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Full text of "Jahrbuch der Hamburgischen Wissenschaftlichen Anstalten"

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JUL 26 1929 


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Jahrbuch 


der 


Hamburgischen 


Wissenschaftlichen Anstalten. 


Xi. Jahrgang. 


1898. 


Hamburg 1894. 


Commissions-Verlag von Lucas Gräfe & Sillem. 


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Inhaltsverzeichniss. 


Jahresberichte der Wissenschaftlichen Anstalten 


für das Jahr 1893. 


Chemisches Staats-Laboratorium .........ccccc222... 
Physikalisches Staats-Laboratorium .................. 
Naturhistorisches Museum ...............ccceeeeen. 


Sammlung vorgeschichtlicher Alterthümer ........... 


Sammlung Hamburgischer Alterthümer .............. 
Botanisches Museum und Laboratorium für Waarenkunde 


Uebersicht der von Ostern 1895 bis Ostern 1894 
sehaltenen Vorlesungen... ....2............ 


III. Wissenschaftliche Abhandlungen. 


Seite 
VI — VIII 
IX — X 
XI — XVI 
XVII — LXXXIV 
LXXXV — XCIV 
XCV— XCVII 
XCIX — CIX 
CX — CXI 
CXII — CXVI 
CXVII — CXIX 


CXX — CXXXIH 


Seite 
Dr. I. J. Reeincke. Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen 
zum Wasser. Mit 5 Abbildungen im Text und 7 Tafeln.........: 1—102 
Mittheilung aus dem Museum für Völkerkunde. 
Hermann Strebel. Die Stein-Sculpturen von Santa Lucia Cozumahualpa 
(Guatemala) im Museum für Völkerkunde. Mit 4 Tafeln .... 103—120 


Mittheilung aus dem Chemischen Staats-Laboratorium. 


M. Dennstedt und ©. Ahrens. Ueber das Hamburger Leuchtgas... 121—153 


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Jahresberichte 


der 
Hamburgischen 


Wissenschaftlichen Anstalten 


für das Jahr 189. 


1 Stadtbibliothek 


Bericht des Direktors Professor Dr. Eyssenhardt 


In das Personal der Stadtbibliothek trat bei Beginn des 
Berichtsjahrs Herr August Regensburger als Hülfsarbeiter ein. 

Durch ausserordentliche Hülfsleistung machte sich auch im 
Jahre 1893 Herr Dr. Chrysander um die Stadtbibliothek verdient, 
indem er die Einordnung einer grossen Anzahl musikalischer Werke 
in den Katalog übernahm. 

Der Bücherbestand wurde, abgesehen von den Zeitschriften, 
aus den budgetmässigen Mitteln sowie durch Geschenke um 8075 
Nummern vermehrt. Die Zahl der jetzt gehaltenen periodischen 
Schriften beträgt 395. 

Geschenke erhielten wir — in chronologischer Ordnung — von 
Einem Hohen Senate, Herrn Geh. Admiralitätsrath Dr. Neumayer, 
der Oberschulbehörde, der Biblioteca nazionale (Magliabecchiana) in 
Florenz, der Königlichen Bibliothek in Berlin, Herrn €, F. Riedel, 
Fräulein Anna Warburg in Altona, dem Colontalministerium der 
Niederlande, Sr. Excellenz dem Reichskanzler Grafen von Caprivi, 
Herrn Capitain Schick, dem Naturwissenschaftlichen Vereine Hamburg- 
Altona, Herrn Dr. Maximilian Kohn, der Gesellschaft Harmonie, 
dem Department of the Interior in Washineton, dem Freiherrn 
von Eberstein in Dresden, den Herren Dr. Henop in Altona, T’heodor 
Mehring, der mathematischen Gesellschaft, den Herren Dr. Freybe in 
Parchim, Jac. L. Peters, der Stadtbibliothek in Frankfurt a. M., den 
Herren Dr. Chrysander in Bergedorf, Oberbibliothekar Dr. Gälbert in 
Greifswald, Pastor Dr. Manchot, Speyer und Peters in Berlin, dem 
Italienischen Unterrich'sministerium, den Herren Öberlehrer Dr. 
Erdmann, Spiering in Bergedorf, der Smithsonian Institution in 
Washington, den Herren Professor Dr. Wohlwil, Johannes Müller, 
Frau Witt, Frau Dr. Danzel, der Kaiserlichen Leopoldinisch-Caroli- 
nischen Deutschen Akademie in Halle, Herrn Dr. Tüngel, der Hamburger 
Feuercasse, den Herren Gustav Buchard, Dr. Kellinghusen, der Picken- 
packstiftung, der Mercantile Library in Saint Louis U. S., den Herren 
Bürgermeister Dr. Prix in Wien, Wenchell in Minneapolis in Minnesota, 
©. Sadakichi Hartmann in Boston in Massachusetts, &. $. Dogdson 
in Paris, Professor Dr. Brehmer in Lichtenthal in Baden, Generalarzt 
Dr. Grasnick in Berlin, Dr. Wertheimer, dem sSicherheitscomite für 
den Stadttheil Rotherbaum, den Herren Pastor Dr. Bertheau, Consul Dr. 
Mordtmann in Constantinopel, dem Auswärtigen Amte in Berlin, dem 


vo Stadtbibliothek. 


statistischen Bureau der Steuerdeputation, dem freien Deutschen Hochstifte 
in Frankfurt a. M., den Herren Dr. Kückelhaus in Berlin, Guttentaug in 
Berlin, Geh. Hofrath Pertsch in Gotha, Pastor von Bröcker, Fräulein 
Marie Hirsch, Herrn OÖberlehrer Dr. söillem, den Herren Ave- 
Lallemant, Emil Riedel in Rosehill Farm bei Alexandria V. A., 
Direktor Chr. Braun in Kopenhagen, der Bärensprungschen Hof- 
buchdruckerei in Schwerin, Herın @. Fock im Leipzig, der Royal 
Commission für die Weltausstellung in Chicago, den Erben des Herrn 
A. H. W. Janssen, Herrn Moll in Tübingen und Chr. Bischoff. 

Ferner schenkte Frau Senior Hirsche der Bibliothek 203 Bände 
aus dem Nachlasse ihres Gemahls. 

Für alle diese Gaben spricht der Berichterstatter Namens der 
Bibliothek hiermit seinen wärmsten Dank aus. 

Nicht aufgeführt unter den Geschenken sind die uns im Tausch- 
verein zugehenden Werke; betrefis der in Hamburg erscheinenden 
Verlagsartikel ist zu bemerken, dass die im Laufe eines Jahres verlegten 
Schriften grösstentheils im Beginne des nächsten Jahres zur Ablieferung 
gelangen: von den 215 Hamburger Verlagsartikeln des Jahres 1892 
sind im Ganzen 140 eingeliefert und mit Dank entgegengenommen worden. 

Im Lesezimmer wurden 11905 Bände — darunter 115 Hand- 
schriften — von 2903 Personen benutzt. 

Ausgeliehen wurden 7520 Bände an 596 Personen, darunter 
54 Handschriften; von diesen gingen 16 nach Dresden, 8 nach Berlin, 
6 nach Eddigehausen, je 4 nach Leipzig und Osnabrück, je 3 nach 
Hannover und Münster i. W., je 2 nach Berlin und Marburg, je eine 
nach Cuxhaven, Greifswald, Grimma, Pressburg, Strassburg und Wien. 
Ausserdem wurden nach 57 auswärtigen Orten 392 Bände versandt. 

Das Neubinden des alten Bücherbestandes rückte mfolge umfang- 
reicher Neuanschaffungen nur langsam fort und erstreckte sich auf die 
Abtheilungen N E bis N H, ist somit für die ganze Abtheilung N beendigt. 

Die neben den laufenden Katalogisirungsarbeiten hergehende 
Eintragung der Standortsbezeichnungen nach dem Realkatalog in den 
Nominalkatalog wurde in der Weise gefördert, dass DFaIV (Astro- 
logie), HA VI und VII (Geographie von Australien und geographische 
Karten), KC (Bremensia), E A (mathematisch - naturwissenschaftliche 
Schriften im Allgemeinen, allgemeine Physik) und EAa (Schriften 
naturwissenschaftlicher Gesellschaften) übertragen wurden. Von MC 
(exegetisch-historische Jurisprudenz) wurden die ersten 150 Seiten 
erledigt, ferner die völlige Umarbeitung des die Deutsche Litteratur 
unseres Jahrhunderts umfassenden Katalogbandes wesentlich gefördert. 


Botanischer Garten. IX 


2. Botanischer Garten. 


Die Aufsicht über die Verwaltung des Botanischen Gartens ist 
auch ım Jahre 1893 von der für diesen Zweck eingesetzten Komnussion 
unverändert weitergeführt worden. | 

Abgesehen von der Neubesetzung einer Obergehülfen-Stelle blieb 
das Personal der Beamten und Angestellten im Wesentlichen dasselbe 
wie im Vorjahre. 

Nachdem der im Jahre 1892 ausgeführte Umbau des grossen 
Kalthauses sich als zweckentsprechend herausgestellt hat, wurde im 
Berichtsjahre das Palmenhaus einer ähnlichen Umgestaltung unterworfen, 
durch welche dasselbe nach seinen Raum-, Licht-, Heizungs- und Ven- 
tilations-Einrichtungen erheblich verbessert worden ist. 

Das Wohnhaus erhielt äusserlich einen Oelfarbenanstrich; auch 
wurden das Rohrdach und die Dachrinne desselben einer Wiederher- 
stellung unterzogen. 

Die Blütezeit der Victoria regia dauerte diesmal vom 25. Juni 
bis zum 20. October; während dieser Zeit war das Haus täglich vor- 
mittags 2, nachmittags 2 bis 3 Stunden den Besuchern geöffnet. 

Nach dem Ausräumen des Bassins diente das Haus zur Auf- 
nahme von ca. 600 im Garten gezogenen Chrysanthemum, welche vom 
15. November an durch ihre Blütenpracht zahlreichen Besuch des 
Hauses veranlaßten. 

Im Kalthause No. 3 fand auch während des vergangenen 
Sommers eine ständige Schaustellung geeigneter blühender Topfgewächse 
statt, welche dem Publikum täglich während der Besuchszeit des 
Gartens geöffnet war. Auch die Fenster der Pförtnerhäuser wurden 
in der üblichen Weise zu Ausstellungen benutzt. 

Die Revision der Freilandgewächse, wie auch des Herbars 
wurden weitergeführt. Wiederum wurden wildwachsende, für Schul- 
zwecke bedeutsame Pflanzen unserer Flora in einer größeren Zahl 
von lebenden Exemplaren gesammelt und dem Gartenbestande einverleibt. 


x Botanischer Garten. 


Für Unterrichtszwecke wurden 231 548 Pflanzen bezw. Teile 
derselben abgegeben, welche 533 Arten entnommen waren. Den 
Lehrern wurde wöchentlich ein Verzeichnis der blühenden Schulpflanzen 
zur Verfügung gestellt, nach welchem die Bestellungen ausgewählt 
werden konnten. 

Im System wurden wünschenswerte Verpflanzungen und Aus- 
saaten ausgeführt, sowie auch die Buxeimfassungen erneuert; die 
Gehölzgruppen wurden durch Nachpflanzungen vervollständigt. 

Während der Wintermonate erfolgten die Erneuerung und 
Vervollständigung der Etiketten, die Zusammenstellung und Versendung 
der Samenkataloge, sowie der Tauschverkehr mit verwandten Instituten 
in der bisher üblichen Weise. 

An Geschenken erhielt der Garten von Frau J. ©. Mittelstein 
Reiser von Jatropha Manihot; von Fräulem Peters 1 Alo& variegata; 
von den Herren O’Swald & Co. Samenkapseln und Samenpflanzen von 
Kautschuk liefernden Bäumen; von den Herren Witt & Büsch eine 
Anzahl Samenpflanzen von Blattgewächsen aus Lagos; von Herrn 
H. Freyschmidt 3 Brotbaumfrüchte; von Herrn Neubau 1 Yucca 
angustifolia; von Herrn Professor Kirchhoff in Ottensen Samen der 
Sequoia gigantea. gesammelt in Calaveras County, Calif.; endlich von 
den Herren Joost, Gubbler & Co. 14 Dendrobium sp. von der 
Delagoa-Bay. 

Im Tausche erhielt der Garten von der Hofsgärtnerei „Wilhelma“ 
bei Cannstatt für 3 hier gezogene Pflanzen der Victoria regia ein 
Sortiment Rhododendron; für Freilandstauden vom Botanischen Garten 
in Berlin Musa sp., von Herrn Dr. Nanne in Großborstel verschiedene 
Orchideen. 

Gekauft wurden außer den alljährlich erforderlichen Sämereien 
von Herrn Dr. Nanne Gehölz- und Gruppenpflanzen, sowie Orchideen, 
von Herrn F, 7. Stüeben Palmen. 


Sternwarte. RI 


9. Sternwarte. 


Bericht des Direktors Professor Dr. George Rümker. 


Die Witterung des vergangenen Jahres war der beobachtenden 
Thätigkeit der Anstalt im wesentlichen ebenso günstig wie im Jahre 
1892, so dass in 210 Nächten — gegen 211 in 1892 — Beobach- 
tungen angestellt werden konnten, und zwar in 188 Nächten an den 
Meridianinstrumenten und in 74 Nächten am Aequatoreal, welches 
jedoch, wie weiter unten des Näheren ausgeführt werden wird, während 
der für die Beobachtungsthätigkeit sehr günstigen Zeit von Anfang 
August bis Anfang October nicht benutzt werden konnte. Die den 
Beobachtungen günstigen Nächte vertheilten sich auf die eimzelnen 
Monate wie folgt: Im Januar hatten wir 16 theilweise heitere Nächte, 
im Februar 12, März 21, April 24, Mai 20, Juni 19, Juli 18, August 21, 
September 21, October 14, November 11 und December 13. 

An den Meridianinstrumenten wurden die für den Zeitdienst 
erforderlichen Bestimmungen vom Observator Herrn Dr. Schorr und 
dem Assistenten am Chronometer-Prüfungs-Institut Herrn Dr. Stechert 
und in Vertretungsfällen von Herrn Hülfsarbeiter Dr. Hänig ausgeführt, 
ferner von Herrn Dr. Stechert die Beobachtungen der Mondeulmimationen 
fortgesetzt. Ausserdem wurden die genauen Positionen einer Anzahl 
von Sternen bestimmt, die bei den Beobachtungen am Aequatoreal als 
Vergleichsterne benutzt worden waren, sowie auch einige der helleren 
unter den kleinen Planeten, deren Lichtstärke dieses verstattete, beob- 
achtet. Ferner wurden in den „Astronomischen Nachrichten No. 3208“ 
die von Herrn Dr. Zuther in dem Jahre 1856—91 am Meridiankreise 
angestellten Beobachtungen der kleinen Planeten (5) Asträa, (6) Hebe, 
(8) Flora, (9) Metis, (11) Victoria, (15) Eunomia, (21) Lutetia, 
(29) Amphitrite, (43) Ariadne und (79) Eurynome veröffentlicht. Die 
Reduction einer grösseren Anzahl von Fixsternbestimmungen, die Herr 
Dr. Luther während der Zeit seiner hiesigen Thätigkeit angestellt hat, 
wird gegenwärtig zu Ende geführt; ihre Veröffentlichung steht dem- 
nächst zu erwarten. 


x Sternwarte. 


Am Aequatoreal wurden vorwiegend die erschienenen Kometen 
so lange verfolgt, als die optische Kraft des Fernrohrs dieses gestattete, 
und ausserdem eine Reihe von kleinen Planeten beobachtet. In den 
Tagen vom 11. August bis zum 9. October konnte das Instrument 
nicht benutzt werden, da während dieser Zeit grössere Reparaturen 
an der Drehkuppel ausgeführt wurden. Es hatte sich gezeigt, dass 
der Beobachtungsthurm, der die eiserne Kuppel trägt, sich etwas 
nach Osten gesenkt und in Folge dessen die Kuppel sich ebenfalls ein 
wenig nach dieser Richtung verschoben hatte. Wenngleich diese 
Verschiebung nur eine geringfügige war, so war es in der letzten Zeit 
doch mehrfach vorgekommen, dass die Zahnstange, die beim Umdrehen 
der Kurbel durch ihr Eingreifen in den mit der Kuppel fest ver- 
bundenen Zahnkranz die Drehung der Kuppel bewirkt, nicht mehr 
einfasste, so dass eine Bewegung nicht möglich war. Ferner waren bei 
einigen der Räder, auf denen der Zahnkranz mit der ganzen Kuppel 
ruht, im Laufe der Zeit die Spurkränze schadhaft geworden und 
abgesprungen. Es musste deshalb die ganze Kuppel einer umfassenden 
Reparatur unterzogen werden. Die Räder wurden zu diesem Zwecke 
herausgenommen und die Spurkränze erneuert, alsdann wurden in 
gleicher Entfernung von einander drei Pockholzrollen aufgestellt, die 
auf festen in dem Mauerwerk eingelassenen Konsolen ruhend und 
gegen den Zahnkranz anliegend eine Verschiebung desselben verhindern ; 
eine zweite Sicherung wurde ausserdem noch durch drei kleine, unter 
einem Winkel von 45 Grad angebrachte gusseiserne Räder erreicht, 
die auf der Hochkante der auf dem Mauerwerk ruhenden Schienen 
laufen. Durch diese Abänderungen an der Kuppel ist jedoch die 
Leichtigkeit ihrer Bewegung nicht beeinflusst worden und lässt sie sich 
bequem mit einer Hand drehen. Gleichzeitig mit dieser Arbeit wurde 
auch das innere Schirmdach, das dazu dient im Winter bei Thau- 
wetter das Instrument vor herabfallenden Wassertropfen zu schützen, 
einer durchgreifenden Reparatur unterzogen. 


Im Jahre 1893 sind 34 neue Asteroiden entdeckt worden; die 
Gesammtzahl der uns bekannten kleinen Planeten der Gruppe zwischen 
Mars und Jupiter ist dadurch auf 385 angewachsen. Alle Entdeckungen 
geschahen auf photographischem Wege durch die Herren Charlo:s in 
Nizza und Wolf in Heidelberg, mit Ausnahme eines Planeten, der von 
Herrn Borrelly in Marseille durch direkte Beobachtung gefunden wurde. 
Die im verflossenen Jahre hier erhaltenen Beobachtungen von kleinen 
Planeten, 90 an Zahl, vertheilen sich auf die einzelnen Himmelskörper 
wie folgt: 


Sternwarte. RI 


Planet (6) Hebe 3 Beobachtungen, 

„ (17) Thetis 2 Mn 

»„ . (83) Polyhymnia 4 e 

» - (57) Mnemosyne 5 ® 

» (68), Leto 3 e 

»„ (82) Alkmene 2 a 
(Be dula. 15 5 

»„ (95) Arethusa 1 n 

- » (113) Amalthea 4 A 
„ (121) Hermione 2 x 

„ (130) Elektra 4 h 

„ (164) Eva 1 R 

„ (241) Germania 4 R 

„. (258) Tyche 5 ; 

„ (287) Nephthys 1 hs 
N „ (813) Chaldaea 5 R 
„ (817) Roxane 1 ® 
oe 3 4 

„ (347) Dembowska 12 N 

” (354) iEe 3 ” 

» (362) u 9 ” 

„ (372) N 1 „ 


An Kometen hat uns das vergangene Jahr nur zwei neue, wie 
die Wiederkehr des periodischen Kometen Finlay gebracht, doch konnte 
der in unserem vorjährigen Berichte angeführte von Herrn Brooks am 
19. November 1892 entdeckte Komet hier noch bis zum 16. Februar 
weiter beobachtet werden. Auch der von Herrn Holmes am 6. November 
entdeckte Komet konnte, wie bereits im vorjährigen Berichte erwähnt, 
nach seiner bedeutenden Helliskeitszunahme im Jahre 1893 hier noch 
bis zum 12. März verfolst werden. Der periodische Komet Finlay 
wurde von seinem Entdecker in der ersten Erscheinung 1886, dem 
Herrn Finlay auf der Sternwarte am Kap der guten Hoffnung am 
17. Mai ganz in der Nähe des Orts, den die Vorausberechnung des 
Herrn Schulhof in Paris für seine Wiederkehr angegeben hatte, aufge- 
funden. Anfangs stand der Komet zu südlich, um in unsern Gegenden 
wahrgenommen zu werden, und als er später im August und September 
für uns sichtbar wurde, konnte er in Folge der zur Zeit an der Kuppel 
ausgeführten Reparaturen hier nicht beobachtet werden. Als Ende 
October und Anfang November hier auf ihn eingestellt wurde, war er 
für unser Fernrohr zu lichtschwach geworden, 


XIV Sternwarte. 


Der erste neue Komet des vergangenen Jahres wurde von ver- 
schiedenen Beobachtern unabhängig von einander entdeckt; zuerst von 
Herrn Sperra in Randolph U. S. am 19. Juni, alsdann von Herrn 
Rosa de Luna in Estremadura am 5. Juli, Rordame in Utah U. S. 
am 8. Juli und Quenisset in Juvisy bei Paris am 9. Juli. Erst durch 
letzteren Herrn wurde die Entdeckung allgemem bekannt, und es 
konnte der Komet alsdann am 11. Juli hier beobachtet werden. Der 
Komet zeigte an diesem Tage einen verwaschenen Kern 6. Größe und 
eine Coma von 3 Minuten Durchmesser. Obgleich der Komet, der 
damals im Sternbilde des Haares der Berenice stand, immer mehr m 
die hellere Abenddämmerung hinemrückte, konnte er doch bis zum 
10. August hier verfolgt werden. Bei der letzten Beobachtung 
hatte er nur noch eine Höhe von 3 Grad über dem Horizonte, war 
aber trotzdem gut zu sehen. Einer aus den hiesigen Beobachtungen 
von Herrn Dr. Schorr abgeleiteten Bahnbestimmung zufolge scheint 
der Komet sich in einer Parabel zu bewegen. Der zweite neue Komet 
wurde am Morgen des 17. October im Sternbilde der Jungfrau von 
Herrn Brooks in Geneva U. S. aufgefunden. Das Telegramm mit der 
Nachricht von der Entdeckung traf m der darauf folgenden Nacht 
ein, und es konnte der Komet hier am Morgen des 18. October 
beobachtet werden. Der Komet erschien damals ziemlich hell und 
zeigte eimen Kern neunter Grösse und eine Coma von 1Yz Minuten 
Durchmesser wie einen hellen mehrere Grade langen Schweif. Er 
behielt dieses Aussehen im wesentlichen den October über bei, nahm 
alsdann an Helligkeit ziemlich schnell ab, konnte aber noch bis zum 
14. December hier weiter verfolgt werden. Seine Bahn scheint sich 
ebenfalls nicht von der Parabel zu entfernen. 

Im Ganzen wurden hier im vorigen Jahre 46 Kometenbeobach- 
tungen am Aequatoreal angestellt, und zwar von Komet Holmes, 
entdeckt November 6 1892, 9 Beobachtungen, von Komet Brooks, 
entdeckt November 17 1892, 14, Komet Rordame-Quenisset 11 und 
dem letzten Kometen Brooks 12 Beobachtungen. Eine definitive 
Zusammenstellung aller von den Herrn Dr. Zuther und Dr. Schorr in 
den Jahren 1891, 1892 und 1893 am Aequatoreal angestellten 
Kometen- und Planetenbeobachtungen unter Beifügung der genauen 
Positionen der für diese Beobachtungen am Meridiankreise neu be- 
stimmten Vergleichsterne ist in den „Astronomischen Nachrichten“ 
No. 3136—37 und No. 5215 —16 veröffentlicht worden. 

Das im Garten der Sternwarte errichtete kleme Gebäude, in 
welchem sich bisher das Chronometer-Prüfungs-Institut befunden hatte, 
wurde, nachdem die Uebersiedlung des Instituts nach dem neuen im 


Sternwarte. XV 


Areal der Seewarte für dasselbe errichtete Gebäude im Spätherbst 1892 
erfolgt war, im vergangenen Frühjahr entfernt. Auf dem dadurch 
freigewordenen Platze ist ein 1 Meter hoher Pfeiler aufgemauert 
worden, der zur Aufstellung verschiedener kleiner der Sternwarte 
gehörender Instrumente benutzt werden kann. Um die Anlage einer 
kostspieligen Drehkuppel zu vermeiden, ist ferner ein kleines fahrbares 
Haus aus Holz auf zwei Schienen hergestellt worden, das durch 
einen im Innern desselben befindlichen Hebel leicht bewegt und beim 
Gebrauche des Instruments bei Seite geschoben werden kann, so dass 
das Instrument und der Beobachter dann ganz im Freien stehen. 
Auf dem Pfeiler ist einstweilen der ältere fünffüssige Refractor von 
Frauenhofer aufgestellt, und es dient dieser jetzt zur Beobachtung der 
helleren Cometen, des Lichtwechsels der veränderlichen Sterne wie der 
Sternbedeckungen durch den Mond. 

Die Thätigkeit des der Direktion der Sternwarte unterstellten 
Chronometer-Prüfungs-Instituts der deutschen Seewarte, Abtheilung IV 
derselben, war auch im verflossenen Jahre eine recht umfangreiche. 
Ausser den laufenden Arbeiten, der Prüfung der Schiffschronometer 
und Präcisionstaschenuhren, sowie der alljährlich auf der Abtheilung 
abzuhaltenden Chronometer-Konkurrenzprüfung, wurde die Hülfe des 
Instituts von wissenschaftlichen Anstalten, so namentlich auch zwecks der 
Untersuchung von Pendeluhren, und von Forschungs-Expeditionen stark 
in Anspruch genommen. Ueber die Ergebnisse der letzten 16. Chrono- 
meter-Konkurrenzprüfung ist im Augusthefte des Jahrgangs 1893 der 
„Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie“ ein ein- 
gehender Bericht veröffentlicht worden; von den 30 geprüften Chrono- 
metern wurden 5 seitens der Kaiserlichen Admiralität prämürt und 
6 angekauft. Eine strenge Berechnung und kritische Untersuchung der 
Gangformeln für die Mehrzahl der bei der 13., 14. und 15. Konkurrenz 
hier geprüften Chronometer ist nahezu vollendet und wird demnächst 
veröffentlicht werden. 

Der auf dem Thurm des Quaispeichers befindliche Zeitball ist, 
nachdem er am 2. April 1892 durch eine Feuersbrunst zerstört 
worden war, im Januar 1893 wieder aufgestellt worden, und es haben 
bei dieser Gelegenheit die meisten Theile des mechanischen Apparats 
eine Erneuerung erfahren. Vom 1. Februar ab ist der Zeitball dann 
wieder dauernd in Betrieb gewesen, doch haben 8 Signale, theils 
wegen Eisbildungen an der Auslösungsscheere oder Leitungsstörungen, 
nicht erfolgen können, während in zwei Fällen der Ball durch heftigen 
Sturm und einmal durch einen in der Leitung auftretenden fremden 
Strom zu früh ausgelöst wurde. Von den 730 Signalen des Zeitballs 


XNI Sternwarte. 


in Cuxhaven sind 8 wegen Reparaturen oder Eisbildung an der Scheere 
nicht ertheilt worden, während 8 Signale theils durch Versehen der 
Beamten theils wegen mangelhaften Funktionirens des Auslösungs- 
apparats fehlerhaft erfolgt sind. Beim Zeitball m Bremerhaven konnten 
15 Signale wegen Reparaturen nicht gegeben werden, ausserdem sind 
2 Fehlsignale zu verzeichnen, die anderen 715 Signale erfolgten richtig. 
Im Sommer wurde bei allen drei der Sternwarte unterstellten Zeit- 
bällen eine Neubestimmung der Auslösungszeit oder der Zeit, welche 
zwischen dem Niederdrücken des Tasters und dem Auslösen des Balles 
aus der Scheere verfliesst, vorgenommen, und dieselbe in Hamburg zu 
0,7, m Cuxhaven zu 0,6 und in Bremerhaven zu 0,9 Zeitsecunden 
gefunden. 

Die an der Börse befindliche sympathetische Uhr ist mit Aus- 
nahme von 7 Tagen im Mai, wo sie in Folge des Umbaus der Fassade 
des Gebäudes abgenommen und an einer anderen Stelle der Vorder- 
seite der Börse wieder aufgestellt wurde, in steter Uebereinstimmung 
mit der ihren Gang regulirenden Uhr auf der Sternwarte gewesen, 
ebenso während des ganzen Jahres die zweite am Eingange zum Ost- 
flügel der Sternwarte aufgestellte sympathetische Uhr. Beide Uhren, 
welche bis zum 31. März die mittlere Hamburger Ortszeit zeigten, 
wurden, nachdem am 1. April die mitteleuropäische Zeit als gesetzliche 
Zeit in Deutschland zur Einführung gelangt, in der Nacht vom 31. März 
zum 1. April auf diese eingestellt und geben seitdem die mittel- 
europäische Zeit innerhalb der Secunde genau an. 

Der Instrumentenbestand der Sternwarte blieb im vorigen Jahre 
im wesentlichen unverändert, da ein grosser Theil der der Anstalt zur 
Verfügung gestellten Geldmittel auf nothwendig gewordene Reparaturen 
und Abänderungen an den Instrumenten und Uhren verwendet werden 
musste. Die Bibliothek erfuhr wieder durch Eingang zahlreicher ihr, 
darunter auch von auswärtigen Anstalten, gewordenen Geschenke eine 
sehr werthvolle Bereicherung. Nach einer von Herrn Hülfsarbeiter 
Dr. Hänig ausgeführten Neukatalogisirung der Bibliothek umfasste ihr 
Bestand am Ende des Berichtsjahres ca. 3600 Werke im 7100 Bänden. 


Museum für Kunst und Gewerbe. XVJl 


4. Museum für Kunst und Gewerbe. 


Bericht des Directors Professor Dr. Justus Brincekmann. 


Die Verwaltung. 


Den Vorsitz in der Commission des Museums für Kunst und 
(sewerbe übernahm im Jahre 1893 an Stelle des bisherigen Vorsitzenden 
Herrn Senator Stammann Dr., Namens der Oberschulbehörde Herr 
Syndicus Dr. von Melle. Die übrigen Mitglieder waren dieselben 
Herren, welche im Vorjahre der Commission angehört hatten: Herr 
G. R. Köichter, Tischlermeister, als Mitglied der Oberschulbehörde, 
die Herren Carl Eggert, Kaufmann, Heinrich Föhring Dr., Land- 
gerichts-Director, Wilhelm Hauers, Architect, Carl Popert, Kaufmann, 
H. J. Eduard Sehmidt, Schlossermeister, E. J. A. Stuhlmann Dr., 
Director der Allgemeinen Gewerbeschule, E. G. Vivie, Bildhauer. 

Herr Dr. Preedrich Deneken wurde auch während des Jahres 1893 
als Hülfsarbeiter beschäftigt. 

Der langjährige Oberaufseher des Museums, Herr Wilhelm Lemme, 
welcher der Anstalt seit 1874, schon zu der Zeit angehört hatte, als 
sie noch eine private Unternehmung war, trat am 1. Juli 1893 in den 
wohlverdienten Ruhestand. An seiner Stelle wurde sein bisheriger 
Gehülfe, der Tischler Wm. Oehme zum Oberaufseher erwählt. 

Die von Senat und Bürgerschaft für die Verwaltung bewilligten 
budgetmässigen Geldmittel beliefen sich im Jahre 1893 auf 4 27310 
für Gehalte und 4 11950 für die allgemeinen Verwaltungskosten. 
Letztere Summe wurde durch eine Nachbewilligung noch um „4 2500 
erhöht. Die Ausgaben aus diesen 4 14 450 vertheilten sich folgender- 
maassen: 


Ellisarbenie ee er ee hlsaness #423,158,05 
Elultsaudsicht re a ne: > 388,80 
Restaurierung und Aufstellung... 2 .naee.r na. 17.320,10 
BVeISeH Re a N ee Sala ee u. 772 028798 
Pracht undeVerpackmna sr. an an are E 757,84 
Drucksachen, Buchbinderarbeiten ete.. ....-..... „ 2491,39 
Tacesblätver und Inserate. 2.7 22... er 137,60 
Porto und kleine Bureauausgaben ........ ...... n 308,17 
VEN U Se ee he sehn . 1.899,55 
Dienstkleidumesen sen neun ncsun cin, e 151,— 
Nothwendige und kleine Ausgaben .............. " 795,31 


Zusammen ... .4 14 449,94 


b 


17722222 


XVII Museum für Kunst nnd Gewerbe. 


Innenseite der Klappe eines türkischen Koranbandes aus dem 16. Jahrhundert. 
Rothes Leder, der Grund der Ausschnitte golden und hellblau. 1, nat. Gr. 


Die Vermehrung der Sammlungen. 
Ankäufe aus budgetmässigen Mitteln. 

Die Verwendung der budgetmässig bewilligten #4 20000 zur 
Vermehrung der Sammlungen im Jahre 1893 erhellt aus der neben- 
stehenden Uebersicht. 

Wieder nehmen die Möbel und Holzschnitzereien mit einer 
Ausgabe von .4 5039,17 die erste Stelle ein. Ihnen zunächst folgen 
dieses Mal die Porzellane mit ‚4 3594,60, die namentlich zur Ver- 
mehrung unserer etwas zurückgebliebenen Sammlung von Werken der 
kleinen Plastik verwendet wurden. An dritter Stelle. stehen die 
Fayencen mit „4 2239,98, an vierter das Steinzeug und Steingut mit 
4 2097,16, an fünfter die Arbeiten aus Bronze, Messing und Zinn 
mit 4 1504,24. Die übrigen Ausgaben vertheilen sich über nahezu 
alle Gruppen der Sammlung. 

In der Uebersicht nach geschichtlichen Gruppen nimmt das 18. Jahr- 
hundert mit .# 10 028,67 mehr als die Hälfte der ganzen budget- 
mässigen Ausgabe in Anspruch, was sich daraus erklärt, dass nicht 
nur die Erwerbungen von Porzellanen und Fayencen Erzeugnisse des 
18. Jahrhunderts betrafen, sondern diesem auch die wichtigsten der 
1. J. 1893 erworbenen Möbel angehören. Dem 18. Jahrhundert zunächst 
steht das 19. aus zwei Ursachen: in Folge des Ankaufes von Gegen- 
ständen des Empire-Stiles und deswegen, weil sich einmal wieder 
(relegenheit bot, neuzeitige, durch neue technische Verfahren für die 
Sammlung wichtige Stücke zu erwerben. Dem Mittelalter und der 
Renaissance kamen aus Mitteln des Budgets geringere Summen zu 
Gute, als der Bedeutung jener Epochen für das Kunstgewerbe 
angemessen erscheinen könnte. Dabei ist aber in Betracht zu ziehen, 
dass die grossen Ankäufe, die aus privaten Mitteln bei der Versteigerung 
der Sammlung Spitzer gemacht wurden, fast durchweg Erzeugnisse 


Museum für Kunst und Gewerbe. 


Uebersicht der Ankäufe 


XIX 


für das Hamburgische Museum für Kunst und Gewerbe 


aus dem Budget des Jahres 1893. 


I. Nach technischen Gruppen. 
Stück Preis 4 Stück 


Preis .% 


I Gesehen ee ats a aaa er 12 680, — 
SUCKeHeIETE nee een 2 182, — 
SP ET 4 40, — 

Bextil-Arbeitenkim ‚Ganzen: 2... Hl. 18 I02,— 
2 Buchembande amd Lederarbeiten ..........:. care ara ana 7 729,89 
BOBEAVENCENG N ee ee en 23 2239,98 

Borzellanerz: nn EN ea ee 27 3594,60 
Siemzeugr und Stemgub n .2......2....0.duae. 18 2097,16 
Griechische, Vasen eu. 4 621.46 

Keramische, Arbeiten im Ganzen ............l ns 12 8 553,20 
A SE Eee sage Di een ehe Sata re a pet Sage hl 455,— 
Fe ee ee SR NE A en 10 3858,07 

Elolzschnitzezelemere ee ende 6 1061,10 
Bauschreinerarbeiten. 4... un on seen 1 120,— 

Holzarbeisen, Im Ganzen . .....:002.. N aaneenen: 17 5 039,17 
ba Hilfenbemsehnitzereien......un..cscoseeaenseenen ee 4 197, — 
dc. Aalen ee A 10 616,— 
BESchmiedeeisent nr een te es ee il 141,— 
Os »Bronze, Messıao und Zinnarbeiten. . .....ucc oo cueesesnenen 13 1 504,24 

10. Silberarbeiten (Grosserie) ......... ........ 5 720, — 
Dehmuek(Minuterie), 0... 20.0. 2202.04 RAN 30,— 

idelmetallarbeitene er 6 750,— 
IiarJapanısche Schwertzieraten +....:.n russ lasenaeonennen. 8 206, — 
PSehmailarbeiens hrs rare te hrs rare ran eree erena Aare a eur äne 2 70,— 
I SNle Nester ee Se es Sees 2 40,— 
AeaNorbiiechtarbeitenten nu ee 20 560,50 
IHeDecorativea Malereien gr ee lets ee hark eier D 220, — 
oO WAVerSchiedene sten ee ae Ne elcrereee tar 1 16,— 
im Ganzen...... 197 20 000, — 
II. Nach geschichtlichen Gruppen. Stück Preis «4 

Abendland. 1uPranistomsches.. „An... en. ln — —_ 

ZERO DENE) a ee a ans nalen = — 
De Classisches, Alterthumd. nase nase ee Ale 6 731,35 

EN Rerlahrhundertg.n. ren E= —— 
DERERV PJahchmderty.r. Since. eier 15 1 080, — 
GERN Jahrhunderts ern ee eat ie irrt 1 507,38 
SAVE Sahrhundertin ar ee hl 1 575,96 
STE NYSE Tahrhundertt. 2.84 ee sn are 68 10.028,67 
ZERTRETAhThundert ee ae ee on 22 2 321,47 
Mörgenland.2 10% Bersien a IT 1 15,— 
TTS Te a en a ers aare 2 500,— 
VS ee er Be IE NE ]! 50, — 
a N RER ed 420, — 
PEeapan tee ee ee 50 1770,17 
im Ganzen..... 197 20 000,— 


b* 


RX Museum für Kunst und Gewerbe. 


des Mittelalters und der Renaissance betrafen. Dem Orient konnten 
1. J. 1893 nur wenig grössere Mittel zugewendet werden als im 
voraufgehenden Jahr; davon kamen Japan #4 1770,17 zu Gute, zu 
einem Drittel für die Vermehrung unserer Sammlung geflochtener Körbe. 

Das Sinken des Durchschnittspreises von 4 141,84 i. J. 1892 
auf 4 101,52 1. J. 1893 ist insofern nur ein scheinbares, als die Ein- 
beziehung der ausserordentlichen Ankäufe aus der Sammlung Spitzer 
den Durchschnitt um em sehr Bedeutendes noch über den Durchschnitt 
des Vorjahres erhöhen würde. 

In der Aufzählung der wichtigeren Neuerwerbungen lassen wir 
gewohntermaassen den Möbeln den Vortritt. Es hat sich glücklich 
gefügt, dass wir die Möbelabtheilung um eine Reihe guter Arbeiten 
vermehren konnten, die eine Folge von Typen der vom Anfang des 
18. bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts im den französischen Möbeln 
herrschenden Geschmacksrichtungen darstellen. 

Zuerst ist em Consoltisch mit marmorner Platte aus der Spät- 
zeit Ludwigs XIV. zu nennen, der jetzt, nachdem er von seinem ver- 
unzierenden braunen Lacküberzug gereinigt ist, in seiner ursprünglichen, 
nur durch das Alter gemilderten Vergoldung erscheint. Die unten 
durch geschwungene Kreuzspriegel verbundenen Stützen zeigen einen 
stark geschwungenen Contour; in dem Schnitzwerk des Kranzes mischen 
sich mit dem Akanthus naturalistische Blumenmotive und die gebrochenen 
Ansätze, welche für das Ornament des dem Rococo unmittelbar vor- 
aufgehenden Stiles bezeichnend sind. 

Wenn nicht von französischer Arbeit, so doch unter dem 
Einfluss französischen Geschmackes entstanden ist das zweite, ein 
Lütticher Möbel. In Lüttich, der erst i. J. 1815 dem Königreich 
der Niederlande überlassenen Hauptstadt des früher zum westfälischen 
Kreis des deutschen Reiches gehörigen Bisthums gleichen Namens, 
hat während des ganzen 18. Jahrhunderts eine Möbel-Industrie geblüht, 
die ihre eigenen Wege ging, wenn nicht immer hinsichtlich des 
Geschmackes, so doch hinsichtlich der technischen Ausführung. 
Während in Paris das furnierte Möbel mit Bronzebeschlägen den Ton 
angab, und auch Deutschland dieser Richtung folgte, blieben die 
Lütticher Schreiner und Schnitzer der Ueberlieferung der Renaissance 
getreu und fuhren fort, ihre Möbel nicht nur aus Eichenholz zu 
bauen, sondern dieses offen zu zeigen und mit geschnitzten Ornamenten 
zu schmücken. In diesen selbst freilich huldigten sie den wechselnden 
Strömungen; sie verstanden es, dem Laub- und Bandelwerk der 
Spätzeit Ludwigs XIV., den üppiger bewegten Formen der Regence, 
dem Muschelwerk des Louis XV., den Blüthenranken und Hirten- 


Ankäufe im Jahr 1893. U 


trophäen des Louis XVI. nacheinander gerecht zu werden, ohne die 
Schnitzerei aus dem vollen Holze auch nur vorübergehend zu verlassen. 
Die Formen dieser Lütticher Schnitzmöbel sind sehr mamnigfaltige. 
Beliebt waren die eigenthümlichen Buffets oder richtiger Porzellan- 
schränke, welche gegen die Mitte des 18. Jahrhunderts in Mode 
kamen und auf einem geschlossenen Unterkasten einen verglasten 
Oberkasten von kleinerem Grundriss zeigen. Dieser Oberkasten wurde 
besonders mannigfaltig gestaltet, bisweilen dreitheilig, in der Mitte 
mit einer offenen Nischenanlage oder einer grossen Uhr verbunden, 
an den Seiten mit vorgezogenen abgeschrägten Ecken, deren schmale 
Glasscheiben Seitenblicke auf die Porzellangefässe im Innern eröffnen. 
Der Unterkasten wurde entweder mit Thüren schrankartig oder mit 
Schubfächern commodenartig geschlossen. Beliebt waren auch die 
„Encoignures“, bald geschlossene, bald im Obertheil verglaste und 
wie die Buffets zur Schaustellung von Porzellanen bestimmte Eck- 
schränke. Ein ausgezeichnetes Beispiel dieser Lütticher Möbel ist der 
grosse i. J. 1893 in Lüttich angekaufte Porzellanschrank. Der ge- 
schlossene Untertheil zeigt in dem geschnitzten Ornament der Schub- 
laden und der grossen Füllungen der beiden Thüren das Muschelmotiv 
des Rococo schon voll entwickelt bei noch symmetrischer Anordnung 
des ÖOrnaments. Der Öbertheil, dessen Thüren, Mittelpfosten und 
vorspringende Seitenpfosten verglast sind, zeigt in den durchbrochenen 
Örnamenten, welche sich von den Rahmen aus über die Scheiben 
verzweigen und in der Bekrönung das Rocaille-Ornament in unsym- 
metrischer Anordnung mit den typischen S- und C-Schnörkeln und 
naturalistischen Blüthenzweigen. Wie bei allen diesen Lütticher Möbeln 
ist dem Eichenholz durch einen dünnen Firniss Glanz gegeben. Der 
hellblaue Anstrich des Inneren ist der ursprüngliche. 

Das dritte Möbel vertritt den als „genre Jacob“ neuerdings 
wieder in Aufnahme gekommenen Geschmack, der seine Bezeichnung 
von den Pariser Ebenisten Jacob ableitet. Ein Georges Jacob hat 
schon i. J. 1793 das Mobiliar des National-Convents angefertigt; 
einer seiner Söhne, Jacob Desmalter den heute im Schloss zu 
Fontainebleau bewahrten schönen Juwelenschrank der Kaiserin Marie 
Louise. Bezeichnend für die einfacheren Möbel des „genre Jacob“ ist 
das Fehlen sowohl der eingelegten, wie der geschnitzten Verzierungen; 
ihr dunkles Mahagoniholz wird durch mit blankem Messing über- 
zogene Leisten, Messingauskleidung der Canneluren der senkrechten 
Glieder und messingene Griffe und Schlossbeschläge vortheilhaft gehoben. 
Bei den reicheren Möbeln treten vergoldete Bronzeappliken auf den 
Flächen hinzu. Das Möbel dieser Art, um das unsere Sammlung 


RXI Museum für Kunst und Gewerbe. 


vermehrt worden ist, zeigt die um das Jahr 1800 beliebte Ver- 
bindung der Commode mit der Etagere. An den Mittelkörper von 
rechteckigem Grundriss mit vier Schubladen ist jederseits ein Seiten- 
körper von viertelkreisföormigem Grundriss gefügt. Oben haben die 
Seitentheile je eine Schublade, unten zwei offene Fächer, deren Wände 
mit Spiegelglas belegt sind. Die weisse Marmorplatte ist mit einer 
kleinen Galerie aus durchbrochenem Messing eingefasst. 

Von Möbeln deutscher Arbeit konnte nur eines 
erworben werden, ein vergoldeter Pfeilerspiegel der Mitte des 
18. Jahrhunderts. Sein Schnitzwerk zeigt die für die deutsche Er- 
scheinungsform des Rococo-Stiles bezeichnenderen Motive in so üppiger 
und eleganter Entfaltung, wie keines der früher erworbenen Beispiele 
dieses Stiles. 


Unter den Holz- 
schnitzereien ver- 
dient das aus der 
Kirche zu Rodenberg 
am Deister stam- 
mende Gräflich 
Schauenburgisch- 

Holsteinische 
Wappen aus der 
Mitte des 16. Jahr- 
hunderts besondere 
Beachtung. (8. d. 
Abb.) Deutliche 
Farbenspuren lassen 
seine ursprüngliche 
Bemalung erkennen. 
Hervorzuheben sind 


ferner zwei ursprüng- 
lich versilbert ge- 
wesene, umrahmte 
Hochreliefs, deren 


Wlleten Hirmarı, 


Gräflich Schauenburgisch-Holsteinisches Wappen, von einem SERIEN E B s 
Gestühl in der Kirche zu Rodenberg am Deister. jedes das Haupt des- 


Eichenholz. !/; nat. Gr. jenigen Heiligen dar- 
stellt, dessen Reliquie, hinter Glas sichtbar, in einem Einschnitt des 
Rahmens aufbewahrt wurde. Die beiden Häupter, Johannes des 
Täufers und des h. Laurentius, sind in ihren im Tode erstarrten 
Zügen mit einem unerbittlichen Realismus dargestellt, der an die 
Masken der sterbenden Krieger im Hofe des Zeughauses zu Berlin 


Ankäufe im Jahr 1893. XXIII 


erinnert. Nach der Jahrzahl 1744 auf der in einem der Rahmen 
bewahrten Urkunde zur Beglaubigung der Johannes-Reliquie, sind jedoch 
diese Schnitzwerke jüngeren Ursprungs, als jene Meisterwerke Schlüters. 

Die kunstvollen Elfenbeinschnitzwerke, um die das Museum 
i. J. 1893 bereichert wurde, sind privaten Gaben zu verdanken. Unter 
den Ankäufen aus budgetmässigen Mitteln ist hier nur eine Arbeit 
des 18. Jahrhunderts, die kleme Figur eines jugendlichen Bettlers 
hervorzuheben, der mit der ausgestreckten linken Hand die Hohn- 
seberde der „corna“ macht, während der geöffnete Mund ein Schmäh- 
wort auszustossen scheint. Jene Geberde gilt in Italien als Schutz- 
mittel gegen den „bösen Blick“, wird aber in Süddeutschland auch 
für wirksam gehalten gegen den Angriff grosser Hunde. In letzterem 
Sinne hat der Schnitzer unserer Bettlerfigur die Geberde sicherlich 
verstanden wissen wollen. In der Beschränkung des Elfenbeins auf 
die nackten Theile, und der Ausführung der Bekleidung in braunem 
Holz vertritt unser Bettler eine im vorigen Jahrhundert sehr beliebt 
gewesene Specialität. In ihr hat sich besonders der Bildschnitzer 
Simon Troger ausgezeichnet, der als Erfinder dieser Technik gilt und 
auf dessen Namen mit Recht oder Unrecht die meisten Arbeiten 
dieser Gattung getauft werden. 

Französische Arbeit des 16. Jahrhunderts ist das aus zwei 
geschnitzten Füllungen zwischen kurzen Pilastern bestehende Bruchstück 
eines Wandgetäfels. Das leichte Geranke der grottesken Kandelaber- 
Ornamente in den Füllungen trägt ganz das Gepräge der im verschiedene 
Sammlungen verstreuten Schnitzereien, die ehemals die Wandgetäfel 
des Schlosses Gaillon bei Rouen schmückten. Glaubhafter Mittheilung 
des Vorbesitzers zufolge stammt auch unser Bruchstück dorther. 

Endlich gedenken wir hier noch der Erwerbung einer mit 
Schnitzwerk verzierten Hamburgischen Wendeltreppe aus dem 
Anfang des 17. Jahrhunderts. In den niederdeutschen Bürgerhäusern 
der Spätrenaissance wurde der Verkehr von einem Stockwerk zum 
andern häufig durch ganz freistehende hölzerne Wendeltreppen ver- 
mittelt, deren Stufen in die aus einem aufgerichteten Stamm gehauene 
Spindel eingelassen waren und durch ein ringsum auf ihrem äusseren 
Rande befestistes, oft mit geschnitzten Hermen verziertes Geländer 
umhegt wurden. Das reichste Beispiel solcher Treppenanlage ist die 
im Jahre 1616 ausgeführte Wendeltreppe m der grossen Halle des 
Rathhauses zu Bremen. In Hamburg hatten sich mehrere derartige 
Treppen noch bis in die jüngste Zeit im einigen vom grossen Brande 
verschonten Bürgerhäusern erhalten, die jetzt jedoch sämmtlich Neubauten 
zum Opfer gefallen sind. Die letzte dieser Wendeltreppen ist aus dem 


XXIWN. Museum für Kunst und Gewerbe. 


Hause Speersort No. 8 in das Museum gelangt und hier in ihrer 
letzten Anwendung, die jedoch wahrscheinlich nicht die ursprüngliche 
war, nach einer Aufnahme H. Käckenhoff’s abgebildet. 


Wendeltreppe in einem Hause des Speersorts in Hamburg. Spätrenaissance, 
Anfang des 17. Jahrhunderts. 


Bei der Vermehrung der Porzellan-Abtheilung handelte 
es sich hauptsächlich um Figuren und Gruppen. Diese vertreten 
ein (Gebiet der Kleinkunst, auf dem das 18. Jahrhundert Höchstes 


Ankäufe im Jahre 1893. XXV 


geleistet, während unsere Zeit es nirgend zu nennenswerthen Erfolgen 
auf ihm zu bringen vermocht hat. Noch heute versorgt Meissen den 
Weltmarkt mit tausendfältigen Wiederholungen jener lebensvollen 
kleinen Gestalten, die seine, nur zum Theil dem Namen nach uns 
bekaunten Modellmeister vor hundert und hundertfünfzig Jahren für 
die Ausführung in Porzellan ersonnen haben. Diesem reichen Erbe 
des 18. Jahrhunderts gegenüber erscheint von ganz unerheblichem 
Werthe, was neuere Künstler für den gleichen Zweck entworfen haben. 
Gleiche Erfahrungen hat man überall machen müssen, wo neuzeitige 
Kunst auf dem Gebiete der Porzellanplastik mit der alten Kunst in 
Wettbewerb zu treten versucht hat. Wie diese Beobachtung den 
Werth erklärt, der auf eine gute Vertretung dieses Zweiges alter 
Kunstübung in unserem Museum gelegt werden muss, so erklärt sie 
aber auch die Schwierigkeit dahin zu gelangen, insofern die Preise 
für wohlerhaltene und schöne alte Werke der Porzellanplastik in 
stetigem Steigen begriffen sind. 

Die im vorigen Jahr erworbenen Figuren und Gruppen ent- 
stammen mehreren deutschen Manufacturen. An erster Stelle steht 
Meissen, dessen überwiegender Reichthum der Gestalten sich schon 
dadurch erklärt, dass es fast schon ein halbes Jahrhundert der Arbeit 
hinter sich hatte, als die übrigen Fabriken mit plastischen Werken 
ihm nacheiferten. Der Zeit, da die Meissener Manufactur ihrer 
Schwertermarke noch nicht den um 1763 angenommenen Punkt hin- 
zufügte, entstammen vier Stücke. Die älteste Gruppe zeigt einen vor- 
nehmen Herrn, der eine Dame in riesigem Reifrock umarmt und küsst. 
Sie ist unbemalt geblieben. Bemalt sind dagegen die beiden als 
Gegenstücke gedachten Figuren eines Citronenverkäufers und einer 
Kuchenfrau in der Auffassung, als tauschten sie bei flüchtiger Be- 
gegnung freundliche Rede und Gegenrede aus. Ein liebenswürdiges 
Werkchen ist die Gruppe zweier Engel, von denen der eine die Flöte 
bläst, während der andere als Kapellmeister mit erhobener Notenrolle 
den Takt schlägt. Vor sich hat er die Partitur einer Symphonie der 
Oper ‚Alfonso‘, wie die Ueberschrift der zierlich gemalten Noten 
besagt. Die genannte Oper war ein Werk des beliebten — aus Berge- 
dorf gebürtigen — Komponisten Johann Hasse; da sie 1738 zum 
ersten Mal bei einer Hoffestlichkeit in Dresden aufgeführt wurde, 
muss diese Gruppe jünger sein als das Jahr 1738. An den drei 
bemalten Arbeiten erweist sich so recht die wohlerwogene Zurück- 
haltung, mit der die damaligen Porzellanmaler ans Werk gingen. 
Das schöne weisse Material und die gefälligen Formen und 
Bewegungen werden nicht durch die Farben und Blumen erdrückt, 


xXXVI Museum für Kunst und Gewerbe. 


sondern die Bemalung ordnet sich auf das Feinste der Gesammt- 
wirkung unter und bringst das vom Modelleur Gewollte zu vollerer 
Wirkung. 

Von den süddeutschen Porzellan-Manufacturen ist die herzoglich 
württembergische zu Ludwigsburg durch ein kleines Meisterwerk 
vertreten, die Gruppe eines Liebespaares, das nach dem bukolischen 
Geschmack der Rococozeit als Schäfer und Schäferin auftritt. Das 
Pärchen hat unter einer Eiche Platz genommen, Hirtentasche, Stab 
und Hut der Schönen sind am Baum aufgehängt; — vermutlich hat 
man soeben ein Duett gespielt, er auf der Sackpfeife, sie auf der 
Laute, denn jenes Instrument liegt unbenutzt neben seinem Besitzer, 
und nur noch wie traumverloren lässt das Dämchen den Daumen der 
Rechten über die Saiten ihres Instruments gleiten. Jetzt ist kosendes 
/wiegespräch an die Reihe gekommen. Lächelnd lehnt sie sich zu 
dem Geliebten hinüber, dieser legt den Arm um ihren Hals und hält 
zugleich ihre Linke gefasst. Die Gruppe ist unbemalt gelassen, aber 
nur um so vortheilhafter tritt die sorgsam ausgeführte Modellirung 
hervor. 

Die andere süddeutsche Manufactur, die herzoglich bayerische 
zu Nymphenburg, ist durch die ebenfalls unbemalte Gruppe eines 
Zigeunerlagers vertreten. Auf einer theils aus Rococovoluten, theils 
aus Terrain gebildeten Basis, auf welcher hinten ein Baumstrunk und 
ein Wasserpfosten, sitzt Imks das Zigeunerweib, beschäftigt, den Mann, 
der am Boden liegend seinen Kopf auf ihren Schooss legt, vom Un- 
geziefer zu säubern. Hinter der Frau sieht man ein Wickelkind mit 
dem Sauepfropfen im Mund, daneben einen. Zigeunerbuben, der eine 
Windel am Baum zum Trocknen aufhängt, während die Schwester im 
Trog der Quelle ein zweites Leinenstück wäscht. 

Die Porzellanmanufactur von Fürstenberg endlich ist durch eines 
ihrer gelungensten Werke aus den sechziger oder siebziger Jahren des 
vorigen Jahrhunderts vertreten. Es zeigt uns Andromeda, die, an den 
Felsen gekettet, vergeblich sich müht, dem — nicht dargestellten — 
Ungeheuer zu entgehen, dessen Beute sie werden sollte. Diese Figur 
hat dadurch ein besonderes Interesse, dass ihre Entstehungsgeschichte 
genau nachweisbar ist. Sie ist nämlich von dem Modelleur Desoches 
gearbeitet nach einem Kupferstich, welchen L. Cars nach dem die 
Befreiung der Andromeda darstellenden Gemälde des Francois Lemoine 
gefertigt hatte. 

Gegenüber diesen plastischen Arbeiten treten die neu erworbenen 
Porzellangefässe zurück. Hervorzuheben ist ein mit Blumen in 
den natürlichen Farben fein bemaltes Kaftee- und Thee-Service der 


Ankäufe im Jahre 1893. ROSE 


Marcolinizeit Meissens. In dieser Periode der Manufactur legte man den 
Blumenmalereien wieder fleissige Naturstudien zu Grunde, nicht ohne 
dabei etwas einzubüssen von dem leichten dekorativen Schwung, der 
die Meissener Blumen der Mitte des 18. Jahrhunderts auszgezeichnet 
und zu viel nachgeahmten Vorbilden erhoben hatte, obwohl es ihnen 
an natürlicher Zeichnung gefehlt hatte und ihre Farbenpalette eine 


ziemlich beschränkte gewesen war. Zu erwähnen sind auch noch zwei 


Fayence-Terrine in Gestalt eines Truthahns, bemalt in den Naturfarben. Höchst, ca. 1750. 
Länge vom Schnabel zur Schwanzspitze 48 cm. 


kleine Senftöpfchen mit feinen Vogelmalereien aus der in der Sammlung 
bisher nicht vertreten gewesenen Manufactur im Haag. 

Unter den neu erworbenen Fayencen steht die hier abgebildete 
Terrine in Gestalt eines Truthahns an erster Stelle. Im 18. Jahr- 
hundert wurden dergleichen figurirte Gefässe in Brüssel, in Strassburg, 


XXVII Museum für Kunst und Gewerbe. 


in mehren Orten Süddeutschlands, in Proskau in Schlesien, zu Eckern- 
förde im Schleswig’schen angefertigt, nirgend aber mit grösserer 
Meisterschaft, als in der Manufactur des Kurfürsten von Mainz zu 
Höchst, aus der auch unser Truthahn stammt. Bis etwa zum 
Jahre 1758 gingen aus dieser im Jahre 1746 begründeten Anstalt 
viele Gefässe in Form von Trut- und Auerhähnen, von Fasanen, Enten, 
Schnepfen und anderem essbaren Gethier, auch Zierstücke in Form 
von Papageien, Elstern und Hähnen hervor. Später wurde nur noch 
die Fabrikation von Porzellan betrieben, in welcher Höchst bekanntlich 
ganz Hervorragendes geleistet hat. Die Sitte, reiche Tafeln mit 
figurirtem Geschirr zu schmücken, knüpfte an den für einzelne Gerichte, 
wie Fasanen, Schnepfen und Auerhähne auch heute noch nicht er- 
loschenen Brauch, edles Geflügel im Schmuck seines Gefieders aufzu- 
tragen. Gerade für die Truthähne ist solcher Brauch nachweisbar, 
u. A. bei dem am 25. September 1649 auf dem Rathhaus zu Nürnberg 
gehaltenen Friedensmahl, wo nach einer Abbildung vor der Haupt- 
person, dem Duca d’Amalfı, als Vertreter „von Ihro Röm. Kayserl. 
Majestät“, ein Truthahn — damals noch eine Seltenheit — in vollem 
Gefieder prangt. Auch aus Hamburg ist dergleichen überliefert; auf 
einer „Abbildung des ansehnlichen Jubel-Mahles der wollöblichen 
Herren Bürger-Capitames Anno 1719“ sieht man mehrfach grosses 
Geflügel, u. A. einen Schwan im Gefieder. Später ging man dazu 
über, dergleichen Schaustücke in der wirklichen Grösse und mit ihren 
natürlichen Farben aus Fayence herzustellen. Das Museum besitzt 
schon seit einiger Zeit mehrere gute Kohlköpfe und einen stattlichen 
Wildschweinskopf, diesen ebenfalls aus der Höchster Manufactur. 
Hervorzuheben sind auch drei schweizer Fayencen, davon 
zwei Winterthurer Schüsseln aus dem Jahre 1687, beide bemalt 
in der Mitte mit einem Wappen, auf dem Rande mit Früchten. Das 
eine Wappen mit den Buchstaben A. F. ist dasjenige der Forrer zu 
Winterthur, das andere mit den Buchstaben A B. L. noch nicht 
gedeutet. Die Malereien auf diesen Schüsseln sind in Scharffeuerfarben 
ausgeführt. Eine dritte Schüssel mit grossen bunten, in Muffelfarben 
gut gemalten Blumen im Geschmack der elsässischen Fayencen des 
18. Jahrhunderts ist das Erzeugniss einer noch wenig bekannten Werk- 
statt zu Beromünster im Canton Luzern. Früher als m Deutschland 
hatte die Schweiz, wohl unter dem Einfluss des benachbarten Italiens, die 
Herstellung von Fayence mit Scharffeuer-Decor begonnen. Während 
aber in Italien diese Kunst zu Anfang des 17. Jahrhunderts fast erlosch, 
blieb sie in der Schweiz, zu Winterthur, bei gesunden Kräften. Mit 
Recht ist gesagt worden, dass, während im 16. Jahrhundert die besten 


Ankäufe im Jahre 1893. XXIX 


Leistungen des schweizerischen Kunstgewerbes der Glasmalerei 
angehören, für das 17. Jahrhundert die Palme der Winterthurer Kunst- 
töpferei gebührt. Ihre hervorragendsten Werke sind vielfarbig bemalte 
Oefen; aber Hand in Hand mit der Herstellung derselben ging auch 
eine bedeutende Fabrikation von Gefässen des häuslichen Gebrauchs. 
Am bemerkenswerthesten sind die „Wappenplatten“, zu denen unsere 
beiden Schüsseln vom Jahre 1687 gehören. Diese Wappenplatten 
dienten zur Dekoration der Wände, wohl auch als Fruchtschalen, und 
wurden auf Bestellung für die Familien angefertigt, deren Wappen sie 
tragen. Sie wurden, wie Heinrich Angst berichtet, bestellt für 
Hochzeiten, beim Antritt eines neuen Amtes, beim Bau eines Hauses; 
häufig waren sie Widmungen und Geschenke, wie früher die Glasmalereien. 
Bis gegen die Mitte des 18. Jahrhunderts blieb die Winterthurer 
Fayencetöpferei, wenngleich dem Zeitgeschmack folgend, in technischer 
Hinsicht gesund. Dann erlosch sie — um einerseits der Blaumalerei, 
anderseits der Buntmalerei in Muffelfarben Platz zu machen. 

Für die Geschichte der schleswig-holsteinischen Fayence- 
Manufacturen, deren Erzeugnisse das hamburgische Museum zuerst 
planmässig gesammelt hat, bietet unsere Sammlung schon seit Jahren 
das wichtigste Material. Der Vervollständigung desselben kamen 
mehrere Käufe d. J. 1893 zu Gute. Erworben wurden zwei Kieler 
Vasen von jener Art, die man als Potpourri-Vasen, im Lande wohl 
auch als Lavendeltöpfe bezeichnet. Sie dienten zur Aufnahme des 
Potpourri genannten Gemisches von Rosenblättern, Lavendelblüthen 
und anderen starkriechenden Pflanzentheilen, deren Duft nach Entfernung 
des inneren Deckels durch Löcher des äusseren Deckels ausströmte. 
Die eine ist mit naturfarbenen Blumen, die andere mit Figuren ın 
der Zeittracht gut bemalt. Andere Stücke, so eine grosse, von ÄAesten 
umwachsene Terrine, auf deren Deckel ein vollrund modellirter Löwe 
dargestellt ist, boten weitere Belege für die vielseitige, in ihren An- 
fängen einer wunderlichen Geschmacksrichtung folgende Thätigkeit der 
Eckernförder Manufactur, die der Kieler voraufging. Auch die 
Fayence-Manufacturen von Marieberg bei Stockholm, von Münden in 
Hannover, von Künersberg bei Memmingen, von Nürnberg sind in den 
Ankäufen vertreten. 

Die Erfolge der Engländer in der Fabrikation von Steingut 
haben in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts viele deutsche 
Unternehmer zu Versuchen in der Herstellung einer ähnlichen Waare 
angeregt. Diese liebte man „feine Fayence“ zu nennen, um einen 
Vorzug vor der echten, mit weissem Zinnschmelz glasirten Fayence 
auszudrücken. Dieser Vorzug ist, sofern es sich um Gebrauchswaare 


0,5% Museum für Kunst und Gewerbe. 


handelt, unleugbar, er schwindet aber, 
sobald man zugleich die decorativen Eigen- 
schaften der Waare ins Auge fasst. Unter 
allen auf die Nachahmung der englischen 
Vorbilder gerichteten Unternehmungen 
hat keine Tüchtigeres geleistet, als die 
um 1775 von dem Hofkonditor Simon 
Heinrich Steitz in Cassel begründete 
Fabrik. Steitz bemühte sich besonders, die 
in England von Wedgwood gepflegte Her- 
stellung von „Terracotta, ähnlich dem 
Asgat, Jaspis, Porphyr, und anderen mehr- 
farbigen Steinen der kristallinischen Art“ 
einzuführen. Er begnügte sich nicht mit 
semalter Nachahmung, sondern formte 
seine Vasen wie Wedgwood aus in der 
Masse verschieden gefärbten und durch- 
einander gekneteten Thonen. Ein guter 
Beleg für seine Leistungsfähigkeit ist 
die hier abgebildete Vase. Sie erinnert 
an ein englisches Vorbild, hat aber der 
quadratischen Plinthe entsagt, deren 


die Engländer damals bei ihren Vasen 


Vase von Steingut, weiss, grau, dieser Art nicht entrathen konnten. 
manganbraun marmorirt y mit 


weissen vergoldeten Auflagen. Eine der Kölner Versteigerungen 
Cassel. Steitzische Vasenfabrik. 2 { 
Ende 2 18. Jahrhunderts. der Sammlung Hammer aus Stockholm 
3 nat, GT. 


bot Gelegenheit, ein für die Geschichte 
der deutschen Keramik im 18. Jahrhundert sehr wichtiges Stück in Gestalt 
eines Tellers aus rothem, schwarzbraunglasirtem, mit Gold decorirtem 
Steinzeug zu erwerben. Während man — wie auch im Katalog jener 
Versteigerung geschehen war — derartiges rothes Steinzeug in Bausch 
und Bogen als „Böttger-Waare“, d. h. als Erzeugniss der Frühzeit 
der von Böttger begründeten Meissener Manufactur anzusprechen pflegt, 
ist es sicher, dass dergleichen Waaren noch über ein halbes Jahrhundert 
nach Böttgers Ableben an mehreren Orten Deutschlands, vereinzelt 
noch weit länger hergestellt worden sind. Welche Gründe dafür sprechen, 
in vielen Stücken dieser sogenannten Böttger-Waare Erzeugnisse der 
von einem Meissener Ueberläufer, Samuel Kempe, um 1720 in Bayreuth 
eingerichteten „Fabrik braunen Porzellans“ zu sehen, ist in dem Führer 
unseres Museums eingehend erörtert worden. Zu diesen Gründen 
gesellt sich der Teller aus der Sammlung Hammer, und zwar nicht 


Ankäufe im Jahr 1893. OD 


nur deswegen, weil er, ähnlich vielen Bayreuther Fayencen, mit einem 
B. gemarkt ist. 

Der Sammlung niederrheinischen Steinzeuges kam 
wenigstens ein gutes Stück hinzu, eine weisse Siegburger Schnelle 
aus dem Jahre 1591, die durch ihre Verzierung mit dem Hamburger 
Wappen einen weiteren Beweis für die auch urkundlich erwiesenen 
Bestellungen Kölnischer Kaufleute von „Ullnerwerk für den 
Hamburgischen Zug“ bei den Siegburger Töpfern ergiebt. 

Nach langer Pause bot sich auch wieder Gelegenheit zur Ver- 
mehrung unserer noch sehr bescheidenen Sammlung griechischer 
Vasen. Angekauft wurden drei attische Vasen aus der Zeit des 
rothfigurigen Stiles. Die älteste, eine edel geformte Amphora, ist ganz 
mit schwarzem Firnis überzogen, nur eine rothausgesparte Figur ziert 
jede Seite. Es sind zwei Gestalten, wie sie sonst zu mehreren gesellt, 
in dem sogenannten „Komos“ d. h. dem nächtlichen Zuge der vom 
Symposion heimkehrenden athenischen goldenen Jugend uns begegnen. Das 
Haar ist auf das sorglichste frisirt und trägt vom Gelage her noch den 
Epheukranz. Von den beiden Jünglingen zeigt der an der Schauseite 
dargestellte seine musikalische Begabung durch das Spiel auf dem 
Barbiton, einem aus Lesbos eingeführten Saiteninstrument. Zeigt diese 
Vase noch eine strengere Auffassung der Formen, so führt uns das 
zweite Gefäss, eine tiefe fusslose Schale, einige Jahrzehnte weiter, 
in die Zeit des freien Stiles.. Hier sind nicht nur die flott gezeichneten 
Paare von Jünglingen im Gespräch, sondern ebensosehr das schwung- 
voll durchgeführte Palmettengerank, das unterhalb der Henkel an- 
gebracht ist, bemerkenswerth. Das grössste inhaltliche Interesse aber 
beansprucht die dritte Vase, ein zweihenkeliges Gefäss von der Form 
der „Pelike“. Die Vorderseite illustrirt einen Vorgang aus dem nach- 
homerischen Epos, der „Aithiopis“ des Milesiers Arktinos. Die 
Amazonenkönigin Penthesileia, eine Tochter des Ares, kommt den von 
den Griechen schwer bedrängten Trojanern zu Hülfe. In der nun 
entbrennenden Schlacht aber wird sie von Achilleus getötet, obwohl 
dieser beim Anblick ihrer Schönheit von Liebe zu ihr ergriffen ward. 
Den Moment, da Achilleus zum tödlichen Streich ausholt, stellt unser 
Bild dar; vor ihm kniet die Königin, Erbarmen flehend; links sprengt 
eine Amazone zur Hülfe herbei, während eine zweite rechts sich durch 
eilige Flucht rettet. Das Vasenbild zeigt gewisse Eigenthümlichkeiten 
der späteren ziervollen Malweise. An der Penthesileia sind die un- 
bekleideten Theile weiss übermalt, das Haar ist mit verdünntem Firnis 
blond gemalt, Schmuck und andere Verzierungen sind erhaben auf- 
gelegt und zeigen Spuren einstiger Vergoldung. 


OO Museum für Kunst und Gewerbe. 


Wo immer technische Neuheiten im Dienste geläuterten 
Geschmackes auftreten, nimmt das Museum auch gern keramische 
Erzeugnisse unserer Zeit in seine Sammlungen auf. So hat es 
ein schönes Beispiel der seit wenigen Jahren m der kgl. Porzellan- 
Manufactur zu Berlin mit Erfolg gepflegten Technik des päte-sur- 
päte-Reliefs in Gestalt einer klemen Dose erworben, deren Deckel mit 
einem auf einem Delphin reitenden Flügelknaben von der Hand 
M. Luchell’s, in zartem weissen Relief auf röthlichgrauem Grund 
geschmückt ist. So ferner mehrere Beispiele der jetzt in Frankreich 
nach japanischen und chinesischen Anregungen gepflegten Decoration 
von Gefässen mit geflossenen Glasuren ohne Malerei, einige davon 
Arbeiten von Delaherche in Paris, andere Versuchstücke von Jean 
Carries. Dieser hatte die Freundlichkeit, uns ausser etlichen Gefässen 
als Proben der von ihm erfundenen matten Schmelzglasuren, noch 
eine, ihn selber im humoristisch japanisirender Verzerrung darstellende 
Maske aus matt emaillirtem Steinzeug zu überlassen. Die Rückseite 
dieser Maske trägt von des Künstlers Hand die Worte: „Mon portrait 
vu en decor — piece unique de mes premiers essais d’emaillage 
statuaire & Mont Riveau en 89 Jean Carries.*“ Der Gedanke dieses 
hochbegabten jungen Bildhauers, seine neue keramische Erfindung auf 
Werke der grossen Seulptur anzuwenden, ist durch seinen vor Kurzem 
erfolgten Tod leider in der Ausführung unterbrochen worden. 

Von den i. J. 1893 angekauften Metallarbeiten vervoll- 
ständigten zwei bronzene Rauchfässer unsere Sammlung von Geräthen 
des christlichen Kultus. Das eine auf S. XXXII abgebildete vom 
Ende des 13. Jahrhunderts vertritt den Uebergang vom romanischen 
zum gothischen Stil; das andere zeigt mit seinem Sechspassfuss und 
der schlanken durchbrochenen Thurmspitze die zur Zeit der Spätgothik 
vorherrschende Form dieses liturgischen Geräthes. Beide Rauchfässer 
stammen vom Niederrhein. 

Der Ankauf einer silbernen Thora-Bekleidung gab 
Gelegenheit, mit dieser die in früheren Jahren erworbenen und bisher 
vereinzelt je nach ihrem Material ausgestellten Geräthe des 
jüdischen Kultus zu einer besonderen Abtheilung zu vereinigen. 
Diese im Laub- und Bandelwerk-Stil ausgeführte Thora-Bekleidung 
besteht aus den zwei Fussstücken mit den Hülsen zum Aufsetzen auf 
die aus der Sammethülle der Thorarollen hervorragenden „Hörner“ 
der Stäbe, um welche das Pergament der Thora gerollt ist, sowie aus 
der „Brustplatte“* nebst Kette zum Anhängen an die Hülsen. Aus- 
führliche Inschriften geben Auskunft über die Bestimmung, die Stifter 
und die Zeit der Anfertigung, für die Fussstücke und Hülsen 


Ankäufe im Jahr 1893. RIRTITII 


d. J. 5495 der jüdischen” Zeit- 
rechnung d.i.1735 n.Chr., für das 
Bruststück das folgende Jahr. 
Unter den Silberarbeiten 
weltlichen Gebrauchs sind 
zwei silberne Leuchter hervor- 
zuheben, hamburgische Arbeiten, 
die als Beschauzeichen das Stadt- 
wappen mit dem Jahresbuchstaben 
D im offenen Thor der Burg, 
als Meisterzeichen die Buch- 
staben J. C. O. tragen. Soweit 
unser noch sehr lückenhaftes 
Wissen von den Zeichen der alten 
hamburgischen Silberarbeiten eine 
sichere Bestimmung zulässt, 
entspricht der Buchstabe D dem 
Jahre 1783 und sind die drei 
Buchstaben auf den Meister 
Johann Conrad Otersen zu deuten, 
der nach der Eintragung in das 
Öberaltenbuch der Aemter im 
Jahre 1784 hier Aeltermann 


wurde und 1791 starb. Ein Bronzenes Räuchergefäss mit Resten 
2 P ©; 1 3. :hdts. 
slberneräRortenspahn® eben- _- „ou Veraolduns; Endeten.is-Jahrhais 


falls hamburgische Arbeit, trägt 

den auf das Jahr 1787 weisenden Jahresbuchstaben H und das Meister- 
zeichen J. V. H., das auf J. von Holten hinweist, der im Jahre 1769 
Aeltermann des Amts der Goldschmiede wurde. Obwohl in den 80er 
Jahren des vorigen Jahrhunderts in Deutschland schon ziemlich all- 
gemein antikisirende Motive im das Ornament aufgenommen waren, 
zeigen diese hamburgischen Arbeiten noch keine Spur davon, sondern 
noch einen ausgeprägten Rococostil. 

Hamburgische Arbeit ist auch eine zinnerne Trinkkanne 
mit gravirten Messingeinlagen v. J. 1660. Die Einlage auf dem 
schlanken Rohr der Kanne zeigt eine von nackten Kindern gehaltene 
Schenkkanne, darunter das Lübecker Wappen; um den Rand ist der 
Name „Claus Schmidt“ eingelegt, auf dem Deckel ein Wappenschild 
mit einer Schenkkanne und C. S. 1660. Diese Jahrzahl wiederholt 
sich in lateinischen Zahlzeichen am Fusse. Neben dem hamburgischen 
Zinnstempel ist eine Hausmarke mit dem Meisterbuchstaben J. L. 


c 


RXIN Museum für Kunst und Gewerbe. 


eingeschlagen, die vielleicht auf den 1687 Aeltermann gewordenen 
Zinngiesser Jürgen Lutkanns zu deuten ist. Die gefällige Verzierung 
eines zinnernen Gefässes mit Messingemlagen findet sich auch an einer 
schon länger in unserem Besitz befindlichen Trmkkanne der hamburgischen 
Reepergesellen v. J. 1699. Auch hier zeigt die Einlage am Gefäss 
eine Schenkkanne; die Beischrift Peter Jost von Stade und die Wiederkehr 
der Buchstaben P. J. V. S. zugleich mit dem Zeichen des in den Deckel 
eingelesten Wappens in dem Meisterstempel des Zinngiessers gestattet 
die Annahme, dass der Stifter dieser Kanne zugleich deren Verfertiger 
gewesen. Zinnerne Trinkgefässe mit Messingeinlagen kommen in hiesiger 
Gegend öfter vor und deuten stets durch ihre Verzierungen darauf, 
dass sie das Geschenk eines Zinngiessers sind. Zu untersuchen bleibt, 
ob dies mit einer Vorschrift über die Meisterstücke zusammenhängt. 


Thürschloss mit geätzten Verzierungen, welche die Schlüsselführung nachahmen. 
Süddeutschland, Mitte des 16. Jahrhunderts. Länge 39 cm. 


Von Schmiedeeisen-Arbeiten, deren das Museum schon 
eine ansehnliche Sammlung besitzt, wurde nur ein Stück, das hier 
abgebildete geätzte Thürschloss, eine süddeutsche Arbeit des 
16. Jahrhunderts, angekauft. 

Nur wenige Glasgefässe wurden aus budgetmässigen Mitteln 
erworben. Von den alten Arbeiten ist ein technisch merkwürdiges 
Zwischenglas, eine schlesische Arbeit der Mitte des 18. Jahrhunderts, 
hervorzuheben. Im Allgemeinen entspricht seine Technik derjenigen 


Ankäufe im Jahr 1893. OS 


der Goldzwischengläser; die Hauptdarstellungen am Kelch sind jedoch 
statt in Gold in durchsichtigen Lackfarben ausgeführt. Sie zeigen in 
Landschaften ein kosendes Paar und den Treuschwur dreier Männer, 
dazu die Inschriften „Das Allerschoenste Dieser Welt Ists Wen Mann 
Lieb Und Trew Recht Heldt.* Eine Anzahl Ziergläser in den Formen 
der venetianischen Flügelgläser des 17.—18. Jahrhunderts sind 
Erzeugnisse einer hamburgischen Werkstatt unserer Zeit, aus der zahl- 
reiche wohl gelungene, bisweilen täuschende Nachbildungen von alten 
Flügelgläsern hervorgegangen sind. Zu deren Anfertigung haben fremde 
Antiquitätenhändler schon vor Jahrzehnten Anregung und Modelle 
gegeben; viele dieser neuen hamburgischen Gläser sind von ihnen als 
alte venetianische Arbeiten abgesetzt und selbst als solche in öffentliche 
Sammlungen gelangt. Da der sehr geschickte Verfertiger dieser ham- 
burgischen Flügelgläser, Herr C. H. F. Müller, in neuerer Zeit deren 
Herstellung aufgegeben hat, schien es rathsam, noch bei Zeiten eine 
kleine Mustersammlung seiner Erzeugnisse für das Museum zu sichern. 

Unter den Ankäufen von Geweben sind zwei ansehnliche Stücke 
mittelalterlicher Goldbrokate hervorzuheben. Das eine Gewebe, 
aus einer Kirche im Lüneburgischen, zeigt in weissem, ursprünglich 
farbig gewesenem Grund ein goldenes, jetzt schwarz gewordenes Muster: 
zwei symmetrisch gestellte Löwen, die ihren Durst an einem Gewässer 
löschen, wechseln ab mit einem Adlerpaar, das sich auf Strahlen wiegt, 
die unter einer Blume hervorbrechen. Das andere, früher in einer 
mecklenburgischen Kirche, zeigt auf rothem Grund ein goldenes Muster: 
Eine Hindin neben beblätterten, Blüthen und Früchte tragenden 
Granatzweigen wechselt mit herabstossendem Adler. Beide Gewebe 
sind typische Beispiele der in den palermitanischen Goldseiden-Geweben 
des 14. Jahrhunderts vorherrschenden Ornamentik. Gewiss aber sind 
dergleichen Muster auch an anderen Orten Italiens, namentlich in 
Lucca, und, wenngleich aus gröberem Stoffe, auch in deutschen Werk- 
stätten angefertigt worden. 

Unter den angekauften Lackarbeiten befindet sich dieses Mal 
auch eine europäische. Veröffentlichungen über das von den Chinesen 
und Japanern angewandte Verfahren haben in den vierziger Jahren des 
18. Jahrhunderts die Brüder Martin in Paris angeregt, den ost- 
asiatischen Lacken sehr ähnliche Arbeiten herzustellen. Um 1745 
standen ihre Tabaksdosen aus Papiermasse mit Goldlackreliefs und 
seschnitzten Perlmutterauflagen nach japanischer Art in so hohem 
Ansehen, dass zahlreiche Nachahmer sich der neuen Waare zuwandten. 
Erst später gelangten die Brüder Martin dahin, Lackwaaren in 
französischem Geschmack herzustellen und ihre Technik durch die 


c* 


IKXVT Museum für Kunst und Gewerbe. 


Anwendung guillochirter und gravirter Untergründe zu bereichern, die 
sie mit Transparentlacken überzogen und mit Blumen oder Watteau- 
figuren in bunten Deckfarben kunstvoll bemalten. Ein treftliches 
Beispiel ihrer frühen Richtung ist die i. J. 1893 angekaufte runde 
Dose mit Chineserien, denen man freilich die europäische Geburt als- 
bald ansieht. 

Unter den Ankäufen von Erzeugnissen des Kunstgewerbes im 
mohammedanischen Orient sind zwei schöne Buchdeckel, muster- 
hafte Lederarbeiten der Blüthezeit der türkischen Ornamentik um die 
Mitte des 16. Jahrhunderts hervorzuheben. Beide Deckel enthielten 
wohl Suren des Korans; die Klappe eines derselben ist auf Seite XVII 
abgebildet. 

Dem japanischen Kunstgewerbe kamen nur wenige 
Ankäufe zu Gute. Namentlich gefördert wurde die Sammlung der 
Korbflechtarbeiten; dabei wieder eme Anzahl von Arbeiten des 
alten Shokosai in Osaka. Auch eimige gute Lack-Jnros und 
geschnitzte Netzkes wurden angekauft. (S. d. Abb.) 


Geschnitzte Vorder- und gravirte Rückseite 
eines japanischen Netzke aus Elfenbein, 
in Gestalt der Löwenmaske vom Giebel 
eines Tempels, in deren Rachen Sperlinge 
nisten. Bez. Giokuhosai. Nat. Gr. 


Ankäufe aus der Sammlung Spitzer, XXXVII 


Römische Schale aus durchscheinendem blauen Glas mit Spiralbändern 
opaken weissen Glases. %, nat. Gr. 
(Geschenk des Herrn Geh. Commerzienrath Heye.) 


Ankäufe aus Beiträgen Privater bei der Versteigerung der 
Sammlung Spitzer. 

Die Versteigerung der Sammlung Spitzer in Paris hätte ungenützt 
vorübergehen müssen, wenn nicht einige grossmüthige Freunde des 
Museums den Direktor mit Kaufmitteln ausgerüstet hätten, die freilich 
gering erschienen, wenn man sie mit den Millionen verglich, auf die 
man die Sammlung Spitzer schätzte, die jedoch weit über dasjenige 
hinausgingen, was dem Museum jemals bei ähnlicher Gelegenheit an 
privaten Gaben zugeflossen, und was ihm budgetmässig zur Vermehrung 
der Sammlung zugewiesen ist. Was, Dank diesen und den später, nach 
der Versteigerung, für den Ankauf bestimmter Stücke noch hinzu- 
gefügsten Gaben angekauft worden ist, theilen wir hier mit. Unsere 
weitergehenden Erfahrungen jedoch bei Gelegenheit jener denkwürdigen 
Versteigerung haben wir, soweit sie von allgemeinem Interesse sind, 
in dem Anhang zu diesem Bericht niedergelegt. 

Aus einer Stiftung der Frau @. L. Gaiser Wwe. wurden auf der 
Auction zwei mittelalterliche Elfenbeinarbeiten erworben, deren jede 
von hohem kunstgeschichtlichen Werth ist, und die hoch willkommene Bei- 
träge bilden zur Begründung einer Sammlung älterer Elfenbeinsculpturen, 
die bisher in unserm Museum so gut wie garnicht vertreten waren. Noch 
in das 13. Jahrhundert, also in die Zeit des romanischen Stiles, reicht 
die Entstehung der einen Arbeit, einer Statuette der Maria mit 
dem Jesuskind zurück (s. d. Abb. S. XXXVII). Als königliche 
Frau sitzt die Madonna auf einer Thronbank, die in Relief mit Klee- 
blattbögen und romanischem Pflanzenornament geziert ist. Mit dem 
rechten Fuss tritt sie auf einen Drachen, mit dem linken auf einen 


XXXVII Museum für Kunst und Gewerbe. 


Löwen, eine Erinnerung an die Worte des Psalmisten (Ps. 91 v. 13): 

r oO 

„Auf den Löwen und ÖOttern wirst Du gehen; und treten auf die 

jungen Löwen und Drachen“. Wie grüssend hat sie die rechte Hand 

gehoben, während sie mit der Linken das Jesuskmd hält. Dieses 

begrüsst mit der lateinischen Segensgeberde die Andächtigen. Dass 
fe) {o) fo) 


a 
IR 


Maria mit dem Jesuskind, en Frankreich, 13. Jahrhundert. 
at. Gr. 
(Geschenkt von Frau G. L. Gaiser Wwe.) 


nämlich das kleine Bildwerk einst der Andacht und Verehrung geweiht 
war, zeigt die Höhlung an der Rückseite des Thronsitzes, welche als 
Reliquienbehälter gedient hat. Auch die Spuren der Abnutzung am 
Gesicht und an den Knieen der Madonna deuten auf vielfachen 
Gebrauch in der Hand des Priesters. — Die zweite Elfenbeinarbeit 


Ankäufe aus der Sammlung Spitzer. KRKIX 


ist unschwer als ein Werk gothischer Zeit zu erkennen. Es ist ein 
Triptychon d. h. ein zusammenlegbarer klemer Altarschrein, wie 
“man sie früher bei der häuslichen Andacht und für Reisezwecke 
benutzte. Die gute Erhaltung, die deutlichen Spuren alter Bemalung, 
vor allem aber der Ausdruck inniger Empfindung in den Figuren, in deren 
Bildung die Weise des eben erwachenden Naturstudiums mit den 
erstarrten Formen der Gothik ringt, alles dies erhebt das Triptychon 
zu einem Werk von einzigartigem Werth. Die in Hochrelief gearbeiteten 
Darstellungen ziehen sich in zwei horizontalen Reihen über die Haupt- 
platte und die beiden Flügel hin. Die Mitte der unteren Reihe 
nimmt die thronende Madonna ein; ein Engel setzt ihr die Krone auf 
das Haupt; auf ihrem linken Knie steht das Jesuskind, den Segen 
spendend; rechts und links stehen leuchterhaltende Engel, voller 
Anmuth m Haltung und Bewegung. Links von dieser Darstellung die 
anbetenden drei Könige, gegenüber die Darstellung im Tempel. Die 
obere Reihe enthält drei Passionsscenen: links die Kreuztragung; in 
der Mitte die Kreuzigung: Stephaton reicht dem gekreuzigten Heiland 
den Essigschwamm, Longmus durchbohrt ihm die Seite; rechts und 
links die Mutter Maria und Maria Salome mit Klagegeberden; oben 
Sonne und Mond, menschlich gebildet; zu Füssen des Kreuzes steigt 
Adam aus einem offenen Sarg, um das Blut Christi in einem Kelch 
aufzufangen. Rechts die Kreuzabnahme. 

Derselben hochherzigen Gönnerin verdankt das Museum eine Anzahl 
wissenschaftlicher Instrumente, die ebenfalls auf der Auction 
Spitzer erworben sind. Die Bedeutung dieser Instrumente beruht emestheils 
auf ihrer hervorragenden künstlerischen Ausführung, anderntheils auf 
den Zwecken ihrer einstigen Verwendung. Nichts ist lehrreicher für 
die Geschichte der Nautik, der Astronomie, der Geographie und der 
Physik als em Studium der Instrumente, welche man nach dem 
jeweiligen Stande der Wissenschaft für den beobachtenden Forscher wie 
zu Demonstrationszwecken für die Unterweisung des Lehrers anfertigte. 
Solcher Bestimmung diente die kupfervergoldete Armillarsphäre, eine 
deutsche Arbeit vom Ende des 16. Jahrhunderts. Sie verdeutlicht 
die Rotation unserer Erde und der übrigen Planeten und zeigt auf- 
fallenderweise noch die Erde als Mittelpunkt des Sonnensystems. Ein 
Lehrapparat war vielleicht auch der silberne Mess-Stab zur Gewichts- 
bestimmung verschiedener Metalle. Einer nicht bewiesenen Ueber- 
lieferung nach soll derselbe von Tycho de Brahe für Kaiser Rudolph Il 
angefertigt worden sein. Noch ein anderes Stück soll ursprünglich 
zum Besitz dieses königlichen Kunstmäcens und Sammlers gehört 
haben: ein Astrolabium (Apparat zur Beobachtung der astro- 


x Museum für Kunst und Gewerbe. 


nomischen Erscheinungen), das durch seine Grösse und reiche Gravirung 
ausgezeichnet ist; ausserdem aber durch die auf das Silber geätzten 
und gemalten Personificationen der Planeten einen. wichtigen Beleg 


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Astrolabium des Alphenus Severus. Arbeit des Italieners Vincenzo Dante dei Rinaldi, 
v. Ende d. 15. Jahrhdts. Dm. 0,276 m. Vorderseite. (Geschenkt von Frau G. L. Gaiser Wwe.) 


Ankäufe aus der Sammlung Spitzer. AXETI 


bietet für die noch nicht gebührend gewürdigte Thatsache, dass viele 
der alten Silberarbeiten, die wir heute nur in metallischem Glanz 
erblicken, ursprünglich im Schmucke bunter, kalt aufgetragener 


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Astrolabium des Alphenus Severus. Arbeit des Italieners Vincenzo Dante dei Rinaldi, 
v. Ende des 15. Jahrhdts. Dm. 0,276 m. Rückseite. (Geschenkt von Frau G. L, Gaiser Wwe.) 


XLII Museum für Kunst und Gewerbe. 


Farben prangten. An künstlerischer Vollendung wird dieses Astrolabium 
durch ein anderes weit übertroffen, das italienischen Ursprunges 
ist und bereits seine Geschichte hat (vgl. !d. Abb. S. XL u. XL). 
Der Besitz desselben lässt sich bis in das Ende des 15. Jahrhunderts 
zurückverfolgen. In den i. J. 1875 von der italienischen geographischen 
Gesellschaft veröffentlichten bibliographischen Studien zur Geschichte 
der Geographie in Italien wird unser damals im Besitze des Grafen 
Gian-Carlo Conestabile zu Perugia befindliches Instrument als eines 
der allerschönsten seiner Art beschrieben und abgebildet und zugleich 
nachgewiesen, dass es gegen Ende des 15. Jahrhunderts von Vincenzo 
Dante dei Rinaldi angefertigt worden ist. Hundert Jahre später 
befand es sich noch im Besitze der Familie Alfani, deren Vorfahr 
Alphenus Severus sein erster Besitzer gewesen war. Damals 
rühmte Ignazio Danti, ein Enkel des Verfertigers, m dem Vorwort 
zu der von ihm i. J. 1571 herausgegebenen „Sfera del Sacrobosco*, 
das Astrolabium des Alphenus sei „tanto bello, tanto giusto e dili- 
gentemente lavorato, ch’io ardisco di affermare che non sia mai stato 
fatto un altro simile* (d. i. „so schön, so genau und sorgfältig 
ausgeführt, dass ich zu behaupten wage, es sei niemals ein gleich 
vollendetes gearbeitet“). Ein anderer Berichterstatter, Lancelotti, sah 
es im J. 1646 in der Casa Alfani. Später gelangte es in den Besitz 
des Grafen Conestabile, aus diesem in die Sammlung Spitzer, bei deren 
Versteigerung es für Hamburg erworben wurde. In der That verdient 
das Instrument die ihm gezollte Bewunderung vollauf. Besonders schön 
ist das in vergoldetem Rothguss ausgeführte ciselirte und gravirte „Rete“, 
das aus einem ringförmigen Thierkreis besteht mit eingravirten Namen 
und Verschlingungen, die in Drachen mit verschlungenen Schwänzen, 
Delphine, Bandwerk und andere Motive ausgestaltet und mit Stern- 
namen beschrieben sind. Von den übrigen aus der Gaiser’schen 
Stiftung erworbenen Instrumenten seien nur kurz erwähnt em 
astronomisch-geographisches Besteck (Ende des 16. Jahrh.) 
in Form eines fast quadratischen flachen Kastens, das unter anderem 
die Polarprojeetionen der nördlichen und südlichen Erdhälfte enthält, 
ferner ein ähnliches kleineres Besteck, welches eine Arbeit des Augs- 
burger Meisters Christoph Schissler vom Jahre 1570 ist und 
en immerwährender Kalender aus geschnittenem Eisen, von 
Johann Engelbrecht zu Beraun in Böhmen um 1680 ausgeführt. 
Ein seltenes Stück von hohem Interesse ist endlich en Kanonen- 
visir aus gravirtem und vergoldetem Kupfer. Mittelst seiner der 
Wandung des Geschützrohrs entsprechend gebogenen Fussplatte wurde 
es auf jenes aufgesetzt. Ein Reifensegment mit Visirkimmen sowie 


Ankäufe aus der Sammlung Spitzer. XLII 


ein zwischen zwei Säulen aufgehängtes, mit einer kleinen Bussole 
beschwertes Loth diente zum Richten des Geschützes. Laut seiner 
Inschrift ist das Instrument ı. J. 1599 von Paul Reinmann in 
Nürnberg verfertigt. 

Hierzu kommen noch mehrere werthvolle Instrumente aus der 
Auction Spitzer, zu deren Ankauf andere wohlwollende Mitbürger 
beigesteuert haben. Ein arabisches Astrolabium, das mit mehreren 
Einlagen versehen und mit reicher Gravirung geziert ist, verdanken wir 
Herrn von Laer; zwei Sonnenuhren, deren eine 1714 in Düsseldorf, 
die andere etwa gleichzeitig m Augsburg gefertigt ist, schenkte Herr 
Senator J. F. Th. Stahmer, einen Azimut-Kreis, der als Arbeit des 
L. Vagnarelli aus Urbino v. J. 1639 bezeichnet ist, Herr Edmund Siemers, 
einen kupfervergoldeten femgearbeiteten Mondkalender (16. Jahrh.) 
Herr Geheime Admiralitätsrath Dir. Neumayer. Dem fachkundigen 
Rathe des Herrn Dir. Neumayer, der die Instrumentensammlung Spitzers 
aus eigener Anschauung kannte und die erste Anregung zu Ankäufen 
aus derselben gab, verdanken wir es auch, wenn unsere Auswahl auf 
solche Stücke fiel, die wissenschaftliche mit kunstgewerblicher Bedeutung 
vereinigen. 

So sind wir mit einem Schlage im den Besitz einer recht 
ansehnlichen Sammlung wissenschaftlicher Instrumente gelangt, deren 
Bestände dem Studium wie weiterer Förderung seitens der Fachkreise 
angelegentlich empfohlen seien. 

Bedeutendere Ankäufe auf der Spitzer-Auction gestattete ferner 
eine Summe, welche mit gewohnter Freigebigkeit Herr Alfred Beit zur 
Verfügung gestellt hatte. Dank dieser Schenkung war es erstens 
möglich, die bereits erwähnte Gruppe mittelalterlichen Elfenbeins um 
eine aus dem 14. Jahrhundert stammende Spiegelkapsel zu ver- 
mehren, deren Reliefdarstellung imhaltlich von hohem Interesse ist. 


Die Vorderseite zeigt nämlich — nicht nach dem Gedicht Gott- 
frieds von Strassburg, sondern nach einem französischen Ritter- 
roman — Tristans und Isoldens Begegnung am Brunnen im 


Baumgarten. Im Gipfel des Baumes versteckt, will König Marke die 
Liebenden belauschen. Aber der Brunnen verräth in seiner spiegelnden 
Fläche den Horcher. Isolde weist auf das gekrönte Haupt im Wasser 
hin, und die beiden wechseln zur Genugthuung des betrogenen Ehe- 
mannes nur höfisch ehrbare Rede. In der Sammlung des Geschichts- 
vereins zu Bamberg giebt es einen Elfenbeinkamm aus der ersten 
Hälfte des 15. Jahrhunderts, welcher dieselbe Scene darstellt. Aber 
das Motiv des Spiegelns im Brunnen lässt vermuthen, dass die Scene 
zuerst für die Decoration von Spiegeln in den Darstellungskreis der 


XLIV Museum für Kunst und Gewerbe. 


Elfenbeinschnitz- 
kunst aufgenom- 
men wurde, denn 
mit  Vorbedacht 
wählten die 
Künstler Scenen, 
die in sinnvollem 
Bezug zu dem Ver- 
wendungszweck 
der Gegenstände 
standen. (8. 
Abb.) 

Der Haupt- 
sache nach kamen 
aber die Mittel der 
Beit’schen Schen- 
kung der Ver- 
mehrung unserer 
Lederabtheilung 
zu Gute, die ja 


Spiegelkapsel aus Elfenbein, mit einer Scene aus Tristan 82 
und Isolde. Frankreich. 14. Jahrhundert. /, nat. Gr. schon deswegen 


Geschenk des Herrn Alfred Beit. . 
(Geschen s Herrn re eit.) die sorgsamste 


Pflege verdient, weil sie der blühenden hamburgischen Lederindustrie 
fruchtbare Anregungen geboten hat und noch andauernd bietet. 
Zwar sind es im Ganzen nur drei Lederarbeiten, die auf der 
Versteigerung gewonnen wurden, aber jede derselben ist schon 
in der technischen Herstellung ein Stück von eigenartiger Bedeutung. 
Ein venetianisches Futteral, eine Arbeit aus dem Anfang des 16. Jahr- 
hunderts, zeigt in einfachster, aber zugleich wirksamster Technik, 
nämlich in geritzter und schraffirter Ausführung mit theilweiser Vergoldung, 
beiderseits das gleiche hübsche Grundmuster.von Maureskenornamenten, 
einerseits mit schraffirtem Muster in glattem Grund, andererseits mit 
glattem Muster in schraffirtem Grund. Eine Lederkapsel von hoher 
Form, die fünf mit Leder gefütterte cylmdrische Behälter umschliesst, 
ist durch die mehrfarbige Bemalung der eingeritzten Blüthenzweige 
ausgezeichnet. Die Vorderseite ist mit dem englischen Wappen und 
Paaren von I-Buchstaben, die durch einen Liebesknoten verbunden sind, 
geschmückt. Welches hohe Paar mit den beiden I gemeimt ist, bedarf 
noch der Aufklärung. Vielleicht hat dieses aus der Spätzeit der 
englischen Gothik herrührende Stück einen ebenso interessanten 
historischen Hintergrund wie die dritte der neu erworbenen Leder- 


Ankäufe aus der Sammlung Spitzer. DIIEV. 


arbeiten. Diese, eine grosse spanische Feldflasche bauchiger Form 
(s. d. Abb.) ist nämlich nach eimem Certificat, das sich in der Flasche 
fand, dem früheren Besitzer hinterlassen von einem Vorfahren, welcher 
in des Grafen Hoorn Diensten stand. Da in dieser Angabe die spanische 


Herkunft der Flasche wie die Zeit ihrer Anfertigung — Mitte des 
16. Jahrhunderts — wohl stimmen, so ‘darf man vermuthen, dass 


Feldflasche aus Leder. Die Wandungen benäht mit farbigen, aus dünnem Leder 
ausgeschnittenen Mauresken. Spanien. Mitte des 16. Jahrhunderts, !/, nat. Gr. 
(Geschenk des Herrn Alfred Beit.) 


dieses Prachtstück, das augenscheinlich für den Gebrauch einer hoch- 
stehenden Persönlichkeit gefertigt ist, dereinst jenem niederländischen 
Grafen und königlich spanischen Kammerherrn gehört habe, dessen 
Geschichte und tragisches Ende aus Schillers „Aufstand der Nieder- 
lande“ allgemein bekannt ist. Für den Ankauf der Flasche bestimmend 


XLVI Museum für Kunst und Gewerbe. 


war aber nicht ihre grosse Vergangenheit — welche auch bei ihrer 
Erwerbung unbekannt war — sondern die ungewöhnliche Technik, in 
welcher sie ausgeführt und geziert ist. Die aus mehreren Lagen starken 
Leders gebildeten Wandungen sind aussen mit dünnem, gekörntem Leder 
überzogen. : Die Maureskenverzierungen, deren Hauptmotiv an den vier 
Seiten wiederkehrt, während der Boden ein anderes Muster zeigt, sind 
in verschiedenfarbigem gekörnten Leder ausgeschnitten und auf den 
bräunlich violetten Grund mit grüner Seide derart aufgenäht, dass die 
regelmässig gesetzten Knötchenstiche als ornamentale Einfassung der 
Blätter und Ranken wirken. Auch die im Grunde vertheilten, zu dreien 
gestellten Knötchenstiche dienen gleichzeitig der Befestigung und der 
Verzierung. Umgeben ist jedes Feld von einem hellgrauen, mit grüner 
oder rother Seidenschnur gesäumten Lederstreifen. Von den Mauresken 
sind einige nicht durchbrochen, sondern der vertiefte Grund ist durch 
Ausheben der Narbe gewonnen. 

Drittens gelangte auch die keramische Abtheilung dank der 
Stiftung des Herrn Alfred Beit m den Besitz werthvoller Fayencen 
des Franzosen Bernard Palissy. Die eine derselben ist eine acht- 
theilige Schale mit blau, violett und grün gewölkter Glasur und einem 
Relief der Temperantia nach einer Zinnschüssel des Francois Briot 
im runden Mittelbuckel; ehe die Schale in den Besitz Spitzers 
gelangte, gehörte sie dem Grafen de la Beraudiere; sie wurde damals 
veröffentlicht nm dem Werk von Sauzay-Delange „Monographie de 
loeuvre de Bernard Palissy.“ Die zweite Arbeit ist eime runde 
Fruchtschale, deren Boden aus durchbrochenen Bandverschlingungen 
mit Rosetten in lebhaften Farben besteht. 

Eine dritte schöne Palissy-Schüssel dankt das Museum Herrn 
Hermann Emden. Auch diese Schüssel besteht aus durchbrochenen 
Bandverschlingungen; diese sind aber derart gelegt, dass sie symmetrische 
Dreipässe bilden, in denen drei männliche und drei weibliche Masken 
angebracht sind. 

Für die Sammlung der deutschen Steinzeugarbeiten schenkte 
Herr @. Holthusen eine Raerener Henkelkanne. In selten scharfer 
Ausführung zeigt der Fries, der den Gefässkörper umzieht, abwechselnd 
grotteskes Akanthusgerank und Personificationen der Planeten. 

Ein bewährter Freund des Museums, Herr Geheime Commerzien- 
rath Th. Heye stiftete einen Betrag zum Ankauf alter Glasarbeiten 
auf der Auction Spitzer. Die älteste der erworbenen Arbeiten ist eine 
römische Schale aus hellblauem, durchscheinendem Glas, in welches 
weisse, opake, spiralisch aufgerollte Bänder gebettet sind. (8. d. Abb. 
S. XXXVII.) Die vollkommene Erhaltung erklärt sich daraus, dass die 


Ankäufe aus 


Schale — wie im Katalog der 
Sammlung Spitzer bemerkt ist 
— früher eine mittelalterliche 
Metallfassung hatte. Auf diese 
Weise sind mehrfach derartige 
antike Glasschalen erhalten 
geblieben, u. A. auch die Schale 
des h. Servatius im Domschatz 
zu Maestricht. Aus der besten 
Zeit der venetianischen 
Glasfabrikation rühren zwei 
Gefässe her, eime tiefe Schale 
auf balusterförmigem Fuss und 
eine grosse runde Schüssel, 
beide in weissem sogenanntem 
gestricktem Fadenglas her- 
gestellt. Besonders an der 
Schüssel ist das ziemlich ver- 
wickelte Verfahren deutlich 
erkennbar, das der Glaskünstler 
bei ihrer Anfertigung befolgte. 
Sie zeigt ein Rautenmuster, 
das aus schräg gekreuzten 
Stäben gebildet ist, und jeder 
der Stäbe enthält ein weit- 
maschiges, zierliches Netzwerk. 
Die Kreuzung der Stäbe ist 
hier dadurch bewirkt, dass 
man die aus 18 Stäben ge- 
schweisste, sehr dünn aufge- 
blähte Glasblase in sich hin- 


der Sammlung Spitzer. XLVI 


Kanne aus Fadenglas. Venedig. 16. Jahrhdt. 
/o nat. Gr. 


einstülpte, nachdem die Fäden durch Drehung der Blase um ihre Axe 


in entgegengesetzter Richtung 


gewunden worden waren. Von eigen- 


artiger Technik ist auch das vierte Stück, ein mit goldenen und grün 
emaillirten Reben gezierter Glasteller, ein interessantes Beispiel der 
bedeutenden Glasindustrie, welche während des 16. Jahrhunderts in 
Barcelona betrieben wurde, deren Erzeugnisse jedoch in den mittel- 
europäischen Sammlungen zu den grossen Seltenheiten gehören. 

Eine ungenannte Gönnerin fügte diesen Erwerbungen für unsere 
Glasabtheilung eine gehenkelte Kanne aus venetianischem Fadenglas 
von edler Profilirung hinzu. (8. d. Abb.) 


XLVII Museum für Kunst und Gewerbe. 


Schenkungen für die Sammlung. 


Auch abgesehen von den bedeutenden Ankäufen auf der 
Vente Spitzer, zu denen die Mittel von Freunden des Museums 
gestiftet worden waren, brachte das Jahr 1895 der Sammlung eine 
Anzahl werthvoller Gaben. Die meisten derselben sind anlässlich des 
längeren Aufenthalts des Directors in Paris gestiftet worden. Boten 
sich in diesem Mittelpunkt des Kunst- und Antiquitätenhandels 
Gelegenheiten zu günstigen Käufen, so fanden sich in der Regel auch 
bald gute Freunde, welche die neu erworbenen Altsachen schenkten. 
Nur wenige Stücke stammen aus altem hamburgischen Besitz. 

Auf jene Weise wurde von Herrn Georg Neidlinger ein hervor- 
ragendes Werk türkischer Schreibkunst, Miniaturmalerei und Leder- 
arbeit geschenkt. Es ist ein vollständiger Koran, welcher im Jahre 
der Hedschra 972, d. h. 1564—65 christlicher Zeitrechnung, unter 
der Regierung des mächtigsten aller Sultane, Suleiman II., geschrieben 
und eingebunden ist. Wie damals die Macht des türkischen Reiches 
ihren Gipfelpunkt erreichte, standen auch die Künste in hoher Blüthe. 
Das nicht von Muhammed selber, sondern nur von der sunnitischen Secte 
seiner Lehre vorgeschriebene, aber von den Türken heilig gehaltene 
Verbot der Darstellung lebender Wesen zog jedoch der islamitischen 
Zierkunst enge Grenzen. Was dieselbe in ihrer Beschränkung auf 
ornamentale Erfindungen zu leisten vermochte, zeigen die in Gold und 
Farben prangenden Einfassungen des Haupttitels und der Zwischen- 
titel unseres Korans auf das vollkommenste. Aber auch die dem 
Text gewidmeten Blätter mit ihren meisterlich geschwungenen, in 
verschiedenen Farben auf pergamentähnlichem Papier ausgeführten 
Schriftzüge smd eine Augenweide selbst für denjenigen, welcher sie 
nicht zu entziffern versteht. Gebunden ist das heilige Buch in einen 
seiner würdigen Deckel, dessen Innenseite mit den zierlichsten Durch- 
bruchmustern auf farbigen Untermalungen belegt und dessen Aussen- 
seite mit reichem, aus Metallformen gepresstem und vergoldetem 
Ornament geschmückt ist. Die vergoldeten Inschriften, welche dem 
Rande des Deckels folgen, beginnen mit der Warnung, das Buch nur 
mit reinen Händen zu benutzen, — was zunächst in geistigem Sinne 
zu deuten ist, in seinem Doppelsinne aber auch anders verstanden 
werden darf. 

Eine seltene Specialität der alten Rouener Fayencetöpferei 
bilden die Geschirre mit schwarzem Ornament auf ockergelbem Grund. 
Diese Gattung war bisher im der Gruppe unserer Rouener Fayencen 
nicht vertreten. Herr Ed. Behrens senr. hat die Lücke gefüllt durch 
Schenkung eines werthvollen Senftöpfcehens, dessen Wandung und 


Schenkungen für die Sammlung i. J. 1893. KEIX 


Deckel schwarze Ranken in gelbem Grund sowie in weissem Grund 
blau und roth gemusterte Felder zeigen. Die Entstehungszeit des hübschen 
Töpfehens mag um das Jahr 1725 anzusetzen sein. 

Zwei willkommene Bereicherungen verdankt die Porzellan- 
abtheilung Herrn Dr. Heinrich Traun. Erstens en Cr&metöpfchen 
von gefälliger Form aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts 
mit einem dick aufgetragenen, mehr modellirten als gemalten, 
eravirten Golddecor aus Blumen und Vögeln. Ueber die Herkunft dieser 
und verwandter Arbeiten ist man sich noch nicht emig. Während 
die meisten Kenner in ihnen Erzeugnisse Venedigs sehen, wo man 
schon sehr früh mit der Anfertigung von Porzellan begann, erklären 
Andere sie für Arbeiten Meissens. Für die letztere Annahme spricht 
die Feinheit und Weisse des Porzellans, für deutsche Arbeit das 
Vorkommen von deutschen Trinkgläsern, die mit gleichem Golddecor 
belest sind. Vielleicht trifft eme dritte Vermuthung das Richtige; 
danach würde es sich um ausserhalb der Porzellan-Manufacturen von 
Schmelzkünstlern decorirte Stücke handeln, wie wir solche, bemalt von 
dem Breslauer Botteneruber, mit dem Diamanten geritzt von dem Hildes- 
heimer Canonicus Busch kennen. Die zweite Gabe desselben Schenkers 
ist eine Meissener Porzellanfigur, eine junge Dame in Strassen- 
tracht mit einem Brief in der Hand aus der Zeit um die Wende 
des vorigen Jahrhunderts. Ihr Kleid und ihre Haube sind mit 
zarten Spitzen besetzt, wie sie im der Spätzeit Meissens hergestellt 
wurden, indem man linnene Spitzen in einen Porzellanbrei tauchte 
und an eine noch ungebrannte Figur klebte, bei deren Brand dann 
das Leinen spurlos zerstört wurde, aber ein Porzellangerippe hinterliess. 

Derberen Schlages sind zwei Biscuitfiguren, ein junger 
Schuhflicker, der seinem Staarmatz ein Liedchen vorpfeift, und eine 
alte Strumpfstopferin in der Tonne, die wie jener über den 
musikalischen Genuss ihr nützliches Ergänzungswerk vergisst; aber es 
sind köstliche aus dem Leben gegrifiene Genrebildwerke. Wir kennen 
ihren Meister: sie sind modellirt von dem talentvollen Bildhauer 
Paul Louis Cyffle, der gegen Ende des vorigen Jahrhunderts die 
lothringischen Fabriken Luneville, Samt Clement und Niderviller mit 
seinen vielbegehrten Modellen lebensvoller Genrefiguren versah. Unsere 
Figuren rühren aus der Fabrik zu Niderviller, dem heute und 
ursprünglich Niederweiler benannten Städtchen. Frau Marie Oppenheim 
ist die freundliche Schenkerin dieser beiden Gruppen. 

Zwei andere Bildwerke aus Biscuit-Porzellan verdankt das 
Museum Herın Dr. Carl Fischer. Es sind Arbeiten der ehemaligen 
herzoglich-braunschweigischen Porzellanmanufactur in Fürstenberg, 

a 


16 Museum für Kunst und Gewerbe. 


deren Modelleure Ende des vorigen und Anfang dieses Jahrhunderts 
gerade in der Herstellung von Portraitbüsten berühmter Personen ihr 
besonderes Feld fanden. In das herzogliche Museum zu Braunschweig 
ist denn auch eine ganze Portraitgalerie gelangt. Das Hamburgische 
Museum befindet sich bereits längere Zeit im DBesitze von zwei 
Fürstenberger Büsten, deren eine Jeröme Napoleon, die andere seine 
Gemahlin Friederike Katharina, Prinzessin von Württemberg darstellt. 
Sie tragen alle Zeichen des Empire-Stiles an sich und mögen etwa im 
Jahre 1807 entstanden sein. Die neugewonnenen Büsten sind älteren 
Datums. Wer die noch jugendliche Dame in der hochaufgekämmten, 
mit Schleife und Brillanten geschmückten Frisur sein mag, hat sich 
mit Sicherheit noch nicht feststellen lassen. Dagegen ist die männliche 
Büste als Portrait des Herzogs Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig 
nachgewiesen. Seine Persönlichkeit hat für Hamburg besonderes 
Interesse. Als Führer der preussischen Armee in der unglücklichen 
Schlacht bei Jena wurde er von einer feindlichen Kugel des Augenlichts 
beraubt, verstarb auf der Flucht am 10. November 1806 zu Ottensen 
und wurde dort bestattet. Sein Grab ist eines der „drei Gräber zu 
Ottensen“, die Rückert besungen hat. Manchem Betrachter wird die 
Aehnlichkeit mit Friedrich dem Grossen auffallen. Dieselbe ist nicht 
zufällig: die Mutter des Herzogs war eine Schwester des grossen 
Preussenkönigs. Die beiden Büsten sind lange in hamburgischem Besitz 
vewesen. Ehe der Spender sie erwarb, haben sie dem „Kunst-Museum“ des 
1846 verstorbenen Hamburger Oberalten Peter Friedrich Röding angehört. 

Eine in Weichporzellan ausgeführte schaumgeborene Aphrodite 
ist aus der im Jahre 1736 zu Capo di Monte bei Neapel von Karl III. 
gegründeten Fabrik hervorgegangen. Auf felsigem Gestade, an dem 
sich schaumköpfige Wogen brechen, ruht die Göttin, unter dem auf- 
sehobenen rechten Arm in die Ferne schauend. Die anmuthige 
3ewegung in dem halb ruhenden, halb sich aufrichtenden Körper, die 
in Weichporzellan schwierige, hier aber wohlgelungene Modellirung, 
endlich eine nur stellenweis diskret angewendete Bemalung — alles 
dies vereinigt sich zu einer äusserst feinen, vornehmen Wirkung. Das 
schöne Stück ist ein Geschenk des Herrn Generalconsul Zd. Behrens jr. 


Wechselnde Ausstellungen. 


In der Aula des Museumsgebäudes und in den dem Eingange 
zunächst gelegenen Räumen wurde im Juli eine umfangreiche Ausstellung 
von Strassenplacaten veranstaltet, die in erster Linie das practische 
Ziel im Auge hatte, fördernd und bildend auf die im Hamburg 
entstehenden Bildplacate einzuwirken. 


Wechselnde Ausstellungen. LI 


Der Director eröffnete die Ausstellung mit einem Vortrag, 
in welchem er nach einem Rückblick auf die Geschichte der öffentlichen 
Strassenanschläge an eimigen ausgestellten Placaten die Regeln einer 
zugleich wirksamen und künstlerischen Placatmalerei erläuterte und 
für die Anbahnung einer Reform der deutschen Placatkunst eintrat. 

Es kann keine Frage sem, dass eine wirklich künstlerische 
Ausführung der illustrirten Placate an unseren Anschlagsäulen, 
in Ladenfenstern, Eisenbahnperrons, Wartesälen u. s. w. ein nicht 
unwichtiger Factor zur Hebung des Geschmackes der grossen 
Bevölkerungsmasse abgeben würde. Dass eine künstlerische Behandlung 
der Bildplacate ausführbar ist, kann der augenblickliche Stand 
dieser Strassenkunst in Frankreich lehren. Den Leistungen der 
französischen Meister der Affichenkunst ward demgemäss der grösste 
verfügbare Raum, die Aula, eingeräumt. Vor allen anderen war 
Jules Cheret, welcher mit einer eigenartigen Technik so hohe 
künstlerische Vorzüge vereint, dass seine Werke sogar in die 
Sammlungen des Louvre Aufnahme gefunden haben, mit einer 
zahlreichen Reihe riesiger Placate vertreten. Man darf ihn unbedenklich 
den Schöpfer des neuen Placatstils nennen. Unsere deutschen Placat- 
zeichner pflegen bei Ankündigungen von Schaustellungen u. dgl. ganze 
Reihen von Scenen darzustellen und womöglich längeren Text hinzu- 
zufügen. Das entspricht nicht der Bestimmung des Placats. Der 
geschäftig eilige Beschauer hat nicht Zeit, lange zu sehen und zu lesen. 
Die Kunst des Placatentwurfs besteht darin, ein schönes und packendes 
Augenblicksbild zu schaffen. Es soll die Aufmerksamkeit der vorüber- 
fluthenden Menge auf sich ziehen; im Vorbeigehen soll man das Placat 
in sich aufnehmen können. Daher begnügt sich Cheret mit der 
Darstellung weniger Figuren, den Text beschränkt er auf das Noth- 
wendigste, ein paar Worte, die in markanten Zügen hingemalt sind. 
Seine Hauptwirkungen erreicht er mit der Farbe. Gelb und Blau, 
Roth, Grün, Schwarz stehen unvermittelt nebeneinander. Die Contraste 
sind grell, aber nicht unharmonisch. Ebenso energisch sind die 
Conturen, die sich niemals in gerundeten Umrissen bewegen, sondern 
in eckigen Strichen. Die Zeichnung ist, in der Nähe besehen, 
skizzenhaft, aber, in einigem Abstande betrachtet, sprechen diese 
kantigen Umrisse dieselbe deutliche Sprache wie die weithin 
leuchtenden Farben. 

Neben Cheret waren in der Ausstellung von den übrigen 
Pariser Placatmalern besonders Grasset, Willette und Choubrac 
vertreten, die in anderer Manier arbeiten, aber mit ihren Bildern 
ebenfalls in erster Linie auf die Fernwirkung bedacht sind. 

as 


BI Museum für Kunst und Gewerbe. 


Eine besondere Gruppe bildeten die Reise-Placate d. h. die 
von Eisenbahnverwaltungen ausgegebenen mit Landschaftsbildern 
gezierten Ankündigungen, welche den Zug der Reisenden auf bestimmte 
Bahnen zu lenken versuchen. Je nachdem sie zum Besuch waldreicher 
Gebirge und malerischer alter Städte oder der freien Meeresgestade 
einladen, wechseln die begleitenden Bilder dieser Placate. Auch hier 
zeichneten sich durch farbenkräftige und geschmackvolle Ausführung 
vor anderen die französischen Placate aus. Gerade diese waren 
reichlich und gut vertreten. Mehrere französische Eisenbahnverwaltungen 
hatten der an sie ergangenen Bitte entsprochen und dem Museum 
eine Reihe ihrer schönsten Placate überwiesen. Namentlich die 
Directionen „Chemins de fer de Paris ä Lyon et ä la Medi- 
terrande“, „Ch. d.f. de Paris & Orleans“, „Ch. d.f. de 1’Bs#Z 
und „Ch. d. f. de l’Ouest“ haben sich um die Vermehrung dieser 
Gruppe der Ausstellung in dankenswerther Weise bemüht. 


Unter den deutschen Placaten verdienen vor Allem die An- 
kündigungen der grossen Kunstausstellungen Beachtung. Demgemäss 
war ihnen ein beträchtlicher Platz in der Ausstellung eingeräumt. 
Aber auch Geschäfts-Placate und bildliche Empfehlungen aller Art, 
wie sie aus den hervorragenden Farbendruckanstalten in München, 
Nürnberg, Stuttgart, Berlin und Hamburg hervorgegangen sind, ver- 
dienen. zum grossen Theil wegen ihrer gediegenen Ausführung Beachtung 
und Anerkennung. 


Die Ausstellung war bereits geschlossen, als sich Gelegenheit 
bot, eine Anzahl der riesigsten und erstaunlichsten Placate aus dem 
eelobten Lande aller Reklame vorzuführen. Ein Freund des Museums, 
Herr Carl Griese, selbst ein Fachmann, brachte von seinem Besuche 
der Weltausstellung in Chicago mehrere Riesenplacate, wie sie 
drüben üblich sind, sowie eine Menge anderer Reclame-Drucke mit, 
welche er dem Museum zu dauerndem Besitz überwiesen hat. Die 
amerikanischen Erzeugnisse schienen in ihrer Eigenart die Veranstaltung 
einer -Sonderausstellung zu rechtfertigen, welche dann als ein Nach- 
trag zur Gesammtausstellung im September eröffnet wurde. Die 
Placate, von denen einige eine Grösse von 6 Metern Länge und 
3 Metern Breite haben, stellen zum Theil Scenen aus den Zugstücken 
der Theater vor, bald ernsten Inhalts, wie einen nächtlichen Kampf 
von Feuerarbeitern vor glühenden Oefen, bald humoristischen, wie 
einen lustigen Reigen lebensgrosser jugendlicher Tänzer vor einer in 
der Mondsichel sitzenden komischen Alten. Aus einem Placat stürmt, 
fast in Lebensgrösse dargestellt, ein Dreigespann vor einem eleganten 


Wechselnde Ausstellungen. LI 


Promenadenwagen heraus. Andere Placate zeigen in Lebensgrösse die 
wohlgelungenen Bildnisse schöner Sängerinnen oder beliebter Komiker. 

Im September und October wurde anlässlich der Jubelfeier 
der Kirche zu St. Georg eine Ausstellung von alten Ansichten 
und Plänen veranstaltet, in denen die Entwickelung der Vorstadt 
St. Georg von den Anfängen ihrer Bebauung bis zur Gründung der 
jetzigen Kirche und weiter bis in unsere Tage vorgeführt wurde. 
Das Material hierfür bot zum grössten Theil die Hamburgensien- 
Sammlung des Museums; emige werthvolle Blätter wurden von Frau 
Senator Rapp, Fräulem Zbba Tesdorpf und anderen Hamburgensien- 
sammlern, von Herrn Riefesell eme Auswahl seiner trefflichen Zeich- 
nungen mit freundlicher Bereitwilligkeit hergeliehen. Zu keiner Zeit 
war St. Georg der Schauplatz von Haupt- und Staatsactionen; es hat 
in früheren Jahrhunderten ein stilles Leben geführt und ist nur 
langsam bebaut worden. Die Umgebung der alten Kirche, unweit des 
Standortes der heutigen, und der Rand der hohen Geest vom Hühner- 
posten zum Besenbinderhof wurden zuerst besiedelt. Dieser Frühzeit 
war die erste Gruppe der ausgestellten Blätter gewidmet. Den Mittel- 
punkt der zweiten Abtheilung bildete die neue Dreifaltigkeitskirche, 
deren Grundsteinlegung am 24. September 1745 die Anregung zur 
Jubelfeier gab, die ihrerseits wieder die Ausstellung veranlasste. Andere 
Blätter dieser Abtheilung führten die Grosse Allee vor, die damals 
dem Wagen-Corso der eleganten Welt diente. Erst im dritten und 
vierten Jahrzehnt unseres Jahrhundert entfaltete sich regeres Leben 
und eine ausgedehntere Bauthätigkeit. Das Allgemeine Krankenhaus 
und andere, humanitären Zwecken dienende Gebäude erstehen; die 
Hamburg - Bergedorfer Eisenbahn wird erbaut; im Tivoli mit seiner 
Rutschbahn eröffnet sich den Hamburgern ein vielbesuchter Ver- 
gnügungsort. Nach und nach vollzieht sich die Umwandlung des 
malerischen alten Borgesch mit seinen Bäumen, Teichen und 
Zimmerplätzen in grossstädtisch bebaute Strassen. Fernere Gruppen 
boten übersichtliche Bilder der im neuerer Zeit fortschreitenden 
Bebauung der Vorstadt mit der Gewerbeschule für Mädchen, dem 
Schul- und Museumsgebäude am Steinthorplatz, der neuen Turnhalle 
u. a. m. Die Ausstellung fand während ihrer ganzen Dauer ein reges 
Interesse im Publikum, das sich nicht nur in starkem Besuch, sondern 
auch in manchen Zuwendungen von Hamburgensien kundgab. 

Ende October wurde eine Ausstellung alter Meisterwerke 
des Kunstgewerbes in zwei günstig belichteten Nordsälen des Museums 
eröffnet. Das Material für diese Ausstellung boten in erster Linie 
werthvolle Kunstarbeiten aus der versteigerten Sammlung Spitzer, 


TIIV Museum für Kunst und Gewerbe. 


sowohl die vom Museum erworbenen Stücke, über welche bereits 
oben berichtet ist, als besonders eine Reihe erlesener Werke, 
die in hamburgischen Privatbesitz übergegangen waren. Ausserdem 
steuerten Sammler und Freunde des Museums geeignete Altsachen zur 
Vervollständigung der Ausstellung bei. So verdankte diese der an 
mittelalterlichen Arbeiten reichen Sammlung des Herrn Julius Campe 
mehrere Elfenbeimschnitzereien, Bronzen, Email-, Niello- und Leder- 
arbeiten, Herrn Landgerichts-Director Dr. 4. Föhring eine Auswahl 
Grubenschmelzarbeiten des 13. und 14. Jahrhunderts, deren öffentliche 
Vorführung um so schätzbarer war, als unser Museum gerade an 
Werken des frühen Mittelalters noch arm ist. Was die Kunstschätze 
Spitzers betrifft, so darf mit Befriedigung darauf hingewiesen werden, 
dass ein beträchtlicher Theil derselben seinen Weg nach Hamburg 
gefunden hat. Um die Rückführung der meist deutschen Landen 
entzogenen Kunstwerke hat sich ganz besonders der Kunsthändler 
Herr Adolph Fröschels in Hamburg verdient gemacht, welcher denn 
auch seine kostbaren Erwerbungen für die Ausstellung bereitwillig 
zur Verfügung stellte. Unter diesen mögen hier nur einzelne Werke 
hervorgehoben werden, u. A. der schöne Augsburger Niellobecher 
(No. 1740 des Catalogs), zu dem nur ein einziges Seitenstück im 
(sermanischen Museum zu Nürnberg bekannt ist, eine um sehr hohen 
Preis ersteigerte englische Taschenuhr des 16. Jahrhunderts mit äusserst 
fein emaillirten Ornamenten an den goldenen Kapseln (No. 2710), eine 
aus Buchsholz geschnitzte Betnuss mit der Darstellung des Martyriums 
des jüngeren Jacobus (No. 2155) sowie andere hervorragende Beispiele 
der Kleinplastik in Buchsholz und Kehlheimer Stein aus den Zeiten der 
deutschen Renaissance. Eine schöne Silbertreibarbeit derselben Zeit, 
ein Trinkgefäss m Gestalt eines aufgerichteten Löwen, der mit seinen 
Vorderpranken einen gehenkelten Grapen, das redende Wappenbild der 
Nürnberger Familie Oelhafen, hält, wurde nach vorgenommener Unter- 
suchung als sicheres Werk des Goldschmiedemeisters Paulus Dulner 
ermittelt, der bis 1596 m Nürnberg gelebt und als Spezialität gerade 
Trinkgefässe in Thierform gefertigt hat. Eine beträchtliche Anzahl 
kunstgewerblicher Kostbarkeiten aus Spitzerschem Besitz war in den- 
jenigen unseres Mitbürgers Herrn Heinrich Wencke übergegangen und 
von diesem für die Dauer der Ausstellung dem Museum zur Verfügung 
gestellt, darunter mehrere der schönsten italienischen Majoliken. Herr 
Alfred Beit hatte die grosse, um 1525 von Nicola da Urbino gemalte 
Majolikaschüssel mit der Mannalese in der Wüste aus dem Service 
der Isabella von Gonzaga-Este erworben und in unserer Ausstellung 
der öffentlichen Besichtigung zugänglich gemacht. Als eines der an- 


Herausgabe des illustrirten Führers. IV 


ziehendsten Stücke in der Ausstellung ist endlich noch das kunstvoll 
ausgeführte Messer mit Elfenbeingriff und Scheide (No. 177) zu erwähnen, 
das in die Sammlung des Herrn Julius Campe übergegangen ist. 

Im Anschluss an die „Spitzer-Ausstellung“ hielt der Director in 
einer öffentlichen Versammlung des Kunstgewerbevereins in der Aula des 
Museums einen Vortrag über die Versteigerung der Sammlung Spitzer, 
welchen er mit Worten des Dankes schloss gegen die Mitbürger, deren 
Opferwilligkeit dem Museum aus der berühmten Sammlung einen so 
erfreulichen Zuwachs gebracht habe, und mit dem Ausdruck der 
Freude, dass hamburgische Sammler bei derselben Gelegenheit soviele 
schöne Stücke für sich und damit zugleich für das allgemeine Beste 
erworben haben. 


Herausgabe des illustrirten Führers. 

Bereits im Jahresbericht für 1886 wurde darauf hingewiesen, 
dass die Herausgabe eines illustrirten Führers durch die Sammlungen 
in Aussicht genommen sei. Mancherlei Umstände verzögerten indessen 
die Vollendung. Reiche Gaben von Freunden der Anstalt einerseits, 
insbesondere die Schenkung der Probsteier Spitzen-Sammlung 
durch Frau Dr. Marie Meyer, günstige Kaufgelegenheiten andererseits 
führten zu einer Vermehrung der Sammlungen, wie sie beim Beginn der 
Arbeit nicht zu erwarten gewesen war. Die Bestände mehrerer 
Abtheilungen wuchsen zu einer erfreulichen historischen Geschlossenheit 
heran, gewisse Gruppen (z. D. diejenige der mittelalterlichen Elfenbein- 
arbeiten und der wissenschaftlichen Instrumente) konnten neu begründet 
werden, einzelne Kunstarbeiten von hervorragender Bedeutung, die während 
der Vorarbeiten in das Museum gelangten, forderten entsprechende 
Berücksichtigung, durch den Auszug des Museums für Völkerkunde wurden 
Umstellungen mehrerer Abtheilungen nothwendig — kurz, gewichtige 
Momente vereinigten sich, die es rathsam erscheinen liessen, die begonnene 
Arbeit nicht zu überstürzen, sondern in ruhigem Fortschritt ausreifen 
zu lassen. Mit den im Jahre 1893 bewirkten umfangreichen Ankäufen 
aus der Sammlung Spitzer im Paris schien auch der Zeitpunkt für 
den Abschluss der Sammlung des für die geschichtlichen Ausführungen 
grundlegenden Materials gegeben zu sein. Die schönen Leder- 
arbeiten, die wir aus der Spitzer-Sammlung gewonnen haben, konnten 
leider nicht mehr berücksichtigt werden, weil zur Zeit ihrer Erwerbung 
die betreffenden Abschnitte des Führers schon gedruckt waren. Was 
aber sonst bei jener einzigartigen Gelegenheit für unsere Sammlungen 
erworben wurde, ist an seinem Ort gebührend verzeichnet und für die 
sachlichen Darstellungen verwerthet. Naturgemäss wuchs unter solchen 


NV] Museum für Kunst und Gewerbe. 


Umständen mit dem vermehrten Material auch das Buch zu einem 
nicht vorausgesehenen Umfange. Mag dadurch das anfängliche Ziel 
desselben, den Besuchern ein Führer durch die Sammlungssäle zu 
werden, überschritten und statt dessen ein Führer durch die Haupt- 
gebiete der technischen Künste entstanden sein, so ist doch m der 
Anlage wie in der Durchführung dieses umfassenderen Planes überall 
der Zusammenhang mit dem Inhalt unserer Sammlungen gewahrt worden. 
Somit wendet sich das Werk selbstverständlich nicht an Besucher, die 
sich mit einem flüchtigen Rundgang durch das Museum begnügen, 
sondern in erster Linie an diejenigen, denen es um eine tiefergehende 
Belehrung zu thun ist. Zugleich steht aber zu hoffen, dass es sich 
auch als Handbuch der Geschichte des Kunstgewerbes 
denen brauchbar erweisen wird, die das hamburgische Museum zu 
besuchen nicht in der Lage sind. 

Wesentlich zur Erfüllung dieses letzteren Zweckes sollen die 
beigegebenen 431 Abbildungen von Gegenständen der Sammlungen 
dienen. Bei der Auswahl derselben wurden, soweit es thunlich war, 
ohne die geschichtliche Treue zu verletzen, solche Beispiele bevorzugt, 
die nicht nur für die durch sie illustrirten Gebiete typisch sind, sondern 
zugleich dem schaffenden Kunsthandwerker Anregung bieten. Die 
Zeichnungen zu der Mehrzahl der Abbildungen sind von dem Assistenten 
des Museums Herrn Wilhelm Weimar angefertigt worden und zwar 
ohne photographische Hülfsaufnahmen. 

Der Satz bot ungewöhnliche Schwierigkeiten; denn es galt, ohne 
Raumverschwendung überall die Bilder an gerade diejenige Stelle zu 
bringen, wo der Text, sei es in der geschichtlichen Emleitung, sei es 
in der mit kleinerer Schrift gedruckten Beschreibung von ihnen handelte. 
Die Herren Lütcke & Wulff, E. H. Senats Buchdrucker, haben, wie 
sie dieser Aufgabe gerecht geworden sind, auch durch die sorgfältige 
Ausführung des Buch- und Bild-Drucks eimen begründeten Anspruch 
auf Anerkennung erworben. 

Die Drucklegsung des Führers war mit Abschluss des Berichts- 
jahres soweit vorgeschritten, dass seine Ausgabe m der ersten Hälfte 
des folgenden Jahres gesichert war und inzwischen auch erfolgt ist. 
Um den Besuchern der Sammlungen die Benutzung des Führers so 
bequem wie möglich zu machen, wird im jedem Zimmer auf einem 
leicht beweglichen Pultgestell ein Exemplar des Buches ausgelegt 
werden, in dem diejenigen Stellen, welche für die in der Nähe 
befindlichen Gegenstände im Betracht kommen, durch Lesezeichen 
angemerkt sind. Ueberdies wird an allen Schauschränken sowie an 
den wichtigeren Stücken ein Hinweis auf die betreffende Seite des 


Der Besuch der Sammlungen im Jahre 1893. IENAN 


Führers gegeben werden. Dabei verbleibt es jedoch bei unserer bis- 
herigen Gepflogenheit, jedem Stücke der Sammlung eine kurze 
Erläuterung beizulegen, welche über seine nicht augenfälligen Eigen- 
schaften belehrt, 


Der Besuch der Sammlungen im Jahre 1893. 


Ta ee se ae 3 0 5.369 
REIT N 3 306 
DE N N seen 6 310 
ST Ne el ee 11 040 
VE N 2 ER EN 2 622 
ee Eee, 1 902 
DT en EN RT 4 566 
U Te er ES RE PERLE 6 5585 
DBENLENIDETSE TR ee ee 5 010 
Deiobene ee a ee 6 685 
Nomember Beeren 5 506 
December se Nena 2 627 
ZuSammen...... 60 528 Personen, 


von welchen 25 730 auf die Sonntage kamen. 


Die Bibliothek. 


Der Besuch des Lesezimmers im Jahre 1895 ergiebt sich aus 
der folgenden Uebersicht: 


DENE MR EN Re 217 
Bleu ee ee 147 
N EEE re RE ER 149 
ENDE PN, Week EEE SRRERSNEERPIRHREN: 121 
ne Ne et 114 
NDR N Aus re Renata on 107 
EEE BE ae a en. un a. ti 82 
EN ee Re sag 112 
SRIBIEIIDET ee ee en 138 
WIEORESTE a ee 138 
ROLE TE ats cn aaa 8 ie 159 
DeReji ee IR oe N 163 
zusammen...... 1647 Personen, 


gegen 2104 im Jahre 1892, 


EVIM Museum für Kunst und Gewerbe. 


Diese 1647 Personen benutzten 1065 Bände, deren Vertheilung 
über die verschiedenen Fächer sich aus der folgenden Uebersicht ergiebt: 


Geschichte 2 ze EINES et 
Kulturgeschichte ....... U. ER AUEER 31 
Eleraldiko sr er 46 
Costümeeschichte zer... PETER FU 
Nest hei EEE 19 
Kunsteeschichteseee ee pam. en ae 94 
Baukunstaneesscer. N EEE Se 
Bildhauerkumst. re m Au a ehe RR 15 
Malerei ........ a 16%) 
Kunstgewerbe im Allgemeinen ............ 102 
Decoratıon und Ormamentk : .. Samen. 261 
Schrift und® Monosrammeser aa a 24 
Gewebe: und Suckeren 2.7. 2:2 wer 2. 
Möbel- und Holzschnitzerei ...... a Rei 
Metallarbeiten- ara ze ER NR 
Keramik were: RE ER A SEHE ER 0) 
Aeussere Buchausstattung ............... r 
Anatomie und Zoolosien 2... nenn 14 
Pflanzenbilder, naturalistische u. stilisirte ... 88 
Nlustrirte Werke aller Art... ee 45 
Werke über Japan=a.2 2. ar. vente 29 
Japanische Bilderbücher. a. mr 2er 10 
Verschiedenes ar fe er 22 
zusammen. ..... 1063 Bände 


gegen 1608 Bände im Jahre 1892. Die Blätter der graphischen 
Sammlungen (Hamburgensien, Gelegenheitsblätter, Ornamentstiche, 


53 Fällen benutzt. Die Benutzung der im 
Lesezimmer aufliegenden Zeitschriften sowie der Vorbilder-Sammlung 


Photographien) wurden in 


steht jedem Besucher des Lesezimmers ohne Ausfüllung eines Verlang- 
zettels frei; daher bleibt die Zahl der benutzten Bände hinter der- 
jenigen der Besucher zurück. 

Im Lesezimmer gezeichnet wurden: 42 Fayencen und Porzellane, 
9 Holzschnitzereien, 3 Bronzearbeiten, zusammen 54 Gegenstände. 
Ueber diejenigen Gegenstände, welche ohne Entfernung von ihrem 
Aufstellungsort in der Sammlung gezeichnet werden, findet keine 
Kontrolle statt, 


Die Bibliothek. BIX 


Ausgeliehen wurden im Jahre 1893 407 Bände gegen 408 im 
Jahre 1892. Ihrem Inhalte nach vertheilen sich dieselben folgender- 
massen: 


Geschichte A 6 
Kulturgeschichte ........:: ER EHE 33 
Ele ee ee =li6 
@ostingeschiehte 2. are. alas. LS 
NER THE ee en Se u 
Komstsesehichte.... u.a. nee 54 
Balunsi So eres ER 
Bildhauerkunstis sa se... een BADER 3 
Nelere te A er en er 
Kunstgewerbe im Allgemeinen ............. 3 
Becoratıon, und, Ornamentk - 2. u „u .n..: 23 
Sehriitzund Monosrtamme 22.2.2. 2.22.02... 16 
Geweberund Stiekereien, . 2.00... ana-2: 10 
Möbel und Holzschnitzereien. ....::....... 3 

Mesallanbewene „2.342 .2n0 222. nern 9 
er A a art 21 
Aeussere Buchausstattung... .......... 2... ... 4 
Anatesmie und Zoologie. ...... 2... ...4%: 19 
Pftlanzenbilder, naturalistische und stilisirte ... 11 
Nlusteirte Werke. äller Art. ........2....... 23 
erkesubersJapane „.0..23.. 0... 2 2 2 0r 13 
JapanıschesBilderbücher +... . un. neszueH: 13 
Derschredenies: u an er. 12 

zusammen......407 Bände 


Ausserdem 87 Blätter der Vorbilder-Sammlung, 76 Photographien, 
29 Zeichnungen, 14 Blätter aus der Hamburgensien - Sammlung, 
230 Gelegenheitsblätter, zusammen 436 Einzelblätter gegen 449 
im Vorjahre. 


Entleiher dieser Bücher und Blätter waren 129 verschiedene 
Personen, welche sich ihren Berufen nach folgendermassen vertheilten : 


Zeichner für das Kunstgewerbe............. 9 
Architekten... .. BE »® 
NSS ee 4 
DE en N Y 
eeorahionemaler anal: 5 


Vorkrassar, 2. 31 Personen 


NEE Museum für Kunst und Gewerbe. 


Vortrae,. = 31 


Malemnnenmer... 22... Be a EEE TERM 
Gelehrte A , 
Tkehrer ‚und lehrerinnen. ..........n... de 
Möbelfabrikanten und Tapeziere ........... 8 
Kunstischmuedete N N er 2 
Ledertechniker und Buchbinder .... ..... ea IS 
Lithographen und Buchdrucker ......... ur: 
Kunststiekerinnenays an een a 
Verschiedene Beinfe ..2..... 2.000... 23 
Damen@ohne Beruf. zer ee 16 
zusammen ..... 129 Personen 


Ferner wurden zur Benutzung ausserhalb der Anstalt entliehen 
150 Gegenstände der Sammlung, welche sich folgendermassen vertheilten:: 
S Stickereien, 13 Gewebe, 56 keramische Arbeiten, 1 Glas, 17 Möbel 
und Holzschnitzereien, 42 Arbeiten aus unedlen Metallen, 27 Edel- 
metallarbeiten, 6 Bucheinbände und Lederarbeiten, 10 japanische Körbe. 

Nicht inbegriffen hierim sind die für den Zeichenunterricht in 
den gewerblichen Lehranstalten entliehenen Gegenstände. 

Die Allgemeine Gewerbeschule entlieh: 12 Gewebe, 
21 Möbel und Holzschnitzereien, 5 Eisenarbeiten, 2 Metallarbeiten, 
zusammen 30 Gegenstände. 

Die Gewerbeschule für Mädchen entlieh: 45 Gewebe, 
12 Stücke Porzellan, 15 Fayencen und andere Thonarbeiten, 1 Holz- 
schnitzere, 7 Metallarbeiten, 1 japanischen Korb, zusammen 
84 Gegenstände. 


Theekümmchen von Raku-Waare, leuchtend 

gelbroth mit weiss eingelegten Kieferzweigen. 

Japan. Anfang des 19. Jahrhdts. . nat. Gr. 
(Geschenkt von Fräulein J, und M. Hirsch.) 


Die Vente Spitzer in Paris. EXT 


Anhang. 


Die Versteigerung der Sammlung Spitzer in Paris. 


Ergebnisse und Erfahrungen. 


Der Versteigerung der Collection Spitzer m Paris, der 
bedeutendsten jemals unter den Hammer gelangten Sammlung kunst- 
gewerblicher Alterthümer, hatte man seit dem am 23. April 1890 
erfolgten Tode ihres Besitzers mit Spannung entgegengesehen. Man 
erwartete, dass diese Versteigerung, indem sie zahlreiche Kostbarkeiten 
dem freien Verkehr wieder zuführte, von ausschlaggebender Bedeutung 
für die Preisbildung auf dem Antiquitätenmarkt sein werde. Neben 
den Sammlern und Händlern rüsteten sich zu diesem Wettstreit viele 
Museen, um bei dieser unvergleichlichen Gelegenheit Altsachen zu 
erwerben, wie sie in unseren Tagen nur ausnahmsweise noch auf den 
Markt gelangen. In der That erwies sich die Versteigerung, die sich 
in geschickt bemessenen Abschnitten vom 17. April bis zum 16. Juni 
d. J. 1893 erstreckte, als „la plus grande vente du siecle“. Sie 
bestätigte das allen Kundigen verständliche Steigen der Preise für 
Altsachen von hervorrragender Schönheit und Seltenheit zugleich mit 
dem Stillstand oder Sinken der Preise für Altsachen mittleren Ranges 
und häufigeren Vorkommens; nebenher aber wurde in ihr unerbittliches 
Gericht gehalten über die Kennerschaft ihres Vorbesitzers und seiner 
gelehrten Mitarbeiter an der grossen Ausgabe seimes Kataloges. In 
dieser Hinsicht offenbarte die Versteigerung erschreckende Fortschritte 
der Fälscherkünste. Die Thatsache, dass auf die Dauer nichts so fein 
gesponnen, als dass nicht eines Tages doch die Wahrheit zu Tage 
komme, kann diejenigen wenig beruhigen, die im Interesse der 
geschichtlichen Wahrheit arbeiten und sammeln; es gilt vielmehr, nach 
Kräften Schritt zu halten mit den Fälschern und ihre Werke zu 
erkennen, bevor sie sich eingebürgert und durch schön ausgestattete 
Kataloge Ursprungszeugnisse erlangt haben, die das Urtheil harmloser 
Käufer gefangen nehmen. Auch in dieser Hinsicht war die Vente 
Spitzer von weittragender Bedeutung. 

Friedrich Spitzer, ein Wiener von Geburt, hatte sich 
im Jahre 1852 in Paris niedergelassen, das schon damals ein 
Mittelpunkt des Kunsthandels war. Seine aus der Erfahrung des 
Handelns mit Antiquitäten erwachsene Kennerschaft und seine ausser- 
ordentliche geschäftliche Gewandheit trugen ihm einen Weltruf als 
Händler und ein bedeutendes Vermögen ein, das ihn in den Stand 


EX Museum für Kunst und Gewerbe. 


setzte, den Antiquitätenmarkt zu beherrschen, wie er wollte, und 
jeden Preis an den Erwerb einer Seltenheit zu wagen, nach der 
sein oder seiner Hintermänner Begehren stand. Während er seine 
persönlichen Neigungen als Sammler derselben Richtung zuwandte, 
wie vor ihm du Sommerard, aus dessen Sammlung das Musee de 
Cluny hervorgegangen, und Sauvageot, dessen Sammlung zu dem 
kostbarsten Besitz des Louvre gehört, blieb er für die nicht dem 
Mittelalter nnd der Renaissance angehörigen Altsachen der neueren 
Zeit der Kaufmann, durch dessen Hände viele der kostbarsten Kunst- 
werke gingen, die heute die Sammlungen der Rothschilds und anderer 
grossen Sammler zieren. Nachdem sein Vermögen ihm den Rücktritt von 
den Geschäften gestattet hatte, lebte er nur noch der Vervollkommnung 
seiner Sammlung, und zwar in gesteigerter Thätigkeit, nachdem er 
in der rue de Villejust unweit des Triumphbogens der elysäischen 
Felder em prachtvolles Haus erbaut hatte, in dessen Räumen 
er seine Kunstschätze mit vollendetem Geschmack zur Schau stellte. 
In den letzten Jahren seines Lebens mag ein fieberhafter Drang, 
seine neuen Museumsräume immer mehr mit überraschenderen, nie 
gcsehenen Kostbarkeiten zu füllen, einerseits, abnehmende Schärfe des 
Blickes anderseits den aller Listen des Antiquitätenhandels kundigen 
alten Herrn verleitet haben, gelegentlich selber im die Fallstricke der 
Fälscher sich zu verfangen und seinem älteren zweifellosen Besitz 
erstaunliche Stücke von bestrittener Aechtheit oder selbst unbestrittener 
Unächtheit anzureihen. Nur so scheint sich sein Besitz gewisser 
Stücke zu erklären, über die seine Vente endgültig abgeurtheilt hat. 
Falsche Stücke konnten bei diesem Anlass im Allgemeinen — eine 
Abtheilung, die der Tanagra-Figuren, ausgenommen — nicht Stand halten. 
Bei der grossen Anzahl der Käufer, mochten es Liebhaber, berufs- 
oder gewerbsmässige Kenner sein, konnte die Wahrheit nicht verborgen 
bleiben, auch wenn sie nicht immer laut verkündet wurde. Hinzukam, 
dass der Verkauf ein durchaus remlicher war, insofern die Erben 
keinerlei Rückkauf beabsichtigten und daher jenes maasslose künstliche 
Treiben der Preise unterblieb, das vom Rückkauf untrennbar ist, auf 
so vielen deutschen Versteigerungen Aergerniss erregt und nur zu oft 
zur Verschleierung von Fälschungen missbraucht wird. Zu dem 
würdigen Verlauf der Vente trug vor Allem bei die über alles Lob 
erhabene Sicherheit und Unparteilichkeit, mit der CharlesMannheim, 
der erste der Pariser Experten, die Versteigerung leitete. Dank seiner 
sich stets gleich bleibenden liebenswürdigen Ruhe vollzog sich die 
Versteigerung ohne den mindesten Zwischenfall zur Genugthuung Aller, 
die gekommen waren zu kaufen und zu lernen. 


Die Vente Spitzer in Paris. EXIH 


Die folgenden Angaben, welche theils auf meinen Erfahrungen 
bei der Versteigerung beruhen, theils den Angaben im Bulletin des 
Musees entnommen und durch directe Mittheilungen einzelner Directoren 
ergänzt sind, können auf Vollständigkeit keinen Anspruch erheben. 
Einerseits sind manche, bei der Vente Spitzer in die Hände von 
Händlern gelangte Stücke erst nachträglich von den Museen angekauft 
worden. Anderseits haben auch wohl einzelne Museen als Deckadressen 
für private Käufer gedient, wie ebenso gelegentlich letztere für erstere 
eingetreten sind. Immerhin wird die nachfolgende Uebersicht eine 
annähernd zutreffende Vorstellung davon vermitteln, welch’ ansehnlicher 
Bruchtheil der von Spitzer angehäuften Kunstschätze durch diese 
denkwürdige Versteigerung dem Handel endgültig entzogen ist und in 
die öffentlichen Museen seinen Einzug gehalten hat. 

Nur wenige Werke des classischen Alterthums waren von Spitzer 
in den letzten Jahren seiner Sammlung angereiht worden, Bronzen, sowie 
figürliche Terracotten von der Art jener als Tanagra-Figuren berühmt 
und berüchtigt gewordenen. Um die Echtheit eines grossen Theiles 
dieser klemen Kunstwerke ist bekanntlich ein heftiger Streit entbrannt: 
Die Einen, vorzugsweise deutsche Archäologen, weisen in das Gebiet 
der Fälschung gewisse Figuren und Gruppen, die sich durch ihre von 
moderner Empfindsamkeit getränkten Vorwürfe und ihre raffınirte, ın 
modernem Geiste elegante Gestaltung von den schlichteren, antikes 
Empfinden athmenden Figuren aus nachweislich sicheren Fundorten unter- 
scheiden und nur als Handelswaare ohne sicher nachweisbare Herkunft 
aus griechischen Gräbern auftreten. Die Anderen, darunter französische 
Kenner von namhafter Tüchtigkeit, steifen sich noch immer auf die 
Echtheit dieser merkwürdigen Fälschungen, sehen in ihnen die Enthüllung 
eines neuen Gebietes antiker Kunstempfindung und verlangen den 
Nachweis, wo und von wem heute diese kleinen Meisterwerke angefertigt 
werden, die in der That ein reiches und mannigfaltiges künstlerisches 
Können verrathen. Diesen Nachweis zu erbringen, ist allerdings den 
Leugnern des altgriechischen Ursprungs der Pseudo-Tanagra- (oder 
Myrrhma-) Figuren bisher nicht gelungen, und auf diesen Umstand 
mögen Diejenigen sich berufen, die ihren guten Glauben an die antike 
Geburt der reizenden Terracotten Spitzers mit der Zahlung von 
Tausenden von Frances für jedes einzelne Stück bekräftigten. Die 
Gruppe des jungen Mädchens, das von Merkur dem Charon zugeführt 
wird, brachte es gar auf 11,000 frs. Die 35 Nummern dieser Ab- 
theilung zusammen trugen 130,540 frs. em, im Durchschnitt 3729 frs. 
Nur ein Stück (die Glasschale No. 35) ging an eine öffentliche 
Sammlung, die hamburgische. 


ERIV Museum für Kunst und Gewerbe. 


Zu den werthvollsten Abtheilungen der Sammlung Spitzer gehörten 
die Elfenbein-Arbeiten. Unter den 175 Nummern des Kataloges 
waren nur sehr wenige zweifelhafte und diese von untergeordneter 
Bedeutung. Für die Güte dieser Abtheilung zeugten denn auch nicht nur 
die hohen Preise, die von den besseren Stücken erreicht wurden, sondern 
auch die Thatsache, dass aus keiner Gruppe mehr Stücke, als aus 
dieser in öffentliche Museen übergimgen. Die besten Stücke waren 
mittelalterliche Arbeiten; die wenigen jüngeren Stücke, etliche Elfenbein- 
humpen, zeigten, dass bei der Spätrenaissance Spitzers Interesse 
erlahmte. Die 175 Nummern des Kataloges brachten zusammen nicht 
weniger als 773,680 frs., demnach jedes Stück im Durchschnitt 4421 frs. 
Von den 175 Nummern wurden 24 für öffentliche Sammlungen erworben 
zum Gesammtpreis von 226,700 frs. (Durchschnitt 9446 frs.). Vier der 
hervorragendsten Stücke fielen dem Hamburgischen Museum zu, eine 
kleine Madonna aus dem 13. Jahrhundert (No. 72, Preis 4100 frs.), 
eine Madonna aus dem 14. Jahrhundert (No. 90, Preis 13,100 frs.), 
das Triptychon (No. 129, Preis 4650 frs.) und die Spiegelkapsel mit 
der Scene aus Tristan und Isolde (No. 105, Preis 2050 frs.). Mehrere 
Elfenbeinarbeiten von hohem Werth gingen in den Besitz des ham- 
burgischen Sammlers Herrn Julius Campe über; unter ihnen jenes 
kostbare Messer nebst Scheide (No. 177), das schon im Jahre 1829 
in Willemin’s Monuments francais veröffentlicht worden ist und später 
der berühmten Sammlung Debruge-Dumenil angehört hat. 

Auch die Abtheilung der Lederarbeiten zeichnete sich durch 
vorzügliche und wohlerhaltene, nur hie und da von neuzeitigen Ver- 
schönerungsversuchen (Auffrischung der Bemalung) wenig berührte Stücke 
aus. Die 75 Nummern brachten zusammen 107,955 frs. (Durchschnitts- 
preis 1439 frs.). Auch von dieser Abtheilung gingen viele wichtige 
Stücke in die feste Hand öffentlicher Sammlungen über, im Ganzen 
22 Stücke für zusammen 52,235 frs. (Durchschnittspreis 2374 frs.). 
Dem Hamburgischen Museum verblieben 3 ausgezeichnete Stücke, die 
Lederkapsel von englischer Arbeit (No. 850, Preis 3800 frs.), die 
spanische Jagdflasche (No. 834, Preis 4010 frs.) und die venetianische 
Kapsel (No. 828, Preis 630 frs.). 

Von hoher Bedeutung war die Abtheilung der mittelalter- 
lichen Goldschmiedearbeiten. Dabei können jedoch gewisse That- 
sachen nicht verschwiegen werden, die bei eingehenderer Prüfung jedem 
Kundigen sich aufdrängen mussten, und für die der auffällige Preissturz 
einer Anzahl scheinbar hervorragender Stücke einen entscheidenden 
Beweis erbrachte. Weniger bedenklich war das Vorkommen einzelner 
offenbar gefälschter Stücke, die keinem Sammler ganz erspart bleiben. 


Die Vente Spitzer in Paris. TXV 


Von ihnen sei hier nur die grosse aus Silber getriebene Jungfrau 
Maria mit dem Jesuskinde (No. 290 des Auctions-Kataloges, abgebildet 
im Band I, Tafel XVI des grossen Kataloges) genannt. Diese 
Madonna, die i. J. 1889 in der Ausstellung des Trocadero Vielen 
noch als der „clou* der mittelalterlichen Kunstwerke gegolten 
hatte und nur von Wenigen im Geheimen angezweifelt worden 
war, wurde jetzt allgemein als das Werk eines Fälschers unserer Tage 
anerkannt. Ehrlicher Weise hatte schon der Auctions-Katalog im 
Gegensatz zum grossen Katalog die Angabe der Entstehungszeit 
fortgelassen, und diese Figur nur als „flandrische Arbeit“ bezeichnet. 
Sie brachte es denn auch nur auf 8000 frs., d. h. nicht viel mehr 
als den Betrag, den ein solches Kunstwerk als neuzeitige Arbeit werth 
sein mag und nur ein Zehntel der Summe, welche Spitzer gutgläubig 
dafür geopfert haben soll. Die gleiche Vorsicht, wie bei jener Madonna, 
war von dem Auctions-Katalog auch in einigen anderen Fällen beobachtet 
worden, z. B. bei den beiden grossen silbernen Kirchenleuchtern No. 342, 
die nur als „deutsche Arbeit“ bezeichnet waren und es denn auch 
verdientermaassen nur auf 2300 frs. brachten. Unbillig wäre es übrigens, 
zu verlangen, dass ein derartiger Katalog über den Werth oder Unwerth 
jedes einzelnen Stückes Auskunft gäbe. Um dies zu können, müssten 
die Verfasser über ein Wissen und eine Musse verfügen, die ihnen 
kaum jemals für solche Arbeit zur Verfügung stehen. „Augen für 
Geld“ wird daher auch hier das Loosungswort bleiben, wie überall 
im Handel mit Altsachen. Soweit sich bestimmte Verdachtsgründe 
ergaben, sind sie für das Hamburgische Museum aufgezeichnet worden, 
um in Zukunft benutzt zu werden, wenn die von ihnen betroffenen 
Stücke unter Berufung auf die Kataloge Spitzers wieder als 
alt auftauchen sollten. Aergerlicher als solche Fälschungen waren 
einzelne Gegenstände, die aus Bestandtheilen alter ächter Stücke so 
geschickt zusammengebaut waren, dass es der pemlichsten Untersuchung 
bedurfte, um über sie in’s Klare zu kommen. In dem unvollkommenen 
oder durch Zuthaten späterer Stilperioden veränderten Zustand, in dem 
die Bestandtheile von Monstranzen, Reliquienbehältern, Leuchtern auf 
unsere Tage gekommen waren, hätten sie für öffentliche Sammlungen, 
deren erstes Gesetz die geschichtliche Wahrheit bleibt, höheren Werth 
gehabt, als in einer Gestalt, die sie freilich gebrauchsfähig und stilrein 
erscheinen liess, aber ihre Bedeutung als kunstgeschichtliche Dokumente 
erschütterte oder zerstörte. Diese Thatsache muss man sich gegen- 
wärtig halten, um zu verstehen, warum gewisse Gegenstände, 
z. B. die grosse Reliquien-Monstranz No. 305, die scheinbar zu 
den Glanzstücken der Sammlung gehörten, zu Preisen verkauft 


6 


IR Museum für Kunst und Gewerbe. 


wurden, die unverhältnissmässig niedriger waren als die Preise 
von weniger prunkenden, aber in ihrer ursprünglichen Erhaltung be- 
wahrten Altsachen von verwandter Art. Zu einer gleichen Bemerkung 
führte auch die Beobachtüng, dass manche an und für sich unver- 
dächtige Stücke ersichtlich gewissen Verschönerungsarbeiten unterzogen, 
z. B. neuvergoldet, emaillirt oder bemalt worden waren. Spitzer war 
offenbar mehr begeisterter Liebhaber als treuer Bewahrer der alten 
Werke und kleidete daher diejenigen semer Lieblinge, an denen der 
Zahn der Zeit allzu sichtbare Spuren hinterlassen hatte, öfter m 
ein dem Auge des Beschauers schmeichelndes Gewand, das sie 
gleichwerthig erscheinen liess den Stücken von tadelloser Erhaltung, 
mit denen sie m Reih und Glied stehen sollten. Nachdem der Glaube 
einmal erschüttert war, kam es wohl auch vor, dass sich unberechtigte 
Zweifel gegen solche Stücke wandten, die im Grunde unbezweifelbar 
waren und nur durch ihre ungewöhnliche Frische überraschten. 

Aller derartigen Bedenken ungeachtet erreichten die 133 Nummern, 
die der Katalog m der Abtheilung „Orfevrerie religieuse“ vereinigt 
hatte, einen Durchschnittspreis von 4283 frs., im Ganzen 783,470 frs., aber 
nur 11 Stücke zum Gesammtpreis von 143,290 frs. (Durchschnitt 
13,026 frs.) wurden öffentlichen Sammlungen einverleibt. Obwohl 
nicht wenige der 85 Stücke, die der Katalog unter der Ueberschrift 
„Orfevrerie civile“ aufzählte, zu ähnlichen Bedenken Anlass gaben 
wie die Werke der kirchlichen Goldschmiedekunst, erreichten sie einen 
höhern Durchschnitt, 5184 frs., und im Ganzen 440,650 frs. Aber 
nur sehr wenige derselben gingen in den Besitz der Museen über, nur 
3 Stücke für zusammen 12,100 frs. Erwähnt darf werden, dass einige 
in hohem Grade museumswürdige Stücke, insbesondere das kostbarste 
Stück der ganzen Abtheilung, der schöne niellirte Pokal No. 1740, 
eine Augsburger Arbeit des 16. Jahrhunderts, sowie No. 1752, der 
Becher in Gestalt des Wappenlöwens der Oelhafen, eine Nürnberger 
Arbeit v. J. 1564, in die Sammlung des Herrn Heinrich Wencke 
zu Hamburg übergegangen sind. Derselbe hatte auch das Glück, die‘ 
zu diesem Geschlechtsbecher gehörigen Messer und Gabel, No. 2350 
und 2381, aus altem Oelhafen’schen Besitz, zu erwerben. 

Von allen Abtheilungen den höchsten Ertrag brachten die 
Schmelzmalereien von Limoges, 172 Nummern zusammen 
1,004,475 frs. Der Durchschnitt übertraf mit 5840 frs. noch den- 
jenigen der drei, dem Gesammtertrage nach zunächststehenden Ab- 
theilungen, der italienischen Fayencen, der kirchlichen Goldschmiede- 
Arbeiten und der Elfenbein-Arbeiten. Nur für wenige Stücke traten 
Museen als Käufer auf, und dann nicht immer siegreich; es 


Die Vente Spitzer in Paris. LXVII 


scheint, als ob die Sammellust der französischen Liebhaber sich mit 
frischen Kräften den Limousiner Schmelzmalereien zuwendet, die 
allerdings unter den Ruhmestiteln des französischen Kunstgewerbes der 
Renaissance den ersten Rang behaupten. Für öffentliche Sammlungen 
wurden nur 5 Nummern zum Gesammtpreis von 39,350 frs. erworben. 
Den höchsten Preis, 51,000 frs., erzielte das nur 0,089 m hohe und 
0,150 m breite Plättchen, auf dem Jean I. Penicaud nach einem Stiche 
Dürers die Anbetung der h. drei Könige in zartester Grisaillemalerei 
wiedergegeben hat. Das Louvre musste trotz seiner ausserordentlichen 
Mittel dieses kleine Meisterwerk einem im Dunkeln bleibenden Crösus 
überlassen. Die hohen Preise bezeugten, dass die Sammler, die in 
Frankreich zu einem guten Theil auch Kenner sind, der Aechtheit der 
ausgebotenen Stücke vertrauten und an Ausbesserungen, wenn sie mit 
vollendeter Technik beschafft sind, bei Altsachen dieser Art keinen 
Anstoss nehmen. 


Unter der Benennung „Pierres dures“ verzeichnete der Catalog 

46 Gegenstände kleinentheils kirchlichen, grösstentheils weltlichen 

Gebrauchs aus Bergkristall, Jaspis, Agat, Lapislazuli, Bernstein oder 

Perlmutter, zumeist in emaillirten Fassungen aus Gold oder Silber. 

Sie brachten einen sehr hohen Durchschnittspreis, 8,979 frs., im Ganzen 
j] b) ? 

415,020 frs., aber nur emer von ıhnen zum Preise von 3500 frs. wurde 

für ein Museum erworben. Den höchsten Preis, 70,000 frs., einen der 
2 I )) 

höchsten der in dieser Versteigerung für ein einzelnes Stück erzielten 

oO ? 

Preise, erreichte ein sehr schöner kleiner Eimer aus Berekristall in 
) io) 
emaillirter Goldfassung von italienischer Arbeit (No. 2598). 


Schmuckstücke, Medaillons, Brustkreuze, Anhänger waren 
89 vorhanden, die im Durchschnitt 3,518 frs., zusammen 313,130 frs. 
eintrugen. Ihnen schlossen sich 78 Ringe an, die im Durchschnitt 
187 frs., zusammen 53,630 frs. brachten. Die Ankäufe der Museen 
hielten sich für beide Abtheilungen erheblich unter dem Durchschnitt; 
sie erstreckten sich auf nur 9 Schmuckstücke zum Durchschnittspreise 
von 1910 frs., zusammen für 17,190 frs., und auf 6 Rmge zum 
Durchschnittspreis von 418 frs., zusammen für 2505 frs. 


Die Abtheilung der Taschenuhren brachte mit ihren 
5l Nummern 143,730 frs., im Durchschnitt 2,818 frs. Die Preise 
hielten sich in bescheidenen Grenzen; der hohe Durchschnitt erklärt 
sich nur dadurch, dass einige wenige Stücke durch den Wettstreit 
Mr. Salting’s mit einem Händler-Consortium zu enormen Preisen hin- 
aufgetrieben wurden. Auf diese Weise erreichte eine allerdings sehr 
schöne Taschenuhr in emaillirtem Gehäus, englische Arbeit des 


E3 


e 


LXVII Muscum für Kunst und Gewerbe. 


16. Jahrhunderts (No. 2710) den Preis von 35,000 frs., vor dessen 
Höhe selbst Mr. Salting zurückwich. Aus dieser Abtheilung ging 
kein Stück an die Museen. 

Die Abtheilung der Bronzen zählte nur 52 Nummern, unter 
denen sich jedoch eine Anzahl von Stücken ersten Ranges befanden. 
Sie brachte es denn auch auf sehr hohe Preise, 7940 frs. im Durch- 
schnitt, 412,920 frs. im Ganzen. Die Mehrzahl ging an private 
Sammler, nur ein Stück, die Büste No. 1458 um 41,000 frs. an ein 
Museum. Grosses Aufsehen erregte der erst zu 44,000 frs. erfolgte 
Zuschlag einer klemen bronzenen Statuette Peter Vischers (No. 1456), 
über deren Herkunft aus der eigenen Werkstatt des Meisters die 
Ansichten getheilt waren; ein Wiener Sammler hatte sich dieses Werk 
gesichert. Einen hohen Preis, 46,500 frs., erzielte auch der dem 
Andrea Briosco zugeschriebene Reiter auf ungesatteltem Pferde (No. 1454). 
/wei grosse Kaminböcke, venetianische Arbeiten des 16. Jahrhunderts 
(No. 1480 und 81) brachten es gar auf 51,000 frs. und zwei ebenfalls 
norditalienische Leuchter (No. 1476) auf 31,500 frs.  Dergleichen 
ausserordentliche Preise erklären sich durch die unmittelbare Ver- 
wendbarkeit derartiger Bronzen in der Wohnung des vornehmen Lieb- 
habers, im Vergleich mit anderen Stücken, die nur eine sammlungsmässige 
Aufstellung gestatten. 

Gegossene Medaillen zählte der Katalog 145 auf, 97 italienischen, 
31 deutschen, 17 französischen Ursprungs, von denen die ersteren 
zusammen 29,140 frs., im Durchschnitt 300 frs., die letzteren 3269 frs., 
im Durchschnitt 192 frs., die deutschen den höchsten Durchschnittspreis, 
419 frs., zusammen 13,010 frs. ergaben. Schon aus diesen Beträgen 
erhellt, dass diese Abtheilung nicht zu den Glanzpartien der Sammlung 
Spitzer gehörte. Von Museen ersteigert wurden nur 11 Stücke für 
zusammen 4355 frs., im Durchschnitt 396 frs. 

Etwas besser waren die bronzenen Plaketten vertreten, mit 
119 Nummern, die im Durchschnitt 576 {rs., zusammen 68,531 frs. 
eintrugen. Von Museen angekauft wurden 23 Stücke für zusammen 
8966 frs. (Durchschnitt 390 frs.), — die italienischen zumeist von dem 
kgl. Museum zu Berlin, die französischen von dem Medaillen-Cabinet 
zu Paris. 

Unter der Ueberschrift „Dinanderie“, die von der Stadt 
Dinand, einem Hauptort für die Herstellung von Gefässen und Ge- 
räthen aus Gelbguss, abgeleitet ist, verzeichnete der Katalog 22 Leuchter, 
Kannen, Aquamanilen und Mörser von zumeist noch mittelalterlicher 
Arbeit. Sie brachten bei einem Durchschnitt von 2046 frs. zusammen 
45,020 frs. Den höchsten Preis, 10,700 frs. erreichte das Aquamanile 


Die Vente Spitzer in Paris. LXIX 


in Gestalt einer Sirene, No. 974. Fünf Stücke für zusammen 15,420 frs., 
im Durchschnitt zu 3004 frs., gingen in den Besitz von Museen über. 
Der muselmännische Orient war nur mit vier Stücken, „Cuivres 
d’orient“, vertreten, die zusammen 6400 frs. brachten. 

Von Standuhren zählte die Sammlung nicht weniger als 70, 
die zusammen 143,730 frs., im Durchschnitt 2818 frs. eintrugen. 
Stücke von ausserordentlichem Werth waren nicht darunter; der 
höchste Preis belief sich nur auf 9100 frs., die für eine deutsche 
astronomische Uhr v. J. 1568 bezahlt wurden. Nur ein Stück, zu 
1650 frs., wurde von einem Museum gekauft. 

Sehr auffällig war, dass die weltberühmte Sammlung Spitzers 
von wissenschaftlichen Instrumenten zu äusserst billigen Preisen 
wegging. Im Durchschnitt brachte jede der 184 Nummern nur 272 frs., 
alle zusammen 50,093 frs. Warum gerade diese Abtheilung solches 
Schicksal hatte, ist nicht leicht zu erklären. Fälschungen waren und 
sind bei dergleichen Instrumenten so gut wie ausgeschlossen. Jenes 
„Veredelungs-Verfahren“, das bei manchen Goldschmiedearbeiten eine 
unheilvolle Rolle gespielt, hatte hier keine Spuren hinterlassen. Man 
darf wohl annehmen, dass die privaten Sammler für derartige Instrumente, 
die zummeist decorativ unwirksam sind, nur geringe Theilnahme hegen 
und daher in den Wettbewerb nicht eintraten. Spitzers Scharfblick 
hatte frühzeitig die Bedeutung der alten Instrumente nicht nur für 
die Geschichte der mathematischen Wissenschaften und der Erdkunde, 
sondern auch für das Kunstgewerbe erkannt. Er war als grösster 
Käufer solcher alten Metallarbeiten der Schreckensmann gewesen, mit 
dem die Verkäufer den Kunden gegenüber ‘ihre hohen Forderungen 
begründeten. Nun er selber die Preise nicht mehr halten konnte, 
fielen sie plötzlich. FEinigen Einfluss mochte auch der Umstand 
haben, dass diese Instrumente gegen das Ende der Auction 
zum Aufruf gelangten, als die Kaufmittel mancher _ Streiter 
erschöpft und eine allgemeine Ermüdung eingetreten war. Wie 
dem sein mochte — eine für uns erfreuliche Folge davon war, dass 
für das Hamburgische Museum 16 Stücke zum Gesammtpreis 
von 17,187 frs. angekauft werden konnten, der Zahl nach noch nicht 
ein Zwölftel, dem Geldwerth nach aber ein Drittel der ganzen Abtheilung;; 
und dabei die kunstgewerblich schönsten und wissenschaftlich werth- 
vollsten Stücke, wie schon aus dem Durchschnittspreis von 1074 frs. 
erhelt, dem Vierfachen des allgemeinen Durchschnittspreises. 
Darunter befanden sich die Hauptstücke: das italienische Astrolabium 
des Alphenus Severus vom Ende des 15. Jahrhunderts (No. 2934, 
Preis 2100 frs.), das grosse deutsche Astrolabium mit den Planeten- 


EXX Museum für Kunst und Gewerbe. 


göttern vom Ende des 16. Jahrhunderts (No. 2780, Preis 1900 frs.), 
das grösste der arabischen Astrolabien (No. 2892 zu 520 frs.), das grosse 
astronomische Besteck mit dem östereichischen Kaiserwappen (No. 2935, 
Preis 3000 frs.), das Kanonenvisir des Nürnbergers Paulus Reinmann vom 
Jahre 1599 (No. 2820, Preis 2450 frs.), zwei astronomische Bestecke des 
Augsburgers Christoph Schissler von 1566 und 1577 (No. 2907 und 
2792); die deutsche Armillarsphäre aus dem 16. Jahrhundert (No. 2875, 
Preis 2020 frs.). Zusammen mit den vom Germanischen National- 
Museum in Nürnberg, dem Prager Museum und dem N. S. Kensington 
Museum in London gekauften Instrumenten gingen 32 Stücke zum 
(resammtpreis von 24,670 frs. (Durchschnitt 771 frs.), in öffentliche 
Sammlungen über. 

Stattlich erschienen die Schlosserarbeiten mit 34 Nummern, 
aber ihr Glanz war mehr oder minder verdächtiger Art, insofern 
dieselbe Geschmacksrichtung, die Herrn Spitzer vom Verschönern mancher 
seiner Goldschmiedearbeiten nicht zurückgehalten hatte, sich bei den 
Eisenarbeiten in übertriebener Säuberung vom Rost des Alters bemerkbar 
machte. So gründlich war bei vielen Stücken die Entfernung von aller 
naturgemässen Patina bewirkt worden, dass manches gothische Schloss 
unter den vielleicht ganz unverdienten Verdacht fiel, es könnten an 
ihm Ergänzungs- und Verschönerungsarbeiten vorgenommen sein. 
Im Ganzen trug diese Abtheilung 58,625 frs, im Durschnitt 1724 frs. 
ein. Nur wenige Stücke, 3 für zusammen 4980 frs., im Durchschnitt 
zu 1660 frs., wurden für Museen ersteigert. 

Den Thürklopfern und Schlössern reihte sich eine Sammlung 
von 624 Schlüsseln an, die im Durchschnitt 558 frs., zusammen 
34,600 frs. brachten. Einzelne Schlüssel erzielten sehr hohe Preise, den 
höchsten, 9200 frs., ein entfernt an den berühmten Schlüssel der Strozzi 
erinnernder, No. 914. Nur zwei Schlüssel für zusammen 775 frs. gingen 
an ein Museum. 

Als „Coutellerie“ verzeichnete der Katalog 215 Geräthe für 
den persönlichen Gebrauch, zumeist Speisegeräthe, wenige Jagd- und 
Handwerksgeräthe. Sie erreichten einen Durchschnitt von 370 frs., 
zusammen 79,614 frs. Für die besseren Stücke wurden ausserordentliche 
Preise erzielt, da dieses Gebiet von vielen Sammlern mit Vorliebe 
gepflegt wird. Auch einige Museen traten in den Wettbewerb ein und 
erwarben 18 Stücke für zusammen 12,500 frs., einen Durchschnittspreis 
von’ ll frs; 

Die Abtheilung der italienischen Fayencen (Majoliken) 
war unter den glänzendsten der Sammlung Spitzer zu rühmen. Von 
Fälschungen wurde nicht das mindeste bemerkt; gegen geschickte 


Die Vente Spitzer in Paris. EXRXI 


Ausbesserungen, an denen es freilich nicht fehlte, sind Museen und 
Liebhaber gerade bei den Majoliken nicht sonderlich empfindlich mehr. 
Die 225 Nummern dieser Abtheilung brachten zusammen 975,860 frs., 
im Durchschnitt also jedes Stück 4290 frs. Die Thatsache, dass von 
diesen 225 Stücken nur 24 zum Gesammtpreise von nur 48,405 frs., 
also zu dem tief unter dem Durchschnittspreis der ganzen Abtheilung 
liegenden Durchschnittspreis von 2013 frs. von öffentlichen Sammlungen 
erworben worden sind, ist nicht etwa ebenso zu deuten, wie das Fernbleiben 
der Museen von den griechischen Terracotten. Vielmehr erwies sich 
hier die Kaufkraft einiger Liebhaber, allen voran die des Mr. Salting, 
von so rücksichtsloser Gewalt, dass die grösseren Museen bei den besten 
Stücken, auf die sie allein ihre Absichten hätten lenken können, 
alsbald überflügelt wurden, soweit sie nicht in Voraussicht des 
Kommenden von vornherein auf jeden Wettbewerb verzichtet hatten. 
So gingen denn, um nur einige der das grösste Aufsehen erregenden 
Käufe zu erwähnen, folgende Hauptstücke zu bis dahin unerhörten 
Preisen in Privatbesitz über. Die wunderschöne, „Jacopo in Chaffagiuolo“ 
bezeichnete Schüssel mit der nach des Holofernes Tödtung flüchtenden 
Judith (No. 1036) wurde zu 52,000 frs. zugeschlagen, und die nicht 
minder schöne Schüssel mit dem reichen Grotteskornament und der 
Leda (No. 1038), die im Jahre 1884 bei der Versteigerung der 
Sammlung Barpart auf Schloss Hünegg von Spitzer mit 15,875 fıs. 
bezahlt worden war, brachte es diesmal auf 48,000 frs. Beide Stücke 
fielen dem unersättlichen Mr. Salting zu. Eine dritte Schüssel (No. 1074), 
das gepriesene Hauptstück aus dem berühmten Service, das Nicola da 
Urbino für Isabella von Gonzaga-Este, die Gemahlin des Marchese von 
Mantua um 1525 gemalt hat, in der Mitte mit dem Wappen der Fürstin, 
auf dem breiten Rande mit der Manna-Lese in der Wüste nach einer 
Zeichnung der Schule Raffaels, erreichte den Preis von 26,500 frs., 
glücklicher Weise zu Gunsten eines hamburgeischen Samnlers, des 
Herrn Alfred Beit. Eine kleine Schale von Castel Durante aus dem 
Jahre 1520 (No. 1148) erzielte 25,500 frs.; ein Teller des Giorgio Andreoli 
von Gubbio vom Jahre 1525 (No. 1200) 25,050 frs. und so fort. Erfreulich 
ist, dass noch mehrere Majoliken von grosser Schönheit, wenn auch nicht 
bei, so doch alsbald nach der Versteigerung, für die Sammlung eines 
hamburgischen Liebhabers gesichert worden sind; u. A. die Urbino- 
Schüssel mit der von Mönchen und Nonnen im Ordenskleid des 
h. Dominicus verehrten hochthronenden Madonna nach einer Zeichnung 
des Fra Bartolomeo (No. 1106), die schönere der beiden grossen 
dreitheiligen Schalen mit Grottesken in weissem Grund von Orazio 
Fontana zu Urbino (No. 1090), die grosse ovale Schüssel desselben 


XXI Museum für Kunst und Gewerbe. 


Meisters (No. 1089), die grosse Schüssel von Diruta mit dem römischen 
Triumphwagen in rother und gelber Lüsterfarbe (No. 1243), das Becken 
von Castel Durante mit Castor und Pollux neben ihrer Mutter Leda 
(No. 1117), die grosse Schale aus dem Atelier der Patanazzi zu 
Urbino mit der Anbetung der h. 3 Könige (No. 1133), die Schüssel 
aus dem Atelier der Fontana in Urbino mit dem Raub der Helena 
(No. 1143). Alle diese und noch manche andere Perlen der Sammlung 
Spitzer konnten bei der Spitzer-Ausstellung in unserem Museum 
bewundert werden und schmücken heute die Sammlung unseres Mit- 
bürgers, des Herrn Heinrich Wencke. 

Eine Enttäuschung bereiteten die Preise der Fayencen von 
Saint-Porchaire, wie man auf Grund neuerer Forschungen die früher 
Henri U.- oder Oiron-Fayencen benannten eigenartigen keramischen 
Erzeugnisse der französischen Hochrenaissance mit den feinen niellirten 
Mauresken bezeichnet. Die sieben Stücke Spitzers brachten es 
zusammen auf nur 122,300 frs. (Durchschnitt 17,471 frs.); das ist bei 
weitem weniger, als nach der bis dahin steigenden Tendenz dieser 
Seltenheiten erwartet wurde. Man darf das wohl als einen Beweis 
dafür hinnehmen, dass die Museen, deren Mittel und Ziele an solche 
Kostbarkeiten hinanreichen, ihren Bedarf gedeckt haben. Nur ein 
Stück, ein Salzfass (No. 660), ging zu 9500 frs. an das Museum zu Brüssel. 

Weil es sich um die Arbeiten eines Mannes handelte, der als 
em kunstgewerblicher Nationalheros der Franzosen gilt, war das Sinken 
der Preise für die Fayencen des Bernard Palissy noch auffälliger. 
Von den 73 Stücken der Sammlung brachten es nur zwei, beides 
grosse Schüsseln mit figürlichen Reliefs (No. 590 und 591) auf 10,800 
bezw. 10,000 frs.; nur ein Stück, die grosse Reliefplatte (No. 589) 
mit der Allegorie auf das Wasser, erzielte einen hohen Preis, 27,000 frs. 
Die beiden schönen Kannen aus der Fountain-Collection erreichten jede 
nur 9500 frs. Alle 73 Stücke zusammen trugen nur 135,920 frs. ein, 
im Durchschnitt nur 1862 frs., weniger als die Hälfte vom Durchschnitt 
der Majoliken. Dank dieser Sachlage konnten sich deutsche Museen 
mit guten Palissy-Fayencen versorgen. Im Ganzen gingen in öffentliche 
Sammlungen der französischen Provinz und des Auslandes über 12 Stücke 
zum Preise von 14,805 frs.; für Paris, das Louvre, wurde nur ein Stück, 
das erwähnte „Wasser“, angekauft. Im Ganzen gingen somit 13 Stücke 
zum Gesammtpreis von 41,805 frs. in feste Hände über (Durchschnitt 
3215 frs.). Die Gründe für den Preisrückgang der Palissy-Fayencen 
sind mehrfacher Art. Von Einfluss ist die Thatsache, dass die grossen 
französischen Museen mit Ausformungen der Modelle Palissy’s und 
semer Nachfolger reichlich versehen sind. Gewiss aber sind die 


Die Vente Spitzer in Paris. SCI 


französischen Liebhaber sich auch bewusst geworden, dass der Geschmack 
vieler dieser Fayencen, insbesondere der früher gepriesenen „rustiques 
figulines“, ein zweifelhafter ist. Vervollkommnung der Fälschungen, 
von denen übrigens in dieser Abtheilung der Sammlung Spitzer nichts 
bemerkt wurde, mag auch dazu beigetragen haben, den Sammlern 
dieses Gebiet zu verleiden. 

Von spanisch-maurischen Fayencen enthielt die Sammlung 
nur 18 Stücke von meistens nicht hervorragendem Werth. Sie brachten 
denn auch nur 40,405 frs., im Durchschnitt 2245 frs. Nur zwei 
Stücke für zusammen 1425 frs. wurden von Museen erworben. Nicht 
glänzender vertreten waren die persischen Fayencen; Gefässe 
waren nur 2 vorhanden, die übrigen 26 Nummern betrafen Fliesen 
zur Wandbekleidung. Im Durchschnitt brachten sie nur 1207 frs., 
zusammen 33,785 frs., aber eine grössere Anzahl, 8 Nummern für 
zusammen 13,960 frs. (Durchschnitt 1745 frs.), ging in den Besitz 
von Museen, namentlich des Musee des arts decoratifs über. 

Unter der Bezeichnung „Terres cuites“ hatte der Katalog 
14 plastische Werke aus glasirtem oder unglasirtem Thon zusammen- 
gefasst. Nur wenige von ihnen konnten auf höheren Kunstwerth 
Anspruch erheben. Das beste Stück war ein kleines, nicht glasirtes, 
nur bemaltes Medaillon des Luca della Robbia (No. 1257), das um 
10,100 frs. vom Louvre angekauft wurde. Die glasirten Robbia-Werke 
waren von geringem Werthe. Trotzdem brachte es ein in vielfachen 
Wiederholungen bekanntes Hochrelief einer das Jesuskind anbetenden 
Jungfrau auf 7000 frs. Im Ganzen trug diese Abtheilung 46,330 frs., 
im Durchschnitt 3309 frs., ein. An öffentliche Sammlungen gingen 
2 Stücke für zusammen 17,100 frs. 

Die Preise, die von den niederrheinischen Steinzeugkrügen 
erreicht wurden, bestätigten im Allgemeinen, dass diese Altsachen von 
jenem Gipfelpunkt der Werthschätzung, zu dem die Preise vor einem 
Jahrzehnt auf der Auction Disch in Köln emporgeschnellt waren, 
herabgesunken sind. Dies erklärt sich zum Theil daraus, dass viele 
gute Modelle der Töpfer in Raeren, Siegburg oder dem Nassauischen 
in vielfachen Wiederholungen sich erhalten haben, die dann durch 
jene hohen Preise aus ihren Verstecken hervorgelockt sind und das 
Angebot so vermehrt haben, dass die Preise sich davon noch nicht 
haben erholen können. Zum Theil mag auch die Einsicht von Einfluss 
gewesen sein, dass diese handwerksmässig tüchtigen Arbeiten ihren 
künstlerischen Schmuck nicht unmittelbar von der Hand ihres Verfertigers, 
sondern durch Abformung von Modellen erhalten haben, die vielfache 
Anwendung zuliessen und fanden. Die Fälschungen spielen, trotzdem man 


LXXIV Museum für Kunst und Gewerbe. 


sich für sie alter Formen bedient, auf diesem Gebiet eine geringere 
Rolle als auf irgend einem anderen der Keramik. Im Allgemeimen 
hielten sich die Preise in mässiger Höhe; nur grosse Krüge, die als 
Unica gelten dürfen, schwangen sich zu hohen Summen auf. Die 
inerkwürdigsten von ihnen, so der dreiseitige Kölner Krug vom Jahre 
1539 (No. 1628) zu 4000 frs. und der grosse Raerener Krug vom 
Jahre 1583 (No. 1624) zu 7500 frs., nahmen ihren Weg zurück in ihre 
Heimath, in die Sammlung des Barons von Oppenheim in Köln, der sich der 
erlesensten aller Sammlungen rheinischen Steinzeuges rühmen darf. Im 
Ganzen brachten die 86 Krüge nebst den ihnen im Katalog zugetheilten 
wenigen Ofenmodellen und deutschen Fayencen des 16. Jahrhunderts 
93,455 frs., im Durchschnitt 1087 frs. Der Antheil der Museen an 
dieser Abtheilung war wenig bedeutend; er betrug nur 15 Stücke für 
zusammen 9290 frs., emen Durchschnittspreis von 619 frs., der 
erheblich unter dem allgemeinen Durchschnitt bleibt. 

Die Abtheilung der Glasgefässe gehörte zu den minder- 
bedeutenden der Sammlung, obwohl sich in ihr einige kostbare 
Erzeugnisse der Frühzeit der venetianischen Glasmacherkunst und 
etliche arabische Glasgefässe mit geschmelzten Verzierungen befanden. 
Diese Seltenheiten brachten hohe Preise; eine Moscheen-Ampel, 
No. 1969, 7200 frs., eine grosse arabische Flasche, No. 1973, 12,000 frs. 
und ein eimerförmiges Gefäss, No. 1975, gar 14,500 frs. Hinter 
diesen Preisen blieben diejenigen der emaillirten venetianischen Gläser 
zurück, eine Flasche aus dem 15. Jahrhundert, No. 2008, erzielte mit 
7600 frs. den höchsten Preis. Eimen- unerklärlichen Ausnahmepreis, 
4500 frs., erreichte ein deutscher Adlerhumpen vom J. 1672 (No. 2027). 
Die Museen betheiligten sich ziemlich lebhaft und ersteigerten 
22 Stücke für im Ganzen 37,220 frs., im Durchschnitt 1692 frs., 
während alle 116 Stücke der Sammlung nur einen Durchschnittspreis 
von 1134 frs., zusammen 181,430 frs. brachten. 

Von den 37 Nummern der Abtheilung der Glasmalereien, 
„Vitraux“, die zusammen 66,780 frs., im Durchschnitt 1804 frs. 
brachten, eing kein Stück in den Besitz eines Museums über. Dagegen 
wurden von den Malereien hinter Glas oder Kristall („eglomisirtes 
Glas“), deren der Katalog 55 Nummern zählte, vier Stücke, zusammen 
13,900 frs., im Durchschnitt für 3475 frs., von Museen erworben. 
Der allgemeine Durchschnitt betrug 1626 frs., der Gesammterlös 
BR dozirS. 

Die Abtheilung der Möbel und Holzschnitzereien enthielt 
unter den 130 Nummern des Kataloges neben den Möbeln auch die 
grossen Holzsculpturen kirchlicher Bestimmung. Der mässige Erlös, 


Die Vente Spitzer in Paris. LXXV 


nur 380,590 frs. (Durchschnitt 2928 frs.), erklärt sich daraus, dass 
gerade mehrere der schönsten Hauptstücke einen mehr salonfähigen 
als sammlungswürdigen Emdruck machten. Jenes Veredelungsverfahren, 
dem man die alten Renaissance-Möbel in Frankreich zu unterwerfen 
pflegt, hat nur zu oft die Folge, schwer erkennbar zu machen, wo 
die Wahrheit aufhört und die Dichtung anfängt. Daher treten ernste 
Käufer leicht nicht ohne Voreingenommenheit den salonfähigen 
Renaissance-Möbeln gegenüber; — auch Spitzer musste dies erfahren, 
indem die Preise der glänzenden Hauptstücke seiner Möbelsammlung 
hinter den von Vielen gehegten Erwartungen, und im Allgemeinen die 
Zuschlagspreise erheblich hinter den Ausrufspreisen zurückblieben. 
Nur wenige Stücke gingen in öffentliche Sammlungen über, drei Möbel 
für zusammen 6000 frs. und ein Schnitzaltar zu 4600 fırs. 

Obwohl die als „Coffrets“ im Katalog gesondert aufgezählten 
kleinen Kastenmöbel italienischer Herkunft mit Malereien und aufge- 
legten Masseverzierungen nur 7 Stücke zählten, brachten sie 38,680 frs., 
im Durchschnitt 5526 frs. ein. Weniger weit brachten es die unter 
„Jeux‘ aufgeführten 10 Spieltische nebst 5 Spielen alter Karten; 
sie trugen zusammen 12,571 frs. ein. 

Weit bedeutender nach ihrem Kunst- und antiquarischen Werth 
war die Abtheilung der Kleinschnitzereien aus Buchsholz und 
Solenhofener Stein. Sie enthielt neben nur wenigen unter- 
geordneten oder zweifelhaften Stücken eme Anzahl von Meisterwerken 
deutscher Kleinkunst aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, die schönsten 
darunter Bildnisse bürgerlicher Persönlichkeiten und um so schätz- 
barer, als dieses Gebiet des Antiquitätenhandels in den letzten Jahren 
durch ungewöhnlich tüchtige Fälscher sehr unsicher gemacht wird. 
Die 192 Nummern dieser Abtheilung brachten zusammen 313,645 frs., 
im Durchschnitt 1634 frs. Leider gelangten nur wenige Stücke und 
zwar nicht die besten in den Besitz von Museen, im Ganzen 7 Stücke 
für zusammen 6780 frs., im Durchschnitt zu nur 969 frs. Das theuerste 
Stück, ein mittelalterlicher Faltfächer, flabellum, mit geschnitztem 
Griff (No. 2123) ging zu 25,100 frs. in den Besitz eines ungenannten 
Privaten. Der schönste der Solenhofener Steine mit dem Bildniss des 
Erzbischofs von Mainz, Daniel, (No. 2293) wurde zum Preise von 
16,000 frs. für die Sammlung eines Kölner Liebhabers gerettet. _Das 
schönste der kleinen Buchs-Medaillons jedoch mit dem Bildniss der 
Barbara Reihing v. J. 1538 (No. 2156), obwohl unbezeichnet offenbar 
ein Werk des Kaufbeurener Meisters Hans Kels, ging um den 
unerhörten Preis von 13,700 frs. in den Besitz eines Händler- 
Consortiums. 


EXXVI Museum für Kunst und Gewerbe. 


Die 28 „Cires‘“, d.h. Wachsbossirungen, des Kataloges, unter 
denen sich italienische Bildnisse von grosser Schönheit befanden, ge- 
langten auf einen Durchschnittspreis von 2474 fr., zusammen 69,290 frs. 
Nur ein Stück zu 1750 frs. ging an ein Museum. Von den leider 
fruchtlosen Versuchen des Gothaer Museums, zwei der schönsten 
Wachsbildnisse, die ihm einst gehört haben, wiederzugewinnen, wird 
weiter unten die Rede sein. 

Die Abtheilung der grossen Sculpturen aus Marmor und 
anderen Steinen zählte 26 Nummern sehr verschiedener Art, Kamine, 
Büsten, Reliefs, darunter jedoch kein Stück von ausserordentlichem 
Kunstwerth. Den höchsten Preis, 50,000 frs., brachte ein grosses, 
aus 28 Marmorreliefs der Schule der Lombardi zusammengebautes 
Monument (No. 1270), dessen ursprüngliche Zusammensetzung und 
Bestimmung durch die decorative Verwendung, die ihm Spitzer in 
seinem Museum gegeben hatte, völlig verwischt worden war. Der 
beste der Kamine, eine französische Arbeit der Frührenaissance 
(No. 1273), erzielte 28,000 frs. Alle 26 Nummern zusammen trugen 
143,265 frs. ein. Auch von dieser Abtheilung ging nur ein Stück für 
5,700 frs. an ein Museum. 

Unter den 43 Manuscripten der Sammlung, die zusammen 
202,890 frs., im Durchschnitt 4,718 frs., eimnbrachten, befanden sich 
mehrere livres d’heures von grosser Schönheit. Hauptstücke waren 
aber ein Officium b. Mariae Virgmis (No. 3021), das einst im Besitze 
Anna’s von Oesterreich gewesen und 20,500 frs. erzielte, sowie der 
Atlas oder „Portulan“, der um die Mitte des 16. Jahrhunderts für 
Philipp, den Sohn Kaiser Karls V., gemalt worden und auf 18,000 frs. 
sing. Kein Stück dieser Abtheilung gelangte in en Museum. Auch 
kein Stück von den 43 Miniaturen und Zeichnungen, die 
zusammen 33,960 frs., im Durchschnitt 755 frs., einbrachten. 

(Gemälde waren nicht eigentlich ein Gegenstand des Sammeleifers 
Spitzers gewesen. Was er von solchen besass, sollte ihm nur dienen, 
die decorative Ausstattung seiner Räume würdig ihres Inhaltes zu 
vervollständigen. Dies erklärt, warum die 41 Bilder nicht mehr als 
71,985 frs., im Durchschnitt 1,755 frs. einbrachten und warum nur 
zwei Stücke für zusammen 2750 frs. an öffentliche Sammlungen gingen. 

Die Abtheilung der Textilien enthielt unter ihren 208 Nummern, 
die im Durchschnitt 771 frs., im Ganzen 160,451 frs., eintrugen, eine 
kleine Anzahl Stickereien von wirklichem Kunstwerth. Diese erreichten 
denn auch hohe Preise und das mehrfach zu Gunsten von Museen, 
denen 20 Nummern für zusammen 55,205 frs., im Durchschnitt 
2760 frs. zufielen. 


Die Vente Spitzer in Paris. EX] 


Endlich die Bildteppiche, Tapisserien, die unter ihren 
23 Nummern so viele textile Kunstwerke ersten Ranges boten, dass 
der sehr hohe Ertrag von 473,200 frs., im Durchschnitt 20,574 frs., 
der höchste Durchschnittspreis, den irgend eine Abtheilung erreicht hat, 
als ein keineswegs unnatürlicher erscheint. Leider konnten nur zwei 
dieser Meisterwerke, No. 400 und 410 für zusammen 115,000 frs., m 
ein Museum, das Brüsseler, gerettet werden, das hier alle Kräfte 
gegen die Liebhaber einzusetzen um so mehr Anlass hatte, als jene 
Bildteppiche den Ruhm einer Blüthezeit altniederländischer Kunst 
verkünden. 

Nicht unerwähnt bleiben darf hier schliesslich ein Umstand, der An- 
gesichts der blendenden Schätze der Sammlung während der Versteigerung 
wohl nur Wenigen zum Bewusstsein kam, nämlich das völlige Fehlen 
der Behälter und Etuis, in denen gewiss viele der werthvollsten Alt- 
sachen, oft von der Zeit ihrer Entstehung her, aufbewahrt worden 
waren. Wahrscheinlich gilt dies nicht nur von manchen Werken der mittel- 
alterlichen Goldschmiedekunst, sondern auch von Kristallgefässen und 
Schmucksachen, gewiss aber von den meisten Uhren und ganz besonders 
von den wissenschaftlichen Instrumenten, die sich oft ohne ihre Behälter 
gar nicht legen oder stellen lassen. Sehr zu bedauern ist, dass Spitzer 
im Interesse glänzenderer Schaustellung seiner Sammlung die alten 
Behälter seiner Altsachen sammt und sonders beseitigt hatte, und zwar 
so gründlich, dass nicht eine einzige wieder zu ihrem alten Recht kam. 
Zu vermuthen ist sogar, dass in weiterer Folge dieses unhistorischen 
Verfahrens, in Fällen, wo die Behälter auf Kunstwerth Anspruch 
machten, sie nicht als Hülle ihres ursprünglichen Inhaltes, sondern 
selbstständig auftraten und so Gefahr liefen, von diesem getrennt zu 
werden. In einem wichtigen Falle, wo es sich um ein gepunztes 
Leder-Etui für einen elfenbeinernen Bischofsstab des 14. Jahrhunderts 
handelte, glückte es Herrn Salting, die getrennten Theile (No. 125 
und No. 799), indem er sie gesondert ersteigerte, wieder zu vereinigen. 
In anderen Fällen, wo die Zusammengehörigkeit nicht auf der Hand lag, 
lässt sich das Versäumte nie wieder gut machen. In allen Sammlungen 
sollten die alten Behälter der Altsachen mit diesen bewahrt und, 
soweit nicht Rücksichten des Geschmackes dawider sprechen, auch mit 
ihnen ausgestellt werden. 

Nach dieser Uebersicht des Schicksales der einzelnen Ab- 
theilungen der Sammlung Spitzer sei hier noch berichtet über das mehr 
oder minder günstige Geschick der Museen, die unmittelbar oder 
mittelbar bemüht gewesen sind, sich einen Antheil an der Sammlung 
zu sichern. 


LXXVIII Museum für Kunst und Gewerbe. 


An erster Stelle aller auf der Vente Spitzer kaufenden Museen 
stand das Louvre mit dem Löwenantheil der durch ausserordentliche 
Bewilligung zu Ankäufen auf dieser Vente den Pariser Museen über- 
wiesenen halben Million Frances. Für 273,600 frs. erstand es nur 
15 Stücke zum Durchschnittspreis von 21,000 frs. Darunter war das aus 
Elfenbein geschnitzte Hinterstück eimes spanischen Sattels vom Ende 
des 13. Jahrhunderts (No. 77, Preis 85,000 frs.), der elfenbeinerne 
Sattelbogen derselben Zeit (No. 76, Preis 18,000 frs.), ein emaillirter 
spanischer Kelch des 14. Jahrhunderts (No. 298, Preis 41,000 frs.), 
die Bronzebüste emes jungen Venetianers aus dem 15. Jahrhundert 
(No. 1458, Preis 41,000 frs) und ein Basrelief aus glasirtem Thon 
(„L’eau“) von Bernard Palissy (No. 589, Preis 27,000 frs.). Ferner eine 
emaillirte Kusstafel, ein Steinrelief, eine bemalte kleine Terracotta des 
Luca della Robbia (No. 1287, Preis 10,100 frs.), ein grosses Altar- 
velief aus glasirtem Thon, dem Andrea della Robbia zugeschrieben 
(No. 1288, Preis 7900 frs.), zwei arabische und ein venetianisches Glas 
mit emaillirtem Decor und eine kleine flandrische Buchsschnitzerei. 

Dem Louvre zunächst trat das Musece de Cluny kaufkräftig 
in die Schranken; es ersteigerte 20 Stücke für einen Gesammtpreis 
von 151,300 frs., eimen Durchschnittspreis von 7505 frs. Die Ankäufe 
betrafen vorwiegend mittelalterliche Elfenbeinarbeiten, von denen 
5 Stücke zum Durchschnittspreis von 10,200 frs. erworben wurden, 
darunter em mit Elfenbeinseulpturen in emaillirter Kupferfassung 
geschmückter Tragaltar des 11. Jahrhunderts (No. 60, Preis 24,000 frs.) 
und em französischer Bischofsstab des 12. Jahrhunderts (No. 69, 
Preis 13,000 frs.). Ferner mittelalterliche Goldschmiede - Arbeiten 
(5 Stücke für zusammen 47,500 frs.), dabei die schöne Platte mit dem 
tıronenden Heiland in Limousiner Zellen- und Grubenschmelzarbeit 
(No. 214, Preis 25,100 frs.); Malerschmelzarbeiten von Limoges 
(4 Stücke für zusammen 26,350 frs.), dabei eine von Martin Didier 
nach einem Stiche des Meisters mit dem Würfel gemalte Platte 
(No. 533, Preis 12,000 frs.); das oft abgebildete spanische Cabinet- 
schränkchen mit geritzten und vergoldeten Lederfüllungen (No. 848, 
Preis 5500 frs.); Malereien hinter Glas, sog. eglomisirte Arbeiten, 
(3 Stücke für zusammen 8200 frs.); einen Leuchter von Messingguss, 
einen in Silber gefassten hölzernen Becher, zwei emaillirte Medaillons. 

Das Musee£ des arts decoratifs, dessen Ziele denjenigen 
der deutschen Kunstgewerbemuseen entsprechen, erwarb bei einem 
Durchschnittspreis von 1955 frs. 16 Stücke für zusammen 31,270 frs. 
Seine Käufe betrafen vorwiegend Lederarbeiten, deren es sieben 
Stücke zum Gesammtpreis von 17,010 frs. erstand; dabei das Haupt- 


Die Vente Spitzer in Paris. EDODT 


stück, der mit Handvergoldung und Bemalung im der Art der Buch- 
einbände Groliers verzierte Kasten (No. 855, Preis 9100 frs.); dem- 
nächst persische Fayence-Platten von Wandbekleidungen (7 Stück 
zusammen für 13,620 frs.); endlich zwei Geräthe. 

Die Medaillen-Sammlung der Bibliotheque nationale 
erstreckte ihre Ankäufe nur auf Medaillen und Plaketten, von denen 
sie 13 Stücke zu einem Durchschnitt von 566 frs. und einem Gesammt- 
preis von 7333 frs. erstand. 

Das Musde cöramique de la Manufacture nationale 
de Sevres beschränkte seine Käufe auf 9 Stücke für zusammen 
3145 frs., durchschnittlich nur 350 frs. Zumeist waren dies rheinische 
Steinzeugkrüge, nur zwei Stücke italienische Fayencen. 

Von den französischen Provinzial-Museen trat das Museum 
der Handelskammer von Lyon, eine der am reichsten dotirten 
Sammlungen Frankreichs, nachdrücklich in den Wettbewerb ein, um 
die kostbarsten Gewebe und Stickereien Spitzers für seine berühmte, 
der Lyoner Seidenindustrie die herrlichsten Vorbilder bietende Textil- 
sammlung zu erstehen. Sechszehn Stücke wurden von ihm mit 
54,030 frs., im Durchschnitt mit 3502 frs. bezahlt. Hauptstücke 
darunter waren eine flandrische Nadelmalerei des 16. Jahrhunderts, 
No. 3050 zu 15,000 frs.; zwei spanische Messgewänder, No. 3052—53 
zu 18,000 frs. und die einem Messgewande entnommene seltene 
englische Stickerei vom Anfang des 14. Jahrhunderts, mit der schönen 
Darstellung des Stammbaumes Christi, No. 3049 zu 8500 frs. 

Mit Geringerem begnügte sich das Museum der Stadt Lyon. 
Nur fünf wenig bedeutende Stücke, 2 Palissy-Fayencen, 2 persische 
Fayencefliesen und eine spanisch-maurische Schüssel wurden von ihm 
für zusammen 1110 frs. (Durchschnitt 220 frs.) erworben. 

Von den kaufenden Museen des Auslandes trat von allen in 
den Vordergrund das Museum von Brüssel, das nur wenig hinter 
dem Louvre zurückblieb. Schon der hohe Durchschnitt der von 
ihm gezahlten Preise — 10,011 frs. bei 20 Gegenständen im Gesammt- 
preis von 200,220 frs., zeig, dass der Vertreter Brüssels, 
Mr. Vermeersch, nur ganz Hervorragendes zu erwerben strebte. 
Hauptstücke seiner Ankäufe waren die köstliche kleine flandrische 
Tapisserie mit der Jungfrau Maria, der h. Anna und dem Jesuskinde 
(No. 400, Preis 33,000 frs.) und die herrliche Tapisserie mit der 
Ankunft des wunderthätigen Muttergottesbildes in Brüssel (No. 410, 
Preis 82,000 frs). Die übrigen Ankäufe betrafen mittelalterliche 
Elfenbeinarbeiten (5 Stücke für zusammen 21,560 frs.), Arbeiten aus 
geritztem und gepunztem Leder (3 Stücke für zusammen 10,200 frs.), 


DOSE Museum für Kunst und Gewerbe. 


ein Salzfass, Fayence von Saint-Porchaire (No. 66, Preis 9500 frs.), 
eine mittelalterliche Grubenschmelzarbeit (No. 218, Preis 4000 frs.), 
italienische Fayencen (No. 1151, Preis 18,000 frs. und: No. 1215, 
Preis 6300 frs.), Steinzeugkrüge (1), Stickereien (2), Möbel (1), 
endlich zwei mittelalterliche Gelbgussarbeiten (Dinanderien), dabei 
das Aquamanile in Gestalt des Aristoteles, auf dessen Rücken die 
Campaspe reitet (No. 979, Preis 4500 frs.). 

Von den öffentlichen Sammlungen Hollands war nur das 
Reichsmuseum vonAmsterdam vertreten. Von seinen vier Erwer- 
bungen zum (Gesammtpreis von 9000 frs. (Durchschnitt 2250 frs.), 
betraf die bedeutendste ein Triptychon mit Malereien hinter Glas 
von der Hand eines niederländischen Malers aus dem Anfang des 
16. Jahrhunderts (No. 2116, Preis 5700 frs.). 

Die Ankäufe der englischen Museen blieben hinter den 
Erwartungen zurück, zu denen ihre Kaufkraft berechtigte; jedoch nur 
scheinbar, denn der gewaltieste aller Käufer bei der Vente Spitzer 
war der Engländer Mr. Salting, der seine unvergleichlichen Schätze 
alter Kunstsachen Jahr aus Jahr ein in N. S. Kensington zur Schau 
stell. Wohl in der Voraussicht, dass Mr. Salting auch seme Er- 
werbungen aus der Sammlung Spitzer denselben Weg nehmen lassen werde, 
ist das N. S. Kensington Museum selbst nur in bescheidenem 
Umfang als Käufer aufgetreten. Es hat nur 15 Gegenstände zum 


r [9] 


Gesammtpreis von 57,300 frs. ersteigert, was einem Durchschnittspreis 
von 3153 frs. entspricht. Seme kostbarste Erwerbung war das mit 
Zellenschmelzplatten geschmückte Evangelienbuch aus der Kathedrale 
von Sion (No. 211, Preis 36,000 frs.). Die übrigen Ankäufe betrafen 
. Lederarbeiten (2). Venetianische Gläser (2), Geräthe (2), Majoliken (1), 
Bronzen (1), Holzschnitzereien (1), Silberarbeiten (1), Schmuck (1), 
einen Dammpbrettstein mit aufgelegter Paste, einen immerwährenden 
Kalender aus Eisen und em Schloss von englischer Arbeit aus dem 
17. Jahrhundert, (No. 896, Preis 4,200 frs.). 

Bescheidener trat das Museum von Glasgow auf; es 
ersteigerte 27 Gegenstände im Durchschnittswerth von 851 frs. für 
zusammen 22,980 frs.; zumeist italienische und spanisch-maurische 
Fayencen (14), ferner deutsche Steinzeugkrüge (6) und Gläser (7). 

Von den öffentlichen Sammlungen des österreichischen Kaiser- 
staates war das k. k. österreichische Museum für Kunst und Industrie 
nicht vertreten. Der Vertreter des Kunstgewerbemuseums der 
Handels- undGewerbekammer von Prag, Herr Dir. Dr. Chytil, 
ersteigerte 18 Stücke zum Gesammtpreis von 16,335 frs. bei einem Durch- 
schnitt von 907 frs, Die Hauptstücke waren ein gravirtes Kristallgefäss in 


Die Vente Spitzer in Paris. ERXXI 


vergoldeter Silberfassung, deutsche Arbeit des 16. Jahrhunderts (No.2608, 
Preis 3500 frs.), ein Glasbecher von Barcelona (No. 2016, Preis 1850 frs.), 
ein deutscher emaillirter Glaspokal (No. 2023, Preis 1650 frs.), ein 
deutsches Wachsbildniss des 16. Jahrhunderts (No. 2959, Preis 1750 frs.), 
eine deutsche Setzuhr derselben Zeit (No. 2661, Preis 1650 frs.). Die 
übrigen Ankäufe betrafen 1 Majolika, 4 Ringe, 4 Schnitzarbeiten, 
1 Stickerei und zwei in Eisen geschnittene Instrumente, Sonnenuhren, 
von der Hand des böhmischen Meisters Johann Engelbrecht in Beraun 
(No. 2862, Preis 2930 frs.). Von den Ankäufen des Kunstgewerbemuseums 
zu Buda-Pesth sind nur zwei bekannt geworden, eine Emailplatte des 
Leonard Limousin und eine deutsche Holzstatuette, zusammen zum 
Preise von 1830 frs. 

Für das Schweizerische Landesmuseum in Zürich 
wurden aus den reichen Mitteln der Gottfried Keller-Stiftung 
fünf Stücke schweizerischer Herkunft zum Gesammtpreis von 18,585 frs. 
(Durchschnitt 3717 frs.) angekauft. Es waren ein Haupt Johannes 
des Täufers aus getriebenem Silber, No. 345 zu 9100 frs., der Schnitz- 
altar von 1521 (No. 784 zu 4600 frs.), der durch seme, die Anfertigung 
aus der Dolchscheide eines Lanzknechts bezeugende Inschrift merk- 
würdige silberne Becher No. 1784 zu 4100 frs., das kupferne Modell 
einer Dolchscheide, No. 1614, und das Bildniss des Grafen von Romont, 
No. 3324. 

Von den Vertretern der deutschen Museen war Herr Director 
Dr. Bode auf die Vermehrung der Sammlung klemer Sculpturen des 
Königlichen Museums zu Berlin bedacht. Er kaufte deren 27 Stücke 
zu einem Gesammtpreis von 25,178 frs. (Durchschnitt 956 frs.). Sechs Stücke 
davon waren Elfenbein-Arbeiten, darunter die Platte mit der Himmelfahrt 
Christi, eine deutsche Arbeit des 11. Jahrhunderts (No. 56, Preis 4200 frs.) 
und die Platte mit dem von vier Engeln in langen Gewändern um- 
schwebten thronenden Christus derselben Herkunft (No. 62, Preis 
2800 frs.), sowie eine Madonna, französische Arbeit des 14. Jahrhunderts 
(No.124, Preis 3700 frs.). Ferner 13 Bronzeplaketten, en Buchs-Medaillon 
vom Meister Hans Schwarz (No. 2231, Preis 3200 frs.) und das in 
Solenhofener Steim geschnitzte Bildniss des Phil. Praunbart vom Jahre 1523 
(No. 2311, Preis 1050 frs.). 

Das durch Herrn Director Dr. Lessing vertretene Königliche 
Kunstgewerbemuseum in Berlin ersteigerte 27 Stücke zu dem 
Gesammtpreis von 31,815 frs. (Durchschnitt 1178 frs.), und zwar 3 Leder- 
arbeiten, darunter die schöne italienische Buchkapsel mit dem A dler(No.S11, 
Preis 3020 frs.) und eines der polychromirten Kästchen (No. 819, Preis 
2810 frs.); die Palissy-Schale mit der Caritas (No. 595); zwei Majoliken, 

f 


DOSE! Museum für Kunst und Gewerbe. 


dabei eine Deruta-Schüssel (No. 1223, Preis 3100 frs.); eine Glasschale; 
zwei Schmuckstücke ; zwei Schlüssel; 14 Geräthe, darunter die 7 zusammen- 
gehörigen von italienischer Arbeit des 16. Jahrhunderts (No. 2471—77, 
Preis 3090 frs.); eine Messingkanne und den italienischen Bischofsstab 
von vergoldetem Rothguss aus dem 16. Jahrhundert (No. 382, Preis 
5500 frs.). 

Das Germanische National-Museum in Nürnberg 
erwarb 16 Stücke zum Gesammtpreis von 9781 frs. (Durchschnitt 
611 frs.). 13 davon waren wissenschaftliche Instrumente, darunter als 
Hauptstücke die von einem Atlas getragene bronzene Himmelskugel 
(No. 2871, Preis 3100 frs.) und der immerwährende Kalender aus 
geschnittenem Eisen, der als französische Arbeit bezeichnet war, aber 
wohl sicher ein Werk desselben Meisters Engelbrecht zu Beraun in 
Böhmen ist, von dem Spitzer mehrere namentlich bezeichnete Stücke 
besass (No. 2835, Preis 1400 frs.). Ferner zwei mittelalterliche Elfenbein- 
arbeiten (No. 42 und 65) und ein romanischer Bronzeleuchter (No. 969). 

Das Städtische Kunstgewerbemuseum zu Köln erstand 
10 Stücke zum Gesammtpreis von 16,090 frs. bei einem Durchschnittspreis 
von 1609 frs. Hauptstücke waren die grosse ovale Palissy-Schüssel mit 
Fischen, Fröschen, Muscheln (No. 629, Preis 3900 frs.), ein Kabinet- 
Schränkchen von süddeutscher Arbeit (No. 737, Preis 3000 frs.), eine 
Truhenwand aus getriebenem Leder (No. 831, Preis 2500 frs.), eine 
Elfenbeinplatte spanischer Arbeit des 16. Jahrhunderts (No. 172, 
Preis 2000 frs.) und eine Majolika-Vase von Urbino (No. 1114, 
Preis 1420 frs.). Die übrigen Käufe betrafen 4 Fayencen, wovon 2 
Palıssy-Fayencen, und einen schmiedeeisernen Thürklopfer. 

Vergeblich versuchte ein Vertreter der Stadt Frankfurt a.M. 
die Elfenbeinplatte eines Diptychons, deutsche Arbeit der karolingischen 
Zeit (No. 45) zu ersteigern, zu der das berühmte Seitenstück mit einem 
die Messe celebrirenden Priester in der Frankfurter Stadtbibliothek 
bewahrt wird. Mit 16,500 frs. wurde dieses seltene Werk frühmittel- 
alterlicher deutscher Kunst einem ungenannten Bieter zugeschlagen, wie 
es hiess, um jenseits des Oceans eine neue Heimath zu finden. 

Die Erwerbungen des herzoglichen Museums von Gotha 
betrafen 19 Stücke zum Gesammtpreis von 17,205 frs. (Durchschnitt 
905frs.); drei Palissy-Fayencen, darunter als Hauptstück die grosse runde 
Schüssel (No. 628, Preis 2750 frs.) mit den Fischen, Eidechsen, Fröschen und 
Muscheln in der Art der „rustiques figulines“ ; drei Majoliken, dabei eine 
Schüssel (No. 1218) von Deruta; vier deutsche Steinzeugkrüge; sechs 
niellirte oder emaillirte Schmuckstücke, dabei der italienische Anhänger 
No. 1832 zu 3520 frs. und der deutsche mit dem Hahn No. 1854 zu 


Die Vente Spitzer in Paris. LXXXIIM 


2300 frs.; endlich drei venetianische Glasgefässe. Die energischen 
Bemühungen des Directors Dr. Purgold, zwei Wachsbildnisse eines 
österreichischen Erzherzoges und seiner Gemahlin, ausgezeichnete 
Arbeiten vom Ende des 16. Jahrhunderts, die vor wenigen Jahrzehnten 
aus der herzoglichen Sammlung zu Gotha entwendet und durch 
verschiedene Zwischenhände nach Paris und endlich zu Herrn Spitzer 
gelangt waren, wiederzugewinnen, hatten leider keinen Erfolg. Die am 
30. Mai den versammelten Bietern auf Veranlassung des Directors 
Dr. Purgold durch den Experten gemachte Mittheilung, dass diese 
Kunstwerke von dem herzoglichen Museum in Gotha beansprucht 
würden, blieb ohne Eindruck, da die französische Gesetzgebung eine 
Handhabe zu gerichtlichem Einschreiten nicht bot und in diesem Kampf 
Aller gegen Alle nur Interessen und weder Rücksichten des Wohlwollens 
noch der Billigkeit den Ausschlag gaben. So wurde denn das Gothaer 
Museum überboten und blieben schliesslich nach einem heissen Duell mit 
Mr. Salting die Vertreter eines Händler-Consortiums Sieger. Diese 
beiden schönsten Wachsbildnisse der Sammlung wurden ihnen, No. 2955 
zu 10,600 frs. und No. 2956 zu 12,550 frs., zugeschlagen und sind, 
wie es heisst, heute noch zu haben. 

Das Hamburgische Museum für Kunst und Gewerbe 
endlich, dessen Director der Versteigerung von Anfang bis zu Ende 
beiwohnte, erwarb 34 Stücke zu einem Durchschnittspreis von 1771 frs. 
für zusammen 60,222 frs., davon entfielen 23,900 frs. auf 4 mittel- 
alterliche Elfenbemarbeiten, 8440 frs. auf 3 Lederarbeiten, 3130 frs. 
auf 4 Glasgefässe, 4430 frs. auf 3 Palissy-Fayencen, 2,250 frs. auf 
1 Majoliıka, 330 frs. auf 1 deutschen Steinzeuskrug, 180 frs. auf eine 
Schmiedeisenarbeit, 105 frs. auf 1 silberne Medaille, der Rest von 
17,187 frs. auf 16 wissenschaftliche Instrumente, Das Nähere über 
diese wichtigen Erwerbungen, die das Hamburgische Museum zum 
weitaus grössten Theil privaten Gaben verdankt, ist in dem Jahresbericht 
für 1893 mitgetheilt. 

Aus den vorliegenden Angaben ergiebt sich, dass sieben Museen 
Frankreichs zusammen 92 Stücke der Sammlung Spitzer um den Preis 
von 521,788 frs. erworben haben. Das Museum der Hauptstadt 
Belgiens steht mit 20 Stücken zu 200,220 frs. an zweiter Stelle. An 
dritter die deutschen Museen, von denen sechs zusammen 133 Stück 
um 160,291 frs. angekauft haben. An vierter Stelle folst England 
mit 42 Stücken um 80,280 frs., an fünfter die Schweiz mit fünf 
Stücken um 18,585 frs., an sechster Oesterreich-Ungarn mit 
20 Stücken um 18,165 frs., an siebenter endlich das Museum der 
niederländischen Hauptstadt mit 4 Stücken um 9000 frs. Alles 

© 


IXXXIV Museum für Kunst und Gewerbe. 


in Allem sind von der Sammlung Spitzer 316 Stücke für zusammen 
1,008,329 frs. in öffentliche Museen übergegangen. 

Der Zahl der Stücke nach entspricht dies annähernd einem 
Elftel der Stückzahl der Sammlung Spitzers, die 3369 Nummern im 
Katalog zählte. Ein etwas günstigeres Verhältniss ergiebt sich aus 
dem Vergleich der für diese 316 Stücke aufgewendeten Million, 
zu der übrigens für die thatsächlichen Ausgaben noch die 5 ° 
Versteigerungsgebühr und je nach der Lage des einzelnen Falles die 


0 


Procente der Commissionaire hinzukommen, mit dem Gesammterlös 
der Vente Spitzer. Dieser Erlös hat einschliesslich desjenigen für die 
Schauschränke 9,123,780 frs. ergeben. Dem Kaufwerthe nach ist also 
annähernd ein Neuntel der Sammlung Spitzer in Öffentliche 
Museen übergegangen. 


J. B. 


Chemisches Staats- Laboratorium. TIKREXXV 


5. Chemisches Staats-Laboratorium. . 
Bericht des Direktors Professor Dr. M. Dennstedt. 


Es ist zu berichten, dass der bisherige Director des Instituts 
Professor Dr. F. Wibel nach 15jähriger segensreicher Thätigkeit am 
31. März 1893 sein Amt niedergelegt hat. 


Zu seinem Nachfolger wurde von der Oberschulbehörde in ihrer 
Sitzung am 4. Mai der bisherige Professor der Veremigten Artillerie- 
und Ingenieurschule in Berlin Dr. M. Dennstedt erwählt, diese Wahl 
am 5. Mai von Einem Hohen Senat bestätigt und der Erwählte von 
dem Präses der Oberschulbehörde, Herrn Senator Dr. Sfammann, am 
1. Juli in das Amt eingeführt. 


In der Zwischenzeit vom 1. April bis zum 1. Juli sind die 
Geschäfte des Directors von dem ersten Assistenten Dr. Ad. Engelbrecht 
wahrgenommen worden. 


Die baulichen Veränderungen sind im Hinblick auf die sichere 
Hoffnung, dass mit dem lange geplanten Neubau des Instituts in 
absehbarer Zeit begonnen werde, auf das geringste Maass beschränkt 
worden. Sie bestanden im Wesentlichen nur in einer geringen Ver- 
srösserung der Arbeitplätze des Directors und ersten Assistenten und 
in Aufstellung eines Gebläsetisches. 


Die dem Institut zur Verfügung stehenden Geldmittel wurden 
durch Bewilligung eines einmaligen Zuschusses um .4 2000 für 
Beschaffung dringend nothwendiger grösserer Apparate und für Ver- 
vollständigung der Bibliothek erhöht und die zur Verfügung stehende 
Summe von #4 3382,50 wie folgt verwendet: 


Allgemeine 
Verwaltung. 


Bauliches. 


Nen- 
anschaffungen. 


Geschenke. 


Thätigkeit 
im Allgemeinen. 


LXXXVI Chemisches Staats-Laboratorium. 


Für Apparate, Geräthe u. s. w., 


l. zu allgemein-chemischen Arbeiten......... AM 234,90 
2. zu physikalisch-chemischen Arbeiten ....... „980, — 
3. für die chemische Analyse im Allgemeinen „ 358,10 
4. für. gerichtliche Analysen a see > 42,— 
b., lüraGasanalysesreee a „. .120,— 
6. für die Untersuchung von Zollsachen....... „ 307,95 
7. für Vervollständigung der Sammlung. ...... 5 60,— 
8. für Vervollständigung der Bibliothek ...... „ 1201,25 
Verschiedenes sr er ae nn 78,60 


An Geschenken, für die hiemit der verbindlichste Dank des 
Institutes ausgesprochen wird, gingen ein: 1. für die Bibliothek: 
Jahrbuch der Wissenschaftlichen Anstalten Jahrg. X nebst einem 
3eiheft, „das Grundwasser in Hamburg“ von der 8. T. Ersten Section 
der Oberschulbehörde; Hamburgs Handel und Schifffahrt in 1892 von 
dem Handelsstatistischen Bureau; Aus dem Archiv der deutschen 
Seewarte von deren Director, Herrn Geheimrath Prof. Dr. Neumayer ; 
verschiedene Hefte und Einzelschriften von Herrn Director Prof. 
Dr. Voller. 2. für die Sammlungen eme Reihe von Präparaten und 
3. verschiedene chemische Geräthschaften von dem unterzeichneten 
Berichterstatter. 


Die Gesammtthätigkeit der Anstalt, wie sie durch das Ausgangs- 
Journal veranschaulicht wird, zeigte laut 


umstehender Uebersicht 


gegen das Vorjahr eine Abnahme von 235 Nummern. Diese Abnahme 
wurde bedingt durch Ueberweisung der hygienischen Untersuchungen 
an das Hygienische Institut und der Controlle der Nahrungs- und 
Genussmittel, sowie der Gebrauchsgegenstände an das neugegründete 
Laboratorium der Polizei-Behörde. 


Durch diese Entlastung konnte die lange eingeschränkt gewesene 
Lehrthätigkeit wieder erweitert und eine grössere Zahl von Practicanten 
aufgenommen werden. 


Es ist besonders hervorzuheben, dass gegenüber der allgemeinen 
Abnahme um 235 Nummern in einzelnen Rubriken, so unter IIa und 
Vf, eine erhebliche Zunahme zu verzeichnen ist und zwar gerade in 
denjenigen Aufgaben, die meist zeitraubende und umständliche Unter- 


suchungen im Laboratorium zur Folge haben. 


Chemisches Staats-Laboratorium. DOES 


Uebersicht 


über die vom Chemischen Staats-Laboratorium 
im Jahre 1893 ausgeführten Untersuchungen, abgestatteten 
Gutachten, Berichte u. s. w. 


T. Allgemeine Verwaltung: 
Motivirte Eingaben, Berichte u. 8. W. .....-...verrcefeeeo- 110 
II. Untersuchungen und Gutachten für Gerichte: 

a. Mord, Körperverletzung, Sittenverbrechen, verdächtige 
Todesursachen (Gifte, Flecken u. 8. w.) ....»....- 20 
b. | Brandstiftung, Explosionen u. 8. w........or..000.. 3 
e | Medieinalpfuscherei, Nahrungsmittelverfälschung, Be- 


trug, Schriftvergleichung, Sachbeschädigung, u.s.w.| 23 


II. | Verhandlungen vor den Gerichten ......»...--.--.rsefe rer 25 
IV. damit verbundene Untersuchungen, Ausgrabungen, 
| | Sectionen und Correspondenz u. 8. W.......-eereefer er 32 
Ve Untersuchungen, Gutachten und Berichte für Medieinal- 
bureau, Polizei- und andere Behörden: 

2. Verdächtige Todesursache, fragliche Vergiftung u.s.w.| 12 
b. Nahrungsmittel und Gebrauchsgegenstände.........- 115 
e. , Fabriken und gewerbliche Anlagen ...............- 15 
| d. | Allgemeine sanitäre Untersuchungen .......-....... 2 
e. | Diverse andere Untersuchungen und Gutachten......| 33 


I . 
T Untersuchungen, Gutachten u. s. w. in Zoll-Sachen..| 34 


VI. Besichtigungen von Fabriken, gewerblichen Anlagen 
ES WA ee ehe Deeeleie etekeaillere ote. | 
a Gonferenzen und Commissionen mit anderen Behörden |..... 17 
VI. | Untersuchungen aus eigenem Antriebe .........-.....|..... 11 


gegen 695 Nummern in 1892. 


BRXXVI Chemisches Staats-Laboratorium. 


1. Untersuchungen und Gutachten für Gerichte. 


Journal. 


No. 


” 


4 


60, 


6 


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t; 


3, 


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=) 


(Uebersicht unter II.) 


93,.113, 159, 345, 396. "Schriftvereleichune, namlıche 
Entzifferung eines mit Theer beschmutzten Briefes; Nachweis 
beseitigter Bleistift-Schriftzüge. Prüfung von Schriftzügen auf 
Verschiedenheit der Tinten; Nachweis von sympathetischer 
Tinte auf einem anscheinend unbeschriebenen Briefhogen; 
Versuch zur Aufklärung muthmasslich gefälschter Ziffern ; 
Identitäts-Nachweis von Tinte. 

54, 280, 417, 441. Untersuchung und Begutachtung 
verschiedener Spirituosen, wie: Bier, Cherry-Cordiale, 
Medicinal-Ungarwem, zweier Weinreste und verschiedener 
Flaschenbiere. 

87, 328. Sittenverbrechen. Untersuchung des Inhaltes 
einer Flasche, angeblich ein Abortivmittel enthaltend, und 
verschiedener Wäschestücke, sowie. emes von einem Arzte 
hergestellten mikroskopischen Präparates auf Spermatazoön. 
62, 69, 230, 262, 273, 288, 304, 311, 313, 379, 493, 438, 
Fragliche und erwiesene Vergiftungen. Untersuchung 
von Leichentheilen auf Phosphor, des Inhaltes einer Flasche 
auf Phosphor, einer. Flüssigkeit auf Cyankalium, verschiedener 
Wasserproben auf Gifte, speciell Arsenik, von Speiseresten auf 
Gifte, eines Opiumpulvers auf seine Zusammensetzung, von 
Leichentheilen und einer Mediein auf Morphium, von 
Leichentheilen auf Ammoniak und von Leichentheilen auf 
anorganische Gifte u. s. w. 

Beleidigungsklage. Untersuchung von Creolin. 

122, 162. Nahrungsmittel. Bestimmung des Wasser- 
gehaltes einer Butter, des Zinkgehaltes amerikanischer Scheiben- 
äpfel und Untersuchung dreier Pfefferproben. 

187,339, 351. Arzneimittel. Untersuchung aufZusammen- 
setzung und Werth. 

335. 382. Körperverletzung. Nachweis von Blutflecken 
an Messern und Kleidungsstücken. 

290, 405. Brandstiftung. Untersuchung von Holztheilen 
auf Tränkung mit fetten Oelen u. s. w. Abgabe eines Gut- 
achtens über die Selbstentzündung von Fett, Oel u. s. w. 
sowie über die Behandlung von Bengalischen Zündhölzern im 
Sinne des Gesetzes vom 4. Juli 1883. 

Untersuchung und Begutachtung einer Gerstenkleie. 


Chemisches Staats-Laboratorium, PDOIDE 


3. Untersuchungen und Gutachten für andere Behörden 


und Verwaltungen. 
(Uebersicht unter V.) 


Die Requisitionen ergingen von: Oberschulbehörde, Medicinal- 
bureau, Polizeibehörde, Baupolizei, Deputation für Handel und Schift- 
fahrt, Finanz-Deputation, Berathungsbehörde für das Zollwesen, 
Zollverwaltung, Direction der Gentral-, Schlacht- und Viehhöfe. 

Journal. 

No. 19, 22, 27, 39, 42, 53, 66, 78, 79, 114, 116, 120, 147, 189, 
202, 223, 229, 232, 233, 370, 393, 395, Nahrungs- und 
(Genussmittel. Untersuchung und Begutachtung von Honig, 
Pfeffer, Schmalz, Gebäck, Mehl, Margarine, Käse, Milch, 
Butter, Himbeersaft, Fleisch, Selterswasser und Brause- 
limonade, Puderzucker und Essig. 

95, 26, 63, 64, 103, 104, 145, 150, 177a, 181, 214, 216, 241, 
248, 281, 286, 314, 315, 353, 354, 393, 394, 433, 434. 
Monatlich ausgeführte Bestimmungen des Gehaltes des hiesigen 
Leuchtgases an Gesammt-Schwefel und Kohlensäure. 

39,2409,2118. 5300, 437. Eeuer und fraeliche Brand- 
stiftung. Gutachten über die Entzündung von Sägespähnen 
durch Dampfheizungsrohre. Untersuchung emer Reihe von 
Asservaten auf Durchtränkung mit Petroleum. Selbstent- 
zündung von Baumwolle auf einem Schiffe. Beurtheilung der 
Bengalischen und Sternregenzündhölzer. Feuergefährlichkeit 


von Harzöl. 
„ 56. Gehalt einer eoncentrirten Carbolsäure. 
37, 123, 126, 140, 148, 169, 176, 178, 180, 196, 234, 349, 
397. Spirituosen. Untersuchung und Begutachtung von 
Rothwein, Ruster-Ausbruch, Medicinal-Ungarwein, Sherry, 
Tokayer-Ausbruch, Portwein, Moscatel, Lacrimae-Christi, 
Cognac und Bier aus der Löwen-Brauerei. 
205, 228, 318. Gebrauchsgegenstände. Begutachtung 
eines Putzwassers, eines Metallspritzapparates an einer 
Parfümflasche, der Rathgens’schen Patent - Naphta - Farbe, 
einer Versilberungflüssigkeit und zweier Proben Schwefel- 
säure aus einer Accumulatoren-Batterie. 
„ 129. Morrisson’s Haarverjüngungs-Tinctur. 
„134368 Wasserproben vom Üentral-Friedhof in Ohlsdorf. 
„ 191, 444. Körperverletzung. Blutflecken an einem Lodenmantel; 
Herkunft und Entstehungsursache von Flecken an einem Rocke. 


” 


de) 
S 
q 


XC 


Journal. 


No. 1.98, 


220. 
221. 
366. 


Chemisches Staats-Laboratorium. 


218, 344, 350, 372, 412. Vergiftungen. Speisereste, 
Nierensuppe, Kaffeetrank, Feststellung des Inhaltes dreier 
Gläschen und einer Schachtel. Untersuchung eines Kräuter- 
Aufgusses. Anscheimend vergiftetes Fleisch. Untersuchung 
einer vergifteten Taube auf Strychnin. 
Sachbeschädigung. Untersuchung eines Kleides auf 
Befleckung mit ätzenden Säuren. 

Löschung und Lagerung von amerikanischem Rohpetroleum. 
Ein in der Abdeckerei gewonnenes Düngerpulver. 

Schutz eiserner Schiffe gegen Leckage darin verladener Säuren. 


Die in Zollsachen ausgeführten Untersuchungen und abgegebenen 


Gutachten bezogen sich auf folgende Gegenstände und Fragen: 


Journal. 


37, 


oo 


ee Ed 
< - 
ae 


2) 


oo 
w 


OO 8 
Je) 
I 


Er 


41, 99, 174, 195, 237, 271, 329, 384. Branntwein-Dena- 
turirungsmittel: Holzgeist, Pyridmbasen. 

Tarifirung von Talgproben. 

Aenderung der Instruction für die zolltechnische Unterscheidung 
des Talgs u. s. w. 

Anleitung zur Untersuchung von Wagenschmiere auf die 
Beimischung von Mineralöl oder Mineralfett. 

Tarifirung einer Waare „Braunstein® in Terpentin gelöst. 
Tarifirung einer als „Rückstandpech“ declarirten Waare. 
Tarifirung einer als „Thransatz“ deelarirten Waare. 

Mit Essigsäure angesäuerter Smyrna-Wein. 

Beurtheilung zweier Mühlenfabrikate. 

327. Verzollung zweier als „Rückstandpech“ und „Goudron 
epur&e“ bezeichneten Waare. 

Merkmale zur Unterscheidung zollfreier oder zollpflichtiger 
Theerproducte, 

Tarifirung emer als „Steinkohlentheer“ bezeichneten Waare. 
Tarifirung von Patent-Terpentinöl. 

445. Maschinenöl-Import A. G., Tarifirung von Mineralölen. 
Tarifirung von mit Wasser angeriebenem Gyps. 
Kochsalzgehalt eines Kainits. 

Taritirung von Wollfett-Olein. 


Chemisches Staats-Laboratorium. 


Xcl 


Die amtliche Petroleum-Controlle im Jahre 1893. 


Die Ergebnisse 


waren folgende: 


der 


amtlichen 


Petroleum-Controlle 


in 


l. Getestet wurden im Laboratorium 
861 Proben in 1715 Bestimmungen 


1585 
1586 
1887 
1385 
1559 
1590 
1891 


1892 


1893 


n 


1952 
2071 
ya 
1023 
71% 
458 
509 
307 


1889 
1890 
1591 
1892 
15893 


»n.3936 
er ,.4030 
a 386 
9 
TE: 
” ” 847 
2966 
” Fr) 550 


2. Aus Tanks waren entnommen 


111 Proben 

Be 
126 5 — 
aeg 
161 — 


” 


3. Unter den Proben befanden sich 


1855 
1886 
1887 
1885 
1889 
1890 
1891 
1892 
1593 


L0Emal — 
Da — 
2, = 
22, = 
ER 
ie. ae 
0, = 
6 Yu Zze 
u 


4. Bei den Testungen zeigte sich 


beobachtungen : 


— 20:93 % 


18,0 
297,5 
238 

52,4 er] 

Russisches Petroleum 


1,22270 


1,0 „ 


18953 


eine Differenz der Einzel- 


von 'a°C. 1885 bei 116 Proben = 13,5 % 
lsae „20a I, =188, 
EN 
EI 
Tea ao ya 
ee, ae ee. 
Espana Er, 
0 
Ka A a a 


von 1° C. und mehr 1885-1893 keinmal. 


XCH Chemisches Staats-Laboratorium. 


5. Von den 509 Proben des Jahres 1893 hatten 


Reduc. Entflammungspunkt Speeif. Gewicht bei 15 °C. 
unter QL 0, nr ee Oder IE 
21-9190, 0.33 10.07.01 40300.. 2 nr, 
ee 3 a 
ee ehe Ban en. 
Le ee. By. 
95—999%, ...53— 103, | 0804.........2a 
3020. u, sdaruber. 34 = 1 70,505 Fre _-_ — —,„ 

307 = 100,0 0% | 0,306 a2 biisar 0,0086 =—._ — 
Der rn k 

0,808 u. mehr... O—zen 

Unbestimmt. ..... _—- —,„ 

| 307 — 100,0 % 


6. Mithin wurden mindertestige, d.h. unter 21° C. entflammbare 
Proben gefunden: 


1885 — 9mal = 1,0.% 1886 —= I1lmal = 0,5 % 
set rT, =04A, ss id, on, 
je =8,..=08, 10 9, 18, 
jsor — a0, 2096, 218990 73, 006% 


1593 keinmal. 


Die gemäss dem Gebühren-Tarif ($ 9) des neuen Petroleum- 
Regulativs dem Chemischen Staats-Laboratorium zufallenden und ihm 
von der Hauptstaatscasse gutzuschreibenden Gebühren betrugen in 1893 
die Summe von # 614. 


Die Controlle der Nahrungs- und Genussmittel 
sowie der Gebrauchsgegenstände nach dem Gesetze 
vom 14. Mai 1879. 


Thätig waren auf diesem Gebiete bis zur Eröffnung des neu 
geschaffenen Polizei-Laboratoriums die schon im vorigen Jahresberichte 
genannten 7 Polizeibeamten, von denen nachstehende Waaren untersucht 
wurden: 


Chemisches Staats-Laboratorium. REIN 


Anzahl der Proben davon beanstandet 
Denker (auf Bremdiette), 347... „...ns8.0..4 180, —1. 18,690 
Pranareanine (auf Butter) 20...82: „enamslooseaane: 12 = 60,0 % 
3. Butter (auf Wasser) DENE RENT 4 
A NMarzarıne,(auftWassen) 12... ven... oa rg 
5. Milch HT SEN N R N A307 0 
6. Brot RE FREE keine 
7. Zucker DI N Ang hen 2 
8. Pfeffer Sram Be: . .keine 
9. Mehl ER 1 
ZUSamDEn De 98 


3. Die Unterrichtsthätigkeit u. s. w. 


Die im Wintersemester neubegonnenen Vorlesungen wurden von 
11 Zuhörern besucht. Im Laboratorium arbeiteten: 


1 Winter 1893 
Januar-Ostern Sommer . n 
bis ult. Dee. überhaupt 
fe) 10 I 1% 
Ihrem Berufe nach waren dieselben: 
Chemiker... 2.22... 6 
Kanllemer ir... ) 
Polizeibeamte ...!.....3 
1% 


Die Gesammtzahl der bisherigen Practikanten und Zuhörer 
beträgt 173. 

An Honorar, Gebühren u. s. w. wurden in 1893 vereinnahmt 
4 344,30. 1 Practikant war auf Grund des $ 14 der Statuten von 
der Honorarzahlung befreit. 


4. Die Ausführung von Untersuchungen aus eigenem 


Antriebe. 
(Uebersicht unter VIII.) 


Sie bestanden in folgenden Untersuchungen: 


1) Vergleichende Untersuchung der Schwefelbestimmungsmethoden im 
Leuchtgas. 


2) Analysen verschiedener Mineralien. 
3) Untersuchung eines sogenannten Patentputzpulvers, 


RCHV Chemisches Staats-Laboratorium. 


Untersuchung gasförmiger Ausscheidungsproducte anaörober 
Bacterien. 

Bestimmung des Theingehalts von Thee nach verschiedenen 
Methoden (Fortsetzung). 

Ueber die Quantität des nach dem Mitscherlich’schen Verfahren 
nachweisbaren Phosphors. 

Periodische Bestimmungen von Chlor- und Salpetersäure im Elb- 
wasser. 

Bestimmung der Kohlensäuremenge in der Laboratoriumsluft nach 
Pettenkofer. 

Ueberführung des Pyrrols in Indol. 

Ueber Condensationsproducte aus dem Hamburger Leuchtgas. 
Ueber Schleimbacterien. 


Dr. M. Dennstedt. 


Physikalisches Staats-Laboratorium. XCV 


6. Physikalisches Staats-Laboratorium. 


Bericht des Direktors Professor Dr. A. Voller. 


Im Jahre 1893 hat das Laboratorium seine Thätigkeit in regel- 
mässiger Weise fortgesetzt. Abgesehen von den laufenden wissen- 
schaftlichen Arbeiten kann über Folgendes näher berichtet werden. 

1. Die öffentliche wissenschaftliche Lehrthätigkeit des Bericht- 
erstatterss umfasste von Ostern 1893 bis Ostern 1894 folgende 
Vorlesungen: 

In Sommer 1893: Die Physik der Gase und Dämpfe auf 
Grundlage der mechanischen Wärmetheorie. 

Im Winter 1893/94: Grundzüge der neueren Elektricitätslehre, 
mit Berücksichtigung ihrer praktischen 
Anwendungen, I. Theil. 

Die Vorlesungen fanden Freitags Abends statt. 

An dem hauptsächlich für Lehrer bestimmten Sommer-Üursus 
nahmen 30 Hörer Theil. Die Winter-Vorlesungen waren, wie gewöhn- 
lich, dauernd sehr stark besucht, doch konnten des beschränkten 
Raumes wegen nur etwa SO Hörer zugelassen werden. Unter diesen 
waren 25 Lehrer, 16 Post- und Telegraphenbeamte, 20 Elektriker, 
Ingenieure, Chemiker, Mechaniker u. derel.; die übrigen gehörten ver- 
schiedenen Berufsarten an. 

2. Die täglichen Sprechstunden des Berichterstatters wurden in 
gewöhnlicher Weise vielfach benutzt; ebenso wurde die Bibliothek des 
Laboratoriums von den physikalischen Kreisen unserer Stadt häufig in 
Anspruch genommen. In 60 Fällen wurden Bücher ausgeliehen. 

3. In physikalisch - technischer Hinsicht wurde die Mitwirkung 
des Berichterstatters durch die beabsichtigte Versorgung Hamburgs 
und seiner Vororte mit Elektricität zu Beleuchtungs- und Kraft- 
vertheilungszwecken insofern noch in Anspruch genommen, als derselbe 
bei den im Frühjahr stattfindenden Verhandlungen der Bürgerschaft 
über diese wichtige Frage beauftragt wurde, als Commissar E. H. Senates 
das zur Ausführung empfohlene Gleichstrom-Projekt mit theilweiser 
Benutzung von Wechselstrom für die Uebertragung der elektrischen 
Energie in die entferntesten Vororte sowie den mit der Elektricitäts- 
Aktien-Gesellschaft vorm. Schuckert & Co. über die Aus- 
führung dieses Projektes abgeschlossenen Vertrag in technischer Beziehung 


XCVI Physikalisches Staats-Laboratorium. 


zu vertreten. Nach erfolgter Genehmigung dieses Vertrages und 
nachdem dessen Ausführung begonnen worden ist, konnte sich die 
technische Mitwirkung des Berichterstatters auf eine von der Finanz- 
Deputation gewünschte eingehendere Prüfung der von Schuckert & Co. 
vorgeschlagenen neuen Elektricitäts-Verbrauchsmesser sowie auf wieder- 
holte Controle der von dem städtischen Beleuchtungsinspectorat 
benutzten elektrischen Messinstrumente beschränken. 


Eine andere technische Frage, welche das Laboratorium im 
Berichtsjahre vielfach beschäftigte, war durch die kurz vorher abgelaufene 
verheerende Cholera-Epidemie, deren Wiederausbruch vielfach befürchtet 
wurde, veranlasst worden, nämlich die Frage der Sterilisirung des Trink- 
wassers durch Kochapparate mit Wärme-Regeneration. Aus theoretischen 
Erwägungen und auf Grund vielfacher eingehender Untersuchungen 
des Verlaufes der Wärmeprocesse in allen mir bekannt gewordenen 
derartigen Apparaten musste festgestellt werden, dass die Sterilisirung 
des Trinkwassers auf diesem Wege zwar in klemerem Maassstabe 
möglich ist, für den ungeheuren Gesammtbedarf der städtischen 
Bevölkerung aber aus technischen wie aus finanziellen Gründen unaus- 
führbar ist.') 

Ferner wurde die im Vorjahre in Aussicht genommene FEr- 
weiterung der Beobachtungen des Grundwassers auf Hamburger Gebiet 
zur Ausführung gebracht. Es wird gegenwärtig an 27 zu diesem 
Zwecke hergestellten Brunnen Stand und Temperatur des Grundwassers 
täglich abgelesen.”) 

4. Auf Veranlassung verschiedener Behörden und Verwaltungen 
wurden in folgenden Angelegenheiten Gutachten erstattet oder die 
Mitwirkung des Berichterstatters in Anspruch genommen: Für die 
Anlage von Blitzableitern auf dem neuen Rathhause, auf den sämmt- 
lichen Quaischuppen, auf der St. Jakobikirche und auf dem neuen 
(rebäude des Paulsenstiftes; für eine Begutachtung der elektrischen 
Beleuchtungsanlage im Gebäude des Kaiserl. Post- und Telegraphen- 
amtes an der Ringstrasse, ferner der Accumulatoren-Batterien im 
Hauptzollgebäude St. Annen und am Petersenquai; für die Entscheidung 
der Frage, ob beim Dreileitersystem mit Rücksicht auf etwaige 
Störungen des Fernsprechverkehrs blanke Mittelleiter zugelassen werden 
können und endlich auf Veranlassung der Polizeibehörde über die 


I) Vergl. Voller: Das Kochen des Leitungswassers und die neueren Regenerator- 
Kochapparate. Schillings Journal für Gasbeleuchtung und Wasserversorgung. 
1893 No. 6 und No. 15. 

2) Vergl. das Beiheft zum vorliegenden Bande des Jahrbuches der Hamb. 
wissensch. Anstalten. 


Physikalisches Staats-Laboratorium. XCVI 


Ursachen der Verletzung einer Telephonistin während eines Gewitters, 
über die Zuverlässigkeit von Uhren 'mit elektrischem Antrieb und 
über eine beabsichtigte Verordnung betreffend Veranstaltung von Luft- 
ballonfahrten. 

5. Von der Feuercasse-Deputation wurden 13 verschiedene Blitz- 
schläge zur Anzeige gebracht und näher untersucht. Hierbei gab die 
Wahrnehmung der ausserordentlich grossen Blitzgefahr, welche unver- 
kennbar auf dem Landgebiete herrscht und welche durch mangelhafte 
Blitzableiter eher gesteigert als verringert wird, Veranlassung, gemeinsam 
mit Commissaren der Feuercasse-Deputation und der Bau-Polizeibehörde 
über Massnahmen zur Verminderung der Blitzschäden auf dem Land- 
gebiete zu berathen. Diese Berathungen sind noch nicht zum Ab- 
schlusse gelangt. 

6. Für Private wurden auf Grund des Regulativs vom 
27. December 1887 in 54 Fällen Prüfungsarbeiten ausgeführt. Dieselben 
betrafen in S Fällen elektrische Untersuchungen und in 45 Fällen die 
Prüfung von zusammen 991 fast ausschliesslich ärztlichen Thermometern; 
eine Arbeit betraf die Calibrirung von Röhren zu Capillaritätsmessungen. 

7. Für die Beschaffung von Instrumenten, Geräthen, Büchern 
und Zeitschriften standen dem Laboratorium, ausser den laufenden Aus- 
gaben für Verbrauchsgegenstände aller Art, 7500 # zur Verfügung ; 
hiervon wurden «# 7497,58 verbraucht und zwar .# 1499,15 für Bücher 
und Zeitschriften, #4 5998,43 für Instrumente und Geräthe. Ein grosser 
Theil der letzeren Summe wurde für die bisher fehlende Ausrüstung 
des Laboratoriums mit einer Wechselstrom - Einrichtung benutzt, 
deren Beschaffung wegen der beabsichtigten Verwendung von Wechsel- 
strom für die Elektrieitätsversorgung der entfernteren Vororte nicht 
länger hinausgeschoben werden konnte. Die Einrichtung besteht im 
Wesentlichen aus einem Schuckert'schen Gleichstrom-W echselstrom- 
Drehstrom - Transformator von 5000 Watt, der von den städtischen 
Leitungen je nach Bedarf mit 110 Volt oder 220 Volt Betriebsspannung 
versorgt wird, ferner aus einem Wechselstrom-Transformator, der bis 
zu 3000 Volt zu transformiren gestattet sowie den erforderlichen 
technischen Regulatoren, Gleichstrom- und Wechselstrom-Messinstru- 
menten. Die Vervollständigung dieser Ausrüstung mit wissenschaftlichen 
Präcisions -Wechselstrom- Instrumenten ist erst für das laufende Jahr 
1894 vorgesehen. 

Gleichzeitig mit der Herstellung der Wechselstrom - Anlage 
erfolgte auch eine vollständige Erneuerung unserer Gleichstrom- 
Einrichtungen, die nunmehr an das städtische Dreileiternetz angeschlossen 
worden sind und eine für alle wissenschaftlichen und technischen Zwecke 

g 


KOVITT Physikalisches Staats-Laboratorium. 


ausreichende Dimensionirung erhielten. Unsere seit Begründung des 
Laboratoriums benutzte eigene Dynamomaschine mit Turbinenantrieb, 
die für viele Zwecke unzureichend war und durch das starke Geräusch 
der laufenden Turbine grosse Unannehmlichkeiten auch für die Nachbar- 
häuser im Gefolge hatte, ist nunmehr für immer ausser Thätigkeit 
gesetzt. — Auch unsere Accumulatoren-Anlage, welche wesentlich die 
Ströme für die laufenden Messungen und sonstige Laboratoriums- 
arbeiten zu liefern hat, wurde neu eingerichtet und mit geeigneten 
Schaltvorrichtungen für Anschluss an das Strassennetz, Ladung, Ent- 
ladung, Parallel- und Reihenschaltung versehen. Eine Anzahl Zellen 
zur Vervollständigung derselben wurde von Pollack & Co. m 
Frankfurt a/M. bezogen. Endlich wurde auch der Hörsaal und das 
Sprech- und Arbeitszimmer des Berichterstatters mit elektrischer 
Beleuchtung versehen, wofür die Kosten durch besondere Bewilligung 
E. H. Senates und des Bürgerausschusses bereit gestellt wurden. Die 
elektrische Hörsaalbeleuchtung hat eine große Verbesserung des 
Zustandes der Luft während der Abend-Vorlesungen herbeigeführt. 

Im Zusammenhang mit der Neugestaltung unserer elektrischen 
Einrichtungen wurden noch verschiedene Weston-Instrumente für 
Gleichstrom, ein Thomson’sches Spiegelgalvanometer, einige weitere 
Präcisionswiderstände von Otto Wolff m Berlin u. dergl. angeschafft. 

Von den übrigen Gebieten der Physik wurde im Berichtsjahre 
besonders die Optik berücksichtigt. Es wurde die mikroskopische 
Ausrüstung, welche von Zeiss in Jena geliefert worden ist, weiter 
vervollständigt, ebenso die von Krüss in Hamburg gelieferten spectro- 
metrischen Apparate und ferner von Schmidt & Haensch in Berlin 
ein Weber’sches Polarisationsphotometer für das Laboratorium 
angefertigt. 

S. Im Personalbestande des Laboratoriums ist nur insofern eine 
Aenderung eingetreten, als Herr Dr. B. Walter, der Jahre lang im 
Laboratorium als Praktikant und freiwilliger zweiter Assistent thätig 
war, nunmehr die Stelle eines wissenschaftlichen Hülfsarbeiters bekleidet, 
dessen Honorirung aus dem für Hülfsarbeit zur Verfügung stehenden 
Budgetposten erfolgt. 


Naturhistorisches Museum. XECRX 


(. Naturhistorisches Museum. 


Bericht des Direktors Professor Dr. Kraepelin. 


Den Vorsitz nm der Kommission für das Naturhistorische 
Museum führte Herr Syndiecus Dr. von Melle. Im Übrigen bestand 
die Kommission aus den Herren Direktor Dr. Bolau, Dr. H. BD. Levy, 
@G. H. Martens, Dr. F. W. Oehrens, Dr. H. Traun und dem Direktor. 

Der zu einer wissenschaftlichen Forschungsreise nach der Süd- 
spitze Südamerikas auf ein Jahr beurlaubte Herr Dr. Mechaelsen 
kehrte am 13. September d. J. mit reicher Ausbeute in die Heimath 
zurück und trat am 15. September wieder in Dienst. Als wissen- 
schaftliche Hülfsarbeiter waren während des Jahres thätig die Herren 
Dr. Reh und Dr. Ruland. 

Durch freiwillige Hülfsarbeit unterstützten uns zeitweilig die 
Herren Matschie und Sokolowsky. 

Das Aufsichtspersonal wurde durch Anstellung eines vierten 
Aufsehers vervollständigt. 

Die Bibliothek des Museums hat im Laufe des Jahres um 
831 Nummern zugenommen, von denen 291 durch Kauf, 540 durch 
Tausch oder Geschenk erworben wurden. Unter den Ankäufen, deren 
Wert sich auf rund .# 2500,— beziffert, sind namentlich einige 
größere Reisewerke zu nennen, wie Weber, Zoologische Ergebnisse 
einer Reise nach Niederländisch-Ostindien; Ray, Report of the Internat. 
Polar - Expedition to Point-Barrow, Alaska; Gmelin, Reise durch 
Rußland; Thompson, Voyage of the Challenger ete.; ferner die Erläu- 
terungen Burmeisters zur Fauna Brasiliens, die faunistischen Werke 
von Spix, die Natural History of Greenland von Jones etc. — Der 
Wert der geschenkten und getauschten Bücher beträgt rund .# 4200,—, 
von denen bei weitem der größte Teil auf die im Austausch gegen 
das Jahrbuch der Wissenschaftlichen Anstalten erhaltenen Schriften 
entfällt. 

Ein Schriftenaustausch wurde neu vereinbart mit dem Verein 
der preußischen Rheinlande und Westphalens, wie mit der Entomologiska 
Förening zu Stockholm. Beide Vereine sandten in dankenswerthem 
Entgegenkommen vollständige Sätze ihrer bis dahin herausgegebenen 
Schriften. ein. 

5 


Museums- 
Kommission. 


Personal, 


Bibliothek. 


Instrumente. 


Vermehrung 
der 
Sammlungen. 


(& Naturhistorisches Museum. 


Außer der üblichen Ergänzung an anatomischen Instrumenten 
und Werkzeugen wurde ein großes Demonstrationsmikroskop mit 
rotirender Scheibe für die Besucher der Schausammlung angeschafit, 
sowie ein Doubletobjektiv für photographische Aufnahmen. Von 
besonderem Nutzen erwies sich sehr bald die Aufstellung einer voll- 
ständigen kleinen Druckerei, bei deren Zusammenstellung wir uns der 
freundlichen Beihülfe des Herrn Buchdruckereibesitzers F. Schlotke 
zu erfreuen hatten. 


In der Zoologischen Abteilung ist ein Gesamtzuwachs von 
8055 Nummern in etwa der dreifachen Anzahl von Exemplaren zu 
verzeichnen. Der größere Teil derselben — 5603 Nummern — ist 
dem Museum als Geschenk, im Werte von ungefähr 4 9884,—, 
zugegangen; 2261 Nummern wurden durch Kauf, 191 durch Tausch 
erworben. Der Gesamtwert der zoologischen Eingänge beziffert sich 
auf #4 12891,—. Auf die einzelnen Abteilungen verteilt sich der 
Zuwachs in folgender Weise: 


Säugetiere 154 Nummern 
Vögel 360 > 
Niedere Wirbeltiere 118 “ 
Insekten, Spinnen 5037 5 


Niedere Wirbellose Tiere 1726 
Summe: 8055 Nummern. 

Von größeren Ankäufen seien erwähnt: Eine Vogelsammlung 
von den Philippinen, cretensische und haitanische Gonchylien, größere 
Collectionen asiatischer und westafrikanischer Orthopteren und Rhyn- 
choten, eine einheimische Hymenopterensammlung, eine Anzahl anato- 
mischer Präparate (Lungen- und Herzpräparate) für die Schau- 
sammlung etc. 

Für die Geschenke ist in den Tagesblättern bereits der 
sebührende Dank abgestattet worden. Hier mögen nur die wichtigsten 
derselben kurz erwähnt werden: 


Von Herrn J. M. Bartels-Virginien 200 Insekten aus Nord- 
amerika; von der KÄgl. Biologischen Station auf Helgoland durch 
Herrn Professor Heincke zahlreiche Krebse, Echinodermen und 
Mollusken der Nordsee in vorzüglicher Conservierung; von Herrn 
Stud. Bolau 10 Eingeweidewürmer; von Herrn Bötger-Wandsbeck 
6 junge Iltisse; von Herrn H. Borcherding-Vegesack die Reptilien-, 
Amphibien- und Molluskenfauna der Unterweser; von Herrn Dr. med. 
Brauns reiche Sammlungen an Reptilien, Fischen, Mollusken, Insekten, 
Spinnen, Tausendfüßen seiner Reisen nach Westafrika, Ostafrika und 


Naturhistorisches Museum. all 


Brasilien; von Herrn A. Breetbarth-Valparaiso zwei Säugetiere von 
Chile; von Herrn W. Burchard-Deli 680 sehr wertvolle Schmetterlinge 
von Südborneo; von Herrn A. Dannenberg Sammelergebnis seines 
Aufenthaltes in Westafrika, bestehend in Reptilien, Amphibien, Fischen 
und 222 Insekten; von Herrn HM. W. Dieckmann jr. 31 Insekten aus 
Ostsibirien; von Herrn Fr. Dörries 32 in- und ausländische Schmetter- 
linge, ostsibirische Blutegel; von Herrn Stud. Duncker Bälge, Nester, 
Eier und niedere Tiere in Spiritus; von Herrn C. C. Eiffe 215 Käfer 
und Schmetterlinge aus Australien; von Herrn W. Fick 120 mittel- 
deutsche Insekten, eine Collection einheimischer Chalcidier; von Herrn 
J. H. Fixsen Bälge vom Nörz und Kusu (Cuscus maculatus); von 
Herrn H. Fockelmann 1 Maki, 2 Hapale spee., 1 Eichhörnchen, 
5 exotische Vögel; von Herrn H. Freyschmidt Sammelausbeute seiner 
Reise nach Westafrika, bestehend in Amphibien, 340 Insekten etec.; 
von Herrn J. Gade eine größere Zahl schöner Schlangen und anderer 
Tiere von Java; von der Geographischen Gesellschaft Sammelausbeute 
des Herrn Professor Sievers in Venezuela, namentlich bestehend aus 
Insekten, Spinnen und Myriopoden; von Herrn R. Glaeser-Baranquilla 
Schädel vom Lamantin und Conchylien von den Bahama-Inseln; von 
Herrn F. W. Glaub 18 Insekten von Westafrika und China; von Herrn 
L. Graeser 236 hiesige und exotische Insekten; von Herrn E. Haendel 
marine Tiere, Scorpione und Käfer vom Congo; von Herrn J. Harms 
eine Langshan-Henne; von Herrn A. Hartmann 2 Chimpansenschädel; 
von Herrn O0. Hermann Krokodilhaut; von Herrn C. Höge 136 sehr 
wertvolle mexikanische Käfer; von Herrn Huwaldt durch Herrn 
Dr. Mick 2 australische Eidechsen; von Herrn H. Jaaks eine äußerst 
seltene Schlange (Dipsas globiceps) von Liberia; von Herrn W. Jacobs 
2 Taubenrassen; von Fräulem Z. Jenisch 1 Paradiesvogel; von Herrn 
E. von Jess 14 Säugetiere und Vogelbälge von Maracaibo; von Herrn 
W. Joost Sammelausbeute von der Delagoa-Bay, bestehend in Reptilien, 
Insekten, Scorpionen und Tausendfüßen; von Herrn J. Itzerodt 4 ein- 
heimische Säugetiere, eine junge Wachtel, 6 Triton alpestris, Parasiten; 
von Herrn A. Kähler-Kiel 2 Hühnerrassen; von Herrn W. Koltze 
107 Insekten aus Europa und dem Amurlande; von Herrn J. Krohn 
Schlangen, Eidechsen, Frösche, Fische und Krebse von Kamerun; von 
Herrn Tierarzt Kühnau Schafsgehirn mit Drehwurm (Coenurus), von 
Finnen durchsetztes Schweinefleisch; von Herrn Professor W. Kücken- 
thal-Jena 151 Nummern wertvoller Echmodermen als Sammelausbeute 
seiner Reise nach Ostspitzbergen; von Herrn F. Kugelmann hübsche 
Auswahl von Perlmuttermuscheln, eine seltene Steckmuschel (Pinna 
vexillum) von Tahiti; von Herrn F. Kumzmann-Tebing Tinggi Würmer, 


CI Naturhistorisches Museum. 


Insekten, Tausendfüße von Sumatra; von Herrn Hauptlehrer Z. Lacke- 
mann 4 Taubenrassen; von Herrn Oberförster Lange-Friedrichsruh 
verschiedene schöne Käferfraßstücke; von Herrn Kapitän Langerhannsz 
Meerestiere von Rio de Janeiro; von Herrn Dr. Langkavel Barten 
vom Grönlandwal, Schnecken aus Ostasien; von Herrn 7. Lenz Balg 
und Skelett des seltenen Goral (Nemorrhoedus crispus) und 6 Vogel- 
bälge (Albinos) von Japan; von Herrn €. Liebert eine Sammlung von 
Schädeln, Nestern, Embryonen, Reptilien und Insekten von Ceylon; von 
Herrn €. Th. Lind 50 ausgestopfte Vögel von Venezuela; von "Herrn 
Lehrer Zübbe-Reitbrook Zwergmaus mit Nestern, verschiedene Wespen- 
nester; von Herrn J. H. O. Meyer 4 Hühnerrassen; von Herrn 
F. Max Meyer 6 Vogelbälge, 1 Nest und verschiedene Käfer aus 
Australien; von Herrn John A. Meyer 2 Delphinskelette; von Herrn 
Dr. A. Müller-Gotha Landtiere von Westafrika; von Herrn A. Nepper- 
schmidt Sammelausbeute seiner Reisen nach Westindien, bestehend in 
Reptilien, Fischen, Krebsen, Insekten und niederen Seetieren; von 
Herrn C. L. Noack 1 Taubenrasse; von Herrn Professor Th. Noack- 
Braunschweig 23 Insekten und Spinnen von Westafrika; von Herrn 
W. Ohlmes-Singapore 2 sehr große und seltene Seeschlangen; von 
Herrn E. von Osten Genitalapparat eines männlichen Tümmlers; von 
Herrn Henry O’Swald-Tamatave reiche Ausbeute seiner Sammelthätig- 
keit auf Madasaskar, bestehend im Säugetier- und Vogelbälgen, 
Reptilien, Amphibien, Fischen, Insekten, Spinnen, Tausendfüßen und 
Würmern; von Herrn M. O’Swald Reptilien, Amphibien und Insekten 
von Westindien; von Herrn Schiftsoffizier R. Paessler äußerst reiche 
und wertvolle Sammlungen von Reptilien, Fischen, Insekten und 
niederen Meerestieren von seinen Reisen nach der Westküste Süd- 
amerikas; von Herrn @. Platzmann diverse Tintenfische aus der Nord- 
see; von Herrn Kapitän € Poehl Insekten und Tausendfüße von Port 
Mackay; von Herrn Richter durch Herrn M. Lund Negerschädel von 
Westafrika; von Herrn Dr. med. Roeder Insekten, Spinnen und 
Tausendfüße aus Ostafrika; von Herrn Förster ZL. Ruland-Lubeln 
Embryonen des Wildschweins; von Herrn A. Sauber 722 einheimische 
Insekten; von Herrn ©. Schlotke 50 Spinnen und Insekten von Chicago ; 
von Herrn A. 0. Schmidt eine Sammlung Reptilien, Fische und 106 
Insekten von Westafrika; von Herrn J. H. Schmidt 3 Taubenrassen; 
von Frau Scholvien Reptilien, Amphibien und Fische aus Südtyrol; 
von Herren Schroeder & Michaelsen 5 ausgestopfte Vögel; von 
Herrn €. Schulz über 100 einheimische Insekten ; von Herrn Dr. Schütt 
zahlreiche von Herrn Dr. Roediger gesammelte Krebse, Würmer und 
Insekten von Madeira; von Herren Gebrüder Schwab-Asahan 10 Vogel- 


Naturhistorisches Museum. CHT 


bälge von Sumatra; von Herrn 0. Semper Bryozo@n und Foraminiferen- 
sande aus dem Mittelmeer; von Herrn Siemssen eine Anzahl mariner 
Tiere; von Herrn Apotheker Soltau-Bergedorf Biologische Präparate 
und Rohseide des Seidenspinners, Krokodil und Käfer von Central- 
amerika; von Herrn ©. Steen 3 Taubenrassen; von Herrn E. ötender 
zahlreiche Entwicklungsstadien einheimischer Reptilien und Amphibien, 
einheimische Fische, Käfer und Schnecken; von Herrn H. Strebel 100 
mexikanische Schmetterlinge, diverse Fraßstücke; von Herrn (©. Struck- 
Waren S Farbenvarietäten der Kreuzotter; von Herrn Dr. Fr. Stuhl- 
mann die gesamte Ausbeute an Fischen, Schmetterlingen . und 
Hymenopteren seiner mehrjährigen Forschungsreise in Ostafrika; von 
Herrn Dr. jur. von Sydow 6 exotische Vögel, Nester, Eier, Seiden- 
äffehen; von Herrn Kapitän J. Taggenbrock Großer Kopf von Hydro- 
cyon spec. aus dem Congo; von Herrn Dr. R. Timm Gopepoden der 
Nordsee, südamerikanische Schlangen; von Herrn @. Tippenhauer- 
Porte au Prince 131 Insekten von Hayti; von Herrn Dr. 7. Traun 
11 Vogelbälge von Westafrika; von Herrn J. Völschau Hühnerrasse; 
von Herrn Schiffsoffizier M. Weiss Sammelausbeute mariner Tiere und 
Insekten von Westindien; von Herrn N. D. Wichmann 2 Hühner- 
und 1 Taubenrasse; von Herrn Maschinist A. Wiechmann Würmer, 
Echinodermen, Krebse und Fische von Westindien; von Herrn Inspektor 
W. Wiechmann 1 Nashorn- und 1 Flußpferdschädel; von Herrn 
F. Wiengreen Reptilien, Amphibien, Insekten und Nester von Nova 
Friburgo-Brasilien; von Herrn H. Woermann 1 Gorilla; von Herrn 
Woltereck & Robertson 2 Robbenbälge mit Schädeln, 1 Königspinguin 
aus dem südlichen Eismeer; von der Zoologischen Gesellschaft durch 
Herrn Direktor Dr. Bolau 36 Säugetiere, 45 Vögel, 18 Eier derselben, 
9 Reptilien, diverse Fische, Krebse, Würmer, Parasiten und niedere 
Meerestiere. 

Die mineralogische Abteilung erhielt einen Gesamtzuwachs 
von 1172 Nummern, von denen 265 gekauft, 788 geschenkt und 119 
gesammelt wurden. Der Wert der Zugänge beziffert sich auf 4 2402, 
wovon 4 1369 auf die Geschenke entfallen. 

Von der Reihe der Geschenke seien erwähnt: Von den Alsen- 
schen Portland-Cementfabriken 35 Versteinerungen von Lägerdorf und 
Itzehoe; von Herrn Dr. Barth-Helmstedt 10 Versteinerungen aus dem 
dortigen Unteroligocän; von der Bau-Deputation sämtliche Bohrproben 
der im Jahre 1892 hergestellten Tief- und Flachbohrungen; von Herrn 
Kapitän Berggreen Muscheln aus Tertiärthon von Skoobo; von Herrn 
Dr. Bigot Pandermit von Sussurlu; von der Chemischen Fabrik-Bill- 
wärder, vormals Hell & Stahmer, diverse Borate in erlesenen Stücken; 


GAY Naturhistorisches Museum. 


von Herrn J. Bredau-Helgoland 10 Versteinerungen von der Düne; 
von Herrn Professor Drögger-Christiania 6 norwegische Eruptivgesteine; 
von Herren Deseniss & Jacobi zahlreiche Bohrproben hiesiger 
Bohrungen; außerdem hatten dieselben die Güte, den großen Meteor- 
eisenblock des Museums kostenfrei durchzuschneiden und zu polieren; 
von Herrn Wegebauinspektor Fischer-Hadersleben emige Geschiebe 
von Christiansfeld und Spandel; von Herrn Apotheker Frucht-Ahrens- 
burg 6 Geschiebe und 5 Mineralien; von der Geographischen Gesell- 
schaft die geologische Ausbeute (etwa 200 Nummern) des Herrn 
Professor Sievers auf seiner Forschungsreise in Venezuela; von Herrn 
Baurat Gravenhorst - Stade Kreidegesteme aus Nordhannover; von 
Herrn Physikus Dr. Hansen-Gramm Versteinerungen aus dem Kreise 
Hadersleben; von der Zchthyolgesellschaft (Cordes, Hermanni & Co.) 
28 zum Theil vortreffliich erhaltene fossile Fische von Seefeld; von 
Herrn ©. Illies & Co. Manganerze aus Japan; von Herrn Eisenbahn- 
direktor Kuhrt-Flensburg ein großer Block Holsteiner Gestein; von 
Herrn Oberförster Lange-Friedrichsruh Walfischwirbel und Cassis aus 
dem Miocän von Reinbeck; von Herrn Dr. med. Lindemann Ver- 
steinerungen von Helgoland; von Herrn Dr. W. Michaelsen Gold von 
Uschuaia und Lennox-Island; von dem Großherzoglichen Mineralien- 
kabinet zu Oldenburg 5 Mineralien, 15 Geschiebe; von Herrn Oelrich 
A. Payens eine größere Anzahl seltener Geschiebe und Versteinerungen; 
von Herrn Seminarlehrer F%eper devonischer Estherienkalk von Schulau; 
von dem Pöseldorfer Hülfsverein die Proben seiner Tiefbohrung in 
Harvestehude; von Herrn Peter Reimers-Helgoland zahlreiche wertvolle 
Versteinerungen von dort; von Herrn Commerzienrat Riedemann die 
Proben seiner Tiefbohrung am Alsterufer; von Herrn Professor 
von sSandberger-Würzburg 60 Versteinerungen aus dem Trias von 
St. Cassian; von Herrn Pastor Schroeder-Itzehoe 40 wertvolle Ver- 
steinerungen von Lüneburg, Lägerdorf und Itzehoe; von Herren 
Schroeder, Lorentz & Co. Manganerze vom Kaukasus und Kleinasien; 
von Herrn Distriktstierarzt Sögaard-Christensen in Koldby 25 Ver- 
steinerungen aus dem Tertiär von Limfjord; von Herrn Dr. Sprengell- 
Lüneburg Boraciten in Hausteinen des Bardowiker Domes; von Herrn 
Dr. med. Stoecker Blondit und Salpeter von Autafogasta; von Herrn 
M. Storp zahlreiche Gesteinsproben aus den Gypsbrüchen zu Lübtheen; 
von Herrn Chemiker sStümcke-Lüneburg Kreideversteinerungen und 
Geschiebe von Braunschweig und Lüneburg; von Herrn P. Trummer jr. 
zahlreiche interessante Versteinerungen von Langenfelde; von Herrn 
H. Vaerst-Essen zwei große Ammoniten aus dem Grünsand von Essen; 
von Herrn Professor F. Wiebel-Freiburg i. B. eine größere Anzahl 


Naturhistorisches Museum. GV 


wertvoller Mineralien, ein selbstgefertigtes Modell des Felsens von 
Helgoland; von Herren Woltereck & Robertson Arca aus Tertiär von 
Grahamsland; von Herrn F. Worlee Achatmandel von Oberstein, 
Mangansand von Flensburg. 

Leider hat die mineralogische Abteilung auch einen nicht 
unbeträchtlichen Verlust zu beklagen, indem am 21. Oktober d. J. 


der größte Teil der ausgestellten Gold- und Silberstufen — im Werte 
von etwa #4 650 —- mittelst Einbruch entwendet wurde. 


Die Vermehrung der Sammlung ist zum Zwecke der Feuer- 
versicherung wie folgt geschätzt: 


Wert: 

1. Zoologische Sammlung ......... 4 12.891,— 
2. Mineralogische Sammlung... .... „1752, — 
3reBibliotheke... u Wera 6 700,— 
4. Instrumente, sonstiges Inventar .. „ 1903, — 
Dehlobılianır ı Ange ee „..1128— 


Der Gesamtwert des Inventars des Museums stellt sich demnach 
am 31. December 1893 auf 4 1312 185,—. 

Die Zahl der Besucher des Museums während der einzelnen 
Monate des verflossenen Jahres ergiebt sich aus folgender Uebersicht: 


Januar S 715 Personen Juli 13 320 Personen 
Februar 12300 n August 14 980 5 
März 15 845 " September 12600 = 
April 91.203 a October 12415 A 
Mai 19 105 5 November 8832 a 
Juni 8745 5 December 13 560 * 
Summa: 164222 Personen. 


Der Mehrbesuch von rund 8 000 Personen gegen das Vorjahr 
ist nicht sowohl auf die Vermehrung der Eröffnungstage in 1893, als auf 
die minimale Frequenz während der Cholera-Epidemie in 1892 zurück- 
zuführen. 


Von 48 auswärtigen Gelehrten, welche im Laufe des Jahres 
das Museum besuchten, studierten 7 vorwiegend die Einrichtungen 
des Museums, während 8 andere spezielle Sammlungstheile für wissen- 
schaftliche Arbeiten in Anspruch nahmen. Ausserdem erhielten 
3 einheimische Herren die Erlaubnis zum Arbeiten im Museum. Der 
hiesigen Gewerbeschule wurde, wie früher, an Sonntagen die Benutzung 
des kleinen Hörsaales und der Museumsobjekte für den Zeichen- 
unterricht gestattet. Außerdem sind die Hörsäle dem Naturwissen- 


Inventar. 


Benutzung 
des Museums. 


Verkehr mit 
auswärtigen 
Instituten und 
Gelehrten. 


Arbeiten 
im Museum. 


CVI Naturhistorisches Museum. 


schaftlichen Verein für seme allgemeinen und die zoologischen Gruppen- 
sitzungen, sowie dem Hamburgischen Bezirksverem der Deutschen 
Gesellschaft für angewandte Chemie für seine wissenschaftlichen 
Sitzungen zur Verfügung gestellt. 

Den Herren Dr. Apstein-Kiel, Oberlehrer BDrauns-Schwerin, 
Dr. Kramer-Magdeburg, Dr. Kriechbaumer-München, A. Poppe-Vegesack, 
Dr. Schmiedeknecht-Blankenburg, Dr. Stadelmann-Berlin, Dr. Vavra- 
Prag, Dr. Wandollek-Berlin wurden Sammlungsteile zur Bestimmung 
oder zu wissenschaftlichen Arbeiten übersandt. Die Museen zu Bonn, 
Berlin, Greifswald und Kopenhagen, wie die Herren Professor von Ihering 
und Professor Thorell sandten Skorpione ein zur Bestimmung oder 
zum Vergleich. Rücksendungen gingen ein von den Herren Dr. Apstein- 
Kiel, Dr. Bürger-Göttingen, HA. Kohl-Wien, Dr. Lenz-Lübeck, Mayer- 
Wien, Sanitätsrath Dr. Pagenstecher-Wiesbaden. _ Ein Tauschverkehr 
wurde fortgesetzt oder neu eröffnet mit den Herren Graf von Berlepsch- 
Hann. Münden, Professor von Jhering-San Paolo, Bruno Strubell- 
Frankfurt a. M. 

Die Molluskensammlung des verstorbenen Professors C. Semper- 
Würzburg wurde in das Museum übergeführt und in der Erwartung 
späteren Ankaufes vorläufig in Verwahr genommen. Herr Otto Semper- 
Altona übergab seine großartigen paläontologischen und conchyliolo- 
eischen Sammlungen ebenfalls dem Schutze des Museums mit der 
Bestimmung, daß dieselben bei seinem Tode dem Museum als 
Eigentum zufallen sollen. 

Sammelkisten wurden neu ausgegeben an die Herren Ch. Bock- 
Mona, Dr. med. Brauns, W. Burchard-Deli, W. Joost-Delagoabay, 
Schiffsoffizier E. Leibfarth, Maschinist A. Nepperschmidt, Henry O’Swald- 
Tamatave, Schiffsoftizier Paeßler, Dr. med. J. Pfeffer, Dr. Reincke-Samoa, 
E. Siemßen-Deli, R. Strelitz-Freemantle, F. Suck-Bendjermasin, Max Thiel- 
Matupi und Woltereck & Robertson. 

In der Schausammlung wurde namentlich an der Vermehrung 
der anatomischen Präparate, der Nordseesfauna und der biologischen 
Zusammenstellungen gearbeitet. Ein neuer Schrank mit einheimischen 
Nestern gelangte zur Aufstellung. Die Säugetiersammlung wurde um 
53 Nummern bereichert. Zwei große Demonstrationsmikroskope mit auf 
einer rotierenden Scheibe befestigten Objektträgern sind angefertigt und 
werden demnächst aufgestellt. — Ein „Führer“ durch das Museum 
(S1 Seiten mit 3 Plänen) erschien zu Ostern des Jahres und wurde bis 
Schluß desselben in 4750 Exemplaren verkauft. 

In der wissenschaftlichen Hauptsammlung ist die Neu- 
ordnung des gesamten Spiritusmaterials nunmehr der Hauptsache nach 


Naturhistorisches Museum. GNZTE 


beendet und mit einer gründlichen Aufräumung und Aufarbeitung 
der seit Jahren überall zerstreuten Restbestände verbunden worden. 
Um einer wiederholten Ansammlung derartiger Massen vorzubeugen, 
ist im Untererdgeschoß nunmehr ein Sortierzimmer eingerichtet, in 
dem alle Neueingänge nach größeren Kategorien geordnet, einzeln in 
passende Gläser gesetzt und mit Fundorts-Etiketten versehen werden, 
um erst dann den wissenschaftlichen Beamten zugeführt zu werden. 

Was die Arbeiten an den einzelnen Tiergruppen anlangt, so 
wurde ein großer Teil der Säugetiere in seinen Bestimmungen 
revidiert, ein umfangreicher Litteraturkatalog der Säugetiere systematisch 
und geographisch geordnet. Für die Hauptsammlung der ausgestopften 
Vögel ist ein bis zum 20. Bande des Britischen Katalogs reichender 
Katalog angefertigt, wobei die Bestimmungen emiger Tausend Exemplare 
revidiert wurden; die Restbestände und Neuemgänge, etwa 500 Stück, 
konnten ebenfalls mit Bestimmungen versehen und in die Sammlung 
eingeordnet werden. 

Von niederen Wirbeltieren sind 642: bestimmt und 
katalogisiert, etwa 1000 in die Sammlung eingeordnet; von wirbel- 
losen Tieren wurden circa 3000 Nummern nach vorläufiger 
Bestimmung der Hauptsammlung einverleibt, gegen 9000 in einzelne 
Gläser oder Kästchen verteilt. In der entomologischen Abteilung 
sind weitere 205 Schiebladen mit Lepidopteren unter Revision der 
3estimmungen in die Normalaufstellung gebracht, außerdem 680 
Tagfalter und die Gruppe der Locustiden bestimmt, über 5500 
Insekten gespießt und gespannt, die Tischbein’schen Hymenopteren 
von Schimmel gereinigt, die Spirituseingänge vorläufig gesichtet und 
etikettiert. 

Vom technischen Personal sind außerdem 67 Säuger und 84 
Vögel ausgestopft oder zu Balg gemacht, 35 Skelette, 27 Schädel 
und zahlreiche anatomische Präparate fertig gestellt. 

An wissenschaftlichen Publikationen seitens der Beamten sind 
erschienen oder im Erscheinen begriffen: 

Kraepelin, K.: Revision der Skorpione, II. Teil. 240 Seiten mit 
3 Tafeln, im Jahrbuch der Hamb. Wiss. Anstalten XI, 1. 

Pfeffer, G.: Die von Herrn Dr. Fr. Stuhlmann in Ostafrika 
gesammelten Fische. 49 Seiten mit 3 Tafeln, im Jahrb. 
d. Hamb. Wiss. Anst. X, 2. 

Pfeffer, G.: Echinodermen von Ost-Spitzbergen, nach der Aus- 
beute des Herrn Professor W. Kükenthal, in Zool. Jahrh. 
von Spengel, Abt. f. Syst. Bd. VII. 

Pfeffer, G.: Fische, Mollusken und Echinodermen, gesammelt 


CVII Naturhistorisches Museum. 


von Herrn Professor W. Kükenthal auf seiner ersten 
Reise nach Spitzbergen im Jahre 1886, in Zool. Jahrb. 
von Spengel, Abt. f. Syst. Bd. VII. 
Außerdem wurden über das Material des Museums folgende 
Arbeiten veröffentlicht: 
Bürger, O.: Südgeorgische und andere exotische Nemertimen, 
33 Seiten, 2 Tafeln, in Zool. Jahrb. von Spengel, Abt. 
f. Syst. VII, p. 207—240. 
Kohl, F.: Hymenopteren, von Herrn Dr. Fr. Stuhlmann in 
Ostafrika gesammelt, 13 Seiten mit 1 Tafel, in Jahrb. 
d. Hamb. Wiss. Anst. X, 2. 
Mayer, @.: Formiciden, von Herrn Dr. Fr. Stuhlmann in Ost- 
afrıka gesammelt, 9 Seiten, in Jahrb. der Hamb. Wiss. 
Ans N, 
Pagenstecher, A.: Lepidopteren, gesammelt in Ostafrika von Herrn 
Dr. Fr. Stuhlmann, 56 Seiten, in Jahrb. d. Hamb. Wiss. 
Anst.. X, 2. 
Schäffer, ©: Collembolen von Spitzbergen, nach der Ausbeute 
der Herren Professor W. Kükenthal und Dr. A. Walther 
im Jahre 1889, in Zool. Jahrb. v. Spengel, Abt. f. Syst. 
Bd. VII. 

Die öffentlichen Vorlesungen des Direktors handelten im Sommer 
über luftatmende Gliedertiere, die des Custos über Mollusken; die 
Wintervorlesungen wandten sich an einen weiteren Zuhörerkreis von 
Herren und Damen, für welchen sich das große Auditorium des 
Museums fast als zu klein erwies. Der Direktor gab eine „Allgememe 
Einführung in die Zoologie,“ während der Custos die „Darwinsche 
Lehre und ihre Weiterentwickelung bis zur Gegenwart‘ behandelte. 

Mineralogische In der Mineralogischen Abteilung wurden die Eingänge 

Be gesichtet und geordnet und im der Aufarbeitung der Vorräte fort- 
gefahren. 17 Schiebladen mit Kreideversteinerungen von Lägerdorf 
und die Versteinerungen des Muschelsandsteins von Hemmoor sind 
neu bestimmt, die von Seiten der Baudeputation eingelieferten Bohr- 
proben fortlaufend untersucht. Ein Teil der Arbeitszeit wurde durch 
notwendige Ordnungsarbeiten an der großen, vorläufig ins Museum 
gestellten paläontologischen Sammlung des Herrn Otto Semper absorbiert. 
Ein dreimonatlicher Urlaub des Custos und zahlreiche Exkursionen 
wurden zur Feststellung des Verlaufs und des Alters der Endmoränen 
auf der cimbrischen Halbinsel verwendet, einer Untersuchung, zu 
welcher die hiesige Geographische Gesellschaft emen Teil der 
erforderlichen Mittel bewilligt hatte. 


Naturhistorisches Museum. BIDR 


Als wissenschaftliche Arbeit, welche über das Material des 
Museums publiziert wurde, ist zu nennen: 
Tornquist, A.: Fragmente einer Oxfordfauna von Altaru in Deutsch- 
Ostafrika, nach dem von Dr. Stuhlmann gesammelten 
Material. 26 Seiten mit 3 Tafeln, in Jahrb. der Hamb. 
Wiss. Anst. X, 2. 
Die Wintervorlesungen des Custos handelten über die „Geologie 
der Cimbrischen Halbinsel.“ 


Museum für 


Völkerkunde. 


8. Museum für Völkerkunde. 
Bericht des Vorstehers C. W. Lüders. 


Der Verlauf des Jahres 1593 ist wiederum als ein recht günstiger 
für das Museum zu bezeichnen, indem für dasselbe ca. 506 neue 
Erwerbungen gemacht worden sind, und zwar durch Geschenke von 


(Gegenständen aus 


Afrika. 
Asien 


Amerikas 


Oceanien 


Europas 29 


50 Nummern 


und durch Ankauf von Gegenständen aus 


Afrıka 
Asien 

Amerika 
Oceanien 
Europa 


Demnach stellt sich der Bestand am Ende des Jahres wie folgt: 


Alnıkama sans: 


Unter diesen Geschenken, für welche seiner Zeit in den Zeitungen 
bereits der officielle Dank ausgesprochen worden ist, sind die nach- 


‚123 


2.99 N 
97 " 
6 ” 
Be F 
215 Nummern 
S4 Nrn. im Werthe von 
„ ” ” „ 
B2) „ by] „ 
„ ” 
” ” ” Pr] 


388 Nrn. ım Werthe von 


Asıen 
Amerika 
Oceanien 
Europa 


1 946 Nummern 


3152 h 
2721 . 
2 453 i 

147 r 


10 419 Nummern 


benannten als besonders werthvoll hervorzuheben: 


Nach in Berlin befindlichen Originalen hergestellte Gypsabgüsse 
von 7 kolossalen Stein-Sculpturen, welche in Santa Lucia Cazumahualpa 


in Guatemala gefunden sind. (Geschenk des Fest-Comite’s zur Feier 


der Entdeckung von Amerika.) 


4 278,50 
„ 122,30 
„530,60 
” 238, — 
” er 


4 1174,60 


Museum für Völkerkunde. (RT 


26 Nummern aus Bali, Hinterland von Kamerun. (Von Herrn 
Albert Demoeff.) 

Eine grosse sitzende Tempelfigur aus Chma. (Von Herrn 
Th. Maass.) 

Eine Sammlung von 33 Nummern der Battaker Sumatras und 
von der Insel Nias. (Von den Herren @ebr. Schwab in Tandjung.) 

15 Nummern von der Insel Eloby, West-Afrika. (Von Frau 
J. E. Herber.) 

20 Nummern aus Senegambien. (Von Herrn Dr. HM. Traun.) 

Durch Austausch sind vom Museum in Kopenhagen 6 mteressante 
Gegenstände von West- und Süd-Grönland erworben. 

Durch Ankäufe sind in diesem Jahre besonders bereichert 
worden die Abtheilungen von Asien (speciell Persien, Indien, Hinter- 
indien und Japan), von Afrika (Ost- und West-Küste, sowie Üentral- 
(Gebiete) und von Amerika. Aus letzterem Lande wurden von Mexico 
und namentlich von Vancouver sehr interessante und werthvolle Stücke 
der Bella Colas Indianer erworben. Von Gegenständen aus Oceanien 
sind nur emige wenige, aber gute Stücke neu erworben worden. 

Die für diesen Erdtheil bestimmte Abtheilung dürfte überhaupt 
bis auf Gegenstände von Neu Guinea, Caledonien und Neu-Seeland 
wohl bald ziemlich vollständig sein. 

Der Besuch des Museums hat sich stetig gesteigert und sieht 
man, dass das Interesse für dasselbe immer mehr wächst. 

Verschiedene Gegenstände sind wiederholt zu Demonstrations- 
Vorlagen oder zum Abzeichnen in den Gewerbeschulen benutzt worden. 
Auch haben mehrfach auswärtige Gelehrte Studien, Zeichnungen und 
photographische Aufnahmen im Museum gemacht. 

Die kleine Bibliothek, die sich um einige gute Werke vermehrt 
hat, ist durch Entleihen einzelner Bände mehrfach in Anspruch 
genommen worden. 


EXIT Sammlung vorgeschichtlicher Altertümer. 


9. Sammlung vorgeschichtlicher Altertümer. 
Bericht von Dr. K. Hagen. 


Im Anfange des Berichtsjahres legte Herr Direktor Dr. 
E. Rautenberg, nachdem derselbe fast 15 Jahre lang die Sammlung 
in segensreichster Wirksamkeit verwaltet, sein Amt als Vorsteher 
derselben nieder. An seine Stelle trat als Vorsitzender der Kommission 
Herr Syndicus Dr. W. von Melle. Im Uebrigen setzte sich die Kommission 
zusammen aus den Herren J. H. Brey, Direktor Dr. J. Brinckmann, 
Direktor Dr. E. Rautenberg und C. W. Lüders. Als Hülfsarbeiter 
fungierte unter Aufsicht des Herrn ©. W. Liiders wie im vorigen 
Jahre der Berichterstatter. 

Die Sammlung hat sich im Laufe des Jahres 18953 um 339 
Katalognummern mit etwa 600 Gegenständen vermehrt, die sich über 
39 Einzelposten verteilen, von denen 10 durch Geschenk an die 
Sammlung fielen. 

Als Geschenke gingen ein: von Herrn Dr. C. Gottsche zwei 
kleine Flintsteinmesser aus einem Kjökkenmödding bei Roeskilde; von 
Herrn Carl Closs (Wandsbek) ein Spinnwirtel aus glasiertem Thon, 
bei Grabung eines Brunnens in Wandsbek gefunden; von Herrn 
Olaussen ein Aquarell mit Darstellung mehrerer grosser Hünengräber 
bei Westerohrstedt (Kr. Husum) in Schleswig; von Herrn Architekt 
Carl Hülse ca. 50 Altertümer aus Ostholstein, meist Steingeräte aus 
der Umgegend von Oldenburg in Ostholstein; von Herrn Otto Mechaelsen 
(Wandsbek) 4 Gegenstände (keramische Erzeugnisse) aus dem Pfahlbau 
von Robenhausen; von Herrn Direktor Meyer in Lüneburg die Photographie 
einer bei Lüneburg gefundenen römischen Schale aus terra sigillata; 
von einem ungenannten Freunde der Sammlung durch Herrn Carl 
Dahm etwa 60 Gegenstände aus dem Pfahlbau bei Güttingen am 
3odensee (Thurgau); von Herrn Dr. ©. Gottsche ein besonders schönes, 
grosses Exemplar eines Nucleus aus Feuerstein von Weddingstedt bei 
Heide; von Herrn H. Soetebier eine im Garten des Hauses Eilbeckerweg 
No. 38 gefundene römische Kupfermünze aus der Mitte des 4. nach- 
christlichen Jahrhunderts; von Herrn Friedhofsverwalter Cordes eine 
auf dem Friedhofsterrain von Ohlsdorf gefundene Thonflasche der 
jüngeren Steinzeit. Dieselbe besteht aus gelbrotem, absichtlich mit 


Sammlung vorgeschichtlicher Altertümer. XI 


Granitstückchen versetzten Thon, ist relativ dickwandig und roh mit 
der Hand geformt. Auf dem 9 cm im Durchmesser betragenden, 
kugelförmigen Bauchteil erhebt sich ein cylinderförmiger, 5 cm hoher 
und 4 cm weiter Halsteil, um dessen unteren Teil ein kragenförmiger 
Wulst zur bequemeren Handhabung des Gefässes angebracht ist. Als 
Verzierung dienen meridional um den Bauch des Gefässes verlaufende, 
flach eingeritzte, etwa 2 mm breite Furchen. Dieselben finden sich 
in gleicher Weise auf der oberen Fläche des Wulstes. Derartige 
Gefässe gehören zu den Seltenheiten. Abbildungen ähnlicher Gefässe 
von Börger und Seeste im Regierungsbezirk Osnabrück (an lezterem 
Ort wurden 11 Stück m einem Stemdenkmal gefunden) befinden sich 
in Reimers, Altertümer der Provinz Hannover, Taf. IV. 

Für die gütige Ueberlassung der zum Teil recht wertvollen 
Gegenstände sei auch an dieser Stelle der herzlichste Dank ausgesprochen. 

Für Ankäufe und Ausgrabungen wurde die Summe von .# 1119,70 
aus den budgetmäßigen Mitteln verbraucht. Es konnten auch in diesem 
Jahre interessante, neue Typen von Steingeräten erworben werden, so ein 
Steinhammer mit angefangenem Bohrloch von Horneburg, 2 Steingeräte 
(ein sehr schöner, geschliffener Steinhammer und 1 Lanzenspitze aus 
Feuerstein) von Bornhöved. Ferner ein 59 cm langes, rundes Gerät 
aus Kieselschiefer mit einem einseitigen kerbenähnlichen Schliff nahe 
dem einen Ende. Die Deutung des Gerätes als Pflugschaar dürfte zu 
empfehlen sein. Dasselbe wurde nebst einem kugelförmigen, mit 
konischem Loche versehenen Keulenknauf aus Grünstein bei Neuhaldens- 
leben bei Magdeburg ausgegraben. Der Keulenknauf ist besonders 
deshalb von Interesse, weil er sein Analogon m den bekannten Keulen 
von Neu-Britannien findet. 

Ferner erwarb die Sammlung von Herrn W. Andresen die Aus- 
beute einer steinzeitlichen Wohnstätte in der Nähe des Rothenhauses 
an der Bergedorf-Geesthachter Chaussee. Es handelt sich um Herd- 
stellen, die zahlreiche Gefäßscherben enthielten, mit dem der jüngeren 
Steinzeit eigenen Tiefstichornament, die die Herstellung einer förmlichen 
Musterkarte erlauben. Zwischen den Scherben lagen Messer und 
Schaber aus Feuerstein in sehr sorgfältiger Ausführung, sowie 2 große 
Stücke Bernstein, offenbar zur Herstellung von Schmuckgegenständen . 
bestimmt, die sich gerade in der Steinzeit einer großen Beliebtheit 
erfreuten. Unsere Sammlung besitzt bereits eine ganze Anzahl Perlen 
und Zierknöpfe aus Bernstein von verschiedenen Fundorten. 

Besondere Hervorhebung verdient die erfreuliche Erwerbung 
der Sammlung Schlüter. Dieselbe (etwa 75 Nummern) umfaßt die 
Resultate langjähriger, sorgfältiger Ausgrabungen in der Umgegend 

h 


CXIV Sammlung vorgeschichtlicher Altertümer. 


von Hanerau. Ein genauer Fundbericht wurde mit eingeliefert. Die 
Sammlung besteht im Wesentlichen aus Funden der Stein- und Bronze- 
zeit. Unter den Steingeräten ragt als schönstes Stück hervor ein mit 
meisterhafter Vollendung aus Grünstein angefertigter, geschliffener Hammer 
gef. bei Keller bei Hanerau), der offenbar die Form von Kupfer- oder 
Bronzehämmern imitiren soll. Er zeigt außerdem auf dem Rücken 
die Gußnaht in zweifelloser Anspielung. Ähnliche Exemplare sind 
abgebildet in der Zeitschrift für Ethnologie 1878, Taf. 2, Fig. 27, 
sowie in J. Mestorf, Vorgesch. Alt. aus Schleswig-Holstein Taf. XIV, 94. 
Unter den Bronzen ist ein bei Oldenborstel gefundenes Schwert mit 
Griffzunge bemerkenswert, da sich Reste der aus Geweihknochen ge- 
fertisten Griffbekleidung erhalten haben. Ferner ein Meißel mit schöner, 
emailartiger Patima (gef. bei Fahrenkrug bei Segeberg), der eine sehr 
seltene Form repräsentirt. Derselbe ist aus einem dickwandigen, nach 
der Schneide zu sich verjüngenden Bronzecylinder gefertigt. Die Weite 
der Mündung beträgt 2'% cm, die Länge der Schneide 1V2 cm, die 
Gesamtlänge 15 cm. Um die Mündung herum sind 3 mitgegossene 
Ringe en relief m der Form von gedrehten Schnüren angebracht; auf 
den die Schneide bildenden dreieckigen Seitenflächen lassen sich der 
Schneide parallel laufende Schliffspuren sehr schön erkennen. In der 
Höhlung stecken noch die Reste des ehemaligen Holzgriffes. Ein dem 
unsrigen ähnliches, jedoch mit Oehr versehenes Exemplar von Süder- 
Brarup ist abgebildet in Mestorf 1. c. Taf. XXI, 212. Eine Reihe sehr 
schöner Dolche, Lanzen- und Pfeilspitzen, Armringe und sonstige 
Schmuckgegenstände, sowie ein offenbar absichtlich zerstörter, großer 
Torques bereichern die Sammlung in der wünschenswertesten Weise 
durch neue Typen. Doch bleiben noch immer empfindliche Lücken im 
Gesamtbilde der Bronzekultur unserer Sammlung. die auszufüllen das 
hauptsächlichste Bestreben für die Zukunft bilden wird. Außer einem 
ll gr schweren, goldenen Spiralring, der mit einem kleinen Bronze- 
messer zusammen bei Aasbüttel in einem Grabhügel gefunden wurde, 
weist die Sammlung Schläter noch einen anderen, im Eggstedter Holz 
(Süder-Dithmarschen) gefundenen breiten, aus 2 Windungen bestehenden 
goldenen (5 gr) Ring auf, der in die römische Zeit gehört (1.—2. Jahrh. 
.n. Chr.) und in gewisser Hinsicht einigermaßen Ersatz gewähren kann 
für den 1888 der Sammlung leider durch Diebstahl abhanden ge- 
kommenen, berühmten Goldring aus dem Torsberger Moor. Im Typus 
gleicht derselbe völlig dem bei Mestorf 1. c. unter No. 600 abgebildeten 
Armring aus dem Torsberger Moor. 

Von weiteren Ankäufen mögen erwähnt werden: ein breiter, 
verzierter Armring aus Bronze aus dem Himmelfahrtsberge im 


Sammlung vorgeschichtlicher Altertümer. EXV 


Escheburger Moor bei Bergedorf, in der Nähe der Fundstelle der 
beiden Schwerter vom Hallstätter Typus, die sich seit 30 Jahren in 
der Sammlung befinden; ein Schaftlappencelt aus Bronze (gefunden 
bei Oldenburg in Ostholstem), der als eben fertig gewordenes Gußstück 
Interesse bietet; eine Anzahl Bronzefibeln, die den ersten Anfang für 
eine Darstellung der Entwicklung dieses für die Archäologie so wichtigen 
Gebrauchsgegenstandes zu bilden geeignet ist; eine spätrömische Fibula 
mit geperlten Silberreifen um den Bügel, gefunden beim Bau des 
Nord-Ostseekanales; eime Anzahl römischer Schlüssel und Schloßteile 
aus rheinischen Funden, als Vergleichsmaterial. 

Von Herrn Winter in Westerham wurde außer einigen Urnen 
der Bronzezeit eme große Anzahl (40 Stück) Urnen der Völker- 
wanderungszeit mit zahlreichen Beigaben erworben. Die Beigaben 
konnten im Museum den mit dem unversehrten Inhalt eingelieferten 
Urnen entnommen werden und bilden daher ein absolut verlässliches 
Material. Bei einer geplanten Publikation werden sich interessante 
Vergleiche mit den Perleberger und Altenwalder Typen ergeben. 

Der Custos der Wiener praehistorischen Sammlung des k. k. 
Naturhistorischen Hofmuseums, Herr J. Szombathy, sandte auf Be- 
stellung einen vorzüglich ausgeführten Gypsabeuß einer auf dem 
Burgstalle von Oedenburg in Ungarn gefundenen großen Prachturne 
mit figürlichen Darstellungen. Das Original, etwa dem 4. vorchrist- 
lichen Jahrhundert angehörend, befindet sich in Wien. Neben dem 
Interesse, das figürliche Darstellungen schon an und für sich bei ihrer 
Seltenheit gewähren, bieten sich auch lehrreiche Vergleiche dar mit 
entsprechenden Zeichnungen auf Urnen Norddeutschlands (namentlich 
Westpreußen) sowohl, wie auch mit den schwedischen Felszeichnungen 
(Hällristningar) und schließlich im weiteren Umfange mit den auf 
gleicher Stufe stehenden Äußerungen des Zeichentalentes bei den 
Naturvölkern. 

Vom 25. bis 28. Oktober setzte der Berichterstatter im Verein 
mit Herrn W. Andresen, der sich in liebenswürdigster Weise zur Ver- 
fügung stellte, die von Herrn Direktor Rautenberg 1886 am Päpersberg 
bei Geesthacht begonnenen Ausgrabungen fort. Es wurde die Nord- 
westseite des Hügels in Angriff genommen und auch dort große 
Steinsetzungen constatirt, die Urnen der Bronzezeit enthielten. 8 stark 
zerdrückte Urnen, die jedoch alle wiederhergestellt werden konnten, 
wurden als Ausbeute mitgenommen. An Beigaben fanden sich nur 
geringe Spuren von Bronze; außerdem in der einen Urne ein recht- 
eckiges, gewölbtes Knochenstück mit linearen Verzierungen und cen- 
tralem Loche, in einer anderen ein ähnliches Stück mit 2 Löchern. 

E 


CXVI Sammlung vorgeschichtlicher Altertümer. 


Von den früheren Ausgrabungen her besitzt die Sammlung bereits ein 
kleines, kreisrundes Knochenstück, sowie ein dem zuerst angeführten 
entsprechendes Exemplar aus Horst in Vierlanden. Aller Wahr- 
scheinlichkeit nach haben diese Knochenstücke als Zierplatten oder 
Knöpfe bei der Bekleidung Verwendung gefunden. Außer den Urnen 
fand sich neben einer Steinsetzung frei in der Erde ein kleiner, nicht 
vollständig erhaltener Bronzearmring mit gerippter Oberfläche. Ein- 
tretendes ungünstiges Wetter zwang zur vorläufigen Sistirung der 
Ausgrabungen, deren Fortsetzung geplant ist. 

Die Bibliothek wurde um 45 Nummern vermehrt, von denen 
15 durch Kauf und 30 durch Geschenk erworben wurden. Somit weist 
der Katalog am Schlusse des Jahres 1893 560 Nummern auf. Für die 
Bibliothek wurden einschießlich der Buchbinderarbeiten # 203,80 ver- 
ausgabt. Der Wert der Geschenke läßt sich auf etwa ‚4 220 schätzen. 
Herr Dir. Prof. Rautenberg Dr. überwies uns 18 kleinere, aber wichtige 
Werke. Die Gruppe Hamburg-Altona der Anthropol. Ges. stiftete wie 
auch in früheren Jahren die bei ihr einlaufenden Sachen, unter denen 
die Zeitschrift für Ethnologie und die Nachrichten über deutsche Alter- 
tumsfunde besonders hervorzuheben sind. Von der Smithsonian Institution 
in Washington liefen 2 der höchst wertvollen Annual Reports ein. 


Sammlung Hamburgischer Alterthümer. EXVıl 


10. Sammlung Hamburgischer Alterthümer. 
Bericht von Dr. W. H. Mielck. 


Nachdem im ersten Drittheil des Jahres mit dem Ausräumen 
der leichtern Gegenstände der Sammlung fortgefahren war, konnten 
die Räume rechtzeitig der Bauleitung zum Zweck des Umbaues zur 
Verfügung gestellt werden. 

Der Umbau begann Ende Mai und war zur festgesetzten Zeit 
im wesentlichen beendet. 

Das Ergebnis desselben wird allseitig mit Befriedigung begrüsst. 
Der ganze Raum, eine langgestreckte Pfeilerhalle, ist hell und luftig 
seworden und hat noch durch eine ım Laufe des Umbaues vor- 
genommene, anfänglich nicht vorgesehene, Aenderung an den Pfeilern 
auch an Wohnlichkeit gewonnen. 

Die Heizeinrichtung hat sich gleichfalls bewährt; während der 
Frostperiode im Winter 1893 auf 1894 geben die vorhandenen vier 
Anthracitöfen genügende Wärme, um ein längeres Arbeiten in den 
Räumen zu ermöglichen. 

Leider haben wir Grund, zu befürchten, dass der aus den verkehrs- 
reichen umliegenden Strassen eindringende Staub uns viele Mühe und 
Beschwerde machen wird. 

Während des Umbaues und auch nach demselben war die ganze 
Kraft und Thätigkeit der Commission darauf gerichtet, die Steinsachen 
zu ordnen, aneinander zu reihen und zu reinigen. 

Es gelang im Laufe dieser Zeit das Zusammengehörige zusammen 
zu finden und weitaus das meiste auf seinen Ursprung, der bei vielen 
Stücken unbekannt geworden war, zurückzuführen. 

Bei dieser Arbeit ergab es sich, dass unsere Steinsachen in der 
richtigen, ihnen zukommenden Anordnung nicht an den immerhin noch 
niedrigen Wänden des Innenraumes angebracht werden könnten. Dem 
entsprechend wurde der Vorschlag gemacht, die beiden Lichthöfe mit 
in den Umbau einzubeziehen und der Sammlung zu überweisen. Dazu 


OROVIM Sammlung Hamburgischer Alterthümer. 


gesellte sich der lebhafte Wunsch, zunächst einen der beiden Lichthöfe 
mit Glas zu überdachen, um eine schonende Aufstellung der Steinsachen 
zu ermöglichen und dem Publikum einen angenehmen Aufenthalt auch 
bei schlechtem Wetter zu gewähren. 


Die Oberschulbehörde eignete sich die Wünsche unserer Com- 
mission an, und nachdem mit Hülfe der Baubehörde genaue Pläne für 
den Aufbau der Steinsachen von der Commission ausgearbeitet worden 
sind, steht die Ueberdachung eines Lichthofes und die endgültige An- 
bringung der grossen Mehrzahl der Sculpturen für das Jahr 1894 bevor. 

Ihre Reinigung und die Beseitigung der dieken Farbenschichten, 
die der Aufstellung voraufgehen mussten, nahmen viel Mühe, Zeit und 
Kosten in Anspruch. 


Nebenher wurden auch die den Aussenseiten von Häusern ent- 
stammenden Holzsachen — Kopfbänder, Pilasterkapitäle, Fensterstürze 
und ähnliches — geremigt. Die Ergebnisse dieser Reinigungen waren 
sehr erfreulich. Die Sammlung besitzt jetzt eine Reihe schöner Holz- 
schnitzsachen aus der Spätrenaissance, von deren Existenz man früher 
kaum eine Ahnung hatte, da sie durch abwechselnde Lagen von Schmutz 
und Oelfarbe bis zur Unkenntlichkeit entstellt waren. Die meisten 
derselben werden ihre Verwendung bei der Construktion der später 
nöthig werdenden Schränke finden können. 


Einige der Steinsachen fanden bereits ihren bleibenden Platz m 
den innern Räumen. Zu diesen gehören der bekannte Grabstein mit 
dem Dudelsack blasenden Esel und der Denkstein des Albert Cranz. 
Diese beiden standen früher im Dome und sie haben jetzt endlich ihre 
Aufstellung gefunden nicht weit von demjenigen Orte, den sie ursprünglich 
eingenommen haben. Ferner noch sind wieder aufgestellt: der Gedenk- 
stein des Simon von Utrecht aus der Nicolaikirche, der sogenannte 
Grabstein der Reitendiener und weiter alle alten Banklehnen oder Bei- 
schlagwangen, welche aber leider durchweg nicht gut erhalten sind. 


Uebrigens werden die Neuordnung und die Aufstellung der 
Gegenstände der Sammlung, ihr „Arrangement“ mehrere Jahre erfordern. 
Vor uns liegt eine nahezu unendliche Fülle der verschiedenartigsten 
Sachen. Jede einzelne soll so aufgestellt werden, wie es der Hauptseite 
ihrer geschichtlichen Bedeutung entspricht, also wo sie hingehört; sie 
soll geschmackvoll wirken, muss also eine entsprechende Umgebung 
finden; sie soll vor Schaden und Verderben möglichst behütet sein, 
muss also einen gesicherten Platz zugetheilt bekommen. Dies zu ver- 
binden bildet eine zeitraubende Aufgabe. 


Sammlung Hamburgischer Alterthümer. CRIX 


An besonders hervorzuhebenden Geschenken gingen der Sammlung 
folgende zu: 

Vom Museumsverein: acht silberne Sargschilder und das silberne 

Stubenschild der Brüderschaft der fremden Maurergesellen. 

Von den Kindern des verstorbenen Th. G. Meissner: die Geld- 

kiste des Rathsbuchdruckers. 

Von den Herren Schröder und Michaelsen: ein grosses 
Modell ihrer Guanolager nebst den Betriebseinrichtungen auf dem süd- 
lichen Elbufer. 

Von Herrn Hauptmann Gaedechens: eine Sammlung von Waffen. 

Von den Hafenarbeitern Harder und Husfeld: die Pulver- 
kammer eines schmiedeeisernen Kanonenrohres des 15. Jahrhunderts, 
aufgefischt aus der Elbe vor St. Paulı. 

Ein vollständiges Verzeichniss der Geschenke wird in den 
Mittheilungen des Museumsvereins abgedruckt werden. 

Durch Ankauf wurden unter anderm erworben: 

Zwei silberne Sargschilder der Brüderschaft der fremden Maurer- 
gesellen. | 

Ein Oelgemälde vom Jahre 1755, darstellend eine Parade der 
Stadtsoldaten auf dem Grossneumarkt, gemalt von C. Brucker. 

Ein altes mn Hamburg verfertigtes Klavier. 


ER Botanisches Museum und Laboratorium für Waarenkunde. 


11. Botanisches Museum 


und Laboratorium für Waarenkunde. 
Bericht des Direktors Professor Dr. Sadebeck. 


Auch in dem Jahre 1895 war die Erweiterung und Vermehrung 
der Sammlungen des Museums eine ausserordentlich beträchtliche, und 
das sich immer weiter verbreitende Interesse für das Institut gelangte 
z. Th. auch in der Ueberweisung zahlreicher Geschenke zum Ausdruck. 
Als solche gingen ein: 1) Frische Maniok-Knollen aus Brasilien; von 
Frau J. ©. Mittelstein. — 2) Eine Kartoffel mit nach innen ent- 
wickelten jungen Knollen von Liebenburg bei Goslar; von Herrn 
L. W. Pramann. — 3) Brasilianische Jalapen, abstammend von 
Ipomoea operculata Mart. aus Rio Grande do Sul; von den Herren 
E. & A. Hasche. — 4) Proben chinesischer Drogen und Handels- 
produkte: Turmeris (Rhizom von Curcuma longa L.), Galangal (Rhizom 
von Alpinia officinarum Hance), Cassia lignea (die Rinde von Cinna- 
monum Cassia Bl.), Sternanis (Illieeum amisatum L.), Castorseed 
(Rieinus communis L.), chinesischer oder vegetabilischer Talg (aus der 
Fettschicht der Samen von Sapium sebiferum Rxb.), zackige und runde 
Gallen der Rhus semialata Murr; von Herrn E. Siebert. — 5) Zwei 
Fruchtstände der Steinnusspalme, Phytelephas macrocarpa R. et P. von 
Esmeraldas Pailos, nördlich von Guayaquil, gesammelt von Herrn 
Schiffsoffizier J. Gade; durch Herrn Direktor G. A. H. Staude. — 
6) Ein ca. "2 m langer, männlicher Blüthenzapfen von Encephalartos 
Altensteinii Lehm. nebst einer Photographie der Pflanze aus den 
Gewächshäusern der Dr. Brehmer’schen Heilanstalt in Görbersdorf 
in Schlesien; durch Herrn Obergärtner D. Brandis daselbst. — 
7) Einen Zweig mit Früchten nebst Samen von Chrysophyllum spec. 
aus Westafrika; von Herrn Dr. Traun. — 8) Früchte und Blätter von 
Aleurites triloba Forst. vom Ogowe-Fluss; durch Herrn C. Woer- 
mann. — 9) Früchte von Möimosa pudica L. aus Samoa; von Herrn 
Meyer-Delius. — 10) Macisbohnen, d. s. Samen der Kalebassen- 
Muskatnuss, Monodora Myristica Dun., sowie zwei daraus dargestellte 
Oele, das fette und das ätherische Maeisbohnenoel; von Herrn H. Hänsel 
in Pirna. — 11) Rinde des Seidelbastes, Daphne Mezereum L., von 
der Lappenkarawane mitgebracht; durch Herrn Direktor Dr. Bolau. — 


Botanisches Museum und Laboratorium für Waarenkunde. OS 


12) Pflanzen von Uniola latifolia Mich. aus den Maisfeldern West- 
indiens; durch Herrn Dr. Schwarze. — 13) Die Photographie des 
Drachenblutbaumes, Dracaena Draco L., von Teneriffa; durch Herrn 
Fr. Günther. — 14) Palaquium Gutta (Hook.) Burck; vom Kais. 


Deutschen Consulat in Singapore. — 15) Guttaperchapflanzen 
aus Borneo; von Herrn Vice-Consul Kedenburg. — 16) Ein Frucht- 


körper von Polyporus sulphureus (Bull.) Fr. aus einer hohlen Weide 
in Moorfleth, und ein ebensolcher von P. sqguamosus (Huds.) Fr. von einer 
Esche; durch Herrn Lehrer J. W. Lübbe in Reitbrook. — 17) Rbi- 
zomorphenstränge und Fruchtstromata von Aylarıa Hypoxylon Grev. 
aus einer hohlen Weide in der Nähe von Venne bei Osnabrück; durch 
Herrn Dr. G. Mielke. — 18) Eine junge Kiefer aus Niendorf, deren 
Nadeln mit dem Blasenrost, Peridermium oblongisporium Fuck., besetzt 
sind; durch Herrn L. v. Pöppinghausen. — 19) Kohlrabi mit der 
Kohlhernie, hervorgerufen durch Plasmodiophora Brassicae Wor., aus 
Hamburg-Hamm; von Herrn Th. Kayser. — 20) Flechten von der 
Delagoa-Bai; durch Herrn Schiffsarzt Dr. Brauns. — 21) Eine Collection 
von Algen aus dem Gebiet der deutschen Meere; durch Herrn Major 
aD Th Keinbold. 

Getrocknete Pflanzen erhielt das Museum aus Patagonien 
durch Herrn Mohts-Patagones, von Singapore durch Herrn Schiffs- 
kapitän v. Binzer, aus dem Berner Oberlande durch Herrn Dr. Voigt 
und aus der Umgegend von Hamburg durch Herrn W. Zimpel. 

II. Durch Tausch wurde vom Kgl. Botanischen Museum 
in Berlin eine Collection exotischer Pilze und Algen erworben. 

II. Durch Ankauf fand folgende Vermehrung .der Sammlungen 
statt: 1) 222 transatlantische Drogen von Herrn Dr. Schuchardt- 
Görlitz (4 450). — 2) Verschiedene Früchte und Samen von Herrn 
J. Heimerdinger, hier (4 12). — 3) C. G. Pringle: Plantae 
mexicanae. Distr. 1892 («4 115,60). — 4) H. N. Patterson: 
Flora of Colorado. Coll. of 1892 (#4 43,60). — 5) 150 Herbarpflanzen 
aus Victoria von Herrn W. Kindingsland (4 15). — 6) 2 Centurien 
bulgarischer Pflanzen von Herrn V. Stribrny-Sadovo (.# 40). 
7) Equiseten und Lycopodiaceen aus dem Nachlasse des Herrn Professor 
Dr. K. Prantl in Breslau (# 310). — 8) Fungi saxonici XVII und 
XVII von Herrn K. W. Krieger-Königsten (4 16). — 9) Phycotheca 
universalis X und XI von Herrn P. Richter-Leipzig (#4 32). 

IV. Zahlreiche und wichtige Ergänzungen erhielten ausserdem die 
Sammlungen, namentlich die phytopathologische und die pteridologische 
Abtheilung, durch die Excursionen, welche von den Beamten des 
Museums unternommen wurden. 


CXXI Botanisches Museum und Laboratorium für Waarenkunde. 


Dubletten wurden abgegeben: 1) Palmfrüchte und -Samen an 


Herrn Prof. Dr. A. Meyer-Marburg. — 2) Ein Fruchtstand von 
Phytelephas macrocarpa R. & P. an das Botanische Museum in 
Breslau (Geheimrath Prof. Dr. F. Cohn). — 3) Früchte von 


Garcinia Mangostana L. an Herrn Prof. Dr. Detmer-Jena. — 
4) Kleine Abschnitte verschiedener Lianen an Herrn Dr. G. Mielke, 
hier. — 5) Holzrosen aus Mexico an Herrn Prof. Dr. P. Magnus- 
Berlin. — 6) Harz von Xanthorrhoea arboreum R. Br. und X. hastzle 
R. Br. an Herrn Prof. Dr. A. Tschirch-Bern. — 7) Antheren von 
Mesua salicina Pl. et Tr. an Herrn H. Haensel-Pirna. — 8) Ost- 
und westafrikanische Pflanzen an das Botanische Museum in 
Berlin. — 9) Ein Exemplar von Herpochaete fastigiata Mont. an 
Herrn Prof. Dr. Cramer-Zürich. — 10) Mehrere parasitische 
Eroasceen an Herrn Prof. Dr. A. Meyer-Marburg. — 11) Hexenbesen 
von Almus incana DC., hervorgerufen durch Eroascus epiphyllus Sadeb., 
an Herrn Prof. Dr. P. Magnus- Berlin. 

Entliehen wurden Theile der Sammlung: 1) Colletia- und 
Hakea-Arten an Herrn Prof. Dr. Leimbach-Arnstadt. — 2) Früchte 
von Aleurites moluccana Willd., A. triloba Forst., Bixa Orellana L. 
und Calophyllum Jnophyllum L. an Herrn Dr. Hagen, hier. — 
3) Ost- und westafrikanische Herbarien an das Königl. Botanische 
Museum in Berlin. — 4) Ostafrikanische Sirychnos-Früchte an 
Herrn Dr. Gilg-Berlin. — 5) Compositen an Herrn Dr. F. W. Klatt, 
hier. — 6) Typha-, Sparganium-Arten und Veronica verna L. an 
Herrn Prof. Dr. P. Ascherson. — 7) Die Myrmecodomatien von 
Acacia spadicigera Ch. et Schl. an Herrn Dr. Steinvorth-Hannover. 
— 8) Herpochaete fastigiata Mont. an Herrn Prof. Dr. Uramer- 
Zürich. — 9) Florideen an Herrn Major a. D. Th. Reinbold-Kiel. 
— 10) Caulerpen an Frau Prof. Weber van Bosse- Amsterdam. 

Die Vermehrung und Ergänzung der Instrumente 
und Apparate erfolste durch folgende Anschaffungen: Ein Mikroskop 
von Hartnack: ein Stativ, 2 Oculare und die Objective 4, 5 und 9, letzteres 
Immersion («#4 318). Ein Stativ von Hartnack (4 75), 2 Huyghens’sche 
Oculare von Zeiss (4 14), 2 Compensationsoculare Nr. 2 von Zeiss 
(4 40), Objectivr a, A, B, 2 D, E und I (4 358). Ein Revolver von 
Zeiss (4 27). 3 Handlupen von Schiek (.# 45). 

Die Vermehrung und Ergänzung der. Bibliothek 
erfolgte durch die Fortsetzungen der Zeitschriften und Journale, über 
welche man den vor. Jahresbericht vergleichen wolle; die Anschaffung 
derselben beanspruchte weit über die Hälfte der für die Vervoll- 
ständigung der Bibliothek zur Verfügung gestellten Mittel. Ausserdem 


Botanisches Museum und Laboratorium für Waarenkunde (CXXII 


konnten noch folgende Anschaffungen gemacht werden: 1) Frank, 


Lehrb. d. Bot. — 2) Molisch, Die Pflanze. — 3) Schünemann, 
Pflanzenvergiftungen. — 4) Jörgensen, Mikroorganismen. — 
5) Baker, Handb. of Fern-Allies. — 6) Beddome, Ferns of British 
India. — 7) Hooker & Baker, Synopsis fillieum. — 8) Beck, 
Prothallium von Scolopendrium. — 9) Kuhn, Chaetopterides. — 
10) Hooker & Bauer, Genera Filicum. — 11) Meyer, Drogen- 
kunde. — 12) Detmer, Vergl. Physiologie der Keimung. — 
13) Stebler & Schröter, Futterpflanzen. — 14) Walter, Braunw. 
Gew. d. Farne. — 15) Index Kewensis. — 16) Dippel, Laubholz- 


kunde, IH. — 17) Haberlandt, Tropenreise. — 18)Behrens, Tabellen. 

Die Bibliothek wurde von Fremden, d. h. von solchen, welche 

dem Institut nicht angehören, 120 mal in dem Lesezimmer benutzt; 
ausserdem wurden 150 Bände ausgeliehen. 

Die Vorlesungen und das Praktikum waren von 7 Zuhörern 

besucht; die Betheiligung an den Excursionen war eine noch grössere. 

Im Institut arbeiteten längere oder kürzere Zeit 8 Gelehrte, 

darunter 5 Auswärtige; einer der Herren (Apotheker) arbeitete täglich 

während des ganzen Jahres. 

Veröffentlicht wurden im Laufe des Jahres 1893 folgende Arbeiten: 

Brick, C., 1) Ueber Nectria cinnabarina (Tode) Fr., 148. (s. vor. Jahrb.) 

2) Bericht über die Fortschritte auf dem Gebiet der 

. forstlichen Botanik im Jahre 1892, 33 S. (Allgemeine 

Forst- und Jagdzeitung, herausgegeben von Prof. 

Dr. Lorey und Prof. Dr. J. Lehr. 1893). 
Klatt, F. W., Berichtigungen zu einigen von (. G. Pringle in Mexico 
gesammelten Compositen, 4 8. (s. vor. Jahrb.). 
‚ Die parasitischen Exoasceen. Eine Monographie, 1108. 
mit 3 lithogr. Doppeltafeln (s. vor. Jahrb.). 
Im Laufe des Berichtsjahres gelangten an den Direktor 211 An- 


Sadebeck, R. 


fragen. Es bezogen sich: 
1) auf Pflanzenkrankheiten und deren Bekämpfungsmittel 103 Anfragen 
2) auf die übrigen Gebiete der wissenschaftlichen Botanik 108 5 


211 Anfragen. 

Ausserdem waren 6 Untersuchungen beantragt worden, wofür 

55 eingenommen wurden; die Abtheilung für Samencontrole erzielte 

im Laufe des Jahres eine Einnahme von «# 1720; die Gesammt-Einnahme 
des Instituts betrug im Jahre 1893 demnach # 1775. 


CXXIV Erster Bericht über die Thätigkeit der Abtheilung für Samencontrole. 


Erster Bericht 


über die Thätigkeit der Abtheilung für Samencontrole 
(für die Zeit vom 1. September 1891 bis 30. Juni 1893) 


von 


Dr. A. Voigt. 


Ausser dem kurzen Hinweis auf die Thätigkeit der Abtheilung 
für Samencontrole im Jahresbericht des Botanischen Museums erscheint 
es wünschenswerth, eine eingehendere Uebersicht über die Unter- 
suchungen und deren Resultate zusammenzustellen. 

Es sollen diese Berichte im gleicher Weise wie die der meisten 
andern Samencontrolstationen einen Ueberblick über die im Geschäfts- 
jahr am Markt erschienene Waare, soweit dieselbe der Abtheilung zu 
Händen kam, und deren jeweiligen Werth ermöglichen. 

Dieser erste Bericht wird ausser einer kurzen Mittheilung über 
die Geschichte der Station, die Statistik vom 1. September 1891 bis 
zum 30. Juni 1593 geben. 


l. Geschichtliches. 


Mit der stetigen Zunahme der Controlthätigkeit im Saatenhandel 
trat für die Hamburger Händler immer mehr das Bedürfniss hervor, 
ein den Samencontrolstationen der Landwirthschaftlichen Versuchs- 
stationen entsprechendes staatliches Institut am eigenen Platze zu besitzen. 


Im Jahre 1887 wandten sich nun die am Saathandel interessirten 
Firmen mit dem Antrage an die Handelskammer, doch dahin wirken 
zu wollen, dass in dem staatlichen Laboratorium für Waarenkunde 
des Botanischen Museums eine den sog. Samencontrolstationen ent- 
sprechende Einrichtung getroffen werde. 

Nach längeren Verhandlungen zwischen den interessirten Firmen 
und der Handelskammer einerseits und der zuständigen Behörde (der 
Öberschulbehörde) und der Direction des Botanischen Museums 
andererseits wurde die gewünschte Abtheilung für Samencontrole am 
1. September 1891 zunächst provisorisch errichtet. 

Nachdem dann die Einrichtung sich als zweckmässig erwiesen 
hatte, wurde die Errichtung der Abtheilung zum 1. Juli 1892 definitiv 


Erster Bericht über die Thätigkeit der Abtheilung für Samencontrole. CNNXV 


bestätigt, eine am Schluss dieses Berichtes abgedruckte Gebührenordnung 
festgestellt und eine an gleicher Stelle wiedergegebene Anleitung für 
den Verkehr mit der Abtheilung herausgegeben. 

Da in den Räumen des Botanischen Museums selbst kein Platz 
vorhanden war, ist die Abtheilung z. Z. in einem kleinen Zimmer im 
ersten Stock des Schul- und Museumsgebäudes vor dem Steinthor 
untergebracht. Die m diesem Jahr zu erwartende Verlegung des 
Botanischen Museums wird auch der Samencontrole grössere und vor 
allem geeignetere Räume bringen. 


2. Methodisches. 

Den Untersuchungsmethoden wurden vor allem die in Halle 
1590 vereinbarten und in Berlin 1892 endgültig genehmigten einheit- 
lichen Bestimmungen des Verbandes Landwirthschaftlicher Versuchs- 
stationen im Deutschen Reiche zu Grunde gelegt. 

Der internationale Character jedoch des Hamburger Marktes 
machte es nebenher nothwendig, auch die an den bedeutendsten aus- 
ländischen Stationen zu Kopenhagen, Zürich und Wien gebräuchlichen 
Verfahren in Betracht zu ziehen und für die Arbeiten der Abtheilung 
eine Verbindung derselben mit den deutschen Bestimmungen anzustreben. 
So ist z. B. eine allgemeine Vereinbarung über Temperatur, Licht ete. 
bei Keimversuchen zwischen den deutschen und auswärtigen Stationen 
recht wünschenswerth. Für die Untersuchung der Oelsaaten wurden 
ferner die Grundsätze, die für das Laboratorium der Incorporated Oil 
Seed Association in London maassgebend sind, zum Vorbild genommen. 

3. Statistisches. 

Die Abtheilung für Samencontrole untersuchte in der Berichts- 

zeit 1254 Proben, und zwar sandten 


le EirmiensbElambures 8 ee 1177 Muster 
14 „ des übrigen Deutschlands ..... lag? 5%, 
iu Birma aus“Dänemarkı a. ar... 1 R 
11 r;; „ Krankreicha= #3... %: Sa Da 


Zur eigenen Information wurden untersucht 37  „ 
Zusammen. ..1254 Muster. 


Die nebenstehende Zusammenstellung giebt eine Uebersicht über 
die Anzahl und Art der eingegangenen Samenproben sowie über die 
für dieselben beantragten Untersuchungen. 


| 
| 


= 
= Untersucht auf 4 &0 
BR) SE 
= SS Super _.E 
= Su Br 2el2|5 je 2) ES 
3: a „2 2/3 3)3285 512 8 
3 Ssleialsı a ae 
zu BIeaıy O7) 2) = 
| ZA el 
) MemTeRe: s el er 
1 | Rothklee (Trifolium pratense L.)...... | 1735| — 638 118] 82) 86 211 —  — |— | 945 
2 | Weissklee (Trifolium repens L.) ...... 8141.27) —) 30/87) = meer 
3 | Bastardklee (Trifolium hybridum L.) .. 84| —_ 64 — | 15) 2) — — |—|—| 101 
4 | Wundklee (Anthyllis vulneraria L.) .. N 7 ge 19 
5 | Luzerne (Medicago sativa L.) .......... 5 —/ 11 -| 4 4, | lee 19 
6 | Gelbklee (Medicago lupulina L.) ...... 281 —| 19) 8, 9, eur 
7 | Esparsette (Onobrychis sativa Lam.).. | ı | U ||| — 1 
8 | Schotenklee (Lotus corniculatus L.).... = 1, 1 
9 | Serradella (Ornithopus sativus L.) ..... 21 eh 21 — 311 — 36 
10 | Spörgel (Spergula arvensis L.) ........ ee 0) 
11 | Runkeln (Beta vulgaris L.)........... 10), — -— | —' 10) —|—| —- | — 10 
12'| Wurzeln (Daueus'Carota L.) .....2...: 3 — 2 or a 3 —|—-|\-|— B) 
18: | Kümmel (Carum Carui BL) .....2..... 2-1 ——| 1 3—| —|-|— 3 
14.) Eiche (Quereus spec) 2... 10 Se —| „=, —.| 2) ee 1 
15 | Mohn (Papaver somniferum L.)....... 1 — es ZZ I) — l 
16 ı Eucalyptus globulus Labill. ........... 1 | 1 _ 1 
17 | Japan Clover (Lespedeza striata Hook. I | 
OT) ee ehe 1 zu Anbauversuchen. 1 
18 | Lein (Linum usitatissimum L)........ ZZ = 2 
19 | Castorsaat (Bieinus communis L) ..... Sr lrg — | 20 ) 
20 | Sesam- od. Gingellysaat  (Sesamum | | TR | 
indieum, DECO )arR RE .  eleeher 271 -\—| — | %4 —| — | —- |. —/12| 36 
21 | Engl. Raygras (Lolium perenne L.).... | 18) Ze 28 
22 | Ital. Raygras (Lolium italicum A. Br.). oe ee 10/2. — 17 
23 | Franz. Raygras (Arrhenatherum elatius | a 
Mer EeLBIROCHE) ee ee | — N) — 37 
24 | Knaulgras (Dactylis glomerata L.)..... er | 44 BO) = 
25 | Timothee (Phleum pratense L.)........ 40 — 13, — |. 22.26 —) | 61 
26 | Honiggras (Holcus lanatus L.) ........ Se ee] 16 ja 34 
27 | Wiesen -Fuchsschwanz (Alopecurus pra- | Bi | 
VENSI Na SER 3) —— | 10) 13) =) |) = 23 
28 | Rispengräser (Poa, spee.) ......... 0... 9 —| - — 2| —| —|—|— ) 
29 | Verwechselte Trespe (Bromus commutatus | | | 
DCHTAEE EE E 11-—!|--| 1 1-|—| —-|— 2 
30 | Kammgras (Oynosurus eristatus L.).... ae ne — I1— 4 
3l | Rohrglanzgras (Baldingera arundinacea | Ib | 
Dumort 2a a ee 1|— | —<| | —, I, — | ] 
32 | Ruchgras (Anthoxanthum Puelii Lee. et | I 
N EN EHE LEN 41 | —| 1 4-—-|-| | 5 
33 | Schafschwingel (Festuca ovina L.)..... 15 | — —| —ı) 6, Bl er 
34 | Wiesenschwingel(Festuca pratensis Huds.) eh en = 5 
35 | Riesenschwingel (Festuca gigantea Vill.) 1-1 - - - 1-|-|)-|1— 1 
36 | Fioringras (Agrostis alba Schrad.) ..... a I Ne in 
37 | Gerste (Hordeum sativum Jess.) ....... 1 — 22 ae 1 
88, Grasmmischnnwern ne ee ne 4 zur botanischen Analyse. 4 
1 7781118339415 23| 3 | 2 |12 1696 


DuUmme....... | 1254 | 


Erster Bericht über die Thätigkeit der Abtheilung für Samencontrole. COXXVII 


Aus der vorstehenden Uebersicht ergiebt sich, dass der Rothklee 
die Hauptmenge (ca. ®3) der eingegangenen Muster ausmacht; unter 
den Untersuchungsarten überwiegt die Prüfung auf Kleeseide (etwa 
die Hälfte), in zweiter Linie kommen die Bestimmungen der Reinheit 
und Keimkraft (je ";) und das letzte Viertel umfasst. die Ermittelung 
von Echtheit, Herkunft, Gewicht etc. ete. 


Die Untersuchungen auf Kleeseide gaben die folgenden Resultate: 


Es wurden gefunden 


| 
| 


© g en > 2 5 $ nr 
ge 2 a mv = zZ we < = Fr oo 
Der ie a or = Bo Be zEirSB an | Ev 
ee eele- Bade 
Sr 5 E SER : = 
| 
‚on a w | | 
en 638 | 97 ee 192 te 
Proben | | | | 
lası 9,01 |ın | 5 a a ER 
haltig | | | | | | 
a1, i528 50: ).As6| 316 a Wer 
h Do | 
Von den kleeseidehaltigen Rothkleemustern enthielten: 
weniger wie 1 Korn in 100 gr. ............ 5l Proben, rund 8 %. 
Beeren BON Er N... le Bi a ee 
mehr wie 1 Korn ın: 100 ger. ............... ISoegpeR er. 1029, 7 
Das Maximum betrug: 
beim Rothklee....... = RUE TTEERE 2 72.2.2,2000I Kornn2 100. er. 
Are ‘) 
Weissklee a 20 a ne 
BSchwedklee..ar .......: 2.22.22. 285.0: 1200,49 Freu 


Der verhältnissmässig hohe Procentsatz seidehaltiger Rothklee- 
muster hat seinen Grund darin, dass hauptsächlich des Seidegehalts 
verdächtige Waaren zur Untersuchung gelangen, und ferner Proben 
einer und derselben seidehaltigen Waare, nachdem dieselbe verschiedenen 
Reinigungsverfahren unterzogen worden ist, wiederholt zur Prüfung 
vorgelegt werden. 


Die Herkunftsbestimmungen befassten sich soweit angängig mit 
der Ermittelung des Ursprungslandes vom Rothklee, und zwar handelte 
es sich meistens um die Feststellung europäischer und amerikanischer 
Provenienzen sowie um die Erkennung von Mischsaaten, 


CXXVIH Erster Bericht über die Thätigkeit der Abtheilung für Samencontrole. 


Für die Reimheit und Keimfähigkeit 


ergaben 


sich 


in der 


Berichtszeit die auf nachstehender Tabelle zusammengestellten Minimal-, 


Maximal- und Mittelwerthe. 


Keimkraft 


Reinheit 
| s s| | Ss 
Samenart : B = el = 5 = 
SS 4 E Sahasue = 8 
as E ZN EEE Ei 2 
e — A S| A Ss 

Rothklees.2...e.. e2| ss | 03 | 955 | se | 4114 | 96+3 |85,1+11,2 
Weissklee...... 30 | 70,2 98,6 90,6 | 37 | 20+12 | 98-+2 | 66,7+17 
Bastardklee ...... 15 | 45,7 | 984 | 86,5 | 22 | 18+6 | 9048 | 66-13 
Wundklee..... 7 | 76,7 | 98,15 | 87.1 | 8 | 56+2 | 96+3 | 84,6+3 
Luzerne | 
(südamerikanische) | 3 | 86,4 94 91,1°| 3.) 18 20 1 
luzemer. 0... 1 1 9805 — — 76+23 
Gelbklee ......... 8 | 53 | 9u9 | ez.ı |-9 | 65+7 ! 9742| 79-13 
Serradella........ ı2 | 86,2 | 93,9 | 89,9 | 21 6° | 88 66 
Esparsette ...... — — — -—_ i — — 59 
Nurzelniee. er. = —_ _ 6) 98 2) 92 
Spöreelen en. 3 9 | 992 | 96,1 | 5 40,5 2 291 69,5 
kunkelnz 2.20. = = _ — 10 155 210 167,23) 
Kummelre Zr: 1 — _ Eh! 2 74 59 81,5 
Eucalyptus....... le — -- 1 E= — 82 
N OR 2 | 97 | 65 ar | — | — = a 
Rieinus 2.2.0... 9 oa 7a ae ze = 
BESTE HE ee Eee 24.1.93,7 98,4 | 96,035 | — = —_ — 
Engl. Raygras....| 8 | 84,97 | »9,ı | a8 |ı8 | #7 82 70 
Ttal.Raypras....21 7 81,4 98,6 93,8 | 10 56 87 69,9 
Franz. Raygras . 19 | 56,9 93 Karel) 35 86 69 
Knaulsrasas. 2. 44 | 53,5 | 94,8 83 60 9 94 16 
Timothee . 2248156 99,4 | 96,6 | 26 öl 94 S6 
Honiggras..... 16 | 29 71 54 18 18 62 | 40 
Fuchsschwanz ....| 10 , 65,5 | 894 | 80,1 [| 12 18 90 49 
Schafschwingel ...| 6 | 68 | 839 | 79 | 15 M) 87 60 
Wiesenschwingel.. | 2 97,6 97,9 | 97,85 | 3 0 95 62 
Riesenschwingel .. | — _ — _ 1 — — 37 
Rispengras).... .... 2 | 50,1 59,6 | 54,9 7 4 54 | 74 
Eiorinprase ee 32 1043.2°10.96.6.| 270,1 7 48 9 | 66 
Geruchgras....... 1 — — 70 4 6 69 | 29 
Kammerasıı. 2... 1 — u al 3 4 60 41 
VerwechselteTrespe| 1 _ — 52,8 | 1 —— —_— | 60 
Rohrglanzgras .... | — = — — 1 _ _ | 14 
Gerste re —_ — —_ —_ 1 _ —_ | 98 


ı) Keimpflanzen aus 100 Knäulen, 


Erster Bericht über die Thätigkeit der Abtheilung für Samencontrole. OGXXIX 


Für den Rothklee stimmen die ermittelten Durchschnitts- 
zahlen für Reimheit und Keimfähigkeit recht gut mit den von Zürich 
und Kopenhagen gefundenen 16- resp. 9jährigen Mittelwerthen. 
Weiss- und Bastardklee bleiben nicht unwesentlich hinter den- 
selben zurück. Der Grund hierfür ist darin zu suchen, dass die 
Abtheilung im Anfang ihrer Thätigkeit eine ganze Reihe alter minder- 
werthiger Muster zur Untersuchung erhielt. 

Die Begutachtung der zur Oelgewinnung verwendeten Saaten, 
wie Lein, Ricinus und Sesam erstreckte sich hauptsächlich auf 
die Feststellung der Reimheit; die Sesamsaaten zeigen den höchsten 
Durchschnittswerth mit 96,03 %. Bei diesen wurden ferner noch 
12 Proben m Bezug auf die Farbe der Körner analysirt und zwar 
zum Theil der Procentgehalt an schwarzen resp. dunklen Körnern 
festgestellt, des weiteren aber auch das Verhältniss mehrerer Farben- 
spielarten (weiss, gelb, roth, schwarz) in den Proben ermittelt. 

Die Resultate dieser Oelsaatanalysen werden direct zur Preis- 
bestimmung der Waare verwendet. Bisher wurden diese Analysen 
ausschliesslich im Laboratorium der Oil Seed Association im London 
ausgeführt, und noch heute schreiben die in englischer Sprache ver- 
fassten Kaufcontracte dieser Handelsartikel, deren Hauptmarkt London 
ist, Arbitrage der Londoner Gesellschaft vor. 

Es bedeutet aber für den Hamburger Markt einen nicht 
unwesentlichen Vortheil, am eigenen Platze diese Analysen in einem 
Staatslaboratorium ausführen lassen zu können, zumal da die deutschen 
Colonien recht beträchtliche Mengen dieser Saaten an den Markt bringen. 

Unter den Gräsern gelangten Knaulgräser am meisten zur 
Untersuchung. . Die Resultate liegen zwischen den Züricher und 
Kopenhagener Durchschnittswerthen. Es kommen in Hamburg fast 
ausschliesslich neuseeländische Waaren an den Markt, die sich durch 
gute Reinheit und Keimfähigkeit auszeichnen. Unser Durchschnitts- 
resultat ergiebt einen Gebrauchswerth von rund 70 °o (Kopenhagen 
1884/93 74°, Zürich 1876/90 59% *). Bei guten australischen 
Saaten schwanken Reinheit und Keimfähiskeit zwischen 80 und 94 ®o 
und es sind Waaren mit über 90% Reinheit und 90% Keimfähigkeit, 
also einem Gebrauchswerth von mehr als 81% nichts seltenes. 

Für die andern Klee- und Grassaaten sei hier kurz auf die 
vorstehende Tabelle verwiesen. 


*) Hier drücken die viel unreineren französischen Saaten den Durchschnitts- 
werth beträchtlich herab. 


"XXX Erster Bericht über die Thätigkeit der Abtheilung für Samencontrole. 


Tarif 


für die Abtheilung für Samencontrole. 


(Gebührenordnung des Hamburgischen Botanischen Museums und Laboratoriums 
für Waarenkunde. $ 2. II) 


1) Bestimmung der Echtheit von Gattung und Art....... M 1—3 


2) Bestimmung der Reinheit: 

a. bei Cerealien, Mais, Runkel- und Zuckerrüben, Erbse, 
Bohne, Wicke, Linse, Esparsette, Serradella, Lupine, 
Sojabohne, Sonnenblume, Hanf, Karde, Waid, Riemus, 
Öbstsamen, Palmkerne, Eiche, Buche, Buchweizen, 
Nadelhölzern und "ähnlichen Ze en zer 2 

b. bei Lein, Sesam, Hirse, Raps, Kohlarten, Senf, Dotter, 
Kresse, Cichorie, Zwiebel, Mohn, Nessel, Reseda, Tabak, 
Rothkleerundsähnlichene zes ee 3 

c. bei Raygräsern, Timothee, Spörgel, Möhre, Dill, Anis, 
Kümmel, Rapünzchen, Sellerie, Petersilie, Fenchel, 
Lattich, Birke, Erle, Weiss- und Schwed. Klee und 


ähnlichen . TEE N  o- | 
d. bei Gräsern (mit Ausnahme von Timothee und Ray- 
sräsern), und ahnlichense a pe se a 
3) Bestimmung besonderer Unkräuter: 
a. „der Rlachsserde ...,7 8. mes 5) 
b. der Kleeseide*)...... I allslee SENT RI n 
im Weiss- und Schwed. Klee „ 4 
des; Kleeteufels (Orobanehe) ner... vr rrmeee er ne: 
d. Botanische Analyse (einschliesslich Seidebestimmung) „ 5—25 
4) Bestimmung der Keimkraft: 
a. bei Kleearten, Luzerne, Getreide, Mais, Buchweizen, 
Hirse, Raygräsern, Timothee, Esparsette, Serradella, 
Spörgel, Erbse, Bohne, Wicke, Linse, Lupine, Soja- 
bohne, Raps, Kohlarten, Kresse, Dotter, Senf, Lein, 
Hanf, Karde, Waid, Zwiebel, Cichorie, Mohn, Nessel, 
Reseda; Tabak imndvähnlichene wer rer pe 2 


*) Auf Seide gelangt ausser dem Siebsel der ganzen eingesandten Probe auch 
die auf dem Sieb zurückgebliebene Saat zur Durchsicht, und zwar von 
wothklee 100 gr., von Weiss- und Schwed. Klee 50 gr. Soll mehr ausgelesen 
werden, so berechnen sich 

für Rothklee jede weiteren 100 gr. mit #4 1,50, 
für Weiss- und Schwed. Klee ,, h 50 07: u mn A 


6) 


fd 


w 
. 


Erster Bericht über die Thätigkeit der Abtheilung für Samencontrole. CXXXI 


b. bei Gräsern (mit Ausnahme der unter a genannten), 
Anis, Dill, Fenchel, Kümmel, Möhre, Petersilie, Sellerie, 


Rapünzchen, Lattich, Obstsamen und ähnlichen ..... M 3 
c. bei Birke, Erle, Eiche, Buche, Nadelhölzern und 

See a ne ee da rede nee nit 4 
d. bei Runkel- und Zuckerrüben und ähnlichen ....... ) 


Gewichtsbestimmungen : 
a. des absoluten Gewichts (? Korn im Klo. oder Gew. 


BOB LUDOOE Or ae nl 

be des speeitischem, Gewichte a... = su. ne. en cch 0 

ei dess Volumsewichts u... . en. 22 24. 20%: SPRLTE IR 

Dedesı Wasserechaltsn Vasen aa sen ae 32 
Anleitung 


für die Benutzung der Abtheilung für Samencontrole. 


Die Abtheilung für Samencontrole hat die Aufgabe, Waarenproben 
der gangbaren Sämereien und dergl. zu prüfen, ihren Gehalt an 
wirklich verwendbarer echter Saat und an Verunreinigungen fest- 
zustellen und zu begutachten, um somit dem einschlägigen Handel 
eine auf amtliche Untersuchung gestützte Beurtheilung und Werth- 
bestimmung der vorliegenden Waare zu ermöglichen. 


Die Abtheilung untersucht Waarenproben der oben erwähnten Art 
in der Regel nach Reihenfolge der Eingänge je nach Wunsch des 
Einsenders auf Reinheit, Keimfähigkeit, Gewicht, Echtheit, Gebrauchs- 
werth ete. und erhebt dafür eine für obiges Institut behördlicher- 
seits festgesetzte Gebühr. (Man vergl. Gebührenordnung des 
Hamb. Bot. Mus. und Lab. für Waarenkunde $ 2, IL) 

Die Untersuchungen werden im Allgemeinen für Klee- und Gras- 
samen nach den Methoden und Bestimmungen der Deutschen 
Landwirthschaftlichen Versuchsstationen, für Oelsaaten nach dem 
Muster der /ncorporated Oil Seed Association, London, sowie für 
andere Sämereien nach dem sich aus der Natur der Sache ergebenden 
Verfahren ausgeführt. 

Der Untersuchungsbericht bezieht sich nur auf den Befund der 
eingesandten Probe; die Uebereinstimmung der gelieferten Waare 
mit der Probe kann nur durch Nachuntersuchung emer aus dieser 
vor Zeugen genommenen Durchschnittsprobe ermittelt werden. 


CXXXI Erster Bericht über die Thätigkeit der Abtheilung für Samencontrole. 


5. 


6. 


w 
I. 


8. 


Für die Nachuntersuchung ist bei Klee- und Grassaaten eine 
Latitüde von 5% im Gebrauchswerth im Allgememen festzuhalten, 
bei Seidebestimmungen das Vorhandensein von einem Korn in der 
für eine vollständige Untersuchung geforderten Menge (man vergl. 
$ 6) zulässig. Es empfiehlt sich jedoch die Höhe der Marge in 
den Verkaufsbedingungen besonders festzusetzen. 


Zur Untersuchung sind mindestens einzusenden: 

50 gr. von Grassamen aller Art, Hornklee, Spörgel, Kresse, 
Anis, Dill, Fenchel, Kümmel, Möhre, Petersilie, Sellerie, 
Mohn, Nessel, Reseda, Tabak, Birke u. a.; 

100 gr. von Buchweizen, Hirse, Kleearten, Luzerne, Serradella. 
Esparsette, Wicke, Linse, Raps, Kohlarten, Dotter, Sesam, 
Senf, Rapünzchen, Lattich, Zwiebel, Cichorie, Lein, Hanf, 
Karde, Waid, Erle, Weissbuche, Nadelhölzer u. a.; 

250 er. von Roggen, Weizen, Gerste, Hafer, Mais, Bohne, Erbse, 
Lupine, Sojabohne, Sonnenblume, Runkel- und Zuckerrübe, 
Ricinus, Obstsamen, Eiche, Rothbuche u. a.; 

1'5 Liter zur Bestimmung des Volumgewichts von Getreide etc. 

Zur Entnahme einer zutrefienden Durchschnittsprobe werden 
die Nobbe’schen Klee- und Kornprobenstecher empfohlen. 

Die Art der gewünschten Untersuchung ist beim Einsenden 
der Proben schriftlich zu beantragen. 

Auf Seide gelangt ausser dem Siebsel der ganzen eingesandten 
Probe auch die auf dem Sieb zurückgebliebene Saat zur Durch- 
sicht, und zwar von Rothklee 100 gr., von Weiss- und Schwed. 
Klee 50 gr. 


Die Keimversuche werden abgeschlossen nach vollen 

10 Tagen bei Cerealien, Kleearten, Esparsette, Spörgel, Erbsen, 
Bohnen, Wicken, Linsen, Lupinen, Sojabohnen, Sonnenblumen, 
Raps, Kohlarten, Senf, Dotter, Lein, Cichorie, Hanf, Mohn, 
Tabak u, a.; 

14 Tagen bei Rübenknäulen, Raygräsern, Timothee, Möhren, 
Serradella u. a.; 

21 Tagen bei Gräsern (ausser bei Rispen- und Raygräsern und 

Timothee) u. a.; 

Tagen bei Rispengräsern, Nadelhölzern, Birken, Erlen, Eichen, 

Roth- und Weissbuchen u. a.; 

72 Tagen bei Pinus Strobus, Obstkernen u. a.; 


uQ 
(0 0) 


Auf Wunsch werden zur privaten Orientirung über den Stand 
der Untersuchung vorläufige Mittheilungen gemacht. Für die 


10. 


11. 


Erster Bericht über die Thätigkeit der Abtheilung für Samencontrole. CR 


Keimkraftprüfung können dieselben (Feststellung der Keimungs- 
energie) erfolgen nach 
3 Tagen bei Cerealien, Kleearten, Erbsen, Wicken, Platterbsen, 
Lein, Dotter, Mohn, Brassica, Lepidium, Rettie, Spörgel, 
Cichorie u. a.; 
4 Tagen bei Kürbis, Gurken, Bohnen, Poterium, Spinat, Lupine, 
Buchweizen u. a.; 
5 Tagen bei Beta, Timothee, Serradella, Eibisch, Lotus, Ray- 
gräsern, Wiesenschwingel, Glanzgras u. a.; 
6 Tagen bei Agrostis, Aira, Anthriscus, Möhre, Fenchel, 
Esparsette, Sorghum u. a.; 
Tagen bei Picea, Fuchsschwanz, Ruchgras, Baldingera, 
Deschampia, Trisetum, Poa, Cynosurus, Dactylis, Holcus, 


[: 


rother- und Schafschwingel, Pimpinella u. a.; 
10 Tagen bei Abies, Pinus (ausser P. Strobus), Acer u. a.; 
14 Tagen bei Pinus Strobus u. a.; 
Saaten, die mehr als 20 % fremde Bestandtheile enthalten, werden 
als Gemische betrachtet, und die Untersuchung derselben nach 
der aufgewandten Arbeitszeit berechnet. (Botanische Analyse.) 


Die untersuchten Proben werden ein halbes Jahr aufbewahrt und 
werden nach Ablauf dieses Zeitraumes, sofern sie nicht von den 
Einsendern wieder abgefordert sind, Eigenthum des Botanischen 
Museums. 


Die Zahlung findet für diejenigen Firmen, welche die Abtheilung 
regelmässig benutzen, in zu verabredenden Zeiten statt. In allen 
anderen Fällen sind die Untersuchungsgebühren bei Zustellung 
der Berichte zu begleichen. 


Uebersicht 


der von Ostern 1893 bis Ostern 1894 


gehaltenen Vorlesungen. 


Uebersicht 


der von Ostern 1893 bis Ostern 1894 gehaltenen 
Vorlesungen. 


I. Museum für Kunst und Gewerbe. 
Prof. Dr. Brinckmann, 
im Winter 1893/94: 

i) (im October und November) Ueber 
die Sammlung Spitzer und die daraus 
für das Museum gemachten Ankäufe ; 

2) (von Januar bis März) Geschichte und 
Technik des Kunstgewerbes, Montags von 2"2—53"2 Uhr. 


II. Chemisches Staatslaboratorium. 
Prof. Dr. Dennstedt, 
im Winter 1893/94: 
1) Experimental-Chemie, anorganischer 
here ea en; Donnerstags von 10—12 Uhr; 
2) gemeinsam mit Dr. Eingelbrecht: Prak- 
tische Laboratoriumsübungen, 
nach Uebereinkunft täglich von 9—4 Uhr, 
Sonnabends von 9—2 Uhr. 


II. Physikalisches Staatslaboratorium. 
Prof. Dr. Voller, 
im Sommer 1893: Die physikalischen | 
Eigenschaften der Gase und Dämpfe 
im Lichte der mechanischen Wärme- . 
Freitags von 
theorie, Y 
h F } n N 592, Uhr. 
im Winter 1893/94: Grundzüge der 


Elektricitätslehre, mit Berücksichti- 
gungihrer praktischen Anwendungen, 


IV. Naturhistorisches Museum. 
Prof. Dr. Kraepelin, 
im Sommer 1893: Bau und Systematik 
der luftathmenden Gliederthiere, Montags von 6—7 Uhr; 
im Winter 1895/94: Einführung in die 


ZOO 01er en Sonnabends von 7—8 Uhr. 
k 


OXNXVIN Uebersicht der Vorlesungen. 


Dr. Georg Pfeffer, 
im Sommer 1893: Weichthiere, 2. Theil, 
Montags von 7—8 Uhr; 
im Winter 1893/94: Die Darwin’sche 
Lehre und ihre Weiterentwickelung 
bis auf die jüngste Zeit,...Sonnabends von S—9 Uhr. 


Dr. 0. Gottsche, 
im Winter 1893/94: 
Geologie der cimbrischen Halbinsel, Montags von 7—8 Uhr. 


V. Botanisches Museum, 
Prof. Dr. Sadebeck, 
im Sommer 1893: 
1) Pflanzenkrankheiten,....... .Dienstags von 1—3 Uhr; 
2) Botanisches Praktikum, 
täglich von 10—2 Uhr, ausser Montags; 
3) Botanische Excursionen, 
wöchentlich, Sonnabends oder Sonntags; 
im Winter 1893/94: 
1) Pflanzenkrankheiten, specieller Theil, 
Donnerstags von 1—3 Uhr; 
2) Botanisches Praktikum, 
täglich von 10—2 Uhr, ausser Montags. 
VI. Prof. Dr. Adolph Wohlwill, 
im Sommer 1893: 
1) Deutsche Culturgeschichte im Zeitalter 
vor der französischen Revolution 


(bis? Pnnosten), re 2. Donnerstags von 6—7 Uhr; 
2) Goethe’s Leben und Dichten 1775 bis 
1789 (bis Pfingsten), .........Freitags von 7—8 Uhr; 


3) Historische und litteraturhistorische 
Uebungen. Nach Verabredung; 
im Winter 1893/94: 
1) Hamburgische Geschichte seit dem 
27. Jahrhunderts... 2. Dienstags. von 612—7'2 Uhr; 
2) DeutscheLitteraturgeschichteseit1774, 
Donnerstags von 6—7 Uhr; 
3) Geschichte der franz. Revolution seit 
dem Tode Robespierres, ....Sonnabends von 8—9 Uhr; 
4) Historische und litteraturhistorische 
Üchunsen ame a.: .. „Montags von 6—8 Uhr. 


Uebersicht der Vorlesungen. DOOOBL 


VI. Ausserdem trugen im Auftrage der Oberschulbehörde vor: 
Dr. 2W. Bock, 
im Sommer 1893: Ebene und Raum- 
geometrie, 
im Winter 1893/94: Geometrie der Lage, 


Donnerstags von 
7'a—91 Uhr. 


Dr. E. Hoppe, 

im Sommer 1895: Die geschichtliche 
Entwickelung der Lehre von der | Dienstags 
Elektricität, (von 7"—9'/a Uhr. 

im Winter 1893/94: Die Lehre vom Licht, | 


Dr. J. Petersen: 
Physische Geographie und Geologie des 
Wassers, 


Hofrath Dr. @. Portig, 


im Sommer 1893: 
1) Die Kant’sche Philosophie, .. Montags von 7—8 Uhr; 
2) Schiller m seinem Verhältniss zu 
Goethe, W. von Humboldt und 


Chr. G. Körner, ............Dienstags von 7—8 Uhr; 
3) Lionardo da Vinci, die italienische 
Renaissance-Architektur, ..... Freitags von 7—8 Uhr; 


im Winter 1893/94: 
1) Die pessimistische und die optimistische 
Weltanschauung, ».......... Sonntags von 1—2 Uhr; 
2) Goethe’s Wahlverwandtschaften. Des- 

selben Verhältniss zur Frauenliebe, 

Dienstags von 2'%—3":2 Uhr; 

3) Shakespeare in seinen Tragödien, 

Mittwochs von 2'2—3"2 Uhr. 
Prof. Dr. HZ. Schubert, 

im Sommer 1893: Niedere Analysis, 
Combinatorik und Wahrscheinlich- 
keitsrechnung, 

im Winter 1893/94: Elemente der 
Differential- und Integralrechnung, 


Montags 
von 7Y2— 9Ya Uhr. 


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m. 


Wissenschaftliche Abhandlungen. 


A. 


Die 


Cholera in Hamburg 


und 


ihre Beziehungen zum Wasser. 


Mit 5 Abbildungen im Text und 7 Tafeln. 


Von 


Dr. J. J. Reeincke. 


Be; 


Unter den vielen Fragen der Cholera-Epidemiologie verdient 
die Frage nach den Beziehungen der Krankheit zum Wasser um 
deswillen eine ganz besondere Berücksichtigung, weil die wichtigsten 
Massnahmen zur Verhütung derselben gerade an diesen Punkt 
anknüpfen. 

Dass das Wasser bei dem grossen Ausbruche der Krankheit 
in Hamburg im Jahre 1892 betheiligt gewesen, wird nur von 
Wenigen mehr bestritten, dagegen begegnet man noch mancherlei 
Zweifeln, ob denn auch bei den früheren Hamburger Epidemien ein 
Zusammenhang zwischen Wasser und Cholera vorhanden gewesen. 

Die nachfolgende Darstellung versucht, darüber möglichste 
Klarheit zu verschaffen. 

Als es sich im Jahre 1846 um die erste Anlage der gegen- 
wärtigen Stadtwasserkunst und namentlich um die Auswahl des 
Platzes für die „Stamm-Anlage“ handelte, führte der Ingenieur 
William Lindley in einem längeren Berichte!) an die Bau-Depu- 
tation das Folgende aus: 


„Bei Entwerfung des Planes... konnte kein Zweifel darüber 
obwalten, dass es als eines der Grundprineipien festzuhalten sei, die 
Ablagerungs-Bassins nur dort anzulegen, wo sie das Wasser möglichst 
rein aus dem Strom erhalten können. - Suchten doch schon die alten 
Römer bei Versorgung ihrer Städte nicht nach dem nächsten sondern 
nach dem reinsten Wasser und scheuten selbst grosse Bauwerke 
nicht, wenn dadurch besseres Wasser aus’ der Entfernung zu erlangen 
war. Nur das Mittelalter legte gern alles innerhalb der Ringmauern 
und mitten unter der Bevölkerung an, seien es nun Wasserkünste 
oder Kirchhöfe; erst der Neuzeit ist es vorbehalten, die Bevölkerung 


') Erläuterungen über die Anlage und den Zustand der Stadt-Wasserkunst 
von William Lindley. Veröffentlicht auf Verfügung der Bau-Deputation. 
Hamburg, December 1846. 8. 18. 


1* 


4 Dr. J. I. Reincke. 


von der Nähe der Kirchhöfe und die Wasserkünste von der Nähe 
der Bevölkerung zu befreien. ... Man hatte bekanntlich früher 
allenthalben die Gewohnheit, städtische Abflüsse in das nächste 
Gewässer zu leiten, wenngleich Wasserkünste daraus schöpfen mussten 
und dieses Missverhältniss wurde von Jahr zu Jahr fühlbarer und 
zuletzt unerträglich. .... Ein solches unter unseren Augen ver- 
unreinigtes Wasser kann unseren Ansprüchen an Reinlichkeit nichts 
weniger als genügen und abgerechnet den Widerwillen, den schon 
die Idee erzeugt, wird auch diese Eigenthümlichkeit des Wassers 
wohl von Keinem als der Gesundheit förderlich betrachtet werden. ... 
An manchen Orten, namentlich in London, hat erst der Ekel der 
Kunden und die von Aerzten und Chemikern hervorgerufene parla- 
mentarische Untersuchung und der damit erfolgte Zwang der Behörden 
einzelne Wasserkünste bewegen können, ihre Anstalten, welche der 
städtischen Bevölkerung zu nahe lagen, abzubrechen und in solcher 
Entfernung stromaufwärts neu anzulegen, dass sie das Wasser so 
wie es aus dem Oberlande herunter kommt, liefern konnten.“ 

Auf Grund dieser Erwägungen wurde die Schöpfstelle der 
Wasserkunst bei Rothenburgsort angelegt, wo in jenen Jahren das 
Wasser von allen Verunreinigungen aus Stadt und Hafen frei erschien. 

Wie sehr die allgemeinen Ausführungen Lindley’s gerade 
durch die Hamburger Verhältnisse gerechtfertigt waren, ergiebt 
sich aus dem Folgenden. 

Bis zur Einführung einer systematischen Kanalisation der 
Stadt wurden die Fäkalien theils abgefahren, theils auf verschiedenen 
Wegen mit den Küchen-, Spül- und Scheuerwässern den Flethen, der 
Alster und der Elbe zugeführt. Neben offenen und gedeckten Rinn- 
steinen gab es lokale gemauerte Siele und grosse offene Abzugs- 
kanäle, die zum Theil aus ehemaligen Befestigungsgräben hervor- 
gegangen waren, sogenannte Haasenmoore mit schlechter Spülung. 
Wer an den Flethen wohnte „machte diese ungescheut zum Kon- 
cipienten seiner thierischen Ausleerungen.“ Die Abtritte lagen auf 
Ausbauten, Balkonen und Lauben an den Rückseiten der Häuser 
und entleerten sich direct in das Wasser. Daneben wurden in der 
Nacht viele Nachteimer über die Brücken in die Flethe ausgegossen.") 


Aus diesen so verunreinigten Wasserläufen wurde auch die 
Hauptmasse des Trink- und Nutzwassers bezogen. 


') Vergl. die drastische Schilderung des Hamburger Arztes Rambach. 
Versuch einer physisch-medieinischen Beschreibung von Hamburg. Hamburg 
1501. 8. 48 u. figde. 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. Bi) 


Als das beste Wasser galt allgemein das Elbwasser. 
Im Jahre 1824 schrieb Hübbe,') „Nach einer Vergleichung mit 
den anderen Wassern der Stadt ist das Elbwasser das reinste und 
hat den wenigsten Zusatz an fremden Bestandtheilen. Manche 
Leute lassen es eine Stunde vor der eintretenden Ebbe womöglich 
mitten im Fahrwasser schöpfen, weil es dann am reinsten ist, und 
seihen es durch einen Tropfstein.”) Der Widerwille, welchen Einige 
gegen das Elbwasser wegen der Verunreinigung haben, beruht auf 
einem Vorurtheile. Selbst das Wasser aus den entfernteren nicht 
gar°zu engen oder verschlammten Kanälen ist ganz geruchlos und 
hat keinen Nebengeschmack, wenn es nur zur rechten Zeit geschöpft 
wird. Da man es indessen nicht in allen Gegenden der Stadt haben 
oder das Vorurtheil nicht überwinden kann, so muss man seine Zu- 
flucht zu Brunnen oder zu dem Alsterwasser nehmen“. 

Im wesentlich demselben Sinne sprechen sich Rambach’) 
und v. Hess?) aus. 

Der erstere erzählt, dass manche Hamburger das Elbwasser 
dem besten Brunnenwasser vorziehen. „Manche trinken sogar das in 
den Kanälen stehende Elbwasser, besonders aus denen, wo es sich 
mit dem Alsterwasser mischt, sehr gern, und finden trotz seiner 
mannigfaltigen Verunreinigung viel Geschmack daran. Zum Kochen 
und Brauen gebrauchen die Hamburger es ohne allen Ekel.“ °) 

Seit dem Jahre 1822 ward Elbwasser zur Verbesserung der 
Wasserversorgung auch mittelst einer Wasserkunst in die Stadt 
gepumpt. Schon am 1. Juli 1807 war die Anlage beschlossen worden, 
doch verzögerte sieh die Ausführung in Folge der Nöthe der Franzosen- 


') Hübbe. Ansichten‘ der freien Hansestadt Hamburg. Frankfurt a/M. 1824. 

?) Diese Tropfsteine, welche damals sowohl in Hamburg wie auf Hamburger 
Schiffen sehr verbreitet waren, kommen von den Canarischen Inseln, wo 
sie noch jetzt in allgemeinem Gebrauche sind. Nach v. Esmarch „Ueber 
Wasserfiltration durch Steinfilter, Centralblatt für Bacteriologie Bd. XI No. 17“ 
sind ihre Leistungen vom hygienischen Standpunkte durchaus ungenügend 
und denen der Kohlenfilter gleichwerthig zu erachten. 

Dieses _Urtheil scheint inzwischen durch die schwere Epidemie in Santa 

Cruz de Tenerife im Winter 1593/94 bestätigt zu sein. Wie sehr das 
ursprünglich vortreffliche Wasser der dortigen Leitung unterwegs den gröbsten 
Verunreinigungen ausgesetzt ist, geht aus der Schilderung von Bassenge 
„Ueber die hygienischen Verhältnisse von Santa Cruz de Tenerife“ in der 
Marine-Rundschau, 5. Jahrgang 1594, Heft 2 und 3 hervor. 

"r a0. 028-141. 

‘) v. Hess, Beschreibung von Hamburg. Unveränderte wohlfeilere Ausgabe, 
Hamburg 1824, Bd. I, 8. 142. 

3) Vgl. auch Rambach S$. 128. 


(or) 


Dr. J. J.:Reincke: 


zeit. Diese Bieber’sche Wasserkunst lag am ehemaligen Horn- 
werk in St. Pauli an der auf Tafel I angegebenen Stelle. In zwei 
hart an der Elbe erbauten Bassins, welche bei Fluth, also wenn das 
Wasser verhältnissmässig am freisten von Verunreinigungen war, sich 
füllten, fand einige Ablagerung statt. Dann wurde das Wasser durch ein 
Rosswerk, später mittelst Dampfkraft zu einer Kumme von 141 cbm. 
Inhalt auf der Höhe des Hornwerks emporgepumpt und von dort in 
die Neustadt geleitet, wo sich um 1832 213 von hier aus gespeiste 
Brunnen, darunter 23 öffentliche, befanden.) Ein Rohr ging zu 
einem öffentlichen Brunnen nach der Silbersackstrasse in der Nor- 
stadt St. Pauli, ohne an Private Wasser abzugeben. Im Laufe der 
Jahre ward das Rohrnetz weiter ausgebaut und namentlich auch 
St. Pauli reichlicher versorgt. Die Tafeln I und II zeigen die 
Ausdehnung in den Jahren 1832 bis 1848. Während der 
Epidemie von 1848 speiste das Werk 36 öffentliche und 309 Privat- 
brunnen. Im Jahre 1852 ging diese Wasserkunst in den Besitz der 
Stadt über. Bei der Uebernahme fanden sich in einem thurmartigen 
(Gebäude auf der Höhe mehrere Filter, in denen das Wasser durch 
Elbsand, Kohle und Kies filtrirt wurde. Nähere Nachrichten fehlen. 
Von 1855 an wurde das Rohrnetz von der Stadtwasserkunst aus 
gespeist. 

Nächst dem Elbwasser ward am meisten das Alsterwasser 
geschätzt. 

Drei Alsterwasserkünste, welche bei dem grossen Brande 
von 1842 zerstört wurden, lieferten schon seit Jahrhunderten ver- 
schiedenen Theilen der Stadt das nöthige Wasser. Zwei derselben 
lagen am Oberdamm, dem jetzigen Jungfernstieg, die dritte am 
Niederdamm in der Gegend des jetzigen Graskellers, also im Jahre 
1831 beim Erscheinen der Cholera, schon mitten in der Stadt. Sie 
wurden durch Wasserkraft getrieben und versorgten zusammen etwa 400 
Interessenten. Der Bereich der Leitungen ist auf Tafel I und III 
dargestellt. Sie wurden nach dem Brande interimistisch durch eine 
am Reesendamm aufgestellte Dampfmaschine wieder in Betrieb gesetzt, 
bis auch durch diese Leitungen und zwar seit October 1848 Elb- 
wasser aus der Stadtwasserkunst geliefert wurde.) 


') Näheres bei Neddermeyer.. Topographie der freien und Hansastadt 
Hamburg. Hamburg 1832, S. 179 und bei Gaedechens. Historische 
Topographie der freien und Hansastadt Hamburg. Hamburg 1550, S. 194, 
226, 245 u. Ss. w. 

°) Ueber das Nähere siehe Neddermeyer a. a. 0. 8. 166 flede. und August 
Fölsch. Die Stadtwasserkunst in Hamburg. Hamburg 1851, 8. 4, 7, 8, 9. 


| 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 


Rambach!) berichtet, dass das Alsterwasser nicht so gut 
schmecke wie das Elbwasser. Er erzählt: „In heissen Sommern, 
besonders nach Gewittern, habe ich zuweilen einen höchst ekelhaften 
Geschmack daran bemerkt, den ich von nichts anders herleiten kann, 
als von der oben erwähnten Ergiessung des Haasenmoores in die 
Alster, welche vermöge ihres geringen Stroms die Unreinigkeiten 
nicht so zerstören kann wie die Elbe.”) Das Alsterwasser wird 
übrigens von Vornehmen und Geringen häufig getrunken“. 


Schliesslich gab es Brunnenwasser in Hamburg.”) Da waren 
namentlich mehrere alte Feldbrunnenleitungen, die Quellwasser 
aus der Umgebung der Stadt zuführten. Der Catharinen-Feldbrunnen 
(eingegangen 1871), der von Altona her sein Wasser bezog, der noch 
jetzt bestehende Rödingsmarkt-Feldbrunnen, der am Fusse des Ham- 
burger Berges entspringt, und der gleichfalls noch erhaltene Dammthor- 
Feldbrunnen, dessen eine Zapfstelle als Englischer Brunnen im Eng- 
lischen Hause in der Alten Gröninger Strasse besonders bekannt war. 
Schliesslich der Deichstrassen-Feldbrunnen (eingegangen 1872), der 
nur wenig Wasser lieferte, und in trockenen Sommern seinen Bedarf 
aus dem Stadtgraben, welcher Alsterwasser führte, ersetzen musste.) 
Jeder dieser Brunnen hatte seinen bestimmten und beschränkten Kreis 
von Interessenten. (Siehe Tafel I.) Die Entnahmestellen in den 
Häusern lagen ebenso wie bei den Alsterwasserkünsten und bei der 
Bieber’schen Wasserkunst nie höher als im Erdgeschoss. 


Der geringsten Schätzung erfreute sich das Wasser aus den 
nicht sehr zahlreichen in der Stadt selbst gelegenen Pumpen. Schon 
Menuret°), ein französischer Arzt, der 1797 Hamburg besuchte, 
schildert dasselbe als der Oberflächenverunreinigung stark ausgesetzt 
und schlecht. Rambach erzählt, dass einige Pumpen ein zur Noth 
trinkbares, die meisten aber ein widrig schmeckendes, ganz ungeniess- 
bares Wasser gaben®), und nicht besser urtheilt Hübbe‘). Wir wissen, 


Er 2 2.0.8. 142: 

2) Siehe auch v. Hess a. a. O. Bd. II, Vorrede 8. IX. 

”) Auch hierüber Näheres bei den mehrfach genannten Autoren, namentlich 
bei Neddermeyer. 

Sr Baumhach,a.a. 0.8. 137, 145. 

’) Menuret, Versuch über die Stadt Hamburg in Hinsicht auf die Gesundheit 
betrachtet oder Briefe über die medieinisch-topographische Geschichte dieser 
Stadt, verdeutscht von Herrman. Hamburg 1797. 8. 29. 

5) ar 4. 0,08. 140: 

Dearar 0482150: 


8 Dr. J. J. Reincke. 


es handelt sich um den grossen Eisengehalt unseres Grundwassers, 
der auch jetzt noch so viele unserer Brunnen namentlich die inner- 
halb der Wälle belegenen unverwerthbar macht. 


Hiernach waren alle Stadttheile, welche nicht nahe an der Elbe, 
der Alster oder an den Flethen lagen, in ihrem Wasserbezuge übel daran. 
Das galt namentlich von der hochgelegenen Neustadt. Daher ent- 
wickelte sich hier das einträgliche Geschäft des Wassertragens, durch 
das Hunderte von Frauen ihr Brot fanden.') Sie wurden allmählich 
durch Unternehmer, welche Wasser in Wagen umherfuhren, verdrängt, 
bis auch diese wieder der Bieber’schen Wasserkunst weichen mussten. 
Nur einige dieser Wasserwagen haben sich bis in die Neuzeit erhalten. 
Sie führen jetzt wirkliches Quellwasser aus Brunnen in den Vor- 
orten, während in früheren Jahren neben Quellwasser auch sehr viel 
Alsterwasser geliefert wurde. Rambach erzählt, „dass die Wasser- 
trägerinnen oft das Wasser garnicht da holten, wo man es her haben 
wolle und es sogar öfter aus einem Alsterbrunnen schöpften‘?) und 
Suhr”) berichtet, dass man, „um die Zahl der Schöpfstellen für diese 
Wasserwagen zu vermehren, eimige Durchgänge unter dem Walle 
nach dem Stadtgraben geöffnet habe“. Auch jetzt noch kann 
man aus dem Munde älterer Leute hören, dass die Wasserwagen 
sehr oft ihr Wasser nicht aus Brunnen entnahmen, sondern mit 
dem ganzen Wagen in die Alster fuhren und dort die Fässer voll 
laufen liessen. 


So war beim Ausbruch der Cholera im Jahre 1831 die grosse 
Masse der Bevölkerung, soweit sie «in den niederen Stadttheilen 
wohnte, auf das Elb- und Kanalwasser, soweit sie in den höheren 
Stadttheilen wohnte, vorwiegend auf das Alsterwasser und einzelne 
Brunnen angewiesen. Mit Recht hatte daher Schmidt?) in der 
Begrüssungsschrift für die Deutsche Naturforscherversammlung in 
Hamburg im Jahre 1830 lakonisch erklären können, nachdem er die 
sonstige Ernährung der Hamburger gelobt: „Schlecht ist eigentlich nur 
das Wasser“. Die beistehende Zeichnung nach einem Bilde von Suhr 
aus dem Jahre 1839, die ich der Güte des Herrn Joh. P. Frisch 


1) Menureta.a. 0.8. 27. Hübbea. a. O. S. 250. 
3. Bambach a. a 0.8. 145: 
») Suhr und Hübbe, Der Ausruf in Hamburg. Hamburg 1808. 


») Schmidt, Hamburg in medieinischer und naturhistorischer Beziehung. 


Hamburg 1530. 8. 73. 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 5) 


danke, stellt die Rückseite von Häusern am Altenwall gegen die 
kleine Alster hin dar. Man sieht die Ausbauten und Balkone, auf 
denen die Aborte lagen, unten am Wasser zwei Wäscherinnen und 
dazwischen den Eimer am Strick, mit dem das Wasser in die oberen 


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Etagen hinauf geholt wird. Aehnliche Scenen hat man noch bis in 
die fünfziger Jahre und selbst später vielfach sehen können. Auf 
den Elbkähnen im Hafen und in den Flethen kommen sie mutatis 
mutandis noch jetzt vor. 

Nur die Wohlhabenden!) hatten für Geld aus Feldbrunnen- 
leitungen oder durch Wasserträger Brunnenwasser, das in dem letzteren 
Falle in hölzernen Tonnen in den Häusern aufbewahrt wurde. 


!) Siehe darüber Rambach, a. a. O. S. 145, 


10 Dr. J. J. Reincke. 


Als die Cholera zum zweiten Male in Hamburg erschien, im 
Jahre 1848, hatte sich inzwischen manches geändert. Der ganze 
abgebrannt gewesene Theil der Stadt war jetzt mit Sielen versehen, 
die in die Elbe entwässerten. Die vereinigten Alsterwasserkünste 
lieferten noch während der ersten Hälfte der Epidemie Alsterwasser, 
dann seit October Elbwasser, die Bieber’sche Elbwasserkunst war 
weiter ausgedehnt worden und daneben war im Osten der Stadt die 
Smith’sche Wasserkunst entstanden.!) Sie war zuerst an der 
Binnenalster, an dem damaligen Holzdamm, als „Felsenwasserkunst“ 
angelegt, sogenannt, weil eine gewisse Reinigung des Wassers zwischen 
Steinen stattfand. Später im Anfange der vierziger Jahre hatte sie 
ihre Entnahmestelle nach der Elbe auf dem Grasbrook verlegt. Sie 
versorgte mit höherem Druck als die Bieber’sche Kunst einige östliche 
Stadttheile und St. Georg und zwar mit ungereinigtem Wasser. 
Der Bereich ihres Rohrnetzes und die Lage ihrer Schöpfstelle ist 
aus Tafel II ersichtlich. 1853 ging auch sie in den Besitz des 
Staates über. 

Dazu kam die Stadt - Wasserkunst in Rothenburgsort, ?) 
die im October des Jahres 1848 das erste Wasser zur Stadt lieferte. 
Erst am Ende des Jahres scheint die regelmässige Versorgung 
begonnen zu haben. Das Wasser wurde während der Fluth der 
Elbe entnommen und abgelagert, ehe es zur Stadt geschafft wurde. 
In den Häusern der Stadt aber gelangt es auch jetzt noch nicht 
direct aus den Leitungen zum Konsum, sondern zunächst in Reservoire, 
sogenannte Wasserkasten, die oft an recht warmen Plätzen stehen 
und gegen Verunreinigungen nicht immer geschützt sind. 

Bei allen späteren Epidemien war die ganze Stadt mit 
Leitungswasser aus der Elbe versorgt und seit dem Jahre 1871 auch 
von der einen Entnahmestelle in Rothenburgsort aus. Bis dahin 
hatten noch die Pumpen der vom Staat übernommenen Smith’schen 
Wasserkunst gearbeitet. 

Mit dem Wachsen der Stadt dehnte sich in den folgenden 
Jahrzehnten auch das Leitungsnetz immer weiter aus, wie dies in 
Tafel III des Näheren dargestellt ist. Als Stufen der Darstellung 
sind die Hauptcholerajahre 1853, 1859, 1866, 1873 und 1892 
gewählt worden. 

Ohne Zweifel blieb während dieser Jahre die Beschaffenheit 
des gelieferten Wassers nicht andauernd die gleiche. Wie der Ausbau 
der Wasserkunst, so wurde gleichzeitig auch der nach dem Brande von 


NiGaedechens, 2.4.0.8. 231. 
2) ,Eölsch a. a. ©. S. 10. 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 11 


1842 begonnene Ausbau der Siele immer weiter gefördert und in Folge 
dessen der Elbe immer mehr Unreinigkeit zugeführt, während die 
Alster und die Flethe reiner wurden. Das wurde der Wasserkunst 
besonders gefährlich, nachdem durch den Durchstich der Kaltenhofe 
(vollendet 1879) eine viel mächtigere Entwicklung der Fluthwelle 
nach oben bewirkt und im Zusammenhang mit dem Zollanschluss 
(Beginn der Bauten 1883) alle Verunreinigungen aus Stadt und Häfen 
der Schöpfstelle sehr viel näher gebracht worden. Die ganze 
Bebauung rückte weiter stromaufwärts, es entstand ein Schwemmsiel 
auf der Veddel, die gesammten Häfen wurden erheblich nach oben 
verlegt. So ging das was Lindley angestrebt und bis zu einem 
gewissen Grade auch erreicht hatte, allmählich wieder verloren. 
Gleichzeitig mit dieser Verschlechterung des Rohwassers ward die 
Ablagerung desselben in den Bassins in Rothenburgsort wegen Zu- 
nahme des Verbrauches allmählich immer kürzer und schliesslich 
ganz illusorisch. Erst im Mai 1893 erfolgte die Höherlegung der 
Schöpfstelle und der Beginn der Sandfiltration. 


Nicht unwesentlich anders gestalteten sich alle diese Dinge 
in der Nachbarstadt Altona. 


Altona liegt höher als irgend ein Theil Hamburgs auf der 
Geest, die dort steil zur Elbe abfällt. Nur eine Strasse zieht sich 
unten am Fusse des Abhanges längs der Elbe hin, Kanäle giebt es 
nirgends. Daher konnten nur die an der Elbseite gelegenen Häuser 
dieser einen Strasse, der Elbstrasse, in den Fluss entwässern, übrigens 
bestand durchgängig Abfuhr bis zur Erbauung von Schwemmsielen 
in den Jahren seit 1857. 


Bei der Wasserversorgung konnte Flusswasser unendlich viel 
weniger in Betracht kommen als in Hamburg. Die Elbe war nur den 
in nächster Nähe Wohnenden zugänglich, die Alster oder ein anderer 
Wasserverlauf nicht erreichbar. Dafür gab es früher recht viele 
Pumpen, die ein gutes, hartes Wasser lieferten. Dieser grössere 
Reichthum Altonas an gutem Quellwasser mag theils dadurch begründet 
sein, dass Altona viele grosse Gärten hatte und sehr viel weitläufiger 
angelegt war, als die ehemalige Festung Hamburg mit ihrer sehr 
diehten Bebauung und Bepflasterung, theils durch einen grösseren 
Wasserreichthum dieses Theiles des Geestrückens an sich. Der 
Hamburger Catharinen-Feldbrunnen kam vom Altonaer Gebiet, noch 
jetzt finden sich sehr ergiebige Quellen am Elbabhange gleich hinter 
Altona in und unter dem Donner’schen Garten, an vielen Stellen 
der Stadt gab es kleine Teiche und öffentliche Brunnen. In einer 


12 Dr. J. J. Reincke. 


General-Feuerordnung vom 3. October 1765!) wird eine grosse Reihe 
derselben aufgezählt. Eine besonders ergiebige Quelle auf der 
Neuenburg ward 1719 gefasst und zu einer Wasserleitung benutzt, 
welche die östlichen Strassen der Stadt längs der Grenze von 
St. Pauli und im Süden den Fischmarkt und die grosse Elbstrasse 
bis zum Fischerplatz versorgte. Erst als mit dem Sielbau begonnen 
wurde, fingen diese Quellen an nach und nach zu versiegen und 
Ende 1884 wurde das Bassin zugeworfen.”) 

Neben den Brunnen gab es einzelne Wasserwagen, die aber 
nicht Trinkwasser umherfuhren sondern weiches Nutzwasser, nament- 
lich zum Waschen, und zwar Elbwasser, da das Brunnenwasser dafür 
zu hart war, und da die in jedem Hausstand reichlich vorhandenen 
Regentonnen oft den Bedarf nicht deckten.”) 

So warin Hamburg das Wasser, was besonders bezahlt werden 
musste und daher den Unbemittelten oft völlig fehlte das eigentliche 
Trinkwasser das Brunnenwasser, in Altona dagegen war der Luxus- 
artikel, der besonders bezahlt werden musste, das Flusswasser. 

Natürlich war das ein Unterschied, der nicht der politischen 
Grenze folgte. Aehnlich wie Altona werden sich auch weite 
Gebiete Hamburgs verhalten haben, so namentlich die damals noch 
sehr dünn bevölkerten jetzigen Vororte, bis zu einem gewissen 
Grade auch die Nordertheile der Stadt und St. Georg’s und grosse 
Theile St. Pauli’s. 

Eine Aenderung trat erst am 4. August 1859 ein, dem Tage 
der Eröffnung des Altonaer Wasserwerkes, das unterhalb der Stadt 
bei Blankenese sein Wasser der Elbe entnimmt. Im Gegensatze zu 
Hamburg ward hier das Wasser von Anfang an durch Sand filtrirt; 
doch würde man irren, wenn man annehmen wollte, dass das Filtrat 
dauernd den Anforderungen entsprochen hätte, welche jetzt gestellt 
werden. Ohne Zweifel werden die Blankeneser Filter wie alle neuen 
Filter in den ersten Monaten nach Eröffnung des Betriebes ungenügend 


') Anzeige derjenigen Wasser-Oerter in der Stadt Altona, wo bei etwaigen 
Feners-Brünsten die Wasser-Anbringer angeleget und gebrauchet werden 
können. Altona 1765 bei Conrad Jacob Spieringk. 

?) Allergnädigst - confirmirte Brunnen-Articul, welche von denen itzgesammten 
Interessenten der auf hiesiger sogenannten Neuenburg angehenden und bis 
auf den hier belegenen Fisch-Markt geführten Wasser-Leitung zu einer guten 
und festen Ordnung, beliebet und errichtet. Altona 1722. 

Diese Drucksachen befinden sich in der Sammlung des bewährten Altonensien- 
Kenners und Sammlers Herrn Adolph Möller in Altona, dem ich auch 
viele mündliche Mittheilungen danke. 

3) Siehe darüber auch: Kümmel, die Wasserkunst Altona, Hamburg 1561 3. 6. 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 13 


gearbeitet haben, und aus späteren Jahren liegen mannigfache Nach- 
richten vor, die über Störungen im Filterbetriebe berichten.') Scheute 
man sich in den ersten Jahrzehnten des Bestehens der Werke, wo 
man die Gefahren des unfiltrirten Wassers noch nicht kannte, doch 
auch nicht, gelegentlich unfiltrirtes Wasser in die Leitung zu lassen. 
Selbstverständlich fehlen dieser zweitältesten Filtrationsanlage in 
Deutschland auch alle neuen Einrichtungen zur grösseren Sicherung 
einer gleichmässigen Filtrirgeschwindigkeit, und die neuen Betriebs- 
methoden sind ebenso wie in andern Deutschen Städten auch hier erst 
in dem letzten Jahre eingeführt. Immerhin war das Altonaer Leitungs- 
wasser, obgleich es aus dem Strom geschöpft wird, nachdem er die 
sämmtlichen Sielausflüsse beider Städte aufgenommen hat, jeder Zeit 
ungleich besser als das Wasser der Hamburger Leitung; auch 
fehlen in den Altonaer Häusern fast durchgehend die Wasserkasten. 

Bei dem beide Städte umgebenden Landgebiet ist in Bezug 
auf die Wasserversorgung scharf zwischen Geest und Marsch zu 
unterscheiden. Auf der Geest wenig Wasser und fast nur aus 
Brunnen, in der Marsch rings umher Wasser und fast gar kein Brunnen- 
wasser. Tafel IV giebt das Bild eines Marschdistrictes, eines Theiles 
der Insel Finkenwärder. Vor dem Deich der freie Strom und im 
Vorlande die bei Fluth von der Elbe gefüllten Gruben und Gräben, 
hinter dem Deich in lang gestreckter Reihe die einzelnen Häuser, 
hinter den Häusern die Wetterung, die Bracks und die feuchten 
Marschwiesen mit ihren Gräben. Zwar giebt es Brunnen, aber sie 
sind so eisenhaltig, dass man sie nur für das Vieh benutzen kann. 
Die Bevölkerung ist auf Regenwasser angewiesen oder auf das 
Wasser des Stroms und der Gräben, die Unreinigkeiten aller Art 
einschliesslich Fäkalien in sich aufnehmen. Mehr oder minder sieht 
es so in allen Marschdistrieten aus, deren Ausdehnung in der Nähe 
Hamburgs auf Tafel V erkenntlich ist; so auch war es bis zur 
Epidemie von 1873 hin in den jetzt in die Stadt aufgenommenen 
und aufgehöhten Marschdistrieten des Stadtdeichs, des Billwärder 
Neuendeichs u. s. w. 

Und nun zur Cholera. 


 Reincke, deutsche medieinische Wochenschrift 1885, S. 643. Wallichs, 
ebenda, 1891, No.25. Reincke, der Typhus in Hamburg, Hamburg 1390, 
S. 35 u. figde. Koch, Wasserfiltration und Cholera, Zeitschrift für Hygiene 
und Infeetionskrankheiten, 1593 Bd. XIV. 


14 Dr. J. J. Reincke. 


1831) 

Nach verschiedenen zweifelhaften Erkrankungen?) und nach 
einem vielumstrittenen Falle auf einem Elbkahn in Geesthacht 
mehrere Stunden oberhalb Hamburgs am 2. October, der nach dem 
Obductionsberichte als Peritonitis®) aufzufassen sein dürfte, ereignete 
sich der erste ausgesprochene Fall am 6. October in der Nieolai- 
strasse im „tiefen Keller“, einer „berüchtigten“ Bettlerherberge, in 
welcher sich damals 50 bis 60 Insassen männlichen und weiblichen 
Geschlechts befanden. Das Lokal, das wenn auch umgebaut und in 
anderer Verwendung noch jetzt erhalten ist, liegt am steilen Geest- 
abhange der Neustadt. So kommt es, dass man vom Strassenein- 
gange drei dunkle Treppen hinabsteigt und dann doch wieder an 
khäume kommt, welche vom Tageslicht erhellt sind und dass man von 
diesen wieder ins Freie tritt. Der damalige Zustand dieser Wirthschaft 
und seiner Insassen wird von allen Berichterstattern in den denkbar 
ungünstigsten Farben geschildert. Der Erkrankte war ein früherer 
Steuermann, jetzt Kartenleger und Bettler, dazu starker Branntwein- 
trinker und 67 Jahre alt. Er besuchte die an der Holzbrücke, 


Brooksbrücke und den Vorsetzen landenden Fisch-, Kartoffel- und 
Kohl-Ewer. 


') Frieke. Geschichtliche Darstellung des Ausbruches der asiatischen Cholera 
in Hamburg. Hamburg 1531. Dasselbe mit einigen Veränderungen und 
einem Briefe an Dr. Gerson in: Gerson und Julius Magazin der aus- 
ländischen Litteratur der gesammten Heilkunde und Arbeiten des ärztlichen 
Vereins zu Hamburg. Hamburg 1831, Bd. 22, S. 355. 

Zimmermann. Die Cholera-Epidemie in Hamburg während des Herbstes 
1531. Hamburg 1831. 

Derselbe, Nachtrag zu der geschichtlich-medicinischen Darstellung der 

‚ Cholera-Epidemie in Hamburg im Herbst und Winter 1831/32. Hamburg 1832, 

aus Gerson und Julius Magazin 1832, Bd. 23, 8. 390. 

Buchheister und Noodt. Erfahrungen über die Cholera asiatica in 
Hamburg im Herbst 1831. Altona 1832. 

’) Rothenburg. Die Cholera-Epidemie des Jahres 1832 in Hamburg. Hamburg 
1356. (Auch in der Zeitschrift für die gesammte Mediein. Hamburg 1836. 
Bd. 2, S. 401.) berichtet S. 10: 

„Dass im Sommer 1831 vor dem wirklichen Ausbruch der Cholera einzelne 
Fälle hie und da vorkamen, welche ganz gewiss für Cholera erklärt worden 
wären, wenn wir sie hier damals schon gekannt hätten und nicht Jeder, dem 
ein solcher Fall vorkam sich gescheut hätte, ihn für asiatische Cholera zu 
erklären in Berücksichtigung der Folgen, welche eine solche Erklärung nach 
sich gezogen hätte.“ 

») Siehe namentlich Zimmermann. Die Cholera. 8. 23 und Fricke’s Brief 
an Gerson a. a. 0. S. 469. 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 15 


An diesen Fall schlossen sich bis zum 11. October 9 weitere 
Erkrankungen in denselben Räumen. Dann wurde der gesammte 
Keller evacuirt und seine Insassen in das Hanfmagazin in St. Pauli 
versetzt, wohin auch die evacuirten Insassen aus andern ähnlichen 
Bettlerherbergen gebracht wurden, so dass am 12. October schon 213 
Menschen dort untergebracht waren, „bestehend aus Bettlern, Herum- 
treibern, Vagabonden (die Erwachsenen alle grosse Säufer) u. s. w. 
jeglicher Art, Geschlechts und Alters“. Unter diesen kamen dann noch 
27 Erkrankungen an Cholera vor. Etwa 14 Tage später brach unter 
ihnen Fleckfieber aus, das nahe an 100 Personen ergriff. Die sanitären 
Zustände auch dieses Hanfmagazins scheinen nicht die allerbesten 
gewesen zu sein.') 

Unabhängig von dieser Erkrankungskette waren inzwischen auch 
in andern Theilen der Stadt Erkrankungen vorgekommen, räumlich 
weit getrennt und ohne nachweisbaren Zusammenhang unter einander. 
In der nachfolgenden Tabelle gebe ich die ersten vierzig Fälle nach 
Fricke, auch mit den von Fricke denselben gegebenen Nummern. 


u. | = e= | 
A|:$ ze Ay nn 
= | e an Name en) | E | Beruf Wohnung Bemerkungen 

4 | BE Nahre | > | 

1 | 5. Oct. | Petersen | 67 | m. | früher Steuer- Nieolaistrasse, +6.0ct. Starker Alcoholist, be- 
| | mann 'Neustadt-Südertheil,| suchte die an der Holzbrücke, 
| jetzt Bettlerund Tiefer Keller Brooksbrücke und den Vor- 
| ' Kartenleger setzen landenden Fisch-, Kar- 
, | toffel- und Kohl-Ewer. 

2 \ 7. Oct. | edel | 25 | w. | Puella publica | wie Nr. 1 7 7.0Oect. Alcoholistin. Hatte den 
| | vorigen bei seinem Kranken- 
| | | | | lager gewartet. 

3| „ | Summers | 37 | m. | Ewerführer- wie Nr. ] 7 9. Oet. Bei der Erkrankung total 
| | | knecht betrunken. Begleitete Nr. 1 auf 

| seinen Streifereien und wartete 
| | ihn während seiner Krankheit. 

4 Heuer | 34 | m. | Arbeiter Langergang 60 7 8. Oct. Arbeitete auf der Schiffs- 


| 8. Oct. | 


| 
| 
| 
| 


') Buchheister und Noodt, a. a. 0. 8. 125. 


zimmerwerft von Meyer auf dem 
Hamburger Berge St. Pauli. 
Trank. Auf dem auf der Werft 
liegenden Schiff „Gloria Deo“am 
16. Oct. ein Fall. 


Zimmermann, die Cholera- 


Epidemie, S. 50 und Nachtrag S. 20. Schmidt, der Typhus carceralis 


contagiosus in Hamburg 
carceralis contagiosus in Hamburg. 
gesammten Heilkunde. 


und Fallati: 


Mittheilungen aus 


Gesellschaft in Hamburg. Bd. 2, Hamburg 1833, 8. 243, 


Bemerkungen über den Typhus 


dem Gebiete der 


Herausgegeben von einer medicinisch - chirurgischen 
261. 


16 Dr. J. J. Reincke. 


= = = Name < = | Beruf Wohnung Bemerkungen 
See == Jahre = | 
5 | 8. Oct.| Denker | 42 | w. |  Wäscherin B. d. Mühren 54, + 8. Oct. Die Strasse liegt am 
| | | ‚ Altstadt-Südertheil |  Fleth. 
nr  nClasısen | 45 | m. Steinsetzer Dovenfleth, 7 8.0ct. Die Strasse liegt am 
| ‚ Altstadt-Südertheil Fleth. 
7 > Plagemann | 46 | w. | Bettlerin | wie Nr. 1 79. Oct. Alcoholistin. 
DE, Siemann | 43 | m. | Bettler | wie Nr. 1 14. Oct. Alcoholist. 
OU nun Engelund | 22 | m. | Schwedisches | Niederhafen |r 14. Oct. Schiff am 14. Sept. aus 
| Schiff „Atlas“ Bahia eingetroffen. Erund die 
| | | übrige Schiffsmannschaft ausser 
| | | | ' Communication mit dem Lande 
| | | bis 10. Oct. Durchfälle seit 
| | | 1. Oct. (), am 8. Verschlim- 
| | | | | merung. Später 20.—23. Oct. 
| | | ' 1 schwerer und 2 leichte Fälle 
| | IA | auf demselben Schiffe. 
10 a nDebersen ' 36 | w. , Arbeiterfrau | wie Nr. 1 | Genesen. 
11 9. Oct.| Pohlmeyer | 51 | m. | Schneider | Gr. Bäckergang, | +9. Oct. 
| | | | Neustadt-Südertheil | 
12 »„ \, Wienicke | 37 |m. | Krüger | Dovenfleth, 7 9. Oct. Immer sehr schwächlich. 
| | | Altstadt-Südertheil Die Strasse liegt am Fleth. 
13,10. Oct. Döscher | 83 | m. | früher | Baumwall, 7 10.0ct. Die Strasse liegt am 
| | '  Marqueur  Neustadt-Südertheil| Hafen. 
14 | 4 | Brandes | 22 | m. | Rademacher- | Dienerreihe, |Genesen. Die Strasse lag nahe 
| | geselle Altstadt-Südertheil am Fleth. 
15 ı Wagner ı 34 m. , Arbeitsmann | Brook, +10. Oct. Die Strasse lag am 
| | | | Altstadt-Südertheil  Fleth. 
162. 00%, Privatkranke | ? | w. ? Bei der Kunst Genesen. Die Strasse lag in der 
| | Gegend des jetzigen Jungfern- 
| stieges. 
17| „ | Garren | 85 | w. ? wie Nr. 1 +11. Oct. 
O2] 5, Christiansen] 43 m. Haartuch- Nicolaistrasse, +14. Oct. 


fabrikant | Neustadt-Südertheil 
19 | Der unter dieser Nr. aufgeführte Fall hat sich später als keine Cholera herausgestellt. 


20 |10. Oct. Bräutigam ı 49) m. |Kutscherknecht| Herrengraben, |7 12. Oct. Die Strasse liegt am 
| 'Neustadt-Südertheil|  Fleth. 
21 | = | Unzen | 65 | m. , Kohlenmesser Brauerknechts- 11. Oct. Nach seinem Beruf 
| L | | graben, höchstwahrscheinlich am Wasser 
| | | ' Neustadt-Südertheil' beschäftigt. 
22 11. Oct. Privatkranke 492 wa ? | wie Nr. 21 ır 11. Oct. Anscheinend andere 
| | | | | ' Wohnung als Nr. 21. 
23 „|, Burmeister 54 | m. | Mauwer- | wie Nr. 21  |+11. Oet. Anscheinend andere 
| | | | handlanger Wohnung als Nr. 21. 
DAN | Trainkneht | ? |m. | Artillerie- | Kamp, +11. Oct. 
| | | caserne \Neustadt-Nordertheil 
| | 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 


A | 8 |=# 
r 5 En Name ‘|s Beruf | Wohnung Bemerkungen 
3 eS] = Jahre & | 
25 \ıL1. Oct. ? ? | m. | Tagelöhner 3. Elbstrasse, + 25. Oct. Insasse einer Bettler- 
Neustadt-Nordertheil _herberge. 
26 E ? om Seifensieder Gerkenstwiete, |7 11. Oct. Strasse nahe einem 
Altstadt-Südertheil  Fleth. 
© A Wittschief 98 | m. Schneider Bei den Mühren, | 11. Oct. Strasse liegt an einem 
Altstadt-Südertheil Fleth. 
28 = ? Em. Seemann Uremon, Genesen. 
Altstadt-Südertheil 
29 h ? 69 | w. ? Grossneumarkt, | + 12. Oct. 
| | Neustadt-Nordertheil 
30 > Reuter 53 | m. Schlosser wie Nr. 1 + 13. Oct. Seitlängerer Zeit ausser 
| Arbeit. 
ol e ? 53|m Arbeitsmann | Beim Zippelhause, 7 13. Oct. Die Strasse lag am 
| Altstadt-Südertheil Fleth. 
32 er! ? 45 | m Tapezier Hähnkentwiete, | 7 12. Oct. Die Strasse lag nahe 
| Altstadt-Südertheil | am Fleth. 
39 i ? 26 | w. Plätterin | Stadtdeich,  Genesen. Die Strasse liegt am 
| St. Georg Oberhafen. 
34 r Privatkranke 2 cm: ? | Neuerwall, Genesen. 
‚Neustadt-Nordertheil 
35 |12. Oct.) Bevern 50 | m Glaser | Brook, [7 12. Oct. Die Strasse lag am 
| ' Altstadt-Südertheil |  Fleth. 
or, ? ? | m. | Steuermann Dänisches Schiff | 7 12. Oct. 
| | | „Friederich“ 
37 Wen ? 55, m. Makler ı  Fischertwiete, 7 13. 0ct. Die Strasse liegt unweit 
| | | ‚Altstadt-Nordertheil) der Flethe. 
35 ? 52 m. | Zuekersieder | Bei den Mühren, |+ 12. Oct. Die Strasse lag am 
| | Ion «  Altstadt-Südertheil | Fleth. 
39 | ;, | ? a lEme | Schauermann | Hamburger Berg, | 12. Oct. Nach seinem Beruf auf 
| | | | St. Pauli dem Wasser beschäftigt. 
40 " Uhl 22 m Schumacher- Pinnasberg, ır 12. Oct. Die Strasse liegt hart 
| geselle St. Pauli an der Elbe. 


Nach dieser Uebersicht kommen von den 39 Fällen (Fall 19 


ist nicht mitgezählt) 8 auf den tiefen Keller (No. 1, 2, 3, 7, 8, 10, 30), 
6 auf Schiffer oder Arbeiter an und auf dem Wasser (No. 4, 9, 21, 
28, 36, 39), 16 auf Leute, welche am Wasser oder ganz nahe dem- 
selbenswohnen. (No= 5516,.12,,.13,..14, 15,-20, 26,127, .31, 32; 33, 35, 


37, 38, 40), 3 


39 


höhe wohnen (No. 16, 18, 24, 25, 29, 34). 


auf Leute, welche unfern der Elbe wohnen (No. 11, 
23) und 6, welche in entfernten Stadttheilen oder auf der Geest- 


18 Dr. J. J. Reincke. 


Der weitere Verlauf ergiebt sich aus den folgenden Tabellen: 


Ne nn | Ss Woche En oe 
Transport.. | 874 455 

5. Oct. —.11. Oct. 34 19 30.Nov. — 6.Dee. 15 9 
TO SE nn let: Dear 7 12 
19, 5 25... 1.2690 7188 eur 5 2 
DDR ENowSR 1505 ee 12 5 
DNoye 8 10. 1080) 2492 0|.08 729 = en 4 
Ole. D20 | 2402 4..Jan.— 10. 6 7 
N Son a ee 7 3 
De RT 2 1 
Transport..| 874 | 455 Summe..| 940 | 498?) 


Diese 940 Erkrankungen vertheilen sich nach Zimmer- 
mann?) in folgender Weise: 
Jetzige’) Altstadt-Nordertheil: 


8 Zahl Zahl 

Strasse der Strasse der 

ı Fälle Fälle 
| Transport...., 21 

Ndolphsplatzeene een, 2: Bauhof, bei dem .......% 5) 
Aisterktonien a erree 0 Beckmacherstrasse ............. (et 
Kiterwal ee ea IBrEIGestraSsC Her ae] 
Bäckerstrasse, kleine........... | 2 Breitenoiebel. %. 1.0.22 er | 93 
Barkhioßfgrossen .. er ne 4 Deichthot See 2.2 Lupe 1 
Transport....| 21 Transport. ... | 38 


') Die hier sowohl wie bei den späteren Epidemieen mitgetheilten Zahlen stimmen 
nicht immer mit früher anderweitig veröffentlichten Zahlen (Hamburg in 
naturhistorischer und medicinischer Beziehung, Festschrift zur Naturforscher- 
versammlung 1576, Hamburg 1876, S. 183, und Reincke, der Typhus in 
Hamburg, Hamburg 1590, S. 71). Wie die verschiedenen Angaben ent- 
standen sind, hat sich nicht genau feststellen lassen. 

MwNachtrag?a. 2.025.232: 

°) Bei Mittheilung der Strassenlisten aus den einzelnen Epidemieen ist der 
Jetzigen Eintheilung der inneren Stadt gefolgt worden, deren Grenzen sich 
aus den Darstellungen der Epidemieen von 1573 und 1592 auf Tafel VII 
deutlich ergeben. Sonst haben bis einschliesslich 1866 die Angaben nach 
der alten Eintheilung gemacht werden müssen. Die neue Eintheilung unter- 
scheidet sich von der alten nur dadurch, dass früher die Grenze zwischen 
Nordertheil und Südertheil der Altstadt wesentlich nördlicher lag: längs des 
Strassenzuges Steinstrasse, Speersort, Rathhausstrasse, gr. Johannisstrasse, 
gr. Burstah, Graskeller. 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 


Strasse Strasse 

Transport....| 33 Transport... 
EEE. Be RE 1 Daylstrasse ns... rn en! 2 
IDEGENKIONSHAUS „a... 1 Belzerstrassehr.. ee 1.22 
INTECRWall 2. een 3 Peter, St. hinter „na aan 2 
BArmDuSchWer near: 2 Betrikirches bei der ..u......... 1 
uschertwiete,. 11: 30n228 N 3 Pferdemarkt. 00.204 nenn $) 
PiSchmarkti. ana 2 Bumpen, bei. den... „ne... 19 
'Fuhlentwiete, altstädter ........ 2 Rosenstmasse rs me Sen 
IseobikirchHof......2.200.22 8000. 1 Schlachterstrasse.... . u... ..... 1 
Johannisstrasse, grosse ......... 1 Seheelenpane Pr um. Wn...te. 2 
IRSTREEDEI N en ee 3 Schmiedestrasse. ............... en; 
Kunstebeisder 3,2 22... 2.2.8: 1 Sehwememankt ran... 1 
Kurzes waere 2.0 1 Stävenpfortenr..er een. | 
Üilienstrasser.g:4522.2 un.22r. 2 Spitalerstrasser. =. een nse.. I 6 
Eömbardswalli .......... 4% se #; 1 Springeltiwieter. 2 ee 8 
MieRSberoa ne ne ir 2 Springeltwiete, neue ........... ee: 
Mönkedamm.......... ENTE 5 SE ga: 
Mühlenbrücke, bei der ......... 2 STEIN LEASSIeL dee 
MURTENSSKUTZEnS ...... 2 beten 5) Voglerswalle. 2.2.0... .: 2m: 1 2 
Mubren, lan@eı. „u... su. 4 Wache. ee ee astere IRRE | 
Neustrasse, altstädter........... 4 Zuchthaus ee ars 1 
NVedernstrassernndchsens.ton: 15 Zuchthausstrasse... ..... 2.0008 ESh: 

Transport... 91 Summe....' 173 

Jetzige Altstadt-Südertheil: 
Transport..... 91 

Snnenplatz, St, .u.scnsseeucne. DE Grasbrooker seta nd 102 
Boden, hinter dem ............. SEN NE Grraskellen ge Se .. Re 
Borse, beider alten ...... ; l Gröningerstrasse ......2.2.... me 
Brandstwiete, zweite........... Sl Hankentwieter 2.2... 5, | 4 
IE ee ee Be) Heiligengeistkirchhof........... ! 
IBEDOKSTAVENE .... 2.2 3 Herrlichkeit sea 2: Sr | 2 
Baestahr STOSSET.... 2.2... w200c 1 Holländischer Brook............ et 
A Re SE 2 Huber ur re I 
Meichstrasse.- nucenaee cars. I I Kajenst. reed 2 
Dienerreiher er... 5. 2.023 yaskanıms b) Kajen Binnen... 2 
Doventleth. 4... 16 Rehr wieder. ers. : 1 
Brieus, Hospital: 2............:: 3 Kinbeltwieter a. ra ser na 
Bletheklemesege men... 7 Bempkentwieter sr we | 
Gerkenstwieter ae een. 5 Lembkentwiete, hinter der ..... 
Gortiwieten es; 1 Mattentwieteg:.. .. nes. 

Trausport....| 91 Transport.... 


2* 


20 Dr. J. J. Reincke. 


' Zahl Zahl 
Strasse | der Strasse der 
| Fälle Fälle 
l 
Transport.... | 150 Transport... 178 
Mühren‘. bei den ..2..4.1,2..2.00 4 Steckelhürn era een I. Fi 
Neueburer .........2. 00 se 17735 Pheerhofsr, A NN! 3 
Neuerweg, altstädter ........... | 1 Wandbereiterbrook ............. 1 
Pickhuben. ..:,.:.::0 2m 7220, Wandrahm, alter 22.0. 2 
Reichenstrasse, grosse .......... I Kaserne (Wandrahm).. .... BB 
Reichenstrasse, kleine .......... j Wandrahmsbrücke ........... 1 
Reimerstwiete . 2.2 Serra gel Zippelhaus, bei dem...........: 5 
Rödıngsmarkt 2 Ne | 
Transport....| 173 Summe. ...! 199 


Jetzige Neustadt-Nordertheil: 
Transport....| 40 


ABU-Strasse mn WI Reg 1 Kornträgergang 7.2... 0a er. 
Amidammachergang ............ ID Krätensshr see na | 2 
Bäckerhreitersang „2... 7 Kuürzestrasse san a! 
Bleichen Serosse er et Web lrangervang... 2. A ee 4 
Breitergane nr. a0 et ER! Marktstrasse, erster 20... | 
Brettersang m a... tree l Marktstrasse, dritte . ........... : 
Dammthorstrasse ,.. 2-2... 2 Neuerwall eu 231 mars 2220 
Drasonerstal sr ee 1 Neustrasse, neustädter........... IR 
Drehbahn, grosser e...2..027, A) Peterstrasse, erste 2.0.22. | 3 
Drehbannaakleinemewr ner 2.05 2 Peterstrasse, zweite ............ | 6 
Ebhraersano se 1 Peterstrasse» dritter 0 000 li 8 
Elbstrasse Sdriteg a 2 na 2 l Pilatuspooln.r ee re 4 
Ellernthorsbruckere nn 2..0 0. B) Poolstrasse.n ee 2 
Esplanader mer as een 2 Rademachergang .............. I) 
Fehlandstrasse, erste... ....... a! Schulgang’ a. nme ae it 
Fehlandstrasse, zweite......... ale Sl alöspecksgang nn ren u) 
Fuhlentwiete, neustädter..... 2 Specksplatzu een ve | 1 
Gänsemarkt 2.22. pe Steinweg, altern. .......0. ne B) 
Hütten; Der.iden 0%... ereseae, | 1 Steinweg, NeUer 2.222 22 cecen I" 
Jungfernstieg 222. ern ID | Prampgane, grosser... un. en | 1 
Köniestrasse. .. ne ee 2 Valentinskamp v..cmr 22 Sue | 6 

Transport....| 40 | Summe....| 109 


Jetzige Neustadt-Südertheil: 


| Transport... .) 15 

Admiralitätstrasse ....2..222..... 11,22 Böhmkenstrasse........2....2.0 a, 
Bäckergang, grosser....... 1.12 Brauerknechtsgraben I 14: 
Baumwalle on. 20. 0 ae ee) j Bullenstall (Eichholz) .......... al 
Bleiekereano Se en inne | B) Düsternstrasse. .. 0.0.2. a) 
Transport....| 18 Transport....| 40 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 21 


| Zahl | Zahl 

Strasse der Strasse | der 

Fälle Fälle 

Transport....| 40 Transport.... 157 

BIIODEREO ZI R e eera aa. ale BYI Neumannstrasse, erste .......... ER 
Biskuhle, bei, der _.....%.. 2. :..-- 4 Neumannstrasse, zweite.........| -5 
PIIRSTFASSE, EISLE: ... 2: enslageegen era Ve Neumarkt grosser. n......2..0.. Men 
BAUMIERSIO/Od.. . sehen 12 Nieolasstrasse......cesetaen: 413 
Grünersood, Platz beim......... l Baradieshof vun en ee I 
Hierteneraben.......04.n 00. Ne Pastorewstrasae,. 2.2. 0er 1 
Bohlenwern. 2.0... : | Rothesoodstrasse ........u.une.: I DE 
Jacobstrasse, \enste ....... .n.n: ni SABErplatzun ne. cn eigene | 2 
Jacobstrasse, zweite............ 2 Sehaarmarktia wen er Mayeaee: | 
Johannısbollwmerk.......:.. 26 Schaarsteinweg ..-..........-.- 6 
Kirchenstrasse ......2 2222222... 4 Schaanthons a ee 2 
IKletekerstrasser. und a a Schlachterstrasse .........2....: 4 
ISFaIenkampr FR... Aa hate or Al StEmRO ER: ae ee Bi 
Bsıhbere em. -Myastker: 2a. 6) Stubbenhulers 0.4... une. 4 
Banserabe na et. a5: 5) INeilteld nee ee en ee 2 
IWiescheneang . anne. wesen I Venusberpne ne mn an ee 1 
IManthlasstrassenee ce see: ee) Viorsietizeine Versen en 12 
Michaeliskirche, bei der klemen.. 3 Vorsetzen,szweite.M......: nike 
Muühlenstrasse. .......m 2a. 2.0... cn Aeuechausmarkb! „ar 2.3082 2. I 7216 

Neuerweg;, neustädter........... S | 


Transport....| 157 Summe....| 250 


St. Pauli: 
Transport... 40 


BBETOSTTRRSe na sen seinen 2 Heinrichstrasse. ....... 20..20..2: l 
Bernhardstrasse, erste .......... 4 Kamm. te Sl 
Bernhardstrasse, zweite. ........ 2 Langestrasserr .:0...4. 3%: 6 
IRayndsprassen .. rue een 2 Oelmühle; bei. der... .22.:::: = | 
Degen seen 1 Eralen-Hoße er wur a 2 0 l 
Pirichstrasse, Erste ......22....:0. 4 Einnasberg neu er et 5 
Eriehstrasse, zweite ....:....... 7 Keeperbahn In 2 aa! Erz l 
Friedrichstrasse, erste .......... 3 Rohlws-Wohnungen ............ 2 
BIESCKeSNHIoR "1. 4 ee l aterzange u wre I od 
Hamburger Berg, bei dem ...... { Trommelstrasse mm +2. .2..... 2 
Hornwerk-Hospital ............. 6 Wirttshof.. ve Ra ee 6 
Bchröppers Hof, .....0...0. a. l 
Transport....| 40 | Summer ..|7 97 
St. Georg: 
| Transport. ... s) 
Besenbinderhof, bei dem........ IA Brenmerstrassenn. neun man an 5 
Borgeschstrassen.. #2... ns Grützmachereang. .........:.... l 


Transpört....|, 8 Transport....| 14 


22 Dr. I. J. Reincke. 


Zahl Zahl 
Strasse der Strasse der 
Fälle Fälle 
er 
Transport....| 14 Transport...., 40 
Hühnerposten, bei dem ......... B) Stendammr. ee re 1/85 
Mittelstrasse anne meer et Strohhause, bei dem ........... = 
Pulverteicht a0 were 52 Altes Krankenhaus... .......... We: 
StRatderchunte. ee een | 20 Ohne Strassenangabe, 2% | 
Transport....| 40 Summe....| 64 
Antsschiiten. ee ee Be 
Rotberhaumd) er mtr ee ER... | 22 
Billwärder Ausschlag ar Se Tat Be ee | = 
ANltenwärdereeern ee: DE en er I 
Im Ganzen....| 940 


Man sieht wie ausserordentlich viel schwerer die der Elbe 
näher gelegenen Theile betroffen wurden und darunter wieder vor 
allen die Strassen, in denen die an und auf dem Wasser beschäftigte 
Arbeiterbevölkerung wohnt. Rothenburg”) hat die Zahlen der 
Erkrankten auch in grösseren Gruppen zusammengestellt und pro- 
centisch auf die vorhandene Bevölkerung berechnet. Nach den 
dabei gewonnenen Ergebnissen ist die Darstellung auf Tafel VII?) 
angefertigt, welche das Gesagte nur bestätigen kann. 

Dasselbe lehrt die folgende Zusammenstellung nach Zimmer- 
mann über den Beruf der Erkrankten, soweit er festgestellt werden 
konnte. Darnach betrug die Zahl der Fälle, welche 
direct aus dem Hafen stammten, mehr als den siebenten 
Theil der Gesammtzahl. Und wie viele unter den Arbeitern 
und den zwei Hundert, deren Beruf nicht festgestellt wurde, mögen 
ausserdem noch im Hafen inficirt sein. War dieser damals, wo es 
in Hamburg im Verhältniss zu jetzt unendlich viel weniger Bau- 
arbeiter und gar keine Fabrikarbeiter gab, doch noch viel mehr 
der Mittelpunkt für die Thätigkeit der gesammten Bevölkerung 
als jetzt. 


1) Ueber die Einwohnerzahlen der jetzigen Vororte in den Jahren vor 1866 
habe ich nur folgende Angaben bei v. Hess aus dem Jahre 1824 gefunden: 
Harvestehude 257, Eppendorf 708, Winterhude 235, Eimsbüttel 434, 
Barmbeck und Eilbeck 1041. 

Aa a0. 80429, 

Aus äusseren Gründen hat als Unterdruck für diese Tafel durchgehend ein 

Stadtplan gewählt werden müssen, welcher die gegenwärtige Bebauung und 

die gegenwärtige Form der Häfen darstellt. 


w 
u 


[80) 
SS 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 


Im Uebrigen verdient in dieser Liste besonderer Erwähnung 
die Zahl der befallenen Wäscherinnen, Krankenwärter und-Wärterinnen 
und die geringe Zahl der befallenen Kaufleute: 


DESTATKEeRNSOlikikene EN eh) 

Im Hafen und auf Schiffen beschäftigte Personen 
(Schauerleute, Schiffszimmerleute, Schiffsarbeiter ete.) .... 25 
Kellner, Knechte, Kutscher, Diener wu..dergl: » ....-............. 24 
Weinhändler, Destillateure, Gastwirthe .......:.....-2ece..0.. 14 
IRGUN EULER OO en ee nee 32 
Aerzte, Zahnärzte, Thierärzte, Wundärzte, Apotheker ......... L 
En KERN ae a te) 
SOON nn ee ee 21 
N TE 20 
IKÜTISCTETIE N ee ede = 1 
IBleicheras man Mr a a N 1 
TEEN Ne ee A A NEE 21 
ERISEHTER ER ee rt eher ra ee 1 
Elandwverkers a ee ee esere 155 
FAT: DETLETIER EN I TE ee N tee a 164 
NE TRTANISN eR ar. EREE R  e BNEN  R-2EE Sir ARE 2 
@hmesAngaberder>Beschäftigung® %..22.. 2.2.2.2. 2... 22% 7 
IDienstpotenmweihlichere ses. wa ee age te 36 
FANIDEILETIDTICTWEE RE Ne res eek Base ee 54 
Bra UenBUndKSWEILEWEN See ee nee eleueraere 21 
Kranelaesniwaamitieninniene anne 10 
IKERLELINTTE TE ee ee ee Dee Tee 1 
IKAINSDIETITTEET I N En Ba een Wersnelrdt 1 
Eleenninan: er EEE ET EN AE 1 
Höndlerinnen Be ee ee a S 
AVascherinnten- und Plätterinnen ...n.0.....2.. 15 
IBreudenmadchene ee ee 7 
Summe .... 128 


Trotz dieser Thatsachen wehrt sich der eine Berichterstatter, 
Fricke auf’s äusserste gegen den Gedanken, dass die Cholera mit 
dem Hafen zusammenhängen könne. Bei dem ersten Falle Petersen 
führt er aus, dass der Mann nicht mit fremden Schiffern in Berührung 
gekommen sei, um nachher selbst anzugeben, dass er auf den Fisch- 
und Gemüse-Ewern verkehrt habe. Bei diesem, wie bei jedem folgenden 
Falle, vermerkt er, wie viel Hundert oder Tausend Fuss die Wohnung 
vom Hafen gestanden, aber er ignorirt es, dass die Wohnung am 
Fleth gelegen, oder dass der Erkrankte am Wasser arbeitete. Es 
ist das nur zu verstehen, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die 
damaligen Aerzte noch völlig unter dem Banne der beiden Worte 
„Contagium“ und „Miasma“ standen, die auch noch in unseren Zeiten 


24 Dr. J. J. Reincke. 


so viel Verwirrung anrichten. Man suchte nach dem ersten zugereisten 
Kranken und fand ihn nicht, man beobachtete, dass ein Seemann, der 
aus einem gesunden Hafen nach längerer Reise gesund hier angekommen 
war und der garnicht mit dem Lande, geschweige denn mit einem 
Kranken verkehrt hatte, doch von Cholera befallen wurde (No. 9 
der Liste), dass die meisten Erkrankungen an weit auseinander- 
liegenden Stellen auftraten und ohne nachweisbarem Zusammenhang 
unter einander waren, dass nur sehr wenig Erkrankungen land- 
einwärts vorkamen und dass an diese Fälle sich nur selten andere 
Fälle anschlossen, dass die Aerzte ungestraft die Kranken berührten, 
ihren Athem einathmeten, bei den Obductionen sich verletzten und 
den Geschmack des Urins, der Magen-Contenta und des Blutes 
mit der Zunge probirten.') Also, schloss man, ist die Krankheit 
„nicht eingeschleppt“, „nicht contagiös“ und bildete sich die Meinung, 
„dass die asiatische Cholera von selbst in Hamburgs Ringmauern sich 
erzeugt habe“. Die Gegner dagegen machten aufmerksam auf die 
Vorgänge im tiefen Keller und im Hanfmagazin, auf die Thatsache, 
dass die Krankheit denn doch offenkundig von Indien über Russland, 
Schritt für Schritt vorrückend, hierher gekommen sei, dass alle die 
Schädlichkeiten, aus denen angeblich die Krankheit autochthon hier 
am Orte entstanden sein solle, schon seit langen Zeiten ebenso in 
Hamburg bestanden hätten, ohne Cholera zu erzeugen. Steinheim 
verkündete den Satz: „Auch das Miasma ist verschleppbar“‘, ® 
während Behre°) erklärte: ‚„‚Verschleppbar ist das Miasma nie“. 
So begann gleich beim ersten Erscheinen der Cholera der Widerstreit 
der Meinungen, der erst jetzt seine endgültige Lösung zu finden scheint. 

Indessen gab es auch damals schon Aerzte, die Verdacht gegen 
das Wasser hegten. Schon vor dem Auftreten der Cholera in Hamburg 
war aus Indien und Russland die Kunde gekommen, dass die Cholera 
sich besonders heftig an den Ufern der grösseren Flüsse zeige’), und 


) Nagel: Ueber die Cholera in Altona. Gerson und Julius Magazin. 

Bd. 23, Hamburg 1832, 8.287. Siemssen: Ueber die Cholera. Mittheilungen 

aus dem Gebiete der gesammten Heilkunde. Bd. 2, Hamburg 1533, S. 211. 
Vergleiche auch Buek: Die Verbreitungsweise der epidemischen Cholera. 

Halle 1832, 8. 70. 

Steinheim: Bau- und Bruchstücke einer künftigen Lehre von den Epidemieen 

und ihrer Verbreitung. Altona 1831. 

3) Behre: Aphorismen über das Erscheinen der epidemischen Cholera 
in Altona. Mittheilungen aus dem Gebiete der gesammten Heilkunde. 
Bd. 2, 8. 229. 

») Buek: Die bisherige Verbreitung der jetzt besonders in Russland herrschenden 
Cholera. Hamburg 1831. 8.9. 


17 
N 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 25 


schon im August 1831 hatte die Hamburgische Medicmal-Behörde, 
der Gesundheitsrath, öffentlich erklärt‘), „dass während der Cholera 
der Genuss des Brunnenwassers dem aus Flüssen und Teichen vorzu- 
ziehen, oder wo kein Brunnenwasser zu haben ist, ein mässiger 
Zusatz von Branntwein zum Wasser zu machen sei“. Als dann die 
Cholera kam, wollte man bemerken, dass in den Häusern, in denen 
man sich des Alsterwassers bediente, weit seltener Cholera-Krankheits- 
fälle vorkamen, als wo man Elbwasser brauchte, man rieth zu Unter- 
suchungen des Elbwassers, empfahl Selterswasser zu trinken und 
bediente sich in manchen Häusern nur des gekochten Wassers selbst zum 
Waschen.) Zimmermann’) wie Buchheister‘) bekannten es 
denn auch unumwunden, dass die Strassen, welche an der Elbe 
und an den Flethen sich hinziehen, zuerst und ungleich schwerer 
befallen wurden, als die übrige Stadt, und dass die Schiffer am 
schwersten litten. 


Dieses Urtheil wird bestätigt durch die Vorgänge in der 
Nachbarstadt Altona, die im Verhältniss ausserordentlich verschont 
blieb.?) Dort ereignete sich der erste Fall am 14. October bei einer 
Frau v. Dieck °), welche einige Tage vor ihrer Erkrankung in Hamburg 
an Bord eines aus Aussig in Böhmen gekommenen Fahrzeuges gewesen 
war. In der Folge erkrankten 22 Personen bis zum letzten Falle 
am 7. November bei etwa 25000 Einwohnern. Davon wohnten 3 auf 
der Elbe, 5 unmittelbar an der Elbe, 7 in den nach der Elbe zu 
führenden Strassen. Also auch hier blieb die fern der Elbe 
gelegene Geesthöhe wie die hohen Theile Hamburgs fast verschont. 
Freilich war unter diesen namentlich St. Pauli nicht so frei wie 
Altona. Aber man vergesse auch nicht, dass jene Vorstadt damals 
noch viel mehr als jetzt der Mittelpunkt des gesammten seemännischen 


') Noth- und Hülfsbüchlein bei der Cholera-Epidemie für den Landmann und 
für diejenigen, denen nicht gleich ärztliche Hülfe zu Gebote steht. Heraus- 
gegeben von dem Hamburgischen Gesundheits-Rathe. Hamburg, August 1831. 
SR 

°) Tägliche allgemeine Hamburgisch -Altonaische Nachrichten über Cholera-, 
Gesundheits-, Quarantäne- und andere Angelegenheiten. Hamburg 1531—32. 
S. 74, 78. 

®) Die Cholera-Epidemie a. a. O. 8. 40. Nachtrag a. a. O. 8. 16. 

aa Ole 13: 

°) Zimmermann: Die Cholera-Epidemie. S. 30. Buchheister und Noodt. 
Ss. 120, 12% 

SeNazel’a 2,078 NIT Behre 32.2..0-'8..223. 


26 Dr). I. Reincke. 


Verkehrs war!) und dass auch in den übrigen Geesttheilen Hamburgs 
die Beziehungen zur Elbe ungleich inniger waren als in Altona, 
dessen Rhederei in den Napoleonischen Kriegen fast ganz zu Grunde 
gegangen war. 

Von Interesse sind schliesslich auch die Fälle in der Nach- 
barschaft, sowie die Verschleppung von Hamburg. Während auf 
der benachbarten Geest nur ganz vereinzelte Fälle vorkamen, wurden 
vom Flussufer Fälle berichtet aus Krautsand, Moorburg, mehrere Fälle 
aus Wilhelmsburg, Altenwärder, Finkenwärder, Bergedorf (ein Schiffer), 
Glückstadt, Stade und Neuland.?) Nach Lüneburg’) kam die 
Krankheit durch zwei krank zu Wasser aus Hamburg eintreffende 
Schiffsknechte.e. Dann wurden 76 Personen ergriffen, von denen 
46 starben. „Fast alle Häuser, in denen die Cholera geherrscht hat, 
bekamen ihr Wasser aus der Ilmenau, während die übrigen mehr 
freigebliebenen Parthien ihr Wasser theils aus eigenen Brunnen oder 
durch Wasserleitungen aus anderen Orten bezogen.“ 


1832. 


Am 1. Februar 1832 war die Cholera für erloschen erklärt, 
am 12. Februar ein vom Senate angeordneter Dankgottesdienst 
abgehalten worden. Indessen kamen noch immer einzelne verdächtige 
Erkrankungen vor, von denen freilich nichts in die Oeffentlichkeit 
drang, bis am 27. April eine Arbeiterfrau an den Vorsetzen innerhalb 
5 Stunden unter ausgesprochenen Choleraerscheinungen verstarb. 
Von diesem Falle wurde in der Regel der Wiederausbruch der Cholera 
datirt, während nach Rothenburg mindestens seit dem 1. April 


') Früher habe ich „Die Cholera in Hamburg, Deutsche medieinische Wochen- 
schrift 1893, 8. 69“ die Vertheilung der Cholera zwischen St. Pauli und Altona 
durch die Verhältnisse der Bieber’schen Wasserkunst zu erklären gesucht. 
Wie ich mich überzeugt habe, ist die Angabe in „Hamburg in medieinischer 
und naturhistorischer Beziehung, Hamburg 1876, S. 231“, dass diese Wasser- 
kunst St. Pauli und die hochgelegenen Stadttheile versorgt habe, nicht ganz 
correct. 1831 versorgte die Bieber’sche Wasserkunst in St. Pauli nur einen 
Brunnen im Silbersack. Dagegen bestanden allerdings die oben 8. 12 
besprochenen Unterschiede im Wasserbezuge. 
Tägliche allgemeine Hamburg-Altonaische Nachrichten über Cholera u. Ss. w. 
S. 64, 65, 92, 131, 148. 
3) Münchmeyer. Das Auftreten und der Verlauf der bösartigen Cholera in 
Lüneburg vom 28. October bis zum 23. November 1531. Gerson und 
Julius Magazin. Bd. 23, S. 238. 


I 
Den 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 27 


mehrere unzweideutige Fälle vorgekommen waren. Er zählt inner- 
halb des April im Ganzen 18 Erkrankungen mit 9 Todesfällen. 


Im Mai wurden die Fälle schon häufiger, bis zu 65 an einem 
Tage, um im Juni rasch bis zur höchsten Höhe in dieser Epidemie 
anzusteigen mit 92 Fällen am 16. Juni. Dann fiel die Krankheit bis 
Ende Juli langsam ab, um im August noch einmal anzusteigen 
bis zu 30 Fällen an einem Tage (26. August) und dann wieder ganz 
allmählig abzusinken, noch einmal unterbrochen durch eine dritte 
Steigerung im October. Am 3. November hörten die täglichen 
Erkrankungen auf, der letzte Fall ereignete sich am 17. December. 
Im Ganzen waren seit April 3349 Menschen erkrankt, von denen 
1652 starben — 2,26 °/o bez. 1,12 °/o der Bevölkerung. Ein genaueres 
Bild über den lang hingezogenen Verlauf der Epidemie giebt die 
folgende Uebersicht über die wöchentlichen Erkrankungen und 
Sterbefälle. 


7 


Woche D= Ge- Woche Er- Ge- 
krankt | storben krankt | storben 

| 
| | Transport ..| 2670 | 1266 
1.April— 7.April 2 1 12. Aug. — 18.Aug. 92 35 
ae ee ee a oe 105 70 
BD one 96 Lu sept.1i1191 61 
2 3 | 2.Sept.— 8. „ 59%) #26 
20, 5.Mal| 16 6 Pe 67 3 
6.Mai — 12. „, 44 Ban lor nr 225 WW °85 26 
a 58 Ge ee a A, 19 
20. 5, —26. ,, 74 33. | 30. ,: —.6: Oct. al 24 
a, 3 9. Juni 59 33 7. Oct.—13. „, 44 26 
3.Junii— 9. „ 216 MEER. 20,0, 50 33 
10. , —16._., 368 1, 169% | 21. 0 —2U, 19 14 
RI. 23-5, a1 | 223 | 28 ,„ — 3.Nov. 11 7 
24. „ —8d0. „ 400 ı 193 4.Nov.— 10. ,, 8 7 
1. Juli — 7. Juli | 336 150 1 A 2 1 
3 E ae 208 104 18. „.—24. „ — — 
1 1 Be 238 110.7 25, „= E.Dee 2 — 
en > 90 52 2.Dec.— 8. „, — 1 
29. „, — 4.Aug. 36 22 ae _ 
5.Aug.—11. „, 43 2A 116... —22,0,; 1 1 
Transport ...| 2670 | 1266 Summe ..| 3349 | 1652 


25 Dr: I. Js Reincke: 


Sehr genaue Erhebungen hat Rothenburg über die örtliche 
Verbreitung gemacht, die ihn zu der Ueberzeugung bringen, dass 
neben Armuth, schlechter Ermmährung, unordentlicher Lebensweise 
und anderen schädlichen Einflüssen den grössten Einfluss die Nähe 
des Wassers, vorzüglich die des fliessenden Wassers habe, wobei er 
das „unbekannte Agens“ in den „Exhalationen des Wassers“ sucht. 
Wiederholt kommt er auf dieses Thema zurück und illustrirt es 
durch die folgende Zusammenstellung und durch einen Plan. 


‚ Zahl Zahl 
Strass sie | der Strasse der 
Fälle Fälle 

Transport....| 214 
Adolphsplatz a. m... ma. 11 Mönkedamm.:..... ..2 2... Eu igee 13 
Alsterthor......2 Au tere M\ Mühlenbrucke.....2. Sn. en 2 
Alitiersvialliie Bea re re 34 Mühren, kurzes. .2...2... 2er 4 
Bäckersträsse, gTOSSe........... B) Mühren, lange... re 14 
Bäckerstrasse, kleine .:......... B) Neustrasse, altstädter ....:..... Net 
Barkhof,t grosser nee 16 Naedernstinasse. ee 3 
Bauhofalbeindeme rn ve en b) IBaulstrasser se ee er. 28 
Blauen Thurm, bei dem ........ B) Belzerstrasser...erta..creenee ( 
Beckmacherstrasse ............. 2 St aBeterahintern. 22. Kerawer el 
Bereits Ah Se 3 lPetrikirchhof". ... ..n an N 2 
Breitengiebel, Hinter dem ...... 7 Pferdemarkt... sea erseret and: 
Breitestrasser en. 12 Blanc Serra I 52 
Depenauen. su. ae ee 2 Pumpen, jbeirden.. .........ven | 20 
Donsplatzege se ! Raboisener a tee ee 12 
Dombuscho.e 2, Baum l Bosenstrassen.., 2... 39 
Drillhausee a. ea er Ju Schachtstrasse.... 21. 2.22... ..2.n00 
Biltersirasse a.) Ay ee 7 Scheeleneanos 22... We | 5) 
Eischertwieten . 2...2..20 0 6 Schmiedestrasse... .... Vcer a. | =10 
Eischmarkte 22. nun. ee 1 Schopenstehl "a. u. ..e. aaa # Ber: 
Fuhlentwiete, altstädter ........ 4 Schweinemarkt .........0- 0 2.0] ep 
Gerherstrasser ne 2. 0, j SPEEHSONG Rn a | 6 
Jacobikirchentwiete ............| 38 Spitalerstrasse. zn. | 47 
Jaeobikiechhöf .. 2... 2. u... IS Springeltwieter 0. 202. ı 
Johannisstrasse, grosse ......... 13 Springeltwiete, neue............ | 4 
Johannisstrasse, kleine.......... 2 STAVENDFOrEE. ee nee | 7 
Kattrepel anno leere IS OS einsitnasser wre ce. v6 
Kimeberesten en ee 32T wieterskurzer.. ns I 6 
Knochenhauerstrasse............ 4 Voglerswalle. 2. ..E 0... 00 | 8 
Inbrenstrassemee 1. a a da. 16 Wassertwiete, altstädter........ 2 
Maria Magdalenen-Kloster ...... 10 Zuchthausstrasse 2.2. Se | 49 
MESSHELOE RT. Seele viert Et) | 

— "Fire | 


Transport. ...| 214 Summe....| 609 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 


Jetzige Altstadt-Südertheil: 


29 


Zahl Zahl 

Strasse der Strasse der 

Fälle Fälle 

| Transport....| 366 

Annenplatz, Sl... 2.uncemenemenne) | Holzbrucke en nt ern re 1 
Boden: hinter dem ..t.....:009 Hoptenmarktı. 2. uren. ur 14.03 
Börse, bei der alten............ ERS Kuakstwieten . ee rg 
Bohnenstrasse 2 ....r.....2, 28. . 5 Kalenenhee are HR; 15 
Brandstwiete, erste und zweite... 5 Kanneneiesserort.......-..=..:- ) 
IBRHUETSDTASSE 0 ee ie Kehrwäeder........: | 97 
N Se 105 Kibheltwiele nr un... ca, 16 
Brookbhoneerr..n ee ae 4 | Krahn, beim neuen..... 6 
Brookthor, vor dem... ........:. 1 kempkentwiete nm. ur. Ser. 7 
IBEBOKSLAVENN. nn er een an 5) Mattentwiele.. 2... 2.0.22. B) 
Burstah, ENosSser......0.0n. 4 Mühren, beiden......- NRZ 
Burstah,;, kleiner ............:.%) 1 Neueburom@. Ne ran! MS 
Catharinenbrücke .............. 1 Neuerweg, altstädter............| 16 
Catharinenkirchhof .....:....... 6 Nieolai-Kirchhof ...............| 4 
@atharinenstrasse ........ .:.... 7 Pieckhuben sa ern 1l 
ÜLEWONN rn een In172 Bocgenmühlertsasat acc aanea: 3 
DEIchstrassert nee Mae Reichenstrasse, grosse .. $) 
Dienerreihe. een rer 11 Reichenstrasse, Kleine ..... 1 
Deventleth. ..... SEE RS) Reimerstwiete ........... 2) 
Kileth Kleines...........| 36 Kodın ssmarklı 00, See: 22 
Gerkenstwiete ..2....-...... u: 4 Sande aufs demer ar. oe een 10 
GrEEWIERE nennen er 12 Sandthort vor. dem 2... 2... Ans 2 
EEE ELSE ER j| SteckelHOrn? 2.0 2.20 re et. 4 
raskellere a 000.0. eaa. Zt SLEINLWIERER IE un. 2 y 3 
Gröningerstrasse, alte .......... fi Bheerhoseprn een I 
Gröningerstrasse, neue ......... el Wandbereiterbrook ............. | 1 
Hankentwiete ...ouccreeccu..a Mas Wandrahmsalter 2. 230 
Herrlichkeit, .n2.00.:0. 02.240: > 14 Wandrahmsbrücke ...... I 
HolleBrooken vos nass: gi Zippelhaus, bei dem............ | 

Hollalkeiher .. 0... 00 wech BERG Zollenbruckenn. ws... rc. | 
Transport... .| 366 Summe....| 714 
Jetzige Neustadt- Nordertheil: 

| Transport....| 45 

INBO-STEASSe ne ee: u #3 Dammthorstrassers een IN. 
Amidammachergang............ 12 14 Dammthorwallien ...%.. 0.2.8 5) 
Bäckerhreitergang: ............. | 10 Dragonerstalln.. »..02 2. 2.3002: b) 
Bleichen mosseh... en ara 19 Drehbahny grösse ..... neu... 4 
Bleiebenbruckenn ns. 8. Hr Drehbahn, kleine;... ..2.1..22... 1 
Breitersang. N. RR UA 4 Tipraeteano ar. dan ae 4 
Brettergang 228.00 1 EIDStrasser nn es erertaes 11 
Caffamacherreihe: ... 2.10. .MrBe. 2 Behlandstrassern nos. nen anne 2 
Transport....| 45 Transport....| S2 


Dr. J. J. Reincke. 


Zahl Zahl 

Strasse der Strasse der 

Fälle Fälle 
Transport....| 82 Transport....| 244 
Fuhlentwiete, neustädter.| 24 Pilatuspool a... ee... ee 7 
Gänsemarktiree. en 17 Poolstrasser... a ae ae er 4 
IEHeNbers ee 3 Rademachergang. „u“... .ne2 a... 10 
Hüttensabeı denen er. ce, 14 Schulgane en... een 7 
Hütten,sihmtersdenn 2... ER) Schwiegerstrasse....-....... 1 
Jungfemmshes.n rn en ne 12 SPECKSGang ne ee 10 
Kömgstrasse. euren ee 2 Steinweg, alten... ......n. 000 10 
Kornträgergang.....osesee..c: 5 SLEINIWIER, Neuere 15 
RuUselsonnn ee m! Tiheaterstrasse, grosse .........e 2 
Kurzestrasser 2. ker. 2 Thielbeck &i. 2.220200: see 2 
Tanzeroaner. 2 ea 15 Trampgang, grosser... ne 6 
Marienstrasse tn... .. .2..nae l Ulrieusstrasse.. >... 2... scene B) 
Marktstrassen 2 ere are e b) Valentinskamp... ........rerkeee 16 
Newerwiall ers al Wassertwiete 2.2... ee 1 
Neustrasse, neustädter.......... Iı Ohne Wohnungsangabe......... B) 

Peterstrasses ar en. 2 eye 10 
Transport....| 244 Summe....| 344 
Jetzige Neustadt-Südertheil: 

| Transport....| 359 

Admiralitätstrasse ............. 5 Kuhbers are ur a 2 3 
Bäckergang, Frosser ...... 74 Langereihe, 0.2. 20 A B) 
Bäckergang, kleiner............ 2 Iieschenrang. ne. er ee 16 
Baumwalraıs wre 5 Michaeliskirche, bei der kleinen . 3 
Bleichersang.. 2... urn... 18 Mühlenstrasser. „2... near 13 
Blockhauser are er 2 Neuerweg, neustädter..... Bl 
Böhmkenstrasse....2.... 2... 7 Nenmannstrassen re... 22 
Brauerknechtsgraben...... 49 Neumarkt, grosser ............. 14 
Brunnenstrasse 2.2... 2 Nienlaistrasse... ..n se Rue 13 
Constantinbrücke .............. B) Paradieshof .%.:.% 2.20. Pr me 5 
Druvenhomra. ne it Rothesoodstrasse..... .......... B) 
Düsternstrasse len... ne l Sagerplatz 2.20... 2 &) 
Blech holze en 62 Schaarmarkt: ee $) 
Eiskuhle, beider .........:.3 11 Schaarsteinweg, 2. Sen. 11 
EmglischeöBlanken............08 1 Schaarthorbrücke ser ee 5 
Geune2s300.4. er. 22 Schlachterstrasspr 2. 2... 0 15 
Herrengraben. .. : iur... 15 Steinhöft. ne re ee 1 
Hohlerwes..#. „u... er 14 Stubbenhukrr er... . as: ee 10 
Hacobstrasse.. .. „rn... | 15 Meikeldemere.n .. 22.2 ee 15 
Johannisbollwerk........... 30 MVenmsberg 22:1... 0: er 4 
Kirehenstrasse..»....... 0.2. So 6 Vorsetzen, erste ..n...0. 08 52 
Kleiekerstrasse ... cn .o...2..0.00% 6 Vorseibzen, zweite... ee 54 
Kralenkampar re ee 6 Zeughausmarkt......n. ae ee 9 
Transport. ...| 359 Summe 685 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 


St. Pauli: 


Zahl Zahl 
Strasse der Strasse der 
Fälle Fälle 
Transport....| 123 
IIDEOEISLFASBE 2... Han nenn 4 Kirchenstrassen. . 0.22.22 u... 3 
IBEROSEFASSEN A 2 a nen a 2 Klutjenstiesar an. Ber er. B) 
Bernhardstrasse .. "1.2. .2..4.4.%: 13 Tangestrasser...n... 2.002 Indus se. 9 
BARISITABSE Le nase 4 Ouerstrassen See | 
Dayadsbrasser 42.0. Salsa one 16 Oelmunleme er en sen eren 16 
Einfahrt, zweite - .........:... 1 Petersenstrasse, kleine u. grosse. 6 
ITBSEHBER En Ba na S Einnasbernere re nasensase 19 
BRTCHSbrasset 2... Bl) Bierdebormpa ee... 7 
Bniedrschstrasse,. 20. 22.2 en: 10 Reeperbahn ans s02. ne 4 
Kerhardstrasse ren .2.008. 220: 5 SCHEOBPETSBOR Pre. 2 une... 2 
BIENEN N en er 2 Sehulterhlattrn Sara Zn: 1 
Glashütte), kleme. 0. +... .«. l Silbersackstrasse 2... cn... 4 
Heinrichstrasse,. „a... 1e2a:2 0 16 TAteRSan 0a ®. > an an das nn: 6 
Herrenweider ep... une 6 Trommelstrasse® u... er. 5 
HintermyBeeket........ 004.00. : 1 \Wilhehnstrasser 2... 224208 | 
Hörmannstrasse........ 1 NNELESBOD ee en Sera Paurn 10 
AaiminER, ger ee 3 Ohne Wohnungsangabe......... 80 
Transport....| 123 | Summe....| 250 
St. Georg: 
Transport... 192 
Alstermansden. ...J,.suclieissss. 2 Holzdanım,, bei dem... :!. 1 
INISLERWERT Hr deren nur. 4 Hühnerposten, bei dem .......... 3 
BARKERSANg? 7... ea $) Korchenallee@m see sa. 6 
ia N Eee ae 5 Koppel; anzderis2..2000 2... 4 
IBErSStEasse. sn ar an ar Mahn 5) Bangereibe..u.. um ern. 3 
Bernhardstrasse' 4 ....2:8.. 9.2024 B) Minenstrasse... re... sl 2 
Besenbinderhof, bei dem........ 2 Mittelsbrasse. 2. ..uttrsn ser: IN Es‘ 
Beyerstrasse: 4... ... 2: yo 3 Neuestrassert. ee B) 
Borgesehstrasse ......-::. 22... 6 Bulyerteich, ro. 2er ee 2 
IBESHREISERABSSE. E22... 2 Sehweinekoben ....... .aawes... 1 
Brummenstrasse 0. .2u0..l2le. 3 Sea dit.deicht. 19... matt 11276 
Deichthor, bei dem............. 1 Steindammes | 2 
Georgskitchhof, St... .2.......... 2 Strohhause,hinteru.beidem 40 
Georesstrasse, Sb a 2 EN 23 1 THoreystWegr (ie ara in 1 
Grunemdeich Ay. >; 19 Walstamın Sense 6 
Grützmachersang ar... 11 OhnerAnsabe: su... 4.0 02 ra | 6 
Hohestrasse. u areas. 1 
Transport....| S2 Summe....| 246 


32 Dr. J. J. Reincke, 


Landgebiet: 

Zahl Zahl 
Strasse der Strasse der 

Fälle Fälle 
Transport..... 22 
Dammthor, vor dem............ ” Eliohenteldeneee 7 
Grindel und Grindelbere........ 7 Hamm'a. ec u 1 
Böseldüorbese en seneene 1 HONeN e | 1 
BRabenstrassen N een a! Billwärder Ausschlag..... 27 
Rothenbaum, beim ............. el Billwärders too 3 
Eirmsbüttele ee. ne er! Moorlletha. 20 se ee 1 
Eppendorf ent. ee 4 Ve 3 
Winterhude mr. ee 1 NEUE 1 
ORISGOrE En 1 Altenwärderne rn we 1 
Transport.....| 22 Summe....1 260 
AUTESCH IDEE 137 

Im Ganzen....|3052%) 


Man erkennt aus dieser Zusammenstellung mit überraschender 
Deutlichkeit, wie sehr die Cholera sich in der Nähe des Wassers 
gehalten hat. Rothenburg ist dann noch weiter gegangen und hat 
für jede einzelne Strasse die Erkrankungs- und Sterbeziffer procentisch 
berechnet. Natürlich hat er dabei viel mit sehr kleinen Zahlen arbeiten 
müssen, wodurch in sehr vielen Fällen das Ergebniss unsicher oder gar 
werthlos werden musste. Immerhin sind aber doch die Extreme von 
Belang und lehrreich. Sein ganzes so gewonnenes Material ist in den 
Plan auf Tafel VI eingetragen worden. Auch da bestätigt sich die 
grosse Belastung der Wasserkante und namentlich der Strassen, in 
denen die arbeitenden Volksklassen wohnen, welche sich von der 
Schiffahrt nähren, während die auch am Wasser liegenden Strassen, 
in denen damals unsere reiche Kaufmannschaft sass, völlig oder fast 
ganz verschont blieben, und ebenso im wesentlichen die hoch 
gelegenen Stadttheile, sofern sie nicht mit dichten Arbeiterquartieren 
besetzt waren, in denen sich wohl mancher secundäre Herd gebildet 
haben mag. Am schwersten von allen Strassen wurde befallen die 
Davidstrasse in St. Pauli, die verhältnissmässig feın vom Wasser 


!) Rothenbu rg's Listen stimmen nicht völlig überein. 
Er zählt in Tabelle 1: 3349 Erkrankungen und 1652 Todesfälle 
25350 a „. 1652 S 
5 3: 8069 hs „ 1609 „ 
4: 3052 n „ 1494 : 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. BB) 


hoch auf der Geest liegt. Dort erkrankten 14,28 °/o und starben 
8,92 °/o. Aber diese Strasse enthielt „fast nur grosse Freudenhäuser, 
wo von Matrosen und der geringsten Klasse beständig der Venus 
und dem Bacchus geopfert wird.“ ') In einer weiteren Berechnung 
hat Rothenburg auch grössere Gebiete zu einer procentischen 
Berechnung zusammen gezogen. Nach dieser ist die Darstellung auf 
Tafel VII angefertigt worden. 


Ausserhalb der Stadt wurden nur zwei Gegenden nennens- 
werth befallen, die beide gleichfalls am Wasser liegen, der Grüne- 
deich und der Billwärderdeich. 


Wie es in Altona gewesen, habe ich leider nicht feststellen 
können. Ich habe nur die Notiz gefunden, dass dort vom 1. Advent 
1831 bis dahin 1832 100 Personen an Cholera gestorben seien?). 
und im Kreise Pinneberg 16 Personen. 


Auch bezüglich des Berufes hat Rothenburg sehr genaue 
Erhebungen gemacht, soweit sie zu erlangen waren. Sie betreffen 
2183 Kranke. Nachstehend gebe ich seine Liste in zusammen- 
gezogener Form, zu der ganz dasselbe zu wiederholen wäre, was 
ich oben zu der entsprechenden Liste für 1831 bemerkt habe. 
Wieder kommt mehr als der siebente Theil der Gesammt- 
liste auf Leute, die auf oder an dem Wasser arbeiten. 


SISTERS SCCHÄH NET ee a on 277 

Im Hafen und auf Schiffen beschäftigte Personen 
(Schauerleute, Schiffszimmerleute, Schiftsarbeiter ete.) ... 68 
Ouartiersieuen ee ei 13 
Kellner, Knechte, Kutscher, Diener u. dere]. ................. 63 
\Weinhändler, Destillateure, Gastwirthe .................... 62 
IKaulensep Coramisee een al 
Aerzte, Zahnärzte, Thierärzte, Wundärzte, Apotheker ........ S 
ISTaneH WALterbe a ee a ee ar} -— 
SOLAR Rd ale) 
IBEAmIEeg re ee N 8 A RE ER 40 
Etediser, und Lehren er ee 6 
Sn Sense ne ne 4 
BIETER a A nn ae en ae ange 4 
TE EN ee RE a7 
VER ne 2 ER ERDE 5) 
Transport..... 137 


) Rothenburg a. a.:0. S. 28. 

°) Kgl. privilig. Altonaer Adress - Comptoir - Nachrichten, 22. December 1832, 
Nr. 102. Neue Schleswig - Holstein - Lauenburgische Provincial - Berichte, 
Jahrgang 1833. Altona. S. 180, 


34 Dr. J. I. Reincke. 


Transport... "137 

Handwerker tr! za Hr urerun 404 
UNE OIEN I ae a ee Me EEE Se Se 293 
Kandleutere ri N EN NEE RN 15 
Ohne Anenbe..der Beschäftigung... m rn rer eerer o 
Stonnstter- SindeMatrosentramemee ee: Zn. 
Dienstboten, sweiblichen...2: Aerzte BRIEeeNR 155 
JATheItenInNen ee a TEL TERT: 49 
Ira en Und NVA WEN 212 
Kerankenwänterinmende 12 
T,chrermneneir: ee TREE 5 
Künstlerinnen. 22:1. ee ee RT: —_ 
Pntzmacherinnen undaNähernenge 34 
ERIOSEURINDIEN ee ee a EEE 2 
Händlerinnen at ee EEE EL 23 
MWäscherinmen-und Plätterinnene rege 03 
Erendenmädchen: fer:2. 0. Sc S 
2110 


Kinder 713 


Summe. . 222185 


1833 — 1837. 


Ueber diese Jahre ist nicht viel mehr bekannt als die Zahl 
der Todesfälle. Das Nöthige ergiebt sich aus der folgenden kleinen 
Zusammenstellung: 


18331) | 1834') | 1835‘) | 1836?) | 1837) 
Mae ee — 2 — — — 
Te: E— 2 —— 6 — 
Julien en 2O)) 4 — 7 = 
IAUDRISEE 2 - ee ee 11 IS 7 =9 3 
September ......... ae |. — 102 
October... 2er 16) 16 —_— | 93 
November +: ..= 2... 6 — — — 10 


)) Rothenburg: a. a. O. 8.45 u. flede. 

2) Warburg: Witterungs- nnd Krankheits-Constitution zu Hamburg, während 
des Jahres 1836. Zeitschrift für die gesammte Mediein. Bd. 5. Hamburg 
1834. 8..148. 

3) Warburg: Hamburgs Witterungs- und Krankheits-Constitution im Jahre 1557, 
Ibidem. Bd. 9. Hamburg 1338. 8.9. 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser, 35 


Die wenigen Fälle des Jahres 1836, das sich durch einen 
nasskalten Spätsommer und Herbst auszeichnete, werden als Cholera 
nostras bezw. tödtlicher Brechdurchfall bezeichnet, es bleibt daher 
fraglich, ob sie der asiatischen Cholera zuzurechnen sind. Von 1833 
wird ausdrücklich bemerkt, „dass die ersten Fälle wieder in der 
Wassergegend in der Nähe des Hafens ausbrachen“ und von 
1837, „dass der Schauplatz der früheren Cholera-Epidemie, nämlich 
der südlichere der Elbe nahe gelegene Stadttheil, wieder 
vorzugsweise heimgesucht wurde“. 


Mit diesen Nachzüglern der grossen Epidemie von 1831 und 
1832 war die Cholera endlich erloschen und die Stadt hatte nun 
zehn Jahre lang Ruhe bis zum Jahre 1848. 


1848.) 


Schon ehe die Krankheit ausbrach, erliess der Gesundheits- 
rath Rathschläge, in denen es hiess): 


„Es ist während der Cholera der Genuss des Brunnenwassers 
dem aus Flüssen oder Teichen vorzuziehen, oder wo kein Brunnen- 
wasser zu haben ist, gekochtes Wasser mit einem sehr mässigen 
'Zusatze von Branntwein.“ 


Nach Buek waren ‚wie im Jahre 1831 vor dem epidemischen 
Auftreten der Cholera‘ so auch im Frühling und Sommer 1848 
„leichtere sporadische Fälle der Brechruhr, sogenannte Cholera nostras, 
zuweilen selbst tödtlich verlaufend, bereits häufiger vorgekommen“. 


') Bericht über die Cholera-Epidemie des Jahres 1545 von Physicus Dr. Buek senr., 
datirt vom 19. Februar 1549, mit zahlreichen Tabellen und Plänen. Nur als 
Manuseript vorhanden in mehrfacher Ausfertigung, namentlich im Senatsarchiv, 
im Archiv des Medicinal-Collesiums und in der Bibliothek des hiesigen 
ärztlichen Vereins. Der Druck der vortrefflichen und fleissigen Arbeit wurde 
damals der Kosten wegen abgelehnt. 

?) Wie ist das Erkranken bei der herrschenden Cholera-Epidemie zu vermeiden, 
wie erkennt man die Krankheit und was ist bei derselben bis zur Ankunft 
eines Arztes zu thun? Zur Beruhigung und Belehrung des Publieums. 
Herausgegeben von dem Hamburgischen Gesundheits-Rathe. September 1548. 
Der abgedruckte Passus stimmt wörtlich mit den Rathschlägen aus dem 
Jahre 1838 (siehe oben S. 25) mit Ausnahme des neu eingefügten Wortes 
„gekochtes“, 


36 Dr. I. J. Reincke. 


Nach den Todtenlisten zählt er an Verstorbenen an diesem 
Leiden: 


unter über 
10 Jahre alt | 10 Jahre alt SULE 
Januar ae — — ur 
hlebruarse een ee 1 — | 
Mare Rn = — : 
A et: 1 | 1 2 
Maren: EN EL ae l 3 4 
UNTEN EEE 1 2 6) 
Te ARE: — 3 3 
AUaUSl A ee 4 3 Y 


Dann mehrten sich im September die tödtlichen Fälle rasch 
so, dass schon am 6. September 12 Erkrankungen vorkamen, und 
der Ausbruch der Epidemie nicht mehr zu bezweifeln war. Er be- 
richtet speciell von folgenden Fällen: 


a, 


zu krankungs- Beruf [Alter Wohnung Bemerkungen 
Bu tag Jahre | 
l - —— 
1 | 1. Sept. | Kaufmann 38 | Neuerwall jyam 31. Aug., bedeuten- 
der Diätfehler. 
2a Zee, sSchiiier | 22 Oberhafen | + Aleoholist. Kahn seit 
längerer Zeit mHambure. 
ae Mädchen 6 2. Neumannstrasse, | + nach 10 Stunden. 
| Neustadt-Südertheil 
Ama n 3 n -r Schwester der vorigen, 
seit 2 Tagen Durchfall. 
Dal, Grünhöker 75 | Billwärder Ausschlag | Ausgesprochener Anfall, ge- 
nesen. 
BA, Mann 21 Gr. Bäckergang, |} 
Neustadt-Südertheil 
I re Kind 5 | Hinter dem Boden, | + 
Altstadt-Südertheil 
8 |5 : „ 5 |Platz b. grünen Sood,| + 
| Neustadt-Südertheil 
ld Kaufmann ? Böckmannstrasse, Genesen.. 
St. Georg 
OO Diener ? Grosse Johannisstrasse, Genesen. 
Altstadt-Nordertheil 
ı ı \ 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. at 


„Es mögte selbst dem eifrigsten Contagionisten doch schwer 
werden, hier irgend einen Zusammenhang nachzuweisen“, fügt er hinzu. 


Von nun an mehrte sich die Zahl der Erkrankungen reissend;; 
schon am 19. September ereigneten sich 106 Erkrankungen an einem 
Tage, dann trat ein Abfall ein bis auf 66 Fälle (24. September), um 
von einem neuen Anstieg gefolgt zu werden, der unter mancherlei 
Schwankungen sich bis zu 119 Erkrankungen in 24 Stunden 
(11. October) wieder hob. Darnach folgt ein rascher Abfall bis 
Ende des November und daran anschliessend eine lange Reihe verein- 
zelter Fälle bis zum 21. Januar 1849. 


6. Sept. 12 Erkrankungen, 11. Sept. 47 Erkrankungen, 
es 10 „ Dan 74 a, 
Sr 19 „ (Se I0 “ 
I. 28 „ ae) Kr 
2,0798 5, 5 0; 106 + 
Für das Weitere genügt die folgende Wochenübersicht: 
Woche Dr 62 Woche nu es 
krankt | storben krankt | storben 
Transport ..| 3561 | 1694 
1.Sept.— 7.Sept.| 35 24 3.Nov.— 9.Nov.) 54 24 
Be ae az or, 1er „a8 14 
DE SO a ee 8 7 
a 360-7 257 7 8) 5) 
292, .,5,.0c6 1.028. :295 1.Dec.— 7.Dec. 9 4 
6. 0ct.—-12. „ 631 3 Se Il ee 5 3 
a a 5 EL 402 162 a 7 10 Ro) 
20, 420. „, 196 88.1 22 —31l. „ 3 2 
202,2 ,2.Nov.) 107 46 | 
Transport ..| 3561 | 1694 Summe ..| 3687 | 1765 


Buek nimmt an, wie es nach dieser Uebersicht allerdings 
sehr gerechtfertigt ist, dass in den letzten Wochen die leichteren 
Fälle garnicht mehr gemeldet wurden. Zu diesen Fällen kamen durch 
nachträgliche Meldung und durch Erkrankungen im Januar 1849 
(4 Fälle) noch 32 Fälle hinzu, von denen 7 starben. 24 davon fielen 
auf Finkenwärder (18 im October, 6 im November), 4 auf Allermöhe, 
der Rest vertheilte sich. 


38 Dr. J. J. Reincke. 


Die örtliche Vertheilung ergiebt sich aus der folgenden 
Uebersicht. Auf Schiffen ereigneten sich 240 Erkrankungen. Die 
Strassen längs der Elbe: Johannisbollwerk, Vorsetzen, Eichholz, 
Grosser Bäckergang, Brauerknechtsgraben, Brook, Hinter dem Boden, 
Kehrwieder, Kleines Fleth, Dovenfleth, Stadtdeich, Billwärder Deich, 
Billwärder Ausschlag, waren wieder die vor Allem befallenen. Daneben 
häuften sich die Erkrankungen in dem Centrum des seemännischen 


Verkehrs in einigen Strassen des südlichen St. Pauli — das nördliche 
St. Pauli hatte nur 26 Fälle — und in den engen Arbeiterquartieren 


der nördlichen Stadt. 


Offenbar ist, dass die nördlichen Theile der Stadt und 
St. Georg’s im Verhältniss erheblich stärker betroffen sind, als in 
früheren Jahren. In der Neustadt übersteigt die Zahl der Er- 
krankungen des Nordertheils sogar die Zahlen des Südertheils. 


Ein ausgesprochener Herd findet sich in der alten Kaserne 
am Wandrahm, gehäufte Erkrankungen werden ausserdem erwähnt 
aus dem Freimaurer-Krankenhause (5), dem israelitischen Kranken- 
hause (14), dem Allgemeinen Krankenhause (22); anscheinend ereigneten 
sie sich auch in dem Werk- und Armenhause und dem Kurhause. „Sehr 
häufig kamen mehrere Erkrankungen in einer Familie und in einem 
Hause vor.“ 


Jetzige Altstadt-Nordertheil: 


Zahl Zahl 

Strasse der Strasse der 

Fälle Fälle 

| Transport....| 51 

Adolphsbrücke.. 2. 2... 2ue.e. | 2 GULIenStrasge nr ne 1 
Adolphsplatzar un. une see | 5 Depenau nn aber 3 
BAlSSerdAMm ER. nasser ee 3 Dormhbusch =... ut. see Bz! 
NSGETEDOT Eee ee er Berdinandstrasse 2... mm B) 
Ntenwallene sn ee Male Rischertwiete. 0. b) 
Bäckerstrasse, gToSse........... | 1 Fuhlentwiete, altstädter ........ 4 
Bäckerstrasse, kleine ».......... | 2 Georgsplatz ee me en ee 3 
Batmhofstrasse. .........e... In Mel. Gertrudenkizchhöf 2.2... Fre 1 
Barkhof, grosser ........,......| 6 Gertrudenstrasse.. . u... cm% 2 
Bauhof; bei dem... un. Glockengiesserwall............- al 
BEroStrasse run. wen eg see ı 2 Hermannstrasse ...... oe... 0er 6 
Börsenbrücke, enacn na n e N Johannisstrasse, grosse ......... 4 
Brandsender ie... ns dam ee) Johannisstrasse, kleine ......... 9 
Breitestrasse ............ Eee 1. 584,.8 | Rattrepel 3... 8.2. Sa S 
Transport....| Sl Transport....| 100 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 


Zahl Zahl 
Strasse der Strasse der 
Fälle Fälle 
Transport....| 100 Transport....| 254 
Wlmeberoe nennen B) Rathhausmarkt. „2. 22....n2.0. 1 
Knochenhauerstrasse ........... 1 rabhhausstrasse- ern une. >) 
Bilenstrasse...u...r.uenseene: 5 Rosenstrasse, aan an ed 13 
Miessberore.. 2. Me er als Sehauenburgerstrasse ..... ........ 15 
MoRkedamm. sr... et I, 4 Schmiedestrasse .....u. ur... 4 
Mührens kürzer zen an sea hi] Schopenstehleen nn lee Bi) 
uhren lan@ee....... Malerin: 116) SCHULZEHPIOTbEN oe ern ae l 
Neustrasse, altstädter .......... I BEBWEINEMArkU I ser een 1 
Nredernstrasse. „2:44: BJ | INIBEISORD ee aan ee here > 
Kaulsmasser ee er ee ren 2 Spiualerstnasse re 20 
BEIZEISCLANSOR res nenne 3 Springeltwiete.2......r.... 20 
Blerdemarkt; zes ee see 5 SUCINSLEESIBORN ne ede 42 
Pumpen, beiden ......”.- 32 Ohne Wohnungsangabe......... 27 
BABoOnBene.. ir. Wenn ae 21 
Transport....| 254 Summe....| 409 
Jetzige Altstadt-Südertheil: 
Transport....| 288 
INDTENISEREIS Str in ee ae an en 6 Graskeller ee 4 
Boden, hinter dem ......... 29 GE ee 1 
Börse, ‚bei der alten .........:. 3 Gröningerstrasse, alte .......... 7 
Bohnenstrasse \ . u... cn 2 Hankentwieter 2... 00.0. 4 
Brandstwiete, erste und zweite... 3 Heiligengeistkirchhof ........... l 
Brauerstrassen....... aan. 5 klerrlichkeut ep nn. Fesser 1 
RER OR ee ee ae 102 Hohebrücker u... en en 1 
Brookabtücken a. Bann 2 Holländischer Brook. ........... 6 
bBreyokthos 020. 10 Holländische Reihe: ............ 13 
Bürstah, .Stosser „2... 0.0 22. $) Hopfenmarkten.arn. 2, 15 
Burstah, kleiner. nr... | 3 Hüter. are 2 
Batharinenhrücke . ..2...2.2. 3 Kaakstwieten en 1 
Catharinenkirchhof.............. B) KEN ee 3 
Gatharmenstrasse 2. ..... 2... &) Kalkhofe 2 Ar. j 
ee 2 KASERNE EN Nenner ie 41 
Dienerrerber.,. ae 11 Kehrwieder „mu. ne.nse 104 
Derchsprassers nn 6 Kihbeltwiete rer. ee 14 
Doventlethrae sen. 42 Krahn, bein neuen =... :.. 1 
BEICUSSGTOSSs Hl er 5) TLembkentwiete „..2.....2..7%. .: 2 
Dreck, kelesmesiksar me | 38 Mattentwieter a. eerneen. | 
Gerkenstwieter Mr. 2 er. Men Krtehreme Weiden... 22... 27 
Grttwiete WE Be) NE ee l 
Transport....| 258 Transport....| 548 


40 Dr. J. J. Reincke. 


Zahl Zahl 

Strasse der Strasse der 

ı Fälle Fälle 

Transport....| 548 Transport...., 644 

Neueburd nur a ee 8 | 2 STECKEIDOLN. re een | 2 
Neuerweg, altstädter ........... I SBEINLWIELE Ser en | ) 
Pieikchuben gemessen 22 Theerhofe. =. ea re 1.6 
Borsenmühle ware ee ee Waisenhaus, beim alten ........ I 8 
Reichenstrasse, grosse ......... | 6 Wandbereiterbrook............. | 4 
Reichenstrasse, kleine .......... | 4 Wandrahm Falter en Sa ee 6 
Reimerstwiete „u... we 5) Wandrahmsbrücke #27: - an... 6 
Rolınesmarkt een 1213 Winserbaum, 'bei dem ..0.2...2 $) 
Sande, auf demz.. 222. 0re0220% 19 Zippelhaus, bei dem............ |:. 8 
Sanıdthor, vor dlem 2er. ale.72 N Ohne Wohnungsangabe......... | 45 
Transport.... | 644 Summe....| 788 

Jetzige Neustadt - Nordertheil: 

Transport....| 233 
ABU-STTaSSE Hr bu N A) Heubers na ee 1 
Alsterarkaden ee ee we Hütten, ber den 7. nr mr Bil 
Amelunestrasses #22. 0 u er | Bi unsternstleosker ne ee | 1 
Amidammachergang ........... 15 Kaserne, Valentinskamp ........ 6 
Bäckerbreitergang.......-| 24 Konisstrasser rc. 10 
bBleichen, grosse. a, Ser 11 Kohlhofen urn ee 4 
Bleichen, hohe 2er re re 6 Korntrasergane. 2,2. | 283 
Bleichenbrucke ı 2 3. uB.82- | 6 Krater re ae il 
BTOLEL SAND. ee 14 Kuselsortn.a „ine. ah #) 
Breiteroanp ı.3..2: 2er FIR Ss IR URZERLRASSIE ee 20 
Vafamacherreihe.. .2 2... zu 1 anerer nanıı2. u ne 20 
Dammthorstrasse. :.0....002.: °°: | 2 Maärienstrasse . u 22 er. are are 6 
Dammthonwall „2.02.52... 2200 13 Marktstrasse .n. 000 ana ee 15 
Drasonersiallseees. Auer | 93 Neuerwalls.n are ae 36 
Drehbahn,-Brosse nu. er sa U RRt Neustrasse, neustädter 26 
Drehbahn- kleine %..:: 2: a2: 5 Pet erstna ss 6 
Eihraergangar. et. as 6 Pilatuspool sr See 10 
DIDI ERS SER ee 34 Poolstrasse nr... sr 14 
Ellernthorsbrücke .............. 2 Poststrasse 2-2 een 4 
Bsplanadesen ee ap ea Bi Rademachersang. re... 20. 
Hehlandstrasse an nn 2 Schulgano se ea a #) 
Freimaurer-Krankenhaus......... 5 Schwieserstrasse...2......%: 1 
Fuhlentwiete, neustädter.., 46 SDECKRSEN On Se 20 
GAnsemarkt nano | 14 SDECKSplatz 2... 4 
Gasthaus en ee a Steiiiwep: „alter se d 
Transport... . 233 Transport....| 577 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 41 


Zahl Zahl 
Strasse der Strasse der 
Fälle Fälle 
Transport....| 57 Transport....| 627 
SHEIBWERNEILET ... .u...00%: 40 Minieusstrassete ne ee 7 
Theaterstrasse, ETOSse .u........ 1 Valentinskamp res | 22 
Iselbeckr. .. . .... ; ERS: 5 Ohne Wohnungsangabe ........ | 838 
Trampgang, grosser .....-. jaae | Bar 3 | 
Transport....| 627 Summe....| 694 


Jetzige Neustadt-Südertheil: 


U ee 


Backersang gTosser....... | 


Bäckervang, kleiner ............: 
Baumwall ar 2 es nenere 
D>DIain RO": . 

Bleichergane nen ar a. 
3ohmkenistrassein.... ren da ner 


Brauerknechtsgraben...... | 
IBriNnEenstrasse® ne... raue. | 


IDuUStennSstrasse 


BRRChrhIOlzZE ee ne | 


Biskuhle, bei der ...... 0... 
(GTUNELSOOU = nn nn ee er 
Grünersood, Platz beim......... 
Herrengraben.. ............::.% 
HIOhIErWEo EN. es anaesn. 

aconstrasseHees er 
dSohannisbollwerk.......... 
Kechenstrasser a a ee: 
Klefekerstrasse ............... 
Krauenkamper se. see: 
KrNauswe.a. ea ER 
OT 
Nneschengang. „uu..nu.» use 


Beronbrasser ee 
Bernhardstrasser 2.0... 
Ganlstrassets Re 


Transport....| 308 

Matthiasstrasseen nen en nen ) 
Michaeliskirche, bei der kleinen .| 13 
Michaelisstrasse, grosse......... 1 
Muhlenstrasser ur... Sonn ar: 
Neuerweg, neustädter .......... I .18 
Neumannstrasser. Keen et 12 
Neumarkt, STosser”.... ..... 25° 17 
NicolaIstrassemen nr. 15 
Baraliesnofas een an s) 
Rothesoodstrasser zn ger 1 
DASIEHDIATZARNE re Re ee. I 
Schaarhof HE a: 2 
Schaarmarkt „ash rer Ro) 
Schaarsteinweg............. 1, 20 
DChaarchOnES pre 4 
Schaarthorsbrücke. ..... ........ 1 
Schlachterstrasse.......... 25 
STEIDHOTEI ee 2 
Stubbenhukssseee ser 7 
terlteldi nen dr ra. 10 
Venusberpi sa eereee. S 
Vorsetzen, erste u. zweite. 981 
Zeushausmarkt „a. nam, 7 
Ohne Wohnungsangabe......... BX> 
Summe....! 649 


St. Pauli: 


Transport. ... 


Transport....| 41 


Carolmenstrasse sen >, 
Dampfmühle, bei der........... 1 
IDayıdstrasseme Per sb 


Transport....| 50 


42 Dr. 9. J.aReincke. 


Zahl Zahl 

Strasse der Strasse der 

Fälle Fälle 

Transport....| 50 Transport....| 213 
rose Öhınterrdenen. se. ee 1 Neuerweak en sr RE 1 
IETTChsttrasster 45 Oelmüunler bei der... era e 5483 
ischerstrasse, 0.2.00... 2 Petersenstrasse. re. 15 
Friedrrichstrasse. e.r.92 2% Pferdemarkt, am. neuen. 2... 1 
KGerhardstrasser seen nen S Pinnasbergr a 17 
Glashüttenstrasse. ...... Fe se 1 Reeperbahn 42... eereeae 6 
Fleinrichshrassere re 15 Rosenstrasse, neue .............| 6 
Blerrenweilde Be 6) Schulterhlatt er. ee | 
Jonas am. ea 7 Silbersackstrasse wer... oe ep 4 
Krankenhaus, israelit. ......... 14 Sophienstrassen.......2.2: 1 
Kielerstrasse ar Em. 7 Spielbudenplatz ... ...2..2..ee S 
Kirchenstrasse ar wet 2 SLEINStRaSse 0. 5) 
Kirchenwohnung: .u..0..2 ser B) Tatergang... nr are 2 
Bangereilee see 7! Thranbrennerei, bei der......... B) 
Tangestrassert us. 202.0, se 15 Trommelstrasse ..., er ee 7 
Tudwisstrasse .e. rn. re | Wilhelminenstrasse............. 7 
Martenstrasse 2.000 ws or Re 1 WILISS>Hob er 2e 14 
Märktstrasse’r. . 2.22 B) Ohne Wohnungsangabe..... re Re 
Transport....| 213 Summe....| 320 

St. Georg: 

Transport....| 146 

Alleesser0830 7. 2. ee 2 Gurliptstrassee 2 er 1 
INSterBant der I 28) Hammerbrookstrasse............ 11 
Alsterwesge sa 10-2 Hohestrasse 0. .o2.... a 
Amalienstiit.+. .. ee s..cneseen 85; Holzdamm, ber dem. 2... 02er ar: 
Anisinckstrasse "on... ser 1 Hühnerposten, bei dem......... er 
Backen ang. a | 3 Kirehenallee., CA. 7 
Banksstrasse nr 25 Kirchenstrasse rn. sehe are 1 
Bersstrasger nn er 4 Kirchenweei.e 2... 2... See 1 
Berlinerthor, bei dem .......... 2 Kınchendamm!r........2e ae jt 
Besenbinderhof, bei dem.......,ı, 1 Koppel an der. ....2....m 0... (it) 
Beyerstrasse m nr ee 3 Krankenhause, bei dem......... gl 
Böckmannstrasse. nr Leer i 62 Kreuzweg! neu mn ee Wer 
Borgeschram en ee 12 Langereiher „rn er ge ee 15 
Borscsch een. 7 Tanges/Plabzeae ner ke | 22 
Brennerstrasse. ce... 6 Isindenstrasse gem a ee 06) 
IBrunnenstrasse n....... un 5 Lübeckerthor, bei dem ......... 2 
Deichtbor, bei dem... ...:.....: 02> Minenstrassenar nn ne I 
Georgskirchhof, St... ........... j IMittelstrasse ee a ee | 10 
GEOTSSSLEASSe, Ab. erden Neustrasser. nn ee 2 
GEUNerdeich arena a El Repsoldstrasse «.........n.2. 28472 3 
Grützmachergange.. -. .....0.. Sal Schnltzwer.z. 2. nee 1 
Transport....! 146 Transport... .| 250 


‘ 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 45 


Zahl Zahl 

Strasse der Strasse der 
Fälle Fälle 

Transport....| 250 Transport....| 349 

SOBMNSTTASSEN.... u Hesse 1 Strohhause, bei dem.:..:........ 5) 
Spadendeich, am. .......0....%- 4 Strohhause, hinter dem......... 11 
Spaldinestrasse®.. 2....%.2...2.| B) JUN se 1 
Snarditidresttchher Mr en 12 NWVallzanıe ee ee Sen he Way? 
SIENA ee ee un ee 15 Ale Krankenhaus. 02...2: E22 
Btemdammtwietes. 2 tee 1 Ohne Wohnungsangabe......... | 2 
Transport....| 349 Summe....| 396 

Marschlande: 

| Transport... .| 153 

GRrarsıbEIo Ki een se 3 Tatenberai Meran ern ee 2 
Wedding 1 Spadenlandarr ra. ee: 1 
Beuter EI WESIN enet | 5 Ochsenwärden.... Mayen. 12 
Hoyon „sr ee B Reithrooler starre ee 2 
Brandshoß: ee ne ne nal! Allermeherr 0. 2 ee 4 
BullvarDeschree. ars: Gb Moorburs een 4 
Bothenburssort. 2... 4 Einkenwärder ver anne 10 
BrllwsAuussichlaerz2.2..2....: 22 Ietupienbergen .............. 1 
Billwärder an der Bille......... | 4 STEInWärder® C.... 8.2, Aare 10 

Moorlete nr. een er 12 
Transport....| 153 Sunmer...17199 
Geestlande: 

Transport....| 24 

Borherbaum.....2..0.20 2.2.2 B) Hamas | 2 
Brmdeleg ee tee a eklohentelderz4. Sense H-3 
BOsoldortenc en Asse. r nee | 4 \WandsbeckersWeg....,. 20... 1 
EINdSpuUtbeh ser clean ar: 2 Deterskampr eye. einen 1 
Bippendort 2.2 2 ern. 1 Uhlenhorstee es. 2er | 1 
GIOSSTBOLSteN „nern I Werk- und Armenhaus ......... 7 
NISLEFOEERN ers eh e Aa it ıl Rönnhalde. 2. nenn Be 1 
Brhlsputtele ae. aaa 2 Barmbeck.. 23... .kasensomeeete en 2 

Borstelde on Base erde B) 

Transport....| 24 Summe....| 42 

NUTZ SICH Kom re een Sse en 240 

Im Ganzen....| 3687 


Für etwas grössere Gebiete hat Buek auch eine procen- 
tische Berechnung der vorgekommenen Fälle auf die Zahl der Ein- 
wohner angestellt und zwar nach Bataillonen des Bürgermilitärs. Die 
beistehende kleine Zeichnung giebt die örtliche Lage der acht Bataillone, 
die nachstehende Tabelle das Ergebniss der Berechnungen. Leider 
lassen sich daraus nicht allzuviel Folgerungen ziehen, weil z. B. in 


44 


Dr, I Beinieike: 


St. Pauli und St. Georg der Norder- und Südertheil zusammen- 
geworfen sind, obgleich dieselben sich in Bezug auf die Cholera so 
Immerhin erhellt, wie viel schwerer in 


sehr verschieden verhalten. 


der Stadt die Nähe der Elbe betroffen wurde. 


darauf wiederholt aufmerksam. 


Auch Buek macht 


Eee al | nn | Erkrankt Gestorben 
l: Batalllon..r 22. 18 574 105 | 79 | 1von 106 | 1 von 235 
2 nel Kasamaıl, Dadz a A 210.11, 46 | 17 Sooakes 
Baer 16.698 |. 446 1. 193.11 „var LER 
4, ER, 20 001 481 PAR a I ee Ver.) 
5. a ee 17 443 330 166). 1 ,„, 53 | Isa 
6. », (incl: Kaseme)| 24 242 436 226) 1... 56.) 1 2er 
Ohne Angabe ..... & 148 53 — — 
Eialene ae 2 240 109 — — 
Stadt und Hafen..| 118505 | 2750 | 1287 | 1 von 43 | 1von 9 
1. Bat. St. Georg .| 16187 396 1892 1, 21 | een 
st, Bau 1 192 ee en 590 
Stadt u. Vorstädte.| 150 566 | 3446 | 1650 | 1von 44 | 1von 91 
Marschgebiet ..... 15049 | 19 95 | 1 „zo dee 
Geestgebiet....... 16 820 42.| 20 | 1, „ 4000 es 
Summe..| 182435 | 3687 | 1765 | 1 von 49 | 1 von 105 


6666 ss en] 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 45 


Von besonderem Interesse ist seine Bemerkung, dass die 
nach dem grossen Brande von 1842 neuerbauten Stadttheile „keines- 
wegs in besonderem Grade verschont geblieben sind, ja dass einige 
derselben gerade verhältnissmässig viele Erkrankungen gezeigt 
haben“. Auf Tafel II sind diese Stadttheile kenntlich gemacht. 

In späteren Jahren hat Physicus Gustav Buek') die 
Epidemieen von 1848, 1859 und 1866 statistisch bearbeitet unter 
Berücksichtigung der Höhenlage der verschiedenen Strassen. Die 
dabei gewählten Bezirke ergeben sich aus der Darstellung auf 
Tafel VII. Leider erstrecken seine Untersuchungen sich nur auf die 
innere Stadt und Theile von St. Georg; doch ist es für St. Georg 
möglich gewesen, aus dem vorhandenen Material die Zahlen auch 
für kleinere Bezirke zu berechnen. St. Pauli ist nur 1848 berück- 
sichtigt worden aber ohne Unterscheidung der nördlichen und südlichen 
Hälfte. Soweit 1848 in Betracht kommt ergänzt und bestätigt diese 
Darstellung Gustav Buek’s in höchst willkommener Weise die 
Arbeit seines Onkels, des Physicus Buek senr. 

Es ist nun bemerkenswerth, dass diese Epidemie von 
1848 selbst innerhalb der Stadt nicht gleichzeitig verlief, sondern 
dass ein ausgesprochenes Fortschreiten der Seuche von Westen nach 
Osten und gegen Norden statt fand, wie das in keinem anderen 
Cholerajahre in der Weise beobachtet ist. Die beiden folgenden 
Tabellen nach Buek senr. geben die näheren Daten. 


Es erkrankten: 


een 
en 2 | 8. |28 22 223|20| 5 © 
Fan gelselsernens 
is 55 | 4 |o|5& [a8 823|28 23353 3 
eaI5n| = 5 = |S358 3|531|53 2 N 
: N 7 a \2|"a 22 |7a2 = | 
1.—15.Sept.! 18 538 11.028. 222) 11804590 1.135 8| 537 
16.—30. „, 70) 18/119| 75| 46| 63|314|229|230| 601224 
ie 159..0c6.1 75 |2.1220286.193 | 58.7 7233012283) 248 | 471288 
Io 31, 1 34| 5835| 40) i7| 45102 96. 92: 98| Ass 
1.—15.Nov.| 1 20 1% 3 au 2 la r2z lo 6| 105 
ee u ee er er, 
re 5.Deen 1| = 37 2, —| 2, 3" 4| 1 16 
De Nee el 19 
u | | 2 | 
Total..[199| 42 | 320 | 261 | 135 | 219 | 949 | 680 | 734 | 148 | 3687 


') Manuskript in den Akten des Mediecinal-Kollegiums. 


46 Dr. J. J. Reincke. 


In St. Pauli und in den beiden Südertheilen der Stadt begann 
die Krankheit sofort mit grosser Intensität, in St. Pauli war die 
Höhe schon mit Ende September überschritten, in den beiden Süder- 
theilen der Stadt und auch im Nordertheil der Neustadt so gut wie 
erreicht, während in St. Georg die Höhe in die erste Hälfte des 
October fiel. Die beiden Gipfel der Gesammtkurve der Epidemie, 
die früher erwähnt wurden, entsprechen also den beiden Extremen 
St. Pauli und St. Georg. Leider sind die weiteren Mittheilungen 
Buek’s nicht ausführlich genug, um diesen Vorgang auf seine 
Ursachen sicher verfolgen zu können. Er selbst beschäftigt sich 
zweifelnd mit den Einflüssen der Witterung, des Mondwechsels, die 
doch in allen Stadttheilen die gleichen gewesen sein müssen, während 
uns die Frage näher liegt, ob nicht die oben (S. 10) geschilderten 
ganz eigenartigen Verhältnisse der Wasserversorgung im Herbste 1848 
von Einfluss gewesen sein können, umsomehr als gerade diese 
Epidemie durch ihre plötzliche Entwicklung in etwas an die Vorgänge 
des Jahres 1892 erinnert. Ward vielleicht erst die Bieber’sche 
und später die Smith’sche Wasserkunst inficirt? 

Ueber den Beruf der Erkrankten ist die nachstehende Liste 
nach den Tabellen von Buek zusammengezogen. Zu derselben ist 
zu bemerken, dass der Autor selbst darauf hinweist, dass noch andere 
Leute, als die m den ersten Zeilen Genannten ihr Geschäft haupt- 
sächlich auf dem Wasser haben, z. B. die Kornmesser, Kormnträger 
und Kornumstecher, die mit 9 Erkrankungen bei ihm verzeichnet 
stehen. Man wird demnach nicht irren, wenn man mindestens ein 
Zehntel aller Fälle solchen Leuten zurechnet, die ihren 
Beruf auf dem Wasser hatten. Im Uebrigen macht er auch bei 
dieser Gelegenheit auf die besondere Empfänglichkeit der Alkoholisten 
aufmerksam. 


Seeleutesund Schiene. Ara... er er Dem 319 
Im Hafen und auf Schiffen beschäftigte Personen 
(Schauerleute, Schiffszimmerleute, Schiffsarbeiter ete.) ... 14 
Kellner, Kutscher sKnechter Diener m, derel, mo waren 76 
'Weinhändler, Destillateure, Gastwirthe....................2.. 45 
Kantlente,-Coramis Sera re Ge ll! 2 97 
Aerzte, Zahnärzte, Thierärzte, Wundärzte, Apotheker ......... ) 
Krankenwärter-e ne ck 7 
Soldaten (einschliesslich 7 Marinesoldaten)..................... 65 
BEamILe 02.7 ar DE ER ee N 45 
Norarenund-Studentent nem ne a 
BrEediser zundlIchrer ae N et ae 9 
RUN SEIEN ) 


Transport.... 690 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 47 


Transport.... 690 


IBICICH en ee et 2 
eltern ee ee NR IET N  RR EEE 9 
IBniseuresundeBarbienen ae 5 
IROTTdyERKICTT Rn Eee er a ed 399 
PASTE DET Re LER EEE N RR Id ee 374 
I LEN a NE RI TE WERE NEE RERE S 
OhnerNnvabe dersBeschäfieung. 2 a... en eeeae 314 
Schiffer und Matrosenfrawen............: BEER 20 
Diensthoßen, swellliche s..: Senn te ae se neue de 156 
AN DONE II ehr ee ee ee ee ol 
IBrAUenEUndEWHbLWENW re ee ee en ee 1152 
Kern KlenE WÄHLEN ee ee 15 
RE ee 4 
IRRE. RE ARTEN LE FREE 6 
Entzmacherinnen; Näherinnen.. 2... 2.0. some w ann una 16 
SEHEN EN ee ee 1 
EICH an En 2 
Händierinnenen en Go 30 
NESCHIERTID END en ee ee 29 
Ikreudenmadchenene ae er 20 
TEN En a ee Fe A MR: A 323 


| 
| 


SU} 
= | 
@) 
—I 


Summe.... 


Zum Schluss ist es der Erwähnung werth, dass ein Schiff 
aus Hamburg in diesem Jahre die Cholera nach England (Hull) 
brachte. ') 

Ueber Altona ist aus diesem und den folgenden Jahren 
nichts überliefert. Muthmasslich waren dort durch die politischen 
Ereignisse alle andern Interessen in den Hintergrund gedrängt worden. 


1849. 


Im Jahre 1849°) begann die Cholera am 14. Mai, ein zweiter 
Fall folgte am 21. Mai, darauf je ein Fall am 29. Mai, 1. und 
5. Juni. Von jetzt an ist fast kem Tag ohne Erkrankung, doch 
kommt es nur an einem Tage des Juni bis zu 5 Fällen; im Juli 
und in der ersten Hälfte des August nimmt die Krankheit etwas 
mehr zu, indessen giebt es auch jetzt noch Tage mit nur 1 bis 
2 Fällen; die höchste Zahl, die auch nur einmal am 19. August 


') Report of the general board of health on the epidemic cholera of 1848 and 
1549. London 1551. Appendix A. page. 101. 
°) Nach den Akten des Medieinal-Kollegiums, 


48 Dr. J. J. Reincke. 


erreicht wurde, sind 10 Erkrankungen, bis mit dem 25. August ein 
stärkeres Anwachsen beginnt, das seinen Höhepunkt am 4. September 
mit 36 Fällen erreicht und sich auf dieser Höhe bis zum 10. September 
erhält; dann tritt ein ausgesprochener Abfall ein, der nach einigen 
Schwankungen mit dem letzten Fall am 8. Januar 1850 abschliesst. 
Im Ganzen erkrankten 1191 Leute, es starben 593. 


Nach Monaten vertheilen sich die Erkrankungen in 
folgender Weise: 


Transport .. 1097 

I 3 October ee: 76 
June Mer en. DT November .....% 13 
ler 1207 |. December ers 2 
AUSUSE He ee 259 Januar Ser ke l 
September ....... 658 Ohne Angabe..... 2 
Transport .. 1097 Summe... 1191 


Die örtliche Vertheilung ergiebt sich aus folgender Uebersicht, 
bei der daran zu erinnern ist, dass der meist sehr schwer betroffene 
Stadtdeich in St. Georg eimbegriffen ist: 


| Transport... 724 
Südliche Altstadt!) . 204 Nördliche Altstadt. 69 
Südliche Neustadt... 14& | Nördliche Neustadt 181 
Oberhatenen. 00. HL? A ES GET 151 
Niederhafen ........ 13% 2 2 NGeestgeblete.. 2: 28 
STHDAUEL er 136%, 7OhneAngaber un 208 
Marscheehier 7% 80 | 
Transport .. 724 Summe... 1191 


An anderweitigen Nachrichten über dieses Jahr liegt leider nur 
ein Bericht des Physicus Buek vom 7. Juni vor. Darmach. waren 
bis dahin 53 Fälle vorgekommen. Die meisten derselben fielen in 
dem südlichen tief gelegenen Theile der Altstadt und insbesondere auf 
Kähnen im Oberhafen (25) vor, der nördliche hochgelegene Theil der 
Altstadt hatte bis dahin nur einen Fall. 

In der Neustadt waren die Erkrankungen in dem nördlichen 
Theile, wo auch der erste Fall am 14. Mai bei einem fünfzigjährigen 
Schneider in der Neustädter Fuhlentwiete vorgekommen war, häufiger 


') Vergl. die Anmerkung 3 anf Seite 18, 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 49 


(11) als im südlichen Theile (2). In der Vorstadt St. Pauli kamen 
4 Fälle vor, in St. Georg 3, auf dem Stadtdeich 2, in den Marsch- 
landen 4 Fälle. 

Auf dem Wasser und in der Nähe desselben wohnten 36, im 
Innern der Stadt 14, ohne Wohnungsangabe waren 3. 20 von den 
Erkrankten waren Matrosen, Schiffer, Schiffersfrauen und -Kinder. 

Im Gesundheitsrathe wurde grosser Werth gelegt auf „die 
möglichst baldigst zu beschaffende Verbesserung oder wenigstens 
Reimigung der hinter dem Kehrwieder und dem Brook befindlichen 
Gräben, da jetzt wieder die Krankheit ausser im Hafen, zuerst daselbst 
sich gezeigt“. 


1850 — 1859. 


Ueber diese Jahre liegen nur verhältnissmässig dürftige 
Nachrichten vor, in den „täglichen Generalberichten‘‘ des Physicus 
Buek senr., d. h. täglichen Berichten über die eingegangenen 
Meldungen, die verschiedenen Instanzen nach einem bestimmten 
Formular regelmässig mitgetheilt wurden. Die einzige voll erhaltene 
Reihenfolge findet sich in den Akten des ärztlichen Vereins. Nach 
diesen sind die folgenden Tabellen zusammengestellt. Manche Einzel- 
heiten finden sich ausserdem niedergelegt in den jährlichen General- 
berichten des Landphysicus Dr. Gernet.') 


Zeitliche Vertheilung der Erkrankungen: 


1850 | 1853 | 1854 | 1855 | ıs56 | 1857 | 1859 
| | | 

Mai ae ae | —ı — —ı — z— 
BL 1 232 4 Ka A 
I l>3.|. 5.28 fi 168 | 4 7 \ 1018 
ee 480.) 238. 48 141.|...10 | 202 | 1994 
September. .....:. 208 279 295 31 AGaı 235 9A 
October lern. Sal Be ne etz 2 
November ......... 6 1 18 We L DAR 
December u... 4. 4 _ _. — __ _ — 
January. Bst or 2 — — — — — — 
Summe. | 7194| 558 | a8 | 353 | 121 | 765 | 2586 


') In den Akten des Mediecinal-Kollegiums, in Vervielfältigung auch in der 
Bibliothek des ärztlichen Vereins. 


50 Dr. J. I. Reincke. 


Oertliche Vertheilung der Erkrankungen: 


1550 | ; 
Fälle bis | 1853 1554 1555 1556 1557 1539 
94. Aug. | TER 
Obere, Altstadı. 2. 27 30 66 94 u 51.206 
Untere Altstadt 222.1 21142172178 82 54 3l 188 | 584 
Obere Neustadt .... 53 22 52 3 6 62 | 401 
Untere Neustadt.... 53 61 38 23 9 65 1349 
SERSP AB nagr en 82 49 35 50 11 31 169 
SENREORD eat. 41 60 32, 22 3 sl 220 
Stadtdeich 2. ...%2.:. — — 63 $) 6 35 rel 
AufsSchillen »u..7 2,8 44 »2 30738 1: "So 
Marschlande ....... ä1:| 150 | 731.074 377 losıms 
Geestlanden........ Do rel read 56-| 2120 
Unbestimmt + 2:2. 3 en | a = — 
Summe..| 478 | 558 | 478| 353 | 121 | 765 | 2586 


Ueber die einzelnen Jahre ist im Uebrigen das Folgende zu 
bemerken: 

1850. Es starben 440. 

1853.) Es starben 301. Ueber dieses Jahr liegen nähere 
Angaben auch über die befallenen Strassen vor, die nachstehend 
mitgetheilt sind: 


Jetzige Altstadt- Nordertheil: 


an 


Zahl 

Strasse der Strasse der 

| Fälle Fälle 
| Mransport es 
Adolphsplatz nee an a Huhlentwieter za ne 2.2: are De > 
Alterwall Arne el. Gertrudenkirchhot.e .. nn I 
Bäckerstrassen were IR Glockensiesserwall ............. 2 
Brandsender. ann eu 2. A MEERE N Dec Kattrepelge nen ea Be ee 
Transport....| 5 Transport... 2 


') 1853 war die bekannte furchtbare Epidemie in Kopenhagen, im der vom 
12. Juni bis 1. October 7219 Menschen ergriffen wurden und 4737 starben 
—5,57/u bezw. 3,65% der Bevölkerung. Einzelne Quartiere hatten ganz 
besonders zu leiden. (Nyboder mit 5,24 %/, St. Annz Wester mit 4,51%, St. Ann 
Öster mit S,11 °/, Christianshayn mit 5,35 "/» Todesfällen.) Es gab Häuser mit 
20 bis 52 Erkrankungen, und Todesfälle in einem Hause bis zu 42. Auf 
Schiffen erkrankten 122 Personen, unter den Befallenen befanden sich 
537 Seeleute, welche zum grössten Theile in Nyboder wohnten und auf dem 
Wasser (Seewasser) arbeiteten. Hübertz: Beretning om Cholera-Epidemien 
i Kjobenhavn 12.-Juni—1. October 1853. Kopenhagen 1555. 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. al 


Zahl Zahl 

Strasse der Strasse der 

Fälle Fälle 

ransport.... 12 Transport....| 36 

NE RE | Pumpen, beiden. .......7... 3: Were 
JENEERSFTASSE. un. 2.2 ea Keil Bapolsenern ergehen: 2 
WESRBErREN I een 4 Kosenstrassere..: 22.8. es 1 
Miabrens kurzer... 2... 22... 2% 2 Schmiedestrasse.. .........- 2 
Nluhren, ‚lange... ...25..:..... 6 Schopenstehlen. sc... ee 
Neustrasse, altstädter...>.....-... 11 Spitalersprasse 2... un. 0.02 2 
MIegernetrasser Senne 1 Springeltwiete........... 00%... IS 
Eaulstrasser. 1 mn... SEEN: 1 SEEINSÜTARSERt“ Mae ae er iS 

BEbzEerStrasse, zen een. I! | 

Transport... . 36 Summe....| 64 


Jetzige Altstadt-Südertheil: 


Transport....| 55 

Brauerstrasseht nn ee 1 Kehrwieder: ne Wr re l 
oo N en ne a! Krahn,)beim@neuen.. ne. 2 
Catharinenkirchhof ............. I Lembkentwiete* .... 2.2... I) 
Gatbarmenstrasse, . ............. 1 Mattentwiete 2. -%.. „. ..... 2 
IE ee l Mühren, beivden: 72220. .2.. 2.» D2 
IDerchstrasse.. 00. are nr l Porsenmüuhle. ar... 222020842: l 
Bienerreiher 2... 2:0 nen B) Reichenstrasse, grosse... ...... .. l 
Dogenmflecht... nee Reichenstrasse, kleine .......... 2 
HSBnTrappene Sr anne De! Reimerstwiebere. An een Il 
Herklichkeitas mr 0 aan Ne Sande saus dem. Aue. ma 
Holländischer. Brook ................ 2 Sandthorstrasse. 2. 4.2... 2.0.0 2 
Holländische Reihe............. 1 StECKElhorne rn I 353 
Holzbrucker 2. Sec. \ T’heerhof..., .e...- NE A | 
Hopfenmarktw.e nn. en ae B) Waisenhaus, beim alten ........ mel 
Hoptensackr: m. Tan 2 Wandrahms alten. ser | 2 
En 5 | Winserbaum, bei dem .......... 2 
Kännengiesserört 7... m 0: 1 Kaserne... see | 8 
Trausport...,| 55 Summe....| 857 

Jetzige Neustadt-Nordertheil: 

Transport.... B) 

NBO-SErasse 2. ana nee: 1 Bleichens Tlohes. 220... An. 1 
Alsterarkadene 2. een l Brettergang nen we en ans 1 
Amidammachergang ............ 1 Dammthorstrasse, . +22... ur... 1 
Bleiehen, grossen. sur 2 Fuhlentwiete, neustädter........ | 2 
Transport.... 5 Transport.. ..| 10 


52 Dr. J. J. Reincke. 
Zahl Zahl 
Strasse der Strasse der 
Fälle Fälle 
Transport....| 10 Transport....| 39 
Gänsemarkt ans 2 Neuerwall.. 7. wre ana 2 
Hütten, 'beixden 2.0.2.0... 0... .. 1 Schmloang.n.. re a... B) 
IKonlhötens. ne ae et 1 Steinweg; neuer’! 22... 2.06% 1 
Kurzestrasse,r.. ne ren er \ 
Transport.... | 15 Summe....| 21 
Jetzige Neustadt-Südertheil: 
Transport....| 35 
Bäckergang, grosser.... ........ 1 Johannishollwerk.. .. ser 14 
Bleichereang een. un... une 1 Liescheneane.. 2. 0.02 ae ii 
Böhmkenstrassen .. rn ra 1 Neuerweg, neustädter .......... 3 
Brauerknechtsgraben ........... 2 Nieolaistrasse... 2.2. ee 1 
Eichhol2. m aan er 19 Schaarmarkt.....2. 0: ser. 4 
Biskuhle sbeinderre zer en.se 3 Schaarsteinweg nn... us re 2 
Grunersoode-e rer each 2 Teiteldi.nn, ul AN Se en 2 
Herrengraben 2. ......2::3.0.... 2 ‚Vorsetzen, ‚erste, »Ao.r 2 er M 
Jacobstrasse, zweite............ B) Ohne Strassenangabe........... 1 
Miehaeliskireher ne. 22... an...) 21 
Transport....| 35 Summe, ...| 70 
St.»Bauli=4.8 2... na ee 
St. Georg: 
| Transport.... 0 
Banksstrasseg ann ee 1 Stadtdeich a en 2 1) 
Grünerdeichl. Zr une an RER A 6 Ohne Strassenangabe........... 39 
Transport....| 7 Summe... f) 69 
Vororte: 
Transport. ll 
Grndele en tan Se ee 2 Billwärder Deich ee 2 27 
Barmbeck tr... re 2 Rothenburgsort .. 2... n..0r. 2 
Könnharde ur. 000m ne Il Grasbrook! ; tn se ne Dee 10 
Hohentelde.r.n.2...0.0. 0 vreerr 2 SEEINWÄTdEr- 22 Sana refeptan: 12 
HABE ee ne A 4 
Transport....| 11 Summe....| 62 
Geestgebiet: 
Alsterberg. 222%... al. cs, Me ne a ee 1 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 99 


Marschgebiet: 
Zahl Zahl 
Strasse der Strasse der 
ı Fälle Fälle 
Transport....|. 75 
ENMETIHONEN EN 7 NIOOERIEEN. es ae En a a 
Billwarderinn nn te Pr 17.1 ROSS A are ee a. 1 
Bankenwärder...c.h.. 50 Veddelt. ea ee l 
TUE, OR ON SE RE RO ELE 17 
Transport....| 75 Summe....| 88 
Im’Haten.. ss... VE RL PURE DEE 51 
Im Ganzen....| 558 


Es bedarf kaum eines Hinweises, wie auch in dieser Liste 
die grosse Belastung der Flussufer hervortritt. Sehr ausgesprochen 
war dies besonders in dem sehr langsamen Anfang der Epidemie. 
Die ersten Fälle ereigneten sich am Eichholz und Johannisbollwerk ; 
von den ersten 47 Fällen in der Zeit vom 23. Juni bis 5. August 
betrafen 38 die Hafengegend, 2 entferntere Quartiere, über 7 sind 
wir nicht unterrichtet; von den nächsten 76 Fällen in der Zeit 
vom 6. bis 19. August entfielen nur 8 auf Gegenden, welche dem 


Hafen fern lagen. 


Besondere Aufmerksamkeit wurde in diesem Jahre zuerst 
den Schiffen zugewendet. Man richtete eine ärztliche Kontrole der 
Auswandererschiffe ein und die Englische Regierung engagirte einen 
Hamburger Arzt, Dr. Helbert, zur täglichen Revision aller Englischen 
Schiffe nach Art der in England üblichen Haus bei Haus Besuche. 
Dabei wurden gedruckte vom General Board of health erlassene „Pre- 
cautions against the cholera, to captains of merchant ships, steamers 
and colliers‘ vertheilt. In denselben hiess es: ‚‚The Elbe water is bad 
and likely to purge; therefore it would be better to use water 
brought from England; and Captains are recommended to take in a 
supply accordingly“. 


1854. Es starben 31l. Auch in diesem Jahre war das 
Ueberwiegen der Hafengegend bei der Zahl der Erkrankungen im 
Anfange der Epidemie noch ausgesprochener, als in der schliesslichen 
Gesammtzahl der Fälle. Nach einer Uebersicht von Buek vom 
20. September fielen von den bisherigen 201 Fällen 46 auf den 
Stadtdeich, 32 auf die südliche Altstadt, 19 auf die südliche Neustadt, 
11 auf Schiffe, 19 auf St. Pauli, nur 11 bezw. 16 auf die nördliche 
Neustadt, bezw. Altstadt, 7 auf St. Georg, 3 auf die Geestlande, 


54 Dr. J. J. Reincke. 


34 auf die Marschlande, 3 unbekannt. Von diesen hatten die Fälle 
im Marschgebiet sich sämmtlich in der Nähe der Stadt ereignet — 
Grasbrook, Billwärderdeich, Grünerdeich, Veddel. Später wurden nach 
Gernet auch entferntere Marschgebiete ergriffen, namentlich Allermöhe 
und Finkenwärder, das letztere hatte 20 Fälle. Moorfleth, Ochsen- 
wärder und Moorburg blieben gänzlich verschont, in Billwärder an 
der Bille kamen 3 Fälle vor. Die Geest blieb fast völlig frei. 
Auch diese Epidemie war ganz langsam angestiegen; in den ersten 
10 Wochen waren nur 43 Erkrankungsfälle vorgekommen. 


1855. Es starben 204. Der Beginn der Epidemie war sehr 
langsam ansteigend. Die ersten Fälle ereigneten sich in der Matten- 
twiete und auf Schiffen. Steinwärder hatte 26 Fälle, auf den Bill- 
wärderdeich und die Elbinseln fielen 23 Fälle, je 3 auf Moorfleth 
und Ochsenwärder, 4 auf Finkenwärder, einer auf Allermöhe. 

Zum ersten Male in diesem Jahre wurden auch die Geest- 
lande stärker befallen und zwar Barmbeck. Gernet berichtet 
darüber: „Ein Mann war am 16. Juli unter Cholerasymptomen auf 
dem Grasbrook erkrankt und starb, nach seinem Hause in Barmbeck 
gebracht, in wenigen Stunden. Im Verlaufe einiger Tage erkrankten 
und starben in demselben Hause mehrere Familienglieder; von dort 
aus ging die Krankheit weiter auf Verwandte und einige andere 
Personen, die in directem Connex mit dem Hause gewesen waren. 
Die Zahl der Erkrankungen betrug 26, von denen 12 starben. Der 
Verlauf lässt annehmen, dass, wenn der erste Fall, wie Anfangs 
beabsichtigt war, ins Krankenhaus geschickt wäre, die Epidemie nicht 
zum Ausbruch gekommen sein würde.“ 

Auf dem Auswandererschiff „Francisca“, das am 13. October 
Hamburg mit 220 Zwischendeckern verliess, erkrankten auf der Reise 
nach Rio bis zum 12. December 53 Personen an Cholera, von denen 
16 starben. ') 


1856. Es starben 78. Aufdie Vorstädte und den Stadtdeich 
kamen 10 Fälle, auf das Marschgebiet 37, davon auf Finkenwärder 
19, auf Steinwärder 8 Fälle, die Geest blieb ganz frei. Auch 
erwähnt Gernet einiger Auswandererschiffe, die auf der Elbe oder 
in See von Cholera befallen wurden. Die Erzählung von einem 
Schiffe, das über 10 °/o der Passagiere verloren habe, bezieht sich 
möglicher Weise auf die unter 1855 genannte „Francisca“. 


') Kupfer. Ueber eine Cholera-Epidemie an Bord des Auswandererschiffes 
„Franeisca“. Vierteljahrsschrift für gerichtliche Mediein und öffentliches 
Sanitätswesen. N. F. Bd. XVII. 1873. 8. 85, 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 95 


1857. Es starben 491. Unter den Marschlanden hatten 
Moorburg und Finkenwärder 25 Fälle, Steinwärder 29, der Bill- 
wärder Deich 28, der Grasbrook 21 Fälle. Billwärder an der Bille 
war frei. Dagegen griff die Cholera immer mehr auf die Geest 
über. Von Hohenfelde bis Barmbeck kamen 23 Erkrankungen vor. 
Auch zeigten sich Fälle in Borstel, Langenhorn, Fuhlsbüttel, Ohlsdorf. 

1858 kamen 6 bis 7 Cholerafälle vor. ') 

1859.!) Es starben 1285. Der Beginn der Epidemie war 
ein allmählicher. Am 9. Juni ereignete sich der erste Fall, am 
28. waren zuerst 5 Fälle an einem Tage, Mitte Juli 15 bis 25 Fälle, 
dann rasch steigend bis 89 am 24. Juli. Schon mit Ende des Monats 
war die Zahl wieder auf etwa 40 herabgesunken, auf der sie sich 
nun den ganzen August hielt, unterbrochen durch eine vorübergehende 
Steigerung in der Mitte des Monats (am 16. 63 Fälle). Am 
2. September trat dann ein rascher und anhaltender Abfall ein. 
Die ersten Fälle kamen auf St. Pauli, Dovenfleth, kleine Reichen- 
strasse, Breitergang, Schiffe. Unter den 19 Fällen bis zum 4. Juli 
fielen 16 auf die Stadttheile an der Elbe und auf den Hafen, von 
41 Fällen des Berichtes vom 7. Juli 33, von den 83 Fällen des 
Berichtes vom 10. Juli 68. Im späteren Verlaufe kamen garnicht 
selten mehrfache gleichzeitige, oder rasch auf einander folgende Er- 
krankungen in einem Hause oder einer Familie vor. 


Jetzige Altstadt-Nordertheil: 


Zahl Zahl 
Strasse der Strasse der 

Fälle . | Fälle 

| 

Transport....| 20 
Alterwalle ern en Atos l Bischertwietere. e..mmer zens: B) 
Backerstrasse, SLTOSSe nr une.) 2 Fuhlentwiete, altstädter ........ I 
Bäckerstrasse, kleine........... 4 Gertrudenstrasse. .............. 1 
Bahnhefstrasser .non. un. eo. 1 Hermannstrassers. a. nz... 1 
IBarkbof. grosser... Jan. 6 Jacobikirchentwiete ..:........ 1 
Bauhof; bei dem... 2... ar 1 Jaconikirchhofe as any 2 
Brodschrangen.. 0... 2.08 0. 5, 1 Kattrepell. 2 en 2 aka: 5 
Deichthorstrasse. .... 2... eurer 1 Klostersträsse, erste............ 2 
EDEN 2 4 00 22 0 2 A ae j Inlienstrasseme. ae. B) 
Dornuhugchtsn. at... En Nessbenee nee. a. I 13 
BWerdinandstrasse. .. Ar. .. aa... | Miühren, langes ser 2a ae. 5) 
Transport....| 20 Transport....| 69 


') Buek senr. Die Cholera-Epidemie von 1559 in Hamburg. Hamburger 
Wochenblatt 1859. No. 11, 12. Einige schriftliche Berichte desselben 
Autors im Stadt-Archiv. 


[> 
©) 


Dr. J. J. Reincke. 


Zahl | Zahl 

Strasse der Strasse der 

Fälle Fälle 

Transport....| 69 Transport. ..., 100 
Neustrassealtstädter.. u %. un. 2 Schauenburgerstrasse........... B) 
Niedernstrasse mar S Schmiedestrasse ra las 1 
Paulstrasse. un... ae 2. > Schopenstehl Mr. me 1 
Pelzerstrasse.. 2... 2er 1 Schweinemarkt un. ee l 
Petrikirehe,beitder?r.2...00.2 1 SNEETSORL, *. =... TE 5) 
Pferdemarkt: or use 3) Spitalerstrassensee. en Se S 
Pumpen; beirden..... u en. 2 Springaltwieten #1. S 
Kaboisen.rr u. ® desıy dar 6 Springeltwiete, neue............ 1 
Rathhausstrasse...%. 2.0... sn... 2 StEAMSIt RASSE. 18 

Kösenstrasse sn... ee sagen 4 R er 
Transport... 100 Summe....| 146 
Jetzige Altstadt-Südertheil: 

Transport... .| 100 

Boden, hinter.dem .........:.. 5 Kaserne... te ee je 
Böhnenstrasse Kusn I Me! 2 Kajenor ls SER NUN 7 
Brandstwiete, zweite........ 2 Kannengiesserort. .............. 1 
Bro ee er 25 Kehrwiederife re are 98 
Brookthorwall® 0.2. 0..2... 2 Kihbeltwiete...n 2.2. 2 nn B) 
Burstah, "Kleiner ......... 2.0... 1 Krahn, beim neuen............. B) 
Catharinenstrasse .......... Near! bembkentwietera „as re 1 
BLE WON: 1 Mühren bei den)... 2... B) 
Deichstrasser, en B) Neuerwesg, altstädter ............ 4 
Dowentleth. 2.2.4 12 Bickhuben. 2.1.2 7 m. Mens je 
Flethr kleines. .er nn. a. 3) Poggenmühle:» 4... 0a Susıne 4 
Gerkenstwiete..... 00.5 00... 2 Reichenstrasse, grosse .......... l 
Grasbrooke.r een er 2 Reichenstrasse, kleine .......... 4 
Gran RI nen 1 Reimerstwiete, nn. B) 
Hankentwietent,..24. 0 u... ae 2 Rödingsmarktur.. 2 2 er 7 
Heiligengeistkirchhof...... .. 1 Bande, aufdem sr ana ee 6 
Herrlichkeit „22... ... 6 Steintwiete, ensure Se 1 
Holländischer Brook........ B) Iheerhof.n..... ee... Raheeranen 7 
Holländische. Reihe... -, .........|° 6 Wandrahm,salter... mare ee [ers 
Holzbrücken.. men. se ee Il Wandrahm, neuer... 2220 19] 
Hopfenmarkt 2... n.4: 0a S Zippelhaus, bei dem... ..2re. 2 
iimter no. 0. RE 2 Zollenbrücke. rar ee 2 
Transport. ...| 100 Summe....| 218 

Jetzige Neustadt-Nordertheil: 

| Transport.... 4 

INBOSSERASBEL nen I 088 Amidammachergang .:.......... B) 
Alsterarkadens. .. 3... ..2.2..2%. | 2 Backerbreitergang Srtr,r 14 
Fransport....| 24 Transport....| 21 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 


Zahl 
Strasse der Strasse 
Fälle | 
Transport....| 21 Transport... 
IBleichen)0Trosse. ... „aaa 1 KUrzestmasser ne re nase 
Bligehenbrücke. .... u. t..s.... 2: 2 Bangersaney ur sa. 
IBBEWETSANGE.I., ee 2 Marienstrasse, erste........ ;d 
BEEtLETSÄNg. 0... ereenn 2 Marktstrasse, erste.............. 
W&mmthorstrasse.......un....0: 5 Marktstrasse, dritte. ...... ....:. 
Dammthorwall..:..... %.: 21 Nenerwallern ae. 0. ea yes 
Dragonerstall....... sn one: 1 Neumarkt, grosser... ..2...0..8: 
rehbahn, grosse... u... 2 Neustrasse, neustädter.......... 
Drehbahn, Kleine.......r.:.-..... B) Beterstrasser. So Zen ee 
Ehre fun oneaten.ed: 2 Pilatuspools.. ar Nee 
Elkstrasse, dritte :.....:......: 1 Poolstrassen esse: 
BEillernthorsbrücke:..... .......- l Rademachergane.... .-........:- 
Esplanadeseee an sen, 1 Schulaano# So ee ee 
Fehlandstrasse; erste ........... 1 Schwiegerstrassen ne nasse 
Fuhlentwiete, neustädter........ 10 DDECKEOANOH N een 
BGEnSsemarkt. ren ag { Specksplatzens ee see ee 
IEUbenen 2 un 3 a ne 1 Steimwens alter... ann... 
Hntbensbeudene...n.22..2222... 4 Steinweg, Neuer... eo... 
Junfemstieg.. N. 222.00... 1 :Khielbecken zer. er ee 
Komioshrasser sam nen] b) Trampgang) grösser ...s..2...n. 
Kohlhiorenn 2 2m. n.nsecnraacn te 4 Uhiensstrasse . „20... 2 0.22... 
Karbtragersang. n.....2..n.0.n: 4 Valentinskampe 2.22... er 
Ey EEE 2 heuchausmarkt „nor. 
Bypelsori. 0. 0 ee: ee 
Transport....| 107 Summe.... 
Jetzige Neustadt-Südertheil: 
Transport... .| 
Admiralitätstrasse.........:..... 7 Naeobstrassezerstens sn 
Bäckergang, grosser....... 12 Jacobstrasse, zweite............ 
Bannwall uassasarie Ber: l Johannisbollwerk nn... eu... 
Bleiehersane;. 2. „nk. ea... B) Klefekersirassemuen nee: 
Böhmkenstrasse..... .. energie .r 1 Kraienkamp ....:. ya rsnateeaan 
Brauerknechtsgraben ........... 9 Küterwall’2. 2.008: 
Drnvenho@e.: 1.2... ar 1 Kulhberg!: 2.2.7. 1:04 rs seat 
ERERMOlZe Een 17 Bieschensane... nr ar. el ich 
Eiskuble; Bei: der......22........2.::%: 2 Matthiasstrasse .......20» 4... 
Blbstrassesnerster.. „2. Arne 1 Michaeliskirche, bei der kleinen . 
GTODELEOOUE N ae anne 1 Michaelisstrasse, grosse......... 
Grünersood, Platz beim......... 1 Miühlenstrassemsrise er 
Herrensraben. En naeh 6 Neuerweg, neustädter ..........| 
Hohlerwess. 2. a 4 Neumannstrasse, erste .......... 
Transport....), 66 Transport ... 


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98 Dr. J. 9. Reincke. 
Zahl Zahl 
Strasse der Strasse der 
Fälle Fälle 
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Neumannstrasse, zweite......... 1 Schlachterstrassenn ..o „ee. ce 5 
Nieolaistrasse... 1. nun ee 2 Stemmhüft. un cn. N ER 4 
Paradieshosn ea ne. NER | Stubbenhuk meer 3 
Pastorenstrasseme re ae 1 Peilteld, 9... 0: Au anne 4 
SAaS’erplatz a ne en Ve On 10 Venusberg"... Yan ER 1 
Schaarmarkt. senken 10 ‚Vorsetzen, verstens b) 
SCHaArsteInWwer erkenne I} Vorsetzen, zweite... u... 10 
SCHaaTEHOr.... | 2 
Transport... .| 148 Summe....| 1S1 
St. Georg: 
| Transport....| 44 
Alster santdern zur... en es Langereiheat ten a 6 
BäackerPangy ae Bea . | Inppeltstrassen. pe 1 
Banksstrasser... 2... | es Minenstrasse......-. = are er ee 1 
Bernhardstrasser 7 2. Ba 88 l Mittelstrasse...... f 
Böckmannstrasseme re 2 NIEUESERASSC HER 1 
Borgesch, am. . a Oberhafenstrasse =... 2 
Borgesehstrassen u 2er 22. 2 Reyes Platz. 2... 2 .Har era 1 
Brennerstrasse........- ie ne Spadenteieh, beim... „os... 1 
Georsskizehhof, St.............. ol Steindamm An... ee 3 
Grümerdeichnn. 2.2.2. ae S Stiftstrasse ..... ee 1 
Grützmachergaug. 2... 0... 0... 6 Strohhause, bei dem............] 5 
GuRlibEStrasser. nr Keen 1 Strohhause, hinter dem......... 7 
Hohestrasse. nn. 2... 00 | 1 Wall an ee 1 
Krankenhaus, allgemeines....... IE, Woltmannstrasse 0°... 2... B) 
KREUZWEIT. er ee | | Baur Pohl ee ne 1 
Transport....| 44 Summe....| 85 
St. Pauli: 
Transport....| 18 
ANEONISTTASSEI 2. 2 une ee RD Friedrichstrasse, zweite ........ 2 
Berestrassen... een nee 1 Heinrichstrasse 2... 22... nme 3 
Carolinenstrasse .........r.nn.. 1 Kastanienallee ...22. 2 ante 1 
Dröge, hinter der neuen........ Na Kielerstrasser a.8. zur Sea b) 
Eimsbüttelerstrasse -............ 1 Tiangereihe ....a: .22...0. 2820 1 
Erholung, ber. der... ...... 2a» 2 Tangestrasse. 2... oe 1 
Erichstrasse, erste „22... 2 IMarmienstrasse =. 2... 20 ee B) 
Erichstrasse, zweite............ 2 Marktstrasser.c..ccee oe 14 
Heldstrasser rennen er EN 2 Qelmühle, bei.der.... wem. 3 
Bischerstrasse st. 2 Auer ren ee 1 Pinnasbere 2.00 Mer 3 
Friedrichstrasse, erste .......... 2 Rosenstrasse, neue .n.... 20a 1 
ransport.....|, 18 Transport....| 55 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 99 


Zahl Zahl 

Strasse | der Strasse der 
ı Fälle Fälle 

| 

Transport....| 55 Transport.... 65 
STIDETSACKSLFASSE 2. 2 aaa ee | 1 Nrommelstransere er en 3 
Sopmenstrasse.... 4,22% 4 4.0 2 Wilhelminenstrasse ............. 2 
Spielbudenplatz............. | Walhelmstrasse nu... 222.452: | 
Stemstrasse‘........... 4 Wättenhot a... 4 
RaberDano en N eane ee 1 BEI VIOSSE Ne a ae | 
Thranbrennereien, bei den ...... l SEEIRWARdERMARE HT N ER AN, 3 
Transport....| 69 Summe.... 19 
InWalem Län N 66 

SEAGBdeLch". „ur...o0:.r ED ARD us Sehe B) 


Im Ganzen....| 1015 


Die Erkrankungsfälle im Landgebiet vertheilten sich in 
folgender Weise: 


Marsch: 

Zahl | Zahl 

der der 

Fälle ı Fälle 
Transport....| 105 
Grasprook ana. en el Grevenhofaee ne ED Wa 
Bellwärder Deich.........:.- 48 SCEMWATdEN- EN er 0 a 
rpinerdeich m. een. ns 17 MOOTHEc re I 6 
Billwärder Ausschlag .......... I @chsenwärder Ara: a ee 1720 
Billwärder Steindamm .......... 6) Moorwärder Te nee eeeeaere Me 
Rothenburgsortn...... mega. | 8 Billwarder-a. d. Ba. ..0...008.. 2 
Velden een, EN RE IE 12 
DO ee nee 1 Moorbursan. nr ern e 97 
OS rn nee 1 Einken wärden ze... 3, ‚103 
Transport....| 108 Summe....| 308 

Geest: 

Transport....| 60 
Rotherbaum, Grindel, Pöseldorf .., 10 Ikangenhorn? 72 34. ver ale. | | 
IEEBaShbribkele 22. 32. he. ae 6 Hohentelde ker ere se sr | {| 
IERDIBIONI OT. as Raser al Ühlenhorsteee 4 
Wimterhudess se. nn. 2 Eilbecke san nn RE N. 6 
Gross Borstel rn. 2. 4 Barmbeeku.tangene na. 26 
Fuhlsbüttel und Klein Borstel .. 6 Borstelder sr a Henne | 3 
Alsterkrug ae Ana. 9 Hammerdeichrer... 2:2... 4... I 

Ohlsdorf Super 2 Hamm ee leg 
Transport....| 60 Summe....| 119 


60 Dr. J. J. Reincke. 


„In Eppendorf, welches früher nur vereinzelte Fälle gesehen, 
brach eine förmliche Panik aus.“ Bemerkenswerth war es ferner, 
dass die Krankheit an zwei Stellen, dem Alsterberge und in Hamm 
in der Schwarzen Strasse „wiederum dort einen verhältnissmässig 
stärkeren Ausbruch machte, wo städtische Gassenkummerwagen ihren 
Inhalt deponirten“. 


In das Allgemeine Krankenhaus wurden 232 Personen 
gebracht, über die eine genaue, von dem damaligen Oberarzte 
Dr. Tüngel angefertigte Liste vorliegt. Nach dieser ergeben sich 
folgende Berufe: 


Männer: | Weiber: 

Schiffer, Seeleute...... 54 Köchinnen, Dienstmädchen.. 44 
Elandwerken ser een 46 Frauen und Wittwen ...... 25 
Arbeiter nme ra 207% Arbeiterinnen? Ser ae 6 
Kutscher, Hausknechte ..... S Freudenmädchen ........... 5 
Soldaten pen a 11° 5 © Schneiderinnen...2....o... 1 
andleute. sm 2 Kunden e 3 
Kantlente sn Zee I Summe 
Lehrern. 07 an ae IE en 
Ohne Geschäft see l 

Kindern. we ee. 4 

Summe.... 148 | 


Mehr als ein Drittheil der behandelten Männer 
also hatte seinen Beruf auf dem Wasser. 


Wie oben S. 45 schon erwähnt, hat Gustav Buek auch 
über diese Epidemie nähere statistische Berechnungen angestellt, 
deren Ergebnisse sich auf Tafel VII dargestellt finden. St. Pauli 
und Nord-St. Georg hat er unberücksichtigt gelassen; leider konnte 
das Fehlende nach dem vorhandenen Material nicht ergänzt 
werden. Dagegen sind procentische Zahlen für Altona, das jetzt 
c. 44000 Einwohner hatte, eingetragen. 


Altona hatte in diesem Jahre schwerer als sonst von der 
Cholera zu leiden. Nach Bockendahl!) erkrankten 373 und starben 
165 Personen. Auch im übrigen Holstein trat die Krankheit heftig 
auf. Weitaus am schwersten befallen waren die Ortschaften längs 
der Elbe, Glückstadt hatte 314 Fälle, Wilster 245. Sonstige Angaben 


') Bockendahl: Ueber Cholera. Mittheilungen für den Verein Schleswig- 
Holsteinischer Aerzte. Neue Folge. Jahrg. I. September 1892. No. 2. 8. 28. 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser, 61 


fehlen; doch sei ausdrücklich auf die Ausführungen auf 8.12 hin- 
gewiesen über die am 8. August dieses ‚Jahres in Betrieb gesetzte 
centrale Wasserversorgung. 


Seit 11 Jahren war fast kein Jahr ohne Cholera vergangen. 
Jetzt endlich trat eine Pause ein von sechs Jahren. 


1866. 


Die ersten Fälle ereigneten sich am 30. Juni, der letzte am 
22. October. Im Ganzen wurden 2254 Personen ergriffen, von denen 
1158 starben. 


U AL. 2 
al ER a ua. 203 
ASUS a ee 187 
Deptemben? 52 m. de en. 1130 
October 0 62 


Nach Gernet’s Generalbericht „kamen die ersten Fälle auf 
dem kleinen Grasbrook zur Behandlung, und rasch in einer für die 
Bevölkerung nicht geringen Anzahl von meist schnell tödtlichen Er- 
krankungen breitete die Krankheit sich in Steinwärder aus. Fast 
um dieselbe Zeit aber zeigte sie sich schon auf dem Stadtdeich, von 
wo aus sie sich über den Hammerbrook, Billwärder Neuendeich, 
Grünendeich u. s. w. verbreitete und dort erst gegen Mitte October 
ihr Ende erreichte, während die Epidemie auf Steinwärder in kaum 
einer Woche verlaufen war.“ Auf den Stadtdeich und Umgebung 
kam etwa der dreizehnte Theil aller Erkrankungen. „Während man 
geneigt war, in früheren Epidemieen (so 1857 und 1859) vorzugsweise 
dem unleidlichen kloakenartigen Zustand, in welchem sich die Deich- 
wetterung befand, das Umsichgreifen der Cholera am Stadt- und 
Billwärder Neuendeich zuzuschreiben und deshalb die Wetterung 
durch regelmässige Spülung in einem so guten Zustande gehalten 
wurde, wie es seit Jahren nicht gewesen ist, hat sich trotzdem die 
Cholera dort in höchster Intensität entfaltet.“ . (Gernet.) Die 
stärkere Ausbreitung der Epidemie fiel erst in den September. Das 
Nähere darüber giebt die folgende Tabelle: 


62 


.J. J. Reincke. 


Datum 


30. Juni — 24. Juli 


25. Juli — 2X. 
8 „ — 8. 
3l, „.— 2 Aug. 
2.Aup. — 59, „ 
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ii 


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wem wwweumw ver 


16 


Siüddliehe |Nieder- Ober- | Vorstadt nnd 
Altstadt | Hafen | Hafen | St. Pauli deieh 
sis 2ls/sı s 8: 5s5es 53|8|52 5:$ SEA 
a2|5J|a/lo|aA|)5|a| 8 55a) 3|5| A| DO |A|O >3|Aa | 
| | | | | 
3 54 51 310122512218 6011.11, 9) »2 80021 380, 931 8 5 70 
106 4.1 11,2 1420751) A255 3 A 3 31 
— 3 1 al ı| s- sl 1 1-1] — —| 2 4/44 8 blar 23 
52 3—| a 3453 1 — 1 1 5 El 20 
— le Ale al as, 2 4 Sl 7 
12 aa 5a 3 2 15 
Aal 2 =, 5 210er a A ar 6 3 — 24 
3 —' —| —| 5/— | 17) 31—/—| 1 1 — —| 9) 1|4 4 11] 5.11) 2 
9| 3 10) 6) 8| 5| ıs] 12) 3—| 2]—| 3) 3| 10] 6)5|3| 7) A) 1| 2 44 
9 6 9] A 12| 6| 15) 16] 2]—| 3— 7 2] 2110/64 2 6 TI— 54 
4 2 a A| 9 4 2332] 1 8| 8) 7) 5)5| 1 2 32 33 
2 6 al 31 6| 6 1114 21) 93] A| 21 11.5143 9a 45 
2 6 3] 16) S 51 5| 11 3)—| 14 8 12) 3] 2 3 3 Dazu 38 
ü s| 14| S si 2) 3 3—| 9) 5119| 2| 7) 2] 15] 11] 7| 3) 57 
13) 16| 14| 8 20) 3] 1110) 5] 21) 18) 9] 6| 5) A| 14] 7 10) A| 102 
S 22 91 3) 2 — | 13) 10) 5 4 = Sea 7 
4| 31- 5.3 6| 3] 2] ——| 14| 1 21-)—| 4 2] 2) | 30 
6 518 2 3| 3) 3—'—| 10) 9 — 1 78.283032 28 
9 01 51 5 13) 1) 2) 11—| 23] 3 3.1] SS ge 55 
2| ie il 4| 1 —| 1] 5 = 1— 4 2) 1. 17 
7 zu le) 4——-|—| 6 3| 1! 4 1) 2 28 
6 gras 42) 1 —| 9 | 4 SER 28 
10) 22) 3 2 16-1 1-| 8 2) 1 71 3) Boa 64. 
3 6 1— 42 —— 9 3 1— 51 —| 5[ 3|| 24 
1 2 3l ı a RR BE Be a 5) 19 
9 2) 5) 2 sa 5! 2 12 3111 E94 28 
—| 4| 1 | | 2 1) | 1 ı) 7 
4 2) sı 2] 4a] a] —| 2 6 | 2 2) 17 
1 1 11° 3 | I 2a—| 7 
— 2) le ll 1. 12 
6 1 1-11 7% 1 Ban! N) 
—_ 3 29 1—| 3 
1 2 2 23——| 8 3 —| 18 
9| 1 | | are 12 
D) 9 | 1 | Re 3 19 
4 2 
1 3 
6 - 


Summe. ...]268 


37 7246,38 21.208112 


———————————————————————————————————————————————————————————————n 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 63 


Die folgende Zusammenstellung über die örtliche Vertheilung 
der Sterbefälle ist nach den schriftlichen Aufzeichnungen von 
Physiecus Gustav Buek angefertigt. Man sieht, dass seine Zahlen 
sich nicht mit den Zahlen der vorhergehenden Liste decken. Seinen 
Berechnungen folgt auch die Darstellung auf Tafel VII. 


Jetzige Altstadt-Nordertheil: 


Zahl Zahl 

Strasse der Strasse der 

Fälle Fälle 
Transport....| 47 
INITEn Wall een ne 2 Neustrasse, altstädter........... ul 
Bäckerstrasse, kleine ............ 5 Niedeenstrasse.........e: 15 
Barkhofrsrosser. .....M2.222 2.05. 3 Baulstrassern turn. 1 
Bersedorterstrassen. 0... 0..... es) Petrikirchhoß.....r nu. or 1 
Beroatrasser. neun Deren 12 Pferdemarkt in mA a B) 
IBrREIbestrasser tn mn dan 2 Dumpenrbeir den... a... 2 
VUTIENSELASSE u. anne 2 ILaNOIBEn N N 4 
Depenam ee 2. een. 4 Tosenstrassene ne 7 
DIOENDUSCHL al aan] 2 Schauenburgerstrasse........... 6 
Fuhlentwiete, altstädter ........ Me Schmiedestrasseie nu eu 2 
Hermannstrasser 2... 2.02.0220: ne Sehopenstehle me ae 2 
Katznepele er ee cneen: | 3 Schützenstrasse ... 2...“ l 
ling Dero en Ser l Schweinemarkt ......3.... enas l 
Klosterstrasse, erste............ 2 DPEELSOTÜE TR ee > 
Knochenhauerstrasse ........... l BINLalerstea se Fur 12 
IIPSSHerO ee ame > Springeltwiete, alte und neue ... S 
Mahrer.skurze, „nr. 422.48... 2 STEISTTASSORE Ne ul 

Mührenslaneen........ ee ER I ac, 
Pransport.. ..|, 47 Summe...., 136 

Jetzige Altstadt -Südertheil: 

| Transport....| 46 
Boden, hinter dem. 2... 2. nener WE Hänkentwiete a... ..r.2. net; | ) 
Bobnenstrasse .., ng nn AN "8 Terrlichkeit. u pa 7 03er} 13 
IDPAUerStrasser. Rn a ie RS Holländischer Brook.......:.... nl 
BER un tan: 12 Holländische Reihe............. rn 2 
Barstal: 3orosser: .. Mar es.n 1 Eopienmarkt, as un. 2 
Catharinenkirchhof ............. 2 Kaakstwiele.., me ie Sant Bi) 
I 1 Ce Re I RS 3 
Diomansletaettaer. .u., 11 Kannengiesserort .............. 1 
Plethycklemes. .a0.......: 0024 9 Kehrwieden Sat as! 29 
Gerkenstwiete u. near. 1 Kibbeltwiete: -.....%:.........: 4 
GENE ei 2 Lembkentwiete, hinter der ...:. 2 
Gröningerstrasse, alte .......... 1 Mattentwieten Jay san... 2 
Transport....| 46 Transport....| 103 


64 


Dr. I: J- Reincke 


Zahl Zahl 

Strasse der Strasse der 

Fälle Fälle 

Transport....| 103 Transport....| 131 

Mühren, bei den... ,..2..% 14 Bande sant’dem... 2... RER NS 3 
Neuerweg, altstädter......... ..| 4 IBheerhof TEEN ee. Bi 
Pickhuben „a... MIR Er 3 Waisenhaus, beim alten .... \.t cal 
Poggenmüuhle. a. ererene 1 ‚Wandbereiterbrook..... .......: er 
Reichenstrasse, grosse .......... Bi} andralm alters I 
Reichenstrasse, kleine .......... | Zippelhaus, bei’dem.....22.2.. 1 
Ködinesmarktı . He enrsrgen 2 Z0llenbrücke +... un me 2 
Transport....| 131 Summe....| 146 

Jetzige Neustadt-Nordertheil: 

| Transport....| 65 

A BÜ’Strasse. none ee 1 Tangergang N nern r 2ee 4 
Bäckerbreitergang ....2........ Ken Marienstrasse, zweite........... 4 
Bleichen grosser er Je. 23... 2 Marktstrasse, zweite ........... 4 
Bleichenshoher ee mer 0. ae] Marktstrasse, dritte......:....: j 
Breitergangar we eo 1 Neuerwalliunt.a.: nr l 
Coftamacherreihen =... un. 1 Neumarkt, grössere ....2...2:% 2 
Dammthorwalleme ee 4 Neustrasse, neustädter.......... 5) 
Draponerstall. 2... 2 ne. 1 Beterstrasse 27.2 mr 6) 
Drehbahn, ‚Srösse .2..2..2...... 2 Pilatuspoolsr u ver ee | 
Brehbahns kleiner .erran..nee) 2 Poolstrasse nee ren B) 
Elbstrasse, zweite... n..n. soo. 2 Rademachergang. ..2 .c2..0r 5 
Elbstrasse, dritten... ......002.0.. 2 Schulgang.... ee ! 
Fehlandtstrasse, erste und zweite 2 SchwieSierstrasser ee er 1 
Fuhlentwiete, neustädter........ 2 SPEcksgangae are. eier 3 
Gänsemarkt er 0. A 1 Steinwer; salter 4... m seinen 6 
@ehrhet, u. menge sea B) Sıtıeim wıelo, meel. er. 1 
Hütten, /beisdene... 2.2.0. 2er: 5 Tiheaterstrasse, grosse ............ 2 
Junsternstiep, neuer... rer 1 Ihrelbeckt ...3.n.n..: 2 ee 1 
Koniostrassere. 0. ee $) Prampganp, Brosserasz.rererer 1 
Kohlhöfener res 2 re 2 Valentinskamp: - „eu... ....0m..eew $) 
Kornträsergang...... 12 TZıeushausmarkt. ee. 3 

Kugelsorb: „u. 2 er 1 | 
Transport....| 69 Summe....| 131 
Jetzige Neustadt -Südertheil: 

Transport....| 30 

Bäckersang, grosser... 10 Brunnenstrasse: ! „2... m. 3 
Bleichergang 7....2::: u... ask 5 Druvenhöf: ........ 0 das 1 
Böhnkenstrasse., 22... an 2 Kichholz.ne..::.2. 0 Pan 14 
Brawerknechtsgraben.....|. 18 Biskarhle, Sbei der... nern 2 
Transport....| 30 Transport....|. 50 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 65 


Zahl Zahl 

Strasse der Strasse der 

Fälle Fälle 
Transport....| 50 Transport...., 96 
Eihstrassesrerste » ..uu00snaane- 2 Neumannstrasse, erste .......... 4 
GREINER ke 4 Neumannstrasse, zweite......... B) 
Grünersood, Platz beim......... 4 Nieolaistrassen 2.020222. En 5 
Herrenoraben.... ran... eek s) Rothesoodstrasse.. .........2..... 1 
Hichlerweps ne Bann 2 4 Saperplatzar Ban ee: Ir =1 
Jacobstrasse, erste ........0%... en Sch aarinarletef. si ae en ee B) 
Jacobstrasse, zweile............ 3 DERAATSTEINWEN „200. ee 7 
Johannisbollwerk............... IA SHE 2 
Ruhberst sen... n. ana Ko Sehlachterstrasse ............... 6 
TNeschengane 2... anne 1:3 StnbDenhukr ar sone | 4 
Michaeliskirche, bei der kleinen . 1 eiltelde en ee: 5 
Michaelisstrasse, grosse......... el Venusberserer.en nen, 11 
Niüuhlenstrassen. me ee. 7 Viorsetzens ersten ee B) 
Neuerweg, neustädter .......... In Viorsetzen, zweite .....2....u. | 
Transport....) 96 Summe....| 152 

St. Georg: 

Transport....| 42 
Alsterbwiele no. an. dene 1 Koppel; an’ der... 2.2.0... 2 
Amsinckstrasse =..... . „u... 1 Hkangere len 2. ehren are 2 
BACKeroang: a ae ren 2 Bimdenstrasser 22.2 20cm B) 
IBanksstrasser: Az. ee nes 4 Lohmühlenstrasse .............. l 
Besenbinderhof ................) 2 Lübeckerthor, bei dem ......... D 
Beyerstrassen ur en. ae 2 Mittelstrasse gr ae. D 
Böckmannstrasser 2...2...L...... 1 Neuestrassenn ee 2 
Borseschstrasse...... 2.00. ....02.. ) Kepsoldstrasgenn.. »e.2.2 3. su. 1 
Brennerstrassen. essen 3) Tosenalleetn era 132. 1 
Brennerstrasse, neue .......... 4 Schullzwep me a: 1 
Geor2sstrasse, Sb. an. Naasanda 1 Spaldinestrasse une... une ee B) 

Grünerdeiche® .......2% Re 3 Stadt denen ven e| 25 
Grützmachergan® .............. I 9 SGEINdAIDTIE Eee. | 8 
Hammerbrookstrasse............. 2 DEIRÜSETRSSOHES ern eek 2 
Hnhestrasser. a. mas ee 1 Strohhause, hinter dem...., 1 
Körchenalleer...... 20... 2420... 1 \Woltmannstrasse..... „os... I 
Transport....| 42 Summer 115 

St. Pauli: 

| Transport.... $) 
Barvelsrasse.20.2.2.3:28.. 2%. | 1 VALlStrasser. a see are MR! 
Beretassed m een as 5 Garolinenstrassegssere 4 
Bernhardstrasse, erste........... 2 Dayidstrasser, enter 1 
Bernhardstrasse, zweite......... 2 Eimsbüttelerstrasse............. 2 
Transport....| 8 Transport....| 16 


66 Dr. I. J. Reincke. 


Zahl Zahl 

Strasse der Strasse der 

Fälle ı Fälle 
Transport....| 16 Transport....|. 51 
richstrasse, erstere meer: a; Lansereihe ee ee re 6 
Erichstrasse, zweite. .........-.. 3 Langestrasse 2.0... ee 
IEISCHErStNaSSeH Amer ee I) Marktstrasse,. 22. 22,20 | 12 
Friedrichstrasse, erste .......... 5 Petersenstrasse, grosse .........| B) 
Friedrichstrasse, zweite......... IHRE Finnasbero „sa un | 1 
Gerhardstrasse 1 Reeperbahn Are... er | 1 
Glashuttenstrasse „namen er: 2 Rosenstrasse, Neue ............. 4 
klatenstrasser Sem wen 4 Silbersackstrasse.. 2... nn. 2. | 
Heinrichstrasse nina era | j SOpHienstrasser. nee 1 
Herrenweide..........u....00:. 102 Sternstrassere en. nee ee 2 
Kastanienallee. 2... m. | ihalstrasseree.n.. 2 5 
IKielerstrassen er en ae er | 2 rommelstrassen ee 2 
Kirchenstrasse m. unsere ee in 51 Wilhelminenstrasse: . ar ee el 
THaeiszSstrasspiem | Wilhelmstrasse nv ee 2 
ransporl. 2 le Summe 102 

Billwarder Newerdeich „ie | 3 

Im Ganzen....| 814 


Leider fehlt es an näheren Nachrichten, wie sich die 
Krankheit im Geestgebiet verhalten hat. 
Von Interesse sind einige Verschleppungen aus Hamburg. 
Das Hamburgische Bundeskontingent, das am 22. Juli Hamburg 
verlassen hatte, nachdem 2 Tage vorher ein Fall in der Kaserne 
vorgekommen war, brachte die Krankheit in verschiedene von 
demselben durchzogene Orte Süddeutschlands.') In New-York kamen 
folgende Schiffe aus Hamburg an mit einer grösseren Zahl von 
Cholerafällen: 
15. August: Dampfschiff' „Bavaria“ mit 278 Passagieren und 
6 Todesfällen, 
7. November: Segelschitf „John Bertram“ mit 455 Passagieren und 
36 Todesfällen, 


12. e 3 „Washington“ mit 207 Passagieren und 
19 Todesfällen, 
28. y : „Jessie“ mit 241 Passagieren und 


16 Todesfällen.”) 


!) Näheres nach einem Bericht von Dr. Brauer bei v. Pettenkofer. Der 
gegenwärtige Stand der Cholerafrage. München und Leipzig 1557. S. 162. 

2) Uebereinstimmend berichtet in den Annual Reports of the commissioners of 
emigration of the state of New-York und in den Jahresberichten der Deutschen 
Gesellschaft der Stadt New-York. 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 67 


Altona kam in diesem Jahre verhältnissmässig gelinde davon.') 
Es hatte 132 Erkrankungen (Juli 10, August 40, September 78, 
October 4) und 82 Todesfälle. Auch die übrige Provinz hatte er- 
heblich weniger zu leiden als 1859. Die dort vorgekommenen Fälle 
beschränkten sich fast ganz auf die Nachbarschaft von Hamburg- 
Altona und auf die Orte längs der Elbe: Blankenese, Wedel, Schulau, 
Wilstermarsch, Glückstadt, Brunsbütteler Hafen. An dieser letzt- 
genannten Stelle war der erste Fall aufgetreten am 11. Juli, dann 
folgte Altona, und erst im November erlosch die Epidemie mit Nach- 
läufern in und bei Wandsbeck. 


1867. 


Dieses ‚Jahr brachte wie im übrigen Deutschland so auch in 
Hamburg einen grossen Rückgang der Cholera. In der amtlichen 
Zusammenstellung des Gesundheitsrathes werden nur 15 Todesfälle 
aus der Zeit von Juli bis November gemeldet. Im Bericht des Land- 
physicus Gernet wird von einer Familie auf dem Kehrwieder be- 
richtet, in der innerhalb zwei Tagen 4 Kinder an den ausgesprochensten 
Erscheinungen der Cholera starben. 8 Tage später starben in einem 
Hause auf den hohen Bleichen ein Vater mit zweien seiner Kinder 
und nach einigen Tagen in einer Familie im Schaarhof bei dem Teil- 
feld zwei Kinder. Nach Gernet starben von Juli bis Anfang 
November unter den Bezeichnungen: Cholera, Cholera asiatica und 
Cholera infantum 65 Kinder und 9 Erwachsene, unter den letzteren 
mehrere sehr alte Leute. 

Dass wirklich Cholera in Hamburg gewesen, wird sowohl 
aus den gleich mitzutheilenden Ereignissen in Altona klar wie auch 
aus den schweren Epidemieen auf den von Hamburg ausgegangenen 
Auswanderer-Segelschiffen „Lord Brougsham“ und „Leibnitz“. Das 
erstere Schift, das am 6. December in New-York eintraf, hatte unter 
383 Passagieren 75 Cholera-Todesfälle gehabt, das andere, das Hamburg 
am 2. November verlassen hatte und am 12. Januar 1868 in New- 
York anlangte, unter 543 Passagieren 107 Cholera-Todesfälle.?) 


') Bockendahl: Ueber Cholera a. a. O. 
°) Vergleiche die oben angezogenen New-Yorker Berichte; ferner: Ober- 
gerichtliches Erkenntniss neben den Entscheidungsgründen in Angelegenheit 
des Hamburger Schiffes „Leibnitz“. Hamburg 1868. In dieser Schrift ein 
ausführliches Gutachten des Physicus Buek senr. Die Zahlen stimmen 


hier nicht völlig mit den New-Yorker Zahlen. 


ot 


68 Dr. J. I. Reincke. 


In Altona ereigneten sich 59 Erkrankungen und 44 Todesfälle. 
Nach Wallichs?!) handelte es sich vorwiegend um zwei Herde, den 
Kehrwiederhof im Westen der Stadt (bei der kleinen Westerstrasse) 
und Gählers Platz mit Umgebung. „Für diesen lagen damals viel- 
leicht örtliche Ursachen (Sielbau mit Aufstauung eines höher gelegenen 
Siels, Auspumpen seines Inhaltes in die Rinnsteine bei Regenwetter, 
Verderb des Grundwassers und gewisser Brunnen auf Gählers- 
platz 5) zu Grunde“. Unter den Erkrankten befanden sich nur 
3 Schiffer. Der erste Fall am 6. November ereignete sich in der 
kleinen Fischerstrasse unfern der Elbe. 


1871. 


Nach dem ersten ‚Jahresberichte des Medieinal - Inspeetors 
Kraus über die medicinische Statistik des Hamburgischen Staates 
für das Jahr 1572 kamen im Jahre 1871 141 Cholera-Todesfälle vor 
(August 12, September 123, October 5, November 1), während die im 
Hamburgischen Correspondenten (Nr. 215, 220, 226) veröffentlichten 
Berichte des „Sanitätspolizei-Bureaus“ abweichende Zahlen angeben. 


Hiernach wurden gemeldet: 


davon im 1. Lebensjahre 


P dureh- | olera| „.. N rare 'ech- | » 
fall Fall fälle [Purch a Todes 


| fall fall fälle 


August — 10.Sept.| 175 | 162 | 72 | 66] 16 | 23 1 15 


10. Sept. — 17. Sept.| 304 | 220 | 68| 69| 38| 59 2.122 
8 DA las, oe. 31 38 | 23 200 Wa 
Summe..| 627 | 490 | 1711| — 7.4.1706 4 — 

davon gestorben..| 12 | 60 | 101 | 173 7| 2 4:| 158 


Die in dieser Uebersicht genannten 175 Erkrankungen an 
Cholera vertheilten sich in folgender Weise: 


Altstadt Nordenchee se 1 
Altstadt-Südertheileee me 22 
Nenstadt-Norderrhel ge 2. 24 
Neüustadt-Südertheleger 0er 18 

Transport... 75 


') Walliehs: Die Cholera-Epidemie des Jahres 1573. Altonaer Merkur vom 
19. April 1874, Nr. 91, Beilage. 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 69 


Transport... 75 
St. Georg mit Hohenfelde und Borgfelde .......... 21 
es an m ne EN 14 
Beast URN BERNER EN 8 
NE Schlander Male un na ee 57 


Summe.. 175 


Nach Bockendahl') soll der erste Fall einen polnischen Aus- 
wanderer betroffen haben. Am schwersten befallen waren die beim 
Bau des Venloer Bahnhofs auf dem Grasbrook beschäftigten Arbeiter. 
Anscheinend war auch Steinwärder stärker betroffen, denn es ward 
eine Wasserversorgung dieser Insel durch Zufuhr filtrirten Altonaer 
Wassers eingerichtet, da die Bevölkerung für ihren Wasserbezug 
im Wesentlichen auf die Gräben angewiesen war. Gleichzeitig 
scheint sich. in der Bevölkerung Misstrauen gegen das Hamburger 
Leitungswasser geäussert zu haben, geceen das sich die Section für 
die Stadt-Wasserkunst in Bekanntmachungen vom 15. und 29. August 
und 10. October zu vertheidigen für nöthig fand. Anfangs war 
Beschwerde erhoben über den üblen Geruch des Wassers, welcher 
durch das Absterben von Muscheln in einigen Leitungen, die zum 
Zweck vorzunehmender Arbeiten hatten geleert werden müssen, 
entstanden war. Im October waren Befürchtungen auf gefährliche 
Verunreinigungen der Schöpfstelle durch das Ueberpumpen der Siel- 
ausflüsse des Hammerbrooks in die Elbe bei Brandshof entstanden. 


Altona wurde in diesem Jahre, wie auch schon 1867, im 
Verhältniss schwerer betroffen als Hamburg.’) Vom 3. August bis 
17. October starben an Cholera 105 Personen und 186 an Brech- 
durchfall (unter diesen 130 im Alter bis zu einem Jahre). (Cholera: 
August 44, September 59, October 2; Brechdurchfall: August 115, 
September 69, October 2). Auf den Ostertheil der Stadt kamen 
14 Fälle, auf den Südertheil 12, auf den Westertheil 14, auf den 
Nordwestertheil 22, auf den Nordertheil 35, in Ottensen 5, auf 
Schiffen 3. Es war also die ganze Stadt ergriffen, der Nordertheil 
mit vorzugsweise mittelloser Einwohnerschaft in Miethskasernen 
schwerer als die übrigen Stadttheile. In 14 Häusern kamen 2 bis 


Die’ Cholera a a; 0.8. 29. 

?) Bockendahl: Generalbericht über das öffentliche Gesundheitswesen der 
Provinz Schleswig-Holstein für das Jahr 1871. 8. S, 20. Die Angabe von 
3 Cholerafällen am 3. August scheint nach dem übrigen Text auf einem 
Druckfehler zu beruhen. Sie fehlen auch in der Schlusssumme. In seiner 
neuen Publikation von 1592 a. a. ©. legt B. den ersten Fall auf den 
20. August. 


o Dr. J. J. Reincke. 


3 Todesfälle vor. Unter den Erkrankten befanden sich 4 See- 
leute. Die ersten Cholerafälle am 19. August traten auf, 
nachdem vom 11. bis 18. August unfiltrirtes Wasser durch 
die Wasserleitung geliefert worden. 


1873.) 

Ueber die Cholera des Jahres 1873 liegen wieder sehr viel 
ausführlichere Nachrichten vor.”) 

Der erste Fall ereignete sich am 14. Juni, doch dauerte es 
bis zu den letzten Tagen des Juli, ehe eine nennenswerthe Steigerung 
eintrat. Die höchste tägliche Erkrankungsziffer mit 95 Fällen ward 
am 30. August erreicht, worauf ein rascher Abfall eintrat, so dass 
von Mitte September an nur noch wenige Erkrankungen auf den Tag 
kamen; der letzte Fall ereignete sich indessen erst am 8. November. 
Im Ganzen wurden 1729 Leute befallen, von denen 1005 starben. 


Woche Erkrankt Woche Erkrankt 

Transport..| 864 

8. Juni — 14. Juni 1 24. Aug. — 30. Aug. 395 
ee 5 3l. ., 6. Sept. 272 
De u 4 Tepe a 87 
29. „ — 5.Juli | 2 ld. .00,., 0202 27 
62 Juli — 12. =) 2 2 Dee 19 
oe ee 17 28, -— 4. Oct. 12 
DU 90, 26 5. Oct. — 11. 12 
les, 2..AUD. 108 12.7.0185; 26 
Sala 204 19.22,,,- 290085 7 
10, 2 016207 291 26.2.5, = 1.Noy. 4 
Ve 231 2. NO 4 
Transport... 564 Summe..| 1729 


)) Es ist dies das Jahr der bekannten schweren Cholera - Epidemie in 
Magdeburg, die beinahe 2 %/o (19,95 °/o,) der Bevölkerung dahinraffte. Siehe 
Gähde: Die Cholera in Magdeburg. Vierteljahrsschrift für öffentliche 
Gesundheitspflege. Bd. VII. 1875. S. 169. 

?) Kraus: Statistik der Cholera- Erkrankungen während des Jahres 1873. 
Anhang zum Bericht des Medicinal-Inspeetorates über die medieinische 
Statistik des Hamburgischen Staates für das Jahr 1573. Nessmann: Die 
Cholera - Epidemie im Jahre 1373. Statistik des Hamburgischen Staates. 
Heft VII. S. 44. 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 


In der nachstehenden Tabelle gebe ich die ersten 74 Fälle 
bis zu dem stärkeren Ansteigen der Epidemie nach Kraus: 


Bemerkungen 


Laufd. | Erkran- Wohnung 
Nr. | kungstag 
1 14. Juni Kleiner Grasbrook 
2 158 5 Klingberg 2 
5 I. 3 Elbkahn 
4 17. ” ” 
) 20.0, “ 
SE Re 5 
7 225 Dampfschiff „‚Frisia‘ 
$) 2A; Kleiner Grasbrook 
5) 200% 4, Flussschiff 
10 2er I Dovenfleth 
11 3. Juli Obdachlos 
12 A Flussschiff 
13 | Eichholz 27 
14 Os, |  Lohmühlenstrasse 
15 S. „  ‚ Hinter dem Strohhause 
16 In 4 Stadtdeich 167 
1 10. „  ,  Kleimer Grasbrook 
1S IE Billhörner Kanalstrasse 
19 1078, Flussschiff 
20 io Obdachlos 
21 12% 4 Bergedorf 
22 13. „ | Kehrwieder 42 
23 13. „Kleiner Grasbrook 
an a. | 9 4 
25 DE > Steinwärder 
26 a; Kleiner Grasbrook 
27 16.7 '., A en 
25 16. „ | Allermöhe, Reitbrook 
29 I Be: Flussschiff 
30 | Winserbaum 10 
31 ee Moorfleth Nr. 2 
32 | Veddel 


SL 
[ 

IE 
[ 


' Kind Hagemann, am 27. 


Arbeiter auf der Godeffroy’schen Schiffs- 
- werft. 
 Nachtwächter am Venloer Bahnhofe. 


7 Frau. Kahn im Baakenhafen beim Ven- 
loer Bahnhof, seit 3. April in Hamburg. 


Tochter der vorigen. 

7 Schiffer. Kahn beim Venloer Bahnhof. 

Schiffer. Kahn gegenüber dem See- 
mannshause. 


- Matrose. Das Schiffim Dock am Kleinen 
Grasbrook. 

Arbeiter auf der Godeffroy’schen Schiffs- 
werft. 


Nähere Angaben fehlen. 

Arbeiter, der am OÖberhafen arbeitet. 
Nähere Angaben fehlen. 

„ ” ch) 
Schiffszimmermann. 

Krankenwärter im Allg. Krankenhause. 
60jähriger Arbeiter. 

6jähriger Knabe. 

Frau Schult in Hohmann’s Wohnungen, 
Keller. Siehe Nr. 23, 26, 27. 

+ Frau eines Bahnbeamten. 

Nähere Angaben fehlen. 


= 
\ 
L 
\ 
au 
\ 
X 
\ 
AL 
[ 


„ „ ” 

2 ” ER 
-r Ewerführer. 
+ 12jährige Tochter von Nr. 17. 
Arbeiter in der Meyer’schen Fabrik. 
j Laternenanzünder. 
7 '/ajähriger Sohn von Nr. 17. 
j jährige Tochter von Nr. 17. 
Nähere Angaben fehlen. 
” ” ”„ 
Arbeiter am Quai in Altona. 
Schankwirth. Siehe Nr. 37, 42, 43. 
und 28. zwei 
weitere Fälle in demselben Hause. 


02 Dr. J. I. Reincke. 


Laufd.  Erkran- 
1 Wohnung Bemerkungen 
Nr. | kungstag 
3 18. Juli Stadtdeich 48 Arbeiter. 
54 Ike Moorfleth Nr. 10 7 Feldarbeiter. 
85 I Steinwärder, Hof 14 | 7 Kind. 
36 IE, m n T Kind. 
37 19.5 Moorfleth Nr. 2 7 jähriger Knabe. Siehe Nr. 31. 
35 2 ns, Steinwärder, Platz 13 | 7 Kind. 
39 2 0, Schlachterstrasse 50 | 7 Frau. 
40 Dam Stadtdeich 47 Dienstmädchen. 
41 225 Steinwärder Nähere Angaben fehlen. 
42 DIE an Moorfleth Nr. 2 + Vater von Nr. 37. Siehe Nr. 31. 
a ER er en + Alte Frau. Siehe Nr. 31, 37, 42. 
44 23.5 Allermöhe, Reitbrook | Nähere Angaben fehlen. 
45 23: 55 Seeschiff 55 5 > 
46 24. „ Kleines Fleth 49 -r Bademeister der John’schen Elbbade- 
Anstalt. 2. August stirbt die Frau. 
47 24. u Steinwärder Nähere Angaben fehlen. 
45 24. ” ” ” ” 7 
49 25. „  |Süderstrasse4, St.Georg | In diesem Hause bis 30. Juli 7 Fälle. 
50 25. BR] ER} „ „ ” ” ” ” ” 
öl Zar e ” = Ohne nähere Angabe. 
2 125. „ Pinnas 65, St. Pauli | Kind. 
bo—b2 w20.,, 10 Fälle, davon 4 St. Georg (1 Süderstrasse, 3 ohne nähere 
Angabe), 2 Steinwärder, 1 Veddel, 1 Seeschiff, 1 Moorfleth, 
1 Finkenwärder. 
63—69 | 27. „ Na Fälle, davon 1 Architect, Deichthorstrasse 2, 1 Wäscherin, 
Messberg, 2 Steinwärder, 2 Billwärder Ausschlag, 1 Veddel. 
10—74| 28. „ 5 Fälle, davon 1 Alter Steinweg 37/38, Grünhöker (erster Fall 
in Neustadt-Nordertheil), 1 Jollenführer, Sophienstrasse 24, 
| St. Pauli, 1 Veddel, 1 Billwärder a. d. Elbe, 1 Flussschift. 


Man sieht, wie fast alle Erkrankungen auf die Nähe des 
Wassers hinführen und wie bald sich lokale Herde entwickeln: in 
Homann’s Wohnungen auf dem kleinen Grasbrook, in Moorfeth 
Nr. 2 und in der Süderstrasse 4. 

Erst vom 28. Juli etwa sind alle Theile der Stadt ergriffen, 
in derselben Zeit nehmen auch die Erkrankungen auf Fluss- und 
Seeschiffen erheblich zu. Dann tritt im Anfang September der 
allgemeine Abfall ein, der nur noch durch eine heftige Lokal- 
epidemie von 26 Erkrankungen auf einem nach Australien bestimmten 
Auswanderer -Segelschiffe „Ellwood Cooper“ um Mitte October unter- 
brochen wird. | 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 
o- o- 


en | 
os 


Die folgende Tabelle giebt die örtliche Vertheilung im 
Einzelnen: 
Jetzige Altstadt-Nordertheil: 
Zahl Zahl 
Strasse der Strasse der 
Fälle Fälle 
| | 
Transport... 60 
NEE walle ee a l NER N A ER 5 
Bäckerstrasse, grosse........... 1 Miihren kurzen. 2. en ssenn Il 
Bäckerstrasse, kleine ..:........ 4 Muühren. lanmer zn. ee aan 11 
Barkchof, (STOSSEr ... 2.2 0.0.2.2 0 7 Neustrasse, altstädter .........- 5) 
Barkhot. kleiner .......u.....%r. | Needeensbrasser nu Be) 
Börse, ‚bei. der..alten®)........... Ir 2 Betrikirchhofer sen a 2 
Brodschrangen .. mus. ta.ee.osel 2 Pferdemarkt. 220032. 4 
Brandsendes. ca cr: Mean: 1 IE RER PERETID l 
Breitesitasse ke een | 4 Pumpen, bei den ...2.....2... 3 
Deichthorstrasse ....2..e.......: 1 Kaboisen rer er 2 
Denen ee ea | 2 BKathhausstrasse .2.2.22.2..2.... 1 
Dornbuschwn.er wen oRe 4 Reichenstrasse, grosse.......... I, 
Berdinandstrasse.. . ».12:.2....». Il Rosenstrassern.n = 2..r vera arne IMS 
Eischertwiete, un... B) Schauenburgerstrasse ........... BER 
Fuhlentwiete, altstädter ........ S) Schwenemarkt 7... ....0..8. 2 
Gerirudenkirehhof .. !......:... 2 Schmiedestrasse... 2.08. .ze%. | 4 
Glockengiesserwall ............. 1 DPESTSONEE N ana. |» 
Herrmannstrasse ....22......... l SChopenstehV a. rs ee Id 
ISairrepelaese ne rat 4 SPILAIETStLAaSSEe ren (2 
Kiimoberos me ie E10 Springeltwiete, alte ............ Ir 
Iilenstrasse „ualennssaee ren 12 DEODNSErAS Ser 0 era | 37 
Transport....| 60 Summe....| 237 
Jetzige Altstadt-Südertheil: 
Transport....| 62 
Boden, ‚hinter dem. 2.22.22... Bi) GörbtwIete 1 
Bnolo: 2%: ac. ee a ge 15 Grasbrook, grosser... u... 4 
CXEMON Sa re ee: 1 Graskellen a ma a rar 1 
ID Iehstrasse #3... 2... 2. 1 ee a | 1 
Dienerreihen....- ..-...200.0.0 1 Hankentwieren nn re 7 
Dowentleth 2... ...8 24.2 1.002 23 Herrlichkeit 2 oe rss 3 
Rleihieklemess Work u: a, u | Holländischer Brook... 22...... 6 
Gerkenstwiele a... u.a. 1 Holländische Reihe ........ re 
Transport....| 62 Transport....| 97 


') In dem Kraus’schen Bericht steht die alte Börse irrthümlich an dieser 
Stelle, sie gehört eigentlich zur Altstadt-Südertheil. 


Dr. I. I Reincke: 


Zahl Zahl 

Strasse der Strasse der 

Fälle Fälle 

Transport....| 87 Transport....| 149 

Hopfenmarkt 2... -..r 22..0.c ser >02 Bi) PIEKHUDEN Te Sana Bi) 
Hüter ren ee rer 2 Reimerstwiete cms en o.e 1 
Kaakstwiete, A. ns 2-0. | Sande. Sur. 0 a are ee 4 
Kannengiesserort -»........-.-... | 1 Bandthorguai. .naneen ee d 
Katharinenstrasse .. . ...2...2.... 4 Iheerhofs..... an BEL 1 
Kajensne ne een leere nee 3 Wandrahm, alter... .....r... 0... 1 
Kehrwieder +... rer... 00: | 28 Waisenhaus, bei dem alten ..... 2 
Kibbeltwieten an er ee MB. SWinserbaumneree. er 3 
Lembkentwiete...........oee ee 5 Zippelhaus, beim „22... 2.22 3) 
Mühren ven ee Po) Zollenbrücker....... 2: 2. 1 
Neuerweg,, altstädter............ 4 Ohne Wohnungsangabe......... | 2 
Transport... | 149 Summe:...|7173 

Jetzige Neustadt-Nordertheil: 

| Transport....| S6 

INBEESTEASSEN Ken Anne ee a | 6 Krater AR 5 
Anscharplatzn 2. 2. ee N Kugelsört 2 Sun ee 1 
Bäckerbreitergaug 2.2... 55) Kurzestrasse: en. 20.422 2 
Bleichens grosse 2... en: | 6 Tangergang”. u... BJ 
Bleichensahohes ae 2 Marienstrasse, erste ............ 1 
Bleichenbrucken.e 2 er. ea: 2 Marienstrasse, zweite........... 1 
Breitergänger. 22.0. ee B) Marktstrasse, dritte ............. 1 
Baflamacherreihe.: ... 2... „.....2... 5) Neuerwalle a esersee 5 
Dammthorstrasse..e. ze...) 1 Neustrasse, neustädter ......... 5 
Dammthorwallen. 2.2... 22.0.2: B) ÜHEINhot a... ee 1 
Drehbahn,zgrosse rum. 6 Peterstrasse 2... ne I 
Drehbahn, okleiner.n a ne 9 Bilatuspool..... use 4 
Ebräersang 22m ee 2 Poolsträsse.. . „er ea 6 
Elbstrasse, zweite 2.2.2202... 4 Rademachergang.... sr euere 7 
Elbstrasse, ‚deitte- 2... .. ne. 0 2 Specksgang.. ... 22... ee 4 
Fuhlentwiete, neustädter........ B) Specksplatz 22... reger 1 
Gänsemarkt .. 222.2 22 2 Steinweg, alter»... .. en a 2 
Heuberg an... ser 1 Steinweg, Nener er er 3 
Holstensträsse.. . 2. . on ce 1 Theaterstrasse, grosse .......... 1 
Hütten «beiden... a. 3 MPiielbeck 2... 00.7 sera tar 1 
umofernstieg 7... ee 1 ÜUlrieusstrasse. .......2 sat seer 6 
KONIDStrasse. ern ee ee d Valentinskamp ... „ea. see 10 
Rohlhotene ern ee 1 Wexstrasse  ...u.u0e See 4 

Kornträgergang..n..2....ac.ee 10 Zeuchaüsmarkt .... eeskeree 13 

Transport....| 86 Summe....| 170 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 


Jetzige Neustadt - Südertheil: 


I 
(br 1 


Zahl Zahl 
Strasse der Strasse der 
Fälle Fälle 
| 
Transport....| 107 
Backervang, Orosser ......-....- 10 Neuerweg, neustädter .......... 2 
Backersang, klemer ........... 4 Neumannstrasse, erste .......... 6 
Bleicherzang®. nn. saaeee: ) Neumannstrasse, zweite ........ 1 
Bohmkenstrasse. 2... .u.0u00% 2 Naeolaistrasse: 2....n. sjaneme, 1 
Brauerknechtsgraben ........... B) Faraeshols er ana 2 
Brunnenstwassel... san aan. 6) Pastoreustrassen. 20.220020. 2 
Dusternstrasse.....saaeaacnaren 2 Rother Doodle: B) 
Enichiolze.a-.. na. ae 18 Slamatyenbrücker a...2.222000 2 
Blbstrasse, ste. „ur... B) SASIEEDIAEZ ee ee 2 
EnglischePlanke «u. .2...... 0.2. 2 SCHhaarhole Nr l 
Grünensood, Platz beim ........ 6 Schaarmarkt) 7... mei nase 5 
Herrenoraben 0.2... 2.2.2... 5) Schaarsteinweg. .........0:2..2.%. 2 
Hohlerwese y. 2.2, 1. et 5) Schlachterstrasse ..........u....- ; 
Jacobstrasse, ‚erste ............. 2 SEBINRON er ee an 0 1 
Jacobstrasse, zweite............ R Steinweoz alter. een eee nn: A) 
Johannisbollwerk .............. 10 SLEINWER, NEUER onen. 6 
Kirchenstrassenc..gn scuesemanan 1 Stubbenhuke su... se We nn. 2 
Kratenkampl..r. on sasasenr ie 3) Aa I ee  EERENER 7 
THAI ae 11 VenUSsberof en een: 5 
IIeschengan® 2... Sarssene 3 Morsetzen ersten... 2.2.2.0. B 
Michaeliskirche, bei der kleinen. . 1 Vörsetzen, zweite .... u... B) 
Mahlenstrasser 0. rn Syaausen 1 Zeushausmarkt. oe. en... 1 
Transport....| 107 Summe....| 173 
St. Georg: 
1. Steuerbezirk. 
Transport.... B) 
Georostrasse, St, onen ynenun. 1 KODDeh ae En Bnr: 2 
Georgskirchhof, St..........2... 1 Tansereer ce ur rege 10 
Helenenstrasse, zweite ......... | Mittelstrasser wessen | 93 
Transport.... Bi Summe....) 18 
2. Steuerbezirk. 
Transport2.r: | 5 
Beyerstrasse@ ee Ho AR 1 Brennerstnassene ern: un | 
Bleicherstraseg u var 1 Brunnenstrassen.. a... 2: en! 
Borgesch 3 Grützmachergang ...2.....2.. “ 2 
Transport... .. 2 Transport. ... 9 


76 Dr. J. J. Reincke. 


Zahl Zahl 
Strasse der Strasse der 
Fälle Fälle 
Transport.... I Transport. »..|. "48 
Kirchenweg, kleiner.....-....... 2 Lohmtihlenstrasse .............- I Sl 
KreUZWER. een 2 ee 2 SEIN An "Fan ers re a een a 0 
Krankenhaust ....n. Ara san I) 
Transport....| - 18 Summe....| 24 
3. Steuerbezirk. 
Transport....| 14 
Nlexanderstrasser en... ee 2 Hühnerpostenee ee 1 
Bahnstrasse@er ee: 1 Minenstrasserer en. se 1 
Berlinerthor, beimen....n.0.. 1 Rasenallee..:: 2... See Ir: 
Hammerbrookstrasse ........... ) Schultzweg:. ........ 2... 1 
Hartwiestrasser ......2 ne B) Strohhause, beim...n.......2.% 2 
Hohestrasse ... ..... a er 1 Stiitstrassen. en. ns ee ) 
Hoheswiete 2.2... ur era 1 Strohhause, hinter dem .......... N 
Transport....| 14 Summe....| 8 
4. Steuerbezirk. 
Transport. ...) 51 
Aunsinckstrasses ne er I) Bepsoldstrassen .... 2. ee 1: 
Bankstrasser wet ee 16 SONNINSTFASSER a ee NR 
EIrnststrasse en eat | 2 Spaldingestrasse nr... Ser Ee 
Grünerdeich ....... IE 16: I WSüderstrasser a. 2.0 15 
Tdastrasse rn ee: I Stedbdeich euere >) 
Jenischstrasse er an eure 1 Vietoriastrasser 0a ner 758 
NNOFENZSTTASSEr een 5 Woltmannsstrasse .............. 3 
Oberhatenstrasse 2... ner 1 23 
Transport... .| öl Summe....| 121 
St. Pauli: 
1. Steuerbezirk. 
Transport....| 20 
Bernhardstrasse, zweite......... 2 Fiopfenstrasser see 2 
Garlstrasse, erster... .. 6) Kürchenstrasse nme ee 1 
Garlstrasse, Zweite .........0. Mg! Trangiestrasse nr. .ny.eke ar ee I 2 
Brichstrasse, erste ........0.0.. | 7 Pferdeborn, »beim.. »..........2 ee! 
Exichstrasse, zweite ............ IE PIRDASa0r ee | 5 
Brholune, bei der..........0: en! Matergang ... 0.2.00 1 
Gerhardstrasse. . „2.2. ...204= 20% Val eh VOSEHOB: #21... 2 ee | 
Heinriehstrasse .......: 0... 1 
Transport....| 20 Summe....| 33 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 


2. Steuerbezirk. 


1A 


Zahl Zahl 
Strasse der Strasse der 
ı Fälle | Fälle 
Transport....| 19 
Mandatzasse..232.2 0. nee I 1 Petersenstrasse, grosse ......... ie el 
Friedrichstrasse, erste .......... l Sibersackstrasse. 2... sa. en! 
Friedrichstrasse, zweite ....... I 2 Drommelstrassen. Mn ara 2 
Herrenwerde .. 2.2 ccm useem: 29 ilaubenstmassemee ee 2 
Hiormannstrasse .. vn sec. ea. nr Wittenhof Wenn u kess 4 
Kastanienallee... ......2..0...« MS Wilhelmstrasser ar an 1 
Transport... | 19 Summe....|. 30 
3. Steuerbezirk. 
Transport....| 14 
Eimsbüttelerstrasse............. l Reeperbahn a2... Seren: 1 
Heinestrasser lo an l Schmuckstrasse nn meer. | 2 
Jagerstrasserer Weeks: 5 Sophlenstrasse sr... ne lem ası. el 
Kielenstrasse... 2:20 ae: ss Phalstrasser nn en ee S 
Bansereiher war ar I) anal Wilhelminenstrasse . .@......... | 2 
Nantenstrassertsge nes sen 3 | 
Transport....| . 14 Summe....| 28 
4. Steuerbezirk. 
Transport....| 21 
Altonaerstrasse ........2202000 2 Kampstrassehnn en. me 1 
Amandastrassekese 2 Tudwıastrassere 3 
Bartelsstrasse re ae. 5 Marktstrasser sr 2 ee. E86 
Beckstrasser wer ee 1 Mathildenstrasse ............... Il 
Carolinenstrasse. .......22....... 1 Rosenstrasse, NEUE. ............ 6 
Central Hotel. 2... B) SEETISTRASSEH ee 10 
BeldSstrassen er Nee 2 urnermanoe 0 ae 1 
Glashüttenstrasse .............. 2 
Transport....| 21 Summe....| 49 
Geestlande: 
Transport....| 41 
Rotherbaum, Eimsbüttel ....... a! Uhlenhorst, Barmbeck, Hohenfelde, 
Eppendorf, Winterhude, Borstel, Borsteldes wur | 44 
Fuhlsbüttel, Alsterdorf ....... 13 Hamm, Horn, Eilbeck .........: | sl 
Farmsent SrInl pa A l | 
Transport....| 41 Summe....| 136 


78 Dr. J. J. Reincke. 


Marschlande: 
Zahl Zahl 
Strasse der Strasse der 
Fälle Fälle 
Transport....| 24 
Transport. ...106 
Allermöhe, Reitbrook............ 6) Reginenstrasse .......... h) 
Billwärder a. d. Bille .......... 21 Vierländerstrasse ........ 2 
Billwärder Ausschlag: | Rothenburgsort .......... 13 
Billwärder Neuerdeich $4 | 2304105 
Billhörner Canalstrasse.... 6 Konken wärder 2... nv 40 
Billhörner Röhrendamm... 9 Moortleth „Sc een ee 16 
Ausschläger Elbdeich...... 4 Moon ee 39 
. er .. | e 
Bei der grünen Brücke... 1 Ochsenwärder, Tatenberg, Spaden- 
Hardenstrasse ..........- 1| land. Moorwärder 2 ee 3 
Lindleystrasse ........... 1 Steinwärder, kl. Grasbrook 66 
Transport....106 | Veddel, Peute, Entenwärder .... 4 
Transport....| 24 Summe....| 361 
Amt Bergedorf rer en Ele 
Amt Ritzebüttel-Cuxhaven .............. 10 
Im Hafen: 
Aut Flusss chiften Sa 2 ee Le | 36 
AU S@esichTfien re re 2 
Im Ganzen....|1729 


Das Vorherrschen der Cholera im Hafen und in den Marsch- 
landen tritt ohne Weiteres zu Tage; dagegen hat in den einzelnen 
Theilen der inneren Stadt kein sehr grosser Unterschied mehr 
obgewaltet; doch aber begegnet man in der Liste der befallenen 
Strassen bei den höheren Zahlen immer wieder den von früheren 
Epidemieen bekannten Namen. In St. Georg waren der Stadtdeich, 
der Grünedeich und die benachbarten Strassen (4. Steuerbezirk) 
ungleich schwerer befallen als die übrige Vorstadt; im dem ganzen 
Gebiete keine Gegend so schwer, wie der Billwärder Neuedeich. 
In dem stärker heimgesuchten Geestgebiet waren besonders betroffen 
die thatsächlich auf der Marsch belegenen Strassen, Hammerdeich und 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. (9 


Borstelmannsweg. Diese Erkrankungen und die Fälle in Billwärder 
an der Bille gruppiren sich um den kleinen Nebenfluss der Elbe, 
die Bille, an welcher der auch in früheren Epidemieen schon oft 
befallene Grünedeich liegt. 


Ueber den Beruf der befallenen 697 Männer giebt Kraus 
folgende (hier abgekürzte) Zusammenstellung: 


FREIE RE en 245 
Plamkmenker vers ne een ech ee 150 
Handel-, Verkehr- und Gewerbetreibende .......... 67 
Wasserverkehr (ohne Auswanderer) ............ 9 
EEE DIES EU RE 29% 
Verschiedene (einschliesslich 9 Auswanderer) ....... s5 


Summe. . 697 


Da die Auswanderer von der „Ellwood Cooper“ dem Wasser- 
verkehr zuzurechnen sind, kommt also wieder wie in den Jahren 
1831 und 1832 etwa der siebente Theil aller erkrankten 
Männer auf Leute, welche auf dem Wasser leben. Sehr 
nahe stehen ihnen auch die Erdarbeiter, welche beim Bau des 
Venloer Bahnhofes beschäftigt waren und stark von der Krankheit 
zu leiden hatten. Unter den eigentlichen Seeleuten wurden namentlich 
Matrosen befallen, deren Schiffe beim kleinen Grasbrook lagen. 


Wenn Kraus am Schlusse hinzufügt, dass von allen Schiffen, 
die hier Erkrankungen lieferten, nach ihrer Wegfahrt von hier weder 
auf der Elbe noch bei ihrer Rückkehr ein Fall von weiterer Erkrankung 
gemeldet sei, so mag das dem strengen Wortlaute nach richtig sein. 
Doch können diese Worte leicht irre führen, indem sie den Glauben 
erwecken, als wenn alle von Hamburg ausgesangenen Schiffe von 
Cholera verschont geblieben seien. Dem war aber nicht so. Kraus 
berichtet selbst von dem Auswandererschiff „Elwood Cooper“ mit 
312 Insassen, auf dem zwischen Hamburg [Abfahrt 11. Oetober')] 
und Cuxhaven 26 Erkrankungen mit 18 Todesfällen vorkamen, und 
ich selbst habe damals als Polizeiarzt verschiedene Choleraleichen zu 
besichtigen gehabt, die von ausgehenden Schiffen mit Schleppern 


') Es ist nicht ohne Interesse, dass dieses Schiff ebenso wie die früher erwähnten 
Schiffe „Franciska“ (8. 54), „Lord Brongham“ und „Leibnitz“ (S. 67), Hamburg: 
zu einer Zeit verliessen, in der nur noch ganz vereinzelte Choleratälle dort 
vorkamen. 


80 Dr. J. J. Reincke. 


zurückgesandt wurden, weil man in Glückstadt die Annahme der 
Leichen verweigerte: am 4. September einen Matrosen vom Schiffe 
„Madura“, am 10. September einen Maschinisten vom Dampfer „Goethe“. 
Von dem aber, was auf Schiffen auf See passirt ist, erfährt Niemand 
etwas genaueres, wenn es sich nicht um Katastrophen wie auf dem 
„Leibnitz“ oder der „Elwood Cooper“ u. s. w. handelt. 


Vier Wochen später als in Hamburg, am 17. Juli, ereignete 
sich der erste tödtliche Fall in Altona bei einem Quaiarbeiter. 
Auf derselben Baggerschute, auf der er gearbeitet hatte, kamen 
in den nächsten Tagen zwei weitere Fälle vor. Gleichzeitig 
erkrankten in der Stadt der Heizer von einem Dampfschiffe und ein 
auf dem Grasbrook beschäftigter Arbeiter, drei Tage später ein Haus- 
genosse des Letzteren. Die Fälle, welche zunächst folgten, betrafen 
entweder in Hamburg beschäftigte Leute, oder kamen von Schiffen 
im Hafen. Im Ganzen erkrankten 145 Personen, von denen 102 
starben. Von den Erkrankten entfielen 12 auf den Juli, SI auf den 
August, 25 auf den September und je 8 auf October, November, 
December. 

Nach Ursache und Ursprung gruppirt Wallichs!) die Fälle 
in folgender Weise: 


Wohnen in der Nähe der Elbe oder Beschäftigung 


aut Schiene a ae ee 50 
Aufenthalt auf Schiffen (durchschnittliche Schifts- 

bevölkerune200SKöpte) em ea ee ee 15 
AutenthalteinaL-lambures ame Di 


Directe oder indirecte Uebertragung in der Stadt, 
erschlossen ausörtlichem oder zeitlichem Zusammen- 


Dabei ist eine Anzahl von Fällen in den einzelnen Gruppen 
mehrfach gezählt. 

Nach dieser Zusammenstellung nimmt Bockendahl etwa 
die Hälfte der Fälle als „insoweit originär entstanden an, als ihr 
Erkranken nicht auf die obengenannten Ursachen zurückzuführen 
war“. Nur 14 von diesen Fällen kamen auf den Nordertheil 
der Stadt. 


') Wallichs: die Cholera-Epidemie des Jahres 1573. Beilage zu No. 91 des 
„Altonaer Merkur“ vom 14. Äpril 1574. 
Bockendahl: Generalbericht für 1573, S. 35, und Mittheilungen für den 
Verein Schleswig-Holsteinischer Aerzte, Neue Folge 1392, No. 2, S. 28. 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. sl 


Der Wohnung nach vertheilten sich die Fälle in folgender Weise: 


Stadttheil Einwohnerzahl Erkrankungen 
Wstercheil2r.r.22.,..:%: 16 739 31 
Sudertheil ... ra... 8895 IT 
Nordertheil, 2... ....; 16 407 19 
Zolleehiet.. >..2..:..:.: 240 1 
Südwestertheil ........ 15 992 12) 
Nordwestertheil ....... 15 476 23 
Obtensen.... 2. 2... 9 277 13 

x x | durchschnittlich | 
Direct an Schiffen .... ! 200 [ 18 


Dem Berufe nach waren unter den Erkrankten 27 Schiffer 
und Seefahrer. Nicht wenige Frauen erkrankten nach ihren Männern. 
Auch andere Beispiele von mehrfachen Erkrankungen in einer Familie 
in Zwischenräumen von 2 bis 3 Tagen werden mitgetheilt. Sehr 
reichlich waren die Verschleppungen. Unter den dadurch entstandenen 
secundären Herden sind namentlich zu nennen die elbabwärts gelegene 
Stadt Wilster mit 44 Fällen und Brunsbütteler Hafen mit 23 Er- 
krankungen. 


In den theoretischen Erörterungen, die sich an diese Epidemie 
und die der Jahre seit 1859 schliessen, spielen die Fragen der Boden- 
verunreinigung die Hauptrolle, indessen lässt Wallichs auch die 
Möglichkeit offen, „dass das Wasser der Elbe, welches durch fast alle 
Auswurf- und Abfallstoffe der grossen Städte Hamburg und Altona 
verunreinigt ist und von den Schiffern vielfach getrunken wird, den 
Krankheitskeim den dazu Disponirten direct zuführt“. 


1892. 


Nach dem Jahre 1873 blieb Hamburg 19 Jahre lang von 
Cholera frei. In diese Zeiten fallen wichtige Veränderungen: der 
Durchstich der Kaltenhofe, die oben erwähnte Ausdehnung der 
Wasserversorgung und der Besielung und vor Allem der Zollanschluss 
mit der Verlegung der Häfen. Die früher hauptsächlich von der Cholera 
heimgesuchten Quartiere der Kehrwieder-Brookgegend, Steinwärder 
und der kleine Grasbrook wurden fast völlig von ihrer Bevölkerung 
entblösst. Dieselbe, über 20 000 Köpfe umfassend, zum grossen Theil 


6 


82 Dr. J. J. Reincke, 


von der Arbeit an und auf dem Wasser lebend, wurde weit über 
die ganze Stadt verstreut. An ihre Stelle traten Menschen, die 
meist materiell besser situirten Lebensklassen angehörten, nur Tags 
über in jenen Gebieten sich aufhielten, beschäftigt in Comptoiren, 
Waarenlagern u. s. w. aber nicht auf dem Wasser. 

Der Niederhafen vor St. Pauli, dem Johannisbollwerk, den 
Vorsetzen, dem Baumwall, wo früher die Hauptmasse der grossen 
Seeschiffe gelegen, ward leer, die benachbarten Stadttheile, die 
vorwiegend von diesen Schiffen gelebt hatten, hörten auf der aus- 
schliessliche Mittelpunkt des seemännischen Verkehrs zu sein, dagegen 
bevölkerten sich die weit stromaufwärts in der Nähe der neuen 
Häfen gelegenen Gebiete mehr und mehr. 

Nun brach die Cholera auf’s Neue herein, in der Zeit vom 
16. August bis 22. November 16 956 Menschen ergreifend, von denen 
8605 starben — 26,31 Erkrankungen und 13,59 Todesfälle auf 
1000 Einwohner. 


Sehe Erkran- | Todes- | Sache Erkran- | Todes- 
kungen fälle kungen | fälle 
| Transport.. 16791 | 8510 
14. Aug. —20. Aug.| 115 3 2. Oct. — 8.0ct.| 101 52 
21., „;7==27.5, 8593 | 1259 ie mr 41 26 
28... — 8.8ept.1.6157.| 3258 | 16. 7,7222, 14 I 
4.Sept.—10. „, 3217 2 1.974.193 5,29. ,; 1 6 
ie 3. 2.092) 1.068] 30. ,,7 — 5. Nov. B) 2 
12, 24; 1 224 689 6. Nov.—12. „, i) —_ 
29. 1:06. 399 232 
Transport.. 16791 | 8510 Summe... !16956. | 8605 


Auf Schiffen erkrankten 387 Menschen und starben 171. 
Von Leuten, die im Wasserverkehr beschäftigt waren, erkrankten 
969 und starben 507. Die sonstige örtliche Vertheilung ergiebt sich 
aus der Darstellung auf Tafel IV. Die vorwiegend von den reichen 
Leuten bewohnten Distriete Harvestehude, Rotherbaum, Hohenfelde 
blieben am meisten verschont.) Auch die oben erwähnten Kauf- 
leute u. Ss. w., welche am Tage in den ehemaligen Hauptcholera- 
gegenden sich aufhielten, hatten wenig Erkrankungen. Auf dem 


') Auf der Uhlenhorst, wo sehr viele reiche Leute wohnen, werden die günstigen 
Zahlen der Strassen im Westen des Winterhuderweges völlig erdrückt durch 
die ungünstigen Zahlen der von unbemittelten Leuten bewohnten Osthälfte 
des Bezirks. 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 83 


nicht zu den Vororten gehörigen und nicht mit Elbwasser versorgten 
Geestgebiet ereigneten sich 12 Erkrankungen, in dem nicht städtischen 
Marschgebiete 594. Davon kamen auf Veddel (hat Wasserleitung), 
Peute, Kaltehofe 478 (109 Todesfälle), auf Waltershof 5, Finken- 
wärder 50, Ochsenwärder 17, Moorfleth 9, Moorburg 15, Billwärder 
an der Bille 9, übriges Marschgebiet 11. Die Landherrenschaft 
Bergedorf hatte 43 Fälle, davon 28 in Kirchwärder, die Land- 
herrenschaft Ritzebüttel 5 Fälle. 

In dem Schreiben, mit welchem Medicinalrath Kraus dem 
Kaiserlichen Gesundheitsamte den Ausbruch der Cholera mittheilte, 
hiess es: „Wie gewöhnlich ist zunächst und namentlich 
die Gegend an der Elbe befallen.‘ Im Uebrigen verweise 
ich auf die demnächst erscheinende ausführliche Darstellung der 
Epidemie von Professor Gaffky in den Arbeiten aus dem Kaiser- 
lichen Gesundheitsamte und auf die bisher veröffentlichten kürzeren 
Mittheilungen. ') 

Im Winter, vom 5. December bis 3. März, folgte eine kleine 
„Nachepidemie“ mit 65 Erkrankungen und 17 Todesfällen. 17 Er- 
krankungen ereigneten sich auf Schiffen. 

Altona hatte inzwischen 516 Erkrankungen und 316 Todes- 
fälle, von denen etwa 60°/o auf Infection in Hamburg zurückgeführt 
werden konnten. Auch hier folgte eine kleine Nachepidemie mit 
45 Erkrankungen und 24 Todesfällen. 


1895. 


Auch über diese Epidemie wird demnächst in den Arbeiten 
des Kaiserlichen Gesundheitsamtes eine eingehende Darstellung von 
der Hand des Verfassers dieser Zeilen erscheinen. Hier genügt es, 
mitzutheilen, dass in der Zeit vom 15. August bis 16. November 
202 Personen an Cholera erkrankten, von denen 60 starben. 19 Er- 
krankungen kamen auf Schiffe; unter den Befallenen befanden sich 
25 Schiffer. 

Altona hatte gleichzeitig 14 Erkrankungen mit 10 Todes- 
fällen. Die Mehrzahl war auf Infection im Hafen oder in Hamburg 
zurückzuführen. 


') Reineke: Die Cholera in Hamburg. Deutsche medicinische Wochenschrift. 
1893. No. 3, 4, 5. 
Bericht des Medicinal-Inspectorates über die medieinische Statistik des 
Hamburgischen Staates für das Jahr 1592. 


54 Dr. J. J. Reincke. 


Zum Schluss dieses Abschnittes lasse ich eine tabellarische 
Uebersicht über die sämmtlichen Hamburger Epidemieen und die 


Altonaer Epidemieen, 


soweit etwas darüber bekannt ist, folgen: 


Fr 
Bagıaa 


IR 


SARUTSANSSANATIAYAR N 


Cholera. rankungen ) s Todesfälle in\Altona\ \: 

——— _— A Bed Finmehner _\; 

| | WAREN | 

segugtirssatssun nn Gunkenstsesad SERRIRRER SENBESOEENS 
Hamburg. 
Juanhır Einwohner | Erkrankt | Gestorben er E orben 

00 00 
Sole | 173 943 940 498 > 2,56 
EP TE ER 175220 3 349 1.652 19,31 9,45 
1893 ven 176 498 ? 48 -— 0,27 
Saar 17727708 ? 155 -- 0,87 
ES 179 055 ? 5 — 0,04 
RIO 180 715 ? 16 -. 0,09 
TB3a SE tel, 182318 ” 209 — 1.45 
NE oe 210 024 3687 1765 17,56 7,45 
on 208 959 1919] 593 9,70 2,54 
1 Kara) Fre RE 210710 794 440 3,17 2,09 
SD. 2254.02 558 sol 2,48 1,34 
1 Ko Ro 228 952 478 au] 2,09 1,36 
ee 231 604 2983 204 1,52 0,88 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 85 


Jahr Einwohner Erkrankt | Gestorben an a 
/00 -/00 
1 Serie 233 880 121 78 0,52 0,33 
Ro Ze 237 043 765 491 3,23 2,07 
Toys... .. 241 967 2 ? 0,03 — 
1110) oo 245 095 2586 1285 10,55 5,24 
BHO... 273 484 2 254 1158 8,24 4,23 
ke a er ee 285 057 ? 1 — 0,26 
} oh IN We de 324 161 NUDE 141 0,53 0,43 
Reize 348 127 1729 1005 5,00 2,89 
Ne A 637 686 16 850 8576 26,32 | 13,44 
VEI3 Pan 647 479 202 60 0,31 0,09 
Altona. 
ESS Aa en E29000 22 Cl) 0,88 0,60 
a c. 25 000 ? 100 ? 4,00 
ODER, MI et 44 923 313 165 8,29 3,67 
1860 Su... 60 167 152 82 2,19 1,36 
IS0022 209 65 155 59 44 0,91 0,68 
SB AN 2, 13.816 ? 105 % ? 1,43 
SEN IE EI SEHEN 702025 145 102 1,86 1,91 
1 16 A A Er ERBEN 149 074 516 316 3,81 2,13 
1895 2) LER: 151 487 14 10 0,09 0,06 


Nach allen mitgetheilten Thatsachen bedarf es wohl keiner 
weiteren Ausführung, dass die Cholera-Epidemieen in Hamburg in allen 
Jahren, über die wir nähere Nachrichten besitzen, ihren Ausgangs- 
punkt an der Elbe genommen haben, und dass die der Elbe zunächst 
gelegenen Gebiete schwerer als die übrige Stadt von der Krankheit be- 
troffen wurden. Auch kann als feststehend angesehen werden, dass es 
von dem ersten Erscheinen der Krankheit im Jahre 1831 an nicht an 
Aerzten gefehlt hat, welche die Verbreitung derselben mit dem Ein- 
fluss des Elbwassers zum Theil sogar mit dem Genuss des Wassers 


') Der Berechnung sind die im Statistischen Handbuch für den Hamburgischen 
Staat, Vierte Auflage 1S91, S. 17, Tabelle 10, Reihe 3 angegebenen Bevöl- 
kerungszahlen für das jedes Mal vorhergehende Jahr, welche-nicht mit dem 
sonst in Text mitgetheilten Zahlen der früheren Autoren durchaus stimmen, 
zu Grunde gelegt. Die Zahlen der Altonaer Bevölkerung danke ich der 
Güte des Herrn v. Wobeser in Altona. 


6 Dr. J. J. Reincke. 


in Zusammenhang brachten. Aber ihre Ansicht wurde immer wieder 
zurückgedrängt durch andere Meinungen, vor Allem durch die Lehre, 
dass die Verbreitung der Cholera vorwiegend von der Beschaffenheit 
des Bodens, auf dem die menschlichen Wohnungen stehen, abhängig 
sei. Die der Elbe nahen Bezirke lägen auf Marschboden, die 
ferneren und mehr verschonten Bezirke auf der Geest, aus dieser 
verschiedenen Beschaffenheit des Untergrundes sei die örtliche Ver- 
theilung der Cholera zu erklären; je höher die Bezirke auf der Geest 
lägen wie Altona, desto freier seien sie. Auch ich bin früher dieser 
Meinung gewesen, die Erfahrungen des Jahres 1892 und die in 
dieser Arbeit niedergelesten Thatsachen aber haben mich eines 
Anderen belehrt. 


Wäre der Marschboden als solcher der Hauptausgangspunkt 
der Cholera-Infeetionen, dann sollten doch wohl auf ihm sich auch die 
meisten Erkrankungen finden. Aber das ist nicht der Fall, sondern 
die Cholera-Frequenz auf den Schiffen war in allen Epidemieen noch 
ungleich höher als in irgend einem Theile der Stadt. 

Ueber die Grösse der Schiffsbevölkerung liegen erst Zahlen 
seit 1866 vor. Damals betrug dieselbe rund 2900 Köpfe’), das giebt 
für die Epidemie jenes Jahres ‚bei 110 Erkrankungen auf Schiffen 
38,0 °/oo, während der schwerst befallene Stadttheil, der Stadtdeich, 
7,71 °/oo Todesfälle, also unter der allgemein angenommenen Voraus- 
setzung, dass im Durchschnitt 50°/o der Erkrankten sterben, etwa 
15,5 °/oo Erkrankungen hatte. 

1873 war die Schiffsbevölkerung nur etwa 2500 Köpfe stark, 
wohl in Folge des Zunehmens der Dampfschiftfahrt, welche im Ver- 
hältniss weniger Schiffsbemannung erfordert als die Segelschifffahrt. 
Bei 107 Erkrankungen auf Schiffen ergeben sich hiernach 42,8 °/oo, 
während der schwerst betroffene Stadttheil, der Billwärder Ausschlag, 
12,82 °/oo Todesfälle, also etwa 25,6 ”/oo Erkrankungen hatte. 

1892 erkrankten auf Schiffen 387 Leute bei rund 4500 Schifts- 
bewohnern — 86,0 °/oo Erkrankungen gegenüber 27,50 °/oo Todesfällen 
auf der Veddel, also etwa 55,0 °/oo ausgesprochener Erkrankungen.?) 


!) Statistisches Handbuch für den Hamburgischen Staat. III. Auflage 1555, 8. 16. 
?) Nach dem Jahresbericht des Medicinal-Inspectorates für 1592, Tabelle 35 a, 

ergiebt sich allerdings für die Veddel, die Peute und die Kaltehofe eine er- 

heblich höhere Erkrankungsziffer bis zu 140 °/oo. Das kommt daher, dass von 
den Arbeitern des Unternehmers Vering, die dort am Bau der neuen Häfen 
u. s. w. arbeiteten, auch alle ganz leichten Erkrankungen gemeldet wurden, 
die in den übrigen Distrieten nicht mitgezählt sind. So sind für jene 
Gebiete ganz exceptionelle Erkrankungszahlen entstanden. 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 87 


Für die früheren Jahre ist eine genaue Berechnung unmöglich; 
indessen selbst wenn man auch für diese Jahre bis 1831 zurück 
unverändert eine Schiffsbevölkerung in derselben Grösse wie sie um 
1866 bestand, von rund 3000 Köpfen, annehmen wollte, wird man 
in jedem Jahre auf Zahlen kommen, die höher liegen, als die irgend 
eines Gebietes am Lande. 


Jahr Zahl der Fälle Jahr Zahl der Fälle 
SE RER 41 Fälle = 13,7 %/oo | 1854..... ' 30 Fälle = 10,0 %oo 
SD les a 10,0, 
ER TERN ae ee 
1849... ee ee Be, od 
SON ae dB | 1859. u ee 
5 BE ls | 


Nun ist freilich nicht zu vergessen, dass während einer 
längeren Epidemie die Schiffsbevölkerung sich ausgedehnt erneuert, 
so dass thatsächlich im Hafen mehr Leute der Gefahr ausgesetzt 
sind, als die Zählung an einem bestimmten Tage ergiebt. Dafür 
fehlen aber auf den meisten Schiffen fast völlig die kleinen Kinder, 
die Schwachen, Alten und Kranken, die auf dem Lande ein so grosses 
Kontingent zu den Cholera-Erkrankungen liefern. Auch ist daran zu 
erinnern, dass gerade die schwersten Hafenepidemieen, 1848 und 1892, 
in recht kurzer Zeit verlaufen sind, so dass der Wechsel im Personen- 
bestande nicht allzu gross sein konnte. Vergegenwärtigt man sich 
dann ferner, wie viele Erkrankungen in der Stadt Leute betroffen 
haben, die auf dem Wasser arbeiteten und jedenfalls dort infieirt 
wurden, — ich erinnere nur an die Zahlen der erkrankten Schiffer 
und der sonst im Wasserverkehr beschäftigten Leute, die oft ein 
Zehntheil bis ein Siebentheil aller Erkrankungen ausmachten, ferner 
an die Erdarbeiter am Flussufer, die Arbeiter auf Schiffen, Baggern, 
Werften, Quais u. s. w. — dann kann gar kein Zweifel mehr darüber 
bestehen, dass der eigentliche Herd der Seuche nicht auf dem Marsch- 
boden, sondern auf dem Wasser selbst zu suchen ist. Dort aber 
wird man doch nicht von dem Untergrund im Sinne irgend einer 
Bodentheorie sprechen wollen. Vielleicht könnte man dafür den 
Kielraum und das Bilschwasser der Schiffe in Anspruch nehmen. 
Das hätte zur Zeit der Holzschiffe vielleicht noch mit einem Schein 
von Berechtigung geschehen können; seitdem die Mehrzahl der Schiffe 
aus Eisen besteht und kaum noch Bilschwasser hat ausser der 
Maschinenbilsch auf Dampfschiffen, ist auch diese Annahme hinfällig. 


33 Dr. J. J. Reincke. 


Allerdings sind unsere ländlichen Marschdistricte in allen 
Epidemieen ganz ungleich schwerer befallen worden, als die ländlichen 
(eestdistriete. Aus dem, was ich oben über die verschiedene 
Wasserversorgung beider Gebiete gesagt habe, erhellt aber schon 
zur Genüge, um wie viel leichter als die Geest das Marschgebiet 
einer Infection seiner Wasserbezugsquellen ausgesetzt ist. Infectionen 
einzelner Brunnen auf der Geest, wie 1867 in Altona auf Gählers- 
platz (S. 68) und 1873 in Ottensen im „Langen Jammer‘‘'), sind der 
Natur der Sache nach verhältnissmässig seltene Vorkommnisse und 
in ihren Wirkungen örtlich begrenzt, während die vielen Wasserläufe 
der Marsch viel leichter verunreinigt werden als Brunnen und ihre 
etwaigen schädlichen Wirkungen auf viel weitere Kreise ausbreiten. 

Nimmt man dazu, dass unsere Marschen als Hauptlieferanten 
der Gemüse und der Milch in besonders regem Verkehr mit der 
Stadt stehen, dass dieser Verkehr sich vorwiegend zu Wasser voll- 
zieht, dass die Bewohner gerade der am schwersten heimgesuchten 
Marschdistriete auch ihren Beruf auf dem Wasser haben, die Finken- 
wärder bei der Fischerei, die Deicher auf den Holzhäfen, so wird 
man nicht anstehen, die Hauptquelle der Cholera dort in allen diesen 
vielfachen Beziehungen zum Wasser zu suchen und nicht in den Ver- 
hältnissen eines ständig feuchten Untergrundes, dessen Grundwasser 
ganz von den Wasserständen der Elbe abhängig ist. 

Des Weiteren ist die Cholera von Anfang an nie so auf 
den Marschboden beschränkt gewesen, wie oft behauptet wird. 

Der „tiefe Keller‘, in dem 1831 die Krankheit zuerst auftrat 
und einen intensiven Herd bildete, lag auf der Geest, das in allen 
Epidemieen stark heimgesuchte Süd-St. Pauli ist bis auf einen schmalen 
Ufersaum hohe Geest; dasselbe gilt von verschiedenen stets befallenen 
Strassen im Südertheil der Neustadt. Auf der östlichen Geesthöhe, 
in der Steinstrasse, Spitalerstrasse, Rosenstrasse bis zum Strohhause 
hin sind von 1831 her in jeder Epidemie sehr viele Erkrankungen 
vorgekommen. Und ähnliche Beispiele liessen sich leicht vermehren 
von den Gängen in der Neustadt und St. Georg, wie vom Grindel 
und Hohenfelde. 

Aber diese gehäuften Erkrankungen auf hoher Geest traten 
allerdings nur auf in dem Maasse, wie Einschleppungen vom Hafen 
oder von secundären Herden möglich waren und örtliche Bedin- 
gungen vorlagen, welche einer weiteren Ausbreitung der Krankheit 
Vorschub Jeisteten. Die engsten Beziehungen zum Hafen waren 


) Koch: Die Cholera in Deutschland während des Winters 1592/93. Zeit- 
schrift für Hygiene und Infectionskrankheiten. Bd. XV. 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 89 


vorhanden in den Südtheilen von St. Pauli und von der Neustadt, die 
geringsten in den Nordtheilen von Altona. Dazwischen gab es alle 
erdenklichen Abstufungen; unter diesen waren jedenfalls auch: in 
entfernteren Gegenden die Beziehungen zum Hafen am innigsten 
dort, wo am meisten Arbeiter wohnten; und das waren gerade die 
oben genannten Gebiete des Jacobikirchspiels und einzelne Gegenden 
der Neustadt wie St. Georg’s. Gleichzeitig boten die Gänge und 
Höfe, die Buden und Sähle gerade dieser Quartiere mit ihrer oft 
dicht gedrängten, armen und unsauberen Bevölkerung die besten 
Bedingungen zur weiteren örtlichen Ausbreitung der Krankheit. 


Nun Könnte man einwenden, dass die schon seit 1831 her 
befallenen Gebiete auf der Geest uralte Wohnquartiere seien, deren 
Untergrund im Lauf der Zeiten durch organische Abfallstoffe jeden- 
falls ebenso verunreinigt sei wie der Marschboden. Das hätte 
vielleicht berechtigt erscheinen können bis 1892. Inu diesem Jahre 
aber wurden die entfernten Geestvororte so schwer befallen, wie 
ehedem Brook und Kehrwieder. Und doch waren die dort ergriffenen 
Strassen meist erst in den letzten Jahren neu erbaut, direct in das 
freie Feld hinein, auf reinem Sand. Keines der grossen Etagenhäuser 
hatte dort gebaut werden dürfen, ohne dass Siele in der Strasse 
lagen. Wie kann man da den Untergrund beschuldigen ? 

Wenn die Cholera im Laufe der Jahre sich immer weitere 
Gebiete der Geest eroberte, so ist das allerdings zu einem guten 
Theil dadurch zu erklären, dass die Stadt überhaupt wuchs, dass 
Gebiete, welche bisher nur von einzelnen reichen Leuten im Sommer 
bewohnt waren, allmählich auch von den ärmeren Klassen dauernd 
besiedelt wurden, so namentlich die Vororte nach der Aufhebung der 
Thorsperre im Jahre 1861, und dadurch, dass mit den wachsenden 
Verkehrserleichterungen die Menschen sich immer mehr daran 
gewöhnten, fern von ihrer Arbeitsstätte zu wohnen. Dass ein Arbeiter 
vom Grasbrook in Barmbeck wohnte (S. 54) war 1855 gewiss noch 
eine Seltenheit, jetzt aber, zumal seit dem Zollanschlusse mit seiner 
gewaltigen Verschiebung von Menschen, sind solche Verhältnisse 
ungemein häufig. 

Ebenso ging es mit Altona. 1831 und 1832 stand Altona 
unter Dänischem Regiment, die Stadt hatte wie Hamburg ihre Thor- 
sperre, zwischen beiden lag der zum grossen Theil noch unbebaute 
Hamburger Berg, es gab weder Droschken noch Omnibus, weder 
Freizügigkeit noch überhaupt eine grosse Arbeiterbevölkerung, wohl 
aber Zunftfesseln und Beschränkungen aller Art. Die Beziehungen 
zwischen beiden Städten beschränkten sich im Wesentlichen auf den 


90 Dr. J. J. Reincke: 


Kleinverkehr an der St. Pauli Grenze, auf den Zusammenhang der 
Altonaer Kaufmannschaft mit der Hamburger Börse und auf einzelne 
persönliche Anknüpfungen. Jetzt sind beide Städte eng mit einander 
verwachsen, Eisenbahn, Dampfschiffe, verschiedene Pferdebahnen, 
Fuhrwerk aller Art und ein gewaltiger Fussverkehr unterhalten ein 
beständiges Hinüber- und Herüberfluthen der Bevölkerung, ein sehr 
grosser Theil der Einwohner Altonas arbeitet auf Hamburger Boden. 
Und das Ergebniss von dem allen ist, dass 1831 in Altona ein Fall 
auf Hamburg zurückgeführt wurde, 1892 etwa 60 °/o aller Fälle. 


Dieses Beispiel von Altona zeigt aber auch die Grenzen des 
blossen Verkehrseinfiusses bei Ausbreitung der Cholera. In vielen 
unserer Fpidemieen mag damit das Meiste erklärt sein, aber nicht 
1892. In diesem Jahre hatte Altona 2,13 °/oo Todesfälle an Cholera, 
die hart daneben liegenden Theile Hamburgs über 10 bis 12 °/oo, 
darunter Nord-St. Pauli und Eimsbüttel, die einst fast ebenso frei 
gewesen waren wie Altona. Da mussten in Hamburg noch 
weitere örtliche Verhältnisse zur Wirkung gekommen sein, und die 
sind nur in der Wasserleitung zu finden. 

Wo die Krankheit mit solcher Allgewalt hereinbricht wie 
im August 1892, nicht allmählich vom Hafen aus fortschreitend, wie 
wohl in früheren Jahren, sondern mit einem Schlage das ganze 
Stadtgebiet überwältigend, bis scharf an die örtlichen Grenzen der 
Wasserleitung‘), da kann eben nur diese Wasserleitung es gewesen sein, 
die den bei jeder Epidemie im Hafen vorhandenen Infectionsstoff 
dieses Mal in wenigen Tagen über die ganze Stadt ausgegossen hat.”) 
Auf die vielen näheren Beweise für diese Behauptung will ich hier 
nicht näher eingehen, da dieselben von Professor Gaffky eingehend 
bearbeitet sind.?) 


!) Vergl. Tafel V der demnächst erscheinenden Arbeit Gaffky’s. 

2) Diese gewaltige Explosion mit der Münchener Epidemie von 1854 in eine 
Linie zu stellen, wie v. Pettenkofer es thut (1. Ueber die Cholera von 
1592 in Hamburg. München und Leipzig 1593 und 2. Cholera-Explosionen 
und Trinkwasser. Münchener medicinische Wochenschrift 1894. 8. 221) 
scheint mir nicht angängig. v. Pettenkofer sagt, dass die Münchener 
Epidemie ebenso anstieg und fiel, wie die Hamburger Epidemie (1. S. S). 
„Dies wird am deutlichsten, wenn man auf nebenstehender Tafel (dem 
Diagramm beider Epidemieen) die Münchener Epidemie bis zum 16. August 
mit einem Blatte Papier bedeckt und dann die beiden Epidemieen vergleichend 
betrachtet.“ Ja “Wenn‘“! Die Münchener Epidemie hatte bereits am 27. Juli 
begonnen und war bis zum 16. August allmählich schon ganz ansehnlich 
gestiegen. Ueberdies rückte nach v. Pettenkofer’s eigener Darstellung 
(Untersuchungen und Beobachtungen über die Verbreitungsart der Cholera, 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 91 


Hiernach erübrigt die Frage, ob auch bei früheren Epidemieen 
ähnliche Einflüsse der Wasserleitung nachzuweisen sind. Der Natur 
der Sache nach kann die Antwort nur sehr unbestimmt ausfallen, 
da die früheren Berichte dazu nicht eingehend genug sind und da in 
früheren Epidemieen die Aufmerksamkeit nie ernstlich auf diese Frage 
gerichtet gewesen ist. Wissen wir doch nach aller Theorie, wie auch 
nach den Erfahrungen des Jahres 1892, dass auch bei gleichmässiger 
Aussaat der Keime über ein Wasserfeld, die Erkrankungen darum doch 
nicht überall in demselben Verhältniss zur Kopfzahl der Bevölkerung 
auftreten. Das allein kann bei Beurtheilung von Epidemieen, die 
bis über 60 Jahre hinter uns liegen, nur zu leicht auf Irrwege 
führen. 1893 hatten wir eine ganz kleine Epidemie, bei der ohne 


München 1555) in dem 6 Mal kleineren München die Cholera von Osten 
nach Westen langsam fort, am 11. August hatte die Krankheit ihren Höhepunkt 
in der Ludwigstrasse, am 4. September in der Schleissheimerstrasse (S. 20), 
einmal wird dieses Fortschreiten von Osten nach Westen direct als „Fort- 
schleichen‘ bezeichnet. 


Wenn man solche Epidemieen und die drei Steigerungen im Verlaufe der 
Münchener Epidemie von 1573/74 schon als Explosionen bezeichnet, dann 
bleiben wenig Epidemieen über, die man nicht mit diesem Namen belegen 
könnte. Man vergleiche auf der Abbildung am Schlusse dieser Arbeit das 
Diagramm der Epidemie von 1592 mit dem Diagramm der Epidemie von 
1532, um das charakteristische Bild eines explosionsartigen Verlaufes zu 
gewinnen. An diesem Bilde sollte man für den Namen festhalten. Natürlich 
giebt es Uebergangsformen z. B. im Jahre 1848. 


3) Die folgende Beobachtung bietet eine ganz lehrreiche Analogie. Am 29. August 
1572 war plötzlich das Altonaer Leitungswasser ganz erfüllt von lebenden 
Cyelopiden, kleinen kaum 1 mm grossen Krebsthieren. Die Erscheinung hielt, 
langsam abnehmend, reichlich S Tage lang an, noch am 4. September sah man 
in jedem der Leitung entnommenen Glase Wasser 6 bis S der Thierchen umher- 
schwimmen. Nach den Feststellungen des damaligen Directors des Wasserwerkes, 
Herrn Salzenberg, war anlässlich baulicher Veränderungen in der Nacht 
vom 23. zum 29. August das Wasser auf kurze Zeit nicht von den Filtern 
durch das Reinwasser-Bassin zur Stadt geleitet, sondern unter Umgehung 
des Reinwasser-Bassins durch eine für gewöhnlich nicht benutzte 16zöllige 
Leitung von 400 Fuss Länge, die mit einem offenen „Brunnen“ in Verbindung 
stand. In diesem Rohr hatte seit längerer Zeit Wasser stagnirt, das bei 
diesem Anlasse mit in die Leitung gelassen werden musste. Aus dieser 
ruhenden Wassermasse stammten offenbar die Thierchen, die durch ihre 
enorme Vermehrungsfähigkeit bekannt sind. Da der ganze Vorgang in der 
Nacht stattfand, wo in der Stadt kein Wasser konsumirt wird und daher jeder 
stärkere Strom in der Leitung fehlt, gelangten die Thierchen nicht nur in 
das Rohrnetz, sondern auch rückwärts in das Reinwasser-Bassin. Daraus erklärt 
es sich wohl, dass sie nicht rascher wieder aus der Leitung verschwanden. 


92 Dr. J. J. Reincke. 

Zweifel die Wasserleitung ganz entscheidend betheiligt war.!) Etwaige 
Vorkommnisse der Art, selbst erheblich bedeutenderer Art in früheren 
Jahren sind platterdings jetzt nicht mehr nachzuweisen. Vielmehr 
können selbstverständlich nur recht grobe Vorgänge auf diesem Gebiet 
jetzt noch erkenntlich sein. 

Zur Prüfung dieser Frage will ich die verschiedenen Wasser- 
leitungen nach einander durchsprechen und beginne mit den Feld- 
brunnenleitungen, die also unverdächtiges?) Wasser führten. In 
manchen der von diesen Leitungen versorgten Strassen (siehe Tafel I) 
wohnten Reich und Arm durcheinander, aber nur die Reichen hatten 
die Mittel sich das bessere Wasser zugängig zu machen. So konnten 
solche Strassen wohl mehrfache Erkrankungen haben, ohne dass jetzt 
noch irgend Jemand entscheiden könnte, ob der Erkrankte Interessent 
der Leitung gewesen ist oder nicht. Im Ganzen blieben. jedenfalls 
die von den Feldbrunnenleitungen versorgten Strassen mehr verschont. 

Aber die Interessenten waren die reichen Leute, die in der 
ganzen Welt verschont bleiben, auch da wo derartige Besonderheiten 
in der Wasserversorgung nicht vorliegen. Bei ihnen müssen offenbar 
noch andere Faktoren mitspielen, die wir einstweilen unter dem Begriffe 
der „individuellen Disposition‘ unterbringen. Auch die Leute im Alter 
von etwa 5 bis 25 Jahren erkranken ja nicht darum viel seltener 
und wenn sie erkranken nicht darum viel seltener tödtlich, als die 
Angehörigen anderer Altersklassen?) weil sie weniger mit dem 


!) Ich verweise auf den demnächst erscheinenden schon früher erwähnten aus- 
führlichen Bericht. 
2) Nach dem 8.7 Mitgetheilten kann der Deichstrassen-Feldbrunnen zeitweilig 
auch verdächtiges Wasser geliefert haben. 
®) Jahresbericht des Medicinal-Inspectorates f. 1892 85.31, Nessmanna.a.O. 8.51. 
Nach Rothenburg a. a. O. Tabelle 3 starben 1532 von 100 Erkrankte 
im Alter von 1 Jahr 57,7, von 1—10 Jahre 65,9, von 11—20 Jahre 37,5, von 
21—30 Jahre 37,5, von 31—40 Jahre 42,5, von 41—50 Jahre 50,3, von 
51—60 Jahre 62,6, von 61—70 Jahre 75,3, von 71—SO Jahre 73,3, von 
81—90 Jahre 77,7. 
Für 1548 (berechnet nach Buek senr.) und 1592 ergeben sich folgende 
Zahlen auf 100: 


Alters- Erkrankungen Todesfälle | Alters- Erkrankungen Todesfälle 
klassen | 1848 | 1892 | 1848 | 1892 | Klassen | 1848 | 1892 | 1848 | 1892 
0-5. J.| 13,6 | 323.085 1943 19550... .23,12.| 30.17 99.128 
5-15 ,| 90:| 1411| 39 | 63 150—70 „| 25,4 | 29,9 | 15,9 | 20,5 
15—25 „| 11,1 | 15,6 | 3,5 | 5,9 lüber7o „| 86,7 | 34,6 | 29,1 | 26,8 


Siehe auch die Berechnungen bei Franke, die Cholera-Epidemie in 
München in den Jahren 1873/74, München 1875, S. 113. 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 93 


Infectionsstoff in Berührung kommen als jene, sondern weil sie durch 
anderweitige uns noch unbekannte Einflüsse geschützt oder weil die 
Anderen durch andere uns noch unbekannte Einflüsse erhöht gefährdet 
sind. Wären die Menschen nicht verschieden disponirt, dann wären 1892 
beim Ansteigen der Epidemie wohl verhältnissmässig nur Wenige ver- 
schont geblieben, denn die Parole „Wasserkochen“ ward erst allge- 
mein ausgegeben, als die Höhe fast schon überschritten war.') Auch die 
Infeetionsversuche an Menschen, die ausser von Macnamera durch- 
gehend an Personen angestellt wurden, welche den weniger disponirten 
Gesellschaftsklassen angehörten, haben uns ja bestätigt, dass nicht jeder 
infieirt wird, der Bacillen geschluckt hat und dass nicht jede Infeetion 
zum asphyetischen Stadium der Krankheit oder gar zum Tode führt. 
Aus dem Verhalten der Strassen mit Feldbrunnenleitungen lassen sich 
daher Schlüsse nicht ziehen. 

Nicht viel mehr lässt sich vom Einfluss der Alsterwasser- 
künste sagen. 1831 waren die Gebietstheile der Stadt, welche in 
die Alster entwässerten, nur wenig von Cholera heimgesucht. Es ist 
also nicht unmöglich, dass die damalige Annahme, dass das Alster- 
wasser ungefährlicher gewesen als das Elbwasser (siehe S. 25) seine 
Richtigkeit hatte. Umgekehrt waren im Jahre 1832 die von den 
Alsterwasserkünsten versorgten Gebiete schwerer betroffen als die 
Nachbarschaft (siehe Tafel VI und VII). Auch 1848 waren die 
längs der Alsterausflüsse belegenen Stadttheile ganz besonders schwer 
befallen (das dritte Bataillon siehe S. 44), doch lässt sich jetzt um 
so weniger entscheiden, ob daran das Wasser der Alsterwasserkunst 
Schuld gewesen, als inmitten der Epidemie Elbwasser an Stelle des 
Alsterwassers in die Leitungen gelassen wurde. In späteren Jahren 
kommt das Alsterwasser nicht mehr in Betracht. 

Wie die Alsterwasserkünste versorgte auch die Bieber’sche 
Elbwasserkunst nur einzelne Interessenten und einzelne öffentliche 
Brunnen, und man kann jetzt nicht mehr übersehen, von welcher 
Bedeutung sie für die Gesammtbevölkerung ihres Bereiches gewesen 


') Am 26. August erschien zuerst eine vom 25. datirte Bekanntmachung der 
Polizei-Behörde, in der sie zum Wasserkochen auffordert. Eine erneute 
Bekanntmachung vom 30. August wird mit dem Satze eingeleitet, dass 
die Warmung das Leitungswasser ungekocht zu geniessen, wie täglich 
wahrgenommen wird, noch vielfältig unbeachtet bleibt. Die erste Aufforderung 
zum Wasserkochen abseiten der inzwischen eingesetzten Cholera-Commission 
des Senates datirt vom 1. September. Erst an diesem Tage beginnen in den 
Zeitungen die täglichen fettgedruckten Aufforderungen kein ungekochtes 
Wasser zu geniessen. — Die schwersten Epidemietage waren der 27. und 
30. August. 


94 Dr. J. 2Reincke, 


ist. Jedenfalls scheint das Jahr 1848 einen gewissen Verdacht gegen 
dieses Werk zu rechtfertigen, wie ich oben (S. 46) schon erwähnt 
habe, während es bei den übrigen Epidemieen völlig dahingestellt 
bleiben muss, ob und in wie weit sie betheiligt war. 


Die Smith’sche Wasserkunst kommt nur für die Epidemieen 
von 1848 bis 1853 in Betracht, von denen wir allein die achtund- 
vierziger näher kennen. Ob die Kunst damals an der Ausbreitung der 
Krankheit Theil genommen (siehe S. 46), muss eine unbeantwortete 
Frage bleiben. Dass Nord-St. Georg dieses Mal schwerer als sonst 
befallen wurde, spricht dafür; dagegen entstehen Zweifel aus der 
verhältnissmässig geringen Zahl von Todesfällen im Nordertheile 
der Altstadt. 

Die Stadtwasserkunst brachte zweifellos in den ersten 
Jahrzehnten ihres Bestehens bis nach 1873 vielen ihrer Konsumenten 
besseres Wasser als sie bisher gehabt hatten. Das gilt namentlich 
von den Südertheilen der Altstadt und der Neustadt, die an Stelle 
von Hafen- und Flethwasser jetzt reineres Wasser aus dem oberen 
Flusslauf erhielten. Daraus, wie aus der gleichzeitig eingeführten 
besseren Beseitigung der Fäkalien, dürfte es zu erklären sein, dass auch 
bei schwereren Infeetionen des Hafens die Epidemieen in der Stadt 
von nun an bis einschliesslich 1873 immer leichter verliefen als früher. 
Aus demselben Grunde werden wahrscheinlich die Unterschiede zwischen 
Nord und Süd in der inneren Stadt in Bezug auf die Häufigkeit der 
Erkrankungen nach 1848 erheblich geringer geworden sein. 


Ob darum das Wasser der Stadtwasserkunst in allen Epidemieen 
vor 1892 völlig frei gewesen, ist freilich eine andere Sache. Ich 
lege kein zu grosses Gewicht darauf, dass 1853, 1859 und 1873 auch 
Ortschaften im Bereiche der Schöpfstelle, Rothenburgsort und Moor- 
fieth, Erkrankungen gehabt haben, weil wir nicht wissen, wie und 
wo die Leute inficirt wurden, ob in der Stadt, ob aus den Marsch- 
gräben oder aus dem freien Strom. In dem einzigen Jahre, aus 
dem wir einige Nachrichten über diese Fälle haben, in dem Jahre 1875, 
werden sie als eingeschleppt bezeichnet (Kraus). Dagegen mache 
ich auf die immer weitergehende örtliche Ausbreitung der Krankheit 
aufmerksam, wenngleich auch hier grosse Vorsicht in der Beurtheilung 
geboten ist. 1859 scheint der obere Alsterlauf infiecirt gewesen zu sein 
(Eppendorf, Winterhude, Gross Borstel, Fuhlsbüttel, Klein Borstel, 
Alsterkrug, Ohlsdorf, Langenhorn), so dass die höheren Erkrankungs- 
zahlen in den Geestlanden in diesem Jahre, in dem zuerst auch Theile 
der jetzigen Vororte Leitungswasser erhielten, erheblich zusammen- 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 95 


schrumpfen, wenn man diese ausserhalb des Bereiches der Leitung 
entstandenen Fälle abzieht. 

Ueber die Erkrankungen in den Geestlanden während der 
Epidemie von 1866 fehlen leider alle Einzelangaben; aber die That- 
sache, dass dort jetzt 154 Fälle vorkamen, gegenüber 120 in der 
grösseren FEpidemie von 1859, lässt erkennen, dass die Krankheit 
inzwischen bessere Verbreitungswege gefunden, die vielleicht nicht 
allein durch den Zuwachs der Bevölkerung zu erklären sind. 


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auf Schiffen, BE :2 ar Sradt. 76 


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1873. 1892. 1998. 


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Schliesslich 1873. Die Zahlen dieses Jahres sind überall so 
niedrig, dass nicht allzu viel aus ihnen zu schliessen ist. Vielleicht 
ist es aber doch nicht Zufall, dass die damals kaum oder garnicht 
von der Wasserleitung berührten Distriete Eppendorf und Winterhude 
nur halb so viele Erkrankungen auf 1000 Einwohner hatten, als der 
leichtest befallene Vorort mit Wasserleitung und dass andererseits 
die weitaus am schwersten betroffene Strasse, der Billwärder Neue- 
deich, noch auf die Elbe und nicht auf das Leitungswasser an- 
gewiesen war. 


96 Dr. J. J. Reincke. 


Wäre das Leitungswasser in irgend einer dieser Epidemieen 
je völlig frei gewesen, dann hätte der Verlauf derselben wohl noch 
günstiger sein müssen, als es thatsächlich der Fall war. 

Dass dann 19 Jahre später, 1893, das Wasser inficirt gewesen 
und dass dazu die Bedingungen jetzt viel günstiger waren als 
vorher, braucht nach dem früher Gesagten nicht weiter erörtert 
zu werden. 

Die vorstehende Zeichnung ') bestätigt diese Ausführungen. 
In den Jahren, in denen das Trink- und Nutzwasser in der Stadt 
am schlechtesten war, 1831, 1832 und 1892, war zwar auch der 
Hafen viel schwerer befallen als die Stadt, aber doch nicht in dem 
Verhältniss, wie in den Jahren während welcher die Stadt-Wasser- 
kunst relativ besseres Wasser lieferte, wie namentlich in 1849 und 1873. 

Etwas sicherer können wir wieder über den Einfluss des 
Altonaer Wasserwerkes auf einige Epidemieen urtheilen. Dabei 
ist es wohl überflüssig, des Weiteren von dem Schutz zu reden, den 
die Sandfiltration der Stadt gewährt hat, sondern ich will gerade 
umgekehrt an das S. 12 Gesagte erinnern, dass die Filter nicht immer 
Vollkommenes geleistet haben und dass, soweit wir es aus den vorliegen- 
den Nachrichten übersehen können, erst seit dem Bestehen des Wasser- 
werkes auch in Altona Epidemieen, wenn auch immer nur schwache 
Epidemieen, vorgekommen sind, welche sich über das ganze Stadt- 
gebiet ausgebreitet haben. Die Epidemie von 1871 ist schon von den 
zeitgenössischen Beobachtern auf das Leitungswasser zurückgeführt 
worden (S. 69), desgleichen der Ausbruch der Krankheit im Winter 
1892— 1893 °); dasselbe lässt sich mit mehr oder minder Wahrscheinlich- 
keit von der Epidemie von 1859 muthmassen (S. 12, 60). Selbst im 
Sommer 1892 dürften die Filter nicht durchgehend fehlerfrei gearbeitet 
haben, denn über die ganze Stadt verstreut kamen doch an 200 Erkran- 
kungen vor, die nicht auf Hamburg zurückgeführt werden Konnten. 

Wenn somit die Geschichte aller Epidemieen Hamburg-Altonas 
auf die Beziehungen zum Wasser hinleitet,*) so soll man sich doch 


1) Nach den Zahlen auf S. S4 u. 87. ° 

?) Koch: Wasserfiltration und Cholera a. a. O. 

») Auch in mancher anderen Stadt scheint mir eine erneuete Nachprüfung der 
früheren Epidemieen in Hinsicht auf ihre Beziehung zum Wasser mit „dem 
Glauben, der dem Wissen vorausgeht“ (v. Pettenkofer: Münchener 
medieinische Wochenschrift 1594. S. 251) sehr erwünscht. 

Die Nürnberger Epidemie von 1854 wird oft als Beweis für den 
entscheidenden Einfluss des Untergrundes angeführt, weil die Lorenzer Seite 
auf dem linken Pegnitzufer, welche auf einer 20 bis 40 Fuss mächtigen 
Sandschicht (Keupersand) liegt, fünfmal mehr Menschen an Cholera verlor, 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. an 


andererseits erinnern, dass die alte Lehre von der Bedeutung des 
Wassers für die Epidemiologie der Cholera wohl nie so stark 
erschüttert worden wäre, wie es thatsächlich und namentlich in 
Deutschland geschehen ist, wenn man nicht bei Vertretung derselben 


als die auf einem mächtigen festen Keuperfelsen am rechten Pegnitzufer 
gelegene Sebalder Seite. Nun aber finde ich bei v. Pettenkofer’s Unter- 
suchungen und Beobachtungen über die Verbreitungsart der Cholera, München 
1855, S. 90, folgende Sätze: „Die Aerzte glaubten, dass die Lorenzer Seite 
deshalb ungesunder sei, weil sie von dem sogenannten Fischbache durchströmt 
sei, welcher den Unrath aller Abwässer, Nachtstühle u. s. w. aufnahm. 
Die Mehrzahl der Erkrankungen und Todesfälle durch die Cholera gingen 
auch entlang dem Laufe dieses Baches und ebenso zeigt sich auch Nerven- 
fieber (Typhus) vorwaltend in diesen Quartieren.“ Sollten die Erkrankten 
garnicht mit dem Fischbachwasser in Berührung gekommen sein ? 

Auch bezüglich der jetzt so oft genannten Münchener Epidemie von 
1854 drängen sich mir nach dem Studium des v. Pettenkofer’schen 
Berichtes in dem eben eitirten Buche manche zweifelnde Fragen auf. 
Allerdings folgte die Cholera nicht dem Verbreitungsgebiete der Rohr- 
leitungen der verschiedenen Brunnenhäuser. Aber ist damit die ganze 
Frage erledigt? Benutzte die Bevölkerung, namentlich die arme, gar kein 
anderes Wasser? Wie stand es mit dem Wasser der zahlreichen Bäche 
und mit den verschiedenen offenen, gegrabenen Privatbrunnen? Die Fäkalien 
gelangten damals in Schwindgruben, welche entleert wurden, sobald sie 
überzulaufen drohten, viele Fäkalien wurden in die Bäche entleert, in welche 
auch die Wasser-Abzugskanäle mündeten (S. 67). Dass auch die Brunnen 
verunreinigt waren, zeigte der nicht unbeträchtliche Gehalt des Wassers 
mit salpetersauren Salzen (S. 10). Die Krankheit rückte langsam von den 
tiefstgelegenen Stadttheilen im Osten, wo sie auch 1836 ihre Haupternte 
gehalten hatte und wo die Bäche liegen, nach Westen vor (8. 20). In der 
Ripfelstrasse in Haidhausen blieb von 15 Häusern auch nicht eines verschont. 
„Die Höfe dieser Häuser enthalten zahlreiche Abtrittgruben und Brunnen 
und sind sämmtlich so schlecht drainirt, dass ich während des schönsten 
Wetters überall stehendes Wasser in den in die Erde gegrabenen Abzugs- 
rinnen derselben fand, welches nicht versitzen wollte“ (8. 43). Kamen 
ähnliche Zustände nicht auch in der Stadt vor? Wie stand es mit Wasser- 
versorgung der befallenen Häusergruppe in der Herbststrasse (S. 45)? wie 
damit in dem Industriepalast (S. 64 flgde)? Sollten nicht noch manche 
Verdachtsgründe gegen das Wasser mehr zu Tage gekommen sein, wenn 
die Aufmerksamkeit nicht ausschliesslich auf das Trinkwasser, sondern auch 
auf das Nutzwasser gerichtet gewesen wäre und wenn bei der Beurtheilung 
der örtlichen Ausbreitung der Krankheit, ausser bei den Aufsehern des 
Industriepalastes, auch bei den übrigen Erkrankten die Arbeitsstellen neben 
ihren Wohnungen mehr Berücksichtigung gefunden hätten? Vergleiche auch 
die Anmerkung auf Seite 90. 

Während der Epidemie 1573/74 (Frank: Die Cholera-Epidemie in 
München in dem Jahre 1873/74. München 1875) waren in Bezug auf das 
Trinkwasser Schlüsse nur bezüglich der Thalkirchner Brunnenleitung möglich 
und die fielen für dieses Wasser günstig aus. Alle anderen Wässer waren 


| 


98 Dr, J. J. Reincke. 


in manche Uebertreibungen verfallen wäre und eine förmliche ‚Trink- 
wasser-Theorie“ ausgebildet hätte, die nicht selten auf jeden ein- 
zelnen Cholerafall und nicht nur auf Cholera, sondern auch auf 
Typhus, womöglich auch auf Dysenterie und Malaria, schablonen- 
mässig und kritiklos angewendet wurde. 


Verunreinigungen ausgesetzt; auch communieirten die magistratischen Röhren- 
wasser und die königlichen Hofbrunnenleitungen vielfach (S. 63, 239). Wo 
im Einzelfalle die Wasserfrage zur Sprache kam, scheint man sich mit einer 
chemischen Untersuchung und der Erklärung v. Pettenkofer’s, dass die 
Cholera mit dem Trinkwasser in gar keiner Beziehung stehe, beruhigt zu 
haben (S. 62, 76). Waren übrigens die von Frank geschilderten Mängel 
der Röhrenleitungen nicht auch schon 1554 vorhanden? 

Die Epidemie in Laufen (v. Pettenkofer, die Cholera-Epidemie in 
der Kgl. Bairischen Gefangenanstalt Laufen an der Salzach. Berichte der 
Cholera-Kommission für das deutsche Reich, Heft 2, Berlin 1575), welche 
„bei Jedermann den Eindruck hervorrufen wird, als hätten die Gefangenen 
ziemlich gleichzeitig alle ein Gift (mit Speise und Trank) in sich auf- 
genommen“ hing allerdings nicht mit den beiden Anstaltsbrunnen zusammen. 
Nöthigt das aber, die Luft als Infectionsträger anzusehen und die 
Lokalität als solche zu beschuldigen? (S. SI) In Villern und Obslaufen 
oberhalb der Anstalt am Flusse waren mehrfach Cholerafälle unter Klein- 
händlern, Schiffern und Armen vorgekommen. Hatten diese Orte gar keine 
3eziehungen zur Anstaltsküche? Ward in der Anstalt in Küche und Wäsche 
für Nutzzwecke gar kein Salzachwasser verwendet, da das Brunnenwasser 
hart war? In der Küche, und zwar nur in der Küche hatte man fliessendes 
Wasser, das in Holzröhren vom jenseitigen Salzachufer aus Oberndorf 
kam (8. 79). Waren die Röhren, die doch wohl im Flussbett lagen, dicht 
und gegen Beimengung von Salzachwasser geschützt? v. Pettenkofer 
hatte auch die Kartoffelschäler näher ins Auge gefasst, weil in jenem Theile 
des Kellers, in welchem die Kartoffeln aufbewahrt wurden, Abtrittsjauche in 
nicht unerheblicher Quantität eindrang, so dass Schäffel zur Aufnahme der 
durchtropfenden Jauche untergestellt werden mussten (8. 45). Kann nicht 
auf einem dieser oder noch irgend einem anderen Wege Infectionsstoff in die 
Küche gelangt und dort auf einen günstigen Nährboden unter die nicht frisch 
gekochten Speisen gerathen sein, wodurch dann die kurze, heftige Explosion, die 
sich im Grunde auf die Tage vom 4. bis 7. December beschränkte (S. 16), hervor- 
gerufen wurde? Die Theile der Anstalt, welche nicht aus der Küche verpflegt 
wurden, blieben frei (8.74), der Eintrittin die Anstalt nach Ausbruch der Epidemie 
hatte keine üblen Folgen mehr (S. 22). Wie die Vertheilung der Speisen in der 
Anstalt gewesen, wird nicht näher mitgetheilt. Wenn auch alle „gleichsam 
aus einer Schüssel“ (S. 74) assen, werden doch wohl zu den verschiedenen 
Sälen, bezw. Beschäftigungsgruppen und in den Zellenbau verschiedene 
Transportgefässe gegangen sein, die verschieden schwer infieirt sein konnten. 

Keiner hätte diese Fragen wohl vor 20 Jahren gestellt, wahrscheinlich 
wird Niemand sie jetzt mehr beantworten können. Ich wünschte nur zu 
zeigen, dass Erhebungen, die unter einem bestimmten „Glauben‘ gemacht 
wurden, nicht ohne Weiteres als Beweisstücke gegenüber anderen theoretischen 
Anschauungen verwerthet werden können. 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 99 


Es giebt viele Cholerafälle, die ganz ohne Beziehungen zum 
Wasser zu Stande kommen; es giebt gehäufte Erkrankungen in 
überfüllten, unsauberen (@uartieren, zwischen vielen Kindern, Irren, 
Vagabunden, Gefängniss-Insassen und dergleichen, die durch mehr 
oder minder directe Uebertragung oder mit Hülfe anderer Träger als 
das Wasser sich fortpflanzen, und es giebt Uebertragungen durch Ver- 
mittelung des Wassers, bei denen doch kein Tropfen Wasser in den Mund 
des Inficirten kommt, z. B. durch Aussaat von Keimen mittelst des 
Wassers auf kalt genossene Speisen verschiedener Art, auf denen die 
Cholerabaeterien vortrefflich wachsen. Und wo das Wasser Keime 
direct in den Verdauungskanal einführt, geschieht dies doch nicht immer 
auf dem Wege des Trinkens. Die Hausfrau oder Köchin‘), die mit 
rohen Fischen ?) hantirt oder mit Gemüsen, die in heisser Jahreszeit 
durch Benetzen mit Flusswasser frisch gehalten sind, Wäscherinnen, 
Badende und die vielen Arbeiter, die an und im Wasser thätig sind, 
bringen auch unbewusst Wasser direct oder indirect in ihren Mund, 
ohne es zu trinken, und Mancher geniesst durch Gewissenlosigkeit 
oder Unverstand von Dienstboten und Kindern rohes Wasser als 
Beimischung zu Speisen und Getränken ohne es auch nur zu ahnen, 
wie wir dies im verflossenen Jahre wiederholt beobachtet haben. 
Ueberdies tritt auch nicht jedes Mal Krankheit ein, wenn infieirtes 
Wasser in den Magen gelangt ist, nicht allein weil Viele in dem 
Augenblick der Aufnahme „individuell nicht disponirt“ sind, sondern 
auch weil nicht jeder Schluck und jedes Glas Wasser Cholera- 
bacterien enthält.) 

Uns fehlen die näheren Nachrichten über das Verhalten der 
Cholera in den benachbarten Inseln und Marschen der Provinz 
Hannover, aber auch schon aus den vorhandenen Daten lässt sich 
entnehmen, dass in allen Epidemieen die Elbe bei der Stadt 
Hamburg der Mittelpunkt der Seuche gewesen ist. Niemals ist 
etwa Moorburg, Finkenwärder, Ochsenwärder früher als Hamburg 
befallen worden, sondern diese Ortschaften sind stets von Hamburg 
aus infieirt und die Intensität der Krankheit ist durchaus nicht immer 


!) In München erkrankten 1873/74 177 Köchinnen (Franck: a. a. ©. 8. 121). 
1592 bin ich auch in Hamburg von Kollegen auf die Häufigkeit der Cholera 
bei Köchinnen angeredet. 

1593 in England Austern aus dem mit Grimsbyer Sielausflüssen verunreinigten 
Seewasser. Klein: Beobachtungen über Cholera in England. Zeitschrift 
für Hygiene. Bd. XV. 8. 249. 

») Vergl. die Ausführungen Robert Koch’s: Die Cholera in Deutschland 

während des Winters 1892/93 a. a. O. 


[5 
m 


100 Dr. J. I. Reincke. 


in Hamburg und in den Elbmarschen parallel gegangen, wie es sein 
müsste, wenn das gesammte Elbwasser immer gleichmässig ergriffen 
wäre. Wie schwer wurde Finkenwärder 1859 befallen, wie wenig 
im Verhältniss dazu 1892. 

Ebenso ist das Wasser bei Hamburg selbst gewiss nie durch- 
gehend gleichmässig von Cholerabacillen erfüllt gewesen. So ist es 
bemerkenswerth, wie häufig gerade die ersten Fälle auf dem kleinen 
Grasbrook vorgekommen sind und dass das Leitungswaser der Stadt- 
wasserkunst nur 1892 schwer infiecirt wurde. 

Aus diesen Erwägungen halte ich es auch nicht für gerecht- 
fertigt, bei Beurtheilung der Cholera in Hamburg und Altona, wie es 
manchmal geschieht, ohne Weiteres von der Voraussetzung auszugehen, 
dass das Wasser bei der Hamburger Schöpfstelle im Rothenburgsort und 
bei der Altonaer Schöpfstelle in Blankenese in allen Epidemieen gleich- 
mässig gefährlich gewesen sei. 

Gerade auf diesem Gebiete haben wir noch Vieles zu lernen. 
Befinden wir uns doch noch in den ersten Anfängen unserer Kenntnisse 
über die Biologie der Cholerabacterien im Wasser. Wir wissen noch 
nicht, ob sie vorwiegend in den oberen Schichten des Wassers sich 
aufhalten nahe der Luft, oder auch in den tieferen Schichten, ob sie 
im freien Strom ebenso häufig sind wie in dem ruhenden Wasser 
der Häfen, der todten Stromecken, vielleicht auch der Ablagerungs- 
bassins und der Wasserkasten der Wasserkunst, ob sie sich in einem 
stark verunreinigten besser als in reinerem Wasser halten, ob sie 
unter allen Umständen dieselben morphologischen und physiologischen 
Eigenschaften behalten u. s. w. u.s. w. Und wieviel mag bei Ihrer 
Vertheilung im Wasser vom blossen Zufall abhängen. 

Aber durch noch so grosse Mannigfaltigkeit in der Art, wie 
das Wasser die Cholerabacterien auf die Menschen überführt, ist das 
Gesammtbild der Cholera-Epidemiologie nicht zu erschöpfen. Warum 
blieb die Cholera in manchem der fünfziger Jahre, 1867, 1871 auch 
im Hafen so gering? warum nahm sie 1892 auch im Hafen so rasch 
zu, 1873 so langsam? warum trat in den langhingezogenen Epidemieen 
von 1832 und 1873 die Höhe der Epidemie das eine Mal im Juni ein, 
das andere Mal im August? warum erscheint die Cholera in unseren 
Gegenden vorwiegend in den Spätsommer- und Herbstmonaten, auch 
dann, wenn sie bei uns überwintert hat? warum bevorzugt sie die 
trockenen und meidet die nassen Jahre? wie erklärt sich der oft 
rasche Abfall der Epidemieen, auch dort wo Einflüsse der Wasser- 
vertheilung, des wechselnden Durstes, der Durchseuchung oder 
menschlicher Eingriffe ausgeschlossen sind? 


Die Cholera in Hamburg und ihre Beziehungen zum Wasser. 101 


Höchentliche Irkrankung pen an (Cholera ın Fambur 
auf ENIPEinnel er in den Slahren a BR VERIWGIITERIER. 


| RUE, > 


| 


| 
| 
| 


102 Dr. J. J. Reincke. 


Da liegt noch ein weites Feld wissenschaftlicher Arbeit vor 
uns. Vor Allem wird festzustellen sein, ob nicht zu bestimmten 
Zeiten und an bestimmten Oertlichkeiten die „individuelle Disposition“ 
sehr vieler Menschen sich ändert und ob sich nicht zu bestimmten 
Zeiten und an bestimmten Oertlichkeiten im Bereiche des Wassers 
und auf anderen Nährböden vorübergehend Bedingungen zusammen- 
finden, welche der Vermehrung der Cholerabacterien oder einer 
Steigerung ihrer Virulenz grossen Vorschub leisten; Aufgaben, deren 
Lösung nun auch v. Pettenkofer!) den Bacteriologen zugewiesen 
hat. Dabei mögen noch manche neue Fragen und manche neue 
Räthsel auftauchen; aber die Richtung, in der wir vorwärts zu 
streben haben, kann nach der entscheidenden Entdeckung Robert 
Koch’s nicht mehr zweifelhaft sein. Hoffentlich wird es dann 
auch gelingen, das letzte Stück des „Felsen‘‘ wegzuräumen, den 
unser hochverehrter Altmeister in München noch immer zwischen 
sich und den Bacteriologen zu sehen glaubt. 

Ich gehe auf diese Dinge nicht weiter ein, weil dieselben 
einstweilen keine Angriffspunkte zur Verhütung der Cholera, von der 
ich ausgegangen bin, bieten. 

Die Beziehung zum Wasser aber hat eine ganz hervorragend 
praktische Bedeutung. In der Sorge für gutes Wasser liegt der 
springende Punkt für die Verhütung der Seuche, der nach vielen 
Richtungen mit dem anderen Hauptpunkte, mit der Sorge für 
unschädliche Beseitigung der Fäkalien, zusammenfällt. Ein Ort, 
der sein gesammtes Nutz- und Trinkwasser vor der Ver- 
unreinigung mit menschlichen Fäkalien sicher geschützt 
hat, kann nicht zu einer „Cholera-Lokalität“ werden, 
mögen dort auch immerhin noch durch Vermittelung anderer Träger 
(‚aruppen-Erkrankungen in kleineren Kreisen vorkommen. 

Keine andere Stadt Deutschlands hat so oft von der Cholera 
zu leiden gehabt wie Hamburg, keine andere Stadt Deutschlands ist 
aber auch so mit dem Wasser vermählt wie Hamburg, durch seine 
geographische Lage sowohl wie durch den Beruf seiner Bewohner 
und keine durch ihren Verkehr der Einschleppung so ausgesetzt, 
wie Hamburg. Keine hat daher so dringende Veranlassung wie 
sie, auf die Beschaffenheit des Wassers im Hafen wie in 
der Stadt die allerhöchste Sorgfalt zu verwenden. 


') Cholera-Explosionen und Trinkwasser a. a. 0. 


‚„Wasserversorg ung 1851& 1832. 


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-ao_..o „a... Rödingsmarkter Feldbrunnen. 
ARM 0: Deichstrassen Feldbrunnen. 
-0-2_2_#.»_ Dammthor Feldbrunnen. 
@———— Alle Alsterkunst am Oberdamme. 

Neue Alsterkuns! am Oberdamme. 
ei - Alsterkunstam Niederdamme. 
ee ———— Elbmasserkunsti von Bieber 

—8—6— Oeffentliche Brunnen von Bieber. 
 — Ausmündungen der Hasenmoore #Siele.f 

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Hamburg, Wasserversorgung 1848. 


Erklärung der Farben & Signaturen. 


Leitungen und öffentliche Brunnen 
der Bieberschen Elbwasserkunst. 
Zeitungen der vereinigten drei Alster. 
künste &der Stadiwasserkunst;seit 
October1848 mit Elbwasser gespeist. 
Leitungen der Smiüth'schen Kunst. 
Jm Jahre 1842 abgebrannterStadttheil. 
Feldbrunnenleitungen, siehe Taf. 
Hamburgische Staatsgrenze. 


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Mitte 1866. 


Zuwachs bis 
Mitte 1829. 


Zuwachs bis 
Mitte Septb.1892. 


Staatsgebietes. 


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Für 1831 beziehen sich die Zahlen auf Scala für die 
die Erkrankungsfälle. Zintragungen. | 


Mittheilung 


aus dem Museum für Völkerkunde. 


Die Stein-Sculpturen 


von 


Santa Lucia Cozumahualpa 


(huatemala) 


im Museum für Völkerkunde. 


Von 


Hermann Strebel. 


Mit 4 Tafeln. 


Bei der im vorigen Jahre geplanten Hamburgischen Amerika- 
Feier war vom wissenschaftlichen Ausschusse auch eine Ausstellung 
in Aussicht genommen, für welche die Herren Director Dr. Bolau, 
L. Friederichsen, Vorsteher €. W. Liüders, Dr. Michow und der 
Unterzeichnete zu einem Special-Ausschusse zusammentraten. Die 
Cholera-Epidemie hat leider, wie allgemein bekannt ist, die Ausführung 
dieses vielversprechenden Theiles des Festprogramms unmöglich gemacht, 
und so musste denn über denjenigen Theil des herbeigeschafften 
Materials, der durch Schenkung oder Kauf Eigenthum geworden war, 
anderweitige Verfügung getroffen werden. Dass dies zu Gunsten unserer 
wissenschaftlichen Institute geschehen solle, war von Anfang an in 
Aussicht genommen, und so konnte denn nach der günstigen financiellen 
Abwickelung des ganzen Unternehmens von dem General-Comite unserm 
Museum für Völkerkunde eine Reihe von Gypsabgüssen als Geschenk 
überwiesen werden, deren Originale sich im Königl. Museum für Völker- 
kunde in Berlin befinden. 

Die Originale stammen aus Santa Lucia Cozumahualpa, einem 
Ort in der Provinz Escuintla, Guatemala, am südlichen Abhange der 
Cordillere zum Stillen Meere und unterhalb des Vulkans del Fuego 
gelegen. Der Ort scheint erst in den fünfziger Jahren unseres Jahr- 
hunderts durch vom Hochplateau eingewanderte Cakchiquels gegründet 
zu sem, die dort Kaffee-Plantagen anlesten. Im Jahre 1860 wurden 
bei der Urbarmachung einer Waldparcelle eine Anzahl von Steinblöcke 
aufgedeckt, die mit Sculpturen versehen waren. Der Commandant des 
Ortes, Herr Pedro de Anda, dem dies Terrain gehörte, hielt den Fund 
für wichtig genug, um der Regierung in Guatemala Anzeige zu machen, 
die denn auch eine Commission zur Besichtigung schickte, deren ein- 
gehender Bericht aber leider nie veröffentlicht wurde und später auch 
in den Archiven nicht hat aufgefunden werden können. Zwei Jahre 
später, in 1862, kam dann ein österreichischer Reisender, Dr. Habel, 

3 g* 


106 Hermann Strebel. 


auf seinen ausgedehnten Entdeckungsreisen auch nach Santa Lucia, wo 
er von den bis dahin aufgefundenen Alterthümern Zeichnungen und 
Beschreibungen anfertigte, die aber erst in Folge eines Antriebes von 
Professor Dr. Ad. Bastian, Director des Kel. Museums für Völkerkunde 
in Berlin, im Jahre 1878 m den Smithsonian Contributions to Knowledge, 
Bd. 22, veröffentlicht wurden. Bastian hatte von Habel bei dessen 
Durchreise durch Berlin oberflächliche Andeutungen über eine Ruinen- 
stätte von hervorragender Bedeutung in Guatemala erhalten, und als 
er selbst dann im Jahre 1876 während seiner amerikanischen Reise in 
Guatemala auf die Funde in Santa Lucia aufmerksam gemacht wurde, 
und dieselben in Augenschein nahm, da erinnerte er sich jener Erzählungen 
Habels und ruhte nicht, bis er die Spur des inzwischen verschollenen 
Forschers in Newyork wieder auffand, und die nöthigen Schritte that, 
damit dessen Berichte und Zeichnungen durch die Shmithsonian Insti- 
tution veröffentlicht wurden. Vor seiner Abreise von Santa Lucia 
hatte er aber ausserdem in rascher Erkenntniss der Wichtigkeit dieser 
Funde von dem Eigenthümer des Terrains den Besitz aller aufgedeckten 
und noch aufzudeckenden Alterthümer für das Berliner Museum erkauft, 
eine That, für die ihm die amerikanistische Forschung besonders dankbar 
sein muss. Die schwierigste Aufgabe blieb allerdings noch zu erfüllen, 
nämlich diese Schätze nach dem Hafenorte San Jose zur Einschiffung 
zu bringen. Bastian verfiel auf den glücklichen Gedanken, sich hierfür 
der Mitwirkung des seit einigen Jahren in Guatemala ansässigen 
Dr. Hermann Berendt zu sichern, der, mit Land und Leuten vertraut 
und em hervorragender Forscher auf sprachlichem und archäologischem 
(Gebiete im Bezug auf Amerika, sowohl für die praktische Lösung der 
schwierigen Aufgabe, wie für die wissenschaftliche Durchforschung des 
Gebietes besonders geeignet war. (Vergl. meine Lebensskizze Derendt’s 
im „Globus“, Bd. 59, Nr. 22). Unter Beihülfe der Ingenieure Napp 
und Au wurde dann die Sache in Angriff genommen, aber es stellten 
sich grössere Schwierigkeiten heraus, als man wohl erwartet hatte, denn 
die Mehrzahl der Steinblöcke war zu schwer, um auf schwierigen Wegen 
durch Ochsengespanne an die Küste gebracht zu werden. Da die Blöcke 
nur auf einer Seite sculptirt waren, so beschloss man, diese Fläche 
in geeigneter Dicke abzusägen, wozu aber erst die nöthigen Apparate 
und Arbeitskräfte gewonnen werden mussten. So ist es denn erklärlich, 
dass erst am Ende des Jahres 1880 das gewonnene Material verschifft 
werden konnte und im August 1881 glücklich im Berliner Museum 
anlangte. Berendt selbst hat dies Ergebniss leider nicht mehr erlebt, 
denn schon im Jahre 1878 hatte ein langjähriges Leiden durch die 


vielen anstrengenden Reisen zwischen semem Wohnorte und Santa 
4 


Die Stein-Seulpturen von Santa Lucia Cozumahualpa (Guatemala). 107 


Lucia eine so rasche Verschlimmerung erlitten, dass im April des 
genannten Jahres der Tod eintrat, und damit der amerikanistischen 
Forschung einer ihrer bewährtesten Vertreter entrissen wurde. Näheres 
über diese arbeitsvolle und die Geduld aller Interessenten aufs höchste 
anspannenden Zeit hat Bastian in seiner Arbeit über „die Steinsculpturen 
aus Guatemala“ in den Veröffentlichungen des Kgl. Museums zu Berlin 
im Jahre 1882 durch Auszüge aus den Briefen Berendts geboten. 
Wer sich des Näheren über die Gesammtheit der archäologischen Funde 
in jener Gegend unterrichten will, von denen nur ein Theil, wenn auch 
der wichtigste nach Berlin gekommen ist, der lese die schon genannten 
beiden Arbeiten Habel’s und Bastian’s sowie die Arbeiten von Gustav 
Eisen in den „Memoirs of the California Academy of Sciences“, 
Vol. II, No. 2, und von Dr. Ed. Seler in der Zeitschrift „El Centenario*, 
Nr. 26, Madrid 1892, welche hier im Zusammenhange verwerthet 
sind. Die Arbeit Kisen’s behandelt das noch in Santa Lucia und 
Umgegend verbliebene Material, über das übrigens auch von Berendt 
selbst Beschreibung nnd Abbildungen an Bastian geschickt sind, 
deren Veröffentlichung eime sehr erwünschte Ergänzung bieten würde. 
Seler seinerseits giebt sehr bemerkenswerthe Erklärungen zu den haupt- 
sächlichsten Stücken der Santa Lucia-Funde. 

Von diesen Schätzen nun, die eine Zierde des Berliner Museums 
für Völkerkunde sind, ist, wie oben erwähnt, ein Theil unserm Museum 
für Völkerkunde in gut gelungenen Gypsabgüssen als Geschenk über- 
wiesen, und der Unterzeichnete hält es für angebracht, Näheres über 
ihre Bedeutung zu veröffentlichen, um mit dem besseren Verständnisse 
auch das Interesse des Publikums für dieselben zu erwecken. Die 
betreffenden Abgüsse sind an der Nordseite des Obergeschosses im 
Naturhistorischen Museum bei der prähistorischen Sammlung aufgestellt. 

Die Funde von Santa Lucia sind Ueberreste einer jedenfalls 
bedeutenden Ansiedelung, die aber schon lange vor der Zeit der Er- 
oberung des Landes durch Alvarado (1522) zerstört sein muss, denn 
sonst hätten wir durch die Spanier Kunde von ihr erhalten. Die 
Zerstörung muss eine gewaltsame gewesen sein, dafür zeugt die Un- 
ordnung der Lagerung der bisher aufgefundenen Ueberreste, besonders 
solcher, welche offenbar zu Baulichkeiten gehören; man braucht nur 
den Situationsplan anzusehen, den Bastian in der Berliner Zeitschrift 
für Ethnologie, Bd. 8, Seite 322 mit Tafel veröffentlich hat. Die 
üppige Vegetation der Tropen hat dann diese Ueberreste überdeckt 
und damit dem Vergessen anheimgegeben, bis nach Jahrhunderten der 
Zufall sie wieder ans Tageslicht förderte und uns damit den Einblick 
in eine bisher völlig unbekannte alte Cultur gestattete. 


B) 


105 Hermann Strebel. 


Fragen wir nun zunächst, welchem Volksstamme diese Cultur- 
erzeugnisse zuzuschreiben sind, so ist eine bestimmte Antwort darauf 
nicht zu geben, besonders da der sich uns darbietende Typus ein bisher 
unbekannter ist. Ziehen wir zunächst die alte Maya-Cultur zum 
Vergleich heran, so ergeben sich Abweichungen von so fundamentaler 
Bedeutung, dass der Ursprung der Santa Lucia-Cultur ein anderer 
sein muss. Der anthropologische Typus der dargestellten Figuren, 
soweit es sich um die Bewohner von Santa Lucia handelt, ist nämlich 
ein abweichender, und es fehlen die für alle Maya-Darstellungen 
charakteristischen Hieroglyphen. Wir haben dann den Ursprung unter 
den Nahoa-Völkern zu suchen, die vorwiegend Alt-Mexiko bewohnten, 
von denen aber ein Theil, wie wir aus den Ueberlieferungen wissen, 
auswanderte und in südlicher Richtung an der Küste des Stillen 
Meeres entlang bis weit nach Mittelamerika hinem vordrang, überall 
Ansiedelungen von längerer oder kürzerer Dauer bildend, deren Ueber- 
reste schon zum Theil aufgedeckt sind und mit mehr oder weniger 
Sicherheit der Nahoa-Cultur zugesprochen werden konnten. Es ist 
dabei zu bedenken, dass die veränderten Lebensbedingungen und der 
Einfluss der entgegentretenden fremden Culturen Abweichungen von 
dem ursprünglichen Charakter der Cultur, beziehungsweise die Auf- 
nahme neuer Elemente bewirkt haben werden, was um so deutlicher 
zu Tage tritt, je ungestörter und länger diese Einflüsse wirken konnten. 
Dieser Fall muss bei den Ansiedlern von Santa Lucia vorgelegen 
haben, denn die Grossartigkeit der aufgefundenen Ueberreste spricht 
allein schon für eine lange Zeit ruhiger Entwickelung. Der ursprüng- 
liche Charakter der Nahoa-Üultur ist in den Hauptzügen noch erhalten, 
aber neue Elemente, zum Theil der Maya-Cultur zugehörig, sind auf- 
genommen und in durchaus eigenartiger Weise verarbeitet, so dass 
ein neuer Typus entstanden ist. Ehe ich auf Einzelheiten desselben 
eingehe, mag vorweg noch die Frage des Alters der Santa Lucia-Funde 
berücksichtigt werden. Zur Abschätzung liegen bestimmte Angaben 
in den Maya-Ueberlieferungen vor, welche von den Einwanderungen 
fremder Stämme im Allgemeinen erzählen. Danach würde die Ansiede- 
lung zwischen 600 bis 700 Jahre alt sein müssen. Sie mag dann in 
den auch verzeichneten Kämpfen mit den einheimischen Chakchiquels, 
Quiches und anderen Maya-Stämmen nach längerem Bestehen ver- 
nichtet sein. 

Im Allgemeinen betrachtet zeigen die Funde von Santa Lucia 
in der Technik wie in der künstlerischen Auffassung und Durchbildung 
einen höheren Entwickelungsgrad als entsprechende Darstellungen in 


Alt-Mexiko und nähern sich dadurch mehr den hervorragendsten 
6 


Die Stein-Sculpturen von Santa Lucia Cozumahualpa (Guatemala). 109 


Erzeugnissen der Maya-Cultur, welche anregend und fördernd gewirkt 
haben mögen. Die Verhältnisse des menschlichen Körpers und die 
Durchbildung seiner emzelnen Theile sind richtiger als es bei alt- 
mexikanischen Sculpturen der Fall zu sein pflest und auch die Dar- 
stellungsweise in Bas-relief ist mit grossem Geschick durchgeführt. Es 
handelt sich bei den hier zu besprechenden Stücken vorwiegend um 
Priester, welche verschiedenen Gottheiten ihre Ehrfurcht bezeugen, 
wobei dann der Kopf der Gottheit so herausgearbeitet ist, dass er als 
Haupttheil der Sculptur wirkt. Das Geschlecht der Gottheit ist nicht 
charakterisirt, wenigstens nicht für das sofortige Verständniss. Soweit 
dies durch Haartracht und sonstigen Ausschmuck bewirkt werden 
könnte, fehlt es bei den bisherigen Funden an Darstellungen, welche 
die Volkstracht beider Geschlechter zum Vergleiche darböten, und nach 
denen sich besser urtheilen liesse, da die Götterdarstellungen immer 
Ueberfluss an Schmuck bieten. Auch für das Wesen der Gottheit ist 
durch Benutzung, bisher unbekannter Attribute eine bestimmte Deutung 
erschwert, da sich nur in einzelnen Fällen Analogien mit Bekanntem 
darboten und eine allgemeine Deutung zuliessen. Einige Einzelheiten 
in den Darstellungen mögen noch hier im Allgemeinen besprochen 
werden. 

Wir finden vielfach, sowohl unter der die Gottheit charakteri- 
sirenden Ausschmückung ihrer unmittelbaren Umgebung, wie auch 
ausnahmslos vor dem Munde der Priester, aber auch vereinzelt an 
leblosen Gegenständen ein Zeichen angebracht in Form einer ver- 
schiedenartig gekrümmten Leiste mit doppelknotenartigen Seitenaus- 
wüchsen. Dieses Zeichen muss identisch mit dem zapfenartigen, an 
einem Ende sich umbiegenden Zeichen sein, das wir in nahuatlakischen 
Darstellungen so häufig finden, und von dem wir bestimmt wissen, das 
es hauch, Hauch, Rede oder Gesang bedeutet. Ob im vorliegenden 
Falle in der Art der Krümmung oder der Zahl der Doppelknoten, 
oder durch die Verschiedenheit der Personen oder Gegenstände, denen 
das Zeichen angefügt ist, eine Differenzirung der Bedeutung bedingt 
ist, kann vorläufig nicht entschieden werden. Unklarer ist ein Gebilde 
dass vorne von dem breiten, festen Gürtel des Priesters abgehend, 
nach oben spitz auslaufend, sich in Windungen zur Gottheit emporzieht. 
Die Art der Darstellung zeigt sich gleich mit Darstellungen der 
Flammen, welche z. B. die Sonnenscheibe umgeben, also zweifellos als 
solche zu deuten sind, wenn sie hier auch bedeutend geringere Grösse 
haben. Flatternde Bänder, die etwa zum Ausschmuck des Gürtels 
dienen, können es nicht gut sein, was aber an dieser Stelle eine 
emporzüngelnde Flamme bedeuten soll, die ja offenbar mit dem festen 


‘ 


KO Hermann Strebel. 


Gürtel in Beziehung steht, das entzieht sich vorläufig der Beurtheilung. 
Wir finden dann ferner vereinzelt eimfache Scheibchen, die nach 
nahuatlakischen Vorbildern unzweifelhaft Zahlenzeichen, jede Scheibe 
Eins bedeutend, sind. In Verbindung mit ihnen oder allein, treten 
danı noch grössere Scheiben, zum Theil wulstig berandet auf, die mit 
verschiedenen Zeichen versehen sind. Auch diese erinnern an die Art, 
wie in nahuatlakischen Darstellungen zuweilen Tages- oder Zeit- 
abschnittszeichen überhaupt, so wie Namen besonders hervorgehoben 
werden, wenn auch die Identifieirung im Einzelnen nicht möglich ist. 
Bei der Tracht der Priester sind folgende besonders auffallende Einzel- 
heiten hervorzuheben: Der Körper ist wohl im grossen Ganzen nackt, 
denn ausser dem reichen, sehr verschiedenartigen Kopf-, Ohren- und 
Halsschmuck kommt als Bekleidungsstück zunächst nur die Schambimde 
in Betracht, die alle alt-amerikanischen Culturvölker trugen. Sie 
besteht aus einer langen Binde, die um die Taille gelegt und zwischen 
den Beinen durchgeführt wird und einen Gürtel bildet, von dem vorne 
und hinten die Enden mit Quasten oder Fransen verziert herabhängen. 
Ausserdem trägt der Priester hier noch einen breiten Gürtel, dessen 
Conturen vorne wie hinten die Körperlinie überragen und der offenbar 
aus festem Material, wahrscheinlich Holz, bestanden hat, denn er 
erscheint sculptirt. Vom Gürtel abgehend ist dann noch eine Art 
Schurz, vorne beiderseits abgeschrägt und mit Borten und Fransen 
besetzt vorhanden, der den Hintern bedeckt. Aehnlich findet man 
ihn vielfach an Figuren im Codex Vindobonensis. Als Beinschmuck 
finden wir unterhalb des Kniees am rechten Beine eine Spange oder 
einen Riemen mit Anhängsel, oder auch eine mehrreihige Perlenschnur, 
während scheinbar beide Handgelenke mit Perlenschnüren geschmückt 
sind. Die Fussbekleidung besteht aus den bekannten Schuhsandalen, 
die aber merkwürdiger Weise oft nur der linke Fuss trägt, während 
der rechte bloss ist. Die eine Hand des Priesters ist ausnahmslos 
durch ein Gebilde verdeckt, welches den Kopf eines Menschen oder 
Thieres darstellt und das Seler für eine Maske, nicht für einen wirk- 
lichen Kopf hält. Die stilisirte Art der Darstellung spricht allerdings 
für solche Deutung, denn sie weicht wesentlich von der realistischen 
der Menschenköpfe ab, welche der Oberpriester und seine Gehülfen 
auf Platte Nr. I m den Armen halten, und die man als die ab- 
geschlagenen Köpfe der Opfer deuten muss. Ob es sich bei diesen 
Masken um die gleiche Bedeutung handelt, ist fraglich, trotzdem ja 
der sie haltende Arm in den meisten Fällen sich zur Gottheit empor- 
hebt, und dieser etwas darzubringen schemt. Warum hätte man dann 
aber in einem Falle den Opferkopf selbst dargestellt, im andern seine 
5 


Die Stein-Sculpturen von Santa Lucia Cozumahualpa (Guatemala). a! 


Maske? Man könnte diese Masken auch als bestimmte Abzeichen 
der Priester ansehen, die in irgend einer Beziehung zu der Gottheit 
stehen, der sie dienen. 


Nach diesen allgemeinen Erörterungen kann nun eine kurz 
gefasste Besprechung der einzelnen Stücke folgen. Unter den Originalen 
des Berliner Museums befinden sich zunächst acht Blöcke, welche 
annähernd gleiche Grössenverhältnisse haben. Habel, der ja dieselben 
noch an Ort und Stelle und in ihrer ursprünglichen Form gemessen 
hat, giebt dafür eine Höhe von 12, eine Breite der sculptirten Fläche 
von 3 und eine Tiefe von 2 Fuss englisch an, und bemerkt dazu, dass 
an jedem Blocke unten eine Fläche von etwa 3 Fuss schlicht ist, dass 
also nur 9 Fuss der Höhe sculptirt sind. Die Blöcke müssen den 
Darstellungen nach aufgerichtet gestanden haben und werden wahr- 
scheinlich durch offene Zwischenräume getrennt, die Facade des oder 
der Tempel gebildet haben, denn hätten sie an einander gereiht, eine 
geschlossene Fläche gebildet, so würde auch die Sculptur in den Or- 
namenten oder sonstwie in einander übergehen, während sie für jeden 
Block ein abgeschlossenes Ganze bildet, was bei einzelnen Blöcken 
sogar noch durch eme Umrahmung gekennzeichnet wird. Der Zu- 
sammenhang ist nur in der Art des Dargestellten geboten, es sind 
nämlich religiöse Handlungen, insbesondere die Anbetung verschiedener 
Gottheiten. Damit ist denn auch die Annahme gerechtfertigt, dass 
diese Blöcke Ueberreste von Tempeln bilden. 


Von diesen 8 Blöcken besitzt unser Museum nur von Dreien 
die Abgüsse ihrer sculptirten Fläche, die den nachfolgenden Beschreibungen 
entsprechend numerirt sind. 


Nr. 1. Auf dieser Platte sehen wir in der Mitte einen Priester, 
der durch das Opfermesser in der Rechten und den abgeschlagenen 
Kopf des Opfers in der Linken gekennzeichnet ist. Diese Art des 
Opfers entspricht den Mayas, nicht den Nahoas, die ja bekanntlich 
das Herz des Opfers der Gottheit darbrachten, und so ist auch- für 
die Bedeutung der ganzen Darstellung auf Maya-Gebräuche und An- 
schauungen zurückzugreifen. Landa berichtet, dass der Oberpriester 
Repräsentant der Sonne sei, und dass seine vier Gehülfen die vier 
Himmelsrichtungen vertreten. Die vier Gehülfen nehmen hier die 
Ecken der Platte ein, wie aber ihre Orientirung festzustellen ist, dafür 
muss man auch die nahuatlakischen Anschauungen zu Rathe ziehen. 
Der Norden ist der Ort, wohin die Toten gehen, und wo der Gott des 
Todes weilt, dem am meisten der Gehülfe unten rechts, als Skelett 


dargestellt, entspricht. Es sei dazu bemerkt, dass der Tod meistens 
9 


112 Hermann Strebel. 


ni 


nicht als ganzes Gerippe dargestellt wird, Arme und Beine oder auch 
nur Hände und Füsse pflegen fleischig dargestellt zu werden. Von 
diesem festen Punkte ausgehend wäre dann der Gehülfe unten links 
der Osten, oben rechts der Westen und oben links der Süden. 
Letzterer ist auch mit Totenschädel dargestellt, dem aber vor dem 
Nasenbein noch ein hakenförmiges Gebilde angefügt ist. Der Süden 
wird auch als der Ort der Dürre und des Hungers angesehen, es ist 
für ihn also auch der Hinweis auf den Tod angemessen. Wie der 
Oberpriester, so tragen auch die vier Gehülfen den Kopf eines Opfers 
in den Händen, und alle diese fünf Köpfe weichen unteremander und 
von ihren Trägern durch den Kopfschmuck und den anthropologischen 
Typus ab. Es ist wohl gerechtfertigt, dies dahin zu deuten, dass in 
den Köpfen die Stämme angedeutet sind, welche den Bewohnern von 
Santa Lucia feindlich gegenüberstanden, und mögen auch deren Wohn- 
sitze der Orientirung entsprechen, welche die Gehülfen andeuten. 
Dadurch würde diese Darstellung neben der rituellen auch noch eine 
politische Bedeutung haben. — Von den Einzelheiten der Darstellung 
mögen noch folgende hervorgehoben werden. Am Kopfschmucke des 
Oberpriesters ist vorne oben ein Taschenkrebs angebracht, ein Symbol, 
für das Parallelen nicht bekannt sind. An das mit Federballen durch- 
flochtene Haar schliesst sich ein Gebilde an, das, fast bis auf den 
Boden reichend, das Schwanzende einer Schlange darstellt. Auch auf 
dem Holzgürtel ist nach hinten gerichtet ein Schlangenkopf dargestellt, 
und an Stelle der Schambinde sehen wir eine um den Leib geknotete 
Schlange, deren Kopf- und Schwanzende herabhängen. Die Schlange 
spielt überhaupt auf allen diesen Darstellungen eine grosse Rolle. 
Der Gegenstand, auf dem der Oberpriester zu stehen scheint, wird von 
Habel als der Leib des Geopferten gedeutet. Allerdings erkennt man 
eine Umwickelung, die einer Schambinde ähnlich sieht, aber ausserdem 
drei Löcher, die schwer zu deuten sind, und da die untere Contyr 
des Gegenstandes im Original verstümmelt zu sein scheint, so ist die 
Bedeutung nicht festzustellen. Man erkennt noch, dass diesem Gegen- 
stande, ebenso wie dem Opfermesser, das der Oberpriester in der Hand 
hält, das Zeichen der Rede angefügt ist. Oben in der Mitte der 
Platte befindet sich eine erhabene Scheibe, auf der eine gitterartige 
Figur angebracht ist, von der em Haken herabhängt. Wie schon bei 
der allgemeinen Besprechung hervorgehoben wurde, ist für dieses 
Zeichen eine Deutung nicht möglich, ebenso wenige für das Gebilde, 
welches sich unter dem Fusse des Gehülfen rechts oben befindet. Man 
erkennt, dass es mit Binde und Schleife umgürtet ist, und dass 


darüber ein Pfeilschaft herauszuragen scheint. 
10 


Die Stein-Sculpturen von Santa Lucia Cozumahualpa (Guatemala). 113 


Während die vorstehend beschriebene Platte nur in der Grösse 
mit den anderen sieben übereinstimmt, zeigen diese unter sich den 
gleichen Vorgang dargestellt, nämlich die Anbetung verschiedenartiger 
Gottheiten, wie das aus den ausgestellten Abgüssen Nr. 2 und 3 und 
den Zeichnungen N. 4 bis 8 hervorgeht, welche nach Habel’schen Zeich- 
nungen vergrössert wurden. 

No. 2. Die Gottheit, welche aus einem Schlangenrachen herab- 
hängt, ist von Flammen umgeben, von ihrem reichen Halsschmucke 
hängt die von Flammen umgebene Sonnenscheibe herab und die Finger 
der Hände sind mit Krallen versehen. Es ist die Sonnengottheit, wohl 
mit besonderer Betonung ihrer vernichtenden Wirkungen in der tropischen 
Küstenregion. Die Hand am emporgestreckten Arme des Priesters ist 
mit der Maske eines menschlichen Kopfes bedeckt. In dem über den 
Rücken herabfallenden Federmantel erkennt man unten, neben dem 
Handgelenke des Priesters einen menschlischen Kopf mit zusammen- 
gebundenem Haarschopf. Merkwürdig sind die sichelförmigen Einschnitte 
am Knie des linken Beines, ob damit nur Hauptfalten angedeutet werden 
sollen, ist fraglich. Nur auf dieser Platte ist neben dem Priester noch 
eine zweite, kleinere Figur angebracht, die wohl nur symbolische Be- 
deutung hat. Es ist wiederum das menschliche Skelett, der Tod, der 
aber wie der Priester den Holzgürtel trägt. Der linke Arm ist nach 
unten gestreckt und seine Hand mit Maske in Form eines Schlangen- 
kopfes bedeckt, während der rechte Arm nach oben weist. Vom Munde 
des Skeletts aus führt zum Munde des Priesters ein dem Zeichen der 
Rede ähnliches, aber nicht gebogenes, sondern eckig absetzendes Gebilde, 
das hier vielleicht nur die engen Beziehungen der symbolischen Gestalt 
zum Priester andeuten soll. Ob die gefurchte, spitz zulaufende Fisur, 
welche von der Nase des Priesters abgehend m einem Bogen nach 
rückwärts verläuft, identisch mit der als Flamme gedeuteten Figur sein 
soll, welche bei anderen Darstellungen vom Holzgürtel des Priesters 
abgeht, muss eine offene Frage bleiben. Ueber dem Kopfe des Priesters 
stehen zwei Scheiben mit wulstigen Rändern, auf denen ein Tierkopf 
(Hund?) dargestellt ist. Nach alt-mexikanischen Vorbildern würde man 
dann „zwei Hund“ zu lesen haben, was ein Datum, aber auch einen 
Namen bedeuten kann. Neben diesen Scheiben und über dem Skelett 
sieht man noch ein Gestell, auf dem der abgeschlagene Kopf des Opfers 
ruht, dessen Typus bis auf den veränderten Ohrschmuck genau dem 
Kopfe entspricht, den auf Platte Nr. 1 der Gehülfe Osten trägt. 

No. 3. Diese Platte ist mit einer Umrahmung versehen. Die 
Gottheit trägt das Haar mit Schlangen zusammengebunden, deren Enden 


sich nach oben schlängeln, und auch der Halsschmuck ist mit einer 
11 


114 Hermann Strebel. 


Schlange. durchtlochten. Die gebogenen Arme sind mit Flammen um- 
geben und die Hände umspannen ein eigenartiges Gebilde, das in der 
Mitte eine Scheibe trägt, aus der oben Federn (?) herausragen, und 
von der unten ein dreieckiges Anhängsel herabhängt, das in der Mitte 
einen kreuzförmigen, unten einen doppeltreppenartigen Ausschnitt hat. 
Dies Anhängsel ist gewissen Gefässfüssen sehr ähnlich, die vielfach auf 
dem Hochplateau Mexicos gefunden werden, womit freilich für die 
Deutung wenig gewonnen ist. Vom Kopfe der Gottheit gehen drei sich 
verzweigende Aeste ab, die mit Blättern, Blumen und Früchten, sowie 
einzelnen anderen nicht zu deutenden Anhängseln besetzt sind, und zwei 
ähnliche Aeste gehen von den Armen nach unten ab. Man hat es 
hier offenbar mit einer Erd-Gottheit zu thun, und zwar nach Seler mit 
einer älteren Auffassung derselben, die Dürre, Hunger und Erdbeben 
verursacht. Die Flammen, welche den Oberkörper umgeben, sind ein 
Hinweis auf Feuer oder Sonne und rechtfertigen wohl diese Deutung. 
Am Priester ist hervorzuheben, dass die linke Hand mit einer mensch- 
lichen Maske bedeckt ist. In dem über den Rücken herabfallenden 
Mantel (?) ist unten der Kopf des Todes eingefügt, genau dem ent- 
sprechend, den der Tod auf dem später zu beschreibenden Feuerbecken 
hat, und der Holzgürtel ist ebenfalls mit einem Todtenschädel geschmückt. 
Die bei Nr. 2 erwähnten sichelförmigen Einschnitte sind hier an beiden 
Knieen vorhanden. 

No. 4. Die Platte ist mit einer Leiste umrahmt. Die Gottheit 
trägt ausnahmsweise einen Nasenschmuck in Form einer Spange mit 
verdickten Enden. Das Haar erscheint mit Schlangen durchflochten, 
und vom Kopf und Halsschmucke aus gehen nach oben und unten sich 
verzweigende Aeste, genau wie bei No. 3, nur bilden dieselben hier in 
der oberen Partie drei Zacken oder Strahlen, was Seler veranlasst, in 
dieser Gottheit eine Göttin der Nacht zu vermuthen. Da nun für solche 
Deutung die sonstigen charakteristischen Zeichen fehlen, mit denen man 
in den Bilderschriften den Nachthimmel bezeichnet, so kann ich dieser 
Deutung nicht ganz zustimmen, und glaube eher, dass nur der Hinweis 
auf Fruchtbarkeit geboten ist und zwar diesmal ohne Zugabe von 
Flammen, beziehungsweise der schlimmen Eigenschaften der Erdgöttin 
auf No. 3. Der Kopfschmuck des Priesters läuft in drei Zacken aus, 
aus denen Flammen hervorzüngeln, und von seinem Rücken hängt 
schembar das Fell eines Raubthieres herab, aus dessen Bauche ein 
Speer heraustritt. Seler meint, dass hierdurch seine Deutung der 
Gottheit eine Bestätigung finde, denn der Jaguar (wenn es ein solcher 
sein soll) bedeutet bei den Mayas wie den Nahoas die Sonne, und wenn 
er vom Speer durchbohrt dargestellt wird, so soll das heissen, dass die 

12 


Die Stein-Sculpturen von Santa Lucia Cozumahualpa (Guatemala). 115 


Sonne ihrer Macht beraubt ist. Damit soll dann nach Seler die Nacht 
in ihre Rechte treten. Man könnte aber auch ebenso folgerichtig sagen, 
die verheerende Wirkung der Sonne ist aufgehoben und eine fruchtbare 
Jahreszeit, wie etwa die Regenzeit, ist angebrochen. sSeler selbst be- 
stätigt sogar diese Deutung, wenn er auf eine Darstellung im Dresdener 
Codex verweist, wo das verwundete Raubthier (Puma oder Jaguar) sich 
zu Füssen des Regengottes befindet. Der linke Arm des Priesters ist 
nicht nach oben gestreckt, sondern der Unterarm biegt sich nach unten, 
die Hand ist hier mit der Maske eines Raubthierkopfes bedeckt und 
ein ebensolcher soll nach Seler auf dem Holzgürtel angebracht sein; 
er wäre dann aber ausnahmsweise nach oben gerichtet, wie es aus 
der Habel’schen Zeichnung deutlich hervorgeht. 

No. 5. Auch bei diesem Stücke ist die sculptirte Fläche mit 
einer Leiste umrahmt. Es liegt nur die undeutliche Wiedergabe einer 
schlechten Photographie vor, denn Habel bietet nur die Zeichnung von 
der unteren Hälfte mit dem Priester; die obere Hälfte ist wohl erst 
später aufgefunden. Das Ganze ist jedenfalls weniger gut erhalten, 
als die anderen Stücke. sSeler, dem ja das Original zur Verfügung 
steht, findet in den Ornamenten, die oberhalb der Gottheit auftreten, 
Uebereinstimmung mit denen, welche in Alt-Mexico die Göttin des 
Mais, Sieben-Schlange genannt, begleiten. Es ist dies eine der Formen 
der älteren Erdgöttin, der Mutter alles Seins, wie sie sich im Laufe 
der Zeiten und bei den verschiedenen Stämmen differenzirt hat, und in 
deren Verwandlungsformen immer der Adler eine hervorragende Rolle 
spielt. Hierauf kann dann der herabschiessende Adler bezogen werden, 
den man unten neben dem rechten Beine des Priesters sieht, sowie die 
Maske eines Adlerkopfes, welche seine linke Hand bedeckt, und der 
Adler, welcher auf dem Holzgürtel angebracht sein soll. Die Gottheit 
selbst trägt hier auf dem Kopfe ein Schlangengeflechte, und aus den 
Armen entspringt, nach oben gerichtet, auf jeder Seite ein Ast, der 
dem Zeichen der Rede zu entsprechen scheint. Im Kopfschmucke des 
Priesters fällt noch die Maske eines menschlichen Kopfes auf, von der 
eine lange Feder herabhängt. 

No. 6. Von diesem Blocke ist nur der obere Theil aufgefunden, 
von dem znnächst die einrahmende Leiste zu erwähnen ist. Die Gott- 
heit ist von dem Rachen eines Krokodils umrahmt, was Seler veranlasst, 
in ihr eine Göttin des Wassers zu vermuthen. Einen weiteren Hinweis 
darauf findet er in den Figuren eines Krebses und eines Fisches, die 
sich zwischen den mit Blüthen besetzten Aesten befinden sollen, welche 
sich von den Armen der Göttin aus nach unten ziehen. In der von sSeler 


gebrachten Wiedergabe einer Photographie lassen sich solche Einzel- 
13 


116 Hermann Strebel. 


heiten überhaupt nicht erkennen, und nach Habel’s Zeichnung und 
Beschreibung wird nur der Krebs hervorgehoben, der aber an einer 
Stelle des Bruchstückes sitzt, die dem Kopfschmucke des Priesters 
entsprechen würde. Damit wäre dieser identisch mit dem des Priesters 
auf Platte Nr. 1. Es ist noch zu erwähnen, dass sowohl nach diesem 
Anfange des Kopfschmuckes vom Priester, wie nach der Richtung, 
welche das noch erhaltene Zeichen der Rede vor dem Munde desselben 
anzeigt, der Priester, entgegen den bisher beschriebenen Darstellungen, 
nach links gewandt steht. 

No. 7. Auf dieser wie auf den folgenden Tafeln dieser Serie 
steht der Priester nach links gerichtet, wonach anzunehmen ist, dass 
diese Blöcke so in das Bauwerk eingefügt waren, dass die beiden ver- 
schiedenen Richtungen in der Stellung des Priesters sich einander 
gegenüberstanden. Die Gottheit ist auf dieser Tafel sehr eigenartig dar- 
gestellt. Auf dem Rücken trägt sie zwei sichelartige Platten, die gegen- 
einander gerichtet, sich fast mit ihren Spitzen berühren. Den Kopfschmuck 
bilden zwei symmetrisch verschlungene Klapperschlangen, der Hals- 
und Brustschmuck ist aus viereckigen Platten oder Würfeln zusammen- 
gesetzt, ebenso - die Armbänder. Vom Brustschmucke hängt in der 
Mitte dasselbe Symbol herab, das die Gottheit auf No. 3 zeigt. 
Ausserdem sieht man auf jeder Seite dieses Symbols Aeste abgehen, 
die vereinzelt auch Blätter und Blüthen tragen, im Ganzen aber den 
Charakter des Zeichens der Rede haben. Ueber das Wesen dieser 
(Gottheit lässt sich vor der Hand kein Aufschluss geben, denn Habel’s 
Vermuthung, dass es die Mondsöttin sei, stützt sich nur auf die sichel- 
förmigen Platten und ist durch keine alt-amerikanischen Vorbilder 
erhärtet. Der Priester, dessen Kopf nur mit lang herabwallenden 
Haaren geschmückt ist, erhebt den rechten Arm, während der linke 
herabhängt, dessen Hand mit der Maske eines menschlichen Kopfes, 
der mit einer Nasenspange geschmückt ist, bedeckt wird. Am Hals- 
gürtel ist ein phantastischer Thierkopf (Schlange?) angebracht. Vor dem 
Priester sieht man ein merkwürdiges Gebilde, einem an den Enden ver- 
schnürten Packete ähnlich, dass in der Mitte von einem herabhängenden 
;anner verdeckt ist, welches durch das Kreuz und den treppenartigen 
Ausschnitt genau dem vom Brustschmuck der Göttin herabhängenden 
Symbole entspricht. Auf dem Packete liest ein menschlicher Kopf, 
mit dem Zeichen der Rede vor dem Munde, und daneben und dahmter 
scheinen Federbüschel herauszustehen. 

No. 8. Die ganze Darstellung ist hier wieder von einer Leiste 
umrahmt, An der Gottheit erscheint das Gesicht männlicher und 
älter als bei den übrigen, sie ist umgeben von Aesten mit Blättern, 

14 


Die Stein-Seulpturen von Santa Lucia Cozumahualpa (Guatemala). 117 


Blüthen und Früchten, die aber vereinzelt den Charakter des Zeichens 
der Rede haben. Der Priester hat den Kopf mit einem Helm in 
Form eines menschlichen Kopfes, und seine linke Hand mit einer 
Maske bedeckt, welche den Schädel eines Affen darzustellen scheint. 
Auf dem Holz-Gürtel erkennt man ebenfalls einen Kopf, der aber 
undeutlich ist, während der auf dem Oberschenkel angebrachte deutlich 
als menschlicher Kopf zu erkennen ist; derselbe trägt eine hohe Mütze 
und soll vielleicht eine vom Gürtel herabhängende Trophäe bedeuten. 
Merkwürdig sind noch die flammenartigen Gebilde, welche vom Rücken 
der Gottheit sich nach vorne und hinten richten. Seler bezeichnet sie 
als Vogelflügel, was aber aus der mir vorliegenden Habel’schen 
Zeichnung nicht hervorgeht. Eine weitere Deutung, besonders über 
das Wesen der Gottheit, ist nicht zu geben. 

Von den nun folgenden drei Stücken besitzt unser Museum 
die Abgüsse; sie weichen sowohl in ihren Grössenverhältnissen, wie 
auch in dem, was sie darstellen, von dem bisher Geschilderten ab. 

No. 9. Der ursprüngliche Block ist besonders oben unvoll- 
ständig. Habel giebt dafür eine Höhe von 9, eine Breite von 4 Fuss 
englisch an. Wir sehen auf einem reich sculptirten, schembar mit 
Armlehnen versehenen Sessel einen Mann sitzen, welcher der reichen 
Tracht nach ein Häuptling sein muss. In der Hand hält derselbe ein 
ruderförmiges Gebilde, dessen oberes Ende aber in die schon erwähnte 
Bruchstelle fällt. Wahrscheinlich ist es ein Scepter oder sonstiges 
Abzeichen der Würde des Trägers, da es als Waffe kaum gedeutet 
werden kann, 

No. 10 und 11. Für diese beiden Blöcke giebt Habel die 
Länge mit 5° 5“, bezw. 5° 1“, die Höhe mit 2° 10°, bezw. 3° englisch 
an. Sie sind jedenfalls als Querformat in das Bauwerk eingefügt 
gewesen, und bilden den Darstellungen nach Gegenstücke, wenn auch 
No. 11 unten eme 8 Zoll breite Leiste hat, die dem anderen fehlt. 
Auf beiden Platten sieht man einen Mann liegen, dem eine kleinere 
symbolische Figur gegenübersteht, mit der er in Beziehung zu stehen 
scheint, wenn auch das Zeichen der Rede fehlt. Welcher Art nun 
diese Beziehungen sind, ist schwer zu sagen. Man hat vermuthet, 
dass die liegenden Männer Kranke sind, denen bei No. 10 der Tod, 
bei No. 11 der Medizinmann in der Gestalt eines Hirschmenschen 
gegenübertritt. Möglich ist aber auch, dass die symbolischen Figuren, 
denen bei No. 10 zehn Zahlenzeichen und darunter eine Treppe, auf 
der ein Kreuz schräge liegt, bei No. 11 fünf Zahlenzeichen und daneben 
eine Treppe angeführt sind, Namen oder Daten bedeuten. Die sym- 
bolischen Figuren Tod und Hirsch entsprechen in Alt-Mexico und 

15 


118 Hermann Strebel. 


auch bei den Mayas Tageszeichen, die mit den Zahlenzeichen vereint, 
10 Tod und 5 Hirsch ergeben würden. Für diese Veremigung spricht, 
dass anf Platte 10 der Tod mit den Zahlenzeichen durch ein Führungs- 
zeichen verbunden wird. Was dann aber die anderen Zeichen, die 
Treppe mit Kreuz und die Treppe allein bedeuten, und ob und in 
welcher Beziehung sie zu den Zahlenzeichen stehen, das entzieht sich 
vorläufig der Beurtheilung. Bei dem liegenden Manne auf No. 10 
bietet der Kopfschmuck einige Aehnlichkeit mit dem des Kopfes, den 
der Westen auf Platte No. 1 trägt. Merkwürdig sind ein Amulett, 
welches die Brust, und das Knieband mit einer Rosette, welches das 
rechte Bem ziert; die Füsse sind nackt, und der feste Gürtel fehlt, 
wogegen die Schambinde in Form und Tragweise hier richtig dargestellt 
ist. Das Skelett, mit einer Schlange umgürtet, ist von Flammen um- 
geben und zeigt mit der rechten Hand auf den liegenden Mann, viel- 
leicht auch auf die Figur mit Treppe und Kreuz. Der liegende bärtige 
Mann auf No. 11 trägt eine Kappe mit herabwallenden einzelnen 
Federn und Bändern. Der Hirschmensch hat die Klaue des rechten 
Armes mit einer Maske bedeckt; während die emporgehobene Linke 
etwas hält, was nicht zu erkennen ist. Von dem Unterkiefer geht 
eine Flamme ab. 

No. 12. Dieses mächtige und schön gearbeitete Stück wird von 
Habel als Opferstein, von Seler wohl richtiger als Feuerbecken bezeichnet. 
Das Ganze stellt einen hockenden Affen dar, der das Becken, mit 
einem Federtuch umspannt, auf dem Rücken trägt und vorne den Tod 
zwischen den Händen zu halten scheint, für den aber schon durch die 
in Flach-Relief gehaltene Darstellung die symbolische Bedeutung an- 
gedeutet wird. Die Figur des Todes hat wohl hauptsächlich Habel 
dazu geführt, in dem Ganzen einen Opferstein zu sehen und anzunehmen, 
dass das Blut der Opfer in dem flachen Becken angesammelt sei, ohne 
aber des Weiteren klar zu stellen, wie denn das Opfer getödtet wurde. 
Wir haben in den anderen Darstellungen den Hinweis, dass dem Opfer 
der Kopf abgeschlagen wurde, um diesen als vornehmsten Theil des 
Menschen der Gottheit darzubringen. Bei solcher Todesart würde aber 
dieses Collossalbeeken kaum Verwendung finden können. Wir wissen 
nun, dass auf den Plattformen der Tempel grosse Feuerbecken standen, 
in denen Tag und Nacht Feuer unterhalten werden musste. Für solche 
Benutzung würde sich das Stück sehr gut eignen, und deshalb muss 
man der Seler’schen Deutung den Vorzug geben. Die symbolischen 
Elemente, welche m der Form und Ausschmückung durch Afie und 
Tod geboten sind, werden zu solchem Benutzungszwecke nicht in un- 


mittelbarer, sondern nur mittelbarer Beziehung stehen, also etwa zu 
16 


Die Stein-Seulpturen von Santa Lucia Cozumahualpa (Guatemala), 119 


der rituellen Bedeutung, beziehungsweise den Gottheiten, welche in dem 
betreffenden Tempel besonders verehrt wurden. Der Affe und der 
Tod stehen in den Mythen sowohl der Mayas wie der Nahoas in engen 
Beziehungen zu einander, wahrscheinlich im Sinne des Gegensatzes von 
Leben und Tod oder Bewegung und Starre. Bei beiden Völkerschaften 
finden wir sie auch unter ‚den 20 Tageszeichen. 

No. 13. Zum Schlusse will ich hier noch eines Blockes gedenken, 
von dem die abgesägte Platte leider bei der Verschiffung im Hafen 
von San Jose ins Meer gefallen und damit wohl unwiederbringlich ver- 
loren ist. Es ist daher doppelt erfreulich, dass wir in den Habel’schen 
Zeichnungen die höchst interessante Darstellung auf diesem Blocke ver- 
treten finden. Eine vergrösserte Copie der Zeichnung ist im Museum 
zu sehen. Habel giebt die Grössenverhältnisse wie folgt an: Höhe 9", 
Breite der sculptirten Fläche 5 Fuss englisch. 

Die Darstellung führt uns den Königsgeier (Sarcoramphus papa) 
mit ausgebreiteten Flügeln vor, den die am Halse hängende Sonnen- 
scheibe hier als den Sonnenvogel kennzeichnet. Auch der Königsgeier 
ist eines der Tageszeichen bei Mayas und Nahoas und gilt bei letzteren 
auch als der Vertreter des ehrwürdigen Alters, Beziehungen, die aber 
der hier gebotenen Darstellung nicht gut anzupassen sind). Der 
Vogel hat einen Menschen halb verschluckt, dessen Oberkörper herab- 
hängt, und mit der Kralle umspannt er eine Kugel, die man als Kaut- 
schuk-Ball auffassen kann, welcher beim Ballspiel benutzt wurde. 
Das Ballspiel wird in den Bilderschriften als Zeichen für den Himmel 
gesetzt, und der fliegende Ball bedeutet die Sonne in ihren Bewegungen. 
Der Kopf des bärtigen Menschen entspricht demjenigen, den der Gehülfe 
Norden auf der Platte No. 1 trägt, und von dem angenommen wurde, 
dass er eine der den Bewohnern von Santa Lucia feindlichen Völker- 
schaften charakterisiren soll. Aus dieser Darstellung, der sich noch 
eine ganz ähnliche zweite anreiht, die, wie ich glaube, erhalten ist, 
scheint hervorzugehen, dass der Sonne ein hervorragender Cultus ge- 
weiht war, und dass auch ihr Menschenopfer dargebracht wurden. 

Das im Vorstehenden beschriebene Material ist der Anzahl nach 
eine schwache, dem wissenschaftlichen Interesse nach dagegen eine hervor- 
ragende Bereicherung des leider noch sehr beschränkten Anschauungs- 
materials unseres Museums für altamerikanische Cultur. Die Sculpturen 
von Santa Lucia sind jedenfalls besonders geeignet, um der von der 


ı) Die Bakaires in Zentral-Brasilien halten nach von den Steinen den Königs- 
geier für den Schöpfer der Sonne, was der hier gebotenen Darstellung 
genau entsprechen würde. 

17 10 


120 Hermann Strebel. 
Wissenschaft schon lange aufgestellten Behauptung auch im weiteren 
Kreisen Anerkennung zu verschaffen, dass Amerika vor der Eroberung 
zum Theil von Völkerschaften bewohnt war, die mit vollem Rechte 
die Bezeichnung Culturvölker verdienen. Es ist dabei zu bedenken, 
dass ein jedes Volk seinen eignen Entwickelungsgang zur Cultur ver- 
folgt, und dass die Ausdrucksformen dieser Cultur nicht nur Ergebniss 
der Rasseneigenart sind, sondern auch durch Lebensbedingungen und 
Schicksale in der verschiedenartigsten Weise beeinflusst werden. Die 
Wissenschaft verfolgt die Aufgabe, die hierfür massgebenden Bedingungen 
zu ergründen, um mit dem vollen Verständniss des Wesens einer Cultur 
und ihrer Bedeutung für das betreffende Volk auch den einzig richtigen 
Massstab für die Werthschätzung zu gewinnen. Im vorliegenden Falle 
ist die Wissenschaft noch nicht zu solcher Erkenntniss vorgeschritten, 
nur hie und da kann sie den Schleier lüften, den eigenartige Gedanken 
und Anschauungen um die Erzeugnisse der Santa Lucia-Cultur gewoben 
haben. Aber auch diese wenigen Einblicke genügen, um sagen zu 
können, dass es sich hier um Leistungen handelt, die sich weit über 
das Niveau des Gewöhnlichen erheben. — Auffassung wie Ausführung 
zeugen von ungewöhnlicher Begabung, zumal wenn man bedenkt, dass 
ein so sprödes Material wie der Stein das Vorgestellte nur nach Ueber- 
windung grosser technischer Schwierigkeiten zu entsprechendem Aus- 
druck bringt. Dafür fehlte es aber allen diesen Völkerschaften, soviel 
wir bis jetzt wissen, an den Hülfsmitteln, wie sie uns zu Gebote stehen, 
wobei in erster Reihe in Betracht kommt, dass die Verwerthung des 
Eisens unbekannt war, daher die Bearbeitung des Steines in der Art, 
wie es hier geschehen ist, jedenfalls eine sehr zeitraubende und mühe- 
volle Arbeit gewesen sein muss. 


18 


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Lichtdruck von Carl Griese. 


Strebel. Tafel I. 


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Lichtdruck von Carl Griese. 


hrbuch der Hamb. wissensch. Anstalten. XI. 1893. 


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Jahrbuch der Hamb. wissensch. Anstalten. XI. 1593. ‘Strebel. Tafel III, 


Lichtdruck von Carl Griese. 


ıhrbuch der Hamb. wissensch. Anstalten. XI. 1893. Strebel. Tafel IV. 


12 


Lichtdruck von Carl Griese. 


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Mittheilung 


aus dem Ohemischen Staats-Laboratorium. 


Ueber 


das Hamburger Leuchtgas. 


Von 


M. Dennstedt und ©. Ahrens. 


Mittheilung 


aus dem Chemischen Staats-Laboratorium. 


Di. technische Verwendung der Steinkohlen wird in vielen 
"ällen durch den in Gestalt von Schwefeleisen und in Form organischer 
Verbindungen darin vorkommenden Schwefel beeinträchtigt. Auch 
bei der Darstellung des Leuchtgases durch trockene Destillation der 
Steinkohlen hat der Schwefelgehalt mancherlei Unzuträglichkeiten im 
Gefolge, da die sich bildenden gasförmigen oder sonst flüchtigen 
Schwefelverbindungen das Gas in unliebsamer Weise verunremigen. 
Von solchen Schwefelverbindungen sind zu nennen Schwefelwasserstoft, 
Schwefelammonium, Schwefeleyanammonium, Schwefelkohlenstoft, wahr- 
scheinlich Kohlenoxysulfid, Tiophen und andere nicht näher bekannte 
organische Schwefelverbindungen. Während bei den üblichen 
Reinigungsverfahren die ersten drei vollständig zurückgehalten und 
in einem sachgemäss dargestellten Leuchtgase gar nicht oder nur 
in Spuren angetroffen werden, kennt man für die Entfernung der 
übrigen Schwefelverbindungen, kein einfaches technisch anwendbares 
Verfahren. Hierzu kommt, dass man über die Natur der angeführten 
organischen Schwefelverbindungen bis jetzt nur sehr unvollkommen 
unterrichtet ist. Zwar wird mit einiger Sicherheit das Vorhandensein 
von Tiophenolen angenommen und die Gegenwart des Phenylsenföls 
allgemein behauptet; letzteres soll sogar den eigenthümlichen durch- 
dringenden Geruch des Leuchtgases bedingen. Diese in allen Lehr- 
büchern sich findende Angabe ist um so unbegreiflicher, als der 
Geruch des Leuchtgases mit dem des Phenylsenföls auch nicht die 
entfernteste Aehnlichkeit besitzt, und das Phenylsenföl, dass, wenn es 
diesen Geruch bewirken sollte, doch in erheblicher Menge vorhanden 
sein müsste, da sein Geruch verhältnissmässig schwach ist, bis jetzt 
niemals aus dem Leuchtgase isolirt worden ist. 

Das Hamburger Leuchtgas zeichnet sich durch einen ungemein 
hohen Schwefelgehalt aus und da in ihm, wie dies bei sorgfältiger 
Reinigung selbstverständlich ist, Schwefelwasserstoff niemals auch nur 
in Spuren nachgewiesen werden konnte, so war Hoffnung vorhanden, 
aus ihm die sonstigen organischen Schwefelverbindungen in grösserer 
Menge gewinnen und über ihre Natur ins Klare kommen zu können, 

B) 


124 M. Dennstedt und (©. Ahrens. 


Diese Ueberlegung ist Veranlassung zu den nachstehend 
geschilderten Versuchen gewesen, die später, da über die Zusammen- 
setzung des Hamburger Gases noch keinerlei Angaben vorliegen, auf 
seine vollständige Analyse ausgedehnt worden sind. 


Der Schwefel. 


Der Schwefelgehalt des Gases ist seit dem Jahre 1885 von 
dem Chemischen Staats-Laboratorium einer regelmässigen monatlichen 
Controlle unterworfen gewesen, und sind die gefundenen Resultate in der 
folgenden Tabelle zusammengestellt. Die Schwefelbestimmungen sind 
nach dem Poleck’schen Verfahren mit dem von ihm angegebenen 
Apparat, in neuerer Zeit mit dem von Drehschmidt abgeänderten 
Apparat ausgeführt worden, nachdem durch Controllanalysen festgestellt 
war, dass beide Apparate vollständig übereinstimmende Resultate ergaben. 


| 

1885 | 1886 | 1887 | 1888 | 1889 | 1890 1891 | 1892 ass | 
Januar | — [0,57 | 0,66] 0,97| 0,87 | 1,02| 0,r0| ı40| 1286| 0,98 
Februar | 0,84| 0,51| 0,73| 0,89 | 0,93 | 1;04 | 0,89 | 1,14 | 1,20 0,91 
März — 10,76 | 0,93 | 0,92 | 0,93 | 0,99 | 0,99 | 1,23 | 1,19 0,99 
April 0,74| 0,67| 0,85, 0,91| 1,07| 0,86 | 1,18) 1,32| 1,051 0,96 
Mai — | 0,45| 0,77| 0,58 | 0,99 | 0,95 | 0,86 | 0,50| 0,89| 0,75 
Juni 0,96 | 0,42 | 0,87| 0,51| 0,79| 1,29| 0,98 | 0,79 | 1,07 0,85 
Juli 0,60! 0,72| 1,11 | 0,68! 1,14! 1,04 | ı,17| 1,11! 0,88| 0,94 
August 0,46 | 0,66| 1,09| 0,69| 0,98 | 1,11 | 1,20 | 1,19| 1,08| 0,94 
September 0,71 | 0,68 0,92 | 0,98 | 1,25 | 0,89 1,08 | 1,13 | 1,05 | 0,96 
October 0,53 | 0,49 | 0,57 | 0,84| 0,99 | 0,91 | 0,72| 1,07 | 1,02| 0,79 
November | 0,54 | 0,57| 0,98) 0,94 | 1,00 | 1,06 | 1,14 | 1,13 | 1821| 0,9 
December — | 0,64| 1,06 | 0,85 | 0,93 | 0,90| 1,23 | 1,24 | 1,04| 0,99 
Pe 0,67 0,59 0,87 0,81 | 0,99 | 1,01 101 1,10] 1,08. 


Die Zahlen geben den Schwefelgehalt in Grammen m 1 cbm 
Gas. Zum Vergleich sei angeführt, dass der gewöhnliche Schwefel- 
gehalt des Leuchtgases zwischen 0,2—0,5 gr. m 1 cbm schwankt. 
So enthielt das Berliner Leuchtgas in den Jahren 1870—1875 im 
Mittel 0,236 gr. Schwefel in 1 cbm, das Kölner Gas 1885—1886 
0,23—0,3 gr., das Breslauer Gas im Mittel aus mehreren Jahren 
0,216 gr. Während in Deutschland eine Maximalgrenze für den 
Schwefelgehalt nicht festgesetzt ist, vermuthlich weil bei der Verwen- 
dung deutscher Kohlen der Gehalt selten über 0,4 gr. steigt und 
dieser nach Ansicht Pettenkofers, Schillings und anderer Autoritäten 


für unbedenklich erklärt wird, hat man in anderen Ländern, so in 
4 


Ueber das Hamburger Leuchtgas. 1235 


England und in den Vereinigten Staaten von Nordamerika aus hygienischen 
Gründen einen Gehalt von 0,57 gr. und 0,45 er. m 1 cbm als noch 
zulässige äusserste Grenze festgesetzt. 

Zur besseren Uebersicht seien aus obiger Tabelle die Schwetel- 
Maxima nnd -Minima zusammengestellt: 

1889, 10880671887. 1888. 1589. 1890. 1891. 1892. 1893. 
Maxima: 0536 0,00 1,10. 0,987 1,25. 1.29 1,23, 1.40 35,26. 
Minima: 0,467 :054 28 20.57 205912 0,797 .0,86% :0,707:0,50 + 0,88. 

Der Durchschnitt der Maximalzahlen beträgt 1,13, der der 
Minimalzahlen 0,63. 

Die obigen Zahlen lassen keinerlei Regelmässigkeiten über Zu- 
und Abnahme des Schwefelgehalts in Bezug auf Darstellung und 
Verbrauch erkennen. 

Man könnte z. B. geneigt sein, mit A. W. Hofmann !) anzu- 
nehmen, dass in den Monaten des grössten Verbrauchs und der dadurch 
vielleicht bedingten weniger sorgfältigen Reinigung der Schwefelgehalt 
stiege. Aber abgesehen davon, dass sich dies höchstens auf emen 
(rehalt an Schwefelwasserstoff beziehen könnte, der wie gesagt im 
Hamburger Leuchtgase nie beobachtet wurde, so zeigen auch die 
Durchschnittzahlen der Wintermonate keinen höheren Schwefelgehalt, 
als die der Sommermonate. Wenn sich beispielweise der December 
und der März auch durch einen hohen Schwefelgehalt auszeichnen, 
so wird doch auch im April, im Juli, August und September ein 
ähnlicher Gehalt gefunden. Juli, August und September haben sogar 
einen höheren Schwefelgehalt als Januar und Februar. 

Andrerseits zeigen die Monate mit durchschnittlich hohem 
Schwefelgehalt in einigen Jahren auch wieder auffallend niedrige Zahlen. 
So weist der Januar in den acht Jahren 3 Mal den höchsten in dem 
betreffenden Jahre beobachteten Schwefelgehalt auf, doch fallen auch 
innerhalb dieser Zeit 2 Mal die Schwefelminima in diesen Monat. 
Der Juni zeigt 3 Mal das Minimum (1886, 1888 und 1889), aber 
auch 2 Mal das Maximum (1885 und 1890). Am wenigsten von 
diesen Schwankungen wurden Februar und November berührt, wo kein 
Mal das jährliche Maximum oder Minimum beobachtet wurde. 

Nur eine Regelmässigkeit fällt bei den oben angeführten Zahlen 
sofort in die Augen, d. i. die stetige Zunahme des Schwefelgehalts 
von Jahr zu Jahr. Während das Jahr 1885 mit der schon recht 
hohen Durchschnittzahl von 0,67 gr. für den cbm beginnt, wächst der 


1) Ann. Chem. Pharm. 115, 294. 


Or 


126 M. Dennstedt und C. Ahrens. 


jährliche Durchschnitt von da an fortwährend; den grössten Betrag 
erreicht er 1892 mit 1,10 gr., dem aber das folgende Jahr mit 1,08 gr. 
annähernd gleich kommt. Die Zunahme des Schwefelgehalts von 1885 
bis jetzt beträgt beinahe 60 %. 

Diese hohen Schwefelgehalte sind einer mangelhaften Reinigung 
nicht zuzuschreiben, sie haben vermuthlich ihren Grund in der Zu- 
sammensetzung der verwendeten Kohlen und in der Art der Vergasung. 


Kohlensäure. 


Von geringerer Bedeutung als der Gehalt des Leuchtgases an 
Schwefel ist der an Kohlensäure, die aber immerhin zu den Verun- 
reinigungen des Leuchtgases gerechnet werden muss. Ist sie auch an 
und für sich nicht schädlich, was schon daraus hervorgeht, dass bei 
der Verbrennung des Gases der gesammte Kohlenstoff in Kohlensäure 
verwandelt wird, so wird doch die Leuchtkraft des Gases durch sie 
erheblich beeinträchtigt, da der in der Flamme abgeschiedene und 
das Leuchten bedingende Kohlenstoff der schweren Kohlenwasserstoffe 
dadurch zu Kohlenoxyd oxydirt wird. Diese Verringerung der Leucht- 
kraft wird zu 6—10% der Gesammtleuchtkraft berechnet auf das 
Procent Kohlensäure angegeben. Im Allgemeinen ist man der An- 
sicht, dass über den Maximalgehalt an Kohlensäure keine Vorschriften 
zu machen seien, sobald nur das Gas die vorgeschriebene Leucht- 
krait hat. 

Ueber den Kohlensäuregehalt der verschiedensten Leuchtgase 
liegen zahlreiche Angaben vor, aus denen hervorgeht, dass er erheb- 
lichen Schwankungen von 0,1 bis über 3 Procent unterworfen ist. Nach 
12 Analysen ) von Leuchtgasen der verschiedensten Städte beträgt 
die durchschnittliche Kohlensäurenmenge 1,50 Volumenprocent, ein 
grosser Theil dieser Gase, etwa zwei Fünftel, enthalten 2—3, je ein 


Fünftel der Gase enthalten unter 1, 1—2 und über 3 Procent. 


) 

Auch der Kohlensäuregehalt des Hamburger Leuchtgases ist 
seit dem November 1886 im Chemischen Staats-Laboratorium in monat- 
lichen Zwischenräumen bestimmt worden. Die Analysen sind nach 
der Pettenkoferschen Methode, in neuerer Zeit nach Rüdorff, ausge- 
führt worden; Vergleichanalysen ergaben vollkommene Uebereinstimmung 
beider Methoden. 

In der folgenden Uebersicht sind die gefundenen Kohlensäure- 
mengen, in Volumprocenten ausgedrückt, zusammengestellt: 


D) Muspratt 6. 321, 


Ueber das Hamburger Leuchtgas. 1 


PN) 
—: 


nn nn nn nn nn nn nn 
| 
| } | 


1886 | 1887 | 1888 | 1889 | 1890 | 1891 | 1892 | 1893 , Dürch- 


| | schnitt. 
er 520 296: | 19 1907| 1,701 6885| 110 le 108 
Februar =. 115. 4005| E21, 0.204, 11 717:57 71152. |1,08 1,16 
März =. 103, 1.0.30. 1.1.21 121.05. 1:06 2185 |.1.02 1,08 
April — | 088 | 0,84 | 1,15 | 1,30 | 1,05 | 1,10 | 1,03 1,05 
Mai 27107 |087| 108 1,05) 1.07 "157 | 0,98 1,11 
Juni 1a. 1.12. 71,.182|: 1.04 21,139) 169)’ 0:90 1,21 
Juli = ESEL | 133411.%7 101,50811514789. |40,86 1,34 
August — 1101.02. 21.088 121,548 11/768 Bad 14 1574510991 1,38 
September — 709, 1.07 171.80. \, 1.20%%1:63.| 0,88%] 0,98 1,14 
October — | 110 | 097 | 124 | 1,33 | 1,10 | 0,82 | 0,98 1,08 


November 1.12°| 1,09 | 0,79.) 1,04 | 1.16 | 1,20 
December 0,98 | 1,20 | 0,87 | 1,04 


0,98 | 1,00 | 1,05 
096 | 1,10 | 114 


en 
o 
20 
_— 
[e}) 
{er} 


Durchschnitt | 1,05. | 1,18 | 0,99 | 1,18 | 128 | 1,80 | 127 | 1,00 | 1,16 


1 
Der Kohlensäuregehalt erschemt hiernach gering, der Durchschnitt 
sämmtlicher Jahre beträgt nur 1,16. Die Jahresdurchschnitte schwanken 
nur innerhalb geringer Grenzen. Die Durchschnittzahlen der Monate 
weisen eine gewisse Regelmässigkeit auf; es findet zwei Mal im Jahr 
ein Sinken und Steigen des Kohlensäuregehalts statt, die Minima liegen 
im April und November, die Maxima im Januar und Juli. Eine 
Ursache für diese vielleicht nur zufällige Regelmässigkeit lässt sich 
nicht angeben. 


Ammoniak. 


Der Ammoniakgehalt des Hamburger Leuchtgases ist sehr 
gering, er lässt sich mit Sicherheit nur nachweisen und quantitativ 
bestimmen, wenn man mit grossen Gasmengen arbeitet. 

1. 1060 Liter Gas!) wurden durch drei mit zusammen 26 cem "io n. 
Schwefelsäure gefüllte Peligotsche Röhren gesaugt und mit Yıo n. 
Natronlauge unter Anwendung von Methylorange als Indicator 
zurücktitrirt. Verbraucht waren von dem Gase 3,40 cem Vıon. 
Schwefelsäure entsprechend 0,00578 gr. Ammoniak oder 0,55 gr. 
in 100 ebm. 

1600 Liter Gas wurden in gleicher Weise durch "io n. Schwefel- 
säure gesaugt und zurücktitrirt. Verbraucht 5,45 cem Yıo.n. 
Schwefelsäure — 0,009265 gr. Ammoniak oder 0,58 gr. in 100 cbm. 

Zeit des Versuchs Mai 1594. Durchschnitt aus beiden Be- 

stimmungen 


20) 


0,56 gr. Ammoniak in 100 cbm Gas. 


!) Die hier wie sonst angegebenen Gasmengen sind stets auf 0% u. 760 mm 
Druck reducirt, 


7 


128 M. Dennstedt und ©. Ahrens. 


Schwefelwasserstoff und Acetylen. 

Die seit dem Jahre 1886 vielfach vorgenommenen qualitativen 
Prüfungen des Hamburger Leuchtgases auf Schwefelwasserstoff haben 
stets dessen vollständige Abwesenheit erwiesen. 

Im August 1893 wurden auch einige quantitative Analysen auf 
Schwefelwasserstoff unter gleichzeitiger Bestimmung des Acetylens nach 
Winkler ausgeführt. 

Das Gas passirte zunächst zwei mit concentrirter ammoniaka- 
lischer Silberlösung beschickte Volhardsche Apsorptionsapparate, dann 
ein mit Platinasbest gefülltes, auf dunkler Rothgluth gehaltenes Ver- 
brennungsrohr, dann wieder zwei mit Silberlösung beschickte Absorp- 
tionsapparate und gelangte dann in emer Gasuhr zur Messung. 

Durchgesaugt wurden 45,4 Liter; der im den ersten beiden Vor- 
lagen entstandene Niederschlag enthielt kein Schwefelsilber, er betrug 
nach Ueberführung im Chlorsilber 0,134 gr., entsprechend 0,013 gr. oder 
10,5 cem Acetylen, das sind 0,0231 Volumprocent. 

Der in den beiden letzten Vorlagen gebildete Niederschlag 
erwies sich als reines Schwefelsilber, das dem „organischen“ ın 
Schwefelwasserstoff übergeführten Schwefel entstammte; seine Menge 
stand mit dem zu gleicher Zeit im Poleckschen Apparat bestimmten 
(Gresammtschwefel in Uebereinstimmune. 


Schwefelkohlenstoff. 

Der Gesammtschwefelgehalt in allen Steinkohlengasen wird 
stets zu einem grossen Theil durch das Vorhandensein von Schwefel- 
kohlenstoff bedingt. Der Schwefelkohlenstoff gelangt in das Leuchtgas, 
da die Bedingungen zu seiner Bildung bei der Retortenverkohlung 
namentlich gegen Ende der Operation vorhanden sind. Die immerhin 
mit Schwierigkeiten verknüpfte Entfernung des Schwefelkohlenstoffs 
aus dem Leuchtgase wird im Allgemeinen, wenigstens in Deutschland 
nicht vorgenommen, da sich bei dem gewöhnlich niedrigen Schwefel- 
gehalt, Unzuträglichkeiten bisher nicht gezeigt haben und eine Maximal- 
grenze für den Schwefelgehalt nicht festgesetzt ist. In England dagegen, 
wo der Schwefelgehalt des Gases in Folge der Zusammensetzung der 
Kohlen ein hoher und seine Entfernung aus dem Gase bis auf ein 
bestimmtes Maas vorgeschrieben ist, sind verschiedene Verfahren zur 
Absorption von Schwefelkohlenstoff im Gebrauch; sie beruhen im 
Wesentlichen auf Anwendung von Schwefelcaleium. 

Zum qualitativen Nachweis des Schwefelkohlenstoffs im Ham- 
burger Leuchtgas diente das von Vogel angegebene Verfahren. 

8 


Ueber das Hamburger Leuchtgas. 129 


c. 40 Liter Gas wurden durch zwei mit 20 ccm einer 10 procentigen 
eitelalkoholischen Kalilauge beschickte Peligotsche Röhren mit einer 
Geschwindigkeit von 4 Litern in der Stunde gesaugt, der Inhalt der 
Röhren verdampft, mit Essigsäure angesäuert und mit essigsaurem 
Kupfer gefällt, es entstand sofort ein reichlicher Niederschlag von 
xanthogensaurem Kupfer. 


Zur quantitativen Bestimmung des Schwefelkohlenstoffs wurde 
die von Post!) beschriebene auf der Hofmannschen Reaction mit 
Triäthylphosphin beruhende Methode zur Anwendung gebracht. Das 
Gas passirte zunächst eme Gasuhr, dann drei weite Proberöhren, die 
etwa 30 ccm einer 10 procentigen Natronlauge und darauf schwimmend 
einige ccm. einer 5 procentigen ätherischen Triäthylphosphinlösung 
enthielten. Das Gas wurde mit einer Geschwindigkeit von 2 bis 3 
Litern die Stunde durchgesaugt. Beginnende Färbung des Aethers 
trat schon nach Durchgang von etwa 3 Litern ein, während Hofmann 
s. Z. ım Londoner Gas beginnende Färbung erst nach Durchgang von 
5's Litern beobachtet hatte. Nach Beendigung des Versuchs wurde 
die Aetherschicht abgehoben, mit Wasser gewaschen, im Vacuum 
verdunstet, und der aus hellrothen Krystallnadeln bestehende Rück- 
stand gewogen, und aus ihm der Schwefelkohlenstoft berechnet. Eine 
geringe Menge einer den Krystallen anhaftenden öligen Substanz konnte 
durch wiederholtes Lösen in Aether, in dem das Oel unlöslich war, 
und Eindunsten entfernt werden. Die Resultate waren folgende: 


1. 30 Liter Gas hinterliessen so 0,0364 gr. Krystalle (C, H,), P. C>, 
entsprechend 0,0143 gr. Schwefelkohlenstoff. In 1 cbm. Gas waren 
daher 0,47 gr. Schwefelkohlenstoff oder 0,396 gr. Schwefel ent- 
halten. Da das Leuchtgas zu jener Zeit (August 1893) 1,08 gr. 
Gesammtschwefel enthielt, so war von diesem etwa 37 'o ım 
Gestalt von Schwefelkohlenstoff vorhanden. 


2. 53,5 Liter Gas lieferten 0,0410 gr. (C,H, ); P. CS,, entsprechend 
0,0161 gr. Schwefelkohlenstoff; es enthielt demnach 1 cbm 0,301 ger. 
Schwefelkohlenstoff oder 0,254 gr. Schwefel. Da zur Zeit der 
Analyse (April 1894) das Gas 1,25 gr. Schwefel enthielt, so 
war von diesem etwa 20 % in Gestalt von Schwefelkohlenstoff 
vorhanden. 


Man sieht, dass sowohl die Menge des Schwefelkohlenstofts an 
sich, in 1 cbm 0,47 er. und 0,30 gr., als auch noch mehr die auf 
die Gesammtschwefelmenge bezogene Procentzahl, im ersten Falle 


I) Technische Analyse I G. 183. 


130 M. Dennstedt und €. Ahrens. 


ca. 37 °o, im zweiten 20 %, erheblich von einander abweichen, dass 
also nicht von einem hohen Schwefelgehalt an sich auch auf einen 
hohen Schwefelkohlenstoffgehalt und umgekehrt geschlossen werden 
kann. Ferner sieht man, dass im Hamburger Leuchtgase nur eine 
verhältnismässig geringe Menge des Gesammtschwefels in Form von 
Schwefelkohlenstoff vorhanden ist, dass also der grösste Theil 
in Gestalt anderer organischer Schwefelverbindungen vermuthet 
werden muss. 

Aelnliche Schwankungen im Schwefelkohlenstoffgehalt und in 
seinem Procentsatz gegenüber dem Gesammtschwefel sind auch s. Z. 
von Poleck ') im Breslauer Leuchtgase beobachtet worden; er fand in 
5 Versuchen in 1 chm: 


1. 0,265 gr. Gesammtschwefel 0,120 gr. CS, oder 45,2 %. 


2, 0,29 „ i VOR RE 
3 a 0880, 3 
4,0293, , OL A 
5. 0,250 „ R DORT no 


Volumetrische Analyse. 


Die volumetrische Analyse wurde mit den Apparaten Hempels 
und nach der von ihm angegebenen Methode ®) ausgeführt, d. h. es 
wurde die Kohlensäure mit 33 procentiger Kalilauge, die schweren 
Kohlenwasserstoffte mit rauchender Schwefelsäure, der Sauerstoff theils 
mit Phosphor (Analyse 1—5) theils mit Pyrogallussäure (Analyse 6—9), 
Kohlenoxyd mit ammoniakalischem Kupferchlorür absorbirt. Methan 
und Wasserstoff wurden durch Verpuffung, Messen der Contraction 
und der gebildeten Kohlensäure, der Stickstoff durch Differenz 
bestimmt. 

Es wurde gefunden: 

19/4 94. 20/4a. 20/4p. 21a. 2l/Ap. 25/4 27) 
ee 1,20 1,20 1,30 0,95 1,507 1 
Schwere Kohlen- 


4a. 27/4 p. 30/4 
15 120 1,30 


Kohlensäure 


wasserstoffe .... 83,75 3,40 3,40 2,85 3,20,, 3,207 3,957 ,3,807 73530 
Sauerstolf........ 0,40 0,00 0,90 0,70 : 0,80 0,35 0,50 0,60 0,20 
Kohlenoxyd...... 71,20 7.00 6,40 6,30 7,00 6,65 6,40 6,70 7,00 
Grubengas....... — 29,00 28,90 31,60 — 531,90 31,20 29,50 30,80 
Wasserstoik de...n -— 50,50 52,30 54,10 — 49,50 50,90 54,70 51,95 
BÜUCkKSbOIE ne == 8,50 6,80 3,50 e= 7,20 5,90 3,50 5,15 


1) Fresenius, 21, 171. 
?) Gasanalytische Methoden, S. 214. 
10 


Ueber das Hamburger Leuchtoas. 131 


Im Durchschnitt aus sämmtlichen Analysen: 


I. I. 
Kohlensäure, .. un... 1,21 1,50 
Schwere Kohlenwasserstoffe ... 3,43 Bulle 
SalerSborr. Ss nn 0,49 033 
Kohlenosydu. m ern 16573 7.38 
rubengast tn, 2 NA FN 30,41 35,43 
Wiasserstofl one ee ehe: > 51,99 45,04 
STIEIEStON N ee 5,83 3,52 


In der Spalte II sind den Durchschnittzahlen des Hamburger 
Gases die Mittelzahlen von 12 Gebrauchgasanalysen aus Musspratt V. 
321 gegenübergestellt und zwar Heidelberger Gas aus Saarkohlen, 
Berliner, Breslauer und Charlottenburger Gas aus schlesischen Kohlen, 
ferner Hannoversches, Heidelberger, Dresdener, Königsberger, Londoner 
Gas, die letzten beiden aus englischen Kohlen, endlich zwei Mal 
Londoner Gas (Chartered u. Co. und Cannelgas London Parlaments- 
haus). Aus den Zahlen geht hervor, dass mit Ausnahme der schweren 
Kohlenwasserstoffe, auf denen allerdings hauptsächlich das Leucht- 
vermögen beruht, das Hamburger Gas nicht wesentlich von den 
übrigen abweicht. Mit den schweren Kohlenwasserstoffen bleibt es 
freilich ziemlich erheblich zurück und haben wir in der Litteratur nur 
noch das Dresdener Gas nach einer Analyse von Hempel') gefunden, 
das einen noch niedrigeren Gehalt daran aufweist. Dieses Gas ist, 
wie aus den folgenden Zahlen hervorgeht, auch sonst dem Hamburger 
sehr ähnlich: 


Kohlensäure eur. See ar: 145 
Schwere Kohlenwasserstoffe............ 3,0 
Sauerstollepe ee. ee ae 1,4 
IKohlenoxy ea ns 8,0 
Grubeneas er ek 33% 

NV aSSerSbol ee ee euere 48,7 
SEICKStON A Pe ee nee 4,0 


Einige Male wurden auch nach der von Hempel*) angegebenen 
Methode die dampfförmigen Kohlenwasserstoffe bestimmt und auch 
hier sehr niedrige Werthe gefunden, nämlich im Durchschnitt 0,55 'o; 
das steht auch im Einklang mit der geringen Ausbeute an flüssigen 
Kohlenwasserstoffen beim Abkühlen gegenüber anderen Gasen. 


l) Schilling, Handb. d. Gasbel. S. 91. 
2) Berichte d. D. chem. Ges. 1891. 1163. 
11 


132 M. Dennstedt und ©. Ahrens. 


Aus den oben gegebenen Durchschnittzahlen des Hamburger 
(rases berechnet sich die Verbrennungswärme nach Böckmann!) zu 
5018 Calorien für 1 Liter. 

Das specifische Gewicht des Gases wurde in einer grösseren 
Versuchreihe sowohl mit dem Bunsen-Schillingschen Apparat, wie 
auch mit der Luxschen Gaswaage bestimmt, beide Apparate zeigten 
stets fast vollkommene Uebereinstimmung. Es wurden im Durchschnitt 
aus einer grossen Zahl von Bestimmungen gefunden 


nach Bunsen Schilling s = 0,359 bei 15° und 760 mm, 
nach..Lux s — 0,391 per 15° und 760mm. 


Das niedrige specifische Gewicht steht im Einklange mit der ge- 
fundenen volumetrischen Zusammensetzung, ebenso entsprechen die im 
Physikalischen Staatslaboratorium mit dem Bunsenschen von Lummer- 
Brodhun verbesserten Photometer bestimmten Lichtstärken dem 
specifischen (rewicht und der chemischen Zusammensetzung. 


Condensationsproducte. 


Da nach den oben beschriebenen Versuchen der Gesammt- 
schwefelgehalt des Hamburger Leuchtgases nur zu etwa 20—40 
durch Schwefelkohlenstoff gedeckt wird, so war zu hoffen, da das 
Vorhandensein von anderen bei gewöhnlicher Temperatur gasförmigen 
organischen Schwefelverbindungen kaum zu vermuthen ist, dass vielmehr 
derartige flüssige Verbindungen in Dampfform vorhanden seien und 
dass man sie durch starkes Abkühlen des Leuchtgases gewinnen könne. 

Aehnliche Versuche sind im Jahre 1889 von St. Claire-Deville ® 
mit Pariser Leuchtgas ausgeführt worden. Er fand durch Abkühlen 
auf —70°, wo die Tension des Benzols gleich 0 ist, in 1 cbm 35,48 gr 
aromatische Kohlenwasserstoffe dem Gewicht nach von folgender 
Zusammensetzung: 


Derzol\Siedep SP)... 22.0.0 13,18 
Toluola(sıedep 21 19 7...2..%. ER 13,00 
Xylol und höhere Kohlenwasserstoffe .. 8,75 
Destillationsrüuckstand® ... ....2.....20 2.08: 359% 
Nerluntae Bee ee 1.15 

100,00 


Da die Kühlung auf —70° mit praktischen Schwierigkeiten ver- 
bunden ist, begnügten wir uns mit einer Kühlung auf etwa —10°, in 


I) Chem. techn. Untersuchungsmethoden I, 974. 
2) Journ, f. Gasbel. 1889 S. 652, 
12 


Ueber das Hamburger Leuchtgas. 133 


der Annahme, dass die hierbei der Condensation entschlüpfenden 
Dämpfe hauptsächlich das Benzol und den Schwefelkohlenstoft treffen 
würden, höher siedende Verbindungen aber grösstentheils condensirt 
werden würden. Allerdings blieben die so erhaltenen Ausbeuten 
ausserordentlich hinter den Devilleschen zurück, was jedoch wohl ebenso 
der Verschiedenheit der verwendeten Leuchtgase wie der beträchtlich 
höheren Abkühlungstemperatur zuzuschreiben sein wird. 


Zur vorläufigen Orientirung wurde mit Chlorcaleium getrocknetes 
Leuchtgas durch ein auf etwa — 10° abgekühltes U-rohr geleitet und 
so nach einigen Stunden eine geringe Menge einer wasserhellen stark 
lichtbrechenden Flüssigkeit erhalten, die vorwiegend aus Benzol bestand. 
Eine Schwefelbestimmung nach Carius ergab darin 0,36 %o Schwefel. 


Zur Gewinnung grösserer Mengen dieser Flüssigkeit wurde der 
Versuch mit mehreren Condensationsröhren wochenlang fortgesetzt und 
so nach 4 Wochen 28,9 gr., nach weiteren 4 Wochen noch 19,4 gr. 
Flüssigkeit erhalten. Das Verhältniss der Gasmenge zur condensirten 
Flüssigkeit wurde an einigen Tagen auch quantitativ verfolgt. Die 
Ausbeute war eine ausserordentlich minimale. Es wurden nämlich 
erhalten: 


1. aus 115 Litern bei einem Strom von 24 Litern in der Stunde 


bei — 9° 0,03 gr. oder 0,26 gr. aus 1 cbm. 

3, aus 330 Litern bei einem Strom von 70 Litern in der Stunde 
bei — 10° 0,08 gr. oder 0,24 gr. aus 1 cbm. 

3. aus 230 Litern bei einem Strom von 46 Litern in der Stunde 
bei —-7° 0,04 gr. oder 0,17 gr. aus 1 chm. 


4. aus 480 Litern bei einem Strom von 82 Litern in der Stunde 
bei — 7° 0,075 gr. oder 0,16 gr. aus 1 cbm. 
Der Durchschnitt ist etwa 0,21 gr. Flüssigkeit aus 1 cbm 
Leuchtgas. 


Bei diesen niedrigen Ausbeuten glaubten wir auch die Bunsensche 
Methode, Saugen des Gases durch eitlen Alkohol, versuchen zu sollen. 
Bunsen!) hat so aus 1 cbm Heidelberger Gas 12 gr. einer aus fast 
remem Benzol bestehenden Flüssigkeit erhalten. In gleicher Weise 
erhielt Fischer aus Hannoverschem Leuchtgas 10,8 ccm flüssige 
Kohlenwasserstoffe aus 1 cbm, daraus 2,5 gr. Benzol. 

Ein Versuch mit Hamburger Leuchtgas hat, entsprechend der 
durch unmittelbare Condensation erhaltenen geringen Ausbeute auch 
hierbei ein sehr ungünstiges Resultat ergeben. 


!) Gasometrische Methoden G. 137. 
13 


134 M. Dennstedt und 0. Ahrens. 


Der Versuch war so angeordnet, dass das Gas zunächst eine 
Experimentirgasuhr und dann zwei Chlorcaleiumröhren durchstrich. 
Dann trat es durch ein Gabelrohr im zwei Gasströme getheilt, in je ein 
Pettenkofersches etwa 1 m langes und 3 cm weites Rohr, das mit 
eitlem Alkohol gefüllt war. Von hier gelangte es in eine mit eitlem 
Alkohol beschickte Waschflasche und von dort in die Saugpumpe. 
Die vom Alkohol aufgenommenen Kohlenwasserstoffe wurden nach 
der Bunsenschen Vorschrift abgeschieden und gesammelt. Erhalten 
wurden aus 1 cbm Gas nur 3,08 er. eimer Flüssigkeit, die genau 
dasselbe Verhalten wie die durch Abkühlung gewonnene zeigte. 

Obwohl die Ausbeute eine etwa fünfzehnmal grössere war als 
bei der Abkühlung und sich sicher durch Abkühlen des Alkohols 
noch erhöhen lässt, kehrten wir doch zu dem ersten Verfahren zurück, 
da das Gas nur in einem langsamen Strom durch den Alkohol gesaugt 
werden kann; das Durchleiten von 1 cbm Gas nahm mehrere Tage 
in Anspruch. 

Die gewonnenen Oele wurden nunmehr einer vielfachen, sorg- 
fältigen fractionirten Destillation unterworfen und hierbei aus den 
erhaltenen 28,9 gr. und 19,4 er. folgende Fractionen gewonnen: 


Siedepunkt bıs. 85% 5,6 0r: TEN alter! 
1 ’ oO | 41,2 0% ’ o° 29,4 0 


85— 95° 6,3 er. 3,0. er. 
95—110° 3,6 er. 3,1 gr. 

a | er 20,1 % 
E02 1950 Baron ee 


125—140° 30 or. 10,4% 25er. 19,8% 
140 —155° 3,0 gr. 908% 2,5002 930% 
155-c.200°0 3,0 g nn. 349.07, ; 
Rückstand und Verlust 1,7 er. 5.8205 220.98or: 4,6 
28.9.0r. 100,0 19,4 gr. 9929 
Eine nähere Untersuchung der einzelnen Fractionen bis zum 
Siedepunkt 140° ergab, dass sie hauptsächlich Benzol, Toluol und 
Xylole enthielten. Die Fractionen 140—155° und 155—200° ver- 
harzten zum grossen Theil auf Zusatz von concentrirter Schwefelsäure, 
die erste dieser Fractionen enthielt in erheblicher Menge Styrol, die 
zweite das von Krämer und Spilker ) im Steinkohlentheer entdeckte 
Inden. Um festzustellen, ob und in welchen Mengen annähernd 
organische Schwefelverbindungen vorhanden seien, wurden mit einzelnen 


dieser Fractionen Schwefelbestimmungen nach Carius ausgeführt und 
hierbei in der Fraction 1, Siedep. bis 85°, 0,96 % Schwefel, in der 
Fraetion 3, Siedep. 95—110°, 0,87 %, in der Fraction 4, Siedep. 


1) Ber. d. D. chem. Ges. 23. 3276. 
14 


Ueber das Hamburger Leuchtgäs. 135 


110—125°, 0,51 % und in der Fraction 7, Siedep. über 155°, 0,47 ° 
Schwefel gefunden. Man sieht, wie mit Erhöhung des Siedepunktes 
der Schwefelgehalt stetig abnimmt. 

Es war anzunehmen, dass im der ersten Fraction der Schwefel- 
gehalt hauptsächlich durch das Vorhandensein von Schwefelkohlenstoft 
bedingt sei. Eine Bestimmung des Schwefelkohlenstoffs darin mit 
Triäthylphosphin ergab aus 2,6550 gr. 0,0331 gr. (C,H,); PCS,, 
entsprechend 0,01297 gr. Schwefelkohlenstoff oder einen Gehalt von 
0,488 % Schwefelkohlenstoff. Diese Menge entspricht 0,41% Schwefel. 
Da aber im Ganzen 0,96 % Schwefel in dieser Fraction gefunden 
worden waren, so mussten etwa 0,5 %, also mehr als die Hälfte, ın 
Form anderer Schwefelverbindungen vorhanden sein. 

Die Vermuthung lag nahe, diesen Schwefel einem Gehalt an 
Thiophen und seimen Homologon zuzuschreiben. In der That gaben 
die Fractionen 1 — 3 sehr scharf und deutlich die bekannte Thiophen- 
reaction mit Isatin und Schwefelsäure, in den höheren Fractionen 
wurde die Reaction immer schwächer und undeutlicher und wurde 
schliesslich durch die schon mit conc. Schwefelsäure allein eintretende 
Färbung und Verharzung verdeckt. 

Der Nachweis für das Vorhandensein des Styrols in der Fraction 6 
wurde durch die Bildung des Styroldibromids, der Nachweis des Vor- 
handensems von Inden in der Fraction 7 
geführt. 


durch Bildung des Paraindens 


Die geringen Mengen des von uns in kleinem Maasstabe dar- 
gestellten Condensationsproductes würden nicht zu einer Fortsetzung 
dieser Versuche ausgereicht haben; wir smd daher der Direction der 
hiesigen Gaswerke zu grossem Dank verpflichtet, dass sie uns durch 
Ueberweisung einer grösseren Menge die Weiterführung der Unter- 
suchung ermöglicht hat. 

Nachdem wir uns überzeugt hatten, dass das gelieferte Con- 
densationsproduet nach entsprechender Reinigung qualitativ mit dem 
unseren übereinstimmte, schritten wir zu einer rationelleren Unter- 
suchung, indem wir vor der Fractionirung die etwa vorhandenen 
basischen Körper und die Verbindungen sauren Charakters (Phenole 
u. s. w.) entfernten. 


Die basischen Körper. 


Die rohen Oele wurden zur Entfernung der basischen Bestand- 
theile mit zweiprocentiger Salzsäure mehrmals geschüttelt, die sauren 
Auszüge eimgedampft und zur Entfernung des etwa mechanisch mit- 
gerissenen nicht basischen Oels sauer mit Aether ausgeschüttelt. 

15 11 


136 M. Dennstedt und C. Ahrens. 


Hierauf wurde alkalisch gemacht und mit Wasserdampf destillirt. 
Das übergehende Destillat, das keine Oeltröpfehen erkennen liess, 
bläute stark rothes Lackmuspapier und besass den charakteristischen 
Geruch der Pyridinbasen. Das Destillat wurde mit Salzsäure ange- 
säuert, auf dem Wasserbade eingedampft und dann über Schwefel- 
säure in den Exsiccator gebracht. Nach einigen Tagen hatten sich 
nadelförmige, an der Luft sofort zerfliessende Krystalle gebildet, sie 
wurden in wenig Wasser gelöst und fractionirt mit Platinchlorid 
gefällt. 

l. und 2. Fällung, orangegelbes Krystallpulver, das bei 180 
unter Zersetzung zu schmelzen begann. Der Platingehalt betrug 
39,64», demnach wahrscheinlich ein Gemisch von Platinsalmiak 
(44 % Pt.) und Pyridin- oder Picolin-Platinchlorid (34,5 % Pt.). 

3. Fällung, orangerothe Krystalle vom Schmelzpunkt 177 — 
179°, Platingehalt 33,06 %, Picolinplatinchlorid verlangt 33,0 %o Pt. 
Schmelzpunkt des «-Picolinplatinchlorids 178°. 

4. Fällung, orangerothe Krystalle vom Schmelzpunkt 240— 
241°, demnach Pyridinplatinchlorid. 

5. Fällung, orangerothe Krystalle, die bei c.180° zu schmelzen 
begannen, aber erst bei 240° vollständig geschmolzen waren, demnach 
wahrscheinlich ein Gemisch von Pyridin- und Picolinplatinchlorid. 

6. Fällung, orangerothe Krystalle vom Schmelzpunkt 180— 
196°, demnach vermuthlich ein Gemisch von «-Picolinplatinchlorid 
und £-Picolinplatinchlorid. (Smp. 195°). 

’. Fällung, orangerothe Krystalle, bei 150—185° schmelzend, 
also wohl wesentlich «-Picolinplatinchlorid. 

Die Gesammtmenge der in dem Rohöle befindlichen Basen be- 


nn 


trug etwa 0,1%. 


Die Körper sauren Charakters. 


Nach Entfernung der Basen wurden die rohen Oele mehrere 
Male mit dreiprocentiger Kalilauge ausgeschüttelt. Die vom Oel 
getrennte klare, rothbraune alkalische Lösung wurde bis zur sauren Reac- 
tion mit verd. Schwefelsäure versetzt und die getrübte Flüssigkeit so lange 
mit Aether ausgeschüttelt, als dieser noch etwas aufnahm. Der Aether 
hinterliess ein dunkelgefärbtes stark phenol- und etwas rettigartig 
riechendes Oel, das ziemlich constant unter theilweiser Zersetzung bei 
etwa 220° sott, hierbei vollständig wasserhell überging, sich an der 
Luft aber sehr bald roth bis braun färbte. Die Ausbeute war nur 
gering, sie betrug etwa 0,4% des angewandten Oels. 

16 


Ueber das Hamburger Leuchtgas. 137 


In alkoholischer Lösung gab das Oel mit Eisenchlorid eine 
dunkelgrüne, nach dem Verdünnen mit Wasser eine schwach bläuliche 
Färbung. Diese Eigenschaften würden ungefähr auf Metaxylenol (1.3.4) 
stimmen, das Jacobsen ) in ähnlicher Weise beschreibt. Doch gab 
eine Verbrennung keine darauf stimmenden Zahlen, es wurden nämlich 
erhalten aus 0,1771 er. 0,4804 gr. Kohlensäure und 0,1068 gr. Wasser, 
daraus berechnet sich 73,97 %o Kohlenstoff und 6,72% Wasserstoff; 
Xylenol verlangt 78,7 und 8,2 °. 

Mit rauchender Salpetersäure zersetzt sich der Körper explo- 
sionsartig. 

Nach der Farbenreaction und dem Siedepunkte könnte auch 
noch Guajacol und Kreosol in Frage kommen. 

Das phenolartige Oel enthielt ausserdem auch Schwefel. Eine 
Schwefelbestimmung nach Pearson ergab emen Schwefelgehalt von 
0,97 %. 

Der Schwefelgehalt ist wahrscheinlich durch in geringer Menge 
vorhandene Thiophenole bedingt, im alkoholischer Lösung mit alko- 
holischem Quecksilberchlorid oder alkoholischem Bleiacetat versetzt, 
erhält man auf Zusatz von Wasser einen deutlichen weissen Niederschlag. 


Die indifferenten Körper. 


Die von den basischen und sauren Bestandtheilen befreiten 
Oele wurden nunmehr mit dem Le Belschen Aufsatz einer mehrfachen 
sorgfältigen Destillation unterworfen und hierbei folgende Fractionen 


erhalten: 
Me 10a nen 10,8% 
DOT nenn. 8,4 „ 
I en La 
RENODE INNE nee: 92,7., 
EUER OUT u eennnen.as. 46,8 „, 
100,0 %o 


Die über 190° siedende Fraction enthielt etwa zur Hälfte 
Napthalin, das von diesem getrennte Oel konnte noch keiner näheren 
Untersuchung unterzogen werden, seine Bearbeitung ist aber m Angriff 
genommen. 

Die Fraction 3 vom Siedepunkt 130—-160° wurde einer 
weiteren sorgfältigen Fractionirung unter Anwendung des Le Belschen 
Aufsatzes unterzogen und hierbei zu etwa 19% ein constant bei 
144—146° siedendes Oel erhalten. Dieses Oel zeigte alle Eigen- 


1) Ber. d. D. chem. Ges. 11.374. 
17 118 


138 M. Dennstedt und (©. Ahrens. 


schaften des Styrols C;H;. Bei einer direeten Titration der ursprüng- 
lichen bei 1350—160° siedenden Fraction mit Brom, konnte ihr Gehalt 
an Styrol zu etwa 11° festgestellt werden, während Krämer und 
Spilker ) im Rohxylol des Steinkohlentheers etwa 6% Styrol gefunden 
haben, das Condensationsproduct ist demnach doppelt so reich an 
Styrol als das Rohxylol des Steinkohlentheers. Obgleich die isolirte 
Fraction nahezu den Siedepunkt des Styrols (145—146°) besitzt, so 
besteht sie doch noch bei Weitem nicht aus reinem Styrol, es zeigt 
sıch dies besonders bei der Polimerisation mit conc. Schwefelsäure, 
die nur langsam und weniger glatt wie bei dem synthetischen Styrol 
verläuft, auch die Ausbeute an Styroldibromid bleibt weit hinter der 
theoretischen zurück; so wurden aus 5,6 gr. des Oels beim Bromiren 
in chloroformiger Lösung nach Glaser nur 4 gr. festes Dibromid 
erhalten, anstatt der nach der Theorie zu erwartenden 14,2 er. 
Theilweise mag diese schlechte Ausbeute begründet sem in der 
gleichzeitigen Bildung eines flüssigen Dibromids (?), das nach den 
Beobachtungen Zinckes ®) neben dem festen Dibromid entsteht. ° Wir 
erhielten neben den 4 gr. festen Dihromids noch 4,5 gr. eines braunen, 
‚stark riechenden Oels, sind aber im Zweifel, ob dies thatsächlich aus 
einem flüssigen bromirten Styrol oder nicht vielmehr wenigstens zum 
grössten Theil aus nicht bromirten gesättigten Kohlenwasserstoffen, 
die in dem ursprünglichen Oel enthalten sind, besteht. Weitere Unter- 
suchung soll über diesen Punkt Aufklärung geben. 

Das feste Dibromid stellte aus SOprocentigem Alkohol um- 
krystallisirt feme weisse Krystallnadeln dar, die bei 73,5 —74" schmolzen 
und bei der Analyse 60,40 "o Brom ergaben statt der von der Theorie 
geforderten 60,60 '. 

Die Fraction 4 vom Siedepunkt 160—190° besteht der 
Hauptmenge nach aus Inden (, H;. 

Das Inden wurde von Krämer und Spilker®) in den zwischen 
175 — 185 siedenden Antheilen des Steinkohlentheers entdeckt; im 
Leuchtgas kommt es gleichfalls in erheblicher Menge vor. 

Zu seimer Gewinnung wurde die bei 160-—190° siedende Fraction 
des Condensationsproductes einer vielfachen Destillation mit dem 
Le Belschen Aufsatz unterworfen und das bei 176—182° Ueber- 
gehende gesondert aufgefangen. Das sich abscheidende Naphtalin 
wurde durch Ausfrieren nach Möglichkeit beseitigt. Die Fraction 


1) Ber. d. D. chem. Ges. 23. 3282. 
2) Ann. Chem. Pharm. 154. 154. 
3) Ann. Chem. Pharm. 216. 288. 
4) Ber. d. D."chem. Ges. 23. 3276. 
18 


Ueber das Hamburger Leuchtgas. 139 


176—182° vererösserte sich bei jedesmaligem Durchsieden und betrug 
nach siebenmaliger Destillation 42% der Gesammtmenge. Sie stellte 
ein farbloses, leicht bewegliches Oel von angenehmem Geruch dar, 
das bei Berührung mit conc. Schwefelsäure sich augenblicklich unter 
Rothfärbung in das feste Parainden verwandelte. Von Krämer und 
Spilker wurde das Parainden als harzartiger Körper erhalten, wenn 
eine ätherische Indenlösung mit conc. Schwefelsäure versetzt, dann 
mit Natronlauge gewaschen und der Aether verdunstet wurde. Das 
so gewonnene Parainden enthielt noch über 3% Schwefelsäure und 
konnte bei der trockenen Destillation nicht in Inden zurückverwandelt 
werden. 

Wir haben das Parainden auf folgende Weise vollständig rein und 
schwefelfrei erhalten. Wir vermischten kleine Portionen bis zu 10 gr. 
der Fraction 176—182° in einer mit Eis gekühlten Porzellanschaale 
sehr langsam unter Umrühren mit conc. Schwefelsäure, bis keine 
Harzabscheidung mehr bemerkbar war. Die so gebildete klebrige, 
dunkelrothe Masse wurde darauf mit Eiswasser durchgeknetet, bis sie 
fast weiss geworden, durch Waschen mit Wasser von anhaftender 
Schwefelsäure befreit und mit 4procentiger Natronlauge behandelt, 
um etwa eebildete Sulfosäuren zu entfernen, hierauf wieder mit Wasser 
ausgewaschen und zwischen Leinwand ausgepresst. Es stellte nunmehr 
eine röthlich weisse amorphe Masse dar. Diese wurde nun in kleinen 
Mengen in möglichst wenig Aether gelöst und in einen Ueberschuss 
von eitlem Alkohol hineinfiltrirt. Das Parainden scheidet sich dann 
in leichten, weissen, voluminösen Flocken aus. Nach zwölfstündigem 
Stehen wurde filtrirt und mit kaltem eitlem Alkohol nachgewaschen. 
Dieses Verfahren wurde so oft wiederholt, bis das Product schneeweiss 
geworden war. Es stellt in reinem Zustande ein amorphes, leichtes 
Pulver dar, das bei etwa 150° zusammensintert und bei 161—164° 
schmilzt. Es ist in Aether, auch in der Kälte sehr leicht löslich, in 
kaltem eitlen Alkohol unlöslich, in warmem sehr schwer löslich, Chloro- 
form und Benzol lösen es leicht. Krystallinisch wurde es nicht er- 
halten, aber vollständig schwefelfrei, wie ein quantitativer Versuch 
nach Carius erwies. 

Die Verbrennung einer drei Mal nach obigem Verfahren ge- 
reinigten Probe gab folgendes Resultat: Angewandt: 0,2406 gr., er- 
haltene Kohlensäure: 0,5170 gr., Wasser: 0,1522. 


Berechnet für: Gefunden: 
(C, H,) n 

€ = 93,10% 92,68 % 

H= 6,89, 02, 


19 


140 M. Dennstedt und (©. Ahrens. 


Durch Destillation im luftverdünnten Raum kann das Parainden 
zum grossen Theil in Inden zurückverwandelt werden; gleichzeitig 
bildet sich hierbei ein in Nadeln krystallisirender Körper, dessen 
weitere Untersuchung wir uns vorbehalten. Neben dem Parainden 
etwa 45° entsteht bei der Behandlung mit conc. Schwefelsäure aus 
der Fraction 176—182° in geringer Menge eine in Nadeln krystalli- 
sirende Säure und sehr kleine Mengen eines stark riechenden mit 
Wasserdämpfen flüchtigen Oels. Beide sollen noch näher untersucht 
werden. 


Ueber die Schädlichkeit des Schwefelgehalts im 
Leuchtgase. 

Aus den vorstehend geschilderten Versuchen geht hervor, dass 
der Schwefelgehalt des Hamburger Leuchtgases zum grossen Theil 
durch einen Gehalt an Schwefelkohlenstofft bedingt wird, dass aber 
auch Thiophen und seine Homologen und wahrschemlich auch 
Thiophenole dazu wesentlich beitragen. Wenn es bisher nicht gelungen 
ist, diese anderen organischen Schwefelverbindungen in reinem Zustande 
zu isoliren und ihre chemische Natur festzustellen, so findet dies seine 
Erklärung und Entschuldigung darin, dass sie nur in verschwindend 
geringen Mengen im Leuchtgase vorkommen und dass gewaltige Massen 
Gas verarbeitet werden müssten, um sie in genügender Quantität zu 
erhalten. Trotzdem sollen diese Versuche, da wir noch über grössere 
Mengen des Condensationsproductes verfügen, fortgesetzt werden. Die 
Feststellung ihrer Natur hat auch nur ein mehr wissenschaftliches 
Interesse, denn wenn sich die thatsächliche Schädlichkeit eines hohen 
Schwefelgehaltes erweisen lässt, so wird man in der Praxis weniger 
darauf bedacht sein, durch besondere Reinigungverfahren diese Ver- 
bindungen aus dem Leuchtgase zu entfernen, als vielmehr durch 
Auswahl passender Kohlen und durch die Art der Vergasung, ihre 
Bildung nach Möglichkeit zu verhindern suchen. 

Was diese Schädlichkeit des Schwefels im  Leuchtgase 
anbetrifit, so ist darüber nach Schilling) viel „gefabelt“ worden, 
nach ihm ist eine solche Schädlichkeit vollständig zu verneinen, 
wobei er allerdngss von der Annahme ausgeht, dass der 
Schwefelgehalt die in England zulässige Grenze von 0,57 gr. im 
cbm nicht übersteige und der Schwefel zu Schwefeldioxyd ver- 
brenne. Ebenso wies Pettenkofer”) nach, wiederum unter der Annahme, 
dass der Schwefel zu Schwefeldioxyd verbrenne, dass diese Verunreinigung 


1) Handb. f. Gasbel. S. 175. 
2) Journ. f. Gasbel, 1885. S. 825. 
20 


Ueber das Hamburger Leuchtgas. 141 


in Folge der natürlichen Ventilation nicht wahrnehmbar und daher 
nicht schädlich sei. Gegen diese Ansichten und namentlich gegen die 
von Schillmg') angestellten Berechnungen wird sich ein ernstlicher 
Einwand kaum erheben lassen, wenn thatsächlich der Schwefel im 
Leuchtgas nur zu Schwefeldioxyd und nicht entweder vollständig oder 
doch in erheblicher Menge auch zu Schwefelsäure verbrennt. Ist aber 
letzteres der Fall, dann nimmt die Frage ein ganz anderes Gesicht 
an; das zunächst in der Flamme entstandene Schwefeltrioxyd wird mit 
dem gleichfalls gebildeten oder in der Luft vorhandenen Wasserdampf 
zu feinen Tröpfehen von Schwefelsäure zusammentreten, die selbst 
durch eine starke Ventilation nur unvollkommen abgeführt werden. 
Sie werden sich aus der Luft allmälıg auf die feste Umgebung nieder- 
schlagen, sich mit der Zeit zu beträchtlichen Mengen ansammeln und 
bei angreifbaren Stoffen ein stets sich steigerndes Zerstörungswerk 
vollziehen. Ob auch hygienische Bedenken in dieser Hinsicht zu hegen 
seien, wollen wir ärztlichem Urtheil überlassen, wir neigen der Meinung 
zu, dass die in der Luft schwebende Schwefelsäure, so lange der 
Gehalt des verbrannten Gases an Schwefel nur ein geringer war, sich 
in niedrigen Grenzen bewegen wird, selbst bei längerem Athmen der- 
artiger Luft wird verhältnismässig wenig Schwefelsäure in die Lungen 
gelangen und da die Zeit der Einwirkung stets eine beschränkte bleibt, 
so wird der Körper, wenigstens bei gesunden und kräftigen Personen, 
sobald er die schwefelsäurehaltige Luft verlässt, diese sehr schnell 
ohne Schaden wieder elimmiren; man denke nur an die erheblichen 
Mengen von Säuredämpfen, die man oft in den chemischen Laboratorien 
ohne besondere Behelligung einathmet. Ein Anderes jedoch ist es 
mit vielen unbelebten organischen Stoffen und mit Pflanzen, hier wird 
allmälig eine Anreicherung an Schwefelsäure stattfinden, die schliesslich, 
früher oder später, je nach der Natur und Empfindlichkeit der Gegen- 
stände, zur Schädigung führen muss. Jedenfalls scheint der Umstand, 
dass viele Gewebe, und vor allem Leder und die meisten Pflanzen, bei 
Benutzung eines stark schwefelhaltigen Gases zu Grunde gehen, in der 
Bildung von Schwefelsäure seinen Grund zu haben. 

Es spitzt sich daher die Frage zunächst dahin zu: verbrennt 
der im Leuchtgas enthaltene Schwefel zu Schwefeldioxyd oder verbrennt 
er vollständig oder auch nur in erheblicher Menge zu Schwefelsäure? 

Der Nachweiss, dass sich beim Verbrennen von Leuchtgas Schwefel- 
säure bildet, ist zuerst in Hamburg und zwar von Ulex?) geführt worden ; 


») loc. cit. 176. 
?) Deutsche Industrieztg. 1870. 370. 
21 


142 M. Dennstedt und C. Ahrens. 


von ihm stammt der viel gesehene und bestaunte Vorlesungsversuch, 
dass an einer mit kaltem Wasser gefüllten und mit einem Bunsen- 
brenner erhitzten grossen Platinschaale sich nach einigen Stunden 
Tröpfehen von conc. Schwefelsäure ansammeln, deren Identität nicht 
nur durch Chlorbaryum, sondern sogar durch Verkohlen von Papier 
und anderen durch Schwefelsäure angreifbaren Stoffen festgestellt 
werden kann. Diese Versuche stammen aus der Zeit vor 1870, da 
aber durch sie diese wichtige Frage zuerst aufgeworfen wurde, die 
Untersuchungen sich auch auf Hamburger Gas beziehen und Ulex!) seine 
Beobachtungen mit grossem Scharfsinn interpretirte, so mögen emige 
seiner Ausführungen wörtlich angeführt werden: 

„Dass das rohe Steinkohlengas Schwefel enthält, ist eine 
allbekannte Thatsache. Der Schwefelkies fehlt m keiner Stem- 
kohle und der Schwefel desselben geht in verschiedenen Ver- 
bindungen in das Gas über. Eine dieser Verbindungen, das Schwefel- 
wasserstoffgas, wird durch den Reinigungsprozess vollständig aus 
dem Gase entfernt; eine andere, der Schwefelkohlenstoff, dagegen 
nicht; er bleibt, gleichzeitig mit stickstoffhaltigen Verbindungen 
darin zurück, und verleiht wesentlich dem Gase jenen eigen- 
thümlichen Geruch, durch welchen es sich unverbrannt, so leicht 
bemerklich macht. 

Die Gegenwart dieser Schwefelverbindung im Gase lässt 
sich in folgenden verschiedenen Weisen praktisch ermitteln. 

Füllt man eine Platinschaale etwa mit "» Liter Wasser, 
und erhitzt sie so lange über einem Bunsenschen Gasbrenner bis 
das Wasser verdampft ist, so findet man aussen an der Schaale, 
da wo die Flamme den Boden derselben berührt, eine schmierige 
Flüssigkeit, welche sich als concentrirte Schwefelsäure 
erweist. 

Einen zweiten Nachweis vom Schwefelgehalt des geremigten 
Kohlengases kann man sich von den Lampengläsern verschaffen. 
Nach kurzer Zeit des Gebrauchs beschlagen sie sich inwendig 
weiss und zeigen stellenweise Incrustationen. Spült man sie mit 
Wasser aus, so findet man in diesem schwefelsaures 
Ammoniumoxyd. 

Zuletzt noch folgenden überraschenden Nachweis. Haben 
in einem Zimmer einige Abende über eine oder mehrere Gas- 
flammen gebrannt, so braucht man nur mit den Fingerspitzen an 
einer Fensterscheibe mehrmals hin- und herzureiben und diese mit 


1) Journ, f. Gasbel, 1870. 537. 
22 


Ueber das Hamburger Leuchtgas. 143 


destillirtem Wasser abzuspülen, um eine Lösung zu erhalten, 
welche auf Zusatz von Chlorbaryum weiss und milchig von schwefel- 
saurem Baryt, — und auf den von Kalium-Quecksilber-Jodid, ziegel- 
roth wird. — Werden Fenster eines Zimmers, in welchem Gas 
brennt, etwa 8 Tage hindurch nicht abgewaschen, so bemerkt 
man auf denselben, im Schein der Sonne, Tausende kleiner 
glänzender Krystalle, welche die eben angeführten Reactionen 
geben und sich als schwefelsaures Ammoniak erweisen, welches, 
da die Lösung sauer reagirt, Ueberschuss an Schwefelsäure hat. 
Dem Inhalt der Zimmerluft an sauren schwefelsauren 
Ammoniakdämpfen ist es höchstwahrschemlich zuzuschreiben, wes- 
halb Pflanzen so schwer in derselben zu ziehen sind und oftmals 
in ihr absterben und weshalb Personen mit empfindlichen 
Respirationsorganen über Trockenheit der Luft in Zimmern, wo 
Gras gebrannt wird, klagen, während in Wirklichkeit die Feuchtigkeit 
derselben durch brennendes Gas so bedeutend vermehrt wird.“ 
A. Vogel‘) hat den Ulexschen Versuch noch dahin erweitert, 
dass er die Bildung von Schwefelsäure auch beim kurzen Erhitzen 
kleiner Platinschaalen durch Baryumchlorid nachwies. Von E. v. Meyer‘) 
ist später darauf aufmerksam gemacht worden, dass diese Bildung von 
Schwefelsäure sogar zu einer Fehlerquelle bei der chemischen Analyse 
werden kann und zwar nicht nur bei Anwendung von Platinschaalen 
sondern auch von Porzellanschaalen. Ferner hat Lieben‘) die oft 
beobachtete Abnutzung der zu Wasserbädern in den Laboratorien ver- 
wendeten Gefässe aus Kupfer und Eisen zum Theil auf die durch die 
Gasflammen gebildete Schwefelsäure zurückgeführt. Endlich ist von 
Young® m einer uns leider im Original nicht zugänglichen Arbeit der 
Beweis von der Bildung der Schwefelsäure im brennenden Leuchtgas 
erbracht worden. Trotzdem ist die aus diesen Beobachtungen gezogene 
Schlussfolgerung, dass beim Brennen von Steinkohlengas in der Flamme 
freie Schwefelsäure gebildet werde, von Neuem in jüngster Zeit von 
E. Priwoznik’) auf das Entschiedendste bestritten worden, nach ıhm 
soll die Bildung freier Schwefelsäure in der Gasflamme an sich über- 
haupt nicht eintreten, sondern nur Bildung von Ammoniumsulfat, freie 
Schwefelsäure trete erst auf m der nicht leuchtenden Bunsenflamme 
an der Platinschaale und hier soll die Bildung der freien Schwefel- 


1) N. Rep. Pharm. 20. 335. 
2) Journ. f. prakt. Chemie 1890. 270. 
3) Sitzungsber. der Akad. der Wissenschaften in Wien 13. 292. 
4, Jahresber. 1876. 970. 
5) Ber, d. D. chem. Ges. 25. 2200 u. 2676. 
23 


144 M. Dennstedt und C. Ahrens. 


säure von der Natur des Materials, aus dem die zu den Versuchen 
verwendeten Schaalen bestehen, abhängen, sie soll bewirkt werden durch 
den von den starren Körpern absorbirten Luftsauerstoff und daher 
komme es, dass Platin, das in ausserordentlich starkem Maasse die 
Fähigkeit besitze, Gase an seiner Oberfläche zu verdichten, die Bildung 
von Schwefelsäure unter den geschilderten Bedingungen in besonders 
hohem Grade verursache, während Schaalen aus Porzellan oder 
emaillirtem Eisen bei keiner wie immer gewählten Stellung und Grösse 
der Flamme Schwefelsäuretröpfen in deutlich wahrnehmbarer Menge 
hervorbringe. Diese Annahmen beruhen jedoch auf einem Irrthum 
denn thatsächlich ist die Bildung der Schwefelsäure von dem 
Material an dem die Verdichtung stattfindet, fast vollständig 
unabhängig und wenn es auch uns nicht gelungen ist, die Bildung 
von Tröpfehen cone. Schwefelsäure an Porzellanschaalen z. B. hervor- 
zubringen, so hat dieser Misserfolg mit dem fehlenden Absorptions- 
vermögen des Materials für Sauerstoff absolut nichts zu thun, sondern 
findet in Folgendem weit ungezwungenere Erklärung. Die Schwefel- 
säure bildet sich bereits in der Flamme und wird zunächst mit den 
Wasserdämpfen an der kalt gehaltenen Platinschaale niedergeschlagen, 
nach einiger Zeit erwärmt sich aber das Platin durch die es um- 
spülenden Flammengase, aber bei seinem starkem Wärmeleitung- 
vermögen werden selbst die äussersten Schichten des Metalls nur wenig 
über den Siedepunkt des Wassers erhitzt, Wasser wird sich daher nicht 
mehr niederschlagen, wohl aber die gebildete Schwefelsäure, deren 
Siedepunkt selbst an der äussersten Schicht des Metalls niemals erreicht 
wird. Anders bei Porzellan oder auch emaillirtem Eisen, hier ist 
die Wärmeleitung des Materials so gering, dass die mit den Flammen- 
gasen unmittelbar in Berührung kommende äusserste Schicht weit über 
den Siedepunkt des Wassers und sogar über den der Schwefelsäure 
kommt und die Schwefelsäuredämpfe werden nicht verdichtet. Dass 
die Schwefelsäure aber thatsächlich gebildet wird, lässt sich durch 
folgenden Versuch nachweisen: man brenne unter einer grösseren 
Porzellanschaale, die durch stetig zu- und ablaufendes kaltes Wasser 
gekühlt wird, einige Zeit eine mittlere Bunsenflamme und sorge durch 
Schiefstellen der Schaale dafür, dass das am Boden condensirte 
Wasser in ein untergestelltes Gefäss abfliessen kann. Dieses Wasser 
zeigt schon nach kurzer Zeit saure Reaction und giebt mit Salzsäure 
angesäuert und einem Tropfen Chlorbaryum versetzt deutliche Trübung. 

Obgleich bei dieser Anordnung des Versuchs gewiss nur ein 
kleiner Theil der gebildeten Schwefelsäure condensirt wird, haben wir 
ihn doch auch quantitativ anstellen zu sollen geglaubt. 

24 


Ueber das Hamburger Leuchtgas. 145 


100 Liter Gas wurden in der geschilderten Weise verbrannt, 
das eondensirte Wasser gesammelt und die Schwefelsäure mit Chlor- 
baryum gefällt, es wurden erhalten 0,0272 gr. BaSO, entsprechend 
0,0114 er. H,SO, oder aus 1 cbm. 0,114 gr. Das verwendete Gas 
hatte zur Zeit des Versuchs einen Schwefelgehalt von 1,25 gr. im cbm., 
wäre dieser Schwefel vollständig zu Schwefelsäure verbrannt, so hätten 
3,825 gr. Schwefelsäure gebildet werden müssen, von diesen wären 
dann nur 2,98 % verdichtet worden, das übrige in die Luft entwichen. 

Eine bessere Ausbeute erhält man allerdings bei Anwendung 
einer Platinschaale, aber wie aus später zu beschreibenden Versuchen 
hervorgeht, liest dies nur an der vollkommneren Condensation. 
100 Liter Gas wurden unter der mit Wasser gefüllten Platinschaale, 
deren Inhalt nicht ganz bis zum Sieden erhitzt war, verbrannt und 
die gebildeten Schwefelsäuretröpfehen abgespült und nach dem An- 
säuern mit Salzsäure mit Chlorbaryum gefällt. Erhalten wurden 
0,0555 gr. BaSO,, entsprechend 0,0233 gr. H,SO,, d.i. 6,09% von 
der möglichen Menge. 

Ebenso wie Porzellan verhält sich auch Glas, hier lässt sich 
die Bildung der Schwefelsäure in folgender zu eimem Vorlesungs- 
versuch geeigneten Weise zeigen: man erhitze einen mit kaltem 
Wasser gefüllten 2 Literkolben kurze Zeit über einer grossen Bunsen- 
flamme, das an ihm niedergeschlagene Wasser zeigt saure Reac- 
tion und giebt mit Salzsäure angesäuert und mit einigen Tropfen 
Chlorbaryum versetzt deutlichen Niederschlag. Die so condensirte 
Menge Schwefelsäure ist ausserordentlich gering. Spült man die saure 
Flüssigkeit von dem Kolben auf ein Uhrglas und dampft zur Trockne, 
so hinterbleiben deutliche Krystallisationen von saurem schwefelsauren 
Ammoniak neben freier Schwefelsäure. Bei 10maliger Wiederholung 
des Versuchs mit je 3 Liter Gas wurde im Ganzen ein Rückstand von 
0,004 gr. erhalten, der, trotzdem man deutlich mit der Loupe die 
feinen Krystallnadeln des sauren Ammonsulfats erkennen konnte, mit 
Nessler’s Reagenz nur schwach die Ammoniakreaction gab, während 
die Schwefelsäurereaction sehr deutlich eintrat. Um bei Hamburger 
Gas überhaupt die Schwefelsäurereaction eintreten zu lassen, genügt 
ein Erhitzen von wenigen Seeunden und das Verbrennen von einem 
Liter Gas. 

. E. Priwoznik hat die von ihm angenommene Wirkung des 
Platins noch durch das folgende Experiment zu erweisen versucht: 
Er hat über eine Schwefeldioxyd entwickelnde Lösung eine mit der 
Alkoholflamme oder brennender Kohle glühend gemachte Platin- 


schaale gestülpt und erkalten gelassen, die Schaale mit destillirtem 
25 


146 M. Dennstedt und ©. Ahrens. 


Wasser ausgespült und darin die gebildete Schwefelsäure mit 
Salzsäure und Chlorbaryum nachgewiesen, Wir haben den Versuch 
wiederholt und können seine Richtigkeit nur bestätigen, aber er 
wäre doch nur dann für die dem Platin ausschliesslich zuge- 
schriebene Wirkung beweisend, wenn nachgewiesen werden könnte, 
dass Schaalen aus anderem Material sich anders verhielten. Das ist 
aber nicht der Fall: Porzellan thut’s auch! Wir haben, um jeden 
möglichen Einwand auszuschliessen, wie folgt verfahren: eine sorgfältig 
gereinigte Porzellanschaale wurde über dem Alkoholgebläse zum 
Glühen erhitzt und über eine kleinere Porzellanschaale, die eine 
wässrige, frisch dargestellte, keine Spur von Schwefelsäure enthaltende 
Lösung von Schwefeldioxyd enthielt und auf einem kleinen erhitzten 
Sandbade stand, gestülpt und erkalten gelassen. Wurde die Schaale 
dann mit destillirtem Wasser ausgespült, so zeigte dieses stets genau 
die gleiche Schwefelsäurereaetion wie bei Anwendung einer Platin- 
schaale. Die Oxydation kommt also nicht ausschliesslich dem Platin zu. 

Ebensowenig können wir uns auch mit E. Priwoznik’s zweiten 
Behauptung einverstanden erklären, dass beim Verbrennen von Leuchtgas 
in freier Flamme überhaupt keine freie Schwefelsäure gebildet werde 
ausser bei Berührung mit Platin, sondern nur schwefelsaures Ammonium, 
wobei das hierzu nöthige Ammoniak aus der atmosphärischen Luft 
stammen oder sich gar aus dem Stickstoff der Luft in der Flamme 
bilden soll. Er stützt seine Behauptung auf die von ihm beobachteten 
Ammoniumsulfatbeschläge an Platinschaalen und die Ammoniumsalz- 
bildungen an über Flammen aufgehängten Rauchdeckeln. Obwohl wir 
die von ihm beschriebenen Beschläge an der Platinschaale bei Ham- 
burger Gas, auf dessen Verhalten in dieser Beziehung wir noch weiter 
unten zurückkommen, nicht ganz in der von ihm beschriebenen Weise 
erhalten konnten, so sollen seine Beobachtungen, ebensowenig die an 
den Rauchdeckeln nicht, in Zweifel gezogen werden, bestritten wird 
aber, dass Ammoniumsulfat das unmittelbare Verbrennungsproduct des 
Schwefels im Leuchtgase sei; wir glauben vielmehr, dass das von 
Priwoznik beobachtete Ammoniak zum grössten Theil aus dem ver- 
wendeten Leuchtgas stammte, dass sich zuerst in der Flamme saures 
Ammonsulfat bildete, das erst allmählig durch Aufnahme von weiterem 
vermuthlich ebenfalls aus dem Leuchtgas stammenden Ammoniak in 
neutrales Ammoniumsulfat umwandelte, denn die unendlich kleinen 
Spuren von Ammoniak, die in der atmosphärischen Luft enthalten 
sind, kommen wenigstens bei den in so kurzer Zeit sich bildenden 
Beschlägen an der Platinschaale und an den Glaskolben nicht in 
Betracht. Hamburger Leuchtgas enthält nur wenig Ammoniak; bei 

236 


Ueber das Hamburger Leuchtgas. 147 


Untersuchung eines aus 0,5 gr. bestehenden Beschlages, der sich an 
einem messingenen Rauchdeckel in einem Wohnzimmer gebildet hatte, 
konnten daher nur 0,54 'o NH, entsprechend 2,3 Yo Ammoniumbisulfat 
gefunden werden, im übrigen bestand der Beschlag aus Kupfersulfat. 
Dass die geringe Menge Ammoniak in diesem Falle, theilweise 
wenigstens, aus der Atmosphäre stammte, ist zwar denkbar, da sich 
der Beschlag im Laufe von Monaten gebildet hatte; wir glauben 
trotzdem ihn auf den geringen Ammoniakgehalt des Leuchtgases 
zurückführen und dies durch folgende Versuche erweisen zu können. 


1. Ungefähr 250 Liter Gas wurden unter der kühl gehaltenen 
Platinschaale mit grosser nicht leuchtender Flamme im Bunsenbrenner 
verbrannt. Die Schaale stand so, dass sie die Flamme etwa in ihrem 
oberen Drittel durchschnitt. Es bildeten sich die bekannten Schwefel- 
säuretröpfehen. Nach Beendigung des Versuchs wurde jedoch beobachtet, 
dass ein Theil dieser Tröpfchen, und zwar namentlich die dem Kreise 
der durchschnittenen Flamme folgenden, nach innen zu belegenen, beim 
Erkalten zu einer krystallinischen Masse erstarrten; sie bestanden in 
Ueberemstimmung mit den Versuchen von Ulex aus saurem schwefel- 
saurem Ammonium. In Wasser gelöst gaben sie mit Nesslers Reagenz 
starke Ammoniakfällung, die Lösung zeigte saure Reaction. Die 
Tröpfehen an der äusseren Peripherie, von dem inneren Ringe etwa 
2 em entfernt, erstarrten jedoch nicht und verkohlten Fliesspapier, sie 
bestanden aus freier Schwefelsäure. Das geschmolzene saure Ammonium- 
sulfat sieht den condensirten Schwefelsäuretröpfehen so zum Verwechseln 
ähnlich, dass man beide mit dem Auge nur am Erstarren oder Nicht- 
erstarren unterscheiden kann. Spült man ohne dies abzuwarten den 
Boden der Schaale mit destillirtem Wasser ab, so zeigt dies stark 
saure Reaction und giebt die Schwefelsäurefällung, ohne dass freie 
Schwefelsäure vorhanden gewesen zu sein braucht. 


2. Um zu beweisen, dass das beobachtete Ammoniak aus dem 
Leuchtgase stammte, nicht aber aus der Atmosphäre oder gar sich 
aus dem Stickstoff der Luft erst in der Flamme gebildet habe, wurde 
der Versuch wie folgt wiederholt. 


Ungefähr 250 Liter Gas wurden in der nämlichen Weise unter 
der Platinschaale verbrannt, das Gas aber vorher durch Leiten über 
mit verd. Schwefelsäure getränkte Bimsteinstückchen möglichst von 
Ammoniak befreit. Es bildeten sich in gleicher Weise die Tröpfehen 
an der Schaale, beim Erkalten erstarrten sie aber nicht, auch nicht 
theilweise, sie verkohlten Fliesspapier. Mit destillirtem Wasser auf- 
genommen, gaben sie mit Nesslers Reagenz keine heaction; es 

27 


148 M. Dennstedt und 0. Ahrens. 


hatte sich also nur freie Schwefelsäure gebildet und das ım ersten 
Versuch beobachtete Ammoniak stammte ausschliesslich aus 
dem Leuchtgase. 


9 
9) 


Der Gedanke lag nahe, den Schwefelgehalt des Leuchtgases 
dadurch unschädlich zu machen, dass man semen Ammoniakgehalt 
so weit vermehrte, dass die beim Verbrennen entstehende Schwefel- 
säure vollständig von Ammoniak durch Bildung des neutralen Salzes 
gebunden werde. Um diesen Gedanken auf seine Richtigkeit zu 
prüfen, wurden wiederum ungefähr 250 Liter Gas unter der Platin- 
schaale verbrannt, das Gas aber vorher durch verdünnte Ammoniak- 
flüssigkeit geleitet. Es setzten sich am Boden der Schaale wiederum 
ähnliche nur kleinere Tröpfehen ab, die beim Erkalten erstarrten und 
aus saurem schwefelsauren Ammon bestanden. In weiterer Ent- 
fernung vom Mittelpunkt waren einige Tröpfchen, die flüssig blieben 
und Papier verkohlten. Es hatte sich also trotz überschüssigem 
Ammoniak saures Ammoniumsulfat und freie Schwefelsäure gebildet, 
letztere aber, wie es schien, in weit geringerer Menge. Wir glauben uns 
diesem auffallenden Umstand so erklären zu müssen, dass das zuerst in der 
Flamme gebildete neutrale Salz am äusseren heissesten Flammenrand 
wieder dissocurt wird und dass die freien Ammoniak und die Schwefelsäure- 
moleküle vor ihrer Wiederveremigung grösstentheils in die Luft zerstreut 
werden und zwar das leichtere Ammoniak, soweit es überhaupt der Ver- 
brennung entgeht, schneller als die specifisch schwere Schwefelsäure. Nur 
an dem äusseren durch die Platinschaale kühl gehaltenen Flammenrande 
tritt keine vollständige Dissociation ein, hier wird das vermuthlich zuerst 
in der Flamme gebildete, leicht zersetzliche neutrale Sulfat durch 
Ammoniakabspaltung in das beständigere saure Ammoniumsulfat ver- 
wandelt und dieses ehe es sich weiter dissochren kann an dem verhältniss- 
mässig kühlen Platin niedergeschlagen, während in dem tiefer gelegenen 
vom Platin entfernteren Flammenrande vollständige Dissociation eintritt. 
Aendert man die vorstehend geschilderten Versuche in der Art ab, 
dass man die Flamme etwas verkleinert, und die Platinschaale so hoch 
stellt, dass sie nur von der Spitze der Flamme berührt wird, so findet 
man nur an dieser von der Flamme berührten Stelle einen erstarrenden 
Tropfen von saurem Ammoniumsulfat, im weiterer Entfernung nur 
nicht erstarrende Tröpfchen von freier Schwefelsäure. 


Wendet man bei den zuerst beschriebenen Versuchen mit der 
erossen Flamme statt der. Platinschaale eine Eisenschaale an, so wird 
unter keinen Umständen freie Schwefelsäure beobachtet. Die Schaale 
zeigt sich in zwei mehrere Centimeter von einander entfernten 

28 


Ueber das Hamburger Leuchtgas. 149 


concentrischen Ringen stark corrodirt. Spült man mit Wasser ab, 
so zeigt dies keine saure Reaction, dagegen tritt mit Nesslers Reagenz 
Reaction auf Ammoniak em. 

Trotz diesen Versuchen halten wir es nicht für ganz unmöglich, 
dass man die Schädlichkeit eines hohen Schwefelgehalts im Leuchtgase 
durch Ammoniak wenigstens theilweise paralysiren könne, sei es 
dadurch, dass man dem Gase schon bei der Fabrication absichtlich 
einen etwas grösseren Ammoniakgehalt als sonst üblich belasse, oder 
dass man diesen Gehalt durch Zusatz von etwas Ammoniak zu der 
Sperrflüssigkeit der Gasmesser erhöhe. Ob sich hierdurch ein Erfolg 
thatsächlich erzielen lässt, würde natürlich nur durch in grösserem 
Maassstabe anzustellende Versuche zu erweisen sein. Gleichzeitig ist 
jedoch in Betracht zu ziehen, dass bei überschüssigem Ammoniak, 
wenigstens in der entleuchteten Bunsenflamme, ein grosser Theil des 
Ammontaks verbrennt, obwohl diese Verbrennung niemals eine ganz 
vollständige ist, so dass bei geringem Schwefelgehalt. eines Gases doch 
stets so viel der Verbrennung entgehen kann, um wenigstens einen 
grossen Theil der entstehenden Schwefelsäure in das saure Sulfat 
zu verwandeln; in der leuchtenden Flamme werden diese Verhältnisse 
vielleicht noch günstiger liegen, da bei der niedrigen Temperatur der 
Flamme und der geringen Menge Sauerstoff ein grösserer Theil des 
Ammoniaks unverbrannt die Flamme passiren, auch die Dissociation 
des zuerst gebildeten Ammonsulfats eine weniger vollständige sein dürfte. 

E. Priwoznik giebt an, dass das zu seinen Versuchen verwandte 
Wiener Leuchtgas nach Analysen von Reim, die allerdings wesentlich 
früher (1865 und 1868) ausgeführt waren, in 100 cbm 8,37 und 13,77, 
also im Durchschnitt 11,07 gr. Schwefel und zu gleicher Zeit 2,12 gr. 
Ammoniak enthalten habe. Es war also verhältnissmässig schwefelarm 
und ammoniakreich. Nehmen wir an, der gesammte Schwefel sei bei 
der Verbrennung in Schwefelsäure verwandelt worden, so wäre genügend 
Ammoniak vorhanden, um mehr als die Hälfte des vorhandenen 
Schwefels, nämlich 6,11 gr., m Ammoniumsulfat, oder genügend Am- 
moniak um 12,22 gr. Schwefel, also mehr als den Gesammtschwefel 
in saures Ammoniumsulfat zu verwandeln. Wenn trotzdem Priwoznik 
nur die Bildung des neutralen Salzes beobachtet hat, so könnte dies 
darin seinen Grund haben, dass entweder zur Zeit seiner Versuche das 
Gas schwefelärmer und ammoniakreicher gewesen ist als 1865 und 1868 
und in der leuchtenden Flamme eine Zersetzung des vielleicht zuerst 
gebildeten neutralen Salzes in das saure Sulfat nicht eintritt, oder dass 
nicht sämmtlicher Schwefel zu Schwefelsäure verbrannte, oder dass 
von dem geringen Bruchtheil der überhaupt an der Rauchschaale 

29 


150 .M. Dennstedt und C. Ahrens. 


verdichteten Verbrennungsproducte aus vorläufig nicht erklärbarem 
Grunde das Ammoniak der Schwefelsäure gegenüber vorwog. Endlich 
wäre in Betracht zu ziehen, ob nicht in der gewöhnlichen leuchtenden 
Flamme, wie Priwoznik annimmt, eine Bildung von Ammoniak aus 
dem Stickstoff der Luft oder des Gases statt hat, eine Bildung, die 
für nicht leuchtende Flammen im Bunsenbrenner nach obigen Versuchen 
entschieden verneint werden muss. Aus den folgenden Versuchen 
geht jedoch hervor, dass die Bildung der Schwefelsäure in der leuch- 
tenden Gasflamme genau wie in der nicht leuchtenden vor sich geht. 

50 Liter Gas wurden in einem kleinen Schnittbrenner verbrannt, 
während über der Flamme in emiger Entfernung ein grosser mit einem 
Kühlrohr versehener Glastrichter aufgehängt war. Nach Beendigung 
des Versuches wurde Kühlrohr und Trichter mit destillirtem Wasser 
ausgespült, die schon stark saure Reaction zeigende Flüssigkeit mit 
Salzsäure angesäuert und mit Chlorbaryum gefällt. Es wurden erhalten 
0,0166 gr. BaSO, d.i. im cbm 0,3320 gr. entsprechend 0,1396 gr. 
Schwefelsäure oder 3,64 "o von dem gesammten im Leuchtgas j. Z. 
enthaltenen Schwefel 1,25 er. im cbm. — Ammoniak konnte im Filtrat 
mit Nesslers Reagenz nur in Spuren nachgewiesen werden. Es hatte 
sich also entweder nur eine sehr geringe Menge Schwefelsäure gebildet 
oder es war bei der rohen Methode nur ein verschwindend geringer 
Theil condensirt worden. 

Um eventuell die Bildung concentrirter Schwefelsäure in 
Tröpfehen an der Platinschaale auch mit der leuchtenden Flamme zu 
bewirken, konnten wir selbstverständlich die stark russende Schnitt- 
brennerflamme nicht benutzen; der Versuch gelingt jedoch mit dem 
Argandbrenner. Stellt man so dicht wie möglich, ohne dass Russen 
eintritt, über den Cylinder eines Argandbrenners eine mit Wasser 
gefüllte Platinschaale und sorgt durch nachtfliessendes kaltes Wasser 
dafür, dass die Flüssigkeit nicht ins Sieden kommt, so findet man nach 
ca. 2 Stunden nur einen irisirenden Beschlag von saurem Ammonsulfat 
aber keine Schwefelsäuretröpfehen. Mässigt man aber den durch den 
Cylinder verursachten lebhaften Luftzug dadurch, dass man nur einen 
ganz niedrigen Cylinder anwendet, der nur eben über die Flamme ragt 
oder lässt man bei kleiner Flamme den Cylinder ganz fort, so findet 
man nach etwa 2 Stunden deutlichen und ziemlich reichlichen Beschlag 
von Tröpfchen freier Schwefelsäure, die Papier verkohlen. Die ab- 
gespülte Flüssigkeit giebt mit Nesslers Reagenz deutlich Ammoniak- 
reaction. Durch diese Versuche war erwiesen, dass sowohl in der 
leuchtenden wie in der nicht leuchtenden Flamme freie Schwefelsäure 
neben saurem Ammoniumsulfat gebildet wird und es könnte sich nur 

510) 


Ueber das Hamburger Leuchtgas. 151 


noch darum handeln, festzustellen ob und in welchem Verhältniss neben 
der Schwefelsäure auch Schwefeldioxyd entsteht, und ob bei der Ver- 
brennung wenigstens in der leuchtenden Flamme nicht doch Ammoniak 
aus dem Stickstoff der atmosphärischen Luft gebildet werde oder ob 
das im Hamburger Leuchtgas vorhandene Ammoniak von 0,56 gr. in 
100 ebm ausreiche, um die beobachteten Erscheinungen zu erklären. 


Zu dem Ende wurde eine grosse Zahl von Versuchen angestellt, 
die stets dasselbe Resultat ergaben und von denen wir nur die folgenden 
anführen wollen: 

1. 42,22 Liter Gas wurden im Poleckschen Schwefelbestimmung- 
apparat mit leuchtender Flamme verbrannt, die Verbrennungproducte 
durch zehnprocentige Natronlauge gesaugt, die Oxydation mit Brom 
aber unterlassen. Nach dem Ansäuern mit Salzsäure und Versetzen 
mit Chlorbarium konnte daher nur Schwefelsäure gefällt werden, 
die sich schon im der Flamme gebildet hatte. Gefunden wurde 
0,3465 er. BaSO, entsprechend 1,12:gr. Schwefel in 1 cbm. Da das 
Gas zur Zeit des Versuchs 1,25 gr.- Schwefel im cbm enthielt, war 
demnach fast der ganze Schwefel zu Schwefelsäure verbrannt. Im 
Filtrat war mit Nesslers Reagenz Ammoniak nicht nachzuweisen, doch 
war denkbar, dass etwaige Spuren von der verdünnten Natronlauge 
nicht zurückgehalten worden waren. 

2. 38,02 Liter Gas wurden in gleicher Weise im Poleckschen 
Apparat aber im Schnittbrenner, also mit leuchtender Flamme, ver- 
brannt, bei dem starken Luftzug und der kleinen Flamme war das 
Leuchten jedoch sehr schwach. Die Verbrennungsproducte gingen 
ebenfalls durch verdünnte Natronlauge. Erhalten wurde 0,3401 gr. 
BaSO, entsprechend 1,22 gr. Schwefel im cbm. Es war demnach 
der ganze im Leuchtgas enthaltene Schwefel zu Schwefelsäure ver- 
brannt. Ammoniak wurde im Filtrat ebenfalls nicht gefunden. 


3. Um eine stärker leuchtende Flamme zu erhalten und gleich- 
zeitig das etwa gebildete Ammoniak mit Sicherheit zurückzuhalten, 
wurde wie folgt verfahren: 53,25 Liter Gas verbrannten aus einer 
Löthrohrspitze im Poleckschen Apparat mit stark leuchtender Flamme, 
die Verbrennungsproducte wurden in der ersten Absorptionstlasche 
durch verdünnte Natronlauge, in der zweiten durch Wasser und 
in der dritten und vierten durch verdünnte Salzsäure gesaugt, 
nach Beendigung des Versuchs zuerst die Schwefelsäure bestimmt, 
dann das Filtrat zur Bestimmung des Ammoniaks alkalisch in 
Yon. Schwefelsäure destillirt und mit Yıo n. Natronlauge unter An- 
wendung von Methylorange als Indicator zurücktitrirt. Gefunden 

31 12 


152 M. Dennstedt und ©. Ahrens. 


wurde 0,4341 gr. BaSO,, entsprechend 1,12 gr. Schwefel in 1 cbm Gas. 
Von der vorgelegten Yı n. Schwefelsäure war 0,1 cem verbraucht 
worden, das entspricht 0,00017 gr. Ammoniak, während in 53 Litern 
Hamburger Leuchtgas 0,000297 gr. enthalten sind, die gefundene Diffe- 
renz liest mnerhalb der Versuchfehler, jedenfalls war in der Flamme 
kein Ammoniak gebildet worden; wäre sämmtliche gefundene Schwefel- 
säure auch nur in Gestalt von saurem Ammonsulfat vorhanden gewesen, 
so hätten für 0,0316 gr. Ammoniak 18,6 cem Yon. Schwefelsäure 
verbraucht werden müssen. 

4. Es wäre von besonderem Interesse gewesen, auch die Bil- 
dung der Schwefelsäure und ev. des Ammoniaks in der Flamme des 
Argandbrenners quantitativ zu verfolgen. Der Gasverbrauch in einem 
solchen Brenner ist aber so gross, dass man nicht im Stande ist, die ganzen 
Verbrennungsprodukte selbst mit einer starken Pumpe durch Absorptions- 
gefässe hindurchzusaugen. Wir haben uns in der folgenden Weise zu 
helfen gesucht: die Argandflamme besteht aus einem Kranz von kleinen 
Flämmcehen, die aus runden Oeffnungen austreten und die daher die- 
selbe Form haben wie die Flamme der Löthrohrspitze in Versuch 3, 
nur brennen die Flämmchen im Argandbrenner mit grösserem Luft- 
überschuss, sie sind daher an ihrer Basis stärker entleuchtet, wodurch 
die Temperatur der Flamme gesteigert und die obere Spitze heller 
leuchtend wird. Man kann der Löthrohrflamme aber genau dieselbe 
Form und Helle geben, wenn man im Poleckschen Apparat die über 
die Flamme gestülpte Glasglocke auf einen Porzellanteller aufstellt 
und durch etwas Wasser abschliesst, so dass der durch die Bohrung 
des Porzellantellers ragenden kleinen Flamme durch kräftiges Saugen 
nur von unten ein lebhafter Luftstrom zugeführt wird. In dieser 
Weise wurden 85,76 Liter Gas verbrannt und Schwefelsäure und Am- 
moniak wie in Versuch 3 gesammelt und bestimmt. Gefunden wurde 
0,7599 gr. BaSO, entsprechend 1,21 gr. Schwefel m I cbm Gas. Am- 
moniak wurde entsprechend 0,1 cem verbrauchter Yıo n. Schwefelsäure 
0,00017 gr. gefunden, während in 85,7 Litern 0,00048 er. enthalten 
sind. Die Differenz liegt innerhalb der Versuchfehler. Hieraus folgt, 
dass auch im Argandbrenner der gesammte Schwefel des Leuchtgases 
zu Schwefelsäure verbrennt und dass auch in ihm eine Bildung von 
Ammoniak aus dem Stickstoff der atmosphärischen Luft nicht statt hat. 

Die aus den beschriebenen Versuchen gezogenen Schluss- 
folgerungen lassen sich in Kürze wie folgt zusammenfassen : 

l. Der im Leuchtgas enthaltene Schwefel wird sowohl in der 
leuchtenden wie auch in der entleuchteten Flamme vollständig oder 
doch fast vollständig zu freier Schwefelsäure verbrannt. 

32 


Ueber das Hamburger Leuchtgas. 153 


2. Die oft beobachteten schädlichen Einwirkungen des 
brennenden Leuchtgases auf Pflanzen und andere organische Stoffe 
sind auf diese Bildung von freier Schwefelsäure zurückzuführen. 

3. Das bei der Verbrennung des Leuchtgases auftretende saure 
Ammoniumsulfat entsteht aus dem im Leuchtgas stets noch in Spuren 
vorhandenen Ammoniak. Das Ammoniak tritt nicht von aussen aus 
der Luft hinzu und bildet sich auch nicht in der Flamme weder 
in der leuchtenden noch in der entleuchteten aus dem Stickstoff 
der Luft oder des Gases. Absichtlich dem Leuchtgase zugesetztes 
Ammoniak wird sowohl in nicht leuchtender wie m der leuchtenden 
Flamme zum grössten Theil aber nie ganz vollständig verbrannt. 

4. Es gelmgt daher nicht durch überschüssig dem Leuchtgase 
zugesetztes Ammoniak die Schwefelsäure vollständig in saures oder 
gar neutraless Ammoniumsulfat überzuführen. Zwar wird das der 
Verbrennung entgangene Ammoniak schon in der Flamme mit der 
entstandenen Schwefelsäure zusammentreten, aber alsbald im äusseren 
Flammenrande wieder dissocurt werden; die getrennten Ammoniak- 
und Schwefelsäuremolekeln werden sich in der Luft nur unter günstigen 
Umständen wieder zusammenfinden, das flüchtigere Ammoniak auch 
leichter durch die natürliche Ventilation abgeführt werden. 

Bei den an Rauchdeckeln u. dgl. beobachteten Beschlägen 
kann ein Theil des Ammoniaks bei der langen Zeit ihrer Bildung 
wohl auch aus der Atmosphäre stammen. 

5. Es erscheint trotzdem nicht ganz ausgeschlossen, dass 
namentlich schwefelärmeren Gasen durch Zuführung von Ammoniak 
ein Theil seiner Schädlichkeit durch Bildung von Ammoniumbisulfat 
genommen werden kann, denn die Schädlichkeit des Schwefels im 
Leuchtgase wächst nicht proportional seiner Menge, sondern in 
stärkerem Verhältniss. Bei sehr geringem Schwefelgehalt, wie er in 
den meisten deutschen Steinkohlengasen vorkommt, kann daher durch 
das in Spuren stets vorhandene und der Verbrennung entgehende 
Ammoniak die an sich schon unbedeutende Menge der gebildeten 
freien Schwefelsäure wesentlich herabgedrückt und somit die Schädlich- 
keit herabgemindert werden. Bei einem an Schwefel sehr reichen 
Leuchtgase kommen dagegen die im Gase vorhandenen Spuren von 
Ammoniak kaum in Betracht. 


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Beiheft 


Zum 


Jahrbuch der Hamburgischen 
Wissenschaftlichen Anstalten. 


XI. Jahrgang. 
1595. 


en va lkt: 


Prof. Dr. Kraepelin: Revision der Scorpione, II. Scorpionidae und 


Bothriuridae. Mit 3 Tafeln. 


Hamburg 1894. 


Commissions-Verlag von Lucas Gräfe & Sıllem. 


Revision der Scorpione. 


II, Seorpionidae und Bothriuridae. 


Mit 3 Tafein. 


Von 


Prof. Dr. K. Kraepelin. 


Seit dem Erscheinen des I. Theiles dieser Arbeit ) ist 
namentlich durch die umfassenden und gründlichen Untersuchungen 
Pocock’s, welcher in dankenswerthester Weise das gesammte Material 
des Britischen Museums in einer großen Reihe von Abhandlungen der 
Wissenschaft zugänglich machte, unsere Kenntniß der Scorpione in 
hohem Grade gefördert worden. Der erste Theil meiner „Revision“ 
wird daher einen Nachtrag erfordern, den ich mir auf später verspare, 
während in dem vorliegenden II. Theil sämmtliche Untersuchungen 
Pocock’s ?) eingehende Berücksichtigung erfahren haben, selbst in allen 
den Gruppen, deren Bearbeitung schon vor dem Erscheinen der 
Pocock’schen Einzelschriften lange im Manuskript abgeschlossen 
war. Wenn hierdurch auch das Maaß der Arbeit durch die immer 
aufs Neue vorzunehmende Durcharbeitung des Materials nicht 
unbedeutend erhöht und der Zeitpunkt der Herausgabe beträchtlich 
hinausgeschoben wurde, so glaube ich doch meimer Freude darüber 
Ausdruck geben zu sollen, daß sich in der Mehrzahl der zu lösenden 
Fragen, wie über die Aufstellung von Unterfamilien, Gattungen ?) etec., 
eine weitgehende Uebereinstimmung zwischen unsern beiderseitigen 
Untersuchungen herausstellte, die immerhin geeignet ist, die Sicherheit 
der gewonnenen Resultate zu erhöhen. 

Wie beim ersten Theil, so bin ich auch diesmal zahlreichen 
Herrn Collegen für die liebenswürdige Bereitwilligkeit zu Dank ver- 
pflichtet, mit welcher sie mir das ihnen zu Gebote stehende Scorpionen- 
material zur Verfügung stellten. Es waren dies die Leiter resp. 
Abtheilungsvorstände der Museen zu Berlin, Bonn, Bremen, Dresden, 
Erlangen, Frankfurt a./M., Giessen, Göttingen, Gothenburg, Greifswald, 


t) Jahrb. d. Wiss. Anstalten, Hamburg, VIII., 1891. 
2) Bis December 1893. 
3) Die von mir im Manuskript niedergelegten neuen Gattungs- und Artnamen 
habe ich selbstverständlich zu Gunsten der Pocock'schen zurückgezogen. 
ı* 


4 System. 


Heidelberg, Kiel, Kopenhagen, Leipzig, Leyden, Lübeck, München, 
Stockholm, Straßburg und Stuttgart, sowie die Herren Prof. Thorell, 
Prof. v. Jhermg und Dr. Werner-Wien. Nur durch die Fülle dieses 
Materials, das in seiner Gesammtheit dem des Britischen Museums 
kaum nachstehen dürfte, war es in vielen Fällen möglich, an den 
Arbeiten früherer Autoren eine berechtigte Kritik zu üben. 


Der nach Abzug der Androctonidae bleibende Rest der Scorpione 
wurde von Thorell (Ann. Mag. Nat. Hist. [4] XVIL, p. 1—15) in 
die 3 Familien der Telegoniden, Vejoviden und Pandiniden (Scorpioniden) 
eingetheilt, von denen die letzte wieder in die 2 Unterfamilien der 
Jurini und Pandinmi zerfällt. Dieser Classification ist auch Karsch 
in seinen Scorpionologischen Beiträgen (Mittheil. München. Entom. 
Verein 1879, p. 17—22) gefolgt, während Simon in seinen „Arachnides 
de France“ (Bd. VIl.,p. 92, Anm.) außer den Buthiden (Androctoniden) 
5 Familien annimmt, nämlich die Telegoniden, Vejoviden, Hetero- 
metriden (= Scorpioniden), Ischnuriden und Broteiden. Die neueste 
Gruppierung der Gattungen zu Familien und Unterfamilien hat Pocock 
(Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XIL, p. 505—312) gegeben. Er stellt 
gleich Thorell 4 Familien auf, von denen die Bothriuriden (= Telegonidae 
Thor.) und Buthiden (= Androctonidae Thor.) mit zweien der 
Thorell’schen Familien zusammenfallen, während er die Pandiniden 
plus Vejoviden nach einem anderen Eintheilungsprineip (1 od. 2 Stacheln 
an der Basis des Endtarsus) in die beiden Gruppen der Scorpionidae 
und Juridae theilt. Letztere beiden Familien enthalten dann je eine 
Reihe von Subfamilien, und zwar erstere die Scorpioninen, Ischnurinen, 
Diplocentrinen, Hemiscorpiinen und Urodacinen, letztere die ‚Jurinen, 
Chaerilinen und Chactinen. Ueber eine kleinere Anzahl von Genera 
wagt Pocock ein Urtheil nicht auszusprechen. 

Als ein Fortschritt im Pocock’schen System ist es zunächst zu 
betrachten, daß er die durch kein einziges präcises Merkmal characte- 
risirtte Familie der Vejoviden aufgehoben und mit anderen Formen 
(Jurus, Uroctonus, Scorpiops etc.) zu einer Unterfamilie vereinigt hat. 
Hierdurch ist gleichzeitig die völlig unnatürliche Gruppe der Jurini 
aufgelöst und nur ein Theil derselben als Unterfamilie der Chaerilini 
beibehalten, während der Rest, den thatsächlichen Verhältnissen ent- 
sprechend, den Vejovinen angeschlossen wurde. Weniger zwingend 
erscheint es, mit Pocock auf Grund der verschiedenen Dornenzahl am 
Grunde des Endtarsus zwei selbständige Familien der Scorpionidae 
und Juridae anzunehmen, Gilt für die Androctoniden und Bothriuriden 


Bestimmungstabelle der Subfamilien. 


die Form des Sternums als wichtigstes Charactermerkmal, so sollte 
man auch die 3. Gruppe in erster Linie durch das Sternum characte- 
risiren oder, was dasselbe ist, die Scorpionidae als einheitliche große 
Familie beibehalten, zumal die verschiedenen Subfamilien der Juridae 
und Scorpionidae Pococks mancherlei Beziehungen zu einander auch 
über den eng gezogenen Familienbegriff hinaus erkennen lassen. Ich 
glaube daher bis auf Weiteres an den drei Familien der Androc- 
tonidae, Scorpionidae (incl. Vejovidae Thor., resp. Juridae Poc.) und 
Bothriuridae festhalten zu sollen, wobei jedoch nicht unerwähnt bleiben 
darf, daß auch die Bothriuriden nur provisorisch ihre selbständige 
Stellung behalten können, da sie durch das Medium der Vejovinen 
augenscheinlich nahe mit den Scorpioniden zusammenhängen. 

In Betreff der Unterfamilien stimme ich 
(satt. Hemiscorpion, die ich den Ischnurinen zurechnen möchte — 
mit Pocock überein, ohne daß ich die so gewonnene Gruppirung schon 
jetzt als eine alle Wünsche befriedigende ansehen möchte. 


abgesehen von der 


Die nachfolgende Tabelle mag daher mehr als Versuch gelten, 
die Schwierigkeiten der Bestimmung nach Möglichkeit hinwegzuräumen, 
denn als ein Bild der alle Beziehungen der mannigfachen Form- 
gestaltungen zum Ausdruck bringenden natürlichen Verwandtschaft. Der 
Vollständigkeit halber ist die im I. Theil behandelte Familie der Androc- 
tonidae in dieser Tabelle mit aufgeführt. 


Bestimmungstabelle der Subfamilien. 


A. Sternum nach der Spitze zu stark verschmälert, triangelförmie. 
Tarsenendglied am Grunde mit 2 oder 3 Dornen. Keine Seitenloben 
am Ende des letzten Tarsengliedes.. Hand gerundet. 

l. Fam. Androctonidae (siehe Theil I). 

B. Sternum mit parallelen oder fast parallelen Seitenrändern, meist 
pentagonal, gestreckt, selten nur halb ‘so lang als breit. Tarsen- 
endglied am Grunde mit 1 oder 2 Dornen. 

II. Fam. Scorpionidae (Pag. 8). 
I. Am Grunde des Endtarsus nur außenseits ein Dorn ') (Fig. 9). 
a. Unter dem Giftstachel ist ein deutlicher Höcker entwickelt 


(Be er l. Subfam. Diplocentrini (Pag. 8). 
(Gatt. Diplocentrus [Oiclus], Nebo [Cyphocentrus)). 


') Diese Dornen, welche in der weichen Bindehaut zwischen dem vorletzten 
und letzten Tarsenglied ihren Ursprung nehmen, sind nicht zu verwechseln 
mit den meist zahlreicheren Dornen, welche dem Ende des vorletzten 
Tarsengliedes aufsitzen. 


Bestimmungstabelle der Subfamilien. 


b. Kein Höcker unter dem Giftstachel. 

1. Letzte Tarsen der Beine am Ende mit 2 gerundeten seitlichen 
Loben, deren Rand mit dem dorsalen Krallenlappen einen 
spitzen Winkel bildet (Fig. 9—12). Oberseite der Hand 
gerundet, selten platt gedrückt. 

a. Cauda unterseits nur mit einem Mittelkiel. Schneide 
der Palpenfinger mit vielen gedrängten, kaum reihig 
gestellten Körnchen besetzt (Fig. 8). 2 Seitenaugen. 

2. Subfam. Urodacini (Page. 17). 
(Gatt. Urodacus [Joctonus, Jodacus)). 

ß. Cauda unterseits mit 2 Mittelkielen (außer im V. Segment) 
oder undeutlich gekielt. Schneide der Palpenfinger 
einreihig oder undeutlich zweireihig mit Körnchen besetzt. 
3 Seitenaugen... 3. Subfam. Scorpionini (Pag. 24). 

(Gatt. Scorpio | Pandinus, Palamnaeus ], 
Heterometrus, Opisthophthalmus [ Miae- 
phonus, Petrooicus, Mossamedes)]). 

2. Letzte Tarsen der Beine am Ende ohne gerundete Seiten- 
loben, der Seitenrand der Loben mit dem dorsalen Krallen- 
lappen fast einen rechten Winkel bildend und mit dem 
Unterrande winklig zusammenstoßend (Fig. 45—48). Hand 
platt gedrückt, stets mit deutlichem „Fingerkiel“ '). 

4. Subfam. Ischnurini (Pag. 108). 
(Gatt. Hemiscorpion, Ischnurus [Chiromachus], 


Opisthacanthus [Opisthocentrus], Cheloctonus, 


Hadogenes n. g., Hormurus, Jomachus). 


I) Es dürfte hier der Ort sein, die in den nachfolgenden Beschreibungen 
angewandte Bezeichnung der verschiedenen Abschnitte der Hand kurz 
darzulegen: Die gedachte Verlängerung der scharfen Außenränder der 
beiden Finger bis zum Grunde der Hand theilt die letztere zunächst in die 
„Oberhand“ und in die „Unterhand“ Kin Kiel, welcher die Oberhand 
vom Grunde her der Länge nach durchzieht und meist Sförmig gekrümmt 
sich in den unbeweglichen Finger fortsetzt, wird von mir als „Fingerkiel* 
der Oberhand bezeichnet; er theilt, wenn vorhanden, die Oberhand in 
zwei weniger oder mehr (bis zum rechten Winkel) gegen einander geneigte 
Flächen, die ich als „Außenfläche“ und „Innenfläche“ der Oberhand 
benenne. Kiele, welche diese Flächen noch wieder der Länge nach durch- 
ziehen, gelten als „Nebenkiel* der Außenfläche, resp. der Innentläche. 
Kiele in der Idealebene zwischen Oberhand und Unterhand führen den 
Namen Außenrand-, resp. Innenrandkiel. Die Unterhand kann 
ebenfalls durch Kiele in verschiedene Flächen zerlegt sein; diejenige, welche 
dem Außenrandkiel anliegt, würde dann als „Außenfläche derUnterhand“ 
zu bezeichnen sein etc. Ich glaube, daß durch die vorgeschlagene Nomen- 
clatur der unglückliche Begriff der ‚‚Hinterhand“, unter dem bei ver- 
schiedenen Formen etwas ganz Verschiedenes verstanden wurde, beseitigt wird. 


Bestimmungstabelle der Subfamilien. ä 


II. Am Grunde des Endtarsus außenseits und innenseits je ein 


' 
) 


Dorn !) (Fig. 89—93). 


a. Nur zwei Seitenaugen, zuweilen daneben ein heller Fleck, 
selten die Augen gänzlich fehlend. Tarsenendglieder unterseits 
meist mit 1—2 Reihen von Dornen oder Borsten. Stigmen 
oft rund. Mittellamellen der Kämme eckig oder fehlend. 


1. Scheerenfinger mit vielen meist übereinander greifenden 
Schrägreihen von Körnchen (Fig. 55,56). Beweglicher Finger 
des Oberkiefers unterseits mit Zähnen besetzt. Sternum 
länglich, nach vorn etwas verschmälert; seine Medianfurche 
endet oberhalb des Grundes mit runder Grube (Fig. 58). 
Hinter dem 2. Seitenauge ein gelber heller Fleck. Seiten- 
lappen der Unterlippe ziemlich so breit, als lang, breiter 
als die Unterlippenplatten (Fig. 57). Altweltlich. 

5. Subfam. Chaerilini (Pag. 140). 
(Gatt. Chaerilus |Chelomachus, Uromachus)). 


2. Scheerenfinger ohne Schrägreihen, meist einreihig oder 
undeutlich zweireihig. Beweglicher Finger des Ober- 
kiefers unterseits ohne oder nur mit einem kleinen Zähnchen. 
Sternum mit parallelen Seitenrändern oder etwas nach 
vorn verschmälert und dann meist breiter als lang; seine 
Medianfurche nach vorn oft hammerförmig erweitert 
(Fig. 59, 63, 64), am Grunde ohne runde Grube. Kein gelber 
Fleck hinter dem 2. Seitenauge. Seitenlappen der Unter- 
lippe schmäler als lang, schmäler als die Unterlippenplatten. 

6. Subfam. Uhactini (Pag. 149). 
(Gatt. Megacormus; Euscorpius, Belisarius; 
Broteas, Broteochactas, Teuthraustes, He- 
terochactas, Chactas, Hadrurochactas). 


b. Drei Seitenaugen. Tarsenendglied unterseits mit einer medianen 
Haar- oder Papillenleiste. Stigmen gestreckt. Mittellamellen 


der Kämme oft perlschnurartig. 
7. Subfam. Vejovini?) (Pag. 181). 
(Gatt. Scorpiops, Jurus, Uroctonus [Anu- 
roctonus], Vejovis, Hadrurus, Caraboctonus, 
Hadruroides). 


Vgl. die Anmerkung auf Seite 5. 

Da der Name Vejovis viel älter ist, als Jurus, auch die Hauptformen sich 
um diese Gattung gruppiren, so glaube ich der Bezeichnung ‚‚Vejovini‘ 
vor der von Pocock gewählten ‚‚Jurini‘‘ den Vorzug geben zu sollen. 


8 Scorpionidae: Diplocentrini. 


C. Sternum nur aus zwei queren schmalen Platten bestehend und 
daher mehrmals breiter als lang, zuweilen kaum sichtbar (Fig. 104). 
Mittellamellen meist deutlich perlschnurartig gerundet. Meist 
1 Außen- und 1 Innenstachel am Grunde des Endtarsus. Keine 
Seitenloben am Ende des letzten Tarsengliedes. Meist neuweltlich. 

II. Fam. Bothriuridae (Pag. 211). 
(Gatt. Bothriurus [Timogenes], Cerco- 
phonius, Thestylus, Brachistosternus 


|Meeocentrus], Phoniocereus, Uropho- 
nius, Centromachus n. £.). 


oO 


Nicht berücksichtigt werden konnte in vorstehender Tabelle 
lediglich die Gatt. Hoplocystis Karsch, dessen noch dazu fundort- 
loses Origmalexemplar leider verloren gegangen ist. Aus der nur 
kurzen Beschreibung des Autors ist aber nicht mit Sicherheit zu 
ersehen, in welche der bis jetzt bekannten Familien oder Unterfamilien 
die Gattung einzureihen ist. Einzige Art Hoplocystis seintilla Karsch. 


I. Fam. Scorpionidae. 


1. Subfam. Diplocentrini Poc. 

Scorpioniden mit 3 Seitenaugen und einem deut- 
lichen dornartigen Höcker unter dem Stachel (Fig. ]). 
Cauda mitzweiMittelkielen unterseits im I.—IV. Segment. 
Alle Kiele deutlich entwickelt, in den ersten Segmenten 
auch obere Nebenkiele. Hände mit deutlichem Fingerkiel 
oder fast ungekielt, platt oder rundlich. "Schneide des 
beweglichen Fingers mit einer fortlaufenden deutlichen 
Körnchenreihe, zu der an der Außenseite zahlreiche, 
dieselbe begleitende und so fast eine Parallelreihe 
bildende Außenkörnchen treten, während die Innenseite 
nur gegen die Spitze zu einzelne oder in Schrägreihen zu 
3 gestellte Außenkörnchen trägt. Endtarsen der Beine 
am Ende mit gerundeten Seitenlappen oder fast ohne 
dieselben, und dann der Seitenrand spitzwinklig mit dem 
Unterrande zusammenstoßend (Fig. 4—7). Unterrand mit 
2 Reihen von Dornen besetzt. Am Grunde des Endtarsus 
nur innenseits ein Dorn. Sternum groß, parallelseitig, mit 
dreieckiger Spitze undschmaler oder breiter, tiefer Mittel- 
furche am Grunde. 


Verbreitung: Syrien und mittleres Amerika. 


Gatt. Nebo. 9 


Von den 4 Gattungen, welche bisher von dieser Familie 
beschrieben sind, erweist sich Cyphocentrus Karsch ohne Weiteres 
als synonym mit Nebo Sim. Die Gattung Oiclus ist von Simon 
aufgestellt nach einer Form, die Becker (Ann. Soc. ent. Belg. 1880, 
p. 142) als Diplocentrus Purvesi beschrieben hatte, und die nach Ab- 
bildung und Beschreibung keinerlei durchgreifende Unterschiede etwa 
von dem Dipl. Gundlachi Karsch erkennen läßt. Wenn nun Simon von 
dieser Form, von der er nicht sagt, ob er sie jemals gesehen, behauptet, 
daß sie nur 2 Seitenaugen besitze, so glaube ich diese Angabe so 
lange auf einen Irrthum zurückführen zu sollen, als nicht an dem 
Becker’schen Originalexemplare selbst dieses höchst auffällige Charakter- 
merkmal festgestellt worden ist. Bei dem jetzigen Stande unserer 
Kenntniß erscheint es mir richtiger, den Diplocentrus Purvesi Becker 
mit eimer der bekannten Diplocentrusarten zusammenzuziehen und die 
(rattung Oiclus Sim. auf sich beruhen zu lassen. Es bleiben nach dem 
Gesagten noch die beiden Gattungen Nebo und Diplocentrus übrig, 
deren unterscheidende Merkmale kurz folgende sind: 


A. Augenhügel von der Medianfurche des Cephalothorax durchzogen. 
V. Caudalglied unterseits am Ende ohne eine von halbkreisförmiger 
Körnchencriste begrenzte Depression. Endzinken des Oberkiefers 
fast parallel, eine ungleichzinkige Gabel bildend (Fig. 2). Außen- 
fläche der Oberhand im rechten Winkel zur Innenfläche geneigt; 
letztere platt, ohne Nebenkiel. Endtarsen mit gerundeten Seiten- 
loben (ig. 2), , Altweltlich. v...2.......2%.: 2 -Nreb’o: Sım.,..p.29: 

B. Augenhügel nicht gefurcht. V. Caudalglied unterseits am Ende 
mit einer von halbkreisförmiger Körnchencriste begrenzten, vertieften 
Area (wie bei Bothriurus vittatus). Erster Zahn am Ende des 
beweglichen Oberkieferfingers viel tiefer stehend, als der Endhaken, 
mit letzterem daher keine Gabel bildend (Fig. 3). Oberhand 
gerundet oder durch den Fingerkiel in zwei stumpfwinklig gegen- 
einander geneigte und etwas gerundete Flächen getheilt. Seiten- 
loben fast fehlend oder etwas gerundet (Fig. 7, 6, 5). Neuweltlich. 

2 Diploeentrus Bet. p: 12. 


l. Gattung Nebo Sim. 
(Cyphocentrus Karsch.) 

Die Gattungsdiagnose ist durch obige Tabelle der Hauptsache 
nach erschöpft. An Arten waren von diesem Genus bisher 3 beschrieben, 
von denen indeß Cyphocentrus sulcatus Karsch und Nebo hierochon- 
ticus Sim. ohne weiteres als synonym erkannt werden können. Aber auch 
der. Nebo flavipes Sim. (Ann. Mus. civ. Genova XVII, p. 249) ist 


10 Seorpionidae: Diplocentrini. 


schwerlich als eigene Art aufrecht zu erhalten, da er sich lediglich 
durch stärkere Granulirung des Cephalothorax und der oberen Caudal- 
cristen unterscheidet, durch Merkmale also, die an und für sich sehr 
variabel sind, in diesem Falle aber als Charaktere des Männchens 
in Anspruch genommen werden müssen. Es handelt sich daher vor- 
läufig nur um eine Art unserer Gattung. 


1. Nebo hierochontieus (Sim.) 
1872 Hemiscorpion hierochontieus Sim. (Ann. Soc. ent. France [5] II, p. 255). 
1878 Nebo hierochontieus Sim. (ibid [5] VI, p. 399). 
1879 Diplocentrus sulcatus Karsch (Münch. ent. Mitteil. 1879, p. 99). 
1880 Cyphocentrus sulcatus Karsch (Giebel Zeitschr. f. d. g. Natw. [3] VII, p. 408). 
1883 Nebo flavipes Sim. (Ann. Mus. civ. Genove XVII, p. 249). £ 

Von dieser Art haben mir nur 4 Exemplare vorgelegen, 3 Weibchen 
und 1 Männchen. 

Die Färbung des Truncus ist gelbroth, lederbraun bis dunkel 
rothbraun, nach Simon auch „fusco eyaneus“; bei helleren Exemplaren 
sind Cauda, oder doch die Blase, und Arme meist etwas dunkler. 
Beine und Unterseite sind ledergelb. 

Der Cephalothorax zeigt in der Mitte des Vorderrandes eine 
tiefe halbmondförmige Ausrandung; die Medianfurche durchzieht den 
Cephalothorax in seiner ganzen Länge. Der Spiegel und die Gegend 
um und hmter dem Augenhügel sind beim Weibchen glatt und glänzend, 
fein eingestochen punktirt, die Seiten mehr oder weniger fein gekörnt, 
die Hinterecken glatt oder gekörnt. Beim Männchen ist fast der 
gesammte Thorax feinkörnig, die Seiten sogar grobkörnig. 

Das Abdomen ist beim Weibchen oberseits bis auf das letzte 
Segment glatt und glänzend, beim Männchen dicht und fein körnig- 
chagrinirt; das letzte Segment trägt 4 gekörnte Längskiele und ist 
auch auf der Fläche meist mehr oder weniger feinkörnig, resp. beim 
Männchen grobkörnig. Unterseits treten in diesem letzten Segment nur 
ein Paar glatte Seitenkiele stärker hervor. 

Die . gestreckte, beim Männchen fast excessiv. lange Cauda 
zeigt alle Kiele deutlich entwickelt, manche derselben allerdings ohne 
Körnelung. Die oberen Oaudalkiele sind entweder alle körnig oder in 
den ersten Segmenten beim Weibchen fast glatt. Dasselbe gilt von 
den oberen Lateralkielen. Die unteren Mediankiele sind beim Männchen 
im I. und II, beim Weibchen im I.—III. Segment glatt, die übrigen 
gekörnt. Die meist völlig glatten Seitenflächen weisen im I. Segment 
einen gut entwickelten, im II., III, beim Männchen auch im IV. Segment 
einen rudimentären, glatten (Weibchen) oder gekörnten Nebenkiel auf. 


Gatt. Nebo. nal 


Die dicke Blase ist unterseits reihenkörnig oder zerstreutkörnig und 
trägt unter dem kurzen, zarten Stachel einen stumpfen, beborsteten, 
sehr winzigen Höcker. 

Der Oberarm wird oberseits von gekörnten Kanten begrenzt 
und ist auf der Oberfläche dicht feinkörnig. Die Unterseite entbehrt 
des hinteren Randkiels fast ganz; ihre Fläche ist ebenfalls mit feinen 
Körnchen besetzt, die aber gegen das Ende verschwinden. Der 
Unterarm ist an der Vorderfläche femkörnig und am Grunde nahe 
dem Öber- und Unterrande mit einigen größeren Körnchen bewehrt. 
Die Unterfläche ist glatt oder etwas beulig, flach und trägt am Hinter- 
rande 3 entfernt stehende Haargrübchen. 


Die Hand besitzt eimen starken Fingerkiel; die Oberhand ist 
daher scharf in rechtwinklig zu einander gestellte Innen- und Außen- 
fläche geschieden. Beide Flächen sind femkörnig reticulirt; die Innen- 
fläche entbehrt eines Nebenkiels und ist fast eben oder — beim 
Männchen —- sogar etwas vertieft. Die Finger sind beim Weibchen 
am Innenrande etwas zackig geschweift, ohne Lobus; beim Männchen 
hingegen trägt der bewegliche Finger 2 große, durch eine Einbuchtung 
getrennte Loben, und die Finger schließen nicht zusammen. Das 
Verhältniß von Fingerlänge zur Hinterhand varırt zwischen 1: 0,71 
bis 1: 0,82, das der Hinterhand zur Handbreite von 1:60,76 bis 
1: 0,97. Größte absolute Maaße für beweglichen Finger, Hinterhand 
und Handbreite beim Weibchen: 15, 11 und 9 mm, beim Männchen: 
Bern und 1 le nm. 


Die Schenkel sind dicht femkörnig, die Schienbeine glatt. 
Die Endtarsen (Fig. 4) tragen unterseits innen S—9, außenseits 9—10 
Dornen. 


Das Sternum ist etwas länger als breit und zeigt in seiner 
Grundhälfte eme tiefe Medianfurche, die sich dann schnell verflacht. Die 
Zahl der Kammzähne schwankt beim Weibchen zwischen 12 und 16, 
beim Männchen zwischen 15 und 19. Der Kammgrund ist beim 
Männchen rechtwinklig, beim Weibchen etwas bogig-stumpfwinklig. 


Der Truncus ist auch bei den mir vorliegenden weiblichen 
Exemplaren stets kürzer als die Cauda (1:1,1 bis 1:1,4), beim 
Männchen viel kürzer (1: 1,5 bis 1: 1,73), wo dann die Caudalglieder 
sich außerordentlich gestreckt zeigen (V. Segment z.B. so lang, als 
der bewegliche Finger). Die größte Gesammtlänge betrug beim Weibchen 
107 (= 45 + 62) mm, beim Männchen 113,5 (= 41,5 + 72) mm. 


Als Heimath des Nebo hierochontieus ist Syrien, Palaestina 
und Arabien (Yemen, Aden) anzusehen. 


12 Scorpionidae: Diplocentrini. 


2. Gattung Diplocentrus Pet. 

Aus dieser Gattung, deren unterscheidende Merkmale von Nebo 
in der obigen Tabelle genügend dargelegt sind, waren schon vor ihrer 
Aufstellung durch Peters zwei Arten durch Gervais beschrieben: 
Scorpio Lesueurii und Sc. Whitei Gerv. Diesen fügte Peters seinen 
Dipl. mexicanus als dritte Art hinzu (Monatsber. Berl. Akad. 1861, p. 512), 
ohne dieselbe jedoch zu beschreiben. Erst durch Karsch (Münch. 
ent. Ver. 1879, p. 98), der das Peters’sche Origmalexemplar vor sich 
hatte, wurden einige nähere Angaben über diese Art veröftentlicht, 
ohne daß es jedoch möglich wäre, die Beziehungen derselben zu den 
beiden Gervais’schen Arten klar zu erkennen. Karsch beschrieb dann 
noch zwei weitere neue Arten (D. Gundlachi und Keyserlingii), während 
Becker uns gleichzeitig mit einem D. Purvesi beschenkte. Pocock 
endlich fügte noch zwei Arten — D. antillanus und scaber — hinzu, 
so daß es sich im Ganzen um die Unterscheidung von acht verschiedenen 
Arten handeln würde. Leider sind die Beschreibungen der Autoren 
indeß in vielen Fällen so unzureichend, daß es unmöglich erscheint, 
ohne Untersuchung der Originalexemplare zur völligen Klarheit über 
die Synonymie aller genannten Formen zu kommen, zumal das mir 
zu Gebote stehende Material ein sehr geringes ist, und die Geschlechter, 
worauf bisher keine Rücksicht genommen, weitgehende Verschieden- 
heiten darbieten. In letzterer Hmsicht ist zu betonen, daß nur bei 
den Männchen ein stark entwickelter Kiel und eine dadurch hervor- 
gebrachte scharfe Trennung der Oberhand in Innen- und Aussenfläche 
auftritt, während die Oberhand beim Weibchen meist völlig obsolet 
gekielt und gerundet ist. Ferner ist die Truncusoberfläche beim 
Weibchen mehr glatt und glänzend, beim Männchen opak, gekörnt 
oder eingestochen punktirt. Auch die Zahl der Kammzähne scheint 
bei beiden Geschlechtern eine sehr verschiedene zu sein. 

Halten wir diese Gesichtspunkte fest, so wird es zunächst nicht 
zu gewagt erscheinen, wenn wir den D. mexicanus Pet. als Männchen 
zu D. Whitei Gerv. ziehen und letzteren mit D. Gundlachi Karsch 
identificiren ).  Hieran möchte ich den Diplocentrus (Oiclus Sim.) 
Purvesi schließen, von dem Becker eigentlich so gut wie nichts 
sagt, dessen allerdings höchst mangelhafte Abbildung aber immerhin 
meine Ansicht zu stützen geeignet ist. Ueber D. Keyserlingii wage 
ich ein abschließendes Urtheil nicht zu fällen, doch scheint es mir 


I) Die Angabe von Karsch, daß D. Gundlachi ‚‚körnchenlose‘“ Schneiden 
der Scheerenfinger besitze, beruht auf einem unbegreiflichen Irrthum; 
statt „„queue sur les aretes plus granuleuse“ hat er außerdem versehentlich 
gelesen ... „peu granuleuse.‘ 


Gatt. Diplocentrus. 13 


nicht ausgeschlossen, daß es sich lediglich um ein junges Männchen 
von D. Whitei handelt. Noch ungewisser ist die Stellung von 
Se, Lesueurii Gerv., und ob derselbe mit dem Sc. Lesueurii Wood 
(Journ. Acad. Philad. V, p. 365) identisch ist. Immerhin ist nach 
den Beschreibungen kaum anzunehmen, daß es sich um thatsächlich 
neue Formen handelt, und nur die Unsicherheit, welcher der drei im 
Folgenden beschriebenen Arten sie zuzureihen seien, bestimmt mich, 
sie vorläufig als „Species spuriae“ zu betrachten. 

Das mir zu Gebote stehende Material gestattet, drei Arten zu 
unterscheiden, von denen zwei Arten durch Männchen und Weibchen 
vertreten sind. Ihre Unterschiede ergeben sich aus folgender Tabelle. 

A. Cauda im I.—IV. Segment mit oberen Nebenkielen (also 10 kielig). 

Tarsenendlappen am Unterrande spitzwinklig (Fig. 6, 7); die untere 

Dornenreihe erst an der Vorderecke beginnend. Etwa 5 ziemlich 

zerstreut stehende Dornen in jeder Reihe. 

1. Handoberfläche glatt oder reticulirt, nicht nadelstichig punktirt. 
Aeußerer Randkiel der Hand nach vorn zu auf die Mitte der 
Einlenkungsbasis des beweglichen Fingers ziehend. Außenfläche 
der Unterhand daher schmäler als der Grund des beweglichen 
Fingers, von der inneren Unterhand auch beim Männchen nicht 
durch eine scharfkantige Criste abgesetzt. Blase unterseits 
glatt, nur am Grunde eine Querreihe von Körnchen. 

1. DI Whiwer (Gery.)p. 13. 

Handoberfläche dicht grob oder feiner eingestochen punktirt. 

Aeußerer Randkiel der Hand nach vorn zur Oberecke der Ein- 

lenkungsbasis des beweglichen Fingers ziehend. Außenfläche 

der Unterhand daher so breit als der Grund des beweglichen 

Fingers, von der inneren Hand (beim Männchen) durch eine 
scharfkantige Criste abgesetzt. Blase unterseits gekörnt. 

2. D- seabersboe: px 12. 

B. Cauda beim Weibchen nur im I. und II., beim Männchen auch 

im III. Segment mit Andeutung von oberen Nebenkielen ; IV. und 

V. Segment an den Seiten völlig glatt. Tarsenloben gerundet; 

Dornenreihe schon in ihrer Mitte beginnend (Fig. 4). Etwa 

7 ziemlich gedrängte Dornen in jeder Reihe. 

3. D.:antillanus Poc. p. 16. 


Ls) 


1. Diplocentrus Whitei (Gerv.) 


1844 Scorpio Whitei Gerv. (Ins. apt. III. p. 63) 2 

1861 Diplocentrus mexicanus Pet. (Monatsber. Berl. Akad. 1861, p. 512) / 
1879 5 Whitei Karsch (Münch. ent. Mitt. 1879, p. 98). 

1880 > Gundlachi Karsch (Z. f. d. ges. Natw. [3] VL, p. 407) 2 


14 Scorpionidae: Diplocentrini. 


?1880 Diplocentrus Purvesi Becker (Ann. Soc. ent. Belg. 1880, p. 142, TA.II, Fig. 2). 
?1880 Oiclus Purvesi Sim. (Soc. ent. France [5] X., p. 398). 
?1880 Diplocentrus Keyserlingii Karsch (Sitz.-Ber. natf. Freunde Berlin 1880, p.57). 

Die Färbung des D. Whitei ist lederbraun bis dunkelrothbraun ; 
die Beine sind meist etwas heller. 

Der Cephalothorax ist beim Weibchen glatt und glänzend, 
beim Männchen zerstreut oder dicht gekörnt. Mittelfurche von der 
stärkeren oder schwächeren Stirnausrandung nach hinten ziehend und 
den Augenhügel in tiefer Depression umgreifend, zuletzt _L förmig am 
Hinterrande endigend. Abdomen glatt und glänzend, beim Weibchen 
nur mit zerstreuten, etwas bogig gereihten Körnchen besetzt, beim Männchen 
dichter gekörnt; bei diesem auch das letzte Segment mit 2 abgekürzten 
Körnchenkielen. Unterseite glatt, glänzend, das letzte Segment bei 
beiden Geschlechtern mit 4 glatten Längskielen. 


Cauda mit breiter Dorsalfurche, die sich im V. Segment ver- 
flacht; ihre begrenzenden Kiele körnig, auch im V. Segment. Ebenso 
die oberen Lateralkiele. Untere Caudalkiele beim Männchen ebenfalls 
sämmtlich körnig, beim Weibchen die Mediankiele im III. und IV. 
Segment fast verschwindend und die Seitenkiele fast glatt. Nebenkiele 
beim Männchen im 1.—IV. Segment deutlich kömig entwickelt und 
auch im V. Segment in der Grundhälfte des Segments, beim Weibchen 
im IV. Segment schwächer und im V. fast oder ganz fehlend. Flächen 
fast glatt. Am Hinterende des V. Segments unterseits eine von halb- 
mondförmiger, gekörnter Criste begrenzte vertiefte Area. Blase viel 
länger als der zarte Stachel, gegen das Ende dichtborstig, mit konischem 
Höcker, unterseits am Grunde mit einer Querreihe weniger Körnchen, 
sonst "glatt. 

Oberarm oberseits von gekörnten Kanten begrenzt, nur in 
der Mitte etwas gekörnt, unterseits fast glatt, ohne begrenzende 
Hinterrandskante. Unterarm an der Vorderfläche mit grundständigen 
Höckern, unterseits gerundet, glatt, am Hinterrande mit 3 entfernt 
stehenden Haargrübchen. 

Hand beim Männchen mit starkem, glattem Fingerkiel, auf der 
Innenfläche und Außenfläche der Oberhand mit je einem schwachen 
Nebenkiel; Flächen stark netzig reticulirt. Außenfläche der Unter- 
hand („hand-back“ der Autoren) viel schmäler als die Basis des 
beweglichen Fingers, gegen die Innenfläche der Unterhand durch eine 
gerundete, eingestochen reihig punktirte und wenig scharf begrenzte 
Kante abgesetzt. Hand des Weibchens kiellos (mit Ausnahme des 
Außenrandkiels), fast glatt und glänzend. Beweglicher Finger beim 
Männchen auf der Schneide etwas geschweift, deutlich länger, als die 


Gatt. Diplocentrus. 15 


Hinterhand (z. B. 8,7 : 6), beim Weibchen kaum geschweift oder grad- 
linig, kaum länger oder etwas kürzer als die Hinterhand (z. B. 4,5 : 4 oder 
3,5: 3,8). Verhältniß der Hinterhand zur Handbreite etwa wie 1:1. 


Oberschenkel etwas körnig, Unterschenkel glatt. Seitenloben 
der Tarsenendglieder kaum entwickelt, in der Mitte mit etwas vor- 
springendem Zahn, mit dem Unterrande des Tarsus spitzwinklig zusammen- 
stoßend und hier den ersten Dorn tragend, von denen etwa 5 jederseits 
am Unterrande des Tarsus vorhanden sind (Fig. 7). 


Das Sternum ist pentagonal, mit tiefer Medianfurche in der 
Grundhälfte. Die Zahl der Kammzähne dürfte beim Männchen 
10—13 betragen, beim Weibchen hingegen nur 6—9. Kämme und 
Zähne beim Männchen bedeutend länger als beim Weibchen. 


Der Truncus ist beim Männchen erheblich kürzer (z. B. 
25,5:30 mm), als die Cauda, beim Weibchen dagegen so lang oder 
etwas länger als die Cauda (z. B. 19:18 mm). 

Als Fundorte sind zu nennen: Mexico, Guatemala, Cuba 
(D. Gundlachi), Antigua (D. Purvesi) und Trinidad (D. Gundlachi), 
d. h. das gesammte Gebiet, von dem -bisher überhaupt Diplocentrus- 
arten bekannt geworden. 


2. Diplocentrus seaber Poc. 
1893 Diplocentrus scaber Poc. (Linn. Soc. XXIV, p. 396). 

Von dieser Species hat mir nur ein Exemplar vorgelegen. 

Die Färbung entspricht derjenigen der vorigen Art. 

Der Cephalothorax ist dicht feinkörnig, auf den Stirnloben 
auch punktirt. Die Medianfurche fehlt vor dem Augenhügel. Abdomen 
oberseits zerstreut feinkörnig, letztes Segment oben mit 2, unten mit 
4 abgekürzten, gekörnten Kielen. 

Cauda in Form und Kielung der vorigen Art entsprechend, 
aber die Flächen matter, namentlich im V. Segment etwas körnelig. 
Blase unterseits der Länge nach mit kurzen Körnchenreihen besetzt. 


Oberarm oberseits ohne Vorderranderiste, gerundet in die 


Vorderfläche übergehend, dicht feinkörnig, ebenso die Unterseite nach 
dem Grunde zu. Unterfläche des Unterarms dicht nadelstichig 


punktirt, mit 3 Haargrübchen am Hinterrande. 

Hand (beim Männchen ?) mit fast glattem, gegen den Hand- 
grund verschwindenden Fingerkiel. Innen- und Außenfläche der 
Oberhand etwas gewölbt, dicht nadelstichig punktirt, sonst glatt. 
Außenfläche der Unterhand ebenfalls dicht punktirt, von der Breite der 
Basis des beweglichen Fingers, und der ganzen Länge nach von zwei 


16 Scorpionidae: Diplocentrini. 


glatten deutlichen Kielen begrenzt. Finger dicht eingestochen punktirt, 
länger als die Hinterhand (z. B. 4,2:3 mm). Verhältniß der Hinter- 
hand zur Handbreite bei dem vorliegenden Exemplar — 3 : 3,4. 

Oberschenkel etwas körnig, nebst dem Unterschenkel einge- 
stochen punktirt. Tarsenendglieder und Loben wie bei der vorigen 
Art, die Mitte der Seitenloben jedoch mit nur schwachem Zahn und die 
Zahl der Dornen etwa 6 (Fig. 6). 

Sternum wie bei voriger Art. Zahl der Kammzähne (beim 
Männchen ?) 6. 

Truncus etwa so lang als die Cauda, 15:16 mm bei dem 
vorliegenden Exemplar, 17 : 17,5 nach Pocock. 

Als Fundorte sind bekannt: Jamaica und Barbados. 


3. Diplocentrus antillanus Poc. 
1893 Diplocentrus antillanus Poc. (Linn. Soc. XXIV, p. 396). 
Färbung lederbraun bis rothbraun, wie bei den vorigen Arten. 
Cephalothorax beim Weibchen glatt und glänzend (nur 
einzelne zerstrente Körnchen am Seitenrande), beim Männchen matt 
durch feine, eingestochene Punkte, und mit zerstreuten Körnchen hinter 
den Seitenaugen. Medianfurche auch vor den Augen erkennbar. 
Oberseite des Abdomens in gleicher Weise bei Männchen und 
Weibchen verschieden wie der Thorax. Körnelung namentlich am 
Hinterrande der Segmente. Letztes Segment mit schwacher Andeutung 
von Längskielen, unterseits hingegen mit 4 deutlichen, fast glatten 
Längskielen. 

Obere mediane Caudalkiele beim Männchen im I. und 
ll. Segment ziemlich regelmäßig gekörnt, im UI. und IV. nur etwas 
uneben, im V. fast fehlend; beim Weibchen alle oberen Caudalkiele 
fast glatt, im V. Segment völlig fehlend. Aehnliches gilt von den 
oberen Lateralkielen, die indeß im I.—IV. Segment ihre Körnelung 
etwas mehr bewahrt haben. Untere Caudalkiele bei beiden Geschlechtern 
im I, II. und V. Segment körnig, im III. und IV. fast glatt und obsolet. 
Nebenkiele der oberen Seitenflächen nur im I. und U. vorhanden und 
körnig entwickelt, im III. durch eine Reihe von 3—4 eingestochenen 
Punkten ersetzt, im IV. und V. völlig fehlend. Halbmondförmige 
Area am Ende der Unterseite des V. Segments wie bei den übrigen 
Arten. Blase glatt, borstig, am unteren Hinterrande mit einer 
Querreihe von Körnchen besetzt, unter dem Stachel mit konischem Höcker. 

Oberarm oberseits von gekörnten Kanten begrenzt, in der 
Mitte zerstreut gekörnt, unterseits fast glatt, ohne begrenzende Hinter- 
randskante. Unterarm wie der von D. Whitei. 


Subfam. Urodaeini. 1ly7 


Hand beim Männchen mit starkem, glattem Fingerkiel; ein 
Nebenkiel auf der Innenfläche der Oberhand nur durch einen glatteren, 
eine Reihe eingestochener Punkte tragenden Längsstreif markirt. 
Nebenkiel der Außenfläche etwas mehr hervortretend, ebenfalls mit 
eingestochener Punktreihe, Oberhandfläche im Uebrigen netzig reticulirt, 
nicht dicht nadelstichig. Außenrandkiel der Hand wie bei D. Whitei 
auf die Mitte der Einlenkungsbasis des beweglichen Fingers ziehend. 
Außenfläche der Unterhand daher halb so schmal als die Fingerbasis, 
gegen die Innenfläche der Unterhand nicht durch einen scharfen Kiel 
getrennt, sondern in sanfter Rundung in dieselbe übergehend, am 
Außenrandkiel mit einer Reihe eingestochener Punkte, die auch sonst 
zerstreut auf der Fläche .auftreten. Hand des Weibchens nur 
mit scharfem Außenrandkiel, sonst obsolet gekielt oder gerundet, glatt 
und glänzend, mit Reihenpunkten, wie beim Männchen. Finger beim 
Männchen länger (7,2:6 mm), beim Weibchen oft nur so lang 
(5,5 : 5,5; nach Pocock jedoch 6: 4) als die Hinterhand. Verhältniß 
von Hinterhand zu Handbreite wie 1:0,9 bis 1: 1,1. 

Oberschenkel etwas körnig, Unterschenkel glatt. Seitenloben 
am Ende des letzten Tarsengliedes gerundet, schon von der Mitte an 
mit Dornen besetzt. Zahl der Dornen an der Tarsenunterseite jeder- 
seits etwa 7 (Fig. 5). 

Sternum wie bei den andern Arten. Zahl der Kammzähne 
bei dem mir vorliegenden Männchen 15, 18, beim Weibchen S—11. 
Kämme und Zähne beim Männchen bedeutend länger, als beim Weibchen 

Der Truncus ist beim Männchen erheblich, beim Weibchen etwa - 
kürzer, als die Cauda. Verhältniß von Truncus: Cauda beim Männchen — 
19:27 resp. 21: 28, beim Weibchen 20 : 24, resp. 18: 21. 

Die Pocock’schen Exemplare stammen von den Caraibischen 
Inseln Santa Lucia und St. Vincent; das Hamburger Museum besitzt 
ein Männchen aus Mexico. 


2. Subfam. Urodacini Poc. 


Scorpioniden mit nur 2 Seitenaugen. Cauda mit 
nur einem Mittelkiel unterseits in allen Segmenten, ohne 
Dorn unter dem Stachel. Oberkiefer ohne Zahnbildung 
an der Unterseite. Finger der Palpen auf der Schneide 
mit vielen gedrängten, gegen die Spitze zu zweireihig 
oder selbst einreihig werdenden Körnchen besetzt (Fig. 8) 
und hier namentlich innen mit etwas stärkeren Außen- 
körnchen versehen. Hand wenig breiter als: hoch, 
schmäler als die Länge der Hinterhand, meist deutlich 

2 


18 Scorpionidae: Urodaeini. 


glattkielig oder -kantig. Alle Caudalkiele deutlich ent- 
wickelt. Endtarsen unterseits mit 2 Reihen von je 7-10 
Dornen. Am Grunde der Endtarsen nur innenseits ein 
Dorn. 

Von dieser Unterfamilie waren bisher 3 Gattungen beschrieben: 
Urodacus Pet., Joctonus Thor. und Jodacus Poc. Letztere 
Gattung ist vom Autor selbst später (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XI, 
p. 320) zu Gunsten der Gattung Urodacus wieder eingezogen; die 
Aufstellung der Gattung Joctonus aber beruht lediglich auf einem 
Irrthum, mdem Thorell versehentlich 2 mittlere Caudalkiele für seine 
Originalexemplare annahm, während in Wirklichkeit nur einer vorhanden 
ist. Die Unterfamilie enthält daher zur Zeit nur die eine Gattung 
Urodacus, welche der Hauptsache nach auf Australien beschränkt ist. 


1. Gattung Urodacus. 


Charakter der Subfamilie. 

Bis vor Kurzem kannte man nur den U. novae hollandiae 
Pet., mit dem sich dann weiter der Thorell'sche Joctonus manicatus 
und wahrscheinlich auch dessen J. orthurus als synonym erweist. 
Erst Pocock war es vorbehalten, uns mit einem ganzen halben 
Dutzend neuer Arten bekannt zu machen, die alle im Wesentlichen 
denselben Verbreitungsbezirk mit U. novae hollandiae bewohnen. 

Die Unterschiede, welche Pocock für seine Arten anführt, sowie 
die Untersuchung des mir zu Gebote stehenden Materials von im Ganzen 
28 Exemplaren haben mich nicht überzeugen können, daß es sich bei 
der Mehrzahl der neubenannten Formen um wohl charakterisirte Arten 
handelt. So wird der U. excellens vornehmlich durch seine Größe, 
die geringe Kielung der Hand und die Glätte des Cephalothorax 
charakterisirt. Dazu ist zu bemerken, daß allerdings die 114 mm, 
welche dem U. excellens zukommen, auf ein geradezu riesenhaftes 
Exemplar eines alten Weibchens hindeuten. Aber gerade ein Merkmal 
des Alters pflegt es zu sein, daß die Kiele der Hand sich mehr und 
mehr runden und schließlich fast ganz verschwinden, wie dies schon 
bei viel jüngeren und kleineren Exemplaren zu beobachten ist. Ebenso 
verliert sich die Körnelung des Cephalotorax im Alter mehr und mehr, 
und ich habe vor mir ein 80 mm langes (d. h. 10 mm länger als 
der Pocock’sche Grenzwerth für diese Art) Weibchen von U. novae 
hollandiae, das auf jeder Seite des Thorax nur noch ganz einzelne 
winzige und obsolete Körnchen zeigt, im Uebrigen aber absolut glatt 
und glänzend ist. Auch jüngere Weibchen lassen oft die Körnelung 
des Thorax und namentlich die des Abdomens sehr weit zurücktreten, 


Gatt. Urodacus. 19 


während bei den Männchen eme stärkere Körnelung auch der Mittel- 
parthien des Abdomens die Regel ist. Da auch die höhere Zahl der 
Haargruben (19 an der Unterhand, 15 an der Armunterseite) als zu 
variabel nicht sonderlich ins Gewicht fallen kann, so bleiben für 
U. excellens nur Alterscharaktere übrig, und diese können ebensowenig 
wie eine etwas über das gewöhnliche Maaß hinausgehende Größe die 
Aufstellung einer eigenen Art rechtfertigen. Nicht viel anders steht 
es mit dem U. abruptus Poc., den er selbst später schon mit seinem 
U. Keyserlingii zusammengezogen hat. Die „hammer - shaped 
depression“ am Hinterrande des Üephalothorax im Gegensatz zu der 
mehr „triangular depression* finde auch ich bei einigen Individuen 
mehr oder weniger scharf ausgeprägt, aber diese Individuen zeigen 
eine so absolute Uebereinstimmung in allen übrigen Merkmalen mit 
den in demselben Glase befindlichen Exemplaren, daß man an eine 
individuelle Variabilität des hinteren Cephalothoraxeindrucks und des 
Verhaltens der Augenhügelhälften zu demselben um so mehr zu glauben 
geneigt ist, als thatsächlich vom Hammerförmigen bis zum Dreieckigen 
alle Uebergänge sich nachweisen lassen. Endlich kann ich auch die 
stärkere Ausbildung des letzten Zahns der oberen Caudalkiele, die 
für U. armatus 91 charakteristisch sein soll, als artbegründend nicht 
anerkennen. Zeigen doch die mir vorliegenden 28 Exemplare von 
Urodacus auch in diesem Punkte eine solche Variationsweite, daß ich 
eine complete Stufenreihe vom nicht oder kaum hervortretenden End- 
zahn bis zum starken, schräg nach oben ansteigenden Dorn zu bilden 
im Stande wäre. Dabei scheint es, als wenn die Verschiedenheit in 
der Ausbildung dieses Dorns nicht oder doch nicht ausschließlich als 
Geschlechtscharakter aufzufassen ist, da bei einigen Weibchen ebenfalls 
ein stärkeres Hervortreten des Enddorns beobachtet wurde. U. Wood- 
wardii soll zwischen U. novae hollandiae und abruptus stehen und 
sich von ersterer Art durch größere Glätte und gerundetere Stirnloben 
unterscheiden, von letzterer durch den Mangel eines Enddorns in den 
oberen Caudalkielen, d. h. also durch Merkmale, die ich als beständige 
nicht zu erkennen vermag. Die geringen Differenzen, welche Pocock 
für die Längen- und Dickenmaaße der einzelnen Caudalglieder zu 
einander zwischen U. novae hollandiae und Woodwardii aufführt, sind 
ebenso wenig geeignet, seiner Ansicht eine feste Basis zu schaffen. 

Es sind dann endlich von Pocock noch zwei Arten beschrieben, die 
er anfangs als Gattung Jodacus abtrennte, und die in der That eine 
selbständige Species zu bilden scheinen, nämlich U. Darwinii und 
planimanus. Deide sind charakterisirt durch die von obenher 
plattgedrückte Oberhand, deren Innenfläche mit der äußeren Fläche 


2» 
=» 


30 Scorpionidae: Urodaeini. 


der Oberhand nicht einen stumpfen, sondern einen rechten Winkel 
bilden soll. Ich muß zwar darauf aufmerksam machen, daß der ganze 
Unterschied im Wesentlichen darauf hinausläuft, ob der „Nebenkiel“ 
der Innentläche der Oberhand stärker oder schwächer hervortritt, und 
daß ich in dieser Hinsicht eime ziemlich weitgehende Variation 
beobachtet habe; immerhin scheint die von Pocock geschilderte 
Abplattung der Innenfläche der Oberhand so typisch zu sein, daß die 
Aufstellung einer eigenen Art gerechtfertigt sein dürfte. Wenn aber 
des Weiteren die hierher gehörigen Formen in zwei Species getheilt 
werden, deren eine (U. planimanus) ein fein gekörntes Abdomen, 
14 Kammzähne und starken Enddorn an den oberen Gaudalkielen, 
deren andere (U. Darwinii) hingegen ein glattes Abdomen, 11 Kamm- 
zähne und keinen stärker hervortretenden Enddorn besitzt, so liegt es 
auf der Hand, daß es sich hier genau um diejenigen Geschlechts- 
unterschiede zwischen Männchen und Weibchen handelt, die auch bei 
U. novae hollandiae in die Erscheinung treten. Ich glaube daher 
nicht zu radikal vorzugehen, wenn ich, selbst gegen den brieflichen 
Widerspruch Pococks, den jüngst aufgestellten U. planimanus als 
Männchen zu U. Darwinii ziehe, zumal letztere Form von Pocock 
selbst als Weibchen erkannt wurde. — Wir würden es demnach mit 
2 Arten von Urodacus zu thun haben, deren Unterschiede etwa 
folgendermaaßen zu formulieren wären: 


A. Innenfläche der Oberhand in der Mitte mit einem deutlichen 
Nebenkiel und durch diesen zweiflächig. Außentläche der Ober- 
hand gegen die Innenfläche der Oberhand im stumpfen Winkel 
geneigt. Cauda nach dem Ende zu nicht oder kaum verschmälert. 

l. U. novae hollandiae Pet., p. 20. 

B. Innenfläche der Oberhand nur mit schwacher Andeutung eines 
verkürzten Nebenkiels, daher einflächig, fast eben und platt. 
Außenfläche der Oberhand gegen die Innenfläche im rechten 
oder fast rechten Winkel geneist. Cauda nach dem Ende 
verschmalertt So Me a... 2. U. Darwini Poc., p. 23. 


l. Urodacus novae hollandiae Pet. 


1861 Urodacus novae hollandiae Pet. (Mon.-Ber. Berl. Akad. 1861, p. 511). 
1876 Joctonus manicatus Thor. (Ann. Mag. |4] XVII, p. 14). 

?1877 53 orthurus Thor. (Atti Soc. ital. XIX, p. 264). 

?1888 Urodacus excellens Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] II, p. 170). 


? 1888 5 armatus Poc. (ibid., p. 172). 

? 1888 ns abruptus Poc. (ibid., p. 174). 

?1891 e Keyserlingii (ibid. [6] VII, p. 245). 

? 1893 Pr woodwardi Poc. (ibid. [6] XII, p. 322). 


Gatt. Urodacus. 91 


27 


Die vorstehende Synonymie wird nach dem früher Gesagten 
einer weiteren Begründung kaum bedürfen. Hervorgehoben mag nur 
werden, daß mir die Origmalexemplare von Joctonus manicatus Thor. 
von Seiten des Autors selbst in liebenswürdigster Weise zur Verfügung 
gestellt waren, und daß ich die Abweichung des U. orthurus in der 
Färbung und der geringeren Krümmung der Caudalseitenflächen nicht 
für ausreichend halte, um auf ihnen eine eigene Art zu gründen. Es 
erscheint jedoch nicht ausgeschlossen, daß der U. orthurus zur folgenden 
Art zu ziehen ist („latus superius manus parum convexum, costa 
humili laevi longitudinali*). 

Die Färbung des U. novae hollandiae ist ungemein variabel. 
Die gewöhnliche Farbe des Truncus ist braunroth, doch kann dieselbe 
einerseits ins dunkel Braunschwarze, andererseits ins Lehmfarbene, hell 
Scherbengelbe und Graugrünliche übergehen. Auch Fleckenzeichnungen 
können auf den Abdominalringen auftreten. Die Cauda ist in der Regel 
etwas heller rothbraun als der Truncus; ebenso die Arme und Hände. 
Die Kielleisten aller dieser Theile smd in der Regel durch dunklere 
Färbung — bis zu schwarz — markirt, doch kann dieselbe auch 
fehlen, z. B. bei ganz hellen und bei ganz dunklen Individuen. Die 
Blase ist von der Farbe der Cauda. Die Beine sind hellgelb, lehmgelb 
oder — bei dunklen Individuen — braun beraucht. 

Der Cephalothorax zeigt in der Mitte des Vorderrandes einen 
mäßigen, fast halbkreisförmigen Einschnitt; die Stirnloben beiderseits 
sind gerundet; der Augenhügel liegt ein klein wenig vor der Mitte des 
Cephalothorax und ist von tiefer Medianfurche durchzogen, die sich 
nach vorn breit zum Stirnrande fortsetzt, hinter dem Augenhügel aber 
ganz seicht wird bis zum völligen Verschwinden, um dann in der Form 
eines an den Seiten etwas eingezogenen Dreiecks oder eines gestielten 
Hammers nach dem Hinterrande zu sich wieder zu vertiefen. Die Stirn- 
loben und das ganze vordere Drittel des Cephalothorax bis zum Augen- 
hügel sind in der Regel völlig glatt und glänzend, äusserst fein 
nadelstichig. Die Seitentheile der hinteren zwei Drittel sind hingegen 
meist mit feiner Körnelung besetzt, die beim Männchen auch die 
Mittelparthien hinter dem Augenhügel bedecken kann, während 
andererseits bei alten Weibchen jede Spur auch der seitlichen Körnelung 
vermißt wird. — Die Abdominalringe sind oberseits beim Männchen 
durchaus feinkörnig, auch auf der Mittelfläche, beim Weibchen hingegen 
vielfach völlig glatt und glänzend oder doch nur an den Seiten äußerst 
feinkörnig. Das letzte Rückensegment trägt 4 abgekürzte gekörnte 
Längskiele. Die Bauchseite ist glatt und glänzend; nur das letzte 
Segment mit 2 meist glatten, abgekürzten Längskielen. 


2) Scorpionidae: Urodaeini. 


Die Cauda ist durch scharfe Ausprägung der Kiele ausgezeichnet, 
deren Körnelung indeß weitgehende Verschiedenheiten bietet. Die 
Begrenzungskiele der oberen Längsfurche sind allerdings wohl in allen 
Fällen körnig entwickelt, bald feiner, bald gröber gesägt, bald mit 
stärkerem, bald mit kaum hervortretendem Enddorn des H—IV. Segmentes. 
Auch die oberen Lateralkiele sind in der Regel körnig, können jedoch 
zuweilen glatt sein. Im V. Segment ein in der Regel abgekürzter oder 
in unregelmässige Körnelung übergehender Nebenkiel; nur selten ist 
er ziemlich deutlich bis zum Grunde verfolebar. Von den unteren 
Caudalkielen sind die des ersten Segmentes nur bei ganz jugendlichen 
Individuen gekörnt, im späteren Alter jedoch stets nur als glatte 
geschärfte Längskanten entwickelt. Des weiteren kann dann die 
Körnelung dieser drei Kiele im II., IIL, ja nicht selten auch im 
IV. Segment unterbleiben, so daß dann nur das V. Segment deutliche, 
meist sogar zackig entwickelte Körncheneristen aufweist. Im I. Segment 
findet sich an der oberen Lateralfläche regelmäßig noch eine meist 
gekörnte Nebenkriste; das Segment ist also neunkielig. Die Blase ist 
glatt, schlank und mit 4 flachen Längsfurchen versehen. 

Der Oberarm ist auf der oberen Fläche mehr oder weniger 
körnig, mit deutlicher, gekörnter Vorder- und Hinterkante. Die Unter- 
seite ist meist weniger gekörnt, bei älteren Individuen fast völlig glatt 
und entbehrt am Hinterrande einer scharfen Begrenzungskante. Der 
Unterarm ist unterseits glatt und trägt am Hinterrande eine Reihe 
von 7—11, bei U. excellens 15 Haargrübchen. 

Die Hand ist meist mit deutlichen, aber stets glatten Kielen 
versehen; nur zuweilen und besonders ım Alter können dieselben so 
sehr an Schärfe abnehmen, daß die Hand fast gerundet erscheint. 
Die Oberhand wird zunächst durch einen stark entwickelten „Fingerkiel“ 
in Innen- und Außenfläche getheilt. Erstere ist wiederum durch einen 
meist etwas schwächeren „Nebenkiel“ in zwei in sehr stumpfem Winkel 
gegeneinander geneigte Flächen getheilt, während die Außenfläche 
durch emen der Länge nach ausgebildeten kielartigen Wulst weniger 
deutlich geschieden ist und mehr als gewölbte Fläche sich darstellt. 
Die Innenhandfläche ist meist fein netzig reticulirt, selten ganz glatt. 
.Die Unterhand zeigt am äußeren Seitenrande eine bis zum Grunde 
reichende Längsreihe von 7—10, selten bis 13 oder mehr, Haargrübchen. 
Die Körnelung der Finger ist m sofern variabel, als die mehrreihige 
Körnchenschicht des Grundes nach der Spitze zu m der Regel in zwei, 
zuweilen aber auch in nur eine Längsreihe sich verjüngt, abgesehen 
von den an der Spitze rechts und links auftretenden Außenkörnchen. 
Die Länge des beweglichen Fingers ist meist etwas größer, oder doch 


Gatt. Urodaeus. 23 


so groß, als die der Hinterhand (1: 0,8 bis 1: 1,1). Das Verhältniß 
von Hinterhand zu Handbreite schwankt zwischen 1: 0,7 bis 1: 0,89. 
Größte absolute Länge von Finger, Hinterhand und: Handbreite bei 
den vorliegenden Exemplaren: 12, 9,5 und 7 mm.  Geschlechtsunter- 
schiede an Finger und Hand wurden nicht bemerkt. 

Die Schenkel sind feinkörnig oder fast glatt. 

Das Sternum ist in seiner Länge sehr variabel, bald so lang, 
bald nur etwa halb so lang als breit. Die Zahl der Kammzähne 
schwankt in ununterbrochener Reihe von 10—22, und zwar gelten die 
Zahlen 10—13 oder 14 für die Weibchen, 15—22 für die Männchen. 
Die gewöhnlichste Kammzahl für das Weibchen ist 12, für das 
Männchen 15—18. Bei letzterem reichen die Spitzen der Kämme 
über das Coxaleglied des IV. Beinpaares hinaus. 

Der Truncus ist in der Regel etwas kürzer als die Cauda, 
auch beim Weibchen, doch kann bei letzteren auch das gegentheilige 
Verhältniß eintreten. Im Ganzen ergab sich ein Schwanken des Ver- 
hältnisses von Truncus zur Cauda von 1:0,8 bis 1: 1,4. Die größte 
Gesammtlänge, die ich beobachtete, betrug 80 (= 41 + 39) mm; 
das Pocock’sche Exemplar für U. excellens mißt sogar 114 mm. 

Die Heimath des U. novae hollandiae ist Australien, und 
zwar scheint er im Norden, Westen und Süden bis nach Südosten 
(Vietoria) vorzukommen. Pocock erwähnt eimes Fundes von Ceylon, 
doch wird es sich hierbei lediglich um eine bei Scorpionen so häufige 
Verschleppung handeln. 


2. U. Darwinii (Poc.). 
1891 Jodacus Darwinii Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] VII, p. 245). 2 
? 1895 Urodacus planimanus Poe. (ibid. [6] XII, p. 321). £ 

Ueber vorstehende Art kann ich nicht aus eigener Anschauung 
urtheilen, doch scheint es mir nicht ausgeschloßen, daß dieselbe eben- 
falls in den Formenkreis des U. novae hollandiae einzuziehen ist. Die 
Gründe, welche es mir wahrscheinlich machen, daß U. planimanus 
lediglich das Männchen zu U. Darwinii darstellt, habe ich bereits 
oben hervorgehoben. 

In der Färbung dürfte ein Unterschied von U. novae hollan- 
diae nicht existiren. Ebenso wenig in der Körnelung des Cephalo- 
thorax und der kückenschilde, welche letztere beim Weibchen glatt, 
beim Männchen feinkörnig sind. 

Die Cauda ist nach hinten verschmälert, etwas zusammen- 
gedrückt, dünn, mit fein gezähnelten Kielen und beim Männchen mit 
fein gekörnten Flächen. Die oberen Kiele beim Männchen (planimanus) 


24 Scorpionidae: Scorpionini. 


mit, beim Weibchen (Darwinii) ohne stärkeren Endzahn. Der einzige 
greifbare Unterschied von U. novae Hollandiae liegst, abgesehen von 
der Verschmälerung der Cauda, augenschemlich in der größeren 
Abplattung der Innenfläche der Oberhand, die überdies zur Außen- 
fläche im rechten Winkel gestellt ist. Die Zahl der Haargruben am 
Unterarm, wie an der Unterhand wird von Pocock beim Männchen 
zu S—9 angegeben, während das Weibchen an der Unterhand 12 Haar- 
gruben zeigte. 


Die Zahl der Kammzähne betrug beim Weibchen 11, beim 
Männchen 14, die Gesammtlänge des Körpers beim Weibchen 59, beim 
Männchen 64 mm. 


Das Weibchen stammt von Port Darwin (Nordaustralien), 
das Männchen von Westaustralien. 


3. Subfam. Scorpionini. 


Scorpioniden mit nur einem Dorn am Grunde des 
letzten Tarsengliedes, mit gerundeten, am Rande bedornten 
Seitenlappen am Ende des letzten Tarsengliedes, welche 
die Basis der Klauen seitlich verdecken (Fig. 9—12). 
Jederseits3 Nebenaugen. Stachelohne Höcker am Grunde. 
Körnchen der Scheerenfinger der Hauptsache nach auf 
der Schneide eine einfache Reihe bildend, aber meist von 
einzelnen kleineren Seitenkörnchen flankiert und in 
Zwischenräumen durch größere Doppelkörnchen unter- 
brochen. Kämme mit wenigen, oft kaum deutlichen, 
kantigen Mittellamellen. Kammzähne wohl entwickelt. 
Sternum meist mindestens so lang als breit. Scheeren- 
glieder des Oberkiefers unterseits ohne Zahnbildungen. 


Als Gattungen dieser Gruppe, welche von Simon (Arachn. de 
France VII, p. 92) als Familie der Heterometridae ') zusammengefaßt 
wurde, sind zu nennen: Scorpio, Pandinus, Palamnaeus, 
Heterometrus, Miaephonus, Petrooicus (Oecopetrus), Mossa- 
medes und Opistophthalmus. Von diesen ist Pandinuselediglich 
ein Synonym zum alten Gattungsnamen Scorpio, den zu verwerfen 


I) Abgesehen davon, daß es sich lediglich um eine Unterfamilie, nicht um 
eine Familie handeln kann, scheint mir der Name insofern unglücklich 
gewählt, als er nicht die artenreiche Gattung Scorpio, sondern eine etwas 
abseits stehende, wahrscheinlich nur eine Art umfassende Gattung als 
m » 

Typus aufstellt. 


Subfam. Scorpionini. 25 


ich jedoch mit Pocock (Ann. Mag. Natur. History 1888, p. 246) 
keinen genügenden Grund finde. Die Gattung Palamnaeus ist von 
Thorell lediglich auf Grund des etwas dickeren Handinnenrandes 
aufgestellt und schließt sich m allen ihren Merkmalen so sehr an die 
Gattung Scorpio (namentl. Sc. bengalensis) an, daß ich es richtiger 
halte, sie einzuziehen. Haben mir doch mehrfach Exemplare von 
„Palamnaeus“ vorgelegen, bei welchen der Handrand völlig die Schärfe 
echter Scorpioarten zeigte, während andererseits Simon eine echte 
Scorpioart (Se. bengalensis) wegen der geringeren Entwickelung des 
Handballens trotz seiner geschärften Innenrandkante der Hand 
der Gattung Palamnaeus eingeordnet hat. Das Merkmal, welches 
Pocock (Journ. Bombay Natur. History Soc. 1892, 22. Nov., 
p. 3) in den Vordergrund stellt, nämlich die Ausbildung der letzten 
"beiden Zähne des beweglichen Oberkieferfingers in Form einer fast 
gleichzinkigen Gabel, ist nichts weniger als stichhaltig, da eine ganze 
Reihe von echten Scorpioarten (Sc. Svammerdami, westafr. Formen von 
Sc. africanus etc.) diese Bildung in annähernd gleicher Weise darbieten. 

Die Gattung Heterometrus Ehbg, mit der typischen Art 
H. maurus, steht zwar ebenfalls der Gattung Scorpio sehr nahe, so daß 
Pocock sie mit letzterer vereinen zu sollen geglaubt hat; immerhin 
habe ich zum mindesten ein Merkmal aufgefunden, welches dieselbe 
von Scorpio zu trennen gebietet, wenn anders man nicht sämmtliche 
hierher gehörige Gattungen zu einer verschmelzen will: das ist die 
größere Dornenzahl an den Loben der Endtarsen. Wird diese Dornen- 
zahl, welche bei der Gattung Scorpio fast ausschließlich jederseits 2, 
in seltenen Fällen 3 beträgt, nicht als wichtigstes Criterium der Gattung 
gewählt, so weiß ich in der That nicht, wie man des weiteren die 
Gattungen Petrooicus, Mossamedes, Opistophthalmus von Scorpio trennen 
kann, da das Zurückrücken der Augen auf den hinteren Abschnitt des 
Cephalothorax sich so allmählich vollzieht, daß eine scharfe Scheidung 
durch dieses Merkmal zur Unmöglichkeit wird, wie wir weiter unten 
sehen werden. Ich glaube also den Heterometrus maurus als Typus 
einer eigenen Gattung aufrecht erhalten zu müssen, zumal derselbe 
noch eine ganze Reihe weiterer specifischer Eigenthümlichkeiten aufweist, 
und ich füge so leider den schon jetzt geradezu verwirrenden Ansichten 
über die anzuwendende Nomenclatur der in Rede stehenden Gattungen 
eine neue hinzu, von der ich allerdings zu hoffen wage, daß sie auch 
bei künftigen Forschern als wohlbegründet sich bewähren möge. Eine 
Uebersicht der verschiedenen Ansichten über unsern Gegenstand giebt 
bereits Pocock im seimer oben citierten Arbeit (Ann. Mag. 1888). 
Ich setze sie hierher unter Hinzufügung der Auffassung Pococks und 


F3 


36 Sceorpionidae: Scorpionini. 


meiner eigenen als Beispiel für die Schwierigkeiten, welche bei der 
verschiedenen Beurtheilung des Werthes der Gattungsmerkmale und 
der für die Nomenclatur anzuwendenden Regeln sich ergeben können: 


Linne: Scorpio Scorpio Scorpio. 
Ehrenberg: — Heterometrus Heterometrus. 
Thorell: Pandinus Palamnaeus Heterometrus. 
Karsch: Pandinus Heterometrus Scorpio. 
Simon: Scorpio Palamnaeus Heterometrus. 
Pocock: Scorpio Heterometrus Scorpio. 
Kraepelin: Scorpio Scorpio Heterometrus. 


Die Gattung Opisthophthalmus ist bereits von C. L. Koch 
aufgestellt und durch die weit nach himten gerückten Mittelaugen 
charakterisirt worden. Leider aber sind später verschiedene Zwischen- 
formen beschrieben, welche eine lückenlose Reihe von den ausge- 
sprochensten Opisthophthalmen bis zu normalen Scorpioarten, bei 
denen die Augen oft genau in der Mitte des Cephalothorax sitzen, 
darstellen. Es ergiebt sich dies auf das Unzweideutigste aus den von 
mir ausgeführten Messungen. Danach verhält sich die Entfernung 
vom Hinterrande bis Mittelaugen zu der vom Vorderrande bis Mittel- 
augen beispielsweise bei ©. pallidipes wie 1: 2,71, bei O. latimanus 
wie 1: 2,45 bis 2,29, bei O. capensis wie 1 : 2,33 bis 1,8, bei O. pictus 
wie 1: 1,66 bis 1,55, bei O. Anderssoni wie 1: 1,54 bis 1,38, bei 
Mossamedes opmatus wie 1: 1,33 und bei Miaephonus Wahlbergi wie 
1:1,17 bis 1,16, wodurch dann die Augenstellung der typischen 
Scorpioarten erreicht ist (bei Sc. arabicus ist das in Rede stehende 
Verhältniß = 1: 1,25). Es kann uns unter diesen Umständen nicht 
Wunder nehmen, wenn bei dem gänzlichen Mangel definirbarer Gattungs- 
unterschiede allerlei Irrthümer sich eingeschlichen haben. So charakte- 
risirt Thorell seine Gattung Ophisthophthalmus vornehmlich dadurch, 
daß die Mittelaugen „doppelt so weit“ vom Vorderrande als vom 
Hinterrande entfernt seien, während doch bei ©. Anderssoni nur etwa 
das Anderthalbfache dieses Maaßes erreicht wird. Andererseits hat 
Karsch diesen selben Scorpion, den schon Peters als Heterometrus 
carinatus beschrieb, auf Grund der Augenstellung zur neuen Gattung 
Petrooicus erhoben. Der Miaephonus Wahlbergi Thor. könnte 
höchstens durch die Körnelung der Blase als Gattung abgetrennt 
werden, doch hat er dieses Merkmal mit Mossamedes gemeinsam, 
dessen Augenstellung, wie oben gezeigt, sich unmittelbar an die des 
OÖ. Anderssoni und weiter des O. pietus anschließt. Der Haupt- 
charakter, welchen Simon für seine Gattung Mossamedes ms Feld 
führt, soll darin bestehen, daß der Kamm im basalen Drittel keine 


Subfam. Scorpionini. 97 
Kammzähne trägt. Allein abgesehen davon, daß dieses Merkmal nur 
für die Weibchen, nicht aber für die Männchen paßt, ist dasselbe 
generisch in keiner Weise zu verwerthen, da bei Miaephonus Wahlbergi, 
wie bei ©. pietus n. sp. die Kämme der Männchen ganz in derselben 
Ausbildung einen auffallend verlängerten Kammgrund aufweisen. 


Es bleibt nach dem Gesagten kein anderer Ausweg, als die 
Gattungen Petrooicus, Miaephonus und Mossamedes mit Opisthoph- 
thalmus zu vereinigen, letztere Gattung aber nicht sowohl durch die 
Stellung der Augen, als vielmehr durch die Bedornung der Tarsenendlappen 
und die schwache Ausrandung des Cephalothorax zu charakterisiren. 


Nach diesen Gesichtspunkten erhalten wir dann folgende 
Bestimmungstabelle der Gattungen: 


1) Seitenlappen des Tarsenendgliedes am III. und IV. Beinpaare 
jederseits neben den Borsten ') nur mit 2 (Fig. 9), sehr selten 
mit 3 Dornen (Fig. 10, 11). Blase unterseits fast stets gekörnt. 
Ausschnitt am Vorderrande des CGephalothorax groß. Seine Median- 
furche nie nach vorn gabelig zum Rande verlaufend. Augen 
meist etwas vor der Mitte der Entfernung vom Ausschnittsgrunde 
bis zum Hinterrande. Hand häufig ohne oberen, aus dem unbe- 
weglichen Finger zum Grunde verlaufenden Kiel. 

1. SCoRpIorL., Pr 28. 

2) Seitenlappen des Tarsenendgliedes am UI. und IV. Beinpaare 
jederseits mit 5 oder 4 (außen meist 4, innen 5) Dornen kamm- 
artig besetzt (Fig. 12, 13; 34—36). Blase unterseits oft glatt. 
Ausschnitt am Vorderrande des Cephalothorax mäßig oder fehlend. 
Medianfurche nach vorn oft gabelig (Fig. 33). Augen meist 
hinter der Mitte des Cephalothorax, oft weit nach hinten. Hand 
stets mit oberem, aus dem beweglichen Finger zum Grunde ver- 
laufenden Kiel. 


a. Vorderfläche des Oberarms nicht als deutliche, von gekörnten 
Kielen begrenzte Ebene entwickelt. Oberarm am unteren Hinter- 
rande ungekielt. Letztes Bauchsegment mit 4 körnigen Längs- 
eristen; ebenso unterseits das I. Caudalsegment. Untere Seiten- 
cristen des V. Caudalsesments am Ende schlittenkufenartig nach 
außen und oben biegend und mit ihrem sägezähnigen Rande 
fast oder ganz die oberen Randeristen am Ende des Segments 
erreichend (Fig. 14, 15). Blase gekörnt. Tarsenendglied unter- 


I) Bei einigen Arten der Gattung Scorpio ist die endständige Borste ziemlich 
stark, unterscheidet sich aber von den echten Dornen durch Länge und 
Biegsamkeit. 


28 Scorpionidae: Scorpionini. 


seits mit 2 regelmässigen Reihen von Dornen (beide Reihen 
mit gleicher Dornenzahl; Fig. 12, 13). Augen etwa in der 
Mitte des Gephalothorax. 
2. Heterometrus Hempr. Ehbg., p. 73. 
b. Vorderfläche des Oberarms eine ebene, von gekörnten Kanten 
begrenzte Fläche. Oberarm am unteren Hinterrande wenigstens 
zum. Theil mit einer gekörnten Begrenzungskante. Letztes 
Bauchsegment selten mit Andeutung von Kielen. I. Caudal- 
segment kiellos oder mit glatten nur etwas cerenelirten Kielen. 
Untere Seitencristen des V. Caudalsegments nicht bis zu den 
oberen Randceristen des Segments aufbiegend. Blase glatt, 
seltener gekörnt. Aeußere Reihe der Dornen am Tarsenendgliede 
geringer an Zahl, als die Innenreihe, oft auf die Endloben 
beschränkt (Fig. 34—36). Augen oft weit nach hinten gerückt. 


nr 


3. Opisthophthalmus C. L. Koch., p. 77. 


1. Gatt. Seorpio L. emend. 


Scorpioninen mit nur zwei, seltener drei, Dornen 
an jedem der beiden Endlappen des Tarsenendgliedes 
(Fig. 9—11). Daneben Borsten. Blase fast stets gekörnt. 
Ausschnitt am Vorderrande des Cephalotorax groß. 
Medianfurche nie nach vorn gegen den Ausschnitt hin 
gabelspaltig. Augen meist etwas vor der Mitte der Ent- 
fernung vom Hinterrande bis zum Grunde des Vorder- 
randausschnittes Hand meist ohne oberen, aus dem 
unbeweglichen Finger zum Grunde verlaufenden Kiel. 

Der Name Scorpio wurde von Linne © (ebenso de Geer, 
Herbst u. A.) auf alle ihm bekannten Arten der Ordnung angewandt, 
wobei er in der Diagnose (Editio X Tom V., p. 2961) indeß aus- 
drücklich „Oculi oeto“ als Gattungsmerkmal angiebt. Dem von Leach 
(Transaction Linn. Soc. XI, p. 391, 1875) für die achtaugigen Scorpione 
eingeführten Gattungsnamen Buthus, der dann von Hemprich- 
Ehrenberg (Symbolae physicae 1829—34), Koch (System der 
Arachniden 1837, p. 36) und Gervais (Insectes apteres III, pag. 50) 
adoptirt wurde, würde daher an und für sich eine Berechtigung über- 
haupt nicht zukommen. Da Leach aber als Typus seiner Gattung 
den B. oceitanus (und zwar nur diesen allein) aufführt, der nicht 8, 
sondern 10 Augen besitzt, so konnte der Name Buthus im Sinne des 
Autors von Peters (Sitzungsber. Berl. Akad. 1861, p. 507 u. 513) 
für die dem B. occitanus verwandten Formen verwerthet werden, 
während nunmehr die Gattung Scorpio durch Simon (Arachnides 


Gatt. Scorpio. 29 


wc 


de France 1879 VII, p. 92) ın dem auch von uns angenommenen 
Umfange festgelegt wurde. Daß die dann weiterhin von Thorell 
‘vorgenommene Namensänderung in Pandinus einem Bedürfnisse nicht 
entspricht, und daß auch die Gattung Palamnaeus nicht aufrecht zu 
erhalten, wurde bereits oben hervorgehoben. 

Die Zahl der hierher gehörigen, bisher beschriebenen Arten 
mag gegen 40 betragen, deren Studium noch dazu durch eine geradezu 
verwirrende Synonymie erschwert wird. Eine systematische Bearbeitung 
der Gesammtgattung gehörte daher lange zu den frommen Desiderien. 
Ein Versuch von Karsch (Abhandl. Naturw. Verein Bremen 1887, 
p. 86) enthält nur die tabellarische Gruppirung von etwa ein Dutzend 
Arten; erst Pocock hat sich in zwei verschiedenen Abhandlungen 
(Ann. Mag. Nat. Hist. 1888 und Journ. Bombay Nat. Hist. 1892) 
dieser Arbeit unterzogen, deren Resultate in vieler Hinsicht mit den 
von mir erlangten übereinstimmen. 

Nach meimen Untersuchungen wird sich die Zahl der bisher 
bekannten Arten auf 9 reduciren lassen, zu denen dann noch zwei 
neu zu beschreibende und emige Varietäten hinzutreten. Eine Kritik 
der sämmtlichen, bisher aufgestellten Arten an dieser Stelle zu geben, 
würde zu weit führen, doch habe ich mich bei der Besprechung der 
einzelnen Formen bemüht, die Richtigkeit der am Kopfe jeder Art 
zusammengestellten Synonyme zu beweisen. Daß trotz des umfang- 
reichen Vergleichsmaterials und trotz der zahlreichen Originalexemplare, 
die ich untersuchen konnte, nicht alle Räthsel von mir gelöst worden 
sind, wird den mit der Schwierigkeit der Materie Vertrauten nicht 
Wunder nehmen. 

Ehe ich nunmehr zur Besprechung der einzelnen von mir als 
berechtigt anerkannten Arten übergehe, fasse ich die Unterschiede 
derselben kurz in folgender Bestimmungstabelle zusammen: 

A. Unterarm an der Unterseite mehr oder weniger gewölbt, ohne 
scharfen Hinterrandkiel und hier ohne regelmäßige, in 
2—4 Reihen geordnete kraterförmige Haargrübchen. 
(Höchstens einzelne derselhen einreihig am Rande. Fig. 18.) 
Ausschließlich asiatische Formen. 

I. Innenrand der Hand dick, gerundet, nicht zusammengedrückt 
zugeschärft. Obere Handtläche entweder ganz glatt oder seicht 
flachgrubig retieulirt, meist mit Andeutungen stumpfer, 
glatter Längskiele. Unterarm mit großem Dorn am 
Grunde, meist sehr gestreckt, wie auch Hand und Finger. 
Oberer Endzinken des Oberkiefers bei verticaler Stellung des 
Thieres den unteren fast verdeckend, mit ihm gleich laufend 


30 


1. 


Scorpionidae: Scorpionini. 


und eine fast gleichzinkige Gabel bildend (Fig. 21). Die 

Depression um den Augenhügel nicht in die hintere Medianfurche, 

sondern durch eine schräg auswärts ziehende Depression 

x förmig in das mediane Ende der hinteren geschweiften Quer- 

furche übergehend (Fig. 20). 

1. Sc. longimanus Herbst, p. 34. 

Innenrand der Hand zusammengedrückt zugeschärft. Obere 

Handfläche körnig oder reticulirt, höchstens der Handballen 

fast glatt. Kiele — abgesehen vom Außenrandkiel — wenn 

vorhanden, lediglich durch Zusammenfließen gröberer Körnchen- 
reihen gebildet. Dorn des Unterarms klem oder fehlend. 

Oberer Endzinken des Oberkiefers bei verticaler Stellung des 

Thieres den unteren meist nicht deckend, sondern in der Regel 

nur als tiefer stehender Zahn entwickelt (Fig. 22—24). Die 

Depression um den Augenhügel geht hinterwärts nicht oder nur 

undeutlich in die geschweiften hinteren Seitenfurchen über (Fig.19). 

a. Oberarm unterseits grobkörnig. I. + II. Gaudalsegment so 
lang oder länger als der Cephalothorax. Dieser gleich den 

Dorsalringen des Abdomens auf der ganzen Fläche feinkörnig 

chagrimirt. Unterarm oberseits dichtkörnig. Hand grob 

kugelig-körnig, ohne von zusammenfließenden Körnchen ge- 
bildeten Nebenkiel. Kammzähne 17—-20. Größte Breite der 

Hand in der Höhe der Handwurzel. Innenrand der Hand 

aus herzförmigem Grunde fast gerade zum beweglichen Finger 

verlaufend. Hintere Seitenfurche des Thorax ohne Verbindung 

mit dem Ende der Medianfurche. Endzinken der Oberkiefer 

ziemlich parallel (Fig. 24). Truncus meist rothbraun, mit 
gelben oder lederbraunen Beinen. 

2. Sc. Svammerdami (Sim), p. 42. 

b. Oberarm unterseits glatt (höchstens eine Körnchenreihe am 

Hinterrande). I. + U. Caudalsegment meist kürzer als der 

Cephalothorax. Dieser oft nur an den Seiten körnig, und 

dann mit glattem „Spiegel“ auf den Flächen vor den Augen. 

Unterarm oberseits glatt oder feinkörnig. Hand kugelig- 

körnig oder reticulirt, zuweilen mit Nebenkielen. Kammzähne 

9— 17. Oberer Endzimken des Oberkiefers zahnartig, den 

unteren nicht verdeckend (Fig. 22). 

a. Obere Handfläche fast in ganzer Ausdehnung mit isolirten, 
glänzenden und meist halbkugeligen, scharf umgrenzten 
Buckeln besetzt, die nur auf dem inneren Handballen 
zuweilen zusammenfließen. 


BD: 


ie 


Gatt. Scorpio. 3] 


Beine hellgelb. Truncus gelb-roth bis rothbraun. Letztes 
Bauchsegment ungekielt; I. und II. Caudalsegment unter- 
seits fast glatt, Kiele kaum schwach angedeutet. 
Außenseits über dem Seitenrandkiel der Hand meist 
(aber nicht immer) ein mehr oder minder entwickelter, 
aus zusammenfließenden Körnchen gebildeter Nebenkiel, 
der die Oberhand ziemlich scharf in Außen- und Innen- 
fläche theilt (Fig. 37). Kammzähne 13 — 18. Winkel 
des Kammgrundes 110 — 120° (Fig. 28). Stirnlobus 
körnig, meist auch die ganze Thoraxfläche. Innenrand 
der Hand fast halbkreisförmig, größte Handbreite daher 
etwa in der Mitte der Handfläche. 

3. Sc. fulvipes:(C. L. Koch), p. 44. 


Beine dunkel pechbraun oder grün; Truncus meist 
pechbraun bis schwarz. Letztes Bauchsegment mit zwei 
glatten Längskielen; I.und II. Caudalsegment unterseits mit 
deutlichen glatten Kielen und vertieften Flächen. Keine 
Nebenkiele; Oberhand daher eine einheitliche, convexe 
Fläche bildend.. Kammzähne 11—14, selten bis 17. 
Winkel des Kammerundes meist 140° oder fast einen 
gestreckten Winkel bildend (Fig. 29). Stirnlobus meist 
glatt, ebenso der größte Theil der Cephalothoraxtläche. 
Innenrand der Hand aus gerundetem Grunde oft fast 
gradlinig zum unbeweglichen Finger verlaufend und dann 
die größte Handbreite nahe dem Grunde der Hand. 

4. Sc. ceylonicus (Herbst), p. 46. 


Obere Handtläche nicht mit glänzenden, runden, isolirten 


Buckeln besetzt, sondern entweder reticulirt, oder mit 
flachen, eingestochen punktirten und vielfach aneinander- 
stoßenden, von der Grundfläche wenig scharf sich abhebenden, 
mannigfach gestalteten Wulsten besetzt. 


Hand schmal, mit nur schwach herzförmigem Grunde 
und wenig entwickeltem Ballen, "a bis %ı so breit als 
die Länge des beweglichen Fingers, mit flachen, ein- 
gestochen punktirten Wulsten besetzt. Stirnlobus meist 
glatt, nur zuweilen etwas gröber gekörnt. Fläche des 
Cephalothorax stets glatt. Winkel des Kammgrundes 
etwa 110° (Fig. 30). Beine gelb bis pechbraun, Hände 
und Truncus meist rothbraun, seltener dunkel grünbraun. 

9.84 bieugalensis (C. L. Koch), p. 51. 


© 


LS) 


Scorpionidae: Scorpionini. 


OD 


Hand tief herzförmig, mit stark entwickeltem Handballen, 
34 bis fast so breit als der bewegliche Finger lang (bei 
erwachsenen Individuen), auf der Fläche meist durchaus 
netzig, mit tieferen oder flacheren Gruben zwischen dem 
zusammenhängenden Balkenwerk, selten mit etwas 
isolirteren und dann höckerig feinkörnigen Wulsten. 
Stirnlobus ziemlich stark gekörnt. Fläche des Cepha- 
lothorax meist nur mit kleinem, glattem „Spiegel“ oder 
ganz grobkörnig. Winkel des Kammgrundes etw: 
130 ° und mehr (Fig. 27). Beine meist pechbraun, mit 
helleren Endtarsen. Hände dunkel pechbraun oder grün, 
selten bleich. _ 

«a. Cephalothorax mit deutlichem , glattem Spiegel 
auf der Fläche. Rückenringe des Abdomens fast glatt 
oder nur mit einzelnen Körnchen am Hinterrande. 
Darsaltläche der Cauda glatt. Kammzähne 12—16 
(meist 13 oder 14). Dornen des Endtarsus innen 4 
(seltener 5), außen fast stets 3. 

‚6. Se. indicus L., p.:53. 

£ß. Cephalothorax auf der ganzen Fläche dicht 
srobkörnig; ebenso die Rückenringe des Abdomens in 
ihrer hinteren Hälfte. Dorsalfläche der Cauda ebenfalls 
dicht grobkörnig, Körnchen etwas gereiht. Kammzähne 
10—11. Dornen des Endtarsus innen 5 oder 6, außen 4. 

1. Sc. sca.ber.[hor., p.258. 


B. Unterarm an der Unterseite mehr oder weniger flach, mit scharfem, 


glattem Hinterrandkiel und nahe desselben mit regelmäßigen, 

in 2—4 Reihen geordneten kraterförmigen Haargrübchen besetzt 

(Fig. 16; in Fig. 17 vergrößert). Fast ausschließlich afrikanische 

Formen. 

a. Kammzähne 17—24. Endlappen des Endtarsus jederseits mit 
3 gleich großen Dornen bis zur Vereinigungsstelle derselben an 
der Unterseite (Fig. 10, 11). Gesammtdornenzahl des Endtarsus 
an der Innenseite 6 oder 7, an der Außenseite 4 oder 5. 
Beine und Unterseite gelblich, Truncus rothbraun oder schmutzig 
scherbengelb. 

«. Oberarm unterseits grobkörnig. Buckel der Handoberfläche 
wulstig, flach und verschmelzend, deutlich eingestochen punktirt. 
Kammzähne 22—24. Erster Dorn des Tarsenendlappens steht 
an der Spitze des Lobus (Fig. 10). 

8. 8Se.:arabicusn. sp, p. 9% 


Gatt. Scorpio. 33 


ß. Oberarm unterseits durchaus glatt. Buckeln der Handober- 
fläche meist kugelig-körnig, isolirt, glatt und glänzend. Kamm- 
zähne 17—21. Erster Dorn des Tarsenendlappens steht in 
der Mitte des Vorderrandes (Fig. 11). Innenrand der Hand 
fast halbkreisförmig, größte Breite der Hand wenig unter 
denen. Mittex en men 9. Sc. pallidus n. sp., p. 60. 


b. Kammzähne 9—17, selten bis 20. Endlappen des Endtarsus 
mit nur 2 Dornen !) jederseits bis zur Vereinigung der Loben 
an der Unterseite. Gesammtdornenzahl des Endtarsus 4 (selten 5) 
an der Innenseite, 3 an der Außenseite. Beine lederbraun bis 
pechbraun, ebenso meist die Unterseite. Truncus meist dunkel- 
grün oder dunkel pechbraun. 


@. Kammzähne 14—20, sehr selten bis 11 herab. Cephalothorax 
feinkörnig (mit bloßem Auge die Körnchen kaum sichtbar), 
meist mit glatter, spiegelnder Mittelfläche. Abdomen fast 
glatt oder feinkörnig. Obere Caudalkiele nur körnig, nicht 
dornspitzig, namentlich nicht im I. und V. Segment. Seiten- 
flächen des IV. Segments stets mit Andeutung einer Körnchen- 
reihe. Geschweifte Seitenfurchen des Cephalothorax oft nicht 
mit der Medianfurche sich verbindend. Letztere häufig triangel- 
förmig zu einer „depressed Area“ am Hinterrande sich 
erweiternd. Hand grobkörnig, netzig oder fast glatt, am 
Innenrande dornspitzig oder glatt. 

10. Sc. africanus L. emend., p. 62. 


ß. Kammzähne 9—13, sehr selten bis 14. Cephalothorax und 
Abdomen oberseits dicht dornig-grobkörnig. Obere Caudal- 
kiele, auch im I. und V. Segment, dornspitzig gekörnt. 
Seitenflächen des IV. Caudalsegments ungekörnt, höchstens 
etwas runzelig. Geschweifte Seitenfurchen des Cephalothorax 
verbinden sich meist mit dem Hinterrande der Medianfurche, 
indem sie in der Regel zwei körnchenbesetzte Buckel nahe 
dem Hinterrande umgreifen. Seltener die Medianfurche am 
Ende triangelförmig sich erweiternd.. Hand grobkörnig, 
zuweilen etwas netzig, am Innenrande dornspitzig. 

11. Sedietator: Poc:, p. 70. 


') Die zuweilen ziemlich starken, aber von den ersten Dornen immerhin durch 
geringere Dicke und größere Länge unterschiedenen Endborsten an der 
Spitze des Lobus sind nicht mit zu zählen. 


34 Scorpionidae: Scorpionini. 


1. Scorpio longimanus Herbst. 

1800 Scorpio longimanus Herbst (Naturgesch. d. ungefl. Insect., Scorpione, p. 42, 
TA. 2, Fig. 1). 

1829—34 Buthus (Heterometrus) spinifer Hempr. Ehbg. (Symbol. phys. II Arachn.), 

TA. 1, Fie. 2). 

1838 Buthus costimanus C. L. Koch (Arachn. IV, p. 27, Fig. 266). 

1839  Centrurus galbineus ©. L. Koch (Arachn. IV, p. 110, Fig. 320) juv. (nach Karsch). 

1872 Heterometrus megacephalus Sim. (errore), Etud. scorp. (Revue et magasin 
de Zool., Febr. 1872, p. 9). 

1876 Palamnaeus angustimanus Thor. (Atti Soe. ital. XIX, p. 211). 

1876 n Petersii Thor (ibid., p. 214). 

1876 55 laevigatus Thor (ibid., p. 221). 

1877 Pandinus humilis Sim. (Soc. entom. France [5] VII, p. 94). 

1879 Caucon galbineus Karsch (Münch. ent. Mitt. 1879, p. 14) juv. (nach Karsch.) 

1878 Dacurus galbineus Karsch (ibid, p. 97). 

Ich glaube mich überzeugt zu haben, daß in der That die 
sämmtlichen oben aufgeführten „Palamnaeusarten“ (Thorell) zu vereinigen 
sind. Daneben werden wir weiter unten noch eine Reihe von Formen 
kennen lernen, die bisher ebenfalls als selbständige Arten angesehen 
wurden, denen ich vorläufig aber nur den Rang von Varietäten 
zugestehen möchte. 

Der Scorpio longimanus ist von Herbst recht gut 
beschrieben und abgebildet; er repräsentiert ein ausgewachsenes 
Männchen unserer Art. Da indessen die Finger der Hände um einige 
Millimeter zu lang gerathen sind, auch die Linienführung in der 
Zeichnung des Unterarmes etwas kühn ist, so glaubte Thorell seinen 
Palamnaeus angustimanus von dem Herbst’schen longimanus um so 
eher verschieden, als für letzteren fälschlicher Weise Afrika als Vaterland 
aufgeführt wurde. In Afrika kommen aber „palamnaeusartige* Formen 
überhaupt nicht vor. Ich hege daher keine Bedenken, den Palamn. 
angustimanus Thor. dem Männchen von Scorpio longimanus Herbst zu 
identifizieren. Ein jüngeres Männchen derselben Art dürfte dann der 
Buthus spinifer Ehbg. sein, den ich im Berliner Museum zu vergleichen 
Gelegenheit hatte. Das Exemplar besitzt 18, 19 Kammzähne, nicht 20, 
wie Ehrenberg angiebt, und schließt sich hierdurch eng an die Variations- 
weite der Art an, bei welcher ich von 61 untersuchten Männchen in 
83 °o der Fälle 16—18 Kammzähne fand, darunter allerdings nur ein 
Exemplar mit 18, 18 Zähnen. Der Buthus costimanus C. L. Koch 
aus der Klugschen Sammlung hat mir ebenfalls zur Untersuchung 
vorgelegen. Das Thier besitzt 15, 16 Kammzähne und erweist sich 
nach den Verhältnissen von Länge der Hinterhand zur Handbreite als 
Weibchen und zwar als eines jener jüngeren Exemplare, bei welchem 
die Rippen der Handoberfläche noch ziemlich scharf hervortreten, die 


Gatt. Scorpio. 35 


Hand selbst aber noch nicht jene excessive Breite angenommen, wie 
sie für alte Weibchen charakteristisch ist. Schon Simon (Ann. Mus. 
civ. Genova XX, p. 361) vermuthet, daß Palamnaeus Petersii Thor. 
das Weibchen zu Se. longimanus Herbst sein möge, und diese Vermuthung 
hat sich mir durch die Untersuchung eines außerordentlich reichen 
Materials bestätigt. Fast im allen den etwa 70 Gläsern mit „Palamnaeus“, 
die ich zu durchmustern Gelegenheit hatte, fand ich schmalhändige 
longimanus und breithändige Petersii in wechselnden Verhältnissen von 
demselben Fundorte gemengt vor, während die jüngeren Individuen, 
namentlich die weiblichen, den typischen Buthus costimanus vor Augen 
führten. Ich stehe daher nicht an, den Buthus longimanus, spinifer 
und angustimanus als die Männchen, den B. costimanus und Petersi 
aber als die Weibchen — verschiedenen Alters — unserer Art in 
Anspruch zu nehmen. Der Palamnaeus laevigatus soll aus Neuholland 
stammen, wohin er vielleicht verschlagen wurde. Die sorgfältige Analyse 
auch dieses Thieres ergiebt kein einziges Merkmal, das nicht innerhalb 
der normalen Variationsweite des Formenkreises läge. Der Pandinus 
humilis Sim. ist nach der genauen Beschreibung (und dem Fundorte) 
sicher nichts anderes, als ein junges, nur 55 mm langes Exemplar 
unserer Art, bei dem der Innenrand der Hand noch nicht die typische 
Verdickung der älteren Individuen zeigt. Die drei noch weiter unten 
zu besprechenden P. Thorellii, P. liophysa und P. silenus endlich 
lassen zwar definirbare Charaktere erkennen, stehen aber immerhin der 
Hauptform so nahe, daß ich die Selbständigkeit dieser Arten bis auf 
weiteres bezweifeln möchte. 

Wie aus dem Gesagten bereits erhellt, zeigt die Art in ihrer 
Gestaltung und Sculptur ziemliche Verschiedenheit, und namentlich 
Männchen und Weibchen sind im erwachsenen Zustande meist auf 
den ersten Blick zu unterscheiden. 

Die Färbung des Truncus ist in den meisten Fällen ein 
dunkles Kastanienbraun, das aber einerseits ins Schwarze, andererseits 
ins Rothbraune übergehen kann. Garnicht selten sind dunkelgrüne 
Exemplare, während in anderen Fällen, namentlich bei jüngeren 
Exemplaren, die fast schmutzig ziegelrothe Färbung nur zum Theil 
durch braune Pigmentflecke überdeckt ist. Namentlich Beine und 
Blase sind heller rothbraun, letztere in der Jugend sogar meist hellgelb. 

Was die Sculptur des Thorax anlangt, so wurde schon bei 
der Artunterscheidungstabelle darauf aufmerksam gemacht, daß die 
den Augenhügel beidseitig in rhombischer Form umziehende Furche 
am Hinterrande des Augenhügels nicht einfach mit der medianen, 


den Augenhügel durchziehenden Furche verschmilzt, sondern von der- 
I 


36 Scorpionidae: Scorpionini. 


selben mehr oder weniger vollständig durch zwei die Medianfurche 
flankirende, meist gekörnelte Längsleisten getrennt bleibt, um 
sich durch eine deutliche xförmig nach außen biegende Depression 
mit den beiden tiefen und geschweiften Querfurchen des Hinterrandes 
in Verbindung zu setzen (Fig. 20). Durch diese fast stets scharf 
ausgeprägten Merkmale ist unsere Art auf den ersten Blick auch da 
zu erkennen, wo etwa die Charaktermerkmale der Hand uns im Stiche 
lassen. Die Fläche des Cephalothorax ist in der Regel in weiter 
Ausdehnung glatt und glänzend; nur die Seiten, etwa in der Höhe 
der Mittelaugen, und auch wohl der Vorderrand zeigen zerstreute 
Körnchen. In anderen Fällen aber gewinnen die Körnchen bedeutend 
an Ausdehnung und können schließlich fast die ganze Fläche bedecken, 
mit Ausnahme zweier glatter Flecken jederseits hinter den Mittelaugen. 
Aehnliches gilt von den Rückensegmenten des Abdomens, welche 
oftmals völlig glatt und glänzend erschemen, dann an den Hinter- 
rändern, namentlich an den Seiten, Körnchen zeigen, die im extremen 
Falle (Männchen von der Var. liophysa) eine völlige Chagrinirung 
der gesammten Flächen darstellen. Die Bauchsegmente sind glatt. 


Die Cauda zeigt, wie dies bei allen Verwandten der Fall, 
deutliche Kielung der Segmente, die aber in den ersten Segmenten 
unterseits mehr durch glatte oder kaum gekerbte Leisten markirt ist, 
während im V. Segmente spitzige Dornenreihen an deren Stelle treten. 
Die Blase besitzt eine tiefe Median- und jederseits eine Lateralfurche 
auf der Unterseite. Die jene Furchen begrenzenden Wulste tragen 
namentlich nach der Basis zu mehr oder weniger ausgeprägte Höckerchen, 
die aber auch ganz oder zum Theil durch Haargruben ersetzt sein 
können. Auf diese Weise glaube ich einen ganz allmählichen Uebergang 
der gekörnten Blase bis zur völlig glatten (Weibchen von Var. liophysa) 
erkennen zu können. Von den Gliedmaßen sind die Oberkiefer stets 
durch die, eine Gabel mit zwei fast gleich langen, parallelen Schenkeln 
darstellenden Endzähne namentlich sehr scharf von denen des Scorpio 
indicus unterschieden (Fig. 21). 


Der Oberarm ist scharf vierkantig, mit stark gekörnten, fast 
bedornten Rändern und fast glatter, meist nur mit einem größeren 
„Krater“ und wenigen kleineren Körnchen besetzter Oberfläche Die 
Vorderfläche zeigt eine schräg die Fläche durchsetzende, mehr oder 
minder regelmäßig gestellte Dornenreihe. Der Unterarm trägt an der 
Vorderfläche einen größeren, grundständigen Dorn, der meist von einigen 
kleineren Zacken gefolgt ist. Die Länge von Oberarm und Unterarm 
ist sehr variabel; im allgemeinen erscheinen die der Männchen bedeutend 


Gatt. Scorpio. 37 


verlängert (größte bemerkte Länge beim 2 16 und 17 mm, beim 
21 und 23 mm). 


Die Hand ist von derjenigen der übrigen Scorpio-Arten fast 
stets durch die größere Dicke des stark zackig gekörnten Innenrandes 
unterschieden, doch sind mir mehrere männliche Individuen vorge- 
kommen, bei welchen dieser Character keineswegs ausgeprägt war, die 
Hand vielmehr in Bezug auf die Zuschärfung des Innenrandes ganz 
derjenigen der übrigen Scorpio-Arten glich. Indessen ist die Hand 
der Männchen andererseits leicht durch die lange schmale Form, welche 
fast parallele Seitenränder aufweist, zu unterscheiden. Auch die Hand 
der Weibchen hat etwas typisches, schwer zu definirendes in ihrer 
Form, nähert sich indessen auffallend derjenigen von Sc. bengalensis, 
den man, trotz seines zugeschärften Handrandes, wohl hauptsächlich 
dieserhalb vielfach als einen „Palamnaeus“ angesprochen hat. — Die 
Sculptur der Hand ist sehr verschieden und hängt namentlich auch 
von Alter und Geschlecht ab. Ganz junge Individuen zeigen eine 
völlig glatte Handfläche. Später treten mehr oder weniger entwickelte 
stumpfe Längskiele auf der Dorsalseite auf, und die scharf ausgeprägte 
zackige Körnelung des Handinnenrandes geht nach der oberen Hand- 
fläche zu ganz allmählich in eine seicht grubige Runzelung oder Reti- 
kulirung über, die aber im Alter fast gänzlich wieder verlöschen kann. 
Ebenso verlieren sich im weiblichen Geschlecht die Längskiele der 
äußeren Dorsalfläche mehr und mehr, bis kaum noch Spuren derselben 
in Form von schwachen Wölbungen oder Buckeln vorhanden sind. 
Wo die Retikulirung, die übrigens kaum je den ausgeprägt netzförmigen 
Character des Sc. indicus zeigt, fast völlig verschwunden ist, treten 
auf der somit glatt und glänzend gewordenen Oberfläche mit größerer 
Deutlichkeit 2 oder 3 Reihen eingestochener Punkte hervor, welche 
Simon für seinen Palamnaeus silenus specifisch erachtet, die aber hier 
nur wegen der völlig glatten Fläche etwas deutlicher in die Erscheinung 
treten. Die Unterseite der Hand zeigt zwischen zwei Längswulsten, 
die mehr oder weniger stark mit Körnchen besetzt sind, eine glatte 
breite Längsfurche; der Außenrand der Hand ist in allen Fällen 
leistenförmig gekielt. 


Die Finger tragen je 4 in einander greifende Vorsprünge. 
Die Art der Körnelüng der Schneide entspricht derjenigen der ver- 
wandten Species, d. h. eine Hauptlängsreihe, die in Staffeln zu den 
4 großen vorspringenden und je durch 2 starke Körnchen markirten 
Höckern zieht, wird seitlich hie und da von vereinzelten schwachen 
Seitenkörnchen flankirt. 


38 Seorpionidae: Scorpionini. 


Große Zahlenreihen habe ich über die Längenverhältnisse der 
verschiedenen Handtheile gewonnen; es würde aber nur ermüden, 
wollte ich dieselben hier in extenso vorführen. Ich begnüge mich 
daher mit folgenden Daten. Die absolute Länge der Finger scheint 
bei Männchen und Weibchen die gleiche zu sein. Ich fand für beide 
als Maximum der Länge die Zahl 22 mm. Ebenso dürfte die absolute 
Länge der Hinterhand bei beiden Geschlechtern nur wenig differiren 
(5 bis 11,2, 2 bis 14 mm). In dem Längenverhältniß des beweglichen 
Fingers zur Hinterhand war indeß eine geringe Verschiedenheit 
zwischen Männchen und Weibchen zu konstatiren. Es schwankte bei 
ersteren zwischen 1: 0,8 und 1: 1,05, während beim Weibchen die 
Zahlen 1: 0,7 bis 1:0,93 beobachtet wurden. Weit mehr in die 
Augen fallend ist die Verschiedenheit der Geschlechter in Bezug auf 
die Länge der Hinterhand zu deren Breite. Hier fand ich beim Männ- 
chen ein durchschnittliches Verhältniß von Hinterhand : Br. = 1: 0,53 
(Schwankung: 1 : 0,48 bis 1 : 0,63), beim Weibchen hingegen — 1:0,73 
(Schwankung: 1:0,65 bis 1:0,85). In allen untersuchten Fällen 
fand sich also kein einziges Männchen, welches m den in Betracht 
gezogenen Maßen mit einem Weibchen in Uebereinstimmung gewesen 
wäre. Nur bei jugendlichen Individuen scheint auch dieses Kriterium 
der Geschlechter im Stich zu lassen. 

Von den Beinen mag nur erwähnt werden, daß die Zahl der 
Dornen an den Endtarsen innenseits 6 oder 7 beträgt, wovon regel- 
mäßig 2 auf den seitlichen Endlappen entfallen. Am Grunde des End- 
tarsus können aber auch noch 1 bis 2 ganz kleine Spitzchen als ver- 
kümmerte Dornen zur Entwickelung kommen. 

Die Zahl der Kammzähne schwankte bei 61 ausgesprochenen 
Männchen zwischen 14 und 18 und zwar fanden sich 21 mal: 15, 
58 mal: 16, 38 mal: 17 und 5 mal 18 Kammzähne, so daß also in 
etwa 83% aller Fälle 16 oder mehr Zähne vorhanden waren. Bei 
46 ausgesprochenen Weibchen ergab sich eine Variation von 12 bis 
16 Kammzähnen, und zwar fand ich ein mal: 12, 4 mal: 13, 
29 mal: 14, 49 mal: 15 und 9 mal 16 Kammzähne, so daß die Zahl 
15 und weniger auf 90% aller Fälle zutrifit. Dabei ist noch zu 
bemerken, daß in der Regel die Kammzähne der Männchen beträcht- 
lich länger sind (viel länger als die halbe Sternalbreite) , als die 
der Weibchen, deren Zähne meist nur eine Länge von halber Sternal- 
breite zeigen. Auch dieses Merkmal dürfte indeß keine ausnahms- 
lose Gültigkeit haben. 

Die Unterschiede zwischen Männchen und Weibchen lassen 
sich nach dem Gesagten im allgemeinen etwa folgendermaßen formuliren: 


Gatt. Scorpio. 39 


Männchen: Hand schmal (bis 11 mm), ganz allmählich nach 
vorn sich verschmälernd, auch im Alter oberseits noch deutlich längs- 
kielig.. Verhältniß der Hinterhandlänge zur -breite —= 1: 0,48 bis 
1: 0,62. Kammzähne meist 16 bis 17, viel länger als die halbe 
Breite des Sternums. 

Weibchen: Hand breiter (bis 14 mm), nach vorn sich ziemlich 
stark verjüngend, am Grunde mit halb herzförmigem Lobus, meist nur 
in jüngerem Alter mit stärker entwickelten Kielen und Runzelung, 
später oft fast glatt. Verhältniß der Hinterhandlänge zur Handbreite 
— 1:60,65 bis 1: 0,85. Kammzähne meist 14 oder 15, nur so lang, 
als die halbe Breite des Sternums. 

Durch vorstehende Unterschiede habe ich in den meisten Fällen 
ein sicheres Urtheil über das Geschlecht eines Individuums gewinnen 
können. Nur ein Exemplar, abgesehen von indifferenten Jugendformen, 
ist mir in Bezug auf diesen Punkt auch jetzt noch räthselhaft (Ost- 
indien, Kieler Museum). Es zeigt die Hände eines Weibchens mit 
einem Verhältniß der Hinterhand zur Breite —= 1:60,83; die 16, 17 
Kammzähne aber sind mächtig entwickelt und entsprechen durchaus 
denen eines Männchens. 

Die Gesammtlänge erwachsener Thiere schwankt zwischen 
100 und 140 mm. Truncus und Cauda differiren in ihrem Längen- 
verhältniß nur um wenige mm, doch scheint diese Differenz beim Männchen 
des längeren Schwanzes wegen im allgemeinen etwas größer zu sein. 

Als Heimath des Sc. longimanus haben wir vor Allem die 
großen Sundainseln Sumatra, Borneo und Java, nebst den benach- 
barten Eilanden (Bangka, Salanga, Billiton etc.) zu betrachten. Von 
den Philippinen sind mir nur zwei Fundorte (Manila für „Pandinus 
humilis“ und Mindanao) bekannt geworden. Auf dem Festlande 
Vorderindiens erstreckt sich das Verbreitungsgebiet von der Süd- 
spitze Malaccas (Singapore) in nordwestlicher Richtung bis Rangoon, 
von wo in das Innere von Hinterindien (Burma) und dessen 
Osten (Cochinchina Cambodja) augenschemlich vicariirende Formen 
seine Stelle vertreten. Andere vereinzelte Fundortsangaben, wie Afrika 
für Kochs Buthus costimanus oder Neuholland (Palamnaeus laevigatus 
Thor.) sind entweder als Irrthümer oder als gelegentliche Verschleppungen 
anzusehen. 


Als Subspecies der Hauptform, die zum Theil auch durch 
einen besonderen Verbreitungsbezirk ausgezeichnet erscheinen, glaube 
ich folgende aufführen zu sollen: 


40 Sceorpionidae: Scorpionini. 


1. Scorpio longimanus Thorellii Poc. Diese Form, 
von der ich Exemplare nicht untersuchen konnte, soll sich nach 
Pocock (Ann. Mag. Nat. Hist. 1892, p. 40) von der Hauptform 
durch folgende Merkmale unterscheiden: Innenrand der Hand dick 
rundlich körnig (nicht dornig körnig), Blase von der Färbung der 
Cauda, selten etwas heller (bei der Hauptform hell rostgelb), Scheeren 
beim Männchen schmäler als beim Weibchen, Körper nicht über 
115 mm lang (bis 140 mm bei der Hauptform). — Ich muß gestehen, 
daß diese Merkmale sehr wenig Ueberzeugendes für die Aufstellung 
einer eigenen Art besitzen. Der Innenrand der Hand variirt in seiner 
Körnelung ziemlich erheblich, so daß die Entscheidung, ob dieselbe 
mehr rundlich oder mehr dornig zu nennen, gewiß nicht immer leicht 
ist, und die Färbung der Blase finde ich bei zahlreichen Exemplaren 
der Hauptform durchaus nicht immer „clear ferrugineous“. Die 
Behauptung Pococks, daß bei dem Weibchen der Hauptform 
die Cauda mehr als 35V) mal so lang sei, als der Cephalotorax, 
ist sicher nicht immer zutreffend. Was aber endlich das aus der 
Verschiedenheit der Geschlechter entnommene Merkmal anlangt, so 
weiß ich in der That nicht, wie Pocock für „Palamnaeus spinifer“ 
so nennt er unsere Hauptform — eine Gleichartigkeit beider Geschlechter 
proclamiren kann, da er selbst die Ansicht vertritt, daß P. longimanus 
und angustimanus als Männchen von P. spinifer in Anspruch zu nehmen 
seien. Freilich spricht er von einem möglichen „Dimorphismus“ der 
Männchen; doch glaube ich die Sache auf Grund des mir vorliegenden 
Materials, in dem, wie schon früher bemerkt, in zahlreichen Fällen 
schmalhändige, mittelhändige und breithändige Exemplare von dem- 
selben Fundort bei einander waren, viel einfacher durch die Annahme 
erklären zu können, daß vornehmlich nur bei alten Männchen die 
Schmalhändigkeit besonders hervortritt. Die von mir angelegten 
Tabellen beweisen auf das klarste, daß die im Früheren angegebenen 
Schwankungen im Verhältniß der Hinterhand zur Handbreite (1: 0,48 
bis 1: 0,63) beim Männchen nicht stufenweise, sondern ganz allmählich 
durchschritten werden. 

Nach dem Gesagten wird es nicht Wunder nehmen, wenn ich von 
einigen Exemplaren von Rangoon nicht mit Sicherheit anzugeben wage, 
ob sie dem Pocock’schen Sc. Thorellii angehören oder nicht. Da aber jener 
Autor ausdrücklich hervorhebt, daß die von ihm beschriebene Form aus- 
schließlich auf Burma beschränkt und dort ungemein häufig sei, auch ohne 
Schwierigkeit von dem „Pal. spinifer“, mit dem er bei Rangoon zusammen 
vorkommt, sich habe unterscheiden lassen, so glaubte ich wenigstens 
die Annahme einer besonderen Varietät nicht umgehen zu können. 


Gatt. Scorpio. 41 


Weit leichter zu definiren sind die beiden außerdem zu erwäh- 
nenden Formen „Palamnaeus liophysa“ Thor. und „P. silenus“ Sim. 

2. Scorpio longimanus liophysa Thor. (= Palamnaeus 
liophysa Thor. Ann. Mus. civ. Genova 1886, XXVI., p. 415). Diese Form 
ist von dem echten Se. longimanus ziemlich leicht durch die unterseits 
glatte Blase unterschieden, doch wurde schon früher hervorgehoben, 
daß auch bei der Hauptform jene Körnchen der Unterseite nur schwach 
entwickelt sein können, während andererseits die Männchen unserer 
Varietät (welche Thorell nicht beobachtete) ziemlich deutliche Spuren 
des Körnchenbesatzes, namentlich am Grunde, aufweisen. Das Merkmal 
kann daher als ein absolutes nicht angesehen werden. Wichtiger schon 
ist, daß mit dieser auffallenden Glätte der Blase zwei andere Merkmale 
in Correlation stehen, wie ich dies bei 5 mir vorliegenden Exemplaren 
constatiren konnte. Es sind dies die auffallende Netzadrigkeit der 
Hand, die auch bei alten Weibchen erhalten bleibt, und die starke 
Körnelung des Truncus, die beim Weibchen allerdings vornehmlich nur 
auf den Cephalothorax sich erstreckt, während beim Männchen auch 
die gesammte Fläche der dorsalen Abdominalsegmente dicht körnig 
chagrinirt erscheint. Diese drei Eigenthümlichkeiten im Verein geben 
den hierher gehörigen Formen in der That etwas typisches, und man 
würde wohl zur Aufstellung einer eigenen Art gelangen, wenn nicht 
jedes einzelne der aufgeführten Merkmale auch bei der Hauptform 
sich mehr oder minder deutlich entwickeln könnte. Es kommt hinzu, 
daß sämmtliche Exemplare aus einem Lande stammen (Sumatra), das 
als eigentliche Heimath auch des Sc. longimanus angesehen werden 
muß, und daß ich beispielsweise das eine der vorliegenden 5 Exemplare 
einem Glase entnahm, das außerdem 6 andere Individuen der Haupt- 
form in demselben Stadium der Größe und Ausbildung enthielt. 
Immerhin betrachte ich die Frage nach der Artberechtigung des P. 
liophysa noch nicht als eine abgeschlossene. 

Unterschiede in den Körper- und Extremitätenmaaßen sind mir 
nicht bemerkbar geworden; in Bezug auf die Zahl der Kammzähne 
darf jedoch erwähnt werden, daß sie bei beiden Geschlechtern, also 
auch beim Männchen, nur 13—14 betrug. 

3. Scorpio longimanus silenus Sim. (= Palamnaeus silenus 
Sim. in Ann. Mus. civ. Genova 1884, XX., p. 361, — Heterometrus 
megacephalus Sim. [errore| in Revue et Mag. de Zoologie Februar 1872, 
p. 9. Ganz ähnlich wie bei der eben besprochenen Form liegen die 
Verhältnisse bei P. silenus Sim. Diese Form scheint in Cochinchina 
einen eigenen Verbreitungsbezirk zu besitzen, ist meist tiefschwarz 
(auch die Blase) und durch auffallend geringe Körnelung des Cephalo- 


49 Scorpionidae: Seorpionini. 


27 


thorax und Abdomens ausgezeichnet. Ersterer erscheint fast auf der 
ganzen Fläche völlig glatt. Das eigentlich Characteristische der Form 
aber liest m der Bildung der Hand, die nicht nur der Kiele und 
Runzelung fast völlig entbehrt und daher auf ihrer glatten Oberfläche 
die eingestochenen Punktreihen schärfer als gewöhnlich hervortreten 
läßt, sondern vor allem ein Verhältniß der Hinterhandlänge zu deren 
Breite zeigt, wie es bei der Hauptform in keinem einzigen Falle von 
mir beobachtet wurde. Bei letzterer hatten wir für jenes Verhältniß 
beim Weibchen die Zahlen 1: 0,65 bis 1: 0,85; die Breite der Hand 
war also selbst im extremsten Fall noch erheblich geringer, als die 
Länge der Hinterhand. Bei den 4 mir zu Gebote stehenden Weibchen 
von „P. silenus“ ergeben sich nun als entsprechende Verhältnisse die 
Zahlen 1:1 bis 1:1,08, mit anderen Worten: Die Handbreite ist 
mindestens gleich der Länge der Hinterhand oder übertrifft dieselbe 
sogar fast um ein Zehntel. Es unterliest kemem Zweifel, daß auch 
hier die Artberechtigung nicht wohl versagt werden könnte, falls in 
der That eine weitere Annäherung der Werthe 1:0,85 und 1:1 
durch ausgedehntere Untersuchungen sich nicht ergeben sollte. Allein 
die schon bis jetzt constatirten Schwankungen dieser Maaßverhältnisse, 
verbunden mit der Thatsache, daß diese Cochinchina-Exemplare in 
allen übrigen Characteren (Form der Hand, Zahl der Kammzähne, 
Körnelung der Blase, Zahl der Tarsaldornen etc. ete.) eng an die 
Hauptform sich anschließen, mögen die vorläufigen Zweifel an der 
Selbständigkeit der Art rechtfertigen. Es kommt hinzu, daß die 
Männchen dieser Form mit ihrer jedenfalls schmäleren Hand möglicher- 
weise von der Hauptform keinerlei Abweichungen zeigen. 


2. Scorpio Swammerdami (Sim.). 


1836 Buthus afer ©. L. Koch (Arachn. III, p. 17, Fig. 175) ad partem. 
1842 DB. ceylonieus Koch (Arach. IX, p. 9, Fig. 698). 
1872 Heterometrus Swammerdami Sim. (Rev. Mag. Zool. 1872, p. 56, Tfl. VI, Fig.3). 
1876 Pandinus asper Thor. (Etud. Scorp. in Act. Soc. ital. XIX, p. 199). 
1879 Pandinus Kochii (Peters M.S.) Karsch (Münch. Ent. Mitt. 1879, p. 127). 
1885 Scorpio lucidipes Sim. (Bull. Soc. Zool. France X, p. 38). 

Daß C.L. Koch in der That, wie Pocock (Bombay Nat. Hist. 
Soc. Nov. 1892, p. 10) vermuthet, bei der Beschreibung seines B. afer 
vornehmlich den Scorpio Swammerdami vor Augen gehabt, scheimt 
mir aus der Münchener Sammlung hervorzugehen, welche diese Art 
unter dem Namen B. afer aufweist. Auch die Annahme Pocock’s, 
der B. ceylonicus Koch möge hierher «gehören, scheint mir wohl 
begründet. Ich schließe mich daher in Bezug auf die Synonymik 
dieser Art durchaus den überzeugenden Ausführungen Pocock’s 


Gatt. Scorpio. 43 


(Ann. Mag. Nat. Hist. 1890, p. 237 ff. und Bombay Nat. Hist. Soc. 
22. Nov. 1892, p. 10) an, der überdies an dem reichen Material des 
Britischen Museums die Variationsweite der Art in Bezug auf Färbung 
und Längenverhältnisse der einzelnen Körpertheile erschöpfend behandelt 
hat. Ich kann mich aus diesem Grunde um so kürzer fassen, als mir 
nur 8 Spiritus-Exemplare zur Untersuchung vorgelesen haben. 

Die Oberseite des Truncus varırt von gelbroth oder rothbraun 
bis zu dunkelgrün (Pocock), die Beine von hellgelb bis zu tiefem 
Braun. Ebenso die Blase und die Hände. Die Unterseite ist meist hell. 

Die Augen stehen wenig vor der Mitte des CGephalothorax. 
Dieser ist nebst den Stirnloben meist auf der ganzen Fläche und 
namentlich auf den hinteren Parthien grobkörnig, so daß sogar oft 
der glatte „Spiegel“ beiderseits vor den Mittelaugen fehlt, oder nur 
durch feinere und sparsamere Körnelung angedeutet wird. Die hinteren, 
geschweiften Seitenfurchen des Thorax stehen nicht mit dem Hinterrande 
der Medianfurche in Verbindung, sondern — durch eine seichte Furche 
— mit der Depression um den Augenhügel. Auch die Abdominal- 
segmente sind auf dem Rücken in ganzer Ausdehnung oder doch 
in der hinteren Hälfte körnig, bald feiner, bald gröber. 

Die auffallend robuste Cauda, deren erste 2 Segmente 
zusammen mindestens so lang, meist aber länger sind, als der Cepha- 
lothorax (I. + II. Caudalglied : Thor. = 1: 0,74 bis 1:1), übertrifft 
den Truncus stets an Länge und zeigt auf den oberen Caudalflächen 
in allen Segmenten deutliche Körnelung. Dasselbe eilt von den 
Seitenflächen. Die oberen Seitenkiele sind körnig, aber nicht dorn- 
spitzig entwickelt, und die Blase ist auch an den Seiten bucklig körnig. 

Der obere Endzinken des Oberkiefers ist zwar kurz, aber 
mit dem unteren ziemlich parallel, so daß er ihn zum größeren Theile 
verdeckt (Fig. 24). 

Der vierseitige Oberarm ist sowohl oberseits als unterseits 
dicht grobkörnig (Gegensatz auch zu den großen afrikanischen Arten!). 
Der Unterarm ist oberseits feinkörnig, unterseits gewölbt, ohne kieligen 
Hinterrand und nur mit einigen, meist obsoleten Haargrübchen besetzt. 

Die mit großem Ballen versehene Hand besitzt ihre größte 
Breite in der Höhe der Handwurzel. Der Innenrand geht aus 
geschweiftem Grunde in eine fast gerade, zum Grunde des unbeweglichen 
Fingers verlaufende Linie über. Die Körnelung der Hand besteht in 
der Regel aus glänzenden, mehr oder weniger kugeligen, isolirten 
Buckeln, welche nicht, wie bei Se. fulvipes, über dem Außenrandkiel zu 
einem unregelmäßigen Nebenkiel zusammenfließen. Bei älteren 
Exemplaren werden die Buckel glatter und können dann auch, namentlich 


44 Scorpionidae: Seorpionini. 


in der Mitte der Handfläche, zum Theil netzig mit einander verschmelzen. 
Das Verhältniß der Länge des Fingers zur Hinterhand schwankt bei 
den untersuchten Exemplaren zwischen 1: 0,69 bis 1 :0,79, das der Hinter- 
hand zur Handbreite zwischen 1: 1,2 bis 1: 1,37. Die Hand ist also stets 
breiter, als ihre Länge bis zur Einlenkung des beweglichen Fingers. 
Als größte absolute Maaße für Fingerlänge, Hinterhand und Handbreite 
fand ich die Zahlen 19, 15 und 18 mm, doch können dieselben noch 
beträchtlicher sein, wie die Angaben Pocock’s für die Handbreite 
(21 mm) andeuten. 

Die Zahl der Dornen am Endgliede des IV. Beinpaares 
beträgt an der Innenseite meist 6 (seltener 5 oder 4, Fig. 9), an der 
Außenseite nur 4 (bei den afrikanischen Arten nur 3!), wobei in jedem 
Falle 2 auf den Endlobus entfallen. Die zuweilen ziemlich starke 
„Endborste“ des Lobus ist hierbei nicht mitgerechnet. 

Die Zahl der Kammzähne varirt zwischen 16 und 20. Die 
Zahl 16 habe ich selbst nicht beobachtet, doch giebt Simon sie an. 
Ich selbst fand bei 6 Exemplaren 1 mal 17, 2 mal 18, 1 mal 19 und 
2 mal 20 Kammzähne. Der Winkel des Kammgrundes beträgt etwa 
110°. Die Medianfurche endigt vor der Spitze in einer erweiterten, 
rundlichen Grube. 

Die Gesammtlänge des Thieres kann nach Pocock bis 
176 mm (Truncus : Cauda —= 78 : 98) betragen; das größte mir vor- 
liegende Exemplar maß 156 mm (Truncus : Cauda = 71:85). Das 
Verhältniß von Truneus zur Cauda schwankt zwischen 1: 1,1 bis 1: 1,63, 
und zwar sind es namentlich die älteren Männchen, bei welchen die 
Cauda zu so beträchtlicher Länge heranwächst. Sonstige secundäre 
Geschlechtsunterschiede sind von mir nicht beobachtet worden. 

Als Heimath des Sc. Swammerdami kennen wir die ganze 
Ostküste Vorderindiens, nördlich bis nach Bengalen hinein 
(Bardwan), südlich bis zur Südspitze und bis zur Insel Ceylon. Karsch 
giebt als Fundort des Berliner Exemplares Java an, doch handelt es 
sich vielleicht um eine Verschleppung oder einen Irrthum. 


3. Seorpio fulvipes (©. L. Koch). 
1838 Buthus fulvipes €. L. Koch Arachniden IV., p. 45, Fig. 278). 
1887 Pandinus fulvipes Karsch (Abh. naturw. Ver. Bremen, IX, p. 68). 

Wie es scheint, hat die vorstehende Art zur Aufstellung von 
Synonymen bisher keine Veranlassung gegeben. Da mir nur 4 Spiritus- 
Exemplare (und 4 trockene) zu Gebote standen, so vermag ich über 
die Variationsweite der Art nicht viel zu sagen und begnüge mich, 
in Kurzem die wichtigsten Merkmale zu rekapituliren. 


Gatt. Scorpio. 45 


Die Färbung der Oberseite ist gelbbraun, rothbraun oder 
dunkel lederbraun, ebenso die Cauda; die Blase gelb, wie die Beine 
und die ganze Unterseite. Die Hände zeigen wieder ein kräftigeres 
Rothbraun. 

Am Thorax, dessen Hauptaugen etwas vor der Mitte sich 
befinden, ist der Stirnlobus meist deutlich körnig, ebenso die Seiten, 
während die Parthien rechts und links der Mittellinie fast glatt und 
eingestochen punktirt erscheinen. Auch das Abdomen trägt nur an 
den Seiten der Ringe deutliche Körnelung. 

Die Cauda ist von gewöhnlicher Gestalt, nur mäßig entwickelt, 
so daß die Summe der beiden ersten Caudalglieder vom Thorax an 
Länge übertroffen wird (z. B.1.+ OH. Caudalsegment : Thor. = 11,5: 14; 
6,5 : 8,5 etc.). Die seitlichen oberen Caudalkiele sind gleich den 
oberen schwach kerbig gekörnt; die unteren Caudalkiele, namentlich 
die medianen, im I., U. und zum Theil auch im III. Segment kaum 
als schwache Kanten angedeutet, erst im IV. deutlicher und schwach 
körnig. Die oberen Caudalflächen tragen namentlich auf den End- 
segmenten in der Regel einige Körnchen. Die Blase ist auch an den 
Seiten meist stumpfbuckelig körnig. 

An den Oberkiefern ist der obere Endzinken nur als kurzer, 
den unteren nicht verdeckender Zahn entwickelt (Fig. 22). 

Die scharf körnig umgrenzten Oberarme sind auf der Oberseite 
meist ziemlich dicht- und grobkörnig (mit Ausnahme des letzten 
Drittels), unterseits glatt, höchstens am Hinterrande mit einer unregel- 
mäßigen Körnchenreihe.e Der Unterarm ist oberseits feinkörnig, 
unterseits gerundet und am stumpfen Hinterrande nur mit einzelnen 
wenigen Haargrübchen besetzt. 

Die Hand ist dicht mit isolirten, meist halbkugeligen, glänzenden 
Körnchen oder Buckeln besetzt, die an der Außenseite über dem 
Außenrandkiel in der Regel zu einem mehr oder weniger deutlichen, 
wulstigen und unterbrochenen, auch wohl zum Theil gedoppelten 
„Fingerkiel“ zusammenfließen (Fig. 37). Auch die Unterseite der Hand 
ist vorn weitschichtig mit Kugel - Körnchen besetzt. Der Ballen der 
Hand ist ziemlich groß, sein Innenrand bis zum Grunde des unbeweg- 
lichen Fingers fast von halbkreisförmiger Form, so daß die größte 
Breite der Hand nicht über dem Grunde, sondern etwa in der Mitte 
der Hand liegt. Das Verhältniß des beweglichen Fingers zur Länge 
der Hinterhand fand ich zwischen 1: 0,74 und 1:0,87 varürend; 
dasjenige von Länge der Hinterhand zur Handbreite zwischen 1: 1,1 
bis 1: 1,22, so daß also die Hand in jedem Falle breiter erscheint, 
als die Länge der Hinterhand. Als größte absolute Breite der Hand 


46 Scorpionidae: Scorpionini. 


ergab die Messung des größten Exemplares 11,2 mm, des kleinsten 
5,5 mm. Das Verhältniß der Länge des beweglichen Fingers zur Breite 
der Hand schwankt zwischen 1:60,82 und 1:1. 

Die Zahl der Dornen an den Endtarsen des IV. Beinpaares 
beträgt an der Innenseite 6 (seltener 5), an der Außenseite 4 (seltener 5), 
wobei in jedem Falle 2 Dornen auf den Lobus, die übrigen auf den 
Rest des Tarsengliedes entfallen. 

Die Zahl der Kammzähne schwankt zwischen 14 und 16 
(nach Pocock zwischen 13 und 18), und zwar fand ich 4 mal 14, 
4 mal 15 und 6 mal 16 Kammzähne. Der Winkel des Kammgrundes 
beträgt 110 bis 120° (Fig. 28). Die Mittelfurche des Sternum endigt 
in rundlicher Grube vor der Spitze des Sternums. Die Gesammtlänge 
des Körpers schwankte zwischen 58 und 82? mm und geht nach Pocock 
bis etwa 100 mm. (Verhältniß von Truncus : Cauda = 31: 27; 37:35; 
39:43 mm oder in relativen Zahlen ausgedrückt = 1: 0,9 bis 1: 1,1). 

Die Unterschiede der Geschlechter liegen nach Pocock 
vornehmlich ‘in der größeren Länge der Cauda und der Kammzähne 
beim Männchen. — Am meisten Aehnlichkeit besitzt die Art mit dem 
sumatranischen Se. pallidus, dessen unterscheidende Merkmale in der 
weiter unten gegebenen Beschreibung nachzulesen sind. Die gelbrothe 
Färbung hat er gemein mit Sc. bengalensis, Svammerdami und pallidus. 

Die geographische Verbreitung der Art dürfte sich auf 
Java, einen großen Theil von Vorderindien (Malabar, Madras, 
Tranquebar) und vielleicht einen Theil von Hinterindien (Rangoon? 
Britisches Museum) erstrecken. Der Fundort Java wird von Pocock 
(Journ. Bombay Nat. Hist. Soc. 1892 Nov., p. 13) mit Unrecht 
angezweifelt. 


4. Scorpio ceylonieus Herbst. 


? 1754 Scorpio indieus L. (Mus. Adolph. Frid., p. 84) ad partem. 
2 1758 afer L. (Syst. nat. Ed. 10. I., p. 624) ad partem. 
1778 „ indus de Geer (Mem., VII., p. 341). 
1800 ns ceylonieus Herbst (ungefl. Insecten, IV., p. 83, Tf. V, Fig. 1). 
1800 „ afer Herbst (ibid., p. 38, Tafel I, Fig. 1) ad partem. 
1836 Buthus megacephalus €. L. Koch (Arachn. III., p. 73, Fig. 224). 
1842 s Caesar C. L. Koch (ibid. IX., p. 6, Fig. 692). 
1880 Scorpio erassimanus, Becker (Ann. Soc. ent. Belg., XXIV., p. 140). 
? 1892 » phipsoni Poc. (Bombay, Natur. Hist. Soc. 1892, p.13). 


Die Synonymie gebe ich im Wesentlichen nach den Unter- 
suchungen von Thorell, komme aber insofern zu einem anderen 
Resultat, wie dieser Forscher, der den Namen Sc. megacephalus 
vorzieht, als ich den von Herbst aufgestellten Sc. ceylonicus ohne 


» 


Gatt. Scorpio. 47 


Bedenken mit dieser Form identificiren zu können glaube. Es bestimmt 
mich hierzu einmal der Umstand, daß thatsächlich bis jetzt auf Ceylon 
außer Sc. Swammerdami keine andere Scorpioart gefunden ist, sodann 
die Beschreibung von Herbst, welche namentlich in den beiden Punkten: 
„Kammzähne bis 17“ und „Blase auffallend hellgelb“ mit Entschiedenheit 
auf junge Exemplare der hier zu behandelnden Art hinweist. Daß 
diese Art, ähnlich wie Sc. Swammerdami, von den älteren Autoren 
consequent mit den großen afrikanischen Formen (Sec. africanus und 
dictator) verwechselt und zusammengeworfen ist, kann bei der über- 
raschenden Aehnlichkeit mit jenen im Habitus wie in fast allen Einzel- 
merkmalen nicht Wunder nehmen. 

Den Buthus Caesar Ü. L. Koch glaubt Pocock (Bombay 
Nat. Hist. Soc. 1892) neuerdings als selbständige Species hinstellen zu 
sollen, wie ich imdeß glaube, mit Unrecht. Ich habe die Berliner 
Originalexemplare Koch’s — Männchen und Weibchen — vor mir. 
Sie stimmen zunächst in keiner Weise zu der Beschreibung Pocock’s 
(l. e. p. 16). Die Hand ist nicht gewölbter, als bei ceylonicus, sondern 
im Gegentheil ganz auffallend flach; die schmalste Weite der Hand 
(in der Höhe des Fingeransatzes) ist nicht größer als die Länge der 
Hinterhand, sondern kleiner (9 14,8 : 16,5) oder — beim Weibchen 
— nur ebenso groß (14,2: 14,2). Die Cauda des Männchens ist 
nicht viermal, sondern nur 3,2 Mal so lang, als der Thorax (61:19) ete. 
Dabei willich sehr wohl glauben, daß Pocock echte „B. Caesar“ Koch 
vor sich gehabt hat; aber es kann nicht genug betont werden, daß 
alle jene Differenzen, die lediglich auf den verschiedenen Maaßver- 
hältnissen beruhen, bei den ganz außerordentlichen, in jedem einzelnen 
Falle bei genügendem Material nachweisbaren Schwankungen in den 
Dimensionen für die Aufstellung selbständiger Arten nur von ganz 
untergeordnetem Werthe sind. — Ich habe mich dann bemüht, die 
Öriginalexemplare Koch’s selbst artlich von dem mir zu Gebote stehenden 
ceylonieus-Material zu scheiden; allein ich bin zu einem negativen 
Resultat gelangt. Allerdings zeigt sowohl das Männchen wie das 
Weibchen des B. Caesar einen gekörnelten Stirnrand, während der von 
Se. ceylonicus stets fast glatt ist, und die auffallend flache Hand 
erscheint am Handinnenrande viel mehr gerundet, als bei letzterer 
Art. Da aber die Körnelung der Stirn bei allen Arten varürt (z. B. 
sehr stark auch bei Sc. bengalensis), so ist diesem Merkmal ein spe- 
cifischer Werth nicht beizulegen. Was aber die an Sc. fulvipes 
erinnernde Handform des B. caesar anlangt, so ließen sich bei dem 
mir vorliegenden Material von Sc. ceylonicus Mittelformen beobachten, 
welche allmählich zu dem fast geradlinigen inneren Handrande des 


48 Scorpionidae: Scorpionini. 


normalen Sc. ceylonicus überleiten. Da auch die Finger namentlich 
des Weibchens von B. caesar eine merklich geringere Kielung zeigten 
und die Hand gegen den außergewöhnlich breiten unbeweglichen Finger 
fast wie eingesunken erscheint, so wird man in etwas an jene eigen- 
artige ostafrikanische Form des Sc. afriecanus erinnert, die Pocock 
seinerzeit als Sc. cavimanus beschrieben hat. Auch im letzteren Falle, 
wo die „Degenerationserscheinungen“, wenn ich so sagen darf, viel 
krasser hervortreten, war ich nicht im Stande, scharfe, nicht durch 
Uebergänge verbundene Merkmale der beiden extremen Formen auf- 
zufinden. Aus allen diesen Gründen, und weil im Uebrigen Sc. Caesar 
und ceylonicus nicht die geringsten Verschiedenheiten in allen übrigen 
Organen erkennen ließen, auch der Fundort für beide der nämliche 
ist, glaube ich sie als Synonyme bezeichnen zu müssen. Das ebenfalls 
von Koch stammende Exemplar des Münchener Museums zeigt unter 
der Etiquette B. Caesar einen ausgesprochen normalen Sc. ceylonicus. 
— Der Se. phipsoni Poc. dürfte sich nach seinen Maaßen, der Zahl 
der Kammzähne, den gereihten Körnchen auf der Oberhand etc. 
lediglich als ein noch jugendlicher Sc. ceylonicus erweisen; jedenfalls 
finde ich weder in der ausführlichen Beschreibung, noch auch in der 
Bestimmungstabelle der indischen Arten auch nur ein einziges Merkmal 
angegeben, das nicht in die Variationsweite des Sc. ceylonicus_fiele. 
— Vom Sc. crassimanus Becker vermuthet schon Thorell (Ann. 
Mus. civ. XXVL, p. 414), daß er mit B. Caesar Koch identisch sei, 
und auch mir hat es nicht gelingen wollen, irgend welche specifischen 
Unterschiede in der Diagnose zu entdecken. 


Die Färbung dieses, namentlich auf Ceylon sehr verbreiteten 
Scorpions varlirt wie die der verwandten Arten vom dunklen Pech- 
braun bis Schwarz oder Dunkelgrün zum Rotbraunen und — bei 
Jüngeren Exemplaren — zum hell Grünlich-Gelben. Bei rothbraunen 
Individuen pflegt der Hinterrand der Abdominalringe heller gelb zu 
sein. Beine und Unterseite der Arme sind in der Regel etwas heller 
als der Truncus, ebenso die Unterseite, welche im vorderen Theil 
braun, im Abdominaltheil scherbenfarbig zu sein pflegt. Die Blase 
ist bei jungen Individuen stets hell schwefelgelb; später wird sie roth- 
braun oder noch dunkler, oft mit gelben Längslinien. 


Der Thorax erscheint verhältnißmäßig flach. Er ist auf der 
Fläche bis zu den Stirnloben meist völlig glatt und glänzend, trägt 
also dann nur an den Seiten schwache Granulation. Charakteristisch 
namentlich ist — im Gegensatz zu Sc. indicus —, daß auch die 
Medianfurche vor den Augen nur äußerst selten von Körnchen flankirt 


Gatt. Scorpio. 49 


wird, in der Regel also als einfache, glatte Furche sich darstellt. 
Die Abdominalringe sind oberseits entweder völlig glatt, oder sie 
erscheinen am Hinterrande oder auf den Seiten feinkörnig. 

Die Cauda zeigt in den ersten Segmenten unterseits die gewöhn- 
lichen glatten, durch vertiefte Längsrinnen getrennten Kiele, die all- 
mählieh in gekörnte übergehen und im V. Segmente dornig werden. 
Die oberen Seitenkiele sind ebenfalls fast sämmtlich ungekörnt, und 
selbst die Rückenkiele, einschließlich derer des oberseits fast gerundeten 
V. Segments, erscheinen nur schwach kerbig und erreichen niemals 
den dornspitzigen Character, wie er namentlich für Sc. dietator Poec. 
so charakteristisch ist. Die oberen Flächen der Cauda sind meist 
glatt und ungekörnt, die Seitenflächen häufiger mit einzelnen Körnchen 
besetzt. Im V. Segment tritt der übliche abgekürzte Nebenkiel an den 
Seiten auf. Die Blase besitzt die 4 gewöhnlichen Körnchenreihen in 
stärkerer oder schwächerer Ausbildung; ihre Seiten tragen meist nur 
einige wenige Körnchen. 

Von den Gliedmaßen zeigen die Oberkiefer am Ende nicht 
die Gabelbildung, wie Sc. longimanus, sondern der obere Endzahn 
steht, wie bei Se. indicus, erheblich hinter dem unteren zurück, ıhn 
höchstens am Grunde verdeckend. 

Die vierkantigen Oberarme tragen auf der oberen Fläche 
meist nur wenige kraterförmige Körnchen, können aber auch stärker 
granulirt sein. An der Vorderfläche findet sich die Schrägreihe grober, 
dornartiger Höcker; die Unterseite ist glatt. Der Unterarm ist auf 
der Vorderfläche kaum granulirt; am Vorderrande finden sich einige 
srößere Dornen. Unterseits ist die Armfläche ziemlich eben und zeigt 
einen stumpfkieligen Hinterrand, der mit wenigen, unregelmäßigen und 
obsoleten Haargruben besetzt ist und so in etwas an das Charakter- 
merkmal der afrikanischen Formen (2—3 Reihen Haargruben am 
scharfkieligen Hinterrande) erinnert. 

Die Hand ist bei älteren Individuen auf der oberen Fläche 
stets deutlich grobkörnig oder buckelig. Die einzelnen Buckeln sind 
glänzend, meist rundlich und nur wenig in einander fließend, aber zum 
Theil deutlich in Reihen geordnet, so daß oft genug der Anschein 
undeutlicher, in der Mitte der Handfläche verlaufender Längskiele 
hervorgerufen wird. In anderen Fällen fließen die Buckeln etwas 
mehr zusammen, namentlich auf der Mitte der Fläche; doch ist auch 
dann der typische Character an den Seiten immerhin so deutlich aus- 
geprägt, daß eine Verwechselung mit dem Sc. indieus oder bengalensis 
nicht wohl eintreten kann. Unterseits ist die Hand bei jüngeren 
Individuen fast glatt; bei älteren erscheint sie etwas schwach grubig 

4 


50 Scorpionidae: Scorpionini. 


reticulirt und trägt, abgesehen von den meist gekörnelten beiden Längs- 
wulsten, nach dem vorderen Innenrande zu wenige grobe und feine 
Körnchen. Die größte Breite der Hand liegt unmittelbar über ihrer 
Ansatzstelle. Das Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand 
entspricht ganz dem von Se. imdicus und schwankt zwischen 1: 0,66 
und 1:0,88. Größte absolute Länge des Fingers 20, der Hinterhand 
15,5 mm. Das Verhältniß der Länge der Hinterhand zur Handbreite 
liegt bei jungen Individuen zwischen 1:0,84 und 1:1; bei älteren 
zwischen 1:1 und 1:1,29. Als Durchschnitt mögen auch hier die 
Zahlen 1:1,08 und 1: 1,1 gelten. Die größte absolute Breite der 
Hand betrug 15 mm. Das Verhältniß des beweglichen Fingers zur 
Handbreite schwankt zwischen 1:0,7 und 1:1. 

An den Beinen sind sowohl Ober- als Unterschenkel in der 
Regel feinkörnig. Die Zahl der Dornen am Tarsenendgliede des letzten 
Beinpaares beträgt auf der Innenseite 5 oder 6 (wobei der sechste 
meist minimal ist), auf der Außenseite 4, von denen in jedem Falle 
2 auf den Lobus, die übrigen auf die Unterkante des Tarsus selbst 
entfallen. Es unterscheidet sich hierdurch die vorliegende Art sowohl 
von dem Se. indieus, wie von den großen dunklen afrikanischen Formen, 
welche fast ausnahmslos an der Außenseite nur 3 Dornen (innen 4, 
seltener 5) besitzen. 

Die Zahl der Kammzähne, untersucht bei 29 Exemplaren, 
schwankt zwischen 9 und 17, und zwar wurden gefunden 1 mal 9, 
2:mal 10, 8 mal’1l, 17 mal’12, 19 mal 13, 9:mal7 14, 1 malale 
und I mal 17 Kammzähne. In Procenten ausgedrückt ergiebt sich, 
daß ın 96% aller Fälle die Zahl der Kammzähne nicht über 14 
hinausgeht. Der Winkel des Kammgrundes ist meist auffallend groß, 
so daß er vielfach nur eine schwach gebrochene, fast einen gestreckten 
Winkel darstellende Linie bildet (Fig. 29). In anderen Fällen ist er 
geringer, dürfte jedoch kaum je unter 130 ° heruntergehen. Die Mittel- 
furche des Sternums endet nach vorn in einer rundlichen Grube, über 
welche sie sich nicht bis zum Vorderrande fortsetzt (Gegensatz zu 
den afrikanischen Formen). 

Die Gesammtlänge des Körpers betrug im extremsten Falle 
135 mm (Truncus : Cauda = 73:60). Das Verhältniß von Truncus 
zur Cauda schwankt zwischen 1:0,7 und 1: 1,24. 

Unterschiede der Geschlechter waren mit Sicherheit 
nicht festzustellen. Sie liegen, wenn vorhanden, wohl lediglich in der 
Zahl und Größe der Kammzähne, der Größe des Kammerundwinkels 
und dem Längenverhältniß von Truncus zur Cauda. Ebenso wenig 
habe ich besonders zu characterisirende Varietäten beobachtet. 


Gatt. Scorpio. 51 


Sämmtliche mir zu Gesicht gekommene Exemplare stammen, 
soweit der Fundort überhaupt notirt war, von Geylon. Pocock 
giebt indessen an, daß das Britische Museum auch Exemplare von 
beiden Indien besitze. 


5. Scorpio bengalensis (C. L. Koch). 
1842 Buthus bengalensis C. L. Koch (Arachn. IX, p. 3, Fig. 696). 
1884 Palamnaeus bengalensis Sim. (Ann. Mus. civ. Genova XX, p. 360). 

Die vorstehende Art zeigt in der geringen Entwickelung des 
Handballens namentlich beim Männchen und der damit in Verbindung 
stehenden Schmächtigkeit der Hände, wie nicht minder in der deutlicher 
als gewöhnlich ausgeprägten Verschiedenheit der Geschlechter unver- 
kennbare Beziehungen zum Sc. longimanus Herbst, so daß uns seine 
Einreihung in die Thorell’sche Gattung „Palamnaeus“ durch Simon 
nicht Wunder nehmen kann. Aber der Umstand, daß gerade das 
specifische Gattungsmerkmal für Palamnaeus, der verdickte Innenrand 
der Hand, bei unserer Art absolut nicht auftritt, läßt diese Einordnung 
als unthunlich erscheinen und führte mich, abgesehen von andern, 
früher erörterten Gründen, zur Wiedervereinigung der Gattungen 
Scorpio und Palamnaeus. 

Im Ganzen haben mir von dieser Art 10 Exemplare zur Ver- 
fügung gestanden, davon 4 trockene aus der alten Münchener, von 
Koch bestimmten Sammlung. 

Die Färbung der Oberseite des Truncus ist m der Regel 
leder- oder pechbraun bis rothbraun, doch gehören auch dunhel- 
grünbraune Exemplare nicht zu den Seltenheiten. Aehnlich gefärbt 
sind Cauda nebst Blase und Händen, während die Beine meist heller 
lederfarbig erscheinen. Die Unterseite ist meist ledergelb oder schmutzig 
scherbenfarbig. 

Die Hauptaugen stehen etwas vor der Mitte des Öephalothorax. 
Letzterer besitzt meist fast glatte Stirnloben (mit nur vereinzelten 
schwachen Höckerchen am Vorderrande, selten grobkörnig) und eine 
meist glatte, eingestochen punktirte Mittelfläche, während die Seiten- 
theile gekörnt sind. Die hinteren, geschweiften Seitenfurchen stehen 
mit dem Hinterrande der Medianfurche in Verbindung. 

Die Dorsalringe des Abdomens sind auf der Fläche ebenfalls 
glatt und glänzend; nur die Seiten-, resp. Hinterränder besitzen 
schwächere oder stärkere Körnelung. 

Die Cauda trägt auf ihren oberen Flächen zuweilen Körner, 
namentlich im IV. Segment; auch die Seitenflächen sind zum Theil 
körnig. Die Dorsal- und oberen Seitenkiele sind deutlich körnig 

r 


52 Scorpionidae: Scorpionini. 


entwickelt, aber nicht dornspitzig. Die Länge der beiden ersten Caudal- 
segmente zusammen ist geringer als die des Thorax (Verhältniß von 
Caudalsegment I+ II : Cephalothorax = 1: 1,1 bis 1: 1,2). Blase 
an den Seiten zerstreut körnig. 

Der obere Endzinken des Oberkiefers ist kurz zahnförmig 
und läßt den oberen in ganzer Länge frei. 


Der Oberarm zeigt in den proximalen zwei Dritteln seiner 
Oberfläche eine sehr dichte und grobe Körnelung, während die Unterseite 
glatt ist. Die Oberfläche des Unterarms ist ebenfalls meist dicht 
feinkörnig, vorn am Grunde mit einigen größeren Dornen besetzt, seine 
Unterfläche mit gerundetem Hinterrande und ohne regelmäßige Reihen 
von Haargrübchen. 


Die Hand besitzt, wie schon hervorgehoben, beim Männchen 
einen nur wenig entwickelten Ballen; beim Weibchen ist derselbe 
größer und die Hand verhältnißmäßig breiter, wie schon Koch richtig 
erkannte. Die größte Breite der Hand liegt etwas über der Hand- 
wurzel. Die obere Handfläche ist über und über mit wulstigen, vielfach 
ineinandertließenden, eingestochen punktirten Buckeln besetzt, die aber 
niemals das durchweg reticulirte Aussehen wie bei Se. indieus, oder 
das flach grubige, wie bei Sc. longimanus, annehmen. In allen Fällen 
erscheinen die Buckeln der Fläche aufgesetzt, während bei Se. longi- 
manus die Fläche selbst seichte Gruben zu tragen scheint. Spuren 
von Handkielen habe ich nicht bemerkt, auch nicht von einem aus 
zusammenfließenden Buckeln gebildeten äußeren Nebenkiel, wie er bei 
Sc. fulvipes auftritt. Das Verhältniß der Länge von Finger zur 
Hinterhand schwankt zwischen 1: 0,71 (Weibchen) und 1: 0,92 
(Männchen), das der Hinterhandlänge zur Breite zwischen 1 : 0,78 
(Männchen) und 1: 1,1 (Weibchen). Das Verhältniß von Fingerlänge 
zur Handbreite fand ich beim Männchen von 1:60,59 bis 1: 0,66, 
beim Weibchen von 1: 0,7 bis 1: 0,78, so daß sich unsere Art durch 
die relative Länge des beweglichen Fingers zur Hinterhand und zur 
Breite von sämmtlichen übrigen Scorpioarten — mit Ausnahme des 
Sc. longimanus — ziemlich scharf unterscheidet. Als größte absolute 
Maße für beweglichen Finger, Hinterhand und Handbreite gebe ich 
die Zahlen 16,5, 14 und 11 (Weibchen). 


Die Zahl der Dornen am Endtarsus des IV. Beinpaares 
beträgt 5 (oder 6) an der Innenseite, 4 (seltener 5) an der Außenseite, 
wobei in jedem Falle 2 Dornen auf den Endlobus entfallen. Die 
zuweilen ziemlich starke „Endborste* des Lobus ist hierbei nicht 
mitgerechnet. 


Gatt. Scorpio. 53 


Die Zahl der Kammzähne schwankt zwischen : 13 und 16, 
beträgt aber in etwa 90° der Fälle 14 oder 15. Der Winkel des 
Kammgrundes ist etwa gleich 110° (Fig. 30). Die Mittelfurche des 
Sternums endigt in einer rundlichen Grube vor der Spitze. 


Die Gesammtlänge des Thieres betrug bei dem größten 
Exemplar 102 mm (Trunceus : Cauda = 49 :53). Das Verhältniß 
zwischen Truncus und Cauda schwankt zwischen 1:1 und 1:1,3 
(Männchen). 

Als wichtigsten Geschlechtsunterschied habe ich bereits im 
Früheren auf die Verschiedenheit der Entwickelung des Handballens 
und der dadurch bedingten verschiedenen Handbreite bei Männchen 
und Weibchen aufmerksam gemacht. Auch die Zahl der Kammzähne 
(beim Männchen meist 15) und das Verhältniß von Truncus zur Cauda 
kommt hierbei im Betracht. 

Als wesentlichste Unterscheidungsmerkmale der vorstehenden 
Art von dem verwandten Sc. longimanus mögen schließlich noch einmal 
zusammenfassend hervorgehoben werden: Hand mit scharfem Innenrande 
(dick und gerundet bei Sc. longimanus), oberseits mit wulstigen, auf- 
gesetzten und zum Theil isolirten Buckeln (schwach netzig grubig bei 
Sc. longimanus), ohne Spur von Längskielen; Oberarm stark dichtkörnig 
(mäßig oder wenig bei Sc. longimanus); Unterarm oberseits feinkörnig, 
mit mehreren fast gleich starken Dornen am Vorderrande (glatt, mit 
dominirendem Grunddorn bei Sc. longimanus); oberer Endzinken des 
Öberkiefers zahnartig, den unteren nicht verdeckend (mit dem oberen 
parallel, ihn verdeckend bei Se. longimanus); Depression um den 
Augenhügel nicht mit den hinteren Seitenfurchen des Thorax sich 
verbindend (durch x-förmige Furche im dieselben übergehend bei 
Sc. longimanus). 

Die Heimath des Sc. bengalensis erstreckt sich von Britisch 
Birma (Rangoon etc.) durch Bengalen bis an den Südrand des 
Himalaya, wo mir im Westen Dehra Dun als westlichster Fundort 
bekannt ist. Auch im Himalayagebirge selbst scheint er vorzukommen. 


6. Seorpio indieus L. 


1748 Scorpio indieus L. (Syst. natur. edit., VI., p. 68). 

1758 5 afer L. (ad partem) Syst. natur. ed. X. et sequent. 

1836 Buthus cyaneus C. L. Koch (Arachn. III., p. 75, Fig. 225). 

1838 e heros C. L. Koch (Arachn. IV., p. 1, Fig. 253). 

1838 n defensor C. L. Koch (Arachn. IV., p. 3, Fig. 254). 

1838 » reticulatus ©. L. Koch (Arachn. IV., p. 25, Fig. 265). 
? 1841 u setosus C, L. Koch (Arachn. VIIL, p. 87, Fig. 657). 


54 Scorpionidae: Scorpionini. 


Ich habe den alten Linne’schen Namen voranstellen zu sollen 
geglaubt, da nach den Untersuchungen von Thorell (Atti Soe. ital. 
XIX., p. 204—11) wohl kaum ein Zweifel darüber sein kann, daß 
Linne in der That bei Aufstellung dieses Namens ein Exemplar unserer 
Art vor sich gehabt hat. Wenn er im weiteren Verlauf seiner Studien 
den Sc. ceylonicus Herbst (= Sc. megacephulus Koch) mit dieser 
verwechselt und schließlich sogar beide als Sc. africanus mit den 
afrıkanischen Formen zusammengeworfen hat, so daß wir von der als 
Norm geltenden Editio X. des Systema naturae ausnahmsweise auf die 
Editio VI. zurückgehen müssen, so halte ich diesen Umstand nicht für 
so ausschlaggebend, daß man um dessetwillen den neuerdings von 
Thorell in den Vordergrund gestellten, sehr passenden Namen wieder 
aufgeben müßte. 

Von den 5 Koch’schen Arten ist B. setosus en Jugendstadium, 
das ich wegen der auf der Handfläche zusammen fließenden „Hohl- 
punkte“ hierher ziehe ), während ich mich bei den 4 anderen Arten 
durch Besichtigung der Originalexemplare überzeugte, daß sie specifisch 
nicht von einander verschieden und lediglich als Synonyme für Se. 
indicus zu betrachten smd. Für den B. defensor wird allerdings 
irrthümlicher Weise als Vaterland „America“ angegeben, während 
B. heros (Mus. Erlangen) sich durch auffallende Pigmentlosigkeit 
auszeichnet. 

Die Färbung dieses namentlich auf Java überall verbreiteten 
und ungemein häufigen Scorpions ist in der Regel kastanienbraun bis 
schwarzbraun, doch sind auch dunkel seegrüne Exemplare nicht selten. 
Bei jüngeren Individuen ist das dunkle Pigment der Oberseite namentlich 
auf den Abdominalringen meist noch nicht entwickelt. Dieselben ' 
erscheinen dann schmutzig scherbenfarbig, zum Theil schon mit dunk- 
lerer oder rothbrauner Fleckenzeichnung. Die Beine sind nach den 
Enden zu heller rothbraun, ebenso die Blase, welche indessen auch 
bei jüngeren Individuen nur selten jenes helle Schwefelgelb zeigt, das 
für die Jugendzustände des Sc. ceylonicus so characteristisch ist. Das 
völlig erwachsene Typexemplar für Buthus heros C. L. Koch ist 
monströser Weise durchaus hell scherbengelb, nur die Finger sind 
rothbraun. 

Der Cephalothorax ist namentlich an den Seiten stets mit 
Körnchen von wechselnder Dichtigkeit und Größe besetzt. In vielen 


I) Karsch (Abhandl. Naturw. Ver, Bremen IX., p. 67) identifieirt die Art mit 
einer westafrikanischen Form und nennt dann in seiner Bestimmungstabelle 
die Hände „dicht und grob gekörnt“. Die Koch’sche Ausdrucksweise scheint 
mir aber mehr für meine Auffassung zu sprechen. 


Gatt. Scorpio. 55 


Fällen aber erstreckt sich diese Körnelung” mehr oder minder auch 
auf die Mittelfläche zu beiden Seiten der Hauptaugen, so daß dann 
schließlich nur mehr ein kleiner glatter, aber eingestochen punktirter 
Spiegel seitlich vor diesen Hauptaugen übrig bleibt. Characteristisch 
namentlich ist, daß die‘ den Cephalothorax durchziehende Medianfurche 
vor dem Augenhügel von gekörnten Leisten flankirt wird (Gegensatz 
zu Sc. eeylonicus), während sie hinter dem Augenhügel mit der rhom- 
bischen Depression communicirt, welche den letzteren umgiebt (Gegensatz 
zu Se. longimanus). Auch die Verbindung jener Depression mit den 
S-förmig geschweiften Hinterrandquerfurchen (Se. longimanus) ist nur 
selten andeutungsweise erkennbar, während die letzteren mit aller Schärfe 
nahe dem Hinterrande des Cephalothorax in die bis hierher herab- 
ziehende Medianfurche einlaufen (Fig. 19). 

Die Körnelung der Rückensesmente des Abdomens ist wenig 
entwickelt und läßt meist nur einzelne schwache Buckel an den Seiten 
der Segmente erkennen, oder die Flächen sind völlig glatt. Die Unter- 
seite des Abdomens ist glatt und glänzend. 

Die Cauda entspricht durchaus derjenigen der verwandten 
Formen. Auch hier sind die unteren Caudalkiele der ersten Segmente 
wenig entwickelt und glatt, um vom III. oder IV. Segment an deut- 
licher in Körnchen sich aufzulösen, die dann im V. Segment zu stach- 
lichen Dornen werden. Die Flächen der Cauda, auch die dorsale, 
sind meist glatt oder kaum körnig, doch lassen sich in der Regel 
auf den Seitenflächen die sog. Nebenkiele in Form einiger in Reihe 
gestellter Körnchen nachweisen. Das V. Segment zeigt auf den 
Seitenflächen eine starke, gekörnte, etwa bis °3 der Länge reichende 
Criste. — Die Blase, mit abstehenden steifen Borsten besetzt, trägt 
unterseits vier deutliche Reihen von Körnchen (auf den Seitenrändern 
der drei flachen, bandartigen Längsvertiefungen), doch können auch 
außerhalb dieser Reihen an den Seiten der Blase vereinzelt oder dichter 
stehende Körnchen entwickelt sein. 

Von den Gliedmaßen zeigen die Oberkiefer in keinem Falle 
einen so vollständigen Parallelismus der beiden Endzacken, wie dies 
für Se. longimanus charakteristisch ; vielmehr steht der dorsale Endzahn 
stets erheblich hinter dem ventralen zurück, so daß er denselben — 
bei verticaler Stellung des Thieres in Augenhöhe — nicht zu ver- 
decken vermag. 

Die ebenflächigen. vierkantigen und an den Rändern gekörnten 
Oberarme tragen im extremsten Falle nur einen einzigen größeren 
„Krater“ unweit der Basis der oberen Fläche, sowie daneben ganz 
wenige kleinere Körnchen. Bei andern Individuen aber steigert sich 


56 Scorpionidae: Sceorpionini. 


schrittweise dieser Körnchenreichthum, bis schließlich . fast die ganze 
Fläche dicht mit groben und feineren Höckerchen besetzt erscheint. 
Die Vorderfläche wird in allen Fällen von einer mehr oder minder 
deutlich ausgeprägten Schrägreihe grober, am Grunde haartragender 
Höcker durchquert; die Unterfläche ist glatt. Der Unterarm trägt 
an seiner scharfen Vorderkante einige basale Dornen, von denen aber 
keiner eine so dommirende Stellung gewinnt, wie dies beim Sc. longi- 
manus die Regel. Der Hinterrand an der Unterseite ist nur im 
proximalen Theil etwas kielig. An seinem Rande finden sich nur 
einzelne zerstreute Haargrübchen. 

Die Hand erscheint in der Mehrzahl der Fälle netzig grubig, 
d.h. ein netzig communieirendes, flache Gruben als Maschen zwischen 
sich lassendes und fein eingestochen punktirtes Leistenwerk überkleidet 
die ganze Dorsalfläche. Aber abgesehen davon, daß in der Jugend 
dieses Netzwerk erst ganz allmählich zur Ausbildung gelangt und im 
Alter, namentlich in der centralen Parthie der Hand, derart verschmilzt, 
daß Maschen zwischen demselben kaum mehr übrig bleiben, so wurde 
auch beobachtet, daß die sonst netzig verbundenen Leisten theilweise 
zu isolirten und mannigfach gewundenen Wülsten sich ausbilden, oder 
aber — bei jüngeren Individuen — auf und neben sich zahlreiche 
feinere Körnchen entwickeln, die der Handfläche ein höckeriges Aus- 
sehen verleihen. Es ist ungemem schwer, die Verschiedenheit der sich 
darbietenden Bilder durch Worte klar zu legen, nur die Photographie 
würde einigermaßen hierzu im Stande sem, doch würde auch hier es 
einer größeren Reihe von Bildern benöthigen, um -die Gemeinsamkeit 
des Typus für alle diese Formen erkennen zu lassen. Die Unterseite 


der Hand ist — abgesehen von zwei eine rinnenförmige Vertiefung 
einschließenden Längswulsten — bald völlig glatt und glänzend, bald 


muschelig reticulirt, bald endlich mit buckelartigen Körnchen besetzt. 
Die Maaße der verschiedenen Handtheile habe ich an vielen Dutzenden 
von Exemplaren genommen. Danach schwankt das Verhältniß des 
beweglichen Fingers zur Hinterhand zwischen 1: 0,68 und 1: 0,87; 
als Regel ist 1: 0,76 anzunehmen. Dabei wurde als größte absolute 
Länge des Fingers 18, der Hinterhand 15 mm gefunden. Das Ver- 
hältniß der Länge der Hinterhand zu deren Breite schwankte zwischen 
1:0,95 (bei jugendlichen Individuen) und 1: 1,2; als Mittel können 
die Zahlen 1: 1,08 gelten. Die größte absolute Breite der Hand 
betrug 16 mm. 

An den Beinen sind die Oberschenkel und Schienbeine meist 
außen mit feinen Körnchen besetzt. Die Zahl der Dornen am letzten 
Tarsenglied des IV. Beinpaares beträgt auf der Innenseite 4 oder 5, 


Gratt. Scorpio. 57 


von denen 2 auf den Endlappen (bis zur Vereinigung mit dem der 
Gegenseite unterhalb des Gehstachels) entfallen. Die Außenseite besitzt 
fast ausnahmslos nur 3 Dornen, doch wurde in 5 von etwa hundert 
Fällen auch noch ein vierter mehr an der Basis dieses letzten Tarsen- 
gliedes beobachtet. Neben den 2 Dornen tragen die Endlappen an 
ihrer äußersten Spitze noch je 2 stärkere Borsten, die aber von den 
eigentlichen Dornen sehr deutlich durch die geringere Dicke und die 
viel größere Länge unterschieden sind. 

Die Zahl der Kammzähne wurde an etwas über 100 Individuen 
untersucht. Es ergaben sich 2 mal: 12, 12; 3 mal: 12, 13; 36 mal: 
134.33: 29 mals 13, 14; 16 mal; #14, 14; Alv'mal: 14, 15;' 4 mal: 
15, 15 und I mal: 14, 16 Kammzähne. Demnach kann man als normal 
die schon von Linne angegebene Zahl 13 ansehen, während wir 
andererseits eine Variationsweite von 12 bis 16 Zähnen zugeben müssen. 
In Procenten ausgedrückt, ergiebt sich, daß in 90 '% aller Fälle die 
Zahl der Kammzähne nicht über 14 hinausgeht. Der Winkel des 
Kammgrundes (Fig. 27) beträgt in der Regel etwa 130°, kann aber 
auch noch etwas größer sein, ohne indeß in die fast gestreckte Form 
des Grundes bei Sc. ceylonicus überzugehen. 

Die Mittelfurche des Sternums endet nach vorn in einer rundlichen 
Grube (Fig. 25), über welche sie sich meist nicht bis zum Vorderrande 
fortsetzt (Gegensatz zu den afrikanischen Arten). 

Die Gesammtlänge des Körpers fand ich im extremsten Falle 
zu 117 mm (Truncus : Cauda = 61:56), doch besitzen die meisten 
Exemplare eine weit geringere Größe. 

Unterschiede der Geschlechter vermochte ich mit 
Sicherheit nicht festzustellen, weder in der Zahl und Größe der 
Kammzähne, noch in der Sculptur des Thorax oder der Form der 
Hände. Wohl wollte es mir scheinen, daß bei dem Weibchen die 
Cauda um einige mm an Länge hinter derjenigen des Männchens zurück- 
stehe, und daß dieselben wohl kaum je mehr als 13 Kammzähne besitzen; 
zu einer irgend wie sicheren Unterscheidung der Geschlechter haben aber 
diese minimalen Differenzen in meinen Beobachtungen nicht geführt. 

Das Vorkommen der Art scheint fast ausschließlich auf Java 
beschränkt, wo sie weit häufiger sein dürfte, als der dort ebenfalls 
heimische Se. longimanus. Mir liegen Exemplare von fast allen Theilen 
der Insel vor. Augenscheinlich viel seltener ist das Thier auf Sumatra, 
dem Hauptverbreitungsgebiete für Sc. longimanus. Von dieser Insel 
(Deli) sind mir im Ganzen nur 2 Exemplare zu Gesicht gekommen. 
Das Britische Museum besitzt ein Exemplar von Ceylon, doch handelt 
es sich bei dem letztangegebenen Fundorte wohl nur um Verschleppung. 


58 Scorpionidae: Scorpionini. 


7. Scorpio scaber (Thor.) 
1872 Scorpio afer Sim. (Revue et Mag. de Zool. 1872, p. 11.) 
1877 Pandinus scaber Thor. (Atti Soc. ital. XIX., p. 202.) 

Von dieser Art haben mir nur 2 Exemplare vorgelegen. Sie 
zeigt indeß namentlich in der Bildung der Hand so große Aehnlich- 
keit mit der vorhergehenden Art, daß es sich vielleicht nur um eme 
Varietät derselben handelt, und daß ein kurzes Hervorheben der 
wichtigsten Unterschiede genügen dürfte. 

Färbung meist dunkel kastanienbraun oder dunkelgrün wie 
bei der vorigen Art. 

Cephalothorax durchaus grobkörnig, ohne glatten Spiegel 
hinter der Stirn. Medianfurche wie bei der vorigen Art. Abdomimal- 
ringe oberseits in ihrer Hinterhälfte dick buckelig grobkörnig. Unter- 
seite glatt und glänzend. 

Cauda wie bei der vorigen Art, aber die Dorsalflächen sämmtlich 
ebenfalls grob gekörnt, die Körnchen öfter fast reihig angeordnet. 
Blase wie gewöhnlich. 

Oberer Endzacken des Oberkiefers zahnartig, den unteren 
nicht verdeckend. Oberarm, Unterarm und Hand wie bei der vorigen 
Art. Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand wie 1: 0,7 
bis 1:0,83, der Hinterhand zur Handbreite wie 1: 0,94 (juv.) bis 
1: 1,15. Größte absolute Maße für Finger, Hinterhand und Hand- 
breite: 14,2, 10 und 11,5 mm. 

Oberschenkel und Schienbeine ziemlich grobkörnig. Zahl 
der Dornen am Endtarsus des IV. Beinpaares unterseits außen 6 
(selten 5), innen 4, von denen je 2 auf den Endlappen entfallen. 

Zahl der Kammzähne 10—11 (Weibchen?). Kammgrund sehr 
gestreckt, etwa 145°. Mittelfurche des Sternum wie bei der vorigen Art. 

Gesammtlänge des Truncus beim größten Exemplar 97 
(Truncus : Cauda = 40:57) mm. 

Der Se. scaber scheint die vicarürende Form des Sc. indicus auf dem 
Festlande von Vorderindien zu sein. Die mir vorliegenden Exemplare 
stammen von Mangalore; nach Simon ist er namentlich häufig in 
Bengalen. 

8. Scorpio arabieus n. sp. 

Von dieser Art hat mir nur ein einziges Exemplar zur Unter- 
suchung vorgelegen (Museum Göttingen). 

Die Färbung des Truncus und der Cauda ist rothbraun, mit 
gelblichen Hinterrändern der Abdominalringe, der Beine gelb. Die Scheeren 
sind bis auf die dunklen Finger rothbraun; die Blase gelbbraun. Unter- 
seite von der Farbe der Beine. 


Gatt. Scorpio. 59 


Die Hauptaugen stehen etwas hinter der Mitte. Die Stirn- 
loben sind glatt, glänzend und eingestochen punktirt; nur die mediane 
Depression vor den Augen mit zerstreuten Körnchen besetzt. Uebriger 
Theil des Cephalotorax ebenfalls zerstreut feinkörnig, namentlich an 
den Seiten. 


Abdominalringe glatt glänzend, nur an den Seiten 
fenkörnig. 

Cauda mit körnigen Dorsalcristen und fast glatten oberen 
Seitencristen; Dorsalflächen namentlich des III. bis V. Segments mit 
groben Körnchen besetzt, stärker als auf den Seitenflächen. Summe 
der beiden ersten Caudalsegmente kürzer als der Thorax (Caudasegment 
7 12:2 Thorax’— 14,5.216 mm). Blase auch Jan ‘den Seiten 
dicht grobkörnig. 

Oberer Endzmken des Oberkiefers anscheinend zahnartig, 
den unteren nicht verdeckend (wegen Abnutzung nicht klar erkennbar). 
Oberarm sowohl auf der oberen, wie auf der unteren Fläche dicht 
srobkörnig. Unterarm oberseits dicht femkörnig, unterseits flach, 
am Hinterrande scharfkielig und hier mit 3 Reihen ausgeprägter 
Haargrübchen. 

Hand mit ziemlich entwickeltem Ballen; ihre größte Breite 
wenig über der Handwurzel. Oberfläche dicht mit wulstigen, auf dem 
Ballen mehr oder weniger zusammenfließenden, nach den Fingern und 
außen mehr isolirten, eingestochen punktirten Buckeln besetzt, aus denen 
durch theilweise Verschmelzung zwei abgekürzte und undeutliche 
Nebenkiele oberhalb des Außenkiels sich entwickeln können (wie bei 
Sc. fulvipes). Unterseite auf den beiden Längswulsten mit je einer 
Körnerreihe, sonst nur nach innen und vorn zerstreut grobkörnig. 
Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand wie 1: 0,68, der 
Hinterhand zur Handbreite —= 1: 1,3, des beweglichen Fingers zur 
Handbreite — 1: 0,92. Absolute Maße für Finger, Hinterhand und 
Handbreite: 15, 10,2 und 13,8. 


Zahl der Dornen an den Endtarsen des IV. Beinpaares an 
der Innenseite 6 (bis 7), an der Außenseite 4 (bis 5), wobei in jedem 
Falle drei Dornen auf den Endlobus entfallen, deren erster an der 
Spitze des Lappens steht (Fig. 10), im Gegensatze zu Se. pallidus, wo 
alle 3 Dornen der Vorderkante des Lappens eingefügt sind. 

Die Zahl der Kammzähne beträgt 22, 24, ist also höher, als 
bei irgend einer anderen Art der Gruppe. Der Winkel des Kamm- 
grundes ist fast ein rechter oder wenig mehr. Die Medianfurche des 
Sternums endigt vor der Spitze in einer rundlichen Grube. 


60 Scorpionidae: Seorpionini. 


Die Gesammtlänge des Thieres beträgt 99 mm (Truncus: Cauda 
— 46:53). — Von den heller gefärbten indischen Arten, wie Sc. 
Swammerdami und fulvipes, unterscheidet sich unser Scorpion sofort 
durch die 3 Reihen Haargrübchen am Hinterrande des Unterarms. 
Von Se. pallidus, mit dem er die 3 gleich starken Dornen am Tarsenend- 
lappen gemein hat, durch die Stellung dieser Dornen, die stark gekörnte 
Unterseite des Oberarms, wie durch die niedrigen, verschmelzenden und 
Neigung zur Nebenkielbildung zeigenden Wulste der Handoberfläche. 

Als Fundort der Art ist Homran (Arabien, Yemen) 
angegeben. 

Die große Zahl der Kammzähne, wie die vermehrte Zahl der 
Dornen des Tarsenlobus und die Stellung der Augen hinter der Thorax- 
mitte erinnern in etwas an die weiter unten zu besprechenden ostafrika- 
nischen Formen der früheren Gattungen Miaephonus und Mossamedes. 


9. Scorpio pallidus n. sp. 

Von dieser Art, welche möglicherweise bisher mit Se. fulvipes 
verwechselt wurde, haben mir 4 Exemplare zur Untersuchung vorgelegen. 

Die Färbung des Truncus oberseits ist schmutzig grünlich 
scherbengelb, mit etwas dunklerem, lederbräunlichem Vorderkörper. 
Die Cauda ist pechbraun, die Hand rothbraun mit dunkleren Fingern. 
Die Blase ist nicht gelb, wie bei Sc. fulvipes, sondern von der Farbe 
der Cauda, während die Beine hell lederfarbig braun erscheinen. Die 
Unterseite des Körpers ist hell. 

Am Thorax, dessen Augen etwas hinter der Mitte liegen, 
sind die Stirnloben durchaus glatt und glänzend und gleich der ganzen 
Mittelfläche des Thorax sehr fein eingestochen punktirt. Nur an den 
Seitenrändern schwache Körnelung. Die Abdominalringe sind eben- 
falls fast glatt, desgleichen die dorsalen Caudalflächen, welche nur 
im V. Segment einige Körnchen aufzuweisen pflegen. Im übrigen sind 
Cauda und Blase wie bei Sc. fulvipes (I. + Il. Caudalsegment : Thorax- 
länge — 9:7 11,5 resp. 16,5 : 8,5). 

Am Oberkiefer ist der obere Endzinken mit dem unteren 
fast parallel, nur etwas kürzer, und verdeckt ihn daher zum größten 
Theile (bei verticaler Stellung des Thieres in Augenhöhe). 

Der vierkantige Oberarm ist auf der Oberfläche mäßig gra- 
nulirt, unterseits glatt. Der Unterarm ist auf seiner oberen Fläche 
fast ungekörnt; seine Unterseite ist flach, am Hinterrande scharfkielig 
und hier mit 3 Reihen sehr schön ausgeprägter Haargrübchen besetzt 
(Gegensatz zu Sc. fulvipes). 


Gatt. Scorpio. 61 


Die Hand hat ganz die Form derjenigen von Sc. fulvipes, 
besitzt also einen halbkreisförmigen Ballen und die größte Breite etwas 
unter der Mitte. Die Oberfläche trägt in gleicher Weise glänzend 
körnige Buckel, die auf dem Handballen ein wenig zusammenfließen, 
an der Außenseite aber keine Neigung zur Bildung eines wulstigen, 
über dem Außenrande liegenden Nebenkieles zeigen. Die Unterseite 
ist auf den beiden Längswulsten glatt und nur gegen den unbeweg- 
lichen Finger hin mit spitzen Körnchen besetzt. Das Längenverhältniß 
des beweglichen Fingers zur Hinterhand schwankt zwischen 1: 0,72 
und 1: 0,79, entspricht also ziemlich genau dem von Sec. fulvipes. 
Dasselbe gilt von dem Verhältniß der Hinterhandlänge zur Handbreite, 
welches zu 1: 1,1 bis 1: 1,27 gefunden wurde. Die größten absoluten 
Maaße für Finger, Hinterhand und Handbreite waren Il mm, S mm 
und 10,2 mm. Als Verhältniß von Finger zur Handbreite ergaben 
sich die Zahlen 1: 0,82 bis 1: 0,92. 


In Bezug auf die Dornen des Endtarsus ist vor allem charac- 
teristisch, daß der Endlobus nicht jederseits zwei, sondern drei voll- 
kommen gleichartig entwickelte Dornen trägt (Fig. 11), eine Eigen- 
thümlichkeit, welche unter allen Scorpioarten nur noch einmal und 
zwar beim Sc. arabicus auftritt, bei dem jedoch die Stellung dieser 
Dornen eine andere ist (vergl. Bestimmungstabelle). Die Gesammtzahl 
der Dornen an der Innenseite beträgt daher zum mindesten 6, doch 
ist meist noch ein siebenter oder gar die Andeutung eines achten 
nachzuweisen. An der Außenseite finden sich 5, seltener nur 4 Dornen 
im Ganzen. 


Die Zahl der Kammzähne scheint zwischen 17 und 21 zu 
varliren, und zwar fand ich einmal 17, 17, zweimal 18, 18 und einmal 
21, 21 Kammzähne. Der Winkel des Kammgrundes ist fast ein rechter 
oder geht doch kaum über 100° hinaus. Das Sternum zeigt die 
rundliche Grube als Abschluß der Medianfurche. 


Die Gesammtlänge des größten Exemplares betrug 73,5 mm 
(Truncus : Cauda = 38,5 : 35 mm). 


Auffallendere Geschlechtsunterschiede habe ich nicht wahr- 
genommen. 


Als Fundort dieser Art finde ich Baravez auf Sumatra 
angegeben. Es erscheint diese Heimath sehr plausibel in Hinblick 
auf das Vorkommen des im Habitus so gleichartigen Se. fulvipes auf 
Java. Immerhin aber verdient es hervorgehoben zu werden, daß die 
vorliegende Art unter den asiatischen Formen die einzige ist, welche 


62 Seorpionidae: Scorpionini. 


das sonst ausschließlich für afrıkanische Scorpioarten charakteristische 
Merkmal der mehrreihigen Haargrübchen am Hinterrande der Unter- 
seite des Unterarms aufweist. — Die Exemplare sind Eigenthum des 
Hamburger Museums. 


10. Scorpio afrieanus L. 
1748 Scorpio africanus L. (Systema nat. Edit. VI, p. 68). 
21754 F 5 „ (Museum Adolphi Frideriei, p. 84). 
1764 Scorpio afer L. (Museum Ludovicae Ulricae) ad partem. 
1836 Buthus afer C. L. Koch (Arachniden III, p. 17, Fig. 175) ad partem, 
1842 ” imperator C. L. Koch (Arachn. IX, p. 2, Fig. 695). 
1872 Heterometrus Roeseli Sim. (Revue et Magas. de Zool. 1872, p. 3) ad part. 
1877 Pandinus africanus (L.) Thor. (Atti Soc. ital. XIX, p. 202). 
1880 Scorpio Simoni Becker (Ann. Soc. ent. Belgique 1880, p. 137). 

Es erscheint als eine fast unlösbare Aufgabe, den vorstehenden, 
in allen Sammlungen verbreiteten Scorpion mit einem Namen zu 
benennen, der allen Anforderungen entspricht. Linne scheint das 
Thier nur bei der VI. Ausgabe des Systema naturae wirklich vor sich 
gehabt zu haben, wo er ihm 18 Kammzähne zuschreibt. Im Museum 
Adolphi Friderici giebt er die Zahl der Kammzähne nur auf 13 an, 
doch würde auch dies noch mit den thatsächlichen Vorkommnissen 
bei unserm Scorpion in Einklang stehen. Schlimmer schon ist, daß 
er dann weiter in der Editio X und ebenso im Museum Ludovicae 
Ulricae verwandte indische Formen mit der ursprünglichen Art zu- 
sammenwirft, in der Editio X sogar ausschließlich Indien als Vaterland 
angiebt. Es müßte demnach strenge genommen nach den heute 
gültigen Regeln der Nomenclatur ein anderer Name an die Stelle des 
Sc. afer der Editio X treten, aber die Wahl wird durch allerlei 
Nebenumstände besonders erschwert. Buthus afer C. L. Koch ist 
gewiß nicht emwandsfrei, da dieser Autor zum mindesten den Se. 
Swammerdami mit einbegriff; aber auch Scorpio Roeseli Sim. hat 
seine Bedenken, nicht allem weil Roesels Scorpion augenscheinlich 
ein Ostindier war (Insectenbelustigungen, p. 370) und kein Afrikaner, 
sondern weil Simon seiner neu aufgestellten Art (Etud. scorp. in 
Revue et Magas. de Zool. 1872, pag. 4) 10—17 Kammzähne vindicirt 
und somit nicht nur die vorstehende Art, sondern auch den Sec. 
dietator Poc., dessen Kammzahl in der That bis auf 10 heruntergeht, 
vor sich gehabt zu haben scheint. Der Vorschlag Pocock’s, die 
vorstehende Art Sc. Roeseli Sim. zu nennen und den Sec. africanus 
oder afer als Synonym zu seinem Sc. dietator zu ziehen, ist demnach 
um so weniger befriedigend, als Linne in der That anfangs (1748) 
einen Scorpion mit 18 Kammzähnen vor sich hatte, und selbst die 


Gatt. Scorpio. 63 


später als typisch angenommenen 13 Kammzähne, wie wir weiter unten 
sehen werden, sowohl bei der vorstehenden Art, wie bei Se. dietator 
gleicher Weise vorkommen können. Da nun die sonst noch etwa 
in Betracht kommenden Synonyme nicht für die typische Hauptform, 
sondern für mehr oder weniger ausgeprägte Abweichungen und 
Varietäten creirt sind, so bleibt in der That kein anderer Ausweg, 
als entweder einen ganz neuen Namen aufzustellen, oder aber, wie wir 
es bereits beim Scorpio indicus gethan, bis auf die Editio VI des 
Linne’schen Systema zurückzugehen und den ursprünglichen Namen 
Sc. africanus für unsere Art festzulegen. Auch Thorell kommt zu 
einem ähnlichen Schluß, glaubt aber die Editio VI vernachlässigen zu 
können und das Museum Adolphi Frideriei als maaßgebend betrachten 
zu sollen. Wie wir oben sahen, sind aber gerade die „IS Kammzähne“ 
der Editio VI noch ungleich eindeutiger für unsere Art, als die 
„13 Kammzähne* des Museums Adolphi Frideric. — Es wäre in 
hohem Grade zu wünschen, wenn der unglückselige Streit über die 
Nomenclatur der beiden häufigsten Scorpioarten jetzt endlich durch 
die kleine Concession des Zurückgehens auf die Editio VI erledigt 
würde. Passendere Namen, als die beiden von Linne zuerst gewählten, 
sind schwerlich aufzutreiben. 

Als Varietäten des Sc. africanus habe ich am Schluß der 
Besprechung der Hauptform drei von Pocock neuerdings beschriebene 
Scorpione (Sc. cavimanus, viatoris und exitialis) aufgeführt, denen 
sich der Sc. bellicosusL. Koch anschließt. So sehr die extremen Formen 
dieser, wie es scheint, auf Ostafrica beschränkten Reihe auch von 
den typischen Exemplaren des Sc. africanus der Westküste abweichen, 
so hat es mir doch nicht gelingen wollen, auch nur ein einziges 
Merkmal aufzufinden, welches dieselben sicher und unter allen Umständen 
characterisirte. — Der Buthus imperator C. L. Koch ist ebenfalls 
bisher immer als selbständige Art angesehen worden, so namentlich 
von Thorell, Simon, Becker und Pocock. Ich kann mich dieser 
Ansicht nach Vergleichung zweier Exemplare dieser Form (darunter 
das Berliner Originalexemplar) mit dem gewöhnlichen Se. africanus in 
keiner Weise anschließen und muß namentlich die ganze Reihe der 
von Simon (l. c. p. 5) und Becker (l. ce. p. 138 ff.) aufgeführten 
Unterschiede als unwesentlich und durchaus in den Rahmen der nor- 
malen Variationsweite unserer Art fallend erklären. Als wichtigstes 
Merkmal für Sc. imperator gilt bekanntlich, daß das mittlere Seiten- 
auge dem hinteren näher gerückt ist, als dem vorderen, während bei 
Sc. africanus das Umgekehrte der Fall sein soll. Ich habe mir nun 
die Mühe gemacht, etwa 30—40 Exemplare der letzteren Art auf ihre 


64 Scorpionidae: Scorpionini. 


Augenstellung genauer zu prüfen. Das Resultat war der Nachweis 
einer erheblichen Variation nach zwei Richtungen hin: Einmal in Bezug 
auf das Verhältniß der Zwischenräume zu der Größe der Augen- 
durchmesser, und zweitens in Bezug auf das Verhältniß des Zwischen- 
raums zwischen Auge Il und 2 und Auge 2 und 3. In Betreff des 
ersteren Punktes stellte ich fest, daß die Zwischenräume bald nur 
halbe Augenbreite, bald ganze, bald sogar anderthalbfache besitzen, 
wobei ferner die Augen entweder gleich groß, oder das mittlere oder 
endlich das vordere das größte war. In Betreff des zweiten Punktes 
muß zugegeben werden, daß in der Regel das mittlere Auge dem 
vorderen mehr genähert ist, als dem hinteren: sehr häufig aber waren 
auch die Fälle, im denen diese Zwischenräume völlig gleich groß 
sich erwiesen. Bei emer solchen Neigung zur Variation in den 
betrefienden Verhältnissen kann es uns gar nicht Wunder nehmen, 
wenn nun schließlich auch Individuen existiren, bei welchen der 
hintere Zwischenraum sogar kleiner ist, als der vordere; es hieße 
aber, eigensinnig an einem ganz unwesentlichen Merkmal festhalten, 
wollte man gerade diesen Specialfall mit einem besonderen Namen 
belegen, während alle übrigen bemerkten Variationen der Augenstellung 
als unwesentlich ignorirt würden. — Der Sc. Simoni Becker ist nichts 
als ein echter Sc. africanus. Wollte man nach Art der von diesem 
Autor aufgestellten Tabellen Arten creiren, so würde ziemlich jedes 
Individuum sich hierzu geeignet erweisen. 

Die Färbung des Sc. africanus ist dunkelgrün oder dunkel 
pechbraun auf der Oberseite. Die Beine sind dunkelgrün, pechbraun 
oder heller lederfarben; die Blase meist rothbraun. Vereinzelt sind 
mir auch hellere Individuen vorgekommen, bei denen namentlich die 
Hinterränder der Abdommalsegmente und Theile der Cauda scherben- 
gelbe Färbung zeigten, während die Beine und Hände gleichfarbig 
matt rothbraun waren. Die unten näher zu besprechenden Varietäten 
zeichnen sich vielfach durch auffallend rothe Färbung des Hand- 
ballens aus. Die Unterseite ist oft nur in den vorderen Parthien, 
einschließlich des Sternums, braun, während die Abdominalsegmente in 
diesem Falle statt des Braun ein schmutziges Scherbengelb zeigen. 

Die Körnelung des Cephalothorax ist in jedem Falle außer- 
ordentlich viel feiner, als bei Sc. dietator und meist mit bloßem Auge 
kaum sichtbar, so daß die Fläche viel glänzender erschemt, als bei 
jenem. Im Uebrigen zeigt die Körnelung die verschiedensten Abstu- 
fungen, indem sie bald die ganze Oberfläche des Cephalothorax bis 
nahe dem Stirnrande fast gleichmäßig einnimmt, bald mehr und mehr 
auf die Seitenränder beschränkt ist und dann in den mittleren Parthien 


Gatt. Scorpio. 65 


jederseits der Augen und hinter dem Augenhügel große spiegelnde 
Flächen frei lassen kann. Die beiden geschweiften Seitenfurchen des 
Hinterrandes stehen häufig mit dem Hinterende der Medianfurche 
nicht in deutlicher Verbindung. In diesem Falle pflegt sich das Hinter- 
ende der Medianfurche triangelförmig zu erweitern, wobei die abge- 
schrägten Seitenflächen jederseits zu einer Firste ansteigen, welche 
diese „depressed Area“ von den inneren Enden der Seitenfurchen 
abgrenzen. In anderen Fällen kommt diese „Area“ nicht zur typischen 
Ausbildung; die Seitenfurchen verbinden sich dann (wie bei Sc. dictator) 
mit der Medianfurche, unter Umschließung eines viereckigen, gewölbten 
und nur nach der Medianfurche zu etwas einsinkenden Lobus, der 
sogar, wie bei Sc. dietator, mit Körnchen besetzt sein kann. 


Die Dorsalringe des Abdomens sind ebenfalls viel feiner 
gekörnt, als bei Se. dietator, und zeigen in der Regel einen glatten 
Mittelstreif, mn dem kurze, buckelförmige Kielandeutungen vorhanden 
sind oder fehlen, während im Uebrigen die Körnelung sich auf die 
ganzen Segmente oder nur auf die Hinterränder erstrecken kann. Im 
letzten Segment treten jene 2 scharf ausgeprägten, scharf sägezähnigen 
Schrägleisten auf den Seitenbuckeln des Scorpio dictator meist nur 
als grobkörnige oder doch nur andeutungsweise reihenkörnige Höcker auf. 


Die Cauda ist meist sehr robust. Die Länge der beiden ersten 
Caudalsegmente ist bei erwachsenen Individuen stets größer oder doch 
so groß, als die Länge des CGephalothorax. Jüngere Exemplare, etwa 
bis zu 100 mm Länge, machen allerdings hiervon eine Ausnahme. 
Ein 78 mm langes Individuum ergab beispielsweise als Verhältniß von 
Gaudalsesment 1-+ I : Thorax die Zahlen 10°2"12, d.i. = 1:13. 
Die oberen Cristen der Caudalsegmente sind nicht dornspitzig, wie bei 
Se. dietator, sondern nur gekörnt, wie dies namentlich im I. und 
V. Caudalsegment zu typischer Verschiedenheit führt. Die oberen 
Seitenflächen tragen fast in allen Segmenten Reihenkörnchen oder 
Andeutungen derselben. Im IV. Segment wurden sie bei mehr als 
40 Exemplaren in keinem Falle völlig vermißt, während sie bei Sc. 
dietator wohl fast ausnahmslos fehlen dürften. Die unterseits und oft 
auch an den Seiten gekörnte Blase variirt beträchtlich an Dicke, wie 
die folgende Art, bei welcher ich einige genauere Maaße über diese 
Verhältnisse gegeben habe. 


Der obere Endzinken des Oberkiefers ist bei den west- 
afrikanischen Formen dem unteren in der Regel derart parallel, daß 
— bei verticaler Stellung des Thieres in Augenhöhe — seine Projection 
in ganzer Ausdehnung auf die Fläche des unteren fällt. Bei den 


J 


66 Scorpionidae: Scorpionini. 


ostafrikanischen Formen (vgl. unten) erscheint der obere Zinken meist 
nur als Zahn, dessen Projection über den Unterrand des unteren 
Zinkens hinausgeht. 


Der Oberarm ist auf seiner oberen Fläche mehr oder weniger 
grobkörnig, zuweilen fast glatt. Die Unterseite ist glatt. — Der 
Unterarm besitzt am Hinterrande einen ziemlich scharfen Kiel und die 
üblichen 2—3 Reihen von Haargrübchen. 


Die Hand ist ungemein breit, mit stark entwickeltem, fast halb- 
kreisrundem Ballen. Die Körnelung der Oberfläche varıirt außerordentlich. 
Bald sind die auf letzterer befindlichen Buckeln fast halbkugelförmig, 
glänzend und auf der ganzen Fläche — auch am Ballen — völlig 
isolirt, bald sind sie flacher, eingestochen punktirt, wulstförmig und 
mehr oder weniger netzig in einander fließend, bis schließlich im 
extremen Fall der Handballen kaum noch ganz seichte Unebenheiten 
auf der fast glatten Fläche erkennen läßt. Selbst bei dieser Stufe der 
Wulst-Verschmelzung ist übrigens der Innenrand der Hand noch immer 
mit dornartigen Zähnen besetzt, welche sich bis zu zwei Drittel Höhe 
des unbeweglichen Fingers fortsetzen, während bei den ostafrikanischen 
Varietäten der Handinnenrand wenn nicht durchaus, so doch an seinen 
unteren und oberen Parthien die Dornen in der Regel fast völlig 
vermissen läßt. Die Unterseite der Hand ist zuweilen fast ganz glatt 
und entbehrt dann der bekannten abgekürzten Längswülste. In andern 
Fällen sind sie vorhanden und auch gekörnt, wie die vorderen Theile 
unterhalb des unbeweglichen Fingers. Das Verhältniß der Länge des 
beweglichen Fingers zu der der Hinterhand schwankt zwischen 
1:0,51 und 1:0,66; das Normale dürfte etwa 1: 0,62 sein. Die 
Handbreite ist bei westafrikanischen erwachsenen Exemplaren stets 
grösser, als die Länge der Hinterhand. Als Grenzwerthe für das 
Verhältniß von Hinterhand zu Handbreite fand ich die Zahlen 1: 1,1 
(juv.) bis 1: 1,9. Das Normale dürfte um 1: 1,6 liegen. Bei ost- 
afrikanischen Individuen ging das Verhältniß in einzelnen Fällen bis 
1:0,89 herab. Als Verhältniß der Länge des beweglichen Fingers 
zur Breite der Hand ergaben sich die Werthe 1:60,66 (juv.) bis 
1:1,07, im Mittel etwa 1:60,96; bei ostafrikanischen 1: 0,6 bis 
1:0,94. Als größte Maaße für die Länge des beweglichen Fingers, der 
Hinterhand und die Breite der Hand gebe ich die Zahlen 23 mm, 
14,5 mm und 24,5 mm. 


Die Zahl der Dornen am Endtarsus beträgt 4 oder 5 an der 
Innenseite, 3 an der Aussenseite, wobei in jedem Falle 2 Dornen auf 
den Endlobus entfallen. 


Gatt. Scorpio. 67 


Die Zahl der Kammzähne schwankt nach meinen Beobachtungen 
zwischen 13 und 18 (nach Simon 19), und zwar fand ich bei 42 Exem- 
plaren zweimal 13, 13, zweimal 13, 14, viermal 14, 14, viermal 14, 15, 
sechsmal 15, 15, fünfmal 15, 16, dreimal 15, 17, sechsmal 16, 16, 
sechsmal 16, 17, dreimal 16, 18, zweimal 17, 17 und zweimal 17, 18 
Kammzähne. In 92,5 % aller Fälle sind also 14 und mehr Kammzähne 
vorhanden; das Normale von 14—17 Kammzähnen findet sich bei 
90,3 %. — Der Winkel des Kammgrundes beträgt etwa 100—110°. 
Die Medianfurche des Sternums setzt sich in der Regel über die rundliche 
Grube bis zur Spitze des Sternums fort (Fig. 25). 

Das größte gemessene Exemplar hatte eine Gesammtlänge von 
175 mm (Truncus : Cauda —= 81:95). Das Verhältniß von Truncus 
zur Cauda schwankte zwischen 1: 0,90 (juv.) und 1: 1,35. 


Hervorstechende Geschlechtsunterschiede habe ich nicht wahr- 
genommen. 


Während die bisher besprochene Hauptform des Sc. africanus 
der Westseite des afrikanischen Continentes angehört, treten im Osten 
verwandte Formen auf, die zwar im Allgemeinen ein charakterisches 
Gepräge zeigen, nach dem mir vorliegenden Material aber ohne scharfe 
Grenze in die Hauptform übergehen. 

Der erste, welcher einen derartigen Scorpion beschrieben hat, 
ist L. Koch (AÄegypt. und abyssin. Arachniden, p. 1), der das bei 
Habab (nicht Cairo, wie im Texte steht) gesammelte Exemplar als 
Heterometrus bellicosus in die Wissenschaft einführte. Charakteristisch 
für dieses Thier, das ich im Berliner Museum zu sehen Gelegenheit 
hatte, ist die geringe Körnelung des Handballens und der völlig glatte 
Innenrand der Hand, wie endlich die kurze, zahnartige Entwickelung 
des oberen Endzinkens des beweglichen Oberkiefers, der den unteren 
Zinken fast völlig frei läßt. Die Zahl der Kammzähne beträgt 19,20. 
Ein diesem in allem Wesentlichen gleichendes Stück ist dann von 
Emin Pascha und Stuhlmann bei Mpapua gesammelt, während 
ein anderes, von eben daher und in demselben Glase befindlich, sich 
durch stärkere, netzig zusammenfliessende Körnelung des Handballens, 
geringere Handbreite und dornigen Innenrand der Hand (bis zum Grunde 
des beweglichen Fingers) unterscheidet. Ein drittes Exemplar von 
demselben Fundort gleicht wieder völlig dem Sc. bellicosus L. Koch, 
zeigt aber die eigenthümliche tiefe Depression der Handoberfläche am 
Grunde des unbeweglichen Fingers, wie sie für den von Pocock 
(Ann. Mag. Nat. Hist. 1888, p. 247) aufgestellten Sc. cavimanus 


5. 


68 Scorpionidae: Sceorpionini. 


charakteristisch ist. Ich kann mich daher zunächst, bei der im Uebrigen 
vollkommenen Uebereinstimmung des Koch’schen Sc. bellicosus mit dem 
Sc. cavimanus Poc. — die Differenz der Kammzähne von 15 bis 19 
oder 20 kann nicht ins Gewicht fallen —, bis auf weiteres nicht 
entschliessen, die Depression der Oberhand, die übrigens bei dem einen 
der Stuhlmann’schen Stücke immerhin schon leicht angedeutet ist, als 
arttrennendes Merkmal aufzufassen und glaube zum mindesten die 
Ansicht vertreten zu müssen, daß Sc. cavimanus und bellicosus vielleicht 
wohl verschiedenen Geschlechts, nicht aber verschiedener Art sind. 
Bis soweit erscheint die Sache ziemlich einfach, und es würde 
nichts im Wege sein, beide Formen als Sc. bellicosus L. Koch auf 
Grund der oben aufgeführten Merkmale (glatter Innenrand der Hand, 
fast glatte Oberfläche der Hand, Oberzinken des Oberkiefers mit dem 
unteren nicht parallel) dem Sc. africanus als Art gegenüberzustellen, 
wenn mir nicht noch eine Reihe anderer Exemplare vorlägen, welche 
den Uebergang zu Sc. viatoris Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. 1890, 
p- 100) nicht nur, sondern auch zum typischen westafrikanischen 
Sc. africanus vermittelten. Die in Betracht kommenden Exemplare 
stammen theils von Gondar, theils von Kawende, theils aus dem 
Djurgebiet. Die Untersuchung dieser Thiere ergiebt einmal, daß 
der Innenrand der Hand ganz allmählich von dem dornenlosen in den 
dornigen Zustand übergeht, und daß selbst bei ostafrikanischen Thieren 
diese Bedornung nicht nur bis zum Grunde des unbeweglichen Fingers, 
sondern bis zu ”s Höhe (wie beim typischen Se. africanus) verlaufen 
kann. Es ergiebt sich ferner, daß die verhältnißmäßig glatte Ballen- 
fläche mehr und mehr in die durchaus reticulirte des Se. viatoris 
übergeht, ja daß andererseits (Djurgebiet) die Wulste der Fläche sich 
isoliren und abrunden und so das typische Bild der Handfläche eines 
westafrikanischen Sc. africanus darbieten können. Was endlich die 
zahnartige Ausbildung des oberen Endzinkens des beweglichen Ober- 
kieferfingers anlangt, so habe ich sie lange als ein typisches und für 
eine Artunterscheidung brauchbares Merkmal angesehen, trotzdem die 
Divergenz beider Endzinken durchaus nicht immer in so hohem Maaße 
vorhanden war, wie ich gewünscht hätte (namentlich bei Exemplaren 
aus dem Djurgebiet). Als mir aber nach längerer Untersuchung ein 
Scorpion von Dahomey zu Gesicht kam, dessen Zinken durchaus 
nicht parallel waren, und der also die ausgeprägte Zahnbildung der 
ostafrikanischen Formen besaß, mußte ich die letzte Hoffnung, 
ostafrikanische und westafrikanische Formen artlich trennen zu können, 
als gescheitert betrachten und mich vor der Hand begnügen, die 
ersteren als Variationen dem westafrikanischen Typus anzureihen. 


Gatt. Scorpio. 69 


Ich muß gestehen, daß das Resultat meiner Untersuchungen 
mich selbst wenig befriedigt hat, denn es scheint keinem Zweifel zu 
unterliegen, daß der ostafrikanische Scorpion auch nicht annähernd 
die Größe und die robuste Ausbildung der Theile, namentlich der 
Cauda und der Scheeren, erreicht, als wie die Westafrikaner. Er macht 
geradezu einen degenerirten Eindruck, wie dies namentlich auch bei 
der cavimanus-Form hervortritt, die zweifellos uralte Exemplare 
repräsentirt. Sollte ich versuchen, die etwa anzunehmenden Formen- 
gruppen oder Varietäten des Sc. africanus näher zu präcisiren, so 
würde vielleicht folgender Vorschlag so lange zu billigen sein, als bis nicht 
durch ausgiebigeres Material weitere Gesichtspunkte gewonnen sind: 

A. Körper im erwachsenem Zustande bis 175 mm lang, robust, die 

Summe der Längen der zwei ersten Caudalglieder grösser als die 

Länge des Thorax. Handoberfläche meist einfarbig, grobkörnig 

oder grobnetzig retieulirt, ihr Innenrand bis ”/3 des unbeweglichen 

Fingers dornspitzig. Oberer Zinken des Oberkiefers mit dem 

unteren meist durchaus parallel, so daß seme Projection in ganzer 

Ausdehnung auf die Fläche des unteren fällt. Kammzähne 

13 19 5W estaeka 2. 9 a Dc. africanus typicus. 

B. Körper im erwachsenen Zustande wenig über 100 mm lang. Cauda 
meist schmächtiger, ihre beiden ersten Glieder zusammen oft 
kürzer als der Cephalothorax. Handoberfläche meist am Ballen 
rothbraun, sonst dunkler, körnig, flach netzig oder fast glatt, ihr 

Innenrand glatt oder meist nur bis zum Grunde des unbeweglichen 

Fingers dornig. Oberer Zinken des Oberkiefers zahnartig, den 

unteren nicht verdeckend Kammzähne 11—20. Ostafrika. 

a. Handinnenrand völlig glatt und unbedornt. Handfläche breit 
(Hinterhand : Handbreite — 1: 1,7), mit schwach reticulirtem 
oder fast glattem Ballen, oft mit großer, flacher Depression am 
Grunde des unbeweglichen Fingers (forma cavimanus). Kamm- 
zähne 14—20.......... Sc. africanus bellicosus L. Koch. 

b. Handinnenrand etwas dornig (nur bis zum Grunde des unbe- 
weglichen Fingers). Hand breiter oder schmäler, auf der Fläche 
mit niedrigem, maschigem Netzwerk. Kammzähne 11-14. 

Sc. africanus viatoris Poc. 

c. Handinnenrand stark dornig bis über den Grund des unbeweg- 
lichen Fingers hinauf. Hand breiter oder schmäler, auf der 
Fläche mit groben, rundlichen oder etwas netzig verschmelzenden 
Wulsten besetzt, die häufig Neigung zur Bildung abgekürzter 
Längskiele zeigen. Kammzähne 13—17. 

Sc. africanus subtypicus n. subsp. 


0 Scorpionidae: Scorpionini. 


Daß auch der Sc. exitialis Poc. von Shoa (Ann. Mag. 
Nat. Hist. 1888, p. 249), welcher lediglich durch die Breite der Blase 
charakterisirt wird, zu einer der drei letzt genannten Formenreihen 
und wahrscheinlich zur letzten gehört, erscheint mir nach der großen 
Variationsweite in der Breite der Blase nicht zweifelhaft. Pocock 
giebt als Verhältniß der Blasenbreite zu der des I. Caudalsegments die 
Zahlen 7,5 :7. Bedenkt man nun, daß ich bei verhältnißmäßig wenigen 
Messungen schon ein Schwanken dieses Verhältnisses zwischen 4,6 : 7,8 
und 6: 7,5 beobachtete, wobei im letzteren Falle die Blase auch eine 
erhebliche Zunahme in der Dicke (Höhe) zeigte, so wird man auf die 
Pocock’schen Zahlen kein zu großes Gewicht legen. Auch bei Sc. dietator 
fand ich Individuen, bei denen die Blase völlig die Breite des I. Caudal- 
segmentes erreicht hatte. 


Des Ferneren vermuthe ich, daß der Broteas hirsutus 
L. Koch (Aegypt. und Abyss. Arachn., p. 8) zur ostafrikanischen 
Formenreihe unserer Art zu rechnen ist. Daß es sich um einen jungen 
Scorpio handelt und zwar um einen solchen, der die Haargrübchen 
am Unterarm in mehreren Reihen besitzt, habe ich bei einer flüchtigen 
Untersuchung des Originalexemplars in Berlin mit Sicherheit constatiren 
können. Die angedeuteten Handkiele lassen vermuthen, daß er ebenfalls 
der Formenreihe des Se. africanus subtypieus angehört. 


Die Heimath des typischen Scorpio africanus ist das Küsten- 
gebiet des Golfs von Guinea von der Goldküste südlich bis 
(Gaboon. Die ostafrikanischen Formen sind bisher mn Abyssinien, 
Deutsch-Ostafrica und im Djurgebiet beobachtet. Beide Gebiete 
werden voraussichtlich durch Fundorte aus dem Innern des Continentes 
sehr bald mit einander in Verbindung gebracht werden. Das Berliner 
Museum besitzt auch Exemplare aus dem Nordosten Madagaskars, 
welche Hildebrandt sammelte. 


11. Scorpio dietator Poc. 

1888 Scorpio dietator Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. 1888, p. 251). 

Wie ich Pag. 62 ff. nachzuweisen versuchte, ist es im Hinblick 
auf die Editio VI. zum mindesten unwahrscheinlich, daß Linn € in dem 
„Scorpion mit 18 Kammzähnen“ die vorstehende Form vor sich gehabt, 
und ich kann daher Pocock nicht zustimmen, der den Se. africanus L. 
als Synonym zu dieser Art stellt. Andererseits ist es in hohem Maaße 
auffallend, daß dieser Scorpion, der in den Sammlungen kaum weniger 
häufig vertreten ist, als der Sc. africanus, erst so spät von letzterem 
erkennbar unterschieden wurde. Noch Simon scheint in seinem 


Gatt. Scorpio. v1 


Sc. Roeseli beide verwandten Arten zusammen geworfen zu haben, und 
erst Pocock verdanken wir eine klare Zusammenstellung der unter- 
scheidenden Merkmale. 


Die Färbung des Sc. dietator gleicht der des Sc. africanus L. 
Sie ist dunkelgrün oder dunkel pechbraun auf der Oberseite, etwas 
heller unterseits. Die Blase ist meist heller rothbraun. Die Beine 
sind dunkelgrün, pechbraun oder heller lederfarben braun. Die Hände 
haben die Farbe des Truncus. 


Am Cephalothorax fällt vor allem die äußerst grobe und 
meist über der ganzen Oberfläche gleichmäßige, mit bloßem Auge 
deutlich sichtbare Körnelung auf, die nur nach den Stirnloben zuweilen 
schwindet, nach hinten zu aber — im Gegensatz zu Sc. africanus — 
auch jenseits des Augenhügels in der Mittelfläche wohl entwickelt ist 
und selbst den beiden Ballen nicht zu fehlen pflegt, welche nahe dem 
Hinterrande des Thorax von der Medianfurche und den rechtwinklich 
mit ihr in Verbindung tretenden geschweiften hinteren Seitenfurchen 
inselartig hinten und an den Seiten umgriffen werden. Diese Ballen 
sind übrigens nicht, wie Pocock (l. e. p. 251) meint, in allen Fällen 
deutlich entwickelt. Nicht selten dachen sich dieselben derartig gegen 
die sich verbreiternde Medianfurche ab, daß eine „depressed Area“ 
zur Anschauung kommt, wie sie von Pocock für Se. africanus als 
charakteristisch angenommen wird (ohne es in allen Fällen zu sein). 
Gleich starke Körnelung zeigen die Rückenringe des Abdomens, zum 
mindesten auf ihren hinteren Hälften; doch findet man häufig genug 
auch die vorderen Hälften mit dichten Granulationen besetzt. 


Die Cauda ist sehr robust, ihr erstes und zweites Segment 
zusammen fast stets länger oder doch so lang als der Cephalothorax. 
Am meisten in die Augen fällt die ungemein starke, dornige Körnelung 
der oberen Cristen, die schon — im Gegensatz zu Sc. africanus und 
seinen Varietäten — in den ersten zwei Segmenten mit voller Schärfe 
hervortritt. Die oberen und die Seitenflächen sind fast stets körnchenlos; 
namentlich die Seitenflächen des IV. Caudalsegments unterscheiden sich 
hierdurch, wie es scheint, fast ausnahmslos von denen des Sc. africanus. 
Die Blase, welche neben den unteren 4 Körnchenreihen auch seitliche 
Körnchen trägt, varürt sehr in der Dicke, indem sie nach meinen 
Messungen bald erheblich schmäler war als das III. Caudalsegment, 
bald dem I. an Dicke gleich kam (bis 10 mm). 


Der obere Endzinken des Oberkiefers ist dem unteren fast 
parallel und verdeckt ihn daher etwa zur Hälfte. 


—T 
D6) 


Scorpionidae: Seorpionini. 


Der Oberarm ist oberseits mehr oder weniger gekörnt, unter- 
seits fast glatt. Die Oberfläche des Unterarms ist glatt oder fein- 
körnig. Die Unterseite besitzt am Hinterrande einen ziemlich scharfen 
Kiel und trägt vor demselben die bekannten 2—3 Reihen Haargrübchen. 


Die Hand ist ungemein breit, mit stark entwickeltem, fast 
halbkreisförmigem Ballen. Die Körnelung der Oberfläche varıirt sehr 
und durchläuft alle Stufen von vollkommen isolirten, rundlichen Höckern 
bis zu weitgehender Verschmelzung mächtiger, tiefe Gruben zwischen 
sich lassender Wülste. Ein Nebenkiel, aus verschmolzenen Buckeln 
oberhalb des Aussenkiels gebildet, kommt nicht zur Entwickelung. 
Die Unterseite besitzt häufig die beiden sonst üblichen Längswülste, 
welche dann glatt oder mit Granulationen besetzt sind; in anderen 
Fällen können sie jedoch völlig fehlen. Wie gewöhnlich sind die 
dornigen Höcker der Handunterfläche vornehmlich am vorderen Innen- 
rande entwickelt. Das Verhältniß der Länge des beweglichen Fingers zu der 
der Hinterhand schwankt zwischen 1: 0,60 bis 1: 0,71; das Normale 
dürfte 1: 0,67 sein. Die Handbreite ist stets größer als die Länge 
der Hinterhand. Als Grenzwerthe für das Verhältniß von Hinterhand 
zu Handbreite fand ich die Zahlen 1:1,36 und 1: 1,5, erstere bei 
jungen Individuen, letztere bei ganz alten. Als Verhältniß der Länge 
des beweglichen Fingers zur Breite der Hand ergaben sich die Werthe 
1:0,92 bis 1:1,04, im Mittel 1:0,98. Die größte Länge des 
beweglichen Fingers betrug 24, der Hinterhand 16 mm, die größte 
Handbreite 24 mm. 


Die Zahl der Dornen an den Tarsenendgliedern des IV. Bein- 


paares beträgt an der Innenseite 4 oder 5, an der Außenseite 3, 
wobei in jedem Falle 2 Dornen auf den Endlobus entfallen. 


Die Zahl der Kammzähne schwankt nach meinen Beobachtungen 
zwischen 9 und 14, und zwar wurden einmal 9, 12, viermal 11, 11, 
dreimal 11, 12, fünfmal 12, 12, zwölfmal 12, 13, einmal 13, 13 und 
zweimal 13, 14 Kammzähne gezählt. Das Optimum von 11—13 
Zähnen zeigte sich in 93,3 % aller Fälle. Der Winkel des Kamm- 
grundes beträgt etwa 100° Die Medianfurche des Sternums pflegt 
sich nach vorn über die rundliche Grube bis zur dreieckigen Spitze 
des Sternums fortzusetzen. 

Die Gesammtlänge des größten gemessenen Exemplars betrug 
164 mm (Truncus : Cauda —= 86 : 78); als größte Länge des Truncus 
fand ich 86, der Cauda 82 mm. Das Verhältniß von Truncus zur 
Cauda schwankt ‚zwischen 1: 0,9 (Weibchen) und 1: 1,2. Hervor- 
stechende Geschlechtsunterschiede habe ich nicht wahrgenommen. 


Gatt. Heterometrus. 3 


Die Heimath des Sc. dietator ist ebenfalls der Golf von 
Guinea und zwar von Kamerun südlich bis zum Congo. Er 
ersetzt also gewissermaaßen den Sc. africanus im Süden, und nur im 
innersten Theile des Golfes, im Kamerungebiet treten beide Arten 
gemeinschaftlich auf. Der Fundort Gran Canaria für ein Individuum 
bedeutet augenscheimlich nur eine gelegentliche Verschleppung. 


2. Gattung Heterometrus Hempr. Ehbg. emend. 

Scorpioninen mit 5, resp. 4 Dornen an jedem der 
beiden Endlappen des Tarsenendgliedes (Fig. 12). Blase 
gekörnt. Ausschnitt des Cephalothorax klein, Median- 
furche am Vorderrande nicht oder kaum merklich gabel- 
spaltig. Augen etwa in der Mitte des Cephalotorax. 
Vorderfläche des Oberarmes gewölbt, nicht deutlich von 
gekörnten Kielen als Fläche abgegrenzt. Letztes Bauch- 
segment mit 4 gekörnten Längsecristen. Ebenso das 
I. Caudalsegment unterseits. Untere Seitencristen des 
V. Caudalsegments am Ende schlittenkufenartig nach 
oben und außen gebogen und mit ihrem sägezähnigen 
Rande fast oder ganz die oberen Seitencristen am Ende 
des Segments erreichend (Fig. 14, 15). Hände oberseits 
mit Nebenkiel. Tarsenendglieder unterseits mit 2 regel- 
mäßigen Reihen von Dornen (in gleicher Zahl) besetzt 
(Fig. 13). 

Ehrenberg beschrieb zwei Arten dieser Gattung, von denen 
jedoch der Heterometrus spinifer der vorhergehenden Gattung Scorpio 
einzureihen war. Außerdem hat nur noch Simon eine weitere Art, 
H. propinquus, beschrieben, die aber der typischen Ehrenbergschen 
Art, Heterometrus palmatus, so nahe steht, daß sie schwerlich als 
selbständige Form wird aufrecht erhalten werden können. 


1. Heterometrus palmatus Hempr. Ehbg. 
1829—34 Heterometrus palmatus Ehrenberg (Symbolae phys. Arachn. Tf. I, Fig.1). 
1839 Buthus testaceus C. L. Koch (Arachn. Bd. V, pag. 3, Fig. 342). 
? 1872 Heterometrus propinquus Sim. (Soc. ent. France [5] I, p. 259). 

Es erscheint nicht ausgeschlossen, daß Linn& und Fabricius 
die vorliegende Art auch zum Theil unter dem Namen Scorpio 
maurus de Geer mit begriffen, worauf die Vaterlandsangabe „Afrika“ 
hinzuweisen scheint. Da aber der Sc. maurus de Geer ausdrücklich 
als ein „senoculus‘ bezeichnet wird, der in Amerika zu Hause sei, 
so werden wir diesen Namen für einen Broteas reserviren müßen (vgl. 
Herbst, Ungefl. Insect., Scorpione, p. 52). 


74 Scorpionidae: Scorpionini. 


Die Färbung des Sc. palmatus ist sehr variabel; schon 
Ehrenberg unterscheidet gelbe, rothe und braune, die er auf 
bestimmte Fundorte "beschränkt glaubt. Letzteres habe ich nicht 
bestätigt gefunden, vielmehr aus einer und derselben Gegend sehr 
verschieden gefärbte Individuen gesehen. Die gewöhnlichste Farbe des 
Thieres ist gelbroth, wobei nur die Finger dunkler gefärbt sind, 
während die Schienbeine am Ende außen einen rothbraunen Fleck 
zeigen. Von dieser Grundfärbung leiten sich ab einmal die helleren 
Individuen, welche vom Scherbengelb bis zum hellen Lehmgelb varıiren 
können (wo dann die Finger rothbraun mit dunklerem Rande 
erscheinen), sowie andererseits die mehr pigmentirten, dunkleren 
Individuen. Bei der schwächsten Entwickelung des Pigmentes tritt 
dasselbe lediglich als ein kleiner dunklerer Fleck in der Mitte des 
Vorderrandes des Abdominalsegments auf. Dieser Fleck kann sich 
dann vergrößern und zunächst den ganzen Vorderrand jener Segmente 
einnehmen; gleichzeitig pflegt dann auch schon der Cephalothorax und 
die untere Caudalseite etwas dunkler „beraucht“ zu sein. In einem 
noch vorgeschrittnerem Stadium bleibt auf dem Hinterrande der 
Abdominalsegmente nur je ein hellgelber Fleck übrig, während gleich- 
zeitig außer dem Thorax auch die Vorderarme, die Caudalunterseite und 
das letzte Bauchsegment dunkler pigmentirt sind. Endlich erscheint 
das ganze Thier fast einfarbig dunkel rothbraun oder grünbraun; die 
Hände sind dunkel und nur am Ballen rothbraun; die Unterseite des 
Abdomens geht vom Scherbengelb des I. Segments nach hinten 
allmählich in Braun über. Die Beine können auch in diesem Stadium 
noch lehmgelb sein, sind aber häufig ebenfalls mit einer dunkleren 
Pigmentschicht überzogen. 

Der Vorderrandausschnitt des Cephalothorax ist meist 
verhältnißmäßig seicht und geschweift. Die Fläche selbst ist entweder 
glatt und glänzend und läßt nur an den Seiten zerstreute Körnchen 
erkennen (Weibchen), oder sie zeigt wulstig höckerige Stirnloben und 
ist fast über und über mit ungemein feinen Körnchen besetzt (Männchen). 
Die Augen stehen auf einem sehr flachen, zuweilen aber mehr empor- 
steigenden Augenhügel und liegen in der Regel etwas vor der Mitte 
des Cephalothorax (vom Hinterrande bis zum Grunde des vorderen 
Randausschnittes gemessen). Die Größe und Entfernung der Mittel- 
augen von einander ist sehr verschieden, wie weiter unten des Näheren 
auszuführen. Eine mittlere Thoracalfurche durchzieht den Augenhügel 
und erweitert sich am Hinterrande zu einer _L förmigen Depression. 

Das Abdomen ist oberseits entweder ebenfalls glänzend, mit 
mehr oder weniger entwickelter grober Körnelung, namentlich auf den 


Gatt. Heterometrus. 75 


letzten Segmenten (Weibchen), oder es erscheint glanzlos und von 
zahllosen äußerst feinen Körnchen wie chagrinirt (Männchen). Dieselben 
können auch scheinbar fehlen, ohne daß der Glanz wieder auftritt. 
Die Unterseite des Abdomens ist beim Weibchen glatt und punktirt, 
beim Männchen oft querrunzelig nadelrissig. Das letzte Segment zeigt 
stets 4 deutliche, gekörnte Längskiele, zwischen denen die Fläche 
ebenfalls mehr oder weniger gekörnt ist. 
An der Cauda sind sämmtliche Kiele körnig entwickelt. Die 
4 unteren des I. Segments pflegen nach hinten zu convergiren. Die 
oberen Caudalkiele zeigen am Ende keine vergrößerten Enddornen. 
Obere Nebenkiele im IH. CGaudalsegment kommen niemals deutlich zur 
Entwickelung; die Körnelung der Seitenflächen zeigt sehr verschiedene 
Grade der Ausbildung. Auf die merkwürdige Aufbiegung der unteren 
Seitenkiele im V. Segment (Fig. 14, 15) ist schon in der Bestimmungs- 
tabelle hingewiesen. Die oberen Caudalflächen sind entweder sämmtlich 
körnig (vornehmlich Männchen), oder doch in den ersten Segmenten. Die 
Blase ist meist so breit, wie das Endsegment und unterseits reihenkörnig. 
Am Oberkiefer ist der obere Endzinken des beweglichen 
Fingers zahnartig kurz und läßt den unteren Endzinken völlig unbedeckt. 
Der Oberarm ist auf der oberen Fläche mehr oder weniger 
dicht grobkörnig, unterseits glatt und hier ohne abgrenzende hintere 
Randeriste. Die Vorderseite des Oberarms erscheint nicht als eine 
ebene, von scharf ausgeprägten Kielen begrenzte Fläche, sondern mehr 
als eine abgerundete, stumpfe, aber mit groben, dormigen Höckern 
und kleineren Körnchen dicht besetzte Kante, in der obere und 
untere Fläche des Oberarms ohne scharfe Grenze in einander über- 
gehen. — Der Unterarm ist oberseits feinkörnig, unterseits glatt 
und gewölbt, mit wenig ausgeprägtem, höchstens am Grunde etwas kielig 
geschärftem Hinterrande, der einzelne zerstreute Haargrübchen trägt. 
Die Hand ist im Verhältniß sehr breit, mit kurzen Fingern 
und wohl entwickeltem Ballen. Die Oberhand kann auf ihrer ganzen 
Oberfläche völlig isolirte, rundliche Buckeln tragen, die nur in zwei 
Längslinien zu mehr oder minder deutlichen, aus dem unbeweglichen 
Finger zum Grunde ziehenden Nebenkielen verschmelzen. In anderen 
Fällen sind die Buckeln niedriger, fließen mehr netzig m einander und 
können schließlich auf dem Ballen fast ganz verschwinden. Der 
bewegliche Finger ist etwas länger, als der unbewegliche. Namentlich 
tritt dies beim Männchen hervor, dessen unbeweglicher Finger vielfach 
nur als ein kurzer dreieckiger Zapfen erscheint, der wenig über halb 
so lang ist, als der bewegliche Finger, während er beim Weibchen 
etwa °/s von dessen Länge zu erreichen pflegt. Das Verhältniß des 


76 Scorpionidae: Scorpionini. 


beweglichen Fingers zur Hinterhand schwankt nach meinen Messungen 
zwischen 1: 0,65 und 1:60,93, wobei die dem Verhältniß 1:1 sich 
nähernden Zahlen wieder mehr für die Männchen gelten. Das Längen- 
verhältniß der Hinterhand zur Breite der Hand schwankt zwischen 
1: 1,2 (juv.) bis 1: 1,5. Als größte absolute Maaße für beweglichen 
Finger, Hinterhand und Handbreite gebe ich die Zahlen 10,2, 7,2 und 9,5. 

Die Zahl der Dornen am Endtarsus des IV. Beinpaares 
beträgt meist 8 an der Außenseite, 7 an der Innenseite, wovon im der 
Regel außen 5 oder 4, innen 4 oder 3 auf die Endloben bis zu ihrer 
Vereinigung an der Unterseite entfallen (Fig. 12, 13). 

Die Zahl der Kammzähne schwankte bei 46 Exemplaren 
zwischen 7 und 13, und zwar wurden einmal 7, sechsmal 8, achtund- 
zwanzigmal 9, fünfunddreissigmal 10, neunmal 11, zweimal 12 und 
einmal 13 Kammzähne beobachtet. Das Normale sind also 9 oder 
10 Kammzähne, wobei die niedrigere Zahl mehr auf die Weibchen, 
die höhere mehr auf die Männchen zu entfallen pflegt. Die Mittel- 
platte, an welcher die beiden Kämme befestigt sind, stellt sich in der 
Regel bei Männchen und Weibchen als ein aufrecht gestellter, schmaler, 
in der Mediane abwärts ausgebogener Wulst dar; in andern Fällen 
hingegen hatte sie das Aussehen einer normalen, nicht allzubreiten 
Platte. Ich bin außer Stande, den Grund dieser merkwürdigen Ver- 
schiedenheit anzugeben. 

Die Gesammtlänge des Thieres beträgt bei Erwachsenen in 
der Regel zwischen 60 und 80 mm. Truncus und Cauda sind beim 
Weibchen in der Regel von gleicher Länge oder die Cauda ist kürzer, 
während beim Männchen die Cauda den Truncus an Länge zu über- 
ragen pflegt. 

Von der typischen Form des Heterometrus palmatus hat Simon 
einen H. propinquus als Art abgegrenzt, der sich durch den Besitz 
von 14, 14 Kammzähnen, größere, mehr genäherte Augen und mehr 
gerundete Blase unterscheiden soll. Die Zahl der Kammzähne geht 
nach dem oben Gesagten nur um einen über die bei mir gefundene 
Maximalzahl von 13 Kammzähnen hinaus und darf daher als unter- 
scheidendes Merkmal nicht eben hoch angeschlagen werden. In Bezug 
auf die Variation der Augengröße und ihre Entfernung von einander 
habe ich ziemlich umfangreiche Studien gemacht, indem ich die Augen 
mittelst der Camera lucida in vergrößertem Maaßstabe auf Papier 
zeichnete. Es ergab sich bei ziemlich gleich großen Individuen von 
H. palmatus ein Schwanken in der Größe der Augen von 17 bis 30 
Maaßeinheiten, d. h. nahezu von 1 bis 1,8, während andererseits der 
Zwischenraum zwischen den beiden Mittelaugen von 15,5 Maaßein- 


Gatt. Opisthophthalmus. ar 


heiten bis auf 30 anstieg, sich also nahezu verdoppeln konnte. Unter 
diesen Umständen glaube ich auch dem zweiten Merkmal Simons für 
seinen H. propinguus ein entscheidendes Gewicht nicht beilegen zu 
sollen, zumal auch in der Höhe des Augenhügels und der dadurch 
bedingten verschiedenen Neigung der Augen gegen die Horizontalebene 
nicht unerhebliche Schwankungen zu bemerken waren. Was endlich 
die Form und den Umfang der Blase anlangt, so variirte bei den von 
mir untersuchten palmatus-Exemplaren das Verhältniß ihrer Breite 
zu der des letzten Segments allerdings nur von 1:0,95 bis 1: 1,1; 
immerhin aber wird man bei der Variabilität gerade dieses Organs 
eine etwas abweichende Form desselben nicht als maaßgebend für die 
Aufstellung einer neuen Art betrachten können. Ich glaube daher 
bis auf Weiteres den H. propinquus Sim. der Hauptform zureihen zu 
sollen, ohne indeß ein abschließendes Urtheil über diesen Scorpion 
fällen zu können. 

Die Heimath des Sc. palmatus ist die ganze Süd- und Ost- 
küste des Mittelmeeres. Von Marocco im Westen geht er 
durch Algier, Tunis nach Aegypten und von hier über die Sinai- 
halbinsel nach Palaestina (Jerusalem, Todtes Meer) und Syrien. 


3. Gattung Opisthophthalmus C. L. Koch. 


Scorpioninen mit 5 oder 4 Dornen an jedem der 
beiden Endlappen des Tarsenendgliedes (Fig. 34—36). 
Blase meist ungekörnt. Medianer Ausschnitt am Vorder- 
rande des Cephalothorax fehlend oder kaum merklich. 
Medianfurche oft nach vorn gabelspaltig, ein Stirndreieck 
einschließend (Fig. 33). Augen stets hinter der Mitte des 
Cephalothorax, oft erst im letzten Drittel. Hand stets 
mit deutlichem, in den unbeweglichen Finger verlaufendem 
„Fingerkiel“. Vorderfläche des OÖberarmes deutlich 
entwickelt. Untere Seitencristen des V. Caudalsegments 
nicht schlittenkufenartig nach oben gebogen. Tarsen- 
endglieder, abgesehen von den Endloben, nur innenseits 
mit 4, außenseits höchstens mit 2 Dornen besetzt. 

Wie früher hervorgehoben, umfaßt die im Öbigen charakterisirte 
Gattung auch die drei neuerdings aufgestellten Gattungen Petrooicus, 
Miaephonus und Mossamedes, für welche irgend welche stich- 
haltige generische Merkmale nicht aufzufinden sind. Mit diesen 
zusammen beträgt die Zahl der bisher unterschiedenen Arten über zwei 
Dutzend, von denen wir die beiden Arten O. tenuis und O. nanus 
de Haan als schwer identificirbare Jugendformen zunächst ausscheiden. 


8 Scorpionidae: Scorpionini. 


Der Rest der Arten war bisher so gut wie unangefochten, doch ist 
es mir gelungen, durch Vergleichung der Originalexemplare jene 
bedeutende Zahl erheblich zu reduciren. Bei anderen Arten läßt sich 
wenigstens die Vermuthung aussprechen, daß sie als Synonyme zu 
betrachten sind. Es verbleiben indessen mit Hinzurechnung zweier 
neuer Species noch immer nicht weniger als 15 Arten, deren unter- 
scheidende Charaktere ich in folgender Bestimmungstabelle zusammen- 
gestellt habe. 

A. Blase deutlich reihenkörnig. Augen fast im der Mitte des 
Cephalothorax (Entfernung vom Vorderrande nur 's bis " größer, 
als vom Hinterrande). Stirndreieck !) fehlend oder äußerst winzig. 

I. Endtarsen des III. und IV. Beinpaares an der äußeren Unter- 
kante mit je 2 Dornen (außer den 4—5 Dornen der Endloben). 
Vorletztes Tarsenglied der drei vorderen Beinpaare außenseits 
mit je 2 Dornen. Ein winziges Stirndreieck. 

1. ©. opinatus (Sim.), p. 81. 

II. Endtarsen des III. und IV. Beinpaares an der äußeren Unter- 
kante ohne Dornen, höchstens im III. Beinpaar zuweilen mit 
einem Dorn. Vorletztes Tarsenglied der drei vorderen Bein- 
paare außenseits mit langen Borsten, aber ohne Dornen. 
Kein Stirmdreieek.r 42.2. 2. O0. Wahlbergi Thor., p. 83. 

B. Blase glatt, selten am Grunde einzelne wenige Körnchen. Augen 
meist (aber nicht immer!) beträchtlich hinter der Mitte des 
Cephalothorax. Stirndreieck fehlend oder vorhanden. 

I. Letztes Bauchsegment glatt oder nur an den Seiten feinkörnig 
und die Mittelfläche etwas grubig oder runzelig. 

a. Mit mehr oder weniger deutlichem Stirndreieck. Spiegel 
glatt, fein nadelstichig punktirt, meist scharf von den grob- 
körnigen Seiten abgesetzt. Handoberfläche ohne Nebenkiele. 

«. Erstes Caudalsegment unterseits völlig glatt, ohne deutliche 
Median- und Lateralkiele. Obere Caudalkiele im IL.—IV. 
Segment mit stärkerem Enddorn. Augen wenig hinter der 
Mitte des Cephalothorax. Stirnrand fein crenelirt. 

3. O. carinatus (Pet.), p. 83. 

ß. Erstes Caudalsegment unterseits mit scharf hervortretenden 
Median- und Lateralkielen. Obere Caudalkiele mit oder 
ohne stärkeren Enddorn. Augen weit hinter der Mitte 
des Cephalothorax. Stirnrand glatt. 


) Stirndreieck nenne ich eim dreieckiges Feld in der Mitte des Stirnrandes, 
welches von der nach vorn zu sich gabelig verzweigenden Mittelfurche des 
Cephalothorax gebildet wird (Fig. 33). 


Gatt. Opisthophthalmus, 79 


l. Letztes Bauchsegment völlig glatt und glänzend, ungekörnt 
und ungekielt. Untere Kiele des I. Caudalsegments 
glatt, nicht gekörnt. Obere Caudalkiele des II.—IV. 
Segments mit stärkerem Enddorn. Stirndreieck deutlich, 
grobkörnig. Kammzähne 20 —27. 
4. O. pallidipes Thor., p. 87. 
2. Letztes Bauchsegment an den Seiten körnig, zweikielig. 
Untere Kiele des I. Caudalsegments crenelirt. Obere 
Caudalkiele ohne stärkeren Enddorn.  Stirndreieck 
ziemlich undeutlich, fast glatt. Kammzähne 14—17. 
5. O..intermedius n. sp., p. 39. 
b. Ohne Andeutung eines Stirndreiecks. Spiegel des Cephalothorax 
körnig oder glatt, dann aber allmählich in die feinkörnigen 
Seitentheile übergehend. Hand oberseits außer dem „Finger- 
kiel“ meist mit deutlichen Nebenkielen. 
a. Spiegel glatt, feinnadelstichig punktirt, höchstens etwas grubig. 
1. Kammzähne (beim Weibchen) 10—12. Obere Caudal- 
kiele des II.-—-IV. Segmentes ohne stärkeren Enddorn. 
Hände breit. Truncus dunkel pechbraun. 
««. Hand nur mit Fingerkiel, ohne deutliche Nebenkiele. 
Spiegel des Cephalothorax völlig glatt. 
6-0 atım amusıc. E2Koch, p. 91. 
£ß. Hand außer dem Fingerkiel mit deutlichen Nebenkielen 
auf der Handoberfläche. Spiegel etwas grubig runzelig. 
DV cause Koch, p:'93. 
2. Kammzähne 14—23. Obere Caudalkiele des IL.—IV. 
Segmentes mit stärkerem, spitzem Enddorn. Hände 
ziemlich schmal, kaum herzförmig am Grunde. Truncus 
scherbengelb bisrothbraun. 8. O. austerus Karsch, p. 94. 
ß. Spiegel auf der ganzen Fläche dicht körnig. Obere 
Caudalkiele meist mit etwas größerem Enddorn im 
11. —IV. Segment. Kammzähne 14—16. Hände mäßig 
breit, mit schwarzen Nebenkielen. Truncus scherbenfarbig 
bis’ zothhraung 2 2.....9. Öl’macer Ther., p. 9. 
II. Letztes Bauchsegment (oft auch die vorhergehenden) gleichmäßig 
dicht mit rundlichen Körnchen besetzt !), auch auf der Mittelfläche. 
a. Mittelfurche des Cephalothorax nach vorn gabelig, ein 
deutliches Stirndreieck bildend )). 


I) Bei ganz jungen Individuen scheint weder die Körnelung des letzten 
Bauchsegments noch auch die Ausbildung des Stirndreiecks klar hervor- 
zutreten; ich halte sie zur Zeit für unbestimmbar. 


80 Scorpionidae: Scorpionini. 


«. Spiegel meist deutlich gekörnt. Oberfläche des Oberarmes 
grob buckelig - körnig. Endtarsus des Ill. Beinpaares 
außenseits mit einem Dorn (außer den Dornen der 
Endloben; Fig. 34). Dorsaler Krallenlappen deutlich 
länger als die Seitenloben. Bauch nicht schwarz gefleckt. 
Handoberfläche nicht schwarz reticulirt. 

l. Nur das letzte Bauchsegment grobkörnig, vorletztes nur 
wenig körnig. Finger, Hände und Blase schwach behaart. 

10. OÖ. capensis (Herbst) ad part., p. 97. 

2. Alle Bauchsegmente grobkörnig, mit Ausnahme des 
ersten. Finger, Hände und Blase fast zottig. 

11. O0: pilosus C.. E. Koch, p 100: 

ß. Spiegel des Cephalothorax glatt, selten etwas höckerig, 
fein nadelstichig punktirt. Oberfläche des Oberarmes 
zerstreut feinkörnig. Endtarsus des III. Beinpaares 
außenseits ohne Dorn (Fig. 35). Dorsaler Krallenlappen 
kürzer als die Seitenloben. Bauch in allen Segmenten 
grobkörnig, schwarz gefleckt. Hände schwarz reticulirt. 

12. O0. pictus n. sp, pol02 
b. Mittelfurche des Cephalothorax nach vorn ungetheilt: Kein 
Stirndreieck. 

a. Cauda mäßig dick, kürzer als der Truneus. Kammzähne 
10—12. Rückenkiel als glatter Längswulst entwickelt. 
Bauchsegmente fast glatt, wenig grubig. 

1. Seiten der ersten Rückensegmente glatt. Oberarm mit 
scharf ausgeprägter oberer Vorderkante. Buckel der 
Hand mehr körnig, kaum zusammenfließend. Außen- 
dornen des Tarsenendgliedes 0—1. 

13. 0: glabrıtrons.Pet. 2, 9208 

2. Seiten der ersten Rückensegmente deutlich gekörnt. 
Oberarm ohne scharf ausgeprägte obere Vorderkante. 
Buckel der Hand mehr oder weniger netzig zusammen- 
fließend. Außendornen des Tarsenendgliedes 1—2 
(Biesab tem... 14. OÖ. pugnax Thor. 9, p. 105: 

£. Cauda robust, länger als der Truneus. Kammzähne 14—19. 
Rückenkiel nur ein kleiner Tuberkel. Vorletztes Bauch- 
segment meist quergrubig-nadelrissig. 

1. Spiegel des Cephalothorax durchaus glatt, glänzend, 
fein nadelstichig punktirt. Kammzähne 18—19. Neben- 
kiele der inneren Fläche der Oberhand fast fehlend. 

13.0. glabrifrons Pel. So pr 202 


Gatt. Opisthophthalmus. sı 


2. Spiegel des Cephalotorax gekömt. Kammzähne 14—15. 
Nebenkiele der inneren Fläche der Oberhand stärker 
entwickelt. 

««. Hand oberseits mit flachen, groben, netzig zusammen- 
fließenden Körnchen besetzt, mit 4 deutlichen Längs- 
kielen, gedrungen. Tarsenendglied des II. und 
IV. Beinpaares außenseits mit je zwei Dornen am 
Unterrande...... .. 14. OÖ. pugnax Thor. ', p. 105. 

68. Hand oberseits isolirt feinkörnig, mit undeutlichen 
Längskielen, schlanker. Tarsenendglied des III. und 
IV. Beinpaares außenseits mit je einem Dorn am 
Unterrande. ..:..... 15. O..praedo Theor., p. 107. 


1. Opisthophthalmus opinatus (Sim.). 
? 1879 Pandinus meidensis Ksch. (Münch. entom. Mittheil. 1879, p. 127). 
1887 Mossamedes opinatus Sim. (Soc. ent. de France [6] VII, p. 382). 

Da ich das Originalexemplar von Pandinus meidensis Karsch 
nur flüchtig gesehen, so wage ich nicht, diesen Artnamen voranzu- 
stellen. Andererseits stimmen die mir auf Wunsch von Herrn Dr. 
Stadelmann, dem Verwalter der Scorpione im Berliner Museum, 
gemachten Angaben so gut zu dieser Form, daß die Wahrscheinlichkeit 
der Identität immerhin eine große ist. 

Die Färbung der Oberseite und des Schwanzes ist mehr oder 
weniger dunkel rothbraun. Aehnlich gefärbt sind die Arme, deren 
Hände indeß auf der Oberfläche ein reineres Roth zeigen, während die 
Finger schwärzlich erscheinen. Blase und Beine sind lehmgelb. 

Der Cephalothorax ist auffallend flach, am Vorderrande wie 
abgestutzt, aber in der Mitte mit kleinem, halbkreisförmigem Einschnitt- 
In der Mittellinie eine tiefe, vor dem Augenhügel von gekörnten oder 
eingezackten Rändern flankirte Furche, welche hinter dem Augen- 
hügel verschwindet, um am Hinterrande als _L förmige Depression 
wieder aufzutreten. Der gerade Vorderrand der Stirnloben ist grob- 
körnig eingeschnitten. Ueber den Seitenaugen je ein grobkörniger 
Wulst, ebenso die Seitenflächen bis zu den hinteren Schrägrinnen grob- 
körnig. Der ,Spiegel“, d. i. die Fläche beiderseits vor den Mittel- 
augen, glatt, glänzend und eingestochen punktirt; um den Augenhügel 
feinere Körnelung, die Gegend um die hintere _Lförmige Depression 
wieder glatt. Entfernung der Augen vom Hinterrande wenig kleiner 
als vom Vorderrande (Verhältniß etwa 7,5 :10 oder 6:7,5 mm). 
Mittelfurche nach vorn am Stirnrande ein äußerst winziges, oft kaum 
entwickeltes Stirndreieck umgreifend, 


82 Scorpionidae: Scorpionini. 


Abdomen oben glatt, glänzend, äußerst fein nadelstichig; am 
Hinterrande der Segmente beulig-grubig; letztes Segment an den 
Seiten grobkörnig. Unterseite glatt und glänzend in allen Segmenten, 
äußerst fein eingestochen punktirt. 

Cauda oberseits mit breiter, flacher Rinne, die zerstreut ge- 
körnt ist. Ränder cristenartig, gekörnt, mit kaum vergrößertem 
Enddorn. Obere Seitencristen ebenfalls körnig. Unterseits Kiele im 
I. Segment fast fehlend, im U. und III. als glatte Kanten sichtbar ; 
diese im IV. gekörnt und im V. fast dornig. V. Segment auch zwischen 
den Kielen grob reihenkörnig, Blase unten und an den Seiten 
gekörnt, steif borstig. 

Oberarm oberseits mit einzelnen rundlichen Buckeln zerstreut 
besetzt, unterseits fast glatt, mit sehr grobkörnigen Randkanten, deren 
hintere vor dem Ende verschwindet. Unterarm mit schwachem Grund- 
höcker an der Vorderseite, oben mit grobkörnigem Kiel, an den sich 
unmittelbar die grobgekörnte, halbmondförmig gekrümmte Hinterfläche 
anschließt. Unterseite eben, glatt, fein eingestochen punktirt, mit 
wulstigem Hinterrande, der vor dem Ende verschwindet. Längs des 
Hinterrandes wenige zerstreute Haargrübchen. 

Hand sehr breit, mit herzförmigem, gerundetem und flach 
gewölbtem Lobus. Oberhand durch einen „Fingerkiel“ deutlich in Innen- 
und Außenfläche geschieden. Erstere flach, wulstig, etwas netzig, mit 
schwacher Andeutung eines Nebenkiels, fein nadelstichig; letztere rundlich 
körnig, meist mit einer Mittelreihe größerer Körnchen. Unterseite der 
Hand zerstreut körnig. Beweglicher Finger mit 3 stärkeren Zacken 
auf der Schneide, denen ebenso viele Einbuchtungen der Gegenseite 
entsprechen. Das Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand 
schwankt zwischen 1:0,72 und 1:0,75, das der Hinterhand zur Hand- 
breite zwischen 1:1,02 und 1:1,28; die Hand ist also stets breiter 
als die Hinterhand lang. Größte absolute Maaße für Finger, Hinter- 
hand und Handbreite: 17, 12,5 und 15,8 mm. 

Die Oberschenkel sind meist feinkörnig, die Schienbeine 
glatt. Endtarsen unterseits an den Loben außenseits mit 4 (oder 5), 
innenseits mit 5 (oder 6) Dornen; außerdem längs dieses Tarsengliedes 
außen 2, innen 5 Dornen. Der dorsale Endlappen am Grunde der 
Klauen fast so lang, als die Seitenloben. Die vorletzten Tarsenglieder 
der ersten drei Beinpaare an der unteren Außenseite zwischen den 
Borsten je mit 2 starken Dornen besetzt, außer dem Enddorn. 

Die Zahl der Kammzähne schwankt bei 3 mir vorliegenden 
Weibchen zwischen 19 und 21 (19, 19; 20, 20; 20, 21), und beträgt 
beim männlichen Exemplar 26, 27, Der Kammgrund ist beim Weibchen 


Gatt. Opisthophthalmus. 83 


in etwa ein Drittel der Länge des Kammes ohne Zähne (Fig. 31), 
was bekanntlich Simon zur Aufstellung seiner neuen Gattung Mossa- 
medes veranlaßte. Ein ähnliches Verhalten zeigt aber in mehr oder 
weniger entwickeltem Grade die Mehrzahl der anderen Opisthophalmus- 
arten. Beim Männchen ist dieser zahnlose Grundtheil beträchtlich 
reducirt und beträgt höchstens ein Fünftel der Kammlänge (Fig. 32). 


Das Verhältniß des Truncus zur Cauda varürt bei den 
gemessenen Exemplaren zwischen 1:1,02 und 1:1,25; die Cauda 
scheint also in der Regel länger zu sein, als der Truncus. Gesammtlänge 
des größten Exemplares 109 mm (Truncus: Cauda = 53:56 mm). 


Ueber die Verbreitung des O. opinatus geben die vorliegenden 
Daten nur geringen Aufschluß. Simon erhielt sein Exemplar aus dem 
Lande der Mossamedes in Südwestafrika; der Pandinus meidensis 
Karsch stammt aus dem Somalilande. Exemplare des Museums in 
Frankfurt endlich tragen die Etikette „Shanghai“. 


2. Opisthophthalmus Wahlbergi (Thor.) 

1877 Miaephonus Wahlbergi Thor. (Atti Soc. ital. XIX, p. 222). 

Färbung: Ganzes Thier meist einfarbig schön lehmgelb, 
zuweilen die Abdominalringe in’s Grünlich-Scherbenfarbige ziehend, 
mit Ausnahme der gelben Hinterränder. Auch das V. Caudalsegment 
meist etwas dunkler beraucht. 

Cephalothorax und Abdomen beim Weibchen glatt und 
glänzend, ersterer nur an den Seiten etwas feinkörnig; beim Männchen 
Cephalothorax ziemlich grobkörnig und die Abdominalringe matt, 
äußerst feinkörnig chagrinirt. Vorderrand des Cephalothorax in sanftem 
Bogen abgestutzt, scharfrandig, in der Mitte mit winzigem, fast spitzem 
Einschnitt. Mittelfurche nur auf dem Augenhügel und in der __förmigen 
Depression des Hinterrandes deutlich; vor dem Augenhügel ganz seicht 
und thalartig zum Vorderrandeinschnitt verlaufend, ohne Bildung eines 
Stirndreiecks. Augen ziemlich in der Mitte des Cephalothorax, vom 
Hinterrande etwa 6, vom Vorderrande etwa 7 mm entfernt. 

Abdomen unterseits in allen Segmenten glatt und glänzend, 
auch beim Männchen. 

Cauda oberseits mit breiter, glatter Rinnenfurche, mit schwach- 
körnig gekielten Seitenrändern. Kiele am Ende im IH. bis IV. Segment 
mit sehr spitzem, stechendem Enddorn. Kiele unterseits zum mindesten 
im I. und JH. Segmente völlig fehlend, meist auch im III. oder sogar 
im IV. (beim Weibchen). In andern Fällen Kiele im III. Segment 


(Männchen) oder IV. kantig angedeutet, resp. im IV. schon etwas körnig 
6* 


84 Scorpionidae: Scorpionini. 


(Männchen). V. Segment mit deutlichen Stachelkielen und grober 
Körnelung auf den Flächen. Blase unterseits grobkörnig, namentlich 
am Grunde, und steif borstig. 

Oberarm oberseits und unterseits zerstreut körnig, unterseits 
mit schwach entwickeltem, etwa im der Mitte undeutlich werdendem 
Hinterrand. Unterarm mit schwachem Grundhöcker am Vorderrande; 
oben mit schwach körnig-kieligem Rande als Begrenzung der bogig 
aufsteigenden, fast ungekörnten und nur etwas runzeligen Hinterfläche. 
Unterseite glatt, mit schwachem, ungekörntem, vor dem Ende 
verschwindendem Hinterrande. Längs desselben einige zerstreute 
Haargrübchen. 

Hand mäßig breit, beim Weibchen mit mäßiger, beim Männchen 
mit starker Ausbildung eimes Fingerkiels, der die Oberhand in eine 
Außen- und Innenfläche scheidet. Innenfläche der Oberhand beim 
Weibchen gewölbt, völlig glatt und nur unter der Lupe etwas netzig 
runzelig; beim Männchen eben, platt, mit der Außenfläche im scharf- 
randigen „Fingerkiel“ im rechten Winkel zusammen stoßend. Außen- 
fläche bei beiden Geschlechtern etwas höckerig, beim Männchen stärker. 
Schneide des beweglichen Fingers mit 3 stärkeren Zähnen, welche 
beim Männchen fast dornspitzig sind. Verhältniß des beweglichen 
Fingers zur Hinterhand beim Weibchen gleich 1:0,74, (größte absolute 
Maaße = 13,8: 10,5), beim Männchen gleich 1: 0,62 (absolute Maaße 
17:10,5). Verhältniß der Hinterhand zur Handbreite beim Weibchen 
gleich 1:0,96 bis 1:1, beim Männchen gleich 1:0,81. Absolute 
Breite der Hinterhand beim Weibchen: 10 bis 10,2 mm, bei dem 
gemessenen männlichen Exemplar 8,5 mm. 

Die Oberschenkel sind feinkörnig, die Schienbeme glatt. End- 
tarsen unterseits an den Loben außen mit 3 bis 5, innen mit 5 Dornen; 
außerdem längs dieses Tarsengliedes nur noch an der Innenseite 4 
Dornen, während die Außenseite derselben völlig entbehrt (selten ein 
einzelner Dorn). Der dorsale Endlappen am Grunde der Klauen fast 
völlig verkümmert, nur eine kaum sichtbare, eine lange Borste tragende 
Papille.. Die vorletzten Tarsenglieder der drei ersten Beinpaare an 
der untern Außenseite nur mit langen Borsten, nicht aber auch mit 
2 starken Dornen besetzt. 

Die Zahl der Kammzähne schwankt beim Weibchen zwischen 
17 und 20 (17, 17,17, 17518, 18; 19, 20) und‘ betrug "ber’dem 
männlichen Exemplar 28, 29 Zähne. Der gerundete Kammgrund entbehrt 
beim Weibchen in etwa ein Drittel der Kammlänge des Zahnbesatzes 
(wie die vorige Art), während beim Männchen der fast rechtwinklige 
Kammgrund von Anfang an mit Zähnen besetzt ist. 


Gatt. Opisthophthalmus. 85 


Das Verhältniß des Truncus zur Cauda varirte bei den 
Weibchen zwischen 1: 0,91 und 1:0,93 und ergab beim Männchen 
die Zahlen 1:1,15. Das größte Weibchen hatte eine Gesammtlänge 
von 87 mm (Truncus : Cauda — 45 : 42), das Männchen eine solche 
von 88 mm (Truncus : Cauda — 41:47). 

Die Heimath des ©. Wahlbergi scheint auf das südliche und 
südwestliche Afrika beschränkt zu sein. Thorells Exemplar 
stammt aus dem Kaffernlande; mir selbst liegen weitere Exemplare 
aus dem Damaralande und von Walfischbay vor. 


3. Opisthophthalmus carinatus (Pet.). 
1861 Heterometrus carinatus Pet. (Sitz. Ber. Berl. Akad. 1861, p. 515). 
1877 Opisthophthalmus Anderssoni Thor. (Atti soc. ital. XIX, p. 239) 2. 
? 1877 a; histrio Thor. (ibid., p. 168) Z. 
1879 Petrooicus carinatus Karsch (Münch. entom. Mitt. 1879, p. 109). 
1887 Petrooicus furcatus Sim. (Ann. Soc. ent. France [6] VII., 380). 
1893 Oecopetrus carinatus Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6) XI., p. 307). 

Daß der Opisthophtalmus Anderssonii Thor. in der That mit 
dem Heterometrus carinatus Pet. identisch ist, ließ sich leicht durch 
Vergleichung der Originalexemplare nachweisen. Ingleichen paßt die 
Beschreibung des OÖ. histrio Thor., obgleich es sich um ein ganz 
jugendliches Individium handelt, trotz des noch unausgebildeten Stirn- 
dreiecks, so gut zu dem Männchen unserer Art, daß ich nicht zögere, 
denselben als synonym hieher zu ziehen. Die Diagnose des P. furcatus 
Sim. schildert Punkt für Punkt so getreulich alle Merkmale eines 
P. carinatus, daß mir die Aufstellung dieser Art durch Simon unerfindlich 
ist; auch hat es der Autor unterlassen, auch nur einen Differenzpunkt 
zwischen seiner „neuen Art“ und der bereits beschriebenen anzugeben. 

Die Färbung der Oberseite des Körpers ist gelbroth bis 
braunroth, mit helleren, lehmgelben Hinterrändern der Abdominalringe; 
Cauda mehr lederbraun. Arme ebenso, mit dunkleren Randeristen. 
Hände auf der Fläche gelbroth, Scheeren dunkler, fast schwarz, 
Beine und Unterseite sind lehmgelb bis scherbenfarbig. 

Cephalothorax bei beiden Geschlechtern auf der Mittelfläche 
und den Loben glatt, glänzend, fein eingestochen punktirt, an den 
Seiten bis zu den Hinterecken feinkörnig. Vorderrand etwas gestutzt, 
fein creneliert, in der Mitte mit spitzem Einschnitt, der von einem 
mäßig großen, deutlich ausgeprägten Stirndreieck umschlossen wird. 
Mittelfurche vom ‚Grunde des Stirndreiecks deutlich bis hinter den 
Augenhügel verlaufend, ganzrandig (Gegensatz zu OÖ. opinatus), aber 
vor dem Augenhügel mehr oder weniger zu einer schmal rautenförmigen 
Grube sich erweiternd. Am Hinterrande die gewöhnliche _L förmige 


Ss6 Scorpionidae: Scorpionini. 


Depression. Mittelaugen etwa um die Länge des Stirndreiecks näher 
dem Hinterrande, als dem Vorderrande, also ziemlich genau in der 
Mitte der Entfernung vom Grunde des Stirndreiecks bis zum Hinter- 
rande. Seitenaugen in der Regel fast gleich groß und in gleichen 
Abständen; zuweilen aber das letzte kleiner und in doppeltem Abstande. 
Kein gekörnter Wulst über den Seitenaugen. 

Abdominalringe oberseits beim Weibchen glatt, glänzend 
und fein nadelstichig; nur das letzte Glied feinkörnig. Beim Männchen 
alle Segmente äußerst feinkörnig chagriniert. Unterseite der Bauchringe 
alle glatt und glänzend, nur beim Männchen etwas quer nadelrissig. 

Cauda oberseits mit breiter, flacher, glatter, im V. Segment 
fast fehlender Rinne und deutlich gekörnten, im H.—IV. Segment mit 
etwas größerem Enddorn versehenen Cristen. Obere Seitencristen 
ebenfalls sämmtlich körnig, abgesehen vom V. Segment, bei dem die 
oberen Mittel- und Seitenkiele fast geschwunden sind. Obere Seiten- 
flächen der Cauda feinkörnig. Untere Caudalkiele im I. Segment fast 
völlig fehlend, im II. und III. deutlich, aber glatt, im IV. etwas körnig, 
im V. dornig gesägt. Untere Caudalflächen vom UI. oder IV. Segment 
ab körmnig. Blase gestreckt, durchaus glatt und glänzend. 

Oberarm oberseits mit grobkörnigen, dunklen Randkielen, auf 
der Fläche zerstreut körnig; unterseits etwas muldenförmig, zerstreut 
körnig und mit grobkörnigem, aber im Enddrittel oder -viertel ver- 
schwindendem Hinterrande. 

Unterarm mit mäßigem Grundhöcker an der Vorderseite, 
oben mit wulstiger, nicht gekörnter Kante als Begrenzung der bogig 
aufsteigenden, glänzenden, aber meist mit grob-buckelig körnigem 
Mittelkiel versehenen Hinterfläche. Unterfläche glatt, fast eben, am 
Hinterrande mit glatter, vor dem Ende verschwindender Begrenzungs- 
kante. Längs derselben wenige eingestochene Haargrübchen. 

Hand beim Weibchen breit herzförmig, beim Männchen schmäler. 
Oberhand durch einen scharf ausgeprägten, aber ungekörnten Fingerkiel 
deutlich in eine Innen- und Außenfläche geschieden, welche in stumpfem 
Winkel aneinanderstoßen. Innenfläche der Oberhand etwas gewölbt 
in beiden Geschlechtern, fast völlig glatt, nur unter der Lupe etwas 
buckelig netzig, ohne Nebenkiele.. Außenfläche isolirt körnig, in der 
Mittellinie mit einem Längsstreif gröberer Buckel. Schneide des 
beweglichen: Fingers mit drei größeren Zacken. Das Verhältniß des 
beweglichen Fingers zur Hinterhand ist bei beiden Geschlechtern das 
gleiche und schwankt zwischen 1: 0,7 bis 1: 0,77; dasjenige von Länge 
der Hinterhand zur Handbreite variirt beim Weibchen von 1: 1,07 bis 
1:1,25, beim Männchen von 1:0,9 bis 1: 0,92, so daß also beim 


Gatt. Opisthophthalmus. 87 


Weibchen die Handbreite größer, beim Männchen kleiner ist, als die Länge 
der Hinterhand. Größte absolute Maaße für Finger, Hinterhand und Hand- 
breite beim Weibchen 17, 13, 14,5; beim Männchen 17,5, 12,5, 11,5. 

Die Oberschenkel sind zerstreut feinkörnig, die Unterschenkel 
glatt. Endtarsen unterseits an den Seitenloben außenseits mit 4 
(seltener 5), innenseits mit 5 (seltener mit 4) Dornen. Außerdem 
längs dieses Tarsenendgliedes außenseits meist 2, innenseits 4 Dornen. 
Dorsaler Endlappen am Grunde der Klauenglieder deutlich entwickelt 
und fast so lang, als die Seitenloben. Die vorletzten Tarsenglieder der 
drei Vorderbeinpaare an der unteren Außenseite je mit 2—3 Dornen 
außer den Borsten, abgesehen vom Enddorn. 

Die Zahl der Kammzähne schwankt beim Weibchen zwischen 
13 und 20, und zwar fand ich einmal 13, 15, einmal 14, 14, einmal 
17, 17, zweimal 18, 18, einmal 19, 19 und einmal 19, 20 Zähne. 
Bei drei untersuchten Männchen schwankt die Kammzahl zwischen 
27 und 29 (emmal 27, 29, einmal 28, 28, einmal 29, 29 Kamm- 
zähne). Der 0. histrio Thor. hat 23 Kammzähne. Der bogige 
Kammgrund des Weibchens ermangelt auf etwa "s der Kammlänge 
der Bezahnung, während der rechtwinklige Kammgrund des Männchens 
vom Grunde an mit Zähnen besetzt ist. 

Das Verhältniß des Truncus zur Cauda varürte bei den 
gemessenen Weibchen von 1:0,8 bis 1:1,04, beim Männchen von 
1 :1,04 bis 1:1,2. Größte absolute Länge des Körpers beim Weibchen 
107 mm (Truncus : Cauda —= 58 : 49), beim Männchen 92 mm 
(Truncus : Cauda —= 42:50). 

Am meisten Aehnlichkeit hat der O. carinatus in Färbung, 
Gestalt und Habitus mit dem O. Wahlbergi. Er ist von ihm leicht zu 
unterscheiden durch die ungekörnte Blase, das deutliche Stirndreieck 
und die bis hinter den Augenhügel durchgehende Mittelfurche, den 
wohlentwickelten Endlappen der Klauenglieder, die 2 Dornen an der 
Außenseite des Endtarsus und die 2—3 Seitendornen an den vorletzten 
Tarsen der drei Vorderbeinpaare. 

Die Heimath des O. carinatus scheint ganz Südafrika zu 
sein. Im Osten kennen wir Tette (Mozambique), im Westen die 
Walfischbay als seine nördlichsten Fundpunkte. Im Süden geht er 
bis zum Caplande. 


4. Opisthophthalmus pallidipes Thor. 
? 1843 Opisthophthalmus pallipes €. L. Koch (Arachn. X, p. 3, fig. 757) J. 
1877. Opisthophthalmus pallidipes Thor. (Atti. Soc. ital. XIX, p. 227). 
Ob der OÖ. pallipes C. L. Koch in der That mit der von 
Thorell beschriebenen Form identisch ist, scheint mir aus dem Grunde 


Rn 


s8 Scorpionidae: Scorpionini. 

nicht ganz sicher, als das Koch’sche Exemplar „ungekörnte“ dorsale 
Abdominalsegmente besitzen soll, während sie bei der Thorell’schen 
Art an den Seiten deutlich feinkörnig sind. Uebrigens war das 
Koch’sche Exemplar sicher ein Männchen, während Thorell ein 
Weibchen vor sich hatte, so daß die aufgeführte Verschiedenheit viel- 
leicht als Geschlechtsunterschied zu betrachten ist, falls nicht Koch 
die feine Körnelung einfach übersehen hat. In allen übrigen Charakter- 
merkmalen stimmen beide Beschreibungen sehr gut überem. 

Die Färbung der Oberseite des Körpers ist dunkel pechbraun 
mit scharf abgesetztem, hellerem, gelbrothem Spiegel. Blase ebenfalls 
nebst den Beinen ledergelb. Oberfläche der Hand gelbroth mit 
schwarzem Fingerkiel. Unterseite schmutzig lederbraun. 

Cephalothorax mit glattem, eingestochen punktirtem Spiegel, 
der sich äußerst scharf von den grob buckelig körnigen Seitentheilen 
abhebt. Vorderrand etwas gestutzt, kaum crenelirt, in der Mitte kaum 
eingeschnitten. Mittelfurche durchgehend, nach vorn ein langes, grob- 
körniges Stirndreieck bildend, nach hinten vor dem weit zurück- 
liegenden Augenhügel eine ovale, körnchenbesetzte Längsgrube bildend, 
dann den Augenhügel tief durchschneidend und am Hinterrande in 
einer _L förmigen, gekörnten Grube endigend. Mittelaugen mehr als 
doppelt so weit vom Vorderrande, als vom Hinterrande entfernt 
(gemessen 13 mm : 5,5 mm), und weit hinter der Mitte der Entfernung 
von der Spitze des Stirndreiecks bis zum Hinterrande (S mm : 5,5 mm). 
Seitenaugen von buckelkörnigem Wulst überdeckt. 

Abdominalringe beim Weibchen namentlich an den Seiten 
zerstreut feinkörnig, letztes Glied grobkörnig. Unterseite der Bauch- 
ringe sämmtlich durchaus glatt und glänzend, äußerst fein nadelstichig; 
letztes ohne Andeutung von Kielen. 

Cauda oberseits mit breiter, im I. und II. Segment gekörnter, 
sonst glatter Rinnenfurche. Ihre begrenzenden Cristen sämmtlich 
körnige, im I1.—IV. mit deutlich größerem Endzahn. Obere Seiten- 
eristen im I. Segment glatt, im Il.—IV. deutlich grobkörnig, im V. 
schwach durch einzelne Körnchen angedeutet, nach dem Ende zu 
verschwindend. Untere Mediankiele im I.—III. Segment völlig glatt und 
ungekörnt; ebenso im I. und Il. die unteren Lateralkiele. Im IV. Segment 
alle unteren Kiele deutlich und grob gekörmt, im V. fast dornig. 
Untere Caudaltlächen fast glatt und ungekörnt in den vorderen Segmenten, 
feinkörnig in den hinteren. Ebenso die oberen Seitenflächen. Blase 
glatt und glänzend. . 

Oberarm auf der oberen, wie auf der unteren Fläche grob 
buckelig körnig, mit scharf ausgeprägten, bucklig körnigen Randkielen. 


Gatt. Opisthophthalmus. 89 


Hinterrandkiel fast bis ans Ende reichend. Unterarm mit mäßigem 
Grundhöcker der Vorderseite, Oberkante nach dem Grunde zu etwas 
körnig. Mittelkiel der Hinterfläche ebenfalls etwas körnig. Unter- 
seite flach, glatt, ihr glatter Hinterrand in der Mitte verschwindend. 
Längs desselben emige Haargrübchen. 

Hand (beim Weibchen) breit, mit halbherzförmigem Grunde. 
Oberhand mit glattem, schwarz gefärbtem Fingerkiel. Innenfläche der 
Oberhand schwach gewölbt, sehr schwach netzig buckelig, fast glatt, 
nadelstichig punktirt, ohne entwickelte Nebenkiele.e Außenfläche mit 
getrennten, rundlichen Buckelkörnern besetzt, ohne durchgehenden 
Längskiel. Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand bei 
2 gemessenen Weibchen = 1:0,5 bis 1:0,62. Länge der Hinterhand 
zur Handbreite = 1:1,27 bis 1:1,33. Größte absolute Maaße für 
Finger, Hinterhand und Handbreite beim Weibchen 18, 11,5 und 
14,5 mm. 

Die Oberschenkel sind zerstreut feinkörnig, die Unter- 
schenkel glatt. Endtarsen an den Seitenloben außenseits meist mit 4, 
innenseits mit 5 Dornen. Außerdem längs dieses Tarsengliedes 
außenseits 2—3, innenseits 4—5 Dornen. Dorsaler Krallenlappen 
ziemlich kurz, kaum so lang als die Seitenloben. 

Die Zahl der Kammzähne schwankt beim Weibchen um 20 
herum, dürfte aber beim Männchen (nach Koch) bis 27 betragen. 
Der ftlachbogige Kammgrund des Weibchens ermangelt auf etwa Y 
der Kammlänge der Bezahnung. 

Das Verhältniß des Trunceus zur Cauda war bei dem einzigen 
mir zu Gebote stehenden vollständigen Exemplar — dem Thorell’schen 
Örigmalexemplar fehlen die letzten Caudalglieder — gleich 56 : 60 mm. 

In Färbung und Habitus hat unsere Art einige Aehnlichkeit 
mit dem OÖ. latimanus Koch, ist aber von Letzterem leicht durch den 
Besitz des Stirndreiecks und die grobe Körnelung der Seiten des 
Cephalothorax zu unterscheiden. 

Die Heimath des ©. pallidipes ist augenscheinlich Südafrika. 
Das Lübecker Museum besitzt ein sehr schön erhaltenes trockenes 
Exemplar aus dem Namaqualande. 


5. Opisthophthalmas intermedius n. sp. 


Von dieser Art liegen mir, außer einem Weibchen aus dem 
Kopenhager Museum, nur zwei Exemplare aus dem Stuttgarter Museum 
vor, die ich bei aller Verschiedenheit doch als Männchen und Weib- 
chen in Anspruch nehmen zu sollen glaube, nicht allein weil sie von 
demselben Sammler an demselben Fundort erbeutet wurden, sondern 


90 Scorpionidae: Scorpionini. 


weil sie thatsächlich nur in allen denjenigen Charaktermerkmalen 
differiren, die wir auch sonst als Geschlechtsunterschiede in dieser 
Gattung kennen lernen. — Den Namen O. intermedius habe ich ge- 
wählt, weil unsere Form nach dem ganzen Habitus und dem wenn 
auch nur schwach ausgeprägten Stirndreieck der capensis- oder 
pilosus-Gruppe angehört, während die mangelnde Körnelung auf der 
Mittelfläche des letzten Bauchsegments den Uebergang zu den Arten 
mit völlig glattem Endsegment vermittelt. 

Färbung: Der Spiegel des Cephalothorax ist hell lehmgelb und 
hierdurch äußerst scharf von den dunkel rothbraunen Seitenflächen 
abgesetzt. Das Abdomen ist oberseits schmutzig braungrau mit 
helleren Hinterrändern der Segmente, die Cauda scherbengelb mit 
röthlichen Cristen, die Blase hellgelb. Beine gelb bis rothgelb. 
Oberarm mit dunkelfarbigen Kanten; Hand gelbroth bis röthlich, mit 
dunklem Fingerkiel und rothbraunen oder dunklen Fingern. 


Spiegel des Cephalothorax fast glatt, höchstens mit einzelnen 
Runzeln, wenig glänzend, sehr scharf von den dicht grobkörnigen 
Seitenflächen abgesetzt. Hinterecken des Cephalothorax wieder fein- 
körniger. Medianfurche durchgehend, nach vorn undeutlich gabelig 
und ein langes schmales Stirndreieck nur schwach (namentlich an 
der proximalen Spitze) hervortreten lassend; gegen den Augenhügel 
jederseits von einer kurzen Körnchenreihe flankirt. 

Abdominaloberseite bei beiden Geschlechtern oberseits 
dicht feinkörnig, im letzten Segment grobkörnig. Mediankiel nur als 
schwacher Höcker hervortretend.. Auf der Unterseite die 4 ersten 
Bauchsegmente völlig glatt, nur fein nadelstichig oder etwas -rissig; letztes 
Segment auf der Mittelfläche ebenfalls glatt oder fast glatt (äußerst winzige 
Körnchen), an den Seiten aber deutlich feinkörnig und jederseits eines 
ziemlich deutlichen Längskiels mit grubenartiger Vertiefung in den Ecken. 

Cauda beim Weibchen schwach, wenig länger als der Truncus, 
beim Männchen robust, viel länger als der Truncus. Längsrinne der 
Oberseite breit, im I. und II., oft auch im III. Segment mit einzelnen 
Körnchen besetzt. Die begrenzenden Kiele in allen Segmenten körnig, 
roth gefärbt, ebenso die oberen Seitenkiele, welche indeß im V. Segment 
nur zur halben Länge des Segments reichen. Untere Caudalkiele 
sämmtlich scharf hervortretend, die der ersten Segmente fast glatt 
und nur in Interwallen etwas crenelirt, die der hinteren Segmente 
deutlicher reihenkörnig. Flächen zwischen den Kielen sämmtlich hohl- 
kehlig vertieft, in den ersten Segmenten glatt oder kaum gekörnt, im 
III. bis V. Segment mit deutlicheren schwachen Körnchenreihen. Seiten- 
flächen der Cauda ebenfalls mäßig kömig. Blase glatt, borstig. 


Gatt. Opisthophthalmus. 9] 


Oberarm auf der oberen Fläche mäßig grobkörnig, beim 
Männchen mit stark, beim Weibchen mit schwach entwickelter Vorder- 
kante. Unterfläche ebenfalls gekörnt; ihr Hinterrand erst kurz vor 
dem Gelenk verschwindend. Unterarm auf der Vorderfläche gekörnt, 
OÖberrandkante etwas crenelirt; Hinterfläche mit mehreren crenelirten 
Längskielen; Unterfläche glatt, gewölbt, mit hinter der Mitte ver- 
schwindender Hinterrandkante. 


Hand mit fast glattem, schwarzem Fingerkiel, beim Weibchen 
gedrungen, ziemlich breit, mit halbherzförmigem Grunde, beim Männchen 
gestreckt, mit langen Fingern. Innere Fläche der Oberhand beim 
Weibchen gewölbt, dicht mit flachen und an einander gedrängten 
Buckeln besetzt, beim Männchen flacher, mit äußerst wenig hervor- 
tretenden flachen Vorwölbungen. Von Nebenkielen nur am Grunde 
des unbeweglichen Fingers eine schwache Andeutung. Aeußere Fläche 
der Oberhand gröber gebuckelt, mit deutlicherem Nebenkiel in der 
Mittellinie. Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand beim 
Weibchen = 1: 0,65. 11:7,% resp. 13,8: 8,8 mm), beim Männ- 


chen = 1:0,47 (= 17:8 mm). Verhältniß der Hinterhandlänge 
zur) breite beim Weibchen; —. 121,2 (= %,2 :.9 resp. 8,8 2 II. mm), 


beim Männchen — 1:1 (= 8:8 mm). 


Oberschenkel schwach feinkörnig, Unterschenkel glatt. End- 
loben des letzten Tarsengliedes der beiden hinteren Beinpaare außen- 
seits mit 4, innenseits mit 5 Dornen. Außerdem längs der Unterseite 
dieser Tarsenglieder innenseits je 2—4, außenseits 2 Dornen. Dorsaler 
Krallenlappen etwa so lang, als die Seitenloben. 


Zahl der Kammzähne beim Weibchen 14—15, beim Männchen 
17, 17. Kammgrund beim Männchen scharf rechtwinklig, beim 
Weibchen etwas stumpfer, mit etwas gebogenem Schenkel, und die 
Kämme erst in einiger Entfernung vom Grunde beginnend. 


Verhältniß des Truncus zur Cauda beim Weibchen = 31 : 37 
resp. 32:44 mm, beim Männchen — 37 : 49 mm. 
Fundort: Das Capland. 


6. Opisthophthalmus latimanus C. L. Koch. 
? 1800 Scorpio capensis 2 Herbst (Naturg. d. Scorp., p. 63, Tfl. V, Fig. 3). 
1841 Opisthophthalmus latimanus €. L. Koch (Arachn. VII, p. 65, Fig. 640). 
Von dieser Art liest mir nur das Koch’sche Originalexemplar 
und ein mit „O minax Thor‘ bezeichnetes Exemplar des Berliner 
Museums vor, doch habe ich mich vergebens in den Thorell’schen 
Schriften nach einem OÖ. minax umgesehen. 


99 Seorpionidae: Scorpionini. 


Die Färbung der Oberseite ist dunkel pechbraun, mit dunkel 
lederbraunem Spiegel. Blase und Beine sind ebenfalls lederbraun, 
Arme und Hände sowie die Bauchringe wieder dunkel, fast schwarz. 
Das trockene Koch’sche Originalexemplar erscheint fast einfarbig 
dunkel pechbraun. 

Der Spiegel des Cephalothorax ist durchaus glatt und glänzend, 
punktirt nadelstichig. Die Seitentheile sind schwach gekörnt, so daß 
der Spiegel ohne scharfe Abgrenzung in dieselben übergeht. Der 
Stirnrand ist vorn flach bogig, in der Mitte kaum eingeschnitten. 
Die Medianfurche nach vorn ohne Stirndreieck, nach hinten bis durch 
den Augenhügel ziehend, mit durchaus glatten Seitenrändern. Hinter- 
randeindruck gekörnt. 

Abdomen oberseits namentlich an den hinteren Seitenwänden 
der Segmente runzelig körnig, auf den Endsegmenten grobkörnig. 
Mediankiel durchgehend, eine ziemlich breite, glatte Längsleiste in 
jedem Segment, von seitlichen Vertiefungen flankirt. Die 4 ersten 
Bauchsegmente völlig glatt und glänzend, nadelstichig; das letzte 
ebenso, aber mit Andeutung von Längskielen und flachen Höckern 
an den Seiten. 

Cauda beim Weibchen etwas kürzer als der Truncus, oberseits 
mit flacher, breiter, im den ersten 2—4 Segmenten ziemlich grob- 
körniger Rinnenfurche. Ihre begrenzenden Cristen sämmtlich körnig 
entwickelt, aber ohne stärker hervortretenden Endzahn. Obere 
Seitenkiele ebenfalls sämmtlich körnig, im V. Segment nur durch eine 
verkürzte Körnchenreihe angedeutet. Untere Median- und Lateral- 
cristen sämmtlich als erhabene Kiele scharf hervortretend, die der 
ersten Segmenten fast glatt und nur etwas crenelirt, die der letzten 
deutlicher reihenkörnig. Flächen zwischen den unteren Caudalkielen 
in den ersten Segmenten fast ungekörnt, nur runzelig, im II. bis 
V. Segment deutlicher körnig. Obere Seitenflächen sämmtlich körnig. 
Blase glatt, borstig. 

Oberarm oberseits dicht grobkörnig, ohne scharfe Vorder- 
kante (Weibchen), unterseits fast nur mit einigen groben Reihen- 
körnchen am Hinterrande. Letzterer in ®3 der Länge des Gliedes 
verschwindend. Unterarm vorderseits etwas körnig, mit kaum 
merklichem Grundhöcker, oberseits mit crenelirter Kante. Hinterfläche 
der Länge nach mit 2—3 Reihenwulsten. Unterseite gewölbt, glatt, 
mit hinter der Mitte verschwindender Hinterrandkante. 

Hand ziemlich breit und gedrungen (Weibchen). Fingerkiel 
aus unterbrochenen Längstwulsten gebildet. Innere Fläche der 
Oberhand mit flachen, gedrängten, zusammenfließenden und nadel- 


Gatt. Opisthophthalmus. 93 


stichig punktirten Buckeln besetzt, welche kaum eine Spur von Neben- 
kielen erkennen lassen. Aeußere Fläche mehr isolirt-buckelig, mit 
Andeutung eines medianen Nebenkiels am distalen Ende. Verhältnit 
des beweglichen Fingers zur Hinterhand = 1:0,53 bis 1:0,64. 
Verhältniß der Hinterhandlänge zur Handbreite = 1: 1,22 bis 1: 1,26. 
Größte absolute Maaße für Finger, Hinterhand und Handbreite 
77,010 und 12,2 mm. 

Oberschenkel schwach feinkörnig, Unterschenkel fast glatt. 
Endloben des letzten Tarsengliedes außenseits mit 4, innen mit 5 Dornen 
besetzt. Außerdem längs der Unterseite dieser Tarsenglieder am 3. 
und 4. Beinpaar innenseits je 4, außenseits 2 Dornen. Dorsaler 
Krallenlappen länger als die Seitenloben. 

Zahl der Kammzähne (beim Weibchen) 13, 13. Kammgrund 
fast rechtwinklig, aber mit etwas bogigen Schenkeln und an der Ecke 
gerundet. 

Verhältniß des Truncus:Cauda = 40:38 und 47:46 
(Koch’sches Exemplar). In seiner dunklen Färbung erinnert der 
O. latimanus in etwas an den O. pallidipes, ist aber von diesem leicht 
durch das fehlende Stirndreieck, die fehlenden Enddornen der Caudal- 
eristen und die schwache Körnelung der Seiten des Cephalothorax zu 
unterscheiden. 

Die Heimath dieses Scorpions ist das Capland. 


7. Opisthophthalmus calvus L. Koch. 
1867 Opisthophthalmus calvus L. Koch (Verh. Zool. bot. Ges. Wien XVI., p. 233). 

Nur mit Widerstreben entschließe ich mich, diese von L. Koch 
nach einem äußerst schlecht erhaltenen Exemplar des Museums Godeffroy 
aufgestellte Art vorläufig anzuerkennen, da sie in fast allen Stücken, 
soweit man urtheilen kann, mit der vorhergehenden Art übereinstimmt. 

Die Färbung des OÖ. calvus ist — wohl eine Folge der 
schlechten Conservirung — einfarbig dunkel. 

Der Spiegel des Cephalothorax ist zwar ebenfalls glänzend 
und nadelstichig, aber er ist nicht so glatt, wie der des O. latimanus, 
sondern etwas grubig-runzelig und gegen den Stirnrand sogar feinkörnig. 
Die Rückensegmente des Abdomens hingegen sind kaum stärker 
gekörnelt, als bei jener Art, wie L. Koch anzunehmen scheimt. Das 
letzte Bauchsegment zeigt die Längskiele etwas deutlicher und ist auch 
auf der Fläche etwas mehr grubig-buckelig. 

Der einzig in die Augen springende Unterschied indessen liegt 
in der Hand, welche im Gegensatze zu O. latimanus auf seiner inneren 
Oberhandfläche zwei wohl ausgebildete, aus zusammenfließenden Buckeln 


94 : Seorpionidae: Scorpionini. 


hervorgegangene Nebenkiele zeigt. So lange daher nicht nachgewiesen, 
daß bei einer und derselben Art die Nebenkiele der Oberhand bald 
ganz verschwinden, bald typisch entwickelt sein können, wird man die 
Berechtigung der vorstehenden Art anerkennen müssen, so sehr sie in allen 
übrigen Merkmalen als das getreue Nachbild des O.latimanus sich darstellt. 

Die Zahl der Kammzähne beträgt 12, 12. Als orientirende 
Maaße seien noch angegeben: Verhältniß des beweglichen Fingers zur 
Hinterhand = 1: 0,61 (11,5:7 mm), der Hinterhandlänge zur Hand- 
breite = 1:1,35 (11,5 :9,5 mm). Verhältniß des Truncus zur 
Cauda, = 45357: 

Als Fundort ist angegeben: Südafrika. 


8. Opisthophthalmus austerus Karsch. 
1879. Opisthophthalmus austerus Karsch (Münch. Ent. Mittheil. 1879, p. 128). 
? 1880. Opisthophthalmus colesbergensis Sim. (Soc. ent. France [5] X., p. 588) 

Da ich die Originalexemplare beider Autoren nicht gesehen 
habe, so kann ich die Synonymie der vorstehend aufgeführten Arten 
nur aus den Diagnosen vermuthen. Diese stimmen allerdings sehr gut 
zu einander, zumal mir Herr Dr. Stadelmann als Ergänzung der 
Karsch’schen Diagnose noch ausdrücklich mittheilt, daß das letzte 
Bauchsegment bei O. austerus durchaus glatt und ungekörnt ist. 

Färbung der Oberfläche des Körpers scherbengelb bis 
rothbraun, mit etwas hellerem Spiegel des Cephalothorax. Beine 
lehm- bis ledergelb. Arme dunkel rothbraun, Hände einfarbig rothbraun 
mit wenig dunklerem Kielstreifen, aber dunkleren Fingern. 

Spiegel des Gephalothorax durchaus glatt und glänzend, 
fein eingestochen punktirt, ganz allmählich in die ziemlich feinkörnigen 
Seiten übergehend. 

Abdomen oberseits nur fein rauh, mit Ausnahme des letzten 
Segments nicht deutlich körnig. Mittelkiel ein schwacher, aber 
deutlicher, glatter Längswulst. Die Segmente der Bauchseite — auch 
das letzte — völlig glatt und ungekörnt. 

Cauda oberseits mit breiter, flacher, in den ersten 4 Segmenten 
gekörnter Rinnenfurche. Ihre begrenzenden Kiele sämmtlich körnig, 
im IIL.—IV. Segment mit großem, spitzem Enddorn. Obere Seitenkiele 
_ ebenfalls sämmtlich körnig, im V. Segment allmählich verschwindend. 
Untere Caudalkiele sämmtlich entwickelt, in den ersten Segmenten 
fast glatt (nur mit einzelnen eingestochenen Punkten), in den letzten 
fast sägezähnig. Fläche zwischen den unteren Caudalkielen in den 
ersten Segmenten glatt, in den hinteren etwas reihenkörnig. Obere 
Seitenflächen gekörnt. 


Gatt. Opisthophthalmus. 95 


Oberarm oberseits dichtkörnig, unterseits etwas weitschichtiger 
gekörnt, ohne deutlichen Hinterrandkiel. Unterarm vorderseits 
dichtkörnig, mit deutlichem Grundhöcker, mit crenelirter Oberkante 
und grobkörniger, 2% gekörnte Kiele tragender Hinterfläche. Unterseite 
mehr oder weniger grubig höckerig, mit fast bis ans Ende reichender 
Hinterkante. 

Hand verhältnißmäßig schmal bei beiden Geschlechtern, kaum 
herzförmig. Handkiel glatt, oder am Grunde körnig, rothbraun. 
Innere Fläche der Oberhand fein buckelig körnig, beim Männchen 
flacher als beim Weibchen, ohne oder — beim Männchen — mit nur 
schwacher Andeutung eines Nebenkiels. Aeußere Fläche der Oberhand 
rundlich-körnig, mit kaum oder schwach angedeutetem Nebenkiel. 
Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand beim Weibchen = 
1:0,8, beim Männchen = 1:0,75. Verhältniß der Hinterhandlänge 
zur Handbreite beim Weibchen = 1: 0,83, beim Männchen = 1: 0,87. 
Absolute Maaße für Finger, Hinterhand und Handbreite beim 
Weibchen = 7,5, 6 und5 mm, beim Männchen = 10, 7,5 und 6,5 mm. 
Das mir zu Gebote stehende Weibchen ist sehr jugendlich. 

Oberschenkel fast glatt oder kaum körnig. Unterschenkel 
glatt. Dornen der Endtarsen wie bei O. latimanus. 

Kammzähne beim Weibchen 14—17, beim Männchen 19—23. 
Kammgrund beim Männchen rechtwinklig, beim Weibchen stumpfwinklig 
mit bogenförmigem Schenkel. 

Verhältniß des Truncus zur Cauda beim Weibchen = 
1720.84 bis 1.20.92 beim Männchen 1 0,99 bis I :1,1. Größte 
absolute Länge des Körpers beim Männchen 77, beim Weibchen 64 mm. 

Fundorte: Capland und Griqualand. 


9. Opisthophthalmns macer Thor. 
1877 Opisthophthalmus macer Thor. (Atti soe. ital. XIX, p. 236). 
? 1877 Opisthophthalmus fallax Thor. (ihid, p. 238). 

Da der ©. fallax vom O. macer sich wesentlich nur durch die 
geringere Kammzahl und die gedrungenere Form der Hände unter- 
scheiden soll, so glaube ich ihn ohne große Bedenken als Weibchen 
dieser Art ansprechen zu dürfen. 

Die Färbung des Spiegels des Cephalothorax ist bleichgelb bis 
gelbroth, die der Seitentheile lederbraun oder rothbraun. Abdomen 
und Cauda sind oberseits ebenfalls lederbraun oder rothbraun, 
desgleichen die Beine und die schwarzkieligen Hände. Finger meist 
dunkler. — Der O. fallax Thor. ist im Allgemeinen dunkler gefärbt 
und hat gefleckte Hände. 


96 Scorpionidae: Scorpionini. 


Spiegel des Cephalothorax auf der ganzen Fläche dicht 
und deutlich gekörnt. Körnchen des Spiegels meist nur wenig feiner 
als die der Seiten des Öephalothorax, so daß eine Begrenzung des 
Spiegels wesentlich durch die dunklere, aber zuweilen fehlende Färbung 
der Seitentheile bewirkt wird. Medianfurche nach vorn ohne Stirn- 
dreieck, nach hinten jenseits des Augenhügels in die _L förmige Grube 
des Hinterrandes übergehend. 

Abdomen oberseits in allen Segmenten dicht feinkörnig, im 
letzten grobkörnig. Ein Mediankiel meist durch einen kleinen mittel- 
ständigen Buckel in den Segmenten angedeutet, nicht ein breiter, 
glatter Längsstreif, wie bei O. latimanus, und nicht von seitlichen 
Gruben flankirt. Die 4 ersten Segmente der Unterseite glatt, 
eingestochen punktirt (Weibchen) oder quer nadelrissig; letztes Segment 
etwas grubig auf der Mittelfläche oder nadelrissig, an den Seiten 
runzelig oder körnig, mit Andeutung von Längskielen beim Männchen 
und flach grubiger Vertiefung in den Hinterecken. 

Cauda beim Weibchen kürzer, beim Männchen länger als der 
Truncus und bedeutend robuster, Cristen- und Flächenausbildung im 
Allgemeinen derjenigen des O. latimanus entsprechend; Flächen beim 
Männchen aber oft stärker gekörnt als beim Weibehen. Die Begrenzungs- 
eristen der dorsalen Rinnenfurche oft mit etwas größerem Endzahn. 

Oberarm oberseits ziemlich feinkörnig, namentlich beim 
Weibchen, wo auch die Körnchenreihe der Vorderkante nur schwach 
entwickelt ist. Unterseite fast körnchenlos, ihr Hinterrand etwa in 
der Mitte des Gliedes verschwindend. Unterarm wie bei O. latimanus. 

Hand beim Weibchen breit und gedrungen, beim Männchen 
schmäler und länger. Fingerkiel glatt oder doch nur am Grunde 
gekörnt, schwarz. Innere Fläche der Oberhand beim Weibchen dicht 
mit ganz flachen, gedrängsten, unregelmäßig geformten Buckeln besetzt, 
aus denen 2 schwarz markirte Nebenkiele sich deutlich als größere 
juckelreihen hervorheben. Beim Männchen sind die Buckel der 
Fläche mehr rundlich körnig, isolirt, vielfach auf den Kuppen schwarz 
getupft; die beiden Nebenkiele als deutliche schwarze Körnchenreihen 
hervortretend. Aeußere Fläche der Oberhand bei beiden Geschlechtern 
mehr getrennt körnig, mit bis zum Grunde reichendem Mittelkiel. 
Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand beim Weibchen 


= 1:0,65, beim Männchen — 1: 0,48 bis 1: 0,53. Verhältniß der 
Hinterhandlänge zur Handbreite beim Weibchen —= 1:1,35, beim 
Männchen — 1:1,08 bis 1:1,2. Größte absolute Maaße für 


Finger, Hinterhand und Handbreite beim Weibchen 11, 7,2 und 9,8, 
beim Männchen 15, 8 und 9 mm. 


Gatt. Opisthophthalmus. 97 


U 


Oberschenkel feinkörnig, Schienbein der hinteren Beine beim 
Männchen ebenfalls körnig, beim Weibchen fast glatt. Dornen der 
Endtarsen wie bei O. latimanus. Dorsaler Krallenlappen etwa so lang 
als die Seitenloben. 

Zahl der Kammzähne beim Weibchen 14, 14, beim Männchen 
14—16. Kammgrund beim Weibchen etwas bogig, beim Männchen 
rechtwinklig, aber mit etwas vorgezogenem Eck. 

Verhältniß des Truncus zur Cauda beim Weibchen = 40:35, 
beim Männchen 35 : 44, resp. 31: 39. 

Die ausgesprochene Körnelung des Spiegels und die stark 
entwickelten Nebencristen sind die wesentlichen Merkmale, welche 
unsere Art vom O0. latimanus unterscheiden. Der O. calvus bildet 
mit seinen ausgeprägten Nebenkielen der Hand und glattem Spiegel 
des Cephalothorax eine Mittelform, die aber immerhin mehr dem 
O. latimanus als der vorstehenden Art sich hinneigen dürfte. 

Die Heimath des O. maceı ist ebenfalls das Capland. 


10. Opisthophthalmus capensis (Herbst). 
1800 Scorpio capensis Herbst (Naturg. d. Scorpione, p. 62, Tf. V., fig. 2). $ 
?1838 Opisthophthalmus capensis C. L. Koch (Arachn. IV, p. 89, fig. 308). 
1838 Opisthophthalmus maxillosus ©. L. Koch (ibid. IV, p. 93, fig. 310). 
1861 Opisthophthalmus capensis Pet. ad part (Monatsber. Berl. Akad. 1861, p. 512). 
1877 Opisthophthalmus capensis Thor. (Atti. soc. ital. XIX, p. 227). 

Der Opisthophthalmus capensis Herbst 5 ist von Thorell in 
seinen Etudes scorpiologiques so gut charakterisirt worden, daß er 
ohne Schwierigkeit wieder zu erkennen ist. Was C. L. Koch unter 
seinem O. capensis verstanden, wage ich nicht mit Sicherheit zu ent- 
scheiden. Der in der Münchener Sammlung als O. capensis bezeichnete 
Scorpion erweist sich in der That, wie Thorell meint, als O. pilosus 
C. L. Koch, während das Exemplar der Sturmschen Sammlung mit 
dem Thorell'schen O. macer identisch ist. Andererseits führt der 
wahre O capensis der Münchener Sammlung den Namen O. pilosus 
- (so daß man an eine Verwechselung der Etiketten glauben möchte), 
während das Exemplar der Sturm’schen Sammlung als O. latimanus 
bezeichnet ist. Der OÖ. maxillosus dieser Sammlung erweist sich 
ohne Weiteres als jugendlicher O. capensis. Außerdem enthält diese 
Sturm’sche Sammlung unter richtiger Etikette den O. pilosus ©. L. Koch, 
das Originalexemplar der Koch’schen Beschreibung. Es beweist dieser 
Umstand einmal, daß in der Münchener Sammlung augenscheinlich 
nachträglich die beiden Etiketten für capensis und pilosus verwechselt 
sind, und Koch wahrscheinlicher Weise den echten Herbst’schen 


- 
4 


98 Scorpionidae: Scorpionini. 


O. capensis ebenfalls als capensis beschrieb, sowie andererseits, daß 
Peters im Irrthum war, wenn er den OÖ. pilosus C. L. Koch mit dem 
O. capensis Koch vereinigte. 0. pilosus Koch ist nach den mir vor- 
liegenden Originalexemplaren vielmehr identisch mit dem 0. latro 
Thor. und sicher als selbständige Art zu betrachten. 


Die Färbung des O. capensis ist sehr variabel. Der Spiegel 
des Cephalothorax ist in der Regel rein lehmgelb und wird beidseitig 
von je einem breiten rothbraunen bis dunkelbraunen Streifen flankirt, 
welche gegen den Hinterrand convergieren. Bei helleren Individuen 
sind dann die Seitentheile des Cephalothorax wieder heller, bis lehm- 
gelb, während bei dunkleren Exemplaren die dunkleren Streifen bis 
fast an den äußeren Seitenrand des Cephalothorax sich ausdehnen 
können. Die Oberseite des Abdomens ist bei helleren Individuen fast 
einfarbig lehmgelb, mit etwas satterer Färbung in der Mitte der 
Segmente. Bei dunkleren Exemplaren sind die Segmente bis auf 
einen meist helleren Hinterrand ganz dunkel rothbraun. Die Cauda 
ist einfarbig lehmgelb, gelbroth oder rothbraun, ebenso die Beine und 
Arme. Die Handfläche ist meist lehmgelb oder gelbroth, doch sind 
Außen- und Innenkante der Hand wie der Fingerkiel in der Regel 
schwarz gefärbt, wie denn auch die beiden Finger dunkele Färbung 
zeigen. Die Unterseite des Truncus varürt vom bleichen Grüngelb 
bis dunkel Grünbraun. 


Cephalothorax mit dicht flachkörnigem, auf der Wölbung 
zuweilen fast glattem Spiegel, der sich namentlich in Folge der 
Aenderung der Farbe ziemlich scharf von den etwas gröber gekörnten 
Seitentheilen absetzt. Vorderrand etwas gestutzt, in der Mitte wenig 
vertieft und kaum eingeschnitten. Mittelfurche durchgehend, nach 
vorn ein mäßig langes, gekörntes Stirndreieck einschließend, nach 
hinten ohne ausgeprägte Grube vor dem Augenhügel, letzteren durch- 
ziehend und vor der _L förmigen Grube des Hinterrandes verschwindend 
oder in diese übergehend. Mittelaugen ziemlich doppelt so weit vom 
Vorderrande als vom Hinterrande entfernt (Gemessen 1: 1,8 bis 1: 2,33, 
im Mittel also etwa 1:2). Von den Seitenaugen das hintere meist 
am größten. 


Abdominalringe oberseits bei beiden Geschlechtern ziemlich 
dicht gekörnt, namentlich an den Seiten; letztes Glied fast gleichmäßig 
srobkörnig. Unterseite des Abdomens auf den ersten 3 Ringen völlig 
glatt und glänzend, vorletzter zuweilen auf der Mittelfläche mit einigen 
zerstreuten Körnchen, letzter Ring dicht und gleichmäßig reiben- 
artig-körnig. 


Gatt. Opisthophthalmus. 99 


Cauda oberseits mit breiter, im I. und II. Segment feinkörniger, 
sonst glatter Rinnenfurche. Ihre begrenzenden Cristen sämmtlich 
körnig und im I.—IV. Segment in einen stärkeren Enddorn 
auslaufend. Obere Seiteneristen im I.—IV. Segment deutlich gekörnt, 
im V. nach dem Ende verschwindend. Untere Mediankiele im I. und 
auch fast im II. Segment völlig fehlend, im III. und IV. körnig, im 
V. fast gesägt. Untere Lateraleristen im I. und U. schwach markirt, 
im III. und IV. deutlicher, körnig. Unterfläche der Cauda im I. Segment 
völlig von gleichmäßigen groben Buckeln bedeckt, im II. und IV. 
feinkörniger und die Cristen mehr und mehr hervortreten lassend. 
Obere Seitenflächen der Cauda ebenfalls meist etwas körnig. Blase 
glatt, nebst den Endgliedern langborstig behaart. 

Oberarm auf der oberen Fläche gleichmäßig grobkörnig, 
auf der unteren Fläche mehr reihen-körnig. Randcristen mäßig, die 
des unteren Hinterrandes hinter der Mitte verschwindend. Unterarm 
mit schwachem Grundhöcker am Vorderrande, fast glatter Oberkante 
und wenig hervortretenden Kielen der gewölbten Hinterfläche. 
Unterfläche glatt, etwas gewölbt, mit im Enddrittel verschwindendem 
Hinterrandkiel. 

Hand ziemlich breit, mit halbherzförmigem Grunde. Oberhand 
mit glattem, schwarzem Fingerkiel; ihre innere Fläche etwas gewölbt, 
mit flachen, zum Theil verschmelzenden und fen punktirten Buckeln 
besetzt. Nebenkiele auf dieser Fläche höchstens durch Spuren zweier 
schwarzer Längsstriche angedeutet. Aeußere Fläche der Oberhand 
ebenfalls dicht flachbuckelig, am Grunde des beweglichen Fingers mit 
Andeutung eines kurzen, glatten Nebenkiels. Verhältniß des beweglichen 
Fingers zur Hinterhand beim Weibchen = 1:0,71 bis 1:0,87, beim 
Männchen — 1:0,62 bis 1:0,71. Verhältniß der Hinterhandlänge 
zur Handbreite beim Weibchen =1:1,1 bis 1: 1,2, beim Männchen — 
1:0,71 bis 1:1, doch ist zu bemerken, daß mir nur jugendliche 
Männchen zu Gebote standen, die wahrscheinlich die normalen 
Verhältnisse der Ewachsenen noch nicht zeigen. Größte absolute 
Maaße für beweglichen Finger, Hinterhand und Handbreite beim 
Weibchen 11,5, 8,2 und 9,2 mm. 

Die Oberschenkel sind feinkörnig, die Unterschenkel glatt. 
Endtarsen an den Seitenloben außenseits mit 4 (seltener 5), innenseits 
meist mit 5 Dornen. Außerdem längs des Tarsenendgliedes des letzten 
Beinpaares innenseits 4, außenseits kein Dorn, während sich am 
vorletzten Beimpaare neben 4 Dornen der Innenseite stets 1 Dorn 
der Außenseite findet (Fig. 34). Dorsaler Krallenlappen deutlich länger, 


als die Seitenloben. 
m 


100 Scorpionidae: Scorpionini. 


Die Zahl der Kammzähne schwankt beim Weibchen zwischen 
10 und 12, beim Männchen zwischen 12 und 15. Der Kammgrund 
beider Geschlechter ist nur wenig verschieden: beim Männchen durchaus 
rechtwinklig, beim Weibchen etwas bogig-stumpfwinklig.. Auch sonst 
sind die Geschlechtsunterschiede nicht sehr hervortretend, und dürften 
höchstens noch die etwas schmaleren Hände der Männchen hier 
Erwähnung verdienen. 

Das Verhältniß von Truncus zur Cauda varürt von 1: 0,92 
bis 1:1,26, ohne daß ein Unterschied in der Länge und Stärke der 
Cauda bei beiden Geschlechtern bemerklich wäre. Größte absolute 
Länge 80,5 mm (Truncus : Cauda = 42: 38,5 mm). 

Die Heimath des ©. capensis scheint ausschließlich das 
Capland zu sein. 


11. Opisthophthalmus pilosus C. L. Koch. 
1838 Opisthophthalmus pilosus ©. L. Koch (Arachn. IV, p. 91, Fig. 309). 


1861 a capensis Pet. ad part. (Monatsber. Berl. Akad. 1861, p. 512). 
1877 “ latro Thor. (Atti soc. ital. XIX, pag. 225). 
1880 chaperi Sim. (Soc. ent. France, 5. Ser., X, p. 387). 


Daß den Opisthophthalmus latro Thor. mit dan 0. pilosus 
C. L. Koch identisch ist, konnte ich durch Vergleichung der beiden 
Öriginalexemplare leicht feststellen. Aber auch die Beschreibung des 
OÖ. chaperi Sim. paßt so vorzüglich auf unsere Art, daß ich denselben 
trotz seiner 19 Kammzähne ohne Bedenken mit ihr vereinige. 

Die Färbung varırt m allen Theilen, wie die des O. capensis. 
Das Thorell’sche Originalexemplar ist auffallend dunkel gefärbt, so daß 
nur die Beine und die Blase das ursprüngliche Lehmgelb zeigen, während 
die Seitentheile der Cephalothorax und die Oberarme fast schwarzbraun 
erscheinen. Andere Exemplare haben nur jederseits des Spiegels je 
einen rothbraunen Längsstreif und rothbraune Cristen der Arme und 
Hände. Die Finger sind, wie bei der vorigen Art, ziemlich dunkel 
gelbroth bis schwarz. 

Die Sculptur des Gephalothorax ist von der des O. capensis 
kaum verschieden, der Spiegel indeß vielleicht meist etwas glatter, und 
seine Begrenzung noch grobkörniger. Mittelaugen mehr als doppelt 
so weit vom Vorderrande als vom Hinterrande entfernt (Gemessen 
12222201841: 259). 

Abdominalringe oberseits bei beiden Geschlechtern ziemlich 
gleichmässig dicht feinkörnig, nach hinten zu gröber. Unterseite im 
ersten Segment fast glatt und glänzend, in den zwei folgenden ebenfalls 
glänzend, aber deutlich, wenn auch flach, gekörnt, in den beiden letzten 
Segmenten matt und dicht buckelig körnig. 


Gatt. Opisthophthalmus. 101 


Die Cauda entspricht im Allgemeinen völlig der von O. capensis, 
doch ist die dichte buckelige Körnelung der Unterseite der zwei ersten 
Segmente fast noch mehr ausgeprägt. 


Oberarm oben und unten grobkörnig; hintere Unterkante 
erst nahe dem Ende verschwindend. Unterarm oft mit crenelirter 
Oberkante, unterseits flach, mit jenseits der Mitte verschwindender 
Hinterrandkante. 

Hand verhältnißmäßig schmal, namentlich beim Männchen. 
Oberhand mit gekörntem (Weibchen) oder glattem, schwarzem Finger- 
kiel, ihre innere Fläche beim Weibchen etwas gewölbt, mit ziemlich 
isolirten Buckeln besetzt und 2 ziemlich deutlichen Nebenkielen, aus 
gröberen Körnchen gebildet; beim Männchen fast eben, mit weniger 
deutlich hervortretenden Buckeln und Nebenkielen, welche letztere 
sogar fast verschwinden können. Aeußere Oberhandfläche beim Weibchen 
körnig, beim Männchen fast glatt, mit halb entwickeltem Nebenkiel. 
Verhältniß des beweglichen Fingers zur Länge der Hinterhand beim 
Weibchen = 1:6,1 bis 1:6,5, beim Männchen = 1:0,55 bis 
1 : 0,63. Verhältniß der Hinterhandlänge zur Handbreite beim 
Weibehen = 1.7.1. beim Männchen —1 »0,9% bis 1 : 0,97. Größte 
absolute Maaße für beweglichen Finger, Hinterhand und Handbreite 
beim Weibchen: 13,8, 9, 9,8 mm, beim Männchen: 14,5, 8, 7,8 mm. 


Die Oberschenkel sind nur sehr zerstreut feinkörnig oder 
fast glatt, die Unterschenkel glatt. Endtarsen an den Seitenloben 
außen und innen meist mit 5 Dornen. Außerdem längs des Tarsen- 
endgliedes des letzten Beinpaares innenseits 4, außenseits kein Dorn, 
während sich am vorletzten Beinpaar neben 4 Dornen der Innenseite 
stets ein Dorn auf der Außenseite findet. Dorsaler Krallenlappen 
deutlich länger, als die Seitenloben. 

Die Zahl der Kammzähne dürfte zwischen I4 und 19 
schwanken. Ein Männchen zeigte 16, 17, ein Weibchen 17, 17 Kamm- 
zähne, während das Thorell’sche Originalexemplar (5) 14, 15, das 
Simon’sche 19 Kammzähne besitzt. Der Kammgrund bildet beim 
Männchen einen rechten Winkel, während er beim Weibchen flachbogig 
gestreckt ist. 

Das Verhältniß des Truncus zur Cauda varürte von 1:1,35 
bis 1:1,5, ohne das ein Unterschied des Verhältnisses bei Männchen 
und Weibchen constatirt werden konnte. Die Gesammtlänge des 
größten Weibchens betrug 87 (= 35+ 52), die des größten Männchens 
85 (= 36449) mm. Simon giebt für seinen O. chaperi die Maaße 
Truncus : Cauda —= 46 : 48 mm. 


102 Scorpionidae: Scorpionini. 


67 


Die Heimath des O. pilosus ist das Capland und das 
Namaqualand. Der Fundort „Java“ für das Koch’sche Original- 
exemplar dürfte auf emem Irrthum beruhen. 


12. Opisthophthalmus pietus n. sp. 

Diese neue Species, von der mir 7 Exemplare vorliegen, gehört 
ebenfalls der capensis- Gruppe an, ist aber schon bei flüchtiger 
Betrachtung an der bunten Färbung leicht zu erkennen. 

Färbung: Die Oberseite des Cephalothorax ist zuweilen fast 
einfarbig gelbroth, mit Abtönung nach Lehmgelb in der vorderen 
Hälfte des Spiegels; in der Regel aber sind 2 mehr oder weniger 
vollständige schwarze, nicht sehr breite Binden (jederseits des Spiegels 
eine) vorhanden, welche hinter dem Augenhügel y-artig zusammenfließen. 
Die Grundfarbe der Abdomialringe oberseits ist ebenfalls wohl 
gelbroth oder lehmgelb, doch tritt dieselbe nur an den Hinterrändern 
der Segmente und einem breiten, in jedem Segmente aus dunklem 
Grunde neu beginnenden Mittelstreif rein hervor, während der übrige 
Theil der Ringe von schwarzem Pigment überkleidet ist. Cauda 
gelbroth, mit tief schwarzen Kielen, im V. Segment gebräunt, die helle 
Blase ebenfalls meist mit schwarzen Pigmentstreifen oder -fHecken. 
Beine gelbroth; ebenso die meist schwarz -cristigen Arme. Hände 
mit schwarzem Fingerkiel, schwarzen Nebenkielen und einem die ganze 
Fläche maschig überziehenden schwarzen Pigmentnetz. Finger roth- 
braun. Unterseite des Abdomens meist schmutzig grünlich gelb, jeder 
Ring mit 2—4 schwarzen Längsflecken und die Kuppen der körnigen 
Buckel schwarz pigmentirt. 

Der Spiegel des Öephalothorax ist glänzend, glatt und fein 
eingestochen punktirt, selten ein wenig höckerig. Eine schärfere 
Begrenzung desselben ist nur bei den Exemplaren mit schwarzen 
Längsstreifen angedeutet, da der bei den beiden vorhergehenden Arten 
so ausgeprägte Kranz von gröberen Buckelkörnchen fehlt, und eine 
mäßige Körnelung der Seitentheile erst ganz am Abfall zum Rande 
ohne scharfe Grenze beginnt. Vorderrand flach gerundet, ganzrandig, 
vorn in der Mitte seicht eingeschnitten. Mittelfurche durchgehend, 
nach vorn ein mäßig langes, kaum gekörntes Stirndreieck einschließend. 
Mittelaugen nicht doppelt, sondern meist nur 12 mal soweit vom 
Vorderrande, als vom Hinterrande entfernt (Gemessen 1:1,5 bis 
1: 1,78). Seitenaugen von einem schwarzen, glatten Wulst überlagert. 

Abdominalringe oberseits glatt und glänzend, nur am 
Hinterrande etwas runzelig, letzter Ring mäßig gekörnt. Unterseite 


. 


des Abdomens in allen 5 Ringen mit buckelförmigen, zum Theil quer 


Gatt. Opisthophthalmus. 103 


gezogenen Körnchen besetzt, welche vom 1. Segment bis zum letzten 
allmählich an Größe und Dichtiekeit zunehmen und vom 2. Segment an 
meist schwarze Kuppen haben. 

Cauda oberseits mit breiter, auch in den vorderen Segmenten 
durchaus ungekörnter Rinnenfurche. Ihre begrenzenden Cristen etwas 
kielig-körnig, schwarz und mit größerem Endzahn. Obere Seitencristen 
im IL.—V. Segment fast glatt, mit eingestochenen Haargrübchen. 
Untere Median- und Lateralkiele im I. und U. Segment fast völlig 
durch die Höckerbildungen der gerundeten Fläche verwischt, aber durch 
4 schwarze Längsstreifen deutlich markirt. In den folgenden Segmenten 
die ebenfalls schwarz gefärbten Kiele etwas stärker hervortretend, 
jedoch nur im V. Segment als deutliche sägezähnige Körnchenreihen. 
Obere Seitenflächen der Cauda etwas netzig-runzelig, aber nicht körnig. 

Oberarm auf der oberen Fläche nur mit wenigen zerstreuten 
klemen Körnchen besetzt, ebenso auf der Unterfläche. Vorderkante 
der Oberfläche nicht scharf begrenzt. Hinterkante der Unterfläche 
erst gegen das Ende verschwindend.. Unterarm mit schwachem 
Grundhöcker am Vorderrande, mit körniger Oberkante und schwarz 
markirten Kielen der gewölbten Hinterfläche. Unterfläche gewölbt, 
glatt, mit im Enddrittel verschwindender, wenig scharfer Hinterrandkante. 

Hand ziemlich breit und gedrungen, mit halbherzförmigem 
Grunde. Oberhand mit schwarzem, fast glattem Fingerkiel; ihre innere 
Fläche gewölbt, mit flachen, aber ziemlich isolirten Buckeln besetzt, 
über welche sich ein maschiges Netzwerk schwarzen Pigments erstreckt. 
2 Nebenkiele wesentlich nur durch 2 schwarze Längslinien angedeutet. 
Aeußere Fläche der Oberhand rundlich-buckelig; auch hier meist 
Andeutung eines Mittelkiels. Verhältniß des beweglichen Fingers zur 
Hinterhand — 1: 0,66 bis 1: 0,75. Verhältniß der Hinterhandlänge 
zur Handbreite = 1:1,1 bis 1:1,4. Ein Unterschied in diesen 
Verhältnissen nach dem Geschlecht war nicht festzustellen. Größte 
absolute Maaße für beweglichen Finger, Hinterhand und Handbreite: 
1:0,.7,:9,8° mm. 

Die Oberschenkel sind sehr feinkörnig, die Unterschenkel 
glatt. Endtarsen an den Seitenloben außenseits meist mit 4, innenseits 
meist mit 5 Dornen. Außerdem längs des Tarsenendgliedes des letzten 
wie des vorletzten Beinpaares innenseits je 4, außenseits kein Dorn 
(Fig. 35; Gegensatz zu O. capensis und pilosus). Nur in einem Falle 
wurde am vorletzten Beinpaar ein schwacher Dorn außenseits beobachtet. 
Dorsaler Krallenlappen deutlich kürzer, als die Seitenloben. 

Die Zahl der Kammzähne schwankt zwischen 10 und 14 
(beobachtet zweimal 10, 11, zweimal 11, 12, zweimal 12, 12 und 


104 Scorpionidae: Scorpionini. 


einmal 13, 14 Kammzähne |[cJ'?]). Der Kammgrund war bei allen 
Exemplaren gestreckt, so daß die Kämme etwa auf Ys ihrer Länge 
zahnlos sind. Geringe Verschiedenheiten des Kammgrundes sind vielleicht 
als Geschlechtsunterschiede zu deuten. 

Das Verhältniß von Truncus zur Cauda varürt von 1: 0,83 
bis 1:1,03. Größte absolute Länge 70,5 mm (Truncus : Cauda 
==131 : 33,5,mm)). 

Die mir vorliegenden Exemplare stammen größtentheils von 
Reddersburg im Oranje-Freistaat und sind Eigenthum des Hamburger 
Museums. Ein Exemplar vom Cap gehört dem Kopenhagener Museum. 


13. Opisthophthalmus glabrifrons Pet. 
1861 Opisthophthalmus glabrifrons Pet. (Monatsber. Berl. Akad. 1861, p. 514). 
1877 5 laeviceps Thor. (Atti Soc. ital. XIX, p. 228). @ 

Daß der O. laeviceps Thor. mit dem O. glabrifrons Pet. identisch 
ist, konnte ich durch Vergleichung der beiderseitigen Originalexemplare 
feststellen. 

Die Färbung des OÖ. glahbrifrons ist schmutzig gelbroth bis 
rostbraun; der Spiegel nach vorn mehr lederbraun. Beine, Blase und 
Arme lederbraun, Finger schwärzlich, Handballen rothbraun. 

Der Spiegel des Cephalothorax erschemt glatt und glänzend; 
er ist dicht nadelstichig und trägt nur beim Weibchen am vorderen 
Stirnrande einige feine Körnchen. 

Das Abdomen zeigt oberseits beim Männchen eine deutliche 
Körnelung auf allen Segmenten, während dieselben beim Weibchen fast 
völlig glatt sind. Der dorsale Mittelkiel erscheint beim Männchen nur 
als ein kleines Höckerchen entwickelt, während die vorletzten Bauch- 
segmente desselben meist zahlreiche kleine Grübchen besitzen. 

Die Cauda des Männchens ist stets länger als der Körper 
und bis 8 mm dick, die des Weibchens weit zarter und kürzer als der 
Truneus. Die Körnelung der Unterseite des I. und II. Caudalsegmentes 
ist beim Männchen auffallend grob und platt, so daß die unteren 
Mediancristen fast völlig verwischt werden, und eine vertiefte Mittelrinne 
zwischen ihnen namentlich im I. Segment nicht zur Entwickelung kommt. 
Beim Weibchen zeigen sich Kiele und vertiefte Zwischenflächen. 

Der Oberarm besitzt an seiner oberen Vorderkante bei beiden 
Geschlechtern eine deutliche Criste spitzhöckeriger Buckel, die aber 
beim Männchen bedeutend stärker und durch schwarze Färbung 
markirt ist. 

Die Hand ist etwas gestreckt, mit körnigem, nur nach vorn 
etwas wulstigem, meist rothbraunem Fingerkiel. Innere Fläche der 


Gatt. Opisthophthalmus. 105 


Oberhand etwas gewölbt, mit isolirten, ziemlich kleinen Buckeln 
besetzt, aus welchen beim Männchen ein oder 2 Nebenkiele nur sehr 
undeutlich durch schwache Reihenanordnung hervortreten. Aeußere 
Oberhandfläche ebenfalls isolirt -buckelig, meist mit Körnchenkiel in 
der Mittellinie. Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand 
beim Männchen = 1:0,57 bis 1: 0,64, beim Weibchen = 1: 0,66 
bis 1: 0,85; Verhältniß der Hinterhandlänge zur Handbreite = 1:1,1. 
Größte absolute Maaße für Finger, Hinterhand und Handbreite: 
15,8, 9,5 und 10,5 (Männchen). 

Oberschenkel feinkörnig, Unterschenkel glatt. Seitenloben 
des Endtarsus außen mit 4, innen mit 5 Dornen; außerdem längs 
des Tarsengliedes der beiden letzten Beinpaare innenseits je 3—4, 
außenseits hingegen nur ein oder kein Dorn (Gegensatz zu O. pugnax). 
Dorsaler Krallenlappen mindestens so lang als die Seitenloben. 

Zahl der Kammzähne beim Männchen 18 bis 19, nach 
Peters bis 23, beim Weibchen 10—11. Kammgrund fast rechtwinklig 
beim Männchen, sehr stumpfwinklig beim Weibchen. 

Die robuste Cauda des Männchens länger als der Truncus. 
Gemessen: Truncus zur Cauda = 44 : 49,5 resp. 49:53 mm. Größte 
Gesammtlänge also 102 mm (nach Peters 95 mm). Verhältniß des 
Truneus zur Cauda bei (jugendlichen) Weibchen = 33:28, resp. 28:20. 

Die Peters’schen Exemplare stammen von Tette am Zambesi, 
das Thorell’sche aus „CGaffraria.“ 


14. Opisthophthalmus pugnax Thor. 

1877 Opisthophthalmus pugnax Thor. (Atti soc. ital. XIX, p. 232). J' 
1877 5 eurtus Thor. (ibid., p. 234). 2 

Nachdem bereits Peters (Monatsber. Berl. Akad. 1861, p. 514) 
hervorgehoben, daß die Weibchen des O. glabrifrons sich von den 
Männchen durch schwächere Entwickelung der Cauda und weit geringere 
Zahl der Kammzähne unterschieden, lag der Gedanke nahe, daß auch 
der O. curtus Thor., von dem mir im Ganzen nur 3 Exemplare 
bekannt sind, sich lediglich als Weibchen einer anderen Art heraus- 
stellen werde. Daß diese andere Art der O. glabrifrons nicht sei, 
konnte ich durch die Vergleichung mit den Peters’schen Original- 
exemplaren feststellen, von denen der O. curtus wenn auch nicht 
erheblich, so doch merklich abweicht, wie dies m der Bestimmungs- 
tabelle angegeben. Von den beiden nun noch in Betracht kommenden 
Arten O. pugnax und praedo Thor. ist der letztere durch feine, 
isolirte Körnelung der Hand, wie durch den Besitz nur eines Außen- 
dorns an der Unterseite des Tarsenendgliedes ausgezeichnet, während 


106 Seorpionidae: Scorpionini. 


OÖ. pugnax, vollkommen entsprechend dem 0. curtus, grobkörnige, 
etwas retikulirte Hände und zwei Außendornen des Tarsenendgliedes 
besitzt (Fig. 36). Als einziger greifbarer Unterschied zwischen O. pugnax 
und curtus, abgesehen von den oben skizzirten Geschlechtscharacteren, 
bliebe dann nur noch die schwache Ausbildung der oberen Vorder- 
kante des Oberarms bei OÖ. curtus. Da aber hierin die Weibchen den 
Männchen auch bei den verwandten Formen nachzustehen pflegen, so 
elaube ich meiner Sache sicher zu sein, wenn ich O. eurtus als Weibchen 
des O. pugnax anspreche. Schon Thorell weist auf die große Ueber- 
einstimmung in der Handbildung beider Formen hin, wirft aber doch 
die Frage auf, ob O. pugnax vielleicht als Weibchen zu OÖ. praedo zu 
ziehen sei. Dem ist entschieden zu widersprechen, da das Original- 
exemplar von O. pugnax nach allen Merkmalen und auch nach der 
Rechtwinkligkeit des Kammgrundes sicher als Männchen in Anspruch 
zu nehmen ist. 0. praedo ist eine verwandte, aber wohl selbständige 
Form, deren Weibchen zur Zeit noch nicht bekannt ist. 


Die Färbung des O. pugnax zeigt kaum Unterschiede von 
O. glabrifrons, doch ist vielleicht die Umgrenzung des Spiegels etwas 
dunkler, und die Handkiele incl. der beim Männchen ziemlich deutlichen 
Nebenkiele erscheinen schwärzlich. 

In der Seulptur des Spiegels des Cephalothorax sind die 
Männchen beider Arten sehr deutlich verschieden, indem derselbe bei 
O. pugnax nicht glatt und glänzend erscheint, wie bei O. glabrifrons, 
sondern matt und zum großen Theile mit feinsten Körnchen bedeckt ist. 
Weniger auffallend ist dieser Unterschied bei den Weibchen, wo die 
etwas ausgeprägtere Körnelung des Stirnrandes bei O. pugnax nur bei 
directer Vergleichung mit dem O. glabrifrons bemerkbar wird. Entfernung 
der Mittelaugen vom Vorderrande ziemlich doppelt so weit als vom 
Hinterrande (Gemessen: 1:1,75 bis 1:2,2). 


Das Abdomen ist oberseits bei beiden Geschlechtern deutlich 
gekörnt, und diese Körnelung wird namentlich auf dem letzten Segment 
ziemlich grob. Die Unterseite des Abdomens ist im letzten Segment 
bei beiden Geschlechtern grobkörnig, beim Weibchen mit Andeutung 
von 2 oder 4 Längskielen. Die vorderen Segmente sind beim Weibchen 
glatt, glänzend, fein nadelstichig, während beim Männchen das vorletzte 
Seement meist flache, zum Theil in Buckel aufgelöste Querwulste 
erkennen läßt. 

Die Cauda entspricht bei beiden Geschlechtern im Allgemeinen 
derjenigen des O. glabrifrons; doch sind hier auch beim Männchen 
die unteren Kiele des I. Segments nicht durch grobe Körnelung 


Gatt. Opisthophthalmus. 107 


verlöscht, sondern zeigen deutliche vertiefte Längsrinnen zwischen 
sich, wie die Weibchen. Obere Caudaleristen im I.—IV. Segment 
ohne stärkeren Enddorn. Blase glatt. 

Oberarm auf der oberen Fläche nur gegen den Hinterrand 
srobkörnig. Vorderrand nur beim Männchen durch starke, schwarze 
Körnchencriste markirt, beim Weibchen ziemlich undeutlich in die 
gekörnte Vorderfläche übergehend. An der fast glatten Unterfläche 
verschwindet der Hinterrand wenig hinter der Mitte. 

Hand ziemlich breit, gedrungen, mit schwarzem, glattem oder 
in Längswülste aufgelöstem Fingerkiel. Innere Fläche der Oberhand 
gewölbt, flach buckelkörnig, mit Neigung zum Zusammenfließen der 
Buckel, namentlich auf dem Ballen. Buckel nadelstichig. Zwei 
Nebenkiele beim Männchen ziemlich stark m ganzer Länge hervor- 
tretend, beim Weibchen nur angedeutet, besonders am Grunde des 
unbeweglichen Fingers. Verhältniß des beweglichen Fingers zur 
Hinterhand beim Männchen = 1:0,58 bis 1:0,59, beim Weibchen — 
1:0,62 bis 1:0,7. Verhältniß der Hinterhandlänge zur Handbreite — 
1:1,1 bis 1:1,3. Größte absolute Maaße für Finger, Hinterhand und 
Handbreite beim Männchen 13,8, 8 und 10 mm, beim Weibchen 14,5, 
9 und 11,5 mm. 

Schenkel wie bei O. glabrifrons. Zahl der Außendornen der 
Tarsenunterseite, abgesehen von den Dornen der Loben, an den beiden 
letzten Beinpaaren je 2 (Fig 36; 1 oder O0 bei O. glabrifrons). 
Krallenlappen mindestens so lang als die Seitenloben. 

Zahl der Kammzähne 15, 15 beim Männchen, 10—12 beim 
Weibchen. Kammgrund fast rechtwinklig beim Männchen, fast 
halbkreisförmig gebogen beim Weibchen. 

Verhältniß des Truncus zur Cauda beim Männchen = 1: 1,28 
bis 1:1,38, beim Weibchen =1:0,78 bis 1:0,98. Größte Länge 
des Körpers 89 mm bei beiden Geschlechtern (39 + 50 beim Männchen, 
49 +40 beim Weibchen). 

Die Thorell’schen Exemplare stammen aus ÜCaffraria; ein 
Exemplar des Lübecker Museums von Port Natal. 


15. Opisthophthalmus praedo Thor. 
1877 Opisthophthalmus praedo Thor. (Atti soe. ital. XIX., p. 230). 

Diese Art ist der vorstehenden so nahe verwandt, daß Thorell 
sie eventuell als Männchen derselben ansehen möchte. Da ich indeß 
die Exemplare des O. pugnax als Weibchen nicht anerkennen kann 
(vgl. oben), so bleibt nur die vorläufige Nebeneinanderstellung beider 
Formen übrig. Das einzige bekannte Exemplar ist ein Männchen. 


108 Scorpionidae: Ischnurini. 


In der Färbung zeigt sich nur in ‘sofern eine Abweichung, 
als die innere Fläche der Oberhand nicht dicht mit dunkleren Buckeln 
und mit 2 starken, schwarzen Nebenkielen besetzt ist, sondern fast 
einfarbig gelbroth erscheint. 

Cephalothorax undAbdomen bieten kaum Verschiedenheiten, 
doch sind die Körnchen der Umrandung des Spiegels etwas gröber. 

An der Cauda ist die Mittelfurche zwischen den unteren Median- 
cristen des I. Segments ganz von groben Buckeln ausgefüllt und daher 
undeutlich, wie denn auch die Buckel auf den unteren Caudalflächen 
des III. und IV. Segments merklich gröber erscheinen, wie bei O. pugnax. 

Ein wesentlich verschiedenartiges Verhalten zeigt die ziemlich 
schmale Hand. Die äußere Fläche der Oberhand ist fast eben, 
einfach gelbroth und nur mit winzigen, wenig wahrnehmbaren, rundlichen 
Körnchen besetzt, welche nur an der Stelle der zwei Nebenkiele als 
etwas stärkere Körnchenreihen hervortreten. Verhältniß des Fingers 
zur Hinterhand = 1: 0,5, der Hinterhand zur Handbreite = 1: 1,1. 
Absolute Maaße von Finger, Hinterhand und Handbreite: 14, 7,2 
und S mm. 

Zahl der Außendornen der Tarsenunterseite, abgesehen von 
den Dornen der Loben, an den letzten Beinpaaren bei dem Original- 
exemplar je einer (je 2 bei O. pugnax). 

Zahl der Kammzähne 14, 15. Kammgrund rechtwinklig. 

Verhältniß des Truncus zur Cauda = 38:45 mm. 

Fundort: Das Kaffernland. 


Subfam. Ischnurini. 

Scorpioniden mit nur einem Sporn an der Basis des 
Endtarsus und zwar an dessen Außenseite, ohne runde 
Seitenloben am Ende (Fig. 45—48). Hand platt, oberseits 
stets durch einen starken Fingerkiel in rechtwinklig oder 
stumpfwinklig zu einander geneigte Außenfläche und 
Innenfläche getheilt (Fig. 43, 44). Körnchen des beweg- 
lichen Scheerenfingers in 2 mehr oder weniger genäherten 
Parallelreihen, wenigstens am Grunde, angeordnet (Fig. 38). 
Sternum groß, pentagonal, nach vorn meist etwas 
verbreitert undam Grunde mit tiefer Mittelfurche. Mittel- 
lamellen der Kämme zu wenigen, eckig. 

Zu dieser Familie gehören in erster Reihe die schon von 
früheren Autoren aufgestellten Gattungen Opisthacanthus, Ischnurus 
und Hormurus, denen Pocock noch die Genera Opisthocentrus, 
Cheloetonus, Chiromachus und Jomachus hinzugefügt hat. 


Subfam. Ischnurini. 109 


Von diesen glaube ich die Gattung Opisthocentrus aus weiter unten 
zu erörternden Gründen mit ÖOpisthacanthus wieder vereinigen zu 
sollen, während der Gattungsname Chiromachus durch Ischnurus und 
dieser wieder durch einen neuen, etwa Hadogenes, zu ersetzen ist (vgl. 
weiter unten). Die von Pocock als eigene Subfamilie aufgefaßte 
Gattung Hemiscorpion ist von mir hier angeschlossen, da sie sich 
in der That der Hauptsache nach nur durch den unpaaren Mediankiel 
der Caudalunterseite von den übrigen Gattungen unterscheidet. 

Wir würden es demnach mit 7 über Afrika, Asien, Australien 
und das centrale Amerika verbreiteten Gattungen zu thun haben, deren 
unterscheidende Merkmale in folgender Bestimmungstabelle nieder- 
gelegt sind: 

A. Nur ein unpaarer unterer Mediankiel in allen Segmenten der 
Cauda. Blase beim Männchen lang walzig, nach hinten jederseits 
vom kurzen Stachel in 2 stumpfe Buckel ausgezogen (Fig. 40). 
Stirnrand mäßig ausgeschnitten. Endtarsen unterseits mit 2 Reihen 
von je etwa 6 Borsten besetzt. 

1. Hemiscorpion Pet. p. 110. 

B. Zwei untere Mediankiele im I.—IV. Segment der Cauda, oder 
die Kiele undeutlich. Blase bei beiden Geschlechtern von 
gewöhnlicher Gestalt. 

a. Unterseite der Endtarsen jederseits mit deutlichen Dornen 
besetzt (Fig. 45). Afrikanisch. 

a. Außenfläche und Innenfläche der Oberhand in der Kante 
des Fingerkiels nur wenig zu einander geneigt; Außenfläche 
mit sehr starkem, glattem Nebenkiel. Hand breiter 
als die Länge der Hinterhand. Oberarm oberseits stark 
convex, Vorderfläche fast verschwindend. Seitenaugen stehen 
im Rande des Cephalothorax. 2. Cheloctonus Poc., p. 112. 

ß. Außenfläche der Oberhand gegen die Innenfläche stark, ‚oft 
fast rechtwinklig geneigt. Außenfläche ohne glatten Nebenkiel. 
Hand schmäler als die Länge der Hinterhand. Oberarm 
flach, seine Vorderfläche deutlich entwickelt. Seitenaugen 
stehen oberhalb des Randes des Cephalothorax. 

l. Caudalsegmente sehr stark seitlich zusammengedrückt; 
II. Segment am Ende doppelt so hoch, als breit (Fig. 41; 
bei b Querschnitt); oberseits meist in allen Segmenten 
gekörnte Cristen. Unterarm am unteren Hinterrande mit 
zahlreichen kleinen, am Grunde dreireihig, am Ende 
einreihig gestellten Haargrübchen besetzt (erst nach dem 
Trocknen sichtbar!) ..... a5 Hadogenes n. 'o.,'p.alil3: 


110 Scorpionidae: Ischnurini. 


2. Caudalsegmente nur wenig seitlich zusammengedrückt; 
II. Segment am Ende wenig höher, als breit. Oberseits 
in den drei ersten Segmenten der Cauda keine Cristen- 
bildung. Unterarm am unteren Hinterrande mit nur 3 
entfernten Haargrübchen. 

4. Opisthacanthus Pet., p. 118. 
b. Unterseite der Endtarsen nur mit Borsten besetzt oder nur 
mit einer Mittelreihe winziger dorniger Zähnchen (Fig. 46 — 48). 
@. Unterseite der Endtarsen jederseits mit einer dichten Reihe 
langer Wimperborsten besetzt (Fig. 47). Seitenaugen oberhalb 
des Cephalothoraxrandes. Afrikanisch. 
5. Ischnurus Koch, p. 130. 
ß. Unterseite der Endtarsen jederseits nur mit 3—4 Paaren 

zarter Borsten besetzt (Fig. 46). Seitenaugen stehen im 

Rande des Cephalothorax. Asiatisch und australisch. 

6. Hormurus Thor p@=5E 
y. Unterseite der Endtarsen mit einer Mittelreihe winziger, 
dorniger Zähnchen besetzt, an den Seiten nur einzelne 

Härchen (Fig. 48). Seitenaugen stehen im Rande des 

Cephalothorax. Asiatisch. ....7. Jomachus Poc., p. 139. 


l. Gattung Hemiscorpion Pet. 


Ischnurinen mit nur einem unteren Mittelkiel ın 
allen Caudalsegmenten. Sternum mit fast parallelen 
Seitenrändern und tiefer Medianfurche. Scheerenfinger 
mit 2 parallelen Reihen von Körnchen besetzt; daneben 
einige größere Außenkörnchen. ÜGephalothorax vorn aus- 
gerandet; Mittelaugen vor der Mitte des Thorax; Seiten- 
augen deutlich vom Rande entfernt, fast in einer Reihe; 
das letzte etwas kleiner. Endtarsen unterseits mit 2 
Reihen von Borsten besetzt, ohne Dornen. Cauda beim 
Männchen sehr lang, seine Blase nach hinten jederseits 
zu einem stumpfen Buckel ausgezogen (Fig. 40). 

Pocock glaubt diese Gattung in Hinblick auf den einen 
Mittelkiel der Caudalunterseite als Vertreter einer eigenen Subfamilie 
betrachten zu sollen. Da aber die Gattung in allen übrigen Merk- 
malen, so namentlich im Bau der Hände, den Ischnurinen sich 
anschließt, so dürfte sie besser hier untergebracht werden. 

Es ist nur eine Art bekannt, von der mir zwei Originalexemplare 
vorliegen, 


Gatt. Hemiscorpion. 111 


1. Hemiscorpion lepturus Pet. 
1861 Hemiscorpion lepturus Pet. (Berichte Berl. Akad. 1861, p. 511). 
1879 Hemiscorpion lepturus Karsch (Münch. Ent. Mitteil. 1879, p. 15). 

Die Färbung ist hell scherbengelb mit rothbraunen Fingern. 

Der Cephalothorax ist an der Stirn mäßig ausgerandet; 
von hier durchzieht eine feine Medianfurche den niedrigen, vor der 
Mitte gelegenen Augenhügel. Die Fläche ist beim Männchen fem- 
körnig chagrinirt, am Stirnrande eingestochen punktirt, beim Weibchen 
auch auf dem Mittelfelde nur eingestochen punktirt. 

Das Abdomen ist oberseits beim Männchen matt, aber ohne 
deutlich erkennbare Körnelung, beim Weibchen eingestochen punktirt; 
das letzte Segment trägt 4 körnige Cristen, die beim Weibchen fast 
glatt sind. Die Unterseite des Abdomens ist eingestochen punktirt, 
namentlich das letzte, durch 2—4 glatte Kanten ausgezeichnete 
Segment. Beim Weibchen ist die Punktirung nur hier deutlich 
erkennbar. 

Die Cauda besitzt deutlich gekörnte obere Kiele im I.—IV. 
Segment; im V. Segment sind sie schwächer und feinkörniger. Die 
oberen Lateraleristen sind beim Weibchen ebenfalls körnig, beim 
Männchen nur im II. und IV. Segment ein wenig. Die unteren 
Lateralkiele sind ebenfalls in den ersten Segmenten glatt oder nur 
wenig gekörnt, treten aber im IV. und V. etwas deutlicher als Körnchen- 
reihen hervor. Der Mediankiel der Unterseite ist meist glatt und nur 
im letzten oder vorletzten Segment etwas körnig. Die Blase ist beim 
Weibchen von gewöhnlicher Form (Fig. 39), fast glatt, mit kleinem, 
gebogenem Stachel; beim Männchen etwas körnig, äußerst gestreckt, 
wulstförmig und am Hinterrande mit 2 vorspringenden Zipfeln, zwischen 
denen der Stachel nur wenig vorspringt (Fig. 40). 

Der Oberarm besitzt eine flache, von körnigen Cristen begrenzte, 
feinkörnige Oberseite. Die ebenfalls ebene Vorderseite trägt einige 
gröbere, zuweilen zweireihig geordnete Höcker; die Unterseite ist fein- 
körnig und entbehrt des Hinterrandkiels. Der Unterarm besitzt 
oberseits einen gekörnten Vorderkiel; die Vorderseite trägt am Grunde 
einige mäßig große Tuberkeln; die Unterfläche ist ziemlich flach, 
netzig feinkörnig und zeigt am Hinterrande 3 Haargruben. 

Die Hand hat einen deutlichen, fast glatten Fingerkiel und ist 
verhältnißmäßig schmal. Die Innenfläche der Oberhand zeigt die An- 
deutung eines Nebenkiels als schwache Längslinie, ihre Fläche ist fast 
eben, eigenthümlich flachbeulig, mit netzig körniger Begrenzung dieser 
flachen Beulen. Die Außenhand ist mehr grobkörnig und eingestochen 
punktirt, mit Andeutung eines Nebenkiels. Unterhand ebenfalls beulig 


112 Scorpionidae: Ischnurini. 


netzig. Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand bei beiden 
Geschlechtern etwa wie 1:1], der Hinterhand zur Handbreite wie 1: 0,8, 
Absolute Maaße für Finger, Hinterhand und Handbreite: 5, 5 und 4 mm. 

Oberschenkel feinkörnig, Unterschenkel eingestochen punktirt. 
Borsten des Tarsenendgliedes jederseits etwa 6. 

Sternum etwas länger als breit, fast parallelseitig. Kämme 
mit etwa 4 eckigen Mittellamellen, mit 9 Kammzähnen beim Weibchen, 
15—16 beim Männchen. Kammgrund beim Weibchen gerundet, beim 
Männchen rechtwinklig. 

Verhältniß des Truncus zur CGauda beim Weibchen 
21,8:23 mm, beim Männchen 22,5 :44 mm. Cauda sehr schlank 
und dünn. 

Fundort: Mendeli bei Bagdad. 


2. Gattung Cheloetonus Poc. 

Ischnurinen mit 2 unteren Mediankielen im L—IV. 
Caudalsegment. Unterseite der Endtarsen jederseits mit 
Dornen bewehrt. Seitenaugen unterbrechen die Rand- 
kante des Cephalothorax, wie bei Hormurus. Hand ober- 
seits convex, mit schwachem nach vorn gekörntem 
Fingerkiel und starkem Nebenkiel der Außenfläche der 
Oberhand. Oberarm oberseits convex, seine Vorderfläche 
fast verschwindend. 

Von dieser Gattung ist nur eine Art bekannt. 


1. Cheloctonus Jonesii Poc. 
1892 Cheloctonus Jonesii Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] IX, p. 44, Tfl. II B, Fig. 1). 

Da mir Exemplare dieser Art nicht vorgelegen haben, so 
referire ich nur kurz das Wesentliche aus Pocock’s Beschreibung. 

Färbung oliv-pechbraun, Palpen dunkler. Beine und Blase 
rostfarbig. 

Cephalothorax sehr convex, am Stirnrande mäßig aus- 
gerandet, mit niedrigem, wenig vor der Mitte gelegenem Augenhügel. 
Medianfurche denselben durchziehend und hinter ihm verschwindend. 
Fläche schwach gekörnt. 

Rückensegmente des Abdomens dicht feinkörnig. Bauch- 
segmente glatt, fein punktirt, das letzte runzelig, mit Spuren von 4 
feinkörnigen Kielen. 

Cauda oberseits mit tiefer Medianfurche, ihre Ränder gerundet, 
feinkörnig, nicht gekielt. Untere Caudalkiele wohl entwickelt, feinkörnig, 
mit Reihen von Haargrübchen besetzt. V. Caudalsegment oben fast 
eben, das letzte Drittel der Unterseite ungekielt. Blase birnförmig, glatt. 


Gatt. Cheloctonus. 113 


Oberarm oberseits convex, grobkörnig; hintere und untere 
Fläche glatt, vorn stark gekörnt. Unterarm oben und hinten 
etwas runzelig körnig, an der Vorder- und Unterseite glatt, letztere 
mit gekörntem Vorderrandkiel. 

Hand sehr breit und dick, oberseits convex, mit schwachem 
nach vorn in der Körnelung der Hand verschwindendem Fingerkiel. 
Außenfläche der Oberhand gegen die Innenfläche daher nur wenig 
geneigt, aber mit starkem Nebenkiel (wie bei Jurus oder Urodacus), 
gegen die Unterhand nicht durch einen deutlichen Kiel abgesetzt. 
Innenfläche der Oberhand auf der Mitte netzig runzelig, an den Seiten 
mehr körnig. Innere Anßenfläche feinkörnig, äußere glatt. Beweglicher 
Finger beim Männchen am Grunde mit Lobus, sein Verhältniß zur 
Länge der Hinterhand wie 9,5:8. Das Verhältniß der Länge der 
Hinterhand zur Handbreite wie 8 : 9,2. 

Oberschenkel außen fein gekörnt. 

Kämme kurz, mit 6—7 Zähnen besetzt. 

Verhältniß des Truncus zur Cauda wie 40:35 mm. 

Bisher ist nur ein männliches Exemplar vom Murchison Range 
in Transvaal bekannt (Britisches Museum). 


3. Gatt. Hadogenes’) n. g. 
(= Ischnufus Thor.) 

Ischnurinen mit paarigen unteren Caudalkielen und 
Seitenaugen, die deutlich oberhalb des Randes stehen 
(letzterer als scharfe Leiste unter ihnen hinziehend). End- 
tarsen an der Unterseite mit einigen starken Dornen 
besetzt, deren letzter endständig ist. Cephalothorax vorn 
schwach ausgerandet. Körper ungemein platt, mitlanger, 
seitlich zusammengedrückter Cauda. II. Caudalglied am 
Ende etwa doppelt so hoch als breit (Fig. 41). Alle Caudal- 
glieder oberseits mit deutlichen, gekörnten Mittelcristen, 
welche eine sehr schmale, rinnenartige Längsfurche 
begrenzen. Unterarm am Grunde der Vorderfläche mit 
sehr starkem, oft zweizinkigem Höcker, Unterseite nahe 
dem Hinterrande mit einer an der Basis dreireihigen, am 
Ende einreihigen Längslinie kleiner Haargrübchen besetzt 
(nach dem Trocknen sichtbar). Aeußere Oberhandfläche 
mit der inneren Oberhandfläche einen rechten Winkel 


I) Wegen der unterirdischen Lebensweise. 


114 Scorpionidae: Ischnurmi. 


bildend, erstere daher in der Öberaufsicht nicht sichtbar. 
Außenhand und Finger stark borstig behaart. Endzinken 
der Oberkiefer parallel. Kammzähne zahlreich (13—23). 

Der Name „Ischnurus“, welcher bisher den hierher gehörigen 
Formen gegeben wurde, muß für den Koch’schen Typus der 
Gattung, den Ischnurus ochropus Koch (Arachn. IV, p. 69), 
reservirt bleiben, woraus sich die Nothwendigkeit eines neuen Gattungs- 
namens für die hier zu besprechenden Arten ergiebt. 

Bei der erst spät (1874) erfolgten Zerlegung der ursprünglichen 
Gattung Ischnurus und bei der bis vor kurzem recht schwierigen 
Unterscheidung der drei Genera Ischnurus, Hormurus und Opisthacanthus 
kann es uns nicht Wunder nehmen, wenn in Bezug auf die Unter- 
bringung der Arten in die einzelnen Gattungen eine ziemlich weit- 
gehende Verwirrung zu Tage tritt. Als Formen, welche unzweifelhaft 
unserer Gattung Hadogenes (= Ischnurus Thor.) angehören, sind zu 
nennen: Ischnurus trichiurus Gerv., J. melampus C. L. Koch, J. 
troglodytes Pet., J. taeniurus und peetinator Thor. und J. tityrus Sim. 

C. L. Koch und Gervais haben ihre Art gleichzeitig und 
unabhängig von einander beschrieben; ihre Beschreibungen enthalten 
nichts, was auf eme Verschiedenheit der von ihnen untersuchten 
Individuen hindeutete. Peters glaubt seinen J. troglodytes durch 
die bedeutendere Größe des Stirndreieks und die „fast glatte Unterseite 
der Ober- und Unterschenkel“ vom J. melampus Koch unterscheiden 
zu können. Ersteres Merkmal ist so variabel, daß es nicht ins Gewicht 
fällt; in Bezug auf den zweiten Punkt aber kann ich an dem Peters’schen 
Originalexemplar selbst constatiren, daß zunächst die Oberschenkel aller 
Beine zwei sehr stark entwickelte Körnchenreihen auf der Schneide 
der Unterseite tragen, während von den Unterschenkeln wenigstens die 
vorderen nach dem Ende zu ebenfalls gekörnt oder gezähnt sind. 
Es liegt daher kein Grund vor, J. troglodytes und J. trichiurus für 
zwei verschiedene Arten zu halten; andererseits hat nun auch der 
Irrthum Peters’, der übrigens vielleicht durch die individuelle 
Abweichung eines andern, mir nicht vorliegenden Exemplares hervor- 
gerufen wurde '), hat nun des Ferneren auch Thorell dazu geführt, 
seinen J. taeniurus für eine vom J. troglodytes Pet. verschiedene 
Art zu halten. Er giebt außer der bei seinem Exemplar auftretenden 
Körnelung der Schenkelschneide als weiteres Merkmal noch die 
geringere Zahl der Kammzähne (15 gegen 18—20 bei J. troglodytes) 


I) Die Körnelung der Unterkanten bei Ober- und Unterschenkel erweist sich 
bei allen Arten, wo sie auftritt (z.B. Bothriuriden) so variabel, daß sie zur 
Artunterscheidung absolut nicht verwerthet werden kann. 


Gatt. Hadogenes. 115 


an, doch fällt dieser Umstand um so weniger ins Gewicht, als mir 
Exemplare sowohl mit 16, 16, wie mit 17, 17 Kammzähnen vorliegen. 
Eine sorgfältige Vergleichung des Thorell’schen Originalexemplars mit 
dem von Peters ließ zudem nicht die geringsten weiteren, als Art- 
merkmale verwerthbaren Unterschiede erkennen. Ebenso wenig durch- 
schlagend sind die Gründe, welche Thorell zur Abtrennung seines 
J. taeniurus von J. melampus Koch und J. trichiurus Gerv. vorbringt. 
Der Lobus des beweglichen Fingers ist bald vorhanden, bald fehlt er; 
die Färbung varürt, wie bei allen Scorpionen, vom hellen Scherbengelb 
bis zum dunklen Braun; ebenso ist das Verhältniß des beweglichen 
Fingers zur Hinterhand ein wechselndes. Der J. pecetinator Thor. 
endlich ist augenscheinlich ein sehr unreifes Männchen, bei dem der 
Fingerlobus noch nicht entwickelt ist, die charakteristische Körnelung 


des Abdomens aber — im Gegensatz zu den glatten, glänzenden 
Flächen der Weibchen — schon deutlich hervortritt. 


Aus dem Vorgesagten glaube ich folgern zu dürfen, daß in 
der That, abgesehen vom J. tityrus Sim., über den ich ein 
abschließendes Urtheil nicht auszusprechen wage, und den ich daher 
anhangsweise kurz gesondert bespreche, bis jetzt nur erst eine Art 
der Gattung aufgefunden ist, für welche ich den Gervais’schen Namen 
trichiurus — er ist, wie gesagt, gleichaltrig mit dem Koch’schen Namen . 
J. melampus — als den charakteristischeren vorziehe. 


1. H. trichiurus (Gerv.) 
1843 Sc. trichiurus Gerv. (Arch. d. Mus. III av. fig.) 
1843 Ischnurus melampus C. L. Koch (Arachn. X., p. 1, Fig. 756). 
1861 Ischn. troglodytes Pet. (Monatsber. Berl. Akad. 1861, p. 513). 
1877 Ischn. taeniurus Thor. (Atti soc. ital. XIX, p. 254). 
1877 Ischn. pectinator Thor. juv. (ibid., p. 258). 

Die Färbung des Cephalothorax ist in der Regel dunkel 
rothbraun, nach hinten, in der Mittellinie und auf den Seiten oft in 
Scherbengelb übergehend. Die Oberseite des Abdomens ist meist 
ledergelb bis lederbraun, mit stärker gefärbter Kielgegend, seltener 
mehr dunkelbraun. Die Cauda ist braunroth bis braunschwarz; ebenso 
die Arme und Hände. Die Blase ist etwas heller; die Beine sind 
lehmgelb bis lederbraun. Unterseite ziemlich der Oberseite entsprechend. 


Der Cephalothorax ist fast völlig flach, gleich dem Abdomen. 

Der Stirnrand erscheint fast gerade abgestutzt. Das in der Mitte 

des Randes auftretende Dreieck von sehr verschiedener Größe, bald 

etwas vorspringend, bald etwas hinter die Stirnlmie zurücktretend 

oder mit ihr in gleicher Höhe abschneidend. Mittelfurche den Augen- 
ie 


116 Scorpionidae: Ischnurini. 


hügel durchziehend, hinter demselben oft gabelspaltig und ein nach 
der Mitte zu mit geneigten Flächen versehenes Dreieck umgrenzend. 
Fläche des Thorax dicht feinkörnig in beiden Geschlechtern. Hinter 
den Seitenaugen je eine glatte, flache Beule. 

Obere Abdominalsegmente in der Mitte mit breitem, vorn 
jederseits von breiten, flachen Gruben flankirtem Mittelkiel. Außerdem 
in der Vorderhälfte aller Segmente eigenthümliche beulenförmige 
Grübchen. Fläche der Segmente sonst beim Männchen dicht fein- 
körnig, beim Weibchen glatt, aber zerstreut fein punktirt. 

Cauda vom ll. Segment an stark seitlich zusammengedrückt 
(Fig. 41), beim Männchen zuweilen mehr als doppelt so lang, wie 
der Truncus. I. Caudalsegment oben ungekielt, mit flacher, breiter 
Mittelfurche. II.—V. Segment oben mit mehr oder weniger deutlich 
gekörnten Kielen; diese einander sehr genähert und eine nur ganz 
schmale Rinnenfurche zwischen sich lassend. Endzahn der Cristen 
im II.—IV., zuweilen auch im V. etwas stärker entwickelt, als die 
übrigen Cristenzähnchen. Unterseite der Cauda mit wulstförmigen, 
gekörnten oder fast glatten und dann mit groben eingestochenen 
Punkten besetzten Längskielen, zwischen denen die Flächen z. Th. 
als tiefe Furchen erscheinen. Körnelung der Cristen nach dem Ende 
zu meist deutlicher, im V. Segment geradezu dornspitzig. Blase dicht 
körnig oder nur an der Unterseite feinkörnig oder fast völlig glatt und 
dann mit vielen Haargrübchen besetzt. 

Oberarm vorn und oben von körnigen Cristen begrenzt; obere 
Fläche muldenförmig eingesunken, gleich der Unterfläche dicht feinkörnig. 
Unterarm mit gewaltigem, gezacktem und zweispitzigem Grundhöcker 
an der Vorderfläche. Obere Fläche gleich der unteren dicht femkörnig. 
Am Hinterrande der Unterfläche zahlreiche Haargrübchen, die am 
Grunde in 3, am Ende in einer Reihe stehen. 

Hand gestreckt, mit wenig gewölbter, feinkörniger innerer 
Oberfläche. Aeußere Oberhandfläche rechtwinklich zur inneren, in der 
Oberaufsicht daher nicht sichtbar, stark beborstet. Aeußere Handunter- 
fläche fast glatt, dicht feinkörnig oder runzelig körnig, am Außenrande 
dicht mit 2 Reihen zierlicher Haargrübchen besetzt. Auch die Fläche 
mit 2 Reihen kurzer Haarborsten. 

Beweglicher Finger bei beiden Geschlechtern mit oder ohne 
Lobus und entsprechendem Ausschnitt des unbeweglichen Fingers. 
Der Grund des Fehlens oder Auftretens des Lobus konnte von mir 
nicht festgestellt werden. Ein Altersmerkmal allein scheint der Lobus 
nicht zu sein, da z. B. ein 131 mm langes Männchen ihn besaß, ein 
153 mm langes hingegen nicht. Ebenso zeigen sich die Verhältnisse 


Gatt. Hadogenes. 117 


beim Weibchen. Das Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand 
schwankt zwischen 1:1 (juv.) und 1:1,3; dasjenige der Hinterhand 
zur Breite der Hand zwischen 1:0,52 und 1:0,68, wobei ein durch- 
greifender Unterschied zwischen Männchen und Weibchen nicht zu 
erkennen war. Die größten absoluten Maaße für Finger, Hinterhand 
und Handbreite betrugen: 17,5, 20 und 11,2 mm. 

Von den Beinen sind die Oberschenkel auf der unteren 
Schneide stets mit 2 körnigen Cristen besetzt. Die stark beborstete 
Schneide der Schienbeine läßt meist nur eine unregelmäßige Körnelung 
am Ende und dies auch vornehmlich nur an den ersten Beinpaaren 
erkennen. Die Außenflächen der Schenkel und Schienbeine sind dicht 
feinkörnig. Die Endtarsen tragen unterseits je 3 sehr starke, kurze 
Dornen, deren letzter endständig ist. Das vorletzte Tarsenglied trägt 
innenseits kurz vor dem Ende je 4—5 kurze, aber starke Dornen. 

Die Zahl der Kammzähne schwankte bei 6 Weibchen zwischen 
14 und 19, und zwar fand ich zweimal 14, 14, einmal 15, 15, einmal 
16, 16, einmal 17, 17 und einmal 19, 19 Zähne. Bei 3 Männchen variirte 
die Kammzahl zwischen 17 und 23, und zwar fand ich einmal 17, 19, 
einmal 20,21 und einmal 22,23 Zähne. Nehmen wir die von Koch 
gefundene Zahl 13 hinzu, so ergiebt sich eine Gesamtvariation von 
13—23 Kammzähnen. Als Männchen habe ich hierbei alle diejenigen 
Exemplare in Anspruch genommen, bei welchen der Winkel des 
Kammgrundes ein Rechter, welche ein feinkörniges Abdomen und 
einen verhältnißmäßig langen Schwanz besitzen, während die Weibchen 
durch einen stumpfen Winkel des Kammgrundes, glatte, punktirfe 
Abdominaloberfläche und kürzeren Schwanz ausgezeichnet sind. Daß 
der vorspringende Fingerlobus bei Männchen und Weibchen gleicher 
Weise auftreten kann, wurde schon oben hervorgehoben. 

Das Verhältniß des Truncus zur Cauda varüirte bei den von mir 
untersuchten Weibchen zwischen 1:0,9 bis 1:1,2, bei den Männchen 
zwischen 1:1,4 und 1:2. In diesem letzteren Falle betrug die absolute 
Länge der Cauda nicht weniger als 115 mm gegenüber einer Truncus- 
‚länge von nur 57,5 mm. Das größte Weibchen maaß in toto 132 mm, 
wovon 70 auf den Truncus, 62 auf die Cauda entfielen. 

Die Heimath des H. trichiurus ist ganz ausschließlich das 
südliche Afrika, vom Capland nördlich bis etwa zum 15. Breiten- 
grade. Als nördlichsten Fundpunkt im Osten kennen wir Tette am 
Zambesi, wo Peters sammelte, als nördlichsten im Westen Otjimbingue 
im Damaraland; doch ist er daneben auch in fast allen südlicheren 
Gebietstheilen (Namaqualand, Transvaal, Caftraria) nachgewiesen. 


118 Scorpionidae: Ischnurini. 


Als Anhang sei noch kurz des Hadogenes (Ischnurus) tityrus 
Sim. (Ann. Soc. ent. France [6] VH., p. 383) erwähnt, von dem es 
immerhin möglich wäre, daß er eine eigene Art darstellt. Als 
wesentlichste Unterschiede von der vorstehenden Art werden aufgeführt: 
1) Cauda auffallend kurz, nur 23,6 mm gegen 37 mm des Truncus 
(Verhältniß von Truneus zur Cauda daher kaum 1:0,7); 2) Zahl 
der Kammzähne nur 9—10; 3) Beweglicher Finger kürzer als die 
Hinterhand; 4) Cauda unterseits nur im U. und IV. Segment grob 
gekörnt, in den übrigen Segmenten glatt und nur obsolet gefurcht. 
Es handelt sich jedenfalls um en Weibchen (Simon glaubte — wohl 
des Fingerlobus wegen — ein Männchen vor sich zu haben), dessen 
Merkmale sich allenfalls der oben geschilderten Variationsweite der 
Hauptform anschließen ließen, immerhin aber eine erhebliche Erweiterung 
derselben bedeuten würden. Fundort: Südafrika. 


4. Gatt. Opisthacanthus Pet. 

Ischnurinen mit 3 Seitenaugen jederseits, die fast 
in einer geraden Linie (letztes ein wenig zurück) oberhalb 
des Randes stehen. Endtarsen an der Unterseite mit 
deutlichen, aber meist nicht sehr starken Dornen besetzt 
(Fig. 45), deren letzter, endständiger oft borstenförmig 
entwickelt ist oder ganz fehlt. Auch das vorletzte Tarsen- 
glied, außer dem Gehstachel am Ende, innen seitlich mit 
einigen zarteren Dornen besetzt. Cephalothorax vorn 
stark oder schwach ausgerandet (Fig. 49—52). Körper nicht 
auffallend platt. Cauda nur wenig seitlich zusammen- 
gedrückt, meist fast so breit wie hoch im II. Caudalsegment. 
Caudalglieder oberseits meist ohne deutliche Körnchen- 
cristen in den ersten Segmenten, nur im IV. oft deutliche 
Zähnchen. Furche breit oder rinnenförmig, und dann von 
gerundeten Cristen begrenzt. Unterarm am Grunde der 
Vorderseite meist mit mäßigem oder schwachem Höcker. 
Am Hinterrande der Unterseite nur ganz einzelne Haar- 
grübchen (meist 3 im Ganzen). Aeußere Handoberfläche 
mit derinneren meist einen stumpfen, selten einen rechten, 
Winkel bildend: Außenfläche daher in der Oberaufsicht 
meist sichtbar. Außenhand nicht auffallend dichtborstie. 
Endzinken der Oberkiefer parallel. Kammzähne 5—14. 

Die Gattung Opisthacanthus ist von Peters im Jahre 1861 
(Sitzungsber. Berl. Akad. 1861, p. 511) aufgestellt und vornehmlich 
durch die abgerundeten, nicht zweischneidig zusammengedrückten 


Gatt. Opisthacanthus. 119 


Schwanzglieder charaktenisirt. Nach Karsch’ Mittheilung (Mitt. 
Münch. Ent. Ver. 1879, p. 14) werden wir auch den Dacurus galbineus 
Pet. (ibid., p. 511) hierher zu rechnen haben. Die Gattung umfaßt, 
wenn wir den Ischnurus asper Pet. hier emreihen, nach meimen 
Untersuchungen zur Zeit die 5 Arten: O. elatus Gerv., Lecomtei 
Luc.. africanus Sim., asper Pet. und validus Thor., denen ich 
als 6. Art eine neue Form von Madagaskar beizufügen habe. Der 
Versuch Pococks, die Gattung noch weiter in 2 Genera zu zerfällen, 


deren eines — Opisthacanthus s. str. — nur die amerikanische 
Art O. elatus, deren anderes — Opisthocentrus — die gesammten 


afrikanischen Formen umfaßt, kann als ein glücklicher nicht angesehen 
werden, da sämmtliche für Opisthacanthus als charakteristisch auf- 
geführte Merkmale entweder auch bei einzelnen Opisthocentrusarten 
auftreten. (Tiefe des Stirnausschnittes, Genitalopereulum schmaler als 
das Sternum, Verhältniß von Länge zur Breite des Genitaloperculums etc.) 
oder völlig unwesentlich sind. Der einzig greifbare Unterschied liegt 
in der verschiedenen Bildung der Hand, doch kann auch dieses 

Merkmal als von generischem Werthe nicht wohl gelten, da beispiels- 

weise bei der Gatt. Chaerilus (variegatus und truncatus) fast genau 

die gleiche Verschiedenheit der Hand lediglich als Artmerkmal ver- 
werthet wird. 

Die Unterschiede der obigen 6 Arten sind in folgender Bestimmungs- 
tabelle übersichtlich zusammengestellt. 

A. Die Außenrandkante des unbeweglichen Fingers setzt sich als 
mehr oder weniger deutlicher Kiel schembar auf der Oberfläche 
des Handballens nahe dessen Randkante bis zum Grund der 
Hand fort (Fig. 45). Ein Theil der Unterhandfläche ist also 
mit der Innenfläche der Oberhand in eine Ebene gerückt. 
Cephalothorax dicht feinkörnig, nicht eingestochen punktirt. 
Genitaloperculum schmäler als das Sternum, mindestens so lang 
als breit. Stirnausrandung tief (Fig 49). Kammzähne 4—14. 
Neuweltliche ee den. eozelätus (Gerv.)ep: 120: 

B. Die Außenrandkante des unbeweglichen Fingers geht in den 
Innenrand des Handballens selbst über, bildet also keinen Kiel 
auf dessen Oberfläche nahe dem Rande (Fig. 44). Genitalopereulum 
meist breiter als das Sternum, meist länger als breit. Stirnaus- 
randung tief oder seicht (Fig. 50—52). Altweltlich. 

a. Cauda glatt und glänzend. Untere Caudalkiele wenigstens im 
I.—-III. Segment völlig fehlend, Unterfläche daher gerundet. 
Randwulste der dorsalen Rinnenfurche im I. und 11. Segment 
meist glatt und ungekörnt. 


h. 


? 1805 


1844 
1861 
1861 
1877 


Scorpionidae: Ischnurini. 


«. Abdomen oberseits fast glatt, nicht nadelstich punktirt. 
Ebenso die Cauda und die Außenfläche der Unterhand ohne 
eingestochene Punkte. Stirnausrandung tief (Fig. 50). Blase 
glatt. Kammzähne 9—13. .. 2. 0. Lecomtei (Luc.), p. 122. 

ß. Abdomen oberseits dicht nadelstichig; ebenso die Cauda 
unterseits und die Außenfläche der Unterhand. Stirnaus- 
randung seicht. Blase meist mit 2 Reihen von Stachel- 
körnchen. Kammzähne 5—”7. ...O. africanus Sim., p. 123. 

Cauda matt und rauh. Untere Caudalkiele sämmtlich deutlich 

entwickelt und durch tiefe Rinnenfurchen von einander getrennt 

(gleich eimer canellirten Säule). Randwulste der dorsalen 

Längsrinne in den vorderen Segmenten feinkörnig. 

«. Stirnrand tief ausgeschnitten, mit deutlichem Stirndreieck 
(Fig. 51). Zahl der Dornen längs der Unterseite des Endtarsus 
jederseits 2. Unterseite des Oberarms dicht feinkörnig. 
Außenfläche der Oberhand gegen die Innenfläche im rechten 
Winkel geneigt. Hand schmal, fast parallelseitig (Hinterhand: 
Handbreite = 1:0,05 bis 1: 0,68; Fig. 44). Blase glatt. 
Kammzähne 7—9. 4.O.madagascariensis.n.sp., p. 125. 


ß. Stirmrand seicht ausgerandet; Stirndreieck fehlt oder sehr 


schmal (Fig. 52). Zahl der Dornen längs der Unterseite des 

Endtarsus außen 3—4, innen 4—5 (Fig. 45). Unterseite 

des Oberarmes fast glatt, fein nadelstichig. Außenfläche der 

Oberhand gegen die Innenfläche im stumpfen Winkel geneigt. 

Hand breiter (Hinterhand : Handbreite = 1:0,8 bis 1:1). 

Blase glatt oder bedornt. Kammzähne 5—10. 

1. Kammzähne 8—10. IV. Caudalsegment oberseits mit 
deutlicher Dornencriste. Oberschenkel außenseits nur 
eingestochen punktirt, nicht gekörnt. 

5. O..asper Pet, p. 126. 

2. Kammzähne 5—7. IV. Caudalsegment oberseits nur fein- 
körnig, nicht mit deutlicher Dornencriste. Oberschenkel 
außenseits dicht gekörnt, Unterschenkel grob eingestochen 
punktirb ey 2 0 2 6. O. validus Thor., p. 128. 


1. Opisthacanthus elatus (Gerv.) 


Scorpio lepturus Pal. de Beauv. Ins. rec. en Afr. et Amer., p. 191, 
Apt. pl. V., Fig. 4 (teste Pocock). 

Scorpio elatus Gerv. (Ins. Apt. III., p. 69). 

Opisthacanthus elatus Pet. (Sitz. Ber. Berl. Acad. 1861, p. 511). 

Dacurus galbineus Pet. (ibid. p. 511). 

Opisthacanthus Kinbergii Thor. (Atti. Soe. ital. XIX., p. 246). 


Gatt. Opisthacanthus. 121 


Schon Karsch (Münch. ent. Mitth. 1879., p. 14) hat darauf 
hingewiesen, daß O. Kinbergii Thor. mit O. elatus Gerv. identisch ist, 
und daß Dacurus galbineus Pet. zu dessen Var. laevicauda zu 
ziehen sei. 

Die Farbe der Oberseite des Thieres ist braun, die des 
Ahbdomens oft heller, bis lehmgelb. Beine und Blase sind lederbraun. 


Der vorn tief ausgeschnittene Cephalothorax (Fig. 49) ist 
durchaus grobkörnig, auch auf den Stirnloben und den Hinterecken. 
Ebenso das Abdomen, bei dem selbst die Mittelkiele mit feinen 
Körnchen besetzt sind. Medianfurche hinten in eine triangelförmige 
Grube sich erweiternd. 

Cauda oben mit schmaler, seichter Furche, ihre Ränder gerundet, 
glänzend und meist glatt. Kiele unterseits in den ersten Segmenten völlig 
glatt, mit einigen groben eingestochenen Punkten, im II. und IV. 
Segment etwas höckerig, im V. fast dornige Kiele. Blase glatt und 
glänzend. 

Oberarm oben zerstreut feinkörnig, unterseits glatt und glänzend. 
Unterarm an der Vorderfläche mit grobem, gezacktem Höcker. Ober- 
fläche dicht grobkörnig. Unterfläche seicht netzig - runzelig, sonst 
glatt und nicht eingestochen punktirt. 

Hand oberseits grobkörnig, nahe dem Innenrande von einem, 
den scharfen Außenrand des unbeweglichen Fingers fortsetzenden, 
geraden Kiel durchzogen (Fig. 43). Der eigentliche „Nebenkiel” der 
Innenfläche der Oberhand kaum angedeutet. Handunterseite glatt 
oder körnig. Beweglicher Finger beim Weibchen ohne eigentlichen Lobus, 
Grundzahn aber spitzzackig; beim Männchen ein deutlicher stumpfer 
Lobus.. Das Verhältniß vom beweglichen Finger zur Hinterhand 
schwankt zwischen 1:0,94 und 1:1; letzteres Verhältniß ist das 
gewöhnliche. Größte absolute Länge des Fingers 15,8, der Hinterhand 
14,5 mm. Verhältniß der Hinterhand zur Handbreite gleich 1: 0,66 bis 
1:0,8. Größte Handbreite 11 mm. 


Schenkel und Schienbeine zerstreut feinkörnig, nicht 
punktirt. Endtarsen unterseits außen mit 2, innen mit 5 (oder 4) 
Dornen besetzt. Die Endecke trägt eine feine Borste. Auf der 
Schneide zwischen den Dornen meist keine Mittelreihe feinster 
Dörnchen. Vorletztes Tarsenglied mit 2—3 Dornen innenseits am Ende. 


Die Zahl der Kammzähne varürt von 4—14, und zwar fand 
ich bei 13 Exemplaren einmal 4, 4, einmal 6, 7, einmal 7, 7, einmal 
7,8, einmal 8, 10, fünfmal 11, 11, einmal 11, 12, einmal 12, 13 und 
einmal 14, 14 Zähne. Die 2 Männchen hatten 11, 11 und 14, 14 


122 | Seorpionidae: Ischnurini. 


Kammzähne. Bei diesen ist der Kammgrundwinkel scharf rechtwinklig, 
während bei den Weibchen der Hinterrand eime mehr gebogene 
Limie zeigt. 

Das Verhältniß des Truncus zur Cauda varıürt zwischen 
1:0,68 und 1:1,03, wobei im Allgememen den Männchen die 
längere Cauda zukommt. Das größte Exemplar (Weibchen) maaß 
85 mm, wovon 47 auf den Truncus, 38 auf die Cauda entfielen. 


Die Heimath des ©. elatus ist merkwürdiger Weise — die 
einzige Ausnahme der ganzen Unterfamilie — Amerika und zwar, 


wie es scheint, vornehmlich Centralamerika. Als Fundorte sind 
mir bekannt geworden: Haiti unter den großen Antillen, St. Joseph 
von den Inseln unter dem Winde. Auf dem Festlande sind zu nennen 
Columbia (z. B. Baranquilla), Panamakanal und vielleicht auch 
Mexico. In der alten Welt ist diese Art noch nicht beobachtet, so 
daß an eine Verschleppung nach Amerika in historischen Zeiten nicht 
gedacht werden kann. 


2. Opisthacanthus Lecomtei (Luc.) 


1858 Ischnurus Lecomtei Luc. (Thomson’s Arch. f. Entom., Il., p. 428). 
1836 Opisthacanthus duodeeim-dentatus Ksch. (Berl. ent. Zeitschr. XXX., p. 79). 
1893 Opisthocentrus Lecomtei Pocock (Ann. Mag. [6) XI., p. 318). 


In der Synonymie folge ich den Ausführungen Pococks 
(Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XH., p. 317—18). 

Färbung wie bei der vorigen Art, doch meist etwas 
dunkler; Hände oft grünlich braun. Der vorn tief ausgeschnittene 
Cephalothorax (Fig. 50) ist auf den Stirnloben und in den Hinter- 
ecken glatt und glänzend; nur die Mittelfläche zeigt feine Körnelung. 
Abdominalringe oberseits ebenfalls glatt und glänzend, nur an 
den Hinterrändern ein wenig körnig. 

Cauda oben mit breiter, seichter Furche, ihre Ränder gerundet, 
glänzend und fast glatt, nur im II., IV. und V. Segment etwas 
höckerig. Mittelkiele unterseits fast völlig obsolet, Segmente daher 
gerundet; im Ill, IV. und namentlich im V. einige Höcker als An- 
deutung der Median- und unteren Lateralkiele. Blase glatt 
und glänzend. 

Oberarm oben ziemlich dichtkörnig, unten etwas körnig. 
Unterarm an der Vorderfläche mit schwachem Grundhöcker, oben 
zackig höckerig, namentlich an der Vorderkante, unterseits flach, 
netzig-runzelig, glänzend. 

Oberhand netzig höckerig retikulirt; Innenfläche der Ober- 
hand etwas gewölbt, mit Andeutung eines stumpfen Nebenkiels längs 


Gatt. Opisthacanthus. 123 


der Mitte der Innenfläche. Außenfläche der Oberhand ziemlich grob- 
körnig; in ihrer Mittellinie eine durch gröbere Buckel markirte Vor- 
wölbung. Außenfläche der Handunterseite flachgrubig, glatt oder etwas 
körnig, oft durch eine Schrägreihe dorniger Körnchen von der Innen- 
fläche abgegrenzt. Beweglicher Finger wie bei der vorigen Art, beim 
Weibchen wohl mit spitzzackigem Grundzahn, aber ohne eigentlichen 
Lobus, der beim Männchen etwas oberhalb des Grundes auftritt. Das 
Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand schwankt zwischen 
1:0,94 und 1: 1,2. Größte absolute Länge des beweglichen Fingers 
11,2, der Hinterhand 12,2 mm. Verhältniß von Hinterhand zur 
Handbreite gleich 1: 0,65 bis 1:0,79. Größte absolute Breite der 
Hand 9 mm. Im Wesentlichen entsprechen also die Dimensionen der 
Handtheile denen des O. elatus. 


Schenkel und Schienbeine glänzend; erstere ziemlich dicht 
körnig, letztere mehr beulig grubig, nicht punktirt. Endtarsen unter- 
seits außen mit einem, innen mit 2 sehr kleinen Dornen, an der End- 
ecke keiner. Auf der Schneide zwischen den Dornen nach dem 
Grunde zu eine gerade Mittelreihe kurzer, aber gebräunter und ziemlich 
starker Dörnchen. Vorletztes Tarsenglied imnenseits am Ende mit 
2—3 kleinen Dornen. 

Die Zahl der Kammzähne varürte bei 11 Exemplaren 
zwischen 9 und 13 Zähnen, und zwar fand ich dreimal 9, 10, dreimal 
10, 10, einmal 11, 11, zweimal 11, 12, einmal 12, 12, und einmal 
13, 13 Kammzähne. Wie bei der vorigen Art, so ist auch hier der Kamm- 
grundwinkel des Männchens ein von geraden Linien begrenzter Rechter. 


Das Verhältniß von Truncus zur Cauda varırt zwischen 
1:0,63 und 1: 0,98 (Männchen). Das größte Exemplar (Weibchen) 
zeigte ein Verhältniß von Truncus zur Cauda —= 45:36, also eine 
(Gresammtlänge von Sl mm. 

Als Heimath des O. Lecomtei kennen wir das aequatoriale 
Westafrika von Kamerun bis zum Gaboonfluss. Wahrscheinlich 
geht er aber noch weiter nach Süden. 


3. Opisthacanthus afrieanus Sim. 


1876 Opisthacanthus africanus Sim. (Bull. Soe. Zool. France I, p. 221). 
1879 O0. septemdentatus Karsch (Z. f. d. ges. Natw. 1879, p. 372 und Berlin. 
Ent. Z. XXX, p. 79 (1886). 
1893 Opisthocentrus africanus Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XII, p. 317). 
Auch hier folge ich in Bezug auf die Synonymie den über- 
zeugenden Ausführungen Pococks. 


124 Scorpionidae: Ischnurini. 


Die Färbung weicht nicht von der der übrigen Arten ab. 
Die Finger sind oft auffallend dunkelgrün, die Handoberfläche röthlich, 
Beine und Blase lehmgelb. Das Abdomen ist häufig schmutzig 
srünlich scherbengelb. 

Der vorn nur schwach ausgerandete Cephalotorax ist der 
Hauptsache nach dicht feinkörnig, läßt aber dazwischen, namentlich 
auf den Stirnloben, die eingestochene Punktirung erkennen. Stirnbeulen 
und hintere Depression ungekörnt, wie bei der vorigen Art. Abdomen 
glänzend, über und über dicht feinkörnig, auf den Flächen der Segmente 
jederseits außerdem gröbere Beulengruppen. Unterseite ebenfalls dicht 
eingestochen punktirt. 

Cauda glatt und glänzend, oben mit ziemlich breiter Rinnen- 
furche, deren Ränder gerundet sind und auf der Firste nur einige 
körnige Buckel tragen, die aber selbst im IV. Segment nicht zu einem 
deutlichen Kiel sich ausbilden... Unterseits im 1. — IV. Segment 
Kiele fast völlig obsolet, nur durch schwache, mit gereihten Haar- 
grübchen versehene Kanten angedeutet. Im V. Segment die schwachen 
Kiele mit Dornenreihen besetzt. Unterseite, glatte Seiten und die Rinne 
der Oberseite dicht eingestochen punktirt. Blase unterseits mit 
2 Reihen stachelartiger Höckerchen, seitlich dicht punktirt. 

Oberarm zerstreut feinkörnig und nadelstichig punktirt; unter- 
seits fast nur nadelstichig. Unterarm mit schwachem Grundhöcker 
an der Vorderfläche, oben beulig-netzig, das Netzwerk punktirt; Hinter- 
fläche kaum körnig; Unterfläche glatt, etwas beulig, punktirt, mit bis zum 
Ende verlaufendem Hinterrand. An seiner Grundhälfte 3 Haargrübchen. 

Handoberfläche flachgrubig netzig, z. Th. glatt, ohne Neben- 
kiel, das Netzwerk punktirt. Außenfläche der Oberhand mäßig körnig, 
mit der Innenfläche der Oberhand einen stumpfen Winkel bildend. 
Beweglicher Finger beim Weibchen ohne, beim Männchen mit mäßigem 
Lobus. Das Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand 
schwankt zwischen 1: 0,93 und 1:1,06; das gewöhnliche ist 1:1. 
Größte absolute Länge des Fingers 10, der Hinterhand 9,5 mm. 
Verhältniß der Hinterhand zur Handbreite gleich 1: 0,8 bis 1: 0,9. 
Größte absolute Handbreite 8,5 mm. 

Die Oberschenkel sind gleich den Schienbeinen dicht ein- 
gestochen punktirt, nicht körnig. Endtarsen unterseits außen mit 2, 
innen mit 3 Dornen, abgesehen von je einem winzigen Endeckdorn. 
Von einer medianen Dörnchencriste am Grunde kaum eine schwache Spur. 

Die Zahl der Kammzähne schwankte bei 22 Exemplaren 
zwischen 5 und 7, und zwar fand ich einmal 5, 5, viermal 5, 6, neunmal 
6, 6, siebenmal 6, 7 und einmal 7, 7 Zähne. 


Gatt. Opisthacanthus. 125 


Das Verhältniß des Truncus zur Cauda varirt zwischen 
1: 0,62 und 1: 1,05; die längere Cauda findet sich bei den männlichen 
Exemplaren. Die größte absolute Länge des Körpers betrug 73 mm 
(Truncus : Cauda = 45 : 28). 

Die Heimath des O. afrıcanus ist augenscheinlich ein großer 
Theil Africa’s. An der Westküste sind Fundorte bekannt von den 
Bananainseln an der Sierra Leone bis südlich zum Congo und 
im Innern bis zu den Stanley Falls. Im Osten ist er beobachtet 
am Zambesi und bei Port Natal. Ein Exemplar aus dem Straß- 
burger Museum trägt sogar die Etikette „Aegypten“. 


4. Opisthacanthus madagascariensis n. sp. 


Von dieser Art haben mir ein Exemplar des Berliner und zwei 
Exemplare des Lübecker Museums zur Verfügung gestanden. 

Die Färbung entspricht im Allgemeinen derjenigen der übrigen 
Arten. Truncus, Cauda, Arme, Hände sind tief braun, letztere mit 
röthlichem Anflug; die Beine lederbraun, die Blase lehmgelb. 

Der am Vorderrande ziemlich tief ausgeschnitteneCephalothorax 
(Fig. 51) ist um den Augenhügel herum feinkörnig, auf der übrigen 
Fläche ebenfalls feinkörnig (Männchen) oder nadelstichig punktirt 
(Weibchen); nur eine Beule jederseits hinter den Seitenaugen und die 
triangelförmige Depression am Hinterrande sind glatt. Abdominal- 
ringe oberseits durchaus dicht gleichmäßig feinkörnig oder nadelstichig 
(Weibchen), unterseits gleichmäßig eingestochen punktirt. 

Cauda oben mit schmaler Rinne, ihre Ränder gerundet, aber 
matt, dicht feinkörnig, mit keinerlei Andeutung von Cristen, auch nicht 
im IV. und V. Segment. Unterseits im I.—IV. Segment deutliche, 
aber glatte, nur mit einzelnen größeren Haargrübchen besetzte, sonst 
aber fein nadelstichig punktirte Kiele. Untere Kiele im V. Segment 
dornzackig; Seitenflächen der Cauda dicht femkörnig. Blase glatt, 
aber auf den Seiten dicht eingestochen punktirt. 

Oberarm lang, flach, oben und unten äußerst fen und dicht 
gekörnt, unterseits gegen das Ende nadelstichig. Unterarm am Grunde 
der Vorderfläche mit großem, mehrzackigem Höcker, oben femkörnig, 
unten netzig punktirt oder netzig feinkörnig und dazwischen punktirt, 
namentlich am Ende. Am Hinterrande, der ziemlich scharfkantig bis 
zum Ende verläuft, die gewöhnlichen 3 Haargruben (vom Grunde bis 
zur Mitte). 

Hand auffallend lang und schmal, mit fast parallelem Innen- 
und Außenrande (Fig. 44). Innenfläche der Oberhand dicht feinkörnig, 
etwas netzig, fast eben, ohne deutlichen Nebenkiel. Außenfläche der 


I6 Scorpionidae: Ischnurini. 
2b I 


Oberhand mit der Innenfläche einen rechten Winkel bildend (in der 
Oberaufsicht daher nicht sichtbar), ebenfalls feinkörnig, nur unmittelbar 
neben dem Außenrande eine unregelmäßige Längsreihe gröberer Buckel. 
Außenfläche der Unterhand glatt, aber dicht eingestochen punktirt. 
Beweglicher Finger oberhalb des Grundes mit gerundetem Lobus. 
Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand = 1: 1,03 bis 
1; 1,2 ‚(Absolute ’Maaße: 10,3 : 12,5; 10,5: mm); Länge der 
Hinterhand zur Handbreite = 1:0,5 bis 1: 0,68 (Absolute Maaße: 
12,5:.6,2; 1127 9.0m). 

Die Oberschenkel sind feinkörnig nnd punktirt, die Schien- 
beine nur eingestochen punktirt. Endtarsen unterseits außen und 
innen mit je 2 ziemlich starken Dornen; an den Endecken je eine 
lange Borste. Auf der Schneide zwischen den Dornen nach dem 
Grund zu eine Mittelreihe feinster Dörnchen, welche am Grunde bogig 
umbiegt. Vorletztes Tarsenglied innenseits mit 2—4 kleinen Dornen 
am Ende. 

Zahl der Kammzähne 9, 9 beim Männchen, 7, 7 beim Weibchen. 
Kammgrundwinkel ziemlich stumpf (etwa 120°) beim Männchen, 
130—140° beim Weibchen. 


Verhältniß des Truncus zur Cauda beim Männchen —= 1: 0,84, 
beim Weibchen = 1:0,7 bis 1:0,79. Größte Gesammtlänge beim 


Männchen 70 (= 38 + 32) mm, beim Weibchen 71 (= 41+30) mm. 

Die vorliegende Art erinnert in Bezug auf die Länge von 
Oberarm, Unterarm und Hand, den starken Grundhöcker des Unterarms, 
vor allem aber durch die im rechten Winkel zueimander gestellte 
Außen- und Innenfläche der Oberhand m etwas an die Gattung 
Hadogenes; sie ist aber sofort durch den Mangel der oberen Caudal- 
cristen, den kaum zusammengedrückten Schwanz, die geringe Zahl der 
Haargrübchen am Hinterrande des Unterarms und am Außenrande 
der Hand, wie den fehlenden Eckdorn am Endtarsus von jener 
unterschieden. Die Unterschiede von den übrigen Opisthacanthusarten 
sind in der Bestimmungstabelle genügend hervorgehoben. 

Die Exemplare stammen theils vom Nordwesten Mada- 
gaskars, theils von Majumba. 


5. Opisthacanthus asper (Pet.). 
1861 Ischnurus asper Pet. (Sitzungsber. Berl. Akad. 1861, p. 513). 
1893 Opisthocentrus laevipes Poc. (Ann. Mae. [6] XII, p. 319). 
Karsch (Münch. ent. Mitt. 1879, p. 14) glaubt die vorstehende 
Form der zum Theil gekörnten Kiele der Caudaloberseite wegen der 
Gattung Ischnurus (= Hadogenes) zureihen zu sollen. Charakterisiren 


Gatt. Opisthacanthus. 127 


wir hingegen die beiden verwandten Gattungen so, wie es im Früheren 
geschehen, so ist die Form ein ganz unzweifelhafter Opisthacanthus. 
Die Beschreibung des Pocock’schen O. laevipes paßt so gut auf 
die vorstehende Form, daß ich nicht anstehe, sie mit derselben zu 
identifieiren. 

Die Färbung entspricht derjenigen der übrigen Arten. Die 
Innenfläche der Oberhand ist oft auffallend rothbraun. 

Der Cephalothorax ist am Vorderrande nur seicht aus- 
gerandet (Fig. 52), platt, die Fläche zerstreut körnig, mit zahlreichen 
eingestochenen Punkten dazwischen, die auf den Loben die Oberhand 
gewinnen. Eine Beule jederseits hinter den Seitenaugen und das Ende 
der triangelförmigen Depression am Hinterrande glatt. 

Abdomen oberseits dicht nadelstichig punktirt (auch Kiele und 
Vorderrandumschlag), an den Hinterrändern zuweilen auch etwas körnig. 
Abdominalunterseite äußerst dicht und gleichmäßig nadelstichig. 


Cauda oben mit ziemlich breiter, flacher Furche; ihre Ränder 
im I. und II. Segment gerundet, wenn auch etwas höckerig. Im 
III. Segment stellen diese Höcker fast schon eine unregelmäßige Criste 
dar, die im IV. Segment vollkommen deutlich entwickelt ist und auch 
im V. Segment, wenn auch minder regelmäßig und deutlich, auftritt. 
Untere Caudalkiele im I. — III. Segment deutlich entwickelt, aber glatt 
und nur von einzelnen gröberen Haargrübchen unterbrochen, im 
IV. Segment etwas sägezähnig und noch deutlicher im V. Segment. 
Ganze Unterfläche der Cauda, sowie die mit zerstreuten Buckeln 
besetzten Seitenflächen dicht eingestochen punktirt, matt. Blase unterseits 
mit 2 Reihen stachelartiger Körnchen, selten fast glatt, an den Seiten 
dicht punktirt. 


Oberarm oberseits mehr oder weniger glänzend buckelig- 
körnig, dazwischen punktirt, unterseits ungekörnt, punktirt. Unterarm 
mit schwachen, stumpfen Grundhöckern an der Vorderfläche, oben 
etwas höckerig bis grobbuckelig und punktirt, unten glatt, namentlich 
nach dem Ende zu punktirt, der Hinterrand ziemlich scharfkielig bis 
ans Ende. 


Hand oben etwas feinkörnig - netzig, reticulirt - netzig oder 
grob buckelig-netzig, glänzend, mehr oder weniger punktirt, ohne 
Nebenkiele.e. Außenfläche der Oberhand glänzend grobkörnig, mit der 
Innenfläche einen stumpfen bis fast rechten Winkel bildend. Außen- 
fläche der Unterhand glatt, eingestochen punktirt. Finger beim 
Weibchen ohne Lobus, der des Männchens mit schwachem oder 
stärkerem Lobus. Das Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinter- 


1238 Scorpionidae: Ischnurini. 


hand schwankt zwischen 1: 0,9 und 1:1, das der Hinterhand zur 
Handbreite zwischen 1:0,8 bis 1:1. Größte absolute Maaße für 
Finger, Hinterhand und Handbreite: 17, 17 und 13,5 mm. 

Die Oberschenkel sind eingestochen punktirt, ebenso die 
Schienbeine. Endtarsen unterseits außen mit 3-—4, innen mit 
3—5 Dornen (Fig. 45); Endeckdornen meist kleiner als die übrigen. 
Auf der Schneide zwischen den Dornen eine mehr oder weniger deutliche 
Dörnchencriste, die namentlich am Grunde des Tarsus als kurze 
Bogenlinie hervortritt. Vorletztes Tarsenglied innenseits am Ende mit 
2—3 Dornen. 

Die Zahl der Kammzähne schwankte bei 11 Exemplaren 
zwischen 8 und 10, und zwar fand ich zweimal 8, 8, dreimal 8, 9, 
viermal 9, 9, einmal 9, 10 und einmal 10, 10 Kammzähne. 

Das Verhältniß des Truncus zur Cauda varırt zwischen 1: 0,71 
bis 1 : 1, wobei dem Männchen die längere Cauda zukommt. Die größte 
absolute Länge des Körpers betrug 105 mm (Truncus : Cauda = 59: 46). 

Die Heimath des 0. asper schemt Ostafrika zu sei, 
wenigstens liegen mir Exemplare sowohl von Nguruman im Massai- 
lande, wie von Mozambique und der Delagoabay vor. Der 
O. laevipes Poc. stammt aus Transvaal. Der Fundort Java für die 
Peters’sche Var. chrysopus dürfte daher auf Verschleppung oder auf 
einen Irrthum zurückzuführen sein. 


6. Opisthacanthus validus Thor. 
1877 Opisthacanthus validus Thor. (Atti Soc. ital. XIX., p. 243). 
1879 Hormurus diremptus Ksch. (Münch. ent. Mittheil. 1879, p. 129). 
1885 Hormurus asiaticus Keyserling (Die Arachn. Austr. Scorpion, p. 24, T. II, Fig. 1). 
1893 Opisthocentrus validus Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XIL, p. 318). 

In der Synonymie auch dieser Art schließe ich mich der Ansicht 
Pococks an. 

Da mir nur 3 Exemplare, darunter das Originalexemplar von 
Hormurus diremptus Karsch, zur Verfügung gestanden, so habe ich 
der Beschreibung der früheren Autoren nur wenig hinzuzufügen. 

Die Färbung entspricht derjenigen der übrigen Arten; sie ist 
bei dem jüngeren Exemplar des Berliner Museums scherbengelb bis 
-braun auf dem Truncus, bei den andern dunkel schwarzbraun, Beine 
und Arme meist braun. Die Blase ist immer lederfarben. 

Der nur mäßig am Vorderrande ausgeschnittene Cephalothorax 
ist der Hauptsache nach eingestochen punktirt, zeigt aber auch, 
namentlich an den Seiten und um die Augenhügeldepression herum, 
eine feine Körnelung. Die Dorsalringe des Abdomens sind nur 


Gatt. Opisthacanthus. 1% 


eingestochen punktirt und zeigen keme Körnelung. Auf der Bauchseite 
ist die nadelstichige Punktirung auf den Seiten der Segmente auffallend 
viel gröber, als in der Mitte, welche bei schwacher Lupenvergrößerung 
fast glatt erscheint. 


Cauda matt, nicht glänzend, oberseits mit schmaler Rinnen- 
furche, deren gerundete Ränder ungekielt aber dicht feinkörnig sind. 
Auch im IV. und V. Segment oberseits keine Spur von Kielen. 
Unterseits Mittel- und Seitenkiele sämmtlich deutlich hervortretend, 
aber im I.—III. nur mit je 3 groben eingestochenen Punkten besetzt. 
Im IV. Segment Mittel-. und Seitenkiele etwas schärflich, fast äußerst 
fein sägezähnig, im V. noch etwas deutlicher sägezähnig. Seitenflächen 
etwas femkörnig und undeutlich punktirt. Blase unterseits glatt oder 
mit 2 Reihen Körnchen, an den Seiten obsolet oder deutlicher ein- 
gestochen punktirt. 


Oberarm oberseits feinkörnig, am Ende auch nadelstichig ; 
unterseits muldenförmig gehöhlt, glatt, kaum nadelstichig. Unterarm 
vorderseits mit mäßigem Grundhöcker, oberseits glatt oder etwas netzig 
runzelig, im letzteren Falle auf den Erhöhungen nadelstichig; Unterseite 
glatt, glänzend, vornehmlich nach dem Ende zu nadelstichig. 


Oberhand auf-der Innenfläche netzig grubig, namentlich nach 
dem Innenrande zu; Mittelfläche fast glatt und glänzend und hier 
nadelstichig oder glatt. Außenfläche der Oberhand ziemlich grob 
buckelig körnig, meist mit gröberer Körnchenreihe in der Mittellinie. 
Unterhand auf ihrer Außenfläche glatt und glänzend, nicht oder doch 
nur fein eingestochen punktirt. Beweglicher Finger des Männchens 
mit Lobus, dem eine tiefe Ausbuchtung der Gegenseite entspricht. 
Beweglicher Finger etwa so lang, als die Hinterhand (8: 7,8; 
11,5:11,5 mm). Verhältniß der Hinterhand zur Handbreite = 1: 0,8 
bis 1: 0,92. Größte Handbreite 10,2 mm. 


Oberschenkel vorwiegend feinkörnig, Unterschenkel vorwiegend 
grob eingestochen punktirt. Endtarsen unterseits außen mit 3—5 
(meist 4), innen mit 4—5 fast gleich großen Dornen, deren letzter 
endeck-ständig ist. Eine Mitteleriste feinster Dörnchen am Grunde 
kaum angedeutet. Vorletztes Tarsenglied mit 2—3 Dornen innenseits 
vor dem Ende. 


Zahl der Kammzähne bei allen Exemplaren 6, 6, nach 
Thorell auch 5 und 7. 

Das Verhältniß des Truncus zur Cauda = 25:20 (Männchen) 
und 31:26, resp. 48:37 mm (Weibchen). 


150 Seorpionidae: Ischnurini. 


Die Heimath des ©. validus ist Südafrika (Cap, Kaffern- 
land). Auf eine Verschleppung nach Ostindien deutet der O. asiaticus 
Keys. und ein Exemplar des Hamburger Museums aus dem ehemaligen 
Mus. Godeffroy, beide wahrschemlich derselben Quelle entstammend. 


. 


5. Gratt. Ischnurus ©. L. Koch emend. 


Typische Gattung der Ischnurinen, mit den Merk- 
malen und vom Habitus der Gattung Opisthacanthus, aber 
das Tarsenendglied unterseits statt der wenigen Dornen- 
paare jederseits mit einer dichten Reihe langer Wimper- 
borsten besetzt (Fig. 47). Aeußere Handoberfläche mit 
der inneren einen etwas stumpfen Winkel bildend, Außen- 
fläche daher in der Oberaufsicht etwas sichtbar. End- 
zinken der Öberkiefer parallel. Kammgrund beim Weibchen 
mit sehr stumpfem Winkel. 

Die Gattung enthält zur Zeit nur eme Art. 


1. Ischnurus ochropus C. L. Koch. 
1838 Ischnurus ochropus C. L. Koch (Arachn. IV, p. 69) 
1893 Chiromachus ochropus Poc. (Ann. Mag. nat. Hist. [6] XII. p. 320). 

Ein Druckfehler im Index des Koch’schen Arachnidenwerkes 
dürfte Pocock zu der irrigen Annahme geführt haben, nicht J. ochropus, 
sondern J. melampus sei der Typus der Gattung, wodurch dann 
die Aufstellung des neuen Genus Chiromachus seine Erklärung 
findet. Die Ansicht Pocock’s, daß der Ischnurus asper Pet. nebst 
seiner Var. chrysopus als Weibchen zu dieser Art zu ziehen seien, 
muß ich nach Untersuchung der Originalexemplare als irrig bezeichnen; 
es handelt sich bei diesen um eine wirkliche Opisthacanthusart. 

Färbung wie bei den Opisthacanthusarten, schwarzbraun. 
Abdomen oberseits mehr braunroth, ebenso die Blase. Beine ockergelb 
bis rothgelb. 

Cephalothorax in der Mitte des Stirnrandes tief halbkreis- 
förmig ausgerandet, mit einer den niedrigen Augenhügel durchziehenden 
Medianfurche, die hinten in eine dreieckige Depression übergeht. 
Augen vor der Mitte der Entfernung vom Grunde der Stirnausrandung bis 
zum Hinterrande. Seitenaugen fast in einer Reihe, oberhalb des Randes. 
Fläche ziemlich gleichmäßig gekörnt, auf dem Spiegel weniger dicht. 

Abdomen dicht gekörnt oberseits, Körnchen am Hinterrande 
der Segmente auffallend an Größe zunehmend; letztes Segment ohne 
deutliche Cristen, grobkörnig. Unterseite glatt, etwas fein quer 
nadelrissig; letztes Segment mit 2 glatten Kielen. 


Gatt. Ischnurus. 131 


Cauda oberseits mit schmaler Rinnenfurche, die sich am Ende 
des V. Segmentes verflacht. Begrenzungsränder gerundet, etwas 
- höckerig und mit stärkerem Enddorn, aber sonst ohne gekörnte Criste. 
Obere Lateralkiele fehlend. Untere Mediankiele schwach, glatt, mit 
je 3—4 in einer Reihe gestellten Haargrübchen; untere Lateralkiele 
noch undeutlicher. V. Segment unterseits fast ohne erhabene Kiele, 
aber mit drei Reihen dornspitziger Körnchen. Seitenflächen der Cauda 
matt, etwas höckerig, im V. Segment etwas deutlicher spitzkörnig. 
Blase glatt, glänzend, unten borstig. 

Oberarm oberseits flach, zerstreut körnig, mit gezackten 
Randkanten, unterseits glatt, ohne hintere Randkante. Vorderseite 
mit einzelnen gröberen und feineren Spitzkörnchen. Unterarm oben 
flach gewölbt mit gekörnter oberer Vorderrandkante, die Fläche etwas 
höckerig körnig. Vorderfläche fast glatt, am Grunde mit einer Vertical- 
reihe von 3—4 großen Grunddornen. Unterseite glatt, etwas beulig, 
mit gezackter Vorderrandceriste und 3 Haargrübehen am Hinterrande. 

Hand groß, mit starkem, glattem Fingerkiel. Innenfläche der 
Oberhand flach gewölbt, ohne Nebenkiel, runzelig auf der-Fläche, an 
den Rändern stärker hervortretende, aber zusammentließende Buckel; 
Außenfläche isolirt grobkörnig, Nebenkiel kaum angedeutet. Finger 
bei beiden Geschlechtern mit deutlichem Lobus, Schneide mit 2 
Parallelreihen von Körnchen. Verhältniß der Länge des beweglichen 
Fingers zur Hinterhand wie 1:0,86 bis 1:1, der Hinterhand zur 
Handbreite beim Weibchen etwa wie 1:0,8, beim Männchen wie 
1:0,6. Größte absolute Maaße für Finger, Hinterhand und Hand- 
breite beim Weibchen : 20, 17,2 und 12 mm, beim Männchen : 18, 
18 und 10 mm. 

Schenkel und Schienbeine zerstreut feinkörnig. Unterrand 
des Oberschenkels mit 2 parallelen Körnchencristen. Endtarsen unter- 
seits mit 2 Reihen langer, dichter Borstenhaare. 

Zahl der Kammzähne beim Weibchen 8, 8 (beim Männchen 
nicht erkennbar). Kammgrund beim Weibchen sehr stumpf. etwa 140°. 

Verhältniß des Truncuszur Cauda beim Weibchen = 74:54 mm, 
beim Männchen —= 40:51 mm. 

Als Fundorte sind bekannt: Zanzibar, Seychellen und 
Round Island bei Mauritius. 


6. Gatt. Hormurus. Thor. 
Isehnurinen mit paarigen unteren Caudalkielen 
und Seitenaugen, die durchaus auf dem Rande selbst 


stehen. Endtarsen der Beine am unteren Rande einige 
9* 


132 Scorpionidae: Ischnurini. 


27 


zarte Borsten tragend (Fig. 46.), nicht aber mit Dornen 
besetzt. Vorletztes Tarsenglied ohne kürzere Dornen am 
Ende der inneren Fläche Cephalothorax mäßig oder 
stark ausgerandet. Neigung der inneren Oberhandfläche 
gegen die äußere Oberhandfläche wenig größer als ein 
Rechter, äußere Oberhandfläche daher in der Aufsicht 
kaum sichtbar. Unterarm am Grunde der Vorderseite mit 
mächtigem Dorn. Beide Endzinken der OÖberkiefer parallel, 
gabelartig. 

Diese zuerst von Thorell (Ann. Mag. Nat. Hist. [4] XVIL, 
p. 14) durch die Randständigkeit der Augen charakterisirte Gattung 
war durch dieses Merkmal nicht immer leicht von den Verwandten 
zu unterscheiden, so daß mehrfach Verwechselungen vorgekommen 
sind. Der Mangel der Dornen an den Tarsenendegliedern, den ich für 
alle Formen feststellen konnte, und auf den schon Pocock hinweist, 
wird in Zukunft Verwechselungen mit der Gatt. Opisthacanthus ver- 
meiden helfen. 

Von den etwa 9—10 Arten, die man in dieser Gattung unter- 
schieden hat, ist zunächst der Horm. diremptus Karsch auszuscheiden, 
da er sich nach Untersuchung des Originalexemplars als ein junger 
Opisthacanthus validus erwiesen hat, wie schon der Fundort Africa 
vermuthen ließ. Etwas Aehnliches gilt von dem Hormurus asiaticus 
Keys., den Pocock mit Recht ebenfalls als Synonym zu Opisthacanthus 
validus Thor. gezogen hat. Von den übrig bleibenden sind H. austra- 
lasiae und complanatus C. L. Koch schon von Thorell vereinigt 
worden. Ich stimme dem zu, halte aber die Unterschiede von H. compla- 
natus nicht constant genug, um auf ihnen eine besondere Varietät zu 
begründen. Des weiteren ist durch Pocock dann neuerdings auch die 
Identität des Scorpio Cumingii Gerv. mit Horm. australasiae erwiesen 
worden. Den H. Karschii Keyserling möchte ich lediglich als Varität des 
H. caudicula auffassen, ebenso den H. insculptus Thor., der allerdings 
in vieler Hinsicht als ein Verbindungsglied zwischen H. australasiae 
und H. caudicula erscheint, andererseits aber so allmähliche Ueber- 
gänge zum echten H. caudicula zeigt, daß er artlich nicht wohl von 
ihm zu trennen ist. Dasselbe gilt von dem H. Weberi Poc., der 
sich vom H. insculptus Thor. hauptsächlich nur durch die weiter aus- 
geprägte Punktirung des Cephalothorax unterscheiden dürfte. Ueber 
den „Ischnurus“ neocaledonicus Sim. wage ich kein Urtheil, doch 
gehört er jedenfalls in die Gruppe des Hormurus caudicula. Der 
Ischnurus de Changei Becker unterscheidet sich von Horm. complanatus 
einzig durch „die starken Granulationen des Thorax“, ist also wohl 


Gatt. Hormurus. 133 


ohne weiteres dem H. caudieula, der ja eben einen gekörnten Cephalothorax 

besitzt, zu identificiren, während der H. laeviceps Poc. neuerdings 

von seinem Autor zur Gattung Jomachus erhoben wurde. Es ist 
mir demnach nur möglich gewesen, zwei Formengruppen mit leidlicher 

Schärfe auseinander zu halten. Ihre unterscheidenden Merkmale 

sind folgende: 

A. Il. und IV. Caudalsegment oben am Ende mit kleinem, aber 
deutlichem Enddorn. I. u. U. Caudalsegment unterseits mit 
rückwärts gerichteten Reihenzähnchen besetzt (vergl. Fig. 65; 1. 
uud III. Segment). V. Caudalsegment mit ähnlichen, endwärts 
gerichteten Sägezähnen. Unterarm auf der Unterfläche nur ein- 
gestochen punktirt, sonst glatt, nicht körnig oder  schilferig. 
Ebenso die äußere Unterhandfläche. Cephalothorax auf der ganzen 
Fläche mit eingestochenen Punkten besetzt, nicht gekörnt; ebenso 
das reticulirte Abdomen. Zahl der Kammzähne meist 6, 6, selten 
bis 8. Körper meist nur bis 40 mm lang. Länge der Hinterhand 
bis 7 mm. Obere Rinnenfurche der Cauda oft fast verschwindend. 

1. H. australasiae (Fabr.), p. 133. 


B. IH. und IV. Caudalsegment oben am Ende ohne eine Spur emes 
Enddorns, sondern völlig gerundet. I. und U. Caudalsegment 
unten glatt oder mit wenigen, paarweise vorstehenden Höckern 
auf den glatten Kielen (vgl. Fig. 66; I. und HI. Segment). 
V. Candalsegment unterseits meist glatt, seltener etwas reihenkörnig. 
Unterarm auf der Unterfläche körnig oder körnig und punktirt 
(namentlich am Ende), nicht glatt, sondern mindestens schilferig. 
Ebenso die äußere Handunterfläche. Cephalothorax auf der ganzen 
Fläche gekörnt oder doch auf den Seitentheilen (dann die Stirn- 
loben und Mittelfläche punktirt). Abdomen netzig und in den 
Hinterecken der Segmente meist körnie. Zahl der Kammzähne 
6—12, meist 8 oder 9. Körper bis 90 mm lang. Länge der 
Hinterhand bis 15,5 mm. Obere Rinnenfurche der Cauda 
stets ‚deutlich. „2... .\. 2. BE, eaudiculaL. Koch, p. ‚135. 


1. Hormurus australasiae (Fabr.) 


1775 Scorpio australasiae Fabr. (Syst. Ent., p. 399). 

1838 Ischnurus australasiae C. L. Koch (Arachn. IV., p. 71, Fig. 294). 

1838 5 complanatus «+ Ey; IV...» 73, Fig:- 295). 
?1843 Scorpio gracilicauda, Guerin (Icon. du regne animal. Arachn., p. 11). 

1844 Scorpio Cumingü Gerv. (Ins. Apt. II., p. 69). 

1877 Ischnurus pistaceus Sim. (Soc. ent. France [2] VII., p. 93). 

1877 Hormurus australasiae Thor. (Atti Soc. ital. XIX., p. 251). 


134 Scorpionidae: Ischnurini. 


Daß ich die Merkmale des H. complanatus als irgendwie constant 
nicht auffassen kann, wurde bereits oben hervorgehoben. Das Gleiche 
glaube ich von der Var. suspectus Thor. aussprechen zu dürfen. 
Den H. pistaceus Sim. hat schon Thorell als identisch mit 
H. australasiae angesprochen. 


Die Färbung unseres Scorpions ist oberseits meist gelbroth 
oder rothbraun, mit etwas dunklerer Cauda und Fingern. Beine und 
Blase lehmgelb. 


Cephalothorax glatt und glänzend, auf der ganzen Fläche 
eingestochen punktirt, vorn nur schwach ausgerandet, mit durchgehender, 
am Hinterrande in eine triangelförmige Grube sich verbreitender Mittel- 
rinne. Abdomen ebenfalls glänzend und glatt, eingestochen punktirt, 
mit breitem, flachem Kiel in jedem Ringe. 


Cauda oberseits meist nicht mit ausgeprägter Längsrinne, 
wenigstens nicht iml. und II. Segment. Segment II am Ende mit deutlich 
sichtbarem Endzahn; ebenso etwas schwächer das IV. Segment. 
Unterseits am Ende des I. Segments und der ganzen Länge nach auf 
den Kielen des II. Segmentes starke, nach rückwärts gerichtete Dornen. 
Im Segment III und IV nur glatte oder kaum gekörnte Kiele, im 
V, Segment untere Seitenkiele mit endwärts gerichteten Dornen besetzt. 


Oberarm, Unterarm und Hand oberseits körnig und 
eingestochen punktirt. Oberarm unterseits am Grunde feinkörnig, am 
Ende eingestochen punktirt. Unterfläche des Unterarms und äußere 
Handunterseite nur eingestochen punktirt, glatt und eben, nicht auch 
mit Körnchen besetzt. Das Verhältniß von Finger zur Hinterhand 
schwankt zwischen 1:1,2 und 1:1,47, dasjenige der Hinterhand zu 
deren Breite zwischen 1: 0,55 und 1:0,75. Größte absolute Maaße für 
Finger, Hinterhand und Handbreite: 6,5, 7 und 5 mm. Das Männchen 
trägt am Grunde des beweglichen Fingers einen starken Lobus, dem 
eine Ausbuchtung der Gegenseite entspricht. Sehr auffallend war es 
mir indeß, daß unter 125 Individuen nur ein einziges Exemplar dieses 
Merkmal besaß. Es sind daher entweder die Männchen ungleich 
seltener als die Weibchen, oder der Lobus gelangt erst bei sehr alten 
Männchen zur Entwickelung. 

An den Beinen sind die Schenkel und Schienbeine äußerst 
feinkörnig oder punktirt. 


Die Zahl der Kammzähne schwankt zwischen 4 und 8, und 
zwar fand ich zweimal 4, 6, fünfmal 5, 5, zehnmal 5, 6, siebenund- 
achtzigmal 6, 6, elfmal 6, 7, siebenmal 7, 7 und zweimal 7, 8 Zähne, 


Gatt. Hormurus. 135 


Die Zahlen 6, 6 treten daher m 80° aller Fälle auf, während die 
Mittelzahl S des Horm. caudicula nur im extremsten Falle an einem 
der Kämme sich zeigte. 

Die Gesammtlänge des Körpers fand ich beim größten mir 
vorliegenden Exemplare zu 41 mm, wovon 24 auf den Truncus, 17 auf die 
Cauda kommen. Das Verhältniß des Truncus zur Cauda varürt von 
1:0,5 bis 1:0,71 bei den untersuchten Weibchen. Bei dem einzigen 
mit Fingerlobus versehenen Männchen betrug dies Verhältniß 1:0,8. 

. Der Verbreitungsbezirk des H. australasiae ist em ungemein 
großer und reicht vor allem viel weiter nach Westen, als der der 
folgenden Art. Von Australien, wo er nach Thorell vorkommen 
soll, habe ich selbst keine Exemplare gesehen, wohl aber von Neu- 
Guinea und den benachbarten westlichen Inseln (Amboina). Von 
hier erstreckt sich das Verbreitungsgebiet nach Westen über Timor., 
Java, Sumatra nach Malacca (Singapore), den Nicobaren und 
Birma, sowie nach Nordwesten und Norden über Celebes, die 
Sangirinseln, Borneo, Philippinen nach Cochinchina und 
China, wo er bis in die nördlicheren Gegenden anzutreffen ist. Endlich 
scheint er auch weit nach Osten über die zahlreichen Eilande des 
stillen Oceans sich ausgebreitet zu haben, wie die Fundorte Upolu 
(Samoa-Inseln), Tahiti (Gesellschaftsinseln) und endlich Salanga 
(Küste von Columbien) beweisen dürften. 


2. Hormurus eaudieula (L. Koch.) 


0,6) 


1844 Scorpio waigiensis Gerv. (Ins. Apt. III, p. 69.) 

1867 Ischnurus caudicula L. Koch (Verh. Zool. bot. Ges. Wien XVII., p. 237.) 

? 1877 Ischnurus neocaledonicus Sim. (Ann. Soc. ent. France [5] VII., p. 289). 
1880 Ischnurus De Changei Becker (Ann. Soc. ent. Belgique XXIV., p. 143.) 

Entgegen der Ansicht Thorells und in Uebereinstimmung mit 
Keyserling halte ich den Se. waigiensis Gerv. für synonym mit 
dieser Art (,,8 dents aux peignes; de couleur ferrugineux fonce, plus 
clair aux pattes et a l’aiguillon) und nicht mit der Var. Karschii 
Keys. Horm. insculptus Thor. wird, gleich dem H. Karschii 
Keys. und H. Weberi Poc., als Varietät der Hauptform weiter unten 
besprochen werden. 

Die Färbung der Oberseite des Truncus varlirt vom Scherben- 
gelb bis Dunkelrothbraun und Schwarz. Bei den helleren Exemplaren 
sind namentlich die Cauda, der Thorax und die Arme dunkler gefärbt, 
während die Beine und die Blase den helleren Ton der Abdominal- 
oberseite zu bewahren pflegen. Schließlich können auch Beine und 
Blase (Var. Karschii) dunkel beraucht erschemen. 


136 Scorpionidae: Ischnurini. 


Der Cephalothorax ist vorn in der Regel ziemlich tief halb- 
kreisförmig ausgeschnitten, doch trifft man auch flachere Ausschnitte. 
Die Oberfläche ist in der Regel auf der ganzen Fläche dicht gekörnt, 
doch treten nicht selten auf den Vorderloben auch eingestochene 
Punkte auf, welche dann mehr und mehr an Ausdehnung gewinnen 
können. Bei der Var. Weberi von den Philippinen ist die Körnelung 
fast vollständig durch eingestochene Punkte ersetzt. Die Mittelfurche 
ist in der Regel hinter den Augen durch Körnelung unterbrochen 
oder undeutlich. 

Die Ringe des Abdomens sind namentlich auf den Hinter- 
rändern grob gekörnt, im übrigen runzelig, können jedoch auch auf 
den erhabenen Flächen (Mittelkiel etc.) eingestochene Punkte tragen. 

Die Cauda besitzt oben eine ausgeprägte Länesrinne, deren 
Ränder wulstig gerundet sind und im III. oder IV. Segment keinerlei 
Andeutung eines Enddorns zeigen. Unterseits sind namentlich die 
Mittelkiele als glatte, selten fein granulirte, mit einzelnen Haar- 
erübchen besetzte Leisten entwickelt. Die für H. australasiae so 
charakteristische Ausbildung von rückwärts gerichteten Dornen im I. 
und II. Caudalsegment fehlt entweder ganz (Hauptform), oder ist nur 
durch einige stumpfe Höcker (Var. Weberi und insculptus) angedeutet. 
Auch das V. Caudalsegment ist bei der Hauptform völlig glatt und 
ungekörnt, während im jugendlichen Alter, wie bei der Var. insculptus, 
mehr oder weniger ausgeprägte Körnchen- oder Höckerreihen auftreten. 

Oberarm, Unterarm und Hand sind oberseits mehr oder 
weniger dicht gekörnt. Der Oberarm ist unterseits ebenfalls körnig, 
zeigt jedoch meist im Enddrittel und vielfach auch an der Vorder- 
kante eingestochene Punkte. Die Unterfläche des Unterarms ist ent- 
weder nur körnig, oder sie läßt zwischen den Körnchen, die in diesem 
Falle eigenthümlich schilferig oder schuppig angeordnet zu sein pflegen, 
eingestochene Punkte erkennen. Dasselbe gilt von der äußeren Hand- 
unterfläche, die namentlich oft am Ende vor der Einlenkung des 
beweglichen Fingers eine eingestochen-punktirte Area besitzt. Das 
Verhältniß des Fingers zur Hinterhand schwankt zwischen 1: 0,98 
und 1:1,33, wobei die verhältnißmäßig größere Hinterhandlänge 
namentlich den Männchen zukommt. Letztere sind stets leicht durch 
einen gewaltigen Lobus am Grunde des beweglichen Fingers und die 
entsprechende Ausbuchtung der Gegenseite erkennbar. Das Ver- 
hältniß der Hinterhandlänge zur Breite der Hand variirt zwischen 
1:0,48 und 1:60,77, wobei im Allgemeinen die verhältnißmäßig 
schmäleren Hände auf die Männchen entfallen. Größte absolute Maaße 
für Finger, Hinterhand und Handbreite: 13,5, 15,5 und 9,5 mm. 


Gatt. Hormurus. 137 


Schenkel und Schienbeine sind in der Regel dicht feinkörnig. 


Die Zahl der Kammzähne schwankte bei 39 Exemplaren 
zwischen 6 und 11, und zwar fand ich viermal 6, 6, fünfmal 6. 7, 
viermal 7, 7, zweimal 7, 8, dreimal 8, S, achtmal 8, 9, fünfmal 9, 9, 
einmal 9. 10, dreimal 10, 10 und viermal 11, 11 Zähne. In fast 
62% aller Fälle fanden sich demnach S und mehr Kammzähne. Dabei 
darf schon gleich hier bemerkt werden, daß von den 4 Fällen mit 
11, 11 Kammzähnen drei auf die Hauptform und nur einer auf die 
Var. Karschii entfiel, welche andererseits in drei Fällen bis 8, 9 
Kammzähne herunterging. Die Annahme Thorells, daß H. Karschiü 
(= waigiensis Thor.) sich durch ein Mehr von Kammzähnen von H. 
caudicula unterscheide, ist demnach nicht haltbar. 


Die Gesammtlänge des Körpers betrug beim größten Exemplar 
90 mm, wovon 53 auf den Truncus, 37 auf die Cauda entfielen. Dabei 
muß ich der Ansicht Keyserlings entgegentreten, daß H. Karschii 
größer sei, als die Hauptform. Von. ersterem sah ich nur Exemplare 
von 80 mm Gesammtlänge (gegen 70 mm der Keyserling’schen 
Exemplare), während gerade die Hauptform jene größten Maaße bis 
zu 90 mm ergab. Das Verhältniß von Truncus zur Cauda schwankt 
zwischen 1:0,5 und 1:1,1, wobei die verhältnißmäßig längere Cauda 
den männlichen Individuen zu eigen ist. 


Als im Vorhergehenden schon mehrfach erwähnte Varietäten 
des Hormurus caudicula nenne ich: 


1. Var. «. Karschii Keyserl. (Koch Austral. Arachn. Lief. 32, 
p. 31) = Horm. waigiensis Thor. (nec. Gervais) in Ann. Mus. eiv. XXV], 
p. 427. Einige der von Keyserling und Thorell als unterscheidend 
aufgeführten Merkmale habe ich schon im Vorigen als irrig nach- 
gewiesen. Dasselbe gilt von dem angeblich tieferen vorderen Thoracal- 
einschnitt und den verhältnißmäßig längeren Fingern des Männchens 
(ich fand beim Männchen: Finger: Hinterhand = 1:1,2 bis 1:1,27, 
also völlig der Hauptform entsprechende Zahlen). Das einzige übrig 
bleibende Charakteristicum ist die dunkle, von 4 gelben Längsstreifen 
durchzogene Blase, im Gegensatz zu der scherbengelben oder rothbraunen 
der Hauptform. Auf diesen Färbungsunterschied eine eigene Art zu 
gründen, erscheint um so weniger angängig, als ich bei zwei Individuen 
unserer Varietät im Enddrittel eine hellere Färbung der Blase constatiren 
konnte. Die dunkel berauchten Beine der Var. Karschii können ın 
fast derselben Farbennüance auch bei der Hauptform auftreten. 


138 Sceorpionidae: Ischnurini. 


2. Var. ß. insculptus Thor. (= H. insculptus Thor.; Ann. 
Mus. civ. Genova XXVI., p. 422). Thorell sagt von dieser Form, daß 
sie zwischen H. australasiae und H. caudicula gewissermaßen die Mitte 
halte, von ersterem aber durch die Körnelung, von letzterem durch das 
Auftreten von Dornen auf der Unterseite des II. und V. Caudalsegmentes 
unterschieden sei. Dieses letztere Merkmal nun kann ich nach Unter- 
suchung einer großen Anzahl von Exemplaren und nach Auffindung aller 
verschiedenen Stufen der Dornenausbildung an der Unterseite der Cauda 
als arttrennend nicht anerkennen. Jüngere Individuen der Hauptform 
zeigen ohnehin namentlich im V. Caudalsegment ziemlich deutliche 
Körnchenreihen, die Dornen des II. Segmentes aber gehen so allmählich 
in die einfachen, etwas kraterförmig vorgewölbten Haargrübchen der 
Hauptform über, das es völlig unmöglich ist, zu sagen, wo eme scharfe 
Grenze gezogen werden soll. Freilich läßt sich nicht leugnen, daß 
gerade jene Formen mit ausgeprägterer Höckerbildung der Caudal- 
Unterseite vielfach nun auch eine weitergehende Ausbildung der ein- 
gestochenen Punktirung an Stelle der Körnelung zeigen, indem nicht 
allen die Stirnloben, sondern auch die Endfläche der Armunterseite, 
auch wohl der Handunterrand eingestochen punktirt sind. Irgend 
welche constante Beziehungen aber der Caudalbedornung und der 
vorgeschritteneren Punktirung an Stelle der Körnelung konnte ich nicht 
feststellen. Ich kann daher den H. insculptus Thor. als Art nicht 
anerkennen, glaube aber mit diesem Namen alle diejenigen Formen 
als Varietät abgrenzen zu sollen, welche in Bezug auf deutlicher aus- 
geprägte Höckerbildung im I., II. und auch wohl im V. Caudalsegment, 
wie häufig auch durch theilweisen Ersatz der Körnelung der Flächen 
durch eingestochene Punktirung, vielleicht auch durch geringere Zahl 
der Kammzähne (ich fand: viermal 6, 6, viermal 6, 7, zweimal 7, 7, 
zweimal 7, 8, einmal $, 8) einen Uebergang zum H. australasiae 
andeuten. 

3. Var. ». Weberi Poc. (=H. Weberi Poc.; Weber, Zool.-Ergeb. 
Reise Niederl. Ostind. II., p. 97). Diese Form steht dem H. insculptus 
Poc. in Bezug auf die Höckerbildung an der Unterseite der ersten 2 Caudal- 
segmente nahe, unterscheidet sich indeß ziemlich scharf durch die viel 
weiter gehende Ausbildung der eingestochenen Punkte. So ist auf dem 
Cephalothorax nicht nur der Vorderrand, sondern auch die gesammte 
Mittelfläche bis zum Hinterrande nicht gekörnt, sondern eingestochen 
punktirt, und nur an den Seiten entdeckt man mit Mühe einige feinere 
Körnchen. Ebenso ist die Unterseite des Unterarmes nur schwach 
schilferig (nicht körnig), und auf der ganzen Fläche punktirt, während 
die äußere Unterhand zwischen der schuppigen Runzelung ebenfalls 


Gatt. Jomachus. 139 


überall eingestochene Punkte erkennen läßt. Alle übrigen, von 
Pocock noch hervorgehobenen Unterschiede von H. insculptus erweisen 
sich als nicht constant, wie denn z. B. letztere Form sehr häufig einen 
Cephalothorax besitzt, der länger ist als die Hinterhand. Für das 
stärkere oder geringere Vorspringen der Seitenaugen genüst eine 
geringfügige Aenderung des Radius der Stirnloben, wie sie thatsächlich 
auch bei den Individuen einer und derselben Localität zu beobachten 
ist, und das Längenverhältniß des Thorax zur Cauda ist zu variabel, 
als daß es in Betracht gezogen werden könnte. Ich glaube daher 
auch den H. Weberi Poc. lediglich als eine Form, nicht als selbständige 
Art, ansehen zu müssen. 


Die Hauptheimath des H. caudicula ist jedenfalls 
Australien und zwar namentlich die Süd- und die Ostküste. 
Von hier geht er weiter westlich nach Neu-Guinea, wo er sicher 
mit H. australasiae an denselben Fundorten sich findet. Der „Ischn. 
de Changei“ Beck. stammt von Manila. Die Var. Karschii ist von 
Neu-Guinea und den Key-Inseln bekannt. Die Var. insculptus 
erhielt Thorell von Neu-Guinea; mir selbst haben Exemplare, die 
ich dieser Form zurechne, aus Australien, Neu-Guinea, den Molukken 
und Aroo-Inseln vorgelegen. Die Var. Weberi kommt von Celebes 
und von den Philippinen (Bohol); der Ischnurus neocaledonicus 
von Neu-Öaledonien. Im Großen und Ganzen dürften wir daher den 
H. caudicula als die östlichere, den H. australasiae als die westlichere 
Hauptform zu betrachten haben. 


Gattung Jomachus Poc. 


Ischnurinen vom Habitus und mit den Merkmalen 
der Gattung Hormurus, aber Endtarsen unterseits mit 
einer Mittelreihe kurzer dorniger Zähnchen besetzt (Fig. 48). 
An den Seiten nur wenige feine Wimpern. 

Es ist nur eine Art bekannt. 


l. Jomachus laeviceps Poc. 


1890 Hormurus laeviceps Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. 1890, p. 242). 
1892 Hormurus laeviceps Poc. (Bombay Nat. Hist. Soc. 1892, p. 9). 
1893 Jomachus laeviceps Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XII, p. 320). 
Da mir Exemplare dieser Art nicht vorgelegen haben, so 
referiere ich nur kurz das Wesentliche aus der Beschreibung Pocock’s. 
Farbe des Truncus ockergelb bis pechbraun. Arme und Beine 
rothbraun bis dunkel braun; Blase heller als die Cauda, meist dunkler 
gestreift. 


140 Sceorpionidae: Chaerilini. 


. 

Cephalothorax dicht und fein eingestochen punktirt, meist 
glatt, zuweilen in den hinteren Parthieen feinkörnig. Medianfurche 
durchgehend. Vorderrand seicht ausgeschnitten. Augenhügel kaum 
entwickelt. Abdomen dicht fein punktirt, glatt oder an den Seiten 
etwas feinkörnig; im den mittleren Segmenten je 2 deutliche Depressionen, 
welche eine mehr oder weniger birnförmige Area begrenzen. Bauch- 
segmente schwach und fein punktirt. 


Cauda oberseits ohne Kiele; unterseits im I.—IV. Segment 
statt der Kiele Reihen von Haargrübchen, V. mit 3 unregelmäßigen 
Körnchenreihen. Untere Fläche dicht und grob nadelstichig, Seiten- 
flächen der vorderen Segmente etwas körnig, der hinteren glatt. Blase 
glatt, beborstet. 

Oberarm oberseits mit gekörnten Kanten; Fläche glatt, 
punktirt oder in der Grundhälfte körnig; Unterseite glatt, punktirt. 
Unterarm oberseits glatt und punktirt, Vorderseite mit 2 großen 
(rundhöckern, Unterseite glatt und punktirt. 

Hand oberseits grob nadelstichig, mit etwas gekörntem Finger- 
kiel, unterseits glatt. Beweglicher Finger beim Männchen mit 
deutlichem Lobus. Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand 


m 


wie 7:9, der Hinterhand zur Handbreite wie 9: 5,5. 


Oberschenkel der drei ersten Beinpaare am Grunde und 
am Ende der Unterkante gekörnt, 4. Beinpaar nur am Ende. 

Zahl der Kammzähne 3—6, meist 5. Platten des Genital- 
operculums beim Weibchen verwachsen, viel breiter als lang. 

Verhältniß des Truncus zur Cauda wie 30:25 mm beim 
Männchen. 

Die Heimath ist das Bergland des südlichen Vorder- 
indiens (Madras, Tranquebar, Koimbatur). 


5. Subfam. Chaerilini Poc. 


Scorpioniden mit 2 Dornen am Grunde der Endtarsen, 
ohne gerundete Seitenloben am Ende, mit 2 Reihen von 
Borsten an der Unterseite. 2 Seitenaugen, hinter dem 
zweiten ein gelber, glänzender Fleck. Cephalothorax nach 
vorn stark verjüngt; Stirn gerade abgeschnitten, kaum 
ausgerandet. Beweglicher Finger des Oberkiefers mit 
einer Reihe kleiner Zähnchen unterseits. Schneide der 
Palpenfinger mit übereinander greifenden Schrägreihen, 
die aber zuweilen fast nur eine fortlaufende Reihe bilden 
(Fig. 55, 56). Hand deutlich gekielt, nicht abgeplattet 


Gatt. Chaerilus. 141 


(Fig. 53, 54). Cauda mit normalen Kielen. Stigmen rund. 
Sternum so lang oder länger als breit, nach vorn etwas 
verschmälert, mitdurchgehenderMittelfurche, diekurz vor 
dem Grunde in einer tiefen Grube endigt (Fig. 58). Kämme 
wenig gegliedert, Mittellamellen und Fulcra meist nicht 
oder wenig gesondert. Kammzähne wenig. — Altweltliche, 
auf Ostasien beschränkte Gruppe. 

Von den 3 bisher aufgestellten Gattungen Chaerilus, Chelo- 
machus und Uromachus ist die zweite von Thorell lediglich darauf 
gegründet, daß das Sternum nur so lang als breit ist, was, wie schon 
Pocock hervorhebt, bei ganz jungen Individuen — und um ein solches 
handelte es sich — häufig vorkommt, so daß die Einziehung der 
Gattung erfolgen muß. Da auch die Gattung Uromachus Pocock 
von dem Autor selbst wieder eingezogen wurde, so haben wir es zur 
Zeit nur mit der einen Gattung Chaerilus zu thun. 


l. Gatt. Chaerilus Sim. 

Charakter der Subfamilie. 

Von dieser Gattung sind bisher 7 Arten unterschieden worden, 
deren scharfe Trennung aber erhebliche Schwierigkeiten macht. Nicht 
allen, daß das Vergleichsmaterial in den Museen ein nur äußerst 
spärliches ist; auch die Verschiedenheit der Altersstufen scheint namentlich 
in Bezug auf die Färbung eine sehr weitgehende zu sein, und wichtige 
Merkmale, die zur Unterscheidung hätten herangezogen werden können, 
sind von den Autoren vielfach unerörtert geblieben. Unter diesen 
Umständen kann ich mit Sicherheit nur über diejenigen Formen 
urtheilen, welche mir selbst zur Untersuchung vorgelegen haben, 
während sich über die übrigen nur Vermuthungen aufstellen lassen. 
Darnach sind die mir zur Verfügung stehenden Formen Ch. variegatus 
Sim., Ch. truncatus Karsch und Ch. celebensis Poc. gute, wohl- 
charakterisirte Arten. Dasselbe dürfte von dem Ch. pietus Poc. 
gelten. Der Ch. borneensis Sim. ist vielleicht nur ein junges 
Exemplar des Ch. variegatus, wie weiter unten des Näheren zu erörtern, 
und dasselbe gilt in noch höherem Maaße von dem nur 16 mm 
langen, also fast embryonenhaften Ch. birmanicus Thor. Der 
Ch. cavernicola Poc. endlich bietet keine irgendwie ins Gewicht 
fallenden Merkmale, welche seine Abtrennung von Ch. truncatus Karsch 
geboten erscheinen ließen. Für die Bestimmung der gut charakterisirten 
Arten möge folgende Tabelle dienen: 

A. Blase (ob nur beim Männchen ?) nach hinten erweitert, dann plötzlich 
lobenartig abgesetzt und in den anfangs geschwollenen, dann 


142 


Scorpionidae: Chaerilini. 


plötzlich spitz dornförmigen Stachel übergehend (Fig. 42). III. und 
IV. Abdominalsegment oberseits mit niedrigem, glattem Mittelkiel. 
Cauda doppelt so lang als der Truncus. 

1. Ch. pietus’Poc, p. 342 


B. Blase von gewöhnlicher Gestalt, am Ende allmählich verschmälert und 


a. 


ohne Absatz in einen normalen Stachel übergehend. Dorsalsegmente 
ohne Mittelkiel. Cauda so lang oder wenig länger als der Truncus. 
Schrägreihen der Palpenfinger zu 13—14 (Fig. 55). Hand!) so 
breit oder breiter, als die Länge der Hinterhand. Handballen 
nach der Einlenkungsstelle tief herzförmig eingezogen (Fig. 53). 
Cephalothorax vor dem Augenhügel ohne größere glatte Area. 
Obere Kiele des Unterarms sämmtlich ungekielt, seine Vorder- 
fläche glatt. Obere Caudalkiele im V. Segment ohne deutliche 
einreihige Körnchencriste.....2. Ch. variegatus Sim., p. 144. 
Schrägreihen der Palpenfinger zu 7—10 (Fig. 56). Hand nur 
bis ”s so breit als die Länge der Hinterhand. Handballen am 
Grunde gestutzt, oder mit schwach herzförmig gerundetem, 
vorspringendem Lobus (Fig. 54). Cephalothorax vor dem Augen- 
hügel mit glatter Area. Vorderrandkiel der Oberseite des 
Unterarms meist gekörnt, Vorderfläche des letzteren körnig, 
oder doch am Grunde mit größeren Dörnchen. Obere Caudal- 
kiele im V. Segment meist mehr oder weniger deutlich als 
srößere Körnchenreihe entwickelt. 


') 


Die wichtigeren Kiele der Chaerilus-Hand dürften folgendermaaßen zu 
deuten sein: Der von mir im Früheren als „Fingerkiel“ bezeichnete 
Oberhandkiel, der die Oberhand in Innen- und Außenfläche theilt, verliert 
seine dominirende Bedeutung und ist nur bis zum inneren Grunde des 
unbeweglichen Fingers verfolgbar. Weit stärker ist an seiner Stelle bei 
zweien der bekannten Arten der sogen. „Nebenkiel“ der Innenfläche der 
Oberhand entwickelt, der von der Handbasis ununterbrochen bis in den 
unbeweglichen Finger sich erstreckt. Der dritte, innenseits von diesem 
vom unbeweglichen Finger herabziehende Kiel ist der Innenrandkiel der 
Oberhand, d. h. der den Außenrand des unbeweglichen Fingers fortsetzende 
Kiel.e Er müßte normaler Weise auch die Grenzlinie der Oberhand bilden, 
thut es aber bei Ch. variegatus thatsächlich nicht (vgl. Fig. 53), da die 
Innenfläche der Unterhand sich seitlich vorwölbt und so an der Bildung 
des großen herzförmigen Handballens theil nimmt. Es kommt hierdurch 
der Innenrandkiel scheinbar auf die Fläche der Oberhand zu liegen, und 
er kann in diesem Falle so sehr obsolet werden, daß der aus Innenfläche 
der Oberhand + Innenfläcke der Unterhand zusammengesetzte Ballen 
namentlich am Grunde eine einzige Ebene zu bilden scheint. Diese Ver- 
hältnisse sind typisch für Ch. variegatus und erklären dessen excessive Hand- 
breite, während bei den übrigen Arten die Innenfläche der Unterhand gegen 
die der Oberhand bis zum Grunde im deutlichen Winkel geneigt ist. 


Gatt. Chaerilus. 143 


@. Innentläche der Oberhand mit deutlichem, aus dem unbeweglichen 
Finger bis zum Handgrunde ziehenden Nebenkiel. Alle Hand- 
kiele körnig. Schrägreihen der Palpenfinger zu 10 (Fig. 56). 
Deutliche glatte Area vor dem Augenhügel. Stirnrand 
erobkormi?.. ae 3. Ch. truncatus Karsch, p. 146. 

8. Innenfläche der Oberhand ohne Nebenkiel, oder dieser vom 
Grunde des unbeweglichen Fingers bis zur Handbasis nur 
durch einen schwarzen Strich angedeutet (Junge Individuen). 
Handkiele glatt. Schrägreihen der Palpenfinger zu 7—8. 
Stirnrand ungekörnt. ..... As Ch.rcelebensis Boc., p, 147. 


1. Chaerilus pietus Poc. 
1890 Uromachus pietus Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. 1890, p. 250). 
1893 Chaerilus pietus Poc. (Scorp. d. Malay. Archip. in Weber, Ergebnisse Reise 

Niederl. Ostind., p. 91). 

Da mir em Exemplar dieser seltsamen Form, von der bisher 
nur die Männchen bekannt sein dürften, nicht zu Gebote gestanden, 
so muß ich mich beschränken, die wichtigsten Daten aus Pocock’s 
Arbeit anzuführen. 

Die Färbung ist rothbraun, mit schwarz gefleckt. 

Gephalothorax wie bei den anderen Arten, nach vorn 
verjüngt, mit geradem Stirnrande und glatter Area vor dem Augen- 
hügel. Letzterer ungefurcht. Seiten des Thorax etwas gekörnelt. 

Rückensegmente des Abdomens zerstreut körnig, im IIL.—IV. 
vorn mit einem niedrigen, glatten Mittelkiel und ebensolchen Seiten- 
kielen. Letztes Segment mit niedrigen, etwas gekörnten Buckeln. 

Obere Kiele der Cauda und obere Lateralkiele im I.—- IV. 
Segment körnig entwickelt, obere Kiele des V. Segmentes nicht scharf 
hervortretend. Untere Median- und Lateralkiele im I—-III. Segment 
glatt oder nur etwas höckerig, im IV. Segment seicht gezähnt, im 
V. deutlich sägezähnig. Nebenkiel im I. Segment entwickelt, ebenso 
im V. Segment. Blase lang gestreckt, nach hinten erweitert, dann 
plötzlich an den Seiten lobenförmig eingezogen (Fig. 42), in den 
letzten ”/s der Oberseite dick gekörnt; die Unterfläche und Seiten 
ebenfalls grobkörnig. Stachel am Grunde geschwollen, dann plötzlich 
in eine dornige Spitze auslaufend. 

Oberarm oberseits zerstreut grobkörnig, vorn und hinten mit 
schwacher, gezähnelter Oberrandkante. Kiele des Unterarms glatt 
oder kaum körnig. Hand breit, mit den gewöhnlichen Handkielen 
der Chaerilusarten. Kiele meist reihenkörnig, Flächen retikulirt- 
feinkörnig. Finger ohne Lobus, mit „einer Anzahl“ Schrägreihen. 


144 Scorpionidae: Chaerilini. 


Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand wie 1:1, der 
Hinterhand zur Handbreite wie 1:0,66. Absolute Maaße für Finger, 
Hinterhand und Handbreite::6, 6 und 4 mm. 

Oberschenkel feinkörnig. 

Kämme mit 5 Zähnen. 

Verhältniß des Truncus zur Cauda wie 1:2,02. Absolute 
Länge des Körpers 62 (= 20,5 + 41,5) mm. 

Die 2 ım Britischen Museum befindlichen Exemplare sind 
wahrschemlich Männchen. Der Fundort des einen ist Silhet. 


2. Chaerilus variegatus Sim. 
1877. Chaerilus variegatus Sim. (Ann. Soc. ent. France [5] VII., p. 239). 

? 1880. Chaerilus borneensis Sim. (ibid. [5] X., p. 379). 
? 1889. Chelomachus birmanicus Thor. (Ann. Mus. civ. Genova XXVI., p. 584). 

Der Ch. borneensis, ein junges Exemplar von nur 27 mm 
Länge, soll sich von Ch. variegatus durch breitere Hände, stärkere 
Blase, stärkere Kielung des Cephalothorax und schwächere Kielung 
der Hand, wie durch größere Länge des ersten Tarsalgliedes unter- 
scheiden. Da indeß von Simon kemerleiı Maaße angegeben werden, 
so läßt sich schwer entscheiden, ob diese Unterschiede über das 
gewöhnliche Maaß der Variation hinausgehen. Eime dickere Blase 
pflegt für die Männchen charakteristisch zu sein, ebenso eine stärkere 
Reihenkörnelung des Cephalothorax. Die Breite der Hand finde ich 
schon bei meinen Exemplaren sehr variabel und zum Theil beträchtlich 
größer, als die Länge der Hinterhand; auch die Kiele der Hand 
zeigen Schwankungen in ihrer Stärke. Unter diesen Umständen glaube 
ich eine vorläufige Veremigung des Ch. borneensis mit Ch. variegatus 
verantworten zu können. — Von dem Ch. birmanicus, dessen Original- 
exemplar sogar nur 16 mm Länge hat, giebt Thorell an, daß er 
13 Schrägreihen der Palpenfinger habe, so daß er sicher der variegatus- 
Gruppe angehört. Aber auch die übrigen Angaben Thorells passen vor- 
züglhich auf ein junges Exemplar von Ch. variegatus, bei denen überdies 
die Länge des Sternums genau der Breite am Grunde zu entsprechen 
pflegt, wie dies Thorell von seinem Chelomachus birmanicus hervorhebt. 

Die Färbung des Ch. variegatus scheint, wie bei allen Chaerilus- 
arten, mit dem Alter sehr zu variiren. Junge Exemplare sind 
scherbengelb mit schwarzer Zeichnung, dergestalt, daß die Erhabenheiten 
dunkel, die Vertiefungen gelb erscheinen. Später verschwindet die 
schwarze Fleckenzeichnung, der Körper wird emfarbig dunkelrothbraun, 
wobei indeß häufig das Abdomen oberseits seme schmutzig scherben- 
oelbe Farbe beibehält. 


Gatt. Chaerilus. 145 


Der Thorax ist wie bei den übrigen Arten nach vorn stark 
verschmälert, an der Stirn gestutzt, kaum ausgerandet. Die Median- 
furche ist vor dem Augenhügel flach und zieht bei älteren Exemplaren 
als schwache Depression über denselben hinweg. Hinter demselben 
ist sie tiefer und zeigt schon vor dem _L förmigen Ende am Hinter- 
rande eine mehr oder weniger deutliche Quervertiefung. Die ganze 
Stirn vor dem Augenhügel ist gleichmäßig schwächer oder gröber 
gekörnt. Von den Seitenaugen her zieht schräg nach innen eine 
längliche glatte Grube, deren Ränder von deutlichen Körnchenreihen 
begrenzt werden. Seiten des Thorax ebenfalls körnig, Hinterecken 
körnig oder glatt. 

Rückensegmente des Abdomens bei älteren Exemplaren dicht 
und ziemlich srob &gekörnt, bei jüngeren fast glatt, am Hinterrande 
meist mit 2 größeren Höckerchen jederseits der Mitte. Letztes 
Segment mit 2 oder 4 kurzen Seitenkielen. 

An der Cauda sind die oberen Median- und oberen Lateral- 
kiele stets körnig entwickelt, doch wird im V. Segment der Randkiel 
und die Körnelung der Seiten etwas verwischt. Unterseits fehlen im 
I. und II, oft auch im II. Segment die Mediankiele fast vollständig 
und sind nur durch je 2 in 2 Reihen gestellte Haargrübchen 
angedeutet, während die unteren Lateralkiele oft sogar schon im 
I. Segment entwickelt sein können. Im IV. und, V. Segment stets alle 
Kiele deutlich. Nebenkiel im I. Segment angedeutet, ebenso im 
V. Segment. Blase glatt oder femkörnig. 

Oberarm oberseits feinkörnig, ohne ausgeprägte Vorderkante, 
unterseits fast bis zum Ende ebenfalls feinkörnig. Unterarm oberseits 
und auf der Hinterfläche mit fast glatten Kielen, Oberkante nur am 
Grunde etwas körnig; Vorderseite fast ungekörnt, ohne größere Grund- 
höcker. Hand breit, mit herzförmig gerundetem Ballen und deutlich 
entwickelten, aus feinen Körnchenreihen bestehenden Kielen der Ober- 
hand (Fig. 53). Flächen der Oberhand reticulirt-feinkörnig. Finger 
beim Männchen mit starkem Lobus, beim Weibchen ohne einen solchen, 
mit 13—14 übereinander greifenden Schrägreihen von Körnchen 
besetzt (Fig. 55). Verhältniß des’ beweglichen Fingers zur Hinterhand 
wie 1:0,8 bis 1:1,06, das der Hinterhand zur Handbreite = 1: 0,94 
bis 1: 1,2. Größte absolute Maaße für Finger, Hinterhand und 
Handbreite: 6, 6 und 6,9 mm. 

Oberschenkel feinkörnig, oft auch die Unterschenkel außenseits 
etwas reihenkörnig, sonst glatt. Sternum etwa so lang oder wenig 
länger, als am Grunde breit. Mittellamellen unentwickelt, Fulera deutlich. 


Zahl der Kammzähne meist 4—5 beim Weibchen, 7 beim Männchen. 
10 


146 Scorpionidae: Chaerilini. 


Das Verhältniß des Truncus zur Cauda schwankt zwischen 
1:0,83 und 1:1,05, wobei die längere Cauda für die Männchen 
charakteristisch ist. Größte absolute Maaße für das Weibchen 47 
(= 25 + 22) mm, für das Männchen 45 (= 22 +23) mm. 

Die Hauptheimath des Ch. variegatus scheint Java mit den 
benachbarten Inseln (Banka) zu sein. Der Ch. borneensis Sim. stammt 
von Nordborneo, der Ch. birmanicus Thor. von Rangoon. 


3. (Chaerilus truncatus Karsch. 
1879 Chaerilus truncatus Karsch (Mittheil. Münch. Ent. Ver. 1879, p. 108). 
? 1893 Chaerilus eavernicola Poc. (Scorp. d. Mal. Archip. in Weber, Zool. Ergeb. 
Reise Niederl. Ostind. II., p. 91). 

So weit ich ohne Untersuchung des ÖOriginalexemplars von 
Ch. cavernicola urtheilen kann, stimmt dasselbe sehr gut mit den 
mir vorliegenden Individuen von Ch. truncatus überein, zumal wenn 
wir bedenken, daß die Pocock’schen Exemplare von 29 mm Länge 
ihre volle Größe sicher noch nicht erreicht hatten. Die Kielung der 
Cauda ist bei beiden Formen fast genau die gleiche. Für das 
Verhältniß des IIH., IV. und V. Caudalsegments erhält man nach 
Pocock die Zahlen 1:1,1:1,7, und dies sind dieselben, die ich für 
die mir vorliegenden truncatus-Exemplare herausrechne. Das Verhältniß 
der Hinterhand zur Handbreite ist bei Ch. cavernicola —= 1: 0,7, 
während ich für Ch. truncatus die Zahlen 1:0,65 bis 1:60,75 
erhalte etc. Es scheint also bis auf Weiteres geboten, den Ch. caver- 
nicola mit Ch. truncatus zu vereinigen. 

Die Färbung des Ch. truncatus scheint zu variiren wie bei 
Ch. variegatus, doch finde ich auch bei einem erwachsenen Exemplar 
die Schattirung mit gelb und schwarz noch ziemlich ausgeprägt. 

Thorax von der Form der vorigen Art, Mittelfurche vor den 
Augen aber nicht entwickelt und daher auch der Augenhügel ohne 
Spur einer Depression. _Stirnvorderrand in der Regel grobkörnig. 
Dahinter eine gestreckte ebene Fläche, beiderseits bis hinter den 
Augenhügel, ja zuweilen bis an den Hinterrand sich erstreckend, die 
ungekörnt ist und auch nicht durch eine Körnchenleiste von jener 
länglichen, von den Seitenaugen medianwärts nach hinten ziehenden 
Flachgrube abgegrenzt wird. Seiten und Hinterecken bei erwachsenen 
Exemplaren grob- oder feinkörnig. 

Abdomen wie bei der vorigen Art. 

Obere Caudalkiele wie bei der vorigen Art, doch treten die 
oberen Kiele des V. Segments durch Größe der Körnchen mehr hervor, 
als bei Ch. variegatus, und sind mehr cristenartig. Obere Lateralkiele 


Gatt. Chaerilus. 147 


sämmtlich körnig, ebenso alle unteren Lateralkiele.. Von den unteren 
Mediankielen fehlt zuweilen der des I. Segments; in anderen Fällen 
ist auch er entwickelt. Obere Nebenkiele im I. Segment meist durch 
eine kurze Körnchenreihe auf der gekörnten Fläche angedeutet, im 
V. Segment etwa bis ”3 der Länge entwickelt. Blase an den Seiten 
meist zerstreut körnig, seltener glatt. 

Oberarm wie bei der vorigen Art. Vorderrandkante der 
Oberseite aber etwas deutlicher. Cristen des Unterarms meist alle 
deutlich körnig, selten nur die Oberkante ihrer ganzen Länge nach 
körnig. Vorderfläche meist grobkörnig, seltener feinkörnig, am Grunde 
mit größeren Höckerchen. Hand schmal, ohne herzförmig gerundeten 
Ballen, mit Körnchenkielen (Fig. 54). Flächen retikulirt feinkörnig. 
Finger ohne Lobus (ob auch beim Männchen ?), mit 10 Schrägreihen 
auf der Schneide. Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinter- 
hand = 1:0,39 bis 1:1, der Hinterhand zur Handbreite = 1: 0,65 
bis 1:0,75. _ Größte absolute Maaße für Finger, Hinterhand und 
Handbreite: 6,5, 6 und 4,2 mm. 

Beine wie bei der vorigen Art. 

Sternum nicht länger, als breit. Kämme wie oben. Zahl 
der Kammzähne 4—6 beim Weibchen. 

Das Verhältniß des Truncus zur Cauda schwankt (beim 
Weibchen) zwischen 1: 0,94 und 1:1. Größte absolute Maaße 48,5 
(—’ 25 -4.23,5) mm. 

Als Fundorte werden genannt der Himalaya und Dehra 
Dun (am Südostabhange desselben). Der Ch. cavernicola Poc. stammt 
von Sumatra. 


4. Chaerilus celebensis Poc. 
1893 Chaerilus celebensis Poc. (Scorp. d. Malay. Archip. in Weber, Zool. Ergeb. 
Reise Niederl. Ostind. II, p. 93). 

Von dieser Art liegen mir 4 Exemplare vor, von denen 3 
durchaus mit der Beschreibung des sehr jugendlichen Pocock’schen 
Originals übereinstimmen, während das vierte durch Größe und dunkle 
Färbung als Altersstadium sich kennzeichnet. 

Die Färbung der jungen Exemplare ist gelb bis gelbroth, mit 
Schwarz gesprenkelt und gefleckt; auf den Rückensegmenten unregel- 
mäßige >< förmige gelbe Marken. Bauchsegmente meist ebenfalls 
schwarz gefleckt. Das alte Exemplar zeigt die einfache rothbraune 
Färbung der Erwachsenen, nur auf dem Thorax und Abdomen ist 
noch etwas von der gelben Zeichnung erkennbar. 


10* 


148 Scorpionidae: Chaerilini. 


Der Cephalothorax von gewöhnlicher Form; Stirmfläche 
rechts und links von der flachen Medianfurche ungekörnt und glatt. 
Augenhügel ohne Furche, wie bei der vorigen Art. Seiten und Hinter- 
rand bei jungen Exemplaren fast glatt, bei alten grobkörnig. Die von 
den Seitenaugen medianwärts nach hinten ziehende Flachgrube seitlich 
außen von einer erhabenen Körnchencriste begrenzt. 


Abdomen oberseits zerstreut körnig, am Hinterrande der 
Segmente je 2 grobe Höckerchen. 


Obere Caudal- und obere Lateralkiele im I.—IV. Segment 
körnig, obere Kiele im V. Segment ebenfalls, namentlich am Grunde, 
durch stärkere Körnchenreihe markirt. Untere Lateralcristen im 
II.—V. Segment, beim Erwachsenen auch im I. Segment, etwas körnig; 
untere Mediankiele bei den jungen Individuen im I.—III. Segment, beim 
Erwachsenen nur im I. Segment völlig obsolet. Nebencristen im I. Segment 
fast fehlend (juv.) oder ziemlich deutlich, körnig, im V. Segment un- 
deutlich (juv.) oder gut entwickelt. Blase glatt. 


Oberarm oberseits wenig gekörnt, Vorderranderiste ziemlich 
deutlich. Kiele des Unterarms meist glatt, Oberranderiste jedoch mit 
einzelnen Körnchen besetzt. Vorderfläche oben und unten am Grunde 
mit zahnartigen größeren Dörnchen. Hand mit etwas herzförmig gerun- 
detem Ballen, vom Bau der vorigen Art, mit glattem Fingerkiel. Neben- 
kiel der Innenfläche der Oberhand ganz fehlend (adult.) oder nur durch 
einen schwarzen Schattenstrich angedeutet (juv.); ebenso der Neben- 
kiel der Außentfläche der Oberhand. Flächen glatt oder etwas zusammen- 
fließend -netzig, kaum körnig. Finger ohne Lobus (ob auch beim 
Männchen?), mit 7—8 Schrägreihen auf der Schneide (Fig. 56). 
Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand wie 1:0,9 bis 
1: 0,99, der Hinterhand zur Handbreite wie 1:0,71 bis 1: 0,79. 
Größte absolute Maaße für Finger, Hinterhand und Handbreite: 5,6, 
5,5 und 4,1 mm. 


Beine wie bei den vorigen Arten. 


Sternum und Kämme wie gewöhnlich. Zahl der Kammzähne 
3—6 beim Weibchen. 


Das Verhältniß des Truncus zur Cauda varırt von 1:0,9 
bis 1:1,04 (beim Weibchen). Größte Körperlänge 42 (= 22 + 20) mm. 

Das Pocock’sche Originalexemplar ist von Celebes. Die mir 
vorliegenden jungen Exemplare stammen von Luzon, das erwachsene 
von der Insel Billiton (zwischen Borneo und Sumatra). 


Subfam. Chactini. 149 


6. Subfam. Chactini Poc. 


Scorpioniden mit 2 Dornen am Grunde der End- 
tarsen, ohne gerundete Seitenloben am Ende. 2 Seiten- 
augen, selten alle Augen fehlend. Stirn gerade oder 
ausgerandet. Beweglicher Finger des Oberkiefers unter- 
seits ohne Zähnchen, selten mit einem schwachen Zähnchen. 
Schneide der Palpenfinger mit einer einzigen Längsreihe 
von Körnchen; daneben einzelne, selten in Reihen 
gestellte Außenkörnchen an einer oder beiden Seiten 
(Fig. 72—74). Hand gerundet oder abgeplattet (und dann 
mit deutlichem „Fingerkiel“). Stigmen oft rund. Sternum 
meist nicht länger als breite Kämme wenig gegliedert, 
Zahl der Kammzähne meist gering. — Verbreitung in der alten 
und neuen Welt. 

In Uebereinstimmung mit Pocock vereinige ich in dieser 
Unterfamilie die altweltliche Gattung Euscorpius (nebst Belisarius) 
mit den neuweltlichen Broteas, Chactas, Teuthraustes, und 
den neuerdings . unterschiedenen Gattungen Broteochactas, 
Hadrurochactas und Heterochactas. Auch die Gattung 
Megacormus Ksch., obwohl in manchen Punkten abweichend, dürfte 
hierher gehören. Zur Unterscheidung der Gattungen möge folgende 
Bestimmungstabelle dienen: 

A. L—IV. Caudalsegment unterseits nur mit einem unpaaren, 
sekörnten Mediankiel. Beweglicher Finger des Oberkiefers unter- 
seits nahe der Spitze mit schwachem Zähnchen. Tarsenendglied 
mit einer Mittelreihe langer Borsten besetzt. (Ganze Unterseite 
(auch Sternum, Beine, Unterlippe ete.) granulirt. Neuweltlich. 

1. Megacormus Karsch., p. 151. 

B. 1.—IV. Caudalsegment unterseits ohne deutliche Kiele oder mit 
paarigen Mediankielen. Oberkiefer unterseits ohne Zähnchen. 
Unterseite des Körpers glatt. 

I. Hand abgeplattet; ein starker Fingerkiel theilt die Oberhand 
in 2 fast im rechten Winkel zu einander gestellte Flächen, 
deren innere völlig eben und horizontal ist (Fig. 69). Außen- 
körnchen der Innenseite der Schneide des beweglichen Fingers 
meist zu je 2 (Fig. 73). Altweltlich. 

a. Augenhügel und Mittelaugen vorhanden; ebenso 2 Seiten- 
augen. Kämme mit Fuleren und 3—6 Mittellamellen. End- 
tarsus unterseits mit einer Mittelreihe feinster Dörnchen. 

2. Euscorpius Thor., p. 153. 


Seorpionidae: Chactini. 


b. Augenhügel und Augen gänzlich fehlend. Kämme ohne Fulcra, 


II. 


a. 


h. 


nur mit einer Mittellammelle. Endtarsen unterseits ohne 

Dörnchenreihe, nur mit einzelnen Haaren besetzt. 

3. Belisarius Sim., p. 162. 
Hand gerundet oder kantig. Oberhand nicht durch einen 
Fingerkiel in 2 rechtwinklig zuemander gestellte Flächen getheilt, 
deren innere völlig eben und horizontal ist. Außenkörnchen 
der Innenseite der Schneide des beweglichen Fingers einzeln 
(Fig. 74). Neuweltlich. 
Medianfurche des ÜGephalothorax den Augenhügel beidseitig 
umziehend und sich vor demselben wieder zu einer ebenso 
tiefen, zum Stirnrande ziehenden Furche veremigend (Fig. 60). 
Augenhügel daher völlig isolirt, rhombisch. Unterseite der 
Endtarsen mit einer medianen Dörnchen- oder Haarleiste. 
Cephalothorax vorn ausgerandet. Stigmen rund. 

4. Chactas Gerv., p. 163. 
Medianfurche des Cephalothorax vor dem Augenhügel sich 
nicht wieder zu einer tiefen Furche vereinigend; Augenhügel 
nach vorn allmählich zum Stirnrand abfallend, höchstens mit 
seichter breiter Depression (Fig. 61). 
1. Unterseite der Endtarsen mit Haaren oder Borsten besetzt 

(Fig. 75—77). 

«. Stigmen schlitzförmig, gestreckt (Fig. 70). Maxillarloben 
deutlich breiter als das Sternum am Grunde. Endtarsen 
unterseits mit 2 Reihen Borsten (Fig. 75). Cauda unterseits 
sekiell.re.. 20. 2..00 2 5. Bröteas C. L. Koch, p- 

ß. Stigmen gerundet oder oval (Fig. 71). Maxillarloben 
nur etwa so breit als das Sternum am Grunde. Endtarsen 
meist unregelmäßig beborstet (Fig. 76, 77). Cauda 
unterseits in den ersten 4 Segmenten glatt und gerundet. 

aa. Endtarsen kurz, unterseits mit 2 Reihen etwas unregel- 

mäßig gestellter Borsten (Fig. 76). Hand mit Außen- 

randkiel. Ill. Caudalsegment nicht höher als breit. 

6. Broteochaectas Poc., p. 175. 

pp. Endtarsus lang und schlank, unterseits dicht mit 

unregelmäßig gestellten langen Haaren besetzt (Fig. 77). 

Außenrandkiel der Hand kaum angedeutet. III. Caudal- 

segment höher als breit. 

7. Hadrurochactas Boe., p. 178 

2. Unterseite der Endtarsen mit einer Medianreihe kleiner, 
kurzer Dörnchen besetzt (Fig. 78). Stigmen rund. 


Gatt. Megacormus. 151 


a. Vorderrand des Cephalothorax nicht oder kaum ausgerandet. 
Augenhügel nach vorn sich abdachend und vertiefend. 
Cauda unterseits in den 4 ersten Segmenten mit deutlichen 
gekörnten Kielen. Cephalothorax grobkörnig. 

8. Teuthraustes Sim., p. 179. 

ß. Vorderrand des Cephalothorax tief ausgerandet. Fläche 
vor dem Augenhügel fast eben. Cauda unterseits in den 
4 ersten Segmenten ungekielt und glatt. Cephalothorax 
nur an den Seiten etwas gekörnt, sonst glatt. 

9. Heterochactas Poc., p. 180, 


l. Gatt. Megacormus Karsch. 

Chactinen mit nur einem unteren Mediankiel in allen 
Segmenten der Cauda. Unterrand des beweglichen Ober- 
kieferfingers meist (?) mit schwachem Zähnchen unterhalb 
des Endzinkens. Scheerenfinger mit einer Körnchenreihe 
auf der Schneide, welche außen von dicht anliegenden und 
fast eine zweite Längsreihe bildenden Schrägreihen, innen 
won. Außenkornchen zu jes> Dlankırty wird. #(Kie,u72): 
Sternum breiter als lang, wie die ganze Unterseite, nebst 
Beinen, Unterlippe etc. gekörnt. Tarsenendglied mit einer 
Mittelreihe ziemlich langer Borsten besetzt: Hand mit 
körnigem Fingerkiel und körnigen Nebenkielen. 

Die Gattung Megacormus steht durch den unpaaren Mediankiel 
der Cauda (der ja allerdings bei Euscorpius andeutungsweise ebenfalls 
auftritt) und das Zähnchen am Unterrande des beweglichen Oberkiefer- 
fingers, wie nicht minder durch die eigenartige Körnelung sämmtlicher 
Theile des Körpers, so isolirt da, daß man fast an die Aufstellung 
einer eigenen Unterfamilie denken möchte, zumal auch die Scheeren- 
finger abweichenden Besatz der Schneide zeigen. Immerhin lassen 
sich in der Zweizahl der Seitenaugen, der fehlenden Gliederung 
der Kämme, die hier auf das niedrigste Maaß reducirt sind, in 
der Zweizahl der Dornen am Grunde der Endtarsen, wie m der 
Körnchenlängsreihe der Scheerenfinger genügend Beziehungen zu den 
Chactinen auffinden, um die Gattung vorläufig hier unterzubringen. 

Es ist bis jetzt nur eine Art bekamnt. 


1. Megacormus granosus (Gerv.). 
1844. Scorpio granosus Gerv. (Ins. Apt. III, p. 65). 
1881. Megacormus granosus Karsch (Troschels Arch. 47. Jahrg. I., p. 17). 


Die Art ist jedenfalls recht selten; auch mir hat nur ein 
Exemplar zur Verfügung gestanden. 


152 Scorpionidae: Chactini. 


Färbung: Der ganze Körper ist schwarz und gelb gescheckt, 
derart, daß die Grundfärbung dunkel erscheint und das Gelb, namentlich 
auf den Gliedmaßen und der Cauda, nur in kleineren Flecken zu Tage 
tritt. Die Abdominalringe sind namentlich am Vorderrande gelblich. 
Bei älteren Individuen wird das trübe Gelb mehr verschwinden, wie 
denn Gervais sein Exemplar geradezu schwarz nennt. 

Der Cephalothorax ist nach vorn verschmälert, am Stirn- 
rande gerade abgestutzt und hier mit kurzer breiter, aber seichter 
Medianfurche. Der Augenhügel ist rhombisch, zieht sich aber nach 
hinten im einen langen gekörnten Kiel aus, an dessen Ende dann die 
Medianfurche wieder einsetzt, um sich im die dreieckige Hinterrands- 
depression zu erweitern. An der Stirnseite des Augenhügels ein kurzer 
Längseindruck. Ganze Fläche des Cephalothorax fast dornig körnig. 

Abdomen oberseits ebenfalls dicht scharf gekörnt, das letzte 
Segment mit 4 gekörnten Cristen. Abdominalunterseite nebst dem 
Sternum, den Grundgliedern der Beine, den Lippenloben ete. ebenfalls 
höckerig-körnig oder runzelig feinkörnig, nach hinten gröber. Letztes 
Segment mit Andeutung von Cristen. Stigmen etwas erhöht, rundlich- 
oval, gelb. 

Caudalkiele sämmtlich körnig entwickelt, aber wegen der 
dichten, gleichmäßigen Körnelung der Flächen wenig hervortretend. 
Untere Mediankiele in allen Segmenten körnig. Seitliche Nebenkiele 
im I. Segment und in der Grundhälfte des V. entwickelt. Blase 
mäßig schlank, dichtkörnig. 

Oberkiefer mit parallelen Endzinken, am Unterande des 
beweglichen Fingers ein kleines Zähnchen. 

Oberarm vierkantig, mit gekörnten Kanten, nur der untere 
Hinterrand bald verschwindend, seine Flächen gekörnt. Unterarm 
oberseits flach, mit gekörntem Vorder- und Hinterrandkiel, an der 
Vorderseite mit großem Grundhöcker; Unterseite mit gekörnten Rand- 
kielen, seine Fläche nur am Vorderrande körnig, am Himterrande 
glatt und hier mit einer Reihe von 6 Haargrübchen. 

Hand mäßig breit, am Hinterrande schräg gestutzt, mit 
perlkörnigem Fingerkiel, der bis in die äußerste Spitze des unbeweglichen 
Fingers zieht. Außenfläche der Oberhand mit einem deutlichen, 
erhabenen, körnigen Nebenkiel und hierdurch in 2 Ebenen zerlegt. 
Ebenso die fast ebene Innenfläche mit deutlichem, körnigem Nebenkiel. 
Flächen unregelmäßig gekörnt, auch wnterseits. Außenfläche der 
Unterhand am Außenhandrande mit 4 Haargrübchen. Beweglicher 
Finger ohne Lobus, die Körnchenreihe auf der Schneide innen etwa 


Gatt. Euscorpius. 153 


mit 6—7 Gruppen von je 3 Außenkörnchen. Verhältniß des beweglichen 
Fingers zur Hinterhand — 4,2:4,2, der Hinterhand zur Handbreite 
—4.2#:25. mm. 

Beine oberseits und unterseits dicht gekörnt, auch die Tarsen. 
Endtarsen mit einer Mittellinie ziemlich langer Borsten, die sich vor 
dem Gehstachel gabelig theilt. 

Sternum mit parallelen Seitenrändern, breiter als lang, körnig, 
mit nach vorn "T förmig erweiterter Mittelfurche. Kämme fast ohne 
alle Gliederung, ohne Mittellamellen und Fulcra (Fig. 62), gebräunt, 
nur mit einer Längsfurche. Zahl der Kammzähne 3, 3. Winkel des 
des Kammgrundes stumpf. 

Verhältniß des Truncus zur Cauda wie 15,5:16; Totallänge 
31,5 mm. Karsch spricht von 2 Exemplaren, die 57, resp. 65 mm 
lang waren, fast glatte Bauchschilde und S—9 Kammzähne besaßen. 
Ob diese Individuen der Hauptform wirklich angehören, wage ich nicht 
zu entscheiden. 

Die Heimath des M. granosus ist Mexico. 


2. Gatt. Euscorpius Thor. 


Chactinen mit starkem Fingerkiel, der die Oberhand 
in zwei fast rechtwinklig zu einander gestellte Flächen 
theilt (Fig. 69). Innere. Fläche platt, ohne. deutlichen 
Nebenkiel; äußere mit erhabenem Nebenkiel. Körnchen 
der Scheerenfinger in einer Längsreihe auf der Schneide, 
außen mit einzelnen, der Längsreihe genäherten Außen- 
körnchen, innen in der Endhälfte mit paarigen, aber 
ziemlich getrennt und in ungleicher Höhe stehenden 
Außenkörnchen (Fig. 73). Sternum so lang, als breit, 
mit parallelen Seitenrändern und tiefer, breiter Mittel- 
furche (Fig. 63), Tarsenendglied mit einer Mittelcriste 
feinster kurzer Dörnchen unterseits, ohne Seitendornen. 
Unterseite des Unterarms am Hinterrande, und ebenso 
der äußere Rand der Handunterseite, mit je einer Anzahl 
in Reihen gestellter Haargrübchen. 

Geschlechter meist deutlich durch Fingerlobus und Form der 
Blase verschieden. Ausschließlich altweltlich. 

Die Auffassung ©. L. Koch’s, daß das Plus oder Minus einiger 
Haargrübchen oder Abänderungen der Färbung ete. constante Merkmale 
für selbständige Arten seien, hat in dieser Gattung viel Verwirrung 
angerichtet. Es ist das Verdienst Simon’s, auf Grund eingehender 
Untersuchungen die Unhaltbarkeit der meisten Koch’schen Arten nach- 


154 Scorpionidae: Chaectini. 


gewiesen und die weitgehende Unsicherheit in der Nomenclatur der 
Hauptsache nach beseitigt zu haben. Ich kann auf Grund des 
Studiums der Koch’schen und Sturm’schen Originalexemplare mich 
diesen Zusammenfassungen Simons nur anschließen, ja ich glaube in 
einigen Punkten noch weiter gehen zu können. So zeigt das Exemplar 
der Sturm’schen Sammlung von E. concinnus keinerlei Differenzen 
von E. carpathicus. Die Haargrübchen des Unterarms sind in der 
Zahl 8 vorhanden, wie auch Koch in seiner Beschreibung sagt, 
während Simon annimmt, daß die Siebenzahl niemals überschritten 
werde. Ingleichen ist auch das Sturm’sche Exemplar des E. tauricus — 
jedenfalls das Koch’sche Origmalexemplar — lediglich als E. carpathicus 
anzusprechen. Von E. naupliensis Ü. Koch habe ich ein Exemplar 
nicht gesehen; die Thatsache aber, daß derselbe in Bezug auf die 
Zahl und Anordnung der Haargrübchen an Unterarm und Unterhand 
genau mit E. italicus übereinstimmt, läßt gegen die Selbständigkeit 
der Art berechtigte Zweifel aufkommen. Das von Koch selbst 
hervorgehobene Merkmal gegenüber dem E.italicus soll im der Ausbildung 
schwacher oberer Lateraleirsten bestehen. Ueber die Selbständigkeit 
der beiden Simon’schen Arten — E. picipes und Fanzagoi — 
habe ich eine feste Ansicht nicht gewinnen können. Beide stehen 
jedenfalls dem E. carpathieus äußerst nahe; ihre noch später genauer 
zu besprechenden Merkmale sind überdies so variabler Art, daß ich mich 
schwer entschließen kann, an wohl charakterisirte Formen zu glauben, 
und diese Zweifel werden dadurch nicht geringer, daß beide Arten 
bisher nur m einem (E. Fanzagoi) oder wenigen Exemplaren gefunden 
sind gegenüber den Tausenden, die von den übrigen wohlcharakterisirten 
Species in den europäischen Museen conservirt werden. 

Ich glaube daher nicht zu radikal vorzugehen, wenn ich als 
selbständige Arten vor der Hand nur 4 annehme und die vor- 
stehend besprochenen zwei Simon’schen Arten zunächst dem E. 
carpathicus zuordne. 

Es würde sich demnach folgende Bestimmungstabelle ergeben: 
A. Außenfläche der Unterhand am Außenrande mit einer Reihe von 

6—-9 Haargrübchen. Vorderfläche des Oberarms mit einer starken 

mittleren Körncheneriste. Blase beim 5! aufgeblasen, braun. 
1. E. italicus (Herbst), p. 155. 
B. Außenfläche der Unterhand am Außenrande mit einer Reihe von 
nur 3 oder 4 Haargrübchen, abgesehen von einem Haargrübchen 

in der oberen Außenecke. 

a. Außenfläche der Unterhand am Außenrande mit einer Reihe 
von 4 Haargrübchen (Fig 67). Unterseite des Unterarmes am 


Gatt. Euscorpius. 155 


Hinterrande mit 10—14 (meist 12) Haargrübchen. Erste 
Caudalsegmente (I—UI oder IV) mit meist deutlich gekörnten 
oberen Seitenkielen. Oberarm auf der Vorderfläche mit meist 
vielkörniger grober Criste. Blase des Männchens kaum stärker, 
als die des Weibchens, nicht aufgeblasen. 

2. E. flavicaudis (de Geer), p. 157. 


b. Außenfläche der Unterhand am Außenrande mit einer Reihe 
von 3 Haargrübchen (Fig. 68). Unterseite des Unterarms am 
Hinterrande mit 5 bis 12 (meist nicht über 10) Haargrübchen. 
Vordere Caudalsegmente ohne gekörnte obere Seitenkiele, 
höchstens am Grunde etwas kantig zusammengezogsen. Ober- 
arm auf der Vorderfläche meist mit nur wenigen in einer Reihe 
stehenden Körnchen. Blase des Männchen dick aufgeblasen. 
1. Unterseite des Unterarms am Hinterrande stets mit nur 

5 Haargrübchen. Alle Caudalglieder völlig glatt und unge- 

kielt, so namentlich das V. Segment unten und die Begrenzung 
der dorsalen Längsfurche. 

3. E. germanus (C. L. Koch), p. 158. 

2. Unterseite des Unterarms am Hinterrande mit 7—1?2 (meist 

9—10) Haargrübchen. Caudalglieder stets mit Andeutung 

von Kielen, die namentlich auf der Unterseite des V. Segments 

und auf den Begrenzungskanten der dorsalen Längsfurche 

wenigstens andeutungsweise als Körnchenreihen vorhanden sind. 

Ar Br earpathicus (ie), p. 159: 


1. Euscorpius italieus (Herbst). 
1800 Scorpio italicus Herbst (Ungefl. Insect. IV p2 76.11.23, her). 
1836 Scorpius italicus C. L. Koch (Arachn. III, p. 95, fig. 241—243). 
1836 Scorpius provincialis ©. L. Koch (ibid., p. 114). 
? 1836 Scorpius naupliensis ©. L. Koch (ibid., p. 93, fig. 240). 

Färbung oberseits dunkelbraun, selten das Abdomen oder gar 
der Gephalothorax heller scherbengelb. Cauda und Blase ebenfalls 
meist braun, selten gelbroth bis scherbengelb. Beine braun oder leder- 
farben, bei helleren Individuen hellgelb; Arme und Hände meist 
dunkelbraun, seltener gelbroth. Unterseite des Abdomens scherben- 
farbig, oft mit helleren Hinterrändern. Jüngere Individuen sind ganz 
scherbengelb oder nur nach vorn etwas dunkler. 

Cephalothorax ziemlich deutlich femkörnig, auf der Stirn- 
höhe glatter und glänzender, mit seichter Medianfurche, welche ganz 
allmählich in den Augenhügel sich verflacht, aber durchaus nicht 
immer kürzer ist (Simon, Arachn. de France), als die Hälfte der Ent- 


156 Scorpionidae: Chactini. 


fernung vom Stimrande bis zu den Augen. Oberseite des Abdomens 
dicht femkörnig, beim Männchen matter, beim Weibchen glänzender. 
Unterseite äußerst fein punktirt. 

Cauda auf den Begrenzungsrändern der dorsalen Längsfurche 
im 1.—IV. Segment mit deutlichen Körnchencristen, aber meist ohne 
Andeutung oberer Seitencristen, wie sie nach Koch bei E. naupliensis 
auftreten sollen. Auf der Unterseite sind die Lateralkiele vom 
II. bis IV. Gliede meist als schwache, glatte, nur im IV. Segment fein 
sekörnelte Kanten entwickelt, während sie im V. als körnige Cristen 
erscheinen. Ein unterer Mediankiel gekörnt ebenfalls meist nur im 
V. Segment; aber im IV. Segment meist noch als mediane, zuweilen 
sogar fen gekörnelte Kante nachzuweisen. Die Flächen sind meist glatt, 
nur die oberen Seitenflächen der vorderen Segmente zuweilen etwas 
körnig. Blase glatt, beim Weibchen schlank, beim Männchen dick, 
bauchig, seitlich zusammengedrückt. 

Oberarm oberseits gleichmäßig fein gekörnt, an der Vorderseite 
der Länge nach mit einer dem Unterrande genäherten Dörnchencriste. 
Unterseite am Grunde ziemlich grobkörnie, nach dem Ende zu fein- 
körniger oder ganz glatt. Unterarm unterseits fast glatt, am 
Hinterrande mit 12—13 Haargrübchen, an der Vorderfläche mit 
starkem Dorn am Grunde. 

Han dunterfläche außenseits mit einer Schrägreihe von 
6—9 Haargrübchen. Am Grunde der Außenfläche der Oberhand 
eine durch Lücke unterbrochene, halbmondförmige Reihe von 6 Haar- 
grübchen (5 + 1). Finger beim Männchen mit starkem Fingerlobus 
und tiefer Einbuchtung der Gegenseite, beim Weibchen nur seicht 


geschweift. Verhältniß des Fingers zur Hinterhand etwa —= 1:60,85, 
das der Hinterhand zur Handbreite beim Männchen etwa 1: 0,83, 
beim Weibehen = 1:0,7. Größte absolute Maaße für Finger, 


Hinterhand und Handbreite S, 7 und 5,8 mm. 

Schenkel feinkörnig, mn letzten Ende glatt; Schienbeine 
ungekörnt, matt. 

Zahl der Kammzähne beim Weibchen meist S oder 9, beim 
Männchen 9—11. 

Der Truncus ist beim Männchen in der Regel kürzer als die 
Cauda, beim Weibchen einige Millimeter länger. Die größte Gesammt- 
länge beträgt etwa 50 mm. 

Die Verbreitung des E. italicus erstreckt sich von den 
Seealpen (Nizza, Monaco) über Nord-Italien (Triest) und Tyrol 
(Bozen) bis in die Balkanhalbinsel (Fiume, Constantinopel; vielleicht 
auch Griechenland). 


Gatt. Euscorpius. 157 


2. Euscorpius flavieaudis (de Geer). 
1778 Scorpio flavicaudis de Geer (Mem. t. VII, p. 399, Tfl. XI, Fig. 11—13). 


1804 * europaeus Latr. (Hist. nat. Crust. et Ins. etc. VII, p. 116). 
1836 Scorpius massiliensis ©. L. Koch (Arachn. III, p. 89, Fig. 237—39). 
1836 a monspessulanus C. L. Koch (ibid. III, p. 114). 


1839 > algericus C. L. Koch (ibid. V, p. 1, Fig. 340—44). 


Färbung oberseits nebst den Armen und Scheeren meist 
rothbraun bis dunkelbraun, zuweilen mit helleren Hinterrändern der 
Abdommalringe. Jüngere Individuen ganz scherbengelb oder nur der 
Vorderkörper bräunlich. Cauda von der Farbe des Truncus, mit Aus- 
nahme der Blase, die gleich den Beinen von ledergelber Färbung ist. 


Körnelung des Gephalothorax und Abdomens von der 
vorigen Art nicht verschieden. Stirnfurche aber tiefer und stets 
deutlich länger als das vor den Augen liegende Stück des Augenhügels. 
Unterseite fein punktirt. 


Cauda auf den Begrenzungsrändern der dorsalen Längsfurche 
im 1.—IV. Segment mit deutlichen Körnchencristen, oft auch im V., 
wo indessen auch statt einer einreihigen Criste viele feinere Körnchen 
oder fast glatte Kanten auftreten können. Obere Lateralkiele im I. 
und III, meist auch im IV. Segment, als deutliche, meist gekörnte 
Längskiele entwickelt. Untere Seitenkiele im II.—V. Segment ebenfalls 
deutlich, im H. und III. glatt, im IV. meist, im V. immer körnig. 
Unterer Mediankiel im V. Seginent deutlich körnig, im IV. obsolet 
oder etwas kielig oder durch einzelne zarte Körnchen ersetzt. Die 
oberen Seitenflächen — über den oberen Lateralcristen — fast aus- 
nahmslos im II.—IV. Segment feinkörnig. Blase glatt, beim Männchen 
kaum dicker, als beim Weibchen. 


Oberarm oberseits gleichmäßig fein gekörnt, an der Vorder- 
seite der Länge nach mit einer dem Unterrande genäherten, meist 
vielkörnigen Dörnchencriste. Unterseite entweder ziemlich gleichmäßig 
grobkörnig oder nach dem Ende feinkörniger oder fast glatt. 
Unterarm unterseits fast glatt, oder gegen die Vorderrandfläche mit 
feinen Körnchen, am Hinterrande eine Reihe von 10—14 (meist 12) 
Haargrübchen. An der Vorderfläche ein starker Grunddorn. 


Handunterfläche außenseits mit einer Schrägreihe von 4 Haar- 
grübchen, abgesehen von einem Haargrübchen in der vorderen 
Außenecke. Haargrübchen am Grunde der Außenfläche der Oberhand 
wie bei E. italicus (5 + 1). Innenfläche der Oberhand fein netzig 
körnig. Finger beim Männchen mit starkem Fingerlobus und tiefer 
Einbuchtung der Gegenseite. Verhältniß des Fingers zur Hinterhand 


158 Scorpionidae: Chaectini. 


etwa wie 1:0,85, das der Hinterhand zur Handbreite zwischen 1: 075 
bis 1:0,88. Größte absolute Maaße für Finger, Hinterhand und 
Handbreite : 7,5, 6,5 und 5 mm. 

Schenkel und Schienbeine wie bei E. italicus. 

Zahl der Kammzähne 8—10 beim Weibchen (meist 8), 
9—10 beim Männchen (meist 10). 

Der Truncus beim Männchen kürzer, beim Weibchen einige 
Millimeter länger als die Cauda. Größte Gesammtlänge etwa 40 mm. 

Die Verbreitung des E. flavicaudis erstreckt sich auf das 
südliche Frankreich, Corsica, Italien und Algier. Aus Spanien 
sind mir keine Fundorte bekannt geworden. 


3. Euscorpius germanus (C. L. Koch). 
1836 Scorpius germanus (‘. L. Koch (Arachn. III., p. 110, fig. 250—52). 

Ich kann Simon nicht zustimmen, wenn er die vorstehende 
Art als E. germanicus (Herbst) bezeichnet, da letzterer ausdrücklich 
sagt (Ungefl. Insecten, Scorpione, pag. 72), daß die Ränder der 
dorsalen Caudalrinne gekörnt seien, was wohl für E. carpathicus, 
nicht aber für E. germanus zutrifft. — Uebrigens erscheint es nicht 
ausgeschlossen, daß auch diese Art dem Formenkreise des E. carpathicus 
einzureihen ist. i 

Die Färbung entspricht im Allgemeinen derjenigen der übrigen 
Arten, doch dürften die helleren Farben häufiger sein. Die Blase ist 
wie die Öauda gefärbt, während die Beine meist noch etwas heller sind. 

Der Cephalothorax ist auf der Fläche glatt und glänzend, 
an den Seitenrändern meist etwas körnig. Die Mittelfurche entspricht 
derjenigen von E. flavicaudis. Das Abdomen ist auf dem Rücken, 
wie auf der Bauchseite, glatt und glänzend. 

Die Cauda ist ebenfalls durchaus glatt und glänzend, sie zeigt 
selbst im V. Segment unterseits keme Spur von Kielen, und ebenso 
sind die Begrenzungsränder der dorsalen Längsrinne glatt, gerundet 
und glänzend. Die Blase ist beim Männchen dickblasig aufgetrieben 
und seitlich zusammengedrückt. 

Oberarm auf der oberen Fläche meist fast glatt, an der 
Vorderseite nur mit schwacher Andeutung einer dem Unterrande 
genäherten Dörnchencriste. Unterseite ebenfalls fast glatt und 
glänzend. Unterarm unterseits glatt, am Hinterrande eine Reihe 
von 5, selten 6 Haargrübchen. An der Vorderfläche ein schwacher 
Grunddorn. 

Handunterfläche außenseits mit einer Schrägreihe von 3 Haar- 
grübchen, abgesehen von emem Haargrübchen in der vorderen Außen- 


Gatt. Euscorpius. 159 


ecke. Haargrübchen am Grunde der Außenfläche der Oberhand in 
halbmondförmigem Bogen zu 4+ 1. Innenfläche der Oberhand glatt. 
Finger beim Männchen mit stärkerem Lobus. Verhältniß des Fingers 
zur Hinterhand etwa wie 1:0,9, der Hinterhand zur Handbreite 
wie 1:0,7 (Weibchen). Größte absolute Maaße für Finger, Hinter- 
hand und Handbreite: 5, 4,5 u. 3 mm. 

Oberschenkel äußerst feinkörnig, Schienbeine- glatt. 

Zahl der Kammzähne 6 bis 7, erstere Zahl meist beim 
Weibchen, letztere beim Männchen. 

Der Truncus beim Männchen kürzer, beim Weibchen länger 
als die Cauda. Größte Gesammtlänge 29 (= 17 + 12) mm. 

Die Verbreitung scheint ganz ausschließlich auf das süd- 
liche Tyrol beschränkt zu sein. 


4. Euscorpius earpathicus (L.). 
? 1763 Scorpio europaeus Scopoli (Entom. carniol., p. 404). 
1767 ö carpathicus L. (Syst. nat. ed. XII., p. 1898). 
1826 5 europaeus Risso (Hist. nat. Eur. merid. Artie., p. 155). 
? 1826 # pallipes Risso (ibid., p. 156). 
1836 Scorpius aquilejensis C. L. Koch (Arach. III., p. 101, fig. 244). 
1836 „ rufus C. H. Koch (ibid., p. 103, fig. 245). 
1836 5 concinnus C. L. Koch (ibid., p. 105, fig. 246). 
1836 5 tergestinus C. L. Koch (ibid., p. 106, fig. 247—48). 
1836 he sicanus C. L. Koch (ibid., p. 108, fig. 249). 
1838 ” tauricus C. L. Koch (ibid. IV., p. 6, fig. 255). 
1841 5 bannaticus 0. L. Koch (ibid. VII, p. 111, fig. 679—80). 
1841 > niciensis C. L. Koch (ibid. VIIL, p. 112, fig. 681). 
1845 en oravizensis C. L. Koch (ibid. X., p. 17, fig. 765). 
1874 ss canestrinii Fanzago (Scorp. ital., p. 4, fig. 1). 


1874 5 provincialis Fanzago nee Koch (ibid., p. 7, fie. 3). 
? 1878 Euscorpius picipes Sim. (Ann. Soc. ent. France [5] VIIL, p. 158). 
21879 „ Fanzagoi Sim. (Arachn. de France VII, p. 111). 


Dieser Scorpion ist, wie schon die große Zahl der Synonymen 
zeigt, bei weitem der häufigste und in seiner Form am meisten 
varüirende. 

Von der Mehrzahl der Koch’schen und den beiden Fanzago’schen 
Arten hat bereits Simon (Arachn. de France VH, p. 110 ff) es 
wahrscheinlich gemacht, daß sie specifisch nicht verschieden seien; 
für E. coneinnus und tauricus C. L. Koch ergab die Vergleichung 
der Originalexemplare dasselbe Resultat. Der E. picipes Sim. soll 
sich vornehmlich durch die mehr niedergedrückte Blase, die glatte 
‚Oberfläche und das Fehlen der Körnelung aller Caudalkiele — nur 
das V. Segment unten in der Hinterhälfte etwas körnig 
doch glaube ich an dem mir vorliegenden Material zu erkennen, daß 


auszeichnen, 


160 Scorpionidae: Chactini. 


auch bis zu diesem Extrem der Cristenbildung sich alle Uebergänge 
finden. Dasselbe dürfte in noch höherem Maaße von dem E. Fanzagoi 
gelten, von dem überdies bisher nur ein einziges Exemplar bekannt ist. 
Bei ihm soll die Unterseite des Oberarms in der zweiten Hälfte völlig 


glatt — nicht fein granulirt, — die Unterseite des Abdomens sehr 
fein — nicht grob — punktirt sein und das IV. Caudalsegment einen 


breiten glatten Mediankiel besitzen, der bei E. carpathieus fehlt. Auch 
ist die Blase dunkler als bei E. carpathicus. Alle diese Merkmale 
sind im Einzelnen jedenfalls auch bei dem echten E. carpathicus 
anzutreffen. Es dürfte immerhin möglich sein, daß bei weiterem 
Studium gewisse Formen als Varietäten oder Localrassen sich 
schärfer begrenzen lassen; eine solche Zerlegung wird aber sicher erst 
dann zu befriedigenden Resultaten führen, wenn die Variationsweite 
der in den verschiedenen Gebieten vorkommenden Formen genauer 
studirt ist. 

Die Färbung entspricht im Allgemeinen derjenigen der übrigen 
Arten. Der Truncus varüirt vom dunkel Kastanienbraun durch Rostbraun 
zum Scherbengelb. Hellere Formen besitzen nicht selten einen gelben 
Rückenstreif, zu dessen Seiten in jedem Segment je ein schwarzes 
Fleckchen sichtbar wird. Die Cauda hat die Farbe der Truncusoberseite. 
Die Blase ebenfalls, oder sie ist heller gefärbt, bei bleicheren Individuen 
oft fast weiß. Die Beine sind lederbraun bis gelbweiß, Arme und 
Hände von der Farbe des Truncus, bei helleren Individuen meist etwas 
stärker gelbroth. 

Der Cephalothorax zeigt namentlich um den Augenhügel und 
an den Seiten meist eine feine Körnelung; die Stirnhöhe ist oft. ein- 
gestochen punktirt oder fast glatt, glänzend. Abdomen zuweilen fast 
glatt, meist aber, besonders an den Seiten, feinkörnig oder punktirt. 
Unterseite des Abdomens fein bis gröber nadelstichig oder fast glatt. 

Die Cauda zeigt stets Spuren von Kielen. Die Begrenzung der 
dorsalen Längsfurche trägt m der Regel vom I.—IV. Segment fein- 
gekörnelte Kiele, die auch im I. Segment auftreten können und im 
V. oft als sehr feine Körnchenreihen markirt sind. Zuweilen sind die 
Kiele namentlich im III. und IV. Segment fast glatt. Obere Seitenkiele 
sind nie entwickelt, doch sind in den ersten Segmenten oft Spuren 
derselben als kantige Zusammenziehungen am Grunde nachzuweisen. 
Untere Lateral- und Mediankiele sehr verschieden entwickelt. Im 
extremsten Falle sind die unteren Lateralkiele nicht nur im V., sondern 
auch im IV. Segment als gekörnte Cristen vertreten, die im III. ihre 
Körnelung verlieren, aber sowohl in diesem, wie auch noch im I, als 
deutliche Kanten erkennbar sind. In der Regel zeigt indeß nur das 


Gatt. Euscorpius. 161 


V. Segment gekörnte Lateralcristen, und im Il. Segment fehlt jede 
Andeutung einer Kante. Endlich können die Lateralcristen im II.—-IV. 
Segment völlig fehlen und selbst im V. Segment nur als schwache, 
kaum sichtbare Kanten entwickelt sein, welche mit wenigen feinen 
Körnchen zerstreut besetzt sind. In ähnlicher Weise variabel ist das 
Auftreten der unteren Mediancriste. Dieselbe ist im V. Segment meist 
deutlich körnig und tritt dann auch nicht selten als glatte oder selbst 
gekörnte Kante im IV. Segment auf. Dei schwacher Cristenbildung 
hingegen wird jede Spur eines Mediankiels selbst im V. Segmente völlig 
vermißt. Die Flächen der Cauda sind meist glatt, zuweilen aber an 
den oberen Seitenkanten mit femen Körnchen besetzt. Die Blase des 
Männchens ist viel dicker als die des Weibchens, aufgeblasen und 
seitlich zusammengedrückt. 

Der Oberarm ist oberseits ziemlich gleichmäßig feinkörnig, 
zuweilen äußerst feinkörnig. An der Vorderseite eine Dörnchencriste 
nahe dem Unterrande seltener gut ausgebildet, meist nur aus 5—7 
gröberen Körnchen gebildet, selten fast ganz fehlend. Unterseite des 
Oberarms am Grunde etwas gröber gekörnt, nach dem Ende zu feiner 
oder fast völlig glatt. Umterarm unterseits fast glatt oder gegen 
den Vorderrand gekörnt, am Hinterrande mit emer Reihe von 7—12 
(meist 9—10) Haargrübchen. An der Vorderfläche ein starker Grunddorn. 

Handunterfläche außenseits mit einer Schrägreihe von 3 Haar- 
srübchen, abgesehen von emem Haargrübchen in der vorderen Außenecke. 
Haargrübchen am Grunde der Außenfläche der Oberhand in halbmond- 
förmigem Bogen zu 4+ 1. Innenfläche der Oberhand meist etwas 
netzig beulig. Finger des Weibchens fast zusammenschließend, beim 
Männchen mit klaffender Lücke oberhalb des Grundes. Verhältniß 
des Fingers zur Hinterhand etwa wie 1:0,75 bis 1:0,9, der Hinter- 
hand zur Breite wie 1 :0,75 bis I : 0,85. Größte absolute Maaße für 
Finger, Hinterhand und Handbreite: 7,2, 5,6 und 4,4 mm (Männchen). 

Schenkel und Schienbeine wie bei den übrigen Arten. 

Zahl der Kammzähne 6—9 beim Weibchen (meist 7), 7—10 
beim Männchen (meist S—9). 

Der Truncus beim Männchen kürzer, beim Weibchen länger als 
die Cauda. Größte Gesammtlänge 40 (= 18,5 + 21,5) mm (Männchen). 

Die Verbreitung des E. carpathicus erstreckt sich von 
Spanien und Südfrankreich im Westen durch ganz Italien (auch 
Sardinien, Corsica und Sicilien), Tyrol, die Ostalpen, Carpathen, 
Dalmatien, Türkei und Griechenland bis nach Kleinasien 


und zum Kaukasus. 
11 


162 Scorpionidae: Chaetini. 


3. Gatt. Belisarius Sim. 

Altweltliche Chactinen vom Character der Gatt. 
Euscorpius, aber ohne alle Augen und selbst ohne Spur 
eines Augenhügels. Sternum etwas breiter als lang, nach 
vorn etwas verschmälert und mit einer bis zur Mitte 
reichenden Medianfurche. Scheerenfinger außer der 
Körnchenreihe auf der Schneide nur an der Innenseite mit 
5 groben Außenkörnchen. Kämme nur mit einer Mittel- 
lamelle, ohne Fulera, mit wenigen Zähnen. Endtarsen der 
Beine unterseits unbedornt, nur mit einzelnen Haaren 
besetzt. i 

Diese Gattung nimmt durch das Fehlen der Augen und der 
Fulera an den Kämmen eine so besondere Stellung ein, daß man 
füglich mit Pocock im Zweifel sein kann, welcher Familie sie 
einzuordnen sei. Da aber ihr Autor Simon selbst hervorhebt, daß 
die einzige bisher beobachtete Art den Habitus des Euscorpius 
carpathicus besitze, so darf sie wohl bis auf Weiteres der Gattung 
Euscorpius angeschlossen werden. 


1. Belisarius xambeui Sim. 

1879 Belisarius xambeui Sim. (Arachn. de France VII, p. 114). 

Der von Simon gegebenen Beschreibung entnehme ich 
folgende Daten: 

Färbung gelbroth oberseits, unterseits scherbenfarbig; Arme 
und Blase gelbroth oder etwas olivenfarbig. 

Cephalothorax am Vorderrande leicht ausgerandet, mit 
breiter, vorn flacher und im vorderen Drittel unterbrochener, hinten 
vertiefter und verengter Mittelfurche. Kein Augenhügel und keine 
Seitenaugen. Fläche glatt, glänzend, sehr fein eingestochen punktirt. 
Ebenso das Abdomen. 

Cauda oberseits im I.—IV. Segment mit niedrigen, breiten, 
etwas unregelmäßig gekörnten Mediankielen und mit ziemlich stark 
gekörnten oberen Lateralkielen; unterseits I. Segment glatt und fein- 
punktirt, II.—IV. Segment etwas höckerig und körnig. V. Segment 
an den oberen Rändern zerstreut und schwach gekörnt, oberseits mit 
durchgehender, am Ende grubig erweiterter Rinnenfurche. Blase (beim 
Männchen) ziemlich groß, fast wie beim Männchen von Euscorpius 
carpathicus. 

Oberarm auf der oberen Fläche nur in der Mitte femkörnig, 
mit unregelmäßig gekörntem Vorderrandkiel und einigen größeren 
Körnchen am Grunde des Hinterrandes. Vorderfläche mit einzelnen 


Gatt. Chactas. 163 


zerstreuten Körnchen. Unterfläche glatt, punktirt, mit granulirtem 
Vorderrand. Unterarm oben und hinten glatt; Vorderfläche ebenfalls, 
ohne Grunddorn; Unterfläche glatt, fein punktirt, mit 3 Haargrübchen 
am Hinterrande. 

Hand mit stumpfem Fingerkiel. Innenfläche der Oberhand 
fein netzig chagrinirt, Außenfläche fast glatt. Außenfläche der Unter- 
hand glatt, fein punktirt, mit 2 Haargrübchen am Außenrande. Finger 
ohne Lobus. 

Zahl der Kammzähne 4. 

Verhältniß des Truncus zur Cauda = 14,5 :12 mm. 

Die einzigen bisher bekannten Exemplare (Männchen) stammen aus 
dem Gebiet von Conat und dem Thal von Queillan in den Ost-Pyrenäen. 


4. Gatt. Chactas (Gerv.) 


Typische Gattung der Chactinen, mit gerundeten 
Stigmen und mit Maxillarloben, die nicht breiter sind, 
als das mit "IT förmiger Furche (Fig. 59) versehene Sternum 
am Grunde. Cephalothorax auch vorn mit tiefer Median- 
furche, welche, sich theilend, den scharf rhombisch 
umgrenzten Augenhügel gabelig umgreift, um sich hinter 
demselben wieder zu vereinigen (Fig. 60. Endtarsen 
unterseits mit einer Mittelcriste von kurzen Dörnchen 
oder dichten Borsten besetzt. Körnchenreihe der 
Scheerenfinger außen und innen mit je etwa 8 Außen- 
körnchen (Fig. 74). Hände mit Außenrandkiel, oberseits 
gerundet oder obsolet kielig. 

Geschlechter meist durch auffallende Verschiedenheit der 
Hände charakterisirt, die beim Männchen gestreckt und dünn (kaum 
dicker als der Unterarm), beim Weibchen viel kürzer und dicker sind. 

Die Gattung Chactas, welche erst kürzlich durch Pocock 
(Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XH., p. 83 ff.) eine Neubearbeitung erfahren 
hat, bietet in Bezug auf die Abgrenzung ihrer Arten ganz ungemeine 
Schwierigkeiten, die allerdings zum Theil aus dem durchaus 
ungenügenden Individuenmaterial der Sammlungen, zum Theil aber 
auch aus der weitgehenden Uebereinstimmung der Formen in allen 
wesentlichen Merkmalen resultirt. Ich sehe mich daher zur Zeit außer 
Stande, mit irgend welcher Sicherheit die Zahl der wirklich gut 
begrenzten Arten angeben zu können, hege indeß die Vermuthung, 
daß der größte Theil der von Karsch, Simon, Pocock und 
Anderen aufgestellten Formen sich auf einige wenige Species zurück- 
führen lassen wird. 

11° 


164 Scorpionidae: Chactini. 


Von besonderem Interesse scheint mir die Thatsache, daß nur 
ein Theil der mir vorliegenden Exemplare die als Gattungscharakter 
von Pocock in den Vordergrund gestellte Mittelreihe kurzer Dörnchen 


an der Unterseite der Endtarsen besitzt, während ein anderer — im 
Ganzen 4 Exemplare von verschiedenen Fundorten — statt der 


Dörnchen eine Mittelreihe sehr dicht gestellter feiner Härchen trägt, 
die sich nach vorn zu gabelig theilt. Es würde nun bei der großen 
Wichtigkeit, welche die Armirung der Tarsenunterseite erfahrungs- 
cemäß für die natürliche Abgrenzung der Gattungen und selbst der 
Unterfamilien besitzt, zunächst nichts einfacher erscheinen, als jene 4 
mit Haarleiste versehenen Exemplare zu Repräsentanten einer neuen 
Gattung zu stempeln, die dann eben lediglich durch die abweichende 
Armirung der Endtarsen von Chactas unterschieden wäre. Seltsamer- 
weise hat indeß auch die sorgfältigste Vergleichung nicht eine einzige 
weitere Abweichung jener 4 Individuen von dem normalen Chactas 
Van Benedenii Gerv. erkennen lassen, so daß ich mich zu dem obigen 
bequemen Auskunftsmittel nicht entschließen kann, sondern vielmehr 
der Annahme zuneige, ein in den übrigen Gruppen systematisch 
wichtiges Merkmal hat bei der Gattung Chactas diese Bedeutung ver- 
loren und kann hier sogar bei Exemplaren einer und derselben Art 
Variationen zeigen, die sonst nur bei verschiedenen Gattungen aufzu- 
treten pflegen. Daß diese Annahme nichts ungeheuerliches hat, 
beweisen ja zahlreiche analoge Vorkommnisse bei anderen Thier- 
gruppen (man denke z. B. an die bei einigen Schneckenarten auf- 
tretende individuelle Variation der Rechts- und Linkswindung | Amphi- 
dromus, Achatinella], die m andern Fällen ein Gattungskennzeichen 
ist [Clausilia]); auch dürfte der verschiedene Haarbesatz bei den 
unter sich nahe verwandten Gattungen Broteas, Broteochactas und 
Hadrurochactas diese Ansicht zu stützen geeignet sein. 

Von den über 20 Arten, die man bisher unterschieden hat, 


sind zunächst 5 Arten von Karsch — Gollmeri, delicatus, 
opacus; quinquedentatus, Schaumii — den Gattungen 


Broteochactas und Hadrurochactas zu überweisen. Ueber Ch. lite- 
rarius Butl. und Ch. haversi Butl. habe ich kein Urtheil, da mir 
die einschlägige Litteratur (Cistola Entomol. Bd. XI, p. 323, 1874) 
nicht zu Gebote stand. An Originalexemplaren liegen mir nur vor: 
Ch. lepturus Thor., Ch. Fuchsii Berthold und Ch. brevicaudatus 
Karsch. Alle drei zeigen so große Uebeinstimmung mit einander, 
daß ich nicht zögere, sie als zu einer Art gehörig zu erklären. Der 
Cephalothorax des Ch. Fuchsii ist nicht, wie sein Autor angıebt, 
völlig glatt, sondern an den Seiten feinkörnig, wie bei den übrigen. 


Gatt. Chactas. 165 


Die nur 5—6 Kammzähne bei dem Originalexemplar von Ch. lepturus 
gegen S—10 bei Fuchsii und brevicaudatus können allein keinen 
Artunterschied begründen; die größere oder geringere Ausprägung 
der Handkiele aber und der Caudalcristen, wie die stärkere oder 
schwächere Netzkörnelung und selbst Runzelung der Hand sind so 
wandelbar, daß nicht zwei Individuen in allen diesen Punkten sich 
völlig gleich sind. Ch. brevicaudatus ist zudem ein jugendliches 
Exemplar, das den für die Jugendstadien charakteristischen gelben 
Rückenstreif noch bewahrt hat. Ich würde daher den Simon’schen 
Ch. rubrolineatus ohne Weiteres hier anschließen, wenn er nicht 
einen starken Grunddorn an der Vorderseite des Unterarms trüge, 
der doch vielleicht auf eme andere Art hinweist. Endlich dürfte es 
nicht zu gewagt sein, die drei mir vorliegenden Originale nun des 
Weiteren auch dem Ch. Van Benedenii Gerv. zu .identificiren, der 
bekanntlich nur das Männchen der Art repräsentirt. — Alle diese 
Formen, sowie der wohl kaum unterscheidbare Ch. Keyserlingii Poc., 
haben die Unterseite der ersten 4 Caudalkiele völlig glatt und glänzend, 
den Grunddorn des Unterarms klein; ihnen schließen sich zwei ver- 
wandte Formen — Ch. chrysopus und Karschii Poc. — an, bei 
welchen das IV. Segment unterseits bereits granulirt ist und der Unter- 
arm einen stark entwickelten Grundhöcker trägt. Ueber diese, wie 
über 5 weitere von Pocock aufgeführte Arten fehlt mir bei dem 
geringen, mir vorliegenden Untersuchungsmaterial jedes sichere Urtheil, 
so daß ich mich mit der Wiedergabe der von jenem Autor ange- 
gebenen Unterschiede begnügen muß. Nicht unerwähnt lassen will 
ich indeß, daß ich bei einem Ch. laevipes Karsch sehr wohl auch 
im I. Caudalseement Spuren von Kielung beobachten konnte, 
die ihn bei stärkerer Ausprägung der Schenkelkörnelung zum Ch. 
aequinoctialis stempeln würden, sowie, daß ich eine Form vor mir 
habe, die ich auch nach der Pocock’schen Tabelle nicht zu bestimmen 
vermag. Die Kiele der Cauda sind im IL.—IV. Segment „ziemlich“ 
deutlich vorhanden; nimmt man nach der Bestimmungstabelle an, 
diese Segment seien „clearly carinate“, so kommt man auf Ch. Simoni, 
der es wegen des glatten Thorax nicht sein kann; nimmt man aber 
an, sie seien „smooth or scarcely carinate“, so kommt man auf Ch. 
Van Benedenii, der aber durch die geringe Entwickelung des Unter- 
arm-Grunddorns abweicht. Ein solches Beispiel mag zeigen, wie wenig 
derartige, auf ganz geringem Individuenmaterial aufgebaute Tabellen 
den thatsächlichen Verhältnissen gerecht werden. Es ist gewiß eine 
schöne Sache um das möglichst minutiöse Trennen der Formenkreise 
von einander, auch wenn dieselben nur den Werth von Local-Rassen oder 


166 Seorpionidae: Chactini. 


Varietäten haben sollten; voraufgehen aber muß meines Erachtens 
einer solchen Detailmalerei die scharfe Abgrenzung der größeren, durch 
intermediäre Formen nicht verbundenen Kategorien, und erst die 
gewissenhafte Durcharbeitung eines ausgiebigen Materials der ver- 
schiedenen Alters- und Geschlechtsstufen aus dem Gesammtbereich des 
Verbreitungsbezirks sollte zur Aufstellung von Formenkreisen mit nur 
graduell sich abstufenden Merkmalen berechtigen. Diese Forderung 
ist bei den nur ein bis zwei Individuen, welche dem Britischen Autor 
bei der Abfassung seiner „Art-Tabelle* zur Verfügung gestanden, 
jedenfalls nicht erfüllt, und es ist daher nur zu wohl zu verstehen, 
wenn derselbe selbst von dieser Tabelle sagt „to be used with caution.“ 
Sie ist aber nun eben einmal da, und wir werden mit den 10 unterschiedenen 
Species so lange rechnen müssen, als nicht durch ausgiebigeres Material 
die Zusammenfassung auf vielleicht die Hälfte oder weniger durch- 
geführt werden kann. — Der wesentliche Inhalt dieser Pocock’schen 
Bestimmungstabelle ist folgender: 


A. Alle Caudalsegmente, auch das I., unterseits mit gekörnten Kielen. 

Oberseite des Truncus und Schenkel außenseits grob gekörnt. 

1. Ch. aequinoctialis (Ksch.), p. 167. 
B. Mindestens das I. Caudalsegment unterseits ungekielt. 

I. Thorax und Arme oberseits grobkörnig; Blase breit, unterseits 
am Grunde eingedrückt. Unterarm an der Vorderfläche ohne 
stärkeren Grunddorn. Das erste (der Basis nächste) Außen- 
körnchen der Schneide des unbeweglichen Fingers vergrößert. 

2. Ch. Whymperi Poc., p. 168. 
II. Schenkel außenseits glatt oder fast glatt. Blase weniger kugelig, 
ohne Eindruck auf der Unterseite. 


a. III. und IV. Caudalsegment unterseits deutlich gekielt, II. 
schwach gekielt. Cephalothorax an den Seiten stärker gekörnt. 
Unterarm mit stärkerem Grunddorn. Unbeweglicher Finger 
am Grunde ohne vergrößertes Außenkörnchen. 

1. Oberseite des Abdomens fein und dicht gekörnt. Caudal- 


kiele stärker... ......: 3. Ch. laevipes (Ksch.), p. 168. 
2. Oberseite des Abdomens glatt und glänzend. Caudalkiele 
Schwacher. te 4. Ch. Simonii Poc., p. 169. 


b. U. und Ill. Caudalsegment unterseits glatt und nicht oder 
nur undeutlich gekielt; IV. Segment schwach gekielt, häufig 
schwach gekörnt. 

l. Truncus, Cauda und Schenkel dicht eingestochen punktirt. 
Unterarm ohne stärkeren Grunddorn. Schneide des 


Gatt. Chactas. 167 


unbeweglichen Fingers am Grunde mit vergrößertem Außen- 
körnchen, das in eine Einbuchtung der Gegenseite paßt. 
5. Ch. amazonicus Sim., p. 169. 
2. Trunceus, Cauda und Schenkel nicht punktirt. Außen- 
körnchen am Grunde der Schneide des unbeweglichen 
Fingers nicht vergrößert. 
a. IV. Caudalsegment unterseits körnig; Unterarm mit 
großem Grunddorn an der Vorderfläche. 

aa. Blase oben und unten körnig. Cauda länger. 

62Ch: Karschir Boc., p. 170. 


bb. Blase oben und unten glatt. Cauda kürzer. 
72 Ch chrysopus.Poc., px 170: 
ß. Kiele der vorderen Caudalsegmente unterseits völlig glatt 
und glänzend; Unterarm ohne vergrößerten Grunddorn. 
aa. Obere Caudalkiele schwach und meist schwach granulirt. 
Letztes Rückensegment glatter. 
aa. Hand beim Weibchen ungekielt, beim Männchen 
schwach gekielt. Obere Ränder der ersten Caudal- 
segmente glatt und gerundet. 
8. Ch. Van Benedenii Gerv., p. 171. 
£g. Hand gekielt; obere Caudalkiele etwas deutlicher und 
schwach körnig. ..9, Ch. lepturus Thor., p. 171. 
bb. Obere Caudalkiele sehr deutlich und körmig, die 
Zwischenräume zwischen ihnen ebenfalls körnig. 
Letztes Abdominal-Segment oberseits an den Seiten 
deutlich gekörnt. Hand ungekielt. 
10. Ch. Keyserlingii Poc., p. 172. 


1. Chactas aequinoetialis (Karsch). 

1879 Broteas aequinoctialis Karsch (Mitt. Münch. ent. Ver. 1879, p. 130). 

1893 (Chactas aequinoctialis Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XI, p. 87). 
Färbung des ganzen Körpers schwarzbraun. 
Cephalothorax vorn und in der Mitte sparsamer, an den 

Seiten und hinten grob und dicht gekörnt. Abdomen oberseits eben- 

falls dicht feinkörnig, im letzten Segment grobkörnig; unterseits ein- 

gestochen punktirt, letztes Segment etwas körnig. Cauda oberseits 
in allen Segmenten mit deutlich gekörnten Kielen und mit grobkörniger 

Dorsalrinne. Unterseite ebenfalls in allen Segmenten mit unregelmäßig 

gekörnten, deutlichen Kielen. Blase unterseits grobkörnig, an den 

Seiten tief gefurcht. 


168 Scorpionidae: ÜChaetini. 


Oberarm oberseits mit gekörnten Randkielen, auf der oberen 
Fläche körnig. Hand kantig, nicht gekörnt, aber netzig runzelig, beim 
Weibchen doppelt so breit, beim Männchen nur so breit, als der Unterarm. 

Schenkel und Schienbeine außenseits grobkörnig. 

Zahl der Kammzähne bei beiden Geschlechtern 7. 

Verhältniß des Truncus zur Cauda = 23—28 : 23 — 31 mm. 

Fundort: Columbien. 


2. Chaectas Whymperi Poc. 
1893 Chactas Whymperi Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XII, p. 90). 

Färbung schwarz, Schenkel pechbraun, Blase und Endtarsen 
gelbbraun. 

CGephalothorax auf der ganzen Fläche gekörnt. Abdomen 
oberseits glänzend, undeutlich gekörnt, letztes Segment deutlich gekörnt. 
Unterseite glatt, eingestochen punktirt. 

Cauda oberseits in allen Segmenten mit deutlich gekörnten 
Kielen und größerem Endzahn. Dorsalrinne gleichfalls körnig im 
I. Segment, ebenso die Seiten. I. und II. Segment der Unterseite 
elatt und glänzend, ungekörnt, eingestochen punktirt; III. Segment fast 
olatt, obsolet gekielt, etwas runzelig; IV. deutlicher gekielt, unregel- 
mäßig körnig, mit deutlichen Lateralkielen; V. mit den gewöhnlichen 
Kielen und gekörnter Fläche. Blase breiter als das V. Segment, unter- 
seits grob punktirt, am Grunde eingedrückt. 

Oberarm wie bei der vorigen Art. Hand gekielt, Kiele dicht 
mit Körnchen besetzt, die sich auf die Flächen ausdehnen. Verhältniß 
des beweglichen Fingers zur Hinterhand wie 8: 6 mm, der Hinterhand 
zur Handbreite (Weibchen) wie 6 : 5,6. 

Schenkel fem und dicht gekörnt, Schienbeine fast glatt. 

Zahl der Kammzähne 5—6. 

Verhältniß des Truncus zur Cauda —= 25.:29 mm. 

Fundort: Milliealli in Ecuador (2 Weibchen im Britischen 
Museum). 


3. Chaetas laevipes (Karsch). 
1879 PBroteas leavipes Karsch (Münch. ent. Ver. 1879., p. 131). 
1893 Chactas laevipes Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XII, p. 87). 

„Dem Ch. aequinoctiales sehr ähnlich, aber kleiner; Cephalothorax 
nach vorn nur wenig verengt; Beine heller und mit fast glatten 
oder sparsam körnigen Oberschenkeln“ (Karsch). Der Cephalothorax 
weniger dicht und grob gekörnt; vordere Abdommalsegmente äußerst 
fein, letztes gröber gekörnt. Bauchseite glatt, nur im letzten Segment 
an den Seiten etwas körnig. 


Gatt. Chactas. 169 


Zahl der Kammzähne 6—8. 

Verhältniß des Truncus zur Cauda = 23— 24 mm : 29 —31 mm. 

Fundorte: Caracas in Venezuela und Columbien. 

Die Selbstständigkeit dieser und der vorhergehenden „Art“ 
ist sehr zweifelhaft; sie dürften beide zu Ch. aequinoctialis zu ziehen sein. 


4. Chaetas Simonii Poc. 

1893 Chactas Simonii Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XII., p., 89). 

Vom Ch. laevipes vornehmlich durch die Rückensegmente des 
Ahbdomens unterschieden, welche glatt und glänzend sind; nur das 
letzte ist feinkörnig. 

Cephalothorax auf der Mittelfläche glatt, sonst körnig. 

Cauda mit gekörnten oberen Cristen und größeren Enddornen. 
Dorsalrinne glatt. Untere Lateralkiele in allen Segmenten erkennbar, 
feinkörnig, wenigstens im IV. Segment; untere Mediankiele im I. Segment 
völlig fehlend, im II. und III. angedeutet, im IV. stark entwickelt. 
Blase unterseits grobkörnig. 

Hand undeutlich gekielt, mit kurzen Reihen sehr feiner Körnchen. 
Verhältniß des Fingers zur Hinterhand wie 8:7, der Hinterhand zur 
Handbreite wie 7: 4,5. 

Schenkel fast glatt; nur das letzte Paar ganz schwach körnig. 

Zahl der Kammzähne 6—7. 

Verhältniß des Truncus zur Cauda = 26:27. 

Fundort: Venezuela (2 Weibchen im Britischen Museum). 

Auch diese „Art“ dürfte dem Formenkreise des Ch. aequimoctialis 
angehören. 


5. Chaectas amazonicus Sim. 

1880 Chactas amazonieus Sim. (Ann. Soc. ent. Fr. [5] X., p. 384). 

Färbung dunkelbraun, Beme und Blase gelbbraun. 

Cephalothorax auf der Fläche eingestochen punktirt, an den 
Seiten grob gekörnt. 

Abdomen oberseits grob runzelig punktirt. 

Cauda oberseits in den drei ersten Segmenten mit glatten, nur 
am Hinterrande mit emigen Körnchen versehenen Kielen, IV. Segment mit 
etwas stärker gekörnten Kielen; V. Segment an den obereren Seiten 
und Rändern körnig, aber nicht kielig. Unterseite der Cauda im 
I.—-IIIl. Segment fein runzelig, ungekielt, fast glatt; IV. Segment mit 
undeutlichen gekörnten Streifen, V. wie gewöhnlich. Blase unterseits 
kaum körnig. 

Oberarm wie bei den vorigen Arten, oberseits schwach gekörnt. 
Hand sehr schwach femkörnig. Unbeweglicher Finger mit starkem 


170 Seorpionidae: Chactini. 


Außenkörnchen am Grunde bei beiden Geschlechtern, dem eine 
Einbuchtung der Gegenseite entspricht; beweglicher Finger kürzer als 
die Hinterhand. 

Schenkel fein punktirt, nicht granulırt. 

Zahl der Kammzähne 8—9. 

Verhältniß des Truncus zur Cauda = 22,5: 19,5 mm. Cauda 
beim Männchen im Verhältniß länger (Pocock). 

Fundort: Pevas und Moyabama in Peru. 


6. Chaectas Karschii Poc. 
1879 Chactas lepturus Karsch nec. Beauv. (Mitt. Münch. ent. Ver. 1879., p. 132). 
1893 Chactas Karschii Poc. (Ann. Mae. Nat. Hist. [6] XII., p. 86). 

Färbung pechbraun, Beine gelbbraun, Blase rothbraun. 

Cephalothorax glatt, glänzend, nur an den Seiten matt und 
feinkörnig. 

Abdomen oben glatt, sparsam eingestochen punktirt. 

Cauda oben mit glatten, gerundeten Rändern, nur im IV. Segment 
etwas kielig körnig; obere Lateralkiele etwas körnig. Unterfläche der 
Cauda im I.—IlI. Segment glatt, im IV. körnig, mit Andeutung der 
Lateralkiele. V. Segment oberseits auf der Fläche und an den Seiten 
körnig, ohne obere Randkiele, aber unterseits mit den 3 gewöhnlichen 
Kielen. Blase oben fein, unten grob gekörnt. 

Hand glänzend, etwas granulirt runzelig. Beweglicher Finger 
so lang, als die Hinterhand. Unterarm an der Vorderfläche mit 
2 Grundhöckern. Schenkel glatt. 

Zahl der Kammzähne 8. 

Verhältniß des Truncus zur Cauda = 21:30. 

Fundort: Puerto Cabello m Venezuela (1 Weibchen im 
Berliner Museum). 


7. Chaetas ehrysopus Poc. 
1893 Chactas chrysopus Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XII., p. 89). 

Der vorigen Art durchaus gleichend, aber Blase glatt, Cauda 
kürzer (Trunceus : Cauda —= 20:23) und nur 6 Kammzähne. Pocock 
selbst würde das ıhm vorliegende Exemplar als das andere Geschlecht 
der vorigen Art ansprechen, wenn er nicht beide der breiten Hände 
wegen für Weibchen halten müßte. Ich glaube mich überzeugt zu 
haben, daß in dieser Gattung auch bei demselben Geschlecht Blase 
und Verhältniß des Truncus zur Cauda m der angegebenen Weise 
varıiren können. 

Fundort: — ? (1 Weibchen im Britischen Museum). 


Gatt. Chactas. 171 


S. Chactas Van Benedenii Gerv. 
1843 Chactas Van Benedenii Gerv. et Goud. (Arch. du Musee IV., p. 232). 
1846 Chactas Fuchsii Berthold (Göttinger Nachrichten 1846, p. 56—62). 
1879 Chactas brevicaudatus Karsch (Mittth. Münch. ent. Ver. 1879, p. 132). 

Färbung zimmtbraun, Beine heller. 

Cephalotorax glatt und glänzend, nur an den Seiten fein- 
körnig. Abdomen oberseits glatt und glänzend, letztes Segment an 
den Seiten etwas gekörnt. Unterseite glatt und glänzend, nicht punktirt. 

Cauda oberseits auf den gerundeten Rändern im I, IH. und 
auch wohl III. Segment glatt, im IV. meist deutlicher gekörnelt, mit 
ziemlich geschärften, aber kaum gekörnten oberen Lateraleristen. Unter- 
seite im I.—IV. Segment völlig glatt und glänzend. V. Segment mit 
den gewöhnlichen Kielen unterseits, die Flächen gekörnt, auch die 
Seiten der Dorsalfläche. Blase oben und unten etwas runzelig körnig, 
beim Männchen unterseits fast glatt. 

Oberarm wie gewöhnlich, auf der Oberseite fast glatt oder 
etwas gekörnt. Unterarm an der Vorderfläche mit zwei mäßigen 
(Weibchen) oder fast verschwindenden Grundhöckern. Hand beim 
Männchen nur so breit wie der Arm, mit deutlich kieliger Kante, 
beim Weibchen viel breiter und kürzer, schwach kantig oder rundlich. 
Flächen glatt oder fein netzig-runzelig, am Innenrande körnig. Verhältniß 
des beweglichen Fingers zur Hinterhand beim Männchen wie 1: 1,11 
bis 1: 1,53, beim Weibchen wie 1: 0,93 bis 1: 1,06. Größte absolute 
Maaße beim Männchen 9 und 11,3, beim Weibchen 8,2 und 8 mm. 
Verhältniß der Hinterhand zur Handbreite beim Männchen: 1: 0,26 
bis 1: 0,4 (größte absolute Maaße: 11,3 und 3,4 mm), beim Weibchen 
1:0,53 bis 1:0,71 (größte absolute Maaße: 8,2 und 5 mm). 

Schenkel glatt und glänzend. 

Zahl der Kammzähne bei 9 Exemplaren: 8—10. 

Verhältniß des Truncus zur Cauda beim Männchen wie 1:1,2 
bis 1: 1,85 (größte Gesammtlänge 69 = 28 + 41 mm), beim Weibchen 
wie 1:0,87 bis 1: 1,11 (größte Gesammtlänge 59 — 28 + 31 mm). 

Heimath: Columbien (Popayan, Santa Martha). — Die nicht 
mit Dornen, sondern mit Haarleiste an der Unterseite des Endtarsus 
versehenen Exemplare (vgl. Pag. 164) stammen von Venezuela 
(La Guayra, St. Estebanfluß) und den Antillen. 


9. Chaetas lepturus Thor. 
1878 Chactas lepturus Thor. (Atti Soe. ital. XIX., p. 266). 
Wie schon Pag. 165 bemerkt, kann ich die von Pocock 
angegebenen Unterschiede zwischen Ch. lepturus und Ch. Van Benedenii 


172 Seorpionidae: Chactini. 


nach Untersuchung des Originalexemplars von Ch. lepturus nicht 
anerkennen. Die Kielung der Hand ist nur ganz unmerklich stärker, 
als die bei den mir vorliegenden Van Benedenü-Exemplaren, ebenso die 
Runzelung der Hand, die von Thorell mit Unrecht als „erasse 
eranuloso-rugosa“ bezeichnet ist. Wenn dann schließlich nicht nur der 
obere Rand des II. Caudalsegments, sondern auch schon der des II. 
eine feine Körnelung zeigt, so kann dies doch unmöglich als Artunterschied 
verwerthet werden. Ich halte daher den Ch. lepturus für synonym mit 
Ch. Van Benedeni. 


10. Chaectas Keyserlingii Poc. 
1893 Chactas Keyserlingii Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XII., p. 92). 
Die in der Bestimmungstabelle aufgeführten Unterschiede dieser 
Form von dem Ch. Van Benedenii scheinen mir ebenfalls zur Aufstellung 
einer eigenen Art nicht auszureichen, da es sich augenscheinlich im 
Wesentlichen nur um eine etwas stärker ausgeprägte Körnelung des 


gesammten Thieres — Hinterecken des Thorax, letztes Rückensegment, 
obere Caudalkiele — handelt. Die Hand ist fein retieulirt-körnig. 


Das Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand wie 7:7, 
der Hinterhand zur Handbreite wie 7:4. 
Zahl der Kammzähne 7. 


I 


Verhältniß des Truncus zur Cauda = 26:2 
Fundort: Columbien. 


5. Gatt. Broteas C. L. Koch. 

Chactinen mit schlitzförmigen Stigmen (Fig. 70) 
und 2 Reihen Borsten an der Unterseite des Endtarsus. 
Augenhügel nach vorn nicht von der Depression um den 
Augenhügel umzogen, sondern allmählich zum Stirnrande 
abfallend (Fig. 61). Maxillarloben breiter als das längs- 
sefurchte Sternum am Grunde; letzteres mit fast durch- 
gsehender Medianfurche (Fig. 64). Hände gerundet. Finger 
nur innenseits mit einigen großen Außenkörnchen. 

Simon (Ann. Soc. ent. France [5] X., p: 382) zählt in seiner 
Bestimmungstabelle der Broteas 5 Arten auf, von denen aber zwei, 
der B. aequmoetialis und der B. laevipes Karsch, sich als zur Gattung 
Chactas gehörig erweisen. Von den übrig bleibenden 3 Arten 
bezweifelt bereits Pocock (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XII, p. 80) 
auf Grund des ihm vorliegenden Materials die Selbständigkeit des 
B. granulatus Sim. (alias granulosus Sim.), und ich kann mich diesem 
Urtheil nur anschließen. Aber auch der B. paraensis Sim. wird 


Gatt. Broteas. 173 


schwerlich als eigene Art bestehen können, da er lediglich durch die 
fehlende Körnelung des Cephalothorax charakterisirt wird. Nun aber 
unterliegt es keinem Zweifel, daß, wie so oft, auch in dieser Gruppe 
die Männchen sich durch besonders stark hervortretende Körnelung 
(Form: B. granulatus) auszeichnen, während dieselbe bei den Weibchen 
mehr und mehr verschwindet und natürlich auch völlig durch ein- 
gestochene Punkte ersetzt werden kann. Schließlich ist noch des 
B. Gervaisii Poc. zu erwähnen, der vornehmlich durch das Fehlen 
der Kiele an der Unterseite des ersten Caudalsegments ausgezeichnet 
sein soll. Obeleich mir im Ganzen nur 7 PBroteasexemplare zur 
Verfügung gestanden, so glaube ich doch zu erkennen, daß auch dieses 
Merkmal als artbegründend nicht angesehen werden kann. Die mir 
vorliegenden Weibchen zeigen sämmtlich im I. Segment glatte 
untere Flächen, wären also B. Gervaisii Poc., während bei den Männchen 
eine ziemlich grobe Körnelung auftritt, aus der sich 2 gröbere Reihen 
als Andeutung der Kiele mehr oder weniger deutlich herausheben. 
Auf die stärkere oder schwächere Granulirung der dorsalen Caudalfläche, 
die Pocock außerdem noch ins Feld führt, ist sicher kein Gewicht 
zu legen, da sie außerordentlich varürt. — Die Ansicht Pococks, 
daß der B. maurus Herbst eine „total differente* Form sei, als 
B. Herbstii Thor. (= B. maurus Koch nach Pocock), kann ich 
nicht theilen, sondern ich finde, daß Zeichnung und Beschreibung von 
Herbst bis auf einige unwesentliche Kleinigkeiten genau auf die mir 
vorliegenden Exemplare, darunter das Originalexemplar von B. maurus 
Koch, passen. Ich sehe mich daher bis auf Weiteres zu der Annahme 
geführt, daß zur Zeit thatsächlich nur eine einzige Art unserer 
(Gattung bekannt ist, welcher nach den Gesetzen der Priorität der 
Name B. maurus'! Herbst zuerkannt werden muß. 


1. Broteas maurus (Herbst). 
1800 Scorpio maurus Herbst (Ungefl. Insect. Heft 4, p. 52, Tfl. 6, Fig. 4). 
1838 Broteas maurus C. L. Koch (Arachn. IV., p. 109, Fig. 319). 
1863 Scorpio Alleni Wood (Journ. Acad. Nat. Sc. Philadelphia [2] V., p- 360), 
teste Marx. 
1876 DBroteas Herbstii Thor. (Ann. Mag. Nat. Hist. [4] XVII., p. 14). 
1877 „  granulatus Sim. (Ann. Soc. ent. Fr. [5] VII., p. 241). 
1880 „ granulosus Sim. (ibid. [5] X., p. 382). 
1880 „ paraensis Sim. (ibid. [5] X., p. 381). 
? 1893 »  Gervaisii Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XII., p. 78). 


I) Die Namensänderung des B. maurus Herbst in B. Herbstii durch Thorell 
ist nicht recht verständlich, da ja der Artnamen maurus nicht auf Thiere 
derselben, sondern zweier ganz verschiedener Gattungen angewandt wird 
(Heterometrus maurus L. — Broteas maurus Herbst). 


174 Scorpionidae: ÜChactini. 


Färbung dunkel rothbraun bis pechbraun, selten Truncus und 
Cauda heller ledergelb. Blase und Beine mit dem übrigen Körper 
gleichfarbig oder etwas heller. 

Cephalothorax vorn fast gerade, ganz seicht ausgerandet. 
Augenhügel nach vorn zur Stirn allmählich abfallend, an den Seiten 
von einer gabelförmigen, hinter dem Augenhügel zur hinteren Median- 
furche sich zusammenschließenden Depression umgrenzt. Fläche beim 
Männchen entweder fast gleichmäßig grobkörnig, oder Stirnrand und 
Gegend um den Augenhügel nicht gekörnt, sondern grob eingestochen 
punktirt; beim Weibchen die ganze Mittel- und die hinteren Seiten- 
flächen nur eingestochen punktirt, die Seiten hingegen (hinter den 
Seitenaugen) meist mit mehr oder weniger entwickelten groben flachen 
Körnchen besetzt. 

Abdominalringe beim Männchen in der Vorderfläche meist 
nur grob punktirt, mit zerstreuten Körnchen, in der Hinterhälfte dicht 
und ziemlich grob gekörnt; beim Weibchen slänzender, meist auf der 
ganzen Fläche nur eingestochen punktirt, mit zerstreuten, flachen 
Körnchen gegen den Hinterrand. Letztes Segment mit Andeutung 
von 4 Cristen. Bauchseite glatt, namentlich im letzten Segment 
deutlich eingestochen punktirt. 

Cauda oberseits mit deutlich gekörnten Median- und Lateral- 
kielen. Unterseits die Medianeristen des I. Segments beim Weibchen 
fehlend und "auch die Lateraleristen kaum angedeutet, ganze Fläche 
daher glatt, eingestochen punktirt, selten mit einzelnen Körnchen; 
beim Männchen Unterseite des I. Segments punktirt und grobkörnig, 
die Lateraleristen deutlich und auch die Mediancristen mehr oder 
weniger durch gröbere Reihenkörnchen markirt. Uebrige Segmente 
mit deutlichen körnigen Kielen unterseits, nur zuweilen im II. Segment 
beim Weibchen mit unregelmäßiger und flacher Körnelung. Nebenkiele 
der Seitenflächen im I. Segment vollständige, in den übrigen abgekürzt 
oder undeutlich. Körnelung der Flächen sehr verschieden entwickelt; 
Dorsalrinne beim Weibchen meist fast glatt, eingestochen 'punktirt, 
beim Männchen meist grobkörnig und punktirt, namentlich im I. und 
V. Segment. Untere und Seitenflächen stets körnie, aber beim Männchen 
viel stärker und dichter als .beim Weibchen. Blase grob gekörnt. 

Oberarm oberseits mit verkürzten Randkielen, auf der Fläche 
zerstreut bis dicht körnig und punktirt; ebenso unterseits. Vorderfläche 
mit Längsreihe gröberer Körnchen. Unterarm an der oberen und 
unteren Vorderkante mit gekörntem Kiel; Flächen eingestochen punktirt, 
glatt oder etwas gekörnt; Unterfläche netzig punktirt, am Hinterrande 
mit einer Reihe von 7 Haargrübchen. 


Gatt. Broteochactas. 17:5 


Hand gerundet, ziemlich diek, nur mit ziemlich deutlichem 
Außenrandkiel, sonst ungekielt, auf der Oberfläche netzig punktirt, 
beim Männchen auch mit zerstreuten, gröberen, flachen Buckeln. 
Innenrand und Unterseite körnig. Scheerenfinger ohne Lobus, zusammen- 
schließend, mit einer Längsreihe von Körnchen auf der Schneide und 
5—6 sehr großen Außenkörnchen an der Innenseite der Schneide. 
Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand wie 1: 0,81, bis 
1: 0,95, der Hinterhand "zur Handbreite wie 1:0,81 bis 1: 0,9. 
Größte absolute Maaße für beweglichen Finger, Hinterhand und 
Handbreite: 9,8, 8 und 6,38 mm. 

Ober- und Unterschenkel außenseits nur punktirt, glatt 
(Weibchen), oder grob gekörnt (Männchen). Zahl der Borsten am 
Endtarsus jederseits etwa 6—7. 

Sternum nach vorn etwas verschmälert, etwas kürzer als 
breit und auch am Hinterrande deutlich schmäler, als die sehr breiten 
Maxillarloben. Kämme ohne deutliche Ausbildung von Mittellamellen, 
mit sehr kleinen Fuleren. Zahl der Kammzähne 8S—10 bei beiden 
Geschlechtern, aber die einzelnen Zähne beim Männchen erheblich 
dicker, als beim Weibchen. 

Truncus beim Weibchen so lang oder fast so lang, als die 
Cauda (1:1 bis 1: 1,2), beim Männchen stets kürzer (1: 1,26 bis 
1:1,4). Größte Gesammtlänge des Körpers beim Weibchen 50 
(= 25 + 25) mm, beim Männchen 54 (= 24 + 30) mm. 

Als Heimath des Broteas maurus kennen wir Britisch, 
Französisch und Niederländisches Guyana, wie das nördliche 
Brasilien (Para). 


6. Gatt. Broteochactas Poc. 


Chactinen mit runden Stigmen (Fig. 71) und zwei 
unregelmäßigen Borstenreihen an der Unterseite des End- 
tarsus (Fig. 76). Augenhügel nach vorn nicht von der 
Depression um den Augenhügel umzogen, sondern allmählich 
zum Stirnrande abfallend. Maxillarloben ziemlich breit, 
fast breiter, als das Sternum am Grunde; letzteres mit 
durchgehender Mittelfurche. Hände gerundet, aber mit 
scharfem Außenrandkiel. Finger auf der Schneide nur 
mit einer Körnchenreihe; Außenkörnchen außen fehlend, 
innenseits nur ganz schwach angedeutet. 

Bisher sind 4 Arten aufgestellt, welche dieser Gattung ange- 
hören: B. Gollmeri (Karsch), delicatus (Karsch), opacus (Karsch) 
und nitidus Poc. Von diesen erweist sich B. nitidus Poc. nach 


176 Scorpionidae: Chactini. 


Vergleichung mit den Originalexemplaren von Karsch ohne Weiteres 
als identisch mit B. Gollmeri, während Pocock den B. opacus 
für das Männchen zu B. nitidus erklärt. Es würden demnach zwei 
Species übrig bleiben, die allerdings, so viel ich sehe, nur in sehr 
geringem Maaße von einander abweichen. Ihre Unterschiede sind 
folgende: 

A. Gephalothorax völlig glatt und glänzend (Weibchen) oder an den 
Seiten eingestochen punktirt (Männchen). Oberhand völlig glatt 
und glänzend (Weibchen) oder mit netzig angeordneten kleinen, 
flachen Körnchen besetzt (Männchen). Außenrandkiel der Hand 
Salt. EN En: 1."B. Gollmeri “(Karsch), Sp. 2176: 


B. Cephalothorax wenigstens an den Seiten hinter den Seitenaugen 
mit ziemlich groben, nach hinten feiner werdenden Körnchen 
besetzt. Oberhand netzig feinkörnig (Weibchen) oder dicht grob- 
körnig (Männchen). Außenrand der Hand gekörnt. 

B. delicatus (Karsch), p. 177. 


1. Broteochactas Gollmeri (Karsch). 
1879 Chactas Gollmeri Karsch (Münch. ent. Mitteil. 1879, p. 133). 
1893 Broteochactas nitidus Poc. (Journ. Linn. Soc. XXIV, p. 399). 

Die Färbung ist dunkel braunroth, Blase und Beine etwas 
heller. Unterseite lederbraun bis ledergelb. 

Der Cephalothorax ist vorn kaum ausgerandet, zeigt aber 
in der Mitte des Randes eine deutliche Depression, zu welcher der 
vorderseits nicht von einer Furche umgriffene Augenhügel ziemlich 
allmählich abfällt. Die ganze Fläche beim Weibchen äußerst glatt und 
glänzend, nicht punktirt, beim Männchen an den Seiten etwas rauh 
punktirt. 

Abdomen beim Weibchen durchaus glatt und glänzend, beim 
Männchen sehr fein chagrinirt, mit glänzendem Querstreif auf der Fläche 
in jedem Segment. Letztes Segment am Ende mit 4 deutlichen Buckeln. 

Cauda oberseits mit gekörnten Median- und Lateralcristen; 
letztere beim Weibchen undeutlicher gekörnt, als beim Männchen, oft 
fast glatt. Untere Median- und Lateralkiele in den ersten 4 Segmenten 
beim Weibchen völlig fehlend, höchstens die Lateralcristen im IV. Segment 
schwach angedeutet; untere Fläche daher glatt und glänzend, im 
IV. Segment etwas höckerig, im V. körnig, mit 3 ziemlich deutlichen, 
zuletzt gedornten Längskielen. Beim Männchen begmnt die Körnelung 
schon im III. Segment, im IV. sind die Seitenkiele ziemlich. deutlich, 
und die Fläche ist dicht höckerig. Blase fast glatt oder feinkörnig. 


Gatt. Broteochactas. 177 


Oberarm mit nach dem Ende verschwindenden Cristen, glatt, 
glänzend. Unterarm mit glatten oder am unteren Vorderrande 
kaum gekörnten Randkielen; am unteren Hinterrande mit einer Reihe 
von 7 Haargrübchen. 

Hand ziemlich dick, rundlich, mit glattem Außenrandkiel, 
sonst ungekielt; beim Weibchen oben und unten völlig glatt, beim 
Männchen netzig feinkörnig. Finger ohne Lobus, mit eimer Körnchen- 
reihe auf der Schneide und 4—5 kaum merklichen Außenkörnchen 
auf der Innenseite. Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinter- 
hand wie 1:60,82 bis 1: 0,95, der Hinterhand zur Handbreite wie 
1: 0,93 bis 1: 0,95. Größte absolute Maaße für beweglichen Finger, 
Hinterhand und Handbreite: 5,5, 4,5 und 4,2 mm. 

Beine beim Weibchen völlig glatt und glänzend, beim Männchen 
die Oberschenkel etwas netzig. Die 2 Borstenreihen an der Unterseite 
des Endtarsus etwas unregelmäßig (Fig. 76). 

Sternum wie bei Broteas, auch am Grunde schmäler als die 
Maxillarlappen. 

Kämme ohne deutliche Mittellamellen, mit 6—8 Kämmen bei 
beiden Geschlechtern. Kammzähne beim Männchen robuster, als beim 
Weibchen. 

Verhältniß des Truncus zur Cauda wie 1:0,95 bis 1: 1,1. 
Größte Gesammtlänge des Körpers 40 (= 20 + 20) mm. 

Die Heimath des B. Gollmeri ist Venezuela (Caracas) und 
die Insel Trinidad. 


2. Broteochactas delieatus Karsch. 
1879 Chactas delicatus Karsch (Münch. entom. Mitt. 1879, p. 134). 
1879 Chactas opacus Karsch (ibid., p. 134). 

Diese Art, von der mir nur em Exemplar, ein Weibchen, zur 
Verfügung gestanden, schließt sich so sehr an die vorhergehende an, 
daß ich die unterscheidenden Merkmale durch die Bestimmungstabelle 
erschöpft glaube und daher eine Specialbeschreibung unterlasse. 
Vielleicht wird sie sich bei ausreichendem Vergleichsmaterial als mit 
der vorigen Art zusammengehörig erweisen. 

Das Verhältniß des Scheerenfingers zur Hinterhand 
finde ich —="5,7:5,7 mm, das der Hinterhand zur Handbreite 
— 5,7:5,2 mm. Die Zahl der Kammzähne betrug 7, 7, die absolute 
‚Länge des Körpers 46 (= 24 + 22) mm. 

Als Fundorte sind bis jetzt bekannt: Britisch Guyana, 
Columbien und Brasilien. 

12 


178 Scorpionidae: Chactini. 


w 


7. Gatt. Hadrurochactas Poc. 


Chactinen mit den Merkmalen der Gattung 
Broteochactas, aber das Tarsenendglied der Beine sehr 
lang und unterseits dicht mit langen, unregelmäßig 
angeordneten Haaren besetzt (Fig. 77). Hand am Innen- 
rande gerundet, nicht zusammengedrückt. Cauda sehr 
robust, mit hocheristigen mittleren Caudalsegmenten, die 
hinter dem Enddorn steil und bogig abfallen. 


Es erscheint fraglich, ob die oben aufgeführten Merkmale wirklich 
ausreichen, um die Aufstellung einer eigenen Gattung zu rechtfertigen ; 
immerhin erscheint die Form so eigenartig, daß ich bis auf Weiteres 
der Ansicht Pococks folgen zu müssen glaube. 

Es dürfte nur eine Art bekannt sein. 


1. H. Schaumii (Karsch). 

? 1880 Chactas quinquedentatus Ksch. (Zeitschr. f. d. ges. Nat. [3] VI., p. 405). 

1880 Chactas Schaumii Ksch. (ibid., p. 406). 

1893 Hadrurochactas Sclateri Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XII, p. 80). 

Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß zum mindesten der 

Ch. Schaumii mit dem H. Sclateri Poc. identisch ist. Auch der 
Ch. quinquedentatus wird wohl hierherzuziehen sein, da ein 
Vergleich der Originale außer der geringeren Kammzahl nennenswerthe 
Abweichungen nicht ergab. Da aber der Erhaltungszustand der 
Exemplare ein abschließendes Urtheil nicht gestattete, so glaube ich 
den Namen H. Schaumii voranstellen zu sollen. 


Die Färbung ist kastanienbraun, oft mit einer blassen Linie 
auf dem Rücken (Jugendmerkmal), und gelben Beinen. 


Cephalothorax vorn gerade abgeschnitten (beim Weibchen), 
glatt, nur auf den Seiten sehr fein granulirt. Medianfurche nur hinter 
dem Augenhügel tief und hier gekörnt, vorn eine flache,‘ breite 
Depression. 

Abdominalsegmente oberseits fast glatt, hinten und an 
den Seiten etwas feinkörnig; letztes Segment mit 4 gröberen Tuberkeln. 
Unterseite glatt und glänzend. 


Cauda sehr robust, erste Segmente breiter als lang, III. und 
IV. Segment sehr hoch, II. höher als lang. Obere Median- und 
Lateralkiele sämmtlich scharfzähnig entwickelt, erstere am Ende mit 
größerem Endzahn, letztere in den ersten 3 Segmenten ebenfalls mit 
spitzem Zahn am Ende. Untere Median- und Lateralkiele im I.—IV. 
Segmente völlig fehlend; Flächen glatt, nur im IV. etwas körnig. 


Gatt. Teuthraustes. 179 


Seitenflächen in den drei ersten Segmenten etwas gekörnt, mit undeutlichen 
Nebenkielen. V. Segment oben mit tiefer Rinne mit erhöhten granulirten 
Rändern ; Seitenflächen schwach körnig; Unterfläche dicht und schuppig 
grobkörnig, ohne deutliche Kiele (Lateralkiele nur gegen das Ende 
durch einige gröbere Körnchen angedeutet). Blase zerstreut grob 
reihenkörnig, in der Mittellinie unten kleinere dornige Körnchen, deren 
letzter der größte ist. 

Oberarm oberseits glatt, mit schwachen, wenig gekörnten 
Rändern; Vorderfläche schwach körnig, mit schwach gekörntem Unter- 
randkiel. 

Unterarm glatt, oben und hinten gerundet; Vorderfläche 
oben und unten mit Randkiel, ohne Grundhöcker. 


Hand breiter als der Unterarm, glatt, gerundet, ungekielt, auch 
der Außenrandkiel kaum angedeutet. Verhältniß des beweglichen 
Fingers zur Hinterhand = 3,5: 2,5, der Hinterhand zur Handbreite = 
2,5:2 mm. 

Beine glatt, glänzend. Endtarsen verlängert, unterseits dicht 
mit langen, unregelmäßig gestellten Wimpern besetzt. 


Zahl der Kammzähne 10—11 (Weibchen), bei Ch. quinque- 
dentatus Karsch 5. 

Verhältniß des Truncus zur Cauda = 10,5 : 16 mm (Weibchen). 

Fundorte: Britisch Guyana (Britisches Museum). Der 
Fundort „Ostindien“ für die Karsch’schen Originale ist wohl auf einen 
Irrthum zurückzuführen. 


8. Gatt. Teuthraustes Sim. 


Neuweltliche CGhactinen mit einer medianen kurzen 
Dornenreihe an der Unterseite des’ Endtarsus! runden 
Stigmen und Maxillarloben, die nicht breiter sind, als 
das Sternum am Grunde. Cephalothorax vorn nicht oder 
kaum ausgerandet, vor dem Augenhügel ohne tiefe Median- 
furche, sondern dieser gegen den Stirnrand allmählich 
abgedacht und vertieft. Sternum mehr als doppelt so 
lang, als breit. 

Ueber die Berechtigung der Gattung wage ich bei dem Mangel 
eigenen Beobachtungsmaterials ein Urtheil nicht abzugeben. 


Bis jetzt sind 2 Arten unterschieden, die aber wohl in einer 


zu vereinigen sind. 
127 


180 Scorpionidae: Chactini. 


1. Teuthraustes atramentarius Sim. 
1878 Teuthraustes atramentarius Sim. (Ann. Soc. ent. Fr. [5] VIII, p. 400). 
Färbung schwarz; Blase, Tarsen und Kämme röthlich. 
Cephalothorax auf der ganzen Fläche stark gekörnt. 
Abdomen oberseits fein punktirt. Cauda unterseits im I.—IV. 
Segment mit je 4 stark gekörnten Kielen. V. Segment oben flach. 
Blase glatt, glänzend, an den Seiten und unten punktirt. 

Hände dick, rundlich, glatt, gegen den Innenrand körnig. 
Finger kurz. 

Kämme klein, mit 7 Kammzähnen. 

Verhältniß des Truncus zur Cauda = 26:25 mm. 

Fundort: Ecuador. 

Hiervon unterschieden ist durch Becker der T. ecuadorensis 
Beck, (Ann. Soc. ent. Belg. 24, p. 142, 1880). Derselbe ist nur 40 mm 
lang, seine Beine sind etwas röther, die Körnelung des Thorax ist 
gröber und ungleichmäßiger, die Seitenaugen stehen näher bei einander, 
die Blase ist feinkörnig und die Hände sind schlanker. Kammzähne 7. 
Fundort: Ecuador. 


9. Gatt. Heterochactas Poc. . 

Neuweltliche Chactinen mit gerundeten Stigmen 
und Maxillarloben, die schmäler sind, als das Sternum 
am Grunde. Endtarsen seitlich zusammengedrückt, unter- 
seits mit einer Medianreihe kurzer Dornen. Die Depression 
um den Augenhügel nach vorn nicht, wie hinten, zu einer 
medianen Stirnfurche sich vereinigend, sondern die Fläche 
vor dem Augenhügel fast horizontal. Vorderrand des 
Cephalothorax tief ausgerandet. 

Auch die Berechtigung dieser Gattung dürfte nicht über allem 
Zweifel erhaben sein, da die Unterschiede von Teuthraustes ziemlich 
geringfügig erscheinen und schwerlich als generische gelten können. 
Da mir aber beide Gattungen aus eigener Anschauung nicht bekannt 
sind, so folge ich vorläufig der Ansicht des Autors. 

Nur eine Art dieser Gattung ist bekannt. 


1. Heterochactas Gervaisii Poc. 

1893 Heterochactas Gervaisii Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XII., p. 82). 
Färbung pechbraun, Beine rostfarben, Blase und Tarsen röthlich. 
Cephalothorax fast glatt, an den Seiten etwas grobkörnig. 

Medianfurche nur hinter dem Augenhügel entwickelt. Abdominal- 
segmente oberseits fast glatt, ganz obsolet gekörnt; letztes mit 4 
Tuberkeln. Bauchseite glatt und glänzend. | 


Subfam. Vejovini. 181 


Cauda mit entwickelten, aber feinkörnigen oberen Median- und 
Lateralkielen in den ersten 4 Segmenten. Untere Median- und Lateral- 
kiele im I.—IV. Segment völlig fehlend, Fläche daher glatt, mit einzelnen 
eingestochenen Punkten. Dorsalfläche wenig vertieft, kaum körnig, im 
IV. und V. Segment völlig eben; Seitenflächen oben feinkörmig. Ober- 
kanten des V. Segments körnig, Seiten- und Unterfläche feinkörnig mit 
schwachen, körnigen Kielen. Blase breiter als das V. Segment, 
unten körnig. f 

Oberarm oberseits und auf der Fläche körnig und mit gekielten 
Rändern. Unterarm grob und fein punktirt, sonst glatt. Hand 
gerundet, ungekielt, auf der Fläche mit großen und feinen eingestochenen 
Punkten, die gegen den Innenrand in Körnchen übergehen. Am Grunde 
des unbeweglichen Fingers em Zahn. Verhältniß der Länge des 
beweglichen Fingers zur Hinterhand wie 8: 5,5 mm, der Hinterhand 
zur Handbreite wie 5,5 :6 mm. 

Oberschenkel sehr fein gekörnt. Endtarsen unterseits mit 
einer Mittelreihe feiner Dornen. 

Zahl der Kammzähne 6 (Weibchen). 

Verhältniß des Truncus zur Cauda = 25:%7 mm (Weibchen). 

Fundort: Cuenca in Ecuador (Britisches Museum). 

Von den Chactasarten steht der Ch. Whymperi der vorbesprochenen 
Art am nächsten. 


1. Subfam. Vejovini. 
(= Jurini Poc.) 

Scorpioniden mit je einem äußeren und einem 
inneren Dorn am Grunde der Endtarsen, mit 3 Lateral- 
augen jederseits. Sternum meist breiter als lang, mit 
tiefer Medianfurche. Kämme sehr verschieden, zuweilen 
mit perlschnurförmigen Mittellamellen (Fig. 88). Endtarsen 
unterseits mit einer Medianreihe kurzer Borsten oder 
Papillen. Hände mäßig breit, gerundet, gekielt oder 
abgeplattet. Verbreitung: Alte und neue Welt. 


In der Umgrenzung dieser Unterfamilie stimme ich mit Pocock 
(Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XIL., p. 309) überein. Dieselbe ist trotz 
ihres außergewöhnlich großen Verbreitungsgebietes jedenfalls eine viel 
natürlichere, als es die früher unterschiedenen Gruppen der Vejoviden 
und der Jurinen waren. Wir haben im Ganzen 7 Gattungen 
anzunehmen, deren unterscheidende Merkmale in folgender Tabelle 
zusammengestellt sind: 


182 Seorpionidae: Vejovini. 


A. Endtarsen an der Spitze unterseits mit deutlichem „Gehstachel“ 

(Fig. 89—93). 

I. Mittellamellen der Kämme undeutlich oder doch nur aus 
wenigen (bis 6) eckigen Stücken bestehend. Fulcra klein, 
dreieckig oder fehlend (Fig. 87). 

a. Schneide des beweglichen Scheerenfingers mit vielen über- 
einandergreifenden Schrägreihen (Fig. 79). Beweglicher 
Finger des Oberkiefers unterseits nahe der Spitze mit einem 
mächtigen Zahn. Altweltlich. .... 1. Jurus Thor., p. 183. 

b. Schneide des beweglichen Scheerenfingers anscheinend mit 
% Parallelreihen von Körnchen besetzt. Außenkörnchen der 
Außenseite zu je 2 (Fig. 80). Beweglicher Finger des Ober- 
kiefers am Unterrande mit 4—6 kleinen Zähnchen besetzt. 
Altweltlichee..2e en ae 2: Scorp1ops Pet., p.ale 

c. Schneide des beweglichen Scheerenfingers nur mit einer 
Längsreihe von Körnchen. Außenkörnchen innen und außen- 
seits einzeln (Fig. 81). Beweglicher Finger des Oberkiefers 
am Unterrande mit 0—3 kleinen Zähnchen besetzt. Neu- 
weltliche. 1. oe a ee: 3. Uroetonus Thor., p- 132 

II. Mittellamellen der Kämme zu vielen (mindestens 8), deutlich 
perlschnurartig, rundlich, nicht größer, als die ebenfalls perl- 
schnurartigen Fulera (Fig. 88). 

a. KeinZahn amUnterrande desbeweglichen Fingers des Oberkiefers. 
Vorderfläche des Unterarmes in der Mitte mit geschärftem, vor- 
springendem, oft eine Körnchenreihe tragendem Längskiel. Vor- 
letzte Tarsen der 3 vorderen Beinpaare auf der Rückenseite 
nicht auffallend beborstet. 4. Vejovis €. L. Koch, p. 198. 

b. Ein starker, gebräunter Zahn nahe der Spitze des Unterrandes 
des beweglichen Fingers des Oberkiefers. Vorderfläche des 
Unterarmes eine völlig ebene Fläche, nur zerstreut körnig. 
Vorletzte Tarsen der 3 vorderen Beinpaare auf der Rückseite 
lang kammartig beborstet. .. 5. Hadrurus Karsch, p. 204. 

B. Endtarsen an der Spitze unterseits ohne „Gehstachel*; eine 

’apillenreihe längs der Mittellinie weicht gegen das Ende gabelig 

auseinander und bildet hier zwei schlittenkufenartige Wülste, auf 

denen die Thiere laufen (Fig. 94). Ein starker Zahn am Unter- 
rande des beweglichen Oberkieferfingers. 

I. Mediane Körnchenreihe der Schneide des beweglichen Scheeren- 
fingers seitlich von Schrägreihen flankirt (Fig. 83; wie bei 
Centrurus). V. Caudalsegment unterseits mit entwickelten, 
gekörnten Kielen. ......... 6. Hadruroides Poc., p. 206. 


Gatt. Jurus. 183 


II. Mediane Körnchenreihe der Schneide des beweglichen Scheeren- 
fingers nur beim Beginn jeder Schrägreihe innenseits mit einem 
einzelnen Außenkörnchen (Fig. 84). V. Caudalsegment unterseits 
ohne deutliche Längskiele. .. 7. Caraboctonus Poe., p. 209. 


1. Gatt. Jurus Thor. 


Altweltliche Vejovinen mit einem starken Zahn 
am Unterrande des beweglichen Oberkieferfingers, mit 
zahlreichen übereinandergreifenden Schrägreihen der 
Scheerenfinger (Fig 79) und ziemlich gestrecktem Sternum 
(wenig breiter als lang), in welches am Grunde beim 
Weibchen ein halbmondförmiger medianer Lappen der 
Genitalplatten hineinragt (Fig.86). Endtarsen mit deutlichem 
Gehstachel, längs der Unterseite mit einer Mittelreihe 
ziemlich gedrängter, aber nicht verwachsener Papillen, 
die sich nach der Spitze nicht zu gabelig auseinander- 
weichenden schlittenkufenartigen Wülsten verlängert, 
sondern vor dem Gehstachel mit 2 isolirten etwas dickeren 
Papillen abschließt (Fig. 89). Mittellamellen der Kämme 
groß, eckig, nicht gerundet. 


Von dieser Gattung ist nur eine Art bekannt. 


1. Jurus Dufoureius (Brulle). 
1832 Buthus Dufoureius Brull (Exped.de Mor6e, Arachn., p. 58, Tf.XXVIII, fig. 1.) 
1838 Buthus granulatus ©. L. Koch (Arachn. VI., p. 46, fig. 279). 
1877 Jurus granulatus Thor. (Atti Soc. ital. XIX., p. 193). 

Färbung des Truncus ledergelb bis rothbraun, Blase meist 
etwas heller, bei jüngeren Individuen dunkler gestreift. Hände gelb 
bis rothbraun, mit dunkler rothen bis schwarzbraunen Kielen. Beine 
ledergelb bis braun. 


Gephalothorax vorn schwach geschweift - ausgerandet. 
Medianfurche vorn seicht. Augenhügel vor der Mitte des Thorax, 
in der Medianlinie mit seichter Furche, nach hinten allmählich zugespitzt 
und beidseitig m der Hinterhälfte von einer furchenartigen Depression 
umgriffen, die sich nach hinten als tiefere Medianfurche fortsetzt. 
Von den 3 Seitenaugen das hintere kleiner als die beiden anderen. 
Stirnrand ziemlich grobkörnig, die übrige Fläche bei Erwachsenen 
ziemlich gleichmäßig dichtfeinkörnig, bei jüngeren Exemplaren nach 
dem Hinterrande zu fast glatt. 


184 Scorpionidae: Vejovini. 


Abdominalringe oberseits eigenthümlich quergerunzelt und 
feinkörnig, gegen den Hinterrand grobkörniger. Letztes Segment 
ziemlich grobkörnig, mit 4 mehr oder weniger deutlichen, kurzen, 
körnigen Kielen. Unterseite glatt, nur das letzte Segment mit Andeutung 
von Kielen. 

Cauda ziemlich robust, mit wohl entwickelten Kielen. Obere 
Median- und obere Lateralkiele sämmtlich körnig, zum Theil dorn- 
spitzig. Von den unteren Kielen die Mediankiele im I. und LH. 
Segment und auch etwas die Lateralkiele fast glatt. Obere Nebenkiele 
im I. und II. Segment ziemlich deutlich; im V. ein seitlicher gekörnter 
Nebenkiel fast bis ans Ende. Dorsalfläche der Cauda feinkörnig, 
in den letzten Segmenten beim Weibchen fast glatt; übrige Flächen 
glatt oder die der Seiten etwas feinkörnig. Blase sehr schlank und 
gestreckt, unterseits glatt, aber mit Reihen von eingestochenen Punkten; 
beim Männchen oberseits feinkörnig. Stachel schlank. 

Oberer Endzinken des beweglichen Oberkieferfingers mit dem 
unteren parallel, eine Gabel bildend. Seitenzahn der Unterseite groß, 
nahe dem Endzinken. 

Oberarm 4kantig, mit stark gekörnten Randkanten; die des 
Hinterrandes der Unterseite nur in der Grundhälfte entwickelt. Obere 
Fläche auf der Mitte feinkörnig, Vorderseite mit schräger, mittlerer 
Körnchenlängscriste, Unterfläche glatt oder etwas höckerig. Unterarm 
flach, mit deutlichen, gekörnten Kanten. Vorderseite am Grunde mit 
2—4 mäßig großen Höckern; Hinterfläche mit stark gekörntem 
Mediankiel und zerstreuten Haargrübchen; Unterfläche etwas netzig-fein- 
körnig, am Grunde des Hinterrandes mit emem emzelnen Haargrübchen. 

Hand ziemlich gestreckt, dick, aber mäßig breit, scharfkantig, 
mit gekörnten Kielen. Fingerkiel stark entwickelt; ebenso die Neben- 
kiele der Außenfläche, wie der Innenfläche der Oberhand. Flächen 
selbst etwas vertieft, sämmtlich fein netzig körnig und schwach beulig. 
Am Außenrande der Unterhand gegen die Spitze 4, am Grunde 
1 Haargrübchen. Finger beim Weibchen ohne deutlichen Lobus, 
nur etwas geschweift, mit 16—17 übereinandergreifenden Körnchen- 
Schrägreihen auf der Schneide. Beim Männchen ein starker Lobus 
und entsprechende Ausbuchtung der Gegenseite; die Schrägreihen 
erst deutlich vom Lobus an, etwa zu 13—14. Verhältniß des Fingers 
zur Hinterhand bei beiden Geschlechtern wie 1:60,76 bis 1: 0,79, 
Verhältniß der Hinterhand zur Handbreite wie 1: 0,69 bis 1: 0,83. 
Größte absolute Maaße für Finger, Hinterhand und Handbreite 
beim Weibchen: 14,5, 11,2 und 8,8 mm, beim Männchen: 11,6, 
9 und 7,5 mm. 


Gatt. Scorpiops. 185 


Ober- und Unterschenkel außenseits feinkörnig. Vorletztes 
Tarsenglied ebenfalls mit Andeutung einer medianen Papillenleiste 
gegen das Ende zu. 

Sternum etwas breiter als lang (etwa 2 : 1,3 mm), mit parallelen 
Seitenrändern und tiefer, vor der Spitze in rundlicher Grube endigender 
Mittelfurche, die am Grunde beim Weibchen hufeisenförmig gegabelt 
erscheint, um einen halbmondförmigen Fortsatz der Genitalplatten zu 
umgreifen (Fig. 86). Beim Männchen ist dieser Fortsatz mehr spitz 
dreieckig und nicht durch eine Furche von den Genitalplatten 
abgesetzt. 

Kämme mit etwa 6 eckigen Mittellamellen und dreieckigen 
Fuleren. Zahl der Kammzähne 11—13 bei beiden Geschlechtern. 
Kammgrund etwas gerundet. 

Truncus meist so lang oder kürzer als die Cauda; Verhältniß 
beim Weibchen wie 1: 0,95 bis 1: 1,18, beim Männchen wie 1: 1,23. 
Größte absolute Länge des Körpers beim Weibchen 86 (= 44 + 42) mm, 
beim Männchen 67 (= 30 + 37) mm. 

Die Heimath des Jurus Dufoureius ist Griechenland 
(Messene, Insel Rhodus) und Aegypten. 


2. Gatt. Scorpiops Pet. 

Vejovinen mit gestrecktem, nach vorn etwas ver- 
schmälertem Sternum, bei dem die fast durchgehende 
Längsfurche kurz vor dem Grunde sich gabelig spaltet und 
einen gerundeten vorspringenden Lappen umgreift (Vergl. 
Fig. 85). Mittellamellen der Kämme nicht gesondert, 
Fulera fehlend oder undeutlichh Kammzähne wenig. 
Beweglicher Finger des Oberkiefers unterseits mit 4—6 
Zähnchen reihenförmig besetzt. Endtarsen mit deutlichem 
Gehstachel, Unterseite in der Mittellinie mit einer Reihe 
kurzer, feiner: Dörnchen besetzt (Fig. 90). Schrägreihen 
der Scheerenfinger kaum erkennbar, derart ineinander- 
fließend, daß die Schneide mehr oder weniger zweireihig 
mit Körnchen besetzt scheint (Fig. SO). Daneben innen 
Seitenkörnchen. 

Bisher sind 11 Arten dieser ausschließlich den Gebirgen Inner- 
asiens angehörigen Gattung beschrieben. Von diesen dürften zunächst 
Sc. Lindstroemii Thor. und Sc. lugubris Thor. sich als Alters- 
stufen der gleichen Art erweisen und hinwiederum mit Sc. montanus 
Karsch identisch sein, dessen sehr jugendliches und daher erst mit 
schwacher Körnelung des Thorax und Abdomens versehenes Original- 


186 Scorpionidae: Vejovini. 


exemplar mir vorliegt, und das sich sonst in keiner Weise von stärker 
sekörnten älteren Individuen unterscheidet. Alle drei Formen sind 
durch meist 15 Haargrübchen am Hinterrande des Unterarms (Unter- 
seite) ausgezeichnet, doch liegt es auf der Hand, daß diese Zahl, 
ähnlich wie bei den gleichnamigen Gebilden von Euscorpius, innerhalb 
gewisser Grenzen variren kann. So fand ich bei einem typischen 
Se, montanus einerseits 16, andererseits 17 Haargrübchen, und diese 
Wahrnehmung läßt es nicht ausgeschlossen erscheinen, daß auch der 
Se, anthracinus Sim. mit 19 Haargrübchen der Formenreihe des 
Se. montanus anzuschließen ist. Den 10, 11 Kammzähnen des Se. 
anthraeinus steht nach meinen Beobachtungen eine Variation der 
Kammzähne von 7—9 bei Sc. montanus gegenüber, so daß auch hier 
die Brücke geschlagen wäre, während das dritte von Simon auf- 
geführte Unterscheidungsmerkmal „beweglicher Finger etwas länger 
als die Hinterhand“ durch Se. Lindstroemü und lugubris ganz allmählich 
in das entgegengesetzte Verhältniß übergeht. So giebt Thorell für 
das Verhältniß vom Finger zur Hinterhand bei Se. Lindstroemi die 
Zahlen: 14:13,5, bei Se. lugubris 3,5: 3,5; ich selbst fand bei drei 
Exemplaren von Sc. montanus die Zahlen 4,5::5,2; 7,5:8,8; 7,2: 8,5. 
Immerhin wird nur die Untersuchung ausgiebigeren Materials volle 
Sicherheit über die Stellung des Se. anthracinus gewähren können. 
Etwas klarer scheinen die Verhältnisse bei Sc. Binghamii Poc. zu 
liegen. Diese Art besitzt 13 Haargrübchen am Unterarm, was bei 
der Variabilität der Porenzahl gewiß nicht schwer ins Gewicht fallen 
kann. Sie soll sich außerdem von Sc. montanus dadurch unterscheiden, 
daß der Thorax kürzer als die Summe der 3 ersten Caudalsegmente 
und kürzer als die Hinterhand ist. Es darf zunächst darauf hingewiesen 
werden, daß direkte Beziehungen zwischen Thorax und Cauda oder 
Thorax und Hinterhand in der Weise, wie sie beispielsweise zwischen 
den einzelnen Theilen ein und desselben Organs (Finger zur Hand etc.) 
bestehen, überhaupt nicht existieren, und daß daher jeder derartige 
Versuch, Unterschiede zu construiren, auf sehr schwachen Füßen steht. Es 
kann demnach meines Erachtens wenig verschlagen, wenn der Thorax bei 
Se. Binghamii die Länge der 3 ersten Caudalsegmente nicht erreicht, zumal 
er nur bei Se. montanus, nicht aber bei Se. Lindstroemii und lugubris 
dieselben an Länge übertrifft. Was aber das Verhältniß des Thorax 
zur Hinterhand anlangt, so setzt Pocock dasselbe für Sc. Binghami — 
8:9, während ich bei den erwachsenen Se. montanus (mit 15 Haar- 
orübchen) ganz ähnliche Verhältnisse finde (z. B. 8,2: 8,8; bei 
Lindstroemii sogar 12: 13,5). Nur der jugendlie he Sc. montanus von 
Karsch zeigt hierin ein verändertes Verhalten, indem beide Verhältnisse 


Gatt. Scorpiops,. 187 


bei ihm gleich sind (5,2:5,2), und der augenscheinlich noch viel 
jugendlichere Sc. lugubris Thor. läßt sogar eine völlige Umkehr des 
Verhältnisses erkennen (3,7:3,5). Aus den dargelesten Gründen 
glaube ich die Selbständigkeit auch des Sc. Binghamii nicht 
anerkennen zu sollen. Der Sc. solidus Karsch ist schon von Pocock 
als Synonym zu Sc. Hardwickii Gerv. aufgefaßt worden, und, wie 
ich glaube, mit vollem Recht. Was endlich den Sc. leptochirus 
Poc. betrifft, so wage ich über seine Berechtigung kein Urtheil abzu- 
geben. Immerhin ist es möglich, daß er nur als Varietät zu Sc. Petersii 
Poc. zu ziehen ist. Die Distanz der Mittelaugen von einander ist eine 
ungemein variable Größe, die man ganz aus dem Spiele lassen sollte, 
ebenso die Dicke der Blase. Der ım Verhältniß kürzere Schwanz 
aber kann um so weniger ins Gewicht fallen, als ich ein Exemplar 
vor mir habe, das in Bezug auf dieses Merkmal genau die Mitte 
hält zwischen dem von Pocock unterschiedenen Sc. Petersii und 
leptochirus. 

Es würden demnach noch 4 wohlunterscheidbare Arten übrig 
bleiben, zu deren Bestimmung folgende Tabelle dienen möge: 


A. Obere Caudalkiele ohne größeren Enddorn. Haargrübchen an 
dem unteren Hinterrande des Unterarms zu 7—8. Augenhügel 
nicht oder doch nur ganz undeutlich gefurcht. 

a. Hinterhand wenig länger als die Handbreite (1: 0,8 bis 1: 0,96). 
Vorderfläche des Unterarms am Grunde mit 2 kaum wahr- 
nehmbaren Höckerchen, Ober- und Hinterfläche mit glatten 
Kielen (nur der Vorderrandkiel etwas körnig). Augenhügel 
kurz, der hinter den Augen liegende Theil viel kürzer, als die 
Längsfurche von dessen Ende bis zum Hinterrande (Fig. 98). 
Finger ohne Lobus, nur etwas geschweift. 8 Haargrübchen am 
Unterarm. ra 1» Se. Hardwicki (Gerv.), p.. 188. 

b. Hinterhand viel länger als die Handbreite (1: 0,6 bis 1: 0,75). 
Vorderfläche des Unterarms am Grunde mit 2') großen, spitzigen 
Dornen bewehrt, Ober- und Hinterfläche mit ziemlich deutlich 
gekörnten Kielen. Augenhügel gestreckt; der hinter den Augen 
liegende Theil ziemlich so lang, als die Längsfurche von seinem 


!) Se. leptochirus Poc. besitzt nur einen kleinen Höcker. Die Augen 
der Mitte nur durch einen Zwischenraum getrennt, der kaum größer als 
der Augendurchmesser. Augenhügel schwach gefurcht. Haargrübchen des 
Unterarms 7. Kammzähne 6--7. Cauda kaum 3!g mal so lang, als der 
Thorax. Blase etwas schmäler als das letzte Segment. Kiele der Hand 
schwächer. 


188 Scorpionidae: Vejovini. 


Ende bis zum Hinterrande (Fig. 97). Finger bei beiden 

(Geschlechtern mit starkem Fingerlobus und entsprechender Aus- 
buchtung der Gegenseite. 7 Haargrübchen am Unterarm. 

2. Se. Petersii Poc., p. 190. 

B. Obere Caudalkiele im II. —IV. Segment mit deutlichen, größeren, 

spitzen Enddornen bewehrt. Haargrübchen an dem unteren 

Hinterrande des Unterarms 10—19. Augenhügel mit deutlicher, 

wenn auch flacher Medianfurche. 

a. Haargrübchen an der Unterseite des Unterams in einer Reihe 
zu 10—11l. Finger meist länger als die Hinterhand, ohne 
‘Fingerlobus, mit etwa 16 Außenkörnchen der Schneide. Blase 
am Hinterrande vom Stachel wulstartig abgesetzt (Fig. 95). 
Unterarm am Grunde der Vorderfläche mit 2 getrennten, fast 
gleich großen Dornen. Körnelung des CGephalothorax grob, fast 
dornig, gereiht; Umgebung des Augenhügels ungekörnt.?) 

3. Sc. longimanus BPoe., p. 191. 

b. Haargrübchen an der Unterseite des Unterarms zu 13—17 
(oder 19?). Finger meist kürzer als die Hinterhand, bei 
Männchen und Weibchen mit deutlichem Lobus und mit nur 
11—12 Außenkörnchen außenseits der Schneide. Blase am 
Hinterende allmählich m den Stachel übergehend. Unterarm am 
Grunde der Vorderfläche mit nur einem großen, aber 3—4zackig 
'gespaltenem Dorn, selten fast zweitheilig. Cephalothorax gleich- 
mäßig rundlich-gekörnt, um den Augenhügel dicht feinkörnig. ?) 

4. Sc. montanus Karsch, p. 192. 


1. Scorpiops Hardwickii (Gerv.). 
1844 Scorpio Hardwickii Gerv. (Ins. apt. III., p. 66). 
1878 Scorpiops solidus Karsch (Münch. ent. Mitth. 1879, p. 106). 

Der Se. Hardwickii scheint die bei weitem verbreitetste Art 
unserer Gattung zu sein. Da Pocock das Originalexemplar Gervais’ 
untersuchte, so kann es wohl keinem Zweifel unterliegen, daß die von 
Peters und Karsch versuchte Identifizirung des Se. Hardwicki mit 
einer anderen von ihnen beschriebenen Form als Irrthum zu bezeichnen 
ist, und daß wir in dieser Hinsicht der von Pocock vorgeschlagenen 
Nomenklatur zu folgen haben. 

Die Färbung varırt von Dunkelbraunschwarz bis Gelbroth. 
Im letzteren Falle ist das Abdomen mehr scherbengelb, während 
Thorax, Cauda, Arme und Hände mehr rothbraun erscheinen. 


2) Bei jungen Individuen ist der Cephalothorax fast glatt und ungekörnt. 


Gatt. Scorpiops. 189 


Der Cephalothorax ist nach vorn verschmälert, in der 
Mitte des Vorderrandes mit tiefem Ausschnitt. Die Medianfurche 
umzieht beidseitig den kurzen, rhombischen Augenhügel (Fig. 98); 
letzterer gewölbt, ohne Längsfurche. Stirnloben gekörnt; hinter den 
Seitenaugen eine gröbere, kurze Körnchenreihe, nach innen davon eine 
glatte, rundliche Beule. Uebrige Theile des Thorax ziemlich gleich- 
mäßig gekörnt; in den Hinterecken feiner. Rückenringe dicht 
gekörnt, auf der ganzen Fläche mit gekörntem oder glattem Mittelkiel 
und Andeutung von Seitenkielen. Letztes Segment außer dem Mittel- 
kiel mit 4 undeutlichen, gekörnten Seitenkielen; die Unterseite 4kielig. 


Caudalkiele alle körnig entwickelt; die oberen ohne Andeutung 
eines stärkeren Enddorns, die unteren des V. Segments zackig. 
Flächen ebenfalls gekörnt, namentlich die oberen Seitenflächen. Ein 
oberer Nebenkiel im I. Segment deutlich, im II. (und zuweilen auch 
im 111.) Segment nur angedeutet. Blase namentlich an den Seiten 
etwas höckerig-körnig. V. Caudalglied etwa 12 mal so lang 
als das IV. 

Oberarm oberseits von gekörnten Randcristen begrenzt, auf 
der Fläche ziemlich grobkörnig. Unterseite nur vorn mit gekörntem 
Randkiel, Fläche ebenfalls gekörnt. Vorder- und Hinterseite mit je einer 
sehr verschieden entwickelten Längseriste.e Unterarm mit gekörnter 
oberer Vorderkante; übrige Kiele fast glatt, wulstig. Vorderfläche am 
Grunde nur mit einem schwachen Höcker; ein zweiter über demselben 
kaum angedeutet. Unterfläche etwas gekörnt auf der Fläche, am Hinter- 
rande mit 8 Haargrübchen. 


Oberhand durch einen starken, glatten Fingerkiel scharf in 
Innen- und Außenfläche getheilt, und beide Flächen wieder durch 
einen deutlichen Nebenkiel zweitheilig. Innenfläche meist deutlich 
netzig-grubig, seltener mehr getrennt runzelig körnig, wie die Außen- 
fläche. Ebenso die Unterhand runzelig-körnig. Beweglicher Finger 
ohne deutlichen Lobus, bei männlichen Exemplaren aber S-förmig 
geschweift. Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand wie 
1:0,8 bis 1: 1, der Hinterhand zur Handbreite wie 1: 0,8 bis 1 : 0,96. 
Hand daher sehr gedrungen, dick. Größte absolute Maaße für Finger, 
Hinterhand und Handbreite: 5,5, 5 und 4,8 mm. 


Oberschenkel dicht feinkörnig, Schienbeine mit glatten Kielen 
und auf der Seitenfläche mit Körnchenstreif. 


Kämme kurz, ohne Mittellamellen und Fulera.. Zahl der 
Kammzähne zwischen 4 und 7, beim Männchen länger als beim 


Weibchen. 


190 Scorpionidae: Vejovini. 


Das Verhältniß des Truncus zur Cauda schwankt zwischen 
1:0,92 und 1: 1,23, wobei wohl die längere Cauda den Männchen 
zukommt. Die normale Größe dürfte etwa 40 mm (20 + 20) betragen, 
geht aber zuweilen bis 46 mm. 

Die Heimath des Sc. Hardwicku ist das Himalayagebirge 
(z. B. Nepal). 


2. Scorpiops Petersii Poc. 

1879 Scorpiops Hardwickii Karsch (nec. Gerv.) (Münch. ent. Mitt. 1879, p. 106). 
1893 Scorpiops Petersii Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XII, p. 323). 

Färbung wie bei der vorigen Art, zuweilen ganz gelbroth. 

Cephalothorax wie bei der vorigen Art, aber der Augen- 
hügel viel gestreckter, nach hinten lang zugespitzt (Fig. 97). Körnelung 
des Abdomens feiner, Mediankiel fast elatt, keine Andeutung von 
Nebenkielen. Letztes Segment oben und unten wie bei der vorigen Art. 


Cauda mit gekörnten Kielen. Die oberen ein wenig sägezähnig, 
letzter Zahn im III. und IV. Segment kaum größer, als die vorher- 
gehenden. Die unteren Kiele des V. Segments zackig. Flächen fast 
glatt, matt. Nebenkiel im I. Segment deutlich, im IH. fehlend oder 
nur angedeutet. V. Caudalsegment fast doppelt so lang als das IV. 
(5,8: 3,3 mm). Blase an den Seiten ganz schwach gekörnt. 

Oberarm wie bei Sc. Hardwickn; Unterarm mit gekörnten 
Kielen, an der Vorderseite am Grunde mit 2 großen, dornspitzigen 
Höckern, davor oft noch ein Dritter. Unterseite fast glatt, am Hinter- 
rande mit 7 Haargrübchen. 

Oberhand mit starkem, etwas crenelirtem Fingerkiel. Innen- 
fläche getrennt-feinkörnig, mit einem schwachen glänzenden Körnchen- 
längsstreif als Andeutung des Nebenkiels. Nebenkiel der Außenfläche 
gekörnt, gut entwickelt. Unterhand getrennt-gekörmt. Beweglicher 
Finger mit ziemlich deutlichem Lobus. Verhältniß des beweglichen 
Fingers zur Hinterhand wie 1: 0,82 bis 1:1, der Hinterhand zur 
Handbreite wie 1:0,6 bis 1:0,75. Größte absolute Länge von 
Finger, Hinterhand und Handbreite : 9,8, 8 und 6 mm. 

Schenkel und Schienbeine matt, eine Körnelung kaum 
wahrnehmbar. 

Kämme wie bei der vorigen Art. Zahl der Kammzähne 5—6. 

Das Verhältniß des Truncus zur Cauda wie 1:1 bis 
1: 1,15. Größte absolute Länge des Körpers 68 (= 31,5 + 36,5) mm. 


Die Heimath ist das Himalayagebirge (z. B. Simla). 


Gatt. Scorpiops. 191 


3. Seorpiops longimanus Poc. 
1893 Scorpiops longimanus Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XI., p. 326). 

Färbung in der Regel einfarbig braunroth, häufig jedoch der 
Truneus oder doch das Abdomen schmutzig scherbengelb. 

Cephalothorax vorn tief ausgeschnitten, wie bei den vorigen 
Arten. Augenhügel gestreckt rhombisch, von der Medianfurche beider- 
seits umzogen, aber mit deutlicher flacher Längsfurche zwischen den Augen. 
Fläche des Cephalothorax grob scharf-körnig, neben dem Stirnausschnitt 
und innen von den Seitenaugen reihenkörnig. Daneben eine runde glatte 
Stirnbeule. Depression um den Augenhügel ungekörnt. Rückenschilde 
des Abdomens grobkörnig, mit gekörntem Mittelkiel; letztes Segment 
oben mit 4 gekörnten Seitenkielen, unten mit 4 kurzen schwachen Kielen. 

Cauda mit gekörnten Kielen. Obere sägezähnig, am Ende mit 
langem, spitzem, wieder am Oberrande etwas gesägtem Endzahn im 
II.—IV. Segment. Untere Kiele im V. Segment ebenfalls sägezähnig. 
Flächen, namentlich die Seitenflächen, grobkörnig. Nebenkiel im 
I. Segment vollständig, im II. kaum sichtbar. Blase an den Seiten fast 
glatt, vor dem Stachel ringförmig abgesetzt (Fig. 95). YV. Segment 
etwa doppelt so lang, als das IV. (z. B. 7,5 : 5,8 mm). 

Oberarm wie bei den vorhergehenden Arten. Unterarm 
mit durchaus gekörnten Kielen, an der Vorderseite mit 2 fast gleich 
großen, getrennten Dornen, vor denen noch einzelne kleinere stehen. 
Ober- und Hinterflächen grobkörnig. Unterfläche fast glatt, etwas 
schwach leistennetzig, am Hinterrande mit 10—11 Haargrübchen. 

Hand mit durchaus körnigem, starkem Fingerkiel. Innenfläche 
der Oberhand fast eben, der Nebenkiel nur durch etwas stärkere 
Körnelung angedeutet; ebenso der Nebenkiel der Außenfläche der 
Oberhand. Flächen dicht mit feineren Körnchen besetzt, die zuweilen 
etwas netzig angeordnet sind. Unterhand ebenfalls dicht gekörnt. 
Finger bei beiden Geschlechtern ohne Fingerlobus, nicht oder kaum 
geschweift, der Länge nach mit etwa 16 Außenkörnchen außenseits 
der Schneide besetzt, bei erwachsenen Exemplaren stets länger als die 
Hinterhand, bei jugendlichen etwas kürzer (1:0,82 bis 1: 1,07). 
Verhältniß der Hinterhand zur Handbreite wie 1:0,5 bis 1: 0,62, 
Hand also sehr gestreckt und schmal. Größte absolute Maaße für 
beweglichen Finger, Hinterhand und Handbreite: 9,5, 9,2 und 5 mm. 

Schenkel feinkörnig, Schienbeine mit gekörnten Kielen und 
auf den Seitenflächen etwas reihenkörnig. 

Kämme wie bei den vorigen Arten. Zahl der Kammzähne 
etwa 8 beim Weibchen, S oder 9 beim Männchen; bei letzterem sind 
- die Zähne länger, als beim Weibchen. 


193 Scorpionidae: Vejovini. 


[7 


Das Verhältniß des Truncus zur Cauda beim Weibchen wie 
1:0,76 bis 1: 0,81, beim Männchen wie 1:1 bis 1: 1,2. Größte 
absolute Länge des Truncus beim Weibchen 58 (= 33 + 25,5) mm, 
beim Männchen 50 (= 22,5 + 27,5) mm. 


Die bisherigen Fundorte der Art liegen in Assam. 


4. Seorpiops montanus Karsch. 
1879 Scorpiops montanus Karsch (Münch. enton. Mittheil. 1879, p. 107). 

? 1887 e anthracinus Sim. (Journ. Asiat. Soc. Bengal. 1887, p. 112). 
1889 a Lindstroemii Thor. (Ann. Mus. civ. Genova XXVII., p. 573). 
1889 os lugubris Thor. (ibid., p. 579). 

? 1893 4 Binghamii Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XII., p. 323). 

Die Thatsache, daß Karsch em durchaus unerwachsenes 
Exemplar dieser Art als Typus vor sich hatte, erklärt es zur Genüge, 
daß die erwachsenen Formen als selbständige Arten beschrieben 
wurden. Der Sc. lugubris Thor. ist ebenfalls ein äußerst jugendliches 
Individuum. Ueber Sc. anthracinus und Sec. Binghamii sind die 
Acten noch nicht geschlossen; doch werden sie nach dem früher 
Gesagten schwerlich als selbständige Formen aufrecht erhalten werden 
können. 

Die Färbung varüirt wie bei den übrigen Arten von gelbroth 
zu dunkelbraun. 

Ausschnitt des Stirnrandes, Medianfurche und Augenhügel mit 
seiner seichten Längsfurche wie bei Sc. longimanus; ebenso die glatte 
Stirnbeule. Körnelung des Cephalothorax aber viel gleichmäßiger, 
neben dem Stirnausschnitt nicht reihenkörnig. Depression um den 
Augenhügel dicht femkörnig. Bei jungen Individuen ist der Cephalothorax 
fast glatt. Abdominalringe oberseits bei jungen Exemplaren 
ebenfalls fast glatt, später dicht fein- bis mittelkörnig; letztes Segment 
beim Männchen grobkörnig, die 4 Nebencristen hierdurch fast verdeckt. 
Unterseite des letzten Segments meist mit nur 2 schwachen Kielen. 

Cauda wie bei der vorigen Art, Flächen der Cauda aber 
weniger gekörnt, oft fast glatt, und die Körnelung der Kiele weniger 
scharf. V. Segment etwas über 1"2 mal so lang, als das IV. (z.B. 
5,8:3,5 mm). Blase ohne ringförmigen Absatz vor dem Stachel. 

Oberarm wie bei den vorigen Arten, auf der ganzen Unterfläche 
dicht feinkörnig. Unterarm mit perlig gekörnten Kielen, an der 
Vorderseite mit einem 2—3spaltigen großen Dorn, vor dem eimige 
kleinere stehen. Ober- und Hinterfläche feinkörnig, ebenso die Unter- 
fläche, bei der die Körnchen eine undeutlich netzförmige Anordnung 
zeigen. Am Hinterrande der Unterfläche 13—19 (2), meist 15, 
Haargrübchen. 


Gatt. Uroctonus. 193 


Hand wie bei der vorigen Art, aber der Nebenkiel der 
Innenfläche der Oberhand nicht entwickelt und die feine Körnelung 
der Flächen mehr oder weniger deutlich netzig angeordnet. Finger 
bei beiden Geschlechtern (excl. juvenes) mit ziemlich deutlichem Finger- 
lobus, von ihm bis zur Spitze mit etwa 12 Außenkörnchen außenseits 
der Schneide besetzt, fast stets kürzer — nur bei ganz alten Exemplaren 
etwas länger — als die Hinterhand (1: 0,97 bis 1: 1,5). Verhältniß 
der Hinterhand zur Handbreite wie 1:0,43 bis 1:0,55. Größte 
absolute Maaße für beweglichen Finger, Hinterhand und Handbreite: 
7,5, 8,8 und 4,5 (bei Thorells Sc. Lindstroemii: 14, 13,5, 6,5) mm. 

Schenkel feinkörnig, Schienb eine nur mit glattem Rückenkiel, 
auf den Seitenflächen nach unten zu feinkörnig, bei jungen Individuen glatt. 

Kämme wie bei den vorigen Arten. Zahl der Kammzähne 
bei den bis jetzt beobachteten Exemplaren 6—11, und zwar einmal 6, 7, 
zweimal 7, 7, zweimal 8, 8 (Sc. lugubris und Lindstroemii), einmal 
9, 9 (Sc. Binghamii) und einmal 10, 11 (Sc. anthracinus). 

Das Verhältniß des Truncus zur Cauda varürt von 1: 0,62 
(2 juv.) bis 1: 1,04 (4). Größte absolute Maaße 54 (= 52 + 22) mm 
beim Weibchen, nach Thorell (Sc. Lindstroemii) sogar 78(—=42+ 36) mm. 
Männchen z. B. 48 (= 25,5 + 22,5) mm. 

Die Verbreitung scheint sich von den südwestlichen Abhängen 
des Himalaya (Dehra Dun) bis nach Burma und südlich bis 
Tenasserim zu erstrecken. 


3. Gatt. Uroetonus Thor. 

Neuweltliche Vejovinen mit einem oder mehreren 
schwachen Zähnchen am Unterrande des beweglichen 
Oberkieferfingers. Scheerenfinger mit einer Körnchen- 
reihe auf der Schneide, mit einzelnen Außenkörnchen 
beiderseits (Fig. 81). Sternum breiter als lang, mit fast 
durchgehender Mittelfurche (Fig 87). Kämme mit 
wenigen eckigen Mittellamellen und dreieckigen Fulcren. 
Endtarsen mit Gehstachel, unterseits mit einer Median- 
reihe kurzer, zarter Dörnchen (Fig. 91). 

Von dieser Gattung sind bisher die 3 Arten U. mordax, 
privus und phaeodactylus beschrieben worden. U. privus Karsch 
erweist sich als ein junges Weibchen vonU. mordax; U.phaeodactylus 
hingegen ist von Pocock zum Repräsentanten einer eigenen Gattung 
Anuroctonus erhoben worden, weil er an dem ihm zu Gebote 
stehenden Weibchen nur 1 Zähnchen am Unterrande des beweglichen 
“ Oberkieferfingers entdecken konnte. Das mir vorliegende Material von 


13 


194 Scorpionidae: Vejovini. 


4 Exemplaren beweist indeß, daß für gewöhnlich 3 kleine Zähnchen vor- 

handen sind, die aber obsolet werden können und dann im extremen 

Falle sogar sämmtlich bis auf kaum wahrnehmbare Spuren verschwinden. 

Es ist daher kein Grund vorhanden, den U. phaeodactylus von der 

ursprünglichen Gattung abzusondern. 

Die Bestimmung der Arten ergiebt sich aus folgender Gegen- 
überstellung: 

A. Unterrand des beweglichen Oberkieferfingers meist mit etwa 
5 Zähnchen. Untere Caudalkiele im IV. Segment körnig entwickelt. 
Letztes Bauchsegment glatt oder nur mit Andeutung von 2 glatten 
Kielen. Am unteren Hinterrande des Unterarms nur 3—4 Haar- 
grübchen; ebenso an der Unterseite des Außenrandkieles der Hand. 

1.. U.:mordax "Thor., p7 192 

B. Unterrand des beweglichen Oberkieferfingers mit 0—3 Zähnchen. 
Untere Caudalkiele im IV. Segment fehlend. Letztes Bauchsegment 
mit 4 gekörnten Kielen. Am unteren Hinterrande des Unterarms 
11—12 Haargrübchen, an der Unterseite des Außenrandkieles 
der Hand 16—1S. Stachel des Männchens am Grunde kugelig 
angeschwollen (Fig. 96). 2. U. phaeodactylus (Wood), p. 196. 


1. Uroctonus mordax Thor. 
1876 Uroctonus mordax Thor. (Ann. Mag. Nat. Hist. [4] XVIL., p. 11). 
1877 # mordax Thor. (Atti Soc. ital. XIX., p. 196). 
1879 > privus Karsch (Münch. ent. Mitt. 1879, p. 103). 

Der Uroctonus privus stimmt mit dem U. mordax in allen 
wesentlichen Merkmalen überein, so z. B. auch in der Zahl der Haar- 
grübchen an Unterarm und Hand. Die abweichende Form des Kamm- 
grundes lehrt aber zunächst, daß wir es mit einem Weibchen zu thun 
haben, bei dem ohnehin der „Fingerkiel“ der Oberhand schwächer 
entwickelt sein dürfte, als beim Männchen. Nehmen wir nun hinzu, 
daß das Originalexemplar noch ganz jugendlich ist (kaum 21 mm 
lang), so werden wir nichts specifisches darin finden können, daß 
1. Thorax und Abdomen glatt sind, 2. der Hinterrandkiel der Ober- 
seite des Unterarms kaum als schwache Kante markiert ist und 
3. die Hand eines deutlichen Fingerkiels entbehrt, also oberseits 
gerundet erscheint. 

Die Färbung des Truncus, der Cauda und der Palpen ist 
rothbraun oder auf dem Abdomen lederfarbig, bei dunkleren Exemplaren 
meist mit Andeutung halbmondförmiger hellerer Seitenflecken auf den 
Ringen. Die Blase ist gelbroth, die Beine hell ledergelb. Jüngere 
Exemplare sind gelb, aber dunkler beraucht und gescheckt. 


Gatt. Uroctonus. 195 


Der Cephalathorax zeigt am wulstigen Stirnrande eine 
schwache, geschweifte Ausrandung, von der eine seichte Furche gegen 
den Augenhügel zieht und sich gewissermaßen in ihn hineinschiebt. 
Augenhügel kurz rhombisch, ohne Längsfurche. Medianfurche hinter 
dem Augenhügel äußerst seicht, nur am Hinterrande in einer dreieckigen 
Depression etwas vertieft. Stirnfläche etwas höckerig, Seiten zerstreut 
grobkörnig, Hinterecken feinkörnig matt. Bei jüngeren Exemplaren 
resp. Weibchen nur die Seiten und Hinterecken etwas matt. 

Abdomen oberseits undeutlich zerstreut höckerig, namentlich 
an den Hinterrändern, sonst fein emgestochen punktirt; letztes Segment 
fast grobkörnig, mit Andeutung von 4 Körnchencristen. Unterseite 
der Abdominalsegmente glatt, fein eingestochen punktirt; letztes ebenfalls 
glatt oder doch nur mit 2 schwach angedeuteten glatten Längskielen. 

Obere Median- und Lateralkiele der Cauda in allen Segmenten 
deutlich körnig entwickelt. Untere Median- und Lateralkiele m den 
ersten Segmenten nur fein crenelirt oder ganz glatt, vom Ill. oder 
IV. Segment an deutlicher gekörnt, im V. fast gezackt. Flächen der 
Cauda fast glatt bis feinkörnig. Seitliche Nebenkiele im I. Segment 
vollständig, im II. und III. Segment nur eine kurze Körnchenreihe, 
im V. Segment in der Grundhälfte entwickelt. Blase bei beiden 
(Geschlechtern glatt, schlank, fen eingestochen punktirt, dazwischen 
gröbere Punktreihen. 

Oberarm oberseits flach, von gekörnten Kielen begrenzt, ebenso 
die Vorderfläche; Hinterrandkiel der Unterfläche aber nur am Grunde 
entwickelt. Oberseite und Unterseite fast glatt; Vorderfläche nur mit 
einigen gröberen Reihenkörnchen. 

Unterarm oben etwas flach, mit deutlichem, gekörntem Vorder- 
randkiel und glattem oder fast fehlendem Hinterrandkiel. Vorder- 
fläche mit großem Dorn am Grunde. Unterfläche von 2 gekörnten 
oder fast glatten Kielen begrenzt, fast glatt, längs des Hinterandes 
mit 3—4 Haargrübchen. 

Hand mäßig breit, beim Männchen mit glattem Fingerkiel, 
welcher die Oberhand in Innen- und Außenfläche theilt. Innenfläche 
fast eben, mit Andeutung eines Nebenkiels, die Fläche etwas beulig-netzig- 
feinkörnig. Auch die Außenfläche mit Andeutung eines Nebenkiels. 
Unterfläche zerstreut fein spitzkörnig. Längs des Außenrandkieles 
der Hand auf deren Unterfläche 3—4 Haargrübchen. Beim jungen 
Weibchen ist der Fingerkiel obsolet, die Oberhand daher gerundet (?); 
die Flächen sind glatter und glänzender. Finger ohne Lobus, 
mit. einer Körnchenlängsreihe auf der Schneide und außen mit 
schwachen (etwa 4—5), innen mit stärkeren (etwa 6) Außenkörnchen. 

13° 


196 Scorpionidae: Vejovini. 


Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand etwa wie 1:1, 
das der Hiniterhand zur Handbreite wie 1:0,76 bis 1: 0,83. Größte 
absolute Maaße für Finger, Hinterhand und Handbreite: 7,2, 
7.2-und 5,5 mm. 

Oberschenkel feinkörnig, Unterschenkel fein punktirt. 
Tarsen unterseits mit eimer Mittelreihe feiner kurzer Dörnchen. 

Sternum viel breiter als lang (z. B. 3 :1,8 mm), mit fast 
durchgehender Längsfurche. Kämme mit 5 deutlichen, eckigen 
Mittellamellen und dreieckigen Fuleren. Kammgrund beim Männchen 
ein etwas stumpfer Winkel, beim Weibchen ein flacher Bogen, so daß 
die Zähne erst nach dem Grunddrittel zu beginnen scheinen. Zahl der 
Kammzähne beim Männchen bei 4 Exemplaren 10—12, beim Weibchen 8. 

Truncus beim Männchen wenig kürzer (1:1,03 bis 1: 1,2) 
als die Cauda, beim Weibchen etwas länger (1: 0,91). Größte absolute 
Länge 59 (= 29. 30) mm. 

Die Weibchen unterscheiden sich von den Männchen sicher 
durch den Kammgrund und geringere Körnelung der Truneusoberseite, 
wahrscheinlich auch durch das Fehlen oder die schwächere Ausbildung 
des Fingerkiels und des oberen Hinterrandkiels des Unterarmes. 

Die Heimath des U, mordax ist Californien. 


2. Uroetonus phaeodaetylus (Wood). 
1863 Centrurus phaeodactylus Wood (Proc. Ac. Nat. Sc. Apr. 1863; Journ. Acad. 
Nat. Sc. Philad.’2. Ser. V., p. 372). 
1879 Uroctonus phaeodactylus Karsch (Mitth. Münch. ent. Ver. 1879, p. 103). 
1893 Anuroctonus phaeodactylus Pocock (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XII., p. 328). 


Die Färbung des Körpers ist gelbroth, die des Abdomens 
zuweilen dunkler. Finger dunkel rothbraun. Blase und Beine gelb. 

Cephalothorax am gewulsteten Stirnrande kaum merklich 
und noch schwächer ausgerandet, als bei der vorigen Art. Median- 
furche vor und hinter dem Augenhügel seicht, erst gegen den Hinterrand 
zur dreieckigen Depression sich vertiefend.. Augenhügel länglich 
rhombisch, ohne Medianfurche, schwarz, glänzend, grob eingestochen 
punktirt. Fläche des Cephalothorax ungleichmäßig feinkörnig, an den 
Seiten dichter, auf der Stirnfläche sparsamer und hier auch eingestochen 
punktirt; beim Weibchen die ganze Mittelfläche fast glatt, glänzend, fein 
eingestochen punktirt, dazwischen zerstreut gröbere eingestochene Punkte. 

Abdomen oberseits beim Weibchen glatt, glänzend, punktirt, 
beim Männchen matt, feinkörnig chagrinirt, nach hinten zu etwas 
srobkörniger, im letzten kaum Andeutung von Cristen. Unterseite des 
Abdomens glatt, eingestochen punktirt, das letzte Segment mit 4 starken 
gekörnten Längskielen. 


Gatt. Uroctonus. 197 


Obere Median- und obere Lateralkiele der Cauda im 
I.—IV. Segment etwas körnig, im V. Segment die oberen Kiele fast 
glatt. Untere Median- und Lateralkiele im I.—Ill. Segment stark 
entwickelt, gekörnt, nach hinten convergirend, im IV. Segment völlig 
fehlend, dieses also unterseits gerundet, glatt oder nur etwas höckerig. 
Untere Kiele im V. Segment zackig-körnig. Dorsallläche der Cauda 
im I. und II. Segment etwas körnig beim Männchen, ebenso die 
Seitenflächen etwas feinkörnig; beim Weibchen die Flächen glatter, 
eingestochen punktirt. Blase beim Weibchen von gewöhnlicher 
Gestalt, mäßig schlank, glatt; beim Männchen dick aufgeblasen, etwas 
seitlich zusammengedrückt, höher als breit, glatt, ihr Stachel am 
Grunde knopfförmig angeschwollen und retortenartig in eine kurze 
Spitze ausgezogen (Fig. 96). 

Oberarm wie bei der vorigen Art, aber die Flächen etwas 
mehr gekörnt. Unterarm nur am Vorderrande oben mit schwarzer 
Körnchencriste, am Hinterrande gerundet. Vorderfläche mit großem 
Grunddorn, darunter einige kleinere. Unterfläche fast glatt, etwas 
netzig-nadelstichig, mit gekörntem Vorder- und glattem Hinterrandkiel. 
Längs des Hinterrandes eine Reihe von 11—12 Haargrübchen. 

Hand mäßig breit, am Grunde schräg gestutzt, mit glattem, 
nicht sehr scharf hervortretendem Fingerkiel. Außenfläche und Innen- 
fläche der Oberhand gerundet, ohne Andeutung von Nebenkielen, fast 
glatt, mit zerstreuten gröberen eingestochenen Punkten und feinen 
netzigen Körnchen. Innenrand gerundet, gröber gekörnt, wie auch 
die Unterhand.. Am Außenrande der Unterhand der ganzen Länge 
nach eine Reihe von 16—17 Haargrübchen. Finger bei beiden 
Geschlechtern ohne Lobus, mit einer Körnchenreihe auf der Schneide 
und innen 4, außen meist 6 Außenpunkten. Verhältniß des beweglichen 
Fingers zur Hinterhand etwa wie 1:1, das der Hinterhand zur 
Handbreite wie 1:0,73 bis 1:0,77. Größte absolute Maaße für 
Finger, Hinterhand und Handbreite: 8,2, 8,2 und 6,2 mm. 

Beine wie bei der vorigen Art. 

Sternum etwas breiter als lang, mit fast durchgehender 
Mittelfurche (Fig. 87). Von den Mittellamellen ist nur eine am Ende 
deutlich abgegrenzt. Fulcra dreieckig. Kammgrund beim Männchen 
fast rechtwinklig, beim Weibchen sehr stumpfwinklig. Zahl der 
Kammzähne beim Männchen meist 8, beim Weibchen 5. 

Verhältniß des Truncus zur Cauda beim Männchen wie 
1:1 bis 1:1,14, beim Weibchen wie 1:1. Größte absolute Länge 
des Männchens 56,4 (= 28,2 + 28,2) mm, des Weibchens 60 
(— 30.730) am. 


198 Scorpionidae: Vejovini. 


Die Weibehen unterscheiden sich von den Männchen durch 
den nicht am Grunde knopfförmig aufgeblasenen Stachel, die Form 
des Kammgrundes und die weniger gekörnte und daher glatte Truncus- 
oberseite. 

Als Fundorte des U. phaeodactylus sind bekannt: 
Californien, Utah und Virginien. 


4. Gatt. Vejovis C. L. Koch. 

Typische Gattung der Vejovinen, mit vielen perl- 
schnurartigen Mittellamellen der Kämme und perlschnur- 
artigen Fuleren (Fig. 88). DBeweglicher Finger des 
Oberkiefers ohne Zahn am Unterrande. Endtarsen mit 
Gehstachel (Fig. 92). Endtarsen unterseits in der Mittel- 
linie mit dichter Reihe kurzer Dörnchen. Schrägreihen 
der Scheerenfinger fast eine gerade Linie bildend, mit 
einzelnen Außenkörnchen (Fig. 82). 

C. L. Koch unterschied 7 Arten der Gattung; rechnen wir 
zu diesen je eine Art von Thorell und Karsch und etwa 3 Formen, 
welche Wood in der Gattung Buthus beschreibt, die aber hierher 
gehören dürften, so erhalten wir im Ganzen 12 Arten. Von diesen 
ist der Vejovis Schuberti Koch bereits von Karsch vermuthungsweise 
als Buthus hottentotta angesprochen worden, und diese Annahme 
erweist sich nach Untersuchung des Originalexemplars als zutreffend. 

Der V. debilis Koch ist ohne Frage ebenfalls aus der Liste 
der echten Vejovis zu streichen und irgend einem Üentrurus zu 
indentificiren, da er unter dem Stachel einen höckerförmigen Dorn 
besitzt. Von den 3 Wood’schen Arten, zu denen vielleicht noch der 
Buthus boreus Girard hinzu zu rechnen ist (vgl. Marx, Proc. Ent. 
Washington I., p. 91; 1888), dürften aller Wahrscheinlichkeit nach 2 
(Buthus punctipalpiı und B. eusthenura) den von Koch aufgestellten 
Formen entsprechen. Es bleiben demnach noch S Arten, welche sich 
namentlich durch das Auftreten oder Fehlen der unteren Caudalkiele, 
die Dicke der Hand und deren Kielung, die Zahl der Kammzähne etc. 
unterscheiden sollen. 

Mir haben im Ganzen etwa 25 Exemplare der Gattung zu 
(Gebote gestanden, unter ihnen die Originalexemplare von V. asperulus 
Koch und V. intrepidus Thor. Das genauere Studium aller dieser 
Exemplare ergab ein so augenfälliges Variiren fast in allen bisher zur 
Artunterscheidung herangezogenen Merkmalen, daß ich nur zwei (oder 
eventuell drei) Formenkreise scharf zu trennen im Stande war. 
Die Unterschiede würden sein: 


Gatt. Vejovis. 199 


A. Untere Caudalkiele deutlich entwickelt und mindestens im IH. 
und IV. Caudalsegment aus Körnchenreihen gebildet. Hand mehr 
oder weniger mit Andeutung von Handkielen, oder doch am 
unteren Innenrande körnig. V. Caudalsegment mit concaven 
Flächen, meist mit seitlicher Nebencriste. Letztes Abdominal- 
segment meist mit 2 Längskielen. Obere Randkanten des Unter- 
armes sowohl vorn als hinten körnig. 

eye mexı eanus CH DL. Koch, p. 199: 


B. Untere Caudalkiele im I.—IV. Segment völlig fehlend oder doch nur 
durch schwache, glatte, mit eingestochenen Punkten versehene 
Kanten angedeutet. Hand völlig glatt und glänzend, ohne oder nur 
mit schwacher Andeutung von Längskielen, innen und unten ohne 
Körnchen. V. Caudalsegment mit deutlich gewölbten Flächen 
(wie bei Buthus hottentotta), ohne seitliche Nebencriste; dafür eine 
Reihe eingestochener Punkte und eine zweite ebensolche etwas 
tiefer, nahe dem unteren Lateralkiel. Hintere Oberkante des 
Unterarmes völlig glatt, ungekörnt, mit eingestochener Punktreihe. 
Ganzes Thier mit lebhaftem Glanz. 

2. V: spinigerus (Wood), p. 203. 


1. Vejovis mexicanus ©. L. Koch. 


1836 Vejovis mexicanus C. L. Koch (Arachn. III, p. 51, Fig 206). 
1843 e asperulus C. L. Koch (Arachn. X., p. 11, Fig. 761). 
1843 5 flavesceus C. L. Koch (Arachn. X., p. 9, Fig. 760). 
1843 & carolinus C. L. Koch !) (Arachn. X., p. 7, Fig. 759). 

? 1863 Buthus eusthenura Wood (Journ. Ac. Nat. Sc. Philadelphia V., p. 368). 
1863 5 punctipalpi Wood (Journ. Ac. Nat. Sc. Philadelphia V., p. 369). 
1877 Vejovis intrepidus Thor. (Atti Soc. Ital. XIX., p. 183). 

Die hier vereinigten Formen bieten im Einzelnen äußerst 
mannigfache Variationen, so daß ich im Zweifel bin, ob sie nicht 
dennoch in zwei getrennte Kreise zu zerfällen sind, die ich als 
V. mexicanus und V. carolinus bezeichnen würde Da ich aber 
die unterscheidenden Merkmale nicht immer scharf ausgeprägt sehe, 
auch beide Formen wiederholt in demselben Glase fand, so möchte 
ich eher an Geschlechts-, als an Artunterschiede denken und ziehe es 
bis auf weiteres vor, beide Formenkreise zu vereinigen. Eine Tabelle 
der hierbei in Betracht kommenden Unterschiede folgt weiter unten. 


I!) Der Scorpio carolinianus Beauv. und Wood hat einen Dorn unter dem 
Stachel und ist wohl identisch mit Centrurus infamatus Koch. Demnach 
ist die Nomenclatur bei Karsch (Münch. entom. Mittheil. 1879, p. 134) zu 
rectificiren, 


200 Seorpionidae: Vejovini. 


Die Färbung des Truncus ist gewöhnlich rothbraun, im Alter 
schwarzbraun, mit helleren gelbrothen Extremitäten, rothen Händen 
und rother Cauda. Jüngere Exemplare erscheinen mehr grünlich 
scherbengelb, wobei gleichzeitig auch die Gliedmaßen eine blassere 
“ärbung aufweisen. Während im Allgemeinen Flekenzeichnungen nicht 
auftreten, konnte ich in zwei Fällen eine deutliche Schwarzfärbung der 
Caudalkiele beobachten. 

Die Körnelung des Thorax und der dorsalen Abdomimnal- 
segmente varlirt ungemem und zwar vom dicht Grobkörnigen bis zum 
sparsam Feinkörnigen; namentlich auch die Fläche vor den Augen 
kann dicht grobkörnig oder fast glatt sein. Der V. asperulus Koch 
ist lediglich eine etwas feinkörnige Form des V. mexicanus, wie solche 
namentlich unter den von mir als V. carolimus angesprochenen 
Exemplaren vorkommen. 

Der Kiel des Abdomens ist oft nur eine flache punktförmige 
Erhöhung in der Mitte des Segments; in andern Fällen durchzieht er 
dasselbe als flache Längscriste, die sogar körnig entwickelt sein kann. 

Die Gauda zeigt stets gut entwickelte, körnige obere Median- 
kiele, die am Ende der Segmente in einen starken Dorn auslaufen. 
Das Fehlen dieses Dorns läßt es als unwahrscheinlich ansehen, daß 
auch der Buthus boreus Gir. in den Formenkreis des V. mexicanus 
hineingehöre. Die unteren Caudalkiele sind ebenfalls in allen Fällen 
deutlich entwickelt, können aber namentlich im I., im I. und Il., 
oder gar in den drei ersten Segmenten der Körnelung mehr oder 
weniger entbehren. Nebencristen im I. Segment ganz, im II. und II. 
abgekürzt vorhanden. Das IV. und V. Caudalsegment unterseits stets 
deutlich körnig-kielig, das V. an den Seiten mit mehr oder weniger 
scharf hervortretender, nicht ganz bis ans Ende reichender Neben- 
criste. Die Flächen der Cauda oben im I. und Il. Segment meist 
körnig, die übrigen glatt oder feinkörnig. Untere Caudalflächen des 
V. Segments deutlich concav, meist mit einzelnen gröberen und vielen 
feineren Körnchen. Blase glatt oder körnig, namentlich am Grunde. 

OÖber- und Unterarm besitzen an ihren oberen Rändern 
deutlich körnige Kiele, deren Körnchen nur selten an der Hinterkante 
des Unterarms etwas verschmelzen. 

Die Hand bietet sowohl in ihren Dimensionen, wie in ihrer 
Kielung erhebliche Verschiedenheiten. Was zunächst das Verhältniß 
der Handbreite zur Länge der Hinterhand betrifft, so hängt dieses 
augenscheinlich vornehmlich von dem Alter der Individuen ab. Bei 
Jüngeren Thieren ist die Hinterhand oft fast doppelt so lang, als die 
größte Breite, bei alten hingegen kann die Breitendimension sogar 


Gatt. Vejovis. 201 


die Länge übertreffen. Einige Maaße, welche das schrittweise 
Variiren dieses Merkmals beleuchten, mögen hier folgen: Breite der 
Hand zur Länge der Hinterhand —1 71,75, 1: 1,56; 1:1,5; 1:1,5; 


21233; 1.:7,395 702183522121 22:7023152 7 1:21504: 1.2135, 1.3'0,88. 
In ähnlicher Weise variirt das Auftreten der Cristen. Nicht zu alte 
erwachsene Exemplare zeigen das Verhalten, wie es Thorell von 
seinem V. intrepidus darstellt. Es finden sich im Ganzen (oben 
und unten) S ausgeprägte Kiele, welche alle deutlich mit ein- oder 
mehrreihigen Körnchen besetzt sind. Bei ganz alten, abgeriebenen 
Exemplaren erscheinen die Kiele fast glatt, bilden aber starke erhabene 
Längsgrate, zwischen denen die Flächen als vertiefte Canellirungen 
auftreten. Jüngere Individuen können die Handkiele ebenfalls schon 
deutlich ausgeprägt besitzen, aber sie sind dann meist sehr breit, 
mehr kantenartig, glänzend und nur em wenig runzelig statt 
der Körnelung. Andererseits erscheinen die Kiele häufig nur 
dadurch markirt, daß die Hand einige ganz schwache Kanten 
oder flache Längsgruben trägt, und wenn auch diese verschwinden, 
so gelangen wir endlich zu der oberseits völlig glatten, gerundeten 
Hand jüngerer Individuen, welche dann nur noch durch den Besitz 
von Körnchenreihen am Innenrande der Hand oder doch an deren 
innerer Unterseite von der nächstfolgenden Art zu unterscheiden 
sind. Das Längenverhältniß von Finger zur Hinterhand fand ich 
schwankend zwischen 1:60,65 und 1:0,8, ohne erkennbare Lücke. 
Bei älteren Exemplaren sind die Finger verhältnißmäßig kürzer, als 
bei jüngeren. In einigen Fällen (bei einem sehr alten, aber auch bei 
einem mittleren Individuum) schließen die Finger am Grunde nicht 
fest zusammen; der unbewegliche Finger bildet hier eine tiefe Grube, 
welche ein correspondirender größerer Zahn .des beweglichen Fingers 
nur unvollkommen ausfüllt. 

Für die Zahl der Kammzähne gelangte ich zu folgender 
Reihe: 13, 13; 14, 14; 16, 16; 18, 19; 19, 19; 19, 20; 20, 20: 
21, 22; 22, 22, wobei zu bemerken, daß die als V. carolinus 
anzusprechenden (jüngeren) Individuen die niedrige Kammzahl (bis 14) 
aufwiesen, während die echten V. mexicanus von 16—22 variirten, 
die größeren zwischen 20 und 22. 

Das Verhältniß des Truncus zur Cauda schwankt zwischen 
1:1,2 bis 1:1,6. Das größte Exemplar besaß eine Gesammtlänge 
von 84 (= 32 + 52) mm. 

Nach dem Gesagten ergiebt sich, daß die Bedenken, welche 
Thorell gegen die Identificirung seines V. intrepidus mit dem 
V. mexicanus Koch geltend macht, nicht aufrecht zu erhalten sind. 


202 Scorpionidae: Vejovini. 


Die Zahl der Kammzähne bietet eine fortlaufende Reihe von 15 
(das Koch’sche Exemplar) bis zu den 22 des. Thorrell'schen Originals, 
die Handkiele, die Koch nicht erwähnt, fehlen eben den jüngeren 
Individuen fast ganz, und die Angabe Koch’s, daß die oberen Caudal- 
kiele des V. Segmentes im Gegensatz zu denen der vorhergehenden 
„stumpf“ und „nur gekörnt, nicht gezähnt“ seien, ist auch, wie ich 
mich überzeugte, für das Thorell'sche Originalexemplar vollkommen 
zutreffend. Ebensowenig vermag ich für Buthus punctipalpi Wood und B. 
eusthenura Wood Merkmale zu finden, welche diese Arten von dem 
geschilderten Formenkreise abgliederten. Die Koch’schen Arten mit 
ihren langathmigen Beschreibungen lassen es schwer erkennen, welche 
zur Unterscheidung berechtigenden Merkmale der Autor im Auge gehabt. 
Vom V. asperulus ist schon oben bemerkt, daß er ohne weiteres 
von mir als V. mexicanus erkannt wurde; aber auch die Merkmale 
der übrigen (V. carolinus, flavescens) scheinen mir keine besonderen 
Abweichungen zu repräsentiren. Nur in Bezug auf*den V. nitidulus 
könnte man zweifelhaft sein, ob er dieser oder der folgenden Art zu- 
zurechnen sei oder aber gar eine selbständige Stellung einnehme. 
Das Auftreten von deutlichen, wenn auch nicht gekörnten Kielen an 
der Unterseite der 4 ersten Caudalsegmente, wie auf der Handfläche 
lassen ihn dem V. mexicanus nahe erscheinen, die eingestochene 
Punktreihe an den Seiten des V. Caudalsegments hingegen und der 
Glanz sprechen für die Zugehörigkeit zur folgenden Art, weshalb ich 
ihn dort als fragliches Synonym untergebracht habe. 

Wie schon oben angedeutet, laßen sich trotz der großen Variations- 
weite des geschilderten Formenkreises möglicherweise 2 Rassen oder 
Varietäten unterscheiden, welche sich ziemlich scharf von einander 
abheben, augenscheinlich aber weder geographisch, noch auch durch 
absolute Constanz ihrer unterscheidenden Merkmale zu trennen sind. 
Ich bezeichne sie, nach dem Vorgange von Karsch in der Kgl. Sammlung 
zu Berlin, als V. mexicanus Koch und V. carolinus Koch. Als 
wichtigste Unterschiede glaube ich folgende zu erkennen: 

a. V. mexicanus Koch. Kammzähne 16 — 22. Cephalothorax 
ziemlich grobkörnig. Handkiele meist deutlich ausgeprägt. 
Seitliche Nebeneriste des V. Caudalsegments durch eine Reihe 
stumpfer, glänzender Höcker scharfmarkirt. Schienen der Hinterbeine 
am Ober- und Unterrande mit scharf abgesetzten, körnigen Kielen; 
auch die äußere Fläche mit zwei deutlichen, gekörnten Längskielen. 

b. V. carolinus Koch. Kammzähne 13—14. Cephalothorax fein- 
körniger, vor den Augen fast glatt. Kiele der Hand meist nur 
durch flache Furchen angedeutet. Seitliche Nebencriste ım 


Gatt. Vejovis. 203 


V.Caudalsegment nur durch eine ganz feine streifenförmige Körnelung 
auf der Fläche angedeutet, welche die Seitenfläche nicht in zwei 
gesonderte Flächen theilt. Schienen der Hinterbeine am Ober- 
und Unterrande fast glatt oder doch sehr feinkörnig, und nicht 
als scharfe Cristen abgesetzt. Aeußere Seitenfläche ohne deutliche 
Körnchenkiele, nur äußerst fein zerstreut körnig. 

Der Hauptfundort des V. mexicanus ist Mexico, doch 
dürfte er über den ganzen südlichen Theil des nordamericanischen 
Continents verbreitet sein, wie die Fundorte Californien im Westen, 
Carolina und Georgia im Osten beweisen. Ein Exemplar des 
Hamburger Museums trägt die Etiquette „Valparaiso“, doch möchte ich 
aus dieser vereinzelten Angabe keine Schlüsse über ein so weites 
Hinabgehen nach Süden ziehen, da es sich um einen Irrthum oder 
zufällige Verschleppung handeln kann. Uebrigens wird für V. flavescens 
von Koch als Fundort Brasilien angegeben. 


2. Vejovis spinigerus (Wood). 
? 1843 Vejovis nitidulus Koch (Arachn. X., p. 4, fig. 758). 
1863 Buthus spinigerus Wood (Journ. Acad. Nat. Sc. Philadelphia V., p. 370, 
Tfl. 40, fig. 2). 
1879 Vejovis punctatus Karsch (Mittheil. Münch. Ent. Verein 1879, p. 135). 

Da die Beschreibung Koch’s gewiße Zweifel über die Identität 
des V. nitidulus mit der mir vorliegenden Form läßt, so stelle ich den 
von Wood gewählten Namen voran. 

Es liegen mir von dieser Art nur 3 Spiritus-Exemplare vor und 
2 trockene. Zwei der ersteren zeigen eine braunrothe Färbung mit 
deutlicher schwarzer Fleckenzeichnung auf Cephalothorax und Abdomen. 
Auf dem Cephalothorax, die Augen hinten umziehend, ein schwarzer 
Hufeisenfleck; auf dem Abdomen umgekehrte „V- oder W-förmige 
Zeichnung“ auf jedem Segment, wie Wood sagt. Die gelbrothe Cauda 
unterseits statt der Kiele mit stark ausgeprägten schwarzen Längsstreifen. 
Die Hände sind rothbraun, die Beine gelb. Das dritte Exemplar hat nur 
einen dunkleren, grünbraunen Truncus, keine erkennbaren Fleckenreihen 
auf dem Abdomen, doch zeigt die Cauda rothbraune Längsstreifung. Von 
den trockenen Exemplaren trägt eines deutliche Fleckenzeichnung auf 
dem Abdomen, das andere nicht; bei beiden ist die Cauda einfarbig gelb. 

Der Cephalothorax ist ziemlich grobkörnig; auch die den 
Augenhügel durchziehende Längsfurche zeigt an ihren Rändern vor den 
Augen Körnchen. Die Seitenflächen vor den Augen fast glatt, 
glänzend. Das Abdomen oberseits ebenfalls körnig, namentlich an 
den Hinterrändern. Das letzte Abdominalsegment der Unterseite 
entbehrt der 2 Längsceristen des V. mexicanus. 


204 Scorpionidae: Vejoyini. 


A 


Die Hauptunterschiede von der vorigen Art sind in der Be- 
stimmungstabelle bereits hervorgehoben. Besonderen Werth scheint 
mir die gewölbte Form der Flächen des V. Caudalsegmentes zu haben, 
dessen Seitenflächen keinen Nebenkiel (höchstens 1—3 Körnchen am 
Grunde), sondern an Stelle dessen einige eingestochene Punkte tragen. 
fine solche Punktreihe zeigt sich auch nahe der die Seitenfläche 
begrenzenden unteren Seitencriste. Ein zweites gutes Merkmal dürfte 
in der Beschaffenheit des oberen Hinterrandes des Unterarms liegen, 
welcher nicht körnig, sondern glatt ist und ebenfalls eine Punktreihe 
trägt. Der Hinweis hierauf durch Karsch bestimmt mich, seinen 
V. punetatus der gegenwärtigen Art zuzurechnen. Weniger constant 
dürfte das völlige Fehlen der unteren CGaudalkiele in den 4 ersten 
Segmenten sich erweisen. Wenigstens betonen sowohl Wood, wie 
auch Karsch und Koch, daß diese Kiele zwar glatt, aber doch als 
Kanten andeutungsweise vorhanden seien. Auch das eine der mir vor- 
liegenden Spiritus-Exemplare läßt wenigstens die unteren Lateralkiele 
als schwache Kanten hervortreten, und bei den trockenen Exemplaren, 
namentlich dem einen, sind im IV. Segment sogar die Mediankiele als 
Kanten nachzuweisen. Die Blase ist glatt, eingestochen punktirt 
oder am Grunde feinhöckerig, die Caudalflächen im I. und U. Segment 
oben glatt oder körnig. 

Die glatten, glänzenden Hände können augenscheinlich eben- 
falls Spuren von glatten Kielen zeigen, ohne daß jedoch die für 
V. mexicanus charakteristischen Körnchenreihen am Unterrande der 
Innenseite auftreten. Das Verhältniß der Handbreite zur Länge der 
Hinterhand schwankt zwischen 1: 1,3 und 1:1,45, das der Finger- 
länge zur Hinterhand zwischen 1: 0,7 und 1: 0,93. 

Die Schienbeine zeigen nur am letzten Paar außenseits 
Andeutungen von Körnchenreihen. 

Die Zahl der Kammzähne betrug 17, 17; 17, 18 und 22, 22; 
in gleicher Weise schwankt die Zahl der Mittellamellen. Wood giebt 
semen Exemplaren 20—25 Kammzähne, Karsch 15. 

Als Vaterland des V. spinigerus nennt Wood Texas. Die 
Exemplare von Koch, Karsch und die von mir untersuchten stammen 
aus Mexico. 


5. Gatt. Hadrurus Thor. 

Vejovinen mit kurzem, breitem, durch einen tiefen 
Längsspalt zweitheiligem Sternum, mit vielen perlenartig 
serundeten und den Fuleren an Größe egleichenden 
Mittellamellen der Kämme. Beweglicher Finger der 


Gatt. Hadrurus. 205 


Oberkiefer unterseits am Grunde mit starkem, gebräuntem 
Zahn. Endtarsen mit großem Gestachel (Fig. 93). Mittel- 
linie des Tarsenendgliedes unterseits mit einer Reihe 
kurzer Dornen, ebenso die innere Seitenfläche des vor- 
letzten Tarsengliedes. Schrägreihen der Scheerenfinger 
fast eine gerade Linie längs der Schneide bildend, nur an 
der Innenseite für jede der 7 Reihen ein Außenkörnchen. 

Die Gattung Hadrurus ist von Thorell im Jahre 1877 nach 
dem zuerst von Wood (l. c., p. 367) beschriebenen und abgebildeten 
Buthus hirsutus Wood aufgestellt. Die später von Thorell und 
Karsch aufgestellten 4 neuen Arten smd der Gatt. Hadruroides 
zuzuweisen. Es bliebe demnach nur die einzige Art Hadr. hirsutus 
(Wood), wenn nicht, wie kaum zweifelhaft, der mir unbekannte Buthus 
emarginaticeps Wood ebenfalls hierher zu rechnen wäre. Von 
letzterem wird gesagt (Wood 1. c., p. 367), daß er m allem dem 
H. hirsutus genau gleiche, sich jedoch durch eine tiefe und breite Aus- 
buchtung in der Mitte des vorderen Cephalothoraxrandes, die etwa Vs der 
Länge vom Rande bis zum Augenhügel beträgt, von jenem unterscheide, 
der emen vorn abgerundeten Cephalothorax zeigt. Bei mangelndem 
Material beschränke ich mich auf eine Rekapitulation der Eigenschaften 


des Hadr. hirsutus (Wood). 


1. Hadrurus hirsutus (Wood). 
1863 Buthus hirsutus Wood (Journ. Acad. Nat. Sc. Philadelphia V., p. 367 
Til. 40, Fie. 1). 
1877  Hadrurus hirsutus Thor. (Atti. Soc. Ital. XIX., p. 189). 

Da mir nur zwei Exemplare zu Gebote standen, so habe ich 
den Beschreibungen von Wood und Thorell nur wenig hinzuzufügen. 

Die Färbung ist gelbrot, die Oberseite des Abdomens etwas 
dunkler, ebenso zuweilen das V. Caudalsegment. Das V. Caudalglied, 
Blase und Beine sind abstehend behaart. 

Der Gephalothorax ist namentlich an den Seiten und am 
Hinterrande mit ziemlich groben Körnchen besetzt. Der Augenhügel 
hebt sich scharf und hoch aus den umgebenden Vertiefungen heraus, 
so daß die Augen fast vertikal stehen. Die Segmente des Abdomens 
sind vorn fein chagrinirt oder punktirt, am Hinterrande mit feinen 
Körnchen. Letztes Segment der Unterseite mit 4 Körnchenreihen. 

An der Cauda die ersten drei Segmente unterseits mit glatten 
Cristen, das IV. und V. mit gekörnten. Seitliche Nebencristen im 
I. Segment ganz, im U.—IV. abgekürzt vorhanden; auch das 
V. Segment mit körniger, halb ans Ende reichender Nebencriste. 


206 Scorpionidae: Vejovini. 


Blase rund, mit 2 vorspringenden Ecken am Grunde, grobkörnig. 

Ober- und Unterarm mit gekörnten Rändern der Oberseite. 
Innen- und Außenrand der Hand körnig (meist mehrreihig). Hand- 
oberfläche nach innen zu am Grunde mit zwei seichten Längsfnrchen, 
welche durch einen flachen, gekörnelten Wulst getrennt werden. Die 
Breite der Hand zur Länge der Hinterhand schwankt nach den 
vorliegenden Maaßen zwischen 1:1,15 und 1: 1,33, dürfte aber noch weit 
größere Differenzen zeigen ;ebenso das Verhältniß der Länge desbeweglichen 
Fingers zur Hinterhand, das ich zwischen 1:0,5 und 1:0,63 fand. 

Die Zahl der Kammzähne beträgt nach Wood 25—30; 
Thorell giebt 29 an. Das eine der mir vorliegenden Exemplare hatte 
etwa 30, das andere, wahrscheinlich ein Männchen, 59, 40 Kamm- 
zähne, sodaß wir eine Variationsweite von 25 bis 40 Kammzähnen 
anzunehmen hätten. Die Zahl der Mittellamellen ist dementsprechend 
groß und dürfte kaum je unter 13 betragen. 

Die Heimath des H. hirsutus scheint auf Californien 
beschränkt zu sein, da auch wohl die Angabe La Paz der Berliner 
Etiketten auf den Ort in mexicanisch Californien und nicht auf 
Bolivien zu beziehen ist. 


6. (ratt. Hadruroides Poc. 

Vejovinen mit kurzem, breitem, durch einen tiefen 
Längsspalt zweitheiligem Sternum, mit verhältnißmäßig 
wenigen, meist eckigen und die Fulcra an Größe über- 
treffenden Mittellamellen der Kämme.. Beweglicher 
Finger des Oberkiefers unterseits am Grunde mit starkem 
gsebräuntem Zahn. Endtarsen ohne Gehstachel; dafür 
zwei kurze, schlittenkufenartige, in der Mittellinie unter- 
seits bald y-förmig zusammenlaufende Papillenwulste, 
die sich als unpaare Papillenreihe bis zum Grunde des 
Tarsenendgliedes fortsetzen (Fig. 94). Innere Seitenfläche 
des vorletzten Tarsengliedes ohne Dornenleiste. Schräg- 
reihen der Scheerenfinger ziemlich deutlich von einander 
abgesetzt, wenigstens an der Spitze; außer den großen 
Außenkörnchen am Grunde jeder Schrägreihe noch mehr 
oder weniger ausgeprägte Nebenreihen von Körnchen 
außen und innen von der Hauptreihe (Fig. 83). 

Von hierher zu rechnenden Formen nenne ich den Telegonus 
lunatus L. Koch, Hadrurus maculatus Thor., H.parvulus Ksch., 
H. charcasus Ksch. und H. Paachi Ksch., welche indessen 
sämmtlich einer und derselben Art angehören dürften. 


Gatt. Hadruroides. 207 


1. Hadruroides Iunatus (L. Koch). 


1867 Telegonus lunatus L. Koch (Verh. zool. bot. Ver. Wien XVI., p. 235). 
1877 Hadrurus maculatus Thor. (Atti Soc. Ital. XIX., p. 186). 


1879 = parvulus Karsch (Münch. ent. Mittheil. 1879, p. 135). 
1879 r charcasus Karsch (Münch. ent. Mittheil. 1879, p. 135). 
1881 5 Paaschi Karsch (Berl. ent. Zeitg. XXV., p. 290). 

? 1889 u robustus Boeris (Atti Soc. Modena VIII., p. 123—135). 


1893 Caraboctonus charcasus Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist [6] XI., p. 92). 
1893 Caraboctonus maculatus Poc. (ibid., p. 92). | 

1893 Hadruroides charcasus Poe. (ibid., p. 329). 

1895 Hadruroides maculatus Poc. (ibid., p. 329). 

Daß der Telegonus lunatus L. Koch mit dem Hadrurus 
maculatus Thor. identisch ist, konnte ich durch Vergleichung der 
beiden Originalexemplare nachweisen. H. parvulus wird von Karsch 
selbst als dem H. maculatus sehr nahe stehend bezeichnet, auch 
werden irgend welche greifbare Unterschiede zwischen beiden nicht 
angegeben. HEtwas anderes erscheint es auf den ersten Blick mit 
H. charcasus Karsch, den auch ich längere Zeit für eine eigene 
Art hielt, bis ich mich überzeugte, daß wir es in ihm nur mit älteren 
Exemplaren, welche die eigenthümliche Fleckenzeichnung verlieren und 
dickere, innen und unten gekörnelte Hände bekommen, zu thun haben. 
Der H. Paaschi dürfte lediglich als altes erwachsenes Männchen unserer 
Art aufzufassen sein. Die nähere Begründung dieser Ansichten ergiebt sich 
aus der Betrachtung der beobachteten Variationsweite der Art. Die Arbeit 
über H. robustus Boeris ist mir nicht zugänglich gewesen, doch hält 
Pocock (Ann.Mag. [6] XH.,p.92) diese Form für synonym mit H. charcasus. 


Im Ganzen haben mir 26 Exemplare zur Verfügung gestanden, 
davon 12 in Spiritus. 

Die Färbung ist bei jüngeren Exemplaren gelbroth mit 
schwarzer Fleckenzeichung auf Cephalothorax und Abdomen. Auf 
letzterem kann sie im günstigsten Falle in 2 medianen und 2 breiteren 
seitlichen schwarzen Längsstreifen entwickelt sein; sind die Streifen 
unterbrochen, so erhalten wir für die Mittelstreifen die kurzen, fast 
halbmondförmigen Flecken des Telegonus ‚lunatus‘‘, während anderseits 
ein Zusammenfließen der Streifen auch zur Bildung dunkler Querbinden 
führen kann. Bei älteren Individuen wird die Färbung mehr rothbraun, 
die Fleckenzeichnung undeutlicher, bis sie schließlich nur als unpaarer 
schwarzer Rückenstreif auftritt oder ganz verschwindet. In der Jugend 
pflegen auch die Arme und Beine mit zerstreuten schwarzen Flecken 
bedeckt zu sein. Die Cauda ist gelb, mit dunkleren rothbraunen 
Kielen, in der Jugend oft schwarz marmorirt; die Beine und Arme 
sind ebenfalls gelb, die Finger bei älteren Individuen rothbraun. 


208 Scorpionidae: Vejovini. 


Die Körnelung des Cephalothorax ist dicht und grob, nur 
vor dem Augenhügel beiderseits eine fast glatte Fläche. Der Vorder- 
rand des Cephalothorax ist abgerundet, in der Mitte etwas vorgezogen 
oder fast gerade abgestutzt. 


Das Abdomen oberseits ist feinkörnig, doch verstärken sich 
die Körner am Hinterrande und in den hinteren Segmenten, so daß 
das letzte Segment mit groben Körnern besetzt erscheint, aus denen 
häufig 4 ziemlich deutliche Körnchenreihen schärfer hervortreten. Das 
letzte Segment der Unterseite läßt zwei gekörnte Längsstriche erkennen, 
die aber namentlich bei jüngeren Individuen auch fehlen können. 


Die Cauda zeigt oberseits stets gekörnte Kiele, die aber nicht 
in einen stärkeren Enddorn auslaufen. Auch die oberen Nebencristen 
sind im I. Segment ganz, im U. und UI. wenigstens abgekürzt 
vorhanden. Charakteristisch ist die starke Körnelung der oberen 
Seitenflächen in den ersten 3 Segmenten. Die Unterseite der Cauda 
ist namentlich durch das völlige Fehlen der Mediancristen in den 
ersten 4 Segmenten ausgezeichnet, wo an Stelle derselben deutliche, 
bei jüngeren Individuen mit dunklerer Zeichnung umrandete oder mit 
hellem Hofe in je einem dunklen Längsstreifen liegende, eingestochene 
Punktreihen stehen. Die unteren Seitencristen sind in der Regel in 
den genannten Segmenten als braune, glatte Kiele entwickelt, doch 
können die letzteren namentlich im IV. Segment auch gekörnelt sein. 
Das V. Segment besitzt stets drei wohl entwickelte körnige Kiele 
unterseits, zwischen denen die Flächen mit groben und kleinen roth- 
braunen Körnchen mäßig dicht besetzt sind. Die Seitenflächen dieses 
Segments sind ebenfalls nur selten fast völlig glatt und dann mit 
einer mittleren Längsreihe von Punkten besetzt; in der Regel ist vielmehr 
ein mittlerer mehrreihig-körniger Nebenkiel schwach angedeutet, oder 
doch sonst die Fläche mit zerstreuten Körnchen besetzt. Die Blase 
zeigt die vorgezogenen Basalecken, wie alle verwandten Formen; 
sie ist namentlich am Grunde ähnlich mit Körnchen verschiedener 
(Größe besetzt, wie die Unterflächen des V. Segments. 

Der Oberarm ist quadratisch, die Oberseite fast glatt, am 
Vorder- und Hinterrande von grobkörniger Criste begrenzt. Die 
Vorderseite zeigt einige grobe Körner, mit der Tendenz, sich in einer 
mittleren Längsreihe anzuordnen. 

Der Unterarm trägt nur an der Vorderkante der Oberseite 
eine deutliche Körnchenreihe; die Hinterkante ist nahezu oder ganz 
glatt und zeigt dann statt der Körnchen die vikariirende eingestochene 
Punktreihe. 


Gatt. Caraboctonus. 209 


Die Hand ist im Laufe der Entwickelung ziemlichen Ver- 
änderungen unterworfen. Bei jugendlichen Individuen ist sie völlig 
glatt, glänzend und ungekielt, höchstens der äußere Seitenrand etwas 
kielig zusammengedrückt; die Hinterhand viel länger als die Hand- 
breite, meist in dem Verhältmiß von 1: 0,66 bis 1: 0,7, bei einer absoluten 
Handbreite von 2—3 mm. Bei älteren Exemplaren tritt zunächst der 
Außenrand der Hand etwas stärker kielig hervor und wird gekörnelt; 
ebenso erscheinen Körnchen längs dem Innenrande der Hand, und 
auf der Unterseite bildet sich mehr und mehr eine flache Längs- 
depression aus, welche ebenfalls von Körnchenstreifen flankirt wird. Dabei 
gewinnt die Hand allmählich an Dicke und Breite, so daß letztere die 
absoluten Maaße 3,5; 5; 5,5, ja in einem Falle 7 mm aufweist, während 
das Verhältniß der Länge der Hinterhand zur Handbreite—=1:0,7;1:0,75; 
1:0,78;5 1:0,91 und 1:1 gefunden wurde. Fügen wir hinzu, daß, 
während die Weibchen augenscheinlich zusammenschließende Scheeren- 
finger besitzen, bei den Männchen mit zunehmendem Alter mehr und 
mehr eine tiefe Einbuchtung am Grunde des unbeweglichen Fingers 
sich ausbildet, in die dann eine correspondirende Vorwölbung des 
beweglichen Fingers nur unvollkommen hineinpaßt, so wird man erklärlich 
finden, daß junge und alte Individuen ein recht abweichendes Gepräge 
zeigen können. Die drei von Karsch aufgestellten neuen Arten finden 
vornehmlich in diesen Verhältnissen ihre Erklärung. Das Längenverhältniß 
des beweglichen Fingers zur Hinterhand schwankt nach meinen 
Messungen zwischen 1:0,68 und 1:09,91, ohne daß zwischen jungen 
und älteren Individuen ein greifbarer Unterschied hervorgetreten wäre. 

Die Zahl der Kammzähne beträgt in der Regel 17 oder 18, 
schwankt aber zwischen 12 und 20. 

Das kleinste untersuchte Exemplar hatte eine Gesammtlänge 
von 32, das größte eine solche von 70 mm. Die Weibchen scheinen 
durchgehends einen kürzeren Schwanz zu besitzen, als die Männchen; er 
ist bei ersteren in der Regel nur wenig länger als der Truncus oder 
sogar nur ebenso lang, während ich bei den Männchen Verhältnisse 
von Truncus zur Gauda bis zu 1: 1,66 beobachtete. 

Die Heimath des Hadruroides lunatus scheint sich über einen 
großen Theil der Westküste Südamericas von Ecuador bis 
Valparaiso in Chile zu erstrecken. Am häufigsten dürfte er in Peru 
vorkommen. Auch aus Bolivia ist er bekannt geworden. 


7. Gatt. Caraboctonus Poc. 


Vejovinen vom Habitus und mit den Merkmalen der 
Gattung Hadruroides, aber die Körnchenreihe auf der 
14 


310 Scorpionidae: Vejovini. 


Schneide des beweglichen Scheerenfingers ohne seitliche 
Schrägreihen und nur von einzeln stehenden Außen- 
körnchen flankirt (Fig. 84). V. Caudalsegment unterseits 
ungekielt. Oberarm an der Vorderkante der Oberseite 
ohne deutliche Körnchenreihe. 

Bisher ist nur eine Art dieser Gattung beschrieben. 


1. Caraboctonus Keyserlingii Poc. 
1893 Caraboctonus Keyserlingii Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XII., p. 92). 

Die Färbung dieser Art, von der mir nur 3 Exemplare zu 
Gebote standen, gleicht etwa der des Bothriurus chilensis, mit dem die 
Form bei flüchtiger Betrachtung wohl verwechselt werden könnte. 

Cephalothorax und Abdomen sind dunkel pechbraun, ebenso 
die Cauda, während Beine, Hände und Blase ein dunkles Roth- 
braun zeigen. 

Die Körnelung des Truncus entspricht derjenigen des Hadruroides 
lunatus. Die des Cephalothorax ist grob, mit Ausnahme der 
glatten oder feinrunzeligen Voraugenfläche; die der Abdominal- 
segmente ist fein, nimmt aber nach hinten an Stärke zu, so daß das 
letzte Segment oberseits dicht grobkörnig erscheint. Der in der 
Mittellinie des Cephalothorax unweit des Vorderrandes aufsteigende 
Augenhügel zeigt keine Längsfurche. Das letzte Abdominalsegment 
der Unterseite trägt 4 deutliche, gekörnelte Leisten. 

An der Cauda sind die oberen Cristen sämmtlich körnig 
entwickelt, doch ohne größeren Enddorn. Unterseits zeigt das I. Caudal- 
segment 4 deutliche gekörnte, das II. 4 meist glattere Kiele, während 
in den folgenden 2 Segmenten sowohl die Median-, wie auch die 
unteren Lateralceristen völlig vermißt werden. Es bieten sich somit 
Verhältnisse dar, welche in auffallend gleicher Weise auch bei dem 
Weibchen von Bothriurus chilensis wiederkehren. ) Das V. Caudal- 
segment ist. ebenfalls der Hauptsache nach kiellos, aber es finden sich 
in der hinteren Hälfte oder doch ganz am Ende Rudimente unterer 
Lateralkiele. Zwischen diesen ist das Ende der Unterfläche ein wenig 
eingesunken und mit grober Körnelung versehen, die nach vorn 
allmählich verschwindet. Die Blase ist anfangs feinkörnig, später fast 
glatt und besitzt die bekannten vorgezogenen Ecken. 

Am Oberarm fällt zunächst die dicht grobe Körnelung der 
oberen Fläche in die Augen, welche nur an der Hinterkante, nicht 


1) Ob die mir vorliegenden Exemplare von Caraboctonus verschiedenen 
Geschlechts sind oder ob etwa noch, wie bei Bothriurus, Männchen mit 
glatten I. und II. Caudalkielen existiren, vermag ich nicht zu entscheiden. 


Fam. Bothriuridae. 211 


[0 


aber auch vorn, durch eine scharf ausgeprägte Reihe gröberer Körner 
abgegrenzt wird. Am Vorderrande gehen die Körnchen der Oberfläche 
vielmehr ohne scharfe Grenze in diejenigen der Vorderfläche über, die 
ebenfalls dicht unregelmäßig gekörnelt ist. Die Oberfläche des 
Unterarmes ist glatt, vorn meist mit deutlicher Rand-Körnchenreihe, 
hinten gerundet. 

Die Hand ist glatt und glänzend, ohne Kiele und Körnchen, 
und mäßig dick. Das Verhältniß zwischen Länge der Hinterhand und 
Breite der Hand wurde zu 1:0,63 bis 1:0,77 bestimmt. Die 
Finger sind länger als die Hinterhand; das Verhältniß im Mittel 
— 1:0,8. Die aus starken Körnchen bestehenden Schrägreihen sind 
in der Zahl 6 vorhanden und entbehren, im Gegensatz zu der vorher- 
gehenden Gattung, der zarten Nebenkörnchen, welche den einzelnen 
starken Außenpunkt jeder Schrägreihe zu einer Nebenreihe ergänzen. 

Die Zahl der Kammzähne betrug in zwei Fällen 12, 12, in 
einem 10, 10. 

Die Gesammtlänge der untersuchten Exemplare schwankt zwischen 
35 und 5l mm und geht nach Pocock bis 55 mm. 

Das Verhältniß von Truncus zur Cauda ist im Mittel etwa 
wie: 19: 1,6. 

Die Heimath des Caraboctonus Keyserlingii ist Peru (nach 
Exemplaren des Kieler Museums) und Chile (Coquimbo). 


II. Fam. Bothriuridae. 


Die Gruppe der Bothriuriden wurde zuerst von Peters 1861 
unter dem Namen „Telegonini‘“ aufgestellt und durch das schmal 
„sichelförmige‘‘ Sternum charakterisirt. Später fügte Thorell als 
weiteres Merkmal die perlschnurartige Form der in 1—2 Reihen 
gestellten Kamm-Mittellamellen hinzu. Karsch ersetzte den Namen 
Telegonus, der bereits anderweitig vergeben, durch Mecocentrus 
und Simon endlich wählte die Gruppenbezeichnung Bothriuridae. 

Von den beiden oben hervorgehobenen Merkmalen ist das von 
der Form der Kamm-Mittellamellen entlehnte nicht durchgreifend. 
Allerdings giebt es eine Gattung (Brachistosternus), bei welcher 
dieselben in zwei Reihen geordnet und deutlich perlschnurartig entwickelt 
sind; bei anderen Gattungen hingegen sind dieselben einreihig und 
zeigen zum Theil nur in sehr geringem Maaße die halbkugelförmige 
Abrundung, welche die Bezeichnung perlschnurartig rechtfertigen könnte. 
Aber auch das schmal sichelförmige Sternum ist nicht en Merkmal, 
das völlig unvermittelt im dieser Gruppe auftritt und sie scharf 

14* 


I Fam. Bothriuridae. 


27 


charakterisirt. Schon innerhalb der Gruppe selbst zeigen sich sehr 
wahrnehmbare Verschiedenheiten in der Längendimension, und wenn 
wir die Sterna der nahe verwandten „Vejovinen“ zur Vergleichung 
heranziehen, so erkennen wir, daß es sich keineswegs um einen andern 
Typus des Baues dieser Organe handelt, sondern lediglich um ein 
geringes Plus oder Minus in der Längendimension, das gar nicht so 
leicht zu definiren. ° Aus diesem Grunde ist es z. B. verständlich, 
daß L. Koch emen ‚Telegonus“ lunatus beschreiben konnte, der sich 
als dem Hadrurus maculatus Thor. identisch erweist, also zu den 
Vejovinen gehört. Fügen wir hinzu, daß es unter den Gruppen mit 
nicht mehr schmal sichelförmigem, sondern etwäs längerem Sternum 
Arten giebt, welche in den meisten andern Beziehungen sich eng an 
gewisse Bothriuriden anschließen (vgl. z. B. das über Caraboctonus 
Keyserlingii Gesagte), so werden wir zu dem Schlusse gelangen müßen, 
daß die Gruppe der Bothriuriden eine künstliche ist und lediglich aus 
Z/weckmäßigkeitsgründen vorläufig aufrecht erhalten werden darf. 

Als Gattungen, welche der bisherigen Gruppe der Bothriuriden 
angehören, sind zu nennen: Mecocentrus Karsch (= Telegonus 
Koch), Cercophonius Pet, Acanthochirus Pet., Bothriurus 
Pet., Timogenes Sim., Thestylus Sim., Brachistosternus Poc., 
Phoniocercus Poc. und Urophonius Poc. Von diesen ist die 
Gattung Acanthochirus bereits von früheren Autoren wieder ein- 
gezogen '), da es sich nur um die Männchen von Cercophonius handelte. 
Als Typus der Gattung Mecocentrus wurde bisher der von 
C. L. Koch beschriebene M. (Telegonus) versicolor aufgeführt, der 
zwar zur Zeit nicht sicher zu identificiren ist, sicher aber nicht mit 
dem von L. Koch beschriebenen M. politus in dieselbe Gattung 
gehört. Es ist daher der Gattungsname Mecocentrus (sive Telegonus) 
vorläufig zu streichen, für die durch L. Koch bekannt gewordene Form 
hingegen ein neuer Gattungsname einzuführen. Ich folge der Nomen- 
clatur Pococks, wenn ich für diese fälschlich der ursprünglichen 
Gatt. Telegonus eingereihte Art (den Telegonus politus L. Koch) 
den Gattungsnamen Brachistosternus acceptire. Auch die Gattung 
Cercophonius ist in ihrem bisherigen Umfange nicht aufrecht zu 
erhalten. Schon Simon hat den Üercophonius Glasioui Bertkau 
(nicht Glasioni, wie Simon wiederholt schreibt) als eigene Gattung 
Thesthylus abgetrennt, und ich stimme dieser Neuerung bei, wenn 
auch auf Grund ganz anderer Charaktere, als Simon sie angiebt; aber 
es hat sich des Ferneren bei meinen Untersuchungen ergeben, daß der 


') Aus diesem Grunde glaube ich auch die Bezeichnung Bothriuriden Sim. 
der von Karsch vorgeschlagenen „Acanthochiroidae‘ vorziehen zu sollen. 


Fam. Bothriuridae. 913 


von Peters als Typus der Gattung aufgestellte C. squama 
Australiens eine ziemlich isolirte Stellung einnimmt und mit den bisher 
in die gleiche Gattung gestellten amerikanischen Formen nur geringe 
Verwandtschaft zeigt. Ich reservire daher den Gattungsnamen 
Cercophonius Peters einzig und allein für den bisherigen Typus der 
Gattung. Der übrig bleibende Rest der Gattung ist theils der Gattung 
Bothriurus einzufügen, welche bisher lediglich durch einen vertieften 
Eindruck am Ende des V. Caudalsegments höchst mangelhaft charak- 
terisirt war, theils zu einer besonderen Gattung Urophonius Poc. 
zu erheben. In der Gattung Timogenes Sim. von Sumatra glaube 
ich eine südamerikanische, nach Ostindien verschlagene Art der Gattung 
Bothriurus wieder zu erkennen, wie später des näheren zu erläutern. 
Die Gattung Phoniocercus ist von Pocock nach einer erst durch ihn 
ganz neuerdings in die Wissenschaft emgeführten Art geschaffen worden 
und wohl charakterisirt.. Endlich habe ich selbst noch eine neue 
Gattung Centromachus hinzuzufügen. Wir würden es demnach mit 
den Gattungen Brachistosternus, Cercophonius, Bothriurus, Thestylus, 
Urophonius, Phoniocercus und Uentromachus zu thun haben, deren unter- 
scheidende Merkmale in folgender Bestimmungstabelle') festgelest sind: 
A. Sämmtliche Tarsenendglieder durchaus unbedornt, aber mit langen 
dünnen Wimpern besetzt, die auf der Rückenkante auch der 
übrigen Tarsenglieder fast kammartig stehen (Fig. 112). Geh- 
stachel des Endtarsus groß, halb so lang als die Krallen (Fig. 112). 
Kammzähne zahlreich (meist über 50). Mittellamellen der Kämme 
der Länge nach deutlich zweireihig (Fig. 103), perlschnurartig. 
Alle Caudalglieder gestreckt, auch die ersten weit länger als 
breit. Körnchen auf der Schneide der Scheerenfinger einreihig, 
zwischen ihnen kleine Borsten. 
I, Braehistosternus Poe,, p. 215. 
B. Endtarsen unterseits mit deutlichen, wenn auch etwas biegsamen 
Dornenpaaren besetzt, wenigstens gegen das Ende hin. (Fig. 110, 
111, 113, 114). Rückenkante ohne kammförmig gestellte Wimper- 
borsten. (rehstachel kurz, kaum vorstehend. Kammzähne weniger 
als 27. Mittellamellen der Kämme einreihig (Fig. 104) oder nur 
am Grunde undeutlich zweireihig, oft kaum  perlschnurartig. 
Erstes Caudalglied nur so lang oder kaum länger als breit. 
Keine Borsten zwischen den Körnchen der Scheerenfinger. 


ı) Auch Simon (Soc. enton. France [5] X., p. 392) giebt eine solche 
Bestimmungstabelle der Bothriuridae. Dieselbe verzichtet aber auf Kritik 
und rekapitulirt einfach den damaligen Stand unserer systematischen 


Kenntnisse über diese Gruppe. 


214 


Fam. Bothriuridae, 


I. Endtarsen mit 6—7 Paar Dornen längs der Unterseite (Fig. 114). 
a. Körnchen der Schneide des beweglichen Fingers der ganzen 


h. 


Länge nach einreihig, abgesehen von den Außenkörnchen. 
Zwischen den Dornenpaaren der Tarsenunterseite keine mittel- 
ständige Haarleiste (Fig. 114). Medianfurche den Augen- 
hügel nicht durchziehend "und fast nur hinter demselben 
entwickelte Mae 2. Thestylus Sim. p. 218, 
Körnchen der Schneide des beweglichen Scheerenfingers fast 
bis zur Spitze unregelmäßig zweireihig (Fig. 100). Zwischen 
den Dornenpaaren der Endtarsen-Unterseite eine deutliche 
mediane Haarleiste. Medianfurche den Augenhügel durch- 
ziehend, vor demselben fast ebenso stark entwickelt, wie 
hinter ihnen een .3. Urophonius- Poe., P-7220, 


II. Endtarsen nur mit 2—3 (selten 4) Paar Dornen längs der 


Unterseite (Fig. 110, 111, 113). 


a. 


b. 


Körnchen der Schneide des beweglichen Scheerenfingers der 
ganzen Länge nach einreihig, höchstens am Grunde hie und 
da die Körnchen fast doppelt (Fig. 101). 

1. Zwischen den 3 Dornenpaaren der Endtarsen - Unterseite 
eine mehr oder weniger deutliche mediane Haar- oder 
Borstenleiste (Fig. 110).  Stirnrand gerade abgestutzt. 
Augenhügel in der Mitte des Üephalothorax. Median- 
furche den Augenhügel meist nicht durchziehend, nur 
hinter demselben deutlich entwickelt und zu einer Quergrube 
sich erweiternd. .... 4. Bothriurus Pet. emend., p. 222. 


Ds) 


Zwischen den 3—4 Dornenpaaren der Endtarsen keine 
Haarleiste (Fig. 113), nur am Grunde einige winzige 
mediane Dörnchen. Stirnrand in der Mitte ziemlich tief 
ausgerandet. Augenhügel weit vor der Mitte des Cephalo- 
thorax. Medianfurche fast von der Stirn an entwickelt, 
den Augenhügel durchziehend und hinter demselben 
deutlich quer runzelig....5. Phoniocercus Poc., p. 234. 
Körnchen der Schneide des beweglichen Scheerenfingers viel- 
körnig mehrreihig oder doch bis zur Spitze deutlich zwei- 
reihig (Fig. 99, 102). 

1. Endtarsus unten außen mit 2, innen nur mit einem Dorn; 
längs der Mittellinie eine deutliche Haarleiste (Fig. 111). 
Schneide der Scheerenfinger unregelmäßig vielreihig gekörnt 
(Fig. 102). Augenhügel schwach gefurcht. Stigmen oval. 
Kammzähne 12—17. Letztes Bauchsegment glatt. 


6. Cercophonius Pet. emend., p. 236. 


Gatt. Brachistosternus. 2915 


2. Endtarsen unten außen- und innenseits mit je 3 Dornen; 
in der Mittellinie keine dichte Haarleiste, nur am Grunde 
einige winzige Dörnchen (Fig.113). Schneide der Scheerenfinger 
der ganzen Länge nach zwei- bis dreireihig gekörnt (Fig. 99). 
Augenhügel ungefurcht. Stigmen rund, äußerst klein. 
Kammzähne wenig (5—6). Letztes Bauchsegment mit 
4 starken, abgekürzten Längskielen; I. Caudalsegment 
deutlich 4 kielig unterseits. 

% Centromachusn. g;, p. 238. 


1. Gatt. Brachistosternus Poc. 
(Mecocentrus Sim.) 

Bothriuriden mit zweireihig gestellten, perlschnur- 
artigen Mittellamellen der Kämme (Fig. 103). Tarsen- 
endglieder durchaus unbedornt, mit langen Wimpern 
besetzt, die auf.der Rückenkante aller Tarsenglieder fast 
kammartig stehen (Fig. 112). Gehstachel groß, halb so lang, 
als die Endkrallen. Schrägreihen des beweglichen 
Scheerenfingers fast eine einzige gerade Linie grober 
Körnchen bildend, zwischen denen feine kurze Borsten 
stehen. Beiderseits grobe Außenkörnchen, die der Außen- 
seite weiter von der Reihe entfernt, als die der Innenseite. 
Caudalglieder gestreckt, alle länger alsbreit. Geschlechter 
verschieden: co‘ mit großem Dorn an der Handunterseite 
nahe der Einlenkungsstelle des beweglichen Fingers, 
mit grobkörnigen oberen und unteren Abdominalsegmenten; 
@ ohne Dorn an der Handseite, mit feinkörnigen oberen 
und glatten, glänzenden unteren Abdominalsegmenten. 

Die Verschiedenheit der (Geschlechter, wie sie übrigens für 
sämmtliche Glieder der Gruppe charakteristisch zu sein scheint, hat 
natürlich auch in dieser Gattung eine Reihe von Namen hervorgerufen, 
welche bei näherem Studium der Mehrzahl nach oder alle sich als 
Bezeichnungen für ein und dieselbe Art darstellen. Soweit ich über- 
sehen kann, sind folgende bisher beschriebene Arten unserer Gattung 
zuzuweisen: Scorpio Ehrenbergii und glaber Gerv., Telegonus 
politus L. Koch, T. Weijenberghii und ferrugineus Thor. 
Von dem Telegonus versicolor C. L. Koch habe ich bereits 
erwähnt, daß er nicht hierher gehört; wir werden ihn bei der Gattung 
Thestylus wiederfinden. Der Telegonus lunatus L. Koch ist bereits 
Pag. 207 als Hadruroides lunatus (bekannter als Hadrurus maculatus 
Thor.) beschrieben. Simon bezeichnet noch einen Scorpio Gervaisi 


216 Fam. Bothriuridae. 


Niocolet als zu den echten „Mecocentrus“ gehörig, doch bin ich nicht 
in der Lage, diese Frage nachzuprüfen. Der Scorpio Gervaisi Gu6@rin 
wird von Gervais als Synonym zu seinem Scorpio vittatus gezogen, ist 
also der bekannte Bothriurus vittatus. 

Von den oben genannten 5 Arten sind zunächst Scorpio 
Ehrenbergii Gerv. und Sc. glaber Gerv. zu vereinigen, da jener 
augenscheinlich das Männchen, dieser das Weibchen der Art darstellt. 
In Telegonus politus (L. Koch), von dem mir 2 Originalexemplare 
zur Verfügung stehen, haben wir lediglich das Weibchen der Art 
zu erblicken, während die beiden Thorell’schen Arten T. Weijenbergii 
und T. ferrugineus wieder beide Geschlechter zu repräsentiren 
scheinen. Die Beschreibung des T. Weijenbergii stimmt auf das 
genaueste mit den Merkmalen des Sc. Ehrenbergii Gerv.; weniger 
sicher bin ich in Bezug auf den T. ferrugineus mit seimer „ganz 
rothbraunen* Färbung, doch finde ich auch in der Beschreibung dieses 
nur im ‚Jugendzustande in einem anfangs trockenen, dann in Spiritus 
conservirten Exemplare bekannten Scorpions keinerlei Angaben, welche 
denselben als „junges Weibchen“ unseres Brachistosternus Ehrenbergii 
unmöglich machten. Ich glaube daher bis auf weiteres annehmen zu 
dürfen, daß die Gattung nur eime einzige Art enthält, dessen beide 
Geschlechter von den verschiedenen Autoren in emgehendster Weise 
geschildert sind. 

1. B. Ehrenbergii (Gerv.). 

1841 Scorpio Ehrenberrgii Gerv. (Voyage de la Bonite, Apt., pl. 1, Fig. 18—22). J! 
1841 „ glaber Gerv. (Voyage de la Bonite, Apt., pl. 1, Fig. 28—32). 2 
1867 Telegonus politus L. Koch (Verhandl. Zool. bot. Gesellschaft Wien 1867, 

p. 234). 2 
1877 Telegonus Weijenberghii Thor. (Atti soe. ital. XIX., p. 173). A 
1877 ss ferrugineus Thor. (Atti soc. ital. XIX., p. 176). 2 
1893 Brachistosternus Ehrenbergii Poc. (Linn. Soc. Journ. XXIV, p. 403). 

Die Grundfärbung dieses mir etwa in 15 Exemplaren zu 
(ebote stehenden Scorpions ist scherbengelb, mit 2 dunklen breiten 
Längsbinden jederseits der Mitte des Abdomen, welche im extremen 
Falle fast die ganze Fläche bedecken können. Bei vielen Exemplaren 
verschwindet aber die dunkle Färbung des Rückens mehr ‘und mehr, 
wird vielleicht nur durch dunkle Randlinien am Hinterrande der 


Segmente angedeutet oder fehlt — namentlich bei trocken conservirtem 
Material — vollkommen. Die Cauda ist meist etwas mehr gelbroth 


und zeigt zuweilen auf der Oberfläche des V. Segments ein paar 
hellerer, strich- oder halbmondförmiger Flecke, wie sie Thorell von 
seinem Teleg. Weijenberghii erwähnt. Hände und Beme sind ebenfalls _ 
selb oder gelbroth. 


Gatt. Brachistosternus. 917 


Die Körnelung des Truncus und der Cauda ist bei Männchen 
und Weibchen durchaus verschieden. Bei den Männchen ist sie auf 
dem ganzen Cephalothorax, auch vor den Augen, durchaus gleichmäßig 
srobkörnig; ebenso sind die Rückensegmente des Abdomens viel stärker 
gekörnt, als beim Weibchen. Die Bauchsegmente des Abdomens, und 
ebenso die gesammten Flächen der Cauda, erscheinen runzelig körnig 
und sind daher matt und glanzlos. Beim Weibchen findet sich regel- 
mäßig auf dem hinten feinkörnigen Kopfschilde vor den Augen eine 
glatte ungekörnte Area; die Rückensegmente des Abdomens lassen 
die Körnelung vorwiegend nur an den hinteren Rändern der Segmente 
hervortreten, während die Bauchsegmente, gleich der Mehrzahl der 
unteren Caudalflächen, als völlig glatt und glänzend sich erweisen. Die 
Bezeichnungen „glaber“ und „politus“ kennzeichnen hinlänglich den 
Eindruck, den das verhältnißmäßig glatte Weibchen gegenüber dem 
glanzlosen, opaken Männchen hervorbringt. 

An der Cauda sind die oberen Kiele der ersten drei Segmente 
deutlich körnig; weiter hin werden die Kiele oft mehr runzelig 
und gerundet, namentlich im V. Segment. An der Unterseite fehlen 
die Mediankiele in den 4 ersten Segmenten, nur das letzte Segment 
trägt neben zwei körnigen Lateralkielen einen durchgehenden körnigen 
oder fast glatten Mittelkiel, zu dessen beiden Seiten die Flächen 
ebenfalls gekörnt sind. Die übrigen Lateralkiele sind höchstens als 
glatte Leisten oder kaum merkliche Kanten entwickelt. Auffallend ist 
die starke Körnelung auf den oberen Seitenflächen der ersten 2—3 
Segmente der Cauda. Die Blase ist beim Weibchen glatt, grubig 
oder körnig runzelig, beim Männchen grobkörnig. 

Der Oberarm ist vierkantig, mit oberen gekörnten Randkielen, 
der Unterarm glatt und glänzend beim Weibchen, feinkörnig beim 
Männchen. Die Hand ist ebenfalls glatt und glänzend, an der 
Außenkante mit geschärfter, kielartiger Leiste, beim Männchen unter- 
seits nahe der Einlenkungsstelle des beweglichen Fingers mit einem 
gewaltigen, gekrümmten Dorn, der bei den Weibchen völlig fehlt und 
bei jüngeren Männchen noch verhältnißmäßig schwach ist. Die Breite 
der Hand varirt ungemein. Bei einem alten Männnchen von 65 mm 
Länge fand ich die absolute Breite nur zu 2,3 mm, das Verhältniß 
von Hinterhand zur Handbreite = 1:0,57. In änderen Fällen ist 
die Hand viel breiter, wie die absoluten Zahlen 3,3, 4,5, 4,8 und 5 mm 
beweisen mögen. Aus diesen ergeben sich als Verhältniß von Länge 
der Hinterhand zur Handbreite die Zahlen 1: 0,55 bis 1: 0,82. Das 
Verhältniß der Länge des beweglichen Fingers zur Länge der Hinter- 
hand schwankt zwischen 1: 0,61 und 1: 0,9. 


218 Fam. Bothriuridae. 


Die Zahl der Mittellamellen, wie die der Kammzähne 
ist ebenfalls äußerst variabel. Von ersteren zählte ich in einem Falle 
20 in der oberen, 34 in der unteren Reihe; in anderen Fällen waren 
es beträchtlich weniger (z. B. 11 und 24 ete.). Gervais giebt die 
Zahl der Kammzähne zu 40 an, während Thorell an seinem Telegon. 
ferrugineus 27, bei T. Weijenberghii sogar nur 25 Zähne zählt. Die 
mir zu Gebote stehenden Exemplare zeigten ein Schwanken von 32 
bis 42 Kammzähnen, so daß wir wohl ohne Bedenken die Zahlen 
25 und 42 als Grenzwerthe betrachten können. Eine in die Augen 
fallende Differenz in Bezug auf die Zahl der Kammzähne bei g' und 2 
konnte ich nicht bemerken. 

Die Größe der Individuen wechselt zwischen 29 und 83 mm. 
Das Verhältniß zwischen Truncus und Cauda zeigte von 1:1 (altes 2) 
bis 1: 1,8 (altes 5‘) alle Zwischenstufen. 

Die Heimath des Brachistosternus Ehrenbergii dürfte auf 
Chile, Peru und die westlichen, mehr andinen Regionen Argentiniens 
— östlich bis Cordoba — beschränkt sem. Der Fundort „Westindien“ 
bei einem Exemplar des Britischen Museums ist wohl ein Irrthum. 


2. (satt. Thestylus Sim. 

Bothriuriden mit einer einfachen Reihe eckiger Mittel- 
lamellen der Kämme. Tarsenendelieder ohne eine mediane 
Haarleiste, mit 6—7 Paar Dornen längs der Unterseite 
kammförmig besetzt (Fig. 114). Gehstachel verhältniß- 
mäßig klein. Körnchen der Scheerenfinger in einfacher 
Reihe, eine fast gerade Linie auf der Schneide bildend, 
aus groben Körnchen bestehend. Beiderseits 6 grobe 
Außenkörnchen. Vordere Caudalglieder breiter oder so 
breit als lang, unterseits mit mehr oder weniger deutlicher, 
von 2 nach hinten convergirenden Längskielen umgrenzter 
flacher, fast herzförmiger Area (Fig. 105; Weibchen). Blase 
eiförmig, Stachel von gewöhnlicher Länge Medianfurche 
nicht durch den Augenhügel ziehend. 

Simon trennte die Gattung Thestylus von Bothriurus wegen 
der fehlenden Area auf der Unterseite des V. Caudalsegments, von 
Cercophonius wegen der geringen Zahl der Mittellamellen. Beide 
Charaktere sind nach meinen Beobehtungen so variabel, daß sie als 
(Gattungsmerkmale nicht wohl ins Gewicht fallen können. Dagegen 
glaube ich in der großen Dornenzahl der Endtarsen und der fehlenden 
medianen Haarleiste Merkmale gefunden zu haben, welche die Auf- 
stellung einer eigenen Gattung rechtfertigen. 


Gatt. Thestylus. 219 


Die Gattung enthält zur Zeit nur eine Art. Wie es scheint 

I . . ’ 

sind von derselben bisher nur Weibchen bekannt geworden. Nach 

Analogie der gesammten übrigen Gattungen der Familie ist wohl 

anzunehmen, daß auch hier die Männchen durch einen matten, fein- 

gekörnelten Truncus, durch einen Dorn an der Unterhand, vielleicht 

auch durch eine Grube auf der Blasenoberseite und durch unterseits 
kiellose erste Caudalsegmente unterschieden sind. 


1. Thestylus 6lasioui (Bertk.). 
? 1836 Telegonus versicolor C. L. Koch (Arachn. IIL., p. 52, Fig. 207). 
1880 Üercophonius Glasioui Bertk. (Ac. Bruxelles XLIH., p. 10, TA. 1, Fig. 1). 
1880° Thestylus Glasioui Sim. (Soc. entom. France [5] X., p. 393). 

Es ist nicht unwahrscheinlich, daß Kochs Telegonus 
versicolor in der That hierher gehört; immerhin scheint mir diese 
Annahme nicht sicher genug, um den Kosch’schen Artnamen voran- 
zustellen. Mir liegen von dieser Art außer einer Anzahl ganz junger, 
noch farbloser Embryonen nur die 2 Originalexemplare Bertkau’s, 
zwei von Dr. v. Ihering mir übersandte Exemplare von San Paolo, 
ein Exemplar aus dem Kopenhagener Museum, sowie ein trockenes 
Exemplar der Münchener Sammlung vor, die sämmtlich, wie schon 
erwähnt, weiblichen Geschlechts sein dürften. 

Im äußeren Habitus, wie in der Färbung, stimmt diese Art 
ziemlich mit einigen Arten der Gattung Bothriurus (B. vittatus und 
chilensis) überein. Der Truncus ist mehr oder weniger pechbraun oder 
lederbraun; das Abdomen häufig dunkler, mit brillenartigen gelben 
Flecken auf den Seiten der Segmente. Cauda und die mehr lehmgelben 
Beine erscheinen über und über schwärzlich netzig beraucht. Die 
Bauchseite ist bei den Bertkau’schen Exemplaren auffallend weiß. 

Cephalothorax und Abdomen sind glatt und glänzend; 
der Stirnrand ist gerade oder in der Mitte ein wenig vorgezogen; der 
Augenhügel ohne Längsfurche, doch kann letztere vor den Augen als 
seichte Stirndepression entwickelt sein. 

Die Cauda entspricht m der Ausbildung der oberen Uristen 
im wesentlichen derjenigen von Bothriurus vittatus, d. h. es .smd nur 
die Ränder der Schwanzoberseite etwas kielig geschärft, zuweilen auch 
etwas körnig. Unterseits erkennt man im I. und II. Segment zwei 
glatte, convergirende und am Ende des Segmentes mehr oder weniger 
deutlich im Bogen sich verbindende Kielstreifen, die eine platte, fast 
herzförmige Area umschließen (Fig. 105). Auf der Area namentlich 
im I. Segment 2 grobe Buckel. Spuren der Kielstreifen auch im letzten 
Bauchsegment. III. und IV. Segment der Cauda unterseits völlig glatt 


220 Fam. Bothriuridae. 


und glänzend. Das V. Caudalsegment läßt mit einiger Deutlichkeit 
höchstens einen unteren Mediankiel erkennen, der aber dann nicht 
durch eine Körnerreihe, sondern durch 2—3 feinere Körnchenreihen 
dargestellt wird. Daneben am distalen Ende des Segments oft eine 
dichte regellose Körnelung, die sich namentlich an den Seiten bis 
ziemlich weit nach der Basis hin erstrecken kann. Im andern Fällen 
ist der Mittelkiel kaum angedeutet, glatt, und an Stelle der reichen 
Körnelung finden sich fast nur 3 gröbere Buckel jederseits am Ende, 
als Andeutung von Lateralkielen. Die Blase ist unterseits körnig 
oder höckerig. 

Der Oberarm ist im Gegensatz zu den Bothriurusarten glatt 
und glänzend, höchstens mit wenigen kraterförmigen Punkten besetzt. 
Ebenso der Unterarm. Die Hand ist glatt, glänzend, kiellos, der 
Außen- und Innenrand gerundet. Sie scheint verhältnißmäßig schmäler 
zu sein, wie bei Bothriurus (größte Handbreite — 1,7 bis 1,9 mm), 
doch ist bei dem geringen Untersuchungsmaterial hierüber kein end- 
gültiges Urtheil zu fällen. Das Verhältniß von Länge der Hinterhand 
zur Handbreite = 1:0,6 bis 1: 0,8. Die Finger sind deutlich länger, 
als bei den Bothriurusarten, zeigen jedoch in den Körnchenreihen der 
Schneide keine wesentlichen Verschiedenheiten. Das Verhältniß der 
Länge des beweglichen Fingers zu der der Hinterhand = 1:0,62 bis 
1330808; 

Die Zahl der Kammzähne betrug in 2 Fällen 11, 11, m 
einem 12, 12, in zweien 13, 13; die Zahl der meist eckigen Mittel- 
lamellen schwankt zwischen 5 und 7. 

Die Länge des Truncus schwankte zwischen 15 und 17 mm 
bei 19 mm Caudallänge. 

Als Heimath des Thestylus Glasioui wird von Bertkau Pedra 
acu in Brasilien angegeben ; die von Iherimg’schen Exemplare stammen 
von San Paolo; das Kopenhagener von Rio. Das Münchener Exemplar 


ist ohne Fundort. 


3. Gatt. Urophonius Poc. 

Bothriuriden mit einfacher Reihe perlschnurförmiger 
Mittellamellen der Kämme. Tarsenendelieder außer einer 
medianen Haarleiste mit 6—7 Paar Dornen längs der 
Unterseite kammförmig besetzt. Gehstachel verhältniß- 
mäßig klein. Körnchen der Scheerenfinger am Grunde 
oder fast bis zur Spitze zweireihig (Fig. 100); beiderseits 
außerdem 6 grobe Außenkörnchen. Vordere Caudal- 
glieder breiter oder so breit als lang, unterseits meist 


Gatt. Urophonius. 22] 


mit groben Buckelkörnern besetzt. Blase sehr gestreckt, 
ganz allmählich in einen kurzen Stachel übergehend. 
Medianfurche den Augenhügel durchziehend. Geschlechter 
verschieden. Truncus beim Weibchen glatt, beim Männchen 
gsekörnt. Hand des Männchens unterseits mit halbmond- 
formieer Grube, semesu Blase oberseits mit, ovaler 
Vertiefung. 

Von den beiden bisher beschriebenen Arten dieser Gattung 
dürfte der U. Iheringii Poc. zu streichen sein, da er keine greif- 
baren Unterschiede von dem Thorell’schen U. brachycentrus 
erkennen läßt. Wir haben es daher auch hier nur mit einer einzigen 
Species zu thun. 


Urophoninus brachycentrus (Thor.). 
1877 Cercophonius brachycentrus Thor. (Atti soc. ital. XIX., p. 180). 
1893 Urophonius Iheringii Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. Ser. 6, Vol XH., p. 101) . 

Die Färbung dieses zierlichen, mir in 8 Exemplaren vorliegenden 
Scorpions ist scherbengelb mit schwarzer Flecken- und Bindenzeichnung. 
Die Mittellinie des Truncus zeigt in der Regel die Grundfarbe; 
beiderseits treten schwarze Binden auf, die aber oft auf den einzelnen 
Abdomimalsegmenten durch hellere halbmondförmige Flecke unterbrochen 
sind. Die gelbrothe Cauda ist schwarz netzig linürt; die gelbrothe 
Hand nebst den Armen schwarz gestrichelt. Die gelben Beine sind 
fleckig beraucht, ebenso oft die Blase. 

Der Cephalothorax ist vorn gerade abgeschnitten; er trägt 
in der Mittellinie vor den Augen eine tiefe, nach vorn verbreiterte 
Längsfurche, die über den Augenhügel zieht und sich mit der gewöhnlichen 
Medianfurche hinter den Augen verbindet. Die Oberseite des Truncus 
ist beim Weibchen glatt, ungekörnt und glänzend, beim Männchen 
hingegen matt, auf dem Cephalothorax gröber, auf dem Abdomen 
feiner gekörnt. Von den Abdominalsegmenten zeigt das letzte 
oberseits eine deutliche, unregelmäßige Körnelung oder Runzelung, und 
am Hinterande gröbere Buckel. 

Die Gauda ist sehr dünn; die oberen Kiele der 4 ersten 
Segmente sind meist schwach oder gar nicht entwickelt, können jedoch 
sogar auch mit Körnchenreihen besetzt sein. Unterseits findet man 
auf dem I. Segment statt der üblichen 4 Längskiele in der Regel 
grobe Buckel, welche in ein oder zwei Querreihen angeordnet sind. 
Auch das II. und zum Theil das III. Segment sind unterseits etwas 
runzelig körnig, während das IV. Segment glatt und glänzend erscheint. 
Das V. Segment ist auffallend gestreckt, zuweilen fast kiellos, in 


222 Fam. Bothriuridae. 

anderen Fällen (Männchen) mit durchgehendem unteren Mediankiel 
und unteren Lateralkanten. Am distalen Ende treten außerdem 
zerstreute Körnchen in größerer oder geringerer Entwickelung auf. 
Die langgestreckte Blase ist glatt oder — beim Männchen — am Grunde 
etwas körnig und trägt beim Männchen eine ziemlich scharf abgesetzte, 
lang ovale Grube oberseits; der Stachel ist ungewöhnlich kurz. 

Der Oberarm ist fast vierkantig, kaum körnig, aber mit einigen 
kraterförmigen Vertiefungen besetzt. Der Unterarm zeigt eine platte 
Oberfläche, welche von der Hinterseite durch eine ziemlich scharfe, 
kielige Kante sich absetzt. Die Hand ist glatt, glänzend, am Außen- und 
Innenrande etwas kielig geschärft; sie trägt beim Männchen an der 
Unterseite am Grunde des unbeweglichen Fingers eine halbmondförmige 
Grube, deren dem beweglichen Finger zugekehrter Rand an einer 
Stelle sich leistenförmig erhebt und so eine Art abgestumpften oder 
kurz eristenförmigen Dorns darstellt. Die Breite der Hand ist gering, 


bei den untersuchten Exemplaren nicht über 2,7 mm; das Verhältniß 
der Länge der Hinterhand zur Handbreite = 1:0,6 bis 1:0,8. 


Die Finger sind meist länger als die Hinterhand: ihr Längen- 
verhältniß zeigte Schwankungen zwischen 1:0,7 und 1:0,92. Die 
Anordnung der Körnchen auf der Scheerenschneide ist nicht überall 
in gleicher Weise ausgebildet; bei einigen Individuen zeigte sich die 
unregelmäßige Doppelreihe fast auf der ganzen Länge der Schneide, 
während bei anderen nur hie und da kurze Strecken doppelkörnig 
erscheinen, in beiden Fällen natürlich abgesehen von den beidseitigen 
sroben Außenkörnchen. 

Die Zahl der Kammzähne beträgt beim Männchen gewöhnlich 
15 (—17), beim Weibchen 13 oder 14, so daß wir die Grenzwerthe 
13 und 17 erhalten. Die Zahl der gerundeten, aber großen Mittel- 
lamellen ist beim Männchen meist 10, beim Weibchen 8 oder 9. 

Die Körpergröße erwachsener Individuen beträgt etwa 
3035, mm.vkTruncusi=Cauda — 1.2713,52bis 121,9): 

Die Heimath des Urophonius brachycentrus ist Argentinien, 
Uruguay und das südwestliche Brasilien, doch liegt mir auch ein 
Exemplar aus Valparaiso vor. 


4. Gattung Bothriurus Pet. (emend). 

Typische Gattung der Bothriuriden, mit einer oder 
doch nur am Grunde undeutlich doppelten Reihe meist 
perlschnurartiger Mittellamellen der Kämme (Fig. 104). 
Tarsenendglieder außer einer medianen Haarleiste nur 
mit 2—3 Paar Dornen längs der Unterseite (Fig. 110). Geh- 


Gatt. Bothriurus. 293 


stachel verhältnißmäßig klein. Schrägreihen der Scheeren- 
finger fast eine gerade Linie auf der Schneide bildend; 
beiderseits je 5—6 grobe Außenkörnchen (Fig. 101). Vordere 
Caudalglieder breiter oder so breitalslang. Geschlechter 
verschieden. Männchen mit Handdorn oder Grube auf 
der Handunterseite, mit grobkörnigem oder doch mattem 
Truncus oberseits und oft mit napfförmiger Grube auf der 
Dorsalfläche der Blase. Weibchen ohne Handdorn, mit 
feiner gekörntem und zum Theil glattem, glänzendem 
Trunecus, ohne napfförmige Grubederdorsalen Blasenfläche. 

Die vorstehend charakterisirte Gattung, in deren Diagnose ich 
den bisher als Hauptmerkmal geltenden halbkreisförmigen Eindruck am 
Ende der Unterseite des V. Caudalsegments als völlig unwesentlich 
und nur für gewisse Formen zutreffend, nicht aufgenommen habe, 
dürfte etwa die folgenden, bisher unterschiedenen Arten umfassen: 
Buthus vittatus Guer., Scorpio d’OÖrbignyi dGuer., Brotheas 
bonariensis Koch, Br. erythrodactytus Koch, Br. nigro- 
cinctus Koch, Br. angustus Koch, Cercophonius chilensis 
Karsch, Timogenes sumatranus Sim., Bothriurus coriaceus, 
Keyserlingii, asper und signatus Poc. Von diesen 11 Arten, 
denen noch eine zwölfte, neue hinzuzufügen ist, erweisen sich zunächst die 
Koch’schen Arten als unter sich synonym und wahrscheinlich identisch 
mit dem Buthus vittatus Guer. Der Timogenes sumatranus ist 
vielleicht (vgl. unten) dasselbe wie Scorpio d’Orbignyi, während der 
Bothriurus signatus Poc. dem Cercophonius chilensis Karsch entspricht. 
Die übrigen Pocock’schen Formen (coriaceus, Keyserlingii und asper) 
vermag ich als Arten nicht anzuerkennen, so daß der Hauptsache nach 
nur 4 Arten zu unterscheiden wären, für welche die folgende 
Bestimmungstabelle dienen möge: 

A. 1.—IV. Caudalsegment mit deutlichen, gekörnten oberen Median- 
und Lateralkielen. Untere Lateralkiele des V. Segments ebenfalls 
fast der ganzen Länge nach entwickelt, körnig. Finger so lang 
oder länger als die Hinterhand. Kammzähne 20—26. 

a. Letztes und etwas auch das vorletzte Caudalsegment auffallend 
platt gedrückt, viel breiter, als hoch. V. Caudalsegment unter- 
seits mit nur schwach entwickeltem Mediankiel, aber vor dem 
hinteren Drittheil mit einer scharfen, fein gekörnelten oder 
glatten, bogigen Querleiste, durch welche eine hintere, fast 
quadratische, flache Area abgegrenzt wird (Fig. 107). Männchen 
mit tiefer Grube an der Handunterseite, ohne Dorn. 

1. B. d’Orbignyi (Guer.), p. 224. 


224 Fam. Bothriuridae. 


b. Letztes und vorletztes Caudalsegment nicht platt gedrückt, 
V. Gaudalsegment unterseits ohne scharf abgesetzte, durch eine 
Querleiste abgegrenzte End-Area, mit deutlichem, durchgehendem, 
grobkörnigem Mediankiel (Fig. 106). Daneben auf der Fläche 
jederseits noch je ein unregelmäßiger, körniger, am Ende nach 
außen geschweifter Nebenkiel (außer den eigentlichen unteren 
Lateralkielen). Männchen nur mit flachem Eindruck an der 
Handunterseite, mit Dorn. 2. B. Burmeisteri n. sp., p. 227. 

B. Alle Caudalsegmente oder doch das IH. und IV. ohne obere 

Lateralkiele; meist nur die oberen, die Caudaloberfläche 

begrenzenden Kiele deutlich entwickelt. Untere Lateralkiele des 

V. Segments nur am distalen Ende mehr oder minder deutlich 

und hier oft durch bogenförmiges Zusammenneigen nach der 

Medianebene eine halbmondförmige Grube abgrenzend. Unterer 

Mediankiel des V. Segments fehlend oder vorhanden. Finger 

meist kürzer als die Hinterhand. Kammzähne I2—-22. 

a. V. Caudalsegment unterseits am Ende mit emer grubenartigen 
Vertiefung, welche von einer halbkreisförmigen Körnchenleiste 
begrenzt wird (Fig. 108). Diese bogige Körnchenreihe an den 
Seiten nicht oder kaum durch sich anschließende Körnchen als 
seitliche Lateraleristen nach der Basis zu fortgesetzt. I. Caudal- 
segment unterseits glatt (*) oder schwach vierkantig (2). Kamm- 
zähne meist 20, selten bis 14 herab. Das durch den Handdorn 
kenntliche reife Männchen mit kugelrunder napfförmiger Grube 
auf der Oberseite der Blase. 3. B. vittatus (Guer.), p. 228. 

b. V. Caudalsegment unterseits ohne scharf abgesetzte halbkreis- 
förmige Grube, indem die unteren Lateraleristen nicht zu 
einem geschlossenen Bogen in der Mediane sich vereinigen, 
sondern seitlich mehr oder minder weit gegen die Basis des 
Segmentes sich erstrecken. Zwischen diesen Lateralcristen 
unregelmäßige, auch wohl gegen die Mittellinie convergirende 
Körnchenreihen (Fig. 109). I. Caudalsegment unterseits fast 
glatt (S) oder mit 4 deutlichen gekörnelten Kielen (2). Kammzähne 
meist 15, selten bis 20. Das durch den Handdorn kenntliche 
Männchen meist nur mit beulenförmiger Vertiefung auf der 
Oberseite der Blase. .......4. B. chilensis (Karsch), p. 232. 


l. Bothriurus d’Orbignyi (Guer.). 
1843 Scorpio d’Orbignyi Gu6r. (Iconogr. du regne anim., Arachn., p. 12). 
1844 Scorpio Dorbignyi Gerv. (Ins. Apt. III., p. 58). 
1878 Bothriurus d’Orbignyi Thor. (Atti Soc. ital. XIX., p. 170). 
? 1880 Timogenes sumatranus Sim. (Soc. ent. France [5] X., p. 395). 


Gatt. Bothriurus. 225 


Diese Art, welche mir nur in 4 Exemplaren (1 Männchen, 
3 Weibchen) vorliegt, ist neuerdings von Thorell so gut beschrieben, 
daß sie nicht wohl zu verkennen ist. Sehr in die Augen fallend ist 
namentlich die dorso-ventrale Abplattung des V. Caudalsegmentes und 
die eigenthümliche, fast viereckige End-Area an der Unterseite desselben, 
dessen proximale Begrenzungslinie nicht, wie bei Bothriurus vittatus, 
bogenförmig in den gekörnelten Hinterrand des Segmentes zurück- 
läuft, sondern sich jederseits mit der unteren Lateralcriste, etwa im 
letzten Drittel des Segmentes verbindet. Da nun beide Merkmale 
nach Simons Schilderung auch dem Timogenes sumatranus zu- 
kommen, so wäre zum mindesten die Gattung Timogenes zu streichen, 
zumal die sonst von Simon als.Unterschiede von Bothriurus angegebenen 
Merkmale (Cephalothorax vorne mehr gerundet, Hand außen gekielt) 
sicher zur generischen Trennung nicht ausreichen. Aber auch die 
übrigen von Simon aufgeführten Charaktere des Timogenes sumatranus 
passen der Hauptsache nach so gut auf die mir vorliegenden Exemplare 
von Bothriurus d’Orbignyi — nur die kurzen Finger und der scharf 
ausgeprägte Außenkiel der Hand könnten Bedenken erregen —, daß 
ich bis auf Weiteres beide Formen für identisch halte. Der auffallende 
Fundort Sumatra kann bei der leichten und vielfach beobachteten 
Verschleppung der Scorpione durch den Schiffsverkehr nicht Wunder 
nehmen; andererseits müßte das Auftreten einer specifisch indischen 
Art bei einer sonst ausschließlich amerikanischen und — in einer 
abseits stehenden Gattung — australischen Familie vom thiergeogra- 
phischen Standpunkte aus als höchst unwahrscheinlich bezeichnet 
werden. Die Bedenken Pococks (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XII., 
p. 96) über die Identität von Thorell’s B. d’Orbignyi mit dem von 
Guerin kann ich nicht theilen, da die hervorgehobenen Unterschiede 
sich als Geschlechtscharaktere erweisen. 

Die Färbung des B. d’Orbignyi ist ziemlich einfarbig gelbroth, 
bei jüngeren Individuen mehr graugelb. 

Die Oberseite des Truncus ist beim Weibchen glänzend und 
nur fein zerstreut gekörnelt; beim Männchen ist sie matt, und die 
Körnchen treten etwas deutlicher hervor. Der Vorderrand des 
Cephalothorax ist entweder ganz seicht und kaum merklich ausgerandet 
oder schwach gerundet. Der Augenhügel ist nicht von einer Furche 
durchzogen und steigt allmählich zum Stirnrande ab, vor dem er 
bisweilen eine seichte Längsgrube bildet. Die Bauchsegmente sind in 
beiden Geschlechtern glänzend, ohne Criste auf dem letzten Segment. 

Das I. Caudalsegment ist etwa so lang wie breit, die übrigen 
sind sämmtlich länger als breit. _Neben den zwei oberen Körnercristen 

15 


2936 Fam. Bothriuridae. 


A 


der Segmente I—IV finden sich im I.—IIl. Segment darunter noch 
nach vorn abgekürzte Nebencristen, welche mit den oberen Lateral- 
eristen jederseits eine ziemlich tiefe, dreieckige Längsgrube am Ende 
des Segmentes einschließen. Die Unterseite der 4 ersten Segmente ist 
völlig kiellos, glatt und glänzend in beiden Geschlechtern. Die Ober- 
kanten des V. Segmentes sind mehr oder weniger gerundet und kiellos, 
doch sind die dann folgenden oberen Seitencristen deutlich kielig und 
meist körnig. Bei der geringen Höhe des Segmentes sind sie den 
unteren Lateraleristen auffallend nahe gerückt, so daß nur eine 
schmale Furche zwischen ihnen bleibt. Ein unterer mittlerer Kiel ist 
namentlich beim Männchen körnig entwickelt, schwindet aber z. Th. 
fast ganz bei den Weibchen. Die Leiste welche die große End-Area 
dieses Segmentes proximal begrenzt, ist körnig oder fast glatt; die 
Area selbst zeigt in der Mitte emen Längs-Körnerhauf (Fig. 107) 
oder eine Körnchenreihe. Die Oberseite der Blase trägt beim 
Männchen keine scharf abgesetzte napfförmige Grube; unten ist 
sie gekörnelt. 


Der Oberarm erscheint oben mehr oder weniger gerundet, 
doch kann am Hinterrande auch eine Körnchencriste ziemlich deutlich 
entwickelt sein. Der Unterarm wird an der Oberseite vorn von 
einer gekörnten oder fast glatten Kante begrenzt. Die Hand ist 
kiellos, doch zeigt sich der Außenrand bei jüngeren Exemplaren mehr 
oder minder zugeschärft; sie ıst glatt und glänzend, letzteres mehr 
beim Weibchen, als beim Männchen, bei dem die Fläche fein ein- 
gestochen punktirt erschemt. Die Breite varıırt außerordentlich, wie die 
absoluten Maaße 2,3 mm bis 6,5 mm beweisen mögen. Das Verhältniß 
der Länge der Hinterhand zur Handbreite schwankt zwischen 1 : 0,66 
und 1:0,97. Für das Männchen ist namentlich eine tiefe, fast 
taschenförmige Grube an der Basis des unbeweglichen Fingers 
charakteristisch. Der bewegliche Finger ist stets länger als die Hinter- 
hand; ich fand die Verhältnißzahlen 1:0.77 bis 1:0,9. Die Angaben 
von Simon für Timogenes passen nur dann auf die vorliegende Art, 
wenn man die Länge der Hand vom Grunde bis zu ihrer Ver- 
schmälerung m den unbeweglichen Finger mißt. 


Die Zahl der Kammzähne beträgt bei dem Männchen 25, 26, 
bei drei Weibchen je 21, 21. Thorell nennt für die Weibchen die 
Zahlen 18—22, für die „Männchen‘ die aber wahrscheinlich ebenfalls 
Weibchen waren, da er der auffallenden Handgrube keine Erwähnung 
thut) 23—27. Im Allgemeinen werden wir also wohl die Zahlen 18 
und 27 als Grenzwerthe setzen können, 


‚Gatt. Bothriurus. 9937 


Das größte von mir untersuchte Exemplar hatte eine (resammt- 
länge von 71 mm (Truncus : Cauda = 34:37); Thorell beschreibt 
eines von 86 (= 36 +50) mm Länge und hat hierbei jedenfalls ein 
besonders großes Weibchen vor sich gehabt. Ein ausgewachsenes 
Männchen lieferte die Maaße Truncus + Cauda = 23 + 55 = 63 mm. 

Die Heimath des B. d’Orbignyi schemt namentlich Argen- 
tinien zu sein. Guerin giebt ihn auch für Bolivien an. Ein 
Exemplar des Kopenhagener Museums trägt die Etikette „Port 
Elizabeth“. 


2. Bothriurus Burmeisteri n. sp. 

Die wichtigsten Unterschiede dieser Art von B. d’Orbignyi sind 
schon m der oben gegebenen Bestimmungstabelle aufgeführt. Beide 
Formen stehen, wie beiläufig bemerkt werden mag, in Bezug auf die 
Sculptur der Unterseite des V. Caudalsegmentes fast genau in demselben 
Verhältniß zu einander, wie B. vittatus zu B. chilensis. 

Die Grundfärbung dieser mir nur in 2 Exemplaren (5' und 9) 
vorliegenden Art ist ebenfalls gelbroth; sie wird aber namentlich auf 
der Oberseite des Truncus mehr oder weniger verdeckt durch schwarze 
Fleckenzeichnungen, welche sich auch auf den Körperanhängen, den 
Armen, Händen und Beinen, als linienförmige oder netzige Zeichnung 
bemerklich machen. In gleicher Weise sind die fehlenden Längskiele 
der Caudalunterseite durch schwarze Längsstreifen markirt, während 
an den vorhandenen Cristen nur die erhabenen Körnchen selbst durch 
ihre schwarze oder doch dunkle Färbung auffallen. 

Die Oberseite des Thorax und Abdomens ist beim Weibchen 
fast völlig glatt, körnchenlos und glänzend, beim Männchen hingegen 
matt und so dicht gleichmäßig mit feinsten Körnchen besetzt, daß die 
Flächen fast wie eingestochen punktirt erscheinen. Der Vorderrand 
des Cephalothorax ist gerundet; beim Männchen zeigt der Augenhügel 
eine seichte Rinne, beim Weibchen ist er gewölbt. Von den Abdominal- 
segmenten, welche beim Weibchen glänzender sind, als beim Männchen, 
trägt das letzte in beiden Geschlechtern eine mehr oder minder aus- 
geprägte feine runzelige Körnelung. 

Die beiden oberen Caudalcristen des I.—IV. Segments, wie 
auch die darauf folgenden abgekürzten Nebencristen, gleich denen von 
B. d’Orbignyi, nur die Körner sehr grob und nach hinten weit entfernt 
stehend. Ebenso fehlt im I.—IV. Segment jede Spur von unteren 
Median- und Lateralkielen. Sehr abweichend hingegen ist das V. 
Caudalsegment. - Dasselbe entbehrt zunächst nicht nur der scharfen 


oberen Randkante (oberen Mediancriste), sondern. auch der oberen 
15* 


2938 Fam. Bothriuridae. 


Lateralcristen. Das Segment trägt demnach nur 3 (resp. 5) scharf 
ausgeprägte Cristen, die sämmtlich an der Unterseite des Segmentes liegen, 
nämlich die untere Median- und die unteren Lateralcristen, welche 
alle drei mit äußerst groben, dunklen Körnchen besetzt sind. Die 
obere Seitenfläche dieses Segments (zwischen unteren Lateralkielen und 
Oberkante) ist namentlich beim Männchen zerstreut verschiedenkörnig, 
beim Weibchen glänzender und weniger körnig. Die zwischen unteren 
Median- und unteren Lateralkielen liegenden zwei Flächen zeigen 
ebenfalls grobe Körnelung, aus der sich namentlich je eine Körner- 
reihe mehr weniger scharf heraushebt, die am Grunde des Gliedes 
zunächst mit dem Mediankiel parallel läuft, um dann im letzten Drittel 
bogig nach außen zu biegen und sich mit der betreffenden Lateralcriste 
kurz vor dem Ende des Segmentes zu verbinden (Fig. 106). Auch die oberen 
Seitenflächen der ersten Segmente sind mehr oder weniger mit Körnchen 
bestreut. Die Blase ist bei beiden Geschlechtern unterseits grobkörnig; 
sie zeigt beim Männchen keinen napfförmigen Eindruck auf der Oberseite. 
Oberarm, Unterarm und Hand gleichen den entsprechenden 
Theilen von B. d’Orbignyi. Das Männchen entbehrt indessen der tiefen 
taschenförmigen Grube am Grunde des unbeweglichen Fingers; an 
Stelle dessen findet sich nur ein seichter Eindruck, an dessem Rande 
ein starker, geschwärzter Dorn sich bemerklich macht. Die Hände 
des einen mir zu Gebote stehenden jungen Weibchens zeigen unterseits 
concav eingedrückte Flächen. Der Außenrand der Hand erschemt 
fast noch mehr gekielt, als bei der vorigen Art. Die absoluten Hand- 
breiten fand ich zu 2 (2 juv.) und 4,5 (g' ad.) mm; das Verhältniß 
von Länge der Hinterhand zur Handbreite = 1:0,63 und 1: 0,96; 
das der Länge des Fingers zur Hinterhand = 1:0,84 und 1: 0,72. 
Die Zahl der Kammzähne betrug 21 und 22 (Fig. 104). 
Die Länge des jungen Weibchens wurde zu 16,5 (Truncus) + 19 
(Cauda) = 35,5 mm, die des Männchen zu 20,5 + 34 = 54,5 mm gefunden. 
Als Fundort wurde mir von Prof. Burmeister, dem ich 
diese Thiere verdanke, Argentinien angegeben. 


3. Bothriurus vittatus (Guer.) 
1830 Buthus vittatus Guer. (Voyage de la Coquille, Zool. II. 2, p. 50). 
1839 Brotheas angustus C. L. Koch (Arachn. VIII., p. 89, Fig. 658). 


1842 > bonariensis C. L. Koch (Arachn. X., p. 12, Fig. 762) J'. 
1842 n erythrodactylus ©. L. Koch (Arachn. X., p. 16, Fig. 764) 2. 
1842 e: nigrocintus ©. L. Koch (Arachn. X., p. 14, Fig. 763). 


1843 Scorpio Gervaisii Guer. (Iconogr. du regne anim., Arachn., p. 10). 
1877 Bothriurus vittatus Thor. (Atti. Soc. ital. XIX., p. 168). 
? 1893 en coriaceus Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XIL., p. 9). 
? 1893 2 asper Poc. (ibid. p. 96). 


Gatt. Bothriurus. 399 


ne 


Daß Bothriurus vittatus Guer. und Brotheas bonariensis 
Koch identisch seien, hat schon Thorell (Etud. scorp., p. 169) als 
wahrscheinlich hervorgehoben; die hiergegen von Pocock (Ann. Mae, 
Nat. Hist. [6] XH., p. 94) geltend gemachten Bedenken kann ich 
nicht theilen, da sich unter meinem Material neben vielen anderen 
Farbenvarietäten in der That auch eine ganz hellgelbrothe Form mit 
dunklen Querstreifen am Hinterrande der Segmente findet. 


Der Br. erythrodactylus Koch ist nach Thorell lediglich das 
Weibchen des B. vittatus, der Br. nigrocincetus eine der mannig- 
fachen Farbenvarietäten, während der aus dem „südlichen Rußland“ 
angegebene Br. angustus, wie ich mich durch Untersuchung des 
Örigmalexemplars überzeugte, als ein junges Männchen des B. vittatus 
anzusprechen ist. 


Die neuerdings von Pocock unterschiedenen Arten sind so 
wenig scharf charakterisirt, daß ich mich nicht entschließen kann, sie 
als selbständige Formen anzuerkennen. B. coriaceus soll sich von 
der Hauptform 1. durch gestrecktere Stigmen, 2. durch die fein 
granulirte Bauchseite, 3. durch Verlängerung der unteren Lateralkiele 
des V. Segments proximalwärts über die Area hinaus unterscheiden. 
Die Form der Stigmen variirt aber nach meinen Beobachtungen ganz 
außerordentlich, und glaube ich behaupten zu können, daß junge 
Individuen gerundete, mittlere ovale und alte gestreckt-schlitzförmige 
Stigmen besitzen. Die feine Chagrinirung der Unterseite finde ich 
ebenfalls bei alten Männchen sehr häufig ausgeprägt, wie denn die 
Var. rugosus Thor., die Pocock. mit Unrecht als eigene Art 
ansehen möchte (l. ce. p. 95), wahrschemlich in Folge einer nach- 
weisbaren Verletzung der Cauda, sogar eine grob querrunzelige 
Unterseite besitzt. Für die Verlängerung der Lateralkiele über die 
Area hinaus aber lassen sich die verschiedensten Zwischenstufen bis 
zum Normalen herab, auffinden. Der B. asper ist noch „more 
noticeably granular“ unterseits (aber doch nur „minutely and closely“), 
und die Haarleiste in der Mittellinie der Endtarsen ist stärker aus- 
geprägt. In Bezug auf letzteren Punkt darf darauf hingewiesen werden, 
daß auch hier weitgehende Variationen nachzuweisen sind, und daß 
namentlich alte Männchen oft kaum eine Spur der Haarleiste mehr 
erkennen lassen. Der B. Keyserlingii endlich ist zwar wohl 
definirbar, nimmt aber eine derartige Mittelstellung zwischen B. vittatus 
und chilensis ein, daß ich ihn fast als Bastardbildung auffassen möchte 
und ihn daher vorläufig als Varietät des B. vittatus in einen Anhang 
verweise. 


230 Fam. Bothriuridae. 


Die Färbung dieser Art, von der mir im Ganzen eimige 
40 Exemplare zur Verfügung standen, varıırt ganz ungemein. Die 
Mehrzahl der Individuen ist dunkel kastanienbraun, auch an den 
Extremitäten, von denen nur die Spitzen heller roth oder gelbroth 
erscheinen, während die Cauda unterseits zuweilen eine breite helle 
Mittelbinde zeigt, die bis in das V. Segment hineinreicht. Bei anderen 
Exemplaren ist der Truncus rostbraun bis pechbraun, die Cauda 
gelbroth mit dunklen Längsbinden, die Hände gelbroth oder rothbraun, 
die Beine hellgelb. Wieder bei andern ist der Truncus hell scherben- 
gelb bis schmutzig gelbbraun, mit dunkleren, oder aber helleren hinteren 
Abdominalrändern, oder in der verschiedensten Weise dunkel fleckig 
beraucht (schwarze kurze Querstriche am Hinterrande der Segmente, 
helles Oval mit dunklem Centrum oder dunkle Ovaltlecke jederseits 
der Mitte des Segments etc). Die Extreme der fast schwarzen und 
der gelblich weißen Individuen scheinen auf den ersten Blick kaum 
zu einander zu gehören. 

Männchen und Weibchen sind meist schon durch die Körnelung 
der Truncusoberseite zu unterscheiden. Das Weibchen besitzt 
meist einen glatten glänzenden Cephalothorax (eine Ausnahme macht 
das mir als Monstrosität erscheinende Weibchen, das Thorell als 
rugosus beschrieben), und auch das Abdomen ist fast glatt, während 
beim Männchen die ganze Oberfläche sehr fein aber dicht gekörnt 
erscheint. Die Unterseite der Abdominalsegmente ist beim Weibchen 
fein eingestochen punktirt oder nadelrissig, beim Männchen aber häufig 
außerdem feinkörnig chagrmirt. Die Vorderseite des Cephalothorax 
ist gerade abgeschnitten, seicht gerundet oder ganz leicht ausgerandet. 
Der Augenhügel läßt häufig genug eime seichte Furche erkennen, 
welche sich nach vorn bis in die Nähe des Stirnrandes hinzieht; in 
anderen Fällen verliert sich diese Furche schon eine ziemliche Strecke 
vor der Höhe des Augenhügels. 

Von den Kielen der Cauda sind in allen 5 Segmenten stets nur 
die oberen Mediancristen, d. h. die die Oberseite der Cauda begrenzenden 
Kiele körnig entwickelt, und auch sie können im vorderen Theile ihre 
Körnelung noch theilweise verlieren. Von den oberen Lateralcristen 
und den Nebencristen finden sich stets nur an den Vorder- und Hinter- 
rändern im I.—Ill. Segment kantenförmige Rudimente, welche dann 
mehr oder minder tiefe kurze Längsgruben in den oberen Hinterecken 
begrenzen. Das IV. Segment zeigt lediglich die kielige Begrenzungs- 
linie der Oberkante. Unterseits besitzt die Cauda im 1.—IV. Segment 
meist kemerlei Andeutung von Kielen; nur sehr selten beobachtete ich 
im I. Segment eine schwachkantige Entwickelung der unteren Lateral- 


Gatt. Bothriurus. 231 


cristen. Die Flächen der vier ersten Segmente sind beim Männchen in 
der Regel chagrinirt, beim Weibchen glatt oder fein punktirt; auf dem 
oberen „Umschlag“ der drei ersten Segmente stehen gröbere Körnchen. 
Das II. Caudalsegment ist stets breiter als lang. Das V. Caudalsegment 
zeigt in seiner bogenförmig abgegrenzten Area am Hinterrande der 
Unterseite eine so eigenartige Bildung, daß man dieselbe als Gattungs- 
charakter verwerthen zu können geglaubt hat. Demgegenüber darf 
ich hervorheben, daß die Vergleichung zahlreicher Exemplare dieser Art 
sowohl, als der folgenden, B. chilensis, eine ganze Reihe verschiedener 
Entwickelungsstufen dieser Area auffinden ließ, dergestalt, daß gewisse 
Formen des B. chilensis nur schwer von denen des B. vittatus zu 
unterscheiden sind, wie dies bei jener Art des Näheren zu erörtern. 
Bei dem typischen Auftreten der Area (Fig. 108) handelt es sich 
um eine halbkreisförmige Körnchenreihe, die vom Hinterrande beginnend, 
die Mittellmie des Segments in etwa dem letzten Drittel semer Länge 
durchschneidet, um wieder zum Hinterrande zurückzulaufen. In der Area 
selbst findet sich ein mittlerer Körnerhauf, während außerhalb derselben 
nur einige wenige Körnchen auftreten, welche namentlich den mittleren 
Körnerhauf der Area proximalwärts fortzusetzen pflegen. — Die Blase 
ist unterseits grobkörnig oder feinkörnig; oberseits trägt sie beim reifen 
Männchen eine tiefe napflörmige, meist matte Grube, die aber bei 
Jüngeren Thieren noch nicht so scharf abgesetzt ist, wie bei älteren. 

Der stark gekörnte Oberarm und der elatte Unterarm 
bieten weiter keine Besonderheiten. Die Hand ist glatt und glänzend, 
mit zerstreuten, eimgestochenen Punkten besetzt, am Innenrande und 
oft auch am hinteren Außenrande etwas kielig geschärft. Beim Männchen 
findet sich auf der Unterseite an der Einlenkungsstelle des beweglichen 
Fingers am Rande einer seichten Depression ein dunkel gefärbter 
Dorn. Die größte absolute Breite fand ich zu 5 mm; das Verhältniß 
der Länge der Hinterhand zur Handbreite = 1:0,8 bis 1: 1,04. 
Der bewegliche Finger ist meist deutlich länger, als der unbewegliche; 
er übertrifft nur bei jungen Individuen die Hinterhand um ein Geringes 
an Länge, später ist er ihr gleich oder kürzer (bis 1: 1,5). 

Die Zahl der Kammzähne schwankt zwischen 17 und 22, 
wobei über 50 % auf die Zahl 20 entfallen und nur wenige auf die 
Grenzwerthe. Die Zahl der Mittellamellen beträgt 12—16 (meist 15). 

Das größte mir vorliegende Individuum mißt 55 
(= 24 + 31) mm, was ein Verhältnis von Truncus zur Cauda = 1: 1,3 
ergiebt; andere Messungen lieferten Verhältnisse bis zu 1: 1,1 herab. 

Als Heimath des Bothriurus vittatus kennen wir Argentinien, 
Uruguay und die ganze atlantische Küste von Brasilien bis nach 


339 Fam. Bothriuridae. 


Rio Grande und Ceara im Norden, so daß die Art über den größten 
Theil des östlichen Südamerika verbreitet sein dürfte. Auch aus Chile 
liegen mir Exemplare vor, und Pocock berichtet, daß das Britische 
Museum solche mit der Etikette Peru besitze. 


Als zweifelhafte Mittelform ist schließlich noch zu betrachten 
der B. vittatus « Keyserlingii Poc. (= B. Keyserlingü Poc., 
Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XII, p. 96). Habitus der Hauptform, aber 
Area kaum vertieft, ganz allmählich basalwärts in die Hauptfläche 
des V. Caudalsegments übergehend, grobkörnig. Seitencristen der Area 
schwach bogig, nur etwas geschweift gegen die Mittellinie ziehend und 
bald verschwindend. Weibchen mit 13, 13, Männchen mit 14, 15 
Kammzähnen. Weibchen mit 4 abgekürzten. deutlichen, glatten Kielen 
im letzten Bauchsegment; ebenso unterseits im I. Caudalsegment. Beim 
Männchen sind die Kiele des letzten Bauchsegments etwas schwächer 
und die des I. Abdominalsegments nur als schwache Kanten nachzu- 
weisen. Es entspricht diese Kielbildung völlig derjenigen bei B. chilensis, 
mit der unsere Varietät auch die Zahl der Kammzähne gemeinsam hat. 
Es ergiebt sich hieraus und m Hiblick auf die dem B. vittatus 
entsprechende Area des V. Caudalsegments eine völlige Mittelstellung 
des B. Keyserlingii Poc. zwischen den von mir angenommenen zwei 
Hauptformen, :so daß man vielleicht an eine Bastardbildung beider 
Arten zu glauben geneigt sein könnte. — Die Exemplare sind auffallend 
klen; das etwas größere Weibchen ist nur 32 (= 15 + 17) mm lang. 

Das eine der mir vorliegenden Exemplare (Männchen) stammt 
aus Rio Grande in Brasilien, das Weibchen aus Chile; auch das 
Pocock’sche Original trägt die Etikette: „Chile oder Peru“. 


4. Bothriurus chilensis (Karsch). 
? 1782 Scorpio chilensis Molina (Saggio sulla Storia nat. del Chile, Bologna. 
Ins. Apt., p. 347). 
1879 Cercophonius chilensis Karsch (Münch. ent. Mitth. 1879, p. 36). 
1893 Bothriurus signatus Poc. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XII., p. 97). 

Diese Art, von der mir 17 Exemplare zur Untersuchung vor- 
lagen, steht dem B. vittatus so nahe, daß es oft schwer wird, sie von 
jenem mit Sicherheit zu unterscheiden, und daß von einer generischen 
Trennung, wie sie bisher angenommen, gar nicht die Rede sein kann. 
Ob der Telegonus versicolor C. L. Koch hierher gehört oder aber, 
wie wahrscheinlicher, mit Thestylus Glasioui identisch ist, wage ich 
nicht zu entscheiden. Ebenso wenig bin ich im Stande, die brieflich 
von Pocock geäußerten Zweifel zu heben, ob der Sc. chilensis Mol. 


Gatt. Bothriurus. 933 


wirklich mit dem von Karsch beschriebenen Cercoph. chilensis identisch 
sel. Da demnach die Molina’sche Form als Species spuria zu 
betrachten, so muß meines Erachtens der Karsch’sche Name in den 
Vordergrund treten, dem dann der B. signatus Poc. einfach synonym ist. 


Die Färbung entspricht, wie es scheint, mit ihren verschiedenen 
Variationen völlig derjenigen des B. vittatus, wenigstens finden sich 
auch hier neben den gewöhnlichen, tief pechbraunen Formen braungelbe 
oder gelbrothe mit helleren oder dunklen Mondflecken auf den 
Abdominalsegmenten, mit braunen, gelbrothen, gelben einfarbigen oder 


marmorirten Extremitäten. 


Ebenso ist die verschiedene Sculptur beider Geschlechter auf 
der Oberfläche des Truncus (Weibchen glatt, glänzend; Männchen 
matter, chagrinirt gekörnelt) deutlich ausgeprägt. Die Unterseite 
des Abdomens ist glatt und fein nadelstichig beim Weibchen, 
in den drei letzten Segmenten fein körnig chagrinirt beim Männchen: 
das letzte Segment zeigt beim Weibchen meist. vier abgekürzte Kiele 
am Hinterrande. Augenhügel und Stirnrand wie bei der vorigen Art. 


Die Cauda trägt im I. Segment unterseits beim Weibchen 4 
deutliche, meist gekörnelte Längskiele, während dasjenige des Männchens 
meist (ich bemerkte auch Ausnahmen) völlig glatt ist. Der Haupt- 
unterschied von der vorigen Art liegt im V. Caudalsegment, welches im 
typischen Fall (Fig. 109) jener halbmondförmigen Area des B. vittatus 
völlig entbehrt. Es sind dann die untere Mediancriste und die unteren 
Lateraleristen in der distalen Hälfte des Segmentea völlig normal 
entwickelt, verlieren sich aber allmählich nach der Basis zu. Zwischen 
den Cristen verlaufen dann jederseits des Mediankiels 1—2 Körnchen- 
reihen, welche distalwärts etwas divergiren und sich auch wohl mit 
den Lateraleristen verbinden. Bei dieser Ausbildung der Körnelung 
ist das Segment am Hinterrande zwar etwas eingesunken, eine scharf 
ausgeprägte, von einer kreisförmigen Bogenlinie begrenzte Area ist 
jedoch nicht vorhanden. Aber das geschilderte typische Bild kann 
nun in verschiedenstem Grade Uebergänge zu den Verhältnissen bei 
B. vittatus zeigen. So verschwinden sehr häufig die Nebencristen 
rechts und links vom Mediankiel und machen einer gleichmäßigen 
Körnelung Platz, während die Lateralcristen eine mehr oder minder 
ausgeprägte Convergenz nach der Mediancriste erkennen lassen, die 
schließlich fast zur Abgrenzung der halbmondförmigen Area des 
B. vittatus überleitet. Solche intermediäre Formen sind dann oft 
schwierig zu rubrieiren, zumal auch die sonstigen Unterschiede beider 
in Frage kommenden Arten an Schärfe zu wünschen übrig lassen, 


234 Fam. Bothriuridae. 


27 


Die napfförmige Grube der Blase oberseits ist selbst bei alten Männchen 
niemals so charakteristisch ausgebildet wie bei B. vittatus, ja wurde 
bei einigen Exemplaren völlig vermißt. 

Oberarm, Unterarm und Hand bieten kaum Unter- 
scheidungsmerkmale. Zwar wurde die größte Handbreite nur zu 3,5 mm 
gefunden, doch liegt dies augenschemlich an dem Mangel besonders 
alter Individuen. Das Verhältniß der Länge der Hinterhand zur 
Handbreite fand ich von 1: 0,66 bis 1,08; dasjenige des beweglichen 
Fingers zur Hinterhand von 1:1 bis 1: 1,1. 

Die Zahl der Kammzähne beträgt in der Regel 15 (50°) 
oder 17; in einem Falle wurden jedoch auch 19, 20 beobachtet, sogar 
bei einem Weibchen, so daß die Variationsweite zwischen 15 und 20 
anzunehmen ist. Die Zahl der Mittellamellen schwankte zwischen 9 und 12. 

Die Größe entspricht derjenigen des B. vittatus. Das Verhältniß 
des Truncus zur Cauda wurde = 1:1,05 bis 1: 1,5 gefunden. 

Die Heimath des B. chilensis fällt theilweise mit derjenigen 
des B. vittatus zusammen, doch scheint er mehr dem Westen des 
südamerikanischen Continentes anzugehören. Bekannt sind mir Fundorte 
aus Chile, Peru und dem westlichen Argentinien; die Exemplare 
des B. signatus Poc. stammen aus Brasilien (Thersepolis). 


5. Gatt. Phoniocereus Poc. 

Bothriuriden mit einfacher Reihe perlschnurartiger 
Mittellamellen der Kämme. Tarsenendglieder des II. 
und IV. Beinpaares unterseits nur mit je 3 Paar Dorsten, 
ohne eine mediane Haarleiste (Fig. 113). Gehstachel ver- 
hältnißmäßig klein. Körnchen der Scheerenfinger fast in 
einer Reihe längs der Schneide, höchstens am Grunde 
undeutlich zweireihig. Vordere Caudalglieder etwa so 
breit als lang, unterseits mit Andeutung von Kielen, auch 
im II und IV. Segment. Blase .sehr gestreckt,. ganz 
allmählich in einen kurzen Stachel übergehend. Median- 
furche des Gephalothorax den Augenhügel durchziehend; 
letzterer weit vor der Mitte. 

Ueber die Verschiedenheit der Geschlechter ist nichts bekannt, 
da bis jetzt nur Weibchen vorliegen. 

Die einzige Art ist: 


1. Phoniocereus pietus Poc. 
1893 Phoniocereus pietus Poe. (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XII, p. 99). 
Von dieser Art, welche dem Autor nur in einem trockenen 
lixemplare ohne Fundort vorlag, besitzt das Hamburger Museum vier 


Gatt. Phoniocercus. 235 


von Herrn Dr. Michaelsen gesammelte Spiritusexemplare, die sich 
indeß sämmtlich als Weibchen erweisen. Sie zeigen mit der Original- 
beschreibung Pococks die größte Ueberemstimmung. 

Die Grundfärbung des Truncus ist gelbroth, doch wird dieselbe 
zum großen Theile durch schwarze Fleckenzeichnung verdeckt. Am 
Cephalothorax ist namentlich die Vorderparthie ziemlich schwarz, während 
im hinteren Theile das Gelbroth mehr hervortritt. Die Rückensegmente 
zeigen jederseits von der Mittellinie ><förmige gelbe Fleckenzeichnung; 
ebenso ist der Seitenrand gelb und em mittlerer Dreiecksfleck in der 
Vorderhälfte jedes Segments. Bauchseite ebenfalls schwarz gefleckt 
an den Seiten; desgleichen Schwanz, Arme, Hände und Beine, 


Cephalothorax glatt, nur am vorderen Stirnrande und 
deutlicher an den Seiten beiderseits des Augenhügels eingestochen 
punktirt. Vorderrand deutlich ausgerandet; neben der Ausrandung 
jederseits 2 große hellere Grubenpunkte. Medianfurche am Vorder- 
rande beginnend und den Augenhügel als tiefe Rinne durchziehend. 
vor und hinter dem Augenhügel im der Tiefe deutlich querrunzelig. 
Augen beträchtlich vor der Mitte. Hinterecken des Cephalothorax 
glatt und glänzend; ebenso die Rückensegmente des Abdomens, deren 
letztes indeß feinkörnig ist und 2 Höcker als abgekürzte Längskiele 
trägt. Bauchseite glatt, glänzend, mit zerstreuten groben Punkten besetzt. 


Cauda oberseits im I.—IV. Segment mit feinen, aber gekörnten 
Kielen. Obere Seitenkiele ebenfalls körnig, stärker hervortretend. 
Untere Mediankiele im I. Segment nur durch 2 Paar eingestochene 
Punkte markirt, im II. und III, oft auch im IV. Segment schwach 
wulstig, etwas höckerig, aber durch eine deutliche Medianfurche 
getrennt. V. Segment oben glatt, an den Rändern gerundet, unten 
mit rundlich-körnigem Mittelkiel und zahlreichen rundlichen, nur zum 
Theil reihig geordneten Körnchen auf den Seiten. Blase oben glatt, 
an den Seiten und unten höckerig feinkörnig, langgestreckt, mit kurzem 
Stachel, wie bei der Gattung Urophonius. 

Oberarm glatt, glänzend, mit kraterförmigen Haargrübchen 
namentlich am Rande besetzt, gerundet. Unterarm glänzend, wenig 
kantig, unterseits gewölbt. Hand wenig dicker als der Unterarm, 
gerundet, schwach kantig, von zerstreuten Haargrübchen etwas uneben. 
Verhältniß des Fingers zur Hinterhand = 1:0,76 bis 1:0,8, der 
Hinterhandlänge zur Handbreite = 1:0,53. Größte absolute Maaße 
für Finger, Hinterhand und Handbreite = 5, 3,8, und 2 mm. 


Schenkel und Schienbeine durchaus glatt und glänzend. 
Endtarsen des III. und IV. Beinpaares mit je drei Paar Borsten 


236 Fam. Bothriuridae. 


unterseits ohne Haarleiste in der Medianlinie (Fig. 113). Vorletztes 
Tarsenglied des I. Beinpaares unterseits mit 2 zarten Borstenreihen, 
welche auch am Il. Beinpaare in abgekürzter Form wiederkehren. 

Die Zahl der Kammzähne betrug in einem Falle 9, 9, in drei 
andern 10, 10 Zähne. 

Die Zahl der gerundeten Mittellamellen ist 6—7. Fulera 
klein, dreieckig. 

Das Verhältniß des Truncus zur Cauda schwankt zwischen 
1:1 und 1:1,3. Die größte absolute Länge betrug 37 (= 17 + 20) mm. 

Sämmtliche mir vorliegende Exemplare stammen von Valdivia. 


6. Gatt. Cercophonius Pet. 


Bothriuriden mit einfacher Reihe perlschnurartig 
gerundeter Mittellamellen der Kammzähne. Tarsen- 
endglieder außer der medianen Haarleiste mit 1—2 Paar 
Dornen unterseits (Fig. 111). Gehstachel verhältmib- 
mäßig klein. Schneide der Scheerenfinger der ganzen 
Länge nach mit drei- bis vierreihig nebeneinander- 
gestellten Körnchen besetzt (Fig. 102); außerdem jederseits 
6—7 gröbere Außenpunkte Vordere CGaudalglieder etwa 
so breit als lang, unterseits ungekielt; ebenso das letzte 
Bauchsegment. Augenhügel etwas vor der Mitte des 
Gephalothorax, mit durchgehender Medianfurche. Körper 
platt gedrückt. Geschlechter verschieden. Männchen 
mit Handdorn. 

Die bisher als Gercophoniusarten beschriebenen Formen, wie 
Ü. chilensis, brachycentrus, Glasioui etc., entfernen sich sämmtlich so 
sehr von dem Typus der Gattung, dem C. squama Pet., daß sie in 
andern Gattungen untergebracht werden müssen. 

Es enthält die Gattung Cercophonius demnach zur Zeit nur 
eine Art. 


1. Cercophonius squama (Gerv.). 
1844 Scorpio squama Gerv. (Archiv. du Mus. IV., p. 227, Pl. XI., Fig 19—21). 
2 1861 Cercophonius squama Pet. (Monatsber. d. Berl. Acad. 1861, p. 509). 
cf 1861 Acanthochirus testudinarius Pet. (ibid. p. 509). 

Die Färbung dieses Scorpions, von dem mir nur 5 Weibchen 
vorliegen, erscheint schwärzlich mit gelber Bindenzeichnung; man kann 
aber auch eine ledergelbe Grundfarbe annehmen, welche oberseits fast 
ganz — bis auf eine helle Mittelbinde, hellere Seitenränder und mehr 
oder weniger deutliche halbmondförmige Ringe anf den Flächen der 


Gatt. Phoniocercus. 337 


Abdominalsegmente — von schwärzlichem Pigment überdeckt ist. 
Die Cauda ist schwarzstreifig, mit zusammenfließenden Streifen. Auch 
Arme, Hände und Beine sind schwarz netzig beraucht, namentlich 
Schenkel und Schienbeine erscheinen oft fast ganz schwarz. An der 
Unterseite ist die Grundhälfte der Abdominalsegmente und namentlich 
das letzte Segment in der Regel ebenfalls schwärzlich. 

Beim Weibchen ist der Cephalothorax und die Abdominal- 
oberseite glänzend und fast glatt; nur an den Seiten zeigt der 
Cephalothorax oft feine Körnelung. Das Männchen ist nach Peters 
opak und dürfte sich durch stärkere Körnelung oder Punktierung 
auszeichnen. Der Vorderrand des Cephalothorax ist seicht ausgerandet. 
Die mediane Stirnfurche setzt unmittelbar in diesem Ausschnitt ein, 
verflacht sich allmählich bis zu dem auffallend niedrigen, die Augen 
fast in horizontaler Stellung tragenden Augenhügel, ohne jedoch völlig 
zu verschwinden, um dann hinter den Augen aufs neue fast bis zum 
Hinterrande sich zu vertiefen. Das Abdomen unterseits ist glatt und 
glänzend; auch das V. Segment zeigt keine Kiele. 

Die Cauda trägt beim Weibchen wohl entwickelte obere 
Median- und Lateralkiele im I.—IV. Segment. Auch die seitlichen 
Nebencristen sind im I—III. Segment spurenweise vorhanden; ebenso 
die unteren Lateralcristen, welche als glatte oder mit wenigen 
eingestochenen Punkten besetzte Kanten hervortreten. Beim Männchen 
dürften nach Peters die Kiele der Cauda bedeutend weniger entwickelt 
sein. Im V. Caudalsegment erscheint der Oberrand gerundet; unterseits 
treten deutliche, gekörnte und das Segment der ganzen Länge nach 
durchziehende Lateralkiele auf, wie der am Ende meist gabelig 
getheilte Mediankiel. Beiderseits desselben einige oder zahlreiche, 
mehr oder weniger reihig gestellte Flächenkörnchen. Die Blase ist 
fein-, aber ziemlich dichtkörnig. Ob das Männchen eine Dorsalgrube 
besitzt, vermag ich nicht anzugeben. 

Der Oberarm besitzt eine obere ebene, ziemlich deutlich 
von 2 Randkanten begrenzte Fläche. die meist glatt ist oder doch nur 
einige kraterförmige Punkte trägt. Der glänzende, ebenfalls" etwas 
abgeflachte Unterarm läßt am Hinterrande der Oberseite eine schwache, 
mit eingestochenen Punkten besetzte Kante erkennen. Die Hand ist 
glatt, fast kiellos, glänzend, beim Männchen unterseits mit Dorn. Die 
absolute Breite fand ich zu 1,8 bis 2 mm; das Verhältniß der Länge 
der Hinterhand zur Breite von 1:0,56 bis 1:6,2. Die eigenartige 
Körnelung der Finger wurde schon früher hervorgehoben; sie sind 
etwas länger als die Hinterhand, das Verhältniß beider etwa 1: 0,8 
im Mittel, 


238 Fam. Bothriuridae. 


Die Zahl der Kammzähne variürte bei den mir zu Gebote 
stehenden Weibchen von 12—17. Die Zahl der gerundeten Mittel- 
lamellen schwankte zwischen 8 und 12. 

Die mittlere Körpergröße beträgt 30—35 mm. Das Verhältniß 
yon, Prumeusizur Caudanıst = 1 >12 pe 1a 

Die Heimath des Cercophonius squama ist Van Diemens- 
land und das südliche, vielleicht auch südwestliche Australien. Nach 
Pocock’s brieflichen Mittheilungen auch das westliche Südamerika (?). 


7. Gatt. Centromachus ) n. g. 


Bothriuriden mit nur 2—3 kaum gerundeten Mittel- 
lamellen der Kämme und kleinen dreieckigen Fuleren. 
Tarsenendglieder der letzten Beinpaare unten jederseits 
mit 3 starken Dorn-Borsten und einer schwächeren End- 
borste. Statt einer medianen Haarleiste nur einige kurze 
Dörnchen am Grunde. Gehstachel klein. Körnchen der 
Schneide des beweglichen Scheerenfingers vom Grunde 
bis zur Spitze unregelmäßig zwei- bis dreireihig (Fig. 99). 
Vordere Caudalglieder etwa so breit als lang, unterseits 
vierkielig, wie auch das letzte Bauchsegment. Augen- 
hügel in der Mitte des Cephalothorax, ohne durchgehende 
Medianfurche. 


Bis jetzt ist nur eine Art in einem (weiblichen) Exemplar bekannt. 


Centromachus Pocockii ?) n. sp. 


Färbung etwa wie bei Phoniocercus picetus Poc. Grundfarbe 
gelbroth. Thorax auf der Mitte und auf den Seiten mit breiten, 
schwarzen Flecken. Abdomen auf den Seiten ‘beraucht, mit gelben 
elliptischen, im Centrum schwärzlichen Ringen. Caudalsegmente 
namentlich unterseits in den Endhälften schwärzlich. Blase, Arme, 
Hände, Beine ebenfalls schwarz beraucht oder genetzt. Unterseite 
gelbroth. 

Cephalothorax glatt, glänzend, nur an den Seiten etwas 
matter und kaum merklich obsolet gekörnt. Stirnrand seicht aus- 
gerandet. Vor dem ungefurchten, mittelständigen Augenhügel eine 
seichte gegen den Stirnrand sich verbreiternde Furche, hinter demselben 


') Der mit dem Stachel Kämpfende. 
2) Zu Ehren des um die neuere Scorpionensystematik so verdienten 
Mr. R. J. Pocock. 


Gentromachus. Nachschrift. 239 


die gewöhnliche tiefe Medianfurchke. Abdomen glänzend, kaum 
merklich obsolet feinkörnig; letztes Segment etwas deutlicher gekörnt. 
Unterseite glatt, mit ganz winzigen, runden Stigmen; letztes Segment 
mit 4 wulstigen, abgekürzten Kielen am Hinterrande. 


Cauda oberseits in allen Segmenten mit fein gekörnten Dorsal- 

kielen. Obere Lateralkiele stärker kielige hervortretend, aber nur fein 
fe) I 

cerenelirt. Untere Median- und Lateralkiele der Cauda im I. und 

II. Seement dick, etwas wulstige höckerig, sonst elatt, im III. und 
oO ) @) 0) oO ’ 

IV. Segment etwas flacher und undeutlicher, aber im IV. mehr körnig. 
V. Segment unterseits mit 3 deutlichen, körnig-sezähnten Läneskielen. 
oO , oO © te} 
Nebenkiele ım I. Sesment vollständige, im 1.. III. und V. Seoment zur 

fe) 2 ’ oO 
Hälfte entwickelt. Dorsale Rinnenfurche nur im I. Segment etwas 
körnig, sonst glatt; obere Seitenflächen sämmtlich körnig, untere rinnig 
vertieft, glänzend. hier und da etwas runzelig-höckerie, im V. Seement 
NS) >) o 0) o 
grobkörnig. Blase eiförmig, unterseits ziemlich grobkörnig. Stachel 
mäßig lang. 


Oberarm oberseits gekörnt, unterseits höckerig. Unterarm 
glänzend, gerundet, ohne deutliche Randkanten. Hand etwas dicker 
als der Arm, gerundet, glatt und glänzend, mit dunklen Längsstreifen. 
Verhältniß des beweglichen Fingers zur Hinterhand wie 4: 3,5, der 
Hinterhand zur Handbreite wie 3,5 : 2,4 mm. 


Schenkel und Schienbeine glatt. Endtarsen unten jederseits 
mit 3 Dornen und einer Endborste, in der Mittellinie mit einzelnen 
Dörnchen, namentlich am Grunde. 


Kämme nur mit 2—3 kaum gerundeten Mittellamellen und 
kleinen dreieckigen Fuleren. Kammgrund gestreckt, fast einen 
gestreckten Winkel bildend. Zähne daher scheinbar erst kurz vor der 
Mitte der Kämme beginnend. Zahl der Kammzähne 5, 6 bei dem 
Originalexemplar. 


Das Verhältniß des Truncus zur Cauda = 16,5:?20 mm. 
Das einzige mir vorliegende Exemplar, ein Weibchen, stammt 
von Lebu bei Valparaiso in Chile (Museum Kopenhagen). 


Nachschrift. 


Bei Absendung des letzten Correeturbogens gehen mir noch 
zwei neu erschienene Arbeiten zu, die leider im Text nicht mehr 
berücksichtigt werden konnten, nämlich: 


40 


Nachschrift. 


Pocock, R. J.: A small Contribution to our Knowledge of the 
Scorpions of India (Ann. Mag. Nat. Hist. [6] XII., 1894, p. 
72— 84). An neuen Arten werden beschrieben: Scorpio latimanus 
und gravimanus (nahe verwandt mit Se. ceylonicus Herbst), 
Scorpiops tenuicauda, Chaerilus margaritatus, gemmifer, 
insignis und ceylonicus. 

Thorell, T.: Scorpiones exotici R. Musei historiae naturalis 
Florentini (Bulletino della Soc. entom. ital. XXV. 4; 1893). Neu 
beschrieben: Broteas panamensis (wohl Broteochactas oder 
Hadrurochactas). Uroctonus phaeodactylus zur Gatt. Oncocentrus 
erhoben. 


Hamburg, den 6. Februar 1894. 


241 


Index. 


Die nicht gesperrt gedruckten Gattungs- und Artnamen sind Synonyme. 


Die fett gedruckten 


Zahlen verweisen auf diejenige Seite des Textes, auf welcher die Synonymik der betreffenden 
Art zusammengestellt ist. 


abruptus (Urodacus)............ 19. 20 
Acanthochirus 42.2.2... 212. 236 
aequinoctialis (Broteas) ...... 166. 167 
aferı (Butchus)n a Bessere 42. 53. 62 | 
AIETAUDEOLPION AI ee 46. 62 
africanus (Opisthacanthus). .120. 123 
africanus (Opisthocentrus)......... 123 
afzicanus) (Bandinns)..2..20..22...: 62 
AERLCAN US (SCOFPIO) +... 2... un..% 33. 62 
algerieus (Scorpius)e. 2... un. .e.an. 157 
Allen (Scorpio) winer sn. ca. 173 
amazonicus (Chactas)....\... 167. 169 
Anderssonii (Opisthopthalmus).... 85 
angustimanus (Palamnaeus)........ 34 
aneustus! (Brotheas). ...... 223. 228 
anthracinus (Scorpiops) ...... 186. 192 
antillanus (Diplocentrus)...... 13. 16 
aquilejensis (Scorpius) ........... 159 
arabıeus, (Scorpio). u... 32. 58 
armatuss(Utodacus)erere er 19. 20 
asiaticus (Ischnurus) ........ 128. 132 
asper (Bothriurus)...... ee 228. 229 
asper (Ischnurus) .......... 119026 
asper (Opisthacanthus) ...... 120. 126 
aspers(bandinus) mare re.nee aees: 42 
asperulus (Vejovis) ....... 198. 199. 202 
atramentarius (Teuthraustes) .. 180 
australasiae (Scorpio) ............ 133 
australasiae (Ischnurus)........... 133 
australasiae (Hormurus) ...132. 133 
bannaticus (Scorpius) ............ 159 
Brei sarıu se ee 150. 162 


bellicosus (Heterometrus) ...68. 67. 69 


bengalensis (Buthus)............. 5l 
bengalensis (Palamnaeus)......... 51 
bengalensis (Scorpio)........ 31. 51 
Binghamii (Scorpiops) ....... 186. 192 
birmanicus (Chaenilus) ....2....:: 144 
birmanicus (Chelomachus) ....141. 144 
bonariensis (Brotheas) ....... 228. 229 
boreus. (Buthus)a 2.4: 2. cur... 198. 200 
borneensis (Chaerilus)......... 141. 144 
Bothriuridse a... 0.2... 8. 211 
Botchriuruse een. 212. 213. 214. 222 
Brachistosternus....212. 213. 215 
brachycentrus (Cercophonius) ..... 221 
brachycentrus (Urophonius)... 221 
brevicaudatus (Chactas)....... 164. 171 
RER Se 150. 172 
Brot eochwctase.r..0e, 150. 175 
Burmeisteri (Bothriurus)...224. 227 
Buthuse se Are: 28 
Caesar (Buthus)a.. zu. ,. 46. 47 
calvus (Opisthophthalmus) ..... 9. 93 
Oanestrini (Scorpius) eo... ..2 22... 159 
capensis(Opisthophthalmus) 80.97. 100 
EABENSIs, (SCOLrPIO). Dre. 33% 
Garahoctonus „mer 183. 209 
carinatus (Heterometrus) ......... 85 
carinatus (Oecopetrus) ..........- 85 
carinatus (Opisthophthalmus) 78. 85 
earınatuss(Petrooicus) „u... 02 85 
earolinianus (Scorpio)............ 199 
earolinus (Vejovis)..... ...... 199. 202 


Diplowendirinı er 5.8 
Dip locentrus se ee 9. 12 
diremptus (Hormurus) ....... 128. 132 


d’Orbienyi (Bothriurus) ....223. 224 


949 Index. 
carpathicus (Euscorpius) ..155. 159 | 
earpathieus (SEOLPIO) ver an... 159 | 
DaUCon a rn 34 | 
caudicula (Hormurus)...... 133. 135 | 
caudıcula/(Ischnurus)........8... 135 | 
cavernicola (Chaerilus) ....... 141. 146 
cavimanus (Scorpio) ......... 63. 67. 69 | 
celebensis (Chaerilus) .141. 143. 147 
Centromachus.......213. 215. 238 | 
RE 34 
Gereophonius..e. 212. 214. 236 
ceylonicus (Buthusy ze ar... 46 
ceylonrens (Beorpopr nr... 31. 46 | 
Chactas ee 150. 163 
ChaCtU DIE Rn 7. 149 | 
Chaens untere: 7. 140 | 
Cih’aersnlusser ea er ar 141 | 
chaperi (Opisthophthalmus)....... 100 
charcasus (Caraboctonus) ......... 207 | 
charcasus (Hadruroides) ...... 206. 207 
charcasus (Hadrurus)......... 206. 207 
CheloecLonus ae 109. 112 | 
Chelemachuse re en 141. 144 
chılensis (Bothriurus) ......224. 232 
chilensis (Öercophonius) ..... 223. 232 
chilensis. (Scorpio). Sam ir, 232 
Ghiromachuses. en 130 | 
ehrysopus (Chactas) ....... 167. 1.402) 
chrysopus (Ischnurus).:.......... 128 
colesbergensis (Opisthophthalmus). 94 | 
complanatus (Hormurus) ..... 132. 133 
CONCINHUSADCOLPIUBS) . „n.n. .. 159 
coriaceus (Bothriurus) ....... 228. 229 
costimanus (Buthus) a. 34 
crassimanus (Scorpio) +. = N. er. 46 
cumingü ‚(Hormurus) ......... 152. 133 
CUMINONI(DEOLPIO)... ee 133 
curtus (Opisthophthalmus). ...... 105 | 
cyaneusı(Buüthus)..... ae. 53 | 
Gyphocentruser es 9.10 | 
Dacurussps en 34. 119. 120 
Darwinii (Urodacus)......19. 20. 23 
debilise( Vejovis).-.. 0. a ee en 198 | 
de.changei’ (Ischnurus) ...... 132. 135 | 
defensor)(Buthus)i ee. 0 more 53 
delicatus (Broteochactas) ...176. 177 | 
delieatus (Chactas)........... 164. 177 | 
dietstor (Scorpio). 2 2 .22.0.88.70 | 


Dorbignyir (Scorpio) 2. en 224 
d’orbienyi/(Scorpio) 2. 224 
Dufoureius"(Buthus) 2 183 
Dutouretus (Jurus) me 183 
duodeeimdentatus (Opisthacanthus) 122 
ecuadorensis (Teuthraustes)....... 150 
Ehrenbergii (Brachistosternus).. 216 
Ehrenbergii (Scorpio) ......... 215. 216 
elatus (Opisthacanthus) ..... II IRD 
elatus (Seorpio) 2 120 
emarginaticeps (Buthus)...... 205 
erythrodactylus (Brotheas)....223. 228 
europaeus (Scorpio). ......... 157. 159 
Euseor pl wesen 149. 153 
eusthenura (Buthus) ......... 198. 199 
excellens (Urodacus). .... w.ree 18. 20 
exitialisX(Scorpio)..... .. .. 2200 63. 70 
fallax (Opisthophthalmus)......... 95 
Fanzagoi (Euscorpius)....154. 159. 160 
ferrugineus (Telegonus) ...... 215. 216 
flavescens (Vejovis) .. „2... re 199 
flavicaudis (Euscorpius)....155. 157 
Hayıcaudis (Scorpio)... 2 2. 157 
flayipes (Nebo)'Sım. 22... 00. 9. 10 
Ruchsi’ (Chactas)e er rer 164. 171 
tulvipes-(Buthus)g se ee 31. 44 
fulyipes.(Pandinus) v.r..1...2:E2E 44 
fulyipess(Scorpio) ar. ee 31. 44 
furcatus i(Betrooicusyarn ze ae 85 
galbineus2(Caucon)e. 02. ee 34 
galbineus (Centrurus) .......... 34 
galbineus(Daeurus)........ 22 34. 120 
germanus (Euscorpius) ..... 155. 158 
germanus. (Scorpius)e 2... ae 158 
Geryaisin(Brotess)e.. nr ran 173 
Gervaisii (Heterochactas)........ 180 
Gervaisii (Scorpio)....... 215. 216. 228 
glaber, KScorpio) cu... 215. 216 
slabrifrons(Opisthophthalmus)80. 104 
Glasioui (Cercophonius) .......... 219 
Glasioui.(Thestylas)r 2 2a 222 219 
Gollmeri (Broteochactas) . . 176 


Index. 


Gollmerit(Chactas) nr Ce. 164. 176 
gracilicauda (Scorpio)............- 133 
granosus (Megacormus) .... 151 
ETanosus“ (SCOrPIO) =. nase: 151 
granulatus (Broteas) ......... 172. 173 
granulatus (Buthus) ......... . 183 
sranulatus. (Jurus) ........2....... 183 


granulosus (Broteas) 


| 


Gundlachi (Diplocentrus)........ 12.13 
Hadogeneswe 109. 113 
Hadrurochactasn......... 150. 178 
Hadrurordes Krater 182. 206 
lade weise ee 182. 204 
Hardwieki (Seorpio) nr „22. ee. 188 
Hardwickii (Scorpiops) 187. 138. 190 
hayersit (Chaetas) ar u re .. 164 | 
Hemiseorpion. 2.2. .0ı% 109. 110 
Herbstae (Brotessiem er a 200.2 173 
heros(Buthns) er sage 2.08. 04 
bHießerochactas. 2. 0. 151. 180 | 
Heterometridae 0... Dan: 24 | 
Heterometrus..ı..... 25. 28. 34. 73 
hierochontieus (Nebo) ....... 9. 10 
hirsutus2 (Broteas)fa nennen 70 
hirsutus (Buthus)) 22.2 rc. 205 
Bursutus-(Hadrurus). er. 22... 205 
histrio (Opisthophthalmus)........ s5 
Biop locyBtiser rer: 3 
a NT ee a Dr 110. 131 
Humilss(Bandinusyee. 0.2... 34. 35 
Iherineur(Urophomus) 2.0... 221 
Imperator (Buthus)ier. 2.2... 62. 68 
indıecus’ (Scorpio)... 32. 46. 53 
Indus (Scorpio) see 46 
insculptus (Hormurus) ........ 132. 138 | 


intermedius(Opisthophthalmus) 79. 89 


intrepidus (Vejovis) ..... 198. 199. 201 
JO Con US 18 
Jodacus 2... Sa 18. 19 
I o:malchiul Se 110. 139 
homesii (Chelgetonus), .... nr... 112 
IESichhin urn 6. 108 


Ischnurus 11021132130 


Ita l1.cus(Baseormusı 2... 154. 155 | 
italicus (Scorpio) r en... 155 
italicus. (Scorpma)ane....:.,.: . 155 
ALS ee ..182. 183 


243 
Karsehii (Chactas) ....165. 167. 170 
Karschü (Hormurus) ....... 132. 137 
Keyserlineii (Bothriurus) ..... 229. 232 
Keyserlingii (Caraboctonus) ... 210 
Keyserlingii (Chactas) ... 167. 172 
Keyserlingii (Diplocentrus)...... 12. 14 
Keyserlingii (Urodaeus) ........ 19. 20 
Kinbergii (Opisthacanthus) ....... 120 
IK Bchriabandmus)ye er. 42 
laeviceps (Hormurus) ........ 133. 139 
laeviceps (Jomachusy 2.2... 139 
laeviceps (Opisthophthalmus) ..... 104 
laevigatus (Palamnaeus) ........ 34. 35 
laesipes' (Broteas)ı .* ..... 2.4... 168 
Faevipres (Chactas)e 2 2%... 166. 168 
laevipes (Opisthocentrus) ......... 126 


latimarus (Opisthophthalmus) .79. 91 


latro (Opisthophthalmus) ....... . 100 
Lecomtei (Ischnurus) ............ 122 
Lecomtei (Opisthacanthus) .119. 122 
Lecomtei (Opisthocentrus) ....120. 122 
leptochirus (Scorpiops)........... 187 


lepturus (Chactas) ....164. 167. 171 


lepturus (Hemiscorpion)........ all 
lEBLULTUSSSCOLPION dee ereen.e 120 
Besweurus (SCOrpio)r 22. ass arn: 13 


‚Lindstroemii (Scorpiops) 185. 192 
liophysa (Palamnaeus) .......... 35. 41 


literasius (Chactas)ı 2. .....02.0.00. 164 
longimanus (Scorpio)........ 30. 34 
longimanus (Scorpiops) ....188. 191 
lueidipes (Scorpio) .............. 42 
lugubris (Scorpiops) ......... 185. 192 
Junstus-(Hadruroides). ......2.. 207 
lunatus (Telegonus).......... 206. 207 
macer (Öpisthophthalmus) ..... 79. 95 
maculatus (Caraboctonus)......... 207 
maculatus (Hadruroides).......... 207 
maculatus (Hadrurus) ........ 206. 207 
Muecocenbrus sera. A212 
madagascariensis (Opisthacanthus) 

120. 125 
manicatus (Urodaeus)........... 18. 20 
massiliensis (Scorpius) ... „....... 157 
Maurus (Droteas) 2... wın.cee. 173 
MAULUSE(SCOLPIO)FT TI 73. 173 
maxillosus (Opisthophthalmus)..... 97 


244 

Mecocentrus... sr ern. 211. 212 
megacephalus (Buthus)............ 46 
megacephalus (Heterometrus) ...41. 46 
Mesacormusıerat tes. 149. 151 
meidensis (Pandinus)............ 81 
melampus (Ischnurus)........ 114. 115 
mexicanus (Diplocentrus) Pet....12. 13 
mexicanus (Vejovis)........ 199. 202 
Misephonus2.. 2... 24. 26. 77. 83 
minax (Opisthophthalmus) ........ 9] 
montanus (Scorpiops) ..185. 188. 192 
monspessulanus (Scorpius) .. ....- 157 
miordaxzi(Uroctonus) ern eer 194 
Mossamedes ............. 24. 26. 77. 81 
nanus (Opisthophthalmus) ........ {Ial. 
naupliensis (Scorpius).... 2220... 155 
IN: eIb:0° 2 EEE ; & 
neocaledonicus (Ischnurus)....132. 135 
nieiensis (Scorpius) .............. 159 
nigrocinetus (Brotheas)...... ee RS 
nitidulusi(Vejovas)e .zec.n.ne. 202. 203 
nitidus (Broteochactas) ....... 175. 176 


novae Hollandiae (Urodacus) 18. 20 


ochropus (Chiromachus).......... 130 
ochropus (Ischnurus) ....... 114. 130 
VECOPELTus: 1...2 „en ee. 85 
Willst ee 9. 12. 14 
opacus (Broteochactas) ....... 176.447 
opacus (Chactas)e as..e..22.. 164. 177 
opinatus (Mossamedes)... ......... sl 
opinatus (Opisthophthalmus) .... 81 
Opstschaeanthus nr..2.e. 110. 118 
Opisthocentrus nn... ne 29 
Opisthophthalmus...... 26. 28. 77 
OTAavizensis (SCOFPIUS) v A.... 22, 159 
orthurus (Urodacus) ........18. 20. 21 
Paaschu (Hadrurus)& 2 teren 207 
Palamnaeus.. ee 25. 34 
pallidipes (Opisthophthalmus).79. 87 
palli dus:4Scorpio) .zrysr ..83. 60 
pallipes (Opisthophthalmus)....... 87 
pallipes (Scorpio). rate. 159 
palmatus (Heterometrus) ....... 73 
Pandinus%. 212 2. zes sr nee: 24 
paraönsis (Broteas) .......... 172. 173 


parvulus (Hadrurus).......... 206. 207 


Index. 


peetinator (Ischnurus) ........ 114. 115 
Petersii (Palamnaeus) .......... 34. 35 
Petersii (Scorpiops) ...187. 188. 190 
Petrooicus m... 2 24. 26. 77. 85 
phaeodactylus (Anuroctonus) ....... 196 
phaeodactylus (Centrurus) ........ 196 
phaeodactylus (Uroctonus) .193. 194 

196 
phipsoni (Scorpio)... 2%. 22 Ir 46 
Phoniocereus...212. 213. 214. 234 
pieipes (Euscorpius) ...:..... 154. 159 
pietus (Chaerilus)...... 141. 142. 143 
pietus (Opisthophthalmus).....80. 102 
pietus_ (Phoniocereus)r.. . I. rl 234 
pietus: (Uromachus) er... 2 ee 143 
pilosus (Opisthophthalmus) ..80. 100 
pistaceus (Ischnurus).. 2.2. ner 135 
planimanus (Urodacus)...... 19. 20. 23 
Pocockii (Centromachus) .......: 238 
politus (Telegonus)...... 212. 215.216 
praedo (Opisthophthalmus) ...81. 107 
privus (Uroctonus). ......... 193. 194 
propinquus (Heterometrus)....... 13. 76 
provincialis (Seorpius)........ 155. 159 
pugnax (Opisthophthalmus)...80. 105 
punctatus (Vejovis) .......... 203. 204 
punctipalpi (Buthus) ......... 198. 199 
Puryesis(VDiclus) 2. ern un 9. 12. 14 
quinquedentatus (Chactas) ....164. 178 
reticulatus-(Buthus). ...... 2.22 53 
robustus: (Hadrurus).. ....... 2.20% 207 
\oeseli (Heterometrus)...... 1: 62 
rubrolineatus (Chactas)........... 165 
Fufus (SCorpius) re Ne ee 159 
sceaber (Diplocentrus).......... 13. 15 
seaber. (Pandinus)onz... u... rc 58 
sC@ber/(SCorpio).ne 2. re 32. 58 
Schaum (Chactas) T.2.....r 164. 178 
Schaumii (Hadrurochactas)...... 178 
Schuberti (Vejoyis).........n.202 198 
scintilla-(Hoploeysts).. . 2 zen 8 
Sclateri (Hadrurochactas) ......... 178 
B.COL DIOR TINTE EEE 27. 28 
Scorpionidwern. ana. 2er Ne 
5 COLPLONINL I 6. 24 
DCOTP1ODERe I a 182. 185 


Index. 


septemdentatns (Opisthacanthus) .. 123 


setosus (Buthus)....2.2 222..2..2...53 
Sieanus- (Scorpius)Pg. er ra 159 
signatus (Bothriurus)......... 223. 232 
silenus (Palamnaeus) ........... 35. 41 
Simoni. (Seorpio) euren 62 
Simonıı (Chactas) = na... 166. 169 
solidus (Scorpiops)........... 187. 188 
Spinifer (Buthus)ees ee 34 
spinifer (Heterometrus) .......... 34 
spinigerus (Buthus)............... 203 
spinigerus (Vejovis) ....... 199. 203 
squama (Öercophonius)...... 213. 236 
SQUAMAADCOrPION- I Fe 236 
sulcatus (Cyphocentrus)...: ..... 9. 10 
sulcatus (Diplocentrus) ... ...... 9. 10 
sumatranus (Timogenes) ..... 223. 224 
suspectus (Hormurus) ............ 154 
Swammerdami (Scorpio) ..... 30. 42 
taeniurus (Ischnurus)......... 114. 115 
tAUTICUS(SCOLPUS). en an 159 
TKelegonuser nee 211. 212. 215 
tenuis (Opisthophthalmus) ........ 7 
tergestinus(SECorpius) m .......um: 159 
testaceus (Buthus).. 2..... 2.0... 13 
testudinarius (Acanthochirus)...... 236 
Meutchraustesr u. 151. 179 
IChresty lee 212. 214. 218 
Thorellii (Palamnaeus) ......... 35. 40 
Timogenes.....a...: 212. 213. 223. 224 
bityprus (Hadogenes). ..unn...e. 118 


tityrus (Ischnurüs)........... 115. 118 


245 
trichiurus (Hadogenes) ........ 115 
trichiurus (Ischnurus) ........ 114. 115 
troglodytes (Ischnurus)....... 114. 115 


truncatus (Chaerilus) ..141. 143. 146 


ÜOIEtoOTUS 182. 193 
[UMoIdlalcHnn ee 6. 17 
URAN US 18 
ÜROmachU Ser 141. 143 
Ürophonius... ...212: 213. 214. 220 


validus (Opisthacanthus)....120. 128 
validus (Opisthocentrus)........... 128 
VanBenedenii (Chactas) 165. 167. 171 


variegatus (Chaerilus) 141. 142. 144 
VER OEL ade. ’. 181 
NVIelOsvslBsh. rare me 182. 198 
versicolor (Telegonus). ..212. 219. 232 


NALORISLlSCOrDIO)" ee. 63. 68. 69 
vittatus (Bothriurus) ..223. 224. 228 


yittatusa (Buthus)e. ar se 228 
Wahlbergi (Miaephonnus) ......... 33 
Wahlbergi (Öpistophthalmus) 78. 83 
Waiglensis7(DEOrPIO) 2. er nee 135 
Weberi (Hormurus).......... 135. 138 
Weijenberghii (Telegonus)....215. 216 
Whitei (Diplocentrus)......... 12. 13 
Whymperi (Chactas)........ 166. 168 
woodwardii (Urodacus) ......... 19. 20 
Xambeur (Belisarius) a... 2.0.2... 162 


246 


Figurenerklärung. 
Tafel 1. 


Blase von Diplocentrus antillanus Poe. 

Beweglicher Finger des Oberkiefers von Nebo hieronticus (Sim.). 
ne ” PR v: „ DPiplocentrus Whitei (Gerv.). 

Endtarsus des IV. Beinpaares von Nebo hierochontieus (Sim.). 


n er r „„ Diplocentrus antillanus Poec. 
x » D,ıanr 

" hr ” H „ scaber Poc. 

E en > N 5 Whitei (Gerv.). 


Beweglicher Scheerenfinger von Urodacus novae Hollandiae Pet. 
Endtarsus des IV. Beinpaares von Scorpio Swammerdami (Sim.). 
arabicus n. sp. 


eh} „ FR) ne} 7 
" EN, ” a 5 pallidus n. sp. 
: De £ „„ Heterometrus palmatus Ehbe. 
1) ” r o 


Dasselbe von unten. 

Letztes Caudalsegment von Heterometrus palmatus Ehbe. 
Dasselbe von unten. 

Unterfläche des Unterarms von Scorpio dietator Poc. 
Ein Stück desselben vergrössert. 

Unterfläche des Unterarms von Scorpio indieus L. 
Cephalothorax von Scorpio indicus L. 


# 5 = longimanus Herbst. 
Beweglicher Finger des Oberkiefers von Scorpio longimanus Herbst. 
» 5 en n Fe = fulvipes (Koch). 
MM ee = ” ” 35 africanus L. 
s = ” 5 5 " Swammerdami (Sim.). 


Sternum von Scorpio africanus L. 
5 Br ” indieus L. 
Kamm von Scorpio indicus L. 
5 op ” fulvipes (Koch). 
3 n “ ceylonicus Herbst. 
nn > bengalensis (Koch) 4. 
en „ Opisthophthalmus opinatus (Sim.) 2. 
” „ ” ” „ I. 


Stirn mit Stirndreieck von Opistophthalmus capensis (Herbst). 


Endtarsus des III. Beinpaares von Opisthophthalmus capensis (Herbst). 


Y sau: 5; s, 7 pietus n. sp. 
en Fe 5; 5; e pugnax Thor. 
Hand-Oberseite von Scorpio fulvipes (Koch). 


75. 


” 


„ 


” 


Figurenerklärung. 247 


Tafel II. 
Beweglicher Finger der Hand von Hormurus caudicula (L. Koch). 
Blase von Hemiscorpion lepturus Pet. 2. 


” 


Dec. 


II. Caudalglied von Hadogenes trichiurus (Gerv.); bei b. Querschnitt. 
oO o ’ 


Blase von Uromachus pietus Poc. &£ (nach Pocock). 
Hand von Opisthacanthus elatus (Gerv.). 
madagascariensis n. sp. 


” 


Endtarsus von 


1. 


” 


” 


” 


Öpisthacanthus asper Pet. 


Hormurus australasiae (Fabr.). 
Ischnurus ochropus C. L. Koch. 
Jomachus laeviceps Poc. (nach Pocock). 


Vorderrand des Cephalothorax von Opisthacanthus elatus (Gerv.). 


. 


. 


” 
Hand von Chaerilus variegatus Sim. 
truncatus Karsch. 


„ 


” 
t) 


” 


„ 


” 


” 


” 


” 


” 


” 


er Lecomtei (Lue.). 
> madacascariensis n. sp. 
” asper Pet. 


Beweglicher Finger der Hand von Chaerilus variegatus Sim. 


” 
Unterlippe von Chaerilus variegatus Sim. 


” 


” 


”ı 


» 


ss celebensis Poc. 


Sternum und Kamm von Chaerilus variegatus Sim. 
Sternum von Chactas Van Benedenii Gerv. 
Augenhügel von Chactas Van Benedenii Gerv. 
Broteas maurus (Herbst). 


” 


” 


Kamm von Megacormus granosus Karsch. 

Sternum von Euscorpius italicus (Herbst). 

Broteas maurus (Herbst). 

I. und III. Caudalsegment von Hormurus australasiae (Fabr.). 


” 


” ” 


” 


2: 


„ 


” 


* caudicula (L. Koch). 


Außenfläche der Unterhand von Euscorpius flavicaudis (de Geer). 


. 


” 


2 


.. 


. 
p) 


hy carpathicus (L.). 


Hand von Euscorpius carpathiceus (L.). 

Stigma von Broteas maurus (Herbst). 

, „ Broteochactas Gollmeri (Karsch). 

Beweglicher Finger der Hand von Megacormus granosus Karsch. 


” 


” 


„ 


” 


. 


„ 


Euscorpius italicus (Herbst). 


Beweglicher Finger der Hand von Chactas Van Benedeni Gerv. 
Endtarsus von Broteas maurus (Herbst). 

‚„„ Broteochactas Gollmeri (Karsch). 

‚„ Hadrurochactas Schaumii (Karsch), nach Pocock. 
Chactas Van Benedenii Gerv. 


„+ 
”) 


” 


PB] 


” 


.. 


” 


Tafel II. 


Beweglicher Finger der Hand von Jurus Dufoureius (Brulle). 


” 


eh) 


” 


. 
” 


» 


eb} 


Scorpiops longimanus Poc. 
Uroctonus phaeoactylus (Wood). 
Vejovis mexicanus C. L. Koch. 


83. 
84. 
85. 
Sb. 
87. 
88. 
89. 
90. 
Sk 
92. 
93 
94. 
9. 
9. 
Sirk 
98. 
99, 
100. 
101. 
102. 
103. 
104. 
105. 
106. 
107. 
108. 
109. 
110. 
111. 
112. 
113. 
114. 


Figurenerklärung. 


Beweglicher Finger der Hand von Hadruroides lunatus (L. Koch). 
oe re 5 n „ Caraboctonus Keyserlingii Poc. 
Sternum und Kamm von Scorpiops longimanus Poc. 


en ., 3 “ n Jurus Dufoureius (Brulle). 
2 on ke er F Uroctonus phaeodactylus (Wood). 
” er n r r Vejovis mexicanus (C. L. Koch. 
Endtarsus von Jurus Dufoureius (Brulle). 
: „ Scorpiops longimanus Poc. 
„, Uroetonus phaeodactylus (Wood). 
> », Vejovis mexicanus C. L. Koch. 
2 ‚„ Hadrurus hirsutus (Wood). 
.s „ Hadruroides lunatus (L. Koch). 
Blase von Scorpiops longimanus Poc. 
53 „  Uroctonus phaeodactylus (Wood). & 
Augenhügel von Scorpiops Petersii Poc. 
ee = 1 Hardwickii (Gerv.). 
Beweglicher Rs der Hand von Centromachus Pocockiüi n. sp. 
” en „ Urophonius brachycentrus (Thor.). 


Beweglicher Fin inger der Hand von Bothriurus chilensis Karsch. 

55 = . e „„ Cercophonius squama (Gerv.). 
Kamm von Brachistosternus Ehrenbergiü (Gerv.). 
Sternum und Kamm von Bothriurus Burmeisteri n. sp. 
I. und II. Caudalsegment (Unterseite) von Thestylus Glasioui (Bertk.). 
V. Caudalsegment (Unterseite) von Bothriurus Burmeisteri n. sp. 


I r = 2 arr 
n » » „ „ d’Orbignyi (Gerv.). 
„ „ „ » hr vittatus (Guer.). 
” 5 = Rn . chilensis (Karsch). 


Endtarsus von Bothriurus chilensis Karsch. 
‚„, Cercophonius squama Pet. 
„> „„ Brachistosternus Ehrenbergii (Gerv.). 
er „ Phoniocercus pietus Poc. 
Thestylus Glasioui (Bertk.). 


Jahrbuch der Hamburg. wissensch. Anstalten XI, 1. Tafel I 


Druck v Lütcke & Wulff E. Stender gez. u.ltk. 


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Jahrbuch der Hamburg. wissensch. Anstalten XL. I 


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Kraepelin, Revision der Skorpione I. 


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