatt und glänzend.
Oberarm oberseits mit grobkörnigen, dunklen Randkielen, auf
der Fläche zerstreut körnig; unterseits etwas muldenförmig, zerstreut
körnig und mit grobkörnigem, aber im Enddrittel oder -viertel ver-
schwindendem Hinterrande.
Unterarm mit mäßigem Grundhöcker an der Vorderseite,
oben mit wulstiger, nicht gekörnter Kante als Begrenzung der bogig
aufsteigenden, glänzenden, aber meist mit grob-buckelig körnigem
Mittelkiel versehenen Hinterfläche. Unterfläche glatt, fast eben, am
Hinterrande mit glatter, vor dem Ende verschwindender Begrenzungs-
kante. Längs derselben wenige eingestochene Haargrübchen.
Hand beim Weibchen breit herzförmig, beim Männchen schmäler.
Oberhand durch einen scharf ausgeprägten, aber ungekörnten Fingerkiel
deutlich in eine Innen- und Außenfläche geschieden, welche in stumpfem
Winkel aneinanderstoßen. Innenfläche der Oberhand etwas gewölbt
in beiden Geschlechtern, fast völlig glatt, nur unter der Lupe etwas
buckelig netzig, ohne Nebenkiele.. Außenfläche isolirt körnig, in der
Mittellinie mit einem Längsstreif gröberer Buckel. Schneide des
beweglichen: Fingers mit drei größeren Zacken. Das Verhältniß des
beweglichen Fingers zur Hinterhand ist bei beiden Geschlechtern das
gleiche und schwankt zwischen 1: 0,7 bis 1: 0,77; dasjenige von Länge
der Hinterhand zur Handbreite variirt beim Weibchen von 1: 1,07 bis
1:1,25, beim Männchen von 1:0,9 bis 1: 0,92, so daß also beim
Gatt. Opisthophthalmus. 87
Weibchen die Handbreite größer, beim Männchen kleiner ist, als die Länge
der Hinterhand. Größte absolute Maaße für Finger, Hinterhand und Hand-
breite beim Weibchen 17, 13, 14,5; beim Männchen 17,5, 12,5, 11,5.
Die Oberschenkel sind zerstreut feinkörnig, die Unterschenkel
glatt. Endtarsen unterseits an den Seitenloben außenseits mit 4
(seltener 5), innenseits mit 5 (seltener mit 4) Dornen. Außerdem
längs dieses Tarsenendgliedes außenseits meist 2, innenseits 4 Dornen.
Dorsaler Endlappen am Grunde der Klauenglieder deutlich entwickelt
und fast so lang, als die Seitenloben. Die vorletzten Tarsenglieder der
drei Vorderbeinpaare an der unteren Außenseite je mit 2—3 Dornen
außer den Borsten, abgesehen vom Enddorn.
Die Zahl der Kammzähne schwankt beim Weibchen zwischen
13 und 20, und zwar fand ich einmal 13, 15, einmal 14, 14, einmal
17, 17, zweimal 18, 18, einmal 19, 19 und einmal 19, 20 Zähne.
Bei drei untersuchten Männchen schwankt die Kammzahl zwischen
27 und 29 (emmal 27, 29, einmal 28, 28, einmal 29, 29 Kamm-
zähne). Der 0. histrio Thor. hat 23 Kammzähne. Der bogige
Kammgrund des Weibchens ermangelt auf etwa "s der Kammlänge
der Bezahnung, während der rechtwinklige Kammgrund des Männchens
vom Grunde an mit Zähnen besetzt ist.
Das Verhältniß des Truncus zur Cauda varürte bei den
gemessenen Weibchen von 1:0,8 bis 1:1,04, beim Männchen von
1 :1,04 bis 1:1,2. Größte absolute Länge des Körpers beim Weibchen
107 mm (Truncus : Cauda —= 58 : 49), beim Männchen 92 mm
(Truncus : Cauda —= 42:50).
Am meisten Aehnlichkeit hat der O. carinatus in Färbung,
Gestalt und Habitus mit dem O. Wahlbergi. Er ist von ihm leicht zu
unterscheiden durch die ungekörnte Blase, das deutliche Stirndreieck
und die bis hinter den Augenhügel durchgehende Mittelfurche, den
wohlentwickelten Endlappen der Klauenglieder, die 2 Dornen an der
Außenseite des Endtarsus und die 2—3 Seitendornen an den vorletzten
Tarsen der drei Vorderbeinpaare.
Die Heimath des O. carinatus scheint ganz Südafrika zu
sein. Im Osten kennen wir Tette (Mozambique), im Westen die
Walfischbay als seine nördlichsten Fundpunkte. Im Süden geht er
bis zum Caplande.
4. Opisthophthalmus pallidipes Thor.
? 1843 Opisthophthalmus pallipes €. L. Koch (Arachn. X, p. 3, fig. 757) J.
1877. Opisthophthalmus pallidipes Thor. (Atti. Soc. ital. XIX, p. 227).
Ob der OÖ. pallipes C. L. Koch in der That mit der von
Thorell beschriebenen Form identisch ist, scheint mir aus dem Grunde
Rn
s8 Scorpionidae: Scorpionini.
nicht ganz sicher, als das Koch’sche Exemplar „ungekörnte“ dorsale
Abdominalsegmente besitzen soll, während sie bei der Thorell’schen
Art an den Seiten deutlich feinkörnig sind. Uebrigens war das
Koch’sche Exemplar sicher ein Männchen, während Thorell ein
Weibchen vor sich hatte, so daß die aufgeführte Verschiedenheit viel-
leicht als Geschlechtsunterschied zu betrachten ist, falls nicht Koch
die feine Körnelung einfach übersehen hat. In allen übrigen Charakter-
merkmalen stimmen beide Beschreibungen sehr gut überem.
Die Färbung der Oberseite des Körpers ist dunkel pechbraun
mit scharf abgesetztem, hellerem, gelbrothem Spiegel. Blase ebenfalls
nebst den Beinen ledergelb. Oberfläche der Hand gelbroth mit
schwarzem Fingerkiel. Unterseite schmutzig lederbraun.
Cephalothorax mit glattem, eingestochen punktirtem Spiegel,
der sich äußerst scharf von den grob buckelig körnigen Seitentheilen
abhebt. Vorderrand etwas gestutzt, kaum crenelirt, in der Mitte kaum
eingeschnitten. Mittelfurche durchgehend, nach vorn ein langes, grob-
körniges Stirndreieck bildend, nach hinten vor dem weit zurück-
liegenden Augenhügel eine ovale, körnchenbesetzte Längsgrube bildend,
dann den Augenhügel tief durchschneidend und am Hinterrande in
einer _L förmigen, gekörnten Grube endigend. Mittelaugen mehr als
doppelt so weit vom Vorderrande, als vom Hinterrande entfernt
(gemessen 13 mm : 5,5 mm), und weit hinter der Mitte der Entfernung
von der Spitze des Stirndreiecks bis zum Hinterrande (S mm : 5,5 mm).
Seitenaugen von buckelkörnigem Wulst überdeckt.
Abdominalringe beim Weibchen namentlich an den Seiten
zerstreut feinkörnig, letztes Glied grobkörnig. Unterseite der Bauch-
ringe sämmtlich durchaus glatt und glänzend, äußerst fein nadelstichig;
letztes ohne Andeutung von Kielen.
Cauda oberseits mit breiter, im I. und II. Segment gekörnter,
sonst glatter Rinnenfurche. Ihre begrenzenden Cristen sämmtlich
körnige, im I1.—IV. mit deutlich größerem Endzahn. Obere Seiten-
eristen im I. Segment glatt, im Il.—IV. deutlich grobkörnig, im V.
schwach durch einzelne Körnchen angedeutet, nach dem Ende zu
verschwindend. Untere Mediankiele im I.—III. Segment völlig glatt und
ungekörnt; ebenso im I. und Il. die unteren Lateralkiele. Im IV. Segment
alle unteren Kiele deutlich und grob gekörmt, im V. fast dornig.
Untere Caudaltlächen fast glatt und ungekörnt in den vorderen Segmenten,
feinkörnig in den hinteren. Ebenso die oberen Seitenflächen. Blase
glatt und glänzend. .
Oberarm auf der oberen, wie auf der unteren Fläche grob
buckelig körnig, mit scharf ausgeprägten, bucklig körnigen Randkielen.
Gatt. Opisthophthalmus. 89
Hinterrandkiel fast bis ans Ende reichend. Unterarm mit mäßigem
Grundhöcker der Vorderseite, Oberkante nach dem Grunde zu etwas
körnig. Mittelkiel der Hinterfläche ebenfalls etwas körnig. Unter-
seite flach, glatt, ihr glatter Hinterrand in der Mitte verschwindend.
Längs desselben emige Haargrübchen.
Hand (beim Weibchen) breit, mit halbherzförmigem Grunde.
Oberhand mit glattem, schwarz gefärbtem Fingerkiel. Innenfläche der
Oberhand schwach gewölbt, sehr schwach netzig buckelig, fast glatt,
nadelstichig punktirt, ohne entwickelte Nebenkiele.e Außenfläche mit
getrennten, rundlichen Buckelkörnern besetzt, ohne durchgehenden
Längskiel. Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand bei
2 gemessenen Weibchen = 1:0,5 bis 1:0,62. Länge der Hinterhand
zur Handbreite = 1:1,27 bis 1:1,33. Größte absolute Maaße für
Finger, Hinterhand und Handbreite beim Weibchen 18, 11,5 und
14,5 mm.
Die Oberschenkel sind zerstreut feinkörnig, die Unter-
schenkel glatt. Endtarsen an den Seitenloben außenseits meist mit 4,
innenseits mit 5 Dornen. Außerdem längs dieses Tarsengliedes
außenseits 2—3, innenseits 4—5 Dornen. Dorsaler Krallenlappen
ziemlich kurz, kaum so lang als die Seitenloben.
Die Zahl der Kammzähne schwankt beim Weibchen um 20
herum, dürfte aber beim Männchen (nach Koch) bis 27 betragen.
Der ftlachbogige Kammgrund des Weibchens ermangelt auf etwa Y
der Kammlänge der Bezahnung.
Das Verhältniß des Trunceus zur Cauda war bei dem einzigen
mir zu Gebote stehenden vollständigen Exemplar — dem Thorell’schen
Örigmalexemplar fehlen die letzten Caudalglieder — gleich 56 : 60 mm.
In Färbung und Habitus hat unsere Art einige Aehnlichkeit
mit dem OÖ. latimanus Koch, ist aber von Letzterem leicht durch den
Besitz des Stirndreiecks und die grobe Körnelung der Seiten des
Cephalothorax zu unterscheiden.
Die Heimath des ©. pallidipes ist augenscheinlich Südafrika.
Das Lübecker Museum besitzt ein sehr schön erhaltenes trockenes
Exemplar aus dem Namaqualande.
5. Opisthophthalmas intermedius n. sp.
Von dieser Art liegen mir, außer einem Weibchen aus dem
Kopenhager Museum, nur zwei Exemplare aus dem Stuttgarter Museum
vor, die ich bei aller Verschiedenheit doch als Männchen und Weib-
chen in Anspruch nehmen zu sollen glaube, nicht allein weil sie von
demselben Sammler an demselben Fundort erbeutet wurden, sondern
90 Scorpionidae: Scorpionini.
weil sie thatsächlich nur in allen denjenigen Charaktermerkmalen
differiren, die wir auch sonst als Geschlechtsunterschiede in dieser
Gattung kennen lernen. — Den Namen O. intermedius habe ich ge-
wählt, weil unsere Form nach dem ganzen Habitus und dem wenn
auch nur schwach ausgeprägten Stirndreieck der capensis- oder
pilosus-Gruppe angehört, während die mangelnde Körnelung auf der
Mittelfläche des letzten Bauchsegments den Uebergang zu den Arten
mit völlig glattem Endsegment vermittelt.
Färbung: Der Spiegel des Cephalothorax ist hell lehmgelb und
hierdurch äußerst scharf von den dunkel rothbraunen Seitenflächen
abgesetzt. Das Abdomen ist oberseits schmutzig braungrau mit
helleren Hinterrändern der Segmente, die Cauda scherbengelb mit
röthlichen Cristen, die Blase hellgelb. Beine gelb bis rothgelb.
Oberarm mit dunkelfarbigen Kanten; Hand gelbroth bis röthlich, mit
dunklem Fingerkiel und rothbraunen oder dunklen Fingern.
Spiegel des Cephalothorax fast glatt, höchstens mit einzelnen
Runzeln, wenig glänzend, sehr scharf von den dicht grobkörnigen
Seitenflächen abgesetzt. Hinterecken des Cephalothorax wieder fein-
körniger. Medianfurche durchgehend, nach vorn undeutlich gabelig
und ein langes schmales Stirndreieck nur schwach (namentlich an
der proximalen Spitze) hervortreten lassend; gegen den Augenhügel
jederseits von einer kurzen Körnchenreihe flankirt.
Abdominaloberseite bei beiden Geschlechtern oberseits
dicht feinkörnig, im letzten Segment grobkörnig. Mediankiel nur als
schwacher Höcker hervortretend.. Auf der Unterseite die 4 ersten
Bauchsegmente völlig glatt, nur fein nadelstichig oder etwas -rissig; letztes
Segment auf der Mittelfläche ebenfalls glatt oder fast glatt (äußerst winzige
Körnchen), an den Seiten aber deutlich feinkörnig und jederseits eines
ziemlich deutlichen Längskiels mit grubenartiger Vertiefung in den Ecken.
Cauda beim Weibchen schwach, wenig länger als der Truncus,
beim Männchen robust, viel länger als der Truncus. Längsrinne der
Oberseite breit, im I. und II., oft auch im III. Segment mit einzelnen
Körnchen besetzt. Die begrenzenden Kiele in allen Segmenten körnig,
roth gefärbt, ebenso die oberen Seitenkiele, welche indeß im V. Segment
nur zur halben Länge des Segments reichen. Untere Caudalkiele
sämmtlich scharf hervortretend, die der ersten Segmente fast glatt
und nur in Interwallen etwas crenelirt, die der hinteren Segmente
deutlicher reihenkörnig. Flächen zwischen den Kielen sämmtlich hohl-
kehlig vertieft, in den ersten Segmenten glatt oder kaum gekörnt, im
III. bis V. Segment mit deutlicheren schwachen Körnchenreihen. Seiten-
flächen der Cauda ebenfalls mäßig kömig. Blase glatt, borstig.
Gatt. Opisthophthalmus. 9]
Oberarm auf der oberen Fläche mäßig grobkörnig, beim
Männchen mit stark, beim Weibchen mit schwach entwickelter Vorder-
kante. Unterfläche ebenfalls gekörnt; ihr Hinterrand erst kurz vor
dem Gelenk verschwindend. Unterarm auf der Vorderfläche gekörnt,
OÖberrandkante etwas crenelirt; Hinterfläche mit mehreren crenelirten
Längskielen; Unterfläche glatt, gewölbt, mit hinter der Mitte ver-
schwindender Hinterrandkante.
Hand mit fast glattem, schwarzem Fingerkiel, beim Weibchen
gedrungen, ziemlich breit, mit halbherzförmigem Grunde, beim Männchen
gestreckt, mit langen Fingern. Innere Fläche der Oberhand beim
Weibchen gewölbt, dicht mit flachen und an einander gedrängten
Buckeln besetzt, beim Männchen flacher, mit äußerst wenig hervor-
tretenden flachen Vorwölbungen. Von Nebenkielen nur am Grunde
des unbeweglichen Fingers eine schwache Andeutung. Aeußere Fläche
der Oberhand gröber gebuckelt, mit deutlicherem Nebenkiel in der
Mittellinie. Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand beim
Weibchen = 1: 0,65. 11:7,% resp. 13,8: 8,8 mm), beim Männ-
chen = 1:0,47 (= 17:8 mm). Verhältniß der Hinterhandlänge
zur) breite beim Weibchen; —. 121,2 (= %,2 :.9 resp. 8,8 2 II. mm),
beim Männchen — 1:1 (= 8:8 mm).
Oberschenkel schwach feinkörnig, Unterschenkel glatt. End-
loben des letzten Tarsengliedes der beiden hinteren Beinpaare außen-
seits mit 4, innenseits mit 5 Dornen. Außerdem längs der Unterseite
dieser Tarsenglieder innenseits je 2—4, außenseits 2 Dornen. Dorsaler
Krallenlappen etwa so lang, als die Seitenloben.
Zahl der Kammzähne beim Weibchen 14—15, beim Männchen
17, 17. Kammgrund beim Männchen scharf rechtwinklig, beim
Weibchen etwas stumpfer, mit etwas gebogenem Schenkel, und die
Kämme erst in einiger Entfernung vom Grunde beginnend.
Verhältniß des Truncus zur Cauda beim Weibchen = 31 : 37
resp. 32:44 mm, beim Männchen — 37 : 49 mm.
Fundort: Das Capland.
6. Opisthophthalmus latimanus C. L. Koch.
? 1800 Scorpio capensis 2 Herbst (Naturg. d. Scorp., p. 63, Tfl. V, Fig. 3).
1841 Opisthophthalmus latimanus €. L. Koch (Arachn. VII, p. 65, Fig. 640).
Von dieser Art liest mir nur das Koch’sche Originalexemplar
und ein mit „O minax Thor‘ bezeichnetes Exemplar des Berliner
Museums vor, doch habe ich mich vergebens in den Thorell’schen
Schriften nach einem OÖ. minax umgesehen.
99 Seorpionidae: Scorpionini.
Die Färbung der Oberseite ist dunkel pechbraun, mit dunkel
lederbraunem Spiegel. Blase und Beine sind ebenfalls lederbraun,
Arme und Hände sowie die Bauchringe wieder dunkel, fast schwarz.
Das trockene Koch’sche Originalexemplar erscheint fast einfarbig
dunkel pechbraun.
Der Spiegel des Cephalothorax ist durchaus glatt und glänzend,
punktirt nadelstichig. Die Seitentheile sind schwach gekörnt, so daß
der Spiegel ohne scharfe Abgrenzung in dieselben übergeht. Der
Stirnrand ist vorn flach bogig, in der Mitte kaum eingeschnitten.
Die Medianfurche nach vorn ohne Stirndreieck, nach hinten bis durch
den Augenhügel ziehend, mit durchaus glatten Seitenrändern. Hinter-
randeindruck gekörnt.
Abdomen oberseits namentlich an den hinteren Seitenwänden
der Segmente runzelig körnig, auf den Endsegmenten grobkörnig.
Mediankiel durchgehend, eine ziemlich breite, glatte Längsleiste in
jedem Segment, von seitlichen Vertiefungen flankirt. Die 4 ersten
Bauchsegmente völlig glatt und glänzend, nadelstichig; das letzte
ebenso, aber mit Andeutung von Längskielen und flachen Höckern
an den Seiten.
Cauda beim Weibchen etwas kürzer als der Truncus, oberseits
mit flacher, breiter, im den ersten 2—4 Segmenten ziemlich grob-
körniger Rinnenfurche. Ihre begrenzenden Cristen sämmtlich körnig
entwickelt, aber ohne stärker hervortretenden Endzahn. Obere
Seitenkiele ebenfalls sämmtlich körnig, im V. Segment nur durch eine
verkürzte Körnchenreihe angedeutet. Untere Median- und Lateral-
cristen sämmtlich als erhabene Kiele scharf hervortretend, die der
ersten Segmenten fast glatt und nur etwas crenelirt, die der letzten
deutlicher reihenkörnig. Flächen zwischen den unteren Caudalkielen
in den ersten Segmenten fast ungekörnt, nur runzelig, im II. bis
V. Segment deutlicher körnig. Obere Seitenflächen sämmtlich körnig.
Blase glatt, borstig.
Oberarm oberseits dicht grobkörnig, ohne scharfe Vorder-
kante (Weibchen), unterseits fast nur mit einigen groben Reihen-
körnchen am Hinterrande. Letzterer in ®3 der Länge des Gliedes
verschwindend. Unterarm vorderseits etwas körnig, mit kaum
merklichem Grundhöcker, oberseits mit crenelirter Kante. Hinterfläche
der Länge nach mit 2—3 Reihenwulsten. Unterseite gewölbt, glatt,
mit hinter der Mitte verschwindender Hinterrandkante.
Hand ziemlich breit und gedrungen (Weibchen). Fingerkiel
aus unterbrochenen Längstwulsten gebildet. Innere Fläche der
Oberhand mit flachen, gedrängten, zusammenfließenden und nadel-
Gatt. Opisthophthalmus. 93
stichig punktirten Buckeln besetzt, welche kaum eine Spur von Neben-
kielen erkennen lassen. Aeußere Fläche mehr isolirt-buckelig, mit
Andeutung eines medianen Nebenkiels am distalen Ende. Verhältnit
des beweglichen Fingers zur Hinterhand = 1:0,53 bis 1:0,64.
Verhältniß der Hinterhandlänge zur Handbreite = 1: 1,22 bis 1: 1,26.
Größte absolute Maaße für Finger, Hinterhand und Handbreite
77,010 und 12,2 mm.
Oberschenkel schwach feinkörnig, Unterschenkel fast glatt.
Endloben des letzten Tarsengliedes außenseits mit 4, innen mit 5 Dornen
besetzt. Außerdem längs der Unterseite dieser Tarsenglieder am 3.
und 4. Beinpaar innenseits je 4, außenseits 2 Dornen. Dorsaler
Krallenlappen länger als die Seitenloben.
Zahl der Kammzähne (beim Weibchen) 13, 13. Kammgrund
fast rechtwinklig, aber mit etwas bogigen Schenkeln und an der Ecke
gerundet.
Verhältniß des Truncus:Cauda = 40:38 und 47:46
(Koch’sches Exemplar). In seiner dunklen Färbung erinnert der
O. latimanus in etwas an den O. pallidipes, ist aber von diesem leicht
durch das fehlende Stirndreieck, die fehlenden Enddornen der Caudal-
eristen und die schwache Körnelung der Seiten des Cephalothorax zu
unterscheiden.
Die Heimath dieses Scorpions ist das Capland.
7. Opisthophthalmus calvus L. Koch.
1867 Opisthophthalmus calvus L. Koch (Verh. Zool. bot. Ges. Wien XVI., p. 233).
Nur mit Widerstreben entschließe ich mich, diese von L. Koch
nach einem äußerst schlecht erhaltenen Exemplar des Museums Godeffroy
aufgestellte Art vorläufig anzuerkennen, da sie in fast allen Stücken,
soweit man urtheilen kann, mit der vorhergehenden Art übereinstimmt.
Die Färbung des OÖ. calvus ist — wohl eine Folge der
schlechten Conservirung — einfarbig dunkel.
Der Spiegel des Cephalothorax ist zwar ebenfalls glänzend
und nadelstichig, aber er ist nicht so glatt, wie der des O. latimanus,
sondern etwas grubig-runzelig und gegen den Stirnrand sogar feinkörnig.
Die Rückensegmente des Abdomens hingegen sind kaum stärker
gekörnelt, als bei jener Art, wie L. Koch anzunehmen scheimt. Das
letzte Bauchsegment zeigt die Längskiele etwas deutlicher und ist auch
auf der Fläche etwas mehr grubig-buckelig.
Der einzig in die Augen springende Unterschied indessen liegt
in der Hand, welche im Gegensatze zu O. latimanus auf seiner inneren
Oberhandfläche zwei wohl ausgebildete, aus zusammenfließenden Buckeln
94 : Seorpionidae: Scorpionini.
hervorgegangene Nebenkiele zeigt. So lange daher nicht nachgewiesen,
daß bei einer und derselben Art die Nebenkiele der Oberhand bald
ganz verschwinden, bald typisch entwickelt sein können, wird man die
Berechtigung der vorstehenden Art anerkennen müssen, so sehr sie in allen
übrigen Merkmalen als das getreue Nachbild des O.latimanus sich darstellt.
Die Zahl der Kammzähne beträgt 12, 12. Als orientirende
Maaße seien noch angegeben: Verhältniß des beweglichen Fingers zur
Hinterhand = 1: 0,61 (11,5:7 mm), der Hinterhandlänge zur Hand-
breite = 1:1,35 (11,5 :9,5 mm). Verhältniß des Truncus zur
Cauda, = 45357:
Als Fundort ist angegeben: Südafrika.
8. Opisthophthalmus austerus Karsch.
1879. Opisthophthalmus austerus Karsch (Münch. Ent. Mittheil. 1879, p. 128).
? 1880. Opisthophthalmus colesbergensis Sim. (Soc. ent. France [5] X., p. 588)
Da ich die Originalexemplare beider Autoren nicht gesehen
habe, so kann ich die Synonymie der vorstehend aufgeführten Arten
nur aus den Diagnosen vermuthen. Diese stimmen allerdings sehr gut
zu einander, zumal mir Herr Dr. Stadelmann als Ergänzung der
Karsch’schen Diagnose noch ausdrücklich mittheilt, daß das letzte
Bauchsegment bei O. austerus durchaus glatt und ungekörnt ist.
Färbung der Oberfläche des Körpers scherbengelb bis
rothbraun, mit etwas hellerem Spiegel des Cephalothorax. Beine
lehm- bis ledergelb. Arme dunkel rothbraun, Hände einfarbig rothbraun
mit wenig dunklerem Kielstreifen, aber dunkleren Fingern.
Spiegel des Gephalothorax durchaus glatt und glänzend,
fein eingestochen punktirt, ganz allmählich in die ziemlich feinkörnigen
Seiten übergehend.
Abdomen oberseits nur fein rauh, mit Ausnahme des letzten
Segments nicht deutlich körnig. Mittelkiel ein schwacher, aber
deutlicher, glatter Längswulst. Die Segmente der Bauchseite — auch
das letzte — völlig glatt und ungekörnt.
Cauda oberseits mit breiter, flacher, in den ersten 4 Segmenten
gekörnter Rinnenfurche. Ihre begrenzenden Kiele sämmtlich körnig,
im IIL.—IV. Segment mit großem, spitzem Enddorn. Obere Seitenkiele
_ ebenfalls sämmtlich körnig, im V. Segment allmählich verschwindend.
Untere Caudalkiele sämmtlich entwickelt, in den ersten Segmenten
fast glatt (nur mit einzelnen eingestochenen Punkten), in den letzten
fast sägezähnig. Fläche zwischen den unteren Caudalkielen in den
ersten Segmenten glatt, in den hinteren etwas reihenkörnig. Obere
Seitenflächen gekörnt.
Gatt. Opisthophthalmus. 95
Oberarm oberseits dichtkörnig, unterseits etwas weitschichtiger
gekörnt, ohne deutlichen Hinterrandkiel. Unterarm vorderseits
dichtkörnig, mit deutlichem Grundhöcker, mit crenelirter Oberkante
und grobkörniger, 2% gekörnte Kiele tragender Hinterfläche. Unterseite
mehr oder weniger grubig höckerig, mit fast bis ans Ende reichender
Hinterkante.
Hand verhältnißmäßig schmal bei beiden Geschlechtern, kaum
herzförmig. Handkiel glatt, oder am Grunde körnig, rothbraun.
Innere Fläche der Oberhand fein buckelig körnig, beim Männchen
flacher als beim Weibchen, ohne oder — beim Männchen — mit nur
schwacher Andeutung eines Nebenkiels. Aeußere Fläche der Oberhand
rundlich-körnig, mit kaum oder schwach angedeutetem Nebenkiel.
Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand beim Weibchen =
1:0,8, beim Männchen = 1:0,75. Verhältniß der Hinterhandlänge
zur Handbreite beim Weibchen = 1: 0,83, beim Männchen = 1: 0,87.
Absolute Maaße für Finger, Hinterhand und Handbreite beim
Weibchen = 7,5, 6 und5 mm, beim Männchen = 10, 7,5 und 6,5 mm.
Das mir zu Gebote stehende Weibchen ist sehr jugendlich.
Oberschenkel fast glatt oder kaum körnig. Unterschenkel
glatt. Dornen der Endtarsen wie bei O. latimanus.
Kammzähne beim Weibchen 14—17, beim Männchen 19—23.
Kammgrund beim Männchen rechtwinklig, beim Weibchen stumpfwinklig
mit bogenförmigem Schenkel.
Verhältniß des Truncus zur Cauda beim Weibchen =
1720.84 bis 1.20.92 beim Männchen 1 0,99 bis I :1,1. Größte
absolute Länge des Körpers beim Männchen 77, beim Weibchen 64 mm.
Fundorte: Capland und Griqualand.
9. Opisthophthalmns macer Thor.
1877 Opisthophthalmus macer Thor. (Atti soe. ital. XIX, p. 236).
? 1877 Opisthophthalmus fallax Thor. (ihid, p. 238).
Da der ©. fallax vom O. macer sich wesentlich nur durch die
geringere Kammzahl und die gedrungenere Form der Hände unter-
scheiden soll, so glaube ich ihn ohne große Bedenken als Weibchen
dieser Art ansprechen zu dürfen.
Die Färbung des Spiegels des Cephalothorax ist bleichgelb bis
gelbroth, die der Seitentheile lederbraun oder rothbraun. Abdomen
und Cauda sind oberseits ebenfalls lederbraun oder rothbraun,
desgleichen die Beine und die schwarzkieligen Hände. Finger meist
dunkler. — Der O. fallax Thor. ist im Allgemeinen dunkler gefärbt
und hat gefleckte Hände.
96 Scorpionidae: Scorpionini.
Spiegel des Cephalothorax auf der ganzen Fläche dicht
und deutlich gekörnt. Körnchen des Spiegels meist nur wenig feiner
als die der Seiten des Öephalothorax, so daß eine Begrenzung des
Spiegels wesentlich durch die dunklere, aber zuweilen fehlende Färbung
der Seitentheile bewirkt wird. Medianfurche nach vorn ohne Stirn-
dreieck, nach hinten jenseits des Augenhügels in die _L förmige Grube
des Hinterrandes übergehend.
Abdomen oberseits in allen Segmenten dicht feinkörnig, im
letzten grobkörnig. Ein Mediankiel meist durch einen kleinen mittel-
ständigen Buckel in den Segmenten angedeutet, nicht ein breiter,
glatter Längsstreif, wie bei O. latimanus, und nicht von seitlichen
Gruben flankirt. Die 4 ersten Segmente der Unterseite glatt,
eingestochen punktirt (Weibchen) oder quer nadelrissig; letztes Segment
etwas grubig auf der Mittelfläche oder nadelrissig, an den Seiten
runzelig oder körnig, mit Andeutung von Längskielen beim Männchen
und flach grubiger Vertiefung in den Hinterecken.
Cauda beim Weibchen kürzer, beim Männchen länger als der
Truncus und bedeutend robuster, Cristen- und Flächenausbildung im
Allgemeinen derjenigen des O. latimanus entsprechend; Flächen beim
Männchen aber oft stärker gekörnt als beim Weibehen. Die Begrenzungs-
eristen der dorsalen Rinnenfurche oft mit etwas größerem Endzahn.
Oberarm oberseits ziemlich feinkörnig, namentlich beim
Weibchen, wo auch die Körnchenreihe der Vorderkante nur schwach
entwickelt ist. Unterseite fast körnchenlos, ihr Hinterrand etwa in
der Mitte des Gliedes verschwindend. Unterarm wie bei O. latimanus.
Hand beim Weibchen breit und gedrungen, beim Männchen
schmäler und länger. Fingerkiel glatt oder doch nur am Grunde
gekörnt, schwarz. Innere Fläche der Oberhand beim Weibchen dicht
mit ganz flachen, gedrängsten, unregelmäßig geformten Buckeln besetzt,
aus denen 2 schwarz markirte Nebenkiele sich deutlich als größere
juckelreihen hervorheben. Beim Männchen sind die Buckel der
Fläche mehr rundlich körnig, isolirt, vielfach auf den Kuppen schwarz
getupft; die beiden Nebenkiele als deutliche schwarze Körnchenreihen
hervortretend. Aeußere Fläche der Oberhand bei beiden Geschlechtern
mehr getrennt körnig, mit bis zum Grunde reichendem Mittelkiel.
Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand beim Weibchen
= 1:0,65, beim Männchen — 1: 0,48 bis 1: 0,53. Verhältniß der
Hinterhandlänge zur Handbreite beim Weibchen —= 1:1,35, beim
Männchen — 1:1,08 bis 1:1,2. Größte absolute Maaße für
Finger, Hinterhand und Handbreite beim Weibchen 11, 7,2 und 9,8,
beim Männchen 15, 8 und 9 mm.
Gatt. Opisthophthalmus. 97
U
Oberschenkel feinkörnig, Schienbein der hinteren Beine beim
Männchen ebenfalls körnig, beim Weibchen fast glatt. Dornen der
Endtarsen wie bei O. latimanus. Dorsaler Krallenlappen etwa so lang
als die Seitenloben.
Zahl der Kammzähne beim Weibchen 14, 14, beim Männchen
14—16. Kammgrund beim Weibchen etwas bogig, beim Männchen
rechtwinklig, aber mit etwas vorgezogenem Eck.
Verhältniß des Truncus zur Cauda beim Weibchen = 40:35,
beim Männchen 35 : 44, resp. 31: 39.
Die ausgesprochene Körnelung des Spiegels und die stark
entwickelten Nebencristen sind die wesentlichen Merkmale, welche
unsere Art vom O0. latimanus unterscheiden. Der O. calvus bildet
mit seinen ausgeprägten Nebenkielen der Hand und glattem Spiegel
des Cephalothorax eine Mittelform, die aber immerhin mehr dem
O. latimanus als der vorstehenden Art sich hinneigen dürfte.
Die Heimath des O. maceı ist ebenfalls das Capland.
10. Opisthophthalmus capensis (Herbst).
1800 Scorpio capensis Herbst (Naturg. d. Scorpione, p. 62, Tf. V., fig. 2). $
?1838 Opisthophthalmus capensis C. L. Koch (Arachn. IV, p. 89, fig. 308).
1838 Opisthophthalmus maxillosus ©. L. Koch (ibid. IV, p. 93, fig. 310).
1861 Opisthophthalmus capensis Pet. ad part (Monatsber. Berl. Akad. 1861, p. 512).
1877 Opisthophthalmus capensis Thor. (Atti. soc. ital. XIX, p. 227).
Der Opisthophthalmus capensis Herbst 5 ist von Thorell in
seinen Etudes scorpiologiques so gut charakterisirt worden, daß er
ohne Schwierigkeit wieder zu erkennen ist. Was C. L. Koch unter
seinem O. capensis verstanden, wage ich nicht mit Sicherheit zu ent-
scheiden. Der in der Münchener Sammlung als O. capensis bezeichnete
Scorpion erweist sich in der That, wie Thorell meint, als O. pilosus
C. L. Koch, während das Exemplar der Sturmschen Sammlung mit
dem Thorell'schen O. macer identisch ist. Andererseits führt der
wahre O capensis der Münchener Sammlung den Namen O. pilosus
- (so daß man an eine Verwechselung der Etiketten glauben möchte),
während das Exemplar der Sturm’schen Sammlung als O. latimanus
bezeichnet ist. Der OÖ. maxillosus dieser Sammlung erweist sich
ohne Weiteres als jugendlicher O. capensis. Außerdem enthält diese
Sturm’sche Sammlung unter richtiger Etikette den O. pilosus ©. L. Koch,
das Originalexemplar der Koch’schen Beschreibung. Es beweist dieser
Umstand einmal, daß in der Münchener Sammlung augenscheinlich
nachträglich die beiden Etiketten für capensis und pilosus verwechselt
sind, und Koch wahrscheinlicher Weise den echten Herbst’schen
-
4
98 Scorpionidae: Scorpionini.
O. capensis ebenfalls als capensis beschrieb, sowie andererseits, daß
Peters im Irrthum war, wenn er den OÖ. pilosus C. L. Koch mit dem
O. capensis Koch vereinigte. 0. pilosus Koch ist nach den mir vor-
liegenden Originalexemplaren vielmehr identisch mit dem 0. latro
Thor. und sicher als selbständige Art zu betrachten.
Die Färbung des O. capensis ist sehr variabel. Der Spiegel
des Cephalothorax ist in der Regel rein lehmgelb und wird beidseitig
von je einem breiten rothbraunen bis dunkelbraunen Streifen flankirt,
welche gegen den Hinterrand convergieren. Bei helleren Individuen
sind dann die Seitentheile des Cephalothorax wieder heller, bis lehm-
gelb, während bei dunkleren Exemplaren die dunkleren Streifen bis
fast an den äußeren Seitenrand des Cephalothorax sich ausdehnen
können. Die Oberseite des Abdomens ist bei helleren Individuen fast
einfarbig lehmgelb, mit etwas satterer Färbung in der Mitte der
Segmente. Bei dunkleren Exemplaren sind die Segmente bis auf
einen meist helleren Hinterrand ganz dunkel rothbraun. Die Cauda
ist einfarbig lehmgelb, gelbroth oder rothbraun, ebenso die Beine und
Arme. Die Handfläche ist meist lehmgelb oder gelbroth, doch sind
Außen- und Innenkante der Hand wie der Fingerkiel in der Regel
schwarz gefärbt, wie denn auch die beiden Finger dunkele Färbung
zeigen. Die Unterseite des Truncus varürt vom bleichen Grüngelb
bis dunkel Grünbraun.
Cephalothorax mit dicht flachkörnigem, auf der Wölbung
zuweilen fast glattem Spiegel, der sich namentlich in Folge der
Aenderung der Farbe ziemlich scharf von den etwas gröber gekörnten
Seitentheilen absetzt. Vorderrand etwas gestutzt, in der Mitte wenig
vertieft und kaum eingeschnitten. Mittelfurche durchgehend, nach
vorn ein mäßig langes, gekörntes Stirndreieck einschließend, nach
hinten ohne ausgeprägte Grube vor dem Augenhügel, letzteren durch-
ziehend und vor der _L förmigen Grube des Hinterrandes verschwindend
oder in diese übergehend. Mittelaugen ziemlich doppelt so weit vom
Vorderrande als vom Hinterrande entfernt (Gemessen 1: 1,8 bis 1: 2,33,
im Mittel also etwa 1:2). Von den Seitenaugen das hintere meist
am größten.
Abdominalringe oberseits bei beiden Geschlechtern ziemlich
dicht gekörnt, namentlich an den Seiten; letztes Glied fast gleichmäßig
srobkörnig. Unterseite des Abdomens auf den ersten 3 Ringen völlig
glatt und glänzend, vorletzter zuweilen auf der Mittelfläche mit einigen
zerstreuten Körnchen, letzter Ring dicht und gleichmäßig reiben-
artig-körnig.
Gatt. Opisthophthalmus. 99
Cauda oberseits mit breiter, im I. und II. Segment feinkörniger,
sonst glatter Rinnenfurche. Ihre begrenzenden Cristen sämmtlich
körnig und im I.—IV. Segment in einen stärkeren Enddorn
auslaufend. Obere Seiteneristen im I.—IV. Segment deutlich gekörnt,
im V. nach dem Ende verschwindend. Untere Mediankiele im I. und
auch fast im II. Segment völlig fehlend, im III. und IV. körnig, im
V. fast gesägt. Untere Lateraleristen im I. und U. schwach markirt,
im III. und IV. deutlicher, körnig. Unterfläche der Cauda im I. Segment
völlig von gleichmäßigen groben Buckeln bedeckt, im II. und IV.
feinkörniger und die Cristen mehr und mehr hervortreten lassend.
Obere Seitenflächen der Cauda ebenfalls meist etwas körnig. Blase
glatt, nebst den Endgliedern langborstig behaart.
Oberarm auf der oberen Fläche gleichmäßig grobkörnig,
auf der unteren Fläche mehr reihen-körnig. Randcristen mäßig, die
des unteren Hinterrandes hinter der Mitte verschwindend. Unterarm
mit schwachem Grundhöcker am Vorderrande, fast glatter Oberkante
und wenig hervortretenden Kielen der gewölbten Hinterfläche.
Unterfläche glatt, etwas gewölbt, mit im Enddrittel verschwindendem
Hinterrandkiel.
Hand ziemlich breit, mit halbherzförmigem Grunde. Oberhand
mit glattem, schwarzem Fingerkiel; ihre innere Fläche etwas gewölbt,
mit flachen, zum Theil verschmelzenden und fen punktirten Buckeln
besetzt. Nebenkiele auf dieser Fläche höchstens durch Spuren zweier
schwarzer Längsstriche angedeutet. Aeußere Fläche der Oberhand
ebenfalls dicht flachbuckelig, am Grunde des beweglichen Fingers mit
Andeutung eines kurzen, glatten Nebenkiels. Verhältniß des beweglichen
Fingers zur Hinterhand beim Weibchen = 1:0,71 bis 1:0,87, beim
Männchen — 1:0,62 bis 1:0,71. Verhältniß der Hinterhandlänge
zur Handbreite beim Weibchen =1:1,1 bis 1: 1,2, beim Männchen —
1:0,71 bis 1:1, doch ist zu bemerken, daß mir nur jugendliche
Männchen zu Gebote standen, die wahrscheinlich die normalen
Verhältnisse der Ewachsenen noch nicht zeigen. Größte absolute
Maaße für beweglichen Finger, Hinterhand und Handbreite beim
Weibchen 11,5, 8,2 und 9,2 mm.
Die Oberschenkel sind feinkörnig, die Unterschenkel glatt.
Endtarsen an den Seitenloben außenseits mit 4 (seltener 5), innenseits
meist mit 5 Dornen. Außerdem längs des Tarsenendgliedes des letzten
Beinpaares innenseits 4, außenseits kein Dorn, während sich am
vorletzten Beimpaare neben 4 Dornen der Innenseite stets 1 Dorn
der Außenseite findet (Fig. 34). Dorsaler Krallenlappen deutlich länger,
als die Seitenloben.
m
100 Scorpionidae: Scorpionini.
Die Zahl der Kammzähne schwankt beim Weibchen zwischen
10 und 12, beim Männchen zwischen 12 und 15. Der Kammgrund
beider Geschlechter ist nur wenig verschieden: beim Männchen durchaus
rechtwinklig, beim Weibchen etwas bogig-stumpfwinklig.. Auch sonst
sind die Geschlechtsunterschiede nicht sehr hervortretend, und dürften
höchstens noch die etwas schmaleren Hände der Männchen hier
Erwähnung verdienen.
Das Verhältniß von Truncus zur Cauda varürt von 1: 0,92
bis 1:1,26, ohne daß ein Unterschied in der Länge und Stärke der
Cauda bei beiden Geschlechtern bemerklich wäre. Größte absolute
Länge 80,5 mm (Truncus : Cauda = 42: 38,5 mm).
Die Heimath des ©. capensis scheint ausschließlich das
Capland zu sein.
11. Opisthophthalmus pilosus C. L. Koch.
1838 Opisthophthalmus pilosus ©. L. Koch (Arachn. IV, p. 91, Fig. 309).
1861 a capensis Pet. ad part. (Monatsber. Berl. Akad. 1861, p. 512).
1877 “ latro Thor. (Atti soc. ital. XIX, pag. 225).
1880 chaperi Sim. (Soc. ent. France, 5. Ser., X, p. 387).
Daß den Opisthophthalmus latro Thor. mit dan 0. pilosus
C. L. Koch identisch ist, konnte ich durch Vergleichung der beiden
Öriginalexemplare leicht feststellen. Aber auch die Beschreibung des
OÖ. chaperi Sim. paßt so vorzüglich auf unsere Art, daß ich denselben
trotz seiner 19 Kammzähne ohne Bedenken mit ihr vereinige.
Die Färbung varırt m allen Theilen, wie die des O. capensis.
Das Thorell’sche Originalexemplar ist auffallend dunkel gefärbt, so daß
nur die Beine und die Blase das ursprüngliche Lehmgelb zeigen, während
die Seitentheile der Cephalothorax und die Oberarme fast schwarzbraun
erscheinen. Andere Exemplare haben nur jederseits des Spiegels je
einen rothbraunen Längsstreif und rothbraune Cristen der Arme und
Hände. Die Finger sind, wie bei der vorigen Art, ziemlich dunkel
gelbroth bis schwarz.
Die Sculptur des Gephalothorax ist von der des O. capensis
kaum verschieden, der Spiegel indeß vielleicht meist etwas glatter, und
seine Begrenzung noch grobkörniger. Mittelaugen mehr als doppelt
so weit vom Vorderrande als vom Hinterrande entfernt (Gemessen
12222201841: 259).
Abdominalringe oberseits bei beiden Geschlechtern ziemlich
gleichmässig dicht feinkörnig, nach hinten zu gröber. Unterseite im
ersten Segment fast glatt und glänzend, in den zwei folgenden ebenfalls
glänzend, aber deutlich, wenn auch flach, gekörnt, in den beiden letzten
Segmenten matt und dicht buckelig körnig.
Gatt. Opisthophthalmus. 101
Die Cauda entspricht im Allgemeinen völlig der von O. capensis,
doch ist die dichte buckelige Körnelung der Unterseite der zwei ersten
Segmente fast noch mehr ausgeprägt.
Oberarm oben und unten grobkörnig; hintere Unterkante
erst nahe dem Ende verschwindend. Unterarm oft mit crenelirter
Oberkante, unterseits flach, mit jenseits der Mitte verschwindender
Hinterrandkante.
Hand verhältnißmäßig schmal, namentlich beim Männchen.
Oberhand mit gekörntem (Weibchen) oder glattem, schwarzem Finger-
kiel, ihre innere Fläche beim Weibchen etwas gewölbt, mit ziemlich
isolirten Buckeln besetzt und 2 ziemlich deutlichen Nebenkielen, aus
gröberen Körnchen gebildet; beim Männchen fast eben, mit weniger
deutlich hervortretenden Buckeln und Nebenkielen, welche letztere
sogar fast verschwinden können. Aeußere Oberhandfläche beim Weibchen
körnig, beim Männchen fast glatt, mit halb entwickeltem Nebenkiel.
Verhältniß des beweglichen Fingers zur Länge der Hinterhand beim
Weibchen = 1:6,1 bis 1:6,5, beim Männchen = 1:0,55 bis
1 : 0,63. Verhältniß der Hinterhandlänge zur Handbreite beim
Weibehen = 1.7.1. beim Männchen —1 »0,9% bis 1 : 0,97. Größte
absolute Maaße für beweglichen Finger, Hinterhand und Handbreite
beim Weibchen: 13,8, 9, 9,8 mm, beim Männchen: 14,5, 8, 7,8 mm.
Die Oberschenkel sind nur sehr zerstreut feinkörnig oder
fast glatt, die Unterschenkel glatt. Endtarsen an den Seitenloben
außen und innen meist mit 5 Dornen. Außerdem längs des Tarsen-
endgliedes des letzten Beinpaares innenseits 4, außenseits kein Dorn,
während sich am vorletzten Beinpaar neben 4 Dornen der Innenseite
stets ein Dorn auf der Außenseite findet. Dorsaler Krallenlappen
deutlich länger, als die Seitenloben.
Die Zahl der Kammzähne dürfte zwischen I4 und 19
schwanken. Ein Männchen zeigte 16, 17, ein Weibchen 17, 17 Kamm-
zähne, während das Thorell’sche Originalexemplar (5) 14, 15, das
Simon’sche 19 Kammzähne besitzt. Der Kammgrund bildet beim
Männchen einen rechten Winkel, während er beim Weibchen flachbogig
gestreckt ist.
Das Verhältniß des Truncus zur Cauda varürte von 1:1,35
bis 1:1,5, ohne das ein Unterschied des Verhältnisses bei Männchen
und Weibchen constatirt werden konnte. Die Gesammtlänge des
größten Weibchens betrug 87 (= 35+ 52), die des größten Männchens
85 (= 36449) mm. Simon giebt für seinen O. chaperi die Maaße
Truncus : Cauda —= 46 : 48 mm.
102 Scorpionidae: Scorpionini.
67
Die Heimath des O. pilosus ist das Capland und das
Namaqualand. Der Fundort „Java“ für das Koch’sche Original-
exemplar dürfte auf emem Irrthum beruhen.
12. Opisthophthalmus pietus n. sp.
Diese neue Species, von der mir 7 Exemplare vorliegen, gehört
ebenfalls der capensis- Gruppe an, ist aber schon bei flüchtiger
Betrachtung an der bunten Färbung leicht zu erkennen.
Färbung: Die Oberseite des Cephalothorax ist zuweilen fast
einfarbig gelbroth, mit Abtönung nach Lehmgelb in der vorderen
Hälfte des Spiegels; in der Regel aber sind 2 mehr oder weniger
vollständige schwarze, nicht sehr breite Binden (jederseits des Spiegels
eine) vorhanden, welche hinter dem Augenhügel y-artig zusammenfließen.
Die Grundfarbe der Abdomialringe oberseits ist ebenfalls wohl
gelbroth oder lehmgelb, doch tritt dieselbe nur an den Hinterrändern
der Segmente und einem breiten, in jedem Segmente aus dunklem
Grunde neu beginnenden Mittelstreif rein hervor, während der übrige
Theil der Ringe von schwarzem Pigment überkleidet ist. Cauda
gelbroth, mit tief schwarzen Kielen, im V. Segment gebräunt, die helle
Blase ebenfalls meist mit schwarzen Pigmentstreifen oder -fHecken.
Beine gelbroth; ebenso die meist schwarz -cristigen Arme. Hände
mit schwarzem Fingerkiel, schwarzen Nebenkielen und einem die ganze
Fläche maschig überziehenden schwarzen Pigmentnetz. Finger roth-
braun. Unterseite des Abdomens meist schmutzig grünlich gelb, jeder
Ring mit 2—4 schwarzen Längsflecken und die Kuppen der körnigen
Buckel schwarz pigmentirt.
Der Spiegel des Öephalothorax ist glänzend, glatt und fein
eingestochen punktirt, selten ein wenig höckerig. Eine schärfere
Begrenzung desselben ist nur bei den Exemplaren mit schwarzen
Längsstreifen angedeutet, da der bei den beiden vorhergehenden Arten
so ausgeprägte Kranz von gröberen Buckelkörnchen fehlt, und eine
mäßige Körnelung der Seitentheile erst ganz am Abfall zum Rande
ohne scharfe Grenze beginnt. Vorderrand flach gerundet, ganzrandig,
vorn in der Mitte seicht eingeschnitten. Mittelfurche durchgehend,
nach vorn ein mäßig langes, kaum gekörntes Stirndreieck einschließend.
Mittelaugen nicht doppelt, sondern meist nur 12 mal soweit vom
Vorderrande, als vom Hinterrande entfernt (Gemessen 1:1,5 bis
1: 1,78). Seitenaugen von einem schwarzen, glatten Wulst überlagert.
Abdominalringe oberseits glatt und glänzend, nur am
Hinterrande etwas runzelig, letzter Ring mäßig gekörnt. Unterseite
.
des Abdomens in allen 5 Ringen mit buckelförmigen, zum Theil quer
Gatt. Opisthophthalmus. 103
gezogenen Körnchen besetzt, welche vom 1. Segment bis zum letzten
allmählich an Größe und Dichtiekeit zunehmen und vom 2. Segment an
meist schwarze Kuppen haben.
Cauda oberseits mit breiter, auch in den vorderen Segmenten
durchaus ungekörnter Rinnenfurche. Ihre begrenzenden Cristen etwas
kielig-körnig, schwarz und mit größerem Endzahn. Obere Seitencristen
im IL.—V. Segment fast glatt, mit eingestochenen Haargrübchen.
Untere Median- und Lateralkiele im I. und U. Segment fast völlig
durch die Höckerbildungen der gerundeten Fläche verwischt, aber durch
4 schwarze Längsstreifen deutlich markirt. In den folgenden Segmenten
die ebenfalls schwarz gefärbten Kiele etwas stärker hervortretend,
jedoch nur im V. Segment als deutliche sägezähnige Körnchenreihen.
Obere Seitenflächen der Cauda etwas netzig-runzelig, aber nicht körnig.
Oberarm auf der oberen Fläche nur mit wenigen zerstreuten
klemen Körnchen besetzt, ebenso auf der Unterfläche. Vorderkante
der Oberfläche nicht scharf begrenzt. Hinterkante der Unterfläche
erst gegen das Ende verschwindend.. Unterarm mit schwachem
Grundhöcker am Vorderrande, mit körniger Oberkante und schwarz
markirten Kielen der gewölbten Hinterfläche. Unterfläche gewölbt,
glatt, mit im Enddrittel verschwindender, wenig scharfer Hinterrandkante.
Hand ziemlich breit und gedrungen, mit halbherzförmigem
Grunde. Oberhand mit schwarzem, fast glattem Fingerkiel; ihre innere
Fläche gewölbt, mit flachen, aber ziemlich isolirten Buckeln besetzt,
über welche sich ein maschiges Netzwerk schwarzen Pigments erstreckt.
2 Nebenkiele wesentlich nur durch 2 schwarze Längslinien angedeutet.
Aeußere Fläche der Oberhand rundlich-buckelig; auch hier meist
Andeutung eines Mittelkiels. Verhältniß des beweglichen Fingers zur
Hinterhand — 1: 0,66 bis 1: 0,75. Verhältniß der Hinterhandlänge
zur Handbreite = 1:1,1 bis 1:1,4. Ein Unterschied in diesen
Verhältnissen nach dem Geschlecht war nicht festzustellen. Größte
absolute Maaße für beweglichen Finger, Hinterhand und Handbreite:
1:0,.7,:9,8° mm.
Die Oberschenkel sind sehr feinkörnig, die Unterschenkel
glatt. Endtarsen an den Seitenloben außenseits meist mit 4, innenseits
meist mit 5 Dornen. Außerdem längs des Tarsenendgliedes des letzten
wie des vorletzten Beinpaares innenseits je 4, außenseits kein Dorn
(Fig. 35; Gegensatz zu O. capensis und pilosus). Nur in einem Falle
wurde am vorletzten Beinpaar ein schwacher Dorn außenseits beobachtet.
Dorsaler Krallenlappen deutlich kürzer, als die Seitenloben.
Die Zahl der Kammzähne schwankt zwischen 10 und 14
(beobachtet zweimal 10, 11, zweimal 11, 12, zweimal 12, 12 und
104 Scorpionidae: Scorpionini.
einmal 13, 14 Kammzähne |[cJ'?]). Der Kammgrund war bei allen
Exemplaren gestreckt, so daß die Kämme etwa auf Ys ihrer Länge
zahnlos sind. Geringe Verschiedenheiten des Kammgrundes sind vielleicht
als Geschlechtsunterschiede zu deuten.
Das Verhältniß von Truncus zur Cauda varürt von 1: 0,83
bis 1:1,03. Größte absolute Länge 70,5 mm (Truncus : Cauda
==131 : 33,5,mm)).
Die mir vorliegenden Exemplare stammen größtentheils von
Reddersburg im Oranje-Freistaat und sind Eigenthum des Hamburger
Museums. Ein Exemplar vom Cap gehört dem Kopenhagener Museum.
13. Opisthophthalmus glabrifrons Pet.
1861 Opisthophthalmus glabrifrons Pet. (Monatsber. Berl. Akad. 1861, p. 514).
1877 5 laeviceps Thor. (Atti Soc. ital. XIX, p. 228). @
Daß der O. laeviceps Thor. mit dem O. glabrifrons Pet. identisch
ist, konnte ich durch Vergleichung der beiderseitigen Originalexemplare
feststellen.
Die Färbung des OÖ. glahbrifrons ist schmutzig gelbroth bis
rostbraun; der Spiegel nach vorn mehr lederbraun. Beine, Blase und
Arme lederbraun, Finger schwärzlich, Handballen rothbraun.
Der Spiegel des Cephalothorax erschemt glatt und glänzend;
er ist dicht nadelstichig und trägt nur beim Weibchen am vorderen
Stirnrande einige feine Körnchen.
Das Abdomen zeigt oberseits beim Männchen eine deutliche
Körnelung auf allen Segmenten, während dieselben beim Weibchen fast
völlig glatt sind. Der dorsale Mittelkiel erscheint beim Männchen nur
als ein kleines Höckerchen entwickelt, während die vorletzten Bauch-
segmente desselben meist zahlreiche kleine Grübchen besitzen.
Die Cauda des Männchens ist stets länger als der Körper
und bis 8 mm dick, die des Weibchens weit zarter und kürzer als der
Truneus. Die Körnelung der Unterseite des I. und II. Caudalsegmentes
ist beim Männchen auffallend grob und platt, so daß die unteren
Mediancristen fast völlig verwischt werden, und eine vertiefte Mittelrinne
zwischen ihnen namentlich im I. Segment nicht zur Entwickelung kommt.
Beim Weibchen zeigen sich Kiele und vertiefte Zwischenflächen.
Der Oberarm besitzt an seiner oberen Vorderkante bei beiden
Geschlechtern eine deutliche Criste spitzhöckeriger Buckel, die aber
beim Männchen bedeutend stärker und durch schwarze Färbung
markirt ist.
Die Hand ist etwas gestreckt, mit körnigem, nur nach vorn
etwas wulstigem, meist rothbraunem Fingerkiel. Innere Fläche der
Gatt. Opisthophthalmus. 105
Oberhand etwas gewölbt, mit isolirten, ziemlich kleinen Buckeln
besetzt, aus welchen beim Männchen ein oder 2 Nebenkiele nur sehr
undeutlich durch schwache Reihenanordnung hervortreten. Aeußere
Oberhandfläche ebenfalls isolirt -buckelig, meist mit Körnchenkiel in
der Mittellinie. Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand
beim Männchen = 1:0,57 bis 1: 0,64, beim Weibchen = 1: 0,66
bis 1: 0,85; Verhältniß der Hinterhandlänge zur Handbreite = 1:1,1.
Größte absolute Maaße für Finger, Hinterhand und Handbreite:
15,8, 9,5 und 10,5 (Männchen).
Oberschenkel feinkörnig, Unterschenkel glatt. Seitenloben
des Endtarsus außen mit 4, innen mit 5 Dornen; außerdem längs
des Tarsengliedes der beiden letzten Beinpaare innenseits je 3—4,
außenseits hingegen nur ein oder kein Dorn (Gegensatz zu O. pugnax).
Dorsaler Krallenlappen mindestens so lang als die Seitenloben.
Zahl der Kammzähne beim Männchen 18 bis 19, nach
Peters bis 23, beim Weibchen 10—11. Kammgrund fast rechtwinklig
beim Männchen, sehr stumpfwinklig beim Weibchen.
Die robuste Cauda des Männchens länger als der Truncus.
Gemessen: Truncus zur Cauda = 44 : 49,5 resp. 49:53 mm. Größte
Gesammtlänge also 102 mm (nach Peters 95 mm). Verhältniß des
Truneus zur Cauda bei (jugendlichen) Weibchen = 33:28, resp. 28:20.
Die Peters’schen Exemplare stammen von Tette am Zambesi,
das Thorell’sche aus „CGaffraria.“
14. Opisthophthalmus pugnax Thor.
1877 Opisthophthalmus pugnax Thor. (Atti soc. ital. XIX, p. 232). J'
1877 5 eurtus Thor. (ibid., p. 234). 2
Nachdem bereits Peters (Monatsber. Berl. Akad. 1861, p. 514)
hervorgehoben, daß die Weibchen des O. glabrifrons sich von den
Männchen durch schwächere Entwickelung der Cauda und weit geringere
Zahl der Kammzähne unterschieden, lag der Gedanke nahe, daß auch
der O. curtus Thor., von dem mir im Ganzen nur 3 Exemplare
bekannt sind, sich lediglich als Weibchen einer anderen Art heraus-
stellen werde. Daß diese andere Art der O. glabrifrons nicht sei,
konnte ich durch die Vergleichung mit den Peters’schen Original-
exemplaren feststellen, von denen der O. curtus wenn auch nicht
erheblich, so doch merklich abweicht, wie dies m der Bestimmungs-
tabelle angegeben. Von den beiden nun noch in Betracht kommenden
Arten O. pugnax und praedo Thor. ist der letztere durch feine,
isolirte Körnelung der Hand, wie durch den Besitz nur eines Außen-
dorns an der Unterseite des Tarsenendgliedes ausgezeichnet, während
106 Seorpionidae: Scorpionini.
OÖ. pugnax, vollkommen entsprechend dem 0. curtus, grobkörnige,
etwas retikulirte Hände und zwei Außendornen des Tarsenendgliedes
besitzt (Fig. 36). Als einziger greifbarer Unterschied zwischen O. pugnax
und curtus, abgesehen von den oben skizzirten Geschlechtscharacteren,
bliebe dann nur noch die schwache Ausbildung der oberen Vorder-
kante des Oberarms bei OÖ. curtus. Da aber hierin die Weibchen den
Männchen auch bei den verwandten Formen nachzustehen pflegen, so
elaube ich meiner Sache sicher zu sein, wenn ich O. eurtus als Weibchen
des O. pugnax anspreche. Schon Thorell weist auf die große Ueber-
einstimmung in der Handbildung beider Formen hin, wirft aber doch
die Frage auf, ob O. pugnax vielleicht als Weibchen zu OÖ. praedo zu
ziehen sei. Dem ist entschieden zu widersprechen, da das Original-
exemplar von O. pugnax nach allen Merkmalen und auch nach der
Rechtwinkligkeit des Kammgrundes sicher als Männchen in Anspruch
zu nehmen ist. 0. praedo ist eine verwandte, aber wohl selbständige
Form, deren Weibchen zur Zeit noch nicht bekannt ist.
Die Färbung des O. pugnax zeigt kaum Unterschiede von
O. glabrifrons, doch ist vielleicht die Umgrenzung des Spiegels etwas
dunkler, und die Handkiele incl. der beim Männchen ziemlich deutlichen
Nebenkiele erscheinen schwärzlich.
In der Seulptur des Spiegels des Cephalothorax sind die
Männchen beider Arten sehr deutlich verschieden, indem derselbe bei
O. pugnax nicht glatt und glänzend erscheint, wie bei O. glabrifrons,
sondern matt und zum großen Theile mit feinsten Körnchen bedeckt ist.
Weniger auffallend ist dieser Unterschied bei den Weibchen, wo die
etwas ausgeprägtere Körnelung des Stirnrandes bei O. pugnax nur bei
directer Vergleichung mit dem O. glabrifrons bemerkbar wird. Entfernung
der Mittelaugen vom Vorderrande ziemlich doppelt so weit als vom
Hinterrande (Gemessen: 1:1,75 bis 1:2,2).
Das Abdomen ist oberseits bei beiden Geschlechtern deutlich
gekörnt, und diese Körnelung wird namentlich auf dem letzten Segment
ziemlich grob. Die Unterseite des Abdomens ist im letzten Segment
bei beiden Geschlechtern grobkörnig, beim Weibchen mit Andeutung
von 2 oder 4 Längskielen. Die vorderen Segmente sind beim Weibchen
glatt, glänzend, fein nadelstichig, während beim Männchen das vorletzte
Seement meist flache, zum Theil in Buckel aufgelöste Querwulste
erkennen läßt.
Die Cauda entspricht bei beiden Geschlechtern im Allgemeinen
derjenigen des O. glabrifrons; doch sind hier auch beim Männchen
die unteren Kiele des I. Segments nicht durch grobe Körnelung
Gatt. Opisthophthalmus. 107
verlöscht, sondern zeigen deutliche vertiefte Längsrinnen zwischen
sich, wie die Weibchen. Obere Caudaleristen im I.—IV. Segment
ohne stärkeren Enddorn. Blase glatt.
Oberarm auf der oberen Fläche nur gegen den Hinterrand
srobkörnig. Vorderrand nur beim Männchen durch starke, schwarze
Körnchencriste markirt, beim Weibchen ziemlich undeutlich in die
gekörnte Vorderfläche übergehend. An der fast glatten Unterfläche
verschwindet der Hinterrand wenig hinter der Mitte.
Hand ziemlich breit, gedrungen, mit schwarzem, glattem oder
in Längswülste aufgelöstem Fingerkiel. Innere Fläche der Oberhand
gewölbt, flach buckelkörnig, mit Neigung zum Zusammenfließen der
Buckel, namentlich auf dem Ballen. Buckel nadelstichig. Zwei
Nebenkiele beim Männchen ziemlich stark m ganzer Länge hervor-
tretend, beim Weibchen nur angedeutet, besonders am Grunde des
unbeweglichen Fingers. Verhältniß des beweglichen Fingers zur
Hinterhand beim Männchen = 1:0,58 bis 1:0,59, beim Weibchen —
1:0,62 bis 1:0,7. Verhältniß der Hinterhandlänge zur Handbreite —
1:1,1 bis 1:1,3. Größte absolute Maaße für Finger, Hinterhand und
Handbreite beim Männchen 13,8, 8 und 10 mm, beim Weibchen 14,5,
9 und 11,5 mm.
Schenkel wie bei O. glabrifrons. Zahl der Außendornen der
Tarsenunterseite, abgesehen von den Dornen der Loben, an den beiden
letzten Beinpaaren je 2 (Fig 36; 1 oder O0 bei O. glabrifrons).
Krallenlappen mindestens so lang als die Seitenloben.
Zahl der Kammzähne 15, 15 beim Männchen, 10—12 beim
Weibchen. Kammgrund fast rechtwinklig beim Männchen, fast
halbkreisförmig gebogen beim Weibchen.
Verhältniß des Truncus zur Cauda beim Männchen = 1: 1,28
bis 1:1,38, beim Weibchen =1:0,78 bis 1:0,98. Größte Länge
des Körpers 89 mm bei beiden Geschlechtern (39 + 50 beim Männchen,
49 +40 beim Weibchen).
Die Thorell’schen Exemplare stammen aus ÜCaffraria; ein
Exemplar des Lübecker Museums von Port Natal.
15. Opisthophthalmus praedo Thor.
1877 Opisthophthalmus praedo Thor. (Atti soe. ital. XIX., p. 230).
Diese Art ist der vorstehenden so nahe verwandt, daß Thorell
sie eventuell als Männchen derselben ansehen möchte. Da ich indeß
die Exemplare des O. pugnax als Weibchen nicht anerkennen kann
(vgl. oben), so bleibt nur die vorläufige Nebeneinanderstellung beider
Formen übrig. Das einzige bekannte Exemplar ist ein Männchen.
108 Scorpionidae: Ischnurini.
In der Färbung zeigt sich nur in ‘sofern eine Abweichung,
als die innere Fläche der Oberhand nicht dicht mit dunkleren Buckeln
und mit 2 starken, schwarzen Nebenkielen besetzt ist, sondern fast
einfarbig gelbroth erscheint.
Cephalothorax undAbdomen bieten kaum Verschiedenheiten,
doch sind die Körnchen der Umrandung des Spiegels etwas gröber.
An der Cauda ist die Mittelfurche zwischen den unteren Median-
cristen des I. Segments ganz von groben Buckeln ausgefüllt und daher
undeutlich, wie denn auch die Buckel auf den unteren Caudalflächen
des III. und IV. Segments merklich gröber erscheinen, wie bei O. pugnax.
Ein wesentlich verschiedenartiges Verhalten zeigt die ziemlich
schmale Hand. Die äußere Fläche der Oberhand ist fast eben,
einfach gelbroth und nur mit winzigen, wenig wahrnehmbaren, rundlichen
Körnchen besetzt, welche nur an der Stelle der zwei Nebenkiele als
etwas stärkere Körnchenreihen hervortreten. Verhältniß des Fingers
zur Hinterhand = 1: 0,5, der Hinterhand zur Handbreite = 1: 1,1.
Absolute Maaße von Finger, Hinterhand und Handbreite: 14, 7,2
und S mm.
Zahl der Außendornen der Tarsenunterseite, abgesehen von
den Dornen der Loben, an den letzten Beinpaaren bei dem Original-
exemplar je einer (je 2 bei O. pugnax).
Zahl der Kammzähne 14, 15. Kammgrund rechtwinklig.
Verhältniß des Truncus zur Cauda = 38:45 mm.
Fundort: Das Kaffernland.
Subfam. Ischnurini.
Scorpioniden mit nur einem Sporn an der Basis des
Endtarsus und zwar an dessen Außenseite, ohne runde
Seitenloben am Ende (Fig. 45—48). Hand platt, oberseits
stets durch einen starken Fingerkiel in rechtwinklig oder
stumpfwinklig zu einander geneigte Außenfläche und
Innenfläche getheilt (Fig. 43, 44). Körnchen des beweg-
lichen Scheerenfingers in 2 mehr oder weniger genäherten
Parallelreihen, wenigstens am Grunde, angeordnet (Fig. 38).
Sternum groß, pentagonal, nach vorn meist etwas
verbreitert undam Grunde mit tiefer Mittelfurche. Mittel-
lamellen der Kämme zu wenigen, eckig.
Zu dieser Familie gehören in erster Reihe die schon von
früheren Autoren aufgestellten Gattungen Opisthacanthus, Ischnurus
und Hormurus, denen Pocock noch die Genera Opisthocentrus,
Cheloetonus, Chiromachus und Jomachus hinzugefügt hat.
Subfam. Ischnurini. 109
Von diesen glaube ich die Gattung Opisthocentrus aus weiter unten
zu erörternden Gründen mit ÖOpisthacanthus wieder vereinigen zu
sollen, während der Gattungsname Chiromachus durch Ischnurus und
dieser wieder durch einen neuen, etwa Hadogenes, zu ersetzen ist (vgl.
weiter unten). Die von Pocock als eigene Subfamilie aufgefaßte
Gattung Hemiscorpion ist von mir hier angeschlossen, da sie sich
in der That der Hauptsache nach nur durch den unpaaren Mediankiel
der Caudalunterseite von den übrigen Gattungen unterscheidet.
Wir würden es demnach mit 7 über Afrika, Asien, Australien
und das centrale Amerika verbreiteten Gattungen zu thun haben, deren
unterscheidende Merkmale in folgender Bestimmungstabelle nieder-
gelegt sind:
A. Nur ein unpaarer unterer Mediankiel in allen Segmenten der
Cauda. Blase beim Männchen lang walzig, nach hinten jederseits
vom kurzen Stachel in 2 stumpfe Buckel ausgezogen (Fig. 40).
Stirnrand mäßig ausgeschnitten. Endtarsen unterseits mit 2 Reihen
von je etwa 6 Borsten besetzt.
1. Hemiscorpion Pet. p. 110.
B. Zwei untere Mediankiele im I.—IV. Segment der Cauda, oder
die Kiele undeutlich. Blase bei beiden Geschlechtern von
gewöhnlicher Gestalt.
a. Unterseite der Endtarsen jederseits mit deutlichen Dornen
besetzt (Fig. 45). Afrikanisch.
a. Außenfläche und Innenfläche der Oberhand in der Kante
des Fingerkiels nur wenig zu einander geneigt; Außenfläche
mit sehr starkem, glattem Nebenkiel. Hand breiter
als die Länge der Hinterhand. Oberarm oberseits stark
convex, Vorderfläche fast verschwindend. Seitenaugen stehen
im Rande des Cephalothorax. 2. Cheloctonus Poc., p. 112.
ß. Außenfläche der Oberhand gegen die Innenfläche stark, ‚oft
fast rechtwinklig geneigt. Außenfläche ohne glatten Nebenkiel.
Hand schmäler als die Länge der Hinterhand. Oberarm
flach, seine Vorderfläche deutlich entwickelt. Seitenaugen
stehen oberhalb des Randes des Cephalothorax.
l. Caudalsegmente sehr stark seitlich zusammengedrückt;
II. Segment am Ende doppelt so hoch, als breit (Fig. 41;
bei b Querschnitt); oberseits meist in allen Segmenten
gekörnte Cristen. Unterarm am unteren Hinterrande mit
zahlreichen kleinen, am Grunde dreireihig, am Ende
einreihig gestellten Haargrübchen besetzt (erst nach dem
Trocknen sichtbar!) ..... a5 Hadogenes n. 'o.,'p.alil3:
110 Scorpionidae: Ischnurini.
2. Caudalsegmente nur wenig seitlich zusammengedrückt;
II. Segment am Ende wenig höher, als breit. Oberseits
in den drei ersten Segmenten der Cauda keine Cristen-
bildung. Unterarm am unteren Hinterrande mit nur 3
entfernten Haargrübchen.
4. Opisthacanthus Pet., p. 118.
b. Unterseite der Endtarsen nur mit Borsten besetzt oder nur
mit einer Mittelreihe winziger dorniger Zähnchen (Fig. 46 — 48).
@. Unterseite der Endtarsen jederseits mit einer dichten Reihe
langer Wimperborsten besetzt (Fig. 47). Seitenaugen oberhalb
des Cephalothoraxrandes. Afrikanisch.
5. Ischnurus Koch, p. 130.
ß. Unterseite der Endtarsen jederseits nur mit 3—4 Paaren
zarter Borsten besetzt (Fig. 46). Seitenaugen stehen im
Rande des Cephalothorax. Asiatisch und australisch.
6. Hormurus Thor p@=5E
y. Unterseite der Endtarsen mit einer Mittelreihe winziger,
dorniger Zähnchen besetzt, an den Seiten nur einzelne
Härchen (Fig. 48). Seitenaugen stehen im Rande des
Cephalothorax. Asiatisch. ....7. Jomachus Poc., p. 139.
l. Gattung Hemiscorpion Pet.
Ischnurinen mit nur einem unteren Mittelkiel ın
allen Caudalsegmenten. Sternum mit fast parallelen
Seitenrändern und tiefer Medianfurche. Scheerenfinger
mit 2 parallelen Reihen von Körnchen besetzt; daneben
einige größere Außenkörnchen. ÜGephalothorax vorn aus-
gerandet; Mittelaugen vor der Mitte des Thorax; Seiten-
augen deutlich vom Rande entfernt, fast in einer Reihe;
das letzte etwas kleiner. Endtarsen unterseits mit 2
Reihen von Borsten besetzt, ohne Dornen. Cauda beim
Männchen sehr lang, seine Blase nach hinten jederseits
zu einem stumpfen Buckel ausgezogen (Fig. 40).
Pocock glaubt diese Gattung in Hinblick auf den einen
Mittelkiel der Caudalunterseite als Vertreter einer eigenen Subfamilie
betrachten zu sollen. Da aber die Gattung in allen übrigen Merk-
malen, so namentlich im Bau der Hände, den Ischnurinen sich
anschließt, so dürfte sie besser hier untergebracht werden.
Es ist nur eine Art bekannt, von der mir zwei Originalexemplare
vorliegen,
Gatt. Hemiscorpion. 111
1. Hemiscorpion lepturus Pet.
1861 Hemiscorpion lepturus Pet. (Berichte Berl. Akad. 1861, p. 511).
1879 Hemiscorpion lepturus Karsch (Münch. Ent. Mitteil. 1879, p. 15).
Die Färbung ist hell scherbengelb mit rothbraunen Fingern.
Der Cephalothorax ist an der Stirn mäßig ausgerandet;
von hier durchzieht eine feine Medianfurche den niedrigen, vor der
Mitte gelegenen Augenhügel. Die Fläche ist beim Männchen fem-
körnig chagrinirt, am Stirnrande eingestochen punktirt, beim Weibchen
auch auf dem Mittelfelde nur eingestochen punktirt.
Das Abdomen ist oberseits beim Männchen matt, aber ohne
deutlich erkennbare Körnelung, beim Weibchen eingestochen punktirt;
das letzte Segment trägt 4 körnige Cristen, die beim Weibchen fast
glatt sind. Die Unterseite des Abdomens ist eingestochen punktirt,
namentlich das letzte, durch 2—4 glatte Kanten ausgezeichnete
Segment. Beim Weibchen ist die Punktirung nur hier deutlich
erkennbar.
Die Cauda besitzt deutlich gekörnte obere Kiele im I.—IV.
Segment; im V. Segment sind sie schwächer und feinkörniger. Die
oberen Lateraleristen sind beim Weibchen ebenfalls körnig, beim
Männchen nur im II. und IV. Segment ein wenig. Die unteren
Lateralkiele sind ebenfalls in den ersten Segmenten glatt oder nur
wenig gekörnt, treten aber im IV. und V. etwas deutlicher als Körnchen-
reihen hervor. Der Mediankiel der Unterseite ist meist glatt und nur
im letzten oder vorletzten Segment etwas körnig. Die Blase ist beim
Weibchen von gewöhnlicher Form (Fig. 39), fast glatt, mit kleinem,
gebogenem Stachel; beim Männchen etwas körnig, äußerst gestreckt,
wulstförmig und am Hinterrande mit 2 vorspringenden Zipfeln, zwischen
denen der Stachel nur wenig vorspringt (Fig. 40).
Der Oberarm besitzt eine flache, von körnigen Cristen begrenzte,
feinkörnige Oberseite. Die ebenfalls ebene Vorderseite trägt einige
gröbere, zuweilen zweireihig geordnete Höcker; die Unterseite ist fein-
körnig und entbehrt des Hinterrandkiels. Der Unterarm besitzt
oberseits einen gekörnten Vorderkiel; die Vorderseite trägt am Grunde
einige mäßig große Tuberkeln; die Unterfläche ist ziemlich flach,
netzig feinkörnig und zeigt am Hinterrande 3 Haargruben.
Die Hand hat einen deutlichen, fast glatten Fingerkiel und ist
verhältnißmäßig schmal. Die Innenfläche der Oberhand zeigt die An-
deutung eines Nebenkiels als schwache Längslinie, ihre Fläche ist fast
eben, eigenthümlich flachbeulig, mit netzig körniger Begrenzung dieser
flachen Beulen. Die Außenhand ist mehr grobkörnig und eingestochen
punktirt, mit Andeutung eines Nebenkiels. Unterhand ebenfalls beulig
112 Scorpionidae: Ischnurini.
netzig. Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand bei beiden
Geschlechtern etwa wie 1:1], der Hinterhand zur Handbreite wie 1: 0,8,
Absolute Maaße für Finger, Hinterhand und Handbreite: 5, 5 und 4 mm.
Oberschenkel feinkörnig, Unterschenkel eingestochen punktirt.
Borsten des Tarsenendgliedes jederseits etwa 6.
Sternum etwas länger als breit, fast parallelseitig. Kämme
mit etwa 4 eckigen Mittellamellen, mit 9 Kammzähnen beim Weibchen,
15—16 beim Männchen. Kammgrund beim Weibchen gerundet, beim
Männchen rechtwinklig.
Verhältniß des Truncus zur CGauda beim Weibchen
21,8:23 mm, beim Männchen 22,5 :44 mm. Cauda sehr schlank
und dünn.
Fundort: Mendeli bei Bagdad.
2. Gattung Cheloetonus Poc.
Ischnurinen mit 2 unteren Mediankielen im L—IV.
Caudalsegment. Unterseite der Endtarsen jederseits mit
Dornen bewehrt. Seitenaugen unterbrechen die Rand-
kante des Cephalothorax, wie bei Hormurus. Hand ober-
seits convex, mit schwachem nach vorn gekörntem
Fingerkiel und starkem Nebenkiel der Außenfläche der
Oberhand. Oberarm oberseits convex, seine Vorderfläche
fast verschwindend.
Von dieser Gattung ist nur eine Art bekannt.
1. Cheloctonus Jonesii Poc.
1892 Cheloctonus Jonesii Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] IX, p. 44, Tfl. II B, Fig. 1).
Da mir Exemplare dieser Art nicht vorgelegen haben, so
referire ich nur kurz das Wesentliche aus Pocock’s Beschreibung.
Färbung oliv-pechbraun, Palpen dunkler. Beine und Blase
rostfarbig.
Cephalothorax sehr convex, am Stirnrande mäßig aus-
gerandet, mit niedrigem, wenig vor der Mitte gelegenem Augenhügel.
Medianfurche denselben durchziehend und hinter ihm verschwindend.
Fläche schwach gekörnt.
Rückensegmente des Abdomens dicht feinkörnig. Bauch-
segmente glatt, fein punktirt, das letzte runzelig, mit Spuren von 4
feinkörnigen Kielen.
Cauda oberseits mit tiefer Medianfurche, ihre Ränder gerundet,
feinkörnig, nicht gekielt. Untere Caudalkiele wohl entwickelt, feinkörnig,
mit Reihen von Haargrübchen besetzt. V. Caudalsegment oben fast
eben, das letzte Drittel der Unterseite ungekielt. Blase birnförmig, glatt.
Gatt. Cheloctonus. 113
Oberarm oberseits convex, grobkörnig; hintere und untere
Fläche glatt, vorn stark gekörnt. Unterarm oben und hinten
etwas runzelig körnig, an der Vorder- und Unterseite glatt, letztere
mit gekörntem Vorderrandkiel.
Hand sehr breit und dick, oberseits convex, mit schwachem
nach vorn in der Körnelung der Hand verschwindendem Fingerkiel.
Außenfläche der Oberhand gegen die Innenfläche daher nur wenig
geneigt, aber mit starkem Nebenkiel (wie bei Jurus oder Urodacus),
gegen die Unterhand nicht durch einen deutlichen Kiel abgesetzt.
Innenfläche der Oberhand auf der Mitte netzig runzelig, an den Seiten
mehr körnig. Innere Anßenfläche feinkörnig, äußere glatt. Beweglicher
Finger beim Männchen am Grunde mit Lobus, sein Verhältniß zur
Länge der Hinterhand wie 9,5:8. Das Verhältniß der Länge der
Hinterhand zur Handbreite wie 8 : 9,2.
Oberschenkel außen fein gekörnt.
Kämme kurz, mit 6—7 Zähnen besetzt.
Verhältniß des Truncus zur Cauda wie 40:35 mm.
Bisher ist nur ein männliches Exemplar vom Murchison Range
in Transvaal bekannt (Britisches Museum).
3. Gatt. Hadogenes’) n. g.
(= Ischnufus Thor.)
Ischnurinen mit paarigen unteren Caudalkielen und
Seitenaugen, die deutlich oberhalb des Randes stehen
(letzterer als scharfe Leiste unter ihnen hinziehend). End-
tarsen an der Unterseite mit einigen starken Dornen
besetzt, deren letzter endständig ist. Cephalothorax vorn
schwach ausgerandet. Körper ungemein platt, mitlanger,
seitlich zusammengedrückter Cauda. II. Caudalglied am
Ende etwa doppelt so hoch als breit (Fig. 41). Alle Caudal-
glieder oberseits mit deutlichen, gekörnten Mittelcristen,
welche eine sehr schmale, rinnenartige Längsfurche
begrenzen. Unterarm am Grunde der Vorderfläche mit
sehr starkem, oft zweizinkigem Höcker, Unterseite nahe
dem Hinterrande mit einer an der Basis dreireihigen, am
Ende einreihigen Längslinie kleiner Haargrübchen besetzt
(nach dem Trocknen sichtbar). Aeußere Oberhandfläche
mit der inneren Oberhandfläche einen rechten Winkel
I) Wegen der unterirdischen Lebensweise.
114 Scorpionidae: Ischnurmi.
bildend, erstere daher in der Öberaufsicht nicht sichtbar.
Außenhand und Finger stark borstig behaart. Endzinken
der Oberkiefer parallel. Kammzähne zahlreich (13—23).
Der Name „Ischnurus“, welcher bisher den hierher gehörigen
Formen gegeben wurde, muß für den Koch’schen Typus der
Gattung, den Ischnurus ochropus Koch (Arachn. IV, p. 69),
reservirt bleiben, woraus sich die Nothwendigkeit eines neuen Gattungs-
namens für die hier zu besprechenden Arten ergiebt.
Bei der erst spät (1874) erfolgten Zerlegung der ursprünglichen
Gattung Ischnurus und bei der bis vor kurzem recht schwierigen
Unterscheidung der drei Genera Ischnurus, Hormurus und Opisthacanthus
kann es uns nicht Wunder nehmen, wenn in Bezug auf die Unter-
bringung der Arten in die einzelnen Gattungen eine ziemlich weit-
gehende Verwirrung zu Tage tritt. Als Formen, welche unzweifelhaft
unserer Gattung Hadogenes (= Ischnurus Thor.) angehören, sind zu
nennen: Ischnurus trichiurus Gerv., J. melampus C. L. Koch, J.
troglodytes Pet., J. taeniurus und peetinator Thor. und J. tityrus Sim.
C. L. Koch und Gervais haben ihre Art gleichzeitig und
unabhängig von einander beschrieben; ihre Beschreibungen enthalten
nichts, was auf eme Verschiedenheit der von ihnen untersuchten
Individuen hindeutete. Peters glaubt seinen J. troglodytes durch
die bedeutendere Größe des Stirndreieks und die „fast glatte Unterseite
der Ober- und Unterschenkel“ vom J. melampus Koch unterscheiden
zu können. Ersteres Merkmal ist so variabel, daß es nicht ins Gewicht
fällt; in Bezug auf den zweiten Punkt aber kann ich an dem Peters’schen
Originalexemplar selbst constatiren, daß zunächst die Oberschenkel aller
Beine zwei sehr stark entwickelte Körnchenreihen auf der Schneide
der Unterseite tragen, während von den Unterschenkeln wenigstens die
vorderen nach dem Ende zu ebenfalls gekörnt oder gezähnt sind.
Es liegt daher kein Grund vor, J. troglodytes und J. trichiurus für
zwei verschiedene Arten zu halten; andererseits hat nun auch der
Irrthum Peters’, der übrigens vielleicht durch die individuelle
Abweichung eines andern, mir nicht vorliegenden Exemplares hervor-
gerufen wurde '), hat nun des Ferneren auch Thorell dazu geführt,
seinen J. taeniurus für eine vom J. troglodytes Pet. verschiedene
Art zu halten. Er giebt außer der bei seinem Exemplar auftretenden
Körnelung der Schenkelschneide als weiteres Merkmal noch die
geringere Zahl der Kammzähne (15 gegen 18—20 bei J. troglodytes)
I) Die Körnelung der Unterkanten bei Ober- und Unterschenkel erweist sich
bei allen Arten, wo sie auftritt (z.B. Bothriuriden) so variabel, daß sie zur
Artunterscheidung absolut nicht verwerthet werden kann.
Gatt. Hadogenes. 115
an, doch fällt dieser Umstand um so weniger ins Gewicht, als mir
Exemplare sowohl mit 16, 16, wie mit 17, 17 Kammzähnen vorliegen.
Eine sorgfältige Vergleichung des Thorell’schen Originalexemplars mit
dem von Peters ließ zudem nicht die geringsten weiteren, als Art-
merkmale verwerthbaren Unterschiede erkennen. Ebenso wenig durch-
schlagend sind die Gründe, welche Thorell zur Abtrennung seines
J. taeniurus von J. melampus Koch und J. trichiurus Gerv. vorbringt.
Der Lobus des beweglichen Fingers ist bald vorhanden, bald fehlt er;
die Färbung varürt, wie bei allen Scorpionen, vom hellen Scherbengelb
bis zum dunklen Braun; ebenso ist das Verhältniß des beweglichen
Fingers zur Hinterhand ein wechselndes. Der J. pecetinator Thor.
endlich ist augenscheinlich ein sehr unreifes Männchen, bei dem der
Fingerlobus noch nicht entwickelt ist, die charakteristische Körnelung
des Abdomens aber — im Gegensatz zu den glatten, glänzenden
Flächen der Weibchen — schon deutlich hervortritt.
Aus dem Vorgesagten glaube ich folgern zu dürfen, daß in
der That, abgesehen vom J. tityrus Sim., über den ich ein
abschließendes Urtheil nicht auszusprechen wage, und den ich daher
anhangsweise kurz gesondert bespreche, bis jetzt nur erst eine Art
der Gattung aufgefunden ist, für welche ich den Gervais’schen Namen
trichiurus — er ist, wie gesagt, gleichaltrig mit dem Koch’schen Namen .
J. melampus — als den charakteristischeren vorziehe.
1. H. trichiurus (Gerv.)
1843 Sc. trichiurus Gerv. (Arch. d. Mus. III av. fig.)
1843 Ischnurus melampus C. L. Koch (Arachn. X., p. 1, Fig. 756).
1861 Ischn. troglodytes Pet. (Monatsber. Berl. Akad. 1861, p. 513).
1877 Ischn. taeniurus Thor. (Atti soc. ital. XIX, p. 254).
1877 Ischn. pectinator Thor. juv. (ibid., p. 258).
Die Färbung des Cephalothorax ist in der Regel dunkel
rothbraun, nach hinten, in der Mittellinie und auf den Seiten oft in
Scherbengelb übergehend. Die Oberseite des Abdomens ist meist
ledergelb bis lederbraun, mit stärker gefärbter Kielgegend, seltener
mehr dunkelbraun. Die Cauda ist braunroth bis braunschwarz; ebenso
die Arme und Hände. Die Blase ist etwas heller; die Beine sind
lehmgelb bis lederbraun. Unterseite ziemlich der Oberseite entsprechend.
Der Cephalothorax ist fast völlig flach, gleich dem Abdomen.
Der Stirnrand erscheint fast gerade abgestutzt. Das in der Mitte
des Randes auftretende Dreieck von sehr verschiedener Größe, bald
etwas vorspringend, bald etwas hinter die Stirnlmie zurücktretend
oder mit ihr in gleicher Höhe abschneidend. Mittelfurche den Augen-
ie
116 Scorpionidae: Ischnurini.
hügel durchziehend, hinter demselben oft gabelspaltig und ein nach
der Mitte zu mit geneigten Flächen versehenes Dreieck umgrenzend.
Fläche des Thorax dicht feinkörnig in beiden Geschlechtern. Hinter
den Seitenaugen je eine glatte, flache Beule.
Obere Abdominalsegmente in der Mitte mit breitem, vorn
jederseits von breiten, flachen Gruben flankirtem Mittelkiel. Außerdem
in der Vorderhälfte aller Segmente eigenthümliche beulenförmige
Grübchen. Fläche der Segmente sonst beim Männchen dicht fein-
körnig, beim Weibchen glatt, aber zerstreut fein punktirt.
Cauda vom ll. Segment an stark seitlich zusammengedrückt
(Fig. 41), beim Männchen zuweilen mehr als doppelt so lang, wie
der Truncus. I. Caudalsegment oben ungekielt, mit flacher, breiter
Mittelfurche. II.—V. Segment oben mit mehr oder weniger deutlich
gekörnten Kielen; diese einander sehr genähert und eine nur ganz
schmale Rinnenfurche zwischen sich lassend. Endzahn der Cristen
im II.—IV., zuweilen auch im V. etwas stärker entwickelt, als die
übrigen Cristenzähnchen. Unterseite der Cauda mit wulstförmigen,
gekörnten oder fast glatten und dann mit groben eingestochenen
Punkten besetzten Längskielen, zwischen denen die Flächen z. Th.
als tiefe Furchen erscheinen. Körnelung der Cristen nach dem Ende
zu meist deutlicher, im V. Segment geradezu dornspitzig. Blase dicht
körnig oder nur an der Unterseite feinkörnig oder fast völlig glatt und
dann mit vielen Haargrübchen besetzt.
Oberarm vorn und oben von körnigen Cristen begrenzt; obere
Fläche muldenförmig eingesunken, gleich der Unterfläche dicht feinkörnig.
Unterarm mit gewaltigem, gezacktem und zweispitzigem Grundhöcker
an der Vorderfläche. Obere Fläche gleich der unteren dicht femkörnig.
Am Hinterrande der Unterfläche zahlreiche Haargrübchen, die am
Grunde in 3, am Ende in einer Reihe stehen.
Hand gestreckt, mit wenig gewölbter, feinkörniger innerer
Oberfläche. Aeußere Oberhandfläche rechtwinklich zur inneren, in der
Oberaufsicht daher nicht sichtbar, stark beborstet. Aeußere Handunter-
fläche fast glatt, dicht feinkörnig oder runzelig körnig, am Außenrande
dicht mit 2 Reihen zierlicher Haargrübchen besetzt. Auch die Fläche
mit 2 Reihen kurzer Haarborsten.
Beweglicher Finger bei beiden Geschlechtern mit oder ohne
Lobus und entsprechendem Ausschnitt des unbeweglichen Fingers.
Der Grund des Fehlens oder Auftretens des Lobus konnte von mir
nicht festgestellt werden. Ein Altersmerkmal allein scheint der Lobus
nicht zu sein, da z. B. ein 131 mm langes Männchen ihn besaß, ein
153 mm langes hingegen nicht. Ebenso zeigen sich die Verhältnisse
Gatt. Hadogenes. 117
beim Weibchen. Das Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand
schwankt zwischen 1:1 (juv.) und 1:1,3; dasjenige der Hinterhand
zur Breite der Hand zwischen 1:0,52 und 1:0,68, wobei ein durch-
greifender Unterschied zwischen Männchen und Weibchen nicht zu
erkennen war. Die größten absoluten Maaße für Finger, Hinterhand
und Handbreite betrugen: 17,5, 20 und 11,2 mm.
Von den Beinen sind die Oberschenkel auf der unteren
Schneide stets mit 2 körnigen Cristen besetzt. Die stark beborstete
Schneide der Schienbeine läßt meist nur eine unregelmäßige Körnelung
am Ende und dies auch vornehmlich nur an den ersten Beinpaaren
erkennen. Die Außenflächen der Schenkel und Schienbeine sind dicht
feinkörnig. Die Endtarsen tragen unterseits je 3 sehr starke, kurze
Dornen, deren letzter endständig ist. Das vorletzte Tarsenglied trägt
innenseits kurz vor dem Ende je 4—5 kurze, aber starke Dornen.
Die Zahl der Kammzähne schwankte bei 6 Weibchen zwischen
14 und 19, und zwar fand ich zweimal 14, 14, einmal 15, 15, einmal
16, 16, einmal 17, 17 und einmal 19, 19 Zähne. Bei 3 Männchen variirte
die Kammzahl zwischen 17 und 23, und zwar fand ich einmal 17, 19,
einmal 20,21 und einmal 22,23 Zähne. Nehmen wir die von Koch
gefundene Zahl 13 hinzu, so ergiebt sich eine Gesamtvariation von
13—23 Kammzähnen. Als Männchen habe ich hierbei alle diejenigen
Exemplare in Anspruch genommen, bei welchen der Winkel des
Kammgrundes ein Rechter, welche ein feinkörniges Abdomen und
einen verhältnißmäßig langen Schwanz besitzen, während die Weibchen
durch einen stumpfen Winkel des Kammgrundes, glatte, punktirfe
Abdominaloberfläche und kürzeren Schwanz ausgezeichnet sind. Daß
der vorspringende Fingerlobus bei Männchen und Weibchen gleicher
Weise auftreten kann, wurde schon oben hervorgehoben.
Das Verhältniß des Truncus zur Cauda varüirte bei den von mir
untersuchten Weibchen zwischen 1:0,9 bis 1:1,2, bei den Männchen
zwischen 1:1,4 und 1:2. In diesem letzteren Falle betrug die absolute
Länge der Cauda nicht weniger als 115 mm gegenüber einer Truncus-
‚länge von nur 57,5 mm. Das größte Weibchen maaß in toto 132 mm,
wovon 70 auf den Truncus, 62 auf die Cauda entfielen.
Die Heimath des H. trichiurus ist ganz ausschließlich das
südliche Afrika, vom Capland nördlich bis etwa zum 15. Breiten-
grade. Als nördlichsten Fundpunkt im Osten kennen wir Tette am
Zambesi, wo Peters sammelte, als nördlichsten im Westen Otjimbingue
im Damaraland; doch ist er daneben auch in fast allen südlicheren
Gebietstheilen (Namaqualand, Transvaal, Caftraria) nachgewiesen.
118 Scorpionidae: Ischnurini.
Als Anhang sei noch kurz des Hadogenes (Ischnurus) tityrus
Sim. (Ann. Soc. ent. France [6] VH., p. 383) erwähnt, von dem es
immerhin möglich wäre, daß er eine eigene Art darstellt. Als
wesentlichste Unterschiede von der vorstehenden Art werden aufgeführt:
1) Cauda auffallend kurz, nur 23,6 mm gegen 37 mm des Truncus
(Verhältniß von Truneus zur Cauda daher kaum 1:0,7); 2) Zahl
der Kammzähne nur 9—10; 3) Beweglicher Finger kürzer als die
Hinterhand; 4) Cauda unterseits nur im U. und IV. Segment grob
gekörnt, in den übrigen Segmenten glatt und nur obsolet gefurcht.
Es handelt sich jedenfalls um en Weibchen (Simon glaubte — wohl
des Fingerlobus wegen — ein Männchen vor sich zu haben), dessen
Merkmale sich allenfalls der oben geschilderten Variationsweite der
Hauptform anschließen ließen, immerhin aber eine erhebliche Erweiterung
derselben bedeuten würden. Fundort: Südafrika.
4. Gatt. Opisthacanthus Pet.
Ischnurinen mit 3 Seitenaugen jederseits, die fast
in einer geraden Linie (letztes ein wenig zurück) oberhalb
des Randes stehen. Endtarsen an der Unterseite mit
deutlichen, aber meist nicht sehr starken Dornen besetzt
(Fig. 45), deren letzter, endständiger oft borstenförmig
entwickelt ist oder ganz fehlt. Auch das vorletzte Tarsen-
glied, außer dem Gehstachel am Ende, innen seitlich mit
einigen zarteren Dornen besetzt. Cephalothorax vorn
stark oder schwach ausgerandet (Fig. 49—52). Körper nicht
auffallend platt. Cauda nur wenig seitlich zusammen-
gedrückt, meist fast so breit wie hoch im II. Caudalsegment.
Caudalglieder oberseits meist ohne deutliche Körnchen-
cristen in den ersten Segmenten, nur im IV. oft deutliche
Zähnchen. Furche breit oder rinnenförmig, und dann von
gerundeten Cristen begrenzt. Unterarm am Grunde der
Vorderseite meist mit mäßigem oder schwachem Höcker.
Am Hinterrande der Unterseite nur ganz einzelne Haar-
grübchen (meist 3 im Ganzen). Aeußere Handoberfläche
mit derinneren meist einen stumpfen, selten einen rechten,
Winkel bildend: Außenfläche daher in der Oberaufsicht
meist sichtbar. Außenhand nicht auffallend dichtborstie.
Endzinken der Oberkiefer parallel. Kammzähne 5—14.
Die Gattung Opisthacanthus ist von Peters im Jahre 1861
(Sitzungsber. Berl. Akad. 1861, p. 511) aufgestellt und vornehmlich
durch die abgerundeten, nicht zweischneidig zusammengedrückten
Gatt. Opisthacanthus. 119
Schwanzglieder charaktenisirt. Nach Karsch’ Mittheilung (Mitt.
Münch. Ent. Ver. 1879, p. 14) werden wir auch den Dacurus galbineus
Pet. (ibid., p. 511) hierher zu rechnen haben. Die Gattung umfaßt,
wenn wir den Ischnurus asper Pet. hier emreihen, nach meimen
Untersuchungen zur Zeit die 5 Arten: O. elatus Gerv., Lecomtei
Luc.. africanus Sim., asper Pet. und validus Thor., denen ich
als 6. Art eine neue Form von Madagaskar beizufügen habe. Der
Versuch Pococks, die Gattung noch weiter in 2 Genera zu zerfällen,
deren eines — Opisthacanthus s. str. — nur die amerikanische
Art O. elatus, deren anderes — Opisthocentrus — die gesammten
afrikanischen Formen umfaßt, kann als ein glücklicher nicht angesehen
werden, da sämmtliche für Opisthacanthus als charakteristisch auf-
geführte Merkmale entweder auch bei einzelnen Opisthocentrusarten
auftreten. (Tiefe des Stirnausschnittes, Genitalopereulum schmaler als
das Sternum, Verhältniß von Länge zur Breite des Genitaloperculums etc.)
oder völlig unwesentlich sind. Der einzig greifbare Unterschied liegt
in der verschiedenen Bildung der Hand, doch kann auch dieses
Merkmal als von generischem Werthe nicht wohl gelten, da beispiels-
weise bei der Gatt. Chaerilus (variegatus und truncatus) fast genau
die gleiche Verschiedenheit der Hand lediglich als Artmerkmal ver-
werthet wird.
Die Unterschiede der obigen 6 Arten sind in folgender Bestimmungs-
tabelle übersichtlich zusammengestellt.
A. Die Außenrandkante des unbeweglichen Fingers setzt sich als
mehr oder weniger deutlicher Kiel schembar auf der Oberfläche
des Handballens nahe dessen Randkante bis zum Grund der
Hand fort (Fig. 45). Ein Theil der Unterhandfläche ist also
mit der Innenfläche der Oberhand in eine Ebene gerückt.
Cephalothorax dicht feinkörnig, nicht eingestochen punktirt.
Genitaloperculum schmäler als das Sternum, mindestens so lang
als breit. Stirnausrandung tief (Fig 49). Kammzähne 4—14.
Neuweltliche ee den. eozelätus (Gerv.)ep: 120:
B. Die Außenrandkante des unbeweglichen Fingers geht in den
Innenrand des Handballens selbst über, bildet also keinen Kiel
auf dessen Oberfläche nahe dem Rande (Fig. 44). Genitalopereulum
meist breiter als das Sternum, meist länger als breit. Stirnaus-
randung tief oder seicht (Fig. 50—52). Altweltlich.
a. Cauda glatt und glänzend. Untere Caudalkiele wenigstens im
I.—-III. Segment völlig fehlend, Unterfläche daher gerundet.
Randwulste der dorsalen Rinnenfurche im I. und 11. Segment
meist glatt und ungekörnt.
h.
? 1805
1844
1861
1861
1877
Scorpionidae: Ischnurini.
«. Abdomen oberseits fast glatt, nicht nadelstich punktirt.
Ebenso die Cauda und die Außenfläche der Unterhand ohne
eingestochene Punkte. Stirnausrandung tief (Fig. 50). Blase
glatt. Kammzähne 9—13. .. 2. 0. Lecomtei (Luc.), p. 122.
ß. Abdomen oberseits dicht nadelstichig; ebenso die Cauda
unterseits und die Außenfläche der Unterhand. Stirnaus-
randung seicht. Blase meist mit 2 Reihen von Stachel-
körnchen. Kammzähne 5—”7. ...O. africanus Sim., p. 123.
Cauda matt und rauh. Untere Caudalkiele sämmtlich deutlich
entwickelt und durch tiefe Rinnenfurchen von einander getrennt
(gleich eimer canellirten Säule). Randwulste der dorsalen
Längsrinne in den vorderen Segmenten feinkörnig.
«. Stirnrand tief ausgeschnitten, mit deutlichem Stirndreieck
(Fig. 51). Zahl der Dornen längs der Unterseite des Endtarsus
jederseits 2. Unterseite des Oberarms dicht feinkörnig.
Außenfläche der Oberhand gegen die Innenfläche im rechten
Winkel geneigt. Hand schmal, fast parallelseitig (Hinterhand:
Handbreite = 1:0,05 bis 1: 0,68; Fig. 44). Blase glatt.
Kammzähne 7—9. 4.O.madagascariensis.n.sp., p. 125.
ß. Stirmrand seicht ausgerandet; Stirndreieck fehlt oder sehr
schmal (Fig. 52). Zahl der Dornen längs der Unterseite des
Endtarsus außen 3—4, innen 4—5 (Fig. 45). Unterseite
des Oberarmes fast glatt, fein nadelstichig. Außenfläche der
Oberhand gegen die Innenfläche im stumpfen Winkel geneigt.
Hand breiter (Hinterhand : Handbreite = 1:0,8 bis 1:1).
Blase glatt oder bedornt. Kammzähne 5—10.
1. Kammzähne 8—10. IV. Caudalsegment oberseits mit
deutlicher Dornencriste. Oberschenkel außenseits nur
eingestochen punktirt, nicht gekörnt.
5. O..asper Pet, p. 126.
2. Kammzähne 5—7. IV. Caudalsegment oberseits nur fein-
körnig, nicht mit deutlicher Dornencriste. Oberschenkel
außenseits dicht gekörnt, Unterschenkel grob eingestochen
punktirb ey 2 0 2 6. O. validus Thor., p. 128.
1. Opisthacanthus elatus (Gerv.)
Scorpio lepturus Pal. de Beauv. Ins. rec. en Afr. et Amer., p. 191,
Apt. pl. V., Fig. 4 (teste Pocock).
Scorpio elatus Gerv. (Ins. Apt. III., p. 69).
Opisthacanthus elatus Pet. (Sitz. Ber. Berl. Acad. 1861, p. 511).
Dacurus galbineus Pet. (ibid. p. 511).
Opisthacanthus Kinbergii Thor. (Atti. Soe. ital. XIX., p. 246).
Gatt. Opisthacanthus. 121
Schon Karsch (Münch. ent. Mitth. 1879., p. 14) hat darauf
hingewiesen, daß O. Kinbergii Thor. mit O. elatus Gerv. identisch ist,
und daß Dacurus galbineus Pet. zu dessen Var. laevicauda zu
ziehen sei.
Die Farbe der Oberseite des Thieres ist braun, die des
Ahbdomens oft heller, bis lehmgelb. Beine und Blase sind lederbraun.
Der vorn tief ausgeschnittene Cephalothorax (Fig. 49) ist
durchaus grobkörnig, auch auf den Stirnloben und den Hinterecken.
Ebenso das Abdomen, bei dem selbst die Mittelkiele mit feinen
Körnchen besetzt sind. Medianfurche hinten in eine triangelförmige
Grube sich erweiternd.
Cauda oben mit schmaler, seichter Furche, ihre Ränder gerundet,
glänzend und meist glatt. Kiele unterseits in den ersten Segmenten völlig
glatt, mit einigen groben eingestochenen Punkten, im II. und IV.
Segment etwas höckerig, im V. fast dornige Kiele. Blase glatt und
glänzend.
Oberarm oben zerstreut feinkörnig, unterseits glatt und glänzend.
Unterarm an der Vorderfläche mit grobem, gezacktem Höcker. Ober-
fläche dicht grobkörnig. Unterfläche seicht netzig - runzelig, sonst
glatt und nicht eingestochen punktirt.
Hand oberseits grobkörnig, nahe dem Innenrande von einem,
den scharfen Außenrand des unbeweglichen Fingers fortsetzenden,
geraden Kiel durchzogen (Fig. 43). Der eigentliche „Nebenkiel” der
Innenfläche der Oberhand kaum angedeutet. Handunterseite glatt
oder körnig. Beweglicher Finger beim Weibchen ohne eigentlichen Lobus,
Grundzahn aber spitzzackig; beim Männchen ein deutlicher stumpfer
Lobus.. Das Verhältniß vom beweglichen Finger zur Hinterhand
schwankt zwischen 1:0,94 und 1:1; letzteres Verhältniß ist das
gewöhnliche. Größte absolute Länge des Fingers 15,8, der Hinterhand
14,5 mm. Verhältniß der Hinterhand zur Handbreite gleich 1: 0,66 bis
1:0,8. Größte Handbreite 11 mm.
Schenkel und Schienbeine zerstreut feinkörnig, nicht
punktirt. Endtarsen unterseits außen mit 2, innen mit 5 (oder 4)
Dornen besetzt. Die Endecke trägt eine feine Borste. Auf der
Schneide zwischen den Dornen meist keine Mittelreihe feinster
Dörnchen. Vorletztes Tarsenglied mit 2—3 Dornen innenseits am Ende.
Die Zahl der Kammzähne varürt von 4—14, und zwar fand
ich bei 13 Exemplaren einmal 4, 4, einmal 6, 7, einmal 7, 7, einmal
7,8, einmal 8, 10, fünfmal 11, 11, einmal 11, 12, einmal 12, 13 und
einmal 14, 14 Zähne. Die 2 Männchen hatten 11, 11 und 14, 14
122 | Seorpionidae: Ischnurini.
Kammzähne. Bei diesen ist der Kammgrundwinkel scharf rechtwinklig,
während bei den Weibchen der Hinterrand eime mehr gebogene
Limie zeigt.
Das Verhältniß des Truncus zur Cauda varıürt zwischen
1:0,68 und 1:1,03, wobei im Allgememen den Männchen die
längere Cauda zukommt. Das größte Exemplar (Weibchen) maaß
85 mm, wovon 47 auf den Truncus, 38 auf die Cauda entfielen.
Die Heimath des ©. elatus ist merkwürdiger Weise — die
einzige Ausnahme der ganzen Unterfamilie — Amerika und zwar,
wie es scheint, vornehmlich Centralamerika. Als Fundorte sind
mir bekannt geworden: Haiti unter den großen Antillen, St. Joseph
von den Inseln unter dem Winde. Auf dem Festlande sind zu nennen
Columbia (z. B. Baranquilla), Panamakanal und vielleicht auch
Mexico. In der alten Welt ist diese Art noch nicht beobachtet, so
daß an eine Verschleppung nach Amerika in historischen Zeiten nicht
gedacht werden kann.
2. Opisthacanthus Lecomtei (Luc.)
1858 Ischnurus Lecomtei Luc. (Thomson’s Arch. f. Entom., Il., p. 428).
1836 Opisthacanthus duodeeim-dentatus Ksch. (Berl. ent. Zeitschr. XXX., p. 79).
1893 Opisthocentrus Lecomtei Pocock (Ann. Mag. [6) XI., p. 318).
In der Synonymie folge ich den Ausführungen Pococks
(Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XH., p. 317—18).
Färbung wie bei der vorigen Art, doch meist etwas
dunkler; Hände oft grünlich braun. Der vorn tief ausgeschnittene
Cephalothorax (Fig. 50) ist auf den Stirnloben und in den Hinter-
ecken glatt und glänzend; nur die Mittelfläche zeigt feine Körnelung.
Abdominalringe oberseits ebenfalls glatt und glänzend, nur an
den Hinterrändern ein wenig körnig.
Cauda oben mit breiter, seichter Furche, ihre Ränder gerundet,
glänzend und fast glatt, nur im II., IV. und V. Segment etwas
höckerig. Mittelkiele unterseits fast völlig obsolet, Segmente daher
gerundet; im Ill, IV. und namentlich im V. einige Höcker als An-
deutung der Median- und unteren Lateralkiele. Blase glatt
und glänzend.
Oberarm oben ziemlich dichtkörnig, unten etwas körnig.
Unterarm an der Vorderfläche mit schwachem Grundhöcker, oben
zackig höckerig, namentlich an der Vorderkante, unterseits flach,
netzig-runzelig, glänzend.
Oberhand netzig höckerig retikulirt; Innenfläche der Ober-
hand etwas gewölbt, mit Andeutung eines stumpfen Nebenkiels längs
Gatt. Opisthacanthus. 123
der Mitte der Innenfläche. Außenfläche der Oberhand ziemlich grob-
körnig; in ihrer Mittellinie eine durch gröbere Buckel markirte Vor-
wölbung. Außenfläche der Handunterseite flachgrubig, glatt oder etwas
körnig, oft durch eine Schrägreihe dorniger Körnchen von der Innen-
fläche abgegrenzt. Beweglicher Finger wie bei der vorigen Art, beim
Weibchen wohl mit spitzzackigem Grundzahn, aber ohne eigentlichen
Lobus, der beim Männchen etwas oberhalb des Grundes auftritt. Das
Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand schwankt zwischen
1:0,94 und 1: 1,2. Größte absolute Länge des beweglichen Fingers
11,2, der Hinterhand 12,2 mm. Verhältniß von Hinterhand zur
Handbreite gleich 1: 0,65 bis 1:0,79. Größte absolute Breite der
Hand 9 mm. Im Wesentlichen entsprechen also die Dimensionen der
Handtheile denen des O. elatus.
Schenkel und Schienbeine glänzend; erstere ziemlich dicht
körnig, letztere mehr beulig grubig, nicht punktirt. Endtarsen unter-
seits außen mit einem, innen mit 2 sehr kleinen Dornen, an der End-
ecke keiner. Auf der Schneide zwischen den Dornen nach dem
Grunde zu eine gerade Mittelreihe kurzer, aber gebräunter und ziemlich
starker Dörnchen. Vorletztes Tarsenglied imnenseits am Ende mit
2—3 kleinen Dornen.
Die Zahl der Kammzähne varürte bei 11 Exemplaren
zwischen 9 und 13 Zähnen, und zwar fand ich dreimal 9, 10, dreimal
10, 10, einmal 11, 11, zweimal 11, 12, einmal 12, 12, und einmal
13, 13 Kammzähne. Wie bei der vorigen Art, so ist auch hier der Kamm-
grundwinkel des Männchens ein von geraden Linien begrenzter Rechter.
Das Verhältniß von Truncus zur Cauda varırt zwischen
1:0,63 und 1: 0,98 (Männchen). Das größte Exemplar (Weibchen)
zeigte ein Verhältniß von Truncus zur Cauda —= 45:36, also eine
(Gresammtlänge von Sl mm.
Als Heimath des O. Lecomtei kennen wir das aequatoriale
Westafrika von Kamerun bis zum Gaboonfluss. Wahrscheinlich
geht er aber noch weiter nach Süden.
3. Opisthacanthus afrieanus Sim.
1876 Opisthacanthus africanus Sim. (Bull. Soe. Zool. France I, p. 221).
1879 O0. septemdentatus Karsch (Z. f. d. ges. Natw. 1879, p. 372 und Berlin.
Ent. Z. XXX, p. 79 (1886).
1893 Opisthocentrus africanus Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XII, p. 317).
Auch hier folge ich in Bezug auf die Synonymie den über-
zeugenden Ausführungen Pococks.
124 Scorpionidae: Ischnurini.
Die Färbung weicht nicht von der der übrigen Arten ab.
Die Finger sind oft auffallend dunkelgrün, die Handoberfläche röthlich,
Beine und Blase lehmgelb. Das Abdomen ist häufig schmutzig
srünlich scherbengelb.
Der vorn nur schwach ausgerandete Cephalotorax ist der
Hauptsache nach dicht feinkörnig, läßt aber dazwischen, namentlich
auf den Stirnloben, die eingestochene Punktirung erkennen. Stirnbeulen
und hintere Depression ungekörnt, wie bei der vorigen Art. Abdomen
glänzend, über und über dicht feinkörnig, auf den Flächen der Segmente
jederseits außerdem gröbere Beulengruppen. Unterseite ebenfalls dicht
eingestochen punktirt.
Cauda glatt und glänzend, oben mit ziemlich breiter Rinnen-
furche, deren Ränder gerundet sind und auf der Firste nur einige
körnige Buckel tragen, die aber selbst im IV. Segment nicht zu einem
deutlichen Kiel sich ausbilden... Unterseits im 1. — IV. Segment
Kiele fast völlig obsolet, nur durch schwache, mit gereihten Haar-
grübchen versehene Kanten angedeutet. Im V. Segment die schwachen
Kiele mit Dornenreihen besetzt. Unterseite, glatte Seiten und die Rinne
der Oberseite dicht eingestochen punktirt. Blase unterseits mit
2 Reihen stachelartiger Höckerchen, seitlich dicht punktirt.
Oberarm zerstreut feinkörnig und nadelstichig punktirt; unter-
seits fast nur nadelstichig. Unterarm mit schwachem Grundhöcker
an der Vorderfläche, oben beulig-netzig, das Netzwerk punktirt; Hinter-
fläche kaum körnig; Unterfläche glatt, etwas beulig, punktirt, mit bis zum
Ende verlaufendem Hinterrand. An seiner Grundhälfte 3 Haargrübchen.
Handoberfläche flachgrubig netzig, z. Th. glatt, ohne Neben-
kiel, das Netzwerk punktirt. Außenfläche der Oberhand mäßig körnig,
mit der Innenfläche der Oberhand einen stumpfen Winkel bildend.
Beweglicher Finger beim Weibchen ohne, beim Männchen mit mäßigem
Lobus. Das Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand
schwankt zwischen 1: 0,93 und 1:1,06; das gewöhnliche ist 1:1.
Größte absolute Länge des Fingers 10, der Hinterhand 9,5 mm.
Verhältniß der Hinterhand zur Handbreite gleich 1: 0,8 bis 1: 0,9.
Größte absolute Handbreite 8,5 mm.
Die Oberschenkel sind gleich den Schienbeinen dicht ein-
gestochen punktirt, nicht körnig. Endtarsen unterseits außen mit 2,
innen mit 3 Dornen, abgesehen von je einem winzigen Endeckdorn.
Von einer medianen Dörnchencriste am Grunde kaum eine schwache Spur.
Die Zahl der Kammzähne schwankte bei 22 Exemplaren
zwischen 5 und 7, und zwar fand ich einmal 5, 5, viermal 5, 6, neunmal
6, 6, siebenmal 6, 7 und einmal 7, 7 Zähne.
Gatt. Opisthacanthus. 125
Das Verhältniß des Truncus zur Cauda varirt zwischen
1: 0,62 und 1: 1,05; die längere Cauda findet sich bei den männlichen
Exemplaren. Die größte absolute Länge des Körpers betrug 73 mm
(Truncus : Cauda = 45 : 28).
Die Heimath des O. afrıcanus ist augenscheinlich ein großer
Theil Africa’s. An der Westküste sind Fundorte bekannt von den
Bananainseln an der Sierra Leone bis südlich zum Congo und
im Innern bis zu den Stanley Falls. Im Osten ist er beobachtet
am Zambesi und bei Port Natal. Ein Exemplar aus dem Straß-
burger Museum trägt sogar die Etikette „Aegypten“.
4. Opisthacanthus madagascariensis n. sp.
Von dieser Art haben mir ein Exemplar des Berliner und zwei
Exemplare des Lübecker Museums zur Verfügung gestanden.
Die Färbung entspricht im Allgemeinen derjenigen der übrigen
Arten. Truncus, Cauda, Arme, Hände sind tief braun, letztere mit
röthlichem Anflug; die Beine lederbraun, die Blase lehmgelb.
Der am Vorderrande ziemlich tief ausgeschnitteneCephalothorax
(Fig. 51) ist um den Augenhügel herum feinkörnig, auf der übrigen
Fläche ebenfalls feinkörnig (Männchen) oder nadelstichig punktirt
(Weibchen); nur eine Beule jederseits hinter den Seitenaugen und die
triangelförmige Depression am Hinterrande sind glatt. Abdominal-
ringe oberseits durchaus dicht gleichmäßig feinkörnig oder nadelstichig
(Weibchen), unterseits gleichmäßig eingestochen punktirt.
Cauda oben mit schmaler Rinne, ihre Ränder gerundet, aber
matt, dicht feinkörnig, mit keinerlei Andeutung von Cristen, auch nicht
im IV. und V. Segment. Unterseits im I.—IV. Segment deutliche,
aber glatte, nur mit einzelnen größeren Haargrübchen besetzte, sonst
aber fein nadelstichig punktirte Kiele. Untere Kiele im V. Segment
dornzackig; Seitenflächen der Cauda dicht femkörnig. Blase glatt,
aber auf den Seiten dicht eingestochen punktirt.
Oberarm lang, flach, oben und unten äußerst fen und dicht
gekörnt, unterseits gegen das Ende nadelstichig. Unterarm am Grunde
der Vorderfläche mit großem, mehrzackigem Höcker, oben femkörnig,
unten netzig punktirt oder netzig feinkörnig und dazwischen punktirt,
namentlich am Ende. Am Hinterrande, der ziemlich scharfkantig bis
zum Ende verläuft, die gewöhnlichen 3 Haargruben (vom Grunde bis
zur Mitte).
Hand auffallend lang und schmal, mit fast parallelem Innen-
und Außenrande (Fig. 44). Innenfläche der Oberhand dicht feinkörnig,
etwas netzig, fast eben, ohne deutlichen Nebenkiel. Außenfläche der
I6 Scorpionidae: Ischnurini.
2b I
Oberhand mit der Innenfläche einen rechten Winkel bildend (in der
Oberaufsicht daher nicht sichtbar), ebenfalls feinkörnig, nur unmittelbar
neben dem Außenrande eine unregelmäßige Längsreihe gröberer Buckel.
Außenfläche der Unterhand glatt, aber dicht eingestochen punktirt.
Beweglicher Finger oberhalb des Grundes mit gerundetem Lobus.
Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand = 1: 1,03 bis
1; 1,2 ‚(Absolute ’Maaße: 10,3 : 12,5; 10,5: mm); Länge der
Hinterhand zur Handbreite = 1:0,5 bis 1: 0,68 (Absolute Maaße:
12,5:.6,2; 1127 9.0m).
Die Oberschenkel sind feinkörnig nnd punktirt, die Schien-
beine nur eingestochen punktirt. Endtarsen unterseits außen und
innen mit je 2 ziemlich starken Dornen; an den Endecken je eine
lange Borste. Auf der Schneide zwischen den Dornen nach dem
Grund zu eine Mittelreihe feinster Dörnchen, welche am Grunde bogig
umbiegt. Vorletztes Tarsenglied innenseits mit 2—4 kleinen Dornen
am Ende.
Zahl der Kammzähne 9, 9 beim Männchen, 7, 7 beim Weibchen.
Kammgrundwinkel ziemlich stumpf (etwa 120°) beim Männchen,
130—140° beim Weibchen.
Verhältniß des Truncus zur Cauda beim Männchen —= 1: 0,84,
beim Weibchen = 1:0,7 bis 1:0,79. Größte Gesammtlänge beim
Männchen 70 (= 38 + 32) mm, beim Weibchen 71 (= 41+30) mm.
Die vorliegende Art erinnert in Bezug auf die Länge von
Oberarm, Unterarm und Hand, den starken Grundhöcker des Unterarms,
vor allem aber durch die im rechten Winkel zueimander gestellte
Außen- und Innenfläche der Oberhand m etwas an die Gattung
Hadogenes; sie ist aber sofort durch den Mangel der oberen Caudal-
cristen, den kaum zusammengedrückten Schwanz, die geringe Zahl der
Haargrübchen am Hinterrande des Unterarms und am Außenrande
der Hand, wie den fehlenden Eckdorn am Endtarsus von jener
unterschieden. Die Unterschiede von den übrigen Opisthacanthusarten
sind in der Bestimmungstabelle genügend hervorgehoben.
Die Exemplare stammen theils vom Nordwesten Mada-
gaskars, theils von Majumba.
5. Opisthacanthus asper (Pet.).
1861 Ischnurus asper Pet. (Sitzungsber. Berl. Akad. 1861, p. 513).
1893 Opisthocentrus laevipes Poc. (Ann. Mae. [6] XII, p. 319).
Karsch (Münch. ent. Mitt. 1879, p. 14) glaubt die vorstehende
Form der zum Theil gekörnten Kiele der Caudaloberseite wegen der
Gattung Ischnurus (= Hadogenes) zureihen zu sollen. Charakterisiren
Gatt. Opisthacanthus. 127
wir hingegen die beiden verwandten Gattungen so, wie es im Früheren
geschehen, so ist die Form ein ganz unzweifelhafter Opisthacanthus.
Die Beschreibung des Pocock’schen O. laevipes paßt so gut auf
die vorstehende Form, daß ich nicht anstehe, sie mit derselben zu
identifieiren.
Die Färbung entspricht derjenigen der übrigen Arten. Die
Innenfläche der Oberhand ist oft auffallend rothbraun.
Der Cephalothorax ist am Vorderrande nur seicht aus-
gerandet (Fig. 52), platt, die Fläche zerstreut körnig, mit zahlreichen
eingestochenen Punkten dazwischen, die auf den Loben die Oberhand
gewinnen. Eine Beule jederseits hinter den Seitenaugen und das Ende
der triangelförmigen Depression am Hinterrande glatt.
Abdomen oberseits dicht nadelstichig punktirt (auch Kiele und
Vorderrandumschlag), an den Hinterrändern zuweilen auch etwas körnig.
Abdominalunterseite äußerst dicht und gleichmäßig nadelstichig.
Cauda oben mit ziemlich breiter, flacher Furche; ihre Ränder
im I. und II. Segment gerundet, wenn auch etwas höckerig. Im
III. Segment stellen diese Höcker fast schon eine unregelmäßige Criste
dar, die im IV. Segment vollkommen deutlich entwickelt ist und auch
im V. Segment, wenn auch minder regelmäßig und deutlich, auftritt.
Untere Caudalkiele im I. — III. Segment deutlich entwickelt, aber glatt
und nur von einzelnen gröberen Haargrübchen unterbrochen, im
IV. Segment etwas sägezähnig und noch deutlicher im V. Segment.
Ganze Unterfläche der Cauda, sowie die mit zerstreuten Buckeln
besetzten Seitenflächen dicht eingestochen punktirt, matt. Blase unterseits
mit 2 Reihen stachelartiger Körnchen, selten fast glatt, an den Seiten
dicht punktirt.
Oberarm oberseits mehr oder weniger glänzend buckelig-
körnig, dazwischen punktirt, unterseits ungekörnt, punktirt. Unterarm
mit schwachen, stumpfen Grundhöckern an der Vorderfläche, oben
etwas höckerig bis grobbuckelig und punktirt, unten glatt, namentlich
nach dem Ende zu punktirt, der Hinterrand ziemlich scharfkielig bis
ans Ende.
Hand oben etwas feinkörnig - netzig, reticulirt - netzig oder
grob buckelig-netzig, glänzend, mehr oder weniger punktirt, ohne
Nebenkiele.e. Außenfläche der Oberhand glänzend grobkörnig, mit der
Innenfläche einen stumpfen bis fast rechten Winkel bildend. Außen-
fläche der Unterhand glatt, eingestochen punktirt. Finger beim
Weibchen ohne Lobus, der des Männchens mit schwachem oder
stärkerem Lobus. Das Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinter-
1238 Scorpionidae: Ischnurini.
hand schwankt zwischen 1: 0,9 und 1:1, das der Hinterhand zur
Handbreite zwischen 1:0,8 bis 1:1. Größte absolute Maaße für
Finger, Hinterhand und Handbreite: 17, 17 und 13,5 mm.
Die Oberschenkel sind eingestochen punktirt, ebenso die
Schienbeine. Endtarsen unterseits außen mit 3-—4, innen mit
3—5 Dornen (Fig. 45); Endeckdornen meist kleiner als die übrigen.
Auf der Schneide zwischen den Dornen eine mehr oder weniger deutliche
Dörnchencriste, die namentlich am Grunde des Tarsus als kurze
Bogenlinie hervortritt. Vorletztes Tarsenglied innenseits am Ende mit
2—3 Dornen.
Die Zahl der Kammzähne schwankte bei 11 Exemplaren
zwischen 8 und 10, und zwar fand ich zweimal 8, 8, dreimal 8, 9,
viermal 9, 9, einmal 9, 10 und einmal 10, 10 Kammzähne.
Das Verhältniß des Truncus zur Cauda varırt zwischen 1: 0,71
bis 1 : 1, wobei dem Männchen die längere Cauda zukommt. Die größte
absolute Länge des Körpers betrug 105 mm (Truncus : Cauda = 59: 46).
Die Heimath des 0. asper schemt Ostafrika zu sei,
wenigstens liegen mir Exemplare sowohl von Nguruman im Massai-
lande, wie von Mozambique und der Delagoabay vor. Der
O. laevipes Poc. stammt aus Transvaal. Der Fundort Java für die
Peters’sche Var. chrysopus dürfte daher auf Verschleppung oder auf
einen Irrthum zurückzuführen sein.
6. Opisthacanthus validus Thor.
1877 Opisthacanthus validus Thor. (Atti Soc. ital. XIX., p. 243).
1879 Hormurus diremptus Ksch. (Münch. ent. Mittheil. 1879, p. 129).
1885 Hormurus asiaticus Keyserling (Die Arachn. Austr. Scorpion, p. 24, T. II, Fig. 1).
1893 Opisthocentrus validus Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XIL, p. 318).
In der Synonymie auch dieser Art schließe ich mich der Ansicht
Pococks an.
Da mir nur 3 Exemplare, darunter das Originalexemplar von
Hormurus diremptus Karsch, zur Verfügung gestanden, so habe ich
der Beschreibung der früheren Autoren nur wenig hinzuzufügen.
Die Färbung entspricht derjenigen der übrigen Arten; sie ist
bei dem jüngeren Exemplar des Berliner Museums scherbengelb bis
-braun auf dem Truncus, bei den andern dunkel schwarzbraun, Beine
und Arme meist braun. Die Blase ist immer lederfarben.
Der nur mäßig am Vorderrande ausgeschnittene Cephalothorax
ist der Hauptsache nach eingestochen punktirt, zeigt aber auch,
namentlich an den Seiten und um die Augenhügeldepression herum,
eine feine Körnelung. Die Dorsalringe des Abdomens sind nur
Gatt. Opisthacanthus. 1%
eingestochen punktirt und zeigen keme Körnelung. Auf der Bauchseite
ist die nadelstichige Punktirung auf den Seiten der Segmente auffallend
viel gröber, als in der Mitte, welche bei schwacher Lupenvergrößerung
fast glatt erscheint.
Cauda matt, nicht glänzend, oberseits mit schmaler Rinnen-
furche, deren gerundete Ränder ungekielt aber dicht feinkörnig sind.
Auch im IV. und V. Segment oberseits keine Spur von Kielen.
Unterseits Mittel- und Seitenkiele sämmtlich deutlich hervortretend,
aber im I.—III. nur mit je 3 groben eingestochenen Punkten besetzt.
Im IV. Segment Mittel-. und Seitenkiele etwas schärflich, fast äußerst
fein sägezähnig, im V. noch etwas deutlicher sägezähnig. Seitenflächen
etwas femkörnig und undeutlich punktirt. Blase unterseits glatt oder
mit 2 Reihen Körnchen, an den Seiten obsolet oder deutlicher ein-
gestochen punktirt.
Oberarm oberseits feinkörnig, am Ende auch nadelstichig ;
unterseits muldenförmig gehöhlt, glatt, kaum nadelstichig. Unterarm
vorderseits mit mäßigem Grundhöcker, oberseits glatt oder etwas netzig
runzelig, im letzteren Falle auf den Erhöhungen nadelstichig; Unterseite
glatt, glänzend, vornehmlich nach dem Ende zu nadelstichig.
Oberhand auf-der Innenfläche netzig grubig, namentlich nach
dem Innenrande zu; Mittelfläche fast glatt und glänzend und hier
nadelstichig oder glatt. Außenfläche der Oberhand ziemlich grob
buckelig körnig, meist mit gröberer Körnchenreihe in der Mittellinie.
Unterhand auf ihrer Außenfläche glatt und glänzend, nicht oder doch
nur fein eingestochen punktirt. Beweglicher Finger des Männchens
mit Lobus, dem eine tiefe Ausbuchtung der Gegenseite entspricht.
Beweglicher Finger etwa so lang, als die Hinterhand (8: 7,8;
11,5:11,5 mm). Verhältniß der Hinterhand zur Handbreite = 1: 0,8
bis 1: 0,92. Größte Handbreite 10,2 mm.
Oberschenkel vorwiegend feinkörnig, Unterschenkel vorwiegend
grob eingestochen punktirt. Endtarsen unterseits außen mit 3—5
(meist 4), innen mit 4—5 fast gleich großen Dornen, deren letzter
endeck-ständig ist. Eine Mitteleriste feinster Dörnchen am Grunde
kaum angedeutet. Vorletztes Tarsenglied mit 2—3 Dornen innenseits
vor dem Ende.
Zahl der Kammzähne bei allen Exemplaren 6, 6, nach
Thorell auch 5 und 7.
Das Verhältniß des Truncus zur Cauda = 25:20 (Männchen)
und 31:26, resp. 48:37 mm (Weibchen).
150 Seorpionidae: Ischnurini.
Die Heimath des ©. validus ist Südafrika (Cap, Kaffern-
land). Auf eine Verschleppung nach Ostindien deutet der O. asiaticus
Keys. und ein Exemplar des Hamburger Museums aus dem ehemaligen
Mus. Godeffroy, beide wahrschemlich derselben Quelle entstammend.
.
5. Gratt. Ischnurus ©. L. Koch emend.
Typische Gattung der Ischnurinen, mit den Merk-
malen und vom Habitus der Gattung Opisthacanthus, aber
das Tarsenendglied unterseits statt der wenigen Dornen-
paare jederseits mit einer dichten Reihe langer Wimper-
borsten besetzt (Fig. 47). Aeußere Handoberfläche mit
der inneren einen etwas stumpfen Winkel bildend, Außen-
fläche daher in der Oberaufsicht etwas sichtbar. End-
zinken der Öberkiefer parallel. Kammgrund beim Weibchen
mit sehr stumpfem Winkel.
Die Gattung enthält zur Zeit nur eme Art.
1. Ischnurus ochropus C. L. Koch.
1838 Ischnurus ochropus C. L. Koch (Arachn. IV, p. 69)
1893 Chiromachus ochropus Poc. (Ann. Mag. nat. Hist. [6] XII. p. 320).
Ein Druckfehler im Index des Koch’schen Arachnidenwerkes
dürfte Pocock zu der irrigen Annahme geführt haben, nicht J. ochropus,
sondern J. melampus sei der Typus der Gattung, wodurch dann
die Aufstellung des neuen Genus Chiromachus seine Erklärung
findet. Die Ansicht Pocock’s, daß der Ischnurus asper Pet. nebst
seiner Var. chrysopus als Weibchen zu dieser Art zu ziehen seien,
muß ich nach Untersuchung der Originalexemplare als irrig bezeichnen;
es handelt sich bei diesen um eine wirkliche Opisthacanthusart.
Färbung wie bei den Opisthacanthusarten, schwarzbraun.
Abdomen oberseits mehr braunroth, ebenso die Blase. Beine ockergelb
bis rothgelb.
Cephalothorax in der Mitte des Stirnrandes tief halbkreis-
förmig ausgerandet, mit einer den niedrigen Augenhügel durchziehenden
Medianfurche, die hinten in eine dreieckige Depression übergeht.
Augen vor der Mitte der Entfernung vom Grunde der Stirnausrandung bis
zum Hinterrande. Seitenaugen fast in einer Reihe, oberhalb des Randes.
Fläche ziemlich gleichmäßig gekörnt, auf dem Spiegel weniger dicht.
Abdomen dicht gekörnt oberseits, Körnchen am Hinterrande
der Segmente auffallend an Größe zunehmend; letztes Segment ohne
deutliche Cristen, grobkörnig. Unterseite glatt, etwas fein quer
nadelrissig; letztes Segment mit 2 glatten Kielen.
Gatt. Ischnurus. 131
Cauda oberseits mit schmaler Rinnenfurche, die sich am Ende
des V. Segmentes verflacht. Begrenzungsränder gerundet, etwas
- höckerig und mit stärkerem Enddorn, aber sonst ohne gekörnte Criste.
Obere Lateralkiele fehlend. Untere Mediankiele schwach, glatt, mit
je 3—4 in einer Reihe gestellten Haargrübchen; untere Lateralkiele
noch undeutlicher. V. Segment unterseits fast ohne erhabene Kiele,
aber mit drei Reihen dornspitziger Körnchen. Seitenflächen der Cauda
matt, etwas höckerig, im V. Segment etwas deutlicher spitzkörnig.
Blase glatt, glänzend, unten borstig.
Oberarm oberseits flach, zerstreut körnig, mit gezackten
Randkanten, unterseits glatt, ohne hintere Randkante. Vorderseite
mit einzelnen gröberen und feineren Spitzkörnchen. Unterarm oben
flach gewölbt mit gekörnter oberer Vorderrandkante, die Fläche etwas
höckerig körnig. Vorderfläche fast glatt, am Grunde mit einer Vertical-
reihe von 3—4 großen Grunddornen. Unterseite glatt, etwas beulig,
mit gezackter Vorderrandceriste und 3 Haargrübehen am Hinterrande.
Hand groß, mit starkem, glattem Fingerkiel. Innenfläche der
Oberhand flach gewölbt, ohne Nebenkiel, runzelig auf der-Fläche, an
den Rändern stärker hervortretende, aber zusammentließende Buckel;
Außenfläche isolirt grobkörnig, Nebenkiel kaum angedeutet. Finger
bei beiden Geschlechtern mit deutlichem Lobus, Schneide mit 2
Parallelreihen von Körnchen. Verhältniß der Länge des beweglichen
Fingers zur Hinterhand wie 1:0,86 bis 1:1, der Hinterhand zur
Handbreite beim Weibchen etwa wie 1:0,8, beim Männchen wie
1:0,6. Größte absolute Maaße für Finger, Hinterhand und Hand-
breite beim Weibchen : 20, 17,2 und 12 mm, beim Männchen : 18,
18 und 10 mm.
Schenkel und Schienbeine zerstreut feinkörnig. Unterrand
des Oberschenkels mit 2 parallelen Körnchencristen. Endtarsen unter-
seits mit 2 Reihen langer, dichter Borstenhaare.
Zahl der Kammzähne beim Weibchen 8, 8 (beim Männchen
nicht erkennbar). Kammgrund beim Weibchen sehr stumpf. etwa 140°.
Verhältniß des Truncuszur Cauda beim Weibchen = 74:54 mm,
beim Männchen —= 40:51 mm.
Als Fundorte sind bekannt: Zanzibar, Seychellen und
Round Island bei Mauritius.
6. Gatt. Hormurus. Thor.
Isehnurinen mit paarigen unteren Caudalkielen
und Seitenaugen, die durchaus auf dem Rande selbst
stehen. Endtarsen der Beine am unteren Rande einige
9*
132 Scorpionidae: Ischnurini.
27
zarte Borsten tragend (Fig. 46.), nicht aber mit Dornen
besetzt. Vorletztes Tarsenglied ohne kürzere Dornen am
Ende der inneren Fläche Cephalothorax mäßig oder
stark ausgerandet. Neigung der inneren Oberhandfläche
gegen die äußere Oberhandfläche wenig größer als ein
Rechter, äußere Oberhandfläche daher in der Aufsicht
kaum sichtbar. Unterarm am Grunde der Vorderseite mit
mächtigem Dorn. Beide Endzinken der OÖberkiefer parallel,
gabelartig.
Diese zuerst von Thorell (Ann. Mag. Nat. Hist. [4] XVIL,
p. 14) durch die Randständigkeit der Augen charakterisirte Gattung
war durch dieses Merkmal nicht immer leicht von den Verwandten
zu unterscheiden, so daß mehrfach Verwechselungen vorgekommen
sind. Der Mangel der Dornen an den Tarsenendegliedern, den ich für
alle Formen feststellen konnte, und auf den schon Pocock hinweist,
wird in Zukunft Verwechselungen mit der Gatt. Opisthacanthus ver-
meiden helfen.
Von den etwa 9—10 Arten, die man in dieser Gattung unter-
schieden hat, ist zunächst der Horm. diremptus Karsch auszuscheiden,
da er sich nach Untersuchung des Originalexemplars als ein junger
Opisthacanthus validus erwiesen hat, wie schon der Fundort Africa
vermuthen ließ. Etwas Aehnliches gilt von dem Hormurus asiaticus
Keys., den Pocock mit Recht ebenfalls als Synonym zu Opisthacanthus
validus Thor. gezogen hat. Von den übrig bleibenden sind H. austra-
lasiae und complanatus C. L. Koch schon von Thorell vereinigt
worden. Ich stimme dem zu, halte aber die Unterschiede von H. compla-
natus nicht constant genug, um auf ihnen eine besondere Varietät zu
begründen. Des weiteren ist durch Pocock dann neuerdings auch die
Identität des Scorpio Cumingii Gerv. mit Horm. australasiae erwiesen
worden. Den H. Karschii Keyserling möchte ich lediglich als Varität des
H. caudicula auffassen, ebenso den H. insculptus Thor., der allerdings
in vieler Hinsicht als ein Verbindungsglied zwischen H. australasiae
und H. caudicula erscheint, andererseits aber so allmähliche Ueber-
gänge zum echten H. caudicula zeigt, daß er artlich nicht wohl von
ihm zu trennen ist. Dasselbe gilt von dem H. Weberi Poc., der
sich vom H. insculptus Thor. hauptsächlich nur durch die weiter aus-
geprägte Punktirung des Cephalothorax unterscheiden dürfte. Ueber
den „Ischnurus“ neocaledonicus Sim. wage ich kein Urtheil, doch
gehört er jedenfalls in die Gruppe des Hormurus caudicula. Der
Ischnurus de Changei Becker unterscheidet sich von Horm. complanatus
einzig durch „die starken Granulationen des Thorax“, ist also wohl
Gatt. Hormurus. 133
ohne weiteres dem H. caudieula, der ja eben einen gekörnten Cephalothorax
besitzt, zu identificiren, während der H. laeviceps Poc. neuerdings
von seinem Autor zur Gattung Jomachus erhoben wurde. Es ist
mir demnach nur möglich gewesen, zwei Formengruppen mit leidlicher
Schärfe auseinander zu halten. Ihre unterscheidenden Merkmale
sind folgende:
A. Il. und IV. Caudalsegment oben am Ende mit kleinem, aber
deutlichem Enddorn. I. u. U. Caudalsegment unterseits mit
rückwärts gerichteten Reihenzähnchen besetzt (vergl. Fig. 65; 1.
uud III. Segment). V. Caudalsegment mit ähnlichen, endwärts
gerichteten Sägezähnen. Unterarm auf der Unterfläche nur ein-
gestochen punktirt, sonst glatt, nicht körnig oder schilferig.
Ebenso die äußere Unterhandfläche. Cephalothorax auf der ganzen
Fläche mit eingestochenen Punkten besetzt, nicht gekörnt; ebenso
das reticulirte Abdomen. Zahl der Kammzähne meist 6, 6, selten
bis 8. Körper meist nur bis 40 mm lang. Länge der Hinterhand
bis 7 mm. Obere Rinnenfurche der Cauda oft fast verschwindend.
1. H. australasiae (Fabr.), p. 133.
B. IH. und IV. Caudalsegment oben am Ende ohne eine Spur emes
Enddorns, sondern völlig gerundet. I. und U. Caudalsegment
unten glatt oder mit wenigen, paarweise vorstehenden Höckern
auf den glatten Kielen (vgl. Fig. 66; I. und HI. Segment).
V. Candalsegment unterseits meist glatt, seltener etwas reihenkörnig.
Unterarm auf der Unterfläche körnig oder körnig und punktirt
(namentlich am Ende), nicht glatt, sondern mindestens schilferig.
Ebenso die äußere Handunterfläche. Cephalothorax auf der ganzen
Fläche gekörnt oder doch auf den Seitentheilen (dann die Stirn-
loben und Mittelfläche punktirt). Abdomen netzig und in den
Hinterecken der Segmente meist körnie. Zahl der Kammzähne
6—12, meist 8 oder 9. Körper bis 90 mm lang. Länge der
Hinterhand bis 15,5 mm. Obere Rinnenfurche der Cauda
stets ‚deutlich. „2... .\. 2. BE, eaudiculaL. Koch, p. ‚135.
1. Hormurus australasiae (Fabr.)
1775 Scorpio australasiae Fabr. (Syst. Ent., p. 399).
1838 Ischnurus australasiae C. L. Koch (Arachn. IV., p. 71, Fig. 294).
1838 5 complanatus «+ Ey; IV...» 73, Fig:- 295).
?1843 Scorpio gracilicauda, Guerin (Icon. du regne animal. Arachn., p. 11).
1844 Scorpio Cumingü Gerv. (Ins. Apt. II., p. 69).
1877 Ischnurus pistaceus Sim. (Soc. ent. France [2] VII., p. 93).
1877 Hormurus australasiae Thor. (Atti Soc. ital. XIX., p. 251).
134 Scorpionidae: Ischnurini.
Daß ich die Merkmale des H. complanatus als irgendwie constant
nicht auffassen kann, wurde bereits oben hervorgehoben. Das Gleiche
glaube ich von der Var. suspectus Thor. aussprechen zu dürfen.
Den H. pistaceus Sim. hat schon Thorell als identisch mit
H. australasiae angesprochen.
Die Färbung unseres Scorpions ist oberseits meist gelbroth
oder rothbraun, mit etwas dunklerer Cauda und Fingern. Beine und
Blase lehmgelb.
Cephalothorax glatt und glänzend, auf der ganzen Fläche
eingestochen punktirt, vorn nur schwach ausgerandet, mit durchgehender,
am Hinterrande in eine triangelförmige Grube sich verbreitender Mittel-
rinne. Abdomen ebenfalls glänzend und glatt, eingestochen punktirt,
mit breitem, flachem Kiel in jedem Ringe.
Cauda oberseits meist nicht mit ausgeprägter Längsrinne,
wenigstens nicht iml. und II. Segment. Segment II am Ende mit deutlich
sichtbarem Endzahn; ebenso etwas schwächer das IV. Segment.
Unterseits am Ende des I. Segments und der ganzen Länge nach auf
den Kielen des II. Segmentes starke, nach rückwärts gerichtete Dornen.
Im Segment III und IV nur glatte oder kaum gekörnte Kiele, im
V, Segment untere Seitenkiele mit endwärts gerichteten Dornen besetzt.
Oberarm, Unterarm und Hand oberseits körnig und
eingestochen punktirt. Oberarm unterseits am Grunde feinkörnig, am
Ende eingestochen punktirt. Unterfläche des Unterarms und äußere
Handunterseite nur eingestochen punktirt, glatt und eben, nicht auch
mit Körnchen besetzt. Das Verhältniß von Finger zur Hinterhand
schwankt zwischen 1:1,2 und 1:1,47, dasjenige der Hinterhand zu
deren Breite zwischen 1: 0,55 und 1:0,75. Größte absolute Maaße für
Finger, Hinterhand und Handbreite: 6,5, 7 und 5 mm. Das Männchen
trägt am Grunde des beweglichen Fingers einen starken Lobus, dem
eine Ausbuchtung der Gegenseite entspricht. Sehr auffallend war es
mir indeß, daß unter 125 Individuen nur ein einziges Exemplar dieses
Merkmal besaß. Es sind daher entweder die Männchen ungleich
seltener als die Weibchen, oder der Lobus gelangt erst bei sehr alten
Männchen zur Entwickelung.
An den Beinen sind die Schenkel und Schienbeine äußerst
feinkörnig oder punktirt.
Die Zahl der Kammzähne schwankt zwischen 4 und 8, und
zwar fand ich zweimal 4, 6, fünfmal 5, 5, zehnmal 5, 6, siebenund-
achtzigmal 6, 6, elfmal 6, 7, siebenmal 7, 7 und zweimal 7, 8 Zähne,
Gatt. Hormurus. 135
Die Zahlen 6, 6 treten daher m 80° aller Fälle auf, während die
Mittelzahl S des Horm. caudicula nur im extremsten Falle an einem
der Kämme sich zeigte.
Die Gesammtlänge des Körpers fand ich beim größten mir
vorliegenden Exemplare zu 41 mm, wovon 24 auf den Truncus, 17 auf die
Cauda kommen. Das Verhältniß des Truncus zur Cauda varürt von
1:0,5 bis 1:0,71 bei den untersuchten Weibchen. Bei dem einzigen
mit Fingerlobus versehenen Männchen betrug dies Verhältniß 1:0,8.
. Der Verbreitungsbezirk des H. australasiae ist em ungemein
großer und reicht vor allem viel weiter nach Westen, als der der
folgenden Art. Von Australien, wo er nach Thorell vorkommen
soll, habe ich selbst keine Exemplare gesehen, wohl aber von Neu-
Guinea und den benachbarten westlichen Inseln (Amboina). Von
hier erstreckt sich das Verbreitungsgebiet nach Westen über Timor.,
Java, Sumatra nach Malacca (Singapore), den Nicobaren und
Birma, sowie nach Nordwesten und Norden über Celebes, die
Sangirinseln, Borneo, Philippinen nach Cochinchina und
China, wo er bis in die nördlicheren Gegenden anzutreffen ist. Endlich
scheint er auch weit nach Osten über die zahlreichen Eilande des
stillen Oceans sich ausgebreitet zu haben, wie die Fundorte Upolu
(Samoa-Inseln), Tahiti (Gesellschaftsinseln) und endlich Salanga
(Küste von Columbien) beweisen dürften.
2. Hormurus eaudieula (L. Koch.)
0,6)
1844 Scorpio waigiensis Gerv. (Ins. Apt. III, p. 69.)
1867 Ischnurus caudicula L. Koch (Verh. Zool. bot. Ges. Wien XVII., p. 237.)
? 1877 Ischnurus neocaledonicus Sim. (Ann. Soc. ent. France [5] VII., p. 289).
1880 Ischnurus De Changei Becker (Ann. Soc. ent. Belgique XXIV., p. 143.)
Entgegen der Ansicht Thorells und in Uebereinstimmung mit
Keyserling halte ich den Se. waigiensis Gerv. für synonym mit
dieser Art (,,8 dents aux peignes; de couleur ferrugineux fonce, plus
clair aux pattes et a l’aiguillon) und nicht mit der Var. Karschii
Keys. Horm. insculptus Thor. wird, gleich dem H. Karschii
Keys. und H. Weberi Poc., als Varietät der Hauptform weiter unten
besprochen werden.
Die Färbung der Oberseite des Truncus varlirt vom Scherben-
gelb bis Dunkelrothbraun und Schwarz. Bei den helleren Exemplaren
sind namentlich die Cauda, der Thorax und die Arme dunkler gefärbt,
während die Beine und die Blase den helleren Ton der Abdominal-
oberseite zu bewahren pflegen. Schließlich können auch Beine und
Blase (Var. Karschii) dunkel beraucht erschemen.
136 Scorpionidae: Ischnurini.
Der Cephalothorax ist vorn in der Regel ziemlich tief halb-
kreisförmig ausgeschnitten, doch trifft man auch flachere Ausschnitte.
Die Oberfläche ist in der Regel auf der ganzen Fläche dicht gekörnt,
doch treten nicht selten auf den Vorderloben auch eingestochene
Punkte auf, welche dann mehr und mehr an Ausdehnung gewinnen
können. Bei der Var. Weberi von den Philippinen ist die Körnelung
fast vollständig durch eingestochene Punkte ersetzt. Die Mittelfurche
ist in der Regel hinter den Augen durch Körnelung unterbrochen
oder undeutlich.
Die Ringe des Abdomens sind namentlich auf den Hinter-
rändern grob gekörnt, im übrigen runzelig, können jedoch auch auf
den erhabenen Flächen (Mittelkiel etc.) eingestochene Punkte tragen.
Die Cauda besitzt oben eine ausgeprägte Länesrinne, deren
Ränder wulstig gerundet sind und im III. oder IV. Segment keinerlei
Andeutung eines Enddorns zeigen. Unterseits sind namentlich die
Mittelkiele als glatte, selten fein granulirte, mit einzelnen Haar-
erübchen besetzte Leisten entwickelt. Die für H. australasiae so
charakteristische Ausbildung von rückwärts gerichteten Dornen im I.
und II. Caudalsegment fehlt entweder ganz (Hauptform), oder ist nur
durch einige stumpfe Höcker (Var. Weberi und insculptus) angedeutet.
Auch das V. Caudalsegment ist bei der Hauptform völlig glatt und
ungekörnt, während im jugendlichen Alter, wie bei der Var. insculptus,
mehr oder weniger ausgeprägte Körnchen- oder Höckerreihen auftreten.
Oberarm, Unterarm und Hand sind oberseits mehr oder
weniger dicht gekörnt. Der Oberarm ist unterseits ebenfalls körnig,
zeigt jedoch meist im Enddrittel und vielfach auch an der Vorder-
kante eingestochene Punkte. Die Unterfläche des Unterarms ist ent-
weder nur körnig, oder sie läßt zwischen den Körnchen, die in diesem
Falle eigenthümlich schilferig oder schuppig angeordnet zu sein pflegen,
eingestochene Punkte erkennen. Dasselbe gilt von der äußeren Hand-
unterfläche, die namentlich oft am Ende vor der Einlenkung des
beweglichen Fingers eine eingestochen-punktirte Area besitzt. Das
Verhältniß des Fingers zur Hinterhand schwankt zwischen 1: 0,98
und 1:1,33, wobei die verhältnißmäßig größere Hinterhandlänge
namentlich den Männchen zukommt. Letztere sind stets leicht durch
einen gewaltigen Lobus am Grunde des beweglichen Fingers und die
entsprechende Ausbuchtung der Gegenseite erkennbar. Das Ver-
hältniß der Hinterhandlänge zur Breite der Hand variirt zwischen
1:0,48 und 1:60,77, wobei im Allgemeinen die verhältnißmäßig
schmäleren Hände auf die Männchen entfallen. Größte absolute Maaße
für Finger, Hinterhand und Handbreite: 13,5, 15,5 und 9,5 mm.
Gatt. Hormurus. 137
Schenkel und Schienbeine sind in der Regel dicht feinkörnig.
Die Zahl der Kammzähne schwankte bei 39 Exemplaren
zwischen 6 und 11, und zwar fand ich viermal 6, 6, fünfmal 6. 7,
viermal 7, 7, zweimal 7, 8, dreimal 8, S, achtmal 8, 9, fünfmal 9, 9,
einmal 9. 10, dreimal 10, 10 und viermal 11, 11 Zähne. In fast
62% aller Fälle fanden sich demnach S und mehr Kammzähne. Dabei
darf schon gleich hier bemerkt werden, daß von den 4 Fällen mit
11, 11 Kammzähnen drei auf die Hauptform und nur einer auf die
Var. Karschii entfiel, welche andererseits in drei Fällen bis 8, 9
Kammzähne herunterging. Die Annahme Thorells, daß H. Karschiü
(= waigiensis Thor.) sich durch ein Mehr von Kammzähnen von H.
caudicula unterscheide, ist demnach nicht haltbar.
Die Gesammtlänge des Körpers betrug beim größten Exemplar
90 mm, wovon 53 auf den Truncus, 37 auf die Cauda entfielen. Dabei
muß ich der Ansicht Keyserlings entgegentreten, daß H. Karschii
größer sei, als die Hauptform. Von. ersterem sah ich nur Exemplare
von 80 mm Gesammtlänge (gegen 70 mm der Keyserling’schen
Exemplare), während gerade die Hauptform jene größten Maaße bis
zu 90 mm ergab. Das Verhältniß von Truncus zur Cauda schwankt
zwischen 1:0,5 und 1:1,1, wobei die verhältnißmäßig längere Cauda
den männlichen Individuen zu eigen ist.
Als im Vorhergehenden schon mehrfach erwähnte Varietäten
des Hormurus caudicula nenne ich:
1. Var. «. Karschii Keyserl. (Koch Austral. Arachn. Lief. 32,
p. 31) = Horm. waigiensis Thor. (nec. Gervais) in Ann. Mus. eiv. XXV],
p. 427. Einige der von Keyserling und Thorell als unterscheidend
aufgeführten Merkmale habe ich schon im Vorigen als irrig nach-
gewiesen. Dasselbe gilt von dem angeblich tieferen vorderen Thoracal-
einschnitt und den verhältnißmäßig längeren Fingern des Männchens
(ich fand beim Männchen: Finger: Hinterhand = 1:1,2 bis 1:1,27,
also völlig der Hauptform entsprechende Zahlen). Das einzige übrig
bleibende Charakteristicum ist die dunkle, von 4 gelben Längsstreifen
durchzogene Blase, im Gegensatz zu der scherbengelben oder rothbraunen
der Hauptform. Auf diesen Färbungsunterschied eine eigene Art zu
gründen, erscheint um so weniger angängig, als ich bei zwei Individuen
unserer Varietät im Enddrittel eine hellere Färbung der Blase constatiren
konnte. Die dunkel berauchten Beine der Var. Karschii können ın
fast derselben Farbennüance auch bei der Hauptform auftreten.
138 Sceorpionidae: Ischnurini.
2. Var. ß. insculptus Thor. (= H. insculptus Thor.; Ann.
Mus. civ. Genova XXVI., p. 422). Thorell sagt von dieser Form, daß
sie zwischen H. australasiae und H. caudicula gewissermaßen die Mitte
halte, von ersterem aber durch die Körnelung, von letzterem durch das
Auftreten von Dornen auf der Unterseite des II. und V. Caudalsegmentes
unterschieden sei. Dieses letztere Merkmal nun kann ich nach Unter-
suchung einer großen Anzahl von Exemplaren und nach Auffindung aller
verschiedenen Stufen der Dornenausbildung an der Unterseite der Cauda
als arttrennend nicht anerkennen. Jüngere Individuen der Hauptform
zeigen ohnehin namentlich im V. Caudalsegment ziemlich deutliche
Körnchenreihen, die Dornen des II. Segmentes aber gehen so allmählich
in die einfachen, etwas kraterförmig vorgewölbten Haargrübchen der
Hauptform über, das es völlig unmöglich ist, zu sagen, wo eme scharfe
Grenze gezogen werden soll. Freilich läßt sich nicht leugnen, daß
gerade jene Formen mit ausgeprägterer Höckerbildung der Caudal-
Unterseite vielfach nun auch eine weitergehende Ausbildung der ein-
gestochenen Punktirung an Stelle der Körnelung zeigen, indem nicht
allen die Stirnloben, sondern auch die Endfläche der Armunterseite,
auch wohl der Handunterrand eingestochen punktirt sind. Irgend
welche constante Beziehungen aber der Caudalbedornung und der
vorgeschritteneren Punktirung an Stelle der Körnelung konnte ich nicht
feststellen. Ich kann daher den H. insculptus Thor. als Art nicht
anerkennen, glaube aber mit diesem Namen alle diejenigen Formen
als Varietät abgrenzen zu sollen, welche in Bezug auf deutlicher aus-
geprägte Höckerbildung im I., II. und auch wohl im V. Caudalsegment,
wie häufig auch durch theilweisen Ersatz der Körnelung der Flächen
durch eingestochene Punktirung, vielleicht auch durch geringere Zahl
der Kammzähne (ich fand: viermal 6, 6, viermal 6, 7, zweimal 7, 7,
zweimal 7, 8, einmal $, 8) einen Uebergang zum H. australasiae
andeuten.
3. Var. ». Weberi Poc. (=H. Weberi Poc.; Weber, Zool.-Ergeb.
Reise Niederl. Ostind. II., p. 97). Diese Form steht dem H. insculptus
Poc. in Bezug auf die Höckerbildung an der Unterseite der ersten 2 Caudal-
segmente nahe, unterscheidet sich indeß ziemlich scharf durch die viel
weiter gehende Ausbildung der eingestochenen Punkte. So ist auf dem
Cephalothorax nicht nur der Vorderrand, sondern auch die gesammte
Mittelfläche bis zum Hinterrande nicht gekörnt, sondern eingestochen
punktirt, und nur an den Seiten entdeckt man mit Mühe einige feinere
Körnchen. Ebenso ist die Unterseite des Unterarmes nur schwach
schilferig (nicht körnig), und auf der ganzen Fläche punktirt, während
die äußere Unterhand zwischen der schuppigen Runzelung ebenfalls
Gatt. Jomachus. 139
überall eingestochene Punkte erkennen läßt. Alle übrigen, von
Pocock noch hervorgehobenen Unterschiede von H. insculptus erweisen
sich als nicht constant, wie denn z. B. letztere Form sehr häufig einen
Cephalothorax besitzt, der länger ist als die Hinterhand. Für das
stärkere oder geringere Vorspringen der Seitenaugen genüst eine
geringfügige Aenderung des Radius der Stirnloben, wie sie thatsächlich
auch bei den Individuen einer und derselben Localität zu beobachten
ist, und das Längenverhältniß des Thorax zur Cauda ist zu variabel,
als daß es in Betracht gezogen werden könnte. Ich glaube daher
auch den H. Weberi Poc. lediglich als eine Form, nicht als selbständige
Art, ansehen zu müssen.
Die Hauptheimath des H. caudicula ist jedenfalls
Australien und zwar namentlich die Süd- und die Ostküste.
Von hier geht er weiter westlich nach Neu-Guinea, wo er sicher
mit H. australasiae an denselben Fundorten sich findet. Der „Ischn.
de Changei“ Beck. stammt von Manila. Die Var. Karschii ist von
Neu-Guinea und den Key-Inseln bekannt. Die Var. insculptus
erhielt Thorell von Neu-Guinea; mir selbst haben Exemplare, die
ich dieser Form zurechne, aus Australien, Neu-Guinea, den Molukken
und Aroo-Inseln vorgelegen. Die Var. Weberi kommt von Celebes
und von den Philippinen (Bohol); der Ischnurus neocaledonicus
von Neu-Öaledonien. Im Großen und Ganzen dürften wir daher den
H. caudicula als die östlichere, den H. australasiae als die westlichere
Hauptform zu betrachten haben.
Gattung Jomachus Poc.
Ischnurinen vom Habitus und mit den Merkmalen
der Gattung Hormurus, aber Endtarsen unterseits mit
einer Mittelreihe kurzer dorniger Zähnchen besetzt (Fig. 48).
An den Seiten nur wenige feine Wimpern.
Es ist nur eine Art bekannt.
l. Jomachus laeviceps Poc.
1890 Hormurus laeviceps Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. 1890, p. 242).
1892 Hormurus laeviceps Poc. (Bombay Nat. Hist. Soc. 1892, p. 9).
1893 Jomachus laeviceps Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XII, p. 320).
Da mir Exemplare dieser Art nicht vorgelegen haben, so
referiere ich nur kurz das Wesentliche aus der Beschreibung Pocock’s.
Farbe des Truncus ockergelb bis pechbraun. Arme und Beine
rothbraun bis dunkel braun; Blase heller als die Cauda, meist dunkler
gestreift.
140 Sceorpionidae: Chaerilini.
.
Cephalothorax dicht und fein eingestochen punktirt, meist
glatt, zuweilen in den hinteren Parthieen feinkörnig. Medianfurche
durchgehend. Vorderrand seicht ausgeschnitten. Augenhügel kaum
entwickelt. Abdomen dicht fein punktirt, glatt oder an den Seiten
etwas feinkörnig; im den mittleren Segmenten je 2 deutliche Depressionen,
welche eine mehr oder weniger birnförmige Area begrenzen. Bauch-
segmente schwach und fein punktirt.
Cauda oberseits ohne Kiele; unterseits im I.—IV. Segment
statt der Kiele Reihen von Haargrübchen, V. mit 3 unregelmäßigen
Körnchenreihen. Untere Fläche dicht und grob nadelstichig, Seiten-
flächen der vorderen Segmente etwas körnig, der hinteren glatt. Blase
glatt, beborstet.
Oberarm oberseits mit gekörnten Kanten; Fläche glatt,
punktirt oder in der Grundhälfte körnig; Unterseite glatt, punktirt.
Unterarm oberseits glatt und punktirt, Vorderseite mit 2 großen
(rundhöckern, Unterseite glatt und punktirt.
Hand oberseits grob nadelstichig, mit etwas gekörntem Finger-
kiel, unterseits glatt. Beweglicher Finger beim Männchen mit
deutlichem Lobus. Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand
m
wie 7:9, der Hinterhand zur Handbreite wie 9: 5,5.
Oberschenkel der drei ersten Beinpaare am Grunde und
am Ende der Unterkante gekörnt, 4. Beinpaar nur am Ende.
Zahl der Kammzähne 3—6, meist 5. Platten des Genital-
operculums beim Weibchen verwachsen, viel breiter als lang.
Verhältniß des Truncus zur Cauda wie 30:25 mm beim
Männchen.
Die Heimath ist das Bergland des südlichen Vorder-
indiens (Madras, Tranquebar, Koimbatur).
5. Subfam. Chaerilini Poc.
Scorpioniden mit 2 Dornen am Grunde der Endtarsen,
ohne gerundete Seitenloben am Ende, mit 2 Reihen von
Borsten an der Unterseite. 2 Seitenaugen, hinter dem
zweiten ein gelber, glänzender Fleck. Cephalothorax nach
vorn stark verjüngt; Stirn gerade abgeschnitten, kaum
ausgerandet. Beweglicher Finger des Oberkiefers mit
einer Reihe kleiner Zähnchen unterseits. Schneide der
Palpenfinger mit übereinander greifenden Schrägreihen,
die aber zuweilen fast nur eine fortlaufende Reihe bilden
(Fig. 55, 56). Hand deutlich gekielt, nicht abgeplattet
Gatt. Chaerilus. 141
(Fig. 53, 54). Cauda mit normalen Kielen. Stigmen rund.
Sternum so lang oder länger als breit, nach vorn etwas
verschmälert, mitdurchgehenderMittelfurche, diekurz vor
dem Grunde in einer tiefen Grube endigt (Fig. 58). Kämme
wenig gegliedert, Mittellamellen und Fulcra meist nicht
oder wenig gesondert. Kammzähne wenig. — Altweltliche,
auf Ostasien beschränkte Gruppe.
Von den 3 bisher aufgestellten Gattungen Chaerilus, Chelo-
machus und Uromachus ist die zweite von Thorell lediglich darauf
gegründet, daß das Sternum nur so lang als breit ist, was, wie schon
Pocock hervorhebt, bei ganz jungen Individuen — und um ein solches
handelte es sich — häufig vorkommt, so daß die Einziehung der
Gattung erfolgen muß. Da auch die Gattung Uromachus Pocock
von dem Autor selbst wieder eingezogen wurde, so haben wir es zur
Zeit nur mit der einen Gattung Chaerilus zu thun.
l. Gatt. Chaerilus Sim.
Charakter der Subfamilie.
Von dieser Gattung sind bisher 7 Arten unterschieden worden,
deren scharfe Trennung aber erhebliche Schwierigkeiten macht. Nicht
allen, daß das Vergleichsmaterial in den Museen ein nur äußerst
spärliches ist; auch die Verschiedenheit der Altersstufen scheint namentlich
in Bezug auf die Färbung eine sehr weitgehende zu sein, und wichtige
Merkmale, die zur Unterscheidung hätten herangezogen werden können,
sind von den Autoren vielfach unerörtert geblieben. Unter diesen
Umständen kann ich mit Sicherheit nur über diejenigen Formen
urtheilen, welche mir selbst zur Untersuchung vorgelegen haben,
während sich über die übrigen nur Vermuthungen aufstellen lassen.
Darnach sind die mir zur Verfügung stehenden Formen Ch. variegatus
Sim., Ch. truncatus Karsch und Ch. celebensis Poc. gute, wohl-
charakterisirte Arten. Dasselbe dürfte von dem Ch. pietus Poc.
gelten. Der Ch. borneensis Sim. ist vielleicht nur ein junges
Exemplar des Ch. variegatus, wie weiter unten des Näheren zu erörtern,
und dasselbe gilt in noch höherem Maaße von dem nur 16 mm
langen, also fast embryonenhaften Ch. birmanicus Thor. Der
Ch. cavernicola Poc. endlich bietet keine irgendwie ins Gewicht
fallenden Merkmale, welche seine Abtrennung von Ch. truncatus Karsch
geboten erscheinen ließen. Für die Bestimmung der gut charakterisirten
Arten möge folgende Tabelle dienen:
A. Blase (ob nur beim Männchen ?) nach hinten erweitert, dann plötzlich
lobenartig abgesetzt und in den anfangs geschwollenen, dann
142
Scorpionidae: Chaerilini.
plötzlich spitz dornförmigen Stachel übergehend (Fig. 42). III. und
IV. Abdominalsegment oberseits mit niedrigem, glattem Mittelkiel.
Cauda doppelt so lang als der Truncus.
1. Ch. pietus’Poc, p. 342
B. Blase von gewöhnlicher Gestalt, am Ende allmählich verschmälert und
a.
ohne Absatz in einen normalen Stachel übergehend. Dorsalsegmente
ohne Mittelkiel. Cauda so lang oder wenig länger als der Truncus.
Schrägreihen der Palpenfinger zu 13—14 (Fig. 55). Hand!) so
breit oder breiter, als die Länge der Hinterhand. Handballen
nach der Einlenkungsstelle tief herzförmig eingezogen (Fig. 53).
Cephalothorax vor dem Augenhügel ohne größere glatte Area.
Obere Kiele des Unterarms sämmtlich ungekielt, seine Vorder-
fläche glatt. Obere Caudalkiele im V. Segment ohne deutliche
einreihige Körnchencriste.....2. Ch. variegatus Sim., p. 144.
Schrägreihen der Palpenfinger zu 7—10 (Fig. 56). Hand nur
bis ”s so breit als die Länge der Hinterhand. Handballen am
Grunde gestutzt, oder mit schwach herzförmig gerundetem,
vorspringendem Lobus (Fig. 54). Cephalothorax vor dem Augen-
hügel mit glatter Area. Vorderrandkiel der Oberseite des
Unterarms meist gekörnt, Vorderfläche des letzteren körnig,
oder doch am Grunde mit größeren Dörnchen. Obere Caudal-
kiele im V. Segment meist mehr oder weniger deutlich als
srößere Körnchenreihe entwickelt.
')
Die wichtigeren Kiele der Chaerilus-Hand dürften folgendermaaßen zu
deuten sein: Der von mir im Früheren als „Fingerkiel“ bezeichnete
Oberhandkiel, der die Oberhand in Innen- und Außenfläche theilt, verliert
seine dominirende Bedeutung und ist nur bis zum inneren Grunde des
unbeweglichen Fingers verfolgbar. Weit stärker ist an seiner Stelle bei
zweien der bekannten Arten der sogen. „Nebenkiel“ der Innenfläche der
Oberhand entwickelt, der von der Handbasis ununterbrochen bis in den
unbeweglichen Finger sich erstreckt. Der dritte, innenseits von diesem
vom unbeweglichen Finger herabziehende Kiel ist der Innenrandkiel der
Oberhand, d. h. der den Außenrand des unbeweglichen Fingers fortsetzende
Kiel.e Er müßte normaler Weise auch die Grenzlinie der Oberhand bilden,
thut es aber bei Ch. variegatus thatsächlich nicht (vgl. Fig. 53), da die
Innenfläche der Unterhand sich seitlich vorwölbt und so an der Bildung
des großen herzförmigen Handballens theil nimmt. Es kommt hierdurch
der Innenrandkiel scheinbar auf die Fläche der Oberhand zu liegen, und
er kann in diesem Falle so sehr obsolet werden, daß der aus Innenfläche
der Oberhand + Innenfläcke der Unterhand zusammengesetzte Ballen
namentlich am Grunde eine einzige Ebene zu bilden scheint. Diese Ver-
hältnisse sind typisch für Ch. variegatus und erklären dessen excessive Hand-
breite, während bei den übrigen Arten die Innenfläche der Unterhand gegen
die der Oberhand bis zum Grunde im deutlichen Winkel geneigt ist.
Gatt. Chaerilus. 143
@. Innentläche der Oberhand mit deutlichem, aus dem unbeweglichen
Finger bis zum Handgrunde ziehenden Nebenkiel. Alle Hand-
kiele körnig. Schrägreihen der Palpenfinger zu 10 (Fig. 56).
Deutliche glatte Area vor dem Augenhügel. Stirnrand
erobkormi?.. ae 3. Ch. truncatus Karsch, p. 146.
8. Innenfläche der Oberhand ohne Nebenkiel, oder dieser vom
Grunde des unbeweglichen Fingers bis zur Handbasis nur
durch einen schwarzen Strich angedeutet (Junge Individuen).
Handkiele glatt. Schrägreihen der Palpenfinger zu 7—8.
Stirnrand ungekörnt. ..... As Ch.rcelebensis Boc., p, 147.
1. Chaerilus pietus Poc.
1890 Uromachus pietus Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. 1890, p. 250).
1893 Chaerilus pietus Poc. (Scorp. d. Malay. Archip. in Weber, Ergebnisse Reise
Niederl. Ostind., p. 91).
Da mir em Exemplar dieser seltsamen Form, von der bisher
nur die Männchen bekannt sein dürften, nicht zu Gebote gestanden,
so muß ich mich beschränken, die wichtigsten Daten aus Pocock’s
Arbeit anzuführen.
Die Färbung ist rothbraun, mit schwarz gefleckt.
Gephalothorax wie bei den anderen Arten, nach vorn
verjüngt, mit geradem Stirnrande und glatter Area vor dem Augen-
hügel. Letzterer ungefurcht. Seiten des Thorax etwas gekörnelt.
Rückensegmente des Abdomens zerstreut körnig, im IIL.—IV.
vorn mit einem niedrigen, glatten Mittelkiel und ebensolchen Seiten-
kielen. Letztes Segment mit niedrigen, etwas gekörnten Buckeln.
Obere Kiele der Cauda und obere Lateralkiele im I.—- IV.
Segment körnig entwickelt, obere Kiele des V. Segmentes nicht scharf
hervortretend. Untere Median- und Lateralkiele im I—-III. Segment
glatt oder nur etwas höckerig, im IV. Segment seicht gezähnt, im
V. deutlich sägezähnig. Nebenkiel im I. Segment entwickelt, ebenso
im V. Segment. Blase lang gestreckt, nach hinten erweitert, dann
plötzlich an den Seiten lobenförmig eingezogen (Fig. 42), in den
letzten ”/s der Oberseite dick gekörnt; die Unterfläche und Seiten
ebenfalls grobkörnig. Stachel am Grunde geschwollen, dann plötzlich
in eine dornige Spitze auslaufend.
Oberarm oberseits zerstreut grobkörnig, vorn und hinten mit
schwacher, gezähnelter Oberrandkante. Kiele des Unterarms glatt
oder kaum körnig. Hand breit, mit den gewöhnlichen Handkielen
der Chaerilusarten. Kiele meist reihenkörnig, Flächen retikulirt-
feinkörnig. Finger ohne Lobus, mit „einer Anzahl“ Schrägreihen.
144 Scorpionidae: Chaerilini.
Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand wie 1:1, der
Hinterhand zur Handbreite wie 1:0,66. Absolute Maaße für Finger,
Hinterhand und Handbreite::6, 6 und 4 mm.
Oberschenkel feinkörnig.
Kämme mit 5 Zähnen.
Verhältniß des Truncus zur Cauda wie 1:2,02. Absolute
Länge des Körpers 62 (= 20,5 + 41,5) mm.
Die 2 ım Britischen Museum befindlichen Exemplare sind
wahrschemlich Männchen. Der Fundort des einen ist Silhet.
2. Chaerilus variegatus Sim.
1877. Chaerilus variegatus Sim. (Ann. Soc. ent. France [5] VII., p. 239).
? 1880. Chaerilus borneensis Sim. (ibid. [5] X., p. 379).
? 1889. Chelomachus birmanicus Thor. (Ann. Mus. civ. Genova XXVI., p. 584).
Der Ch. borneensis, ein junges Exemplar von nur 27 mm
Länge, soll sich von Ch. variegatus durch breitere Hände, stärkere
Blase, stärkere Kielung des Cephalothorax und schwächere Kielung
der Hand, wie durch größere Länge des ersten Tarsalgliedes unter-
scheiden. Da indeß von Simon kemerleiı Maaße angegeben werden,
so läßt sich schwer entscheiden, ob diese Unterschiede über das
gewöhnliche Maaß der Variation hinausgehen. Eime dickere Blase
pflegt für die Männchen charakteristisch zu sein, ebenso eine stärkere
Reihenkörnelung des Cephalothorax. Die Breite der Hand finde ich
schon bei meinen Exemplaren sehr variabel und zum Theil beträchtlich
größer, als die Länge der Hinterhand; auch die Kiele der Hand
zeigen Schwankungen in ihrer Stärke. Unter diesen Umständen glaube
ich eine vorläufige Veremigung des Ch. borneensis mit Ch. variegatus
verantworten zu können. — Von dem Ch. birmanicus, dessen Original-
exemplar sogar nur 16 mm Länge hat, giebt Thorell an, daß er
13 Schrägreihen der Palpenfinger habe, so daß er sicher der variegatus-
Gruppe angehört. Aber auch die übrigen Angaben Thorells passen vor-
züglhich auf ein junges Exemplar von Ch. variegatus, bei denen überdies
die Länge des Sternums genau der Breite am Grunde zu entsprechen
pflegt, wie dies Thorell von seinem Chelomachus birmanicus hervorhebt.
Die Färbung des Ch. variegatus scheint, wie bei allen Chaerilus-
arten, mit dem Alter sehr zu variiren. Junge Exemplare sind
scherbengelb mit schwarzer Zeichnung, dergestalt, daß die Erhabenheiten
dunkel, die Vertiefungen gelb erscheinen. Später verschwindet die
schwarze Fleckenzeichnung, der Körper wird emfarbig dunkelrothbraun,
wobei indeß häufig das Abdomen oberseits seme schmutzig scherben-
oelbe Farbe beibehält.
Gatt. Chaerilus. 145
Der Thorax ist wie bei den übrigen Arten nach vorn stark
verschmälert, an der Stirn gestutzt, kaum ausgerandet. Die Median-
furche ist vor dem Augenhügel flach und zieht bei älteren Exemplaren
als schwache Depression über denselben hinweg. Hinter demselben
ist sie tiefer und zeigt schon vor dem _L förmigen Ende am Hinter-
rande eine mehr oder weniger deutliche Quervertiefung. Die ganze
Stirn vor dem Augenhügel ist gleichmäßig schwächer oder gröber
gekörnt. Von den Seitenaugen her zieht schräg nach innen eine
längliche glatte Grube, deren Ränder von deutlichen Körnchenreihen
begrenzt werden. Seiten des Thorax ebenfalls körnig, Hinterecken
körnig oder glatt.
Rückensegmente des Abdomens bei älteren Exemplaren dicht
und ziemlich srob &gekörnt, bei jüngeren fast glatt, am Hinterrande
meist mit 2 größeren Höckerchen jederseits der Mitte. Letztes
Segment mit 2 oder 4 kurzen Seitenkielen.
An der Cauda sind die oberen Median- und oberen Lateral-
kiele stets körnig entwickelt, doch wird im V. Segment der Randkiel
und die Körnelung der Seiten etwas verwischt. Unterseits fehlen im
I. und II, oft auch im II. Segment die Mediankiele fast vollständig
und sind nur durch je 2 in 2 Reihen gestellte Haargrübchen
angedeutet, während die unteren Lateralkiele oft sogar schon im
I. Segment entwickelt sein können. Im IV. und, V. Segment stets alle
Kiele deutlich. Nebenkiel im I. Segment angedeutet, ebenso im
V. Segment. Blase glatt oder femkörnig.
Oberarm oberseits feinkörnig, ohne ausgeprägte Vorderkante,
unterseits fast bis zum Ende ebenfalls feinkörnig. Unterarm oberseits
und auf der Hinterfläche mit fast glatten Kielen, Oberkante nur am
Grunde etwas körnig; Vorderseite fast ungekörnt, ohne größere Grund-
höcker. Hand breit, mit herzförmig gerundetem Ballen und deutlich
entwickelten, aus feinen Körnchenreihen bestehenden Kielen der Ober-
hand (Fig. 53). Flächen der Oberhand reticulirt-feinkörnig. Finger
beim Männchen mit starkem Lobus, beim Weibchen ohne einen solchen,
mit 13—14 übereinander greifenden Schrägreihen von Körnchen
besetzt (Fig. 55). Verhältniß des’ beweglichen Fingers zur Hinterhand
wie 1:0,8 bis 1:1,06, das der Hinterhand zur Handbreite = 1: 0,94
bis 1: 1,2. Größte absolute Maaße für Finger, Hinterhand und
Handbreite: 6, 6 und 6,9 mm.
Oberschenkel feinkörnig, oft auch die Unterschenkel außenseits
etwas reihenkörnig, sonst glatt. Sternum etwa so lang oder wenig
länger, als am Grunde breit. Mittellamellen unentwickelt, Fulera deutlich.
Zahl der Kammzähne meist 4—5 beim Weibchen, 7 beim Männchen.
10
146 Scorpionidae: Chaerilini.
Das Verhältniß des Truncus zur Cauda schwankt zwischen
1:0,83 und 1:1,05, wobei die längere Cauda für die Männchen
charakteristisch ist. Größte absolute Maaße für das Weibchen 47
(= 25 + 22) mm, für das Männchen 45 (= 22 +23) mm.
Die Hauptheimath des Ch. variegatus scheint Java mit den
benachbarten Inseln (Banka) zu sein. Der Ch. borneensis Sim. stammt
von Nordborneo, der Ch. birmanicus Thor. von Rangoon.
3. (Chaerilus truncatus Karsch.
1879 Chaerilus truncatus Karsch (Mittheil. Münch. Ent. Ver. 1879, p. 108).
? 1893 Chaerilus eavernicola Poc. (Scorp. d. Mal. Archip. in Weber, Zool. Ergeb.
Reise Niederl. Ostind. II., p. 91).
So weit ich ohne Untersuchung des ÖOriginalexemplars von
Ch. cavernicola urtheilen kann, stimmt dasselbe sehr gut mit den
mir vorliegenden Individuen von Ch. truncatus überein, zumal wenn
wir bedenken, daß die Pocock’schen Exemplare von 29 mm Länge
ihre volle Größe sicher noch nicht erreicht hatten. Die Kielung der
Cauda ist bei beiden Formen fast genau die gleiche. Für das
Verhältniß des IIH., IV. und V. Caudalsegments erhält man nach
Pocock die Zahlen 1:1,1:1,7, und dies sind dieselben, die ich für
die mir vorliegenden truncatus-Exemplare herausrechne. Das Verhältniß
der Hinterhand zur Handbreite ist bei Ch. cavernicola —= 1: 0,7,
während ich für Ch. truncatus die Zahlen 1:0,65 bis 1:60,75
erhalte etc. Es scheint also bis auf Weiteres geboten, den Ch. caver-
nicola mit Ch. truncatus zu vereinigen.
Die Färbung des Ch. truncatus scheint zu variiren wie bei
Ch. variegatus, doch finde ich auch bei einem erwachsenen Exemplar
die Schattirung mit gelb und schwarz noch ziemlich ausgeprägt.
Thorax von der Form der vorigen Art, Mittelfurche vor den
Augen aber nicht entwickelt und daher auch der Augenhügel ohne
Spur einer Depression. _Stirnvorderrand in der Regel grobkörnig.
Dahinter eine gestreckte ebene Fläche, beiderseits bis hinter den
Augenhügel, ja zuweilen bis an den Hinterrand sich erstreckend, die
ungekörnt ist und auch nicht durch eine Körnchenleiste von jener
länglichen, von den Seitenaugen medianwärts nach hinten ziehenden
Flachgrube abgegrenzt wird. Seiten und Hinterecken bei erwachsenen
Exemplaren grob- oder feinkörnig.
Abdomen wie bei der vorigen Art.
Obere Caudalkiele wie bei der vorigen Art, doch treten die
oberen Kiele des V. Segments durch Größe der Körnchen mehr hervor,
als bei Ch. variegatus, und sind mehr cristenartig. Obere Lateralkiele
Gatt. Chaerilus. 147
sämmtlich körnig, ebenso alle unteren Lateralkiele.. Von den unteren
Mediankielen fehlt zuweilen der des I. Segments; in anderen Fällen
ist auch er entwickelt. Obere Nebenkiele im I. Segment meist durch
eine kurze Körnchenreihe auf der gekörnten Fläche angedeutet, im
V. Segment etwa bis ”3 der Länge entwickelt. Blase an den Seiten
meist zerstreut körnig, seltener glatt.
Oberarm wie bei der vorigen Art. Vorderrandkante der
Oberseite aber etwas deutlicher. Cristen des Unterarms meist alle
deutlich körnig, selten nur die Oberkante ihrer ganzen Länge nach
körnig. Vorderfläche meist grobkörnig, seltener feinkörnig, am Grunde
mit größeren Höckerchen. Hand schmal, ohne herzförmig gerundeten
Ballen, mit Körnchenkielen (Fig. 54). Flächen retikulirt feinkörnig.
Finger ohne Lobus (ob auch beim Männchen ?), mit 10 Schrägreihen
auf der Schneide. Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinter-
hand = 1:0,39 bis 1:1, der Hinterhand zur Handbreite = 1: 0,65
bis 1:0,75. _ Größte absolute Maaße für Finger, Hinterhand und
Handbreite: 6,5, 6 und 4,2 mm.
Beine wie bei der vorigen Art.
Sternum nicht länger, als breit. Kämme wie oben. Zahl
der Kammzähne 4—6 beim Weibchen.
Das Verhältniß des Truncus zur Cauda schwankt (beim
Weibchen) zwischen 1: 0,94 und 1:1. Größte absolute Maaße 48,5
(—’ 25 -4.23,5) mm.
Als Fundorte werden genannt der Himalaya und Dehra
Dun (am Südostabhange desselben). Der Ch. cavernicola Poc. stammt
von Sumatra.
4. Chaerilus celebensis Poc.
1893 Chaerilus celebensis Poc. (Scorp. d. Malay. Archip. in Weber, Zool. Ergeb.
Reise Niederl. Ostind. II, p. 93).
Von dieser Art liegen mir 4 Exemplare vor, von denen 3
durchaus mit der Beschreibung des sehr jugendlichen Pocock’schen
Originals übereinstimmen, während das vierte durch Größe und dunkle
Färbung als Altersstadium sich kennzeichnet.
Die Färbung der jungen Exemplare ist gelb bis gelbroth, mit
Schwarz gesprenkelt und gefleckt; auf den Rückensegmenten unregel-
mäßige >< förmige gelbe Marken. Bauchsegmente meist ebenfalls
schwarz gefleckt. Das alte Exemplar zeigt die einfache rothbraune
Färbung der Erwachsenen, nur auf dem Thorax und Abdomen ist
noch etwas von der gelben Zeichnung erkennbar.
10*
148 Scorpionidae: Chaerilini.
Der Cephalothorax von gewöhnlicher Form; Stirmfläche
rechts und links von der flachen Medianfurche ungekörnt und glatt.
Augenhügel ohne Furche, wie bei der vorigen Art. Seiten und Hinter-
rand bei jungen Exemplaren fast glatt, bei alten grobkörnig. Die von
den Seitenaugen medianwärts nach hinten ziehende Flachgrube seitlich
außen von einer erhabenen Körnchencriste begrenzt.
Abdomen oberseits zerstreut körnig, am Hinterrande der
Segmente je 2 grobe Höckerchen.
Obere Caudal- und obere Lateralkiele im I.—IV. Segment
körnig, obere Kiele im V. Segment ebenfalls, namentlich am Grunde,
durch stärkere Körnchenreihe markirt. Untere Lateralcristen im
II.—V. Segment, beim Erwachsenen auch im I. Segment, etwas körnig;
untere Mediankiele bei den jungen Individuen im I.—III. Segment, beim
Erwachsenen nur im I. Segment völlig obsolet. Nebencristen im I. Segment
fast fehlend (juv.) oder ziemlich deutlich, körnig, im V. Segment un-
deutlich (juv.) oder gut entwickelt. Blase glatt.
Oberarm oberseits wenig gekörnt, Vorderranderiste ziemlich
deutlich. Kiele des Unterarms meist glatt, Oberranderiste jedoch mit
einzelnen Körnchen besetzt. Vorderfläche oben und unten am Grunde
mit zahnartigen größeren Dörnchen. Hand mit etwas herzförmig gerun-
detem Ballen, vom Bau der vorigen Art, mit glattem Fingerkiel. Neben-
kiel der Innenfläche der Oberhand ganz fehlend (adult.) oder nur durch
einen schwarzen Schattenstrich angedeutet (juv.); ebenso der Neben-
kiel der Außentfläche der Oberhand. Flächen glatt oder etwas zusammen-
fließend -netzig, kaum körnig. Finger ohne Lobus (ob auch beim
Männchen?), mit 7—8 Schrägreihen auf der Schneide (Fig. 56).
Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand wie 1:0,9 bis
1: 0,99, der Hinterhand zur Handbreite wie 1:0,71 bis 1: 0,79.
Größte absolute Maaße für Finger, Hinterhand und Handbreite: 5,6,
5,5 und 4,1 mm.
Beine wie bei den vorigen Arten.
Sternum und Kämme wie gewöhnlich. Zahl der Kammzähne
3—6 beim Weibchen.
Das Verhältniß des Truncus zur Cauda varırt von 1:0,9
bis 1:1,04 (beim Weibchen). Größte Körperlänge 42 (= 22 + 20) mm.
Das Pocock’sche Originalexemplar ist von Celebes. Die mir
vorliegenden jungen Exemplare stammen von Luzon, das erwachsene
von der Insel Billiton (zwischen Borneo und Sumatra).
Subfam. Chactini. 149
6. Subfam. Chactini Poc.
Scorpioniden mit 2 Dornen am Grunde der End-
tarsen, ohne gerundete Seitenloben am Ende. 2 Seiten-
augen, selten alle Augen fehlend. Stirn gerade oder
ausgerandet. Beweglicher Finger des Oberkiefers unter-
seits ohne Zähnchen, selten mit einem schwachen Zähnchen.
Schneide der Palpenfinger mit einer einzigen Längsreihe
von Körnchen; daneben einzelne, selten in Reihen
gestellte Außenkörnchen an einer oder beiden Seiten
(Fig. 72—74). Hand gerundet oder abgeplattet (und dann
mit deutlichem „Fingerkiel“). Stigmen oft rund. Sternum
meist nicht länger als breite Kämme wenig gegliedert,
Zahl der Kammzähne meist gering. — Verbreitung in der alten
und neuen Welt.
In Uebereinstimmung mit Pocock vereinige ich in dieser
Unterfamilie die altweltliche Gattung Euscorpius (nebst Belisarius)
mit den neuweltlichen Broteas, Chactas, Teuthraustes, und
den neuerdings . unterschiedenen Gattungen Broteochactas,
Hadrurochactas und Heterochactas. Auch die Gattung
Megacormus Ksch., obwohl in manchen Punkten abweichend, dürfte
hierher gehören. Zur Unterscheidung der Gattungen möge folgende
Bestimmungstabelle dienen:
A. L—IV. Caudalsegment unterseits nur mit einem unpaaren,
sekörnten Mediankiel. Beweglicher Finger des Oberkiefers unter-
seits nahe der Spitze mit schwachem Zähnchen. Tarsenendglied
mit einer Mittelreihe langer Borsten besetzt. (Ganze Unterseite
(auch Sternum, Beine, Unterlippe ete.) granulirt. Neuweltlich.
1. Megacormus Karsch., p. 151.
B. 1.—IV. Caudalsegment unterseits ohne deutliche Kiele oder mit
paarigen Mediankielen. Oberkiefer unterseits ohne Zähnchen.
Unterseite des Körpers glatt.
I. Hand abgeplattet; ein starker Fingerkiel theilt die Oberhand
in 2 fast im rechten Winkel zu einander gestellte Flächen,
deren innere völlig eben und horizontal ist (Fig. 69). Außen-
körnchen der Innenseite der Schneide des beweglichen Fingers
meist zu je 2 (Fig. 73). Altweltlich.
a. Augenhügel und Mittelaugen vorhanden; ebenso 2 Seiten-
augen. Kämme mit Fuleren und 3—6 Mittellamellen. End-
tarsus unterseits mit einer Mittelreihe feinster Dörnchen.
2. Euscorpius Thor., p. 153.
Seorpionidae: Chactini.
b. Augenhügel und Augen gänzlich fehlend. Kämme ohne Fulcra,
II.
a.
h.
nur mit einer Mittellammelle. Endtarsen unterseits ohne
Dörnchenreihe, nur mit einzelnen Haaren besetzt.
3. Belisarius Sim., p. 162.
Hand gerundet oder kantig. Oberhand nicht durch einen
Fingerkiel in 2 rechtwinklig zuemander gestellte Flächen getheilt,
deren innere völlig eben und horizontal ist. Außenkörnchen
der Innenseite der Schneide des beweglichen Fingers einzeln
(Fig. 74). Neuweltlich.
Medianfurche des ÜGephalothorax den Augenhügel beidseitig
umziehend und sich vor demselben wieder zu einer ebenso
tiefen, zum Stirnrande ziehenden Furche veremigend (Fig. 60).
Augenhügel daher völlig isolirt, rhombisch. Unterseite der
Endtarsen mit einer medianen Dörnchen- oder Haarleiste.
Cephalothorax vorn ausgerandet. Stigmen rund.
4. Chactas Gerv., p. 163.
Medianfurche des Cephalothorax vor dem Augenhügel sich
nicht wieder zu einer tiefen Furche vereinigend; Augenhügel
nach vorn allmählich zum Stirnrand abfallend, höchstens mit
seichter breiter Depression (Fig. 61).
1. Unterseite der Endtarsen mit Haaren oder Borsten besetzt
(Fig. 75—77).
«. Stigmen schlitzförmig, gestreckt (Fig. 70). Maxillarloben
deutlich breiter als das Sternum am Grunde. Endtarsen
unterseits mit 2 Reihen Borsten (Fig. 75). Cauda unterseits
sekiell.re.. 20. 2..00 2 5. Bröteas C. L. Koch, p-
ß. Stigmen gerundet oder oval (Fig. 71). Maxillarloben
nur etwa so breit als das Sternum am Grunde. Endtarsen
meist unregelmäßig beborstet (Fig. 76, 77). Cauda
unterseits in den ersten 4 Segmenten glatt und gerundet.
aa. Endtarsen kurz, unterseits mit 2 Reihen etwas unregel-
mäßig gestellter Borsten (Fig. 76). Hand mit Außen-
randkiel. Ill. Caudalsegment nicht höher als breit.
6. Broteochaectas Poc., p. 175.
pp. Endtarsus lang und schlank, unterseits dicht mit
unregelmäßig gestellten langen Haaren besetzt (Fig. 77).
Außenrandkiel der Hand kaum angedeutet. III. Caudal-
segment höher als breit.
7. Hadrurochactas Boe., p. 178
2. Unterseite der Endtarsen mit einer Medianreihe kleiner,
kurzer Dörnchen besetzt (Fig. 78). Stigmen rund.
Gatt. Megacormus. 151
a. Vorderrand des Cephalothorax nicht oder kaum ausgerandet.
Augenhügel nach vorn sich abdachend und vertiefend.
Cauda unterseits in den 4 ersten Segmenten mit deutlichen
gekörnten Kielen. Cephalothorax grobkörnig.
8. Teuthraustes Sim., p. 179.
ß. Vorderrand des Cephalothorax tief ausgerandet. Fläche
vor dem Augenhügel fast eben. Cauda unterseits in den
4 ersten Segmenten ungekielt und glatt. Cephalothorax
nur an den Seiten etwas gekörnt, sonst glatt.
9. Heterochactas Poc., p. 180,
l. Gatt. Megacormus Karsch.
Chactinen mit nur einem unteren Mediankiel in allen
Segmenten der Cauda. Unterrand des beweglichen Ober-
kieferfingers meist (?) mit schwachem Zähnchen unterhalb
des Endzinkens. Scheerenfinger mit einer Körnchenreihe
auf der Schneide, welche außen von dicht anliegenden und
fast eine zweite Längsreihe bildenden Schrägreihen, innen
won. Außenkornchen zu jes> Dlankırty wird. #(Kie,u72):
Sternum breiter als lang, wie die ganze Unterseite, nebst
Beinen, Unterlippe etc. gekörnt. Tarsenendglied mit einer
Mittelreihe ziemlich langer Borsten besetzt: Hand mit
körnigem Fingerkiel und körnigen Nebenkielen.
Die Gattung Megacormus steht durch den unpaaren Mediankiel
der Cauda (der ja allerdings bei Euscorpius andeutungsweise ebenfalls
auftritt) und das Zähnchen am Unterrande des beweglichen Oberkiefer-
fingers, wie nicht minder durch die eigenartige Körnelung sämmtlicher
Theile des Körpers, so isolirt da, daß man fast an die Aufstellung
einer eigenen Unterfamilie denken möchte, zumal auch die Scheeren-
finger abweichenden Besatz der Schneide zeigen. Immerhin lassen
sich in der Zweizahl der Seitenaugen, der fehlenden Gliederung
der Kämme, die hier auf das niedrigste Maaß reducirt sind, in
der Zweizahl der Dornen am Grunde der Endtarsen, wie m der
Körnchenlängsreihe der Scheerenfinger genügend Beziehungen zu den
Chactinen auffinden, um die Gattung vorläufig hier unterzubringen.
Es ist bis jetzt nur eine Art bekamnt.
1. Megacormus granosus (Gerv.).
1844. Scorpio granosus Gerv. (Ins. Apt. III, p. 65).
1881. Megacormus granosus Karsch (Troschels Arch. 47. Jahrg. I., p. 17).
Die Art ist jedenfalls recht selten; auch mir hat nur ein
Exemplar zur Verfügung gestanden.
152 Scorpionidae: Chactini.
Färbung: Der ganze Körper ist schwarz und gelb gescheckt,
derart, daß die Grundfärbung dunkel erscheint und das Gelb, namentlich
auf den Gliedmaßen und der Cauda, nur in kleineren Flecken zu Tage
tritt. Die Abdominalringe sind namentlich am Vorderrande gelblich.
Bei älteren Individuen wird das trübe Gelb mehr verschwinden, wie
denn Gervais sein Exemplar geradezu schwarz nennt.
Der Cephalothorax ist nach vorn verschmälert, am Stirn-
rande gerade abgestutzt und hier mit kurzer breiter, aber seichter
Medianfurche. Der Augenhügel ist rhombisch, zieht sich aber nach
hinten im einen langen gekörnten Kiel aus, an dessen Ende dann die
Medianfurche wieder einsetzt, um sich im die dreieckige Hinterrands-
depression zu erweitern. An der Stirnseite des Augenhügels ein kurzer
Längseindruck. Ganze Fläche des Cephalothorax fast dornig körnig.
Abdomen oberseits ebenfalls dicht scharf gekörnt, das letzte
Segment mit 4 gekörnten Cristen. Abdominalunterseite nebst dem
Sternum, den Grundgliedern der Beine, den Lippenloben ete. ebenfalls
höckerig-körnig oder runzelig feinkörnig, nach hinten gröber. Letztes
Segment mit Andeutung von Cristen. Stigmen etwas erhöht, rundlich-
oval, gelb.
Caudalkiele sämmtlich körnig entwickelt, aber wegen der
dichten, gleichmäßigen Körnelung der Flächen wenig hervortretend.
Untere Mediankiele in allen Segmenten körnig. Seitliche Nebenkiele
im I. Segment und in der Grundhälfte des V. entwickelt. Blase
mäßig schlank, dichtkörnig.
Oberkiefer mit parallelen Endzinken, am Unterande des
beweglichen Fingers ein kleines Zähnchen.
Oberarm vierkantig, mit gekörnten Kanten, nur der untere
Hinterrand bald verschwindend, seine Flächen gekörnt. Unterarm
oberseits flach, mit gekörntem Vorder- und Hinterrandkiel, an der
Vorderseite mit großem Grundhöcker; Unterseite mit gekörnten Rand-
kielen, seine Fläche nur am Vorderrande körnig, am Himterrande
glatt und hier mit einer Reihe von 6 Haargrübchen.
Hand mäßig breit, am Hinterrande schräg gestutzt, mit
perlkörnigem Fingerkiel, der bis in die äußerste Spitze des unbeweglichen
Fingers zieht. Außenfläche der Oberhand mit einem deutlichen,
erhabenen, körnigen Nebenkiel und hierdurch in 2 Ebenen zerlegt.
Ebenso die fast ebene Innenfläche mit deutlichem, körnigem Nebenkiel.
Flächen unregelmäßig gekörnt, auch wnterseits. Außenfläche der
Unterhand am Außenhandrande mit 4 Haargrübchen. Beweglicher
Finger ohne Lobus, die Körnchenreihe auf der Schneide innen etwa
Gatt. Euscorpius. 153
mit 6—7 Gruppen von je 3 Außenkörnchen. Verhältniß des beweglichen
Fingers zur Hinterhand — 4,2:4,2, der Hinterhand zur Handbreite
—4.2#:25. mm.
Beine oberseits und unterseits dicht gekörnt, auch die Tarsen.
Endtarsen mit einer Mittellinie ziemlich langer Borsten, die sich vor
dem Gehstachel gabelig theilt.
Sternum mit parallelen Seitenrändern, breiter als lang, körnig,
mit nach vorn "T förmig erweiterter Mittelfurche. Kämme fast ohne
alle Gliederung, ohne Mittellamellen und Fulcra (Fig. 62), gebräunt,
nur mit einer Längsfurche. Zahl der Kammzähne 3, 3. Winkel des
des Kammgrundes stumpf.
Verhältniß des Truncus zur Cauda wie 15,5:16; Totallänge
31,5 mm. Karsch spricht von 2 Exemplaren, die 57, resp. 65 mm
lang waren, fast glatte Bauchschilde und S—9 Kammzähne besaßen.
Ob diese Individuen der Hauptform wirklich angehören, wage ich nicht
zu entscheiden.
Die Heimath des M. granosus ist Mexico.
2. Gatt. Euscorpius Thor.
Chactinen mit starkem Fingerkiel, der die Oberhand
in zwei fast rechtwinklig zu einander gestellte Flächen
theilt (Fig. 69). Innere. Fläche platt, ohne. deutlichen
Nebenkiel; äußere mit erhabenem Nebenkiel. Körnchen
der Scheerenfinger in einer Längsreihe auf der Schneide,
außen mit einzelnen, der Längsreihe genäherten Außen-
körnchen, innen in der Endhälfte mit paarigen, aber
ziemlich getrennt und in ungleicher Höhe stehenden
Außenkörnchen (Fig. 73). Sternum so lang, als breit,
mit parallelen Seitenrändern und tiefer, breiter Mittel-
furche (Fig. 63), Tarsenendglied mit einer Mittelcriste
feinster kurzer Dörnchen unterseits, ohne Seitendornen.
Unterseite des Unterarms am Hinterrande, und ebenso
der äußere Rand der Handunterseite, mit je einer Anzahl
in Reihen gestellter Haargrübchen.
Geschlechter meist deutlich durch Fingerlobus und Form der
Blase verschieden. Ausschließlich altweltlich.
Die Auffassung ©. L. Koch’s, daß das Plus oder Minus einiger
Haargrübchen oder Abänderungen der Färbung ete. constante Merkmale
für selbständige Arten seien, hat in dieser Gattung viel Verwirrung
angerichtet. Es ist das Verdienst Simon’s, auf Grund eingehender
Untersuchungen die Unhaltbarkeit der meisten Koch’schen Arten nach-
154 Scorpionidae: Chaectini.
gewiesen und die weitgehende Unsicherheit in der Nomenclatur der
Hauptsache nach beseitigt zu haben. Ich kann auf Grund des
Studiums der Koch’schen und Sturm’schen Originalexemplare mich
diesen Zusammenfassungen Simons nur anschließen, ja ich glaube in
einigen Punkten noch weiter gehen zu können. So zeigt das Exemplar
der Sturm’schen Sammlung von E. concinnus keinerlei Differenzen
von E. carpathicus. Die Haargrübchen des Unterarms sind in der
Zahl 8 vorhanden, wie auch Koch in seiner Beschreibung sagt,
während Simon annimmt, daß die Siebenzahl niemals überschritten
werde. Ingleichen ist auch das Sturm’sche Exemplar des E. tauricus —
jedenfalls das Koch’sche Origmalexemplar — lediglich als E. carpathicus
anzusprechen. Von E. naupliensis Ü. Koch habe ich ein Exemplar
nicht gesehen; die Thatsache aber, daß derselbe in Bezug auf die
Zahl und Anordnung der Haargrübchen an Unterarm und Unterhand
genau mit E. italicus übereinstimmt, läßt gegen die Selbständigkeit
der Art berechtigte Zweifel aufkommen. Das von Koch selbst
hervorgehobene Merkmal gegenüber dem E.italicus soll im der Ausbildung
schwacher oberer Lateraleirsten bestehen. Ueber die Selbständigkeit
der beiden Simon’schen Arten — E. picipes und Fanzagoi —
habe ich eine feste Ansicht nicht gewinnen können. Beide stehen
jedenfalls dem E. carpathieus äußerst nahe; ihre noch später genauer
zu besprechenden Merkmale sind überdies so variabler Art, daß ich mich
schwer entschließen kann, an wohl charakterisirte Formen zu glauben,
und diese Zweifel werden dadurch nicht geringer, daß beide Arten
bisher nur m einem (E. Fanzagoi) oder wenigen Exemplaren gefunden
sind gegenüber den Tausenden, die von den übrigen wohlcharakterisirten
Species in den europäischen Museen conservirt werden.
Ich glaube daher nicht zu radikal vorzugehen, wenn ich als
selbständige Arten vor der Hand nur 4 annehme und die vor-
stehend besprochenen zwei Simon’schen Arten zunächst dem E.
carpathicus zuordne.
Es würde sich demnach folgende Bestimmungstabelle ergeben:
A. Außenfläche der Unterhand am Außenrande mit einer Reihe von
6—-9 Haargrübchen. Vorderfläche des Oberarms mit einer starken
mittleren Körncheneriste. Blase beim 5! aufgeblasen, braun.
1. E. italicus (Herbst), p. 155.
B. Außenfläche der Unterhand am Außenrande mit einer Reihe von
nur 3 oder 4 Haargrübchen, abgesehen von einem Haargrübchen
in der oberen Außenecke.
a. Außenfläche der Unterhand am Außenrande mit einer Reihe
von 4 Haargrübchen (Fig 67). Unterseite des Unterarmes am
Gatt. Euscorpius. 155
Hinterrande mit 10—14 (meist 12) Haargrübchen. Erste
Caudalsegmente (I—UI oder IV) mit meist deutlich gekörnten
oberen Seitenkielen. Oberarm auf der Vorderfläche mit meist
vielkörniger grober Criste. Blase des Männchens kaum stärker,
als die des Weibchens, nicht aufgeblasen.
2. E. flavicaudis (de Geer), p. 157.
b. Außenfläche der Unterhand am Außenrande mit einer Reihe
von 3 Haargrübchen (Fig. 68). Unterseite des Unterarms am
Hinterrande mit 5 bis 12 (meist nicht über 10) Haargrübchen.
Vordere Caudalsegmente ohne gekörnte obere Seitenkiele,
höchstens am Grunde etwas kantig zusammengezogsen. Ober-
arm auf der Vorderfläche meist mit nur wenigen in einer Reihe
stehenden Körnchen. Blase des Männchen dick aufgeblasen.
1. Unterseite des Unterarms am Hinterrande stets mit nur
5 Haargrübchen. Alle Caudalglieder völlig glatt und unge-
kielt, so namentlich das V. Segment unten und die Begrenzung
der dorsalen Längsfurche.
3. E. germanus (C. L. Koch), p. 158.
2. Unterseite des Unterarms am Hinterrande mit 7—1?2 (meist
9—10) Haargrübchen. Caudalglieder stets mit Andeutung
von Kielen, die namentlich auf der Unterseite des V. Segments
und auf den Begrenzungskanten der dorsalen Längsfurche
wenigstens andeutungsweise als Körnchenreihen vorhanden sind.
Ar Br earpathicus (ie), p. 159:
1. Euscorpius italieus (Herbst).
1800 Scorpio italicus Herbst (Ungefl. Insect. IV p2 76.11.23, her).
1836 Scorpius italicus C. L. Koch (Arachn. III, p. 95, fig. 241—243).
1836 Scorpius provincialis ©. L. Koch (ibid., p. 114).
? 1836 Scorpius naupliensis ©. L. Koch (ibid., p. 93, fig. 240).
Färbung oberseits dunkelbraun, selten das Abdomen oder gar
der Gephalothorax heller scherbengelb. Cauda und Blase ebenfalls
meist braun, selten gelbroth bis scherbengelb. Beine braun oder leder-
farben, bei helleren Individuen hellgelb; Arme und Hände meist
dunkelbraun, seltener gelbroth. Unterseite des Abdomens scherben-
farbig, oft mit helleren Hinterrändern. Jüngere Individuen sind ganz
scherbengelb oder nur nach vorn etwas dunkler.
Cephalothorax ziemlich deutlich femkörnig, auf der Stirn-
höhe glatter und glänzender, mit seichter Medianfurche, welche ganz
allmählich in den Augenhügel sich verflacht, aber durchaus nicht
immer kürzer ist (Simon, Arachn. de France), als die Hälfte der Ent-
156 Scorpionidae: Chactini.
fernung vom Stimrande bis zu den Augen. Oberseite des Abdomens
dicht femkörnig, beim Männchen matter, beim Weibchen glänzender.
Unterseite äußerst fein punktirt.
Cauda auf den Begrenzungsrändern der dorsalen Längsfurche
im 1.—IV. Segment mit deutlichen Körnchencristen, aber meist ohne
Andeutung oberer Seitencristen, wie sie nach Koch bei E. naupliensis
auftreten sollen. Auf der Unterseite sind die Lateralkiele vom
II. bis IV. Gliede meist als schwache, glatte, nur im IV. Segment fein
sekörnelte Kanten entwickelt, während sie im V. als körnige Cristen
erscheinen. Ein unterer Mediankiel gekörnt ebenfalls meist nur im
V. Segment; aber im IV. Segment meist noch als mediane, zuweilen
sogar fen gekörnelte Kante nachzuweisen. Die Flächen sind meist glatt,
nur die oberen Seitenflächen der vorderen Segmente zuweilen etwas
körnig. Blase glatt, beim Weibchen schlank, beim Männchen dick,
bauchig, seitlich zusammengedrückt.
Oberarm oberseits gleichmäßig fein gekörnt, an der Vorderseite
der Länge nach mit einer dem Unterrande genäherten Dörnchencriste.
Unterseite am Grunde ziemlich grobkörnie, nach dem Ende zu fein-
körniger oder ganz glatt. Unterarm unterseits fast glatt, am
Hinterrande mit 12—13 Haargrübchen, an der Vorderfläche mit
starkem Dorn am Grunde.
Han dunterfläche außenseits mit einer Schrägreihe von
6—9 Haargrübchen. Am Grunde der Außenfläche der Oberhand
eine durch Lücke unterbrochene, halbmondförmige Reihe von 6 Haar-
grübchen (5 + 1). Finger beim Männchen mit starkem Fingerlobus
und tiefer Einbuchtung der Gegenseite, beim Weibchen nur seicht
geschweift. Verhältniß des Fingers zur Hinterhand etwa —= 1:60,85,
das der Hinterhand zur Handbreite beim Männchen etwa 1: 0,83,
beim Weibehen = 1:0,7. Größte absolute Maaße für Finger,
Hinterhand und Handbreite S, 7 und 5,8 mm.
Schenkel feinkörnig, mn letzten Ende glatt; Schienbeine
ungekörnt, matt.
Zahl der Kammzähne beim Weibchen meist S oder 9, beim
Männchen 9—11.
Der Truncus ist beim Männchen in der Regel kürzer als die
Cauda, beim Weibchen einige Millimeter länger. Die größte Gesammt-
länge beträgt etwa 50 mm.
Die Verbreitung des E. italicus erstreckt sich von den
Seealpen (Nizza, Monaco) über Nord-Italien (Triest) und Tyrol
(Bozen) bis in die Balkanhalbinsel (Fiume, Constantinopel; vielleicht
auch Griechenland).
Gatt. Euscorpius. 157
2. Euscorpius flavieaudis (de Geer).
1778 Scorpio flavicaudis de Geer (Mem. t. VII, p. 399, Tfl. XI, Fig. 11—13).
1804 * europaeus Latr. (Hist. nat. Crust. et Ins. etc. VII, p. 116).
1836 Scorpius massiliensis ©. L. Koch (Arachn. III, p. 89, Fig. 237—39).
1836 a monspessulanus C. L. Koch (ibid. III, p. 114).
1839 > algericus C. L. Koch (ibid. V, p. 1, Fig. 340—44).
Färbung oberseits nebst den Armen und Scheeren meist
rothbraun bis dunkelbraun, zuweilen mit helleren Hinterrändern der
Abdommalringe. Jüngere Individuen ganz scherbengelb oder nur der
Vorderkörper bräunlich. Cauda von der Farbe des Truncus, mit Aus-
nahme der Blase, die gleich den Beinen von ledergelber Färbung ist.
Körnelung des Gephalothorax und Abdomens von der
vorigen Art nicht verschieden. Stirnfurche aber tiefer und stets
deutlich länger als das vor den Augen liegende Stück des Augenhügels.
Unterseite fein punktirt.
Cauda auf den Begrenzungsrändern der dorsalen Längsfurche
im 1.—IV. Segment mit deutlichen Körnchencristen, oft auch im V.,
wo indessen auch statt einer einreihigen Criste viele feinere Körnchen
oder fast glatte Kanten auftreten können. Obere Lateralkiele im I.
und III, meist auch im IV. Segment, als deutliche, meist gekörnte
Längskiele entwickelt. Untere Seitenkiele im II.—V. Segment ebenfalls
deutlich, im H. und III. glatt, im IV. meist, im V. immer körnig.
Unterer Mediankiel im V. Seginent deutlich körnig, im IV. obsolet
oder etwas kielig oder durch einzelne zarte Körnchen ersetzt. Die
oberen Seitenflächen — über den oberen Lateralcristen — fast aus-
nahmslos im II.—IV. Segment feinkörnig. Blase glatt, beim Männchen
kaum dicker, als beim Weibchen.
Oberarm oberseits gleichmäßig fein gekörnt, an der Vorder-
seite der Länge nach mit einer dem Unterrande genäherten, meist
vielkörnigen Dörnchencriste. Unterseite entweder ziemlich gleichmäßig
grobkörnig oder nach dem Ende feinkörniger oder fast glatt.
Unterarm unterseits fast glatt, oder gegen die Vorderrandfläche mit
feinen Körnchen, am Hinterrande eine Reihe von 10—14 (meist 12)
Haargrübchen. An der Vorderfläche ein starker Grunddorn.
Handunterfläche außenseits mit einer Schrägreihe von 4 Haar-
grübchen, abgesehen von einem Haargrübchen in der vorderen
Außenecke. Haargrübchen am Grunde der Außenfläche der Oberhand
wie bei E. italicus (5 + 1). Innenfläche der Oberhand fein netzig
körnig. Finger beim Männchen mit starkem Fingerlobus und tiefer
Einbuchtung der Gegenseite. Verhältniß des Fingers zur Hinterhand
158 Scorpionidae: Chaectini.
etwa wie 1:0,85, das der Hinterhand zur Handbreite zwischen 1: 075
bis 1:0,88. Größte absolute Maaße für Finger, Hinterhand und
Handbreite : 7,5, 6,5 und 5 mm.
Schenkel und Schienbeine wie bei E. italicus.
Zahl der Kammzähne 8—10 beim Weibchen (meist 8),
9—10 beim Männchen (meist 10).
Der Truncus beim Männchen kürzer, beim Weibchen einige
Millimeter länger als die Cauda. Größte Gesammtlänge etwa 40 mm.
Die Verbreitung des E. flavicaudis erstreckt sich auf das
südliche Frankreich, Corsica, Italien und Algier. Aus Spanien
sind mir keine Fundorte bekannt geworden.
3. Euscorpius germanus (C. L. Koch).
1836 Scorpius germanus (‘. L. Koch (Arachn. III., p. 110, fig. 250—52).
Ich kann Simon nicht zustimmen, wenn er die vorstehende
Art als E. germanicus (Herbst) bezeichnet, da letzterer ausdrücklich
sagt (Ungefl. Insecten, Scorpione, pag. 72), daß die Ränder der
dorsalen Caudalrinne gekörnt seien, was wohl für E. carpathicus,
nicht aber für E. germanus zutrifft. — Uebrigens erscheint es nicht
ausgeschlossen, daß auch diese Art dem Formenkreise des E. carpathicus
einzureihen ist. i
Die Färbung entspricht im Allgemeinen derjenigen der übrigen
Arten, doch dürften die helleren Farben häufiger sein. Die Blase ist
wie die Öauda gefärbt, während die Beine meist noch etwas heller sind.
Der Cephalothorax ist auf der Fläche glatt und glänzend,
an den Seitenrändern meist etwas körnig. Die Mittelfurche entspricht
derjenigen von E. flavicaudis. Das Abdomen ist auf dem Rücken,
wie auf der Bauchseite, glatt und glänzend.
Die Cauda ist ebenfalls durchaus glatt und glänzend, sie zeigt
selbst im V. Segment unterseits keme Spur von Kielen, und ebenso
sind die Begrenzungsränder der dorsalen Längsrinne glatt, gerundet
und glänzend. Die Blase ist beim Männchen dickblasig aufgetrieben
und seitlich zusammengedrückt.
Oberarm auf der oberen Fläche meist fast glatt, an der
Vorderseite nur mit schwacher Andeutung einer dem Unterrande
genäherten Dörnchencriste. Unterseite ebenfalls fast glatt und
glänzend. Unterarm unterseits glatt, am Hinterrande eine Reihe
von 5, selten 6 Haargrübchen. An der Vorderfläche ein schwacher
Grunddorn.
Handunterfläche außenseits mit einer Schrägreihe von 3 Haar-
grübchen, abgesehen von emem Haargrübchen in der vorderen Außen-
Gatt. Euscorpius. 159
ecke. Haargrübchen am Grunde der Außenfläche der Oberhand in
halbmondförmigem Bogen zu 4+ 1. Innenfläche der Oberhand glatt.
Finger beim Männchen mit stärkerem Lobus. Verhältniß des Fingers
zur Hinterhand etwa wie 1:0,9, der Hinterhand zur Handbreite
wie 1:0,7 (Weibchen). Größte absolute Maaße für Finger, Hinter-
hand und Handbreite: 5, 4,5 u. 3 mm.
Oberschenkel äußerst feinkörnig, Schienbeine- glatt.
Zahl der Kammzähne 6 bis 7, erstere Zahl meist beim
Weibchen, letztere beim Männchen.
Der Truncus beim Männchen kürzer, beim Weibchen länger
als die Cauda. Größte Gesammtlänge 29 (= 17 + 12) mm.
Die Verbreitung scheint ganz ausschließlich auf das süd-
liche Tyrol beschränkt zu sein.
4. Euscorpius earpathicus (L.).
? 1763 Scorpio europaeus Scopoli (Entom. carniol., p. 404).
1767 ö carpathicus L. (Syst. nat. ed. XII., p. 1898).
1826 5 europaeus Risso (Hist. nat. Eur. merid. Artie., p. 155).
? 1826 # pallipes Risso (ibid., p. 156).
1836 Scorpius aquilejensis C. L. Koch (Arach. III., p. 101, fig. 244).
1836 „ rufus C. H. Koch (ibid., p. 103, fig. 245).
1836 5 concinnus C. L. Koch (ibid., p. 105, fig. 246).
1836 5 tergestinus C. L. Koch (ibid., p. 106, fig. 247—48).
1836 he sicanus C. L. Koch (ibid., p. 108, fig. 249).
1838 ” tauricus C. L. Koch (ibid. IV., p. 6, fig. 255).
1841 5 bannaticus 0. L. Koch (ibid. VII, p. 111, fig. 679—80).
1841 > niciensis C. L. Koch (ibid. VIIL, p. 112, fig. 681).
1845 en oravizensis C. L. Koch (ibid. X., p. 17, fig. 765).
1874 ss canestrinii Fanzago (Scorp. ital., p. 4, fig. 1).
1874 5 provincialis Fanzago nee Koch (ibid., p. 7, fie. 3).
? 1878 Euscorpius picipes Sim. (Ann. Soc. ent. France [5] VIIL, p. 158).
21879 „ Fanzagoi Sim. (Arachn. de France VII, p. 111).
Dieser Scorpion ist, wie schon die große Zahl der Synonymen
zeigt, bei weitem der häufigste und in seiner Form am meisten
varüirende.
Von der Mehrzahl der Koch’schen und den beiden Fanzago’schen
Arten hat bereits Simon (Arachn. de France VH, p. 110 ff) es
wahrscheinlich gemacht, daß sie specifisch nicht verschieden seien;
für E. coneinnus und tauricus C. L. Koch ergab die Vergleichung
der Originalexemplare dasselbe Resultat. Der E. picipes Sim. soll
sich vornehmlich durch die mehr niedergedrückte Blase, die glatte
‚Oberfläche und das Fehlen der Körnelung aller Caudalkiele — nur
das V. Segment unten in der Hinterhälfte etwas körnig
doch glaube ich an dem mir vorliegenden Material zu erkennen, daß
auszeichnen,
160 Scorpionidae: Chactini.
auch bis zu diesem Extrem der Cristenbildung sich alle Uebergänge
finden. Dasselbe dürfte in noch höherem Maaße von dem E. Fanzagoi
gelten, von dem überdies bisher nur ein einziges Exemplar bekannt ist.
Bei ihm soll die Unterseite des Oberarms in der zweiten Hälfte völlig
glatt — nicht fein granulirt, — die Unterseite des Abdomens sehr
fein — nicht grob — punktirt sein und das IV. Caudalsegment einen
breiten glatten Mediankiel besitzen, der bei E. carpathieus fehlt. Auch
ist die Blase dunkler als bei E. carpathicus. Alle diese Merkmale
sind im Einzelnen jedenfalls auch bei dem echten E. carpathicus
anzutreffen. Es dürfte immerhin möglich sein, daß bei weiterem
Studium gewisse Formen als Varietäten oder Localrassen sich
schärfer begrenzen lassen; eine solche Zerlegung wird aber sicher erst
dann zu befriedigenden Resultaten führen, wenn die Variationsweite
der in den verschiedenen Gebieten vorkommenden Formen genauer
studirt ist.
Die Färbung entspricht im Allgemeinen derjenigen der übrigen
Arten. Der Truncus varüirt vom dunkel Kastanienbraun durch Rostbraun
zum Scherbengelb. Hellere Formen besitzen nicht selten einen gelben
Rückenstreif, zu dessen Seiten in jedem Segment je ein schwarzes
Fleckchen sichtbar wird. Die Cauda hat die Farbe der Truncusoberseite.
Die Blase ebenfalls, oder sie ist heller gefärbt, bei bleicheren Individuen
oft fast weiß. Die Beine sind lederbraun bis gelbweiß, Arme und
Hände von der Farbe des Truncus, bei helleren Individuen meist etwas
stärker gelbroth.
Der Cephalothorax zeigt namentlich um den Augenhügel und
an den Seiten meist eine feine Körnelung; die Stirnhöhe ist oft. ein-
gestochen punktirt oder fast glatt, glänzend. Abdomen zuweilen fast
glatt, meist aber, besonders an den Seiten, feinkörnig oder punktirt.
Unterseite des Abdomens fein bis gröber nadelstichig oder fast glatt.
Die Cauda zeigt stets Spuren von Kielen. Die Begrenzung der
dorsalen Längsfurche trägt m der Regel vom I.—IV. Segment fein-
gekörnelte Kiele, die auch im I. Segment auftreten können und im
V. oft als sehr feine Körnchenreihen markirt sind. Zuweilen sind die
Kiele namentlich im III. und IV. Segment fast glatt. Obere Seitenkiele
sind nie entwickelt, doch sind in den ersten Segmenten oft Spuren
derselben als kantige Zusammenziehungen am Grunde nachzuweisen.
Untere Lateral- und Mediankiele sehr verschieden entwickelt. Im
extremsten Falle sind die unteren Lateralkiele nicht nur im V., sondern
auch im IV. Segment als gekörnte Cristen vertreten, die im III. ihre
Körnelung verlieren, aber sowohl in diesem, wie auch noch im I, als
deutliche Kanten erkennbar sind. In der Regel zeigt indeß nur das
Gatt. Euscorpius. 161
V. Segment gekörnte Lateralcristen, und im Il. Segment fehlt jede
Andeutung einer Kante. Endlich können die Lateralcristen im II.—-IV.
Segment völlig fehlen und selbst im V. Segment nur als schwache,
kaum sichtbare Kanten entwickelt sein, welche mit wenigen feinen
Körnchen zerstreut besetzt sind. In ähnlicher Weise variabel ist das
Auftreten der unteren Mediancriste. Dieselbe ist im V. Segment meist
deutlich körnig und tritt dann auch nicht selten als glatte oder selbst
gekörnte Kante im IV. Segment auf. Dei schwacher Cristenbildung
hingegen wird jede Spur eines Mediankiels selbst im V. Segmente völlig
vermißt. Die Flächen der Cauda sind meist glatt, zuweilen aber an
den oberen Seitenkanten mit femen Körnchen besetzt. Die Blase des
Männchens ist viel dicker als die des Weibchens, aufgeblasen und
seitlich zusammengedrückt.
Der Oberarm ist oberseits ziemlich gleichmäßig feinkörnig,
zuweilen äußerst feinkörnig. An der Vorderseite eine Dörnchencriste
nahe dem Unterrande seltener gut ausgebildet, meist nur aus 5—7
gröberen Körnchen gebildet, selten fast ganz fehlend. Unterseite des
Oberarms am Grunde etwas gröber gekörnt, nach dem Ende zu feiner
oder fast völlig glatt. Umterarm unterseits fast glatt oder gegen
den Vorderrand gekörnt, am Hinterrande mit emer Reihe von 7—12
(meist 9—10) Haargrübchen. An der Vorderfläche ein starker Grunddorn.
Handunterfläche außenseits mit einer Schrägreihe von 3 Haar-
srübchen, abgesehen von emem Haargrübchen in der vorderen Außenecke.
Haargrübchen am Grunde der Außenfläche der Oberhand in halbmond-
förmigem Bogen zu 4+ 1. Innenfläche der Oberhand meist etwas
netzig beulig. Finger des Weibchens fast zusammenschließend, beim
Männchen mit klaffender Lücke oberhalb des Grundes. Verhältniß
des Fingers zur Hinterhand etwa wie 1:0,75 bis 1:0,9, der Hinter-
hand zur Breite wie 1 :0,75 bis I : 0,85. Größte absolute Maaße für
Finger, Hinterhand und Handbreite: 7,2, 5,6 und 4,4 mm (Männchen).
Schenkel und Schienbeine wie bei den übrigen Arten.
Zahl der Kammzähne 6—9 beim Weibchen (meist 7), 7—10
beim Männchen (meist S—9).
Der Truncus beim Männchen kürzer, beim Weibchen länger als
die Cauda. Größte Gesammtlänge 40 (= 18,5 + 21,5) mm (Männchen).
Die Verbreitung des E. carpathicus erstreckt sich von
Spanien und Südfrankreich im Westen durch ganz Italien (auch
Sardinien, Corsica und Sicilien), Tyrol, die Ostalpen, Carpathen,
Dalmatien, Türkei und Griechenland bis nach Kleinasien
und zum Kaukasus.
11
162 Scorpionidae: Chaetini.
3. Gatt. Belisarius Sim.
Altweltliche Chactinen vom Character der Gatt.
Euscorpius, aber ohne alle Augen und selbst ohne Spur
eines Augenhügels. Sternum etwas breiter als lang, nach
vorn etwas verschmälert und mit einer bis zur Mitte
reichenden Medianfurche. Scheerenfinger außer der
Körnchenreihe auf der Schneide nur an der Innenseite mit
5 groben Außenkörnchen. Kämme nur mit einer Mittel-
lamelle, ohne Fulera, mit wenigen Zähnen. Endtarsen der
Beine unterseits unbedornt, nur mit einzelnen Haaren
besetzt. i
Diese Gattung nimmt durch das Fehlen der Augen und der
Fulera an den Kämmen eine so besondere Stellung ein, daß man
füglich mit Pocock im Zweifel sein kann, welcher Familie sie
einzuordnen sei. Da aber ihr Autor Simon selbst hervorhebt, daß
die einzige bisher beobachtete Art den Habitus des Euscorpius
carpathicus besitze, so darf sie wohl bis auf Weiteres der Gattung
Euscorpius angeschlossen werden.
1. Belisarius xambeui Sim.
1879 Belisarius xambeui Sim. (Arachn. de France VII, p. 114).
Der von Simon gegebenen Beschreibung entnehme ich
folgende Daten:
Färbung gelbroth oberseits, unterseits scherbenfarbig; Arme
und Blase gelbroth oder etwas olivenfarbig.
Cephalothorax am Vorderrande leicht ausgerandet, mit
breiter, vorn flacher und im vorderen Drittel unterbrochener, hinten
vertiefter und verengter Mittelfurche. Kein Augenhügel und keine
Seitenaugen. Fläche glatt, glänzend, sehr fein eingestochen punktirt.
Ebenso das Abdomen.
Cauda oberseits im I.—IV. Segment mit niedrigen, breiten,
etwas unregelmäßig gekörnten Mediankielen und mit ziemlich stark
gekörnten oberen Lateralkielen; unterseits I. Segment glatt und fein-
punktirt, II.—IV. Segment etwas höckerig und körnig. V. Segment
an den oberen Rändern zerstreut und schwach gekörnt, oberseits mit
durchgehender, am Ende grubig erweiterter Rinnenfurche. Blase (beim
Männchen) ziemlich groß, fast wie beim Männchen von Euscorpius
carpathicus.
Oberarm auf der oberen Fläche nur in der Mitte femkörnig,
mit unregelmäßig gekörntem Vorderrandkiel und einigen größeren
Körnchen am Grunde des Hinterrandes. Vorderfläche mit einzelnen
Gatt. Chactas. 163
zerstreuten Körnchen. Unterfläche glatt, punktirt, mit granulirtem
Vorderrand. Unterarm oben und hinten glatt; Vorderfläche ebenfalls,
ohne Grunddorn; Unterfläche glatt, fein punktirt, mit 3 Haargrübchen
am Hinterrande.
Hand mit stumpfem Fingerkiel. Innenfläche der Oberhand
fein netzig chagrinirt, Außenfläche fast glatt. Außenfläche der Unter-
hand glatt, fein punktirt, mit 2 Haargrübchen am Außenrande. Finger
ohne Lobus.
Zahl der Kammzähne 4.
Verhältniß des Truncus zur Cauda = 14,5 :12 mm.
Die einzigen bisher bekannten Exemplare (Männchen) stammen aus
dem Gebiet von Conat und dem Thal von Queillan in den Ost-Pyrenäen.
4. Gatt. Chactas (Gerv.)
Typische Gattung der Chactinen, mit gerundeten
Stigmen und mit Maxillarloben, die nicht breiter sind,
als das mit "IT förmiger Furche (Fig. 59) versehene Sternum
am Grunde. Cephalothorax auch vorn mit tiefer Median-
furche, welche, sich theilend, den scharf rhombisch
umgrenzten Augenhügel gabelig umgreift, um sich hinter
demselben wieder zu vereinigen (Fig. 60. Endtarsen
unterseits mit einer Mittelcriste von kurzen Dörnchen
oder dichten Borsten besetzt. Körnchenreihe der
Scheerenfinger außen und innen mit je etwa 8 Außen-
körnchen (Fig. 74). Hände mit Außenrandkiel, oberseits
gerundet oder obsolet kielig.
Geschlechter meist durch auffallende Verschiedenheit der
Hände charakterisirt, die beim Männchen gestreckt und dünn (kaum
dicker als der Unterarm), beim Weibchen viel kürzer und dicker sind.
Die Gattung Chactas, welche erst kürzlich durch Pocock
(Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XH., p. 83 ff.) eine Neubearbeitung erfahren
hat, bietet in Bezug auf die Abgrenzung ihrer Arten ganz ungemeine
Schwierigkeiten, die allerdings zum Theil aus dem durchaus
ungenügenden Individuenmaterial der Sammlungen, zum Theil aber
auch aus der weitgehenden Uebereinstimmung der Formen in allen
wesentlichen Merkmalen resultirt. Ich sehe mich daher zur Zeit außer
Stande, mit irgend welcher Sicherheit die Zahl der wirklich gut
begrenzten Arten angeben zu können, hege indeß die Vermuthung,
daß der größte Theil der von Karsch, Simon, Pocock und
Anderen aufgestellten Formen sich auf einige wenige Species zurück-
führen lassen wird.
11°
164 Scorpionidae: Chactini.
Von besonderem Interesse scheint mir die Thatsache, daß nur
ein Theil der mir vorliegenden Exemplare die als Gattungscharakter
von Pocock in den Vordergrund gestellte Mittelreihe kurzer Dörnchen
an der Unterseite der Endtarsen besitzt, während ein anderer — im
Ganzen 4 Exemplare von verschiedenen Fundorten — statt der
Dörnchen eine Mittelreihe sehr dicht gestellter feiner Härchen trägt,
die sich nach vorn zu gabelig theilt. Es würde nun bei der großen
Wichtigkeit, welche die Armirung der Tarsenunterseite erfahrungs-
cemäß für die natürliche Abgrenzung der Gattungen und selbst der
Unterfamilien besitzt, zunächst nichts einfacher erscheinen, als jene 4
mit Haarleiste versehenen Exemplare zu Repräsentanten einer neuen
Gattung zu stempeln, die dann eben lediglich durch die abweichende
Armirung der Endtarsen von Chactas unterschieden wäre. Seltsamer-
weise hat indeß auch die sorgfältigste Vergleichung nicht eine einzige
weitere Abweichung jener 4 Individuen von dem normalen Chactas
Van Benedenii Gerv. erkennen lassen, so daß ich mich zu dem obigen
bequemen Auskunftsmittel nicht entschließen kann, sondern vielmehr
der Annahme zuneige, ein in den übrigen Gruppen systematisch
wichtiges Merkmal hat bei der Gattung Chactas diese Bedeutung ver-
loren und kann hier sogar bei Exemplaren einer und derselben Art
Variationen zeigen, die sonst nur bei verschiedenen Gattungen aufzu-
treten pflegen. Daß diese Annahme nichts ungeheuerliches hat,
beweisen ja zahlreiche analoge Vorkommnisse bei anderen Thier-
gruppen (man denke z. B. an die bei einigen Schneckenarten auf-
tretende individuelle Variation der Rechts- und Linkswindung | Amphi-
dromus, Achatinella], die m andern Fällen ein Gattungskennzeichen
ist [Clausilia]); auch dürfte der verschiedene Haarbesatz bei den
unter sich nahe verwandten Gattungen Broteas, Broteochactas und
Hadrurochactas diese Ansicht zu stützen geeignet sein.
Von den über 20 Arten, die man bisher unterschieden hat,
sind zunächst 5 Arten von Karsch — Gollmeri, delicatus,
opacus; quinquedentatus, Schaumii — den Gattungen
Broteochactas und Hadrurochactas zu überweisen. Ueber Ch. lite-
rarius Butl. und Ch. haversi Butl. habe ich kein Urtheil, da mir
die einschlägige Litteratur (Cistola Entomol. Bd. XI, p. 323, 1874)
nicht zu Gebote stand. An Originalexemplaren liegen mir nur vor:
Ch. lepturus Thor., Ch. Fuchsii Berthold und Ch. brevicaudatus
Karsch. Alle drei zeigen so große Uebeinstimmung mit einander,
daß ich nicht zögere, sie als zu einer Art gehörig zu erklären. Der
Cephalothorax des Ch. Fuchsii ist nicht, wie sein Autor angıebt,
völlig glatt, sondern an den Seiten feinkörnig, wie bei den übrigen.
Gatt. Chactas. 165
Die nur 5—6 Kammzähne bei dem Originalexemplar von Ch. lepturus
gegen S—10 bei Fuchsii und brevicaudatus können allein keinen
Artunterschied begründen; die größere oder geringere Ausprägung
der Handkiele aber und der Caudalcristen, wie die stärkere oder
schwächere Netzkörnelung und selbst Runzelung der Hand sind so
wandelbar, daß nicht zwei Individuen in allen diesen Punkten sich
völlig gleich sind. Ch. brevicaudatus ist zudem ein jugendliches
Exemplar, das den für die Jugendstadien charakteristischen gelben
Rückenstreif noch bewahrt hat. Ich würde daher den Simon’schen
Ch. rubrolineatus ohne Weiteres hier anschließen, wenn er nicht
einen starken Grunddorn an der Vorderseite des Unterarms trüge,
der doch vielleicht auf eme andere Art hinweist. Endlich dürfte es
nicht zu gewagt sein, die drei mir vorliegenden Originale nun des
Weiteren auch dem Ch. Van Benedenii Gerv. zu .identificiren, der
bekanntlich nur das Männchen der Art repräsentirt. — Alle diese
Formen, sowie der wohl kaum unterscheidbare Ch. Keyserlingii Poc.,
haben die Unterseite der ersten 4 Caudalkiele völlig glatt und glänzend,
den Grunddorn des Unterarms klein; ihnen schließen sich zwei ver-
wandte Formen — Ch. chrysopus und Karschii Poc. — an, bei
welchen das IV. Segment unterseits bereits granulirt ist und der Unter-
arm einen stark entwickelten Grundhöcker trägt. Ueber diese, wie
über 5 weitere von Pocock aufgeführte Arten fehlt mir bei dem
geringen, mir vorliegenden Untersuchungsmaterial jedes sichere Urtheil,
so daß ich mich mit der Wiedergabe der von jenem Autor ange-
gebenen Unterschiede begnügen muß. Nicht unerwähnt lassen will
ich indeß, daß ich bei einem Ch. laevipes Karsch sehr wohl auch
im I. Caudalseement Spuren von Kielung beobachten konnte,
die ihn bei stärkerer Ausprägung der Schenkelkörnelung zum Ch.
aequinoctialis stempeln würden, sowie, daß ich eine Form vor mir
habe, die ich auch nach der Pocock’schen Tabelle nicht zu bestimmen
vermag. Die Kiele der Cauda sind im IL.—IV. Segment „ziemlich“
deutlich vorhanden; nimmt man nach der Bestimmungstabelle an,
diese Segment seien „clearly carinate“, so kommt man auf Ch. Simoni,
der es wegen des glatten Thorax nicht sein kann; nimmt man aber
an, sie seien „smooth or scarcely carinate“, so kommt man auf Ch.
Van Benedenii, der aber durch die geringe Entwickelung des Unter-
arm-Grunddorns abweicht. Ein solches Beispiel mag zeigen, wie wenig
derartige, auf ganz geringem Individuenmaterial aufgebaute Tabellen
den thatsächlichen Verhältnissen gerecht werden. Es ist gewiß eine
schöne Sache um das möglichst minutiöse Trennen der Formenkreise
von einander, auch wenn dieselben nur den Werth von Local-Rassen oder
166 Seorpionidae: Chactini.
Varietäten haben sollten; voraufgehen aber muß meines Erachtens
einer solchen Detailmalerei die scharfe Abgrenzung der größeren, durch
intermediäre Formen nicht verbundenen Kategorien, und erst die
gewissenhafte Durcharbeitung eines ausgiebigen Materials der ver-
schiedenen Alters- und Geschlechtsstufen aus dem Gesammtbereich des
Verbreitungsbezirks sollte zur Aufstellung von Formenkreisen mit nur
graduell sich abstufenden Merkmalen berechtigen. Diese Forderung
ist bei den nur ein bis zwei Individuen, welche dem Britischen Autor
bei der Abfassung seiner „Art-Tabelle* zur Verfügung gestanden,
jedenfalls nicht erfüllt, und es ist daher nur zu wohl zu verstehen,
wenn derselbe selbst von dieser Tabelle sagt „to be used with caution.“
Sie ist aber nun eben einmal da, und wir werden mit den 10 unterschiedenen
Species so lange rechnen müssen, als nicht durch ausgiebigeres Material
die Zusammenfassung auf vielleicht die Hälfte oder weniger durch-
geführt werden kann. — Der wesentliche Inhalt dieser Pocock’schen
Bestimmungstabelle ist folgender:
A. Alle Caudalsegmente, auch das I., unterseits mit gekörnten Kielen.
Oberseite des Truncus und Schenkel außenseits grob gekörnt.
1. Ch. aequinoctialis (Ksch.), p. 167.
B. Mindestens das I. Caudalsegment unterseits ungekielt.
I. Thorax und Arme oberseits grobkörnig; Blase breit, unterseits
am Grunde eingedrückt. Unterarm an der Vorderfläche ohne
stärkeren Grunddorn. Das erste (der Basis nächste) Außen-
körnchen der Schneide des unbeweglichen Fingers vergrößert.
2. Ch. Whymperi Poc., p. 168.
II. Schenkel außenseits glatt oder fast glatt. Blase weniger kugelig,
ohne Eindruck auf der Unterseite.
a. III. und IV. Caudalsegment unterseits deutlich gekielt, II.
schwach gekielt. Cephalothorax an den Seiten stärker gekörnt.
Unterarm mit stärkerem Grunddorn. Unbeweglicher Finger
am Grunde ohne vergrößertes Außenkörnchen.
1. Oberseite des Abdomens fein und dicht gekörnt. Caudal-
kiele stärker... ......: 3. Ch. laevipes (Ksch.), p. 168.
2. Oberseite des Abdomens glatt und glänzend. Caudalkiele
Schwacher. te 4. Ch. Simonii Poc., p. 169.
b. U. und Ill. Caudalsegment unterseits glatt und nicht oder
nur undeutlich gekielt; IV. Segment schwach gekielt, häufig
schwach gekörnt.
l. Truncus, Cauda und Schenkel dicht eingestochen punktirt.
Unterarm ohne stärkeren Grunddorn. Schneide des
Gatt. Chactas. 167
unbeweglichen Fingers am Grunde mit vergrößertem Außen-
körnchen, das in eine Einbuchtung der Gegenseite paßt.
5. Ch. amazonicus Sim., p. 169.
2. Trunceus, Cauda und Schenkel nicht punktirt. Außen-
körnchen am Grunde der Schneide des unbeweglichen
Fingers nicht vergrößert.
a. IV. Caudalsegment unterseits körnig; Unterarm mit
großem Grunddorn an der Vorderfläche.
aa. Blase oben und unten körnig. Cauda länger.
62Ch: Karschir Boc., p. 170.
bb. Blase oben und unten glatt. Cauda kürzer.
72 Ch chrysopus.Poc., px 170:
ß. Kiele der vorderen Caudalsegmente unterseits völlig glatt
und glänzend; Unterarm ohne vergrößerten Grunddorn.
aa. Obere Caudalkiele schwach und meist schwach granulirt.
Letztes Rückensegment glatter.
aa. Hand beim Weibchen ungekielt, beim Männchen
schwach gekielt. Obere Ränder der ersten Caudal-
segmente glatt und gerundet.
8. Ch. Van Benedenii Gerv., p. 171.
£g. Hand gekielt; obere Caudalkiele etwas deutlicher und
schwach körnig. ..9, Ch. lepturus Thor., p. 171.
bb. Obere Caudalkiele sehr deutlich und körmig, die
Zwischenräume zwischen ihnen ebenfalls körnig.
Letztes Abdominal-Segment oberseits an den Seiten
deutlich gekörnt. Hand ungekielt.
10. Ch. Keyserlingii Poc., p. 172.
1. Chactas aequinoetialis (Karsch).
1879 Broteas aequinoctialis Karsch (Mitt. Münch. ent. Ver. 1879, p. 130).
1893 (Chactas aequinoctialis Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XI, p. 87).
Färbung des ganzen Körpers schwarzbraun.
Cephalothorax vorn und in der Mitte sparsamer, an den
Seiten und hinten grob und dicht gekörnt. Abdomen oberseits eben-
falls dicht feinkörnig, im letzten Segment grobkörnig; unterseits ein-
gestochen punktirt, letztes Segment etwas körnig. Cauda oberseits
in allen Segmenten mit deutlich gekörnten Kielen und mit grobkörniger
Dorsalrinne. Unterseite ebenfalls in allen Segmenten mit unregelmäßig
gekörnten, deutlichen Kielen. Blase unterseits grobkörnig, an den
Seiten tief gefurcht.
168 Scorpionidae: ÜChaetini.
Oberarm oberseits mit gekörnten Randkielen, auf der oberen
Fläche körnig. Hand kantig, nicht gekörnt, aber netzig runzelig, beim
Weibchen doppelt so breit, beim Männchen nur so breit, als der Unterarm.
Schenkel und Schienbeine außenseits grobkörnig.
Zahl der Kammzähne bei beiden Geschlechtern 7.
Verhältniß des Truncus zur Cauda = 23—28 : 23 — 31 mm.
Fundort: Columbien.
2. Chaectas Whymperi Poc.
1893 Chactas Whymperi Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XII, p. 90).
Färbung schwarz, Schenkel pechbraun, Blase und Endtarsen
gelbbraun.
CGephalothorax auf der ganzen Fläche gekörnt. Abdomen
oberseits glänzend, undeutlich gekörnt, letztes Segment deutlich gekörnt.
Unterseite glatt, eingestochen punktirt.
Cauda oberseits in allen Segmenten mit deutlich gekörnten
Kielen und größerem Endzahn. Dorsalrinne gleichfalls körnig im
I. Segment, ebenso die Seiten. I. und II. Segment der Unterseite
elatt und glänzend, ungekörnt, eingestochen punktirt; III. Segment fast
olatt, obsolet gekielt, etwas runzelig; IV. deutlicher gekielt, unregel-
mäßig körnig, mit deutlichen Lateralkielen; V. mit den gewöhnlichen
Kielen und gekörnter Fläche. Blase breiter als das V. Segment, unter-
seits grob punktirt, am Grunde eingedrückt.
Oberarm wie bei der vorigen Art. Hand gekielt, Kiele dicht
mit Körnchen besetzt, die sich auf die Flächen ausdehnen. Verhältniß
des beweglichen Fingers zur Hinterhand wie 8: 6 mm, der Hinterhand
zur Handbreite (Weibchen) wie 6 : 5,6.
Schenkel fem und dicht gekörnt, Schienbeine fast glatt.
Zahl der Kammzähne 5—6.
Verhältniß des Truncus zur Cauda —= 25.:29 mm.
Fundort: Milliealli in Ecuador (2 Weibchen im Britischen
Museum).
3. Chaetas laevipes (Karsch).
1879 PBroteas leavipes Karsch (Münch. ent. Ver. 1879., p. 131).
1893 Chactas laevipes Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XII, p. 87).
„Dem Ch. aequinoctiales sehr ähnlich, aber kleiner; Cephalothorax
nach vorn nur wenig verengt; Beine heller und mit fast glatten
oder sparsam körnigen Oberschenkeln“ (Karsch). Der Cephalothorax
weniger dicht und grob gekörnt; vordere Abdommalsegmente äußerst
fein, letztes gröber gekörnt. Bauchseite glatt, nur im letzten Segment
an den Seiten etwas körnig.
Gatt. Chactas. 169
Zahl der Kammzähne 6—8.
Verhältniß des Truncus zur Cauda = 23— 24 mm : 29 —31 mm.
Fundorte: Caracas in Venezuela und Columbien.
Die Selbstständigkeit dieser und der vorhergehenden „Art“
ist sehr zweifelhaft; sie dürften beide zu Ch. aequinoctialis zu ziehen sein.
4. Chaetas Simonii Poc.
1893 Chactas Simonii Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XII., p., 89).
Vom Ch. laevipes vornehmlich durch die Rückensegmente des
Ahbdomens unterschieden, welche glatt und glänzend sind; nur das
letzte ist feinkörnig.
Cephalothorax auf der Mittelfläche glatt, sonst körnig.
Cauda mit gekörnten oberen Cristen und größeren Enddornen.
Dorsalrinne glatt. Untere Lateralkiele in allen Segmenten erkennbar,
feinkörnig, wenigstens im IV. Segment; untere Mediankiele im I. Segment
völlig fehlend, im II. und III. angedeutet, im IV. stark entwickelt.
Blase unterseits grobkörnig.
Hand undeutlich gekielt, mit kurzen Reihen sehr feiner Körnchen.
Verhältniß des Fingers zur Hinterhand wie 8:7, der Hinterhand zur
Handbreite wie 7: 4,5.
Schenkel fast glatt; nur das letzte Paar ganz schwach körnig.
Zahl der Kammzähne 6—7.
Verhältniß des Truncus zur Cauda = 26:27.
Fundort: Venezuela (2 Weibchen im Britischen Museum).
Auch diese „Art“ dürfte dem Formenkreise des Ch. aequimoctialis
angehören.
5. Chaectas amazonicus Sim.
1880 Chactas amazonieus Sim. (Ann. Soc. ent. Fr. [5] X., p. 384).
Färbung dunkelbraun, Beme und Blase gelbbraun.
Cephalothorax auf der Fläche eingestochen punktirt, an den
Seiten grob gekörnt.
Abdomen oberseits grob runzelig punktirt.
Cauda oberseits in den drei ersten Segmenten mit glatten, nur
am Hinterrande mit emigen Körnchen versehenen Kielen, IV. Segment mit
etwas stärker gekörnten Kielen; V. Segment an den obereren Seiten
und Rändern körnig, aber nicht kielig. Unterseite der Cauda im
I.—-IIIl. Segment fein runzelig, ungekielt, fast glatt; IV. Segment mit
undeutlichen gekörnten Streifen, V. wie gewöhnlich. Blase unterseits
kaum körnig.
Oberarm wie bei den vorigen Arten, oberseits schwach gekörnt.
Hand sehr schwach femkörnig. Unbeweglicher Finger mit starkem
170 Seorpionidae: Chactini.
Außenkörnchen am Grunde bei beiden Geschlechtern, dem eine
Einbuchtung der Gegenseite entspricht; beweglicher Finger kürzer als
die Hinterhand.
Schenkel fein punktirt, nicht granulırt.
Zahl der Kammzähne 8—9.
Verhältniß des Truncus zur Cauda = 22,5: 19,5 mm. Cauda
beim Männchen im Verhältniß länger (Pocock).
Fundort: Pevas und Moyabama in Peru.
6. Chaectas Karschii Poc.
1879 Chactas lepturus Karsch nec. Beauv. (Mitt. Münch. ent. Ver. 1879., p. 132).
1893 Chactas Karschii Poc. (Ann. Mae. Nat. Hist. [6] XII., p. 86).
Färbung pechbraun, Beine gelbbraun, Blase rothbraun.
Cephalothorax glatt, glänzend, nur an den Seiten matt und
feinkörnig.
Abdomen oben glatt, sparsam eingestochen punktirt.
Cauda oben mit glatten, gerundeten Rändern, nur im IV. Segment
etwas kielig körnig; obere Lateralkiele etwas körnig. Unterfläche der
Cauda im I.—IlI. Segment glatt, im IV. körnig, mit Andeutung der
Lateralkiele. V. Segment oberseits auf der Fläche und an den Seiten
körnig, ohne obere Randkiele, aber unterseits mit den 3 gewöhnlichen
Kielen. Blase oben fein, unten grob gekörnt.
Hand glänzend, etwas granulirt runzelig. Beweglicher Finger
so lang, als die Hinterhand. Unterarm an der Vorderfläche mit
2 Grundhöckern. Schenkel glatt.
Zahl der Kammzähne 8.
Verhältniß des Truncus zur Cauda = 21:30.
Fundort: Puerto Cabello m Venezuela (1 Weibchen im
Berliner Museum).
7. Chaetas ehrysopus Poc.
1893 Chactas chrysopus Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XII., p. 89).
Der vorigen Art durchaus gleichend, aber Blase glatt, Cauda
kürzer (Trunceus : Cauda —= 20:23) und nur 6 Kammzähne. Pocock
selbst würde das ıhm vorliegende Exemplar als das andere Geschlecht
der vorigen Art ansprechen, wenn er nicht beide der breiten Hände
wegen für Weibchen halten müßte. Ich glaube mich überzeugt zu
haben, daß in dieser Gattung auch bei demselben Geschlecht Blase
und Verhältniß des Truncus zur Cauda m der angegebenen Weise
varıiren können.
Fundort: — ? (1 Weibchen im Britischen Museum).
Gatt. Chactas. 171
S. Chactas Van Benedenii Gerv.
1843 Chactas Van Benedenii Gerv. et Goud. (Arch. du Musee IV., p. 232).
1846 Chactas Fuchsii Berthold (Göttinger Nachrichten 1846, p. 56—62).
1879 Chactas brevicaudatus Karsch (Mittth. Münch. ent. Ver. 1879, p. 132).
Färbung zimmtbraun, Beine heller.
Cephalotorax glatt und glänzend, nur an den Seiten fein-
körnig. Abdomen oberseits glatt und glänzend, letztes Segment an
den Seiten etwas gekörnt. Unterseite glatt und glänzend, nicht punktirt.
Cauda oberseits auf den gerundeten Rändern im I, IH. und
auch wohl III. Segment glatt, im IV. meist deutlicher gekörnelt, mit
ziemlich geschärften, aber kaum gekörnten oberen Lateraleristen. Unter-
seite im I.—IV. Segment völlig glatt und glänzend. V. Segment mit
den gewöhnlichen Kielen unterseits, die Flächen gekörnt, auch die
Seiten der Dorsalfläche. Blase oben und unten etwas runzelig körnig,
beim Männchen unterseits fast glatt.
Oberarm wie gewöhnlich, auf der Oberseite fast glatt oder
etwas gekörnt. Unterarm an der Vorderfläche mit zwei mäßigen
(Weibchen) oder fast verschwindenden Grundhöckern. Hand beim
Männchen nur so breit wie der Arm, mit deutlich kieliger Kante,
beim Weibchen viel breiter und kürzer, schwach kantig oder rundlich.
Flächen glatt oder fein netzig-runzelig, am Innenrande körnig. Verhältniß
des beweglichen Fingers zur Hinterhand beim Männchen wie 1: 1,11
bis 1: 1,53, beim Weibchen wie 1: 0,93 bis 1: 1,06. Größte absolute
Maaße beim Männchen 9 und 11,3, beim Weibchen 8,2 und 8 mm.
Verhältniß der Hinterhand zur Handbreite beim Männchen: 1: 0,26
bis 1: 0,4 (größte absolute Maaße: 11,3 und 3,4 mm), beim Weibchen
1:0,53 bis 1:0,71 (größte absolute Maaße: 8,2 und 5 mm).
Schenkel glatt und glänzend.
Zahl der Kammzähne bei 9 Exemplaren: 8—10.
Verhältniß des Truncus zur Cauda beim Männchen wie 1:1,2
bis 1: 1,85 (größte Gesammtlänge 69 = 28 + 41 mm), beim Weibchen
wie 1:0,87 bis 1: 1,11 (größte Gesammtlänge 59 — 28 + 31 mm).
Heimath: Columbien (Popayan, Santa Martha). — Die nicht
mit Dornen, sondern mit Haarleiste an der Unterseite des Endtarsus
versehenen Exemplare (vgl. Pag. 164) stammen von Venezuela
(La Guayra, St. Estebanfluß) und den Antillen.
9. Chaetas lepturus Thor.
1878 Chactas lepturus Thor. (Atti Soe. ital. XIX., p. 266).
Wie schon Pag. 165 bemerkt, kann ich die von Pocock
angegebenen Unterschiede zwischen Ch. lepturus und Ch. Van Benedenii
172 Seorpionidae: Chactini.
nach Untersuchung des Originalexemplars von Ch. lepturus nicht
anerkennen. Die Kielung der Hand ist nur ganz unmerklich stärker,
als die bei den mir vorliegenden Van Benedenü-Exemplaren, ebenso die
Runzelung der Hand, die von Thorell mit Unrecht als „erasse
eranuloso-rugosa“ bezeichnet ist. Wenn dann schließlich nicht nur der
obere Rand des II. Caudalsegments, sondern auch schon der des II.
eine feine Körnelung zeigt, so kann dies doch unmöglich als Artunterschied
verwerthet werden. Ich halte daher den Ch. lepturus für synonym mit
Ch. Van Benedeni.
10. Chaectas Keyserlingii Poc.
1893 Chactas Keyserlingii Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XII., p. 92).
Die in der Bestimmungstabelle aufgeführten Unterschiede dieser
Form von dem Ch. Van Benedenii scheinen mir ebenfalls zur Aufstellung
einer eigenen Art nicht auszureichen, da es sich augenscheinlich im
Wesentlichen nur um eine etwas stärker ausgeprägte Körnelung des
gesammten Thieres — Hinterecken des Thorax, letztes Rückensegment,
obere Caudalkiele — handelt. Die Hand ist fein retieulirt-körnig.
Das Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand wie 7:7,
der Hinterhand zur Handbreite wie 7:4.
Zahl der Kammzähne 7.
I
Verhältniß des Truncus zur Cauda = 26:2
Fundort: Columbien.
5. Gatt. Broteas C. L. Koch.
Chactinen mit schlitzförmigen Stigmen (Fig. 70)
und 2 Reihen Borsten an der Unterseite des Endtarsus.
Augenhügel nach vorn nicht von der Depression um den
Augenhügel umzogen, sondern allmählich zum Stirnrande
abfallend (Fig. 61). Maxillarloben breiter als das längs-
sefurchte Sternum am Grunde; letzteres mit fast durch-
gsehender Medianfurche (Fig. 64). Hände gerundet. Finger
nur innenseits mit einigen großen Außenkörnchen.
Simon (Ann. Soc. ent. France [5] X., p: 382) zählt in seiner
Bestimmungstabelle der Broteas 5 Arten auf, von denen aber zwei,
der B. aequmoetialis und der B. laevipes Karsch, sich als zur Gattung
Chactas gehörig erweisen. Von den übrig bleibenden 3 Arten
bezweifelt bereits Pocock (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XII, p. 80)
auf Grund des ihm vorliegenden Materials die Selbständigkeit des
B. granulatus Sim. (alias granulosus Sim.), und ich kann mich diesem
Urtheil nur anschließen. Aber auch der B. paraensis Sim. wird
Gatt. Broteas. 173
schwerlich als eigene Art bestehen können, da er lediglich durch die
fehlende Körnelung des Cephalothorax charakterisirt wird. Nun aber
unterliegt es keinem Zweifel, daß, wie so oft, auch in dieser Gruppe
die Männchen sich durch besonders stark hervortretende Körnelung
(Form: B. granulatus) auszeichnen, während dieselbe bei den Weibchen
mehr und mehr verschwindet und natürlich auch völlig durch ein-
gestochene Punkte ersetzt werden kann. Schließlich ist noch des
B. Gervaisii Poc. zu erwähnen, der vornehmlich durch das Fehlen
der Kiele an der Unterseite des ersten Caudalsegments ausgezeichnet
sein soll. Obeleich mir im Ganzen nur 7 PBroteasexemplare zur
Verfügung gestanden, so glaube ich doch zu erkennen, daß auch dieses
Merkmal als artbegründend nicht angesehen werden kann. Die mir
vorliegenden Weibchen zeigen sämmtlich im I. Segment glatte
untere Flächen, wären also B. Gervaisii Poc., während bei den Männchen
eine ziemlich grobe Körnelung auftritt, aus der sich 2 gröbere Reihen
als Andeutung der Kiele mehr oder weniger deutlich herausheben.
Auf die stärkere oder schwächere Granulirung der dorsalen Caudalfläche,
die Pocock außerdem noch ins Feld führt, ist sicher kein Gewicht
zu legen, da sie außerordentlich varürt. — Die Ansicht Pococks,
daß der B. maurus Herbst eine „total differente* Form sei, als
B. Herbstii Thor. (= B. maurus Koch nach Pocock), kann ich
nicht theilen, sondern ich finde, daß Zeichnung und Beschreibung von
Herbst bis auf einige unwesentliche Kleinigkeiten genau auf die mir
vorliegenden Exemplare, darunter das Originalexemplar von B. maurus
Koch, passen. Ich sehe mich daher bis auf Weiteres zu der Annahme
geführt, daß zur Zeit thatsächlich nur eine einzige Art unserer
(Gattung bekannt ist, welcher nach den Gesetzen der Priorität der
Name B. maurus'! Herbst zuerkannt werden muß.
1. Broteas maurus (Herbst).
1800 Scorpio maurus Herbst (Ungefl. Insect. Heft 4, p. 52, Tfl. 6, Fig. 4).
1838 Broteas maurus C. L. Koch (Arachn. IV., p. 109, Fig. 319).
1863 Scorpio Alleni Wood (Journ. Acad. Nat. Sc. Philadelphia [2] V., p- 360),
teste Marx.
1876 DBroteas Herbstii Thor. (Ann. Mag. Nat. Hist. [4] XVII., p. 14).
1877 „ granulatus Sim. (Ann. Soc. ent. Fr. [5] VII., p. 241).
1880 „ granulosus Sim. (ibid. [5] X., p. 382).
1880 „ paraensis Sim. (ibid. [5] X., p. 381).
? 1893 » Gervaisii Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XII., p. 78).
I) Die Namensänderung des B. maurus Herbst in B. Herbstii durch Thorell
ist nicht recht verständlich, da ja der Artnamen maurus nicht auf Thiere
derselben, sondern zweier ganz verschiedener Gattungen angewandt wird
(Heterometrus maurus L. — Broteas maurus Herbst).
174 Scorpionidae: ÜChactini.
Färbung dunkel rothbraun bis pechbraun, selten Truncus und
Cauda heller ledergelb. Blase und Beine mit dem übrigen Körper
gleichfarbig oder etwas heller.
Cephalothorax vorn fast gerade, ganz seicht ausgerandet.
Augenhügel nach vorn zur Stirn allmählich abfallend, an den Seiten
von einer gabelförmigen, hinter dem Augenhügel zur hinteren Median-
furche sich zusammenschließenden Depression umgrenzt. Fläche beim
Männchen entweder fast gleichmäßig grobkörnig, oder Stirnrand und
Gegend um den Augenhügel nicht gekörnt, sondern grob eingestochen
punktirt; beim Weibchen die ganze Mittel- und die hinteren Seiten-
flächen nur eingestochen punktirt, die Seiten hingegen (hinter den
Seitenaugen) meist mit mehr oder weniger entwickelten groben flachen
Körnchen besetzt.
Abdominalringe beim Männchen in der Vorderfläche meist
nur grob punktirt, mit zerstreuten Körnchen, in der Hinterhälfte dicht
und ziemlich grob gekörnt; beim Weibchen slänzender, meist auf der
ganzen Fläche nur eingestochen punktirt, mit zerstreuten, flachen
Körnchen gegen den Hinterrand. Letztes Segment mit Andeutung
von 4 Cristen. Bauchseite glatt, namentlich im letzten Segment
deutlich eingestochen punktirt.
Cauda oberseits mit deutlich gekörnten Median- und Lateral-
kielen. Unterseits die Medianeristen des I. Segments beim Weibchen
fehlend und "auch die Lateraleristen kaum angedeutet, ganze Fläche
daher glatt, eingestochen punktirt, selten mit einzelnen Körnchen;
beim Männchen Unterseite des I. Segments punktirt und grobkörnig,
die Lateraleristen deutlich und auch die Mediancristen mehr oder
weniger durch gröbere Reihenkörnchen markirt. Uebrige Segmente
mit deutlichen körnigen Kielen unterseits, nur zuweilen im II. Segment
beim Weibchen mit unregelmäßiger und flacher Körnelung. Nebenkiele
der Seitenflächen im I. Segment vollständige, in den übrigen abgekürzt
oder undeutlich. Körnelung der Flächen sehr verschieden entwickelt;
Dorsalrinne beim Weibchen meist fast glatt, eingestochen 'punktirt,
beim Männchen meist grobkörnig und punktirt, namentlich im I. und
V. Segment. Untere und Seitenflächen stets körnie, aber beim Männchen
viel stärker und dichter als .beim Weibchen. Blase grob gekörnt.
Oberarm oberseits mit verkürzten Randkielen, auf der Fläche
zerstreut bis dicht körnig und punktirt; ebenso unterseits. Vorderfläche
mit Längsreihe gröberer Körnchen. Unterarm an der oberen und
unteren Vorderkante mit gekörntem Kiel; Flächen eingestochen punktirt,
glatt oder etwas gekörnt; Unterfläche netzig punktirt, am Hinterrande
mit einer Reihe von 7 Haargrübchen.
Gatt. Broteochactas. 17:5
Hand gerundet, ziemlich diek, nur mit ziemlich deutlichem
Außenrandkiel, sonst ungekielt, auf der Oberfläche netzig punktirt,
beim Männchen auch mit zerstreuten, gröberen, flachen Buckeln.
Innenrand und Unterseite körnig. Scheerenfinger ohne Lobus, zusammen-
schließend, mit einer Längsreihe von Körnchen auf der Schneide und
5—6 sehr großen Außenkörnchen an der Innenseite der Schneide.
Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand wie 1: 0,81, bis
1: 0,95, der Hinterhand "zur Handbreite wie 1:0,81 bis 1: 0,9.
Größte absolute Maaße für beweglichen Finger, Hinterhand und
Handbreite: 9,8, 8 und 6,38 mm.
Ober- und Unterschenkel außenseits nur punktirt, glatt
(Weibchen), oder grob gekörnt (Männchen). Zahl der Borsten am
Endtarsus jederseits etwa 6—7.
Sternum nach vorn etwas verschmälert, etwas kürzer als
breit und auch am Hinterrande deutlich schmäler, als die sehr breiten
Maxillarloben. Kämme ohne deutliche Ausbildung von Mittellamellen,
mit sehr kleinen Fuleren. Zahl der Kammzähne 8S—10 bei beiden
Geschlechtern, aber die einzelnen Zähne beim Männchen erheblich
dicker, als beim Weibchen.
Truncus beim Weibchen so lang oder fast so lang, als die
Cauda (1:1 bis 1: 1,2), beim Männchen stets kürzer (1: 1,26 bis
1:1,4). Größte Gesammtlänge des Körpers beim Weibchen 50
(= 25 + 25) mm, beim Männchen 54 (= 24 + 30) mm.
Als Heimath des Broteas maurus kennen wir Britisch,
Französisch und Niederländisches Guyana, wie das nördliche
Brasilien (Para).
6. Gatt. Broteochactas Poc.
Chactinen mit runden Stigmen (Fig. 71) und zwei
unregelmäßigen Borstenreihen an der Unterseite des End-
tarsus (Fig. 76). Augenhügel nach vorn nicht von der
Depression um den Augenhügel umzogen, sondern allmählich
zum Stirnrande abfallend. Maxillarloben ziemlich breit,
fast breiter, als das Sternum am Grunde; letzteres mit
durchgehender Mittelfurche. Hände gerundet, aber mit
scharfem Außenrandkiel. Finger auf der Schneide nur
mit einer Körnchenreihe; Außenkörnchen außen fehlend,
innenseits nur ganz schwach angedeutet.
Bisher sind 4 Arten aufgestellt, welche dieser Gattung ange-
hören: B. Gollmeri (Karsch), delicatus (Karsch), opacus (Karsch)
und nitidus Poc. Von diesen erweist sich B. nitidus Poc. nach
176 Scorpionidae: Chactini.
Vergleichung mit den Originalexemplaren von Karsch ohne Weiteres
als identisch mit B. Gollmeri, während Pocock den B. opacus
für das Männchen zu B. nitidus erklärt. Es würden demnach zwei
Species übrig bleiben, die allerdings, so viel ich sehe, nur in sehr
geringem Maaße von einander abweichen. Ihre Unterschiede sind
folgende:
A. Gephalothorax völlig glatt und glänzend (Weibchen) oder an den
Seiten eingestochen punktirt (Männchen). Oberhand völlig glatt
und glänzend (Weibchen) oder mit netzig angeordneten kleinen,
flachen Körnchen besetzt (Männchen). Außenrandkiel der Hand
Salt. EN En: 1."B. Gollmeri “(Karsch), Sp. 2176:
B. Cephalothorax wenigstens an den Seiten hinter den Seitenaugen
mit ziemlich groben, nach hinten feiner werdenden Körnchen
besetzt. Oberhand netzig feinkörnig (Weibchen) oder dicht grob-
körnig (Männchen). Außenrand der Hand gekörnt.
B. delicatus (Karsch), p. 177.
1. Broteochactas Gollmeri (Karsch).
1879 Chactas Gollmeri Karsch (Münch. ent. Mitteil. 1879, p. 133).
1893 Broteochactas nitidus Poc. (Journ. Linn. Soc. XXIV, p. 399).
Die Färbung ist dunkel braunroth, Blase und Beine etwas
heller. Unterseite lederbraun bis ledergelb.
Der Cephalothorax ist vorn kaum ausgerandet, zeigt aber
in der Mitte des Randes eine deutliche Depression, zu welcher der
vorderseits nicht von einer Furche umgriffene Augenhügel ziemlich
allmählich abfällt. Die ganze Fläche beim Weibchen äußerst glatt und
glänzend, nicht punktirt, beim Männchen an den Seiten etwas rauh
punktirt.
Abdomen beim Weibchen durchaus glatt und glänzend, beim
Männchen sehr fein chagrinirt, mit glänzendem Querstreif auf der Fläche
in jedem Segment. Letztes Segment am Ende mit 4 deutlichen Buckeln.
Cauda oberseits mit gekörnten Median- und Lateralcristen;
letztere beim Weibchen undeutlicher gekörnt, als beim Männchen, oft
fast glatt. Untere Median- und Lateralkiele in den ersten 4 Segmenten
beim Weibchen völlig fehlend, höchstens die Lateralcristen im IV. Segment
schwach angedeutet; untere Fläche daher glatt und glänzend, im
IV. Segment etwas höckerig, im V. körnig, mit 3 ziemlich deutlichen,
zuletzt gedornten Längskielen. Beim Männchen begmnt die Körnelung
schon im III. Segment, im IV. sind die Seitenkiele ziemlich. deutlich,
und die Fläche ist dicht höckerig. Blase fast glatt oder feinkörnig.
Gatt. Broteochactas. 177
Oberarm mit nach dem Ende verschwindenden Cristen, glatt,
glänzend. Unterarm mit glatten oder am unteren Vorderrande
kaum gekörnten Randkielen; am unteren Hinterrande mit einer Reihe
von 7 Haargrübchen.
Hand ziemlich dick, rundlich, mit glattem Außenrandkiel,
sonst ungekielt; beim Weibchen oben und unten völlig glatt, beim
Männchen netzig feinkörnig. Finger ohne Lobus, mit eimer Körnchen-
reihe auf der Schneide und 4—5 kaum merklichen Außenkörnchen
auf der Innenseite. Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinter-
hand wie 1:60,82 bis 1: 0,95, der Hinterhand zur Handbreite wie
1: 0,93 bis 1: 0,95. Größte absolute Maaße für beweglichen Finger,
Hinterhand und Handbreite: 5,5, 4,5 und 4,2 mm.
Beine beim Weibchen völlig glatt und glänzend, beim Männchen
die Oberschenkel etwas netzig. Die 2 Borstenreihen an der Unterseite
des Endtarsus etwas unregelmäßig (Fig. 76).
Sternum wie bei Broteas, auch am Grunde schmäler als die
Maxillarlappen.
Kämme ohne deutliche Mittellamellen, mit 6—8 Kämmen bei
beiden Geschlechtern. Kammzähne beim Männchen robuster, als beim
Weibchen.
Verhältniß des Truncus zur Cauda wie 1:0,95 bis 1: 1,1.
Größte Gesammtlänge des Körpers 40 (= 20 + 20) mm.
Die Heimath des B. Gollmeri ist Venezuela (Caracas) und
die Insel Trinidad.
2. Broteochactas delieatus Karsch.
1879 Chactas delicatus Karsch (Münch. entom. Mitt. 1879, p. 134).
1879 Chactas opacus Karsch (ibid., p. 134).
Diese Art, von der mir nur em Exemplar, ein Weibchen, zur
Verfügung gestanden, schließt sich so sehr an die vorhergehende an,
daß ich die unterscheidenden Merkmale durch die Bestimmungstabelle
erschöpft glaube und daher eine Specialbeschreibung unterlasse.
Vielleicht wird sie sich bei ausreichendem Vergleichsmaterial als mit
der vorigen Art zusammengehörig erweisen.
Das Verhältniß des Scheerenfingers zur Hinterhand
finde ich —="5,7:5,7 mm, das der Hinterhand zur Handbreite
— 5,7:5,2 mm. Die Zahl der Kammzähne betrug 7, 7, die absolute
‚Länge des Körpers 46 (= 24 + 22) mm.
Als Fundorte sind bis jetzt bekannt: Britisch Guyana,
Columbien und Brasilien.
12
178 Scorpionidae: Chactini.
w
7. Gatt. Hadrurochactas Poc.
Chactinen mit den Merkmalen der Gattung
Broteochactas, aber das Tarsenendglied der Beine sehr
lang und unterseits dicht mit langen, unregelmäßig
angeordneten Haaren besetzt (Fig. 77). Hand am Innen-
rande gerundet, nicht zusammengedrückt. Cauda sehr
robust, mit hocheristigen mittleren Caudalsegmenten, die
hinter dem Enddorn steil und bogig abfallen.
Es erscheint fraglich, ob die oben aufgeführten Merkmale wirklich
ausreichen, um die Aufstellung einer eigenen Gattung zu rechtfertigen ;
immerhin erscheint die Form so eigenartig, daß ich bis auf Weiteres
der Ansicht Pococks folgen zu müssen glaube.
Es dürfte nur eine Art bekannt sein.
1. H. Schaumii (Karsch).
? 1880 Chactas quinquedentatus Ksch. (Zeitschr. f. d. ges. Nat. [3] VI., p. 405).
1880 Chactas Schaumii Ksch. (ibid., p. 406).
1893 Hadrurochactas Sclateri Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XII, p. 80).
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß zum mindesten der
Ch. Schaumii mit dem H. Sclateri Poc. identisch ist. Auch der
Ch. quinquedentatus wird wohl hierherzuziehen sein, da ein
Vergleich der Originale außer der geringeren Kammzahl nennenswerthe
Abweichungen nicht ergab. Da aber der Erhaltungszustand der
Exemplare ein abschließendes Urtheil nicht gestattete, so glaube ich
den Namen H. Schaumii voranstellen zu sollen.
Die Färbung ist kastanienbraun, oft mit einer blassen Linie
auf dem Rücken (Jugendmerkmal), und gelben Beinen.
Cephalothorax vorn gerade abgeschnitten (beim Weibchen),
glatt, nur auf den Seiten sehr fein granulirt. Medianfurche nur hinter
dem Augenhügel tief und hier gekörnt, vorn eine flache,‘ breite
Depression.
Abdominalsegmente oberseits fast glatt, hinten und an
den Seiten etwas feinkörnig; letztes Segment mit 4 gröberen Tuberkeln.
Unterseite glatt und glänzend.
Cauda sehr robust, erste Segmente breiter als lang, III. und
IV. Segment sehr hoch, II. höher als lang. Obere Median- und
Lateralkiele sämmtlich scharfzähnig entwickelt, erstere am Ende mit
größerem Endzahn, letztere in den ersten 3 Segmenten ebenfalls mit
spitzem Zahn am Ende. Untere Median- und Lateralkiele im I.—IV.
Segmente völlig fehlend; Flächen glatt, nur im IV. etwas körnig.
Gatt. Teuthraustes. 179
Seitenflächen in den drei ersten Segmenten etwas gekörnt, mit undeutlichen
Nebenkielen. V. Segment oben mit tiefer Rinne mit erhöhten granulirten
Rändern ; Seitenflächen schwach körnig; Unterfläche dicht und schuppig
grobkörnig, ohne deutliche Kiele (Lateralkiele nur gegen das Ende
durch einige gröbere Körnchen angedeutet). Blase zerstreut grob
reihenkörnig, in der Mittellinie unten kleinere dornige Körnchen, deren
letzter der größte ist.
Oberarm oberseits glatt, mit schwachen, wenig gekörnten
Rändern; Vorderfläche schwach körnig, mit schwach gekörntem Unter-
randkiel.
Unterarm glatt, oben und hinten gerundet; Vorderfläche
oben und unten mit Randkiel, ohne Grundhöcker.
Hand breiter als der Unterarm, glatt, gerundet, ungekielt, auch
der Außenrandkiel kaum angedeutet. Verhältniß des beweglichen
Fingers zur Hinterhand = 3,5: 2,5, der Hinterhand zur Handbreite =
2,5:2 mm.
Beine glatt, glänzend. Endtarsen verlängert, unterseits dicht
mit langen, unregelmäßig gestellten Wimpern besetzt.
Zahl der Kammzähne 10—11 (Weibchen), bei Ch. quinque-
dentatus Karsch 5.
Verhältniß des Truncus zur Cauda = 10,5 : 16 mm (Weibchen).
Fundorte: Britisch Guyana (Britisches Museum). Der
Fundort „Ostindien“ für die Karsch’schen Originale ist wohl auf einen
Irrthum zurückzuführen.
8. Gatt. Teuthraustes Sim.
Neuweltliche CGhactinen mit einer medianen kurzen
Dornenreihe an der Unterseite des’ Endtarsus! runden
Stigmen und Maxillarloben, die nicht breiter sind, als
das Sternum am Grunde. Cephalothorax vorn nicht oder
kaum ausgerandet, vor dem Augenhügel ohne tiefe Median-
furche, sondern dieser gegen den Stirnrand allmählich
abgedacht und vertieft. Sternum mehr als doppelt so
lang, als breit.
Ueber die Berechtigung der Gattung wage ich bei dem Mangel
eigenen Beobachtungsmaterials ein Urtheil nicht abzugeben.
Bis jetzt sind 2 Arten unterschieden, die aber wohl in einer
zu vereinigen sind.
127
180 Scorpionidae: Chactini.
1. Teuthraustes atramentarius Sim.
1878 Teuthraustes atramentarius Sim. (Ann. Soc. ent. Fr. [5] VIII, p. 400).
Färbung schwarz; Blase, Tarsen und Kämme röthlich.
Cephalothorax auf der ganzen Fläche stark gekörnt.
Abdomen oberseits fein punktirt. Cauda unterseits im I.—IV.
Segment mit je 4 stark gekörnten Kielen. V. Segment oben flach.
Blase glatt, glänzend, an den Seiten und unten punktirt.
Hände dick, rundlich, glatt, gegen den Innenrand körnig.
Finger kurz.
Kämme klein, mit 7 Kammzähnen.
Verhältniß des Truncus zur Cauda = 26:25 mm.
Fundort: Ecuador.
Hiervon unterschieden ist durch Becker der T. ecuadorensis
Beck, (Ann. Soc. ent. Belg. 24, p. 142, 1880). Derselbe ist nur 40 mm
lang, seine Beine sind etwas röther, die Körnelung des Thorax ist
gröber und ungleichmäßiger, die Seitenaugen stehen näher bei einander,
die Blase ist feinkörnig und die Hände sind schlanker. Kammzähne 7.
Fundort: Ecuador.
9. Gatt. Heterochactas Poc. .
Neuweltliche Chactinen mit gerundeten Stigmen
und Maxillarloben, die schmäler sind, als das Sternum
am Grunde. Endtarsen seitlich zusammengedrückt, unter-
seits mit einer Medianreihe kurzer Dornen. Die Depression
um den Augenhügel nach vorn nicht, wie hinten, zu einer
medianen Stirnfurche sich vereinigend, sondern die Fläche
vor dem Augenhügel fast horizontal. Vorderrand des
Cephalothorax tief ausgerandet.
Auch die Berechtigung dieser Gattung dürfte nicht über allem
Zweifel erhaben sein, da die Unterschiede von Teuthraustes ziemlich
geringfügig erscheinen und schwerlich als generische gelten können.
Da mir aber beide Gattungen aus eigener Anschauung nicht bekannt
sind, so folge ich vorläufig der Ansicht des Autors.
Nur eine Art dieser Gattung ist bekannt.
1. Heterochactas Gervaisii Poc.
1893 Heterochactas Gervaisii Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XII., p. 82).
Färbung pechbraun, Beine rostfarben, Blase und Tarsen röthlich.
Cephalothorax fast glatt, an den Seiten etwas grobkörnig.
Medianfurche nur hinter dem Augenhügel entwickelt. Abdominal-
segmente oberseits fast glatt, ganz obsolet gekörnt; letztes mit 4
Tuberkeln. Bauchseite glatt und glänzend. |
Subfam. Vejovini. 181
Cauda mit entwickelten, aber feinkörnigen oberen Median- und
Lateralkielen in den ersten 4 Segmenten. Untere Median- und Lateral-
kiele im I.—IV. Segment völlig fehlend, Fläche daher glatt, mit einzelnen
eingestochenen Punkten. Dorsalfläche wenig vertieft, kaum körnig, im
IV. und V. Segment völlig eben; Seitenflächen oben feinkörmig. Ober-
kanten des V. Segments körnig, Seiten- und Unterfläche feinkörnig mit
schwachen, körnigen Kielen. Blase breiter als das V. Segment,
unten körnig. f
Oberarm oberseits und auf der Fläche körnig und mit gekielten
Rändern. Unterarm grob und fein punktirt, sonst glatt. Hand
gerundet, ungekielt, auf der Fläche mit großen und feinen eingestochenen
Punkten, die gegen den Innenrand in Körnchen übergehen. Am Grunde
des unbeweglichen Fingers em Zahn. Verhältniß der Länge des
beweglichen Fingers zur Hinterhand wie 8: 5,5 mm, der Hinterhand
zur Handbreite wie 5,5 :6 mm.
Oberschenkel sehr fein gekörnt. Endtarsen unterseits mit
einer Mittelreihe feiner Dornen.
Zahl der Kammzähne 6 (Weibchen).
Verhältniß des Truncus zur Cauda = 25:%7 mm (Weibchen).
Fundort: Cuenca in Ecuador (Britisches Museum).
Von den Chactasarten steht der Ch. Whymperi der vorbesprochenen
Art am nächsten.
1. Subfam. Vejovini.
(= Jurini Poc.)
Scorpioniden mit je einem äußeren und einem
inneren Dorn am Grunde der Endtarsen, mit 3 Lateral-
augen jederseits. Sternum meist breiter als lang, mit
tiefer Medianfurche. Kämme sehr verschieden, zuweilen
mit perlschnurförmigen Mittellamellen (Fig. 88). Endtarsen
unterseits mit einer Medianreihe kurzer Borsten oder
Papillen. Hände mäßig breit, gerundet, gekielt oder
abgeplattet. Verbreitung: Alte und neue Welt.
In der Umgrenzung dieser Unterfamilie stimme ich mit Pocock
(Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XIL., p. 309) überein. Dieselbe ist trotz
ihres außergewöhnlich großen Verbreitungsgebietes jedenfalls eine viel
natürlichere, als es die früher unterschiedenen Gruppen der Vejoviden
und der Jurinen waren. Wir haben im Ganzen 7 Gattungen
anzunehmen, deren unterscheidende Merkmale in folgender Tabelle
zusammengestellt sind:
182 Seorpionidae: Vejovini.
A. Endtarsen an der Spitze unterseits mit deutlichem „Gehstachel“
(Fig. 89—93).
I. Mittellamellen der Kämme undeutlich oder doch nur aus
wenigen (bis 6) eckigen Stücken bestehend. Fulcra klein,
dreieckig oder fehlend (Fig. 87).
a. Schneide des beweglichen Scheerenfingers mit vielen über-
einandergreifenden Schrägreihen (Fig. 79). Beweglicher
Finger des Oberkiefers unterseits nahe der Spitze mit einem
mächtigen Zahn. Altweltlich. .... 1. Jurus Thor., p. 183.
b. Schneide des beweglichen Scheerenfingers anscheinend mit
% Parallelreihen von Körnchen besetzt. Außenkörnchen der
Außenseite zu je 2 (Fig. 80). Beweglicher Finger des Ober-
kiefers am Unterrande mit 4—6 kleinen Zähnchen besetzt.
Altweltlichee..2e en ae 2: Scorp1ops Pet., p.ale
c. Schneide des beweglichen Scheerenfingers nur mit einer
Längsreihe von Körnchen. Außenkörnchen innen und außen-
seits einzeln (Fig. 81). Beweglicher Finger des Oberkiefers
am Unterrande mit 0—3 kleinen Zähnchen besetzt. Neu-
weltliche. 1. oe a ee: 3. Uroetonus Thor., p- 132
II. Mittellamellen der Kämme zu vielen (mindestens 8), deutlich
perlschnurartig, rundlich, nicht größer, als die ebenfalls perl-
schnurartigen Fulera (Fig. 88).
a. KeinZahn amUnterrande desbeweglichen Fingers des Oberkiefers.
Vorderfläche des Unterarmes in der Mitte mit geschärftem, vor-
springendem, oft eine Körnchenreihe tragendem Längskiel. Vor-
letzte Tarsen der 3 vorderen Beinpaare auf der Rückenseite
nicht auffallend beborstet. 4. Vejovis €. L. Koch, p. 198.
b. Ein starker, gebräunter Zahn nahe der Spitze des Unterrandes
des beweglichen Fingers des Oberkiefers. Vorderfläche des
Unterarmes eine völlig ebene Fläche, nur zerstreut körnig.
Vorletzte Tarsen der 3 vorderen Beinpaare auf der Rückseite
lang kammartig beborstet. .. 5. Hadrurus Karsch, p. 204.
B. Endtarsen an der Spitze unterseits ohne „Gehstachel*; eine
’apillenreihe längs der Mittellinie weicht gegen das Ende gabelig
auseinander und bildet hier zwei schlittenkufenartige Wülste, auf
denen die Thiere laufen (Fig. 94). Ein starker Zahn am Unter-
rande des beweglichen Oberkieferfingers.
I. Mediane Körnchenreihe der Schneide des beweglichen Scheeren-
fingers seitlich von Schrägreihen flankirt (Fig. 83; wie bei
Centrurus). V. Caudalsegment unterseits mit entwickelten,
gekörnten Kielen. ......... 6. Hadruroides Poc., p. 206.
Gatt. Jurus. 183
II. Mediane Körnchenreihe der Schneide des beweglichen Scheeren-
fingers nur beim Beginn jeder Schrägreihe innenseits mit einem
einzelnen Außenkörnchen (Fig. 84). V. Caudalsegment unterseits
ohne deutliche Längskiele. .. 7. Caraboctonus Poe., p. 209.
1. Gatt. Jurus Thor.
Altweltliche Vejovinen mit einem starken Zahn
am Unterrande des beweglichen Oberkieferfingers, mit
zahlreichen übereinandergreifenden Schrägreihen der
Scheerenfinger (Fig 79) und ziemlich gestrecktem Sternum
(wenig breiter als lang), in welches am Grunde beim
Weibchen ein halbmondförmiger medianer Lappen der
Genitalplatten hineinragt (Fig.86). Endtarsen mit deutlichem
Gehstachel, längs der Unterseite mit einer Mittelreihe
ziemlich gedrängter, aber nicht verwachsener Papillen,
die sich nach der Spitze nicht zu gabelig auseinander-
weichenden schlittenkufenartigen Wülsten verlängert,
sondern vor dem Gehstachel mit 2 isolirten etwas dickeren
Papillen abschließt (Fig. 89). Mittellamellen der Kämme
groß, eckig, nicht gerundet.
Von dieser Gattung ist nur eine Art bekannt.
1. Jurus Dufoureius (Brulle).
1832 Buthus Dufoureius Brull (Exped.de Mor6e, Arachn., p. 58, Tf.XXVIII, fig. 1.)
1838 Buthus granulatus ©. L. Koch (Arachn. VI., p. 46, fig. 279).
1877 Jurus granulatus Thor. (Atti Soc. ital. XIX., p. 193).
Färbung des Truncus ledergelb bis rothbraun, Blase meist
etwas heller, bei jüngeren Individuen dunkler gestreift. Hände gelb
bis rothbraun, mit dunkler rothen bis schwarzbraunen Kielen. Beine
ledergelb bis braun.
Gephalothorax vorn schwach geschweift - ausgerandet.
Medianfurche vorn seicht. Augenhügel vor der Mitte des Thorax,
in der Medianlinie mit seichter Furche, nach hinten allmählich zugespitzt
und beidseitig m der Hinterhälfte von einer furchenartigen Depression
umgriffen, die sich nach hinten als tiefere Medianfurche fortsetzt.
Von den 3 Seitenaugen das hintere kleiner als die beiden anderen.
Stirnrand ziemlich grobkörnig, die übrige Fläche bei Erwachsenen
ziemlich gleichmäßig dichtfeinkörnig, bei jüngeren Exemplaren nach
dem Hinterrande zu fast glatt.
184 Scorpionidae: Vejovini.
Abdominalringe oberseits eigenthümlich quergerunzelt und
feinkörnig, gegen den Hinterrand grobkörniger. Letztes Segment
ziemlich grobkörnig, mit 4 mehr oder weniger deutlichen, kurzen,
körnigen Kielen. Unterseite glatt, nur das letzte Segment mit Andeutung
von Kielen.
Cauda ziemlich robust, mit wohl entwickelten Kielen. Obere
Median- und obere Lateralkiele sämmtlich körnig, zum Theil dorn-
spitzig. Von den unteren Kielen die Mediankiele im I. und LH.
Segment und auch etwas die Lateralkiele fast glatt. Obere Nebenkiele
im I. und II. Segment ziemlich deutlich; im V. ein seitlicher gekörnter
Nebenkiel fast bis ans Ende. Dorsalfläche der Cauda feinkörnig,
in den letzten Segmenten beim Weibchen fast glatt; übrige Flächen
glatt oder die der Seiten etwas feinkörnig. Blase sehr schlank und
gestreckt, unterseits glatt, aber mit Reihen von eingestochenen Punkten;
beim Männchen oberseits feinkörnig. Stachel schlank.
Oberer Endzinken des beweglichen Oberkieferfingers mit dem
unteren parallel, eine Gabel bildend. Seitenzahn der Unterseite groß,
nahe dem Endzinken.
Oberarm 4kantig, mit stark gekörnten Randkanten; die des
Hinterrandes der Unterseite nur in der Grundhälfte entwickelt. Obere
Fläche auf der Mitte feinkörnig, Vorderseite mit schräger, mittlerer
Körnchenlängscriste, Unterfläche glatt oder etwas höckerig. Unterarm
flach, mit deutlichen, gekörnten Kanten. Vorderseite am Grunde mit
2—4 mäßig großen Höckern; Hinterfläche mit stark gekörntem
Mediankiel und zerstreuten Haargrübchen; Unterfläche etwas netzig-fein-
körnig, am Grunde des Hinterrandes mit emem emzelnen Haargrübchen.
Hand ziemlich gestreckt, dick, aber mäßig breit, scharfkantig,
mit gekörnten Kielen. Fingerkiel stark entwickelt; ebenso die Neben-
kiele der Außenfläche, wie der Innenfläche der Oberhand. Flächen
selbst etwas vertieft, sämmtlich fein netzig körnig und schwach beulig.
Am Außenrande der Unterhand gegen die Spitze 4, am Grunde
1 Haargrübchen. Finger beim Weibchen ohne deutlichen Lobus,
nur etwas geschweift, mit 16—17 übereinandergreifenden Körnchen-
Schrägreihen auf der Schneide. Beim Männchen ein starker Lobus
und entsprechende Ausbuchtung der Gegenseite; die Schrägreihen
erst deutlich vom Lobus an, etwa zu 13—14. Verhältniß des Fingers
zur Hinterhand bei beiden Geschlechtern wie 1:60,76 bis 1: 0,79,
Verhältniß der Hinterhand zur Handbreite wie 1: 0,69 bis 1: 0,83.
Größte absolute Maaße für Finger, Hinterhand und Handbreite
beim Weibchen: 14,5, 11,2 und 8,8 mm, beim Männchen: 11,6,
9 und 7,5 mm.
Gatt. Scorpiops. 185
Ober- und Unterschenkel außenseits feinkörnig. Vorletztes
Tarsenglied ebenfalls mit Andeutung einer medianen Papillenleiste
gegen das Ende zu.
Sternum etwas breiter als lang (etwa 2 : 1,3 mm), mit parallelen
Seitenrändern und tiefer, vor der Spitze in rundlicher Grube endigender
Mittelfurche, die am Grunde beim Weibchen hufeisenförmig gegabelt
erscheint, um einen halbmondförmigen Fortsatz der Genitalplatten zu
umgreifen (Fig. 86). Beim Männchen ist dieser Fortsatz mehr spitz
dreieckig und nicht durch eine Furche von den Genitalplatten
abgesetzt.
Kämme mit etwa 6 eckigen Mittellamellen und dreieckigen
Fuleren. Zahl der Kammzähne 11—13 bei beiden Geschlechtern.
Kammgrund etwas gerundet.
Truncus meist so lang oder kürzer als die Cauda; Verhältniß
beim Weibchen wie 1: 0,95 bis 1: 1,18, beim Männchen wie 1: 1,23.
Größte absolute Länge des Körpers beim Weibchen 86 (= 44 + 42) mm,
beim Männchen 67 (= 30 + 37) mm.
Die Heimath des Jurus Dufoureius ist Griechenland
(Messene, Insel Rhodus) und Aegypten.
2. Gatt. Scorpiops Pet.
Vejovinen mit gestrecktem, nach vorn etwas ver-
schmälertem Sternum, bei dem die fast durchgehende
Längsfurche kurz vor dem Grunde sich gabelig spaltet und
einen gerundeten vorspringenden Lappen umgreift (Vergl.
Fig. 85). Mittellamellen der Kämme nicht gesondert,
Fulera fehlend oder undeutlichh Kammzähne wenig.
Beweglicher Finger des Oberkiefers unterseits mit 4—6
Zähnchen reihenförmig besetzt. Endtarsen mit deutlichem
Gehstachel, Unterseite in der Mittellinie mit einer Reihe
kurzer, feiner: Dörnchen besetzt (Fig. 90). Schrägreihen
der Scheerenfinger kaum erkennbar, derart ineinander-
fließend, daß die Schneide mehr oder weniger zweireihig
mit Körnchen besetzt scheint (Fig. SO). Daneben innen
Seitenkörnchen.
Bisher sind 11 Arten dieser ausschließlich den Gebirgen Inner-
asiens angehörigen Gattung beschrieben. Von diesen dürften zunächst
Sc. Lindstroemii Thor. und Sc. lugubris Thor. sich als Alters-
stufen der gleichen Art erweisen und hinwiederum mit Sc. montanus
Karsch identisch sein, dessen sehr jugendliches und daher erst mit
schwacher Körnelung des Thorax und Abdomens versehenes Original-
186 Scorpionidae: Vejovini.
exemplar mir vorliegt, und das sich sonst in keiner Weise von stärker
sekörnten älteren Individuen unterscheidet. Alle drei Formen sind
durch meist 15 Haargrübchen am Hinterrande des Unterarms (Unter-
seite) ausgezeichnet, doch liegt es auf der Hand, daß diese Zahl,
ähnlich wie bei den gleichnamigen Gebilden von Euscorpius, innerhalb
gewisser Grenzen variren kann. So fand ich bei einem typischen
Se, montanus einerseits 16, andererseits 17 Haargrübchen, und diese
Wahrnehmung läßt es nicht ausgeschlossen erscheinen, daß auch der
Se, anthracinus Sim. mit 19 Haargrübchen der Formenreihe des
Se. montanus anzuschließen ist. Den 10, 11 Kammzähnen des Se.
anthraeinus steht nach meinen Beobachtungen eine Variation der
Kammzähne von 7—9 bei Sc. montanus gegenüber, so daß auch hier
die Brücke geschlagen wäre, während das dritte von Simon auf-
geführte Unterscheidungsmerkmal „beweglicher Finger etwas länger
als die Hinterhand“ durch Se. Lindstroemü und lugubris ganz allmählich
in das entgegengesetzte Verhältniß übergeht. So giebt Thorell für
das Verhältniß vom Finger zur Hinterhand bei Se. Lindstroemi die
Zahlen: 14:13,5, bei Se. lugubris 3,5: 3,5; ich selbst fand bei drei
Exemplaren von Sc. montanus die Zahlen 4,5::5,2; 7,5:8,8; 7,2: 8,5.
Immerhin wird nur die Untersuchung ausgiebigeren Materials volle
Sicherheit über die Stellung des Se. anthracinus gewähren können.
Etwas klarer scheinen die Verhältnisse bei Sc. Binghamii Poc. zu
liegen. Diese Art besitzt 13 Haargrübchen am Unterarm, was bei
der Variabilität der Porenzahl gewiß nicht schwer ins Gewicht fallen
kann. Sie soll sich außerdem von Sc. montanus dadurch unterscheiden,
daß der Thorax kürzer als die Summe der 3 ersten Caudalsegmente
und kürzer als die Hinterhand ist. Es darf zunächst darauf hingewiesen
werden, daß direkte Beziehungen zwischen Thorax und Cauda oder
Thorax und Hinterhand in der Weise, wie sie beispielsweise zwischen
den einzelnen Theilen ein und desselben Organs (Finger zur Hand etc.)
bestehen, überhaupt nicht existieren, und daß daher jeder derartige
Versuch, Unterschiede zu construiren, auf sehr schwachen Füßen steht. Es
kann demnach meines Erachtens wenig verschlagen, wenn der Thorax bei
Se. Binghamii die Länge der 3 ersten Caudalsegmente nicht erreicht, zumal
er nur bei Se. montanus, nicht aber bei Se. Lindstroemii und lugubris
dieselben an Länge übertrifft. Was aber das Verhältniß des Thorax
zur Hinterhand anlangt, so setzt Pocock dasselbe für Sc. Binghami —
8:9, während ich bei den erwachsenen Se. montanus (mit 15 Haar-
orübchen) ganz ähnliche Verhältnisse finde (z. B. 8,2: 8,8; bei
Lindstroemii sogar 12: 13,5). Nur der jugendlie he Sc. montanus von
Karsch zeigt hierin ein verändertes Verhalten, indem beide Verhältnisse
Gatt. Scorpiops,. 187
bei ihm gleich sind (5,2:5,2), und der augenscheinlich noch viel
jugendlichere Sc. lugubris Thor. läßt sogar eine völlige Umkehr des
Verhältnisses erkennen (3,7:3,5). Aus den dargelesten Gründen
glaube ich die Selbständigkeit auch des Sc. Binghamii nicht
anerkennen zu sollen. Der Sc. solidus Karsch ist schon von Pocock
als Synonym zu Sc. Hardwickii Gerv. aufgefaßt worden, und, wie
ich glaube, mit vollem Recht. Was endlich den Sc. leptochirus
Poc. betrifft, so wage ich über seine Berechtigung kein Urtheil abzu-
geben. Immerhin ist es möglich, daß er nur als Varietät zu Sc. Petersii
Poc. zu ziehen ist. Die Distanz der Mittelaugen von einander ist eine
ungemein variable Größe, die man ganz aus dem Spiele lassen sollte,
ebenso die Dicke der Blase. Der ım Verhältniß kürzere Schwanz
aber kann um so weniger ins Gewicht fallen, als ich ein Exemplar
vor mir habe, das in Bezug auf dieses Merkmal genau die Mitte
hält zwischen dem von Pocock unterschiedenen Sc. Petersii und
leptochirus.
Es würden demnach noch 4 wohlunterscheidbare Arten übrig
bleiben, zu deren Bestimmung folgende Tabelle dienen möge:
A. Obere Caudalkiele ohne größeren Enddorn. Haargrübchen an
dem unteren Hinterrande des Unterarms zu 7—8. Augenhügel
nicht oder doch nur ganz undeutlich gefurcht.
a. Hinterhand wenig länger als die Handbreite (1: 0,8 bis 1: 0,96).
Vorderfläche des Unterarms am Grunde mit 2 kaum wahr-
nehmbaren Höckerchen, Ober- und Hinterfläche mit glatten
Kielen (nur der Vorderrandkiel etwas körnig). Augenhügel
kurz, der hinter den Augen liegende Theil viel kürzer, als die
Längsfurche von dessen Ende bis zum Hinterrande (Fig. 98).
Finger ohne Lobus, nur etwas geschweift. 8 Haargrübchen am
Unterarm. ra 1» Se. Hardwicki (Gerv.), p.. 188.
b. Hinterhand viel länger als die Handbreite (1: 0,6 bis 1: 0,75).
Vorderfläche des Unterarms am Grunde mit 2') großen, spitzigen
Dornen bewehrt, Ober- und Hinterfläche mit ziemlich deutlich
gekörnten Kielen. Augenhügel gestreckt; der hinter den Augen
liegende Theil ziemlich so lang, als die Längsfurche von seinem
!) Se. leptochirus Poc. besitzt nur einen kleinen Höcker. Die Augen
der Mitte nur durch einen Zwischenraum getrennt, der kaum größer als
der Augendurchmesser. Augenhügel schwach gefurcht. Haargrübchen des
Unterarms 7. Kammzähne 6--7. Cauda kaum 3!g mal so lang, als der
Thorax. Blase etwas schmäler als das letzte Segment. Kiele der Hand
schwächer.
188 Scorpionidae: Vejovini.
Ende bis zum Hinterrande (Fig. 97). Finger bei beiden
(Geschlechtern mit starkem Fingerlobus und entsprechender Aus-
buchtung der Gegenseite. 7 Haargrübchen am Unterarm.
2. Se. Petersii Poc., p. 190.
B. Obere Caudalkiele im II. —IV. Segment mit deutlichen, größeren,
spitzen Enddornen bewehrt. Haargrübchen an dem unteren
Hinterrande des Unterarms 10—19. Augenhügel mit deutlicher,
wenn auch flacher Medianfurche.
a. Haargrübchen an der Unterseite des Unterams in einer Reihe
zu 10—11l. Finger meist länger als die Hinterhand, ohne
‘Fingerlobus, mit etwa 16 Außenkörnchen der Schneide. Blase
am Hinterrande vom Stachel wulstartig abgesetzt (Fig. 95).
Unterarm am Grunde der Vorderfläche mit 2 getrennten, fast
gleich großen Dornen. Körnelung des CGephalothorax grob, fast
dornig, gereiht; Umgebung des Augenhügels ungekörnt.?)
3. Sc. longimanus BPoe., p. 191.
b. Haargrübchen an der Unterseite des Unterarms zu 13—17
(oder 19?). Finger meist kürzer als die Hinterhand, bei
Männchen und Weibchen mit deutlichem Lobus und mit nur
11—12 Außenkörnchen außenseits der Schneide. Blase am
Hinterende allmählich m den Stachel übergehend. Unterarm am
Grunde der Vorderfläche mit nur einem großen, aber 3—4zackig
'gespaltenem Dorn, selten fast zweitheilig. Cephalothorax gleich-
mäßig rundlich-gekörnt, um den Augenhügel dicht feinkörnig. ?)
4. Sc. montanus Karsch, p. 192.
1. Scorpiops Hardwickii (Gerv.).
1844 Scorpio Hardwickii Gerv. (Ins. apt. III., p. 66).
1878 Scorpiops solidus Karsch (Münch. ent. Mitth. 1879, p. 106).
Der Se. Hardwickii scheint die bei weitem verbreitetste Art
unserer Gattung zu sein. Da Pocock das Originalexemplar Gervais’
untersuchte, so kann es wohl keinem Zweifel unterliegen, daß die von
Peters und Karsch versuchte Identifizirung des Se. Hardwicki mit
einer anderen von ihnen beschriebenen Form als Irrthum zu bezeichnen
ist, und daß wir in dieser Hinsicht der von Pocock vorgeschlagenen
Nomenklatur zu folgen haben.
Die Färbung varırt von Dunkelbraunschwarz bis Gelbroth.
Im letzteren Falle ist das Abdomen mehr scherbengelb, während
Thorax, Cauda, Arme und Hände mehr rothbraun erscheinen.
2) Bei jungen Individuen ist der Cephalothorax fast glatt und ungekörnt.
Gatt. Scorpiops. 189
Der Cephalothorax ist nach vorn verschmälert, in der
Mitte des Vorderrandes mit tiefem Ausschnitt. Die Medianfurche
umzieht beidseitig den kurzen, rhombischen Augenhügel (Fig. 98);
letzterer gewölbt, ohne Längsfurche. Stirnloben gekörnt; hinter den
Seitenaugen eine gröbere, kurze Körnchenreihe, nach innen davon eine
glatte, rundliche Beule. Uebrige Theile des Thorax ziemlich gleich-
mäßig gekörnt; in den Hinterecken feiner. Rückenringe dicht
gekörnt, auf der ganzen Fläche mit gekörntem oder glattem Mittelkiel
und Andeutung von Seitenkielen. Letztes Segment außer dem Mittel-
kiel mit 4 undeutlichen, gekörnten Seitenkielen; die Unterseite 4kielig.
Caudalkiele alle körnig entwickelt; die oberen ohne Andeutung
eines stärkeren Enddorns, die unteren des V. Segments zackig.
Flächen ebenfalls gekörnt, namentlich die oberen Seitenflächen. Ein
oberer Nebenkiel im I. Segment deutlich, im II. (und zuweilen auch
im 111.) Segment nur angedeutet. Blase namentlich an den Seiten
etwas höckerig-körnig. V. Caudalglied etwa 12 mal so lang
als das IV.
Oberarm oberseits von gekörnten Randcristen begrenzt, auf
der Fläche ziemlich grobkörnig. Unterseite nur vorn mit gekörntem
Randkiel, Fläche ebenfalls gekörnt. Vorder- und Hinterseite mit je einer
sehr verschieden entwickelten Längseriste.e Unterarm mit gekörnter
oberer Vorderkante; übrige Kiele fast glatt, wulstig. Vorderfläche am
Grunde nur mit einem schwachen Höcker; ein zweiter über demselben
kaum angedeutet. Unterfläche etwas gekörnt auf der Fläche, am Hinter-
rande mit 8 Haargrübchen.
Oberhand durch einen starken, glatten Fingerkiel scharf in
Innen- und Außenfläche getheilt, und beide Flächen wieder durch
einen deutlichen Nebenkiel zweitheilig. Innenfläche meist deutlich
netzig-grubig, seltener mehr getrennt runzelig körnig, wie die Außen-
fläche. Ebenso die Unterhand runzelig-körnig. Beweglicher Finger
ohne deutlichen Lobus, bei männlichen Exemplaren aber S-förmig
geschweift. Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand wie
1:0,8 bis 1: 1, der Hinterhand zur Handbreite wie 1: 0,8 bis 1 : 0,96.
Hand daher sehr gedrungen, dick. Größte absolute Maaße für Finger,
Hinterhand und Handbreite: 5,5, 5 und 4,8 mm.
Oberschenkel dicht feinkörnig, Schienbeine mit glatten Kielen
und auf der Seitenfläche mit Körnchenstreif.
Kämme kurz, ohne Mittellamellen und Fulera.. Zahl der
Kammzähne zwischen 4 und 7, beim Männchen länger als beim
Weibchen.
190 Scorpionidae: Vejovini.
Das Verhältniß des Truncus zur Cauda schwankt zwischen
1:0,92 und 1: 1,23, wobei wohl die längere Cauda den Männchen
zukommt. Die normale Größe dürfte etwa 40 mm (20 + 20) betragen,
geht aber zuweilen bis 46 mm.
Die Heimath des Sc. Hardwicku ist das Himalayagebirge
(z. B. Nepal).
2. Scorpiops Petersii Poc.
1879 Scorpiops Hardwickii Karsch (nec. Gerv.) (Münch. ent. Mitt. 1879, p. 106).
1893 Scorpiops Petersii Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XII, p. 323).
Färbung wie bei der vorigen Art, zuweilen ganz gelbroth.
Cephalothorax wie bei der vorigen Art, aber der Augen-
hügel viel gestreckter, nach hinten lang zugespitzt (Fig. 97). Körnelung
des Abdomens feiner, Mediankiel fast elatt, keine Andeutung von
Nebenkielen. Letztes Segment oben und unten wie bei der vorigen Art.
Cauda mit gekörnten Kielen. Die oberen ein wenig sägezähnig,
letzter Zahn im III. und IV. Segment kaum größer, als die vorher-
gehenden. Die unteren Kiele des V. Segments zackig. Flächen fast
glatt, matt. Nebenkiel im I. Segment deutlich, im IH. fehlend oder
nur angedeutet. V. Caudalsegment fast doppelt so lang als das IV.
(5,8: 3,3 mm). Blase an den Seiten ganz schwach gekörnt.
Oberarm wie bei Sc. Hardwickn; Unterarm mit gekörnten
Kielen, an der Vorderseite am Grunde mit 2 großen, dornspitzigen
Höckern, davor oft noch ein Dritter. Unterseite fast glatt, am Hinter-
rande mit 7 Haargrübchen.
Oberhand mit starkem, etwas crenelirtem Fingerkiel. Innen-
fläche getrennt-feinkörnig, mit einem schwachen glänzenden Körnchen-
längsstreif als Andeutung des Nebenkiels. Nebenkiel der Außenfläche
gekörnt, gut entwickelt. Unterhand getrennt-gekörmt. Beweglicher
Finger mit ziemlich deutlichem Lobus. Verhältniß des beweglichen
Fingers zur Hinterhand wie 1: 0,82 bis 1:1, der Hinterhand zur
Handbreite wie 1:0,6 bis 1:0,75. Größte absolute Länge von
Finger, Hinterhand und Handbreite : 9,8, 8 und 6 mm.
Schenkel und Schienbeine matt, eine Körnelung kaum
wahrnehmbar.
Kämme wie bei der vorigen Art. Zahl der Kammzähne 5—6.
Das Verhältniß des Truncus zur Cauda wie 1:1 bis
1: 1,15. Größte absolute Länge des Körpers 68 (= 31,5 + 36,5) mm.
Die Heimath ist das Himalayagebirge (z. B. Simla).
Gatt. Scorpiops. 191
3. Seorpiops longimanus Poc.
1893 Scorpiops longimanus Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XI., p. 326).
Färbung in der Regel einfarbig braunroth, häufig jedoch der
Truneus oder doch das Abdomen schmutzig scherbengelb.
Cephalothorax vorn tief ausgeschnitten, wie bei den vorigen
Arten. Augenhügel gestreckt rhombisch, von der Medianfurche beider-
seits umzogen, aber mit deutlicher flacher Längsfurche zwischen den Augen.
Fläche des Cephalothorax grob scharf-körnig, neben dem Stirnausschnitt
und innen von den Seitenaugen reihenkörnig. Daneben eine runde glatte
Stirnbeule. Depression um den Augenhügel ungekörnt. Rückenschilde
des Abdomens grobkörnig, mit gekörntem Mittelkiel; letztes Segment
oben mit 4 gekörnten Seitenkielen, unten mit 4 kurzen schwachen Kielen.
Cauda mit gekörnten Kielen. Obere sägezähnig, am Ende mit
langem, spitzem, wieder am Oberrande etwas gesägtem Endzahn im
II.—IV. Segment. Untere Kiele im V. Segment ebenfalls sägezähnig.
Flächen, namentlich die Seitenflächen, grobkörnig. Nebenkiel im
I. Segment vollständig, im II. kaum sichtbar. Blase an den Seiten fast
glatt, vor dem Stachel ringförmig abgesetzt (Fig. 95). YV. Segment
etwa doppelt so lang, als das IV. (z. B. 7,5 : 5,8 mm).
Oberarm wie bei den vorhergehenden Arten. Unterarm
mit durchaus gekörnten Kielen, an der Vorderseite mit 2 fast gleich
großen, getrennten Dornen, vor denen noch einzelne kleinere stehen.
Ober- und Hinterflächen grobkörnig. Unterfläche fast glatt, etwas
schwach leistennetzig, am Hinterrande mit 10—11 Haargrübchen.
Hand mit durchaus körnigem, starkem Fingerkiel. Innenfläche
der Oberhand fast eben, der Nebenkiel nur durch etwas stärkere
Körnelung angedeutet; ebenso der Nebenkiel der Außenfläche der
Oberhand. Flächen dicht mit feineren Körnchen besetzt, die zuweilen
etwas netzig angeordnet sind. Unterhand ebenfalls dicht gekörnt.
Finger bei beiden Geschlechtern ohne Fingerlobus, nicht oder kaum
geschweift, der Länge nach mit etwa 16 Außenkörnchen außenseits
der Schneide besetzt, bei erwachsenen Exemplaren stets länger als die
Hinterhand, bei jugendlichen etwas kürzer (1:0,82 bis 1: 1,07).
Verhältniß der Hinterhand zur Handbreite wie 1:0,5 bis 1: 0,62,
Hand also sehr gestreckt und schmal. Größte absolute Maaße für
beweglichen Finger, Hinterhand und Handbreite: 9,5, 9,2 und 5 mm.
Schenkel feinkörnig, Schienbeine mit gekörnten Kielen und
auf den Seitenflächen etwas reihenkörnig.
Kämme wie bei den vorigen Arten. Zahl der Kammzähne
etwa 8 beim Weibchen, S oder 9 beim Männchen; bei letzterem sind
- die Zähne länger, als beim Weibchen.
193 Scorpionidae: Vejovini.
[7
Das Verhältniß des Truncus zur Cauda beim Weibchen wie
1:0,76 bis 1: 0,81, beim Männchen wie 1:1 bis 1: 1,2. Größte
absolute Länge des Truncus beim Weibchen 58 (= 33 + 25,5) mm,
beim Männchen 50 (= 22,5 + 27,5) mm.
Die bisherigen Fundorte der Art liegen in Assam.
4. Seorpiops montanus Karsch.
1879 Scorpiops montanus Karsch (Münch. enton. Mittheil. 1879, p. 107).
? 1887 e anthracinus Sim. (Journ. Asiat. Soc. Bengal. 1887, p. 112).
1889 a Lindstroemii Thor. (Ann. Mus. civ. Genova XXVII., p. 573).
1889 os lugubris Thor. (ibid., p. 579).
? 1893 4 Binghamii Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XII., p. 323).
Die Thatsache, daß Karsch em durchaus unerwachsenes
Exemplar dieser Art als Typus vor sich hatte, erklärt es zur Genüge,
daß die erwachsenen Formen als selbständige Arten beschrieben
wurden. Der Sc. lugubris Thor. ist ebenfalls ein äußerst jugendliches
Individuum. Ueber Sc. anthracinus und Sec. Binghamii sind die
Acten noch nicht geschlossen; doch werden sie nach dem früher
Gesagten schwerlich als selbständige Formen aufrecht erhalten werden
können.
Die Färbung varüirt wie bei den übrigen Arten von gelbroth
zu dunkelbraun.
Ausschnitt des Stirnrandes, Medianfurche und Augenhügel mit
seiner seichten Längsfurche wie bei Sc. longimanus; ebenso die glatte
Stirnbeule. Körnelung des Cephalothorax aber viel gleichmäßiger,
neben dem Stirnausschnitt nicht reihenkörnig. Depression um den
Augenhügel dicht femkörnig. Bei jungen Individuen ist der Cephalothorax
fast glatt. Abdominalringe oberseits bei jungen Exemplaren
ebenfalls fast glatt, später dicht fein- bis mittelkörnig; letztes Segment
beim Männchen grobkörnig, die 4 Nebencristen hierdurch fast verdeckt.
Unterseite des letzten Segments meist mit nur 2 schwachen Kielen.
Cauda wie bei der vorigen Art, Flächen der Cauda aber
weniger gekörnt, oft fast glatt, und die Körnelung der Kiele weniger
scharf. V. Segment etwas über 1"2 mal so lang, als das IV. (z.B.
5,8:3,5 mm). Blase ohne ringförmigen Absatz vor dem Stachel.
Oberarm wie bei den vorigen Arten, auf der ganzen Unterfläche
dicht feinkörnig. Unterarm mit perlig gekörnten Kielen, an der
Vorderseite mit einem 2—3spaltigen großen Dorn, vor dem eimige
kleinere stehen. Ober- und Hinterfläche feinkörnig, ebenso die Unter-
fläche, bei der die Körnchen eine undeutlich netzförmige Anordnung
zeigen. Am Hinterrande der Unterfläche 13—19 (2), meist 15,
Haargrübchen.
Gatt. Uroctonus. 193
Hand wie bei der vorigen Art, aber der Nebenkiel der
Innenfläche der Oberhand nicht entwickelt und die feine Körnelung
der Flächen mehr oder weniger deutlich netzig angeordnet. Finger
bei beiden Geschlechtern (excl. juvenes) mit ziemlich deutlichem Finger-
lobus, von ihm bis zur Spitze mit etwa 12 Außenkörnchen außenseits
der Schneide besetzt, fast stets kürzer — nur bei ganz alten Exemplaren
etwas länger — als die Hinterhand (1: 0,97 bis 1: 1,5). Verhältniß
der Hinterhand zur Handbreite wie 1:0,43 bis 1:0,55. Größte
absolute Maaße für beweglichen Finger, Hinterhand und Handbreite:
7,5, 8,8 und 4,5 (bei Thorells Sc. Lindstroemii: 14, 13,5, 6,5) mm.
Schenkel feinkörnig, Schienb eine nur mit glattem Rückenkiel,
auf den Seitenflächen nach unten zu feinkörnig, bei jungen Individuen glatt.
Kämme wie bei den vorigen Arten. Zahl der Kammzähne
bei den bis jetzt beobachteten Exemplaren 6—11, und zwar einmal 6, 7,
zweimal 7, 7, zweimal 8, 8 (Sc. lugubris und Lindstroemii), einmal
9, 9 (Sc. Binghamii) und einmal 10, 11 (Sc. anthracinus).
Das Verhältniß des Truncus zur Cauda varürt von 1: 0,62
(2 juv.) bis 1: 1,04 (4). Größte absolute Maaße 54 (= 52 + 22) mm
beim Weibchen, nach Thorell (Sc. Lindstroemii) sogar 78(—=42+ 36) mm.
Männchen z. B. 48 (= 25,5 + 22,5) mm.
Die Verbreitung scheint sich von den südwestlichen Abhängen
des Himalaya (Dehra Dun) bis nach Burma und südlich bis
Tenasserim zu erstrecken.
3. Gatt. Uroetonus Thor.
Neuweltliche Vejovinen mit einem oder mehreren
schwachen Zähnchen am Unterrande des beweglichen
Oberkieferfingers. Scheerenfinger mit einer Körnchen-
reihe auf der Schneide, mit einzelnen Außenkörnchen
beiderseits (Fig. 81). Sternum breiter als lang, mit fast
durchgehender Mittelfurche (Fig 87). Kämme mit
wenigen eckigen Mittellamellen und dreieckigen Fulcren.
Endtarsen mit Gehstachel, unterseits mit einer Median-
reihe kurzer, zarter Dörnchen (Fig. 91).
Von dieser Gattung sind bisher die 3 Arten U. mordax,
privus und phaeodactylus beschrieben worden. U. privus Karsch
erweist sich als ein junges Weibchen vonU. mordax; U.phaeodactylus
hingegen ist von Pocock zum Repräsentanten einer eigenen Gattung
Anuroctonus erhoben worden, weil er an dem ihm zu Gebote
stehenden Weibchen nur 1 Zähnchen am Unterrande des beweglichen
“ Oberkieferfingers entdecken konnte. Das mir vorliegende Material von
13
194 Scorpionidae: Vejovini.
4 Exemplaren beweist indeß, daß für gewöhnlich 3 kleine Zähnchen vor-
handen sind, die aber obsolet werden können und dann im extremen
Falle sogar sämmtlich bis auf kaum wahrnehmbare Spuren verschwinden.
Es ist daher kein Grund vorhanden, den U. phaeodactylus von der
ursprünglichen Gattung abzusondern.
Die Bestimmung der Arten ergiebt sich aus folgender Gegen-
überstellung:
A. Unterrand des beweglichen Oberkieferfingers meist mit etwa
5 Zähnchen. Untere Caudalkiele im IV. Segment körnig entwickelt.
Letztes Bauchsegment glatt oder nur mit Andeutung von 2 glatten
Kielen. Am unteren Hinterrande des Unterarms nur 3—4 Haar-
grübchen; ebenso an der Unterseite des Außenrandkieles der Hand.
1.. U.:mordax "Thor., p7 192
B. Unterrand des beweglichen Oberkieferfingers mit 0—3 Zähnchen.
Untere Caudalkiele im IV. Segment fehlend. Letztes Bauchsegment
mit 4 gekörnten Kielen. Am unteren Hinterrande des Unterarms
11—12 Haargrübchen, an der Unterseite des Außenrandkieles
der Hand 16—1S. Stachel des Männchens am Grunde kugelig
angeschwollen (Fig. 96). 2. U. phaeodactylus (Wood), p. 196.
1. Uroctonus mordax Thor.
1876 Uroctonus mordax Thor. (Ann. Mag. Nat. Hist. [4] XVIL., p. 11).
1877 # mordax Thor. (Atti Soc. ital. XIX., p. 196).
1879 > privus Karsch (Münch. ent. Mitt. 1879, p. 103).
Der Uroctonus privus stimmt mit dem U. mordax in allen
wesentlichen Merkmalen überein, so z. B. auch in der Zahl der Haar-
grübchen an Unterarm und Hand. Die abweichende Form des Kamm-
grundes lehrt aber zunächst, daß wir es mit einem Weibchen zu thun
haben, bei dem ohnehin der „Fingerkiel“ der Oberhand schwächer
entwickelt sein dürfte, als beim Männchen. Nehmen wir nun hinzu,
daß das Originalexemplar noch ganz jugendlich ist (kaum 21 mm
lang), so werden wir nichts specifisches darin finden können, daß
1. Thorax und Abdomen glatt sind, 2. der Hinterrandkiel der Ober-
seite des Unterarms kaum als schwache Kante markiert ist und
3. die Hand eines deutlichen Fingerkiels entbehrt, also oberseits
gerundet erscheint.
Die Färbung des Truncus, der Cauda und der Palpen ist
rothbraun oder auf dem Abdomen lederfarbig, bei dunkleren Exemplaren
meist mit Andeutung halbmondförmiger hellerer Seitenflecken auf den
Ringen. Die Blase ist gelbroth, die Beine hell ledergelb. Jüngere
Exemplare sind gelb, aber dunkler beraucht und gescheckt.
Gatt. Uroctonus. 195
Der Cephalathorax zeigt am wulstigen Stirnrande eine
schwache, geschweifte Ausrandung, von der eine seichte Furche gegen
den Augenhügel zieht und sich gewissermaßen in ihn hineinschiebt.
Augenhügel kurz rhombisch, ohne Längsfurche. Medianfurche hinter
dem Augenhügel äußerst seicht, nur am Hinterrande in einer dreieckigen
Depression etwas vertieft. Stirnfläche etwas höckerig, Seiten zerstreut
grobkörnig, Hinterecken feinkörnig matt. Bei jüngeren Exemplaren
resp. Weibchen nur die Seiten und Hinterecken etwas matt.
Abdomen oberseits undeutlich zerstreut höckerig, namentlich
an den Hinterrändern, sonst fein emgestochen punktirt; letztes Segment
fast grobkörnig, mit Andeutung von 4 Körnchencristen. Unterseite
der Abdominalsegmente glatt, fein eingestochen punktirt; letztes ebenfalls
glatt oder doch nur mit 2 schwach angedeuteten glatten Längskielen.
Obere Median- und Lateralkiele der Cauda in allen Segmenten
deutlich körnig entwickelt. Untere Median- und Lateralkiele m den
ersten Segmenten nur fein crenelirt oder ganz glatt, vom Ill. oder
IV. Segment an deutlicher gekörnt, im V. fast gezackt. Flächen der
Cauda fast glatt bis feinkörnig. Seitliche Nebenkiele im I. Segment
vollständig, im II. und III. Segment nur eine kurze Körnchenreihe,
im V. Segment in der Grundhälfte entwickelt. Blase bei beiden
(Geschlechtern glatt, schlank, fen eingestochen punktirt, dazwischen
gröbere Punktreihen.
Oberarm oberseits flach, von gekörnten Kielen begrenzt, ebenso
die Vorderfläche; Hinterrandkiel der Unterfläche aber nur am Grunde
entwickelt. Oberseite und Unterseite fast glatt; Vorderfläche nur mit
einigen gröberen Reihenkörnchen.
Unterarm oben etwas flach, mit deutlichem, gekörntem Vorder-
randkiel und glattem oder fast fehlendem Hinterrandkiel. Vorder-
fläche mit großem Dorn am Grunde. Unterfläche von 2 gekörnten
oder fast glatten Kielen begrenzt, fast glatt, längs des Hinterandes
mit 3—4 Haargrübchen.
Hand mäßig breit, beim Männchen mit glattem Fingerkiel,
welcher die Oberhand in Innen- und Außenfläche theilt. Innenfläche
fast eben, mit Andeutung eines Nebenkiels, die Fläche etwas beulig-netzig-
feinkörnig. Auch die Außenfläche mit Andeutung eines Nebenkiels.
Unterfläche zerstreut fein spitzkörnig. Längs des Außenrandkieles
der Hand auf deren Unterfläche 3—4 Haargrübchen. Beim jungen
Weibchen ist der Fingerkiel obsolet, die Oberhand daher gerundet (?);
die Flächen sind glatter und glänzender. Finger ohne Lobus,
mit. einer Körnchenlängsreihe auf der Schneide und außen mit
schwachen (etwa 4—5), innen mit stärkeren (etwa 6) Außenkörnchen.
13°
196 Scorpionidae: Vejovini.
Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand etwa wie 1:1,
das der Hiniterhand zur Handbreite wie 1:0,76 bis 1: 0,83. Größte
absolute Maaße für Finger, Hinterhand und Handbreite: 7,2,
7.2-und 5,5 mm.
Oberschenkel feinkörnig, Unterschenkel fein punktirt.
Tarsen unterseits mit eimer Mittelreihe feiner kurzer Dörnchen.
Sternum viel breiter als lang (z. B. 3 :1,8 mm), mit fast
durchgehender Längsfurche. Kämme mit 5 deutlichen, eckigen
Mittellamellen und dreieckigen Fuleren. Kammgrund beim Männchen
ein etwas stumpfer Winkel, beim Weibchen ein flacher Bogen, so daß
die Zähne erst nach dem Grunddrittel zu beginnen scheinen. Zahl der
Kammzähne beim Männchen bei 4 Exemplaren 10—12, beim Weibchen 8.
Truncus beim Männchen wenig kürzer (1:1,03 bis 1: 1,2)
als die Cauda, beim Weibchen etwas länger (1: 0,91). Größte absolute
Länge 59 (= 29. 30) mm.
Die Weibchen unterscheiden sich von den Männchen sicher
durch den Kammgrund und geringere Körnelung der Truneusoberseite,
wahrscheinlich auch durch das Fehlen oder die schwächere Ausbildung
des Fingerkiels und des oberen Hinterrandkiels des Unterarmes.
Die Heimath des U, mordax ist Californien.
2. Uroetonus phaeodaetylus (Wood).
1863 Centrurus phaeodactylus Wood (Proc. Ac. Nat. Sc. Apr. 1863; Journ. Acad.
Nat. Sc. Philad.’2. Ser. V., p. 372).
1879 Uroctonus phaeodactylus Karsch (Mitth. Münch. ent. Ver. 1879, p. 103).
1893 Anuroctonus phaeodactylus Pocock (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XII., p. 328).
Die Färbung des Körpers ist gelbroth, die des Abdomens
zuweilen dunkler. Finger dunkel rothbraun. Blase und Beine gelb.
Cephalothorax am gewulsteten Stirnrande kaum merklich
und noch schwächer ausgerandet, als bei der vorigen Art. Median-
furche vor und hinter dem Augenhügel seicht, erst gegen den Hinterrand
zur dreieckigen Depression sich vertiefend.. Augenhügel länglich
rhombisch, ohne Medianfurche, schwarz, glänzend, grob eingestochen
punktirt. Fläche des Cephalothorax ungleichmäßig feinkörnig, an den
Seiten dichter, auf der Stirnfläche sparsamer und hier auch eingestochen
punktirt; beim Weibchen die ganze Mittelfläche fast glatt, glänzend, fein
eingestochen punktirt, dazwischen zerstreut gröbere eingestochene Punkte.
Abdomen oberseits beim Weibchen glatt, glänzend, punktirt,
beim Männchen matt, feinkörnig chagrinirt, nach hinten zu etwas
srobkörniger, im letzten kaum Andeutung von Cristen. Unterseite des
Abdomens glatt, eingestochen punktirt, das letzte Segment mit 4 starken
gekörnten Längskielen.
Gatt. Uroctonus. 197
Obere Median- und obere Lateralkiele der Cauda im
I.—IV. Segment etwas körnig, im V. Segment die oberen Kiele fast
glatt. Untere Median- und Lateralkiele im I.—Ill. Segment stark
entwickelt, gekörnt, nach hinten convergirend, im IV. Segment völlig
fehlend, dieses also unterseits gerundet, glatt oder nur etwas höckerig.
Untere Kiele im V. Segment zackig-körnig. Dorsallläche der Cauda
im I. und II. Segment etwas körnig beim Männchen, ebenso die
Seitenflächen etwas feinkörnig; beim Weibchen die Flächen glatter,
eingestochen punktirt. Blase beim Weibchen von gewöhnlicher
Gestalt, mäßig schlank, glatt; beim Männchen dick aufgeblasen, etwas
seitlich zusammengedrückt, höher als breit, glatt, ihr Stachel am
Grunde knopfförmig angeschwollen und retortenartig in eine kurze
Spitze ausgezogen (Fig. 96).
Oberarm wie bei der vorigen Art, aber die Flächen etwas
mehr gekörnt. Unterarm nur am Vorderrande oben mit schwarzer
Körnchencriste, am Hinterrande gerundet. Vorderfläche mit großem
Grunddorn, darunter einige kleinere. Unterfläche fast glatt, etwas
netzig-nadelstichig, mit gekörntem Vorder- und glattem Hinterrandkiel.
Längs des Hinterrandes eine Reihe von 11—12 Haargrübchen.
Hand mäßig breit, am Grunde schräg gestutzt, mit glattem,
nicht sehr scharf hervortretendem Fingerkiel. Außenfläche und Innen-
fläche der Oberhand gerundet, ohne Andeutung von Nebenkielen, fast
glatt, mit zerstreuten gröberen eingestochenen Punkten und feinen
netzigen Körnchen. Innenrand gerundet, gröber gekörnt, wie auch
die Unterhand.. Am Außenrande der Unterhand der ganzen Länge
nach eine Reihe von 16—17 Haargrübchen. Finger bei beiden
Geschlechtern ohne Lobus, mit einer Körnchenreihe auf der Schneide
und innen 4, außen meist 6 Außenpunkten. Verhältniß des beweglichen
Fingers zur Hinterhand etwa wie 1:1, das der Hinterhand zur
Handbreite wie 1:0,73 bis 1:0,77. Größte absolute Maaße für
Finger, Hinterhand und Handbreite: 8,2, 8,2 und 6,2 mm.
Beine wie bei der vorigen Art.
Sternum etwas breiter als lang, mit fast durchgehender
Mittelfurche (Fig. 87). Von den Mittellamellen ist nur eine am Ende
deutlich abgegrenzt. Fulcra dreieckig. Kammgrund beim Männchen
fast rechtwinklig, beim Weibchen sehr stumpfwinklig. Zahl der
Kammzähne beim Männchen meist 8, beim Weibchen 5.
Verhältniß des Truncus zur Cauda beim Männchen wie
1:1 bis 1:1,14, beim Weibchen wie 1:1. Größte absolute Länge
des Männchens 56,4 (= 28,2 + 28,2) mm, des Weibchens 60
(— 30.730) am.
198 Scorpionidae: Vejovini.
Die Weibehen unterscheiden sich von den Männchen durch
den nicht am Grunde knopfförmig aufgeblasenen Stachel, die Form
des Kammgrundes und die weniger gekörnte und daher glatte Truncus-
oberseite.
Als Fundorte des U. phaeodactylus sind bekannt:
Californien, Utah und Virginien.
4. Gatt. Vejovis C. L. Koch.
Typische Gattung der Vejovinen, mit vielen perl-
schnurartigen Mittellamellen der Kämme und perlschnur-
artigen Fuleren (Fig. 88). DBeweglicher Finger des
Oberkiefers ohne Zahn am Unterrande. Endtarsen mit
Gehstachel (Fig. 92). Endtarsen unterseits in der Mittel-
linie mit dichter Reihe kurzer Dörnchen. Schrägreihen
der Scheerenfinger fast eine gerade Linie bildend, mit
einzelnen Außenkörnchen (Fig. 82).
C. L. Koch unterschied 7 Arten der Gattung; rechnen wir
zu diesen je eine Art von Thorell und Karsch und etwa 3 Formen,
welche Wood in der Gattung Buthus beschreibt, die aber hierher
gehören dürften, so erhalten wir im Ganzen 12 Arten. Von diesen
ist der Vejovis Schuberti Koch bereits von Karsch vermuthungsweise
als Buthus hottentotta angesprochen worden, und diese Annahme
erweist sich nach Untersuchung des Originalexemplars als zutreffend.
Der V. debilis Koch ist ohne Frage ebenfalls aus der Liste
der echten Vejovis zu streichen und irgend einem Üentrurus zu
indentificiren, da er unter dem Stachel einen höckerförmigen Dorn
besitzt. Von den 3 Wood’schen Arten, zu denen vielleicht noch der
Buthus boreus Girard hinzu zu rechnen ist (vgl. Marx, Proc. Ent.
Washington I., p. 91; 1888), dürften aller Wahrscheinlichkeit nach 2
(Buthus punctipalpiı und B. eusthenura) den von Koch aufgestellten
Formen entsprechen. Es bleiben demnach noch S Arten, welche sich
namentlich durch das Auftreten oder Fehlen der unteren Caudalkiele,
die Dicke der Hand und deren Kielung, die Zahl der Kammzähne etc.
unterscheiden sollen.
Mir haben im Ganzen etwa 25 Exemplare der Gattung zu
(Gebote gestanden, unter ihnen die Originalexemplare von V. asperulus
Koch und V. intrepidus Thor. Das genauere Studium aller dieser
Exemplare ergab ein so augenfälliges Variiren fast in allen bisher zur
Artunterscheidung herangezogenen Merkmalen, daß ich nur zwei (oder
eventuell drei) Formenkreise scharf zu trennen im Stande war.
Die Unterschiede würden sein:
Gatt. Vejovis. 199
A. Untere Caudalkiele deutlich entwickelt und mindestens im IH.
und IV. Caudalsegment aus Körnchenreihen gebildet. Hand mehr
oder weniger mit Andeutung von Handkielen, oder doch am
unteren Innenrande körnig. V. Caudalsegment mit concaven
Flächen, meist mit seitlicher Nebencriste. Letztes Abdominal-
segment meist mit 2 Längskielen. Obere Randkanten des Unter-
armes sowohl vorn als hinten körnig.
eye mexı eanus CH DL. Koch, p. 199:
B. Untere Caudalkiele im I.—IV. Segment völlig fehlend oder doch nur
durch schwache, glatte, mit eingestochenen Punkten versehene
Kanten angedeutet. Hand völlig glatt und glänzend, ohne oder nur
mit schwacher Andeutung von Längskielen, innen und unten ohne
Körnchen. V. Caudalsegment mit deutlich gewölbten Flächen
(wie bei Buthus hottentotta), ohne seitliche Nebencriste; dafür eine
Reihe eingestochener Punkte und eine zweite ebensolche etwas
tiefer, nahe dem unteren Lateralkiel. Hintere Oberkante des
Unterarmes völlig glatt, ungekörnt, mit eingestochener Punktreihe.
Ganzes Thier mit lebhaftem Glanz.
2. V: spinigerus (Wood), p. 203.
1. Vejovis mexicanus ©. L. Koch.
1836 Vejovis mexicanus C. L. Koch (Arachn. III, p. 51, Fig 206).
1843 e asperulus C. L. Koch (Arachn. X., p. 11, Fig. 761).
1843 5 flavesceus C. L. Koch (Arachn. X., p. 9, Fig. 760).
1843 & carolinus C. L. Koch !) (Arachn. X., p. 7, Fig. 759).
? 1863 Buthus eusthenura Wood (Journ. Ac. Nat. Sc. Philadelphia V., p. 368).
1863 5 punctipalpi Wood (Journ. Ac. Nat. Sc. Philadelphia V., p. 369).
1877 Vejovis intrepidus Thor. (Atti Soc. Ital. XIX., p. 183).
Die hier vereinigten Formen bieten im Einzelnen äußerst
mannigfache Variationen, so daß ich im Zweifel bin, ob sie nicht
dennoch in zwei getrennte Kreise zu zerfällen sind, die ich als
V. mexicanus und V. carolinus bezeichnen würde Da ich aber
die unterscheidenden Merkmale nicht immer scharf ausgeprägt sehe,
auch beide Formen wiederholt in demselben Glase fand, so möchte
ich eher an Geschlechts-, als an Artunterschiede denken und ziehe es
bis auf weiteres vor, beide Formenkreise zu vereinigen. Eine Tabelle
der hierbei in Betracht kommenden Unterschiede folgt weiter unten.
I!) Der Scorpio carolinianus Beauv. und Wood hat einen Dorn unter dem
Stachel und ist wohl identisch mit Centrurus infamatus Koch. Demnach
ist die Nomenclatur bei Karsch (Münch. entom. Mittheil. 1879, p. 134) zu
rectificiren,
200 Seorpionidae: Vejovini.
Die Färbung des Truncus ist gewöhnlich rothbraun, im Alter
schwarzbraun, mit helleren gelbrothen Extremitäten, rothen Händen
und rother Cauda. Jüngere Exemplare erscheinen mehr grünlich
scherbengelb, wobei gleichzeitig auch die Gliedmaßen eine blassere
“ärbung aufweisen. Während im Allgemeinen Flekenzeichnungen nicht
auftreten, konnte ich in zwei Fällen eine deutliche Schwarzfärbung der
Caudalkiele beobachten.
Die Körnelung des Thorax und der dorsalen Abdomimnal-
segmente varlirt ungemem und zwar vom dicht Grobkörnigen bis zum
sparsam Feinkörnigen; namentlich auch die Fläche vor den Augen
kann dicht grobkörnig oder fast glatt sein. Der V. asperulus Koch
ist lediglich eine etwas feinkörnige Form des V. mexicanus, wie solche
namentlich unter den von mir als V. carolimus angesprochenen
Exemplaren vorkommen.
Der Kiel des Abdomens ist oft nur eine flache punktförmige
Erhöhung in der Mitte des Segments; in andern Fällen durchzieht er
dasselbe als flache Längscriste, die sogar körnig entwickelt sein kann.
Die Gauda zeigt stets gut entwickelte, körnige obere Median-
kiele, die am Ende der Segmente in einen starken Dorn auslaufen.
Das Fehlen dieses Dorns läßt es als unwahrscheinlich ansehen, daß
auch der Buthus boreus Gir. in den Formenkreis des V. mexicanus
hineingehöre. Die unteren Caudalkiele sind ebenfalls in allen Fällen
deutlich entwickelt, können aber namentlich im I., im I. und Il.,
oder gar in den drei ersten Segmenten der Körnelung mehr oder
weniger entbehren. Nebencristen im I. Segment ganz, im II. und II.
abgekürzt vorhanden. Das IV. und V. Caudalsegment unterseits stets
deutlich körnig-kielig, das V. an den Seiten mit mehr oder weniger
scharf hervortretender, nicht ganz bis ans Ende reichender Neben-
criste. Die Flächen der Cauda oben im I. und Il. Segment meist
körnig, die übrigen glatt oder feinkörnig. Untere Caudalflächen des
V. Segments deutlich concav, meist mit einzelnen gröberen und vielen
feineren Körnchen. Blase glatt oder körnig, namentlich am Grunde.
OÖber- und Unterarm besitzen an ihren oberen Rändern
deutlich körnige Kiele, deren Körnchen nur selten an der Hinterkante
des Unterarms etwas verschmelzen.
Die Hand bietet sowohl in ihren Dimensionen, wie in ihrer
Kielung erhebliche Verschiedenheiten. Was zunächst das Verhältniß
der Handbreite zur Länge der Hinterhand betrifft, so hängt dieses
augenscheinlich vornehmlich von dem Alter der Individuen ab. Bei
Jüngeren Thieren ist die Hinterhand oft fast doppelt so lang, als die
größte Breite, bei alten hingegen kann die Breitendimension sogar
Gatt. Vejovis. 201
die Länge übertreffen. Einige Maaße, welche das schrittweise
Variiren dieses Merkmals beleuchten, mögen hier folgen: Breite der
Hand zur Länge der Hinterhand —1 71,75, 1: 1,56; 1:1,5; 1:1,5;
21233; 1.:7,395 702183522121 22:7023152 7 1:21504: 1.2135, 1.3'0,88.
In ähnlicher Weise variirt das Auftreten der Cristen. Nicht zu alte
erwachsene Exemplare zeigen das Verhalten, wie es Thorell von
seinem V. intrepidus darstellt. Es finden sich im Ganzen (oben
und unten) S ausgeprägte Kiele, welche alle deutlich mit ein- oder
mehrreihigen Körnchen besetzt sind. Bei ganz alten, abgeriebenen
Exemplaren erscheinen die Kiele fast glatt, bilden aber starke erhabene
Längsgrate, zwischen denen die Flächen als vertiefte Canellirungen
auftreten. Jüngere Individuen können die Handkiele ebenfalls schon
deutlich ausgeprägt besitzen, aber sie sind dann meist sehr breit,
mehr kantenartig, glänzend und nur em wenig runzelig statt
der Körnelung. Andererseits erscheinen die Kiele häufig nur
dadurch markirt, daß die Hand einige ganz schwache Kanten
oder flache Längsgruben trägt, und wenn auch diese verschwinden,
so gelangen wir endlich zu der oberseits völlig glatten, gerundeten
Hand jüngerer Individuen, welche dann nur noch durch den Besitz
von Körnchenreihen am Innenrande der Hand oder doch an deren
innerer Unterseite von der nächstfolgenden Art zu unterscheiden
sind. Das Längenverhältniß von Finger zur Hinterhand fand ich
schwankend zwischen 1:60,65 und 1:0,8, ohne erkennbare Lücke.
Bei älteren Exemplaren sind die Finger verhältnißmäßig kürzer, als
bei jüngeren. In einigen Fällen (bei einem sehr alten, aber auch bei
einem mittleren Individuum) schließen die Finger am Grunde nicht
fest zusammen; der unbewegliche Finger bildet hier eine tiefe Grube,
welche ein correspondirender größerer Zahn .des beweglichen Fingers
nur unvollkommen ausfüllt.
Für die Zahl der Kammzähne gelangte ich zu folgender
Reihe: 13, 13; 14, 14; 16, 16; 18, 19; 19, 19; 19, 20; 20, 20:
21, 22; 22, 22, wobei zu bemerken, daß die als V. carolinus
anzusprechenden (jüngeren) Individuen die niedrige Kammzahl (bis 14)
aufwiesen, während die echten V. mexicanus von 16—22 variirten,
die größeren zwischen 20 und 22.
Das Verhältniß des Truncus zur Cauda schwankt zwischen
1:1,2 bis 1:1,6. Das größte Exemplar besaß eine Gesammtlänge
von 84 (= 32 + 52) mm.
Nach dem Gesagten ergiebt sich, daß die Bedenken, welche
Thorell gegen die Identificirung seines V. intrepidus mit dem
V. mexicanus Koch geltend macht, nicht aufrecht zu erhalten sind.
202 Scorpionidae: Vejovini.
Die Zahl der Kammzähne bietet eine fortlaufende Reihe von 15
(das Koch’sche Exemplar) bis zu den 22 des. Thorrell'schen Originals,
die Handkiele, die Koch nicht erwähnt, fehlen eben den jüngeren
Individuen fast ganz, und die Angabe Koch’s, daß die oberen Caudal-
kiele des V. Segmentes im Gegensatz zu denen der vorhergehenden
„stumpf“ und „nur gekörnt, nicht gezähnt“ seien, ist auch, wie ich
mich überzeugte, für das Thorell'sche Originalexemplar vollkommen
zutreffend. Ebensowenig vermag ich für Buthus punctipalpi Wood und B.
eusthenura Wood Merkmale zu finden, welche diese Arten von dem
geschilderten Formenkreise abgliederten. Die Koch’schen Arten mit
ihren langathmigen Beschreibungen lassen es schwer erkennen, welche
zur Unterscheidung berechtigenden Merkmale der Autor im Auge gehabt.
Vom V. asperulus ist schon oben bemerkt, daß er ohne weiteres
von mir als V. mexicanus erkannt wurde; aber auch die Merkmale
der übrigen (V. carolinus, flavescens) scheinen mir keine besonderen
Abweichungen zu repräsentiren. Nur in Bezug auf*den V. nitidulus
könnte man zweifelhaft sein, ob er dieser oder der folgenden Art zu-
zurechnen sei oder aber gar eine selbständige Stellung einnehme.
Das Auftreten von deutlichen, wenn auch nicht gekörnten Kielen an
der Unterseite der 4 ersten Caudalsegmente, wie auf der Handfläche
lassen ihn dem V. mexicanus nahe erscheinen, die eingestochene
Punktreihe an den Seiten des V. Caudalsegments hingegen und der
Glanz sprechen für die Zugehörigkeit zur folgenden Art, weshalb ich
ihn dort als fragliches Synonym untergebracht habe.
Wie schon oben angedeutet, laßen sich trotz der großen Variations-
weite des geschilderten Formenkreises möglicherweise 2 Rassen oder
Varietäten unterscheiden, welche sich ziemlich scharf von einander
abheben, augenscheinlich aber weder geographisch, noch auch durch
absolute Constanz ihrer unterscheidenden Merkmale zu trennen sind.
Ich bezeichne sie, nach dem Vorgange von Karsch in der Kgl. Sammlung
zu Berlin, als V. mexicanus Koch und V. carolinus Koch. Als
wichtigste Unterschiede glaube ich folgende zu erkennen:
a. V. mexicanus Koch. Kammzähne 16 — 22. Cephalothorax
ziemlich grobkörnig. Handkiele meist deutlich ausgeprägt.
Seitliche Nebeneriste des V. Caudalsegments durch eine Reihe
stumpfer, glänzender Höcker scharfmarkirt. Schienen der Hinterbeine
am Ober- und Unterrande mit scharf abgesetzten, körnigen Kielen;
auch die äußere Fläche mit zwei deutlichen, gekörnten Längskielen.
b. V. carolinus Koch. Kammzähne 13—14. Cephalothorax fein-
körniger, vor den Augen fast glatt. Kiele der Hand meist nur
durch flache Furchen angedeutet. Seitliche Nebencriste ım
Gatt. Vejovis. 203
V.Caudalsegment nur durch eine ganz feine streifenförmige Körnelung
auf der Fläche angedeutet, welche die Seitenfläche nicht in zwei
gesonderte Flächen theilt. Schienen der Hinterbeine am Ober-
und Unterrande fast glatt oder doch sehr feinkörnig, und nicht
als scharfe Cristen abgesetzt. Aeußere Seitenfläche ohne deutliche
Körnchenkiele, nur äußerst fein zerstreut körnig.
Der Hauptfundort des V. mexicanus ist Mexico, doch
dürfte er über den ganzen südlichen Theil des nordamericanischen
Continents verbreitet sein, wie die Fundorte Californien im Westen,
Carolina und Georgia im Osten beweisen. Ein Exemplar des
Hamburger Museums trägt die Etiquette „Valparaiso“, doch möchte ich
aus dieser vereinzelten Angabe keine Schlüsse über ein so weites
Hinabgehen nach Süden ziehen, da es sich um einen Irrthum oder
zufällige Verschleppung handeln kann. Uebrigens wird für V. flavescens
von Koch als Fundort Brasilien angegeben.
2. Vejovis spinigerus (Wood).
? 1843 Vejovis nitidulus Koch (Arachn. X., p. 4, fig. 758).
1863 Buthus spinigerus Wood (Journ. Acad. Nat. Sc. Philadelphia V., p. 370,
Tfl. 40, fig. 2).
1879 Vejovis punctatus Karsch (Mittheil. Münch. Ent. Verein 1879, p. 135).
Da die Beschreibung Koch’s gewiße Zweifel über die Identität
des V. nitidulus mit der mir vorliegenden Form läßt, so stelle ich den
von Wood gewählten Namen voran.
Es liegen mir von dieser Art nur 3 Spiritus-Exemplare vor und
2 trockene. Zwei der ersteren zeigen eine braunrothe Färbung mit
deutlicher schwarzer Fleckenzeichnung auf Cephalothorax und Abdomen.
Auf dem Cephalothorax, die Augen hinten umziehend, ein schwarzer
Hufeisenfleck; auf dem Abdomen umgekehrte „V- oder W-förmige
Zeichnung“ auf jedem Segment, wie Wood sagt. Die gelbrothe Cauda
unterseits statt der Kiele mit stark ausgeprägten schwarzen Längsstreifen.
Die Hände sind rothbraun, die Beine gelb. Das dritte Exemplar hat nur
einen dunkleren, grünbraunen Truncus, keine erkennbaren Fleckenreihen
auf dem Abdomen, doch zeigt die Cauda rothbraune Längsstreifung. Von
den trockenen Exemplaren trägt eines deutliche Fleckenzeichnung auf
dem Abdomen, das andere nicht; bei beiden ist die Cauda einfarbig gelb.
Der Cephalothorax ist ziemlich grobkörnig; auch die den
Augenhügel durchziehende Längsfurche zeigt an ihren Rändern vor den
Augen Körnchen. Die Seitenflächen vor den Augen fast glatt,
glänzend. Das Abdomen oberseits ebenfalls körnig, namentlich an
den Hinterrändern. Das letzte Abdominalsegment der Unterseite
entbehrt der 2 Längsceristen des V. mexicanus.
204 Scorpionidae: Vejoyini.
A
Die Hauptunterschiede von der vorigen Art sind in der Be-
stimmungstabelle bereits hervorgehoben. Besonderen Werth scheint
mir die gewölbte Form der Flächen des V. Caudalsegmentes zu haben,
dessen Seitenflächen keinen Nebenkiel (höchstens 1—3 Körnchen am
Grunde), sondern an Stelle dessen einige eingestochene Punkte tragen.
fine solche Punktreihe zeigt sich auch nahe der die Seitenfläche
begrenzenden unteren Seitencriste. Ein zweites gutes Merkmal dürfte
in der Beschaffenheit des oberen Hinterrandes des Unterarms liegen,
welcher nicht körnig, sondern glatt ist und ebenfalls eine Punktreihe
trägt. Der Hinweis hierauf durch Karsch bestimmt mich, seinen
V. punetatus der gegenwärtigen Art zuzurechnen. Weniger constant
dürfte das völlige Fehlen der unteren CGaudalkiele in den 4 ersten
Segmenten sich erweisen. Wenigstens betonen sowohl Wood, wie
auch Karsch und Koch, daß diese Kiele zwar glatt, aber doch als
Kanten andeutungsweise vorhanden seien. Auch das eine der mir vor-
liegenden Spiritus-Exemplare läßt wenigstens die unteren Lateralkiele
als schwache Kanten hervortreten, und bei den trockenen Exemplaren,
namentlich dem einen, sind im IV. Segment sogar die Mediankiele als
Kanten nachzuweisen. Die Blase ist glatt, eingestochen punktirt
oder am Grunde feinhöckerig, die Caudalflächen im I. und U. Segment
oben glatt oder körnig.
Die glatten, glänzenden Hände können augenscheinlich eben-
falls Spuren von glatten Kielen zeigen, ohne daß jedoch die für
V. mexicanus charakteristischen Körnchenreihen am Unterrande der
Innenseite auftreten. Das Verhältniß der Handbreite zur Länge der
Hinterhand schwankt zwischen 1: 1,3 und 1:1,45, das der Finger-
länge zur Hinterhand zwischen 1: 0,7 und 1: 0,93.
Die Schienbeine zeigen nur am letzten Paar außenseits
Andeutungen von Körnchenreihen.
Die Zahl der Kammzähne betrug 17, 17; 17, 18 und 22, 22;
in gleicher Weise schwankt die Zahl der Mittellamellen. Wood giebt
semen Exemplaren 20—25 Kammzähne, Karsch 15.
Als Vaterland des V. spinigerus nennt Wood Texas. Die
Exemplare von Koch, Karsch und die von mir untersuchten stammen
aus Mexico.
5. Gatt. Hadrurus Thor.
Vejovinen mit kurzem, breitem, durch einen tiefen
Längsspalt zweitheiligem Sternum, mit vielen perlenartig
serundeten und den Fuleren an Größe egleichenden
Mittellamellen der Kämme. Beweglicher Finger der
Gatt. Hadrurus. 205
Oberkiefer unterseits am Grunde mit starkem, gebräuntem
Zahn. Endtarsen mit großem Gestachel (Fig. 93). Mittel-
linie des Tarsenendgliedes unterseits mit einer Reihe
kurzer Dornen, ebenso die innere Seitenfläche des vor-
letzten Tarsengliedes. Schrägreihen der Scheerenfinger
fast eine gerade Linie längs der Schneide bildend, nur an
der Innenseite für jede der 7 Reihen ein Außenkörnchen.
Die Gattung Hadrurus ist von Thorell im Jahre 1877 nach
dem zuerst von Wood (l. c., p. 367) beschriebenen und abgebildeten
Buthus hirsutus Wood aufgestellt. Die später von Thorell und
Karsch aufgestellten 4 neuen Arten smd der Gatt. Hadruroides
zuzuweisen. Es bliebe demnach nur die einzige Art Hadr. hirsutus
(Wood), wenn nicht, wie kaum zweifelhaft, der mir unbekannte Buthus
emarginaticeps Wood ebenfalls hierher zu rechnen wäre. Von
letzterem wird gesagt (Wood 1. c., p. 367), daß er m allem dem
H. hirsutus genau gleiche, sich jedoch durch eine tiefe und breite Aus-
buchtung in der Mitte des vorderen Cephalothoraxrandes, die etwa Vs der
Länge vom Rande bis zum Augenhügel beträgt, von jenem unterscheide,
der emen vorn abgerundeten Cephalothorax zeigt. Bei mangelndem
Material beschränke ich mich auf eine Rekapitulation der Eigenschaften
des Hadr. hirsutus (Wood).
1. Hadrurus hirsutus (Wood).
1863 Buthus hirsutus Wood (Journ. Acad. Nat. Sc. Philadelphia V., p. 367
Til. 40, Fie. 1).
1877 Hadrurus hirsutus Thor. (Atti. Soc. Ital. XIX., p. 189).
Da mir nur zwei Exemplare zu Gebote standen, so habe ich
den Beschreibungen von Wood und Thorell nur wenig hinzuzufügen.
Die Färbung ist gelbrot, die Oberseite des Abdomens etwas
dunkler, ebenso zuweilen das V. Caudalsegment. Das V. Caudalglied,
Blase und Beine sind abstehend behaart.
Der Gephalothorax ist namentlich an den Seiten und am
Hinterrande mit ziemlich groben Körnchen besetzt. Der Augenhügel
hebt sich scharf und hoch aus den umgebenden Vertiefungen heraus,
so daß die Augen fast vertikal stehen. Die Segmente des Abdomens
sind vorn fein chagrinirt oder punktirt, am Hinterrande mit feinen
Körnchen. Letztes Segment der Unterseite mit 4 Körnchenreihen.
An der Cauda die ersten drei Segmente unterseits mit glatten
Cristen, das IV. und V. mit gekörnten. Seitliche Nebencristen im
I. Segment ganz, im U.—IV. abgekürzt vorhanden; auch das
V. Segment mit körniger, halb ans Ende reichender Nebencriste.
206 Scorpionidae: Vejovini.
Blase rund, mit 2 vorspringenden Ecken am Grunde, grobkörnig.
Ober- und Unterarm mit gekörnten Rändern der Oberseite.
Innen- und Außenrand der Hand körnig (meist mehrreihig). Hand-
oberfläche nach innen zu am Grunde mit zwei seichten Längsfnrchen,
welche durch einen flachen, gekörnelten Wulst getrennt werden. Die
Breite der Hand zur Länge der Hinterhand schwankt nach den
vorliegenden Maaßen zwischen 1:1,15 und 1: 1,33, dürfte aber noch weit
größere Differenzen zeigen ;ebenso das Verhältniß der Länge desbeweglichen
Fingers zur Hinterhand, das ich zwischen 1:0,5 und 1:0,63 fand.
Die Zahl der Kammzähne beträgt nach Wood 25—30;
Thorell giebt 29 an. Das eine der mir vorliegenden Exemplare hatte
etwa 30, das andere, wahrscheinlich ein Männchen, 59, 40 Kamm-
zähne, sodaß wir eine Variationsweite von 25 bis 40 Kammzähnen
anzunehmen hätten. Die Zahl der Mittellamellen ist dementsprechend
groß und dürfte kaum je unter 13 betragen.
Die Heimath des H. hirsutus scheint auf Californien
beschränkt zu sein, da auch wohl die Angabe La Paz der Berliner
Etiketten auf den Ort in mexicanisch Californien und nicht auf
Bolivien zu beziehen ist.
6. (ratt. Hadruroides Poc.
Vejovinen mit kurzem, breitem, durch einen tiefen
Längsspalt zweitheiligem Sternum, mit verhältnißmäßig
wenigen, meist eckigen und die Fulcra an Größe über-
treffenden Mittellamellen der Kämme.. Beweglicher
Finger des Oberkiefers unterseits am Grunde mit starkem
gsebräuntem Zahn. Endtarsen ohne Gehstachel; dafür
zwei kurze, schlittenkufenartige, in der Mittellinie unter-
seits bald y-förmig zusammenlaufende Papillenwulste,
die sich als unpaare Papillenreihe bis zum Grunde des
Tarsenendgliedes fortsetzen (Fig. 94). Innere Seitenfläche
des vorletzten Tarsengliedes ohne Dornenleiste. Schräg-
reihen der Scheerenfinger ziemlich deutlich von einander
abgesetzt, wenigstens an der Spitze; außer den großen
Außenkörnchen am Grunde jeder Schrägreihe noch mehr
oder weniger ausgeprägte Nebenreihen von Körnchen
außen und innen von der Hauptreihe (Fig. 83).
Von hierher zu rechnenden Formen nenne ich den Telegonus
lunatus L. Koch, Hadrurus maculatus Thor., H.parvulus Ksch.,
H. charcasus Ksch. und H. Paachi Ksch., welche indessen
sämmtlich einer und derselben Art angehören dürften.
Gatt. Hadruroides. 207
1. Hadruroides Iunatus (L. Koch).
1867 Telegonus lunatus L. Koch (Verh. zool. bot. Ver. Wien XVI., p. 235).
1877 Hadrurus maculatus Thor. (Atti Soc. Ital. XIX., p. 186).
1879 = parvulus Karsch (Münch. ent. Mittheil. 1879, p. 135).
1879 r charcasus Karsch (Münch. ent. Mittheil. 1879, p. 135).
1881 5 Paaschi Karsch (Berl. ent. Zeitg. XXV., p. 290).
? 1889 u robustus Boeris (Atti Soc. Modena VIII., p. 123—135).
1893 Caraboctonus charcasus Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist [6] XI., p. 92).
1893 Caraboctonus maculatus Poc. (ibid., p. 92). |
1893 Hadruroides charcasus Poe. (ibid., p. 329).
1895 Hadruroides maculatus Poc. (ibid., p. 329).
Daß der Telegonus lunatus L. Koch mit dem Hadrurus
maculatus Thor. identisch ist, konnte ich durch Vergleichung der
beiden Originalexemplare nachweisen. H. parvulus wird von Karsch
selbst als dem H. maculatus sehr nahe stehend bezeichnet, auch
werden irgend welche greifbare Unterschiede zwischen beiden nicht
angegeben. HEtwas anderes erscheint es auf den ersten Blick mit
H. charcasus Karsch, den auch ich längere Zeit für eine eigene
Art hielt, bis ich mich überzeugte, daß wir es in ihm nur mit älteren
Exemplaren, welche die eigenthümliche Fleckenzeichnung verlieren und
dickere, innen und unten gekörnelte Hände bekommen, zu thun haben.
Der H. Paaschi dürfte lediglich als altes erwachsenes Männchen unserer
Art aufzufassen sein. Die nähere Begründung dieser Ansichten ergiebt sich
aus der Betrachtung der beobachteten Variationsweite der Art. Die Arbeit
über H. robustus Boeris ist mir nicht zugänglich gewesen, doch hält
Pocock (Ann.Mag. [6] XH.,p.92) diese Form für synonym mit H. charcasus.
Im Ganzen haben mir 26 Exemplare zur Verfügung gestanden,
davon 12 in Spiritus.
Die Färbung ist bei jüngeren Exemplaren gelbroth mit
schwarzer Fleckenzeichung auf Cephalothorax und Abdomen. Auf
letzterem kann sie im günstigsten Falle in 2 medianen und 2 breiteren
seitlichen schwarzen Längsstreifen entwickelt sein; sind die Streifen
unterbrochen, so erhalten wir für die Mittelstreifen die kurzen, fast
halbmondförmigen Flecken des Telegonus ‚lunatus‘‘, während anderseits
ein Zusammenfließen der Streifen auch zur Bildung dunkler Querbinden
führen kann. Bei älteren Individuen wird die Färbung mehr rothbraun,
die Fleckenzeichnung undeutlicher, bis sie schließlich nur als unpaarer
schwarzer Rückenstreif auftritt oder ganz verschwindet. In der Jugend
pflegen auch die Arme und Beine mit zerstreuten schwarzen Flecken
bedeckt zu sein. Die Cauda ist gelb, mit dunkleren rothbraunen
Kielen, in der Jugend oft schwarz marmorirt; die Beine und Arme
sind ebenfalls gelb, die Finger bei älteren Individuen rothbraun.
208 Scorpionidae: Vejovini.
Die Körnelung des Cephalothorax ist dicht und grob, nur
vor dem Augenhügel beiderseits eine fast glatte Fläche. Der Vorder-
rand des Cephalothorax ist abgerundet, in der Mitte etwas vorgezogen
oder fast gerade abgestutzt.
Das Abdomen oberseits ist feinkörnig, doch verstärken sich
die Körner am Hinterrande und in den hinteren Segmenten, so daß
das letzte Segment mit groben Körnern besetzt erscheint, aus denen
häufig 4 ziemlich deutliche Körnchenreihen schärfer hervortreten. Das
letzte Segment der Unterseite läßt zwei gekörnte Längsstriche erkennen,
die aber namentlich bei jüngeren Individuen auch fehlen können.
Die Cauda zeigt oberseits stets gekörnte Kiele, die aber nicht
in einen stärkeren Enddorn auslaufen. Auch die oberen Nebencristen
sind im I. Segment ganz, im U. und UI. wenigstens abgekürzt
vorhanden. Charakteristisch ist die starke Körnelung der oberen
Seitenflächen in den ersten 3 Segmenten. Die Unterseite der Cauda
ist namentlich durch das völlige Fehlen der Mediancristen in den
ersten 4 Segmenten ausgezeichnet, wo an Stelle derselben deutliche,
bei jüngeren Individuen mit dunklerer Zeichnung umrandete oder mit
hellem Hofe in je einem dunklen Längsstreifen liegende, eingestochene
Punktreihen stehen. Die unteren Seitencristen sind in der Regel in
den genannten Segmenten als braune, glatte Kiele entwickelt, doch
können die letzteren namentlich im IV. Segment auch gekörnelt sein.
Das V. Segment besitzt stets drei wohl entwickelte körnige Kiele
unterseits, zwischen denen die Flächen mit groben und kleinen roth-
braunen Körnchen mäßig dicht besetzt sind. Die Seitenflächen dieses
Segments sind ebenfalls nur selten fast völlig glatt und dann mit
einer mittleren Längsreihe von Punkten besetzt; in der Regel ist vielmehr
ein mittlerer mehrreihig-körniger Nebenkiel schwach angedeutet, oder
doch sonst die Fläche mit zerstreuten Körnchen besetzt. Die Blase
zeigt die vorgezogenen Basalecken, wie alle verwandten Formen;
sie ist namentlich am Grunde ähnlich mit Körnchen verschiedener
(Größe besetzt, wie die Unterflächen des V. Segments.
Der Oberarm ist quadratisch, die Oberseite fast glatt, am
Vorder- und Hinterrande von grobkörniger Criste begrenzt. Die
Vorderseite zeigt einige grobe Körner, mit der Tendenz, sich in einer
mittleren Längsreihe anzuordnen.
Der Unterarm trägt nur an der Vorderkante der Oberseite
eine deutliche Körnchenreihe; die Hinterkante ist nahezu oder ganz
glatt und zeigt dann statt der Körnchen die vikariirende eingestochene
Punktreihe.
Gatt. Caraboctonus. 209
Die Hand ist im Laufe der Entwickelung ziemlichen Ver-
änderungen unterworfen. Bei jugendlichen Individuen ist sie völlig
glatt, glänzend und ungekielt, höchstens der äußere Seitenrand etwas
kielig zusammengedrückt; die Hinterhand viel länger als die Hand-
breite, meist in dem Verhältmiß von 1: 0,66 bis 1: 0,7, bei einer absoluten
Handbreite von 2—3 mm. Bei älteren Exemplaren tritt zunächst der
Außenrand der Hand etwas stärker kielig hervor und wird gekörnelt;
ebenso erscheinen Körnchen längs dem Innenrande der Hand, und
auf der Unterseite bildet sich mehr und mehr eine flache Längs-
depression aus, welche ebenfalls von Körnchenstreifen flankirt wird. Dabei
gewinnt die Hand allmählich an Dicke und Breite, so daß letztere die
absoluten Maaße 3,5; 5; 5,5, ja in einem Falle 7 mm aufweist, während
das Verhältniß der Länge der Hinterhand zur Handbreite—=1:0,7;1:0,75;
1:0,78;5 1:0,91 und 1:1 gefunden wurde. Fügen wir hinzu, daß,
während die Weibchen augenscheinlich zusammenschließende Scheeren-
finger besitzen, bei den Männchen mit zunehmendem Alter mehr und
mehr eine tiefe Einbuchtung am Grunde des unbeweglichen Fingers
sich ausbildet, in die dann eine correspondirende Vorwölbung des
beweglichen Fingers nur unvollkommen hineinpaßt, so wird man erklärlich
finden, daß junge und alte Individuen ein recht abweichendes Gepräge
zeigen können. Die drei von Karsch aufgestellten neuen Arten finden
vornehmlich in diesen Verhältnissen ihre Erklärung. Das Längenverhältniß
des beweglichen Fingers zur Hinterhand schwankt nach meinen
Messungen zwischen 1:0,68 und 1:09,91, ohne daß zwischen jungen
und älteren Individuen ein greifbarer Unterschied hervorgetreten wäre.
Die Zahl der Kammzähne beträgt in der Regel 17 oder 18,
schwankt aber zwischen 12 und 20.
Das kleinste untersuchte Exemplar hatte eine Gesammtlänge
von 32, das größte eine solche von 70 mm. Die Weibchen scheinen
durchgehends einen kürzeren Schwanz zu besitzen, als die Männchen; er
ist bei ersteren in der Regel nur wenig länger als der Truncus oder
sogar nur ebenso lang, während ich bei den Männchen Verhältnisse
von Truncus zur Gauda bis zu 1: 1,66 beobachtete.
Die Heimath des Hadruroides lunatus scheint sich über einen
großen Theil der Westküste Südamericas von Ecuador bis
Valparaiso in Chile zu erstrecken. Am häufigsten dürfte er in Peru
vorkommen. Auch aus Bolivia ist er bekannt geworden.
7. Gatt. Caraboctonus Poc.
Vejovinen vom Habitus und mit den Merkmalen der
Gattung Hadruroides, aber die Körnchenreihe auf der
14
310 Scorpionidae: Vejovini.
Schneide des beweglichen Scheerenfingers ohne seitliche
Schrägreihen und nur von einzeln stehenden Außen-
körnchen flankirt (Fig. 84). V. Caudalsegment unterseits
ungekielt. Oberarm an der Vorderkante der Oberseite
ohne deutliche Körnchenreihe.
Bisher ist nur eine Art dieser Gattung beschrieben.
1. Caraboctonus Keyserlingii Poc.
1893 Caraboctonus Keyserlingii Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XII., p. 92).
Die Färbung dieser Art, von der mir nur 3 Exemplare zu
Gebote standen, gleicht etwa der des Bothriurus chilensis, mit dem die
Form bei flüchtiger Betrachtung wohl verwechselt werden könnte.
Cephalothorax und Abdomen sind dunkel pechbraun, ebenso
die Cauda, während Beine, Hände und Blase ein dunkles Roth-
braun zeigen.
Die Körnelung des Truncus entspricht derjenigen des Hadruroides
lunatus. Die des Cephalothorax ist grob, mit Ausnahme der
glatten oder feinrunzeligen Voraugenfläche; die der Abdominal-
segmente ist fein, nimmt aber nach hinten an Stärke zu, so daß das
letzte Segment oberseits dicht grobkörnig erscheint. Der in der
Mittellinie des Cephalothorax unweit des Vorderrandes aufsteigende
Augenhügel zeigt keine Längsfurche. Das letzte Abdominalsegment
der Unterseite trägt 4 deutliche, gekörnelte Leisten.
An der Cauda sind die oberen Cristen sämmtlich körnig
entwickelt, doch ohne größeren Enddorn. Unterseits zeigt das I. Caudal-
segment 4 deutliche gekörnte, das II. 4 meist glattere Kiele, während
in den folgenden 2 Segmenten sowohl die Median-, wie auch die
unteren Lateralceristen völlig vermißt werden. Es bieten sich somit
Verhältnisse dar, welche in auffallend gleicher Weise auch bei dem
Weibchen von Bothriurus chilensis wiederkehren. ) Das V. Caudal-
segment ist. ebenfalls der Hauptsache nach kiellos, aber es finden sich
in der hinteren Hälfte oder doch ganz am Ende Rudimente unterer
Lateralkiele. Zwischen diesen ist das Ende der Unterfläche ein wenig
eingesunken und mit grober Körnelung versehen, die nach vorn
allmählich verschwindet. Die Blase ist anfangs feinkörnig, später fast
glatt und besitzt die bekannten vorgezogenen Ecken.
Am Oberarm fällt zunächst die dicht grobe Körnelung der
oberen Fläche in die Augen, welche nur an der Hinterkante, nicht
1) Ob die mir vorliegenden Exemplare von Caraboctonus verschiedenen
Geschlechts sind oder ob etwa noch, wie bei Bothriurus, Männchen mit
glatten I. und II. Caudalkielen existiren, vermag ich nicht zu entscheiden.
Fam. Bothriuridae. 211
[0
aber auch vorn, durch eine scharf ausgeprägte Reihe gröberer Körner
abgegrenzt wird. Am Vorderrande gehen die Körnchen der Oberfläche
vielmehr ohne scharfe Grenze in diejenigen der Vorderfläche über, die
ebenfalls dicht unregelmäßig gekörnelt ist. Die Oberfläche des
Unterarmes ist glatt, vorn meist mit deutlicher Rand-Körnchenreihe,
hinten gerundet.
Die Hand ist glatt und glänzend, ohne Kiele und Körnchen,
und mäßig dick. Das Verhältniß zwischen Länge der Hinterhand und
Breite der Hand wurde zu 1:0,63 bis 1:0,77 bestimmt. Die
Finger sind länger als die Hinterhand; das Verhältniß im Mittel
— 1:0,8. Die aus starken Körnchen bestehenden Schrägreihen sind
in der Zahl 6 vorhanden und entbehren, im Gegensatz zu der vorher-
gehenden Gattung, der zarten Nebenkörnchen, welche den einzelnen
starken Außenpunkt jeder Schrägreihe zu einer Nebenreihe ergänzen.
Die Zahl der Kammzähne betrug in zwei Fällen 12, 12, in
einem 10, 10.
Die Gesammtlänge der untersuchten Exemplare schwankt zwischen
35 und 5l mm und geht nach Pocock bis 55 mm.
Das Verhältniß von Truncus zur Cauda ist im Mittel etwa
wie: 19: 1,6.
Die Heimath des Caraboctonus Keyserlingii ist Peru (nach
Exemplaren des Kieler Museums) und Chile (Coquimbo).
II. Fam. Bothriuridae.
Die Gruppe der Bothriuriden wurde zuerst von Peters 1861
unter dem Namen „Telegonini‘“ aufgestellt und durch das schmal
„sichelförmige‘‘ Sternum charakterisirt. Später fügte Thorell als
weiteres Merkmal die perlschnurartige Form der in 1—2 Reihen
gestellten Kamm-Mittellamellen hinzu. Karsch ersetzte den Namen
Telegonus, der bereits anderweitig vergeben, durch Mecocentrus
und Simon endlich wählte die Gruppenbezeichnung Bothriuridae.
Von den beiden oben hervorgehobenen Merkmalen ist das von
der Form der Kamm-Mittellamellen entlehnte nicht durchgreifend.
Allerdings giebt es eine Gattung (Brachistosternus), bei welcher
dieselben in zwei Reihen geordnet und deutlich perlschnurartig entwickelt
sind; bei anderen Gattungen hingegen sind dieselben einreihig und
zeigen zum Theil nur in sehr geringem Maaße die halbkugelförmige
Abrundung, welche die Bezeichnung perlschnurartig rechtfertigen könnte.
Aber auch das schmal sichelförmige Sternum ist nicht en Merkmal,
das völlig unvermittelt im dieser Gruppe auftritt und sie scharf
14*
I Fam. Bothriuridae.
27
charakterisirt. Schon innerhalb der Gruppe selbst zeigen sich sehr
wahrnehmbare Verschiedenheiten in der Längendimension, und wenn
wir die Sterna der nahe verwandten „Vejovinen“ zur Vergleichung
heranziehen, so erkennen wir, daß es sich keineswegs um einen andern
Typus des Baues dieser Organe handelt, sondern lediglich um ein
geringes Plus oder Minus in der Längendimension, das gar nicht so
leicht zu definiren. ° Aus diesem Grunde ist es z. B. verständlich,
daß L. Koch emen ‚Telegonus“ lunatus beschreiben konnte, der sich
als dem Hadrurus maculatus Thor. identisch erweist, also zu den
Vejovinen gehört. Fügen wir hinzu, daß es unter den Gruppen mit
nicht mehr schmal sichelförmigem, sondern etwäs längerem Sternum
Arten giebt, welche in den meisten andern Beziehungen sich eng an
gewisse Bothriuriden anschließen (vgl. z. B. das über Caraboctonus
Keyserlingii Gesagte), so werden wir zu dem Schlusse gelangen müßen,
daß die Gruppe der Bothriuriden eine künstliche ist und lediglich aus
Z/weckmäßigkeitsgründen vorläufig aufrecht erhalten werden darf.
Als Gattungen, welche der bisherigen Gruppe der Bothriuriden
angehören, sind zu nennen: Mecocentrus Karsch (= Telegonus
Koch), Cercophonius Pet, Acanthochirus Pet., Bothriurus
Pet., Timogenes Sim., Thestylus Sim., Brachistosternus Poc.,
Phoniocercus Poc. und Urophonius Poc. Von diesen ist die
Gattung Acanthochirus bereits von früheren Autoren wieder ein-
gezogen '), da es sich nur um die Männchen von Cercophonius handelte.
Als Typus der Gattung Mecocentrus wurde bisher der von
C. L. Koch beschriebene M. (Telegonus) versicolor aufgeführt, der
zwar zur Zeit nicht sicher zu identificiren ist, sicher aber nicht mit
dem von L. Koch beschriebenen M. politus in dieselbe Gattung
gehört. Es ist daher der Gattungsname Mecocentrus (sive Telegonus)
vorläufig zu streichen, für die durch L. Koch bekannt gewordene Form
hingegen ein neuer Gattungsname einzuführen. Ich folge der Nomen-
clatur Pococks, wenn ich für diese fälschlich der ursprünglichen
Gatt. Telegonus eingereihte Art (den Telegonus politus L. Koch)
den Gattungsnamen Brachistosternus acceptire. Auch die Gattung
Cercophonius ist in ihrem bisherigen Umfange nicht aufrecht zu
erhalten. Schon Simon hat den Üercophonius Glasioui Bertkau
(nicht Glasioni, wie Simon wiederholt schreibt) als eigene Gattung
Thesthylus abgetrennt, und ich stimme dieser Neuerung bei, wenn
auch auf Grund ganz anderer Charaktere, als Simon sie angiebt; aber
es hat sich des Ferneren bei meinen Untersuchungen ergeben, daß der
') Aus diesem Grunde glaube ich auch die Bezeichnung Bothriuriden Sim.
der von Karsch vorgeschlagenen „Acanthochiroidae‘ vorziehen zu sollen.
Fam. Bothriuridae. 913
von Peters als Typus der Gattung aufgestellte C. squama
Australiens eine ziemlich isolirte Stellung einnimmt und mit den bisher
in die gleiche Gattung gestellten amerikanischen Formen nur geringe
Verwandtschaft zeigt. Ich reservire daher den Gattungsnamen
Cercophonius Peters einzig und allein für den bisherigen Typus der
Gattung. Der übrig bleibende Rest der Gattung ist theils der Gattung
Bothriurus einzufügen, welche bisher lediglich durch einen vertieften
Eindruck am Ende des V. Caudalsegments höchst mangelhaft charak-
terisirt war, theils zu einer besonderen Gattung Urophonius Poc.
zu erheben. In der Gattung Timogenes Sim. von Sumatra glaube
ich eine südamerikanische, nach Ostindien verschlagene Art der Gattung
Bothriurus wieder zu erkennen, wie später des näheren zu erläutern.
Die Gattung Phoniocercus ist von Pocock nach einer erst durch ihn
ganz neuerdings in die Wissenschaft emgeführten Art geschaffen worden
und wohl charakterisirt.. Endlich habe ich selbst noch eine neue
Gattung Centromachus hinzuzufügen. Wir würden es demnach mit
den Gattungen Brachistosternus, Cercophonius, Bothriurus, Thestylus,
Urophonius, Phoniocercus und Uentromachus zu thun haben, deren unter-
scheidende Merkmale in folgender Bestimmungstabelle') festgelest sind:
A. Sämmtliche Tarsenendglieder durchaus unbedornt, aber mit langen
dünnen Wimpern besetzt, die auf der Rückenkante auch der
übrigen Tarsenglieder fast kammartig stehen (Fig. 112). Geh-
stachel des Endtarsus groß, halb so lang als die Krallen (Fig. 112).
Kammzähne zahlreich (meist über 50). Mittellamellen der Kämme
der Länge nach deutlich zweireihig (Fig. 103), perlschnurartig.
Alle Caudalglieder gestreckt, auch die ersten weit länger als
breit. Körnchen auf der Schneide der Scheerenfinger einreihig,
zwischen ihnen kleine Borsten.
I, Braehistosternus Poe,, p. 215.
B. Endtarsen unterseits mit deutlichen, wenn auch etwas biegsamen
Dornenpaaren besetzt, wenigstens gegen das Ende hin. (Fig. 110,
111, 113, 114). Rückenkante ohne kammförmig gestellte Wimper-
borsten. (rehstachel kurz, kaum vorstehend. Kammzähne weniger
als 27. Mittellamellen der Kämme einreihig (Fig. 104) oder nur
am Grunde undeutlich zweireihig, oft kaum perlschnurartig.
Erstes Caudalglied nur so lang oder kaum länger als breit.
Keine Borsten zwischen den Körnchen der Scheerenfinger.
ı) Auch Simon (Soc. enton. France [5] X., p. 392) giebt eine solche
Bestimmungstabelle der Bothriuridae. Dieselbe verzichtet aber auf Kritik
und rekapitulirt einfach den damaligen Stand unserer systematischen
Kenntnisse über diese Gruppe.
214
Fam. Bothriuridae,
I. Endtarsen mit 6—7 Paar Dornen längs der Unterseite (Fig. 114).
a. Körnchen der Schneide des beweglichen Fingers der ganzen
h.
Länge nach einreihig, abgesehen von den Außenkörnchen.
Zwischen den Dornenpaaren der Tarsenunterseite keine mittel-
ständige Haarleiste (Fig. 114). Medianfurche den Augen-
hügel nicht durchziehend "und fast nur hinter demselben
entwickelte Mae 2. Thestylus Sim. p. 218,
Körnchen der Schneide des beweglichen Scheerenfingers fast
bis zur Spitze unregelmäßig zweireihig (Fig. 100). Zwischen
den Dornenpaaren der Endtarsen-Unterseite eine deutliche
mediane Haarleiste. Medianfurche den Augenhügel durch-
ziehend, vor demselben fast ebenso stark entwickelt, wie
hinter ihnen een .3. Urophonius- Poe., P-7220,
II. Endtarsen nur mit 2—3 (selten 4) Paar Dornen längs der
Unterseite (Fig. 110, 111, 113).
a.
b.
Körnchen der Schneide des beweglichen Scheerenfingers der
ganzen Länge nach einreihig, höchstens am Grunde hie und
da die Körnchen fast doppelt (Fig. 101).
1. Zwischen den 3 Dornenpaaren der Endtarsen - Unterseite
eine mehr oder weniger deutliche mediane Haar- oder
Borstenleiste (Fig. 110). Stirnrand gerade abgestutzt.
Augenhügel in der Mitte des Üephalothorax. Median-
furche den Augenhügel meist nicht durchziehend, nur
hinter demselben deutlich entwickelt und zu einer Quergrube
sich erweiternd. .... 4. Bothriurus Pet. emend., p. 222.
Ds)
Zwischen den 3—4 Dornenpaaren der Endtarsen keine
Haarleiste (Fig. 113), nur am Grunde einige winzige
mediane Dörnchen. Stirnrand in der Mitte ziemlich tief
ausgerandet. Augenhügel weit vor der Mitte des Cephalo-
thorax. Medianfurche fast von der Stirn an entwickelt,
den Augenhügel durchziehend und hinter demselben
deutlich quer runzelig....5. Phoniocercus Poc., p. 234.
Körnchen der Schneide des beweglichen Scheerenfingers viel-
körnig mehrreihig oder doch bis zur Spitze deutlich zwei-
reihig (Fig. 99, 102).
1. Endtarsus unten außen mit 2, innen nur mit einem Dorn;
längs der Mittellinie eine deutliche Haarleiste (Fig. 111).
Schneide der Scheerenfinger unregelmäßig vielreihig gekörnt
(Fig. 102). Augenhügel schwach gefurcht. Stigmen oval.
Kammzähne 12—17. Letztes Bauchsegment glatt.
6. Cercophonius Pet. emend., p. 236.
Gatt. Brachistosternus. 2915
2. Endtarsen unten außen- und innenseits mit je 3 Dornen;
in der Mittellinie keine dichte Haarleiste, nur am Grunde
einige winzige Dörnchen (Fig.113). Schneide der Scheerenfinger
der ganzen Länge nach zwei- bis dreireihig gekörnt (Fig. 99).
Augenhügel ungefurcht. Stigmen rund, äußerst klein.
Kammzähne wenig (5—6). Letztes Bauchsegment mit
4 starken, abgekürzten Längskielen; I. Caudalsegment
deutlich 4 kielig unterseits.
% Centromachusn. g;, p. 238.
1. Gatt. Brachistosternus Poc.
(Mecocentrus Sim.)
Bothriuriden mit zweireihig gestellten, perlschnur-
artigen Mittellamellen der Kämme (Fig. 103). Tarsen-
endglieder durchaus unbedornt, mit langen Wimpern
besetzt, die auf.der Rückenkante aller Tarsenglieder fast
kammartig stehen (Fig. 112). Gehstachel groß, halb so lang,
als die Endkrallen. Schrägreihen des beweglichen
Scheerenfingers fast eine einzige gerade Linie grober
Körnchen bildend, zwischen denen feine kurze Borsten
stehen. Beiderseits grobe Außenkörnchen, die der Außen-
seite weiter von der Reihe entfernt, als die der Innenseite.
Caudalglieder gestreckt, alle länger alsbreit. Geschlechter
verschieden: co‘ mit großem Dorn an der Handunterseite
nahe der Einlenkungsstelle des beweglichen Fingers,
mit grobkörnigen oberen und unteren Abdominalsegmenten;
@ ohne Dorn an der Handseite, mit feinkörnigen oberen
und glatten, glänzenden unteren Abdominalsegmenten.
Die Verschiedenheit der (Geschlechter, wie sie übrigens für
sämmtliche Glieder der Gruppe charakteristisch zu sein scheint, hat
natürlich auch in dieser Gattung eine Reihe von Namen hervorgerufen,
welche bei näherem Studium der Mehrzahl nach oder alle sich als
Bezeichnungen für ein und dieselbe Art darstellen. Soweit ich über-
sehen kann, sind folgende bisher beschriebene Arten unserer Gattung
zuzuweisen: Scorpio Ehrenbergii und glaber Gerv., Telegonus
politus L. Koch, T. Weijenberghii und ferrugineus Thor.
Von dem Telegonus versicolor C. L. Koch habe ich bereits
erwähnt, daß er nicht hierher gehört; wir werden ihn bei der Gattung
Thestylus wiederfinden. Der Telegonus lunatus L. Koch ist bereits
Pag. 207 als Hadruroides lunatus (bekannter als Hadrurus maculatus
Thor.) beschrieben. Simon bezeichnet noch einen Scorpio Gervaisi
216 Fam. Bothriuridae.
Niocolet als zu den echten „Mecocentrus“ gehörig, doch bin ich nicht
in der Lage, diese Frage nachzuprüfen. Der Scorpio Gervaisi Gu6@rin
wird von Gervais als Synonym zu seinem Scorpio vittatus gezogen, ist
also der bekannte Bothriurus vittatus.
Von den oben genannten 5 Arten sind zunächst Scorpio
Ehrenbergii Gerv. und Sc. glaber Gerv. zu vereinigen, da jener
augenscheinlich das Männchen, dieser das Weibchen der Art darstellt.
In Telegonus politus (L. Koch), von dem mir 2 Originalexemplare
zur Verfügung stehen, haben wir lediglich das Weibchen der Art
zu erblicken, während die beiden Thorell’schen Arten T. Weijenbergii
und T. ferrugineus wieder beide Geschlechter zu repräsentiren
scheinen. Die Beschreibung des T. Weijenbergii stimmt auf das
genaueste mit den Merkmalen des Sc. Ehrenbergii Gerv.; weniger
sicher bin ich in Bezug auf den T. ferrugineus mit seimer „ganz
rothbraunen* Färbung, doch finde ich auch in der Beschreibung dieses
nur im ‚Jugendzustande in einem anfangs trockenen, dann in Spiritus
conservirten Exemplare bekannten Scorpions keinerlei Angaben, welche
denselben als „junges Weibchen“ unseres Brachistosternus Ehrenbergii
unmöglich machten. Ich glaube daher bis auf weiteres annehmen zu
dürfen, daß die Gattung nur eime einzige Art enthält, dessen beide
Geschlechter von den verschiedenen Autoren in emgehendster Weise
geschildert sind.
1. B. Ehrenbergii (Gerv.).
1841 Scorpio Ehrenberrgii Gerv. (Voyage de la Bonite, Apt., pl. 1, Fig. 18—22). J!
1841 „ glaber Gerv. (Voyage de la Bonite, Apt., pl. 1, Fig. 28—32). 2
1867 Telegonus politus L. Koch (Verhandl. Zool. bot. Gesellschaft Wien 1867,
p. 234). 2
1877 Telegonus Weijenberghii Thor. (Atti soe. ital. XIX., p. 173). A
1877 ss ferrugineus Thor. (Atti soc. ital. XIX., p. 176). 2
1893 Brachistosternus Ehrenbergii Poc. (Linn. Soc. Journ. XXIV, p. 403).
Die Grundfärbung dieses mir etwa in 15 Exemplaren zu
(ebote stehenden Scorpions ist scherbengelb, mit 2 dunklen breiten
Längsbinden jederseits der Mitte des Abdomen, welche im extremen
Falle fast die ganze Fläche bedecken können. Bei vielen Exemplaren
verschwindet aber die dunkle Färbung des Rückens mehr ‘und mehr,
wird vielleicht nur durch dunkle Randlinien am Hinterrande der
Segmente angedeutet oder fehlt — namentlich bei trocken conservirtem
Material — vollkommen. Die Cauda ist meist etwas mehr gelbroth
und zeigt zuweilen auf der Oberfläche des V. Segments ein paar
hellerer, strich- oder halbmondförmiger Flecke, wie sie Thorell von
seinem Teleg. Weijenberghii erwähnt. Hände und Beme sind ebenfalls _
selb oder gelbroth.
Gatt. Brachistosternus. 917
Die Körnelung des Truncus und der Cauda ist bei Männchen
und Weibchen durchaus verschieden. Bei den Männchen ist sie auf
dem ganzen Cephalothorax, auch vor den Augen, durchaus gleichmäßig
srobkörnig; ebenso sind die Rückensegmente des Abdomens viel stärker
gekörnt, als beim Weibchen. Die Bauchsegmente des Abdomens, und
ebenso die gesammten Flächen der Cauda, erscheinen runzelig körnig
und sind daher matt und glanzlos. Beim Weibchen findet sich regel-
mäßig auf dem hinten feinkörnigen Kopfschilde vor den Augen eine
glatte ungekörnte Area; die Rückensegmente des Abdomens lassen
die Körnelung vorwiegend nur an den hinteren Rändern der Segmente
hervortreten, während die Bauchsegmente, gleich der Mehrzahl der
unteren Caudalflächen, als völlig glatt und glänzend sich erweisen. Die
Bezeichnungen „glaber“ und „politus“ kennzeichnen hinlänglich den
Eindruck, den das verhältnißmäßig glatte Weibchen gegenüber dem
glanzlosen, opaken Männchen hervorbringt.
An der Cauda sind die oberen Kiele der ersten drei Segmente
deutlich körnig; weiter hin werden die Kiele oft mehr runzelig
und gerundet, namentlich im V. Segment. An der Unterseite fehlen
die Mediankiele in den 4 ersten Segmenten, nur das letzte Segment
trägt neben zwei körnigen Lateralkielen einen durchgehenden körnigen
oder fast glatten Mittelkiel, zu dessen beiden Seiten die Flächen
ebenfalls gekörnt sind. Die übrigen Lateralkiele sind höchstens als
glatte Leisten oder kaum merkliche Kanten entwickelt. Auffallend ist
die starke Körnelung auf den oberen Seitenflächen der ersten 2—3
Segmente der Cauda. Die Blase ist beim Weibchen glatt, grubig
oder körnig runzelig, beim Männchen grobkörnig.
Der Oberarm ist vierkantig, mit oberen gekörnten Randkielen,
der Unterarm glatt und glänzend beim Weibchen, feinkörnig beim
Männchen. Die Hand ist ebenfalls glatt und glänzend, an der
Außenkante mit geschärfter, kielartiger Leiste, beim Männchen unter-
seits nahe der Einlenkungsstelle des beweglichen Fingers mit einem
gewaltigen, gekrümmten Dorn, der bei den Weibchen völlig fehlt und
bei jüngeren Männchen noch verhältnißmäßig schwach ist. Die Breite
der Hand varirt ungemein. Bei einem alten Männnchen von 65 mm
Länge fand ich die absolute Breite nur zu 2,3 mm, das Verhältniß
von Hinterhand zur Handbreite = 1:0,57. In änderen Fällen ist
die Hand viel breiter, wie die absoluten Zahlen 3,3, 4,5, 4,8 und 5 mm
beweisen mögen. Aus diesen ergeben sich als Verhältniß von Länge
der Hinterhand zur Handbreite die Zahlen 1: 0,55 bis 1: 0,82. Das
Verhältniß der Länge des beweglichen Fingers zur Länge der Hinter-
hand schwankt zwischen 1: 0,61 und 1: 0,9.
218 Fam. Bothriuridae.
Die Zahl der Mittellamellen, wie die der Kammzähne
ist ebenfalls äußerst variabel. Von ersteren zählte ich in einem Falle
20 in der oberen, 34 in der unteren Reihe; in anderen Fällen waren
es beträchtlich weniger (z. B. 11 und 24 ete.). Gervais giebt die
Zahl der Kammzähne zu 40 an, während Thorell an seinem Telegon.
ferrugineus 27, bei T. Weijenberghii sogar nur 25 Zähne zählt. Die
mir zu Gebote stehenden Exemplare zeigten ein Schwanken von 32
bis 42 Kammzähnen, so daß wir wohl ohne Bedenken die Zahlen
25 und 42 als Grenzwerthe betrachten können. Eine in die Augen
fallende Differenz in Bezug auf die Zahl der Kammzähne bei g' und 2
konnte ich nicht bemerken.
Die Größe der Individuen wechselt zwischen 29 und 83 mm.
Das Verhältniß zwischen Truncus und Cauda zeigte von 1:1 (altes 2)
bis 1: 1,8 (altes 5‘) alle Zwischenstufen.
Die Heimath des Brachistosternus Ehrenbergii dürfte auf
Chile, Peru und die westlichen, mehr andinen Regionen Argentiniens
— östlich bis Cordoba — beschränkt sem. Der Fundort „Westindien“
bei einem Exemplar des Britischen Museums ist wohl ein Irrthum.
2. (satt. Thestylus Sim.
Bothriuriden mit einer einfachen Reihe eckiger Mittel-
lamellen der Kämme. Tarsenendelieder ohne eine mediane
Haarleiste, mit 6—7 Paar Dornen längs der Unterseite
kammförmig besetzt (Fig. 114). Gehstachel verhältniß-
mäßig klein. Körnchen der Scheerenfinger in einfacher
Reihe, eine fast gerade Linie auf der Schneide bildend,
aus groben Körnchen bestehend. Beiderseits 6 grobe
Außenkörnchen. Vordere Caudalglieder breiter oder so
breit als lang, unterseits mit mehr oder weniger deutlicher,
von 2 nach hinten convergirenden Längskielen umgrenzter
flacher, fast herzförmiger Area (Fig. 105; Weibchen). Blase
eiförmig, Stachel von gewöhnlicher Länge Medianfurche
nicht durch den Augenhügel ziehend.
Simon trennte die Gattung Thestylus von Bothriurus wegen
der fehlenden Area auf der Unterseite des V. Caudalsegments, von
Cercophonius wegen der geringen Zahl der Mittellamellen. Beide
Charaktere sind nach meinen Beobehtungen so variabel, daß sie als
(Gattungsmerkmale nicht wohl ins Gewicht fallen können. Dagegen
glaube ich in der großen Dornenzahl der Endtarsen und der fehlenden
medianen Haarleiste Merkmale gefunden zu haben, welche die Auf-
stellung einer eigenen Gattung rechtfertigen.
Gatt. Thestylus. 219
Die Gattung enthält zur Zeit nur eine Art. Wie es scheint
I . . ’
sind von derselben bisher nur Weibchen bekannt geworden. Nach
Analogie der gesammten übrigen Gattungen der Familie ist wohl
anzunehmen, daß auch hier die Männchen durch einen matten, fein-
gekörnelten Truncus, durch einen Dorn an der Unterhand, vielleicht
auch durch eine Grube auf der Blasenoberseite und durch unterseits
kiellose erste Caudalsegmente unterschieden sind.
1. Thestylus 6lasioui (Bertk.).
? 1836 Telegonus versicolor C. L. Koch (Arachn. IIL., p. 52, Fig. 207).
1880 Üercophonius Glasioui Bertk. (Ac. Bruxelles XLIH., p. 10, TA. 1, Fig. 1).
1880° Thestylus Glasioui Sim. (Soc. entom. France [5] X., p. 393).
Es ist nicht unwahrscheinlich, daß Kochs Telegonus
versicolor in der That hierher gehört; immerhin scheint mir diese
Annahme nicht sicher genug, um den Kosch’schen Artnamen voran-
zustellen. Mir liegen von dieser Art außer einer Anzahl ganz junger,
noch farbloser Embryonen nur die 2 Originalexemplare Bertkau’s,
zwei von Dr. v. Ihering mir übersandte Exemplare von San Paolo,
ein Exemplar aus dem Kopenhagener Museum, sowie ein trockenes
Exemplar der Münchener Sammlung vor, die sämmtlich, wie schon
erwähnt, weiblichen Geschlechts sein dürften.
Im äußeren Habitus, wie in der Färbung, stimmt diese Art
ziemlich mit einigen Arten der Gattung Bothriurus (B. vittatus und
chilensis) überein. Der Truncus ist mehr oder weniger pechbraun oder
lederbraun; das Abdomen häufig dunkler, mit brillenartigen gelben
Flecken auf den Seiten der Segmente. Cauda und die mehr lehmgelben
Beine erscheinen über und über schwärzlich netzig beraucht. Die
Bauchseite ist bei den Bertkau’schen Exemplaren auffallend weiß.
Cephalothorax und Abdomen sind glatt und glänzend;
der Stirnrand ist gerade oder in der Mitte ein wenig vorgezogen; der
Augenhügel ohne Längsfurche, doch kann letztere vor den Augen als
seichte Stirndepression entwickelt sein.
Die Cauda entspricht m der Ausbildung der oberen Uristen
im wesentlichen derjenigen von Bothriurus vittatus, d. h. es .smd nur
die Ränder der Schwanzoberseite etwas kielig geschärft, zuweilen auch
etwas körnig. Unterseits erkennt man im I. und II. Segment zwei
glatte, convergirende und am Ende des Segmentes mehr oder weniger
deutlich im Bogen sich verbindende Kielstreifen, die eine platte, fast
herzförmige Area umschließen (Fig. 105). Auf der Area namentlich
im I. Segment 2 grobe Buckel. Spuren der Kielstreifen auch im letzten
Bauchsegment. III. und IV. Segment der Cauda unterseits völlig glatt
220 Fam. Bothriuridae.
und glänzend. Das V. Caudalsegment läßt mit einiger Deutlichkeit
höchstens einen unteren Mediankiel erkennen, der aber dann nicht
durch eine Körnerreihe, sondern durch 2—3 feinere Körnchenreihen
dargestellt wird. Daneben am distalen Ende des Segments oft eine
dichte regellose Körnelung, die sich namentlich an den Seiten bis
ziemlich weit nach der Basis hin erstrecken kann. Im andern Fällen
ist der Mittelkiel kaum angedeutet, glatt, und an Stelle der reichen
Körnelung finden sich fast nur 3 gröbere Buckel jederseits am Ende,
als Andeutung von Lateralkielen. Die Blase ist unterseits körnig
oder höckerig.
Der Oberarm ist im Gegensatz zu den Bothriurusarten glatt
und glänzend, höchstens mit wenigen kraterförmigen Punkten besetzt.
Ebenso der Unterarm. Die Hand ist glatt, glänzend, kiellos, der
Außen- und Innenrand gerundet. Sie scheint verhältnißmäßig schmäler
zu sein, wie bei Bothriurus (größte Handbreite — 1,7 bis 1,9 mm),
doch ist bei dem geringen Untersuchungsmaterial hierüber kein end-
gültiges Urtheil zu fällen. Das Verhältniß von Länge der Hinterhand
zur Handbreite = 1:0,6 bis 1: 0,8. Die Finger sind deutlich länger,
als bei den Bothriurusarten, zeigen jedoch in den Körnchenreihen der
Schneide keine wesentlichen Verschiedenheiten. Das Verhältniß der
Länge des beweglichen Fingers zu der der Hinterhand = 1:0,62 bis
1330808;
Die Zahl der Kammzähne betrug in 2 Fällen 11, 11, m
einem 12, 12, in zweien 13, 13; die Zahl der meist eckigen Mittel-
lamellen schwankt zwischen 5 und 7.
Die Länge des Truncus schwankte zwischen 15 und 17 mm
bei 19 mm Caudallänge.
Als Heimath des Thestylus Glasioui wird von Bertkau Pedra
acu in Brasilien angegeben ; die von Iherimg’schen Exemplare stammen
von San Paolo; das Kopenhagener von Rio. Das Münchener Exemplar
ist ohne Fundort.
3. Gatt. Urophonius Poc.
Bothriuriden mit einfacher Reihe perlschnurförmiger
Mittellamellen der Kämme. Tarsenendelieder außer einer
medianen Haarleiste mit 6—7 Paar Dornen längs der
Unterseite kammförmig besetzt. Gehstachel verhältniß-
mäßig klein. Körnchen der Scheerenfinger am Grunde
oder fast bis zur Spitze zweireihig (Fig. 100); beiderseits
außerdem 6 grobe Außenkörnchen. Vordere Caudal-
glieder breiter oder so breit als lang, unterseits meist
Gatt. Urophonius. 22]
mit groben Buckelkörnern besetzt. Blase sehr gestreckt,
ganz allmählich in einen kurzen Stachel übergehend.
Medianfurche den Augenhügel durchziehend. Geschlechter
verschieden. Truncus beim Weibchen glatt, beim Männchen
gsekörnt. Hand des Männchens unterseits mit halbmond-
formieer Grube, semesu Blase oberseits mit, ovaler
Vertiefung.
Von den beiden bisher beschriebenen Arten dieser Gattung
dürfte der U. Iheringii Poc. zu streichen sein, da er keine greif-
baren Unterschiede von dem Thorell’schen U. brachycentrus
erkennen läßt. Wir haben es daher auch hier nur mit einer einzigen
Species zu thun.
Urophoninus brachycentrus (Thor.).
1877 Cercophonius brachycentrus Thor. (Atti soc. ital. XIX., p. 180).
1893 Urophonius Iheringii Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. Ser. 6, Vol XH., p. 101) .
Die Färbung dieses zierlichen, mir in 8 Exemplaren vorliegenden
Scorpions ist scherbengelb mit schwarzer Flecken- und Bindenzeichnung.
Die Mittellinie des Truncus zeigt in der Regel die Grundfarbe;
beiderseits treten schwarze Binden auf, die aber oft auf den einzelnen
Abdomimalsegmenten durch hellere halbmondförmige Flecke unterbrochen
sind. Die gelbrothe Cauda ist schwarz netzig linürt; die gelbrothe
Hand nebst den Armen schwarz gestrichelt. Die gelben Beine sind
fleckig beraucht, ebenso oft die Blase.
Der Cephalothorax ist vorn gerade abgeschnitten; er trägt
in der Mittellinie vor den Augen eine tiefe, nach vorn verbreiterte
Längsfurche, die über den Augenhügel zieht und sich mit der gewöhnlichen
Medianfurche hinter den Augen verbindet. Die Oberseite des Truncus
ist beim Weibchen glatt, ungekörnt und glänzend, beim Männchen
hingegen matt, auf dem Cephalothorax gröber, auf dem Abdomen
feiner gekörnt. Von den Abdominalsegmenten zeigt das letzte
oberseits eine deutliche, unregelmäßige Körnelung oder Runzelung, und
am Hinterande gröbere Buckel.
Die Gauda ist sehr dünn; die oberen Kiele der 4 ersten
Segmente sind meist schwach oder gar nicht entwickelt, können jedoch
sogar auch mit Körnchenreihen besetzt sein. Unterseits findet man
auf dem I. Segment statt der üblichen 4 Längskiele in der Regel
grobe Buckel, welche in ein oder zwei Querreihen angeordnet sind.
Auch das II. und zum Theil das III. Segment sind unterseits etwas
runzelig körnig, während das IV. Segment glatt und glänzend erscheint.
Das V. Segment ist auffallend gestreckt, zuweilen fast kiellos, in
222 Fam. Bothriuridae.
anderen Fällen (Männchen) mit durchgehendem unteren Mediankiel
und unteren Lateralkanten. Am distalen Ende treten außerdem
zerstreute Körnchen in größerer oder geringerer Entwickelung auf.
Die langgestreckte Blase ist glatt oder — beim Männchen — am Grunde
etwas körnig und trägt beim Männchen eine ziemlich scharf abgesetzte,
lang ovale Grube oberseits; der Stachel ist ungewöhnlich kurz.
Der Oberarm ist fast vierkantig, kaum körnig, aber mit einigen
kraterförmigen Vertiefungen besetzt. Der Unterarm zeigt eine platte
Oberfläche, welche von der Hinterseite durch eine ziemlich scharfe,
kielige Kante sich absetzt. Die Hand ist glatt, glänzend, am Außen- und
Innenrande etwas kielig geschärft; sie trägt beim Männchen an der
Unterseite am Grunde des unbeweglichen Fingers eine halbmondförmige
Grube, deren dem beweglichen Finger zugekehrter Rand an einer
Stelle sich leistenförmig erhebt und so eine Art abgestumpften oder
kurz eristenförmigen Dorns darstellt. Die Breite der Hand ist gering,
bei den untersuchten Exemplaren nicht über 2,7 mm; das Verhältniß
der Länge der Hinterhand zur Handbreite = 1:0,6 bis 1:0,8.
Die Finger sind meist länger als die Hinterhand: ihr Längen-
verhältniß zeigte Schwankungen zwischen 1:0,7 und 1:0,92. Die
Anordnung der Körnchen auf der Scheerenschneide ist nicht überall
in gleicher Weise ausgebildet; bei einigen Individuen zeigte sich die
unregelmäßige Doppelreihe fast auf der ganzen Länge der Schneide,
während bei anderen nur hie und da kurze Strecken doppelkörnig
erscheinen, in beiden Fällen natürlich abgesehen von den beidseitigen
sroben Außenkörnchen.
Die Zahl der Kammzähne beträgt beim Männchen gewöhnlich
15 (—17), beim Weibchen 13 oder 14, so daß wir die Grenzwerthe
13 und 17 erhalten. Die Zahl der gerundeten, aber großen Mittel-
lamellen ist beim Männchen meist 10, beim Weibchen 8 oder 9.
Die Körpergröße erwachsener Individuen beträgt etwa
3035, mm.vkTruncusi=Cauda — 1.2713,52bis 121,9):
Die Heimath des Urophonius brachycentrus ist Argentinien,
Uruguay und das südwestliche Brasilien, doch liegt mir auch ein
Exemplar aus Valparaiso vor.
4. Gattung Bothriurus Pet. (emend).
Typische Gattung der Bothriuriden, mit einer oder
doch nur am Grunde undeutlich doppelten Reihe meist
perlschnurartiger Mittellamellen der Kämme (Fig. 104).
Tarsenendglieder außer einer medianen Haarleiste nur
mit 2—3 Paar Dornen längs der Unterseite (Fig. 110). Geh-
Gatt. Bothriurus. 293
stachel verhältnißmäßig klein. Schrägreihen der Scheeren-
finger fast eine gerade Linie auf der Schneide bildend;
beiderseits je 5—6 grobe Außenkörnchen (Fig. 101). Vordere
Caudalglieder breiter oder so breitalslang. Geschlechter
verschieden. Männchen mit Handdorn oder Grube auf
der Handunterseite, mit grobkörnigem oder doch mattem
Truncus oberseits und oft mit napfförmiger Grube auf der
Dorsalfläche der Blase. Weibchen ohne Handdorn, mit
feiner gekörntem und zum Theil glattem, glänzendem
Trunecus, ohne napfförmige Grubederdorsalen Blasenfläche.
Die vorstehend charakterisirte Gattung, in deren Diagnose ich
den bisher als Hauptmerkmal geltenden halbkreisförmigen Eindruck am
Ende der Unterseite des V. Caudalsegments als völlig unwesentlich
und nur für gewisse Formen zutreffend, nicht aufgenommen habe,
dürfte etwa die folgenden, bisher unterschiedenen Arten umfassen:
Buthus vittatus Guer., Scorpio d’OÖrbignyi dGuer., Brotheas
bonariensis Koch, Br. erythrodactytus Koch, Br. nigro-
cinctus Koch, Br. angustus Koch, Cercophonius chilensis
Karsch, Timogenes sumatranus Sim., Bothriurus coriaceus,
Keyserlingii, asper und signatus Poc. Von diesen 11 Arten,
denen noch eine zwölfte, neue hinzuzufügen ist, erweisen sich zunächst die
Koch’schen Arten als unter sich synonym und wahrscheinlich identisch
mit dem Buthus vittatus Guer. Der Timogenes sumatranus ist
vielleicht (vgl. unten) dasselbe wie Scorpio d’Orbignyi, während der
Bothriurus signatus Poc. dem Cercophonius chilensis Karsch entspricht.
Die übrigen Pocock’schen Formen (coriaceus, Keyserlingii und asper)
vermag ich als Arten nicht anzuerkennen, so daß der Hauptsache nach
nur 4 Arten zu unterscheiden wären, für welche die folgende
Bestimmungstabelle dienen möge:
A. 1.—IV. Caudalsegment mit deutlichen, gekörnten oberen Median-
und Lateralkielen. Untere Lateralkiele des V. Segments ebenfalls
fast der ganzen Länge nach entwickelt, körnig. Finger so lang
oder länger als die Hinterhand. Kammzähne 20—26.
a. Letztes und etwas auch das vorletzte Caudalsegment auffallend
platt gedrückt, viel breiter, als hoch. V. Caudalsegment unter-
seits mit nur schwach entwickeltem Mediankiel, aber vor dem
hinteren Drittheil mit einer scharfen, fein gekörnelten oder
glatten, bogigen Querleiste, durch welche eine hintere, fast
quadratische, flache Area abgegrenzt wird (Fig. 107). Männchen
mit tiefer Grube an der Handunterseite, ohne Dorn.
1. B. d’Orbignyi (Guer.), p. 224.
224 Fam. Bothriuridae.
b. Letztes und vorletztes Caudalsegment nicht platt gedrückt,
V. Gaudalsegment unterseits ohne scharf abgesetzte, durch eine
Querleiste abgegrenzte End-Area, mit deutlichem, durchgehendem,
grobkörnigem Mediankiel (Fig. 106). Daneben auf der Fläche
jederseits noch je ein unregelmäßiger, körniger, am Ende nach
außen geschweifter Nebenkiel (außer den eigentlichen unteren
Lateralkielen). Männchen nur mit flachem Eindruck an der
Handunterseite, mit Dorn. 2. B. Burmeisteri n. sp., p. 227.
B. Alle Caudalsegmente oder doch das IH. und IV. ohne obere
Lateralkiele; meist nur die oberen, die Caudaloberfläche
begrenzenden Kiele deutlich entwickelt. Untere Lateralkiele des
V. Segments nur am distalen Ende mehr oder minder deutlich
und hier oft durch bogenförmiges Zusammenneigen nach der
Medianebene eine halbmondförmige Grube abgrenzend. Unterer
Mediankiel des V. Segments fehlend oder vorhanden. Finger
meist kürzer als die Hinterhand. Kammzähne I2—-22.
a. V. Caudalsegment unterseits am Ende mit emer grubenartigen
Vertiefung, welche von einer halbkreisförmigen Körnchenleiste
begrenzt wird (Fig. 108). Diese bogige Körnchenreihe an den
Seiten nicht oder kaum durch sich anschließende Körnchen als
seitliche Lateraleristen nach der Basis zu fortgesetzt. I. Caudal-
segment unterseits glatt (*) oder schwach vierkantig (2). Kamm-
zähne meist 20, selten bis 14 herab. Das durch den Handdorn
kenntliche reife Männchen mit kugelrunder napfförmiger Grube
auf der Oberseite der Blase. 3. B. vittatus (Guer.), p. 228.
b. V. Caudalsegment unterseits ohne scharf abgesetzte halbkreis-
förmige Grube, indem die unteren Lateraleristen nicht zu
einem geschlossenen Bogen in der Mediane sich vereinigen,
sondern seitlich mehr oder minder weit gegen die Basis des
Segmentes sich erstrecken. Zwischen diesen Lateralcristen
unregelmäßige, auch wohl gegen die Mittellinie convergirende
Körnchenreihen (Fig. 109). I. Caudalsegment unterseits fast
glatt (S) oder mit 4 deutlichen gekörnelten Kielen (2). Kammzähne
meist 15, selten bis 20. Das durch den Handdorn kenntliche
Männchen meist nur mit beulenförmiger Vertiefung auf der
Oberseite der Blase. .......4. B. chilensis (Karsch), p. 232.
l. Bothriurus d’Orbignyi (Guer.).
1843 Scorpio d’Orbignyi Gu6r. (Iconogr. du regne anim., Arachn., p. 12).
1844 Scorpio Dorbignyi Gerv. (Ins. Apt. III., p. 58).
1878 Bothriurus d’Orbignyi Thor. (Atti Soc. ital. XIX., p. 170).
? 1880 Timogenes sumatranus Sim. (Soc. ent. France [5] X., p. 395).
Gatt. Bothriurus. 225
Diese Art, welche mir nur in 4 Exemplaren (1 Männchen,
3 Weibchen) vorliegt, ist neuerdings von Thorell so gut beschrieben,
daß sie nicht wohl zu verkennen ist. Sehr in die Augen fallend ist
namentlich die dorso-ventrale Abplattung des V. Caudalsegmentes und
die eigenthümliche, fast viereckige End-Area an der Unterseite desselben,
dessen proximale Begrenzungslinie nicht, wie bei Bothriurus vittatus,
bogenförmig in den gekörnelten Hinterrand des Segmentes zurück-
läuft, sondern sich jederseits mit der unteren Lateralcriste, etwa im
letzten Drittel des Segmentes verbindet. Da nun beide Merkmale
nach Simons Schilderung auch dem Timogenes sumatranus zu-
kommen, so wäre zum mindesten die Gattung Timogenes zu streichen,
zumal die sonst von Simon als.Unterschiede von Bothriurus angegebenen
Merkmale (Cephalothorax vorne mehr gerundet, Hand außen gekielt)
sicher zur generischen Trennung nicht ausreichen. Aber auch die
übrigen von Simon aufgeführten Charaktere des Timogenes sumatranus
passen der Hauptsache nach so gut auf die mir vorliegenden Exemplare
von Bothriurus d’Orbignyi — nur die kurzen Finger und der scharf
ausgeprägte Außenkiel der Hand könnten Bedenken erregen —, daß
ich bis auf Weiteres beide Formen für identisch halte. Der auffallende
Fundort Sumatra kann bei der leichten und vielfach beobachteten
Verschleppung der Scorpione durch den Schiffsverkehr nicht Wunder
nehmen; andererseits müßte das Auftreten einer specifisch indischen
Art bei einer sonst ausschließlich amerikanischen und — in einer
abseits stehenden Gattung — australischen Familie vom thiergeogra-
phischen Standpunkte aus als höchst unwahrscheinlich bezeichnet
werden. Die Bedenken Pococks (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XII.,
p. 96) über die Identität von Thorell’s B. d’Orbignyi mit dem von
Guerin kann ich nicht theilen, da die hervorgehobenen Unterschiede
sich als Geschlechtscharaktere erweisen.
Die Färbung des B. d’Orbignyi ist ziemlich einfarbig gelbroth,
bei jüngeren Individuen mehr graugelb.
Die Oberseite des Truncus ist beim Weibchen glänzend und
nur fein zerstreut gekörnelt; beim Männchen ist sie matt, und die
Körnchen treten etwas deutlicher hervor. Der Vorderrand des
Cephalothorax ist entweder ganz seicht und kaum merklich ausgerandet
oder schwach gerundet. Der Augenhügel ist nicht von einer Furche
durchzogen und steigt allmählich zum Stirnrande ab, vor dem er
bisweilen eine seichte Längsgrube bildet. Die Bauchsegmente sind in
beiden Geschlechtern glänzend, ohne Criste auf dem letzten Segment.
Das I. Caudalsegment ist etwa so lang wie breit, die übrigen
sind sämmtlich länger als breit. _Neben den zwei oberen Körnercristen
15
2936 Fam. Bothriuridae.
A
der Segmente I—IV finden sich im I.—IIl. Segment darunter noch
nach vorn abgekürzte Nebencristen, welche mit den oberen Lateral-
eristen jederseits eine ziemlich tiefe, dreieckige Längsgrube am Ende
des Segmentes einschließen. Die Unterseite der 4 ersten Segmente ist
völlig kiellos, glatt und glänzend in beiden Geschlechtern. Die Ober-
kanten des V. Segmentes sind mehr oder weniger gerundet und kiellos,
doch sind die dann folgenden oberen Seitencristen deutlich kielig und
meist körnig. Bei der geringen Höhe des Segmentes sind sie den
unteren Lateraleristen auffallend nahe gerückt, so daß nur eine
schmale Furche zwischen ihnen bleibt. Ein unterer mittlerer Kiel ist
namentlich beim Männchen körnig entwickelt, schwindet aber z. Th.
fast ganz bei den Weibchen. Die Leiste welche die große End-Area
dieses Segmentes proximal begrenzt, ist körnig oder fast glatt; die
Area selbst zeigt in der Mitte emen Längs-Körnerhauf (Fig. 107)
oder eine Körnchenreihe. Die Oberseite der Blase trägt beim
Männchen keine scharf abgesetzte napfförmige Grube; unten ist
sie gekörnelt.
Der Oberarm erscheint oben mehr oder weniger gerundet,
doch kann am Hinterrande auch eine Körnchencriste ziemlich deutlich
entwickelt sein. Der Unterarm wird an der Oberseite vorn von
einer gekörnten oder fast glatten Kante begrenzt. Die Hand ist
kiellos, doch zeigt sich der Außenrand bei jüngeren Exemplaren mehr
oder minder zugeschärft; sie ıst glatt und glänzend, letzteres mehr
beim Weibchen, als beim Männchen, bei dem die Fläche fein ein-
gestochen punktirt erschemt. Die Breite varıırt außerordentlich, wie die
absoluten Maaße 2,3 mm bis 6,5 mm beweisen mögen. Das Verhältniß
der Länge der Hinterhand zur Handbreite schwankt zwischen 1 : 0,66
und 1:0,97. Für das Männchen ist namentlich eine tiefe, fast
taschenförmige Grube an der Basis des unbeweglichen Fingers
charakteristisch. Der bewegliche Finger ist stets länger als die Hinter-
hand; ich fand die Verhältnißzahlen 1:0.77 bis 1:0,9. Die Angaben
von Simon für Timogenes passen nur dann auf die vorliegende Art,
wenn man die Länge der Hand vom Grunde bis zu ihrer Ver-
schmälerung m den unbeweglichen Finger mißt.
Die Zahl der Kammzähne beträgt bei dem Männchen 25, 26,
bei drei Weibchen je 21, 21. Thorell nennt für die Weibchen die
Zahlen 18—22, für die „Männchen‘ die aber wahrscheinlich ebenfalls
Weibchen waren, da er der auffallenden Handgrube keine Erwähnung
thut) 23—27. Im Allgemeinen werden wir also wohl die Zahlen 18
und 27 als Grenzwerthe setzen können,
‚Gatt. Bothriurus. 9937
Das größte von mir untersuchte Exemplar hatte eine (resammt-
länge von 71 mm (Truncus : Cauda = 34:37); Thorell beschreibt
eines von 86 (= 36 +50) mm Länge und hat hierbei jedenfalls ein
besonders großes Weibchen vor sich gehabt. Ein ausgewachsenes
Männchen lieferte die Maaße Truncus + Cauda = 23 + 55 = 63 mm.
Die Heimath des B. d’Orbignyi schemt namentlich Argen-
tinien zu sein. Guerin giebt ihn auch für Bolivien an. Ein
Exemplar des Kopenhagener Museums trägt die Etikette „Port
Elizabeth“.
2. Bothriurus Burmeisteri n. sp.
Die wichtigsten Unterschiede dieser Art von B. d’Orbignyi sind
schon m der oben gegebenen Bestimmungstabelle aufgeführt. Beide
Formen stehen, wie beiläufig bemerkt werden mag, in Bezug auf die
Sculptur der Unterseite des V. Caudalsegmentes fast genau in demselben
Verhältniß zu einander, wie B. vittatus zu B. chilensis.
Die Grundfärbung dieser mir nur in 2 Exemplaren (5' und 9)
vorliegenden Art ist ebenfalls gelbroth; sie wird aber namentlich auf
der Oberseite des Truncus mehr oder weniger verdeckt durch schwarze
Fleckenzeichnungen, welche sich auch auf den Körperanhängen, den
Armen, Händen und Beinen, als linienförmige oder netzige Zeichnung
bemerklich machen. In gleicher Weise sind die fehlenden Längskiele
der Caudalunterseite durch schwarze Längsstreifen markirt, während
an den vorhandenen Cristen nur die erhabenen Körnchen selbst durch
ihre schwarze oder doch dunkle Färbung auffallen.
Die Oberseite des Thorax und Abdomens ist beim Weibchen
fast völlig glatt, körnchenlos und glänzend, beim Männchen hingegen
matt und so dicht gleichmäßig mit feinsten Körnchen besetzt, daß die
Flächen fast wie eingestochen punktirt erscheinen. Der Vorderrand
des Cephalothorax ist gerundet; beim Männchen zeigt der Augenhügel
eine seichte Rinne, beim Weibchen ist er gewölbt. Von den Abdominal-
segmenten, welche beim Weibchen glänzender sind, als beim Männchen,
trägt das letzte in beiden Geschlechtern eine mehr oder minder aus-
geprägte feine runzelige Körnelung.
Die beiden oberen Caudalcristen des I.—IV. Segments, wie
auch die darauf folgenden abgekürzten Nebencristen, gleich denen von
B. d’Orbignyi, nur die Körner sehr grob und nach hinten weit entfernt
stehend. Ebenso fehlt im I.—IV. Segment jede Spur von unteren
Median- und Lateralkielen. Sehr abweichend hingegen ist das V.
Caudalsegment. - Dasselbe entbehrt zunächst nicht nur der scharfen
oberen Randkante (oberen Mediancriste), sondern. auch der oberen
15*
2938 Fam. Bothriuridae.
Lateralcristen. Das Segment trägt demnach nur 3 (resp. 5) scharf
ausgeprägte Cristen, die sämmtlich an der Unterseite des Segmentes liegen,
nämlich die untere Median- und die unteren Lateralcristen, welche
alle drei mit äußerst groben, dunklen Körnchen besetzt sind. Die
obere Seitenfläche dieses Segments (zwischen unteren Lateralkielen und
Oberkante) ist namentlich beim Männchen zerstreut verschiedenkörnig,
beim Weibchen glänzender und weniger körnig. Die zwischen unteren
Median- und unteren Lateralkielen liegenden zwei Flächen zeigen
ebenfalls grobe Körnelung, aus der sich namentlich je eine Körner-
reihe mehr weniger scharf heraushebt, die am Grunde des Gliedes
zunächst mit dem Mediankiel parallel läuft, um dann im letzten Drittel
bogig nach außen zu biegen und sich mit der betreffenden Lateralcriste
kurz vor dem Ende des Segmentes zu verbinden (Fig. 106). Auch die oberen
Seitenflächen der ersten Segmente sind mehr oder weniger mit Körnchen
bestreut. Die Blase ist bei beiden Geschlechtern unterseits grobkörnig;
sie zeigt beim Männchen keinen napfförmigen Eindruck auf der Oberseite.
Oberarm, Unterarm und Hand gleichen den entsprechenden
Theilen von B. d’Orbignyi. Das Männchen entbehrt indessen der tiefen
taschenförmigen Grube am Grunde des unbeweglichen Fingers; an
Stelle dessen findet sich nur ein seichter Eindruck, an dessem Rande
ein starker, geschwärzter Dorn sich bemerklich macht. Die Hände
des einen mir zu Gebote stehenden jungen Weibchens zeigen unterseits
concav eingedrückte Flächen. Der Außenrand der Hand erschemt
fast noch mehr gekielt, als bei der vorigen Art. Die absoluten Hand-
breiten fand ich zu 2 (2 juv.) und 4,5 (g' ad.) mm; das Verhältniß
von Länge der Hinterhand zur Handbreite = 1:0,63 und 1: 0,96;
das der Länge des Fingers zur Hinterhand = 1:0,84 und 1: 0,72.
Die Zahl der Kammzähne betrug 21 und 22 (Fig. 104).
Die Länge des jungen Weibchens wurde zu 16,5 (Truncus) + 19
(Cauda) = 35,5 mm, die des Männchen zu 20,5 + 34 = 54,5 mm gefunden.
Als Fundort wurde mir von Prof. Burmeister, dem ich
diese Thiere verdanke, Argentinien angegeben.
3. Bothriurus vittatus (Guer.)
1830 Buthus vittatus Guer. (Voyage de la Coquille, Zool. II. 2, p. 50).
1839 Brotheas angustus C. L. Koch (Arachn. VIII., p. 89, Fig. 658).
1842 > bonariensis C. L. Koch (Arachn. X., p. 12, Fig. 762) J'.
1842 n erythrodactylus ©. L. Koch (Arachn. X., p. 16, Fig. 764) 2.
1842 e: nigrocintus ©. L. Koch (Arachn. X., p. 14, Fig. 763).
1843 Scorpio Gervaisii Guer. (Iconogr. du regne anim., Arachn., p. 10).
1877 Bothriurus vittatus Thor. (Atti. Soc. ital. XIX., p. 168).
? 1893 en coriaceus Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XIL., p. 9).
? 1893 2 asper Poc. (ibid. p. 96).
Gatt. Bothriurus. 399
ne
Daß Bothriurus vittatus Guer. und Brotheas bonariensis
Koch identisch seien, hat schon Thorell (Etud. scorp., p. 169) als
wahrscheinlich hervorgehoben; die hiergegen von Pocock (Ann. Mae,
Nat. Hist. [6] XH., p. 94) geltend gemachten Bedenken kann ich
nicht theilen, da sich unter meinem Material neben vielen anderen
Farbenvarietäten in der That auch eine ganz hellgelbrothe Form mit
dunklen Querstreifen am Hinterrande der Segmente findet.
Der Br. erythrodactylus Koch ist nach Thorell lediglich das
Weibchen des B. vittatus, der Br. nigrocincetus eine der mannig-
fachen Farbenvarietäten, während der aus dem „südlichen Rußland“
angegebene Br. angustus, wie ich mich durch Untersuchung des
Örigmalexemplars überzeugte, als ein junges Männchen des B. vittatus
anzusprechen ist.
Die neuerdings von Pocock unterschiedenen Arten sind so
wenig scharf charakterisirt, daß ich mich nicht entschließen kann, sie
als selbständige Formen anzuerkennen. B. coriaceus soll sich von
der Hauptform 1. durch gestrecktere Stigmen, 2. durch die fein
granulirte Bauchseite, 3. durch Verlängerung der unteren Lateralkiele
des V. Segments proximalwärts über die Area hinaus unterscheiden.
Die Form der Stigmen variirt aber nach meinen Beobachtungen ganz
außerordentlich, und glaube ich behaupten zu können, daß junge
Individuen gerundete, mittlere ovale und alte gestreckt-schlitzförmige
Stigmen besitzen. Die feine Chagrinirung der Unterseite finde ich
ebenfalls bei alten Männchen sehr häufig ausgeprägt, wie denn die
Var. rugosus Thor., die Pocock. mit Unrecht als eigene Art
ansehen möchte (l. ce. p. 95), wahrschemlich in Folge einer nach-
weisbaren Verletzung der Cauda, sogar eine grob querrunzelige
Unterseite besitzt. Für die Verlängerung der Lateralkiele über die
Area hinaus aber lassen sich die verschiedensten Zwischenstufen bis
zum Normalen herab, auffinden. Der B. asper ist noch „more
noticeably granular“ unterseits (aber doch nur „minutely and closely“),
und die Haarleiste in der Mittellinie der Endtarsen ist stärker aus-
geprägt. In Bezug auf letzteren Punkt darf darauf hingewiesen werden,
daß auch hier weitgehende Variationen nachzuweisen sind, und daß
namentlich alte Männchen oft kaum eine Spur der Haarleiste mehr
erkennen lassen. Der B. Keyserlingii endlich ist zwar wohl
definirbar, nimmt aber eine derartige Mittelstellung zwischen B. vittatus
und chilensis ein, daß ich ihn fast als Bastardbildung auffassen möchte
und ihn daher vorläufig als Varietät des B. vittatus in einen Anhang
verweise.
230 Fam. Bothriuridae.
Die Färbung dieser Art, von der mir im Ganzen eimige
40 Exemplare zur Verfügung standen, varıırt ganz ungemein. Die
Mehrzahl der Individuen ist dunkel kastanienbraun, auch an den
Extremitäten, von denen nur die Spitzen heller roth oder gelbroth
erscheinen, während die Cauda unterseits zuweilen eine breite helle
Mittelbinde zeigt, die bis in das V. Segment hineinreicht. Bei anderen
Exemplaren ist der Truncus rostbraun bis pechbraun, die Cauda
gelbroth mit dunklen Längsbinden, die Hände gelbroth oder rothbraun,
die Beine hellgelb. Wieder bei andern ist der Truncus hell scherben-
gelb bis schmutzig gelbbraun, mit dunkleren, oder aber helleren hinteren
Abdominalrändern, oder in der verschiedensten Weise dunkel fleckig
beraucht (schwarze kurze Querstriche am Hinterrande der Segmente,
helles Oval mit dunklem Centrum oder dunkle Ovaltlecke jederseits
der Mitte des Segments etc). Die Extreme der fast schwarzen und
der gelblich weißen Individuen scheinen auf den ersten Blick kaum
zu einander zu gehören.
Männchen und Weibchen sind meist schon durch die Körnelung
der Truncusoberseite zu unterscheiden. Das Weibchen besitzt
meist einen glatten glänzenden Cephalothorax (eine Ausnahme macht
das mir als Monstrosität erscheinende Weibchen, das Thorell als
rugosus beschrieben), und auch das Abdomen ist fast glatt, während
beim Männchen die ganze Oberfläche sehr fein aber dicht gekörnt
erscheint. Die Unterseite der Abdominalsegmente ist beim Weibchen
fein eingestochen punktirt oder nadelrissig, beim Männchen aber häufig
außerdem feinkörnig chagrmirt. Die Vorderseite des Cephalothorax
ist gerade abgeschnitten, seicht gerundet oder ganz leicht ausgerandet.
Der Augenhügel läßt häufig genug eime seichte Furche erkennen,
welche sich nach vorn bis in die Nähe des Stirnrandes hinzieht; in
anderen Fällen verliert sich diese Furche schon eine ziemliche Strecke
vor der Höhe des Augenhügels.
Von den Kielen der Cauda sind in allen 5 Segmenten stets nur
die oberen Mediancristen, d. h. die die Oberseite der Cauda begrenzenden
Kiele körnig entwickelt, und auch sie können im vorderen Theile ihre
Körnelung noch theilweise verlieren. Von den oberen Lateralcristen
und den Nebencristen finden sich stets nur an den Vorder- und Hinter-
rändern im I.—Ill. Segment kantenförmige Rudimente, welche dann
mehr oder minder tiefe kurze Längsgruben in den oberen Hinterecken
begrenzen. Das IV. Segment zeigt lediglich die kielige Begrenzungs-
linie der Oberkante. Unterseits besitzt die Cauda im 1.—IV. Segment
meist kemerlei Andeutung von Kielen; nur sehr selten beobachtete ich
im I. Segment eine schwachkantige Entwickelung der unteren Lateral-
Gatt. Bothriurus. 231
cristen. Die Flächen der vier ersten Segmente sind beim Männchen in
der Regel chagrinirt, beim Weibchen glatt oder fein punktirt; auf dem
oberen „Umschlag“ der drei ersten Segmente stehen gröbere Körnchen.
Das II. Caudalsegment ist stets breiter als lang. Das V. Caudalsegment
zeigt in seiner bogenförmig abgegrenzten Area am Hinterrande der
Unterseite eine so eigenartige Bildung, daß man dieselbe als Gattungs-
charakter verwerthen zu können geglaubt hat. Demgegenüber darf
ich hervorheben, daß die Vergleichung zahlreicher Exemplare dieser Art
sowohl, als der folgenden, B. chilensis, eine ganze Reihe verschiedener
Entwickelungsstufen dieser Area auffinden ließ, dergestalt, daß gewisse
Formen des B. chilensis nur schwer von denen des B. vittatus zu
unterscheiden sind, wie dies bei jener Art des Näheren zu erörtern.
Bei dem typischen Auftreten der Area (Fig. 108) handelt es sich
um eine halbkreisförmige Körnchenreihe, die vom Hinterrande beginnend,
die Mittellmie des Segments in etwa dem letzten Drittel semer Länge
durchschneidet, um wieder zum Hinterrande zurückzulaufen. In der Area
selbst findet sich ein mittlerer Körnerhauf, während außerhalb derselben
nur einige wenige Körnchen auftreten, welche namentlich den mittleren
Körnerhauf der Area proximalwärts fortzusetzen pflegen. — Die Blase
ist unterseits grobkörnig oder feinkörnig; oberseits trägt sie beim reifen
Männchen eine tiefe napflörmige, meist matte Grube, die aber bei
Jüngeren Thieren noch nicht so scharf abgesetzt ist, wie bei älteren.
Der stark gekörnte Oberarm und der elatte Unterarm
bieten weiter keine Besonderheiten. Die Hand ist glatt und glänzend,
mit zerstreuten, eimgestochenen Punkten besetzt, am Innenrande und
oft auch am hinteren Außenrande etwas kielig geschärft. Beim Männchen
findet sich auf der Unterseite an der Einlenkungsstelle des beweglichen
Fingers am Rande einer seichten Depression ein dunkel gefärbter
Dorn. Die größte absolute Breite fand ich zu 5 mm; das Verhältniß
der Länge der Hinterhand zur Handbreite = 1:0,8 bis 1: 1,04.
Der bewegliche Finger ist meist deutlich länger, als der unbewegliche;
er übertrifft nur bei jungen Individuen die Hinterhand um ein Geringes
an Länge, später ist er ihr gleich oder kürzer (bis 1: 1,5).
Die Zahl der Kammzähne schwankt zwischen 17 und 22,
wobei über 50 % auf die Zahl 20 entfallen und nur wenige auf die
Grenzwerthe. Die Zahl der Mittellamellen beträgt 12—16 (meist 15).
Das größte mir vorliegende Individuum mißt 55
(= 24 + 31) mm, was ein Verhältnis von Truncus zur Cauda = 1: 1,3
ergiebt; andere Messungen lieferten Verhältnisse bis zu 1: 1,1 herab.
Als Heimath des Bothriurus vittatus kennen wir Argentinien,
Uruguay und die ganze atlantische Küste von Brasilien bis nach
339 Fam. Bothriuridae.
Rio Grande und Ceara im Norden, so daß die Art über den größten
Theil des östlichen Südamerika verbreitet sein dürfte. Auch aus Chile
liegen mir Exemplare vor, und Pocock berichtet, daß das Britische
Museum solche mit der Etikette Peru besitze.
Als zweifelhafte Mittelform ist schließlich noch zu betrachten
der B. vittatus « Keyserlingii Poc. (= B. Keyserlingü Poc.,
Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XII, p. 96). Habitus der Hauptform, aber
Area kaum vertieft, ganz allmählich basalwärts in die Hauptfläche
des V. Caudalsegments übergehend, grobkörnig. Seitencristen der Area
schwach bogig, nur etwas geschweift gegen die Mittellinie ziehend und
bald verschwindend. Weibchen mit 13, 13, Männchen mit 14, 15
Kammzähnen. Weibchen mit 4 abgekürzten. deutlichen, glatten Kielen
im letzten Bauchsegment; ebenso unterseits im I. Caudalsegment. Beim
Männchen sind die Kiele des letzten Bauchsegments etwas schwächer
und die des I. Abdominalsegments nur als schwache Kanten nachzu-
weisen. Es entspricht diese Kielbildung völlig derjenigen bei B. chilensis,
mit der unsere Varietät auch die Zahl der Kammzähne gemeinsam hat.
Es ergiebt sich hieraus und m Hiblick auf die dem B. vittatus
entsprechende Area des V. Caudalsegments eine völlige Mittelstellung
des B. Keyserlingii Poc. zwischen den von mir angenommenen zwei
Hauptformen, :so daß man vielleicht an eine Bastardbildung beider
Arten zu glauben geneigt sein könnte. — Die Exemplare sind auffallend
klen; das etwas größere Weibchen ist nur 32 (= 15 + 17) mm lang.
Das eine der mir vorliegenden Exemplare (Männchen) stammt
aus Rio Grande in Brasilien, das Weibchen aus Chile; auch das
Pocock’sche Original trägt die Etikette: „Chile oder Peru“.
4. Bothriurus chilensis (Karsch).
? 1782 Scorpio chilensis Molina (Saggio sulla Storia nat. del Chile, Bologna.
Ins. Apt., p. 347).
1879 Cercophonius chilensis Karsch (Münch. ent. Mitth. 1879, p. 36).
1893 Bothriurus signatus Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XII., p. 97).
Diese Art, von der mir 17 Exemplare zur Untersuchung vor-
lagen, steht dem B. vittatus so nahe, daß es oft schwer wird, sie von
jenem mit Sicherheit zu unterscheiden, und daß von einer generischen
Trennung, wie sie bisher angenommen, gar nicht die Rede sein kann.
Ob der Telegonus versicolor C. L. Koch hierher gehört oder aber,
wie wahrscheinlicher, mit Thestylus Glasioui identisch ist, wage ich
nicht zu entscheiden. Ebenso wenig bin ich im Stande, die brieflich
von Pocock geäußerten Zweifel zu heben, ob der Sc. chilensis Mol.
Gatt. Bothriurus. 933
wirklich mit dem von Karsch beschriebenen Cercoph. chilensis identisch
sel. Da demnach die Molina’sche Form als Species spuria zu
betrachten, so muß meines Erachtens der Karsch’sche Name in den
Vordergrund treten, dem dann der B. signatus Poc. einfach synonym ist.
Die Färbung entspricht, wie es scheint, mit ihren verschiedenen
Variationen völlig derjenigen des B. vittatus, wenigstens finden sich
auch hier neben den gewöhnlichen, tief pechbraunen Formen braungelbe
oder gelbrothe mit helleren oder dunklen Mondflecken auf den
Abdominalsegmenten, mit braunen, gelbrothen, gelben einfarbigen oder
marmorirten Extremitäten.
Ebenso ist die verschiedene Sculptur beider Geschlechter auf
der Oberfläche des Truncus (Weibchen glatt, glänzend; Männchen
matter, chagrinirt gekörnelt) deutlich ausgeprägt. Die Unterseite
des Abdomens ist glatt und fein nadelstichig beim Weibchen,
in den drei letzten Segmenten fein körnig chagrinirt beim Männchen:
das letzte Segment zeigt beim Weibchen meist. vier abgekürzte Kiele
am Hinterrande. Augenhügel und Stirnrand wie bei der vorigen Art.
Die Cauda trägt im I. Segment unterseits beim Weibchen 4
deutliche, meist gekörnelte Längskiele, während dasjenige des Männchens
meist (ich bemerkte auch Ausnahmen) völlig glatt ist. Der Haupt-
unterschied von der vorigen Art liegt im V. Caudalsegment, welches im
typischen Fall (Fig. 109) jener halbmondförmigen Area des B. vittatus
völlig entbehrt. Es sind dann die untere Mediancriste und die unteren
Lateraleristen in der distalen Hälfte des Segmentea völlig normal
entwickelt, verlieren sich aber allmählich nach der Basis zu. Zwischen
den Cristen verlaufen dann jederseits des Mediankiels 1—2 Körnchen-
reihen, welche distalwärts etwas divergiren und sich auch wohl mit
den Lateraleristen verbinden. Bei dieser Ausbildung der Körnelung
ist das Segment am Hinterrande zwar etwas eingesunken, eine scharf
ausgeprägte, von einer kreisförmigen Bogenlinie begrenzte Area ist
jedoch nicht vorhanden. Aber das geschilderte typische Bild kann
nun in verschiedenstem Grade Uebergänge zu den Verhältnissen bei
B. vittatus zeigen. So verschwinden sehr häufig die Nebencristen
rechts und links vom Mediankiel und machen einer gleichmäßigen
Körnelung Platz, während die Lateralcristen eine mehr oder minder
ausgeprägte Convergenz nach der Mediancriste erkennen lassen, die
schließlich fast zur Abgrenzung der halbmondförmigen Area des
B. vittatus überleitet. Solche intermediäre Formen sind dann oft
schwierig zu rubrieiren, zumal auch die sonstigen Unterschiede beider
in Frage kommenden Arten an Schärfe zu wünschen übrig lassen,
234 Fam. Bothriuridae.
27
Die napfförmige Grube der Blase oberseits ist selbst bei alten Männchen
niemals so charakteristisch ausgebildet wie bei B. vittatus, ja wurde
bei einigen Exemplaren völlig vermißt.
Oberarm, Unterarm und Hand bieten kaum Unter-
scheidungsmerkmale. Zwar wurde die größte Handbreite nur zu 3,5 mm
gefunden, doch liegt dies augenschemlich an dem Mangel besonders
alter Individuen. Das Verhältniß der Länge der Hinterhand zur
Handbreite fand ich von 1: 0,66 bis 1,08; dasjenige des beweglichen
Fingers zur Hinterhand von 1:1 bis 1: 1,1.
Die Zahl der Kammzähne beträgt in der Regel 15 (50°)
oder 17; in einem Falle wurden jedoch auch 19, 20 beobachtet, sogar
bei einem Weibchen, so daß die Variationsweite zwischen 15 und 20
anzunehmen ist. Die Zahl der Mittellamellen schwankte zwischen 9 und 12.
Die Größe entspricht derjenigen des B. vittatus. Das Verhältniß
des Truncus zur Cauda wurde = 1:1,05 bis 1: 1,5 gefunden.
Die Heimath des B. chilensis fällt theilweise mit derjenigen
des B. vittatus zusammen, doch scheint er mehr dem Westen des
südamerikanischen Continentes anzugehören. Bekannt sind mir Fundorte
aus Chile, Peru und dem westlichen Argentinien; die Exemplare
des B. signatus Poc. stammen aus Brasilien (Thersepolis).
5. Gatt. Phoniocereus Poc.
Bothriuriden mit einfacher Reihe perlschnurartiger
Mittellamellen der Kämme. Tarsenendglieder des II.
und IV. Beinpaares unterseits nur mit je 3 Paar Dorsten,
ohne eine mediane Haarleiste (Fig. 113). Gehstachel ver-
hältnißmäßig klein. Körnchen der Scheerenfinger fast in
einer Reihe längs der Schneide, höchstens am Grunde
undeutlich zweireihig. Vordere Caudalglieder etwa so
breit als lang, unterseits mit Andeutung von Kielen, auch
im II und IV. Segment. Blase .sehr gestreckt,. ganz
allmählich in einen kurzen Stachel übergehend. Median-
furche des Gephalothorax den Augenhügel durchziehend;
letzterer weit vor der Mitte.
Ueber die Verschiedenheit der Geschlechter ist nichts bekannt,
da bis jetzt nur Weibchen vorliegen.
Die einzige Art ist:
1. Phoniocereus pietus Poc.
1893 Phoniocereus pietus Poe. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XII, p. 99).
Von dieser Art, welche dem Autor nur in einem trockenen
lixemplare ohne Fundort vorlag, besitzt das Hamburger Museum vier
Gatt. Phoniocercus. 235
von Herrn Dr. Michaelsen gesammelte Spiritusexemplare, die sich
indeß sämmtlich als Weibchen erweisen. Sie zeigen mit der Original-
beschreibung Pococks die größte Ueberemstimmung.
Die Grundfärbung des Truncus ist gelbroth, doch wird dieselbe
zum großen Theile durch schwarze Fleckenzeichnung verdeckt. Am
Cephalothorax ist namentlich die Vorderparthie ziemlich schwarz, während
im hinteren Theile das Gelbroth mehr hervortritt. Die Rückensegmente
zeigen jederseits von der Mittellinie ><förmige gelbe Fleckenzeichnung;
ebenso ist der Seitenrand gelb und em mittlerer Dreiecksfleck in der
Vorderhälfte jedes Segments. Bauchseite ebenfalls schwarz gefleckt
an den Seiten; desgleichen Schwanz, Arme, Hände und Beine,
Cephalothorax glatt, nur am vorderen Stirnrande und
deutlicher an den Seiten beiderseits des Augenhügels eingestochen
punktirt. Vorderrand deutlich ausgerandet; neben der Ausrandung
jederseits 2 große hellere Grubenpunkte. Medianfurche am Vorder-
rande beginnend und den Augenhügel als tiefe Rinne durchziehend.
vor und hinter dem Augenhügel im der Tiefe deutlich querrunzelig.
Augen beträchtlich vor der Mitte. Hinterecken des Cephalothorax
glatt und glänzend; ebenso die Rückensegmente des Abdomens, deren
letztes indeß feinkörnig ist und 2 Höcker als abgekürzte Längskiele
trägt. Bauchseite glatt, glänzend, mit zerstreuten groben Punkten besetzt.
Cauda oberseits im I.—IV. Segment mit feinen, aber gekörnten
Kielen. Obere Seitenkiele ebenfalls körnig, stärker hervortretend.
Untere Mediankiele im I. Segment nur durch 2 Paar eingestochene
Punkte markirt, im II. und III, oft auch im IV. Segment schwach
wulstig, etwas höckerig, aber durch eine deutliche Medianfurche
getrennt. V. Segment oben glatt, an den Rändern gerundet, unten
mit rundlich-körnigem Mittelkiel und zahlreichen rundlichen, nur zum
Theil reihig geordneten Körnchen auf den Seiten. Blase oben glatt,
an den Seiten und unten höckerig feinkörnig, langgestreckt, mit kurzem
Stachel, wie bei der Gattung Urophonius.
Oberarm glatt, glänzend, mit kraterförmigen Haargrübchen
namentlich am Rande besetzt, gerundet. Unterarm glänzend, wenig
kantig, unterseits gewölbt. Hand wenig dicker als der Unterarm,
gerundet, schwach kantig, von zerstreuten Haargrübchen etwas uneben.
Verhältniß des Fingers zur Hinterhand = 1:0,76 bis 1:0,8, der
Hinterhandlänge zur Handbreite = 1:0,53. Größte absolute Maaße
für Finger, Hinterhand und Handbreite = 5, 3,8, und 2 mm.
Schenkel und Schienbeine durchaus glatt und glänzend.
Endtarsen des III. und IV. Beinpaares mit je drei Paar Borsten
236 Fam. Bothriuridae.
unterseits ohne Haarleiste in der Medianlinie (Fig. 113). Vorletztes
Tarsenglied des I. Beinpaares unterseits mit 2 zarten Borstenreihen,
welche auch am Il. Beinpaare in abgekürzter Form wiederkehren.
Die Zahl der Kammzähne betrug in einem Falle 9, 9, in drei
andern 10, 10 Zähne.
Die Zahl der gerundeten Mittellamellen ist 6—7. Fulera
klein, dreieckig.
Das Verhältniß des Truncus zur Cauda schwankt zwischen
1:1 und 1:1,3. Die größte absolute Länge betrug 37 (= 17 + 20) mm.
Sämmtliche mir vorliegende Exemplare stammen von Valdivia.
6. Gatt. Cercophonius Pet.
Bothriuriden mit einfacher Reihe perlschnurartig
gerundeter Mittellamellen der Kammzähne. Tarsen-
endglieder außer der medianen Haarleiste mit 1—2 Paar
Dornen unterseits (Fig. 111). Gehstachel verhältmib-
mäßig klein. Schneide der Scheerenfinger der ganzen
Länge nach mit drei- bis vierreihig nebeneinander-
gestellten Körnchen besetzt (Fig. 102); außerdem jederseits
6—7 gröbere Außenpunkte Vordere CGaudalglieder etwa
so breit als lang, unterseits ungekielt; ebenso das letzte
Bauchsegment. Augenhügel etwas vor der Mitte des
Gephalothorax, mit durchgehender Medianfurche. Körper
platt gedrückt. Geschlechter verschieden. Männchen
mit Handdorn.
Die bisher als Gercophoniusarten beschriebenen Formen, wie
Ü. chilensis, brachycentrus, Glasioui etc., entfernen sich sämmtlich so
sehr von dem Typus der Gattung, dem C. squama Pet., daß sie in
andern Gattungen untergebracht werden müssen.
Es enthält die Gattung Cercophonius demnach zur Zeit nur
eine Art.
1. Cercophonius squama (Gerv.).
1844 Scorpio squama Gerv. (Archiv. du Mus. IV., p. 227, Pl. XI., Fig 19—21).
2 1861 Cercophonius squama Pet. (Monatsber. d. Berl. Acad. 1861, p. 509).
cf 1861 Acanthochirus testudinarius Pet. (ibid. p. 509).
Die Färbung dieses Scorpions, von dem mir nur 5 Weibchen
vorliegen, erscheint schwärzlich mit gelber Bindenzeichnung; man kann
aber auch eine ledergelbe Grundfarbe annehmen, welche oberseits fast
ganz — bis auf eine helle Mittelbinde, hellere Seitenränder und mehr
oder weniger deutliche halbmondförmige Ringe anf den Flächen der
Gatt. Phoniocercus. 337
Abdominalsegmente — von schwärzlichem Pigment überdeckt ist.
Die Cauda ist schwarzstreifig, mit zusammenfließenden Streifen. Auch
Arme, Hände und Beine sind schwarz netzig beraucht, namentlich
Schenkel und Schienbeine erscheinen oft fast ganz schwarz. An der
Unterseite ist die Grundhälfte der Abdominalsegmente und namentlich
das letzte Segment in der Regel ebenfalls schwärzlich.
Beim Weibchen ist der Cephalothorax und die Abdominal-
oberseite glänzend und fast glatt; nur an den Seiten zeigt der
Cephalothorax oft feine Körnelung. Das Männchen ist nach Peters
opak und dürfte sich durch stärkere Körnelung oder Punktierung
auszeichnen. Der Vorderrand des Cephalothorax ist seicht ausgerandet.
Die mediane Stirnfurche setzt unmittelbar in diesem Ausschnitt ein,
verflacht sich allmählich bis zu dem auffallend niedrigen, die Augen
fast in horizontaler Stellung tragenden Augenhügel, ohne jedoch völlig
zu verschwinden, um dann hinter den Augen aufs neue fast bis zum
Hinterrande sich zu vertiefen. Das Abdomen unterseits ist glatt und
glänzend; auch das V. Segment zeigt keine Kiele.
Die Cauda trägt beim Weibchen wohl entwickelte obere
Median- und Lateralkiele im I.—IV. Segment. Auch die seitlichen
Nebencristen sind im I—III. Segment spurenweise vorhanden; ebenso
die unteren Lateralcristen, welche als glatte oder mit wenigen
eingestochenen Punkten besetzte Kanten hervortreten. Beim Männchen
dürften nach Peters die Kiele der Cauda bedeutend weniger entwickelt
sein. Im V. Caudalsegment erscheint der Oberrand gerundet; unterseits
treten deutliche, gekörnte und das Segment der ganzen Länge nach
durchziehende Lateralkiele auf, wie der am Ende meist gabelig
getheilte Mediankiel. Beiderseits desselben einige oder zahlreiche,
mehr oder weniger reihig gestellte Flächenkörnchen. Die Blase ist
fein-, aber ziemlich dichtkörnig. Ob das Männchen eine Dorsalgrube
besitzt, vermag ich nicht anzugeben.
Der Oberarm besitzt eine obere ebene, ziemlich deutlich
von 2 Randkanten begrenzte Fläche. die meist glatt ist oder doch nur
einige kraterförmige Punkte trägt. Der glänzende, ebenfalls" etwas
abgeflachte Unterarm läßt am Hinterrande der Oberseite eine schwache,
mit eingestochenen Punkten besetzte Kante erkennen. Die Hand ist
glatt, fast kiellos, glänzend, beim Männchen unterseits mit Dorn. Die
absolute Breite fand ich zu 1,8 bis 2 mm; das Verhältniß der Länge
der Hinterhand zur Breite von 1:0,56 bis 1:6,2. Die eigenartige
Körnelung der Finger wurde schon früher hervorgehoben; sie sind
etwas länger als die Hinterhand, das Verhältniß beider etwa 1: 0,8
im Mittel,
238 Fam. Bothriuridae.
Die Zahl der Kammzähne variürte bei den mir zu Gebote
stehenden Weibchen von 12—17. Die Zahl der gerundeten Mittel-
lamellen schwankte zwischen 8 und 12.
Die mittlere Körpergröße beträgt 30—35 mm. Das Verhältniß
yon, Prumeusizur Caudanıst = 1 >12 pe 1a
Die Heimath des Cercophonius squama ist Van Diemens-
land und das südliche, vielleicht auch südwestliche Australien. Nach
Pocock’s brieflichen Mittheilungen auch das westliche Südamerika (?).
7. Gatt. Centromachus ) n. g.
Bothriuriden mit nur 2—3 kaum gerundeten Mittel-
lamellen der Kämme und kleinen dreieckigen Fuleren.
Tarsenendglieder der letzten Beinpaare unten jederseits
mit 3 starken Dorn-Borsten und einer schwächeren End-
borste. Statt einer medianen Haarleiste nur einige kurze
Dörnchen am Grunde. Gehstachel klein. Körnchen der
Schneide des beweglichen Scheerenfingers vom Grunde
bis zur Spitze unregelmäßig zwei- bis dreireihig (Fig. 99).
Vordere Caudalglieder etwa so breit als lang, unterseits
vierkielig, wie auch das letzte Bauchsegment. Augen-
hügel in der Mitte des Cephalothorax, ohne durchgehende
Medianfurche.
Bis jetzt ist nur eine Art in einem (weiblichen) Exemplar bekannt.
Centromachus Pocockii ?) n. sp.
Färbung etwa wie bei Phoniocercus picetus Poc. Grundfarbe
gelbroth. Thorax auf der Mitte und auf den Seiten mit breiten,
schwarzen Flecken. Abdomen auf den Seiten ‘beraucht, mit gelben
elliptischen, im Centrum schwärzlichen Ringen. Caudalsegmente
namentlich unterseits in den Endhälften schwärzlich. Blase, Arme,
Hände, Beine ebenfalls schwarz beraucht oder genetzt. Unterseite
gelbroth.
Cephalothorax glatt, glänzend, nur an den Seiten etwas
matter und kaum merklich obsolet gekörnt. Stirnrand seicht aus-
gerandet. Vor dem ungefurchten, mittelständigen Augenhügel eine
seichte gegen den Stirnrand sich verbreiternde Furche, hinter demselben
') Der mit dem Stachel Kämpfende.
2) Zu Ehren des um die neuere Scorpionensystematik so verdienten
Mr. R. J. Pocock.
Gentromachus. Nachschrift. 239
die gewöhnliche tiefe Medianfurchke. Abdomen glänzend, kaum
merklich obsolet feinkörnig; letztes Segment etwas deutlicher gekörnt.
Unterseite glatt, mit ganz winzigen, runden Stigmen; letztes Segment
mit 4 wulstigen, abgekürzten Kielen am Hinterrande.
Cauda oberseits in allen Segmenten mit fein gekörnten Dorsal-
kielen. Obere Lateralkiele stärker kielige hervortretend, aber nur fein
fe) I
cerenelirt. Untere Median- und Lateralkiele der Cauda im I. und
II. Seement dick, etwas wulstige höckerig, sonst elatt, im III. und
oO ) @) 0) oO ’
IV. Segment etwas flacher und undeutlicher, aber im IV. mehr körnig.
V. Segment unterseits mit 3 deutlichen, körnig-sezähnten Läneskielen.
oO , oO © te}
Nebenkiele ım I. Sesment vollständige, im 1.. III. und V. Seoment zur
fe) 2 ’ oO
Hälfte entwickelt. Dorsale Rinnenfurche nur im I. Segment etwas
körnig, sonst glatt; obere Seitenflächen sämmtlich körnig, untere rinnig
vertieft, glänzend. hier und da etwas runzelig-höckerie, im V. Seement
NS) >) o 0) o
grobkörnig. Blase eiförmig, unterseits ziemlich grobkörnig. Stachel
mäßig lang.
Oberarm oberseits gekörnt, unterseits höckerig. Unterarm
glänzend, gerundet, ohne deutliche Randkanten. Hand etwas dicker
als der Arm, gerundet, glatt und glänzend, mit dunklen Längsstreifen.
Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand wie 4: 3,5, der
Hinterhand zur Handbreite wie 3,5 : 2,4 mm.
Schenkel und Schienbeine glatt. Endtarsen unten jederseits
mit 3 Dornen und einer Endborste, in der Mittellinie mit einzelnen
Dörnchen, namentlich am Grunde.
Kämme nur mit 2—3 kaum gerundeten Mittellamellen und
kleinen dreieckigen Fuleren. Kammgrund gestreckt, fast einen
gestreckten Winkel bildend. Zähne daher scheinbar erst kurz vor der
Mitte der Kämme beginnend. Zahl der Kammzähne 5, 6 bei dem
Originalexemplar.
Das Verhältniß des Truncus zur Cauda = 16,5:?20 mm.
Das einzige mir vorliegende Exemplar, ein Weibchen, stammt
von Lebu bei Valparaiso in Chile (Museum Kopenhagen).
Nachschrift.
Bei Absendung des letzten Correeturbogens gehen mir noch
zwei neu erschienene Arbeiten zu, die leider im Text nicht mehr
berücksichtigt werden konnten, nämlich:
40
Nachschrift.
Pocock, R. J.: A small Contribution to our Knowledge of the
Scorpions of India (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XII., 1894, p.
72— 84). An neuen Arten werden beschrieben: Scorpio latimanus
und gravimanus (nahe verwandt mit Se. ceylonicus Herbst),
Scorpiops tenuicauda, Chaerilus margaritatus, gemmifer,
insignis und ceylonicus.
Thorell, T.: Scorpiones exotici R. Musei historiae naturalis
Florentini (Bulletino della Soc. entom. ital. XXV. 4; 1893). Neu
beschrieben: Broteas panamensis (wohl Broteochactas oder
Hadrurochactas). Uroctonus phaeodactylus zur Gatt. Oncocentrus
erhoben.
Hamburg, den 6. Februar 1894.
241
Index.
Die nicht gesperrt gedruckten Gattungs- und Artnamen sind Synonyme.
Die fett gedruckten
Zahlen verweisen auf diejenige Seite des Textes, auf welcher die Synonymik der betreffenden
Art zusammengestellt ist.
abruptus (Urodacus)............ 19. 20
Acanthochirus 42.2.2... 212. 236
aequinoctialis (Broteas) ...... 166. 167
aferı (Butchus)n a Bessere 42. 53. 62 |
AIETAUDEOLPION AI ee 46. 62
africanus (Opisthacanthus). .120. 123
africanus (Opisthocentrus)......... 123
afzicanus) (Bandinns)..2..20..22...: 62
AERLCAN US (SCOFPIO) +... 2... un..% 33. 62
algerieus (Scorpius)e. 2... un. .e.an. 157
Allen (Scorpio) winer sn. ca. 173
amazonicus (Chactas)....\... 167. 169
Anderssonii (Opisthopthalmus).... 85
angustimanus (Palamnaeus)........ 34
aneustus! (Brotheas). ...... 223. 228
anthracinus (Scorpiops) ...... 186. 192
antillanus (Diplocentrus)...... 13. 16
aquilejensis (Scorpius) ........... 159
arabıeus, (Scorpio). u... 32. 58
armatuss(Utodacus)erere er 19. 20
asiaticus (Ischnurus) ........ 128. 132
asper (Bothriurus)...... ee 228. 229
asper (Ischnurus) .......... 119026
asper (Opisthacanthus) ...... 120. 126
aspers(bandinus) mare re.nee aees: 42
asperulus (Vejovis) ....... 198. 199. 202
atramentarius (Teuthraustes) .. 180
australasiae (Scorpio) ............ 133
australasiae (Ischnurus)........... 133
australasiae (Hormurus) ...132. 133
bannaticus (Scorpius) ............ 159
Brei sarıu se ee 150. 162
bellicosus (Heterometrus) ...68. 67. 69
bengalensis (Buthus)............. 5l
bengalensis (Palamnaeus)......... 51
bengalensis (Scorpio)........ 31. 51
Binghamii (Scorpiops) ....... 186. 192
birmanicus (Chaenilus) ....2....:: 144
birmanicus (Chelomachus) ....141. 144
bonariensis (Brotheas) ....... 228. 229
boreus. (Buthus)a 2.4: 2. cur... 198. 200
borneensis (Chaerilus)......... 141. 144
Bothriuridse a... 0.2... 8. 211
Botchriuruse een. 212. 213. 214. 222
Brachistosternus....212. 213. 215
brachycentrus (Cercophonius) ..... 221
brachycentrus (Urophonius)... 221
brevicaudatus (Chactas)....... 164. 171
RER Se 150. 172
Brot eochwctase.r..0e, 150. 175
Burmeisteri (Bothriurus)...224. 227
Buthuse se Are: 28
Caesar (Buthus)a.. zu. ,. 46. 47
calvus (Opisthophthalmus) ..... 9. 93
Oanestrini (Scorpius) eo... ..2 22... 159
capensis(Opisthophthalmus) 80.97. 100
EABENSIs, (SCOLrPIO). Dre. 33%
Garahoctonus „mer 183. 209
carinatus (Heterometrus) ......... 85
carinatus (Oecopetrus) ..........- 85
carinatus (Opisthophthalmus) 78. 85
earınatuss(Petrooicus) „u... 02 85
earolinianus (Scorpio)............ 199
earolinus (Vejovis)..... ...... 199. 202
Diplowendirinı er 5.8
Dip locentrus se ee 9. 12
diremptus (Hormurus) ....... 128. 132
d’Orbienyi (Bothriurus) ....223. 224
949 Index.
carpathicus (Euscorpius) ..155. 159 |
earpathieus (SEOLPIO) ver an... 159 |
DaUCon a rn 34 |
caudicula (Hormurus)...... 133. 135 |
caudıcula/(Ischnurus)........8... 135 |
cavernicola (Chaerilus) ....... 141. 146
cavimanus (Scorpio) ......... 63. 67. 69 |
celebensis (Chaerilus) .141. 143. 147
Centromachus.......213. 215. 238 |
RE 34
Gereophonius..e. 212. 214. 236
ceylonicus (Buthusy ze ar... 46
ceylonrens (Beorpopr nr... 31. 46 |
Chactas ee 150. 163
ChaCtU DIE Rn 7. 149 |
Chaens untere: 7. 140 |
Cih’aersnlusser ea er ar 141 |
chaperi (Opisthophthalmus)....... 100
charcasus (Caraboctonus) ......... 207 |
charcasus (Hadruroides) ...... 206. 207
charcasus (Hadrurus)......... 206. 207
CheloecLonus ae 109. 112 |
Chelemachuse re en 141. 144
chılensis (Bothriurus) ......224. 232
chilensis (Öercophonius) ..... 223. 232
chilensis. (Scorpio). Sam ir, 232
Ghiromachuses. en 130 |
ehrysopus (Chactas) ....... 167. 1.402)
chrysopus (Ischnurus).:.......... 128
colesbergensis (Opisthophthalmus). 94 |
complanatus (Hormurus) ..... 132. 133
CONCINHUSADCOLPIUBS) . „n.n. .. 159
coriaceus (Bothriurus) ....... 228. 229
costimanus (Buthus) a. 34
crassimanus (Scorpio) +. = N. er. 46
cumingü ‚(Hormurus) ......... 152. 133
CUMINONI(DEOLPIO)... ee 133
curtus (Opisthophthalmus). ...... 105 |
cyaneusı(Buüthus)..... ae. 53 |
Gyphocentruser es 9.10 |
Dacurussps en 34. 119. 120
Darwinii (Urodacus)......19. 20. 23
debilise( Vejovis).-.. 0. a ee en 198 |
de.changei’ (Ischnurus) ...... 132. 135 |
defensor)(Buthus)i ee. 0 more 53
delicatus (Broteochactas) ...176. 177 |
delieatus (Chactas)........... 164. 177 |
dietstor (Scorpio). 2 2 .22.0.88.70 |
Dorbignyir (Scorpio) 2. en 224
d’orbienyi/(Scorpio) 2. 224
Dufoureius"(Buthus) 2 183
Dutouretus (Jurus) me 183
duodeeimdentatus (Opisthacanthus) 122
ecuadorensis (Teuthraustes)....... 150
Ehrenbergii (Brachistosternus).. 216
Ehrenbergii (Scorpio) ......... 215. 216
elatus (Opisthacanthus) ..... II IRD
elatus (Seorpio) 2 120
emarginaticeps (Buthus)...... 205
erythrodactylus (Brotheas)....223. 228
europaeus (Scorpio). ......... 157. 159
Euseor pl wesen 149. 153
eusthenura (Buthus) ......... 198. 199
excellens (Urodacus). .... w.ree 18. 20
exitialisX(Scorpio)..... .. .. 2200 63. 70
fallax (Opisthophthalmus)......... 95
Fanzagoi (Euscorpius)....154. 159. 160
ferrugineus (Telegonus) ...... 215. 216
flavescens (Vejovis) .. „2... re 199
flavicaudis (Euscorpius)....155. 157
Hayıcaudis (Scorpio)... 2 2. 157
flayipes (Nebo)'Sım. 22... 00. 9. 10
Ruchsi’ (Chactas)e er rer 164. 171
tulvipes-(Buthus)g se ee 31. 44
fulyipes.(Pandinus) v.r..1...2:E2E 44
fulyipess(Scorpio) ar. ee 31. 44
furcatus i(Betrooicusyarn ze ae 85
galbineus2(Caucon)e. 02. ee 34
galbineus (Centrurus) .......... 34
galbineus(Daeurus)........ 22 34. 120
germanus (Euscorpius) ..... 155. 158
germanus. (Scorpius)e 2... ae 158
Geryaisin(Brotess)e.. nr ran 173
Gervaisii (Heterochactas)........ 180
Gervaisii (Scorpio)....... 215. 216. 228
glaber, KScorpio) cu... 215. 216
slabrifrons(Opisthophthalmus)80. 104
Glasioui (Cercophonius) .......... 219
Glasioui.(Thestylas)r 2 2a 222 219
Gollmeri (Broteochactas) . . 176
Index.
Gollmerit(Chactas) nr Ce. 164. 176
gracilicauda (Scorpio)............- 133
granosus (Megacormus) .... 151
ETanosus“ (SCOrPIO) =. nase: 151
granulatus (Broteas) ......... 172. 173
granulatus (Buthus) ......... . 183
sranulatus. (Jurus) ........2....... 183
granulosus (Broteas)
|
Gundlachi (Diplocentrus)........ 12.13
Hadogeneswe 109. 113
Hadrurochactasn......... 150. 178
Hadrurordes Krater 182. 206
lade weise ee 182. 204
Hardwieki (Seorpio) nr „22. ee. 188
Hardwickii (Scorpiops) 187. 138. 190
hayersit (Chaetas) ar u re .. 164 |
Hemiseorpion. 2.2. .0ı% 109. 110
Herbstae (Brotessiem er a 200.2 173
heros(Buthns) er sage 2.08. 04
bHießerochactas. 2. 0. 151. 180 |
Heterometridae 0... Dan: 24 |
Heterometrus..ı..... 25. 28. 34. 73
hierochontieus (Nebo) ....... 9. 10
hirsutus2 (Broteas)fa nennen 70
hirsutus (Buthus)) 22.2 rc. 205
Bursutus-(Hadrurus). er. 22... 205
histrio (Opisthophthalmus)........ s5
Biop locyBtiser rer: 3
a NT ee a Dr 110. 131
Humilss(Bandinusyee. 0.2... 34. 35
Iherineur(Urophomus) 2.0... 221
Imperator (Buthus)ier. 2.2... 62. 68
indıecus’ (Scorpio)... 32. 46. 53
Indus (Scorpio) see 46
insculptus (Hormurus) ........ 132. 138 |
intermedius(Opisthophthalmus) 79. 89
intrepidus (Vejovis) ..... 198. 199. 201
JO Con US 18
Jodacus 2... Sa 18. 19
I o:malchiul Se 110. 139
homesii (Chelgetonus), .... nr... 112
IESichhin urn 6. 108
Ischnurus 11021132130
Ita l1.cus(Baseormusı 2... 154. 155 |
italicus (Scorpio) r en... 155
italicus. (Scorpma)ane....:.,.: . 155
ALS ee ..182. 183
243
Karsehii (Chactas) ....165. 167. 170
Karschü (Hormurus) ....... 132. 137
Keyserlineii (Bothriurus) ..... 229. 232
Keyserlingii (Caraboctonus) ... 210
Keyserlingii (Chactas) ... 167. 172
Keyserlingii (Diplocentrus)...... 12. 14
Keyserlingii (Urodaeus) ........ 19. 20
Kinbergii (Opisthacanthus) ....... 120
IK Bchriabandmus)ye er. 42
laeviceps (Hormurus) ........ 133. 139
laeviceps (Jomachusy 2.2... 139
laeviceps (Opisthophthalmus) ..... 104
laevigatus (Palamnaeus) ........ 34. 35
laesipes' (Broteas)ı .* ..... 2.4... 168
Faevipres (Chactas)e 2 2%... 166. 168
laevipes (Opisthocentrus) ......... 126
latimarus (Opisthophthalmus) .79. 91
latro (Opisthophthalmus) ....... . 100
Lecomtei (Ischnurus) ............ 122
Lecomtei (Opisthacanthus) .119. 122
Lecomtei (Opisthocentrus) ....120. 122
leptochirus (Scorpiops)........... 187
lepturus (Chactas) ....164. 167. 171
lepturus (Hemiscorpion)........ all
lEBLULTUSSSCOLPION dee ereen.e 120
Besweurus (SCOrpio)r 22. ass arn: 13
‚Lindstroemii (Scorpiops) 185. 192
liophysa (Palamnaeus) .......... 35. 41
literasius (Chactas)ı 2. .....02.0.00. 164
longimanus (Scorpio)........ 30. 34
longimanus (Scorpiops) ....188. 191
lueidipes (Scorpio) .............. 42
lugubris (Scorpiops) ......... 185. 192
Junstus-(Hadruroides). ......2.. 207
lunatus (Telegonus).......... 206. 207
macer (Öpisthophthalmus) ..... 79. 95
maculatus (Caraboctonus)......... 207
maculatus (Hadruroides).......... 207
maculatus (Hadrurus) ........ 206. 207
Muecocenbrus sera. A212
madagascariensis (Opisthacanthus)
120. 125
manicatus (Urodaeus)........... 18. 20
massiliensis (Scorpius) ... „....... 157
Maurus (Droteas) 2... wın.cee. 173
MAULUSE(SCOLPIO)FT TI 73. 173
maxillosus (Opisthophthalmus)..... 97
244
Mecocentrus... sr ern. 211. 212
megacephalus (Buthus)............ 46
megacephalus (Heterometrus) ...41. 46
Mesacormusıerat tes. 149. 151
meidensis (Pandinus)............ 81
melampus (Ischnurus)........ 114. 115
mexicanus (Diplocentrus) Pet....12. 13
mexicanus (Vejovis)........ 199. 202
Misephonus2.. 2... 24. 26. 77. 83
minax (Opisthophthalmus) ........ 9]
montanus (Scorpiops) ..185. 188. 192
monspessulanus (Scorpius) .. ....- 157
miordaxzi(Uroctonus) ern eer 194
Mossamedes ............. 24. 26. 77. 81
nanus (Opisthophthalmus) ........ {Ial.
naupliensis (Scorpius).... 2220... 155
IN: eIb:0° 2 EEE ; &
neocaledonicus (Ischnurus)....132. 135
nieiensis (Scorpius) .............. 159
nigrocinetus (Brotheas)...... ee RS
nitidulusi(Vejovas)e .zec.n.ne. 202. 203
nitidus (Broteochactas) ....... 175. 176
novae Hollandiae (Urodacus) 18. 20
ochropus (Chiromachus).......... 130
ochropus (Ischnurus) ....... 114. 130
VECOPELTus: 1...2 „en ee. 85
Willst ee 9. 12. 14
opacus (Broteochactas) ....... 176.447
opacus (Chactas)e as..e..22.. 164. 177
opinatus (Mossamedes)... ......... sl
opinatus (Opisthophthalmus) .... 81
Opstschaeanthus nr..2.e. 110. 118
Opisthocentrus nn... ne 29
Opisthophthalmus...... 26. 28. 77
OTAavizensis (SCOFPIUS) v A.... 22, 159
orthurus (Urodacus) ........18. 20. 21
Paaschu (Hadrurus)& 2 teren 207
Palamnaeus.. ee 25. 34
pallidipes (Opisthophthalmus).79. 87
palli dus:4Scorpio) .zrysr ..83. 60
pallipes (Opisthophthalmus)....... 87
pallipes (Scorpio). rate. 159
palmatus (Heterometrus) ....... 73
Pandinus%. 212 2. zes sr nee: 24
paraönsis (Broteas) .......... 172. 173
parvulus (Hadrurus).......... 206. 207
Index.
peetinator (Ischnurus) ........ 114. 115
Petersii (Palamnaeus) .......... 34. 35
Petersii (Scorpiops) ...187. 188. 190
Petrooicus m... 2 24. 26. 77. 85
phaeodactylus (Anuroctonus) ....... 196
phaeodactylus (Centrurus) ........ 196
phaeodactylus (Uroctonus) .193. 194
196
phipsoni (Scorpio)... 2%. 22 Ir 46
Phoniocereus...212. 213. 214. 234
pieipes (Euscorpius) ...:..... 154. 159
pietus (Chaerilus)...... 141. 142. 143
pietus (Opisthophthalmus).....80. 102
pietus_ (Phoniocereus)r.. . I. rl 234
pietus: (Uromachus) er... 2 ee 143
pilosus (Opisthophthalmus) ..80. 100
pistaceus (Ischnurus).. 2.2. ner 135
planimanus (Urodacus)...... 19. 20. 23
Pocockii (Centromachus) .......: 238
politus (Telegonus)...... 212. 215.216
praedo (Opisthophthalmus) ...81. 107
privus (Uroctonus). ......... 193. 194
propinquus (Heterometrus)....... 13. 76
provincialis (Seorpius)........ 155. 159
pugnax (Opisthophthalmus)...80. 105
punctatus (Vejovis) .......... 203. 204
punctipalpi (Buthus) ......... 198. 199
Puryesis(VDiclus) 2. ern un 9. 12. 14
quinquedentatus (Chactas) ....164. 178
reticulatus-(Buthus). ...... 2.22 53
robustus: (Hadrurus).. ....... 2.20% 207
\oeseli (Heterometrus)...... 1: 62
rubrolineatus (Chactas)........... 165
Fufus (SCorpius) re Ne ee 159
sceaber (Diplocentrus).......... 13. 15
seaber. (Pandinus)onz... u... rc 58
sC@ber/(SCorpio).ne 2. re 32. 58
Schaum (Chactas) T.2.....r 164. 178
Schaumii (Hadrurochactas)...... 178
Schuberti (Vejoyis).........n.202 198
scintilla-(Hoploeysts).. . 2 zen 8
Sclateri (Hadrurochactas) ......... 178
B.COL DIOR TINTE EEE 27. 28
Scorpionidwern. ana. 2er Ne
5 COLPLONINL I 6. 24
DCOTP1ODERe I a 182. 185
Index.
septemdentatns (Opisthacanthus) .. 123
setosus (Buthus)....2.2 222..2..2...53
Sieanus- (Scorpius)Pg. er ra 159
signatus (Bothriurus)......... 223. 232
silenus (Palamnaeus) ........... 35. 41
Simoni. (Seorpio) euren 62
Simonıı (Chactas) = na... 166. 169
solidus (Scorpiops)........... 187. 188
Spinifer (Buthus)ees ee 34
spinifer (Heterometrus) .......... 34
spinigerus (Buthus)............... 203
spinigerus (Vejovis) ....... 199. 203
squama (Öercophonius)...... 213. 236
SQUAMAADCOrPION- I Fe 236
sulcatus (Cyphocentrus)...: ..... 9. 10
sulcatus (Diplocentrus) ... ...... 9. 10
sumatranus (Timogenes) ..... 223. 224
suspectus (Hormurus) ............ 154
Swammerdami (Scorpio) ..... 30. 42
taeniurus (Ischnurus)......... 114. 115
tAUTICUS(SCOLPUS). en an 159
TKelegonuser nee 211. 212. 215
tenuis (Opisthophthalmus) ........ 7
tergestinus(SECorpius) m .......um: 159
testaceus (Buthus).. 2..... 2.0... 13
testudinarius (Acanthochirus)...... 236
Meutchraustesr u. 151. 179
IChresty lee 212. 214. 218
Thorellii (Palamnaeus) ......... 35. 40
Timogenes.....a...: 212. 213. 223. 224
bityprus (Hadogenes). ..unn...e. 118
tityrus (Ischnurüs)........... 115. 118
245
trichiurus (Hadogenes) ........ 115
trichiurus (Ischnurus) ........ 114. 115
troglodytes (Ischnurus)....... 114. 115
truncatus (Chaerilus) ..141. 143. 146
ÜOIEtoOTUS 182. 193
[UMoIdlalcHnn ee 6. 17
URAN US 18
ÜROmachU Ser 141. 143
Ürophonius... ...212: 213. 214. 220
validus (Opisthacanthus)....120. 128
validus (Opisthocentrus)........... 128
VanBenedenii (Chactas) 165. 167. 171
variegatus (Chaerilus) 141. 142. 144
VER OEL ade. ’. 181
NVIelOsvslBsh. rare me 182. 198
versicolor (Telegonus). ..212. 219. 232
NALORISLlSCOrDIO)" ee. 63. 68. 69
vittatus (Bothriurus) ..223. 224. 228
yittatusa (Buthus)e. ar se 228
Wahlbergi (Miaephonnus) ......... 33
Wahlbergi (Öpistophthalmus) 78. 83
Waiglensis7(DEOrPIO) 2. er nee 135
Weberi (Hormurus).......... 135. 138
Weijenberghii (Telegonus)....215. 216
Whitei (Diplocentrus)......... 12. 13
Whymperi (Chactas)........ 166. 168
woodwardii (Urodacus) ......... 19. 20
Xambeur (Belisarius) a... 2.0.2... 162
246
Figurenerklärung.
Tafel 1.
Blase von Diplocentrus antillanus Poe.
Beweglicher Finger des Oberkiefers von Nebo hieronticus (Sim.).
ne ” PR v: „ DPiplocentrus Whitei (Gerv.).
Endtarsus des IV. Beinpaares von Nebo hierochontieus (Sim.).
n er r „„ Diplocentrus antillanus Poec.
x » D,ıanr
" hr ” H „ scaber Poc.
E en > N 5 Whitei (Gerv.).
Beweglicher Scheerenfinger von Urodacus novae Hollandiae Pet.
Endtarsus des IV. Beinpaares von Scorpio Swammerdami (Sim.).
arabicus n. sp.
eh} „ FR) ne} 7
" EN, ” a 5 pallidus n. sp.
: De £ „„ Heterometrus palmatus Ehbe.
1) ” r o
Dasselbe von unten.
Letztes Caudalsegment von Heterometrus palmatus Ehbe.
Dasselbe von unten.
Unterfläche des Unterarms von Scorpio dietator Poc.
Ein Stück desselben vergrössert.
Unterfläche des Unterarms von Scorpio indieus L.
Cephalothorax von Scorpio indicus L.
# 5 = longimanus Herbst.
Beweglicher Finger des Oberkiefers von Scorpio longimanus Herbst.
» 5 en n Fe = fulvipes (Koch).
MM ee = ” ” 35 africanus L.
s = ” 5 5 " Swammerdami (Sim.).
Sternum von Scorpio africanus L.
5 Br ” indieus L.
Kamm von Scorpio indicus L.
5 op ” fulvipes (Koch).
3 n “ ceylonicus Herbst.
nn > bengalensis (Koch) 4.
en „ Opisthophthalmus opinatus (Sim.) 2.
” „ ” ” „ I.
Stirn mit Stirndreieck von Opistophthalmus capensis (Herbst).
Endtarsus des III. Beinpaares von Opisthophthalmus capensis (Herbst).
Y sau: 5; s, 7 pietus n. sp.
en Fe 5; 5; e pugnax Thor.
Hand-Oberseite von Scorpio fulvipes (Koch).
75.
”
„
”
Figurenerklärung. 247
Tafel II.
Beweglicher Finger der Hand von Hormurus caudicula (L. Koch).
Blase von Hemiscorpion lepturus Pet. 2.
”
Dec.
II. Caudalglied von Hadogenes trichiurus (Gerv.); bei b. Querschnitt.
oO o ’
Blase von Uromachus pietus Poc. &£ (nach Pocock).
Hand von Opisthacanthus elatus (Gerv.).
madagascariensis n. sp.
”
Endtarsus von
1.
”
”
”
Öpisthacanthus asper Pet.
Hormurus australasiae (Fabr.).
Ischnurus ochropus C. L. Koch.
Jomachus laeviceps Poc. (nach Pocock).
Vorderrand des Cephalothorax von Opisthacanthus elatus (Gerv.).
.
.
”
Hand von Chaerilus variegatus Sim.
truncatus Karsch.
„
”
t)
”
„
”
”
”
”
”
”
er Lecomtei (Lue.).
> madacascariensis n. sp.
” asper Pet.
Beweglicher Finger der Hand von Chaerilus variegatus Sim.
”
Unterlippe von Chaerilus variegatus Sim.
”
”
”ı
»
ss celebensis Poc.
Sternum und Kamm von Chaerilus variegatus Sim.
Sternum von Chactas Van Benedenii Gerv.
Augenhügel von Chactas Van Benedenii Gerv.
Broteas maurus (Herbst).
”
”
Kamm von Megacormus granosus Karsch.
Sternum von Euscorpius italicus (Herbst).
Broteas maurus (Herbst).
I. und III. Caudalsegment von Hormurus australasiae (Fabr.).
”
” ”
”
2:
„
”
* caudicula (L. Koch).
Außenfläche der Unterhand von Euscorpius flavicaudis (de Geer).
.
”
2
..
.
p)
hy carpathicus (L.).
Hand von Euscorpius carpathiceus (L.).
Stigma von Broteas maurus (Herbst).
, „ Broteochactas Gollmeri (Karsch).
Beweglicher Finger der Hand von Megacormus granosus Karsch.
”
”
„
”
.
„
Euscorpius italicus (Herbst).
Beweglicher Finger der Hand von Chactas Van Benedeni Gerv.
Endtarsus von Broteas maurus (Herbst).
‚„„ Broteochactas Gollmeri (Karsch).
‚„ Hadrurochactas Schaumii (Karsch), nach Pocock.
Chactas Van Benedenii Gerv.
„+
”)
”
PB]
”
..
”
Tafel II.
Beweglicher Finger der Hand von Jurus Dufoureius (Brulle).
”
eh)
”
.
”
»
eb}
Scorpiops longimanus Poc.
Uroctonus phaeoactylus (Wood).
Vejovis mexicanus C. L. Koch.
83.
84.
85.
Sb.
87.
88.
89.
90.
Sk
92.
93
94.
9.
9.
Sirk
98.
99,
100.
101.
102.
103.
104.
105.
106.
107.
108.
109.
110.
111.
112.
113.
114.
Figurenerklärung.
Beweglicher Finger der Hand von Hadruroides lunatus (L. Koch).
oe re 5 n „ Caraboctonus Keyserlingii Poc.
Sternum und Kamm von Scorpiops longimanus Poc.
en ., 3 “ n Jurus Dufoureius (Brulle).
2 on ke er F Uroctonus phaeodactylus (Wood).
” er n r r Vejovis mexicanus (C. L. Koch.
Endtarsus von Jurus Dufoureius (Brulle).
: „ Scorpiops longimanus Poc.
„, Uroetonus phaeodactylus (Wood).
> », Vejovis mexicanus C. L. Koch.
2 ‚„ Hadrurus hirsutus (Wood).
.s „ Hadruroides lunatus (L. Koch).
Blase von Scorpiops longimanus Poc.
53 „ Uroctonus phaeodactylus (Wood). &
Augenhügel von Scorpiops Petersii Poc.
ee = 1 Hardwickii (Gerv.).
Beweglicher Rs der Hand von Centromachus Pocockiüi n. sp.
” en „ Urophonius brachycentrus (Thor.).
Beweglicher Fin inger der Hand von Bothriurus chilensis Karsch.
55 = . e „„ Cercophonius squama (Gerv.).
Kamm von Brachistosternus Ehrenbergiü (Gerv.).
Sternum und Kamm von Bothriurus Burmeisteri n. sp.
I. und II. Caudalsegment (Unterseite) von Thestylus Glasioui (Bertk.).
V. Caudalsegment (Unterseite) von Bothriurus Burmeisteri n. sp.
I r = 2 arr
n » » „ „ d’Orbignyi (Gerv.).
„ „ „ » hr vittatus (Guer.).
” 5 = Rn . chilensis (Karsch).
Endtarsus von Bothriurus chilensis Karsch.
‚„, Cercophonius squama Pet.
„> „„ Brachistosternus Ehrenbergii (Gerv.).
er „ Phoniocercus pietus Poc.
Thestylus Glasioui (Bertk.).
Jahrbuch der Hamburg. wissensch. Anstalten XI, 1. Tafel I
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